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^richte
ogischen und
Classe
ssenschaften
Sitzungsberichte
philosophisch-philologischen und
historischen Classe
k. b. Akademie der Wissenscliaften
zu Münclien.
Jahrgang 1890.
THIS ITEM HAS BEEN MICROFILMED BY
STANFORD UNIVERSITY LIBRARIES
REFORMATTINGSECTION1994. CONSULT
SUL CATALOG FOR LOCATION
Mflncheii
Verlag der K. Akademie
1890.
Sitzuni^sberichte
1 philosophisch-philologischen und
historischen Classe
k, b. Akademie der Wissenschaften
au M-ünchen.
Jahrgang 1890.
THIS ITEM HAS BEEN MICROFILMED BY
STANFORD UNTVERSITY LffiRARlES
REFORMATTING SECTION 1994. CONSULT
SUL CATALOG FOR LOCATION
Hff nttheii
n M 8. Flui.
175370
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I ■ • • •
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Inhalts - üebersicht.
Di« mit * bezeiehneten Abhandlungen sind in den Sltsongsberiohion nieht abgedmekt.
Philosophisch-philologische Classe.
Süjsung vom 3. Januar 1890.
Seite
Wecklein: Dramatisches und Kritisches zu den Fragmenten
der griechischen Tragiker 1
Sitzung vom 1, Februar 1890,
y. Christ: Die verbalen Abhängigkeitskomposita des Griechi-
schen 148
Schnorr von Carolsfeld: Beiträge zur Sprachenkunde Oze-
aniens 247
Sitzung vom 1. März 1890,
Wölfflin: Die Inschrift der Columna rostrata 293
H i m ly : Sprachvergleichende Untersuchung des Wörterschatzes
der Tscham-Sprache 322
£. Schlagintweit: Bericht über das Denkmal für Adolf
Schlagintweit in Easchgar 457
IV
Historische Classe.
Siißung vom 3, Januar 1690.
Friedrich: Zur Entstehung? des liber diumus .
Sitzung vom 1, Februar 1690,
(Kein Vortrag)
Sitzung vom 1, Märe 1690,
Riezler: Zur Geschichte der Herrschaft Waldeck
waldeck) in den bayerischen Alpen
*Y, Hefner-Alteneck: Die Poesie der Frau Minne
Werken der bildenden Kunst des Mittelalters .
Einsendungen von Druckschriften
Register
l
Sitzungsberichte
bayer. Akademie der Wissenschaften,
Philosophiach-pliilologische Classe.
Sitisung vom 3, Jaouar 189ü.
Herr Wecklein hielt eineu Vortrag:
, Dramatisches nnd Kritisches /.n dpn Frsm-
meaten der griechiacben Tragiker.'
Die uftchfolgmideii Bemerkungen verdanken ihren Ui--
üprung dem Studium der neuen Auflage der Fragmenten-
sanimluug von A. Nauck, Dieses schon in der ersten Be-
arbeitung tretttiche, iu der neuen ganz vorzügliche Werk
legt lins den gegenwärtigen Stund der Knrachiing und des
Wianens nach allen Seiten dar und «o liegt gerade jetzt, wo
man sofort orientiert sich gleich der Sache widmen kann.
eine besondere Annehmlichkeit darin, diesen koätbai-en Renten
d«i Altertums seine Aufmerksarakeit 2u/,nwendeu.
1) üeber die Auge des Kuripides.
Im dritten Budh der nnnenischen Rhetorik lies Mo^ie.s
.die Obrie" wird als drittes Progymna^ma eine Widerlef^ung
TOn .Erzählungen der Dichter" in Bezug auf Henikles ge-
geben. Alu sittenlose Paljelei ein«w snlchen Dichters wird
^
. * • • •
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2 Sitzn}W*'(ffr\phäo8rphi1ol. Ciasse vom 9. Januar 189Ö,
" • • • •
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..^Igende S&ge geboten:^) ,In einer Stadt Arkadia
\,\*?jßV»t**der Athena abgehalten worden, und als eine Pi
• • • . • •
derselben, Auge, die Tochter des Aleos, an der näcl
Feier getanzt habe, da habe Herakles ihr Gewalt an
Und zum Merkmal der Verführung einen Ring bei
rücklassend, sagt er, ging er weiter. Und von Aug
sie von ihm schwanger geworden den Tele]>hos geb
von seinem Schicksale den Namen erhalten hat. Und
Vater die Verführung erfuhr, zürnte er sehr, und sie sei
dass er den Telephos aussetzen lies« in die Einöde, u
ihm eine Hirschkuh das Euter gab. Und die Auge
er durch Versenken vertilgen. Zu jenem war in die
Herakles gewandert, und da er wohl an dem Ringe er
dass von ihm die Verführung geschehen sei, lud er i
jener von ihm geborene Kind auf, und jene rettete
dem drohenden Tode. Und sie verkünden dann wi<
dass gemäss der Weissagung des Apollonos [sie!] T
von ihm die Auge zum Weibe genommen habe u
Telephos zum Sohne." Dieser Mythus ist zuerst du
lateinische Uebersetzung von A. Mai in Euseb. Chr
Mediol. p. 294 bekannt geworden; Meineke fragm. (
p. 57 hat darin den Inhalt einer Komödie gefunden,
mowitz-MöUendorif Anal. Eur. p. 189 das Argume
Euripideischen ^vyi] erkannt. Nauck scheint die F
keit dieser Annahme zu bezweifeln, da er die Ordnu
Fragmente in keiner Weise geändert hat. Aber die
tenen Bruchstücke erheben die Herleitung über jeden Zv
1} Nach der Uebersetzung von Baumgartner in der Zeitfi
deutäclien morgenländ. Gesellsoh. 40 (1886) S. 476. Auf die i
lung von Baumgartner hat mich Herr Koll. Kuhn aufmerkf
macht.
2) Auch C. Pilling, quomodo Telephi fabulam et scrip
artiticeH veteres tractaverint. Dissert. von Halle a./S. 1886
überzeugt sich 8chlie8slich von der Richtigkeit der Annahme
Wecklein: Fragmente der griechischen Tragiker. 3
Vor allem gehört fr. 265
vov S* oivoq i^ioTtjoi fi"' ofioXoyw de ae
odiKLeiy, t6 d' ddixrjfA^ iyivet' oi5% iy^ovaiov^
velcbes bei Naack immer noch wie in älteren Sammlungen
der Fn^mente am Anfang steht, in eine spätere Scene, zu
der Unterredung des Herakles und der Auge. Darauf hat
^rhon Wilamowitz a. 0. aufmerksam gemacht. Frgm. 266,
weiches bei dem. Alex. Strom. VII p. 841 sq. mit den
Worten angefQhrt wird: ev di nat fj .Avyi] dixaioXoyovfitvrj
.7^0$ siiy^^d'r^vav eni z(p x^AcTraiVfiv cjrtJrj teroxviif ev Tip
ti^i iiyti und welches ich darum so schreiben möchte:
{javaaa* y^^avay, cxvka fxiv ßQoroqf&OQa
XatQ€ig dQfjüoa xal vexQwy eQeima,
xov fAvaaqa aoi ravr^ iarlv ei d' iyio erenov,
dtivov Tod' fffi;
diestes Fragment würde ich als etaßoXri xov ögafiarog be-
trachten« wenn es nicht notwendig erschiene, vorher den
ZoiK^hauem das Vorgekommene und die Verhältnisse der
handelnden Personen auseinanderzusetzen. Da am Anfang
des Stfickes, vor der Parodos, ein Zwiegespräch der Auge
und einer vertrauten Person, ofienbar einer Amme, statt-
tindet. so lasst sich schliessen, dass die Amme die delikaten
Eruffinungen gemacht hat, welche ffir Auge minder schicklich
waren. Diesem Monolog der Amme muss wohl fr. 269 an-
sfehoren :
"E^ora d' ootiq fii^ x^eov nqivei fieyav
xai zw a:rav%0)v öai^ovojv ineqzaTOv,
ig oxaiog loxiv ij i^akwv aneiqog Siv
ovx otie xov fAeyiaxov dvd-Qcinoig ^eov.
Bs tritt also zuerst die Amme auf, zu dieser kommt
nachher Auge aus dem Teni|)el heraus. Der Gegenstand
■i SinuJig rfrr jMm.-}Mol. Chmr i-om 3. Jmiiiar 18m.
ihres Zwiegesprächs ist der Zorn der Göttin (fr. 2ß(i). W'w
hat sich dieser i^eotl'etibart? Fr. 2ö7
dtivtj nölig vooota' dreveioxeiv tluvm
verrät uns, dass die Wendung der Sage, wie wir 4e lioi
Äpollodor II 7, 4 linden, auf Eunpide») zurücksteht: ;taqtiiiv
dt Teyiay 'fi^axXr^s TtfV ^i'yjjv '^Keov &vy(nf^ otoav dy-
roüv tg>!t6ifey. r, dt ttxovaa xQVfpa lö ßqlfpog xatiöero tr
Trp tefifVEt tijg ^!}rjväg. koiftfji de tijg x'^C^S tp&Bigo-
(tivijt; ^isog Eiaekäiov xai i^evy^aag eis tö rtfievog (1.
eiBsX!ttiv eis tö tifievog xai ffeivi^oas) lot; t^j; fftyarpoe
tüähai; etipf TÖ fiiy ovv ß^tifiog eig tu fla^iHfiov oßog fit-
!f£io. xai TOVTO (lev xata ife<öy uva rr^ovoiav iaditr/ &ij-
ijtfV ^liv yop äßittöxos «^la^o^* iniay^ev adtili, Tintftiveg dt
ävBi.üt.iEvoi tö ßqifpog Tr^Xeq'Qv fxöXBoay avzöv. Vgl. III 9, 3
-4vyij . . vip' 'Hgaxi^oig {fi!>a^Eiaa xatixqvit'E to fie^^og fv
tili tefiivei t^s ^^^t/VÖg, tjg elxB irjv ießwoiV»^»-. äxögnov
äi tf/g yils ^levovatjg xai firjviörtiav tüv xV'flf'^'"' «»"'"' "
fV tff ttfjtyet tfjg l^itt^vög äraaißij^ia, tfiifealtdaa iitö TOt-
nazQog iia^äo^ij Navti^ifi i:ii davärtii' nag* uv Tevit^g
i'i MvaiÜv dvvautr^g icaQoXaßtöv (w'tijv e/'j/'e. Diese Angaben
stimmen mit dem Ai^iment dea Muses mich in der Uer-
leitung da* Namens {i'ijiijV . . hXatfog . . T^ltijt>g] Bbereiii.
welche nbiiediea auf Kuripides hinweist. Vgl. 0. Jahfl
Telephon und Troiluä 'ä. 57. Es ist also durch den Zorn
der Güttin .\thena Pe^t uad Unfruchtbarkeit llber das Land
^i-kouiinen und Auge und ihre Vertraute keimen den (irund
des Zonies. Ihrom Zwiegespräch it^t wakrsclicinlich tinch
fr. 2G8
xai ßüv9vi(iv yod r,iiotg ifir,y x^Q**"'
KnKuwei^en. Wenn man nämlich den Satr. aU Prngesslx
aiilTaaKt, so hut vorher in der Stichomytliit die Amme i;r-
kliirt, daxs mu dprliüttin ein Opfer ni-liriicht habe, um ihren
U'tcUem: Frifjaict'
der i/rirehi/idirn Tnuj
i
(»roll Kii beschwichtigen, und auf Hie Frage tler Aiigo wird
«e erwidert hüben, dass die GiSttin das Opfer ungnudi):; auf-
genommen halH>.
Ijefjt man das angefllhrte fr. 2'i7 der Amtne in den
■Muud, dann begreÜl man auch fr. 271
nri;i'ct: (tfr-yxetW' <" Ttxi'Cir, toii ilniäag.
Wie die Anrede « «'»»'oi' zeigt, fallen diese Worte der
Amme jtn. Ange also will »ich nicht von dem Kinde trennen
und verläset sich auf verschiedene ZufiUligkeiten. welche Het-
tiing bringen ki'mnen. Die .4nime dagegen sucht sie 7M
bestimmen, das Kind aus dem Tempel wegzuschaffen, da die
Entdechnng deasclben nicht zu umgehen sei, und redet ihr
alle Hoffnungen ans, welche sie auf eine glückliche Wendung,
etwt» auch auf die Rftckkehr des Herakles, setzt. Wie (iich
Ange zuletzt den Einreden der Amme fügt und sich schweren
Her/en» entschliesst. das Kind von sich zu geben, xeigt
fr. 277. welches Enger richtig geordnet hat:
(.^YTHy nol; nw^ St lijaet; tlg di vipv iiiaTÖg yiktjg;
iTPOfUOS^ ^rjrüiuev fjc 3' oxy^ rtg,*) äy&^iroiii xaxöv.
i^Yrfiy xcj tov!nx€igEiv y' fia^ia^iövetv ifiXBi.
Die Amme ist es also auch, welche fr. 27ti
t fiiy 'öxr^ vixüiiESn.
■I itqaaos vntgßaXotJO iii;
itpricht. Die Worte erinnern an Med, 407 nQÖg dt /.ai nsifi-
xafiev Yvvalxes, eit; ^fV ea!fi.' äfitjxovtüraiat, xaxiüv dt
näviiuv lixioveg aotpwTatot und Hipp. 481) t, rog' Sv o^'i
I) '^Zn T'''XU babe k-h Itlr ovx f'i tt'X'i ge sehr leben.
3) '/v i' ixrfl iis habe kh für '/ /tiixt/oi; jieidi rieben,
ileD >) i' iinviinii, tihpr ^Hvijni; )9l nicht bezeugt.
jn:vaixf.g fOftev ■ ii
tö A' ovx Sv fjfiiü
(*^ Sitzung der philos.'philol. Classe vom 3. Januar ItifH}
Je verwegener sie ist, desto mehr rnisslingt ihr Pil
ebenso im Hippolytos Phädra für die Voreiligkeit ihrei
büssen muss. Die oben angeführten Worte der Ai
TOvnix^i(}elv y' i^a^aQtdveiv q)iXei deuten dieses _Mii
an und weisen damit auf den Portgang der Handhu
Äuge gibt den Auftrag, das Kind heimlich aus dem
zu schaffen und bei einem guten Freunde unterzul:
dem sie sagen lässt Adesp. 399
Tov Ttäiöd ^01 Tovä' d^iwg ^HQankiovg
aber der Versuch rnisslingt. Die Frevelthat der Auf;
entdeckt, das Kind im Parthenischen Gebirg ausgesetzt
aber zum Tode verurteilt. Sie soll ins Meer geworfe
den. Diese Angabe der aus dem Buche „die Chric
nommenen Hypothesis wird durch fr. 270
oi rwv '/.axovQyiüv olxTog, dlld Tijc: äiTti^g
bestätigt. Nauck bezeichnet diese Worte als schwi
dorben und Enger hat scharfsinnig o tcov y.anoiQyojv
dvdXvaig öUrjg vermutet. Aber es lässt sich ein Zusa
hang denken, in welchem die Eigentümlichkeit der
ihre Erklärung fand. Wenn jemand, z. B. der Cho
vorher gefragt hatte, ob es bei dem König kein Mitlei
so konnte Aleos erwidern, mit den Frevlern gebe es l
allerdings kein Mitleid, wohl aber mit dem schnöc
letzten Rechte.
Dass xegag oq&iov fr. 278 auf die Hirschkuh hi
ist bereits von anderen bemerkt worden. Den Beric
über kann nur Herakles selbst erstattet haben. Und
wird die Angabe obiger Hypothesis bestätigt durch
rig d' oixl xalqu vr^nioig dd-VQ/AaOiv;
Herakles erzählte, wie er im Gebirge ein Kind, d
einer Hirschkuh gesäugt wurde, gefunden, wie er i
Wecklein: Fragmente der griechischen Tragiker. 7
dtfin kindlichen Spiele erfreut, dabei aber den ihm wohlbe-
kannten goldenen Schmuck^) entdeckt habe. Daraus schloss
er, was es mit dem Kinde für eine Bewandtnis haben müsse,
nnd machte sich mit dem Kinde auf dem Arme auf zur Mutter.
Hier haben wir die zwei Scenen, welche die Bildwerke
darstellen,') wie Herakles zu dem Kinde kommt, dem eine
Uin»chkuh das Euter reicht, und wie Herakles den Telephos
auf den Armen trägt.
Dieses Auftreten des Herakles kann uns bestimmen
Welcker in der Ansicht beizutreten, dass das Stück die
Stelle eines Satyrdramas vertreten habe. Allerdings müssen
die gegen Aleos gerichteten Worte fr. 275
vLaycwg d* oXoivxo Tiavreg oi TVQavviÖL
Xai^i'Oty oXlyjj t' Iv noXei ixovaQxi(f'
Tovlev^eQoy yoQ ovofia navzog a^iov^
xSy a^Uq ixf] ^tff, fieyoil' bxbiv vo/Ai^izw
Zweifel erwecken. Denn wenn der Widerstand des Aleos
Ton Herakles durch dessen Tod gebrochen wird, so ist der
Homor gestört. Vielleicht aber verhielt sich die Sache so.
In seinem Beginnen, mit Gewalt gegen Aleos vorzugehen,
wurde Herakles durch einen dens ex machina aufgehalten
und zwar, wie uns die oft erwähnte Hypothesis verrät,^)
durch Apollon, der die Auge dem Teuthras zur Gemahlin
bestimmte.
1) yRing' ist vielleicht ein un^^enauer Ausdruck bei Moses; es
wird wohl von einem XQ^'^^^^ Sofiog oder einem j^egiöegaiov die Rede
^wesen sein.
2) Zusammengestellt von Pilling a. 0. p. 84 sqq. V^gl. dazu
noch C. Robert, zur Erklärung des Pergaraenischen Telephos-Frieses.
Jahrb. d. arch. Inst. II S. 244 ff. und III S. 45 ff. n. 87 ff.
3) In der üebersetzung von Baumgartner ist die Sache deut-
licher als in der von A. Mai: ,praeterea dicitur Teuthras ex oni-
rolo Apollinis Augeam deinde uxorem duxisse Telephunique in filii
ioGO habuisse.
^ SitzutHj der philos.-philoJ . Cltusse vom .7. Januar lt>ff().
Kr. 27**^ und 274 konnten an verschiedtmen Stel
Stückes einen Platz finden ; es lässt sich über diej^elber
Genaueres fest-setzen.
2) Zu dem Ereclithcus des Phiripides.
Die Handlung des Stückes lässt sich nur im allj^e
bestimmen: was Welcker Gr. Trag. S. 717 ff. zusa
stellt, ist in vielfacher Hinsicht unsicher. Hier sc
eine Frage besprochen werden, die PVage: ist P]re<
sofort entschlossen, dem Delphischen Orakel, welch
Opfer seiner Tochter verlangt, Folge zu leisten? V
meint, Erechtheus habe gleich im Prolog seine Bereu
keit das Opfer zu bringen erklärt. Aber wenn die
des Erechtheus in fr. 3(^0
Tog x^Q^'^^S oüTtg evyeviog yaqittiai^
r]dLOv h [iQOvdiaiv oi di ÖQwai fiiv,
XQOPi^t di ÖQioai, dvayeviateQor (jtiXety
Entschiedenheit und Raschheit das Entschlusses fordi
muss jemand da sein, welcher zögert und sich geg
harte Opfer sträubt. Dies kann nur Erechtheus se
welchem nach V. 3() Praxi thea spricht. Eine Bestä
de^ssen geben ebd. die V. 34 ff.
^^Jw7 ^* naiäi arecfavog elg fxiiji f.i6i'fj
TcoXswg d-avovajj rrfid^ V7ieQ 6o^i]oeTai
y.al Tr]v TSAOvaav ycat at ovo ^' opioajroQio
awaei' li xovxwv ovxi dt£aa&ai y.aXüv;
Hieraus geht deutlich hervor, dass Erechtheus das
der Tochter bedenklich und unstatthaft findet. Woi
Erechtheus also enthält fr. 359
d-etiüv di 7iaidiov nov nQOTog; id ytivra yctQ
nQeioau) vof.itL€iv toüv doTHjf.iaTiov xQewv.
Hiernach verstehen wir die Absicht der Wort-e von 1
WfvkUin: Fragmente der griechischen Traijiker. 0
ot-x iim f.ir^TQdg ovöiv i^diov jinvoig '
fgare ftr^TQog, naldeg^ (og orx «W tQwg
loiovxog aiXog oatig rfiiuiv eqav.
Diese Worte richtet Erechtheus an seine Töchter. Wir
müssen annehmen, dass sie, nachdem Erechtheus den Pro-
li»jr im engeren Sinne gesprochen hat, zum Vater hinzu-
treten. Sie konnten von Erechtheus fnit Lsvyog XQiiiaq^evov
(:v>7) angekündigt werden. Die besondere Liebe der Töchter
7Jir Mutter aber bildet den Kontra!st zu der an und für sich
untre wohn liehen Erscheinung, dass gerade die Mutter es ist,
welche zuerst und am schnellsten sich entschliesst, das Opfer
des Kindes zu bringen. Die Mutter, nicht, wie Welcker an-
Lininit, Erechtheus, spricht ja auch die Worte Adesp. 411:
(fihix} xi'Kv\ alXa naTQid^ i/Ar]v fiaXXov (piX(7ß,
\\r|. Lyk. g. Leokr. § 101 q>vaei yaQ ovowv (fiXorixvwv
,\acun^ iwr yvvaiy.(ov tavTi^v (die Praxithea) i/ioiijae rijv
:i€tTQida fiaXkov rcSv rraldwv (piXotoav.
In dem grossen Fragment 3G2, welches also beginnt:
oQ&wg fi* htrfiov ßovlojuat de ooi, raKvovy
qqovtig yaQ rfirj yLanoawoai av nazQog
yrw^ag (pQaaavtog^ rjv d^drojy jiaQaivlaai
x€ijur|^^ ia^Xa xal vioiai x^rjai^ua
»
;ribt Erechtheus seinem Sohn Kekrops gute Lehren für die
Zukunft. Welcker meint, Erechtheus sei tödlich verwundet
Auf die Bühne gebracht und nehme Abschied von den Sei-
oi^n. In diesem Falle, wenn der Tod sicher wäre, würden
die Worte iqv &dvio wenig passen; vor allem aber eignet
*irh der Schluss schlecht für diese Auffassung:
crJU' (0 ti'Avov jMO/ 6dg ytQ\ wg ä-iyr] itaxifi^
xai x^m*' ^'^^' aidovg d'ov Xlav oairdl^o^ai'
yvyaix6(pQ(ov yag O^vfAog dvÖQog ov ao(fov.
1^) Sitzung der philos.-philol. Classe cum 3. Januar ISÜ(K
Erechtheus nimmt Abschied, um in den Kampf zu i
in welchem er fallen wird.^)
Um so mehr ist zu billigen, was Welcker bemerki
liegt in diesem Kranz von Sprüchen, wenn man will
Nachahmung der Abschiedsrede des Amphiaraos an AI
und dessen Bruder bei dem Ausziehen des Sehers zum
und zum Tod, in der Thebais".
Ein Bote muss nachher den Sieg über Eumolpi
richten und ein deus ex mnchina verkündet die Verwai
der drei Tochter in Hyaden (Schol. Arat. 172).
8) Ueber den Oeneus des Euripides.
Im Prolog tritt Diomedes auf und begrüsst das
seiner Väter Kaljdou, aus dem einst sein Vater 1
wegen Blutschuld auswandern musste. Er berichtet ^
wie Tydeus Eidam des Adrastos wurde (fr. 558), als s
am Kriege gegen Theben theilnahm und dabei zu C
ging, wie dann er mit den Söhnen der übrigen Geft
den Rachezug gegen Theben unternommen (559):
^yio di naTQog ai(A^ iTifjioQr^adftrjv
avv xolg ecp rßrjg jiaial tcjv oliokoiiov.
Von diesem Hachezug kommt also Diomedes her.
cker meint, es sei auch der Troische Krieg angerei
wesen, da nicht bloss Hygin (175), sondern auch Ant
Lib. (37) und Pausanias (IV 35, 1) das Ereignis des S
nach dem Troischen Kriege ansetzen, während Apc
den Diomedes erst nach demselben in den Krieg gegen 1
ziehen lasse. Aber gegen diese Annahme spricht das
zu Ach. 418 yiyqaTVvaL tip Evquiidrj dQcc/Aa Olvstg'
1) Als eine Möglichkeit hat dies, wie ich sehe, auch Hü!
Gaertrin^en, Wochenschrift f. klass. Philol. 1887 S. 673, hin«
Der Text erhebt es aber zur Gewissheit.
WeckUin: FragmefUe der griechischen Tragiker. 11
it lor O-avazov Tvditug xal STriaigaTevaiP Jiof^iqdovg xatd
hfßaiiov oqyjjQeiyr^ rr)y ßaoikeiav Olvecg dia t6 yfjQag vno
tvjr L-iyqiov iiaidiov TLat ir^qn^ei raicetvogy äxQig ov htavek-
tfbjy o xJiofir^dfjg ^yqiov piiv dvelXB, ttjv ßaaiXeiav de Olvei
c\-ti6iox€. Nach dieser Inhaltsangabe ging der Handlung
nur der Feldzug gegen Theben voraus. Dieser genügte zur
M«>tivieriing des frevelhaften Wagnisses, Ueberflüssiges liass
der Dichter bei Seite. Was wir bei ApoUod. I 8, 0 lesen:
Ol di yiyQiov naldeg . . Q(pBk6f.i€voi xriv Oiviiog ßaaikeiav zi[t
.laTQi bdoaav xai nQOOtTi twvxa tov Olvea TLaO^elq^avieg
jnüZorTOj das trifft für das Stück des Euripides nicht zu.
Allerdings ist in fr. 562 von schmählichen Misshandlungeu *)
die Rede, aber Oeneus niuss frei umhergehen (Tcegirjei ta-
.iiiv6g)j weil er mit Diomedes und seinem Begleiter zusamnien-
tri£Ft. Die Misshandlungen fallen also in die Zeit, in welcher
Oeneus des Thrones beraubt wurde. Aus Philostr. Her. p. 12
rtri 6i fioi exelvo ehre' olxela yeioQyeig lavxa, rj deOTtOTifjg
uiv avruiy ?TeQog^ av de TQerfowa tovtov TQetpeigj üaneq
tov toi EvQutidov Oivea, wo es eigentlich üa7ieQ 6 zov Er-
Qi.Tiiav Olveig heissen sollte, muss man schliessen, dass Oeneus
im Dienste eines Mannes steht, dessen Felder er bebaut. Man
iKrtracbtet
av de TQecpovTa nv TQe(p€ig;
als Bruchstück des Euripides. Aber das lässt sich aus der
Stelle gar nicht schliessen und die Worte sind weit geeigneter
im Munde des Oeneus. Sie können also ursprünglich etwa
iirelautet haben:
w — w — TQeq)Ovra tovcJ' eyiu TQeq^io.
Oeneus ist, wie er dem ihm unbekannten Sohne begegnet,
im B^friffe seiner Arbeit nachzugehen. Das geht aus fr. 5G3
hervor :
1) Vgl. damit Ae«ch. i'rg. 179, Sopb. 140.
12 iSitziuiff der jßhihsrphUnJ. CUiasc vom 3. Januar IHUO,
oyoXr^ /iuv ovyj^ rrp dt övoxvyovvii 71 (og
T£Q7ivdv ro kiSai y.d;roxXavaaa^ai y.axd.
Welcker bemerkt: «Oeneus in Lumpen d. i. ländlic
kleidet, wie aus den Acharneni (418) bekannt ist,
den Dioniedes mit seinem Begleiter als Fremde an (5<
orav xaxoi jiqa^Looiv^ 10 ^ivoi^ xakwg^
ayav xQaiovvieg xov ro^il^ovieg di'y.tjv
diooeiv töqaaav vcdvt' ecftweg fjdovy,
Üass er zu Unbekannten sofort von seinen Schic
spricht, ist durch sein Alter, seine Lage und durch de
blick von Miliniern hohen Standes hinlänglich nioti
Diese Auffassung ist nicht richtig. Es geht ein Zwiege
voraus (5()1), an dessen Schluss Diomedes den Oeneus
seine Schicksale zu erzählen, wenn er Zeit habe. (
erwidert, dass er zwar keine Zeit habe, dass er abei
ihrem Wunsche willfahre, weil es ihm wohlthue, .seine
fühlen Luft zu machen (563). Daran schliesst sich d;
Zählung, der Unbilden an, die ihm widerfuhren, wie ei
Kottabosspiel als f^dvtjg dienen und, damit der Hohi
werde, noch den Sieger bekränzen (562), wie er auf h.
Boden [dO^Qavevrov 5(59) schlafen niusste.
Den Schluss dieser Erzählung Vjüdete das ange
Bruchstück 564. In demselben fällt auf, dass zuers
gemein, dann von einem besonderen Falle gesprochen
Dieser Anstoss, welcher nicht etwa durch die Annahme
tÖQaoav aor. gnom. sei, gehoben wird, scheint für 1
Schmidt, Krit. Stud. II S. 475 f., der Anlass gewesen zu
<lass er an dem vollständig heil überlieferten Bruchi
vei*schiedene Aenderungen vornahm. Um die Worte r
aufzufassen, muss man sich dieselben ungefähr in folg«
Zusammenhange denken :
<xavrai;^' i(fdvy^i) rotx' o yiyveoü^ai qtkely
orar xaxoi ;rQdS(oaiVj w ^ivoi^ '/,ahog'
"W'ecltletn; Pragmente der griechischen Tragiker, \^
ayay TLQctTOvyreg klov vofAiCovzeg dixrjv
dtiaeiy Sdqaaav navx^ ifpivreg rfiovr^.
Hieran schloss sich fr. 565 an:
^lOM., av d' wd' tQfjiÄog ^vf^i^axiov Q7r6Xkvaai;
OIN. oi* ^iv yoQ orx6T' elolv, oi <J' ovieg "kwaoI,
Üie^e Stichomythie führte, wie man sieht, dazu, dass der
Sohn sich dem Vater zu erkennen gab. Denn Diomedes
oiuf^te den Vater an dem vorher Erzählten bereits erkannt
haben.
4) lieber die ^xvQtoi des Euripides.
Während von den Stücken des Sophokles ziemlich viele
aus Satvrdramen bezeichnet sind, finden sich unter den Dra-
men des Euripides verhältnismässig wenige, welche als Satyr-
dranien betitelt werden oder sich durch andere Kennzeichen
als solche verraten. Man darf daraus schliessen, dass unter
»ien Dramen des Euripides verschiedene den Charakter der
Alkestis gehabt und die Stelle eines Satyrdramas vertreten
haben. Sehr deutlich gibt sich dieser Charakter an dem
Bruchstück der 2xiQioi 682 zu erkennen :
f^ 7ralg voaei aov xd/rmivdvviüg i'xBi.
AYKOM. ^fQog Tov; rig atxi]v nr^/AOvq da/ia^erae;
/icSf XQVfAOg avrfjg vrXevQa yvf.ivd{^Bi x^^Vi
Die komische Frage des Vaters «hat sie Bauchweh?**,
während die Tochter von Achilleus geschwängert ist, hat
keinen Platz in einer ernsten Tragödie. Kaum auch dürfte
einer Tragödie das Wort /ra^aaoyyi^c; im Sinne von „Gesandter**
zokonimen. Die Grammatiker berichten uns, dass es in den
noiuirtq des Sophokles (fr. 477) und in den ^xvQiai des Eu-
ripides (686) vorkam. Von den Floii^Uveg urteilt G. Hermann
mit Recht: fabula ex illo genere fuit quod satyrorum locuni
teneimt. Mit Recht auch hat Nauck (zu Soph. fr. 121) in
14 Sitzung der phUos.-jihihl, Glosse vom 3. Januar ISOOi
BetreflF der Angabe, dass 7[aQaodyyrjg bei Sophokles iv U
ftdxii vorgekommen sei, seine frühere Vermutung iv U
^ud(f nicht festgehalten, sondern sich Welcker angesch]
der an die Rolle der Androniache in den Tloi^iveg d
Hiernach dürfte es keinem Zweifel unterliegen,
Adesp. 9
ov d' w To kaftJCQOv qxJig dnoaßevvvg yivovg,
^aiveig dqiaxov natqog ^EXkr^nov yeyvug^
welches Bruchstück aus einem Stück ^xvq^oi citiert
den ^'KVQioi, des Euripides und nicht, wie Brunck ann
den ^T^vQioi des Sophokles angehört. Denn wer vei
die humoristische Ausdrucksweise in ycSc; dTtoaßevvvg y
^aiveig? Diese Annahme wird bestätigt durch das I
von Bergk den 2xvqioi zugewiesene Fragment des
pides 880
orx iv yvvai^i tovg veaviag x^ewv,
diX ev oidr^i^ xcrv onXoig Tipidg ex^tv,
welches Mch als Fortsetzung an das vorher iinge
anschliesst.
5) Ueber Eur. frg. 953.
Unter den Fragmenten, welche von H. Weil (T
pyrus inedit de la bibliotheqiie de M. Ambroise Firmin-
Paris 1879) aus einem ägyptischen Papyrus veröffentlich
den sind (953 N.), hat keines den Kennern der griech
Tragödie grössere Ueberraschung oder vielmehr grösser
fremden bereitet als das aus 44 Trimetern bestehende I
stück, das durch Unterschrift als dem Euripides zug«
bezeichnet ist, in welchem eine Frau ihrem Vater, d
von ihrem bisherigen verarmten Gatten trennen und an
reichen Mann verheiraten will, die Pflichten ehelicher
Wfclilein: Fragmente der griechischen Tragiker. 15
Torbält lind denselben von seinen Absiebten zurückzubringen
!^ucht. Das Auffallendste an dieser ^fjaig ist der niedrige
and gewohn liehe, ganz prosaische Ton, der auch unter den
niedrigsten Ton, dem wir in den erhaltenen Stücken und in
den Fragmenten des Euripides begegnen, tief herabsinkt. Es
ürnugt den Anfang herzusetzen :
lu nareQ, ixQ^^ f'^^ ort; fyw koyovg liyto,
Tovzovg iJyeiv ai' aal yoQ oQ^oCei q^Qorelv
ai fdoiXov ^ ifji xal Xiyeiv ottov xi der
ifiti d' Qqifpiag, loinov eaz^ Yawg iiiia
ix tfß dvayKtjg ta ye dixai* at'rrjv Xiyetv. 5
ixelrog el fiiv fiei^ov T^dUrjxi t/,
ot*x ifAB jrQoarpiei Xa^ßdveiv tovtiüp dixriv
a d" eig l)u' f^fioQzrjxev alad-iad-ai (At Sei,
d}JC dyvoco dij tvxoy lOiog aq^iov iyio
oto\ ov'A av dnBLnoifxi' xairoi y\ lu TtdreQ^ 10
el raXXa nqiveiv iativ dvorjrov yvvfj,
rteQi Twv y' eavtr^g ifqay^dxiov Yaiog q^qovei.
tariü d' 0 ßovlBi'^) xovro W ^' dötyiei; Xe'ye.
Der Tulgäre Ton veranlasste Cobet, Mnemos. N. Ser. VIII
(18j?0) p. ()2, weil das Versmass nicht an eine Komödie
•if-nken lasr>e, das Bruchstück einem Satyrdrama nach der
Art der Alkestis zuzuweisen: „quis tandem serio inducere
in animum poterit cadere haec in heroicam aetatem et herouni
ftersonas, maritum in re angusta domi et uxoreui rei fanii-
liaris penuria in moerore vitam transigentem :
iva fdt] nataCw tov ßiov Xvnvfjivrj (21).
«Juae, quaeso, rfiioivr^ aut cogitare aut dicere nnquam potuit:
1} Mit eoTO) 6^ o ßovXei wiederholt sie nach der Zwischenbeiner-
kno^ xatrot . . Tao>g (fQovFi den Gedanken von ovx äv dviftjtoifii. Mit
Unrecht nimmt Cobet (u. ebenso Nauck) an, dass hier wie an anth;ren
Stellen ikuetgefMen sei «.qtiae pater roMpondebiit aut criminabatur".
L
xai iTOv loaavta xprj^at' eouV, w näte^.
a fiäXXov ärd^i; evif^vel tia^öna /ig,-"
Cubet erkennt in der Sprecherin dieselbe ihrem Gatten
ergebene Frau {fpiKavSQov yi'vahtct, Cleni. Alex, Strfjni. IV
1». IJ20), welcher frg. 909 gehört :
oväsftiay vinjon x.aiXog eis töaiv ^Lvaogov,
a^en, 6' wvijae noiXäs' näaa yog oyaiti] /icij
ijiii; avdfjt ai'rtftrjXE ntiKfgovclv tn.tatatai xif-.
tlijbet hnt dabei übersehen, dass durcli fr. 54«
näaa yäg öovXi^ niqmxtv ärÖQÖg ^ au>q^v jTvtj"
soviel wie erwiesen int, dass 900 aus dem Oidinmg stammt.
Weil (Revue de Pliilol. 1880 p. 1 ff.) hpbt Cnbet gegenüber
hervor, dass ein uns nicht einmiil dem Namen nach bekanntes
Drama dvs Ruripides auch den alexandrinischen <!rammatikeni
unbekiinnt gewesen äein lufSsste, dass In einer Koiiiiidie oder
einem Drama wie es die Alke^tis ist nicht leicht ein Vater
«ch soviel herauf^nehmen darf, imi die Tochter ihrem Gatten
za entziehen. Kuripides erweise sieh nls der Dichter wie er
bei Aristoplianns geschildert werde oixiia jigäyfjiix' etaayuiv
oii; zpnJ^ey 0*5 ^inofiev. Der erste l'iinwand von Weil
kann nns unter UnwitÄnden bestimmen, diis Fragment Knri-
pides ganz abzusprechen. Weil hat unter den Heldinnen
der den alexandriniiicheu tirammittikern bekannten Dramen
nur eine einzige gefunden, die nach der änge in einer ähn>
liehen Lage wich befunden bat wie unnere Sprecherin, die
lly^metho in den Tr^fttyiiai. Kuriptdat mtiftütc, wit.i noch
der gcwiühnlichen .Sage die Si'ihno thaten (Pau«. II 28, 3),
auf den Vater übertragen haben. Diese Annahme wird, wi«
ich in den Sitzungsber. 1SR8. I. S. llß bemerkt habe, durch
den Titel Tijunvidai widerlegt. Der T^'/itwji' d»- IDuripid«^
hatte, wie ich im l'hilol. IW S. lUO tf. dnrgethan habe, einen
anderen Inhalt. Fllr meine dort dargele^tfi Vermutung, dasn
der jJ^x^lttog nur eine neu« Auflage iJes Tr^fiBvos war, finde
ich eine Bestätigung in Stob. flgr. 56, 14, wo frg. 742
Etf>inißov Bofii^/jtvov angegeben wiril , was Fritzsche in
»einer Ausgabe der Frösclie dea AristopLanes S. 409 glänzend
in deit^qav Tijfievov euiendiert hat. Her dttreQog Tijfievoi;
ist eben der lieX^Xnogi (Phot. bibl. p. 444 b 29 EiQi.iiöov . .
Tip jJß^iXäiji jctuitEÜUxüzoq tqc Ti^ftiviw ngä^etg).
Das Kweite Argument von Weil wird dunih den Stichu«
de» Plautiia widerlegt. Mit Keciit aber bemerkt Weil
gegen C'ibet, iana in der Sprache <les Sut^ntramas durchaus
kein vulgarer Ton herrsche. Und darin liegt der ürun^,
warum iidi an der Autorschiift des Eurlpideä Überhaupt
xwuifeln uiiisti, Wäre nur der Inhalt hatisbackL'n, ao könnte
man «ich den Dichter, der o'ixüa tr^äyfiac' eia^ye, gefallen
lassen. Wo aber Hndet sich bei Euripides eine Übnliehe
Sprache? Dastu kommen drei besondere Kennzeichen, welche
iina von der Tragödie nnd auch vom Satyrdranta abfuhren.
Auf eines hat bereits Cobet aufmerksam gemacht, welcher
zn dem SchliiSHe:
tavi^ sattf äate ^ij ^e, ;rßog x^g 'Eatiag,
Qrrotttefr^atjg rtffdßög (;i auvtpiLiaas. 40
XOßlv SiKaiar xal ifiXävitunov, nateg,
atnö ae taictjv. et de fir^, av fisv ßitf
nfäitig a ßavi.ei, rrjv 6' ifn]v iytö ti^i^v
nstgtiaoft' tog dei, ^u^ fier' aiaxvvijg, (piqsti: 44
trcfffnd bemerkt : idem iisdern verbis Menander dicere po-
tuisaet, nam nihil siipra soccnni haec assnrgit oratio. Eiiw-
dem modi est n^^; irfi'EaTtag, quod poptilo et plebi in ori'
est, nun beroibus et tragici.^ persouia. Anazandrides Athen,
p. i*i(> D oqn^ xt%ki]aet. B. ito li, /rgös i^s'Boi/bj;; Straton
Ibid. p. 382 D «Wo tl nQÖg i,päg totta, repöt; i^y 'Eaiiai;;
Nocb schwerer wiegt der /weite Grund, die Elision de« ai
IWO. Plills*,-pbil<il. a. Mit ci. I ■;•
18
Sifsuni) lief iihihn.-lihil')!. (Uns
in einem Triiueter (44). Die Beispiele, welche Lobeck zu Boph.
Ai. 191 nnch gelten lässt. sind beseitigt, vgl. N&ack jiraef,
p. XV i nil p. 762, 7l>8, wr. in Fragmenten des Sthenelos
und Aguthun yiyvtt' Gberliefert ist. Man darf mit Bestimmt-
heit behaupten, in keinem Trimeter eines trngischen Dichters
findet eich die Elision der Endung ni im Paesiv. während
üie bei Komikern sehr häufig ist (z. B. Meiiand. 95, 155,
171». 290. 302, 310. 323, 326. 394. 404. 440. 462, &09,
535, 543, 548, 51)4, 5S5 a. s. f.). Allerdings eiiuht man die
Elision in unserer Stelle durch Aenderung zu beseitigen,
durcli nttQÖbo^iai jioig, durch nEiQäao/^at ötj, durch tijc d'
t^ijV i]iietg 11X1'' ^ei^aöfiea&a. Aber tüg öel hat vor ^^
fist' aiaxvvrjQ den besten Platz.
Endlich drittens kann weder in einer Trag&lie noch in
einem Sittyrdranm der ubsohit prosaische Ausdruck tvxöf (9)
ertragen werden. Derselbe kommt nirgends bei tragischen,
kommt nur bei komischen Dichtern vor, z. B. Men. 94 w
Tixov uEtahqt^Etat, 128 avtr^ yop ^^^ tvxov äva^tut tivt
}raQei.ofiinj aov navsa nQüoitr^aei naiiv. Diese drei Kenn-
zeifhen weisen mit Bestimmtheit auf die Komödie hin.
Um KU /.eigen, wie ein gewöhnlicher Inhalt in einer
der Tragödie würdigen Sprache gegeben wird, führe ich das
fragment des Ajetes von Sophokles 103 an, dessen Gedanke
in die Komüdie Qbergegangen ist:
deo'ßi- ye loig ftsv dvaaelielg xaxüv t' ano
ßXaOtovTag Uta itivods ^cV n^aoottv xoAüg,
rotg d' oiTos sü!>Xovii Ix t€ yenaimv Sfia
yeyütag tira dvavvxeig ne<fvv.ivat.
ov Xi'i*' ccd' ovitit daiftovas SvifTbiv ttifji
töaattv ■ ixe'i* y°V ""^S /**'*' •l'«|3£I$ ß^otüiv
txeiv ti xi^do^ ifi(pavfe itttüv näga,
loti,' ä' oviag o'dixwj *ovads t^v ivayiiar
Jixtp' xaxiüv ttfifügör tfiipavii tivtif
xovdeiii öV olTwt; t^iiix^t xwxög yeyt^s.
Weddein: Fragmente der ffriechischen Tragiker. 19
Bn sehr sprechendes Beispiel hiefÜr gibt auch das schon
oben erwähnte Fragment des Euripides 909:
ovdtfiiccy äyrjoe xaXXog elg noatv ^vdoQOVy
a^ferr^ d' ojyrjoe noiXag' naaa yag ayad^rj ywrj
^ng aviQi ovvtitTjxe aioq^veiv iniatatai,
nfwra fiiv ye tov^^ vttolqxbi' xav aiAOQ<pog t' /rocjig,
Xf^ doyLsiy evfÄOQq>ov elvat tj ye vovv xenTtj/iivr],
ov yoQ ofpd^aXiAog ro hqivbiv i,xvQiog tad^y dXkd vovg.
ev Xdyeiv d\ orcn* %i Xi^y xqr^ doxelv, xav ^ij Hyt]^
tdxnovtiv av rqt ^vovti nqog xotQiv fiiiXrj xbKbIv,
ifiv d\ ijv xccxov nd&rj t«, avaxvO-QiOTrdCeiv noaei
aloxoy fy xoiyqt te Xvrrrjg rjdovrjg ir' ixetv f^^Qog,
Nirgends findet sich hier ein Ausdruck, welcher der
trijipseben Sprache fremd ist.
Dagegen erinnert an Ton und Sprache unseres Frag-
mentes folgendes Bruchstück aus dem JvaxoXog des Menan-
der (12»):
Tc^ XQr^udtioy XaXeig^ dßeßalov TtgdyfxaTog •
u fiiy yoQ olad-a ravra naQafABVovvrd aoi
ug Ticnria voy xQOvov, (piXavte firjdevi
aiXiiß fievadidoig, avzog wv de xvQiog.
ci ff^ di aavtov, ^f^g tvxrjg de ndvt* exeig,
vi Qy ip&oyoirfiy w ndveQ, Tovtwv Tivi;
avtr^ yoQ oXkufi zvxov dva^ii^ Tivl
7€€tQelofieyti aov navta nQoaSiqaei ftdXiv.
diontQ eyuyye gnjfAi deJyy oaov xQoyov
£1 xvQiogf xM^^^' ^^ yevvaiiog, ndxeq^
avxoy^ inixovqeiy naatv^ einoQOvg noelv
oig ay dvyg 7rXeiotovg did aavzov (1. aavtov)' totto ydq
ditdyaxoy iati xdv note 7iTaiaag xvxS^t
Ixei^ey eatai zaitd tovto ool ndXtv,
TioiXip di xf^lxxoy iaxiv iiKpavrfi q^lXog
^ nXoivTog dtparffi, ov av xaxoQv^ag exeig.
20 Sitzung der phüo8,-philoL Classe vom 3. Januar 1890.
Mit V. 24 flF. unseres Fragmentes .
Tj Tvwg dUaiov ioTiv rj xalwg e'xov
xtjv fiiv dyad-wv jM€ to f^egog lov elx^v Xaßelv,
Tov awanoQfjd-f^vai di ^tj hxßelv fASQog;
vergleicht Cobet Menand. bei Stob. flor. 68, 4:
tüfv fAev dviaowv ex^ov
To fAeQog ändvTCJv, xüv d\ dyad-atv ovdiv (iiqog,
und Plaut. Stieb. 133
placet ille meus mihi mendicus: suus rex reginae placet.
Idem animust in paupertate qui olini in divitiis fuit.
Plaut. Stich. 141
ANT. Certumne est neutram vostrarum persequi
iniperium patrisV
PHIL. Persequiniur: nam quo dedisti nuptum
abire nolumus
erinnert an V. 34 fiF.:
or' r^v sycti nalg^ tote a' ^XQ'^^ ^rrBiv e.fAol
dvöo" ({) fue dwaetg' atj ydq r^v rd^' aiqeöig'
inei d' aita^ dedcjxag, iidrj ''ativ, 7cd%Bq^
i^ov axonelv rovr' xre.
Nun aber erhebt man gegen die Herleitung des Frag-
mentes aus der Komödie den Einwand, dass das Versmass
nur der Tragödie angehören könne. Ich will kein Gewicht
darauf legen, dass mehrere Verse wie
10 ova\ ovx av dvTeiTtoi^t' xaltoi y\ w irdteg,
16 rp (J* 0(j' av dQeaxfj rdvögi ravT* ai%y]v 7toelv
25 %wv /itiv dya&wv /ne rd f^egog tjv elx^v Xaßelv^
Tov avvaTroQrjd^r^vaL öi fAtj laßelv ^iQog
32 ixBlvog, hregq); ^exQi noaov rrjv Tr^g TvxfJS
dem Versmass der Komödie nicht fernstehen. Ich will nur
bemerken, dass wir die Weise der (mittleren und) neuen
WtMein: IfVcigmefUe der griechischen Tragiker. 21
EoiDÖdie zu wenig kennen, um nicht zuzugeben, dass in
einzelnen Partien und Situationen der Ton sich der Tragödie
aiherte. In der That finden sich unter den Fragmenten
am&ngreichere Partien, die im Versmass sich von unserem
Fngmente in keiner Weise unterscheiden. Beispieishalber
oenne ich Antiphan. 94
ta yffiag^ c5$ arcov fiiv dvd-Qwnoiöiv el
itod^tivov (ig evdaifAOVj cl^' orav nag^g^
ipl[&7lQav dg ^ox^rjQOv^ ev keyei ti ae
ovdeigy xcmuig de nag zig dg ao(pu)g Xeyei
iuhnl, 15, wo freilich absichtlich in sieben aufeinander-
blgenden Versen immer ein Perfekt Passiv in -tat {dUana-
^aK%€u^ dtiQ^XiOxaiy natrjXorjri^ai u. s. w.) den Vers bis zur
?aesar ausfüllt, Alex. 25
I« ravTa Xr^Qcig q^Xfjvaqxuv avw xcfrw
jivxsiov^ liTfLaÖTqpiBiaVy ^Siideiov jrilag,
hlj^ovg ooq>iarijv; oidi tv rovrwv x,aX6v.
rrirwfiey, ifÄ7civ(x)^€V, io 2ixwv, 2iiicov,
xaiQWfÄev olg eveazi iijV tpvxi^v zgeq^eiv,
tvQßa^e, Mdvt]' yaorgog oidiv ridiov.
avxr^ naxTiQ aoi xal naXiv fxr\triq fAOPtj.
dQtral de /rgtoßelai re xal OTQavrjyiai
xofijioi xevol ipo(povaiy dvT^ oveiQaTiüv,
iln-^ei G€ daifitov T(^ vienqto^avii^ XQ^^U* '
V^eig <J* oo'' ttv (pdyrjg te xal Ttirjg fnova,
anodog de TaXXa, IleQixXerjg^ Kodgog^ Kifxcov.
Worin unterscheidet sich in Bezug auf das Versmass
ron einer tragischen Partie das Gespräch des Kochs in der
Udijoia des Alexis fr. 149:
ovx lare zalg nleiataiac twv zexvüfv oti
ovx dgx^zixTwv xvQiog zr^g ridovrjg
fiovog xa&iazrjx\ dXXd xal zcjv xQ^f^^^^^^
ovfißdXXezai zig^ dv xaXwg ^f^w^xa/, f^tglg;
22 SitiHiig der jihUos.-philol. Clane rom 3. Januar t&90.
B. Ttolov Ti; Sü yag xofii tov ^tvov ftaSeiv.
A, züv ö\}ionoiov axeioaai zeiionüs; /lövov
dsl Tori/'ov, oiXo d' ovdi*. av (liv oiv ti'XJ]
d taita fifXXiov taSüiv le xai xgtveiy
eis xai^öv siätäy, löftlijae t»jv Tt^yriV
Of S' laie^iXjj i^S Tecayitivt^s ax^iiig,
loat' ^ ngoo'itijaayia x^iaiveiv näliv
tj fiij »Qooitciiaavxa avvrtXelv %a%i\
B. üg Tovg ooq)iotäg töv piäyBtQOv iyy^fio.
A. tatrjKait' ifisls, xäetai de fiai jö ntg,
i}dti itvxvoi d' ^Ttovaiv 'Htpaiaiov xiveg
xtn:(f<üis UQÖg tii&Qav, oJg ro ylyvtaitai tf' (ifia
xai TtfV TBXevT<^y loP ßiov ittv^tl'S %ig
i-ö/40tg aväyxifi d-tofiog ovj[ OQWfieyoq.
Ich verweise Doch auf Alex. 174, 240. 268.
Hiernach wird nna die Unterschrift
EYPiniJHCCMOJPErATHV,
würiii K. Holzner, Wiener Studien XI S. 170 f., Et^iftia>]g
JMOC EPPATHC ä. i. deättntog reyättje erkannt liat.
nicht irre machen können. Wir werden die Partie dem
Guripides absprechen und der Komödie zuweisen, mag nun
ein Zusammenhang mit dem Stichus dfi« PUntus liHstebeo
oder nicht.
i)) Zu den Fragmenten An* Aeschylns.
23 o taiffog d' eotuev xvQl$ety iiv' {iqx''*i
(f&aOavtog d' In' effyoig trijOftiiä^OBtai vtv.
Dieses Franment, welches Hephästiun ula seltenei« Beispiel
fortgesetzter Bacchieu anführt, bietet mehrere Schwierig-
keiten, an ilvreu Hebung luuu nicih vielfach versucht bat.
Der Form und dem 8inn nnch •^ivai. unbrauchbar ixt tfätf
WeeUein: Fragmente der griechischen Tragiker, 23
I m!¥€OQ. Leicht ergibt sich hieraus äaavtog. Vgl. Cho. 421
' iaarrog ix fiaTQog iaxi d^v^og. Hiernach möchte ich im
Torhergehenden nicht mit F. W. Schmidt, Krit. Studien I
S. 108 ai-v OQyq, sondern xat* oQydv schreiben. Auch Eur.
Med. 106 scheint, wie Witzschel gesehen hat, dox^lQ i^nd
o^ijg Terwechselt zu sein. Ausserdem verlangt die Kon-
«tmktion von n^mjdav den Gen. (tc5v lilXcjv 7TQon, führen
die Lexika aus Lucian an), also riqonrjdrfle^vai v(^v. Ueber
in tqfOig^ welches immerhin von daavrog abhängig sein
kernte, lasst sich wegen mangelnden Zusammenhangs nicht
arteilen. Doch kann ich die Vermutung nicht unterdrücken,
da» es ans ivagywg entstanden ist. Jedenfalls würde nun-
mehr der Text
6 tav^og d' eoixev xvQi^etv xar' ogydvy
aaavxog S* ivaqywg jiQOTtrjdriaetai vqiv
verständlich sein: „Der Stier droht im Zorne mit den Hörnern
ZD idossen; augenscheinlich nicht zu besänftigen wird er uns
beiden vorspringen*. Das Bruchstück gehört den BaaaaQai
an, der Stier ist also Dionysos.
57, 10 xvnivov d' eIxwv äad^ vnoyaiov
ßQoyrf^g qtiqexai ßaqvxoQßrig.
Geringere Handschriften bieten teils eix^^v teils i^x^- Daraus
erkennt man, dass uxiiv nur dem Bedürfnis, den Hiatus zu
besi*itigen, seine Entstehung verdankt. Da elxtjv neben üare
anbranchbar und an und für sich ungeschickt ist, niuss
fjxo' als ursprünglich gelten. Vgl. Prom. 1116 ßQvyJa d'
fjjw TiaQafivxatai ßQOvtf^g, F. W. Schmidt hat mit lyV'^
nnarav d' die avydq>eia der Anapäste aufgelöst, Herwerdeu
ändert zu viel, wenn er x^ia^' wcoyaiov ßQOvri^g tvndviov
{{na q^^ezai ßaQvzaqßr^g schreibt. Es genügt
tvndviüv i]X^ ^' üiod-^ vftoyaiov
ß^ovzifi ß^fietai ßaQvtaQßtjg.
21 Sitiung tier iihilos.-phüol. CluMe voni 3. Jutiuar IH90.
Tvndvov ist wahrwh ein lieh anter dem Eiuflass vnn ifnoyaioii
entstanden. B^ifjctat bat F. W. Schmidt (fefuii<)E-n.
itqiv di^ fiaQOvün datfxoviav ttg evtf^vwi
hikt HertnnDn entnominen ans dem Schol. zu So])h. AI. 833
q/ijoh di TTE^i aitov (über Aias, der nach Aeschylos nor &b
der Achsel verwnndbar war) ^hzii-Oi Sri xai tt, ^lifOS
Ixäi^fTteio, oi'dafif, ipäidoptoi^ rov nßf^oä 'D '^f^fi' ^oSsi"
wg tig f.yteivtüy, it^iv dr^ tig, ipr^al, n a^otaa äalfnav tdei^
otTfji xatä no'tov (ifQog de* yi^i\aa(}!>at rfj a<fayf^. Mit Un-
recht hat Hermann tyafiifte geschrieben; das Imperfekt ver-
langt der Sinn wie die Uebertieferung: iitäiinxeio scheint
aus «x«|U/n£ und der ersten Silbe von tö^ov eiit.itanden xn
»ein. Zweitens ist bei dem allgemeinen Ausdnuk die Be-
zeichnung einer weiblichen Gottheit unmöglich. Vgl. Soph.
Oed. T. 1258
XvoaÖivTi d' atT((i dai[i6yfiv deUvvai iit;.
Endlich scheint das willkürlich biiiznget'cigte eirpQovwg dem
Sinne wenig ?.u euteprecbeti, du eine »otche Handlung mehr
eine feindliche (iesinnung verrät. Der Gedanke aber xatä
noiov fttQog Ott xe^oooitat tf, o<foyj wird in der Sprache
der Poesie einfach mit t''> xalgior wit-dergogeben. Htemaob
mSchte ich vermuten :
Exa^itTB, tö^ov äg iig ivieivwy, ^iif(tg,
n^iv ^i) rra^iijy rig dainäviov x6 xai^tov
iätiiev m'tifi.
09. 20 :t^g ov Jfioixa fit^ ti f4nffyaivwy 6oßi
ACTYIJ^PB^P-I'ON diiäaji « Kai nä9j} xcxör.
leb habe öoq! f(ir JOPlil gosi-lzt. weil in Z. 4 auch tum^y
fllr VV Ol V, 5 ^M-ßywMi für §vröovi, 15 rfi}oytiXtiy fOr y^wr-
Weehiein: Fragmente der griechischen Tragiker. 25
«w, 20 iti für XI geschrieben ist und die Form doqeL nur
fSr Sophokles bezeugt wird, während Aescbylos sonst überall
Aifc gebraacht hat. Freilich bedienen sich die Tragiker
jwi5t nur der Form fiaqyav und da der Papyrus M^PF
AlAJOP^l mit N über AI bietet, niuss es sich fragen, ob
es nicht ursprünglich fiaQyoiajj %bqi geheissen hat. Vgl.
Bor. Hek. 1128 fAaQyioaav xiqa. Für aarvneQßaQvov hat
Weil arvniqßcnov^ Bergk vneq fioqov oder vtibq ßgoToVy
Herwerden und Nauck irtiqxarov geschrieben. Keiner dieser
Ausdrücke gibt den entsprechenden Sinn, am wenigsten der
Superlativ VTtiqvaiov. Das gebräuchliche Epitheton einer
That^ weiche todbringende Wirkung hat, ist oVi^'xcaTov. Vgl.
Che. 514 oprjxearoy naOog^ Eur. Hipp. 722 XO. fxeileig
ii dr^ %i d^y ari^Ataiov vloxov; (DAL x^aveJv, Dafür sagt
.\e&chjlos auch d^atarog Ag. 1468 d^varatov akyog e^Qa^ev,
Diese» Wort ist hier das allein geeignete: d^voxatov dqaoi]
tt xai zidd^ff xcTKOv.
117. Hesych. avvoqiy^iovog 7[6T(,tov' öoov eavvov ege^e
xai xcerevdig eccvTOQey/itovog , nagd ro ogeyeip xr^v x^^Q^-
AioxiXog KQT^aaaig will Hermann also schreiben: avxoQey-
uot^og /iOifiov olov taviov ^fdge^erai '/.axev&vg avxogey-
uorog \ rrotfiov^ , Damit ist dem sehr prosaischen Worte xa-
t€t9ig poetischer Wert beigelegt. Dieses Wort, welches L.
Dindorf in naxe^vae hat verwandeln wollen, bezieht sich
auf die zweite Ableitung: „geradezu von ogeyeip" . Die
Worte sind nur durcheinander gekommen : avxoqfyfxovog
.xdwfiov ' oiov iavxoqiy^ovog ov eavxov tgei^e, f xatevO^vg
:faqd ro OQeyeiv xry xec^a.
160 xai dofxovg lin(fiovog
y.avaid^aXwau) 7iiQ<p6qoiaiv alexoig.
Zu dieser Parodie aus der Niobe des Aeschylos Aristoph.
Vö. 1247 bemerkt der Schol. xegaworpogov ydg to Cofov.
Das mag sein; aber man hat einen Scherz des Komikers
26 Sitzung der phüosrphUol. Glosse vom 3. Janu4
übersehen. Augenscheinlich stehen die aleroi^
Hähne*, nur dem Herrn von Wolkenkukukshd
fügung, während Zeus Blitze zu schleudern pflegt
hat also geschrieben: nvqcpOQOioiv dorga/tatg,
431 Toy TTVQqiOQOv vLegavvov^ Soph. 0. T. 20<
äoTQanav.
242 odwv Talg ayvaig naqd-ivoig ya^rjkitov
XexTQiov aoTei ^tj ßXenfxatijJv ^ertBi ßoXr^,
Man hat ycifuov yog^ aldol yoQj xarw ycf^, f4uk
adiov Talg und Xiy.TQCov a/rci^ijg, XixTQiav anuqp
Nach Soph. Ant. 269, 441 ig nidov xoQa vevaai
frg. 243 viag yvvamog ov fue ^^ ^^ ffkiyiOi
ijTtg dvÖQog ^ yeyevfiivrj , welche Stelle ursprti
nach der obigen folgte, denke ich an
niöoi fABv ayvaig naq&evoig ya^riXlwv
lixTQiov äyevoToig ßXe^uaTwv ^inti ßoX%
254 10 7covgy dfAiiGaß a\
aber nicht w 7covg^ ag^ijaw ae hat Philoktet b<
ebenso gerufen, wie der Philoktet des Sophokles c
lemos zuruft: dfvafirjoov o5g ToxiOTa (rdv noda),
ist citiert bei Maximus Tyrius XHI p. 241 ^w n
ac" 6 OikoxTrlTfjg Xeyei, avd-QwnSy aq^g xal fjt
loidoQOv Tolg q^ikTOTOig fATjdi evoxXet rijV ^rjfivi
y^dvaTE iraidv'^ el uiv TavTa Xiyetg dXkatzofji
xaxov^ ovK dnodexof-iat Ttjg ei'X^g xtI. Sollte .
nicht einfach heissen ^lass es*", sondern sich a
hergehende Stelle beziehen , so müsste man a/
setzen.
304, 9 del di /aiaei tcSvcJ' a/t' aiXov elg tona
dQVfdovg FQTifAOvg xal ndyovg dnoixiel.
Es ist vom Wiedehopf die Kede. Scaliger dach!
Weddein: Fragmente der griechischen Tragiker, 27
Bailipnjg ronov^ Heath vermutete rwvd' dnaüayeig to-
«4tfr. Weder das eine noch das andere kann richtig sein,
v€il wegen au fjtiaei nicht eine besondere Oertlichkeit, son-
dern die besondere Eigenschaft eines beliebigen Ortes an-
gegeben sein mnss. In Erinnerung an die Abbreviatur von
Sw^fiairog und am den Gegensatz zu £^'jUOt;g hervorzuheben
mochte ich äel di fiiaei tüv biC dvd-QWJcoig totkov
fchreiben. Wie ich nachträglich sehe, erwartet auch Oder
.Der Wiedehopf in der griechischen Sage*, N. Rhein. Mus.
43 (1888) S. 542, den Sinn „aus Hass vor menschlichen
Wohnstatien*' und findet einen Anklang an unsere Stelle in
Ad. Tiergesch. III 26 o'i tJtonig eiatv ogvid^ojv drtfjviatatoi,
wai fioi doxovOi rußv nqoxiQwv twv QvO-Qionix,üfv ev f^vijfArj
mal fiivTOt xal piiaet xov yerovg %ov zwv yvvaixwv V7r07tli-
TUtp rag xaXidg iv talg iQ^fioig xal tolg ndyotg roJg vilrtjXolg.
362 diX* ovre noXld tqavfjiai'^ sv OTtQvoig laßciv
ihn^axii xig^ el ^ij tiqfAa avvxqixoi ßiov,
off' iv (niyij tig r^f4evog jioq' eoxiff
^eu/«i XL ^aXkov xov jterrQWinivov ^oqov.
Kann der Ausdruck xiq^a ovviqixoi ßiov genügen, um das
vom Schicksal bestimmte Ende des Lebens zu bezeichnen?
(}ed. T. 1530 heisst xiQfia xov ßiov das Lebensende, nirgends
die von einer höheren Macht gesteckte Grenze des Lebens.
Man erwartet deshalb si ^i} i^oIqo avvxqaxoi ßiov (^wenn
nicht der Anteil des Lebens damit zusammenfällt*). Vgl.
Herod. III 142 fioiQav xi^v ewvxov i^inlrjaet Hom. J 170
af x€ ^drrjg xal nox^ov dvankr^aijg ßioxoio,
•
7. Zu den Fragmenten des Sophokles.
22 äöntq ydq iv (fvlXoiaiv alyeiQOv fAaxQcg
xav aXXo ftrjdiv, dXXd xovxeivrfi xdqa
xiVT^ajjg avQaig dvaxovifiZei rixeqov.
28
SiUung der philot.-phüol. Clant vom 3. Jam
Herwerden vermutet »AiV« rig ai'ßo xavaxovqii^ei neo^,
Diudorf vuve't tig ai-qa itävaxoi'ftXei nttdöv. P. W. Scbmidt
schreitit ^tiiov fdr itTt^öt; Oompera nähr. Meine Bemer-
kung «legendum Kiffj tit; avqa, ndvta Yjjvfpi^ei »Td^y
(omiiiu, mnii fuüii, nmventur, tülluntur, evoliint). Cum lo-
cutione xouy/teif ujeqÖv cf. Ai. 1278 SA^a xovtfiieU'* hat
keine Beachtung gefninlen, offpnliar weil mau sich über den
riebraucli von xc* täiiacht. Der ellijitische Oebniiich voo
xav kommt bei den tm^iucben Dichtern nur in Verbiiidtntg
mit öh'yoe, oftiXQÖg, ßQayvg vor. Vgl. Sojih. El. 1483 oiW
fwi iiö^ei; xav antxqov Ehitiv. Eur. frg, 418 stSr afiix^ä
ai!iQoi\ wie auch Snph. frg. 375 Nauck mit Cobet wohl mit
Hecht MV (idaxiy t^ov ^et^chrielien hat. In un.sen-n) Fmg-
ment kann überdies der Sinn nur sein: .Denn wie in den
Btätteru der hohen Pappel, wenn ein Luftzug auch nur den
Wipfel derselben, sonst nichts bewegt, alles sich buwejjt und
auffiattert' . Es soll ja das Citsit bei dem ^chol. zu Hom.
ij 106 die Betibaelitung i« efHXa trjii aiyiiQov . . sinUn^a
^ffdlwi; xai t.iö it^otW^t: aiQoi; illuHtriercn. Unglücklich ist
darum die Conjeetiir von F. W. Schmidt tug tv itvtiXatair
yäff a\yt!qov /laxfä^ xar öXXo fitjd^v xir., dpnn bittni Ijturme
liewepen sich die? Blätter filier Bitumo.
AÜ ei inxtiög äh rä fpuiXa vixilaai t%v>.
Eint; merk würdige Erklärung von fpaila geben uns die
alten Grammatiker (F'hot. Lex. p. fi43, 8, Etjra. M. p. 789,
i'.\^ Sitid. II. ff^i'Xov u. \\): ifatXuv teäeif} ov xai irrt foü
ftsyälov. Diias diese Deutung unmüglich ist, hat bereits
EUendt bemerkt. Augenscheinlich iät die Deutung nur fdr
diese Stelle erfunden. Mau uum aber durchiins /.ugif^tti^ben,
das« der tiegeusat-/ zu fitXQog öiy diese Uedeiitung unbedingt
fordert Was also ist anzmiehmen? Oirenbnr, ditis bereit«
dem alt^en Graniumtiker. von dem die Erkliirung herrOhrt, aiDo
verdorbene Lesart vorlug und dass Sopbokli« geschrieben hat:
Wrckidn: Frafimfiilt der {irieehinriim Tragitri; 2fl
Vgl. Hes. yal^oi;- m'öödijs, ae^vog, fttyaXon ^tni^g, f
ftetiuiQoi;. EiQinldtji; (ßilaxz^rjj (f'rR. 788 ovöiv yäg oirui
jraiQOr mg oVijß «V')- Fragni. 44 luiiss t-ntweder alxfiöäetog
(Hesyth.) otler aijiftöhioe {Etym. M.) ein falscht-r Text ge-
wesen sein. Ein nuftnUeniles Beispiel eines weit znrück-
liegenden und einflussreichen Textverderbitisses bietet uns
das Wort fivfdög (stumm). Dieses wird bei Arkiid, p. 48.
11 und Steph. Byz, h. Bäläog unter den Oxytona auf dog
MitgefUlirt. Gebrmitlit hat das Wort Lykophr. 1375 und
Kallim. frg. 'idO. Mit der Krkläruii); aifiavog bietet uns
mtth He«ych. ftvvdog neben ftvöog (vgl. ^ftrög, nmtna).
Woher fttamnit diese merkwürdige Form? Die Antwort gibt
nna du Etym. M. p. 595, 1 ftvväog (X'Vi's." — f^yr/x^^' 6 fn,
atdüv. o&tv xal tiXoifi a/iu iXi.inij ti^v otia f^^O', verglichen
mit dem Citat bei Athen. VII p. 277 B (und Clem. Alex.
Strom. VI p. 787) xaia yog röf Soq'oxUa ,x°6°i <^ ävav-
äiov ixUroiv fVcggöyei" xti. Nicht ist hier, wie Berj^k und
Diudorf tbun, X'^G'^9 ^* fii'i-düv txtfii^v zu i^chreibeii, sondern
aus der Verderbung y<m J^N.-tYJliN m JEmrNJÜN
ist die falsche Form {twiäg abzuleiten, die bei dem
inangeüiafteu Sprachgefahl der Späteren eine ge-
wisse Geltung gewonnen hat. Ganz ähnlich verhält es
seh mit der Form jo^ß = iStiaüa im Etym. Flor. p. 153
f^dua!>a dt xorö myttoin'iV loila ygäycroi /verä lor /, Ei-
t^ni&tjii tlrjXei f,iiiqeafiev, öü' ovx ^ait' öV ov nagövia fis'.
^B^S 6 MtXtjoios. Dass hier jjOäävov zu lesen ist, hat erst
0. Wolff bemerkt. Mit Unrecbt hat man dem Schoi. xu
Uüta. ^ 423 xP'"'''^'" ^' "*<** nktiovtg öilot xwv fcottjtwv
rj xazä övri r^g hii. — ogn>s(i^s i.*y*" *"*' avtöy tag OQ^g
i^QjjDfim' (Trg. 812) geglaubt. Der Schol. ist getäuscht
worden durirh die Vertnuschung von /jeio und xaio, welche
in den Handschriften bäuGg ist und. wie eben der V. 424
a. 0, zeigt, schon in alter Zeit vorkam. Wir haben also
30
■SiliHiiy lUr iiliilos.'iibihil. f'hii
iytö uet' aizöv . . . i^i^x^/iai zu setKen. Ebenen beruht
äfiaqieiv im Hinne von tixolovlteiy trotz des Zeugnissps de»
Kustathiiis II. p. 592, 21 gewiss nur auf falscher Uebei^
HefeninK und tat Eur. tiSU öfja^ttiv zu schreiben. Nach
Strab. VIII p. 364 sollen Sophokles (<i82) und Jon ^4 ^^^
^äiQv gebraucht haben. Nanck meint, ^ sei das Homsriscbe
^ia. Vielleicht liegt nur eine Verwechslung mit ^a vor.
85 td xßT,'^ai' dv&^irotaty edgiaxei qitXovg,
ivgavyldog 9axoiaiv ay^hiiiv tigay.
För oyxiatfiv, wofür Handschriften auch alaxiaztjt' und
i]3iaTtjV biete», bat M. Schmidt faxarr^y vermutet, was nach
821 i,aiai yöq "(Jpp Zevf iy eaxäi^ !Ut5y sehr piissenil er-
schiene, weun nicht vne^cötrjg vorherginge. Die tudelnden
Hpithetn alaxlottiy und ^;;if(Vi^i' (das letztere hat Oaisford
vorgesuh lagen) liegen dem Sinne der Stelle vollkommen fem;
iiber auch ifilatijv, offenbar eine Correctur, i^it iinf^eeiguet,
da eher von Macht und Grösse die Hede sein muss. Hat
Dindorf lex. Aesch. unf«r äyytaiog Recht, wenn er fOr A^.
268 ayx'Otov , . ftoytirp^ov^ov f^xo^; die Form oQX'Oioy sta-
tuiert, so bann man hier ÖQxif^l*' i'd^y schreiben. Aber
diese Form uiu^ doch als zweifelhaft erscheineu. DeahiJb
vermute ich oßz*«^'»' fdg«"'. Vgl. Oed. K. 1293 loig aolg
naväqxo'S ey^axelr i/gavoig. In V. 11 desselben Fragment«
beisst es von dem Reichen weiter
fioyi^ i
Man kiinnt« an x.ai voaarvt' /$ovala denken, nber ilie Ver-
besserung von Meiueke xav vöaoiy ^yovai^ scheint schon
dedhalb den Vorzug zu verdienen, weil i^waia näqtaxiv kein
gewählter AuMirnck ist. Wunderlich aber mutet uns der
Gedanke au, dass der Reiche sich in der Krankheit frenen
mm
Wecklein: Fragmente der griechischen Tragiker. 31
9oU. Er kann sich's wohl sein lassen, aber zur Freude werden
ihm seine Schätze doch nicht verhelfen, wenn er von Schmer-
aeo heimgesucht wird. Ich nehme die auch anderswo sich
indende Verwechselung an und schreibe
ffor<p di xXitiv xdv voatjv ^vovaif^
fta^eoTiy avxi^ xanoxQv/iTead'ai ncmd,
132 führt Nauck als Fragment des Sophokles JSikijvoi
an. Das Schol. zu Theokr. IV 62 lautet nicht zovg aatv-
fcng nJLelovg q^rfliv^ wg xal toig JSeilr^vovg xai Flavag xt£.,
sondern nach der Ausgabe von Ziegler und wie der Text ij
Snr^axoig lyyv^fv ^ lldveaai erfordert, in dem allein die
Mehrzahl der Pane auffallend ist, tovg Ilavag nXelovg (ptjoiv,
tig wai Tovg Stikrp^ovg nai aatiQOvg, ijg AlaxvXog ^iv iv
riavTU^y SogKfxXfig di iv l4vdqoixid(^. Wie wir aus dem
Schol. zu Enr. Rhes. 36 wissen, dass Aeschylos von zwei
Pbaen gesprochen hat, muss sich wg yiiaxikog . . livd^o-
läfdif aaf %ovg llovag nlelovg qnjoiv beziehen, also auch in
der Andromeda des Sophokles von einer Mehrzahl
von Paneu die Rede gewesen sein.
142 ti jKOPia nqaaatav^ wg 6 2iav(fog noXvg
ivdf^ijog iy aol nccwaxov i^rjTQog jrairiQ,
Sehr schön hat Nauck die Schlussworte mit einer kleinen
Aendemng umgestellt: 2iavq^og nattjQ und ^rjTQog noaig.
Aher nicht Sisyphos, sondern Laertes ist als jroaig der Anti-
Ueia zn bezeichnen. Vgl. Trach. 550 ravr' ovv (poßovfiat,
ptr^ nooiQ fiiv ^HaonaXTfi f.fiog xaXijvai, Tt]g vewteQag d' dvrJQ.
Deshalb vermute ich
<tf ndvta nQdaaoßv^ wg 6 2iavq^og natrfi
ivdr^Log iv aoi ndvta xov fitjtQog noatgj
m dasB der Sprechende zu Odysseus sagt: „in allem zeigt
ideh, da» Sisyphos dein Vater und Laertes nur der Gatte
deiner Mutter ist**.
S2 Sili<.'i;i ,kr ,-}olm_.i.haM. Chi»--- i-<">< 3. J»»a,ir U
226 aotföii yaq oi'Jcig ttJ.ijV ov Sv ti/tq: 9e6e.
äXV eig Oeoig S^üyta, xav i'^w dixtjg
XtoQeiv xe^Guj;, xelo' ödoittoaEiv x^ewv '
ato/ßoy yüg ovSiv wp v^i^yotnai Ifeoi.
Wir hören einen Sophisten reden, welcher einen anileren,
<iein sein HechtsgefiUil verbietet, den gewünschten Schritt
zu tliun, damit xu beruhigen sucht, dasa er auf Hen wahr-
scheinlich durch ein Orakel kundge^elienen göttlichen Befelil
hinweJHt. .Du willst deiner eigenen Weisheit folgen, aber
weise ist niemand, ausser wer die Uottitett ehrt. Wohlan,
auf die Gottheit musst du blicken und musst, wenn ihr Be-
fehl auch aus den Schranken des Rechtes hinausführt, ihm*
Führung folgen. Denn unehrenhaft ist nichts, wozu die
GOtter anleiten*, üicriu tiiide ich richtigen ZusammeDhang
und möchte weder mit Mciueke den ersten noch mit Naack
<len letzten Vera von den fibrigen trennen. Dagegen mtm
sowohl wegen des vorhergehenden ittög als auch damit xa-
iU(.7; Aktiv sein kann, im »weiten Vers Jkl' fig iitöv it'
uiiwvia ge.schriflben werden.
237 r^oxt's t^^'i? xtQxvog e^ofimaiai.
Der Vers handelt ntQi tijg anotavQovtiivt,g 'lovg. Mir ist
)[tlfiyijg unverständlich. Auch Nauck bemerkt: •/Ei.W't^g oor-
rnjitum. xoQwrrjg M. Schmidt, igu^'^ ^* T""'^i; xigX'OS ^fio*
rieiat Herwerdeii, Wiirura .■schreibt man nit^ht das am näch-
sten liegende %i).ivT,g^ Die :t«rte Lippe der .lung^n
verwandelt sich in eine ruulie und haarige.
283 Hesych. cintQ!}ivti%og äxioatog xa!)aQä. SixfOxXyg
'//rniivi^. Vgl, Bekk. Anecd. p. 418, It öuafifiytiftog' oxi-
eaiog, xaäa^g. Ausserdem fllhrt Hesych noch an; anof-
itiretia' oi ngirtovta rfUQÜivotg, iio^oxlifi 'Iq'iyertif tj
if ^vMdf. Die Stelle ist Eur. Iph. A. 9!)3 änatdtrtvta
fiif lädi. In iihnlichem Sinn heiicit es Eur. Phoen. 1739
WeckUin: Fr<igmente der griechischen Tragiker. 33
i.fuui :jaiQidog OTronQO yaiag dnaQd-ivevt^ okaffdiva. Diese
Bedeutung «teht in bestem Einklang mit der von jraqd^e-
rtica^ai «in jungfranlicbem Stande leben **, wie naQ&eveveiv
Eur. Hik. 452 ,als Jungfrauen auferziehen'' heisst. Wundem
Aber moss man sich Ober die entgegengesetzte Bedeutung
«anTersehrt, rein''. Zur Erklänmg dient höchstens die Ana-
logie ¥on xoi^eiVy KoqtvBa&ai, Es findet sich /.oqtveiv im
Sinne Ton devirginare, wofür sonst iiai^oqevBiv gesagt wird.
Daneben steht xoQsvead^ai Eur. Alk. 312 av d' w Tenvov
tHH fiiag xoQivihf^arj xakaig im Siune von icaqd^svevead-ai.
Sehr gut hat auch Jon 1084 für xoqevoiiBVM Musgrave xo-
fat>^4<rai hergestellt mit der gleichen Bedeutung. Trotz
dieser Analogie würde man an der Bedeutung zweifeln und
eher an ein MinsTerständnis glauben, wenn sich nicht eine
Belegstelle fände bei Athen. XIV p. 622 G :
aof , Baxx^^ tdvde (iovaav dykatCo^ev,
CTwXol'Y ^d^fiov x^ovreg aloXiit fiikei,
xaivav^ dnaQ&ivevTOVf ovti talg icaqog
xexQr^fti^ov i^dalaiv^ d)X dxriQctiov
xard^ouev %6v v^vov.
Dieses Fragment, in welchem der richtige Gegensatz zu
czf^fOToy durch XBxqiiJiivav (, geschminkt, gesalbt**) ge-
wonnen wird, könnte man geneigt sein, auf obige Glosse
hin dem ^Innovovg zuzuschreiben; aber für eine Tragödie —
ab eine solche ist der ^Injiovovq bezeugt — dürfte sich der
änn wenig eignen. Porson (zu Eur. Hek. 2) schliesst aus
Atb^i. p. 624 F ngaTivag di noi q>rjai
fifjff€ avrtoyoy diwxe iir[fB %dv dveifdivav laazt fiovaav
dlXd tdv fiiacn^ vewv ixQOVQav aloh^e T(p fiiXei.
auf Pratinas als Verfasser. Aber auch dieser Schluss ist
sehr unsicher. Uebrigens kann ich in dem letzten Fragment
roy fuaav v€wv QQOVQav nicht verstehen. Der Sinn soll
ima FUkML-philol. a. hkt. CL 1. 3
34 Sitiung äff phüot.-phitol CtoMie vom .1. Jnnani IHOO.
offenbar sein: »den Mittelweg einschlagend*, also täv fiiaar
te/4(äv ÖQQveap. Vf^\. Plat. Prot. ji. 338 Ä. ftiaor ti .. ie^«ö-,
Ges. p. 793 Ä fiicoy di tiva (ßior) rt'^vEiv oei, Pfililik.
p. 226 B ßia fiiaiiiv öoipctltazeQov Uvai lifiyovtuii-
297 iv Jtög iir,nots aQoialtai ftovvov eiöalftoyoi oifJov^.
Qeima&th vermutet fv j^idg xr^Tcotg ÖQovat fiol-noy aydfue
okßiui. Da der Begriff ägoiaifai wenig geeignet iirt, hnt
Bergk an öevta^ai gedacht. Auf das Hichtige führt Eur.
Hipp. 78 ^^Idiig d* notafiiaiat xtjnevBi Ö^aotg, öofig 6t-
äaxtöv fAtidiv, akV iv tf^ tpiaei t6 Oiuffgoyeiv tti^j-fp- £ig rd
itäyä' ofAbig, tovtoig d^inea&af loig xaxotai d' oii itifug.
Femer erweist sich eiöaifiovog als ein Ulussem xu oX{ltov,
endlich hat M. Schmidt hieher H^ch. xänotg- xt).-t(iis b^
zogen. Demnach möchte ich schreiben:
^>' ^log xä/roit; d^enead^at fiovvov ävSgög 6lßiot;
315 Tj (fijg tinoftvvg dyiHtTOv^,aai z*'f'*'i'
Die Angabe aythnov^yr^aai' lo nria^ioäovrai %äQtv. S<»f<i-
*KT,g Koi-xioir ,r; . . xä^iy;' Anecd. Bekk. p. 404, 21 linil
Suid, darf uns nicht abhalten, das notwendige ävifv^iavf-
yrjaety tu setiien. Medea läsät den Jason achwSren. fUr
Bat nnd Hilfe bei der Bestehnng der Abenteuer ihr Qvgen-
dienste zu erweisen. Vgl. Scbol. zu Apoll, ilh. III 104«
SoipoxXffi di h Talg Kokxlaty e.ioäyei TTjy IMr,äeiav vnow
ittiÄiyr^y \<^ 'läaovt nsQi cov ä9Xov di' anoißaluiy. In »Ibt
gleichen Scene stand 312, worin Medea dem Jason die feuer-
»chuau bell den ehernen Stiere b&ichreibt. Darana ergibt sich,
da«8 die Ordnung der Fragmente 313—315 bei Nauck der
ursprünglichen Stellung nicht entspricht, aber auch daes die
von Kauck aufgenommene Conje^ctur von M. Schmidt änjjfe
niutfii^ i^iÄov oeXaaifönQv unrichtig ist. iJunu in fr. 313.
314 wird erzählt, wie ili<- feiiL-r>chnaul>eut](tu Stiere Aber-
Wecklein: IVagmente der griechischen Tragiker. 35
wihigt wurden {anf^^t nifiq>i^ dg Itwov aeKaacpoqov ver-
bessert passend G. Hermann). Diese Erzählung musste lange
nach dem Versprechen des Jason (315) kommen. Dem
gleichen Berichte, welchen ein Bote dem Könige Aeetes er-
stattete, gehorte 317 an:
>^/. ij ßlaatog ovx eßXaarev ovTTixdqiog;
^Pr, %ai xaqria (pQi^ag evXoqn^t aq)rjxwfiaTi
XCtXxrjXciTOig o/rXoioi fAfjTQog i^idv.
Dindorf und Nauck schreiben hierin mit EUendt und Bergk
Moi jt^ara. Aber damit wird xai unmöglich gemacht. Der
Bote beantwortet die Frage des Königs, ob nicht die ehernen
Miliner ans dem Boden emporwuchsen, mit einem „das will
imh n^inen*.
461 kuM&ivog yoQ^ Jtqiv Tiy' ccvXiTwv OQav^
&cüiX6v x^H^^Q^^S nQoaq^e^iov v^oairada
tidov axQaxov ateixoyta naQaXiav nitqav.
Nicht vom Binnenlande zieht ein Heer nach der Küste, son-
dern vom Heere her kommt eine Flotte. Man erwartet
darum tldow axöXov.
iSl, G rcCtg d^T' eytjjy' av dyrjTog in dyrjtrjg re qwg
^iog yevoififjv ev q^doveiv aoqaireQog;
Der Ausdruck et (p^veiv ooqxjizeQog ist nicht stilgerecht.
Anch hier ist wie an mehreren anderen Stellen ooqiwreQog
»US TtQoq^iQXBqog entstanden.
483 x*^*^ ^' äjieiQog ivdvriqQiog xanujv,
Ffir xaxdh hat es wohl Xaßtuv geheissen. Das Fragment,
welches der floXv^ivr] angehört, entstammt allem Anscheine
nach einer Prophezeiung, in welcher dem Agamemnon die
Art deines Todes ge weissagt war. Denn der iiiuiqog x^^^
3*
■ib Siniinii der iMof.-phiM . a<nuie mm i .!,ir<Har IfillO.
ist Jas ärtei^ov a'ftfißXTjorffov (Äesch. \g. 1:181) oder anet-
for 'i(faafia (Eur, 25) der Klytämestra.
532 fv ifi^Xov ävit^u/iiuv fil' edet^E naiqög
i^oxog aiXoi; fßXaatev aX3.fiv.
In dieser schönen Strophe ist fdlu . . tatgög um ftarnos
äfii(/a unverständlich. Was soll n^'n Tag des Vaters and
der Mutter* bedeuten V Auch Herwerdeii hat an ö/Jfgo Än-
«toss j^en omni eil. Aber oäora, wie er vonxblägt, verdirbt
den weihevollen Ton der Worte. Mun erwiirtet: .Eine« ist
das Geschlecht der Menschen, ein und dieselbe Abstämmling
TOD Vater und Mutter hat uu» alle an da» Tageslicht ge-
bracht". Auch die Interpunktion a.U(> ist zu Hnderii:
xai /jaifo^ 'iftäg ä onOQu loig fxvrcac xi'f.
tiöH ffioi dt XtiiUTOv alfia taigtiov mt'iv
xai fiTitE ifjti ye) iiXeitn [nKiiay) tiiivd' ixetv
Man konnte «toi (li^ 'iti nhilov täod' ixetv dvaqitifiiag oitt
ifjvd' i'xttv dvaifijfiiav erwarten, wenn die Korm :ii^tov bw
den Tragikern gebräuchlich wäre. Man schreibt f^ewötuilicli
mit t'obet xal /j^" i'ti (Dindorf ftrj ti) nkeioig tiüvd' fx*'*
dvoif'ijfiia-;, aber nicht .mir ist es am Itesten Stierblut xu
trinken und nicht noch mehr Schmähungen aU diese za ef
tragen*, itondern ,mir ist es am beäteo km ^^lerben und
nicht länger den üblen Nachreden au^eeetzt zu «ein' isair
spricht dem fledanken. Deshalb behalte ich nltiai bei mid
schreibe :
xai fiT^ fii nXtiiu xfiöfoy ixti* iiotfr/fAtcK-
1)79 a^oviff yäg ^ xor' olxov tyvifx^Vftfiivi,
ov .ip''s- tfigoiW vvüaftüi^ äxotat!!!).
Wecklein: Fragmente der griechischen Tragiker. 37
Wie es sich auch immer mit anovdrj verhalten mag, jeden-
tkll« hat der zweite Vers ursprünglich
f\ rcQog xH'Qaioßv ovda^wg dnovoifit]
iMautet.
707 nvXr^g ava^ dvQwqi.
& mag befremden, dass ein Thürhüter als ava^ bezeichnet
wird, weon auch im Etvm. Flor, in Miller Mel. de litt. gr.
p. 32 die Erklärung gegeben wird : ova^ . . arjfAaivei xal
rar ^ijtxa. Gerade das Befremdliche des Ausdrucks lehrt
uns. dass damit ein besonders gewaltiger und ehrwürdiger
Pfortner angeredet wird, der Kerberos. Das Bruchstück ge-
borte also vermutlich der Beschreibung an, die Theseus in
der Phädra von der Unterwelt gab, in welcher nach fr. 625
Tom Kerberos die Rede war.
*^>i ifi€iyofÄivio¥ ov xegycldotg vfivovg, rj Tovg ^dovrag iyeiQei.
Dindorf hat ov getilgt und xBQuidog vfivoig geschrieben,
Bergk hitytiQOiAivtJv. Mit Recht bemerkt Kock Com. Att. I
p. 266, dass die Wiederholung inByeiqo^ivwv . . iyeiQSi nicht
sefallen könne. Kock vermutet ejtavaiQO/nivwv nach Arist.
Ri. 784. aber a7cavai(fead^ai hat zum Gegensatz na&iCeo&ai.
Da f7T€iyofiivi(tv von selbst auf iniyiyvofAeviov führt, so ist
ZQ schreiben :
iTuyiyvofiivwv ueQuidog vfAvwv
^ TOvg fxdovxag iyei^ei,
8) Zu den Fragmenten des Euripides.
27 1^ ßQojv TOI a^ivog aviqog' dlXa
noi%ÜLi<f n^nidwv
deiva lAtv qwla itovxov
xS'Oviixiv t' aBQiojfv ze
Safirittai /laidevfAaTa.
.18
7 <lcr jAilnu.-pKilal. Clasnif r
Ganz utipik8sen() ist der Aiiadrunk rtaidei/^ata, welche» Wort
z. B. 54 am Platze ist: xaxöv tt naiäevft' rp- ag' elg eiar-
ÖQtav ö iilovtos ävifQtinotijn: Mit Recht Imt F. W, Schmidt
an yevv^fiata gedacht. Aber näher liegt (pitiifiata. wie
auch in dem Papyrus Didot (Aeach. frg. 99, 10) ipiÖevfiä-
totv für (fiTvtiötMv geschrieben ist. Sujipl. 316 gibt der Med.
^vieiei ftlr ^ntiet. Die gleiche Verhei^«ierung erweint »ob
als notwendig in
52, 3 ro yop näXai xal n^önov ox' iyeväfieita.
ov d/x' sTi^ivev 6 texovaa yö ß^otoii;,
ofioi'av x^föv orraatv l^e^ai8m:0ev di/'n'.
Auch hier ist i^eq>itvaey /,ii schreiben, wenn mmi nicht
i^ifvasv vorzieht.
ftS Tcolvg d' orsT^TTE xmaöi; f^tipn]e; y:Xädot<i
oijÖovti}» fjovaeioy.
Sehr schön hat K. Engel mann in dein Programme du«
Fripdricbs-GjTunasimna iu Berlin. Ostern 1882, mit HiUe
eines Vasengeniäideä nachgewienen , ilaas die Alkmene dnt
Kuripidea von dem Besuche, welchen Zeus der Alkmen« un-
mittelbar vor der ItQckkehr dee Amphitryon abstattet, von
dieser Kfickkunft, von dem Strafgericht, welches Ober die
Alkmene ergeht, und deren Errettung durch Zeus gehandtU
hat. Im einzelnen lassen sich aus den Fragmenten einig»
Momente anders bestimmen als es Elngelmann gethan hat.
Das Vasengemälde stellt die Errettung der Alkmene diir.
Diese Hitzt auf einem Scheiterhaufen, welchen recht» Amphi-
tryon. Hnks Ant«nor mit Fackeln anzustecken im Begriff«
sind. In der Höhe erscheint Zeus, um mit Donner und Blitz
Amphitryon und Antenor zu verscheuchen; zugleich giesaen
zwei Hyaden aus Urnen Wtuwir auf den Soheiterhnufen, um
die Flamme zu löschen. Aus Pluut. Hud. 80 pro dt ttn*
mortalos. tempestnteiu i|UoiuHmodi Neptunns uohis nnci« bai:
Weckiein: Fragmente der griechischen Tragiker. 39
mi^t proximal — non ventus fuit, verum Alcumena Euripidi
^falieäst Engelmann, dass die Errettung durch das Unwetter
Qod die Erscheinung des Zeus auf der Bühne selbst erfolgt
s«i Es lässt sich das schwer glauben. Das Herabgiessen
TOQ Regen würde leicht einen lächerlichen Eindruck gemacht
haben. Blosser Blitz und Donner war unvollkommen und
wenn auch Aeschylos kein Bedenken trug, Zeus selbst auf
der Bühne erscheinen zu lassen, so lag dies doch der Weise
des Eaiipides fem. War der Sturm der Elemente in er-
greifender Weise geschildert, so ist der Ausdruck non ventus
foit, verum Alcumena Euripidi ganz verständlich. Eine Be-
?itäti|ining för meine Ansicht finde ich in dem oben mit-
geteilten Fragment Engelmann weiss keine Stelle für das-
selbe in dem Stücke. Es ist gar keine andere denkbar, als
m dem Bericht von der Löschung des flammenden Scheiter-
haufens, der sich in eine kühle mit Epheu bewachsene Laube,
trinen Mosenhain für Nachtigallen, verwandelte. Also ist die
Errettung der Alkmene nicht auf der Bühne dar-
gestellt, sondern in einer ayyBXi%ri ^riatg berichtet
worden. Die Worte
89 ov yoQ /tot' uunf 2&€vekov elg tov evtvxft
XßiagovvTa zoixov Tffi dtxiyg dnoareQBlv
meisten dem Araphitryon gehören, der erzählte, wie er von
Stbeneloe ans Argos vertrieben ward. Eine solche Erzählung
eignet sich nur für den Prolog; also begann das Stück
mit dem Auftreten des Amphitryon. Engelmann nimmt
aiL, dass Hermes wie im Amphitruo des Plautus den Prolog
gesprochen habe. Die Fragmente
9S olX ei (peQBiv XQ^ avfiq>o(idg tov Bvysvr^
101 criUL* fffii^ toi noiXd xat (iiXaiva vv^
r/xTci ßgotolaiv ^)
1) D.h. «fiberlsM es nur der Zeit; die Zeit bringt gar vieles
berror*. Das Epitheton ftiXatra gibt den Trostworten etwas Gemüt-
SiUhhii dfr iihüna.-phM. Hass
1 3. Januar ISSO,
101 itö^aet, xäy' Sv yivotto' rtoiXa toi tfeöt;
enthalten Trostworte, welche nach der Meiiiuiif^ von Engcl-
maiia jemaufl dem Amphitryon zusprach, der natürlich nicht
weniger Schmerzen tiher das Unglück seines Hauses empfind«
als die Gattin, die er in den Tod zu pchickeii im Begriffe
sei. Diese Meinung wird scheinbar bestätigt durch
97 oXK' Ol yÖQ ö^ttwi; lavza, ysvfaihig d' latui;
ünßaiag' alvetaifai St diatvxüiv tyiu
fjtüü ' Koyos ya^ vorffyov ov vtx^ noie.
Dass der Zusammenhang ile^ag för ht^aSag fordert, hat
F. W. Schmidt erkannt, welcher jedoch mit Unrecht an
tpij^ov Anstoss nimmt (,über die Wirklichkeit hilft di«
Rede nicht hinweg"). Aun dvaivywv zu schliessen, lehnt
ein Mann die Trostworte und das gespendete Lob ab. alffo
Amphitryon. Aber die Worte noXXä toi iteög xox tön
aelTTTiiiy evno^' avägiünoi^ reXei beziehen sich augenschein*
lieh auf die Kettung aus unmittelbarer Lebeusgefahr, wn
keine Hilfe mehr in Auseicht steht, können also nur d«r
Alkmene gelten, Alkraene muss auch frgm. 97 sprechen;
es ist demnach atvEia&at df dvaTvyoia' iyiä au 8chreil)en.
Das Ma§kulinum wurde bei dem Citat, wo es sich nur nm
eine allgemeine äentenü; bandelte, gesetzt.
2IH xoeog äi TiovTiaf »ai yÖQ ix xalkiövinv
Idxiffois it' alay^Ts, eidov iKit6n),t}Yh^vovS
Wir mÜMen wohl för ixnenhjyftivovg das bezeiclui«>nde und
immer von leidenschaftlicher Liebeserregung gebraucJit« Wort
setzen: fuTor^fitvovi;.
volle«, so d&JM ich nicht bsirreife. wie Naucli aclireiben käno ; ntiqit»
Tero fiilana e|>ithetoii hoc locn ini*titum. AtUanii darf plu-ninw^nit;
geflndert »1» /ifia^ U fCir ^^Jga j^etetKl wcriltin,
Wecktet n: Fragmente der griechischen Tragiker. 41
NeiXov kiniiv xdiXiotov ex yaiag vdwg xtL
Von den vielen Versuchen ix yaiag herzustellen (iv yvaig,
wrylayoig^ evaxaXrig^ ixx€av&' und vorher Nelkov, et'ay^g, ex
Xfcia^y r^g yaiag) kann keiner befriedigen, so dass man be-
zrnft, dass Mekler karzweg errvaQQov axofxa für ix yaiag
xiuq einsetKte. Ich möchte, da man besonders die Gesund-
h«t des Nil Wassers pries (Aesch. Suppl. 570 vdwQ %6 Neilov
rCaoig a^ixxov)^ ex yaiag in evaoiag ändern und deshalb
zaXXiCToy auf ogiajovy dieses auf oQwyov zurückführen:
SuXov Xirtwv aQioyov evaoiag vdioQ,
Wegen äqcjyov etooiag vgl. Sopb. Ai. 357 yivog vatag aqo)-
yif9 xijwag.
282. 13 ifieuipdfifjv di xal zwv ^E^r^voiv vofdov^
oV TcSvd' ?xaTi avXkoyov jioiov/aevoi
xi^CJa axQeiovg ^dovdg daixog yaqiv,
xlg ydq nakaiaag ci;, rig tixvitovg dvr^Q
r diaxov ccQag yj yvdd'ov /raioag xakiog
TiolLei naxQi^q axifpavov rJQxeaev Xaßcov;
Höchlich erstaunt muss man bei den griechischen Wettkämpfen
über die Bestimmung daitog xdqiv sein. Wo wäre das er-
hört, dass es sich bei solchen Oelegenheiten um das Essen
gehandelt habe. Offenbar muss ^eag xdqiv geschrieben werden.
292 ni^ rrjv voaov toi xal %6v latqov x^6Ct)v
«doyj' dxeiod^ai, ^r] errnd^ xd (poQfAaxa
did6'y%\ idv fitj lavza %f^ v6a(^ nqeTTrj.
Hierin ist Iddvz'' befremdlich; wie es nachher didovxa heisst,
¥> moas auch voraus das Präsens stehen: ßXhtovr^ dxeiad^ai.
Allerdings heisst es auch 917
oaoi d^ lavQeveiv xaXüg,
nqog tag diaixag xwv ivoixovvxwv nokiv
xriv yi^v Idovxag xag voaovg axoneiv x9^^^'
4-2 Sifiunif fhr jMM.-iihiloi. ClagKt rom .7. J/iiiuar IHM.
Aber hier ist der Fehler noch offenkundiger; denn n;f yiiv
kann auch mit der AeDileriing i^c y^v t' oder *ai yi^ nicht
»nnehmbar gemacht werden. Welchen Zweck soll bei diesem
Gedanken y^ neben nö),iq haben? F. W. Schmidt will vor-
her eis tog dtaitas schreiben. Iiu Gegenteil lehrt uati die
Präposition n^s, wie das entsprechende Verbum lautet :
n^ög lä^ dtaitag t(5v ivoMoi'vrfuy nöXiv
36(1, .'> iiQWTa fifv Ttöltv
oi'x rif tif' öiXijv ti^odc ßekim Xaßiiv,
/^ nQÜxa fiff letig, ovn irtaKtös äXi-oÜev.
avrüx&ore^ d' i'qmftev oi d' alXai irölEig
rceaoMV tfioitag 6iaq>ogalg ixtiaftivai
oiJiai rrac' alXoiv elatv etaaywyiftat.
Man hat im zweiten Verse ot* ^f tiv" aiXtp; oik Sv ätirm-
/njv, ovx or itv' . . Xcßotv vermutet. Am näch.sten liegt ovn
i'oTtv a)Xt}v. Die hüutifire Verbindung von ot'x av hat zu
der Verschreibung geführt. Iiu letzten Verse verlangt der
Sinn oXXiov riag' aXXu»'. Die Übrigen Stadt« hai)en keine
einheitliche Bevölkerung, sondern haben einen Teil daher,
einen anderen dorther erhalten. Der gen. rel. bei Adjek-
tiven int den Dichtern geläufig.
382, 10 tö rii(utTov ä' oi'-x iv eifjugei tfQQOaf
ygaf4[4a'i yuQ eiotv fx ÖieaTunuy dvo,
aiizai de avvtgixovai* etg fiiav ßäatv.
Damit wird der fßntW Buchstabe des Namens Theseu», X,
beiichrieben , Ich kann ix disaxuitinv nicht veretehen. Aach
llerwerden hat, wie ich selie, hieran Anstoss genommen tind
üai iü)v ditaiioaüiv vermutet, womit nach meiner Meinutif[
wenig gedient ist. Es muss Et' duatüiaat beisseo. Mit et
wird die Symmetrie der Ueid^i oberen Linii'O dn> BtuOiHUbeiui
HVeWriw. Fruftvienle rfcr fiyiechiir.hrn TriLyiker. ■(■5
gekennzetcbnet. Als n- sil-Ii in «x verwandelt hatte, ging
^jftatwaai in dtemiüici'»' aber.
xai yäti h xaxaiair oh-
Ifeück bemerkt y.ii dieser Stelle ,äv de rauliere dictum de-
fendit Dindorf in Eiir. Hipp. llO.'i' und zur Javäij bemerkt
er in Betreff der oft besprMhenen Stelle des Poll. IV 111
tüv df j^o^ixtüv ^afiätiav twv UMftixMf Vv n xai ^ na^-
ßttoig, ozav a 6 «ooji^t; nQÖg rö i^iattjov ßoiXerai Itysiv,
i XO^S na^ei.9uit' Xeyjj. i/rieiTiiüi; 3' ai'rö uowvatr oi xtu-
tiifidonoitjial , t^aytxöv di oi'x tffiiv älX' EvQifitdjjg ai'tö
trertoiijxey iv ifo)J.ots üqä^taaiy. tv fttv yt t^ Javätj %6v
XO^öv Tag yvvalxas vnig aiTOV ti 7toir',aag iiaQ^detv, ixi.a-
itöftevog dg ävÖQag Xiyeiv tnolijas Tifi a%rinazt zrfi iJ^BKig
rag yi'vaiKag: mnlieres de se diceiites iiti interdiim genere
niaactilinn nutiseimnm est (cf. Eur. fr. 418, 4); parabasi
iragicoriim poetanim quemtiu&m usnin esse nnn crediderini.
Man sollte nicht vernchiedene Dinge vermengen und ganz
iiicfaere nicht als Kweifelhaft hinstellen. Von ein^r Parabatie
in der Tragödie kann keine Rede aein. Nur in dem Sinne,
in welchem der Dicihter in der Parabase seine persönlichen
Ansichtau durch den Mund des Obures vorti^gt, findet »eh
ekwt» einer Farnbase Aehnliches in der Tragödie. Bei Eu-
ripides seinen öfters der Gebrauch des musc. sing, des Parti-
cipe im Nominativ im Munde eine» weiblichen Chores aus-
drücklich daran zu mahnen, da^ Kuripide.s in eigener Peraim
spreche. Die bezeichnendste Stelle hiefür haben wir an dem
Chorgesang Hipp. 1102 ff., wo das Schol. ytnaixBg tiiv elatt-
(Ü TOI zoeoii, fÄtrafioei Öi lö neöamnov fq^' eavzoi t not-
fttfi xavaiAinav ta yofiixa nqöm^na, ^iiioyalg yoQ a^aen-
xo<s xt'xgi/iai (nämlich xevifwv 1105 u. levaatuv 1107, 1121)
genau der in der Stelle des Pnll. vorgetragen en Ansicht ent-
s|tricht, wo auch der Dichter recht eigentlich pernönliche
44 Sitzung der phüos.'phiIoL Classe vom 3. Januar
Gefühle und Reflexionen zum Ausdruck bringt,
ist es die Absicht des Dichters gewesen, durch dei
des M&sc. gewissermassen die Illusion aufzuheb
seine Person zu erinnern. Vielmehr spricht dei
dem allgemein menschlichen Standpunkt aus tu
sich deshalb des verallgemeinernden Masc. Jede]
darf mit diesem Gebrauch in Chorgesängen
Masc. in einer Stelle, wie die oben angeführte iai
Plut. Mor. p. 506 C Ino spricht, gerechtfertigt w0
muss unbedingt geschrieben werden:
xal yaq h xanoig Ofiupg
IXevd-iqoiaiv f.finenaidevfiai TQonoiq,
426 Tcr TOI fieyiata ndvT^ drreiQyaaTai ßQOToig
Tok/Li^ äoTc vmäv ovre yoQ TVQavvideg
X^Qig Ttovov yivoivc^ av ovr' oixog fiiyag.
Die nichtssagenden und ungehörigen Worte Üotb i
ich ab aus einem Worte, welches der Sinn an
gibt, dQaarrfiiov, welches zuerst falsch geschrieben
um des Verses willen verstellt wurde:
öqaotr^Qiov Tokfi* ' ovts yaq Tx^qavvideg,
Vgl. Hei. 992 danqvotg elg t6 d^rjlv TQeno^evog l
av fiaXXov rj dQaOTrfiiog^ fragm. 688 aroArJy tdovn
nat ^vX^i» dqaaxriQiog^ 54 irevia xqiifei fxoxd^elv
zexva xat dQaarrjQia.
455 xai iig fm^ avrrjg rixva
Nioßrjg &av6vra Ao^lov TO^evf.taotv,
Nauck bemerkt zu dieser Stelle: avr^g dubito nu
sit. Vielmehr ist Nioßrjg zur Erklärung beigefügt
ein anderes Wort verdrängt, d-eov oder lieber Tittj
482 tj TTQuna (itv rd d^ela TTQOVfxavrevaaro
XQTjOfioiGi aaq^ioiv daTtQwv f/i' dvtolaig.
Weekleiii: Frn/;mfiiU lUr iirifchiaclteii Trui/ikef
4f>
Die häufige Verwechslung von Formen wie no(/svofiai und
no^LOOfiai, ftatteiofiat und ftaviehaofiai ^e^tattet auch hier
ohno Bedenken dtis her/ustellen. was der ^^inn verlangt:
ti QOfjfiavreLBio.
511 ÖotXov yöq raiHdv lovvoft' ov diarpittgEi,
iiüiXoi d' tifAeinivc; etat iiüv ilevlUfioi'.
Wegen tä önopia ist dovXutv notwendig, wegen des folgen-
den noiXoi kt es erwDnscht (,dem edlen Wesen von Sklaven
wird der Name .Sklave' keinen Eintrag thun').
ö7S, 'S iS'jvgov dfit^wicoiai y^öfifiuz' elätrui.
xäxti xtn' otxovs növt' iriiataaO^ai iiai.Mg.
iiataiv [' anoitviiOxoyfa ;(ßj;fjoi(uv ^lii^ov
yqaifiuviaii tiriziv, lov Xaßuvra df' eidcVar
!iB vorletzten Verse habe ich schon früher .latalv et löv
Dyf^uxonu verbeasert. Im letzten Verse hat yQÖif)avzas et-
:itiv Si-AÜger in yqäij'aria lEirreiy, Enger in ypitpavcu vei-
ftat, Gooiperz in ypci/ißvi' evianelv verändert, Gewisa ist
kEiiteiv richtig. Dagegen erscheint yqätJHtina ,ich habe die
Buchstnl)en erfunden, sn dnss der Sterbende den Kindern den
Anteil des Verniögenß in Buchstaben hinterlassen kann' als
nicht stilgerecht. E^ niusa heiasen; ,au dass der Sterbende
(Iher den Anteil der einzelnen Kinder Bestimm iingpn binter-
laiweu kann*, A. h. e.s hat
' tu tov t)y]
■ta Xei.'ftiv,
■ lali6yxa d' dUvat
gchinscen.
605 «ü S" i'axacov dij toCta ^av/iaatöf /(pi«oit:
it'dayvig, ot'x e'veuig ov äifkio'teQot'.
ffikotg fe .■logit^eh xat xaiaxfiti-eh- x^f'i;
46 Sitzung der pkäosrphüol, Glosse vom 3. Janum
Die Fehler in den zwei letzten Versen hat ma
fache Weise zu heilen gesucht {noXeig te tcoqS
lovg xtaveiv XQ^^^ Nauck, enel (foßog TCQoaea
Gomperz hat auch erkannt, dass vor V. 3 etwas
ist; aber die grammatischen und stilistischen 1
beiden ersten Verse hat man unbeachtet gelassen.
7rXB7aTog aus 7c6Xeig oaoig ab, wovon noXsi
vorhergehenden Verse stammt, und schreibe das g
ment in folgender Weise:
Tov c? saxoi^ov dr] tovS^ o iyavfxaozdv ß^
TVQawig^ oix evQOig av dd-XiwreQOv '
* yoQ ******** ^^£a)v
7r6Xeig re noQ&elv x,al y.azaxTavetv (piXov
oGoig (poßog jigoaeoTi /nrj dgaatoai %i.
Nunmehr schliesst sich die Apposition TVQawlg ai
zwischentretenden Relativsatz an wie so häufig
deshalb im Nominativ statt im Genetiv. Natürl
die Lücke auch mehr als einen Vers eingenomm
606 ovx EOxi zd d-eiüv adix', iv dvd'QW7roiai di
xoTLOig voaovvra avyxvaiv ttoAAijV e'xBi.
Der Sinn erfordert avrolg voaovai. Vgl. Ipl
Tovg d' sv&dd*, avrovg övrag dvi^Qa)7ioiirovovg^ €ig
t6 q)cevXov dvafpiqBLv (JoxcD.
620 Sr[(ji(^ dk fitjTe 7t av dvaqzrfirig ngdtog
^iJt' at TLaTLCoarjg, 7ikovTOv iviifiov rt^fiig,
fii]d* dvdqa dfjfi(p tiiotov ex,ßdXr]g 7roxB
fiTjd* av^e TLaiQov piBil^ov\ ov ydq dacpaXig^
lAr 001 ivqavvog XaixTvqog i^ dazoi q>avy.
Jt]fA(if 7iia%6v ist natürlich nicht der richtige i
Meineke hat dy«^^ x^i^arov, Vitelli d*;^(^ dqeaTOv
Warum soll Euripides nicht dvöqa ätjuaycoyov ge
haben V
Wecklein : Frtitimente der ;iritchigehe» Tragikfr.
17
wihpinb. in foljtender
%27 und 629 sind,
verbinden;
I üaiv yäß etat äiifiti^ai fisiMyyi/aifei^
t noiXüi* yifioiaat jio^iov yi^vfiätiaf.
<;(p>jg tavtay xal Kataitke x^' ^JS noet.
fiSO nöXX' fX/tideg ijjev6ovai xai ^öyot ßqoioti;.
Prinz iptvdoioi* evl^iyoi trefflich, nur entapricht lieni Sinm'
wie der l'ebertieferun};; besser xtvXoyoi.
H97 Jiti-jj' o^^ißXfjatQv atLfiaioi; lafliüv ^nij
Dobree hat aXxtij^ia {fvxov^, Hibbeck oixitjgi' aixfiJi'i ver-
mutet. Ohne Kticksicht auf da«, was ich Sitzungsber. 1878.
11 S, 208 f. bemerkt habe, bemerkt neuestens Herwerden :
sententiae aptissiniiL eät, sed metro eadem iniinica Dubraei
coniectura cixrijeia i/zi'/oug. Numeri admittunt i/^i^ofg oī-
^Tfii'*. Telephos motiviert im Prologe, warum er Bettler-
kleidnng angelegt habe statt fürstlicher Gewandung. Gegen
die Kälte hütte ihm das fürstliche Gewand bessere Dienste
geleistet; ij't-xovg macht also geradezu einen komischen Eiu-
drack. Ich habe ä(fiaya t' evx^g Kai ipövfuv oAxnJfta ver-
mutet. Eh würde auch älxci'ißi' tß^ew^ passen oder Xvfii^i;
öi^^t/Tilfii' t.aixiag ti ftoi}.
736 lüg axatög äyqQ xai ^ivoiaiv ö'^ei'oi;
Kai /(»■ij^ocettu»' ovdir (uy «xg^y ipiXov.
Ich verstehe nicht, wie (piXüV nach lov *XP^*' möglich sein
soll. Ua (fiXiav io nahe lieget, werden es schon andere vor-
geschlagen haben.
772 setzt Nauck mit Recht in den Prolog. Trotzdem
bemerkt er zu 771: verba habemus prologi quem Phaethonti
poeta l.riljiiit,. Nach der Frage des Pbaethon 773, 5 •■itüt:
48 S»(«K«3 ^'^ fMii'.-phUol. CluKte mm .3. Jannnr 1890.
UVV TT^aeifii äwfia iteqfiöv 'HXioi-, welche Fr^e Klyin«ue
beantwortet mit xsi'c^i /vcArJösi aijfia fti^ ßXamuv rö aür.
kann rlie Kenntnis von 772
xai'ei la riö^io, tayyv&ey ä' evxQOt' txti
nur der Klymeoe zukommen; diese muss also, wie ich Sttx-
ungsber. 1888 S. 119 »nfrenümmi-n habi». den l*nil(>K im
engeren Sinne sprechen.
800 dli.' oi'troi' avtog äfi.-iXaxtüv aUoi' /f^uröf
.lacaiyfaaifi' av viaial »Qoaltelvcu xgäti;,
-ißii' av xai' oaauiv tvyym'^ H^ -t^' axotoi;,
ei x?'( dtel^eiv /rpöt; tfxvuiv vixiifjevov.
In deni ersten Verse scheint aKlov dadurch entstuiden »n
sein, dass ßgotür in ßqatöv überging. Im dritten Vers ist
das unbrauchbare |We — der Sprechende (Ämjntor) hat j*
eben nicht so gehandelt und int deshalb, wie er glaubt, dem
Hohne seines Sohnes Phönix ]ireiägegeben — durch tiilae
axoToa beseitigt worden, .\usserdeiii hat Monk xiyx'^'T/ ver-
mutet imd man könnte auch au xiyxöi'ij fo' & axöiog denkcD.
Aber xar' oaauiv passt weder '/,» tvyxövrj noch ku «j^TP*»!)*
Deshalb mSchte ich schreiben :
äXX o'vrtvf' aviö^ äfirrlaxiüv aAA(^ ßqozCiv
na^aiviaaifi' ixv noial iiqaaiyetvai x^it^t
iiqIv üv xot' öaawr ffiitfay fUXaq (txoios,
ei xiPi iteXifäv n ij tixt-wy vtutäfisvov.
81(j, 5 xai viv köyoiai tolg fnah; ivayiioii;
Die Bemerkung, dass es i'yviox' beissen muw, bedarf keiner
weiteren Begründung. In den zwei letzt«n Venum di«M«
FrRgtucnU
Wfcklein: Fraymctite der griechischen TVagiktr. 49
fäg Jts qioßtitat tpoig Xtnüv z66' t'llov
3er A^usdruck .aus Uubekanat^haft mit dem Sterben
fCIrcliteb sich jeder zu sterben' nicht Btilgeoiäas. Deshalb
vermute ich tov xätio ffir lov SavBiy.
861 dti$ag yoQ äat^iav rijv svavzlav bSov
äijfiovg t' etfcoaa xal zißayvog il^ofiijf.
Für <J»);(ots hat man döfiovg, ^qÖvovs, y^y i^(ioiaaa) ver-
mutet, wovon keines dem Sinne vollkommen entspricht.
Richtig dürfte sein
B^e
ler greise Diener zur Merope sagen, welche im Be-
f^ffe ist, ihren Sohn Kresphontes als den venueintlichen
Mörder ihres Sohnes zu ermorden (45()). Das Bruchstück
wird also dem Kresphontes angehören.
8TT äki.' ali^Tfe ttxTsi Oe, kÖqo,
Zeiig OS avtfgmrotg ovofiö^eiai.
Das Versmass scheint zu fordern:
Zeig d* ävÖqüinoig övofiö^^ai.
^te Tvx« <i^<S> c^^c dai/itov ta ßQoreta X(taivei,
naßö t^- fXnläa xai rraQO Slxav
Tffi's fiiv dn' oyxov xtizanimavtag
zoii nqoxigov^ tovg d' sCti^oiifvag atBi.
Hierin habe ich ««' öyxov xatatäiczoviag zov n^oztQov fllr
Oa' <^K(av d^ ivanimovtag ötag Oeoi geschrieben. Tovg
fti> , . eitvxcvviag steht als Appiiaitiini zu i« ßqötaa.
50 Sitzung der phHos.-phUol. Classe vom 3. Januar 1890,
927 eifdov ywainLÜv aal na^ olnitag Xoyog
Man schreibt gewöhnlich mit Valckenaer oixiraig^ passender
erscheint 7rQdg olTierag.
943 ^vQiyevilg de. dQomwv odov rjyeiTai Tex^^6qq>Oig
WQaig ^evyvvg aQiAOvi(f TtoXvxaQnov *6xTjf^CL.
Dass ^coXtmaQnov, an und für sich wunderlich, unrichtig ist,
zeigt Macrob. sat. I 17, 59, wo die Stelle citiert wird mit
der Bemerkung: solis meatus . . iter suum velut flexum
draconis involvit, unde Euripides etc. Hiernach muss es
TTokvxa/üjrtov oder vielmehr noXvna^jiig oxtj^icc heissen.
966 0 ßlog yoLQ ovoijC exBi novog yeywg,
Sinn wie Vers lässt sich herstellen mit:
ßiog ßiov yoQ ovo^^ t'x^i novog yeycig.
1028 oatig veog a)v fiovawy dineXel,
Tov TB ^caQeXd-ovT^ Q7i6X(üXe xqovov
Hat TOV ixiXXovra Tidi'rjxev,
Unmöglich kann es von dem jugendlichen Menschen heissen,
dass er in der Vergangenheit tot sei, da er noch gar keine
Vergangenheit hat. Vielleicht hat es tioq' i^ßr^v geheissen.
Man erwartet aber tov naQOvva xQOvov und nach Plat. Alk.
II p. 148 C Big To vioQ^xov TOV XQOVOV kann in diesem Sinne
TOV 7caQr^xovTa xQOvov stehen.
1054, 3 xdv T(p xcrx/aT<^ rd/y cpQevcuv oinBiv q^iXBi.
Die Lesarten der Handschriften M und A dxBiVy vaQXBiv
führen auf vaiBiv,
Phrynich. 23 p. 725 N. Hesych. aeiuXij' VQa/tB^a. naQa
6i Wqvvixv '^OQir^. Mit Recht hat in OB^eXt] Schrevel ^h;-
lAtXri erkannt. M. Schmidt verweist dafür auf Aristoph.
Flut. G78. Ich glaube aber, dtiss (bqvvixn^ ein Gedächtnis-
Wecklein: Fr-agmente der griechinchen Tragiker. 51
fehler fßr Udarivtf ist und dnss sich die Glosse auf das be-
kanut« Hjporchem des Pratinas Athen. XIV p. 617 C n'g 6
Hopjßog ode; ti tödt tä xoQeifJata; iig vßQig tfjolev Ini
^lonaiädu noXvnvLvaya ih:fifkav; bezieht, In dieser Stelle
kann ^vfiiXij mit ko^ttj erklärt werden, während sonst eo^it^
TQD der Bedeutung von itufithj weit ablie):ft.
_Jon 22 p. 736
o'W bJb, jivdai i})öKT^tai, naXat^itan'
feahl stehende xoaftrjaare scheint Meineke Teraolasst zu
haben, xoiftr]aais for/uschlagen. Aber eher ist nalatquxTün'
r DobreeJ vftnov ootöalg ton §(yof noofi^aate zu setzen.
. Med. 421 ^oijflai *j£ naXatyBvlii»' i^^otö' äotÖäv.
(haereni. 10 p. 784
Sviy ctt fi8v avxüv Etg öneiQOva orpoiöv
äv^iii/v aXoyxfv iar^tevato', rjÖoraii:
ftfjQiäfievai (.!>öiX) ovra i^tfitüruv it'xva.
Für ijdovali würde man eher t]^ovfi erwarten; aber das Wort
tfaält Überhaupt eine hier wenig geeignete Bestimmung,
mute dafür iy rönaig.
?s. 5 p. 795
6 T^ Jixtjg öifi&altiog wg Öl' -ffivxov
iLevaaiav nQoaäitiov näv^' oftws o'ei ßXinet.
[ man auch mit Canter ö^iug schreiben, so kann mau
douh nicht verstehen, was die Ruhe des Antlitzes in diesem
Zusammenhang bedeuten soll. Auch ist tug unpassend. F.
W, Schmidt hat auf Eur. 555, 2 o'U' »j JUi} yae ■x.ai diu
0X&XOV verwiesen und damuch tu? diä axotov geachriebeTi .
I Da hiedorch /rpoffwjrOTi oder, was auch Überliefert ist, /igo-
t mfbisig wird, s(i ändert Schmidt ausserdem n^oan'mov
52 Sitzung der phihs.-phUol. Classe vom 3, Januar 1890.
7rdvd^' in jrqoaco ttbq ovd-\ Aber soll etwa der Qrastand,
dass das Auge der Dike auch im Dunklen sieht, ein Grund
dafür sein, dass es selbst Fernes erblickt? Sehr gut aber
passt der Gedanke des erwähnt-en Bruchstückes ij JUt] i^at
did axoTOv ßlf7cei zu dem o/awg unseres Fragments: es muss
ein Hindernis des Sehens angegeben sein, das Versqhleiem
des Antlitzes. Deshalb schreibe ich :
Xeiaawv 7TQoaw7r(p 7rdvd-^ o^ioq dei ßXi7iei.
Zu axidueiv vgl. Eur. Hipp. 134 Xe7rTd de q^dq^ri ^av&dv
ueq^aXdv amdl^eiv, auch Soph. Trach. 914 Xa&Qa7ov ofifi^
F7teo%iaafievr],
Karkin. 8 p. 800
XaiQCt) a' OQwv cp^ovovvxa^ tolt' eldiog ort
W dq^ /aovov dUaiov iov 7ioiei qi&ovog'
Xv7i€i yoQ avTO to xr^^a jovg xexTtjiaevovg,
Die Versuche, den dritten Vers herzustellen, avzo nvrjfta, ai
To xT^jiia, avtovg y.TrjiLtay avroxQrjincc, können nicht befriedigen.
Dem Sinne scheint allein
Xv7tovv ydq iari ^K^r^lxa roig xenTrjfiivovg
zu entsprechen.
In der schönen Behandlung des tierischen Urzustandes
der Menschheit, Moschiou 6, p. 813, heisst es:
14 ßogai di aaqyLoßqioxeg dXXrß.O'KXovovg
7raQelxov aivoig daitag.
Naturgemäss müssen die Epitheta vertauscht werden : ßoQat
Ö€ aaQ'KoßQwtag dXXtjXoxtdvoi . . öalzag. Es wird dann
erklärt, wie die Menschen sich zur Kultur entwickelten.
Dabei lesen wir:
23 t6&' TjVQ^.xhj fiiv xaQ/Tog r^^tQOv T(}0(pffi
JtjfAt^TQOg dyvrig, rjVQt&rj öa Baxxiov
yXvxela 7€tiyt],
Weckitin: Jb^agmente der griechischen Tragiker, 53
Augenscheinlich war die fjfieQog tQoq>ij näher bestimmt mit
Jr^ut;;w^og axifjg. Vgl. Hoin. N 322 dg ^vrixog x' eYrj xal
iioi Jr^ui]x€Qog oxttJv, Eur. frg. 892 hiei vi öel ßqoxoioi
,TiijF dvolv fiovovy dri^r^TQog axr^c; ntifiazog &^ vdQtjxoov ;
Mosch. 9, 5, p. 813
xai naoi deixvvg wg ta XafATvqa Trjg tvxtjg
T?Jy üjriaiv ov ßißaiov dv^qwrcoig vifuei.
Gohet vermutet exBi för vifieiy welches mit tjJv xrijoiv sich
nicht gut Yerbindet. Ich möchte vif^ei festhalten und lieber
owr^öiv für Tiqy xtfjaiv schreiben.
Sosith. 3 p. 823
Ö^avü/v ^iv ovv Maiavdqov iQQiqit] 7tod6g
ooXog Tig Üotcbq' riv ö^ 6 diaycetoag dvriQ
7W&10' tig ydq dv&^ ^HQcmXeovg;
Das Fragment wird eingeleitet mit ort d' dire&avev v(p*
'H^andiiovg yijai liytjv, Nauck bemerkt: fortasse Tiqiv&iog
iiigy legendum. Die Präposition dvii gemahnt uns an das
hd Tragikern gebräuchliche äXXog dvri^ weshalb wir schreiben :
rjv d' 6 öianevoag dvr^Q
TiQvvx^lov tig aXlog dv^ ^HQaxliovg;
Aesch. Alexandr. 1 p. 824
Tig d* tar' dvdyxrj dvarvxBiv iv nXeioaiv,
f^oy 010)71 av %dv a%6t(j) xQvmeiv rade;
Der Gegensatz zu onanav erfordert offenbar dvaio^elv,
Zopyr. 1 p. 832
firjdeig ajceiQog twv ifiwv eHij q^iXwv
igijJTog^ evTVX(iiv de tov d-eov Xaßoi,
För evTvxtbV (evtvxcjv) hat man ivrvxfJ^Vf evcpqovwv^ eiaywv
fermutet oder evrvxol . . Xaßüiv, eufievovg di tov d^eov tvxoi
54 Sitzung der pMosrphilol. Classe vom 3. Janwa
geschrieben. Nach Eur. Herakleid. 894 ridela
l4q)Qoöii:a ist wohl herzustellen: Bvxaqiv di rov •
Adesp. 14 aojTYiQeg ev&a xdya&ol TraQaatan
Für i'v&a hat man ia&lol, a/iicpw vorgeschlagen..
an evvoi,
I
Adesp. 18 (TtycS* aico/rt) J' ioti %ov dvfiov ^
Dieses Fragment ist entnommen aus Alkiphr. III |
de xiwq (asv dvoyxrj HQvmeiv t6 hccxov xat Tr^oi
aiytirpf ' oiyri {aituni^ cod. Ven.) di ioxi tov dx%
wo man schreibt: nqog ro itaqov aiyav. aiyü*
iati xov &V/ÄOV iQoqrr^. Aber an seiner ursprünglj
kann der Vers nur so gelautet haben:
Denn die Worte oiwni^ . . TQocprj kann einer nid
sondern nur zu einem anderen sagen, den er c
bringen will. Vgl. Eur. 126 aiy^g' auoirri d' äno
vevg l6y(0Vy Hipp. 911 aty^g' auonrjg d' ovöev
y,axolg. Nauck bemerkt zu diesem Fragment: q
Wagner dicit, verba aiyr] de eoti tov (}v^ov xqoq
ripide esse desumpta, nescio quo testiraonio niti
angeführten beiden Stellen lassen allerdings diese
als eine vorzugsweise Euripideische erkennen.
Adesp. 112
w övGTvxßh (pig xal naxwg ntnqayivai^
ov&Qwnog iyevov aal ro övazvxig ßiov
i'xei&ev ilaßeg, o&ev anavz^ evr^Q^aTO
TQeqiBiv od' al&iqQ ivdidovg d^vr/Toig nvoo^
^Tj wv Ttt dyrjTO d-vtjTog lov oyyio/aovei.
Im dritten Verse hat anavr^ ivilfi^cao für 07iai
Valckenaer hergestellt. • Diese Emendation erfor
Weeklein: Fragmente der griechischen Tragiker. 55
im nächs^u Verse attoig für d-vtyvoig gesetzt werde, weil
mit irdiiotg nvoag das aTuavra %qi(peiv erklärt wird.
Adesp. 191 r^Xd'Bv de laoi iivqloi nqoq r^ova
Hefod. n. aoXoix. in Anecd. Boiss. vol. III p. 244 führt
dieise» Fragment als Beispiel an für die Verbindung von
Singular und Plural: t6 de nXrjdvvTixov t(p evixqi awaifd-ev
iüpiiAortL Wer kann glauben, dass irgend ein Dichter so ge-
schrieben hat und dass es nicht ursprünglich r^X^^ov de laol
fttf^iai oder Tielmehr i^kx^ev öi Xaog fivQiog geheissen hat?
Deon der Gebrauch des s. g. oxrj^ct TlivdaQixov ist ein sehr
beschränkter. Mir sind bei den Tragikern 6 Fälle bekannt:
Aesch. Per». 50, Soph. Trach. 520, Eurip. Bakch. 1350,
Bei. 1358, Jon 1146, Phoen. 349. An der ersten Stelle
hat Weil azüxai . . Jieldrrjg (für neXätai) hergestellt. An
keiner der anderen Stellen fehlt ein gewisser Zwang des Vers-
masses. wenn nicht ein anderer Anlass für den Gebrauch des
>ioguIar vorliegt. Trach. 520 haben wir das ankündigende
f> wie Jon 1146 hiiv. Vgl. Krug. I § 03, 4, 4. Bakch.
l^föO ahn diöoTcxai, nqioßv^ tXijfioveg q^vyat und Phoen. 349
oW di &rjßttifxv iroXiv iaiydd-t] aag i'aoöoi vvf4(pag folgt der
Plnral gewissemiassen als Apposition des im Verbum ent-
haltenen allgemeinen Subjekts nach. Hei. 1358 steht um
itb Versmasses willen dvvatai^ als wenn der Plural eines
Keotmms folgte.
320 Tavtofdcctov jy^wv xalkio) ßovXevetai,
In der Annahme, dass der Vers (Men. raon. 720) nicht von
einem Jambographen, sondern von einem attischen Tragiker
herrühre, beseitigt Meineke, Jahrb. f. Philolog. 87 S. 380,
den metrischen Fehler in xalkiw durch die Aenderung in
ßilzeqoy^ wie Aesch. 309 im Ausgang des Trimeters Burney
ßiiieqor für ßiXxiov hergestellt hat. Die Stelle des Euri-
pides, wo ridiov am Ende des Trimeters steht, Suppl. 1101
1
56 Sitzung der phüosrphüol. Glosse wm 3, Januar
muss wohl fehlerhaft überliefert sein {Y.axtlxB xe{
ijdiov TiaTQi Herwerden). Aber ein attischer Trag
auch nicht Tovrofiarov , geschrieben haben. Nui
Tvxrj yaq r^fxuiv ßiXTSQOv ßorkeverai
würde einem Tragiker zukommen. Dagegen heia
Menand. 291 xairofiaxov eoriv wg eoixi nov d^eoQ
iari xal ravTOfiaTOv i'via xqTfiiiiOv, Man könnte
xavTOfiaxov f^fiaiv Xciiov ßovXeverai.
denken, wie Soph. Phil. 1381 nalwg in Är/Iarfi
worden ist. Aber bei einem Komiker ist
nicht zu beanstanden, da sich ndXiXov Aristoph. E
allerdings in einer melischen Partie, und f]6iov im
eines Trimeters Alex. 25, 6 findet.
Adesp. 384 (piXwv ye ^evTOv XQ^^^S ^ ^Qog c&
(AOVYj xanov ^iovTog wq)eleiv g>iXei,
Nicht x^^^S; sondern xTf^alg entspricht dem Sinn
Besitz blutsverwandter Freunde allein hilft im 1
sagt sarkastisch Atreus zu seinen Söhnen, nachdem <
Bruder das verruchte Mahl vorgesetzt hat. Die !
in der That des Euripides würdig, dem sie Porsc
wiesen hat.
Adesp. 397 li^yei de KvTtqtg d^akiav te viwv
ovö^ ezi &vqoog q)vXXa ßaxxeiov
Die einfachste Herstellung dürfte mit ovd^ hi
qiiXa ßauxBiov gegeben sein.
Adesp. 520. In der Stelle des Teles bei Stob
67 vol. l p. 127, 11 Mein, äoneq fx avfiTroaiov i
TOiAai ov&ev övaxBqaivcov, ovtio nat ex xov ßiov, 1
jf ' ^e'fißa jcoQ&^idog tQv/ja'' ist vielleicht das Ori
Wecklein: Fragmente der griechischen Tragiker, 57
erblicken för Hör. sat. I 1, 118 exacto contentus tempore
Titai cedat uti conviva satur oder vielmehr für Lucret. III
938 cur non ut plenas vitae (I. vita) conviva recedis aequo
aniiDoque capis securam, stulte, quietem? Ich kann aber
weder ^qvua noch was Nauck dafür setzt Vq^a verstehen.
Man hat an Worte des Charon zu denken. Vgl. Aristoph.
Frö. 188, wo Charon zu Dionysos sagt zax^ojg e'iAßaive —
i^ißatre di], Eur. Alk. 260 OQoi dixwTtov oqo) ax6q)og^ vexviov
6i 710^9 fieig ixwv x«V ^^^ yion:t{) Xccqiov KaXel' „zi ^iXKeig;
indyov cv nareioyeig*^ , Der Kahn kann aber nicht mit
jMO^^idog ^Qfda^ sondern nur mit 7tOQd^ixidog aiidq>og be-
zeichnet werden. Vgl. Eur. Kykl. 362 noq&^idog anaipog.
Nachtrag zu S. 29.
Ueber fivvdog hat, wie ich eben sehe, bereits J. v. Le-
euwen de authentia et integritate Aiacis Soph. 1881 die
gleiche Ansicht ausgesprochen.
I
58
Historische Classe.
Sitzung vom 3. Januar 1890.
Herr Friedrich hielt einen Vortrag:
„Zur Entstehung des liber diurnus".
Der liber diurnus, das alte Formelbuch der rl
Kirche, einst Jahrhunderte lang im Gebrauche, hal
dem es im 17. Jahrhunderte wieder an's Tageslicht
worden, eine eigenthüraliche Geschichte. Die nac
früher in der Sessoriana, jetzt in der Vaticana sich
liehen Codex durch Hülste besorgte Ausgabe wurde
Veröffentlichung unterdrückt, und seitdem ist der lib
nus nur nach dem Codex Claromontanus durch Gan
kannt geworden; denn zu allen späteren Wiederab«
konnte der Vaticanus nicht benützt werden. Erst y
war es gegönnt, eine neue Ausgabe auf Grund desse
veröffentlichen (Wien 1889). Sie ist mit all' jener i
und Akribie sowie Gelehrsamkeit veranstaltet, welche
dem Herausgeber zu beobachten gewohnt sind. Do
Verdienst um dieses Buch ist noch ein viel grösseres,
abgesehen davon, dass seine Ausgabe uns erst die un
liehe Gestalt des liber diurnus zeigt, so hat er auc
die Entstehung desselben zum erstenmale Licht ve
in der dem Buche vorausgeschickten umfangreichen p
und in den Prolegomena 1. II (Wiener Sitzungsbei
Friedrich: Zur Entstehung des liber diurnus. 59
n. 1889). Alle früheren Annahmen über die Entstehung des
liber diumus sind als imstichhaltig aufzugeben. Das ist ein
unum^tassliches Ergebniss der Sickerschen Forschung. Aber
« wird auch kaum Jemand gegen seine weitere Aufstellung
viel Stichhaltiges einwenden können, dass das Formelbuch
iies Vaticanos zeitlich ziemlich weit auseinander liegende
Theile enthalte: eine Collectio I. (form. 1 — 63), vor dem
Jahr r)80, aller Wahrscheinlichkeit nach bald nach dem
.Tahre 025 angelegt; ein Appendix I. (form. 64 — 81), etwa
bis 700 jener zugewachsen, und eine Collectio II. (form. 82—99),
nnter Hadrian I. an;^elegt. Den liber diurnus, wie er im
VaticaniLs vorliegt, setzt er hingegen vor dem Claromontanus
ui und lässt ihn ebenfalls unter Hadrian I., bez. vor 795,
{!eschriel>en sein. v. Sickel hat bei seinen Untersuchungen
begreiflich nicht von allen kirchengeschichtlichen und theo-
logischen Erörterungen absehen können: allein ein näheres
Eingeben auf den diumus von diesen Gesichtspunkten aus
überliess er doch den Vertretern dieser Disciplinen.
Es geschah nun nicht ohne die besondere Anregung des
Herausgebers, dass ich vom kirchenhistorischen Standpunkte
lor? an eine Untersuchung des diumus herantrat, und wenn
ich nunmehr die Ergebnisse meiner Forschung hier darlege,
^o ging auch dazu die Aufforderung desselben voraus. Ich
bemerke dies nur, um anzudeuten, dass ich durchaus auf
keine Controverse ausgehe, sondem höchstens zu weiterem
Forschen anregen will. Man hat es bei den Formeln des
diumus mit Aktenstücken zu thun, welche so sehr genauerer
Zeitangaben entbehren, dass es kaum gelingen kann, beim
ersten Angriff derselben bereits alle Fragen zu l()sen. Ich
läge dem nur noch hinzu, dass ich das, was v. Sickel schon
festgestellt hat, ausser Betracht lasse und voraussetze, und
dass ich mich auch nicht auf das paläographische und di-
plomatische Gebiet begebe.
Die form. 78. — Selbstverständlich musste es mir vor
60
Siltiini/ der kislor. Claase
Allem (darauf aukonimen, eine [eate Unterlage -au gewiiinen,
tim TOii ibr aus weiter gehen /.u ki^nnea. Dieselbe lund ich
denn auch ohne Mühe, du ich mich emnerte, wenige Tage
vorher einen Theil der form. 73 irgendwo gelesen xu haben,
wie eich herausstellte, in dem Schreiben iles P. Pelagina II
an B. Elias von Aquileia und die 'Ibri^jen Bischöfe IfltrieDa
(Jaffe* 1054) c. 585.
Pelaylus II. Manci IX. 891.
Nos eniui illam fidem prae-
diclam teoenius et cum omni
puritatu conscleDtiae aaque ad
BanguiDis effasiooem derondi-
mns, quae ali npostolia traditu
Bt per succeasorea eorum in-
violabiliter custodita, reverenda
Nicaena synoduE 316 palrum
snscepit atqae redegit in ajoi-
bolum, eed et Constan tinopol i-
taaa 150 patrum sub p. m.
Tbeodosio aeQiore principe fac-
tum, etiam Epbesina prima,
cui praMedit b. r. praedecesaor
ooster Caeieütinns Rouianae ur-
biB antistes et Cyrillua Alexao-
drioos episcopus; sed et Chal-
cedOQeaaiä 630 patmm quae
sub p. m. Marciano Imp. con-
venit cniqno s. r. papa Leo per
legatos vicarios sdos praeaedit:
et ut divemarum baeresam
damoaDda exigebat adveraitas
(f), eamdem fideoi uno eodem-
qae sensu clamantes eintitu
edidernot. Sed et epUtotam
praedicli b. m. LeoDia ad Fla-
vianuDi Con»taDtiDOpolilaiiain
epiecopum datam, qnae et to-
mu» appellatur, per omaia
lAU. dinrn. fonn, 73. p. TOj.
. , . [devola mentis iotegri*
täte et] pnra conscieatia . . .
[ue proüteri. Kt ideo pro-
mitto . . .] illam fidem tensre
[ predicare J ati|ae defend««
quam ab apostolis traditiuii
[babemuMj et auccassores eormn
üuatoditftiü, röverendam Nicse-
ünm 318 patram [s. spirita
sibi revelante] suscipiens re-
dsgit in bymbolum. [deinde
trea alia« a. syaodi, id est)
CoDstantiDOpolitanam 1 50 pa-
lrum sab p. m. Tbeodosio 86-
Diore principe facta, et Bf«saoaili
priroam cui b. m. pape CeU-
stinais ap. t^edis pontifex ei b.
Cyrillns Alexundrinas epiMCOpU
preüederunt, sed et Cakedonen-
sein 630 patrum qaae sub p.
m. Marciano iiup. coDvenit cni-
<ine s, r. papa Leo per legatos
suoa vicariosqae presedit, et
proat diversaroio hcresum dam-
niinda exigeliat diveraitaa, aan-
dem fidem nno eodeimjue «eosa
[al<iaeiipirJtn|dpclaratitpslntiiLS
ediderunt. [eoa anteu) qakam-
que ab eisdem patribn?» in me-
in Oratia (juaitnor aynodb re)
Friedrick: Zur Entstehung des liber diurnus.
61
Tcneramar, teoemus, defendi-
mos. atqoe secandnm eins te-
Borem, adinvante domino, prae-
dkamiis. Et sicut praadecessor
D«»ter saepe dictas b. m. papa
Leo sjDodam Chalcedonensem
nacepit atqae firmavit; ita et
006 per omnia, operante divina
rratia, veDeramur, custodimus,
4tqae defeDdimus.
quinte sub p. m. Justiniano
confecte diversis vieibus dam-
Dati leguntnr . . . illud etiam,
spiritali saffragante gratia, pro-
fitemur, nas s. et b. r.] Leonis
[ap. sedis antistitis] epistalam
ad Flavianum ConstaDtinopoli-
tanaxn episcopam datam, qai
et tomus appellatnr [sed et
omnes eias epistolas de fidei
firmitate prescriptas] per omnia
[et in omnibas] inviolabiliter
custodire et semper libere sicut
predicatis predicare . . .
Diese Stelle des P. Pelagius II. bildet widerspruchslos
d«fn Grundstock der ursprünglichen form. 73, zu der erst
spater zwei weitere Zusätze gemacht wurden ; denn was zu-
nächst in der ursprünglichen Formel folgt, ist der formnla
Honnisdae F. (Mansi VI[[, 407 ; J. 782) nachgebildet, doch
nicht, ohne wieder eine kurze Stelle von Pelagius IL zu
entlehnen :
Form. Hormisdae.
patram sequentes in omnibus
ooostitata t anathematizamus
omnes faaereticos , praecipue
Xestorinm baereticum , qui
qaondam Constantinopoiitanae
foit nrbis episcopus, damnatus
in conciiio Ephesino a Caele-
stino papa urbis Romae, et a
a. Cyriilo Alexandrinae civitatis
•Btiatite; uno cum ipso ana-
thematizantes Bntycbetem et
DiosGomm Alexandrinum in s.
sjnodo, qoam sequimur et am-
plectimor, Chaicedonensi dam-
natos; bis Timotbenm adjici-
Form. 73, p. 7I2.
eos autem quicumque ab eisdem
8. patribus in memoratis quat-
tuor synodis vel quinte sub p.
m. Justiniano confecte diversis
vieibus damnati leguntur, me
meamque ecclesiam eorundem
venerandam auctoritatem pa-
trum sequentes insolubili dam-
natione procellimus, nee non
et omnes quos b. r. Romane
urbis pontifices propter diversos
errores vel haereses damnave-
runt, damnamus. illud etiam,
spiritali suffragante gratia,
profitemar, nos. s. et b. r. Leonis
^^^H ß2 Sitimn iler histOT. Clause vom 3. Januar 1890. 1
^^^H eotes parricidaiu, Aeluram
ap, sedis antistitis epiatulam ad
^^^H cognomeiDto, et aUcipuliim quo-
Flavianüm Const an tinopol lU-
^^^^1 qne eius atqae Bequacem Petruin
nnin episcopum datam qui et
^^^^1 vel Äcacium, qni in eoraia
tonius appellatar, sed et om-
^^^^H communioiiis societate permun-
nes eius epistolaä de Sdei
^^^^H sit; qnia quoriun se cotninu-
ärmitate prescriptas per om-
^^^^H nioni luiscuit, illorum simiieui
□ia et in ooitiibns iiivLolabilil«r
^^^^B memit in daioDatione aenten-
cnstodire . . ,
^^^^V Uam; Petram nihilomiiiaii äd-
^^^^ tiochenum damnantes cum se-
1 quaeibus suis et omaium supra-
1 BCriplorum [bis adjicientes . . .
^^^^ entspricht form. 73, p. TI,: nee
^^^
^^^^ft Don et onmea...]. Quapropter
^^^^M
^^^^H suscipimus et approliamus om-
^H
^^^^H nee e'piatolas Leonia papae
^^^H QDiversaa, qnaa de religioae
^H
^^^H cbriatiana coDscripsit.
^^H Das Weitere ist nach der Angabe der Formel seffl^V
^^^^H den Briefen Leo's 1. entnommen , stimmt al>er mehr mit 1
^^^^H dem Coucil von Cbulcedoii. Doch ancb hier lehnt neb die 1
^^^H Formel wieder an das Schreiben des P. Felagius 1. an den 1
^^^1 fränkischen K. Childebert (5.^7). wie folgende Ver^leichtinff 1
^H zeigt, 1
^^H PeUgiaa I. ManBÜX, 728;
Form, 73, p. 71ie
^^^1 J. 946. - Vgl. i:an. 12 Conc. Epbei.
^^^^H ßst ergo nnas atqae idem
UDuni eandeinque deam do-
^^^^H JeBOs Cbriatus verus filios dei
atinuin et salvatorem Doatrtun
^^^^H et idem ipse Veras filios ho-
Josum Christum filium dd
^^^^1 mlois ... ei duabus et in
eundeitiqae hominis filium n
^^^H duabus maoeutibus iudivisiä
duabus et Ld duabu nalariit . ■ .
^^^H incourusisque crediiiius esse
maoeulibus , . .
^^^^H — —
^^^^H eondem verbam ac tilium
:*od, ut dictum eat, aniuB
^^^H dei in utero eiasdem s. virgiois
cnrodemque ßliuin düi et do-
^^^H Uarioe deueDter ingreesam ot
minum Doatram J. C, qnm
^^^^H d« uarne eiuä sibi unihte uar-
credimus iu ul^rum Tirgini«
■^^^^Hk^^^^^H
FViedrieh: Zur Entstehung des Über diurnus.
63
lem anima rationali et intel-
kctuali animatam — —
Qoem snb Pontio Pilato
spofite pro salnte nostra passum
esse came coDfitemur, cruci-
fixun Game, resnrrexisse tertia
die glorificata et incorruptibili
eadem caroe — —
8. Mariae genitricis suae [in-
gressum et ?] de eadem s. sem-
per virgine Maria sumpsisse
yeram carnem aDimatam aDima
rational! ac sibi unisse — —
eundem passum carne, cruci-
fixum, mortnnm came, resur-
rexisse eundem secundum car-
nem — —
Damit ist der Hauptinhalt und der Hauptzweck der ur-
-prünglichen form. 73 erschöpft; denn bezeichnenderweise
wird fortgefahren : et quam vis ad orthodoxe fidei sinceritatem
&i>imde superius dicta sufficiant, tarnen hoc a nobis specialiter
protitendum, sicnt voluistis, detestamur etiam eos ... (p. 729).
Was folgt, ist zwar wieder aus der Glaubensdefinition der
IV. allgemeinen (Chalcedonischen) Synode, welches aber ge-
rade im 7. Canon des V. ökumenischen Concils neu eingeprägt
worden war. Wenn nun zum Beweis ,der Reinheit des
orthodoxen Glaubens" das Vorausgehende reichlich genügt,
d. h. wenn dieselbe nur mittels der fünf ersten allgemeinen
Konzilien bewiesen und nur noch als etwas ^Besonderes" das
Bekenntniss einer Bestimmung des Chalcedonischen Glaubens-
deerets, welche der 7. Anathematismus der V. allgemeinen
Synode berührte, verlangt wird, so können andere Streit-
fragen und Entscheidungen darüber zur Zeit der Abfassung
der Formel noch nicht vorhanden gewesen sein. Fährt da-
her die jetzt vorliegende form. 73, ohne einen Zusammenhang
mit dem Vorausgehenden, mit einer neuen dogmatischen
Streitfrage fort, so ist das ein Zeichen, dass wir es von da
an mit einem späteren Zusatz zu thun haben. Da dieser,
wie sich zeigen wird, 649 gemacht wurde, so fällt also der
erste Theil oder die ursprüngliche form. 73 längst vor dieses
Jahr. Schon ursprünglich mag dazu auch der Schluss gehör
(i4
Siimng der hislor, Cfajise r
haben (p. 73i8): et ut noatrae fidei vestro apostolatni sanctae-
que cath. eclesie integritas ac puritas luonstraretur . . . sanimt
tten subscriptiones, worauf tiocli zurück /ukommen sein wird.
Wir können jedoch die Zeit der EntirtehutiR and d«n
Zweck dieses 1. Theileu noch näher lieii^tiuinien.
Es ist oben nachgewiesen worden, dass er wesentlich
aus einer Stelle eines Schreibens Pelagius II. besteht, und
dass wenigstenä eine andere Pelagius I. nebenbei benQtist
wurde. Wenn nun diese Schreiben beider Päpste den .Drei-
kapitelstreit* behandeln, so liegt es nahe, anzunehmen, dtus
auch die form. 73 ursprünglich die gleiche Beziehung ra
diesem Streite hatte. Ist es aber gar nachweisbar, dass die
zur Einheit mit der römischen Kirche ans dem Schiscia,
welches durch diesen Streit eutetandeu war, zur fickk ehrenden
Bischöfe ein die , Dreikapitel " verdammendes Glaubensl»-
kenntniss ablegen mussteti, so wird man um so mehr daran
denken dürfen, dass form. 73 (I.Thl.) ein solches tilaubens-
bekenntniss war.
Dass nun wirklich die zurückkehrenden Bischöfe ein
solches Bekenutniss ablegen mussten, das geht unzweideutig
aus den Briefen Gregors d. Gr. hervor. Derselbe schreibt
5d3 Sept. an B. Constantins von Mailand: dicentes (itc. tm
episcopi), vos in damnatione trium capitulorum consensiiR
atqne cantionem feciiise. Et si (juid de tribns capitulis m
qnocumque Tel verbo vel scripto uominatum est bene fratar-
nitus tiia remiuiscitur , qnamvis deceasor fnitemitutis toae
Laurentius districtiseimam cautionem sedi aji. emisit, in qua
viri nobili-Hsimi et legitimo numero 9ubscri|)äerunt. Lnter qgus
et ego quoque tunc urbanam praeturam gerens parit«r sub-
i<cripsi, qtiia postcjnam talis scissura pro null» re facta ettt iutstuni
fnit, ut sedes ap. curam gereret, quatvnne unitatem in uni-
versalis ecclesiae sacerdutum mentibus per omnia custodirot')
I) .per 0
uuBtüdire* auch foroi. 78. p. 71 „
Friedrich: Zur Entstehung des liber diurnua. 65
«IV. 2, Ewald p. 232; vgl. IV. 3, p. 235). Nur konnte das
voü Laureutias unterschriebene Glaubensbekenntniss die form.
73 darum noch nicht gewesen sein, weil derselbe schon 573
^Ew. p. 234 n. 7) Erzbischof von Mailand wurde, Pelagius II.
ihet erst 578 den romischen Stuhl bestieg, unter welchem
.Tfihestens, wenn nicht erst unter Gregor d. Gr. die form. 73
«Atstand, um den zurückkehrenden schismatischen Bischofen
Torgei^t zu werden.
Wenn ich ihr aber diesen Zweck zuschreibe, so meine
ich, das» derselbe aus der Formel selbst schlagend hervor-
gehe. Denn erstens enthält sie nicht Einen Gedanken mehr,
ftk das Glaubensbekenntniss Pelagius I. oder die Schreiben
Pelagius II. und Gregors d. Gr. an diese Schismatiker, da
alle sich darauf berufen, dass keiner von ihnen den Glauben
der vorausgehenden vier allgemeinen Konzilien oder den Brief
Li>o*s I. an den Erzb. Flavian von Constantinopel aufgegeben
cder gar durch Annahme der V. allgemeinen Synode, bez.
die , Dreikapitel*, die Lehre des Konzils von Chalcedon und
Leo*s» I. verletzt habe. Letzteres könne überhaupt nicht
dnrch die Anerkennung der V. allgemeinen Synode geschehen,
weshalb sie aber auch mit allem Nachdrucke die Autorität
dieser Synode vertheidigen raössten. Wer daher zur römi-
schen Kirche zurückkehren wolle, müsse auch die V. allge-
meine Syn^ide anerkennen (Pelagius IL, a. 0. ; Greg. M. Epp.
IL 49, Ew. 151; IIL 10, p. 170; IV. 4, p. 237; IV. 33,
p. 268). Gerade darum wird auch in form. 73 zwischen die
Worte Pelagius IL über das IV. ökumenische Konzil und
nber das Schreiben Leo*s I. an Flavian die Stelle eingeschoben:
«OS auiem quicumque ab eisdem s. patribus in memoratis
4iiattuor synodis vel quinte sub p. m. Justiniano confecte
diversis vicibus damnati leguntur (nämlich auch die , Drei-
kapitel* ) , me meamque ecclesiam eorumdem venerandam
aocioritatem patrum sequentes insolubili damnatione procel'
Umas ... (p. 71i). Der Unterschied in der Behandlung dei
IMl nüloa-pküoL a. hist Cl. 1. 5
66 SiUung dtr ftidfoc. ClaifKe ivtii :i. Jaioiiir 1S90.
V. Synode gegenüber den vier vorausgehenden iet nicht 211
verkennen. Während von dem Nicäuiim ansgeangt wini, m
habe den npostaüschen Glauben in ein Synibnlani gefiisst,
und von den drei folgenden Konzilien, sie haben den näm-
lichen Glauben weiter erläutert, wird von dem fünften nur
gelt«nd gemacht, es habe häretische l'ermneii. die .Ürn-
kapitel' verdammt,') welche der schwörende Bischof ebeofalb
verdamme. Weiter deuten darauf hin, dass SchiematUcer
diese Formel zu beschwören hatten, die Ausdrücke: ilUm
fidem tenere predicare atque defendere, quam . . . (p. 70 ■] ;
denn da diese Worte aus dem Schreibeu des Pelagiiw IL
stammen, so sind sie auch anf das Schisma xu beeieheii.
Ferner: et semper libere sicut predicntis predicare, d. Ii. wi«
die römischen Bischöfe, welche nach den kurz vorher aa-
geftihrten Worten auch das V. allgemeine Konzil lehren.
Endlich heisst es: nachdem wir, wie ihr, lehren, auch die
Personen, welche das V. Konzil verdammt, wie ihr ver-
dammen, so steht die Integrität und Reinheit unseres tiUabens
hinreichend fest; da ihr aber noch etwas ,8pe?.ieUes' ver-
danimt wissen wollt, so thun wir auch dies: et quamvia oA
orthodoxBL- fidel sinceritateni abunde superiiis diuta sufHciont,
tarnen ((uia hoc u nobis specialiter proßtenduin, .sicut con-
decet, voluistis, detestumur (wie die , Dreikapitel*) etiam on«
et ahhominamur atque damnamus quicumque in dominu d«o
et salvatore nostro J. C. ante adunatioueni duai naturas et
[Kwit adunationem unani delirando dicere vel credere pre-
aumpseruut preeiumunt at*jue presunipseriut (p. ~2„). Ba ist
1} OuK «0 wie Greg, U. H. 19. Ew, p, 1G1, mgt; Kam ia »f
Dodo, in qua de trihue eapituli« autoiit nnt, aperto lii)uet, nUtll ds
Ede convuiHUiu ««»e, vel aliqnatenua, inuuulutum, »eA »ieal scitii da
qiiibu)i<iaiii (llk Huluuinivda pvrsotiM eiit uutiLaluni . . . EbunMi IV. 37,
Ew. p. 278. - Zu form. 79. p. 71 J »({1. Qrng. M. 1, 2i, Kw. p. U:
(JunL'ta* vcro i^qm pmeliitA veni-ruiidik (6) eondlia pervunu raptma^
respiw . . .
FriedrUh: Zur Entstehung des Über diumus. 67
&&, wie schon gesagt, aus dem Chalcedonischen Glaubens-
itcxet ausgehoben; darauf kam der 7. Anathematismus der
?. allgemeinen Synode zurück, welcher auch später gleich-
an als die Hauptdefinition derselben hervorgehoben wird,
L B. Ton P. Agatho in seinem Schreiben an die VI. all-
gemeine Synode (Mansi XI, 255; J. 2109). Ist aber diese
Bongnahme auf die Dreikapitel richtig, so folgt gerade
liraus, das8 die form. 73 fQr die Schismatiker bestimmt war;
denn Gr^or d. Gr. sagt in einem zweiten Schreiben an
Enb. Constantius, dass die unverdächtigen Bischöfe ein die
, Dreikapitel* ausdrücklich berührendes Glaubensbekenntniss
nicht abzulegen hatten : Pervenit ad nos, quod quidam epis-
copi Testrae dioceseos exquirentes occasionem potius quam
mrenienies aese scindere a fratemitatis vestrae unitate temp-
UTerint, dicentes, te apud Romanam urbem in trium capi-
tolonim damnatione cautionem fecisse. Quod videl. idcirco
dicont^ quia quantum fraternitati tuae etiam sine caatione
credere soleam nesciunt. Si enim hoc esset necessarium üeri,
mtia Tobis nrudis credi potuisse. Ego tarnen nominata inter
DOS neque verbo neque scripto tria capitula recolo (IV. 3,
p. 235).
Endlich scheint darauf auch der Umstand hinzudeuten,
daas der das Glaubensbekenntniss Ablegende sich nicht als
erwählten Bischof, sondern als solchen, welcher bereits Besitz
Too seiner Kirche ergriffen hat, bezeichnet: Promitto ill* ego
til' episcopus s. ecclesiae ill* (p. 69 ig) und : Sabscriptio epis-
copL Lii* indignus episcopus s. ecclesiae ill* (p. 74 2), ganz
to wie in der Promissio cuiusdam episcopi haeresim suani
loaihematizantis, quam solvi fecit in nomine domini impe-
nlor Constantinopoli (Mansi X, 326).
Erst als das Schisma immer schwächer wurde und end-
lich ganz aufhorte, wurde die form. 78 auch für die in Rom
ZQ koosekrirenden Bischöfe verwendet und deshalb auch v
Zeit zu Zeit mit neuen Zusätzen vermehrt. Der erste wi
6*
68
Sitswii/ der tiistor. Claime vom 3. Jonuo
aber unter P. MarÜD I. gemacht und bezieht aich auf die
moQotlieleti sehen Streitigkeiten, in die «uch Üoin durch 1*.
Honorius T. in unvorsichtiger Weise verwickelt worden war.
Es bedarf zunj Beweis dieser Beliuiiptuiif^ nur einer Ver-
gleichuDg der auf S. G9 stehenden Stellen, welche nid) auf
den nämlichen Punkt beziehen.
Der Unterschied zwischen form. 73 . dem Schreiben
Agatho'a und der römiHchen Synode, »owie der form. 85
springt in die Augen. Im ■!. 680 ist nicht mehr von den
Päpsten Severin, Johannes und Theodor, sondern nur nucli
von Martin I. die Rede, indem dasjenige, was die voniiia-
gehenden Pfipstc in der moiiotheletischen Frngi; gethiui
hatten, verschwand gegenüber dem Auftreten Martins, Denn
dieser hatte 049 eine grosse abendländische Synode nach
Rom berufen, und in Verbindung mit ihr auch CuoDiui«
gegen den MunotheletiHmus „definirt und decretirt*. Diese
Delinitionen ') llherragteu bis /.um VI. allgemeinen Konxil
6S0 alW, was vor und nach 041* gegen die Monotheletui
geschehen war, und welches Gewicht Martin I. seibat anf
sie legte, das erkennen wir daran, das« ler sie an die aus-
wärtigen Kirchen, wie durch B. Ämandus von Mustriebt na
die gallische, 7.ur Aunahaii^ und Unterzeichnung sandte (m.
Kirchengesch. Deutschi. II. 327). Ebenso schickte aber auch
['. Agatbo noch kurz, vor H80 dieselben nach Knuland (Boda
IV. 18). Dagegen stehen wir bei form. 73 mitten im Be*
ginn des Streites. K^ werden die unmittelbaren Nachfolger
des in diesem Streite Fehlgegangenen Ilonorius 1. in«g«siutinit
aufgezählt, obwohl eigentliche Dekrete wenigstens von Semrin
und Johannes nicht vorhanden waren. Wie es mnni nie gi^
schiebt, wird hier hervorgehoben, dass in Constautinopel du
1) DeSnitio war 680 die Keteicliirotig flir cnnanM der SjutASi
t, B, A|;ntbo vom V. all gern »inRn Konuh in Vll. ileünitionuin Mpt*.
tuln praedicat, Manul XI, 2&ß.
Friedrich: Zur Entstehung des liber diumu».
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Sittung der hinlur. ('lau
Unkraut eniporschoas. Doch ist au ffnUeiiditr weise Ton pDe-
finitionen' keine Rede, aondeni Martin I, wird auf gl«iche
Stufe mit den voraiis|^ehenden PUpst«!) ^eafa^Ut, und itta JH
den Gedanken an nein Kon/.il nicbt aufkommen zu lamen,
heisat es zu allem Ueberflu^ auch nocli. diese Päpste hätte»
.durch ihre eigenen Doctrinen" die in Constantinopel ont-
standenen Skandale Kl>ge»chnitt«ii. Dub m\iea nothwendig
649 für die. vom Papste zu konwkrirenden Bischöfe pe-
sclirieben sein, als noch keine Konzilsbeschlüsse, sondern nnr
einzelne Handlungen und Sehreiben der Nachfolger des Uo-
norius vorlagen, Ich glaube auch nicht, dass dagegen das
s. rec,, welches vor Severio sticht, geltend gemacht werden
kann. Bei der Häufung der nachfolgenden Pai«tniimen
njusa es sich nicht nothwendig auch auf Martin I. beziehen.
Doch ist es auffallend, dass man wenigsten« nai^lt dem VI.
Konzil die Stelle über Martin I. u. s. w. nicht auch um-
arbeitet«.
Der UI. Theil der form, 73 ent,staud, wie sich a\u dwii
Wortlaut ergibt, tinmittolhar nach dem VI, allKsmeiDUi
Konzil, ad haec vero snscipio et amplector et venero defi-
nitiouem quam, deo iiuspice, s. luiiversaiis ac magna VL i^-
nodus quae in regia ConKtantinopolitaua urbe conv^nit, in
qua et ap. sedis legati doniiii Ägathonis pape presidere routi-
festiuu est, qui et per decreto Christian issimi ac pÜMimi 4it
a deo coronati Constautini magni principis congregata est; et
quefpie susceperunt, suscipiuius vel qtiae ubiecerunt, abieimiM
similiter et qiios anathematizaverunt et damnaveruut, UUk'
thematizamus ac damnamus (p. 7St u). Damit stimmt w&rl-
lich überein, was form. 85, p. 109s p, über du» VI. nllg«-
nicine Konzil gesagt ist; nur hat form. 73 legati dumni
AgathoDiH pape und form. 85 que nnper in regia Cnn-
stantitKipoli urbe und sct/.t lt'tzt.'n- den Sin^uliir: suscvptt.
suacipio cet,, wo ersten- den Plural hat: susceperunt, ansci-
pimus cet.
FVi^driih: Zur Entstehung des liber diurnus. 71
Dsi^ dieser Zusatz in diese Zeit, und zwar noch in die
Lebieit Kais. Constantins fällt, zeigt, einmal dass er un-
■ittelbar mit dem VI. allgemeinen Konzil schliesst und dann
iam er den Kaiser Konstantin noch als lebend anführt:
Chiistianissimi ac piissimi et a deo coronati Constantini magni
prindpis. ^) Zwar ist es richtig, dass auch form. 84, p. lOOi
diese Formel gebraucht, obwohl sie den Kaiser durch p. m.
ik ferstorben bezeichnet: p. m. principis nostri donmi Con-
Maniini dementer implente . . . eo presidente; allein letzteres
kann schon deswegen keine Instanz gegen form. 73 und 85
bildai, weil man die Quelle fQr form. 84 und damit zugleich
die Gedankenlosigkeit, mit der der Verfasser seine Quelle
benfitzte, nachweisen kann. Darauf komme ich jedoch später
zorOck, wenn Yon form. 84 näher gehandelt wird.
Es kann nur die Frage entstehen, ob dem Zusätze in
iorm. 73 oder in form. 85 die Priorität zuzuerkennen sei.
Da bemerke ich aber vorläufig, die Ausführung auf später
fcr^mrend, dass mir der Zusatz in form. 73 als der ursprüng-
lichere erscheint, indem in form. 85 eine form. 78 verbessernde
Hand nicht zu verkennen ist, und dass an sich schon, wenn
form. 73, wie es offenbar ist, in fortwährendem Gebrauche
1) V. Sickel, Proleg. 11, 19, legt darauf kein Gewicht, da es mit
dem Zusatz p. m. weder in Urkunden noch in Formeln streng ge-
BOBimen werde; stehe doch in form. 73 auch domni Agathonis, ob-
wohl er das Ende des Konzils nicht erlebt habe. Ich unterschätze
diese Beweisführung keineswegs. Wäre aber domni Agathonis pape
■ieht als eine später in den Text gerathene Randbemerkung zu denken ?
Man sieht nicht recht ein, was neben ap. sedis legati noch domni
A|^. p. ihan soll; Garnier aber hat wieder eine andere Lesart: ap.
•edis domni Agathonis legatos; form. 85 lässt den Zusatz ganz aus.
Aocb sonst ist diese Verbindung meines Wissens ganz ungebräuchlich.
Dagegen hat form. 73, p. 70^0: cuique s. r. papa Leo per legatos suos
Ticarioj>qae presedit, während form. 84, p. 9734 schreibt: cui apostöli-
ms papA Leo per legatos et yicarios prefuit, also auch das sancte
weglässt.
72
SUniHJi dtr hixliir flau
blieb, hier früher ein Zusatü niitliwt'ndig war, iil« liei einei«
b^eltener noÜiweiidigen päpatlinhen OUubensbekenntnisse.
Das ErgebiüsB der gaunert ürit«rKuciiui)g fiber form. 73
ist also, dass die ursprünglich nntiT Pelagiiis 11. fider Gt«^r
d. Gr. im Dreikapitelstreite entstandene Fornit'l |I. Theil) in
den älteren Tbeil der ganzen Sammlung, mtch in Collecüo L,
gehört. Auf die Frage indessen, warum in den zumniiuen-
gehörigen form, 73, dann form. 74 — 7ß, welche letzteren
unverändert geblieben sind, die ursprüngliche Formel de»
Pelagius 11- oder Gregor d. Gr. fehlt imd gtstt ihrer nur
die mit zwei Zusätzen versehene vorhanden ist. lasse ich
mich, da sie einem anderen Gebiete angehört, nicht ein. I«h
darf aber auf den Umstand hinweisen, das^ auch in form- 63
ein älterer und jDiigerer Theil zu unterscheiden ist, gleich-
wohl aber der ältere Theil selbständig nicht mehr erhalten ut.
Ich mache schlieselich nur noch einige uachträglicbe
Bemerkungen. Wenn von Sickel lib. diurn. praef. p. XXVIU
auf den Gebrauch des Ül" in Collectio I,, welcher iu Appen-
dix I. bereife mit ill(e) tttl(i8) oder tiil' wechsle, hingewioMU
wird, so spricht dies meiues Erachtens ebenfalls für meiD«
Auffassung der form. 73 — 7li. In form. 7.1 und 7ti steht
nur i\\\ während die eautio form. 7^ im gnnzen Stück Dnr
ill' und erst am Schlüsse hat: Subscriptio scriptoris. IU. la-
li» Letztere» kaim wohl aus dem Gehrauche der form. 74
erWUrt werden. In form. 73 ist freilich im .\nfang und am
Schlüsse ill' talia zu lesen ; allein gerade da» entspricht
meiner Annahme, dass die ureprOugliche Formel in fwt«-
währendem tjebrauche blieb un<I immer neue, dnu Ztibver-
biUtnissen entsprechende Zunätze erhielt. Dem konnte sieh
(vuch ill' nicht ganz entziehen, sowie ja auch .snnimi) pootj-
fici seu univemali pape' (p, 70i} ein späterer Zusatz ist, da
universalis pajitt die Päpste bis auf tiregor d. Or. sich niebb
nannten, Gregor d. Gr. niich diesen Titel sogar verbat, and
erat ca. t)40 die Bischöfe den Papst universalis papa zu
I*VUdrich: Zur Entstehung des Über diurnus. 73
nennen anfingen, in Kom selbst nicht vor 680 der Gebrauch,
aber noch nicht seitens der Päpste, begann (s. S. 69 die
ft)nn. 85, dann ra. Constantin. Schenkg. S. 88 f. 101. 184 f.).
Es dürfte vielmehr ursprünglich eine ähnliche Phrase wie
form. 75 oder 76, vielleicht auch wie in der promissio bei
Mansi X, 326 gestanden haben.
Die form. 74 — 76. — Wenn es richtig ist, dass nur
die schismatischen Bischöfe .die «Dreikapitel'^ beschwören
mossten und wir diese Formel in form. 73 d.Theil) haben,
dias aber die unverdächtigen Bischöfe die «Dreikapitel' nicht
ZQ beschwören hatten, so musste für sie ein anderes Formular
Torfaanden sein, das jedoch im lib. dium. nicht mehr er-
kalten ist ; denn die form. 75 und 77, welche, ihrem Wort-
laate nach identisch, nur insofern verschieden sind, als es
daraof ankam, ob sie einem langobardischen oder einem der
reepublica angehörigen Bischöfe vorgelegt wurden, sind, wie
vir bei Bonifatins sehen (Jaffe, Mog. p. 76), das jnramentum,
welches noch heute von dem zu konsekrirenden Bischöfe
neben dem Glaubensbekenntnisse geleistet wird. Der Bischof
aus Langobardien musste schwören : promittens pariter festi-
nare omni annisu ut semper pax quam deus diligit inter
rempublicam et nos, hoc est gentem Langobardornm, con-
!«nretur. et nullo modo contra agere facerevel quippiam ad-
Tersnm promitto, quatenus fidem meam in omnibus sinceris-
simam exhibeam, während der Bischof aus der respubliea
Tenprach: promittens pariter quia, si quid contra rempubli-
cam et piissimum principem nostrum quodlibet agi cogno-
Tero, minime consentire, sed in quantum virtus sufFragaverit,
obviare et vicario tuo domino meo apostolico modis quibus
potnero nuntiabo et id agere facerevel, quatenus fidem meam
m omnibns sincerissimam exhibeam.
Diese Forderungen können doch wohl nur von Gregor
d. Gr. gestellt worden sein, in dessen Zeit sie ganz und gar
anch passen. Denn gerade Gregor war es, welcher zugunsten
74 SiUutuj 'hl' hi»tor. aiarnn imm H. Jnwiar IIÜKI.
der rettpublie» die grössten Anstrengungen machte, äberall-
liin zu dem Zwecke Boten äandte, Aunrdnungeri traf, Tri-
bunen ernannte und schickte, und die Öuldaten zum Gehor-
sam gegen sie aufforderte, der von allen Seiten Kundschaften
erhielt, sie den roroiscfaen Bet'ebUhabern initfcbeilte, um iticli
gegen die Langubarden vorsehen und ihre Anordnungen
treffen zu können, und sogar den Befehlshabern Weisungen
zukommen liess, wie »ie den Feind, die Langobarden, fassen
eollten. Er verhandelte aber auch über den Frieden der
reHpublica mit Langobardien und schloss ihn einmal nogar
selbst (s. dessen Kpp., z. B. U. 33, £w. p. 129; die kurz«
Debersitiht über diese Thätigkeit Gregors bei Weisse, Italien
und die Langobardenherrgeher S. 184 ff.). Endlich liess auiJi
gerade Gregor nach seiner vita c. 3 in Am\ Canon der Meeae
die Worte einschieben: diescjue nostros in tua pace dispoo«.
Die Forderung wegen Beobachtung de« Friedens wurde rifA-
leicht 599 eingeschoben. Ks entspräche dieselbe auch der-
jenigen, welche Gregor an K. Agilulf wegen der langobar-
dischen Herzoge stellt«. Nachdem er dem König ftlr den
Frieden gedankt und gelobt: tjuia pacem diligendo, tos Deam
qui ipsiua est auctor, amare monstrastis, fahrt er fort: Sed
ut prodesse unbis eamdem paceni quemadmoduni a nobis
facta est sentiamus, paterna caritate salutantes pctimiui, ot
(|uotiens se occaaio dederit, ducibus vestris per diversa locs,
maxime in his partibus constitutjs, vestria praecipiatis e|H-
stolis, ut hanc pacem, sicut promissum est, sunimopere uusto-
diant, et occasionea sibi aliquaa non qnaerant, unde atit coa-
tentio qnaedam, aut seditio aliqua, aut ingratitndo nas<»tur,
quateaus voluntati vestrae amplius agere gratias vnleamDS
(J. 1591). Da musste Gregor wohl, was er von Agtlalf
gegenüber di*n Hi-rzogeo verlangte, auch von den Biscbf^feu
fordern. Br wollte aber das Verhältniss mittels TliPodelindv
zu einem dauernden gestalten: Salntantes vos praeterea ptk-
terna dilectione hortumur, ut apud excelieuti.sNiunini cuniugwu
Kri^drieh: Zur Entstehung des liber diurnus. 75
Ttttram ita agatis, quatenus christianae reipublicae societateni
■00 reiiciat. Nam, sicut et vos scire credimus, multis modis
ea aiile, si se ad eins amicitias conferre voluerit. Vos ergo
Bore Tesiro, quae ad gratiam et reconciliationem partium
pertinent, semper studete, atqae ubi causa mercedis se dederit
laborate . . • (J. 1592). Und was, worauf schon y. Sickel
in srinen Prolegomena hingewiesen, die schismatischen Bi-
«höfe der Kirchenprovinz Aquileia hinsichtlich der Treue
gegen die respublica schwuren, obwohl nicht alle ihr mehr
angehörten, (Ew. p. 20), mussten nothwendig auch die unter
Gregor siehenden Bischöfe thun.
In der That sehen wir auch den Erzb. Constantius von
Mailand, welcher, weil er vor den Langobarden flüchtig in
ticnna sass, wahrscheinlich form. 75 geschworen hatte, in
vollstem Umfange nach der Richtung der in ihr über die
respoblica enthaltenen Klausel thätig (Weisse S. 184; Epp.
IV. 2, p. 234 f.) : Subtiliter autem mihi et breviter indicastis
vel de Agone rege vel de Francorum regibus quae gesta
«ont. Peto, ut fratemitas vestra quae adhuc cognoverit, mihi
modis Omnibus innotescat. Si autem videtis, quia cum pa-
tricio nihil facit Ago Langobardorum rex, de nobis ei pro-
mittite, quia paratus sum in causa eins me impendere, si
ipse aliquid utiliter cum republica voluerit ordinäre. Meint
man da nicht die Klausel der form. 75 durchzuhören? So-
gar die Redewendungen sind verwandt; form. 75: si quid . . .
cognovero^ Greg.: quae adhuc cognoverit; form. 75: domino
meo apostolico modis quibus potuero nuntiabo, Greg.: mihi
modis Omnibus innotescat.
Die form. 76 hat aber gegenüber form. 75 noch eine
andere Eigenthümlichkeit, welche nicht übersehen werden
darf, nämlich p. 81 is das Einschiebsel: vel contra catholicam
legem. Vergleichen wir nun zu form. 75 und 76 noch das
jnramentum s. Bonifatii, so ergibt sich, dass die Stelle, welche
in 75 von der respublica, in 76 von Langobardien handelt,
70 Sitzung der histor. Glosse vom 3. Januar ISIH).
überhaupt auf die Verhältnisse zugeschnitten wurde,
chen sich der schwörende Bischof befand. So la
Stelle bei Bonifatius: sed et, si cognovero antestite
instituta antiqua sanctorum patrum conversari, cum
lam habere communionem aut coniunctionem. Sed
si valuero, prohibeam; si minus, ne(nae) fidelitei
domno meo apostolico renuntiabo (JafFe, Mog. p. 7
catholica lex ist auch hier weggelassen. Das Feh
Einschiebsels bei Bonifatius und in form. 75 zeigt al
man hinsichtlich der Bischöfe der respublica so we
bei Bonifatius eine Veranlassung hatte, hier einen Zc
machen: für ihren katholischen Glauben gab es keil
suchung und Oefahr. Aus dem juramentum s. Bonifai
aber ferner hervor, dass die Versuchung oder Gefahr
Berührung mit der näheren und entfernteren Umgeb
suchen ist. Wenn daher die Bischöfe in Langol
schwören müssen, nichts gegen den katholischen Glau
thun oder zu versuchen, so müssen sie der VersuchuDj
Gefahr, solches zu thun, seitens ihrer Umgebung in
derem Grade ausgesetzt gewesen sein. Nimmt ma
hinzu, dass im 6. und 7. Jahrh. catholica oder nost
im Gegensatz zu aliena lex, aliena religio, die den A
nius bedeutete, oder zu perfidia Ariana, Arriana ha
sacrilegi sacerdotes (arianische Langobardenbischöfe) gebi
wurde,*) so haben wir ein neues Merkmal zur Zeitb
mung unserer form. 76. Sie muss demnach in der Zei
standen sein, als die Langobarden noch Arianer warer
vor den Königen Perctarit und Cunincpert.*)
1) z. B. Avit. Vienn. ep. 1. 6. 28. 85 (Migne c. 59. 199. 224
261); Athalarich bei Cassiodor. Var. Vlll. 15; Greg. M. dial. II
29; Epp. I. 17, Ew. p. 23 u. ö.
2) Hartmann, Untersuchungen z. Gesch. der byzantin. \
tung in Italien, S. 18. 121, setzt die Formel um 677—678, wo
zwischen der respublica und den Langobarden gcschloäsen ^
Friedrich: Zur Entstehung des liber diumus, 77
Hindert somit dieses Einschiebsel nicht, an der Zeit
Gregors d. Gr. festzuhalten, so sind es andere AusdrQcke,
velche uns neuerdings darauf und auf das Schisma wegen
ies Dreikapitelstreites hinweisen. Die lex catholica lief bei
den Bischöfen der respublica keine Gefahr, sondern nur bei
den Bischöfen in Langobardien, weshalb nur diese eine darauf
bezflgliche Klausel zu beschwören haben. Anders aber stand
es mit der unitas communis et universalis ecclesiae. Noch
kurz Torher hatte sich fast das ganze Abendland wegen der
Dreikapitel von Rom getrennt, und wenn das Schisma auch
zur Zeit Gregors d. Gr. bis auf die Kirchenprovinz Aquileia
(ond Hiberien) zusammengeschmolzen war, so gab es doch
loch noch in den anderen Kirchenprovinzen Viele, welche
m den Schismatikern hinneigten (z. B. im Frankenreich),
and gerade jetzt, als Gonstautius Erzbischof von Mailand ge-
vorden, brach das Schisma nicht blos in dieser Provinz wieder
ins, sondern fanden die Schismatiker auch den Beifall der
Königin Theodelinde, deren Kathgeber Secundus, der erste
Gescbichtschreiber der Langobarden, ohnehin die Bedenken
icT Schismatiker theilte: Quod autem dicitur filiam nostram
Theodelindam reginam sese a communione hoc audito nuntio
suspendisse; constat per omnia, quia etsi pravorum liominnm
verbis ad paululum seducta est . . ., d. h. zum Schisma der
Dreikapitel (Ew. p. 234. 230). Ja sogar Gregors eigener Sub-
diakon Savinus hess sich von den Schismatikern verleiten,
ZQ ihnen überzugehen (III. 10, Ew. p. 170). Ist es da zu
Terwundem, wenn Rom Alles aufbot, diese schisniatische
Bewegung zu unterdrücken: quia postquam talis scissura
<eben wegen der Dreikapitel) pro nulla re facta est iustum
hnt, nt sedes ap. curam gereret, quatenus unitatem in univer-
salis ecclesiae sacerdotum mentibus per omnia custodiret (Ew.
.Allein ich »ehe nicht, diian seine Gründe triftiger als die nieini-
g«B wären.
78 Sitzung der Higtor. Glosse vom 3. Januar 1690.
p. 234)? Wenn daher die Bischöfe nach form. 75
schwören müssen : et in nnitatem eiusdem fidei, deo <
persistere in qua omnis Christianorum salos esse sii
coraprobatur, et nuUo modo contra unitatem comi
universalis ecclesiae suadenti quippiam consentire,
sich dies nur auf die Dreikapitel beziehen. Schre
Gregor selbst über den Erzb. Laurentius von Mail
autem fecit, cum universali ecclesia non fuit et cautic
iuramenta transcendit. Sed quia eundem virum sua i
sacramenta (die Dreikapitel betreffend) servasse a
unitate ecclesiae catholicae permansisse (Ew. p. 273),
die Bischöfe von Hiberien, denen er sein im Nan
Pelagius IL abgefasstes Schreiben (J. 1056) sendet:
unitatem nostram reversuros nihilominus esse confi«
p. 151).
Die form. 73, 75 und 76 gehören also sachli
zeitlich zusammen und sind spätestens (iustum fiiit]
Gregor d. Gr. entstanden. Doch auch die cautio <
form. 74 muss in diese Zeit gehören. Sie entsprich
nur der Thätigkeit Gregors d. Gr., welcher nach seinen
die grösste Sorgfalt darauf verwandte, dass das K
gut der Diöcesen erhalten werde, sondern eine be«
Phrase in derselben zeigt, dass sie ihm noth wendig
hören muss.
Es heisst nämlich p. 76 19: Promitto etiam me ad n
apostolorum , si nuUa necessitas impedierit, annis s
occursurum. Nach form. 42, p. 31 und wohl auch Pela
(Löwenfeld, Ep. Pontif. Rom. ined. nr. 38) hatten di
Papste speciell abhängigen Bischöfe an dem Konsekn
tage des Papstes nach Rom zu kommen. Das sah
Gregor d. Gr. als eine »eitle Ueberflüssigkeit* der 1
an, welche ihm keine Freude mache, weshalb er bestii
künftighin habe es am Tage des h. Petrus zu gescfa
Praeterea sicut moris fuit, ut ad natalem pontificis ep
Friedneh: Zur Entstehung des liber diurnus. 7d
coDTenireni, ad ordinatioDis meae diem venire eos prohibe,
qoia iflta me vana superfluitas non delectat.^) Sed si eos
eoDTenire necesse est, in b. Petri app. principis natalem
eoQTenümt, nt ei, ex cuius largitate pastores sunt, gratiarum
ictioDes solvant (Ew. p. 54). Dass dies aber auch durch-
geführt warde, das zeigt Gregors Schreiben an den Diacon
Crprian 597 (J. 1465), in dem er die sici lianischen Bischöfe
ad DAtale 8. Petri einberuft, und beweist aus dem 7. Jahr-
hmdert die Abmachung, welche zwischen P. Leo II. und
Erzb. Theodor von Elayenna dahin getroffen wurde, dass der
Enbischof von Ravenna künftig nur zu seiner Konsekration
nach Rom, jedoch blos auf acht Tage, zu kommen habe, am
Aposteltage hingegen nur einen seiner Priester als Legaten
nach Rom zu schicken brauche (Agnell. v. Theod. c. 4).
Auf seiner Synode von 595, welche allerdings nur die
römische Kirche im Auge hat, aber u. A. die übertriebene
Verehmng der Päpste, den Kirchendienst, den Kirchenbesitz
(nrbana et rusüca praedia) und simonistische Missbräuche
bei Bischofekonsekrationen in Rom behandelt, sagt Gregor
Ober letztere c..5: Antiquam patrum regulam sequens, nihil
anquam de ordinationibus accipiendum esse constituo,
Mansi X, 435. Ein Papst, der so auf Besserung der römi-
schen Kirche drang, musste nothwendig das Gleiche den
Bischofen einschärfen. So erschöpft sich denn wirklich die
cantio form. 74 in ähnlichen Anweisungen, und p. 753 heisst
es mit den Worten der Synode: spondeo me de ordinatio-
nibus clericorum ab hostiario usque ad presbyterum null um
proeminm esse accepturum . . .
Demgemäss kommen auch die form. 74 — 76 an Alter
1 ) Gregors Sjrn. t. 696 c. 4 : Sicut indignos nos pro b. ap. Petri
rererentia meiu fideliom vener atur, ita nostram infirmitatem decet
■emetipiAin temper agnoscere, et impensac sibi venerationis honorem
deeliaaie, ICassi X, 486.
80 Sitzung der hisior. Classe vom 3. Januar 1890,
vielen Formeln des älteren Theils des liber diun
Collectio 1) gleich, und es hinderte nichts, sie dense
zuzählen.
Die form. 57—63. — Die Entstehungszei
Formeln, welche sich sämmtlich auf die Papstwahl un
konsekration beziehen, ist deshalb schwer zu bestimm
wir überhaupt wenig von der Bestätigungsart durch di
und Exarchen von Ravenna wissen. Theils müssen
der zwischen dem Tode eines Papstes einerseits und s
der Wahl und Konsekration des neuen Papstes and
verflossenen Zeit, deren Unzuverlässigkeit aber gen
Sickel in den Prolegomena nachgewiesen hat, Schlüsse
theils sind unsere sonstigen Nachrichten zu unbestimi
Rücksicht auf ersteres und auf die Abwesenheit des
auf einem Kriegszuge nach Asien nimmt man ai
Honorius I. der erste Papst gewesen, welcher von dem
natischen Exarchen allein bestätigt worden ist. Spät
bei Severin und Leo IL, findet aber wieder eine Besti
durch den Kaiser statt, und als Agatho zwar die Auf
der Bestätigungstaxe, welche an den Kaiser gezahlt
musste, erlangte, wurde gleichwohl neu eingeschär
tarnen, ut si contigerit post eius transitum electionei
non debeat ordinari qui electus fuerit nisi prius de
generale introducatur in regiam urbem secundum
quam consuetudinem: et cum eius, scilicet impe
conscientia et iussione debeat ordinatio pro venire (D
355 ; Vign. c. 5 : properare). Doch auch diese Bestin
wurde unter Benedict IL aufgehoben: Hie suscepit d
iussionem cleraentissimi principis Constantini . . . per
concessit, ut qui electus fuerit in sede ap., e vestigio \
tarditate pontifex ordinetur (vita c. 3). Man sah da
der Nachricht der vita seines Nachfolgers Johannes V
post multorum pontificum temporum vel annorum iuxfa
cam consuetudinem a generalitate in ecclesia s. Salvato
JF\riedrieh: Zur Entstehung des liber diurnus. 81
fkdus est atque exinde in episcopium ductus (c. 1), die erste
inwendung des kaiserlichen Erlasses unter Benedict 11.^),
ktm aber nur in um so grössere Verlegenheit darüber, wie
tt weitere Nachricht in vita Cononis c. 2 zu verstehen sei:
H miaBoe pariter ex clericis et ex populo ad excellentissiroum
Tbeodomm exarchum, ut mos est, direxerunt. So hat Du-
ehesne in seiner Ausgabe des liber pontif. angenommen,
Kais. Constantin habe die bisher allein übliche Weise der
Bestätigung durch die Kaiser aufgehoben und die Bestätigung
auf die Exarchen übertragen, worauf sich die form. 58—63
besehen sollen: die erste an den Kaiser (58) sei 685 zuiti
letzten Mal gebraucht, statt ihrer aber die form. 59 — 63 ein-
geffthrt worden.
Dieser Auffassung widerspricht indessen, dass es, wie in
der Tita Agathonis die kaiserliche Bestätigung „secundum
antiquam consnetudinem" bezeichnet wird, bei der Bestäti-
gung Conons durch den fiXarchen «ut mos est"* heisst. Wie
abo die erstere .alte Gewohnheit* war, so letztere «Sitte*^.
Allein wenn vor Gonon nur erst Johannes V. vom Exarchen,
auf den der Kaiser eben die Bestätigung übertragen haben
9olL» bestätigt worden wäre, so könnte es nicht „ut mos est^^
heiasen. So drückte man sich in Rom auch nicht aus^ das
aeben wir bei Gregor d. Gr., der Constantius von Mailand
«aecnndam modum decessoris* zu konsekriren befiehlt (Ew.
p. 187) und dies in den beiden folgenden Briefen dahin er-
läutert: a propiis episcopis, sicut antiquitatis mos exigit, und
1 suis episcopis, sicut vetus mos exigit (Ew. p. 388 ff.). Das
1) Ich glaube, dass diese Stelle überhaupt mit Unrecht heran-
geiogen wird-, denn sie handelt nur von der electio, und c. 3 wird
noch angegeben: Hie consecratus est. Von der Bestätigung oder
Nichtbetftätigung wird keine Erwähnung getban; es kann sich also
pcwt mnltoram pontificum temporum vel annorum iuxta priscani con-
«Qtftodineni a generali täte . . . electus est auch nur auf die Wahl,
nicht aof die Bestätigung beziehen.
laML PiakML-|»lülo]. a. bist. Cl. 1. 6
82 Sitzung der histor, Classe vom 3. Januar 1690,
heisst aber: wie sein Vorgänger Laurentius, so i
Constantius nach der «alten Sitte** konsekrirt we
also hier abgebrochen gewesen sein rouss. In i
wissen wir aus einem Schreiben Pelagius I., dass
länder Erzbischof den von Aquileia und diesen jem
krirte (Ew. p. 187 n. 8), dass sie also nicht, wie dU
Bischöfe „von ihren eigenen Bischöfen* konsekrirt
Auf diese alte, in Mailand abgebrochene Sitte gl
Gregor d. 6r. zurück, indem er den bei der Kon
des Laurentius angenommenen Modus billigt. So kS
her auch die der Bestätigung des P. Conon durch
archen beigefügte Phrase „ut mos est* dahin vi
werden: die durch die kaiserlichen Bestätigungen
ebene alte Sitte, dass die Päpste durch die Exarch«
bestätigt wurden, ist seit Johannes V., bez. CJonon
eingeführt worden.
Es wäre jedoch auch eine andere Erklärung
mos est* möglich, nämlich die, dass die kaiserliche
gung, wie die durch die Exarchen, alte Sitte war, u
wenn die kaiserliche Bestätigung nachgesucht wurd
zugleich auch die des Exarchen eingeholt werden
Aehnlich fasste schon Pagi, Breviarium gestor. ponti
I, 321 § 8 die Sache auf: De electione mox referel
imperatorem, a quo petebatur expectabaturque fact
tioiiis approbatio. De ea item scribebatur ad exarch
iudices, archiepiscopum et apocrisiarium Ravennae, ut (
faverent. Auch Hinschius meint: „Unter Uebersendi
Walprotocolls oder decretum electionis wurde daraui
Vermittlung des Exarchen in Ravenna die Bestätigt
Kaisers eingeholt und nach dem Eingang der letztei
Gewälte, welcher vorher sein Glaubensbekenntnis abs
hatte, konsekrirt* (Real-Encyklop. f. prot. Theol. ,
wal* ; KU. I, 220 n. 4). Und ebenso nimmt Philli
dass ein schriftlicher Bericht über den Wahlakt nacl
Kritilneh: Zar Ei\tslfhung lUs liher liiurw
83
staatitiopel und Ravenna durch eine Gesandtschaft geschickt
worden sei (KB. V. 7,14).') Das scheint mir, wie ich später
seigen werde, auch am den form. 58 — öü hervorzugehen.
Unter dieser Annahme würde aber ,ut mos est" in der v.
Cononis im Zuaamiuenhalt mit der Aufhebung der kaiaer-
licfaen Bestätigung unter Benedict II. heiasen: die kaiserliche
Bestätigung wurde, um die iiingen VRrzögerungen ■/.» ver-
meiden, uitlgehobeti, dagegen büeb die des Exarchen, Dt mos
est, bestehen, oder auf die torm. 5S. 59 angewendet: beide
wurden Ijei jeder Papstwafal aiiisgefertigt und an die Adres-
saten geschickt, um von beiden, vom Kaiser nnd vom Ex-
archen, die Bestätigung, bez. Ausführung derselben zu er-
langen, tii.s Kais. Constantin erster« auf)iub.
Ehe ich aber an den Nachweis aus den Formeln gehe,
niuss ich eine andere Bemerkung vorausschicken. In ihnen
ist inimt-r wieder von ordinatio und ordinäre die it«i)e, deren
Begriff erst feststehen muss, bevur an eine Erläuterung der
Formeln selbst gegangen werden kann. Nun faast man or-
dinatio gewöhnlich als coiupcratia auf, wodurch meines Kr-
nchteoa viel Verwirrung in die hier eiuachlägigeu Uutersucb-
ongen gekommen ist. Ordinatio kann aber auch entweder
die Wahl selbst ohne llHcksicht auf die Konsekration oder
die Bestätigung durch den Kaiser «ein, welche zwiächen
Wahl und Konsekration mitten Inne Hegt. Diese Bedeut-
ungen von ordinatio treten Überall deutlich hervor, wo von
einer Betheiligung der weltlichen tiewalt an der Wahl die
Hede iat. So heisst es Wahl schon bei der Doppelwalil des
Enlaliiu und Bonifatius I. (418J; denn nur darum, nicht um
1) Ph. IILtst SDi^r Ilhnlich, wie nach Kavenna an den Eribischof.
die iailicea UDd den rODi. Apokriaiur. nach Constantinopel Schreiben
abgehen unil glicht ilica aus den Briefen Gregors d. Gr. su betreisen.
Allein ilie Wob! Uregnra war insofern unregeluiäiaig, als er sie nicht
MjineluDpn wollte iin<l iletilialb nacli Cuiistanlinoiiel «clirleLi. man iiiögir
ihn nichl lieitStii^cii oder die ÜtBtiitigiuig verhindern
84 Sitzung der histnr. Clcuse vom 3, Januar 1890
die Konsekration handelt es sich in dem ganzei
Das zuletzt erlassene kaiserliche Gesetz sagt es so b<
als möglich: sciant omnes ambitionibus esse cesa
si duo forte contra fas temeritate certantum fuerin
nullum ex his futurum penitus sacerdotero, sed ill
in sede ap. permansurum, quem ex numero clericoi
ordinatione divinum iudicium et universitatis
elegerit (p. 86f.). Letzteres bezieht sich aber
Bittgesuch der Bonifatianer, worin sie sagen: Et
clementiam vestram constat falsidica relatione dea
nescio quid in iniuriam divini iudicii sanciretis
vinum est, quidquid tantorum confirmat electio*), p
(p. 19).
Da kann denn auch in dem ersten kaiserlichen i
ordinatio nichts anderes als Wahl bedeuten. Um a
Zweifel zu beseitigen, sagt es selbst: der Kaiser c
sich für Eulalius: cui competens numerus ordii
legitirai sollemnitas temporis locique qualitas recte ^
nominis apicem contulerunt (p. 16), welchem die Boi
selbst entgegenstellten: elegimus . . . acclamatioi
populi et consensu meliorum civitatis ascivimus: di^
1) Ich benütze Wilh. Meyer: epistulae imperat. rom. ex c
canonum Avellana [14 — 40], Gott. Lectionskatalog f. d. "VI
1888/89. — Wie ich, fasst auch Phillips, KR. V, 761,
gang auf.
2) Dass dies eine uralte Auffassung ist, zeigt Cyprian e
Hartel. p. 629, wo er von P. Cornelius sagt: non de malig
detrahentium mendacio, sed de Dei iudicio, qui episcopum eu
Dann: factus est autem Cornelius episcopus de Dei et Ch:
iudicio, de clericorum paene omnium testimonio, de plebis <
adfuit suffragio, de sacerdotum antiquorum et bonorum uin
legio, cum nemo ante se factus esset . . . Aber auch: et f
episcopus a plurimis collegis nostris qui tunc in urbe Roma
qui ud nos litteras honorificas et laudabiles et testimonio s*
dicationis inlustres de eins ordinatione miserunt.
FViedrieh: Zur Entstehung des Über diurnus, 85
icHntionis ordine consecratum ; naiu subscribentibus plus
mm» septaaginta presbyteris (Wahl), astantibus novem di-
lonnim provinciarum episcopis benedictionem competenti
tapCM« constat fuisse celebratam (p. 18). Von letzterem
fnch aber der Kaiser nicht, sondern davon, dass die Boni-
Uiner mit Missachtung der solennen Wahlzeit wählten:
idieiiieiiter miramur aliquos extitisse, qui soUemnitate eon-
mpta circa ordinationem alterius festinarent (p. 16), näm-
iieb am zweiten Tage nach dem Tode des P. Zosimus, wie
ae selbst zugestehen (p. 18). Darum ist auch im ersten
Bericht des Syramachus, der in seinem zweiten ausdrücklich
lor Ton der electio spricht (p. 17), ordinatio ebenso zu ver-
kleben : Verum cum vir sanctus Eulalius ad ecclesiam Latera-
Mssem de exequiis prioris episcopi a populo et a clericis
finaset adductus, ibi per biduum cum maxima multitudine
et com pluribus sacerdotibus remoratus est, ut expectaretur
dies consuetus, quo posset sollemniter ordinari. Cum haec
ita easent, subito aliquanti presbyteri cum Bonifatio eiusdem
oidinis ad Theodorae ecclesiam collecto populo properaruut
ibiqoe babito tractatu ipsum ordinäre^) episcopura velle coe-
penmt cet. (p. 15f.). Dem stimmt übrigens auch die v.
Bonif. I. c. 1 bei: Hie sub intentione cum Eulalio prdinatus
UDO die (sie). Eulalius ordinatus est in basilica Constan-
tiniana, Bonifatius vero in basilica Julia, c. 2 : ambo Augusti,
missa auctoritate, praeceperunt, ut ambo electi exirent de
eivitate ... In der v. Felicis III. (IV.) c. 2 hat der catal.
Conen. : Qui etiam ordinatus ex iussu Theoderici regis, was
bei Güssiodor. Var. VIII. 15 umschrieben wird : quod gloriosi
domni avi nostri respondistis in episcopatus electione iudicio.
Derselbe Felix hat bekanntlich seinen Nachfolger selbst be-
1) Wenn Duchesne I, 228 Bonifatius in der Kirche der h. Theo-
dors gewählt und in der des h. Marcellus konsekrirt sein läsBt, so
■immt anch er ordinäre im ersten Falle = eligere.
R(i
Sitiiitif,
'hr hk
. Clltsst i'nin .?. Jiii
r isao.
zeichnet und darOber einen Befehl an seinen Klerus erl»Ksen.
Dazu erfloes aber auch ein Decret des römische» Sensta,
worin es heisst;: senatntn anipliHsimum decreviaie ut quicum-
qiie vivo papa de alterius nrdinatione tmcbiverit . . .
(Dnchesne I, 21^2). BegreiHicIi soll hier nicht von <Iem
minder wichtigen Schlussakt, der Konsekration, die Rede
sein, .-Kindern ist die Wahl f^enieint. So ist wohl mich ordi-
natio in der v. Silverii c. 1 HiifzuFassen. Hie levatns est h
tyramio Theodato sine deliberatione decreti, d, h. Theodabal
erhob äÜTerius, ohne tiuss dieser gewählt und ein VValildekret
darüber uu^f^estellt war. Und nun wird erzählt, wie es da-
bei zugegangen und wie der römische Klerus ttich dazu stellt«:
Qni Theodatus, corruptus pecnniae datum, tiilem timon-ni
indixit ctero ut qui nnn consentiret in huius Ordinationen!
(Wahl) gladio puniretur. ijuod quidem sacerdotes non
subm'ripseriiut in euin (nur die Cardinal priestcr uotei^
i'chrieben das Wahldekret nicht) secundiim morem anticnm
vel decretum cunfirmaverunt ante ordinntiuneni (dnrch dm
übrigen Clerus); iam ordinato (erst nachdem der Dbiige
CleniH gewählt hatte) sub vim et raetnm, propter adunatio-
neni ecclesiae et religitmis, postuindum iam ordinat-o Silrerio
sie snbscripHerunt presbiteri. Auch dieses letztere «sub-
scripserunt* zeigt, dass es sich liei nrdinatio noch nicht um
die Konsekration, sondern um Anerkennung! des von dom
übrigen Clerus gewählten Silverius und inn Ausfertigun|f de«
nach alter (Jewohnheit hergebrachten Wabtdekrebi durch
die Cardinal priester handelte.') Es war, wie einst bei
der Wahl des Eulalius und Bonifatius, wieder ein i!wtespalt
zwischen dem „höheren" und niederen Clerns ansgebroofaen :
Sed cuni supra dictum EulaliiiK, qui unte per In» coumoef^
dotes notttros fuerat ex niultorum auctoritate conventua, ^e
quid sibi temere praeter conscientiam cleri toaiori«
IJ 7,0 HuWnliere vgl. die lunlructivü Stvile v. Cddoii. e. 3.
FViedfich: Zur Entstehung des liber diurnus. 87
ifftomeret (W. Meyer, ep. 17 p. 18), nur schlössen sich bei
SÜTerius die Priester dem übrigen Cleriis propter adunationem
fcclesiae et religionis an, während sie es bei Eulalius nicht
tbten.
Seyerinus schickte Apokrisiare nach Gonstantinopel, um
iher seine «Promotion* zu verhandeln: quando illic missos
in causa promotionis papae cum delatis decretis apocrisia-
n» susceperunt (Mansi X, 677). Promotio wird aber in
den Foruieln des lib. dium. mit ordinatio identisch genommen;
fbenso wie noch v. Pauli I. letzteres mit electio,^) zu wel-
cher Auffassung sich wohl auch diejenigen gezwungen sehen,
velche ordinatio för die Konsekration halten, wenn in den
form. 60 — 63 von perfecta ordinatio immer wieder die Rede
iB^ welche der Exarch herbeiföhren soll. Ich meinerseits
Böchte aber ordinatio in den Formeln eher für die Bestäti-
gung der vorausgehenden Wahl halten, da z. B. die Thätig-
keit des Exarchen form. 61, p. 56ii so ausgedrückt wird:
hanc apostolorum principis sedem ... de perfecta ordinatione
apostolici electi adornet, oder form. 62, p. 685: die locum
«rrantes hätten an den Exarchen eine Deputation gesandt
pro celleri promotione oratoris vestri et amatoris . . . archi-
diaconi et electi, und da form. 63, p. 59 1% der römische
Apokrisiar in Ravenna aufgefordert wird, bei dem Exarchen
pro celleri proraotionem pontificalis ordinationis zu wirken.*)
Doch für die nächste zu behandelnde Frage hat die eine
oder andere Auffassung noch keine wesentliche Bedeutung.
Es handelt sich nemlich noch darum, ob, wie Pagi,
1) Auch y. Steph. II, c. 26 heisst ea von der Wahl des Ravenna-
di^hen Archidiacons Leo zum Erzbischof: ele^erunt saepefatum
LeoDem . . . qni ad hanc ap. sedem properans ... in archiepiscopatua
boDOiem ab eodem sanctissimo papa Stephane ordinatus conse-
cratosque est.
2) Vom Exarchen Paulus erzählt v. Gregor. IL c. 16: er wollte
diesen Papst tödten atque alium in eins ordinäre locum nitebatur.
88
n;; der liistor. CImhv iviih ,V. Januar IM}.
HinsctiiuH TiDil Phllli[is iiiinehinen und iiuch ich ui^m«. an
Kaiaer unil Exarchen ursprfiiiglich Bittgesuche um Bestäti-
gung der Wahl, so wie die Formeln sie enthHlteu, uhgeiieo
miissteu. Mir scheinen die Formeln selbst dies n ab ev.u legen,
aber nur dann, wenn nicht, wie Pngt und ätnschiu^ an-
deuten, der Weg über Ravenna nach Constantinopel, sondern
umgekehrt über Constantinopel nach Ravenua genomtaen
wurde- Denn nur so scheint form. 59 Nuntius ad esarcbum
de transitu (pontificis) einen Sinn ^u haben, da, wenn nach
der VoraussetKUDg dei* Forniela die Papstwahl am dritten
Tage nach dem Tode dea Papstes stattfand, die Deputation
dem Nuntius unmittelbar auf dem Fusse nachfolgte. Doch
wichtiger i«t die Bitte der Deputation an den Exarchen, ut
oelerius . . . apustoUcam sedem de perfecta eiii.idein nostri
putria ordinatione adornare preeipiatis (form. 60, p.53u)«
So kann die .Vermittlung des Exarchen in Ravenna* im-
möglich erbeten worden sein, weil sie voraussetzt, dass dar
Exarch .befehle", der Kaiser (tolle schnell die Be>tätigung
ertheilen. Wohl hingegen würden die Ausdrücke der fomi.
60 — 63 erklärlich sein, wenn der umgekehrte Weg ange-
nommen wird. In form. 58. p. 4Sia wird der Kaiser ge-
beten, ut . . . concessa pietatis suae iusaioue petentiiim desi-
deria pro mercede imperii sui ad effectum') de Ordination«
1) ilJ effectum oder tuiaio in effevtuin, Uanei X,.67Tf., wnr der
■ techniReht^ Aviidruck fQr die BeBiUti)tan|f lie» neugew&hltcn pHpstM
durch den Kaiser. — GreR, M. t, 36, Ew, p. 49; Et qiiicqiiid inier
praedictnm Johuinem virum magnificum et «nepe fatnn epiicopnm
electorum hieril aententia ilefinitum, ad effectum perducere non
omittas. — Ad effectom de aliqua re procedere = Durohmbran^
dner Sache );ehSrt noch heute t\xr Terminologie der rOmixfheD COB*
l^regatirineii. So le^e Leo Xtll. der Riteo-ConffreKatioD in Betreff
der Wiedeiaafaahme aoA UucchfQhrung dea unterbrochenen äellg-
■prechungBproccstiea der Maria von Agrada die Frage vor: an *it
locua remotioni <tilentii taaaae iaipositi . . . ita ut proti-iÜ powit itd
utteriora in cniu et ad efTcctum. de quij agltur. U. Hurk. isa9, S. 412.
Friedriek: Zur Entstehung des liber diurnus, 89
fSB» precipiat pervenire, quatenus per sacros clenientiae
apices . . . ecclesiae dignum ordinari giibernatorem
Täasche ich mich nuD nicht, so bedeutet ad
Aetam perv^enire praecipere den Befehl zur Ausführung
fthen. Diesen gab der Kaiser aber seinen Vollzugsorganen,
a das Weitere zu veranlassen, in unserem Falle also, da
o die Verwaltung des Westreichs anging, dem Exarchen
1QB SaTenna, unter dem Rom stand. Thatsächlich wird von
imtm auch nicht anderes erbeten, als piis votis concurrere,
mi zwar celeriter voti compotes fieri precipiat, was, wenn
üt Deputation Ober Ravenna nach Gonstantinopel zog, wie-
lenim hiesse: der Exarch solle ^befehlen*, dass der Kaiser
fHch die Angelegenheit erledige. Statt dessen besteht die
Kookarrenz des EIxarchen darin : supplicamus ut celerius . . .
ap. aedem de perfecta eiusdem nostri patris ordinatione ador-
Bue precipiatis, oder form. 61, p. 57 2: ut optate ordinationis
... adceleretur negotium (form. 62, p. 585: pro celleri pro-
BotioDe). Darunter, ich leugne dies nicht, kann man sich
lUerdings auch die Bestätigung durch den Exarchen an Stelle
des Kaisers denken; allein man muss es nicht, und jeden-
büs haben diese Ausdrücke auch einen guten Sinn, wenn
nan unter ihnen versteht, dass der Exarch gebeten wird,
er möge, nachdem zur Erlangung der kaiserlichen iussio
!«bon so viel Zeit verflossen, „schnell*^ die nothwendigen
Befehle ergehen lassen, um die kaiserliche iussio ad effectum
«perfect* zu machen, damit die Gesandten cum effectu (form.
ö2. 63, p! 58 10; 59 u) nach Rom zurückkehren. Doch ich
lasse diese mehr die Juristen angehende Frage und wende
oiicb zu der nach dem Alter dieser form. 58—63.^)
1) För aa^iserordentliche Fälle mag trotzdem der Exarch dieVoll-
micht gehabt haben, allein den Gewählten zu bestätigen. Wir wissen
Mf den Quellen nichts über eine solche VoUmachtsertheilung; aber
di« Kdrze der Sedisyakanzen, z. B. bei Honorius, legt diert nahe.
PUle, wie bei Pelagius IL, der ordinatus fnit absque iussione prin-
1
90 Sitzung der histor. Classe com 3. Januar 1890.
Da hat aber bereits v. Sickel mehrmals, in der f
und in den Prolegomena, darauf aufmerksam gemad
ein auffallender Unterschied in der Ausdrucksweise de
60 und 61 (triduo) oder 63 (die tertia) und form. {
hinsichtlich der Zeit, wann die Papstwahl stattzufind
gegeben sei, und obwohl Duchesne widersprach, so w.
doch dabei stehen bleiben müssen, dass diu (form. f.
Neuerung bezeichnet. Um aber den terminus a quo
stimmen, ging v. Sickel von der Mittheilung des Pap
V. Bonifat. III. c. 2 aus: Hie fecit constitutum in
b. Petri, in quo sederunt episcopi 72, prebiteri Rom
diaconi et clerus omnis, sub anathemate, ut nuUus poi
viventem aut episcopum civitatis suae praesumat lo(;
partes sibi facere, nisi tertio die depositionis eins, t
clero et filiis ecclesiae, tunc electio fiat, et quis quem ^
habebit licentiam elegendi sibi sacerdotem. Und es lä
nicht leugnen, dass diese Worte die Meinung erwecken i
durch dieses Constitutum sei der Brauch eingeführt ^
die Papstwahl am dritten Tage nach dem Tode des ^
gehenden Papstes vorzunehmen. Indessen bin ich über
Punkt nicht ganz sicher. Denn zunächst Hegt der
druck darauf, dass vivente pontifice nicht über die
wähl verhandelt werden dürfe, worüber schon unter
machus ein Beschluss gefasst worden war (Langen, (
K. II, 220) und das auch das von Amelli gefundene ]
des römischen Senats unter P. Felix IV. verbot (Di
282). Dann ist, wenn ich die Wahl des Eulalius und
fatius 1. (ob. S. 84 f.) richtig aufgefasst habe, schon 4]
dies consuetus der Papstwahl der dritte Tag nach dem
eines Papstes gewesen. Wir hätten demnach in dem
stitutum Bonifatius III. nur eine aus besonderen Vorg,
entsprungene Erneuerung der früheren Uebung.
cipis eo quod Langobardi obsiderent civitatem Romanam, oder
im ÜHten forderten eine Vorsorge.
FMedrich: Zur Entstehung des liber diurniM. 91
In der That scheinen einzelne Angaben der Formeln
«bon auf die Zeit vor Bonifatius III. hinzuweisen. So heisst
»form. 60, p. 52» — 53 1»: praesertini cum plura sint ca-
fitala et alia ex aliis cottidie procreentur quae eure et sol-
idtodini pontificalis favoris expectant remedinm. proyinciales
f«fo core vel queque sunt snbinde causarum utilitates per-
iMie anctoritatis censurara expetunt et expectant. propin-
^oantiuiQ quoqne inimicornm ferocitat«ni quam nisi sola dei
jutas atque apostolorum principis per suum vicarium, hoc
«t Komane urbis pontificem, ut oranibus notum est, aliquando
monitis comprimit, aliquando vero et flectit ac raodigerat
bartatu , singularem interventum indigeant , cuius solius
pontificalibus monitis ob reverentiam apostolorum principis
parentiam offerunt voluntariam et quos non virtus armorum
hamiliat, pontificalis increpatio cum obsecratione inclinat.
Diese merkwärdige Stelle zeichnet die Thätigkeit eines Papstes
nach dem Leben. Dieser ist nicht blos Papst, dem als sol-
chem die gewöhnlichen täglichen Geschäfte der kirchlichen
Verwaltung in Korn und diejenigen seiner Kirchenprovinz,
mitunter auch ausserge wohnliche obliegen, sondern er ist
•och der bewährteste Kämpfer gegen die Wildheit der heran-
nahenden Feinde. Vor ihm, d. h. vor der durch ihn wir-
kenden ^rafb Gottes und des Apostelfürsten Petrus, dessen
Vicar er ist, beugen sich die Feinde allein, und zwar bald
vor seinen Mahnungen, bald vor seinen Drohui\gen. Die
besondere Intervention, deren es bei den Feinden bedarf, kann
blos der römische Bischof übernehmen. Denn nur seinen
Elrmahnungen allein leisten sie aus Ehrfurcht vor dem hl.
Petrus freiwilligen Gehorsam. Diejenigen, welche die Waffen-
gewalt nicht demüthigt, beugt der päpstliche Verweis, ver-
bunden mit Beschwörung. Das ist das getreueste Bild Gregors
d. Gr. in seiner kirchlichen Verwaltung und seiner politischen
Thätigkeit gegenüber den Langobarden. Von keinem anderen
Papste seit dem Einbruch der Langobarden in Italien und
32 SUtunn der liist<tr. Claiae vom .f, Jatiunr IHHO.
im Laufe des 7. Jahrh. liesse sich ein gleichet^ Bild ii^iitwcrffii,
von keinem anderen solches dem Exarclieu ^egenfibor Ritgen.
Geht man hingegen Gregors Briefe durch oder ül>ersieht
man seine Thatigkeit nach den J äffe- Ewald 'sehen Hegest«»
oder nach den Darstellungen Langen'» und Weisse's, so hat
man einen fortlaufenden Kommentar za den Worten unserer
Formel. Diese Thatigkeit prägte sich atich so tief der
Christenheit ein, Aasn Gregor noch Jarhunderte lang als der
best* aller Päpate in ihrer Erinnerung blieb.
Es genilge, nur einige Stellen anzuführen. Schon in
seiner Grabachrift heisat ee: Ksuriem dapibus snperavit, fri-
gore veste Atque animan monitis tesit ab hoste Aacris (Dach.
], 3U). — Prosp. Coutin. Havn., ed. Hille p. 3« sagt:
Postremum cum totius robore exercitus ad übsidionein urbis
Romae perrexit; ibique cum b. (iregoriimi, qui tunc egregie
regebat ecciesiatu, sibi ad gradus baailicae l>. Petri npp. prio-
cipis occurreuteni reperiRset, citius prücibu» fractiis et sapientis
atque religiouis gravitate tanti viri pennotu» ab urbis oh»i-
dione ahücedit — Paul. diac. vita Greg. IL 2(i aber scitroibt:
Oui advenienli b. Gregorius ut collo'iueretur occurrit, Untam-
(jiie vim nutu divino eins verbis inesse expertus fuit, ut enm
humillima indulgentia religioso apostolico satisfaceret et se
deiuceps sibi subditum et s. Rom. eccle^ae devotum famuluiu
spupondisset . . . Gregor gibt Übrigens ge wisser in assnn selbst
die Eintheilung der Geschäfte, wie sie in der Formel aus-,
gedruckt ist: Hf>c in loco quisquis pastor dicitur, curis ex-
terioribus graviter occupatur, ita ut sae]» ineert,iini Bat,
utnim pastoris ofBcium an terreni proeeris agat (J. ll}92},
oder; snb culure episcopatus ad eaeculuni sum reductus, in
qua tiintis terrae curis inservio, quantis nee in vita Uica
nequaquam deservisse reminiscor (Ew. p. 5). Ebenso spriclit
er selbst von .ierociasima gens' (J, 13(iO). und die Phne«
form. 60, p, Säg: propinqnantiu m qnoqne inimicoram
feruoitatt-m quam nisi sola dei virtus atque apoatoloratn
FViedri^: Zur Entstehung des liber diurnus, 93
principis per sunm yicarium . . . aliquando monitis coiii-
pimit . . . scheint geradezu aus Oregor II. 32 (Ew. p. 129)
entlehnt zu sein, wo von dem Herannahen des Feindes (Herz.
Iriolf Yon Spoleto) die Rede ist: Speramus enim in omni-
potentis Dei yirtutem et in ipsius b. Petri principis
tpostoloram . . .
Auffällig ist femer auch p. 53 e : ut omnibus notum est,
niinlich die geschilderte Thätigkeit des römischen Bischofs
im wilden Feinden gegenüber. Lautet diese Phrase nicht
doch zugleich als ein Protest gegen eine gewisse Ungläubig-
keit? Braucht man in einem Bittgesuch an den Exarchen
' fOD Italien, unter dessen Augen der charakterisirte Papst
lebte und wirkte, eine solche Bekräftigung der Charakteristik,
wenn diese nicht angezweifelt oder bestritten worden ist?
Nun ist bekannt, wie gerade Oregor in seiner Thätigkeit
ftegen die Langobarden 595 heftige Gegner an dem Exarchen
Romanus u. a. hatte und wie sie auch das Ohr des Kaisers
Mauritias gegen ihn zu gewinnen wussten, so dass dieser
^bet darfiber an den Kaiser schrieb: dumque meis suggestio-
nibus innullocreditur, vires hostium immaniter excrescunt
(J. 1359), und sich gegen ihn wegen des Vorwurfs verthei-
digen musste, er sei nicht blos ein Dummkopf, sondern auch
ein Lügner.
Doch ebenso bezeichnend, als die Charakteristik des
Terstorbenen Bischofs, ist der Schluss des Schreibens an den
Exarchen (p. 54 z), namentlich die Worte : et de subiectionem
omninm gentium christianam rempublicam faciat triumphare
deque restituta plenius Bom. imperii prisca ditione
laetiüam cordis impertiat exoptate felicitatis incrementa
Rom. imperio preparavit . . . huius servilis Italiae provinciae.
Diese Hofihung, insbesondere, dass das römische Reich die
alten Grenzen wieder erhalten möge, was hier auf Italien
▼or Allem sich bezieht, konnte doch nur im Anfang der
langobardischen Erobening gehegt werden, nicht mehr zur
04
SiUmig iler hintiir. Clannr riim -5, Jnnw
Zeit, als es i^alt, die LaiiHoh&rden atif ihre Gren/^n tu be-
ttcfaränken, was achmi sehr bald eingetreten i§t, denn Pnwp.
cootin. Havn., ed. RWle p. 37, berichtet: BriicHus Eleatbe-
rium Hd tuendam jiarteni Itiiliae. (juam noiidiim LaatfulHit^i
occupaverant, inittit, und Exarch Kleiitherius wurde t»19 ür-
mordet. Luo II,, m sehr er den Kaiser Gonätantin erhebt
und alle Kirchen auffordert, ihn 7m preisen und ibui Gutes
KU wünf^cbeu, wogt docb in seinem Schreiben an ibn nur
■Ol sagen: ut Dumiuus 1. C, cuius exempliM utitur, et aeteruo
eius ref^nu et perenni gloria potiatur, et in orbeui terrunim
generaliter atque perrenniter eins Imperium dilatetur . . ,
Püssinium domini Imperium grutia superua euBtirdiftt, ei ci*
oinnium geutium colla substernat (J. 21 IS), Aehnlicta drückt*
Hieb aber amb schon Martin I. aus {.]. 2062). Die Phrw«
von Unterwerfung aller Völker ist geblieben, aber die feste
Hotfhung darauf, dasä es geschehe, namentlich hinsichtlivli
Italiens, ist geschwunden. Die Zustände in diesem Land«
waren ^chon xu fest)fewiiri;elt und die renpublicn hatte tJoh
all) 7.U schwach und unzulänglich gegen die LangoImrdeD
erwiesen. (jaiiK anders aber, und zwar wie In un.sL'rer Formel,
lautet die AuÖassiing der Dinge nach der langohardiindieu
Ginwanderung znr Zeit Gregors. So sagen die istrischen
Bischöfe in ihrem Sehreiben an Kuk. Mauritius gegen die«eti
Papst: Kam etsi uu« peccata iiostrn ad teoipuit grarisnimo.
iugo gentium «ummiserunt -- — Deinde nee obliti suani«
s, rem publicam vestram, snh tjua ollm i[Uieti TiximoH, et
sdiuvante domino redire totis viribu» feetinamii» qtKH
usque cüinpressis gentibus, ad libortatem omnes sacerdotea
coQcilü sub H. re publica pervenirent . . . ut pro red-
denda rntione cominnnionis nustrue, contritti dei indicto
iugo barbarico, opportune tempore ad vestrae pietatis
vefltigia occurramus — — Huc tantum prostruti depiifcimaa.
ut quin m iHerit'ordia dei circa i*. rem publicum iiperunl«, in
uieliori T<tatu Italiae partes. laburanU' tidelilcr gluriuMu
Pritdridi: Zur Entstehung des liber diurnus, 95
Bonuuio patricio, dignanter perduxit, et credimus nos ce-
leriter devictis gentibus ad pristinam libertate'm
redaci — — ; tempore ordinationis nostrae unusquisque
•cerdos in s. sede Aquileiensi cautionem scriptis emittimus
jtodiose de fide ordinatoris nostri : nos fideiii integram s. rei
pQblicae servaturos — — dissolvetur metropolitana Aquilei-
eBs» ecciesia sub vestro imperio constituta, per quam deo
propitio ecciesias in gentibus possidetis (Ew. p. 18 ff.) Der
gleichen Meinung war übrigens auch Kaiser Mauritius, als
«r anf dieses Gesuch dem P. Gregor d. Gr. befahl: concedere
e» utioeos esse, quousque per providentiam dei et partes
italiae paccaliter constituantur et ceteri episcopi
Litriae seu Venetiarum iterum ad pristinum ordinem
redigantur (Ew. p. 22). Und in dem Briefwechsel, welcher
Boter Manritios Yon dem Exarchen Romanus mit dem Franken-
köni)? Childebert geführt wurde, ist ebenfalls von der ditio
Romaoa, sowie von der liberatio Italiae und der Vernichtung
des unseligsten Volkes der Langobarden (delere) die Rede;
ja diese wäre schon erreicht worden, wenn sie nicht durch
die Treulosigkeit der Franken vereitelt worden wäre: hodie
Italia a gente Langobardorum nefandissima libera habuit re-
periri (Greg. Tnr., ed. Migne, App. p. 1171 ff.).
Indexen glaubte keiner mehr, als Gregor d. Gr. selbst,
alles zur Erhaltung der Republik aufbieten zu sollen. Geht
er doch, wie wir schon sahen, so weit, dem Kais. Mauritius
Torzuwerfen, dass er, während er ihm nichts glaube, die
feindlichen Kräfte erschrecklich heranwachsen lasse. Und
als Phocas nach Ermordung des Mauritius Kaiser wurde,
schrieb Gregor an ihn: Laetentur coeli et exultet terra. —
Comprimantur iugo dominationis vestrae superbae mentes
bo^tium . . . Virtus caelestis gratiae inimicis terribiles vos
faciai, pietas subditis benignas. — Keformetur iam singulis
«üb iugo iraperii pii libertas sua (J. 1899). Später aber
ächliesst er einen zweiten Brief an Phocas mit den Worten:
96 Sitzung der histor. Glosse vom 3, Januar 1890,
Sed in omnipotente domino coufidimus, qui quae ca
solationis suae nobis bona perficiat. Et qui suscitai
publica pios dominos, etiam extinguet crudeles iniu
1906). Dies war also die Hoffnung, mit der Gre
Grab stieg und die er den Seiuigen hinterliess, als a
gehen mussten, für ihn einen Nachfolger zu wählen
In das Bestätigungsgesuch für den Nachfolger
passt also die Schlussstelle vollkommen; dass sie b
bei einer späteren Wahl erst entstanden sein soll, ii
anzunehmen. Jedenfalls hatte sich beim Antritt des
norius I. die Lage vollständig geändert, da dieser 6
Bestand des langobardischen Reiches sogar dadurch
dass er mit dem Exarchen Isaak an der Befestigui
selben arbeitet und diesen auffordert, die transpada
Bischöfe, welche sich als Gegner K. Adalvalds zeigtei
Rom zur Bestrafung zu schicken (J. 2012).
Schliesslich mache ich noch darauf aufmerksas
kein Papst sich von den „irdischen Sorgen" so niederg
fühlte, als Gregor. Er schildert uns dies im Prolog zu
Dialogen wie in seinen Briefen: Sed qiiis inter tot i
curas valeat dei miracula praedicare (Ew. p. 6. 8). Er
während der Belagerung Roms durch Agilulf* vehement
labores vigiliarum et custodiae civitatis aushalten (J.
Bei keinem Papst, ausser bei Gregor, wird es daher in
Grabschrift angemerkt: Hie labor, hoc Studium, hac
cura, hoc pastor agebas (Duch. I, 314), Wenn es nui
in form. 60, p. 51 9 und form. 61, p. 55 10 heisst: pont
mem. domno ill* de praesentibus curis ad aeternam re
evocato, so könnten wohl auch diese Phrasen auf (
deuten. Doch lege ich darauf kein Gewicht.
Ich meine also. Hie Entstehung der form. 60 — 63, y
unbedingt zusammengehören, könnte, rein kirchenhisi
betrachtet, in die Jahre 604 — 025 fallen, oder, da Hono
025 den Bestand des Langobarden reichs nicht nur aner
FViedfidi: Zur Entstehung des Über diumus. 97
mdem sich an der ZurückfQhrung des rechtmässigen Königs
4r Langobarden betheiligt, 604 — 619. Allein da von keinem
k Ton 604 — 619 auftretenden unbedeutenden Päpste ein
U entworfen werden kann, wie in form. 60, und da wir
m den Grabschrifben des Bonifatius IV. und Honorius I.
tann, dass Gregor den folgenden Päpsten als Muster vor-
pibdten wurde und galt, ^) so ist m. E. form. 60 mit den
■^hörenden folgenden nach dem Tode Gregors, also 604,
oManden.
Doch auch form. 58 scheint ihrer Entstehung nach zu
Gruppe zu gehören; wenigstens wird diese Annahme
Terschiedenen Phrasen der Formel unterstützt. Denn
imr Ton dem Nachfolger Gregors kann gesagt werden, dass
er mit seinem Vorgänger in langem Verkehr war und in
Verdiensten gleich denen des letzteren fortschritt, ^) dass er
den nach den himmlischen Freuden Verlangenden (vgl. Gre-
gOKs Briefe, Ew. p. 5 f. 10: superna gaudia incorporaliter
ndere; Prolog zu den Dialogen) durch seine Worte ent-
flunmte, da Sabinian Gregors Diakon, dann Apokrisiar in
GoQstantinopel seit 593 auf einige Jahre und später wieder
Diakon in Rom war. Nehme ich aber dazu folgende Stelle
IIB einem Schreiben Gregors an Kaiser Phocas (603 Juli,
J. 190t>), das von einem nach Constantinopel zu schickenden
1) Bonifatius IV.: Gregorii seraper monita atque ezempla ma-
(ittri Vita, opere ac dignis moribus iste sequens. — Honorius : Nam-
<fae Gregorii tanti vestigia iusti Deum sequeris cupiens et nieritum-
ifat f^eri» . . . Duch. I, 318. 326.
2) form. 59, p. 4S^: presertim dum talius olim fuerit instituti,
n etiam predicti . . . pontificis assidua conversatione sua ad tantorum
3nfnua, qoibos isdem . . . antistes fuisse cognoscitur adomatus, fe-
eerit . . . proficere, erinnert an Gregors Synode v. 595 c. 2, wo er an-
Ofdnei* das« nicht mehr Laien, sondern nur Kleriker oder Mönche
^n Papst bedienen dürfen: ut is qui in loco regiminis est, habeat
teitei, qui yitam eins in secreta conversatione videant, qui ex visione
tednla ezemplnm profectus sumant (Mansi X, 434).
ima, PMlo«.-pki)oL Q. bist Cl. 1. 7
98 Sitzung der histor Ciasse vom 3. Januar 1890.
Apokrisiar bandelt: Sed quia eorum qtddam ita
sunt debiles, ut laborem ferre vix possint, quidam
ticis curis vebementer implicantur, et lator praesenl
pritnus omniurn defensor fuit, bene mihi ex lon|
duitate compertus, vita, fide ac moribus approbat
aptum pietatis vestrae vestigiis iudicavi: so erkenn
Sabinian nicht blos einen der in die kirchlichei)
^heftig Verwickelten*, von denen Gregor spricht,
es ist das Kriterium Gregors für die Tüchtigkeit d
Apokrisiars: bene mihi ex longa assiduitate comperl
fide ac moribus approbatus, auf den Erwählten der
beinahe mit den gleichen Worten übertragen : pi
dum talius olim fuerit instituti, iit etiam predicti b
ill* pontificis assidua conversatione sua . . . Mit
Worten: Wie es für den neuen Apokrisiar eine Em]
bei Phocas war, in langem Umgang mit Gregor
zu sein, so glaubt der Wahlkörper bei Phocas gl
geltend machen zu sollen, dass der Nachfolger des
in langem Umgang mit diesem gewesen sei und i
bildet habe. Ja der Wahlkörper legt sogar dar
Hauptgewicht : praesertim dum . . . , so dass es na
gar nichts Empfehlend eres gibt, als in der Schule (
storbenen Papstes lange gewesen zu sein. Das ka
welcher Seite aus man es betrachten will, nur auf
d. Gr. gehen. Gerade aber Sabinian wird in seinei
Schrift nachgerühmt: Hie primam subita non sumpsi
coronam, sed gradibus meruit crescere sanctus horao
I, 315). Seine Aemter unter Gregor verbürgen alsi
lieh, dass er mit diesem in langem Verkehr stand. 1
ist die Angabe der Grabschrift nur das oft, auch fo
p. 47 19 vorkommende : propter quod ita ab ineunte
sua eideni ecclesiae militavit ; allein die scharfe Hervorl
dieses ümstandes in Sabiuians Grabschrift gegenüb€
subita laude muss doch eine bestimmte Veranlassung
h'riednch: Jitir Enlatrbung drs Über fbiirnus. "»
haben,*) iinH ich fin'le eine Amleutuu); in der Bemerkung
der V. ^tiibiii.: Uic ecclesi&m de clero implevit, von welcher
Dnchfsne auch tiichte Be.^sere!i za na^en weiss, als: ,Säbinian
gab ohne Zweifel dem Klenis die Stellen zurHuk, welche
Oregor den Mönchen anvertraut hatte" (I, 315). Es hat
sich also trotz iler hohen Verehrung Gr^ors doch bei seinem
Tode eine durch die vit*i und Grabschrift Sabinians bezeiipte
Reaktion geltend gemacht, und zwar in Beziehung auf die
Fapstwahl sowie auf die Be^tzung der (ihrigen geistlichen
Stellen Man wählte nicht wieder, wie 590, einen .subita
laude" Emporgekommenen, der nicht von unten auf durcli
alle ürade gedient hatte, sondern griff auf die alte Ordnung
zurQck, dass der zu Wählende im Dienste des Laterans her-
angewHchiien sein müsse. So ganz hedeutimgslos erscheint
mir daher form. 58 die Phrase: ab ineuiite aetute sua eidem
ecclesiae militavit, nicht, Sie ist gerade gegenüber der vor-
ausgehenden Wahl Gregors am Platze. Die at^ebende „su-
bita laus" aber wird ersetzt durch den langen Umgang mit
artnem .durch grosse Verdienste ausgezeichneten' Vorgänger,
indem auch der Erwählte sich solche erwarb. War doch
gerade Sabinian während der schlimmsten Zeit Gregors,
wiUireud seines Streites mit ilem Kaiser und den Patriarchen
TOD Constantinopel wegen des Titels .ükumeuischer Bischof,
während seiner Verhandlungen aber das Gesetz des Mauritius
Ober den Eintritt in den Klerus und mn Möncbthum, sowie
I) Merk würdige rw eine Kebruucht ÜjpHun ep. 55. p. 629. ilie
ftleichen inndrücke von der Wahl dea P. (^orneliu»!: nam quod Cor-
Ddlinin rnriüsimnm noütrum Deo et Chhato et eccle^iue eitu. item
MUlMCerdotibua cimctls iuudiibili praedicatione commendiLt, non iste
•d epftcopatum subito pemenit. sed per omnia ecclesiastica ofGcia
prOniotUD et in diuiuia adiuJuiatratioDibug Oomiaum Noepe piomeritus
ad Mcerdutii tnlilime l';i«I%ium conctis reli^tionia tfradjbUB lucendit.
tune deuidt^ epUiroputuin ipaum oec pODtalavit oec nolnit, nee at
iMtnri qua« adrogancine et i<u]ierbiat! suae tuuor ioflat invaiit, aed
qnietna aUoH et mcideitue . . .
i
100
SiUv7ii/ der hiKlor, Oasse r
'ler tiefsten RränkuDgen durch den Kaiser und der feind-
seligen UHltiiEiK i^Etä Exarchen Komanus gegen ihn, Apokriaar
in C'onfltanitiopel. Nach Rom ä97 zurückgekehrt,' uiusste er
als der beste Kenner der Verhältnisse am Kaioerliote selbst-
verständlich auch der zuverlüäsigste Hathgeber Gregors rttäa.
Wenn demnach die charakteristischen Züge der ionp, 60
tind 68 auf Qregor d. Gr. und seinen Nachfolger ?^ahiiiiaii
passen,*) so »teht dem aUerdingi^ der JJDi^tiuid entgegen, diu»
wir letzteren nur uls Diakon kennen, nährend der BrwiUilte
in beiden Formeln als Ärchidiakou bezeicliuet wird. Ailtän
wir kennen auch nur die frühere Laufbahn Sabiniaiw. da
er ab Diakon Apokrisiar in Constantinopel war; seine Std-
Inng seit seiner Rückkehr nach Rom ist uns aber, .soviel ich
weiss und ttehe, nicht bekannt. Er kann also indemen recht
gut die Stellung des Archidiakons in Kom eingenonunen
haben. Diizii kommt, dasrt, wie die Apokrisiiire in Oonütimti-
nopel nach Qregor d. Ur. Diakone xu sein pllegtt^'n, weshalb
er den Primicerius der Defensoreu Bouifatius vor iwiner
Sendung dahin ebenfalls «um Diakon machte, no auch, wie
schon aus den Formeln zu scblieesen ist, der y.iim Papst m
wählende Diakon in der Regel der Archidiitkim war.
Ich fßge noch einige Worte Über die lucum s. »edia
servantes der form. 59, 61 — 63 hin?.u. Als solche werd«a
bezeichnet: Archipresbiter, Archidiakim und l'rimiceriiia der
Notare, was ganz und gar mit der Notiz Martins 1. Qberein-
stinimt, das» in abaentia puntiticis ardiidiaconus, archiprw
byter et primicerius locum praesentunt pontificia (J. 2079),
was aber doch erat seit P. Vigiliua eingeführt worden «nn
kann, da dieser noch eine ganz andere Vertretung för die
Zeit seiner Abwesenheit bestellt (v. Vig. c. >5). DagegA hat
1} Prolog, 11. Tl n. 1 liemerkt t. Skknl xii form. 69, p. 48n:
,Bi.'iii^hten«werth int die BezeivlmiiD); d«» Tu^tvi aU dttw
meiwi«, welche lieiu unter Urejror 1. ntH.'liWpi"t>iiren Itrani^be
Arthi« VllI, 694) «ilniiHtit*
FririiTich: Zur EntgtfhuiUi'^iftifr:(lii^TVU>
101
nns tkvia (h. e. 11. 18. J. 2040) pin Schrei'beh- äjtf eifl«r.
SedisTukanz, Hber nach der Wahl, aufbewahrt, welches "mÜ-
iina«reii Fornieln in Widerspruch xu stehen scheint, da es
nnr «wei locum b, sedis aenrantM keunt : Hilarusi nrchipres-
brt^r et servans locum s. aedis ap., Johannes diacunus et
in dei nnmijie eletitus, item •Tuhannes primicerius et servans
lücnoi s. sedis a;>., et Jobiuine» servus dei, conailiarius eius-
dem a]i. ^edis. der Arcbidiakon also fehlt, wahrend neben
dem Electus noch der eonsiliariua ap. aedis anftritt, ohne da«8
jedoch beide als locum serrante« bei»ichnet sind. Und doch
besteht kein Widerspruch mit den Formeln. Der Arcbidiakon
ist entweder ebenfalls während der Sedisvakanx gestorben.
in irelcheni falle aber mcher bei der grossen Holle, welche
die Diakonen damaU spielten, ein anderer Diakon an seine
Stelle als locum Sfrvans getreten wäre, oder der erwählte
Diakon Johannen war selbst der Archidiakon. In der That
mnas leticterea der Fall gewesen sein, da der Erwählte kaum
un zweiter Stelle etehen würde, wenn er kraft seiner Wahl
zum I'apftt erst in die.ws Colieginm eingetreten wäre und
ihm nicht sihon als zweiter locum tenens, d. h. als Archi-
diakon angpbört hätte. Es folgt also aus diesem Schreib.n
nur, dais der Archidiakon, wenn ihn die Wahl traf, wohl
im stellvertretenden Kollegium an zweiter Stelle blieb, aber
nach Ausfertigung de* Wahldekrets den Titel Archidiakon
ablegte und dch nur noch diaconus et in dei nomine electns
nitnnte.
Die form. 82. — Diese Formel, welche mit einem
Satze der form, r>l. p. 55^ s, beginnt, mit form. tlO, p, .lOia
fortfährt, dann eine Bibelatelle der form. 85. p. lOIiu hemn-
rieht und endlich wieder auf die form. 61, p. 5Cu zurück-
greift, xeigl whon dadurch, dass äie später, als die in ibr
beiintzt.iii Formeln, entstanden sein niU)V!i. Das geht aber
auch daraus hervor, dasa sie triduo mit diu vertauscht, wo-
rtlber indessen v. Sickel hinreichend gehandelt hfit, Wich-
102
Sitpi^.^e'ch'ilO''- Clauf t
. -ti^sr ist,"iite" bprache der Formel, die erst iiiiU^r GreRor 11,
■". Vegnint und uuter Stephan II. ihre Vollendiinj^ erhält. Untw
ersterem taucht meines Wiääeti>- Kueret der Äusdruclc der
form. 82, p. SS« auf: proeeres ecciesia» (v. c. 23; Stepb. II.
c. 19) ^owie optiniates Komae (u. 19; Greg. IIL c.2: Zachar.
(1.23; Steph. c. 19). Zw dem um die Mitte des 8. Jihrh.
Üblichen Stil gehört femer die Phrase : ut prelatum wt,
p. 89i8 (m. Const. Schenkg. S. 158). Gar nicht bekannt
vrir dieser Zeit ist endlich : qm s. tiiuni univerHalem ecclesiuin
et ctinelas sihi dumtnicas ae rationales commisBa» oves ri^re
et guberuare valeat. p. 89 u, wofür «war als Vorlage tonn.
ül, p. 5Bi6 dient: qui et regat ecelesiam gregeiiique ratio-
nabilium salubriter dispenset ovium ; allein nur um ao mehr
tritt bei Nebeneinanderstellung beider Phrasen der Untere
schied hervor. Die eccieeia iät zur universalis und die ratio-
nales i>ves 7.U domiDicas Reworden — Wendungen, welcbft
nur erst der vita Steph. II. eigeuthUmlich sind. Sf>: depre-
carftur pro gregibus sibi ii den comiiiissis et penHtis ovibns,
sciticet pro univerao exarchatu Havennae atque ennctae iütitu
Italiae provinciae popitl» (c. 15): pro recolligendia iiniToni«
domiuicis perditis uvibus (c. 18); commendatit» cnnctam do-
minicam plebem (c. 19) ; nt dominicai« (|iias abstulerat, red-
deret oves (c. 21): zuletzt aber wird i^eradezu rationaljs mit
dominiea erläutert: ut univerüani dominicam plebem, vidoUcet
rationales sibi conimissas oveti (c 51), welches gaue di£
rhraae unserer form. 82 iitt und die Stephan II. auch aftlM
in bereite durchaus ])olitischem Sinne gebraucht (m. Ooiut>
Schenkg. S. 144). Zu dieeer Kategorie neuer Ausdrtloke
aus dieser Zeit dürfte jedoch auch p. K9ig gehören: in ar-
civo domine noatre s. Rom. ecclesie (vgl. Conc. t. 7ti9,
Mansi XU, 719), Damit iat das, ebeuRo im Constibatom
Conatantini vorkommende, .mariihu« proprüe roborantes* vüt-
bunden, worauf übrigens H:bon Brunner, Const. Sch&nkff.
S. tJ. hintfewiesen hat, sowie er auch biireit» hervorgeliulwn
1^
FYitdrich^ Zur Entstehung des Über diurnus, 103
brt. dass letztere Wenduug sich auch form. 81, p. 86 is
KU Papste gebraucht findet.
Da nun sonst kein Merkmal der form. 82 nothwendig
■f «ne spatere Zeit hinweist und da Paul L, wie ich zeigen
■ können hoffe, auch form. 84 angehört, so könnte unsere
Formel sehr gat bei der Wahl Pauls I. entstanden und dann
veiter gebraucht worden sein, wie ja y. Sickel nachgewiesen
hi, daisA sie nach Cod. Glarom. wirklich bei der Wahl
Leo*s III. benQtzt wurde. Denn wenn auch derselben das
iteisebe Concil von 769 zugrunde liegen sollte, so schlösse
ik» ihre Entstehung in einer früheren Zeit noch keineswegs
iw. Es würde, um dem Beschlüsse von 769 gerecht zu
werden, genügt haben, zu dem früher entstandenen Dekret
fbe Worte beizufügen : istius a Deo servate Romane urbis
ip. 88 n).
In der That kommen alle anderen Elemente der form.
82 schon früher vor, auch das blose Begrüssen durch die
kikalen Theile der Bevölkerung, wie es die Synode von 769
feitwtzt. So ist bei der Wahl Conons der wählende Theil
der Klerus ; das Militär hatte nur die basilica Gonstantiniana,
wo der Klerus zur Wahl sich versammeln wollte, besetzt.
Das Heer seinerseits war hingegen in der basilica s. Stephani
TerHammelt, doch nur zum Zustimmen zu der Wahl des
Klerus. Da nun die Absichten des einen wie des anderen
Theiles auf verschiedene Personen gingen und man sich auf
keine derselben vereinigen konnte, so ging der gesammte
iüerus (sacerdotes et clerus) von beiden Candidaten ab, trat
in das episcopium Lateranense und vollzog die Wahl, welche
Auf eine dritte Person, auf Gonon, fiel. Damit war die Wahl
ToUiogen. Die Thätigkeit des Heeres und Volkes wird näm-
lich sehr genau so geschildert: E vestigio autem omnes
iadices una cum primatibus exercitus pariter ad eius
«alotationem venientes in eius laudem omnes simul ad-
clamavernnt. Videns autem exercitus unanimitatem
104 Siizuft/j der histor, Classe vom 3. Januar 1890,
cleri populiqne in decreto eins subscribentiu
aliquot dies et ipsi flexi sunt et eonsenserunt in
praedicti sanctissimi yiri, atque in eius decreto devQ
subscripserunt (y. Gon. c. 1. 2). Es muss also
Wahl Gonons schon ein ganz ähnliches Dekret \
worden sein, das wegen der eigenthümlichen Sprach
erhaltenen form. 82 frühestens unter Paul I. umg
wurde. In dieser Annahme werde ich aber durch <
stand bestärkt, dass gerade der Nachfolger Pauls
phan III., ganz so gewählt wird, wie form. 82 vor
und dass diese wieder mit der Wahl Conons tibereil
nur dass bei letzterer die Thätigkeit der Laien deutli
bei der Wahl Stephans III. hervortritt und diejei
form. 82, richtiger des Goncils von 769 schon ist.
scheint auch die Erzählung des Primicerius Chris!
vor dem versammelten Konzil 769 zu beweisen, c
Wahlordnung schon vor diesem Konzil die näralic
wie sie 769 durch dieses neu festgesetzt wurde ; denn
es Tradition des h. Stuhles, dass nur Priester odi
konen desselben gewählt werden dürfen; 2) vei
die Wählenden unter dem zum Wahlakt konkun
Volke Borns nur die Stadt-, nicht auch die um Rom
wohnende Bevölkerung; 3) gaben die Wählenden na«
Tode Pauk 1. nochmals das eidliche Versprechen, i
bei der alten Ordnung bleiben und Jedem seine Gerec
gewahrt werden (denuo sacramenta populo praebuii
conservandas unicuique iustitias, Mansi XII; 717).
Ausdruck bezeichnet aber m. E. schon, dass die 6*
samen der einzelnen an der Wahl T heilnehmenden versc
waren : die einen hatten zu wählen, die anderen zu k
riren, wie es form. 84, p. 94 lo heisst.
Demnach wurde 769 an der Wahlordnung nich
geändert, sondern wurden nur gegen die Neuerungen,
nach dem Tode Pauls I. vorgefallen waren, zum Schul
Friedrieh: Zur Entstehung des liher diurnus, 105
JteD Wahlordnung Beschlösse ^efasst. Ich bin daher ge-
Migt, anzunehmen, dass sich diese Beschlüsse durch die
Worte: isfcius a deo servate Romane urbis ausprägen, indem
ae in das ältere Dekret jetzt eingeschoben wurden. Doch
iiabe ich di^egen auch ernste Bedenken, da „populus huius
R«>niane urbis* schon in der form. 60, p. 50 12 steht, welche
sofosi der form. 82 als Vorlage gedient hat. Es ist darum
höchst wahrscheinlich, dass in form. 82, welche keine Adresse
hat. wie form. 60, aas der Adresse der letzteren die Angabe
des Wahlkörpers in den Text der form. 82 gezogen wurde
and dann also auch keine besondere Bedeutung hat.
V. Sickel hat schon auf die überraschende üeberein-
jümmnng der Charakteristik des Erwählten in form. 82:
<»ihodoxae fidei et ss. patrum traditionum defensorem et
fortissimum observatorem mit der Hadrians I. im lib. pont.
hingewiesen. Dieser Punkt scheint mir allerdings bedeutsam
in sein. Denn obwohl man damals mit solchen Prädikaten
sehr verschwenderisch war (v. Greg. II. c. 1 ; Greg. III. c. 1 ;
Steph. II. c. 3; Pauli 1. c. 3 ; von K. Pipin und Karl d. Gr.
Hansi XII, (524. 758), so treifen doch die Hadrians I. mit
form. 82 am genauesten zusammen. Ich meine daher, dass
die unter Paul I. umgearbeitete Formel, so, wie sie jetzt
erhalten ist, von der Wahl Hadrians I. stammt.
Die form. 83. — Diese Formel wird mit den nächst-
folgenden 84. 85 so in Zusammenhang gebracht, dass form.
83 ein von dem zu konsekrirenden Papste abzulegendes
Glaubensbekenntniss, 84 eine von dem neuen Papste zu er-
lassende Synodica und 85 eine Honiilie desselben enthalte.
Früher wurden diese Formeln verschiedenen Päpsten zuge-
schrieben; V. Sickel indessen hat, wie er schon form. 82
Hadrian I. beilegte, so auch form. 84. 85 ,in ihrem ganzen
Wortlaute* diesem zugeschrieben, während er djis Glaubens-
bekenntniss form. 83 unter Benedikt II. entstanden sein lässt,
mit welchem indessen auch gewisse Theile der form. 84. 85
10(5
SitiKiiii der hütiH: Claigc rim 3, Janui
^leiebalt sein niSgeii. Ich sehe jedoch uiif das Verhattni»*
der drei Formeln: Glaubensbehenntniiis, Synodica und Huimlie,
welche letzteren übrigens ebenfalls ku ihrem prössten Theile
Glaubens bekenntnis.<ie enthalten, nicht ein, sondern nutersncbe
nur, ob sich in ihnen historische Anhaitapunkte finden,
welche auf die Zeit ihrer Entstehung schliesf^en litasen.
Doss der t'omi. 83 ein ältere;^, nftch der V. ungemeinen
Synode abgefas^ites päpstlichen OlaubenRbekeuntniss zugninde
liegt, int Kweifellos, Bin zn dieser Synode iat nämlich io
der Formel eine gleichmäßige Formiiliriii^^ zu beubichten :
sancta quociue univeraalia concilia: Niceuum, Con§tantin«[Nj-
litannui . Efesenum primum , Calcediiüenisem et '«ecundutn
Constautinopolitanum quod Juatini&ni p. m. principis teiupu*
ribuH celebratuni est, iisque ad uuum apiceni iinmntilatH
«ervare (p. 91is). Das ist die ursprüngliche Kedaktion. wo-
rin die fiUnimtlichen Konzilien, ähnlich wie in der SynodicK
Gregors d. Ur. (Ew. p. 3H), oder im can. 17 der Synode
Martins I. {t)49). ') gleichmässig aufgezählt werde». ebimfalU
ohne Erwähnung des ächreiberi.s Leo's I. an Er/.b. Flavian
von Oonstantinopel. Wenn aber dann die form. 83 fort-
tahrt: et una cum eis pari bonore et veneratione b. sextuoi
convilinm quod nuper snb Con^tantino , . . conveuit. niednl-
Ittus et pleuius conservare . . . , so charakteri.Kirt sich dit^er
Satz selbst stilistisch al» einen späteren Zusatz.*)
Kben.-!o muss man aber auch aageii von den folgenden
Worten : diligeutius autem et vivncins umnia decreta prae-
1) Si quin setuDdum *. ptttres non cnnfit«tiir iiroprin et itoean-
diim veritateni omniu. qaae tradita iinnt et pTawlicAtii nanrtJM i-atb.
et ap. Uei uc^leaiue, periodeque n s. patiibua »l teDeranili» aoivw
«alibus quinqne condlji« tiaque ad unum apicem. T^rbo et aient«.
rondemnatos n\.
2) Dipsß Unebenheit wurde «pIiod frilh erkanot. a. H. in ihr
neuen Redaktion der t''oTiiiel 1>ei Deuadedit (Huttinocci p. Vlll. In
dem BoDJtatiDa VIII, zu^aKchrie Linnen und in tiem ynm Kontil votl
Friedrieh: Zur Entstehung des liber diurnus. 107
Jcfe^^aonim apostolicorum nostrorum pontificum« quaeque vel
ifnotaliter vel specialiier statuerunt et probata sunt, eonfir-
■are et indiniinute servare . . . , welcher Satz an den Ab-
chnitt des sogen. Decretnm Gelasii P. erinnert, wo ebenfalls
fon den decretales epistolae der römischen Bischöfe, aber,
«ie eR scheint, in anderem Sinne die Rede ist. Ich bemerke
Torläufig nur, dass es weder zur Zeit Gregors d. Gr. noch
Oberhaupt im 7. Jahrh. erhört war, die päpstlichen Dekrete
den allgemeinen Konzilien tiberzuordnen , wie es in den
Worten geschieht : diligentius autem et vivacius . . . oder gar
fOD den constituta pontificum nostrorum ut divina et celestia
maudata custodire . . . ^) Das hat keine andere Formel.*)
Conitanz vorgeschriebenen Papsteide (m. Gesch. d. Vatik. Konz. III,
7 f.) Ceberall werden die Konzilien vor «usque ad unum apicem
immotilata servare* genannt und bildet also diese Phrase „usque
Ad * den Schluas.
1) Dem scheint freilich entgegenzastehen das bekannte irag-
meatnm Agathonis: Sic omnes ap. sedis sanctiones accipiendae sunt,
UnqDaiD ipsios voce divina Petri firmatae (J. 2108). Allein ich halte
<s nicht für acht; denn einmal ist es nicht nachzuweinen und dann
ut «ipeius voce divina Petri' so gar nicht dem 7. Jahrhundert und
Agatlio entsprechend, was übrigenn Hchon frühzeitig Anstoss erregt
haben mnss, da die Phrase bei Deusded. I. c. 119 (Martin, p. 98)
^täuiquam ipeius divini Petri voce firmatae*', in der Pannorm., Lov.
1&57 p. 126, utanquam ipsius divini praecepti voce firmate** heisst,
welche letztere Version sich form. 83 nähert und sicher die bessere
iivt. Das Fragment wird später aus den Worten Agatho's auf dem
römischen Concil, welches über B Wilfried verhandelte, gebildet sein:
qaae terroinantnr^ amplectitur (Wilfr.), integra fide »e suscepturum
perhibens. quod nostro ore auctor noster b. Petrus ap., cuius mini-
*terio fungimur, providerit statuendum. Aber in der ganzen Ver-
hAodlung bandelt es sich nur noch um die canones, und werden
nirgends päpstliche sanctiones oder constituta genannt; vielmehr ver-
langt VV. blos ein Urtheil des Papstes gemäss den canones, und von
diesem Urtheil sagt Agatho: nostro ore auctor noster cet.
2) Wie in manchem anderen, so ging auch hier die spanische
Kirche voran, welche 589 im Conc. Tolet. III. cap. 1 bestimmt: At
lOR
Siltiinfi 'Irr huitor. Clmn« twn 3. Jim
Ich bulte 'lulier da» dieser Formel KUgrunde liegeDde
Uiaiibenijbeketiiitnial« für das Gref^ors A. Gr. oder einen «einer
Nachfolger, welches im Gebrauche der Päpste des 7. -lithr^
biinderts blieb und zunächst den Zusatz flber das VI. all-
gemeine Konxil erhielt. Das kann und mag unter Ben^
dikt U. geschehen sein: allein dagegen daes die jetzt vor-
liegerule Formel nnter diesem Papst ihre Kedaktion erhielt,
habe ich sehr schwere Bedenken. Eines ist der ÄaBdrack:
sanctae et iudividuae trinitatis, p. 91s. welcher »ach
im Constitutum Uonstantini ächwienfjkeiten bereitet (Brunner.
Gonst. Hchenkg. S. \h IT,). Derselbe war bis vor Knrseoi
im 7. Jahrb. nicht uachgewiesen, von welchem Standpunkte
aus dann schwerlich die letzte Redaktion der Formel im
7. Jahrh. angesetzt werden könnte. Unterdeiwen ist ts mir
Jedoch gelungen, mehrere Stellen auK dem 7. Jahrh. uacb-
zuweisen, ««lebe schon indiviilua trinitos haben (ui. Crniat.
Schenkg. S. 133), danint«r gerade die alte lateiniHche Uebur-
setzuug des VI. allgeni einen Ciinoils (Mun^i XI, 911). Allein
damit stosst^n wir auf die neue Schwierigkeit, das Älter
dieser Uebersetifinng nicht bestimmen ku können. Zwar heieat
es V. Leon. II. c. 2: i|uam (synotlnm fi.) et studiosisaime in
latino trauslatavit , und man könnte daran denken. diuM
wir in der noch vorhandenen alten üebersetsmng die von
Ueo 11. besor^;tj^ oder angeregte besitzen. J», auch darui
wäre die Möglichkeit, das» vun Leo II. der Ausdruck indi-
vidua trinitas stamme, noch festzuhalten, wenn er sojfar Tor
der Beendigung dieser lTeber»etznng gestorben wäre, da dw
Ausdruck gerade in dem Edikt des Kaisers Cnnstaatintut
nunc jiace eccleoine Cbriitti misencnnün r«pKrstit, onioe qnod pn«>
coruni [^unonuni aactoritM protiibet, nt r^targeot« diNriplioa inhfhj-
tatn, et. a^utor uinije qoriil pmuripil fieri: mant^ant in »iio vi(t»n!
roncilioinin omnium conrtiliila. ainiul t-l nynotlii'ui- mmokirum pn«-
•nliiin Komiuinrom rpiiifj)!»«. Allnin «ioe Bevonutfnng Anr letEt«r«ii
vor nnteren geschieht hier noch nicht.
Friedrich: Zur Entstehung des Über diumus.
109
«b findet, das Leo Tl. schon 682 in lateinischer Ueber-
«tzuD^ nach Spanien sandte. Eis würde auf diese Weise
neh die Erscheinung erklärlich, dass zum erstenmal, ausser
m dem kaiserlichen Dekret, der Ausdruck in Spanien (693)
aaichzu weisen ist (m. Const. Schenkg. S. 133). Allein der
j^nzen Annahme steht der Umstand im Wege, dass eine
Verjjleichung der form. 85. 84 mit den beiden üebersetzungen
d«:-> VI. allgemeinen Kon/ils ergibt, dass man in Rom die
bei Mansi an erster Stelle stehende, nicht die andere, in
welcher individua trinitas vorkommt, benützte. Man wird
daher doch die letzte Redaktion der Formel bis in die Zeit
rerschieben müssen, da man individua trinitas auch in Rom
abreiben konnte, ohne den übrigen Kirchen zu sehr voran-
zoeilen. Diese Zeit liegt aber ziemlich spät; denn obwohl
der Ausdruck in Angelsachsen mehr und mehr gebräuchlich
wird, wie wir aus den Briefen des h. Bonifatius erfahren
(Jatfe, Mog. p. 211. 248), so kommt er in Rom im Consti-
tutum Constantini zuerst vor. Auf eine so späte Zeit weisen
übrigens auch andere Theile der Formel hin.
form. 73, p. 70 6- form. 84, p. 95 7.
qaae pro furmameDto profitemur . . . quae-
^i'we rectitodiDe ca- , que ad stabilitatem
tfaolicae fidei et or- ' cbristianae religionis
tfaodoxae religioDi 1 et rectitudinem catbo-
cocveniunt me pro- ' licae fidei coDgruunt . .
öteri
I p. 94)4.
I meduUitus conserva-
: mus
p. 101 18.
quosquos vel quaeque
haec 8. sex uni versa lia
coDcilia abieceruDt, ^i-
I mili etiam coDdemna.
tione percellimus.
form. 83, p. 91 n.
quaeque ad rectitu-
dinem vestrae do-
straeque ortbodoxae
fidei a te traditae
respiciuDt , conser-
vare . . .
p. 91 21-
medullituä et plenius
conservare
p. 926.
quaeque vel quosque
condemDaveraDt vel
abdicaverunt, simili
auctoritatis senten tia
; coDdemnare.
110
fateunfi ilrr llutiiir, (HasKe r
Die Entwicklung von form. 73 und 84 zu tbno, 8^ ist
80 unzweideutig, dass sie nicht Hbersehen werden kann.
Wenn in ersteren das Bekenntnias sicli auf den katboliachwi
Glauben und die christliche Heligion bezieht, ao ist in form.
83 nur mehr nor.li viin dem, vom Apostel Petrus Über-
lieferten Glauben die Hede. Simili coudeinnatioüe form. 84
wird zu eimili auctoritatis »eutetitia form. 85. L'eberbsupt
aber zieht sich durch die giiuKe form. SS das iiiiahläw<i|;e
Bestreben, die Päpste eiuKuschieben und ihre Autoritäl. höbüT
zu heben. Wenn /,. B. form. 85, p. 108 m nnr erst s^t;
noB igitur in umiiibus se^uente^ ss, quinque syuodoruoi iii-
stituta nee non et prububiltuni cath. ecclesiae patmm atqnn
doctomm venerabiles traditiouea confitemnr, so wird form, äil,
p. die daraus: et de ceteris eccle^iae dei dogmatibns, »icut
univer^ialibus conciUis et constitutie apnatolicoram pun-
tificum probatissiraorumque doctorum ecciesiae scriptis sunt
commendata. Daa kann nicht im 7. Jahrhundert geachrie-
beii sein.
Noch deutlicher und schlagender tritt aber das VerliiUt-
iiiss einer Fortentwickelung von der form. 85 /u Hi und
endlich »u 8:il in der NebeneinanderstellunfC (auf >S. 111)
scheinbar unwichtiger Sät^e heraus.
Während forui. 85 auf lirundlage der form. ~'i, \>. 72 a
der Thätigkeit der Päpste, namentlich Martins I. innerlmlb
der KoDKilien uud gegeufiber der von ihnen liekäuipfteii
Häresie des Monotheletisntiia gedenkt und daher ihre Er-
wähnung TerHtändlich ist, gehen form. 84 und 83 Ton dicMn'
sachlichen und zeitlichen Ordnung vollständig ab, setzen den
Satz der form. 85 hinter die sechs allgemeinen Konsilien
und dehnen ihn damit auf alle pä^istlichen Dekrete am.
Ebenso machen e» aber lonu. 84 und 83 mit dem Hatz d«r
form, 85: profiteinur ctiam seruinlutn illu quae a predec*^
sorihus meis statuta sunt, niiniqaam aÜquid novi contra
cal.hoticuin atque orthoiloxam tideni HUMr^pturus . . . Bior,
Frietbrkk: Zur Entstehung des liber diurnus. 111
OB •*• .<^ L^ O Jmi -«^ ^ '"^ J> a< tr\ ». .^: ^ «^^ GS
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5a2S3i5;2S*3§*2*ai®s6i§?
^ 2^ s ° § a §--43 ^-S- §.-5 g g^^^S 2 §-S|.1|
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-Ä25fl2ag'^^-' Q-'o i5«ö'03a,2so --^t:
•5*a®öfc.2dOa)ö^oa)^^;g,g,eö2p :S
2'9ai^oO«afloO«>i-)a>ocoCucu<7'<7'-^av4 ^
112
Siteutiß der hittor. Cla»
in form, 85. i^eht alles «uf die Verwerfung des Monntheletis-
niiis durch die dem Hoiiorius 1. befolgten Päpste, iabeHonden.'
durch das Konzil Martina I. in Honi Ii40, und wird nur ver-
sprochen, dass der Papst diese und nur diese Dekrete
seiner Vorgänger halten wolle. Iti form. 84 und 83 hin-
gegen gehen die nämlichen Worte, weil ohne Btr.tiehung auf
die päpstlichen Dekrete und Deünitionen im Monotheleten-
Ktreit^ (H49) und absolut hingestellt, auf die päpstlichen
Dekrete überhaupt. Wahrend sich aber form. 84 noch den
Worten der form. 85: contra catholicam atque orthodoxatn
fidem anseht iesutt, läHst form. 83 auch diese Bi.>stiniiuung
fallen und spricht überhaupt nur noch von der päpstlichen
Tradition: nihil de traditione quae a probatissimis prede-
cessoribuB raeis servatum repperi, diminuere vel uiutare aot
aliqiiam nnvitatein admittere.
Theologisch ist der Abstand s-.wischen form. 85 und 84,
noch luehr 83 m ungeheuer, duä» form. 83 unmöglich vor
form. 85 oder auch nur vor form. 84 ihre letzte Hedaktion
erhalten haben kann Gehört aber form. 84, wie ich zu
xeigeu hoffe, Paul I. an, so nius» form. 83 in der jetzigen
Gestalt nach ihr redigirt worden sein , also von einem
seiner nächsten Nachfolger, worauf, wenn wir die Schreiben
der folgenden Päpste berücksichtigen, wohl auch der in
einem Glaubensbekenntnisse auffallende neue Satz hindeutet:
et ioditiiinuttis res ecckaiue conservare et nt indiminate
custodiantur, operant dare (p. ä2|ci), den ich von dem in-
y.wiüchen erhaltenen weltlichen Besitz der römischen Kirche')
verstehe. Die Vertheidigwng desselben sUtnd auf gleicher
Linie mit der des Glaubens und gehörte seitdem zu Am
borvorragendateu Cigenschaften eines Papstes, wie es z. B.
1) Silioti QreKor 1U. (J. 3352) mumt dreimal den Elexitt ikf
rfiniisoheu Klniii! rw »umtonini DpCMixilornm, nss b. Pelrt, mt eceta*
Friedrieh: Zur Entstehung des liber diurnus. 113
leerade von Hadrian T. heisst: constans eiiam atque fortis-
smos orthodoxae fidei ac patriae et plebis sibi commissae de-
fenM>r, Tiriiiter cum Dei virtute inimicis s. Dei ecclesiae ac
npablicae impognatoribus resisteus (vitac. 1). Merkwürdiger-
weise wurde dieses Bekenntniss auch von den Päpsten nach
Hadrian I. beibehalten, wenn auch den Verhältnissen ent-
sprechend neu redigirt (Deusded. IL 93, ed. Martinucci,
jL 210 — 212), weshalb ich es nicht für unwahrscheinlich
halte, dass es seine jetzige Gestalt im lib. dium. unter
Hadrian 1., nach dem es wegen Nichterwähnung der VII.
iHgemeinen Synode ohnehin kaum fallen kann, erhalten habe.
Zo dieser Annahme stimmt aber auch, dass gerade Hadrian I.
in sttoem Schreiben an Kaiser Constantin und seine Mutter
Irene 785 Okt. 26 (J. 2448) in ganz gleicher Weise von
Petrus, der romischen Kirche, den Päpsten und den Vätern
spricht. So schreibt er gleich im Anfang: Magis autem
äi orthodoxae fidei sequentes traditiones ecclesiae
k. Petri apostolorum principis amplexi fueritis censuram . ..
Ipee princepe apostolorum, cui a domino deo ligandi
««olTendique peccata in caelo et in terra potestas
data est . . . Nam ipse princeps apostolorum b. Petrus qui
ap. sedi primitus praesedit, sui apostolatus prineipatum ac
pastoralis curae successoribus suis, qui in eins sacratissima
sede perenniter sessuri sunt, dereliquit: quibus et auctoritatis
potestatem, quemadmodum a salvatore domino deo ei con-
cessa est, et ipse quoque suis contulit ac tradidit divino iussu
successoribus pontificibus (simili auctoritatis sententia con-
demnare? form. 83, p. 927)1 quorum traditione Christi
T^acram effigiem . . . veneramur imagines (Mansi XII, 1057).
Porro et hoc ve^trum a deo coronatum ac piissimum posci-
musimperium: ut si veram et orthodoxam s. catholicae
ecclesiae Komanae nitimini amplecti fidem . . (col. 1073).
Es wQrde dies nach der Meinung Hadrians, wie nach form.
83 genügen ; allein es kann Fälle, wie den Bilderstreit, geben,
ISiO. PhilM.-phUoL a. bist Gl. I. 3
114 Sitzung der Jdstor. Classe vom 5. Januar 1890.
in welchen es gat ist sieh auch auf die Väter zu 1
Wie es daher form. 83, p. 91 9 heisst: et constitut
stolicorum pontificum probatissimorumque doc
ecclesiae scriptis sunt commendata (dogmata), so lä
drian neben der traditio pontificum successorum l
auch die ^^probatissimi patres* (col. 1060) zu
kommen und führt eine lange Reihe von Zeugnise
ihren Schriften an : Unde et quod in diversis et prob
patrum testimoniis, qui ipsas sacras imagines statuerun
tiliter videri potest, sicut in eorum libris repi
(col. 1071).
Schon oben (S. 107) wurde darauf hingewiesei
die Stelle p. 92 le: si qua vero emerserint contra disci
canonicam, emendare sacrosque canones et constituta
ficum nostrorum ut divina et celestia mandata custodii
in keiner anderen Formel finde. Noch Gregor II. ui
sowie Zacharias sprechen blos von instituta antiqua s. ]
(juram. Bonifatii), von den canones, nach denen Boi
alles verbessern solle (Mansi XII, 235. 278. 315. 318 f
Nebenbei kommt bei Gregor III. vor: et si aliquid <
extra canonicam regulam, doce et corrige eum iuxta
nae ecclesiae traditionem (XII, 285); allein nach XII
280 (edocens direxit). 282 bezieht sich dies offenbar a
Unterweisung, welche Bonifatius, ähnlich wie in der
form. 74, bei seiner Konsekration in Rom erhielt,
geht schon Zacharias um einen Schritt weiter, ind
folgende Nebeneinanderstellung hat: tam sanctorum p
sanctiones seu etiam probabilium beatissimorum pont
decreta (XII, 334). ^) Das ist schon form. 83, p.
Vielleicht deutet es dennoch mehr auf Hadrian I., der
774 Karl d. Gr. die sogen. Hadriana schenkte, worin
1) Jaffe, Mog. ep. 17. J. 2239. 2264. 2274, 2251. 2161.
2247. 2277.
Friedrich :^ Zur Entstehung des liber diurnus, 115
oflidell die Decrete der Päpste gesammelt waren, und die seit
8(k2 als die ToUsiändige Sammlung des Kechtsstoffes in Frank-
neh galt. Alcuine nennt schon 799 Aug. die Symmachia-
nehen Apocryphen canones (Jaffe, Alcuin. p. 489) und ge-
ade YOD jetzt ab werden die constituta pontificum neben den
caoones nicht mehr vergessen, wie z. B. von Leo lY. (Mansi
XIV, 884 ; J. 2599). Die römische Synode unter Nicolaus I.
rm 863 spricht in ihrem c. 5 aus : Si quis dogmata, man-
data, interdicta, sanctiones vel decreta pro cathoh'ca fide, pro
ecclesiastica disciplina, pro correctione fidelium, pro emeu-
datione sceleratorum, vel interdictione imminentium vel fatu-
romm malorum, a sedis ap. praeside salubriter promulgata
contempserit, a. s. (Mansi XV, 625). An sein bekanntes
Schreiben, dass alle Decretalschreiben der Päpste, wenn sie
och auch im codex canonum nicht finden, zu recipiren sind
( J. 2785), braucht nur erinnert zu werden. Hadrian II. aber
fögt in die formula Hormisdae im Widerspruch mit deren
Anfang mehrmals gerade den Zusatz der form. 83 ein: Ab
haius ergo fide atque doctrina separari minime cupienies et
patnim [et praecipue sanctorum sedis ap. praesulum] sequentes
in Omnibus constituta . .^ Anathematizamus etiam Photium,
qui contra sacras regulas [et ss. pontificum Rom. veneranda
decreta] . . . (Mansi XVI, 27). Doch dieser Punkt dürfte
mehr Sache der Kanonisten sein.
Die form. 84 und 85 im Allgemeinen. — Während
form. 83 nur mit form. 84 einige Verwandtschaft hat, ist
die der form. 84 und 85 mit form. 73 um so grösser, doch
merkwürdigerweise nicht bei den gleichen Stellen, sondern
84 ist mehr verwandt mit dem allgemeinen Schema von 73,
85 aber mit dem Glaubensbekenntniss von 73.
8*
^^^H 116 Sktimg der hinter. Clnimf vmi X JmiHar im). ■
^^V form. B4. p. 95^-
form. 73, p. 70,.
^^^L devota mente omni ecclusiae pro-
8, reBti-ae catholicfte eccleme . . .
^^^^k fiteinur . . . qnaeque ad atabili-
devola njeDtifr integrilate . . qaae
^^^^H tatem christianne religionis et
pro firmamento sive recütadine
^^^H reutiludinem L-atholicae 6dei
catholiuae fidei et ortbodoxae
^^^^H
religioni conveDiunt me profiteri
^^H
p. 70s.
^^^^V prei^kare teuere ac defeodere
tidem tenere predicore atqne de-
^^^^^ pretlicatnrosque eese eooßdat
leodere quam ab apostolis trodi-
r fidem Cbristi quam apoetoli
tam habemus et »occessoree eo-
1 tradiderant, apostoloram diaci-
rum custoditnm
^^^^ pnli doeneraiit eorumqae buc-
^^^^L cessoreä apostolici
^H
p. 70„.
^^^^H custodiens veDeiandum sancto-
uu^toditam.revereDdamNic-eMin
^^^1 ram 316 patrum concilium qaod
synodum 318 palrum, a. spiriln
^^^^H in Niuea sab miigno principe
Bibi reTelante.EOHcipieD.i redegit
^^^^H Coostantino convenit, dei gratia
iti symlioium
^^^H revelante redegit iu aymbolum
^^^1
p. 7l)„.
^^^^H debini- aecundum CoDstantioo-
deinde tres alias Kaoctae ayoodi.
^^^^H polHanum adeque sauctum eeu-
id est CoDStsutinopolitaDumoeD-
tum quinquaginta patratn sab
^^^^B tram concilium sab imp. m.
p. m. Theodoaio saniore princip«
^^^H m&iorem Theodosium in regiom
facta
^^^^H urbera coDuarrens
^^M
^^m
^^^H tertkum geo^ral» . . . condlium
facta et Gfeaanam ^^^H
^^^^1 . . . factum est . . . iu Eresenam
^^^^M
^^^^H urbem uoDVeDit
^^^H
^^M
P- 70,.. V
^^^H qaartnm s. G.tO palrum s&dc-
Calcedonenäeni €30 patriim qua« 1
^^^^H torum uoDciliuro §ub aag. m.
soll p. m. Mar<:iaDo imperatore H
^^^H Martiano imperatori in Calehe-
convenit cuique i. r. papa Lm H
^^^^1 dona concntrit, uni apostolioaa
per legatos mos vioariosqtu |>re- H
^^^^H papa Leo per legatos »t vicarjos
fiodit ■
^^^^H
J
Friedrich: Zur Entstehung des Itber diurnus.
117
p. 102 u-
iide et . . . interdictione subi-
öias, 81 qais arnquam . . Dovnm
abqnod presaroat contra eias-
■odi evaDgelicam atqoe aposto-
ficam traditionem et orthodoxae
fidei Christianeqae religionis in-
tcgiitaiem
p. 73 13.
profitemur etiam namqaam nos
aliqaid novi quod contra catho-
licam fidem et orthodoxam re-
ligionem esse clarnerit, sus-
cepturos
Zwischen diese Sätze schiebt der Verfasser der form. 84
«€in selbstgemachtes Glaubensbekenntniss ein, während da-
gegen der der form. 85 von den ersten fünf allgemeinen
Konzilien im Besonderen nicht spricht, also das Schema der
form. 73 verlässt, dafür aber das Glaubensbekenntniss der-
selben fast wörtlich aufnimmt.
form. 85, p. 106 15.
hbera profiteri voce: credimos
in nnom deom . . . onum eun-
demqae dei filiam eundeinque
hominis filiam ex duabus et io
dnabas nataris, hoc est divina
et hnroana, incondita et condita,
xmpassibilem et passibiiem, in
onam personam atque subsisten*
tiam concorrentibas, et saa pro-
prietAte incoofase et inmata-
biliter einsdem nataris manen-
tibos, ex quibus et ineffabilis
adnnatio facta est, deos verbum,
mediante rationali anima caroi
qaam de sancta et iromaculata
rirgine adbumpsit. qua de re
Tere ac proprie tbeotocon, i. e.
dei geoitricem sanctam semper-
qae Tirginem predicamus, eo
qaod anum eundemque deum
ei dominum J. C. genait, non
ta dnas personas duosve filios
form. 78, p. 71 15. -
libere sicut predicatis predicare
. . . unam eundemqae deum do-
minum et salvatorem nostrum
J. C. filium dei eundemque ho-
minis filium ex duabus et in
duabus naturis, hoc est divinam
et humanam, in unam personam
atque substantiam concurrenti-
bus et in sua proprietatemanen-
tibus, esse predicaoda, non in
duas personas atque in duos filios
partitum sed, ut dictum est,
unum eundemque filium dei et
dominum nostrum J. C, quem
credimus in uterum virginis s.
Mariae genitricis suae [ingres-
sum et ?., nach Pelag. 1.] de
eadem s. semper virgine Maria
sumpsisse veram carnem ani-
matam anima rationali ac sibi
unisse, et ita ex utero dei vir-
ginis genitricis Mariae natum
HR
SiUin'n iIt
. ai,is
partit.nm, aeH euodem, deitati
qnidem impassibilom , passnm
aat.ero carne, cracifiiam et se-
pultiim csme, re8nrrcxis§e, et
Mceudisse in celis carne, node
□omquam dedivinitaledtaceasit.
sedentem ad dextersm patris in
eadem carne et ita venturum
iadicare vi tos et. mortaos et
sie seiuper in eadem carne maD-
snrnm, proplerea attestamur eos
Atqu6 condeiunamus quicumqae
ante adanatioaem dune naturas
etpostadunatinoernnDamCbriati
natoram, cec non et JDoe qai in
dnas peraooas vel daos tilios
nnum domiDiim oostram J. C.
divideDtes blasphemant.
p. 108«.
coDfitemur atqne predicamus
inxta daarUQi Christi Datura-
rom proprietatea, ita et oihilo-
minas et dtia§ uaturales volun-
tates atqae operatioaes oniaa
eiusdemqae domini Dostri J. C.
p- 108,0.
ad bnecquoqae profitemnretinm
cncctB decreta ponliGcam np.
sedia predecessornm meomm,
praesertiin qaa'- a s. m. Martiuo
nniveraali papae ad conärina-
tionem predictamm Baoctaruni
qDinque gynodoramdefiDif a sniil
atque decreta, in onmibuscnsto-
dire, maxime quac Adversus dd-
vns protnu Igata snnt q uaestiones,
qnibus tiziinioram scandala linc
atqae illuc disoenninata sunt,
!e t'/m 3. Jnimnr lfm.
enndem denm verlium come,
enndem possnm carnu, crnci-
fixam, mortanm carne, r«9ttr-
reiisse euudem secDodum cmt-
nem, ascendiase idem in celis
in eadem carne. uiid>? numqDam
divinitate discesait, et ita iD
eadem carne venturam iudioare
vivös et mort.aos, et sie üemper
in eadem carne ventnmm (man-
snnini HOB) . . . düteatatnnr
etiom eos et ahhominamar at-
qae damnamus qaiuamqae tD
domino deo et aalvatore noatro
J. C. ante adunationeui daas
natnras et post adanatioaem
unam delirando dicere Tel cre»
dere preaumpaerunt presiunUDt
atque presampserint.
p- 72, t.
proCtentea iuita duarara B«tu-
raruiu moduni ita et daaa na-
turales volantatea utque duaa
nataralea Operation es.
p. 72 „„
profitemnr etiam caacta decreta
pontificurn ap. aedis, id «t. ■.
r. SeTerini, -lobannis, Tbeodori
atqne Martini, custodire qau
adveraua noTaa qaaeationea U
urbi regia eiorte snnt, et per
proprias doctrioas cnnctn icfal»-
niomm Hvandalaamputasa« no**
cuntnr.
p. 73,,
pt qoeque damoaveranr, sab
anatbemate daniDamoe, qnoqa«
^^^^f Fnedricb: ZiiT EHislehuiti) deg lAtr liuirxus. 11!* 1
quornm (luictornni patram et
saeceperiiDt, suscipiraua et tota
ap. sedt» pontificum auctoritate
lidei integritate venerarnua.
moDiti ac freu, (jüaB vel synodiue
sascepernnt Tel predicaverunt,
p. 73 11.
sine oliqun dimioalione susci-
profitemur etiam nnnqoam noa
pimns, simüi modo et quaeqae
aliquid novi quod dantaxat
damoaverunt, cnm suis ancto-
contra catbolicam fidem et or-
ribuä et aectatoribas fiub aoa-
thodoiam religionem ease eln-
tbemate damoarnuä. profitemur
ruerit, suacepturos.
«tiam no? äecuoduni illa quae
a predecessoribus nieia statuta
aont. coniquani aliquod novi
uonlra catbolicam atque ortho-
dosam fidem ^usceptarns vel
talia lemerarie presuraentibua
. . . quomodo conseasuin pre-
beturos.
p. 109 8.
p. 734.
ad baue vero suacipio el atn-
ad baec voro guscipio et am-
plector et veneror detJoitioDem
plector et veDero definitionem
quam, deo anspice, sancta et
quam, deo anspice, s. univer-
aniverBalis, ac magna sejtta sy-
salis aii magna seiU synodos
nodns qne nuper in regia Con-
qnae in regia Coostaatinopoli-
sianlinopoli urbis, io qua et
tana nrbe convenit, in qua et
ap. sedis legatos praesidere ma-
ap. »eiU legati domai Agatbonis
nifestan) est, qaae et per de-
pape presidere manifestum est,
cretam christiaDisaimi ac piis-
qiii et per deereto christianis-
flimi a deoque coronali ConstaD-
aimi ac piissimi el a deo coro-
üüi Diagni principis congregala
natiConstantiDi magni principis
Ml; el qaae snscepit, anscipio
vbI quae abietit abicio, simÜiter
ceperuQt, suacipimus et qnos
et quos anatbeamti/avit at-
vel quae abieceninl, aliiuimus
que dnmnavit., atiathematiio et
simÜiter et quos anatheraatiza-
damno.
verußt et damnnverunt, aoa-
thematizamns ac damuamas.
Weniger eine wörtliche. Eita eine sachliche Verwaudt-
scbalt besteht zwischen form. 8.5 und form. 84 hinsichtlich
dc'^ UervorgmiffB des h. üeiätes vuiii Vater und Sohn.
1
120
Sitzung der JUstor. Clasfte vom 3, Januar 1890.
form. 85, p. 106)o*
spiritam vero saDctum nee geoi-
tnm D6C iDgeDÜam, sed de patre
filioqne procedentem ; uDam 8.
trinitatis essentiam, aDam vir-
tatem , unam domioatioDein,
anam nataralem Yolootatem at-
qne operationem unam.
form. 84, p. 96 t
spiritas sanctas de pal
cedere confirmatar, \i
filins de sno accipere |
et in nomine sno mitti
8. spiritum manifestat €
flando discipulis: accip
ritam s. utpote de se
dentem adnontiat . . .
ergo vivaciter et doc«
unicam deitatis essen tu
patris igitur et filii et i
s. sicot una vere est'
ita anä et glona im
maiestas virtns atqae p
una quoque eorum ni
volnntas est et una est o]
Ich gehe nun zu einer Untersuchung der eii
Formeln im Besonderen über, beginne aber mit foi
welche ich für die ältere halte.
Die form. 85. — Betrachten wir vor Allem da
gang derselben, so setzt sie eine ganz eigenthümlichc
des neuen Papstes voraus, welche auch allein, wie er
sagt, ihn zu dieser Ansprache (alloquium) drängte
diei praeclara sollemnitas geminam . . . compulit pen
functionem). Die eine Funktion ist, dass er um das
der Anwesenden (alacer vestrae devotionis concursus) fö
bittet, die andere, dass er sie zur Aussöhnung, Eintracl
Frieden ermahnt; denn es sind nicht nur querelae der
gegen die anderen, sondern simultates et discordiae vorfat
Mit den beweglichsten und einschmeichelndsten Worten i
(exortare, amplissimae caritatis adortatio), beschwört
cratio) und bittet (quaeso) er daher die Versammelten,
„Rivalität und Zwietracht ein Ende zu machen*.*)
1) Ueber simultan bei Greg. M. s. Ew. p. 3. Einharti vil
e. 18, .laif^ Carol. p. 525: tanta pacientia simaltates et invidiai
Friedrieh: Zur Entstehung des liber diurnus. 121
ik dominus omnium, wie es von dem Erwählten im Konzil
•4)9 heiast, tritt er ihnen daher entgegen, sondern wie der
■rtlicbste und liebevollste Vater. Es gibt darum auch im
fHizeu Schriftstück keine Titulaturen, sondern nur liebkosende
iBredeo, wie gleich in der Adresse: dilectissimis et dulcissi-
■18 filiis in domino salutem, dann wiederholt: dilectissimi,
cuiasiini. Er ist ja der Dispensator der „Familie des All-
nichtigen- geworden und deren Vater: et primum omnium
qnidera condecet paterno affectu meos dulces deposcere natos. ^)
kh kenne dazu nur Ein Seitenstück in Gregors I. Briefen,
aimfich II. 2, Ew. p. 102: In nomine Domini. Chartula
que relecta est de laetania maiore in basilica s. Mariae.
SoUemnitas annuae devotionis, filii dilectissimi, nos admonet,
Qt . . ; Considerare enim nos convenit, dilectissimi . . .
Da muss nothwendig, wie es v. Gon. c. 1 heisst: non
minima contentio facta est, schwerer Streit der Wahl voraus-
gegangen sein, und da der Papst es selbst betont, dass er
wegen seiner Verdienste, die nichts sind, nicht an eine Wahl
denken konnte, und zweimal nachdrücklich hervorbebt, dass
er nur den Wählenden seine Erhebung verdanke, so ist an-
zunehmen, dass er gar nicht einer der Miturheber des Streites
war, sondern eine Persönlichkeit, auf die man sich erst nach
dem Misslingen anderer Wahlversuche einigte. Das kam bei
Conon und Sergius vor ; ausserdem werden uns Wahlstreitig-
keiten bis auf Hadrian I. nur noch bei Paul I. (?) und
Stephan III. (?) gemeldet. Gerade die Wahl Hadrians I.
iCarlmanni) tulit, at Omnibus mimm videretar, qaod ne ad iracun-
diam qaidem ab eo provocari potuisset. — Hlotar. imper. ad Leoneni
IV^ Mansi XIV, 884. — Livius: de locis (höchaten Stellen) summis
•inmltaÜbus contendere.
1) Paul I. in seinen Bnefen an E. Pippin nennt dessen Söhne:
rentros camales natos et nostros spiritales filios. Ebenso P. Constan-
tin, Mansi XII, 759. Karl d. 6r. nennt sieb selbst in seinem Epitaph
ftof Hadrian I. natus desselben, Mansi XII, 757.
122 Sittung dfT kigtnr. Cla«"; rnni H. Janu'ir /«)0.
vollirog sich aber so friedlich und rHsch, dass auf ibo dvt
Eingang der form. Sb kaum anwendbar erscheint; man mdsste
denn anf die Feindaeligkeiteu zwischen der Partei de« Primi-
cerius Christophonis und der des t'auhis Aüartii hioweieen,
welche unter dem Pontififcat Stephans III, vorfielen und «ch
bis an das Hadrians I, erstreckten, ho diiss ditwer noch in
der Stunde seiner Wahl die von Paulus Atiarta verbanntMi
Kleriker und Soldaten sowie die Eingekerkerten Oberhaupt
amnestirte. Allein der Papst, welcher in form. 85 spricht,
hat o9eub»r Streitigkeiten hei seiner Wahl und um don
päpstlichen Stuhl im Auge, nicht Streitigkeiten und Partei-
UDgen, wie sie vor Hadrians Wahl vorkamen, ohne mit dieser
selbst etwas zu than zu haben. Daher fordert der Sprecher
in form. 85, p. 105 le die .Anwesenden auch auf, den simul-
tates ein Ende zu machen, und: ut cundecenter pun asseoBU
hymnum gloriae . . . possimus concordi modulamine, etiasi
cum intemo mentis adeenäu alacriter exciamare: Gloria in
excdsis ... Es gab also nach diesen Worten solche, welche
bei der eben stiittgefundeneu Wahl sich in aimultatee ein-
liessen und nicht gleicher Zustimmung waren, welche, wriu
auch jetzt äusserUch zustimmend, im Innern noch nicht mit
der Wahl ausgesöhnt waren. Das passt m. G. nicht aof
Hndnan I.
Ich meine überhaupt, dass die Formel Ende des 7. .Iiihr-
hundertä entstanden ist.
Vor Allem fällt hei ihr die starke Benutrung der form.
7:J, so dass 85 beinahe eine blose Abschrift von 73 geiiiinnl
werden könnt« {s. ob. S. 117), ins Auge. Sie behält auch
den geschichtlichen Gang der form. 7S hei, den R4 und 83
verlassen, mit Ausnahme des Satzes ,iuxta duaram . . .*
p. lOSii, wo sie sich aber dafür der sachlichen Ordnung
des Schreibens Agatho's und der abeudlündisclien Synodo au
da» VI. iillgemeine Konzil anschliesst (Manai XI, 291). Aber
auch da. wo eine Berührung der form. 85 mit form. 8U ontl
i^^ü
"Friedridi: Zur Entstehung des liber diurnus.
123
*4 stattfindet, wie bei synodice (85), stimmt sie mit Agatho
wi der abendländischen Synode, während synodaliter vel
fccialiter (83) oder synodaliter et decretaliter (84) zeigen,
keß letzteren das blose synodice nicht mehr genügt, dass
it aba form. 85 ergänzen zn müssen glauben. Ebenso haben
farm. 73, Agatho und Synode sowie form. 85 zizanioram
nuidala oder genimina, das aus form. 83 und 84 bereits
Terschwonden ist. In dieselbe Zeit, wo form. 73 in die
Adrease universalis papa eingeschoben wurde, weist auch
form. 85, p. 108 19: Martine universali pape, das, wie schon
gwagt, seit 680 in Rom gebraucht zu werden anfängt. Und
endlich deutet noch unum igitur s. trinitatis p. 107 4 auf die
monotbeletischen Streitigkeiten, in welchen diese Phrase un-
xähligemale gebraucht worden ist, und mit der das VI. all-
gemeine Konzil geschlossen hat (m. Gonst. Schkg. S. 42 ff.),
während später der Ausdruck der V. ök. Synode: unus de
oder ex trinitate stehend wird (form. 84, p. 98 ig ; Gonstit.
Gonstant. ed. Zeumer § 1, 3).
Die Verwandtschaft der form. 85 mit den römischen
Schreiben an die VI. allgemeine Synode gebt jedoch noch
weiter.*)
form. 85, p. 106 15.
eredimas io unum deam, patrem
et filiom et spiritum s., trini-
tatem inseparabilem . . .
spiritum vero s. Dec genitum nee
ingenitiim, sed de patre et filio
procedeotem ; onam s. trinitatis
es^eotiam, onam virtutem, nnam
Agatho, Mansi XI, 288.
confitentes sanctam et insepa-
rabilem trinitatem, id est Patrem
et Filinm et s. spritum (was
jedoch auch sonst vorkommt).
Agatho et syn., p. 290.
et in spiritum s. ... ex Patre
procedentem . . . unitatem qui-
dem essen tiae . . . una potestas.
1) Auch das Schreiben der VI. Synode an P. Agatho bewegt
»eh in den mit den römischen Schreiben verwandten AusdrQcken der
form. 86 (Mansi XI, 686).
124
Sitzung der histor. ClcLSse vwn 3. Januar 1890,
domin ationem, anam natnralem
Yoluntatem atqne operationem
unam. trinitatis nomiDecredeDtes
baptizati samus et credendam
fideliter predicamus: uoam tgi-
tar 8. trinitatis, hoc est dei
verbam qni natas est de patre
ante omnia saecnla, enndem in
ultimis temporibus descendisse
de celis, incarnatnm esse de
spiritu 8. et de semper virgine
b. dei genitrice Maria et huma-
natum consubstantialem patri
secnndum deitatem et consub-
stantialem enndem nobissecnn-
dom humanitatem
. . . anum enndemque hominis
filiam, ex dnabns et in duabns
naturis, hoc est divina et hu-
mana, incondita et condita . . .
unam impennm , una
una adoratio, una esi
eiasdem s. et inseparat
nitatis volantas et oper
Gonfitemnr autem anai
dem s. coessentialis ti
Deum verbum, qni ante
de Patre natas est, in
saecnlorum temporibuspi
nostraque salnte descem
coelis, et incamatum de
s. et s. immaculata sem
virgine gloriosa Maria •
nostra, vere et propric
trice . . . consubstantiales
dem Deo Patri secandm
tatem, consubstantialem
eumdemUpsnm secundam
nitatem . . .
Agatho, p. 271.
ünde et veraciter creditar
idem ipse, cam unas sit,
habet naturales Operation
vinam scilicet et humanai
conditam et conditam . .
Und wenn es form. 85, p. 109 1? heisst: hanc dei
dilectissiini, orthodoxae atque ap. fidei normam in om
tenentes atque spiritualiuni patrum lucidissimis veluti
luminaribus ... oportet nostrae humilitatis religiosai
votionein quae, eorum magisterium inlustrantem su]
gratia, corde suscepimus, ore etiam libere confiteri : so 1
sich auch bei Agathe et syn., p. 291 : quia hoc nos a
evangelica traditio, sanctorumque patrum magister;
({uos s. ap. atque cath. ecclesia et venerabiles synodi i
piunt, instituisse monstratur, und bei Agatho, p. 239:
quam (ap. doctrinam) et probatissima ecclesiae Christi li
naria claruerunt . . .
Friedrich: Zur Entstehung des liber diurnus, 125
Eioe Schwierififkeit scheint nur de patre filioque pro-
ccd«iitem (p. 106 n) gegen diese Annahme zu bilden, da in
kf That dieser Ausdruck um diese Zeit sich in Rom noch
neht findet, wenn er auch schon von Leo I. im Anschluss
an den h. Augustinus gebraucht wurde (Langen II. s. y,
filioque). Allein die Lehre vom Ausgang des h. Geistes vom
Vater und Sohne wurde trotzdem von Rom aus verbreitet.
Man sieht dies aus dem Schreiben der abendländischen Mönche
ani Oelberge zu Jerusalem an Leo III. (JafiPe, Carol. p. 384).
wo ausdrücklich die Beweise für das filioque angeführt
werden. Danach soll es schon in der Regel des h. Benedikt
{gestanden haben und sagt Gregor d. Gr. hom. 26 : Sed eius
mtäsio ipsa processio est, qui de patre procedit et filio. End-
tich weisen sie auf Gregors dialogi hin, wo II. 38 wirklich
<eht: cum enim constet quia paracletus Spiritus a patre
«mper procedat et filio, cur se filius recessurum dicit, ut
üle Teniat, qui a filio numquam recedit, und auf das atha-
nasianische Glaubensbekenntniss : Spiritus s. a patre et filio,
non factus, nee creatus, nee genitus, sed procedens. Das ist
freilich das formelhafte filioque nicht; allein wo die Aus-
drueksweise Gregors als richtig galt, da konnte das filioque
keinem Widerstand mehr begegnen. Nun ist es bekannt,
dass eine spanische Synode nach der anderen im 7. Jahrh.
das filioque wiederholte (Hefele, Conc. Gesch.* IL s. v. filio-
que), und im J. 680 hat ihn auch eine englische Synode
unter Erzb. Theodor gebraucht. Dieser, von Rom selbst
nach England geschickt und dort noch besonders überwacht,
musste den Glauben der römischen Kirche kennen, und da
er von P. Agatho aufgefordert war, seinen und seiner Kirche
Glauben, ob er katholisch sei, zu berichten, und dieser wirk-
lich ,in allem als der unverfälschte katholische Glauben*
befunden wurde, so musste auch in Rom das filioque schon
anerkannt sein. Dazu kommt, dass der Bote Agatho's nach
England, der archicantor ecclesiae s. Petri et abbas monasterii
12fi
Sitsunfj der hülor. Clasne rom 3, ./•oiu
b. Martini in Rom Johanues, der engÜHchen Synode bei-
wohnte und ihr Glaubensbekenntiiias ontersohrieb (Beda V.
17. 18). Somit kann es kdnen Anstoss mebr erreReii. wenn
rla^ filioque in diei^en Jahren auch in Rom wieder, nie einst
in Leo'ii 1. Ta^en, in einem pilpstlicben Giaubensbekeimbiiäae
auftaucht. ')
Auf einen der orientalischen Päpste, welche, einer nach
dem anderen, gerade Ende de-s 7. Jahrb. seit Johannes V.
den römischen Stuhl beätief^en, weist übrigens auch der um-
stand, da^ der Papst, welcher form. 85 abfaßte oder ab-
fassen iiess, das Ulaubensbekenntniss i]er furm. 73 mitten
durchbrach nnd folgende Stelle in daüselbe einschob mit der
griechischen Bezeichnung Maria: qua de re vere ac proprie
theotociin, i.e. dei genitrioem s. semperque virginem pre-
dicamus ... (s. oh. S. 117).
Welchem Papste wird also form. 85 angehören? Ich
meine dem P. Connn, auf den alle hervorgehobenen Umstände
passen Kr ist erst nach .nicht geringem Streite", nachdem
zwei andere Candidaten nicht battt-n durchgesetzt werden
IJ Ich (glaube indaiiHPi). dose hinBichtlich der frühesten Stella
groKse Vorsicht nothwendif; ist. wenhiilh irh auch nagte; achon lüe
reffula b. Benedict! soll den Aaugan^ de« h. (tciiitea vom V&ter and
Sobn gehiibt haben. Zur Ueknlftigung meiner MulinunK führe tob
fotgendea Beispiel ad. [lie Uexba Überii p. haben bei L'ouabutt, tayp.
liom. pont.. upp. t-oL B9: sed de Patre prowilRnteni, fiitrii et Filii,
»eraper cum Patre et FÜio coiieternutn venemmur; bei Atnort, Klem.
jur. can. I. 38fi »teht aber «chon: sed d« Patre et Kilio prauodeotMii
cet. Da nun die Ijoelle dafQr die Eitpuiutiu tidei, Ainort 1, 41t iat
(m (.'oQBt. ächimkg. S. 48H'.|, bq sehen wir, dnui wir in obigen SU)U«a
Interpolationen vor unn hahenj denn in drr E{£}>ni(itio heiail r» nnr:
ii<;d Patris et Flui, semper com Pnlre cet., wie dpon wirklich noch
in der jüngeren uua Kxpnsiti» und Sertiin (Amort, a. 0.) ent«taDtleB«n
Kidea rnth. Nicaeni uonnilii nocleiiae Hom. dtrmta (Maniti X, 77t)
Hteht: xed Petrin et Filii, aemper in Palre et FUio
Fri^dridi: Zur Entstehung des liher diumus. 127
cönnen, infolge eines Compromisses als Papst gewählt worden.
Seine Tita c. 2 nennt ihn „religiosae vitae', einen Möncb;
iam das bedeutet religosa vita (Greg. M. dial. II. 5; vita
Pelag. I. c. 1 : multitudo religiosorum ; religiosi servi dei
Wissen die Gesandten zum VI. Konzil aus Italien, welche
keine Bischöfe waren, also die Mönche, welche auf Befehl
Kais. Constantins aus Italien gekommen waren, bei Agatho
et syn. Mansi XI , 295). Ein Mönch spricht auch aus
form. 85, wie die sonst ungewöhnlichen Phrasen bezeugen :
Dostrae humilitatis religiosam devotionem, p. lOOio, und:
nt nimirum omnipotens «de terra inopem et de stercore
paaperem sublimaref, p. 1045* Ich zweifle darum auch gar
nicht daran, dass P. Gonon jener Presbiter und Mönch war,
welcher, aus Rom gesandt, Mitglied der VI. allgemeinen
Srnode war (Mansi XI, 211. 223 u. ö.). Ganz ungewöhnlich
war aber damals die Wahl eines Mönches nicht; denn ab-
ji^esehen von Gregor d. Gr., war P. Adeodat und wahrschein-
lich, nach den Varianten seiner vita, auch P. Agatho Mönch.
Wenn dann P. Conon im Papstbuch ein ehrwürdiger Greis
mit wahrem Engelsgesicht genannt wird, so setzt die Ein-
leitung der form. 85 einen solchen Mann voraus; denn so
herzlich und väterlich spricht nur ein Greis mit wahrhaftiger
Engetsniilde, ein Papst, von dem, wie von Conon vita c. 2,
gesagt wird: religiosae vitae, qui se numquam aliquando in
causis actnsque saeculares commiserat.
Insbesondere bewegt mich aber der Schluss der form. 85
zu der Annahme Conons als des Verfassers derselben, da in
ihm die Anwesenden aufgefordert werden, für das ganze
rumische Reich und seine Dauer sowie für die Heere der
romischen Republik und Italiens zu beten, damit diese die
rebellischen Feinde des Reiches unterjochen (subiugare) und
niederwerfen, nicht mit dem Schwerte, sondern mit klugem
Kath und ohne Schaden für das Heer. Von den Triumphen
der Heere gehe in Constantinopel und ringsum die Rede, so
12«
SiUunj) der fuMnr. Clan''
™ .V. Jotiuar l>i!Hi.
dass jedes Geschlecht und Jede Würde Tiber die .Siege jubeln
und Gott dafür preineii und danken müsse. Da muaate doch
etwna Besonderes Torfiegangeii sein, welches das Reich in
hohem Grade interessirte und das für dasselbe glückverbein-
send erschien. Man ttihlt e» aus der Aufforderung und dem
Gebete heraus, dass man sich damaU noch eins mit dem
Iteiche und warm t'dr dasselbe fühlte. Im S. Jnhrh. dürfte
das aller kaum mehr der Fall gewesen sein. Üie Bilder-
stilrmerei hutte gegen Constantinopel erbittert; seit (Jrenor 111.
aber hatte man seine Blicke nach dem Frankenreicb ge-
richtet und ging man in Kom .selbst auf eine Schmäleruug
des Reiches aus. Allerdings sagt Paul I. noch in meinem
Constitutum, er habe das Kloster t^t. Stephan und Silvester
auch gegründet, damit die Mönche beten pro dilatatione at-
.|ue Stabilität reipubticae (Man.'si XU, (>46; J. 2UG). Allein
der Ausdruck respubtica ist bereits so schwankend, das» in
der V. Stephan! II. c, 51 die Herausgabe einiger Städte und
des üukats Ferrara an Stephan, nicht an da.« Iteich, mit
den Worten gegeben wird: Kt ita annuente deo rempublicam
dilatnns (sc. Htephanus). Paul 1. theilt in seinen Briefen
auch schon das Kaiserreich und das Frankenrejcb. indem er
diesem öfter die Unterjochung aller barbarischen Völker anm
Lohne für die Rettung und Erliisnog der röniischi'n Kirube
wünscht. Madrian I. aber spricht unmittelbar nach iteinvr
Wahl, schon 772 Febr. 20 {J. 23H5) von ,hominum nortrao
liomanorum reipublicoe" .
Wenn ich mich nun umsehe, wann solche KretgnttMe
im Reiche die Aufmerksamkeit in Rom in besonderem Mmw
erregten, no tinde ich im lib. pont. nur einmal seit 680 ein«
Mittheihing, welnhe sich darauf bexielit. V» heilst n&mlicb
in der v. Johannis V. (t)85 — 68lj) c 3: Huiiis temporibu»
reguavit domuus Justinianus Auguatus defunuto patre, in
initi» mensis sn-ptembri» ind. XIV (6S5). tjui clemcntisninu«
priuceps Uomino »usiliante patom lonstiruit cum nee di-
FViedrich: Zur Entstehuntf des liber diurnus. 129
i«oda gente Saraceiiorum decennio terra marique; sed et
proTincia Africa subiugata est Romano imperio atque re-
«taorata. Da nun beides unmittelbar vor der Wahl Conons
(2«i 685 Sept.), wenigstens wie man nach den) Zeugnisse
d« Papetbucbes in Rom annahm, geschehen sein sollte, und
da die Ereignisse mit einem Wahlstreite zusammenfielen, so
wird man form. 85 mit Fug und Recht Gonon zuschreiben.
Ich wQsste wenigstens nicht, wo Schluss zugleich mit An-
£mg der Formel sonst unterzubringen sein sollte.
Unter dieser Voraussetzung, dass form. 85 P. Conon
angehört, wird es dann auch begreiflich, warum diese sich
noch so eng an die 680 mit ihrem zweiten Zusatz versehene
form. 73 und an die römischen Schreiben an die VI. ök.
Synode anschliesst, und warum sie noch ein warmes Interesse
für F. Martin I., das form. 83 und 84 nicht mehr kennen,
leigt nnd sein Beispiel, nöthigenfalls auch für die antimono-
tbeietiäche Lehre zu sterben, ähnlich wie Agatho und die
abendländische Synode (Mansi XI, 291), nachzuahmen ver-
spricht. Der Papst der form. 85 muss also den monothele-
tischen Streitigkeiten noch sehr nahe gestanden sein. Ja,
wenn wir diese Stelle noch etwas näher betrachten, so finden
wir in ihr bis ins einzelnste die Gefühle ausgedrückt, welche
die Verdammung des Honorius 1. durch die VI. Synode 680
in Rom hervorgerufen hatte und die besonders Leo II. zum
Aasdruck brachte. Der Verfasser der form. 85 setzt näm-
lich die Stelle form. 73, p. 73 13, welche hier nach dem
VI. allgemeinen Konzil steht: profitemur etiam numquam
notf aliquid novi quod dumtaxat contra catholicam tidem et
ortbodoxam religionem esse claruerit, suscepturos, vor das
VI. Konzil und in Verbindung mit Martin I., also mit den
monotheletlschen Streitigkeiten, und versieht sie mit ganz
charakteristischen Zusätzen, p. IO93: profitemur etiam nos
[secnndum illa quae a predecessoribus meis statuta sunt] num-
quam aliquod novi contra catholicam atque ortbodoxam fidem
ina PhikML-pUloL o. bist GL 1. 9
130 Sitzung der histor. Glosse vom 3. Januar 1890,
suscepturos [vel talia temerarie presumentibus, si opor
fuerit etiam mori, dei gratia nos corroborante , qu
consensum prebeturos]. Darin spiegelt sich zweifeil
Geschichte der Päpste in den letzten Jahrzehnten ab.
Papst der form. 85 will es nicht machen, wie der jeti
dämmte Honorius I., von dem Leo II. ganz mit den V
der form. 85 sagte: una cum eis Honorius Romanui
immaculatam apostolicae traditionis regulam, quam a
decesaoribus suis accepit, maculari consensit (J. i
sondern wie Martin I., welcher lieber starb, als den !
theleten zustimmte. Es wäre zu peinlich gewesen, um
bar nach der Verdammung des Honorius bei so feiei
Gelegenheit dessen Namen zu nennen ; schonend, aber
noch verständlich ging er mit obigem Satze über die sc
Niederlage eines Papstes und mit ihm Roms selbst^) hi
doch nicht, ohne das feierliche Versprechen zu geben
er die monotheletischen Bestrebungen nie unterstötzer
Gleiches wie Honorius der römischen Kirche nie zu
werde. Im Zusammenhalt mit dieser Stelle werden
auch die Worte des Papstes in der Einleitung der F
p. 104 15 klar: Gott möge mit Hülfe der Apostel gewS
sein Amt inculpabiliter adimplere, quatenus non de
mine presulatus temeritatis poena condemner, w
Honorius begegnet war.
1) Agatho hatte Honorius noch schützen zu können ge|
und geschrieben: Man brauche nur der römischen Kirche zu f
die nie vom Wege der Wahrheit abgeirrt. Unde et ap. m.
parvitatis praedccessores, dominicis doctrinis instructi, ex quo novi
haereticam in Christi immaculatam ecclesiam Constantinopoli
ecciesiae praesules introducere conabantur, nnnquam neglexe
eoä hortari, atque obsecrando commonere, ut a pravi dogmatii
retico errore, saltem tacendo desisterent, Mansi XI, 248.
VI. Konzil hatte es anders gefunden und Honorius doch verurt
weshalb sich auch Leo II. genöthigt sah, das Qegentheil auszo:
und Honorius „Nachlässigkeit* vorzuwerfen.
Friedrich: Zur Entstehung des liber diurnus. 131
& wurde schon oben, wo von forra. 83 gehandelt wurde
iS. llOff.)* auf den Unterschied hingewiesen, dass diese p. 91 5
?ii?e: et de ceteris dei dogmatibus, sicut universalibus con-
diüs et constitutis apostolicorum pontificum proba-
tiftämorumqae doctorum ecclesiae scriptis sunt commendata,
wahrend form. 85, p. 108 10 nur erst schreibe: nos igitur
in omnibus sequentes quinque synodorum instituta nee non
K probabilium cath. ecclesiae patrum atque doctorum vene-
nbiles traditiones . . . Ich behauptete darauf hin, dass form.
^. wenigstens deren letzte Redaktion, jünger sein müsse, als
form. 85 ; hier muss ich einen Schritt weiter gehen und
«•liren, dass die eben angeführte Stelle ganz genau die Auf-
fa^Hsung dieser Sache um 680 enthält. Form. 73, p. 70 9
bat noch den Wortlaut des Pelagius IL: illam fidem tenere
predicare atque defendere quam ab apostolis traditam habe-
mi» et soccessores eorum custoditam, reverendam Nicenam . . .
P. .\gatho und die abendländische Synode schreiben ebenfalls
»n das VI. allgemeine Konzil: quod (fidei lumen) ex veri
liiminis fönte tanquam de radio vivifici fulgoris per ministros
beatiM Petrum et Paulum apostolorum principes, eorumque
di««ipulos et apostolicos successores gradatim usque ad nostram
parritatem ^) Dei opitulatione serratum est, und : quia hoc
c<«s apoatolica atque evangelica traditio sanctorumque patrum
Diagisterium, quos sancta apostolica atque catholica ecciesia
et venerabilee synodi suscipiunt, instituisse monstratur, Mansi
XI, 287. 291. Das zu gleicher Zeit gehaltene Mailänder
Konzil aber schreibt an dasselbe Konzil: Nos autem omnes
. . . pari tenore et reverentia traditiones sanctorum apostolo-
rum sen reverendissimorum patrum, qui in supradictis conciliis
adfuerunt, omni cum veneratione suscipere, amplecti, defen-
1) Hefele 111,258 gibt dies: , bis auf den gegenwärtigen Papst *",
fficber ODrichtig, wie ans Pelagins IL und form. 78 klar hervorgeht.
Allerdinini i^ ^^^ ^^^ den Aposteln insgesammt schon Petrus und
PaoIob allein geworden.
1
132 Sitzung der histor. Classe vom 3. Januar 1890.
dere, predicare, praecipue s. ni. Leonis ap. sedis pm
dicta, sed etiam orthodoxes patres, qui per di versa loci
Dei ferventes, dogiuata salutaria nobis reliquerunt, ni
Gregor v. Nazianz, Basilius, Cyrillus von Alexandrien, .
nasius, Johannes Chrysostomus, Hilarius von Poitiers, k
stinus, Ambrosius und Hieronymus, Mansi XI, 205 f.
Schliesslich darf ich jedoch nicht unerwähnt lassen,
form. 85 sich selbst einem Papste zur Lebenszeit des K
Constantinus Pogonatus zuschreibt, indem sie sagt, p. 1
sancta et universalis ac magna sexta synodus que nup
regia Gonstantinopoli urbis . . . per decretnm Christian
ac piissimi a deoque coronati Constantini magni prii
congregata est. Das ist jedoch bioser Schein, da die I
wörtlich bis auf nuper und mit der Auslassung domni
thonis pape vor presidere von form. 73 abgeschriebei
Es ist überhaupt, wie v. Sickel nachgewiesen hat, auf s
Angaben kein besonderes 6e^vicht zu legen; denn
auch der Verfasser, der von dem Tode Agatho*s wäl
des Konzils wusste, durch Weglassung des domni Agat
pape verbessern wollte, so schrieb er doch das üebrigi
dankenlos ab. Oder soll man annehmen, der Verfasser
von dem Tod des Kaisers Constantinus noch nichts gew
Die Beziehungen zwischen Constantinopel und Rom ii
damals allerdings noch recht gering; man sieht es di
dass man in Constantinopel noch unterm 17. Febr. 68'
Schreiben an P. Johannes V. ausfertigte, obwohl der
schon am 2. August 686 gestorben und sein Nachf«
Conon am 21. Oktober konsekrirt war. Ein sehr stre
Winter konnte zwar für diese Zeit die Communication
sehen Constantinopel und Italien unterbrechen (J. 2356),
der Tod eines Kaisers konnte im Abendland kein Jahr/
unbekannt bleiben, und wäre es vielleicht in Rom mo(
gewesen, doch gewiss nicht in Ravenna, wo der neugewi
Papst bestätigt wurde (v. Con. c. 2).
Friedrich: Zur Entstehung des liber diurnus, 133
Die form. 84. — Das allgemeine Schema dieser Formel
irt form. 73, d. h. auch sie halt sich an die von Pelagius II.
forgezeichnete Elintheilung nach den ökumenischen Konzilien
and an die Formulirung der sie betreffenden Sätze, wie sie
MH Pelagius II. die form. 73 herübergenommen hat. Erst
hei dem Konzil Martins I. und der VI. allgemeinen Synode
weicht sie vollständig von form. 73 ab und geht ihre eigenen
Wege, indem Martin 1. gar nicht erwähnt und das über die
VI. Synode Gesagte selbständig redigirt wird, und zwar an
der Hand des lib. pont. (v. Leon. U., Agathon.), sowie der
Briefe Leo's II. über diese Synode. Auch der Satz p. 101 u:
6ed et eis qui nnam siraul et duas voluntates et operationes
in Christo dicere presumebant sive nee unam nee duas scheint
<ler V. Agath. c. 10 entlehnt zu sein: . . . ut profiteretur
unam aut duas voluntates et operationes in Christo, nulla-
tenus eos audivit: sed potius neque uham neque duas in
salvatore dicere voluit ; denn die Ecthesis wird der Verfasser
kaum vor sich gehabt haben. Eine andere Auffassung des
Honorinsfalles, als form. 85, tritt in form. 84, p. 100 u auf:
ana cum Honorio qui pravis eorum adsertionibus fomen-
tnm impendit. ^) Während dort die Schuld des Honorius
aL« «Zustimmung*' bezeichnet wird, erscheint sie hier nur
ab «Begünstigung* (fomentum) , — eine Auffassung des
Falles, wie sie seitdem in Rom stehend wurde. Entnommen
iftt sie aber ebenfalls einer Aeusserung Leo*s II. über Hono-
rius: cum Honorio, qui fiammam haeretici dogmatis,^) non
at decoit apostolicam auctoritatem, incipientem extinxit, sed
negligendo confovit (J. 2119). Ausserdem benützt er das
Schreiben (tomus) Agatho's, das er ausdrücklich erwähnt,
1) Paul I. [i, 2368): protinus earum adsertio, tamquam sua-
▼itatiti fra^oantia nos adficiens, ac salutaris providentiae fomento
isedens, laetos effecit.
2) haeretici do^matis wiederholt form. 84, p. 100 sa and 5: novi
haeretici dogmatifl.
134 Sitzung der histor. Classe vom 3. Jantiar 1890,
das Agatho's zugleich mit der abendländischen Synodl
das VI. allgemeine Konzil und dieses selbst, wie p. ;
profanus boroinicula Nestorius, Agatho: ifcem ex libi
Nestorii hominiculae (Mansi XI, 274); p. 99 jo: absque I
peccato, Agatho et syn. : absque solo peccato (XI, 290;-
VI. Syn., XI, 631); p. 98 m: in hoc (V. concil.) Ori
cum irapiis discipulis et sequacibus Didymo et EvagrioJ
et creatorem omnium deum et omnem rationalem eius \
turam gentilibus fabulis prosecuti sunt, VI. Syn. XI, j
V. 8. synodo, quae hic congregata est adversus Theodi
Mopsvestenum, Originem, Didymum et Evagrium. Letil
ist nur dem VI. allgemeinen Konzil eigenthümlich, wäh
gentiles fabulae dem Schreiben Kaiser Justinians I. gl
Origines entnommen ist. Aus dem Schreiben Agatho*»,
es heisst: ut eorum doctrinae pedissequi (XI, 255. I
dürfte auch form. 84, p. 102 13 stammen: cum dei pr«
eorum in omnibiis sequipedam.
Die Auifas&ung der Schuld des Honorius nicht mehi
eine Zustimmung, sondern nur noch als Begünstigung,
wohl sie auf Leo II., der sie doch zugleich als Zustimn
bezeichnete, zurückgeht, sowie p. 1029-ai das Herausr^
der päpstlichen Dekrete aus dem historischen Zusammenl
der form. 73 und 85, ho dass die Anerkennung einiger
selben in diesen von form. 84 auf alle ausgedehnt v
zeigen bereits, dass diese P^ormel später liegen muss,
form. 73 und 85. Wann sie aber anzusetzen ist, daa
keineswegs eine leichte Frage, wenn ich auch gestehen ni
dass ich sogleich beim ersten Lesen derselben an Pao
erinnert wurde, und es mir noch jetzt scheint, dass sie
angehöre. Ich will meine Gründe dafür entwickeln.
Wie in form. 84 eine lange Einleitung über die
Würdigkeit des neuen Papstes und den stupor, mit den
sein Amt übernimmt, steht, so hält es Paul I. in seil
Constitutum für St. Stephan und Silvester und in sei
Ftiedrich: Zur Entstehung des Über diurnus. 135
Schreiben, z. B. an Fipin: Quod quidem nos tanto eius re-
lerati beneficio, licet meritis nequaquam suffragantibus . . .
i^ninni respiciens respexit super humilitatem nostram et
ad tarn praecipuum pontificale colmen, non nostris raeritis
pfoeeqaeniibiis, provexit (J. 2340). Oder: Sed hoc non
Dostris meritis sed divina proveniente misericordia agitur
;J. 2350), form. 84, p. 94«: quia neque pro meritis pre-
cedentibus hoc nobis conlatum advertimus . . . sed clemen-
tisb^inii dei noetri misericorditer inclinata sublimitas hoc fieri
. . . annuit.
Weiter sind die Ausdrücke der form. 84, p. 94: humi-
Htas — pusillitas — pusillanimitas — impotentia que in
nobis est — nostra fragilitafi — neque pro meritis — fine-
tenns permanet, p. 95 : satisfacimus — iuxta capacitatem,
geradezu stehende Lieblingsausdrücke bei Paulus I. So: mea
infelicitas — mea exiguitas — nostra fragilitas — licet im-
meritus — plenius satisfactus — satisfacti sumus de eius
Immaculata fide, öfter — humanae considerationis capacitas
— desiderii capacitas — fine tenus perniansuros — fine tenus
fore perraansuros (J. 2336. 2346. 2340. 2363. 2369. 2359.
2373. 2363).
Thatsachlich war unter Paul I. die Sprache der päpst-
lichen Kanzlei ganz die der form. 84. Es lässt sich dieses
an dem unmittelbaren Nachfolger desselben, an P. Constantin,
xeigen, wobei ich jedoch noch einige andere Phrasen auf-
nehme. Er schreibt: quanta mihi incoepti pastoralis officii
debet insistere cura ad pascendas dominicas rationales oves,
valde fateor intolerabilem moestitiam cordis mei arcano ad-
baesisse . . . qui nimis comprimor, et uuUis operum meritis
neque virtutum profectibus me praestituruni perpendo —
nimio stupore — ad tarn magnum et terribile pontifieatus
culmen — metuenda . . . existit pastoralis solicitudo et . . .
infelix — tantum pastorale officium, quod mihi immerito
coutulit — nieam infelicitateni sibiuiet pastoreni elegenint —
r '<^. ^.umß^ <^ ktjt^ <7,mHi» 'im l Iwmmtw lBBf\
*Av^^>m fttwir riwri« p^rmaiMr« »J. 2375. £174 fc-
fViM f tUfffMd^ a, 2>^#:^>.< r«rle( tot «ieiiL ra
fff^Jt^tfU$fn ttt4if^h^, mhi iifi*ri«t/^lata«) ünimpiit cnhneii
Xll, 7l7f.>
Afif OffffMl A#rfri^ infdicita». exignitaa, fngilüi
¥ft*ii t*r irrim^riffM iiri« ma^ dann Paul 1. in seinein
iiiiuw: pro wt r|ii/Ki niillin viriututn profectibns roa
Mihiitirrf , . , lulmi riiagnuni et terribile apoetolict
iitiMmu \irtmt»i\tti dl« 22Hß); form. 84, p. 94i: Ad h
Ml^dif'MM nfti\{*i ofticitini . . . porvenimiui, cum tanto
nhipoM« Mi liMtMlIitain HON HUMdporu debere perpendimti
AtiiüdMirk «lipont^ilicHii nmliN ofHcium'' finde ich aber
I'mmI I. mihI In form. H4, woMWi>^en Hie auch gleicb
mptuiiMM mHii W(«rdi*n.
horh ilii* VorWAiidUchaft. der form. 84 mit der
Mrlu>n Au«ilnM'k«wi»i«o \iiA\i m»o.h weiter. Wenn es
lH«i^n( : hiM(|Uitn Unh|UHm inpxpu^jtnabili muro precinc
lldimMn, Hw m'hmlil Piiulun: Sod mxs sv>em nostrai
hiMHU, n\v\\\ im'xpvi^tmUilom nmnun« tirmissimam in i
n Ooo oov)>dHU'A<i^m oxoolbmtiiuu h«ilxM««s (J. 2345,
VVUIV tMov INiulu»: Pin* ^\im nrnpliori certificatione
oni^h hvitom pi>\fiMvnt<v^» (xmu. S4. p. S5«: coram de
jnMiM\lii^n\m hvMi*. W<M 8toph?\« IK, dorn Vorginge
Unidi^v IN^ul», Wiwt «^ n\ Kin<^m Schreiben ftweima]
r 0^*v»^^^ \^n»h^|4i*M'^^v ^^oh<>v !*v^>KVn nnt^r $t)^pbaa 1
FViedrieh: Zur EnUtehung des liber diurnus. 137
fBo redemit preiioso sanguine, und : qui dos suo pretioso
■ifpiine redimens (J. 2327), bei Paul I. selbst aber: per
vt qooqiie redemtor noster, Dei hominumque mediator, ec-
dnae suae et universo populo christiano, eius pretioso re-
dmplo sangine, pacem tribuit . . . (J. 2372) ; die form. 84,
pi 94is hat: qui omnes filii sui pretioso sanguine dignatus
ert rediniere. Und yielleicht dürfen auch folgende Stellen
Paols L: Sed omnipotens Dominus . . . conroboret . . . com-
Donitatem vestram, und: fides catbolica ab hereticorum telo
mlibata consistit (J. 2368) verglichen werden mit form. 84,
p. 94ift: dei noetri omnipotentia roboret, und p. 95»: con-
idimas cuncta inimicorum fidei tela destruere.
Zu Pauls I. Lieblingspbrasen möchte ich auch rechnen
p. 102 1«: onde et districti anathematis interdictione
fohicimiis, si quis . . . Das Anathem kommt in keiner
anderen Formel bei diesem Satze von ,novum aliquod** vor,
fondem nur in form. 84, aber ganz so wie Paul I. es
öfters ausspricht: maximis sub anathematis interdictio-
nibus — sab terribili anathematis obligatione — insolubili
inathematis vinculo (J. 2346), sab anathematis interpositione
fJ. 2347).
In m. Constant. Schenkung S. 48 fif. habe ich die Quellen
des Glaubensbekenntnisses im Constitutum Constantini nach-
gewiesen ^) sowie Zusätze zu sonst feststehenden Phrasen und
1) Zenmer. ConBÜt. Const. p. 4841: Nam sapiena retro semper
l^%u edidit ex se. Per quod fiemper erat gignenda ad saecula, yer-
bfoin — habe ich übersehen, dass dies ▼. 5. 6 der Praef. Apoth. des
Pnidentius nind. — Ich benutze diese Gelegenheit, auch in Bezug auf
Hadrian I. apotestatem in his Hesperiae partibus** zu m. Const. Schkg.
S. 8 n. 1 nachzutragen, da^s wenigstens in der ersten Hälfte des
8. Jahrh. die päpstliche Kanzlei unter H. nicht blos Italien, sondern
X. B. auch DeuUchlajid Terstand. So schreibt Greg. IL an Boni-
fatioi»: in partibus Esperiarum ad inluminationem Germaniae geutis
. . . dirigere prae^idimus (Jaffiä Mog. p. 86); Greg. III. an ihn: Qui
138 Sitzung der histor. Classe vom 3. Januar 1890.
Titulaturen. Man kann nun genau sehen, was Zut
Verfassers des Constitutum ist. Merkwürdigerweise
holen sich ganz die nämlichen Zusätze, wie sie zum
tutum Constantini gemacht worden sind, in form. (
p. 96 8 : trinitatemque in unitate et unitatem in i
(Z. p. 53 14t); p. 97i6: verbum caro factum est et
tavit in nobis (Z. p. 4959); p- dSig: unus esse
trinitate dominus noster J. C. (Z. p. 47 8): p. 99 ai
[carne venturumj iudicare vivos et mortuos, cuius
non erit finis (Z. p. 4969). Diese auffallende Erscl
hat mich nun veranlasst, der Frage weiter nachzugel
nicht überhaupt das Constitutum Constantini in der fc
benützt worden sei, und ich glaube, diese Frage beja
müssen. Wenn man die Methode des Verfassers der '.
im Auge behält, seine Vorlagen zu umschreiben oder
Zusätze zu erläutern, und ähnlich, wie im Constit. Coi
das Glaubensbekenntniss aus Bruchstücken der verschiec
Bekenntnisse zusammenzusetzen (m. Const. Schenkg.
bis 183. 185), so kann m. E. kein Zweifel daran seil
er sich des Const. Constantini bediente.
form. 84, p. 96 g.
per haec duo sacros. concilia
sanetam et inseparabilem trioi- nisi (^ esse unum Denn
tatem uoum deum unamque
trinitatis substantiam esse co-
gooscimus trinitatemque
in unitate et unitatem in
trinitate palam predicare
didicimus . . .
Znumer p. 532*
agnovi, non esse alium
trem et Filium et Spirit
quem beatissimus Silveste
predicat, trinitatem ii
täte, unitatem in trin
ianuam misericordiae et pietatis in illis partibus Speriis . . . a
und: Sed confirma corda fratrum et omniuni fidelium, qui rur
in illis Speriis partibus (J. p. lOö f.).
^^^ Friedrich: Zur EnUtrhunq <U» fiter diuriuis. 139 H
1 p. 9ßi,.
Z. p, 48 1«.
■ irinitatem predioare perfec-
Nos Patrem et Filium et
tarn palris et filii et spi-
Spiritum s. eonfitemur. itn ut
ritns s.; sicnt uoa vere e§t
in Trinitate perfecta et pie-
deitas. ita una . . . potentia ')
nitudo sit dirinitatis et unitaa
poteatatis . . . uoa polestas.
p. 96 ,■;.
Z. p- 48 m.
('luiD de patre fiJius neternaliter
(sapiens retro semper [^ aeter-
noBcilur)
nalitar] deus edidit ex se ?ot-
bum . . .)
p. 100 ,!•
Z. p. 49 ».
idem dominus noater J. C.
per quos (prophetas) lumen fu-
filiaa dei et adnuntiatur
turae vitae. adTentnm seil.
et creditur , . . qui in a» sal-
filii sui domini dei et sal-
T«re totam liomiDero vetierat
fatoris noätri J.C., adnuD-
tiana, misit nniRenitum suom
liliuni et sapientiae verbam.
p. 9y„
qui cum Bit conaubstantialis
Qui deseendens de oelis
patri et toaeteroua, *) propter
propter oostram salutem
Dostramqne saintero des-
natns de Bpiritn s. et Marin
uendit de uelis et [iocarj-
virgine, verbum caro factum
uatus est de apiritn »., id
«st et habitavit in nobis.
eat operalione b. spiritua vir^o
Non amisit, qnod fuerat, sed
dei filiom ooncepU
coepit ease, quod non erat,
Deum perfeotum et bomiDem
p. 97aa.
perfectnm. ■
verhuni caro tactam est et_
liabitavit in Dobis, id est
^^^H
deus verbum idemque filius
^^^H
dei pro Dobiä factas est bomo.
^^
«0 (et?) quod erat ujaDens,
1
factua eet qnod non erat.
1
1) TriaittM perfecta kenne ioh Uberbaupl our ia drei Schrill- ■
■tocken: de Gde uatbolii^i bei Amort I, 41Ö. dax würtllch in Am I
Coufllitnt. L-onBt. Oberpiig (w. i'^nA. Schk«. 8. 56) und form. S4. ■
j
Dagegen stellt xich der Verfasser der form. 84 in Bezu^
auf den Haiipt^usatz zu der Quelle das Constit. Gunst, (Deiim
{lerfectiim et humineni perfectum) ganz selbständig: et sd-
nuntiatiir et creditur, quia totus deiis t.otU!i factum wt bctmo
et in suis integer manens etiam in itostris perfectiis atipariiit,
absque soIuh peccato, qai in ae salvare totuni homine venerat
(p. 100 b). Daneben ist aber noch eine andere Bemerkung
KU machen. Im Constit. Cooätant. kommt Z. p. 58 »i vor:
ubi principatus i<acerdotum et Chriatianae religionis Ca-
put') ab imperatore Celeste constitutum est. Vei^leicht niwi
damit form. 84, so zeigt es sich, das» ihr Verfasser eine
ganz besondere Vorliebe für christiana religio hat. Zwei-
mal ändert er seine Vorige form. 73, p. 70i und p. V3i»:
orthodoxa religio um in christiana religio p. 9öt nnd
p. 102,8.
Wenn es sich nun so verhielte, wie ich nachzuweisen
gesucht habe, dass form. 84 dem P. Paul L angehöre and
dass in ihr das Constitutum Coustatit. benutzt worden aet,
w folgte daraus, dat» diesen schon vor dem Antritt PauU I..
also unter seinem Bruder Stephan IL eutetanden sein mOEst«
— ein Ergebniss, das genau mit dem in m. Conxt. Schenk-
ung gewonnenen übereinstimmte. Eine andere Beobachtung
scheint dies zu bestätigen.
Merkwürdigerweise berüKren «ich form. 84 und 85 nur
wenig (a, ob. S. 115 6'.) und lieinahe wörtlich stimmen nur
P.96ii-m; 100»_i, und p. 102 n.n mit p. 100», — 107 i.i;
p. 107 10-11 und p. 109t. g. Um so auffälliger ist es daher,
dass sowohl form. 84 als 85 eine Stelle über den Herror-
gang des h. (ieistes haben (s. ob. 8. 11dl, und wenn sie tin
Ausdrucke auch verschieden sind, so \wi^ti doch beide den
h. Geist vom Vater und Sohne ausgehen und unterscheiden
li Auiih Pnul I. whreiht «inmal: capiit o
ili|U(; orlliDdoiue CtltM {J. ^iSSlI.
irleiiiiuiuii llct
Friedrich: Zur Enisiehumj des Über diurnus. 141
sie sich nur darin, dass form. 84 das Bedörfniss hat, die
Tliesis auch zu begründen, ähnlich, wie es schon Leo I. that
(Langen II, 104). Diese ausführliche Behandlung der Frage,
welche bei anderen Punkten nicht zu beobachten ist, deutet
auf eine besondere Veranlassung. Da wir aber nur davon
hören, dass unter Paul I. über das filioque verhandelt wurde
und sich die Synode von Gentilly mit der Frage beschäftigte
(Langen II, 088 f.; Hefele III, 432), so würde die Stelle
unserer Formel ebenfalls auf Paul I. deuten, indem wohl die
Erörterung des tilioque schon weiter zurück bis in das Pon-
tilikat Stephans II. reichte. Dies als richtig vorausgesetzt,
würde sich auch dann ergeben, dass das Constitutum Con-
stantini, welches von dem Ausgange des h. Geistes vom Vater
und Sohne keine Spur enthält, kaum erst unter Paul L,
sondern schon unter Stephan II. verfasst oder überarbeitet
worden wäre.
**
• •
i
Sitzungsberichte
könifj;!. bayer. Akademie der WiesenBcbaften.
PhiloBopbisch-philologische ( ■ 1 aesa
Herr v. Christ hielt einen Vortrag:
.Die verbalen Abfaäiigigkcitskompoaita des
Griechischen."
Ein hervorragender Sprachforscher, Osthoff, üeber das
Verhuiu in der Nouiinalkoniposition S, 205, hat die griech-
ischen Komposita ein vieldurchackertea, ausgetretenes Gebiet
in der neueren sprachwissenschaftlichen Litteratur genannt.
Wenn ich gleichwohl nochmals die Aufmerksaiukeit der
Forscher auf dieses Gebiet zu lenken wage, so thue ich es,
teils weil ich die Lehre von der Zusammensetzung noch
immer in den Grammatiken und Wörterbilchern der klns-
si»chen Sprachen ungebührlich vernachlässigt sehe, teils weil
ich höfie, in einzelne Punkte dieses schwierigen Kapitels
der Grammatik mehr Licht bringen zu können. Während
die einheimische Sanskritgrammatik »ehr ausführlich die ver-
schiedenen Arten der Zusammensetzung behandelt und Jak,
Qrimm in ^ner Deutschen Grammatik der Komposition
einen mehrere hundert Seiten füllenden Abschnitt gewidmet
laW). Phll«k..pliltDl. 0. hlat. ci. z. 10
J
1
144 Sitzung der phÜos.-phüol Classe vom 1. Februar 1S9i
hat, sind im Griechischen weder Leo noch Gust ]
zur Behandlung der Komposita gekommen und habe;
Curtius, Brugmann, Stolz denselben nur wenige
graphen gewidmet. Und während im Petersburger Sa
lexikon in sehr zweckmässiger Weise bei den eil
Wörtern ihre Verwendung in der Zusammen setzur
gegeben ist, müssen wir in unseren griechischen und
ischen Wörterbüchern noch immer dieser so wünschen«
Bereicherung des lexikalischen Materials en traten. D
gebnisse meiner eigenen Forschungen in dieser Frag
ich seit Jahren neben anderen Studien im Auge In
hatte, gedachte ich anfangs in zwangloser Form, per sa
wie die Lateiner sagten, vorzulegen. Aber bald sa
dass in diesem Fall meine philologischen Leser öfbei
allgemeine Orientirung vermissen würden, und ich enfa
mich deshalb zu einer mehr systematischen Darlegung,
ich dadurch in die Lage kam, manches, was den spe
linguistischen Forschern längst bekannt ist, nochma
zusammenfassend zu sagen, so bitte ich dieses mit dem
der Arbeit entschuldigen zu wollen.
I.
Die Elassifikation der Eomposita.
Die indischen Grammatiker, welchen das Verdiem
kommt, zuerst die Lehre von der Wortzusammensetzung
gebildet zu haben, nahmen 6 Klassen von Komposita
Dvandva oder kopulative Komp., Bahuvrihi oder posa
Komp., Karmadhäraja oder determinative Komp., Tatpun
oder Abhängigkeitskomp. , Dvigu oder kollektive K<
Avjajibhäva oder adverbiale Komp. Diese Einteilung
der Altmeister der Sprachvergleichung, Fr. Bopp, in
vergleichende Grammatik der indogermanischen Spra
einfach herübergenommen. Ihr ist im wesentlichen
ChrM: Ahhän/jifjktUskomjmsita lies fi-rirchisdieti. 145
noch •Tiii'ti in rier ^etehrteii A bhanillun)^. Die ZuBammen-
set;!anK der Nomina in den indogermanischen Sprachen (Gott,
1861) gefolgt, nur iJhss er noch als Vorstufe der Komposition
die Just»iiosit,ion annahm, in der die beiden Teile nur zu-
«ani menge rückt aind, jeder deraelben aber seine selbständige
Deklination sich bewahrt bat, wie in Jina-xov^t, iurts'
iurandi, Gottes-f'rieden. Aber von den neueren Forschem
ist jene Einteilung der SanskritjEraramatiker entweder ganz
aufgegeben oder doch wesentlich modificiert worden, und dieses
mit Recht. Denn abgesehen davon, dass dieselbe nur die
zusammengesetzten Nomina uud Adverbia, nicht auch die
zusammengesetzten Verba beröcksichtigt, leidet dieselbe auch
an einem entschiedenen Zuviel von Klassen.') Es haben
daher /.unäcbst Benfey und Schleicher in ihren gramma-
Uschen Werkeu die 6 Klassen auf 4 reduciert. Diu meisten
Forscher aber gingen weiter und brachen überhaupt mit
dem System der indi>ichen Grammatiker, indem sie nach
eigenen Principien eine neue Klassifikation au die Stelle der
indischen set^-ten. Hiit^r den Versuchen einer neuen Ein-
teilnng hat mit Recht der von Schröder, Die formelle
Unterscheidung der Redeteile im Griechischen und Lateini-
schen mit besonderer Berücksichtigung der Nominalkomposita
(LeipK. 1874), den meisten Anklang gefunden. Derselbe
nimmt zwei Hauptklassen von Kompositen an, nämlich un-
mutiert« Komposita, in denen das Ganze demselben Redeteil
wie das hauptsächlichste d. i. zweite Glied angeliijrt, wie
afi-(Mtxio<;, oKQÖ-jiuXig, :iav-aiohig, und mutierte Konipnsita,
in d«nen ein Uebertritt in einen anderen Redeteil stattfindet,
ifisbeaondere in der Art, daas der 2, Teil zu den Substan-
tiven, das Ganze zu den Adjektiven zählt, wie a-itavatog,
^odo-iäxiii.og, sLQV'Utifi-ug. Der bezeichnete Unterschied
I) Scbon der iudiscle ümmiuntiker Panini (12, 42; 11 1. 23]
hat, wir ich auH Fr. Skutsch. De nominuni latitioruit) coiufiositinup.
>liM^- 1H88. L'up. 1 (T-ebe, i)it»es Zuriel IjcMnettuidüL
146 SUiunq der phäog.-pkaol. ÜlMse vom l. Fehruar 1890.
ist ein tiefgreifoDfler nud verdient um so mehr Beachtung,
als sich an ihn auch wichtige Formimterschi(!<le imknlipfen,
aber er altein reicht doch zur befriediKenden Unteracheid ung
der reichen Fülle tud Znsamraeo Setzungen nicht aus: ea gibt
noch -andere, wesentliche Unterschiede, die neben jenem oder
über jenem in Betracht gezogen zu werden verdienen. Aller-
neuestens hat Brugmann, Grundriss der vergleichenden
Grammatik II 1, 21') vier Arten von zoBammeii gehetzten
Nomina unterschieden, je nachdem das 1. Glied der Stamtn
eines deklinierten Nomen oder Pronomen ist, wie /iovo-ywijff,
oder ein für sich nicht vorkommendes Indeklinabüe, wie «f-
ßcttog, oder ein adverbiales Wort, wie irri-iteiov, oder eine
Kasusform, wie ^iöa-xov(foi. Aber mehr wie ein Grund
hält mich vom Anschiusa an diese lCint«ilung ab. Ich ver-
misse nicht bloss zwischen 2 und ^ einen einschneidenden
Unterschied; ich stosse mich vor Allem daran, dass j«ne
Einteilung in 4 Klassen sich nur auf die Form und nur auf
die Form des ersten Gliedes bezieht, so daas sich ihr Autor
selbst genötigt sieht, derselhen noch eine zweite, von der Be-
deutung ausgehende Einteilung in unterordnende, heiordnifndä,
unmutierte und mutierte Komposita nachfolgen zu lassen.
Geben wir logisch zu Werk, so müssen wir zwei Diuge
nnterauchen, erstens was alles fflr Unterschiede in der Wort-
/usammen Setzung vorkommen, siweitena welcher Unterschied
als der banpt£ächlichste der Klassifikation zu gründe gel^
zu wenien verdient. Vorerst nun leuchtet ein, daas w «ich
hei einem Kompositum vor allem darum Landelt, in welchem
Verhältnis die Glieder desselben zu einander und zum l!uix«D
stehen. Dieses Verhältnis kann ein dreifaches sein, entweder
1) Ebenso in der 2. Aufl. aaine« AbrisHt^a di>r Oriecb. Or. in
Malier'^ Uandb. de» kla». Alt. In der I. Aü&a^e iln Abriaiea Mgta
der Verf. noch einet aiiderD Eintnitung. wua i^nttl« niclit von ainsr
besondi'reo t'e<4tit{l(eit der [iebie Euiifft.
Christ: ÄbhängiffkeitsJcomposita des Griechischen, 147
erhallt das Hauptglied durch das Nebeuglied, das ist das
xwdte durch das erste, eine nähere Bestimmung, oder es
wird das eine Glied von dem anderen regiert, oder endlich
beide Glieder sind nebengeordnet und stehen in einem kopu-
ktifen Verhältnis zu einander. Daraus ergeben sich 3 Arten
TOQ Kompoeiten, determinative Komposita, wie vavoi'qyoQrjrog^
fiüov^ovQog^ ini'Tid^fjfii j dgi-deUezog ^ rektive oder Ab-
hingigkeitskomposita , wie Y.aQnO'(p6qog^ oidrjQO'ßQiog^ fieve-
ntoltfiog^ kopulative Komposita, wie JtXovd^'vyieia ^ w%&^
Das Verhältnis des zweiten Gliedes zu dem Ganzen
drückt sich zumeist in dem von Schröder eingeführten, von
ans oben schon berührten Gegensatze der unveränderten
(anmutierten) und veränderten (mutierten) Komposita aus.
Fragen wir, ob bei allen oder nur bei einzelnen der drei
n>raDgestellten Hauptarten dieser Unterschied vorkomme, so
idgt sich alsbald, dass derselbe auf die Klasse der determi-
Bitiven Komposita beschränkt ist. In dieser Klasse also sind
UDveräuderte Determinativa cry-cf|tog, dvo-a&liogy dxQO'Ttohg^
n^Xoyog^ veränderte ä'XoYog^ di'/tovg^ ßa&v-xohtog^ ineq-
Von geringerer, weil bloss äusserlicher Bedeutung ist
die Stelle, erste oder zweite, welche ein jedes Glied in der
Komposition einnimmt. Diese Stellung folgt verschiedenen
Normen in den einzelnen drei Hauptarten. In den de-
terminativen Kompositen steht regelmässig das bestimmende
Element, mag es nun in einem Indeklinabile oder einem
Adverbium oder einem Adjektiv bestehen, an erster Stelle.
In den kopulativen Kompositen, die ohnehin im Griechi-
schen nur ganz schwach vertreten sind, ist es völlig
gleichgiltig, welches der nebengeordneten Glieder die erste
oder zweite Stelle einnimmt, wie es ja auch keinen Unter-
schied macht, ob wir 3 + ^ ^^r 4 + 3 addieren. Nur
bei den rektiven Kompositen ist die Reihenfolge der Glieder
US
Silsimg rfcr iikiton.'iiliiiiit. CIiik
\ I. Frbruar 18U0.
schwankend und maclit die Sprache in Anwendung ihrer
sprachlichen Mittel einen Unterschied nach der Stelle. lii«
das regierende Element einnimmt. Hier »Iso mfisseii wir
imterscbeiden, rektive Kumpoaita mit dem regierenden Glied
an erster Stelle, wie ^^yi-kaog, fiiao-yvvtjg, o'Aj^r-xaxog, und
rektive Komposita mit dem regierenden Glied au letzter fitellu,
wie dogv-qiÖQoe, noXi-tlag, vofio-Oiitig. Dabei gelten drei
Regeln, erstens, dass die Präposition stein die erste Stelle ein-
nimmt, wie in fy-xiq'alog, ftet-aix/iiov; zweitens daNs, wenn
die beiden Elemente eigL'ntlicbe Nomina sind, immer das
abhängige Nomen voransteht, so dasa aigotiö-.tedov nur
aiQcnov fiidov, nicht auch aiQatög /i(doiJ bedeuten kann;
drittens dass in den alten, kaum mehr als Komposita er-
kennbaren Zusammensetzungen zweier Verl>a das Hilfsverbam
regelmässig die zweite Stelle einnimmt, wie in nkr/-xha, ftiUeu
thue icli, yij-i>iiü =s i/au-deo, mich freuen thne ich, yiymw
flxcu, zu lernen beginne ich.
Ausser dem Verhältnis der beiden Teile ku einander
luid zu dem liunvcn bewirken Unterschiede die Form der
Teile und der Kedeteilcharakter des Gan/.eu oder de» Uiuipt-
teilea. In Bezug auf die Form kommt daa zweite Glied
wenig in Betracht, weil dieses den allgeineincn Gesetzen dtT
Nominal- und Verbal bildung tulgt. Das erste ist entweder
ein ludeklinabile oder ein Jeklinierbarea Nomen (Pronomen).
Das fudekünikbile hinwieiifnim ist entweder ein fUr sich
nicht vorkommendes Präfix, wie in öv-tnöog, y^-noirae, fe**
ujdtjs, Cä-&iüg, oder ein auch in Helbatändiger Stellung als
Adverbinm, Präposition, Zahlwort verwendetes WürtchvB,
wie in hiiSetov, ä^ifi-itoXog, oij'i-f/aitr^g, iia)Jv-iopo(, ifiTc»
ii^tjg. Das Nomen kann entweder ein Substantiv sein, via
in o(xo-y('ia|, ZrjVü-dotog, X/tii-a^x"^-- oder ein Adjektir,
wie in i)di;-/ifiiijg, o^i-itvftog, lüfiö-tp^y, oder ein I'ronnin«n,
wie in fB-xveög, aitö-^ioKog, öklö'itQOüg. Dnmelhi- erscheiiit
fiirner teils in der Form dwt Htammea oder ThemiL-<, wip in
ChrUt: Ahliängigkeitskomposita des Griechischen. 149
uiir^o-^o^g, ßadv^divrjg, fiekay-xccitr^Q, xw-r^yog, teils in der
eines obliquen Kasus, wie in dioa-doTog^ x^Qüi-doptag^ aXi-
of«. Es liegt mir fern, die Bedeutung dieser letztgenannten
üoierschiede für. die Unterscheidung der Komposita herab-
drScken zu wollen; haben dieselben doch das voraus, dass
oe deutlicher ab andere jedermann in die Augen springen.
Auch hat sie nicht bloss Brugmann seiner Klassifikation zu
grande gelegt, sondern auch schon die Sanskritgrammatiker
äind bei der Aufstellung von Possessivkomposita (Bahuvrihi)
und Adverbialkomposita (Avjajibhava) wesentlich von ihnen
vugegangen. Aber gleichwohl eignen sie sich nicht zum
obersten Einteilungsgrund. Denn einmal kennzeichnen sie
nicht das Wesen des Kompositums als Ganzes, sondern be-
zieh^i sich nur auf die Form des einen Teiles ; sodann treten
sie in ihrer Mannigfaltigkeit nur bei einem Teil der Kom-
posita, den determinativen, hervor, während bei den rektiven
und kopulativen das erste Glied regelmässig die Gestalt des
Themas hat; endlich ist auch die äussere Form vielfach
täas^hend, indem z. B. ein grosser Teil der scheinbaren Ad-
verbien und Präpositionen erstarrte Kasus sind, teils Lokative
ifi^i^ 7i£Qi, nahxiy xafxalj vifji), teils Genetive oder Ab-
lative {.laQOQy o^q^lg)^ teils Instrumentale (?gp£, £a), teils Ak-
knsative (cfyay, SfAo), teils endlich thematische Nomina
(tt, f^ui).
Von grosserer Bedeutung ist der Kedeteilcharakter des
puizen Kompositums oder des massgebenden Hauptteiles.
Danach unterscheiden wir verbale Komposita, wie rtegi-dyiOj
fy-yodffio, nlrl-^io^ nominale Komposita, wie iaro-jcedov,
rofiO^vXa^^ i/ti'loyogj indeklinable Komposita, wie /rfivrij-
xoria^ TttQi^TtQO. Zu den verbalen Kompositen im weiteren
Sinne stellen wir aber auch alle diejenigen Abhängigkeits-
komposita, in denen die verbale Kraft des regierenden Teiles
noch lebendig ist, in denen mit anderen Worten das regie-
rende Nomen die Bedeutung eines Participiums oder Infini-
150 Sittutii) lirr fihiliia.-iMnl. ClasM komi (. Fd-riiar 18!)0.
tives hat. In lo-äöitog, tratd-aywyög, ßov-nl^S sind aller-
lÜDga die beiden Teile der Form nach Nomina, aber der
regierende Teil öoxog, dyuyog, irXij^ hat noch gitii/. die Be-
deutung eines Participiums, und das. Thtnaa dea regierten
Teiles 8t«ht im Sinne eine-s Objektsakkuäativen, geradeso gut,
wie wenn Aischylos Sup))l. 23 taXiög ex äofimr tßav yoog
:rßo/TOfi nog ö^'xet^i ovv k6ii{i das verbale Nomen iigtmofi-
:iög mit dem Akkusativ des Objektes x*^S verbindet. Ich
nenne daher diese Komposita, ebenso wie Avai-at^tog, jiyi-
diifiog n. ä. verbale Komposita, indem ich sie run den uomi-
nalen Äbh'ängigkeitskompositen, in denen der regierende Teil
ein ausgepri^^tes, auch für sich vorkommendeüi Nomen ist,
wie 'In/tiJij'fi^, 'Ofiij^fiöaTi^, unterscheide. Freilich fli«9e«D
die Grenzen beider Arten von Ahbängigkeit^kompositen in-
einander, und kann man zweifeln, wohin man vofio-9itijg
oder jiaiä-olheiea steilen soll, aber aolclie Nachlxirgebiete
finden sich tiberall und sollten der Annahme der vorge-
schlagenen Unterscheidung aicht im Wege stehen.
Das sind also die Unterschiede, die in den griechisclieo
Zusammensetzungen zu tage treten, und die in jeder Klasüi-
fikntion zur Oeltnng kommen mdsseu. Ans dem GeMigt«n
ist aber zugleich auch schon klar geworden, daas das Ver-
hältnis der beiden Glieder zu einander den wichtigsten Ufttet^
schied ausmacht und dass demnach dieses in erster Lini«
bestimmend für die Klassifikation sein muss. Gehet) wir
von ihm ans und vermeiden wir zugleich in einer allgemaiam
Theorie das (tberuiüsaige Detail, sn empfiehlt sich folgende
Einteilung und Benennung:
Christ: Äbhänijifikm
I ilc% Gri(chi><c}Kn
letcrn:
Dative K
ompo:
f tin veränderte Det^nuinatiTkoinpoBita :
1} verbale: sni-Tittijfii, a^t^äeixeiOf;, dov^i'Xtrirog,
r,fit-&yTig, ;tvy-fiäxog.
2) nominale: ängö-noXig ,^) neaö-yaia, :tö(i-odog,
fni-loyog.
b) veränderte Determinativkomposita :
1) mit einer undeklinierbaren Partikel im ersten
Glied: ä-ttöyatog, ^ä-xorog, ayöv-vtipog, vioäög.
2) Possessi vkomposita, d. i. determinative Komposita
mit einem Adjektiv oder stellvertretenden Nomen
oder Ziih Iwort im ersten Glied : noi-v - edvog,
fiangö-xsiß, xqvao-nidiXog, dl-noig.
B. Hektive oder Abhängigkeitsknmposita:
a) verbale Abhängigkeitskomposita:
1) mit dem regierenden Glied an zweiter Stelle:
doXo-nXäxag, nmd-ayioyög, aiär^QO-liQiiig, tifi-
2) mit dem regierenden Glied an erster Stelle: i^yi-
laoi, il>EQf-nttog, ze^ipi-fißqoxog, fiiao-yvvtig.
nominale Abhiingigkeit^koin{io:?itii. :
j^ait^-ova^, atqaio-ntöov, tao-!>eog, jJioa-xuvgoi.
j-Kopu
itive Komposita:
a) Bildungen der Art sind im tiriecbUcheu viel aeltener als im
DMtBchi^ii : ineiateDH kommt tmoh neben dem za^ammeDKeaetzten
Nomen nouh die lone Verbindung dm Stammes mit dem Adjektiv
vor. So gebraucht neben AxQ<Kn>Xit Homer :noIi!; öxe'i X 3B3, und
findet »ith nur Ineclirineii Mtyäkt) itäiit und Nsa .-roJis neben Miya-
ISnohg und Nroitnihtit, s. Meisterhane, Liramm. d. ntt, Inschr.* 91.
'Jtßinoiit und 'ItQÖitoh; waren Kwei weraehiedene Städte, wie mein
I, Arcb, trav. in Ana minor, p. 14. reatRestcllt bat.
) Der Kopulativ kompoäita sind im (Iriechischeu ao wenige, Jiu&
1
152 SiUung der phtlos.'phUol. Claase txnn 1. Februar 1890,
II.
Die altererbten Komposita des Oriechischen
Wie es die moderne Naturwissenschaft als ihre Ai
ansieht, die Gattungen und Arten der Tiere, Pflanzen, 1
nicht bloss zu unterscheiden, sondern dieselben auch in :
Werden und in ihren Uebergängen zu erfassen, so musa
die Linguistik die Erscheinungen der Sprache in ihrem
den und ihrer Entwicklung verfolgen; sie muss diese
so mehr, als sie es mit Schöpfungen des Menscheng
zu tbun hat und deshalb in der Untersuchung nie den .
Tischen Gesichtspunkt übersehen darf. Es sind aber in um
Thema zwei Wege, die zum Ziele zu führen versprf
erstens der historische, dass wir das Vorkommen der
ungen geschichtlich verfolgen und mit chronologischer E
heit die früher vorkommenden Wörter von den sp8
unterscheiden, zweitens der philosophische, dass wir mit
ischen und psychologischen Argumenten den Gang der
Wicklung bestimmen und die eine Spracherscheinung voi
anderen ableiten. Beginnen wir mit dem ersteren Wej
gilt es hier vor allem festzusetzen, welche Wörter die
chische Sprache aus der vorhellenischen oder proethnie
Periode herübergenommen hat. Denn auf solche Weise le
wir den Boden kennen, auf dem die Griechen standen,
sie mit eigener Kraft in die Gestaltung der Sprache ei
greifen begannen, und auf solche Weise bekommen wir
gleich die Vorbilder (Prototypen), nach deren Muster
neuen Bildungen geschaffen wurden. Den Schatz der
erbten Komposita erschliessen wir aber nach bekannter
thode dadurch, dass wir fragen, welche zusammengeset
Wörter hat die griechische Sprache mit den anderen Glie(
unseres Sprachstammes, insbesondere mit dem ältesten,
man die wenigen anderwärts unterzubringen versucht wird; vgl
Meyer, KZ. 22, ISff., Stolz, Die zusammengesetzten Nomina, l
Christ: Ahhänffigkeitskomposita des Griechischen. 153
SuL«krit geroein. Eis werden dabei wohl manche Wörter
kenoskommen, deren Uebereinstinimiing nur darauf beruht,
bas die gleiche Bildungsweise hier und dort selbständig zu
fiekhen Gebilden führte; aber immerhin wird die Ueberein-
dmmung das proethnische Alter wenn nicht des einzelnen
Wortes, so doch der ganzen Klasse der Bildungen bezeugen.
Indem ich also nach diesem Gesichtspunkte eine Zusammen -
^Ilang der Komposita ') zu geben versuche, benütze ich
slbstrerstandlich und mit gebührendem Danke die Arbeiten
BMiDer Vorgänger, namentlich Fick's Wörterbuch der indo-
gmnaniseben Sprachen. Das Verzeichnis lege ich so an,
iasB ich gleich die verschiedenen Arten von Kompositen von
ADander scheide.
Determinativkomposita mit an:
afi-^^o-g und dfi-ßgoa-io-g =: skt. a-mria-s und a-mri-ja-s,
unsterblich, lat. in-mort-ali-s,
i-ff^no-g zz: skt. a-kshita-Sy unzerstört; xXiog ocptynov =:
skt. ^avas akshifam.
C'puno-g zz: süt. a-ffffäta-s, lat. i-gnotu-s für in-gnotu-s,
got. uv'kun^s.
a-ßofo-^ = skt. a-gaia-Sy un betreten,
o-^if und ä'Ctyo-g zzz skt. a-jug und a-juga-s, lat. in-
iugi'S,
i-fixio-g zz skt. a-väta-s, nicht begehrt; vgl. lat. in-eptu-s
uz skt. an-apta-s, nicht erreicht.
or^agaw-g ans ov-oQ^io-g zz: skt. an-rta-s, nicht richtig,
lat. in-ritU'S,
a-fterig -zz skt. a-twawa«, kraftlos.
a'iitxQo-g zz: skt. a-tnätras, masslos; vgl. lat. in-mensn-s.
Qt-ayig =z skt. an-ägas und an-äghas, sündenlos.
1 ) Die Verba lawe ich beiseite, da sie zum Special thema dieses
m€'inen Aufsatzes nicht onmittelbar gehören und auch überdies zu
weit abfiihren würden.
n<i der jihilonri^iiM. Cliisne v
av'tmra-g =: akt, an-afva-s, ohne Pferd seiend.
ßv-t'dßog :^ skt. an-udra-s, wnsserlos.
av-v7ivo-i; ^ skt. a-svapna-s, schlaflos, Int. in-somui-s.
av-täyvfAO-g ^; akt, u-näiHnn, namenlos, arm. a-«n»iK«, I«t.
ij^otntKi'd aus iw-;7«o»itn-to- ')
d-nov^ zz. akt. a-parf, fusalos.
fi-noÖEg (CM. d 404) und dviifiiög aii» a-nep'i-ios, verwandt
mit skt. M«-/irt(, Enkel, fem. ra-p'tt; lut-. tifr-poi, fia«.
nc-p'li-s, got. nt|»;is, Vetter, altslav. ncfyi, Vetter.
ywAög aaa na-adants, nicht Zähne habend, verwandt mit skt.
shöda-s, sechszäbni^.
DeterminatiTkomposita mit anderen Präfixen:
äva-fievis uid ev-fieytg = akt. dur-manas, scbicchtgeidniit.
nnd su-manus, gutgesinnt.*)
ßva-xleftg und et-xie/t'i: ^ xpnd. rfewÄ-ÄfavaA , xchlecbUie-
leumundet, «kt. su-cravaa, gutbeleii mundet.
1) Ich folge hier der alten, durch die Bedeutung em^rohlnten
Annahme, liuMS alle diese Wflrter auf W. j^iib. erkennen. xurAdtKeheii
und demniich näman nun gnäman, Srofia uua ö-yvoiia entHtundtm irt.
EinwOnde gegen diese Uerleitung erhebt huiijiUüehlich weifen der
elaTixchen und irischen Formen Windiith, KZ. 21, 432,
21 Ich nehme dabei mit Curtius Btyiu.' .S. 376 tiii, da«» nicht
bto«ij in der BedentuDK gr. "' tu "lit. «u stinmit, HoodcrD »uch beide
((leii'hen Uriiprung hiihen, inJeui nie auf ein von der W , t* (febildeles
Ä^ielitiv esA |vk1 lo-XAi) in der Art cuiSckgehen. duM da» Sanskrit
dos rmluutende tonloae e abgeworfen (wie «-nii'a = h-fiiv). Am (Iiie-
chisüfae hingef^en nach dem Ausfall des mittleren a die Vokale e nnil
a koDtmhierl. hat. Die IdenliUlt hält neuerdingi unoh Zubatjr KZ.
31. Ö4 aufrecht, wenn er aoch einen neuen, komplizierteren Weg
der Erklärung' einaehlügt. Dagegeu -teilt CoXWU. KZ, 27, ISS bM|it-
näclilioh wegen der Länge des e iu iiirar i/v und järor ^i-* gr. ^i
XU veiiisch ^ii, rQhrig. Aber dieaes ^i> tSMt sieh ale jun^ BildonfF
nach dem Munter di^r Kotui>oaUL iivyiriia^ ^iwd^ioc, ^vfii/itOXnt im*
schwer erkliiren, ennikritischei e^fu nbnr lieni? im llriechuicheo aip,
nicht i}v erwarten.
Christ: Äbhängigkeitskamposita des Griechischen, 155
ün'XoXo-q zu skt. dug-Uara-s, schwer zu behandelnd.
Üü'TiOQO-g z=z skt. dash-para-s^ schwer überschreitbar.
Oö-q^oQO'g = skt. dur-bhara-s^ schwer zu tragen.
«r-Jpyo-g = skt. iu-jug^ gut gejocht.
it-fTiUo-g zz: skt. sU'phuUa-s^ gut belaubt.
\ii^ =1 skt. svüdü'S^ süss, lat. suavi-s^ aus su-adu-s^ gut
essbar.
iuwo^ -=. skt. sumna-m^ Glück, Lobgesang, aus su-mana,
gut denkend.
a-Mjifeo-g für oa-deX^psiO-g =: skt. sa-garbhja'S^ Bruder,
eigentlich, gleichen Mutterschoss habend.
a-lojo-g für aa-loxo-g^ gemeinsames Lager habend = slav.
sa-logü.
a^stlot'-g und a-na^y im ersten Glied verwandt mit skt. sa-
kft^ einmal.
J-x«ayo-^ zz skt. a-fo/äna-«, der umlagernde; s. Ad. Kuhn
KZ. 9, 247, Fierlinger KZ. 27, 477.
i^fii'ß((€tnO'gy 'qfii'^r^'g, r^^i'XqnO'V^ verwandt mit skt. 5ätwi-
hhukta^s^ halbgegessen, lat. semi-mortuurs^ ses-tertiu-s,
altd. sami'heil.
fjf^eo-^, vielleicht aus e-vi-dhevo-s mit metrischer Dehnung
des vorgesetzten e entstanden, herrinlos, ledig, ver-
wandt mit skt. vi-dhava^ mannlos, Witwe, lat. vi-dua,
got. tn-dwfo. *)
;r€^-xiUrrd-^ zu skt. pari-gruta-s, ringsgehört, berühmt, lat.
in-eluiU'S, Part. pass. von W. Äfw, hören.
7r«^'-f^oo-c a"s TreQi-OQOfo-gf skt. pari-5rat;a-5, Fluss.
ini-x^eto-g zz skt. api-hita-s^ zugelegt, verdeckt, und a/ro-
^n^o-S izz skt. apa-hitOrS^ weggelegt, verborgen, lat.
ano-tiOi'^ =z skt. apa-Jüti-s, Abbüssung.
1) Direkt von W. vidh leitet tjl&Bog ab Brugmann, Grundr. II
1, 136.
156 SihuMi der phil/ia.-iMnl Ülnair mm I. Frhninr /SSfl,
uQÖama aus pro~kjö, vorwärta li^end, verwandt mit akt.
präw^, vorwärts strebend, aus pfw und ank.
rmiaaui nus opi-kjö, fikt, api-kja-S, vertjorgi^n, d. i. weß-
lie^eiid. M Da? erste Element stecht auch in o/i-wp«
und ö:tia&e, Ist. op-ocus, oc-eipul.
ntjijvig ans /fßo-areg, önfjvig, i'jcrj»'»/ verwandt mit Int. jwv-
nu-8.
ifdjjv = skt, pr««o-s, Atem, entsUinden aus pra-aHa-s, ber-
vorattiiend. *)
ovtl-Si'^a-v^ gleichKebililet wie skr, anti-ijrha-m, der Pliti
vor dem Haus.
PossessivkompositH mit einem Zahlwort im ersten
Glied.
6i-novg aus dvi-pod-s ^^ i'kt. ilvi-pad. Kweifilsaiij. lat, bi-pet,
ags. ttci-feU.
Si-/iijtw(f zx skt, dvi-mälnr, 7.wei Mütter habend, lat. hi-matrr.
di-xodo-g =: ^kt. dvi-firsha-s, 7.weikUpfi){.
dj-7iAoCi; :^ lat. dti-plu-s aus dH-^'oio-s.
tgl-novg •= akt. Iri-pad, (ireiftisMif^. lat. (ripes und tri'pui'
tum,
iQi-ntiTio-}' = tat. /ri-noclin-ni, verwandt skt. /ri-rä/#0-W,
}^eitranm von 3 Nüchten.
T«pci-HOf^, fem, m/ö-iista au» r6re«-.fed(a ^= skt. ptilwsA-
I^at/, vierfQfidig, fem. foiush-padi, lat. quadru-pes.
ti&ff-ifiiio-r, verwandt skt, fo(Hr-^'M^a-H», Vicr|iw(pium.
öxttö'jiovs =^ akt. aehlä-pad, achtfOiuiig.
1| Di« Rndiiug von R^nnoi und AhVmai «ckeiat die hJdm alten
Instrumentalis auf a »u sein. Die .^snimilation ton kl '"' '1*^'» Orifr-
chiitcheD ^ni t^L'IAafig: vgl. ^ootar nun ^hid»', ^jnodiu au» lyvlaJtu».
iCbun desluilb laise ich die Herleilung von /tra-stüt und opi-aiiU, An
iiiüh sunaf. in lo&Doher Beiieliung Htnpfehleti wQrdo, Humi^r Betriebt.
3) Aus dem Litteiniiiclien vcrglcidii.' frru-Jiu-« — ikt. pvi>-bhw-j.
voiiin ai'ii'nd, (iivi-ii^/™ = »kt. /T(i-nii;ilrtr.
Christ: Ahhatujigkeiiskomjyosita des Griechischen. 157
iTuno^i'TtBdO'yy verwandt skt. gata-pady himdertfüssig, lat.
centi'pes,
ivaov'XQQvO'C^ verwandt lat. centi-cep-s.
hatOfA-ßij statt exarofi-ßoia, sc. ^vaia, verwandt skt. gata-
gu'S, hundert Kühe besitzend, got. hunda-fa^s, Gebieter
von Hundert.
Poasessivkomposita mit einem Nomen im ersten Glied.
Ei'fimog = skt. su-niäja-s^ gute Ratschläge habend.
rroii-ij^o-v; =: skt. puru-vära-s^ viele Schätze habend.
nQh:'it^yici aus TtoXt-d&faeg = skt. puru-dansas^ vielen Glanz
habend.
noiV'ßO'Q =: zend. pouru-gao^ viele Kühe habend.
nolv-avioQ :zz zend. pouru-nära^ viele Männer habend.
jioh'^a&ig, verwandt mit skt. puru-mantu-s^ viele Einsicht
habend.
cuo-TiatwQ =1 altpers. hania-pitar, gleichen Vater hfibend,
altisl. sam-fedr.
*Ei€0'xlf^(; aus aeieo-nlefifg, skt. satja-gravas, wahren Ruhm
habend.*)
et^'TiQeiaßv zz: skt. uru-kshaja-s, weiten Raum oder Herr-
schaft haben; verwandt sind auch mehrere andere mit
e-v'ru gebildete Komposita, wie evQv-ona^ skt. uru-
1) Schwierigkeit bereitet, worauf mich mein Freund E. Kuhn
Aofmerksam machte, das e der 1. Silbe im Griechischen, wofür man,
da ikt. a aus an oder n sonans entstand, ein a erwartet. Ausser-
dem erregt Bedenken, dass im Kyprischen von heo gebildet ist 'Ete-
^v6oia. Aber daneben kommt auch 'Eteoddfia ohne Digamma vor
(i. Meister. Gr. Dial. II 244 n. 245) und lässt sich zur Not auch
deto mit Ostboff KZ. 24, 419 auf eine Nebenform hv aus setü, wo-
roii hv'fiog, xaräck führen.
2) In tvQV'XQBlcjv hat da» zweite Glied ganz die Form eines
Part, act.« aber dieses Participium gebt ebenso wie das Nomen kshäja
auf die W. kM 'wohnen, herrschen' zurück.
158 Sitzung der phäoarphüd. Clasae t?om 1, Februar 1896
JcaJcshaSy weitblickende Augen habend, Ev^^]
skt. urU'gäja-8^ weitschreitend, Etov-alo-g^ skl
ara^ Saatfeld, eigentlich weitgedehnt, coxv-Trer^
ägU'PcUvan^ schnellfliegend, lat. acci-piter aus actfi
dazu wKv-nov-g und lat. acu-pediu-s^ was abca
dem griechischen Worte künstlich nachgebildet
0ilO'xXrjg aus q^iXo-xlefifjg z=. skt. prija-gravas, liebei
Ruhm, eigentlich dilectam gloriam habens.
Kvxl'Wipy gleich gebildet wie skt. Jcakra-dfg^ Namen
Dämon, eigentlich, kreisrundes Gesicht habend.
livdqO'iiivrig =z skt. fir-manas, zend. nare-mananh^
Mannes Herz habend.
alyi-/tov-g und alyt-nodifj-g =z skt. aga-pad und aga-p
Geissfüsse habend.
fe-xvQO-g =1 skt. gva-gura-s aus sva-gura-s^ Schwiege:
. eigentlich, Eigenherr, lat. so-cer, so-cru-s^ got
hra. 1)
fB'&og zu skt. sva-dhä^ Eigenschaft, Sitte, got. i
eigentlich, eigene Satzung.
Oeo-doTO-g z= skt. deva-datta-s^ von Gott gegeben.
Jic-yvt]TO'g^ verwandt mit äio-TQecpeg^ dio-jcerig =i skt.
gatu-s^ im Himmel geboren, divo-ga-s^ vom H
stammend.
%T]'Xixo-g und iq-XUo-g zz skt. fä'dfga-Sy so aussehent
dfga-s, wie aassehend, lat. ta-li-s und qtia'li-s.
Abhängigkeitskomposita.
ßoV'HoXo-g zu skt. gö-Jcäraka-s^ Kühe besorgend, lat
bulcU'S, *)
1) Davon ausgegangen sind die griech. Komposita Avro'^
avTO'jTQSJti^g, AvTo-voos, aus welchen dann erst diejenigen, in
avrog die Bedeutung von 6 airog hatte, hervorgegangen sine
aifX'fjfiaQ, avxd-exsg, avrö-diov, avto-wxi-
2) d(pQ6-s und skt. ahkrä-m^ Wolke, lat. im-beVi wird von
Christ: Ahhängigtceitskomposita des Ghiechischen. 159
i,Trro-7rdAo-5 nz skt. a^va-pala-s^ Pferde besorgend; vgl.
ai-TToilog, lat. au-bulcus (s. Saussure, Systeme de voyelles
p. 104) und opilio aus ovi-pilio.
IhAv^oiri^üfyj viele liebend, verwandt mit skt. puru-spfh^
▼ielliebend und vielgeliebt.
noix'dQfia-g z=z skt. puru-dama-s^ Beiwort der A^vin, wel-
ches das Petersb. Wörterb. mit *viele Häuser habend*,
Qbersetzt, wahrscheinlich aber geradeso wie das griech.
Wort *vielbezwingend' bedeutete; vgl. skt. arin-dama-s^
Feinde bezwingend.
BtlXeQO'q^yrrj'gy verwandt mit skt. Vrira-han^ Feinde tötend.
iiii-r-ü'tTig weitergebildet aus a^i-ijd, was genau zu skt. um-
ady rohes essend, stimmt; s. Fröhde, Bezz. Beitr. 7,231.
>f^ti^ aus xh:Qa'fO(fog -=. got. daurä-vard-s^ Thürhüter.
Dazu kommen die zahlreichen, unten Y, B 3 bespro-
chenen Beispiele verbaler Abhängigkeitskomposita ,
welche im Griechischen und Sanskrit das gleiche Ver-
bale auf -OS als zweites Glied haben und nur durch
Verschiedenheit des ersten, das Objekt ausdrückenden
Gliedes von einander abweichen.
Kfn-avQO'g^ dessen zweites Element mit skt. arvan^ Renner,
sich deckt, und als Ganzes nach Ad. Kühnes geistreicher
Deutung (KZ. 1, 513) mit skt. gandharva-s, Namen
der göttlichen Sänger, identisch ist. ^)
in GloMar. sanscrit. als Kompoeitum, ab-hhara (richtiger amh-hhara),
aqnam gerent, gefasst. Dieser Etymologie widerspricht Curtius, Etym,
B. 486; und allerdings ist gleichmOglich die Zerlegung ambfHra von
9mbk, Wasser, and Suffix ra.
1) Die ßedentung würde gut zur mythologischen Stellung der
Iflttmnren stimmen; auch die lautlichen Verhältnisse machten keine
Ibertriebenen Schwierigkeiten, man müsste nur annehmen, dass die
('riechen, um den Namen sich mundgerechter zu machen, da» richtige
Ktr^opgoc in KinavQo^ = xhxoQtg ummv umgeformt haben. Be-
<ienkeii erregt nur, dass die Etymologie von skt. gandharva ganz im
Dunkel liegt.
1«0l PhfloiL-pklloL n. btet Cl. 2. U
tiing ritr iihilii» -philiil, Clim
dea-7iÖTt]-g, fem. äia-noiva aus Öea-Tioifia wird i
gebracht mit skt. däsa-pafnt, leindlicbe Däi
Herreu babend, ferner mit skt. dam-pati-s, Hausherr,
akt. sadas-pati-s, des Sitzes Herr, zend. äanhu-paiti,
des Gaiiea Herr, endlich mit skt. gäs-pnli-s. russ. t/oa-
podi, Haus- oder Oeschlechtaherr. Dit; letst« HerleituDg
hat Job. Schmidt KZ. 25, 15 sn gestützt, du^ die
von Curtius Et.* S. 283 eingewendete lautliche L'n-
müglichkeit als g&nzlich beseitigt gelten kann.
uf/iotrig, vielleicht aus 'inno-notTj-g eotatanden und dann
verwandt mit skt. aivn-pati-s, Pferdeberr. Vgl. lat.
hospeSs was aus )tosH-pels, Ga^tbeächUtzer, eiitstauden ist.
iUege-nXfjg aus 0efe-KXffijg ■=. slav. Beri-slav.
Kopulative Komposita;
öbi-dexa =: skt. dvä-dnf;am, awei und zehn, lat. duo-deeim.
tv-äenu — lat. un-deciiH. ')
Durehmustem wir die ererbten Komposita, so sehen wir.
dass die Griechen aus der Grundsprache fruchtbar*? Vorbilder
fQr Neubildungen der verachiedensten Art überkommen hatten.
Namentlich war der griechischen Sprache aus der Urzeit der
Trieb zur Bildung von unveränderten und veränderten Kotn*
posit«n. und nicht bloss von präverbialen , sondern aocb
possesfiiven und rektiven Zusammensetzungen eingppfluttxt.
Schwach vertreten sind in dem ererbten Schutz die kopu-
lativen Komposita und die nominalen Abhängigkeitskomposite,
1) ZiiHammengeBetxl aind nach luebrere jiroelboiacbe l'n
wie O/"''*' ^1- ^fff <""• A-ofui, v/itU äol. i"^;»,- aasjH-#mM, flliereln*
ttimtnenil mit ikt. a-*ma». vir, ju^nta«. ihr, und mit ilhiiliulim
rorraen im DenUulien, Litauisohen und anderen Spracbmi; ebciua
Sa-tis, Xa-u, S'ji verwandt mit skt. kaf-kil. wpr immer, lat. jutv-fiw
a. u. AliOT dieae ForinHn wurden nicht mehr al» KomimiiitA gsfUUt
ond tind nncli eluI inranx andere Wi>i«o, durcli Zuiiammeiinicken dra
4 lind der enklitlHi'ben Partikel onii' und kf «oUtauduB.
Christ: Abhängigkeit shompoaita des Griechischen. 161
«0 das8 es sich leicht erklärt, wenn die Griechen die eine
Art, die kopulativen Komposita, wieder so gut wie ganz auf-
pben, die andere, die nominalen Abhängigkeitskomposita,
erst in verhältnismässig später S^eit zu reicherer Entfaltung
bnchien. Was die Form der Bildung anbelangt, so ist
wichtig, dass sich unter den ererbten Kompositen keine Mas-
kulina nach der ersten Deklination finden; auch die Stell-
ung des regierenden Gliedes an erster Stelle war der vor-
griechischen Periode, wenn wir von dem anders deutbaren
0tijoxkffi absehen, noch so gut wie unbekannt.
III.
Die Ableitung der Zusammensetzungsarten von
einander.
Alle Komposita aus einer Quelle abzuleiten, ist nicht
m^lich; wohl aber gibt es unter den aufgezählten Arten
mehrere, die aus inneren logischen Gründen als Vorbilder
flir andere gelten können, und die daher jenen abgeleiteten
oder jüngeren Bildungen gegenüber als ältere bezeichnet
werden müssen.
1) Determinative Komposita.
a) Die einfachsten und deshalb auch ältesten Komposita
dieser Klasse sind die unveränderten präverbialen Komposita,
in denen ein Verbum oder verbales Nomen mit dem voraus-
gehenden ondeklinierten Präfix ohne Aenderung der Bedeu-
tung und der Form zu einem Wort unter einem Accent
lusammengerückt wurde, wie a-y^^irog, o^-ßqotog\ dgi-dei-
urog, er-x^oTog, dva^aqBOzoqy dva-tix^^rum, ne-queo, nego aus
•e ago.
b) Nach dem Muster dieser unveränderten präverbialen
Komposita sind die veränderten gebildet, indem an die Stelle
des Paiiicipiams ein förmliches Nomen getreten ist, das
11*
162 Sitzung der phüosrphüol. Glosse vom 1, Februar 1890,
Ganze aber wie in den Musterformen die Bedeutun|j
auch die Endung eines Adjektivs angenommen hat. 1
gehören o-^avarog, a-yijpwg, vciwfiog, ev-^emt^g^ ig/-/!
des weiteren auch di-'7rovg^ ZQi'T^fieQogy zi&Q-iTtjrov,
c) Von den veränderten Präverbialkompositen wa
ein ganz kleiner Schritt zu den possessiven Komp(
Der Schritt war am kleinsten bei denjenigen Adjek
deren Thema auch als Adverbium in Gebrauch war, w.
eV'fieXirjg, noXv-%qaTrjg, Dann wurden aber auch a
Adjektive, welche nicht für sich als Adverbia gebr
wurden, in der gleichen Stellung verwendet, wie in ,
ad^evr^g, dyhx6-Y.aqnog ^ 7iaXXi'aq)VQog, Endlich überna
auch stoffanzeigende Substantiva die gleiche Funktion
in XQvoO'nidih)gy xuXTLO-oiOfiog^ ^odo-dcmTvi^g, jueXi^yt],
d) direkt an No. a schliessen sich diejenigen ver
Komposita an, in denen an die Stelle des Adverbiuna
Nomen in der Bedeutung und Form eines obliquen 1
getreten ist. Zur Erklärung der Leichtigkeit des Ueber(
ist daran zu erinnern, dass viele Adverbia und Präposit;
von Haus aus erstarrte Kasus sind, wie X^H^^> ndXaiy
avxL, }(pL. Den adverbialen Kompositen stehen deranacl
nächst diejenigen, deren erstes Glied durch ein deklini
Nomen gebildet ist, wie dovgi'XTtjTogy /Ii;Aoi-yevijg, Mtj
'AccOTrjy OQeai'Hohrjgy oXi-ai^g, dti-netrfi. Aus ihnen
diejenigen hervorgegangen, in denen das einfache Tl
schon irgend einen Kasus vertritt, wie öaxTvXo-deixzogy »
ßaQTjgy dvBfiO'TQBqyrfi^ ^HQO-öozog,
1) Ich denke, dass durch diese einfache stufenweise Ableiti
weise sich die Annahme von Paul, Principien S.^ 305, erk
wonach ursprünglich in den Possessivkompositen, wie Dickkopf
dOiovi, pars pro toto stehen soll. Deshalb bleibt indes doch die
Bemerkung des geistreichen Gelehrten S. 87 zu recht bestehen,
in dem Worte Maske der gleiche Bedeutungswechsel vorkommt
Chrutt: Ahhängigkeit/tkompogita des Griechischen. 163
2) AbhäDgigkeitskomposita.
a) Den Ausgang dieser zweiten Reihe bilden diejenigen
Dfiechien Komposita, in denen ein Participium mit einem
nmn^ehenden Nomen im Akkusativ zu einem Worte ver-
banden ist, wie da%Qv^xiwv y dXko^q>QOviwv , noiXa-Xiyutv
(Alcm. 27). Auf hohes Alter haben freilich diese Kompo-
sita ebenso wenig Anspruch wie die übrigen Zusammensetz-
ungen mit einem Partie act., aber gleichwohl muss von
ihnen bei Erklärung der Abhängigkeitskomposita ausgegangen
werden.
b) Die nächste Stelle nehmen diejenigen Abhängigkeits-
komposita ein, in denen das erste Glied gleichfalls die Stelle
eines Objektes einnimmt, das zweite aber ein mit der Kraft
eines Participiums ausgerüstetes Yerbalnomen ist, wie noXv-
tiaQy aidtino-ßQüigf xh;iLiO'<p%k6Qog, lo-donogy ov-ßcirr^g. .
c) Ans den verbalen Abhängigkeitskömpositen entwickeln
flch die nominalen : ganz nahe stehen Komposita wie oino-
fila^^ ^Ofitj^fidoTiS, da in diesen die Nomina q^iXa^ und
uaazi^ noch den Participialbegriff qwXdtzwv und inaarl^wv
deoüich erkennen lassen. Weiter entfernen sich Komposita
wie j^ctv-Qva^f atoctro-nedov^ vcW'Ozad'fiog, Im üebrigen
hat diese Bildungsweise, welche im Deutschen ausserordent-
lich an Terrain gewann, im Qriechischen nur spärliche und
Tcrfaaltnismäasig junge Sprossen getrieben. ^)
d) Das Objekt scheint in der Grundsprache meist die
Stelle vor dem regierenden Verbum eingenommen zu haben ;
jedenfalls empfahl sich diese Stellung unbedingt für die
iu Wort DfsprOnglicb die Oesichtsmaske bezeichnete, dann aber auch
dcft, dar dieselbe trägt.
1) Schröder, Unterscheidung der Redeteile S. 293 ff. hat die
^mche auf den Kopf gestellt, wenn er umgekehrt die alten, zum Teil
proeihnitchen Verbalkomposita von den jungen Nominalkompositen
hcnoleiten sucht.
1
164 Sitzung der phüosrphiM, Glosse vom 1. Februar 1890,
Komposition , da so am Schlüsse des zusammengefl
Wortes ohne weiters die Bezeichnung des Qenus, Na
und Kasus angebracht werden konnte. Ich betrachte
die verbalen Abhängigkeitskomposita mit dem regiei
Qlied an erster Stelle als secundäre Bildungen gege
den unter No. b betrachteten. Unter ihnen haben wio
diejenigen, in welchen das erste Glied seine ursprün
Form unverändert beibehielt, den Anspruch höheren
und grösserer Ursprtinglichkeit, wie wenn wirklich
argarog, ixi-dvfiog^ fiev-aixidTjg an erster Stelle einen
rativ enthalten. Diesen Kompositen gegenüber erscl
als kompliciertere und daher auch als jüngere Bildi
jene, in denen das erste Glied in einem Verbalnomen
oder einem Abstraktum auf ti (ai) besteht, wie fiiao'i
XiTTO'vavgf ßcoTi'dveiQa, TeQipi-xogog, hoai-x&wv. Wir d
daher von vornherein vermuten, dass diese zweite Ar
Kompositen ältere Muster zum Vorbild hatte. Bei <
mit schliessendem o im ersten Glied hat bereits 0
scharfsinnig nachgewiesen, dass sie nach dem Muster
q^iXo'^Eivog^ q^Xo-^fiBiir^g u. ä. gebildet sind und dass
letzteren selbst ursprünglich Possessivkoraposita waren,
der Bedeutung ^geliebte Qastfreunde habend*, 'geliebtes
schmeichelndes Lächeln habend'.
e) Abgesehen von den Kompositen mit qpiAo im e
Glied, die, wie wir oben sahen, ursprünglich Possessiv!
posita waren, gibt es nur sehr wenige und nur junge n
nale Abhängigkeitskomposita mit dem regierenden Glie
erster Stelle, wie d^io-loyog, QjieiQo-ya^ogy lao-S^eog. Se
verständlich sind dieselben nach dem Muster der verl
gebildet. Bei denen mit lao mochte die Bildung auch d
das Vorbild des präpositionalen Kompositums dvii-d-eog
günstigt worden sein.
Christ: Abhängigkeitskomposita des Griechischeji. 165
3) Präpositionale Komposita.
a) Die Präpositionen waren von Haus aus erstarrte
Kisus Ton Pronominal wurzeln mit der Bedeutung von Ad-
ferbien, so dass ursprünglich nsQi ^herum', dfiq)i *um zwei
Iieniin', i^d 'darauf*, ev 'darin', tvro 'darunter* bedeutete.
Demnach sind auch unter den mit einer Präposition begin-
nenden Kompositen diejenigen als die ältesten zu betrachten,
in denen die Präposition im Sinne eines Adverl^ums mit
einem Verbum oder Verbalnomen verbunden ist, wie im-
ti^h^fUj ini'&tiov^ dno-ridr^^i^ d/ro-d^erog, Trgo-yavij^, avv-
ti^g, dfitpi-TTology aiv-eQyog, €q)'OQogy livci-^axogi
b) An die Stelle eines Verbums oder verbalen Nomens
tritt ein reines Nomen, und zwar zunächst so, dass keine
Matation der Bedeutung eintritt, wie äo-odog^ yLa&'odog^ e^-
odog^ ini^loyog, inUqqri^a, nQO-Xoyog^ ngoa-tonovy ^^q)i'
noJUg.
c) Die Teile der Zusammensetzung bleiben dieselben wie
hei b, aber es tritt nach Analogie der possessiven Komposita
eine Aenderung der Bedeutung in der Art ein, dass das
Ganze zu einem Adjektivum wird, wie ovfA-ßovXog^ zusammen
Beratschlagung habend , at/i - qnjjvog , zusammenklingende
Stimme habend, fteQi-yhjaaog, hervorragend beredte Zunge
habend (Pind. P. 1, 42), ovr-dmog und avy-y^oizog , zu-
sammen ein Recht oder ein Lager habend (Pind. P. 1, 2
und 9, 23), dfig)i'nedog oxd^og, Hdgel mit Ebene zu beiden
Seiten (Pind. 9, 55), ndg-OiKog, daneben sein Haus habend,
mi^ßiogy dagegen Gewalt setzend, dvTi-^'qv, nach vorn das
Hom habend.
d) Nach dem Muster der oben genannten Komposita
werden Nomina gebildet, in denen die Präposition nicht mehr
die Bedeutung eines Adverbiums, sondern einer eigentlichen
Präposition hat; so dv%i-&eog zz o dvxi &bov wv, iqhtjineQog
— 0 ini flfienav yiyvo^evogy ixixa-^e (Hes. Op. 394) aus
106 SiUung der phUos.-philnl. ÜlasKe vam I. Februar 1090.
fitta-dte ^=. tö ^ueto ijfiepa*', zukünftift.') avti-dvqo» = lö
avtl 9veas ac. x'^e^o*! fru'-vuos z^ ^ int vtxjj ^iJij, fzetton^
e) In dem letzten Falle liebte es ilas Griedtiache se-
kundäre Komposita durch Anttlgung eines besonderen Ad-
jektivauffixes zu bilden, wie tm-ifaläaaw;, ini-rötfto^, hti-
it'akäfiiog, htt'vixtov sc, fiiKog. Eit-öXiog, xaia-x!t6i-ios, ey-
Xtüniog, ii.-X6yifdOs, n^u-äatsiov, /ißo-oifiiov, itag-oiinov sc.
fiflog, ^lei-aiyjAiov, (iv^l■^liv^l^(t^ov, fiSTWJiiov (II. ji il5, JT 739),
Iniyovvidioe (Piud. P. 9, 02).
Wenn wir nun aber auch die Komposita unter d und
e, in denen die Präposition die Bedeutung einer wirkUcben
Präposition hat, für abgeleitet und JQuger ansehen mQss«n,
so darf doch nicht übersehen werden, dass dieselben big in
die proethnische Zeit hinaufreichen. Das beweist die Ueber-
einstimmung der griechischen Bildungen mit skt. atifi-fffha-ni,
Platz vor dem Hause, anlor-kasla-s, innerhalb der Hand
befindlich. lat. inter-valium , Platz zwischen den Pl&hl«n,
Inttr-amna , fitadt zwischen den Flüssen , inter-diu, Z«l
während des Tages.
f) Nach dem Muster der präpo»itionaleii Komposita sind
vermutlich auch die Zusammensetzungen mit utooc, lltteog a. ä.
entstanden , da fteaä-yaia so viel ist, wie ^ h' ^liai^ yota,
fiiaavlog ho viel als 7, h ftiatii tüy äiafiöuuv avX^, dx^
fiolig so viel als t' if axpy nöXig. t'eberhaupt über sind
die Komposita mit einem Adjelitivum im ersten Glied, welche
nicht possessive Bedeutung haben, sehr solten im (iriechisolim
und lassen i^ieh alle als junge, nach anderen Must«m ge-
bildete Formen nachweisen, Selbst im Deutschen, wo diese
11 Schul««, KZ, 29. 262 zerlegt /itt-aiir, iDttem er
Glied MuiHkritiKheti iidja. lieutiuta#e. findet; nlior rov ilieMm Wofte
flnde i'cb iui Griechi«olien keine Spur.
Christ: Abhänffigkeitskomposita des Griechischen, 1^7
Disse Yon Zusammensetzungen grössere Verbreitung gefunden
bt überwiegen die possessiven Adjektivkomposita, zu denen
■ach unserer obigen Darlegung auch Oraubart, Dickkopf,
Ltogbein, barfuss u. ä. zu rechnen sind.
IV.
Die Formbildang der Komposita.
Für die Bildung der Komposita, insbesondere die Endung,
den Zosammenstoss der beiden Teile, den Accent gelten
mehrere allgemeine Gesetze, die sich auf alle Komposita und
auf die yerschiedenen zur Zusammensetzung verwendeten
Elemente in gleicher Weise beziehen. Einige derselben
hatten sich schon in der Ursprache festgesetzt, so dass die
BiUangen im Griechischen die gleichen Erscheinungen wie
in den verwandten Sprachen aufweisen; die Mehrzahl aber
gehört der jüngeren Periode der speciell griechischen Sprach-
entwicklung an. Ich bin nicht so vermessen, das grosse
<iehiet dieser allgemeinen Regeln der Kompositionsbildung
enchöpfend behandeln zu wollen. Aber da ich in dem spe-
dellen Teil die Kenntnis dieser allgemeinen Regeln voraus-
«etien moss, so habe ich es für zweckmässig gehalten, die-
selben hier in Kürze zusammenzustellen und mit Beispielen
in belegen.
A. Endung der Komposita.
In Bezug auf die Endung macht sich zumeist der Unter-
schied der unveränderten und veränderten Komposita geltend.
1. Die unveränderten Komposita behalten auch in der
Form die Endung des zweiten Gliedes bei, wie oW-t/v^i^jui,
o^i^navog^ jteqi-xhjtogy a'^p&izoq^ dnQO'iioXig, iatCHnidfj^
n^aio-ntdovy xwX-ia^ßog^ iffevdo'fiavrig, vav-oza&^og.
Die g^ebene Regel erstreckt sich auch auf die Form
derjenigen unveränderten Komposita, deren zweites Glied in
1
168 Sitzung der phHosrphüoh Glosse vom 1. Februar 1890,
selbständigem Gebrauch nicht mehr nachweisbar isi
Die wenigen kopulativen Komposita des Oriechi
wie doi'dexa, 7tXov&-vyUia^ unterliegen derselben Bestimi
während die betreffenden Komposita im Sanskrit, wo
Bildungsweise zahlreiche Schösslinge getrieben hat, zwa
Endungscharakter des zweiten Gliedes beibehalten, dem
aber in den Dual oder Plural setzen.
2) Die veränderten Komposita, welchen fast aussei
lieh die Stellung von Adjektiven oder von solchen I
namen, die ursprünglich Adjektive waren, eigentümlic
drücken diesen Adjektivcharakter naturgeroäss auch i:
Endung aus. In Folge dessen müssen sie meistens, wie-
das zweite Glied ein Neutrum war, das Ganze aber dit
tung eines Maskulinums oder Femininums haben sollte,
Aenderung der Endung erleiden. Die dabei befolgten B
richten sich nach der Themaform des zweiten Gliedes, nai
lieh danach, ob dieselbe auf einen Vokal oder einen K
nanten, auf ein o (2. Dekl.) oder ein a, rj (1. Dekl.) aus
dieselben sind jedoch nicht so durchgreifend wie bei
Deklination und Konjugation, weil überhaupt die Mach
Analogie in der Komposition weniger gross war und i
nur im geringeren Grade Uebereinstimmung der Form e:
wurde. Namentlich herrschte ein grosses Schwanken ir
Bildung der Feminina, indem teils das Maskulinum, nan
lieh wenn das zweite Glied auf o, i, v endigte, auch
Femininum mitvertrat, teils das Femininum durch eine ei
Endung ausgedrückt wurde, im letzteren Falle a}>er i
eine einzige Form bei allen zur Anwendung kam, son
bald a oder rj, wie in /ivdqofjiida, Eigwo^aj, bald la,
in dio7C0iva aus ÖBOJioxvia^ KaatidvetQa aus Kaariccvi
^Iq)iy€veia aus ^Iq)iyei'eaia ^ TleqatqiOVBia aus neQa€q>ov$
bald ig gen. idogf wie in TtaQa-xoiTig, evnXoxa/^icy vfiQOfpo^
ylaviiW7ugy bald endlich ag (tag), gen. aöog, wie in x^i
Christ: ÄlMngigkeitskomposita des Griechischen, 169
aradeg. Ausserdem entwickelte sich auf dem Boden des
Griechischen ein Unterschied zwischen den sachlichen Ad-
jektiTen auf 0-5, wie OfiO'ffteQog^ xQ^-^^^'^^^og, naXki'atpvQog,
a^ttvoTog^ und den persönlichen auf tj-g, wie ^evanaTtjg,
tUrfiTTiOvixrjg^ ev&vfioxfjg, ü^va^ayo^g.^)
Die Regehl sind im einzelnen folgende:
a) Geht das Thema des zweiten Teiles auf 0 aus, so
behält das adjektivische Kompositum jenes 0 bei und hängt
im Maskulinum und Femininum ein g, im Neutrum ein v
ID. wie Q'&avarog^ lo^oxitpavog^ ^dO'dduTvXog^ liq^i-da^og^
of/i^icdQcnn^og^ nBiai-atgaTog. Das persönliche Femininum
lintet in der Regel auf a (f/) aus, wie EvQO-vofHj^ Sav^-
inmjf floijV'fii^Xt], Daneben kommen aber auch unregel-
minige Feminina auf ta und ig vor, wie ev^v-odeia, ev-
nhoKafiig.
b) Dieselbe Regel gilt, von der Bildung des Neutrums
abgesehen, fQr die Themata auf 1, v, ov, wie ykarx-tojcig,
uilctV'aiyig y Ev-7ioXig, 7ioXv'daY.qvg ^ xaXXi'mjxvgf ev-ßovg.
Von den Kompositen mit ßovg gibt es auch eine abgekürzte,
in die Analogie der 0 Stämme übertretende Form, wie noXv-
Sog and kxavo^'ßf] seil. &vaia, denen sich das ähnlich ver-
kürzte MiXaii'TTog aus ^eXav und 7[ovg zur Seite stellt. In
Folge der Häufigkeit der Endung rrjg bei persönlichen Ad-
jektiven trat tig in trjg über in dyxvXo'^r^ttjg H., ßa&v-
lij[€a (Find. N 3, 53),*) dca/rorryg.
c) Die Themata auf a {rj) bilden in doppelter Weise
1) Ganz ausnahmsweise werden Komposita auf 17-? auch von
Kkhtpenonen gebraucht, wie ßa&vQQeizfjg sc. dneearög IL 0 195,
mmgöag sc. 'Afiog Eur. Bacch. 668, igixXdyxxtjg sc. y^ Find. P. 12,
21. /foi^xan^f sc. di^QOfißoi Find. Ol. 13, 19.
2) Die genannten Formen können nicht angezweifelt werden;
dagegen hat Nauck Hom. A 540 doXö/it^it, v 293 jioixiX6/ifju, A 482.
7 Ifö. fi 168, X 115. 202. 281 xoixMfirjuv mit Recht statt der über-
liefcften Formen auf trjs hergestellt.
170 Siltunn der i>Moi.;JiM. Ctas^t rom I. Ffbruar IHäO.
Kumpositu, indem sie entweder nach dem Vorbild der The-
mata auf o dae a in o verwandeln, wie av-avdo(;, ä-3iKog,
Bv-fiovi-og, .toixdä-^eiQoi;, ^egi-vtxog, <f<drj-fiovaog, igi-i^fu^og,
%aQaii-xä([ätOf;, oder das lan^e u |i/) beibehalten und durch
Anfügung von g Maskulina nacb der I, Deld. bilden, wie
tvnv-ßiag, ev^v-tpa^tgas. %aXito-(nTQag, j^gvao-xofiijg, agyigo-
divtig, 7iaga~Koiii^g, ftsf-aixfiijg, l4va§-ay6^s, Vo-ayopog.
Die Komposita der letzteren Art haben das Uepriige vun
persönlichen Adjektiven »xler Eigennamen und entwickeln
demnach aiicli häutig aus sich eine eigene Form f&r das
Femininum. Ein unregelraossig gebildetes Femininum ist
ö-xottig, gleichsam ab oh dasselbe direkt vom Stamme "'
gebildet und nicht znuächat aus ö und xo/tt/ durch Zu^ammeu-
sct/ung entstanden sei.
d) Schliesst das Thema auf e^, wie bei den NeutrJ» auf
og nach der 3. Dek!.. so wird jenes tg im Nominati» dee
Musk. und Fem. in r;;; verwandelt, wie in ei-ftet^g, dft'-
ßtA^g, dio-y€vr^g, lo-etdijg, t)di-£7r»jt:, nsya-aöeviig, dtxa-et^y
ravt-fiijdrig, 'lao-Ttgdtijg, Eigv-oäxifi, ' Hqa-xMijg. Eine eigene
Form für das persönliche Femininum hat sich herausgebildet
in Tdito-yivtta aus Tqno-yevEa-iei, 'l<pi-yiveia, rjf}t-yivua,
ijdv-hteio, a^tt-iiiBia, ft'pt-xJUiu, nav-oKeia. Bei einigen
von xlifog gebildeten Eigennamen ist nach dem Ausfall 'de>t
mittleren Üigamma xUijg zu xKfjs kontrahlrt und dann Dach
dem Muster der Eigennamen auf o-g zu ttXo-g verstflnim^
worden, vrie nötqo-yXog, (l>iQe-*ltig, Jöffv-KKog, Ti^iU-xiUil;,
"■tft<pi-xh}g, n^ö-xkog.
Diese Komposita auf i^g von Neutri» auf og, über di«
wir in letzter Zeit eine treffliL-hu Monographie von liion
('Hrnientier, Les subatantifs et le« adjectifs en es dans U
langue d'Boinere et d'Hettiotle, l'aris Iß^l4, erhalten haben,
sind uralt, und mehrere derselben bähen ihr vnlUtäniligiM
Ebenbild im Sanskrit, wie ei-fievtig von ftivog ^ »kt. «*-
Mdflö.« von mutids, 'liieo'xlifijg von r.kifog -l skt. sa^fO-
Christ: Äbhängigkeitakomposita des Griechischen, 171
^rd9 von gravas. Im Sanskrit, wo die Verschiedenheit der
Aassprache des Grandvokals a geringer war und keinen Aus-
druck in der Schrift gefunden hat, erklärt sich die Endung
dieser Komposita leicht, indem äs aus as -|- Nominativzeichen
«, wie ncttriQ aus /rare^-j-S) ^^ ^©r Art entstanden ist, dass
nach Wegfall des einen s Kompensation durch Verlängerung
des vorausgehenden Vokals eintrat. ^) Das Griechische be-
reitet insofeme Schwierigkeit, als in ihm das Neutrum im
Nominativ auf og nicht eg ausgeht. Aber auch auf die Ge-
fahr hin, einer Ketzerei beschuldigt zu werden, spreche ich
die Vermutung aus, dass auch im Griechischen die Neutra
ursprOnglich auf es ausgingen, und dass in der Komposition
äeh der helle Laut e, weil durch den Accent geschützt,
erhielt, in den Simplicia aber in Folge der Tieftonigkeit
in dumpfes o Qberging, wie in ähnlicher Weise j; in Folge
Ton Accententziehung zu w ward in fX)''q)qu)v, ofiO-yaorioQ^
Die adjektivischen Komposita auf j;^ waren so häufig,
diss, durch ihre Kraft angezogen, auch einige von Substan-
tiTeu auf fj gebildete Adjektiva mit neutraler Bedeutung aus
der 1 Dekl. in die 3. übertraten. Die bekanntesten Beispiele
sind ti'Tvxfls nnd dva-tvjirfi von tvxi^; ihnen reihen sich
1) Ich weiM wohl, dass ich mit dieser Deutung von der jetzt
f erbreiteten Meinung abweiche; aber der Satz 'mehrsilbige s-Stämme
Inkleien den Nominativ mit Dehnung' spricht nur die Thatsache aus,
erkUrt nichts.
2) Ich nehme nämlich zwei, wohl ursprünglich auch durch den
Laot ontertchiedene o an, unser kurzes, barytones o, dem im Sanskrit
aa a entspricht, wie yivog = tkt. gdnas, und das volltonige, durch
VokaUteigerung aus e entstandene o, dem im Sanskrit ein ä gegen-
ttbersteht, wie yha, yiyova = skt. ganas, gag ana. Ebenso hat man
<Unn aber auch zwischen betontem und unbetontem e zu unter-
scheiden, so dass in fteveog das erste (volle) und zweite (reducierte) c
aii wesentlich verschiedene Laute anzusehen sind.
172 Sitzung der phitosrphüol. Classe vom 1, Februar 1890.
an ev-q>vrig von yvtj, a-Xridr^g von Xrj&rj, ev-q^oadi^i
q>Qadrjj ev^naXT^g und lao-naXi^g von ndXrj,
e) Von den Nomen auf tjq (Thema eq) werden a^j
vische Komposita in doppelter Weise gebildet, entweder (
Umwandlung der Endung tjq in ojq, wie oy-ijVw^, f
tjvojQ, ^ij^'fjviOQ, liTteO'di'iOQy livc-r^vioQy JBia-rjvwqy
dvwQ, ofiO-ydorwQ, OfiO-naTWQ, Ei-ndtWQy dva'fii^rcDQ, j
juriTWQ, oder durch Uebertritt in die Klasse der o Stä
wie noXv-avdQog , Xeiip-avdQog , TiQTr-avdQog, Avo-cn
Koaa-avdQog, Eine besondere Form für das Femininun
sich entwickelt in xvdi^dveiQa für xvdt-aycß-m, ßioti-dt
ev-TiaTiQeta, KaoTi-dveiQay KaaO'dvÖQa,
In ähnlicher Weise ging das 17 oder a des einff
Nomen in w über, wie in ßaQV'q)Q(jJv, d-fpQwVy Bv-(pQ(xn
(pQTiVy di'Y.iQwg von ^egag, d-yrlQwg und ßadv-yriowg
Y^Qcig.
Die Umwandlung des 7^ in cc; hängt wohl gleicl
mit dem musikalischen Accent zusammen, indem die
tonung der Endung in nazi^Q, dvijg, (pqrqv den hellen
hohen Vokal schützte, die Tieftonigkeit aber die Verdu
ung zu (o begünstigte.
f) Die übrigen auf einen Konsonanten endigenden
minalthemata hängen teils zur Bildung von adjektivis*
Kompositen ein s im Nominativ au das Thema an,
XQVoo-nrjhj^, ^av&o-tQi^, et-iiaig statt ev-naid-g^ di-j
statt di-Tiod-g, aidyjQO'TenTwv statt aidtiQO-TBuzov'gy igi-a
statt CQi-avxev-g^ teils gehen sie in die Klasse der Komp<
der 2. Dekl. über. Im letzteren Falle fügen sie entw
das og einfach an das Thema an, wie nolv-dginaTog^ (p
XQTjfiaTogy f40V'6iiif4avogy no'kv-avxevogy oder sie kürzen
verstümmeln zuvor die ursprüngliche Endung, wie Bv-wvt
von ovvfJiaTy xQ^'^o-OTOfiog von otofiavy a-neiQog von 7fc?|
ßay^V'XeifAog von Xeiixiov. Einige der Nomina auf fjiti c
^a ziehen den Uebergang in die Klasse der Adjektiva
Christ: Abhängigkeüshompointa des Griechischen. 173
ptn For, wie nokv-TtQdyiniov, ngano-Tti^fKov , OfiO'yvwfAwVy
Die possessiven und rektiven Komposita entbehren so
k der R^el eines eigenen Adjektivsuffixes, in Folge dessen
km mit einem Adjektivsuffix gebildeten Simplex dUaiog
in dem Kompositum ädixog eine einfachere Form gegen-
äberateht. Nur die Komposita mit vorausgehender Prä-
position haben in der Regel die secundäre Form log oder
qtog^ wie ini-d'aldooiogy eiv-aXiog^ nt.ata^xd'oviog^ ik-Xoyifiog.
Za diesen gesellen sich dann noch von den übrigen Arten
ia Komposita die vereinzelten Beispiele d-xtjQiog von xif^,
crr-tf^^/iiO$ von aQÖ'^ogy OfiO'fcdtQiog und ofiO-fii^TQiog von
mniQf und aiT|Ti;^, ^fÄi'fivalov von fivS, Die Wörter noXv-
a^ioq, nav-CLx^Xiogy nocv-oXßiogy nav-vvxiog haben nicht erst
m der Komposition ein Adjektivsuffix angenommen, sondern
nnd aus einem Adjektiv und einem adverbialen Bestimmungs-
wort zusammengesetzt. Auch zu ßa^-divifiig gibt es ein
Simplex divrieig und zu vipiTrerrjeig lässt sich ein solches
fonussetzen.
B. Zasammenstoss der Glieder eines Kompositums.
In diesem Kapitel sind zwei Dinge zu erörtern, erstens
die Endung, thematische oder flektierte, welche dem ersten
Glied zukommt, zweitens die Lautveräuderung, welche der
Zasammenstoss der beiden Glieder mit sich bringt.
1. Endung des ersten Gliedes.
a) Das Kasus-, Genus- und Numerusverhältnis, in dem
im Kompositum steht, wird nur an dem Schlüsse des Kom-
positums oder nur an dem zweiten Glied ausgedrückt. In
Folge dessen entbehrt das erste Glied, wenn es ein Adjektiv
ist, regelmässig des Kasus- und Genuszeichens. Die Regel,
welche f&r alle arischen Sprachen gilt, hat ihren natürlichen
tirand darin, dass das nominative s eigentlich die Bedeutung
174 Sitzung der phUosrphild. Classe vom 1. Februar 1890
eines nachgesetzten Pronomens oder Artikels hat, den
zu setzen gentigte. Man sagte also in der Komp
ILieyd'^vfio-g^ grossen Mut er, statt fiiya^g &vf46'gf
7tov'(; statt cJxt-g /rot-g, f4el6f4''7ie7clo'g statt fiihx-q ni
lao-rredO'V statt lao-v ftido-v, EvQv-dixrj statt evQeUii
Ausnahmen von der Kegel bilden nur wenige a
Komposita d. i. Juxtakomposita, in denen die selba
deklinierten Wörter nur äusserlich in ein Wort zusai
geschrieben sind, wie oa-Tig, gen. ov-vivog, ro-t;-ro,
la-t-ra, lat. unius-cuius-que, iuris-iurandi,
b) Bei den Abhangigkeitskompositen, in denen du
Glied zu dem anderen in einem Kasusverhältnis steht
dieses Kasusverhältnis nicht ausgedrückt, wenn das regii
Glied die erste Stelle einnimmt, wie in l^yi-hxog, A\
dQog, ßtüTi-dvetgay Xvai-fAekrig^ ebenso nicht, wenn dt
gierte Glied die Bedeutung eines Objektsakkusatives ha
in Xoyo-yQacpog, dogv-q^ogog, Tvaid-aytjyog, oanBO-nako^
vixpy (pcjo-q^ogog. Dass so das Thema in der Kompc
die Stelle eines Akkusatives vertritt, rührt wohl aus de
her, wo das Objektsverhältnis, dieses einfachste aller
Verhältnisse, noch nicht noth wendig durch ein besor
Kasussuffix ausgedrückt werden musste.
Ganz vereinzelt stehen die wenigen Komposita, in d
wenigstens scheinbar, das erste Glied im Akkusativ stc
nämlich diKao-ziology richtiger von Leo Mejer, Got. Spr
in öixa-a7r6Xog zerlegt, fxoyoo-toiaog sc. ElkeiO-vea^ wai
fAoyeO'TOKog durch Vokalassimilation verunstaltet ist,*) d%
q^Qwv, frei nach dem Vorbild von draXd q>Qovi(x)v geb
7iodd'VinTQOv und 7t[oda'Vi7ixr^qj die eher in 7ioö'd'VUi
und 7roä-a'Vi7itrfi zu zerlegen sind, endlich die späten V
1) Vgl. 0. Neckelf De nominibus ^raecis compositis, qx
pars prior casuum tbrmas continet, Diss., Lips. 1882.
2) Fick, Wörterb. I* 168, wagt die Annahme, dase fioyoi
bale Kratl habe und 'fördernd* bedeute.
ChrUt: Abhängigkeitskamposita des Griechischen. 175
hädungen vony-ex^vtaig (Plato), d^qiOQea-cpoQecj (Pollux),
fißha-yQüipog (Variante für das richtige ßißXioyQdq>og)^
IlaiJia-Jiiywv bei Alkman fr. 27: TlolXakiyiov owpCavdqi^
ftraixl di TlaaixdQffl, Uebrigens darf nicht verschwiegen
»erden, dass im Sanskrit und Zend ziemh'ch häufig das erste
Glied die Endung des Äkkusatives hat, wie skt. arin-dama-s^
Feindbezwinger, puran-dara-s^ Stadtzerstörer, vipag-lcit^ Lieder
kennend, zend. awaa-dana^ Wasser gebend.
c) Hat das erste Glied die syntaktische Bedeutung eines
anderen Kasus, so hat es gleichfalls in der Regel die ein-
hche Form des Themas, wie in x^eo-öfiorog, QeO'dcjqog^
doxTt'ilo-dc/XTog, ^iTVTrO'Vixog, ^Xnd-d'oogf doQV'XTrjTog, ^eXi-
x^i^-roy, yav-^dxog, nty-ficxog, X^Q'^^^^Sj OQBG-yii^og, noö-
i^Tfi, Aber in mehreren alten Kompositen dieser Art er-
scheint dais erste Glied , indem die Komposition noch die
äiafe der Juxtaposition an sich trägt, in der betreffenden
Kasuäform : so in dioa-dorog, ^), ^Jioo-xovqoi, dloo-vdvij, *)
{fütPOO'OVQogy ^lyoO'TtozafAoi, Kvvoa-ovQay vewa-oixogy üelQ-
TOF-wjaog ; *) dki-a'qgy wxTi-noXog, bdoi-noqog, x^f^^^'^^^^'^^fit
1) So auch Atö^otoi aus Aioodotog auf bflotischen Inschriften bei
Collitz, Oriech. Dialektinschr. I, 556, 20 u. 700, 9. Danach sind missver-
itindlich gebildet dida-Sorog Hes. op. 320. Find. P. 5, 132 und fr. 42,
ho^cfTos, dfoCoTfoc, ßio^oxa auf böotischen Inschriften (Belege in Col-
iiU, DialektiüBchr. Index und bei Meister, Gr. Dial. I, 264). Vielleicht
ist aach "dioipatov und BBOstooyxdg aus falschem ^eoo-tpaxov und Bsoö-
3^To^, wie &eajiig aus ^eo-acTtig und ^saxsXog aus ^eo-oexeXog ver-
•iümmelt; vergleiche einsilbiges ^e6g bei Find. F. I, 56 und die von
Bergk dort angeführten inschriftlichen Formen ßedwQog, Gezifiog,
^iftmunos, woftlr die Belege bei Collitz.
2) Die Zerlegung von äXacvdvtj in dXoo -j- vdvrj (von udan, Wasser)
Int sein Analogon an skt. kshödas-udna, Stromeswelle. Der geistvollen
£rkläni]ig von G. Curlius, Etym.^ 654, dass das Wort in dXoavdvij zu
Kriegen und das zweite Element auf W. su, wovon viög und got.
tunu* ttammeo, zurückzuführen sei, stehen lautliche Bedenken entgegen.
3) Wenn anders das Wort auf neXojiog-yijaog und nicht auf
nüMto-cwiaog zurückzuführen ist. Ein erstarrter Genetiv steckt auch
ISO. PkOoc-philoL o. birt. Cl. 2. j2
\
176 Sitzung der pMos.-phüol. Glosse vom 1. Februar 1890.
TtaXai-qxxTogy üvkoi-ysyi^g, oQei'ßdrrjg für OQeO'i'ßcctfjg; i
xzrjTog^ dovQi'dlcjTog ^ nvQi'xavoTog, liqrji-fpaxog ^ J
(piXog^ XeQOi'idfAag ; MrjdeGi'ndoTi] ^ vavai'xXvTogy N
xda, vccvoi'qiOQTjTog^^) OQeoi'HOiTrjg , OQeai'TQoqiog , ij
fjiiüQog, Teixeai-TTXrjTfjg y ^Icpi-ödfiag. Ein Kasus, und
ein alter Instrumentalis auf 3, steckt wohl auch in j
qnxTog, liX^d-y^oog, vielleicht auch ein Lokativ oder !
in xaai'yvrjTov, dXxi'q)Qa)v, l^Xm-^idaiv.
d) Vielfach, namentlich wenn das erste Glied mit c
Konsonanten schloss, trat das Kompositum in die Klas»
o-Komposita über, indem entweder dem schliessenden
sonanten ein o angehängt wurde, wie in d^r^Q'O-y.Tovogi
dq^O'XTOvog^ Mrfcq-o-dwQog^^) dgaKovr-o-ysyi^gj x^'Q'^'ß
xvv-O'QaloTTjg , ogvid'-o-&rjQag, fAaaziy-O'q^oQog, eXm-o
(paQog, f^ekav'O'OToXog ^ ^EXXav-o-öl'nai , aaqyi-0'q>ayogy
o-xrovoc:, oder geradezu der Schlussvokal des Themas
die Suffixe on, at in o übergingen, wie in ^Hgo-dorog
'Hga , \pvxo-7ro^n6g von xlwxTp d^vgo-xoTvog von l
fdOvoo-vroXog von fAOvaa, y^&rjvO'diogog von l4&rivij^ a/rt
Xoyog von OJFeQfAaz , dxuo-deTov von ox^/wv, x£0-x(
neben ^^lov-O'xgavov.^) Der letzteren Kategorie verw
sind die zahlreichen Komposita, in denen die aus ei
Vokal und einem Konsonanten bestehende Endung in
einfaches o übertrat. Das war regelmässig, wenigstem
der nachhomerischen Zeit, bei den Kompositen mit ei
Neutrum auf og der Fall, wie in Gxevo-(p6Qog von axi
in nneo-ßvg dor. noeX-yrg , der zuvor geborene; mit nQfg ist aj
nahe verwandt.
1) Verstandlos ist die Phrase vavoijio/tuiog avga bei Eur. Pt
1712, welche zeigt, dass Kuripides keine Vorstellung mehr von
Kraft der Dativendung ot hatte. Auch vavaioiorov vßoiv bei Pi
P. 1. 72 beruht auf unklarer Vorstellung.
2) Der Analogie dieser Wörter folgte auch vdoo-gogog.
3) Vgl. liiugmann, Morph, ünt. 2, 280 ff.
Christ: Abhang igkeüskümposita des Oriechiachen, 177
m^o-'giOifog von av&og, ino-noiog von enog^ xh^o-oxoog von
^og; des weiteren aber auch in xQBO-q^yog von x^ca^,
Plfo-'XQoq^og von >^^^^9 aldo-fpqttiv von acdciig, ^noXko-diüQog
TOD ^jiokXiap. Vereinzelt steht die Bildung hiatowa-xd-
forog, die Pindar P. 1, 16 dem Metrum zulieb nach der
Analogie von /remjxoyT-e^erjuog, Tgiaxorra-nedog u. ä. wagte.
Za dem Vielerlei der Bildung gab den Hauptanstoss die Ab-
neigung gegen harte Konsonantenverbindungen; es wirkte
aber auch die Analogie des zweiten Gliedes der Komposita
mit» wiewohl dort das Verhältnis etwas verschieden war, in-
dem die Bedingungen des Wortschlusses und der Genusbe-
leichnung im Wortende notwendig mancherlei ümgestalt-
ragen hervorriefen und rechtfertigten. Es wäre eine lohnende
Aufgabe, das Umsichgreifen dieser Formen mit unechtem o
lätlich zu verfolgen und den Bedingungen nachzugehen,
welche ihre Bildung begünstigten.
e) Selbstverständlich erlitt das erste Element keine Um-
gcstaltang oder Erweiterung, wenn es in einem Indeklinabile
bestund, wie in av-ayvog^ vr^noivog, öi'Tiovg, oQi-öeUerogy
ffi-atTnjy, dya-iiXerjg, nakiV'dyQBVog, övo-xlei^g, iTci-zgiTog,
lifC^yt-ijg, jrqo-qKtvrfi^ df4q>i'XQavog ^ dtQ'7ivQog, t^d-d^eog,
i^i-fiOxh^g^ ixpi-xdqr^vog, TJj^-yavijg.
2) Lautliche Gestaltungen im Zusammenstoss
der Glieder.
a) Die Glieder erlitten in der Regel keine lautlichen
Veränderungen, wenn die Verbindung des Auslautes des
ersten und des Anlautes des zweiten Elementes keiner Schwie-
rigkeit begegnete, namentlich also, wenn das eine mit einem
Vokal schloss und das andere mit einem Konsonanten anfing
oder umgekehrt, wie in fAeyd-dv^og^ d^io-ö^dvaxog^ xavrj-ipOQog^
ßa^'-ßQouogy ij^ii-^eog, vav-xQaQog, ßov~x6kog, ^ekav-avyrfif
iti^h^yga^ !€od'dgxijg^ naiö-ayioyog. Auch nur eine leichte
Akkommodation trat ein, wenn zwei Konsonanten, von de*
12*
178 Sitzuftg der phüosrphilol. CliMse vom 1, Februar 189i
der erste ein Nasal war, zusammenstiessen, wie in \
7tedog, eyLatoy-xBiQ^ fcaUy^xoTog^ ^tka^-nercXog^ ^tka^
b) Stiessen zwei unverbindbare Konsonanten zusa
und hatte die Sprache auf keine der oben beschriebenen ^
die Verbindung erleichtert, so mus^ der eine der \
nanten weichen, so in d'&dvaTog statt dv-xP^avatogy fieJU
statt ^ekiT'yf}Qvg, ^EiXa-vixog statt ^EXkav-vixog, ^) yvvai
statt yvvaiX'^avrjg, ovofAa-xXvrog statt ovo/LiaT-TÜivtc
7€6kog statt aly-nolog. In den Zusammensetzungen raii
ist das T durchgängig, auch vor Vokalen abgeworfen ^
wie in 7raf''qf4SQog, nav-ona'kog^ 7rav-onXia, nav-cii
c) Stiessen in der Mitte zwei Vokale zusammen, »
im Einklang mit den herrschenden, im Vers deutUe
Ausdruck kommenden Regeln der erste Vokal, wenn
e, a oder o war, elidiert, wie in xat-apteg neben xara«
alv-agezr^g neben aivo-ya^iog, ^evTi'i7r7iog neben Xevxo-i
/A0V'diii7rv§ neben fiovo-yevrig, q^ik-ddelq^og neben q^iXo-n
fiaxQ'rj^eqog neben /daxQO^ßtogj MeV'i7X7rTi neben Mevi
Auch das i der Verbalnomina auf at ist elidiert in
r^vioQ^ l^Xe^-avÖQog , iQva-dQg^aTog y okea-T^vioQ, xXeif^
Ttava-dve^og u. a. Die Elision wurde verhindert, wen:
zweite Teil des Kompositums mit einem Digamma anla
nach dem Ausfall des Digammas wurden hintendreii
beiden Vokale, wenn sie sich zur Bildung eines Ä
Vokals eigneten, kontrahiert; auf diese Weise entsanden
fdvaaaa, yaid-foxog^ (pegi-ßoinog, AvyLOtqyog, hom. ^
fOQyog, ^[irTxiZva^ aus %i7iO'j:ava§, Fälschlich bildet
Sprache nach unrichtig verstandenem Vorbild auch 7
oÜQyog^ daö'Ovxogj xXrjQ-oixog, Dass auch ohne dass
zweite Glied ehedem mit einem Digamma anlautete, das
ßiüTiaveiga, xaatidveiga, xuötdveiQa, ^Haiodogj Xrj^u
1) Zur Erliiutei-unjf dient, worauf Wilamowitz Ind. Gott.
S. 12 hingewiesen hat, Pindar N. 10, 25 txodTt/oe de xal no&* "E
orgaxov llv&dtvi.
Christ: AhhängigkeUskompasüa des Griechischen. 179
ffUten blieb, darf uns bei der Abneigung der Sprache
gegen die EHision des i nicht wundernehmen.
Eine Stellung für sich nehmen diejenigen Komposita
OD, in denen der anlautende Vokal des zweiten Gliedes nach
Wegfall des vokalischen Auslautes des ersten Gliedes ver-
fiagert ist, wie in o^iyyc^rjg, xaxdyoQog^ Tcnnnjxeag^ oxerrjyog,
trfctrr^yog, XOQfjyog^ dXXriXovgf vetjhJieg, doXix'iQ^^H^Sf ^?^*
ttßolory ^fniaßoJUov, iQcttwvvfiog, fieyaXüfvv^ogy xQateQciwxegf
strwiofgvyog^ vmaqoipiog^ ohwcpeXit], Alle Fälle dieser Art
and sorgfältig zusammengestellt und mit analogen Bildungen
im Sanskrit in Verbindung gebracht von Jak. Wacker-
nagel in der Abhandlung, Das Dehnungsgesetz der griech-
jaehen Komposita, die mir noch vor Abschluss meiner Unter-
flichuiig durch die Güte des Verfassers zukam. Derselbe
kommt znm Resultat, dass die Länge des Vokals auf die
Vereinigung des auslautenden Vokals des ersten und des an-
liotenden des zweiten Gliedes zurückzuführen sei. Ich kann
nich diesem Schlüsse aus drei Gründen nicht anschliessen.
Erstens war im Griechischen Elision der Vokale a e o vor
ehiem folgenden Vokal jederzeit durchgängige Regel ; zweitens
begt es nahe, die Vokalverlängerung derjenigen Komposita,
deren zweiter Teil ein Nomen verbale auf Tog oder OTog
bildete, wie dn^ovaiog, ovr^xBatogy Cifi(pi]qiaTog^ dvioniaTog,
imaiatost intüfioTog^ aqfVQr^ijcnog^ Ttolin^Qarog, aus der Aehn-
Kehkeit jener Verbalia mit dem Part. prät. pass. zu erklären;
drittens endigt, was natürlich auch Wackernagel nicht ent-
gingen ist, in schier der Hälfbe der Beispiele von Vokal-
dehnong das erste Glied mit einem Konsonanten, nicht einem
Tokal (wie ov^iowfAog^ dva-Wi'Vf^og, nav-rffVQigj 7iod'r(vs^ogy
itC'f^yrfi) und ist es bedenklich, alle diese zahlreichen Bei-
spiele f&r falsche Analogiebildungen zu erklären. Ich könnte
noch die Unregelmässigkeiten der angenommenen Kontraktion
hinzuitigen; aber die bereits angeführten Gründe genügen,
drake ich, um gegen den von Wackernagel eingeschlf
180 Sitzung der phüos.'phüol. Classe vom 1. Februar 1890.
Weg der grammatisch-lautlichen Erklärung einzuneht
ich bleibe daher bei dem alten, gleich im folgenden F
graphen näher auszufahrenden Weg der prosodisch-metriai
Erklärung.
d) Die Griechen hatten eine ausgesprochene, bekannj
auch in der Prosa der Redner, namentlich des Demostfa
hervortretende Abneigung gegen die Aufeinanderfolge
drei und mehr Kürzen; sie liebten auch hier die aus
Wechsel geborene Eurythmie. Jene Abneigung begeg
sich in der Poesie mit der metrischen Unmöglichkeit,
unmittelbar aufeinanderfolgende Kürzen in den Hexan
zu bringen: es hatte aber diese metrische Schwierigkeit
sonders viel in der griechischen Sprache zu bedeuten,
diese ihre Regelung durch Homer erhielt und bis ins 5. Ji
hundert hinein nur von Dichtem kultiviert wurde. In F
dessen haben wir eine Reihe prosodischer Erscheinungen
Griechischen, wie z. B. bezüglich der Bildung der Kompi
tive und Superlative mit kurzem und langem o, welche
nächst unter dem Einfluss des Metrums sich festgesetzt hat
dann aber in der Folgezeit als allgemein giltige Sprachr«
in Prosa und Poesie aufrecht erhalten wurden. Diesel
machten sich auch in der Wortzusammensetzung gelte
nicht bloss wurde die erste Silbe eines mit drei Kürzen
ginnenden Wortes gelängt, wie in i^yaD-eog^ r^vyeveiogj
KOfiiogy^) elvaXiog, T^vs/joeig, lokeaUaQKogy r^yeQsd'OVTaij w
der beginnende Vokal des zweiten Gliedes eines Kompositi
unterlag ähnlicher prosodischer Umgestaltung. So entstam
1) Aus dem Kompositum ist das lange e auch auf das Sim{
in dem homerischen fierog ijv und yovov iji'v (Z 191) Übertrag
worden. Dagegen geht Collitz KZ. 27, 183 ff. von dem langen
aus, und bringt gr. jjv mit skt. äjü, regsam, zusammen; für je
Sanskritwort würde man aber im Griechischen alv erwarten; ai
ist die aus der Komposition übertragene Verlängerung des e leich
als die Verkürzung aus ursprünglicher Länge zu erklären.
Chrigt: ÄbhängigkeUskomposita des Griechischen. 181
4ie Formen dva^wwfiog und noXv^dwfAog von ovvf^Of av-
tifiaJijog Yon b^aXog, nav^wked'Qog von oXe^Qog, nav-^riyvQig
Ton oyeiQfüy ftod-fjVBfAog von ave/jog, ovv^rioQog von äeiQU),
^;$-i| ro^i und dci^-ijvo^a von cryi]^,^) r^^i'cißoXov von oßolog,
d-r^q^epiog^) {A 427. 'F 81) von aq>evog, vip'r]Q6q>€og neben
v}fh€Q€fpigj xw-wnida, iv-cima neben oiv-ona, rlvoni, vclq^
(wri, ^l&i~onag. •) Die Freiheit der Dichter ging dann in
dem Bestreben, Häufung von Kürzen zu vermeiden, noch
weiter, indem sie, nachdem einmal so häufig in der Kom-
position ein schliessendes ä oder rj des ersten Gliedes in o
Terwandelt worden war, nun auch umgekehrt ein j; statt o
setzten in iXaqirj-ßoXog neben richtigem iXaq>0'Xt6vog, 7roXe^ä-
doxog neben noXßfAO-noiogy tvyrj-q^oqog neben ^vyo'deaiaog,
xaXad^r^-ipö^og neben xalat^o-rtoiog, al&Qrjyeveog statt ai&eQ-
o^yewiogy ferner in &aXafirp7r6h)g, d-avaTfj^qfOQog, ßaXavTj'
ifayog, Xafifrad'f]'q>6Qog,^) Unterstützt wurde allerdings
nebenbei dieser Uebergang aus der 2. Dekl. in die 1. durch
diejenigen Nomina, welche» wie aveipavog und aTeqxivrjy nach
der 1. und 2. Dekl. gingen.
e) Allzulange Wörter sind dem Volksmund unbequem ;
es darf daher nicht verwundern, wenn die Sprache bei den
1) Bei Erklärung der Erscheinung ist nicht von dem Nominativ
der Komposita auszugehen, sondern von den Casus obliqui, die allein
bei Homer vorkommen.
2) Diese notwendige Korrektur des überlieferten falschen evrjyt-
tioi übersieht neuerdings wieder Bure seh, Klaros 61.
3) Der Unterschied der Quantität von oxp, Stimme, und w\p,
Gesicht, ist etymologisch nicht begründet und hat sich erst mit der
Zeit durch den Drang nach Differenzierung doppeltdeutiger Wörter
festgesetzt. Der unter dem Einfluss des Metrums entstandene Wechsel
▼on yXavxtoxida und otvona geht auf eine Zeit zurück, wo ^v' unter-
•chiedlos die Stimme und das Gesicht bezeichnete. Ändere Wege
üchlägt auch hier Wackemagel S. 52 f. ein.
4) Aus ähnlichem Grund wurde auch das a in yaidoxog, ion.
yoitioxos gedehnt, wiewohl yaXa ein kurzes a hat, und erlaubte sich
182
SitiUHfi der jihilnx-i,kihL Ctaisr vom 1. Frliruar 1850.
Kompositen uianigf&clie Kürzungen eintreten liess. So wnrd«
You zwei ziisamnienstoBse^nden gleichen Silben die eine ««8-
f^eworfen in ötufoQEtg aas ä/ifpi-^nfeig, xehxtvetf^g !ins xe-
Xtttvo-yeffr^g ; auf Kosten des Vokals der voraui^gehenden Silbe
erfnlgte die Kürzung bei nachfolgender Liquida in ti^^tnnov
aus lettaq'tJinov, x^tjÖefiyan uüs xaQij-defivov, t^ir^a ans
letre^a-Tit^a, o'moE/rjjg aus arrrepo-e/t i;s , ' ) und ähulich
dinlai aus dt-Tiala^. Besonders häufig aber bestand die
Kürzung in der Zusnranienzichung von lo xn i , von aio xa
ai, wie in JTjiipo^og aus Jijio-qjoßog, Irjißöiei^ aus Xi^O-
/föiei^, ^akxivaos aus xakxtio-vaog, MvaaiyevtjS aus Hiraottt'
yevtjg, xtMijrvyog au» xa^o-7iiyog, ^ElötDßog aus Ceio-dt^ffos,
ox^atffvqg aus axqato-ifaviig. -x^Talttedov aus xeataio-rteäoy,
EvQtüntj aus EtQv-iü!i tj, vielleicht auch Kkvtaifi^at^ ans
Klviaio-ftr'iatQa.^) Aue der Abneigung gegen allzulange
Wörter und gegen die Häufung von Kürzen ist va woht
such zu erklären, dase bei stoffan^igenden Possessi vfaotnpo-
siten statt des Adjektiven das betreffende Nomen gefielzt
wurde, wie in zaizo-^ttpije, x«^*>'"-i"'<'*'i z<*^''*'"*f*P'-'*""'äc
(dagegen aus metrischem Zwang x'^^^^^-^'^^°S)t x^^ot-stidt-
Xog, zeiJöo-xö^'?^. %^'aö-9(iovog, x(n>a6-jiiE^ov (dagegen wieder
Xgvaean^lrj^), cfg/igö-Tiefa, OQyvcö-to^og, oQyt'Q6-fr^i.og, og-
yvQO-dii"jg, ferner in Xivo-ifwQa^, ^odo-daxrvÄos, x^x6-m-
Ttkog, lo-OTf^vos, fieXl-ytjUvs, delkö-Ttog n. a.
Piodar Ol. 5, lü noltSoxot stittt nokiSoxii zu aUf^D- Auch die 8fmr
kope von iiaigo:i-liK aus {migo-jtoXoi ist auf dtw gleiche WideratnbeR
gegen Häufung kuncr Silben lorQckcufQlirt-n.
1) Da» Wort iat nämlich mit der Phrnse tov 6' tti^eo; enltto pS-
Ooi, seine (teile blieb hiiit«-nil, in Verbindang xu liringen und bedentcti'
wörtlich 'echwcrhaftendp Worte npreihend'. Ea nteht nl^o für Aitt'tfi-
tJi^(, indem da« q nach ^i geraiJäHO wie in dor. nK&ntiir = aKijxi^a*
aiMgofaHen isL
3) Einpm Vurxii-'bt aaf i-'ini- ErkUrang kummt tn gleich. ««■■
Saveliberg KZ. 21. 200 du ai von Klvtaipv^aj^a «li VorläDgefODg
TermittelBt ( auagibt.
Christ: AbhängigkeüskomposUa des Griechischen, 183
C. Accent der Komposita.
Id Bezug auf den Accent der Komposita herrscht eine
■erkwQrdige Uebereinstimmung zwischen den ältesten Glie-
dern unseres Sprachstanmies, dem Griechischen und Sanskrit.
Nor hat das Griechische hier wie im Vokalismus die Gesetze
schärfer ausgeprägt und konsequenter durchgeführt, ^) wie
ach dieses namentlich bezüglich der Komposita mit dem an
(vivaÜTum zeigt. Die ganze Frage der Accentuation haben
Tom sprachvergleichenden Standpunkt aus Aufrecht, De
iccentn compositorum sanscriticorum, Bonn 1847, Schröder,
Die formelle Unterscheidung der Redeteile, Leipz. 1874, Die
iccentgesetze der homerischen Nominalkomposita, KZ. 24,
101 ff., Garbe, Das Accentuationssystem des altindischen
Kominalkompositums, KZ. 23, 470 ff., und Knauer, Die
Betonung der Komposita mit a privativum im Sanskrit, KZ.
27, 1 ff,, einer sehr eingehenden Untersuchung unterzogen.*)
Wenn ich kurz auf die Hauptsätze zurückkomme, so er-
fordert dieses schon der Plan dieser Abhandlung; ich habe
iber dabei auch die Genugthuung, dass die Regeln sich
nach der von mir oben aufgestellten Einteilung der Kom-
posita viel einfacher geben lassen und somit zum Beweise
dienen , dass ich mich mit meinem Versuch einer neuen
Klassifikation in dem richtigen Fahrwasser befand. Die
Hanptregeln sind:
a) Die determinativen und possessiven Komposita, mit
einer einzigen unter d zu erwähnenden Ausnahme, ziehen
den Accent möglichst weit zurück, accentuieren also a^-ßqo-
1) Ob das Schwanken oder die Konsequenz das ältere und ur-
ipHInglicfaere sei, ist freilich schwer zu entscheiden; in der Regel
pflegt allerdings erat das entwickeltere und demnach jüngere Sprach-
gefühl die Regel konsequent durch zufuhren.
3) Eine Special Untersuchung des Accentes der griech. Komposita
Termissen wir noch.
]
184 Sitzung der phäos.'phüol Clcuse vom 1. Februar 1890.
Tog, aQi-yvwTog, t^oxogy irti-aiiOTrog, ev'ßov^g, iexa-fi
ßaQV'OTOvog, o/iO'TrTeQog, fiehxy^x^Xog , nav-drcaXogj l
ddaeia, of4q>''T^QiOTog^ dioo-dorog, öovqi-yLTriTog}) Die AI
war dabei wohl das determinative Element als das ansi
nende durch die Betonung hervorzuheben, oder doch
Accent demselben möglichst nahe zu rücken.
b) In den rektiven Kompositen hat das regierende
ment oder das transitive Verbale, wenn es an zweiter i
steht, den Accent wie in GtdrjgO'ßQiig, ßov-jcki^^, atQat^
naid-ayioyog, ineO'ßoXog, dyQo^vofiog, firjXo'ßozrfi, OfM
ÖBTTiQy iTTTv^rjXdTrjgy iTtrro-KOQvaTi^g, jtaTQO-qyovBvg, tjvi-c
Ueber die Silbe, welche den Ton erhielt, und über die
nahmen von der Regel werde ich das Nähere unten angt
Hier sei nur gleich im voraus bemerkt, dass, wenn
Grammatiker ßowrcig, ylavxiüTCig etc. statt ßocunig^ y
Monig etc. betonten, dieses nur beweist, dass sie in
zweiten Teile dieser Wörter ein Verbale, nicht das Nc
wnig^ Auge, suchten, eine Auffassung, die sich auch c
ausspricht, dass sie zu dem Femininum Y.vv(jj7tLg ein Ma
linum nLVvüna (statt des richtigen %vvw7Xi) v^ 159 in
Text brachten.*) Durch die bezeichnete Betonung s
aber offenbar das regierende Element als das hauptsächlic
vor dem regierten hervorgehoben werden.
c) • Steht in dem rektiven Kompositum der regier«
Teil an erster Stelle, so wird der Accent möglichst
1) Eine Audnahme machen nach der Lehre der alten Gran
tiker (s. Herodian II, 146 ed. Lentz), von der es zweifelhaft ist,
sie auf alter üeberlieferung beruht, die Komposita mit xXvxog,
ravoi-xXvTog, dya-xXvtog. Auch sonst folgt einige Mal das mit ei
Part. prät. pass. gebildete Kompositum der Accentuation des Simj
wie xaxa^vTjxogf arfitpegrög, was sich aus der Trennbarkeit (Tm«
der Präposition von ihrem Verbum unschwer erklärt.
2) Falsche Betonung der Grammatiker ist noXvxXrjTöi statt ^
xXtfiöi, worüber Schröder, KZ. 24, 106 f.
Chrigt: Äbhängigkeitskomiwsita dts Chriechischen. 185
mrückgezogen, wie in liyi-hxogy q>EQe'7iovogj fAiaO'tvQavvogy
A^^xaxogy ^vO'avÖQog, Ob dabei die Analogie der ver-
vindten Possessivkomposifca oder das Bestreben den Accent
Döglichst nahe dem regierenden Element zu rUcken, mass-
gebend war, wage ich nicht zu entscheiden.
d) Die Komposita auf j}^, eog haben, wie die entspre-
chendeD auf as im Sanskrit, den Accent auf der Endung,
wie io-eidij5, ei-yevrfiy fisya-oi^evrig, evQV'xlerjg, Eine Aus-
nahme machen die Eigennamen, wie Evfiivrig, 'loo^KQQTfjg,
/loit-ycfXfy^, ^) da im Griechischen nach einer allgemeinen
B«gel die Eigennamen durch den Accent von den gleich-
lautenden Adjektiven unterschieden wurden. Wahrscheinlich
sog wohl hier schon in alter Zeit der nachgesetzte persön-
liche Artikel, der in der Noniinativendung g liegt, den Accent
Mif die Endung, während derselbe in den neutralen und ab-
strakten Nomina fiivog skt. mänas, ulifog skt. grävas^ vi-
fog skt. ndbhas, von der Endung auf den Stamm sich zu-
rückgezogen hatte. Selbstverständlich war aber dieses nicht
bloss in den zusammengesetzten, sondern auch in den ein-
gehen Nomina der Fall, so da^ man im Griechischen das
Neutrum ipevdog von dem Maskulinum ipevdrtg geradeso wie
im Sanskrit das Nomen actionis tdras^ Energie, von dem
Nomen agentis taräs^ energisch, durch den Accent unter-
schied. Früher dachte ich auch an eine Einwirkung der
Verwandtschaft vieler Komposita auf r^g mit dem auf der
Endung betonten Participium aor. pass. , wie von nQO-
forr^g mit fiQoqioveigy daq^xkr^g mit aq^aleig, nQOJZO-naytlg
mit rrayeig^ yvvai-fAowi^g mit fiaveig^ &€0-q)ilrig mit q>iXr]x)^Big,
Da aber die Oxytonierung der Komposita auf t^g (5s) schon im
Sanskrit vorkommt, so kann dieselbe durch speciell griech-
1) Ausnahmsweise^ wahrscheinlich in Folge raissverständlicher
EtTTDologie, betonten die Grammatiker auch ovoavofxrixrjg, oihrjg,
lujaxriTti^.
186 Sitzung der phüosrphüol. Classe vom 1. Februar 1890,
ische Bildungen, wie eine der Aorist pass. ist, nicht hei
gerufen worden sein. Wohl aber mag diese Verwandtsc
die in der vorattischen und vorsimonideischen Zeit, wo
Big und j;^ mit denselben Zeichen E2 ausdrückte, :
grösser war, ^) Ursache gewesen sein, dass im Griechia
so viele Komposita auf i;^ direkt von den Verbalwui
ohne ein dazwischen liegendes Nomen auf og gebildet wui
V.
Die Arten der verbalen Abhängigkeitskomposit
Die verbalen Abhängigkeitskomposita sollten nach mei
ursprünglichen Plan den einzigen Gegenstand dieser Abh
lung bilden. Durch die Umgestaltungen, welche ich
Abhandlung allmählich in Folge wiederholter Umarbeii
gab, ist bereits eine Reihe von Punkten, welche zur L
von den verbalen Abhängigkeitskompositen gehören, in
vorausgehenden Kapiteln im Zusammenhang mit and
Erscheinungen erledigt worden. Vor allem haben wir
Vorausgehenden schon den Begriff verbal und abhängig <
rektiv festgestellt, so dass wir hier nicht mehr von ne
zu sagen brauchen, was wir unter verbalen Abhängigk«
kompositen verstehen. Sodann ist die Bildungs weise
1) Auf der Tafel von Heraklea 1. 56 steht geradezu geschri«
KATAAYMAKÜSHS. Das hatte aber gewiss seinen tieferen Gl
in der alten Aussprache des später ei geschriebenen Lautes, über
Gu. Meyer. Gr. Gramm. ^ § 113, bemerkt: ,« scheint in seiner i
spräche zunächst mit e zusammengefallen zu sein, zu dessen or
graphischem Ausdruck es vielfach verwendet wurde**. In unai
flomertexten stehen freilich die wenigen Participia aor. pass und
Partie, präs. von Verbis auf rji^u mit et geschrieben: aber das bew
nichts für die ältere Aussprache und selbst nichts für die alte
Homertexte vor den Perserkriegen. Beachtenswert ist auch, d
Alkman fr. 27 nach dorischer oder äolischer Mundart JJaatxdQrja sf
wofür man in gewöhnlicher Sprache IlaaixaQsia erwarten würde.
Christ: Ahhängigkeitakomposita des Oriechi sehen. 187
lerbalen Abhängigkeitskomposita in Bezug auf Endung,
lommissar der beiden Teile, Accent bereits im 4. Kapitel
iwammen mit derjenigen der übrigen Komposita behandelt
vorden. Endlich haben wir auch schon die für diese Klasse
TOD Zusammensetzungen aus der vorhellenischen Entwicklungs-
mi ererbten Prototypen sowie die verschiedenen Arten der
Abbängigkeitskomposita und ihr Verhältnis zu einander
kennen gelernt. Es erübrigt uns also hier nur noch die
Znaammenstellung des statistischen Materials und die Auf-
hellmig der dunklen Fälle, die dabei in Frage kommen.
Aber auch so ist die Aufgabe noch gross und schwierig genug,
so daas wir bei den uns hier gesteckten Grenzen nicht viel
ftber die Lineamente hinauskommen und Anderen mehr als
one blosse Aehrenlese übrig lassen werden. Alle Beispiele der
einxelnen Bildungsarten haben wir nicht angeführt; das ver-
bot uns nicht bloss die Rücksicht auf den Raum, das hielten
wir auch nicht für notwendig. Dagegen haben wir überall
auf die chronologischen Verhältnisse Rücksicht genommen
ond namentlich durch den Zusatz H. die homerischen Bil-
dungen von den nachhomerischen geschieden. Keiner Ent-
schuldigung aber wird es bedürfen, wenn wir hie und da
Qber die Linie der Abhängigkeitskomposita hinausgegangen
»ind, indem wir in dem Fall, dass von einem Nomen ver-
bale aasser rektiven Kompositen auch determinative vorlagen,
auch die letzteren mitberücksichtigten, so dass wir z. B. bei
noSüog nicht bloss aUrtoXogy Ziegen besorgend, sondern auch
Qfiipi^7iology die ringsum sorgende Schaffnerin, anführten.
A. Die Abhängigkeitskomposita mit voranstehendem
Verbalbegriff.
Ich beginne mit denjenigen Abhängigkeitskorapositen,
in denen das regierende Verbalelement an erster Stelle steht,
nicht als ob ich diese für die älteren oder ursprünglicheren
hielte, sondern aus dem rein äusserlichen Grund, dass die
188 SillUHij litT philo». -jihilol. Glosse widi J. Fuhrutir 1H90.
vordere Stelle naturgemäss der binteren vorausgeht. That-
sächltcfa ist die Voranstelliirg des Verhnlel einen tes die sel-
tenere und jüngere Kouipoaitions weise. Oeuii wäiirend unter
den altererbten Zusammensetzungen sich mehrere Abliängig-
keitßkomposita mit dem Verbal begriff an zweiter Stelle finden,
gibt es kein griechisches Kompositum mit einem Verbuni üb
erster Stelle, dem ein ganz, gleichem Im Sanskrit gegeotlbw-
stUnde; überhaupt scheint iil der Komposition die Voran-
setzung des Verbaleiemcntes der ürundspracfae wenn nicht
fremd, so doch wenig geläiiüg gewesen zu sein. Das ^n»-
krit und Zend bat zwar auch Komposita mit voraiii'gehendeni
Verhum, aber dieselben siml ganz anders als im Griechisch«!
gebildet, nämlich verinittetst eines Participinras, wie skt
hharaä-väga-s, bringead Kräft'e, tarud-dvesha-s, nherwindenil
Feinde. Jtend. frathit-gaetka. fordernd die Erde. Dieselbeti
beweisen also nichts für eine altfiberkommene, dt-m Saimkrtt,
Xend und tiriechischen gemeinsame Bildimg.') Eher können
die unt^n unziit'tihrenden Sanskritkomposita mit einem Verbal-
nomen auf ti im ersten Glied f(ir die Annahme einer dem
Griechischen und i^anskrit gemeinsamen Wurzel Ti_TwemI«t
werden. Mehr Uebereinstimmung zeigt' das GnechiMclie mit
dem Deutschen und Stavi^clien. Scheinbar stimmen sogar
vollständig die deutschen Komposita Kürchte-gott, Haasa-
pflug, Schiichte-groll, Liebe-ssng, zu ilen };riechi»H^ien ^yi-
XaOii, Meyt'OTfiaTos, 'Exe-xnatijg, aber der Grad dtrr Heber*
einstimmuiig mindert sich, wenn mau die deutiicben BebpieJe
hist.orisch /.n rück verfolgt. Denn wie OstLoB, Da» Verbuni
in der V er balkom Position, nachgewiesen hat, kam dem Verhak
element jener Komposita in der älteren Sprache, dem Got-
ischen und Altdeutschen, nicht di« Dedeutung eines Iiape-
1 > Iin Griechischen könnte nur ßiir-äQ/ioir, l'iinxrr, gehend tm
Takle, ein PartidpiDoi *u eDthallen ■clieint'n; aber bei dem Mangri
jeileH Aiiulo^onH iiiuhii hier eine aailere Uerleitnniti etwH von P^tK
— /(«Ol.- ijjer vüii ji^-ias, Gelitri'. vemufljl Wfriltm.
t'hriit: Ahhänyi^Veilskompmtila des (irirehischen, iiiy
rativs. sondern eines Nomen actionis zn. Am nächsten stehen
tfaatsächtich den griechischen Beispielen die slavischen. wie
Rosli-slav, veriiiphrend den Ruhm. Vlrtdi-voj, gehietend dem
Heer, Liuhi-voj, liebend das Heer; hier treffen sogar ge-
mdezti zwei Wörter voll und ganz zusammen, nämlich gr.
0efE-xXfjg und slav. Beri-slav.
Was die Bedeutung anbelangt, ao sind alle hier ein-
schlageniiea Komposita Adjektive und haben demnach auch
am Schlüsse die Endung von Adjektiven. Keine Ausnahme
machen die zahlreichen Eigennamen. Denn diese sind be-
kanntlich alle aus ursprünglichen AdjeKtiven hervorgegangen.
Das Abhängigkeitsverhältnis i^t von Hause aus dieses, dass das
»weite Glied regelmässig ein Nomen ist und dem Sinne nach
das Objekt z» dem Verbalbegriff oder dem ersten Gliede
bildet. Demnach vertritt dasselbe in der Regel einen Ak-
kusativ, wie in 'A-^i-hxo^ = ciye oder ayuiv kaöv, atvy-
otnoQ ^= atiyei oder oivytüv orÖga, in einigen wenigen
Fällen auch einen Genetiv oder Dativ, wie in äex^-dr^ftoii =
o^e oder ägy^iuv ßilttov, fVf/c'^t-xaxog := fiiixaiße oder
iniXtiiecür xaxolg. Die letzte Art von Bildung darf nicht
allzusehr auffiillen, da im Griechischen bekanntlich auch die
einen Genetiv oder Dativ regierenden Verba ein persönliches
Passiv bitdeu. Aber richtigen Bildungen irrfcömlich nach-
gebildet fiiurl alle diejenigen, in welchen gar kein Abhängig-
keibtverhältnis vorliegt, wie fieKlö-vifiqiog , flqtuieai-Xaog.
Ihre Ziihl ist indes keine grosse, wenn sich gleich darunter
«ogar homerische Beispiele, wie eben jener Eigenname /Ipw-
taai'laog, befinden.
£ii^eteilt werden unsere Komposita vim Clenint u. a. ')
I| W. ClemiD, De compositis qnae a. vvrbi» iodiiiunl. CinM&e
1807. mit elaen< Nfichtra^ in Cart. Stod. VII 1-99; K. RdJiger,
De [iriorQUi mBnibrorum in aoininiUus graecis compositi» eoalortiin-
tione fitiAli. Uuli» 1B6(>: Gn. Mejnr, BRilra^e nur StammbildQngv-
lehre im Oriecli. u. Ut.. iii Uurt. Stua. V. 1 — 118.
190 Sitzung der phüosrphüol, Classe vom 1, Fthruar 1890.
in solche ohne a, wie OeQi-vixog, und solche mit d
^tO'ayÖQog. Aber bei dieser Einteilung fallen in die
Klasse mehrere Wörter, von denen es mindestens zwein
ist, ob sie ursprünglich der gleichen Bildungsweise ft
und die gleiche Bedeutung hatten. Ich ziehe es dabei
alle Verschiedenheiten der Endung des ersten, verbalen
mentes gesondert zu behandeln und erst in den daran
schliessenden Erläuterungen das Verhältnis derselben za
ander festzustellen.
1. Mit einem auf e ausgehenden Verbalelen
Diese Bildung ist auf wenige Verba beschränkt
blieben; ihre Triebkraft starb frühe ab, so dass die sp
Sprache es vorzog, an ihre Stelle Komposita mit €
Verbalnomen auf ai zu setzen. Wir haben es also hiei
einer sehr alten Bildung zu thun, doch lassen sich Beii
aus der vorhoraerischen oder vorhellenischen Zeit nicht
bringen.
dye-: liyi-hxoq^ aye-leir] sc. !/i%hf{ifri H., -^y€-ova§ 1
krit., yiyi'diiiog, !^yi~fAaxog, Idye-noXig^ liyi-t
Tog, Ausgehend von der Form rjyog in aiQat'
und unter Anlehnung an die Komposita mit ^j
bildete man in Attika auch ^Hyi-OTQatog, ^Hyd-fn
^Hyi'Xoxog.
aQxe-: dox^-'^ccnog^ l^Qx^-koxog, lioxe-Ttrokefiog H., li
noXig Pind., d^i-Xaog Aisch., dgxi-x^Qog Eur., c
Tvnog Sp., ^QX^'^^Qy l^QX^-veiog^ !t4Qxe~OTQ€
Staatt £ erscheint i in den nachhomerischen Wöi
d^i'xixxiüv^ y^QX^'^X^S^ ^QX^'^f^f^og, l^gxi'fixi
l^QXi'f4ßQ0T0g.
iyQB'i tyQi'fioxri sc. ^ix^ijvrj hy. Honi., eyQe-xvdoifAOg .
fAxfi- : fAxfi-xiVtuv H., eXTce'TQtßwv Kom.
h^-' h^-^^og, f;ffi-/r€t'xi;g, ex^'q>Qwv, *Ex€-7ikijg, ".
nlog, ^Exi'Vttjg^ ^Exi-niaXog H., fx^-ihj (vielle
ChriH: Ähfiän!iifikfitxknHi{>oitilii iten Grifchisckti. '91
aus ix«-iei(j) Hes., ixe-xeieio fitatt i);6-X*'e'Ot ^Z"
iyyi'tig Att., exB-i"j'S Aiscli., ^x^-orovog Theokr..
fXf'fivltog, ex^-xriavas Sp., 'Exi-äiifiog, '^xe-xpaiijs,
'fij;*-Aöe "US 'Exi-^og, 'Ext-fiß^o^toe, E%i-noXis, Bxe-
atßaTog, 'Ex^-Ttftot;, "Exe-^^S mts "Exe'-reloi; statt
'£J:e-T*iiy5, Danach auch gehildet '/ox-ayogae, 'loxi-
noXig, 'laxi-yoog.
fitVB-ätjiag, fisvb-iitoi.efiog, fJSPB-xoQfitig, Mevi-Xaog,
Mev'ohtog H., Mev-in/irj Hes., fisv-aixfiJjS Anakr.,
Mev-ähiag Theokr., Mfv-ayÖQog, MBni-diinog, Hleve-
XQau^g, Mevi-^tvug, Msvi-atQotog, Meve-iiXijg, Mtv-
lit'iog.
if^e-: 0tee-xXog H., (^f*-u«oi; Hes., yept'-^vyos Iby-,
q>egi-iiohg, ^eai-.i ovog, 0>EQi-*iKog Find., (He^e-x^d-
KjS, 0e(/e-7ivÖfjg.
Da/.u kommen noch mehrere vereinzelte und zwei fei haftu
Beispiele, zunächst aus Homer;
nr,ve-Ucig, Schützer des Volkes; vyl. skt. päna, Schutz.
2Ü6Vf-iMog, Kraftbulter des Vf.lkes, 2f^ir£-)Me H.
2ifevi-(tota, iV^e'v-jnrjros.
Meli-aydoi; H.
il^%i-HTjvog T 118 mit Variante i^Xuö-nijVog.')
In den zwei ersten der angeführten Beispiele scheint
im ersten üKetl eher ein Nunien auf ta zu stecken, so dass
also 2!teyi'Xaog für Sifeyeg-Xao^ , Herrschaft des Volkes
1) Nicht ei^Shnt habe ich Itxsxoltii, was Oathoff S. 130 Anm.
mit 'zum Lager örud Imbend', Üa. Mejer. Cart. Stud. V 109 we-
niger pa«tiend mit 'Griur hinbreitetid' erklärt. Ebenso liess idi
unerwähnt '\iif^f-x6fttj;, du der Verbal»taram ker ist. äietsm-KÜitii:
alao rUr ä-Kr^oi-Kci/i^i otiiht. wie umgekehrt d^i"^"""*' f^r ögxftix-
nur. AebnIicheH urilt von fligae-iptiriiu, [IiQec-<p6trji, Ilegoi-ipaaoa,
wo iib«r ubendreia die Änuahiue. dius im ent«ti Hlied eiin Nom^n
proprium aleckl, grfkisere Ueai'hLuDg verdient, Aueh /i^^o-ie; lies» k'h
IBtO. PI>lliM..|lI.Ual.ll.l.»l.CI. iL lij
1
192 Sitzung der phüosrphUol. Clasae vom 1. Februar 1890,
habend, stehen würde, wie sicher TlrjVB'XonBia das Net
7Cfpfeg^ das Gespinste, enthält, und lexe-noifig für kexean
Lagergras habend, steht. In dem letzten Beispiel gelx
der Variante 'i^XiT6'f4r]vog, verfehlten Monat habend,
Vorzug vor der Ableitung von dem Aorist ahtslVf i
allen echten Beispielen das Verbale transitiven Sinn hat
die Lesart rjXiTOfirjvog durch die Analogie von äfiaQtc
geschützt wird. Bei MeXiayQog ist es sehr zweifelhaft
zwischen den zwei Vokalen ein a (so Pott KZ. 6, 130
Clemm S. 9) oder ein f (so Osthoff S. 140, der skt. vt
Donnerkeil, heranzieht) ausgefallen ist.
Dazu kommen aus nachhomerischer Zeit die zum
scherzhaft von Komikern gebildeten, nirgends in die V
spräche eingedrungenen Komposita:
ile-vavg, VX-avÖQog^ ele'7CTolig Aisch.
ßl€7t€'daif40vegy wie man spottweise Sokrates Schüler gen
haben soll; vgl. Pollux 1, 21: Tnofnxdv yag to ßX
dalfLtojv.
dane-Ovfiog Simon.
XiTt'BQvrixrjg Archil.
fj£U.i'7[taQfiog Aristoph., ^eine-q^iXt] Paus., während s
f4elXo und Xi/io in der Komposition gebräuchlich i
TQBxi'ÖBurvog Plut. nach einem Komiker.
XcciQi'Hanog, eTnxaiQi'Taaxog Kom., XeiQi'dtjiLiog, XaiQS-^
Xatgi-Xeiog,
(fayi-OiOQog Komiker bei Pollux 6, 42.
liQyLB-qmvj TeXi'vmog, TeXe-dafnogy TeXi-aTQatog,
Endlich können hieher noch mehrere Komposita
zogen werden, in denen als Schluss vokal des ersten Glied«
absichtlich bei Seite, da die physiologische, übrigens schon in
Scholien zu A 250 und von Xenophon Mem. I 4, 12 gegebene
legung in W. iner, teilen, und o^, Stimme, zur Einfachheit und a
liehen Greifbarkeit homerischer Epitheta wenig pa^st.
Chrufi: Äbhängigkeitskomposita des Griechischen, 193
«der o etidiert ist, wie i^ik^ex^Q^Qi ^^^r-adcAgpog, aaiv-ovqog^
icfX-fjroi^y l^fivr-aydQog, Eid-dvefioi, *) KQiv-ayo^g, /T««^-
^fOQag^ nu&'etttiQog, nXrj^-aycQagy Tlv^-aycqagy Tiqn-av'
i^j ^aiy-aQeffi, Oaiv-iTcnog, 0eid'i7i7tog,
Was die Deutang vorstehender Komposita anbelangt, so
baben die Griechen selbst das erste Element nicht als einen
Imperativ, sondern als ein Nomen actionis aufgefasst. Das
«eht man daraus, dass sie an Stelle dieser altertümlichen
Formen, deren Triebkraft früh abstarb, solche mit -ai setzten,
wie l/iyr^i'hxog^ ^Hyrjai'hyxog^ iyeqai-fjiaxog^ MvriOL-7ix6XB'
liog^ Xat^fjoi^Xetag. Aber das beweist für die wirkliche Ety-
mdogie nichts, das bezeugt nur die Anschauung, welche die
Griechen in sfMLterer Zeit von diesen alten dunklen Bildungen
hatten. Von den neueren Forschern hat Osthoff S. 164 die
Ansicht aufgestellt, dass die Formen liyihiog^ oQx^^^^og u. ä.
108 ehemaligen Idyohxog, d^onanog entstanden seien, und
diis die homerischen Wörter qnjyojizole/dog ^ i^hiofjrjvog,
iua^a&rrjg die Ueberreste jener früheren Sprachschicht re-
prisentierten. Aber dagegen muss eingewandt werden, dass
die Komposita mit e entschieden älter und bei Homer zahl-
reicher sind als die mit o, und dass das häufige Vorkommen
des o in der Fuge der Komposition ein ursprüngliches o
eher zu erhalten als dessen Uebergang in e herbeizuführen
geeignet war. An der Ursprünglichkeit des e müssen wir
abo unbedingt festhalten, so dass wir nur darüber geteilter
Meinung sein können, ob das erste Glied unserer Komposita
ein Imperativ oder ein Verbalnomen sei. Von Nomina könnten
hier nur solche auf o oder es in Frage kommen. Aber einer-
seits hatte das s von es in Wörtern mit nachfolgendem Vokal,
wie ftepaixfitig oder ^x^yyvog, unmöglich spurlos ausfallen
können; andererseits erscheint das thematische o in der
1) (Jeber dieses attiücbe Geschlecht siehe Töpffer, At^
ä. 111.
18»
194 Sitzung der phüosrphüol. Glosse vom 1- Februar 1890.
schwachen Stufe e nur im VokaÜT, in welchem die Sei
chuug durch die Tonlosigkeit und den Mangel eines I
folgenden stützenden Konsonanten erklärt wird, und in
abgeleiteten Wörtern auf e~iog und eiu^ alt e-iw^ die da
hier ausser Betracht bleiben müssen, weil die Teile der 1
posita sich nach den primitiven, nicht den abgeleiteten
mina zu richten pflegen. Freilich ist es jetzt eine bdl
Theorie, von einem thematischen zwischen o und e scb
kenden Vokal in der Gonjugation mit Bindevokal zu i
und aus i-fAeve-g und fiivo-fiev ein altes Nomen auf
rekonstruieren. Aber so lange die Freunde dieser Th
nicht im Stande sind, ein solches Nomen auch wirklich n
zuweisen und genügende Gründe für den Wechsel der Vc
anzugeben, wird man es uns nicht verargen können, i
wir die Heranziehung dieses fingierten Nomen zur Erkläi
unserer Komposita ablehnen. Wir bekennen uns daher li
zu der alten Annahme, dass in l^yiXaog fASvedr^iog das
und fiive wirklich ein Imperativ ist und dass das Kom]
tum dem Zuruf aye laovy fjeve dr^iovg seinen Urspi
verdankt. Es gehören also unsere Komposita zu den
änderten Kompositen, in denen eine kleine Wandlung
Form und auch der Bedeutung stattgefunden hat. I^
beiden Richtungen mögen die häufigeren und älteren Possec
komposita Vorbild gewesen sein. Wichtig aber ist es, »
sich solche Komposita nur von Verben bildeten, die wie
fiivB vorzüglich beim befehlenden Ausdruck vorkommen,
dass sich dieselben fast ausschliesslich auf die Poesie und
die aus dem heroischen Epos entstandenen Eigennamen
schränkten.
2) Mit einem auf i ausgehenden Verbaleleme
Wir müssen hier billig von denjenigen Wörtern a
gehen, in denen i mit e wechselt; diese sind:
Christ: Äbhängigkeitskompoaita des Griechischen, 195
^d^i-dofMog und li^i-danog^
liyi-dafiog und l^yi-dafiog,
Xaii^'dr^fiog und XmQi-Yevrjg,
a^X8-^eai^og und aQx^'x^itJQog.
Zu beachten ist dabei, dass nach den Nachweisen von
Meisterhans. Grammatik der attischen Inschriften 2. Aufl.
§ 43, 5, die Formen mit «, wie aQxe-d'iioQogy die älteren
«od. Bei diesen Wörtern spricht also alles dafür, dass das
1 nicht ursprüngliche Endung des ersten Kompositionsteiles,
60odem bloss lautliche Vertretung des Vokales e ist. Dazu
stammt auch dieses, dass die umgekehrte Vertretung des i
durch e in d-xeQ-ae'HOfjirjg statt d-neQ-ai-xofir^g und xaUJ'
nxog statt xcdXi-yixog vorkommt.^) Nun findet sich aber
allerdings auch ein festes i in einigen Kompositen, näm-
lieb in:
la&i-xTfdi^g sc. ^aCog H., Xad^i-(pd^oyyog Hes., Xa&i-noQqiVQig
Ibyc, Xa&i'novog Soph., Xa&i-qtQoavvrj Apoll. Rhod.
xtSi-metga sc. fidxrj H., Kväl-fnaxog^ Kvdi-aO^^vaiov.
ofiagti-roog Hes. neben hom. a^a^o-c/rijg.
fldi^X^t^ H.
(mf^^fiß^otog H.
tB^i'xeQcnn^og sc. Zevg H., ursprünglich nach Gu. Meyer,
Curt. St. 7, 182 soviel als 'drehend den Blitzstrahl'.
!^lq>i-poog.
Aber so wenige Beispiele, bei denen obendrein der Ver-
dacht einer Textkorruptel nicht ausgeschlossen ist. können
unmöglich genügen, um die Annahme eines eigenen Verbal-
nomeu auf t zu rechtfertigen.*) Wir werden daher auch hier
1) Siehe Meisterhans a. 0.
2} Ein solches Nomen auf < stünde allerdings zur Verfügung;
wir haben es in Sx-i-i, xög-i-g, äyvQ-t-g, bfjQ-i^g, und skt. ag^s neben
a^-€h< = gr. al$ und cdyls*
196
Silmnff der phUof.'pkSol. CinMf t
besser thtiti, lautlichen Ueb^rgang den e in i aazuDehmeo,
welcher sich an diu Formen mit regelrechtem i. wir ^tj*-
tpoßog, dat-qt^iitv, ofyi-!tovg, KuU-i-xo/jog, vil'i-xäftjvo^ an-
lehnte. Die Analogiebildun)^ kunnte aber um so leichter
um Hich greifen, als die verbale Bedeutung in den meiat«^
jener Komposita verdunkelt war.
3) Mit einem anf a ausgehenden Verbalement.
Die spärlichen Vertreter dieser Bildung sind:
tahi - ftqyüg , taXa-Ttey&rji;, taijiv-Qivog aus ta^a-f^tvo^,
Schildträger'}, zaXa-irei^iog H.*)
JuiiardQogy Ja/titcnog, wenn anders dieaelben, wie wahrschein-
lich, aus ^aßa-avägog, Jana-innoq entHtanden sind.
Tn diesen Zusaniniensetxtingen scheint das a zum ThvuM
det^ Verbums zu gehören . geradeso wie in eiKv-if)6tDv, 'Egt'
Xaog, Ja/jva-fteveig, und ähnlich wie in den Vorbis t^-fiat,
xQf/ia-ftai, aya-fiat, itpia-fiai, iüa-flj, iiira-Tai, über deim
Bildung freilich noch keine vollgtändige Klarheit hernicbt.*)
1) Diese DeutuoR von niaveiret wtml« zuerst auF^eittellt von
[1orfmu.no. Quaest Hom. I, IST: dieselbe Imt neu«rdtiiRti wieder
bestritten Sanney. Philol. 46. 375. indem er unter BenifunK uif
li&i!gsiro( unter Wort erklärt mit 'ein Fell, dta uuRhült. haLwnO'.
Wenn nur SuhntAntiv und Adjektiv gli^ichiitfmiien und lo'.« die «n-
genommene Bedeutung hätte!
2) In taid'iperor, taXa-migtlia; iame ich, dui>'li die Unlptitinig
geleitet, lieber diu« enta Clement üb Adjektiv und lause tala aai
jalar verBtiimmelt. «ein. Auch dw pindari-idie tU^'iiof N. i, 18
wird ftir tnlnr-^iiitK Hteben moUph, obwohl l'indar die Uedeuluiiit
»einer Komtio^ita lange nicht so klar wie Hunier )(pt'iw«l hui. Hia-
gegen wird in Tl.ii-aöXtfto( und tlij-nd&tiiia da« tX^ im vt^nlra Sbn
für jaXa alehen.
S) In ah-a'Jii, dus erat bei Pindtvr Torlommt, i>t diu a am
dem EinHuK« des Aorist«« lirrA/irjr tw erklflren; In fgofim Klebt gr. «
fQr an, da die Zurückrnhrunir diexe« Vnrbum» auf W. rati, sich rruttua,
Ton llrugmann. KZ. 24 il, 6, auHser Zweifel gexetit ixt. In diMoa
Christ: Abhängigkeitskomposita des Ghriechischen, 197
AnsBerdem besteht ein offenbarer Zusammenhang dieses a
4» ersten Kompositionselementes mit dem a des zweiten
Gliedes in nohu-xlja^, ^^I/tno-dofiag, Tlovlv-dafiag u. ä.
4) Falsche Bildungen mit einem auf ea aus-
gehenden Verbalelement.
Falsche Analogiebildungen, um gleich meine Meinung
zu sagen, sind die wenigen Komposita auf ea im ersten
Glied, nämlich
ft^-caxfjg Hes. scut. 13, g>eQia'ßiog Hes. theog. 693,
hymn. Cer. 469, Emped. fr. 131 Ritt., XuiBO-dvioq
. Stesich. fr. 35. »)
Diesen Kompositen stehen nicht bloss keine ähnliche
Bildungen in anderen Sprachen zur Seite, es widerspricht
Mch die transitive Kraft des Verbalelementes derselben der
Dentralen Bedeutung der Nomina auf es. Da ausserdem nur
ginz wenige Beispiele und kein einziges homerisches vorliegt,
80 bat man es hier offenbar mit missverständlichen Analogie-
bildangen zu thun, die durch ältere, später missverstandene
Komposita, wie ogia-ßiog, o^£(7-x(^'}o^, fyx^a^^dXog veranlasst
worden.*)
ff^ ebenso wie in dofta und taXa scheint die Natur der Liquida und
Nasalis, welche den Stimmlaut zugleich vorher und nachher ertönen
Iie$i», Einfluss auf die Lautgestaltung geilbt zu haben.
1) Das aus dem homerischen Hymnus 21 , 14 angeführte (pege-
oar^ioi ist falsche Konjektur des überlieferten negsoav^iaiv. Hermann
hat dafür das richtige evav^iaiv auf Grund der Variante nag* evav-
^roiF hergestellt. Das CeoeXato^av^enmayxojrvQoyrog des Dithyrambikers
Philoxenos ist gleichfiills nur durch Konjektur gewonnen und beweist
ao^serdem nichts für die echte Sprache des Volkes.
2) So urteilt richtig Osthoff S. 196, während noch Justi S. 45
ftgeo-ßiog auf fftger-ßiag zurflckzufiihren die Kühnheit hatte. — Gar
nicht berücksichtigt habe ich im Text die von G. Curtius und Clerara,
Cort. Sind, m 192 und VII 60 vertretene Meinung, dass auch in
toAoi^Qiov, tcdcU'JicDQogf TaXai'fiirtjg ein verbales £iement stecke.
198 Sitzung der phüos.-phüol, Classe vom 1, Februar 1890.
5) Mit einem auf o endigenden Verbalelen
Die bisher betrachteten 4 Arten von Komposita ge
alle zusammen zu einer Klasse ; Ton ihnen yerschieden
diejenigen, deren erstes mit verbaler Bedeutung ausgcrfl
Glied auf o endigt. Derartige Verbalia bilden häufij
zweiten Teil der Zusammensetzung und hatten dort sei
alter Zeit ihre Stellung; als erstes Glied kommen si
Griechischen nur selten und meistens erst in verhältnisni
später Zeit vor. Vorbild aber för alle Zusammensetzu
dieser Art waren die Komposita mit q>lXog. Von d
allein finden sich schon bei Homer mehrere Beispiele^
qnlo-xTeavog y (piXoiA^Bidifi aus q^iXo-a^eidrß ^ tpii/h-^
(piXo-naiyfKoVf qitko-TtxoXB^og, q>ilo-ipevdi^gy OiXo^firjXsid
und diese allein haben in verwandten Sprachen Analoga,
skt. prija'giva-s^ liebend das Leben, prija-atithi-s, lie
den Gastfreund, slav. Ljubo-slav^ liebend den Ruhm, dei
Liub-ger, Liub-drut. Für diese gibt es aber auch eine
fache und einleuchtende Erklärung. Wie nämlich 0»
S. 159 nachgewiesen hat, waren alle diese Komposita
sprünglich Possessivkomposita und bedeutete (pih)fjifii
* liebes Lachen zeigend', qnlo-ntiavog Miebes oder tec
Eigentum habend', qpiAo-^civog ^geliebten Gast habend'. Di
possessive Verhältnis ging aber gerade bei unseren Kon
siten leicht in ein abhängiges über, so dass das Volk
Vielmehr ist hier zaXai geradeso aus raXato verkürzt, wie ngatat
HQaraio in XQatai-nedov, XQarai-jiovg, xQaxal-Xeoygf XQatal-Qivog ;
oben S 182. Wahrscheinlich ist auch fuat-ipövog und KXvrai-fAiji
aus fiiatotpovog und KXvTaio^rjavga verstQmmelt. Ganz in der ]
schwebt die Annahme von Vo^rinz, Gramm, d. hom. Dial. S. 1
der xXvrai für den Dativ eines Nomen erklärt.
1) q)iXo'(pQoavvr) gehört nicht hieher, da sich dasselbe an ^
(pQovioyv Od. jt 17 anschliesst, so dass (piXo die Bedeutung eines
jektes hat. Noch weniger kann ^iXo'Hxrixr\g hieher gezogen werc
da dasselbe 'Freunde werbend' bedeutet.
Christ: Abhänffigkeitskomposita des Chiechischen, 199
leiDem Denken dilectos bospites habeus in das einfachere
üligens hospites umsetzte und das jetzt aktiv gefasste q^ilog
mit dem Verbum q>iki(jj in Verbindung brachte. War dieser
Denkprosess einmal vollzogen, so war auch für die Bildung
ihnlicher Komposita Thür und Thor geöffnet. Bei Homer
findet sich von solchen nur qwyO'ntoXe^oq Od, ? 213, das
offenbar als Gegenstück zu dem gangbaren q^iXo-itTokefiog
gebildet ist;^) aber häufig werden diese Bildungen in der
Dachhomerischen Zeit, namentlich seit Pindar und Aischylos,
den kühnen Sprachneuerern.
Aus der grossen Zahl der Neubildungen genüge es au-
nfthren: qpa^FO-^ij^ig Ibyc. fr. 61, i&el6'7roQvog Anakr.
fr. 21, qwyO'fiaxog Simon. 106, leino-niva^ Batrach. 100,
ohfo-^erog, qfvyo-^etvog, (fy^ivo-i^aqnog, (pi^iv-oiTioqig Find.,
ii.TO-Foig, fiiaO'^eoc, otvY'OviüQj qwy-aixf^rjg Aisch.,*) fielko^
nftifog und ^eiXc-ya^og Soph., Xuro-yafjog Eur., fÄiao-nohg,
ßctlo'fiaxog Aristoph., Xino-ra^ia und Xein o-ra^ia, Xeino-
otaatiia, keijro-fta^tQiov, ksi/ro-ipvxict, piioO'XVQavvog, liiao-
ifftogj utao'hyyog, ^lao-rexvoc:, /jiao-ßoQßaQog, f^tiao-Ü^rjQog,
hüxHÖovlog Att.,^) oxeqyO'^vvevvog Lycophr., arvyo^defiviog,
1) Nicht bieher ziehe ich djtteQo-ejti^g, dfiaQTO-ejiijg, tjXirO'firjvog
(Tanante von rjXixi'fArjvog), SlaXxo-fisvtjlg. In den drei ersten Wörtern
L<t das erste Glied geradeso wie in aioXo-fiitQrjg ein Adjektiv; siehe
S. Id3. Das dunkle Epitheton der Athene dXaXxofieyrjig ward aller-
dini^ schon von Aristarch auf das Verbum dXaXxeTv zurückgeführt
und mit 'abwehrend die Krafif erklärt (s. Stephanus Byz. unter 'AXaX-
»ofieriar, einem Städtchen Böotiens), aber es ist auch nicht zu kühn,
neben Älx^ eine reduplicierte Intensivform dXaXx^ oder dXaXxog an-
lanehmen und dieses Nomen im ersten Teil dieses altertümlichen
Worte« za suchen. Von Eigennamen , die durchweg freier gebildet
i»ind, ist vielleicht noch Biijvmg II. A 92 hieher zu stellen. Die Zu-
rückf&hrung von fitay'dyxeta auf fitayo, fiiayoj ist zweifelhaft.
2) Auch ein xvQoo-xexvoiv steht in Aesch. Sieben V. 769, aber das
irt nur eine Konjektur G. Hermann's, die wenig Wahrscheinlich-
keit hat.
3) Das exa-ydr) bei Piaton, Crat. 414 b, ist nur eir
200 SUnini, der phil'if -/ihiliil. CloBai: rom 1 Febninr tS90.
aQiayo-vavxijs, Alith., la^-uv^ia, fiiao-yiivt,^, aiuto-JioXig, oCo-
aioftoq Spät..') 'yi^vvö-fiajioq, l^^ftd-^evoi, 'yiq:i o~)t^tijS, Bi-
avi'jß, Bt6-äafiog,'loxö-fittX'^i< K^ivo-ßovXog, .'Ucfo-xi^y, Mifirc-
(ioj^ut;, Mtayn-Xai;, Nf*o-5rj(iOg, OiieXi.0'X.i^iiStji:, fltiito-iaii,
tletitö-^evog, Tifio-ä^tAog. Ti/jö-i^BO^, fpatvo-yikrfi, (DoiV-iÄrtog,
0siS6-Xaos, (PeiSö-at^atos, ißeid-innog.'') Wenn nun fibri^en«
auch alle diese Bildungen erst auf ^ectiischem Boden nadi
dem Muster des ererbten ipii.o-xXitj? entstanden sind, so int
doch zu beiichtfii, dass auch in den verwandten Spracbrn
ganz ähnliche, ans deriselben Wurzel ente|irosseue Komposita
vorkommen, wie im Deutschen Bili-frid. Bilt-helm, im Sla-
vischen Bado-gast. sich freuend des Gastea, Milo-brat, aich
erbarmend des Bruders, guho-duaa, verderbend die Seele.*)
()) Mit einem auf ai endif^endeu VerbalnomflB.
Die ausgebreitetsten Wunteln acblugeii im Qricchmclwn
die schon bei Homer zahlreich vertretenen Kunipotiita itüt
einem Verbahiumen auf tri im ersten Glied ; diis s diewer
Endung ist uns i durch die assi bilierende Kraft des nach«
folgenden Volcalei^ i entstanden. Das alte t Kndet äich noch
in /iioti-ävei^a H., Kaact-ävti^a H., 'Oßii-Xoxog v. L »u
lOpot-Aozog H., ^vii-iQOiig Theokr., wahrscheinlich auch in
ÖQti-rf^iiiv H und ö^t-ineia Hes., wenn beide Wörter nicht
riiiloHophen xur Worterhläruii;;^ fingerte» Wort, dsw nicht, wie die
anderen aufKeiillilteii Wörter, dem atti)ii;hun Volke m und gerecht wuf.
1) Statt faro-^altjn, dua Oilbolf au» Alkipliron III SB unlthrt,
lii^Ht jetxt Hcroher in engeren Änsubluas an die Udbi.'rlieleriui|{ ipoi-
taAngdäjijo).
2) Nebeneinuntler kiimi-n vor ä/iagto-t.-ri^t i\„ &iia^t!-roo( Hea.,
Ih'ltö-laog Att., UcMi'ätanoa Nonn., 'Psiia-ot^atoi tind 'PtiAl-otgatrn
U. HeiHterban». Gr. d. att. lnaehr.' 90), 'Saiä-ßaxtn und '/aj|;»-^Mix«,
6eoo-jQiairtiQ and "OpoMujtw.
8) Die von Früberen hiehergeio({eaeii SamtkritkomprHiita mit
dnma, beEwingmd. and i/iuit. beaje^nd. »«nlon jolit alle im P«(Wab.
Wnrlorb. niiiltT« und richtiger gt^duutet.
Ckrigi: ÄbhängigkeitskomposUa des Chiechischen. 201
Poasesdvkompointa sind und in ihnen das aQTi aus oqtio
entstanden ist.^) Die Endung ai oder ti ist zum grössten
Teil anmittelbar an den Stamm angeschlossen; endigt der
iHstere auf einen Konsonanten, so wird mehrfach ein ver-
fflittehides e zwischen die Konsonanten zur Erleichterung
der Ansspracbe geschoben. Das Nomen auf ai findet sich
zum Teil auch in selbständigem Gebrauch, aber durchaus
mcht immer. Ich gebe nun im Folgenden eine Zusammen-
«tellang der betreffenden Komposita, indem ich diejenigen
Bildungen, von denen sich Beispiele schon bei Homer finden,
TOQ den anderen trenne, und in beiden Verzeichnissen die
echten Komposita, d. i. diejenigen, in denen der zweite Teil
diesStelle eines Akkusativobjektes einnimmt, voranstelle.
of^t-: de^i^noieg H., aeQüi-voog Ion, deQai'Xoq)og Apoll.
OWI-: deoi'q^Qiüv^ oeai-qiQoavvrj H., *!Ao~avdQog,
ihJ^-: dleii'Xaxogy aXe^-ovefiog, ^iki^-avÖQog H., dle^i-
lißqotog Pind., dXe^i-fiOQog Soph., dX€^i-q>dQf4axov
Att., ^le^i-xXrjgy liXe^'CivwQ, liXe^L-dri^og^ ^/iXi^-
mnog.
ofpuai'i yiqx^ai'hxog.
ofOi-: dqai'voog H., ^Qai'vorj^ vielleicht auch oQTi-ipQWv
H., d(^i'€neta Hes.
ßbni'i ßwti'dyeiQa H.
dttai'i Jeia^rivioq H., deiai-daifjiiüv Att.
iwoat-: iwoai-xi^unfy ivi^oai^yaiogy ivyoai-qwlkog H., ^E^voai-
dag Pind.
fQtHft-: iQVO'dQfjaTogj iqvoi^nTo'kig H., ^vai-ßcofiog Aisch.
xaOTi- von xaivWy ich übertreffe: Kaaxi'dveiqa^ Kaaa-
dvdf^ aus Kaori-avdQa H.
dxe^HJB- xofjifjg für dneQat^nofirjg H.
xrijui-: Ärija-i/TTTOg H., Krijoi-ßiog^ KTtjai'HQdirjgf Kzi^ai-
1) Ein Nomen auf u scheint auch enthalten zn sein i
ioi, Kgat-uixog, Koari-Ötjaog, und selbst in Kagri-pixog.
202 Sitzung der phüoa.'phüol. Classe vom 1. Februar 1890.
xAiJg, Ktf]ai~q)civj dor. ndo^iTtTJog, naOL'XQCt
naai'UVTTQog.
Xvai' : i.vai-fuXii]g, Ivai-^wvogy Aio-avÖQog H., Xvai-fi
fivog hy. Uom., ^vai-avacaa Hes., Xvai^novog Pi
Avxi'iqar}gj Xvai-nanogy kvat-^covog Theokr., h
TcX't^g Att.
dXeai-: oXeai-xaQnog H., oAca-rJvü/^ Theogn., oXeoi-fißgi
Orph.
OQTi" : ^Oqftl'Xoxog^ OQai-veq^g H., OQoi-KtVTiog Pind., *(J(
xQOTTjg^ "Oqo^innog.
7r€tai': Ueiai^atgaTog, neta-avögog H., netai'dixi]y Tl9i
xA^c;, Uaiai'TiXrjg.
7iXtj^I': nXrj^^in7(og H., nXri^-avQrjy in dessen zweitem I
raent das Wort ixQpo-g izi skt. arvan, * Renner, Pfi
zu stecken scheint.
TiXijai'i nXr^a'loTiog H., TrXrjai-yvax^og Kom., üXijai'Qqi
^ryfi-: ^rj^'t^vioQ H., ^^i-niXevd^og hy. Hom., ^rj^irq^Xo
Theophr., ^Tj^l-voog, ^ij^i-xy^wv Orph., kret. Bgaai-X
raijeat-: ta/Jcai-xQ^Q sc. x^^Axog H.
TSQipi'i TBQXpi'f^ßqoTog H., TBQipi'XOQog hy. Hom., Te^i
XOpry Hes.
(papeai-: rpafeai-fißQOTog H., qfaval-fAßQOTog Pind.
(pd^iai-: fpd^ta-rivcjQy q)^ial-f4ßQotog H., y)d^tai'(pQüJv Opp.
(fvat'i cpvai'^oog H., (pvai-yvai^og Batr.
Die ursprüngliche Bedeutung ist verdunkelt in:
Tawai"7tTeQog, eigentlich ^ausspannend die Flüger, dann ga
gleich Tavv'7TTeQogy breite Flügel habend, H.
7irjyeai'iJaXXog, dichtwollig, H.
eXiieai'7i€7iXog , eigentlich ^schleppend das Gewand', dai
'Schleppkleid habend*, H.
TüXaal-q^Qiov zz TaXc'-fpQcov H., tXrjai'XOQdiog =z. raXa-nca
diog H. ; hingegen ist die ursprüngliche Bedeutoz
gewahrt in zX^ai-fiox^og und taXaa-ovQyüg Att.
; Abhi'hnjigkeilxkoiiiiio/iiUi tlm fJrifcAiarftfn.
203
/t»0<-];o'iliva BC. ÜQfiaTa xata^evyvvi] attivoi; 'irrniov hei
Pindar V. 2, 11 bedeutet so viel als jrettfüjuerot ^o^iv^ü
und pusst als Hpitbet^^in zunächst zu aSivo^ \nntov.
V(in den zahlreichen Bildungen, die nur durch nach-
bomerische Beispiele belegt werden könueu, atelle ich wieder
die echten, in denen das zweite Glied die Stelle eines Ob-
jektes im Akkusativ einnimmt, voran; docli so, dass ich auf
volUtänilige Aufzählung der Beispiele verzichte; mehrere
der angeführten Beispiele sind, wie ich anmeiken werde,
auch- in die Prosa übergegangen; aber daa eigentliche feld
auch dieser Art von Komposition ist immer doch die Poesie
und die damit, zui^ammenhangeiide Xametigebung gebliehen.
l^ytjoi-laog, l^yrjoi-ittfiug, 'Uyi^o!-i.oxoii, 'Hp',a-i!i/io^ nelien
^yi-laog, ^yi-^aftot; etc.
ae^i-yviog l'ind., oeSi'-ifvUos Aisch.. rtö^i-t^otfoi; Orjili.
j^titjot-dafiog, j4tvria~liuia.
BJUKai-fißnuni^ Orph., äxeai-iiovng Nonn.
ofieQai-yafiog, dfteeai-i'uog Noiin.
äfieval-tia^S Pind., öfittilil-xßcog Hes.
ärtai-Btiyog Theokr.
ßlatl'i-^tiiy Aisch.
ßfia-ä^/tatog Res.
dafiaat-iiß^oioi;, Saft aai-<f ßiiv Pind., Ja^äa-tnnog.
dt%i-fii]iAii Eur., Jf^i-iteog, Ji^-imiog.
dtj^i'itvfioi; Aisch.
inü^-m.ioi; Pind,, iiiwSt-xilevitog Noun.
iyetfoi-^axog, fyt^i-ftoitog , fyefai-vnog Spät., g«
älterem iyijt/iäyi/.
flÄa-in.tog Pind.
fiietipi-toixos Aisch.
n-£sn'js Piiid., evfJtai-i.oyiii;, li^eai-iexvi'a f^pät.
lofiog, Zü$-ui.-iiig.
204 Sitzung der phihs.-philol. Classe vom 1, Februar 1890,
^Hai-odog,^) f^ai-entfi Et. m. 669, 7, dvTjai-dwQog Alk.
^eX^i'q>QO)v Eiir., ^ei^i-fAßQotog Nonn., d'eXyeai'fdVx^og Oi
O^QBip'ilvwQ Anth., &Qiip'i7i7iog.
KXrjO'innog, daneben naXBaai^x^Qog Orph. mit falscher D
pelung des o,
xaftiln-Ttovg Aisch., xafAipi-diavXog Telest., nafd/ieal-yi
Orph.
üXeilu-q^ojv hy. Hom., xXeiff-vdQa Akt.
xQvilfi'VOvg Att.
Ki'Xfjal'Teq'Qog sc. xovia Arist. Ran. 710 in der unkla
Bedeutung mit eingerührter Asche'.
xwXvai'eQyiio Polyb., ynokvO'QvefAog laiubl.
hj^i-aQxog Att., kr]^i'7rvQ€tog Med.
MrrjGi'jrToXefiog neben fieve-ftTokefiog^ Mv/jai-fioxog, MeVi
fiPfjai-naneio Herod., fiV1]al'/Tr^filov Aisch., Mvaai-S-eog,
ovr^ol'jioXig Sinionid., ^Ovaol-fißqoTog^ ^Ovaai-xv/rgog,
nava-avefjiog Aisch., navo^aviag Soph., ftavai-riorog Ei
Tlavö-aviag^ riavoi'fAaxog,
Ilevd^eai'leia, die das Volk in Trauer setzt.
TIoQd^eai-Xaogy vielleicht Tteqoe-7ToXig für 7i eqai-Trohg.
IlQa^i-dixTj^ riQa^i'TfXrjg, nqa^-ayoqag,
7rQoSwa-haiQog in einem alten Skolion.
Qailf'iifdog Herod. und Att. Das Wort ist fälschlich auf d
Endung betont, weil in dem zweiten Glied der Z
sammensetzung ein Verbalnomen aoidogf nicht e
1) Der Name wurde von Welcker, Hes. Theog. S. 5, im Sin
von leig wdijv gedeutet; da aber die kontrahierte Form tj^dii nac
hesiodisch ist, so milsste der Dichter, wenn in seinem Namen d
Begriff Sänger steckte, 'Haiaoidog heisi^en. Der Name hat aber g
nichts mit dem Gesang zu thun und wurde nicht erst unsere
Dichter vom Gesang gegeben; er hängt vielmehr mit der Phra
livat odov, suvscipere expeditionem, zusammen und bedeutete 'BSu
sender oder Leiter des Feldzugs*.
Chritt: ÄhhätiijigkfiUkompotitti itra Gritchischen. 20Ü
^AhkusatJT vermutet wurde; so dachte auch Pindar,
) wenn er N. II 2 das Wort mit ^aiirwr i/i:
loiäog
umsichrieb.
^iil'-otiXog Aiscb,, ^itl<-aaiiic; AriHtflph.
aenii-x!>t'>f Find., aeia-ov^a { Bat-liatelze, die Bch waii7.be we-
geiide) aeia-öy!teta Ätt.
aaaat-ptßffoio'i Hes, , aiaai-fioh^ Aristopli. , ^uai-xQoi tjg,
Suiai'-ßiog, ^wai-yirijg.
SjfBva-ifrnog, ^nevai-xqörjjs-
Stijai-xo^S, SiijOt-fiß^tOi;, 2iaa-ui'diJ0i;, ^raal-xv/igog.
TOQtt^i-xöeSiot; Aristoph.
■teXeat-ovfyöi; utntt teXeai-EQyog Plat. , lEXtai-iffituf Ainch.,
Tiai-<föv)j, Ttai-KQÖTijg, Teia-ovin^.
TQiü-anuQ S(iph., Tgvai-ßtog Aristopli.
iflu^-ä^iTig Batracli.
^fieaai-fioi'og, mit falschem Doppel-a ivgl, xaleaai-xoeog
Noun.) in einem Kpifjramm hei Kaibel epi^r- gr. 1021».
^Segai-yevils Aisch.. <f!tEqoi-fißqozug Aiith.
tptXrifji-atiffavog Arixtid.
^oßeat-ai(jOTog Aristoph.
«fw^ Aiscli-
i einem anderen Kanus Verhältnis stehen die Qliedi?r in
jfx'e/iiyf Pind.. 'y/vai-ccyoQag, ^j-ct^-ijciup.
~ fiei,tjai-ft(iifotog Find., MelfjO-ayöeaii-
ei(fxecl-fioXiiog Hes.. Wp|-(/(/rog.
^OxiiOi-aoffOii Ar. Pax. 44. xlatai-ftaxog Ar, Pax. 1292.
httfai^iioi-jnaxag Spät.. XatQuiat-Xeiog.
Ev^i-ifeog Dem., Ev^-l:tntj, Joai-i>t,og.
I^t-novg, 7Aim Schwimmon fllsse habend, Spät,
nei-laog.
ptti-itävaiog, Hüiiiaine Ata zum Selbstmord ratenden Philn-
ksophen llegesias.
206 Sitzung der phüosrphüöl. Classe vom 1, Februar 1890,
I
Als Adjektiv ist ähnlich wie in den oben S. 202 f. I
geführten Honierbeispielen das Nomen auf ai gedacht ioi
degai'jiOTrjTog^ hochfliegend, Hes. op. 777, deqai'noxrjg E
scut. 316.
iQaai'/cloxafiog Find. P. 4, 136.
xQazTjai^novg, Kgarrja-iTtTtog Pind. P. 10, 13, N. 9, 4; 1
KQoti-Xagy Kgaz-iTcnog,
äiadgaai-Tcokitai Arist. Ran. 1014.
Xeixp-vÖQiov Herod.
Kaoai-eTveia oder Kaoai-oiieiay nXyai-fdaxog, Nixrjal-Jioi
Von da verirrte sich die Sprache dahin, das erste Gl
auf ao statt auf ai enden zu lassen, in
fii^O'ßoag, lai^O'd^QOog Aisch., fjn^o-ßdqßagog^ fii^o-fiaQx^&i
fjn^O'XväiOTi Prosa.
OQOO'TQialvrjg Pind., wobei die Verwechselung von ogao x
OQd^o mitspielte.
OTQexpO'diTLiu) Aristoph.
iXi^o-yLtQwg Anth.
Xenpo-aekrjvov, XEiipo-b^qi^ Spät.
QiilfO'nivdvvog Spät.
aeiaO'7fvyig Spät.
Unter der irrtümlichen Voraussetzung, dass in dem
die Endung des Dat. plur. 3. Dekl. enthalten sei, sind g
bildet:
dkyeoi-dwQog Opp., dlyeai-dvfÄog Orph.
dvd^Eal'XQiog Matron bei Athen. 135 e.
Unter dem Einfluss der Komposita mit einem Verba
auf t scheint ae an die Stelle von oi getreten zu sein
dxegae-xofÄrjg H. und negoi^fnoXig Aisch. Statt dxegoexofii
steht geradezu oxeigeytofArjg in einem Päan CIA. 111 n. 171,
Missverständlich auch hat Euripides Uerakl. 899 zeXtaai m
einem Nomen agentis verbunden in Moiga zeleaaidoTeiQi
Chrigt: AbhängigkeüskomposUa des Griechischen. 207
Was die Herleitung und Bedeutung unserer Komposita
anbelangt, so lässt die Mehrzahl derselben keinen Zweifel
(brfiber, dass die Griechen das erste Glied in dem Sinne
eines Partie, act. fassten.^) Und da das charakteristische s
desselben im sigmatischen Aorist wiederkehrte, so haben sie
dasselbe geradezu aus dem ersten Aorist entstanden sein lassen
and demnach ^vrjaixo^og nicht ^täaiyoQog^ q>d^iaifißQOTog
nicht q^aiiißqotog gebildet. Aber diese Herleitung ist un-
bedingt falsch, wie am deutlichsten daraus hervorgeht, dass
silU des s in den ältesten Beispielen, wie ßutiaveiQat Kaati-
oruQa, ein t erscheint. Es ist also das erste Glied unserer
Komposita mit den Nomina abstr. auf ai-g, deren ursprüng-
Kche Endung %ig sich in einigen alten Wörtern, wie f^f^T^g^
foug, erhalten hat, zu identifizieren. Demnach musH eine
Bedeutungsauderung in der Zusammensetzung angenommen
Verden, so dass aus ^Einspannung der Pferde' 'Einspänner
der Pferde' geworden ist. Zur Begründung dieses Bedeutungs-
fiberganges kann man auf die Phrasen Tg TrjXefioxoiOy ßia
VgaxJiehj^ den Namen ^xeaig des Heilgottes Asklepios in
CIA III n. 171, die Bezeichnung des Gewinnsüchtigen mit
xi^dog bei Pindar P. I 92 u. II 78 u. ä. verweisen. Wich-
tiger ist, dass auch einige selbständige Nomina auf tig aktive
Bedeutung haben, wie fiavTig Seher, vrioTig Nichtesser,
fio^iTig Räuber, 2ivTig Schädiger und ähnlich skt. saptis
Renner, aratis Ordner, dhüiis Erschütterer, lat. fortis, testis^
hostis. Aber ee ist gar nicht notwendig, zu diesen vereinzelten
Fallen aktiver Bedeutung seine Zuflucht zu nehmen; näher
hegt es, unsere Komposita im Sinne von Possessiven zu
£aaBen, so dass Zev^innog ^Einspannung der Pferde verrich-
tend' bedeutet.
Die Bildung von yiyrjai'hxog^ Mvtiai'7iT6XefÄog, iye^i-
fioxog haben wir für jünger ausgegeben als die von ^yi"
1) Sophokles Oed. T. 817 umschreibt Xvaitelrje mit tiUi iUt
ISfOl PkUüflL-pUloL Q. bki. Cl. 2. U
208 Sitzung der phüosrphüöl. Claaae vom 1. Februar 1890.
kaog, fievB-TtzolefÄog, iyQB'fioxrif wobei wir uns auf die
stützten, in der die Wörter der einen und der anderen
thatsächlich vorkommen. Man möchte demnach die B
posita mit ai überhaupt für jüngere, speciell griechi
Sprachschöpfungen halten. Dem steht aber entgegen,
sich auch im Sanskrit einige wenige, ganz ähnlich gebil
Komposita finden, nämlich dati^ära^ Geber von Ghl
ranti-^evay Erfreuer der Götter, rlti-hötroy Beiwort des i
oder Feuers 'Verzehrer des Opfers*, vttj-ap, Beiwort des
runa, ^Strömung von Wasser habend'. Dazu kommt aus
Lateinischen, wenn wir auch in versi'Colar^ fiexi-pes u
ein Partie, pass. finden wollen, das sichere Beispiel U
pellium. Es ist daher wahrscheinlich, dass das Griechia
wenn es auch erst später Komposita der bezeichneten
häufig bildete, doch Vorbilder derselben schon aus der Gm
spräche mit herübergenommen hat.
B. Abhängigkeitskomposita mit dem Verbalbegi
an zweiter Stelle.
Die Stellung des Verbalbegriflfes an zweiter Stelle
wie schon oben bemerkt, die ältere und verbreitetere in (
Kompositen der arischen Sprache. Im Griechischen erw
sie sich als fester eingebürgert auch dadurch, dass viele
betreffenden Komposita der Volkssprache angehören und s
nicht bloss bei Dichtem, sondern auch in der Prosa find
In dieser Art von Kompositen wurden auch seit alters die Unt
schiede des passiven, aktiven und neutralen Verhältnisses dui
besondere Formen ausgedrückt. Zur Bezeichnung des passii
Verhältnisses diente das Partie, prät. pass., wie in a-yyaw
zz: skt. a-gnätas, lat. ignotuSt ofi'ßQorog zz: skt. a-mfia
^HgO'doTog, skt. agni-dattaSy von Agni gegeben, zer
ahura-däta^ von Ahura gegeben.*) Neutrale oder auch pi
1) Nach dem Muster von dgr^ifpazo^ ist gebildet dQtfixxdfun
Ührtsl: Ahkfingidki-Alskomii'mln rlf.t Oricehixchen, 20!i
sivB BedeutuDg haben die Komposil» auf ijg, sog, deren
zweit,<s Element ursprünglich ein Nomen abstr. neutr. auf
og gen. eog, alt esos. war, im (iriechiHchen aber geradezu
die Bedeutung eines medialen oder passiven Particips annahm,
wie in 6iif^ot :i gwcon ayiig veoTet'x*«^ R- ^ ^^^^ äioige-
tpiss ßaaik^es H. B 445, .learjfiaia doQinetfj vekqwv Eur.
Andr. 652. S^BOtfilijs eoQtä Arist. Hau. 443, mgati öfifiato-
ate^i Soph. Oed. C, 12(30, Auch hier finden sich im Sans-
hrit Qod Lateinischen ganz ähnlich gebildete Komposita, wie
skt. stt-nianäs, gute Gesinnung habend, lat. di^-ifener; aber
üb aach dort in gleichem Masse die ursprfinglicbe Bedeuttnig
einee Nomen zurfickgetreten und der eines neutralem Parti-
dpiums gewichen sei, vermag ich nicht anzugeben. ') Zum
Ansdruck des aktiven oder transitiven Verhältnissen, das uns
hier allein angeht, wurden mehrere Endungen, die wir nach-
einander betrachten wollen , verwendet. Dieselben waren
aber nicht so ausschliesslich zum Ausdruck der aktiven und
transitiven Beziehung bestimmt, dass nicht mittelst derselben
auch neutrale Verhältnisse, wenn das Verbum neutrale Be-
deutung hatte, und seibat mitunter passive ausgedrückt werden
konnten. Wir werden desshalb auch diese auf den folgenden
Blättern mit in Betracht ziehen, indem wir gleich hier noch
bemerken, dass die aktive und passive Bedeutung in der
Regel durch den Accent in der Art unterschieden wurde.
X 72 and SaiHt&iieroi 4> 146 titid 301, wae man besser in zwei
Wörter «ohraibt; natli deo homerischen Mniilcrn int Otoxl^ficvoi in
Euripitlea Hi^l^na nebildet. HerkwUrditter Weise indes «ind die
Komposita mit eineui Partie prilt. paas. bei Homer seilen: uuaaer
dnn Eigennamen und dem dimklen ^iaipatot kommen nur ai'ro-
HiaitttK X 347, alfio-tp6ßnKtoi v 348, tfc<l-Vl">« ** Sli*. Arflyö-xfitiioi
A 871 vor.
1) Im OriechiÄchen Ward die AendenuiK der BedentuiiK 'te-
Iftliutigt UuTüh den Anklang der Endung 'i« der KomiMsitii HD die
Kadung tli d« l'url. wir. pam.; aiehe oben S. lö«.
210 Sitiunff der philos.-philol. Classe mm i. ytbriiar MH).
dass die aJitiven Komposita den Accent auf dem Verbale
hatieu, die passiven deoselbeo möglichst weit KUrUckzugeii.'t
Er ist aber die Betrachtunj^ der in der Konipositiou ver-
wendeten Verbalnumiua doppelt dadurch iDtereä.-jaut , daas
aich in der Komposition viele Formen dt^r Nominal bildui ig
erhalten haben, die sich im einfachen Nomen entweder gar
nicht Enden oder nur sehr spärlich vertreten sind, so daa»
wir durch sie unwillkürlich bis tief in die Oeheimniiise du'
ersten Wortbildimg hineingeführt werden. Indem wir uns
also zur Durchmusterung der einzehieu Endungen und Bei-
spiele wenden, gehen wir von den einfachen zu lien kompli-
zierteren und von den primären zu den sekundären Über.
1) Mit einem auf t endigenden Verbalelement.
ö-ßi.'^t*) sc. o'iöios akt. H.; ini-ßh\t ^ ü i^ ^tpy int-
ßaiXöftivo^ fiöxkog H.
aiäij^-ßQiüt sc. t^tjyövtj; ßagv-ßQfät, tifto-ß^ait akt, H.
ä-yviüt pBsa. Od. e 79 ov yof t' öyvüneg ^eoi öiXt\hnai rti-
kovjai, akt. Find. K 9, 58, Is. 1, 12 ii. 30. Soph.
0. T. 677, pass. Soph. Ant. 1001. Phil. 1008; op-
yvwt pass. Pind. N. 5, 12.
ii-dfii^i SP. rin^S^vog oder ^fiiovog pass. H.
ärdgo-Uyt',i iieutr. Aisch. Ag. 805; Xtfio-ltrr^j neutr. Aimsb.
Ag. 127-t: ^|Ut-*"!« neutr. Ar. Nub. 504. Thuc.
II, 52.
ii-7ifi7,t pass. H., avdjo-x^iji sc. nfkexvi; akt. Aisch. Oho. 888,
dnpi-x^T^c paas.
tv-xnät HC. t)iJo»^' paat. Kur.
ä-nriüt sc. dolos neutr. Find. Ol. 9, 91.
1) Siehe oben 8. 18Sf., unü Knntoi, 'A»^vd I 1I88S)
2) Ich «ette hivr Jar Tlieiua «tiLtt de« NomiiifttiT«! bpr,
im leUtei-eD die Natur de« iweilen Üliedv« der bot.retfenden Knii
iit« rerdunkult i>t.
[
Ckri^: Abhängigkeüskomposita des Griechischen. 211
Weitergebildet von Formen auf t scheinen diejenigen
Komposita auf %og zu sein, welche durch ihre aktive Be-
deutung aus der Reihe der übrigen Verbalnomina auf to<;
heraustreten, wie ßov-Xvrog H., d(Jt;vij-9aT0g H., iTtno-ßorog
H», aiyi'ßoTog H., nokv^Tkfjtog H. In selbständiger Stellung
gibt es nur wenige Nomina auf t, nämlich &r]T, x^ccir, dcir,
fWT, TTiloir, vielleicht auch xilrir.
Die Anfügung von t an den Verbalstamm zur Bildung
eineB zumeist in der Komposition vorkommenden Nomen
igentis ist uralt ^) und wird insbesondere von dem Griechi-
schen mit dem Sanskrit und dem Lateinischen geteilt; man
vergleiche skt. dhana-gi-i, Reichtum ersiegend, dharma-
ir4^ Pflicht thuend, bhära-br-i^ Last tragend, div-i-t, zum
Himmel gehend, zend. draotö-stat^ in Flüssen befindlich, lat.
btfii-ple-/, sacer-diht, equ-i-t^ com-i-t^ tram-i-t^ anti-ste-t^
indirge^t. Das zur Nominal bildung verwendete t ist wohl
dasselbe, welches zur Bildung der 3. Pers. act. verwendet
wird. Sieht man auf Form und Bedeutung, so könnte man
das Thema jener Nomina geradezu als die schwache Form
der Part. act. bezeichnen. Die nach der allgemeinen Regel
zo erwartende Unterscheidung der aktiven und passiven Be-
deutung durch den Accent ist im Griechischen hier ebenso
w^g wie in der folgenden Nummer (2 a u. b) konsequent
durchgeführt; das erklärt sich daraus, dass die Grammatiker
bei diesen später zum grossen Teil verschollenen Wörtern
nicht auf die Aussprache des Volkes zurückgehen konnten,
so da5« z. B. die einen ;f€p-vt/?a, die anderen xBQvi^ßa be-
tonten (s. Ath. p. 409).
2) Mit eiuem die Kasussuffixe direkt an den
Stamm anfügenden Verbale.
a) An einen konsonantisch auslautenden Stamm:
rroit'-aix akt. H. ; xoQv&-aix akt. H. ; xqiX'Ohy, pass. H.
1) Bragmann, Grundriss d. vergl. Gramm. II 865 ff.
]
212 Sitzung der fhüos.-phüoL, Glosse vom 1. Februar 1890,
ödfu-aQ gen. dafi-aor^og H. ; das Wort bedeutete urepii
lieh nach W. Schulzens scharfsinniger Zerlegung
28, 281 'Hausordner*.
ifwX'CtQiray akt. Batr.
7iaQa'ßkaJn akt. H.
dfiq)i'iliaaa sc. vavg neutr. H., Femininum zu vorauszuset
dem QfÄq)i'€lix,
ve-riXvd neutr. H.; eTt'ijkvö neutr. Her.; es sollte eigen!
vetjlvx^f inrjkvd^ geschrieben sein; im neuen Testaa
act. apost. 2, 10 steht nQoarXvzoi mit dem oben S.
schon berührten Uebergang in die o-Dekl.
a-£i;y, veo-^vy, bixo-l^vyy av-J^vy pass. ; vgl. lat. con-^ug^
sa-jug^ zusammengebunden.
veO'd^rjyi oidt^Q(if Anth. 7, 184.
vf^'fid, unwissend, H. ; vgl. skt. vigva-vid^ alles wissend |
auch "Aig^ u^idog hieher gehört, ist problematisch.
ßoo-xke/c Soph., TVQO'xlßTi; akt. Arcad. 94.
xiq-viß^ handwaschendes Becken, H.
olv-o/r, wie Wein schauend, fiijA-o;r, rp^^on, H., ^ioA•
JqV'Otv^ XaQ'O/i,
öi'ÜQvy pass. Att.
d/tO'QQwy sc. axTfj pass. H.
ß(w-7vXrly akt. H.; rraQa'nXijy pass. H. ; olazQO-jtXi^y p
Aisch. Soph. ; Qfiq)i'7i:Xriy akt. 8oph. ; fAsd^v^jcXi^y p
Kallim. fr. 223.
di'TcXax sc. nirtXog pass. H.
dno^Gtpay pass. Nicand. Ther. 521.
olxO'TQiß akt. Aristoph. Thesm. 42(5, ebenso 7caid'0'r{
nOQVO^TQlß.
KvafiO'ZQwy akt. Arist. Equ. 41, IhßXaxO'TQwy Hesych.
olv6'q)Xvy pass. Att.
Ttqoo-qrvy neutr. Spät.
Vielleicht gehören hierher auch die nicht sicher
fThrwt: Alihämjigteitalttmpogita rf« GrUrhinchtn. 213
•a Wörter KaiMlfoi}' ond alyüjtl'. In sellwititndigeni
ih Hnilct loch nta-i sc. /«ywög IL X310, tfiilai ».%.
Lach dtRse Büduiigitart vou Verbalnotuina in <)«r Kum-
jiAhan ist uralt und <1biii ti nee bischen mit dem ^Himkrit und
UleinW-hen gemeinsara. Den bereite oben ku einzelnen
Wnrtani vt^lirhvnt^n Kompositen verwandter Sprachen fQge
ch oneh binui: g,Ui. p6-vitl, KtUie spendend, pflati-ag. Feinde
treibend. iMino-tft/A, Verebrang mehrend, daajwkan, Feinde
k'4«nil, lut. t'tit^iV, iu-dic, arti-fec. rm\-eg. Die Genetiv-
litnu döftagio^ tind ßtWe^-q^wwoj; von dä^aff und BeUc^o-
fiir legt die Verrentung nahe, dass diese Wörter, und viel-
töclit Auch die andi^rttn, ehedem ebeneo wie die unter N. I
Wtncfatck'n »nf t aiMgingen, nnd dass diese» t nur /,iir Vei-
Mdaog ron Konw>nBntenhäut'ung /.nerst im Nominativ und
«bau Mich in den anderen Kaaus abgeworfen uiirde.
b) An einen vokalisch aiifllautenden Atauim:
HJldongen diflser Art sind im Griechischen trahzeitig
verdankvit worden : aber im redischen Sannkrit finden flii^li
lalilrrich''. leicht erki.'nnbiu'e Komposita mit da, geben, dhä,
Mtaeo, sthä, «tpben, pä. schüt^.en. pu, trinken, prä, füllen,
■i, auM>en, bhü, werden, gav, erzeugen, in der Art geliüdet,
dMF HB den meiab-u» verkürzten anslaiitenden Vokal des
Stunmea dn s im Nominativ angefflgt ist, wie gö-pä-s, Kühe
beMhOtxend, carshantprä-s. Men)<chen füllend, purvineshthä-s,
im Osten t>t4rh»d, iam-bhu-s, mm Heile werdend. Auch
i»» Lnteinische hat ganz uhnlich gebildete, nur nicht gleich
lacht »rkfnnbnrp Kompositji, nämlich firo-hu-s = skt. pra-
M«*«, voran seiend, ferner /^hlreiche Adjektiva auf du-s wie
^«lO-dw-Ji. con-du-s, limi-du-a. '■) Daniicb lä»rt sich ver-
ancb im Griechischen eine vokalisch auslautende
ihaften ä findet nvh. wii- obm b
wi) t«iU in ciDKeliiHn Kosiih. teils diirohweg f
KompiMilfD die Küdiuig ä-» in u-n Ubitrgeffi
]
214 Sitzung der philosrphüol, Ciaast vom 1, Fehmar 1890,
.Verbalwurzel steckt, nicht bloss in fi-x^og = akt. sva
got. Ätdu/) sondern auch in /rA^-^og, y^-^og, fii$
OTti-^og, ax'^og^ i"o;f-^o-g, dya^^o-g^ femer in ngda!*
kret. TTQeUyvg^ ebenso in C«-^?» äXi-ai^g, ax^cnj^, vire^
aQte-ui^g, oxQi-ßrg, ^«o-J^tjg, und dass nur in Folgf
Anziehungskraft der Neutra auf og, eog und der Adj^
auf rjg, eog die meisten der betreffenden Komposita am
1. oder 2. Deklination in die 3. übergetreten sind.^) i
Es durften aber alle Komposita dieser Art auf di
folgenden Paragraphen zu besprechenden Komposita au)
skt. a*K zurückzuführen sein, indem auf ganz regal
Wege das dä-s? sth3-s, pa-s des zweiten Gliedes aus urspn
lichem dä-as, stha-as, pa-as entstanden sein kann; im S
krit kommen auch einzelne Simplicia der Art vor, wie i
Geber, sthä-s^ stehend.
Mit den erwähnten zusammengesetzten Nomina häi
offenbar auch die mit einem Hilfsverbum (dha, ag, pS,
i) gebildeten Verba zusammen, wie yry-v^fw, nQi^^&Wy ia
d^io^ ia-^iio, aX'd^aivio, xiAr^-yw^ TQio^yio^ äya-rrc(o, ^oiU
feX-Tiiü, yi-yviü-axio, tq-xoiiai aus SQ^axofiai^ id-iw,
iofjiaiy denen die ganz ähnlichen, aber weit zahlreich«
lateinischen Bildungen auf do, go, sco, eo, wie cre-do^
do, ven-dOj venum-do^ pessum-do, gau-deo^ iur-go, narro
gnar-igo, pur-go^^) co-gno-sco, per-eo, ven-eOy stützend
erläuternd zur Seite stehen.
1) Siehe oben S. 158.
2) Vielleicht ist auch Bogia^ in Bog-efag, stark wehend,
zerlegen und bedeutete ursprünglich ATyia&og, bei den <"Teis8en stehi
auch int vielleicht fisxavdoitjg nicht in fiera'vdö'Ttfg, sondern in ,
ara-oTi^'g zu zerlegen. Von einfachen Wörtern gehören hieher: lat.
speSj faSj skt. hhän^ n. Licht, und vielleicht auch gr. q>o}g, q>a
Scog, do)T6g, indem sich das Nebeneinander von s im Nominativ ui
im Genetiv dem gleichen Uebergang in yeyovog, yfyoyfJro^ verglei
3) Ebendahin gehört auch das Nomen tentigo, was aus te
und ago zusammengesetzt ist.
Christ: Äbhängigkeüskomposüa des Griechischen, 215
3) Mit einem auf o-s ausgehenden Verbale.
Die zahlreichst vertretene und am meisten in die Volks-
sprache eingedrungene Klasse der Verbalkomposita hat zum
iweiten Glied ein auf o-s ausgehendes Verbalnomen, das zum
grossen Teil auch für sich vorkommt, aber dann in Bezug
auf Bedeutung und Äccent vielfach abweicht.
In der Komposition hat dieses Verbalnomen meistens
aktive oder transitive Bedeutung;^) jedoch wird ein solches
auch von neutralen Verben gebildet und hat dann selbst-
verständlich gleichfalls neutrale Bedeutung, wie -yovog, -d^o-
(Aog^ -^oog. Selten ist die passive Bedeutung, die sich aus
der neutralen und reflexiven entwickelt zu haben scheint.
Bezüglich der Form ist zu bemerken, dass der Stammvokal
regelmässig in der gesteigerten Stufe o, gegenüber schwachem
€, steht, und dieses in der Komposition sowohl wie im selbst-
ständigen Gebrauch ; man bildete also loyog von XiyiOy doxog
Ton ddxofiai^ ipoqog von (piqio, yovog von y^y'vofiai. Auch
das < ist zu ei gesteigert in dem Eigennamen nokv-feidog
(U. N 663) von W. vid; ob auch das t] oder ä in aTQa-
^yog^ yavtjyogj Xaxäyog als eine Steigerung von a anzusehen
sei, ist zweifelhaft, da sich die Verlängerung des Vokals auf
eine andere, oben S. 180 f. erörterte Weise erklären lässt. Der
Accent richtete sich nach der Bedeutung und nach der Quan-
tität der Stammsilbe. Ist die Bedeutung aktiv und transitiv,
so steht der Accent auf der letzten Silbe, wenn die vor-
letzte lang ist, sei es von Natur, sei es durch Position, wird
aber auf die vorletzte zurückgezogen, wenn dieselbe kurz
ist.*) Man accentuierte also lodoxog, XoyoyQdq)og, nvyfidxog,
1) Der darin zu tage tretende Zusammenhang mit dem Partie,
act. druckt fleh aucb ftusserlich aus in dem Verhältnis von ycoSög,
zahnloA, und Sdovs, 6d6nog, Zahn.
2) Ueber die ganz ähnliche Betonung im Sanskrit s. 8^
KZ. 24, 124.
1
216 Sitzung der phüos.-jphüol, Clcuue vom 1, Februar 1890.
hingegen ßqoToXoiyog^ rtaidaytoyog ^ arQOTijyog.^) Ist
Bedeutung passiv, so wird der Accent möglichst weit zuri
gezogen, wie in dem bekannten d'eotOKog, von Gott geba
gegenüber d^eoToxoQf Gottesgebärerin. Bei neutraler
deutung schwankt die Betonung, so dass ßotjd'oog ne
TtBQidQOfdog und cinvalog vorkommt. Bei selbständigem *
brauch folgen die betreffenden Nomina ähnlichen Acci
regeln, indem sie bei aktiver Bedeutung den Accent auf
Endung, bei neutraler und abstrakter auf der Stamms
haben, wie doidog^ Toqog^ (iyoQi hingegen loyog^ vofiog^ %
nog. Ich wende mich nun zur Vorführung von Beispiel
indem ich bei der Unmasse derartiger Bildungen nur
altüberlieferten und die schon bei Homer vorkommen^
vollständig zu verzeichnen beabsichtige.
a) Mit analogen Bildungen in anderen Sprachen:
-ayog: oxsTt^yog H., OTQctwrjyog Archil., vaväyog, lox^t^
Att., drjiuaywyog^ naidaytoyog seit dem 5. Jahrh.
Anschluss an dytoyi^^ wie idwdog- an idwdri. V
gleiche lat. nav-igat^ was ein Nomen navigus vi
aussetzt, das Leo Mejer, Bezz. Beitr. 6, 131 i
1) In unseren Texten stehen viele Verstösse gegen diese Re£
wie noXvßoaxov statt 7ioXvßoüx6v, ebenso TtoXv-tpoQßog, noXv-laXog b
die übrigen Komposita mit tioXv bei Dichtem und Prosaikern, fen
yaiTjoxog, ^vloxo^, aiyloxog, Innddafiog statt yairjoxog, rjviöxog etc.
Homer. Diese Verstösse sind aber wahrscheinlich auf alte Irrtün
der Grammatiker und Herausgeber zurückzuführen. Denn wenn l
rodian zu Hom. A 470 bezüglich der Accentuation von lnji6daf
bemerkt: fidxetai dvTixgvg' iveQyfjuxov yog Bv ngoTtagco^viovi^^,
beweist dieses nur, dass er die falsche Betonung in seinem aristarc
ischen Texte bereits überliefert fand, nicht dass dieselbe in der Ax
spräche des Volkes, das schwerlich ein solches poetisches Wc
kannte, begründet war. — Der gegebenen Regel folgte auch thcom
sjtaQcoyög, i^rj/ioißog, wiewohl dieselben mit einer Präposition i
sammengesetzt waren und zu den determinativen Kompositen gehörte
Diese Erscheinung erklärt sich aus der Trennbarkeit der Präpositic
Christ: Ahhängigkeitakamposiia des Chriechischen, 217
gr. pccvayot; in der Bedeutung ^Schiff lenkend' zu-
sammenstellt, femer iurgat aus ius-igat^ narrat aus
gnar-igcU; skt. agä-s, der Treiber, wozu ich aber
keine Komposita angemerkt finde.
-ßofog: dtjfio^ßoQog^ &vfÄO'ß6Qog H. ; vgl. aidijQO'ßQWTf skt.
gard^Sy verschlingend, aga-gara-s, eine Ziege ver-
schlingend; lat. amni'vortis.
-yorog: o^i-yoyog, Aao^yovog H.; vgl. lat. indi-gena.
'iafiog: irmo^ofiog H. ; vgl. ^Inno^ddiiagy skt. arin-damas^
Feinde bezwingend.
-4o(og: ßav-doQog Hes. ; vgl. skt. puran-dara-s^ Stadtzer-
siörer.
'^yog: veo^vyog Eur. ; vgl. a-^vfc lat. biga und quadriga
aus bi-^uga und quadri-iuga,
-/7o2og, -xoiog, -xo^^: ainokog aus aly-noXog^ ßoV'XoXog^
orpaO'XOifog H., »^eco-xo^o^ Att. In neutraler Be-
deutung ward in der Regel 7€o'kog verwendet: dfAq)i'
noXog^ zqL'-Tcolog^ di-n^loog^ VJiiQO-n^log H., e/n-
li'hx Hes., dvG'HuAjog Att. Doppelte Bedeutung hat
QiO^nokog^ neutrale ^einsam weilend' in Hom. iV473,
F54, T517, ß 614, d 574, transitive 'Schafe
hfltend', hy. Merc. 314.^) Vergleiche skt. a^m-
päla-Sj Pferde besorgend, lat. opilio aus otn-piZ-to,
agri'Cola, coeli-cola^ vio-curus,
'XOfiog: BiqO'XOfÄog H., inno-xofiog Her. Der Form nach
entspricht skt. söma-küma-s^ den Soma liebend.
'laßog: iqyo-kißog Att.; vergl. skt. uJa-grabha-s^ Wasser
fassend.
'lo/ag: fiatpi-Xoyog hy. Merc. 546, aneQf^o-Xoyog Att., dtxo-
ioyog^ aqeva-Xoyog Spät. ; vgl. lat. flari-legus^ sacri-
legus.
1) Stadnicska, Kyrene S. 105, empfiehlt auch ftlr Pindar P.
•i. 38 die aktive Bedeatang, was bei dem Ueberwiegen der
Bedeutung weniger angemessen ist.
I
218 SiUiinfi der phünx.-philol. amxe rom I. Fehmor ts-io.
-/roAyo^-: infrii-fioXyoc H.; vpl. lat. equi-mulga. akt. /»«/ö-
duh, Milch melkend.
-onog: x^C^^S sc. Xibtv, l^m-öni^, Biaioftog H.. (paiägta-
Tcog Att.
-opos aus fOQOSt nvXa-i<}^g, ^•ga-fufög, if^iffäg ans »^o-
/opog H.. zifia-ofög Find-, rtfiö-tuQ AJsch., ontor'gög
aus oWo-OQog Eur., xi^JTiH'pög Spät. : vgl. got. (fotira-
varäs, Thürwärter.
-oyo^ aus oo^oc und foxog zusammengeflossen : ^w'-oxos,
Yaitj-oxog, atyl-oxog, anijnToi'xog, ^ffrr-oxr/. Jrjfiö-
o^og H., xAjjß-o?zot; aus xAiifo-oxos t i<fi-ovxog,
xJUfi)-of/og (letztere mit falschem ov statt o) Att.
Vgl. sbt. amifra-säAa-9, dem Peinde standhattend,
väri'Väha-s, Wasser flihrend, affni-väkas, feuer-
ftlhrender Rauch.
-aaoog: lao-aaöog H. , do^'-aaöog Aiscfa.; »gl. skt. sntja-
sava-s, das Recht betreibend.
-tpayog: u^o-ipöyog, ano-iföyog, yi.axto-g'oyog, oyd(/0'ifäyog
H., dwgo-tpoyog Hes-, xfEO-ifxiyog Att.; vgl. skt
phala-bhatf, Früchte geniessend.
-fpoqog: öettlo'if^Qot, ßotkrj-tpö^og , 'Bi-itl-cfÖQug, kau-ipögog,
tu^o-tfiügog, lyxBa-tföffog, jeXea-ff^Qog, dl-q<'Qog H.,
iftaa-ifößog, iteofiO-ifOQog, ntf^-^gug, aitoväa-ifoga;
.Att. Vergleiche skt. vägam-bhnra-s. Preis davon-
tragend, ftam-bk'ira-s. das Rerht tragend, lat, fni-
ffi-fef, lud-fer, deutsch fmcht-bar, heil-bar, arm,
luaa-vor z^ lucifer.')
h) Sonstige Kouiposita mit <?inem Verbale »uf o-v.
Xn it-a^X*^, vav-a^oii Att.
'O^a-Siog fl.
hita-ßöiag. fXaq>ii-)iöXog, ixattj-liulog, txi,-ii6Xv^ H.
11 VkI. Ostliurr. Uns Vurbuiii. Ü. lU.
Chrigt: Abhängigkeüskamposüa des Chriechiscken, 219
^oli'ßoaxog Pind., inrco-ßoaxcg Spät.
ßov-yciog H.
j^y^q>og Ait.
hhioxog, ieiro-doxogy lato-doxi] KvfiO^doxrj H., nolifia-doxcg
Pind., diogo-doxog Att.
nadio^^fiog, öoidxo-dQOfiog Att.
ao'ft^/og , oßgifAO'fBQyog , dfjfiiO'feQyog , d^Jixavo^fBQyogy
hwiai^fBoyog^ Avxo-OQyog H. ; nach der Analogie des
letzten Wortes ist gebildet das attische /rcry-ot^^^og,
als ob das Thema ovqyo und nicht o^/o lautete; vgl.
d^-ovxog.
^fovhiog aus ^i^po-oAxo^ Aisch.
üfAi^uiog H.
G^-fj^og Att., ^Ofi'f]Qogy dem Accent nach beide passivisch
zu fassen, iQi-r^Qog H.; yielleicht gehört hieher auch
tetQO'OQog und sixoa-o^g H.
ii^fio-^foag Aisch.
itr-o-xioTio^ Aristoph.
crni^xr o'yo^ Herod.
/i^ro-iloi}^og H.
mi'loxoy H., ßiOfio-loxog, am Altar lagernd, H.
yaaxQi'iAoqyog Pind.
uf.rO'fiaxogy nvy^fiaxog^ oyxs^f^dxog, Tr^Xi^fiaxog, lAvdqo^
fiozn H.
(Xpo^fiaoSy ßü-iiaiog H.
ay^O'-rofiogy Ev(^~vofAOg H., olxo^vofiog, dyoQa^vofiog Att.
rofx-ai^*70$ Aristoph.
€77«a-7raios H.
o^aro^nfjyog H.
fotw)-/ro«o$, ilv^-Troidg, ino-noiog Att.
i^iTjo-TTOfiTiog sc. *EQfÄfjg Att.
:iToXi'rtOQd'Og H.
:iorfO'/i6gog, aTtgo-TCOQog sc. oßeXog akt. H. , cJxtJ-^
odoi'Jio^g neutr. H. ^
220 Sitzung der phäoa.'phüöl. Glosse vom 1. Februar 1890.
^BO-Tifionog H.
ßadV'QQOog H.
dixO'QQonog Aisch.
x^vo-axoog H., a-axortog H. , ßgoro-axoTtog Aischyl.,
le-axoTtog akt. Aristoph. Nub. 290, pass. Hes. Tli
gon. 566.
vai-orokogy Ofio-atoXog neutr. Att.
veo'OVQOcpog sc. vevQi^ pass. H., dyxi'(TTQoqH)g neutr. Att.
nr^wro-Toxog, fioyoa^roxog H., didv^a-TOKLog Theokr. j
vXo'Toixog sc. rreXexvgj d^j^rofiogy xeQ^TOfiiu} H., ßahxvtü
TOfiog Att.
naXiv-TOvog H. ■
^lyo-To^o^, den rindsledernen Schild durchbohrend, H. '
TtoXv'TQonog nentr. H.
xot^^o-T^ogto^, iTT/ro-r^^og akt. H., OQeai-TQOtpog pass. 1
yfio-T^oyog pass. Aisch.
olooi'TQOxog H.
ßoV'Ttnog Spät.
dvfio-qid^OQog H., ßQOXo-q^d^oqog Aisch., oixO'ip^OQog Eur.
Jili'q)oßog, die Feinde verscheuchend, H.
dvdqO'(p6vog^ ßov-ipoviio, jcaid-o-q^vog, q^aaao'-ifovog^ fuc
(fovog aus ^laiO'-qiOvog H., 7iaTqo^q>6vog Att.
noXv-fpoqßog^ v-fpoqßog H., ßov-ifoqßog Eur.
Äoergo-xoog H.
ai;A-^(Jdg, xt&aq-iitdog Att.
Scheinbar gehört hieher auch noch das bekannte £p
theton des Hektor xoqvx^-aioXog 'Helm schüttelnd'; aber d
verwandten Wörter aloko^i^cjqrj^, aloXo^^hqrjgj aloijo^nußXa
alolO'lirjZig machen es wahrscheinlicher, dass hier aXoh.
eigentliches Adjektiv im Sinne *bunt' ist, und dass sich H(
raer bloss des Versmasses wegen eine Umkehr der Teile d<
Kompositums erlaubte.
(^uiH: ÄbhängigheUshamposüa des Griechischen, 221
4) Mit einem participialen Nomen auf ovt^
Ein Part, prito. ist mit dem yorausgehenden abhangigen
Nomen m einem Kompositum zusammengerückt nicht bloss
io dcaLQK'Xäiav und xoQij^xofiotxty, welche man auch in zwei
Wörter zerl^en könnte, sondern auch in a-qtqoviüiVj doXo-
(ff09i(xßv^ evgv^xQeiwvy EvQV-fiidwvy Oiko^/Aedovaa, Jrji-iiowvy
^Intrth-xotJVy^) wo eine solche Trennung unthunlich ist. Ausser
diesen homerischen Beispielen kommt noch vor vipi-fiidtav
Bes., aXi'fiidwv Aristoph., aalaaao-fiidoiaa Alkman, d^efÄia-
i^orteg Pind., z/iyf*o-yc5y, jTjixo-ifowvy ^Inno^x^otüv^ iloAv-
o.T€^biy, EvQV'fvwvj was dem Patronymikum Evqvmavxidai
IQ Grunde liegt.
Statt der yoUen Endung ovz erscheint in der Kompo-
sition die schwache Form wy in d'ifaav'fiifi'vtav H., ^ya-
fUfirtay H., ^YneQ-ianf H., iör-TrnW H., IlokV'Xafüv^ IIoXv^
Verwandt mit den Participien auf iov sind die Nomina
auf /icnr mit der gleichen Bedeutung eines aktiven Partici-
piams. Auch diese finden sich zur Bildung von Abhängig-
keitskompositen verwandt in
LrTtO'ßdfUifyt nedO'ßdfÄonf Aisch., TSx^QiTVTtO'ßdfAWv Eur.
liaJLmto^yrwfifav Aisch., OfAO-yvujfiwy, ev-yywfiwv Att., dixo-
yrwfiwy Spät.
jfokv^äypturp hy. Hom. 27, 31, venQO'diyfAWv, oiOto-diyfAWv
Aisch., xv/40-diyfi(av Eur. ^
niJLBiO'd'itififwnf akt. Aisch., vdaro-d'Qi^iiaiv pass. Eur.
ntJüü-idfAiov Orph.
Ufo-fiTi^lÄiop Att., TtoXv'fivj^fionf Spät.
DL. Meyer billig in der aufgelösten Form nur die Schreibung
mit oort, nicht die flberlieferte mit ocdvt»
222 Sitzung der phüos.'phüol. Classe vom 1. Februar 1890.
devdqo^urjfitav Aisch.
7ioXv'7iQayfiiüv, xano-TiQdyfiwv Att.
xoiLi7iO{paiieko''Qi^fiwv Aristoph.
Bei manchen dieser Komposita spielen die vom gleici
Stamme gebildeten Nomina abstrakta auf fiaz und fit]
herein, so dass man /.. B. auch Sfio^yvwfiojv im Sinne ei
Possessi vkompositums = Oßoiav yvwfAYpf Sxtav fassen k
In naXiii'ßofiovg odotg Find. P. 9, 18 ist dann weiter
Endung ^wv zu fdo-g zusammengeschrumpft, wie ovt zu
in viodo-g gegenüber odovg^ odovrog.
Statt der Participialendung ovr steht in vielen Kom
siten, namentlich nach vorausgehender Liquida, die Endu^
avT, so in ^ *
*l7T7iO'da^ag, Aao^da^agy IlovXv-ddftag, y^kKi-ddfiagy XeQ€i
ädfiag^) H., dda^ag Hes.
d-xcifiag und lä-nd^ag H.
noXv'tXag, ^^-tXag H.
vTieQ'XvdavTeg IL J 06 und 71.
l4'(pBidag H.
oxQi'ßag Att.
neQi-qfag,
Vielleicht gehört auch das homerische Xvxd-ßag^ Jah
d. i. lichtwandelnd, hieher. Die Endung avz ist nicht aii
die Komposita beschränkt, findet sich umgekehrt häufige
in einfachen Wörtern, namentlich Eigennamen, wie /^o^oi^
Jtfxag^ ^EQVfiag, Jeifiag^ idl^ofAag, ©at/iag, Xdqpiag^ Mifio^
"Yagy BQvag, Biag, 06ag, 0vXagj fldlkag, Ooqßag^ rlyag u. a
Ueber den Ursprung dieser Endung und insbesondere übe
1) Das Femininum dieser Maskulina lautet 'Inno-dafMia, Acu>
ddfieia, IToXv-da/iva, was als Analogiebildung nach dem Muster voi
Maskulinen auf rjg und evs zu betrachten int, wie ähnlich die SpradM
zu Jiiwv ein Femininum jtUiga bildete. Die richtige Femininform Hegl
in ^£QQe(faaaa aus 4>egQe<paTia und JtgoqpQaooa aus jfgo(pgaTta vor.
Christ: Abhänffigkeitskompostta des Griechischen, 223
das Verbältnis derselben zu der gewöhnlichen Participial-
eodung ont ist schwer zu urteilen. Bei einigep, wie fiifiavT,
forr, tlayvy ßctrvj yavr, gehört das a sicher nicht zur En-
dung, sondern zu dem auf a endigenden Yerbalstamm, an
den die Endung nt unmittelbar, ebenso wie in ti^bvt, iazavv,
dffcrr, angetreten ist; andere, wie xa^^ayr^ ßiavr^ daifiavt^
Blossen wohl als Denonunativa von Nomina abstr. auf ma
gelten, zumal auch in den äolischen Verben aUvrjfii, dowi^
tf^fii u. a. die Personalendung ohne weiteres an das Nominal-
thema angefOgt wurde; ob auch für dafiavr^ xa^tovr, q>OQ'
;iarr, /raüJUrvT, die Herleitung von einem Abstraktum auf a
angenommen werden dürfe, wage ich nicht zu entscheiden.
5) Mit einem Verbalnomen auf Bv-g^ fem. eia
ans Bfia.
Mit dem Suffix ev-g, vermutlich der starken Form von
i-c,^) werden bekanntlich im Griechischen zahlreiche Nomina
agentis gebildet. Wenn dasselbe auch in der Komposition
eracheint, so könnte man die betreffenden Komposita als
nominale Abhängigkeitskomposita bezeichnen und das Nomen
des ersten Gliedes in dem Sinne eines abhängigen Genetivs
fassen. Aber dieselben hieher, zu den verbalen Abhängig-
keitskompositen zu stellen empfiehlt der Umstand, dass nicht
immer das zweite Glied auch in selbsi^ndiger Stellung vor-
kommt. Komposita also dieser Art sind:
n^firj%^evgj abgeleitetes Nomen von skt. pra-mantha^ Quirl-
stab; vgl. skt. Pra-manthu-s, nom. pr.
f,ri-ox«t'g neben fjyi-oxog H.,*) ^OTv-oxeia neben uiatv-oxog H.
1) Damit will ich nicht leugnen, dasa einzelne Wörter dieser
Art auch mit Wackemagel. KZ. 24, 295 ff. und 27, 84 ff., als sekun-
dere Nominalbildnngen gefasst werden können, so dass das ev-g auf
anprüni^liches e-vo-s zurückzuführen ist.
2) Aehnlich kommen neben einander zu gleicher Zeit vor die
Simplicia q>ag/i<ue6s und tpnQfiaxevg.
laM. PkllM.-phik»L o. bist Ol. 8. j^
}
224 Sitzung der phüos.'phüöl Classe vom 1. Februar 1890.
natqO'q>ovBvg H., UeQaeqHiveia, neben TvaTQO'q^vog.
dvaaQiOTO'TOxeia H. neben nQoncHToxog.
TIovxo^noqBia Hes. neben Ttovro-nogog,
afKfi'fpoqevg H., zusammengeschoben in der Prosa zu
q)oqeig,
TTVQ'Tcaevg sc. IJQOfirj&evg Aisch.
nav'07C€vg, alles verrichtend, H.; auch das homerische *l
onevg ist vielleicht in ^Hvi^OTtevg zu trennen und
Zügelverfertiger zu deuten.
MevBO'&tig, Mut machend.
Vielleicht gehört auch das dunkle ^Pada-^avdvg hiel
so dass vg die schwache Stufe zu der gesteigerten evg
präsentierte, in welchem Verhältnis auch vitg, das wir
den Kasus v\iog via folgern, zu riei;^ steht. Aus dem Sa
krit klingt an unsere Komposita an bhüri-dävan^ viel gebe
und ägU'patvan^ rasch fliegend; dem letzteren entspri
bekanntlich im Griechischen cJxr-Trerijg , im Lateiniscl
accipiter.
()) Mit einem Verbalnomen auf xy^q oder xi
fem. xeiga aus xeQia.^)
Noch mehr gilt von den wenigen Kompositen die
Art, dass sie ebenso gut als nominale Abhängigkeitskom]
sita betrachtet werden können. Ihre Zahl ist klein, w
an ihre Stelle meist, wie wir gleich nachher sehen werd<
Nomina auf xr^g getreten sind. Es genüge zu erwähne
fAv^lO'ßoxriQ H., 7covXv'ß6x€iQa H., Xrji'ßoxeiQa H.
71 av'öaf.idx(j[}Q H.
1) Das8 die Scheidung des sanskritischen tar in ter und tor s
der üxytonen und barytonen Betonung zusammenhänge, habe i
oben S. 171 f. angedeutet. Einen etwas abweichenden Versuch, <
Scheidung auf Vokalabstufung zurückzuführen, gibt Brugmann
dem berühmten Aufsatz, Zur Geschichte der stammabstufenden L
klinationen, Curt. Stud. 9. 361 tt'.
Chrul : AlihängigkrilKkompvnita des Griechücbe».
225
Q/joUo-defij'^ H.
-liotro-iJoiiip iinii ;/Xoi'XO-()öt4(pa Orph.
^-r/yi^f^ Spät.
vav-ttcöxwß Herod.
alav-fiyijttl^ B., 'YuEQ-^viaiqa oiier 'YrTiQ-fj-ifliqu, KXvcai-
fivi^atQa oder KXiTUi-fii'fiiQa.^)
iiod-a-vtmijQ Herod.
naiÖ-oltjeiqa Eiir.
olvo-noT-^Q H.
noXv-atifiövtOi^ hy. Cer.
In (Jie gleiche Kategorie gehört das homerische to-xif-
aiffa (ob Jo;(e/e(eat), Pfeile ausachflttend, abgeleitet »on einem
verlorenen Maskuliuiioi x^f'W- <^as ähnlich wie ö>"ijf, i5a^-
tJ9, mit dem Suftix er gebildet ist. Es scheint nämlich jenes
Suffix, welches ich indes nicht mit der Verbal wurKel ar in
Verbindung zu bringen wage, erst dadurch. da.ss es an No-
mina auf t antrat, das y.usammengeset/te Snffix ter erzeugt
7.U haben.
7) Mit einem Nomen auf S-a (e-s). fem. i-s,
Die Komposita, welche wir an letzter Stelle behandeln,
greifttu noch mehr als die vorausgehenden in das Gebiet der
nominalen Äbbängigkeitskomposita über, bangen aber zu-
f^ich mit äuaaerst schwierigen Fragen der Formbitdung zu-
aunmen. Dipse weit über das spezielle Gebiet der Zusammeu-
neteuDg hinausgreifenden tVagen sollen zuerst, gleich liier
im Eingang, kurz festgestellt werden.
Erstens ist es bekanntlich eine spezielle Eigentümlichkeit
der griechischen und lateinischen Sprache, du«s in denselben
neben Femininen auch Maskulina nach der 1. Dekl. vorkomniea.
Dem Tedischen Sanskrit (und Zend) sind zwar Maskulina auf
1| Keiu AbhängiKkeitakouipositutn ut i
Katgelier. Iiei Aiidi. Fers, Ü&S.
ru-/ii}oi<uö, KOtt({teichi)r
\
226 Sitzung der phHos.'phÜdl, Classe vom 1, Februar 1890,
S-s acc. 5-m nicht ganz fremd, aber sie sind dort fast ai
schliesslich auf die oben S. 213 schon betrachtete Klai
der Komposita mit einer auf a endigenden Verbalwurzel 1
schränkt geblieben. Es fragt sich also, wie diese yerbreiti
Bildung von Maskulinen nach der 1. Deklination in c
klassischen Sprachen gekommen ist.
Zweitens besteht ein unterschied des Griechischen vc
Lateinischen darin, dass im Lateinischen jene Maskuli
geradeso wie die Feminina auf einfaches a ausgehen; i
Griechischen aber nicht bloss im Gen. sing, eine besonde
Form ao aus aio entwickelt haben,^) sondern auch im Noi
sing, zum Unterschied von den Femininen auf a(e) + 8 au
gehen. Hier fragt es sich also, welche der beiden Sprach
die ursprüngliche Form enthält, mit anderen Worten, ob d
Lateinische ein schliessendes s abgeworfen oder das Griecl
sehe erst nachträglich ein solches angenommen hat. ]
wird aber die Frage dadurch komplicierter, dass im Gri
chischen einerseits neben dem a ailch ein e erscheint ui
anderseits neben der vollen Form ä-s auch eine kürzere
vorkömmt. Es gehen nämlich auf a aus bei Homer Bvqvom
TJ7rvTa^ Qy,üy.rjTa, miroxa, alxfdrjtd, jurjtieTa, Qveova, veq)>
i.tiyeqtTa^ irrTrtjXdza, OTeQ07rt]'yeQ6Ta, xvavoxcilTa, ausserdei
bei Hesiod Op. 582, Scut. 393 ^x^to, bei Pindar N. 3, 5
ßa^vfiriTa, bei Theokrit 8, 30 ivKvd, ferner äolisches idQxVU
'^Yßqayoqay elisches x^axa GIG 1149, thessalisches X^lfn
Nixla, megarisches Odya, liqaiay böotisches BvXia, KaiXii
Moyia, l4Xxivia, okv^nioviTcay uv&iovUa, BvXlda^ 2ayvdx
viöa, 0eXiaTa, leukadisches (DiXoxXeiöay ambrakisches Ilfc
TiXeida, sikilischas MvQiXXa, Eubidida (s. Meister, Gr. Dial.
160 u. II 272). Die Kürze des a im Gebrauche der Dichte
erregt dabei weniger Bedenken, da dieselbe ähnlich wie ii
1) Ob die doppelte Genetivendunj? des Lateinischen ai (ae) an«
äd (in pater familias) auf die gleiche Quelle zurückzuführen ist?
Christ: AbhängigkeüskomposUa des Grriechischen. 227
dem Vokatiy dianora unter dem Einfluss (äolischen) der
Tieftonigkeit bei mangelDder Stütze an einem nachfolgenden
Konsonanten entstanden sein kann, mehr aber der Wechsel
xwischen a und e. Dabei ist zu beachten, dass mehrere
Wörter, wie die Patronymika auf dijg, bei Homer wenig-
stens, bestandig das e behalten, so dass sich der Gedanke
aufdrängt, es seien ursprünglich die Maskulina auf a-s und
e-8 strenge geschieden gewesen und es sei erst später eine
Verwischung der Grenzen beider eingetreten.
Drittens spielt in die Frage der Nomina auf a und a-s
die Bildung und Abwandlung der denominativen Verba herein.
Auch hier geht das Griechische und Lateinische auseinander.
Ich betone dabei weniger die Bildung des Futurums auf rjoio;
denn diese lässt sich als Analogiebildung nach dem Muster
des OriginaWerbums ^jjcfw in befriedigender Weise erklären.^)
Wichtiger ist, dass im Lateinischen die Nomina auf u-s
Denominativa nach der 1. Konjugation bilden, wie divinat,
magnifictU^ naufragatur^ und dass der gleichen Konjugation
auch die Verba auf ta, wie spectat^ delectat^ natat^ agitat^ imi-
tatur^ sectatur^ angehören, während im Griechischen die De-
oominatiya yon Nomina auf o-g regelmässig und von solchen
auf rv;-^ meistenteils auf ew ausgehen.^) Das regt, da das
Lateinische noch sehr viele zusammengesetzte Maskulina auf
a^ wie coelicola, terrigena, foeniseca, besitzt, zur Frage an,
ob nicht beide Spracherscheinungen in Zusammenhang stehen
1) Andere denken an Kontraktion von rjaay aus ursprünglichem
^j-#-«o. Siehe darüber v. d. Pferd ten, Zur Geachichte der griech.
Denominativa S. 158.
2) Indes hat auch das Griechische neben Denominativen auf
xtw, die meistens erst auf ionischem und attischem Boden entstanden
sn sein scheinen, solche auf taco, wie 6jitd(o, axigtaco, tpoitdco, igco-
td(ü, dgrtdo}, evx^dofiai, vauxdio, Pfordten a. 0. S. 61 führt als
einziges homerisches Beispiel der Bildung auf tbo> an: v^mni
eine aber steht in einer ganz jungen, interpolierten Ste
228 Sitzung der philo8,'philol, Classe vom 1. Februar 1890.
und ob nicht das zahlreiche Vorkommen denominativer V^
auf are auf eine ehemalige weitere Ausdehnung der Ma4
lina auf a im Lateinischen zu schliessen berechtigt. ^
Endlich drängt sich von selbst bei der Untersuchi
aller dieser Erscheinungen die Frage nach der näheren "l
wandschafi: des Griechischen und Lateinischen auf. Denq
kann wohl nauta aus dem Griechischen (vavrrjg) entlaj
und scriba eine junge Neubildung sein, aber im übr^
möchte man leicht die Uebereinstimmung beider Sprao]
in der Bildung von Maskulinen nach der 1. Deklination j
eine gemeinsame vorhellenische Quelle zurückführen. ;
Das sind alles, wie man sieht, Fragen, die über '
Bildung der Komposita weit hinausreichen ; dieselben müfl
uns aber doch auch hier stets gegenwärtig sein, und die
um so mehr, als bei den zusammengesetzten Wörtern
Bildung von Maskulinen auf ^-s am leichtesten und e
fachsten erklärt werden kann, so dass, da der Ansatz
zusammengesetzten Maskulinen auf a-s auch schon im Sai
krit und Altbaktrischen vorkommt, sich geradezu die Fra
auf wirft, ob nicht die Simplicia auf a-s durchweg Neul
düngen sind, entstanden nach dem Muster yon Komposit
auf ä-8. ^) Im Folgenden werden wir nun aber, um ja nie
Verschiedenes zu vermischen, die Maskulina nach der 1. B
klination in drei Klassen teilen und zuerst besprechen
a) die Komposita auf ä-g und i;-g mit Ausschluss dei
auf Ti^g.
Wie wir schon oben S. 169 f. sahen, kam es im Griech
sehen einfach dadurch zu Kompositen nach der 1. Dekliuatio
1) Diese Vermutung wird zur Erklärung von scriba schon ▼•
Bopp, Vergleichende Grammatik § 914, Bd. III S. 371 Anm. ai
gestellt. Aehnlich leitet Benfey, Abh. d. Gott. Ges. d. W. 28 (1«
S. 8 die Deklination von skt. tishä-s acc. iMhä-m aus der Analof
der Komposita, wie rathi-shthä-s acc. rathe-shthä-m, her.
Christ: ÄbhätiffiglceUskomposita des Griechischen. 229
dt!S nach dem Vorbild derjenigen Possessivkomposita, deren
iweiieß Element ein Nomen auf o-g war, dem a und r; jener
Ziiäammensetzungen , welche als zweites Glied ein Nomen
nach der 1. Deklination enthielten, ein s im Nominativ an-
gehan^ wurde. So entstand also oQyvQO'öivrj-g, ßa&v-divrj^g,
afolo-/ifr^ij-^, %vavO'Xai%ri'^j \itno-xaixri*gy ei^fÄeXifi-g, nqu^-
rßfpg, innio-xoQfifj-g, xa^aL^evvji-gy laßQ^ayoQrj-gf vtp-ayoQrpg
und in dem Sinne eines Abhängigkeitskompositums fiet^e-
Xt'^j^g, hüO^avia^gy <piXo^Tixy^'Sy fAioo-yvvrj'g, Mev-dlxa-g,
yiytfit'ßovXa-gj flavo-ayia-g. Dabei bemerke ich, was ich
bisher noch von keinem beobachtet fand, dass, abgesehen
Ton den zwei Stellen iv^f4€Xif]g dfAekrjae P 9 und Oolßog
axmotxofir.g ijd' Y 38, sich bei Homer der Nominativ auf
fr« nur am Versschluss findet (N 396. 0 582. T538. Y 73.
144. 0 130. 143. 212. 228. 329. ^ 419), so dass ohne
Störong des Metrums das s auch abgeworfen werden kann.
Dm 80 mehr sind ganz auf gleiche Linie mit den bespro-
chenen Wörtern die homerischen Komposita auf a, wie xvavo-
jahaj BVQv-onay xvvcu/ra, TtaQ&eyO'Tvhi a zu stellen, von denen
die letzteren ohne Bedenken auf vorauszusetzende Abstrakta
O/TO and onintt zur Qckzuf (ihren sind. Sonst findet sich bei
Homer von Maskulinen auf 17-g, von denen auf Tijg und örig
and vereinzelten Eigennamen abgesehen, nur noch xAotviyy
(l 529), EvQtddrig (x 267), wxvTtha (© 42 rz: 2V 24), welche
drei Wörter alle aus der 3. Deklination in die 1. überge-
treten zu sein scheinen,') und die vereinzelt stehenden aber
fQr die Namenbildung der nachhomerischen Zeit (wie NtTciag,
Tioiagy 0ayiag) wichtigen Nomina tafAirjg {J 84. T 44. 224)
1) igtavrrfc kommt nur im Nominativ vor (T 84. ^ 322), so das»
daaselbe ebenso gut nach der 3. wie nach der 1. Deklination gehen
kann. Da« in dem Vers Z 320 = ß 495 aixf*Tj x^^^^^V* ^^q'^ ^^^
l2vo€(K ^^ Ji6gxfjg Aber lieferte noQxrjg halte ich fär eine alte,
vielleicht unter dem Einfluss der Aussprache entstandene Verschrei-
bong von n6QxiQ,
1
230 Sitzung der phüos.'phüol. Glosse vom 1. Februar 1890,
und veavlrig (x 278).^) Bei den letzteren ist zwar auch,
bei den Kompositen, zur Bezeichnung der mannlichen Pe
an das Femininum auf it] ein g angetreten ; aber dass ü
haupt rafiifj und rafiitjg die Bedeutung Schaffiierin
Schaffher annehmen konnten, beruht auf der schon (
8. 207 berührten Neigung des Griechischen, Abstrakta i
zur Bezeichnung der konkreten Träger der abstrakten Hl
lung zu verwenden.^) Ein solches in die konkrete Bedeut
übergetretenes Nomen auf i; konnte ursprünglich auch
Maskulinum mit vertreten, wie dieses der Vers y 49 (1
lieh X 209):
aXXc v&oTBQog eativ o/iijXixirj d^ifiol avT(^
deutlich zeigt. Wenn aber vereinzelt Homer bei vafi
vsrpflrjg und vielleicht auch bei dem Eigennamen [leXitjg
Bezeichnung der männlichen Person an die Endung des 4
straktums irj ein s angehängt hat, so folgte er darin ge\
nur der Analogie der oben angeführten Komposita. In
nachhomerischen Zeit, namentlich bei den Attikem, ha
dann jene Maskulina nach der 1. Deklination, sowohl
Komposita als die persönlich gewordenen Abstrakta (ATix«
KQiriag, böot. Bvkia, Moyia), eine weit grössere Verbreiti
gefunden. Namentlich bildeten sich neben Verba contr.
€10 und au) Noraina composita auf a-g oder rj-g, die 1
gemach so beliebt wurden, dass sie vielfach die alten Nom
auf o-g verdrängten. Es genüge, von Abhängigkeitskomposii
der Art anzuführen :
1) Auch ein Maskulinum SiyysXirjg wurde ehedem für drei Stel
{P 206, N 252, 0 640) angenommen ; aber an allen diesen ist, 1
zuerst Bentley gesehen hat, ayyBXlf}v statt dyyeXiijg zu schreiben u
als inneres Objekt zu dem dabeistehenden Verbum rjXv^s oder 0
veoxe zu fassen.
2) Dieser Punkt ist klar gestellt von Delbrück, Synt. F
achung IV, 4 ff.
CkriH: Abhänffigkeüskomposita des Ghriechischen. 231
olvfifrio-yinrig, ftv&io-vlxtjg, boot. okvfirrio^vUay rtv-d-io-vina,
na%i^aXoia^j fifltg-aloiag.
o^i^O'-digfagj ßov-xhqqagy dvwo-xhriQag.
mn(HrwfiC[g.
akgpno^nwXrigj fem. ahpiTO-TtwXtgy ßißXio^ntüXrjgy diq>x^eQO'
TfwXrjg,
ßißho'la^ag.
naiS'O'Xi'fAag,
mno^UQfjg,
Y^O'Ooßijg.
natd^O'T^ißfjg,
an-wT^gy rei-ctJvjjg.
Alle Maskulina nach der 1. Deklination sind damit
freilich noch nicht erklärt; aber sehen wir vom Lateinischen
ab,*) so bleiben im Griechischen nur Eigennamen, wie 'Og)6-
ia-g, Ja^a-gj Kkovo-g, 0r^^-g, l^leva-g^ Aelxa^g^ liqya^g^
Äo/ra-g,*) thessai. Xeifia, megar. 0Qya, l^Qaia, ') übrig.
BezOglich dieser haben aber bereits die alten Grammatiker
die richtige Vermutung aufgestellt, dass sie aus der Klasse
der Nomina auf ag, arvog in die 1. Deklination übergetreten
sind. So lehrt Choiroboskos p. 123, 22 ed. Hilg. (=^ Bekker
An. gr. p. 1183): dei naqaqwXi^ao^ai xiva naqa xoig
7ion]fiaig ndwa i'xoyra tov xavovog Kai laoaviXdßiog x^c-
t^irroj olov 6 Biag %ov Bia, 6 @Qtag tov @Qva^ 6 @6ag
toi Sooy dg naQ* ^Hoi6d(ify r/ de Qoav xe%Bv vXovy 6 uäXag
1) Nach Meisterbans, Gramm, d. att. Inschr.^, 97 f. findet sich
er«t auf Inschriften der Kaiserzeit vsaviaxdgxrfg, ^vatdgxri^-
2) Bedenken könnte es nämlich im Lateinischen erregen, dass den
Kompositen coeli^cola, intli-gena^ heredi-peta, parri-cida, aur-iga, foeni-
seca, legi^rupa, ad-vena abstrakte Nomina auf a nicht zur Seite stehen.
8) In die gleiche Klasse gehören die lateinischen Eigennamen
Numa^ Suüa^ Nerva^ Oalba,
232 Sitzung der philos.'jjhüol. Classe vom 1, Februar 1890,
Toi AXa, wg TxaQa y^Xxai^p, u4iav %6v aqiaxov. Der üebi
gang geschah so, dass zunächst neben dem Nominaidy i
ag ein Akkusativ auf ay gebildet wurde, wie denn thatsä^
lieh neben fiiyag nur fiiyav^ neben *^QVjg nur ^!Aqi]v^ neb
SanLQaTrjg nur ScjTCQaTfjv vorkommt, und dass dann erst au
die Bildung der übrigen Kasus nach der Norm der 1. 0
klination nachfolgte.^)
b) Die Nomina auf xjy-g.
Die Kqmposita auf Ttj-g treten schon äusserlich in Folj
ihrer geringen Zahl hinter der Masse von einfachen Nomii
auf Tf]-g zurück. Jene Masse erhält aber noch ein b
sonderes Gewicht dadurch, dass sich bereits bei Homer nie
bloss primäre Nomina simplicia jener Art finden, wie aijT^
dixtrjgy igizfigy ixirrjg, TtaQaißdTtjgy aiyrTjgy sondern au(
schon zahlreiche abgeleitete Nomina, die teils von sekundär«
Verben gebildet sind, wie oyoqrjftrfiy aKOvriOTrjgy ^ax^itf^
x^ioQTjxTTig, d^qevzr\gy vßQiOTrg, teils von Nomina abstamme
wie l/r/roTa, dygoTrjgy zo^orrjg, vavrrig, TcoXitrjgy alx^rjr
vnr]V7iTYigy 7roXvßovttig, fATjtuTa, Abhängkeitskomposita ui
Komposita auf trjg überhaupt gibt es bei Homer nur folgend
TwX'OQTrjg, alv'aQ-i'trjg mit v. 1. alvaqhr) /7 31, ^aiqrrj
EvqV'ßQTr]gy TraQai'ßatTjg, ifinvQi-ßT^Trjg,
exaTtj'ßeXiTtjg neben eaaTtj'ßokog.
iipi'ßQefAtTTjgy eQt'ßQefAitrjg,
al&Qrj'yevirrig,
av'ßwrrjg,
doTV'ßoüJTtjg,
l^r/r-j^AcrVa, gegenüber passivem i/r/r-ijAaTO(,\
1) AehDÜche Uebergän^e im Sanskrit weist Joh. Schmidt, K!
26, 401 f., nach. Auch zu gr. fuya-g acc. fifya-v stellt sich in den Vedc
nom. mahän^ vor Vokalen mahä^ acc. moAäm neben mahantam; siel
ßartholomae, KZ. 29, 266.
Chritt: Ahhäiii/ijjleitiikiir,
(Im flrirrhiithen.
■ntl, sitt. <ti-kir Uli» ad-lnr.
ä-Koitiji; für riclitigeh
fü/j-tj(7Ti]f, skt. äm-äd. Itol
Easer.
iiofa-xoitiig, fem. «apa-x
«/r/ro-xop'Oiij'g.
<Ptio-xirJif;(;, Freu oder Werber.
oyxvXo-fd^tijS \mA zweifelliafteti unixiio-ft^ta (;ro/xiAö-f<f;it
NtL.) Od, f 293 and n otKtXo-fi^tt/V {!T0ixd6tii]t$v Na.)
^ 482. y Hi3. tj 168. x Uh. 202. 281, nnd noch
xweifelhaft«res (JoÄ«-/ii/Ta v/ 540 neben richtigem ÖoXö-
litjug a 300, / 525, l 422.
atOti-/ii^,(r/(,' liehen atav~fjyr/ifiQi Q 347.
Xeß-y^tii, mit der Hand nähend. M 433.
retzeac/fi^Ta, rfßö-«Ai;xii; sc. 'fipin-y o 234.
rjepö-iyioi rig, Beiwort der Erinys. / 571 iinrf T t^7.'l Hoilr-
oWpei-9>o«);e entweder für ayeQ-t-tpoimj^. mit einem an-
htÖssigen BindeTukal. uder fflr ävdQetoipoirt iji; ; ebenso
j^pyei-yo'viijg, die Helle tötend.
II DiM Wort niniint gef^en die in den Si^holien tu 7* 87 er-
wfthnt« Lesbrt ilae<uimrit, Miiliriakend, in Schulz Ludwich, Juhrb.
f. Phil. 139 (1889) 3. 667 ff., ohne die SchwieriRkeit«n der Wort-
>wdetitaiig x\t lAacn. Die von den Alten angenommene Bedeutung ev
axorlf (potiöiaa üess ^tgitpaitii; , wie i/pij'örio, erwarten. Da aber
'K^trvCi arBtirdnglich. wie Aoa enteprechende SanRkritwnrt larniiitt-g
■•«weint, die rauche tw-dputete. so riehe ich die Lesart. irooirairK, welche
tn l 671 in den Srhnlien nDi^enierkt ist, vor und erkl&re rta« Wori,
indem ich da« erste *ilied, ebenBO wie das «r»te Wort in der Verbin-
dung ''!H>i Ix^'-K, Hill «kt, i»hara, »i;linell. in Verbindung bringe, mit
r.t-ch ii'hreit«Dd" oder 'riwchen Uaug hitbend'.
i
1
234 Sitzung der phüosrphüol, Glosse vom 1, Fehruixr 1890.
dia-noiva aus dca-zrorvia, wozu das Maskulinum dea-yvi
bei Homer noch nicht vorkommt.^)
Durchmustert man diese Beispiele, so schwindet noch ib
ihr Gewicht als Komposita. Denn in einigen, nämlich i
TtoTTjgy dyxvlO'fii^Tijgf noi^iXo^iirfla^ dolo-fAtitaf ist die Endi
Tij-g erst nachträglich aus ursprünglichem ri-^ entstände]
mehrere andere aber sind Verbalnomina, gebildet von
sammengesetzten Verben , wie neQivaihrjg von neQivc
TtaQaxohfjg von 7caQdiieif4ai ^ ßadvQ^eiTfjg von ßadrQQi
Der Rest endlich ist durch blosse Zusammenrückung d
Nomen simplex auf trjg mit einer adverbialen Bestimmi
entstanden, wie vipi-ßQefiiTtjgy oyxi'f^axrjTi^g^ ald-^-yerh
Teix^ai-TtXijta, unter solchen Umständen kann man ni
daran denken, auch hier die Bildung der einfachen Nom
auf Ti^g auf das Vorbild von Kompositen zurückzufühi
Umgekehrt muss die Erklärung von den einfachen Nom
auf Trig ausgehen.
Zur richtigen Deutung der Maskulina auf rrjg v
spricht die Thatsache zu verhelfen, dass sich im Griec
sehen die Endungen ^r^'g und ttiq ausgeglichen haben i
gleichwertig nebeneinander vorkommen. So gebraucht I
raer aiavfivf^cai^ 3^ 258 neben alaviivrjtffiL ii 347, xvß
vTiTVig y 316, T73, y 279, l 78, X 10, // 152. 412, ^ 2
neben xvße^vrjtfjQeg ^557, OQxrjOtai ß 261, OQxriorrjv Fl 6
1) Ueber die Etymologie dieses Wortes, dessen Endung n;; ;
xig in Folge des Umsichgreifens der Maskulina auf xrig entstanden
siehe S. 160.
2) Vielleicht ist auch bin6xrig aus iJUTOJioTijg und dieses i
tnno-notig entstanden. Dass auch in ähnlicher Weise uyxvnixa i
wxvjTsxtjg, eog entstanden sei, haben wir bereits oben angedeui
Auch bei pextjg, wenn man mit Recht dazu skt. vatsa^ 'liebes Kio
stellt, gehört das t nicht zur Endung. Dagegen will Johanssen, R
30, 426, dan rj von gr. dsojtöxrjg und das i von skt. dampatis auf ein
gemeinsamen indifferenten Grundvokal zurückfuhren.
Chrigt: Abhängigkeitshomposita des Griechischen. 2tS5
Deben o^xV^VQ^^ ^ ^^^i Euripides dofciaTai El. 444 neben
oWiar^^eg Heraclid. 277 ; so stehen bei verschiedenen Autoren
sich g^enQber ad^XtjriJQi H. ^ 1()4 und a&Xrjtalaiv Find.
N. V 49, X 50, is. V 72, oqot^q = arator H. 2 542,
V 835 und dQorag Find. N. VI 37, Is. I 48, XwßrjtriQ H.
B 275, ^ 385, ii 239 und Iwßrjt'^g Arist. Ran. 95, dxov-
uütrfi H-, Pros, und dxovTlarr^Q Euripid. Phoen. 140, ai-
iTffrfi Att. und avXrjxrfi Theogn. 533, y^t]r^T^riq H. und y^eaxrfi
Att., it'jMovTij^ Pros, und Xvfiavri^ Soph. Trach. 790; so
kommt Ton ixijrjg: ineri^Qiogy von A-iyarijg: IrjaTQixog, von
n/Qtttjg: nQit r^Qloy^' Yon /roifi/uiarijg : noXßiiiaxriQiogy von dea-
^bifr;^: dtü^unr^qiov^ von dy^OTrjg: dyqotiqa Pind. P. IX 6,
Ton rri^: ?To«ßog;^) so entspricht skt. ari-tar, Ruderer, dem
griech. i^jfjg^^) skt. attar, Esser, dem zweiten Element von
tiurfitjig ixndj^fijeiQay lat. acci-piter und ar-biter dem griech.
wjtLvnixfjg und TqBqO'q>oiTrig. Wie kam nun aber die Ausgleich-
ung der Endungen te-s und ter? ist vieUeicht", was am ein-
ochsten wäre, auf lautlichem Wege die eine aus der anderen
entstanden? Allerdings ging faktisch im Lakonischen und
Elischen auslautendes s in r über, und läast sich ein solcher
Tebergang auch für das Altachäische vermuten; aber dass
amgekehrt ein auslautendes r in s übergegangen sei, ist
weder belegbar, noch an sich wahrscheinlich. Aber ein
anderer Weg lautlicher Erklärung der besprochenen Er-
scheinungen bleibt oiFen. Es kann nämlich zuerst das schlies-
sende r des Nominativs ter abgeworfen und dann erst hinten-
drein zum Ausdruck des Maskulinums nach Analogie der
Komposita auf r^-g dem t] wieder ein s angefügt worden sein.
1) Die Ableitung des Wortes haigog von sjtjg steht nicht ganz
fest, da, wie Le Meyer in Bezz. Beiträgen einwendet, ixaigog keine
Spur mehr eines Digammas hat.
2) Fick in Bezz. Beitr. 5, 166 stellt zu skt. aritar zunächst gr.
ilatrig, welche« Wort gewiss auch der gleichen Wurzel wie ^oert;<r
entiiprossen ist, aber doch von aritar weiter abliegt.
236 Sitzung der phüos. -philo!, Glosse vom 1. Februar 1890.
Der Abfall des Schlusskonsonanten nach vorausgehendem Voki
ist allerdings im Griechischen auf wenige Fälle beschrankt,^
aber er hat gerade bei den Nomina auf Jtjg seinen Rückhai
an den verwandten Sprachen. Im Sanskrit nämlich ende
regelmässig der Nominativ der betreffenden Nomina auf M
statt auf tars, wie pt-Zä, Vater, eigentlich Beschützer, da
ta^ Geber, dätäsmi = dä-tchsmi = daturus^sum. Ab«
auch im Litauischen fehlt das s in mote = H'ilt:tj^ und duld
=: xh^ydtfjQ, ebenso im Altslavischeu tnaii und düsti. Frei
lieh hat sich in den meisten griechischen Wörtern diesei
Art das r erhalten, wie eben in /roTijß ß^^'^^Q^ ^orijp eto
Aber emancipieren wir uns von den Fesseln ausnahmslose;
Lautgesetze und beachten wir die analogen Erscheinungei
des lateinischen Auslautes, so lässt sich recht gut annehmen
dass im Altgriechischen vor Homer das auslautende r dei
Nomina auf ter dem Verklingen nahe war, und dann, viel'
leicht in Folge dialektischer Einflüsse, in einem Teil voi
Wörtern ganz abfiel, in einem anderen aber wieder erstarkte
War aber einmal der schliessende Konsonant abgefallen, 8(
war der Uebergang in die 1. Deklination natürlich und trat
geradeso im Prakrit bei duhidä und madä ein.
Schwierigkeit macht nur das a der homerischen For-
men ij7ri;ra, aixfirjtd^ irr jttjldTa und der dorisch-äolischei
Nomina auf va-g statt Ttj-g, Denn mit der Ausflucht, dast
dieses äolische Dialektformen seien, ist uns nicht gedient
da ursprüngliches ij, wie das e unserer Endung ist, aucl
im Aeolischen und Dorischen rj bleibt, nicht in a oder a
übergeht. Es bleibt daher, wenn wir nicht die ganze
Kombination wieder aufgeben wollen , nur der eine Aus-
weg der Forraübertragung. Aber um eine solche An-
1) Belege bei Meister, Gr. Dial. I 160 u. II 272. Ausserdem
vergleiche ovrco neben ovjcog, iftjia bei Pindar P. 5, 74 statt ifMfoc,
liomerisches öcä = skt. dam^ Haus, aUl = skt. evais^ dvxixgVf digifia,
fieotfyv neben dviin^fve, uTQCfiai, fieot/yve.
ChrUi: Abhänffigkeüskamposila des Griechischen, 237
nabine Gberhaupt nur zu wagen, müssen wir zuerst nach-
zuweisen Yermogen, dass es neben den Nomina auf te solche
auf iä mit ursprtünglicheni a gegeben hat. Dafür bietet
ans nun auch hier wieder die Bedeutung einen Wegweiser.
Mit ter und tor wurden nämlich von vornherein nur Nomina
agentis von Verben gebildet; im Oriechischen haben wir aber
anter den Nomina auf Tijgy tag, ta viele, die nicht einen
Handelnden bezeichnen, und noch mehrere, die nicht von
einem Verbum, sondern einem Nomen abgeleitet sind, wie
eben i/r/rora, aixi^rjxo^ fiTjTieTa^ noXiTi]g, dor. 7ioXiTag etc.
Diese werden also auch nicht das Suffix ter, sondern irgend
ein anderes mit stammhaftem a- Vokal enthalten. Als solches
bietet sich uns zunächst das Suffix täti an, welches im Grie-
chischen und Lateinischen in der abgekürzten Form tas,
gen. tatos (ion. ti}^, ty/to^, lat. täs und tüs, gen. tStis und
täüs) erscheint und gerade besonders zur Bildung abgelei-
teter Nomina, wie vcorijg, äÖQOTrig^ civitas^ virtus verwendet
irird. Geht man auf diese Herleitung ein, so niuss man an-
nehmen, dass auch hier zuerst das Wort nach Abfall des
Schlusskonsonanten in die 1. Deklination übergetreten sei,
dann aber wieder im Nominativ zur Bezeichnung des niänn-
hchen Geschlechtes ein s angenommen habe. Unmögliches
ist damit nicht gefordert; man kann sogar dafür noch die
lateinischen Doppelformen iuventus und iuventa^ senectus
und senecta und das wegen des gleichen Bedeutungsüber-
ganges besonders interessante italienische podesta aus po-
tesias anführen. Aber wem die Uebergänge zu kühn
scheinen, der kann auch direkt zu dem einfachen Suffix td,
wie es in o^enj, ßiortl, lat. tnto, lacerta, got. iunda vorliegt,
seine Zuflucht hehmen. Denn es lässt sich in der That der
Uebergang der Bedeutung aus einem Nomen abstractum
in ein Nomen agentis bei einigen hiehergehörigen Wörtern
dehr leicht begreifen. Bgavtii hiess Donner, ateQony Blitz,
davon bildete Hesiod Th. 140 BqovTifi und Sta^i
]
238 Sitzung der phäos.-phäol, Classe vom 1, Februar 1890.
göttliche Repräsentanten des Donners und Blitzes; %oiv%
hiess das Lager, davon wurden diejenigen, welche ein gemein-
sames Lager hatten, mit Unterscheidung des Oeschlechtei
axoirig und naQaxolzrjg genannt; ein altes TeXiata bedeutet!
die Vorstandschaft, davon benannten die Eleer ihren Bürger
meister teUara^ wie die Italiener des Mittelalters aus potestai
Gewalt, ein podesta^ Träger der Gewalt, Bürgermeister
schufen. Ausserdem wurde bei einigen Nomina auf rryg dei
Uebergang in die Bedeutung eines Nomen agentis dadurcb
begünstigt, dass neben dem Nomen ein aktives Verbum -raa
vorkam, wie q^oiTow neben -q^oitig, dQerdo) neben -a^w/g,
vaiezQO) neben vauTfjgj ^elevdü) neben iTtifAekrjTiJQf aixf^o^a
neben alxf^r^Trig, *) War nun aber einmal nur bei einigen
Nomina auf tä-s die Bedeutung eines Nomen agentis durch-
gedrungen, so konnte leicht diese Bildung weitergreifen, so
dass sich zur Not auch auf diesem Weg der Uebergang der
Abstrakta auf til in männliche Eigennamen auf tä-s und die
dadurch herbeigeführte Konfundierung der Endungen rrjQ und
Ttjg, Tag erklären lässt. Mochte aber die Sprache den einen
oder den anderen Weg gegangen sein, jedenfalls griflf sie die
Möglichkeit einer Bildung von perjsönlichen Maskulinen auf
ij-g um so eifriger auf, als auf solche Art in erwünschtester
Weise die Maskulina auf i^-g und die Feminina auf i-g
unterschieden werden konnten.
c) Die Patronymika auf örjg.
Was schliesslich die Patronymika auf dijg anbelangt,
welche bei Homer die Mehrzahl der Maskulina nach der 1. De-
klination bilden, so könnte man wohl von vornherein geneigt
sein, an eine Zusammensetzung des primitiven Eigennamen
mit einem Abstraktuui auf drj zu denken und somit das s des
1) Alle griechischen Verba auf raco und alle lateinischen auf
tare sind nichts anderes als Denominativa von ehemaligen Nomina ab-
stracta auf ta, ebensowie die Aorist. II pass. auf t;v solche von
Nomina auf i/.
Christ: Äbhängigkeitskofnposita des O-riechisch&n, 239
NominatiTS auf die besprochene Bildung der maskulinen
Komposita zurQckzufähren. Aber abgesehen davon, dass ein
Atwiraktiim fiirij an welches Fott gedacht hat, nicht existiert,
and eist vorausgesetzt werden miisste, spricht auch das Fehlen
des Digaroinas in NearoQidrjg^ TlgiafAidr^g, yiyr^voqldriq u. a.,
besonders aber die volle Form iadr]g in ntjXriiadrjg^ l^axlt]-
fruidr^gy Tekafnoviadr^g u. a. entschieden gegen eine Her-
leitung vom Stamme vid. Das hat Le. Meyer in dem Auf-
99tz Ober die homerischen Vaternamen, Bezz. Beitr. 4, 1 ff.
richtig gesehen; derselbe hat zugleich gut erkannt, dass die
Maskulinendung idrjg und ladrjg mit der Femininendung ig^
idog und iag^ ladog in NrjXrjlgj nrjhadeg^ Illrjiadeg u. a.
zusammenhängt, und dass die letzteren ursprünglich Abstrakta
in kollektivem Sinne zur Bezeichnung der Angehörigen eines
iieschlecbtes bildeten. Aber was er zur Erklärung des Aus-
ginges 1^ oder ag bemerkt, den er auf ein angehängtes
^^ekundärsuffix an zurückführt, will in keiner Weise genügen.
Zur Auffindung des richtigen Weges ist es wichtig zu be-
merken, dass die Patronymika auf idijg, ladrjg junge Bil-
dungen sind und nicht viel über Homer hinausreichen
werden : nicht bloss fehlen ähnliche Wörter in den ver-
wandten Sprachen, auch bei Homer hat keines jener Patrony-
mika die Nominativendung a. Das berechtigt zur Einschlag-
ang eines ganz einfachen Weges: nachdem einmal im Griech-
ischen eine Reihe von Maskulinen auf ry-g existierte und das
Streben . besondere Formen des persönlichen Maskulinums
mf fj-g zu bilden, erwacht war, hat man zu den Femininen
Joffdccrideg^ '/^xTOQideg ^ TlQiotidegf (DvXkideg^ QaoöioqiÖBg^
'Okiuniodegj OeoTiddeg die Maskulina JaQdavidai, ^^xrogi-
6atj nQonidaiy 0vXiJdaiy &eod(DQidai, ^OXv^rnaiaiy Geotid-
iai nach Analogie der übrigen persönlichen Maskulina ge-
bildet, und dann, nachdem einmal der Wagen in's Rollen
gekommen war, auch direkt von NiaitoQ, llr^Xevg^ flqia^og
die Patronymika NeajOQidai, nr^ltjiddai, flQiafAidai geform'
IML Pbilo^-pUloL o. bist. CL 8. i^
240 Sitzung der philos.-phüol. Classe wtm 1. Februar 1890.
Aus dem Plural und den Casus obliqui ist dann erst 4
Nominativ des Singular auf idtj-g entstanden.
Fassen wir schliesslich das einzelne zusammen, so laai
sich folgende Arten von Maskulinen nach der 1. Deklinati
in chronologischer Folge aufführen:
1) Rektive Komposita mit einer auf S endigenden Verb
Wurzel im zweiten Glied, wie bala-dä-Sj ratna-dhä-s; diesell
haben im älteren Sanskrit sich am deutlichsten erhalfa
waren aber wahrscheinlich schon der Grundsprache eigi
Nach schwachen, aber genügenden Anzeichen im Sansk
bestand die Bildungsweise derartiger Adjektiva auf ä-s el
dem auch bei einfachen Wörtern , und hat sich nur 1
zusammengesetzten mehr verbreitet und länger erhalten.
2) Possessive und rektive Komposita mit einem Nora
auf a (e) im zweiten Glied, verbreitet im Griechischen u
Lateinischen. Im Nom. sing, hat das Griechische seit Hon
ein 8 angesetzt, welches im Lateinischen und älteren Gri
chiscli fehlt. Beispiele sind xvavo-x(xita, Mev-ohca^j cu
agerrj-g, trans-fuga^ coeli^cola.
3) Noraina primitiva auf Ttj-g, welche unter Anlehnui
an die Komposita der eben besprochenen Art nach dem Uebc
gang der alten Endung tör in te ein s angesetzt habe
Diese Bildung war dem Griechischen speciell eigen, hat ab
daselbst bereits bei Homer sehr grosse Verbreitung gefunde
4) Abgeleitete Nomina masculina auf ra, ra-g, gebild
aus Nomina abstracta oder coUectiva auf ts oder tat nr
dem Uebergang der Bedeutung eines Abstraktums zu eine
Konkretum.
5) Männliche Patronymika auf £^1^-^ und ladij-g^ g
bildet nach dem Muster der Maskulina auf ttj-gy zur Unte
Scheidung der männlichen Nachkommen von den weibliche:
durch die Endung ig, idog oder lag, ladog bezeichnete
Nachkommen. Maskulina der Art sind schon bei Hom«
sehr verbreitet, da sie sich sehr bequem in das Schema d«
Christ: AbhängigkeUskomposita des Oriechischen, 241
dftktyliacben Hexameters fügten, sind aber nicht sehr alten
Ursprangs, was sich darin zeigt, dass sich von ihnen bei
Homer keine Formen auf a und keine ohne nominatives s
finden.
6) Simplicia, gebildet nach der Analogie der unter 1
and 2 aufgeführten persönlichen Komposita durch Anfügung
euMB nominativen s an abstrakte und kollektive Feminina;
Maskulina der Art kommen erst nach Homer häufig vor,
aber schon bei Homer findet sich rafiiri-g und vetp^itj-g.
7) Männliche Eigennamen auf a-g, gen. a-io, aus vollen
Formen auf ag, gen. awog verstümmelt. Beispiele finden
lieh im Griechischen und Lateinischen, wie 'Oq>ihx'g^ JofMa-g^
Nu$ma^ G(Ma. Von Appellativen gehört in die gleiche Ka-
tegorie fidya-g^ acc. ^iya-v,
C. Doppelstellung des Verbalelementes im ersten
und zweiten Glied.
Bezüglich der Stellung der Glieder eines Kompositums
gilt als massgebende Richtschnur für die arischen Sprachen,^)
dass der Hauptbegriff am Schlüsse steht und dass demselben
dasjenige Element, welches nur eine nähere Bestimmung
dazu enthält, vorausgeht, mag nun jenes bestimmende Ele-
ment in einem Indeklinabile, das ohnehin keine andere Stel-
lung zolässt, oder in einem deklinierbaren Nomen bestehen.^)
1) Die semitischen Sprachen weichen vielfach ab; hier steht
X. B. regelmässig der abhängige Teil nach, wie in het-jehova, Haus
des Herrn, während wir mit allen anderen Ariern Herrenhaus, Vater-
herx XL a. tagen.
2) Von der Regel gibt es nur wenige Ausnahmen: die fiilsebe
Stellung in xogv^ioXo^ und noSijpefiog entstand unter dem EinfluRS
des daktylischen Hexameters, s. S. 220; xv^^^^^*i^ 'fuchsartige Gans'
bei Herod. H 72 ist von einem unklaren Kopf ausgegangen ; KXeodiHfj
statt Jixatoxl^s, KXeodijfios statt ArjfioxXtjg sind durch die grossere
WillkOr in der Bildung von Eigennamen entschuldigt.
16»
]
242 Sitzung der phüos.'phäol. Glosse vom t Februar 1890.
Es ist daher nur eine natürliche Folge jenes allgemeinei
Gesetzes, dass auch in den Verbalkompositen das Verbun
oder Nomen verbale die zweite, das Adverbium oder ab
hängige Nomen die erste Stellung einnimmt. Das ist dem
auch faktisch der Fall bei a/u-/J^orog, ve-T^lvdeg, r^Qi-yiveia
WKv-TfOQog, dioa-doTogy nvy-^dxog, insbesondere bei allei
Kompositen, deren verbales Element passive oder neutrab
Bedeutung hat. Ein Schwanken ergab sich nur bei dei
rektiven Kompositen, indem hier die natürliche Ordnung
dass das regierende Satzglied dem regierten vorangeht, mi
jenem Gesetze der Komposition in Konflikt geriet. Denn al
der hauptsächlichste, bestimmende Teil wird doch in jeden
Sat/verhältnis zu aller Zeit dajs regierende Verbum angesehet
worden sein. So drängte sich denn auch in der That be
den Zusammensetzungen mit einem ursprünglichen Imperativ
wie Idyelaog, Mevilaog, die Energie der Aufforderung voran.
so dass das regierende Verbum auch in der Komposition die
erste Stelle einnahm. Ferner hat bei den Zusammensetzungen
mit q>iXo die doppelte Natur des Wortes, das einesteils die
Bedeutung eines eigentlichen Verbale mit aktiver Kraft,
andernteils die eines Adjektivs mit passiver Geltung hatte,
bewirkt, dass für sie die Analogie der übrigen mit einem
Adjektiv gebildeten Possessivkomposita massgebend wurde,
und somit q^iko^ auch wenn es aktive Bedeutung hatte, in
der Regel die erste Stelle behauptete. Von diesen zwei
Fällen ausgehend, griff dann aber die Komposition mit voran-
gehendem Verbale im Griechischen weiter um sich, und
es entstanden zahlreiche griechische Komposita mit einem
Verbalbegriff im ersten Glied.
Die Komposita mit voranstehendem und nachstehendem
V^erbale drückten ein und dasselbe Verhältnis aus. Das war
ein Luxus, da die Sprache zum Ausdruck eines Verhält-
nisses auch nur einer Form bedurfte. In einem solchen
Fall pflegt das natürliche Sprachgefühl dazu zu drängen,
Christ: Äbhängigkeüskomposita des Griechischen. 243
entweder eine der beiden Formen ganz tiber Bord zu werfen
oder beide zu behalten, aber im Gebrauch derselben eine
Differenz der Bedeutung einzuführen. Im Griechischen hat
die Zusammensetzung mit nachstehendem Verbum die andere
Art mit Toranstehendem Verbale nicht vollständig verdrängt,
sondern nur zurückgedrängt und in der Hauptsache auf den
Gebrauch in der Poesie und in Eigennamen beschränkt.
Daneben entwickelte sich ein an 's Willkürliche streifender
Usus, wonach gewisse Verba, wie qwyo, fieve, utriai, atTjai^
Tiavüi nur im ersten Glied, andere nur im zweiten ange-
wendet wurden. Nur einige wenige Verba erhielten sich an
erster und zweiter Stelle gleichmässig im Gebrauch. Von
edchen Doppelbildungen habe ich mir notiert:
jiqjiv^ijjg^ *l4QXin7iag, Idq^iava^^ l^Qxiti^og und vavagxog,
iftnagxog, ^ydS^QX^g, TifiaQxog.
liyeloxog, liyiatqcnog und Xoxayog^ aTQoztjyog,
ßlaipiqiQtfßv und fpQ^oßXaßrfi.
ßüftiarBiQa und napißioxig.
öaiUxPvfAog und xhvfAoSaxr^g,
ihuxixtay und ^iq)OvX%6g.
ixinoXig und l4a%vo%og.
Si^inoJiig und ^Innod'iQOTjg.
ktji'^rtoiijg und yavXoxog.
Auxoniva^ und a\iJia%oXoix6g,
JluaioTQCttog und Jwnei&rjg.
n^fiinohg und n%oXinoq&6g,
nlJ^inTvog und ßov/iXr]^.
2%^eyeXaog und Aaooi^ivi^g,
fftXo^^eogy <pil6oog>og, OilddeXfpog und d^eogulog^ O^eoq^ik^gy
dipjtfpikog.
(f%^€QOiy€yf]g und n6^q>&eQaig.
In ähnlicher Weise finden sich im Sao«
einander: bharad-vagas und vaga-bharas. Kr
1
244 Sitzung der phUosrphüöl. Classe vom 1, Februar 1890,
sanad'Vägas und vaga-saSi Kraft spendend, dati-varas, Gtiti
spendend, und gö-das, Kühe spendend, im Slaviscben Ber
slav und Slavo-her, Ljubo-brat und Brato-litd),^)
In der Regel aber, wie gesagt, ward das eine Yerbui
nur an erster, das andere nur an zweiter Stelle gebrauch
Gründe für die Wahl lassen sich nur zum kleineren Te
ermitteln : teils war die Autorität des Homer bestimmeni
teils schützte die Scheu vor dem Hiatus die mit einem Voki
anfangenden Verbalia, wie ay«, ixe, o^ff, agoi, oleoi, oyfja
in ihrer ersten Stelle, oder wirkte nach gleicher Richtniij
die Schwierigkeit von den vokalisch auslautenden Stammet
wie ila, xra, fiva, teXe^ ara, aw, Verbalnomina auf o-
ohne Verstümmelung des Stammes zu bilden. Es wara
dieses aber dieselben Rücksichten, welche auch für die Wall
unter den verschiedenen Formen des Verbalnomens für di
Dichter und Schriftsteller bestimmend waren, weshalb z. B
Herodot IV 186 xQeiofpayog und yakcmtOTioTai, und Aristo
phanes in den Fröschen 230 xegoßdrag und ytaXa^6q)&oyya
nebeneinander gebrauchten. Denn nicht Lautgesetze alleii
machen eine Sprache, sondern mitwirkende Faktoren sim
und bleiben das Gefühl für Wohllaut, die metrische Nöti-
gung der Dichter, das logische Unterscheidungsbedürfhis dei
Sprechenden imd Schreibenden.
1) Zieht man zwei Sprachen heran, ho lässt sich vergleichei
gr. qjvyo-jiToXsfÄog und lat- luci-fugus, gr, Zmal-ßiog und skt. vaga-
sätisj Krafk spendend. Hieher gehört auch die von Fick, KZ. 21.
462, gewagte Nebeneinanderstellung von skt. idcts-paii, Labctranks-
herr, und gr. Iloxidä-g, der Grundform von Iloxeiddcov, ebenso gr.
aüoxo-iArjviog neben skt. md^i-ffco^M, was Grassmann, Wörterb. d. RV
mit 'Mond verscheuchend' wiedergibt.
Christ: Abhängigkeitskomposüa des Griechischen.
245
Verzeichnis
erklärter Wörter:
vr/üiffu S. 230 Anm. 1.
"Ayüaüi 193 f.
jßfui&og 214 Anm. 2.
OLt^txofÄfig 206.
hmtig 170.
aijaixo§ieri]ig 199 Anm. 1.
aiMOv&ptj 175 Anm. 2.
1^^9)0X71^ 233.
anSrvfiog 154 Anm. 1.
-oyoi^ 172.
o;rToem]^ 182 Anm. 1.
o^Unua 200 f.
offog 158 Anm. 2.
ßfjlfa^fÄüßv 188 Anm.
<kffia^ 212.
decj/rori;^ 160.
-% 238.
dixaa/iolog 174.
di6od(nog 175 Anm. 1.
<}ailojuj)Ta 233.
hunofißf] 157, 169.
'fUoyixog 178.
V^ijg 235.
iQiovvfig 229.
'£reaxJl^$ 157.
«ri^ und Frai^og 235.
et and rfig 154 Anm. 2, 180
Anm. 1.
ßjfAoiog 157.
€^/U£VI]g 170.
/€;!^og 158, 214.
r^eqofpoiTig 233 Anm. l.
riid^Bog 155.
i^XiTOfifjvog 192.
^HviOTiBvg 224.
-i?g 171. 185, 209.
-i/-g 228.
"Haiodog 204.
&ea(pcciov 175 Anm. l.
ioxiaiQa 225.
l/tJiodafiog 216 Anm. 1.
ircnoJTig 160.
Kaaoovdqa 201.
-xiog 170.
Ält;rat/iY]ar^a 182, 197,
Anm. 2.
xoQv^aioXog 220, 241.
xQaTrjoiTtovg 206.
xt/vcS/ra 184.
xvQaotixTCüy 199 Anm. 2.
XexeTCoirjg 191.
/u€^ag 232.
MeiUayßog 192.
^iha^e 165 f.
-/uiyrig 169, 233.
IdoyoaToxog 174.
24(5 Sitzung der phüosrphäol. Glosse vom 1, Februar 1890,
vBi^Xvdeg 212.
oXvojta 181.
olo7i6Xog 217.
OTtiaaiü 156.
Tteiaixoihva 203.
nekonovvTjGog 175 Anm. 3.
Ttirazai 196 Anm. 3.
FlrjveXeiog 191.
nhj^avQT] 202.
riokveidog 215.
TtoQxrjg 229 Anm. 1.
nqiößvg 175 Anm. 3, 214.
TiQooaü) 156.
riQwxeaiXaog 189.
^aipi^tdog 204.
ra^v^ivoc; 196 Anm.
ta^irjg 230. j
zakiipqoiv 196 Anm. 2,
TawüinTeQog 202. '
Te^aaidoTci^a 206.
-Ti^ 232.
VTtiqofiXog 182.
9)£^e(7(7axij^ 197.
tpeQeaainovog 205.
yiAo- 164, 198, 242.
(jpcJg 214 Anm. 2.
Xe^Tig 233. I
xpevariu) 227 Anm. 2. J
cJxv^era 229, 234. j
lü^tjOTTfi 159, 233. ,i
247
Herr Kuhn legte eine Abhandlung des Herrn Schnorr
Ton Garolsfeld vor:
, Beiträge zur Sprachenkunde Ozeaniens/
Das australische Festland.
In der vielbehandelten Frage nach den Verwandtschafts-
verhältnissen der ozeanischen Sprachen — unter diesem
Namen seien die Sprachen Australiens, Tasmaniens, Poly-
nesiens, Mikronesiens, Neu-Ouineas, Malaisiens, der Minkopies
aof den Andamanen, der Semangs und Negritos zusammen-
ge&sst — wurde fast durchgehends dem australischen Fest-
lande eine Sonderstellung angewiesen, eine nähere Beziehung
seiner Sprachen zu denen der nächsten Umgebung vor allem
Nea-Guineas und Melanesiens abgelehnt. Norris und nach
ihm vor allem Bleek^) glaubten aus einer Anzahl, wie
Friedrich Müller^) gezeigt hat, ziemlich bedeutungslosen
Momenten einen Zusammenhang der australischen mit den
dravidischen Sprachen herleiten zu können. Kasussuffixe
und Pronomina bilden die weitaus ungeeignetsten Angriffs-
punkte bei Vergleichung zweier Sprachgruppen, weil einer-
seits bei diesen infusorienartigen Gebilden der Zufall eine
grosse Rolle spielen kann, wie denn in der That ähnlich
lautende Suffixe und Pronomina leichtiglich aus den ver-
schiedensten Theilen der Welt zusammengestellt werden
1) Jotimal of the Antbrop. Inst. I (1872) S. 89—102.
2) Grundr. d. Sprachw. II, 1, S. 95—98.
248 Sitzung der phUosrphüol, Glosse votn 1. Februar 1890,
können, andererseits wird auch wirklich Verwandtes durcl
den Eintritt von Lautwandlungen so von einander entfeml
werden, dass die ursprüngliche Zusammengehörigkeit siel
nur dann wahrscheinlich machen läset, wenn jene Lautver-
änderungen an anderen Wörtern nachgewiesen sind, und
so bietet der übrige Wortschatz mit seinen grosseren Ge-
bilden — so weit es sich nicht direkt um einsilbige Sprachen
handelt — weitaus grössere Garantien und erst in einem
solchen weiteren Zusammenhange können jene beweiskräftig
werden. Wörter ausserhalb der Pronomina sind aber von
den Anhängern der dravidischen Hypothese nicht als gemein-
schaftlich nachgewiesen worden.
Auf gleiche Stufe mit derselben setzt selbst v. d. Gabe-
len tz^) seine Vermuthung einer Verwandtschaft der austra-
lischen Sprachen mit den kolarischen; auch sein Beweis-
material besteht nur aus Suffixen und Pronomina; nachdem
er aber jüngst') eine Anzahl den kolarischen Sprachen und
denen von Neu-Guinea gemeinsame Wörter nachgewiesen,
könnten seine Aufstellungen mit einigen Veränderungen in
ihren Grundlagen möglicherweise dennoch Bedeutung ge-
winnen (s. u.). Im Gegensatz zu dem bisher Angeführten
haben sich von vorneherein auf den Boden des Wortschatzes
diejenigen gestellt, welche eine Verwandtschaft der austra-
lischen mit den afrikanischen Sprachen annahmen: Clarke*)
und Gurr.*) Indess ist von ihren Vergleichungen eine ziem-
1} Ersch und Gruber, Allg. Encykl. II, 38 S. 108 im Artikel
«Kolar. Sprachen*.
2) Litter. Centralblatt 1889 Sp. 860.
3) Journ. and Proceed. of the R. Soc. of New South Wales 18
(1879) S. 81—86 und Transact. and Proceed. of the R. Soc. of Vic-
toria 16 (1880) S. 170—176. Vgl. auch Journal of the Anthr. Inst.
Vll (1878) S. 274—276. Unzugänglich blieb mir Hahns Critique on
Mr. H. Clarke« Theory in Transact. S. Africa Philos. Soc. II.
4) The Australian Race I S. 152—189.
Se^HOfT V, CaroUfeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 249
liehe Anzahl unsicheres zu streichen und das wenige Mög-
liche, das als Rest bleibt, kann die Hypothese doch nicht
genügend stützen ; und ausserdem wird die Vergleichung der
afrikanischen Sprachen unter sich doch zuerst noch eine
Anzahl wichtiger Fragen zu lösen haben, namentlich die
nach dem Wesen der Präfixe in den Bantusprachen, über
deren moralische Verwerflichkeit (!) Brincker, Zeitschr. f. all-
gem. Sprachw. V S. 19flF., gesprochen hat.
Dagegen glaubte man nun eineh Zusammenhang Austra-
hens mit Neu-Guinea und Melanesien direkt verneinen zu
müssen. Stein thaP) suchte den Nachweis zu führen, dass
die Sprachen Australiens in ihrer Eigenart mit keiner an-
deren linguistischen Gemeinschaft verwandt sein können,
Friedrich Müller sagt Allg. Ethnogr.* S. 219: «in weiterer
Benehnng (er sprach eben von ihrer Verwandtschaft unter-
önander) hangen sie jedoch mit keiner Sprache, weder der
neuen, noch der alten Welt zusammen, sondern stehen, gleich
der australischen Rasse, vollkommen isoliert da''. Codring-
ton laugnet*) jede Gemeinschaft zwischen dem australischen
and melanesischen, Pratt') zwischen dem australischen und
«East and West Polynesian* Wortschatze; die Belege ent-
nimmt letzterer auch aus den melanesischen und Papua-
Sprachen. Dagegen hatte bereits 1847 Latham^) einzelne
Beadehungen zwischen dem Timbora-Dialekte von Sumbawan,
dem Mangerei-Dialekte von Flores und der Sprache von
Ombay einerseits und australischen und papuanischen Dia-
lekten andererseits konstatiert. Ehe mir indess Lathams
Ansicht bekannt geworden, stand mir durch eine Vergleich-
1) Zeitachr. f. Ethnologie XI (1879) Verhandl. S. (20)— (28).
2) Melanesian Languages S. 17.
3) Journal and Proc. of the R. Soc. of New South Wales 20
(1886) S. 46.
4) Bei Jakes, Narrative of the surveying Voyage of 1
Fly U. 817.
250 Sitzutuf der phäos.-phüol. Classe com 1, Februar 1890.
ung australischer Glossarien mit solchen Melanesiens, Nij
Guineas und Mikronesiens fest, dass der Wortschatz die^
Gruppen in seinen wichtigsten Bestandteilen, bei denen Ell
lehnung von vorneherein ausgeschlossen war, auf gemet
h^chafblicher Grundlage beruhe. Dass dieser Gemeinschaft alj
Wahrscheinlichkeit nach auch das Malayo-Polynesische ^
zureihen sei, werden die folgenden Zusammenstellungen i
geben. Wesentlich erleichtert wurden dieselben durch zM
vortreffliche Werke, die mir als Grundlage meiner Unfaj
suchuugen dienten. Einmal die „Beiträge zur Eenntniss d
melanesischen, mikronesischen und papuanischen Sprächet
von G. V. d. Gabelentz und A. B. Meyer, dann die iin
fassende Arbeit von Curr. The Australian Race, die eh
reiche Fülle australischer Vokabularien bietet.
Ich gebe zunächst eine Zusammenstellung der wichtiger«
für das folgende Wörterverzeichniss zu benützenden Litfa
ratur, übergehe aber dabei einiges bereits bei Vater-Jül
und V. d. Gabelentz a. a. 0. Angeführtes. Mehrere wicl
tige Werke wie Taplin, Folklore, Manners, Customs an
Languages of the South Anstr. Aborig. , dann Dawsoi:
Australian Aborigines konnte ich nicht benützen.
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Harre, A., Vocabuluire ay»tüiiiatt(jue. :!omparatif, de» principales
meines des langues Malgache et MitUiyo-Polyn^ienDes. Actes
dii VI. QonKrtia international des Orienlalistes tenu k Leide IV,
Seut. V. S 83-214.
Kahn, E., HeitrAge xur Sprachenkonde Uinterindiena. SitKongs-
tferichte der philon.-philol. u. Uistor. Clawe der k. bayer. Akad.
d. WiBsenwh. 1889 Hd. I S. lb»-23Ö.
254 Sitzung der phHosrphäol, Classe vom 1. Februar 1890.
In dem folgenden vergleigbenden Wörterverzeichnisse
ist die bei v. d. Gabelentz und A. B. Meyer befolgte An-
ordnung und Numerierung beibehalten : alle ohne weitere
Quellenangaben angeführten Wörter mit Ausnahme der *
Australischen und Andamanischen stammen aus deren «Bei-
trägen*. Die australischen, mit Austr. bezeichneten Worter •
sind dem IV. Bande von Currs Werk entnommen und be- !
ziehen sich die beigesetzten Nummern (z. B. Austr. 7) auf
die Numerierung der Vokabularien in Band I. IL III Zur
leichteren Orientierung namentlich für diejenigen, welchen
diese Arbeit nicht zugänglich ist, bemerke ich, dass 1 — 6
in , Nord- Australien", 7 am ,Cap York*, 8 — 10 an der
Nordküste, 11—26 an der Westküste, 27—30 im Innern,
31 — 33 an der Südküste von „Westaustralien", 34—36 an der
Nordseite des „Australbusens*, 37 — 38 an der Südgrenze von
„Alexandra-Land*, 39 — 41 an der Ostseite des «Austral-
busens", 42—49 im Innern von „Südaustralien*, 50 — 53 in
der Südwest-Ecke von „Queensland*, 54 — 64 im Innern von
„Südaustralien", 65 — 67 am „Spencer-Golf*, 68 bei „Ade-
laide*, 69—88 im westlichen „Neu-Süd-Wales* und süd-
lichen „Südaustralien*, 89—92 an der Südküste des „Meer-
busens von Carpentaria*, 93 — 107 im westlichen „Queens-
land*, 108 — 136 in „Queensland* nördl. vom 21. Breitegrade,
137—177 mit Ausnahme von 173 in „Queensland* südl.
vom 21. Breitegrade (168 „Brisbane*), 173 dann 178—198
in „Neu-Süd-Wales* (191 „Sidney*), 199 -214 in „Victoria«
und den südlichsten Theilen von „Stidaustralien* (209 „Mel-
bourne* ) gelegen sind. Voc. Austr. zz Vocabulaire des
Dialectes des Aborigenes de TAustralie; zitiert werden die
Wörter nach Folium und Spalte (z. B. Voc. Austr. III, 2).
BN6V. =z British New Guinea Vocabularies ; die dort ge-
j^egebenen Vokabularien sind durchnumeriert, so dass 1 zi:
Maiva, 2 =z Motumotu, 3 =: Tarova, 4 zu Mekeo, 5 zz: Me-
roka, 6 zz Favell, 7 :zz Maiari, 8 zz Eikiri, 9 z^ Kupele,
Sdtnorr r, Cariilifttd: Zur Sprachenkumle Otraniitng.
255
10 = D<nira. II — Kabana. 12 rr Manukolu, 13 — M
ray Isld., 14 ^ Duuftn, 15 z^ Port Moresby. Iß =r Kere- 1
puiiu, 17 = Test Island. 18 ^ East Cape, 19 = South |
Cape, 20 ^ Heath Uland: doch ist meist die Seitenzahl bei-
fresetzt. Die andamantMchen Wörter (Ändam.) sind, so weit |
nicht anders bemerkt, au!< Portmaiis Manual entnommen;
1 = Äka Bia-da. 11 = Äku Böjigiäb, III = Äka Kede, |
IV = Aka Chäriär, V = önge. Die übrigen Abkürzungen
stimmen mit den von v. d. Gabelentz und A. B. Meyer
a. a. O. verwendeten Qberein oder sind ohne weiteres ver-
^W^tich.
^^^K lüoe einheitliche Schreibung der so verschiedenen Quellen j
^^^Hbtmmenden Wörter konnte nicht durchgeführt werdet
]^^» Cnrr (l S. 4f.) ausdrOcküch bemerkt, seine Angaben 1
über Bezeichnung der australi^hen Laut« bezögen sich nur
auf die von ihm selbst zusammengestellten Glossare, die von '
anderen Sammlern befolgten Metboden gibt er nicht an.
Daher wurde durchweg die Schreibung der Quellen bei-
behalten.
^^^L Tasmanien wurde von der folgenden Darstellung völlig
^^^^■eschlosseD, da ich seine Sprache in einem eigenen Anf'
^^^K be^nders zu behandeln gedenke.
^B PRONOMINA.
1. Icu. Da Pronomina ein unsicheres Gebiet für Vergleicb-
ungeo bilden, sei nnr auf die Parallele von Mc. adi und
1 anKtrniischeti Formen 52 atho, 57 atoo, 150 atta hin-
■n; mit dt>mr>n>itrativem Präfis » erweitert: 2D5
, 190 B naddo, 187 ngata u. s. w. In Mc. 1 fungiert
1 erweiterte Pronomen fOr die 3. Pera. : »adi ; ebenso
pKowrarega (Prince of Wales Islands)'): nädu .sie*, nüdu
; NarT«live nf thc Voyagu o( HM9. Rattlm-
ll)IIacgilli<
I n, »9.
17
256 Sitzung der phüosrphüol. Glosse vom 1. Februar 1890.
^er" neben nüe^ na. Einfaches da »ich" BNGV. 5. 6. 7.
8. 9. Eine ähnliche Erweiterung in den Negritos-Dialekten:
N63 sikon gegen Fa kenn.
7. Dieser, a) Voc. Austr. IV, 3 ina; BNGV. 15 tVkit, 16
enai, 14 ina (, dieses*^ sena); Mf tm, Ann eni.
b) Voc. Austr. IV, 12 pa in verschiedenen Pronominal-
funktionen; BNGV. 13 pe »dieser". •
c) Voc. Austr. IV, 10 ginya; BNGV. 18 goana; Mac
kein^ koin. In Fa kenu^ NG3 sikon, NG2 siakan der
gleiche Stamm wie beim Pronomen der 1. Person.
ZAHLWÖRTER.
21. Eins, a) Austr. 7 pirman, 197 loor, 211 lore; dazu
Sr. bo'iri, ') Die genannten australischen Dialekte be-
schränken die Verwendung des Präfixes *b(p)4-Vok. auf
„eins", Sr. hat es auch in »zwei* und „drei*. Das auf
der Insel Jobi wie Sr gesprochene Po besitzt ein Präfix
*ko in „eins" und „zwei*. Aus der häufigen Präfigierung,
Suffigierung und Staramesreduplikation des Zahlwortes »eins*
ergibt sich der Ursprung desselben aus den Pronoraina.
Das Suffix man (Austr. 7) auch an anderen Stämmen:
41 kubmanna neben kop (209 A), 61 oobmanna neben
58 oomarta, 59 obmooto u. s. w.; ausserhalb Australien:
Mc 5 taimon^ Motu*) tamona neben D: ta, tai. Re-
duplikation ausser in Fi duadua auch BNGV. 2 ritarita
neben T riti. Präfigiert wird si-: Ss sikai neben NI2,
NHl kai,^)
1) So schreibt Fabritius TITLV. IV (1856) S. 212.
2) Pratt in Journal of the R. Soc. of New South Wales 20
(1886) S. 60.
3) lieber Reduplikation bei den Zahlwörtern Buschmann bei
Humboldt, Kawi-Sprache II, 266.
Sdmorr v. Carolsfeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 257
b) Ausir. 40 kooma^ 64 cooma^ 68 kuma^ 65 koutnan;^)
Ed. inrne«.
c) Austr. 203 kiap, 204 Äyap, 206 kai-up, 207 A
ÜMiiffp, G kaiap, I kaiappa, J kiappa; vgl. noch 208 A,
B, H, 209 A, D. Dann mit dem erwähnten Suffixe *man
erweitert: 207 G kaipamen^ 208 E kaapminf F kai-ap-
men; anch 209 A kap^ 41 kubmatma gehören wohl dazu.
NB iapeau^ femer »Porty-five miles at the east of Port
Moresby**) in ,Hala* koapuna.
d) Anstr. 110 woWti, 113 nupun, 115 noobun; Er wo-
bung.
e) Anstr. 181 mal, Namoi River ntarl; Mi, N, NG, G
mele, Ss moli^ Ul mola, Mm mora.
f) Austr. 53 warra, Fi ii^Ze.
g) Austr. 11. 12. 15 kootea, 14 koothea, 28 koodia,
29 kuddie, 212 kootook; I A:e^6, Um A;o/tm.
h) Austr. 69, 69 A, 72 koola, 164 kaalim, 166 Äahw,
l kulagook (s. 212 bei g), dann mit r: 100 kooroin, 167
karro; Ans totV/, Äef<ri, Po iorii.
i) Da zu EM nüat Austr. 78 ngitya, 79 niV^cfa und
jedenfalls auch 73. 75 neecha, 76 t?tc^, 80 neetcha zu
stellen sind, wird wohl auch 74 itcha hierher und nicht
ZQ T hetSy hetch gehören.
k) Wahrscheinlich in Beziehung zu Klasse f) stehen
Austr. 114 werrba^ 121 mrba^ 136 wurpa, 145 wurba,
146 trar&a, 151 woorba; vergl. noch 144 warbur, 147
warpur. Dazu das warapon von Yorke Island (Torres
Strait). »)
1) Da neben KN samosi »eins*, rinisamoti för „sechs*
steht, wird $ aus t hervorgegangen sein und moti zusammen-
1) Weiteres in der vergleichenden Tafel bei Taplin in J. A. I.
1 (1872) S. 88.
2) Sajce, A. H., Academy XXIV (1883) S. 285.
3) Albertis, Alla Nuoya Guinea S. 568.
17»
\
258 Sitzung der phüos.-phüol, Classe vom 1, Febntar 1890.
gehören mit Austr. 84 metatta, 85 mata, 87 meta. Ol
alle diese mit Jo niai und weiterhin mit den von Kuhn.
Beiträge zur Sprachenkunde Hinterindiens 196. 197 zu-
sammengestellten Ausdrücken verwandt sind?
22. Zwei, a) Die in der ersten Klasse bei Gabelentz ver-
einigten Formen zeigen neben offenbaren verwandtschaft-
lichen Anklängen doch grosse Differenzen namentlich hin-
sichtlich des Anlautes; dieselben mögen sich vielfach aas
Präfigierung erklären lassen ; jedenfalls gehören sie nicht
* der einzelsprachigen Entwickelung an, da sie im Austra-
lischen ebenso vertreten sind, Die einfachste Form ohne
anlautenden Konsonanten zeigen: Ann ero, Mc 5 aru^ 0
arua, Mc 3 oru^ Mc 6 ari; dazu Austr. 140 orra^ 141
oro, wenn hier nicht anlautendes w oder k weggefallen ist.
b) Erweitert wird der Stamm einmal mit einem Ä:-Pra-
fixe: T, Ed kam, Mf kurif, NC kam, Po keuru. Ab kir
oder einem p-Präfixe (ursprünglich pw, pu? daher mit w
wechselnd?): NC puam (wam), Sr hom. Wr woruo, mit
l NiS pilao. Im Australischen erscheint zunächst die
p—l'¥orm: 199 pola, 69 A, 76 loöla, 67 hulli, 75 loolla,
123 hulla, 129 poole, 130 hoolli. Dann tritt dieselbe
häufig mit einer r- Erweiterung auf, die später auch an
anderen Stämmen nachgewiesen werden wird; sollte die-
selbe identisch sein mit obigem am etc.? Auf Voll-
ständigkeit der Aufzählung muss hier verzichtet werden:
103 boolari, 107 hoolara, 114 hoolery, 121 boolaroo, 127
poolaroo, 137 booleroo etc. Die Varianten sind offenbar
zum Theil blos graphisch. Femer wird die p — i-Form
mit der k — r-Form kombiniert: 97 blakarra, 99 blagura.
Weit häufiger p — r dann k—l: 48 barkoola, ebenso 51.
53. 74. 79. 102. 104. 105; barcoola 52, 107; barcoolo
73; barkooloo 78; barkool 77; barcolo 82; parakoola 49;
barlioo 72 ; piakuUu 80. Hieher gehören wohl auch
Schnorr v, Cards fdd: Zur Sprachenkunde Ozeaniens. 259
•
Andam. I tk-paür-da, II irpöl, III irpoly IV nerpoL Die
Präfixe Qud das Suffix da in I zeigen, dass die Bedeutung
»Paar*, unter welcher die gleichen Worte bei Port-
man, Andaroanese Manual S. 54 f., wieder erscheinen,
die urspröngliche ist, wesshalb auch erklärlich wird, dass
nur ,zwei* nicht auch „eins* eine andamanische Parallele
bieten.
c) Zu Ans kodu sind zu stellen 136 kotoo^ 8. 9 koo-
tera^ 10 kaotara^ II kootthurra, 12 koodthera, 40 koo-
tkera^ 64 cootera, 100 kurto. Auch hier also r-Erweite-
mng. Daneben treten Formen mit anlautendem w auf:
14 woother^ 15 UH)othera, Wechsel von k und w findet
sich schon in melanesischen Dialekten: Codrington,
Melanesian Languages S. 210f. Im Australischen lässt
sich dieses Schwanken auch bei „Wasser* „Regen* nach-
weisen: Xr- Formen 183 kulle^ 190 b kolle, 190 g kalle,
daneben 214 A wolla^ C tvolla, 213 warra; ferner 42. 45.
57 kaata, 43 kutta^ daneben 90 tvudha^ 94 tvadda. Aehn-
liches bei „Känguruh*.
d) Nachdem das sekundäre Anwachsen eines r-Suffixes
in zwei Fällen sicher nachgewiesen werden konnte, unter-
liegt auch die Gleichstellung von W mando mit Austr. 56
mandru^ 55 mundroo^ 69 munderu, 194 moondaoora kei-
nem Bedenken.
SUB8T AKTIVA.
Himmel.
47. SoNNl. a) Formen wie 0 rera^ Sg raera, sind natürlich
identisch mit den Bezeichnungen für „Himmel* : 6 raro,
Ans rora; doch bleiben die speziellen Verhältnisse, in der
diese Gruppen zu anderen stehen, näherer Untersuchung
vorbehalten : so zu Mm saro^ dann ohne anlautenden ^
1
260 Sitzung der phüos.-phüol. Glaste vom 1. Februar 1890.
sonanten: B aro (^Himmel*), Lo oroA, Mf ort (»Sonne*),
B, 6 hura, femer zu zahlreichen malayischen Formen,
die Marre, Langue Malgache S. 124, unter «Jour* zu-
sammengestellt hat; vgl. auch Kern, Mafoor 254 f. ^]
Im Australischen erscheint zunächst die an erster Stelle
genannte Form: 39 rearra. Ursprüngliches s im Anlaute
haben vielleicht eingebösst: 190 a irrae^ b erie, g erat.
Eigenthümlich ist das laUrra Austr. 1, das doch wohl
von den angeführten nicht zu trennen ist.
b) Der weitverbreitete von Kern Mafoor S. 240 f.,
Kuhn Beiträge S. 206 in seiner ganzen Ausdehnung über
das Gebiet des Malayischen behandelte Stamm, der nntei
den melanesischen Sprachen als B sina, Mc l sing^ Mc 2
sen, Mf isna erscheint, dürfte auch im Australischen nicht
fehlen; wenigstens könnte Gudang inga^) (=i Austr. 7)
auf "^singa zurückgehen. Neben diesem mit s anlautenden
Typus figuriert ein solcher mit anlautendem t (s. Kuhn
a. a. 0.). In den melanesischen Sprachen hat er die Rolle
von »Tag* (Gabelentz Nr. 55) angenommen: Mb dani^
B dani^ dangi. Er dfaw, NC tan; dagegen BNGV 10 dina
{= »sun"), 15 dina (ebenso), 18 tonuga (vgl. B dangi);
im Motu (Neu-Guinea) dina nach Pratt a. a. 0. S. 49
ebenfalls = „Tag"". Es ist leicht erklärlich, dass diese
Form im Austr. die Oberhand über die «-Form gewonnen
hat: 175. 180 tooniy 187 toonau, dann von Ridley, Ka-
milaröi^ S. 124 für das Wailwun (= Gurr Nr. 181)
als düni or dhiini bezeugt. Darnach dürfen die Formen
mit anlautendem th bei Gurr ebenfalls hierhergestellt
werden: 53 thuno, 183 thtnmi,
c) Dem T mere. Ml marin scheinen verwandt zu sein :
Austr. 101 miir^ 107 moorie, 208 J mering^ vielleicht
1) 8. Kuhn, Beitr. z. Spr. Hinterindiens S. 224.
2) Macgillivray a.a.O. II, 279.
ScfcwofT r. Carolsfeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens. 261
auch verschiedene mit w anlautende Formen; über den
Wechsel von m und w im Anlaute s. u.
d) In einzelnen Fällen scheinen sich die Bezeichnungen
für .Sonne* und ,Mond* verschoben zu haben. So ent-
spricht einem Mc 1 karam^ kaaram «Mond*, Austr. 114
kurry, 121 kurri, 123 karri, 129 karrt, 131 kurri, 136
kari etc. Im Motumotu (BN6V 2) bedeutet koru , Stern*;
ebenso BNQV 6. 7. 8 koro »Stern*. Hierher gehören auch
Andam. III chirke, V chileme «Mond*, bei Röepstorff,
Vocab. of Dialects spoken in the Nicobar and Andaman
kies S. 74: o-goorda; Z- Formen auch im Australischen:
181 gille, Namoi River gillee, 168. 170 killen; mit k-
Snffix: juUuk am George's River (Ridlej a.a.O. 124).
e) EM weir^ MI vear, ver «Stern* =: Austr. 14 waro
«Sonne* .
48. Mond, a) Die von Marre a.a.O. S. 125, Kuhn a.a.O.
S. 223 beschriebene Form, der im Melanesischen entsprechen :
Lo, Mai furaHy KL bura und einige weiter abliegende
Varianten, hat Verwandte im Australischen: 12 heerie, 40.
50. 61. 62. 64 peera^ 41 pirra ebenso 46. 49. 55. 56 ;
femer: 58 pearra, 59 bera^ 60 birra^ 63 Wara, 65 biar,
67 birra; aufiällig bleibt die Vokalfärbung der ersten
Silbe; vgl. indess Voc. Aust. II, 1 purrumbouk^ dessen
zweiter Theil in Mf paik stecken könnte.
b) Mit Sg punan, 0 punono und wohl auch Ed popu
vergleichen sich 164 baboin^ 166 bapun, 168 baboon.
c) Zu Li treu gehören die australischen Ausdrücke für
«Sonne* : 140 toroo, 141 tooroo^ 152 toorUy 153 dooroo,
155 tarow^ 156 duroo, 157 thoroo^ dann bei «Stern* 20
tere^ 164 dirrai.
49. Stern. Mc 3. 4 batui, Ng 2. 3 biton, G fitou, Anu
vüi — Austr. 127 botho, 130 buttu, 131 iiitiU,
ioo^ 151 boadthoo, 151 butthoo, 152 bootoo etc
1
262 Sitzung der pMos.-phüol. Glosse vom 1, F^mtar 1890,
Zeit.
55. Tag. a) NC buen^ wozu auch Ann aopan^ T napen -=z
«Tag'' zu stellen sind, hat verwandtes in Austr. 30 hannoi
23 henung,
b) Ma rane^ Mar ran^ die wohl mit den in t an-
lautenden Formen, wie Li drae zeigt, in der Weise zu-
sammenhängen, dass r wie t auf ursprüngliches tr zurück-
gehen, haben im Australischen einen Vertreter in 207 I:
roanung\ auslautendes ung hinzutretend wie bei a).
c) Li drae — Austr. 157: thooroo^ New England:
tarar,
d) Die Form mit anlautendem t repräsentiert wohl 65
tindou,
58. 59. Abend. Nacht, a) Ut tapo — Austr. 178 iupin.
h) Ann. jupura^ KL burawa — Austr. 192 purra^
196 burrabi; vgl. noch Wallace, Malaj. Archipel, deutsch
II 447 Nr. 24 (Amblau) pirue.
c) Austr. pitta (177) — Andam. II päti-da, III yfr
pdf, IV yer pat; Wallace a. a. 0. Nr. 21 (Buru) pc-
m, 22. 23 (Buru) beto,^) 36 (Saparua) potu, 41 (CJeraro)
jwtüün,
d) Andam. I: guruk-da — Austr. 121 ngumnu^ 181
nguru^ Namoi River ngooroo.
Wetter.
67. Wind, a) Ed. tarra — Austr. 10 toora, 48 tyiri, 49
tiarri, 92 tara. Sollte die Uebereinstimmung zwischen
den Bezeichnungen für „Wind* und verschiedene Tages-
zeiten auf Zufall beruhen? so hier die mit »Tag* c) oben.
Dann könnten auch die Ausdrücke für .Abend" im Andam.
l)Van der Grab, De Moluksche Eilanden in der Lijst van
Woorden S. 12: petibon.
iSd^Norr V. Carola feld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 263
von .Wind* herstammen: A I tdr diya^ II td tiri^ III
trdi i to^ IV teräi ehiru ; cMru gehört zu den unter c)
Tereinigten Formen.
b) Mc 5 tcUu; sind Austr. 8 toorda^ 9 toordo Zwischen-
formen zwischen diesem und den unter a) ? und gehört
Andam. Y tötäütS hierher ?
c) Mh guri^ 0 giriko — Austr. 1 guruuHi, ^) 190 a
fjirar^ b gera^ d geerach^ 209 A gorin; sollte das oben
55 d Angefahrte hierher zu stellen sein? Ternate und
Tidor köre.*)
d) Mit 95. 97 koobin, 99 copin^ 100 kuppin,, 146 kaiba^
147. 148 kaipa vgl. BNGV 14 gubö; auch der 2. Theil
?on Er mankep hierher?
e) Sa morro; Austr. 18 marra^ 19 maar^ 22 maar,
20. 30 marr^ 31 mar^ 23 waÄr, 183 mtir. Misool m^ö.^)
f) Mit e) wohl verwandt*) ist Mai woreai; Austr. 40.
68 warre, 41 wirra^ 58 tvaree, 60. 61. 62 warrie, 63
•coiTf, 67 worrie^ (59 waddee).
g) Wohl aus einer Reduplikation von e) mit üeber-
gang des ersten , anlautenden nt in u; sind entstanden
Austr. 42 iffolmurra^ 90 wirramirra^ 94 tcartnara. Durch
Assimilation ist 43 toommara und weitere Verstümmelung
Mf waam entstanden.
h) Jedenfalls weit älter als die w-Variante ist die ;>-
Variante zu e): Ng 2. 3 parris^ 3 pahas, Mc 6 bubere^
1) Suffix wa in 1 Öfters (Wörterverzeichniss bei Cur r I S. 258f.):
,Fi:«ch* Muddufca, gegen 84. 85 moddy^ Sa met, mettem; «Wasser"
luarrawa, verwandtes bei Gabelentz Nr. 104: Ml ergour, K gour,
CM g9r; vgl. im Austr. unter »Regen* : 214 A kor-kora, C korkora,
D karokor. Dann ohne Vergleiche: »Fliege* muJalwa, „Speer* do-
vingwa^ «heute* üluinwa^ «gestern* goolawa.
2) Van der Crab a. a. 0. 18.
8) Robid^ van der Aa, Reizen naar Nederlandsch Nieuw-
Guinea S. 842.
4) Ueber den Wechsel von m und tr s. o.
1
264 Sitzung der phüos.'phüol. Clause vom 1. Februar 1890,
ferner Minahassa-Bantik *) : pipihi, dazu Austr. 127 eburra^
131 ebara, 129 parooga^ 130 parretta.
i) Anstr. 101 woonungoo — Andam. I woolanga-da ist
wdhl zufallig.
76. Regen s. bei 104. Wasser.
Erde.
78. 79. Erde, Land, a) Der weitverbreitete von Gabelentas
a. a. 0. und Marre a. a. 0. S. 127 behandelte Stamm tan
etc., auf Boeroe^) doeniai^ auf Almaheira und Mina-
hassa^) ianah, wird im Austral. vertreten durch: 181 taan^
Namo River toum, 83 tuni^ 201 thanni. Auch Andam. V
tutdnö ?
b) KL, üt HH — Austr. 175 tauH, 176 taree,^) New
England tarri^ 196 thoora^ doorla.
c) G tnato, NC ptiemcida {pue auch in puemua «Land*)
— Austr. 46 meta^ 50 mitta, 55 mithat 56 mtta.
d) Die Sprache der Insel Bauro kennt (v. d. Gabe-
lentz II 93) ein Wort mägiro , Erdboden*, ein weiteres
gao ,. Boden* und ein drittes mo ^Garten*, „Feld*. Ver-
wandt mit diesen sind Austr. 91 magi^ 95 magea, 99 mug-
geciTy 100 mukkeo.
e) Ma kurube (kurupu) — Austr. 11 karbo^ (82 kara),
f) Austr. 113 borra, 115 poorra, 161 parr^ 187 burrai^
188 parri, 189 burri, Andam. II per-da^ III puäh, IV budh.
86. Berg. Andam. I boroin-da^ II burinda, III burin^ IV
burain; bei Röepstorff a. a. 0. S. 63 borunj; vgl. Native
Tribes of South Australia (Adelaide 1879) S. 131 Parn-
kalla: purri „hill*, Adelaide Tribe pure »stone*.
1) Van der Grab a. a. 0. 19.
2) Van der Grab a. a. 0. S. 2.
3) ebenda S. 3.
4) Curr III, 269 deree geschrieben.
Sdmorr r. Carolsfdd: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 265
Feuer.
100. Feübr. a) KW, Mai iworo, Mf foor, EM üra, Ml
woar und weiteres bei Kern Mafoor S. 238 verzeichnetes;
dazu noch Boeroe bara. ^) Austr. 38 oorra^ 39 ooraa^
121 poari, 123 burri, 127 booree, 129 boorri, 130 bree
n. s. w.
b) K böte, Austr. 104 pooti, 137 fcoorfe«, 177 boodi,
(174 ftoorde).
c) ül tuna, Austr. «120 tano (^ Rauch" tonone).
102. Rauch, a) Ed tula, Austr. 27 turoo, 87 ^Aöor, 172
tullo, 173 da7/o, 197 thairra.
b) Mar fror}, Austr. 52 bobatho; 183 booihoo, 187
beautoOy 188 &u//a, 201 poo^i; diese Form doch wohl
identisch mit Feuer b).
c) Die in der ersten Gruppe unter , Feuer" bei Gabe-
lentz zusammengestellten Varianten erscheinen im Austral.
zum Theil unter ^ Rauch* : zu Ann. caup, Fa nkup^ Ss
kapu\ vgl. Austr. 113 koopoo, 115 kopo, ferner Pel kapp
»Asche*.
d) Pel kalt; Austr. 39 couta, 101. lOü koodoo.
Wasser.
104. Wasser, 76. Regen. Die Bezeichnungen für , Regen*
(R.) und ^Wasser** (W.) gehen beständig in einander über.
a) Pal gul, Sa gulim (R.); Ml ergour, K gour^ EM
gür, Mc 6 kule; femer Niknnau*) (Gilbert- Archipel) ha-
rau (R.), Karas*) (W. — Neu-Guinea) kekal^ Kapauer^)
(W. — Neu-Guinea) keri, BNGV 3 ghura; dazu Austr.
den verschiedenen zusammengestellten Varianten (mit und
1) Van der Grab a. a. 0. S. 18.
2) Pratt a. a. 0. S. 56.
3) Robid^ van der Aa a. a. 0. S. 343.
1
266 Sitzung der phüasrphüol. Classe vom 1, Februar 1890.
ohne Vokal, Reduplikation, schliessender Nasal, r oder l)
entsprechend: , Wasser*: 29 karloo^ 148. 190g kalley 188
halle, 149 kalli, 176 kolUe, 181 kolle, 183 küllee; 190 b
hüllen^ 199 kerlini, 206 karlin^ (208 B kartin u. s. w. s,
bei b); „Regen*: 45 cAa?7i, 214 A kor-kora^ C korkora^
D karokovy 63 kooruna^ Namoi River koUee-
b) Y Äw^, Austr. „Wasser* 37 kootcha^ 38 cwachc^
39 guta/a, 42. 45. 57 iboo^a, 43 Ä;t<^to, 104 ifeuto. 105
Äwr^a (R.) seheint Zwischenforni a — b. Dann Weiter-
bildung mit n wie bei a: 202 kartini^ 203 kaatini^ 204
katchin, 207 A kaatyin, 208 A kathun, 208 B *ar^tn, E
kathiny H katchin.
e) NIS 6tiw (W.), Almaheira^) feaw/o (W.); Austr.
„Wasser* 110 banna or bauna, 214 D banna, «Regen*
boonoo^ Sydney Harbour panna, 192. 194 bunna. Hierher
auch Andam.*) panOj (R. und W.).
d) KL mura (W.) — Austr. (R.) 126 marroo, 190 g
murra,
e) Den zahlreichen bei W. und R. im Austral. auf-
tretenden Formen in k -\- Vok. -{-p und ähnlichen tritt
zur Seite BNGV 16 kuba (R.)
f) Gruppe k + Vok. -(- m. „Regen* : KN oiwo, Ut
koma, Lo komah, KW jamu, Mai yamo; Austr. „Wasser*
99 commo, 114 komoo^ kamoo, 118. 152 kummoo, 121.
136. 137. 140. 145 Ä:awo, 127. 133. 141. 144. 150. 151.
156. 157. 158 kamoo, 129. 143. 146. 155 kammoo, 130
kammo, 177 koomoo, 133 X;am, 138 itummo, 131. 147
kommo, dann ohne das anlautende k 131. 143. 153 am-
moo. Dann ebenso zahlreiche Vertreter bei „Regen*.
Sind die Formen in n und ng hiermit verwandt?
1) Van der Crab a. a. 0. S. 19.
2) Tickell, Journal of the As. Soc. of Bengal XXXIII, (1864)
S. 170.
Sdmorr r. Carolsfeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens. 267
Pflanzen.
113. Baum. Ma sereie, Voc. Austr. II, 4 yara.
117. Blatt. Mb nehe, Kowrarega (Macgillivray a. a. 0. II
287) nissa.
121b. WüRZKL. a) Voc. Austr. III 12 (Adelaide) waeta;
vgl. NC wat^ anderes bei Wallace, Der malay. Archipel
II 459: 32 toaäia, 33 eitcaäti^ 35 ai wcuU^ 49 gaka tcatu;
34 (Amboina) hat ai allein. Eine austral. Nebenform
a. a. O. III 1 (Victoria) warran hat entsprechendes bei
Wallace 36 (Saparua) aiwaäri^ 38 (Cerani) haiwaäri.
b) NC ian; Voc. Austr. III 7 goner.
c) Voc. Anstr. III 3 cour, dazu Marre a. a. 0. S. 115:
mal. dkar n. s.w.; vgl. noch Kern, Fidjital S. 196, dann
die Zusammenstellungen bei Codrington, Melanesian
Languages S. 49 u. 88 Nr. 52.
Vögel.
152. Ei. a) Mit BNGV 12 (S. 14) tömi vgl. (nord-) austr.
92 iaum; (vielleicht auch 91. 97 tandoo, 99 tando hierher).
b) BNGV 5. 6 (S. 6) 7. (S. 10) uguuni, 9 uguni, 8
ii^'fit — Austr. 126 gunnoo^ 144 kungoo, 180 kungiy er-
weitert 189 kungiri. Hängt das anlautende u der Wörter
IQ den BNGV mit einer Anlaut-Silbe wie in NC ongan
zusammen?
c) B popo — Austr. 40. 41. 61. 64 peepee, 41 bebi^
42 papooy 43 pappu^ 45. 57 bapoo, 59 pepe^ 60 piepir,
63 peppi.
d) Andam. I moUhda^ II mvia, III mulo; das Austr.
hat ein Suffix beigesetzt: 199 mirhoo, 206. 207 A G J,
208 H mirk^ 204 murrek u. s. w.
e) Austr. 163 dail: dazu (?) die weitverbreiteten For-
men toi u. dgl. bei Codrington a. a. 0. S. 42. 66.
268 Sitzung der phüos.-ptiUol, Clause vom i. Fehrtusr 1890.
Fische.
1(53. Fisch, a) EM wapi; Anstr. 7 (Cap York) tvappi, 16
t4)eby 18 wappie^ 23 wehing; ferner Macgillivray a. a. 0.
II 285 Kowrarega (Prince of Wales Islands) toawpiy Gu-
dang (Cape York) waiopi; Jukes, Narrative of tbe sur-
veying voyage of H. M. S. Fly II 284: Masseed etc.
wapiy Cap York tcapi^ Port Lihou warpi; Gurr III 684
Warrior Island loape.
b) EM tüp; Austr. 118 taboo.
c) Austr. 1 muddutva^ 13 moody — BNGV S. 14
Nr. 11 mada^ 12 maita^ Sa met^ metiem,
Insekten.
167. Fliege, a) NC abut, B böte, Warrior Island (Onslow
bei Cnrr III 684) boule, vielleicht Fehler für boute s. d.
Bemerkung Curr's a. a. 0. S. 682; Austr. 199 perti, 201
beti, 203 betegi, 207 A pittik, 208 A bedik, 208 B pitiik,
208 E biihuk, 208 H biityik.
b) Mc 1 niniga^ ganianiga, Austr. 126 fitw, 127. 144
nuigUy 130 nunya^ 131 nein^ 133 nenga, 145 nungun^
147 nungina,
c) Austr. 141 nimumia^ 157 nemun^ 174 vgemun^ 177
vcmov — BNGV S. 6 Nr. 4 anguma.
d) Andam. I bumila-da, II pumity III pieftio, IV pw-
/fw/w; Austr. 183 boomal und dazu wohl auch 190 a bur-
remid, h borimilly d burrimal^ g boremul; NC maZt , In-
sekt**.
Mensch.
183. Mann. Ul kale, Austr. bei Ridley, Kamilaröi» S. 122 f.:
Victoria küUnthy North- West-Coast gtul, Lower Hunter
köre; dazu Andam. V unydgile; gile ist offenbar der
geschlechtsangebende Theil des Kompositums; vgl. unyä-
öle -wife".
Schnorr «. Carolsftld: Zur Sprachenhwide Ozeaniens, 269
188. Vater. Fa temen, NC tiaman, femban^ Er etemen
u. s. w., BN6V S. 26, Nr. 15 tamava — Voc. Austr. I
12 (Soath Anstr.) tamtnamu «Grossvater*.
190. Mutter. Fi tina, tinamu, Er dinenie, Li thine, Mar
^ne^ Motu ^) titiana ; Austr. 7 atinia.
191. Kind. Austr. Ridley Kämilaroi» S. 123 Queensland-
Kogai turü; Am tererCy Mar ad^eri; dazu Andam. I ab
dere ka-doy II ab tire, III Üird, IV etire.
192. Sohn. Austr. Uidley a. a. 0. S. 122 Kämil. wurume,
EM wirreim.
194. Bruder. Ma achelua^ cheluaie; Austr. bei Ridley
'a.a.O. Kämilaröi gullami; Andam. II dr chtdu tu^ IV
ngard chulu tu (s. auch bei , Schwester").
196. Weib. Im Austr. gehen die Bezeichnungen für ^Weib*
(w.) und .Brüste* (b.) vielfach ineinander über.
a) Den nencaledonischen Formen tabuan, taamna ent-
sprechen Austr. 95. 97 iamboo (b.), 99 tambo (b.), 100
tamyo (b.), 115 toanioo (b.), 141 tumbo (b.); 176 tarn-
ma (w.).
b) In der ersten Gruppe bei Gabelentz: Sa, S pin^
Mc 3. 4 patn, Mc 6 pinomy Mf bien ; mal.-pol. Verwandte
bei Kern Mafoor S. 232, Fidjitaal 197, Kuhn Beiträge
227. , Brüste* Austr. 75 poottna, 210. 212 beng; ^Weib**
95 poifiu, 99 bunyah, 100. 141 bunya, 106 piinga.
c) Dem austral. „Weib* 174 amby^ dem zahlreiche
ähnliche Formen bei ^^Brüste* zur Seite stehen, vergleicht
«ich BNGV S. 15 Nr. 11 amu.
d) Ss karai (goroi) — Austr. 40 kore^ 62 carroo, wohl
auch 87 karump, 207 G korm (b.).
e) T peran, C farriy S herri; Austr. unter b. 186,
Healesville birring^ 209 A biring, 190 B birririy ohne Nasal
1) Stone in Journ. Geogr. Soc. London 46 (1876) S. *
1
270 Sitzung der phüos.-phüoU Classe vom 1, Februar 1890.
190 g berey 213 beerree; dann mit Erweiterung 103 beriko^
75 burrukka (w.), 105 purraja (w.).
f) Mit A bibi, Ng 3 babi (dazu Marre a. a. 0. S. 108)
vgl. die zahlreichen Formen im Austral. bei W. wie B.;
z. B. 10 bibi, 12 baba u. s. w. Dazu wohl auch Andaro,
II dböb.
g) Neben Ed manggotta BNGV S. 7 Nr. 5. 6 fnagi^
S. 11 Nr. 8 maghi, 9 maghina; Austr. 89 magooa, 90
mayo, 94 magoo. Damit verwandt sind die Formen mit
anlautendem w: 102 wongetta, 103 wongita, dann ohne
Suffix: 130 ungoo, 131 wongo,
h) Andam. III ebuhu^ IV laobuku; Austr. 43 bokti,
45 bookoo.
i) Andam. I dpail-da, Austr. 207 E pulle-pulle, 41
pallara^ \9l^, \96 bullong, 197 bcUlan. Röepstorff a. a. 0.
S. 110 schreibt appaila.
k) G, XJl, Mm iewt (wohl auch Ss kana »Mann" ver-
wandt); Austr. bei Ridley Kämilaröi* S. 123, North-
West-Coast ginaia; dazu auch Nancowry-Nicobar ^) fcäw,
käne?; Andam. I chdno Id „mother**, dann bei Tickeil
a. a. 0. S. 170: chana »woman*.
201. Tante. Mf nangguni, NC nian; Voc. Austr. I 7 (Vic-
toria) naan.
Kopf.
210. Kopf, a) Austr. 13 wdla, 120 wallow; Mh, Fi ulu^
S, M olu, Mc5 ualem; Marre 101, Kern Fidjitaal 187.
b) Austr. 7 (Cap York) pat^a^) — A boiu (batu), Am
hotu; die Form mit Nasalinfix Ng 3 buntok gehört zu
Austr. 52 bunda, 53 boontha.
1) Koepatorff, A Dictionaiy of the Nancowry Dialect of the
Nicobarese Languaj^e (Caicutta 1884) S. 208.
2) Macgillivray a. a. 0. II 296 GudaDj^: päda.
Sd^norr v. Cards feld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 271
c) KW kotera^ Austr. 26 kater; aber auch die Formen
niit r Tor t sind hierher zu stellen : 32 kart^ 42 kurty^
43 kartapu^ 45 kardiapoo; pu (poo) wohl zu 213 hua
und NC huan^ pucanbtian; pucan wiederum zu Austr.
214 A. C poko. Dann weiterhin mit rt: 102 karte^ 104.
105 kirti^ 121 kirta, 156 hartha. In beiden Stellungen
hat r 17 karier,
d) Vielleicht auf c) gehen die Formen mit inlautendem
«, dann ih, d, i zurück: 16 cata, 18. 19. 20 katta, 22.
147 jfcu^/a, 30 kotta, 123 fta«a, 133 kaita, 150 ta«Aa,
131. 151 kutka^ 144 /r(i(2a, die in dem Verzeichnisse bei
Codrington Melan. Lang. S. 45 zahlreiche Analogieen
finden; bei Gabelentz Mc 3. 4 gaten^ Ss kauduii; An-
dam. I chetta-da^ III kUe^ IV kude.
e) Austr. 40. 48 koka^ 41. 63. 64 kaka^ 67 kakka,
dann in Verbindung mit dem unter f) zu behandelnden
Synonymum 69 kukaminta; BNGV S. 18 Nr. 14 (Dauan)
kuikö. Eine Nebenform lautet 95 gigh 91 /cAi^i — BNGV
S. 14 Nr. 11 giginafi.
f) Austr. 69 kukaminta^ 69 A kafaminia; NC mondieih
Ng 3 mudifig.
g) Austr. 161 Xcariif, dann 164 kaam, 106 /cam —
EM JfcÄ-em, &Mm (BNGV S. 18 Nr. 13 kerem). Damit
verwandt sind: Austr. 134 kurria, 136 korea, 145 koori,
Naraoi River iwr, ^rar; BNGV S. 18—19 Nr. 15 koarüy
17. 19. 20 garu.
h) Austr. 115 tungOy 153 dungoo (yoongoo), 155 /o^oo,
157 towigooj 174 dangoy 177 tooi^o — Pel dww^.
211. Haar. Die Ausdrucke sind öfters identisch mit denen
für „Kopf.*
a) Austr. 140 katta, 147 kutta, 127 kudtha, 131 kuthy,
145 katüy 26 üa^er — Mai (nangH-) katu.
b) Austr. 102 bungo, 103 bungu, 104 |M
I8M. Pkikw.-pliiloLiLliirt.CL 2.
272 Sitzung der phüo8,-phüol. Glosse vom 1, Februar 1890,
pundjiiy 107 bungee, 144 boona, 214 A pokkati, Mc 2
gate')banga, Ng 2. 3 bunk, H ibarUa, Li pene ; put
in A langam pui wohl auf eine ^-Form zurückgehend.
e) Austr. 28 wale, 65 woolya, 67 kakka toüya, 153 |
tt?ooZo, 91 walloolu, 183 M;a«a; 43 M^ÄtVri, 129. 137. 138..
156 wooroo, 155 woorow, 173 bcnoray 188 tvooranvy 190 a i
wraw, 190 d wo&ran; dann in Combination mit d) 42 «?i7-
poora, 48 oolparoo; B warihu, Mc 1 w/t, Am ii;(>Zti, ti/;*
Mf rwnri^aam ; mal. ftw^w ; andere Verwandte auf malay- *
ischem Gebiete bei Favre Dict. Mal.-Fr. II 231.
d) NC bolen, Lo (monong-Jfuru, KN mnogbum, SM
buruluy Mf ÄWMW-^ iwra?m, Hu gemuroh; Aastr. 46. 56
parra, 55 /^ara, 187 boorach, 190 g pearu.
e) NC ;^o/, v^l. Austr. 69 A puntuy 41 kakaptUti.
f ) EM tww5, MI mM^A, f)toosh, Austr. 6 modir, Andam.
V mäüde.
g) NI 2 la-paebe^ NB pepenaule, Austr. 203 pope.
212. Auge, a) Die malayisch-polynesische Form mata be-
handelt bei Marre a. a. 0. S. 96 f. ; Kern Fidjitaal S. 154;
dann die weitere Ausdehnung bei Kuhn, Beiträge S. 2 15 f.;
dazu aus Gabelentz Am meta, Mar med^a^ Ml maitang^
BNGV S. 2 Nr. 3 matagu, Motu mata,^) dann Austr. 48
meetyee^ 49 mitchie, 90 midialla^ 134 mudjura.
b) Während im Austral. die m -^Yok. -\' t (d)'Form
selten erscheint, erfreut sich die mit ihr offenbar ver-
wandte in m -(- Vok. -f- 1 einer um so weiteren Verbrei-
tung. Mc 3 malapatuniy Mc 4 malun; vom Austr. seien
nur die Hauptformen angeführt: male, meal^ miel, mail^
meail^ mial^ nieil, meel, mil, mael; daneben r-Formen in
Victoria: mir, mer, mree.*)
1) Stone, Journal Geogr. Soc. London 46 (1876) S. 40.
2) Im Basä Krama: maripat, Raffles, History of Java II
S, LXXIX.
Stknorr t>. Carohfeld: Zur Spraehenkunde Ozeaniefis, 273
c) fw+Vok. + n: H jimafiu, A manna, KL managa;
Austr. 40. 58 meena, 41 menay 59 mina^ 60 minna, 180
meinty 201 fitain^', 202. 203 mingi.
d) m + Vok. + /r; Li meke, Austr. 74 mikki, 75 tnee-
ty, 76 mikeyy 77 meekee, 78 wift«, 72 megie. Vgl. La-
tham, Elements of comparative Philology S. 303 u. 304:
Kissa (Serwati): makan, 324 Kanaka (Sandw. Isl.): tiia2;a.^)
e) Anu: vadhu und Mf ropier-wur , Augen brauen * ;
dazu Austr. «Auge*^ 34 waddoo, 35 wardoo.
f) Die zweiten Glieder in 39 ugnaquirta, 43 milki'
kardi, 45 miltekurte liegen dem NI 2 le-kadli, katli nahe,
der erste Theii von le-kadli hinwiederum erscheint in
Aostr. 1 leemurra.
g) Kompositum aus zwei Synonymen ist auch Austr. 108
tcofitree (vgl. 184 djeeon): Mh teri, Sa tano,
h) Die versprengte australische Form 15 iragoo hat
grosse Aehnlichkeit mit EM airkip, MI illcapt und dem
ersten Theile von EM , Augenbrauen** (irke-Jmus ; hierher
wohl auch Dschilolo läko, Wallace a. a. 0. II 449.
i) An der Westküste Australiens ist stark verbreitet
eine Form dilli u. ä. Damit sind verwandt: Andam. I
iddl-da, III er-toly Tickeil, Joum. As. Soc. of Bengal 33
(1864) S. 171: edala; Röepstorff Proc. of the As. Soc.
of Bengal 1870 S. 179: ddlda; ders. Voc. of Dial. sp.
in the Nicobar and Andaman Isles S. 53: edarV-da und
dal-da.
215. Mund, a) Anu mana, Ss nmnu, Mc 3 inon, daneben
= , Lippe* Ari muri. Das Austral. hat Formen in n
und m: 55 muna, 84. 149 munno^ 156 moonoo, 202
menna, 211 mundOt 57 manga; 42. 45. 46. 48. 49. 69
muma, 43. 56 moma, 88 moom.
1) Auch W mgc^si hierher zu stellen Kern, Mafoor B. 260;
O&belents und Meyer, Msifoor S. 251.
1
274 Sitzung der phüo8,-phü6l. Classe vom 1. Februar 1890.
b) Austr. 8 narra, Mai tiaros. J
c) EM tay, tä, MI teea, feh; Austr. 11. 23. 30. 33. |
177 tu, 16. 31. 157 iaa, 146. 182 tha, 134. 174 da,
19. 123 daa, 19 dia, 22 daw, 26 dow, 114 thatva, 51
^?a, 52 /Äta, 10. 103 tya, 103 %a.
d) NH 1 tabek^ Austr. 67 dabara^ 68 taiappa; vgl.
noch MI .Lippe- /atp und BNGV S. 7 Nr. 4 , Lippe* |
tifinau.
e) Mc 1 mubo, 2 wefte; Austr. 2 trato (m-M? im An-
laut s. S. 261, 263, 270); dazu wohl auch B wewe,
f ) Mit Austr. 207 E loaittg vgl. Mar longi, NI 2 lun-
gussu (Fi gusUy Kern Fidjitaal S. 159), NIS loh.
g) Ans wore, KL uru^ Lo or/e w/70, üt fW, KN t/r-
?X(7«; Austr. 208 H. I wooro, 209 A. 214 C, Healesville
xvoorrOj 214 A woorroo^ 214 ü worro, 209 D tcorong, 209 C
tvoro^^gaiha.
217. Kinn. Voc. Austr. I, 1 merruug; EM Jmi/r; Ml
emmoor.
218. Bart, a) C ialajfa; Austr. 126. 133 talba,
b) Mo pafraivonrou^ Mf swabur; Austr. „Haar* 187
bo<yrach^ 190 g pcaru,
c) NC^otiMflw, NH 1 pang; Austr. „Haar* 144 pooua.
d) Mar göreak^ Austr. „Haiir** 146 kurri^ Namoi River
kar^ „Bart" 183 geer.
220. Zunge, a) Der in Australien als t + Vok. + l auf-
tretende Typus hat in allen Theilen eine derartige Ver-
breitung, dass eine Aufzählung aller einzelnen Belege auch
nur aus Curr einen unverhältnissmässig grossen Raum
einnehmen würde. Dieser Typus gehört zu den weit-
reichendsten und erstreckt sich über alle Theile Ozeaniens:
vgl. Marre, Langue Malgache S. 94; Wallace, Malay.
Archipel II 462; Kuhn, Beiträge S. 228; Crawfurd,
History of the Indian Archipelago II 140; Raffles,
Sd^norr v, Carolsfeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 275
History of Java II S. LXXX ; Van der Grab a. a. 0. S. 16.
17; Turner, 19 years in Polynesia, Compär. View; Hum-
boldt, Kawi-Spr. II 247; Friedrich Müller, Novara-
Reise, Ling. Th. S. 285. Ja, der Stamm scheint bis in
das Mon, Palaung, Nancowry etc. hineinzureichen: Kuhn
a. a. 0. S. 217. Andam. I äkd eteUda^ U ötätel (daneben
III. IV äkdtdt)^ bei Röepstorff a. a. 0. S. 103: ar kar-
eth'ilda, moiatoel geschrieben, sind zu unklar, um mit
Sicherheit hierhergestellt zu werden.
b) Ari maiaro, Austr. 87 mat^ 88 mert, Makian (Van
der Grab a. a. 0. S. 17) maäd.
c) Mc 1 muen, BNGV S, 15 Nr. 12 mamne, Buru ^)
mcmn^ tnaanen ; Austr. 91. 95 nu)oni,
d) Fa numneu^ BNGV S. 7 Nr. 5 nemu^ 6 neme^ S. 11
Nr. 7. 8 nemeke^ 9 nemee; Austr. 194 nimming,
e) KL mara, Ut tnare, BNGV S. 7 Nr. 4 malau, S. 15
Nr. 10 maara; Amboina*) tncUie^ Ceram^) melin; Austr.
98 mu2/t, 101 mileri^ 26 meming.
f) Li ihineme; Austr. 159 dan^ 161 doonnan^ 166
tunam.
221. Zahn, a) Austr. 149 kirra (und jedenfalls auch 150
yurra) — Anu, Mh gigiri.
b) Austr. 161 toota — Ut HU.
c) Austr. 115. 187 iirra, 182 thirra, 153 teera, 185
iirri, 163 dera, 176 dirra, 214 A dirra, 155 teer, 168
Her, 180 ieeria, Sidney Harbour dara, 214 C dirran, 83
turar; Ans dere. Verwandt damit sind EM tirreg, MI
tirrig — Austr. 85 tarakin, 87 drirk, 88 trenrk, 172
dirrung^ 173 tirrung, 184 dirrang.
d) Austr. 102. 104. 105 milka (dann 28 wilga, 30
woUok); Mc 2 melagi.
1) Wallace a. a. 0. S. 462.
2) Van der Grab a. a. 0. S. 16.
1
276 Sitzung der phüos.-phüol, Classe vom 1, Februar 1690,
1) Vgl. Marre a. a. 0. S. 96.
2) Marre a. a. 0. S. 97; Kern FidjitÄal S. 132; vgl. noch
Kuhn a. a. 0. S. 228 u. 216. '
e) Austr. 53 tiga (52 tiaa^ 67 tea^ 68 tia) — Mai
sika (?), Andam. I i tug-da,
f) Aastr. 152 pirra, Andam. II mo pSld, III mir pile^
IV mer pile. Präfix iwfr, mir auch bei „Nase*.
223. Nase, a) Austr. 2 weer; 0 wirin, Ut birimbu. Austr.
120 woro^ 118. 148. 149 wooroo, 136 icoroo, 146 ooroo^
134 urrooa, BNGV S. 15 Nr. 10 ururu.^)
b) BNGV S. 3 Nr. 2 imira; Austr. 163. 164. 170.
172. 183. 190g, Namoi River wooroo, 106. 181 muru^
173 morrOy 178 mooro, 180 mario, 185 ammoro, 190 b
murroo. Speziell mit 190 d moorotha vgl. Ss. marita,
c) Austr. 143 nunder, EM wwwor , Nasenloch".
d) Austr. 147 bootan, Mar badi.
e) Austr. 8 minta^ NC niuatt(2en (?).
f) Zu 197 woor, New England nurin gehören wohl
Mf stio(rri, A noa,
g) Austr. 83 kopiy 87. 88 tuap mit NIS kabtissu zu-
sammenzustellen? Daneben BNGV S. 11 Nr. 8 ghusa;
vgl. man ferner bei »Mund* NI 2 lungussu mit NIS lok
(oben Nr. 215 f.), Mar lofigi, dann Fi ^m5m, so dürfte
kabussH auf *kabgus$u, *kapgussu zurückzuführen sein.
h) NG 2 oddo — Austr. 37. 38. 39 adla (?).
i) Andam. II mir kätto, III mir käütö^ IV mer A-a^ö
(Präfix mir, oben 221 f.; vgl. auch »left band" Andam.
II mir köri'da gegen I köri-^da) Austr. 48. 49 Zcttt/a.
224. Ohr. a) Die im malay.-pol.-mel. so reich vertretene
Form in ^ -|" Vok. + l fehlt im Austr. so ziemlich ganz ;
denn 46 talpa, 48 tulpa gehören kaum hierher; wohl
aber 103 talgan, das melanesischeu Formen und mal.-pol.
talinga nahe liegt.*)
S€hnorr v. Carolafeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens. 277
b) Die in den melanesiscben Sprachen (Codrington,
Mel. Lang. S. 42) häufige Form in g -(- Vok. -\- r in der
ersten Silbe, während in der zweiten ein g oder ein wohl
darauf zurückgehender Diphthong erscheint (Codrington
Nr. 9 qero^ 10 qerogij 11 qoroi u. s. w.) hat im Austral.
folgende Correlate: 10 korulka^ koolga^ 27 goolga, 28
hoclga^ 29 külkar; sollte auch Andam. V ik qudge auf
^kvarge beruhen ? In die Gruppe ohne ^r-Suffix gehören
Mh hdi (vgl. Codrington Nr. 32. 33. 35. 36 kuli),
dann Austr. 194 koari})
c) Austr. 199 tcirmpoolo, 202 wiwhola^ 203 wimboli^
206 toirhool, 207 C mirm, 209 A wim u. ä. - Ut hi-
rimbu, 0 wirin »Nase* (?).
d) Andam. I ikpoko-da, II ir hö-da^ III 6r hu, IV er
budh; vgl. (obwohl im Andam. ik, ir, er Präfixe, daher
Röepstorff a. a. 0. S. 50 neben e-poo'-koO'da, pokoo)
Austr. 37 ilpokita, 38 illpockerta, 39 ilpuckita; BNGV
S. 6 Nr. 6 ihiko, S. 10 Nr. 7 iika, Nr. 8 ipiko.
Rumpf.
228. Brust vgl. das oben bei 196 angeführte.
237. Hoden. Voc. Austr. I 1 woorung, SM boro, Mc 1 bola.
Extremitäten.
239. Arm und 241. Hand, a) Die im Austral. weitverbrei-
teten Ausdrücke marra, mirra u. s. w. finden ihr Pendant
in Ut mare, wozu wohl auch gehören BNGV S. 7 Nr. 4
maoaio und S. 2 Nr. 2 tnai,
b) Austr. 7 (Cape York) ata, BNGV Nr. 5. 6. 7. 8.
9 ada.
1) Im Ba8& Kräma neben tdlingati ein karha (so schreibt La-
tkam, Elements of comparative Philology S. 296; dagegen Raffles
History of Java II S. LXXIX karna).
278 Sitzung der phüosrphilol. Cldsse vom 1, Februar 1890.
c) Austr. 87 toain^ 88 waing^ Mc 1 uain,
d) Austr. 172. 173. 178 tungun; NH 1 tugul, EM
tag, BNGV Nr. 13 tak (,Arm"), danu malayisch tangan
etc. vgl. Marre a. a. 0. S. 95; Kuhn a. a. 0. 8. 217.
229; Andam. III mirtong, IV mertong (mir-t mer- Prä-
fixe siehe 221. 223). Die andamanischen Ausdrücke för
^Hand* I koro-da, II an koro-da vergleichen sich Y ka-
rah, karih.
e) Voc. Austr. I 1 wooruk »Arm* ; Ans toara^ Sg o
barrar, NC boraen,
241. Hand s. bei 239 Arm.
243. Finger. KL mana, Voc. Austr. II 4 muna.
246. Bein, a) Lo kari, Mai okora, Mf koor, koijer, BNGV
S. 18 Nr. 14 ngar; vgl. Austr. 4 akooroo, 82 karraku^ \
199 kero, 208 H kaar; Voc. Austr. II 2 kireepooc^ 11
careeven „Bein^, 10 gaar , Hüfte*, gaarip »Knie", 1 car-
rip „Schenkel*, 2 wurt-kirip, 5 kerriwo .Schenkel*;
Andam. I chörog-da „Hüfte*.
b) EM teer-tar, teerter „Bein, Fuss*, BNGV S. 18
Nr. 13 tefer „Bein*, Austr. „Bein* 43. 56 tarra, 52.
54 thara, 53 thurra, 95 tarra, 103 tara „Wade*, 120
tharruy 121 durra, 123 iarra u. s. w.
247. Fuss. a) KL imika, Austr. 1 macka, 84 makuru;
dann wohl ferner 118 wucka, 120 wakka; dunkler Vokal
auch 174 moko; vgl. noch BNGV S. 18 Nr. 13 mek.
b) NC kan, NB kakindad, Austr. »Bein* 35 kanda,
64 kantie, 67 gantee. Weiterer Untersuchung bleibt vor-
behalten, ob die australischen Formen für »Fuss* jan^
Jane, chen, jinna, chinna, dchinna, dann weiterhin tinna^
divna ebenfalls in diesen Kreis zu stellen sind.
c), BNGV S. 2 Nr. 2 bera „Fuss* ; Austr. Namoi Ri-
ver booro.
Sdinorr v. Carolsfeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 279
Sonstige EOrpertheile.
252. Haut, a) Austr. 34 kooloo, Fi kuli^ Mh guiguli^ Mar
^7, EM Xgür, Mal.-Pol. kulü.^)
b) Pal buäall, Austr. 88 poodla, 79. 80 ptüta^ 37
q^oola u. s. w.
253. Knochen. Ng. 2. 3 tulang, Austr. 141 toolay 149
tilloo.
256. FLKiscEf. Voc. Austr. II 2 (Victoria) heng^ B aftewa,
G rapena^ NC pegan.
ADJECTIVA.
J560. Gross. Er harrong^ vgl. Voc. Austr. III unter »large*
3 yeurong, 10 coirung^ unter »big* 3 jaarang, 5 koaron-
gando^ 10 gooroofig, unter »long* 7 gerunguna, 10 ^oo-
werung (beide auch unter »tail*).
372. Schmal. Sa 6/ci, Mt fiakmak; Voc. Austr. III 3 6?c
«small*, bie ,little*.
394. Hart. Ans maitu; Voc. Austr. IV 3 mutta mutta,
Tgl. 4 ttti^ma^df?.
397. Schwarz. Ans meta, KN meian, Lo moitan, NH 1
miting^ Austr. .dunkel' 147 me/a, 151 meetta.
398a. Dunkel, a) NC boran, Austr. 204 porrung, 207 G
poroin, I por-o-in, 208 A poroong^ B porroin^ E poorooin^
H und Healesville baroin u. s. w.
6) Ar ntoor ist jedenfalls nur Nebenform zu a); auch
Fi maltiifia/u, Mar marok werden hierher gehören. Im
Austral. sind a-Formen wie auch solche mit dunklerem
Vokale zu belegen: z. B. 12 marroo, 29 morroo, 48
muree; mit l: 91 mulla, 164 mooloo, dann wiederum
statt des anlautenden m ein to in : 98 warra^ 167 nu^ore
und andere Varianten.
1) Kern, Fidjitaftl S. 146; Marre a. a. 0. S. 98.
280 Sitzung der phüosrphäol, Classe vom 1, Februar 1890.
c) EM güli, Austr. 202 holli.
404. Kalt, a) Mh gaula^ Austr. 107 gilea^ 120 gerole^
181 karil^ Namoi River kureel; vgl. noch BN6V S. 18
Nr. 15 keru^ 16 nakura, denen Austr. 123. 149 kirroo
nahe liegen.
b) Mc 1 derwa, BNGV S. 14 Nr. 11 dudura, Austr.
87 tirowly 52 terria^ 106 terrili,
c) Den in der ersten Gruppe bei Gabelentz zusammen-
gestellten Varianten entsprechen zahlreiche australische:
Am mala, Austr. 104 malli; MaF emollu^ Austr. 102 mulli;
dann r-Formen B marato^ Austr. 143 moora; Formen mit
Zwischenlauten zwischen d und l oder r: Austr. 57 mudle^
28 moordie^ die vielleicht Formen wie Anu maladho nahe
kommen; MI balbal^ Austr. 175 boolea u. s. w.
405. Heiss. Mit Fi kaiäkata sind verwandt Austr. 203
kattai, 202 kute, 199 kurti.
417. Kahl. Austr. Voc. Austr. IV 10 hera^ 5 birratvie,
11 peureebeurpy 6 belaboorp; vergl. unter , nackt* Mf
VERBA.
543. Sprechen. KW fatvariri, 0 fonwencai, Lo iuwr, üt
iwari; Voc. Austr. V 2 woireei, 5 werten, 10 wurega;
Andam. II o t/^ar X:afi, III irtvdr; dazu eine Nebenform
in m: Mc 1 marena, Austr. a.a.O. 11 moeroegoe^ Andam.
IV erewer.
546. Rufen. Voc. Austr. V 1 kinda, 2 cumdagut, 5 kumda,
10 ganida, 11 cannduc. Mar kirdok.
613. Essen. 621. Trinken. Im Austral. gehen die Aus-
drücke für .e^jen' (m e.) und »trinken* (:=z t.) vielfach
in einander ül)er.
a) C /(irAi; Austr. 83 takkin. 182 rtoJtÄroo, 187 taki,
207 C ^lA*.
Sdmorr v, Carolsfeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 281
b) Sa tabon (e.); Austr. 46 tapooina, 50 tappenä, 55
tkapana n. ä. (t.)
c) Fi tatidäku^ tautuba (e.), wozu wohl auch Ans tor-
iunu (t.) zu stellen; Austr. (t.) 205 iaia, 207 C datt,
207 £ thaihia.
G27. ScHLAFKN. a) Austr. 6 petite, 18 bidjar, 23 peetchar
u. 8. w. ; Ed. puia, U fuut, MI Aoo^, m70o/.
b) U fnokuut; Austr. 46 iwoto, 123 wooka, 136 oote.
c) Anu, Ss maturu, V watura ; Austr. 69 A meteru,
87 mW^rt, Voc. Austr. V 3 mitry.
d) Ar kofnaboon; Voc. Austr. V 2 comheoat^ 5 jfco-
640. HOrbn. Pal meringäs^ Ridley Kamil.* S. 129 Victoria
mxrring,
662. FliehIsn. Voc. Austr. V 2 pyca, 5 piTca, 10 hica\
Ann poA;, puA;.
684. Sitzen. Voc. Austr. V 12 tihkunde^ Ann atei^, Ed
/ofi|^o, F patoky ^ndoko, toko^ Fi /iT^o, weiteres bei Kern
Fidjitaal S. 179; vgl. Haie, United States Exploring Ex-
pedition, Ethnography and Philology S. 307. 333.
685. Stehen. Voc. Austr. V 3 theara, 4 terre (5 Jerry);
NC tur, NBwo/Mr, Ed toru, NIS tur, Mai itirie, BNGV
15 S. 18 toriti («stand up*); G tooru (, sitzen*).
722. Geben. Voc. Austr. V 1 tvokuk, 2 woocac, 4 ooka^
5 tvaekie, 10 wocaa^ D veia, H nebaka, Mf 6ttA;.
749. Machen. Voc. Austr. V 3 cutcha, Li kucha^ Fi mia.
753. Nehmen. Voc. Austr. (,take*) V 2 manuc, 5 wamm
(unter ,get* nuinin)^ 10 manga^ 11 tnaanuc; BNGV S. 26
Nr. 14 mani.
765. Schlagen. Ridley Eämilaroi' 128, Eamilaröi bümala,
buma, Wiradhuri bümara; M{ pum.
282 Sitzung der philos.'phüol. Glosse vom L Februar 1890.
Mag vorstehende Liste auch noch manches unsichere |
und daher zu beseitigende enthalten, so dürfte sich dieselbe
doch anderereeits, namentlich bei weiterem Zuwachs von^j
Material zu Vergleichungen — die Ausbeute aus den BN6V
allein beweist dies zur Genüge — noch wesentlich vergrössern
lassen. Indess schon das Angeführte zeigt uns einen grossen
und wichtigen Theil des australischen Wortschatzes überein-
stimmend theils mit den Papua- und melanesischen, theils
ausser mit diesen auch mit den malayo-polynesischen Sprachen.
Diese Thatsache dürfte nunmehr als sicher feststehen. An
Entlehnung ist nach der Art der Wörter (Zahlwjorter, Be-
nennung der Körpertheile) dabei nicht zu denken; anderer-
seits aber auch noch nicht bewiesen, dass sämmtliche austra-
lisch - papuanisch - melanesische Wörter der gleichen Quelle
entstammen ; d. h. es kann Sprachmischung vorliegen, an
der dann aber Australien ebensowohl theilgenommen haben
müsste, als Neu-Guinea und Melanesien. Das neu hinzu-
gekommene Element wäre das malayische, das alte das Pa-
puanische. Indess genöthigt sind wir vom rein linguistischen
Standpunkte — und dass Linguistik und Anthropologie,
wenn je so auf ozeanischem Gebiete getrennt von einander,
unbeeinflusst von den Resultaten der anderen Seite arbeiten
müssen, hat Kern ^) mit vollem Rechte betont — zu dieser
Annahme keineswegs. Bedenken wir, dass die im Vorstehen-
den als malayo-polynesisch und australisch-neuguipeisch-me-
lanesisch nachgewiesenen Wörter die Bedeutungen: Sonne,
Erde, Kopf, Auge, Zunge, Nase, Ohr, Hand, Haut, Weib
haben, also den naheliegendsten Dingen entsprechen, so ist
nicht einzusehen, warum der hypothetische malayo-polynesische
Strom gerade für diese Dinge, nicht auch für andere seine
Bezeichnungen zurückgelassen, während die Erhaltung der-
selben, falls sie altes Gut sind, der Erklärung nicht bedarf.
1) Jahresbericht über die morg. Studien 1878 S. 96.
8€knorr v, Carolsfeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 283
Solange daher nicht gewichtige Oegengründe geltend gemacht
werden, haben wir an der ursprünglichen linguistischen^)
Ednh^t der Malayo-Polynesier, Australier, Melanesier, Neu-
Guineer und Mikronesier festzuhalten. Das Auseinander-
gehen im Wortschätze kann auf manigfaltige Gründe zurück-
gef&fart werden: zunächst muss die grosse Anzahl von Syno-
nymen auch auf yerhältnissmässig kleinem Gebiete — man
betrachte z. B. darauf hin die BNGV — auffallen. Viel-
leicht ist der Ausdruck Synonymum nicht vollständig deckend,
denn das wären jene Wörter blos innerhalb einer Sprache,
aber der Sinn ist an und für sich klar. Diese Synonyma
haben sicherlich ursprünglich nicht die gleiche Bedeutung
gehabt, sondern es hat eine rege Verschiebung der Benen-
nungen von naheliegenden — es wäre vollständig irrig, hier
mit unseren Anschauungen an die Beurtheilung herantreten
XU wollen; vgl. das oben nachgewiesene Zusammenlaufen der
Bezeichnungen für Tageszeiten in den Begriff »Wind* —
G^ensfönden stattgefunden. Werden durch diese Verschie-
bungen Dörfer, nur wenige Meilen von einander entfernt,
scheinbar weit von einander getrennt, so kann dies um so
weniger für die grossen Gruppen auffallen. Als besondere
Art der Verschiebung mag die Benennung des Genus (Stern,
Fisch) nach der Species gelten, die für erstere eine grosse
Zahl verschiedener Benennungen schafft; ebenso verhält es
sich mit dem Ganzen zu den einzelnen Theilen. Ferner
spielen, wie oben wiederholt zu zeigen die Gelegenheit war,
eine nicht unbedeutende Rolle auf unserem Gebiete: die
Neubildungen ; die Wörter werden redupliziert, mit Präfixen,
1) Die Möglichkeit einer anthropologischen Einheit suchte nach-
zuweisen 0. Gerland, Die physische Gleichheit der ozeanischen
Rasse. Leopoldina 1876 S. 23—32 u. 38—48. Ueber die verschie-
denen Ansichten hinsichtlich der Verwandtschaftsverhältnisse der
Ozeanier orientiert ein Aufsatz von C. Hager, Die Rassenfrage der
insularen Völker besonders der Mikronesier; Ausland 1886 S. 501—506.
284 Sitzung der phäosrphUol, Classe vom i. Februar 1890,
Suffixen versehen, wobei dann in diesen Neubildungen oft
gerade der wesentlichste Theil, das Stammwort, zuerst ver-
fällt und so ursprünglich Zusammengehöriges scheinbar weit
voneinander abliegt. Eine im vorstehenden zahlreich nach-
gewiesene Art der Neubildung ist die Zusammenschweissung
zweier Synonyma, eine Formation, die unserem Sprachgefühle
allerdings nicht nahe liegt, indess in der Wortschöpfung
.Furchtangst" des Redakteurs eines Provinzialblattes ihr ge-^
naues Analogon hat. Beachtenswerth ist endlich, dass nicht
etwa für einen Begriff nur ein australisches Wort einem
melanesischen , beziehungsweise neuguinei^ichen entspricht,
sondern häufig drei, vier und noch mehr Varianten auf
beiden Seiten correspondieren ; grosse Verbreitung eines und
desselben Stammes über das australische Festland ist nicht
minder selten als in Neu-Quinea und Melanesien.
Als Hauptmoment gegen die Möglichkeit einer Verwandt-
schaft zwischen australischen und melanesischen Dialekten
pflegte stets der ^ausschliesslich suffigierende Bau* ^) der
erst^ren im Gegensatze zu dem präfigierenden der letzteren
geltend gemacht zu werden. Doch ist zu bedenken, dass
unsere grammatische Kenntniss der australischen Sprachen
noch sehr dürftig ist, und vor allem, dass das wenige, was
wir wissen, durchaus dem südlichen Theile des Festlandes
angehört; dass die nördlichen Partieen gleiche Verhältnisse
zeigen, ist einstweilen noch nicht bewiesen. Sehen wir aber
selbst von dieser Möglichkeit vollständig ab, so kann auch
in dem angezogenen Gegensatze kein Grund liegen, eine
Verwandtschaft zwischen Australien und Neu -Guinea zu
leugnen. Da wir die Geschichte dieser beiden Sprachgruppen
nicht kennen, ist es ungerechtfertigt, von vorneherein voraus-
zusetzen, dass der uns heute vorliegende Zustand derselben,
1) V. d. Gabelentz und A. B. Meyer, Beiträf^e S. 384; Fr.
Müller, Grundriss II, 1 S. 2.
schnorr v. CaroUfeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 285
identiacli mit dem ursprünglichen sei, während die Möglich-
keit, dass derselbe seeundär, also das suffigierende und prä-
figierende Princip auf einem nach dieser oder jener Seite
gelegenen älteren beruhe, einfach nicht in Erwägung ge-
zogen wurde. Dazu kommt der wichtige Umstand, dass die
aosinilischen Suffixe einmal schon durch die häufige Mehr-
idlbigkeit, dann durch das häufige Vorkommen mehrerer
Varianten zum Ausdrucke einer Beziehung (so beim Impe-
raÜT, Infinitiv) den Eindruck erwecken, aus selbständigen
Wörtern entstanden zu sein — können wir ja nicht einmal
beurtbeilen, ob nicht der Eingeborene heutzutage noch in
diese oder jene Variaute einen in der ursprünglichen Be-
deutung des Suffixes begründeten Unterschied lege: um die
Sache klar zu machen, nehme man die zwei deutschen Im-
perative „bitte hole mir das und das*" und «geh hole mir
das nnd das* ; die australischen Suffixe können sehr wohl
etwas ähnliches wie unser , bitte* und «geh* bedeuten oder
bedeutet haben. Ist uns aber einmal die Wahrscheinlichkeit
nahegelegt, dass wir es vielfach mit — sei es jetzt noch, sei
es wenigstens früher — selbständigen Wörtern mit eigener
Bedeutung zu thun haben, und dass wir bei der Deklination
vielleicht richtiger von Postpositionen als von Suffixen
sprechen, so dürfte die Stellung keine Schwierigkeit mehr
bereiten. Die Genetivpräposition im Melanesischen ni (Oo-
drington, Mel. Lang. 144) und das australische Suffix ni
mit der Bedeutung «of, at, in* (Curr III S. 182) könnten
demnach sogar miteinander verwandt sein. Bemerkenswerth
ist auch, dass, wie das Wörterverzeichniss nachgewiesen hat,
hehr oft die Varianten nur auf Verschiedenheit des anlau-
tenden Konsonanten, der dann auch ganz fehlen kann, be-
ruhen. Es mag darauf hingewiesen werden, dass wir in
dem wechselnden Anlaute Reste von Präfixen sehen könnten,
deren Werth und Bedeutung einstweilen dahingestellt sein
mag. Von dieser Erscheinung wird eine andere zu trennen
286 Sitzung der pküosrphüol, Classe vom 1, Februar 1890,
seil), nämlich der in vielen Gegenden Australiens auftretende
Verfall des Anlautes, so dass z. B. y an die Stelle verschie-
dener volltönenderer Konsonanten zu stehen kommt; damit
und nicht mit der ersteren Kategorie dürfte der häufige (s.
oben S. 274) belegte Wechsel zwischen m und w im Anlaute
verwandt sein ; über ähnliches im Melanesischen vergleiche
Codrington. Mel. Lang. S. 213f. Der Hauptwerth der
vergleichenden Betrachtung wird eben auch auf unserem
Gebiete in der gegenseitigen Aufhellung der historischen'
Entwickelung bestehen. Als einen der interessantesten und
wichtigsten Punkte hebe ich das Fehlen von /*, 5 und h (im
Andamanischen 5, s und f) hervor, da die Behandlung dieser
Frage von G. Gerland in seinem oben zitierten Aufsatze:
„Zur Lautlehre der australischen Sprachen* nicht die rich-
tige ist. Die Gründe, aus denen Gerland annimmt, dass
die genannten nicht ursprünglich vorhanden und dann ver-
schwunden, sondern umgekehrt s und h in der Bildung be-
griffen, f überhaupt nicht in Sicht sei, sind folgende: wären
die Laute /", s, h früher dagewesen, so müssten bei so vielen
verscliiedenen und stellenweise ganz isolierten Sprachen, doch
in irgend einigen die Laute erhalten sein; eine so voll-
kommene Gleichheit des Verlustes wäre ganz ohne Analogie
und wenn diese Spiranten ursprünglich existiert hätten,
raüssten irgend welche Ersatzlaute zurückgeblieben sein, und
weiterhin erscheinen ihm die an manchen Stellen nachweis-
baren Palatallaute als Vorläufer des s, woran er die Be-
merkung knüpft: „die Entwickelung der Laute geht vom
Einfachen zum Complizirten*. Letzterer Satz könnte richtig
sein, aber nur unter der Bedingung, dass wir jedem einzelnen
Volke überlassen, sich zu entscheiden, was einfach und was
kompliziert ist; aber trotzdem dürfte der Satz bedenklich
sein, da man z. B. bei der Entwickelung der indo-germani-
schen palatalen Gutturalen doch höchstens von einem Fort-
schreiten von dem für das einzelne Volk schwerer Aussprech-
Sdinorr r. Carolsfeld: Zur Sprachenkunde Ozeaniens, 287
baren zum leichter Aussprechbaren reden kann. Keinenfalls
ist daraus irgend etwas auf das Yerhältniss zwischen den
im Australischen vorhandenen Palatalen und dem hypothe-
tischen s zu erschliessen. Was ferner den zweiten Satz
Gerlands betrifft: woher können wir wissen, dass wirk-
lich gar kein Ersatz für s^ um bei diesem zunächst zu
bleil)en^ mehr vorhanden sei: jedes tc;, y, r oder ein
anderer Laut kann ja ein altes s vertreten und warum
»ollte der Laut ^ nicht in allen australischen Dialekten,
mögen sie noch so getrennt sein, geschwunden sein können;
auch diese Voraussetzung ist eine völlig unmotivierte und
nichts gefahrlicher, als solche ^fErfahrungssätze** zweifel-
haften Werthes auf andere völlig anders geartete Gebiete
zu übertragen. Und selbst wenn strikte nachgewiesen wäre,
dass s im Australischen erst entstehe, so folgte daraus doch
noch immer nicht, dass s nie vorhanden gewesen und da-
her auch nicht verschwunden seiu könne; denn sekundäres
s neben verschwundenem primären ist leicht zu belegen.
Lehrreich ist in dieser Beziehung der kleine Abschnitt
Ober das s bei Codrington a. a. 0. S. 216. Auf Santa
Cruz gibt es kein s; in Fremdwörtern wird t an seine
Stelle gesetzt; in einheimischen j iz: ich : auf Duke of York
tritt w fCir s ein oder dieses schwindet ganz, während es
auf Florida zu h wird. Abo auch hier ein unsicherer Be-
stand des s, daneben aber unzweifelhaft erst im Laufe der
Zeit entstandenes, das dann an dem Schicksal des alten
ebenso Theil nimmt. Ein paar Beispiele sollen das Gesagte
beleuchten: „Brust'' lautet mal.-pol. susu^ dessen beide s
durch die weite Verbreitung der Form (Kern, Fidjitaal
S. 173; Marre a. a. 0. S. 100 f.) als alt und ursprünglich
erwiesen sind ; melanesische und papuanische Entsprechungen
bei V. d. Gabelentz Nr. 228 NIS sussung, Mh susuu, Mf
sus; im Tongischen hoohoo (Humboldt, Kawi Spr. II 24G),
im Kowrarega (Macgillivray a. a. 0. II 297) süsu, Be-
1890. PhikML-phaoL a. hist C1. 2. 19
288 Sitzung der pkiio$.'phi!ol. Gaste rom 1. Februar 1890.
achten wir nan, dass. wie Gerland S. 93 selbst bemerkt,
einem 8 im Kowrarega häufig ein ch im Gudang (am Cap
York) entspricht, so darf mit den genannten Formen das
chacha des Dialektes der nur wenig sGdlich von Cap York
gelegenen „Princess Charlotte'-s Bay* (s. Gurr 11 391) identi-
fizirt werden: d. h. ch entspricht mal.-poL-melan.-papuan.
5, so dass dessen Priorität vor ch feststeht. Andererseits hat
Hekundäres anlautendes s entstanden aus lingualem 4 (Kern
Fidjitaal S. 173) Mc 1 surle, Mh huli, B surisuri, Fi sui;
in einzelnen poljnesischen Dialekten verschwindet dieses s
ebenso wie das alte: Neuseeland und Tahiti iwi^ wie dem
genannten sttsu daselbst ü entspricht (Haie a. a. 0. S. 328
und 329). Im Australischen treffen wir noch die alte Form i
hier anlautend mit t: 173 turragun^ 172 terragun^ 187
tirruk; daneben aber Varianten mit anlautenden Palatalen,
die natürlich ebensogut auf s zurückgehen wie in chacha:
32 chular, 167 geera. Vgl. auch noch »Baum* (Gabelentz
Nr. 113) Ma sereie^ Kowrarega (a.a.O. S. 291) sirä-sirä;
Austr. Moreton Bay (Turner a. a. 0. Compar. View) gira.
Schon oben (S. 247) bei Aufzählung der unter den
Begriff ^ozeanische Rasse" fallenden Völkerschaften waren
auch die Bewohner der Audamanen^) mitangeführt worden,
und in der vergleichenden Wortliste hat sich wiederholt die
Gelegenheit gegeben, auch andamanische Wörter mit heran-
zuziehen. Das Andamanische nimmt einerseits Theil an
W(*)rtern, die dem Gesamnitstanirae der Ozeanier anzugehören
scheinen, wie es bei „Arm" nachgewiesen werden konnte.
Dann Hessen sich aber in mehreren Fällen andamanischen
Formen nur solche aus dem Australischen, nicht auch aus
anderen Theilen des ozeanischen Gebietes zur Seite stellen :
einige weitere derartige sind noch folgende:
1) Als iHoliert bezeichnen das Andamanische Temple, J. A. I.
XU (1833) S. 123 und Friedr. Müller, Grundr. d. Sprach wissenscb.
IV. 1 S. 39.
Schnorr v. Carolsfdd: Zur Sprachenkunde Ozeaniens. 289
Graben. Andam. I bang ke^ II pung kan, III ot pong^ IV
dra pcng; Voc. Austr. V 5 bunga, 10 banga^ 11 bangtic,
2 bcumgoc.
ScHüLTKB. Andam. II mä kuropi^ III me kuro puiä, IV
tne kurabi; Austr. bei Ridley Kämilaröi^ S. 125 Dippil
iöra; geht das puid auf einen ähnlichen Ausdruck wie
Kogai bira zurück?
TODT. Andam. III. IV em pil; Austr. bei Ridley a. a. 0.
S. 128 : Kämilaröi balün^ Wiradhuri balluifiy Wodi-Wodi
bultin.
4
Dazu kommen noch einige merkwürdige Uebereinstim-
mungen zwischen dem Andamanischen und Australischen
hinsichtlich der Flexion. In ersterem tragen im Nominativ
die Nomina d&s Suffix -da an sich, dem sich der australische
Exponent des Nom. agens -du^ -du vergleicht; hierher ist
auch das von Grube bei v. d. Gabeientz und Meyer
a. a. O. S. 506 behandelte Suffix -de des Dialektes von Bo-
gati auf Neu-Guinea zu stellen. Dann könnte das Plural-
snffix 'la (daneben -lär) mit dem Dualsuffix -Wa, -dla der
Sprache von Adelaide (Friedr. Müller, Grundriss II 1 S. 65)
und dem Pluralsuffixe n der Parnkalla-Sprache (a. a. 0.
S. 75), das in Australien häufige Instrumentalsnffix -la (a. a. 0.
S. 93) mit dem entsprechenden andamanischen -la identisch
sein. Endlich sei noch auf das Zusammentreffen in der Prä-
teritalbezeichnung zwischen dem Andamanischen und Tur-
nibul hingewiesen: Andam. -re (Portman, Andam. Man.
S. 5), Turrubul -ri (Ridley a. a. 0. S. 79). Indess selbst
unter der Voraussetzung, dass die angeführten Punkte nicht
auf Zufall beruhen, beweisen sie doch eine nähere Zusam-
mengehörigkeit zwischen dem Andamanischen und Australi-
schen nicht.
Ebensowenig möchte ich besonderes Gewicht auf den
Umstand legen, dass im vergleichenden Wörterverzeichnisse
290 Sitzung der phüos.-phüol, Clanse vom 1, Februar 1890,
die Wörter und Varianten, welche Australien und den Papua-
idiomen (namentlich Neukaledonien stellt ein reiches Kon-
tingent) gemeinsam sind, jene weit überwiegen, in denen
Australien und die melanesischen Sprachen übereinstimmen.
Vor allem verdienen hier, wie bereits Latham') nachge-
wiesen, die im Osten von Neu-Guinea gelegenen Inseln Be-
achtung, die in ihrem Wortschatze zahlreiche Anklänge an
australische, papuanische aber auch melanesische Wörter
zeigen. Ich füge seinen Zusammenstellungen einige weitere
Vergleichungen hinzu :
Arm. Ombay iharana^ NC boraen; Voc. Austr. I 7 bomu
(vgl. oben 239 e).
Nase. Ombay imouni^ Mangerei mmi, Mc 1 niana, Mc 2
wana-oho,
Kopf. Ombay imocila, Turrubul (bei Ridley a. a. 0. S. 123)
mägTih dann bei Gurr 27 mogga^ 28 muggar.
Knie. Ombay icici-bouka. Mar buke^ Voc. Austr. II unter
^knee" 2 baaching, 6 bahtcheen, 11 patcheengen^ unter
^kneecap* 10 batying.
Bein. Ombav irdka, BNGV S. 19 Nr. 19 arahia.
Busen. Ombay ami (s. oben Nr. 196c).
Bauch. Ombay te-kap-ana, Ar. kapuri, EM kupör^ M I
koupore („Nabel"), BNGV S. 13 Nr. 11 habera; auch
Austr. corpeU Voc. Austr. I 9 und Mf kraf sind wohl
verwandt.
Sterne. Mangerei ipi berre (vgl. oben Nr. 48a).
Kopf. Mangerei jähe; zu 210 e?
Sterne. Timbora kwgkovg; dazu Austr. 195 jingee^ 196
jenva (194 tingee)?
1) 8. oben S. 249 und Latham, Elements of comp. Gramm.
S. 883.
^
i
Schnorr v. Caralsfeld: Zur Sprachenkunde OzeatUefis, 291
Mond. Timbora wang^ong; das <yiig ist wohl entstanden aus
kong wie dieses auch in kingkong «Sterne* , ingkong
, Sonne*. Zu mang vgl. NC manoc; doch sind die Formen
ohne Nasal häufiger: T magoa, maukua; dazu iui Austr.
zahlreiche Verwandte: meke, meka, mega u. s. w.
SoxSK. Timbora ingkong; zu ing vgl. oben 47b; mit kong
vgl. Austr. 27 kang.
Blpt. Timbora kero; Austr. 65 garoo^ 67 garroo; Mc 1
gaier.
Kopf. Timbora kokore (vgl. oben 210 g).
Fisch. Mangerei appi (s. oben 163 a).
Einige weitere Wörter entnehme ich den Vocabularien
bei Kaffles, History of Java II S. CXCVIII f., und von
der Gabelentz, Melanes. Sprachen l S. 5ff. :
Erde. Mangerei tana (s. oben 78. 79 a).
Wasser. Timbora naino; Fa wai, EM naii, wci, Ss noai,
Moo nanou^ Er nu, Hu naan.
Feuer. Mangerei atia, Ut uta; Gabelentz a.a.O. kennt
ein Port Dorei oeia; hierher dann auch Austr. 188 watta^
195 wudday 211 tvatha,
Mensch. Mangerei anünu (Latham Elements S. 300 schreibt
amunu); Anu, Mh tinoni^ 6, G inoni^ D unie, Mf snun;
vgl. Kern, Mafoor S. 263.
Zwei. Timbora kalae (s. oben 22 b).
Auch die Frage nach der ursprünglichen Einheit der
australischen Sprachen wird nunmehr, da weitere Verwandte
derselben nachgewiesen sind, von einem wesentlich anderen
Standpunkte betrachtet werden müssen, als es Friedrich
Müller, Grundriss II 1 S. 90 ff., that. Seine Gründe be-
weisen dieselbe nicht: einmal muss abermals betont werden,
dmas ans den wenigen uns bekannten australischen Sprachen
292 Sitzung der phüos.-pMol, Glosse vom 1. Februar 1890.
nicht auf die Gesammtheit geschlossen werden darf; ander-
seits kann aus allen den Wörtern nichts entnommen werden,
die sich auch ausserhalb Australien nachweisen lassen. Die
Möglichkeit, dass einzelne namentlich nördliche Dialekte mit
solchen ausserhalb Australien näher verwandt sein könnten,
als mit den übrigen dieses Continents, wird demnach mit
in Erwägung zu ziehen sein, zumal ja auch das Fehlen von
5, h und /* für Verwandtschaft nichts beweist.
Indess diese, wie viele andere Fragen, namentlich die
nach einer möglichen Zusammengehörigkeit unseres ozeani-
schen Stammes mit der von E. Kuhn in seinen „Beiträgen*
nachgewiesenen hinterindischen Gruppe, werden einer be-
friedigenden Lösung nur dann zugeführt werden können,
wenn wir bei ihrer Behandlung das gesammte ozeanische -S
Sprachgebiet heranziehen. Hier sollte nur der Nachweis der i
Zugehörigkeit auch der Andamanen und Australiens in lin-
guistischer Beziehung zu den übrigen Gliedern der ozeani-
sehen Rasse versucht werden.
Historische Classe.
Sitzung vom 1. Februar 1890.
Die Sitzung wurde durch geschäftliche Verhandlungen
in Anspruch genommen. Ein Vortrag wurde nicht gehalten.
Sitzungsberichte
der
kOoigl. bayer. Akademie der Wissenschaften.
Philosophisch-philologische Classe.
Sitzung Yom 1. März 1890.
Herr Wölfflin hielt einen Vortrag:
,Die Inschrift der Columna rostrata.*
Zur Erinnerung an die Seeschlacht bei Mjlae, welche im
Jahre 260 v. Chr. Rom aus einer Landmacht zur Seemacht
erhob, und zu Ehren des kühnen Siegers, C. Duilius, er-
richteten die dankbaren Mitbürger auf dem Forum die mit
den Schi£&schnäbeln der erbeuteten Schiffe gezierte Cohirana
rostrata. Deutlich sagt diess Quintilian 1, 7, 12 mit den
Worten: columna rostrata, quae est Duilio in foro posita;
eine abweichende Angabe des Servius in dem Commentar zu
Verg. 3, 29, dass Duilius selbst sie gesetzt (D. posuit), möchte
ich am einfachsten auf ein Missverständniss zurückführen,
da columna Duilio posita in der That zweideutig war, und
nach einem den augusteischen Dichtem geläufigen Sprach-
gebrauche ') der Dativus als sogen. Dativus graecus auf-
gefasst auch den Errichter der Säule bezeichnen konnte.
1) Hör. carm. 2, 6, 5 Tibur Argeo positum colono; Ond trist. 5,
9, 2; metam. 18, 782.
Uta PhikM.-pliUoL o. hitt Ol. 8. 20
294 Sitzung der phÜ08.-phüol. ClcLsse vom 1. März 1890,
Den weniger glücklichen Amtsgenossen des Duilias, den
Consul Cn. C!ornelius Scipio, welcher, offenbar um vor den |
Stürmen des Meeres Schutz zu suchen, in den Hafen von
Lipara eingelaufen und daselbst von den Karthagern gefangen
worden war, erwartete bei seiner Bückkehr eine andere Aus-
zeichnung; er erhielt den Spitznamen Asina, dem Sinne nach
so viel als , Wasserscheu', weil die Eselin nach Plin. nat.
bist. 8, 1G8 in auffallender Weise das Wasser scheut.*)
Dass die columna rostrata ein Standbild des Duilius
getragen oder dass ein solches neben der Säule gestanden,
wird nicht überliefert; man möchte diess gerne glauben, da
die Inschrift, welche wir zu besprechen gedenken, sowohl
wegen der massigen Höhe und Breite des Steines eher Basis
einer Statue zu sein scheint, als auch die Form Duilius . . .
vicet (nicht Duilio im Dativ) diese Ansicht unterstützen würde.
Selbstverständlich ist nur, dass auch die blosse Säule eine
Inschrift haben musste, theils weil das Kunstwerk einer Er-
klärung bedurfte, theils weil die Römer nie versäumt haben,
ihre Thaten den spätem Geschlechtern als Vorbilder vorzu-
halten: streitig dagegen ist, wie die erhaltene Marmorplatte
sich zu dieser verhalte. Der Verfasser des Artikels Duilius
in Paulys Realencyclopädie bezeichnet mit Berufung auf ver-
schiedene Vorgänger die Inschrift als unächt, weil im Gegen-
satze zu der geschichtlichen Ueberlieferung die Entsetzung
von Segestil und die Eroberung der sicilischen Stadt Macella
vor dem Seesiege erwähnt seien, statt nach demselben. Nur
wenige halten sie heutzutage für eine Copie der ursprüng-
lichen aus der ersten Kaiserzeit, so Emil Hübner, und
G. Edon,*) obschon diess früher die vorherrschende Ansicht
war; die Mehrzahl, schon Sirmond und Niebuhr, neuerdings
1) Vgl. Arch. f. lat. Lexikogr. u. Gramm. VII, Heft 1. 2. Miscell.
2) K. Hübner, Exempla script. epigraph. lat. 1885. pg. 30. Ders.
IU')W. Kpigraphik in Iw. Müllers Hdb. d. Klass. Alt. Wiss. I 634. G. £don^
Ecriture et prononciation du latin. Paris 1882. pref. p. XIII — XV.
\y/tif(lin: nie Usthifi der Colur
2115
dn- Altmeister der rfiraischen KpigrapbJk und Getichtuht-
schreibunp, Th. Uoraiiisei), dem schliesHÜch auch Uitschl')
beigetreten ist, früher auch Max Müller') (welcher brieflich
seine Ansicht aufgegeben bat), sehen in ihr nichts anderes
aIs die freie Erfindung eines die nlte Sprache unge§cbickt
nachahmenden ttrauimatikers, den Hjtscfat in die Zeit des
C'lundina setzte. Dass aie ein Ueberrest der im Jabre 2lj0
oder bald darauf errichteten Säule aei, glaubt niemand, und
schon die Buchstabeofornien machen eine sob'.he Annahme
geradezu iinnifSgHcb.
Die Inflchrift ist nicht, wie man vielleicbt erwarten
könnte, in saturnischen Versen abgefasst, sondern in Prosa:
Hie ist auch nicht kurz, wie andere ähnliche, sondern ziemlich
umfänglich. Wahrscheinlich haben die Zahlenangaben über
erbeul«te8 Gold und Silber sowie über den Erliis ans der
Beute die dichterische Form ausgescbloasen. Aber ob tne
das allerältexte Latein sei. zwanzig Jahre älter als Livius
AnHruniciis. den wir als den Begründer der römischen Litte-
ratur betrachten, oder ob ein Erzeugniae der Kaiserzeit, ist
doch gewiss eine wichtige Streitfrage; nnr ist man in der
Wahl deii Mitte]» dieselbe zu lösen wenig glücklich gewesen,
wenn man sich auf die Orthographie und die Flexions-
endungen ««totste, in der vor wenigen Jahrzehnten allgemein
Terbreiteten Vorstellung, als sei mit der llntersuchung der
Formenlehre das iircbaiscbe Latein ergründet. Vielmehr
1) Corp. inscr. lal.in. I p. W. Ritsdil, Priocae livtin. nionum.
epigtaph. col. B2: titnlum DaelliiiDum ccrtiBBiiunni eat aoa imto
Claadiana fere teuipom factum esaa, et dp ea quidem nplute vel e
prialino vtl omnino ex antiquiore aliquo quod superessiit eieiii|ilo
repetiliiDi iaiitaunitnmve. vemm xolo antiqaarioruiu i^tudic •'t doctcina
ad eam siiRciem *etuat.-iti>i, quam n^nimo suo inrormasüänl, et iLfKutinn
rt lorjniKins oftictnm. Dera. üpuw. philolog IV p. 183 — 212.
31 t'leckfiaen. Jabrb f. Philo!. 187ft. S. 697. - Ebenso H. Jordan,
Tnpogruphie der Sl.a.lt. Rom I 2, 8. 232, Note 67.
296 Sitzmig der phüo8,-phüöl. Classe vom 1, März 1890,
raass die Untersuchung nicht von den Formen ausgehen,
die bei einer späteren C!opie leicht modemisirt werden konnten, J
sondern von dem Wortschatze und der Wortfügung, welche
bei einer Transscription der Inschrift der Aenderung nicht
unterworfen waren. Hat man sich daraus ein Urtheil ge-
bildet, so wird man allerdings verpflichtet sein, die Erklärung
der Orthographie und Flexion damit in Einklang zu setzen.
Je mehr aber heutzutage das historische Wörterbuch und
die historische Syntax gegenüber der historischen Formen-
lehre vernachlässigt sind, desto mehr fühlen wir uns ver-
pflichtet, was sich daraus gewinnen lässt, auf das Gebiet der
Epigraphik zu übertragen. Auch wer sich nicht entschliessen /
kann unserer Ansicht beizutreten, wird hoffentlich einge- 1
stehen, dass die Gründe für die Aechtheit bisher nicht so,
wie sie es verdienen, geltend gemacht worden sind.
1. Die Unächtheit. Beginnen wir mit der Zurück-
weisung des Einwurfes, dass die Thatsachen chronologisch
falsch geordnet seien. Duilius landete nach dem Seesiege
die Legionen, entsetzte die Stadt Segesta, in welcher ein
römisches Heer eingeschlossen war, ohne Kampf, da die
karthagische Belagerungsarmee floh, und nahm die sicilische,
den Puniern verbündete Stadt Makella mit Sturm. Wenn
nun die Inschrift den Seesieg an das Ende stellt, so könnte
man diess zunächst mit dem rhetorischen Gesetze der Gradatio
rechtfertigen; aber es ist femer zu berücksichtigen, dass dem
Duilius der Oberbefehl über die Landmacht übertragen war,
wie dem Scipio der über die Flotte (Polyb I 21, 4. 22, 1.
23, 1), und dass jener erst nach der Gefangennahme seines
Collegen an dessen Stelle eintrat; er war desshalb voll-
kommen im Rechte, wenn er in seinem Berichte an den
Senat zuerst der Operationen des Landheeres gedachte. Dazu
kommt noch eine zweite Erwägung. Wir wissen aus Servius
zu Verg. Aen. 1, 377, dass die Annales maximi jedes Jahres
die chronologische Aufzählung der Kriegsthaten zu Lande
.]
WolffUn: Die Inschrift der Cölumna rostrata. 297
und zu Wasser (terra marique gesta) enthielten. Jahr-
hunderte lang hatte die römische Chronik nur von Land-
schlachten zu erzählen; als Duilius mit der ersten neu er-
bauten Flotte den glänzenden Sieg erfocht, war die Lage
Terendert, und man bewilligte daher auch dem Consul den
ersten triumphus navalis; aber conservativ, wie die Römer
waren, und der Pontifex maximus, welcher die Jahrestafel
redigirte, erst recht, konnten sie in den Annalen zuerst die
Thaten zu Lande au£PÜhren, und dann erst, nachdem der
alten Sitte genögt war, das Neue als zweiten Theil folgen
lassen. Dass die Inschrift nicht dem Kalender folge, sagt
sie selbst deutlich, indem sie den Bericht über den Seesieg
mit den Worten enque eodem macistratud einleitet, womit
sie den Consul Duilius als Führer des Landheeres von dem
Admiral Duilius scheidet; ja sie gedenkt sogar der Verdienste
des Duilius um den Bau der Flotte, was ja chronologisch
Tor die Befreiung Segestas und die Erstürmung von Macella
fallen musste, sachlich aber richtiger mit dem Seesiege ver-
bunden ist. Kann man daher in dieser Sachlage unmöglich
ein Zeuguiss für die Unächtheit finden, so unterstützt sie
noch weniger die Ansicht, als hätte ein späterer Grammatiker
diese für uns ungewöhnliche Anordnung der Thatsachen er-
funden; umgekehrt liegt in ihr vielmehr ein Beweis der
Aechtheit. Auch in den inschriftlich erhaltenen Triumphal-
fasten heisst es im Widerspruche mit der Chronologie, Duilius
habe triumphirt: de Siculeis (welche Macella vertheidigten)
et classe Poenica, so dass man consequenter Weise auch diese
fQr unächt erklären müsste.
2. Das archaische Gepräge der Inschrift. Um mit
der Untersuchung des Wortschatzes zu beginnen, so ist
eine Partikel der Beobachtung Ritschis entgangen, welche
in den wenigen erhaltenen Zeilen nicht weniger als 7 mal,
und wenn man die unbestrittenen Ergänzungen hinzi*
9 mal vorkommt, und zwar so, dass die Concurv
298 Sitzung der phüos.-philol. Classe vom 1. März 1890,
gänzlich fehlen: es ist die Partikel que, neben welcher et,
ac, atque fehlen, wesshalb sie auch von den Ergänzungen
ausgeschlossen werden müssen. Da das Sanskrit eine einzige
copulative Partikel kennt, ca, griechisch rc, lateinisch que,
so ist es wohl denkbar, dass im ältesten Latein que allein
gebräuchlich war. Diess zeigt sich in der Curialsprache,
welche noch lange an que festgehalten hat, so dass in der
lex Cornelia 25 que, kein et, in der lex agraria 46 que, ein
einziges et (§ 30 et in <*um, um inque zu vermeiden), in
dem Senatus Gonsultum de Bacanalibus 5 que, kein et vor-
kommen. In dem Entwürfe eines Senatsconsultes bei Cic. \
Phil. 14, 36 ff. zählen wir 23 que, kein atque, zwei et, und
diese nur, weil Cicero es vermeidet que einem auf kurz e
auslautenden Worte que anzuhängen: § 37 existimare et
iudicare, § 38 salute et libertate. Vgl. meine Anmerk. zu
bell. Afr. 51, 3. 85, 4. 92, 4.
Es ist aber nicht nur die Alleinherrschaft der Partikel
que an sich, welche unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht,
sondern der Umstand, dass dieselbe zweimal einer einsilbigen
Präposition angehängt wird, was im grossen Ganzen ver-
mieden worden ist. Weniger anstössig ist Z. 5 enque eodem
macestratod, weil auch Cicero p. Rose. Am. 114 inque eam
rem und offenbar im Anschlüsse an die Curialsprache de
divin. 1, 102 inque feriis imperandis geschrieben hat. Vgl.
G. Landgraf, zu Cic. Rose. S. 337. 411. Eine stärkere Ab-
weichung vom klassischen Gebrauche zeigt Z. 8 cumque
eis navebos, weil das Sprachgefühl dahin entschieden hat,
cumque als Temporalpartikel zuzulassen, als Präposition zu
verwerfen. Dass die ältere Sprache dagegen unbedenklich
que der Präposition cum (quom) angehängt hat, namentlich
vor folgendem Pronomen is, ersehen wir aus Livius Andro-
niciis bei Prise. 6, 6 cumque eo; Plaut. Truc. 277 cumque
ea noctem pernoctare; PI. Stich. 409 cumque eo; Ter,
Haut. 811 cumque incepto, und wenn noch Sallust Cat. 6, 1
Wf^fflin: Die Iitachriß ihr Colin
299
cutuqiie eis Ahorigines diese Verbiudung billigt, su kann
dieas bei seiner bekiimitea Liebhaberei t'ür urchuisches Latein
nicht befremdlich erscheinen, t^inzeltie .Ausnahmen •) ver-
inÖKeu diese Kegel nicht nm/u^tossen ; bestätigt wird i^ie bei-
läufig dadurch, dass auch Caesar und seine Fortsetzer wieder-
holt deque, eiqae, irnjue, perque, circuinque und ä., aber
nie cunique geschrieben hüben. Somit werden wir zu dem
ächiu.'^e gedrängt, cumque mit fulgendem Pron. demonstr.
Hei eine in archaischer Latinität übliche Verbindung gewesen,
und et* wäre in der That auffallend, wenn eiu Grammatiker
der dandinniücheu Zeit auf dieselbe verfallen wäre, da nie
zu seiner Zeit abgestorben war.
In düjipelter Hinsicht bemerk enswerth ist es, diiss der
Oberbefehlshaber des kartliagiscben Belagerungsheeres vor
Segesta, Hamiikar, maxintos macistratos genannt wird,
woffir diu klassische Latein etwa sunimus dux oder imperator
sHgeu würde. Ungewöhnlich erscheint uns vielleicht, daes
ruaci.stratos sich speciell »uf ein militärisches Cummandu
besieht : wer aber an den magister ei|iiitum, den magister
populi ^ dictator (Mommsen, röm. Staatsrecht IP l^S), an
die iniigistri uHvium und suciorum navnlium l)ei Livius 20,
25. 7. 43, 8, 7. 45, 42, 3. an den magister elephantoruni
bei Liv. 37, 4t, 1, an den magister militiae und rei militaris
bei Liv. 22, 23, 2. 24. 48, 5 denkt, der wird eich sagen
laitssen, dass in älteater Zeit das Wort magister von dem
KriegsweNen nicht aui«gesch lotsen war. Dass uiacistratos für
aiacister gesetzt ist (Zeile 5 mnc. abstract vom Amte), dürft«
sich darauH erklären, daas kein Genetiv beigefügt ist; die
Form nach der zweiten Declination ist jetzt geschützt durch
pmve magistrato in der Lex Colon, üenet. 127 (Ephem.
epigr. II p. 115. 22J)) und durch niagistrati in den Pasti
1) Sen, Hero. for. 823 i:iiroque dexerl.ft rate: itocli Liv. 33, 43.7
cnm fJrmisqoH. Ander« l'laut. Psnnd. S38 tl. cam candimentiir tuin
cuniquc tiiis. . . mcndai-lis : Cure. 2 etc.
i
■■:
300 Sitzung der phüos.-phüoL Glosse vom 1. März 1890.
Philocali Corp. inscr. I p. 356. Auch was auf der Platte
des Senatus consultum de Bacanalibus überliefert ist: pro
magistratuo ist vielleicht nicht in magistratud zu emendiren,
zumal ein solcher Ablativ der vierten Declination nirgends
bezeugt ist, sondern das falsche u sollte durch o ersetzt
werden, und das Tilgungszeichen ist vergessen worden oder
heute unsichtbar.
Maximos aber zur Bezeichnung des Oberbefehlshabers
ist altlateinisch nach Analogie von pontifex maximus (ent-
sprechend pontifices minores), curio maximus (Fest. p. 126), J
haruspex maximus (Corp. inscr. VI 2164. 2165), praetor
maximus (= dictator, Liv. 7, 3, 5), wozu Festus p. 161* M.
bemerkt, der Ausdruck beziehe sich nicht auf d&s Alter,
sondern ad vim imperii. Im klassischen Latein wird maximus
durch summus ersetzt, z. B. Caes. Gall. 7, 21 summum esse
Vercingetorigem ducem; Cic. divin. 2, 55 summus haruspex;
gerade wie Plautus, Terenz, Cato ausschliesslich maxumo
opere oder opere maxumo sagen, Lucretius, Cicero und die
Späteren daneben auch summo opere, bezw. summopere.
Ungewöhnlich bleibt die Voranstellung von maximos, ja sie
wäre unerklärlich, wenn es sich um einen römischen Terminus
technicus handelte; so aber haben wir es mit der lateinischen
Bezeichnung einer karthagischen Würde zu thun, welche
vielleicht der punischen nachgebildet war.
Das interessanteste Wort der ganzen Inschrift ist viel-
leicht das Particip praesens in der bisher so gröblich raiss-
verstandenen Stelle Z. 9, wo es von Duilius heisst, er habe
die karthagische Flotte praesente[d Anibaled] dictatored be-
siegt. Hier gibt die Uebersetzung ,in Anwesenheit des Ober-
admirales' nicht nur ehien an sich unerträglichen Sinn,
sondern der Gedanke würde auch der Wahrheit ins Gesicht
schlagen, da der feindliche Führer nach Kräften seine
Schuldigkeit that. Den ungeschickten Ausdruck aber damit
entschuldigen, dass der Verfasser die Inschrift nachgeahmt
W&fflin: Die Inschrift der CiAnwna roxtrata. 301
hftbe, welche dem Aeniiliiis Regilliis ffir seinen See»ief; über
Atitificlms gesetzt worden ist, heisat die beiderseitigen Ver-
hältnisse vollkommen verkennen. Eh stand auf jener taliula
nach Livins 40, J)2, 6, die königlicbe Flotte »ei betnef^
worden: inspectante eopse Antiocho, vollkommen richtig,
weil Antiochiifl, der mit seinem Heere siu Ufer atand, die
Niederlage nicht abzuwenden vermoclite; die Flott* wurde
unter den Augen Aes Ki)nigs geächlugen. Gerade so sagt
Cicero pro imp. Pomp. 33: portura Caietae inspectante prae-
tore H praedonibiis esse direptum, weil dem Prätor am Ufer
nichts Anderes (ibrig blieb a1» ruhig zuzuschauen. Da also
die Lage des Antiochus mit der des Hannibal nicht die ent-
fernteste Aehnlichkeit hatte, so könnt« der Ausdruck inspec-
tante weder überhaupt benutzt, noch in den unpassenden
praesente geändert werden.
Nun hat allerdings die spatere Latinität die Participia
Praes. Ton praeesse und almsse nur in der Bedeutung von
,auweeet)d' und , abwesend' erhalten und wenn man sagen
kann: oppidum tibest tria mUia pa^suuni, so kann man darum
doch noch nicht im Ablativiis absohilus sagen; ubsente oppido.
Wenn praesens ursprünglich bedeutete ,vorn belindlieh, zu-
vorderst stehend', so hat sich wohl in der Gerichtoaprache
die andere Bedeutung .anwesend' daraus entwickelt. Den
strengen Gegensatz zu ahsens bot eigentlich adsens, wie
abewe und adesse »ich gegenüberstehen. Seitdem man b^ann
ab und ad in der Wortzusammensetzung vor folgendem
Consonanten zu us.simi]iren, mnsste die Hpracbe auf schärfere
Unterscheidung bt^dacht sein, und sie bevorzugte praesens,
indem sie adsens fallen lie&t. etwa wie sie dem »dgredior
(aggredior) nicht abgredior, sondern digredior gegenfibentellt,
wo di durchaus nicht nothwendig bedeutet .nach allen Seiten',
Kondeni uur Ersatz oder Nothbehelf für ab, onö ist. Üu
aber im Kriege der Kührer vom stand (ijyüaitat, ij/e^wv),
m bekam praees.se auch die Bedeutung von , befehligen',
302 Sitzung der phiios.-phüol, Glosse vom 1, März 1890.
sowohl mit folgendem Dativ, als auch ohne Casus, wo sich
dieser aus dem Zusammenhange ergänzt, wie z. B. Nep.
Chabr. 4, 1 eum magis mih'tes quam qui praeerant aspicie-
bant. Daher ist praesented nicht mit nagovrog^ sondern mit
TfyovfÄivov wiederzugeben. Polyb 1, 23, 4 ijycZro <J' liwißag
avTwv, Ist hier nur eine Bedeutung von praesens in der
jüngeren Sprache untergegangen, so besass das archaische
Latein sogar eine den spätem ganz entschwundene Participial-
form consens, wovon die dii conseutes = owovreg^ die ver-
einigten sechs Götter und sechs Göttinnen (Preller-Jordan,
Elömische Mythologie P 68) ihren Namen haben.
Ist dieser nicht richtig gedeutete Ausdruck mit unrecht
als Zeugniss gegen die Aechtheit der Inschrift betrachtet
worden, so hat man auch eine ,loquacitas^ da gesucht, wo
sie nicht vorhanden ist. Ganz gewiss leidet der oratorische
Stil der Römer an einer gewissen abundantia, welche auch
in der Inschrift nicht zu verkennen ist; allein diese üeber-
schwänglichkeit darf nicht verwechselt werden mit derjenigen
Breite, welche dem archaischen Latein nach den allgemeinen
Gesetzen der Sprachentwicklung eigen thiimlich sein muss.
So ist das es navales*) für den Ciceronianer unverdaulich,
weil damals das Substantiv allein die Flotte bezeichnete.
Ehedem niusste es anders gewesen sein, weil clasis {nXaaig^
xXfiGig) ursprünglich nur das , Aufgebot' bedeutete, und in
der Zeit, als man classis producta von der Landmacht sagte
(wofür später exercitus eingetreten ist), musste man noth-
wendig zum Unterschiede classis navalis sagen, so gut man
später ausnahmsweise auch von einem exercitus navalis ge-
sprochen hat.
1) Ob vor diesen Worten copiasque einzusetzen sei, wodurch
das Adiectiv einen besseren Halt bekäme, ist sehr unsicher; allein
auch wenn diess geschieht, bekundet der Verfasser ein von dem Geiste
des Ciceronianismus abweichendes Sprachgefühl, dass er nicht ver-
bunden hat: copiasque navales clasesque.
j
1
Wätffiin: Dir Inschrift lUr CMim
303
In altod marid verletzt unser Stilgefühl, weil Hclion
Pluiitus, Kiiuius, Oato sich dtr Ellipete in alto, in altiini, ex
iillo bedienen, ebenso die Klassiker, wie CHeaiir und Cicero,
l'l. Riid. S13. Trin. 827. B32. Men. 227. Epid. 47. Cat« Ijei
Ciell. 4, 17, 15. Enniusan. 404 M. Allein es miisste dieser
Zeit eine andere vorausgehen, in welcher die Elli|>8G noch
nicht Rblicli war, und wenn die Hiimer im Jahre 2i>0 v. Clir.
die erste (grosse Flotte hauten, so darf man wohl annehmen,
das9 erst von dieser Zeit an die Ellipse sich alUnäliliKi zu-
nächst in der Volkssprache, eiiibüi^ern konnte. Einen Ueber-
rest de« alten (lebrauches finden wir noch bei Ennius an. 5IJ2
aequore in alto. .Andere Verbindungen haben erst viel später
das äubstantiv alif^eworten ; denn Plaiitus schreibt in tran-
quillo tnari Cist. 16. Poen. 3, I, 4: der späteren Umgangs-
sprache genEigtit tramiuillo (Sen. epist. 85, 34 tranquillo, ut
aiunt, quilibet giiberuatur est; Aptil. mag. 35 tempentate
reciprocaBtur, trunquillo deseruntur), welche« substantivische
Geltung annahm.
Wir widlen hier gleich beifügen, dass auch der Aus-
druck: rem nuveluis luarid . . ceset eine unnÖthige Breite
ungtinommen hat: die Erklärung liegt wohl darin, daas es
zwei Gegensätze gab, res terra, niari gerere, z. B. Nep,
Uam. 1, 2, und rem navibus, eqnis, legionibu£ etc. gerere,
%. B. Hör. canu. 1, 6, 4, und dass nun der Verfasser beide
verband.
Weniger wird man an trire»mus tiaveis Anstoss
U''Jinien, da noch Caesar an zwei Stellen des bell, civ, (2, l3.
3, 24) naves trJreme? geschrieben hat, wie Äsinius b. Afr. 44
uavis trieris, während derselbe Caesar und Cicero auch den
«lUptischen Uebraucb kennen. — Umgekehrt heisst es in der
Inschrift: naveti cepet cum sucieis, wo wir die Zuffigung von
navalibus erwarten, während sich Caesar civ. 1, 58 mit
bominibus behilft (naves cum hominihus capiunt = oilroi'-
Ai}OV^); dnch »cheineu mit ^ücii nur A'w. l^ttat, nicht die in
304 Sitzung der phüosrphüöl. Classe vom 1, März 1890.
den maxsuraas copias Z. 9 enthaltenen STVißdtai (Polyb. 1,26,7)
gemeint zu sein. Liv. 40, 52, 6 in der tabula des Aemilius
Regillus (a. 179 v. Chr.): naves longae cum omnibus sociis
captae quadraginta duae.
Als eine Eigenthümlichkeit des alten Lateins ist längst
bekannt das zweigliedrige Asyndeton, welches sich in
Jupiter optumus maxumus und in Patres conscripti bis in
späte Zeiten erhalten hat. Hieher gehört die auf Z. 4/5
sichere Ergänzung: Mace[lam vi] pugnandod cepet; denn
die Verbindung treflfen wir bei Plaut. Amph. 258 et legiones
Teleboarum vi pugnando cepimus; Mil. 267; Men. 1054;
Asin. 555; bei Cic. epist. 5, 10** sex oppida vi pugnando
(codd. oppugnaudo, verdorben aus oppida) cepi, was dem
offiziellen Stile der Siegesberichte nachgebildet zu sein scheint;
bei dem archaisirenden Asinius b. Afr. 36, 4 castellum . .
vi pugnando est potitus. Dass vi dem Ablativ pugnando
coordinirt zu denken sei, ergibt sich aus Liv. 44, 39, 3
etiamsi pugnando acie vicisset, da bei subordinirtem Ver-
hältnisse das Substantiv dem Verbum vorangestellt sein
müsste. — Aehnlich wird Z. 6 navebos marid (rem ceset)
zu beurtheilen sein; die Verbindung ist nicht schwülstiger
als vi pugnando, welches aus diesem Grunde von der klassi-
schen Sprache aufgegeben worden ist. Unsicher ist Z. 8
claseis omneis, maxsumas copias. — Z. 7 wäre clases ornavet
paravet nach Analogie von ferre agere, fundere fugare, oro
ol)secro an sich vollkommen genügend, wenn nicht die Rück-
sicht auf den auszufüllenden Raum den Zusatz von que
nöthig machte.
Kühner ist das Asyndeton: [argenjtora captom praeda
= argentom et captom et ex praeda vendita redactum, wie
Mommsen richtig erklärt, womit zunächst aurum argentum
verglichen werden mag. Cic. leg. agr. 2, 59 AVRVM
ARGENTVM EX PRAEDA EX MANVBIIS EX CORO-
NAKIO; Flin. nat. h. 34, 137 auro argento; Scaevola Dig.
Wölfflin: Die Inschrift der Columna rostrata. 305
34, 2, 15 quicquid sibi in auro argento legavi; Paul. sent.
5, 25, 1 ; ähnlich sind auch equi viri, pedites equites, ventis
remis, usus fructus.
Die soeben erwähnte Stelle clases ornavet paravetque
enthält zugleich ein beachtenswerthes vgtbqov nqoteqov^
da sich parare auf den Rohbau, ornare auf die Ausrüstung
and in vorliegendem Falle wohl auch auf die Enterhacken
(corvi, manus ferreae) bezieht. (Vgl. Liv. 37, 50, 5 naves,
qaae priore anno paratae erant, ornare iussus); dass die
Enterhacken nicht ausdrücklich genannt werden, welche doch
die jüngeren Autoren als Erfindung des Duilius bezeichnen,
ist wohl ein vollgültiger Beweis dafür, dass ein Nichtrömer,
etwa von den socii navales oder ein Sicilianer (inoTix^erai
ng avioig ßoijx^i]f4a bei Polyb. 1, 22, 3), den Duilius auf
diesen Gedanken brachte. Genauere Untersuchungen über
die Geschichte des voTegov nqoxeqov fehlen uns zur Zeit;
doch wird man mit der Annahme nicht fehl gehen, dass
dasselbe in der archaischen Latinität mehr blühte und von
den Klassikern bekämpft wurde. Besonders häufig findet es
sich bei dem archaisirenden Asinius PoUio, z. B. b. Afr. 21, 3
naves incendebant atque expugnabant; 20, 1 armare et evo-
care (vgl. Index zu As. Pol. b. Afr. s. v. Hysteron proteron);
auch bei Plautus, z. B. Pseud. 283 at dabit parabit; dass
Tacitus d&s zweite Wort mit que anzuknüpfen pflegte
(E. Hauler im Arch. f. lat. Lexik. V 578), könnte Archaismus
sein. Auch die (der?) Dichter der beiden ältesten Scipionen-
grabschriften nahmen, indem sie die Ehrenämter mit consol
censor aedilis aufzählten, das Wichtigste voraus.
Zum Schlüsse verdient noch Erwähnung, dass die Sätze:
rem navebos marid consol primos c[eset]; clases primos
ornavet paravetque; [primos] navaled praedad poplo[m donavet]
durchaus im Geiste der alten Kömer geschrieben sind. Seit-
dem es geschichtliche Aufzeichnungen gab, war von den am
Alten so streng festhaltenden Römern jede Nc
306 Sitzung der phüos.-phild. Classe vam 1, Märe 1890.
achtet worden, z. B. in Liv. per. 1 Servius TuUius censum
primuin egit; 4 Stipendium ex aerario tum primum militibus
datum est; 6 primus ex plebe consul L. Sextius creatus est;
8 lex de veneficio tunc primum constituta est; 17 Duilius . .
primus omnium Romanorum dueum navalis victoriae duxit
triumphum; 19 Atilius Galatinus primus dictator extra Italiam
exercitum duxit. Die erhaltene Schrift de viris illustribus
ist voll von dergleichen Angaben: 20 Licinius Stolo primus
omnium sua lege punitus est; 32 Fabius . . primus ob vir-
tutem Maximus; 32 primns instituit, uti equites B. etc.;
40 Regulus primus Romanorum ducum in Africam classem
traiecit; 45 primus docuit, quomodo milites cederent; 47 Cata
basilicam suo nomine primus fecit. In gleicher Weise wurden
die Fortschritte in der Cultur beobachtet, z. B. Rutilius
Rufus frg. 13 Pet. primum lecticis utebatur; Sen. brev. v. 13, 6
primus L. Sulla in circo leones solutos dedit; Nepos ExempL
bei Plin. nat. h. 36, 48 primum Romae parietes crusta mar-
moris operuisse . . Mamurram. Nur eine andere Form der
Aufzeichnung ist es, wenn wir bei Liv. 22, 8, 6. Per. 59
lesen: quod numquam antea factum erat; auf dasselbe
Interesse geht zurück, was bei Sen. brev. vit. 13, 8 steht:
Sullam ultimum Romanorum protulisse pomoerium. Es
ist nicht daran zu zweifeln, das8 Gelehrte oder wi&sbe-
gierige Dilettanten dergleichen Notizen zusammenstellten ;
denn Sen. erzählt de brev. vit. 13, 3: audivi quendam refe-
rentem, quae primus quisque ex Romanis ducibus fecisset:
primus navali proelio Duillius vicit, primus Curius Dentatus
in triumpho duxit elephantos, womit indessen Plin. nat. h.
7, 139 Metellus primus elephantos ex primo Punico hello
duxit in triumpho in Widerspruch steht. Fügen wir hinzu,
dass auch auf Inschriften solche Angaben nicht selten sind
(Exempla inscr. Wilni. 616 preimus ius fetiale paravit; 623
primus spolia opima.Iovi Feretrio consecravit = Ampelius21),
so wird es zur Gewissheit, dass dem Duilius auf einer In-
Wälfflin: Die Inschrift der Columna rt^strata, 307
Schrift Alles das nachgerühmt werden mnsste, worin er
keine Vor^nger hatte; von diesem Standpunkte aus macht
daher die Inschrift den Eindruck der Aechtheit. Ueber Cic.
de sen. 44 Duilius, qui Poenos classe primus devicerat, vgl.
unten.
Sprechen die beobachteten Eigenthümlichkeiten fQr die
Aechtheit der Inschrift, so wösste ich umgekehrt keinen
Ausdruck anzuftihren, der das Gepräge der silbernen Latini-
tat trQge oder mit dem archaischen Latein im Widerspruch
stände. Denn Z. 4 konnte es allerdings statt castreis ex-
fociont auch heissen: ex castreis, nach Plaut. Trin. 701
effugias ex urbe; noth wendig aber ist die Wiederholung der
Präposition durchaus nicht, da derselbe Plautus Merc. 6G0
pairia effugere u. a. sagt.
3. Die Orthographie nnd die Flezionsendnngen.
Dass auch eine grosse Anzahl von Formen archaisch, oder,
wie unsere Gegner sich ausdrücken, von dem Grammatiker,
der die alte Sprache nachbilden wollte, gut getroffen seien,
ist allgemein anerkannt. Das ältere e finden wir für i in
den Perfectformen exemet, cepet, ornavet, im Ablativ nave-
boe, in der Präposition en; ei für späteres langes i in den
Ablativen castreis, socieis; im Nominativ numei, im Accu-
sativ naveis; o für ü in primos, aurom, arcentom, captom,
in consol, in exfociont. Die Syncope in poplom ist nicht
nur durch Plautus gesichert, z. B. Amph. 101, sondern vor
Allem durch das bekannte Bruchstück des Carmen Saliare
bei Festus p. 205 M. pilumnoe poploe. Die Consonauten-
verdoppelung fehlt in clases, olorom, numei, was bekanntlich
auf die Zeit vor Ennius hinweist und mit dem Zeugnisse des
Festus übereinstimmt (Paul.) 19 M. ab oloes (oe = oi) di-
cebant pro ab illis antiqui; die Aspirata fehlt in Cartaci-
niensis; exfociont statt ecfociont (= effugiunt) darf nicht be-
fremden, da Plautus schützend eintritt mit exfodere Mil. 314,
874, exfringere Mil. 1250.
308 Sitzung der philosrpküol, Classe vom 1, März 1890,
In einigen Formen seheint sogar Ritschi der Archaismus
zu consequent durchgeführt zu sein, so in den Perfect-
endungen auf et, während in der ältesten Scipionengrab-
Schrift et und it wechseln. Darauf ist zu erwiedem, dass
dieses Elogium (wie anderswo soll gezeigt werden) nicht vor
240, sondern allerhöchstens 220, wenn nicht gar 200 v. Chr.
gedichtet ist, so dass das Schwanken zwischen der alten und
der neuen Form durch den Zwischenraum eines halben Jahr-
hunderts vollkommen erklärt wird. Femer bemängelt Ritschi,
dass alle Ablative sing, der Golumna rostrata auf d aus-
lauten, während schon das Elogium auf Scipio Barbatus
„gnaivod patre* nebeneinander biete. Auch hier darf ent-
gegnet werden, dass dieses Gedicht nicht vor 200 vor Chr.
föllt, und die Col. rostr. zeigt doch das erste Stadium des
Zerfalles der alten Form darin, dass das auslautende d vor
angehängtem que abfällt; denn Z. 11 ist vique . . cepet
(nicht vidque) vollkommen gesichert, während Ritschis Lesart
atque (vgl. oben S. 298) unmöglich ist. Man kann überhaupt
nicht genug vor dem Fehler warnen, Alles das, was unserem
aniTkannt sehr mangelhaften Wissen von dem ältesten Latein
nicht genau entspricht, darum zu verdächtigen.
Schon die neuesten Entdeckungen von Inschriften müssen
hier zur Vorsicht mahnen. Ritschi wollte nicht an navebos
glauben und doch ist jetzt in einer Inschrift des hannibali-
schen Krieges protrebibos gefunden = pro tribubus. Ephem.
epigr. II 208. Corp. inscr. lat. IX 4204. An dem Nominativ
macistratos, den Ritschi zu den Unmöglichkeiten zählte,
wagt nun auch H. Jordan, obschon er dessen Ansicht fest-
hält, nicht mehr zu zweifeln, und so sieht er sich wider
seinen Willen gezwungen, dem Verfasser der restaurirten
Inschrift peritia nachzurühmen, den titulus als perite resti-
tutus zu bezeichnen. Vgl. Quaest. archaeicae, Regim. 1884
j). (>. 11. Das heisst mit anderen Worten: von Seiten der
Form steht kein Uinderuiss entgegen, die Inschrift für acht
WÖlffUn: Die Inschrift der Columna rostrata. 309
zu halten. Ritschi vermisste die alte Schreibung von xs = x;
allein Z. 9 erkannten einige der ältesten Herausgeber am
Anfange der Zeile noch sumas, wornach denn maxsumas her-
xQstellen ist. Wenn man auch statt der Präposition cum
lieber die Form quom sähe, so ist doch ebenso glaublich,
dass der Verfasser die Präposition cum von der Temporal-
partikel quom zu scheiden begann.
Können wir somit die bisher vorgebrachten Gegengründe
nicht als stichhaltig anerkennen, so haben wir unsere Ver-
theidigungsmittel noch lauge nicht erschöpft. Wie könnte
man auch den Entscheid einer so wichtigen Frage von der
Orthographie eines Steinmetzen abhängen lassen, der zwar
nicht so sorglos war, wie der, welcher das Carmen arvale
gemeisselt hat, aber doch zwischen maximos und maxsumos,
in und en, clases und claseis wechselt? Diese Ungleichheit
wäre fär den Grammatiker der daudianischen Zeit fast un-
begreiflich, fQr den Steinmetzen ist sie immer noch gravirend
genug. Vor Allem aber müssen wir uns darüber klar wer-
den, welche Ansprüche wir an eine in der ersten Kaiserzeit
gemachte Copie einer alten Inschrift stellen dürfen. Wenn
Gothe den Infinitiv ,8eyn* zum Unterschiede vom besitz-
anzeigenden Fürworte ,sein* mit y schrieb, so gestatten sich
doch die neueren Herausgeber, soweit sie nicht auf philo-
logische LfCser Rücksicht zu nehmen haben, dergleichen in
die heute übliche Orthographie umzusetzen. Da nun die
Römer keine geborenen Philologen waren, so brauchen wir
uns nicht zu verwundem, wenn der Steinmetz sich die gleiche
Freiheit nahm. Die Hauptkunde Mommsens und Ritschis
beziehen sich aber auf solche Orthographica. Ganz gewiss
stand in der alten Inschrift praida, Poinicas, preimos, so
sicher wir in der Copie praeda, Poenicas, primos lesen ; allein
diess beweist absolut nichts. Im Originale konnte auslautendes
s oder m möglicher Weise hie und da fehlen, n vor s unter-
drückt sein (cosol), obschon diess nicht nothwendig ange-
imo. PUkw.-pliUol. o. bist Gl. 8. 21
310 Sitzung der pihUog.-phiM. Claase vom 1. März 1890.
nommen werden muss, und der Steinmetz darf nicht so scharf
getadelt werden, wenn er die in seiner Zeit anerkannte Form
herstellte. Wenn man aber eine Copie zu nehmen fQr nöthig
erachtete, so muss der alte Stein in schadhaftem Zustande
sich befunden haben. Nicht nur der Zahn der Zeit, auch
Regen und Feuer konnten ihm zugesetzt haben, wie man
beispielsweise bei Livius 42, 20, 1 von einer ähnlichen Säule
liest: nocturna tempestate columna tota ad inium fiilmine
di»cussa est. Waren einzelne Buchstaben unleserlich oder
undeutlich, so sinkt die Zuverlä-ssigkeit der Abschrift noch
tiefer, und es wäre nur natürlich, wenn der Steinmetz das
nicht Lesbare im Sinne des alten Lateins zu ergänzen ver-
sucht, sich dabei aber gelegentlich geirrt hätte, wie z. B. in
exfociont statt exfuciunt, oder in der consequenten Ersetzung
des G durch C.
4. Die Ergänzungen.
"MET-L
/XTMOSOyEMACIST
/VEMCASTKElSEXFOClCUTMACLi
^CNANDODCEPETENQVEEODEM-MÄ
MNAVEBOS-MARlD'CONSOLTKlMOS
LASESOVENAVALESfRlMOS-OHNAVET-
VMQVEElSNAVEB^gSCLASEISrOENlCASOM
VMASCOPlASCARTAClNIENSlSfRA^SENT
ICJATOREDCV^ pMLNALTODMAM,
'»aVE/^-«-^-*^ /rCVMSOClEISSErXEv^,.,^
RIRESMOSQVENAVEIS- X^
CATTOMNVMEl ' (DCDODDC
OMCATTOM TRAEDA'NVMEI (^
c A p TOM-A ES- (i3Ä(»^(ffaffi)(«n;)crR)Qn)
OQyENAVALED-PRAEDAD'POrLO^
NVOS
WÖlfflin: Die Inschrift der Columna rostrata. 311
Da die Inschrifk nicht yollstandig erhalten ist, so hat
der Conjectaralkritiker eine schwierige Aufgabe zu lösen.
Die linke Seite des Steines hat weniger gelitten, so dass bei
7 Zeilen nur ^/s, 1, 1^/a Buchstaben fehlen; schlimmer steht
es mit der rechten Hälfte, wo im günstigsten Falle 8, im
schlimmsten etwa 25 Buchstaben zuzusetzen sind. Die Zahl
kann leichter nach dem Maximum, welches die Zeile fasst,
bestimmt werden; doch ist es erlaubt die Buchstabenzahl uui
2 herabzusetzen, weil der Steinmetz, wie man es in der ersten
Kaiserzeit nicht anders erwarten wird, nie in der Mitte einer
Silbe abgesetzt hat, während auf der Fuciner Bronceplatte
CANTOVlOjS, in den vaticanischen Fragmenten von Sallusts
Historien SPECTATA geschrieben steht. Andrerseits ist zu
beachten, dass, wenn E oder A als Buchstaben von Durch-
schnittsbreite gerechnet werden, I als ^/», M als P/% in
Ansatz zu bringen ist. Dass man die Ergänzungen im
archaischen Latein zu gestalten habe, ist eine von beiden
Seiten zugegebene Forderung; denn auch der Grammatiker
der claudianischen Zeit soll ja dieses affectirt haben.
Zeile 1. Die erhaltenen Buchstaben ANO und das Verbum
EXEMET auf Z. 2, verbunden mit den Angaben des Polyb
and Zonaras 8, 11 genügen vollkommen, um uns die Sicher-
heit zu geben, dass hier von dem Entsätze der belagerten
Stadt Egesta die Rede war. Ob der Verfasser der Inschrift
die Bewohner Segestani nannte oder anders (griechische
Münzen 2ayeaja^ Seyeora, Polyb. ^lyBOza; vgl. Acesta bei
Virg. Aen. 5, 780), kann uns gleichgültig sein; aber nicht
gerade wahrscheinlich klingt die Ergänzung Ritschis: Sece-
stanos graved et diutumod hostium opsidiod, schon darum
nicht, weil in der Inschrift nur que vorkommt, nie et, ac
oder atque. Viel wichtiger war es zu sagen, dass die Egestäer
als Nachkommen flüchtiger Trojaner den Römern stamm-
verwandt waren, wodurch das Verdienst des Duilius um so
mehr steigt. Gic. Verr. 4, 72 Segestani non solum perpetua
21*
312 Sitzung der phüos.'phüdl. Classe vom 1. März 1890.
societate atque amicitia, verum etiam cognatione se cum
populo Romano coniunctos esse arbitrantur; 5, 83 ubi Sege-
stana, ubi Centuripina civitas? quae cum officiis fide vetustate,
tum etiam cognatione popnlum Romanum attingunt?; 5, 125
Segestanorum multis officiis comprobata cognatio. Auch
Naevius hatte in seiner Darstellung de:^ ersten punischen
Krieges besonders betont, dass die den Kampf mit Karthago
(Semiten) aufnehmenden Römer mit den Trojanern verwandt
seien. Dem Sinne nach würde desshalb eine Ergänzung wie:
cocnatos popli Romani vorzuziehen sein.
Zeile 2. Zu exemet kann sowohl OPSIDIONED als
OPSIDIOD ergänzt, eventuell auch die Präposition EX hinzu-
gefügt werden. Plautus und Ennius haben beide Formen
gebraucht, ebenso Tacitus; Sallust aber (hist. 1, 84. 4, 61, 14)
nur die neutrale, welche uns als die ältere gelten muss,
wie nach Charis. 71, 12 K. contagiiim älter ist als contagio.
Darum citirt auch Nonius p. 216 M. obsidium aus Ennius,
und Festus p. 193 M. vertheidigt das zu seiner Zeit wenig
gebräuchliche obsidium nicht nur mit der Analogie von
praesidium und subsidium, sondern auch mit einer Stelle aus
einer Rede des C. Laelius apud populum: ut terra marique
simul obsidium facerent.
Das Verbum eximere ist wohl in der ältesten Zeit nicht
mit dem blossen Ablativ, sondern mit ex verbunden worden;
wie bei Cic. epist. 5, 6, 2 ex obsidione eximere. (Cic. inv.
2, 7 ex culpa; p. Cael. 71 ex laqueis; Lael. 23 ex natura
rerum.) Bei Livius ist der Ablativ gewöhnlich; obsidione
9, 21, 3. 24, 41, 6; bei Tacitus der Dativ discrimini, pugnae.
Da indessen unten Z. 4 castreis exfociont auf dem Steine
überliefert ist, so haben Ritschi und Mommsen die Präpo-
sition ausser Betracht gelassen, während wir die Einsetzung
iumier noch für wahrscheinlicher halten, weil die Construction
bei sinnlich-räumlicher Anschauung keinen zwingenden Schluss
auf die übertragene Anwendung gestattet. (Caesar 4, 19.
M
WÖlfflin: Die Inschrift der Columna rostrata. 313
5, 49 sagt obsidione liberare, wie Corp. inscr. lat. I p. 292.
N. XXXIV.)
LECIONE . . auf das Fussvolk der Karthager zu beziehen
ist an sich unbedenklich, da üebertragungen von Ausdrücken
des römischen Kriegswesens (cohors, turma) auf fremde
Völker wenigstens bei Livius nicht selten sind. Vgl. Zeile 10
dictator mit Gato bei Gellius 10, 24, 7 dictatorem Kartha-
giniensium ; aber nothwendig ist es gerade auch nicht,
da ebenso gut von dem Entsätze der eingeschlossenen römi-
schen Legionen die Elede sein konnte. Zonar. 8, 11 "EyeaTov,
ir f^ tÖ TtXelatov vov ne^ov Tolg ^Pcü^iaioig ?yv. In diesem
Falle wQrden wir eine Ergänzung vorschlagen wie: legiones-
que leiberavet. Poenei etc. Diese Rettung war um so ruhm-
voller, als ein ähnlicher Versuch dem C. Caecilius (vgl.
Zon. 1. c.) misslungen war; überhaupt aber sollte sich der
Kritiker bestreben, die Lücken (wie wir es bei Segestanos
gethan) durch bedeutsame, nicht durch gleichgültige oder
schwülstige Worte auszufüllen, wie z. B. lecionesque Carta-
cinienses omnis. Dass der Satz Poenei . . . exfociont als
Parenthese zu betrachten ist, ergibt sich aus dem mitten
unter lauter Perfecta eingeschobenen Praesens historicum;
wir würden die Form der Subordination vorziehen und sagen :
wobei die Punier mit ihrem Obergeneral . . Reissaus nahmen.
Zeile 3. Dass wir uns mit der Ergänzung LVCI PALAM
nicht recht befreunden können, wollen wir nicht verhehlen;
das meiste hängt davon ab, ob die erhaltene untere Spitze
des ersten Buchstabens mit Sicherheit auf ein L führe, oder
nicht auf ein E, was uns (nach Einsicht des Steines) wahr-
scheinlicher zu sein schien. Statt post dies noveni Hesse
sich auch denken: intra dies novem.
Zeile 4. MACE] Polyb. 1, 24, 2 xara rr> ^x Trjg u4U
yiarrjg dvayjdqriaiy MaxeXav rtokiv xara xQdzog elkov. Die
Ergänzungen von Ritschi (Macelam opidom vid) und
Mommsen (Macelamque opidom) bedürfen einer Nachpr
314 Sitzung der pküos.-phüol. Cltisse vom 1. März 1890.
schon aus dem äusseren Grunde, weil sie den freien Platz
nicht völlig ausfällen, wobei opidom (schwerlich urbeni, da
in der Scipioneninschrift Aleriamque urbeni nur dem Verse
zuliebe gewählt ist) als feststehend betrachtet werden soll.
Die Anknüpfung der Eroberung durch que erscheint uns
darum als wahrscheinlich, weil sämmtliche Thaten des Duilius
durch que aneinander gereiht sind. Statt des Ablativs VID
aber dürfen wir wohl wegen Z. 11 auch die Form VI an-
setzen, und durch die Ersparuug des einen Buchstabens wird
es möglich sein, die Conjecturen beider Gelehrter zu ver-
binden : Macelamque opidom vi pugnandod cepet. Man könnte
gegen vi einwenden, dass pugnandod capere (Gegensatz: durch
Verrath, durch Hunger) vollkommen genüge (b. Afr. 25, 2
Girtam; Sali. Cat. 7. Jug. 28 urbis; Jug. 61 locum) und
dass die Z. 11 gebrauchte Redensart (vi naves cepet) eher
dafür spreche, Z. 4 den Ablativ nicht aufzunehmen; andrer-
seits aber entspricht das Asyndeton der beiden Ablative dem
Geiste der alten Sprache, wie oben S. 304 gezeigt worden ist.
Am Ende von Zeile 5 hat man die Lücke von vier
Buchstaben zwischen: enque eodem macistratud und rem
navebos marid consol priraos c[eset] allgemein mit bene
ausgefdllt. Dieses Adverbium enthält nun allerdings ein
etwas mattes Lob, und wenn auch bene rem gerere alte
Formel ist, so sagt doch schon Plaut. Pers. 6, 48 ob res
egregie gestas. Schwerer wiegt der Einwurf, dass das Adverb
falsch gestellt ist und eher nach ceset einzusetzen wäre, wo
man durch Verzicht auf die Ergänzung des mehr als ent-
behrlichen copiasque etwa acht Buchstaben zur Verfügung
hätte. Geset prospere würde sich genau mit Tac. ann. 2, 49
C. Duilius primus rem Komanam prospere mari gessit und
mit Liv. perioch. 17 C. Duilius adversus classem Poenorum
prospere pugnavit decken, dem alten Latein aber kaum ent-
sprechen, da man wohl sagt prospere evenire, procedere u. ä.,
prospere gerere aber erst etwa seit Livius. Betrachtet man
Wdifflin: Die Inschrift der Coiumna rostrata. 315
genauer den Gedankenfortscfaritt, so wird man zu der Einsicht
gelangen, dass überhaupt jedes Adverbium vom Uebel ist,
weil damit der im Folgenden genannte Seesieg gleichsam
YGTNe^ genommen ist. Es hat doch keinen Sinn zu sagen:
Dnilios fährte den Seekrieg mit Glück, erwarb sich Ver-
dienste um den Bau und die Ausrüstung der Flotte und
schlug die Karthager bei Mylä; viel besser: er nahm den
Seekampf gegen die Punier zuerst auf, bethätigte sich bei
dem Baue der Flotte, und schlug den feindlichen Admiral
Hannibal. So gut man sagt gladio rem gerere, eben so gut
legionibus, equitibus, navibus; Hör. carm. 1, 6, 4 quam rem
cumque ferox navibus aut equis miles te duce gesserit. Voll-
ständig klingt an unsere Stelle an Livius 30, 2, 7: viginti
legionibus et CLX navibus longis res Elomana eo anno gesta;
ohne Zweifel ein Ausdruck des alten Annalenstiles. Ist man
somit gezwungen das Adverb bene von der Ergänzung aus-
zuschliessen, so mag man die Lücke vorläufig mit idem aus-
füllen. Die Wiederholung des Pronomens entspricht dem
rednerischen Stile, wie man aus Cic. Verr. 5, 56 ersieht:
cum idem alii iuris ex eadem causa non obtiuerent; prov.
coDs. 13. Vielleicht lässt sich etwas Besseres finden; enque
eodem macistratud Romanam rem . . marid primos ceset
würde mit der Liviusstelle wie mit Tacitus stimmen, ist aber
wohl zu lang und die Annahme einer Abkürzung von
Romanam unzulässig.
Zeile 6 ist die bisher angenommene Ergänzung CESET •
COPIAS dem Sinne entsprechend, wie Z. 8. 9 umgekehrt
claseis und copias verbunden wird; würde der Stein copias-
que zulassen, oder am Ende der Zeile eine Abkürzung copiasq.
zulässii; erscheinen, so hätten wir auch nichts einzuwenden.
Sachlich muss man copias darauf beziehen, dass Duilius auch
bei der Einübung der Rudermannschaften mit musste thätig
gewesen sein. Polyb. 1, 21, 2 oi de tq nkrjfdficcrf
at^^iaavteg iöidaoxov iv if^ yf^ nwji ijkaieiv xTiL
316 Sitzung der phüos.-phüol. Classe vom 1. März 1890.
strat. 3, 2, 2 C. Duellius subinde exercendo milites remiges-
que consecutus est, ut etc.
Zeile 7. Ueber die Ergänzung ORNAVET.PA[RA VET-
QVE] vergleiche oben Seite 304.
Zeile 8. OM[NEIS. MASß]VMAS. Omneis zu clases
Poenicas gehörig ist zwar kein inhaltreiches Wort, aber wohl
zu rechtfertigen, wenn der Verfasser die ,vereinigte' feind-
liche Flotte bezeichnen wollte; dass clases auch von kleinem
Geschwadern gebraucht wird, ist zur Genüge bekannt. Den
Ergänzungsversuch ou)[nivagasJ, mit Rücksicht darauf, dass
die Punier die Küste Italiens verheerten, möchte ich selbst
nicht befürworten, da die kühne Wortbildung eines Dichters
mit dem prosaischen Tone der Inschrift nicht in Einklang
stünde. Es handelt sich nur noch darum, den Raum auszu-
füllen, was mit maxumas nicht vollständig erreicht wird.
Mit Ritschi noch ,et^ einzusetzen verbietet die S. 298 oben
gemachte Beobachtung, da diese Partikel auf der Inschrift
nicht vorkommt; gegen item (Mommsen) spricht, abgesehen
von der Länge des Wortes, dass ja ein doppelter Kampf
nicht unterschieden werden kann, da die copiae sich eben
auf den SchiflFen befanden. So möchte ich lieber ein zwei-
gliedriges, durch den Gegensatz der nebeneinander gestellten
Epitheta gerechtfertigtes Asyndeton (vgl. oben S. 304): clases
om[neis, maxs]umas copias empfehlen, wobei auf ortho-
graphischem Wege (omnis Mommsen; maxumas Ritschi und
Mommsen) zwei Buchstaben gewonnen werden. Spuren des
S in der Mitte von maxsumas waren nicht nur früher noch
sichtbar, sondern die Schreibart war ja der archaischen
Latinität eigenthümlich (z. B. saxsum, Scipioneninschrift) ;
wählte nun der Steinmetz, der Z. 3 maximos schrieb, das
antike u (statt i), so musste oder konnte er consequent auch
das alte xs annehmen. Auch [mac]sumas wäre denkbar, da
nach neuester CoUation das Elogium auf den Scipio Barbatus
die Form ABDOVCsIT aufweist.
Wölfftin: Die Inschrift der Columna rofttrata. 317
Zeile 9. prae8ente[d]. Es ist noch knapp Raum für
Anibaled, welcher, wie er von vielen Autoren genannt wird,
in der Inschrift eher erwähnt werden musste, als Z. 3 der
weniger bekannte Befehlshaber der Belagerungsarmee voi*
Segesta (Hamilkar). Die Ergänzung von [ipsod] würde den
Raum nicht ausfüllen.
Zeile 10. Die drei Buchstabenreste am Ende der Zeile
ergänzt Ritschi zu pucnad vicet, Mommsen zu pucnandod
vicet, was dem Räume nach zu viel ist, wie jenes zu wenig.
Pugnandod ist zu verwerfen, weil der schon Z. 5 gebrauchte
Ausdruck ohne Noth nicht nochmals benützt werden soll;
nberdiess ist er zu schwach, da das Verbum an sich ohne
weiteren Beisatz auch von einem unbedeutenden Zusammen-
stosse gebraucht werden kann; er ist endlich unpassend, weil
oppidum pugnando capere im Gegensatze zu obsidione gesagt
wird, ein Gegensatz, welcher hier nicht zutrifft. Viel besser
bezeichnet das Substantiv pugna die entscheidende Schlacht
im Gegensatze zu proelium, wie bei Liv. 7, 11, 8 Fabius
proeliis primum parvis, postremo una insigni pugna Hemicos
devincit. Um zwei Buchstaben zu gewinnen und mehr Kraft
in die Inschrift zu legen, wird es sich empfehlen, dieses
zusammengesetzte, schon von Plautus gebrauchte Verbum zu
ei^änzen, und pucnad devicet entspricht besser dem Z. 10
folgenden vi cepet ak pucnandod. Cic. nat. d. 2, 6 cum
Crotoniatas Locri maximo proelio devicissent; 2, 7 classe
devicta. Vielleicht las Cicero das Compositum auf der In-
schrift; denn es ist doch recht auffallend, dass er an zwei
Stellen sich desselben Wortes bedient:
orat. § 153 D. qui Poenos [priraus] classe devicit;
de sen. 44 D. qui Poenos classe primus devicerat.
Primus hat an der ersten Stelle Teuffei, rhein. Mus. XVI
638 gewiss richtig ergänzt, wenn man auch streiten kann,
welchen Platz im Satze das Wort einzunehmen habe.
Zeile 11. vique naves (naveis) cepet mar
318 Sitzung der phüosrphäol, Classe vom 1. März 1890.
werden, weil vor que der obere Theil eines i sichtbar ist;
atque, wie Ritschi schrieb, ist zu verwerfen, nicht nur, weil
die OolJation gegen das t spricht, sondern auch, weil atque
in der Inschrift nirgends vorkommt. Mit vi ist ausgesprochen,
das8 Duilius nicht durch geschicktes Manöveriren, sondern
durch den Angriff vermittelst der Enterhaken sich der feind-
lichen Schiffe bemächtigte. — Septeresmom, nämlich navem,
wird nach Analogie von Z. 12 triresmos geschrieben werden
müssen; der wegen des Gegensatzes noth wendige Zusatz von
VNAM überschreitet den Raum der Zeile, während bei Weg-
lassung der Zahl derselbe nicht ausgefüllt wird. Am besten
wird es daher sein, die römische Ziffer (-I*) einzusetzen, wie
ja auch in der folgenden Zeile XXX und XIII geschrieben
ist. — Die Zeile schloss mit [QVIN|QVERESMOS]QVE.
Zeile 12. Die Zahl der eroberten Schiffe wird richtig
auf «XXX« ergänzt; es folgte dann nach Orosius 4, 7, 10
MERSET-XIII; die Zahl XIIII, welche Eutrop 2, 20 gibt,
fände auf dem Steine keinen Raum mehr; sie ist aber bei
Eutrop nicht sicher, da auch die Hist. miscella 2, 26 tre-
decim gibt.
Da die folgenden Zeilen, in welchen von der Beute die
Rede ist, von MomnLsen richtig erklärt sind, so bleibt uns
nur noch übrig, eine Bemerkung zu Zeile 18 zu machen.
Cartacinienses ingenuos d[uxet in triumpo] wird dem Sinn
nach richtig sein, und eine sachliche Parallele ist oben S. 306
angeführt: primus elephantos duxit in triumpho. Nur ver-
langt der Sprachgebrauch der klassischen Prosa: duxet
per triumpum. Vgl. Cic. Verr. 5, 67 archipiratam per
triumphum ante currum ducere; § 77 his per triumphum
ductis; Sali. hist. 4, 61, 8 Aristonicum per triumphum duxere.
Das uns geläufigere in triumpho ducere findet sich bei Livius
45, 39, 3. 45, 42, 5; dreimal bei Velleius; bei Seneca ben.
2, 11, 1; im Spätlatein auch in triumphum ducere, wie bei
Aurelius Victor Caes. 35, 5; Eutr. 2, 5.
WölffUn: Die Inschrift der Columna rostrata. 319
5. Die Bestanration. Da das Steinmateriai wie die
BuchstabenfonDen der erhaltenen Inschrift in gleicher Weise
gegen die Zeit des ersten punischen Krieges und für die
Periode der ersten Kaiser 2jeugniss ablegen, so haben wir
der Frage näher zu treten, wie und wann man dazu ge-
kommen sei die alte neu zu copiren. Warum gerade der
Kaiser Claudius diess sollte veranlasst haben, sieht man nicht
recht ein; seine ganze Bauthätigkeit war auf das Nützliche
gerichtet, auf Wasserleitungen, Hafenanlagen und Korn-
speicher zur Aufnahme des ägyptischen Getreides.^) Es ist
desshalb auch eine nicht überzeugende Yermuthung Ritschis,
die Buchstabenformen gehörten in die Regierung des Claudius,
eine Yermuthung, welcher das Urtheil von Emil Hübner
gegenüber steht, die Schrift weise ebenso gut auf das Zeit-
alter des Angustus oder Tiberius. Sucht man die Erneuerung
der Inschrift in einen historischen Zusammenhang einzureihen,
so passt Augustus^) viel besser, dessen ganze Politik darauf
gerichtet war, den religiösen Sinn wie das Andenken an die
grossen Männer der Vorzeit neu zu beleben. Seine Restau-
rationen verfallener oder altersschwach gewordener Bauten
hat er selbst im Monumentum Ancyranum 4, 9 — 20 aufge-
zählt; in Rom allein waren es nicht weniger als 82 Tempel,
die er wieder herstellte. Sueton fügt in dem Leben des
Augustus cap. 31 hinzu: Proximum a dis immortalibus
1) Gegen die Abfassung der Inschrift durch einen Grammatiker
unter Claudius spricht auch der umstand, dass nicht ausdrücklich
der Enterhaken gedacht wird. Denn Historiker der augusteischen
Zeit, die von Frontin strat. 2, 8, 24 und dem Verfasser de vir. illustr. 88
benützt sind, schreiben die Erfindung der manus ferreae (coryi) dem
Duilius zu, während Polyb. 1, 22, 3 {vjioxl^sral tig avrotg ßoi^^rjfia , . .
rofV hiixXri^iyxag fiexa javxa xögoxag) an einen Sicilianer oder an
einen aus dem Kreise der socii zu denken scheint. Ein Grammatiker
unter Claudius hätte sich jenes nicht entgehen lassen.
2) Auch Jordan glaubt aus topographischen Gründen nur an
Restauration unter Augustus.
320 Sitzung der phüos,-phÜ€i . Clawe vom 1. März 1890.
honorem memoriae ducum praestitit, qai imperiam P. R. ex
minimo maximum reddidissent; itaque et opera caiiisqae . . .
restituit et statuas omnium triurnpfaali efißgie in ntraqne fori
8ui porticu dedicavit. Tiberias aber trat genau in die Foss-
»tapfen seines Vorgängers, indem er, was dieser bei seinem
Tode unvollendet hinterlassen, zu Ende f&hrte. Tacitos
Annai. 2, 49 (zum J. 17): isdem temporibus deum aedes
vetustate aut igni abolitas coeptasque ab Augusto dedicavit.
Dio Cass. 57, 10, 1 von Tiberius: ra olxödofi'qfiaTay S nQO-
xazeßdXero ^iv (^vyovoTog)^ ovx i^eteXeae de, hunouap to
övofia avToif (des Augustus) in€yQag)e aq>iai^ und § 2 Ttarta
%a irenovrixoTa dvaxTtjodfievog . . ovdiv avrwv Iditiactzo.
Beide Bestrebungen, die Wiederherstellung der Tempel
und die Verherrlichung der alten Helden und Eroberer passen
vortrefflich auf unsere Inschrift, hatte doch Duilius durch
seinen glänzenden Seesieg den Grund zur Erwerbung von
ISicilien gelegt. Er hatte aber auch dem Janus einen Tempel
erbaut auf dem forum holitorium, vielleicht in dem Sinne,
dass Rom fortan nicht nur auf dem Lande, sondern auch
auf dem Meere herrschen solle, und dessen Restauration
hatte nach Tacitus noch Augustus in AngriflF genommen;
Tiberius vollendete ihn im J. 17: Jano templum (dedicavit),
(juod apud forum holitorium C. Duilius struxerat etc. So
weit die Angaben unserer Quellen.
Aber wenn Augustus und Tiberius den Janustempel
des Duilius renovirten, mussten sie nicht nach den von den
Historikern bezeugten Grundsätzen auch das Andenken an
Duilius auifrischen? Gewiss. Seine Ruhmessäule stand auf
dem grossen Forum, wo sie der Naturforscher Plinius
(lU, 20 columna . . quae est etiam nunc in foro) und Quin-
tilian 1, 7, 12 sahen. Letzterer bemerkt darüber, dass im
alten Latein viele Formen auf d auslauteten (wie in der
That die Ablative der Inschrift), wornach er denn den Text
derselben als acht, nicht als eine freie Oomposition der Kaiser-
Wölfftin: Die Inschrift der Columna rostrata, 321
zeit betrachtet haben muss. Hier, auf dem Forum, wurde
die erhaltene Marmorplatte gefunden; die alte Inschrift
musste nach nahezu drei Jahrhunderten schadhaft geworden
sein, so dass Augustus die Erneuerung anordnete. Aber
sowohl die Elomer jener Zeit als auch die folgende Generation
rousste wissen, ob die Inschrift alt, d. h. Copie einer alten,
oder jung und Machwerk eines Grammatikers war. Dass
Augastns, den wir an die Stelle des Claudius setzen wollen,
die alte Inschrift beseitigt und eine neue bei einem Alter-
thumsforscher bestellt hätte, widerspräche ja seinen conser-
vativen Tendenzen, und zum Ueberflusse sagt Sueton an der
oben citirten Stelle, Augustus habe die Denkmäler der grossen
Männer wiederhergestellt manentibus titulis, d. h. unter
Beibehaltung der Originalinschriften.
Unsere Inschrift ist somit Copie des Originales aus den
letzten Jahren des Augustus oder den ersten des Tiberius;
das Latein, abgesehen von der inconsequenten Orthographie,
Latein aus der Zeit des ersten punischen Krieges, nicht der
ersten Kaiserzeit; der Inhalt als historisches Zeugniss für das
Jahr 260 v. Chr. zu betrachten.
322
Herr Kuhn legte einen Aufsatz des Herrn K. Himly vor:
^Sprachvergleichende Untersuchung des
Wörterschatzes der Tscham-Sprache.*
Einleitung.
In der vor wenigen Jahren von Annam an Frankreich
abgetretenen Provinz Binh-Thuan, wo vor der Unterwerfung
und Einverleibung in das Reich Annam im 17. Jahrhundert
die alte Hauptstadt Panrik-Panrang stand, scheint sich auch
jetzt noch der grössere Theil des alten Volkes der Tscham
erhalten zu haben; andere zersprengte Ueberbleibsel befinden
sich in der Gegend von Tai-Ninh (nordwestlich von Saigon),
in Lovek (südlich von Pnom Penh in Kambodscha) und in
dem in diesem Jahrhundert von Siam einverleibten Battambong,
woneben es nach Bastian noch an der südöstlichen Grenze
Kambodscha's umherschweifende Tscham gibt (s. Moura,
royaume du Cambodge; Bastian, Völker des östl. Asiens IV,
S. 195, 229, 241). Die westlich vom Mekhong wohnenden
Tscham scheinen sämmtlich Muhammedaiier (Schiah?) zu
sein, während die von Binh Thuan der Mehrzahl nach Heiden
sind. Wann der Islam eingeführt wurde, ist noch un-
gewiss; ^) indess ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Araber,
1) Nach einer javanischen Sage, die von einer Königstochter
von Tschampa, der Frau des Königs von Madschapahit, erzählt, wäre
deren Schwester in der Heimath an einen muhammedanischen Geist-
lichen vermählt gewesen.
Hindy: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache, 323
welche seit dem 8. Jahrhundert schon in grosser Anzahl zur
See bis nach China streiften, auch schon damals mit den
Tscham bekannt geworden sind. Ungefähr aus derselben
Zeit (758), wo Araber und Perser Kanton plünderten, wird
ein Einfall der Malaien in Tschampa erwähnt (767), ohne
dass von einer dauernden Eroberung die Rede wäre. Die*
ältesten Denkmäler der Tschampa-Sprache sind nach den
Forschungen 6ergaigne*s (rancien royaurae de Canipä. Journal
Asiatique 1888. S. 10 des Sonderabzuges) aus dem 8. — 9. Jahr-
hundert und harren noch der Veröffentlichung; um diese
Zeit erscheint auch der Name Campä in einer in Sanskrit
verfassten Inschrift. Wie Kambodscha und andere Namen
zeugt er von einer Uebertragung vorderindischer Ländernamen
auf die neuen arischem Einflüsse unterworfenen Gebiete. Das
Volk nennt sich Tscham^ indessen ist z. B. bei den benach-
barten Trao der Name Tschampa noch in Gebrauch. Ob
daher Tscham aus Tschampa verkürzt ist, oder vielmehr
letzterer Name von den eingewanderten Hindus nur mit
Rücksicht auf einen schon vorhandenen Stammesnamen ge-
geben wurde, muss der Zukunft überlassen werden zu ent-
scheiden. Auch die Japaner gaben den Tscham noch im
17. Jahrhundert den Namen Tschampan, schrieben ihn aber
mit den chinesischen Zeichen Öan-£höng, welcher Name nach
chinesischen Nachrichten dem älteren Lin-I (Lam-Yap im
Süden gesprochen, d. h. „Waldstadt") entsprach. Letzteren
führte das Land bei den Chinesen bis ins 6. Jahrhundert,
V
und Can-£höng ist nichts weiter als die Uebersetzung von
Campapura^), oder Nögar (= nagara) Cam, dem Namen,
den Hindns und Eingeborene einer der Hauptstädte und in
letzterem Falle auch dem ganzen Lande gaben (Sanskrit
pura, nagara «Stadt* = chinesischem ihöng). Das alte
1) Der Name kommt in einer Inschrift ans dem Ai
9. Jahrhunderts vor, s. Borgaigne a. a. 0. S. 47.
:vii
Sitzung litr philng.-philol. Chmsf: vom 1. Man 1H90.
Tiichampa-Reich, voti dein Marco Polo zuerst in einer euro-
päischen Sprache berichtete, welches den Arabern aber laoR«
xuvor uoter dorn Namen 8iuil' bekannt gewesen war (die
Araber halten weder ö noch p und nelinien s und f dafilr),
erstreckte sich einst niindestens über einen «roitien Theü
lies jetzigen Reicbus Annam, wie nicht mir die aonotigen
geechichtlichen Nachrichten, »ondern auch die bis weif hinauf
nach Norden in die Provinz Binb-Dinb (14" n. B.) hinmo-
reichenden Denkmäler beweisen (0. Beri^aigne a. m. ().).
Letztere sind in Sanskrit, nicht in Prili, und die ti[»t«reD
nebenbei oder ausschliesslich in der Laiidess|i räche ab)^eAiitt(t,
wie »ie Überhaupt mehr von dem lilitiflusse de.« Bralima-
(bezw. Siva-) Dienstes, ula der Buddha-Lehre zeugen (Ber-
f^igne a. a. 0. S. 64). Unter den aus Sanskrit und Prükrit
stanimenden Wörtern, welche uoch.daä jetzige Tscbatn auf-
weist, ist freilich geratle da« Wort für .Buchstabe* ursprüng-
lich Präkrit, nämlich althar (sskr. aksara, präkr. akhhara],
während das Siämische nel>en akkha:ra auch akson, das
Khmer nur lihsär aufweist. Es «nd auch Thier- und
Wandermürcben, deren Verbreitung den Buddhamöocheu ku-
getichrieben wird, durch deren von Landes besorgte Saiuni-
tung wir erst in i^tand gesetzt sind, überhaupt. einigermKSKen
in die Geheimnisse der Tschau- Sprache einzudringen.')
1) A. Landes, Conte-s Tjumes. Text« eo eoract^e« ^ainM accora-
pagnu de Ib trHORcripliaa dv preniiet conte en tarai't^feH rouiiuDH pt
U'dd leiique. Saigon. Collage des Interpreten, ISSti, 6". 19. XI. 4.
i. Ü7. 4, :
i pp.
A, Landes, Coat«« Tjamea. Excursiona et KecoanattwaiK^e« XIII,
Nr. 29. Sept.— U^t. 1886. SaiKOn. laiptiiBerie Colciniale. 1887 (p, ftl
liiii 181) l'elftnH'tzungen |a. auL-b aii^nii üenjirecbuiiKen tu IfOtU
Uel. Aaiei^D 188B. Nr. 18 uaU 188!), Nr. »). Uic antuu vor-
komniendon SniLuaxatilen beziehen Hieb numiinUicIi auf diu Um-
schrift dur ersten dicaer Erailhlungeni gelrgeollich iit noch du
.lüxiquB* odur der Ltrtext iui((eflUut.
Mittli^rwiiUe iat inilmti in (J<:ii l>iuunii<in> el itui.'iluuititMUivw>
i
Himly: Utbcr dtn Wortenchai: der TgchafH-Sprnchr.
32ö
Die 8chriftzeichen der ältere» Inschriften deuten nach
Ber^igne a. a. 0. auf ein Behr hohes Ält«r (mindestens daa
3. Jahrhundert S. 15) hin, und auch noch die von ihm ver-
ntfentlichten des 14. Jahrhnnderte sind von den jetzigen
Tschampazeichen sehr verschieden, denen erst die weiter im
Westen auf kanihodschischem Gebiete gefundenen nahe
kommen. ') Indessen ist der südindbche Ursprung bei allen
xii i'rkennen.
Die Tbc harn -Sprache bietet, wie die verwandten Sprachen
Her Sedim, Scharai, Kuntscha, RodS und Trao-Lay, das
BeispiM einer ächten Mischsprache; denn, obwohl sie, wie
die westlichen nion-annamischen Sprachen (Khmer und Mon
namentlich) bei der Neigung zum Vor- nnd Zwischen bau
in der Wortbildung, die auch die malaiischen Sprachen
zeigen, den Hinterbau diesen ungleich verschmäht und, sich
gleichsam der alten KinsilVtigkeit erinnernd, gelegentlich die
Endungen fremder Wörter abwirft, enthält sie doch eine
solche Menge von Wörtern malaiischen Ursprungs ^ und untier
ihnen die wichtigen Zahlwörter — , dass man sich leicht
könnte verleiten lassen, sie dem grossen Malaienstamme an-
zureihen. Dabei muss Einem noch der beiden genannten
Spracbstämnien gemeinschaftliche Satzbau entgegenkommen,
sowie der Umstand, dass z. B. im Falle des Zeitwörter
bildenden Vorsatzes i»ö die betreffenden Wörter so wenig
alle auf Entlehnung aus den malaiischen Sprachen beruhen
kSnnen, dass vielmehr die Möglichkeit nicht ausgeschlossen
(XIV Nr. 31 Saigon 1969) eine .grammaire chame* von A3'iiiomer
nnliBt Wortlaut und t'eberBetiung- der .Chronique royiili-* orHchienen.
1,1 s. Ajmonier. redierche« et mdliinges sur lea ('Imnis et lea
Kbmpn in Eicuivioos et RecouuaUiutric«« VTII S. 319—85
8. 107 — 187, wo die Inschriften mit Vcruud] einer Uelierset^nnj,- und
Aninbeo Aber die Spruche zu £ndea eind. Ajnionier int nach dia
Anf^ndiinft der von Her^ign(> veriliri'ntii'-hlpii Inurhriften
danken.
law. rbll«i..|>hllat D- lil» Cl » -J2
^^
I
326 Sitzung der philosrphüol, Glosse vom 1. März 1890,
scheint, sich desselben noch immerfort zu neuen Wort-
bildungen zu bedienen. Wenn sich indess — um einen
Vergleich anzustellen — im Englischen die angelsachsischen
Bestandtheile bis auf eine kleine Minderheit verringerten und
dem entsprechend die ursprünglich lateinischen bis zu einer
tiberwiegenden Mehrheit anwüchsen, so würde man an dem
eigentlich angelsächsischen Ursprünge der Sprache doch so
lange noch nicht irre zu werden brauchen, als Fürwörter,
Hülfszeitwörter und Endungen germanisch blieben. Man
kann keine Aussage machen, ohne den angelsächsischen
Bestandtheil zu Hülfe zu nehmen; der Satz a priest baptizes
an infant enthält in den Wörtern a, an n^in'' und der
Endung s immer noch angelsächsische Bestandtheile, wie
auch in priests baptize infants „Geistliche taufen Kinder*
die Endung s immer noch angelsächsisch bleibt. Wollen
wir dieses auf das Tscham anwenden, so kann von Endungen
nicht mehr die Rede sein; man kann aber ohne ein malai-
isches Wort sagen söp hagik bloh hü hiä 16 yau nan^ «was
ist es, dass du so sehr weinst*, — freilich auch wohl cikan
mötai (mal. ikan matt) „der Fisch ist todf* mit ganz malai-
ischen Bestandtheilen. — Man hat früher namentlich die
Zahlwörter als Kennzeichen der Abstammung der Sprachen
betrachtet; allein sprechen z. B. die Berberstämme, welche
die arabischen Zahlwörter angenommen haben, darum auch
arabisch? Hinsichtlich der Fürwörter, welche übrigens eben-
falls Uebereinstimmungen zwischen dem malaiischen und dem
mon-annamischen Stumme aufweisen, ist immer zu beachten,
dass die Sitte der Unterscheidung des Höher- vom Tiefer-
stehenden im Gespräche zur Anwendung von Hauptwörtern,
wie „Knecht*, „älterer Bruder" und dergleichen führt, die
auch fremden Sprachen entstammen können. Doch ist das
eigentliche Fürwort der zweiten Person hü im Tscham an-
scheinend nicht malaiischen Ursprungs, während das der
dritten hu sowohl dem malaiischen (%)ha als dem hü der
Ilml_f/: lieber den Wöriei-«vh,\tt der nehnm-Spruche. 327
Honsprnche ähnelt. Das Zeitwurt .haben* hu im Tscham
ist lit^in annamischen hüu auffallend ähnlich; söp .Bein* ist
auch ganz anmalaiisch. wohin^fegen freilich das den Sätzen
vorangesetzte möda gAn-i. dem niahtiischen ada entspricht.
Die Seh hiss Wörter, welche de» Satz abschtiessen. Fragen
bezeichnen und tlieilweiat) auch da stehen, wo wir unser
.sein' mit dem Eif^ennchaftöworte ^ebrauuhen, scheinen mehr
Verwand tHchnfl mit dem Mon, als den malaiischen Sprachen
zn haben. Ein Hanptunterschied aber, welcher für den nii;ht
malaiischen Ursprung v.a sprechen scheint, sind ilie Hiinch-
laute kh, gh, th, jh u. a. w., die sich häufig in den uiou-
uinamischeu Sprachen, nirgends aber in den nialaiuichen
finden. ') Nehmen wir dann die bedeutende Anitahl ein-
silbiger Wörter, die nicht malaiischen Ursprungs sind, und
deren Verwandte sir.h nft in dpii mim-iintianiischeu Sprachen
wi(nterlinden, der geringen Anzahl finsilbiger Würter in de»
Malaiensprachen gegenüber, so scbeint die Annahme gerechte
fertigt, das.s die Mehntahl des Mischvolkes der Tnchani nicht
nmlaiiscb war und in ihrer angestaiumten Sprache der eigent-
liche Kern der Tscham-Sprache sowohl, als der Sprachen
der oben genannten verwandten Stämme zu suchen ist. Von
den Sprachen der letxteren kenuen wir indess his jetzt nur
kury.e Wi^rtersaniTulungen, und so müssen einstweilen die
nicht nnbedentenden Anklänge, die dtis Stieng, das Khmer
und das Mon bieten, um so mehr Werth für uns haben,
wenn wir der Sprache und dem Volke der Tttcham die ihnen
gehührende Stelle anweisen wollen.
In dem folgenden Versuche einer Beleuchtung und Ver-
k
II Wie freilich aus den in Kuhn'ti .Beiti^en xnr Sprat-hen-
kuiide Ilinteriiidien«' S, 236 f. angnfflhrten UeiHpielen Ihun Jiilir
=" iDiU. tcJian. lüiiin Zweig — dahiiti erhellt, ainJ diese lluuL-hluute
ffUlegentlitjh durch Ausfall eine» äelbluutera entatandon; indatta iat
dinrr Vorgang den niakÜRi'hen Lnulge4et-.ten Euwider und findet in
der Neigung des T^chaoi zur lilinsil big keil leine Krklämng.
2a»
a
328 Sitzung der phüos.-phüol. Glosse vom 1. März 1890,
gleichung des Wortschatzes der Tscham-Sprache, welcher
bei den unzureichenden Mitteln sehr der Nachsicht des Lesers
bedarf, sind die zweisilbigen Ausdrücke vorangeschickt und,
den Endungen nach eingereiht, wo es anging, namentlich
mit den entsprechenden malaiischen verglichen worden, da,
wo es sich nicht um Vorsätze handelt, dem Wortbau zufolge
eine solche Verwandtschaft nahe lag. Einige Fremdwörter,
die aus dem Sanskrit stammen, finden sich jedoch schon in
der Einleitung angeführt.
Lautlehre, Wortbildung und Wortableitung der
Tscham-Sprache.
Das Tscham hat zunächst die auch im Malaiischen vor-
kommenden Laute a, ä, e, o, 6, ö(?), i, 1, u, ü, b, t, |, d,
(z), r, s, g, k, 1, m, n, w, y, i, ng, p und n, und zwar
kommt das z (weiche s) auch in einheimischen Wörtern vor,
was im Malaiischen nicht der Fall ist; das von den Malaien
für Fremdwörter aufgenommene (und von Kundigen auch
wohl gesprochene) f hat dagegen das Tscham nicht. Ander-
seits besitzt das Tscham die dem Malaiischen abgehenden
Laute kh, gh, 6h, Jh, th, dh, ph, bh, 5, ^, (J, ß. Das h,
welches im Malaiischen beliebig ausgelassen wird, scheint
hier den uns geläufigen Laut zu haben. Die Anwesenheit
der Hauchlaute und des s im Tscham scheidet dieses schon
allein scharf von den malaiischen Sprachen.
Herr Landes zählt in der Reihenfolge des Devanägari
folgende Mitlauter mit den ihnen in Ermangelung besonderer
Zeichen anhaftenden a und ö auf:
(y = Si j = Ji n = ny)
ka
kha
ga
gha
ngö
tja
tjha
ja
jha
nö
tA
tha
da
dha
nö
pa
pha
ba
bha
mü
Hindy: üeber den Wörterschaiz der Tscham-Sprache. 329
ya ra la wa sha (sh = §, w = w englisch,
Moura v)
iha ha da ba za (d = unserm ö^ h = ß^ th
= d- der grossem Ein-
fachheit und Deutlichkeit
wegen).
Selblauter sind a, i, u, o, ö, e, ai, ?i (äi), ao, au, ü.
Das von Landes mit einem Striche bezeichnete d, unser d,
in der Schrift von na (= nö mit Häkchen) wenig unter-
schieden, und sein gestrichenes b, unser ß^ dessen Zeichen
denen des b und w ähnelt, scheinen zwischen den harten
und weichen Lauten t und d einer-, p und b ander-
seits die Mitte zu halten. ^) Das zweite th, unser &^ ent-
spricht in der hier vorliegenden Mundart von Binh-thuan
neben §, th und h dem s anderer Mundarten und auch
wahrscheinlich dem 9 des Devanägari, welches in Birma
der Schrift nach unterschieden, aber th ausgesprochen wird.
Das hier vorliegende ^ ist von p fast gar nicht in der
Schrift zu unterscheiden; mehr schon das entsprechende s
bei Moura« welches dem 9 im Eawi und Tschera einiger-
massen entspricht. Wenn a^ih Pferd (mundartlich aseh),
Khmer sih^ Banar essäfe (Bastian), Eantscho-ßode se^ Scharai
chhe von afva stammen sollten, würde hierin ein passendes
Beispiel f&r den Ersatz des 9 durch ^ zu finden sein (allein
Bastian fQhrt anae aus den westlichen Mundarten an),
und raSd Haufen konnte = rägi, sram sich üben, lernen
= Qram^ hciiih praticiens charges de r^ler les funerailles
= updstka (siam. basikä) sein, ä also auch dem 9, s ent-
sprechen.
Moura führt in seinem Royaume du Cambodge folgende
Buchstaben auf:
1) Wie im Chinesischen and einigen (oder allen?) binterindischen
Sprachen entsprechen harte und weiche Laute nicht genau den unsrigen.
330 Sitzung der phüoa.'phUol, Classe vom 1. März 1890.
crc.
khäc.
keäc.
khä.
nguc.
(Vorschlag e vor a
pac.
pheac.
peac.
phä.
müc.
in Nachahmung
täc.
thäc.
teac.
thä.
nuc.
des Khmer?)
chac.
chhac.
cheac.
chhä.
nhuc.
säe.
lac.
veac.
bac.
hac.
reäc.
ac.
•
1.
u.
6.
ai. hacheni (d. h. das allgemein durch h wieder-
gegebene, am Ende der Wörter mit k wech-
selnde Zeichen, welches bei Landes S. 4 unter
den besonderen Zeichen ä Janih, von Ay monier
sa jenih benannt ist ,,qui n'est autre chose
que le rea tnukh des Cambodgiens, le visarga
du sanscrit* (Aym.).
Man sieht hier, dass nur khä, phä, thä, chbä, die an
den gh, bh, dh, Jh entsprechenden Stellen stehn, ohne
schliessendes c geschrieben sind, was mit einer Aeussernng
Aymonier's in Excursions et Reconnaissances Nr. 10 S. 175
einigermassen zu stimmen scheint: ,|la langue chame ne me
paralt pas accentuee comme le sont le siamois, le chinois et
Tannamite; neanmoins la voix des indigenes, epelant Taphabet,
tombe tres-sensibleraent eii prononfant les quatre sonores
aspirees: gha^ jha^ dha, bha. Je suppose que ces lettre« ont
ete ulterieurement intercalees dans Talphabet, qu'elles ont ete
empruntees au dalil, et peut-etre le dialecte sacre (dalil)
etail-il chante?" (s. meine Besprechung von Landes «Contes
tjames** in den Gott. Gel. Anz. 1888 Nr. 18).
In der Aufzählung Moura^s befindet sich das der Mund-
art von Binh-Thuan fehlende s, dagegen fehlen v^, ä, z
und y (welches letztere sich jedoch in der Schriftprobe
findet); unser ß erscheint dort als b, was noch der Auf-
klärung bedarf, da das eigentliche b durch p wieder-
gegeben wird.
Hindy: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 331
Lautwechsel, -Schwund, oder -Zuwachs.
A) Selblauter.
Das a der Sanskritwörter fallt am Schlüsse ab und
weitere Anhängsel zuweilen mit ihm.
Beispiele:
Pali akkhara, sskr. aksara Buchstabe: akhar (im Thai
Päli und Sanskrit äkkha:ra und äksSn).
dkhyana Erzählung: akhan erzählen.
[agdra Haus: agal livre donnant des preceptes d^art
(du bätiment p. ex.) = agäragästra? [agha, ogha
ruine Aymonier].
ägama{na) Umgang: ägam qui manque aux lois de la
morale (comme Tiuceste par exemple) lex.
cmgixtara anderer, anyatra anderswo: anyai{dhar) Feind.
isan Nordost (sskr. aigäna) Aym.
upakära Beistand: dpäkar geleistete Dienste.
[upäsakay upäsikä Verbundene, Laienbrüder oder
Schwestern: bashih praticiens charges de regier les
funerailles suivant les rites, lex., siam. basika Nonnen,
Frauen].
kdra (kärin) thuend, Thäter: kar ouvrier (royal) lex.
kdla Zeit: kal.
kumära Knabe: katnar kleines Kind.
däraka Sohn, Kind: dahlak Diener, ich (h nach Ay-
monier auch fortzulassen), darä Jungfrau.
nagara Stadt: nögar Land. Nögar Öam = Öampana"
gara entspricht dem chinesischen Can-ihöng (iyam),
da ihöng = nagara.
bala Heer, bäla Kind: bol frohnbar, Frohnieute.
mandira Haus, Tempel: mödhir Schloss, Hofburg
(khmer mönirey).
332 Sitzung der phüos.-philol. Clctsse vom 1. März 1890.
Mägha 10. Monat (Januar - Februar) : Bhang . len.
„1. Monat (des Mondjahres oder des europäischen
Jahres ?)\
nöS^ak = sskr. naksatra s. Aym. anük n. «Kind der
Zeitrechnung* = „Jahr".
mayüra(ka) Pfau: antruk (mal. m^ak^ m^ura).
räksctsa: rak monstre habitant les bois lex.
rüpa Gestalt: rüp.
löka Welt, Zeitalter: lök.
akan, akansak Himmel = sskr. äkäga.
Man vergleiche ausser den Namen der Wochentage adit^
som (^öw), angar^ but^ jip^ suk {suk)^ satmadar die der
Monate mak und ptvös mit den betreffenden Sanskrit-Namen.
Eine Ausnahme ist scheinbar radeh = ratha Wagen,
mal. rata^ siam. rathä Wagen. Aber in Pallegoix, dict.
linguae Thai heisst es weiter ^ra:thS plaustrum parvum ad
transvehendam orizam**. Vielleicht liegt da ein Wort wie
rätheya zu Grunde? Indess scheint auch pida sskr. preta
zu entsprechen. — Dasselbe Verhältniss zum Malaiischen
findet sich in dalim Granate, mal. dalima.
Schwanken der Aussprache in der ersten Silbe
zweisilbiger Wörter. Aymonier kennzeichnet (Excursions
et Reconnaissances Nr. 10 S. 167 — 186) den Wortbau des
Tschara kurz dahin, dass der Wortschatz vorzugsweise aus
ein- und zweisilbigen Wörtern bestehe, von denen letztere
durch Vorsätze (prefixes) und Einbau (infixes) von ersteren
abgeleitet seien und grossentheils ein Schwanken des 8elb-
lauters in der ersten Silbe zeigten, z. B. äZa, tdo^ ola Schlange,
akan^ ikan Fisch u. s. w. Es sind dieses jedoch wohl vor-
zugsweise Wörter malaiischen Ursprungs, und diese Wandel-
barkeit ist auch anscheinend mehr den malaiischen, als den
mon-annamischen Sprachen eigenthümlich , nur dass das
Tscham, oder der Theil der beiden Hauptbestandtheile der
Sprache, welcher der entsprechenden untergegangenen malai-
Hinäy: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 333
ischen Sprache des Festlandes (oder der Ursprache) angehört,
darin weit über die jetzigen malaiischen Sprachen hinausgeht.
Von den bekannteren mon-annamischen Sprachen ist es das
Annamische allein, welches die ursprüngliche Einsilbigkeit
bewahrt hat. Das Mon zeigt schon Spuren von Vorsatz
und Einbau, welche sich im Khmer auf das Höchste ent-
wickelt haben und vielleicht noch bis auf den heutigen Tag
zur Weiterentwickelung der Sprache dienen können. Wie
man das Koptische mit dem Semitischen vergleicht, so möchte
ich die mon-annamischen Sprachen den malaiischen gegen-
überstellen, welche letzteren sich, wie die semitischen, zur
Dreilautigkeit entwickelt und dem Vor- und Zwischen-
bau den Anbau (Suffixe) hinzugefügt haben. Indessen ist
der Nachweis der Stammsilben oft schwierig, und auf die
Betonung kann man sich nicht immer verlassen. Ein an-
scheinendes Beispiel ist obiges akan^ ikan Fisch, mal. tZran,
Scharai hacan^ Rode und Kantscho kan^ Banar cah^ ami.
cd^ mon ka; nach dem gewöhnlichen Gesetze der Betonung
im Malaiischen ist aber gerade die schwankende erste Silbe
betont. Im malaiischen k^rä Affe ist das Umgekehrte der
Fall, es findet sich verkürzt als kra und vielleicht im Tscham
in dem Ausdrucke kräthön wieder, welcher eine grosse A£Pen-
art bezeichnet. Fremdwörter scheinen denselben Gesetzen
unterworfen: sskr. kürma Schildkröte, malaiisch kura^ tscham
kurä^ karä, krä. Andere Beispiele des Wechsels in der
Sprache selber und ihren Mundarten sind:
agha^ ogha s. o. unter agdra.
ana^ anö^ tea, inö Mutter, Toba u. s. w. ina,
ala^ ti/a, da Schlange s. o. mal. ular.
ftonat, kunai vornehme Frau, Fürstin (ka^ ku ehrender
Vorsatz?).
kumi ich ist mal. kamt (von Fürsten).
ftaiNor, kufnar s. o.
kamei^ kumei Frau, Mädchen {ka Vorsatz?).
334 Sitzung der phäosrphüol, Clctsse vom 1. März 1890.
tajuh, iijuJi, iejuh^ 7, mal. tujuh.
tapai^ tipai Hase, mal. tupai Eichhörnchen.
damön^ dimön bedauern.
daJUau^ dihlau vor, zuvor, mal. däülu (vgl. halau Haupt,
mal. ulu),
nögar^ nugar Stadt s. o.
page^ pigi^ puge Morgen, früh, mal. pagi^ pers.-hind.
pagäh.
pqitih^ patoh weiss, mal. putih. Mon pHng^ Scharai
phatis.
pai^ang^ posang Gemahl, wahrscheinlich aus po Herr
(= pati?) und ^ati^, mundartlich sang Haus.
ba^ei Eisen, basei^ besei^ mal. bäsi.
ritnong^ ramang Tiger, mal. Srimau.
läü^ liü Kokosnuss (vgl. Bugi und Makassar lau See,
mal. laut^ kaläpa-laut See-Kokosnuss). ')
lakei, likei junger Mann, mal. lahi,
lid-ei, lad-ei^ rad^ei^ rix>e% gekochter Reis. Im Malai-
ischen entspricht wohl das gleichbedeutende nasi,
limön Elefant, lomun (Moura), Bast, lamün^ Kantscho
leman, Rode eman^ Scharai romony jaw. liman. Von
limö 5, mal. u. s. w. lima Hand (Bali, Bugi) wie
sskr. hastin von hasta. Bei den Rode ist ema = 5.
sulä = halä Blatt, im Malaiischen {i)lai Zablausdruck
für Blätter und dgl., Ehmer: sloc.
hajan Regen, hujan Aym., mal. tijfoft, Scharai i/an.
Rode hayan^ jaw. udan (nach Roorda aus dem
Kawiwort uda Wasser, s. Gericke, jav.-nederduitsch
woordenboek verni. door T. Roorda S. 27, also
danach Sanskrit?).
1) Die benachbarten Sprachen des Festlandes haben abweichende
Ausdrücke; doch gebraucht das Thai luk Sohn fUr Frucht mit ent-
sprechenden Zusätzen.
Himly: üeber den Wörterschiitz der Tscham-Sprache. 335
hadar^ hudör^ sudur^ hudur sich erinnern, gedenken.
Stieng hahtur,
hadyapj hudiep Aym. lebendig, leben, mal. idup. Bei
Landes auch epouse, epouser, wofUr Moura hadir
bat, was zu Schand hatis besser stimmt. Man
konnte an eine Verwechselung der ähnlichen Schrifb-
zeichen ffir p und r denken, vgl. jedoch jawanisch
hiffuf leben, pangi^up das Leben, belebend, ngi^ifn
sich beständig wo aufhalten, hurip leben, das Leben,
wo der Lippenlaut am Schlüsse vorherrscht. Im
Mon ist gtfuing Leben und Ehegatte; es ist also
wohl die Ansässigkeit gemeint.
halun^ hulun Diener, ich, vgl. dahlak^ auch gefolgt von
halak, mal. ulun „ich, wir" in Patani auf der Halb-
insel Malakka s. Crawfurd, dict. S. 202, jaw. hulun
„Unterthau, ich, wir".
hariiy hurSi^ haurSi (nach Aymonier alt auch Am?)
Tag, mal. hart, ari = Sanskrit Hari? Kuhn hält
es mit Kern für echt malaiisch, s. Kuhn „Beiträge"
S. 224.
Der erwähnte Lautwechsel findet z. B. noch Statt
zwischen folgenden Wörtern und den entsprechenden malai-
ischen:
adä £nte(rich), mal. itik^ Bugi iti. Im Mon ckJa,
Stieng da.
apah miethen, mal. upah Miethe.
akan Fisch, mal. ikan s. o.
ahak binden, mal. ik^t,
adung Nase, mal. idung, Scharai und Rode düng,
huyau Baum, mal. kayu (annam. cäy),
kalik Haut, mal. kulit, Kantscho kulit. Rode clit.
gakmg rollen, mal. guling, jaw. gidung.
gafUk gelb, mal. kuning.
386 Sitzung der phüo8,'philol. Glosse vom 1. März 1890,
talak blicken, mal. tulih,
t alang Knochen, mal. ttüang.
rad^a Hirsch, mal. rusa.
Der zwischen Stummlauten und flüssigen Lauten stehende
Selblauter fällt, wie im Malaiischen, häufig aus: krd =
kurä s. o., sara Salz auch sra, klam finster, Nacht in
der zweiten Hälfte des Monats mal. k^m finster (sanskr.
käla(m)^ nämlich nto^a?), womit mölam Nacht tscham und
malaiisch und klöm abnehmen, spät aufgehn im Stieng zu
vergleichen. Gru ist sanskr. garu Lehrer, trun herabkommen
mal. turun^ drai Mtickenvorhang = mal. tirai Vorhang(?),
drSi ^Leib, selber, eigen* jaw. dtW, brüh laufen, eilen, fiiehn
mal. huru nachlaufen, jagen, verfolgen (?).
Während oft das kurze a mit dem laugen ziemlich will-
kürlich wechselt, scheint das letztere am Schlüsse der Wörter
dem ar (Sr) des Malaiischen zu entsprechen, z. B. pagä
= pagar Zaun (sskr. prakara?), ald Schlange = tdar^ lapä
Hunger mal. lapar^ iä Wasser mal. ay^^ tscham mundart-
lich auch ear, ughä Wurzel = mal. akar vgl. mak. djfea,
bestimmt akäka^ wo auch das r fehlt, okku entwurzeln,
ferner mal. agar-agar Seegras = Arab. .Lie (akar) bei
Crawfurd als Fremdwort „root* mit übertragener Bedeutung,
hyä weinen mundartlich hear (Moura), ebenso Kantscho und
Rode, Scharai hija^ dabd ungereimt jaw. dabar, Pasä Markt
= ps. häedr. — Als ursprüngliche Endung oder als Theil
einer solchen erscheint d in den dem Sanskrit und dem
Arabischen entlehnten Wörtern debutd Gottheit ^ sskr. de-
vatä, adhwd chemins lointains neben adhwan^ jalan — chemin
lex. = adhvan^ adhvd^ zu a verkürzt in kadha Erzählung
= kathdy und in dem ganz arabisch erhaltenen dunyd Welt.
Mit pald pflanzen, palM Dorf (vgl. Benkulen pelayan Hütte,
zeitweilige Wohnung Crawfurd), pald-palei Dörfer sind zu
vergleichen sskr. päli Damm (pal, pal schützen), bind. pal.
Uiwdy: lieber den Wörterschatz der Tscham-Spraehe, 337
Itashä Menge, Haufen ist vielleicht sskr. ragt. Bijä Fest
in ri)n harü Tagesfest ist zunächst mal. raya festlich in
ari raya Jahresfeier, wo raya umgekehrt abhängig von ari
steht, und yielleicht gehört auch mal. riya Spiel, Freude
dabin; indessen ist auch wohl an hind. hariyar Schluss der
Zeit des PflOgens zu denken. Im Bugi heisst rojfa Fest-
tag. Ära Eriechente ist yielleicht nur eine Umwandlung
▼on add Ente. Kadä fürchten, kadwa Aelterer, yielleicht
auch haywä (ygl. sskr. iva^ eva) weil haben ha nur als
den gewöhnlichen Vorsatz. Bei hand braten ist ha wahr-
scheinlich gleichfalls ein solcher. In alä unter, unten (vgl.
häala f&r« anstatt, mal. ela gegen — hin) ist a der so*
wohl im Malaiischen, als dem verwandten Stieng gebräuch-
liche Vorsatz, wie letzteres z. B. alü neben lü oben hat.
Jfald spät hat nach Aymonier die Bedeutung ^ Licht ^, womit
mal. fia/a Flamme (sskr. jvalä) zu vergleichen. Lad Bambus-
art wird von Landes mit ann. lö-ö verglichen. Dupä Klafter
ist jaw. 4^pa. So ^bleiben noch zu erläutern die einheimi-
schen (?) Wörter lanhd Bänder des Dreschflegels, lahd ge-
hackter Fisch, lawd Land bestellen, awrd (mon mrä^ also
mit Vorsatz a) Hippe, hard Schulter, kahryä suchen (ein
Mittel gegen. Bastian kahea denken), bei denen man wohl an
Dehnung, oder andern Ziisammenhang, wenn nicht malai-
ischen Ursprung denken kann. — Kurzes a als Endung
zeigen toda Brust = mal. ^o^, oben erwähntes möda
(= mal. ada + Vorsatz ntö) und rada Gestell. Chawa in-
salter bei Aym. s. ann. chüöi, Ita {gitd) wir ist mal. kita,
Baia Hauer = Samang hcdah Elfenbein. Dieses einfachste
Anhängsel ist yielleicht vermittels des hinweisenden, im
Makassarischen noch jetzt beliebig angehängten a zu deuten,
welches Matthes in seiner Bugi-Sprachlehre S. 34 mit dem
— angehängten — a des Aramäischen und unserem Be-
stimranngsworte vergleicht (vgl. im Skandinavischen — en,
— et mit Unterscheidung des Geschlechtes). Man sieht auch
338 Sitzung der phäosrphüol, Claase vom 1. März 1890.
im Malaiischen (wie im Semitischen) die Anhängsel bei der-
selben Wurzel oft genug wechseln, wie z. B. in Unggang^
lenggok rollen, Idtok^ lätup zerbrechen, Idieh gebrechlich,
zuweilen auch die Anhängsel die Wortart unterscheiden,
z. B. bei dem Zeitworte krut runzeln, knUu rauh. Die-
jenige malaiische Sprache, welche im Tscham als beinah
gleichberechtigte Beimischung erscheint, hatte ihrer Zeit mit
ihren Schwestern offenbar schon den Schritt zur Mehrsilbig-
keit gemacht; wie wir indess sahen, hat das Tscham die
Neigung, die Wörter wieder zu verkürzen, und während im
Malaiischen die einsilbigen Wörter unter den mehrsilbigen
fast verschwinden, so halten sie denselben im Tscham beinah
die Wage, und dieses Verhältniss würde noch bedeutend
durch Ausscheidung der durch Vorsätze (pa, ha u. s. w.)
gebildeten zu Gunsten der einsilbigen verändert werden. Mit
den Anlauten kh, gh, £h, jh, ph, bh finden sich überhaupt
keine mehrsilbigen in Landes^ Wörterbuch mit Ausnahme
von phunti {akok phunti au commencement, wo akok Kopf
bedeutet und ptiunti vielleicht das chinesische pun-ti Ursprung
ist), die mit ö als Anlaut sind sämmtlich einsilbig, ebenso
die mit ß. Bei i^ sind theils der Vorsatz xH^ theils Laut-
wechsel mit malaiischem s von Einfluss, beziehungsweise
Zusammensetzung {^ibar = habar wie x^äläpan 9 = mal.
samhüan). Es kann daher nicht Wunder nehmen, wenn
wir die im Tscham vorhandenen wirklichen oder schein-
baren Anhängsel zunächst bei den malaiischen Sprachen
wiedersuchen. Aymonier (s. S. 182 a. a. 0.) spricht wohl
von Vorsätzen und Zwischensätzen (prefixes und infixes), aber
nicht von Anhängseln (suffixes), durch welche die zweisilbigen
Wörter im Tscham aus den einsilbigen gebildet würden,
a ^=^ a malaiisch: möda = ada sein (s. o.), tada Brust
= (/(i^a. Rada etagere ä mettre la vaisselle vielleicht von
sskr. ratha Wagen, oder rathya Rad, vgl. annam. rüimg xe
^Kadkoffer'', s. Landes, Contes et legendes annamites S. 260.
HMy: üdfer den Wörterachatz der Tscham-Sprache, 389
f «= t malaiisch: bangt wohlriechend = wangi^ mört
Trompete = buri. Ragi^ rügt Verlust = mal. rügt. — Andere
Wörter mit dieser Endung sind: langt Ohr, aht borgen von
askr. aitya? bei Aymonier anhim Anderer Hülfe gebrauchen,
baM in badt binyai artifices, habiletes, halyt Regenzeit, lat
ein Mass, Uuft (lajfut) schön gewachsen, patrt, pdirä-päirt
Art Hausgeister (= sskr. pt7f ?), ramt-ramik bereiten, auf-
bewahren (mal. ramai in Haufen, ran%ai1can anhäufen), talt
platter Fels. Tangt Ohr ist jaw. talingan^ aber tangt fragen
=s takan.
Verwandt mit I scheint die Endung e: pagS Morgen
mal. pagi (auch e wird im Bugi, wie a, als Bestimmungs-
wort angehängt). Po Barne „ancien roi divinise^ L. lex.
ist augenscheinlich Räma, Kämefvara, der Kamesuen der
Si&mer.
Femer gehört hierher ei: ädei jüngerer Bruder, jawanisch
€/^t, mal. a^tJk, apwei Feuer = mal. api, Kantscho aptii,
Kode put, Scharai puoi, gawei mit den Händen erreichen,
▼gl. jaw. gawa tragen, bringen, führen und gawe machen,
tbunt verfertigen, gebrauchen, bai^ei Eisen (basei) = mal.
bäsi. — Andere Wörter sind kakei (hakei) empfehlen, hadei^)
folgen (ygl. deh anderer, mal. isuk morgen, folgender Tag
= harXi'hadei)^ w^en ig s. u.
Femer ai: padai Reis = mal. padi^ jaw. pari (Kanara
baiis nach Grawfurd, mal. dict.); banai Frau = mal. bini;
mörai zurückkommen = mal. mari kommen; hatai Leber,
Herz = mal. aii Herz. — Hierher gehören noch mötai
iodt = mal. mati^ mölagai Landhaus mit Stockwerken =
mal. maligai Schloss, ferner hadai helfen, kämai Schorf,
banrai üeberbleibsel von Keis, vgl. brah Reis und den
Zwischensatz an, habai kochen vgl. khmer bat gekochter
Reis; moöai fehlen und mödhai lieber scheinen mit dem Vor-
1) Auch adaeh spr. adai (Aymonier).
340 Sitzung der phäoa.'phüol, Glosse vom 1. März 1890.
Satze mo gebildet, letzteres um so mehr, als schon ihai'6ha%
je mehr, desto mehr bedeutet. — In tupäy waschen, tapai
Hase sind äy und ai mit langem ä und y mit Rahezeichen
(virama) wiedergegeben, während ai und e sonst nach Weise
des Birmanischen, Thai und Tamulischen durch das links
vom Träger gesetzte e-Zeichen {ai mit einem krummen
Strich darunter) ausgedruckt werden. Für Hase haben
die malaiischen Sprachen auf den Eilanden keinen Aus-
druck, da das Thier dort fehlt; des Lautes und einer ge-
wissen Aehnlichkeit der Thiere wegen habe ich oben mal.
tupai Eichhorn damit verglichen (Kaninchen ist mal. kuweh
= portug. coelho^ und das gleichbedeutende t^rwelu ist
wohl daraus entstanden). Auch säkaray wird mit dem r
(= ra) und y mit Kuhezeichen geschrieben, Landes gibt als
muthmassliche Bedeutung ^livres magiques de divination*';
es scheint mit dem auch ins Malaiische aufgenommenen
arabischen Fremdworte sdhir (sahhär) zusammenzuhängen
durch Bildungen wie sahhäri oder suharä (mit -u, -i, -a
der Fallendungen?). Auch saktijai „Art Edelstein^ sieht
aus wie ein Fremdwort. Inögaray^ nögaray Drache des
Drachenjahrs mit tViö, nö „Mutter** volksetymologisch für
wa, also ndga + raksas.
Voller erscheint die Endung als -wäi oder -dy (letzteres
mehr der jetzigen Aussprache gemäss): darwäi Dorn = mal.
durt, takwäi Hals (vgl. mal. tahuk Kerbe, tdngkok Nacken,
Bugi täkkong Nacken, jaw. tegak Hals, tengeng schiefer Hals,
tikung Biegung, tikel gebogen, tekem Faust), hanrwäi Narr,
närrisch. — Hierher gehören vielleicht auch die Endungen
wei (lies ui), wuey^ uy^ öy: pahwei Schwein = mal. babi;
apwei Feuer = mal. api; angwei anziehn von Kleidern,
Güter (vgl. jaw. havggo^ hangge Kleidung, worin das h
wahrscheinlich nur der gewöhnliche Lautträger der Schrift
ist, mal. pakai anziehn, pakadan Kleidung, Biigi pake sich
kleiden); langwuei einsam Bugi lino^ sino; päruy Schwieger-
Hindy: lieber den Wörierachatz der Tscham-Sprache, 341
eitern {pä Vorsatz?), tanguy Mais, pägumy verfolgen {p6
Vorsatz?), danöy einen Laut von sich geben. Femer 6y:
lawdjß junger Büffel {lamow ist Ochse, mal. lifnbu Hornvieh).
Dagegen ist in habrdy das ka wahrscheinlich Vorsatz. Die
Bedeutung ist , gestern^, Moura hat dafür mocobroi (Scharai
macampray^ Rode tambrai, Banar jambrx\ Bastian S. 244
booei mai jö kam gestern (booei vielleicht bfoei?). Im Stieng
ist biet Nachmittag, mo mdu^ bar mau „der erste Vor-
abend (gestern?), der zweite Vorabend^; also ist mo = 1
(mudi). Im Malaiischen ist Mlmarin gestern, der vorher-
gehende Tag, worin kel vielleicht aus kala Zeit verkürzt
und marin statt mar%an{^) aus mari kommen entstanden,
wie es ohne n vorkommt in kamari hierher. Demgemäss
könnte obiges bröy aus mörai zurückkommen entstanden sein.
— Unter den auf ey {y mit Ruhezeichen) auslautenden
Wörtern finde ich keines, das einem malaiischen auf -i ent-
spräche: pabey Ziege ist Stieng bHh und mit dem allen
Thiemamen vorgesetzten p^: pibHh^ mal. bebek^ Bugi bembe
(vgl. oben paiwei = babi); liney sich umwenden, tajhey
langes Gewand, taihey feiner Regen.
Zur Vervollständigung der Liste noch folgende Wörter,
die theilweise schon in anderer Beziehung erwähnt wurden:
auf d: ia Wasser (auch ear) = mal. a^Ä", dagä mettre en
reserve, en attendant que (L. lex. vgl. khmer bänchäm Pfand,
tscham dang attendre = khmer chäm^ mal. öager Pfand?),
öangwä Schwinge, iaJcä sich an Jemand wenden, fragen, tapä
hinfibergehn, iaphiä nahe bei [Landes: pres de (A. phfa?)],
ia ist häufig Vorsatz, tahd alt, reif (vgl. iathak reif), pdyä
geben (mit angan Namen) mit pd als Vorsatz? (vgl. khmer
Ol), pajwd envoyer v. palai^ palai pajwd thoh en pure perte
L. lex. (vgl. jwd einsam, lai theilen, auslesen? thoh leer),
mÖkyd Dattelpflaume, Diospyros ebenaster, annamisch cdtj thi
in dem entsprechenden annamischen Märchen {cdy Baum thi
= chines. Si Dattelpflaume). Das Wort gleicht indess sehr
lata PkilMk-iMifloL o. hist Cl. 3. 28
342 Sitzung der philos.-fjhilöl. Classe vom 1. März 1890,
dem siämischen makhüa^ Eierfrucht (aubergine), Liebesapfel
(Tomate), und auch dem chinesischen tnuk-kua (,Banni-
Melone'*), Frucht des in Hindustan papaiyä genannten
Melonenbaums. Mötct Auge ist mal. mata; hier ist die
Verlängerung des Auslautes, die übrigens an anderen Stellen
wenig von Belang ist, um so auffallender, als ähnlichie
einsilbige Wörter in anderen Sprachen mon- annamischen
Stummes vorhanden sind, wie Trao mtaJi^ Banar mat (Bastian*
S. 414), annanlisch müt; Mon fnai [vgl. auch birm. myak
(spr. myet), chines. muJc^ tib. tnig\. Indessen ist auch im
Scharai und Kuntscho mota das a im Auslaut, vielleicht
durch malaiischen Einfluss. In dem zusammengesetzten Worte
tnötühtabhd cadet (L. lex.) scheint mötiih das Wort für „halb"
S. 131 des lex. zu sein, welches an sskr. madhya erinnert;
tahhd ist vielleicht = sahhd Versammlung, oder sabhya Mit^
glied der Gesellschaft, oder sambhava Ursprung vorbehaltlich
einer bessern Ableitung zu nehmen. Yatoä Hauch, Laut ist
null, hawa Athem. Särawa beständig ist vielleicht von
srskr. sarva all (sarvadä immer) Jibzuleiten. x^umä^ B^R*
matuwa (jaw. maratuwa Schwiegervater, von niara nahe und
tfnva alt: Koorda, jav. s])raakkunst S. 111) bedeutet Schwieger-
eltern^), ^uld Spiihu, vgl. Bugi-Miikassar sira spleissen. Takd
alt = jaw. ttiwa^ Bugi töwa^ tjotva, mit welchem letzteren
es auch in der Bedeutung ,reif" stimmt.
Auf ei: kumei Frau (/rMWt, Icamei), Vorsatz ha'i vgl.
muk Frau, mu Grossmutter, mek Mutter (Stieug w/l, Tapang
meo, siäm. mC,, mik Mulime); bei den Trao ist cramai Frau,
worin mi augenscheinlich dem kanilx)dsohischen cre ver-
wandter Vorsatz; karei anderer, vgl. Dajak, f/arci was für
ein, arep selber; im Makassar ist kaU^ im Bugi aU .selber, im
1) Vielleicht liej^ hier ein mit Oh ^\\\\i* znsainmen^eHetzter
AuHilruck der Verwandtschaft {mn — wt'k Mutter V) vor. wie auch im
Khiner, wo kmek die Verschwä^erunj^ bedeutet (mek = we Mutter V).
HinUy: lieber den Wörterschate der Tscham-Sprache, 343
Jawanischen diri =» tscham drei für 'deh hinweisend -\' rei?
Kalei ist , graben ''^ mal. galt. TrSi sättigen. Talei Strick
= mal. tali. Tapei {L ratjam) ist eine Art Gebäck. Pätei
Banane, bei Bastian patu = mal. pisang^ Bugi oti, Pabwei
Schwein = mal. bäbi, Mögei bewegen mit Vorsatz mö?
Ebenso mötwei Waise, vgl. pätwei nach Jemandes Willen
von iwei folgen. Dagegen ist ha nicht, wie sonst oft, Vor-
satz in harei Tag = mal. an, halwei Schatten = mal. silau^
kawei {hawi) «spanisch Rohr'' = Bugi, Mak. uwe. Mal.
ort Q. 8. w. wird von einigen von sskr. hari abgeleitet, von
Kahn fßr einheimisch erklärt (vgl. alai im Silong).
Auf a», oy: rüdai wiegen vergleicht Landes wohl richtig
mit dai bewegen, schwingen, wiegen, wozu der Vorsatz ro
im Khmer zu vergleichen ist; aber auch radai Blasebalg
scheint hierher zu gehören {radeh Wagen habe ich oben
aus dem Sanskrit abzuleiten versucht, und, wenn sich nicht
eine Nebenbildung auf ai noch finden sollte, ist das auch
wohl richtiger). — Takai Fuss. Im Bugi ist takke Stiel, Zweig,
iakke-takke wird aber auch von Armen und Beinen gebraucht.
Im Mal. vgl. tangkai Stiel, Makassar tängke Hahnensporn.
Das Wort fßr «Fuss'' hat k im Mal., Bugi, Makassar: kaki.
Die verwandten Nachbarsprachen haben theilweise sehr ab-
weichende Ausdrücke, wie Scharai le, Rode )ang, Kantscho
iung^ Khmer chöng. Das von Aymonier erwähnte mundart-
liche (Dalil-)Wort padutak ist vielleicht eine Verdrehung aus
sskr. pädiüca -|" takai. — Wegen pcUai s. o. unter paöwä.
kdranai Tonwerkzeug = mal. sarunai dgl. zum Blasen ist
offenbar das persische sümäi aus sür Fest und näi Flöte,
welches auch von Shakespear im Hind. dict als sumä auf-
gefnhrt, und von Vullers, lex. pers. wie oben gedeutet wird.
Für das Anhängsel u (ü) findet sich im Malaiischen
theils a, theils ur wieder: bangu Blume, Moura: bungu^
mal. bunga^ jaw. bungah^ bingah^ Kantscho penga, Song
pangneh^ Scharai dango; hamü Reisfeld = mal. utna Feld.
28*
344 Sitzung der phüos.'phüol. Classe vom 1. März 1890.
— Kapü Mund voll Betel = mal. kapur Kalk, Eampher,
sskr. Jcarpüra.
Das Anhängsel 6 findet sich in ard Hefe, Deberbleibsel
= Bugi aropä (vgl. sskr. arüpa?^ äropa^ oder von rup?).
Karo stark ist zu vergleichen mit Makassar harö-karö hastig,
und mit sskr. kara^ kajap-karö stark, gesund (kajap ist
kamb. khdop sicher).
Das Anhängsel ö findet sich in amö^ Bastian ama^ mü
Vater = Bugi äma^ mal. rama. Im (anö^ ettö, ana) Mutter
= Bugi ifiUy Toba dgl. Ein abgekürztes nö hat wohl den ^
Anlass gegeben, aus sskr. nägaräja den Ausdruck (inö)garay .
für den Drachen der einheimischen Sage zu bilden.*) Kam
formule de salutation ä Tegard du roi, Kamb. kauma pisis
= sskr. vigesa-karai^a? mölyöng kanö servir un roi möchte
ich mit bind, milan kamä ^ Begegnung machen * ver-
gleichen. jTamö, tama^ tamau^ tamu hineingehn ist das
dajakische famä, im Scharai tamor mit r. Pakrö nögar
gouverner le royaume [päkrang regir, gouvemer? L. lex.
S. 103). Pämrö in adoh pdmrö espece de repr&entation
theatrale ou de danses, vgl. adoh chanter, representer une
piece; danses? S. 200 des lex. Im Bugi ist nda Wort und
dda parere eine Anspielung, parere = rSre entlang gehn,
rere attnr&nge om de slaapplaats van de dewäta zingen en
dansen, rere äju om een om te houwen boom zingen en
dansen s. Matthes, Boeg. woordenboek. — Hämo alt ist
mal.-jaw.-Bugi-Makassar lama. — Langö Sesam ist mal.
leiiga; limö 5 mal.-jaw. lima (ursprünglich = ^Hand"). —
V
Ldmnugö Hafen = mal. lahulian, Sahim nom ou titre d'une
princesse lex. ist höchst wahrscheinlich vermittels des Per-
1) Tay (rai) scheint in tagok rai sskr. rajya zu entsprechen;
es, wie S. 840 geschehn, für rakstis zu nehmen, gestattet die nicht
un wahrscheinliche Annahme nicht, dass rai' = rakias ist. Es liegt
näher, an nagaraJa zu denken. Ganz fehlt das 9m CnöJ in dem Namen
Kloug Garai.
Himly: üeber den WörterschcUz der Tscham-Sprache, 345
V
sischen zu deuten. Landes trennt Sah inö (vgl. oben im
^Mutter*), vielleicht ist auch eine Anspielung auf das per-
sische Eigenschaftswort sähin darin zu suchen.
Die Endung ü findet sich in möhrü schön, worin mö
wohl Vorsatz ist, ebenso in takrü wollen, lieben das /a, in
pakrü Scherz das pa (vgl. mal. gurau scherzen).
Die Anhängsei ar, tV, iir^ or finden sich auch im Ma-
laiischen wieder, wie wir theilweise schon oben sahen.
ar: Akhar und Angar sind Fremdwörter aus dem Sanskrit,
bezw. Päli (s. o.); athar Korn (im Mal. hutir Korn und
Zahlaosdruck, im Bugi das sonst „ Stein ** bedeutende bähi
fßr Saatkörner und als Zahlausdruck gebraucht; th für t
z.B. in thau = tau wissen, können, a für ba in äm^=bSmbem^
angwei ==■ pakai^ hosik flüstern im Batak = bisik im Jawa-
nisehen); adar leise z. B. in einer Erzählung: an&i adar^ wo
ich (idar = Bugi äda^ jaw. vjar Wort setzen möchte, gleich-
kam , klein von Worten ** ; dhar Art Gebäck = sskr. ahära\ ka-
ydkar Güter, Habseligkeiten, vgl. mal. kaya reich, kayafcen
bereichern; katnar = sskr. kumdra; kräh bikar geschickt (vgl.
sskr. hara(f^a)^ pers. bikdr passend?); tagar dem Strom ent-
gegen (vgl. mal. tSgar hart, steif, eigensinnig); vgl. das
folgende tagbk (Moura tagik) sich heben, steigen. Im Bugi
ist iingära »sich nach oben richten**. Tomdar rings herum
(vgl. tom rencontrer, se reunir, accompli, conduire, dör im
Khmer ^^gehn**; arab. tarn vollständig und dar umkreisen?
mal. idar dgl.); danar glisser entre les mains; pardayar
s'envoler (d^une troupe d^oiseaux) könnte an mal. bSrd^^r
sich ängstlich bewegen, erinnern, allein par ist „fliegen**
(Stieng dgl., jaw. ibar); sollte da^ar = arab. däirah „Kreis**
sein? Nogar Land ist = sskr. nagara Stadt; bayar bezahlen
ist im Malaiischen dasselbe Wort, könnte also auch später
durch den vielfachen Verkehr entlehnt sein; bithar Art,
Ding (vgl. sskr. abhidhd, — «a, vidAd?), padar befehlen,
mal. (pi)patahy möthar (mödhar) s. o. mötwei. Bei den
34<) Sitzung der phüos.-phüol, Claase vom 1, März 1890.
mit ha anfangenden Wörtern fragt es sich Eunächst, ob es
sich um den gleichlautenden Vorsatz handelt, wie z. B. in
habar (sabar, ^ibar) wie; haßar umschlingen; hagar Trommel
= khmer scör (vgl. den sonstigen Wechsel von h und s),
mal. tagar Donner. Im Malaiischen findet sich auch das
arabisch-persische naqära Kiesseipauke, welche hindustanisch
auch nebenbei takor heisst. Hanggar Wespe hängt viel-
leicht mit mal. singat stechen zusammen, von welchem Worte
Crawfurd pähängat sting, species of wasp or homet ableitet.
Vgl. bind, kumhärt aus sskr. kumbhaJcdfi. Hadar sich er-
innern (sadar, sxidar^ hudar)^ mal. sMar dgl., auch wobl
= Stieng kahtur dgl.; halar sich begnügen, einwilligen,
sich nnterziehn. Päkar Sache ist vielleicht mit sskr. pra^
kara Haufen, prakära Art und Weise zu vergleichen.
Für ir, welches mit wenig abweichenden Bedeutungen
z. B. in kikir feilen, Mkis kratzen, hikil nagen im Malai-
ischen mit is und il wechselt, habe ich nur die anscheinenden
Beispiele möthir (mödhir?) = sskr. mandira s. o. und pdtMr
geschlossen. Hadir epouse bei Moura, Scharai hati^ erscheint
in Landes' textes tjames als hadyap^ sonst „lebendig* (mal.
idvp). Im Malaiischen ist addp eddp = confarreatio, a4dp
vor, addp-addpan von Angesicht zu Angesicht u. s. w.
Mit 'Xir finden sich athur (bhyöp) betes und amur Zelt-
dach. Umur äge bei Ayni. ist arab. umr. Mit or: tasor
loslassen vgl. Bugi tättang.
Mit ör findet sich : payör faire passer, trausmettre, worin
j)a augenscheinlich der die Ursache bezeichnende Vorsatz.
Indessen ist doch vielleicht mal. biy^r erlauben, zulassen zu
vergleichen, da in den angeführten Beispielen diese Bedeutung
denkbar ist: payör bok hü mai t-ends-moi ton visage, payör
trom jeter la trorape en avant. Im Khmer ist phhör =
schicken.
Arischen Ursprungs scheinen -wör und wör: gan-wör
Herr, Häuptling, mit ahok Schiff = Lootse, sonst = Dorf-
Hmly: Ueber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 347
schalze und Sterndeuter (-hwör)^ womit sskr. gai^ka zu
Tergleichen; das gan ist also wohl = sskr. gai^a^ und wör
entspricht vielleicht dem Anhängsel -toalu, Nöhwör Stern-
deuter ist wohl entweder eine Abkürzung aus (ga)nawala^
wobei das h eingeschoben wäre, oder nach einheimischer
Wortstellung = wo (siäm. nai Herr = ttaya, näyaka) + hwör
=■ svar(ga)^ welches letztere in gmwör hwör ebenfalls selb-
ständig erscheint. (Iin Khmer ist hora übrigens das Wort
für Sterndeuter.) Gathwor (gathwör?) ist ein kupfernes
Waschbecken, vgl. sskr. galvarka (für ga4 — vgl. bind.
gaftcä Topf?).
Von der Aussprache der Buchstaben k, t, p, h am
Scfaluss der Wörter sagt Herr Landes S. VUI der Vorrede,
dass dieselben nicht ausgesprochen, oder wenigstens in einen
kurz abgebrochenen Laut zusammengefasst würden, in dem
nur ein geübtes Ohr das wahre Wesen des Lautes erkennen
könne; die Eingeborenen müssten dasselbe aber wahrnehmen,
da in dieser Beziehung verhältnissmässig wenige Verwirrungen
in der Rechtschreibung stattfänden. Das p am Schlüsse,
dem gewöhnlich ö vorhergehe, hätte gelegentlich einen ver-
längerten Laut (son prolonge), göp z. B. werde gaho aus-
gesprochen, indem ho stumm bleibe, man könne glauben,
das p sei in diesem Falle mit dem sehr ähnlichen h ver-
wechselt, aber der Schreiber habe immer ein p darin er-
kannt, und ausserdem stehe in mehreren Fällen auch im
Khmer und Stieng das p zur Seite, in welcher letzteren
Sprache das p lautbar wäre. Es scheint also in der Aus-
sprache dieser Endbuchstaben eine grosse Uebereinstimmung
mit denselben der südlichen chinesischen Mundarten zu be-
stehen. — H wechselt am Schlüsse namentlich mit k. Craw-
furd sagt in seiner Malaj grammar vom letzteren, bei den
meisten Malaienstämmen werde es am Schlüsse der Wörter
nicht ausgesprochen, oder doch nur als ein schwacher Hauch.
In dahldk scheint das h, wie der Visarga in anderen hinter-
1
•^4H SitzuHtj der 2^ilos.']^iIot. Clause Cfiiw /. Man 1890.
indischen Sprachen, nur die kurze, aber reine Aasspraehe
des a\s anzudeuten. Ngah «thnn" ist im Rode nga€, droh
^schnell** = sskr. driik^ klah vermeiden mit rfl vielleicht
ursprüiij^lich = klak verwerfen; anderseits entsprechen ein-
ander tak schneiden und Stieng iah dgl., ttih giessen ist
wieder im Stieng tok. Wir dürfen uns daher nicht wundem
im Tscham und im Malaiischen die Anhängsel ak und ah
in einander übergehn zu sehen.
Die Endung nk findet sich in den malaiischen Sprachen
und den en^)rechcnden Wörtern wieder in haJak Diener
(Toba: Mann), parynk Silber mal. xierak. Ohne k entcfaeint
I)a1ak Handfliiclie im Bugiworte i)dlä^ Mak. pälä^ mit dem-
selben im Batak: pnlak. Amrak Pfau ist wie mal. mnrak
Fremdwort, aus dem Sanskrit, im Malaiischen auch meni/m
(sskr. mnyüra)^ das ka könnte schon dem Sanskritworte
hinzugi.'fügt s(Mn. Im Malaiischen findet sich -ah in getah
(vgl. guttapercba) dem Tscham- Worte (/a/at Saft gegenüber.
Mit nöxhik Alter vgl. hind. naklmi = naksatra. Statt -ak in
talffk blicken findet siili im Malaiischen ik in tulik, at in nrat
= nrak Faser. Sonstige Wörter mit diesem Anhängsel sind
rnhak Garten (vgl. mk sjjrossenV), (rnnak Bündel gehört
nicht hierher, da es durch Einfügung von an aus (>^A binden
gebildet, ist), athtk Kaucb ist wahrscheinlich verwandt mit
mal. n>>vp dgl., dttrnk Markt, dtis hohe Meer (sskr. tarnvgn?),
akak anheften (mal. ikf'ff binden), antfk vor (mal. adäji dgl.),
ftrak Tag, Augenblick (sskr. nhar), aivak-awak durcheinander
(Landes vergleicht annanlisch hayha)^^) hnlakynk Name eine.s
Fisches (vgl. ßugi Mle Fisch), (damtk Päckchen Betel ist
wahrscheinlich aus dak häufen gebildet), gaßak sich stützen,
hakak messen (mal. sakat^ Bugi stfkä)^ hahrak Riegel, hanrak
\) !'> ist bei Landes vielmehr awak turar zu lesen, welches
narh der Stelle S. 21 der UmschriTt ein Si'heltwort zu sein «eheint;
v^l. «.'niwfnrd, Maliiv dietionary: awak body, jierson, seif; aicar
|da«,nie, niurrain.
Himly: Ueber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 349
Messer, Spiess (vgl. amrd), harak Brief, Befehl (arab. sürah?)^
kahwaJc Seidenfaden, katak Schallwort für Glucksen, katwak
zittern, {mötak vielleicht, mal. intah ist wohl mit dem Vor-
satz mö ans tak s. o. gebildet), nörak schmutzig, pägrwak
umwerfen, iawak eingenommen sein, öadyak zuhalten, päjyak
zu etwas drängen, pabwak fee, päyak bewirthen, padyak
Hitze, heiss (krüh-p. Mittag von krüh Mitte. Auch im
Kantscho pedeac heiss nach Moura) vgl. askr. parüäpa
Hitze, (ratcak tragen, vgl. wak aufhängen), rayak Fluthen,
raytcak Netze (Bugi rämhdng)^ sarak gemalt, gezeichnet
(ar. fwroA?), tdakyak sich reiben, vermuthlich von einem
einfachen Zeitworte akydk^ tahyak herauskommen (Scharai
ckapeac)^ icusak an der Hand tragen (vgl. mal. tatang auf
der Hand tragen), tahrak Taschentuch vielleicht zusammen-
hängend mit tavgin Hand, tapak gerade, wahr ist iapa im
Trao, tathak reif, gar (Mak. tdsa Bugi dg]., mal. masak?)^
iathujok sich losen ist wahrscheinlich aus ta und ihwak heraus-
ziebn zusammengesetzt. Alak Reiswein, mal. arak ist arab-
isches 'araq Saft, berauschendes Getränk. Tahak = ta
4" AaÄ:(Vj, da hec im Khmer dieselbe Bedeutung „zer-
rissen* hat.
Das Anhängsel -ah findet sich im Malaiischen wieder
in darah Blut (Tscham ebenso, jaw. dgl. Mak. dird^ Bugi
ddra^ rdra^ derd^ dero^ nur im Jawanischen auch verkürzt
roh und erah; im Tscham kommt ein Wort rd vor, welches
nach Ajmonier und Landes eine Verkürzung aus rang^ orang
Mensch ist, daher raglai Waldmenschen; das Jawanische
scheint auch mit der übertragenen Bedeutung von darah als
«Abkunft" ziemlich allein zu stehen), npah Lohn = Tscham:
apah verdingen, a>sah wetzen = Tscham athah^ basah nass
= Tscham hathah^ pddah brechen (patah, piätis) = badah^
fnantah roh = tnötah, Mak. mdia, Bugi dgl., jaw. m^ntah,
bituwah (tuwah) glücklich = batwah in dem Satze batwah
mxik talwid harök ^ias war ein grosses Glück für das jüngere
350 Sitzung der phüosrphüöl. Glosse vom 1. März 1890.
Fräulein"; iuwah ist im Malaiischen ^glücklich", b^rtuwah
^glücklich sein, verzaubert sein**, — dälah Zwischenraum,
Lücke = dalah getrennt sein. Eigentlich gehört hierher
auch dalah Zunge (jaw. dilat), das Malaiische hat aber das
l zu Anfang in li4(th (vgl. jüat lecken), im Bugi sind zwei
{ in Itlu. Gaüah scheint nur in batit-gaüuh (religion musul-
mane. Landes) vorzukommen; Aymonier zählt zwei Mund-
arten auf (neben dem eigentlichen Tscham), welche wie
Kawi und Erama auf Java mehr gewissen Ständen, als be-
stimmten Gegenden eigenthümlich sind ; 1 . das Dalä als alte
heilige Sprache, 2. das Bani^ welcher Ausdruck nach ihm
.religion** bedeutet (sskr. vinaya?)^ panvach bani langage
(des gens) de la religion** (musulroane) ist bei ihm entgegen-
gesetzt dem panvach Cham^ vermischt mit vielen Wörtern
aus dem Khmer, Malaiischen und Arabischen. Sollte bani
nicht die Bedeutung .Glaubensbekenntniss** ursprünglich
gehabt haben, so wären noch andere Möglichkeiten. Da ist
z. B. das acht mon-annamische Wort für „Mensch**, welches
im Mon mnih^ im Stieng benih (bihih) lautet, wenn man
nicht geradezu das arabische bent „Söhne** heranziehen und
Baut Gaüah als Söhne Ali's auffassen will. Ausserdem
könnte gaüah vielleicht eine Mehrzahl bildung aus dem im
Banar zu findenden ngai (bngai) Mensch (s. Bastian a. a. 0.
S. 413) mit Aiihängung von lä mehr (Tscham IS) oder der-
gleichen sein. Gay „Stock, Stamm**, welches Wort sich im
Tscham findet, ist vielleicht, wie Landes zu vermuthen scheint,
nur ein Fremdwort aus dem Annamischen, wo es die über-
tragene Bedeutung „Volkstamm** meines Wissens nicht hat.
Hadah hell, Tageshelle hängt vielleicht zusammen mit hadar
sich erinnern (mal. sMar sich erinnern, zu sich kommen,
aufleben, bewusst), zumal es mit möta Auge sich auf einen
Blinden bezieht, der sein Gesicht wieder erlangt. Hanah
emporschnellen scheint malaiisch s^hoh^ sSnuh zu sein (Landes:
„retirer par un mouvement brusque le poisson qui mord". —
Hiwdy: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 351
Crawfurd: sähoh to twitch, to snatch). Kamiah leugnen
enthält augenscheinlich entweder kam als Vorsatz (im Khmer
JbeHft), oder am als Einschiebsel, wie in kamrang stehlen (auch
Idik^ vgl. im Mon klat stehlen und kamlat Dieb), kamraw
ächzen, krächzen (?), kamlow stumm (?), im Stieng ist klah
brechen; besser scheint aber hier lad sagen (Stieng l&h sprechen)
mit vorgesetzter Verneinung khöm nicht, ^) die wenigstens im
Stieng vorkommt. Ligah bedeutet „müde** (vgl. Stieng löngei?),
Ätah fem ist auch im Kantscho ata, im Scharai und Rode
nach Moura: atas^ wo wir also s und h einander entsprechend
finden, wie so oft am Anfange der Wörter (in den Wörter-
sammlungen, die nach blossem Gehör gemacht wurden, darf
man das h am Schlüsse nicht so streng erwarten, wie beim
geschriebenen Worte, da es kaum, wenn überhaupt, gehört
wird. Moura hat als Tsch am- Ausdruck ata). Älah ,, weichen**
scheint das malaiische sSrah zu sein; ob es in der Bedeutung
9 faul** nebenbei noch mit mal.-jaw. nal^s verwandt ist, muss
ich dahingestellt sein lassen. Bei Alwah steht in Landes'
Lexique des (Pontes Tjames S. 206 ÄUah? po-tak ald „le
seigneur des regions inferieures** (tak ist „schneiden** und
kann „bis** bedeuten, ala „unten**, pö ist Herr). Leider
kann ich die Stelle zur Zeit nicht so leicht auffinden. Ich
hatte wegen des aufiallenden w schon an Elöah und den
wahrscheinlich sehr frühen Verkehr der Tscham mit den
Hebräern oder Syrern der Malabar-Eüste gedacht und ander-
seits bei Crawfurd arwah spirits, soul, arwdhkän „ein Fest
zu Ehren der Seelen der Ahnen feiern** gefunden (arab.
arwnih Mehrzahl von ruh Qeist). Indessen muss ich doch
gestehen, dass obige Redensart auffallend dem arabischen
Äüdh ia ^cUa ähnelt. Banah^ hinah ein Stück Land ist mit
1) Khmer com in commot schweigen, wo mdt = Mund; cd ist
dort stumm. Freilich ist wieder mal. IcHu stumm mit in Erwägung
za ziehen. Femer weist Landes auf annamisches cam stumm hin.
Aoeh annamisch ist khong inicht**.
352 Sitzutig der jihilosrjihüol. Clause ro»» /. März 1890.
Bu^i wanüua zu vergleichen. Kapah = mal. kapas =
Khmer crebas^ Kantscho kopas^ Rode cap<is Baumwolle ent-
stammen alle mittel- oder unmittelbar dem sskr. karpäsa;
nur das Hcharai hat nach Moura ein eigenes Wort am/xii
(im Malaiischen ist kutun Fremdwort aus dem arabischen
quthnn). Kapiah Zwischenraum der Finger (sskr. karabha?).
Karah King (bind, kam nach Sbakespear von sskr. kataka.
Landes leitet es von annamischen cd-rä ab, welches ich
in filteren Wörterbüchern nicht finde; vielleicht könnte
es den umgekehrten Weg genommen haben?). Limah über-
reichen (Mak. lima Hand, parllimdnna überreichen, Bugi
dgl.) ; sonst entspricht limö fünf dem lima der malai-
ischen Sprachen. Mobiah abstreiten hat wahrscheinlich den
Vorsatz niö, vgl, mal. memblah spalten von blaM dgl.
(gleichsam , abschlagen**?). Pabah Mund, Mündung = Mak.
haha. Palah Kessel, Topf. Pajhi piastre (Aym.) von jai
sapetjue mit chines. pak hundert. Palah Keil. Paßyah bereit
leite ich von ßyak , passend, genau** ab und vergleiche mal.
hayik passend, bai/iki ausbessern, anpassen, niembatjiM dgl.
Pftf/ah reinigen (einen Graben), d. h. anscheinend vertiefen;
vgl. Hiigi kfw (hüll) graben, mal. (jaVi und vielleicht patfifr
Zaun (in deutschen und verwandten Sprachen Deich, Teich,
engl, to dig, ditch). Pdbrynh auf etwjLS fallen. Pärah
werfen, daraus mit zweifachem Vorsatz takdprah zurück-
prallen, abprallen? Raßah arm. Tahnvdh, härei t. glücklicher
Tag, wozu zu vergleichen tahrat hadah strahlend, scheint
verwandt mit Bugi tdura Zeichen, mal. tanda, jaw. tdtida,
t(i)frav ri Idnffie sind ,, Sternbilder** (eigentlich die Zeichen
am Himmel), auch tanrang ist „Zeichen* und pavatirdng
St(»ni (wobei wegen des öfter zwischen geschobenen n aller-
dings auch an sskr. tdrd Stt^rn zu denken). Es mag weit
hergeholt scheinen, bei , Zeichen" an ein „glückliches Zeichen*'
und sodann gleich an den Begriff des „Glückes*' überhaupt
zu denken. Allein wir haben hier gleich eine ganze Keihe
Hindy: üeber den Wörterschcttz der Tscham-Sprache. 353
Yon Wörtern, die mit tafir- beginnen, nämlich ausser dem
schon genannten tatirak das eben erwähnte tahrat, dann
tanrau? in göp iahraw Leute desselben Landes, Landsleute,
tanrow »Felder durch Geisterbeschwörung entzaubern** und
obiges tafirwah. Hiervon ist tanrow mit Bugi tänrotoi yer-
fluchen, Mak. tunra Fluch zu vergleichen, tahrat hat ein
Seitenstück an tattat deutlich, gerade wie das von Ajmonier
angeführte ianran Ebene an tanüh Erde und mal. ianah^
jaw. tantiah Erde und deutlich. — Tarah hobeln ist mal.
tarak^y welches wieder mit tarah strecken, weiten und tara
gleich, eben zusammenhängt. Ta^aA verfallen. Ca/?aA Schüssel
(mal. t^palc Dose = d^^, jaw. d^puk dgl., liuyu Deckel-
tasse, Fläschchen, dujpdk Pfeifenkopf). Öalah (öalön) ge-
trennt (vgl. mal. ö^ah Riss, Spalte, Kluft, Abstand).
Wenn ich hier das Anhängsel -aw behufs einer Ver-
gleichung mit dem Malaiischen in Betracht ziehe, kann es
sich selbstverständlich für letzteres nur um solche (zwei-
silbige) Wörter handeln, bei denen das Bestreben, aus schon
vorhandenen Zeit- und anderen Wörtern Wörter, die Thätig-
keit. Zustand, Wirkung u. s. w. bezeichnen, zu erzeugen
schon hervortritt, z. B. galian Grube von gali graben,
tisungan Sänfte von nsting tragen, garangan Getöse von
garang laut u. s. w. Derartige Anhängsel zweiter Stufe,
wie mehr als zweisilbige Wörter überhaupt auch nicht häufig
sind, sind im Tscham entweder gar nicht zu suchen, oder
doch selten. Hierin ist die Sprache dem mon-annamischen
Orandsatze treu geblieben. Ein auffallendes Beispiel aus
dem Malaiischen, wie die hier in Frage kommenden An-
hängsel nur durch ihre Verschiedenheit die Abschattungen
eines Hauptbegriffes bezeichnen, bietet das Wort lipan,
weiches im Tscham und im Malaiischen den Tausendfuss
bezeichnet, während lipas in letzterem Name der , Schabe''
ist und lipai «falten'' vielleicht auf die Spuren der Grund-
bedeutung führt (im Jawanischen ist klabang Ti
354 Sitzung der pMas.-phäol, Classe vom 1, März 1890,
ngläbang flechten, im Bugi balipäng^ cUtpäng Tausendfuss,
balepe Schabe, lappig läppä^ räpäng falten, ärtpi^ äppi
flechten, im Makassar altpang Tausendfuss, kalepe, hdipcisä
Schabe, lappd falten, äppt flechten). Jalan „Weg* lautet
im Malaiischen ebenso, jaw. dalan. Balan, hdan (bei Bastian
neben pulan auch abgekürzt? lan) Monat, mal. hüan Mond,
Monat, jaw. undan^ Bugi undäng^ uläng, Mak. htdang. Um
das Gestirn auszudrücken, setzt das Tscham ia vor hdlan^
ein Wort, welches sonst Wasser bedeutet, wie es auch ia
harei „Wasser? des Tages* für ^Sonne* gebraucht. In
ia ywön ,,Land Anuam* stimmt dieses, wie Landes bemerkt,
mit dem Gebrauche des annamischen nüöc überein, welches
„Wasser* und „Königreich* bedeutet. Im Uebrigen hat
sich bei den umwohnenden Eingeborenen auch die malaiische
Weise, die Sonne als „Auge des Tages* (mata ari) zu be-
zeichnen, eingebürgert. Wegen akan Fisch = mal. ikan
s. o. Angan Name hat dem Nasenlaut gegenüber in den
malaiischen Sprachen ein r, nämlich jawanisch aran^ Dajak
ara^ Mak. areng^ Bugi sogar mit 8 äsäng; das Malaiische,
welches die Fremdwörter nama, isma aus dem Sanskrit und
dem Arabischen gebraucht, hat zwar das Wort panggü nennen,
doch verbieten die Lautgesetze, hier das p als Vorsatz zu
nehmen, welcher vielmehr p^ng lauten müsste; das sanskrit-
ische angka „Zeichen* ist zwar in das Malaiische einge-
drungen, aber hier bliebe das n am Schlüsse zu erklären
übrig (vgl. mal. karang, karangan Zierung mit einem Namen,
ang als höfliche Anrede?). Hajan Regen (hnjan) ist mal.
n^an (Scharai /jfaw. Rode hayan). Papan Brett ist ganz
malaiisch (chines. pan). Öatvan ist das chinesische dha-wan
Theetasse. Laav „kalt*; nach Kantscho lenga^ Khmer rongea
zu urtheilen könnte der Stamm in der zweiten Silbe liegen
{ro ist ein im Khmer häufiger Vorsatz). Aban Kleidungs-
stück (Languti, sonst auch khan genannt Aym.). Apan
halten (Mon pang tragen, Stieng pan können). Adhwati^
Himly: Ueber den Wörterachatz der Tscham-Sprcuhe, 355
adkwä «Weg* ist Sanskrit. Akhan «erzählen* hängt zu-
sammen mit sanskr. äkhyäna Erzählung. Aymonier führt
aacb davon anakhan «devoir avertir* auf mit dem einge-
fügten na (für sonstiges an'i) mit Zukunft- Bedeutung, vgl.
jaw. dariia erzählen von öaritra und ditiariia erzählt werden,
wo auch ein Fremdwort so umgestaltet ist, um das Leiden
auszudrücken. Zwischengefügtes n bezeichnet im Khmer
namentlich das Werkzeug wie anar Säge von ar sägen. Aus
dem Tscham stehen schon jetzt einige Beispiele zu Gebote,
wie pantvöd Rede von pwöd reden. ^) Butyan Verwandt-
schaft; Landes verweist auf tyan Mutterleib, indess ist Bugi
hati Geschlecht, jaw. batih Gesinde. Bikan^ bukan anderer,
dajakisch beken (mal. hukan nicht). Hakan ist eine Art Fisch,
nach Landes der annamische cd tre, lÄman schwach; vgl.
mal. l^ah dgl., Mak. lämma, Bugi lämmä, Lingan Pflug
= sskr. länggala(m)^ Khmer ängcal^ Bugi rakälu^ Mak.
nangkäla (auch hindust. nängal neben IdngaJ), Das Malai-
ische hat neben ninggal Sterz t^ggdlu Pflug, wie n^gkok
Hals neben tengkok, Lihan Leiter (mal. tangga?).
In findet sich im Tscham und im Malaiischen in wöin
spielen = mal. mayin. Dasselbe ist dem ersten Anscheine
nach der Fall mit möthin salzig = mal. masin. Wir müssen
aber sofort an den Vorsatz mö denken, wenn wir die malai-
ische Nebenbildung asin sehen. Nach den Lautgesetzen
sollte man erwarten, dass aus asin salzig m^gasin salzig
sein gebildet wäre; hier finden sich aber im Jawanischen
dieselben Wörter asin und masin wieder, in welcher Sprache
das blosse m vor Selblauter gesetzt wird. Der Wechsel
zwischen th und s ist der gewöhnliche bei ^ eintretende.
In iangin Hand wechselt die Endung mit ön (iangön)^ und
1) Die Bedeutung ist mehr die der Wirkung wie in danal'
BOndel von cak binden, oder des Ortes wie in danok Ort von dok
bleiben.
356 Sitzung der phüos.'phüol. Clcuse vom 1. März 1890,
im Malaiischen entspricht tangan^ im Scharai tangin Finger,
irangin Hand, Kantscho iengan Hand (Rode cadengy Banar
chedrang^ chedeng Finger), Rode cangan Hand. Angin Wind
ist dem Tscham mit dem Malaiischen gemeinsam. Akhin
hikal «ce qui est d'importance (a ne pas faire)" ist mir dunkel.
Alin „als Entgelt geben, umkleiden '^ scheint mal. alUi
, wechseln" zu sein. Kalin Aufruhr, Kampf erinnert an
sskr. kali, Pängin „Schale" findet sich wohl in mal.^n^aii
„Tasse" wieder.
Un findet sich im Malaiischen und Jawanischen wieder
in mal, ayun — ayunan Wiege von ayun (jaw. yun i^it Abfall
das a's?) schaukeln verglichen mit Tscham ayun Sänfte und
jaw. bangun aufgehen, anbrechen, entstehen mit Tscham
bangem Brunnen, hangumn Name der Tage der ersten Hälfte
des Monats (vgl jaw. bangun Tagesanbruch). Halun, Neben-
bildung zu obigem halak Diener, entspricht jaw. hdun (Kawi),
und beide sind ein herabsetzender Ausdruck für ,|ich".
On entspricht ursprünglichem an und steht namentlich
nach m, bei welchem in der Schrift ja auch ein eigenes
Zeichen die sonst den Buchstaben (bis auf nt, ng^ n, n) an-
heftende a-Aussprache bezeichnen muss. Limön Elefant ist
mal. liman^ welches sich zu Mak. lima Hand verhält wie
im Sanskrit hastin zu hasta. — Taniön 10,000. Landes hat in
Klammern das annamische wwow, ohne das ta weiter zu er-
klären; wäre es d^ä eins, so würde die Herkunft aus dem
Annamischen und somit dem chinesischen man (wan) keine
Schwierigkeit haben. Die mahiiischen Sprachen nehmen hier
theilweise das Sanskrit zu Hülfe (mal. laksa^ jaw. laksa^
Toba loksa^ Dajak laksa^ Mak. lässa^ Bugi dgl.), indem sie
die Bedeutung des Sanskritwortes laksa 100,000 um eine
Stufe zu 10,000 verringern. Daneben findet sich auch das
Wort für 1000 mit vorgesetzter 10 und im Makassar dokko-
wang Abtheilung Soldaten, si-öokköwang = sisäbu 1000,
si-öokkoivang-lompo ein grosses iokköwang für 10,000. Auf
Wmdy: Ueher den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 357
letztere Weise mit chinesischem ta «gross* zusammengesetzt
könnte man sich auch das chinesische man als ia man denken ;
allein dieses ist weder im Annamischen noch im Chinesischen
zu belegen; und im Annamischen kehrt chin. ta als dai
wieder. Auffallend ist die üebereinstimmung von tamön mit
dem persisch-türkisch-mongolischen tümen (tumän)^ und man
könnte vermuthen, d&ss die Syrer der Malabar-Küste das
Wort zugleich mit ihrem r'hü (eigentlich 10,000, malaiisch
ribu 1000, tscham rubüw dgl.) nach Ostasien gebracht hätten
(merkwürdig ist das Kawi-Wort dömas für 800). — Damön
r^^tter (diman^ dimön) könnte vielleicht verwandt sein
mit Bugi limonggäng Kummer, Sehnsucht. Im Jawauischen
ist dama^ daman Armuth, womit Roorda sskr. adhama
vergleicht. Auch 4'^mik bedeutet im Kawi ,arm*. Ta-
pjfdfi, »Ort, wo man Wasser holt, sich baden", erinnert
an jaw. topi «Ufer, Rand**, aber auch an Tscham tupdy
waschen.^) Tabujön froh und wön tabwön dgl. lassen sich
wegen des Auslautes mit sahai im Khmer schwer ver-
einigen; vielleicht liegt eine Zusammensetzung mit on
(tcon)^ dem Urtexte nach en, in Landes, lex. S. 212 vor.
Bayön ist ein langbeiniger Vogel. Kamwön Neffe ist im
Khmer khmuei^ wo auch das auslautende n fehlt, jaw.
kaponnakan (eigentlich wohl «der an Kindes Statt Ange-
nommene*' von annak Kind?). Von kräthön grosse Affen-
art ist augenscheinlich Jcra das malaiische Wort für Affe;
f&r tltön weiss ich einstweilen keine Bedeutung anzu-
geben. Baniin (banan^ banön) «Wald* enthält dem jawan-
ischen Sanskrit-Fremdworte bana^ wana (sskr. vana Wald)
gegenüber wieder das fast nur in malaiischen Wörtern vor-
kommende n^) (ram banün foret epaisse, ram S. 144 dgl.
1) Andere Beinpiele fQr eine Wurzel tap erinnern an die indisch-
germanischen Sprachen: jaw. tapa Busse, Stieng tap beerdigen« kb.
thäp ersticken.
2) ^gl* JA^- sagara, s^gara^ segaran von sskr. aägara Meer
l«a Fhilos.-philoL n. IdaL Cl. 8. 24
358 SUsung der phüos.-phüdl. Classe vom 1. Mars 1690.
aDnam. räm bei Landes. Das eigentliche einheimische Wort
für den Begriff ist glai).
ön scheint ähnlich entstanden zu sein, ¥ne im Jawan-
ischen aus der Verschmelzung von u mit dem Anhängsel an.
Öalön ist eine Nebenbildung zu obigem dalah Abstand. Im
Jawanischen findet sich s^a mit derselben Bedeutung, s^n
ist ,yZwischen" (vgl. auch mal. salah besonders, verschieden
sein). Ebenso ist zu dalön „suivant le cours de Teau* (vgl.
mal. Uirun herabkommen, turut folgen) vielleicht Stammwort
dalah^ dala^ daluh oder dgl. vorauszusetzen. Haön scheint
mit dem Vorsatze ha gebildet zu sein und entspricht in der
Bedeutung „sich erinnern'^ dem thti-tven-m (on allein „sich
freuen").
AI findet sich im Malaiischen wieder in bantal Kissen
= Tscham batal, Athal „Geschlecht*' mit ih fär s halte
ich für das arabische agl^ welches sich auch im Malaiischen
als asal eingebürgert hat {aihal patao „race de roi*). Ätcal
mit der Neben bildung alwal „Mutterschooss" scheint auch
aus arab. habt schwanger (bestimmt dlhabJ) entstanden zu
sein, wie Mak. bättang aus bathn. Dälukal (duläkal) könnte
erinnern an das jaw. ^alang Puppenspielaufführer; vgl. auch
kar lük heai „Erzählung" im Khmer, lakon dgl. malaiisch;
ferner dahlau „zuvor" + arab. qäl. Khal-damal „schweigen*
sieht aus wie arab. qäl thatnan »sagte und schwieg". Ämal
jagen (mal. Smbat?). Akhin-bikal „ce qui est d^importance
(a ne pas faire)". Agal „livre donnant des preceptes d'art
(du bätiment p. ex.)" (sskr. agära „Haus" mit folgendem Aus-
drucke für „Lehrbuch"?). Basal „Schutzdach" scheint das
mal. bangsal zu sein.
11 finde ich mehr im Malaiischen, als im Tscham. Thibil
in pwöd'&ibil lose Reden führen, sittenlos ist vielleicht mal.
welchen drei Umgestaltungen die letzte (Landnee) eine Verkleinerung
auszudrücken scheint.
SinUy: Ueber den Wörterschatz der Tscham-Sprache, 359
iabul sittenlos, geschwätzig, wenn es nicht arab. thißt
, kindisch* ist.
Ul ebenso. Tamul gestickter Gürtel (mal. saintJc Gürtel?,
oder sskr. tamäla Abzeichen?).
Bei öZ, welches hier überall mit vorhergehendem w er-
scheint, und zwar nicht nur nach p (wie in apwei Feuer
=s mal. opt), wird es sich yielleicht nicht um ein Anhängsel
handeln. Die Beispiele sind: pathwöl geneigt sein zu etwas
(Vorsatz pa^), atwöl hängend (z. B. eine Flagge), dapwöl
Schaar (Efamer iap Schaar).
Auf 'dl finden sich kaöwöl Ferse = Mak. katulu. Hazol
ist «leicht*, „erleichtern*.
Ik findet sich im Malaiischen wieder in tasik See =
Tscham ta^ik. Sonst entspricht auch -ü in langit Himmel
aB Tscham langik^ kulit Haut = kalik. Lamk lange (vgl.
Uh&i mehr) ist mal. IShih jaw. luwih mehr, zu lange, über-
schreiten. Dagegen ist das lühik in (hau labik savoir que
yielleicht das ddpi im Bugi, welches wie im Spanischen
alcanMar »erreichen*, »verstehn* und unser , fassen* bedeutet.
Anderseits ist es in ^ä läbik hamu Reisfeld offenbar ver-
wandt mit labuk in &ä labuk hold ^une plantation de betel*,
womit mal. W)uh Schuttabladestelle zu vergleichen (Aymonier
hat lahik als Bani- Ausdruck für'dawot »Ort*). Ganik »eng*
scheint durch eingefügtes an aus gik »dicht an* gebildet.
Oaikik »gelb* ist mal. hming^ Mak. kufii. Lahik verlieren
ist yielleicht verwandt mit Dajak lihi verlassen (vgl. tscham
lahy loh »lassen* ; verloren gehen ist im Dajak tiihau).
Anik Stöpsel von Blättern (tampon de feuilles pour boucher
un trou dans une digue) ist vielleicht ^ hanik Damm. Ob
es wie ganik aus gik^ so von einem etwa stammverwandten
ik oder durch vorgesetztes ha gebildet ist, muss ich noch
unentschieden lassen. Dakik ^ wenig* scheint des arabische
daqf^ zu sein. Habik »zusammen, mit* wechselt mit Ihibik;
beide haben also Aa, bezw. d-u als Vorsatz. Haktk ^
34«
360 Süzung der phUoarphüd. Classe vom 1. März 1890.
ist mal. sakit^ gerade wie oben hakak messen = mal. sukat.
Kapik kneifen ; Landes vergleicht annam. c&p^ kep. Letzteres in
der Redensart cho kep hbi ,|Ort der Enge und des Umkehrens*
entspricht dem chinesischen Zeichen nach dem chinesischen
kiä {hip^ hiap^ keh Morrison 5432) , kneifen*, der Bedeutung
nach mehr dem mit gleichen Lautzeichen geschriebenen und
sinnverwandten &tä «Engpass* Morr. 3408 (hap^ hiap). Man
könnte es demnach für ein chinesisches Fremdwort im An-
namischen halten ; allein das Khmer gebraucht kiep , kneifen*
mit den Vorsätzen th in thkiep dgl. und töng in iöngkiep
„Zange". Ist es aber wahrscheinlich, dass das Tscham ein
malaiisches Anhängsel (ik) an den mon-annamischen Stamm
gehängt haben sollte? Das Khmer hat nun auch ein sinn-
verwandtes Wort in chrebäch zusammendrücken, worin ehre
Vorsatz, bäch der Stamm ist. Anderseits entsprechen sich
Tscham 2>^k »pflücken** (Landes vergleicht ann. bi , brechen**)
Und Khmer be dgl., hek ist auch im Khmer = , brechen**,
und so könnte kapik mit dem Vorsatz ka und einer Wurzel
pik (= pek?) gebildet sein(?). Daneben ist jedoch mal.
s^jrit Zange, öubit^ pidit „kneifen** zu halten (Bugi ptpi.,
stpi, Wurzel pi?), Möik harnen, Mak. meya, Möthik ent-
spricht augenscheinlich dem ta^^ik „Meer** in der Redensart
möthik taOik möthik darah „die See war voll Blut*. Da
tai^ik = mal. tasik^ darah = mal. darah und mö =
dem mal. Vorsatze w^, sollte man erwarten , etwas Ent-
sprechendes in den malaiischen Sprachen zu finden, was
mir indess bis jetzt nicht gelungen ist. Pmgik in pängik
tangt „sein Ohr leihn, anhören** könnte man für aus pd
und gik „nahe bei** entstanden halten. Fääik „krank*
ist wohl verwandt mit dik „liegen** (Aym. dik^ bedey)^
welches in dih dt apwei „im Kindbett (eigentlich auf dem
Feuer) liegen** vorkommt. Ramik (ramt) zubereiten, auf-
l>ewahren scheint verwandt mit jaw. ramui^ rtiniat^ rimat
bereit, ngramat aufljewahren (vgl. rSmit schön, listig, ge-
Himly: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache, 361
.schickt, rampak regelmässig, in geschlossenen Reihen). ÖaMk
ist eine Art Sack (ann. bi Landes).
Obgleich das Anhängsel -ük auch im Malaiischen vor-
kommt, so entsprechen doch hier mehr u und tth^ z. B. lahik
(vgl. mal. l^di s. o. labik)^ lakvk hinter (vgl. mal.-jaw.
lakii gehn, vorbeigehn, Art und Weise, m^ahi aufepüren
(dazu mal. lantp^i vorbeigehn und daj. limha nach). Haduk
lichlaehzen entspricht mal. sM^i dgl. Sonst haben noch t^:
iduk Knie, ^uuk sich erinnern {tue = kbd. nÜk denken ?). Bei
gamik ligne (manche de la — ) ftührt Landes das an. cdn Stiel
manche an (vgl. chines. Araw), bei guk (hanö) (den Bogen)
«spannen'' ist dagegen auf ganuk verwiesen, wahrscheinlich,
weil es Herrn Landes möglich schien, dass in letzterem das
eingeschobene an enthalten wäre. Eine Angel kann aber
sehr wohl als , Werkzeug zum Ziehn" bezeichnet werden.
Ebenso konnte öam(k «forme, modele" mit öuk «hineinthun*'
zusammenhängen. Wangkruk betrübt , voreingenommen
sieht wie eine Zusammensetzung aus. Wang ist .umgeben",
«umringen*, Tcriüc ein wilder Ochse, pdkrvik schliessen, also
auch wohl Icnik schliessen (?), daher „umringt und ver-
schlossen* ? Im Mon ist wdk schwierig, wak-khai «in Nöthen*
{kkai allein «graben", khai-duk Aussatz), kruk chinesisch;
ich weiss nicht, ob man wak-khai-duk fdr «aussätzig* ge-
brauchen kann. Vielleicht liegt sskr. hhangxira(ka) zu Grunde
in der Bedeutung von «gebrochen, niedergebeugt* (vgl. auch
jaw. bingung verwirrt, verlegen, bengkting krumm, wimghiüc
, gebockt*). Ahiüc Halsband. Aduk Schlafzimmer scheint
mit mal. ddu «schlafen* zusammenzuhängen; aber das Ma-
laiische kann sich so kurz nicht mehr ausdrücken und hat
mit Vorsatz pa (vor Selblauten pir) und dem Anhängsel
-an pSradiian gebildet. Ättdc Knöchel, Knoten, Absatz (an
Fingern, Bambus u. s. w.), vgl. jaw. itung zählen, tan-
gan Hand, tiga 3, u. s. w. ; a ist Vorsatz, ttdc Stunde,
iuk klau der dritte u. s. w. Abtue Wassertopf
862 Süiung der philo8,-philol, Classe vom 1, März 1890.
mit pers. äbuk , Becken mit Wasser* (vgl. ab Wasser)
lautlich überein. Ayuk blasen {möri Trompete) vgl. jaw.
fitfl(p^ niyiip blasen, nxyaga Gamellan spielen (?). Banguk
Schatten; Landes vergleicht das gleichbedeutende annamische
höng (das kurz vorhergehende hangti Blume, von Landes mit
an. hbng verglichen, vv^elches vv^ohl eigentlich nur Zahlaus-
druck für Blumen ist, ist mal. hunga)^ im Malaiischen ist
hayang Schatten (jaw. wayang auch Schattenspiel, Puppen- j
spiel), Bugi häjang^ jaw. wangiin (bangim^) Gestalt. Banuk
ist der Name eines Schmarotzergewächses. Haluk Erde
(sinnverwandt tanüh^ iandh^ hvnü Aym.) ist vielleicht nicht
zu trennen von Juxlüw Haupt, Spitze, Quelle, mal. tdu; im
Malaiischen ist tdii das höher gelegene Land. Haniik rechts
(mal. kanav^ Bugi känang?). Hatük „in Wasser kochen*
hat wie das sinnverwandte hahai wahrscheinlich ha als Vor-
satz (vgl. tuh Stieng tok „gieasen, begiessen"). Mit ha-^tüc
schreien, zurufen vgl. Khmer äSm rufen (zu dem von Landes
angeführten annamischen hu kann man noch chines. hao
fügen). Da übrigens ha getrennt auszusprechen ist, fragt
es sich doch, ob ha nicht Vorsatz ist. Jaluk Napf (vgl.
jaw. jalaga Gefass, sskr. jala Wasser). Kädnh anus (vgl.
Khmer kd(it Hintertheil). Ka-uk fürchten (vgl. mal. tahä^
Bugi tä'u) mit ka als Vorsatz? Lämuk eifersüchtig sein,
hassen (auch amoh Aym.), vgl. jaw. lumuh abgeneigt sein.
Mönuk Huhn ist jaw. mannk {man im Khmer). Möhak
trunken = mal. mabiik. Rahuk Sturm = mal. ribid, Ra-
thnk Rücken, Kippe? = mal. rusnk Rippe. Tapuk Buch
aus sskr. talu -f- pustaka*^ Buivk (batuk) Aym. Steni
= Silong bittieky mal. bintang^ Pampanga bafuin (s. Kuhn
S. 22:^ u. 232, Gabelentz, Z. d. D. M. G. 13, 63).
Die hier vorkommenden Wörter auf ik: hagek was?,
harek Liane, pakek anfügen (adjuster von Zimmerleuten und
Schreinern gesagt), möthek Umstände machen haben //a, pd^
mö wahrscheinlich nur als Vorsatz. Bei letzterem ist in dem
HimLy: Ueber den Wörterschatz der Tacham-Sprache 363
oA von möthek tnöthoh Umstände machen wohl nur eine
Nebenbildung zu sehn; thik isfc „hobeln*^, thoh «leer, müssig''.
Bei hagik was? spielt das ha augenscheinlich dieselbe Rolle,
wie bei anderen Frage- und Umstandswörtern. Har^ ent-
spricht dem Sinne nach dem Stieng -Worte glei^ welches
laaÜich mehr glai Wald im Tscham ähnelt.
Das Anhängsel ok erscheint als uk im Jawanischen bei
husiik «dumm*, welches dem Tscham- Worte hatok von
gleicher Bedeutung entspricht; das malaiische husuk bedeutet
«&ul, schlecht*' und findet sich im jawanischen hosok wieder
(vgl. auch jaw.-mal. htm stumm, mal. bo4o albern, huta
blind). Balok Eokosnuss, Schale (in der Geschichte vom
«Herrn Kokosnuss'' Bdlok-La-ti. La-u cocotier Landes).
Im Malaiischen ist giltiky glvk die Nuss oder ihre Schale
(Bugi kaluku). Sonst ist k^pa^ klapa der Ausdruck dafür,
jawanisch kalapa (vgl. den Namen kalapa für Jawa), wit
kalapa Kokosbaum oder k lapper boom der Holländer.
Külapa-lfnä ist nach Crawfurd die Seychellen- oder See-
Kokosnuss (lata See), nach Matthes ist im Makassar ia-
Idpa-läu eine Art Kokosnuss, die von der See angeschwenunt
ist (lau «See* und «Westen**, was aber je nach der Lage
der Gegend wechselt). Dass dieses lau das la-ü von balok-
{a-ti ist, hat wohl einige Wahrscheinlichkeit für sich. Ln
Siamischen ist lük «Sohn* und «Frucht*, wobei wohl wie
beim ganz entsprechenden chinesischen tjie jenes die Haupt-
bedeutung ist; es wird daher weder das to-u, noch das lok
von balok damit zusammenhängen (Ausdruck für Kokos ist
fiamisch maphrao^ kalapa ist = Batavia und Rum, ursprüng-
lich wohl Palmwein, wie gtila bei den Malaien Palmzucker?,
im Ehmer ist datmg^ Kantscho düng = Kokos). Es fragt sich
also, ob balok = obigem mal. g^eluk ist (vgl. sskr. gblaka) ; wie
das sskr. |)Aa2a «Frucht* sich im mal. pala als Bezeichnung
der Muskatnuss findet, so könnte hier phalaka die Ver-
wechselung von ba mit ka veranlasst haben (s. Bugi '
1
364 Sitzung der phüosrphilol. Classe vom 1. März 1890,
Sonst wären noch mal. bahä «einhüllen* und tscham bäht
in boh balot »Knoten des sog. Sarong* (= balot?) zu ver-
gleichen; dann konnte etwa batek eine HfiLse bedeuten. Für
ahok «Schür* sollte man etwas Verwandtes aus den malai-
ischen Sprachen erwarten, da ia^ik Meer =: tasik^ danao
Teich = mal. danau^ sogar Wasser i& oder iar = ayifr
vielleicht nach Aufgabe eines einheimischen Wortes da/r,
welches sich bei verwandten Stammen findet; aber das \
gewöhnliche Wort ist im Malaiischen und Jawanischen \
prau^ das dajakische artä liegt zu weit ab. Am nächsten
liegt Samang pahak^ pahmücy wo wir auch finäang «Nase* -
gegenüber mal. idung mit Lippenanlaut finden (vgl. auch
ischam am «braten* mit mal. beni^em), Äwak prau ist
nur der Bauch des Schiffes und awak nur ein Wort für
Leib. Sollte mal. kapal (welches Crawfurd übrigens ohne
weitere Angaben aus dem Telinga ableitet), der Ausdruck för *
grössere, mit Raaen versehene Schiffe von sskr. kapäla Bauch
des Geschirres, Schädel, Kopf herzuleiten (obgleich letzteres
in der Bedeutung «Haupt* vollständiger als kapala erscheint^)
und der Bug als Kopf des Schiffes und dann ein mit hohem
Buge oder einer Verzierung am Buge versehenes Schiff
gemeint sein, so wäre die theilweise üebereinstimmung von
ahok Schiff mit akok Kopf in Betracht zu ziehen. Akok
(Moura: (icac) «Kopf* ist im Trau-Lai coc^ Scharai und
Rode kak^ siäm. hua. Wegen alok Stück Land vgl. hdluk.
Arok Röhre, Glied zwischen den Knoten des Bambus. Adok
mit den Fingern greifen (vgl. khmer jöc nehmen). Danok
Ort ist, wie schon Ay monier bemerkt, aus dok «bleiben*
durch den Zwischensatz an gebildet. Haöok heraufziehen,
aufrichten (vgl. mal. tadah stützen, aufrecht halten, khmer
däc stellen) scheint mit dem Vorsatze ha gebildet zu sein.
Kbenso harok hineinbringen (mit dem sinnverwandten tamö
1) Bugi kapala Haupt, l'appdla Schiff.
Himly: üeber den Warterschatz der Tscham-Sprache. 365
z. B. den Fiiss in einen Schuh), womit rok empfangen, ent-
gegengehen (an. rüöc Landes) zu vergleichen. KadokSchluaa^
Wort, so sei es! (vgl. jaw. kaduk zu viel, kados wie es scheint,
oder Toba dohon^ dokon etwa?). Kasok krähen. Padok in
padih'padok .verheirathen'' halte ich für zusammengesetzt
aus pa (pä) und dok bleiben (vgl. auch pdtdk verheirathen).
Pätok anlehnen (eine Leiter), (vgl. mal. tunduk neigen?).
Pänok Trupp, Bande ist vielleicht aus pok Päckchen, zu-
sammenrollen durch Zwischensetzung von an entstanden. Ta-
ihok Schuh, vgl. siäm. küek (Mak. kdsu^ bestimmt kdsukä^
Bngi dgl.; mal. kasut^ jaw. kasut Schuh. Das entsprechende
chinesische Wort bei Roorda und Matthes ist mir unbekannt«
Liegt hier pers. kews zu Grunde?). Aymonier setzt dem
Worte takey (takai) Fuss das Dalil-Wort padutak gegen-
über, welches augenscheinlich sskr. pddukd „ Schuh '^ ist.
Wegen des Anklanges an takai könnte ein Fremdwort in
takhok umgewandelt sein (?). üebrigens ist auch tagök
^ steigen ** in Betracht zu ziehen. Tanok bäiller mit möta
Auge, also wohl mehr = gaffen, starren (vgl. toh heraus-
ziehen), im Siäm. tangok den Kopf zurücklegen, tangok den
Kopf schütteln.
Oh findet sich in hanrök Augenblick, welches wohl mit
dem gleichbedeutenden Khraerworte pÜnlü zusammenhängt.
Möyok begleiten (pdmöyök) von sskr. yoga Verbindung (?).
Taßök Hügel, Erdhaufen (vgl. mal. tumpuk häufen, tumpukan
Hänfen?). Tagök (Moura: tag&k) sich erheben, vgl. Silong
mata alai taok , Osten*. Öarök Art Fisch.
Wie öfi dem an^ so entspricht zunächst ök dem malai-
ischen ak in mahök Oel = mihak, Langök halbtodt ist
vielleicht verwandt mit mal. l^guk traurig, l^gai träge
und jaw. lenggeng bestürzt sein. Angök den Kopf erheben
(vgl. jaw. angkat heben). Halök Abfall von Reis (vgl. jaw.
huleg zerstampfen, halum welk, hulap wegwerfen, kf*^* «Ar-
366 Sitzung der phüosrphüol, Classe vom 1, März 1890.
mengt, hcUit gering, hilik verschmähen, h&Sk schlecht, Aa/xi
schlecht, halu Reisstampfer, worin nach Bugi alu zu urtheilen
das h allerdings nur Lauttrager ist). Halwök spitz. Kärok
schliessen (vgl. khmer reang dgl.). Katök zerschmettert,
packen, fortreissen hängt vielleicht mit tek zerstfickelt und
tok nehmen zusammen. Papök zerbrechen ist =s khmer
bambic^ bambäc von b&c^ bic zerbrochen. Bamök Strauch,
dessen Saft zum Vergiften der Fische gebraucht wird (vgl.
JHW. rami Flachs, Nessel?, ratnbega und andere Namen von
Gewächsen im Makassar). Rapök, rawok tasten, greifen
(vgl. mal. raba dgl.). Tatök zittern.
IJk ist wohl nur Seitenstück zu ök: antik Kind (anök)
= mal. anak (verkürzt anu Bast., nuc Moura). Tanük
kochen = mal. tavak (enti^prechend ianiih Land = mal.
tanah). Janük erzürnt sein (Juk schwarz? mal. ajak auf-
regen?). KathüJc mit folgendem yau »wie** = sskr. kathanr
katham*^ Panüksä nachdenken = pa {pra) -{- anvesaka
(sskr.) vgl. siäm. panak ponvofig im Sinn behalten. Tusruk
gierig (vgl. sskr. tfs dursten, trsnä Durst, Gier, tfstfa)
durstig).
In ih entspricht das h malaiischen A, s und vielleicht k.
Beispiele .sind j^artA weiss = mal. putih (vgl. auch mon
pttng^ mit welchem die Nebenbildung patijöng im Tscham
mehr übereinstimmt), ahih Alles, völlig = mal. abis = jaw.
wis (sskr. vigva*^)^ batik Bein = mal. betis^ lapih dünn,
schwach = mal. lajnik. Hadih rein ist wohl = sskr. gudi^
welches sich auch im Malaiischen findet. Molih veilchen-
farbene Blume v(m der Gestalt der Immortelle (vgl. sskr.
mala. Kranz?). Pälih wählen, auslesen = mal. pilih^ milih.
Sälih vertauschen = mal. a/iA, salin^ jaw. halih^ ngalih^
salin (süih abwechselnd).
Uh ist zunächst = mal. uh. Labuli „fallen** ist offen-
bar ursprünglich dasselbe mit mal. labuh „fallen lassen**
(vgl. rubuh^ rSbah^ ribah stürzen). Ta)uh sieben = mal.
Hiwdy: Ufher den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 367
/ftjfiiA. Tamuh spriessen = mal. tumbuh = jaw. tuiDuh^
tuwah^ in der Bedeutung ^quellen*' vielleicht verwandt mit
mal. sumur Quelle (Landes vergleicht annamisch nioc spriessen).
Ausserdem entspricht dem uh mal. us: raiuh 100 = mal.
raius; tabuh loskaufen = mal. tebas. — Galuh rauquer
(du tigre) ist vielleicht eines Ursprungs mit pägaloh brüllen
und groh bellen? (vgl. mal. geläk laut lachen, ngorök
schnarchen?). Apuh ist ein bebautes Feld, z. B. mit Tabak.
Banuh stossen mit dem Hörne (Landes vergleicht annam.
bang; mal. tanduk Hörn, tandukkhi stossen mit den Hörnern
= minandvk). Batuh briser (un filet) vgl. mal. pataJi^
puiiis brechen. Bitruh (toujours, sans cesser? Landes) ist
vielleicht zu zerlegen in 61, welches unserm £U vor Zeit-
wortern entspricht (z. B. in bibak zu füllen, biihu zu trocknen,
Iriku zu haben, vgl. Stieng bäh, Khmer pi)^ und iruh heraus-
kommen, welches in diesem Falle jaw. trus völlig, durch-
gehends entsprechen könnte. Ganuh Gestalt, Anschein (vgl.
jaw. gana Gestalt, Wesen, siäm. khana Art, khanat Weise,
Muster, sskr. gut^a^ gufjatas?). Das jaw. gunna Geschick,
Gabe, gunnan Zauberei scheint auch hierher zu gehören.
(Im Tscham ist ganröh Zauberkraft). Haluh defoncer, passer
au travers hängt vielleicht mit mal. sXla Zwischenraum,
selat Meerenge, setet^ selep zwischenstecken zusammen, wie
das folgende halwdk Riegel mit jaw. salarak Querbaum;
noch näher könnte siluk hineingreifen, stochern liegen.
Kadtih Uinde, kaduh kard Panzer der Schildkröte (kard er-
scheint hier abhängig von kaduh. Im Hindustanischen kaö-
kafä ist das Verhältniss umgekehrt; hier ist im einfachen
Worte kacch(u) für Schildkröte auch schon das p von sskr.
kacchapa nicht mehr. Zur Vergleich ung seien angeführt
aus dem Tscham kadoh Schale, kadong üeberbleibsel, aus
dem Thai kädong Panzerschale, kadün Nacken, kädöng Rück-
grat, käduk Knochen, aus dem Sanskrit kaööhü Krätze, kah-
kafa Panzer, kankdla Gerippe, kakkafha hart, kafhina hart.
36R Sitzung der phÜog,'phi!öl, Glosse vom 1, März 1890.
kathora hart und bind, kangrof Rtickgrat, kan(aka Dom
u. s. w.). Kakuh sich niederwerfen hängt augenscheinlich
zusammen mit kuk den Kopf senken. ^) Kaduh speien ist
jaw. kfföoh, Möthuh augreifen, bekämpfen ist wie möthao
streiten, kämpfen wahrscheinlich mit mö gebildet (vgl. mal.
masuk eindringen, dudtik durchbohren). Da möduh Grund,
Ursache dem dem Sinne nach entsprechenden aus dem San-
skrit stammenden malaiischen Fremdworte mula zu unähnlich
sieht, so fragt es sich, ob duh einen entsprechenden Sinn
gibt; duh hafai (mit hatai Herz) ist Widerwillen, duh allein
Frohndienste thun (vgl. mal.-jaw. duka Zorn u. s. w. von
sskr. du:ka. im Khmer tue Traurigkeit). Im Malaiischen
haben wir zwar ohne schliessendes h oder k adu jstreiten,
vor Gericht bringen (letzteres neben mingadu vorstellen, vor-
bringen, klagen), aber, wenn dieses auch lautlich nicht ge-
nügen sollte, so könnte es dieses dem Sinne nach und möduh
so viel wie „Ursache zur Klage" sein. Paguh ist desselben
Ursprungs mit page Morgen, Tagesanbruch, paguh pagi ist
„morgen früh** (Bastian puke^ Moura pige morgen = mal.
pagi Morgen, früh; das A finde ich nur im pers.-hindust.
pagah^ pagah von gleicher Bedeutung.*) Bei pätuh ,die
Schuld auf einen Andern schieben* vergleicht Landes annam.
do thüa und verweist auf das einfache tuh giessen = ann. rfo,
es würde also gleichsam unser „beizugiessen, danebenschütten*
sein. Tä-ayuh in grök — „Geierkönig* vergleicht Landes mit
1) Vgl. akok ^Kopf.
2) Im PerwiMchen giebt es eine Nebenbildung hämgähy bäm Licht
ist nach Vullers = sskr. bhama dg), (gäh = gati'f). In den benach-
barten Sprachen Hinterindiens giebt es sehr verschiedene Ausdrücke
für den Begriff. Im Makassar ist (tdjbil'e die Zeit des Morgengrauenn,
(a)muko morgen. Im Tscham ist übrigens noch baramguh ,am
frühen Morgen" in Betracht zu ziehen, worin baram sofort an sskr.
parama erinnert. Allerdings ist wieder barang Ergänzung zu"* 6a*
rau neu. Das Khmer- Wort pruk hat ein r wie sskr. präge.
Himljf: VrbrT dm iVbiirndiatt der Tfcham-Sprachr.
:(r,9
ttj/mh nöcU, äKO. Dieses ist = sskr. ayus, grfik wahr^beiii-
iJoh mit deoi /d XU rerbinden = Garuifa. Btsi ialiluh luisü-
gHbftreo verweist H. Landes m>t libuh t'ulleii: ks findet lueh
indes» als talahuh unter obigem ^&uA wieder (vgl. aucb mal.
Fehler).
cnti'pricht znerst mal. ih: l'ibiJi niebr=i mal. l^h
im 0^j(lkisl'h<^n, Lag&h (wsseud, gllickücb (/lur^i
'Itlck^tag) ist vielleicht jaw. l?gi sfiss (Name des ersten
dn piiMtir vun Jj Tagen; vgl. ISga WolilgefulWn haben
au etwas). Vavlh ifit ein /.um Fiscben dienender Korb. Änth
JQBg ist wohl gleichen Ursprungs mit ranih Jüngling, Jung-
fnu. wie ranam lieben {Landes amt rutmm bemitleideu) =
dtfu ODUM der Scbarui (Mouru). Vielleicht ist auch mal.
«Ati klein, winzig verwandt. S^ih Pferd (Bastian mue) =
astit (Aymonier) ist sih im Ehmer, si im Kantscho und
Kodeb, ehhi Ijui den Scharai. essee bei den Banur nacb
BnNtiun. Das im Malaiischen gewöhnliche Wort Icuda ist
wühl Bskr. j/kvtaka, bind. yhi'TÜ. Im Siämischen, welches
Gbrigeaa als gewöhnlichen Ausdruck das mit dem Chinesi-
whra nbereinstimmende ma hat, finde ich in Pallegoix's
Wörtorbuche asd Pferd, assa dgl.. assava edles Boss, Stute;
M» tat w denn wohl nicht unwahrscheinlich, dasä Name und
Tbter auc Vorderindien kamen, und da die Thai sich erst
ilpnt zwischen die mon-amiHmischen Stumme drängten, dose
dÜMpr limäitand vor dic^m Ereignisse eingetreten war, BaSfh
sinil Lctit«, welche die Leichenbestatitingen (ilierwacben
{updtaiiay in Siam hasika Laienscfawestem. Auf Cetebe«
Mwl die bissu eine Art Zauberer, deren Namen Matthew von
JUUüu ableitet. Vgl. auch sskr. hhi'tfin von lihma ,i{eile*).
Gamrik bunten hängt vielleicht durch Zwischensatz von am
mit grrih hellen suKammen. ^adih gachette d'utip arbalete
(vgl. pors.-tQrk, jadch. [>er so benannte Nierenstein dient
k in ChiiiB xn Daiiiutniringen beim Bogeospannen). — Mii)ih
■njlpip&n, uinternerfen (vgl.j^/. Iiin.-ii>>tr<'kfn, J/ik I
370 SUeung der phüos.-philol. Glosse vom 1. März 1890.
Päih (päoh) trauern um — scheint aus pä und einem Aus-
rufe des Bedauerns (vgl. ih) zusammengesetzt. Päiih Seide
(Moura poiS) scheint aus sskr. paUa Seidenzeug entstanden,
radih Wagen aus sskr. ratha.
Die Wörter auf oh scheinen sehr verschiedenen Ur- \
Sprungs zu sein. Ädoh singen, Schauspiel geben (Landes ver- \
gleicht annam. hat singen, woher nhä hdi Schauspielhaus. Im
Bugi ist äda „Wort*, äda parM Anspielung, rM entlang
gehen, rere a)u um einen umzuhauenden Baum herumtanzen
und singen, mal. lie^uwan Sänger, jaw. ba^üya Truppe von
mit Gesang begleiteten Tänzerinnen). Anioh hassen s. limuk.
Kadoh Kürbisflasche, kaöoh Schale, Hülse (vgl. kaduh Rinde)
scheinen auf sskr. k^tti Uinde hinzuweisen, wie Jcaddiky
kardik im Khmer = krtiikd, Habah besiegen, niederwerfen
hat dem Sinne nach mehr Verwandtschaft mit poh schlagen,
möpoh kämpfen (Landes, lex. S. 49 unter jai)^ als mit
dem einfachen boh Ei (Scharai ;>05, Rodeh bas^ Kantscho
bo nach Moura), ntöboh Eier legen. Einen zweifachen Vor-
satz hat mörapoh = möpoh streiten, kämpfen. Pädoh in
der Ferne (= jaw. hadöh^ döh). Bei tabloh de peur que
verweist Landes auf bloh fini. Eine Art Wiederholung scheint
zu liegen in tadoh roh gerade auf dem Wege liegend, auf
welchen Ausdruck Landes unter roh tailler, ecorcer (annam.
röc) hinweist; ta bildet häufig Zeitwörter der Bewegung
mit zurückbezüglicher Bedeutung; rok ist „entgegengehn*.
Tagloh vergiessen (z. B. Blut) = mal. tanggal. Das
malaiische sanggrah^ welches Crawfurd von dem gleichbe-
deutenden portugiesischen sangrar zur Ader lassen ableitet,
hat ein überschüssiges h. Wegen der Bedeutung „blind**,
die tagloh hat, vergleiche auch mal. kroh trübe. Tangoh
taub in ngah mihigtangoh sich taubstellen sieht ähnlich
aus wie mal. tangguh, tenggoh zaudern, oder wie eine Ver-
kürzung von tangi hu 6 keine Ohren haben (mal. 4^iger
hören ist im Tschaui hanixt. Im Khmer ist thlihig taub).
Hindy: üeher den Wörterachate der Tscham-Spraehe. 371
Tadok serschneiden (vgl. mal. tatah meisseln, tatal Spahn,
mak. räid zerschneiden, tätaJä Spahn). TaMoh tröpfeln,
Tergiefisen (vgl. jsar durchsickern, sah üeberbleibsel, und
Khmer tdc tröpfeln, sdl üeberbleibsel. Malaiisch ist ti-
iik tröpfeln). Uaßoh anbeissen (vom Fisch an der Angel)
▼gl. Bugi däppa schnappen, Mak. säppa dgl. Öamoh Ort,
Stelle (vgl. mal. semdk Unterholz?). Pyoh lassen, aufbe-
wahren (Aym. peak).
Für öh scheint sich auch kein bestimmter Lautwechsel
zu ergeben. Ganröh Macht, Zaubermacht scheint aus dem
Sanskrit zu stammen. Po ganröh putrai »Herr der fürst-
lichen Macht* ist etwa aus pati, gaijicvara^ putra und rdja
ZQ deuten {pd ist «Herr*, rat Königs würde). Bei sskr. gai^
Menge, Zahl ist die Grundbedeutung von „zahlen, rechnen*
und ga^dka Sterndeuter (im Tscham ganwör Herr und Stern-
deuter) in Betracht zu ziehen, um auf die Bedeutung des
Siaubers zu kommen {hadam ganröh verzauberte Ameisen);
defiselben Ursprungs sind vielleicht üki Zauber im Khmer
(wenn nicht irrthümlich bei Moura für akum^ oder aus kar-
man^ kamma entstanden) und gdl im Stieng in gal br&h
Teufelswerk von br&h Teufel. Mit haröh sehr vgl. haiei
was auch immer. Mit jalöh einstürzen (vom Himmel) vgl.
mal. jalak beben. Kadöh mit einem Hebel in die Höhe
achnellen (vergl. mal. ttMoe^ tuwas? mit ka?) ist vielleicht
mit mödöh aufwachen (sich erheben?) verwandt. Mit ragöh
{möta) beleidigen (ins Auge) vgl. mal. rugi Beleidigung.
Talöh Hexerei (vgl. jaw. teluh dgl.). Öaßöh herausziehen
(mak. .suM), daköh faire sauter (d'une chiquenaude) vergl.
jaw. jfejfoJfc mit dem Fusse stossen, mal. Sekak packen, dekek
drosseln, würgen.
Üh entspricht mal. ah in tanüh Land = tandk^ pänüJi
schiessen =: mal. panah. Letzteres bedeutet im Malaiischen
zugleich Bogen (neben busor und gendeuHi)^
."^72 SiUung der phOos.'phüöl. Glosse vom 1, März 1890.
Pfeil (Kind des Bogens), im Jawanischen ist pannah Pfeil,
mannah schiessen, im Makassar päna Bogen, änd-pdiia Pfeil
(Sohn des Bogens), dpdna mit Pfeil und Bogen schiessen.
Im Tscham heisst der Bogen hanö (vgl. Stieng söna Bogen, |
kihia Pfeil, km Kind). Zu obigem päniih vergleicht Landes
ann. bUn schiessen, welches ja urverwandt sein mag, zu hanö
ann. nä, — Mötüh ist in der Bedeutung «halb* vielleicht
von sskr. madhyu Mitte herzuleiten, wie z. B. im Thai kkrüng
Beides bedeutet. In der Bedeutung , zornig sein* ist iük
verletzt sein und Khmer tue Aerger zu vergleichen.
Eigeuthümlich ist dem Tscham der Auslaut «;, der in-
dess theil weise in der Aussprache nicht gehört wird, wie in
barüw {barau = mal. baaru).
Dem aw entspricht mal. u in lakaw schreiten = laku (auch
lakäu bitten ist = lakti im Dajak), garaw kratzen = garu^
tathaw (1. tathäu'? tasau Aym.) Busen = mal. susu, Kamrato
ächzen, krächzen (vgl. mal. kaluh?). Öaraw merle jaseur, vgl.
bind, öiriyd Vogel, darbariyd Schwätzer. Tanraw in göp iah-
raw „Landsleute** scheint eine Nebenbildung zu taniih Land
zu sein (tanran bei Aymonier?); doch ist anch Bugi tunräng
(= turung) helfen, saftunrmg Freunde, die einander helfen,
zu vergleichen. Äbaw Muschel (jaw. hibe Garnele?); es
kommt mit folgendem saralang in der Bedeutung Perlmutter-
muschel vor. Im Malaiischen ist in^ung-mutyara Perlmutter-
muschel, worin intfung Mutter, mutyara (bind, mötiyä^ sskr.
muktd) Perle; da im Jawanischen hibu , Mutter" bedeutet,
fragt es sich, ob abaw hier diesem entspricht. Indess könnte
man auch an sskr. dbhd Glanz und das persische ähnlich
gebrauchte ab Wasser denken; saralang könnte dann an
mal. serlah glänzend erinnern. Kaäaw packen (vgl. dap
dgl. im KhmerV). liakaw Tabak, mal. tambaku (im Stieng
auch abgekürzt bokau). Kubaw Bäffel = mal. kerbau
(Khmer krebey^ Kantscho crebau^ Rodeh capau^ Scharai
Hwäy: üeher den Wörter achais der Tscham-Sprache, 373
hopau. — Der wilde Ochse heisst im Tscham kruk). Mötaw
Schwiegersohn = jaw. maniu^ Bugi manitu^ menätUy Mak.
mintu^ mal. menantu. Pdiaw (göp) wetten wird von Landes
mit an. iua .wetteifern* verglichen (vgl. jaw. toh Einsatz
einer Wette, mal. taruh setzen, wetten, Bugi täro^ und bat.
iaru s. Matthes, a. a. 0.). Shcdaw plateau ä manger (an.
mdm\ Tgl. mal. tcdam Schüssel, Teller.
Auf iw finde ich nur langiw ausserhalb (vgl. langieh
Ausländer mit rang Mann davor nach Aymonier; sskr. lahgh
überschreiten, siäm. läng unterhalb, l&ng hinter, nach, Bugi
länge herauskommen. Im Tscham ist langtouet einsam^ ver-
lassen, im Mon Ingä^ lamngd dgl., lamngälngan Einsamkeit).
Oto ist SS mal. u in Idmow Rind = letnbu (Eantscho
lemo^ Rode imo^ Scharai romo). Kamlow stumm = mal.
helu^ Bahnar Mmlö Stotterer (Landes vergleicht annam. Tcäm
stumm). Jf^aUm^alai Art Vogel. Amrow Art Muschel. Jamow
glücklich =s Bahnar jfönto. Kdhow Name eines Stammes.
Paiow zeigen = Bahnar hötho. Patrow iangin die Hand
ausstrecken (vgl. pa nnd truh hervorkommen?). Rätow
Fleisch, Wildpret, Wild. Ridow sich (den Kopf) waschen
(vgl. Mak. raffjfu, piranju), Tamow unangerührt (von Speisen)
vgl. mal. tempuh verschmähen (?). Tanrow die Felder ent-
zaubern, vergl. Bugi tänrowi verfluchen, Mak. tunra Fluch.
Tanow bespringen, mannbar = Bahn, tano männlich. Tadow
Mädchen ist nur öow mit vorgesetztem ta. Tathow Sturm
(vgl. thow zurückhalten?).
Cw ist = mal. u in haiüw {batau) Stein = hatu ; harüw
neu = haaru^ Mak. heru (]bäu\ Bugi häru^ jaw. wahu^ bat.
imbäru ; cUüw Hausgeist =s antu ; mölüw (Bahnar mölau) sich
schämen = malu; rubüw 1000 = ribu; tabüw Zuckerrohr =
i)ß>u\ galau Adlerholz = gcihru; bcUüw Haar = bulu; halüw
Haupt SB ulu. — Öagüw ist .Bär"" = Bahn. Sögau^ laüw
BaamwoUzeug, kadüw herabspringen = Bahn, ködau entlaufen,
lam PMIoii-pkUoL n. bist Cl. S S
374 Sitzung der phüosrphüol, Glosse vom 1. Märe 1890.
katrüw Turteltaube (Umstellung von sskr. kapotara^); päjüw
Hexe = Bahn, b&jau. Mötüw Schwiegersohn = Mak. maniu,
mintUy jaw. mantu. Im Semang ist pesau child-in-law nach
Crawfiird, History IL
Ao entspricht mal. au in danao Teich = danau See
(jaw. ranu Wasser, See, daj. danum Wasser). PaUw König
(putao; vgl. Silong patao alt, sskr. pati? jaw. ratu^ Mak.
dgl., Bugi datu^ jaw. patuk fürstliches llausgut, batin Häupt-
ling bei den Bajau, mal. batara für sskr. avatara). Badao
sich wärmen (im Khmer condau wärmen; ba wie con Vor-
satz?), llatao wo? (vgl. Stieng tau jener, jenes und das
fragende Aa?). Hayao Art Fisch. Möthao streiten s. möthuh?.
Möyao Katze vgl. annam. nteo^ chines. utoo. Paralao gehn
lassen {pa Vorsatz, vgl. Bugi Ido gehen, loro loslassen, palao
gehen lassen. Auch ra scheint Vorsatz zu sein). Päöao Räthsel
vgl. Bahn, pödao zu erfahren suchen (Khmer pred&u unter-
richten ? Mak. boto rathen, Wahrsager?). . Rapao reiben
(vgl. rapök tasten). Hajäu grün =mal. ijau.
, All entspricht dem u malaiischer Sprachen: a/Aatf Hund
= jaw. hastt (Kantscho asmi^ Stieng soti^ Rode und Scharai
Äö, Bugi = Mak. dsii). Dahlau vorher, vor = dihlau aus
dt und halüw = mal. dauhi von idu Haupt. Kuyau Baum
= mal. Icayu (annam. cdy), Lakau bitten = daj. laku.
Tathau Busen (tasau Aym.) = mal. susii,
Ang ist = mal. ang. Ganang längliche Trommel =
ghndang (vgl. gendSrang). Hadang Seefloh, Krabbe (franz.
crevette) = ?/dan^ Garnele ; in der Bedeutung „bis** (en atten-
dant que) ist es wohl verwandt mit Bahn, dang Mass, 2ieit
und mal. sM^ng „zu der Zeit". Kujang Zelt, vgl. mal.
kajang „Blättergeflecht** zu einem pdkajangan (jaw. Blätter-
bude). Labung Loch = mal. lubang, — Bntang Netz ist
wahrscheinlich = pontong dgl. im Khmer, bdndong im
Makiussar, hänrong im Bugi. Bakwang Krug. Liwang mager
(vgl. mal. lampai schlank). Aydng (adoh) singen, sich
lemanff U«isgcriolit,
lämmiing gekochter Heis.
cdm Reisklei« zu Liebe a
HhtUff. Oebtr flen WOrtertichati drr Tncham-SpTiicht. ^'75
u (T|fl. Mttk. röifong singtiii kii E^liren mat neii-
Kiniicfi). BiAang bücken (v^l. mul. pandang),
iny LitacUi, Drachenaugenfnicht. Qawang auf die
Spule rollen (Tgl. juw. gawang Kjiluueii, boteeng hulib Kugel,
Wpcbn-I VUQ 4} iiiiil h in ^ui^unjr, btucung weggeworfen,
Bugi tnAong Gold npuleii, Mak. gulung aufrollen, galenrong
Knäurl: dieoe» erinnert ind«S!< mehr an das Tscham-Wurt
galmtg rnllun; nml. gawung Hühle). GaÜatig scliweigen
(vgl. Mak. mdang si\\U). Kaniang gebackeuer Reis (vgl.
Mak. äpang KeiHkucheii , Bugi
Sollte d)iä k dem anaaDiiischen
1 die Stelle des l getreten sein?}.
Ktinnrang »telilen mit eingeacbobeiieni «mP (vgl. Mon klat
atolileD. kamlat Dieb. Krnk ist ,iiiHgeheiin'' im l'Kcham,
Idik .ntehlen*. Vgl. auch Stien»; kömang Dieb, aiäin. khamoi
iffi. Auch bei den Nikubaren kalük st«hlen, hamalöh Dieb
a. (labeleotz in den Ber. d. k. aaclis. Gea. d. Wias. II. JuH
I88.'i j?. H07). Katmig (ßlang-) Hof; unter ßatig findet sich
fat^Hff, fitang ist auch Licbtting, offenes Feld. Galang
Blle (Ayni.), vgl. mal. galang Stütze. Werft. Vielleicht
. kosong leer ku vergimt:lien. Äehnlichen Klanges ist
Wjr in ptang kadawj in Kile (phiiig möta gebiendut sein).
ÜMNciRj; in ngati möta lamang pang laniOtig pütig bestürzt
aiuceben (ngah iiiachnn, mi-la Äiigeii)> worin patig and pOng
viWlericlit nur eine Wiederholung iler zweiten Silbe; vgl.
Uak. lümiong ßberrascheii. — Ltjaug .auch' iwt ^ lei und
jüitg. — fääang wetten (mal. prang streiten).
m-J'^Sf i^*^ ^' i^9' '^S i>i ^^^ malaüfcben Sprachen. Daning
r (Wand?) = Bugi ränring, Mak. rinring, bat. dinding,
mifeng. Uanring Scliilf- oder Oroshalni xnui Aufziehen
rPimJien, vgl unil. spring Hechten, Bugi hinräng Faden,
rt'mräug Tau, Mak. ränrang dgl. Päning Vorhang (Bugi
§mirmg dgl.V) ^ Khmerftiinynim, veavgnön Vorbang(V). Äting
Kachmg bouton Iwi Aymonier<=niHl.£unMin^.
^u
376 Sitzung der pküos.'phüdl, Glosse vom 1. Mars 1890.
üng ist = ung {ing, ong) in den malaiischen Sprachen.
Gcdung wälzen = jaw. gulung^ mal. guling, vgl. anch im
Khmer creleng Rollen (aus dem Malaiischen?), daj. ^m-
lang-galing, Adung Nase = mal. i4ufig (Scharai und Rode
dungy Moura). Lithung Mörser = mal. Usung. Kaning i
lebende Fische aufbewahren (Landes vergleicht annani. rong ^
cä^ worin cd ^Fisch* hinten steht; das Wort niüsste also im
Tsciiam umgestellt sein. Vielleicht aber hängt es mit jaw.
Jairung Gehege, eingezäunt, kurungan und mal. kunmg Käfich
zusammen). Labung Bambuspross == Mak. Ubong^ ^^ ^ob-
bung junger Bambus. Päbimg Giebel, First = mal. bih
bungan^ bubungan, bumbungan , jaw. wuwung (Grawfurd).
Anung ein Schooss voll u. s. w (vgl. Bahn, anung, nung
Päckchen, einpacken). Gatung ziehen (vgl. mal. atung das
Ankertau kurz, anziehen?). Halung Damm zum Füichen
(vgl. Bahn, holung Graben). Tabung Geister todter Thiere,
hamü — von solchen besessene Reisfelder. Tarung ver-
worren (vgl. Mak. rämbang^ ämbang^ Unibang dgl. und bat.
rumbang-rambing zerfetzt, wenn man ta als zurückbezüg-
lichen Vorsatz und in taningpung-tarungpah die letzten
Silben zum Stamm nimmt); vgl. auch Bahn, töröng wind-
verweht.
Für eng finde ich nur ein Beispiel: jaleng Hacke (vgl.
siam. cha: leftg Eisenstange zum Ausheben von Steinen).
Ong scheint theils mit ong^ theils mit ang oder ung in
malaiischen oder hinterindischen Sprachen zu wechseln, in
welchen letzteren es sich (von etwaiger Urverwandtschaft
abgesehen) auch zuweilen um malaiische Lehnwörter handeln
mag. liimong Tiger (ramang bei Moura) = jaw. (fmong^
mang, mal. erimau, rimau, KanWJio remong, Scharai 1/inwfig^
Kode immig, Fäßong zielen scheint mit dem Vorsatze pä
gebildet (vgl. Bugi abang sehen, Tscham ßöh sehen, ßok
Gesicht). Farofig Böses zufügen (vgl mal. prang Krieg,
bekriegen, jaw. prang, w^rang, Bugi bäwang Böses tiiun).
Hmly: Ueher den Wörterschatz der Tscham-Spracke, 377
Cakoftg zu Zweien tragen, dagang im Schnabel tragen. Da-
rong Radkoffer. Anong tragen (an einer Querstange), ebenso
im Bahnar, vom einfachen fwng^ Stieng tung tragen. Anrong
Käfig = Bugi urung, mal. kurung^ Khmer trung, Atong
schlagen (Scharai fang), Barong (tdkai) Spann (des Fusses) ;
Tgl. barä Schulter, im Malaiischen hura-kahv^ rong ist im
Tscham Rückgrat, im Bahnar Rücken. Galong Loch, Aus-
gang, Lage (vgl. Bugi gäro, gdrowang; mal. galang Unter-
lage, galangang Werft). Ganong zürnen (vgl. Khmer
kkSng dgl., daneben Tscham gmig verhindert sein). Halong
Schaar, Gefäss, Eimer (vgl. Bugi örong^ wörong Menge, mal.
balang Kanne, Flasche). Kadong Ueberbleibsel = ködöng
im Bahnar. Panrang Hofmann, Grosser. Landes verweist
anter prong gross auf dieses Wort, in welchem er also
wohl an als eingeschoben betrachtet. Auch das Stieng
hat neben preh gross: pöndreh dgl. Aymonier vergleicht
ebenfalls prong mit panerong^ glaubt aber, dass dieses, mehr
oder weniger verändert, auf den malaiischen Eilanden wieder-
zufinden sei. Roorda leitete pangeran (pängerang) von nger
(^=ngenger) dienen ab, obgleich es „Herr", „Fürst", , Prinz*
bedeutet (vgl. Minister in der lateinischen Bedeutung). Doch
kommt arung , Fürst* im Bugi vor. Prong findet sich auch
bei den Scharai und Rode. Bei raJbong Graben bleibt es
zweifelhaft, ob es mit rtoök graben zu thun hat. Im Bugi
ist hnpang Graben (das Zeitwort ist das mal. gali, woraus
galian Erzgrube, Steinbruch), hibang Grab (fämpung). Aehn-
lichen Klang haben Khmer robdng Zaun, Pfahlwerk (Stieng
rdbang^ aber bang umzäunen), mal. rubing Stückpforte,
ruwang Zwischenraum der Stander und Schiffsrippen. Ratong
Name eines Fisches. (Landes vergleicht anuam. cd long
Umg). Tabong Wagenriegel = Stieng tröböng Wagen wand
(vgl. auch mal. tumang Pfahl zum Anbinden von Vieh);
iabong tyan Jemandes Herz zu erforschen suchen (vgl. Bahn.
idmöng anhören, mal. timbang abwägen?); mai ^^^^^^ma
378 Sitzung der phüos.'phäol, Classe vtm 1. März 1890.
kommen, um wegen einer Heirath anzufragen (hier ist tabcng
vielleicht gleich vorigem , ausforschen* ; indess erinnert es an
das malaiische tamhang bini ,eine Gattin (bini) binden (^ont-
hang\ sich nicht wieder zu verheirathen* ; vgl. Bugi tämpang
festbinden, tämjpa Geschenk des Bräutigams). Tamang Mittel-
rippe des Bananenblattes (vgl. mal. tumang Stock zum An-
binden von Vieh). — Langes ö findet sich in daköng zu
Zweien tragen; among Handfläche, Palmenzweig (lat. palma),
vgl. iatnong^ wie mal. iibung binden mit tambang (Mak.
ämbang); raböng Gebüsch, Gehölz = Khmer robäng Zaun?
Öng entspricht mal. ^g in panöng Betelnussbaum ss
pinhig (Grawfurd gebraucht für diesen wie u in hubbub
gesprochenen ö-Laut ä, die Niederländer ^). Lanöng weit,
gross (vgl. jaw. lana beständig, umherschweifen, lang^g
ewig, lannang gross, stark, männlich, mal. longgar weit,
13ugi rdnggeng weit, lonrang sich erstrecken, lagänni aus-
gebreitet, Mak. rdnggang, langkara weit), oanöng nach-
denken (vgl. mal. Mn^ig überlegen, sangka dgl. aus dem
Sanskrit). Thufnöng freudig (sskr. simmnas^). Adyöng Skorpion
ist auch im Balinar adiang. Akyöng Seite (Khmer khang dgl.).
Amyöng mit ^tow^ (^sehn**) davor ^das Loos befragen mit Hülfe
von Loosbüchern " . Aymonier führt etnieng als Dalli -Wort
für mieng und glung in der Tscham- (letzteres auch in der
Bani-) Mundart an in der Bedeutung „sehn*"; sonst konnte
man an ein Buch denken, wie im Malaiischen das Sanskrit-
wort jmstaka für Wahrsagung gebraucht wird. Hajyong
„darum'^ sieht wie eine Zusammensetzung aus dem Vorsatz
ha mit jyöng „werden** aus. Jamöng „Stock zum Anbinden
von Vieh** sieht obigem mal. tnmang ähnlich, und Wechsel
zwischen Gaumen- und Zahnlauten sind nicht selten in
malaiischen Sprachen. Lapyöng in der Verbindung lapik-
lapyöng zart scheint nur Wiederholung derselben Wurzel
mit anderem Anhängsel (vgl. mal. lapuk^ rapuh schwach,
rapih Krume, Bischen). Mönöng Art Mehrzahlzeichen, mö-
BttUi/: t/über iUh Wörirrteltat: der l^cknm-Üprache,
379
ie Gineu, die Andern = Bußi ntänäng alle.
MSlyÖHg, vollstündiK mölyünff katiö (einem Fürsten) dienen,
^Geiet«! und Todte) verßhren. Kam ist nach Landes ein
GniM an den Köni^, Im Jawani^uben Ut miäe opfern, pa-
mule Bexeufpmfi von lÜhrerbietuiig, müu, mdu, hilu folgen.
Die AnnMJc mit kanÖ ohne mölyönij findet sich 8. (:> der
Umsdirifl der ersten der von Lande* herausgegebenen Er-
uüblungün-, nie biubet kanö dlnd palak takai möh i/nnröh
pdtroi, rtwn ^kam ich niiuthe mieli dhtä /.um Staube palak
takai .der Sohle dea Pussefl* möh .des goldenen* ganröh
pAtrai .der ffirMtlicben Mauht*. In derselbe» Kr.eähluDg
kummt S. 12 mall/mg kam im .ihm dienen* vor, wo kano
mit mötyöng gleichsam ein Zeitwnrt bildet, von dem An ab<
hinuig »t. Die Anrede .Staub der heiligen Füa^e* (in
äun Utuli prabhat) könnte ein vorhergehende« .ich",
.Dieuer* oder dergleichen voraus-iitt/en lassen; da« .'scheint
nbut mit dem let/tgenauuten kanö nur insufeme statthaft,
■Ja diu Sprache /.wischen Hauptwort und Zeitwort nicht
aotemcheidet und etwa sich dazu eignende Fremdwörter mit
«iosndor rvrwecliselt, wenn es .^icb nicht um einen zurätligen
((iüiehen Klang der Auwlrücke fßr zwei ganz verschiedene
Bq^fT« handeln Nollte. Ein königlicher Arbeiter heisst kar
inskr. kärin^). kanö könnte kara^it, hindust. karnä .thiin",
bwr .Frohndienste thun* »ein; allein in Jenem Satze kanö
dkut ... int GS vielleicht besser aus gana Schaiir (in Siam
khatia) EU deuten, wie bol von bala einen einzelnen Frohn-
knecht bezeichnet. Ahnt wie ist mölyöng zu erklären mit
frtlgendeni kanöf Im Jawanischen erscheint obigts mtäe
auch mit der sonst die UrKache ausdrßekenden Endimg als
mtitekkaken. Bin Znsainmenhuiig mit miila .Ursprung"
Ummi iRcfa etwa «u denken, d&tu die Verehrer die Herkunft
des EU Verehrenden rtibmten; ich weiss indes» nicht, ob eine
«•migeriiuM'en enUprechcnde Ableitung in dieser Bedeutung
^^aakbfu ist. Gine ähnliche ZuEamnienstellung wie lapih-lapyöng
i
380 Sitzung der jthüos.-phüöl. Claase vom 1, März ISSßO.
ist patih'patyöng weiss (von der Farbe der Haut) ; patih ist
=: mal. ptäih weiss, die Nasenlautendung von paty^ng ist
zwar den Grundsätzen der malaiischen Sprachen nicht ent-
gegen, doch ist sie hier auch in dem Mon -Worte pttng
„weiss* enthalten. Canöng Bett ist s» Bahnar cönang^ vgl.
mal. j^^ng Pfosten, jaw. jinnem Schlafstelle, Bettstelle j
Taryöng Arbeiter (arbeitsam? vgl. fieng fortwährend im
Khmer). Gani^g porter sur Tepaule bei Aym. (= gahöfkg^).
Am = mal. am, ^m. Dalam in, tief = jaw. cUiUfm
in. Pädam löschen = mal. padatn. Mölam Nacht = mal.
maWm- Hadam Ameise = keddni im Silong, mal. sUmvJt.
Hatam schwarz = mal. itam (das einheimische Wort ist
jtik), As hat das Malaiische in galas „auf der Schulter
A
tragen* gegenüber Tscham galam. Agam unsittlich (vgl.
sskr. ägamana). Mötham (vgl. jaw. hasSm sauer) für Eüssig
ist zu vergleichen mit möthin jaw. masin salzig, ge-
pökelt neben asin. Ausserdem bedeutet mötham sich be-
kleiden. Zu päöam Fische einsalzen vergleiche dam Ver-
sammlung? Ranam (Bast, rünang) lieben nach Moura =
Scharai anam^ bei Landes mit vorhergehendem anit (bemit-
leiden , lieben) sehr bemitleiden, bedauern. Ranam ab-
nehmender Mond bei Ayraonier. Baöam scheint nur in
tapai-raöam Krapfen, Art Kuchen vorzukommen.
Im entspricht mal. am in möhyim weben = mal. atUim.
Dalim Granate (mal. delimd) = sskr. dä^ima.
Um = mal. ^^m. Jarum Nadel = jarum, Möhum
(mihum) trinken = mal. mimim^ jaw. hinum (Rode minomy
Scharai nhum). Hamm Hülle ist vielleicht mal. sanmg
(vgl. oben halwei = silau Schatten wegen des Wechsels
von h und s). Kabtim in den Mund nehmen (vgl. mal.
kebem sich auf die Lippe beissen). Päfum in p, dbih Alles
zusammen ist päjum, a)um im Bahnar (vgl. )um ringsum im
Stieng). Zakmim goüter (annam. nhäm, Landes); im Bahnar
ist Mm kosten, nam xa Zukost; edk also wohl = xa essen.
Hindy: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 381
Die hier zu Gebote stehenden Worter auf otn scheinen
alle mit Vorsätzen versehen zu sein. KafUom da ja, wenn
{= ka + hdlüw -{- yom?), Möom sich einhüllen. Päyom
zum Kaufe anbieten (vgl. sskr. prayam?, jslw. payti^ pajang
Werth, gangbar, yerkäuflich) ; vielleicht von demselben
Stamm möyom loben. Ein langes ö haben lingom und pa-
s&m, lAngam umpflügen wird mit lingan Pflug zusammen-
hangen (s. o.), wie hiudust. ndngamä pflügen mit ndngar^
langal Pflug; das dm ist vielleicht aus einem dem malai-
ischen uma Feld entsprechenden Worte verkürzt. Pasöm
denken, voraussetzen.
Hinsichtlich des Auslautes ^ ist es denkbar, dass er dem
anf t verwandt ist und in Wörtern malaiischen Ursprungs
aus letzterem entstanden, wenn öapSä mit den Fingern zer-
krümeln = jaw. dapit kneifen sein sollte (vgl. sapit^ supit
Zange, dXping fassen und die Tscfaam- Wörter 6aßöh heraus-
ziehen z. B. einen Dorn, öaßoh anbeissen von Fisch und
Angel, daßtvöd Schnabel). Auf ad finden sich die drei Wörter
galad^ hamai und öaßaö. Galad umwenden scheint verwandt
mit galung wälzen (mal. giding^ Dajak gnlang-galing); doch
kommt ihm am Nächsten Bugi (fna)gultci kreisen , sich
herumdrehen. Hamaö einen Geruch von sich geben. Öa-
ßad bedeutet mit vorhergehendem adat (arab. Sitte, Gebrauch)
Loosbefragung, Sühnegebräuche: das Wort für sich scheint
verwandt mit obigem öaßoh usw. und die Wurzel auch ohne
Anhängsel als chäp nehmen im Khmer vorzukommen, wo
chäp chhnol = loosen, chhnol Loos.
lö scheint sich als Anhängsel nicht zu finden, da ta-
Iwiö letzter mit dem Vorsätze ta aus lunö gebildet ist.
Auf iö finde ich noch ausser obigem öapiö das Wort
dtikled Art Seezunge (annam. cd trau nach Landes); im
Bngi daJuUäng Name eines Fisches.
Od findet sich ausser obigem öaßwdö Schnabel ('
382 Sitzung der phäos.-phüdl, Glosse vom L Märg 1890.
man noch das Khmer-Wort chämpu dgl. vergleiche) in öäkwdö
Spucknapf, welches wohl von kaduh spucken nicht zu trennen
ist. Sollte Bugi amüung von %nidu speien damit zusammen-
hängen, so würde, abgesehen von einem möglichen Verfahren
nach äusserer Aehnlichkeit mit Bildungen vermittelst des
Vorsatzes Ära, das k nicht stammhaft sein.
Ud erscheint in möüö, welches mit dem gleichbedeuten-
den möin sich vergnügen (mal. mayin spielen) verbunden wird.
Unter at finden sich anscheinend mehrere Fremdwörter.
DaJchat und dakhah dakhat Almosen spenden sind eine
augenscheinliche Verkürzung vom arabischen gadaqah^ — i
Almosen (mal. gadakat Almosen, gadaJcatk^ Almosen spen-
den). Die verschiedenen Bildungen aus der arabischen Wurzel
finden sich in den malaiischen Sprachen noch anderweitig
wieder mit theil weise neuer Bedeutung: Wurzel gadaqa
wahrhaftig sein, giddtq aufrichtig, jaw. sidik wahr, scharf-
sichtig, wahrsagen. Ob hier einfache Verkürzung oder Ver-
wechselung der ersten Sylbe sa mit dem mal. sa «eins* oder
dergleichen vorliegt, ist schwer zu entscheiden; übrigens ist
auch das sinnverwandte arabische eakd(t) von malaiischen
Sprachen als Fremdwort aufgenommen und, wie jenes, um-
gewandelt worden (vgl. Bugi jdkkd^ welches Matthes von
letzterem ableitet, = säkkä^ jaw. jfaAra^ in welchem letztern
) nach gewöhnlicher Lautmnwandlung, obgleich auch Roorda
arab. zakät dabei anführt, vielleicht auch nebenbei auf ein
d hinweisen könnte vermöge einer Verwechselung). Möirat
^nachdrücklich* scheint auch aus dem arabischen irädeh
V
„Wille* gebildet. Sakalat Flanell ist das auch ins Malaiische
aufgenommene pers.-arab. saqaldt. Pägat lügen, trügen ist
nach Landes aus dem annam. gat trügen gebildet. Pddanai
offenbar, ersichtlich ist vielleicht = sskr. prajnävat ein-
sichtig. Parat fremd = sskr. parävat fern?
Von den Wörtern auf it kommt asit , wenig, klein*
auch in der kürzeren Gestalt sit vor. Hamit und möhü
llimli/: Ifrbrr Jen Würlfncltats der 'fi«:httm-H [•nicht 383
.liören' sind vielleicht aiw eiiier Wur/.el hit t^ebildeL mit
d«Lin Vorsatz mö udü dem Kinüchiehsel am; v^l. Jedocli niiet
bei A5mii[iier. ihinit mit folgemlem ifanrOh ,/iauberkrnft'
ist nellmcht = wkr. stmllt gul« Sitte stutt des einfachen
kU(. At»ü liemitleiden. lieben (siäm. an'd, aber nescbrieben
omJc, im Khmcr anüt neben sinn ver wund tem müa coriia ana
«akr. milra Freund und knra^ tnactien? v|^l. sskr. linata
güii^lt *oD naiti, TifA-i kÜRseii? pranikS dgl. we||;en on'iV und
im Hintiiiäcbfn pranit [{rDsaen, anbeten, pra:vSm die Hände
Uten, praitül /w«tiöt» nitt erbo!)eneii Händen anbeten, pratii,
meia proHi Mitleid, /trati! pranüm nachsichtig sein, bei-
«tininitT» , sakr. pranam «icb verbenRen , verehren) -, vgl,
auch mattät lieben, bemitleiden im Bahnar. Kaltt «elbe
Schabe (Bu|j^ ka/if/o, Mak. kadfiwä, mal. kredek, Khmer
eanial). Pätit Kanne, Topf (Landes vergleicht unnuni. tnnh
tiek, worin tnnh dm chinesische pkitig l'lasche, Hch anf-
bewKhren; danach wäre pH Vurttutz nud iü = lieh. Dan
Bugi-Wirrt p'ifi übersefett Matthes mit dem holländischen
poije, ohne au s&gen, ob er es für daraus abgeleit«t hält.
Im Mahtiiicheu iitt pasu ein WatMer^erüts). I'alU bai^oire bei
Ayrntmier ist vielleicht wie mul. batil uns säkr, txUra zu erklären.
Aaf «/ ist padrut traiirig nach Landes von einfachem
dnä «t)gvlcjtift, wie das gleichbedeutende padrwöi (padrön)
roD drög (vgl. juw. turn 8cfalaf, sarc dgl.. mal. siirut Khhe,
•bnahttien, hinschwinden, inntn tiinkeu, jiiw. sjinä abnehmen,
«terben, Ictittrc« altjnwauisch. före Abend, sur fallende Sucht),
ZwMcJien * und r hchnindet der Selbstlauter leicht; harte
und Weiche Laute sind nicht scharf begrenzt. Auch tnöytit
lidtvlii, den Uof machen, stumuit von dem einzeln vor*
kooimenden ipä befreundet (vgl. «skr. y;i/a verbunden?) Als
wirklichee Anhängsel acheint tä jedoch ?,a «tehen in tatnii
FI«tM:li brühe <vgl. mal. tatiak ttieden) und in taeitl, welche»
mit vorhergehendem lajH niedlich zu betleuten acheint (vgl,
arab. loifiif bQhb, augenehm, la44'*t .4nnehnilichk«l«n,
Javft iatat in beiden Bedeutungen ).
384 Sitzung der philosrphäol. Classe vom 1. Märt 1890.
£t ist yielleicht = mal. it in awei Stück (vgl. mal.
rabit zerreissen), wozu indes» wohl das sinnverwandte awan
zu nehmen ist (mal. abuan Theil? vgl. auch sskr. avayavin
getheilt?). KusH (mit po «Herr*" davor) Name eines Geistes.
Mögit Fräulein ist nach Aymonier = mu «fille* 4~ ^•
Tablet loslassen ist wahrscheinlich mit vorgesetztem ta ge-
bildet. TawH Kiebitz = arab. thätuAt.
Ot = mal. ut (ot). Balot mit vorhergehendem höh
(Zahlwort ftir runde Gegenstände, hier wohl einen Knoten)
Knoten des sarong genannten Kleidungsstückes, dessen Falten
zum Tragen kleiner Gegenstände dienen; vgl. mal. haltd
einhüllen {barot gürten), Bugi balädi zusammengebundene
Blätter, die demselben Zwecke dienen (letzteres sieht freilich
aus wie holländ. blöderen). Kathot arm (vgl. khsat dgl. im
Khmer oder sskr. kadartha Elend?). Pärot gelüsten (sskr.
V
prärth*^). Satot, datot hocken (vgl. jaw. ^144^1 sitzen, Bugi
tiidang, mit Stamm toi und m = mal. sa?).
Auf üt finde ich nur tnöfiüt^ welches mit vorhergehendem
al)ih „völlig" in der Bedeutung ,,durchaus* gebraucht wird
(vgl. jaw. maniä folgen von tut),
Ap ist = mal. np in hadyap lebendig = mal. idup;
in der Bedeutung „beleben* entspricht idupi (wegen der
Bedeutung „Gattin* s. o.). Kajap sicher = Khmer khchop
= siam. kaxab (kaxwai) gesund, stark ist vielleicht =
sskr. kdryavat geschäftig {kajap-karö ist stark, gesund, karö
stark, vgl. mak. und siam. karö-karö h&stig, und prakr.
ka))a für kärya), Rahap ist der Name des arab.-pers. riibdb
genannten Saiten-Ton Werkzeuges. Haläp Teich, Lache (mak.
kaU)bang Lache, kaliboiig Loch, Bugi kaläbbong, aläbbong
dg]., pers.-hind. taldb Teich ; also durch Verwechselung des
ta mit dem Vorsatze ta? Vgl. auch mal. t^ah sickern,
Tscham hahtk durch den Boden gehen). Kaöap sich ver-
bergen, auch kunkadap (mit Vorsatz fo/w, Stieng k(h}, kadap aus
ka und dap s. u. öp)^ Bahnar ködap, Kalap cancrelat rouge
Him'ly: Ihher iten W6rttraehatz der Tucham-SpritrJir.
(ntbe Schabe?), fgl. kalit ciincrelat jaune (gelbe Schabe?),
vwllnicht Yijii »tkr. kalipa .Menge"? Jialap Bohne (Fnicht
Aks bahn eil Lrageoil eil Korallenliaumea? mal. ifa^p, Bu^
rdda'f). Püffap coni|mrer (sskr. prakhyilp rdbriieiiV). Dt
Man labik kyöny patfap ö man wu^te an nicht genug zu
rOhnienV Pagap jom enviroiiV Daher wohl butiser von ffup
,pa-«eiii)* iil>ziileil*ii. Päkrap schweigen, versdiweigen, vgL
Bühnar räp, krüp aiiÜaticrn. Tttuham kralc insgeheim. BaÖap
Tertntiit Min, hd radap Oony vertraut sein mit (vgl. Bahnar J
Öp ist mit einiger Sicherheit als AnhängMel noch nicht \
uai^lixu weinen. In doAöp Versteck (a. o. kadap) steckt dü^p 1
.«ich verbergen* mit auch sonst vork omni ende ni Wet-hsel I
^d und &y Tgl. jaw. ^4fp Heiailichkeit. mal,-jaw. gla^j)
Kiiwi 6ap untren: daher der BtigriÜ' Aen Hockens?
r diip decken. — Dayop Abemldüniniernng, Bahnar yüp
Ganifiip Zange i^t durch Zwischensatz a« aus ffi/Op
äfra gebildet, l'äköp verbieten. Taiöp scliniutzig, auch
L'lünut dg), (vgl. kip Nacht ¥).
I^Auf äp endet i/aniip reich, R«ichthum (vgl. askr. katiaka
t tiifctn. ito.'RtJ. vgl. kamäb verl)iQden, jiiw. gt^nap voU-
Dajak ffenep jeder). Ftaßüp mit vorhergehendem
i elend (vgl, jaw. r^bih rfbih betteln, riba schüchtern,
nUm dgl.). In moiut^r Besprechung der Oout«» tjumeK (>5tt.
gel. Ani, 1888 Nr. 18 S. 690 hatte ich, von der ümaehrift
S. II irregeleitet, nach dem Zusammenhang die Bedeutung
.»eiir' ftir .urui* dem eiii7.t;luen raßak geben /.a »ollen ge-
glnnlrt: ich »ehe aber, dnsM der Urtext ralap den Namen
des ToitwerkKtmges b. o. hat, wa^ dem tieeanimbiinn nach
du oiincig Itichtige i>it.
■ 'Bei obiger Aufzählung mehrsilbiger Wörter sind manche
' Acht gelassen worden, bei denen die Bildung mittels
t pd, mä i»w, keinem Zweifel unternorf'cD war. ,
wd, das» im äiissersti-ii ^h^en diu Anoi
386 Sitzung der phüosrphüöl, Claase vom 1, März 1690.
wie Yoni Chinesischen beeinflusst, ganz einsilbig geblieben
int, während an der Westküste das Mon manche Spnren von
Vorsätzen, die dazwischen liegenden Sprachen des Stammes,
namentlich im Falle des Khmer, grossen Ueberfluss daran
zeigen. Alle mon-annaniischen Sprachen (freilich auch das
ganz verschiedene Thai) haben die Nachsteihing des ab-
hängigen Wortes mit dem Malaiischen gemeinsam, die des
mittleren Hinterindiens, wenigstens das Khmer, das Stieng
usw., auch die Wortbildung durch Vorsatz und theilweise
Zwischensatz, entbehren aber der Wortbildung durch den
Hintersatz; und letzterer Umstand scheidet auch die mal.-
mon-annamischen Mischsprachen, wie es scheint, streng von
den eigentlich malaiischen. Vom Malaiischen im engeren
Sinne sagt Grawfurd zwar S. 9 seiner Sprachlehre, dasselbe
Wurzelwort stehe oft als Hauptwort, Eigenschafts- oder Zeit-
wort je nach seiner Stellung, indess ist doch die Möglichkeit
der Unterscheidung vorhanden, und zahlreiche Vorsätze sorgen
für dieselbe; worauf es hier namentlich ankommt, ist es
aber auch ein Anhängsel — an^ durcli welches ein Haupt-
wort aus dem Zeitwort gebildet wird, z. B. alahau Nieder-
lage aus alah unterliegen. In cUahkin unterwerfen sehen
wir ein anderes Anhängsel -kSn , welches wie -i (nur in
anderer Weise) anzeigt, dass die Thätigkeit sich auf ein
Ziel erstreckt. Ebenso hat das Jawanische die Anhängsel
an (^n)^ aki\ akihi und i, das Dajak an und e (zur Bildung
von Hauptwörtern), das Bugi ang^ äng und i, das Batak
an^ Ofi usw. Bei den genannten Mischsprachen, wie dem
Tschani, aber sucht man danach vergebens, als eben einem
dem (leiste der mon-annaniischen Sprachen Wider8])rech enden.
Anders verhält es sich mit den Vorsätzen. Hier ist es
im Tscliain namentlich der Zeitwörter bildende Vorsatz traö,
welcher dem Tschani so zu sagen ein malaiisches Aussehen
gibt und dessen Bildungskraft anscheinend auch noch nicht
erloschen ist {boh Ei, Frucht, möboh Eier legen, Früchte
tlmly: Uthrr drrt Wörtenehatt .irr Ticham-Sprarht.
1J87
VrI. mal. laif'm verschieden, mSlayin verst^hieden sein,
\mho hoch, matunbo hoch s)>iu, jaw. urttfi Lohe, miir7ib
, Aui- üttlotig tlüwiiin, monlonff gewinnen, Bugi hissinff
schön, mäkäsging »chiin sein. Msk. lUirong Mutter, mätinronff
eine Mutt«r h&heii. Der im Tsfhum sehr hilufi^e Vorsatz
fxl. wvictier nrsÄchliche iCeitwOrt«r bildet, findet sich bald
in dentelben (ieatttlt, bald mit anderen äelbstlautem, bald
»(■rltßrxt oder v«rliint<*!rt sowohl i» den maUüschen Sprachen
all in den inon-annamiMchon wieder: bäd lernen, lesen? pd-
bAf. lehren, daj. lemfmt entstehen, palembut hervorbringen,
Bitgi ddra Blut, piulära bliit.en machen, v<^lf Icouimen, pa-
päte kommen lassen, Male, rässi voll, jnrässi füllen, }tiri
wmlen, pajiiri machen, erschaffen, kamb. rien lernen, prim
l«hren, Sti<^ug chöt üterben, pötichöt tödten, Mon Itiim zer-
fitUen (»ein, pluim zei^tören. Tä hat eine surllckbezUgliche
Bedvatnng und findet sich ähnlich im 8tieng wieder: galung
t&gaUmy sich wälzen, ^tieug pom schlagen, tapom
scblsgeo, dap zurechtsetzen, tadap mehrere Gegenstände
thtMt]E«n, Umi) auf der Schulter tragen, tatu»g zu Zweien
lOfteti. Im Stietig wird la vor Beuenmingen junger Lente
(«l«? Untergebener gvsetzt; im Tscham ha'wn wir diesen
(jehrauch z. B. bei tow, laötno junges Mädchen. Im Bugi
beMicIiDet da die Mutter dejijenigt;ii, ilesaen Namen folgt,
le den Vater. £las vereinzelte Vorkommen von hm in
htnkaöap bd »tien erwähnt worden. Atemur sagt von kön
(aU cimw-lu« Wort .Theil, Ort, Mal*), es kiinnp betreffeii-
iten Wartern bald vorgesetzt, bald ohne Veränderung der
Bedeutung fortgela.'i>en werden: so ist bök weiss = kötibdk;
über uNb;hliche Bedeutung hat e« lu konjur herablassen
Toti jfir herabsteigen und ebenso wohl in könäar Angelruthe
»on dar aRg<^ln. womit im Khmer kÖmb^f Messer von bSt
«htKiden m vprgleicheu. kSmphhaing (lewelir von phloeiing
IfmkVT, kUfinpffmg Spieliieug von Ifnij .iiiiflen. In latxterer
liie ist biSik zerbrechen, künibük verbrochen, bemf^
in. ]^imbang vcrborgiti.
ht
388 Sitzung der phüosrpfUM. Clasäe vom 1, März 1890.
Beispiele mit mö sind: moghang sich wärmen (chines.
khang Ofen, trocknen?), möngaJi^ welches in der Redensart
ngah nmigah thun, als ob . . . nur Verstärkung des einfachen
ngah «thun*" ist. In möhgim «weben* scheint es ebenfalls
dem mal. afiam^ jaw. anam gegenüber Vorsatz zu sein. Mö-
hum , trinken* steht zwar dem einfachen uhum im Scharai
gegenüber; doch Andet sich bei Aymonier minhum^ bei Moura
fnanhum^ im Rode minoin^ mal. minum^ dann wieder jaw.
hinum (auch im Tagala intwi)^ Bugi inung neben minung.
Mütyan , schwanger sein* ist aus tyan «Leib* gebildet.
Möthik kommt in der Redensart möthik tai^ik mölhik durah
,die See war voll von Blut* in einer Verbindung mit taxHk
«Meer* vor, welche entschieden auf einen Zusammenhang
beider Wörter hinweist («soweit das Meer Meer war, war
es ein Meer von Blut*). War es die Verwechselung mit
dem Vorsatz /«, welche hier bei Bildung des Zeitwortes
möthik das / vernachlässigen Hess, welches sich doch in dem
Worte ta^ik^ tasi weit über den Bereich der eigentlichen
malaiischen Sprachen erhalten hat, oder haben wir wie bei
mOthin salzig (mal. masin, asin) an einen ursprünglichen
Stamm asi (si) zu denken und behält das Bisaya Recht,
wenn es tasik nur als Salzsoole auü'asst, wie das englische
brine Beides bedeutet? Moni von hier scheint = mihig ni
zu stehen {mOng von) und entspricht tani und kani (vgl.
tnök nehmen, Stieng m^ig zuvor, mang mit, man hinfort;
auch das injil. mS- erscheint als fneng- vor Selbstlautern bei
der Bildung von Zeitwörtern). Möboh von boh s. o. Mö^
bläh abstreiten (vgl. Bahn, töblah sich bekriegen von bläh
Krieg). Möyah «wenn**, «auch* von dem gleichbedeutenden
yah, Möyok begleiten (vgl. sskr. yoga), Möyom anpreisen
(vgl. pai/om anbieten). Möyut liebeln von ynt Freund.
Möliik vermischen (vgl. Bahnar luklok vermischt). Möhü
wünschen zu (vgl. hü haben; hier würde mö allerdings
mehr dem mal. mao «wollen*" entsprechen).
Beispiele mit i^d (pa) sind : pa)ü sieden machen von
Itimlt/: Veber den W'örtemcluü: der Tschnm-HpracUt,, 389
i« iä«d«n. pa)yiing erzeugen, von )yönff werden. Patjfap
jagen (mit ainal dgl. ikror) von fyojj treiben (r.. B. Vieh).
i'atout Htunamlii von tum aich vereinigen (Khmer phdom
i«nim«ln, Buhn. töm ulle). Patftau zu wi88pn thnn von tltau
wtaiei]. Padar umwenden; vgl. Bahiior pidar umgeben
Vmi dar IJmkrm. Pahln vorkaufen von biet kiiufen (mal,
Mi). Papok einwickeln von pok Holle. Pamok ergreifen
Tou M^' nehmen. Payau gleich vtm yau wie. Paralao
nuMtinunder githen Iiiesen (mit ti/ap treiben, £. B. htbato
BOHiel) von roiö viele V (vgl. auch Biigi Ido gehen). Palik
fallen liL-ttten , werfen von \ek füllen (auch nga)i lik mit
mgak milchen). Palw» verführen, betrügen vun Ixeö kitzeln.
xerffen, spielen. Paiih schlafen lassen, verheirathen von
dih Mlitnfen. PadwCi schicken von dwüS Uuffu. Pa-
(ttfoh bereit, verstärkt aus ßyah genau. Päkramj beherrschen
= Mon jMtkangrang = nakr. prakaraiiam, pratikara»am'i
I1nng verbergi-M {fani) warten, Mon gfuing sich bncken,
MV ntwüi). Päkhap Heb gewinnen, sieh verliehen von
gp wQntichen, verlieht sein. Pät/nt lügen, betrügen a, o.
pan tüeh quer hinlegen von giin i^ueT, Pdgum anfügen
I gam haften. Pägaloh brilllen verstärkt aus galoh (ga-
9} K. o. Pagwöa ein Stelldieheiu gel>en vou gtcon Frist,
bectifDmt«* Zeit. Piittgik (mit laugt sein Ohr leihen von gÜi
nnhe ? ). Päfimh hineinstecken von (^roi (6roh) stecken.
P4}al umgehen (h{Met>7.en'('), nni Gehen hindern (von Jal
l>eH:faäfligt mit, in Annpruch genommen von? bei Moura
.coiuprendre* = kamb. ^"^1'). Päiök aur Khe geL>en von
ttik auf sieh nehmen .recevoir cn charge* ; Aym. tok prendre,
e{iou»er. Pätteci '/.n Jemandes Verfügung von luici folgen.
Päd^mg {jiäd^ng?) erfreuen vewtärkt aus dyt'mg dgl. Päpök
•he.n ». o. PiimÜyük \ü Oeseilwhafl;, xusiimnien vgl.
»yök (Bahnar und Khmer i/oi nehmen). PälwiS nuf-
■tbUmeii von twif: endigen. Piisiih Befriodi^i^n^ roD
PAhä öffnen von hri dgl. /'«*»»«
^00 Sitzung der philos.-phüol, Clasae vom 1, März 1890.
von hw'öl^ fürchten. PäSik krank von dih liegen? P&ßong
zielen von einem etwaigen ßong = mofig sehen? vgl. Bugi
äbang. Päßuk anhäufen (vgl. Bahnar höh viel). Pädang
auägestreckt (liegen) = dang^ vgl. Mon dang ausstrecken.
Mit ia finden sich noch folgende Beispiele: tcJcrü wollen,
lieben (letzteres nach Aymonier), vgl. pakrü Scherzworte
mökrü schön, Bahn, krüp Eindruck machen. Tathwak
sich herausziehen von thwak herausziehen. Taphia neben
(Landes aunam. phia Seite?). Talwid letzter von Itcid endigen.
Tawak eingenommen sein von — , vgl. walc hängen an — .
Tdakyak sich reiben an einander (vgl. akgöftg Seite, khang
im Khmer). Täkatwak zittern = katwak. Takdprah ab-
prallen von pärah werien mit Ausstossung des d und Vor-
satz kä, Tdlibuh (tdldbnh) missgebären anscheinend von
Uhidi fallen, mal. lahüi fallen lassen, aber vielleicht mit
mal. luput „verfehlen'* zusanmien hängend und salah dgl.
Sdla-snlang ist im Bugi = Missgeburt.
Wegen des vorgesetzten ka oder kd fragt es sich, ob
eine stren<(e Scheidung des Wortes kd „geben** (Stieng /fö,
Mon kuiw) von dem Verhältnissworte kd durchzuführen ist,
welches im Tscliam (wie kö im Bahnar) den im Malaiischen
durch andere Wörter bezeichneten Wemfall ausdrückt, während
das malaiisclie ka die Richtung bezeichnet, für welche das
Tscham die einfache Nachsetzung des betreffenden Haupt-
wortes gebraucht. Dennoch scheint es möglich, dass in dem
Satze wck dok kauk hwöö dd kdlahik min (S. 4 der Um-
.^chrift des Mährchens vom Balok Lau) „ich** (die Mutter
mek) „fürchte" (dok kauk Jnvöd dd) ..sie** (nämlich die drei
Ziegen) „gehen verloren** {lahik verlieren) das kd das im
Jawanischen und Malaiischen zum Ausdruck des Leidens
Zeitwörtern vorgesetzte ka ist. Anderseits ist nicht ausser
Acht zu lassen, dass lahik nach dem Geiste der Sprache an
und für sich schon „verloren** bedeuten kann, und dass kd wie
das gh»ich})edeutende chinesische kei geben wie unser „lassen**
Jtimly: üehtr dm WArlffuchat! ilrr Tenknui-Spraehe. 301
ttnt abhinKii^fini Hauptzeitworte gebraucht wird, wie S. II
%, o. O. i(i uraui/ thüii .Jemand zu wissen geben* (vgl. ebd.
(Wi# Ar« Bahk-Laü ganrvh .sie wuaste, daas B. Zauberraacht
gi!}(B)iea wäre'), S. 202 h/Ung kd kau mötai .willst micb
»lorben InKHtm". Ans dem Begriffe .gelten* entwickelt sich
rc>lf<«ni;htig der von .tilr", welchen Ad in dem Satze der hier
büifolgendea RrTÜhlung ausdrückt: dtimig tä tith di hakaw kd
urang, WusKcr tragen, den Tabak für die Lonte zu begieesen*.
Indes» kommt ka auch nnch Ayinonier in der Bedeutung
»Oll ,in" vor {ka lamo .dan« le nimistiiiiiaire". Sonst ist
tii äatam ^ ,iii* ; auch bedt^utet kSlatnhu itn Malaiischen
achoa allein einen Vorhang. Sollte hier ein Mit(aventt,ändniHs
KU Grunde li^^n?). Auch die Bedeutung .gegen' (envers)
glanbt Ayni. zu sehen in anit ka Po erta .ayons grande
cotupasttioQ enrerri la Dauie sa ui^re' {pa anit lieben kommt
ohue kä vor S. 17 von Landes' Umschrift). AI« ehrender
Voimtx vor Männer bezeichnenden Äusdrtlrken steht ka
2. B. in kaiei nt^t des einfachen Sei, vielleicht auch in ka-
twa Enftgebureiier (vgl. Bugi ^omi dgl.); im Stieng wird
Afi Fnuennamen vorgesetzt. Bei kani, karani Jetzt" fragt
es sich, ob es nicht trotz der siun verwandten .\usdrticke bavi
und tatii {mim bin hierher oder von hier, Int. abbinc?) ans
fal m (käla sxkr. .Zeit* und ni .dieser*, vgl. lak di kal
Hl «sa der Zeit*) entstanden ist. — Kadok, ein bejahendes
Sefalawwvrt (sott! il suflit! nach Landes) könnte vielleicht
ihtt .bleiben* enthalten, es ist aber auch jaw. Kados .wie
M Mheint* zu vergleichen, uder etwa malaiisch {tErsabtW)
p^kalaim ,»o wird in der Sage erzählt* und somit sskr.
falfAu and eine damit verbundene Redensart {iti kd/kayali
katAä?). Kahriin .gestern* sieht dem mal. külmurin ein
wen^f filiuUch (an^ kala .Zeit*, mari .kommen' und nn'i).
Daaoelhe hiotet bei Moura mocobröi/ und bei Baistiiin Ijooci
w'P). im Bahnar iöngbri, im Stieng m>ihä$ia» (wio 1, häimu
^A-andu eh«demV), im ?icharai nwei'mpnui. I i.
392 SUsung der phüosrphilol. Ciasse vom 1, März 1890.
hrai^ Kantscho ahrey (Ausdrücke für „kommen* im Tscham
mai^ mörai^ Scharai mcis^ m, Kode re, Kantscho vit^ Bahnar
7iih, Stieng Iti), Es ist also wahrscheinlich, dass ka hier ein
Vorsatz ist, dem anderswo co, com, tarn, a gegenüberstehen
und hroy = mörai zurückkommen ist. Kaywa (y als Mit-
lauter mit unterschriebenem to) »weil* aus ka + tf^o (vgl.
yau wie ytw dgl. ?). Ein anderer Ausdruck für »weil* ist
obiges tnödtih. Wegen kadap s. o. Käalä anstatt, für (alä
unter). Kdkuh s. o. Karök schliessen (s. oben).
Ra scheint Vorsatz zu sein in radai Blasebalg, von
dai bewegen, wiegen (vgl. ro, roii, rang, rom in Khmer, wo
nach Agmonier ro gewöhnlich Leiden, rbm Ursache ausdrückt,
vcdl messen, rotigveäl Mass). Ra wechselt mit a in ranam
= anatn , ran^h = an^h. Vielleicht gehören zu Obigem
noch rawak tragen (wak aufhängen), ralang Dachstroh {lang
ausbreiten). Rawang besuchen (mon. rang sehen, wangdung
kltmg entgegengehen, empfangen).
Der Vorsatz a findet sich in akyöng Seite (Khmer khang),
akok Koyti' (Scharai kak) ^ a^ok fassen (kamb. yoÄ), atong
schlagen (Scharai tang^ chines. tang), aSit klein (vgl. Sit s. o.),
ahok Schiff (? vgl. Mon haik hohl sein), amrä Art Messer
= Mon mrä dgl. Ueberans häufig in den malaiischen Sprachen,
wo er oft eine beliebig fortzulassende Verlängerung des Wortes
ist, ist dieser Vorsatz auch in den mon-annamischen vielfach
zu finden mit den verschiedensten Bedeutungen. Im Ganzen
kann a beliebig wegfallen: arao waschen = rao Stieng dgl.
Djisselbe ist gelegentlich bei ha der Fall, tvei = hawei I?ohr;
von mö dient nci sich baden für möhai als Beispiel.
Auch der Zwischensatz an ist den mon-annamischen
Sprachen nicht fremd, und das Tscham hat ihn sicher nicht
den malaiischen Sprachen entnommen, wie ausgedehnt der
Gebrauch der Zwischensätze auch bei manchen initer diesen
sein mag. Banrai üeberbleibsel hängt wohl so zusammen
mit hray zerstreut bei Aymonier (epars, disperse, Landes hat
Hiwdy: lieber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 393
brai en pluie). Danak Bündel Betelblätter von dak häufeu ?
Danok Ort von dok bleiben. Ganik eng von gik dicht an.
Ganyöp Gabelast, Zange von gyöp kneifen. Gantüc Angel-
schnur (Stiel der — ?) von guk spannen ? Banik barrage
TOD bek (Aymonier). Päpok Schaar (ygl. pok loslassen,
rollen, Päckchen). Panrong Grosser bei Hofe, prong gross.
Pa$n€Öc Bede, pwöc sprechen. Canak Bündel von cak binden.
ÖoHuk Vorbild, Muster, cttk hineinstecken (?). In bamönöng
vivres ist nach Aymonier am -{" ^^ in den Stamm böng
(ßöng) geschoben (s. das Khmer.)
Ist man geneigt, für die inehrsylbigen Wörter, wo es
sich nicht um Vor- oder Zwischensätze, gelegentlich auch
Fremdwörter, handelt, nach einer malaiischen Verwandtschaft
am suchen, so muss die grosse Menge einsylbiger Wörter zu
Vergleichen mit dem mon-annamischen Stamme namentlich
herausfordern. Auch hier ist im Auge zu behalten, dass ^,
^, z unserer vorliegenden Mundart eigenthümlich sind, denen
8 entspricht, und dass ß und d in der Gestalt von p, b, m
und d zu suchen sind , wie andererseits dem h gelegentlich
ein s gegenübersteht. Die Vergleiche würden wahrscheinlich
viel zahlreicher ausfallen, wenn die Sprachen der Trao, Rode,
Scharai, Kantscho u. s. w. schon mehr bearbeitet wären,
als es noch der Fall* ist.
Unter 146 mit k anlautenden Wörtern des Landes'schen
Wörterbuches finden sich 68 einsylbige, vou denen allerdings
einige verkürzt sind, nämlich kal Zeit aus sskr. käla^ kar
Frohnarbeiter von sskr. kära Arbeit, Arbeiter, klatn ab-
nehmender Mond (Stieng klöfn abnehmen, khüklöm la Urne se
leve tard apres la pleine lune. Azemar; Mal. kSlam finster,
von Crawford trotz der Endung aus dem Sanskrit abgeleitet.
Landes vergleicht mölatn Nacht. Im Malaiischen ist in
malim dgl. die Kürze in der zweiten Sylbe, vgl. surSm
dunkel, jaw. k^gm versinken. Vgl. Pallegax, dict. Thai unter
394 Sitzung der philosr^küol. Clasae vom L März 1890,
kJdam „ dunkel '^t klau drei gegenüber jaw. t^u), Kra Schild-
kröte == Jcarä (sskr. kümm s. o.). Aus dem Sanskrit stammt
kod (= kd{i eigentlich 10 000 000 ; hier mit folgendem ratuh
hundert = unzählig). Kau ich = mal. ku, aku (Niederen
gegenüber gebraucht, wie in Siam ht). Unter den sicher
ursprünglich einsvlbigen ist Ar» (employe pour Tannamite khi.
Temps? Landes; vielleicht das über Annam eingedrungene
chinesische Fremdwort khi , Frist* (vgl. jedoch Bahnar ki
ehemals), kd noch = kow so? Ää, kei^ wo? (vgl. Mak. ke
kerc^ Bugi kega^ Bahnar ki kiä was? Ka ist fragend im
Malaiischen, verneinend im Silong (dgl. Ä: im Khmer: mean
vorhanden sein, khmean nicht vorhanden sein). Kräng
Muschelart ist das mal. kräng, Krih zuspitzen (vgl. Mon
kri ^düim" , mal. kris Dolch) erinnert wohl kaum an
jaw. krik aiLsknitzen, oder die Sanskritworter krg dünn
maehon, krs schaben. Kröp (lies gröp) „jeder* könnte (rf/)-
gröp palei aller Orten entspricht nach Ay monier kamb. kraj)
srok) mit niii\,kr^2^ «oft**, „ununterbrochen* zusammenhangen;
indcvssen sin<l auch Stieng kop „jeder*, das von Landes ver-
glit'hone annam. khäp überall zu vergleichen, und göj) dient
auch im Tscham al.s Zeichen der Mehrzahl, während gaj)
^enau, anpassend, (vgl. Stieng gaj) kneifen. Zwischen-
geschobeiies r ist häufig in den mcm-annamischen Sprachen)
mit der Bedeutung des obigen mal. krej) (jaw. kerep) „dicht*
zusammentriflFt (vgl. auch Dajak genvp „jeder*). Krting
welcher (jaw. hang), Ka geben ist kö im Stieng s. o.
In Mali „trennen, meiden* scheint k Vorsatz zu sein; denn
wie dieses Iah „ablassen* entspricht, so entsprechen einander
im Khmer khUa Zwischenraum, khUat „trennen* und Iva
^abwenden, aufgeljen* (vgl. auch Bahn, klah bei Seite legen).
Auch klöng „Schatzhaus* ist das kamb. khlcang, Klong „ich*
(kamb. khUmg aussätzig?). KUw „lachen* lautet ebenso bei
den Scbarai (Moura), flau im Kantscho, tloa bei den Rode.
Kick stehlen, auch mit folgen<lem kamrang (vgl. Mon klat
Himly: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache, 395
stehlen, kamlat Dieb, Khmer luöch stehlen, lemtwch Dieb,
Stieng kömang Dieb, Feind). Koh abschneiden, fallen =
Stieng kffh schneiden (vgl. kät^ käp schneiden im Khmer und
kah Eiland). Kok Reiher, ebenso im Khmer (annam. cÜ
mit ean «Sohn* davor; kok und co in beiden Sprachen, im
Tscham wie im Annamischen, für ^ weiss ** gebraucht nach
Landes). Koiig Armband = cäng im Khmer (cäng day
Armband, cdtig cd Halsband, sskr. kangkana'i)', in der Be-
deutung «folgen* vgl. annam. /rt(9i^ «mit*. £rd^ Apfelsinen-
baum =s croch Apfelsine im Khmer, Icruich im Stieng (mal.
jiruk^ chald. yarok neben etrog^); kröd umgestellt für drök?).
Krüh inmitten = Mon akrd zwischen, Stieng klung dgl.
{tu klung SS di krüh im Tscham), siam. klang inmitten,
khrüng halb {cifnlä halb im Khmer?). Krüm Bambus =
cram im Kantscho {com im Scharai?). Kyöng wollen
(beirathen) = keang im Kantscho. Kyöp Frosch (vgl. äng
kep dgl. im Khmer). Kak — pablSi Handel treiben, Stieng
kok Kerbstock? Kam Bauch in dih kam sich auf den
Bauch legen (im Khmer dek phkäp), Kan schwerlich,
bejahender Redetheil ? Mit o davor verneinend (vgl. mal.
k^a Crawf. S. 34 «getroffen werden*, als Hilfszeitwort das
Leiden ausdrückend ? S. 22 der Umschrift vielleicht als Frage
aufzuf&ssen, wie mal. kah: ai kadwd yah tyap hu 16 kow
mi ifao, hu di nao trd o pajö kan, «wenn Du ihn so sehr
treibst zu gehen, ist seinem Weitergehen schwerlich ein
Ziel zu setzen*, «ist da wohl ein Ziel zu setzen, damit er
nicht weiter geht?*); vgl. Bahnar ^an «kaum*. Kang Kinn
as siam. khang^ Stieng kuam^ Bahn, käng, Kad (gad) Frage-
wort. K^ mit midc davor Vorfahren (vgl. muk kok und muk
koi); ki «ehemals* im Bahnar? Kek beissen, vgl. Mon kek
scharf, grek Zahn, mal. gigii beissen, Mak. kiki^ mal. gigi
1) In etrog ist t Lispellaut. Die Vermittelnng fand wohl durch
die Jaden von Malabar statt. Andererseits wird persisch turung ver-
glichen (8. Granbaum in Ztschr. d. D. M.-G. Jahrg. 42 S. 241 f.).
390 SitzuHfj der jthilos.-ifhilol. CliisHC vom 1, März 1890.
Zahn?). Ä/at werfen, wegwerfen, heralwtürzen (vgl. 2e/c fallen,
kamb. thUdk dgl.). Klan Riesenschlange = hUm im Stieng,
ann. irtin (Landes); vgl. siani. Man kriechen, mal. Tdan stark?
Kleh Stiick, zcrstuckeh], vgl. Stieng kl&h ,, brechen*, mal.
In-at Stück, schneiden. Kiep Thron, Sitz, vgl. sskr. hüdpa
lMa\ion.schweif. KU verpiclien, dicht machen, schliessen, (Mon
A7/ niuddigV). Kloh abtrennen? abschneiden? (s. o. kliK),
Klon folgon (vgl. Mnmj Weg im Mon). Klong Name (K.
Ganiy = , Drache"?). Klop schlagen, berühren, Netze
sjmiinen (Stieng lop Hölzer zum Fischfang?) Klou) Wald
(vergl. (jlai dgl.). Klwd sieden, verbrennen (Mon kna sieden).
Köt Urahn s. o. hei (vgl. köt erzeugen im Stieng). Kow
also (Khmer kd auch, so). Krak insgeheim (Stieng hrap
verbergen, vgl. kUk stehlen, kamrang dgl. aus krängt) Krep
und krap Schallwörter. Krek Art Baum. Kring klirren, vergl.
chrieng „singen" im Khmer. Kröi schelten (sskr. krudh
zürnen, krodha Zorn?). Kruk wilder Büffel = Sue krok
bei Kuhn S. 212. Kluiso chclick Bast. Kfiin erkennen
(vgl. kanib. rien lernen). Kriim Bambus = kram im Bahnar
und Kautstho (Sue chrong bei Garnier?), vgl. Stieng kläm
Bambu-rohr. Kuk den Ko]»f senken = Bahnar knh sich
verneij^eii. Kimg-thrük ist nach Landes das annamische
cnng-sü als Gesandter gehen, Tribut bringen (chines. kiing-sK).
Kur ist der Name Kanibodscha's bei den Tscham und den
Bahnar. Ä'/cör umarmen, Klafter (vgl. Bahn. ;(ar umbinden).
KiVüd sieh entscheiden, entschliessen, nach Landes vielleicht =
annam. qugct (= chinesisch kücf), in der Bedeutung (Reis)
..aufraffen" aber wohl anderen l^rsprungs (vgl. kuah auf-
raffen, schöpfen im Stieng).
Die mit kh anlautenden Wörter sind im Verzeichniss
alle einsylbig. Khang stark, vgl. kamb. khJäng (chinesisch
kang hart, steif). Khan Lendenschurz (Languti, Sarong)
= Bahn, k/iun; vgl. annam. klnhi Tuch, chines. kin^ kän.
l'eher khnl und khaldumal s. o. unter ah Khap wünschen,
Hrndy: Utber den Wörter schätz der Tscham-Sprache. 397
lieben (Bahn, khap Reugeld bei der Verlobung, kah anhäng-
lich sein). Blhik bewahren, beobachten (Stieng kSJ^ wach?).
Khin wagen, lautet ebenso im Bahnar. Khow dörren (annam.
khb trocken. Landes, Bahnar kho und A;ro, khöh trocken im
Stieng). Khvai «knieen*^ bei Aymonier (vgl. chines. kwei).
Der Anlaut g scheint anderswo theils g^ theils ng^ theils
k za entsprechen. Mehr als die Hälfte der Wörter ist ein-
sjlbig. Oak aufreissen (Mon ngdng Scheere des Krebses,
Khmer hid brechen). Odh Seite, ebenso im Bahnar. Oang
in gang khy&ng wollen mit Wiederholung des Stammes?
(gang khyöng nao gehen wollen; gang ^ gehen auch im
Mon; sskr. gam?), Qad (s. o. kad, vgl. an. kad Art und
Weise). Gan quer über, „Zwischenzeit* = Bahnar gän
Qberschreiten; mit pä als Zeitwort pägan vergleicht Landes
das gleichbedeutende annamische ngang. Ausserdem ist gan
sinnverwandt mit göp und gröp und bezeichnet die Mehr-
zahl wie kan im Bahnar. Garn „anhaften*, daher „mit*
(Mon kom)^ gamgam sowohl — als auch; vgl. auch Bahn.
gtim sich vereinigen.^) Gay Stab = annam. gäy (bei Landes).
Gaff fliehen (im Stieng gahi „aussen* in dugahi hinaus-
fliehen). Gar Stiel = Bahnar gör (garmäng nach Aymonier
„pattes d'araignees* als Name einer alterthümlichen Schrift-
art). Gal verwickelt sein, feststecken (Stieng*] gih gal an-
geschossenes Wild). Gök eintauchen (vgl. Bahnar glök
ertrinken). Göp Beide, Jeder, Zeichen der Mehrzahl =
Stieng kap Jeder (Dajak genep), Gyöp kneifen == kiep im
Khmer, giep im Stieng. Gik nahe bei (Stieng ging Seite,
links), vgl. oben pängik. Ging Küche, Stieng gönüng Hütte.
Gai = gay s. oben. Gok berühren, anstossen = Stieng gök
1) 8. Haswell S. 142 gwam d gwam kJeng, nach der dortigen
Umschrift freilich Icoo ä koo klä-ung = sowohl kommen, al« gehen.
Nach H.*8 Wiedergabe im Wörterbuche und der Sprachlehre ist das
einzelne Wort = to obtain, may, shcUL
2) Tgl. auch gal bräh Teufelskünste, gal nam d<^ "^r
schieben.
308 Sitzung der plhUosriihilol, Classe vom L März 1890,
schlagen (vgl. tongcuc im Khmer) ; auch gok Topf = Bahn.
go. Gong verwickelt sein (Stieng goiig verpfänden). Gitk
spannen (den Bogen). Landes vergleicht gautüc s. o. Im \
Bahnar ist gut spannen. Gid Strang, festgebunden (Stieng
gual auf die Weide führen). Grök Geier. Grik Koth.
Groh bellen, vgl. Mon kreati blocken, Khmer prü lallen
und gamrch husten im Tschani (mal. ngorok schnarchen).
Gru Herr, Lehrer ist = sskr. guru. Grum Donner bei
Moura = croniim Scharai, gram bei Rode, Bahnar und
Kantscho. Glang zusehen , beau&ichtigen s= lang im
Bahnar. Glah Topf (Landes vergleicht annam. tra^ irach
wohl auch lautlich ; anderseits wäre auch sskr. kalasa zu
vergleichen). Glöh losgehen vom Bogen, von der Sonne
untergehen; vgl. Uh lassen, hih ablassen und lea lassen im
Khmer. Gleh müde, ebenso im Bahnar. Glai Wald, vgl.
klow, prey im Khmer (Mcm gniip), Gloiig hoch, geschickt;
vgl. sUwg „hoch* im Mon und gling «lang*, klofig tiefe
Stelle im Bahnar. Gloh necken, hänsein (mal. ga4uh quälen).
Oltfh ächlamm. Glut (im Schlamme) versinken; Bahn, tut
in die Erde stecken. Gwöh bestimmte Zeit (vgl. annam.
quan au d(?r Keihe). Gwuy Kiepe, Kö/e, Hotte (annam.
gai Landes).
Die drei bei Landes mit dem Anlaut gh angeführten
Wörter sind einsylbig und nicht malaiisch. Ghak abhalten
(vgl. khat dgl. im Khmer V). Ghöh geschickt, wozu Landes
das gleichbeileutende annaniische khco vergleicht. Ghwöy
Stück Gold, Zain, Barren (cliines. khwai „Stück" V).
Der Anlaut )ig scheint mit g zu wechseln. So scheint
injan „und** mit dem yan^ welches eine Mehrzahl bezeichnet,
ursprünglich eins zu sein, indem beide etwas Zusammen-
gehöriges bezeichnen. Nyah thun (Aym. ngap) = Rode
HyaCf Kantscho iiap (jaw. gaive, Ngah möngah im Tscham
«thun, als ob*, vgl. jaw. guwcyawe ersinnen, erlügen, ma-
nyaice Schaden womit anrichten; dagegen magawc das Feld
Uiwdy: Ueher den Wörter«chatz der Tscham-Sprache, 399
bestellen). Ngok auf (vgl. Stieng guk sein, sitzen, bleiben,
Bahn, ngoh bleiben); vielleicht gehört hierher tagök steigen.
Dem Anlaut d entspricht in anderen Sprachen derselbe
Laut. Cak binden = chätig im Khnier (Mon dak dgl. ; vgl.
auch iühak verbinden im Mon). In der Bedeutung , keimen'
V
erinnert es an öakak s. o. — Gang »warten" auch im Bahnar
scheint = ch&m im Ehmer zu sein. Car kommt als Ergänzung
des einheimischen Wortes öok für »Berg* vor (vgl. jaw. dala
fär adal<i == sskr. addla »Berg", eigentlich »unbeweglich*,
»als of de ha een voorzetsel wäre, dat oiet wezenlijk tot de
beteekenis van het woord behoorde*, Roorda). Öök »Berg*,
Seharai cAtr, Itode chuc, Kantscho chot, Phnong jtw^ Song
cheo. öö steht am Schlüsse von Sätzen (vgl. döi im Stieng).
Ööi aufschneiden, lügen, öyöt Art Bambuskorb. Ögip er-
tragen , einwilligen ist nach Landes das gleichbedeutende
annamische chiu. Cyöw = annam. chieu Matte. Cih malen
ebenso im Bahnar, öih pald Betelblatt rollen (vgl. Bahn.
öi zerreiben). Ctm Vogel ist nach Landes annam. chim.
Vgl. auch Stieng chum^ Song chiem^ Seharai kchim^ Rode
cAtifi, Kantscho xim^ Pron chim^ Phnong sum (Moura), Mon
dang Uuhn^ gdeng Yogel, Bahn. sem. Öei »Herr* (ehrender
Vorsatz) = di im Khmer. Öek stellen, lassen (auch Schluss-
wort). Ömg kupfernes Tonwerkzeug (in Siam eine Art
Geige , in Persien und Vorderindien eine Harfe = teng
im Bahnar). Cey Thee ist nach Landes eine Umschrift
des annam. che (chines. in Peking und Kanton cha.
Dagegen haben die Khmer in U wieder den Anlaut von
Fokien). Öok klagen, weinen. Cong ausersinnen. Viel-
leicht ist dieses Aymonier's chrong [chofig) sich anmassen.
Da in der Bani-Mundart das Khmer-Wort ang gebraucht
wird, könnte es sich um vorgesetztes ehre handeln. Coh
mit Füssen treten, misshandeln (vgl. im Khmer dt
400 Sitzung der philos.'phüol. Clause vom 1. März 1890,
Nach Bastian ist tschoch Fluss (lies Fuss?). Öou Enkel,
Enkelin ist nach Landes das annam. chdii (Des Michels,
petit dictionaire „neveu*"), so auch im Khraer. Als ehrender
Beisatz wird ta vorgesetzt {tadou „Enkelin* in der Erzählung
von Balok-Lau). Culc hineinstecken, an der Hand haben
(öak stechen im Khmer?). Öum umarmen (vgl. Stieng jam
tour, environ. Azemar). Ouh brennen (Khmer chhe). Crak
schleudern, (h'any hervorzaubern (siam. cliareng Inschrift,
Mon cVaw(/ VerzeichnissV). üraA (pa^oA) entschädigen. Öram
vertraut (Aymonier) vgl. sskr. fram? Öroh {paöroh) hinein-
thun, einmachen, einpöckeln (mit atüw davor Hausgeist.
In der Bedeutung „hineinthun*^ ist 6ük zu vergleichen, Stieng
chörok laden). Öröfig anspannen, Stieng chörok, Örong stellen
= Bahn, ^örang. (jruh Glück wünschen (kamb. chueg är).
W V
Cwah Sand = Bahn, doäh (kamb. kJisäch). Cwöh stossen
V
(Bahn. Joh picken). Cwic spitz (kamb. sruddi^ Bahn, duih
härten), öwoh Zahluusdruck für Blumen.
Mit ch luuten im Verzeichniss nur zwei Wörter an.
Chai wird nach Landes für das annam. xäy abschälen (wörtl.
, faire tourner") gebraucht. Ühai-chai ist Je mehr — desto
mehr** ; hiermit scheint trotz des an das Malaiische erinnern-
den Vorsatzes möchai , lieber* zusammenzuhängen. Söh ciiai
Joyeux, heureux", söh „content**, haivon söh^ hawön cliai
„regretter les jours heureux" scheint auf die Grundbedeutung
genug zu führen (Stieng chöi genug). Vgl. auch das freilich
anders betonte und geschriebene annamische xäi in rong xai
wolilhabend und yai „gross** im Siamischen). Ghwai lange
(vgl. Bahn, tsai ausgedehnt).
Dem Anlaute jf entsprechen jf, c (und //?) in anderen
Sprachen, unk weise, schlau (vgl. chca weise im Khmer),
anreizen. Nach Landes ersetzt es das annamische gia Mass
von etwa 27 kilogr. Gewicht, dang gleich (vgl. kamb. jang
Art, Eigenschaft; mal. yang-yang Gemälde, anderseits jedoch
HinUy: Ueber den Wörterschatz der Tscham-Sprache, 401
hiermit chines. ycmg Art und Weise); ßang-jang grosses
^^ y
Thor (Bahnar Jcmg Zaun, mang Thür). Jang patao dem
König dienen (vergl. jang Beruf, Gewerbe im Stieng).
Ngah yang ist den Geistern {yang Stieng jang^ mal. yang^
ytoang) dienen. J^an , zerschlagen''. In bah drei hak Jan
«den ganzen Leib' ist jan vielleicht = sskr. Jana. Jam
decken, verbergen. Jap brah Zaubergebrauch bei Leichen-
be^ngnissen, bei dem der Eingeweihte Buchstaben mit ge-
kochtem Reis zeichnet (brah Reis. Bei den Stieng ist brÜh
.Teufel*, jang-br&h der »Geist des Teufels* Name eines
hoben Berges). — Jal «beschäftigt mit*, nach Moura „yer-
stehen* = yöl im Khmer (aber in päjal verhindern, umringen
= Bahn, jäl sich an etwas stossen?). — Jtä ist eine Bezeich-
nung von Leuten niederen Standes und wird den betreffenden
Ausdrücken vorgesetzt (Stieng ja und joh »Freund*?). —
e/i* Wasserkrug = Bahn. Jfö. — Jö nachgesetzt als Zeichen
der Vollendung = Bahn, ji schon, jö Frageanhängsel. —
Jyöng werden, entstehn (jSang bei Aymonier), daher päjyöng
erzengen, gebären (Bahn. )ing^ jpöjfm^). — Jyoy steht nach
Landes fQr das ann. gioi »geschickt*. Jtei Fadenende (Stieng
öei). — Jen Geld (Landes setzt das chinesisch-annamische
tien^ thsien, iian wohl nur aus zu grosser Vorsicht mit
Fragezeichen). Jc/c (kajik, mäjSk) nahe bei (nach Aymonier
in der Bani-Mundart /iA) = Bahn, je; vgl. gik^ Kantscho und
Rode jekj kamb. chit, Scharai phchis. — J^ih hineinstecken
(Stieng jXh aufstechen? Mon 6ü). — Jai obenaufschwimmen
(Landes vergleicht für die bildliche Bedeutung »die Oberhand
gewinnen* das annamisch mit Un »steigen* gebrauchte noi
obenauf schwimmen, welches sich auch als nwöy im Tscham
wieder findet. Im Bahnar ist jäy siegen. Eis ist viel-
leicht das ehai im Stieng, welches »verstehn, können*
neben »oben abgiessen* oder »fliessen* bedeatAt. Jnng
Axt, Beil =s Bahnar Sung^ kamb. ditng. — ^
402 Sitzung der philos.-jjhüol, Ctasse vom 1, März 1890,
pflücken = Kantscho jos^ Rode jo, Seharai chhischha. —
Juk schwarz, duukel =Bahn. )ü (vgl. duh brennen, jluAr rauchen
bei Moara = Stieng cliok, kanib. chok^ Kantscho juag^ Rode
chuCy Seharai nhup). — Jü sieden (vgl. juk?). — Jtük ein-
laden = Bahn. )äk. — Jroh mit spitzen Werkzeugen schlagen
(karab. chämras urbar machen?). — Jru Heilkrauter (vgl.
pers. ddrü?), Jrtih fallen = Bahn, jönih vom einfachen ruh
dgl., karab. chrus^ chrü (beides von Laub und Früchten). —
Jriiw vermischen = Bahn. jörü. — JrU mit gai davor =
Stock (mal. jaru Pfahl). -^ Jtmk treten = Bahn, juä, —
Jtmng (in der Luft) kreisen. — Jwä einsam (Mon £ha nur).
— ttwäi sich enthalten, verbietend, wie griech. ^ij, gebraucht
(vgl. jaw. ojfa, Bugi ajd, Dajak d?a, aber Jaton ov aus Ja
und aton sein?), )tmi — )wäi weder — noch.
Der Anlaut jh ist seltener und unmalaiisch. JhaJc
schlecht, hässlich = Bahnar (schlechter) werden. — Jhok
sich stürzen auf — , von Landes mit dem gleichbedeutenden
annamischen chiq^ verglichen. — Jhok schöpfen (annam.
xüc, Landes).
Der Anlaut n entspricht malaiischem und mon-annam-
ischem n in nu er, sie = mal. wa, Mon ha, — ^ao
Dnichenaugenbaum (an. nhän Landes). — I^oh Begattung.
— J^uk tauchen. — ^ö Drohung am Schlüsse des Satzes
(mal. nah?), — Nök Name eines Baumes.
T im Anlaut entspricht demselben Laute in malaiischen
und mon-aimamischen Sprachen, ausserdem d, jf in letzteren.
— Tak abschneiden = Stieng täh, Tak ni hier (hierher?
vgl. tavi). Tak di kal nan zu der Zeit. Es ist augen-
scheinlich das ta Aymonier's, welches die Richtung bezeichnet
{ta unraj) „in Zukunft**), und entspricht so auch dem tö im
Bahnar {tö kong „zum Berge**. Bastian. Vgl. annam. iöi
konnnen. — Töl gelangen, erreichen, bis = kamb. töl^
j
Hindy: Üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 403
dd/, (Stieng tal in?). — Tyä schmieden (Stieng tyer —
toMi). — Tyan Baach, wie unser Herz bildlich gebraucht
= Scharai kajean^ Rode und Eantscho tean, wie Moura
auch das Tscham-Wort wiedergibt (Tagalisch tiyan^ Bisaya
tian 8. Gabelentz, Ztschr. d. D. M. Ges. 13 S. 69. Kuhn,
Beitr. S. 228). — Tyap treiben, jagen. — Tyong (iyötig?)
Art Vogel. — Tik zerrissen = tahak^ kamb. ä^ä, Bahnar hak
spalten, hek zerbrechen, kötek brechen. — Tök auf sich
nehmen, heiratheu, vgl. Bahnar fok entlehnen. — Tök nur
Aym. — Toti^ Feldhüterhütte. — Tok Hinterer, Bambuskuoten
(Mon fang), — Tom antreffen, sich wieder vereinigen auch
im Bahnar (kamb. phdom wieder vereinigen mit pA, die Ur-
sache anzuzeigen?); in der Bedeutung vollständig = Bahn.
iöm. Taw Messer = kamb. dau Schwert, Stieng dao =
cbines. iao Messer, Säbel (s. Jaw). — To herausziehn
(kambodsch. d& herausnehmen). Vgl. tök. — Tuk Stunde
(Stieng iuk Mal, tukrvk Tagesanbruch). Tom Radnabe =
kamb. c?8m. — Ttd Teppich. — Tuh giessen, begiessen.
Stieng iok (im Khmer tük Wasser, sroch iük begiessen.
Landes vergleicht annam. do giessen). — Tiik verletzt (vgl.
möiüh etre irrit^ und Bahnar tu betroffen werden von?). —
Trak Fieber. — Tram mit Füssen treten, einweichen (Stieng
iram einweichen). — Trä mehr, weiter (sskr. /fl, tar? Stieng
iräh freigebig?). — Trei satt (Stieng chöi genug). — Trom
Rüssel. — Tros Hirsch bei Moura = kamb. pros (das bei
Landes vorkommende ra^a ist mal. rusa), — Tnin herab-
kommen = mal. iurun. — Truh hervorkommen (mal. tnis
durchdringen?)^) — Trü Bambushürde zum Schlafen. —
Trwak anspannen. — Twah schon in twah lap bhap gap
Jkra dgl. (Verdrehung aus sskr. swalankrta? tüa Bahnar =
1) Vgl. chines. ihu, ihut hervorkommen, welches wie obiges
auch Hülfiszeitwort ist. Nach annamischer Aussprache laate^
Ira Tscham wird thr sonst gelegentlich 5 ausgesprocheiL
404 Sitzung der phüosrphäol, Classe vom 1, März 1890,
so leidlich, läa kambodschisch = schon, lap bhap dgl. im
Tscham, mökrü dgl. Bahnar, Jcrüp ansehnlich, gap passend).
— Ttcei folgen = Bahnar tui gehorchen (Landes ver-
gleicht annara. dbi exiger, deniander nach der Redensart
fwei kau a mon avis. Sollte nicht tuy folgen == chines.
swei besser passen?). — TuHjy vertraut, bekannt, Leute des
Hauses (Landes „trauscription de Tannamite toi?'^ Toi ist
»ein Leibeigener").
Das th im Anlaut findet sich in anderen Sprachen und
Mundarten als ^, d und 8 gelegentlich wieder. Thaö aus-
schöpfen, leeren (annam. tat. Landes). — Thap hinein-
schieben, gleiten lassen unter (vgl. dop sich verstecken).
Thöt (Aym. thät) = annam. thät „wahr* nach Aymonier
(chines. si oder sat vgl. sskr. sat). Thök obenaufschwimmen.
Thyap Flügel (kamb. slap). Thyöm Siam (sskr. gyama
dunkel?). Thik zerschneiden. ThH Witz. TMh hobeln
(an. deo Landes). Thow festhalten (kamb. t'öp hemmen ?) Thoh
müssig, leer = Baini. doh (Art Verneinung, mal. tak nicht, tah
Fragewort?). Tä?/ä* ruhen. TÄjm Jahr = mal. fa-Mfi, toÄMM*),
Bugi ta-nny). Thur ertragen. Thü trocken (Stieng soh).
Thau wissen = mal. tau (kamb. dau in predau unterweisen ?).
Thriny aufziehen (auf einen Faden), Stieng siriny = kring^
vgl. mal. s^iny flechten (oder jaw. teling Ohr, da die Fische
durch die Ohren aufgezogen werden?). Throw kriechen.
Throny (spr. chöny) Wasser ziehen (Stieng sörony Eisen
liVsehen). Thruy (choy) immer, beständig (kamb. darap),
Thrtip beschwichtigen (z. B. den Durst). Thrüw {chau) ver-
mengen s. o.jrUiv, Thrtih (chnh) Nest, Art Wagen (oderZahl-
ausdruek für solche? vgl. Stieng tuh Ort). Thruh yuh
uiistiit (verneinend? Stieng tuk yuk Sitz). Thwak heraus-
ziehu (= iahyak)^ —yawa Atheni holen (Landes vergleicht
annam. ihoat = chines. thot heransziehn). Thivör Himmel
1) S. Kuhn S. 236.
Himly: Ueher den Wörterschate der Tscham-Sprctehe, 405
= sskr. svar. Svarga erscheint im Malaiischen als swarga^
suioarga^ surga, aus welchem letzteren das von Bastian als
Tscham-Ausdrack angeführte sukar umgestellt zu sein scheint.
Thwördhar , seliger Geist' ist vielleicht in Ermangelung
einer Bildung wie svardhara aus Sürendra zu deuten, wobei
eine Verwechselung von svar und sura untergelaufen sein
mag. — Thufoy verfolgen, suchen (annam. dtiöi, Landes,
vgl. iwei).
D entspricht in anderen Sprachen vorzugsweise dem-
selben Laute, gelegentlich ä, dh oder auch t (?), — DaJc
zusammen , sammeln , insgesammt , Stieng dang alle. —
Dang aufrecht (annam. düng dgl. Landes), Stück Faden
ond dgl. — Dan^ dtdan in Menge (sskr. dhana Reich -
tham ?). — Dam Junggeselle (Bahn, dam Diener, Schüler).
— Dar beerdigen (Stieng dar Sarg; sanskr. dharant
Erde?). — Döp sich verbergen s. o. dadöp. — Dap zählen
bei Aymonier (Stieng dap einreihen , röp zahlen). —
Dyang anbinden. — Dydng ergötzen, trösten. — Di mit
dem Zeitworte nachgesetztem o = «nicht', ohne dasselbe
«einzig, allein* (s. Landes unter döm); im Ehmer tS nur,
te nicht, im Stieng di einzig, nur (s. bei Landes S. 9 der
Verbesserungen). Im Dajak ist dia nicht (^t), vgl. auch
mal. iij Bugi dS^ tä. — Als Verhältnisswort in der Bedeutung
«an, in, auf* stimmt dt mit di im Malaiischen überein. —
Dih jener (mal. /u, i/ti, Dajak tä^ Bugi ide^ bat. idi, Mon
dekf vgl. dÜ welcher im Khmer, tu im Stieng). — Dien
Licht = kamb. tien (chinesisch ?). — Dai schwingen, wiegen
(vgl. radai Blasebiilg imd rüdai wiegen), Schuppen. Dök
Flagge, Fahne = kamb. tdng dgl. (mal. tunggal), Dom
mehrere, nur (Bahn. d^Sm wie viel?). — Döl getröstet =
Bahn. dSl stützen. — Ddy —göp einander gleich (= dö
gleich und Bahn, du) vgl. kamb. dauö wie, ähnlich. — Dok
bleiben, sein, wie das spanische quedar auch mit anderen
Zeitwörtern verbunden (Bahn, dong stehn bleiben, kamb.
188a Pldloc-^kUoL n. htot Cl. 8 27
406 Sitzung der phüosrphüol. Gasse vom 1, März 1890.
d&c setzen , stellen , legen , Stieng ddk anlegen , anziehn,
mal. äuäuk sitzen, jaw. dokon setzen, legen). — Dong
retten, helfen = Bahn. dSng, — Dreng sich aufrecht halten
(an. düng). Dting an sich ziehn, Stieng dang. — Dur Sehall-
wort, auf Zusammenprallen bezüglich. — Duh Frohndienst
thun, dienen; duJi hatai wider WiUeu (vgl. sskr. <2ttA quälen,
duhhha Schmerz, kamb. tükh Strafe). Dai Lager Äymon.
Drdk säen (vgl. Bahn, trih spriefi«en). — Drap Glücksgüter
(Stieng und Mon drap^ sskr. dravya). — Droh rasch, Stieng
droh (sanskr. drak). — Droh wie, gleich s. o. d6. Drei
Leib, selber = jaw. diri. — Drai Mückenvorhang = mal.
iirai Vorhang. — Drok^ paSik drok^ heftiger Schmerz (sskr.
dnih schaden, dröha Verletzung). — Droy traurig = Bahnar
druei. — Dwah suchen (mal. jarali?). — Dwä zwei = mal.
duwa (sskr. dwä?). — Dwei führen, bewegen = Bahn, dui,
— Dwdn erhalten, haben (kamb. ban).
Der Anlaut dh ist einheimisch, entspricht aber dem
sskr. dh. Die Wörter des Verzeichnisses sind einsylbig, aber
tiieilweise verkürzt. Dhan Ast = mal. dcuin (Bugi ddda
Betelranke mit Wiederholung des Stammes? Dhan aus mal.
dahan durcli Verflüchtigung des a\s zu deuten? vgl. sskr.
dhan Früchte tragen. Jaw. dahna Reis = sskr. dhänd). —
Dhar Frucht, Lohn (nach Aymonier im Dalil) = sanskr.
dharma Verdienst? kamb. thör. Ngah dhar wohlthun (nach
Landes = annam. läm phüoc, eigentlich „Glück bringen"),
bayar dhar phwöl Wohlthaten vergelten, bayar zahlen s. o.,
2)hwöl = sskr. pJiala „Frucht**? Anyai dhar Zauberei =
badi binyai s. o., sskr. änaya = vinaya?. — Dhit ver-
schwunden, geheilt. Dhong Messer. — Dhul Staub == sskr.
dhidi, kamb. thidij mal. duli, in Bezug auf den Staub unter
der königlichen Fusssohle gebraucht.
N im Anlaut ist auch meist in den hier in Betracht
konnnenden Sprachen zu finden. Nan ist unser «der, die,
(las** sowohl stärker hinweisend, als in der abgeblassten Be-
Smly: Ueher den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 407
deuiung des Bestimmungswortes, in jener dem durch seinen
helleren Laut die grössere Nähe andeutenden nt entgegen-
gesetzt {ial tum Jene Zeit', hol ni diese Zeit). Aehnlich
sind im Khmer ne dieses, no das, da (Stieng nei und ni)\
der Auslaut findet sich indessen im malaiischen nun wieder,
wie iil in iniy und es fragt sich, ob die Sprachmischung so
weit gegangen ist, dass auch das hinweisende Fürwort davon
betroffen wurde. Es kann jedoch sein, dass in dem Aus-
laute fi nur eine Verkürzung für nochmaliges na zu sehn
ist, wie im Khmer nona wer? anscheinend so entstanden ist.
— Nam sechs = mal. anhn. — NO, Schlusswort, wahr-
scheinlich verwandt mit ncm^ welches letztere in der Be-
deutung unseres ,so* ganze Sätze einleiten und beschliessen
kann. — Nai Fräulein, Prinzessin z. B. nai taltoid das jüngste
Fräulein, d. j. Prinzessin (auch mit ka oder ku, kanai, kunai)
SS jaw. Hat, welches letztere auch , Grossmutter' bedeutet;
üryst, kiyai^ ka^, X:f, kyana, r^yana stehn dort vor Männer-
namen, kenya kanya = sskr. kanyä Mädchen. — Nom Spur
(Bahnar nam ,gehn'; kamb. dan Spur). — Nao gehn
(Bahnar nam). — Nüh mit Mah davor (Liebende) trennen
(Bahn, nüih Herz?). Noy „Geschlecht" ist nach Landes viel-
leicht das annamische nbi^ noy patao die königliche Sippe. —
Nwiy (an. ndi) obenauf schwimmen , fähig sein. Landes
8. o. jai, — Zu ni dieser vgl. unter nan. — Ney baden
(Aymonier) kommt hier mit dem Vorsatze mö als mönei vor
(mal. mandi^ m^mandi? annam. ndi schwimmen?).
Dem Anlaut p, welcher sonst im Ganzen dem p anderer
Sprachen entspricht, stehn in den einsylbigen Wörtern ausser
p noch 6, pA?, A?, dem pl vielleicht (einmal im Annamischen)
tr gegenüber. — Pak Ort, am Orte, wo, Samang ekpaak
wo? Stieng p6h Dorf. Mon bak folgen, Vpak Seite. Pan
mit vorhergehendem pd »Herr* Name eines Geistes. — Par
fliegen = par im Stieng (hör im Khmer?) — Prtw er-
sehallen lassen =» Bahn, pöre von re knirschec
408 Sitzung der jyhüofi.-philol, Ciasse vom 1, März 1690,
Eingeweide = Stieiig prod. Prwot zahlreich (pröt?) sskr.
praiflita?, — ProJc Palnienratte = Bahn, prok Art Eichhorn,
kanib. kSmprSk (Mon prip Eichhorn, mal. krawak fliegendes
E., Bugi kaluku). Geister der Todtgebornen, in dieser Be-
deutung auch mit folgendem paträ (sskr. parökSa unsicht-
bar? pröksita hind. besprengt und geopfert prokiat^ Thier-
opfer?). — Prong gross (Mon prang ,mehr", kamb. prhig sich
anstrengen). — Pruh bes])rengen, Hok pruh nao in Strömen
fallen lassen (Thränen), Mon prah herabfallen, broh l)e-
sprengen. (Hind. pröksita? von sskr. tdcs? vgl. auch sskr.
2>ri(^). — Prük ein Theil des Webestuhles. — Prün Kraft
(Bahn, prän stark). — Plang geblendet mit möta wohl =
jdök?, mit kadang hastig, plang kadang plöng kadäng dgl.
vielleicht = Bahn, plang ganz, während und ködäng schreiten.
— Plök mit folgendem lakiik (zurück) rückwärts sehend,
blind = Bahn, pled unidrehn und blSk die Augen öflben,
sehn. — Pleh ans dem Wege gehn (Bahn, pöleh loslassen).
— Plom = tröm, le cäy trom des annamites (sterculiees).
Landes. - PlOy Kürbis (Bahn, jüey Frucht, phle im Khnier?).
— Pluk Schilf = Bahn, plung Kahn. — Phih zehn = mal.
puluh, — Fwöd sagen, Stieng hak Wort, kamb. piak^ Rode
hluc, — Pah schlagen (Mon bä hauen , Stieng bak an
einander schlagen (Bambus), die Vögel zu scheuchen). —
Pöh öffnen (kiimb. hök^ Mon jmk), - Pyoh anreihen, lassen.
— Pik schliessen (s. kapik; hier von den Augen; auch Bahn.
pit, köpit niederdrücken). — Pek pflücken = kamb. M,
Stieng pok^ Bahn, pek, — Pok l*äckchen, zusammenrollen,
abspannen, loslassen (kuhaw den Büflel, in letzterer Be-
deutung auch püh). — Pop begegnen (kamb. cliompop an-
stossen, stolpern). — Foh schlagen (s. pah), — Puk Land
(s. 0. 2)ak Moura, auch bei den Kode). — Pai Osten (vgl.
annani. bai „Ufer", da das (Jestade östlich lag). Pak vier,
mal. ampat, jaw. papaf, Bugi üppa^ pntay Trao-Lai pa. —
Pn Herr (Bahnar ha Vater. Bastian, sskr. pati?), — Pok
StnUy: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 409
darreichen , erheben (einen König patao\ vgL Bahn, poh^
Mon pang erheben. — Pun ,auch* ist wohl das gleich-
laotende malaiische Anhängsel.
Die im Verzeichnisse mit dem Anlaute ph angeführten
Wörter sind alle einsylbig. Phak marque, l'action (Landes),
nach Aymonier ,Bani« für phap hämmern, meiaseln (Mon
bä bauen , pa thun). Phang Art Messer, oder Spiess. —
Phä Schenkel, Schooss, mal. paha s. Kuhn, Beiträge. —
Pkaw Geschütz (chines. ph(w), — Phik („vesicule du fiel?*
Landes), tagloh dt phik leiblich, aus eigenem Fleische ent-
sprossen («geflossen') vgl. siam. phi fett, Bahn, pik salben,
ptit Fleisch?. — Phun Baum, mal. poutt, puun (chin. pun^
p&n Stamm). — Phwöl Verdienste = sskr. phala Frucht.
Dem Anlaute b scheint fast durchgängig ein b in den
zu vergleichenden Sprachen zu entsprechen. Bak voll
(Stieng bich fQllen, Mon peng voll = Stieng biing^ mal.
bah überfliessen). — Bat königliches Inzeichen von wunder-
barer Kraft (sanskr. vagra?), — Ban Zahlausdruck für
Menschen (vgl. annam. ban in Zusammensetzungen, sofern
dieses nicht chin. pan ist, Bahn, h&n Freund, Verwandter);
Rinde, Haut. — Bai fern ; Hauptstadt (kamb. balang Herrscher-
stahl, oder = veang Hauptstadt). — Bah fegen = kamb.
bo8 (ambos Besen). — Bak väterlicher Oheim (= va)^ vgl.
kamb. böng älterer Bruder. — Bä tragen, bringen = Stieng
ba (mal. bawa) ^ vgl. chines. pa nehmen, welches ebenso
mit Zeitwörtern der Bewegung gebraucht wird. — Bar
in rim bar janih de toute espece bei Aymonier = sskr.
vama. — Bdd lernen (mal. bacha^ jaw. wacha lesen,
Mon bah^ Stieng bak Wort, bind, bändnä = sskr. vadana?).
— Bök dämmen, einen Damm aufwerfen (annara. bö Landes,
chines. po), — Byd Königin = Bahn, bia Elfin, schön,
Göttin (jaw. biyang Mutter?). — Byak wahrhaft (mal.
bagii gut, geeignet?). — Bf/uh Festung (Mon m'o
Bf^n — mal, byön ni dieses Mal, vgl. Bahn. pH
410 Sitzung der phüosrphüal. Glosse vom 1. März 1890.
zeit (Landes vergleicht da» annamisch-chinesiscbe phien)^
jaw. biyeti zuvor? — Byör (harü) Abend = kamb. pear
glücklicher Augenblick? Wie pagi Morgens = sskr. pragS^
könnte man an eine Zusammensetzung wie vihära hari
denken. Vgl. jedoch kabroy , gestern*, worin brdy = ,,Abend*.
Im Jawanischen ist byar Morgenroth (vgl. piar Morgen bei
den Sui, kamb. prüc, wie tiar Wasser = kamb. tük. Der
Zusammenhang würde etwa in Morgen- und Abendrothe
liegen). — Byai sprechen = Bahn, pöjai (kamb. nySai)^
mundartlich nijai^ Scharai majai (Moura). — Bt um zu,
damit = Stieng bäJi (vgl. Tscham bä nehmen, Stieng bS
wie). — Bei bwdy espece d'insecte qui se terre. — BSk
Schlusswort bei Aufforderungen. — Bai Bambuskorb für
den Betel (Mon bä Art Korb, siam. phoi Bambus?). —
Bok feucht, geschwollen, glifJc bdk Dreck, Stieng bok
Dreck (Mon bap einweichen, bat Elebrigkeit, phüc mischen
mit Wasser, pap schmutzig). — B(nig Schildpatt, feist (Mon
buin stark, steif, fest, chinesisch phang feist). — Bol
Frohnknecht, kambodsch. poZ, sskr. bala. — Boh Frucht,
Ei, Lohn, Zahlausdruck = Scharai pos^ Rode 6o5, Eantscho
bo (mal. buwah)^ vgl. Aymonier und Moura. — Bop voll
(Ayni. s. 0. bak). — Bot Mittwoch (Tag Buddha*s). —
Buh stellen, legen, hineinthun (vgl. Bahn, bü vergraben,
annam. bo, Landes, „abandonner, laisser*. Des Michels). —
Bum Dach (mal. bumbung^ pers. bäm), — Büw erinnern
(Aym. bau origine, passe), vgl. Bahn, bau erwähnen, Mon
pmatv wiederholen , abhören. — Bü Brühe (Mon pu auf-
gehn beim Kochen, ;m*W(7 gekochter Reis, Bahn. Teig, vgl.
ob. ^abti). — Brak Riemen, Strick (Bahn, bra Halfter). —
Brak enthülster Reis = mal. bras, Scharai ^)ra$, Rode brai^
Kanischo brea, sskr. vrihi^ pers. biring. — Brei, geben =
mal. bri (Scharai proi^ Rode broiy Kantscho brey. Moura).
— Brai wie ein Regen (en pluie. Landes), zerstreut (Aym.
e])ars, disi)erse), vgl. Mon bro, phrö umhersprengen, Regen,
Bhnly: üeher den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 411
— Brök mannbar (mal. bälig arabischen Ursprungs, arab.
bulug Mannbarkeit, sskr. bdlaJca, Mon bl6 junger Mann,
brau Frau). — Bride Sache, etwas (Bahn, müh Waaren).
— Brop Schall wort. — Brüw mit gah „Seite* (brüw =
bind, bhaung, welches einerseits = sskr. bhrü Braue, ander-
seits s= bhünti «Erde*?). — Brüh laufen, fliehn, eilen =
Bahn, brifk gehn (mal. buru nachlaufen, verfolgen? Mon
prah schnell, bUüi entkommen). — Blang mit blök davor
, Lügner*. Blök lügen, herumwerfen, vgl. plang und plöng
(Bahn, plad lügen, bldng prahlen, Mon pleng-hleng ver-
wischen, pleng dgl., pläk verleumden, pl6 herumwerfen). —
Blei kaufen = mal. bli {paAlei verkaufen =s mal. m^bli).
Bloh endigen ebenso im Bahnar, und (vgl. letzteres mit
goth. unte bis, sskr. anta Ende). — Btvei-bSy froh nach
Landes = annam. vui ve sich freuen. — Bwid ausreissen
33 Mon pmk.
Mit bh als Anlaut finden sich in Landes' Verzeichnisse
nur einsylbige Wörter, in denen er m, 6, ph in anderen
Sprachen entspricht. Bhang Name des ersten Monats (d. h.
Januar?) = bind, mägh^ sskr. tndgha 10. Monat == Januar
and Februar, Mon ptih^ kamb. meakh. — Bhap^ bol-bhap
Frohnknechte. Crawfurd leitet mal. baba infant child of a
person of rank aus dem Sanskrit ab. Bhabanen bedeutet
nach Aymonier im Dalil einen Ausländer. Lap-bhap zierlich.
-^ Bhai Otter = Bahn, phdy^ kamb. phi, — Bhyan ver-
trauten Umgang haben (mal. biyasa pflegen zu — , jaw. biyen
zuvor, biyantu vereint, aber byantara vor, in Gegenwart, im
Kawi nach Roorda = sskr. abhyantara inmitten. Kamb.
mian^ ban haben, sein können, besitzen, es giebt, oder etwa
kamb. p^n bespringen?). — Bhöng roth = mal. ahang.
M entspricht demselben Anlaut in anderen Sprachen.
Mök nehmen, holen, suchen =s Scharai mac^ Rode und
Kantscho dgl., im Bahnar niSk die Speise mit doi Fingern
nehmen. Möng von, seit, als, bis, mit (Stiel
412 Sitzung der phüosrphädl, Classe vom 1, März 1890,
vor, mm hinfort, mang mit, annam. mong sogleich. Mal.
maka zu Anfang von Sätzen, jaw. mangtn?), Mop schwarz
in ad^au möp schwarzer Hund (an. müc Landes = chines.
wok Tinte, Tusche?). Schwarz ist sonst jue im Tscham,
vgl. Mon pap schmutzig. Möh Gold = mal. nuM. — Mik
Muhme, jüngere Schwester der Mutter «= Stieng ming^ kamh.
ming mit meday davor dgl., mal. mamak. — Miet hören bei
Ay monier, vgl. hatnit, — Min Schlusswort des Satzes (Mon
mang zur Andeutung der Dauer bei Zeitwörtern, vgl. mang
, warten* und unser ,halt"). — Mik Mutter =s Bahnar
m^, Lao-Suay ameh^ siam. me, Phuong m^, Stieng mi^ Mon
mi, Scharai m&, Euoi mic, Rode mic^ Kantscho amic^ R)r-
Samreh minh, kamb. mt bei Thieren, Pron moo^ mal. fna,
ama; amö im Tscham ist »Vater"). — Mai kommen =
Scharai mus vis^ kamb. moc^ Mak. mai gehen, kommen =s
mange gehn. Das malaiische mari ist im Tscham mörai
zurückkommen. — Mong zusehn (Aym. mieng^ 6mieng\
vgl. ßöh sehn = Stieng mah^ Mon mang beobachten, pmang
Wächter, buiw ansehn, Kantscho miang Gesicht). — Mxik
Frau (Bast, mii Grossmutter). — Mom saugen = Bahn, mdm,
pamom säugen, vgl. mal. mdm. — Mü Holzlaus. — Mrai
BauniwoUengarn (siam. mi&i Seide, fai Baumwolle). — Metig
Spinne ist aus Aynionier's akhar garmeng caracteres pattes
d'araignee zu schliessen, kamb. mhig^ Stieng beng (kamb.
ming in äksär ming = akhar garmeng; sonst ist Spinne
ping peang), siam. meng Kerfe überhaupt.
Dem Anlaute y steht meist y, gelegentlich h in anderen
Sprachen gegenüber. Ya wie (vgl. yah, yau^ ywo, ywa?).
— Yani wie dieses, Mon nyangno. — Yak klagen (Mon
ya). — Yang Geist = Stieng )ang^ ieng woneben ang
Licht, glänzen, Bahnar yang^ jaw. yang^ ywang^ Kantscho
yang^ Scharai yang = hatu txdis^ Yang-harei , Sonne" ist
wohl das Ursprüngliche für iä-harei (Stieng ang war Sonnen-
strahl) ebenso wie iä bulün „Mond** wahrsclieinlich = yang
3My: Ueher den WorUnchalt iltr Tscham-Spradit. 41'i
bnitUL Im Mon Ut ^lA »cheineii)- Yaaä Hauch = mal.
itami ; Mun gmm ulhmen. Tah gleich {». ya > Mon yw^
j« ^ p + wtca iJieses? wenn. Mon yara wenn {ra lai oft
PnllwDrt). — Ya Ausruf. - Ki unten. - Yöm etwa? —
Tarn Üiener, .\ym. — row beendigt. — Tut Frpiiud, ver-
tfsot e. V, möyui. — Yiiui fücheo ^ Bahn, ^ah (chines.
yd^. — ya« wie s. o. ya, j/aÄ; Joch. Paar von BQffeln
(nkr. jittj^V). — YtcaJc sehneiden, mahn = Bahn, yufi, —
YwSk kneifen mit hadwöl ztirückgehn. s. jmik. - Yw& iit
Y»ii}j/önff verwandeln. — Ywöh Anamite Bergaigne (l'ancien
rofkUnie de Camitil, dans rindo-Chiiie, d'aprte les imtcriptiQiu).
Eztnit du Jounml A>tiatique. Paris 1888. S. t>l f.) leitet
iea Namen von Yavanu ab, iodetn er stugltiich auf den
flhiiiiwiimhftn Namen Yüeh-Nam (annani. Viel-Nam) hinweist.
Bi ist aber such das Jucn der Siameseu und Juön im Bahnur
Für r fiadet eicb in anderen ?^prachen derselbe Laut
wieder. Rak Wnldungeheuer scheint (1x6 sskr. rahsas /.vt
lein, ntp Gestalt, Leib, selber ist sicherlich das sskr, rdpa,
Ran hervurhringen ist nach Landes anuain. rdn. Ram
diditer Wald wird von ihm mit anuam. räm .dicht" ver-
glichen. Im Stieng ist rotn bri der Saum des Waldes, im
Bahnar mir räm neugerodetes Land, röm Dickicht. Vgl.
»och d« (ihin.-unnam. tarn in Lam-ap = Lin-yi .Waldstadt'.
Dahinge^n wUrde in ron<; llllckgrat das r einem l im
AjiaaniLiKhHn entsprechen, wenn es nach Landes' Veroiuthuug
^ liiag Kdckyn wür»*; näher liegt »-ßti^ Itückeu im Bahnar.
BaA fiberall, ganx, rak nao roh mai hin und bergehn, r<üi
}aUm den ganzen Weg (Mon rat Land, Stieng rmi laufen?
T^ Bahn, roh Feld, Mon ntih Jeder, dan ra und r» in
mdai wiegen s. o. und radai Blasebalg, ferner das rang im
Mun rämifkl'ififf entgegengebn vun hlätig koniiiien und
i gegi.>n<witig, wenn rang hier nicht .itebn* Iwdoutet.
i gamir, rap Ihruh faire son nid ikamb. i
414 Sitzung der pküos.'jihilöl. Classe vom 1. März 1890.
Bahn, räp Lage Zeug, bar rap gefQtteit). Rä nach Landes
uud Aymonier Abkürzung von ravg^ arang, urang^ nach
Landes auch Fßrwort der 2. Person (vgl. Mon rd einzelner
Mann, Begleiter, Rb-kwan Dörfler von kwan Dorf, rödäng
Städter von öäng Stadt; so auch im Tscham raglai Wald-
bewohner). — Rök Gras, Kraut (im Mon rat für allerlei
Gewächse, Senf, Kettich, raikruk nChinesenkraut'' = Kohl,
Bahnar rök Wurzel). Röp schlagen in röp deng hagar
trommeln. Ryöng (dt tangin) halten (an der Hand) führen
(vgl. Bahn, röng zurtlckhalten). — Ryak zum Sieden bringen
(vjjl o. pädyak warm und Bahn, riö sieden, schmelzen).
— -Kl, dt— de toute espece. S. 33 der Umschrift folgt
mötä ni^ und es scheint demnach zu bedeuten: ,,soweit
das Auge sieht, im ganzen Umkreise*. Nach Aymonier ist
es rini zu lesen = rim jeder im Bahnar. Rei Füllwort
am Schlüsse des Satzes (z. B. S. 55 der Umschrift in der
Frage, ausserdem S. 59; vgl. Mon rö Zeichen eines ab-
hängigen Fragesatzes, Bahn, rä wohl, zwar). — Rai Königs-
würde , Menschenalter? (jaw. reh Königsherrschaft, bind.
rät Fürst, Mon rä Land, vgl. unser , Reich**). — Rök ver-
pflanzen (Bahn, roh Gärtchen, Feld). — Ron geräuschvoll.
— Rom Dornen büschel, Unrath s. o. Bahn, ram unter ram,
— Rok entgegengehn = annani. riiöc (Landes). — Rong
unterhalten, ernähren, heirathen; wohl nur zuföUig ebenso
lautend rom/ stückweise, zerhackt (Bahn, röng unterhalten
und das folgende). Roh schneiden, abschälen (annam. roc.
Landes), vgl. Mon rek schneiden. — Riih sich schütteln. —
Rwak krank. — Rtoah wählen (Bahn, röih, Mon rue in
verschiedenen Zusammensetzungen). — Rxvöy kriechen (vgl.
Bahn, rö vorsichtig gehn). — Rwxi^ abreissen (Stieng r^ch
dgl., röh niederreissen, Mon rat ernten). Hrau ortie de Chine
(Ajm.); vgl. annam. rau für chines. /e?/, lü.
Dem / entspricht derselbe Anlaut in anderen Sprachen.
Lak sollte vielleicht lap sein in twali Idk (ttvah lap? s. o.
Hüidy: Ueber den WMerschaJts der Tscham-Sprache. 415
anier twdh) «schön*. In Mötak laJe «vielleicht'' ist mötdk
s= mal. imtah^ und loh ist im Malaiischen ein gewohnliches
Anhängsel. — LcMg ausbreiten, entwirren, lösen = Bahn.
läng. In lang Som Dorf ist es nur das annamische gleich-
bedeutende läng (xom Nachbarschaft?) nach Landes. Lad
sagen = Stieng Uh (vgl. Bahn, lad schelten). — Lah ab-
lassen von Wasser (Stieng = Ulö überfliessen, Ud ablaufen,
Mon lai zerlassen, auflösen, kamb. Uch fliessen, verbreiten,
Ua lassen. Dajak lihi verlassen). — L& Lunge (mal. rdbu).
— I/^p einwickeln, falten, rollen (Bahn, lup verschleiern,
2Mm, lötn einwickeln). Lö und {dy (Ausruf)* — Loh ab-
legen, ablassen, aufhören s. o. lah. — Lyah lecken = Bahn.
lioh und kamb. lit (sskr. lih). -^ Lyd beugen unter einer
Last (Bahn, liet sich legen vom Getraide). — Hk rollen
(Bahn, lök umdrehn). — Lik fallen lassen (kamb. tänüeac)-
— Liy Bein, Fuss = U im Scharai. — Lih den Bogenring
anziehn, Bahn, leh losgehn (vom Schusse). — LH (s. hal^i)
was anlangt, — auch immer = Bahn. Wi auch. (Daj.
haliei ganz, durchaus). — Lai Speisen zutheilen =s Bahn.
lä. — Lok Welt, Zeit = sskr. loka. — Ld viel (s. rald)
= Bahn. IS viel, loi mehr, kamb. lös dgl. Eantscho lu viel,
Rode dgl., Scharai lo. — LaM Korb (Aym.) = kamb. loXy.
— Ldngy gai I6ng Hammer = kamb. änlung. — Lon
herunter (Bast.) s. o. cUüon. — Lor Lüge. — Low Chinese
(Ld auch bei den Trao; von den Lo-Lo in China?). —
Luk reiben, schmieren == Mon lak. — Lüw Stockwerk =
annam. Idu, chines. lou nach Landes. — Luh Kopfbuch für
Frauen (vgl. Bahn, lup sich verschleiern). — LuHik sich
verstecken. — Ltoä insgeheim. — Lwid endigen, äusserst,
mit rai sterben (Stieng laich abgenutzt, Bahnar löet sterben,
Mon uii zu Ende mit vorgesetztem /?). — Lwäi zulassen
(annam. loi Landes); vgl. kamb. lea lassen), — Lwd kitzeln,
zergen.
W entspricht im Anlaut w im Stieng ia «
410 Sitzung der pfUlos.'phüol. Glosse vom 1, Märt 1890.
kommen, wenn dieses = uak wiederaufrollen ist; vgl. auch
Bahn. uih zurückkommen. In wü .rund' (Stieng uü umkreisen)
scheint es dem m im Khmer zu entsprechen (mul ,rund*).
Wak hängen = Moii kuHzk. Wcik aJAar Buchstaben schreiben
Stieng bäh^); wak Loos ^= sanskr. bhdgya? (vgl. toat
im Mon , Pflicht* = bhakti). Wang einhüllen, umringen
(annam. vong Kreis V). Wap zurückziehn, herausziehn. —
War Stall = Stieng iiar Pferch; vergessen (Mon wtiit^
wuitlalue vergessen, aus Vergesslichkeit zurücklassen). —
Val (bei Aymonier bant = tval? vgl. Mon tod) Ebene =
kamb. veal. — Wah Angel, fischen (vgl. u>ak hangen?
Stieng näA schöpfen, raffen?). — Wä Muhme, ältere Schwester
der Mutter (mal. uwak von väterlicher Seite, Mon b'd ältere
Schwester).
Wegen des Anlautes s in anderen Mundarten s. unten ^.
Der grösseren Vollständigkeit wegen seien hier nur folgende
Wörter erwähnt.*) Sieh blau Aym. (hier jiüc schwarz? vgl.
Bastian tschu blau, Moura ijou = mal. ijau grün). Srah
, gewöhnlich* bei Aymonier in Akhar srah gewöhnliche
Schrift (kamb. srok Land?). Sayap im Bani, siat im
Töchani , Flügel* (Aymonier), vgl. oben thap (kamb. slap).
Senk sehn (Moura).
1) Im Stiengf ist ba kerben, Kerbe auf dem Kerbholze (kak),
bah schreiben, ursprünglich auch „kerben'. Obiges uak bedeutet
das Wiederaufwickeln des Strickes eines Drachen.
2) Aymonier führt auch einige mehrsylbige Wört<»r mit diesem
Anlaut an. Sainsu le «oleil, taharik, la terre, sont peut-ötre des
personifications. Sons ces appellations le8 deux planstes ctaient jadis
Tobjet d'un culte special, de möme que Saneffreuff, nom donne en
dalil au monstre B^a ou Hahu*. Sanisu \ai nichts weiter als das
arabische Wort für Sonne hnns (al-Samsu): man könnte hier also
l^ersischen oder himjarischen Kinfluss über Malabar her vermuthen
(Tabrak hioss namentlich eine Burg in Ispahan) Sanegreng = sskr.
satigmmn Kampf V. Stimm «Kuhm' soll in den Amt^namcn von
Königen vorkommen (vgl. Senim Po bei Moura).
I JTimly: IJrhr.r lirn tt'Artertrlml: drr Tuchim-.'iprache.
417
Anlaut S, «reicher dieser Mundart eiffenthfinilich
Upricht in anderen Sprachen theil» i {iahinö Prinzes-iin,
. Sah), tbeils s (Siirawä bestünrjig = sskr. sarvadd?
»aiih TiM-tAiischen ^ Bahn, sölih, plih, mal. salin, B<aray
ZBaberbCcher, v^l. arab. sakarah Zauberer, sakalat Flauell
=» i»üni.-«irub. eukalät, iürd Sulz = sra Wt Moura), theils h
(hdä^^haM BUttJ usw. Sang dann (vgl. «« und. itong mit,
imd) ^ Bftbn. Süng i«chon. sang vnltendet. — aä und, sa-sa
«owohl aJ« auch (luul. salu-satv eigentlich eins — eins; ist
deuutarb s& = tfä nud tiial. sa eins? Bahn, äi tat ee?)
— H6p HtiuiniL', rufen, Huchen (Stieng ckup schreien). —
Sik itufricdeii = Bahn, iok frTihlich luial. stika = sskr.
SMiAa froh, augenehai, Stii>ng sop genug?). — Syöp Kupl-
tncli (mal. sapu-tangan Tuch, eigentl. .Fege-Hand'). —
agiim rteht für Ihm wissen in der Sprechweise der Wilden
(Uao tim\ Bahn. ii& gewohnt sein). — Sil wenig (= asit;
riH. «iaiu, ehit klein). — St wollen. Zeichen der Zukunft (tff,
ü Ayiu.), vgl. an. s? (.nnch und nach'), sem im Khiner. —
Sit in die llühe »priagen. — Söm = xöm im an. lang-xöm
Dorf (Landes) k. o. lang. — Suk schuldig (sanakr. ^öka
KuinmtT?). — ö'Mp Dunkoihwt, Nacht = kamb. yiyi Nftcht
irgl. }ufc schwant, rauchen, kamb. ehoc ntiiclii*nt Mon iw6k
iiluivhnjenJer Mond). — Smar, pd— riisch. — Sram aich
QbM), lienKihn (»ikr. frtim). — Swan Seele (pers. jän dgl.
«kr. itcaiia Lehen?) Swan-lhak dgl. (Hskr. su ~j- antakaraffa?
Tgl. nwl. BÜmaiigitl, sumangat Ueist, Seele, Wohlsein). —
§wä D>MmK:hwemmen lannaui. Jntit Brandung). — Swün ver-
f«bteD. — Swäi langsam, lange (anuani. ae langsam) =
Balinar ioi npät?
l)»!^ It ent<pricht dem s anderer Mundarten nnd im
Malaiiachiin , femer t, d, th in anderen hinten ndisc heu
Sprachen, dem Schnftzeichen (s bei Moura) nacli 8skr. f,
[pbtM auch von ileni hirmaiiischeii ih ersetzt wird« via i
Mli gitQK llinterlniiieii (vielleicht durch eine Ittlcbwi
• - ^
418 Sitzung der phüos.-phäol. Glosse vom 1, März 1890.
mundartlicher Eigenthümlichkeit) sehr häufig ist. d'ong
Haus (ßang in anderen Mundarten =: Song Umg^ Lao-Suay
dimg^ Khamen-Boran tong, Bast., Scharai chhang^ Rode und
Kantscho sang Moura, Sui täng (vgl. auch chines. thang
Halle). — x^ä eins = mal. sa, i^yam schön {ßeam Moura,
jeam gut, Kantscho seam gut, ächarai hiam). d^ei wer =
kamb. they wasV. — x^ong mit, und, Paar (Aym. sang^ tang),
kamb. teang alle (Aym.) Mon 5utm, chines. ihmg, — i^u
und = kamb. te (s. o. sä). — &rah (sraJi) gewohnlich in
akhar srah caracteres usuels nach Aymonier, vielleicht kamb.
sroc Land, also , landesüblich*?
H im Anlaut steht namentlich dem s anderer Sprachen
und Mundarten gegenüber. Hak Sache (verkürzt aus hagSk
was? vgl. Mon sah Farbe, Weise, zerreissen, überhaupt, svak
Grund, wegen, mal. sali unterbrechen, ha in anderen Mnnd-
arten sa als fragender, verallgemeinernder Vorsatz, vgl. mal.
5a , Mon ha am Schluss). Hang Rand, Ufer, Mon srang^
siam. fang. Ha öffnen = kamb. ha, Stieng u. Bahn. Aa, Mon
ha (an. hei Landes vom Munde). Hön mehr (an. hön Landes).
Höp Seh weiss, riechen, einathmen (Stieng hip athmen, Bahn.
höp). — Hifak Art Amsel. — Hyä weinen (hear Moura, ebenso
Kantscho und Rode, Scharai Äya, Mon yS). — Hey wohl-
an! (vgl. Scharai hoi ja! nach Moura im Tscham hoc ja!)
Hai oder, hailad dgl. = an. hay lä dgl. Landes (im Tcham
lad sagen, im Annamischen lä sein); Bahn, hiä oder. Nach
Aym. ist hay = „avec, aussi* und dient zur Vervollständigung
des Satzes, wovon bei Landes' l'mschrift des Mährchens vom
Balok Lau S. 24 ein Beispiel. — Höp Schachtel (Stieng
hvj), annam. hup Landes, d. h. chines. hia. hap Morr. 3B92,
vgl. auch AS, hop Morr. 4013) = kamb. hSp Koffer, Stieng
htp Schachtel, Kiste. — Hok zerkrümelt (von Reis), ver-
giessen von Thränen (Mon sank schälen, sak zerreissen, häi
überfliessen?). Hu haben, vorhanden sein = annam. hüu.
— Htmg Zeichen der höchsten Stufe der Steigerung, nach
Himtf/; Utbcr de» WiirtfriirJiaU der Turliam-Sifaclte. 419
TJandee .ohne Zweifel' das Ktmamische bung cruel, f^roce
(Mhtt. 3831 heung. hiumj); du, welchea nach Landes dic-
sulbe Bvdeutimg hut, wird in Ni<»]<!r-Kotsuliincliina ebenso für
die SteigeranK gebraucht, s. ii, dei. - äiw du = Buhii. So er?
(an. hüu Freund? Wohl (dier iir^prfiii^licb hinweiaeude Deute-
witfzcl wiv ha, hu). — Hwalc eiieeri =: Kode hoac (katiib.
ifif nrHcfaluckea ). — Htvatig bracb. wild, ausserehelich nach
Latides obue Zweifel das annsniiüicli-cbitit^sische lioang (m.
Murr. 4374). — Hwä Etelin ibamb. haut herau^iziehn), —
ffiBÖmg weit (ofleu) ha pabah hwmg den Mund weit liffnen,
Moo p{anij Weg. glampring Mnndhühle, i/anvg £hu Hühlung
mavs BHanim (dMu), Stit-nji uak üffnea. — Hwör in gatiteör
kucr Sterndeuter = kamb. fiora {i!>Qotniönof). Huntt riechen
(wntir, flairer) := feiimb. A?( riecbeu.
il im Anlaut »nb^pricbt dem d anderer Sprachen, dang
während, bis zu = Bahn, dang Fri8t, wann, wie viel).
Salt unterlegen ^ kamb. d&c ,.=techcii", Stteng dSh unter.
Aoia Häb«]. Schwert. =: 8tien){ dao, Icainb. dau (s. u. low
Mewer; alle vom cbinea. iaa Melier, Säbel?), üä fQrchten
{= kadA, Vgl. Mim ktaw zittoro). dam Venianiriiliiug,
kamb. phdom »ammebi (annam. dam Lande»), iö gleich
Mon /iip, s. o, do. 6öm sagen (kamb. tha sprechen), igöp
Kim {nt glutinenz crn et cutt. annam. ttep et j^i. Landes).
Agi sic-b nbenieigen (Hahn, di) gebückt), dik besteigen, reiten,
bhrefl, Scharai-ltode-Kantacho die. Pron doc (Moura) =
Uftn 6täk, äaik (binn. tiik). — iil. —dalam hatui sich
iooerlicli satjen, den Gedanken hegen (Mon Sit schweigsam,
wortkarg). — dih schlafen = kamb. die, Samre thiac
[Bwtinn'» dikwoor, divaJt ist wahrscheinlich das dih war
ft'endonuir malgrü soi bei Luiide», worin war ,au8 Versehn'
sa bedeuten scheint). — Ad Zeichen der höchsten Stufe der
Stojgemiig. welch«» dem Eigeoäc hafte worte uacbgesetzt wird
nnil annam. du nach Landes?), dfk JCdebten).
rbn^«n (rgl. annam. di>i. Landes). — ^nf l
^K
420 Süzung der phäos.-phäol, Glosse vtm 1. Motz 1890.
schwimmen = Bahn, d&ng dgl. dok =s annam. döc grausam
(Landes). — daw BiQthenscheide (kamb. dS spriessen, aus-
schlagen). — dtuig einwickeln (an. dum boc Liandes). —
dwä tragen (an. döi Landes = cbines. tot?), dwöö laufen
(Mon und Bahnar dau entlaufen, Mon drep laufen).
ß im Anlaut entspricht in anderen Sprachen &, p und
m. — ßa^tg essen == Kantscho bong^ Scharai pong (Tscham
bofig, Moura). Hieran schliesst sich bang «Mund* bei Moura
= Kode bangoi^ Kantscho tebang. Sonst ist htcak im Tscham
« essen *", welches auch mit ßang zusammen (hwak bang) in
dieser Bedeutung vorkommt (Rode JuHic. — Nach Bastian
S. 295 a. a. 0. heisst bei den in der Nachbarschaft der
Rien , südlich von den Rode lebenden Kha Tampuen der
Mund 'puaro^ und , essen ** ist tschang puaro). Im Mon ist
pdng Mund (gesprochen paing, Haswell p%ng^). An die
Bedeutung «Mund'' schliesst sich dann wohl die der ThQr
{ßang jang »grosse Thür*, S. 5 der Umschrift pabah ßang
jang) = Kantscho bang. Rode bdbang, Scharai robong^ Bahn.
mang, auch im Tscham bei Moura biabong. Bei den Phnong
ist ambong »Mund* wohl dasselbe wie ampofig ThQr. Aus den
malaiischen Sprachen sind zu erwähnen mal. girbang, k^bamg
Thor, ambang Thürrahmen, daj. banga öflFnen. In lithei d^d
ßang »ein Gericht Reis* hat ßang eine ausgedehntere Be-
deutung als päbah S. 33 der Umschrift in hwak d-a pdbah
er ass einen Mundvoll. Ebenda steht ralo ßang vielmals
auch nach Jz^^ei „Reis*. Landes giebt ganz allgemein »fois*
als Bedeutung von ßang an, und unter dang steht die Redens-
art dang limö nam ßang yanan »bis zu 5 — 0 Maien auf
dieselbe Weise*; auch dieses ßang »mal* ist mang im Bahn.
(vgl. Mon — wä mal, Imeng-lmefig hintereinander). — ßay
ersetzen durch etwas (Mon ßd wechseln, siara. mal neu,
mag im Bahn. = abtragen von Speisen). — ßök krümmen
(Mon ßcau verdreht, pang Bogen), ßyah passend (annam.
vüa Landes), vgl. mal. bayik passend, gut. — ßit in
Himly: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprcuhe. 421
MeDge; Art Vogel. — ßong weiss; vgl. Bahn. &an^ sichtbar
(Mon &ti, Sui prööng). Bei Bastian lautet das Tscham-Wort
bohwa. In pcUih-ßdng sind beide Ausdrücke für , weiss*.
Nicht zu Yerwechseln mit bhong roth. — ßöh sehn = Kantscho
pae. Rode bu, Scharai bos (Moura), Tscbam bo, iahok^ Bahn.
bo (Bastian), Stieng mäh (Azemar), Lao-Suay poeh (Bastian).
Auch im Bngi ist äbang sehn. — ßok Antlitz = Rode ioc,
Scharai hac^ Eantscho miang (Moura, welcher bete als
Tscham-Ausdruck giebt). Demnach ist es fraglich, ob Mon
mtiJk, kamb. mUc aus sskr. mukha abzuleiten sind. Vielleicht
sind ßöh sehn, ßok Gesicht, ßong weiss einer Abkunft;; vgl.
jedoch Bahn. bS Wangen. — ßuJc Haar: Sunda buuk^ Lampong
btiho^ Tagala und Bisaya bohoc (Gabeientz, formos. Sprache.
Ztschr. d. D. M. Ges. 13. S. 68) Mak. w, uAw, Daj. bok,
bül. öp. buk (Journal of the Straits^ Brauch 1880. Kuhn,
Beiträge zur Sprachenkunde Hinterindiens 1889. S. 227).
Auch Ausruf des Absehens. — ßüw Duft = mal. bau^ jaw.
ambu^ Bahn, iou, mou. — ßram Pfeil = Bahn, bröm, mröm.
Tgl. kamb. pntofih. ßlak^ — möia die Augen öffnen = Bahn.
bltk (kamb. boc öffnen , Mon päk öffnen , pUh spreizen,
ndak mal die Augen öffnen). — ßlang Hof, Fläche, Lichtung
(vgl. Bahn, plao Ebene, Ufer, Mon pl&h ausbreiten, mal.
(üang Sandbank, Mon prang und srang Ufer). — ßlah nach-
ahmen. — ßlow hervorsehn (aus der Erde). — ßUng er-
tranken mit folgendem dhit „ verschwinden ** S. 54 der Er-
zählung von Balok Lau (vgl. Mon pUng auswischen, aus-
löschen und Tscham plang möta blenden, Mon bluik sinken).
— ßluHik mehr. — ßtoah kar seufzen (sskr. bhö und ifcarawa?).
ßvoong fertig, rein (Mon ßö spülen, vgl. ßong weiss?).
Z findet sich in anderen Sprachen als jf, 5? y? wieder.
Zar sickern (vgl. Bahn, jar Saft, kamb. säl Ueber bleibsei?).
Zah Ueberbleibsel (= ssar?), — Zop sein, wirklich sein (vgl.
Bahn, si sein). — Zvk rauchen (Tabak. Mon yah Rauch).
Zuh Brennholz (Scharai u. Rode juß^ Kantscho /u. V
18M. PliikM.-pliUoL a. hUt Gl. 8. 28
422 SitMung der phüosrphüoi, Glosse vom 1. Märe 1890.
Bahnar söh in Brand stecken. Im Ehmer ist dfto, im Mon
ehhu Holz, aber 2/5, Mon oh Brennholz?). — Zneah Reh.
Dem Anlaut a entspricht auch a in anderen Sprachen, i
Ah Rabe (Landes: annam. dc-la Elster). Im Khmer ist '
k^c Rabe, im Mal. gagak Krabe. Ac ist im Khmer Fisch-
adler. — Ach incurie (Aym.) vgl. Stieng ach nicht wollen.
Am braten = kamb. Mg (mal. h^wh^m). Ar Reisfeld =
mal. ara-ara Feld; Bahn, ar Sumpf, ar Ort. — Äw Kleid
== kamb. au, Stieng ao (chines. a<>?).
0 ist selten Anlaut. Ök hungern. Ön Gunst, ön ngai
dgl. (chines. öfi-ai^ ngm-ngat, annam. ön ngai bienfaits.
Landes. Auch im Stieng und Mon in der Gestalt von gun;
auch Mon pagun Gunst erweisen). Ö, öy sind Ausrufe.
Wie ö werden auch anlautendes ia und iö mit der-
selben Lesemutter a und den Häkchen für y unten, für ö
oben geschrieben, wohl mehr, um a und ö nicht noch ein-
mal ausdriicken zu müssen, als vermöge einer von der
indischen Schrift abweichenden Annäherung an die Schreib-
weise der semitischen Sprachen. — lä Wasser (ea, ear
Aym. Dalil: luorl) = Scharai ja^ Rode und Kantscho ea
= mal. ay^r. Es ist dieses zugleich der Ausdruck für Fluss,
wobei auch wohl krovg (Scharai crang = Mon krung) hin-
zugefügt wird. Biistian hat tschoch für Fluss. Der unter-
halb Saigon 's mündende Donay ^ welcher aus den Bergen
Tschampa's kommt, wird mit dem bei den Tampuen (Phrom,
Fron) gebräuchlichen Ausdruck für Fluss so genannt. Kamb.
tonli findet sich bei Samreh, Por und Kuoi, bei den
Stieng alt ngli^ bei den Phnong rolai. Verwandt unter
einander sind folgende Ausdrücke für Wasser bei den Mon
daÄ;, döifc, Lao-Suay da, Stieng däk^ Sedan diäk, Bahnar
rfafc, kamb. iüc^ Sui-Tschiong tear (wie kamb. jmi^ Morgen
= pear!)^ Tampuen iahk, Song iahk^ So rfoe, Samre fiek^
Lao-Suay rfa, Thungtu ti^ Karen-Ni tho^ hiie (s. Bastian
a. a. 0.), Orang-Utang (, Waldmenschen ** von Johor nach
Hindy: üeber den Wörterachats der Tscham-Sprcuhe. 423
Miklucho-Maclay bei Kuhn a. a. 0.) daJc; bei Kuhn u. A.
auch kolh däh^ däk. Vielleicht hat sich bei den Tscham und
den von malaiischem Einflüsse berührten verwandten Stämmen
der Scfaarai, Rode und Kantscho von ursprünglichem dia
im Anschluss ans Malaiische der Anlaut verloren: Merk-
würdig ist das iä balan Mond, iä harei Sonne (scheinbar
.Wasser des Mondes", ^ Wasser der Sonne*) gegenüber mal.
mata-ari »Auge der Sonne* oder „des Tages* (Bahnar wat
narr von narr Sonne, Tag). Dieses iä scheint = yang
Geist, Gott zu sein. Freilich erwähnt Landes auch iä Ywön
für das Reich Annam = ann. nüöc »Reich* und , Wasser*.
Sonst wird im Tscham nögar (sskr. nagara) so gebraucht,
z. B. nögar Clam Tschampa, nögar Kur Kambodscha. —
lök betrachten, bemerken, sehn, S. 25 verstärkt durch das
sinnverwandte mong: Ted dafdak mong iök^ »lass mich sehn*.
Auch 0 findet sich im Anlaute mit a und der gewöhn-
lichen Bezeichnung des o. Ot weibliche Scham s. ating.
Einige sinnverwandte Ausdrücke s. bei Kuhn a. a. 0.
Von ü gilt hinsichtlich der Schreibweise dasselbe wie
von 0. Ün ertragen, ün ök Hunger ertragen (Mon dng),
— Un nehmen mit Erhebung der Hand.
Auch bei den drei Wörtern (to)ak^ (w)bl^ (w)utj^ deren
bei Landes eingeklammertes w wie obiges i nur ein leichter
Vorschlag (also etwa u) zu sein scheint, wird derselbe Kreis
unter das a gesetzt, wie z. 6. in dem Falle von dwd unter
das d, (W)ak^ —rahap das rabap genannte Ton Werkzeug
schlagen (Mon ßah pflücken, ptdk rupfen). (W)öl sich
übersättigen = Stieng uol. (W)ud Dschambubaum (goyavier).
Landes vergleicht ann. öi; nach seiner Vorrede wird das d
am Ende zuweilen bis zu i erweicht.
Mit i beginnen nur wenige Wörter, die mehr oder
weniger auf die malaiischen Sprachen hinweisen. Ausser
inö Mutter, ikü Schwanz, die im Toba ina, mal. tkur ^Vian.
falls t im Anlaute zeigen, sind es der Ausruf ik^
9
424 Sitzung der phüogrphüol. Glosse vom 1, Mars 1890.
und ito links, welche letzteren hier in Betracht kommen.
Ing entspricht dem jawanischen pinggang Hüfte, wie sich
kapinggang die Seiten über der Hüfte im Tscham als Jca-ing
und mal. taii pinggang Hüftenband, Gürtel als tälei kaing
wiederfinden. Ob sich im einen Falle p verloren, oder im
anderen hinzugefunden hat, darüber mögen spätere Unter-
suchungen entscheiden! — Iw links, vgl. jaw. Mwa^ Stieng
gio, giou, ging.
Mit dem Anlaute o sehe ich im Verzeichnisse nur die
Verneinung o und ong Mann, Greis. Erstere kommt theils
einzeln, theils ergänzt durch dt vor und findet sich nach
Moura auch im Kantscho (vgl. Bahn. uh). — Ong (nach
Bastian „Grossvater*) ist wahrscheinlich das annamische ong
„Grossvater*, „Herr*, welches Landes mit einem Fragezeichen
daneben gesetzt hat und somit auch wohl das chinesische
ung^ wöngy yung^ ong^ ang,
£ng in engkat „unabhängig** (Aymonier) ist vielleicht
= ing „selber* im Stieng + kat „entscheiden, richten*.
Für ew rufen, befehlen giebt Landes die Aussprache
iw; es ist vielleicht verwandt mit Bahn, ri knirschen, wie
obiges prew mit pöre.
Ai der ältere („Grossvater* Moura) findet sich so im
Sne und im Rode und Kantscho als oi (s. Moura), bei den
Lao in Vieng-chang ebenfalls als ai nach Bastian (Pallegoix
ai älterer Bruder bei den Lao, ferner „priraogenitus*, aber
auch für den ersten Monat).
£k speien, ^A mit adiing Nase = „Rotz* sonst „Koth*
= Stieng cd, Mon und Bahnar ik in letzterer Bedeutung.
Oti (Wöfi) „sich freuen*, „Fest* erinnert an kamb. Jon
„Glück, Fest*.
Wörter von mehr als zwei Sylben sind selten und wohl
mehr oder weniger fremden Ursprungs, wodurch die Sprache
sich (sowie durch die damit zusammenhängende Abwesenheit
der Anhängsel) streng von den malaiischen unterscheidet.
Utmiy: ütbcr den H'tMcracftii« der lachiiwSpraelir. 425
Apäkar .Dienstteidtung* stammt aus dem Sanaknt (upalcäraha
fat^fend, upiikaratfa Hlliru?, vgl. npaktli, npakriyä). Ariic
fftiitff. Niinm eines Heefisches, scheint aus arik und gdng
viTniügp d(M tfewühnlichen Abbängigkeitsverliültnisjes za-
■amaien^fnetxt. Atak kal .invi^juer" kummt S. 53 der
Unwchrift ror. Ein Fischer sieht eio verzaubertes Gt^richt-,
and er und seine Frau wugen nicht davon /.a essen: nWr
er ist hungri)^, ^oiii/ nan atak kal bloh ovg »an hwak",
alxo nach Lande« WiDdergabe der IttHlenBart ,der Mann rief
(6o4t, die Gotster?) an, und der Mann ass*. Es sind deutlich
im Urtext /.wei Wörter, atak mit k bL< lang geschwänztem
dchlnssKiicheii und kal oiit dem gewübulicben k zu Anfang
der Sjibe. Da kal ^= sskr. käla .Zeit' ansser Frage ist,
kann «« tdch nur um ein anderes kal handeln. E^in solchen
findet tdch scheinbar bei Üuätjtkn S. 244 in kalasai Reis
e«eD. asai Reis, woraus kal essen 2u entnehmen sein würde,
w«oti dsftlr nicht sunst hua, unser ktmk, angegeben wäre
nnd ämri l auch der Anlaut vou unserm la&ä «ein könnte.
Sollte CK sieh in beiden Füllen um das arabische akal ,e:«en*
bändeln? 'Ataka mit folgendem 'ala ist im Arabischen
(fiucken* auf etwas, was bei einem deis Arabischen so weit
Kandigcn mit 'astq, asiq «geluvten* wegen mundartlicher
Ersetxang des Zischlautes durch t hüfcte verwechselt werden
köiiiien, da die Malaien ditffir asak aussprechen. Vii^lleicht
ist es slso (nnd dem Sinne nach ist es kaum be^er zu ver-
«t«hn) .er hatte Lust ku essen und ass* (vgl. auch Crawf.
[Ben.] antak ,to smart, to feel a prickling pain"). — Dunkel
\A der Fischnnme hälukydk, wie das Wort bälidü für eine
behaarte Decke, liaffanraeh Opferscbale (mal. pingan -f-
rt^ri?). BaratngiJt frUh Morgens ist wohl aus bnrang neu
nnd puf^ Morgen zusammengezogen, Btirgin(u''nhi/ä ein
Name ans dem Sanskrit. Wegen dalukal s. •>. Kriik btkar
gwchickt Kcheint höclwtens in dem fti (,ku* vor Zeitwürtern)
I einheimisches Wort 2u enthalten, während krakv
^^Hfai einheimisi
426 Süeung der phäosrphüol, Glosse vom 1, Mars 1890.
die Sanskritwurzel kar enthalten mögen. Molagai ist das
nmlaiisclie maligai .Schloss''. Mörapoh streiten enthält die
zwei Vorsätze mö und ra und erscheint auch als fnöpoh. —
Mötühtabhä wurde oben schon besprochen. Pägaloh enthält
den Vorsatz pä s. o. — Purami Vollmond ist sskr. pur-
nimä. Pothea Obergeistlicher = pd -{- thera? — JRädayang
Dienerinnen besteht aus rä Mensch und mal. dayang Dienerin.
Sah im Prinzessin ist wohl persisch sähtn königlich mit
Anhängung von inö Mutter in Folge volksthQmlicher Ab-
leitung. — Sdharay Zauberbücher augenscheinlich vom arab.
Sahir Zauberer (Jcutub as sdharäi?). Vgl. indessen bei
Aymonier shakkahräy^ shakarai annales von sskr. (akaräja
und dazu das sakkarat in Siam. — Sakalat Flanell ist
persisch-arabisch s. o. Säradang Zucker wird in den Zu-
sätzen zu Landes' Wörterbuche als eine Zusammensetzung
aus sarä Salz und dem aunaraisch-chinesischen düöng^ dang
(chines. thang) bezeichnet. Das Malaiische hat gula und
sakar nach Crawfurd aus dem Sanskrit; das jawanische kara
ist nach ihm aus sskr. ^arkard (Bopp 1. glarea, 2. saccharum)
verkürzt, welclies auch in der Gestalt von srSngkara^ s^kara^
sarkara vorkommt; man konnte also auch an die erste Sylbe
des Sanskritwortes denken (das Hindustanische hat auch sor
für „Sa!//). Säradang öwah Sandzucker enthält dwah ,Sand**
(chines. Sa-thang), ^) Säranai ist jaw.-mal. sarunai ein Ton-
Werkzeug. Säralang Perlnmtter (pers. ^adafi rang'i „Farben-
V
muschel)". Särawä beständig = sskr. sarva? Täukyak
sieh reiben, takatwak zittern, täkäprah abprallen, tälibuh
missgebären sind mit Vorsatz ta gebildet (s. o.). Von ^d-
apOi in grök tä-ayuh^) roi des vautours scheint das td zu
garuda zu gehören (grök- tu). In tdlahat saluer en se
1) Es liegt vielleicht eine volksthümliche Missdeutung wegen
äusserer Aelinlichkeit vor. Sara ,Salz"* ist von Kuhn mit Öilong selak
und Makassar tj*'la zusammengestellt.
2) askr. äyus Alter V
HMy : Üeher den WMersehati iler TKham-SiiTdcke. 427
Itnt H teire (S- 61 ITnurchrift Inlabai patao .vom Ki'iuige
piod nelmieit''?) »cbeiut ta zum StammQ des urubUchen
.bitten* zu ff^htiren, thalabat würdu hier mit «einer
■chvii Eniluiiff stimiuen; iniless ist wülil das üau{)tw[>rt
hdlabal gemeint und etwa icada .Abschied" zu er-
(oder thalah wadä' mit Abrull der Endung?). In
.Blitx* (Kuhn 8, 224 nach Morice) möchte ich
= mal. kilat Blitz mit Kuhn abtrennen (vgl. MbU.
i tia (dia?) ist vielleicht das «i iu iä harei, ti, di steht
^l>d Murict? filr Zi«i'hlaute; ist vielleicht auch an hind.
.Bitte* zu denkenV Vgl. Stieng kao-klat VVfttter-
bbige Bearheitiing der Tscham-Sprache läsat sich noch
mdcren Quellen, als der von Landes veröffentlichten
1 Grunde liegenden, ergänzen, wenigstens bo weit
wcfUicfaen Mundarten betrifft. Es iat hierbei aur
[ auHser Acht zu lassen, das» die betreffenden Wörter
Beilenaarten /um Theil eine andere Rechtschreibung
, oder hie nnd da, wenn überhaupt, erst durch die
■'etche Arbeit, bei welcher die Urschrift und der Go-
I Akt VViirter im Zusammenhang der Hede zu Gebote
, ihre Erläuterung erhalten. Ich habe hier namentlich
f erst durch Kuhns .Beiträge* bekannt gewordene
dlung VOM Morice: .Lsh Tiama et tea Stiengs* im Auge,
bBi). VII, 3. 859—370 der Revue de Hnguistique uine
Hang Ton Aasdrücken einer, wie es scheint, in l'ai-Ninh
Khenen Mundart enthält. Morice sagt S. 353 a. a. 0.,
f ftbi ein Drittel der Sprache sei malaiischen Ursprungs,
^iwohl nur insofern zutreffen wird, als man den Ausdruck
wh* nicht im engeren Sinne auffawt. .Schon die
\ als Beispiele ftir diu malaiische Verwandtachaft nn-
Wttrter weisen ein balam nuit gegeutiWr dem
Khen ntalam (malSm) iiut*, welchen im Anlaut melir
1
428 Sitsuftg der jihiloa.'ijhüol, Glosse vom 1. März 1890.
als das mölam der östlichen Mundart abweicht. Obgleich
Morice hier taga Blut dem malaiischen darcA gegenüber-
stellt, sagt er S. 354 beispielsweise von kku) 3, hagatau 100, jj
agopao 1000, ketioa Bruder, bau Haar (s. o. ßuk und Kuhn
Beiträge S. 227), dass der Ursprung dieser Wörter völlig
unbekannt sei. In der von ihm behandelten Mundart steht
g öfter für r, woraus sich hagatu (agatu?) = ratus^ agopao
= ribau genügend erklären, wie ja auch Moura Juirotti und
Bastian sagapao anführen (vgl. Kuhn, Beitrage S. 235).
Dass harte und weiche Laute, p und b^ d und ^, k und g
einander gegenüberstehn, darf man nicht als Zeichen mund-
artlicher Verschiedenheit ansehen, da die auf die Sanskrit-
laute bezogene schriftliche Wiedergabe keine genügende
Gewähr für das Eine oder Andere bietet und vielleicht, wie
im Chinesischen, eine mittlere Härte der betreffenden Mit-
lauter, oder auch, wie man vom Mon behauptet, ursprüng-
liche Unterschiede der Stimmlage zu Grunde liegen. Von
allen derartigen Abweichungen abgesehen, fallen folgende
Unterschiede auf:
1. A oder gänzlicher Ausfall (?) am Schlüsse für k (ng)^
r, Fehlen des A am Schlüsse: pih bitter, wenn dieses mit
Kuhn = phih Galle und mal. 7>aAi7 bitter zu nehmen; toh
anus = toh^ akah attacher = akak, ko (höh?) Reiher =
Ä'ö/c, mana avant, devant = anult, ako, arho bateau = ahok
(Dusün, Bulud-Opie älüd, Dayak oruk, arut^ Peruk Semang
piynhu^ Semang von Ulu Selania j^ahu), ako tete = akoky
pädia chaud = padyak^ padee chauffer = S?mang pMc^
bot bektad^ bau cheveux = ßuk^ lagni ciel = langit^ langik^
ha corbeau = a/i, tanu faire cuire = tanüh^ malakou derriere
= lakuk^ moungno dossus = ngok^ iapali droit = tapak,
man madanie = mtik^ oua malade = rivak^ gona maladie
di^l., didago monter = dik-tagok^ utoutagnun phalange =
atuk tangin, daher der erste tiisa, der zweite tvdoua usw.,
diassc monter a cheval = öik a^cA, iä di maree ascendante
Himly: lieber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 429
= id dik^ hi matieres fecales = eA, haJce qu^est-ce que c'est
= hageky ha menton = kang^ tctssi mer = ta^ik^ me mere
= mik^ kupadea midi = krüh padyaky tiou noir =» juk,
gabau orage = rabuk, oua oublier = war, hamra paon
= amrak (alalo paresseux = alah mit 16)^ kali^ keli peau
= kaliky atawaueu penser, se souvenir = hadar wök yon
hadar sich erinnern und toök zurück, lahiu perdre =
lahik, tdtki peu = dakik^ po oeuf für boh^ botamoun con-
Gombre = boh -^ tamoun <= mal. timun^ aneu fils = anük^
menau^ mancu neben tnanuk = mönuk Huhn, mou prendre
= mök (muk bei Moura), pa i = päk^ preuotieu rendre
=s brei wök^ bra^ pra enthülster Reis = brah^ kairaokadio
roucouler, girren von der Taube = katrütv kaeok {?kaßok
ehanier vom Hahne bei Landes), dega^ taga^ iara sang
= darah^ takoh soulier = takhok^ bobou(dla(n) ivre, soül
= mobuk-alak (mal. mabuk-arak), topagno sur, dessus =
iapak(?) ngok, mah tante = inik(?), halou terre = haluk^
leupou tomber = labuh^ napcUpa (natapah?) tout droit
= nao tapak geradezugehn?, toua chercher = dwah^ touabo
trouver = dwah-poh? {poh heurter, pop rencontrer bei
Landes) oder besser dwah-ßöh (ßöh sehn), tiälou vase,
ecueile = jäluky kreu vautour = grök^ maeweu venir =
mai wök zurückkommen, klae verge = kUk morceau, barre
d*argeut?, kU^ gle fatigue = gleh^ patra vite = drak mit
▼oi^esetztem pd?^ hadiou vivre == hadyap^ bo voir = ßöh^
paetäago voler = par tagbk^ klelakai voleur = kiek lakai^
pia vrai = byak^ aga^ nahaga ecrire = akhar Buchstabe,
tigah akhar Buchstaben machen?, arei tako est = harei tagok
Sonnenaufgang, palo in palobieu moustache = balüw^ aneuü
fils = anük^ amidra fille = anük darä^ aneti tagnun pouce
^ anük tangin „Kind der Hand" (im Mal. ibu tanggan
, Mutter der Hand"), anuphao balle de fusil ist «= anük
Sohn und phao chin. Geschütz, malakou apres, de*
mölakuk^ diou Brennholz = jmh, tiou brüler »»
430 Sitzung der phüos.-phüol, Glosse vom 1. März 1890,
casser = joh^ tara {taga, dega!?) sang = darah^ hado chanter
= adoh^ hhlou^ glouh boue = gluh^ kannau ä droite =
kahanuJc^ taomteu auiour de = tomdar^ nia fiaire {niak
travailler) == ngah^ iieu montagne = öök^ talanbao pom-
iiiette de la joue = ialang ßoky He pres de ^= jik^ laia
Segel = mal. layar^ marea jaune ist schwerlich etwas
Anderes, als mareah^ mageah roiige („gelb* ist gahik Ajm.)»
Imo mentir ist einesteils das lor in dorn lor lügen, andern-
teils erinnert laohongam Jemand betrügen an Bahnar lam
unwahr, Stieng röläm betrügen, zumal da Bahn, tiam gehn
== nao im Tscham ist. — Vgl. übrigens Landes in der
Vorrede S. VIII: ,A la fin des niots i, ^, jp ne se pro-
noncent pas ou du moins se resument en un arret brusqne
du son^ .... Eine seltsame Ausnahme bei Morice ist muek
Gold = möh,
2. Die von Landes S. VII angefahrte Erweichung eines
scbliessenden tv in der Aussprache tritt nicht allein bei tkff
ein, welches äu lautet (vgl. obiges agopao für nd)üw 1000,
spr. rtibäti)^ sondern auch in anderen Fällen, wie iou appeler
= cw^ spr. iw, Iw links lautet iu in kayo\i ä gauche,
Stieng gio, Preo crier ist = prew,
3. Die Auflösung des (5 am Schlüsse, welche ebenfalls
bei Landes a. a. 0. angeführt ist, findet sich auch hier;
aber während öwötj danach dw'öi zu lesen wäre, lautet das
Wort für „laufen" bei Morice douc. Hwöd fürchten, welches
sich auch bei Moura hiwch geschrieben findet, ist hier Äoe,
woneben kJwe eftraye! Loite assez ist vielleicht = Iwid voll-
kommen, zu Ende.
4. Wechsel de^ Selblauters der ersten Sylbe findet in
derselben Mundart statt. Bei Morice ist allah Schlange =
ulä (mal. iilar), Akou (|ueue = ilü (mal. elcur^ ikur),
5. Für r tritt im An- und Inlaut oft g ein: agopao =
ruhüw^ aga tcgnun veine = ughd tangin {uglui wäre jedoch
ERmdy: üeber den Wörterschatz der Tscham-Spraehe. 431
nach Kuhn nicht akar^ sondern mal. urat)^ aha kayao racine
= ughä kuyau^ ffoup^ roup = rup corps, gaua maladie =
rwak^ gabou orage = rabuk^ gapeu toucher s= rapök tasten,
greifen, agan(g) = urang {ra^ ran\ letzteres bei Bastian)
in agangäkeü ouvrier == urang raget und agangapron officier
= urang (a)prang oder kaprong^ — gheu^ ghreu herbe = röt,
negak sale = nöraky mit Erweichung oder Ausfall go aboyer
s= groh^ ebenso in goaum für grum Donner, hagatou 100 =s
raiuh^ keuoum bambou = krüm (kofn im Scbarai), toou in
ia toou maree descendante = truh fortgehn, aber troun in
traunmognotieu descendre = trun (möng ngok döh „yon —
auf dem Berge ^), ma^eoA neben mareah, tnoria rotb = mal.
meruh (letzteres auch == jaune? s. o.), kaga^ keua neben kara
Schildkröte, tagoe epine = darwai, B im Anlaut durch l
ersetzt in ladai Blasebalg = radai s. Landes S. 10.
6. S ist = ^, th der Mundart von Binh-thuan : aUah sroh
ramf)er = ulä throw „die Schlange kriecht*, asse^ se Pferd
SS a&eh^ passai Eisen = bathei^ raga Hirsch = raS-ä; seam^
siam bon, sidm fort = ^yam^ sann^ sann Haus, sanghin
Küche, sangouh Gefangniss = ^ang^ ^ang ging^ ^ang +
kamb. kük^ papaun sann Dach = päbung dang, tasi Meer
= tadik, tastiabaa lac = tadik-iapagä? (katisi Süden =
katadik?), kasatlo pauvre =« kathot (lö sehr), tassa laver
= tathaL
7. Dem Nasenlaut ng der Mundart von Binh-thuan
entspricht bei Morice die Schreibung gn im Inlaut und n
(nn) am Schlüsse, wobei wenigstens im Falle von sa^m Haus
auch für Franzosen der Nasenlaut ausgeschlossen ist : agnam
(agnan?) nom, se nommer = angan, agan und agam =
urang^ agamene enfant = urang anSh, agan eux = urang,
aganniau ils, eux = urang hu, agan gapran = urang prang,
agan gäkei = urang raget, atien Skorpion == adyang^ tegnun,
tagnun Hand = tangin, agnin Wind = angin^ häb*
432 Sitzung der phüosr^üol. Glosse vom 1, März 1690.
haha Mund vgl. pahah Mund und ßang Thfir, yaman lo
ha'ir (I. ganon*^) = ganony zürnen und lö sehr, ganon pich
lam iean vengeance = ganong j?AtA; lang (oder lanöng) tyan^
glon baut = glong^ Icanon se facher = ganong^ kon bracelet
= kmg^ kann Kinn = kang in halo katm barbe = baliiw
kang^ lehonketou fesse = lahang kaduk^ lagnal labourer s=
lingöm travailler la terre, vgl. lingan charrue, sskr. länggala^
leouan maigre, leotian lo maigrir = liwang mit fö, man
viser = fnong sehn (pähong viser), neben moungkoproi^
meungpoproc hier = (möng) kahröy heisst es mit Anähn-
lichung an den Lippenlaut moumpke tot = mötig page ,in
aller Frühe* (?), peuaban ouvrir == pöh hang^ pagnoun Brunnen
= hanyun, papoun Dach = pdhuny^ pan hören = p<Mg^
pdnngoueu (!) fleur = banyti^ ialan Knochen = talang^ tim
hache = jong^ takron fleuve = krofig mit vorgesetztem fo,
kan dur (au physique) = khang fort. Dagegen mit Nasen-
auslaut toiing estomac, tang maire de village, tia nung dih
lit = danöng dih^ kin, king = ging Küche.
Unter den sonstigen bei Morice vorkommenden Wörtern
und Redensarten sind einige mit mehr oder weniger Sicher-
heit auf die von Landes gegebenen zurückzuführen, bei
anderen müssen wir uns fürerst auf Vermuthungen be-
schränken:
Aüatallap^ Allakallap Dieu ist Allah ta'äla. Anu^oo
cle ^ anük + soo (chin. so SchlossV), ago mugir = groh
bellen?, arei tako est = hare'i tayok^ arct tameu ouest =
harci tamö^ katieu nord = ka nach und ööh Gebirge?,
katesi sud = ka + taMk Meer?, atiou Gatten = hadyap,
apik tieu finir = ahih jö (jöh)^ atom fournii = had^jm^
akofaou genou = akok-ta-uk, assah livre = ar. ag-raMfeh^
ayamnao pcuplci kalo Kaufmann = nrang nao pahlci {kä -j-
kanib. lok verkaufen?), ayuam nom =. angan^ haoulo air
=r sskr. vayu + la^ vntula^ oder = ßüw -{- W?, hohtien
Himly: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 433
dette nr annam. bo-tien? (chin. pa thsien?), baple vendre =
pableiy hdo vert zu bälon im S^mang (Crawfurd, Klaproth),
biru im Serang, mal. hiru blau (sskr. vaidürya?)^ bodaun
nez m: boh adtwg,^) bohomh blanc =z ßofig^ diiaptme accoucher
= üh di aptvei, dela langue = ddlcih, drapeu mon, ma,
▼ieUeicht drap hü ton bien, deht pierre precieuse zz: dik^ doüi
tara saigner y. n. = dtvöö durah? ^ domala sous = dok möng
(üa^^ doul talon = kadtvdl^ gai diu baion = gai-jrü, heu
toi = AfV, gi (kS) barqiie = annam. ge^ hadiann, iann
(letzteres in iä-^iann) pluie, pleuvoir = hdjan^ hedian-lega
Saison des pluies = hajan-laan (aber laan ^kalt'' hier =
lakan neben Kantsclio lenga, im Stieng ist mi teh höi la
Saison des pluies finit), hadiou vivre = hadyap^ hatan
ehevrette (crustace) = hadavg, hdbabann (1. hdbaUinn?) mois
== halan mit Vorsatz a, Aa?, hatoun ann^e = thun^ käli
kay€U> ecorce = kalik kuyao^ kali^ popelt ecorcher = kalik
(päkalik?)^ ketioa fröre aine i= kaöwä erstgeboren, kae^
thai front =i mal. dai^ dahi Stirn (vgl. Kuhn, Beiträge,
S. 228) und Stieng tangahi^ kegao in k. imin, k. tegun se
gratter = garaw, keo (kio) grenouille grosse edule = kyöpy
Jcatau avec =: tu im Stieng (Azemar „ä, avec*)?, kouh grue
ä cou rouge =: äöZc?, keen hanche = akyöng Seite?, kadotd
banche = käduk anus, kadao jarret iz: ta-uk Knie mit vor-
gesetztem ka ?j kagiabolo laid zu Zca + jhak + ßok + lö ?,
eageu ferraer = kärök^ kehum mlU^hoire, vgl. kamb. kham
beissen, Tscbam kabum in den Mund nehmen, mal. käbSm sich
in die Lippen beissen, kapoua fil == kabwak^ kalapa marcher,
vgl. mal. lampau vorbeigehn, ka menton = kang^ kamoun
niece, petite-fille = kamwön^ kakao tagnun ongle = mal.
kuku und tangan (mal. tangin)^ kia-keou ours des cocotiers
-=> dagüic ours, kroe poum pompleraousse =. kröö prong
1) boh Zahlaosdruck ? Vgl. findafig im Semang bei Ela-nm^.
1
434 Sitzung der philosrphüol, Classe vom 1. Mars 1890.
(s. prom gross: vgl. Stieng kruiö hmg\ Tcan poisson =
dkan^ keung poteau = Bahnar göng^ katao Laiis, Floh =
mal. kuiti Laus, ketüopahaoutamou pousser = kuyau barüw
iamuh^ kanhou rare = kan-hu (Landes: kan .difficile',
Bahn, gän kaum), kaya riche = mal. kaya; kakctoassi
sabot = kakao (s. o.) a^eÄ, katiap kago sain ■=. kajap-kard^
kakouh saluer, bon jour =: kakuh se prostemer, katok san-
terelle, vgl. kaäöh faire sauter {katit cancrelat jauue, mal.
kredek gra.ss hopper Crawf.), kehlo savant := ghöh geschickt
+ Zö, koun savoir zz: krün reconnaitre, koke scie, vgl. Mk
beissen?, kannh toile = khan langouti, ia meide encre ==
iä und chin.-annam. mok, mük, tum heure = sskr. yäma
Naclitwache, ia hani miel =: iä und hani Biene, kata
poitrine, vgl. Stieng kötoh Brustwarze, ia baba salive = id
pabah, ia doun morve = iä adungy iaarre soleil = id harei^
iu hao sueur = in höp^ namiü uriner = nao möik^ klegal
yaiao cacher = kUk alä? padöp, kUo chaise zu kUp^ iat-
nassan eharpentier = kayaxi ngah &ang?^ kokian coude zu
Stieng höngkien {köng dient zum Zählen länglicher Gegen-
stände), katimmhaha cracher =z kaöuh iä pabah^ kalamung
araignee z= garmeng Aynion., kapa arbre ä ouate i=z mal.
kapas (s«kr. karpasa), kannou ä droite =: ka-hanuk^ kanian
rcbelle z= lihan (laiia Stricke an der Tragestange; wie lid-ei
=2 ri(hci =: /a^c?-, könnte ein von der Mundart von Tai-
Ninh verschmähtes r zu Grunde liegen. Im Malaiischen ist
tangga Leiter, im Makassar tänrang, ebenda härringga^ pä-
lang Sprosse, welcher letztere Ausdruck im Malaiischen und
Bugi durch atmk^ (hm Kind mit folgendem tangga usw.
wiedergegeben wird. Aymonier stellt jedoch das Dalll-Wort
linhan dem anak als gleichbedeutend gegenüber), letaneu 5
zz limö^ lemoinn elepliant =z limöfi, lernen faible zz: liman^
lahm froid zz laan, Urnen gras z:z Stieng lömtmg^ lopa
tcan avoir faini =z lapä tyav^ lakaou allatallah prier
Dieu = lakau Allah ta\Ua^ mana avant =: mö(ng) anak^
Hiwdy: üeher den Wörterschatz der Tseham-Sprache. 435
Imdava respirer = loh (Itoöi) yatcä^ lapae rever zz lapei,
lemeu rbinoceros = Stieng römahi, Xong ratna^ Ehmer
ramäs (s. Kuhn S. 212), letnoo Rind == lamow, Unh soldat
= annam. linh^ maniaum boire = mohum^ motah chameau
trotz des Anlautes, der durch Missdeutung aus lemoo ent-
standen sein mag, doch wohl mit hind. on/, mal.-jaw. unta^
siam. tt/, Mon ut auf sskr. ustra zurückzuführen, manieo
chat (=: möyao) ist wohl durch Einschiebung des an als
ydie Miauerin' zu deuten, maJcanapoüi se cbauffer = möghang
aptoeiy matale cheville du pied = möiä leg (vgl. mal. mata
kaki ^Fussauge'*). Mit dem manou = mönuk „Huhn, Hahn*"
malaiischen Ursprungs ist sinnverwandt ieungy welches an
Stieng ier wohl mindestens ebenso, wie an mal. ayatn er-
innert (vgl. die Verwandten bei Kuhn S. 213, wozu noch
Mebto saing neben sitn), manou-ho coq de combat erinnert
an Battoa u syi ar rung kuo^ Amwi, Lakadong u syi rung
koh (Khasi sonst jar s. Campbell, Specimens), tnanou klät
coq sauvage zz mönuk glai, massam couvrir =i möom s'en-
▼elopper? oder =i mötham se vetir, se couvrir (auch Essig
= mal. mas^ sauer), matian etre enceinte = möiyan^
mateuk dih s'eveiller =z. mödöh dih. — Mouü termite =: Stieng
römuoi (?); Azemar fuhrt als schwarze Ameisenart römuoi
pök kH «A. mit zerbrochenem Home'' an, woraus nach
Abtrennung des Zusatzes pak kei trotz dem ausserdem als
Name einer gelben Ameise angeführten chäm der Gattungs-
name leicht zu entnehmen ist. Das rö ist als Vorsatz nicht
selten; im Thai ist mot zu vergleichen, wo die gewöhnliche
Ameise pluek heisst. So ist denn auch wohl das möch von
gramöeh im Khmer zu beurtheilen, mit welchem Kuhn mal.
sSmui vergleicht. Ebenda sind hmuit im Bahnar,^) moi im
1) hmot ist nach Dourisboure, Dictionaire bahnar eine rote
Ameise, khmaut nach Aymonier ein geflügeltes, Holz nage»
tier von schwarser Farbe (vgl. khmau schwarz).
43G Sitzung der phüosrjihüol. Clcutse vom 1, März 1890.
Ho, nmih im Santbal, muifi im Mundari als AusdrQcke für
Ameise erwähnt. Im pers.-hind. mor ist das r ebenso stanim-
haft, wie in obigen AusdrQcken scheinbar ursprüngliches t
(riiss. muravici, engl, mire, gr. fivQfdr^^, altbaktrisch fnaoiri
s. bei Fick, , Wörterbuch der indo- germanischen Grund-
sprache" unter matirt usw.). Indess hat khmor im Khmer
den r- Auslaut, w^elches ausser „Grille* nach Monra auch
eine geflügelte Ameise bedeutet (s. Kuhn S. 214). Hodgson's
khamol (ebenda) im Mon fehlt bei Haswell, welcher khcLhma
als allgemeinen Ausdruck für Eerbthiere anführt neben
khaJimaJian (mit malaiisch aussehender Endung); es würde
mit seinem Anlaute gut zu Khmer khmor passen, inden
sagt Haswell S. 6: „The only letters used as finals are k,
ng, t, n, p, m, y, w, h, a'^, und so bleibt nur die Annahme
eines mundartlichen Ausdruckes, oder eines Schreib- oder
Druckfehlers übrig (vgl. jedoch auch khmuor und khmuol
im Khmer für schwärzlich). — Mepoui tiouh lo fou z:z mö +
apwei + dufi + lo „(Hirn) verbrannt"?, meupaui iou (lies
tioui) hakao fumer du tabac =: mö + apwei + zuk + bakaw^
fuassou giierroyer =: möthuh attacjuer (vgl. möthao se disputer,
mal. musuh Feind), maini he =: mai + wi komm hierher, ieoga
he = iw rd man ruft dich?, mian joue (vgl. chines. mien
Gesicht? Vielleicht Versehn für main jouer), momeuh macher
= mal. mamak^ masaklo malheureux, vgl. ar. masaqqafi
Betrübniss (s. Hoorda unter musakat) + lo sehr, magnie
kamao niiaiiler s. o. manieo chat -j" kamao (letzteres also
eigentlich das Zeitwort), matai ia bloun se noyer zu uiötai
id ßlöng, maiai i)arler =z Scharai majai, Tscham nijai
(Müura) =: kamb. nycai, mah taute =i mik (vgl. mieu oncle
bei Morice), makai tempe, vgl. o. kae Stirn, mom te'ter =:
miim Ayni. (mal. mem), nao tion chasser =: nao tyap, ouaeu
oublier z= war, niokko coiter =i höh (+ gok?), niaokan
difficile = ngah'O'kan, nia, niak faire, travailler zu ngah^
naho janiais (1. w?a-o?) =: ngah-o, nama nei se laver :=z
l JIMy: Ueber ifcii WOrterachaii der Tficham-Spraeht.
437
) biet
noo mvnei. ohoA nou = Au o, noblei marcfaä = ■
.kaufsn f^lm* mit t^avur zu ergänseudem pak, nai m^chant,
vgl. UDitani. nä\ un^^tfim verlangen, am Bleue =^ Mab.
Mai, Btigi awäni, nioii ia doun ( — ia ktoun) se nioiicher;
in der Muniiart vim Biub-Tiiimn iet huk iä ins Wower
tsucben {doun — adunff Nase, Moii ydunif Vorgebii^e),
Nooua pteheur = nao wah . fiechen gvhn ' {urattff ta
«rgütuten). notmiigiiti nuivtk ^ nao twei uranff? , natai
)Murauivre daaNelbe?. namhin tte proinener zz nao viöi»?,
tutpalfta Unit, droit =; nao pätajmk?, niadrou katiunek viic-
emcr(?) =: ngak jrü kü anük anäh .Heilmittel /.ubereiteii
uod dpn Kindern geben* (?). premom nourrir, donner le sein =
hm rmum. prfmom mteu nourrice =: brei mum anük, passa
onibilic = roat. piisat, palai oft = holet, peuaban ouvrir
^ pöh -H /So«?i pahal papier, vgl. bind, pahal Baumwollen-
flodln* (wenn es »icli nrsprünglich um Baumwollenpapier
hwideln »ullte). patno pierre ^ batüw, paiaieh plante dea
pieds = palak l^. pooh porter un furdeau. vgl. pök elever
entj« les mainfl bei Landes, oder bak porter sur l'epaule,
le diw, jirobassi rat palmiitte := firok mit hinzugefügtem atfM
PlisTd. prcuoufu rendre ^ fcrc» wöfc (da liier preu = 6fc»,
ki^uiile ancb iu mainbreu jouer aux cnrte.s 6rm etwa mal.
fiari Laos, WUrt'el futoprechen, wie auch »iäm. bia ^= mal. beya
Mnscbel in /en dw spielen gleich arab. qimiir da« ßlQoJcHpiel
im Allgemeinen liezeiclinet), prei titm rqiondre (einst^hn?)
finf ij/^Hg , Krfolg gebenV, prik ruisHeaii = kamb. prik, pear^
tobt ^ bg&r harei; pol soldat =:: bol bomme eorv^able, aer-
vitecir« dm roia (sakr. bald), pohtim testicale ^: hofi + ating?
{f. Kuhn Bisaya utin ponis usw. Bei Ltin'les ali»;/ =
cutitiiu), ptai, apetai vill« ^ |>a'ri, /jufra vite ^ prt + droh,
paeutai/o voler un l'uir =: por lat/dk, pta
pahthtsi hridi?, v«!. prfWA: ajiwter tmd WAr nuTdrc bei Landen
tM. p^ntan t:arr<^ =: pcijt 4 -(- »wöi« + an (büj
ij pa 4, »t(aA Auge). dii.i Änhüugsid an diu
1
438 Sitzung der phüos.-phüöl, Ciasse vom 1. Mars 1890,
malaiischen Einfluss? ,Auge' für «Seite, Richtung* kommt
öfter vor, z. B. Tscham di rim mötdni «in jeder Richtung",
für etwas Hervorspringendes s. o. nuUale; doch ist auch an
missverstandenes nial.-jaw. prapat^ präpcUtan zu denken.
palauhfiiata cils r= balütc mötä^ pokroe citron =: boh irod^
pokoü clou = mal. paku^ preo crier = priWy plaa lenunm
defense d'elephant, vgl. Orang Benua: bala «Elfenbein*,
poke deniain =: page^ popelt ecorcher (kalt) =: pd -\- kalik
s. o., pra ecureuil, vgl. mon prip^ pokan en face de, vgl.
pägan steten dre en travers bei Landes, pan entendre = pamg^
pato(u) etoile = hutuh im Bani, batuk im Tscham im engem
Sinne bei Aymonier, mal. daj. Sunda usw. hintang^ Bngi
uAtoeng, Tagala biioin^ Pampanga batuin^ Bisaya biUnm
(s. Gabelentz, über die formos. Sprache, Ztschr. d. D. M.
Ges. 13 und Kuhn S. 223, wo auch b%n4ke aus dem Malto
verglichen ist), peunai femelle =: banai^ passai fer z=i bdthei^
pänngoueu fleur =: bangu, prextiou paiit guerir zu brei jrü
pddhit («Arznei geben und heilen **), pagam^ paka haie ==
pagä^ proe(he) intestins = prb6^ paneuh lancer une flache
=z pänüh^ pouh'Sdego se lever =: brüh tagoh se lever vive-
ment {s aus einem burus abzuleiten oder uz sä «und* ?), pahai
(bahai) loutre =z bhai, paekoanh lire = bäd -j" ar* Qorän?^
pih amer =: phik Galle?, poumpeuneti arequier m phun
panöng^ phunptay bananier in phun pätei^ pogemontasso
matin (man sollte etwas erwarten wie page möng tagöh^
aber vielleicht hängt tasso mit tußoh ^tröpfeln* zusammen
und bedeutet den Thau), pager, paguet argent = pargctk,
raga cerf 31 ra^a^ ralin cire (auch bei Moura) zz: mal.
lilin^ Scharai lin, Rodeh haiin, während das Eantscho mit
seinem jirieng mit dem Stieng-Worte ßring beinah überein-
stimmt, ramon (remoti) Tiger 1= rimong (Kantscho lemong^
Rodeh immig^ jaw. mong\ ramon pep rugir (tigre), vgl,
prew schreien, ranih tout de suite, vgl. raneh, aneh jung
und das ähnlich gebraucht^e barüto »neu, darauf* ; rouiUe
' Mimt]/: Deher dtn WöHerachiUi lUr THvhaai-Sjirache.
139
shir =: Stieng iiml Mon ntM, seneung juger, vgl. shanÖng
räUcbir bei Landes, sing Uon = askr. sinha; siio poudre
k fusil := ,Jrü Hoilkrftut a. o. iiou in p-ct 'iou und vgl.
titU and ria( aiititer ^ »W/, sni sei = Särä, soo serrure
=:; chin. so. sittnoki temple, pagodu. vgl. «skr. gamädhi,
takgäränta, oder mn + pera. mögt?, agad dgl. = askr.
äffdra Hai», foAt'aAoa lac = taiHk -f mal. ttflaga «Teich*,
w«an b für { vordruckt, tnsao luit, fa««uo miiinelle z^ tatfum
Buiien, BT«t«reH wnhrscbeinlicli iä tathau und /ostto =: tassao;
doch kiuiii da« entäprecheniie malaiische susu auch ftir agSr
MUU fit«liri; fmt lii ^: /rtni, topton iuttirpr^te =; chiii. fAunt;
ym (ann. ^on9-n90N)V, ioalni ici ^ liot /ani?, tion hache
^ iMjr, tiouhao »'bnbiller = iiüc ao, tiaraohekabatt geai
bhnti vgl. (Sorau' inerle jaseur {kahau ^ Au/jüw), tiakoueu
Güaui ^ Öagwör, talea ecrawr, vgl. kb. f/i/i^ft fallen, Mm^^oA
«Ikllen lasiten*, takran, kagan eclume (also eigentlich /«it-un,
Aman), vgl. mal. paron, Mak. pälan/j, tagaini iareini\ au-
jcMird'hni = (lak) hard-ni, Iheä liirgpr = (yd. «apÄo lente-
meni wahracbeinlich = siop ka arretel vgl. tliow zurdck-
balten (kb. tSp\ uiiil ku'f oder khal .schweigen' in khal
damai^t theu hagan matai enterrer = dar urang mötai,
tagri Äpine ^ darwai. talan anuh epiiw ilu dos =: talnng
kanö (bivgiinin wie ein Bn^en?), lian-loch tlanc ::^ tf/an tok,
tairon Bmivo — dak (Stieug usw. .Wasser*) krong, troi
Uaape, vgl. kanb. troi Baken ie^en, damroi Bake, lassa
larer := lalhat, long maire de viilage =: an. trüüng (chtiie».
ä^jT in thsun 6kang Uorfältester) ? vgl. auch Tacham
töng Keltibüt«rhütte, tagne Mala =r tangtty, tano male =::
ttmou, lohouß manquer (il n'y en a pae) ^= ^AoA Au <), fian^
froM ni«dfcrn = ja ngith jrü?, tialoi So nager = ijai) di
iMläie M? (vgl. auch Stieng tölot suhwimmeu), talan pal
buiu^rns ^ talang -j- pal verkjirzt aiiK palak'i, taniukan
oagooir« — ttuigin 4- akan'f, besser wohl taneo nun» + kan
=^ Bader de» Fisches, «gl. Mak. piinni, Bugi kai^i j~
440 SiUung der phüosrfMol. Cla8$e vom 1. MärM 1890,
Flosse, taklou tapeya naitre = tagloh tahyak^ tatio nevea
(tatiao petit-fils) = tafy>u) Enkel (ann. ckdu Neffe, kamb.
chau Enkel) , tiou noir = juk , takeyao bücheron = t<ik
kuyau^ taklamata aveugle *= tagloh mötä, tapouidri nous
= dapwöl drei oder ta hol drei (ersteres „Heerde — selber*,
letzteres «Unterthanen — selber* mit dem ta Jüngerer, oder
Untergebener), takaibou nnque = takai ßok fQr taikwäi
Hals durch Missdeutung, talan louon bassin, os de la hancbe
=: talang -f~ Stieng Itumg anche, 1. hauche? (vgl. ann. lüng
Rücken), sonst „hauche* bei Morice keen (:=: kyötig Seite?)
und kadout = käduk «aniis*?, takoe cou s. o. takaibou,
takoe pati cou de pied = taktcäi batih^ taofnteti autour de
m tomdar, tamah^ beau-pere, belle-m^re =: xhimäj ttaboe
bec = daßivdö, touoplou dixieme, toudoua deuxieme {tau =
atuk Fingerglied? das o in oplou vgl. mit a und ha in
agopao 1000, hagatou 100), trounmognotieu descendi-e =
trufi möng ngök 6öh\ takoai dent ziz Trao-Lai tagdi^ vgl.
Tschang-Sui kiwi .Zahn", Stieng tokha Gebiss, tiän attendre
rz: öang^ tioxi bleu ^ii: juk schwarz (unbestimmt, wie chines.
thsittg)^ ihaixkngao brauche =i dhan kayao, treu cerf nz tros
bei Moura, Scharai prus^ kamb. prös, tim manieo chouette
(eigentlich Katzenvogel) zz: chim -\- möyao, tim auch bei
anderen geflügelten Thieren, z. B. timkakou =: chim kaktih
maute religieuse, Gespenstheuschrecke, Gottesanbeterin, auch
timpdit --z. chim pädik „Krankenheiler*, oder mit pätit
Kanne?. — Thoni contre =: tarn reneontrer, tana faire cuire
=: tanük, taki i)eu uz dakik^ trao palet pigeou domestique
ziz katrüw palai „Dorftaube" (das ka entweder, wie bei
Namen von Menschen, Zusatz, oder in der Mundart von
Tai-Ninh aus Missverständniss als solcher behandelt), tre-
tgnun tegUdega blessure =: (Jre couper) -f- iangin iagloh darafi
,die Hand schneiden, dass Blut tiiesst**. Ire couper scheint
mit frae ciseaux zusammenzuhängen und dieses mit Stieng
kötrai, kötrri, siam. katrai „Sdieere*, dieses aber mit bind.
^^^H Itiwiifi: ürhcr ilrn WMeriehati drr T'fham- Spracht. 441
^^H Aa'oml, anbr. hartari; wenn man Aaa französische
^^H^rtliclie j'ova icli habe ■=. je + avons vergleicht, wo
|F der WurtstHitirii verachwiindeii ist, so wirr] man die
Möglichkeit solcher Liebergänge zugehen niDssen. Krleichtert
wire ein solciier tiier durch den UinataDd, dans ka, kö im
TscbAm und Stieng (gelegentlich nach Belieben vor die
Wörter geeetat werden. Tanra^n plaine b, o. taHratc, tsiai
moaUa ^ aunani. {e6i) xäy, au)!;eni>cheiiiiich dasselbe ist sae
in »ai-potai momln; =^ thai padai (Landes erklärt tjhai für
Uauchreibnng des annamischen xäy, welches eigentlich de-
iner Ijedeute). Sangmüt prison — i>ang -f {guk oder
aiam. khuk (iefangniss, säkr. gxtltä^). Tamarra plumb
.1. timah, Bngi lumarra (s, wegen der übrigen Ver-
liaften Kuhn . Beiträge S. 209 u. 224). Talanbao
pomnivttv de In Jon« = talang (iok, Imissa premrer r= {atuk)
ttä, tu prws de =z. ßk. tailioua prötre ^ ann. thaij cÄ«aV,
imtpta iiuaLriäme I. toupa n. o., Ceogi rauier i= teo =: ann.
ekie nnlvm und gi >l(cbifF, Irai ransaäi^ =: trui^ lako. takovh
rat = mal. tikus, ianio rame =: Uo rudern mit eingexcliobenem
an, Utianganeu reins ^; talung -\- anih (roncA?), (rott, ffOou,
drou Riniäde =^ ^'rti, l!/ra»i rencontrer s. o. (mw, /unaA: rocher,
•kamb. tknak Stufe oder taniih ErdeV, tania iarei rayon
kil. vgl. Rskr. tatviga Sohn? -j- tä Aar«, talanlhou rotnle
nny -f- i/fA; s. o., lakouho sans ^^^ i/u/: Au ö {dak immer,
■men h. o.), toutaliou(k) tteptienie = («/!</( +) tajuh, tolah
oir =:i (2oi + fl'''> tanopmuta sommeil ~ tanok mötd
iMJller bei Landi«. lagnoh eourd =:: tangah, — louiga, »atouigan
■uivre qn. = twei rd, nao twei (u)rang, topagno nur, dessu»
:= topak ng&k-, tmlou vuse =^ ya/wi, taolOHi tkUan voyager
= {tao) hcrt }alan (lao =. ann. daa ~ chin. («ö Weg, oder
kKDib. (am folgen, toui ^ twei), taJtalo vieillard ^ tahii alt
and iö whr; alce tapah fröre cadet, vgl. jaw. adi dgl. und
j^ tabah von mödVA 'o&oA, sowie askr. antima, PoKV/i^m
^^^^to =: Stüng ptidn, ebenso Khmer. fotdkagan nü^^^f
442 Sitzung der phüos.'phüol. Claase vom 1. Mäßre 1890.
= pwöd kä wrang, genauer pwo6 JhaJc kä wrang, wie es
S. 21 von Landes' Umschrift (mit ai Balok-laü ffir wrang)
zu finden ist: (Böses = jhaJc) gegen Jemand reden (ptvöö).
Papal bras ist vielleicht eigentlich Eilbogen und ==. boh +
palak (vgl. Stieng phal Schulterblatt, Stieng plu in — ti
Vorderarm, — jdng Bein, sskr. kürpara). Die Namen von
Früchten sind mit po =: boh „Frucht* gebildet: pokroi citron
= boh krdö, popUn citrouille (Stieng plei Frucht), pamane
Ananas = tnanÖs im Khmer, manas im Bali, (pojpcu) mangue
(phwfipcLO müsste durch manguier wiedergegeben werden)
=: pao in Madura und ähnlich auf Gelebes, botron aubergine
= mal. trung (khmer trop)^ pinpoh tomate = kamb. pmg
pä, pohomre piment m Stieng mrich (vgl. amri kaUm poivre
bei Morice), kamb. marsch poivre nach Moura, mal. märieha
schwarzer Pfeffer nach Crawfurd von sskr. mafida, — phun
„Baum* findet sich auch als pown, pounh wieder {ph\m ptay^
phun pao s. o.), pounh kathoum goyavier, vgl. siära. kathum?^
phun panat jaquier (kamb. khno^ siäm. khi&nün) = bind.
panas^ podkam noix voraique (akam vomiquier), phunamü
tamarinier = kamb. ämpi7, phungadäy oranger (jaw. ga^ung
Art Manggo), phunlaJion papayer, kamb. lahong, pokedeo man-
goustan, kamb. tiep pomme cannelleV, posomka melon, potoe
ail (vgl. mal. bawang putih?^ siäm. kuöai). Andere Namen
von Gewächsen sind: abahe epinards (auch tiooua), ällah
lassoun oignon vert petit = hald -j- lassoun =1 Bugi lasuna^
mal. Hofsprache l^sung^ avouat rotin ist hawei =: vSy Aym.
zu siäm. vai, vgl. Bugi uwe (kamb. rSmpeäc), boukeun buisson
de bauibou {keun =: krünt Bambus, bou z= Stieng buk in buk
bang Bambuslaub?), bamaodjui Champignon edule {djia ^
ann. xa Schlange? vgl. pers. ^l^J^?)^ boria fayotier, banou
banian, bohout gorame-gutte, bohkd'iou poranie cannelle
{zz. pokadeo s. o. pokedSo mangoustan), kamb. tiep, dich
toxd, dich diegao sensitive, golga cactus en cierge, kolokayao
troiic rz kamb. kol Stumpf + kayao Baum, kalaauan arbre
Bimly: lltber ilen WörtemchaU der Tucham-Hprachi . 'HS
M liuilif, s)i\. inyaoniban arhre a. uuate (:= kapa, sskr. faw-
;i(nM), lakoua Kin^^mbre (Mak. /atya, siäm. laA:, rak Wurzel,
«ber Ingwer khing), ieeuben menthe, takkou datitra ferox
(vill. iiiiid. dAuftim), fi'f)^^ ueiiuphar rose (Biigi <öt)ji(m^),
tagnc tniii'B n:^ tanguy. Von den GattuD^nainen sind pAtin
nnd ka^au die inHiaiiscben Ausdrücke pokun und Aiyu, ku
oJd, AaM, Mä ist kamb. slSIf. ann. la, ^tieng la, tib. IS,
i'^paL oto) £u vergleichen, 6aA Frucht stimmt in seinem Ge-
ihe vielfach mit mal. buteah Dberein; allein Scharai und
I hüben fiir die Nebenbedeutung .Ei* (mal. tSlor) pos
t (kamb. pöng gegen phli Frucht); die Ärtnamen sind
I diosem. bald jenem Sprachstamm entnommen. An
men finden sieb noch folgende bei Mnrice: aieunn
L.(Art ann. Con ca tong), vgl. jtm .Himch* im Stieng
7g:rih8te llinichart des Landes nach Az^mar), atieu cigale
{ßmdiöp lebendig? hadyap Gattin? vgl. Stieng chdng). aüah
MJiapsuHoma radiatum {aüah ^=. vl& Bchiange). alUth
i cylindrophis rufua, allak Ha ^^ ulä iä herpefcon t^nta-
idlah le.motm pasäerite myaterigans (?). aüah degtan
Eon, tniglan) «ciniiue, lezard, aüah pfUft simotes sexlineatns
(Sli^ug hüh SchlaogeV), allah diambak trimeresurus erytbrurus
'.^huiib. rAompean uniwickelnV), aUah tmd typblopi braminns,
: crabe det; boi^, ago crapnud (kamb. hing rftr, siäm.
r khik). ahm fourmi =: hadam, Silong keddm {s. Kuhn
B7), atom saa f. rouge, grande, alom krettme f. noire
■ k niguitle (kamb. sremock =l mal. sSmut, siäm. mSt).
I termite iStieng römuoi a. o.). apil mygale (vgl. kamb.
t ampA luciole), adianpetieu n^pe (auch timia) 1= adgöng
a (+ penci = Stieng pötwk Haar, Feder?), atakagmm
: adä Ente 4* kamb, cüngan Gans, alien teneu scnrpinn
tod := adyüng (-r /atttiAV), anugon telyphone ä quene,
nidu, am abeille — mak. bäni, Uugi awäni, aouok
i d'eBU: aga punaise. bayä crocodile (bei Aymonier aiich
\! =: mal. buwaga. .jaw. baya (s. Kuhn, S. 226),
444 Sitzung der phüos.'phüol. Classe fX)m 1. Märe t890.
bopao (apao) escargot (ho = boh zur Bezeichnung des
Kunden, also Stamm pao?)^ hopao Heu e. long, b. kolum
e. rond; apao ist = abaw Muschel, Heu = toh Berg?, hahA
(pahat) loutre (auch martin pecheur) = bhai = karob. pke^
Stieng jpi, bi, Fischotter, broniao pelican, baJ^iam pic (Atom
,,schön^?), bobofd pigeon vert, ftotitou! pangolin, kamb. pofi^
ruZ, dian-aneut-proiin ver intestinal {prun kamb. Bandwurm;
ist das Erstere = jyöng anük «in Kindern entstanden*?),
douah^ dunw, cerf con man des Aunamites = jsrwah nach
Landes chevreuil (con man), douon charan9on grand (in
der Bedeutung chapeau = kamb. dudn, dagegen duöng ver
qui ronge les arbres sur pied in Moura's vocabulaire camb.;
der Rüsselkäfer könnte den Namen «Hut^ von seinem Rüssel
bekommen haben); ga moustique, gagS sarcelle (Schallwort
wie mal. gaga Krähe?), hinghaon callula pulchra (batrachien),
vgl. kamb. hing Laubfrosch, iaiian alouette, keo (kio)
grosser Frosch, krap kleiner Frosch, vgl. kyöp bei Landes,
kasouh, kassoul porc-epic (vgl. Stieng köstlich Pfriemen),
kimmeuh, tianimeuh bupreste dore grand ordinaire (J^yain ßdk
«Schöngesicht"?), A/aw epervier = klang im Stieng (mal. lang
Habicht), lanoun (lenoun) anguille, wozu vgl. lenung ver de
terre (vgl. mal. lahau Schlamm?, Mak. Undong^ Bugi Ihirong^
siäni. lai Aal) , lakah limule , vgl. mal. lakar-lakar Art
Schildkröte (limulus ist der grosse Molukkenkrebs), lentoiin
ragn baieine (letnoun = Umöti Elefant, vgl. mal. gajah
mina für Robbe, jaw. (jaja huLam Walfisch, raga = raksa^'i\
nach dem mina sskr. „Fisch", hulum jaw. dgl. zu urtheilen,
könnte man vermuthen, diiss akan^ aka gemeint sei), mim
boeuf con dih = mini wilder Büffel im Bahnar, mediapeu
civette (zu diapeii vgl. nml. j^at^ siäm. xamot Zibet, me =
Mntk*r?), mcdiahao rat musque s. d. v., metirouä varan petit
und dazu neiissaon meuroua varan grand {rwby kriechen?,
meu Vorsatz? neti =: inö? saon =: sann Haus?), ouxi caille
(im Stieng w)k eine Art Wasserhuhn), tamah^ ntanMj ntam
^^^P Himlg: Urler den WörUnduttt dtr TirkamSiirarhr 445
ruaolc* (vfil. S^tietig at&n^ tamäu transparent, A9!;^mar, ftict.
t!tiiing), HfUifegaiontfeTM {=2 powiagtii) tiHJu tripndiaiiM (neuge
— «kr. näga. mal. ular garanfi bissige 8chlant;e, yaifönij
U'fTel, ifcrai erinnert an nögaray, imgaray Dnmhy uml Pö-
KloKij-Qaray, ilfn aagenhiiften Ki'mi^if der Ts<;hai]i), nkm ver
14 «oie ^:^ kanib. nt««sf, paiiit, plitt (lapillun, vgl. jiar dAii
d»vr>nflicgi>n, po^Coa |ierdris(kumb. totia'i), pokowc-pmt(ü-mmb-
roua pbVHigDBlhu» mentu^fr (l^zard), vgl. mal. j/ä^, t^i Ki-
deitli«^ Stieng /j^A^ Chamäleon, plom sangäue ^= Stieiig ji^öm,
patiOMMtki (=; Wtiwtt) acarabee ä trols comes ^ pd -(- duoB
Hot -f- doA^ Hörn?, |>rOM/ (^ dianaiieuiproul s, ».) taenia ;^
^^■01. ^prun, pah tiah bmiffanxa aonulutus. palahian calau petit,
^^Hfionrenil :^ ätieng prSh, peunai feuielle ^ hnnai. peiiditm
VRvid-dvic, jiwim (= klamoung) liinmtlelle; etwa Beide» für
Jcobum Mlinuppen, Stieiig bäm den Mund voll iiehtnen? vgl.
engl, sicaüow und to swallow {hla köutite auch ein Anklang
HU dnn allverbreitete Wort l'Or .Tiger" nein), pette (= bdielt)
huppe (*gl- kamb. phtey Oberfiäobe, Irewölbe), pohak atgle
yUtamb. ac mit vorgesetztem pt'i), rekanko iule grand (myria-
^Ä^l = kaub. rot kony ka 100 Kitige?, ramon poui {remon
^^Ktim, r. jtamoueu) paiitliere, tiageut grillon (mal. ckang-
^^^t kamb, eiuinijrSt). take gecko = mal. t^ek (take.
^^^M ^= dak£), iiaraohikabau goai bleu ^= duraw imerle
^^^K bei Landes + he kahau .Biifieldreck*?? wahmcheinlicb
^^^Werdrefaung), tiakoufu faiRan =z (agwör, tiakoi i^cureiiil
^^^Bt (^ii metiapfvi), vgl. kutnb. chkhf. Hund, tiakoe-paheu
^^^Htwi-fAffN) dragon volatit {paheti =z par (liegen? := pa
HPHnr kamb. dgl.?). timkac {timkm) libelluie (Hm = rAim,
^nij? «gl. ätieog kai ,taon* bei Av^mar?), timkakou mante
rettgiras« {— timpdU) ^= chtm kakuH, pdit Sclimett^rüng
«. «.; torfoA marabout, kamb. trn^c; traohS nierle, Iraohatan
nivrlfl maiidariui frai9 Ut ^onst Taube (^ ^Mw), A^ sonst
n ^A Kotb, Aa^an — - hitam schwarz? Tnniukan nageoire^
taneo km , Bnder des FiacheB?* Tiao {Ho) btäcmtlna^^^"^
446 Sitzung der phüosrphüol. Glosse vom 1. Märt 1890.
Vogel bei Garnier?), tanouan dipsas multimaculata (serpent),
tiammeuh tanäo bupreste dore grand ä bandes oranges, tiecm
(= sieao) aile (mal. sayXp. kamb. slap), trarni calao grand,
treu cerf = troSy kamb. pros; tetioc chacal = kamb. chachäc
loup, toou chauve-souris (vgl. kamb. prechiiu\ tim mameu
chouette (== chim möyao Katzenvogel), bobaul pigeon vert,
tamtrop veuve (oiseau), vgl. Stieng trap Schwalbe?. Kalao
moineau. KraU pangolin s. honioul. Krem poisson de
combat = kamb. hrim.
Andere Ausdrücke bei Morice sind: apau caresser (vgl.
Tscham pok darbieten, pö Herr, ja! Stieng pu teter, kamb.
apuc Vater?); aolongnoi chemise =: oo + hngnoi (vgl.
kamb. ao khnong^ khnöng inwendig, nou khnöng inwendig
bleiben; longnoi für khnöng nau? vgl. auch kamb. lomnou
Ort, also ^landesüblich?), aplan citronelle, aiaepo coeur =
hatai -\- po ^z kamb. pb Leib?, ata^i pih demier zu hadei
(-\- pih ^z Stieng jWÄ: hinzufügen? oder Stieng a-tapik , hin-
zugefügt?"), agnoun arc (=i hanö). vgl. mal. Wtigkung ge-
bogen, an Tl. vong-kung, Ämia cuillere, vgl. Stieng uek Löffel,
nah schöpfen. Äpan cnivre jaune =z kamb. spSn von sskr.
suvarna Gold („schöufarbig*, varnu Farbe zu sdmbor^ piir)^
apan keo cuivre i-ouge (kanib.-siäm. thig deng, siäm. thong
d'eng^ worin d'eng roth, während thong khäm Gold mit khäm
=: chines. kin^ kam Gold zusammengesetzt ist. Das keo
scheint vom kamb.-siani. keo „schön, kostbar* zu kommen,
im Siämischen ist thong khdo Weisskupfer. Dass spön zz:
suvarna ist, dafür scheint im Kamb. auch spon crap für
unächtes Gold zu sprechen). Alaou bailler. Äbouen doux.
Aneuh „et" (conjonction), vgl. anak vom Vorliegenden, Zukünf-
tigen (kamb. wom?), oder ngan -\- hü dgl. ? Atiou femrae =
hadyapy kaniai = kumH; amran fenetre: akotaou genou =
äkok (oder Stieng knk-tang Knie) :J- ta-yJc, asehe hennir (=
kamb. se-srec), alanara, anara lance, javeline; agdoul leger.
Assah livre = arab. ag-gahf (vgl. jaw. musakap = arab.
Uttfly: Vrher den WOrtfrtehad der Tuvhani-Sj'racht.
417
mufhaf). Amou inart«au (vgl. Mon muet Axt?). Agnim
ordcmner. Apotakai orteil, vii;I. fioutagnun rlni^t. iinii o»i«i
tagntm pouc«. Letzteres bei Bastian S. 245 nu tagnön ,die
Muttnr der Hand" (= itw tangin), H-xai Zeigefinger l^fA^t
• nigrndc Finger* hei Bustian ist wohl ilas siäni. «im xi von
fcx«tg«>i * 'O • tagnün höh Mittelfinger = tangin krü/t.
RingfitigLT; tschii = J« fllr jüngere Leute mit
VgL Stitmg vt/fau, lau Finger. surlAu Gatte und sinni.
*fci Hang mit tiani/ , Herrin*; daher Silong mi-nanff .Finger*
mit mi ^ siitTii. mi .Mutter*; tscha-dteng Itteiner Finger
(dimg = jy^ilf .geboren werden' ?). Der Daumen als
, Mütter der Hand" kommt vor im Stieng als me-ti. im
Khruer An mt-day, iui t^iämiBchen abi mi-mü, der Mittel-
ängnr in der •ieni Deiittwlii^n (Mitsprechenden Benennung im
Stivng mU nj/lau klung, im Ehnier als mrream cihidal, im
S&uiscben al» wm klang. Ein eigener Ausdruck für .Finger'
mg nglttu, Khmer meream, siäni. niu) scheint dem Tächum
(blil«n. wenn es nicht eben jenes (i in tt'Xai sein sollte;
fUand, Arm* im ätieng. Umgekehrt kOnnte das böH
I n^au t>&h für .Zeigefinger*, in dem Äzemar diia gleich-
liititpiiili; Wiirt für .S»!/.* verninthet, da» höh sein, welches
TÜB Kichtang bezeichnet und in obigen apo und poa bei
st«ckttn. — Allting ouvert (vgl. kamh. lüng uus-
, jaw. iuwang, mal. lubnnij Hühlung, lapang offen).
iaga sacrum. Aekmai soeur = ai kumei? Abihgo
f^ abih ra? Anlo souveiit für anak 4- lo? — Akia
' Agui renifler. Buoulo air = ßilw + 16 (sakr.
I)?). Bogom dos de la main; baga ^paule (vgL askr.
«?), Bouen facile, bleu biia = byor. Brinr Hourc«
(vgl. kanib. jtrfc Fliu«, Stieng brek Kinnsai ~|- Tscham
Air Wasser; mal. prigi Quell -|- ayir). Batau tousser
^ mal. batttk. Bau niai gugucr an jeu (annam. vdn
P^Ock. Lot» +■ T>>cham nMt .kommen* ?) Bigoiäw go^rir ^
Boboualla ivre ^ mal, mabnk + '
448 SÜMung der pküosrphüol. Glosse vom 1, Mars 1890.
1
(Das eingeklammerte n der Endung scheint durch missver-
standenen malaiischen Einfluss entstanden?). Bangbra mächer -
= ßöng brah. Momeuh dgl. === mal. mamak. Badeüeu 1
obeir = Stieng prödou sich bessern (kamb. predäu be-
lehren = Tscham pathau, welches wegen der Endung hier
schwerlich auf geradem Wege zu nehmen ist, wenn nicht
etwa eu = toöJc), Blin pencher = mal. mtWn, miring^
baring? Bau atman pourquoi = Stieng bei-ön + nan?
Baoutia sentir v. a. = ßüw jhak (?), baobgni sentir bon
= ßüw bangt (da obiges bdou auch wohl nur dieses bao
sein kann, ist die Bezeichnung als v. a. schwerlich wörtlich
zu verstehen); bdoprou sentir mauvais {prou = pr(mgT^.
Diambolo (= lakalö, bohtieupah) petite veröle (mal. katum-
buh Pocken von tumbuh^ tambah wachsen). Digtibotihbep
carquois scheint in der ersten Silbe Stieng dif^h «Rohr* zu
enthalten. Die easser = joh. Daga couleur = dega^ taga^
tara sang? Dela langue = dalah, DitiaboS levre aus öab-
wöd mit vorgesetztem di wie rim in sikm. rim sipak? Dehi
pierre precieuse = dek bei Landes (in Siäm bezeichnet thet
das, was aus dem südlichen Vorderindien stammt. Vergl.
auch dhU Reliquie im Mon von sskr. dhätu), Dia propre
= Rahnar dö? Goup eorps = rtip. Gm dos = rong. Gle
(kU) fatigue = gleh. Gouhkuaha fonr = kamb. ciw Ofen
(knaha Name des verarbeiteten Stoffes?). Gonaganoua soigner
= rong(?) urang rwak, Gapeu toucher = rapök, Geue
toujours = gröj) alle (Stieng kop, annam. khäp überall).
Ho voix = söj). Hall verre ä boire (vgl. ann. li dgl., chin.
po li), Hok vagin. Hont siffler, souffler = Iiosh (kamb.
hat), lladian-lega saison des pluies ; bei Landes ist haly^
der betreffende Ausdruck, hadian „pleuvoir" = hujan, lega
dunkel, violleicht = kamb. rongva kalt (Mon Itiyang. knyang).
In ia ioun pluie könnte letzteres die Neben bildung zu sein
scheinen, die sich vielleicht zu hajan verhielt wie ia zu
aySr\ aber besser ist vielleicht an das yang von yang harei
■1»; I
nkea. Tekoltoum hetii saisun ^lie scheint ein Satz
I wie tat prätiff lUH ,die trockene Jahreszeit ist ein-
n* ira Stien^ fvergl. kamb. M^ pr&Hif trockene Jahrea-
\ Makfiic bouteille ist wdIiI enthulU^n in tenoukio bouclion,
ninlttrer Tbeil ^ katnb. chhnSh von chök = tscliHm
eitwiirt ,br>uulif>r' meuknoukliuk): vgl. balok nnd
ifluk KiikoHnnss«cliak- (bind, haklä). ferner lialiii. hl&p
t>t>okel {köttijlöp) sehliessen. Halom lao filot de
(vgl. Iicr LamW hnlunij burnige puur prendre le
1 nnd rali Wild Vi. ffou/iala beiiiv»« = Au }iuryak'i
kin^enr = kamb. Aof? Jle^mn niiaße (Silony A'fMTmj?).
lliaAtni» nioiü ist dax /weite A wohl verdruckt ftlr l, ha
^tesetateiu a (oder = I V). Ualoidmt -table = AaiwA
= AmA, kamb. khaürh, siäm. «at, chin. so. KayoM
\ ^nclüine, vgl. liimi. gahan, ghan. lao compter,
ItieDg tat» errathrn. Kloo cervelle (kamb. kkuör Hini,
Khi condre (= ssi), vgl, annam. c/i) Fa<leii, Stietig
^tri«k, kamb. rhes Pndeu. hJis9 Strick. Kedako cräne
I Kftrbin f- akok Kopf?). Kali, keli bite. fiel {palik
p). Ktaitou creuser (mal ^ali graben + lou. vgl. mal.
^. iMbuk Ucb). i^ott Kobold, Teufel ist wohl kamb.
Leicho. Stieng kömuoch. Eakaakhan Taille de
I (vgl. kamb. sreca Schuppe). Kleumarrat uuii (vgl.
, Üo ti«f>ibrte •\- matial tiebeu im BalmarVI. Kloon
V (vgl. Stieng kl&n tief?). Koltian aiiie; hol ^ annam.
pobn, welche» auch im ätieng nnd Khmer vorbanden
I Uan etwa ^ annam. dimh Namen V Khangan tner
I ^ ran oder urang und kuh in Boden werfen?
•jaion ^ A;an// Klotalati Mark der Knocben ans kto
I und tahn Knochen, wie im Kliincr Ichuör kabal Hini
lAwüc A:nonr/ ch/uihtg Mark. Kluokui/ann sv moipier de
Inu kä uranfi .illii^r Jemand btcljeu*. Käsen mouchoir
mb. eGnurng. Kimata pauptere |8t,ii^>ig /n Opn
, Drflcker, '»ler &Ji = kalik Haut?), fat
450 Sitzung der phüosrphüol. Glosse vom 1. Märt 1890,
(vergl. Stieng kötoh Zitze). Kalisck Lunge (»s iouk) aus kali
Haut und soh = Stieng nsoh Lunge (kamb. 9uSt). Als ver-
schiedene Affenarten sind vermerkt: lotion semnopith^ue,
bac may des Annamites, krabeult (! von kra Affe) = aimd
gioc und krale seninop. eakou (letzteres auch &&= „pangolin',
welches wohl richtiger bonioul heisst). Kaiieum sourcil ^^ >
Stieng kSchöm^ kamb. anchöm^ chenchom {chom umringen?).
Kiaohi (khieuktna) table (vgl. annam. gUiöng Bett); kiao
ist wohl = k^yaUf kayau, zu dem zweiten Ausdrucke vgl.
kamb. khniö Becken. Kegak tigre mangeur d^hommes (vgl.
klah Tiger bei den Stieng usw.). Le jeune (Stieng rih
lebendig, frisch?). Lahi panier = kamb. Idey, leey^ meit^
knouktiouk boucher (vgl. tenouklo bouchon, worin tenavk
= kamb. chhfiSk. Meu = mö Zeitwort bildender Vorsatx,
knouJc = tenouk^ tiouk = Tscham duk hineinstecken). Malah
dessous = fMÖ -}- alä^ motmgno dessus = möng -{- ngdk^
mana de van t = mö -f- anak, Massat em brasser {wo +
arab. 'asaq Liebe V); djis ächte Tscham-Wort ist sonst (^m.
Mehouhla endurer (1. enivrer? möhuk alak betrunken?).
Meuhou palais de la bouche (vergi. nwhü iä durstig sein?).
Nao tiou chasser = nao tyap, Nohlei marche = naoblei
„kaufen gehn** (tow!?). Oueu percer = wök zurückkommen?
Naktieun können = nyajp jiSang reussir a faire (s. Ay monier,
gramni. chame S. 52). Naohrat bestehlen = nao -f- (Khmer
prät trennen = bängrat). Pamoumata Augapfel {jmmou
=■ Khmer khmäu schwarz? + ^>i(ita Auge). Poutakou strafen
(kamb. predäu oi cwörV). Pogean Jäger = kamb. prian.
Paneht kurz {pa -j- anek?)^ mal. petidek?, Pohplak Ziegen-
melker, mal. bebcrek. Pakt,, pahn niessen. Padih taka
Krätze (padifi -f- tak + garaw?). Polt mm sich neigen
= poh -\- ßük (auch koh meu), Raori traurig == annam.
ro-rui Unglück?. Ssi (= khi) nähen (Stieng ^*iw dgl., Bahn.
sit, mal. jaib, jait). Semou seht Famih'e == sa amu sa kon?.
Sammw, sagticu matrice, uterus. Stiwun moliet (Wade, vgl.
Bmiy: Uebrr dtn Worttrschtiti der Tacham-Sprar^it. 451
5 jo*tg. kainb. ckunff Bau). Snbai aicli Irenen =: «skr.
Srtntn achnarcben. Tanktga Uebernchwemmung (a!<kr.
mga^). Tralah unwisHend = di /tadah?. Toung Magen
(8J*m»aR tohomfi Bauch?). Takoh Backstein. Tolrei naoh
JifWrbielea. Tamavtiea tanzen. Tirigo Besienbogeo (ia, dak
ftivng kao in kaoklat Wetterleuchten 0 != troh (Stieng
tlitnmel, Lnft, uniinm. (röi¥). Tulattkahap. Utlanpaga.
Schiilterl>latt = t»lang ■\- (Orang Beniia kapwth
!hnlt«r, Stiens })iilik, 'IVham und Bugi palak HHndHiir.hp,
_Sohle?).*> Taptiilam Uiieiistroli (uml. tl<pi Snite, a(^ Stroh-
L,-f »ang'O. Theugapa Hose = titow ka phä? , halten
iBtMnkel"?. Tiatda pemique tOraukopf? ja + iuhd?).
lwi«Ken (/AoK) halten V). Tiadian tagnvtt klaner Finger
ufiCTi^ bt-i Bastian {.)'i -\- jyötig7). Taokapao vielleicht
iuu kä habar o'i. Tokkadan schweigen = dok + Ka-
Tvniuap Thiil = kiimb. tomniap Niederung von tiap
TiondreitmoHtt Art Schlange (senopeltii« nnieolor),
^ieng chön rifun ff Uaiifie. Talaha sieb erbrechen (ta
itf?). Tahaivv alt*'ra = tnhä alt -f- iök aebn. Fti»
^t (Tgl. mal. fcu/it Abschaum). £h^ Fleisch = ralow.
Poo dm nächsten Verwandten der Tscbam sind nameut-
lehtenHWcrth die Trao-Lay, welche nebenden Tscham
von Pbn-Yen wohnen (s. Neis und Septsns,
t ttur uno excunion faite chez lea MüYh und Rapport
I Toyafte d'expluration aux source^ du UongnaT in Ex-
«et RecoDtiaissutices 1881 — 2). Die Zahlwörter stimmen
ist Bberein: 1 sah, 2 doua, ä claou, 4 pa, 'i Imou, (i vame,
^ dediou. H ttüahane, 0 sarbane, 10 laprou, 20 doua }trou,
lardou (= xtd ratuk, wie fa^ou =^ ■*'« ^«A). /.rft«
I ist lakÜ, eramai femuie = kam^i mit der weitver-
, bra (vgl. Bahr, kürjiarn Kllliogeu?),
452 Sitzung der phüoa.'pküol, Clasae vom 1, Märß 1890,
breiteten Einschiebung des r, cramat dodah fille = kiimii '
dard?^ amou pere == amö, ami mdre = mik^ mda en&nt i
vgl. Vorsatz to?, coh tete = akok^ miah oeil = motd^ doung |
nez = adung^ tiäbouiJle bouche = öaßwdö Schnabel, iigouiüe
oreille = tiniu bei Bastian, tagot dent = takoat, ia eau =
»d, ia crowig riviöre = id krong, iarrei soleil = td Aoret,
tarr^* a^o est = tiarei tagdk, iarrei a ma ouest = harei
(-f- Stieng mau Abend, oder ma rechts, wenn ago >= agio
links?), ia blann lune = id bälan, are deniain = harei
hadei?^ boughi matin = page^ pakao tabac = bakaw^ loid
riz == la^ei, tapäi biere de riz = mal. tapai^ tiam lö beta
= thyam Id {lö eigentlich .sehr"), bah lö bon (vgl. Stioig
sambah grfüssen, auch im Khmer und im Malaiischen) s:
Trao paka^ tao comprendre = thau^ gante voir (vgl. kamb.
thir beaufsichtigen, gan Vorsatz?), nao marcher =z itoo,
mioune boire = mömim, di dormir = diA, wa manger
= hwak.
An der Grenze von Kanh-hoa finden sich Dörfer, die
fast zu gleichen T heilen von Tschani und Trao bewohnt
sind. Weiter nach dem Innern nimmt der Einfluss des
Malaiischen von Stufe zu Stufe ab. Die Trao behaupten,
vor den Tschani das Land innegehabt zu haben. Die eigent-
liche Trao-Spraclie (s. a. a. 0.) zeigt namentlich nahe Ver-
wandtschaft mit dem Stieng, wie u. A. die Zahlwörter (ausser
1 dxnine) 2 bare^ '^ bair, 4 boan, 5 prnme, 6 prao, 7 jf^oÄ,
8 pahm, 9 sine^ 10 diotte, 100 dourienne beweisen. Auf-
fallend sind von malaiischen Anklängen niatagJiai lip für
^ Osten**, matayhm niop Westen (Stieng nhap untergehn)
neben matt Auge und taghao Tag, Sonne (vgl. mal. mata
ari), rbou Büffel (mit abgefsilleneni A-a?), dourhou 1000 aus
du, dun + rbou = rihu, nion trink(?n (tscham mönum) vom
lieisbier neben out vom Wasser, bapanr bois = papan Brett?
Zum Tscham besonders stimmt tapa droit (= fapak)^ oh
nicht nei)en oh di (== tscham di-o), Pao fusil, welches
Himly: üeber den Wörterschatz der Tscham-Sprache. 453
a. a. 0. für ein Tschamwort erklärt ist, wird wohl chine-
sischen Ursprungs sein. Andere Wörter, wie crcü oranger,
sim oiseaa finden sich ebenfalls sowohl im Stieng als im
Tscham wieder (Tscham kröd und Hm, Stieng kruich und
cham). Saponne Kupfer kommt als apan auch im Tscham
bei Morice vor (kamb. spon), Ki „Baum* ist wohl verwandt
mit ann. cäy, Takoi hinten nach ist wohl = Stieng dköi^
käi mit vorgesetztem ta. Out trinken (Wasser da) ist dem
Stieng-Worte uon wohl zu unähnlich, niou dgl. vom Reis-
bier (mom) erinnert an Tscham möhum, Paka gut s. o.
Trao-Lay &aA. Apagne jagen (Tscham amal\ kamb. hanh
schiessen?). Der Ausdruck Lo fQr nChinese" entspricht
dem Low der Tscham, Youne für Annamer dem Ywön bei
Letzteren (vgl. die Lao und die Lo-Lo des südlichen China's).
Bofh Elefant ist == ruXh im Stieng; ähnlich lauten die
Aasdrücke der Hüei, Eat, Suk, Bahnar und Proon nach
Kühnes Beiträgen S. 211. Concerr Kind (kon-ser) vgl.
Stieng kdn Kind, kön-sar Ringfinger, sarläu Gatte (worin
wahrscheinlich Idu = klau Mann, sar also das eheliche
Verhältniss ausdrückend). Oh mi Freund, oh di mi Feind,
di ja, aune^ oh, oh di = «pas oui* ; oh und oh di =^ 6 und
di-d im Tscham (di im Stieng = einzig »doch* auffordernd).
Bou bit .Norden*, diong-diong , Süden** sind dunkel. Da-
goudaü Teich erinnert an Stieng dak Wasser und dal stützen,
festhalten. Sremann Stern ist Stieng sömenh. I sein (Stieng
ja). Loh machen, thun = Stieng loh. Lott gehn = Stieng
luh. Loh müde (Stieng Idk schlafen, lol müde). Pägne
Weibchen = Stieng bang. Hourrou bao Ehefrau, Stieng
vr Frau, tdbdu Beischlaf. Loih Eisen (vgl. siäm. lek). —
Hougne Feuer = Stieng unh, uinh.
Weiter nach Norden sind es z. B. die Sue, welche hier
in Betracht kommen ; indessen hat sich nur das Stieng einer
eingehenderen Betrachtung bisher zu erfreuen gehabt (vgl.
Kuhn, Beiträge, Azemar, Dictionnaire Stieng und Garnier in
189a Philo«.-phUoL n. bist Ol. 3. 30
454 Sitiung der philw.-i'Mnl. Clanne vom l. Märt ISüO.
den seinem Reisewerke angehän^n Wortvprgleichntigen).
[m Siie Rtimmt ai .älterer Bruder" = ai, ti knaik vgl.
Tscham püÖik mit dem Tacbam mehr oder weni(^'r Ulwreiii.
Ueber rhpon Kupfer, ckrong Bambus s. o. Vielleicht gehören
auch tea Vogel mid kleng Arm hierher.
Es wird sich wohl mit der Zeit, immer mehr heraus-
dtelien, danK das Auiiamische sich frOh/eitig vom nion-atinam-
iachen Stamme getrennt hat und daits die westlichen Zweige
desselben, je mehr sie sich nach Süden erstreckten, Ver-
bindungen mit den malaiischen Ureinwobnern eingingen, bis
tiie im Pulle det^ Tscham und seiner Genosiscn die Zahlwörter
und eine Unzahl anderer mit malaüs^chen ÄusdrOcken ver-
tauschten, so äasa sie beinah ein malaiisches Ansehn bekamen.
Ausser den oben angeführten Werken von Landes,
Äymonier, Monra, Knbn nnd Daatian standen mir
(grossentbeils durch die Unterstlltzuug von Seiten der Uiblio-
thek der üentschen Morgt^nländi^clien tJesellschaft und der
— — KBnlylrchEn Bibliothek in Berlin) n, Ä. noch folgende xur
Verfügung :
Pallegoix, Dictionariura ünguae Thai.
Hasnell, liranunatieal notes and vocabultiry of ib''
Fegiian language.
Äymonier, Dictionnaire khmer-fran^is.
Aynionier, Uictionnaire frai)9ai<;-canibodgien.
Mrjura, Dictionnaire canihodgien-fran^-ais et fran^ais-
cambodgien.
A. des Michek, Fetit dictionnaire pratiqtie i^ l'usagv dm
elötes des conrs d'annamite.
A/^mar, Dictionnaire Stienp.
Mattheit, Makiissuantch-hoUundsch woordenboek.
Miitthes, Buegine<^'Scb-hullHudKch woordeulKM-'k.
Ilimtif: Urbcr rltn Wörterschnli der TKchnm-SprMhe, 4&5
Gabelentz, Grauiuiatik der Dajak- Sprache.
van der Tunk, Tobascbe gpraakkunat,.
Hoorda, Javaansch-nederduitsch woordenboek,
ferner einzelne in den in Kuhn's Beiträgen Renannten Zeit-
schriften zerstreute Arbeiten. Während des Druckes wnrde
mir durch gütige Vermittelung des Herrn Professor Kuhn
noch die Geniigthnimg zu Theil, das soeben von der MGncbener
Hof- und Staatsbibliothek angeschaffte Wörterbuch der Bahnar-
sprafhe von Douriaboure (Dictionnaire balinar-fran^'ais. Hitng-
kong 1889.) für einige Wochen benutzen zu können, wwfdr
ich demselben (wie auch für sonstige Beihilfe mannichfacher
Art) noth zu besonderem Danke verpflichtet bin. TheilweiM
konnten hierdurch die obigen Wortvergteicbungen noch
paasend ergänict werden. Neben buchstäblichen l'eberein-
sttTumnngeu, wie alah faul, finden sich manche, die nieiit
kHiim einen Zweifel (Ihrig lassen, wie atath fem = atah,
höjap dauerhaft = kajap, uih zurückkouiinen = wvk, kötnlö
^jtterer =' kam low stumm, khav Zeug, roh Zahlausdriick
für längliche Dinge (vgl, rak jalan), gäp fest schnüren,
Sföfiäp Schnnr (vgl. ffjfop und ganyöp), der Vorsatz pö (nach
Dourisboure = pöm machen) =^ pn (Mon pa thiiii), toi,
atol hängen = attvöl. ajttn Sänfte, Hängematte = aytin,
dah rascli ^ dnih, ake Hnni ^ dak6, anati nennen (vgl.
afiffan), anong tragen {mng-ttonfj), bat reden = ptvöf, hlah
(Zahlansdruck), l'öbuvg Giebel, Gipfel = p&bmig. fMang
Bett = {■a«öng, (öpet kneifen, tasten {vgl. fiap^i), ium küssen,
berflhren (vgl. Ötim), dal bis =^ löl, dönau Teich =s datiao,
gösoh fifieieu fvgl. ka^ah), kod zitf«rn (vgl. hwöi fürchten),
högÖr Trommel ^= hagar, sölih (fiölih, pUh) tauschen = mliii,
hörok Buseh (_vgl. ftarSk), höli nach, hinter ^= hadei, gömik
itu üeberfluss, jmuk reich {Icönuk), jönap glücklich (vgl.
ganiip), jwi, jn5 Dank -lemand ^ ywä (s. Aymunier. Grum-
maire eliame S. 7(1), khan »agen = akluin er/.ählenV (vgl.
kal in äalukaVi), ködoh ICimle, li^iut. (von doh platzenV) =
456 Sitzung der phüos.'phücl. Classe vom 1. März 1890,
kaduh^ ködü Rücken (vgl. kaduk)^ könal wiedererkennen
(auch malaiisch) = kanal^ tru, kötöp Taube = kairüw^ kräng
Fluss, lak schälen «= lok^ manät bemitleiden, lieben == anit^
mon Neffe, Nichte = kamwön^ mölau erröthen, pöge Morgen
= page^ klaih entkommen = klah^ pöley Dorf = paM,
pönän Schale = pängin^ prah schiessen = pärah schleudern,
röih kriechen = rtvoy^ röya Fluth, Wellen = rayaky römd
Rind = lämoWy töh herausnehmen = /oA, toh giessen = tuh^
töpey jöring pain de cire (vgl. tap^i Kuchen), töpöl Schaar
(vgl. dapwöl)^ tüi gehorchen (vgl. twei).
457
Der Classensekretär legt einen Aufsatz des Herrn
Emil Schlagintweit vor:
, Bericht über das Denkmal für Adolf Schlag-
intweit in Easchgar".
Durch die wichtige Vermittlung der königlich bayer-
ischen Gesandtschaft zu St. Petersburg^) gingen mir Aus-
fertigungen zweier amtlicher Berichte zu, welche der kaiserlich
russische Konsul zu Easchgar, Herr Nicolai Feodorowitsch
Petrowski, an die Asiatische Abteilung im Auswärtigen Amte
zu St. Petersburg über die am 3./ 15. Juni 1889 erfolgte
Vollendung des Denkmals dortselbst für meinen Bruder zu
erstatten hatte. Eine Zuschrift des Herrn Missionars Hendriks
Ton der Gesellschaft Jesu, Vorstand der Station in Easchgar,
vom 28. Dezember 1889 (9. Januar 1890) schildert sodann
die Einweihungsfeierlichkeit des Platzes für das Denkmal.
Die Nachrichten über den Todestag Adolfs stellte noch
mein Bruder Hermann zusammen.*) Ueber die politischen
Ereignisse in Turkistan zur Zeit der Tötung von Adolf
brachten seither die Mitglieder der englischen Mission unter
1) £8 sei mir gestattet, dem kgl. Oesaodten Freiherm von
Qasser, Excellenz, meinen Dank für seine viel£Eu;hen Bemühungen
wiederholt auszusprechen.
2) Sitiungsberichte der k. b. Akademie der Wissenschaften^
math.-pb78. Classe 1869, S. 181.
458 Sitzung der phüoa.'phüol. Clasae vom 1, Mars 1890,
Sir T. Douglas Forsyth^) Ealenderangaben; ebenso sind die
Tagebücher und Zeichnungen^) Adolfs vollständig gesammelt
und geordnet. Im Einzelnen liegen jetzt folgende ergän-
zende Angaben über die letzten Lebenstage und die um-
stände des Todes von Adolf vor.
Den Auftrag zur Tötung hatte Wali Khan gegeben;
er war ein Nachkomme von Hazrat Afak, einem Khokandi,
der als Khodscha oder Heiliger im 17. Jahrhundert seiner Fa-
milie die Macht in Easchgar verschafft hatte.') 1759 werden
die Chinesen Herren von Easchgar. Im laufenden Jahrhun-
dert gelingt den Mitgliedern der Eodscha-Familie viermal
der Versuch, diese Provinz China wieder zu entreissen;
sie wurden aber jedesmal nach Verlauf weniger Monate
in ihr Heimatland Ehokand zurückgetrieben. Wali Ehan
beteiligte sich am Einfall von 1845, wiederholte ihn als
Führer in den Jahren 1855—56 vergeblich, hatte dann 1857
Erfolg. Sein Einzug in die Altstadt Easchgar erfolgte am
17. Mai 1857 , die Neustadt wurde von den Chinesen ge-
halten und gelang Wali Ehan die Einnahme während der
115 Tage seiner Herrschaft nicht.
Als Adolf aus seinem Versteck in den Eilianbergen am
4. August in die Ebene hinabstieg, hatten die Chinesen in
den nördlichen Provinzstädten die Herrschaft Wali Eh ans
bereits beseitigt. Nach den übereinstimmenden Aussagen der
Diener Adolfs und der Führer indischer Handelskarawanen,
die mit ihm zusammentrafen, kam Adolf in Yarkand an, als
1) Report of a Mission to Yarkand in 1873 (Calcutta 1875).
2) Die letzte uns zugekommene Zeichnung Adolfs trägt das
Datum des 24. Juli 1857 und ist als Holzschnitt in Band 4 S. 262
der , Reisen in Indien und Hochasien ** wiedergegeben.
3) Dr. Bellew, in Forsyth Mission, p. 173 ff. — Khodscha, auf
Fersisch Khwadscha zurückzufüliren, ist im nordwestlichen Pandschab
Titel geworden „of one who has found salvation". D. Ch. J. Ibbetson,
Report on the Census of the Pai^jab, taken on the 17 th of February
1881. Vol. I para 599 p. 319.
E. SMagifUweit: Denkmal für Adolf Schlagintweit in Kaschgar, 459
die Chinesen zum Angriff gegen die Kodschas übergingen
und reiste sofort weiter.^) Adolfs Tagebuch reicht nicht bis
Tarkand, sondern hört am 11. August mit dem Eintrag auf:
.Kargalik, Abgang".
Die vorhergehenden Tageseinträge lauten:
9. August: Ankunft in Eargalik.
10. . Halt.
Nach den — bereits angezogenen — Angaben der Diener
wurde Adolf in Eargalik drei Tage aufgehalten durch Hadschi
Miaser, den Ortsvorstand; Adolf hatte seine Hilfe angerufen
g^en Pferdediebe und dieser hinwieder Hess sich von Adolf
an einer Säbelwunde behandeln. In ganz anderer Weise als
die Diener schildert die Vorgänge seit Abgang aus dem
Lager bei Eilian der Earawanenführer Eattah Ali Schah')
aus Yarkand. Eattah hatte einen Waarentransport nach
Indien Qbernommen , wurde aber vom Hadschi an der
Weiterreise gehindert und war bereits vier Wochen in Ge-
wahrsam gehalten gewesen, als Adolfs Abgeordnete beim
Hadschi eintrafen. Nach der Aussage dieses Händlers wurde
Adolf vom Hadschi als Gefangener behandelt und schliess-
lich dem Oberbeamten in Yarkand zugeführt. Adolf selbst
sah die Lage sehr ernst an und beauftragte Eattah, der
wegen seiner Eenntnis des Hindostani bei der Unterredung
mit dem Hadschi als Dolmetscher beigezogen war, von seiner
Gefangensetzung, die zu seiner Tötung führen könne, in
Indien Eenntnis zu geben. Schon den englischen Beamten,
welche die Angaben der Diener zu Protokoll nahmen, war
aufgefallen, dass sie den Hadschi als Gönner von Adolf hin-
stellen; aus dem Inhalt des Tagebuches ist zu folgern, dass
Adolf ab Eargalik in der freien Bewegung gehindert wurde
und sich Verhören wie einer Beaufsichtigung unterworfen
1) Resolts of a scientific Mission to India and High-Asia by
A. H. and K. de Schlagintweit, Vol. I p. 61, 64; Vol. II p. 531.
2) Resnlta, Vol. I p. 53.
460 Sitzung der philosrphüol, Classe vom 1. März 1890.
sah, die einer Gefangennahme gleichkommen konnte. Wäh-
rend der ganzen Reise yersäamte nämh'ch Adolf niemals,
Morgens das Siedethermometer aufzustellen und die Ab-
lesungen daran , wie am Thermometer , genauestens einzu-
tragen; konnte der Siedepunkt nicht erreicht werden, so ist
durch eine Handskizze die Temperatur des Wassers und der
Stand der Scala veranschaulicht; Mittags oder Abends ist
dann in dem als Kalender eingerichteten Abschnitte des
Tagebuches nachgetragen , welche Beobachtungen , Zfeich-
nungen u. dgl. unter Tags gemacht worden waren. Diese
Vollständigkeit hört mit dem 5. August auf; Adolf war über
den Rilianpass hinabgestiegen. Bis 11. August ist noch tag-
lich das Nachtlager angegeben und zwischen den Kalender-
tagen ist zu späteren Nachträgen Raum gelassen. Zu solchen
Nachträgen kam es nicht und bei der Gewissenhaftigkeit,
die Adolf sonst in seinen Aufschreibungen zeigte, ist der
Mangel daran nur so zu erklären, dass ihm sein Gepäck vor-
enthalten wurde und selbst das Tagebuch nicht mehr zur
Hand war.^) Einen Anhaltspunkt für diese Annahme ge-
währt, dass Adolf, der wenige Tage vorher noch sehr gut
bei Kassa war und Kirgisen Pferde wie Lebensmittel abkaufte,
die Vorbereitungen zur Aufnahme eines Darlehens triflft.
Die Urkunde ist vom 19. Januar 1857, enthält weder Name
des Darleihers noch Ort der Ausstellung, sondern ist eine
Anweisung, zahlbar an seinen Diener Murad. Dieser Murad
1) Unterm 14. Juli trägt Adolf ein: »Ich wollte diesen Tag
noch über den Kilianpass. um Nachrichten über die Revolution in
Yarkand einzuziehen, von der mir gestern die Karawane erzählte,
die erste, die ich seit Wochen traf. In der Nähe des Passes kamen
uns drei berittene Leute entgegen, Badakshani, die sich aus Yarkand
über Sandschu geflüchtet hatten Die Leute nahmen Nachts
den Sattel nicht ab und schienen sehr verdächtig. Die ganze Nacht
gewacht; ich bewachte die Badakshi, sie mich, die Spitzbuben fürch-
teten meine Flinten und Pistolen. Regen, ohne Zelt/ Am 15. Jnli
nimmt Adolf Flussmessungen vor und schreibt eifrig Routen-Itinerare!
E. SMagintweU : Denktnai für Adolf SMagintweit in Kaschgar. 461
war ein Jude und gab beim Verhör über das Geschäft unter
Vorlage der Anweisung bei der englischen Zahlstelle in
Labore im Frühjahre 1861 Folgendes an: „Ich hatte einen
Geschäftsfreund Namens Dada Boy in Tangi Hissar, eine
Stadt auf dem Wege von Yarkand nach Kaschgar, die wir
zu berühren hatten. Mein Herr bedurfte Geld und gab mir
diese Anweisung auf 10 Tila (ä 6—7 Rs. zu je 2 tA), da-
mit Dada Boy^) mir daraufhin Geld vorstrecke. Dada Boy
schoss uns 400 Tangas vor und wurde ich ihm dafür 12 Tilas
schuldig. ') Die Anweisung händigte mir mein Herr 6 bis
7 Tage vor seinem Tode ein*. Der Mangel an Ueberein-
stimmung in der Summe zwischen Anweisung und Darlehen
zeigt deutlich, dass die Urkunde vor und nicht nach Ab-
schluss des Geschäftes niedergeschrieben wurde; als Ort der
Ausstellung ergibt sich Yarkand, denn ein^ Berechnung an
der Hand der Angaben bei Forsyth zeigt, dass es am
19. August war, als die Chinesen in Yarkand zum Kampfe
schritten, dessen Zeuge Adolf war.
Nach Dr. Bellew erfolgte der Fall von
Kaschgar am 17. Mai 1857
77 Tage später rücken die Chinesen in
Maralbaschi ein, d. i. am 3. August
Wali Khan schickt auf die Nachricht hie-
Ton Truppen nach Maralbaschi zur Vertreibung
1) Nach Murad ist Dada Boy nach Hissar von Magilon gezogen.
Der Name ist nicht jüdisch, sondern Boy Hlhrt auf Bhoi, Name der
Trägerkaste in Indien vom Himalaya hinab bis Madras; ans Bhoi
wurde in Madras Boy, die Bezeichnung f&r den Diener eines Euro*
pAers, mag der Diener ein Knabe oder ein bejahrter Mann sein. Vgl.
N.-W.-Prov. Gazetteer, Vol. VI: Basti by H. C. Conybeare (Allahabad
1881) p. 6dl.
2) Nach Forsyth^s Mission p. 494 sind 26 Tangas 1 Tila und
hatte letzterer 1878 einen Wert von 6 Bs. 12 Annas. Die indische
Regierung lOete die Anweisung um 140 Bs. oder den doppelten Be-
trag der Summe ein.
462 Sitzung der philos.-phäoi, Claase vom 1. Märt 1890.
der Chinesen. Die Reise dorthin dauert 7 Tage,^)
demnach Eintreffen dortselbst 10. August
Treffen bei Maralbaschi; die Chinesen ziehen
den Truppen entgegen und treiben sie nach Easch-
gar zurück 11. ,
Marsch der Chinesen nach Tarkand; Reise-
zeit 7 Tage, Eintreffen am 18. ,
Treffen bei Yarkand, Entsatz der
eingeschlossenen Chinesen 19. ,
(Rast der Chinesen in Yarkand 10 Tage.)
Die Reise von Yarkand nach Kaschgar beansprucht
7 Tage; Adolf begab sich zu Wali Khan den Tag nach
seiner Ankunft und erhielt sofort bei der ersten Unterredung
den tötlichen Streich. Demnach berechnet sich auch nach
diesen Zeitangaben, übereinstimmend mit der Mondstellimg
am Todestage, wie sie der Diener Abdullah beurkundet, der
26. August 1857 als der Tag, an welchem Adolfe kühner
Reise durch Turkistan ein jähes Ende bereitet wurde.
Zum Beweis des Todes von Adolf wurden den indischen
Behörden zwei Menschenschädel als solche von Adolf über-
reicht. Den einen Schädel übergab Murad unter der Angabe,
ihn an der Stellung der Zähne erkannt und einem Barbier,
der sich zur Aufgabe gestellt hatte, die Schädel der Er-
schlagenen ihren Angehörigen zuzustellen, um 12 Tilas ab-
gekauft zu haben. Dieser Schädel wurde in Labore von
Aerzten unternucht; er war gewaltsam vom Rumpfe getrennt,
aber hatte keinem Europäer angehört. Den zweiten Schädel
brachte Mirza Abdul Vadad mit dem Tagebuche aus Kasch-
gar herüber und gibt hiezu an, der Kopf Adolfs sei über
der Brücke aufgehängt gewesen und schliesslich von einem
1) Die Ortsentfernungen sind dem Routebook von Cpt. Trotter
(Forsyth p. 419) entnommen und können die vollste Zuverlässigkeit
beannpruclien, da Trotter die Wege selbst zurücklegte.
4
I
E. SMctgintweit: Denkmal für Adolf SMagintweit in Kaachgar. 463
Gärtner unter einem Melonen bäum bestattet wurden. Abdul
war 8o vorsichtig, sich sowohl über den Schädel als den Er-
werb des Tagebuches eine Bescheinigung ausstellen zu lassen.
Bei genauer Durchsicht des Tagebuches fand ich diese Be-
scheinigung auf der inneren Seite des Umschlages in arabi-
schen Schrifbzfigen; ich sandte sie Herrn Prof. Dr. Sachau
ein, Direktor des Seminars für orientalische Sprachen in
Berlin, und dieser hatte die Güte, durch Herrn Dz. Gh. Ghori,
Lektor des Hindostani und Persichen, eine Uebersetzung be-
sorgen zu lassen. Der Text ist Persisch und hat folgenden
Wortlaut:
, Meine Ankunft in Kaschgar erfolgte am 15. des Monats
ZUkada 1276 = 6. Juni 1860. Ich erhalte hier die Ereig-
nisse mitgeteilt, um sie mündlich wiederzugeben, denn sie
können der Schrift nicht anvertraut werden.
In den Besitz des Schädels des erschlagenen fremden
Herrn kam ich am 9. Zilkada 1276 = 30. Mai 1860.
Unterschrieben ist: S'saleh; das beigedruckte Siegel
lautet: Ba-u-d-u-d.
Das Schreibbuch brachte ich an mich unter den grössten
Zwischenfallen und Schwierigkeiten zu Kaschgar am 12. Scha-
wal 1276 = 3. Mai 1860.
Die Zahl der Blätter, welche das Buch enthielt, als ich
es bekam, war: beschrieben 92
blank 19
im Ganzen 111
dazu zwei bunte Blätter als Einband der Decke.** ^)
Beigedruckt ist dasselbe Siegel Ba-u-d-u-d. — Die
Kalendertage sind unter sich in Einklang gebracht, wenn
die Einträge mit Unterschrift und Siegel auf die Verkäufer
1) Das Tagebach ist jetzt in der k. Hof- and Staatsbibliothek
onter der Beceichnang «Schlagintweitiana No. 46** verwahrt and eqt^
h&li 88 Seiion, darunter 7 leer.
464 Sitzung der philos.'phüol, Cloftse vom 1. Märt 1890.
der Gegenstände bezogen werden, von denen der vorsichtige
Mirza sich diese Urkunde ausstellen Hess, während der An-
fang der ganzen Schrift vom Mirza selbst bandelt.
Der vom Mirza vorgezeigte Schädel erwies sich eben-
falls als der eines Eingeborenen.^) Sir Douglas Forsyth und
seine Begleiter forschten 1873 in Easchgar eifrig nach dem
Verbleib der Ueberreste unseres Bruders; hienach erleidet es
jetzt keinen Zweifel , dass Adolf das traurige Geschick be-
schieden war, mit seinem Kopfe zur Schädelpyramide bei-
zutragen, welche Wali Khan nach alttatarischer Sitte zum
Wahrzeichen der Verdrängung der Chinesen aus dem flachen
Lande an der Eisilbrücke vor Alt-Kaschgar hatte errichten
lassen. Dr. Bellew's Bericht hierüber lautet: «Wali Khan
war ein tief gesunkener Wüstling und selten frei von der
berauschenden Wirkung seines Lieblingsgetränkes Bhang
(einem Hanf-Präparate). Seine abscheulichen Grausamkeiten
und launischen Hinrichtungen, sein Durst nach Blut und
seine unheiligen Leidenschaften machten seine Herrschaft
ganz unerträglich und verwandelten selbst seine treuesten
Parteigänger in Gegner. Der Schädelhaufen, den er ober-
halb der Kisil brücke am Ufer des Flusses aufschütten liess
und welchem in einem unglücklichen Augenblicke der
Schädel des harmlosen wissenschaftlichen Reisen-
den Schlagintweit hinzugefügt wurde, blieb Monate
lang ein trauriges Wahrzeichen seiner wilden Grausamkeiten*.
Ende 1865 wird Wali Khan selbst getötet auf Befehl von
Yakub Beg, des damaligen Herrschers über Kaschgar. In
der Veste hatte sich Buzurg Khan, älterer Bruder von Wali
Khan, mit diesem festgesetzt und wollte sich zum Herrscher
über Kaschgar ausrufen; Yakub Beg gewann die Besatzung
und nach Uebergabe der Veste Neu-Kaschgar verbannte
l) Resulis, Vol. II p. 529, 584. 544 ^eben über diese Schftdel
genaue Auskunft.
E. SMagifUweit: Denkmal für Adolf Schlagintweit in Kaachgar. 465
Takab Beg den Gegen-Padischah nach Tibet, Wali Khan
aber wurde auf seinen Befehl in Kaschgar heimlich getötet. ^)
Das Denkmal, das von den russischen Behörden unserem
Bruder bei Kaschgar errichtet ist, befindet sich auf dem
Platze, auf welchem Adolf sein Leben aushauchte; die
Schädelpyramide stand nördlich davon oberhalb der Brücke.
Der beigegebene Plan von Alt- und Neu-Easchgar ist im
Ati Xafch^cM
V
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StA ^2<b^j£*A^»w^
N(u 3<a>cf>|
1) Fortyth's Mission p. 189, 213.
466 Sitzung der phüosrphiJol, Classe vom 1, März 1890.
Verhältnis von 1^4 engl. Zoll = 3 engl. Meilen nach der
Karte von Captain Trotter — bei Forsyth — gezeichnet und
der Platz, auf welchem die Schädel gesammelt waren, dann
der Platz, auf welchem das Denkmal steht, nach den An-
gaben der englischen und russischen Behörden eingetragen.
unser Bruder hat sich weder in Briefen noch durch
Einträge in sein Tagebuch darüber ausgesprochen, welches
lelzte Ziel er bei seiner Reise verfolgte; die umfangreichen
Notizen über Ehokand bestätigen jedoch die Aussagen der
Diener, dass Adolf mit Empfehlungsbriefen dahin sich ver-
sehen hatte und Geschenke an den Landesherrn wie seine
Umgebung mit sich führte. Sehr treffend ist dieser wich-
tige Punkt von Herrn Konsul Petrowski in der Ansprache
behandelt, welche er bei der Besitznahme und Einweihung
des Platzes für das Denkmal am 12. Dezember 1888 an die
Zeugen dieser feierlichen Handlung richtete:^) »Während
Wali Khan die Yeste von Kaschgar belagerte, kam ein
europäischer Reisender an mit Briefen und Geschenken för
den Khan von Khokand. Wali Khan Hess sich den Frem-
den vorführen und verlangte Aushändigung der Briefe wie
Darreichung der Geschenke an ihn; der Reisende weigerte
diess, da er beauftragt sei, sich hiemit zum Khan von
Khokand zu begeben. Darauf hin befahl Wali Khan, den
Fremden sofort zu töteu. Dem Andenken dieses Reisenden ist
das Denkmal gewidmet, dessen Grundstein wir nun legen*.
Ich laase jetzt den Wortlaut der amtlichen Berichte
folgen, welche mir aus der Asiatischen Abteilung des Aus-
wärtigen Amtes zu St. Petersburg zugingen und spreche für
die wohlwollende Bescheidung, welche meine Gesuche um
1) Den Wortlaut verdanke ich Herrn MiKsionar Hendriks. Der
Feier wohnte auch ein DeutMcher hei, der Österreich! «che Forscher
Herr Dr. Josef Troll , der zu dieser Zeit auf seiner grossen Reise
durch Turkistan in Kaschgar weilte.
E. SMa^intweit: Denkmal für Adolf Schlagintweit in Kaschgar. 467
ihre Mitteilung seitens des Vorstandes dieser Abteilung, des
kaiserlichen russischen Geheimen Rates Herren Sinowieff,
fanden, meinen tiefgefühlten Dank aus.
I.
Ministeriiun
dar answärtigeii Angelegenheiten.
Kaiserlich Russisches
— Konsulat zu Kaschgar. —
Am 18. Juni 1889.
No. 629.
Dem Herrn Chef des Asiatischen Departements.
Aus meinem Briefe vom 10. Januar 1886 sub No. 39
geruhten Euer Excellenz zu erfahren, dass der Gouverneur
der Tsin-Uzian^schen Provinz seine Einwilligung auf meine
Bitte, den kleinen Platz abzutreten, auf dem der Eleisende
Adolf Schlagintweit auf Befehl des Wali Khan Tora^)
Khodscha erschlagen wurde, zur Errichtung eines Denkmals
fQr diesen Reisenden nicht erteilt hatte.
Obgleich die Errichtung eines Denkmals und obendrein
für einen Beisenden einer fremden Macht in den Bereich
meiner direkten Amtspflichten nicht gehört, so hielt ich es
dennoch in Anbetracht der ziemlich groben Antwort des
Staatswfirdenträgers Li auf meine sehr höfliche Bitte fllr
notwendig, gleichzeitig mit dem angeführten Berichte an
Euer Excellenz von diesem Umstände auch unseren Gesandten
in Peking in Kenntnis zu setzen. Indem der Wirkliche
Staatsrat Herr Kumani mich von der lebhaften Teilnahme,
die der deutsche Gesandte zu Peking an dieser Angelegen-
heit genommen hatte, unterrichtete, übermittelte er mir auch
eine Abschrift des Briefes desselben, in welchem Herr von
Brandt, indem er mir seine aufrichtige Anerkennung äussert
1) Tora = Herr.
468 Sitzung der pfiüosrphüol, Gasse vom 1, Mars 1690,
und sich f&r die deutschen gelehrten Oesellschafien das Recht
vorbehält, sich der von mir unternommenen Sache anzu-
schliessen, versprach, sich der Zustimmung der Chinesischen
Regierung zur Abtretung des erwähnten Platzes zur Errich-
tung eines Denkmals zu versichern.
Daraufhin erhielt, wie mir bekannt wurde, der Staats-
würdenträger Li eine für ihn nicht ganz angenehme amt-
liche Zuschrift aus dem Tsuug li Tamen und die hiesigen
Behörden beeilten sich auf Befehl von Li, den zur Errich-
tung des Denkmals erforderlichen Platz zur Verfügung zu
stellen.^) Gleichzeitig mit dem Beginn der amtlichen Kor-
respondenz spendete der Conseil der Kaiserlich Russischen
Geographischen Gesellschaft und einige Mitglieder derselben
auf Anregung des Gehilfen , des Vice-Präsidenten der Ge-
sellschaft, des Geheimrats Baron von Osten-Sacken, Geld zur
Anfertigung einer Tafel ftir das Denkmal. Diese Tafel mit
der vom Conseil der Gesellschaft gebilligten Inschrift wurde
mir auf Kosten des Barons Osten-Sacken nach Kaschgar zu-
gestellt.
Nachdem ich mich dieser wichtigen Gegenstände ver-
sichert hatte, nemlich des durch officielle Zuschrift der chine-
sischen Behörden abgetretenen Grundstücks und der Denk-
malstafel mit der von den Vertretern der Geographischen
Wissenschaft, auf deren Gebiet der verstorbene Adolf Schlag-
intweit gewirkt hatte, gebilligten Inschrift schritt ich zur
1) Im Jahre 1881 verwilligte China dem Khan von Khokand
gegen die Verpflichtung, Einfälle der Angehörigen der Rhodscha-
Familie in das Gebiet von Kaschgar nicht mehr zu unterstützen, sie
vielmehr gegebenen Falles sogar mit Gewalt zu hindern, das Recht,
von allen durch Mohammedaner eingeführten Waaren Zoll zu erheben
und die Gerichtsbarkeit über alle fremden Moslims durch seine eigenen
Beamten, deren es in den Hauptorten einzusetzen befugt war, auszu-
üben (Forsyth's Mission p. 185). Eine Aufhebung des Vertrages ist
nicht erfolgt; Russland als Rechtsnachfolger des Khans von Khokand
macht davon in zeitgemässer Anwendung Gebrauch.
t BdilaylnItrnI : Ihntimil für Aihilf Schlaiiinlvcil i» KtiKchiiiir. 4(i!l
Krriclitung de* Dcnkmnls mif dem abgetretenen l'lntze. Äiii
^ Juni ilieBes Jahres (1889) wurde das Denkmal vollendet.
[□dem ich Euer EzcelleiiK hochaclituugsvollRt darQber
Bivricht nntattf, Iwohre ich mich il<;inael)ien bei/,iifl)gen :
a) eine Üeschreiliuug des PUtxes und des sich auf dem-
Kolben lii^flnillichitii Denkmals;
li) eine von mir abgenomniene Photographie des Denk-
mal».
[plntET) Hill] ilfi
11.
Beschreibung
Kii'h Hilf ileinst^tlii'ii WfiDillicben iH^nktnuli u
■bg^t, wo der Iteideml« Ailoll' ^i.'}ilii(;iiilweit
getaut wurde.
Üaa von der chinesischen Regierung znr Errichtung de«
Denkmals abgetretene Stock Land piitiiält de» Platz, an(
welchem sich das Lager den Wall Khan Tora Khodacha be-
, m\n diumr nach der Einnahme der Altstadt (,Kune-Schar)
Itder Absicht, sich der Neuen Stadt (Yangi -Schar) za Ih-
lektigen, in der die Chinesen sich eingeschlossen hatten.
t Arbeit«-» v.\n Ableitung des Wassers von der Neustadt
HafinchtigbL^ .\nf diesem Platze wurde tu Wali Khan am
M./2<). August der verstorbene Schlagintweit geführt, der
»UM Yarkand auf der Landstrasse zwischen Neu-Stadt und
jSIt-Stadt hieher gekommen var; auf Befahl Wali Khan
i wurde Schlagintweit hier geU'itet.
' t^tMer I'latz liegt fast in der gleichen Entfernung v.wiAchen
1 Ait^Stadt, etwa fünf Werst von let/.terpr entfernt
[ beBndet sich 40 m nach Ost^-n ztir Seite der LaiidstniMse,
['b«de Htädte verbindet. Hinter diesem Platxe tÜeast der
n Kisil-Su vorüber und hinter diesem dehnen sich anf einer
iQbe die Kaschgar Kiuiiiehst gelegeiien Ortschaften iw^.
t rUlga-pUlel d. lilil IM 3. 31
^&i
H70 autunf lUr phaM.-pkanl. CTiMM PO« l. MSn l
E. Schloffintweit : Denkmal für Adolf Schi agintweit in KuRchgar, 471
Der Platz, auf welchem das Denkmal steht, ist auf drei
Seiten von Kanälen umgraben ; die vierte Seite, in der Form
einer gebrochenen Linie, bildet eine naturliche Abstufung
scnm Wiesengrunde vor dem FIuss.
Die Raum Verhältnisse des Platzes sind folgende:
a) auf der zur Landstrasse parallel liegenden Seite 19,8 m;
b) auf der perpendikulären und der Alt-Stadt zu-
nächst liegenden Seite 13,7 m;
e) auf der perpendikulären und der Neu-Stadt zu-
nSchst liegenden Seite 25,7 m;
d) auf der dem Flusse zugewandten Seite . . . 24,5 m.
Das Denkmal ist in der Mitte des Platzes aufgestellt
and besteht ans einem Sockel und der auf demselben ruhen-
den Pyramide mit einer Spitze in der Form einer verlängerten
Halbkugel, auf der ein eisernes Kreuz aufgerichtet ist. Der
Sockel bildet einen Würfel, dessen Grundfläche auf jeder
Seite 1,6 m beträgt und dieselbe Höhe aufweist. Die Höhe
der Pyramide samt dem Kreuze beträgt 4,2 m; die Höhe des
ganaeen Denkmals 5,8 m. An der Pyramide, dicht über dem
Sockel, in einer Vertiefung ist zur Seite der Landstrasse
eine vergoldete Kupfertafel eingesetzt, ausgeführt zu Peters-
bnig in der Fabrik Sangalli unter Aufsicht des Geheimrats
Baron Theodor Romanowitsch Osten-Sacken aus dem von
ihm und Mitgliedern der Kaiserlich Kussischen Geographi-
schen Gesellschaft gespendeten Gelde. Die Tafel trägt in
erhabenen Buchstaben die vom Conseil gebilligte Inschrift
folgenden Inhalts:
Dem Reisenden
Adolf Schlagintweit
gefallen zu Kaschgar
als Opfer seiner hohen Ergebenheit
für die geographische Wissenschaft
am 14./26. August des Jahres 1857.
81*
472 Sitzung der pkihs.-philol. Chase vom 1. März 1890.
Dieses Denkmal
ist errichtet
von dem russischen Konsul
Nicolai Feodorowitsch Petrowski
unter Mitwirkung von Mitgliedern
der Kaiserlich Russischen
Geographischen Gesellschaft
im Jahre 1887.
Das Denkmal ist aus lokal gebrannten Ziegeln quadra-
tischer Form erbaut, die reihenweise auf ihre Breitseite auf
den Kalk gestellt sind und auch mit lokalem Kalk bekleidet.
Die Kosten der Arbeit und des Materials zur Erbauung
des Denkmals belaufen sich auf 157 Kredit-Rubel, einge-
rechnet die vom russischen Gesandten zu Peking, Wirklichen
Staatsrat Kumani, gespendeten 10 Metallrubel (ä 3^/4 oM).
Das Denkmal ist beendet worden:
am 3./ 15. Juni 1889.
(Gez.) N. Petrowski.
Der Einweihung des Platzes am 30. Nov./ 12. Dez. 1888
wohnten bei: russischerseits Konsul N. F. Petrowsky, Sekretär
Lutsch, Missionär Hendriks (S.J.), ein Pole, Secretariats-
schreiber und Kirchendiener des Missionärs, begleitet vom
Dolmetscher und von 15 Kosaken, chinesischerseits ein Ver-
treter des Taothei oder Provinz-Oberbeamten in Urumtsi, der
Shang-kwen von Kaschgar mit dem Dolmetsch und der Diener-
schaft. Nach Einsegnung des Platzes durch Pater Hendriks
und Beendigung der beiderseitigen offiziellen Ansprachen trat
Dr. Josef Troll aus Wien vor, der im Gefolge des russischen
Konsuls erschienen war und sprach unter dem Ausdruck des
Dankes seine Genugthuung aus, ,dass es ihm, der dieselbe
Sprache rede wie der Verstorbene, vergönnt sei, Zeuge der
ehrenden Handlung zu sein, durch welche der Forscher auch von
Seite der chinesischen Nation gebührend geehrt worden sei*.
473
Historische Classe.
Sitzung vom 1. Märe 1890.
Herr Riezler hielt einen Vortrag:
«Zur Geschichte der Herrschaft Waldeck
(Hohenwaldeck) in den bayerischen Alpen*.
Von den innerhalb des bayerischen Herzogtums gelegenen
weltlichen reichsunmittelbaren Gebieten ist die Herrschaft
Waldeck (Hohenwaldeck) in den Alpen als eines der letzten
mit dem bayerischen Staate vereinigt worden. Erst 1734, da
mit dem Grafen Johann Joseph Maximilian Veit von Maxi-
rain der Mannsstamm dieses Hauses ausstarb, das die alten
Herren von Waldeck beerbt hatte, fiel die Herrschaft laut
des 1559 abgeschlossenen Vertrages dem Kurhause Bayern
za. Während die Reichsunmittelbarkeit dieses Territoriums
eine ungewöhnlich junge ist, indem sie nicht über die letzten
Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts zurückreicht, können wir
seinen Bestand als einheitliches Hoheitsgebiet acht Jahrhun-
derte hindurch verfolgen. Die Thatsache, dass eine urkund-
lich znerst im 11. Jahrhundert nachweisbare Herrschaft des
Bistoms Freising mit der späteren Herrschaft Waldeck iden-
tisch ist, ist schon dem gelehrten Geschichtschreiber des Bis-
tums Freising ^) sowie dem ältesten waldeckischen Historio-
graphen, von Obemberg, nicht entgangen, von Späteren aber
1) Meichelbeck, Hist. Fns. la, 287.
474 Sitzung der hiatorischen Classe vom 1. Marx 1890.
wiederum nicht beachtet oder vielleicht nicht anerkannt
worden. In der That bedarf die Freisinger Urkunde, in
welcher der einzige Beweis für diesen Zusammenhang liegt,
erst einer näheren Erläuterung, wenn sie diese Aufgabe er-
füllen soll. Ich bringe dieselbe (zumal da Meichelbecks
Edition hier ausnahmsweise ein paar kleine Fehler aufweist)
nach der Aufzeichnung des 11. Jahrhunderts^) neuerdings
zum Abdruck, um die nötige Erklärung sowie zur Ermog-
lichung des Vergleiches eine bisher unedierte Gränzbeschrei-
bung der Herrschaft Waldeck anzureihen. Der Nachweis der
alten Zugehörigkeit des waldeckischen Territoriums zu Freising
mus8 vorausgegangen sein, wenn die eigentümliche Unsicher-
heit in den späteren Rechtsverhältnissen dieses Gebietes und
sein Uebergang an das Reich richtig gewürdigt werden
sollen. Das Folgende möge daher als Ergänzung zu J. von
Obernbergs 1798 verfasster Geschichte der Herrschaft Wald-
eck in Oberbaieru (Neue historische Abhandlungen d. baier.
Ak. d. Wiss. II, 1804)*) dienen, sowie als Ergänzung und
teilweise Begründung zu dem, was ich in meiner Geschichte
Baierns^) über die Herrschaft Waldeck und ihre Herren be-
merkte. Die fruchtbaren Forschungen des Grafen Hundt
über das Edelgeschlecht der Waldecker werden dabei als
bekannt vorausgesetzt.
1) F. 40 u. 89 (Hand des 11. Jahrhdts.) der Noticia censualium
mancipiorum Hpecialiter ad oblationem fratrum (ecclesiae Frisingensia
iiiaioris) pertinentium, jetzt R^ichsarcbiv, Hochstift Freising UI, A/1
Nr. 6 (alte Nr. 190). Hieraus bei Meichelbeck, Hist. Fris. I b, Nr. 1266,
p. 525.
2) Dieser Band enthält auch des nämlichen Verfassers Abhand-
lung^ von dem Chorstifte Schliers (verfasst 1788), die mit der oben-
genannten in engem Zusammenhange steht. Die Urkunde Bischof Me-
ginwards ist hier (S. 48 f.) , wie aus dem folgenden erhellen dürfte,
nicht ganz zutreffend aufgefasst.
8) Bd. III, 975—979, wo man auch Quellen und Literatur ver-
zeichnet findet.
Iheilrr: Xar Otuch'chle tifr flffrsrhnft W<il,leek (Hi/hetiir-thteekJ. 47fi
.Ego Meginwardiis doi gratia ejiiitcopus cum Ottone ad-
torailo meo (»'^■(lo"^ lugitimo placito eiusdem Oltonie feci
inquiri datnnn Qcclesi^ mee in mia iidvucatioiie apuil Pien-
cinowa. Cbo'no, Ourinch , Hartwich, Waltmati et iteruni
Waltman, Isingrini, Liuträt, Wezil, Engildie,') Otachar,
Adaihnrt, Uozili, Piirchitrt, Liuzili, Meginhalin, Iteginperht,
MeK>nhart. Liutuni, Latitpolt, Waltrich, Chimipurlil., Adti-
luni, Kngillieri, I'urchart, Mo'tliart, Azili. Heginhart, isti et
aLii «vrviiinl«« et af^clesi^ itervi tcroimationem subscriptani
cuodixerunt ^ccleei^ mue ad curtiin Pienzeno'a pertinenteni
et iuxts preceptuni meimi aupradicti servi iuramento con-
strkti ratidetii («rminationem perai^rantes et, iit hie scripai-
mus, di-iiotuiitea denionstraveruiit: Haienperch totiini in cir-
_etiitu; inde intur fluinina Manachtialta et Stieraha usque nd
■iliDtal;'} deiude iteruni ideni peragraiiteH demoiistraverunt
, ') de Hesilintal sursuiii iiuta Slieraha
M|iie ad Rotciipach: iiide usque ad cacunien Citulfesecca ;
üide usiqae ad niedietatem Maiiachvalte ; inde vIbuhi iuxta
Manaclivaltn itsijiie ad Uesileiital; inde retrorstiin ii.s<]ue in
raha.*) Iteruni ideni ^cl^sif servi denotantes peragratisunt
. tenninationeni aüve et montiuu ad Slieraie (sie) et
A'fstenhovan pertiiieutem, Ateuperch, Rampercli, Iloheii-
terbc iiMiut: in Liu^eiialia; inde «uräiun tisque in Ürahu;
indü ti»qne ad alpee, qnQ dJciintiir Vuldalpe; inde Haien-
perch totiim; inde in 'Wtdeppt;; inde supru muntern Spizy-incb;
inde vi»um iuxtjt Sliersie usqne ad alpcs, (jue dicuntur Gart^^n;
tmle Hupra niont«m, qui dicitur Hi>benpercli et >'iipra Siiarzin-
rcb utH)ue ad Abiwincbla. ^) Iterum idem pragrantes de-
ad cLirtiui Elbpai:h siirsnnj aupra äuaricenperch
in KlbpocheMi^'a; inde .snpra Praitenstein usque ad
1) Hier da« Zekhen /
21 t'oKtAhr 4—6 Wurt« nind •Im
L TOlUtlndlg sentArt.
■M ilberßeBOBeene iMigv Kl((ssi)t-
47<5 Sitzung der hiniorisclien Glosse vom 1. Muri 1890,
Chitenreina; inde usqne ad Liuzenaha; inde Yisum iuxta
Liuzeiiaha usque ad Marh»teina; inde sureum usque ad
Otliubesinarhsieina. Quiccjuid infra prescriptas iermina-
tiones QcclesiQ meQ »ervi iurameDio ammoniti peragrantes
demonstraveruut et, ut mos est, deiiotantes assigiiaverunt,
ego M. licet indignus episcopus QcclesiQ me^ episcopali
banno ita coniirmavi, ut, si aliqiia maior vel minor persona
quicquani de bis sine episcopali concessione sibi usurpaverit,
culpQ inmuiiitatis^) episcopali banno, nisi resipiscat, subiaceat.'
Bischof Meginward von Freising regierte von 1078
bis 1098. Der Freisiiiger Vogt Otto ist Graf Otto II. von
8cheiern, dessen Tod nach den neuesten Untersuchungen des
Grafen Hundt-) nicht vor 1079, etwa um 1080 anzusetzen
ist. Für die Zeit unserer Urkunde ergibt sich daraus die Be-
gränzung: zwischen 1078 und 1080. Otto's Mutter Haziga aus
scheirischem Stamme, Witwe des Grafen Hermann von KastI,
hatte ihrem zweiten Gemahl, Grafen Otto I. von Scheiern, die
Besitzungen im Leitzachtal zugebracht, welche ihr erster
Gemahl, von Willing an der Mangfall ausgehend, durch
Heutungen erweitert hatte und in deren Bereich sie um 1077
die erste Kirche in Bairischzell, etwa zehn Jahre später eine
zweite Kirche nebst Klösterlein in Fischbachau begründete.
Der anschauliche Bericht Konrads von Scheiern über diese
Okkupationen^) ist bekannt und gehört zu unseren lehr-
reichsten Quellen für die Geschichte der Ansiedelungen.
Aus dieser Sachlage ergab sich der Anlass zur Aufnahme
unserer Gränzbeschreibung. Der Vogt des Domstifbes, unter
dem die Vogtei Pienzenau stand, war im Osten zugleich der
(iutsnachbar dieses bischöflichen Besitzes und seine Leute
waren dort wohl noch vom Vorgänger her im besten Zuge,
1) Von gleichzeitiger Hand corriffiert statt: iniininutis.
2) Haverische Urkuodm ruh dorn 11. u. 12. Jahrhundert, S. 34.
3) Mun. Germ. JScript. XVII, 615, 61Ü.
Rieben Zur Geschichte der Herrschaft Waldeck (Hohenwaldeck). 477
die Walder zu reuten, das Land urbar zu machen, Ansiede-
lungen und Besitz auszubreiten. Dabei war es zu Ueber-
griffen auf Kosten Freisings gekommen (damna ecclesiae
meae), die dem Bischöfe rieten, die G ranzen seines wilden,
spärlich bevölkerten Gebietes begeben zu lassen und gericht-
lich festzustellen. So erklärt es sich , dass die Gränzen
gegen Osten , wo sie bedroht waren , genauer beschrieben
sind als gegen Westen, wo Kloster Tegemsee anstiess und
der Gränzzug nicht bestritten war. Die Freisinger Hörigen
aber, welche die Gränzen abschritten und in der herkömm-
lichen Weise bezeichneten (terminationes peragraverunt et,
ut mos est, denotantes assignaverunt), scheinen dies nicht in
einer zusammenhängenden Wanderung vollbracht, sondern
in mehreren Tagemärschen ein bald kleineres, bald grösseres
StQck begangen zu haben. Dem entsprechend sind denn
auch diese einzelnen Stdcke der Gränze, nicht der Gränzzug
zusammenhängend beschrieben.
Auch unter dieser Voraussetzung bleibt jedoch die Be-
schreibung noch unverständlich, wenn man die erste genannte
Oertlichkeit Haienperch, wie bisher geschehen, auf Hagen-
berg bei Aurach deutet. Die Urkunde sagt: Haienperch
iotum in circuitu; inde inter flumina Manachfialta et Slieraha.
Eis ist nicht abzusehen, wie man von Hagenberg bei Aurach
sofort zwischen die Flüsse Mangfall und Schlierach gelangen
sollte. Jede Schwierigkeit ist beseitigt, sowie man Haien-
perch in der heutigen Einöde Haimberg südöstlich von
Kleinpienzenau erkennt. Dieselbe liegt ganz nahe beim
Ramsenthai, wo die Gränzbeschreibung der Herrschaft Wald-
eck beginnt. Da das Gebiet von Pienzenau aus verwaltet
wurde, lag es ja am nächsten, auf dieser Seite, im Norden,
auch die Gränzbeschreibung zu beginnen. Die historische
Continuität macht sich auch darin geltend, dass noch unter
waldeckißcher Herrschaft der Galgen des Gebietes im Ramsen-
thal, im äussersten Norden des lang von Norden nach Süden
478 Sitzung der historischen Classe com 1, März 1890.
erstreckten Gebietes stand, weil die äusserste Nordspitze der
Herrschaft ebensowohl dem alten Sitze der Obrigkeit, dem
Frohnhofe zu Pienzenau, wie ihren neuen Sitzen: Alten-
waldeck, Miesbach, Wallenburg, am nächsten lag. Vom
Hofe Pieuzenan aus wurde die Herrschaft verwaltet und
darum wird sie als Vogtei Pienzenau bezeichnet, aber Pien-
zenau selbst stand nicht unter freisingischer Hoheit,^) aon-
dem gehörte den Vögten , den Grafen von Scheiern. Der
Verfasser des bayerischen Stammenbuches hat aus einem
alten Scheirer Fundationsbuche^) die Nachricht geschöpft, dass
die Gräfin Haziga in Pienzenau Hof gehalten habe, was in
unserer Urkunde eine gewisse Stütze findet.
Hesilintal zwischen Mangfall und Schlierach kann nicht
das heutige HessenthaP) sein, da dies eine halbe Stunde
westlich von der Mangfall liegt, sondern ist in einer jetzt
abgegangenen oder umgenannten Ansiedlung, wahrscheinlich
ganz nahe dem Einfluss der Schlierach in die Mangfall, zu
suchen. Die Gränze läuft dann von der Schlierach hinauf
bis Rotenpach, d. i. der Rettenhach (den noch v. Obemberg
das Rothbächl nennt und an dem die Höfe Rettenbäck liegen),
in seinem unteren Laufe jetzt Fehnbach oder Fehebach, und
zum Gipfel Citolfesecca. Diese nach dem damaligen Besitzer
Citolf genannte vorspringende Höhe ist unzweifelhaft der
Eckerkogel, wo auch die Höfe: Hinter- Eck, Mayer in der
Eck und Vorder-Eck das Grundwort des alten Namens be-
1) Das Domstift besaHH jedoch in Pienzenau zwei Höfe, die dan
Freisinger Salbuch von 1306 (Reichsarchiv) p. 99 verzeichnet, und in
Kleinpienzenau den Zehnten, den ihm vor 1118 Waldmann von Pars-
bcrg entrissen hatte (s. die Urk. bei Graf Hundt, Edelgeschlecht der
Waldecker, S. 138).
2) Hund, 11, 223, wohl nach Konrad v. Scheiern p. 617.
8) DieHOH scheint v. Obemberg, Geschichte der Herrschaft Wald-
eck, iS. 12 zu meinen, wenn er bemerkt: Hesilenthal ist ein bekannter
Kinödhof bei Wall (von dem es V^ Stunde nördlich liegt).
Uuiltr: Zur (IntfiidUf .irr Htrrs'Juyfl Waldeck ( llob':i-ifald':ekj. 479
wahrcD. Von dort ziplit die liränKo, wohl dem Bach eiit-
Ung, wieder xnr Miin^fall hinunit^r und, deren Laufe folgend,
uir Schlivmch xurtlck. Nun wendet »ich die Reschreibuni;
nach t>Bt«n , dem za Schliers und Westenhofen gehörigen
Hi'ilieuxtigL* KU, wii in dem Weiler Attenherg am Fus» des
Bniiit«n?:|)it/c» , östlich von Ilausham, der erste der hier ge-
nannUn Namen erhalten ist. Kamperch ist der Rohnberg,
itin Ausläufer duNielbeti (imch Oberiilierg der BreiteiiWrg)
wohl diT Hübenperch, Über den wir an die Leitzach geführt
»cprden. Weiter geht es in die Aurach, von dort das Ue-
birge hinauf bis /.ur Veldalpe, vielleicht erhalten in der
liKtiUgen Wildfcllftlm am Fusse der Koten Waud. Hagen-
berg (lirr vordere und hintere) heissen Teile des Berges
Jägerksmp sowie ein an ihrem Fusse zwiitcheD Änrach und
UeiLtu lifgeuder Üof. Man kann jedoch zweifeln, ob sieb
iu unserer Beschreibung der Name nicht eher auf einen sUd-
gelegenen Berg bezieht. Hier im südlichen Teile
p Gebiets, wü auch heute die Natur keine anderen Ausiede-
aJs Aliuhütteu und .la^dbauser xuläsüt, ist die Be-
|kieibung kurz, gehalten. Wldeppe ^ Waldeppe ist die
ipp, entweder der Bach oder di« noch heute so benannte
nedlung. Auf der Westseite läuft die tirän/,e zurück
ir den Spitziiig. welchen Namen der Spitzingsee bewahrt.
Zu Apiane 'Acil hiess auch die jetzige Brecherspitze Spitzing.
Garten weist wohl auf die Baunigartenschneid oder Bauni-
, einer der folgenden Bergnamen, Hohenberg oder
lliwimcenberg , dürfte der alte Name des heutigen KreuK-
E sein. Von dort zieht die Gränze nördlich weiter nach
Abwinlcel (Ahiwinchla) bei Agathaned an der Schlierach.
Ztiletxt wendet sich die Bes(.-hreibung wiederum nach Nord-
, uach dem jetzt stattlichen Dorfe Kllbach. Nordö.'^tlich
dieietn liegen Berg und Gehöfte Schwarzen bei^. Von
; bennter wfnlen wir nach Ellbachau gewietteji, das iu
t anf dem Aai- Thal des Ellbachs nördlich beg ranzenden
^amsm^Ki
d
480 Sitzufig der historischen Classe f)om 1. März 1890.
Höhenzuge zu suchen ist. Dann geht es über den Berg
Breitenstein nach Chitenreina, dem schön gelegenen Rain,
d.i. Waidsaum, Lichtung zur Seite eines Waldes, über welche
der Steig von Birkenstein nach Geitau führt und wo das
alte Chitanreinisowa, der jetzige Kloohof, steht. ^) Von dort
zur Leitzach hinunter und die Leitzach aufwärts gelangen
wir an den Ausgangspunkt bei Haimberg zurück, in dessen
nächster Nachbarschaft die Einöde Markstein noch heute
den alten Namen festhält.
Dieser letzte Teil der üränzbeschreibung von Ellbach
an seheint aber nun der Annahme, dass die Vogtei Pien-
zenau mit der späteren Herrschaft Waldeck zusanimenföllt,
zu widersprechen. Denn das Leitzachthal von Ellbach auf-
wärts, die Gegend von Fischbachau, die Abhänge des Breiten*
stein und Wendelstein haben nie zur Herrschaft Waldeck
gehört, sondern bildeten unter herzoglicher Hoheit die schei-
rische Hofmark Fischbachau. Die Schwierigkeit wird gehoben
durch eine weitere Freisinger Urkunde, die mit unserer
Gränzbeschreibung in Zusammenhang zu bringen ist. Wir
müssen annehmen, dass der Zustand, wie er durch die recht-
liche Feststellung der Gränze zwischen Freising und den
Grafen von Scheiern besiegelt ward, die letzteren nicht be-
friedigte. Während aber die Unzufriedenheit vor dem Da-
zwischentreten Bischof Megiiiwards sich in Uebergriffen Luft
gemacht hatte, führte nun die gräfliche Familie durch einen
Tauseh vertrag in aller Form Rechtens eine ihren Wünschen
und Bedürfnissen besser entsprechende Gestaltung herbei.
Die einige Jahre später verwirklichte Absicht der Kloster-
gründung Fischbachau mag bei diesem Abkommen bereits
mitgewirkt haben; Konrad von Scheiern (p. 616, 617), der
die im folgenden erwähnte Urkunde seiner Chronik einver-
1) Der Name Kittenrain steht nicht auf den Karten, hat sich
jedoch im Volke erhalten.
BietUr: Zur Oeschichte der Herrschaft Waldeck (Hohentcaldeck), 481
leibt hat, nimmt dies als gesichert an. Sehr bald nach der
gerichtlichen Feststellung der Gränze schloss nämlich die
Grafin Haziga mit dem Bischöfe Meginward einen Tausch-
vertrsg, wonach sie dem Bistum Freising ihre GQter zu
Chitanreinisowa (Kloohof), Arnoltisowa (Arnhofen in der
Gemeinde Holzdolling) und Wenga tibergab, dagegen vom
Bistum seinen Bezirk bei Fischbachau und das Leitzachthal
aufwärts erhielt^) (terminationem , quam habuit Frisingensis
ecclesia apud Viscpachisowa infra Rotinpach et Chlaffintin-
pach et intra Lucinaha et Albiwega cum omnibus rebus etc.)
Wiewohl von diesen Bach- und Ortsnamen Rotinpach, Ghlaf-
fintinpach^) und Albiwega nur unsichere Deutungen zulassen,
lässt sich kaum zweifeln, dass der hier umschriebene, von
Freising abgetretene Bezirk an der Leitzach derselbe ist,
auf den der letzte Teil unserer Gränzbeschreibung sich be-
zog. Bringt man diesen in Abrechnung, so entspricht, was
von der Vogtei Pienzenau übrig bleibt, dem Gebiete der
Herrschaft Waldeck mit Inbegriff des Chorstiftes Schliers,
nur dass in der Folge mit der Ausdehnung des Almen-
betriehs auch die Gränzen im Hochgebirge genauer fixiert
wurden.
um die Vergleichung zu ermöglichen, I&sse ich die
älteste Gränzbeschreibung der Herrschaft Waldeck, die sich
erhalten hat,') folgen. Wie die Gränzbeschreibung der
1) Die Urkunde ist neuestens gedruckt bei Graf Hundt, Baye-
rische Urkunden aus dem XI. und XII. Jahrhundert, S. 38, 84.
2) Ein Klafterbach fliesat zwischen dem Wallberg und Setzberg
in die Weissach, kann aber hier nicht gemeint sein. Bezuglieh des
Namens sei auf eine Bemerkung Grassauers (Geschichte von Aibling,
S. 181) verwiesen : «Glaferl ist noch ein in der Volkssprache tagtäg-
lich vorkommendes Wort für laufendes Brunnenwasser* und auf
Schmeller-Frommann : «das Glaffisl, der aus dem Köhrbrunnen flie»-
tende Wasserstrang"; I, 971; vgl. 1826: Klaffer.
8) Aus dem Lehen buch Jorigs von Waldegk von 1456, f. 78,
Beichtarchiv, Herrschaft Hohen waldeck. Der Kintrag scheint von
482 Sitzung der historischen Classe vom 1. März 1890.
Vogtei Pienzenau enthält auch sie nur rein deutsche Orts*,
Berg- und Wassemamen. Es erklärt sich dies aus der ver-
hältnismässig späten Besiedelung den Gebietes und steht in
Einklang mit den Ergebnissen der fQr dieses Gebiet jüngst
angestellten Namensforschung.^) Zur Erläuterung und Fest-
stellung zweifelhafter Oertlichkeiten sind heranzuziehen ein
Gränzvertrag zwischen Tegernsee und Ghorherrenstift Schliers
von 1385, welche bisher unedierte Urkunde nach dem Per-
gamentoriginale im k. allgem. Reichsarchiv (Schliersee Chor-
stifb, Fasz. 9) zum Abdruck gebracht werden soll, und die
den Schluss der Schlierseer Chronik bildende Gränzbeschrei-
bung des Gotteshauses Schliersee bei Oefele, Script. I, 385.
^Vermerckt die raärcher der herrschaft und gerichtz der
edeln und vesten herren von Waldegk."
«Item zfim ersten bey dem galgen im RamsentaP) und
von dem Ramsental gen^) Kogel*) durch den hert*) (sie)
dersellien Hand, welche in dem LehcnLuehe Urkunden v. 1461 (f. 66 v.)
und 1475 (f. 67) geschrieben hat, und dürfte zwischen 1456 und 1460
zu Reizen sein. Die Waldeckische Grenzbeschreibung, welche der
Historische Verein von Oberbayern unter seinen Urkunden (Nr. 798)
verwahrt, ist eine Abschrift des 18. Jahrhunderts aus dieser Quelle.
Der Karte der Keichsgnifschaft Hohenwaldeck, welche v. Obemberg
seiner Geschichte der Herrschaft Waldeck beigegeben hat, scheint
diese Gränzbeschreibung zugrunde gelegt zu sein.
1) Wessinger, die Ortsnamen des k. b. Bezirksamtes Miesbach
in , Bayerische Orts- und Flusanamen", 1886.
2) Kamsenthal oder Ransenthal in der Gemeinde Parsberg öst-
lich von Wallenburg. Fiir die folgenden Namensdeutungen reichte
die GeneralHtiibskarte, von deren hier in Betracht kommenden Blättern
erst eines: Tölz OhI, in neuer Bearbeitung erschienen int, nicht aus.
Mehrfache Nachweise von noch in Gebrauch stehenden , auf den
Kurten je<loch nicht verzeichnot^^n Namen verdanke ich meinem
Vetter, Herrn Bezirksamtmann Karl Kiezler in Miesbach.
3) gen — darnach von gleicher Hand , aber mit anderer Tinte
nachgetragen.
4) Kinöde Kogel.
5) Vgl. dazu Schmeller-Frommann, Bayer. Wörterbuch, I, 1168
Hiriler: Zur CfKehichlr ihr IltrrKhnft Waldeek (UnheniealitrrkJ. -183
itnd darnach ^en Morehstuin ') durch den hert und daraacb
gen Riedf^tag*) durch den hert und darnach den Ried-
steig*) bis gvn Utlinn*) in die pnigW, damacli die Leicz-
nach auf bis gen Wern»nilllen°) in die jiruj^k, darnach Ju
die obern wöer bey dem Itanpach") und von der wUer auf
in di'Ji Raiipergspicz') und darnach das Awrachegk") »b
und te Awrach') durch den hert und darnach das egk
aaf in den Nagel'") und darnach in den Kamp") und
darnach in da» Raiichegk") nnd darnach auf Ober den
Tatib«nstain ") und umb hin in die Leniperspergwant '*) und
darnach in den KirchsUin'^) und darnach in das Peru-
cchsUtig.
«■ler: Halt. Eine Vergl«ichUDg mit dsr Gräi]al>e«efarei>>ut)g v. 1365
macht withntcbeinlicli , diix8 nu Iceine nuJere [{«deutuiig tili^: Wald
CD tlpoken UU
1) KiaCkle Uiirküteia-
'2} Von Kl'><^'>>eilif;er Hand corrigierl a
31 EinOile Rinlgusl^'ig.
41 J<^dlii)|{.
6) Wornsmlible.
B) il«r Hobutiach.
7t Spiti lie« Holinlierp.
b) Her AurauliHtein, AnilKurpr iles KegelsjiiU.
») Thal und Weiler Aurach.
10) NiKeUpüx.
11) JEgerkamii.
12) der Riinliktipf iwiai^hcn .lilf[erkain]i und Miosing.
19} Felikapf zwiituheii Jägerkamp und der Koten Wand, deawn
Name aocb in tiebrunch int.
11) UeliCrt znr Wallenburgeralm am sildwe«illiuheD Abhll der
HaUia Wand (welche letztere bereit« in Apiani Beacbrejliuni; de«
baroanta* WaldegceDni», Topograph la liiiTar. ed. v. Oefele, Überbayer.
Acbi* XXXIX, 77, 80. eU .ICj^twnnd' genannt wird). Die nOrdlicbe
Heitv ile* Leini>erEberghi (in der Sc^blietiieer Chronik a. a. O. .l.eiiiper-
bsit*' ■tOrxt in der Itiohtung gegen Kleinlierenthal in dvr ,Lenijier<-
bcrgrrwnnd* ab.
tA) AnerrpitBf Rine nehr genaue GrlUubeaohreibanff
ii»l)vDwaldrrk und der KInstrr »i'l'eiri^rlx'n llofmurk Il^i
- -
484 Sitzung der HintoriRchefi Ciasse com 7. März 1890.
eck^) und darnach den KreitzRtain , da der vier herren ge-
rieht zesammen stössen."^)
»Gen Tegemsee wertz.*
„Item zum ersten die Zwysel, darnach das egk auf bis
auf die Hell^), darnach auf den Rabenstain, darnach urab-
hin auf den Kosskopf,^) darnach auf das Schönpergeck und
darnach auf das Prunnenveichtenegk , darnach auf den
Gunczenstain , darnach auf den Geigenspicz,^) darnach auf
den Ehüezagel®) zu dem krewcz, darnach bis zum ber-
vom KircliRtein bis zur Kaiserklause von 1578 im Reichsarchiv (Kl.
Tegomsee, Litenilien Nr. 221) nennt folgende Granzpunkte: Kircb-
stoin — Claminenstein — iiach, der hinter der Höfen Hütten gegen
den Seheirischen Grund hinabrinnt — Dimpflbach — auf den kleinen
Durslierg, der zwischen dem Dimpfl und Kaltenhach liegt — Kalten-
buch (noch heute so, nördl. der Todtengrahenalm) - auf den grossen
Dursberg (Karte: Duschherg) — Todtengraben (so noch heute) —
ClauHgraben (der bei der Kaiserklause mündet) — Krenzstein l>ei der
Kaiserklause.
1) Bilreneck über der Elendalm.
2) Krouzberg, noch heute die Grilnze zwischen Baiem und Tirol.
Die vier Herren, deren Gerichte dort zusammenstiessen, sind Kloster
Te<^ernsee im Westen, Herrschaft VValdeck im Norden, die Herzoge
von Haiern-Ingolstadt und seit 1147 Baiem-Landshut im Süden als
lli*rren des zum Gericht Rattenberg gehörigen Brandenberger Thals,
endlich im Osten die Herzoge von Baiern-München als Herren des
Gerichtes Aucrburg (oder Kloster Scheiern als Herr der Hofraark
Fischbachau).
3) Dass hier nicht der Zwieselberg n. vom Planberg, w. der
Langenau, und die n.-w. davon liegenden Hohlenstein-Alm und Berg
zu verstehen sind, zeigt besonders die Granzbeschreibung von 1386.
Vielleicht ist bei der ,Heir an ^Hoferhöll* zu denken, welchen
Namen heute eine tiefe Sinke weatl. vom Spitzingsee , südlich der
Bodenschneid trägt.
4) Der Hosskopf über dem kleinen Grünsce.
5) So soll früher ein Koj)!' in der Nähe der Uaineralm und der
Bodenschneid geheissen haben.
()) Die Kühzagelalm. über welche ein VVeg von Kottach nach
dem Schliersee führt.
; Zur Geschichte der Herrschaft Waldeck (Hohenwaldeck), 4ß5
hacken^), darnach hinauf bis auf Oarteneck'), darnach auf
den Pan^rien,') darnach auf den Erewczperg,^) darnach
muf das egk auf der Gundelalben , ^) darnach auf den Ey-
beinridel*) und darnach auf das egk auf den Därreuperg'')
und darnach auf den Schus^) durch den hert und darnach
in den Lindenstock auf der eck*) und darnach in den Laim-
graben und darnach bis in die Manigvalt und die Manigvalt
ab pis neben des Teuffengraben bei dem purckstal und dar-
nach die hoch und das geheng umb und umb her bis zu
dem galgen/
Die Granzen gegen Tegemsee beschreibt genauer der
folgende, 1385 zwischen Tegemsee und Schliersee aufge-
richtete Gränzvertrag.
,Wir Gebhart von götes genaden abt zu Tegemse und
ich Oswald techant und gemaincleich daz covent {sie) da
selb veriehen und tuen chunt o£PenIeich mit dem brief fuer
uns und fuer all unser nachkoemen allen den, die in an sehent,
hörnt oder lesent, daz wir mit gäter bedrachtnuezz und nach
1) Der Herhag ist ein Verhau oder eine Einzäunung an der
Gr&nie. Vgl. die Urkunde Herzog Albrechts 111. fon 1446 für die
Berggewerkflchaft zu Fischbachau : «von St. Margaretben (Bairischzell)
bii an den Uerhag (an der Landesgränze)**. Lori, Sammlung des
baierischen Bergrechts, S. 32.
2) Vortprung des Baumgartenbergs.
8) Baumgartenberg, Baumgartenschneid.
4) Kreuzberg.
5) Gündelalm.
6) Der Name ist noch in Gebrauch (Eiblridl) fQr den höchsten
Punkt der Gflndelalm. Die Formen: Rigel (s. fgd. Seite) und Ridel
wechseln im Bayerischen. So heisst das Schloss Raunarigl unterhalb
Pastau auch Rannaridl.
7) Ein Dürrenberg liegt etwas südlich yon der Gündelalm ; doch
ist fraglich, ob dieser gemeint ist.
8) Ober- und Unter-Schuss, Schussberg und Sclnui
9) Hinter-Eck, Vorder-Eck, Mayer in der Eck?
ISiOi PUlo^-pUlol. Q. hiirt. Cl. t.
486 Sitzung der hiatarischen Glosse vom 1. Märe 1890,
erberger lawt (sie) rat frewntleich und liepleich verricht,
verschaiden und vertaedingt seien mit dem erbergen herm,
her Haunsen dem Gerolden, zu den zeiten probst zu Sliers,
o
und mit herrn Ulreichen dem Rawtus^) (5tc), techant daselb,
und mit den choerhern dez capitels daselb und auch mit dem
erbergen herrn, her Gorgen (sie) von Waldeck, dez selben
gotzhaws vogt, umb all auflauef, stoezz, chrieg oder miss-
helung , die wir von dez pirgs wegen , von holtz und von
waid und wazz dar zue gehoert, mit in gehabt haben oder
si mit uens, mit sogtam (sie) geding, daz wir von unsers
gotzhaws wegen und conventz wegen vier erberg man dar
zu geben haben und die Chorherren zu Sliers von iras gotz-
haws wegen auch vier erberg zu den unsern viem haben
geben, die all aecht gelert aid hintz den heiligen geswom
habent, daz si daz selb pirg aus gen woelten, und daz auch
getan habent, und ez mit marcken aus geslagen und ge-
zaichent habent, als hernach geschriben stet. Ze dem ersten
datz dem lindenstock auf der Eck, von dem selben linden-
stock ueber hin auf den Obernschuzz durch den hert, von
dem hert hin auf den Eibeinrigel, ausgenomen dez gesuchs*)
dez selben gütz iiuf dem Schnzz, daz seinen gesuch sol haben
mit holtz und mit waid in den pach. Ez ist auch gedingt
worden, daz die vier gut Chalttenprnnn ^) und die zwen hoef
auf der Eck und der Aenttenloch*) sullen im gesfich haben
daz dem Schnzz in daz holtz mit zawnholtz und mit tache
ir notdurft zu irn hawsern und zu irn veldern an gevaerd
und sueln von dem holtz niemant nichts hin geben, weder
durich frewntsohaft noch verchawflfen, und sol auch chainer
1) Sonst Ulrich der Reuter genannt; vgl. Oefele, Script. I,
396, 397.
2) Weide- und Uolzrecht.
3) Hof Kaltenbrunn am Tegernsee.
4) Ilüfe Kck und Antenlohe, üdtlicb von Uatin.
ftVrf«-: Zur (h-JrJitrJilr >lir llerrsehift WnUhek fHohrnu^alHtcki. 4»7
Peftentoeer laen-t dbainen gesflch haWn an 'lie s\;a^ ilnuti die
gAt, aU si oben benent sind. Und die marich geiit dann
Ti)fi dirm Eitirinnrift^l hin gureben anf auf den Chraewtzperg,
von d^ni Chraewtzperg hin nuf den r'awm|i;arteni die alb
Aa «elli Hol iren gefiAch haben her ab in daz waKzer an ge-
varrd; von di^m t'awnigHrten daz eck hin umb auf den
ChwezBKel. von dorn Chwe/agel hin aiiff don Peittenperch,')
dax eck hin unib hintz auf die Farmaneken, von der I-'ar-
mauckirn*) da/, eck hin umb iientz anf die l'aewrn, al> der
lUffwm ({erehen hint.« den dreinchrafwtKfn, von den drein-
dirawtxeD gereheu hintx ah dem Ilntnstain.*) von dem
Holmtein daz selb eck hin auf hinU dem Newenchraewtx,
von doni gdbi^n Newenchrawt.-/ gerehen hin iinih auf da?,
eck ab der Gniensdleiten*) bin nmb auf Awi e<!k, da/, delb
eck hiu ah hintz der Zwinael (sie). Also waz zu der ge-
recht«! haut. Hgent ist, m man hin ein get, daz gebort
fCiüi ToKeriise, und waz zu dur toncken^) haut ligenk ist,
du geboert gen Sliera, und die marich nach de» hnef» sa^.
dia ^uichent und gcinaercbt soind, .tuln alaii ewigcleicb
beLeibeD. Gx i^t auch ze mercken, dar. die vnr ven«chriben
beding an dem brief staet und uniwrprochen auein ewigcltiich
belMbf^n , (las wir, der aht und die herren de?, coventz zu
Tegem«p noch ünHi-r nuchchüemen noch amltTs i<.'mant von
I wegen bintz dem ^itzbaws au SHers noch hintz den
A) H«at« Pciiifienberg.
) BeoU Faniiiuliei, ein AliuSeck iwischeo Oberfirst- und Kettea-
, tat entUren ^'ehSrig. OKtlich von iler Bodi^nBcbaeid.
to} Bllin-(Binii->l«iD(V). WeidoDerh bei der UntcrfiMalm an drrr
i'4l Da die GHtnfeeleiten mir am Qri'lnsee unter
gi'lit wenl«n kann, kann fiber J«i Oriln^nug vor:
ilortliin kaatn ntn llweifel nbwull«». Kr nitiiiH unifl'
, B>Ml«iiapiti, Sultenftrin. Stllni^iflintr. Hoxikoiil
E«) \mc mfad. = Imk".
488 Sitzung der historischen Classe vom 1, Märt 1890,
choerherrn da selb noch hintz iren laewten und gfiten nichs
{sie) ze vordem noch ze sprechen haben suellen von dez
vorgenanten pirgs wegen. Bei der richttigum {sie) und
taedigen seind gewesen: her Zachareis Holnstainer der ritter,
VVernhart der Egglinger, Wolf hart der Hoehenchircher,
Hanns der Saechssenchaemer , Hanns und Hainreich baid
Stoeckel und Hainreich Prant der richter und andrer erberger
laewt gen&g. Und dez zu urchuend und merem sicherhait
geben wie vorgenanter abt und covent zue Tegernse dem
egenaiiten gotzhaws zu Sliers und den choerhem und iren
nachchoemen da selb den brief versigelt mit uensers abtes
und auch unsers coventz baiden anhangenden insigeln.^)
Daz ist geschaehen, do man zalt von Cristes gepuerd drew-
zehenhundert iar und darnach in dem fuenfundachtzigosten
o
iar an sant Ulreichs tag des bischolfs zue Auespurg.'^^)
Die Frage, wie das Domstift Freising zum Besitz dieses
Gebietes gekommen, das uns im 11. Jahrhundert als Vogtei
Pienzenau begegnet, lässt sich nur durch eine Vermutung
beantworten , der jedoch Wahrscheinlichkeit nicht fehlen
dürfte. Unter Tassilo HI. und Bischof Arbeo zogen sich
nämlich fünf Brüder, Adalunc, Hiltipald, Kerpalt, Antoni und
Otakir aus der Welt zurück (secularia negotia deserentes)
und gründeten auf dem Erbe ihrer Ahnen , inmitten der
ausgedehnten , noch unbesiedelten Gegend des Schliersees
(hereditate nostra sive parentum nostrorum in vasta solitu-
dine heremi, qui dicitur Schlierseo) die Zelle und das Ora-
torium in Westenhofen am Schliersee. ^) Ein von Bischof
Arbeo ihnen vorgesetzter Vorstand namens Perhtcoz ward
1) Beide Siegel hängen an der Urkunde.
2) 1386, Juli 4.
3) Vgl. V. Obernberg, Zur GeHchichte der Kirchen und Ort-
Hchaften Westenhofen und Schliersee; Oberbayer. Archiv II, 281 fgd.
ft: Zkt Gttehirhte. drr T1rniich<ifl ll'u/rfrci ( tliihrnviddrek). 4**9
luch xwei Jahren zum Abte erwählt und im KloaUr ilie
RcgtsI iil«9t hl. Benedict mngeftihrt. Die darOber aiiageatellte
Urkunde ') besa^, dass die Brüder sich vollBtäudig der Hcrr-
Kbaft des Biaehofs vou Freising unterwarfen: .deinde lüiib
dttjono tfwiuH npiMopi normet ipsoa commendavimus per
oninta*. Die« ist doch wohl dahin /u verstehen, Aa^ die
fDiif Klosterjfriinder, da sie ja dem weltlichen Treiben Lebe-
wohl «aj^ten , auch ihren Landbesitz, dem Bistum abtraten.
(>)S«T Besitz ist null, wie es aclieint, nicht vülUtändig zur
AnwtattunK des neuen Kloster» am Sehliersee verwendet
wurden; ein Teil desselben dürfte unmittelbar unter dem
Don>:*ttft geblieben , allmählich durch Blutungen erweitert
uiid eben in der späteren Vogtei PienKeiiau, dann Herrschaft
Waltltfck zu suchen sein.
Nach der Gränzbeschreibung Biacbuf Megiuwards tritt
iu den Z«ugm«Mn für die UolieitHverhältniaie untres tie-
WUm eine langdauernde Lücke ein, doch besteht kein Unind
fttr di« Aiiuahuii-, daas Freising im 12. und 18. .lahrhiinderl
dieser Hiirnwhafl. entsagt oder sie verloren habe. Als Bischof
(»to \. von Freiöing um 1I4I iin Stelle des in Verfall ge-
ratenen*} Klosters dos Chorherrenstift Schliers begründete,
aelietnt er es mit einem Teile jenes Besitzes, der vordem die
Vogtai Pieiizenau gebildet hatte, ausgestattet, und die Vogtei
d» Stiftes den Herren von Waldeck übertragen zu haben.
Dan zum Ghorstifle Schliers mehr gehörte als zum alten
Klostrr, IHßst sich kaum bezweifeln, da die Oränzbeschrei-
[ der Vogtei Pienzenau, aufgenommen zu einer Zeit, da
Mdi:tietl>eck. Kiiit. Priaiag. U, p. 79.
WobI nicht lentort«». WcaigateiiH werden nuub IIIS i
irrwUiDt: «desia et IVatreH iiijbi deo et at. Xv>to iii:itt
L Brilogp *u Graf llunill, Edeltri^arhlecht ■<■
Dam du Kloitter am Ende de« II. Jahrlmv
dfe iirkaDtlliche Rrwähnunir einei iiraepnaittu l-.|
Ibeck llt, p. &i'l> 1,'hounrutli uhruu. Scliirenii. l
400 Sitzung der hisiorincf^n Clasne vom 1, Mars 1890.
(Ihk ulie Kloster noch bestand , besonders nach Süden und
Osten auch Land uuifasst, das später iin Bezirke des Chor-
stiftes lag. Diese neue Dotation des Chorstiftes wird eben
aus dem Besitz des Donistiites erfolgt sein, eine Auffassung,
welche die von Wiguleus v. Hund und v. Obemberg (S. 61)
zugunsten der Waldecker erhobenen Zweifel an der Gründung
des Chorstiftes durch Bischof Otto zu zerstreuen vermag.
Die Herren von Waldeck, deren ältester schon in unserer
Gränzbeschreibung beurkundeter Hausname: Waldmann, d.i.
Ansiedler im Walde, uns bis zu den Eulturanfängen dieses
Gebietes hinaufgeleitet, dürften ihren Grundbesitz in dieser
Gegend von Anfang an unter freisingischer Hoheit inne-
gehabt haben, wie sie denn auch im ganzen Verlauf ihrer
Geschichte in den engsten Beziehungen zum Domstift und
als freisingische Ministerialen und Lehensleute erscheinen.
Dass die Namen von Pastberg (Parsberg), Miesbach, Holen-
stein (= Altenwaldeck bei Nicklasreut) und Waldeck gleich-
zeitig oder der Reihe nach von Gliedern einer und derselben
Familie geführt wurden, hat Graf Hundt*) überzeugend nach-
gewiesen.
Von einer Bedrohung der freisingischen Herrschaft durch
die Herzoge von Bayern erfahren wir zuerst unter Ludwig H.,
der ja auf allen Seiten mit den Bischöfen seines Landes
territoriale Händel ausfoeht. In dem Testamente dieses
Fürsten (1. Februar 1294) lautete die erste Verfügung: ut
venerabili episcopo et ecclesiae Frisingensi super iusticiam
restituatnr castrum Muespach*) (Miasbach) — nach der Neu-
begründung des Chorstiftes Schliers das erste unzweideutige
Zeugnis für den Fortbestand, aber zugleich auch die gefähr-
liche Bedrohung der freisingischen Herrschaft um den Schlier-
1) Pas Edel^e^chlerht der Waldccker bis zum Beginne des
XIII. Jahrhunderts. Oberbav«r. Archiv XXXI.
2) Quellen und Erörterungen VI, 33.
: Xur tiftchdiu .In- Urrrsth„fl \Val,ki:k ( IMit.mvaiAri-.k}. 491
«m. I)rr Herzu(; hultie ilmiinuch dits Domistifl in {HeMeui
muem Alpenbesitz ani^egriäeii und der Btiiy Mie«bach und,
«rie maii wo)il uiintilimeu diirf, mit ihr (l«r ganzen Uerrschaft
Waldeclc ^ch Imuiüclitifit- F^istJH bekannt, Aast nach dem
Spnwbgebraucb des Mittelalters eine Herrschaft sehr häuGg,
Biui darf wohl sagen: in der Kegel, nur als jene Burg,
Sehlütn, cuetruni bezeichnet wird, wo die Obrigkeit ihren
Sits hatte. Findet »ich der Znsats: mit Zubehör, cum per-
tüentüa, xo versteht es sich ja von selbst, dass darunter
Blich (lii) Jurixdiktiun und das etwa abhängige Territorium
inbefrriffea ist. Aber auch, w» dieser <iusat7. fehlt, i^t unter
mtrom, wofem nicht der Zusammenhang diu eingeschränk-
ter« Drutnng fordert, in der Kegel nicht nur das Hchlosa-
inbftude. sondern auch die ganze vom 8chlo»se abhängige
Ranvcbnft xu verstehen.
Ob die Herren von Waldeck .«chün damals auf Seite
4eB Uerzugs gegen den Bischof standen, ist fraglich,') sicher
emolieincn aiu dann in den nü^bisten .Jahr/ebot^u uU jeue,
wehjfa« das Stift in Keinem Besitze bedrohen mid schädigen.
Int Verlaufe dieser Streitigkeiten wurde die Burg Miesbach,
duuaki die Hauptburg des Gebietes, zerstört, und wiewohl
«in Viartxvg von Vi\2 besagte, doss die Waldecker es nicht
btndaii dQrfen, vielmehr dazu behilSich sein müssen, wenn
tüi Btwhuf von Kreising diesv Burg wieder aufbauen noUte,
iat «in Wiederaufbau nie mehr erfolgt. Zum Ersatz fUr
den Schaden aber, den .Arnold von Waldeck an der Burg
Miiwbach angerichtet, trugen .\rnoIds Gattin und »ein Hohn
Frwdricb 1312 dem Donistift Freising .Scbloss Waldeck*
nebst dem Hofe zu Horobach aX» Leben auf. So berichtet
Wiguleoa Hund (S. 'Ah'l) nach «.-inur zu seiner Zeit in Freisirig
fArliandrncn, heutzutage leider nicht mehr auffindbaren llr-
1> Unter Bicchot Emiaho verwultel« ein Waldnuknr f
[fMB [Joiiixtin (Iä9f)} DKU ernorbani; Herracbaft W4|
. IIa. (). IIU.
492 Sitzuntf der historischen Glosse wm 1. Mars 1890,
kiinde.^) Ihr Verlust ist umsomehr zu beklagen, da gegen
die richtige Wiedergabe ihres Inhaltes durch Hund schwer-
wiegende Bedenken bestehen. Wie von Obembei^*) au^e-
führt worden ist, spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass
Hund hier irrtümlich Waldeck statt Wallenburg nenne.
Sicher ist, dass später nur Wallenburg nebst dem dabei
liegenden Hofe Hornbach als freisingisches Lehen erscheint.')
Die Urkunde von 1312 scheint nun, soweit man ohne
Kenntnis ihres genauen Wortlautes urteilen kann, den ersten
Beweis dafür zu bieten, dass die Lehenshoheit des Domstiftes
Freising über die ganze Herrschaft Waldeck nicht mehr be-
ansprucht wurde und dass an ihre Stelle die Lehenshokeit
über ein einzelnes Schloss und einen Hof getreten ist.
Nach der Zerstörung Miesbachs erscheinen im 14. und
15. Jahrhundert Hohen- Waldeck und Waidenburg (Wallen-
1) Im Heicbsarchiv wurde vergebens darnach gesucht.
2) Denkwürdigkeiten der Hurgen Miesbach und Waidenberg
(1831), S. 9 und bes. S. 39. Auch Heimbucher, Gesch. Miesbachs, S. 22
hat sich v. Obembergs Ansicht angeschlossen.
3) Die Annotacio omnium predioruni et redituum ecclesie Fri-
singcnsis, die unter Bischof Emicho im Jahre 1305 von Georg von
Lok verfasst wurde (Reichsarchiv, Domstift Freising), iiihrt weder
Wallenburg noch Waldeck oder einen Ort in der Herrschaft auf,
wiewohl es u. a. j). 122 f. das officium aquisitorum cum Castro Toel-
lentz erwähnt. — In dem freisingischen Lehenbuch v. 1478 (Reichs-
archiv) finden sich dann bezüglich Wallenburga folgende Einträge
(f. 213) : Waidenberg das Gschloss oder Vest mit sambt dem Paw-
hoft", ruert zu Lehen vom Stifft; die hat enpfangen Georg der Wald-
ncker anno 1423. — Anno 1506 hat Veit Mcchslrainer an stat seiner
kindt das ychloss Waiden werk und den Hornpach hofstat, ein jiurgk-
stal zu Vagen zu leben enpfangen. — Anno 1519 Wolf von Mechsl-
rhain dis leben und andere zu Vagen und Hornpach. Waldeck wird
in diesem Lehenbuche nicht aufgefiihrt. Ebenso werden in einer
Urkunde Jörg Waldeckers zu Waidenberg von 1461 als Lehen von
Freihing bezeichnet: die Feste Waidenberg und der Bauhof Horn-
bach. (Urkundenband Hohenwaldeck im Reichsarchiv, f. 62.)
Siebter: Zur Geidüehtt der Herrtehaft Waldeck fHohenwntdrrk). 493
bui);) ak die HauptburKen des Gebietes^) und die Wobn-
sttse seiner Herren. Hobenwaldeck war wohl vun den Wald-
eckero 7u EtDde des 13. Jahrhundert und dem Freisinger
BischofB zum Trotz ffebaut worden. 1301 niuas diese Biir^
bereite gestanden haben, da Henog Rudolf in der Urkunde
dieses Jahres, worin er als Schiedsrichter die in der wüld-
eckiscben Familie au^^brochenen Zerwürfnisse schichtete,
die Bui^n Wallenbui^ und Altenwaldeck erwähnt.^) Der
unterscheidende Zusatz der letzteren zwingt den Bestand einer
neueren Burg Waldeck vorauszusetzen. Auch 1312 wird A Iten-
waldeck urkundlich unterschieden. Unter den Urkunden der
Herrschaft Hobenwaldeck liegt im KeichsarchiT eine Ton
diesem Jahre, August 7. (nächsten Tt^ nach St. Sixten Tag;
TOD Hundt a. a. 0. ebenfalls erwähnt), ein Vertr^ der Brüder
Friedrich , Ulrich und Wernhard von Waldeck mit ihrem
Vetter Rudolf, welcher besagt, dasa die drei Brüder mit
Altenwaldeck und dem, was daKu gehört, nichts zu
schaffen haben sollen. Länger als höchstens 200 Jahre
scheint Hobenwaldeck nicht bewohnt gewesen zu sein , da
es einerseits jfinger ist als Altenwaldeck, anderseits vuti Apian
bereits als eine mit hohen Bäumen bestandene [{uine ge-
schildert wird.') Bei Teilungen zwischen BrOdem, die in
1) 1367, Sept. 39., teilten die Brüder Jör« nnd Peter von Wuld-
cck .die iwo Testt Walldegk und Wslldenbercb* und einzeln be-
Bknnte OOter. Bei dieier Teilung (Drk. im ReichsarubiT} erhielt Jür^
n. a. anch ,daii Barf^tall, Kenannt der SlierBcham*, Pet<>r v. Wald-
eck .da« BnrgBtall, (genannt der Roetenetain', das er wohl bauen
durfte. Die Lage dieser Burget&Ue bleibt zweifelbafl. Die 1326
iWiedemaniiij Regesten 8. 168) genannte Buig WachiienKteiii ver-
teichnet Obemberg auf seiner Karte zwiechen dem Nordende de«
SchlieTsees und der Uiindelalm.
2) ReicbsarcbiT, Hobenwaldeck, Urkundenband, f. b.
8) Topographia ed. t. üefele (Oberbayer. Archiv XXXIX. 79):
pervetoatae arcia niinae dii-tae Waldegk, unde baronatna notneu ao-
eepiwe videtur; intrs huius muros natae «int et eztiten
e arboce«.
18 notneu ao- ^
494 Sitzung der hintoriHchen Clasw vom 1, März 1890.
der wiildeckischen IIaii8ge8chichte wiederholt eingetreten sind,
nahm nun der eine Waldeek , der andere Wallenburg (so
13()6), wie in älterer Zeit (so unter Kaiser Friedrich I.) der
eine Alten waldeck, der andere Miesbach ^) genommen hatte.
Die deutsche Teilungsurkunde von 1170, welche die zu
Waldeck und Wallenburg gehörigen Teile der Herrschaft
in der Weise abgränzt, d&ss das südlich vom Chorstifte
Schliers liegende Gebiet zu Waldeck, das nördliche zu
Wallenburg gehört, ist zweifellos eine Fälschung, die Be-
gränzung der Teile aber möglicherweise aus Verhält-
nissen zu rück gefolgert, wie sie im 14. und 15. Jahrhundert
zeitweilig thatsächlich bestanden.
Die Waldecker waren aber nicht nur freisingische
Lehensleute und Ministerialen, sondern auch Landsassen und
mehrere derselben Diener der bayerischen Herzoge. Von
diesen Verhältnissen ausgehend und durch ihre wiederholte
Anrufung als Schiedsrichter, zuweilen wohl auch durch
streitige Bisihofswalilen und durcli Sedisvakanzen in Freising
begünstigt, It'gten sieli die Herzoge allmählich eine 8chirm-
und Oberholieit über die Herrschaft bei. 1408 bestätigten die
Herzoge Ernst und Willielm 111. den Waldeckern Herrschaft
und Gericht Wallenburg und die Vogtei zu Schliers und
142() bestätigte ihnen Albrecht III. alle Freiheiten, die sie
von den bayerischen Herzogen um das Gericht Wallenburg
und die Vogtei Seh Hers hatten. Albrecht IV. hat dann,
nachdem er die Vogtei über das Chorherrenstift Schliers
erworben, geradezu «lie Gerichtsbarkeit in der Herrschaft be-
ans]>rucht, hat nielit nur djus mit der Stiftsvogtei zusammen-
hängende Uichteramt zu Schliers Benedikt Talheimer über-
tragen,*) sondern auch das (iericht Miesbach als herzogliches
1) V^l. <lnif Hundt. Wiildeckor, S. 120.
2) Nachdem Hochi>rarid »Sandizeller dein Kaiser Kritjdrich ge-
klagt, dans nich Benedikt Talheimer des Uichteramte.s zu Sliers, das
zur Herrsrhaft Waldeck gehört, die der Kaiser Hochpraud als heim-
Biezler: Zur Geschichte der Herrschaft Waldeck (Hohenwcddeck), 495
behandelt.^) Dieses Gericht Miesbach ist unseres Erachtens
kein anderes als das Gericht der Herrschaft, dasselbe, das
1408 als Gericht Wallenburg bezeichnet wird, sei es nun,
dass zwischen 1408 und 1424 die Verlegung des Gerichtes
Yon Wallenburg nach Miesbach erfolgte, sei es, dass das
Gericht 1408 nach dem Sitze der Herren, 1424 nach seinem
eigenen Sitze benannt wird. In dem Schiedspruche Herzog
Wilhelms IH. von 1424 (Freitag nach St. Veitstag)*) zwischen
den Brüdern Wernhart und Jörg von Waldeck werden näm-
lich nur zwei Gerichte erwähnt: 1) das Gericht zu Schliers
im Kloster und im Dorfe, das die Brüder gemeinsam inne
haben sollen; 2) das Marktgericht zu Miesbach, das sie auch
gemeinsam haben sollen, „da der Markt sein besonderes Ge-
richt hat* (d. h. neben dem Stiftsvogteigerichte zu Schliers).
Der Ausdruck , Marktgericht ** ist nicht etwa auf die Com-
petenz (Marktpolizei), sondern wie bei „Stadtgericht" nur
auf die Oertlichkeit zu deuten. In dem schiedsrichterlichen
Spruche von 1457^) über die Streitigkeiten zwischen Frau
Margarete, Jörg Waldeckers zu Wallenburg Wittwe, und
Jörg Wilhelm, Wolfgang den Waldeckem, Gebrüdern zu
Waldeck, heisst es: „von der Gerichte wegen, sollen die
Waldecker dieselben mit Richtern und Amtleuten, die ihnen
gefallenes Reichslehen verlieben habe, ohne des Königs als rechten
Lehensherm Erlaubnis annehme, gebietet der Kaiser 1490, 27. Januar,
aus Linz dem Talheimer bei seiner Ungnade davon abzustehen.
Beichsarchiv, Herrschaft Hohenwaldeck.
1) Nach dem Protokoll von 1504, 4. Juli (Reichsarchiv a. a. 0.),
bat Albrecht seinen Beamten zu Aibling, dem Pfleger Veit von Maxi-
rain, dem Richter und dem Kastner daselbst, wiederholt Befehl ge-
geben, sich in seinem Namen des Gerichtes Miesbach zu
entschlagen und dasselbe den Erben des Sandisellera auwaani-
werten, worauf dieselben die Unterthanen dieses GcnM
pflicbtungen gegen Herzog Albrecht ledig Hessen.
2) Urkundenband im Reichsarchiv f. 54.
3) A. a. 0. f. 92.
496 Sitzung der historischen Glosse vom 1, Mars 1890,
schwören, besetzen und entsetzen und die Nutzung, die da-
von fällt , soll den Waldeckern zustehen , Frau Margarete
soll keinen Anspruch darauf haben".
Der Uebergang der Bannleihe auf die Landesherren
hatte sich schon mit der vollen Ausbildung der Landeshoheit
im 13. Jahrhundert vollzogen. Seitdem beanspruchten und
übten die Herzoge die Gerichtshoheit innerhalb ihres herzog-
lichen Gebietes überall , wo dieselbe nicht dem Reiche be-
sonders vorbehalten war. Ln Waldeckischen aber dürfte
einer Ausdehnung der herzoglichen Gerichtshoheit lange Zeit
die freisingische Hoheit entgegengestanden sein. Albrechts IV.
Zugriff ist wohl als Antwort auf die angemassste Reichs-
unmittelbarkeit des Gebietes aufzufassen. Dass das Domstift
Freising sich nicht dagegen sträubte, ist ja nach unserer
Auffassung, wonach es schon seit 1312 keine Gerichts- oder
Lehensholieit über die Herrschaft Waldeck mehr beanspruchte,
selbstverständlich. In anderen Fällen hat Freising auch der
Widerspruch, den es dem Umsichgreifen der Herzoge ent-
gegensetzte, nicht das mindeste genützt. Arnpeck klagt,
wie es weder mit seinen verbrieften Rechtsansprüchen auf
die Herrschaft Tölz durchdringen noch bei Ludwig dem
{{eichen seine Lehenshoheit ü])er die Grafschaft Moosburg
zur Geltung bringen konnte.*) Wenn es daher auf den
ersten Blick vielleicht als wenig glaubhaft erscheinen sollte,
dass die Lehenshoheit Freisings über die Herrschaft Wald-
eck nur durch Verdunklung des alten Rechtsverhältnisses
1) Pez, Thes. 111 c, 279, 451. Dass die PVeisinger Ansprüche
ni('ht unbe^tindet waren, lässt eich für Tölz aus gedruckten Urkun-
den (vgl. auch oben S. 492 Anm. 3) erweisen; bezüglich MoosburgR
zeigt Ois die Urkunde, worin Herzog Heinrich (Vorlage falsch: Hans)
1284 von HiHchof Emicho von Freising die Lehen empfangen zu haben
bezeugt, welche die ohne Erben verschiedenen Grafen von Moosbarg
weiland von der PVeisinger Kirche besessen haben, (/od. lat. Monac.
97, f. 161.
Jlitiler: Zur (leschiehU der Uerrschaft Wiüihel: (Ih^euwiüdfcli). 497
Diltfr ilnrch VerjiUiniiig verloren ffegangen und zur Lehens-
bobeit Ober ein einzelnes Schlf«s (Wallenburg) zuaaruraen-
^•«cbrunipft Hei, ao vemiu^ der Hinweis iiiif die in derselben
Weis« eingetretenen Verluste von Tölz und vgn moosburgi-
Bcbeni Besitz untrer Annahme wohl alte ü uwabrac beinlich -
IcMt zu benehmen.
Was die Heichsunmittelbarfeeit des Gebieten betrifft, so
DiuM zunächst der Irrtum berichtigt werden, den Wiede-
iiuuitM Hegest des bofrichterlichen Mandut« vom 7. Äprit
1434 '_> euLhitlt. Nach Wiedeinann hätte der kaiserliche
Uofrkbter Johann von Luiifen dem Herzoge Ernst von
Bajr«r>i belohlen, Werner und Jörg die Waldecker, die ge-
freint nnd begnadet sind von d<;m Kaiser, in der
Klage gegen den Burggrafen Hang von LUnetx vor sein Ue-
rii^t /.u fordern. Die Urkunde*) aber besagt folgendes:
(inf Johann von Lujifen, Liindgraf zu Stflhlingen. schreibt
als Hofrichter Kai§er Sigmunds nn H<^rüog Ernst: Die Ge-
brGdvf und seine (Eriists) Diener und Kate Wernher und
Jörg die Waldecker wurden auf Klage des edlen Rang Burg-
grafen von Liinetz vor dae kaiäerlicbe Hofgericht geladen.
Darauf httt Krnst wegen der Gnade und Freiheit, die
er von römischen Kaisern und Königen hat, daas er
begnadet und gefreit sei, gefordert, dieselben wieder vor
ihn und »ein Gericht zu weisen. Der kaiserliche Hofrichter
gastuttcrt dies hiemi^ unter der Bedingung, dass dem Kläger
binneti sechs Wochen und drei Tagen aein Recht widerfahre,
widrigDtifnlls der Handel vor das Hofgericht gezogen würde.
Die Urkunde ist aUo ein Zeugnis für die Anerkennung des
EvokatioDApriritegs der bayerischen Hereoge und beweist filr
div WiUdecker anstatt der behaupteten Heichsfreiheit im
1) Uberbarer. Archiv XV. 174.
3) WH, Uittvooh vor Miaerk.ordiii (lomini. Bejoliiarubiv i
498 Sitzung der historischen Classe vom 1, März 1890.
Gegenteil nur ihre Stellung als bayerische Landsassen. Erst
von 1476, Juni 8., ist das älteste Zeugnis fdr die Behand-
lung Waldecks als Reichslehen (s. Gesch. Baierns III, 977)
und von 1483, April 20., der erste bekannte kaiserliche
Lehensbrief (für Georg Hohenrainer). ^)
Obern berg nimmt au (S. 27), dass die Reichsun mittel-
barkeit der Herrschaft Waldeck durch einen Lehensanftrag
])egründet wurde. Vielleicht ist aber hier auch der Umstand
zu beachten, dass das, was nun als Reichslehen erscheint,
als Alten waldeck bezeichnet wird. In dem 1484, Don-
nerstag nach Keminiscere (18. März) aufgerichteten Vertrage
zwischen Martin von Waldeck und den hinterlassenen Kin-
dern W^olfgangs von Waldeck*) wird unterschieden einer-
seits Schloss Wallenburg, der Hof zu Hornbach, das Kammer-
meisteramt mit Zubehör, Mass, Wag, Zoll in der Stadt
Freising, dies alles zu Lehen rührend vom Bischof von
Freising, anderseits Alten waldeck mit allem Zubehör,
so Lohen vom Reich ist. Wohl mag hier die Nennung
von Alten waldeck zunächst dadurch begründet sein, dass von
den beiden Burgen W^ildeck nur diese damals bewohnt,
Hohen waldeck bereits aufgegeben war. Jedenfalls ist aber
zu l)erücksichtigen, dius^ Alt(»nwaldeek bei Nicklasreut, die
ältere Stammburg der Wuldeitker, ausserhalb der freising-
ischen Vogtei Pienzenau wie der Herrschaft Waldeck (nach
deren liegränzung um die Mitte des 15. Jahrhunderts) lag.
Die Möglichkeit, djiss diese.s Alten waMeck mit seinem Zube-
bi)r von jeher Reichslehen war, kann um so weniger be-
stritten werden, da wir Aibling, das von Altenwaldeck nur
zwei bis drei stunden entfernt ist, als Mittel|»uiikt eines ur-
alten Reichsgebietes in diestT (legend betracht4»n dürfen, zu
d(»ni Altenwaldeck ursprünglii-h gtdn'irt haben mag. 804 wird
1) V. Ohernbor^,' S. 33.
2) Keichsiirchiv, Ilohenwaldeck, Fiisz. 8.
Bietler: Zur Geschichte der Herrschaft Waldeck (Höhenwaideck). 499
AibÜDg (Epininga) urkundlich als fiscus publicus bezeich-
net.*) Ludwig der Deutsche hat im März 855 mehrere
Wochen in Aibling Hof gehalten, auch Kaiser Arnulf scheint
dort geweilt zu haben. Wenn man angenommen hat,^) dass
Aibling dann durch Kaiser Heinrich II. an das Bistum Bam-
berg kam, so fehlt es hiefür bis jetzt an einem Beleg.
Sicher ist nur, dass die Grafen von Sulzbach bambergische
Lehen zu Aibling (Eyvelinge) inne hatten, deren freien Ge-
nass nach dem Tode des Grafen Gebhard II. Kaiser Fried-
rich I. 1174 für sich und seine Söhne ausbedang. ^) Graf
Sigboto von Falkenstein verwaltete eine Vogtei Aibling,*)
worunter eben diese Güter zu verstehen sein werden. In
dem Urbarium antiquissimum ducatus Baiuwariae erscheint
dann das Amt zu Eibelingen als herzoglich.^)
Ist unsere Vermutung richtig, so wurde demnach 1476
die Reichslehenbarkeit von Alten waldeck auf das ganze Ge-
biet der Herrschaft Waldeck ausgedehnt, das ursprünglich
nicht Reichsgut, sondern freisingisch war.
Die freisingische Lehenshoheit über Wallenburg aber
wurde erst 1523 durch einen Tausch vertrag zwischen Bischof
Philipp und Wolfgang von Maxirain als Besitzer der Herr-
schaft Waldeck beseitigt.^) Der Bischof machte Wolfgang
das Schloss Wallenburg samt dem Hofe zu Hörgenbach
(Hombach) und allem Zubehör aus einem Lehen zu Eigen,
wogegen Wolfgang sein Schloss Maxirain samt Zubehör dem
Bistum zu Lehen auftrug. „Nachdem vor vielen Jahren" —
so sagt der Bischof — »und ob menschlichen Gedenkens
das Schloss Waidenberg sammt dem Hofe zu Hörgenbach, so
1) Meichelbeck Ib, p. 91, Nr. 120.
2) Grassauer, Geschiebte von Aibling, S. 170.
3) Moritz, Grafen von Sulzbach, S. 207.
4) Codex Falkenstein, ed. Petz p. 4.
6) Mon. Boic. XXXVI a, 67.
6) Meichelbeck II a, p. 802.
Herr von Hefner-Alteneck hielt einen Vortrag:
,Die Poesie der Frau Minne in den Werken
der bildenden Kunst des Mittelalters*.
Derselbe ist nicht 7Air Veröffentlichung bestimmt.
500 SitMung der kistorischen Classe vom 1, Mär» 1890,
dabei gelegen, mit allem ihrem Zubehör von uns und unserem
Stift Freising zu Lehen gegangen und bis auf beut dato ^
unser und desselben Stiftes rechtes Lehengut gewesen ist.'
Der Tausch dürfte der Absicht entsprungen sein, den Wider-
spruch zwischen thatsachlich bestehenden und rechtlich be-
gründeten Verhältnissen, wie er in der Herrschaft Waldeck
seit Erklärung ihrer Reichsunmittelbarkeit vorlag, zu losen
und Collisionen des Domstiftes Freising mit dem Reiche ent-
weder zu beendigen oder solchen vorzubeugen.
501
Yerzeiehnfss der eingelaufenen Druckschriften
Januar bis Juni 189<).
Dia verehrUehen Geaellachafton nnd Institute, mit welchen unsere Aksdemie in
Tsosehverkehr steht, werden gebeten, nschstebendes Veneicbntsssugleiehsls Empfkngs-
bestltignng zu betrachten. — Die znnlchst für die msth.-pbys. Olasae bestimmten
Dmclischriflen sind in deren Sitcongsberichten 1890 Heft III verzeichnet.
Von folgenden Gesellschaften nnd Instituten:
OeschicfUsverein in Aachen:
Zeitschrift. Bd. XI. 1889. 8».
Südslavische Akademie der Wissenschaften in Agram:
Rad. Bd. 97. 1889. 8<>.
Stamie. Bd. 21. 1889. ^.
Monumenta hist. Slayorum meridionaliuni. Tom. 19. 1888. 8^.
Maretic, Istorija hryatsko^ pravßpisa. 1889. 8^
Geschichts- und Alterthumsforschende Gesellschaft des Osterlandes
in AUenburg:
Mittheilungen. Bd. 10. Heft 2. 1890. 8®.
Historischer Verein in An^ach:
43. Jahresbericht 1889. 4<*.
Historischer Verein in Augsburg:
Zeitschrift. 16. Jahrgang. 1889. 8^.
Johns Hopkins üniversity in Baltimore:
Studies in historical and political Science. Vll^l* Series No. X— XII.
1889. 8®.
The American Journal of Philologj. Vol. X. No. 2. 8. 1889. 8^^.
Johns Hopkins üniversity CircuTara. Vol. VIII. No, 7* ^^1 IX.
No. 76—80. 1889/90. 4".
laea PUBoa-phaoi. & bist oi. t.
502 Verzeichniss der eingelaufetien Druckschriften,
Historische und antiquarische Gesellschaft in Basel:
Beiträge zur vaterländischen GeHcbichte. N. F. Bd. III. Heft 2.
1890 8^
Basler Chroniken. Bd. IV. Leipzig 1890. S^.
Universität in Batsel:
Schriften der Universität von 1889/90. 4® und 8**.
Genootschap van Künsten en Wetenschappen in Batavia:
Tijdschrift. Deel XXXIII. aflev. 2-4. 1889. 8«.
Notulen. Deel XX VII. aflev. 2. 3. und Register zu 1879—1888.
1889 8^'
Nederlandsch- Indisch Plakaatboek 1603—1811 Deel VI. 1889. ^,
De derde Javaansche Successie-Oorlog (1746 — 56) door P. J. F. Louw.
1889. 8«.
K, serbische Akademie der Wissenschaften in Belgrad:
Glas. Heft XIV. XVm.-XX. 1889/90. 8*».
Spomenik. III-V. 1890. 4®.
K. Prcussische Akademie der Wissenschaften in Berlin:
Sitzun)?8berichte 1889 No. XXXIX— LIII. Sitzungsberichte 1890
No. I— XIX. gr. ^,
Kaiserlich deutsches Archäologisches Institut in Berlin:
Jahrbuch. Bd. IV. Heft 4. Bd. V. Heft 1. 1890. 4«.
Antike Denkmäler. Bd. I. Heft 4. 1890. Fol.
Verein für Geschichte der Mark Brandenburg in Berlin:
Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen üeacliichte.
Bd. 111. 1. Hälfte. Leipzig 1890. S^.
Universität in Bonn:
Schriften aus dem Jahr 1889. 4^ u. 8^
Verein von Alter thums freunden im Rheinlande zu Bonn:
Jahrbücher. Heft 88. 1889. gr. 8«.
R. Accademia delle scienze delV Instituto di Bologna:
Memorie. Serie IV. Tom. IX. 1888. 4«.
American Phüological Association in Boston:
Transactions. Vol. XIX. XX. 1889. 8«.
Historisch-statistische Sektion der mahr.-schles. Ackerbau-Gesellschaft
in Brunn:
Schriften. Bd. 27. Chr. d'Elvert, Oesterr. Rechtsgeschichte. Bd. 1.
1888. 8«.
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften. 503
Äcadimie des sciences de Belgique in Brüssel.
Annuaire. Ann^ 56. 18d0. 8^.
Bulletin. 8« Serie, tora. 18. No. 12. tom. 19 No. 1-6. 1889/90. ^.
K, ungarische Akademie der Wissenschaften in Budapest:
Ungarische Revue. 1890. Heft 1—6. 8®.
Äcademia Bomana in Bukarest:
Documente privitöre la Istoria Romanilor. Suppl. I. Vol. III. Fase. 2.
1889. 40.
Äsiatic Society of Bengal in Calcutta:
Journal. New Series. No. 291—295. 1890. 8^.
Proceedings 1889. No. VII -X. 8«.
Zeitschrift „The Open Court" in Chicago:
The Open Court. Vol. ÜI. No. 117—141. Vol. IV. Nr. 12—15.
1889/90. 4<>.
Historisck-antiquarische Oesellschaft in Chur:
19. Jahresbericht. Jahrg. 1889. &*,
Universität in Czernowite:
Verzeichnis der öffentlichen Vorlesungen. Somm.-Sem. 1890. 8^.
Historischer Verein in Darmstadt:
Quartalblätter. 1889 No. 1—4. 1889. 8^.
Verein für Anhaltische Geschichte in Dessau:
Mittheilungen. Bd. V. Heft 3-8. 1888/89. 8^.
B. Irish Academy in Dublin:
Proceedings. III. Series. Vol. I. No. 2. 1889. 8®.
Transactions. Vol. XXIX. part XII. XIIl. 1889/90. 4<>.
Cunningham Memoirs. No. V. 1890. 4^.
Karl' Friedrich- Gymnasium in Eisenach:
Jahresbericht für 1889/90 mit Programm von Hugo Weber. Quae-
stiones Catullianae. 1890. 4^.
K. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt:
Jahrbücher. N. F. Heft 16. 1890. 8®.
B, Deputazione di storia paJtria per la Toseana in Florenz :
Documenti di storia italiana. Vol IX. Libro di Mt» ^
pubbl. da Cesare Paoli. 1889. 4<>.
504 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften,
E, Istituto di studi superiori in Florenz:
Jfr. 8*.
Donati (Girolamo), Maestri e Scolari neir India Brahmanica. M
Institut National Genivois in Genf:
Bulletin. Tom. 29. 1889. 8^. 1
Mömoires. Tom. XVII. 1886—1889. 1889. 4^
Oberhessiacher Geschichtsverein in Giessen:
Mittheilungen. Neue Folge. Bd. IT. 1890. 8». '^
Oberlausitziache Gesellschaft der Wissenschaften in Cförlitn
Neues Lausitziaches Magazin. Bd. 65. Heft 2. Bd. 66. Heft 1. ]
—90. 8<>.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen:
Gelehrte Anzeigen. 1889. No. 22-26. 1890. No. 1—8. &\
Nachrichten. 1889. No. 19-21. 1890. No. 1. 2. 8<».
Lebensversicherungsbank für Deutschland in Gotha:
61. Rechenschaftsbericht für 1889. 1890. 4«.
K. Instituut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlan
Indi'e im Haag:
Bijdragen tot de taal-, land- en volkenkunde. Deel 39. Aflev. 1. V. R€
Deel 5. Aflev. 2. 1890. 8«.
K. Holländische Regierung im Haag:
Nederlandsch-Chineessch Woordenboek door G. Schlegel. Deel.
Aflev. 8. Leiden 1890. 4^
Society Hollandaise des Sciences in Haarlem:
Archives Näerlandaises. Tom. XXIV. livr. 1. 1890. 8^.
Deutsche morgenländische Gesellschaft in Halle:
Zeitschrift. Bd. 43. Heft 4. Bd. 44, Heft 1. Leipzig 1889. 8^
Universität in Halle:
Index scholarum aest. 1890. 4®.
Verzeichnis der Vorlesungen. Sommer 1890. 4^
Verein für Geschichte der Stadt Hamburg:
Zeitschrift. Bd. IX. Heft 1. 1890. 8^
Bezirksverein für Hessische Geschichte in Hanau:
Mittheilungen No. 13. 1890. 8®.
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften, 505
Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft
in Heühronn:
Zeitschrift. Bd. V. 2. Hälfte. 1890. gr. 8<>.
Verein für siebenbürgische Landeskunde in Hermannstadt:
Archiv. Neue Folge. Bd. 22. Heft 3. 1890. 8«.
Jahresbericht fQr d. J.* 1888/89. 1890. S^,
Voigtländischer Älterthumsforschender Verein in Hohenleuben:
60. Jahresbericht. Weida 1889. 8<>.
Ferdinandeum in Innsbruck:
Zeitschrift. 3. Folge. 33. Heft. 1889. 80.
Wissenschaftliche und literarische Gesellschaft in Jassy:
Archiva. Nr. 2—5. 1889/90. 8».
Gesellschaft für Schlesioig-Hotstein-Lauenburgisclie Geschichte in Kiel :
Zeitschrift. Bd. XIX. 1889. 8«.
RegesteD und Urkunden. Bd. III. Lief. 1—3. Hamburg 1890. 4*.
Universität in Kiew:
Iswestya. Bd. XXIX. No. 11. 12. Bd. XXX. No. 1-3. 1889/90. 8*.
Kärtnerischer Geschichtsverein in Klagenfurt:
Carinthia. 79. Jahrg. 1889. 8».
Universität in Königsberg:
Schriften aus dem Jahr 1889. 4^ und 8^.
K Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen:
Oversigt. 1889. No. 2. 3. 1890. No. 1. 8».
Skrifter. Historisk Afd. H, 6. Hl, 1. 1889. 4«.
Libri raemoriales capituli Lundensis. Heft 2. 1889. 8®.
Akademie der Wissenschaften in Krakau:
Anzeiger. 1889 Dezember. 1890 Januar— Mai. 8^.
SocUtS d^histoire de la Suisse Bomande in Lausanne:
Mdmoires et Documents. 11. S^rie. Tom. 2. 1890. 8^.
Maatsthappij der Nederlandsche Letterkunde in Leiden:
Tijdschrift. Jaargang I— VIH. 1881—1888.
Tijdschrift. N. Reeks. Deel IX. Aflev. 1. 2. 1890. 8*.
K, Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften im L
Berichte. Philol.hist. Classe. 1889. II— IV. ISde/M"
Abhandlungen. Philol.-hist. Classe. Bd. XI. Noi. ft«
506 Verzeichniss der eingelaufenen DruckKhriften,
IfMrstlich Jablonowskische GeselUehaft in Leipzig:
Preisschriften. No. XXVII. 1889. 4^
Deutsche Gesellschaß für Erforschung vaterländischer Sprache
in Leipzig:
Bericht über das Winterhalbjahr 1888/89. 1889. 8^.
GeschichtS' und AUerthums- Verein in Leisnig:
Mittheilunffen. Heft 8. 1889. 8*.
Universität in Lüle:
Travfiux et m^moires des facultas de LiHe. Tom. I. No. 1 —3. 1889. 8^.
Museum Francisco-Carolinum in Linz:
48. Bericht. 1890. 8®.
Liierary and phüosophical Society in Liverpool:
rroceedings. Vol. 41—43. 1887—89. efi.
Universiti catholique in Loewen:
Annuaire. 45. annde 1890. 8^.
Socidt^ littäraire de rUniyersite catholique de Louvain. Choix de
meraoires. Tom. XIV. Bruges 1889. 8**.
De Schola Elnonensi Sancti Amandi, scripsit JuHuh Desilye. 1890. 8^.
Ihe Knglish historical Review in London:
Keview. Vol. V. No. 17. 18. 1890. 8^.
Jioycd Society in London:
Proceedings. Vol. 46. No. 284. 286. Vol. 47. No. 286—290.
1889/90. 8".
PhiloHophical Transactions. Vol. 179 A. 179 B. 1889. 4^
List of Menibers. 30**» November 1888. 4®.
i?. Äccademia di scienze in Lucca:
Atti. Tomo XXV. 1889. 8^
Societe Royale des Sciences in Lüttich:
Memoires. IL Scr. tom. XVI. Bruxelles 1890. 8®.
Real Academia de la historia in Madrid:
Boletin. Tom. XV. ciiad. 6. Tom. XVI. cuad. 1—6. 1889/90. 8*>.
Biblioteca Nazionale i» Mailand:
Archivio storiro Lombardo. Anno XVI. fasc. 4. XVII. fasc. 1. 1889
und 90. ^.
Liierary and pWosophical Society in Manchester:
Memoirs and Proeeeding«. IV. Serie». V'^ol. IL 1889. 8^.
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften. 507
Historischer Verein in Marienwerder:
Zeitschrift. Heft 26. 1890. S«.
Gesellsdiaft für lothringische Geschichte in Metz:
Er^dnzungsheft zum Jahrbuch. I. 1889. 8^.
Domkapitel der Erzdiocese München-Freising :
Schematismus der Geistlichkeit f. d. Jahr 1890. 8^.
Statistisch-topogr. Karte des Erzbisthums München und Freising in
4 Blättern y. Lud. Sailer. 1889.
Universität München:
^hriften der Universität aus dem Jahre 1889. 4® und 8®.
Amtliches Verzeichniss des Personals. Somm.-Sem. 1890. 8*.
Historischer Verein in München:
Oberbayerisches Archiv. Bd. 46. Heft 1. 1889. 8^.
50. and 51. Jahresbericht für die Jahre 1887 und 1888. 1889. 8^.
Kaufmännischer Verein in München:
16. Jahresbericht für das Jahr 1889/90. 1890. ^,
Verein für Geschichte und Älterthumskunde Westfalens in Münster:
Zeitschrift für vaterländische Geschichte. Bd. 46. 1887. 8®.
Westfälischer Provinzial- Verein für Wissenschaft und Kunst
in Münster:
17. Jahresbericht für 1888. 1889. 8^,
Societä Reale in Neapel:
Annuano. 1890. 8®.
American Oriental Society in New-Haven:
Journal. Vol. XiV. 1890. 8®.
Ästor Library in New- York:
41. annual Report for the year 1889. 1890. 8^.
Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg:
Mittheilungen. Bd. II. Heft 3. 1889. 8^.
Anzeiger. Bd. II. Heft 8. 1889. ^.
Katalog der im germanischen Museum vorhandenen Bnch-Einb&nde.
1889. 8».
Verein für Geschichte der Stadt Nümhmrg
Mittheilungen. Heft 8. 1889. 8^.
Jahresbericht über d. J. 1886 und 1888. 1887—89. (
508 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften.
m
Revue historique in Paris:
Revue. Tom. 42. No. 1 und 2. Tom. 43. No. 1. 1890. 8».
Kais. Akademie der Wissenschaften in St, Petersburg:
Memoire. VH« Serie. Tom. 37. No. 2—4. 6. 7. 1889/90. 4«.
Bulletin. Nouv. S^r. tom. I. No. 3. 1890. 4^
Russische archäol, Gesellschaft in 8t, Petersburg:
Sapiski. Orientalische Abtheilung. Bd. III. Heft 4. Tom. IV. Heft 1—4.
1 889/90 4^
Trudy. (Arbeiten.) Orientalische Abtheilung. Bd. XX. 1890. 8<^.
Historicdl Society of Pennsylvania in Phüaddphia:
The Pennsylvania Magazine of History. Vol. XII F. No. 3. 4. 1889
—90. 8<>.
Gymnasium zu Plauen:
Jahresbericht fQr d. J. 1889/90 mit Abhandlung v. Alwin 2^11er, Das
Pferd, der Esel und der Hund in der hl. Schrift. 1890. 4P.
Alterthums' Verein in Plauen:
Mittheilungen. 7. Jahresschrift auf die Jahre 1888/89. 1889. 8^.
K. höhmische Gesellschaft der Wissenschaften in Prag:
Sitzungsberichte. Philos.-hist. Classe. 1889. 1890. 8®.
Jahresbericht f. d. Jahr 1889. 1890. 8*>.
Abhandlungen. Philos.-hist. Classe. 7. Folge. Bd. 3. 1890. 4^
Regesta. Pars III. Vol. 6. 1890. 4^
Codex juris bohemici. Tom. II. pars 3. 1889. 8^.
Joh. Heinrich Loewe. Die speculative Idee der Freiheit. 1890. 8**.
Preisschriften. 3. 4. 1890. 8".
Museum des Königreichs Böhmen in Prag:
Casopis. 1889. Bd. 63. ^,
Geschäftsbericht f. d. J. 1889. 1890. 8^
Lese- und Redehalle der deutschen Studenten tw Prag:
Jahresbericht filr das Jahr 1889. 1890. 8*^.
K. K. deutsche Carl-Ferdinands- Universität in Prag:
Ordnung der Vorlesungen. Somm.-Sem. 1890. 8^
Personalstand. Studienjahr 1889-90. 8®.
R, Äccademia dei Lincei in Rom:
Atti. Ser. IV. Rendiconti. Vol. V. Fase. 6—13. Vol. VI. Fase. 1-7.
1889/90. 4^
Verzeichniss der eingelaufenen Drucksdiriften, 500
Kaiserl. deutsches archäologisches Institut in Born:
Mittheilungen. Bd. IV. Heft 4. Bd. Y. Heft 1. 1689/90. 8^.
Ministero ddla pubblica istrujsione in Barn ;
Cataloghi dei codici orientali. Fase. 4. Florens 1889. 8^.
JB. Societä Bomana di Storia Patria in Rom:
Archivio. Tom. I— XI. 1877—88. Tom. XII. Fase. 1-4. 1889. 8<>.
Gesellsehaft für Salzhur ger Landeskunde in Salzburg:
Mittheilungen. XXIX. Vereinsjahr 1889. 8^.
K. K, Ärchäologisehes Museum in Spaloto:
Bnllettino. Anno XH. No. 12. Anno XIII. No. 1—5. 1889/90. 8P.
Oesetlschaft für Pommersehe GeschiMe in Stettin:
Baltische Stadien. 89. Jahrg. Heft 1—4. 1889. 8^.
Monatsblätter. 1889. No. 1—12. 1889. ^,
K, Akademie der Wissenschaften in Stockholm:
Handlingar. Ny Följd. Bd. XX. 1. 2. XXI. 1. 2. and Atlas zu Bd. XXI.
No. 8 in Folio. 1882 85. 4®.
Bihang tül Handlingar. Bd. IX, 1. 2. X, 1. 2. XI, 1. 2. XII, 1-4.
Xm, 1. 4. 1884-88. 8^.
öfersigt Arg. 41—45. 1884-1888. 1885-1889. 8«.
Leinadsteckningar. Bd. IL Heft 8. 1885. 8».
Förteckning. 1826-1888. 1884. 8^.
Kgl. Vitterhets Historie oeh Äntiquitäts Äcademien in Stockholm:
Antiquarisk Tidskrift f5r Sverige. Del X. Heft 5. 1889. 8''.
K, Statistisches Landesamt in Stuttgart:
Wflrttembergische Jahrbücher. Jahrg. 1888. Bd. I. Heft 1. 2. 8.
1890. 4^.
Württembergische Jahrbücher für Statistik. Jahrg. 1889. II. Hälfte.
Heft 2-4. 1890. 8®.
Würtiembergische Viertelljahreshefte. Jahrg. XU. 1889. Heft 2-4.
1890. 4«.
M%ueo eomunale in Trient:
Archmo Trentino. Anno VUL Fase. 1. 2. 1889. ^.
JB. Äccademia deüe Scienze in Turin:
AttL VoL XXV. disp. 1—10. 1889-90. 8».
510 VerzeiehmsB der eingelaufenen Druefuekriften,
Praüinciaal ütreehtsch GenooUchap in UtredU:
Versla^ der algemeene ver^dering. 1889. 8^.
Aanteekeningen van de sectie-yergaderingen. 1889. 8^.
De Erfelijkheid yan verworven eigenscbappen, door J. F. ran Bem-
melen. s^Oravenhage 1890. 8^.
Vervolg op den Catalogos der archeolog. Verzameling. Utrecht
1890. 8<>.
Äteneo Veneto in Venedig:
L'Ateneo Veneto. Settembre 1887— Ottobre 1888. 8®.
Istituto Veneto in Venedig:
Atti. Sörie VI. Tom. 6. disp. 10. Tom. 6. disp. 1—9. 1886-88. 8^^.
Bureau of Education in Washington:
Report of the Commissioner of Education for the year 1887—88.
1889. 8«.
Circular of Information. 1889. No. 2. 1890. No. 1. 2. 8^^.
Harz- Verein für Geschichte in Wernigerode:
Zeitschrift. Jahrg. XXn. 1889. 2. Hälfte. 1890. 8^.
K, K, Akademie der Wissenschaften in Wien:
Almanach. 39. Jahrg. 1889. 8**.
Sitzungsberichte. Philos.-historische Classe. Bd. 117. 118. 1889. 8^.
Archiv für österreichische Geschichte. Bd. 74, 1. 2. 1889. 8®.
Venetianische Depeschen vom Kaiserhofe. Bd. 1. 1889. 8**.
Mittheilungen aus dem Vaticanischen Archive. Bd. I. 1889. 8^.
Universität in Wien:
Uebersicht der akademischen Behörden f. d. Jahr 1889/90. Bf^,
Die feierliche Installation des Kectors am 19. Oktober 1889. 8°.
Vorlesungen an der Universität. Somm.-Sem. 1890. 8**.
Verein für Nassauische Älterthumskunde in Wiesbaden:
Annalen. Bd. XXI. 1889. 1890. 4^
Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens
in Yokohama:
Mittheilungen. Heft 48. 1890. Fol.
Antiquarische Gesellschaft in Zürich:
Mittheilungen. Bd. XII. Heft 6. Leipzig 1890. 4^
Verzeichmss der eingelaufenen Druckaehriflen, 5 1 1
Von folgenden Privatpersonen:
Frans Ludwig Baumann in DanauescfUngen:
Geschichte des Algäa». 2 Bände Kempten, s. a. 8^.
Auguste Castan in Besan^fon:
Deuz ^pitaphes romaines de femmes. 1890. 8^.
Fratniee Dinahaw Manocfrjee Petit in Calcutta:
Travels in Europe, America, Japan und China in Gujrati language.
Bombay 1888. 8<>.
Paraee Prakash. Vol. I. Compiled by Bomaigee Byramjee Patell.
Bombay 1888. 4<».
Albert Jahn in Bern:
Dionysiaca. Altena 1889. 8^.
Matthiae van Lexer in Würsburg:
Zur Geschichte der neuhochdeutschen Lexikogpraphie. 1890. 4^.
Miss Emüy Malane in Dublin:
Aeneidea, by Jones Henry. Vol. IV. Dublin 1889. 8^.
513
Namen-Register.
▼. Christ ß3.
Friedrich 58.
y. Hefner-Alteneck 500.
llimly 822.
Biezler 478.
Schlagintweit E. 457.
Schnorr von Carolsfeld 247.
Wecklein 1.
WölflFlin 293.
Sach-Register.
Abhängijifkeitscomposita des Griechischen 143.
Columna rostrata, Inschrift 293.
Liber diumus 58.
Minne, Fran 500.
Ozeanische Sprachenkunde 247.
Schlagintweit A., Denkmal 457.
Tragiker, Fragmente der griechischen 1.
Tscham-Sprache, Wörterschatz 822.
Waldeck (Hohenwaldeck) Herrschaft 473.
Sitzung^sberichte
der
philosophisch-philologischen und
historischen Classe
der
k. b. Akademie der Wissenschaften
zu M^üncheti.
Jahrgang 1890.
Ztveiter Band.
Mttncben
Verlag der K. Akademie
1891.
In Commiraion bei G. Franz.
Inhalts - üebersicht.
Die mit * bezeichneten Abhandlungen sind in den Sitzungsberichten nieht abgedmekt.
OeifenÜiche Siteung der kgL Akademie der Wissenschaften zur
Feier des 131, Stiftungstages am 28. März 1890,
Seite
•v. Voit: Einleitender Vortrajr 1
?. Brunn: Nekrologe 1
Cornelius: Nekrologe 88
Preisaufgabe der Savigny-Commission 41
'Cornelius: Gedäcbtnissrede auf J. v. DöUinger 42
Oeffenttiche Sitzung zu Ehren Seiner Majestät des Königs und
Seiner Köfiigl. Hoheit des Prinzregenten am 15, November 1890,
Wahlen 649
Philosoph! seh -philologische Classe.
Sitzung vom 3, Mai 1890,
Geiger: Das Yätkär-i Zarirän und sein Verbältniss zum Sah-
näme 43
Sitzung vom 7, Juni 1890,
Bechmann: Ueber die richterliche Thätigkeit der Pontifices
im altrömischen ZivilprozesH 149
Golther: Chrestiens conte del graal in seinem verbültniss zum
wälschen Peredur und zum englischen Sir Perceval . . 174
^Unger: Die Abfassungszeit des ägyptischen Festkalenden
IV
Sügung vom 5. Juli 1890.
Keinz: lieber AveDtins Tagebuch (Aventins Hauskalender) 313
Schreine i*: Das Militärdiplom von Eining (mit 1 Tafel) . . 329
Sitzung vom 8. November 1890,
Wilh. Meyer: Nachlese zu den Spruchversen des Menander
und Anderer 355
Oarribre: Wie kommen wir zum Sittengesetz V 881
Sitzung vom 6, Dezember 1890,
*Wilh. Meyer: Die athenische Spruchrede des Menander und
Philistion 896
*Kuhn: Barlaam und Joasaph, eine bibliographisch -literarge-
schichtliche Studie 396
Historische Classe.
Sitzung vom 3. Mai 1890,
Lossen: P^rzbischof Heinrieh von Bremen und das Haus Oester-
reich im Mün>t»^rschen Postulationsstreit 1579 — 1580 . . 85
Heigel: Neue Beitrii<,'e zur Charakteristik Kaiser Leopolde I, 109
*v. Oefele: rrkundliches zur Genealogie der Herzogin Judith
von Bayern 147
Sitzung vom 7. Juni 1890.
Simonsfeld: Beiträge zum i>äj)stliclien Kanzleiwe^en im Mittel-
alter und zur deut>chen Geschichte im 14. Jahrhundert 218
(iregorovins: Briefe aus der ('orrispondenza Arciajoli in der
Laurenziana zu Florenz 285
Sitzung vom :">. Juli 1890,
*Stieve: Ueber Krnst von Mansfeld 354
*v. Bockinger: Zur Genealogie der Handschriften des sog.
»Schwaben«piegel> 854
V
Sitzung vom 8. November 1890,
Seit«
V. Drnffel: Der Bayerische Minorit der Observanz Kaspar
Schatzger und seine Schriften 897
*v. Reber: Ueber den Karolingischen Palastbau; I. Die Vor-
bilder 484
Sitzung vom 6, Dezember 1890.
Riezler: Der Hochverrathsprozess des herzoglich - bayerischen
Hofmeisters Hieronymus von Stauf, Reicbsfreiherm zu
Emfels 435
Nachtrag zur Sitzung vom 5. Juli 1890,
Stieve: Ernst von Mansfeld 6ü7
Einsendung von Druckschriften 551
Register 565
M^l
Sitzungsberichte
der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.
Oeffentliche Sitzung
zur Feier des 131. Stiftungstages
am 28. März 1890.
Die Sitzung wurde von dem stellvertretenden Vorstande
der Akademie, Herrn v. Voit, mit einem einleitenden Vor-
trage eröflFnet, der in den Sitzungsberichten der mathematisch-
physikalischen Classe veröflFentlicht werden wird.
Hierauf gedachte der Secretär der philosophisch-philo-
logischen Classe der Verluste, welche dieselbe im letztver-
flossenen Jahre zu beklagen hatte. Es starben: am 16. Juli
1889 in Florenz, Michele Amari, seit 1863 auswärtiges
Mitglied; — am 30. Juli in Paris, Jean Joseph Antoine
Maria, Baron de Witte, seit 1871 auswärtiges Mitglied; —
am 3. November in Würzburg, Dr. Ludwig von Urlichs,
.seit 1866 auswärtiges Mitglied; — am 4. März in Leipzig,
Dr. Franz Delitzsch, seit 1850 auswärtiges Mitglied. —
In Bezug auf das Nähere über diese vier Gelehrten wurde
auf die nachstehenden Nekrologe verwiesen.
18»a Philoc-philoL a. hist Cl. II. 1. 1
2 OcffeniUehe Sitzuiuj mm 38, März 1S90.
Michele Amari.
Mag man den Werth der wissenschaftlichen Thäti|;(keit
Amari 's noch so hocli veranschlagen, so bildet dieselbe doch
nur einen Thoil, die eine Seite der Bedeutung des gan7^n
Mannes. , Amari hatte die Inspirationen der Vorläufer, iiud
unter den Vorläufern liat er seine Stelle" : so bezeichnete
sein Wesen- der italienische Minister Boselli in der Rede bei
(relegenheit seiner Leichenfeier. Unter den Vorkämpfern für
die Wiedererweckung Italiens im Leben, wie in der Wissen-
schaft steht Amari in der vordersten Reihe, und sein Leben
ist j^Ls ein glückliches zu preisen, insofern es ihm vergönnt
war, im Alter die Ziele erreicht zu sehen, fiir die er den
grössten Theil seines Lebens gekämpft und gelitten hatte.
Michele Amari wurde zu Palermo am 7. Juli 1806
geboren. Seine häusliche Erziehung, wenig auf die physische
Entwickelung bedacht, war eine streng moralische. In dem
liildiingsgaiige seiner früheren Jahre scheint auf mathema-
tische und naturwissenscliaftliche Studien ein mehr als ge-
w(>lin lieber Nachdruck gelegt worden zu sein, dabei aber
(las schon damals begründete jjcrsönliclie Verliältniss zu seinem
LelinT Donienico Scina auf d(»n politischen Charakter be-
stimmend eingewirkt zu haben. Doch drängte ihn die Wahl
<?iiics Lebonsberutes s»'lir bald in die Laufbahn eines Ver-
waltungsbeamten, und fast nocii im Knabenalter von vier-
zehn Jahren fand er Bes<liäRigung als llülfsarbeiter iiu
Ministeriiun. Da traf Hin bald, im Anfange des Jahres 1822,
der harte Schlag, dass sein Vater, als (.^arbonaro in die da-
maligen revolutionären Bewegungen verwickelt, zuerst zum
Tode, stdiliesslieh aber zu dreissigjäliriger Zwangsarbeit ver-
nrtheilt wunle: ein Schlag, der dem Sechzehnjährigen nicht
nur schwere ViM*])ilichtungen in der Fürsorge für eine zahl-
reiclu" Familie auferlegte, snndern auch eines tiefen Ein-
druckes auf dit» Kntwickelung stMiies (Charakters nicht ver-
fehlen knnnte. in harter l>erufsarbeit that er aus [Pflicht-
V. Brunn: Nekrolog auf Michele Aman. 3
gefühl seine volle Schuldigkeit. Daneben aber trieb ihn
nicht etwa nur eine ausgesprochene Neigung zur Jagd in
die Einsamkeit und Wildniss der Natur, sondern die bewusste
Absicht, seinen Körper zu kräftigen und sich in der Hand-
habung der WaflFe zu ernsteren Kämpfen vorzubereiten. Für
streng wissenschaftliche Fortbildung blieb ihm daneben keine
Zeit. Nur an poetischen Liebhabereien hielt er fest, die
1832 zu einer ersten literarischen Leistung, einer metrischen
Uebersetzung von Walter Scott's Marmion führten. Erst
damals etwa »wurde er von einem wohlwollenden Vorgesetzten
auf historische Studien hingewiesen, die bald eine patriotisch-
politische Färbung annahmen, indem sie sofort auf den hei-
mischen Boden Siciliens sich lenkten. In einer ersten Arbeit,
der Fondazione della monarchia de' Normanni in Sicilia in
den Eifemeridi scientif. per la Sicilia 1834, trat er ein für
die Selbständigkeit des sicilischen Geistes gegenüber der
Herrschaft des Festlandes. Weitere Studien über die Herr-
schaft der Bourbonen in Sicilien gelangten nicht zur Ver-
öffentlichung, sondern traten in den Hintergrund gegen die
nun beginnenden Untersuchungen über die sicilianische Vesper.
Indessen hatten die Gesinnungen Amari^s bereits angefangen,
den Verdaclit der Regierung zu erwecken; doch waren es
zunächst andere, durch ihn nicht verschuldete Verhältnisse
bei Anlass einer Choleraepidemie in Palermo und Sicilien
im Jahre 1837, bei der sich vielmehr die Energie seines
Charakters in hellem Lichte zeigte, welche seine Versetzung
nach Neapel zur Dienstleistung in dem ihm fremden Justiz-
ministerium veranlassten: für ihn eine Art Exil. Indessen
erfuhren seine Studien durch Ermöglichung einer gründlichen
Erforschung der wichtigen Archive des Hauses Anjou eine
neue Förderung, so dass er, 1841 nach Palermo zurück-
versetzt, an die Veröffentlichung des Werkes über die Vesper
gehen konnte. Im Sommer 1842 trat dasselbe ans Licht.
Obwohl aus Vorsicht der Titel: Un periodo delle storie sici-
1*
4 OeffnMclie Sitzung vom 38. März 1890,
liane del XIII. secolo gewählt, obwohl das Bach unter regel-
mässiger Censur erschienen, obwohl in demselben jede An-
spielung auf die Gegenwart vermieden war, so sollte doch
der Erfolg, den sein Werk in den weitesten Kreisen erzielte,
der Person des Verfassers verhängnissvoll werden. Der König
und sein Minister glaubten in der Schilderung Karls von
Anjou und seines Generals ihr eigenes Bild wiederzuer-
kennen; und der König rief Amari zur Verantwortung nach
Neapel. Gewarnt indessen durch das Schicksal seines Censors
und seines Verlegers leistete Amari dem Befehle keine Folge,
sondern entwich nach Paris.
Dort nahmen seine Studien, ohne ihren Zielen ungetreu
zu werden, eine neue Wendung. In der Geschichte Siciliens
nimmt die Herrschaft der Araber keine untergeordnete Stel-
lung ein. Dadurch wurde Amari auf das Studium des
Arabischen geleitet, in welches ihn Reinaud einführte; und
schon 1845 begegnen wir ihm als Herausgeber arabischer
Texte und Inschriften, die meist auf die Geschichte und die
Geographie seines Ileimathlandes Bezug haben. Da fährte
ihn die Revolution im Anfange des J. 1848 nach Palermo
zurück. Obwohl sofort zu einer Lehrthätigkeit als Professor
des sicilisclien öffentlichen Rechtes berufen, gelangte er in
derselben nicht über die Antrittsvorlesung hinaus. Man
forderte seine praktische Thiitigkeit; man wählte ihn zum
Deputirten der Stadt Palermo, übertrug ihm das Ministerium
der Finanzen, betraute ihn in der zweiten Hälfte des Jahres
mit der Führung diplomatischer Verhandlungen in Paris und
London. Bei Wiederbeginn der Feindseligkeiten im April
1840 eilt er nach Palermo zurück. Doch bald zwingt ihn
der Sieg dt'r Keaction, sein pariser Exil wieder aufzusuchen
und seine historischen Studien wieder aufzunehmen. Als
Friiflit derselben erschienen 1854 und 58 die zwei ersten
Bände d<*r Storia de' Musulmani in Sicilia, denen der dritte
«Tst IH72 folgt-** An sie schloss sich 185G die Bibliotheca
V. Brunn: Nekrolog auf Michele Amari, 5
arabico-sicula, eine Sammlung arabischer Texte und 1859
ein arabisches Kartenwerk über Sicilien.
Erst das Kriegsjahr 1859 führte Amari endgültig nach
Italien zurück. Man beeilte sich, ihm eine Professur des
Arabischen in Pisa und, noch ehe er dieselbe angetreten, in
Florenz zu übertragen. Aber kaum hatte seine . Lehrthätig-
keit begonnen, so riefen ihn die politischen Verhältnisse
wieder nach seiner Heimath Sicilien zurück. Mitte 1860
folgte er Garibaldi nach Palermo, verwaltete für kurze Zeit
das Staatssecretariat des Unterrichts und der öffentlichen
Arbeiten und ebenso nachher das des Aeusseren, legte aber
auch dieses bald nieder: aus dem Streiter für die Unabhängig-
keit und Befreiung Siciliens war inzwischen ein Kämpfer
für die Einheit Italiens geworden. Erst nach einigen Monaten
war es ihm gegeben, als Mitglied einer Commission für die
Organisation Siciliens, dieses Ziel, die Vereinigung Siciliens
mit dem Königreich Italien, der Erfüllung entgegenzuführen.
Bald darauf, Anfang 1861, begegnen wir ihm als Senator
des Königreiches, und noch einmal 1863 — 64 erscheint er
in öffentlicher politischer Stellung als Leiter des Ministeriums
des öffentlichen Unterrichts. — Die Hauptziele seines politi-
schen Strebens und Kämpfens waren erreicht, und so durfte
er bei herannahendem Alter an den Frieden einer eigönen
Häuslichkeit denken: erst um diese Zeit verheirathete er sich,
um das Muster eines Gatten und Familienvaters zu werden.
Von jener Zeit an nahm sein Leben einen ruhigen Ver-
lauf. Er blieb seinem Lehrberufe in Florenz bis in seinen
letzten Jahren getreu ; er wirkte in den Berathuugen über
den öffentlichen Unterricht. Er erfreute sich wissenschaft-
licher Ehrungen von den verschiedensten Seiten des In- und
des Auslandes, die einen besonders lebendigen Ausdruck er-
hielten, als er 1876 den Vorsitz bei dem vierten internatio-
nalen Congress der Orientalisten in Florenz 0
wissenschaftliche Thätigkeit erlahmte nicht. Zl
ß OeffeniUche Siiswig vom 38. März 1890.
seiner Storia de' Musulmani gesellte sieh neben manchen
Einzelnbearbeitungeii arabischer Quellen in verschiedenen
Zeitschriften die Publication der Diplomi arabi del r. Archivio
fiorentino 1863. Mit ihrer Weiterführung bis zuletzt be-
schäftigt, war der Dreiundachtzi^iihrige einen Tag vor seinem
Tode von Kpm nach Florenz zurückgekehrt, um dort einer
wichtigen Sitzung wegen eines Monumentes für seinen Freund
Atto Vannucci beizuwohnen. Am letzten Morgen, dem
1(). .Ulli 1889, arbeitete er mehrere Stunden auf der Biblio-
thek. [Jm Mittag, im Begri£f, die Treppe zum Sitzungssaal
des Instituto superiore emporzusteigen, verliessen ihn die
Kräfte und nach wenigen Minuten hatte sein Leben ge-
endet.
Als M. .1. Müller im J. 18(>3 Aniari zum auswärtigen
Mitgliede unserer Akademie vorschlug, bezeichnete er ihn
als ^ einen der ersten Historiker und den unbestreitbar ersten
Anibologen Italiens**. Anuiri beherrsclite das Arabische und
hat es im niündlidien Vortrage gelehrt. Aber grammatische
und sprachliclie rntorsuchiingen über das Arabische hat er
nicht veWWientlicht. Sein Verdienst liegt in der Durch-
torsehun^ von liil)li()theken und Archiven nach arabischen
Qiieliensclirit'ten, in der Sammlung von inschriftlichem und
niiniisniatisclieni Material und in der gründlichen und ver-
ständnissvollen Venirl)oitung desselben, nicht in einem so zu
sagen iinb(\i;renzten Umfange, sondern ganz überwiegend
unter ansgesproclien«*r Bescliränkung auf die Geschichte seines
lleimathlandes Sicilien. Die ara]>ischen Studien dienten ihm
als Mittel, um diese Geschichte aul neuen Gnuidlagen auf-
zul>auen. Aber so sehr auch seiner Historiographie djis Lob
gründlicher Forschung und objektiver, unparteiischer Dar-
stellung zu Tlieil wird, so war selbst diese ihm noch nicht
Selbstzweck, sondern wiederum nur Mittel zu dem noch
höheren Zwecke, durch die Erforschung der Vergangenheit
zu wirken auf die Erkenntniss der Gegenwart und die Ge-
V. Brunn: Nekrolog auf Michele Ämari. 7
staltung der Zukunft. Dass er diese Wirkung schon mit
seiner ersten Arbeit über die sieilische Vesper in einer von
ihm selbst kaum geahnten Weise erreichte, erklärt sich nur
daraus, dass der Gelehrte in ihm noch überragt wurde durch
das Gewicht des ganzen Mannes und seines persönlichen
Charakters.
Amari wird uns geschildert als eine urwüchsige Natur,
befähigt durch eine eiserne Gesundheit, an seine Arbeitskraft
ungewöhnliche Ansprüche zu stellen, wenig bedacht auf das
Aeussere der Erscheinung, aber vom edelsten Kern unter
herber und rauher Schale, nicht sowohl eine poetisch an-
gehauchte Gestalt, als ein unbeugsamer altrömischer Charakter.
Das Schicksal drängte ihn zum Kampfe gegen politische
und geistige Unterdrückung. Aber selbst die schweren Er-
fahrungen, die ihm schon in seinen Jünglingsjahren nicht
erspart wurden, bewirkten in ihm nicht leidenschaftliche
Erregtheit und tiefe Verbitterung: sie machten aus ihm
nicht einen gewöhnlichen Conspirator oder Strassen- Revolu-
tionär, sondern sie stählten seine Energie. Die Revolution
ward ihm nicht Zweck, sondern durch die Nothwendigkeit
aufgedrungenes Mittel. Er war nicht Parteimann, sondern
er arbeitete im Dienste der Wahrheit und Gerechtigkeit.
Wie ein unparteiischer Richter stand er, wie als Beurtheiler
der Vergangenheit, so in den Kämpfen der Gegenwart über
den Dingen. Darum ist auch in der Wissenschaft seine
Darstellung keine tendenziös gefärbte oder beabsichtigt agi-
tatorische; ja, er fühlt sich gedrungen, eine Revolutions-
gestalt, wie die des Giovanni da Procida, ihres legendarischen
Schimmers zu entkleiden und die sicilianische Vesper nicht
als das Werk eines Einzigen oder die Verschwörung Weniger
zu verherrlichen, sondern darzustellen als das Werk eines
ganzen Volkes, des mit unwiderstehlicher Mai '
brechenden Volksgeistes. Darin, dass in ihm
geist in hervorragender Weise verkörpert ^
8
Oe/fintlivhe Sitzuntj vom i'H. März J8!H).
Geheiiiiiiiss seiner Wirkung: er war nicht blos Vorläufer,
sondern Vorbild, sein Charakter ein vorbildlicher.
Dieseis Charakterbild im Einzelnen zu entwickeln auf
dem breiten Hintergrande den historischen Schauplatzes, auf
dem er wirkte, würde eine Aufgabe gewesen sein, würdig
eines Döllinger; ich darf noch mehr sagen: ich weiss, dass
djis Thema in der That für ihn etwas Verlockendes hatte;
und gewiss nicht aus Zufall. Denn so verschiedenartig sich
die äusseren Lebenswege und das Wirken des Einen und
des Anderen gestaltet, so vielfach innerlich verwandt waren
beide in ihren idealen Hestrebungen und letzten Zielen; und
wenn jetzt beide in hohem (i reisenalter und ffist gleiehzeiti};
aus ihrer nimmer erniiidet«ni Thätigkeit abberufen worden
sind, so liegt darin nur eine verstärkte Auflfbrderung, an
dieser Stelle auf ihre geistige Ziisannnengehörigkeit hinzu-
weisen und ihr Andenken aucli für die Folge in unserer
Erinnerung zu verbinden.
l>eniit'/t wnnlcn: <«. l)ii^at. IIi<inir<^ i\v< orientalisles de TKiiropc
lR*i8, T. T, p. 12— 21: de Gul)Ornatis. hizionario hiojTrafi<o 1879. 1.
p. 32; Diclionnaire international d(v^ »''iTivains 1888, p. 50; die Redon
lu.'i drr Ltnchenlf'ior von 15oseJli, Villari und Massaiani in der Floren-
tiner Zoitun;^ la Nazione, vom 19. .luli 1Ö8*J.
J. de Wille.
Jean .l(>sej)li Antoine Marie, Hanui de Witte war am
21. Februar 1808 /u AntwerjK'n geboren, wo seine Familie
>eit fast drei Julirhunderten >esshaft, durch ihre Thätigkeit
in städtischen Aenitern und Würden eine hoch angesehene
Stellung einnahm. Ueber seine .lugen«! und wissenschaftliche
Vorbildung fehlen mir bestimmt«' NaciiwiMsungen. J^ereits
aber im beginne seiner wissrnseliat'tliehen Thätigkeit, bei
Abfassung eines arcliäulogiM-hen Bericlites im Bull. dell'Inst.
areh. \>^'M), linden wir ihn in Paris, das er nie mehr auf
die |)auer bis zu seinem am -M). Juli 188l> erfolgten Tode
Httmcntlieli »rft scinpr VorlipirafiTiirap 'hHeir ftirt* '
«-•in fostt-r Wuhnsitz, dt-n er mir in den Sonimerrmiasben
luit dem Aurt^nl ImlU; auf aeitieiu äi;iiliissu VVniuiiielghniu l>ei
Antw«qH;ti verUtii-scIit«. Weitere ünlerbreclumgpn liitiiet*ni
mir vonichiedvii« wiKseuHchaftlichc Reisen, mitcr denen «iu
Biimcli T(in Italien uud Griftchenlütid I84I/2 sich der otVi-
rifllvn hVmferung durcli dit; belgische Ut^Kieruiiy erfreute. ~
(.WTcnUitho Aemtcr hat da Witte niemals bekleidet.
WisHeniichaftliehtt Ehren wurden ilini von verschiedenen
Si-ilen ml Tlicil, — onserer Akademie Kehörto er seit 1871
•I» »iMwürtigM Mitglied an -; aber wohl nur eine hat er
Bemtassen aIü da^ Ziel Heines literHriAchen Efargmeis
: da er, nicht »In FninitiMe nKbnriiliiiirt, in di« piiritwr
I^Diie d(M itutcriptionü et bellts lettre^ nicht als ordunL-
ÜiJiiiH Atit^lied anfgenoaiuien werden konut<-', !tü gereichte m
• l)fM)ii deren Ijpnuntliuun^, ihr (seit I8ti4) als eine«
wonigou auswärtigen Mitglieder (iiäM)cie etrauger) au-
llit d« Witte ist der letxt« ejiier Oeneratiun vgn Archäu-
i geschieden, denen die Kntdecknnf^en Htruriens uud die
wcndigkeit ihrer nntva wiifi^schnftlichen Verarbeituii(f
^beecmderes Gepräge verliehen haben, Nur wenige Jahre
ileai Beginne seiner Tbätigkeit, gegen ihm Ende iler
iwanaigerJahre unsere« Jahrhundert», Öffnrten sieb die Nekro-
foi/ta Ktniriens nnd boten durch ihren Inhalt der Archäo-
I «in ungeahntes reicbei) Material an kleineren Monu-
, Rnnientlii'h iu überwältigender /»hl an gemalten
Hieraus erwuchsen der Archäologie gan» neue Anf-
Die nyntematische Behandlung musste vorläufig in
ilit«rgrund tret«n. Ks galt /.uuächst xich de« SUiS't^s
iehtigen, das Material zu wimmeln, len registrirtni, zu
nn. Dieser Aufgabe ?.u genUgon. das blU
r Hnuptthiitigkeit ifii von E>. I ierhard in Ü
ien Instituts für archäu logische
10 Oeff entliche Sitzung com 28, März 1890.
verwandte Zwecke wirkte in Paris Panofka, der sich damals
durch das Zusammenfassen wissenschaftlicher Krilfte zar
Verfolgunj^ gemeinsamer Aufgaben unleugbare Verdienste
erwarb. Zu diesen gehört es, de Witte zur Mitarbeiterschaft
herangezogen zu haben ; die Art aber, in welcher sich die-
selbe bethätigte, war wiederum bedingt durch die persön-
lichen Verhästnisse.
In völlig unabhängiger Lebensstellung, die ihm sogar
gestattete, zuweilen höheren Zwecken ein materielles Opfer
zu bringen, durfte er der Wissenschaft durchaus frei und
um ihrer selbst willen ohne Zwang leben, allerdings auch
ohne denjenigen Zwang, den eine berufsmässige Thätigkeit
nicht selten auf die Förderung namentlich umfassender und
systematischer Aufgaben ausübt. Schon früh war er offen-
bar durch das neue Lel)en auf dem Gebiete der Archäologie
angeregt worden ; neues Material floss fast täglich in reichem
Maassf» zu und führte ihn bald über das Stadium blosser
Liebhaben^ und des Dilettantismus zu ernster wissenschaft-
licher J^eschilftiginig. In einem Mittelpunkte wie Paris, in
einem Kreis(? von Kunstfreunden und Sammlern, konnte es
nur erwünscht sein, in de Witte eine Kraft zu gewinnen,
die mit uneigennütziger Freudigkeit sich mancher mühe-
vollen Arbeit zu Nutz und Fronmien der Wissenschaft unter-
zog. So entstanden die Cataloge der Sammlungen Durand,
Oanino, Magnoncourt, Beugnot, weiter Greppo, Janze, des
Musee Napoleon, der Sannnlnngen A. Ca>tellani, Paravay,
und noch in seinen letzten Jahren der Sammlung Dzialvnski-
C/artoryski (anti(iu. conserve»?s a T hötel Lambert), welche,
wenn aucli zunächst meist nur für Auctionszwecke bestinmit,
doch durch die Sorgfalt d«M* mit geübtem Hlioke ausgearbeiteten
Beschreibungen lange ihren Werth als wissenschaftliche
Stoffsammlungen für weitere I ntersuchungen bewahrt haben.
Auch als das archäologische Institut in Rom während der
ersten Jahrzehnte seine Wirksamkeit in enger Vereinigung
V. Brunn : Nekrolog auf J, de Wüte. 1 1
mit den pariser Kreisen entfaltete, war es neben der Pro-
tection des Herzogs von Luynes wiederum de Witte, der als
der persönliche Träger und Vermittler des geschäftlichen
Verkehrs diese Beziehungen zu gemeinsamem Nutzen lange
aufrecht erhielt; und selbst als sich dieselben später lockerten,
hat er sich noch durch die Ermöglichung einer stattlichen
Publication panathenäischer Vasen in den Monumenti inediti
IX (1877 — 78) ein dankbares Andenken gesichert. — Auf
gleicher Linie stehen die Verdienste, die er sich durch die
Leitung und Förderung französischer Zeitschriften, der Revue
archeologique, der Gazette archeologique erwarb.
Die Aufgabe des Beschreibers erweiterte sich natur-
gemäss zu der des Erklärers. In einer langen Reihe inter-
pretatorischer Aufsätze hat er theils einzelne Monumente,
theils die bildlichen Darstellungen einzelner mythologischer
Gestalten eingehend behandelt. Einen umfassenderen Plan
verfolgte er in Gemeinschaft mit Charles Lenormant, mit
dem ihn eine enge Freundschaft verband , die sich mit
fi^leicher Wärme sogar auf dessen Sohn Fran^ois vererbte.
Es handelte sich um eine Publication von Vasenbildem im
weitesten Umfange, die wenigstens in der Beschränkung auf
die Darstellungen der oberen Götter in den vier Bänden der
Elite ceramographique zur Durchführung gelangte. Wenn
hier allerdings der Text durch die Nachwirkungen Creuzer'-
Symbolik, sowie durch die unkritische Methode Panofka^s
nicht zu seinem Vortheil beeinflusst wurde, so bleibt doch
dem Werke auch jetzt noch ein wissenschaftlicher Werth,
der sich wohl am besten dem der verwandten Publicationen
Gerhardts an die Seite stellen lässt.
Veränderte Gesichtspunkte machen sich in anderen Ar-
beiten geltend. Durch ein sorgfältiges und umfassendes
Verzeichniss der Namen und Werke der Vasenmaler hat er
zuerst für die späteren Studien über diese Klasse von Künst-
lern oder Kunsthandwerkern eine gute Grundlage geschafifen.
12 ()e ff entliehe SUzutuj vom 28, März 1890,
Auf das Gesamintgebiet der Vasenkuude sind j^erichtet die
Etudes sur les vtLses peints (1865) und die Einleitung zum
Catiilog der Dzialynski'schen Sammlung: ^Man sieht (sagt er
mit Bezug auf die ersteren), die Sammlung Campana hat den
Vorwand geliefert für diese Artikel, aber schliesslich habe
ich versucht, einen ntschen üeber blick zu geben über den
gegenwärtigen Zustand unserer Kenntnisse von der kera-
mischen Kunst der Griechen**. Es sind also nicht eigentlich
systematische, auf der (Grundlage eines erschöpfenden gelehrten
Apparates ausgeführte Durcharbeitungen des Stoffes, sondern
sie sind erwachsen auf der Grundlage einer breiten prakti-
schen Erfahrung, und gerade durch diesen Charakter ent-
behren sie neben fortgeschritteneren Arbeiten auch heute
noch nicht eines selbständigen Werthes.
Dass in allen diesen Studien die gemalten Vasen im
Vordergrunde stehen, hig in der Natur der damaligen Ent-
deckungen auf dem Boden Italiens und insbesondere Etruriens:
gegenüber den Vaseiifunden standen kleine Bronzen, Spiegel,
Geräthe und der übrige Appanit des Gräberschmuckes dem
Tuifange mich stark zurück. Ebenso bei de Witte: er hat
zur Verarbeitung auch dieses Stoffes manchen Beitrag ge-
liefert, in geringerer Ausdehnung, aber geleitet von den
gleichen wissenschaftlichen Gesichtspunkten. Dagegen ist er
der Betrachtung der monumentalen Plastik und ihrer histo-
rischen Entwickelung fast ganz fremd geblieben: sie lag
weniger im Geiste der Zeit, in welche seine Hauptthätig-
keit fällt.
In gleicher I?ichtung wie bei den archäologischen Studien
ln'wegt sich die Thätigkeit de Wittens auch auf dem (4ebiete
der antiken Numismatik. Auch hier ist wieder der engen
Beziehungen zu der Redaction der französischen Revue numis-
muti(|ue, sowie seiner Mitarbeiterschaft an der Revue de nu-
mismati(|ue beige zu gedenken. Hilfreich betheiligte er sich
ferner durch eigene Ergänzungen an der Herausgabe der
V. Brunn: Nekrolog auf J. de Witte, 13
Marchant*schen numismatischen Briefe und führte ebenso die
von dem Herzoge von Blacas begonnene Uebersetzung der
Mommsen'schen Geschichte des römischen Münzwesens nach
dessem Tode zu Ende. In der langen Reihe von kleineren
Arbeiten ist die griechische Numismatik nicht unberücksich-
tigt geblieben; aber entschieden überwiegt die römische:
hier verdichten sich gewissermassen die Einzelnstudien zur
Lösung einer grösseren Aufgabe, die zu einem nicht geringen
Theile im «heimathlichen" Boden wurzelt, zu dem Plane
einer Münzgeschichte der römischen Kaiser, welche im dritten
Jahrhundert n. Gh. in Gallien regierten. Der erste Theil,
welcher die Sammlung der bis dahin der Wissenschaft zu-
gänglichen Münzen enthielt, erschien im Jahre 1868. Aber
zum Theil wohl in Folge dieser Publication ergab sich eine
Mehrung des Materials, welche de Witte zum Abschlüsse
einer systematischen Verarbeitung desselben nicht hat ge-
langen lassen. Hoffentlich werden die vielen Vorarbeiten
der Wissenschaft nicht verloren gehen!
So tritt uns die Thätigkeit de Witte's als eine viel-
verzweigte und nach vielen Seiten fordernd eingreifende ent-
gegen, und wenn ihm trotzdem seine Stelle nicht wohl in
der vordersten Reihe der Führer und Bahnbrecher angewiesen
werden kann, so gebührt ihm dagegen — ich möchte den
Ausdruck gebrauchen in des Wortes bester Bedeutung —
unter den Geschiiftsföhrern der archäologischen Wissenschaft
ein Ehrenplatz. Nicht mit Unrecht hat Gerhard das archäo-
logische Institut bei seiner Gründung bezeichnet als Institut
für archäologische Correspondenz, und es ist ihm in der
That gelungen, durch dasselbe einen Mittelpunkt zu schaffen
fär den archäologischen Geschäftsverkehr. Ihm hatte sich
in seiner Thätigkeit, soweit es den Kräften des Einzelnen
gegeben ist, de Witte an die Seite gestellt. Er hatte sein
Leben recht eigentlich dem Dienste der Wissenschaft ge-
widmet: aufmerksam folgte er ihrer durch epochemachende
14 Oe ff entliche Sitzung vom 28. März 1890.
Entdeckungen eingeleiteten neueren Entwickelung, aber nicht
nur um seinem eigenen Wissenstriebe genug zu thun, sondern
bei voller Unabhängigkeit frei von jedem Neide, ward es
ihm fast zum BedQrfniss, das Zusammenwirken verschiedener
Kräfte zu gemeinsamen Zielen, wo sich ihm Gelegenheit bot,
zu fördern und zu unterstützen. Eine biedere, mehr nieder-
deutsche, als französische Natur, so dass er auch nach lang-
jährigem Aufenthalte in Paris den heimischen viamischen
Accent in der Aussprache des Französischen nicht zu ver-
läugnen vermochte, machte ihn seine schon durch die Geburt
ihm angewiesene neutrale Stellung in besonderem Maasse
geeignet, auf dem Gebiete wissenschaftlicher Interessen eine
gewissermassen internationale vermittelnde Stelle zu über-
nehmen. Dadurch hat er, wenn auch in seinen eigenen
Arbeiten so manches dem Schicksal der Veraltung nicht ent-
gehen kann, sich um den allgemeinen Fortschrittt der archäo-
logischen Studien bleibende Verdienste erworben, die ihm,
und nicht am wenigsten unter den deutschen Fachgenossen,
ein dankbares Andenken sichern werden.
Kin (bis zum Jahre 1886) volktiindij^es Verzeicbnias der Schriften
de Wittens findet sich in den Noticea biographiques et bibliojirraphiqui*«
der k. bclfj^. Akademie vom .1. 188G, 8. 313—325. Eine Erf^änzung
nebst Biographie wird demnächHt in den Schriften derselben Akademie
erHcheinen. Vgl. auch den Nekrolog im Bulletin de la Societe des
antiquaireH de France 1890.
Ludwig Yon ITrlichs,
Karl Ludwig Urlichs war am 9. Nowmber 1813 zu
Osnabrück geboren. Nach dem Sturze des Königreichs West-
phalen kehrte sein Vater, bis dahin dort Abtheilungsdirector
in der französischen Priifectur, nach seiner Heimath Aachen
zurück und war dort bis zu sein(»m Tode 1820 als Kegivstrator
iu der preussisclien Regierung thätig. Am dortigen üyni-
sium erhielt der rfohn seine wissenschaftliche Vorbildung.
V, Brunn : Nekrolog auf L. i\ Urlichs, 15
Von 1829 an studirte er in Bonn, wo er noch die letzten
Vorlesungen Niebuhrs besuchen konnte, während neben
Heinrich besonders Naeke und Welcker bestimmenden Einfiuss
auf seine Studien ausübten. Der Promotion im Jahre 1834
folgten mehrere Wanderjahre. Zuerst als Lehrer im Fellen-
berg*schen Institut zu Hofwyl beschäftigt) wandte er sich
1835 nach Rom und trat dort 1836 — 38 als Erzieher im
Hause Bunsens, in nahe Beziehungen zu dem damaligen
Kreise deutscher Gelehrter, nächst Bunsen selbst zu Gerhard,
Kestner, Platner, sowie den jüngeren: Lepsius, Reumont,
Braun, den beiden Abeken, Papencordt. Auch zu Reisen
nach Neapel und Sicilien bot sich Gelegenheit. Nach Bun-
seu's Weggang führte ihn eine Hauslehrerstelle in einer
schottischen Familie 1839 nach der Schweiz und Florenz
und nochmals nach Rom zurück, von wo er 1840 dauernd
nach Deutschland zurückkehrte. Von da an ist seine Lauf-
bahn die eines deutschen Universitätslehrers. 1840 Privat-
docent und 1844 ausserordentlicher Professor in Bonn folgte
er 1847 einem Rufe als ordentlicher Professor nach Greii^-
wald und 1855 nach Würzburg. Als Mitglied des obersten
Schulrathes seit dessen Gründung 1873 bot sich ihm ausser-
dem Gelegenheit, an der Reform des bayerischen Gymnasial-
wesens sich wirksam zu betheiligen. Die letzten Jahre ge-
statteten ihm, Italien wiederzusehen und Griechenland kennen
zu lernen. Noch über sein 50 jähriges Doctorjubiläum hinaus
blieb er in voller und frischer Thätigkeit bis zn seinem
schnellen und unerwarteten Tode am 3. November 1889.
Wie bei de Witte, so haben auch bei Urlichs die be-
sonderen Sicitumstände und persönliche 'Verhältnisse auf den
ganzen geistigen Ent wickelungsgang in sehr bestimmender
Weise eingewirkt. Als Ulrichs die Universität bezog, hatten
sich die Kämpfe zweier widerstreitender Richtungen in der
Philologie, die sich an die Namen G. Herraann's einer-, und
Böckh*s und Welcker's andererseits knüpften, noch nicht
16 Oeff entliehe Sitzung vom ^8. Mnrz 1890.
beruhigt; und wenn auch die zur Alterthumswissenschaft
erweiterte Philologie immer mehr Boden gewann, so waren
doch die neuen antiquarischen und archäologischen Disci-
plinen noch keineswegs schon zu der uns jetzt geläufigen
Abrundung gelangt. Es war ferner damals noch eine seltene
Ausnahme, dass ein junger Philologe wie Urlichs nach voll-
endetem Universitätsstudium als Vorbereitung für den eigenen
Lehrberuf noch eine zweite Lehrzeit auf dem klassischen
Boden Roms durchzumachen, als forderlich, wenn nicht als
nothwendig erachtete. Als Universitätslehrer lag es ihm bis
an das Ende seines Lebens ob, in weiterem Umfange als es
jetzt meist verlangt wird, das ganze Gebiet der Philologie
imd Archäologie bis zur Aesthetik und neueren Kunst-
geschichte zu vertreten. Dazu gesellte sich sein eigenes
Naturell, Leichtigkeit, Beweglichkeit und Gewandtheit im
Leben, welche weniger darauf gerichtet waren, alle Kräfte
in miihsanier Arbeit auf Erreichung eines einzigen engeren
Zieles zu concentriren, als nach verschiedenen Seiten, wie
sich die Gelegenheit bot, selbst über seine eigentlichen Fach-
kreise hinaus frisch einzugreifen. Ja noch weiter: im öffent-
lichen Leben führte ihn die politische Bewegung von 1848
zu einer parlamentarischen Thätigkeit als Mitglied des preus-
sischen Abgeordnetenhauses und des Erfurter Parlamentes
(1848 — 52).
Seine Erstlingsarbeit über Achaeus von Eretria war
unter dem Einflüsse Welcker's entstinden. In Kom führte
ihn Uunsen in die Topograj>hie der Stadt ein ; und aus
dieson Studien ^ing der Abschnitt über das Marsfeld in der
grossen „Beschreibung Roms", sowie der in Verbindung mit
Phitner bearbeitete Auszug aus derselben hervor. Gewisser-
massen ein Nachspiel dazu bildeten mehrere Jahre hindurch
heftige Streitschriften mit dem Leipziger W. A. Becker.
Erst später (1871) und in Folge der Ooncurrenz jüngerer
Forscher fast verspätet folgte die Herausgabe» des Codex
topographicus urbis Honiae.
V. irunn: Nekrolog auf L, r. Ulrichs. 17
Schon beim Beginne seiner Lehrthätigkeit in Bonn, wo
ich zu seinen ersten Zuhörern gehörte, bewegte sich dieselbe
nach verschiedenen Richtungen. Wir finden allerdings Vor-
lesungen über ciceronisch'e Reden, über Thucydides, Pindar;
aber die engere Philologie tritt stark zurück gegen die realen
Disciplinen: alte, besonders römische Geschichte, alte und
ebenso italische Geographie und Chorographie und dazu Topo-
graphie von Rom und Athen, griechische und römische Anti-
quitäten und — damals vielleicht zum ersten Male in einem
deutschen Kathedervortrag — eine Einführung in die latei-
nische Inschriftenkunde. Dazu gesellte sich die Archäologie
zuerst in encyclopädischer Behandlung nach Müller^s Hand-
buch, dann alte Kunstgeschichte (und ausnahmsweise einmal
Kunstmythologie), allgemeine Kunstgeschichte. Seinen Eifer
für die praktische Seite der archäologischen Studien bethätigte
er ausserdem durch die von ihm 1841 ausgegangene Grün-
dung des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande, der
noch heute in voller Wirksamkeit und Blüthe fortbesteht.
— Ganz vereinzelt steht die Ankündigung einer Vorlesung
über Shakespeare^s Romeo und Julie, von der es mir aller-
dings zweifelhaft ist, ob sie, gerade um die Zeit seiner Be-
rufung nach Greifswalde, wirklich gehalten worden ist.
Dort und später in Würzburg musste sich dieser Cyklus
mehrfach den Anforderungen an seine Stellung anbequemen,
welche weit mehr auf eine Erweiterung, als auf eine Be-
schränkung hindrängten. Zur Archäologie verlangte man
in Würzbnrg die Berücksichtigung der allgemeinen Kunst-
geschichte und Aesthetik. Wenn die historischen und anti-
quarischen Disciplinen eine geringe Beschränkung erfahren,
so trat an ihre Stelle die griechische Literaturgeschichte als
Ganzes oder in verschiedenen Theilen. Der Kreis der eigent-
lichen InterpretationscoUegien erweiterte sich verhältniss-
mäflsig wenig, durch Aeschylus, Aristophanes, Tacitus. Da-
gegen boten ihm die Uebungen im Seminar den Anlass,
ISea PUloa.-i»hUol. u. hiBt GL IL 1. 2
18 Oe ff entliehe Sitzung vom 28, März 1890.
seine Lehrthätigkeit auf die gesammte klassische Literatur
im weitesten Umfange und fast in allen ihren Hauptvertretem
auszudehnen.
lieber seine Erfolge als Lehrer sprechen sich zahlreiche
Schüler mit warmer Anerkennung aus. Die Zuhörer f&hlten
sich angezogen schon durch die leichte und gewandte Be-
herrschung der Sprache und die frische Lebendigkeit des
Vortrages. Weiter wirkte sodann eben die Breite und Viel-
seitigkeit seiner Bildung und seiner Anschauungen, welche
den Blick auch der Schwächeren über den engen Kreis
blosser Schulwissenschaft hinaus zu erweitern mit Erfolg
bestrebt und doch auch zugleich geeignet war, bei den
Besseren die Liebe zu eigener wissenschaftlicher Arbeit zu
erwecken. Wo er solchen Bestrebungen begegnete, da hat
er sich den Einzelnen nicht nur durch näheren persönlichen
Verkehr hilfreich erwiesen, sondern ihnen auch über die
Universitätszeit hinaus eine wohlwollende Förderung ange-
deihen lassen.
Als eine Frucht jener Vielseitigkeit in der Orientirung
auf den verschiedenen Gebieten der Alterthums Wissenschaft
darf es wohl luich betrachtet werden, wenn es ihm gelang,
in dem einleitenden Bande der Iwan Müller'schen Handbücher
die ^Grundlegung und Geschichte der Philologie* geschickt
und mit leichter Hand darzulegen, die gewissermassen auch
als das Programm seiner eigenen Thätigkeit betrachtet wer-
den darf.
Wenn auf dem Gebiete der Lehrthätigkeit die Philologie
nach ihrer praktischen Bedeutung den grösseren Raum ein-
nahm, so ist das Umgekehrte der Fall auf dem Felde der
literarischen Arbeit. Rein philologisch sind fast nur die
Arbeiten über Tacitus, insbesondere dessen Agricola. Denn
wenn auch die Chrestomathia Pliniana und die Vindiciae
Plinianae von umfassenden Studien über Plinius Zeugniss
ablegen, so zeigen doch andere Aufsätze wie die über die
j
]
. Brutm: Nekroloii auf t. v. UrUchs.
19
Qaellenregister zii Plinius' letzten Bßchern u. Ä., wie ihm
Ptmius weniger fUr dch selbst Zweck, sondern nur Mittel
filr !«ttinc archäolo^sclieii Studien sein »ollte. Auf dieäeni
letzteren Gebiete tritt una in zahlreichen Beiträgen seine
Thittigkeit iils eine r^clieinbar /.ersplittertc entgegen, eiitlielirt
n)>er keineswegs einer inneren Kinbeit. In der Zeit, in
welcher ürlichs den («rund seiner Stndien in Bon» legt*
und auch noch wülireiid des dantnf folgenden Aufenthaltes
jn Rom halte die neuere Methode der DenkniältTerklärnng,
wie me in Folge des massenhaften Zuwachses neuen Materials
Rieh abi nothwendig erwies, noch keine feste Gestalt ge-
wonnoD. Ebenso wurden kunst^eüchichtliche Untersuchungen
nach der künstleriscben oder stjrlgeschichtlichen Seite damals
fllwirhuipt kaum liotrieben, unil er selbst brachte denselbeu
wenig Kfligung entgegen. In einer Recension meiner Kfiristler-
gwchichte (.lahrb. f. Philol. 69, 8. 374) sagt er: ,1hm (dem
Ii«c.) itind die trockeneren cbronologi'^cben Untersuchungeu
(in dcnwlben) die liebsten, weil sich dadurch feste Punkte
ergehen, von denen man ganze Gebiete der Kunstgeschichte
leichter nnd sicherer beherrschen kann, iils wenn man vnn
mbj«ctjvvn Meinungen aus ihren Gang zu uonstruiren unter-
nidiuit.* Aus dieser Verschiedenheit der Grundanschauungen
hat sieh «Ilenlings /.wischen Urlichs und mir, von der mUnd-
Ucben Disputation hei meiner Diwtorjiromotiou beginnend,
un .dreissifuübriger Krieg* Aber die Chronologie der ältesten
grwehischmi Künstler entwickelt, neben dem indessen, was
ich aoadrOcklich hcton«^', die alten persönlichen Beziehungen
DBgetrdbt fortbestanden haben. Und ausserdem blieben seine
UnttTtuchungen keineswegs bei der blossen Chronologie
■tehen: beeooders machte- sich seine frfibere Hinni.'igung zum
Ktudium der altj^n Geschichte nberhaupt gelt^'ud. In si-invr
Snhrift Cb<.'r 8kopas hat er, wenn nicht zuerst, so doch in
enderer Weise als je /.uvor die politische Geschichte
len nnd tlrtsrhaften, welche fflr künstlerische Untere
1
20 OeffentJiche Sitzung vom 28. Mars 1890.
nehmungen, die Entstehung oder Weihung einzelner Werke
maassgebend gewesen sein dtirfben, zur Erörterung beigezogen,
vielleicht in zu umfassender Weise, wie es ja bei der Ein-
führung eines neuen Gesichtspunktes leicht erklärlich ist,
der aber doch unter gewissen Beschränkungen sich schliess-
lich als berechtigt und förderlich erweist. Diese Richtung
lässt sich weiter verfolgen in den Arbeiten über den Tempel
von Olympia, über das Nereidenmouument von Xanthos, über
pergamenische Inschriften; nach einer andern Seite hin in
denen über griechische Statuen im republicanischen Rom;
über die Malerei in Rom vor Caesars Dictatur; über rö-
mischen Bilderhandel. In allen diesen Arbeiten lässt sich ein
einheitlicher Zug nicht verkennen, einheitlich in der Art der
historischen Behandlung, die aber, was den Inhalt anlangt,
weniger auf die innere Entwickelungsgeschichte der Kunst
gerichtet ist, als auf die äusseren Thatsachen ihrer Gestaltung.
Einen bestimmenden Einfluss auf einen weiteren nicht
kleinen Theil seiner literarischen Thätigkeit musste die Stif-
tung ausüben, welche der Universität Würzburg durch die
Erbschaft Martin Wagner \s im Jahre 1857 zufiel. Die
Antikensamm hingen derselben, zu deren Vermehrung ürlichs
namentlich durch den Ankauf der Feoli'schen Vasensamm-
lung beitrug, verlangton eine Kaüilogisirung, die er in drei
Abtheilungen durchführte. Einzelne Monumente fanden eine
eingehende Besprechung in besonderen Aufsätzen (Zwei Vasen
ältesten 8tyls; über die Gruppe des Pasquino; über den Vasen-
maler Brygos), sowie in den 1885 erschienenen „Beiträgen zur
Kunstgeschichte**. Aus der Correspondenz mit König Ludwig I.
erwuchs die Geschichte der Glyptothek (18()7). Der übrige
schriftliche Nachhiss aber lieferte nicht nur den Stoft* zu einem
Lel)ensl)il(l(^ WagnerV, sondern auch zu weiteren biographi-
schen Mittheilungen über Thorwaldsen, Cornelius, Overbeck.
Selbst über solche, durch seine amtliche Stellung ver-
anlasste Verarbeitung gegebenen Stoffes hinaus, Hess er auch
V, Brunn: Ntkr6lo<j auf L, v. Urlichs, 21
sonst sieb darbietende Gelegenheiten sich nicht entgehen,
seine Thätigkeit über das engere Gebiet seiner Fachstudien
auszudehnen. Durch Beziehungen zu Persönlichkeiten aus
den Goethe'schen Kreisen und zu der Familie Schiller's
glückte es ihm, von wichtigen literaturgeschichtlichen Docu-
menten Kenntniss zu erlangen, welche er durch mehrfache Be-
sprechungen und wissenschaftliche Bearbeitungen dem weiteren
Kreise der Literaturfreunde zugänglich zu machen, mit nicht
geringerem Eifer und Verständniss, wie bei seinen philologi-
schen und archäologischen Arbeiten sich angelegen sein liess.
So sehr sich hierin, wie überhaupt in seiner Thätigkeit
die Vielseitigkeit seiner Interessen, die Beweglichkeit seines
Geistes und die Gewandtheit bei der Inangriffnahme so ver-
schiedener Aufgaben bekundeten, so ist es doch gerade in
solchen Eigenschafben begründet, dass sich seine Studien nicht
zu wenigen Werken grösseren ümfanges einheitlich zusammen-
schlössen, sondern schon in der Art ihrer Veröffentlichung
meist den Charakter von Gelegenheitsschriften trugen. So
hat Urlichs nach Analogie der Winckelmannsprogramme
zu der jährlichen Stiftungsfeier des Wagnerischen lastitutes
seit 1865 nicht weniger als 22 Programme veröffentlicht, die
eine Einheit nur durch den Anlass ihres Erscheinens und aller-
dings durch die Person ihres Verfassers bilden, ihrem Inhalte
nach sich aber nur etwa als vermischte Schriften desselben
bezeichnen Hessen. Anderes trägt die Form von Vorträgen :
bei Philologenversammlungen oder anderen Gelegenheiten,
während natürlich ein sehr wesentlicher Theil von Beiträgen
in verschiedenen Zeitschriften zerstreut ist. Ein vollständiger
Ueberblick wird sich erst aus der Biographie gewinnen lassen,
die von seinem, den Spuren des Vaters auch in seinen eigenen
Studien folgendem Sohne vorbereitet wird.
Es wird sich kaum jemals die Gesammtcharakteristik einer
bestimmten Persönlichkeit unverändert auf eine zweite über-
tragen lassen; und doch, wenn man liest, wie ürlichs in seiner
22 OeffentUche Sitzung vom 28, März 1890.
Geschichte der Philologie (S. 121) über Gottling urtheilt: ,der
geistreiche, für das Alterthum begeisterte, als Lehrer ausgezeich-
nete Mann entwickelte . . . eine vielseitige Thätigkeit, überall
anregend, selten überzeugend ^^^ so hat man die Empfindung,
als ob in diesen Worten Urlichs in sehr wesentlichen Zügen
sein eigenes Bild gezeichnet habe. Ich möchte das , selten über-
zeugend" nicht zu scharf betonen, obwohl ich ja in unseren
Controversen mich oft genug als nicht überzeugt habe be-
kennen müssen. Aber so viel darf wohl behauptet werden, dass
die zahlreichen, mehr den Charakter von Studien, als von ab-
geschlossenen Arbeiten tragenden Beiträge häufig nicht zu
Ergebnissen geführt haben, welche sich sofort als fester und
dauernder Erwerb dem Besitzstande der Wissenschaft hätten
einfügen lassen. Aber oft bedarf es der halben Wahrheit,
ja des Irrthums, um nur erst den Weg zur vollen Erkennt-
niss der Wahrheit zu bahnen. Gerade bei Kämpfen über
verwickelte Fragen verwirren sich oft die Fäden, so dass es
oft erst am Schlüsse hervortritt, wie auch der besiegte Theil
das Seinige beigetragen hat, dem höheren Ziele des Kampfes,
der Wahrheit, zum Siege zu verhelfen. Die Wissenschaft
bedarf zu ihrem Gedeihen des Zusammenwirkens von Kräften
verschiedener Art; aber um den Antheil des Einzelnen ge-
recht zu beurtheilen, bedarf es vor Allem einer gerechten
Würdigung der Voraussetzungen, die in der Persönlichkeit
des Einzelnen, in den Bedingungen seiner Zeit und seiner Um-
gebung gegeben sind. Bei Urlichs fällt die Studienzeit, welche
die tiefsten Eindrücke zu hinterlassen pflegt und oft für die
gesammte spätere Entwickelung massgebend bleibt, in eine
Uebergangsperiode, aus welcher unter mannigfachen Schwan-
kungen eine neue Entwickelung der Alterth ums Wissenschaft,
erst hervorgehen sollte. Die verschiedenen Ansprüche, denen
er in seinen amtlichen Stellungen zu genügen hatte, erwiesen
sich einer Concentrirung aller Kräfte auf die Bearbeitung
eine^s engeren, bestimmt begrenzten wissenschaftlichen Ge-
V, Brunn: Nekrolog auf Franz DeliUach, 23
bietes wenig günstig. Nicht minder aber war es die Lebendig-
keit und Beweglichkeit der eigenen Natur, welche den Lock-
ungen zu vielseitiger Thätigkeit stets bereitwillig entgegen-
kam. Wenn nun auch die Ergebnisse der unter solchen Ein-
fltbssen entstandenen Arbeiten durch den Fortschritt der
Wissenschaft vielfach überholt werden und selbst da, wo
sie im Einzelnen sich förderlich erwiesen haben, den spätem
endgültigen Lösungen gegenüber mehr in den Hintergrund
treten, so wird doch die Gestalt ihres Verfassers als eines
stets bereiten Kampfgenossen in dem Gesammtbild des wissen-
schaftlichen Fortschrittes seiner Zeit nicht fehlen dürfen.
Vgl. den Nekrolog von N. Wecklein in der Beilage der All-
gemeinen Zeitung vom 6. Februar 1890.
Franz Delitzsch.
Der äussere Lebensgang Franz Delitzsch*s ist im Wesent-
lichen der eines deutschen Universitätslehrers. Geboren am
23. Februar 1813 in Leipzig als Sohn unbemittelter Eltern
ward ihm die Möglichkeit wissenschaftlichen Studiums durch
die nachhaltige Unterstützung eines mit seinen Eltern zu-
sammenlebenden IsraeUten Hirsch Levi, des Lihabers eines
kleinen Büchergeschäftes geboten. Nach vollendeter Vor-
bildung auf der St. Nicolai-Schule widmete er sich 1831
auf der Universität zunächst dem Studium der Philosophie
und Philologie; aber schon 1832 trat er in Folge einer
plötzlichen inneren Wandlung zur Theologie über, was ihn
nicht hinderte, am 3. März 1835 den philosophischen Doctor-
grad zu erwerben, während die Ehren eines Doctors der
Theologie ihm erst später durch die Universität Erlangen
ertheilt wurden. Erst nach einer Reihe von Jahren, die er,
bereits wissenschaftlich thätig, wie bisher in Leipzig ver-
brachte, habilitirte er sich 1842 an der Universität und
rückte an derselben 1844 zum ausserordentlichen Professor
24 Oeffentliche Sitzung vom 28. März 1890,
vor. 184(3 folgte er, nachdem er schon -vorher einen Antrag
aus Königsberg als seiner theologischen Richtung weniger
entsprechend abgelehnt hatte, einem Ruf als ordentlicher
Professor nach Rostock und von dort 1850 nach Erlangen,
V70 er 17 Jahre lang im engen Verein mit Hofmann fdr
den Glanz und die hohe Blüthe der theologischen FacultSt
mit hervorragendem Erfolge wirkte. Das Jahr 1867 fahrte
ihn als Professor der biblischen Exegese nach Leipzig zurück,
um hier eine ähnliche tiefgreifende Thätigkeit zu entfalten,
der es auch an äusserer Anerkennung durch Ehren und
Würden nicht fehlen sollte.
Erst im Herbst 1888 erlitt seine Gesundheit eine starke
Erschütterung durch eine schwere Erkrankung, die er sich
auf einer Reise nach Holland durch unvorsichtigen Gebrauch
kalter Bäder zugezogen hatte. Doch konnte er im Laufe
des Winters und im Sommersemester seine akademische Lehr-
thätigkeit wieder aufnehmen. Allein in den Herbstferien
befiel ihn eine Lähmung, welche dem Körper die Bewegungs-
fiihigkeit fast vollständig raubte, ohne dabei seine geistige
Kraft zu brechen. Bis in die letzten Tage vor seinem Tode
wissenschaftlich thätig, verschied er am 4. März dieses Jahres.
Unserer Akademie gehörte Delitzsch als auswärtiges
Mitglied vSeit 1850 an, und es ist ehrend für beide Theile,
dass der, der ihn, den protestantisclien Theologen, zur Auf-
nahme vorsehlug, kein anderer war als der katholische Theo-
loge, Abt Haneberg. Zur Begründung seines Antrags führt
derselbe Folgendes aus: , Delitzsch hat in seiner Schrift,
Mesuruni Isagoge in grammaticam et lexicographiam linguae
liebraicae' 1838 unter anderem die Vergleichung semitischer
Sprachen mit indogermanischen, namentlich dem Sanskrit
wesentlich gef()rdert. Seine Resultate haben die Anerkennung
der ersten Männer vom Fache erhalten, z. B. von Eugen
Burnouf. — In seiner Schrift ,,Znr Geschichte der jüdischen
Poesie* (1836) hat er den dichterischen Reichthum der jü-
t?. Brunn: Nekrolog auf Franz Delitzsch. 25
dischen Literatur, welcher früher nur im engsten Kreise und
unvollkommen bekannt war, weithin zur Kenntniss gebracht,
hat die Formen und Gesetze dieser Poesie gründlich erforscht
und ihre Haupterscheinungen nach Zeit und Inhalt ge-
sichtet. — Das grösste Verdienst hat er sich durch die
Herausgabe und Bearbeitung des Systems der Religions-
philosophie von Aaron ben-Elia, einem Karäer aus Nico-
media . . . erworben. So reichliche Bearbeitung bisher das
Gebiet der rabbanitischen Religionsphilosophie gefunden hatte,
so dunkel blieb das entsprechende der Karäer. Man wusste
im Ganzen nur, dass ihre Richtung freisinnig sei und dass
zwischen ihnen und den Rabbaniten eine grosse Abneigung
herrschte. Durch die Herausgabe des genannten Werkes
hat Delitzsch den Karäem einen Ehrenplatz im Kreise der
orientalischen Religionsphilosophie gesichert. Er gibt den
Text zunächst nach einem trefflichen Codex von Leipzig und
fügt in den Anmerkungen die Varianten der Münchener
Handschrifb bei. Tn sehr schätzbaren Beilagen und Ein-
leitungen hat er die europäische Kenntniss von der Cultur-
geschichte und den Lehren der Karäer sehr gefördert und
in vielen Fällen populäre Vorstellungen berichtigt. Zwar
ist noch viel zu thun, bis wir von der Geschichte, der Lite-
ratur und dem eigenthümlichen Ritus dieser merkwürdigen
Fraction des Judenthums eine vollkommene Vorstellung haben
werden; aber Delitzsch gebührt das Verdienst, zunächst nach
Wolf und Teigland Bahn gebrochen zu haben.* Nachdem so-
dann noch auf manche belehrende Aufsätze im Literaturblatt
des Orients und im Serapeum hingewiesen wird, gedenkt
Haneberg noch des rühmlichen Antheils an der orientalischen
Abtheilung der Neumann'schen Kataloge der leipziger Stadt-
bibliothek.
Es schien angemessen, dieses Zeugniss eines competenten
Fachgenossen, obwohl dasselbe nur auf das erste Drittel der
langen wissenschaftlichen Thätigkeit und noch dazu unter
26 Oeffentliche Sitzung vom 28. Märe 1890,
Ausschluss des eigentlich theologischen Gebietes Bezug nehmen
konnte, hier ausführlich mitzutheilen, je weniger der Schreiber
des folgenden Qedenkblattes, ohne persönliche Beziehungen
zu dem Verstorbenen und den Stndienkreisen desselben fern-
stehend, sich zu eigenem Urtheil befähigt erachten darf,
vielmehr sich darauf beschränken muss, aus dem Abhören
verschiedenartiger Zeugen das Bild eines hervorragenden
Mannes nur in allgemeinen Zügen zu entwerfen.
„Mit den Blumen stand ich stets auf vertrautem Fusse;
sie erzählen mir himmlische Dinge; in ihrem Dufte fühle
ich die Nähe und den Odem des Schöpfers *', sagt Delitzsch
in seiner Schrift: Iris; Farbenstudien und Blumenstücke
(1888). Schon in diesen Worten kündigt sich die mensch-
liche Seite des Mannes an, der gemüth- und poesievoll, eine
anima Candida auch mit der Menschheit stets auf vertrautem
Fusse stand, stets bereit, so weit er es vermochte, zur Lin-
derung materieller Noth im Stillen Wohlthaten zu spenden,
nicht weniger aber auch als wahrhaft frommer Mann durch
geistigen Rath und Trost zu helfen. In dieser Richtung
wirkte er auf weite Kreise durch Erbauungsschriften, wie
sein Coramunionbuch und sein Vater unser, und ebenso durch
das lebendige Wort in Unterweisung und Lehre. Er ver-
schmähte es nicht, bis zu den Kindern herabzusteigen und
ihnen besondere Gottesdienste zu halten, er leitete die
Hebungen religiöser Conventikel und Missionen. Ausländischen
Studierenden widmete er sich in besonderen Conversatorien ;
seinen Zuhörern suchte er als väterlicher Freund persönlich
näher zu treten.
Von solcher inneren Wärme war offenbar auch seine
akademische Lehrthätigkeit erfüllt und getragen; doch musste
dieselbe natürlich ihr besonderes Gepräge durch seine reli-
giösen Anschauungen erhalten.
Sein theologischer Standpunkt war der des strenggläu-
bigen Lutherthums, streng kirchlich, aber nicht im gewöhn-
. Brunn i NrlfiliHj auf Fio
27
Sinne (irt)iu(l<>x ; nud wen» «r auch, wo er sich in
iniicreo Blaipfinden vorletzt ftlhlte, in Zom aiifzu-
linen und seine Ueberzeugungen in scbarfer Polemik /.u
verlbcidigi^n ventHpil, hu wurde er doch dadurch lüplit zum
Zelot«n und t'aDutiker. Er war seiner Nutur mich kein
Mgentlicher Hyst*miitiker oder Uogmatiker, der mit eigen-
Kiiiiiig«r Versieh iosMenbeit Nioh ntreiig im den Buchatebeu an-
kUinDiiTii zu mÜiMcn ^hinhte. In ifii'inpr Zeit wuWmg «ich
rin |j;ewaltiger Unitichwung in der AuffaiMUiiK und Behand-
lung II IUI) entlieh der alttentanieiittichen Urkunde. , (taktlos
arbeitend und allen Krumen »meines Kuches sich stek« offen
haltend, wie Oelitzsch war, weigerte er sich nicht, auch auf
die«! Krügen der literarisch-historischen Kritik einsugeheo
und seino frohere Stellung im ^inzeltien im Laufe der Zeit
tkfaritt f(ir Schritt manuichfaoh zu ändern. Aber niemand
konnte weiter davon entfernt Rein, als er, in der hl. Schrift
nur etwa ein Object kritischer und überhaupt blos vrissen-
«chfflfYliuher Untersuchungen zu sehen. Sie war ihm stet«
die heilige Urkunde göttlicher Offenbarung, der er nur mit
fTonioief J!«heu nahte , , .' (Luthardt). Und er selbst sagt
io «ier Einleitung zum Neuen (jeucsiä-Commentar (1887):
.Wir sind Christen und stehen deshalb zur beihgeii Schrift
andeni als zu den homerischen Gedichten oder zu den Nibe-
ImtgtfD oder zu den D en k tu älersch ätzen in der Bibliothek
AasarbanipaU . . .', was ihn jedoch nicht hinderte, noch in
»eilten späten Jahren unter der Leitung seine-« jUngaten, als
ÄJs^HologL'n bekannten Sohnes Friedrich diesen letzteren in
eigenen Studien näher zu treten. Wenn er dennoch zu der
Uetieraengung gedrängt wurde, dass von einem Kerne gött-
licbsr Offenbarung ein Theil menschlicher Zuthaten zu
scheiden »ei and sich scheiden lasse, so glaubte er an
dem enteren um mi unverbrüchlicher festhalten zu müssen;
und auf diesem Glauben beruht seine Wirkäamkeil auf dem
engeren oder eigentlicbeu Gebiet« der Theologie. Oi4>ae
28 Oeffentliche Sitzung vom 28, März 1890.
Verdienste aber eingehend zu beurt heilen und zu würdigen,
nuiss den Theologen überLissen bleiben.
Aber ^Theologie und Linguistik haben sich von jeher
um die Oberherrschaft in mir gestritten", und wenn er auch
aussprach, dass der Grammatiker „doch schlechthin unfähig
sein kann, sich theologisch in den Geist seines (des Textes)
Sinnes und seiner Geschichte zu versenken **, so stand ihm
doch fest, „diiss die Theologie als eine wesentlich historische,
auf urkundlich bezeugten Thatsachen beruhende Wissenschaft
sich auf dem Fundamente grammatischer Auslegung aufzu-
bauen habe** (in seiner Antrittsrede als Professor in Leipzig:
Physiologie und Musik in ihrer Bedeutung für die Gram-
matik, besonders die hebräische, 1868, in der Einleitung und
am Schlüsse). Diese philologische Behandlung der Urkunden
aber des alten Testaments, die bei Delitzsch weit hinaus-
wächst über das Studium der hebräischen Sprache und von
diesem aufsteigt zur allgemeinen Betrachtung des jüdischen
Volkes nicht blos in der Geschichte seiner Vergangenheit,
sondern im Hinblick auf seine Zukunft, verleiht seiner ganzen
Thätigkeit ein so eigenartiges (.Topräge, dass man sich ver-
sucht fühlen muss, ihren Trsprüngen nachzuforschen und
dieselben auf bestimmte Grundursachen in dem inneren Wesen
seiner ganzen Persönlichkeit zurückzuführen.
Es geht die ^^tige, Delitzsch sei getaufter Jude gewesen.
Damit steht die Thatsache im Widerspruch, dass er wenige
Tage nach seiner Geburt christlich getauft wurde. Aber
auch Verehrer von ihm leugnen nicht den fast jüdischen
Typus seiner äusseren Erscheinung. ,Die ehrwürdige Greisen-
gestalt, klein von Statur, mit hoher Stinie und tiefblau
hMH'htenden Augen, an die ehrwürdigen Gestalten des alten
Testaments erinnernd, muss jedem unvergesslich sich ein-
geprägt halben, der je ihn gesehen hat.** Andere nennen
ihn eine im guten Sinne durchaus orientalische Natur, er-
füllt von religiöser Gefühlsinnerlichkeit. Bietet sich da nicht
V, Brunn: Nekrolog auf Franz Delitxach. 29
wie Yon selbst die Annahme dar, dass sein Blut nicht frei
TOD semitischer Beinaischung gewesen ? Bedeutende Seiten
seiner Persönlichkeit treten dadurch in eine scharfe Beleuch-
tung und das Bild des Mannes gewinnt an Einheitlichkeit.
Oewiss hat sich Delitzsch durch verschiedene Schriften
nicht geringe Verdienste um die biblische, auch die neutesta-
mentliche Textgeschichte erworben, und sich mit Eifer au den
Arbeiten zur Revison der Lutherischen Bibelübersetzung be-
theiligt. Aber von noch hervorragenderer Bedeutung ist seine
einzig dastehende Kenntniss der hebräischen Sprache. Schon
frOh begann er das Studium derselben, und er beschränkte
sich dabei nicht auf die Sprache der Bibel, sondern er machte
sich auch vertraut mit dem talmudischen oder neuhebräischen
Idiom. Davon legt neben manchen späteren Arbeiten schon
die Schrift Zeugniss ab, welche er bald nach seiner Promotion
veröffentlichte: »Zur Geschichte der jüdischen Poesie vom
Abschluss der heiligen Schriften des alten Testamentes bis
auf die neueste Zeit, 1836*. Von noch tiefgreifenderem
Einfluss aber, so dass sich in ihnen der eigentliche Kern
seiner wissenschaftlichen Thätigkeit erkennen lässt, erwies
sich die Reihe von Commentaren zu verschiedenen Schriften
des alten Testamentes. Ueberall handelte es sich dabei nicht
blos um ein durch eifrigstes und fleissigstes Studium er-
worbenes Wissen, um eine bis in die grössten Feinheiten
eindringende Kenntniss der Sprache, durch die er den Ver-
gleich mit den gelehrtesten Rabbinern nicht zu scheuen
brauchte, sondern um eine ihm innewohnende Geisteseigen-
thümlichkeit, welche in das innere Wesen, das Denken und
Empfinden des israelitischen Volkes sich zu versenken ver-
stand, nicht blos soweit dasselbe seinen Ausdruck fand durch
die Sprache in den verschiedenen Formen ihrer Erscheinung,
in Poesie und Prosa oder den wechselnden Phasen ihrer
geschichtlichen Entwicklung : vielmehr ging damit Hand
in Hand die Fähigkeit, das ganze geistige und Gulturleben
1
30 Oeffentliche SitBung vom 28, MärM 1890.
des Judenthums zu erfassen, geistig gewissermaasen mitasa*
erleben und nachzufühlen, was dasselbe in seinen grössten
Geistern bewegt hat; er war ganz erfQllt von dem Geiste
des alten Testaments.
Dadurch wurde er oder war er von früh an Philosemit,
der sich sogar gedrungen fühlte, das TieWerläumdete Volk
gegen ungerechte Angriffe thatkräfbig zu vertheidigen. Als
vor nicht vielen Jahren in Ungarn die alte Fabel von dem
rituellen Christenmord der Juden zur Osterfeier wieder ein-
mal auftauchte, da war es Delitzsch, der dieselbe mit allen
Mitteln seiner Gelehrsamkeit und mit dem vollen Muthe der
inneren Ueberzeugung vernichtete. Wie er aber in dem
alten Testamente eine Offenbarung Gottes und in derselben
die Grundlage des messianischen Heiles im neuen Testamente
erkannte, so lag darin für ihn die Aufforderung, gleichsam
als ein neuer Prophet das Volk Israel, welches sich bisher
den Segnungen des Christenthunis verschlossen, auf die Er-
füllung der Verheissung hinzuweisen und der Religion des
Messias zuzuführen. Persönlich musste es ihm zur freudig-
sten Genugthuung gereichen, dieses Ziel bei dem Wohlthäter
seiner Jugend Hirsch Levi zu erreichen , indem derselbe
1843, zwei Jahre vor seinem Tode zum Christenthum über-
trat. Aber in weit umfassenderem Sinne und schon von
vSeiner Studienzeit an widmete er eine ausgedehnte Thätigkeit
der Judenraission überhaupt. Er forderte sie durch eine
Reihe von einzelnen Schriften, sowie durch die von ihm
18(33 begründete und fast bis zu seinem Tode geleitete Zeit-
schrift „Saat auf Hoffnung**, und schuf endlich nach mancher-
lei Vorstudien 1886 für sie einen dauernden Mittelpunkt in
dem Institutuni Judaicum zu Leipzig, einem Seminar zur
Ausbildung junger Theologen für den Beruf der Juden-
mission. — Auf dem gleichen Felde bewegen sich seine
Beziehungen zu Rabbinowitsch in Kischenew, welcher, der
grösste Talmudkenner seiner Zeit und ursprünglich Erzjude,
e. Brunn : tfeiroiog auf Frani DelUrach.
:ll
«UmShlicIi zum Christenthume hinüberlenkte «iiJ in Vol-
bynion and Stidrussiand eine Gemeinde von Jtideti um sich
sammelte, die, den ältesten Jndenchristen im ebionitischen
Kinne verwundt, eine Art Mittelstellung zwischen Judenthuni
nnd mestiiiniachem Christ«nthiim einnehmen.
Im engsten Zu^iamnien hange mit diesen Bestrebungen
•teht ein wisBenschaftHchös Unternehmen, das wieder »nf
die sprachlichen Studien zurück fUtirt, die Uebersetziing des
neuea Tetttumentes in das Hebräische, die Sprache Israels.
Uiewr Uedaiike. xu einfach er klingt, zeugt vun »eltener
KOhnbeit, zunächst wegen der Schwierigkeit des Uolten^etzens.
Die Sprache imd Sprachweise des alten Testamentes war im
Pwitat«nch und den histnriHchen Bitcheru historisch, in andero
Tbeilen poetisch; aber sie war nicht dugmatisch durchge-
bildet. Wie Fcollten in einer solchen, ant-h in ihrem Bau
uod ihrer Urammatik nicht sehr entwickelten Sprache die
Schriften des neuen IVstamenteti tlber^etzt werden, besonders
die Briete l*auli, welche in der zu allen pLilosuphi^hen und
dogmatischen Erörterungen geeigneten und durcligebildeten
griechischen Sprache geschrieben waren? Hier kam Delitzsch
ifeine ungewi>hnlich tiefe Kennbiiss nicht nur des älteren,
Mondem anch de» furtgeechrittenen, des tatmudischen Hebrä-
iacb KU UlUfe, welches so recht die jüdische Theologe uttprache
goOBunt werden kann. Er Obersetzte das neue Testament,
so weit es anging, in das alttestamentliche Hebräisch, und
nur wo in diesem eine dem griechiscfaeu Begrifte streng
entspreuhende Änsdrucksweise fehlte, zog er das talmudische
nir Brgi&nzung herbei. So hat er die erste correcte, den
wiMODMhaftlicheii Aiisprüchen entsprecliende hebräische
Cebenetzung geliefert. Er hat sie als seine Lieblingsarbeit
bcxeichnet, aber nie als eine abgt»chlos.-(ene : bis zum letzten
Tage vor seinem Tode hat er nicht nacligelawen, an ihr 7
nnd zu feilen.
&hrr obwohl im Hinl'lick mif die Judenmia
32 Oeffentliche Sitzung vom 38. März 1890.
nommen, hat diese Uebersetzung noch eine weitere Bedeutung
für die neutestamentliche Theologie. Christus und die Apostel
deichten und lehrten, wie Delitzsch selbst hervorgehoben hat,
nicht in dem palästinisch -aramäischen Dialect des taglichen
Lebens, sondern in der Sprache der Gebildeten und der Litera-
tur, der heiligen Sprache des Tempelcultus, des synagogalen und
häuslichen Gebetes. Indem nun Delitzsch diese Sprache mit
möglichster Treue reproducirt, wirkt seine uebersetzung aus
dem Griechipchen wie eine Rückübersetzung in die Sprache
des Originals. Manches, was uns z. B. in den Gleichniss«
reden Christi da und dort etwas fremdartig anmuthen mag,
gewinnt durch die eigenthüniliche Färbung der hebnuschen
Sprache in solcher Rückübersetzung grössere Verständlichkeit
und Anschaulichkeit. Wenn ferner in den Begriffen und
Speculationen der paulin ischen Theologie sich mehrfache
(nicht talmudische, wohl aber) rabbinische Anklänge nicht
wohl ableugnen lassen, so bedarf es kaum eines Beweises, dass
auch hier die Formulirung in der hebräischen Sprache über
den Sinn des Griechischen vielfach neues Licht verbreiten
niuss. Nach dieser Richtung haben die Forschungen Delitzsch's
auf neue oder wenigstens vor ihm wenig betretene Wege
liingewiesen, und so bedeutend die Einwirkungen sein mögen,
welche seine Thäti^keit auf anderen Gebieten bereits aus-
geübt hat, so sin<l es vielleicht gerade die noch keineswegs
erschöpften Anregungen, von dieser Seite in da-s Verständ-
niss (l<»r heiligen Schriiti'n tiefer einzudringen, welche De-
litzsch über die Gegenwart hinaus auch auf die Zukunft der
neutestamentlichen und damit der theologischen Studien über-
hau])t einen nachhaltigen Kinfluss verbürgen.
Benutzt wurden: der Nekroloj^ von Köhler in der Neuen kirch-
lichen Ztfitsehrift von Holzhäuser 1. S. 234 — 253; die Grabrede Lut-
Imrdt's in der All-j^eni. evun^elisrh-lutherisehen Kirchenzeitung 1890,
Nr. 11; ausserdem private Mittheilunt^en ver8chie<lener Freunde.
Cornelius: Nekrologe, 33
Die historische Classe hat in dem Tergangenen Jahre
zahlreiche und unter ihnen die schmerzlichsten Verluste er-
litten. Es starben: am 8. September 1889 in Kissingen,
Dr. Julius Weizsäcker, Professor zu Berlin, seit 1869
correspondirendes, seit 1888 auswärtiges Mitglied der Classe;
— am 80. September zu München, Wilhelm Ritter von
Walther-Walderstötten, Excellenz, General der Infanterie,
seit 1846 ausserordentliches Mitglied der Classe; — am
25. November zu München, Oberstlieutenant Josef Wür-
dinger, seit 1864 ausserordentliches, seit 1878 ordentliches
Mitglied; — am 18. December zu München, Geheimer Rat
Professor Dr. Wilhelm von Giesebrecht, seit 1858 aus-
wärtiges, seit 1801 ordentliches Mitglied, seit 1873 Secretär
der historischen Classe; — am 10. Januar 1890 zu München,
Dr. Ignaz von DöUinger, Reichsrat, Stiftspropst und
Professor, seit 1835 ausserordentliches, seit 1843 ordentliches
Mitglied, seit 1860 Secretär der historischen Classe, seit 1873
Vorstand der Akademie und General-Conservator der wissen-
scfaafllichen Sammlungen des Staates; — am 18. Januar zu
Haigern in Mähren, Dr. Beda Dudik, Ehren -Abt von
Trebitsch, Benedictiner-Ordens, seit 1870 correspondirendes
Mitglie<l der Classe.
Die Gedächtnissrede auf DöUinger ist in derselben
Sitzung von dem Secretär der historischen Classe gehalten
und später in den Schriften der Akademie veröffentlicht
worden. Die Gedächtnissrede auf Giesebrecht soll in der
Frühjahrssitzung 1891 gehalten werden.
In Bezug auf die übrigen wurde auf die nachstehenden
vom Classensecretär Herrn Cornelius verfassten Nekrologe
verwiesen, von welchen nur der auf Würdin ger in der
Sitzung zur Verlesung gekommen ist.
1890. Phil<M.-pbiloL a. hiit GL II. 1. 3
34 Oeffentlkhe Sitzung vom 26. März 1800.
Jnlins Weizsäcker
gehört dem würtem bergischen Franken an. Er ist geboren
am 13. Februar 1828 zu Oehringen. Sohn eines evangeli-
schen Pfarrers, ging er durch die Schulen in der für künf-
tige Theologen hergebrachten Ordnung, studirte am Lyceum
zu Oehringen, dann zu Tübingen, darauf im theologischen
Seminar zu Urach, dann besuchte er die Universität zu
Tübingen als Angehöriger des Tübinger Stiftes. Zuerst der
Kinfluss Baur's in Tübingen, dann ein Winter in Berlin bei
Ranke, gewannen ihn für die Geschichte, in der Art zu-
nächst, dass er Gegenstände der Kirchengeschichte in Arbeit
nahm. Nach einigen Jahren einer theologischen Laufbahn
promovirte er 1850 in Tübingen mit der Schrift «Hinkmar
und Pseudoisidor**, und habilitirte sich 1859 mit der Schrift
^Der Kampf gegen den Chorepiskopat im fränkischen R^ich*.
Während er aber fortfuhr, sich mit der fränkischen Kirchen-
geschichte des 9. Jahrhunderte zu beschäftigen, brachte ihm
ein Ruf nach München die Entscheidung, der ihm eine
grosse Arbeit profanhistorischen Inhalts antrug. Er nahm
an, und lehnte die etwas spätere Berufung nach Göttingen
zu einer Professur der Kirchen- und Dogmengeschichte ab.
Es war die Herausgabe der deutschen Reichstagsacten,
die unter die Aufgaben der 185ft gestifteten historischen
Conimission bei unserer Akademie gehörte, und die der mit
der Leitung beauftragte Secretär der Conimission, Heinrich
v. Sybel, zuerst Voigt und nach dessen Abberufung unserm
Weizsäcker übertrug. Sie wurde sein Lebenswerk. In den
dreissig Jaliren, die ihm noch /u leben vergönnt war, hat
er, zwar von zahlreichen und verdienstvollen Mitarbeitern
unterstützt, doch vorzüglich durch das Aufgebot seiner eignen
ganzen Kraft, die Edition in neun umfangreichen Bänden
bis zum Jahre M-U gt*f ordert. Lebhafte und allgemeine
Anerkennung begleitete seine Arbeit bis zum Ende, und es
Cornelius: Nekrolog auf J. Weizsäcker, 35
ist ihm durch sie ein hervorragender Platz in der Geschichte
unserer Wissenschaft für immer gesichert.
Wenn wir es als ein hohes Glück betrachten dürfen,
früh einen Mittelpunkt für unser Leben und Streben zu ge-
winnen, so hat Weizsäcker dieses Glück im vollen Masse
erreicht und mit energischem Bewusstsein genossen. Er hat
seine Aufgabe mit Begeisterung ergriffen und ohne ünterlass
sein ganzes Leben hindurch mit einer zähen Leidenschaft,
die an Eigensinn streifte, festgehalten. Aber das Glück hat
eine Kehrseite. Es lag mehr in dem Mann, als auf dem
eingeschlagenen Weg zu Blüte und Frucht gedeihen konnte.
Die Talente des Dichters und Redners, die er in der Jugend
zeigte, blieben zuletzt ohne Förderung. Zwar der Universitäts-
laufbahn konnte und wollte er nicht entsagen, und es hat sich
die Hochschätzung, welcher sein Wirken hier begegnete, in
den Berufungen, die ihn nach Erlangen, Tübingen, Strassburg,
Berlin führten, glänzend bewährt; aber auch hier zeigte
sich der beschränkende Einfluss seines grossen Lebenswerkes,
indem allmählich der Schwerpunkt seiner akademischen
Thätigkeit immer mehr von den Vorlesungen auf das Seminar
hinüberrückte, dem er eine angestrengte und erfolgreiche
Sorge widmete. Auch an monographischen Abhandlungen
Hess es der rastlose Mann, früher und später, nicht fehlen:
wir heben unter ihnen den «Rheinischen Bund von 1254*
hervor. Aber dem Wunsche des Historikers, zur Geschichts-
schreibung durchzudringen, blieb die Erfüllung versagt.
V. Sybel, Julius Weizsäcker. Rede, gehalten bei Eröffnung der
30. Plenarversammlung der historischen Coinmission bei der k. bayr.
Akademie der Wisnenschaflen am 1. October 1889. Abgedruckt in
der historischen Zeitschrift von v. Sybel und Lehmann. Band 64.
Manchen 1890. p. 193. — L. Quidde, Julius Weizsäcker. Deutsche
Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Bd. II. 1889. Freibarg. p. 827.
— A. V. Kluckhohn, Erinnerungen an Julius Weizsäcker, W^w^««
zur Allgemeinen Zeitung, 1890, Mai 2. ff.
36 Oeff entliehe Sitzung vom 28, März 1890,
Wilhelm Bitter ron Walther -Walderstoetten,
kgl. bayer. General der Infanterie z. D., wurde bereits im
Jahre 1846 als ausserordentliches Mitglied in die Akademie
aufgenommen, da er als Verfasser einer «Topischen Geographie
von Bayern*' geeignet erschien, an der Ausfährung des da-
mals von der Akademie geplanten historisch-topographischen
Lexikons von Bayern mitzuwirken. Der Verfolg seiner mili-
tärischen Laufbahn hat ihn verhindert, diese Studien weiter-
zuführen und an den Arbeiten und Sitzungen der Akademie
teilzunehmen.
Josef Wttrdinger
ist am 20. Mai 1822 in München geboren. Er gehorte aber
durch Abstammung, Elternhaus und seine frühe Jugendzeit
der Oberpfalz an. Nachdem er dort das Gymnasium fast
bis zum Schlüsse in Amberg besucht hatte, absolvirte er
dasselbe 1839 in München, und wandte sich hier juristischen
und forstwirtschaftlichen Studien an der Universität za.
Doch zwang ihn die Not, 1843 in dfis Heer zu treten.
Hierdurch wurde sein Lebensgang und seine Entwicklung
bedingt: er wurde nämlich Soldat, ohne den Studenten
aufzugeben. Allerdings widmete er sich seinem militäri-
schen Lebensberuf mit vollkommener Hingebung und wurde
ein tüchtiger und tapferer Soldat. Im Frieden und im
Krieg. Er machte beide Feldzüge seiner Dienstzeit mit,
und hat namentlich an den harten und ehrenvollen Kämpfen
des bayerischen Heeres in den Monaten October, November,
December 1870, an welche uns für alle Zeit die Namen
Orleans und Coulmiers mahnen werden, mit Auszeichnung
teilgenommen. Daneben aber hielt er an seinen Studien
fest, im Frieden, wo er die Nächte ihnen widmete; im
Kriege, wo er in den Stunden der Waft'enruhe den histori-
schen Merkwürdigkeiten des französischen Landes nachging.
Von der Conimission für ])ayerische Kriegsgeschichte, die König
CnT^etiiis: Kehröln^ auf F. iMidik. 37
Haxitnilian ins Leben rief, wurde ihm die Abteilung für da«
14. und L^. .Iiihrhiinderl zugewiesen: eine Äufgiibe, der wir
awei Bände einer Kriegin^^eaciiichte von Biijern, Schwaben,
irnnken und der I'falz 1347 — 1508 verdanken. Ausserdem
erhielten die Arhriilen der liiKtoriHchen Vereine Bayerns, auch
Her Nnfhbiirsriisfl, von ihm xahtreiche Ahbundhingen, welche
»orwi^end einzelne Kriegxmäuner, einzelne Kriegsthaten oder
kriegerische Bewegiuigen 2uiu tiegenstand hatten.
Onm-hen war sein Angsiimerk auf Land nnd Leute des
bayerischen Vaterlandes gerichtet, und sein mtlitäriscber
Blick lehrte ihn die Hflnierstroitse von Scharniz nncb Parten-
kircheo nnd die mit ibr xusiunmenhäQgpndcn Befestigungen
erkranen und klar stellen. /uletKt waren es vorziigsweiite
die priUiistnrischön Studien, die ihn fesselten, und in der
Ounmrifflion ftir die l'rgeschicht^ Bayerns, in welche ihn die
Akademie wählte, bat er denselben seine eigentümlichen
Talent« mit fruchtbarem Erfolg gewidmet. Indem er Ueer-
ifmcD und Uencbichte mit gleicher Liebe umfasste, hat er
dort, wo beides 7,a'<ammeritruf. seine grösste Kraft eingeitet/.t,
Qiid durch die GrUndnng den bayerischen Armeemuaeun»
hdiden du.'' wertvoUiite Andenken hinterlattsen.
Hngu ÄrnolJ, Oberatlieutenant Josef WürUinger, Bin gelehrter
SoUkl. lui iiaiuuler, belletr. Heil, zur Äugsb. AbendzLg. Dec. 1869.
Frani Dndik,
mit seinem Ordensnamen Beda Dudik, gebfiren IS 15 zu
Kojet«in bei Kremsii^r, «tndierte an dem Gymnasium zu
Kremsier, dann an dem Lyceum zu Brllun, trat ISSö aU
Kovize in dan ßenediclinerstift Kaigern. set^tte dann seine
pbilo6a|ibiKchen und tbmiogischen Studien fort xn BHlnn
ntid an der Universität Olrafltz, wurde 1S.'J9 Doctor der
Philosophie und erhielt 1840 die Priesterweihe. Er wurde
ttaranf sofort Professor an dem Lyceum zu Brtlnn bi» 3
Lyceum mit dem Gymnasium zu eioem 1
rereinigt und ihm eine PndVs.-'ur an der tvi
38 Oeffenüiche Sitzung vom 28. März 1890.
stalt übertragen wurde. In mancherlei Fächern beschäftigt,
folgte er, so weit er die Müsse fand, dem Trieb zu den
historischen Studien, den in früher Jugend sein Ordensge-
noss, der Brünner Professor Gregor Wolny, in ihm geweckt
hatte. Mährens Geschichte und die tschechische Literatur
wurden seine Lieblingssorge; über die letztere hat er schon
1845 zu Brunn Vorlesungen gehalten. Die schriftstellerische
Laufbahn beschritt er 1848 mit einer Abhandlung über
einen mährischen Gegenstand. Entscheidend für sein Leben
wurde, dass der ständische Ausschuss Mährens auf ihn auf-
merksam wurde und wiederholt des Historikers Gutachten
verlangte. Die Herren erkannten, dass sie bei ihrer Sorge um
Mährens Landesarchiv keinen besseren Helfer finden könnten,
und schickten ihn 1850 nach Schweden, um nach den im
30jährigen Kriege aus Mähren entführten literarischen Schätzen
zu forschen. Die wertvollen Ergebnisse dieser Reise, die er
in dem Buch „Forschungen in Schweden für Mährens Ge-
schichte** 1852 niedergelegt hat, forderten als unabweisliche
Ergänzung eine zweite Reise, und zwar nach Rom, wohin
die Königin Christine einen grossen Teil der mährischen
Beute mitgenommen hatte. Diese Forschungen, im Winter
1852 — 53, griffen über den ursprünglichen Gegenstand hin-
aus. Das Werk Iter Romanum, das über dieselben Rechen-
schaft ablegte 1855, enthält namentlich über das päpstliche
Regestenwesen ausführliche Mitteilungen.
Es schien, als sollten seine für Mähren errungenen Er-
folge und die Aufmerksamkeit, die sie in weiteren Kreisen
erregten, ihn seiner Heimat entfremden. 1853 übertrug der
Hoch- und Deutschmeister Erzherzog Maximilian ihm die
Errichtung eines Centralarcliivs des Deutschen Ordens, eine
Aufgabe, die ihn sechs Jahre lang beschäftigte, während
deren er seinen W^ohnsitz nach Wien verlegte, und 1855 in
die Stellung eines Privatdocentcn an der Universität für das
Studium der historischen Quellen des Mittelalters eintrat,
Cornelius : Nekrolog auf F, Dudik, 39
freilich nur, um ihr bald wieder zu entsagen. Im Jahr 1859
aber entschlossen sich die Stände seiner Heimat, ihn durch
ein dauerndes Band an dieselbe zu fesseln, indem sie ihn als
Nachfolger Boczaks zum Landeshistoriographen Mährens er-
nannten. Von da an betrachtete er es als seine Lebensauf-
gabe, eine ausführliche Geschichte Mährens zu schreiben.
Er schrieb bis an sein Lebensende daran, 30 Jahre lang,
und erreichte im 12. Bande das Jahr 1350. Als er fünf
Bande veröffentlicht hatte, 1870, wurde er von Döllinger
zum Correspondenten unserer Akademie vorgeschlagen, „als
einer der fleissigsten und fruchtbarsten historischen Forscher
der österreichischen Staaten, und der unter den Bearbeitern
der Geschichte von Mähren gegenwärtig wohl den ersten
Rang einnehme". Die damals schon grosse Zahl der Schriften,
die er neben der Geschichte Mährens hatte erscheinen lassen,
ist in den folgenden zwanzig Jahren noch ansehnlich ge-
wachsen. Es waren meistens Arbeiten, die mit Mähren in
näherer oder fernerer Beziehung standen, unter ihnen auch
solche, welche den 30 jährigen Krieg betrafen, über Wallen-
steiu in den Jahren 1630 — 32, über die Schweden in Mähren.
Dudik war ein rascher Arbeiter, wusste die deutsche Sprache,
welche nicht seine Muttersprache war, gewandt und sicher
zu handhaben, war ausser den classischen und seiner tsche-
chischen Muttersprache mehrerer anderen, namentlich slavi-
schen, Sprachen, aber auch der modernen Hauptsprachen
kundig ; lernte die Archive in seiner Heimat und auf seinen
B«isen gründlich kennen : aber wenn man die Zahl und Ver-
schiedenartigkeit seiner Werke überschaut, die zahlreichen
Unterbrechungen in Folge seiner häufigen Reisen in Betracht
zieht, daneben den Mangel einer historischen Schulung be-
denkt: so begreift man, wie sein literarisches Wirken der
Kritik manche Blosse bieten musste. Das wurde mit dem
Alter schlimmer: die beiden letzten Bände der mährischen
Geschichte nennt sein offizieller Biograph ,den Schwanen-
40 OeffentUche Sitxung vom 28. März 1890.
gesang des allmählich ersterbenden mährischen Landeshistorio-
graphen".
Der gelehrte Ordensmann hatte auch eine weltmännische
Seite. Seine Reisen, die sich über den grösseren Teil Eu-
ropas und die Levante erstreckten und durchaus nicht immer
gelehrten Zwecken dienten, verschafften ihm zahlreiche Be-
kanntschaften. In Korn, wohin er viermal wanderte, und
in Wien fand er Zutritt zu vornehmen Kreisen. Papst,
Kaiser und Erzherzoge schenkten ihm ihre Gunst. So wurde
er auf den Wunsch Erzherzog A.lbrechts vom Kaiser für
die Zeit des italienischen Feldzugs 1866 in das Hauptquartier
gesandt, und stellte dann die von dort in die Heimat ge-
sandten Briefe zu einem Büchlein «Erinnerungen aus dem
Feldzuge von 1866 in Italien* zusammen. Der Kaiser nahm
ihn 1869 als ßeisehistoriographen mit auf seine Reise nach
Jerusalem und zu der Eröffnung des Suezkanals; und er
beschrieb dann im Auftrag des Kaisers in einem stattlichen
Prunkbande «Die Kaiserreise nach dem Orienf* 1870. Beide
Schriften empfehlen sich durch lebendige Schilderung ein-
zelner Vorgänge und Oertlichkeiten. Allerdings blieb er im
Geräusch der Welt seines Berufes eingedenk, und hat selbst
unter dem Kanonendonner von Custozza sein Breviergebet
nicht vergessen. Aber sein Wesen erhielt nach und nach
eine Art und Richtung, welche ihn seinen Ordensbrüdern
entfremdete. Daher erklärt es sich, dass sein Wunsch, 1883
zum Abt seines Stifts Raigern gewählt zu werden, kein Ge-
hör fand. Zur Entvschädigung erhielt er, unter Beihilfe des
gewählten Abtes, durch päpstliche Gunst die Würde eines
Ehrenabtes von Trebit^ch. Andere Auszeichnungen, Orden
und ähnliche Ehren, wurden ihm in Fülle zu Teil.
Beda Diulik mon. Itaigradieii'^is. Nekrolog (I. Teil) in Studien
und Mitteilunffen aus dem Henedictiner- und dem Cistorzien.ser-Orden,
Ilauptredactour P. Maurus Kinter <). S. I^. Stiftsarchiviir zu Hiiigern.
.lahrjj. 1890 Heft 1. — Der Mährische Landeshistorioj^raph I>r. Beda
Dudik. Eine Lebenuskizze von M. K. Brunn 1890.
Savigny-Siiftwig, 41
Hierauf verlas der Vorsitzende folgende, die im Jahre
1886 von der Savigny-Commission ausgeschriebene Preis-
aufgabe betreffende öffentliche Verkündigung:
Die K. Akademie der Wissenschaften hat am 26. Juni
1886 folgende Preisaufgabe gestellt:
»Der Antheil, den die leges, plebiscita und
senatusconsulta der vorklassischen und klassischen
Zeit an der Gestaltung des römischen Civilrechtes
gehabt, die Gründe aus welchen und die Art in
welchen sie in dieselbe eingegriffen haben, sollen im
Gegenhalte zu dem Antheile, den die Jurisprudenz
an der Rechtsbildung gehabt, nachgewiesen und dar-
gestellt werden**.
Als unerstrecklicher Einsendungstermin der Bearbei-
tungen war der 1. August 1889 bezeichnet.
Eine einzige Bearbeitung ist und zwar rechtzeitig, näm-
lich am 16. Juli v. Js. eingelaufen, welche folgendes Motto
trägt :
„Aliter leges, aliter philosophi tollunt astutias:
leges, quatenus manu tenere possunt, philosophi, qua-
tenus ratione et intelligentia. Cic. d. off. III 17 (68).**
Der Verfasser bekundet einen sehr rühmlichen Fleiss
und eine anerkennenswerte Gelehrsamkeit sowohl in der
Benutzung des Quellenmaterials als in der Sanmilung der
Literatur; auch legen die Einzelausführungen vielfach Zeug-
nis ab von eindringender und scharfsichtiger Forschung.
Leider aber hat der Verfasser das Thema selbst in seiner
42 Oeffentliche Sitzung vom 28. März 1890.
Tragweite nicht erfasst und daher gerade die wesentlichen
Punkte teils ungenügend teils gar nicht untersucht, so dass
seiner Arbeit nur die Bedeutung einer Materialiensammlung
für die eine Hälfte des Themas zugestanden werden kann.
Die K. Akademie ist daher zu ihrem Bedauern nicht in
der Lage, der Arbeit den Preis zuzuerkennen. —
Den Schluss der Festsitzung bildete der Vortrag der
bereits erwähnten Gedächtnissrede auf J. v. Döllinger.
Philosophisch-philologische Classe.
SitzDDg vom 3. Mai 1690.
Herr Geiger hielt einen Vortrag:
.Das Yatkflr-i Zarirfln und sein Verliältnis
zum Sah-name.*
In dem Abschnitte ITie Pahlavi lAterature Exhml der
Neubearbeitung Ton Haug's Essays on the Par$js berichtet
auf S. 109 West über ein altes in der Bibliothek des Da.stur
Jamaspji in Bombay befindliches Manuskript, welches den
Namen Pahlavi Säh-nätnah führt Diese Bezeichnung ist
ohne Zweifel eine unrichtige. Die Handschrift enthält 25
Stücke von sehr verschiedenem Umfang und Inhalt. Einige
von ihnen behandeln allerdings Gegenstände, weiche auch
in dem persischen Eönignbuche berichtet werden, die meisten
aber stehen mit demselben in keinem Zusammenhtint^e. Wie
ich glaube, wurde die Benennung Pahlavi Sah-namak durch
das erste in dem Manuskripte sich vorfindende Stück vtr-
anlasst. Dasselbe führt den Sondertitel Yatksr-i Zarirän und
enthält eine Geschichte des Krieges, welchen ViStrTsp gegen
Arjasp führte. Den nämlichen Stoff hat auch Daciiqi poe-
tisch bearbeitet und seine Dichtung wurde von Firdau»i in
das .Königsbuch' (Bd. III S. U9Sff. der VuUers-Liuidnuer-
schen Ausgabe) aufgenommen.
Die Handschrift des P. S.-n. ist reichlich
alt, aber in starkem Masse wurmstichig und
500 Jahre ^
a»dut^|M^^H
4:4 Sitzung der phüos.-phüol, Classe vom 3, Mai 1890.
schadhaft, dass mit ihr allein eine Herstellung und Bearbei-
tung der Texte kaum möglich sein dürfte. Zum Olück
wurde im vorigen Jahrhundert, als das Manuskript noch in
besserem Zustande sich befand, eine Kopie desselben an- •
gefertigt, welche gegenwärtig in Teheran aufbewahrt wird.
Mit Hilfe dieser Kopie lassen sich die Lucken grösstenteils
ergänzen, und es kann ein lesbarer Text hergestellt werden.
Wenn ich nun in der Lage bin, eine üebersetzung des
Yatkar-i ZarirSn vorzulegen und den Inhalt desselben mit
dem iSäh-name zu vergleichen, so verdanke ich dies der Güte
des Herrn Dr. West. Derselbe überliess mir, da meine
Firdausi-Studien mich naturgemäss auch auf die Frage nach
den Quellen des Königsbuches führten, mit liebenswürdigster
Bereitwilligkeit seine Abschrift des Bombayer Manuskripts,
welche ergänzt ist durch die Kollation einer Kopie, welche
Dastur Jamaspji von der Teheräner Handschrift angefertigt
hatte. Ausserdem stand mir eine von West gefertigte Um-
schrift des Pahlavi-Textes zur Verfügung, sowie der erste
Entwurf einer englischen üebersetzung, welche freilich nur
bis 02 reicht und die schwierigen Stellen vielfach überspringt.
Auch diese beiden Hilfsmittel boten mir Nutzen, jedenfalls
Hassen sie mich gewiss manchmal ein Fehlgreifen vermeiden.
Es ist mir eine Freude, an dieser Stelle Herrn West meinen
Dank auszusprechen für die Selbstlosigkeit, mit welcher er
mir seine Materialien überlassen und damit auf die Früchte
schwieriger und mühsamer Vorarbeiten verzichtet hat.
Der Stil des Yätkär ist im allgemeinen ein einfacher
und verstündlicher. Nichts desto weniger stossen wir oft
genug, namentlich in den Reden, auf äusserst schwierige und
dunkle Partien. Manche derselben hoflfe ich ganz oder doch
annähernd richtig erklärt zu haben ; einige Stellen und Wörter
spotteten aber allen Erklärungsversuchen und ich muss die
Lösung ihrer Schwierigkeit einem glücklicheren Nachfolger
überlassen. Ich hätte mich ja damit begnügen können, im
W, Geiger: lieber das Yatkar-i Zariran. 45
allgemeinen den Sinn wiederzugeben; allein damit wäre die
Sache selbst mcht gefordert worden. So entschloss ich mich
denn, in allen Fällen, wo Zweifel oder Schwierigkeiten sich
boten, den Pahlavi-Text, wie er in der Handschrift vorliegt,
mitzuteilen. Es wird mich nur freuen, wenn es anderen
gelingt, die eine oder die andere Schwierigkeit zu lösen,
welche ich selbst nicht zu beseitigen vermochte.
Von Nutzen war mir, wie ich glaube, dass ich, um
mich in die Darsteliungs weise von Schriften der Profanlitte-
ratur einzulesen, vor der endgiltigen Feststellung meiner
Uebersetzung des Yatkar den Text des Eamamak-i Arta^Slr
Papakan nach der hiesigen Handschrift Zend. 76 an der
Hand von Nöldeke's Uebersetzung durcharbeitete. Zitate
aus dem Earnnmak beziehen sich auf Seite und Zeile der
genannten Handschrift.
Was meine Transskription des Pahlavi betri£Ft, so lag
mir vor allem an Einfachheit und Deutlichkeit. Ein neues
System zu den verschiedenen aufstellen zu wollen, die schon
bestehen, war nicht meine Absicht. Gerade jetzt befindet
sich die Frage nach der Transskription des Pahlavi so im
Flusse, dass es meines Erachtens nicht zur Klärung, sondern
zur Verwirrung der Sachlage beitragen würde, wollte ich in
einer überwiegend litterarhistorischen Arbeit, wie die vor-
liegende ist, irgendwie auf die Frage mich einlassen. Am
liebsten hätte ich überall die aramäischen Ideogramme durch
ihre iranischen Aequivalente ersetzt; allein damit würde
ich mich doch zu weit von der Handschrift entfernt und
die Kontrole , namentlich bei Textverbesserungsversuchen,
noch schwerer gemacht haben als sie ohnehin schon ist.
D&ss ich ganz die Auffassung über das Wesen des Pahlavi
teile, wie sie Nöldeke in seinem bekannten Artikel der
.Encyclopaedia Britannica*' (deutsch in den , Aufsätzen zur
Pers. Gesch.* S. 150 — 158) bestimmt und deqtlich
sprochen, das brauche ich kaum zu versichern. J
^
46 Sitzung der philos.-phüoL Classe vom 3. Mai 1890.
meinen habe ich mich an die Transskripfcionsweise Westes
angeschlossen , dieselbe jedoch in manchen Punkten ver-
einfacht. Von einer Wiedergabe des senkrechten Striches,
wie er vielfach am Ende der Wörter, namentlich an der
Infinitivendung vorkommt, habe ich abgesehen. Man ver-
gleiche darüber JCirste WZKM. 3. 322, Hörn, ZDMG. 43.
612. Gelegentlich, wo es mir wünschenswert erschien, den
Zeichen der Pahlavischrift möglichst nahe zu kommen, be-
diente ich mich der hebräischen Buchstaben.
Von einer Veröffentlichung des vollständigen Textes
glaubte ich aus mehreren Gründen absehen zu müssen. Eine
solche hätte doch wohl in der Originalschrifb geschehen
müssen, welche jedoch in München nicht vorhanden ist.
Der Umstand, dass wir nur eine einzige Handschrift för
unseren Text haben, erschwert natürlich wie Uebersetzung
und Erklänmg so auch eine genaue Ausgabe sehr erheblich.
Vor allem aber hinderte mich die Rücksicht auf Dastur Ja-
niaspji, den Pahlavi-Text abzudrucken, da derselbe, wie es
scheint, früher oder später eine vollständige Ausgabe seiner
Handschrift zu veranstalten beabsichtigt. Möge meine kleine
Arbeit dazu beitragen, die Aufmerksamkeit auf diese künftige
Edition zu lenken.
I. Yfitkilr-i Zariran
(MS. 1). .1. p. l-18a.).
Uebersetzung.
Im Namen des Sch()j)fers Oliarmazd und der in ihren
Auspizien guten Schöpfung mlUjc Gesundheit und langes
Leben allen Guten und Frommen zu teil werden, namentlich
dem, für welchen diese Ersählumj geschrieben ist.^)
1) Die Einleitunj^ lautet im MS. pnran hem-i dätär Öharmazd
ra-murväl' dahihnh-i ntvak tiiH-durustih ra-dir-zirishih kniä tiapiräH
W, Geiger: lieber das Yatkar-i Zariran, 47
1. Diese Erzählung, welche man die Geschichte von
Zarlr nennt, ist geschrieben zu der Zeit, als König ViStasp
mit seinen Söhnen und Brüdern und Grossen und Freunden
die reine Religion der Mazdaverehrer von Oharmazd an-
nahm. 2. Hierauf wurde Arjäsp, der Fürst der Xyön, be-
nachrichtigt,') dass König Viätasp samt seinen Söhnen und
Brüdern und Grossen ^) und Freunden die reine Religion
der Mazdaverehrer von Oharmazd angenommen habe. Da
wurden sie sehr beunruhigt^) und er sandte den Zauberer
Vidraß und den Näm-^wäst, den Sohn des Haz.^, *) mit
zwei Myriaden auserlesener Gardetruppen ^) in das Reich von
va-frärtln-kuniinän namöist valman mün räl yektibünf-tt. Ganz ähn-
lich (mtirväk = np. («yo scheint zu fehlen) lautet die Einleitung
zum Säyast-lä-Sayast Vgl. West, P. t. I. S. 239.
2) axar Ärjäsp, Xyönän /utät, azd mal. Das Wort azd kenne
ich nicht; seine Bedeutung geht aber aus unserer Stelle, sowie aus
14 und 15 hervor.
3) ]KnK1£DK- Das Wort kommt auch im Kämämak mehr-
fach vor und ist von Nöldeke (das. 39. 2) besprochen.
4) adayiniän girän dus'xtoärih yehvünet. Zur Konstruktion
vgl. Artä Viräf 1. 33, 77. 6.
5) Statt Näm-xträst steht hier Sem-xwäst mit Einsetzung des
aram. Ideogrammes statt des pers. näm; recht bezeichnend fQr das
Wesen der Pahlavischrift. Die Stelle wirft ein Licht auf §. n. 1522.
455. Hier hat Mo hl gewiss richtig ijMjM«id v::^k^Mit«^AÜ L&.
aÜ (= Häm'xwäst-i Hazärän), während die Calcuttaer Ausgabe \!
aU ^j^l«jjfc> liest. Ebenso ist natürlich 1525. 502 das \t zu streichen.
6) levatman 2 htvar sipäh-i vijltak pavan n''3NSDl^]D- Das
letzte Wort ist schwierig. Ohne die Endung Ih kommt es in 13
und 15 wieder vor. West (briefl. Mitt.) meint, man habe vielleicht
heh'ospän zu lesen «mit guten Rossen versehen* = „reitender Bote,
Kurier*, wobei dann beh ungewöhnlichere Schreibung für veh wäre.
Die Bedeutung würde ja auch in 13 und 15 gut passen. Schwierig-
keit bereitet jedoch an unserer Stelle, dass ih an eine Pluralform
48 Sitzung der phUos.'philol, Ciasse vom 3. Mai 1890.
Tran. 3. Hierauf begab sich Jilniasp, der oberste der Hof-
beamten,'^) schleunig in das Innere des Palastes und sprach
zu Vist^sp: Von Arjasp, dem Fürsten der Xyön, sind zwei
Gesandte gekommen, die edelsten Männer, die man im Lande
der Xyön finden kann.®) Der eine ist der Zauberer Vidrafä
und der andere Nam-^wäst, der Sohn des Hazar; zwei My-
riaden auserlesener Truppen haben sie bei sich und sie tragen
in der Hand ein Schreiben *) und sprechen : Lasse uns vor
den König Viätäsp. 4. König Vistäsp sprach: Lasse sie ein-
treten. 5. Und sie traten ein und brachten dem Könige
Viätasp ihre Huldigung dar und händigten ihm das Schreiben
ein. 6. Aprahim, der oberste der Schreiber,^^) erhob sich und
verlas das Schreiben mit lauter Stimme. 7. In dem Schreiben
stand aber folgendermassen geschrieben: Ich habe vernommen,
dass deine Majestät ^^) das reine Gesetz der Mazdaverehrer
angesetzt wäre. Ich glaube, dass ?K£Dim dasselbe Wort ist wie
]N^CXncn£ im Kam. 44. 4. Vgl. Nöldeke, S. 62, N. 1, der das
Wort in pustpän ändert und mit „Garde" übersetzt. Ich fasse vijilak
jtarau n^jNSCI!*^ "= r^^userlesen unt^^r der Schar der Garde.*
7) pisimkän sardär. Meines Wissens bedeutet sonst }>eHfm1iän
allerdings nur „die Ahnen. Vorfahren". Mkh. 27. 12; Pahl. Gloss.
S. 186. np. ^LXäjUmjo.
8) miln ihn hamük satr-i Xymiän min valmamün hu-cihariar
löit. Vgl. Anm. 42.
9) parrartnk = iuoü im S. n. Die Bedeutung ergibt sich
aus dem Zusammenbang; vielloidit von Vcnr -{' j^oii'i „das Umhüllte*.
10) Das MS. hat dajnr änmahifif statt dapirän m. Vgl. Nol-
deke, Kam. 02. N. 2, Tabari, S. 444.
11) h'küm hayün. So möchte ich lesen und auf das Wort bayän
verweisen, welches in dem von Ilosbangji Jamas))ji herausgegebenen
l'ahl. (iloHs. Kap. I zwischen imdän (vgl. llaug. (il. u. d. W. S. 166,
sowie unier hnyCin S. 95) und fjaduian steht, also zweifellos etwa?» ?lhn-
lithes wie „Glanz, Herrliibkeit* l>edeutet. Die Thnise hat leküm
bnt/iin mcdammfintt kommt im Yätkar m«.*lirfach vor, so 8, 10, 23,
W, Oeiger: lieber dcui Yätkär-i Zartrün. 49
von Oharmazd angenommen hat und wenn auch noch nicht,
so doch daran denkt, obwohl uns daraus grosser Schaden
und Nachteil erwachsen wird. 8. Aber wenn es eurer
Majestät geföUt, diese heilige Religion aufzugeben und mit
uns eines Glaubens zu werden, dann wollen wir euch als
König huldigen, dann werden wir euch, Jahr ftXr Jahr, viel
Gold und viel Silbergerät und viele schöne Rosse geben und
viele königliche Thronsessel. 9. Wollt ihr aber diese Religion
nicht aufgeben imd nicht eines Glaubens mit uns werden,
dann werden wir über euch kommen, das grüne Korn auf-
zehren und das dürre verbrennen, Tiere und Menschen aus
dem Reiche gefangen fortführen und euch in der Knecht-
schaft schwere Bedrückung auferlegen. ^^) 10. Als aber König
ViStOsp dieses ihr Wort gehört hatte, da wurde er sehr be-
unruhigt, und wie sodann der reisige Feldhauptmann, der
tapfere Zarir, sah, dass König ViStasp^^) in Sorgen war, da
b^^b er sich eilends ins Innere des Palastes und sprach
83, 35 n. 8. w. Das Wort findet sich auch Karn. 41. 2 v. a. min
töxmak leküm hayän »aus dem Samen eurer Majestät*, NOldeke 60
nur: ^aus eurem Stamme*^. Möglicherweise könnte auch bagän ge-
lesen werden (vgl. Nöldeke, Tabari 452), doch ist mir dies minder
wahrscheinlich.
12) Text von 9: va-hnt dentnan din barä lä iskünet va-levatman
lanman hamkti lä yehvünet, adayin-tän madam yämtfinem, /atrff
vaitamünim V€hxuik süfem, va-^ahär-päi va dö-päi min §(Ur vartak
vädOnim, aftän pavan bundakfh girän [vajduix^f^änh kär framäyem.
Ich möchte hier /uiX: fast als »was wir nicht brauchen können* auf-
fassen: vgl. np. ^AIA^ in der Bed. »inutilis". Zur Ueberaetzung von
vartak vädOnim ist yt. 10. 38 gäui . . . varai^m pahtäm azaiti, sowie
yt. 10. 86 vareta azemna , gefangen fortgeführt* heranzuziehen. Die
Schreibung bundakih statt bandaklh findet sich auch in dem MS. des
Kam., das ich benutzte, mehrfach. Bezüglich kar framäyem vgl. np.
^i^yjiyi X^ »imperare*.
13) MS. -jM^3, waH ich in V«n^3 nihlv (vgl. AV. 60. 3) ändere
= np. s«aa^, y*f^* West umschreibt zweifelnd vayädak.
ISMl PhlkML-phil<»L o. Usi. Gl. IL 1. 4
1
50 Sitzung der philas.'phüol, CIomc vom 3. Mai IRQO,
zu Vi§tasp: Wenn es eurer Majestät gefällt, so will ich
dieses Schreiben beantworten lassen. 11. König VidtBsp gab
den Befehl: Gib die Antwort auf das Schreiben! 12. Und
der reisige Heerführer, der tapfere Zarir, Hess das Sehreiben
folgendermassen beantworten: Von König ViStSsp, dem Ge-
bieter von Iran, an Arjasp, König der Xyön, Gmss! Pörs
erste : wir werden diese heilige Religion nicht aufgeben und
wollen mit euch nicht eines Glaubens werden; denn wir
haben diese heilige Keligion von Oharmazd angenommen
und werden sie nicht wieder aufgeben. Und ich werde ohne
euch Unsterblichkeit trinken, jetzt in zwei Monaten, dort in
Hutös-i Rajür und Merv, der Stadt des ZartuSt. wo kein
hoher Berg ist und keine tiefe Schlucht, sondern auf der
Ebene der Steppe die Pferde und das tapfere Fussvolk freie
Bewegung finden.^*) Ihr werdet von dort kommen und wir
von hier, ihr werdet uns erblicken und wir euch; dann
werden wir euch zeigen, wie der Teufel bezwungen werden
wird durch die Hand Gottes. 13. Aprilhim, der erste der
Schreiher, fertigte das Schreiben aus und der Zauberer
Vidnifs und Nfmi-^wäst, der Sohn des Hazar, nahmen es in
p]mpfang, brachten dem Könige Viätäsp ihre Huldigung dar
und machten sich auf den Weg.
14. Hieraufgab König Vistasp seinem Bruder Zarir den
Befehl: „-^"f Hügeln, Häusern und hohen Bergen lasse Feuer
anzünden.^*) Benachrichtige das Iteich und benachrichtige
14) va-harä lektlm datigar hidanä anös raHamfinam, tammnn
pavan Hutön-i Rajür va-Murc-i Zartustän, mün lä köf-i burj va-lä
var ziifr, bara pavan zak daU hümün süsyän tag paikän ridäriin.
Zu anös raktarnfffitan ist AV. 10. 5 zu verjjfleichon Die Lokalität
HutöS'i Hajftr ist nicht festzustellen. Bdh. 24. 16 (S. 58. 8) wird ein
ArüS'i razür genannt; doch wird man unsere Stelle kaum darnach
eniendieren dürfen.
16) pacan garäy}, bay^ni^ köf-i burJ ätak framäi kartan. Ich
stelle bayän zu np. ^^w = »•U (auch bal. bün) und jüd.-peraiBch
]N*^2. d« Lagarde, imth. Stud. S. 72.
W, Oeiger: üeber das Yätkar^ Zariran. 51
die Garde folgendermassen : abgesehen Yon den Magiern,
welche das Wasser und das Feuer Vahram verehren und pflegen,
soll vom 10. bis zum 80. Jahre kein Mann in seinem Hause
säumen. Ihr sollt es so einrichten, dass ihr im zweiten
Monat zum Hofe des Königs ViStasp kommet. Wenn ihr
aber nicht kommen und diesen Galgen auf euch nehmen
wollt, werde ich euch an den Galgen hängen lassen. ''^')
15. Darauf wurden alle Leute der Garde in Kemitnis
gesetzt, und sie kamen an den Hof des Königs ViSt^p zur
Heeresfolge,^'') und sie schlugen die Pauken und bliesen die
Pfeifen und Hessen die Trompeten ertönen. 16. Und sie
formten eine Marschkolonne, und die Elefantenführer stiegen
auf ihre Elefanten und die Führer der Lasttiere auf ihre
Lasttiere und die Wagenlenker auf ihre Wagen. Zahlreich
waren die Lanzen der Helden ^^), zahlreich die Köcher, mit
16) Der Text lautet: harä mag<H-mart^ mün mayä va-ätaS-i Vahräm
yeshexünd va-pähr^i^.nd, adayin-ai min 10 inat vad 80 sälak he6 gabrä
pavan baitä-i nafahnan al netrilntt Btün vädünet aiy datigar bidanä
fvajvai habü ViHtisp iah yütünet va-hcU lä amat yätünit zak dar
levatman nafaiman tan barä lä yäüyünet, tamman pavan dar framäyem
kartan. Die Stelle iat im einzelnen sehr schwierig, doch hoffe ich
im allgemeinen den Sinn getroffen zu haben. Wegen neträntan in
der Bed. «säumen, zögern, warten* verweise ich aui Note 51. Was
den Schluss betrifft, so ist, wie mir scheint, dar zuerst in übertragener,
dann in der ursprünglichen Bedeutung gebraucht: «wer nicht seinen
Galgen (d. h. die ihm auferlegte Last der Heeresfolge) auf sich nimmt,
den soll (umgekehrt) der Qalgen tragen.*
17) MS. pavan Mmanam sipäh. Dies ist sicher ein Fehler.
Vielleicht dürfen wir hömanam in anjuman ändern. West (briefl.
Mitt.) Termntet avi-mand «unlimited*.
18) DXnDnil ^inSB^' Das erste Wort ist mir unbekannt.
Dem Zusammenhange nach muss es Bezeichnung einer Waffe sein.
Ich verweise zweifelnd auf das bei Vullers angeführte sMJLxA «hasta
parva, iaculnm*, das freilich offenbar ein sehr unsicheres Wort ist.
Bütagtam ist die Pahla?i-Form des Namens Rustam. Hier bedeutet
es wohl «Held* im allgemeinen.
4*
52 Sitzung der phihs.'phüol, Glosse vom 3, Mai 1890,
Pfeilen gefüllt^®), zahlreich die funkelnden Panzer, zahlreich
die vierfaltigen Panzer. 17. Und die Armee des Reiches
von Iran war so za/dreich^ dass das Getöse bis zum Himmel
emporstieg und das Stampfen der Füsse bis zur Hölle drang.
Auf der Strasse, auf der sie zogen, zerstampften sie den Pfad
so und beschmutzten dadurch das Wasser in den Flössen so,
dass man das Wasser auf die Dauer eines Monats nicht
trinken konnte.^^) Siebzig Tage lang wurde es nicht hell,
und die Vögel fanden keine Ruhestatte,**) ausser wenn sie
sieh auf den Köpfen der Pferde oder auf den Spitzen der
Lanzen oder auf dem Gipfel eines hohen Berges niedersetzten.
Wegen des Staubes und Dampfes konnte man Tag und Nacht
nicht unterscheiden. 18. Hierauf gab König Vidtasp seinem
Bruder Zanr den Befehl : Lasse ein Lager schlagen ; so lange
sollen die Iriinier sich lagern, bis wir wissen, ob es Nacht
ist oder Tag. 19. Da stieg Zarir vom Wagen und schlug
ein Lager; und die IrSnier lagerten sich und Staub und
19) kantir-i pur-tfr. Die Bedeutung „Köcher* für kantir ergibt
sich mit Sicherheit aus 68, 76, 77. Das Wort kommt auch im PahW.
vd. 14. 86 (Sp.) vor, wo zainis mat akanii durch zin leoatman kantir
übersetzt wird. Vgl. Spiegel, Comm. I. S. 336. Es ergibt sich
also, daas hier nicht in zainis (Hörn, ZDMG, 43. S. 39, Anm.), sondern
in akana der Begriff „Köcher* zu suchen ist.
20) MS. pavan ras aiy vazhlnd vatarg etiin harä pesküfiä
levntmnn mayä harä mptnd-i vad hanä hidanä mayä vaStamüntan
lä säytt. Der Text ist, wie ich glaube, verdorben. Man erwartet
doch den Sinn, dass auf dem ganzen Wege, wo das Heer raar.schiert.
das Wasser durch Verunreinigung ungeniessbar wird. Daher möchte
ich statt levatman mit leichter Aenderung rotän lesen und §apefid
an das AV. 58. 5 vorkommende ^apik „schmutzig" anschliessen. Das
Wort vatarg findet sich auch Dinkard IV, Gloss. S. 20, sowie Kam.
27. 2 in der Verbindung ras vatarg. West übersetzt die Stelle so:
„on the road, that they go, they so cut up the path with the water
they discharge that, during a month, the water is not fit to drink/
Allein kann Ifratman in dieser Weise für den Instrumentalis stehen?
21) }iiHm = np. i%jUmJ und
W, Geiger: üeher das Yätkar-i Zariran, 53
Kauch sanken und die Sterne und der Mond wurden am
Himmel sichtbar. 20. Hierauf schlugen sie 300 Pfahle ein,
an welchen sie 300 Stricke befestigten und an jedem Stricke
waren 300 goldene Schellen angebunden.*^)
21. Hierauf setzte sich Vistasp auf seinen königlichen
Thron und berief seineu obersten Minister*^) JsmSsp vor
sich und sprach: Ich weiss, dass du weise und einsichtig
und klug bist. Du weisst es, wenn es zehn Tage lang
regnet, wie viele Tropfen auf die Erde fallen, und wie viele
Tropfen auf Tropfen fallen. Du weisst ferner, wenn die
Pflanzen blühen, welche Blüte am Tage aufgeht und welche
in der Nacht und welche am Morgen. Auch von dem Wasser
weisst du, welches tischreich ist und welches keine Fische
enthält.^) So wirst du auch wissen, wie es morgen ergehen
wird in der Schlacht des Vigtasp gegen den Az-dahäk, und
welche von meinen , des Kai- Vistasp, Söhnen und Brüdern
am Leben bleiben und welche fallen werden. 22. Da sprach
der Minister JamSsp: Ach, dass ich doch nie geboren wäre
22) Sehr schwierig. Der Text lautet: axar majfitünd 300 mex'i
oHnin-i poloi asründ 300 arsy tnün kclä ars^ 300 daräi-i zahabäin
patai aküst yekavimOnit, Das Wort daräi ist ohne Zweifel = np.
C/I^O, Ui^ »tintinnabulam*. ars ist nur geraten. Am nächsten
läge np. Ji^l.
28) n^Xn^^D ist jedenfalls Titel eines hohen Beamten, wie aus
6S, 71 hervorgeht. Das Wort scheint eine Zusammensetzung des
aram. Xn^2 = iip* x3L^ mit suff. th zu sein; doch erwartet man,
da eine abstrakte Bedeutung nicht passen will, eher suff. ik. Vgl.
np. Olv „domesticus*.
24) Die Handschrift ist verstümmelt. Sie bietet folgende Buch-
staben und Worte aiy . . ä kutäm zak m. .h man va-kutäm znk
r nun€i. Davon ergänzt West das erste Wort zu wayö, den
Schluss zu yaxsenunct, beides gewiss richtig. Versuchsweise lese ich
■o: aiy mayä kutäm zak mahi malman va-kutäm zak lÄ ya/senunet.
54 Sitzung der philos.-phüol. Glosse vom 3. Mai 1890,
von meiner Mutter, oder dass ich, nachdem ich geboren, doch
schon längst durch mein eigenes Geschick gestorben wäre!
oder dass ich doch zu einem Vogel geworden und ins Meer
gestürzt wäre!*^) oder dass doch eure Majestät diese Frage
nicht an mich gestellt hätte! 23. Aber nachdem ich nun
einmal von euch gefragt bin, will ich auf nichts anderes
ausgehen, als dass ich die Wahrheit sage. Wenn es eurer
Majestät beliebt, so bewahret euer Wort im Gedächtnis ■•)
und schwöret mir bei der Herrlichkeit des Oharmazd und
bei der Religion der Mazdayerehrer und bei dem Leben eures
Bruders Zarir einen Eid :*'0 Ich werde dich nicht
schlagen und dich nicht töten und dich nicht in Fesseln*®)
halten, falls du mir mitteilst, was sich in der Schlacht des
ViätSsp zutragen wird. 24. Daraufsprach König VistSsp : Bei
der Herrlichkeit des Oharmazd und der Religion der Mazda-
yerehrer und bei dem Leben meines Bruders Zanr sei es
25) Ich lese af/fff murv-e yehvünt hfitnanäCy val daryäw öpast
hömanäi. Das MS. trennt "»^Tl ^0, was West durch min rün-i um-
schreibt. Meine Aenderung besteht also lediglich in dem Zusammen^
rücken der Buchstaben.
26) hat leküm hayän medammünety saxun-i tuifasman rubän
yedrünyen. Ich nehme hier rtibän yedrUntan (eigentlich = np.
yj^y? \J^^)) ^" ^^^ gleichen Bedeutung wie sonst ,^%Xm\ö ^L%
oder ^ji>y^ yj^y
27) Das MS. hat hinter sauffand vaitamtlnet die Worte aiy
inmsir-i piiläwtin va-hit-i tir trvnr vnd v^al drmsp harä mal. Ich
habe dieselben lieber unii hersetzt gelassen, da ich doch nur eine
höchst ]>roblematische hlrklärung vorzuschlagen wüsste. Sie enthalten
ottenbar t'ine solenne Eidesformel. Die einzelnen Wörter sind ja klar.
Zu "IX^n^X» da« , Kinnbacken" bedeutet, sind die Bemerkungen Justins
im Wörterbuch zum Bdh. ii. d. W. zu vergleichen, drräsp ist Name
einer Genie, der Personifikation des Herdeviehs und barä mal der
Imper. — np. JL4J
2«^ "INKßD vielleicht = np. XxMi , Presse", also etwa , Stock*.
W, Geiger: Ueber das Tätkär-i Zariran, 55
geschworen, dass ich dich nicht schlagen, noch dich töten,
noch dich in Fesseln halten werde. 25. Hierauf sagte der
V
Minister Jomäsp: Wenn es eurer Majestät gefällt, so gebet
den Befehl, dass dieses grosse Heer des Reiches Iran einen
Pfeilschuss weit vom Zelte*®) des Königs entfernt sich
lagere. 26. Da erteilte Vi§täsp den Befehl, dass das grosse
Heer des Reiches Iran einen Pfeilschuss weit von dem Zelte,
das dem Vi§tasp zum Aufenthalt diente, entfernt sich lagere.
27. Hierauf sprach der Minister Jamasp: Der ist glücklich,
welcher nie von einer Mutter geboren, oder, wenn er geboren,
schon gestorben, oder doch nicht aus der Feme so weit bis
hieher gekommen ist.*^) Morgen, wenn sie sich schlagen
werden, Krieger gegen Krieger, Held gegen Held, dann
werden viele Mütter samt vielen Söhnen vaterlos werden und
viele Väter werden ihre Söhne, viele Brüder ihre Brüder
und viele Frauen, die Gatten haben, ihre Männer verlieren,
und in grosser Zahl werden kommen Streitroese der IrSnier,
welche ihrer Reiter beraubt dahinstürmen, und werden unter
den Xyöns ihre Herren suchen und sie nimmer finden.^^)
28. Glücklich ist der, welcher nicht sehen muss, wie der
29) min ntt^Q-i pätaxiä, weiter unten dann 7^nßX ^tt^Q. Wir
können ^tt^Q vielleicht zu np. ySiiäJjo stellen oder auch Tjn^D lesen
= aw. ^mae&aka statt mae^ana (bal. metag). Zu VtlfiK hat West
i^^)y^ beigeschrieben; doch ist es mir zweifelhaft, ob die Zusammen-
stellung richtig ist.
30) min ariklh valman pcUmän lä mat wtl. «(welcher) aus der
Feme dieses Mass (d. h. eine solche Strecke, eine so grosse Ent-
fernung) nicht gekommen ist.*
81) Der Schluss lautet va-kabed yätünd bärak Bränakän mün
vaiät aruband sütünd, den än-i Xyönän x^^^^ bavihünand va-lä
aikaxQnand, Hier ist aruband = aw. arvafU, indem u5, wie oft, an
Stelle von r steht; Säle mann, Litteraturbl f. or. Philol. ü. S. 81);
vaiät ist an öImS^ SoLmJ anzuschliessen.
56 Sitzung der phüos.-phäol, Classe vom .?. Mai 1890.
Zauberer Vidrafä kommt und den Kampf erre^ und viel
Uebles anrichtet und den Zanr, deinen Bruder, erschlägt und
sein Streitross erbeutet, d&s schwarze eisenhufige Ross des
Zarir; — 29. und den Nsm-^wSst, den Sohn des Hazar, wie
er kommt und den Kampf erregt und viel Uebles anrichtet
und den Pnt-xusrav, den Helden ^*) der Mazdaverehrer, deinen
Bruder, erschlägt und sein Streitross erbeutet, ••) —
30. und den Ndm-^wSst, den Sohn des HazSr, wie er kommt
und viel Uebles anrichtet und den Fraäokart tötet, deinen
Sohn, **) der dir lieber ist als deine übrigen Söhne.
Und ausserdem werden von deinen Söhnen und BrQdem
zweiundzwanzig fallen. 31. Als König ViStSsp dieses Wort
vernahm, stürzte er von seinem erhabenen Throne zur Erde
und ergriff mit der linken Hand einen Dolch und mit der
V
rechten ein Schwert, und er fiel über Jamäsp her und sprach:
Dass du doch nimmer gesund sein mögest, du arger Sklave
eines Zauberers;'^) denn deine Mutter war eine Zauberin und
dein Vater ein Lügner. 32. Du hättest das aber nicht aus-
gesprochen , wenn ich dir nicht bei der Herrlichkeit des
Oharmazd und bei der Religion der Mazdaverehrer und bei
32) phlv. artäi, S. GIosb. z. AV. S. 19 u. d. W. ardä, ardäi.
Vjrl. päz. ardl = HAkr,j/ud<lha,8äini/abei Neriosenjjh, West, Shik. gum.
GloMs. u. d. W.
83) Am Kode stehen die Worte n£r:j'n ]K1T (die oatQrlich auch
noch auf j?ar manche andere Weise gelesen werden können) mit üeber-
gang auf eine neue Seite zwischen denselben. Vielleicht ist 7X11
in niT = f^y zu ändern ^falb"*, wie auch in 28 a. E. mit siyäh
die Farbe des I'ferdes angegeben wird; im zweiten Worte könnte
dann vielleicht ein Epitheton wie ^breitschulterig, starkschulterig'
(np. ss^mS^ enthalten sein.
34) Die Worte vad zät pavan Jn^D^I kadbä sind unverständlich
und wohl auch verdorl>en.
36) MS. Upamman sim-sipär-i Jätük. West schlügt (briefl. Mitt.)
die Aendemng unham-sipär „terror accomplishing** vor.
W. Geiger: Ueber das TätkaM Zariran. 57
dem Leben meines Bruders Zarir einen Eid geschworen hätte;
ich hätte dir sonst mit diesen beiden Waffen, dem Schwerte
und dem Messer, den Kopf abgeschnitten und ihn auf die
V
Erde geworfen. 33. Darauf sprach JftmSsp : Wenn es eurer
Majestät gefällt, so stehet auf vom Erdboden und setzet euch
wieder auf den königlichen Thron ; denn es rauss geschehen,
wenn es geschehen muss, wenn ich es auch nicht gesagt
hätte.**) 34. König Viätäsp aber erhob sich nicht und sah
auch nicht um. 35. Da sprach der reisige Heerführer, der
tapfere Zanr, indem er hinzutrat: Wenn es eurer Majestät
gefallt, so stehet auf vom Erdboden und setzet euch wieder
auf den königlichen Thron; denn ich werde morgen kommen
und mit dieser meiner Kraft 15 Myriaden der Xyön töten.
36. Konig ViStilsp aber erhob sich nicht und sah auch nicht
um. 37. Da sprach zu ihm Pat-^usrav, der Held der Mazda-
verehrer, indem er hinzutrat: Wenn es eurer Majestät ge-
fallt, so stehet auf vom Erdboden und setzet euch wieder
auf den königlichen Thron ; denn ich werde morgen kommen
und mit dieser meiner Kraft 14 Myriaden der Xyön töten.
38. König ViStSsp aber erhob sich nicht und sah auch nicht
um. 39. Da sprach zu ihm Fradö-kart, der Sohn des Königs
Vidtilsp, indem er hinzutrat: Wenn es eurer Majestät ge-
fallt, so stehet auf vom Erdboden und setzet euch wieder
auf den königlichen Thron; denn ich werde morgen kommen
imd mit dieser meiner Kraft 13 Myriaden der Xyön töten.
40. König Vidtfisp aber erhob sich nicht und sah auch nicht
um. 41. Da sprach zu ihm der tapfere Held Spand-dät, in-
dem er hinzutrat : Wenn es eurer Majestät gefällt, so stehet
auf vom Erdboden und setzet euch wieder auf den könig-
lichen Thron ; denn ich werde morgen kommen, und bei der
86) MS. amai denman li guft yehvünet Sollte statt I« nicht lä
zu lesen fein? Der Sinn ist doch wohl der: Das Verhäng« tnoM sich
erf&llen, ob ich es nnn vorher sage oder nicht.
58 Sitzung der phüos.-phüol, Cltuse tom 3. Mai 1890,
Herrlichkeit des Oharmazd und bei der Religion der Mazda-
verehrer und bei dem Leben eurer Majestät schwöre ich den
Eid, dass ich keinen Xyon lebend aus diesem Kampfe ent-
kommen lassen will. 42. Da stand König ViStasp auf und
setzte sich wieder auf den königlichen Thron, und er berief
seinen Minister JamSsp vor sich und sprach zu ihm: Wenn
es sich so verhält, wie du, o JämSsp, sagst, dann will ich
eine eherne Burg machen lassen und die Thorriegel der Burg
will ich aus Eisen machen lassen, und ich werde Söhne und
Brüder und Grosse in die Burg bringen lassen, und sie sollen
darinnen bleiben, damit sie nicht in die Hand der Feinde
geraten. 43. Der Minister Jsimäsp sprach: Wenn du eine
eherne Burg machen lassest und die Thorriegel aus Eisen
machen lassest und Söhne und Brüder und die Grossen deines
gesegneten Reiches in dieser Burg bleiben heissest, wer wird
denn dann im stände sein, die Feinde vom Reiche abzuwehren?
44. Denn dieser reisige Heerführer, der tapfere Zarir, dein
Bruder, wird kommen und von den Xyon 15 Myriaden töten,
und Pät-xusrav, der Held der Mazdaverehrer, wird kommen
und von den Xyon 14 Myriaden töten und Fra§ö-kart, dein
Sohn, wird kommen und von den Xyön 13 Myriaden töten.
45. König Viätäsp fragte : Wie viele Xyön von Nation werden
kommen, [die] zu Ross [kommen], und wie viele werden
fallen, und wie viele werden entkommen?'''; 46. Hierauf
erwiderte der Minister J3mäsp: 131 Myriaden Xyön von
Nation werden kommen zu Koss und keiner wird lebend
37) kevan cand yatilnd Xyön min bunak va-amat "^^<^VK yätund
ra-i^and yemUfnid va-cnnd fräj vazhlnd. Ich glaube, dass "1^<^V^< in
nN21DK 7.U ändern ist. Es spricht dafür auch die Teheräner Hand-
schrift, welche im fol>?enden Paragraphen Xyön min bunak mtln
■'N^VDK liest. "1X^^D^< steht für ")K1DK (vgl. Anm. 31); amat ist
wohl, wie öfters, nur fälschlich statt mün = gS gesetzt. S. West,
Gl. zum AV. u. d. W.
W. Geiger: lieber das Yätkar-i Zariran. 59
zorOckkehren ausser dem einzi^^en ArJ^sp, dem Fürsteh der
Xyön. 47. Und auch diesen wird der Held Spand-dat er-
greifen und wird ihm eine Hand und einen Fuss und ein
Ohr abschneiden und ihm ein Auge mit Feuer ausbrennen,
und ihn auf einem Esel, dem er den Schwanz abgehauen,
in sein Eteich zurückschicken und sagen : Geh' und erzähle,
was für Thaten du gesehen von meiner, des Helden Spand-dat
Hand! 48. Hierauf sprach König Kai-Viätitsp: Wenn auch
alle die Söhne und Brüder und Grossen von mir, dem Könige
Kai-ViStSIsp, und auch die Hutos, welche meine Schwester
und meine Gattin ist und von welcher mir der Söhne und
Töchter 30 geboren worden sind,'®) allesamt getötet sind, so
werde ich doch diese reine Religion der Mazdaverehrer, wie
ich sie von Oharmazd empfangen habe, nicht aufgeben.
49. König Vigtasp setzte sich nun auf dem Gipfel eines
Berges nieder, und er hatte mit sich eine Streitmacht von
12 X 12 Myriaden. 50. Und Arjäsp, der Fürst der Xyön,
liess sich ebenfcdls auf dem Gipfel eines Berges nieder,
und er hatte mit sich eine Streitmacht von 12 Myriaden
Myriaden.")
51. Der reisige Heerführer, der tapfere Zarir, begann
den Kampf so ungestüm, wie wenn der Genius des Feuers
auf ein Röhricht sich stürzt und der Sturmwind ihm bei-
steht.*®) Wenn er mit dem Schwerte vorwärts schlug, tötete
38) vorgak'id^ Hutös syam axtman va-nBhnan^ mün min harman
tad hartman 30 azas iät yekaoimünit. Die Stelle ist von Wichtig-
keit, weil 9ie von der Geschwisterehe in ganz unzweideutiger Weise
spricht. Vgl. auch, was weiter unten in dem Abschnitte über die
Eigennamen gesagt ist. In dem Relativsatze fasse ich min barman
vctd bartman (vgl. np. 13* — \l) geradezu als «sowohl Söhne als
auch Töchter'; mün—aea§ gehört zusammen = «vi sj,
39) So nach dem MS. 12 bivar bivar, S. jedoch § 46.
40) Ich lese den Text so: Stgün amat Ätur y<UiU ä§^
kanyastän ufUt vcU-ii aiyyär yehmlnii. Zu kanyästän t«
60 Sitzung der phäos.'phüci, Classe vom 3. Mai 1890,
er zehn Xyön, and wenn er es zurückzog, elf. Wenn er
hungerig und durstig war, so sah er das Blut der Xyön an.
und er ward wieder frohgemut. 52. Aber Arjasp, der FOrst
der Xyön, hielt Ausschau vom Gipfel des Berges und sprach:
Wer ist unter euch Xyön 's, der es unternähme, mit Zanr >
zu kämpfen ^^) und ihn zu töten, diesen reisigen HeerfQhrer,
den tapferen Zanr. damit ich ihm dann meine Tochter
Zarst^n zum Weibe gebe, welche die anmutigste Frau ist,
die es im ganzen Lande der Xyön gibt*'), und daffit ich
ihn zum obersten Minister über das ganze Reich der Xyön
mache; 53. denn wenn Zarir bis zum Abend am Leben
bleibt, 80 wird es nicht lange Zeit mehr dauern, bis keiner
von den Xyön's mehr lebendig auf den Füssen steht.**)
54. Dil sprang der Zauberer VidrafS auf und rief: Sattelt
für mich ein Pferd;**) denn ich will es unternehmen!
55. Und sie sattelten ein Pferd und der Zauberer Vidrafi
bestieg es, und er ergriff die verzauberte Lanze, welche die
Dämonen in der Hölle mit dem Gifte des Zorns und dem
Wasser der Sünde verdorben gemacht hatten ; **) und er
auf Luu bei Vullers, appendix. Das Wort (h. njD) ist = np.
^LäamJU. Wegen des BildeR vgl. den sskr. Vers vanäni dahat fi
vahneh sal'hä bhavati märutah, sowie §. n. 1627. 543. Hierüber s.
weiter unten.
41) Das l'öi^et des Pahl. Textes ist, wie öfters, ungenaue Schreibung
statt köxiet. Vgl. West, Mkh. Gl. u. d. W. K'okMdan.
42) miipi dtn hamäk satr Xyönän neiman-e min valman hu-H"
hartar löet. Vgl. Anm. 8.
43) päyet = np. ^j4XaSÜ.
44) li rät süsyä zin säjet. Vgl. np. t^f^yS i^HV
45) Die Stelle ist schwierig und die grammatische Konstruktion
nicht ganz klar. Der Text lautet va-yansegünyen zak parai-i afsü-
tak-i ie'd^än den dösax paoan Hm zcüiar vasistak paoau mayä-i
hözak kart yekavimünät. In der Parallelstelle 72 liest das MS. va-
yanseyünyen zak jyarai-i afsütak iedään den döiax pavan eim zahar
W, Oeiger: üeber cUls Yätkär-i Zariran, 61
erfasste sie mit der Hand und stürmte in die Schlacht und
sah, wie da Zarir tapfer stritt. 56. Aber er kam nicht von
▼ome gegen ihn angeritten, sondern aus dem Verstecke ?on
hinten brach er hervor, und er traf den Zarir unterhalb des
Gürtels und oberhalb der heiligen Schnur in den Rücken,
und er durchbohrte ihm das Herz und stürzte ihn zu Boden.
Da hörte auf der Kampf der Bogen und das Schlachtgeschrei
der Streiter.**)
57. Darauf hielt König Vi^tlisp Umschau von dem Gipfel
des Hügels und sprach: Ich bin in Besorgnis; denn mich
befallt die Ahnung,*'') dass uns getötet worden Zarir, der
siiiak pavan mayä hazaJc hart yekammünät. Offenbar ist mit 72
hmak = np. sw (AV. 87, 6; Glossary zu deros. S. 77), mit 66 da-
gegen vcisistäk = np. IüLmmau fractns, perditns zu lesen; afsütak
gehört zu np. ^JuuUMJt verzaubern. Das Wort parc^ erklärt
West im MS. durch t^lS» fasst es also als «Pferd* auf; eine Etymo-
logie weiss ich nicht zu geben, die Bedeutung «Wurfspeer*^ scheint
mir aber sicher zu sein und zwar aus folgenden Qründen: a) sie ist
die einzige, die einen Sinn gibt in 76 und 76 (vgl. Anro. 68) ; b) von
dem Pferde ist ja bereits die Rede gewesen und Vidrafl sitzt schon
im Sattel; c) auch im Säh-näme ist ausser dem Pferde von einem
vergifteten Wurfspeer die Rede, den BTdarafS mit in den Kampf
nimmt; vgl. 1629. 674—76
^^^1 (>s^ tL& ü^ v>Ub ^y
46) va-axar harä yeHhünet zak par§n'i kamänän va-kälä-i tag
gnbrään. Der Tod Zarir*s macht auf Freund und Feind einen solchen
Eindruck, dass der Kampf eine Zeit lang unterbrochen wird. Bei
parin Terweist West im MS. auf np. Jm^ ,agitatio' (?)
47) Der Text hömanam pavan hömanet yaxsenunoM
verdorben. Nach 71 könnte man hömanam pavan hanä f
\e»en ,Ich denke ho'. Vgl. AV. 64. 8, 64. 10. Ich mOchti
62 Sitzung der phüos.-philci. Glosse vom 3. Mai 1890,
Heerführer der Ir&nier; denn nicht mehr dringt 0U meinen
Ohren der Kampf der Bogen und das Schlachtgeschrei der
Streiter. Wer ist nun unter euch Iraniern, der es unter-
nähme, den Zanr zu rächen, damit ich ihm dann meine
Tochter Hum.lk zum Weibe gebe, welche die anmutigste
Frau ist, die es im Reiche Ir3n gibt, und damit ich ihm
als Wohnung den Palast des Zarlr überlasse und die Heer-
führerschafb von Iran verleihe. 58. Keiner der Edlen und
Grossen gab eine Antwort; nur der Sohn des Zanr, der
einem siebenjährigen Knaben ähnlich war, sprang auf und
rief: Für mich sattelt ein Pferd, damit ich mich aufmache
und den Kampf der Iranier sehe und die Grossen des ViStäsp,
und damit ich sehe^ ob der reisige Heerführer, der tapfere
Zarir, mein Vater, am Leben ist oder tot. Wie es steht,
das will ich eurer Majestät berichten. 59. Aber König ViStasp
sprach: Gehe du nicht; denn du bist noch ein Knabe und
verstehst noch nicht die Behutsamkeit, die in den Schlachten
notwendig ist^ und deine Finger sind noch nicht geübt im
Entsenden der Pfeile.*®) Ich fürchte^ es möchten sonst die
Xyön kommen und dich töten; denn sie haben ja auch den
Zarir getötet. Dann würden die Xyön doppelten Ruhm da-
vontragen: Zarir, der Heerführer der Iränier, ist von uns
geti*)tet worden, und auch den Biistvar, seinen Sohn, haben
wir erschlagen. 60. Aber Bastvair sprach im geheimen zu
homanet mit ^nz leichter Aenderung in ömet = np. Juyol, aw.
upa-maiti , Erwartung, S))annung, HotFnung oder Besorgnis* emendieren.
48) lak a1 vazlün, maman lak ajmruäi hömanih, va-rajmän pähr^
lä x(^i^ttf4net, afat angunt pavan tir hl ;ffra«^ gekartmüuet. Ich habe
den Schluss ziemlich frei überHetzt. Mit x^^^^ vergleiche ich np.
vu**M>'^ «via trita" und ^""•i'^ «eti'oHHUd, evulHUH**. Man sieht an
den Kindern ncH'h nichts von den Spuren, welche da» Zerren der
Bogenriehne zurückläHst.
W. Geiger: Ueber das Yatkär-i Zariran, 63
dem Siallinei8ter:**) Vidtasp hat den Befehl gegeben: gebt
dieses Pferd dem Bastvar, nachdem Zanr getötet ist.^)
61. Und der Stallmeister befahl das Pferd zu satteln, und
B&stvar bestieg es, und er trieb das Pferd an und tötete die
Feinde, bis dass er an die Stelle kam, wo er seinen tapferen
Vater tot erblickte. 62. Und er zögerte nicht lange Zeit,**)
sondern sprach: Wehe, du Licht meiner Seele, deinen schim-
mernden Panzer, wer hat ihn davongetragen?*') Wehe, du
49) axar Basttar pavan nihän val v<üman äxursardär yemcUe-
lünit, pavan nihän = np. J g^ * s. Nöldeke, Käru. 8. 67, 2;
äxursardär (iXliD) ist "= ytLua ^1. Im S. n. ist im gleichen Zu-
sammenhange 1532. 647 und 1633. 649 «IOu^a^miI gebraucht.
50) Das MS. hat eak süsyä, amat Zarir kütak yehvünt, harä
val Bastvar yehdninet. Der Text ist sicher korrupt. Ich möchte
vorschlagen, kütak in kuitak (plene geschrieben ^intt^l^) >u ändern.
51) va-lä der damän netrünet. Die gewöhnliche Bedeutung von
netrüntan (aram. ID^) ist allerdings , behüten, bewahren*, doch ist
ea auch Kam. 15. 4, 42. 1 durch .warten, säumen" zu Übersetzen.
52) Der ganze folgende Abschnitt bis zu 64 ist äusserst schwierig;
der Anfang überdies in der Bombayer Hdschr. lückenhaft, so dass
man auf die Ergänzungen des Teheräner MS. angewiesen ist. Was
ich zu geben vermag, ist lediglich ein Versuch, den ich nur mit Be-
denken mitteile. Der Anfang des Textes lautet in möglichst genauer
Wiedergabe |K"I ^ ]1")tt^^N^K niTID« ]10 rWÜ ^K- Bei dem Worte
|^^ findet sich ein diakritisches Zeichen, das diese Lesung vorschreibt;
über dem Schluss von ^\\^^Z steht die Korrektur n^* Ich fasse aläi
als Interjektion «wehe!*. Tr*^ ist vielleicht in wy^ tu ändern (im
Archetypus müsste etwa eine Korrektur wie V\'\ gestanden haben).
SUtt |N-| lew ich |K5 i«» .Seele', und l)K «t vielleicht = vJ
«Glanz, Herrlichkeit* zu nehmen. Das nun folgende Wort ist offen-
bar verdorben, ich vermute H^VlS iauian-at »dein Panzer* = np.
% i*%r" Die AnfQgung des suffixalen Fronomens an ein Subst. ist
dem echten Pahlavi fremd, sie findet sich aber gerade in unserer
Stelle weiter unten in bärak-at wieder. Was endlich das letste Wc^
64 Sitzung der phüosrphüdl, Olasae vom 3. Mai 1890.
Held, deinen Rock, wer hat ihn davongetragen?^*). Wehe,
dein dem Greif gleiches Pferd, wer hat es fortgeführt?**)
Obwohl es dir immer ein Wunsch war: mit den Xyön hisst
mich kämpfen!^*) so liegst du nun da getötet in der
Schlacht wie ein niedriger, armer Mann. ^) 63. Dieses dein
....Haar und dein Bart sind von den Winden s^rrauft;*'')
dein reiner Leib ist von den Pferden zerstampft mit ihren
betrifft, so liest dasselbe West ;|ramüil^ = np. rr • j t ^ = imyA^
Ich transskribiere ham-vtxt und stelle das Wort zu %j{^s\AfS\ in
der Bed. \j*^y^ )%*^ (bei Vullers u. d. W.). Kine gewisse Stütze
erhält meine Auffassung der Stelle durch das §. n. 158S. 668 ^ wo
die Rede des Nastür auch mit den Worten beginnt Sjov>« J(> ^^y^
^jjo ijI-^^ ii<iu Leuchte meines Herzens und meiner Augen und
meiner Seele*. Dies würde gut zu dem Beginn der Worte Bastvar's
im Yätkär nach meiner Auffassung passen. Auch die Erwähnung
des Panzers stimmt zum S. n., da nach 1529. 583 Bidaratä allerdings
den getöteten Zaiir seiner Rüstung beraubt.
53) aläi varäj patrahan-i Jak niün hamvtxt. Zu varäj = np.
\l*j ist 27 zu vergleichen, wo varäj pavan varäj durch ,Held wider
Held" zu übersetzen ist. Bei patralian ist in West's MS. richtig
auf np. ^Jd|«ju verwiesen.
54) diäi sen-i mürük härak-at mün hamvexL Vgl. aw. saetia
und mereya^ np. p \%^, iv
55) amat-at hamäi etün käm-est alyam levatman Xyönän kärijär
vädünäi.
56) (Ügün agüR JarK (inmtä. Ich glaube, das« in 53rK das ^
ungenaue Schreibung für ;i ist, und lese somit a-ganj — np. ,p^ ^
,ein Mann ohne Thron (»O ) d. h. ohne Rang und Würde und ohne
Reichtum.**
57) Afai denman "lx:iiK f-f^rs oa-res vätäfi vimft yekavimünet.
Das Wort nach denman ist sehr vieldeutig und mir in diesem Zu-
sammenhang unverständlich, rars stelle ich zu aw. raresa; vgl.
Pahlv. vd. 6. 12, 13, 95 u. a
W. Geiger: lieber das Yätkar-i Zarirün, 65
Hufen und Staub lagert auf deinem Gewand.*®) 64/ Aber
wie soll ich jetzt tbun? Denn wenn ich vom Pferde steige
und dein, meines Vaters, Haupt an mein Herz drücke*^)
und den Staub von seinem Gewände entferne, so wird es
mir hernach nicht möglich sein, rasch ^) wieder zu Pferd
zu steigen; ich fürchte, es möchten die Xyön kommen und
mich töten. 65. Denn sie haben auch dich getötet; und sie
würden dann doppelten Ruhm davontragen: Zarir, der Heer-
führer der Iranier, ist von uns getötet worden, und auch den
Bastvar, seinen Sohn, haben wir erschlagen. 66. Darauf
trieb Bastvar sein Pferd an, und er tötete die Feinde, bis
dass er vor den König Vistasp kam, und er sprach zu ihm: Ich
habe mich aufgemacht, und ich habe den Kampf der Iränier
in gutem Stande gesehen, und die Grossen des Vistäsp habe ich
ge^ehen^ und tot habe ich gesehen diesen reisigen Heerführer,
den tapferen Zarir, meinen Vater. Aber wenn es eurer
Majestät gut dünkt, so entlasset mich, dass ich mich auf-
mache, Rache zu suchen für meinen Vater. 67. Hierauf
sprach Jämasp, der oberste Minister: Lass ihn nur ziehen;
denn das Schicksal ist für ihn, und er wird die Feinde töten.
68. Hierauf befahl König Vistlisp ein Pferd zu satteln, und
Bastvar bestieg es. Hierauf gab er ihm (V. dem B.) aus
seinem Köcher einen Pfeil, sprach einen Segensspruch darüber
imd sagte: Aus meinem Köcher mögest du ausgehen sieg-
bringend ®*) 69. Hierauf trieb Bastvar sein Pferd
58) afat awijak tan iriisyän x^^^ pavan päi, afat afrä pavan
iolman niiast. Zu x^<^^^ vgl. Anm. 48.
59) den kanär vädünam = np. i^jf^j^ )^J^ )4>«
60) sapükihä ^ np. v^JUam «leicht, flink*.
61) Der Abschn. 68 ist sehr schwierig. Es ist mir, trotzdem ja
einselne WOrter und Wendungen verständlich sind, nicht geglückt,
eine befriedigende Erklärung zu finden. Vor Beginn des Segens-
flpmchefl stehen die Worte afal^ affin C^nifi vä , ,,d. Hier ist wohl
patak vädünd zu lesen. Der Segenssprnch selber, durch welchen wohl
1890. Philoc-phllol. n. hkt Ol. II. 1. 5
66 Sitzung der phüosrphüol, Glosse vom 3, Mai 1890.
an und tötete die Feinde und kämpfte so tapfer, wie dies
Zarir, der Heerführer der Iränier, gethan. 70. Darauf hielt
Arjasp, der Fürst der Xyön, Umschau vom Gipfel des Berges
und sprach: Wer ist dort der, welcher, ein Bursche von
10 Jahren,®*) ein Pferd reitet, das eines Helden würdig ist,
und Sattelzeug hat, das eines Helden würdig ist, und so
tapfer kämpft, wie dies Zarir, der Heerführer der Iränier,
gethan. 71. Aber ich vermute so, dass dieser Rache nehmen
will für den tapferen Helden des Vistasp, den Zarir. Wer
ist nun unter euch, den Xyön, der es unternähme, mit diesem
Burschen zu kämpfen und ihn zu töten, so würde ich ihm
meine Tochter Basstan zum Weibe geben, welche die an-
mutigste Frau ist, die es im ganzen Reiche der Xyön gibt.
Und ich will ihn zum obersten Minister machen im ganzen
Reiche der Xyön; denn wenn dieser Bursche bis zur Nacht
am Leben bleibt, so wird nicht viel Zeit vergehen, bis kein
einziger von uns, den Xyön, mehr lebend übrig bleibt.
72. Da sprang der Zauberer Vidrafs auf und rief: Für mich
sattelt ein Pferd; denn ich will es unternehmen. 73. Und
sie sattelten ein Pferd, das eisenhufige Streitross des Zarir,
und der Zauberer Vidrafs bestieg es, und ergriff die ver-
zauberte Lanze, welche die Dämonen in der Hölle mit dem
Gifte des Zornes und dem Wasser der Sünde verdorben ge-
der Pfeil Siegenkraft erhalten soll, (vgl. die analoge Stelle in 28,
sowie Anni. 27), lautet im Mh5. so: lantlr min li v^azlunäi "l1iK3l"lS
xadih pacan har rajin va-pät-rajm-i lak perö} X^3T pät-röj sem yäit-
yihuii )<li'itün röjän du^nian murtak yäityünäl va-kevan härak va-
(haß Jedenman sipäh rränak DIIX ^<^^ framälh va-hnm-x^cart-i ^X£13
datän yöm Jäcit.
62) Die Worte r|\in •?]nittO lese ich 10 §natak rahlk = np.
^S^s xJLiM S4>. Ueber das Zeichen ka als Zahlzeichen filr 10 8.
West, Glosa. z. AV. S. 194. rahik steht in der Bed. von np. «ft^Le
(Vullers, u. d. W. ^. 2).
W, Geiger: lieber das Yatkär-i Zanran, 67
macht hatten ; und er ergriff sie mit der Hand und stürmte
in die Schlacht und sah, wie da Bastvar tapfer kämpfte.
Aber er kam nicht von vorne gegen ihn angeritten, sondern
insgeheim von hinten brach er hervor. 74. Bastvar sah um
sich und rief : Verruchter Zauberer ! von vorne komm' heran,
du Sklave !^^) denn ich denke, ich verstehe es ja gar nicbb,
ein Streitross zwischen den Schenkeln zu regieren, und ich
denke, ich verstehe es nicht, einen Pfeil im Köcher zu
führen.^) Von vorne komm' heran, du Sklave! so will ich
dir dein süsses Leben rauben, ^^) wie du es dem tapferen
Heerführer Zarir, meinem Vater, gethaA. 75. Und Vidrafs
der Zauberer . . . .•*) kam heran , von vorne griff er den
Bastvar an, und das schwarze^'') eisenhufige Streitross des
Zarir, wie es die Stimme des Bastvar vernahm, da stemmte
es die vier Beine auf und stiess 999 Schreie aus. Vidrafs
schleuderte den Spiess, aber Bastvar fing ihn mit der Hand
auf.*®) 76. Da rief die Seele des Zarir: Wirf diesen Spiess
63) frä] vcd peS Upamman: ,forth to the front, slave!" (West).
64) maman li yaxsenunam härak azer rän täxtan lä ;ifa(?i^ünam,
va4i yaxftenufiam tir den kantir harä §adilüna9tan lä xd^Uünam.
65) afat denman hasim x^V^ ^^^^ vädünam. Mit äoär vergleiche
ich np. %LI, 5\U.
66) MS. Jälük |XNnD»* ? = Jätük stihän d. h. Zauberer in
Menschengestalt.
67) Der Text bietet hier siyäh, oben 73 ganz im gleichen Zu-
sammenhange süsyä,
68) va-eak siyäh äsanin-itunb'i Zarir härnky amat kälü-i Bastcar
raimamünet, öahär-päi madam [damikj yekavimünät (das Wort damtk
fehlt in der Teheräner Hdschr., in der Bombayer sind nur die ersten
zwei Buchstaben zn lesen, sowie der Anfangszug des dritten) 900 90
va-9 kälä barä vädünet va-Vidraß para^ vejet, va-Bastvar pavan
yadnian fräj makbelünyen. Ueber para§ vgl. Anm. 45. vejet ist
= aw. vi} in hu-ni-vtxta^ das vom Schleudern der Wurfkeule ge-
braucht wird, sskr. vi).
68 Sitzung der philos.'pküol, Classe vom H, Mai 1890,
aus der Hand und nimm aus deinem Köcher einen Pfeil und
gib damit diesem Frevler Antwort. 77. Und Bastvar warf
den Spiess aus der Hand und nahm einen Pfeil aus seinem
Köcher und traf den Vidrafä damit ins Herz, dass er zum
Rücken wieder herausdrang, und stürzte ihn zu Boden und
tötete ihn.*®) 78. Dann wählte er den weissen Schuh des
Zarir ans, der mit Perlen und mit Gold gestickt war,''®) be-
stieg selber das Pferd des Zarir und fasste das eigene Pferd
mit der Hand. 79. Und er trieb sein Pferd an und tötete
die Feinde, bis er zu dem Platze kam, wo Garämik-kart,
des Jamäsp Sohn , das siegreiche Banner mit den Zähnen
gefasst hielt und mit beiden Händen kämpile. 80. Wie
GarSmik-kart und das grosse Heer der Iranier den Bastvar
sahen, da erhoben sie alle zusammen Wehklagen''*) um den
Zarir und sprachen : 0 Knabe, warum bist du gekommen, ob-
wohl doch deine Finger noch nicht geübt sind im Entsenden von
Pfeilen, und obwohl du die Behutsamkeit, die in den Schlachten
7wttvendi(/ ist^ noch nicht verstehst? Ich fürchte^ es möchten
die Xyön kommen und dich töten; denn sie haben ja auch
den Zarir getötet. Dann würden die Xyön doppelten Ruhm
davontragen : Zarir, der Heerführer der IrSnier, ist von uns
getötet worden, und auch den Bastvar, seinen Sohn, haben
wir erschlagen. 81. Hierauf erwiderte Bastvar: In Sieg-
haftigkeit trägst du , o Garämik-kart , des Jämäsp Sohn,
69) va-vart val ruhän yehahünet. Die wtl. Uebers. ist ,er gab
Staub auf seine Seele**. Es sind wohl Redensarten wie io<^)%l *^y^
•J oder 12^'^y^ f^Y '''"'" Vergleiche heranzuziehen.
70) Dios scheint der Sinn der Worte a/Vi« harä rajet zak müJc-i
saprt'i pavan murrnrit-i ham zahahä Zarir harhamak zu sein, die
Konstniktion ist aber dunkel. Zu pavan — harhamak vgl. AV. 14. 7.
71) hcmög-gun Zarir räi baremend. Zu dem ersten Wort, dessen
Lesung zweifelhaft ist, vgl. West, Gl. z. AV. S. 70. baremend kommt
ohne Zweifel von baram und hängt mit baramän^ haramvand za-
saniuien ; s. ebenda S. 79.
W, Geiger: Ueber das Yätkär-i Zartran, 69
dieses siegreiche Banner ; denn wenn ich lebend zurückkomme
vor den König ViStäsp, so werde ich ihm melden, wie tapfer
du gekämpft hast. 82. Dann trieb Bastvar sein Pferd an
und tötete die Feinde, bis er zu dem Platze kam, wo er den
tapferen Helden Spand-dät erblickte. 83. Dieser liess das
zahlreiche Heer der Tränier bei Bastvar;''*) er selber eilte
auf die Spitze des Berges und jagte den Arjasp samt
12 Myriaden seines Heeres vom Gipfel des Berges herab und
zersprengte sie über das Blachfeld.'^^) Und das Schlagen des
Spand-dat drang durch bis zu GarSmik-kart, und Garamik-
kart schlug und drang durch bis zu Bastvar.''^) 84. Da
währte es keine lange Zeit, bis von den Xyön keiner mehr
am Leben übrig blieb mit Ausnahme des einzigen Arjasp,
des Fürsten der Xyon. 85. Und auch ihn nahm der Held
Spand-dat gefangen und schnitt ihm eine Hand und einen
Fuss und ein Ohr ab und brannte ihm ein Auge mit Feuer
aus und schickte ihn auf einem Esel, dem er den Schwanz
abgehauen, in sein Reich zurück und sprach : Gehe und ver-
kündige, was für Thaten du gesehen hast von meiner, des
Helden Spand-dät, Hand; damit die Xyön erfahren, was
sich begeben hat am Tage Farvardin in der Az-dahak-
Schlacht der Leute des Viätasp.
72) di^man zektelünd vad val zak finäk yämtünet dxy yal tag
8pand-4ät [amat Bastvar] ;|ra<{l^t2n^^ zak räbä sipah-i Erän pavan
Bastvar harä Sedkünd, Sollten die im MS. eingeklammerten Worte
richtig sein, so wäre zu Übersetzen: ,.... woselbst der tapfere Held
Spand-dät war. Wie dieser den Bastvar erblickte ..." Mir scheint
aber fast, als ob der Text hier in Unordnung geraten wäre und so
gelesen werden müsste. aiy ydl tag Spand-dät j^aditdnet. A;|rar zak
yal tag Spand-dät amat Bastvar x^^itunit . . . Die Auslassung erklärt
sich ungezwungen durch die Wiederholung der gleichen Wörter.
78) va-ÄrJäsp levatman 12 bevar sipäh min köf sar maxUünet
ra-harä va-roZ dait ramitünet,
74) va-Spand-dät zana§n val Garämik-kart spöjet^ Chwümi -i
tamt vü-val Bastvar spqjet. Statt zanain könnte auch Miri
werden; das Wort ist nur teilweise erhalten. Za spSjß^
spöztan bei West, Ql. z. Mkh. S. 191 imten, np. ^j2i^
70 Sitzung der phüos.-jjhüd. Classe vom 3, Mai 1890,
II. Das Verhältnis des YatkSr-i ZarirSn
zum S&h-name.
I. Wenn man das Yätkar-i Zariran auch nur oberfläch-
lich mit dem entsprechenden Abschnitte des Säh-nSme von
Daqiqi^) vergleicht, so springt die enge Zusammengehörigkeit
sofort ins Auge. Allerdings ist der Pahlavi-Text bedeutend
bündiger und entbehrt des ausschmückenden Beiwerks. Die
Darstellung im Königsbuche dagegen geht ins Breite: Reden
unterbrechen den Fortschritt der Handlung, die Briefe, welche
GuStäsp und ArjSsp wechseln, werden ausführlich mitgeteilt,
die Schilderung der Kämpfe gefällt sich in der Ausmalung
der Einzelheiten. Allein dieser Unterschied fallt selbstver-
ständlich nicht ins Gewicht, da er schon durch die ungleich-
artigen Zwecke der prosaischen und der dichterischen Dar-
stellung begründet sein würde. Ich möchte aber glauben,
dass diese Breite schon in dem prosaischen Königsbuche be-
stand, welches den Dichtungen des Firdausi und des Daqiq!
zu gründe lag; sie erklärt sich hier durch den Zusammenfluss
verschiedener Quellen, durch das Ineinanderarbeiten mehrerer
den gleichen Stoff behandelnder Sagen. Der Gang der Be-
gebenheiten ist jedenfalls — vom Schluss abgesehen, auf den
ich zurückkommen werde — nicht bloss in den Hauptzügen,
sondern auch in zahlreichen Einzelheiten im Yatksr und im
Sah-nänie vollkommen übereinstimmend. Es ist wohl, denke
ich, nicht notwendig, auf diesen Punkt näher einzugehen.
Die Mohr sehe Uebersetzung ist ja allgemein zugänglich,
und jedermann kann sich schon bei flüchtiger Durchsicht
derselben von der Richtigkeit des Gesagten überzeugen. Die
Uebereinstimmung ist aber auch eine derartige, dass sie sich
unmöglich nur durch die Annahme erklären lässt, der Ver-
1) Bd. III. S. 1495 fF. der Vullers-Landauer'schen Ausfjabe.
In Mohl'a Uebewetzung IV. S. 287 ff., bei Pizzi V. S. 79 ff.
W. Geiger: Ueber das YütkärA Zarirän, 71
fasser unseres Pahlavi-Textes habe eben einen allgemein be-
kannten Stoff des einheimischen Sagenkreises behandelt. Es
muss vielmehr ein bestimmter quellenmässiger Zusammenhang
zwischen dem Yatklflr und dem Königsbuche bestanden haben.
Um dies zu beweisen, will ich aus beiden eine Anzahl von
Stellen neben einander setzen, welche selbst in einzelnen Aus-
drücken, Wendungen und Bildern eine merkwürdige Aehnlich-
keit zeigen. Diese Stellen nötigen uns zu der Annahme, dass
entweder Daqiqi's Darstellung mittelbar auf den Text des
Yätkar zurückgehen muss oder dass beide auf eine gemein-
same Quelle zurückzufahren sind.
1) Wie Viätäsp den Glauben der Mazda Verehrer an-
genommen, verspricht ihm ArjSsp, falls er denselben verlassen
werde:
8. adayin'tün pavan S.-n. 1504. v. 158 ff.
Xutäi parastem, ada- ^^-a-ä-^ O^r^) ^'-^ kJ^)
yin-tän yehebünam, snat 7 i i
pavan snat, kabed za- ü^) c^y y^^ yJ ^^^ V'
habä, kabed stmtn, va- [ g y/ yjj^^ ^1 jUi^ yü
2) 10. Zarirzütan- §.-n. 1508. 212 ff.
darün den vaelünt, afas J4>j*Lj ^^^ ssaLS voLjä^ »Uo
val Vistäsp Sah guft ^
alyihat leküm bayän ;*^; g *^' '/^ *^^ ^r^^ f^
medammünetjidenman \^Ji^\ oU -^ ^^^b äT
parvartakpasuxfarma^ ^ "' '^ \' ^ d^ ""
ytm hartan. Vistäsp ^;^^^^<^ «Li v:^' «X^t 4X^
sah farmän yehebünt ^' a :ei .- « ^^
a%Y : parvartak pasux *
vädün!
kabed süsya nevak va-
kabed gas satr-atyyärth.
72 Sitzung der phüo8,-pfnlol, Classe vom 3. Mai 1890,
3) Der Schwur des Viätasp lautet:
24. pavan gadman i§.-n. 1515. 323—24:
Oharmazd va-dÄnA ,^ ^l, UiT JjüU^
Mazdasnän va-^ayä ^ ^ ^ "* *
Zarxr ax saugand vas- ^5')^^ )^\j^'*^ C^ \j^.^
4) Beschreibung der Schlacht:
27 , kabed emlevatman S.-n. 1516. 335: *
puhar kabed awe-äb, va- .^ iülä/^Ju^ y,;
kabed üb awe-puhar, va- ^ > v •
kabed nesman süiman-
ddk awe-süi yehvünd.
b) Jamasp tröstet den Vistäsp:
V
S3, ma7nan Süyat geh' S.-n. 1521. 423**:
vToitan^ antat säyat geh- [• . \n Li
6) Die Aufforderung des JamSsp an Vistäsp, sich vom
Boden zu erheben und den Thron wieder zu besteigen:
33. min detiman afrü S.-n. 1520. 421 :
madam axezet va-lax- i ^^ ,. , . ^^^ ^ Jl • ,. v
rar val icai-yäs yetxbu- ' ^ v^ y* -'^ wy y
W. Geiger: lieber das Yätkär-i Zariran, 73
7) Zarlr stürmt in den Kampf:
51. öigün amat Ätur S-»- 1527. 543:
yaaat den va-val Jcanyä- ^L> jjo. yäif »LT ,Jül
stän^) uftet afas vcU-id ' ^ "
ätyyär yehevünet. Vgl.
Note 40.
8) Aufforderung des Arjasp an seine Grossen, dem Zarir
entgegen zu treten:
h2,m%nlekümXyönän S.-n. 1528. 553, 555:
mün et mun v(ulünet b\y^Jj U^ \l 4>y^ vi^^Muolji'
levatman Zarlr köxSet^ . i • T
afas kuSet zak-i taxm ^^ O^ )' ^^^ ^.' *^
sipäh-pat tag Zartr^
lad Zarsian-i li hart- ^)\J^,^ Ja^^O ^O K^l ^
man pavan nesmanth ^
öbas yehebünam^ mün ^ü^^ 7 -? • T^ v*
. . . löet^ afas hamäk
satr-i Xyönän baitäth
vadünam. Vgl. Note
41-43.
9) Damit ist zu vergleichen die analoge Aufforderung
des Vistasp:
57. min leküm Erm S--n. 1530. 607, 1531. 610:
niün et mün vojslünet y^ o^M»»«Tt(X-5' UäXj %X^mJ^
va-min Zarträn hin ba- - . < rs 1 V x<
vihünet, vad amat-as T^» t^ ^^ ^^ ^'
Eak-i Humäk-i li döxt
pat-an fiesmamh öbas ^L jäuu J^ ä^Luo /^ äT
yehebunam. v v - / >
1) Nach dem S.-n. möchte man sich fast yersucht fahlen, kan-
yästän in Jnyästän su ändern. Eis war das wenigstenf T«
eine Variante in irgend einem Pahlayi-Original der Qaell
74 Sitzung der phüos.-phüol. Glosse vom 3. Mai 1890.
10) AngriflF des Vidrafs auf Zarir:
50. fräj val pes lä §.-n. 1529. 579
asühäret vaelünet afas ^^^ , |->. ^ . ^j
min nihän mm axar » •
fräj dübäret vazlünet. ^r "^f f """^^ ^ y^H)
11) Bastvar (.^Ju»o) im Kampfe:
Ol. süsya früj sed- §.-n. 1533. 660—662.
künyen va-dmman eeh- ^ -^
tclümt, vad val eak ;^ ^^5^' f '^T*^ v:^' O^-
jwäkyamtünetatymur' .^ ojS^ ^<ft^ 4>yo ^^i^J;S t«
taktagabtiarxavttünet. , .
j^jo lüuÄy JL-^ ^icu i^^f ^
Man wird auf diese Parallelstellen einzeln für sich be-
trachtet kein allzu grosses Gewicht legen dürfen. Allein wenn
auch jede von ihnen an sich wenig beweiskräftig ist, so sind
sie doch in ihrer Gesamtheit nicht ganz ohne Bedeutung.
Halten wir sie zusammen mit der Thatsache der grossen Aehn-
lichkeit, welche zwischen Yatkar und Königsbuch in der Schil-
derung der Begebenheiten, selbst bis in Einzelheiten hinein,
besteht, so wird man wenigstens den engeren quellenmässigen
Zusammenhang zwischen beiden Texten nicht in Abrede
stellen können.
II. Fassen wir aber nun die Sache näher ins Auge, so
sehen wir, dass trotz aller Aehnlichkeiten das Yatkar gegen-
über dem äsh-näme doch in mancher Hinsicht eine selb-
ständige Stellung einnimmt, und zwar repräsentiert es
eine ältere und ursprünglichere Form der Ueber-
lieferung. Diese Thatsache ergibt sich als eine ganz zweifei-
W, Geiger: Ueber das Yätkär-i Zanrän. 75
lose, wenn wir die im YatkSr vorkommenden Eigennamen
mit denen des persischen Königsbiiches vergleichen:
1) Arjasp, der Ar^at-aspa des Awesta wird im §ah-
nSme als König der ^y> und fj*^ bezeichnet. Das Yät-
kSr bezeichnet ihn als Fürsten der Xyön. Diess stimmt mit
den Angaben des Awesta überein, wo yt. 9. 80, 81 ; 17. 50,
51 ; 19. 87 Arejat-aspa als hyaona bezeichnet wird.
Was den Namen hyaona betriflft, so glaube ich aller-
dings, dass derselbe identisch ist mit dem der Chioniten, wie
dies Spiegel') zuerst nachgewiesen hat. Ebenso unzweifel-
haft ist es, dass diese Chioniten mit welchen Sapür II (Mitte
des 4. Jahrh. n. Chr.) Krieg führte, in der Nachbarschaft
von Gilan wohnten. Für die Feststellung des Wohnsitzes der
Hyaona der iranischen Heldensage ist dies aber ohne Belang.
Dieselbe verlegt übereinstimmend den Schauplatz der Kämpfe
zwischen Arjasp und Yistäsp nach dem Osten de» Reiches.
Das Sah-name nennt den Jihün (1505. 165, 1511. 264 etc.),
das Yatkar (12) das Gebiet von Merw. Wir müssen also
annehmen, dass im Verlaufe der Zeit eine Verschiebung im
Wohnsitze der Chioniten stattgefunden hat, oder dass zwischen
den Hyaona des Awesta und den Xyon des Yatkar auf der
einen und den Chioniten Ammians auf der anderen Seite
eben nur eine Identität des Namens besteht. Erstere An-
nahme ist mir die wahrscheinlichere, sie hat auch ihre
Analogien, z. B. in der Geschichte der Alanen.')
2) Der Sohn des Vistäsp, welcher der Weissagung das
Jamasp zufolge in der Schlacht von NSm-^wast getötet
werden soll, heisst im Yatkar 39 fras^xuri. An einer anderen
Stelle (30) ist der Name verstümmelt, an einer dritten (44)
findet sich eine etwas andere Form, welche wohl frasö-kart
1) yi8tä9pa oder Hystaspes und das Reich von Bak'
Histor. Zeitschnft N. F. Vm. S. 18. Vgl. Sitsk 1
2) T. Gutschmid, Gesch. Irans 8. 67 ft
76 Sitzung der phüosrphüol, Glosse vom 3, Mai 1800,
zu lesen ist. Die Pahlavizeichen lassen sich etwa durch
nn:i"INtt^"lS transskribieren, wobei "IK wie dies öfters vorkommt,
statt des d- Vokals, :i statt k (gleichfalls eine sehr häufige
Vertauschung) steht. Ich habe die Namensform fraSö-kart
in den Text aufgenommen und glaube, nicht fehlzugreifen,
wenn ich den Namen identifiziere mit dem frasö-kareta des
Awesta, welcher in der Liste yt. 13. 102 unter den Söhnen
des Vistäspa genannt wird.^)
3) Der Sohn des Zarir, der den Tod seines Vaters rächt,
führt den Namen Bastvar. Derselbe ist ohne Zweifel der
Basia-vairi, welcher im Awesta yt. 13. 103 unmittelbar
nach Spentö-dsta genannt wird.*) Natürlich ist wieder
Bastvar identisch mit dem )y^^^ des Sah-näme, und dieses
muss ein alter Fehler für )y^***^ sein. Dass dieser Fehler
aber nicht dem Daqiqi zur Last gelegt werden darf, sondern .
bereits in dessen Quelle zurückgeht, das beweist Tabarl, der
ebenfalls ^^h-'^ schreibt. Ein Blick auf die in Tabari's
Chronik vorkommenden Namen zeigt uns überhaupt, dass
dieselbe in ihrem Berichte vom Krieg zwischen Arjäsp und
Guätäsp vollständig zu dem Berichte des Königsbuches stimmt.^)
4) Erwähnt sei endlich, dass im YatkSr 48 auch die
Gattin des Vistasp erwähnt wird mit Namen Hutös. Sie ist
nach der nämlichen Stelle zugleich die Schwester ihres
Mannes. Im Awesta wird Hutaosa yt. 9. 26, 17. 40, 15.
35, 13. 139 erwähnt; doch bleibt ihr doppeltes Verhältnis
1) Spiegel, Commentar II. 614.
2) Darmesteter, l^tudes iran. II. 330.
3) Vgl. S. 677, Z. 3 der de Goeje'echen Ausgabe. Ich bemerke
hier, dass ich auch einen dritten Namen aus der Liste yt. 13. 103 im
Königfibuche nachweisen zu können glaube. Nach meiner Meinung
ist nämlich der §.-n. 1520. 414 etc. erwähnte ^\S identisch mit
dem Karärasmö in yt. 13. 103. Tabari hat äVö nach Nöldeke'a
gewiss richtiger Emendation S. 677, Z. 10.
W, Geiger: üeher das Yätkar-i Zarirän, 77
ZU Vistaspa unberührt. Dasselbe ist übrigens aus dem Grunde
von Interesse, weil ja auch die historische Atossa zugleich
die Schwester und Gattin des Kambyses war. Das §5h-n?ime
erwähnt die Hutos nicht, aber der Name muss in dem alten
Pahlavi-x^tai-nämak gestanden haben , da er bei Taban
vorkommt.^)
Von den übrigen im Ystkar allein vorkommenden Namen
ist vor allem der des Pät-xusrav zu erwähnen, eines Bruders
des Vistasp, welcher gleich Frasö-kart von NSm-^wäst ge-
tötet wird. Es ist leider nicht möglich, denselben im Awesta
aufzufinden; ich zweifle aber nicht, dass auch hier wieder
eine alte Tradition vorliegt. Ebenso wenig vermag ich die
Namen der beiden Töchter des Arjäsp, Zarsianv (52) und
BaSstanÜ (71),*) anderweitig nachzuweisen.
In einer Reihe von Namen, die sich teilweise auch im
Awesta finden, stimmen Yätkär und äsh-name zusammen.
Eis sind dies, um von VistSsp, Arjasp und Jamasp ganz abzu-
sehen, vor allem die Namen der Helden Spand-dät =
^L^JJÜLmI = aw. Spehtö-däta und Zartr = ji<\ = aw.
Zairi'Vairi (»mit goldenem Panzer'*). Letzterer ist natürlich
der Zariadres, der Held der von Chares von Mytilene (bei
Athenäus) Oberlieferten Liebesgeschichte.^) Ak Tochter des
Vistäsp wird im Yatkär 57 Humak genannt = ^Ujd (§.-n.
1531. 619) = aw. huma. Eine Uebereinstimmung zwischen
dem Ystkar und dem §ah-name liegt endlich noch vor in
den Namen der beiden tOränischen Helden Vidrafs und
1) S. 678, Z. 2 ^^^.
2) Der Name Zar-stan Hesse sich vielleicht als .goldbusig* er-
klären. Statt BaS'Stan könnte man Beh-stan = Veh-atan (vgl. Note 5)
lesen: »schönbusig*. Allerdings ist das PahlavI-Wort fEür nBasen*"
sonst pisiän.
8) Bapp, ZDM6. XX. S. 65; Spiegel, Srii
kande I. S. 665.
78 Sitzung der phüos.-phüol. Classe vom .?. Mai 1890.
Nsm-xwast = jäJ^Juo und vaA*Ml«itfb (vgl. dazu Anm. 3)
und des Sohnes des Jiimasp^) Garämlk-kart = is^^j^'
III. Abgesehen von den Differenzen in den Eigennamen
fallen uns vor allem zwei Verschiedenheiten in der Erzählung
des Yätkar und des Sah-n3me auf: l) Die Einzelkämpfe in
der Arjäsp-Sehlacht fehlen im Pahlavi-Text voUstiindig;
2) Der Schluss weicht in beiden Quellen erheblich ab. Beide
Verschiedenheiten gehen, wie ich glaube, auf ein und die-
selbe Ursache zurück.
Man kann nicht sagen, dass die genaue Schilderung
der Schlacht zwischen Arjssp und Gust^p mit ihren zahl-
reichen Einzelkämpfen ausschliesslich auf Rechnung der
dichterischen Ausmalung seitens des Daqiqi zu setzen sei.
Auch das Yatkär hat eine Tradition dieser Kämpfe in der
Weissagung des Jämasp von dem Verlaufe der Schlacht er-
halten (28 — 30); allein hier werden ausser Zarir nur Pafc-
Xusrav, der Bruder des Visblsp, und Frasö-kart, sein Sohn,
mit Namen genannt. Ausserdem heisst es nur im allgemeinen,
dass 22 von den Söhnen und Brüdern des Königs fallen
werden. Ganz anders im Königsbuche. Gerade die beiden
Namen, welche im Yatkär besonders erwähnt werden, kommen
hier überhaupt nicht vor, dagegen werden der K^eihe nach
die Helden thaten und der Tod folgender Iränier (1523. 473 ff.)
geschildert: 1) Ardasir, Sohn des Gustasp; 2) §örö (Variante:
Örniazd); 3) Sedasp; 4) Garämi, der Sohn des Jämasp (^1524.
407 ff.); 5) Nastfir, der Sohn des Zarir (rächt den GarRml
und kehrt siegreich zurück); 6) NivzAr, der Sohn des Gustasp;
7) Zarir, Bruder des Königs (1527. 549 ff.), wird von Bidarafs
erschlagen. Nach Zarir's Tod eilen nun Nastür und Isfandyar
in den Kampf, um Rache für ihn zu nehmen.
1) Im Awestä yt. 13. 104 wird haiihaurid als Sohn des J.
QämäspanaJ genannt.
W, Geiger: Ueher das Yatkär-i Zanrän, 79
Von allen den Helden nun, welche nach dem Sah-nanie
in der ArjSsp-Schlacht fallen, nennt das Ystkar nur einen,
den Garamik-kart. Allein auch er wird nur kämpfend ge-
schildert (79 ff.), sein Tod wird nicht erwähnt. Dabei möchte
ich auf einen Einzelzug hinweisen, der in beiden Quellen
vorkommt, aber mit einer leichten Differenz, welche durch
die Verschiedenheit der Gesamtschilderung bedingt ist. Daqiqi
berichtet, wie die Tur5nier den Garämi bedrängen (1525.
516 ff.)
^1^ tXjJi-jiXj jiwTU. ^^ ^d^
Wahrend hier also Gar^ml im Kampf die Rechte ver-
liert, das Reichsbanner nun mit den Zähnen ergreift und
mit der Linken ficht, bis er fällt, ist im Yätkar, welclfes
ja überhaupt nicht von GarSmik's Tod spricht, die Sache
anders gewendet. Hier fasst der Held das Banner mit den
Zahnen, um mit beiden Händen ungehindert fechten zu
können : daraß-i peröjan pavan dandün yoxsenuhet va pavan
2 yadman kartjär vadunyen (79).
Ich mochte nun diese Abweichung zwischen Yätkar und
Sah-name damit erklären, dass in dem prosaischen Königs-
bache, auf welchem letzteres beruht, zwei (oder mehr) ver-
schiedene Quellen zusammengeflossen sind. Die eine, welche
unserem YStkar entspricht, beschäftigt sich speziell mit dem
Schicksale des 2iarir, seinem Tod und der Bac
Sohn fOr ihn nimmt; die andere war eine L
80 Sitzung der phüos.-phäol. Clasfte vom 5. Mai 1890,
Arjasp-Schlacht: aus ihr stammen die Einzelheiten, mit
welchen im §ah-name das Bild des grossen Kampfes aus-
gemalt ist.
Wir kommen nun zu dem Schluss der Zarir-Episode,
wie er im Yatkar und im §Sfa-name behandelt wird.
Im YatkSr sehen wir die Ereignisse in einer durchaus
naturgemässen Weise sich entwickeln. Nach Zarir^s Tod
wagt niemand den Kampf gegen Vidrafs aufzunehmen, als
sein Sohn Bastvar. Dieser übernimmt es, den Vater zu
rächen, und erlegt den Vidrafs im Zweikampfe. Spand-dat
gilt auch dem Yatkar als der bedeutendste Held der Iranier.
Allein seine That, die Ueberwältigung und Verstümmelung
des Arjäsp, wird nur kurz gestreift; sie wird nur mit wenig
Worten geschildert, soweit dies eben als Abschluss der ganzen
Erzählung nötig erschien, namentlich um zu zeigen, wie die
Weissagungen des Jamasp sich thatsächlich erfüllten. Das
Interesse des Erzählers bleibt bei Zarir. Dieser ist der Mittel-
punkt der ganzen Geschichte, sein Heldentod und die Rache,
die Bastvar an Vidrafs nimmt, das Hauptthema, dem gegen-
über alles, was sonst noch vorkommt, als Beiwerk in den
Hintergrund tritt. So macht das Yatkar einen durchaus ein-
heitlichen Eindruck. Ich bezweifle nicht, dass es zurück-
geht auf eine alte Quelle, welche die Geschichte von Zarir
behandelt, auf ein Zarir-namak — um der Kürze wegen
diesen Namen anzusetzen — das auch in das Pahlavi-^utai-
namak hineingearbeitet wurde, auf welchem das Sah-näme
beruht. Durch die mehrfache Umarbeitung, welche das Zarir-
nämak bis zu .seinem Uebergange in das persische Königs-
buch erfuhr, erklärt es sich, dass manches Altertümliche —
ich erinnere besonders an die Namen — im Laufe der Zeit
abgestreift wurde.
Dass das Yatkar mit jenem supponierten Zarir-namak
geradezu identisch ist, dass wir also in ihm eine der Quellen
TT. Geiger: lieber das Yätkär-i Zarirän, 81
des Königsbuches selbst gefunden hätten, das wage ich nicht
zu behaupten. Die Sprache macht keinen altertümlichen
Eindruck, und ob wir die moderne Färbung, die das Ganze
trägt, ausschliesslich den Abschreibern aufbürden dürfen, ist
mir sehr zweifelhaft. Manche Momente lassen es sogar als
möglich erscheinen, dass unser Text des Yatkar Uebertragung
eines persischen Textes ist. Diese Ansicht hat West, aller-
dings mit allem Vorbehalte, zuerst mir gegenüber ausge-
sprochen, und eine Prüfung des Pahlavitextes von diesem
Gesichtspunkte aus machte mir die Sache nicht unwahrschein-
lich. Ein überzeugender Beweis wird sich freilich kaum
führen lassen. Mag sich dies nun yerhalten, wie es will,
mir steht nichts desto weniger fest, dass das Tätkar, wenn
auch durch üebertragungen, so doch ohne wesentliche Um-
gestaltungen, auf jene Quelle, das Zarlr-nSmak zurückgeführt
werden muss.
Im Ssh-name nun, um auf dieses näher einzugehen,
erscheint uns der Schluss der Zanr-Episode fremdartig, ich
mochte sagen, unorganisch. Das Hervortreten des Isfandyar
wird jedem unbefangenen Leser auffallen müssen. Es ist
durch den Zusammenhang nicht genügend motiviert. Auf
die Kunde von Zarir's Tod (1531. 612 ff.) eilt Isfandyar
sofort an dessen Stelle in die Schlachtreihe. Da vernimmt
er vom Hügel herab die Stimme seines Vaters, der dem
Sohne Thron und Reich zu überlassen verheisst, falls er sieg-
reich aus dem Kriege heimkehren werde. Isfandyar stürzt
sich ins Kampfgetümmel. Nun springt- aber die Erzählung
plötzlich auf Nastür über (1532. 647 ff.) ; derselbe fordert
vom Stallmeister ein Pferd, um seinen Vater Zarir zu suchen.
Er findet ihn tot auf dem Schlachtfelde und kehrt zu Gudtasp
zurück, Rache für den Erschlagenen zu fordern. Gustäsp
will zuerst selbst am Kampfe teilnehmen, wird aber von
Jamasp abgehalten. Nastür übernimmt pen&nlißh Hie Rache
und fordert den Bidarafg zum Zweikampi
IflOO. P]ii]<M.-phUoL n. hisi. Ol. U. 1.
82 Sitzung der phüosrphüol. Clause vom 3, Mai 1890,
stellt sich ihm erst auf eine Aufforderung des Arjasp hin.
Während beide Helden sich bekämpfen, eilt (1536. 706 ff.)
IsfandySr zur Hilfe herbei. Bidarafs wendet sich gegen ihn,
fehlt ihn mit der Lanze und wird nun von Isfandyar getötet.
Dieser Schluss ist unbefriedigend. Nastür spielt bei
demselben keine glückliebe Rolle. Nicht er, der eigene Sohn,
ist's, der den Vater rächt, sondern Isfandyar. Andrerseits
ist aber Nastür's Persönlichkeit doch noch nicht ganz hinaus-
gedrängt. Er teilt sich gewissermassen mit Isfandyar in die
Ehre, den Bidarafs erlegt zu haben, doch so, dass diesem
der Hauptanteil zukommt. Diese eigentümliche Erscheinung
lässt sich doch nur durch die Annahme erklären, dass sich
hier zwei verschiedene Quellen durchkreuzen. Die eine der-
selben, welche den Hergang in der Weise schildert, wie sie
unserer Auffassungsweise am naturgemässesten erscheint, fiber-
lässt das Werk der Rache dem Nastür. Es ist das eben
die Quelle, welche im Yatkar vorliegt, das mutmassliche
Zarir-nämak. Diese Quelle ist im §ah-name in den Partien
bruchstückweise erhalten, welche von Nastür handeln. In
diesen Partien ist der nahe Zusammenhang mit dem Yatkür
unverkennbar. Neben dem Zarir-namak tritt nun aber, dessen
Darstellung durchkreuzend und umgestaltend, eine neue Quelle
hervor, deren Hauptheld Isfandyar ist. Wir könnten diese
zweite Quelle als ein Spand-dat-n?lmak bezeichnen.
In den Abschnitten des Königsbuches, welche auf die
Beschreibung des ersten Krieges zwischen Gnstäsp und ArJasp
folgen, tritt die Persönlichkeit des Isfandyar ganz in den
Vordergrund. Sie wird mit einer unleugbaren Vorliebe ge-
schildert; denn Isfandyar ist nicht nur ein Held der Waffen,
wie Rusttim, dem er ja an Stärke sogar überlegen ist und
von dem er nur durch Hinterlist bezwungen wird, sondern
auch ein Held des Glaubens und der Frömmigkeit. Offenbar
stellen diese Teile des §ah-näme das jüngste Entwickelungs-
stadiuni eines alten Volksepos dar, dessen Held Isfandyar,
W. Geiger: üeber das Yätkär-i Zarirän, 83
der Spentö-data des Awesta war. Wie es noch jetzt in
Indien zahlreiche in Guzerati verfasste name*s gibt, welche
einzelne Hauptpersonen der altiranischen Heldensage ver-
herrlichen: ein GustSsp-näme , ein Isfandyar-nSme und so
fort, so mag das schon in früheren Zeiten gewesen sein, und
aus der Zusammenstellung solcher Einzelsagen mag das Pahlayi-
Xntai-namak, ^) auf welches als letzte Grundlage das Säh-nSme
des Daqiqi und Firdausi zurückgeht, hervorgegangen sein.
Die Anfügung nun des Spand-dat-nSniak an das Zarir-
nSmak hat die Umgestaltung, welche der Schluss des letzteren
erfuhr, verursacht. IsfandySr, der Held der weiteren im
§ah-name berichteten Begebenheiten, muss schon in der
Arjasp-Schlacht eine Rolle gespielt haben. Er kann aber
doch unmöglich neben einer relativ untergeordneten Persön-
lichkeit, wie Nastür es immerhin im Königsbuche ist, die
zweite Stelle einnehmen. Es muss geradezu die hervor-
ragendste That in der Schlacht, die Rache für Zanr und
die Erlegung des Bidarafs, auf ihn übertragen werden, damit
auf seine künftige Bedeutung im voraus hingewiesen werde.
Ja noch mehr: in diese Arjäsp-Schlacht wird auch das Ver-
sprechen des Gustasp verlegt, dem Sohne Thron und Regierung
abtreten zu wollen, ein Motiv, das ja bekanntlich in der
späteren Geschichte von Isfandyar von Wichtigkeit ist. Auf
solche Weise erhielt die Erzählung von der Arjätöp-Schlacht
ihren befremdenden Abschluss auf Kosten der dichterischen
Wahrheit. Diese Umgestaltung geht aber bereits in eine
der Quellen des Daqiql zurück, möglicherweise sogar schon
in das Pahlavi-xutai-nämak selber, wie uns der Umstand be-
weist, das8 Firdausi die Erzählung des Daqiq! einfach aufnimmt
und fortsetzt, ohne dass der Uebergang irgend welche Härten
oder Schwierigkeiten verursacht.
1) Vgl. namentlich Nöldeke, Tabari, Einleitung S.
bes. Xim ff.
6*
84 Sitzung der pküosr^üol. Classe vaih 3. Mai 1890,
Das alte Zarfr-namak schloss sicher, wie das YritkSr,
mit der Verstümmelung des Arjssp ab. Das ist ein derber,
urwüchsiger, echt epischer Zug, der freilich nicht jedermann
behagt haben mag. In dem Buche von Isfandyär aber wird
die Besiegung des Türkenfürsten weiter ausgeführt und in
das Gebiet des Uebematürlichen und Wunderbaren empor-
gehoben. So entwickelte sich der kurze, kräftige Schluss,
wie er im Yatkar vorliegt, zu einem neuen Epos von einer
ganz eigenartigen Färbung, in welchem Isfandyär in ähn-
licher Weise den Mittelpunkt bildet, wie Rustam in anderen
Teilen des Königsbuches.
Ich möchte zum Schluss versuchen , das Verhältnis
zwischen Ystkar und §ah-n3me graphisch darzustellen. Be-
zeichnet man dabei die Quelle, welche die Details zu der
Schilderung der Arjasp-Schlacht (S. 78 flf.) geliefert haben
mag, mit X, die Zwischenglieder, welche zwischen dem mut-
masslichen Zarlr-namak und dem Ystkär liegen, mit Y, so-
wie die zwischen dem Pahlavi-^utai-nämak und dem persischen
Konigsbuche mit Z, so ergibt sich etwa folgendes Bild:
*Zarir-n5mak — X *Spand-dclt-nämak
Pahl .-xutai-nämak
I z
Yätkar-i Zariran. |
§äh-nanie.
85
Historische Classe.
Sitzung vom 8. Mai 1890.
Herr Lossen hielt einen Vortrag:
, Erzbischof Heinrich von Bremen und das
Haus Oesterreich im Münsterschen Postu-
lationsstreit 1579—1580«.
Wie der Streit, welcher seit dem Jahre 1575 zwischen
den beiden Parteien des bairischen Herzogs Ernst und des
Bremer Erzbischofs, Herzog Heinrich von Lauenburg, um
die Erlangung des Hochstifts Münster geführt wurde, im
Mai 1580 dadurch zum Stillstand kam, daß der im Jahre
1574 zum Bischof postulierte Herzog Johann Wilhelm von
Jülich-Cleve-Berg, anstatt zu resignieren, wie er eigentlich
gesollt hätte, vielmehr die Administration übernahm, habe
ich in meiner Vorgeschichte des Kölnischen Krieges aus-
führlich erzählt.^) Aus vereinzelten, mir damals zu Gebot
stehenden Nachrichten versuchte ich dort auch darzulegen,
inwieweit Beziehungen des Bremer Erzbischofs zum kaiser-
lichen Hofe auf diesen vorläufigen Abschluß des Postulations-
streites mit eingewirkt hatten. Die von Ludwig Keller kurz
vor dem Erscheinen meines Buches veröffentlichten Akten-
stücke fügten dem von mir benutzten Material nichts neues
1) Der Kölnische Krieg. Vorgeschichte 1565—1581. Gotha 1882.
7. Buch. Kap. 1. 3 u. 4. Ich citiere im folgenden Ei
mit der Seitenzahl.
86 Sitzung der histor, Glosse vom 3. Mai 1890.
bei, während Keller's angebliche Erläuterungen durch Flüchtig-
keit und üngenauigkeit die Dinge nur verwirrten.*) Ein
volles Jahr nach meinem Buch, jedoch ohne Kenntnis des-
selben, veröflFentlichte sodann Augustin Hüsing ein Büchlein,*)
welches aus dem Münsterschen Stadtarchiv den von Keller
(und mir) benutzten Münchener und Düsseldorfer Archivalien
einige ergänzende Aktenstücke beifügte , die jedoch , weil
Hüsing seine Vorlagen weder ordentlich lesen konnte noch
recht verstand, nur mit Vorsicht zu benutzen sind. Einige
sehr kurze, aber für die im folgenden zu behandelnde Frage
nicht unwichtige Auszüge aus einem Kopienbuch des Wiener
Haus-Hof- und Staatsarchivs hat endlich noch der inzwischen
leider schon verstorbene Wilhelm Diekamp im 42. Band der
Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Westfalens
mitgeteilt.^) Sonst ist mir keine Publikation bekannt ge-
worden, durch welche meine Darstellung jener für die kirch-
lichen und politischen Verhältnisse von Westfalen und Nieder-
sachsen nicht unwichtigen Dinge erweitert oder berichtigt
worden wäre.
Vor einigen Monaten führten mich nun meine Studien
für die Geschichte des Kölnischen Krieges wieder einmal in
das Dresdener Archiv und kam mir dort ein vordem über-
sehenes Aktenheft zur Hand, welches in jene aus Anlaß des
Münsterschen Postulationsstreites geknüpfte Verbindung des
Bremer Erzbischofs mit dem Hause Oesterreich einen viel
klareren Einblick gestattet, als er mir beim Niederschreiben
1) Ludwig Keller, Die Gegenreformation in Westfalen und am
Niederrhein. 1. Teil (1555—1585). Leipzig 1881. S. 326/34 und
Nr. 465/496.
2) Augustin Hüsing, Der Kampf um die katholische Religion
im Bisthum Münster. 1535—1585. Münster 1883.
3) Wilh. Diekamp, Beiträge z. Gesch. der kath. Reformation im
Bisthum Münster a. a. 0. 1884. S. 158/171.
Lassen: Erzbischof Heinrich van Bremen, 87
meiner Vorgeschichte möglich gewesen war.^) Unter stetem
Hinweis auf meine frühere Erzählung beabsichtige ich hier
die wichtigeren neuen Ergebnisse jenes Dresdener Akten-
fascikels zusammenzustellen. Den Haupt-Inhalt desselben
bilden Berichte, welche Erzbischof Heinrich im Jahre 1580
Qber seine Beziehungen zum kaiserlichen Hof an seinen
Oheim und Gönner, den Kurfürsten August von Sachsen,
teils brieflich, teils durch einen eigenen Gesandten gelangen
ließ.
Im Sommer 1578, nachdem der Streit zwischen der
bairischen und der bremischen Partei des Münsterschen Dom-
kapitels schon drei Jahre gewährt hatte, sprachen zuerst die
Stiftsstadte, dann auch die Ritterschaft das bestimmte Ver-
langen ans, das Domkapitel solle Ton beiden bisherigen Be-
werbern absehen und einen Dritten wählen.*) Den Vater
des jetzigen Postulierten, Herzog Wilhelm von Jtilich-Cleve-
Berg, gedachte man dieser Forderung dadurch geneigt zu
stimmen, dass man ihm anheimgäbe, selbst einige geeignete
Kandidaten dem Domkapitel zur Auswahl vorzuschlagen.
Die erste Antwort des Herzogs auf dieses Ansinnen, am
30. Oktober 1578, lautete wirklich — freilich nur in Folge
ihrer ungeschickten Fassung — so entgegenkommend, daß
daraufhin, im Dezember 1578, die Münsterschen Stiftsstande
den beiden Parteien des Domkapitels bereits einen bestimmten
Vorschlag unterbreiteten, wie im Falle fortdauernden Zwie-
spaltes der Domherren zur Wahl eines Dritten zu gelangen
sei: 80 nämlich, daß sowohl Bremen wie Baiern freiwillig
zurückträten, Herzog Wilhelm aber gebeten würde, seinen
Sohn resignieren zu lassen und dem Domkapitel drei oder
1) K. Sachs. Hauptstaatsarchiv zu Dresden, loc. 8958 «Münster-
ische Wahlen Nr. 4*. Ich citiere im folgenden DrA. mit der
Blattzahl.
2) Köln. Krieg I, 599 f.
88 Sitzung der histor, Glosse vom 3. Mai 1890.
vier andere taugliche Personen zur Auswahl zu benennen.^)
Während man nun am clevischen und am bairischen Hofe
nicht gewillt war, auf die Nachfolge des Herzogs Ernst in
Münster zu verzichten, dachte Erzbischof Heinrich für seine
Person anders: — Seit Jahren bemühte er sich vergeblich,
durch allerlei gute Worte und Versprechungen für sein längst
ganz protestantisches Erzstift Bremen, sodann für seine mit
protestantischen Elementen schon stark durchsetzten Hoch-
stifter Osnabrück und Paderborn, von Rom bestätigt zu
werden;*) wie viel schwächer war die Aussicht auf päpstliche
Konfirmation seiner Wahl für das Stift Münster, wo das
römisch-katholische Bekenntnis noch fast unbeschränkt
herrschte, wo eine ansehnliche Partei im Domkapitel nichts
von ihm wissen wollte, und wo er endlich zwei der mächtigsten
deutschen Fürstenhäuser, Cleve und Baiem, zu Gegnern hatte !
Von Natur zum Vermitteln und Paktieren angelegt, nie
geneigt die Dinge auf die Spitze zu treiben, hatte er sicher-
lich den Gedanken, seine durch Majoritätswahl erworbenen
Rechte auf Stift Münster um einen möglichst guten Preis
loszuschlagen, längst schon im Herzen erwogen, als jetzt das
Drängen der Münsterschen Landstände ihn nötigte, Art und
Weise der Ausführung ernstlich ins Auge zu fassen. Bereits
im Spätsommer 1578, kurz nachdem die Landstände ihre
Wünsche wegen der Wahl eines Dritten zuerst offen kund-
gegeben hatten, war Erzbischof Heinrich durch den Land-
grafen Wilhelm von Hessen ersucht worden , dem jungen
Grafen Bernhard von Waldeck, einem Vetter der hessischen
Landgrafen, seine Rechte auf Münster abzutreten.^) Der
Erzbischof schien für seine Person nicht gerade abgenpigt.
1) Köln. Krieg I, 601/4.
2) Köln. Krieg I, 210 f., 257 ff., 362, 375. Vgl. auch W. E.
Schwarz, Der Briefwechsel dos Kaisers Maximilian II. mit Papst
Pius V. Paderborn 1889. 8. 79 ff.
3) Köln. Krieg I, 600 f.
Zossen: Erebischof Heinrich von Bremen, 89
behielt sich jedoch Rücksprache mit seinen Anhängern im
Kapitel vor. Außerdem erkundigte er sich im November
1578 bei seinem Oheim, dem Kurfürsten von Sachsen, was
dieser von der ihm angesonnenen Gession denke. Nun war
man zwar auch in Dresden der Meinung, daß das Haus
Baiem in Niederdeutschland nicht zu mächtig werden dürfe,
und erklärte sich darum — übrigens, aus Rücksicht auf die
Freundschaft mit dem Hause Baiern, nur mündlich und nur
unter der Voraussetzung, dass sich Herzog Heinrich hier-
durch nicht noch mehr Feinde mache — mit Heinrich's Ver-
zicht auf die in Münster erworbenen Rechte einverstanden;
ein besonderes Interesse für die Person des Grafen von Waldeck
war jedoch augenscheinlich am sächsischen Hofe nicht vor-
handen.^) Bald nachher verfiel daher Erzbischof Heinrich
selbst auf einen anderen Kandidaten, den er mit größerem
Vorteil für sich selbst und zugleich mit mehr Aussicht auf
Erfolg an seine Stelle treten lassen konnte, — nämlich auf
Erzherzog Maximilian, einen der jüngeren Brüder des Kaisers
Rudolf n.
In dem Bericht, welchen der Erzbischof nachmals dem
sächsischen Kurfürsten über diese Kandidatur vortragen ließ,
heißt es: er, Herzog Heinrich, habe sich überzeugen müssen,
daß er wegen der Praktiken der Raesfeldischen Faktion im
Münsterschen Domkapitel, welche auch den Papst gegen ihn
aufgehetzt, keine Aussicht gehabt habe, seine Postulation
durchzusetzen. Das habe ihn bestimmt, wiewohl er lieber
einen seiner eignen Brüder dahin befördert gesehen hätte,
auf eine Person zu gedenken, der sich seine Gegner nicht
widersetzen könnten, — nämlich auf den Bruder des Kaisers,
Erzherzog Maximilian, welcher denn auch sein Anerbieten
mit großem Dank aufgenommen habe.*) — Hiebei ist nicht
1) Köln. Krieg I, 606.
2) Schriftliche Relation Hermann*« von der Becke all
in Annaburg 16. Januar 1580, samt Beilagen, DrA. %. 0*'
90 Sitzung der histar, Gasse vom 3. Mai 1890.
erwäbnt, welche besonderen Vorteile für seine Person Erz-
bischof Heinrich von dieser Kandidatur sich versprach. Diese
liegen aber auf der Hand.
Herzog Heinrich, seit 1567 bereits postulierter Erz-
bischof von Bremen, war zum Bischof von Osnabrück, im
Jahre 1574, und zum Bischof von Paderborn, im Jahre 1577,
nur unter der ausdrücklichen, in den Konkordaten der
deutschen Nation begründeten Bedingung gewählt worden,
daß er sich die päpstliche Konfirmation verschaffe; bis dahin
sollte eigentlich nicht ihm, sondern den Domkapiteln die
Stiflsregierung zustehen.*) Wiewohl die beiden Domkapitel
nachher nicht vollständig auf ihrem Schein bestanden, sondern
aus Zweckmäßigkeitsgründeo dem Postulierten die Regierung
überließen , blieb doch die Voraussetzung päpstlicher Be-
stätigung in Kraft. Am kaiserlichen Hof konnte Herzog
Heinrich nur auf je zwei Jahre Lehensindulte erlangen und
regelmäßig mit der Bedingung, daß er sich um die päpst-
liche Konfirmation bemühen müsse. Gerade damals, im
Winter 1578 auf 79, war Herzog Heinrich's Kammersekretär
und Vertrauter, Hermann von der Becke, wieder einmal in
Prag, um eine Verlängerung des Lehen-Indults für Osna-
brück zu erwirken.*) Das Gesuch stieß wieder auf Schwierig-
keiten, zum Teil wohl in Folge einer Zusage, welche der
neue Kaiser Rudolf auf dem Regensburger Reichstag (1576)
1) Köln. Krieg I, 257f. 548. Vgl. Stuve, Gesch. des Hoebstifts
Osnabrück. 2. Teil. 1872. S. 242.
2) Für Osnabrück erhielt Herzog Heinrich zuerst 1674, dann
wieder 1576 oder 77, ein kais. Lehenaindult. Stüve a. 0. S. 238 u.
272; für Paderborn ebenfalls auf 2 Jahre im Februar 1578. Köln.
Krieg I, 625. — Für Bremen war dem Erzbischof, nach Lünig,
Teutsches Keichs-Archiv Tom. IX. 452 (Pars spec. Tom. V), bereits
am 26. Februar 1577 das Lehcnsindult auf unbestimmte Zeit proro-
giert worden, mimlich „so lange bis S. L. berürt päpstl. Confirmation
und kaiserl. voUkommliche Belehnung erlanget.*
Lassen: Erzbischof Heinrich von Bremen, 91
dem Kardinallegaten Morone gegeben hatte,^) so daß Heinrich,
auf den Rat der kaiserlichen Geheimräte, die Vermittelung
seines Oheims, des sächsischen Kurfürsten, anrief. Damals
nun setzte sich von der Becke im Auftrag seines Herrn auch
mit dem in Wien weilenden Erzherzog Maximilian in Ver-
bindung. Er eröfinete diesem die Aussicht das Plochstift
Munster zu erlangen, ohne Zweifel in der Erwartung, daß
Maximilian und sein Bruder, der Kaiser, zum Danke dafür
die Hemmnisse aus dem Wege räumen würden, welchen
Heinrich's Regierung in Osnabrück und Paderborn begegnete.
Am 24. April 1579 antwortete der Erzherzog auf diese durch
seinen Stallmeister Karl von Zierotin und einen kaiserlichen
Sekretär (Obern burger?) an ihn gelangten Andeutungen, in-
dem er, jedenfalls mit Wissen und Willen des Kaisers, das
Anerbieten zwar nicht für seine Person, wohl aber für seinen
älteren Bruder,» Erzherzog Matthias, dankbar annahm.*) Die
Aussicht, dass dieser Bischof von Münster werden könne,
betrachtete man am kaiserlichen Hof als ein willkommenes
Mittel, ihn und das ganze kaiserliche Haus aus dem ge-
spannten Verhältnis zu dem König von Spanien zu befreien,
in welches Matthias, durch die unbesonnene Uebernahme der
niederländischen Statthalterschaft, beide gebracht hatte. Die
Wahl zum Bischof von Münster sollte für Erzherzog Matthias,
wie sich von der Becke einmal ausdrückte, ,der Theseus-
faden werden, an dem ihn der Kaiser aus dem undurch-
dringbaren Labyrinth befreie, in dem er jetzt stecke und
1) Köln. Krieg I, 624 A. 1. Die von mir dort angeführten
Gründe scheinen mir durch die Bemerkung von Fr. v. Bezold, Briefe
des Pfgm. Johann Casimir I, 677, Nachtrag zu Nr. 371 u. 399 nicht
berührt zu werden.
2) Erzh. Maximilian bemerkt in diesem Brief (Kop. DrA. a. 0.
f. 15) u. a., «daß wir uns auch noch guetter massen eriimeni könten,
waß e. 1. 'durch ermelten iren secretarium hiebevor I
messigem fal des erzstifbs Cöln halben an unsem fti
92 Sitzung der histor, Glosse vom 3, Mai 1890.
umherirre".^) Darum ließ denn auch der kaiserliche Hof,
als er nachher dem Erzherzog von dem Plane Nachricht
gab, diesen nicht in Zweifel, dass er, um das Hochstift
Münster zu erlangen, die niederländische Statthalterei auf-
geben müsse*).
Erzbischof Heinrich war anfangs nicht sehr geneigt,
auf die ihm von Prag ans angesonnene Vertauschung der
beiden Brüder einzugehn. Als Erzbischof von Bremen und
Bischof von Osnabrück hatte er bisher gute Nachbarschaft
mit den niederländischen Statthaltern des spanischen Eöni^
gehalten. Einer seiner eigenen Brüder, Herzog Franz der
Jüngere, war spanischer Pensionär und Oberst. Mit gutem
Grund durfte er bezweifeln, ob Erzherzog Matthias dem
König und dessen Statthalter, dem Prinzen von Parma, als
künftiger Nachbar in Münster genehm sein werde; eben
darum war es aber auch sehr fraglich, ob die Münsterschen
Domherren und Stände Matthias als Landesherm haben
wollten. Diese Bedenken deutete Heinrich in seiner Ant-
wort vom 25. Mai^) auf das Schreiben vom 24. April dem
Erzherzog Maximilian an, erklärte jedoch zugleich, für Mat-
thias eintreten zu wollen, wenn er überzeugt sein dürfe, da-
durch beim spanischen König wie beim Kaiser Gnade und
liebten brudern erzh. Matthiam zu Osterreich und uns ganz vertreu-
lich bringen lassen." Von dieser Zusage des Erzbischofs, einem der
Brüder des Kaisers zum Erzstift Köln verhelfen zu wollen, ist mir
sonst nichts bekannt geworden; sie müßte etwa in den Sommer oder
Herbst 1577 fallen, in die Zwischenzeit nämlich zwischen Herzog
Heinrich's Lossage von der Kandidatur des bairischen Herzogs Ernst
und seiner Entscheidung für Gebhard Truchseß; vgl. Köln. Krieg I,
614 mit 559.
1) Von der Becke an Kf. August 16. Jan. 1580, s. o. S.89 Anm. 2.
2) Köln. Krieg I, 676/8 u. die dort angeführten Bücher von
Chmel, Hurter und v. Bezold.
3) Erzb. Heinrich an Erzh. Maximilian. Schloß Vörde 25. Mai 79
Kop. DrA. f. 17.
Losaen: Erzhischof Heinrick von Bremen. 93
Dank zu verdienen. Sodann sei nötig, daß sich Erzherzog
Matthias das Wohlwollen des Herzogs von Jülich verschaffe,
dessen Sohn zur Zeit noch die Postulation in Händen habe
und der an der Nachfolge des bairischen Herzogs festhalte.
Weiterhin würde es dem Erzherzog in Münster sehr nütz-
lich sein, wenn er sich noch andere Einkünfte, etwa aus
einer Koadjutorie zu Lüttich, oder auch eine spanische Pension
verschaffle; denn Münster allein dürfte zum Unterhalt eines
so hohen Herrn nicht ausreichen. Vorbedingung für jede
weitere Bemühung sei aber, daß die jüngst von Rom ver-
fügte Suspension des Führers der bremischen Partei im
Münsterschen Domkapitel, des Scholasters und Statthalters
Konrad von Westerholt, baldigst wieder aufgehoben werde.
Das vom Papst oder vom päpstlichen Nuntius zu fordern,
entspreche schon der Würde des kaiserlichen Amtes, welches
nicht zulassen dürfe, dass der Münstersche Statthalter bloß
darum von Rom suspendiert werde, weil er einer widerrecht-
lichen Citation an die Kurie, aus gewichtigen Gründen, nicht
gefolgt sei ; zugleich aber werde man durch Betreibung dieser
Angelegenheit Westerholt und seine Anhänger dem öster-
reichischen Erzherzog geneigt machen.
Um die Frage, ob Westerholt's Suspension aufgehoben
oder bis zur wirklichen Privation getrieben werden solle,
dreht sich in der That fortan Monate lang der Münstersche
Wahlstreit. Ein auf Drängen der Verwandten Westerholt's
im Juli 1579 abgehaltener Landtag verlief ganz zu Gunsten
des Statthalters und seiner Partei im KapiteP). Im Ab-
schied wurde die Forderung wiederholt, der jetzige Postulierte
solle resignieren und dann sein Vater, Herzog Wilhelm,
einige geeignete Kandidaten zur Auswahl vorschlagen; zuvor
aber solle beim Papste, direkt und durch Vermittelung des
Kaisers, die Aufhebung der Suspension Westerholt^s erbeten
1) Kohl. Krieg I, 652/661.
94 Siteung der histor. Classe vom 3. Mai 1890,
werden. Andererseits bestQrmten die Häuser Jülich und
Baiern den Papst, die wirkliche Privation über Westerholt zu
verhängen und drängten den Kaiser, dem unruhigen Mann
keinen Fürschub zu leisten , vielmehr die Münsterschen zum
Gehorsam gegen die päptlichen Befehle zu ermahnen. Herzog
Albrecht von Baiern ordnete deshalb eigene Gesandte nach
Prag ab, welche zugleich den Wunsch aussprachen, der Kaiser
möge durch Kommissare zu gunsten des Herzogs Ernst zwischen
dem Bremer Erzbischof und den Häusern Jülich und Baiem
vermitteln *).
Daß man in solcher Lage am kaiserlichen Hof Be-
denken trug, mit der österreichischen Kandidatur oflFen her-
vorzutreten, ist wohl begreiflich. Als daher Erzbischof Hein-
rich anfangs Juli den Erzherzog Maximilian ermahnte, mit
seiner Bewerbung um das Hochstift Münster nicht länger
zu säumen , weil jetzt auch andere Leute sich eifrig um
dasselbe bemühten — damit spielte er, außer auf Bernhard
von Waldeck, vielleicht auch auf den jetzigen Kurfürsten
von Köln, Gebhard Truchseß, an — antwortete der Erz-
herzog, er müsse des Kaisers Resolution erwarten, zweifle
jedoch nicht, „da K. Mt. ein wenig vergewißt raöcht werden,
daß die Postulation auf unser einen sollt fallen, sie würden
ihr die Sache mit allem Ernst lassen angelegen sein, auch
alle gute Beförderung dazu thun". Zugleich teilte er mit,
Baiem und Cleve hielten beim Kaiser stark an um Exekution
des päpstlichen Bannes wider den Statthalter, der Kaiser
habe aber diese bisher noch eingestellt, „denn Ihre Majestät
haben an solcher geschwinden Praktik gar kein Gefallen*)**.
1) Köln. Krieg I, 661/3.
2) Erzbischof Heinrich an Erzherz. Maximilian. Vörde 6. Juli,
Maximilian an Heinrich. Wien 31. Juli, und Heinrich an Maximilian.
Vörde 27. Aug. 1579. Kopp. DrA. a. 0. f. 16. 27 u. 28. Ueber den
Plan den Kurfürsten Gebhard nach Münster zu bringen s. Köln. Krieg
I, 602 f.. 607, 659 f.
JjOanen: ETtbimihof Heinrich ron Bremen,
95
j Dennoch wH(i;te es Kaiser Rittlulf nicht, tfet^enfiber dem
P.droheDclcu Auftreten aeineü Oheims, des tier/.agB Albrecbt |
I Baiern, ollen des Statthiilte» »ich anKiinehriien, bewil-
ligt« vtrlDiehr, am 18, Sp|il«niljer 1579. die von Bdiera be-
Kekrt« kniüerlicbe Kommiiwion. Daß man damals am kaiser-
lichen Hof n^ich nicht vorhatte, diese gvgen das ilnita ßaiern I
r.u bonut/.ttn, ersiebt man duriiiis, daß eben die von Herzog {
Albrecht gewanschten l'eraonen — die Erzbiachöfe von Mainx |
und von Trier und der wegen des niederländischen Pritcifi-
Icationidtuiigresses ;Kur Zeit tn Köln weilende kniserliche
Hufmarsobail Ottheinrich tJraf von Schwarzenberg, früher
Landhofmeinter des Herzogs Albrecht von Bayern, — als I
KomniissAre ituKerselieti waren '). Wunsch und Hoffnnng
den Enherioji Matthiua nach Münster /m bringnn, hielt man
j«doch am kaiserlichen Hofe fe§t; eben damals, anfangs
Oktober IS79, wurden von hier ans dem Erzherzog Mat-
thias die ersten Andeutungen über den Plan gemacht,
während dieß durch Krzbiachof Heinrich schon etwas frQher
gKCheben war').
AnftiDgs Oktober kam von der Becke wieder einmal
I frag, zunächst wogen Verlängerung der Lebenmndiilte
fOa«abrl1ck und Paderborn, zugleich aber auch um Rat- |
iehlüge seines Herrn (tlr die Qsterreiciiische Bewerbung um
Stift Münster /.u überbringen: — Vor allem müsse der Erz-
herzog die Gunst des Uen^ogs von Jülich sieb verschalTea
und auch Baieni zum gutwilligen Abstand von der Kandi-
datur bewegen; für seine Person wolle »Isdunn Erabibclic>f |
Heinrich für Erzherzog Matthias thun, was menschenmöglich :
Vwbedingung bleibe aber, daß Westerholt's Privation hinter- |
trieben werde. Diesmal erlangte von der Hecke bei Kaiser J
lolf persßnlich Audienz und wußte dimen zu übi
[ 1) Köln. Krieg I. 66S □. 609 f.
nit>er|{ iluaetbnt RoKiBt«- «. v.
: 6. »3 Antii. 'i.
lieber Ottbw&mli J
96 Sitzung der histar, Classe vom 3, Mai 1690,
daß sein Herr ein aufrichtiger Freund des Hauses Oester-
reich sei ^).
Oegen Ende Oktober kam dann auch Erzherzog Maxi-
milian von Wien nach Prag und nun wurde gemeinsam fest-
gestellt, wie man die Kandidatur des Erzherzogs Matthias
betreiben wolle ') : Während man in Münster die Sachen
einstweilen in der Schwebe halten müsse, wollte der Kaiser
mit dem Herzog von Jülich insgeheim handeln lassen, nicht
aber mit Baiem und ebensowenig mit dem Papste. Warum
das nicht, kann man sich leicht denken: — Herzog Albrecht
Yon Baiern hatte unlängst erst, bei der letzten Kölner Wahl,
den Versuch des Kaisers, einen seiner Brüder an die Stelle
des bairischen Bewerbers zu schieben, so schroff zurückge-
wiesen^), daß Rudolf nicht den Mut haben mochte, seinen
gefürchteten Oheim durch die Wiederholung eines ähnlichen
Versuchs in Münster neuerdings zu beleidigen. Gegen Baiems
1) 7. Okt. 1679 schreibt Kaiser Rudolf selbst an seinen Bruder
Erzherz. Maximilian einiges Aber von der Beckers Werbung und ver-
weist im übrigen auf das was dieser mündlich über die Mittel , wie
eiuer von des Kaisers Brüdern zum Stift Münster zu bringen sei, be-
richten werde. Kaiser Rudolf fügt bei : ,dan ich eß je anders nit be-
finde, als daß eß der erzbischof mit mir und meinen geliebten
bruederen zum allerbesten meine, derwegen uns auch gegen ime zu
eröfnen wir beiderseits billig destoweniger bedenkens haben sollen . . .
und wirdet e. 1. sonst diese ganze sache in aller stille und gehaimb
zu halten wissen, damit nit etwan vor der zeit ichts davon auß-
komme*. — In einem eigenhändigen P. S. entschuldigt sich der Kaiser,
,daß ich diesen brief nit mit eigener hant schreibe, dan eß Gotweiß,
die viel geschefte mich daran verhindern; e. 1. möge aber des Obem-
burgers hant so wol als meiner selbst treuwen.* Kop. DrA. a. 0. f. 80.
(Aus diesem P. S. schließe ich , dass Obemburger auch jener kaiser-
liche Hat und Secretarius gewesen ist, dessen Vermittelung Erzherzog
Heinrich bei seinen ersten Anerbietungen an Erzh. Maximilian sich
bedient hatte, s. o. S. 91).
2) Erzherz. Maximilian an Erzb. Heinrich. Prag 26. Okt. 79 und
Ks. Rudolf an Erzb. Heinrich. Prag 2. Nov. 1879. DrA. f. 32 u. 84.
3) Köln. Krieg I. 483 f.
Im'»™. Er:bigi}u>f Urinrifh t
, Bren
C7 I
Ml ließ sich aber auch beim Papste schwerlich et'
pichen.
Kode Oktober wurde Kr/herzog Miitthiait von Prag atis 1
rsniich lerstiliidijtt , daß er, um Bischof von Münster >
ideu, unbedingt daa niederläudiKche Otilieminnent niiigubeii 1
nOM«; wolle er das nicht, so werde sein Bruder Moximiliun I
ein sulches stattlichen Bistum, damit es nicht in fremde |
flfaidw koiiime. nicht in den Wind schlagen').
Erzherzog Matthias hatte inzwischen schon auf eigene I
id, auf die ereten von llirzhischof Heinrich ihm Gemach-
Andeutungen hin, Erkundigungen eingezogen, welche 1
Änaatchten seine Btiwerbutig um Au^ Stift Münster habe.
Am 9. Oktolit-r hatte er einige seiner deutschen HotlcuU',
seinvn Kämmerer Heinrich Freiherrn von Liechtenstein und den 1
Rittmeister Ludwig von Kumpf, zuerst nach Münster i^itni 1
Statthalter Westerholt gcsuhickt, sodann nach Bremisch- I
Vörde zu Erzbischof Heinrich. Westerholt antwortete an-
fangs ausweiiihenü , kam dann aber selbst nach VGrde, wo |
der EmhlMchof in saincr (Jegenwart und mit seiner Zustim-
mung am 28, Oktober den Gesandten Mittel und Wege, wie j
das Hau« Oesterreich zum Stift Münater gelangen könm
in Uhnlicher Weise darlegte, wie früher dem Erzherzog Maxi- I
milian und dem Kaiser. Insbesondere achlug er jetzt vor,
der Kaiser miSge die jUng»t beschlossene kaiserliche Kom-
mitnion dazu hendtzen, um in MUnster die Wahl uine-s Dritten,
mit Ausschluss von Bremen und Baiern. zu betreiben und
tkU solchen den Erzherzog zu empfehlen.*).
II 27. Okt. 79
98 Sitzung der histar. Glosse vom 3, Mai 1890,
Das war jetzt auch des Kaisers eigene Meinung. Den
frül^er bezeichneten Kommissaren wurde noch der Keicbshof-
ratspräsident Philipp der Aeltere Freiherr von Winnenberg
beigeordnet und ihm, ,als den des Herzogs zu Jülich Liebden
wohl leiden möge'', aufgetragen, vorher vertraulich mit diesem
zu sprechen, um ihn entweder auf österreichische Seite zu
bringen oder wenigstens soweit, daß er es sich gefallen ließe,
falls ohne sein Zuthun einer der Brüder des Kaisers nach
Münster gebracht werden könne. Alsdann sollten der Graf
von Schwarzenberg und Winnenberg gemeinsam mit den ein-
zelnen Münsterschen Domherren insgeheim dahin handeln,
daß sie ihre Stimmen einem der Erzherzoge zusagten^).
Erzbischof Heinrich empfing von Kaiser Rudolf einen ganz
hervorragenden Beweis kaiserlichen Wohlwollens: während
er und andere vom Papste nicht konfirmierte niederdeutsche
Bischöfe bisher nur mit großer Mühe kurze Verlängerungen
der kaiserlichen Lehensindulte hatten durchsetzen können,
erhielt jetzt von der Becke die Zusage, die Indulte für Osna-
brück und Paderborn sollten auf Lebenszeit (ad perpetuitatem)
verlängert werde»; nur müsse Herzog Heinrich weiterhin
bemüht bleiben, die päpstliche Konfirmation sich zu ver-
schafien *).
Mittlerweile waren einige Ereignisse eingetreten, welche
Heinrich : eben als der von Liechtenstein hier gewesen, sei auch der
StÄtthalter angekommen, um sein, des Erzbiachof«, Gemüt, zu erfahren,
„dan er sich gegen den von Liechtenstein, welcher zuvor bei ime zu
Munater gewesen, nichtoH wollen erkleren". Das Memorial des Erz-
herzogs Matthias lautet zwar auf drei Gesandte (Liechtenstein, Rumpf
und Balthasar von Dannewitz) ; nach einem Berieht des clevischen
Hechenmeisters Lic. Budenschied an seinen Herzog (DQsseld. StA.
Landesherrl. Familiensachen 28^509) aus dem November 79 scheinen
aber nur die beiden ersten in Münster und Vörde gewesen zu sein.
1) Kfl. Rudolf an Erzb. Heinrich. Prag 2.Nov. 79 s, o. S. 96 Anm. 2.
2) Von der Becke an Kf. Sachsen, Annaburg 16. Jan. 1580. DrA
(s. o. S. 96. Anm. 2).
Lassen : Erzhischof Heinrich von Bremen, 99
dem Kaiser den Entschluß erleichterten, auch gegen den
Willen des bairischen Hauses die Kandidatur eines seiner
Brüder zu betreiben^): zunächst der am 24. Oktober 1579
erfolgte Tod des alten Herzogs von Baiern ; — auf seinen Vetter,
den neuen Herzog Wilhelm V., brauchte Kaiser Rudolf viel
weniger Rücksicht zu nehmen, als auf seinen Oheim. Das
zweite Ereignis war die am 26. August zu Rom über den
Statthalter Westerholt verhängte Privation und Exkommuni-
kation und die, im Anschluß hieran, am 20. September ver-
fügte Ernennung des jungen Postulierten, Herzog Johann
Wilhelm, zum Verwalter der Temporalien des Stifks Münster.
Hierin erblickte man am kaiserlichen Hof einen groben Ein-
griff in die kaiserlichen Hoheitsrechte. — Ein dritter dem
österreichisch-bremischen Plan günstiger Umstand war end-
lich der Ausgang eines neuen, anfangs Januar 1580 abge-
haltenen Münsterschen Landtags, auf welchem die Forderung
wiederholt wurde, der Herzog von Jülich solle seinen Sohn
resignieren lassen und einige geeignete neue Kandidaten zur
Auswahl benennen.
Gleich nach diesem Landtag richteten Westerholt's Ver-
wandte eine scharfe Beschwerde gegen die Suspension des
Statthalters an den Kaiser und gleichzeitig eine noch ent-
schiedener lautende Bitte um Fürsprache an den Kurfürsten
von Sachsen*). Beide Aktenstücke nahm Erzbischof Heiii-
rich^s Sekretär, von der Becke, im Januar zuerst mit nach
Dresden zu Kurftirst August, welcher damals eingehenden
Bericht erhielt über die bisherigen Verhandlungen des Erz-
bischofe mit dem Hause Oesterreich und um seine gewichtige
1) Köln. Krieg I, 670 f. u. 678/80.
2) Hermann, Burkbart und Berent von VVeüterholt, Rutger Turk
und Lambert von 0er an Kf. Sachsen (Ogl.) und dieselben an den
Kaiser (Kop.) DrA. f. 54 u. 61, beide Schreiben aus Mlta**
zember 79 datiert, aber erst im Januar durch von de*
Dresden flberbracht
100 Sitzung der histor,, Glosse f)om 3. Mai 1890.
Fürsprache am kaiserlichen Hofe gebeten wurde ^). Von
Dresden begab sich von der Becke nach Prag. Er führte
sechs schöne junge Pferde mit sich, als Geschenk seines
Herrn für den Kaiser, zum Dank für die demselben in bezug
auf die Lehensindulte fQr Osnabrück und Paderborn zuge-
sicherte kaiserliche Onade. Weiter überbrachte er dem Kaiser
ein Schreiben des Erzbischofs, in welchem mitgeteilt wurde,
der Münstersche Domdechant Goddert von Raesfeld, der
Führer der Gegenpartei im Kapitel, habe von ihrem Plane
etwas erfahren und sich daraufhin scharf gegen die Wahl
eines österreichischen Erzherzogs ausgesprochen. Die Baes-
f eider würden also jedenfalls das äußerste versuchen, um
das gute Werk umzustoßen. Darum sei es höchste Zeit, daß
der Kaiser dieses einerseits beim Herzog von Jülich betreibe,
anderseits zu Rom die Aufhebung der Suspension und Pri-
vation Westerholt^s durchsetze. Gelinge es, den Erzherzog
Matthias nach Münster zu bringen, so werde diesem voraus-
sichtlich auch das Hochstift Lüttich ohne Mühe zufallen*.)
1) S. o. S. 89. Erzb. Heinrich^s eigh. Beglaubigungsschreiben
für von der Becke ist datiert von Vörde 2. Januar 1580 praes. Anna-
burg 14. Jan. 80 DrA. f. 2.
2) Erzb. Heinrich an den Kaiser. Vörde 2. Jan. 80. Kop. DrA.
f. 41. Darin folgende Stelle: ^Eur Rom. K. Mt. sol ich allerunder-
tenigst nicht furhalten, daß der Munsterischer tumbdechant Gothart
von Kasfelt von unserm furhaben etwas erfaren und sich gegen
meinen Osnabrugkischen canzlem und andere vememen laßen, daß
dem stift Munster nicht zu raten noch dienlich Hei , einen österrei-
chischen hem, wegen seines herkommens und hohen gepurt, zum
bischoffen daselbst zu erwelen, welcher sich auch in die westphelische
lantart übel schicken und den leuten accomodiren wurde; worauß
vermutlich, daß dieser man kegen das postulationswerk soviel mensch-
lich und muglich wirt practiciren. Derentwegen hoichnotig , daß
eur Rom. K. Mt. ungeseumet sowol bei der Pabst. Heil, als dem von
Gulich diß werk forttreiben , und je eher eß zu werk gerichtet, je
besser eß ist, den die Rusfeldiani werden nicht feiren sondern extreraa
teutiren, damit dieselben dieß gute werk mugen umbstossen und ir
iMarn: KrzhUdiof lleinrieh ron Hrtmen,
101
In Prag traf von der Becke den kureäclisischen Rat
Erich Volktnar von Berlepsch, welcher ihm, wie von der
ichher selbst an Kurfürst August hericiitet, bsi seinen
IcfaK-dvnun l)i-<(.'hüften auf's eifrit^ste zur Hund giii|^.
indere habe Berlepsch dazu verholfea, daß utiomehr,
8. Februar, der Kaiser für die nach MHnster bestimmt«
rliche KommiMsioD eine Person^veränderung vumahm,
I dereit Charakter voUstätidi^r omäuderte. Der kluge
alt« Mainaer tJnbischnt' Daniel Brendel hatte ' bereits im
Dezember, angeblich wegen Ueberhäufung mit anderen Oe-
Boh&ft«n, das undankbare Amt eines Vermittlers in Münster
abgelehnt, Ottheinrich von 8chwarv,enberg hatte die Rliein-
lande damals verlassen und trat bald nachher wieder in
bHiri.ichi! Dienste; von den früher bezeichneten Kommiaaaren
waren also noch der Trierer Kurfiirat, Jakob von Eltz, and
Att Freiherr von Winnenberg übrig. Jenen fürchtete von
; Bvcku; ,lbre kfstl. Unadon', schreibt er nachher an
t August, ,iät mir ex multis caitsiis siispect gewesen,
\ xemper futt Bavaricua et totus pontiticius atque unius
einsdemque farinae et religioni--^*. Deswegen habe er mit
BerlepHch'a Hilfe durchgesetzt , daU sie statt seiner den
^nKSluer Kurfürsten, Oebhard Truchseß, als Kommiamr
l^t (fallen. ES mnU aber vor allen dmK'^ii dii^ nuBpension- und
jDioahe mit dem tumbscboliul'-r und etudtbalttrr abKesubalfet
■udkI iuo bi.<sort;mi, die ){aiiie lacbe den kreixi^nk K^beo
Wirt, — Wieviel "bsr cur ttom, K. Mt und dem hn ich lob liehen
hantte Ontcrreicfa, im Klei<^bpa aoch der [toni. W. tnn Hiflvonien ».n
dem otifl MuDüler. we^cin der vicinitet, geleKeu und waß für nuti-
bam MntvilitäDEen ilenielbeu darauQ entstehen konten, wil eiir Rom.
K. Mt. iehalWipiedi^t eu erweisen hit^mil undertenifi^t heimutelluii Ick.
md anfani ja eriüi. Matthiaiien 1, vorerst lue dem dtill Hiiiiit«r. wie
icii ttrnxlii'b verhoffe, wi-rden ^eru.ten. cKi-ilfel ich nichl t. 1. mit
Lottiff xath {irmpHrirKn und tu« underen and derer gleiotaeii ereiutaBdi)
in kdani^m «eittnn noch können erhöbet «erden*. — f
<fk) jnBKe uiiab([ericbt«t« üßnlc »chtrkt iler KnbiiehoP'J
t •elae« nnterth&nigsten uod dankbamn GflmQbi''i
1
102 Sitzung der histor, Glosse vom 3. Mai 1890.
bekommen hätten, — also den siegreichen Rivalen des bai-
rischen Hauses hei der letzten Kölner Wabl!^)
Weiter erreichten die beiden Freunde, daß sich Kaiser
Rudolf jetzt des Statthalters Westerholt in Elom aufs ent-
schiedenste annahm. Kurfürst August hatte dem bremischen
Gesandten eine sehr scharfe Intercession für Westerholt nach-
gesandt, in der es hieß; seit guter Zeit habe man solchen
geschwinden Proceß, wie er zu Rom mit Westerholt's un-
rechtmässiger Citation ergangen, im heiligen Reich nicht
mehr erfahren. Gestatte man solches dem Papste oder anderen
auswärtigen Potentaten, so werde daraus gefahrlicher Miß-
verstand, Zerrüttung des Religions- und Profanfriedens er-
folgen, , indem die Päpste, wann sie in l^eutschland ein Blut-
bad anrichten wollen, sich gemeiniglich hiezu des Mittels
gebraucht, dass sie ihres Gefallens die Stand im Reich ihrer
Dignitäten und Würden entsetzt, dieselben einem anderen
conferiert und sie dadurch in einander gehetzt".*) — Auch der
1) Köln. Krieg I, 682. 6. Dez. 79 schreibt Kf. Daniel von Mainz
an den Herz, von Jülich, bisher sei ihm eine kaiserliche Kominission
noch nicht zugekommen; falls sie ihm aber noch aufgetragen werden
sollte, könne er sich, wegen vieler anderer Geschäfte und ihm anbe-
fohlener Verschicknngen seiner Räte, derselben nicht unterziehen. Ogl.
I)ü88. A. a. 0. 28' fol. 428. Daß auch der Trierer Kurfürst die Kommis-
sion freiwillig abgelehnt, hatte ich a. 0. aus einem Schreiben derMün-
sterschen Senioren an den Herzog v. Jülich vom 7. Januar 80 (Ogl.
DüsH. A. a. 0.288 fol. 22) gefolgert, in welchem es heißt: der Mainzer
Kurftirsthabe bereits die Kommission abgelehnt und andere würden dieß
vielleicht gleichfalls thun. Von der Beckers oben angeführter ausführ-
licher Bericht an den Kf. von Sachsen vom 20. März 1580 (Ogl. DrA.
f. 60) scheint aber keinen Zweifel zu gestatten, dass die Einschie-
bung des Kölner Kurfürsten an die Stelle des Trierers vom kaiser-
lichen Hofe ausging.
2) Kf. August an Ks. Rudolf. Annaburg 20. Jan. 1580 Kpt. DrA.
f. 57. Von der Becke versichert' nachher (in dem vorhin erwähnten
Sehr, vom 20. März), dem Kaiser und den geheimen Kammerräten
desselben sei dieses Schreiben sehr angenehm gewesen, da sie daraus
iMimeii : Jirihi/chiif Heinrieh eiin Bremrn
loa
MuiD'jwr Kiirfflnit erklärt« auf eine Anfrage des Kais«;rs,
WeBlerbolt's ETokation nach Rom sei deo Koakordaten der
deatachen Nation und den ülteii Heichsabschiedeti ganz eiit-
gvgen *). DarnuDiin verlangte der Kaiser, wie ron der ßeoke
Tersichert, in llora die Aufhebung der Suspension Wester-
Itotfa, mit der Drohuug, andernfalls werde er selbst, gemäß
kHiHorlichur VnHrancht, dieselhe aufheben*). Die von der
seni JQliuh und Baiern in Pr^ nachgesuchte Uestätigung
&Wn Rom verfugten üeberlTaguiig der weltlichen Ad-
rution tui Herzog Johann Wilhelm war vom Kaiser
1 vor der Ankunft von der Becke's in Prag in einem
rfen Schreiben abgeschlagen worden*). Als nun eigene
mdte beider Kdrsten in Prag erschit^nen und den Kaiser
dum Vollzug der Exkommunikation und Privatiou
kerbült'a freien Lauf zu lassen, wurden sie — nach Von
Bcke'a Bericht — auf's ungnädigste abgefertigt*}.
fllnttin y.aaeigoDg gfifea den Kitiser und deasen Brüder er-
I und leic-bt vcrBtandun hütten, .itue wuQ ende au<i efTect eur
SO- Aoloh ■chreibnn »O acut und Hcliiuf un i. Mt. nligehen laascn.'
B) Von der Becke an Kf. Augn't, Leipzig '20. MKrxdO Ogl. ciRli.
Zt. 60. Vitl, Diakaiiip a. 0. Nr. b.
) Von der 8eck<>'s Sehr. n. 0. Saeh Diekaiiip Kr. lU «i^heint
Mriichen Schrniben dieno Inhalt« tvn tlec Kardinal Madrunito
j, Fclir. abgottiingen lu «ein, neli'h'ün ilaiin Kwoi weitere fthDlic:)ia
L 0- i\. April foltern, Diekamp Nr. 8 u. 10. Vgl. KJIln. KricR 1, 662.
' W Kb Rudolf an Her». Jülich. Trug 26. Det. 20, Ogl, DObs. A. 28 b
M. 8, kurx«T Auszug bei Keller a. 0, Nr. 476; da dieM» Srbroitwn
and (vei rileichieitig im di« liairUchen Hprr.oge Wilhelm und lernst
XcrichtnL« errt am 2. Februar, Iimw. 28. Januar den Adresnalen tu-
konien und da ein BeKteitcuhreiben von L>T. Andren« Ouil an den
Ben. »ein Jalich (DA. 1. k. f. 10} erst vom 13. Januar 1680 datiert
i«t, v^liRini-n sie rordjitiert zu sein. Beachtung verdient noi'li. daa«
di(MS dem IlauMfl Baiero ungOnstigen kuiaerliulien Svlireilien von diun
Sekretär P. Obemburger (« o. S. 96 Anm. l), nicht von .\ndr. Ertrton-
h«rg«r uujiKefertigt iriod,
ij Uebur diem .i<ili.:h'si;he und liair. Geitaiiiltachart nurh Vm^r Ji.kfi.'
IlZ. vMler in denManchcnnrAri'hivfn&och Im I)<i-"' ' ■■■'■■■
104 Sitzung der histor, Classe vom 3. Mai 1890,
In meiner Vorgeschichte des Kölnischen Eri^s ist er-
zählt, wie das wenige, was von dem bremisch-österreichischen
Nachrichten gefunden; ich gebe d^her die betr. Stelle aus von der
Beckes Bericht an den Kf. von Sachsen y o m 20. März 80
(s. 0. S. 101 f ) hier vollständig, in der Hoffnung, daß spätere Forsch-
ungen in jenen Archiven Gelegenheit bieten werden, seine Erzählung
zu prüfen und zu ergänzen oder zu berichtigen. .Als ich zu Praga
ankommen (gegen Ende Januar), hab ich daselbst einen adversarium
doct. Schelver, welcher von der Munsterischen regierunge dahin ge-
schickt gewesen, für mich (!) gefunden, denselben hab ich liederlich
(= leicht 8, Grimm W. B, 6. 988 f,) confundirt unt nachdem er zue
Proga etzliche wochen gelegen unt allerlei exploriren wollen, hat
man ime den köpf mit harter unt scharfer läge {=^ Lauge) gewusscben,
unt hat im der vicecanzler Dr. Vieheuser jussu Imp»***« M*^ den
text mit der glossen gelesen unt auf gut teutsch angesprochen &c.,
dardurch er entlich verursachet unt hat recht gebeichtet unt in den
streitigen Sachen das beste zu tuen dem hem vicecanzlem unt an-
deren geheimen cammerreten gelobet und zuegesagt. £ß hatte aber
der Mimsterischer tumbdechant Rasfeit ine furnemblich auf Praga
abgefertiget , in massen er solchs selbst bekennen müssen, unt ist
derselb doctor vor fünf wochen (also etwa Mitte Februar) abgezogen
unt wird dem tumbdechanten keine gefellige zeittunge überbringen.
— Nach diesem seint die baierischen gesanten ankommen, haben ganz
heftig bei der K. Mt. umb execution wieder dem Munsterischen stat-
halier angehalten, aber die Rom. K. Mt. hat inen libellum repudii
unt kurzlich den bescheit gegeben, daß ir Mt. in dieser Sachen
commissarios verordnet, dabei wolten's ir Mt pleiben und beruhen
lassen. — Nach den Baierischen seint die Guiischen abgesanten,
Dietrich von Palant, lic. Johan Mulert und secretarius Peucker, an-
kommen unt die Munsterische postulation ab ovo et origine dispu-
tiren wollen, ego contra ab origine in scriptis (insciis tame Juliacen-
sibus) respondi &c.; haben gleichsfals ganz heftig auf die execution
getrungen, aber die K. Mt. hat inen als den Baierischen literas refu-
tatorias gegeben. Entlich haben sie ein breve apostolicum vom pabst,
worinne dem jungen herzog zue Gulich des stift« Munster regierunge
drei jar zue verwalten bevolhen, herfur gebracht unt darauf indultum
regalioruro von der R. K. Mt. alleruntertenigst gesucht unt gelietten,
wellichs inen abgeschlagen, imt haben's nicht erhalten können. Daruf
sie sich ser unnutz gemachet und allegiret, daß meinem gnedigsten
hern indulta ad perpetuitatem über alle drei erz: und stifte indulgirt,
t.mi
■ hW::hi>fchof Hritirith i
inr.
Plmi iti MQn9t«r bekannt wurde, in d^ni DumducIinDU'n
KAeefeld den verwei^enea Anschlag zur Keife brachte, darch
eine mit allerlei Listen erKioltc eiliije Majoritätj^wahl des bai-
riwhen Herviug« die Üegner au ilherrurn[ielii. wi« dann aber
dieser Handstreich durch das Zusammenwirken dee Bremer
EixbiHchoti«, der kaisurüchen KomniiiMare und zuletzt besonders
dm Orafen Jobann von Nassau vereitelt wurde, so daß achließ-
, infolge eiuer Art von Kompromiß beider Parteien, der
■ aber betten'« riur ad tetuporalitatcDi C<^af drei jar) nnt kouten's
Bt erhalten. — Lelr.llch halwu xie gebett^n. coiiiiui«8ioiieiii uf itz-
gnneltnn Catunt, MnlHrt and doct. Schelver &c.. daß dieiiellien die
Huhm in Torlinr nemun und vurBucheo mußten, ob sit* die Htreittjge
Hocbm koDtf^n nfbeben iint per aminubileni i:nmpn)iiti(>nem vnr-
sl)«ii &•:., wcklif inen gleithafala (vbgeiK'li Ingen, unt hut'H die Korn.
Mt. bei den vimirdneten comroitwariia pleiben Uaacn. Darob die
tachen luid Baiefiti><rhoD. welvhere mit oinander eine üaien ge-
, über die mawen eriamet, unt neint daruf die Baierisschen
\ IndiKnutioDe davon geaätfen, aber die Uuliuchun liggen
b«t noch nnt worden in drei wochen not'h nicht expedirt, londeru
n Jaaelbat ao lunge pleiben, bili dnü ich zuror bei meinen gne-
I hern und di-n Unniterincheo Htathalter mnt;e kommen et de
ibiu ijuae vidi et audivi uiuge referiren £c., derentwegen ich
leumet «o tag unt na<.'ht muß fortziehen, — Obbemelt drei con-
■ hab ich mit den drei udvennrii» niuaHpn auOwart^n und inen
Kteiebwol Turraittehit gotlieber hülfe nl ir intent lueruk getrieben,
derentwegen ich auch diMcIbit bo tank anrgebiilteii wurden, nnt hat
mir obbemelter unr curf. 0. uberhaubtman l^rirh Volkmer von
UerlapDüb nxitz getrenlich beigestanden, intnasiien a, geat. unlängst
T«n allem untertenigat«» muntlichen Bericht eur curf. 0, wirt ein-
tinagen. — Lettlich aU «ie meinem g")™ hern Ac. nicht mer zue leit
, haben nie die perpetuata indnit» über Oanabruuk unt
■rbom, wvbhere itxn aller«r«t verfertigt worden, i. f. O. wotlnn
hrea unt de» pahtt« abgesanteu. welchfr «ich ruinel, dn(I er nuQ
Mchem gebluet berkomuien (Barth'ihmäiu flmf iki, I'-t.ui'i.
h ifetogen und derentwegen gaui ungeitiunb .
E;)tft(i (K> viel getun nnt diu wege gefunden. 'i>i'
lob bekommen luit J^tst bei mir hab &<■., liot
B ftn»df verleihen, diiß mein g*'" her difaellii'o ■
M ant KDtwIig rauge gebrnucheu*.
:^
106 Sitzung der histor. Glosse wm 3. Mai 1890,
bisherige Postulierte, Herzog Johann Wilhelm, statt zurück-
zutreten, vielmehr die Administration übernahm, um sie bis
zu seiner, erst nach Jahren erfolgten Verheiratung in Händen
zu halten ^). — Ueber diese Vorgänge enthalten unsere Dres-
dener Akten nur wenig neues zu meiner früheren Darstellung,
bestätigen diese übrigens durchaus. Neu ist die Mitteilung,
daß Erzbischof Heinrich wiederholt den Kurfürsten Gebhard
von Köln und den Freiherm von Winnenberg gedrängt hatte,
ihre Kommission zu Gunsten der bremisch-kaiserlichen Ab-
sichten eiligst in^s Werk zu setzen *). Das stimmt überein
mit einer kurzen Notiz bei Diekamp, wonach Winnenberg
der undankbaren Aufgabe einer Vermittelung in Münster sich
gerne entzogen hätte, was aber der Kaiser nicht zuließ'). —
Neu ist ferner die Nachricht, dass Westerholt und seine
Parteigenossen kurz vor dem auf den 26. April 1580 ausge-
schriebenen Postulationstag in dem Osnabrückischen Hause
Jburg sich gegen Erzbischof Heinrich förmlich verpflichteten,
ihre Stimmen auf einen der österreichischen Erzherzoge zu
übertrugen*). Auch diese Angabe wird durch einen der
Diekampschen Briefauszüge bestätigt: — in einem Briefe an
Kardinal Madruzzo versichert der Kaiser ganz offen, was
Westerholt gethan habe, sei nicht sowohl dem Bremer Erz-
hischof zu Liebe geschehen, welcher das Stift Münster schon
längst nicht mehr begehrt habe, sondern damit einer von
seinen, des Kaisers Brüdern zn diesem Stift kommen könne *).
1) Köln. Krieg 1. 681/6 und 688/98.
2) ^Kurzer Disours von der Munsterisohon postulationshanthing*
iius l>ringen>MTg (im HochHtift l^aderborn) am 11. Mai 1580 von Erzb.
Heinrich an den Kf. von Sachsen gCHendet. DrA. f. 65.
3) Diekamp a. (). Nr. 6.
4) Nach dem o. Anm. 2. cit. Piscurs vom 11. Mai 80; vgl. Köln.
Krieg J, 688.
5) Diekamp a. 0. Nr. 12 ohne Datum, etwa aus dem Knde Mai oder
Anfang Juni 1580.
Lossen: Erzhischof Heinrich von Bremen, 107
Merkwürdiger übrigens als diese kleinen neuen Beiträge
zur Geschichte des mißglückten Handstreichs der bairischen
Partei in Münster ist das vollständige Schweigen unserer
Dresdener Akten über den Umstand, welcher wohl am meisten
zur Vereitelung des Anschlags beigetragen hatte: nämlich
über das Erschemen des Grafen Johann von Nassau in Münster
und seine Drohung, daß die niederländischen Staten, im
Falle der Wahl des bairischen Herzogs, ihre Soldaten in das
Stift einrücken lassen würden. Aus den früher von mir
benutzten Quellen ergibt sich unzweifelhaft, daß Erzbischof
Heinrich selbst den Grafen veranlaßt hatte nach Münster
zu kommen.^) Heinrich hatte das Spiel schon fast verloren
gegeben, als Graf Johann durch sein keckes Auftreten in
Münster den Umschlag herbeiführte. In dem Bericht aber,
welchen Herzog Heinrich seinem Oheim, dem sächsischen
Kurfürsten, erstattete, wird Graf Johannas Name nicht einmal
genannt. — Um dieß zu verstehen, muß man sich der Ab-
neigung erinnern, welche Kurfürst August gegen die nieder-
ländischen Rebellen und gegen die Calvinisten, insbesondere
aber gegen Oranien und das Haus Nassau überhaupt, hegte.
Herzog Heinrich scheute sich offenbar, seinem Oheim zu ge-
stehen, welches doppelte Spiel er in der Münsterschen Sache
gespielt hatte.
Aus den wenigen in unserem Dresdener Aktenheft noch
folgenden Briefen ist hervorzuheben, was auch wieder durch
Diekamp's Auszüge bestätigt wird , daß Erzbischof Heinrich
und das Haus Oesterreich mit dem, durch die Uebemahme
der Stiflsregierung durch Herzog Johann Wilhelm erfolgten vor-
läufigen Abschluß des Postulationsstreites ihre Sache noch nicht
1) Köln. Krieg I, 688 f. Aus dem Konzept eine« Briefes des
Grafen Johann von Nassau an den Hofmeister des Oraftei '
heim aus Rheine 25. April (im Wiesb. A. Dillenb. Corr* 1
vgl. Köln. Krieg I. 691. A.) ergibt sich, da8s Erzb. Heiiiriä
meister, d. i. Gert zur Lohn, den Grafen Johann herbeigen
108
Sitzung der histw. Cloisse vom 3. Mai 1890.
verloren gaben; als das zunächst zu erstrebende Ziel wurde
vielmehr ins Auge gefaßt, daß man die durch den Eifer
und die Schlauheit der Gegner zeitweilig verlorene Majorität
im Domkapitel wieder gewinnen und darum auf der Wieder-
einsetzung des vormaligen Statthalters Westerholt in seine
Pfründen und Würden bestehen müsse. ^)
Erst mit dem Tode des Bremer Erzbischofs im Jahre
1585 wurde diesen Hoffiiungen ihr Fundament entzogen und
fiel der bairischen Partei ohne weitere Anstrengung der
Si^ in den Schooß.
1) Dieß ist in dem o. S. 106 cit. Discurs vom 11. Mai und einem
dazugehörigen Schreiben des Erzbischofs an Kf. August vom 12. Mai
(Ogl. DrA. f. 64) weiter ausgeführt, vgl. Diekamp Nr. 12. 13. 16/18
20. 22.
109
Herr He ige 1 hielt einen Vortrag:
.Neue Beiträge zur Charakteristik Kaiser
Leopolds I.*
Erst in jüngster Zeit hat sich die Forschung angelegent-
licher einer sogenannten , undankbaren" Periode deutscher
Geschichte, der Regierung Kaiser Leopolds L, zugewendet,
und wir besitzen jetzt eine Anzahl trefflicher Monogra-
phien über jene Jahre, in welchen zum österreichischen
Einheitstaat, zugleich aber durch Anschwellung mit nicht
deutschem Gebiet zur Trennung Oesterreichs von Deutsch-
land der Grund gelegt wurde. Allein auch diese neueren Ar-
beiten beschäftigen sich mehr mit der Entwicklung der poli-
tischen Zustände oder mit dem Leben und Wirken einzelner
hervorragender Feldherren und Staatsmänner; der Kaiser
selbst tritt nur selten in den Vordergrund, indem gelegent-
lich das Urteil des einen oder anderen Zeitgenossen über
den Träger der Krone erwähnt wird.
Gerade diese Urteile gehen aber weit auseinander.
Ueberraschend günstig lauten im aUgemeinen die Be-
richte der venetianischen Botschafter über Leopold, zumal
aus jenen Jahren, da die Politik der Inselstadt mit der
kaiserlichen rückhaltlos Hand in Hand ging. Etwas kühler
lauten dieselben, seit sich die Beziehungen zwischen Wien
und Venedig gelockert hatten. Abgesehen von der äusseren
Beeinflussung ist jedoch die Zuverlässigkeit der Veneti
1
110 Sitzung der historischen Glosse vom 3. Mai 1890,
schon deshalb nicht über jeden Zweifel erhaben, weil die
Gesandten bei ihrer , Spezialitat*, der Zeichnung von Cha-
rakterporträts, über der Feinheit und Sauberkeit der Aus-
führung nicht selten die Treue vernachlässigten. Während
Leopold in den Depeschen der Battista Nani, Giovanni
Sagreda, Molin aus den Jahren 1658 bis 1670 als Typus
eines tadellosen Regenten erscheint ^), werden in den späteren
Berichten die Unselbständigkeit, die Lässigkeit, die Schlaff-
heit des Fürsten bitter gerügt.*)
Wie grell sticht von den gleichzeitigen Schilderungen
der Venetianer das Urteil ab, das der Franzose Grammont
über den jungen Leopold in den Tagen der Kaiserwahl zu
Frankfurt fällt. Ein milder, guter, aber herzlich ungebil-
deter Herr, dem es gänzlich an wissenschaftlichen und sprach-
lichen Kenntnissen gebricht, dessen einziges Vergnügen
darin besteht, traurige Melodien zu komponieren und K^el
1) Die Relationen der BotHchafiber Venedigs über Deutschland
und Oesterreich im 17. Jahrhundert, her. v. Fiedler; Fontes rerom
Austriacarum, 27. tom., 5, 31. Nani versichert, der junge Leopold er-
innere in Vielem an Karl V., und die Hoffnung, dasa Leopold durch
Vermählung mit der spanischen Infantin zur Kaiserwürde auch den
Titel eines Königs von Spanien fügen werde, leihe dem Vergleich
noch höhere Berechtigung. Sagreda rühmt insbesondere die seltene
Sittenreinheit des jungen Fürsten : „tal innocenza e purit^ de costumi,
che se sarebbe in un privato essemplare, risce meravigliosa in un
Principe, che pub farsi legge della sua volonte".
2) So sagt Marino Giorgi (1671) (Fiedler, 127) von Leopold: „E
gratiato dal cielo d'ottinie doti ; li scuopre capacita e intelligenza,
riesce prudente, pio, Religioso, di costum' innocenti, di vita essem-
plare, di conscienza illibata, d'intentione rettissima. Li pensieri
sono placidi, Tinclinatione soave. Li manca vigore nol commando,
franchezza nelle rissoluzioni , ardore nelT esseguirle, et ardire neir
appligliarsi ad operationi magnanime, et cospicue; Scatae riscono li
(lifctti da npirito destituto d'educatione generosa, non addata alle
Corone et alli scetri; Destinato fü in vita di Ferdinand© quarto,
i'ratello Priraogcnito, alh» Mitrc et alle Chiese." Zuanne Morosini
Heigel: Beiträge zur Charakteristik Kaiser Leopolds I. Hl
zu schieben ! V Günstiger äussert sich Marschall Villars,
der 1698 nach Wien kam. Leopold sei ein Fürst von Geist,
Redlichkeit, Religiosität und Arbeitseifer; man könne an ihm
nur aussetzen, dass er allzu misstrauisch gegen sich und
Andere sei und sich allzu bequem auf das Wohlwollen und
die Wunderkraft der Vorsehung verlasse.*) Den nämlichen
Vorwurf erhebt auch Esaias Pufendorf*), der von 1671 bis
1674 als Gesandter Schwedens am kaiserlichen Hofe weilte.
„In Resolutionen von Wichtigkeit etwas langsam und circum-
spect**, stehe er «fest bei dem, was er einmal gefasset*, im
aUgemeiuen sei er „ein von Gott mit guten, gesunden Ver-
standes- und Gemüthsgaben gezierter Herr.'' Während aber
Villars ausdrücklich den unermüdlichen Fleiss des Habsburgers
rühmt, meint Pufendorf, derselbe komme „mehr aus Gewohn-
heit her, und dass er persuadirt ist, es müsste also sein, als
dass er so sonderliche Lust zu den Affairen haben sollte,
denn von Natur liebt er die Ruhe und Divertissements, als
da sind fürnehmlich die Jagd und Musik.** Auch die von
(1674) (Fiedler, 144) erklärt, der Kaiser sei ein Ref^ent von herrlichen
Talenten und treuestem Pflichteifer, nur sei er allzn abhängig von
den Jesuiten. Francesco Michiele (1678) (Fiedler, 167) versichert,
Leopold hätte nach seinen natürlichen Anlagen ein ebenso that-
kräftiger, wie geistvoller Regent werden können, wenn nicht die
Gaben der Natur durch die jesuitische Erziehung gewaltsam unter-
drückt worden wären.
1) Mämoires du mar^hal de Qrammont; Petitot, collection des
m^moires, JI. serie, 57. tom., 21. — Bei einzelnen Behauptungen liegt
die Unrichtigkeit auf der Hand, z. B. wenn er versichert: ,11 ne
tavoit pas un mot de Tespagnole, ce qui ne laissait pas d'Stre bizarre
par plus d*une raison*.
2) Villars d'apr^s sa correspondance et des documents in^its
par le Marquis de Vogu^, I, 87.
8) Esaias Pufendorfs, k. schwedischen Gesandten in Wien, Be-
richt über Kaiser Leopold, seinen Hof und die österreichische Politik
von 1671—74, her. v. K. G. Heibig, 68.
112 Süeung der historischen Glosse vom 6, Mai 1890,
Yillars und den Venetianem gerühmte Religiosität will der
Protestant Pufendorf nicht anerkennen ; das sei nnr »ftiisser-
liche Devotion und strenge Observanz der Kirchengebräuche.*
Ja, sogar die Verantwortung für die harte Bedrückung der
Protestanten in Oesterreich treffe nur den Fanatismus des
Kaisers, der sich im Gewissen verpflichtet fühle, die verirrten
Unterthanen in den Schoos der wahren Kirche zurückzu-
führen, und darin von den Jesuiten, «als woraus er von
Jugend auf seine Präceptores und Beichtväter gehabt,^ be-
stärkt werde.*)
Dagegen entwirft wieder ein überaus günstiges Cha-
rakterbild der Franzose Casimir Freschot, der im letzten
Lebensjahr des Kaisers Aufzeichnungen intimer Natur über
den Wiener Hof anonym veröffentlichte;*) allerdings ist unter
dem überschwänglichen Lob auch einiger Tadel versteckt.
Leopold sei „der beste Fürst der Welt" ; seine bewunderungs-
würdige Frömmigkeit habe den Himmel immer wieder in
der Sti^nde äusserster Bedrängnis gezwungen, durch ein
Wunder Hilfe zu bringen. Freilich fehle es nicht an Kritikern,
die den Kaiser lieber mit Regierungsarbeiten, als mit frommen
üebungeu beschäftigt sähen, aber gerade ein Fürst könne
in der Frömmigkeit und Andacht wohl niemals zu weit
gehen. Auch des Kaisers Freigebigkeit gegen die Armen
kenne keine Grenzen; er gehe niemals aus, ohne einige
1) Dies ist nicht richtig; gerade derjenige Beichtvater, der am
längsten des Kaisers Vertrauen genosg, Pater Eraerich, war Mitglied
des Kapuzinerordens und ein Feind der Jesuiten (A. Wolf, Fürst
Lobkowitz, 215).
2) Mumoires de la tour de Vienne contenant les remarques d'un
voyageur sur Te'tat present de cett« cour et sur ses interöts (Cologne
1705), 91) p. (cfr. Barbier, Anonymes, VJ, 199). — Die , Relation von
dem kaynerl. Hofe zu Wien, aufgesetzt von einem Reisenden im
Jahre 1704 (Colin 1705) ist nur eine Uebersetzung von Freschok's
Mumoires.
Jtriijtl: BfilTilgf :nT Ch/irnktrrigtik Knhfr LeorK^ld« I 113
Hollen mit Dukaten bei sich zu führen, rÜe er an die sich
heran (Irän^nden UetUer verschenke; freilich sei zu beklagen,
da« in Wien die vontchätnten Armen darben, wührund den
Zutlringlicben mit vollen Händen gespendet werde. Der
Kaiwr sei auch nicht blixs ein guter, sondern ein nistlüs
tbäti^er FHrst; er habe die Fähigkeit und dieKraft, sein eigener
Slautarat und sein eigener Preniierininwter /.u sein.') Wenn
hImo di« Frage anfgeworfcn werde, wie es unter einem ao
wohl Kesiiluten, unterrichteten, pHichttreuen Regenten mög-
Hch Mei, Aaatt das Land so maugelhutl verwaltet, das Vulk
1*0 wroig glücklich «ei, hu niRsse die Antwort lauten: die
Sebnid liegt an den unfähigen Dienern, die den Fürsten
Din^ben, die zwar immer viel Beratung pflegen und Be-
»L-hlflasu fasnen. aber nichts zur AuafDhrung bringen und
die Htaatägelder nur zu Bestreitung de» eigenen Wohllebens
ventcbwenden. ')
im Uegenaat/ zu diesem Urteil spendet der Franzose
de la Paille gerade der Staatsklugheit und dem Pflichteifer
lUr Leiittt des Kaisers hohes Lob,') und nicht minder vur-
rt sich Ueneral Ohnvagnac (Iber den Wiener
')
KeLohsprIlche der vomKaiHer seihst aufgestellten Historio-
die hüti.>iche Chronik des Ijiialdci Prioriitii, ') das itii
} t. c, 147.
I L. c, l&l.
l Le I'ürteri'uille de Mr. L. l). F. (Üologne, IG9S) (L. ik- li
t aateur i1<h AunnlKn de Tnalousc: llarbior, VI, 96&) 13. Vt;l
, I.enpildii diu Ur. Lrlien n. Tbalcn, 24'.),
4j Mrmoirw de (iiiKpiirii cnmte do Chiivnffnac, marJthal ili
I cain[i ilnDo Ii-h rvrntücH do Itov, gännral de rnrtilliTie, sergunt di
tiatatlte de celle* de an Miuenti^ (Jathnliiiue . et lieiit^nnunt-gi'niTii
I ita» troup«« de rGuipemur et tau Ämliaiuaileur en l'nlnj^u (AiiiHli-r
I 170ÜI 296. 2«8. aiM) eW. V([l. Hinck. 237. 2«.
&) Unaldo Priunito. UUttirtu di Uuixildo I (Viu
a CUndia ({ewidiuHU- Hund dor Uido
1 "»W-^
1
114 Sitzung der historischen Classe vom 5. Mai 1890,
AllgemeineD sehr tüchtige Buch des Jesuitenpaters Wagner, ')
der Panegyrikus des Giovanni Goramazzi, *) das «zu mehrer
Grossschätzung des Kaysers** verfasste biographische Werk
des Wiener Professors Schenckel ') sind natürlich nicht hoch
anzuschlagen. Von den ausserhalb Oesterreich von deutschen
Zeitgenossen geschriebenen Biographien rührt die bekannteste
von dem Ältdorfer Professor Eucharius Gottlieb Binck her,
der jedoch als treuer Anhänger des Habsburgischen Kaiser-
hauses in der Hauptsache nur mit pathetischem Wortschwall
wiedergiebt, was er aus den Memoires de la cour de Vienne
geschöpft hat.^) In weniger freundlicher Beleuchtung er-
scheint der Kaiser in der Biographie eines englischen Ano-
nymus, die der Leipziger Professor Mencke seiner Biographie
Leopolds, einer herzlich schwachen Leistung, zu Grunde ge-
legt hat. »)
Wenn die Zeitgenossen so abweichende Urteile vernehmen
meno giusto, demente e pio, che invitto, glorioao e fortanato cesare'
reicht bis zum Jabre 1670; bis zum Jahre 1676 die Continuatione
(leir Historia di Leopolde cesare (Vienna 1676).
1) P. Wagner, Historia Leopoldi Magni imperatoria (Vienna 1719).
2) Giov. Batt. Commazzi, Istoria di Leopoldo Primo imperadore
de Romano (Vienna 1690). Es erschien davon auch eine deutsche
Bearbeitung: Immer grünender Kajserlicher Lorbeerkrantz oder grund-
richtige Erzehlung der fürtrefflichsten Staatsverrichtungen und glor-
würdigsten Heldenthaten des ietzo regierenden unüberwindlichsten
Höraischen Kaysers Leopold des Grossen (Augsburg 1690).
3) J. A. Schenckhelius , Vollständiges Lebensdiarium deas etc.
Kaysers Leopoldi I. des Grossen (Wien 1702).
4) Leopolds des Grossen wunderwürdiges Leben und Thaten
(Köln 1713).
6) Das englische Original : Life of Leopold, emperor of Germany, '
war mir nicht zugänglich. Dass ihm dieses Werk, sowie dasjenige eines
anonymen Spaniers (er meint wohl „Admirabiles efectos de la Provi-
dencia suceditos en la vida e imperio de Leopoldo primero invictissimo
emperadorde Romanos, con licencia de los Superiores j). D. M. G. P.*)
,wohl zu statten gekommen*, erklärt J. B. Mencke, Leben und Thaten
Sr. Majestät des röm. Kaysers Leopold des ersten, in der Vorrede.
^ Ueigtl: BfUräge lur (^liiiraktrri»tik Kai»fr LniipnliU I. 1 !•'»
lunen, kann m nicht überraschen , in Heu späteren Schildertmgen
den schroffesten Widersprüchen an begegnen, üfriirer, ')
Itnno Klopp,') Baiiuwtjirck.') Walewaky*) feiern den er-
geliüiien RoKri der Kirche, der willig das weltliclie Interesse
hülioreii Pflichten unterordnete und diis Wohl und die Aus-
br«tiiag der Kirche über Alle« stellte. Dagegen wird von
Üroyoen') Noordcn,*) (iaedecke^ und »ndreii tiurddeutscbt^n
1) niVSrer, OpHuhiditt! d»a 18. .lalirbundert« . 1, 801, laacUt <lle
richtig« Bemerbin^, diu« t>ii acboo »I* KroaaeM Verdieiwl tu »oliAUim
mI, Häaner, mtt Kiu-1 *. Lotbrint;en . HaDtmucuH. KOiLiger uotl
Ouldo Sttkbremlieri; , Prini Eitj^ea Q. A. im dio richliKcn I'ldtze
frnttcllt tu bnlien. ,1ch knnn duher dem Terdfimmendpn Urteil bei-
nübc alJur Kniieren niclit beiatimtoeD , weli-he Laopolii fUr eioeu
SchwSctiliiiK «rkläron; ein |^l«r Grundstock mumi in «einem Oeisl«
t[0««xen nein, diu« er aoluhe Mäannr liemniizntindeu , te«tiuliult«n
iiikI enit **!■ '^e»terreich lu fes^ielii wusele*.
31 Oano Klopp, der Kalt d«s Uuuaea StuarL, I, 90.
3) Bttumituik. KuHer Uopold I.. 208 E
i) Wulewikf, Undiiohte dnr iil. I.i^e nnd Lei>i>old<< I.. I, 176 It,
6) liroj-.eii, QBBchictiM der prflUB^ischeii Politik, III, 3, SSfi, .Ein
mOdcr, bleiehirr Harr, balb lahm in den Schenkeln , Hchwnnkenden
liBiig«« et«.* Bek&nul ixt, wt^lch absehreukendeN Rild Uroysen (llt. 3,
«10 ff.) »OB der kuinertidit-n Pulilik entwirlt.
8) NoonJeo nftnnliin I. Bund der Europäischen öen;hichte(150 eU.)
il«n Kaixer .mit lieielesgiiben nur mastiit; aiiegeittiittet. laitg«ani, HTg-
wAboiiicb und uberglünbiäch von Natur,' gänilicb abhängt; vom
Baiclitrator, jeder UeiRteiinnitpannunK nbhoM, l&ssig in Jen drinjc
lintiHt«D AngeleiteaheiteD, nur auf rettende .Mirnkel* verl.rauend etc.
Nach UenlkUun^ de« Wiener StaalsaichiT« t'ftlU er im 2. Band 1 126 rk.)
eio etvup ^ün«tiicere« Vitnil -. er meint, die OeMundten der itaeni&cht-
lichtm Höfe, deren Berichte ihm frOhar aDBachlieftiÜch vorlagen, halten
mit Vorlicbu Scbwari in Sthwari gemalt, und die hOhoren Kreise der
Aatiirr«icbiichun BAitmtcnwi'lt hlltt«n bllufi;; mit |{ehüii(i(!Cr ('«nniir
da IjiH>pDldmii'L'hen KeginienU die eigene Pflicbtrergc«senheil «u be-
uitot«lli KCUrhti troltulen] dürre auch .der ocbonendete Kiebter niobt
Irapicn, dau an iio. Fttlie xtaatHmiLnDiitcber Anfgiibeo, die im Iinutu
dea letxl«a MenAcheualters (gerade den {i«terr«i<'hi»chen StaaUlenkem
I, w«der die Aufiju><uug«i{abe, noch din ThatJmiR dm ^/i-
KkIkuv hemngi'nricbt*.
iBoedeck«, die Politik OeaterreiuhH io der •pani>cbeii Krlrf' ;
116 Sitsunfi der historischen Glosse vom 5, Mai 1890,
Historikern über Leopold nur in mehr oder weniger gering-
schätziger Weise gesprochen. Oegen solche Darstellung Hesse
sich einwenden, dass für das Regiment des Habsburgers ab-
sichtlich dunkle Farben gewählt wurden, damit sich vom
düsteren Hintergrunde um so leuchtender die jugendliche
Entwicklung des brandenburgischen Staatslebens abhebe.
Allein auch die Beurteilung von Seite österreichischer Forscher,
Krones,^) Wolf,*) Scheichl*) u. A. lautet nichts weniger als
schmeichelhaft. Hinwieder zollt Ameth, hauptsächlich auf
die Venetianer sich stützend, den Eigenschaften des Geistes,
wie des Herzens Kaiser Leopolds hohes Lob.^)
frage, II, 56 : «Kaiser Leopold ist sehr verschieden und meist eu
gunstig beurtheilt worden etc.*
1) Krones, Grundriss der österreichischen Geschichte, 684: ^Leo-
pold war ein friedsamer, schwerfälliger, körperlich und geistig schwach
begabter, aber rechtschaffener, zäher und von dynastischer Macht-
vollkommenheit erfüllter Herrscher/ In der Geschichte Oesterreichs,
HI, 564 etc., erkennt der nämliche Verfasser die strenge, sittliche
Ueberzeugung, den unbestechlichen Rechtssinn, die Achtung vor der
WisHenschaft und das richtige Hoheit^gefiihl des Kaisers an, beklagt
aber dessen melancholisches Temperament, pedantische Förmlichkeit,
schwerfällige Unsicherheit und Vertrauensseligkeit, angeborene Scheu
vor grossen Unternehmungen etc.
2) Wolf, Fürst Wenzel Lobkowitz, 206. ,Er war ein starker,
gesunder, rüstiger Mann, aber die Scheu und Schüchternheit seiner
Jugend war ihm geblieben. Die jesuitischen Beichtväter und Ei^
zieher hatten dafür gesorgt, dass er nicht sobald selbständig werde . . .
Die frische Freudigkeit des Lebens hat Leopold weder früher noch
später empfunden. Er war immer ernst, düster, verschlossen, liebte
ein zurückgezogenes Leben** ....
8) Scheichl, Leopold I. und die österreichische Politik während
des Devolutionskrieges, 10: «Nach allem, was über Leopolds Fähig-
keiten und Charaktereigenschaften bekannt ist, hatte er, obwohl ihn
seine Schmeichler den Grossen zu nennen pflegten, sozusagen seinen
Beruf verfehlt. Wäre er nicht auf der Menschheit Höhen geboren
worden, er hätte einen vortrefflichen Musiker abgegeben . . . **
4) Arneth, Prinz EuK'on von Savoyen, I, 11, 132, 189, 193 ff.
I Utiiful: lif.UrilQt mr Chiiraitfrijtlik Kiiisfr [sttipiildt I.
117
titgesicbta dieser G^ensätze stioi; in mir gelegentlich
Studien xur Keschicht« Kaiser Leopolds der Wiitiscli
Hif, QnelleD uii^Einilig r.u iiiacberi. welche möglichst zu-
verlange Aafschlüase Über den Charakter des Kaisera böten,
■tK> vor Wlum Briefe des Kaisers und an den Kaiser, welche
iHcfaeti Einblick in dessen Wesen gestatteten.
AuNlieute ans gednickten Briefen ist gering. Nur
Korrespondenz Leopolda mit dem Hofhibliotbehar
LambiwcJUB hat Karajan dankenswerte Mitteiinngen ge-
bot«» , ') und jfinfpt bat Krones Nachricht gegeben von
«genhändigen Briefen Leopolds an den Ajo und Hinteren
Premierminister Grafen Portia.')
Ich wandl« mich also an das Wiener Staatsarchiv, imd
da klopft man nie rergeblich an. Nachdem ich auseinander-
gesetzt, worauf es mir besonders ankäme, wurden mir einige
ll»nde zur Verfiigung gestellt, in welchen ich zu meiner
Btffriudigung alles GewUnschte vereinigt fand.')
Es \Ht die KorrespondeuK des Kaisers mit dem
Grafen Franißnsebius Poetting, kaisertiuhen Gesandten
in Madrid aus den Jahren llilS2 bis 1674, in welcher die eigen-
bändig gCMchrielien^n Briefe dbs Kaisers nicht, weniger als fünf
Fuliubände fflllen.*) Bekanntlich zählt Kaiser Leopolda Bsnd-
I) Kat^jon. Kaiser Leopold 1. u. Petet Lmubeuk (IB68).
in der alldem. ileuUchen BiogrAphie, 2G. IM.. 45ü.
)[ Dem »erelirten VorBlund nnd -ien Beitiaten, insbesondere Herrn
r Dr. Winter, »ei liiermit wkrtOHtcr Unnlt iiusgUMppochen.
[iHintuJi KalleKen, Qctm Dr. Pnibram, diT auf diu Zn-
rnrkommnDdrte meine Arlieil. untentutit«. H6ge Prtibmm, wie
■r mitndlieh in Aiisricbt itellt«, recbL Imld xu ÜGrausgiibe der Pöttinif'-
■elieu Korn)>q>on<l«nji Haue und HeleKenkeit linden.
4) Die KürrvMponde&i umfasat '21 Bände. Wl^tcile in dl« Faadk^l
18—86 der Abteilung .Uro«HF Correspondenx* lerteilt HiaiL
' ^a— ft iVtn. 83): Leopol<J «n PooUini;. OnKinali. IßffS— II
-10(Fui. 841: Leopold nn PofUinf;, Abscrlirtacn. lßr>B-ll
]
1
118 Sitzung der historisdien Glosse mm 5. Mai 1890.
Schrift zu den greulichsten Denkmälern der Schrifbenkunde.
Da ich nur eine Spanne Zeit auf die Benützung des Archivs
verwenden konnte, war es mir zwiefach willkommen, dass
von den meisten Briefen für den Empfanger gefertigt Ab-
schriften vorhanden sind. Eine andere Schwierigkeit bietet
die Chiffrierung zahlreicher Stellen in den Briefen des Kaisers;
es war mir wegen Zeitmangels nicht möglich, einen Schlüssel
auszuziehen; da jedoch für ein Schreiben des Kaisers vom
24. September 1670 und für ein weiteres vom 16. Novem-
ber 1672 eine Auflösung, vermutlich von Poettings Hand,
beiliegt, liessen sich wenigstens die am häufigsten wieder-
kehrenden Namenschiffem ausfindig machen. Für dasjenige,
was mich zunächst interessierte, für die Mitteilungen über die
Lebensweise und die Erlebnisse des Kaisers sind glücklicher-
weise ohnehin keine Chiffem verwendet.
Franz Eusebius Graf Poetting wurde 1663 zum Ge-
sandten in Madrid ernannt.^) Von seiner Begabung zum Diplo-
maten geben die etwas verworrenen Berichte an den Wiener
Bd. 11—12 (Fasz. 35): Diarien Poettings, 1664—1674;
Bd. 13—20 (Fasz. 36—37): Poetting an Leopold, Concepte, 1663
—1672;
Bd. 21— 24 (Fasz. 38): Poetting an Leopold, Abschriften, 1663—1674.
Die meisten der solid in Schweinsleder gehefteten Bände tragen auf
der Aussenseite der Vorderdecke den Reichsadler, in dessen Bnist-
schild sich das Porträt Leopolds befindet; nahe dem unteren Rande
ist das Wappen Poetting's angebracht. Band 6 u. 7 sind einfache
Pappbände.
1) Die Poetting sind ein altes österreichisches Geschlecht,
dessen gleichnamige Stammburg bei Murstätten lag. Alban v. P.
wurde von Karl IV. zum Reichsritter geschlagen. Der Freiherm-
stand kam 1609 durch Urban v. P., des deutschen Ordens Comthur,
kaiserlichen Kämmerer und Hofrat, in die Familie, 1636 die Grafen-
würde. Franz Eusebius wurde 1649 zum böhmischen Vicekajizler
ernannt; 1652 wurde die Familie durch Indigenatsdiplom für Böhmen
zum Besitz der Herrschaften und Güter Rumburg, Miroschowitz,
Miltschin etc. berechtigt.
Ht^nl: Bfitriige -tir ChanikltriMik Knuer Leopolds I. IlSl
r ntubt |rer»<ie glänzeDtleti Zuuijuis. Der einfluasreichnte I
(inter »Di Wiener Hole, Fürst Lobkowitz, der ?ori Port- ^
\ aIk nrli^ucht<^ter StaBtemauu, hU ein wahres Muster ge-
wird , wnr Gfinner tini) Meister des Diplomateo. *)
^dcm eich djeaer Itinge vei^eblich um ein eiaträ^licheres
mt lieworhen hatte, wurde er 1(571 mim Hofmarschsll
I kwMrrlicIien tiut'ts ernannt, durfte aber erst zwei Jabre
^r Minen Poeten in Madrid an Graf Ferdinand Harracli
I (irftf Poetting utand, wie aus den Briefen selbst ersieht- |
L wird, bei seiueui 6ebieter, desHen Jugendgefipiele er ge-
war, in hoher üunst. Die Worte, die der Kaiser I
I. Verhältnis zu seinem Oesuidten widmet, sind ehrenvolt I
^ Herr und Diener. Als Poetting eindiessen lieas, er
glaulie sich von kaiserlicher Unt^nade bedroht, schrieb Leo-
ii^old {6. Jäner lfiti7): .Ich sehe ans dem letzten {Schreiben), ]
t ihr vermeint, als wan ich mit euern Diensten nicht a
I wäre; mein Qraff, macht euch in diseni gantz keine I
, dan ich bin gar wohl mit eurem Fleiss zufrieden,
! eure Dienste, werde noch würeklich selbe effective
ginen, und glaubet fest und sicher, diis^ das Refran: Aus
L Augen, HUN dem ^'inn, bey mir gantz nicht statt hat,
■lögen andere isagen und schreiben, wass sie wollen. |
', kIko furth und berichtet alles fein und Heiastg,
\ itelbige miniatri in {ilurali et singulari, und »eit ver- |
, da-ts ich euch niemals verlassen werde.* AU Leopold I
Leionuil veranlasst sah, den Marquis de Granu in auaser-
pUicher Mission nach Madrid zu senden, schrieb er an |
Ing zur Bcttchwichtiguug: .Weilleu ich mir wohl etti-
kunn (ex inoderno cun<u miindi et aularuni), daas
tLaide nmnglen werden, so ench werden Mucki^n niach«n
1
120 Sitzung der historischen Glosse vom 5, Mai 1890,
wollen über dise Mission, also versichere euch gnädigist,
dass dise abschickhung nicht geschieht auss einigem miss-
trauen in eure Person, sondern nur per finezza und aus
Noth, dass wir doch einmal wissen, woran wir sein' (2. Fe-
bruar 1668.) Doch nicht bloas dieser Vertrauensstellung
wegen unterrichtete Leopold den Gesandten von den intim-
sten Vorgängen am Wiener Hofe; Poetting sollte davon das
Wissenswerte den nächsten Verwandten des Kaisers, dem
König von Spanien und insbesondere der im habsburgischen
Interesse eifrig thätigen Königin Maria Anna, Kaiser Ferdi-
nands III. Tochter, mitteilen. Auch über die politischen
Angelegenheiten äussert sich Leopold in der freimütigsten
Weise, so dass diese Briefe, die über des Kaisers eigene An-
schauung aufklären, zweifellos zu den wichtigsten Quellen
zur Geschichte jenes Zeitraumes gezählt werden dürfen.
Allerdings hat dieser Freimut eine Grenze. Als sich der
Kaiser, widerwillig dem Rat der Lobkowitz und Auersperg
Folge leistend, mit dem von Grund der Seele ihm wider-
wärtigen , ja verhassten König von Frankreich insgeheim
verbündete und durch den Vertrag vom 19. Jänner 1668
für den Fall des Erlöschens der spanischen Habsburger eine
Teilung der spanischen Monarchie vereinbarte,^) wurde von
diesen auch in Wien nur jenen zwei Ministern bekannten
Abmachungen kein Sterbenswörtchen in die Briefe an Poet-
ting aufgenommen. Man braucht aber deshalb nicht anzu-
nehmen, der Kaiser habe Bedenken getragen, ein so wich-
tiges Geheimnis seinem Gesandten anzuvertrauen, damit nicht
übelwollender oder unvorsichtiger Gebrauch davon gemacht
werde; das Schweigen des Kaisers ist aus einem andren
Grunde zu erklären. Wiederholt ^vird vom Kaiser Klage
geführt über die ,,Insolenz* und „Discortesia* der Franzosen,
welche die kaiserlichen Briefe verschwinden Hessen. Insbe-
1) Wolf, 177. — Scheiohl, 86.
^Scgot: Bntrili]e :ur ('hiirnltirMk KnUrr TitopoUls I. 121
sondere während des spHnisch-franitösischeii Kriege« wurde
die kuiscrliclie Korresjmiiden/. nicht selten auf frniizüüischem
Bodtfu ttbgt<fangeti; der Kaiser «chickte deshfilb, wenn es
sich um wichtigere Kachrichten handelte , mt^hrere gleich-
Ittutmide Briefe j^leielizeitig auf verschiedenen Wegen nach
Madrid. Tmtz solcher Gefahr spricht sich aber der Kaiser,
auf den iSchutz der ChiS'em hauend, im Altgemeinen (iher
;be Vorgänge, sowie über Fürsten uudStaat^niünner der
I europäiachen Höfe Überraschend offenherzig aus.
labei läaat sich Tor Allein feststellen, das» sich An-
dieaer au^ttl lirlich eu, in die verwickeltsten diploma-
tiscbun Kragen eingebenden Erörterungen der am h&ufig*<ten
wiederkehrende Vorwurf, der Kaiser sei träge und nachlüäsig
gewesen,'} nicberlicli nii'ht gerechtfert.igt erscheint. Die von
LunfMild entwickelten Ansichten Dberrascben nicht durch Geist
und Scharfblick, lassen aber immerhin auf gesundes Urteil und
rege Teilnahme an den ßegienmgsgeschüften schUeasen. ^ie
zeDgcn auch von gutem Humor, denn der Bnefschreiber
(»enlltxt gern jede Gelegenheit, einen etwas derben, schwer-
lUligen Wilz anzubringen. Wenn man sich ert^t in das fUr
dos ganze Zeitalter und besonders fQr Leopold uharakteri-
itische Gemisch von deutechen, spanischen und lateinischen
WSrtern und SUtzen gefunden hat, lesen sich die Briefe ganz
g(>f)illig. Der Verfasser trägt dip AUongeperrücke «eines
Zeitaltere, aber nnter dem Ltmkenwiist blicken munter ein
paar treuherzige Angen hervnr. Namentlich aus zeitgenöasi-
■cben Schilderungen von Uoffesten, hei welchen Leopold in
unnahban-r Waise paradierte,*) wurde der Schluss gezogen,
dik'« aacfa der Charakter [^eopolds etwas Steifes, Finsteres,
UttcbmQtige« gehabt habe. .Mehr ein Spanier, denn ein
l) Sogar der wohlgetinnte Fretchot In. &. 0., 1Ö4J erhebt dieit
mit äem ßi^itK^rkun; .La Jeiit«ur naturelle de la natlon AJIe-
prtte qiiL'lqnp r-xcnap h re di-fauL*
r.fer*t<!r, Vx., die Wie Kiiropa'*, U, IG.
1
122 Sitzung der historischen Glosse vom 5, Mai 1890,
Deutscher!'' Diesas Urteil kehrt häufig wieder. Allein ans
unsrer Korrespondenz wird das Gegenteil ersichtlich. Der
echte Wiener tritt uns darin entgegen; die Licht- und
Schattenseiten des Wienertunis sind hier ausgeprägt, und
auch die AuRdrucksweise ist dem entsprechend. So wenn
Leopold z. B. über seine erste Begegnung mit dem englischen
Gesandten Carlingford, Karls IL Kanzler, der im Jänner 1666
nach Wien kam, um den Kaiser für ein Bündnis mit Eng-
land und Spanien zu gewinnen, Nachricht giebt (21. Jänner
1666): „Carlingfeld hat schon bey mir Audienz gehabt, ist
gar ein lieber Cavalier di bonissima pasta, aber scheint doch
nit gar zu spitzfindig zu seyn, welches ich lieber habe, als
wan die Ministri gar zu furbi sein, als wie der Grenoville;
sie sagen, er seye auch ein guter gesell und mache alles
mit; mier ist leidt, dass ich ohne interprete nicht mit ihm
sprechen kann, dann er nichts alss Englisch und Französisch
reden kann, Latein verstehet er zwar, in audientia inter-
pretatus est p. de Nellany, ego respondi latine, sie Carling-
feldt me bene intellexit."*)
1) Scheichl, 38.
2) Aus dieser Stelle läsat sich ersehen, dass die Nachricht Rinck's
(S. 94) unrichtig ist, Leopold habe zwar, als sich das Französische am
kaiserlichen Hofe immer mehr einzubürpfem drohte, ein Verbot erlassen,
er wolle in seinen Antichambres niemals die Sprache seiner Feinde
reden hören, er selbst aber sei des Französischen mächtig gewesen.
Auf sein Latein that sich Leopold nicht mit Unrecht viel zu gute.
Das reine Latein in den eigenhändig geschriebenen Briefen an den
Bibliothekar P. Lambeccius erregte schon bei den Zeitgenossen Be-
wunderung; in lateinischer Sprache schrieb er an König Wilhelm
V, England 1697 einen ausführlichen Bericht ül)er die Schlacht bei
Zenta; auch lateinische Epigramme und Chronosticha liebte er ab-
zufassen, berühmt ist u. a. sein Epigramm auf Ludwig XTV. ge-
worden :
„Bella fugis, sequeris bellas pugnaeque repugnaa,
Sed bellaturi sunt tibi bella tori;
Imbelles imbellis amas totusque videris
Mars ad opus Veneris, Martis ad arma Venus."
Heigel: Beiträge zur Charakteristik Kaiser Leopolds I. 123
Der vorhergehende Brief vom 6. Jäner 1666, der dem
dringenden Wunsche nach Beschleunigung der Abreise der
für Leopold bestimmten Braut, der spanischen Prinzessin
Margarita, Ausdruck giebt und dem Gesandten die Wege
weist, wie in Madrid Beschleunigung des Werkes zu er-
reichen wäre, schliesst mit den lustigen Worten: „üebrigens
beziehe mich nochmals auf die depeches der Gantzley und
wünsch euch zum beschluss ein glückseliges neues Jahr,
ein Sohn im krausen Haar, zudem auch Mittel dabey und
bin auch allezeit euch mit besonderer Keyserlichen Hulden
wohl gewogen*. An der Heirat ist ihm sehr viel gelegen,
denn er ist jetzt 27 Jahre alt und will endlich einmal einen
braven Sohn haben; deshalb bringen ihn die Ausreden der
Spanier, die immer wieder Aufechub der Hochzeit erreichen
wollen, ganz aus dem Häuschen. «Muss ich bestehen, dass
ich denen Spanischen ministris nicht recht traue, biss meine
Brauth über den grossen Bach (verstehe das meer) kommen
sey, und diess macht mir noch mehr mucken, et quidem
Dans Leopold diese Dysticha eigenhändig schrieb , wurde von
P. Lambeccius bezeugt (Rinck, 91). Menzel (Geschichte der Deutschen,
YIIl, 345) bemerkt dazu, das Zeugniss des gelehrten Bibliothekars
beweise nicht, dass Leopold die Verse auch selbst verfEMst habe.
In der Korrespondenz mit Poetting sind aber ähnliche lateinische
Witzeleien gar nicht selten. —
Die oben angefahrte Stelle beweist auch, dass die gäng and
gäbe Annahme, der französische Gesandte Jaques Brethel Chevalier
de Gremonville, der galante, schlaue, gewissenlose Diplomat aus
Mazarin's Schule, habe beim Kaiser Alles gegolten, sei wegen seines
Witzes der Liebling des Kaisers und zur Zeit des Devolutionskrieges
die Hauptperson am Wiener Hofe gewesen (Mignet, N^gociations
relatives k la succession d'Espagne sous Louis XIV, n, 207), durch-
aus der Begründung entbehrt. Auch am 8. April 1668 schreibt Leo-
pold: p Eurer in Frankreich geplünderter Curier hat sein nnglück
per anhero berichtet, habe alsobald es dem GrenovOI^
lassen, er hat aber nur guete worth ausgeben: um
delli furbü*
1
124 Sitzung der historischen Classe vom 5, Mai 1890,
Talde, ut credo , dass zu Maylandt noch nicht die geringste
anstatt gemacht wirdt*. (3. Februar 1666.) Freilich er-
füllt ihn mit Schrecken, dass die Braut «ein weibergesfindel
Ton weith über 20 mitbringen" will, ,,so einmahl ein elend
wäre und ich wüste ja einmahl nicht, wo auss oder hin da-
mit*. Poetting soll also ja darnach trachten, dass , nicht
die Dienerinnen mehr Canaillen mitbringen als die Frau
Selbsten .... Mein, schauet nur, wie ihr mir auss diesem
Purgatorio fael£fet, dann ich weiss also gar zu wohl, wass
ich mit diesen lieben Leuthen vor eine saubere arbeith und
plag haben werde^ Dazwischen hinein meldet er von poli-
tischen Vorgängen u. A.: «Der Münsterische Handel hat ein
schlechtes Aussehen, attamen speramus per mediationem im-
peratoris bonum e£fectum". Denn im Friedenstiften sieht er
seine schönste Aufgabe. « Möchte wohl auch das Sprich worth
verificirt werden, das ein Schwert das andere in der scheide
halte*. Auch von Wiener Vorgängen giebt er dem Gesandten
Nachricht, u. A., dass wieder ein paar Heiraten , richtig ge-
macht worden sind*, darunter «das Sigerle von Dietrichstein
mit der verwittibten Collaldin, die nehmen einander ex puro
amore, viell Glück darzu , wann es nur tauert!* — von
Duellen, zu welchen die Verlobungen Anlass gegeben, aber
er habe die Duellanten kurzweg in Arrest gesetzt, bis sie
sich mit einander aussöhnen wollten, — von Gerüchten, die
über diesen und jenen bei Hofe im Schwange sind. Der
echte Wiener kommt zum Wort, wenn er z. B. einen An-
geschuldigten zu rechtfertigen sucht: «Mein, seine Emoli
hängen ihm darinnen auch manches Klamperl an!*
Als in Madrid neuer Aufschub der Hochzeit geplant
wird, gerät er in Unruhe. «Duncket mir, die Giornada gehe
auf die lange Bank, und es ist schier grob!* (3. März 1666.)
Er ist nicht ohne Besorgnis, dass man ihn in Madrid hinter-
gehen wolle. «Chi ama, tenie!* Als endlich von Poetting
die Abreise der Braut durchgesetzt wird, giebt er jubelnd
r CharaktrTintik Kaiser Ijtopoidt t. \~h
Befriedigung xu erkenneu: ,Könt ibr leicht erachten,
CORSolation dicter avieo nicht allein in mir, sondern
in HÜen ineiiji'ri Ländern erwecket hut, ich kann sogen,
dass ich v»r Freyden nicht ^ewiist. wo ich wäre, dunn ich
alltiweil besorget habe, es stecke noch wasa dahinter. Nun
»i!yii Oott zu aller Gwi^^kheit geprieasen, dus» alai so wohl
gegangen*. (2S. Mai 10t>6) Kr hat die Kretidenbot^chaft
um y Uhr Abeudi, als er schon ?m Bette war, erhalten; so-
gleich li«« er .alle Stnck losbrenneii' und Morgens Tedeum
tdngen und sodann ein Kopfrenneii halten und zu diesem
Zweck diu Hotlraucr ablegen. .Wird zwar übel gedeutet
werden, über l)ei ao frühlicher Post kann man sie nicht
tragen.* Die Feotins, Oper und Tan«, liegen ihm liberhaupt
«ehr tun Heraen. i^hon vor dem KintrcHen der Freuden-
bolacbaft wUNSt«! er einmal wieder tanzen sehen. „Ditwen-
Faacbing hätte ich ;£iinblich xtül seyn sollen, wegen der
Klagen, doch haben wir ettich Festel in camera gehabt,
dann « iiiltR den Toten do<^:h nicht, wann man traurig i.'tt,
diicb alles ganis retirat'. (IT. März 1666^ Den nächsten
liebartstug seiner .Oesponss* feiert er durch ein Ballet,
.welchen l'riuK Karl von Lotliringen sunibt etlichen Camerern
getanzt hat und i»^t ein so galantes Festiu gewest, aU eines
dabivr genehen". üeber die Festlichkeiten bei Hofe pHegt
li«o)y^d dem Grsaiidten genaue Mitteilungen zu machen,
and die Korrespondenz i^ aus diesem Grunde auch als Fund-
ftlr kau»tgeHchichttiche& Detail wert.voll. >)
i Leopold GOgar mit liMnaderct Vorliebe bei iliesen Ue-
Q rerweilt. lälH d'iv Buhaaptung Kinük'H in aii'li misuniinen,
' halu! aim kon*(?rviil.irnin Dron^r nit^ht geduldet, diui
r nnodrdift lirmllr.lipn lloflmltunK ntwHx (fPAndert würtle :
I Kavier« tknianicet, ao beland «ich «eibiger in
t itaadt'. wie e» aeine niodeittie, uicht wi^ et «eiae H^JeatU er-
I LleKenlt-il '
in ikQtlerer Seite beteti^, iliv<» x. B. die U
, mubeiiondi^re du- l>|jui
, die b«i (klH
126 Sitzung der historischen Citusse w>m 5. Mai 1890,
Unmittelbar neben der Nachricht über das Festballet
findet siah eine Bemerkung, die den Beweis liefert, dass
Leopold schon damals von Misstrauen gegen Lobkowitz,
seinen einflussreichsten und angesehensten Minister, erf&Ut
war: „Dass Lobkowitz nicht der besten einer seye, ist leicht
zu erachten, man muss ihn aber gleichwohl nicht gantz aoss
der wiegen werffen, sonder, wie man spricht, dem Teuflei
auch immer einmal ein Liechtel anzienden^ (22. Juli 1666.)
Der spanische Erbfolgestreit warf schon in^s Jahr 1666
seine Schatten voraus. Schon damals wurde in Spanien
befürchtet, dass aas der Verbindung der Infantin mit dem
deutschen Habsburger Erbstreitigkeiten und für Spanien
Zersplitterung und Kriegsunheil erwachsen würden. Diese
Gefahren waren in einer in Spanien erschienenen Schrift
■weitläufig auseinander gesetzt worden; Kaiser Leopold liess
sich durch seinen Gesandten das Buch schicken, „damit man
dise schöne Doctrin ein wenig durch die Hächel ziehen
möge" (1(). August 1066.) Solcher Bedenken halber wurde
auch von spanischer Seite immer wieder Aufschub der Hoch-
zeit zu erwirken gesucht, bis endlich der Kaiser, des langen
Foppeus müde, den Gesandten anwies, er möge „nur ganz
impertinent* darauf dringen , dass dieses Zaudern ein Ende
habe, „und kann euch mit Wahrheit sagen, dass mir recht
das Herze klopfet, nur dass ich von diser materi die Curier
schicken thue."
In Madrid war man üi)rigpns auch deshalb verstimmt,
Gelegenheiten über die Bretter gingen, z. B. II pomo d'oro, il fuoco
Vestale, la Monarchia etc., an l'racht und Gescbmack Alles hinter sich
lies8#n . was in Frankreich und Italien geleistet wurde. Das« die
Wiener Kapelle die beste ihrer Zeit war, wird auch von Kinck an-
erkannt (S. 121), der daran die Hpöttisehe Bemerkung knüpft : ^Wann
all«' collegia in Wien auf solche art untersucht und besetzt worden,
so ist kein Zweitfl, Wien wäre ein paradiess auf Krden, ein Sammel-
platz der Gennlitigkeit, der freien Künste und aller Tugenden."
Heigel: Beiträge zur Charakteristik Kaiser Leopolds I. 127
weil sich Kaiser Leopold nicht dazu anfra£fen wollte, mit
Entschiedenheit gegen Frankreich aufzutreten und die ehr-
geizigen Pläne Ludwigs XIV., wie der scharfblickende kaiser-
liche Qesandte im Haag, Franz von Lisola, verlangte,^) im
Entstehen zu vernichten. Nicht als ob Leopold die vom
Westen drohende Gefahr nicht erkannt hätte; er charakteri-
sirt die von Frankreich gebrauchten friedlichen Redensarten
ganz richtig. ,, Circa Galliara , werdet ihr auch aus der
Cantzley instruirt werden, und mahnet mich dieser Vorschlag
an die Fabel vom Wolff und denen Schaafen, wie er mit
denselben hat wollen einen bestendigen Frieden machen, hac
tamen conditione, dass sie die Hund abscha£fen sollen.' Aber
er will es auch mit Frankreich nicht verderben und will sich
die spanische Bevormundung, die sich sogar auf die klein-
lichsten Dinge erstrecke, nicht gefallen lassen. Machte man
doch in Madrid schon ein grosses Wesen daraus , dass der
Bräutigam der Infantin französische Tänzer auftreten liess.
.Ich vermeine aber, wan man einem gaukler und taschen-
spieler zuschauen kann, so kann man wohl auch einem
französischen Narren und Tanzer zuschauen, oltre que era
una cosa si fredda, das gar nicht der Mühe werth ist, so
viel Redens davon zu machen, aber die Leuth, so kein ne-
gotia haben, die machen ex mosca elephantem, das ist, aus
einer StQmpelei das gröste negotium'* (27. September 1666.)
Als endlich die Braut glücklich in Wien anlangt und
das Beilager vollzogen wird, ist Leopold höchlich conten-
tiret, aller Freuden voll und von der zartesten Aufmerksam-
keit für sein liebes Weibel beseelt. »Seynd vor 3 Tag mit
75 Schlitten gefahren, 30 mit Dames, die andern lahr, dar-
auif ein teutschen Tanz gehalten, wobey legatus Hispanus et
uxor auch gewest. Videtur non displicuisse meae conjugi.
1) Qrossmann, der kaiserliche Gesandte, Fraai v. T-«*^i«v, im
EMLg, 15.
128 Sitzung der historischen Glosse vom 5. Mai 1890,
Gestern hat auch die verwittibte Kayserin ein Festel ge-
halten, wobey mein Schatz auch gar lustig gewest, ich
schaue halt, sie lustig zu erhalten, dass sie alles contento
habe'. (6. Jäner 1667) Um der Gattin eine Freude zu
machen, bestellt er die in Spanien gerade beliebten Musik-
stücke, die seine Kapelle zur Aufführung bringen soll.
vSonsten seynd wir alle' schreibt er am 3. Februar, «Gott-
lob gar wohl auf, und mein Gemahl schickt sich gar schön
in die Teutschen Brauch , und hab ich dieser Tagen den
Ross-Ballet halten lassen, ich soll es nit loben, weil ich es
halten lassen, ihr könnt aber gewis versichert seyn, das a
seculis nil dergleichen solches gesehen worden, dahero ich
euch hiemit 10 exemplaria und dessen beschreibung mit
Kupfer schicken wollen, dass ihr auch was davon unter da-
sige Gesandte und ministri austh eilen könnt/ «Sonsten
seynd ¥dr gar wohl auf und unterhalten uns mit Faschings-
passatempi, schicke euch von unterschiedlichen Gomedien und
eine lista von der Würtschait, so heütt gehalten wird, euer
Vetter, der Wastel, ist Chineser worden, haben ihn gantz
ausmundiret, dan ich ohnedem von einem Pater S. J. ein
Original chinesische Kleid bekommen" (17. Februar 1G67).
Als sich Etiquettestreitigkeiten zwischen der regierenden und
der verwittweten Kaiserin erheben, ist Leopold ernstlich be-
müht, einen friedlichen Vergleich zu Stande zu bringen.
Poetting möge die Königin von Spanien bitten, sich darob
keine Skrupel zu machen, und ihr versichern, ^dass der
Teuffel nit so schwartz, als man ihn mahlet und dass die
beyden Kayserinen recht von Hertzen einander lieben und
gar gern beysammen seyn* (3. März 1G67).
Während er aber seine spanische Gattin zärtlich liebte,
war er um so ungehaltener über den Dünkel ihrer spanischen
Umgebung. Als sich der Gesandte Ciistehir in Wien Ex-
cesse erlaubte, schickte Leopold an Poetting zwei für den
spanischen Hof bestimmte Schreiben, «prima Höflich und
tMeigel: BfilTüge lur Charakterishl! Kmurr 7,eo;wI[(» J. 129
»mcciiict, sectmda fusior et acrior, damit sich der Gesandte
je imcli Oiitiiiink<^!U des einen ofler andren bediene. Einen
andren Oenandten will er nicht verlangen, ,dan obwohl
(Coatelar) zieuilicb kUzlich unil gant-A furios ist, na hoffe
ieli doch, er werde hac occasione die Hi'imer ziemlich
abif^tüEsen hiibcti.* (6. Juni 1667) Freilich mus." er uiich
Npi&ter noch wiederholt seiner t) n an frieden hei t Ausdruck
geben. ,D<> rogina Hispiuiine spero, qnod iiupunet frenuiii
I«gaU> lIiH{)Bno, qnia suume necessanum est'. (5. J&nner
IfidS) In drafltischer Weise macht er seiner Abneigung
gvge» den spnnischen Diplomuten Peiieraiidn Luft. «Das
Wetter ist sehr kalt*, schreibt er am 31. Dezember ll)67,
,nml t^ebt diesen Winter nicht viel nach, alss wir vor
10 Jahren nach I''rankfiidt gereixt, wo penecuda (Pencriindii)
nch gant/. in ein pel^em Hackh einnefaeii hatt lassen. War'
er damals nur crepirt, wer kein grosse Acliad nit gewest".
(31. Dezember U>ü7)'). Auch der bevorstehende Tod de«
Papste« entlockt ihm eine wenig respektirlicho Bemerkung.
,l)er Papst ligt am Hchnigen, wurde uns jetzo gar niat
ä propos Ht«rben'. (2S. Märe 1667) und gar unchristlieh
spricht er von einem schweren Verlust der Franzosen. .Die
Mtßetn haben ein paar mal 'lOOO Mann cingehllsst, Uott
r ihn dergleichen OlOck mehr!' (31. August 1067)
FDie Abneigung gegen Frankreich und die Franzosen
t immer und überall durch. Trot/dem wi-igerte sich
Leopold entscliieden, dem Drängen der Spanier nachzugeben
tuid sich am Krieg gegen Frankreich zu beteiligen. Er
Hticht genngnam armirt, sclirieb er am 6. .luui 16l>7, nnd
M) Die AbBeigTinpj iftgeo t'enemnda. Jer dwh »pinerieit Kr die
■wähl Leoiwlds bo enMgiseh gevfirkt hatte (l'raibrani. Zur Wiilil
t.i»jioltU 1., SC, S2I, rOhrte wulil hau|>Uili'hlicli duruD ber. ilax, Jur
SiMBier AntTnichU il» äifH^hthuniH Phili|i|iit IV. und iler Uelireultlicli-
ln> TliroatirtHm, KBrla II, iri^K^" '^'^ Heirat Mii.riniritu'> mit duui
r ««itin. hatlo (ft. Klopp. I, 97)
130 Sitzung der historischen Classe vom 5. Mai 1890,
könne deshalb nicht verhindern, da&s ihm die Franzosen
ungestraft seine tirolischen und schwäbischen Lande weg-
nähmen; er wisse auch nicht, wie sich Schweden verhalten
werde, und müsse befürchten, dass die Schweden, sobald er
mit seiner Hauptarmada ausgerückt wäre, in Böhmen und
Schlesien einfallen würden. Dies Alles soll Poetting «nervase*
in Madrid vorstellen, ,, weilen ich wohl weiss, dass nit alda
werden Critici mangeln, so alle meine actiones genugsam
judicieren werden.*
Der 28. September 1667, der «allerliebste St. Wenzels
Tag, so mir jetzo über Alles lieb ist*, brachte dem Kaiser
eine grosse Freude: es wurde ihm ein Sohn geboren, dem
in der Taufe der Name Ferdinand beigelegt wurde. Allein
der Jubel war von kurzer Dauer, schon am 13. Jänner 1668
verschied der Erbe des Thrones. «Alhier ist ein grosses
Laidt et tale quod a niulto tempore noii fuit visum, imo
mea etiam summe percussa est, doch hat sich heroisch da-
rrin gefunden und diss umb so viel mehr, weillen sie sellist
v(m Tag zu Tag gasehen hat, wie dieser unser lieber Engl
a graiid paine zu Himmel geeilet hatt.* Nur das Eine kann
ihm zum Trost gereichen, dass sie nun an diesem Engelein
„einen unschuldigen Vorbitter bei Gott haben werden*. Als
bald darauf auch Poetting sein erstes Kind durch den Tod
verliert, schreibt Leopold : „ Jam sumus pares in dolore, qui
etiam par&s fninius in laetitia, fiat in omni tempore voluntas
dominü* (11. April 1(308)
„Wassonsten die Publica anlanget,* fügt er jener ei^sten
Nachricht ))ei, „weiss ich schier nit mehr, was ich schreiben
soll, dan mich dimkt, es heisse: oleum et operani j)erdidi,
si .^altem saperent parnges**. Man wäre fast vei'sucht, in
diesen Worten eine Verlegenheit« Wendung zu erblicken, denn
wie wir wissen, wurde wenige Tage später, am 10. Jänner
1668, der Vertrag unterzeichnet, wodurch Frankreich und
Oesterreich für den Fall des Erlöschens der spanischen Habs-
Heigel: Beiträge tut dharaklerutik Kiuner LcnjxiltU I. Uli '
pr eine Teilung der äpaiiiachen [leiche vereinharteii. Da
i ilffm Gesandten, wie erwähnt, die Abmachungen mit
mkrdcli geheim gehalten wurden, erfahr^ii wir leider
die wiLhrmi Bewi-ggrüude Ata Kaisern nichts Neuen.
Pltu er ilurcb diesen mit den Traditionen der Dynastie in
lerspruch stehenden Schritt eigennütziger Weitte nur Kein
iu Sicherheit bringeiiV) Oder wollte er die Verbin-
[ der Müehte England , Holland und Schweden , die in
iTripelallianz vom 23. Jänner Itil):^ zum Abschlua" kam
\ in welcher itr eine Uefuhr für die katholische Kirufae er-
, durch den Bund mit Frankreich uusehädlich machen?*)
r bezweckte der Umschwung der kaiserlichen Politik nur ]
bieji 7.U xwingeu, dem frieden nicht länger 211 wider-
Nodos^ der Kaiser den kritischen Vertrag ,aU Aaa
lament des künftigen europäischen [i'riedens , als die
) einer neuen Zeit anwth'i'^) Auh der Kiirres{>ondeUK
Epotttting lüsst sich nur ersehen, dass sich bei)i)uld alle
gab, keinen Verdacht gegen die [ledlichkeit seiner
mdschaft mit Spanien aufkommen ■/.» lassen. Er flihrt
t den Spaniern gute Kat^chlug» vm geben, wie t^ie sii-h
Ibe^n der Franxosen erwehren könnten , und seinen
neu Beistand in Aussicht zu «teilen, falls ihm von Spanien
pirlionde Qel<lmttt.ol zur VerfQ^^ung gestellt würden. Er j
I der Loge, »agt er, den Hefrain Karls V. anstimmen (
ptteen: .Dineros, i^ineros y man dineros , dann sine illis 1
fit!" (1.1. Kehruar 1(108") Da/.wi.'^chen ironisirt er dim !
polittscho Treiben der Kinder dii-ser Welt. .Aher j
1 iiimniel, der schauet uns /.u und lacht (iher un>
diafWn!' Du die gnädige Aufnahme iU-n fmn-
Bben üowindten in Wien am Madrider Hufe ruchbar
1
132 Sitzung der historischen Classe vom 5. Mai 1890,
geworden war, weist er Poetting an, unberechtigten Ueber-
treibimgen entgegenzutreten. Der franzosische Gesandte, der
schon einmal am Türkenkrieg Teil genommen habe, sei
persönlich bei den jungen Burschen am Hofe sehr beliebt;
dass man ihm den Sohn des Kaisers einmal gezeigt habe,
sei auf ausdrücklichen Wunsch der Königin von Frankreich
geschehen. «Dises Alles habe ich euch wollen erinnern,
aber nur zu eurer Nachricht und durchauss nicht, dass ihr
ein weiteres negotium sollet machen, dan ich eben einmahl
nicht schuldig, dominis Hispanis von meinen actionen Rechen-
schaft zu geben.* (14. März 1668) Auf die Spanier ist er nicht
selten schlecht zu sprechen. Nach dem Tode des spanischen
Statthalters in Mailand schreibt er: «Umb den Caracena ist
mir laid, dann obwoln er so ein Mensch gewesen, so hatt
er doch guete Intention gehabt und die Miliz aufs Wenigste
in etwas verstanden. Itzt werden sie embarassiret, dann
kein frambden wollen sie haben ob peccatum originale na-
tionis, biss sie unter ihrer nation einen finden, so werden
sie eine guette weill suechen müessen**. (16. Februar 1668)
Insbesondere den spanischen Gesandten bezichtigt er feind-
seliger Umtriebe. ^Was man euch von B Z (?) gesagt, ist
nicht wahr und ein Lug von B G (dem spanischen Gesandten) ;
ich bemiehe mich eins so vill als des andern und bin neutral
inter meos proprios ministros.* Man gewinnt aber beim
Lesen der Briefe gerade aus diesen Tagen den Eindruck, als
fühle sich der Schreiber in gedrückter Stimmung. Er betont,
dass er sich nicht für unfehlbar halte: „Multa multi dicunt,
ego non sum Joannes, qui apocalypsem habeat/ und bricht
wiederholt in die Klage aus: „0 tempora, o mores!* Auch
als sich der spanische Hof endlich durch die zweideutige
Politik das Kaisers genötigt sah, mit Frankreich Frieden zu
schliessen, suchte sich Leo])old durch die beliebte Spruch-
weisheit zu trösten: »Ist guett, das der Fried publicirdt
worden; das^ er Hispanis nicht gefallen hatt, ist leicht zu
Heigd: Beiträge nur Charakteristik Kaiser LtopoJds I. 133
erachten, aber necessitas non habet legem, autf iliesi>» sollen
domJni Hispani ihr fundameut machen; dass aber der arme
Teuffel, der Kaiser, von allen disen alzeitt die SchuM muets
haben, ist bardt zu Teraemmen. Patientia, TemiH>ra, tem-
poni, tempora, ist ein altes ad&gium und des^^en auch ich
mich gedröete." (2. August 1668)
In der nächsten Zeit treten wieder die häuslichen An-
gel^enheiten mehr in den Vordei^rund. Leopold liericbtet
von den Festen, die ihm und seiner GemahUn vom Bischof
Ton Neustadt, von Nadasty, Esterbasy und andren Adeligen
gegeben worden, von Heiraten bei Hofe — »TJelleicht schickt
es sich auch, dass wir bald eine Spanische Dame anbringen !'
— ,Hat geetem der von Saurau (der die Monroy heiratet)
das regal geben, so also stattlich gewest, diis es wol ein
wenig die Mas überschritten hatt und kßndte es passiren,
wan ich es meiner Gemahlin ^be!* (21. November l(i68)
— von seinen Jagden — ,Heunt haben wir ein Jagen ge-
hatten und gegen Hundert Sau gefangen, und i^^t der Nuntius
Pignatelli auch dabey gewest, hat ibme zwar gar wohl ge-
fallen, doch exclamabat, esse rem plenam periculis!" (23, Ok-
tober 1668) — (Haben wir in ein ji^n etlicb gar grosse
Hirschen gefangen, so 600 W oder 24 Arroba gewogen haben,
ich meine, in Spanien wirdet er vor einen Elephanten
passiret seyn!* (28. August 1669) — von theatrtilischen Auf-
ftlbrangen — ,Obwohlen Klag ist, so werden wir doch disen
Fasching einiges Cammerfest halten , wie dati vor 8 Tagen
einige Cammerherren eine gantze Comedia in Musica ge-
sungen haben, so gewiss pro miraculo kan gehaldten werden,
abaonderlicb wan man es nit sehen tbuet!" (27. Februar 1669)
Als ihm seine Gattin ein Mädchen schenkte, wnr die Freude
gerade nicht gar gross; er giebt aber doch genau an, um
welche Zeit die Geburt erfolgte, damit dem Kinde (Marie
Antonie) in Madrid das Horoscop gestellt werde (19. Jänner
1669). Ein Etiquettestreit, in welchen Poetting
mit baj;^|g|^^^^^
134 Sitzung der historischen Glosse vom 5, Mai 1890.
Diplomaten verwickelt ward, bietet Anlass zu einer ftir Bayern
wenig schmeichelhaften Aeussernng: ,|Kan mich nit genueg
verwundern der Impertinenz der churfürstlichen Abgesandten,
die sie von euch pratendiren, da doch im Reich Selbsten
ganz ein andrer Stylus ist, aber dass ist nur eine Bay-
rische Höfligkeit secundum morem consuetum; ihr habt euch
gar wol hierin comportirdt, und ich werde es schon ge-
höriger ordhen anden, dann es ist gar zue grob/ (3. Juni 1668)
Die dankenswertesten Aufschlüsse erhalten wir Ober
die Auffassung, welche Leopold von seinem Verhältnis zu
seinen Ministern und Beamten hegte. Als er den Saga zu
wichtiger Stellung beförderte und diese Auszeichnung eines
Franzosen von den Spaniern mit scheelen Augen angesehen
wurde, schrieb der Kaiser: ^Ich sage nochmahls, ich halte
denjenigen vor kheinen Franzosen, so mir so guete dienst
geleistet hat und gedienet, halte mich des italienischen
Sprechens: ama Dio e non fallire, fa pur bene e lascia
dire, ich kan einmahl denen Leuthen nicht das Maul stopfen*
(27. Febr. 1669). Er nimmt seine Beamten immer wieder
gegen die Verdächtigung des spanischen Gesandten in Schutz,
beteuert aber zugleich, dass er, unabhängig von Jedermann,
gegen Jeden nach Ilecht und Gesetz verfahren wolle. ,Dass
aber Alles per canalem des B F^) beschehe, ist ein alte
leyern, ich thue, wass recht ist imd frage umb niemand.
Sollete ich aber ein prob haben, das ein Minister ein Schelmb
1) Soweit Mich ohne Dechiifrirung aus dem Inhalt entnehmen
lässt, int darunter Lobkowitz gemeint; mit BeHtimmtheit wage ich
jedoch dies nicht festzustellen. Da mir zur Benützung des Wiener
Archivs nur wenige Tage zu Gebote standen, darf ich mir wohl die
Bitte erlauben, dass man mit etwa vorkommenden Lesefehlern und
anderen Ungenauigkeiten nicht allzu streng ins Gericht gehen möge.
Kft soll hier nur auf eine so gut wie unbekannte Quelle aufmerksam
gemarht werden; über ihren eigentlichen Wert wird erst eine ge-
nauere Untersuchung Licht verbreiten.
Itiyiel: Ütilrügt :itr Ch>irnUtrhtik KuUer Le-i/x^'U I. 135
aeje, «o wird sein Kopff bald zu Boden liegen' (22. Mai '
Ißtiö). Diette Anachnuitng «piegfilt sich auch in il«n Worten ,
[ibt*r Mimcudii: .Die Ersezimg dt» VicorejnHt de Kapoli,
hiildt ich, sey mitt den Astorgn nitt ilbel er^^eKt worden,
Ans man aber ein solches Wunder mache mit der dem Car-
din»! Mtincadii .iiifTgetrugenen Riitniächen Embascada, kan
ich ja einmal nit finden. Vor was seind die Ministri, als
ilaa «ie ihren Herschafft in allem hlind gehor^iniien itollen?
Wm> gil(lL-i, wann man ihine Napohtt olTeriret hatte, er hatte»
fieixsif; nnffonommeii. ÄUo geht'« zue. in siunma, bey mir liatt
durch di« nilt wenig an Credit verloren" (21. Oktober 1671).
Auch niif geistliche Würdenträger seine« Uufes und
Staates kommt er wiederholt zn sprechen. ,Ut heut uuscr
lieber alter Bischnff zn Wienn gestorben; wie m leid
mir M}'e, künnt ihr euch wühl einbilden, indeme ich nit
ttald einen «o zelosum et exemplarem successorem werde be-
neuuen und resolviren küuiien' (22. Mai 1609). Das» er ]
bi)i mIIüt l''r<'imniigkeit und Vorliebe für die geistlichen (Irden |
ibirchaus nicht, wie aus der Daistellung Itinck's') and andrer 1
^^^Kl) Nach Rinrk, 147, hatte Leopold aogar .in Ansehung einiger
^^^Hnln der ^rOmniiglcrit dnn Orden dor Jesuiten Bojfi^noninien.' Uas
^^Bfflleher nnr ein e'ienMO unbeKTflndete« öerflcbt, wie die Angabe
Blni^s, duf lilt^mdif Kuiter habe dao I lese hiebt« lehrer «eine« äohnes
JtMepli angewiesen, dem ZCglin^ einsagohärfeD. daa« er niclit gluiah
Mnaem Vat«r alku gruiwea EinHiis« dem Elt^nu einrUnme, od«r die
««ttrnt* UittHÜung, tVpiit Innocenz XI habe erklArt, er tntge keinen
Aogenlilirk Bed«nkeii, den Kiiiaer wegun seines heiligen Lehens-
waadql* lu rnnonldrün . wenn .die (ierei^htigkeit in OeiUrreich
»fliWer Iwribachttit wflnlr." (Rin:-k. It6 tf.l Ohn* Zweifel wurde
Irisber in l'oign de» t'mmnien Rifer«. womit Leo|)old den kiri'hlicliea
Fdlchlen niwhkam. der klerikale EinlliiiHi uuf die kaieerlicbe l'ulitik
ftbomdiättt. ÜewiHn, Leopold war der Meinnn),-, das« die religiöse
Ueb«neugimg de« Herrachera t'Qr den Olanben der Bptiwnclit™ niiuB'
gebend *B) and iliu» dmn Berrncber metehe, auch i
I '^fttw der BdhvtriiL-littni mniu greifen, aber diese .
nt^hr Aklp der Undiild-iL
akeit
(legen i
13G Sitzung der historischen Clcisse vom 5. Mai 1890,
Zeitgenossen liervorgehen könnte, ein willenloses Werkzeug
der Gewisensräte war, beweisen u. A. folgende Stellen. „Im-
peratrix inclinat per successorem (ihres zum Bischof erhobenen
Beichtvaters) ad P. Siinonem Oorig jam hie praesentem, ist
wol nitt von den grossen subjectis Einer, sed vir bonos, und
weillen er schon bekandt undt also bösser als Einer, den
wir erst müessen kennen lernen* etc. (8. Oktober 1670). Bei
Besetzung der Beichtvaterstelle sei vor Allem wichtig, «das
er ein frumber religiös ist, ein andrer mechte sich in Alles
einmischen wollen, so nit allzeitt ratsamb ist* (1. Juli 1671).
Mit Wärme verwendet er sich für bewährte Diener, zumal
wenn es ,,arme Teufel" sind, bei der Königin von Spanien,
die ihm darin gern zu Gefallen ist. * Worauf er seine Em-
pfehlung begründet, erhellt aus folgender Stelle: «Der Königin
erklären lassen, teilte er mit seinem ganzen Zeitalter. Er vertrat
zeitweise gegenüber den Brandenburgern und Schweden daa katholische
Interesse, aber er war der Nebenbuhler und Widersacher Ludwigs XIV.,
der sich die Wiederherstellung der alten hierarchisch - feudalen
Einheit mit ungleich rücksichtsloserem Eifer angelegen sein Hess
und deshalb auch — man denke nur an die Parteistellung im
spanischen Erbfolgestreit — von der Kurie und insbesondere von der
Oesellschaft Jesu weit bereitwilliger, nicht selten auch gegen den
Kaiser, unterstützt wurde. Mochte Leopold immerhin in Andachts-
übungen, Wallfahrten, Förderung des Missionswesens etc. seine erste
und wichtigste Aufgabe erblicken, so hat ihn der Einfluss der Väter
der Gesellschaft Jesu doch nicht abgehalten, sich wiederholt mit
protestantischen Mächten zu verbinden, eine neue protestantische
Kurwürde zu schaffen, eine neue protestantische Dynastie willig an-
zuerkennen, den von den Jesuiten missgünstig angesehenen Prinzen
Eugen von Savoyen von Stufe zu Stufe zu fördern, die Erziehung
des Thronfolgers Joseph welterfalirenen Laien zu überlassen, an seinen
landesherrlichen Rechten circa sacra mit aller Zähigkeit festzuhalten.
Auch schon von protestantischen Zeitgenossen wurde die ,,von Frömmig-
keit unbeeinflusHte Slaatsklugheit* Leopolds anerkannt; Mencke
(^.. 913) sieht ein IJauptverdienst des Kaisers darin, dass er erst in
Wahrheit den Religionskriegen ein Ende gesetzt habe, indem er
„zwischen der Religion und dem Staat ein beständiges Vernehmen
sehr klüglich und glücklich unterhalten.'
thigd: Brüriigr :ar Charakienutik KaUer Lnipulii« l. Ül"
recomiuftnilir ich viiinn Knnimenlienpr von meiner Qetnaliliii,
Dan Diegn de Concbä Zeiiollus. Ist gar ein feini« subjectuiti,
iiK>dei«t, und poaaedirt 4 tipmchen, Spanisch, Dotitäch, WuUch
und Fnuizi'Mische. Er verlangt bey Formiening de Im ea»a
del Key im piiesto de Ayada de Camera, ich meindte, sollte
nitl yl>el taugen. li,r kt ea nialein de la ningeres, gar nitt
hitzig, alw waltet ihr ihn apadnmiren' (15. Jali 1671).
Peinlich berührt es ihn, dasa der s{ianiache Hof fiir den
Tt>rlrug8müi«iig flhenioniinenen Unterhalt d«r s|iunii<chen Diener-
itchaft der Kaiserin so dfirftig und gewiKsenltw Sorge trage.
,3o kan ich euch auch nit bergen,' schreibt er am 14. Au-
f(ii»l Ißtil), ,daa die fijianische Bedienten annoch so discon-
suliret leben, wüiUen man ihnen noch in nif hulfft und 15
laten schuldig ist. Icli hör, man sage alda, man zahle
pjt, wdllen ich Niederland nicht succuriret habe. Birne
che bella Vendetta! Die Leith lachen daxue, und wass
Siuien dittfle arme Teiffel und Teifflin darumb leiden ? Haben
also euch befelhen wollen, damitt ihr instanter, inätantius,
üutantiflsime, bei der Königin anhaltet, daas sie doch mache,
inan ihre Befehle dermahleins voliziehel* Die Klage
r die Hoffuri. und den Geiz der Spanier bleibt auf der
lordnnng. Sic wiasen vor Uoffart nicht, wie sie den
t halten Milien, und machen ein Kapitalverbrechen da-
wenn einmal der spaniaihe Gesandte nicht zu einem
9 geladen wird, aber sie lassen Aas Personiil der Kaiserin
[äiefitter Not ät«cken, dass es eine Schande igt. «Ich
• mich ofTt vor die Spanier, das» sie su gar nit tbnn,
I si« than soltenl" (20. Mai 1671) Freilich sind die
MjHiniticben Hofdamen selbst, die .Höllteufel", dem Kaiser
nidil sympathisch, aber .es ist einmahl ein schlechter Spass,
eil abgescbmache Gesichter vor »einer zu haben 1'
Juiii Iß71) Und Keigt je einmal ein Spanier, daas er
^r dcntwhe Nation und das deutsche Wesen liebi-, so wird
flr fon Minen Landsleut«u als Verräter und Laude^feind
138 Sitzung der historischen dasse vom 5. Mai 1890.
angesehen. ,|Ach mein, was kann einem narrischer tnlamen?'^
Da gegen die Camerera der Kaiserin der Vorwarf erhoben
wird, sie habe durch ihre Lässigkeit verschaldet, dass der
Kaiser keinen Succurs in die Niederlande geschickt habe,
nimmt er sie energisch in Schutz. »Wo stehets geschrieben
en la etiqueta de palacio, dass die Camerera mayor sieb solle
en cosas de estado einmiischen, da es doch denen Weibern
gar nicht zustehet? zu geschweigen, dass sie mich gar offl
iniporttuniret hat und auch meine Gemahlin angehezt, das
es offt nicht wenig zachem gekastet hat und ich aufF sie
von Hertzen harb gewest, also sehen Eur Majestaet, wie hart
der Erjl geschieht An Allem trage der misslaunige, miss-
trauische spanische Gesandte Schuld. „Ich möchte ihm aber die
Rechnung recht teutsch,id est, redlich machen!* (16. Juli
1670) „Dass Castellar* schreibt er ein andermal, „so gute
memoir hat, nam mendacem oportet esse memorem, Ist mir
leid, habe mir aber alzeit einbildt, es seye nur sein schöne
invention, von mir geldt zu haschen, es wird aber ihn nitt
angehen undt hatt er wol nitt vill gnaden umb mich ver-
dient* (8. Oktober 1670). Endlich nimmt Ciistelar Abschied
von Wien. „Castellar ist gar malad und traurig, es heisst
aber, wie jener italienische Poet gesagt hat: Chi e cagion
del suo mal, piange se stesso!'* (5. November 1670) Dem
Datum des Briefes, 17. Dezember 1670, fügt er bei: ,Id est
in vigilia diei, qua ante quatuor annos conies de Ciistellar
f'ecit illud sollemne assassinium in Kevenhiller."
Auch an malitiösen Bemerkungen über andere spanische
(4rosse fehlt es nicht. «Wie der capello des W Neidhardt**
schreibt er am 5. üktohiT 1660, ,in dem Portocarero sich
verwexeldt hatt, habe ich in metamorphosi Ovidii nitt ge-
lesen, mechte wol wissen, wie's daniitt abgeloffen, sorge wol,
es könne nitt leicht ohne discredito A C (des Königs von
Spanien) geschehen sein". „Was den Cardinal Moncada an-
langet, so wiintsch(* ich ihme wol von Hertzen die Ewige
Iftifffl: Bfiiräije Zur l'hariiktrrislik Kamfr Sjeopold« 1, l'JO
Uiilii*, ilntiii. Imtt LT sich kainu in ilieser weMt gelassen, ao
vrinlt (lucli &w (^^tliche Burtuhortzigkeitt es ihme in Jeiivr
nitt abgrachlagen Haben, und hatt ea l^y ihme wol billich
gKheüseii: jier i[n)ie rjuis ]im:cat, per illa punitiir* (15. ■Juni
16721. und auch llber die Lidilingsfeste der t^panier fällt
i dnisti>ic)i<>a Urteil: .La fiesta de toros tuueiw schön
L Ke3fti, allein scheint es ein [miitduxum a:u seyn: das
1 Iloas sambt dem Eiwl , so vielleicht ilaraufT ge-
, liatt fliegen gelerndf {7. September 1672).
I viol er aber an den Spaniern aiiaziisetzeii hat, so
t er doch scljon seit li)70 wieder Angesichts der vom
und vom Westen drohenden Gefahr sein Heil im
I ÄiiMcliln»! an Spanien; der 11)158 mit Krankretch
gwchlowene Vertrag hatte keine freiuid^chaftliche Annäiier-
UKg der beiden l{«ieiie wir Folge. .Habeliimus uti tiiuendum
Tiircas, veroa autcm Tureiia, flalloa, a tergii, also man sieb
Wühl vurseiivn solle, die» liegt an deme. dass wir uns beenden
Ttieil" wohl mit einander verstehen' (30. .länner 1(170). Das«
einige imgarische (jmstte sich nicht schämten, mit dem Erb-
firind der Christenheit in Verbindung zu treten, erscheint
ihm geradeis» nnfasslich; gegenüber solcher Verirrung, glaubt
VT, mtltuie er die üuMnerste Strenge walten lassen, .Indewen
buKtivi <iubit<i avieo, das» Graf Peter von Zemiii, cujii« praede-
cessore» ulim tam iideles fuerunt, so weitt kumbe, das er
A«a Tvrken gehuldigt und üich dnrch sie pro principe Cro-
atJM et aJiariim partium declariren lassen. Videntiir souintn?
BUiit verissima nt ego i]>4e non crederem, nisi cum meo perl-
nilu rideirom, also gehet es zne. ich hoffe aber, Gott werde
mir beyat«hen. und will sie schon ad mores bringen und
aoBT liie HngtT klopfen, d«s die köpf wegspringen sollen"
(2fi. Miirz 1670). So oft er auf die „croatischen Schelmen-
stuck* zu sprechen kommt, giebt er seinem Unmut Aua-
draok; «f entnchuldigt i<ich gewls-iurnuüt^n , do&a ^ diesmal
nnd tVbarmcn völlig zu nick drängen mtUiwt.
140 Sitzung der historischen Glosse ttom 5, Mai 1890.
ungarischen Sachen geben sich gar sehen nnd hatt man
mitt den processen crimina contra Nadasdi, Zerin und Fran-
geban auch schon an ein Orth komen, und obwolen ich
sonsten nitt gar böss bin, so muss ich dissmal per forza
seyn und möchte es sich wol schickhen, das man bey
nächster ordinari etwas von gestürzten Köpften hören möchte*
(22. April 1670). „Endlich habe ich müessen dem Recht
sein lauff lassen, und sein also der Nadasdi zu Wien, der
Zerin und Frangepan zue Neystatt, ein gewisser Bekis, ein
Edelmann, zue Pressburg durch das schwerdt vom leben
zum Tod gericht worden. Werde dem Hoff Gantzier be-
felhen, euch data occasione ein wenig von ihren Stickheb
communication zue geben. Izt sein die Hungam zimblich
ruhig und hoffe ich baldt alles in gantz andern Standt zue
bringen* (6. Mai 1670). »So erinnere ich euch, dass ich
endlich auch in Erblanden der Justiz ihren lauff habe müessen
lassen, weillen dann der Tattenbach auch mit Zerin inter-
essirt gewast und das crimen laesae (majestatis) begangen hatt,
also wirdt er gesterdt zu Graz noch seyn durch das schwerdt
gerichtet worden. Ich habe es nitt gern (getan), allein ne
Hungari possent credi (sie), (Jernianis omnia condonari, illos
solura . . ., undt damitt auch die Erblanden ein Exempel
haben, hab ichs müessen geschechen lassen. Gott seye seiner
Seel genädig!** (2. Dezember 1671) Das ivst nicht die Sprache
eines blutdürstigen Wütheriehs, wie der Kaiser wegen seines
Vorgehens gegen die ungarischen Rebellen wohl genannt
worden ist, — das ist die Sprache eines strengen, aber ge-
rechten Richters, der sich seiner Verantwortung bewusst ist
und nur um der Wohlfahrt seiner Staaten willen von seinem
Begnadigungsrecht keinen Gebrauch macht.
Von den tapferen Thaten seiner Kavaliere und Offiziere
in den Kämpfen in Ungarn berichtet Leopold mit stolzer Be-
friedigung, aber ein Hemmschuh der Kriegführung ist der
[Jtfigtl: Bnträ^f lur VharnklenMtk Rainer Leopold« I. 141
MnoK^l am ,nervus belli*, am nütigen Gelde. .Hnnc si
Hiäpani mihi non tribuerint, vere res nostrae male ibunt*
(Tt. Oktober lii72). Die Klage liiirilber, doss die von Hpanieu
xiitifleichurten Siibsidierinfelder nur tropfenweise einlaufen,
kehrt immer wipiler. Auch nn den K&mpf mit Frankreich
geht er nur mit Mi»8bebagen, weil er nicht auf genügende
ttnU!R4tnt/.iitig rtfclineu jm können glaubt. .Koitibt mir vor,
jrir machen» wie die Schwaben, so Einer denie Andern zue-
iriegeu hatt, gang Du voran, ich Horge nber, et utinara
nugur, wann wir in der Wasch wol impegDiH
l^werden, so werde man uns steckhun lassen* (2. No-
' 1672). In Madrid tauchen deshalb wieder die alten
Werden ntif, dn^i« es dem Kaiser an der nötigen Enerf^e
I wohl gar am guten Willen fehle, gegen das Übermütige
Fraiikrfich V'>r7,ngeheii. L^ipuld ent.schuldigt sich mit seiner
isolirtftn Stellung. ,Da &4 fast das Ansehen hat, ilass
niemand von den Khurfünnten aus dem lleich es mitt A. P.
(dem Kai."er) hnidten wollen, abni kann mann auch nitt mitt
dirm Koptf wider die Mauer lautfen. Wollen xie dann so
Jniip rationes anh&ren, so mueas ich die Sachen Gott
in und das Werckh lauffen laxsen* (it. August 1673).
ftber endlich der Kampf gegen Frankreich beschlosaen
worden ist, geht auch durch des Kaisers Briefe ein etwas
schneidigerer Zug. Er selbst will zwar nicht mit in's Feld
neben, weil er noch keinen Nachfolger hat, aber zur Truppen-
«hun begiebt er sich im AuguRt 1673 nach Eger. Ueber
30,000 Mann nnd hier /ii^mmengezogen, so prächtig montirt,
,dafM man die Gemeinen wol vor Ol^zier halten kßnnt*.
In den Kaisers Gefolge allein befinden sich 20 Forsten und
540 Cavalierc. .Wann es die Spanier allda hören werden,
sie mächtig lo^en. Balbaces obatupnit uh tantam
liUtm* (25. August ]i;73). Um für die Waffen der
Hilfe von üben zn erflehen, geht er auf den hl. Berg
Eihn
bei I'n
'alUabre
ilar
kehrt
nach
142 Sitzung der higtorisehen Classe vom 5. Mai 1890
kurzem Aufenthalt in Prag*) nach Wien zurück und hier
kommt es endlich zur Katastrophe: dem französischen Ge-
sandten werden die Pässe zugestellt. , Diese Zeittung*'
schreibt er am 21. September 1673, «zweiffle ich nicht
werde allda (in Madrid) noch gar angenehm sein, weillen
sie es also starck schon lang verlanget haben. Ich bin voa
Hertzen froh, wäre schon längst gern sein loss worden,
habe niemahl aber nicht legitiraas caussas gehabt, nunmehr
aber ist nicht mehr zeit gewest, Ceremonias zu brauchen.*^
Die nächsten Briefe bringen noch bittere Klagen, dass der
Kaiser auch diesmal die gehoffte Unterstützung der Reichs-
fürsten nicht finde, da die Franzosen «absonderlich durch
Geld so mächtig in Teutschland eingerissen^; über den
weiteren Verlauf des Streites mit Frankreich sind wegen der
Abberufung Poetting's aus Madrid Nachrichten nicht mehr
geboten.
In günstigstem Lichte zeigt sich der Kaiser in den
auf sein Familienleben bezüglichen Mitteilungen. In einer
Zeit, da das in Versailles herrschende Mätressen wesen fast
an alle deutschen Höfe verpflanzt war, blieb Leopold ein
zärtlicher Gatte, ein besorgter Vater. Aus den Briefen an
Poetting lässt sich ersehen, dass er unablässig bemüht war,
seiner Gattin, die nicht einmal hübsch gewesen sein soll,*)
Freude zu machen. Bald lässt er ihr zu Liebe spanische
Musik aufluhren, bald veranstaltet er Tanz und Mummen-
schanz; die Costumebilder sendet er nach Madrid. Auch
sonst werden Geschenke zwischen den beiden Höfen aus-
getauscht; freilich fand nicht Alles, was aus Madrid kam,
den Beifall des Kaisers. Als für seine Gattin einmal neue
1) Von Pra^ ist besonders der spanisehe (.iesandtfi entzUckt.
^Ist ganz in diese »Stadt verliebet. Saj^t, er kenne nit oapireOf
waruHib wir die Residenz zu Wienn und nicht allhier hätten" (6. Sep-
tember 1673).
2) Scheichl, 12.
Hri^el: Beilf'iyf lur ChirniUrUtik Kaiser J^opolilx I. 1-13
gesendet vrord«ii, achreilil, er: .Möcht ich wo!
wissen, wfw '\i>: !<|>aiiischen Dames jetzo vor Uhren haben
nini^ttsen. itiis sie solche Ohren^ehenk, tjue illura am Brnndes
drohen können, no liiich ein guette Htymolugiam hüben:
Mi . . . bien tiraii ]an iirejaa' (15. Juni lti72).
AWr oft ^emig kehrte hitteres Leid in der Hotburg ein;
von vier Kindern, welche Mar^nrita dem Ijatteii ncheokte,
blieb nur eine Tochter, Marie Antonie, am Leben, und nach
Hiebenjäbri);er )r|(lcklicher Gbe utarb Margarita Reibst (12. März
1(175). Ijeaiiold sellist /.eigt e^ in tiefer Bewegung dem Qe-
saodt'in KP. iLiebf'rv. Poetting, diesen BrieS hebeich leider
mit dem Ruf an; Miseremini mei, miseremini mei, vos amici
nwi, quia manus domini tetigit me, dann der gröKstschreckhen,
der «ein kiuin, der hatt mich gedroffen, nemblich der Doth
mdütir allerliehsten, ach leider! nunmehr ?ertubrenen gti>
mahlin, der Kayaerin, ro vorgesterdt umb 2 vormittags ver-
Kchiduii ikI. nuch uchttitgiger indispositinti. Icii hiUte wnl
ein lind ander» von diesen fall au schreiben, ist mir aber
anmirh unmöglich, und wollet allein obacht haben, damit
disea trtt-te mnicio also der Königin beygebrucht werde, da-
tuii auch nie nit, in Qetahr kombe, und ich auch noch mehr
Inwtßrzt werde, btt wol ein iinwiderbringhclier .icbnden viir
mich, dann ich weis, was ich verloren habe und wie wir
ein^iuder geliebt. Ihr werdet mich compatiern, dann ihr
bi^t auch einmal schon ein liebes weib verlohren. Und
weilleu allein di^er Cnrier niitt diser elenden Zeittung ge-
whickbet wird, aUo remettire ich mich ad alias und ver-
lileibe Kuer gnüdigKter Herr Leopold. Scbinbrunn den
U. tfartit tiJ73. Die ministri haben mich herausgebracht
Dml haben nit gewolt, da« ich in der Statt hab verbleiben
aollen." Im urichsten Briefe l^rOhrt er nttchmals den er-
«chDtternden Verlunt, Ober welchen ihn nur sein Qottvertrauen
^fL ttüsten vermag, .und ist en wol ein emchrOckltcher
teil, aber i
liitt siibmittiren und sich mitt
144 Sitzung der historischen Classe vom 5i Mai 1890.
selbigem in kein Disputat einlassen so zwar ietzo mir wohl
gar schwer ankombt* (22. März 1673).
Allein die Politik, um deren willen er schon früher den
Tod der Töchter, »weillen es ja doch nur Madel waren*, leichter
verschmerzte, zwang ihn, obwohl die Trauer ob des erlittenen
Verlustes in ihm noch lebendig war, an neue Vermählung zu
denken. Die Wahl fiel auf Erzherzog Ferdinands Tochter,
Claudia Felicitas; von welchen Gedanken er dabei geleitet war,
enthüllt ein Brief an Poetting vom 12. Juli 1673. „Und weillen
ich von allen Orthen sehr angetrieben werde, ad secunda
vota zu schreiten, absonderlich aber von Ihro Bäbstlicher
Heyligkeit, und auch die Königin in Hispanien noch selbes
alss eurem vermelden nach gar starckh verlangen wird, also
habe ich mich endtschlossen, mich widerumb zu verhayrathen
und zwar cum Serenissima Claudia Feiice Oenipontana. Ich
hette zwar wol gern den annuum luctum ausgewartet, man
hat es aber mir nit zuelassen wollen, also hab ich billich
publicum borrum privato dolori vorziehen müassen.
Die Ursachen electionis Serenissimae Claudiae seyn nach-
folgende: 1^, Das es selbst ipse summus pontifex vorschlage,
alss auch A C (Königin von Spanien) iteratis vicibus mir
vorgeschlagen, dass es fast schaind, Gott wöU es also, in-
deme die Heyrath mit A R (?) niemals hatt vollbracht können,
auch vox populi vocem Dei zu inferiern pflegt. 2^, Das Sie
in hosten Jaren. indeme sie den 30. Mai jüngsthin 20 Jar
complirt hatt, auch starckh und gesund seye, 3*^, von guetter
gestaldt (all, non tali, qua mea unica Margarita!), auch von
trefilichem humor, allen tugendten und absunderlich pietas
seye, 4*, das sie von meinem Haus ist, auch meine Dochter
nicht leicht ein böasere Stieffmutter würde finden können,
5", das es nit so viel dotes und andere spesen bedarfl', auch
conie con figlia de casa nit vill caeremonien gemacht, die
Hochzeit auch sine festu kann gehaldten werden. Diese
motivos habe ich alle aportieren wollen, damit ihr data
occasione euch derselben bedienen mögen. **
Heigel: Beiträge zur Charakteristik Kaiser Leopolds L 145
Besonderes Interesse bieten die Nachrichten über die
Böcherankäufe in Spanien, die im kaiserlichen Auftrage
durch Poetting vermittelt wurden. Bekanntlich war in
Leopold, der sich sonst nicht leicht in seinem behäbigen
Stillleben stören Hess, eine Neigung der Steigerung zur
Leidenschaft fähig, die Vorliebe für seltene oder wertvolle
Bücher und Handschriften. Doch nicht ausschliesslich der
Eifer des Sammlers leitete ihn; namentlich aus den zwischen
dem Kaiser und seinem gelehrten Bibliothekar Lambeccius
gewechselten Briefen lässt sich ersehen, dass es dem Kaiser
aufrichtig darum zu thun war, auch den Inhalt der Schätze
seiner Bibliothek sich eigen zu machen. Schon sogleich bei
dem ersten Gang durch die Bücherei sprach Leopold, wie
Lambeccius bezeugt, «mit solcher Gewandtheit, Genauigkeit
und Wohlredenheit, dass man sowohl über die Kraft seines
Gedächtnisses und die Schärfe seines Urteils, wie über die
Wahl seiner Worte staunen musste.* ^) Die Auswahl der Werke,
die er sich von Lambeccius vorlegen Hess, verrät in der That
eine überraschende Vorurteilslosigkeit. Nicht bloss Macchia-
velli*s und Baco's Schriften zog er in den Kreis seiner Studien,
sondern auch die Bibelübersetzung Luthers und die Schriften
des Erasmus von Rotterdam über die Reformation, und wenn
er auch im Allgemeinen jene philosophischen Werke, welche
unmittelbare Anknüpfungspunkte an die spekulative Richtung
der Theologie gewähren, bevorzugte, so schloss er auch jene
Schriften nicht aus, welche besseres VerslÄndniss der Gegen-
wart erschlossen oder Erforschung der Natur und ihrer
ewigen Gesetze sich zur Aufgabe stellten.
Das günstige Urteil, das Lambeccius über die Bildung
und den Bildungseifer Leopolds fallt, findet durch zahlreiche
Anweisungen für Poetting Bestätigung. Am 30, November
1669 beauftragte er ihn — ^weillen ich ein mlk
1) Karajan, 8.
1880. PliUM.-p]dloL n. bist CI. H. 1.
146 Sitzung der historischen Classe vom 5. Mai 1690,
Liebhaber der Bücher bin," — im Fall des Ablebens des
hochbejahrten Marquese Feriua die berühmte Bibliothek
dieses Bücherfreundes zu erhandeln. 1670 kaufte er durch
Poetting's Vermittlung des Cabrega Bibliothek. Fast in jedem
Briefe erfolgt eine Anfrage, ob nicht dieses oder jenes Werk
zu erlangen wäre, wobei freilich immer die möglichste Spar-
samkeit angeraten wird. Den Preis von 200 Dublonen
für das Buch de triumphis Maximiliani findet er zu hoch —
„Kan ich nicht über^s Hertz nehmen, umb ein Buch allain
so vill zu zahlen* — um so weniger, da nach seiner An-
sicht das in seiner Bibliothek befindliche Exemplar als
Original anzusehen sei (17. Dezember 1670). Eifrig betrieb
er die Anfertigung einer Abschrift des Katalogs der Escorial-
Bibliothek ; er wies den Gesandten an, den F. P. Hieronymiten
dafür 2 — 400 Thaler zu bezahlen. Kaum war der Katalog
in seinen Händen, wurde das Escorial samt der kostbaren
Bibliothek ein Raub der Flammen. »Wie laid ist mir umb
das abgebrniiene Escorial, und haldt ich es selbst vor kein
kleines unglückh, aber alss umb nil ist mir laider als umb
die Manuscripten , dann sein die verloren , so können sie
durch kain geldt erstattet werden. Und habe ich noch den
trost, dass ich a tempo den indicem bekommen habe, das
ich auffs wenigst weis, was alda gewest ist. Also sein dise
zergen^liclie Sachen, und soll eim woll die liist vergehen,
so vill geldt zu spendiren anff ge bauen und Sachen, so her-
nach in einem augenblickh zu (staub) reducirt werden •*
(15. Juli 1671).
Auch was Leopold über seine scliwere Krankheit im De-
zember 1(W>9, über seine Reisen, seine Bauten etc. erzählt, bietet
mannigfaltiges Interesse, doch dürfte schon das Dargebotene
zurUenü^e beweisen, dass wir hier eine Quelle ersten Hanges
zur Geschichte des Kaisers, den sie uns menschlich näher
bringt als irgend eine andre, vor uns haben. Benützt sind
Heigel: Beiträge zur Charakteristik Kaiser Leopolds I, 147
aus der ganzen Korrespondenz bisher nur ein paar Stellen
in Mailath^s österreichischer Geschichte.^) Es wäre daher
gewiss wünschenswert, dass die Briefe — womöglich voll-
ständig — durch den Druck der Forschung leichter zugäng-
lich gemacht werden möchten.
1) lieber den ungesehen Aufstand bei Mailath, lY, 95; über
die angebliche Vergiftung des Kaisers im Frühjahr 1670, lY, 121.
Herr von Oefele hielt einen Vortrag:
»Urkundliches zur Genealogie der Herzogin
Judith von Bayern."
Derselbe wird anderwärts gedruckt werden.
Sitzungsberichte
der
köoigl. bayer. .Akademie der Wissenschaften.
Philosophisch-philologische Classe.
Sitzung vom 7. Juni 1890.
Herr Bechmanu hielt einen Vortrag:
»Ueber die richterliche Thätigkeit der Pon-
tificeR im altröniischen Zivilprozess".
Dass das romische Pontificalcollegium bis in das 5. Jahr-
hundert der Stadt herab einen tiefgreifenden Einfluss auf
Auslegung und Anwendung des Civilrechts ausgeübt hat, ist
unbestreitbar und unbestritten. Um so mehr gehen aber
die Meinungen der Rechtshistoriker darüber auseinander, in
welchen Formen dieser Einfluss geübt wurde. In der Haupt-
sache stehen sich zwei Ansichten gegenüber, von welchen
dann jede wieder in mancherlei Abschattungen auftritt. Die
eine, welche unbedingt als die zur Zeit herrschende bezeichnet
werden kann, und welche in der Hauptsache auch mit der
Ueberlieferung des Altertums übereinstimmt, beschränkt das
Kollegium und die einzelnen Mitglieder desselben auf eine
lediglich respondirende Thätigkeit nach Analogie der späteren
republikanischen und der kaiserlichen Juristen. Die andere
dagegen nimmt f(ir die älteren Zeiten eine direkte Mi^
1880. PhÜML-pfanol. a. bist. 01. II. 2.
150 Sitzung der phüos.-phild, Classe vom 7, Juni 1890.
sei es des Kollegiums, sei es der einzelnen Mitglieder bei
der Civilrechtspflege an.
Volle Sicherheit, ja auch nur annäherungsweise Ge-
wissheit ist in allen diesen Fragen der älteren römischen
llechtsgeschichte zur Zeit nicht zu erlangen, teils wegen der
Dürftigkeit des Quellenmaterials, teils aber, und vielleicht so-
gar noch mehr, wegen des beklagenswerten Mangels einer
irgendwie feststehenden und anerkannten Methode der Verwer-
tung desselben. Man wird leider — trotz aller hervorragenden
Leistungen Einzelner — behaupten dürfen, dass auf keinem
Gel)iete der historischen Forschung der Subjektivismus, oder,
was das nämliche ist, die Gleichgültigkeit gegen wissen-
schaftliche Materialkritik grösser ist, als auf dem unsrigen.
Je nachdem es zu den aprioristischen Construktionen passt,
wird eine Stelle von Plautus, Cicero, Livius, Dionysius,
Pomponius u. s. w. als voUgnltiges, historisches Zeugnis in
Anspruch genommen, und je nachdem es nicht passt, werden
e])en diese Schriftsteller als imglaubwürdig bei Seite geschoben.
Die folgende Studie luit daher von vornherein keinen
andern Zweck, als die oft erwogenen Gründe darzulegen,
welche den Verftusser bestimmen, sich für diejenige Haupt-
ansieht zu entscheiden, welche eben als die Ansicht der
Minorität bezeichnet worden ist. Alle direkte Polemik ist
dabei nach Möglichkeit vermieden.
I.
Der i)h)s>en begutachtenden, Rat und Aufschluss er-
bMlenden Thiitigkeit als solcher fehlt die äussere Autorität
und die äussere Nötigung, auf der die (ieltung des Rechtes
schh'chthin beruht. Niemand ist verpflichtet, ein Gutachten
überlijiupt und von einer bestimmten Person insbesondere
einzuholen, und Niemand ist verpflichtet, dem erstatteten
Gutachten einen grösseren EinHuss auf sein Verhalten zu
gewähren, als dem Masse von innen»r I'elierzeugungskrafb
Beckmann: üeber die richterliche Thätigkeit der Pontifices etc. 151
entspricht, das die fremde Ansicht auf seine eigenen An-
schauungen ausQbt. Wer also dem Pontifikalkollegium eine
bloss respondierende Thätigkeit beilegt, verzichtet damit von
vornherein auf die Erklärung des überwiegenden, ja aus-
schliesslichen Einflusses, den dasselbe auf die Erklärung und
Fortbildung des Civilrechtes gehabt hat. Denn der blos
moralische Einfluss des Kollegiums kann angesichts seiner
exklusiv patrizischen Zusammensetzung und Tendenz gewiss
nicht — insbesondere in den Zeiten nach den zwölf Tafeln
— als unbedingt ausreichend und Ausschlag gebend be-
trachtet werden. Gerade in dem Zurücktreten des moralischen
üebergewichts würde vielmehr ein spezifischer Gegensatz des
Collegiums zu den späteren republikanischen Juristen erblickt
werden müssen.
Dieses Bedenken empfindet denn auch die antike Tradition
und verstärkt darum die blos respondierende Thätigkeit der
Pontifices durch ein Moment äusserer Autorität. Die Rechts-
auslegung und Rechtsanwendung sei sorgfältig gehütetes
Geheimnis des Kollegiums gewesen; durch diese Geheim-
haltung seien alle diejenigen, welche zum Rechte in eine
praktische Beziehung traten, genötigt gewesen, sich um Auf-
schluss und Oeffnung an das Kollegium oder an einzelne
Mitglieder zu wenden, und der erteilte Aufschluss habe eben
um seiner Unkontrollierbarkeit willen die Kraft äusserer
Autorität gehabt. So gelangen wir denn zu potenzierten
Gutachten , die nur die Pontifices als die ausschliesslich
Wissenden erteilen konnten, die eben deshalb notwendig ein-
geholt werden mussten, und die für alle, an die sie direkt
oder indirekt gerichtet waren, unbedingt wie Orakelsprüche
bindend waren.
An dieser Tradition und der daran sich anschliessenden
Erzählung von der revolutionären That des Appius Claudius
Coecus oder seines Schreibers Cn. Flavius hält auch die
heutige Kechtsgeschichte überwiegend fest; einzelne
152 Sitzung der philos.-pliilol, Classe vom 7, Juni 1890.
Verschiedenheiten, wie z. B. darüber, ob Flavius im Auftrag
oder vielmehr gegen den Willen das Appins mit der Ver-
öflFentlichimg des bisher geheim Gehaltenen voranging u. s. w.
können hier füglich auf sich beruhen bleiben. Dass die
weitere Erzählung, Flavius habe auch den bis dahin geheim
gehaltenen Gerichtskalender veröffentlicht, in dieser Form
eine bare Unmöglichkeit ist, hat unsere Rechtsgeschichte in
dem Festhalten des anderen Teils der Ueberlieferung nicht
wesentlich zu erschüttern vermocht.
Nach der Tradition hat sich — vom Kalender abge-
sehen — das Geheimnis des Pontificalkollegiums auf zwei
Punkte bezogen:
1. auf die sogen, legis actiones, d. h. auf die Spruch-
formulare, deren sich die Parteien vor dem rechtspflegenden
Magistrat bedienen mussten, um ein formell gültiges Ver-
fahren überhaupt zu Stande zu bringen. Diese Formulare
wurden im Anschlüsse an das Gesetz vom Kollegium com-
poniert, dann aber als sorgfaltig gehüteter Schatz geheim
<(ehHlten; wer klagen wollte, rausste sich die Formel erst
vom CoUegium geben lassen. Jedes Abweichen von der-
selben aber, selbst nur in einem Worte, hatte sowohl die
Nichtigkeit des Verfahrens, als auch die Unznlässigkeit, das-
selbe in verbesserter Form zu wiederholen, also das sogenannte
causa cadere zur Folge. Gaius berichtet zur Veranschau-
lichung einen Fall, der sieh wahrscheinlich in der Tradition
lebendig erhalten hatte: Jemand, der wegen abgeschnittener
Reben klagen wollte, gebrauchte statt des formelgerechten
Wortes arbores das dem wirklichen Sachverhalt entsprechende
Wort vites.
Sodann aber war:
2. — was mit dem vorigen zwar zusammenhängt, aber
nicht identisch ist, — auch die Auslegung des Gesetzes, ins-
besondere der zwölf Tafeln zugleich ein Vorrecht und ein
Geh(Mnniis des Collegiums. Nicht nach wissenschaftlichen
Beckmann: lieber die richterliche Thätigkeit der Pontißces etc, 153
Grundsätzen, sondern in materiell sehr willkürlicher und
formell traditioneller Weise wurde das Gesetz und folglich
auch die Spruchformel auf Fälle ausgedehnt, die unter den
Wortlaut nicht einbezogen werden konnten; und umgekehrt
wurde auch dem Gesetze die Anwendung verweigert auf
Fälle, die unter den Wortlaut desselben unzweifelhaft fielen,
z. ß. die dem Wortlaut der zwölf Tafeln gegenüber schlecht-
hin willkürliche Beschränkung des Intestat-Erbrechts der
Frauen auf den Verwandtschaftsgrad der consanguineae.
(Allerdings ist es nicht nachweisbar, dass diese beschränkende
Auslegung schon auf das Collegium zurückgeht, wahrschein-
lich aber ist es, trotz der Voconiana ratio, in höchstem
Orade).
Auch in Beziehung auf die materielle Rech tsan Wendung
waren also Parteien und Gericht an die Oeffnung des Col-
legiums gebunden.
Nun war aber
1. das Verfahren vor dem Magistrat von jeher unbedingt
mündlich und unbedingt öffentlich. Wie mit dieser Ein-
richtung eine durch Jahrhunderte sich hinziehende Geheim-
haltung der Spruchformulare verträglich sein soll, habe ich
niemals begriffen. Die Formeln sind nicht für den einzelnen
Fall componiert worden, sie waren stereotyp; und wenn auch
die Zahl derselben eine ungleich grössere gewesen sein wird,
als die uns zufällig erhaltenen, so haben sie sich doch fort
und fort, die einen häufiger, die anderen seltener wiederholt.
Jedem aufmerksamen und einigerniassen sachverständigen
Zuhörer konnte es nicht schwer fallen, wenigstens die häufig
wiederkehrenden dem Gedächtnisse einzuprägen, und zu Hause
aufzuzeichnen. In der That behauptet auch ein neuerer
Rechtshistoriker, ^) dass die Sammlung des Appius Claudius,
von dem gar nicht feststeht, dass er selbst Mitglied des
1) Jörs, Geschichte der Rom. Rechtswissenschaft I, S. 66.
1
154 Sitzung der philosrphüol. Glosse vom 7, Juni 1890.
Collegiuins war, gerade auf diese Weise entstanden sei.
Damit ist das , Geheimnis^ prinzipiell aufgegeben, und es
wäre nur zu erklären, warum nicht schon lange 7or Appius
ein Anderer auf dieses einfache Kunststück verfallen sei.
War das Verlangen des Volkes nach einer solchen Samm-
lung so gross, dass der Herausgeber Flavius nach dem Be-
richte des Pomponius mit allen möglichen und auch einigen
unmöglichen Ehren überschüttet wurde, so ist diese Ver-
zögerung nur um so schwerer zu begreifen.
Noch niemand weder im Altertum noch in der Neuzeit
hat behauptet, dass die Spruchformeln der Rechtsgeschäfte,
nexum, mancipium, und die zum Teil recht komplizierten
Formulare der Schein- und der Fiduciar-Öeschäfte ein Ge-
heimnis gewesen seien, obschon doch auch sie nicht direkt
im Gesetze standen, sondern in älterer oder jüngerer Zeit
componiert worden sind. Wie diese Formeln und Formolare
auf Grund des täglichen, öffentlichen Gebrauches jedermann
bekannt sein konnten, lange ehe es geschriebene Sammlungen
derselben gab, gerade so musste es sich mit den. prozessualen
Formularen verhalten, die zum Teil auch nicht einmal kom-
plizierter und unverständlicher waren, als jene.
Auch darf nicht ausser Acht gelitssen werden, dass die Mit-
teihmg des Formulars aus den „Penetralien" der Pontifices*)
im einzelnen Falle nicht wohl anders als schriftlich erfolgen
konnte; denn dass etwa ein Pontifex die Partei vor Gericht
begleitete, und ihr dort die Formel vorsprach,^) ist weder
durch ein äusseres Zeugnis beglaubigt, noch aus inneren
Gründen irgendwie wahrscheinlich; wäre ein solcher ,Für-
sfjrech" in Thätigkeit gewesen, so wäre die Geschichte von
den vites ganz unbegreiHich. Lagen aber schriftliche Oeff-
nungen vor, welches Hindernis bestand dann vollends, dass
1) Livius IX, 46: Civile ins repositum in pcnetralihus Pontificuni.
2) Jür8, a. a. 0., S. 19.
Beckmann: lieber die richterliche ThätigkeU der Pontifices etc. 155
dieselben schon von jeher, sei es einzeln, sei es in Samm-
hingen abschrifth'ch verbreitet wurden.
Dass sich Appius Claudius oder sein Schreiber irgend-
wie um die Erleichterung der Prozessföhrung den Parteien
verdient gemacht haben, wird als sicherer Kern der üeber-
lieferung festgehalten werden dürfen.^) Alles weitere aber
ist tendenziöse Aufbauschung, sei es zum Ruhme, sei es zur
Verlästerung des appischen Geschlechtes. Als mitwirkender
Faktor mag dabei immerhin die unkritische Verallgemeine-
rung von Einrichtungen in Betracht kommen, wie sie in
Wirklichkeit beim Pontificalcoliegium bestanden haben. Dass
viele Teile des ius sacrum Geheinilehre waren, ebenso wie
die Kunde vom Vogelflug Geheimnis der Auguren — und
dass insbesondere gewisse selten angewendete und von Fall
zu Fall besonders zurecht zu legende Eidesformulare sich in
den «Penetralien*' des Collegiums befanden, ist unzweifelhaft.
Von den in alltäglicher Anwendung stehenden und nach
stereotypen Formularen zu schwörenden Eiden lässt sich dies
schon nicht behaupten, und soweit bei ihnen ein praeire
verbis vorkommt, hat dies offenbar eine ganz andere Be-
deutung.
Durch die bisherigen Ausführungen sind die Schwierig-
keiten der herrschenden Lehre noch keines weges erschöpft.
Sind die Formeln Geheimnis der Pontifices, so sind sie es
notwendig für Jedermann ausserhalb des Collegiums, also
auch für den Magistrat und den Richter. Woher weiss der
Consul, ob die vor ihm abgesprochenen Formeln die richtigen
sind ; wie vermag der Richter zu beurteilen, ob das vor dem
Magistrat stattgehabte Verfahren gültig oder nichtig war;
woher wissen Magistrat und Richter, dass der Kläger statt
des von ihm gebrauchten Wortes vites das Wort arbores
hätte gebrauchen müssen ? Wirklich ist auch neuerdings be-
1) Mo mm Ben. Das Rom. Staatsrecht, I. S. 44.
15G Sitzung der phUos.-phüol. Glosse com 7, Juni 1690,
haiiptet worden, ^) das Collegium habe an der Gerichtsver-
handlung selbst oflFiziell durch einen Deputierten Teil ge-
nommen, und es habe diesem ein Recht der Inhibition und der
Cassation zugestanden, sobald die Partei von der correkten
Formel abwich. Eine solche quasitribunicische Amtsgewalt des
CoUegiuras ist aber weder überliefert, noch irgendwie glaub-
würdig; ich halte diese Annahme, die auch kaum irgendwo
Anklang gefunden hat, für eine staatsrechtliche und prozessuale
Unmöglichkeit.
Als historischer Kern bleibt mir also nur zweierlei übrig:
einmal, dass die Processformeln , soweit sie nicht überhaupt
in die vorhistorische Zeit zurückreichen, vom Collegium redi-
giert worden sind; und sodann, dass in der Mitte des 5. Jahr-
hunderts der Stadt, auf welchem Wege immer, eine Privat-
sammlung — ius Flavianum — erschienen ist, durch welche
der Gebrauch derselben erheblich erleichtert wurde.
2. Womöglich noch unhaltbarer ist die Tradition von
der Geheimhaltung der Auslegung der Gesetze und Spruch-
fonnelii. Kür den Richter, der das Recht anwendet, kann
dasselbe doch kein Geheimnis sein. Stand einmal durch
eine Oeffnung des CoUegiunis fest, dass unter arbores auch
vites zu verstehen sind, oder da^ss Frauen über den Geschwister-
grad liinaus kein Intestat-Erbrecht haben, so ist diese Aus-
legung eben ein für allemal bekannt geworden; geheim
bleii)en allenfalls nur die Gründe, auf welchen solche mehr
oder minder willkürliche Auslegung beruht. Man kann also
höchstens behaupten, dass das Collegium bei neu auftauchen-
den Ifechtsfragen vorzugsweise zur Auslegung berufen war
und dafür in Ansj)ruch genommen wurde. A])er selbst nur,
ob diese Auslegung von Anfang an mit äusserer Autorität
ausgestattet; war, könnte keineswegs für unzweifelhaft gelten.
1) l'iin t scha rt, ?]ntwicklun^ des prundgesctzlichcn Givilrecht»
der Hünicr, JS. 12 u. sonst.
Beckmann: lieber die richterliche Ihätigkeit der Pontifices etc, 157
Die in neuerer Zeit aufgestellte Ansicht, dass dem Collegium
die potestas legum interpretandarura gewissermassen als Teil
der gesetzgebenden Gewalt delegiert gewesen sei, hat mit
vollstem Rechte keinen Anklang gefunden. Insbesondere
wäre gar nicht abzusehen, welche Rechtsmittel gegen einen
Richterspruch, der sich über die Interpretation der Pontifices
hinwegsetzte, bestanden haben sollten. Das alte Recht kennt
weder eine Berufung, noch einen persönlichen Entschädi-
gungsanspruch gegen den index qui litem suam fecit, Ein-
richtungen, mit welchen immerhin die äussere Autorität der
kaiserlichen Respondenten durchgesetzt werden konnte. Man
müsste also zu der geradezu abenteuerlichen Annahme greifen,
dass der Deputierte des Collegiums auch der Verhandlung
des Richters als lebendiges Cassationsgericht beigewohnt habe.
IL
Die am meisten hervorspringende Eigentümlichkeit des
Civilprozesses der republikanischen Zeit ist die Trennung in
zwei Abschnitte; sei es, dass dieselbe unmittelbar durch Ge-
setz oder durch die Anordnung des Magistrats herbeige-
führt ist.
Sehen wir nun von der Eigentümlichkeit der Form ab,
so gelangen wir zur Unterscheidung zweier an der Rechts-
pflege in verschiedener Weise beteiligter Faktoren: auf der
einen Seite steht das Organ der Staatsgewalt, das dem vor
ihm und unter seiner Mitwirkung in den vorschriftsmässigen
Formen sich vollziehenden Verfahren den Charakter eines
öffentlich rechtlichen verleiht, auf der anderen der Richter,
der aus seinem Wissen und Gewissen die Entscheidung da-
rüber schöpft, welche von den beiden streitenden Parteien
recht, hat. Dieser Gegensatz ist im Wesentlichen kein an-
derer, als der des Richters und des Schöffen, wie er dem
germanischen Prozesse zu Grunde liegt, der des Richters und
des Geschworenen, wie er im heutigen Strafprozesse und in
158 Sitzung der phÜos.'phüal. Clasae vom 7. Juni 1890,
England auch im Zivilprozesse besteht. Dass im republi-
kanischen Verfahren der Schoflfe oder Geschworene nicht
gleichzeitig mit dem Magistrat und unter dessen unmittel-
barer Leitung in Thätigkeit tritt, sondern formell selbst-
ständig handelt, ist eine geschichtlich zufallige Einrichtung.
Daher ist es aber auch für die prinzipielle Auffassung gleich-
gültig, ob diese Trennung des Verfahrens in zwei räumlich
und zeitlich geschiedene Akte unmittelbar auf Gesetz (legis
actio) oder auf einer vom Magistrat dem iudex von Fall zu
Fall kraft Gesetzes oder kraft Amtsgewalt verliehenen Voll-
macht (Formularprozess) beruht.
Auch dem römischen Rechte der republikanischen Zeit
ist das gleichzeitige Zusammenwirken von Magistrat und
Schöffen oder Geschworenen keineswegs unbekannt. Es fand
in dem Verfahren der strafrechtlichen quacvstiones perpetuae
statt, und es würde auch im Centumviralprozesse stattgefunden
hai)en, wenn es richtig wäre, — was sich kaum beweisen
lässt^) — dass dieses Gericht in früherer Zeit unter dem
Vorsitz des Praetors fungirt hat. — Auch wird sich nicht
behaupten lassen, dass die im Uebrigen jedenfalls sehr früh-
zeitig durchgeführte Trennung des civilgerichtlichen Ver-
fahrens in zwei Abschnitte sehr natürlich und naheliegend
ist. Im Gegenteil wird sie als etwas durchaus künstliches
und positives augeseben werden müssen. Und zwar gerade
in der älteren (iCvstalt des Legisactionen- Prozesses.
Denn hier ])esteht zwischen den beiden Akten, von denen
doch der zweite den gültigen Verlauf des ersten zur uner-
lässlicben Voraussetzung hat, nicht einmal ein äuvsserlich er-
kennbarer Zusammenhang, wie er später durch die schrift-
1) Die Hie\hi des Plinins Ep. 5, 21 ist doch wohl für die
JlltoroTi ZtMton nioht bewei-^kräftipj. — Iiiim(Tliin ist wenigstens soviel
bezeugt, dass bis auf Auj^istus dos Centumviralj?eriebt quasimagi-
stratische VorHitzende (die Quaentorier) hatte. Suet. Augast. c. 36.
Beckmann: lieber die richterliche Tfuitigkeit der Pontifkes etc. 159
liehe Formel hergestellt wurde. Das verbindende Element
sind lediglich die Litiscontestationszeugen , für welche zu
sorgen Sache der Parteien ist. Daher ist wohl auch schon
die Vermutung ausgesprochen worden, dass wenigstens in
der spateren Zeit etwas der Formel ähnliches schon im
Legisactionenprozesse bestanden habe; an einer äusseren Be-
glaubigimg für diese Vermutung fehlt es vollständig, auch
würde sie die Schwierigkeiten für die ältere Zeit nicht be-
seitigen.
Wohl aber liegt aus inneren Gründen die Vermutung
nicht ganz ferne, dass das Trennungssystem selbst nicht in
die älteste Zeit zurückreicht, sondern erst später durch die
äussere Notwendigkeit veranlasst worden ist. Diese und ins-
besondere das Bedürfnis, den Gerichtsherren möglichst zu
entlasten, hat auch sonst in der Entwicklung des republikan-
ischen Prozesses eine grössere Holle gespielt, als man ge-
wöhnlich annimmt.
Allerdings irren diejenigen, welche aus solchen und ähn-
lichen Erwägungen den Schluss ziehen, dass der römische
König und ursprünglich auch der Consul die Funktion des
Magistrats und des Richters in seiner Person vereiniget und
nur allenfalls in wichtigen Sachen ein beratendes Con-
silium zugezogen habe. Es soll die Möglichkeit und Wahr-
scheinlichkeit nicht in Abrede gestellt werden, dass in ge-
wissen, durch Gewohnheit und Gesetz näher bestimmten
Sachen eine solche einzelrichterliche Thätigkeit des Magistrats
vorkommen konnte. Aber entschieden muss in Abrede gestellt
werden, dass dieselbe die Regel bildete und sich insbesondere
auf Prozesse über Freiheit, Civität, Eigentum, Erbrecht er-
streckte.^) Es ist in dieser Beziehung immerhin charakte-
ristisch, dass unter den Freveln, die dem letzten Könige zur
1) Belanglos ist die Stelle von Cicero de republ. V, 8. Der
Schwerpunkt liegt daraaf, dass es in der Königszeit noch keine
1(>0 Sitzung der philoa.'philol. Classe vom 7, Juni 1890,
Last gelegt wurden, sieh nirgends ein Missbrauch der civil-
riehteHichen Gewalt angedeutet findet und dass daher auch
nirgends mit der sogenannten Einführung der Republik eine
Neuerung nach dieser Seite hin in Verbindung gebracht
wird. Daraus wird gefolgert werden dürfen, dass die Tra-
dition von einer souveränen Machtvollkommenheit des Königs
in Entscheidung von wichtigen Civilprozessen nichts gewusst
hat. Andrerseits legt die Ueberlieferung dem Pontifical-
collegium die ausschliessliche Rechtskunde nicht etwa erst
für die Zeit nach den zwölf Tafeln bei; gerade um den
massgebenden Einfluss desselben zu brechen, erging geraume
Zeit nach Vertreibung der Könige der Ruf nach geschriebenen
Gesetzen; und aus der Geschichte vom Decemvirn, der als
Richter sein eigenes Gesetz sofort in schnödester Weise ge-
brochen hat, kann man auch einen Ton des Hohnes und
Spottes über den Misserfolg der dem Einflüsse der Pontifices
abträglichen Bestrebungen herausklingen hören.
Hiernach erscheint mir die Vermutung nicht allzu ge-
wagt, dass in der Königszeit zwar nicht das Collegium als
solches in Civilsachen zu Gerichte sass, wohl aber, dass das
Königsgericht aus dem König als Vorsitzendem und einer
Anzjilil von Pontifices als urteilenden Beisitzern bestand, und
dass vor dem also besetzten Gerichte die Sache von Anfang
bis zu Ende teils mit, teils ohne Spruchformeln verhandelt
wurde.
Es möge zunächst darauf hingewiesen werden, dass
solche Co'nsilien nnt nicht blos beratender, sondern be-
scliliessender Funkticm, die sich also vom Collegium nur
durch den Mangel der St}i))ilität unterscheiden, auch noch
rrivatri<lit<'r ^\\.h, sondiTn diiss allf» Kntschoidungon erfolgten iudiciis
regiifl. Wie aber diese iudicia regia organisirt waren, ist nicht gesagt.
1) Liv. I, 20.
Beckmann : üeher die richterliehe Thätigkeit der Pontifices etc. IG 1
später vorgekommen sind. Ich verweise — um von den
quaestiones perpetuae ganz abzusehen — , auf folgende Fälle:
1. Die lex Atilia räumt das Recht, den Vormund zu
ernennen, dem Prätor und der major pars tribunorum plebis
ein. Wir haben hier kein ständiges Collegium, denn dem
Collegium der Tribunen, als solchem kann der Prätor nicht
Vorsitzen; sondern die Beisitzer werden aus dem GoUegium
von Fall zu Fall einberufen. Darüber aber kann nach der
Darstellung des Gajus (U, 185) nicht der geringste Zweifel
sein, dass diese major pars tribunorum plebis dem Prätor
nicht als beratendes sondern als beschli essendes Ck)nsilium
beigegeben war. Haben wir hier zugleich das Beispiel
eines Gonsilium mit Beisitzern, die einem Collegium ange-
hören, dessen Mitglied der Vorsitzende nicht ist, ja nicht
einmal sein kann, so ist die Annahme umso unbedenklicher,
dass das Königsgericht aus König und Pontifices bestand.
2. Aus viel späterer, aber doch noch immer aus der Zeit
der republikanischen Verfassung ist das durch die lex Aelia
Sentia geschaffene Gonsilium zur Erteilung von Freilassungs-
dispensen zu erwähnen. Nach der Darstellung des Gajus
(I, 18) stand dasselbe, das in Rom aus fünf Senatoren und
fünf Rittern, in den Provinzen aus zehn Recuperatoren
bestand, dem Prätor oder Statthalter unzweifelhaft be-
sch liessend zur Seite. ^)
Mir scheint, dass durch die oben aufgestellte Hypothese
eine Reihe von Erscheinungen des republikanischen Civil-
prozesses ihre annäherungsweise befriedigende Lösung finden
würden. So insbesondere
1. Die Bezeichnung des Magistrats als ins dicens.
Freilich ist das Alter dieses Ausdruckes nicht bezeugt.^)
1) Vgl. A. Schmidt. Zeitschrift der Savigrny-Stiftung R. A. 9,
S. 139 Anm. 2.
2) Urkundlich kommt derselbe meines Wissens zuerst in der lex
Papiria (Bruns fontes ed. V , pag. 45) vor ; demnächst in der 1. Atilia
162 Sitzung der jihiloa.-i^ilol. Classe vom 7. Juni 1890.
Setzt man aber — wofür doch immerhin die überwiegende
Wahrscheinlichkeit spricht — den sprachlichen Gegensatz
in die alte Zeit, so ist die Erklärung des ersteren Ausdrucks
als dessen, der das llecht ^ weist**, sehr wenig befriedigend.
Denn sprachlich bedeutet dicere nicht wie das entsprechende
griechische Wort „zeigen* und «weisen*, sondern , sprechen*
und , anordnen.* Und sachlich lässt sich gerade im späteren
Legisuctionenprozesse die Thätigkeit des Magistrats, über
dessen Passivität vielmehr Cicero spottet, nicht entfernt als
eine das Recht weisende bezeichnen. Weder den Parteien
noch dem Richter, der zumeist schon formell, jedenfalls aber
materiell unabhängig von ihm in Funktion tritt — »weist*
der Praetor das Recht. Und wo das Wort als Forraular-
bestandteil vorkommt, (vindicias dicere, viam dicere) da be-
zeichnet es gerade wie das Compositum addicere eine befeh-
lende, anordnende Thätigkeit, die aber doch selbst wieder
zu untergeordnet und vereinzelt ist, als dass sich daraus die
all»^*Mneine technische Bezeichnung als ius dicens ableiten
Hesse. Auch im Forum lar pro/esse kann die Thätigkeit des
Pnietnrs nur als eine constitutive, Vollmacht erteilende und
die Vorauss(.»tznngen derselben hypothetisch bastimmende,
nicht aber als (Mue weisende bezeichnet werden. Vielmehr ist
der ius dieeus der das „Uecht" mit äusserer Autorität Aus-
sj)recht*nd(». Diese Bezeichnung ]»jis.st auf den Vorsitzenden,
softMiu» erst durch seinen niagistratischen Ausspruch die von
dem <ierichte, sei es mit, sei es ohne seine Mitabstimmung
gcl'undiMie Seutentia den (Charakter eines autoritativen l{4»chts-
(ibitl. p. 58). Ist, wie nicht zn )MV/w»;iteln, der Majifistrat urnprüng"-
licli selbst als imlfx b«v,eiclni<.'t wonh'n, so ist daraus nicht /u t'o]|rom,
dass er jils Kinzdrichl^T lun^iort hat; or war dann eben als Vor-
sitzender des (leridites der .HichttT* im eminenten iSinn. — Erst
die spätere Zeit hat dann das Bedürfnis empfunden, ilie b'unk-
tion des Maj^istrats untl die des Spruchrichters sprac.hli«h zu unter-
scht.'iden.
Beckmann: Ueher die richterliche Thätigkeit der Pontifices etc. 163
.Spruches (ius) annimint. In diesem Sinne ist die Bezeich-
nung auch noch für das ppätere Verfahren annehmbar.
Denn im späteren Legisactionenprozesse spricht zwar der
Magistrat, — abgesehen von interimistischen und prozess-
leitenden Verfügungen — das ius nicht mehr selbst aus, aber
der Ausspruch des iudex hat doch seine Autorität nicht in
sich selbst, sondern leitet sie ab aus dem Verfahren, das
vorher in iure stattgefunden hat. Augenscheinlich tritt dann
der Zusammenhang im Formularprozess hervor; durch die
Formel fordert der Praetor den Richter nicht auf, — was
ja an sich auch möglich gewesen wäre — ihm seine Sen-
tentia mitzuteilen, damit er sie dann als Recht ausspreche,
sondern im Interesse der Geschäftsvereinfachung und der
Beschleunigung ist der Richter zugleich autorisiert, seine
Rechtsansicht als einen mit öffentlicher Autorität ausge-
statteten Rechtsspruch selbst zu verkündigen. Insofern liegt
auch, staatsrechtlich aufgefasst, der Schwerpunkt der Formel
gar nicht, wie nach rein civilrechtlicher Anschauung in der
Intentio, sondern in der Condemnatio. Es ist meine lang-
jährige wissenschaftliche Ueberzeugung, dass der Schlüssel
für das Verständnis des Formularprozesses nicht in der Inten-
tio, die es auch schon vorher gegeben hat, sondern in der
Condemnatio zu suchen ist.^)
2. Weiter dürfte sich erklären, dass der Ausspruch des
Richters als „Sententia* bezeichnet wird. Die Sententia als
solche hat keine autoritative Bedeutung, sie ist , Meinung,''
^Gutachten." So verhält es sich ursprünglich auch beim
Senate, in dessen Funktionen Sententia und Auctoritas wohl
unterschieden wird. Damit die Sententia äussere Autorität
erlangt, muss noch etwas hinzu kommen, die Publikation
durch den Magistrat; später die, sei es ausdrücklich, sei es
1) So stellt auch noch Cicero de leg. III 3, 8 iudicare und iu-
dicari inbere als gleichartig nebeneinander, beides ist die Funktion
des iuris disceptator.
164 Sitzung der philosrphüdl, Glosse vom 7. Juni 1890,
stillschweigend zum Voraus erteilte magistratische Sanktion
desselben. Man könnte vielleicht einwenden, dass auf diese
Weise der Gegensfitz zwischen der Sententia und dem bin-
denden Responsum verloren gehe. Einen materielleu
Unterschied vermag ich auch in der That nicht anzuer-
kennen. Wohl aber besteht ein formeller Gegensatz;
Responsum ist das (bindende) Gutachten, das von aussen her
eingeholt wird; Sententia dagegen die bindende Meinungs-
äusserung, die auf einem organischen Zusammenwirken des
Anfragenden und des Befragten beruht, sei es, dass der
Fragende zugleich den Vorsitz im Consilium führt, oder dass
der von ihm Befragte zugleich die Vollmacht besitzt, an
seiner Stelle die Sententia als bindende Norm zu veröffent-
lichen. Die erstere Art des Zusammenwirkens werden wir
als die ältere, die zweite als die spätere, durch Zweckmässig-
keitsgründe veranlasste Form betrachten dürfen.
3. Nimmt man eine richterliche Tliätigkeit der I^onti-
fices in dem bisher entwickelten Sinne an, so ist damit auch
der Einflnss des Collegiums selbst auf die Rechtsflege in be-
friedigender Weise gelöst. Das CoUegium komponiert die
Sprucliformehi , und die richtenden Pontifices entscheiden
darüber, ob di\i< gebotene Formular in Anwendung gebracht
sei. Eben durch diese richterliche Thätigkeit verschafften sie
den Formeln die erforderliche äussere Autorität, und ver-
bal f(*n denselben zur gewohnheitsrechtlichen Geltung, die
auch fortdauerte, nachdem die richterliche Thätigkeit auf
andere Potenzen übergegangen war. Und e))enso verhalfen
di(» l\)ntilices der innerhall) des Collegiums sich feststellen-
den Auslegung der (Jesetze und der Formeln zur äusseren
(leltung, die sich nun ebenfalls leicht zu einer gewohnheits-
rechtlichen ausgestalten konnte».
Mit dieser richterlichen Thätigkeit ist die respondierende
demnach sehr wohl in Einklang zu bringen. Nach moderner
An.schanung freilich ist ricliterliche und rechtsbelehrende
'Stehiiiitnn: l'eber die richlerliche nuUii/keil rfer I'i>ntiftre6 i
1()5
Thätiigkttit; nnvemnlinr. Aber dem Altertum ist diese scharfe
Trennung fremd; noch der Kaiser ist zugleich obenter ttichter
uud oberster [{«spondent. — War also die Partei nicht sicher,
nolclitir Spnichformel »io sich zu bedieuen hatte, oder ob
lÜH ihr (fünatigR Auslegung <les tjesetzes auch die appro-
hivrtu sei, so mochte sie zuvor beim Collegium anfragen.
Aber solche Anfragen waren keine Handlungen der Not-
wendigkMt, wip nach der herrschenden Ansicht, sondern nur
HantiluDKen der VorMitht. Es liegt im Wesentlichen kein
anderes Verhültnis vor wie im späteren l'mzejwe. Der Pmetor
renpundiort nicht von Fall zu Fall, ob er eine Formel er-
teilt, wohl iiber fjenerell, indem «r die Formeln, die er er-
teilen wird, im Album bekannt macht. Keine Partei ist
genntigt, wich v'irkonimendwi Falls erst nun dem Albimi Itat
au orholen; aber dass sie es tbut, ist eine Sache der Vor-
sicht und Khighett. Umgekehrt respondiert das Colleginui
nicht giinerell — darin gerade bestand der Fortschritt der
sjAt^ren Bechtjwamroluntten, innbesondere des ins Flavianum;
aber die Einholung des Itesponsum ist gleichwohl ituch hier
nnr nnt^^tr Um!ftänden rüMich, nicht aber notwendig.
Dnnih 4iese Erwägungen wQrde vielleicht auch ein Licht
auf fidgcndu E^mcheiniing fallen. Wer eine nngebürige
Sprur.hformel gebrauchte, verlor seine Hacho (causa cadehat);
d. h. nicht nur, doss ihm auf Grund dieser Formel kein
nist<iriell«( Urteil gewährt, sondern dasa er auch mit der
richtigen Furnud nicht mehr zugelussen wunle. Mit der
li)(MH!n Logik lässt «ich diese Entscheidung ohne Zweifel
kht rechtfertigen: sehr wohl aber ist sie zu begreifen altt
alten Itecht« geläutige Prozessstrafe. Der Kläger
• sinb selbst zuzuschreiben, wenn er eine faLiche Sprnch-
I K^brHU'^'ht. Zur Strafe ffir die zwecklose Beläütignog
ricbtes wird vt auch mit der richtigen Formel nicbl
Auch die strenge Behandlung der plus petitio
lulnr]]
[iiwt sich iius logi.ti'bt'u On'indi
166 Sitzung der phUos.'pbüol. Classe vom 7. Juni 1890.
wie mir scheint, nicht erklaren. Denn sagt man, hundert
enthalte auch neunundneunzig, so ist nicht zu begreifen,
warum nicht auch der Richter auf neunundneunzig erkennen
darf. Sagt man umgekehrt, hundert dürfe nicht in seine
arithmetischen Bestandteile aufgelost werden, so mfisste dies
doch auch für die Formel gelten. Die consumierende Wirkung
einerseits und die Freisprechung andrerseits stehen in logischem
Widerspruche; es handelt sich auch hier um eine Prozessstrafe.
4. Was endlich d&s sacramentum anlangt, so steht unter
allen Umständen doch soviel fest, dass dasselbe ursprünglich
irgend eine Beziehung zum sacrum gehabt habe. ^) Damit
ist freilich nicht gesagt, dass das Sacramentsgeld selbst eine
res Sacra und damit unveräusserlich geworden sei, sondern
nur so soviel, dass es für sacrale Zwecke bestimmt war.
Dies aber, sowie die weitere Thatsache, dass es erst später
durch ein besonderes Qesetz in die allgemeine Staatskasse
einbezogen wurde, steht fest. In hohem Grade wahri^chein-
licli ist insbesondere auch, dass schon der Ort, wq es ur-
s])rnnglicli einbezahlt wurde, auf die Verwendung zu saeralen
ZweckcMi hinweist. Mag man nun im üebrigen dits Prozess-
geld als Sülmp^eld oder als Succumbenzgeld aufiFassen, immer
setzt, die Zuweisung an die Poiitificalcassa irgend eine Thätig-
keit der Pontifices im Prozesse selbst voraus; und da scheint
es doch wieder viel näher zu liegen, an eine richterliche
als an eine blos respondierende zu denken. Die letztere
steht formell ganz ausserhalb des Prozesses, und ein pro-
zessualer Zwang, dafür etwas zu bezahlen, vollends ein
Zwang, der gewisserniassen den Angelpunkt des zweiten
1) Die Annahme, diwa das sacramentum ursprünglich ein Eid
j^owenen sei, halte ich für nicht erwiMsbar und für innerlich unwahr-
scheinlich. Jedenfalls ist die Jherinjj^'sche Theorie vom «geistlichen
Schiedsgericht** in sich seihst widerspruchsvoll. Aus dem Eid könnte
man immer nur eine ordentliche Gerichtsbarkeit des (./ollegiums
ableiten (Kariowa, Ht'chtsgeschichte I, S. 274.)
Seehmitnn: Ceher die riehterlicht Thätigkeil drr l'oatiflfc»
167
Teiles Ar» Verfalirens selbst bildete, wäre doch recht auf-
Fallf^Dd. Geht man dagegen von der Ansicht am, das« die
Pontificee im Kdnigaj^ericbte als Ricliter fungierti;n, m fallen
dicAe Bedenken weg; es ist sogar ventändUch. Aans diu
Urteil Hchliesslich t'urmell duruiir abgestellt wurde, utrius
Rftcramentutn instiini ait.
Eine iimeri^ Notwendigkeit wird miui freilich in allen
diesi'ii Dingen nicht suchen dürfen; es können ja immerhin
anch »olche /weckmöAsigkeitsgrilude, wie sie Peatus snfGhrt,
dafür hestiraniend gcw&sen sein, data das Geld der PontificÄl-
■ llberwiesen wurde.
!1I.
l Hut jemals cino richtorliche Mitwirkung der Pontifioea
ätattge fluiden, so sind sicher schon frilhwitig tiefgreifende
Aenderungen eingetreten. Meiner Ansicht nach bewegten
«ich diwtdbon in einer doppelten Ilichtung:
1. Das unmittelbare zeitliche nnd örtlich» Zusammen-
wirken von Magistrat nnd Pontifices hörte auf: an die Stelle
dmüelben trat dii- Trennung den Verfahren» in die hinläng-
lich bekannten beiden Stadien. Waiin ditae Veränderung
ei&gefGbrt wurde, lässt sich ebenso wenig mit einiger Be-
tnth«it angehen, al» durch welche Kecht^ijuelle nie erfotgt(>.
li'Ueberreste der zwölf Tafeln geben weder einen sicheren
■dUpnnkt dafür, dass damals die Trennung bereiU bo-
tl, geechwoige denn, dass sie von den Detemviru einge-
: wurde, noch für das Gegenteil; aus ihnen ergibt sich
t für gewiisso Fälle der Abnchätzung, der Erniitt*-
; tbabiüdilich verwnrreiier Zustände r|er Magistrat arliitri
mnen rouaqte oder ernennen konnte. Sicher aber wird
J" 'NttUtruiig geraume Zeit vor die HinHIhruuig der »tiui-
ttscbpn Praetnr zu set7.en sein; daher ist es auch sehr wahr-
wkitinlicb, diisw die Uücksieht auf dii- llt»ibäft»nberhäufung
r CuOMlIn niiMigebend war.
Vi'
168 Sitzung der phüosrphüol, Glosse vom 7. Jufd 1890,
Die Aenderung selber würde nach meiner Ansicht darin
bestanden haben, das die Pontifices — nicht das CoUegiuin
als solches — von nun an das selbstständig verhandelnde
iudicium bildeten, während die Verhandlung in iure aus-
schliesslich vor dem Magistrat stattfand.^) Vielleicht hat
sich eine Spur dieser Veränderung noch erhalten in der be-
kannten Notiz des Pomponius in L. 2, § 5 D. d. 0. J.
ex quibus (pontificibus) constituebatur quis quoquo anno
praeesset privatis.
Man versteht diese Mitteilung gewöhnlich dahin,^) dass
das Collegium alljährlich einem Mitgliede die Funktion des
Elespondierens kommissarisch übertragen habe. Allein damit
verträgt sich meines Erachtens der Ausdruck praeesset
privatis in keiner Weise. Das Wort praeesse kommt gerade
in der angeführten Stelle ausserordentlich häufig vor, immer
aber bezeichnet es die autoritative magistratische oder quasi-
raagistratische Leitung eines Zweiges der Staats- und Rechts-
verwaltung; so insbesondere hastae praeesse die Direktion
des Centrumviralgerichts. Mit dieser Bedeutung wäre die
hier vorausgesetzte ganz incongrueiit. Selbst die respon-
dierende Thätigkeit des CoUegiuras könnte nicht als ein
praeesse privatis bezeichnet werden, noch viel weniger die
kommissarische Vertretung des Collegiums in diaser Thä-
tigkeit. Unter einem qui privatis praeest kann vielmehr
in Uebereinstimmung mit dem sonstigen Sprachgebrauch der
Stelle und wohl auch mit dem allgemeinen Sprachgebrauch ^)
1) Der traditionelle Bericht über den Prozesa der Virginia setzt
diese Trennung offenbar als bereits damals bestehend voraus. Als
historisches Zeugniss kann ich denselben weder in diesen noch in
anderen I3eziehungen gelten lassen.
2) So neuesten» Jörs a. a. 0. S. 44 — Die sprachliche Bedeu-
tung von praesse erkennt richtig Fun tschart a. a. 0. S. 42 —
Vgl. auch Mommsen, StaAtsrecht Bd. 2, S. 45 Anm. 3.
3) Vgl. z. B. Cicero de domo 1: — vos eosdera et rcligionibus
deorum immortalium et summae reipublicae praeesse voluerunt etc.
Servius ad Aeneid. 2, 141: — singulis actibus proprios deos praeesse.
thmnun: Uebrr die riehterliche Jliäliijkeif lUr Pi)«tificts etc. 169
; ivT verstanden werden, der die re» priv&toe mit äuxserer
borität luitet, und d» nun die Bezielitmg auf den iiu< dicene
Bcblwlithin auäge8chliJ6§eu Ut, ho bleibt nur die Beziehung
auf den VorKib: im iudicium Übrig. Uur Vorsitzende war
wwier der I'until'ex Maximus hIh sulcher, noch ging der Vor-
I von Sitzung zu Sitaung im Turnus herum, sondern der
tektor wurde auf die Dauer eines Jahres bestimmt, —
mfalle hat Pomprmtus die Notiz selbst nicht mehr ver-
standen ; so wio er sie vorbringt, ist sie eigentlich völlig
belanglos.
Hand in Hand mit der formellen Veränderung in der
tigkeit der Foiitiücee mag die andere gegangen sein, daa»
1 König oder Consul in den Sachen, die er bisher als
Eiiiixflricht^ir entschieden hatte, die eigene Judieatur entzogen
wurde oder doch durch den Willen des Kläger« entzogen
werden konnte, so diias er sich uuf die Ernennung eines
Richters zu i>escbränken hatte.
2. Die andere') Seite der Entnickelung richtete sich
Huf die allmHhlige Einschränkung und schliessliche Besei-
tigung der richterlichen Competenz der Pontifices. Als den
ersten Schritt in dieser Richtung betrachte ich die Ein-
UiiDg des CulU'giunis der Decemvirn. Dass gerade in den
eitigkdton fiber Freiheit und Civität die Plebejer kein
Vertrauen in die Rechtsprechung der patri-
l«n Puntitices haben konnten, ist begreiflich; so setzten
j ohne Zweifel schon frühzeitig durch, dass diese Strei-
|keit«u ohne weeentliche Veränderung des Verfahrens einem
mderen Collegiuin tiberwiesen wurden.*)
I] Die taitlich oicbt atwA cnl nitch AbschlusH der Brateren be-
I haben brAnuht, Dius inabesonderi; die Uecemvirn ur-
Iftlich unter dem Vor«it>e de» MngisitMi' tliütig waren, iit xwur
i m t>eweüea, aber die Möglichkeit ist, durch nichU anige-
' S) Dom diCB Cellefriatn kein auaiulilieaiilioh plebejüches war. i«t
■ dvr CumiictcnnerbftJlnuiiK vcllii; etkllrlich.
d
170 Sitzung der phüo8 -phUöl, Classe vom 7, Juni 1890,
Die früheste Erwähuung desselben findet sich meines
Wissens bei Livius/) nach dessen Bericht sich der besondere
Schutz der Lex Horatia Valeria (305 a. u. c.) auch auf
die Decemvirn erstreckte. Dies führt allerdings nicht not-
wendig zu der Deutung, dass sie schon vor diesem Gesetze
bestanden haben. Was die von Livius vor den Decemvirn
genannten ^iudices* anlangt, so ist, wie mir scheint, die Be-
ziehung derselben auf irgendwelche magistratus populi
roniani, namentlich die Consuln, durch mehr als einen Um-
stand völlig ausgeschlossen. Aber auch an die Centumyim
ist nicht wohl zu denken, warum sollten sie nicht bei ihrem
offiziellen Namen genannt sein? Ebenso wenig können die
blossen Privatrichter gemeint sein ; bei ihnen wäre doch ver-
nünftiger Weise eine Beschränkung der Zeit für welche, und
der Voraussetzungen, unter welchen sie sacrosanct sein sollten,
nicht zu entbehren gewesen. Ich schliesse mich also denen
an, welche iudiees und deceniviri verbinden, möchte aber
vermuten, dass das erstere Wort ein altes Glossem ist,*) um
die hier genannten deceniviri — die man später als decem-
viri stlitibuö iudicandis bezeichnete — von andern Behörden
dieses Namens zu unterscheiden. Doch ist dies natürlich
ein Punkt von untergeordneter Bedeutung.
Als einen weiteren Schritt der Entwicklung vermute ich.
dass den Pontifices die Judicatur in Schuldsachen entzogen
und dafür das Institut des Privatricliters eingeführt oder viel-
mehr aus der legis actio per iudieis postulationeni entlehnt
wurde. Ohne gesetzliche Grundlage kann auch diese Neue-
runjij, die vielleicht weniger auf politischen, als auf Zweck-
miu^sigkeiisgründen beruhte, nicht erfolgt sein; dass aljer
1) Ahgeaehen von der urkundlichen Erwähnung vom Jahre 616.
L. J. lj. ^. 38.
2) Das Wort iudex inüssen bereitH diejenigen im Texte des Ge-
setzes gelesen haben, welche die von Livius III. 55 berichtete und
zurüokjfewieHene Auslegun^f versuchten.
Ki»n: Vebtr rfi'e nchtertiehe TJuUigkeit der Punlifieef e.
171
I tinindluge durch die von G&iud erwähnt« lex Piiiaria
{ebfjn war, glaube ich nicht. Denn iimg auch die Lficke
f üaodschrift noch nach der n^ueateu Lesung e)>en ^u gut
ich dw) Wort iiundum ab ilurcli ilus Wort ätatiiu iiu^ge-
; wurden können, su macht duch die gunzB Wurtätellung
JM Bericht« Ton Oaius die Deutung notwendig, daas da«
fteiielx nur eine Neuerung bezüglich des Zeil[iunkte der Er-
nennung «infUhrtti. Dünn itt freilich auch die Annahuie,
daaa das liesetz schon in das Jahr 282 a. u. c. zu ttetxen
sei, volleiid.'i unmöglieh. ')
Nicht unerwähnt kann ich folgenden Umstand lassen.
In IV. g 14 führt (iiiiufi die Äbatiifung der SacrauientsHumme
gauu itllgeruein auf die 12 Tafeln üuriiuk, in § 15 aber sagt
r nach eiuer längeren Ldcke in Beeiehung auf die actio
■pereonani :
iilud ex superioribus intelliginiutt, »\ de re minoris quam
; agebatar, quiuquagenario stuiramento nun q^mugenario
\ eontendere »olitoa fuisse.
Dieser Ausdruck ist in hohem Grade auffallend, wenn
die Abstufung auch hier auf Gesetz beruhte; vielmehr deutet
die Hervorhebung der Gewohnheit darauf hin, dass das üe-
Mtz. welches den unus iudex für actiones in personam ein-
fuhrt«, eine ausdrückliche Uebertragung der bexiigUcbon Vor-
«cbriftt-n der 12 Tafeln nicht enthielt.') Hebrigens dürfte
I diu folgende Bemerkung des Guius:
i 1) bl der iudex iliUua LIie^ilwHue fCrsaU iIl'h at&ndiK<-'n iuiliciuia,
■'die iäaohe eorort von Anfang' bin au Rnde verliand'dt, lititlehnnj^s-
I aU Ein r.ei rieh tcr fungioriMiden UiurUtntta, so ial <■» nicht
■oDdprn orkiUlich, diu« or unprünglicii aofurt (ceifebeii
Die daniu« GQUilaadenen Dniutriglichkeilen fflhrten lu der
t d« lex Piuaria.
3) Vergl. HvlbmiLDD-tlollweg, CivUproM«» I, ä. BS, Anm. 23. bei
■Mn Aii[^«un(; ab«r f^orAcIe du« Kulllua Cuiiioe uuerktürt bleibt.
^
172 Sitzung der phäosrfhäol, Classe vom 7. Juni 1890,
^deinde cum ad iudicem venerint, anieqaam apud enm
causam perorarent, solebant breviter et quasi per indicem
rem exponere, quae dicebatur causam conjectio, quasi causae
suae in breve coactio,"
darauf hindeuten, dass zwar nicht er selbst, aber eine
mittelbare oder unmittelbare Quelle noch die Vorstellung von
einem Verfahren hatte, bei welchem eine solche causae
conjectio überflüssig war.*)
Als Schlusspunkt der Entwickelung betrachte ich die
Einsetzung des üentumviralgerichts für Erbschafts- und
Eigentumsprozesse.^) Dass dies Oericht nicht schon den
ältesten Zeiten, auch nicht dem Ende der Königszeit ange-
hört, dafür sprechen bekanntlich sehr entscheidende Oründe,
und das Symbol des Gerichtes, die hasta als Signum iusti
dominii, ist schon deshalb kein Gegenargument, weil dies
Zeichen sehr wohl von einem früheren Gerichte herüber-
genommen sein kann.
Als abgeschlossen wird die Entwicklung, durch welche
schliesslich den Pontifices als solchen alle richterliche Thätig-
keit in Civilsachen entzogen wurde, zu der Zeit betrachtet
werden müssen, als die lex Papiria die Beitreibung der Sacra-
mente und die Entscheidung über die dabei auftauchenden
Streitfragen den Tres viri capitales übertrug. Damit war
ohne Zweifel das Sacramentuni auch materiell der Ponti-
ficatscassa entzogen. Dies wird als die naheliegende Gon-
1) Der Ausdruck causam conicere kommt auch schon in den
12. Tafeln vor (Gell. 17, 2; Auct. ad. Herenn 2, 13; Bruns fontes
ed. V. pag. 18.); hier aber kann er unmöglich die Bedeutung gehabt
haben, die ihm Gaius beilegt: es kann darunter nur die Verhapdlnng
der Sache selbst oder doch der Anfang dieser Verhandlung zu ver-
stehen sein. Gerade jene Stellen scheinen mir auf die ursprüngliche
Einheitlichkeit des ganzen Verfahrens hinzuweisen.
2) Keiler- Wach § 6.
Beckmann: üeber die richterliche Thätigkeü der Pantifices etc. 173
Sequenz des Umstands betrachtet werden dürfen, dass auch
die richterliche Thätigkeit der Ponti^ces als Gegenleistung
YoUkommen weggefallen war. ^)
1) Der von Festns mitgetheilte Text der lex Papiria (Brons p. 45)
ist in mancher Beziehung dunkel und unverständlich. Die Schluss-
worte lassen sich dahin verstehen, dass schon ältere Gesetze und
Plebiscite sich mit der Beitreibung und richterlichen Erledigping der
Sacramente beschäftigen. Demnach ist die Vermuthung nicht ausge-
schlossen, dass die Sacramente schrittweise den Pontifices entzogen
wurden, und dass die lex Papiria den letzten Best, der noch den
Pontifices geblieben war, beseitigte und f&r alle Sacramente eine
einheitliche Behörde einführte.
174
Herr Willi. Hertz legte einen Aufsatz des Herrn
Golther vor:
^Chrestiens conte del graal in seinem yer-
hältniss zum wälschen Peredur und zum
englischen Sir Perceval.*
lieber das verhältniss der drei kymrischen, wälschen er-
zählungen, welche den gedichten des ührestien von Troyes
entsprechen, Erec-Geraint, Yvain-Owen, Perceval-Pere-
dur, sind schon die verschiedenartigsten ansichten aufge-
stellt worden, die einen glaubten, in den wälschen geschichten
die unmittelbaren kymrischen vorlagen der altfranzosischen
Artusgedicht« annehmen zu sollen, die andern dagegen be-
haupteten mit gutem gründe, dass umgekehrt die wälschen
sagen aus den französischen quellen hervorgegangen sein
müssten.
San Marte hat in seiner schrift ^die Arthursage und die
mährchen des rothen buches von Bergest' 1841 das malnnogi
von Peredur einer eingehenden besprechung unterzogen und
gelangte zu dem wunderlichen Schlüsse, dass örtlichkeit und
Personen darin rein wälsch seien, ton und character sei älter
als das Zeitalter der Kreuzzüge und des rittertums; es müsste
überhaupt als die älteste bekannte quelle der Percevalsage
angeschaut werden! auch Villemarque contes populaires des
anciens Bretons preccdes d'un essai sur Vorigine des epopies
chevaleresques de la table ronde' Paris 1842 erblickte im Pere-
dur die vorläge Chrestiens, wie er ja überhaupt alle im kym-
( litt ijraai.
175
riiiob«n iinil bruUmischen vürliuiKJBneri unspieluiigen und ttu8-
Iftufer der itltfraii/iisisclieii ilicbtuii^eii ^ärizlicb verkehrt uU
1 ([uolicn betraiibtet«. mit [ter zeit trat ein DiDschwutt)^
I guiisteii der zneiten ansieht eiu, denu allicii deutlich "iiid
bewt^tti!, wrkbu den durchaus ritterlich -fniiizö-tiiiclien
rukter des inhaltex der miihino'jhn darttin. gL'nauer \ni
r Peredur noch nicht luitersiicht worden {doch vgl. Birch-
«hfdd. die Bttge vom gral 1877 a. 204-211): im all-
teineu int aber heutzutage die ansieht von der französischen
tftEnuinng der sogenaiiuten mabinogion die allein gütige
1 vrJKsenschaftlich unschwer zw beweiscTide, und selbst dic-
ken, welche sich nbmtiht>n, einige ältere und echtere, aus
vermein tiicben wälscheii urqiielle herstammende sUge
^ den Mjg. mabtnoifion^'] auf^ntindeii , sehen sich genötigt,
Ziitugeben, dass in der haujibiache die altf'ransSsischen ge-
dieht« die quellen der wäbchen sind, unterdessen hat Uaaton
Parix*) eine eigenartige erklürung der mabit\ogion versucht;
|gUubt, dass eine auglonormännische aus keltischer
1) der kOrxe und liuigcr g««rohiihrtt balber verwende ich hier
Nn fMwlruck. obwol er deo meisten« damit K^iueiuten drei itOckon
f finrifeHtimuiUBcripteB von re<.'lit«weK6n gar nicht zukommt nad
rdem Ht-lne liudeutung mit di^r seit lad; Quegt'e aungube äb-
1 ttheraeUuag .kinderuiäruht^n' ganx falsch wiedergegebea wird;
I richtige tindol Hieb bei Kh^K Erans, the ItJ-t of Ike malnnoffiou
I th« red book uf Httgeal I s, VHl f. ; I>otli /« mainnopon l s. 9;
TErmmer, (Ifitt. gvl. odt.. 1890 nr. 13 ». 611—514. «pricht man dm-h
aoch Doch heute ohue nachtheil von .ICäda -lu-d^m, eiuar .ö/fereii
JSddtC, (lincr JSaemuHii-JCiida' ; nur muas man wiesen, daiis man damit
B art VCD »rkonnuQifHmiu'ke langi^r gewohnheit gemlUii weiterfiibrt.,
i nachweislich auf gana falscher auflassuDg und mi:<Rver»täD<l-
1 aller art beruht, und darum auch ja nicht mehr miHsbraai'hi
i tnindenlet werden darf, als enthielte der namL' wirklich auf-
•chlUH, Ja überhnupl nur beiiabung zum beirKÜcndtn dcnkmal.
tt) t|(1. Romanin H,40; I<>,t6&tt.; 12,45SD'i IS.IBT; h'xtoir* UUerairt
n Fraiet 90 ■>. 13. 'Mi. •il. 29, 260; wipderbolt wird dio byiwlbMe
U}th, le« mnhiiu'ijiiiii I; i. 1&. auch Siiiirock in «einer UIjK
176 Sitzung der phüosrphäol, Glosse vom 7. Juni 1890,
sage heiTorgegangene dichtung in versen oder prosa die ge-
meinsame quelle für Chrestien und die mabinogion sei. mit
dieser hyi)othese als der allein wissenschaftlich discutierbaren
haben wir es hier zu tun. dass dies fär Tvain und Erec
unmöglich ist, haben Foerster^) und nach ihm Othmer^)
des Parzival und Titurel 4. aufl. Stuttgart 1862 bd 2 s. 551 stellte
schon als möglich hin, dass mab, das werk eines der n&chsten fran-
zösischen Vorgänger Chrestiens benüzt habe.
1) der löwenritter (Tvain) von Christian von Troyes, hrsg. von
W. Foerster, Halle 1887 s. XXV — XXVIII. im Literaturblatt für
germ. u. rom. phil. 1890 nr. 7 sp. 265 ff. hat Foerster mit schlagen-
den gründen die Unmöglichkeit solcher anglonormännischer denkm&ler,
wie sie G. Paris aufstellen möchte, dargetan, worauf hier nachdrück-
lich verwiesen sei. in der einleitung zur Erecausgabe ist die frage
nochmals erörtert worden, wie G. Paris bereits Rom. 10,468 anm.
mit recht bemerkt hat, verlangt jeder frz. roman für sich eine ge-
sonderte betrachtung und in bezug auf herkunfb und entstehung gilt
nicht notwendig vom einen dasselbe wie vom andern, so ist zwar der
Tristan sammt den zwei darin bedeutenden dichtemamen Berol und
Thomas an die normannische, zum teil auch anglonormännische lite-
ratur, jedenfalls an vorhergehende Spielmannsdichtung geknüpft (bist,
litteraire 30, 22). hier sind denkmäler, die vor den werken des kunst-
dichters Thomas und Chrestiens liegen, auch wirklich vorhanden, aber
damit ist in alle weite nicht bewiesen, dass ein normannischer oder gar
anglonormännischer Erec, Yvain und Perceval überhaupt eine quelle
vor Chrestien angesetzt werden muss. diese durch die mabinogion
und einige englische gedichte durchaus nicht gestützte behauptung
ist somit von jedem standpunct aus besehen hinfällig, ja sogar ge-
rade die beschaffen heit des Tristan, soweit er aut dem entwicklungs-
stadium der Spielmannsdichtung beharrt, könnte eher zu entgegen-
gesetzten Schlüssen hinleiten, nemlich dass etwa vorhandene Vor-
bilder der drei Chrestiengedichte sich doch inhaltlich und formell
sehr bedeutend von diesen unterschieden haben müssten, nicht mit
ihnen sich vollkommen decken konnten.
2) das Verhältnis von Christians von Troyes .Erec et Enide* zu
dem mabinogion (sie!) des roten buches von Bergest «Oeraint ab Erbin*.
Bonner dissert. Köln, druck von M. Du Mont-Schauberg [1889]. vgl.
dazu meine anzeige in der Zeitschrift für französische spräche und
litteratur bd. XIP (1890) s. 126 ff.
■ ihi !/rual.
17
trieben. Aie^c beiden mabinopion sind einzig und allein
I ChrtMttenH gedicht«n zu erklüreti, und es ist eine gaan
ViHkOrlifihe annähme, für welche nicht der schatten eines
wirklichen )>eweisei> spricht, gegen die aber wo] die fraii-
zösiMche und anglonarmänniache literatni^eschichte und der
inntmassliche auf die aremorikanixche Bretagne, nicht auf das
kyinriächu Wale^ hinweisende Ursprung de« Artusepos ge-
meinsam Hich nuflehnen, dass eine anglonormännische dich-
Wg, die wörtlich mit Chrestic^n gleichlautend sein niUsste,
' beiden liege, wir wollen im folgenden nun auch noch
1 verhältnisH des Perceval zum Peredur näher in§ äuge
fii^Mcn, was zum selben ergebniss führt, die mabinogion be-
nutze ich nach der französischen flbersetzung van Loth lea
binogion, Paris 1889 2 bände; über deren verlü^igkeit vgl.
Wiudi«eh im liteniriachen CentralbUtt 1890 nr. 26
■ 903 f.; der Peredur ab Kvrawc tindet sich band 11 s. 45
"^^110, die llbertnigung beruht auf der neuen diplomatisch
gßnaui^n ausgäbe des Hergestmanuscripts viiti Rhjs und Evans,
Ihe text of Ike mitbinoffion fram thc red book of Ihrgesl. auf
I ausfuhrliche inhalteiingabe und vergleichung verzichte
i billiger weise, da sie schon oft genug ausgefllhrt wurde.
t hebe nur dasjtnige heraus, teas zur aitsckeülunji der m be-
handelnden frage d. h. nb eine gemeinsame anglonormfinnischc
ifWiiU für Chrestien und das mabtttogi aneuneAmen nei tider
nicht, in welch lettterem falle der Peredur aus Chreatiens leerk
Jossen sein muss, unmittelbnr dient, eine bec[neme tmd jirak-
ti«eh eingeteilte inhaltnangabe Cliresticns und des mairinogi
liei sich (»ei Nutt, sludiea on Ihe legend of the liolg grail,
1888, auf welches werk ich mehrfach zu sprechen
1 werde, es ist vorauszuschicken, wovon sich jeder
I durch einsieht der inhaltsangiiben und noch beseer
f t«xte beim ersten blick tiberzeugen kann, dass neben
Igen grB*!<ercn stücken des inabinogi. die ans anderweitigen
Hleo «tumnifU, der inhalt. des Perci'val zug für eug bald
178
Sitzung der phüosrphüol. Glosse vom 7. Juni 1890.
ausführlicher bald kürzer im Peredur sich wiederfindet, von
Chrestiens gedichte fehlen im mabinogti nur einige episoden
der Gauvaingeschichte (nach Nutt inddenJC 13, 16, 17, 18)
d. h. die Übereinstimmung geht nur bis zu Percevals besuch
beim einsiedler, der ihm am charfreitag absolution erteilt,
was Chrestien, der bekanntlich sein gedieht unvollendet hinter-
lassen hat, vollends von Gauvain erzählte, blieb im mäbinogi
weg, und zuvor Gauvains abenteuer mit dem kindlichen
mädchen (Wolframs Obilöt). zum beweise, wie genau Perce-
val und Peredur zusammenstimmen, teile ich eine scene in
beiderseitiger fassung hier mit:
Peredur IiatEei vom pferde ge-
stochen ; als es ohne reiter an den
Artushof kommt, hegeben sich
die daselbst anwesenden hinaus,
um nach Kei zu sehen.
Loth, mabinogion II s. 72 if.
les gens de la cour le voyant
revenir sans son chevalier , se ren-
dirent en häte sur le Heu de la
rencontre. en arrivant ils crurent
que Kei etait tue; mais ils reco-
nurent, (ju'avec les soins d'un bon
raedecin, il vivrait.
on transporta Kei dans le pa-
villon d'Arthur, qui lui fit venir
des medecins habiles. Arthur fut
peine de Taccident arrive ä Kei,
car il Taimait beaucoup.
Chrestien bei Potvin bd. II s. 191 ff.
le cheval virent li baron 5698
qui venoit sans le senescal;
et varlet keurent au ceval,
et dames et chevalier muevent,
quant le senescal pasme truevent,
se quidierent bien qu'il fust mors...
mais on li (sc. dem Artus) dist, qu'il
ne s'esmait, 5712
quMl garira bien, mais qu*il ait
niire ki s'en sace entremetre
de kanole en sen liu remetre . . .
puis Tont au tref le roi porte 5723
et si Tont moult reconforte
mai^ li rois ot moult grant pesance
5708
del senescal qui est blecies
Oollhtr: Chrrslif:
•tri yraul.
179
l
Gwalchniei fit remtirqiier alnrs
iine pprsoiine ne devait troiibler
d'iine fa\'nn impolie un Chevalier
orilnnne daiis »es lueditatiotis, car
il se pniivait qu'il eüt fait qiielque
pf rte Oll iju'il sfHigeät ü la femnie
qu'il aimait It! plus, c'est pro-
bablenieot', ajouta-il, ,cette iii-
coHTenance qu'a commise celiii
qui s'est rencoiitre le dernier avec
le chevntier. 8i tu le trouvea bon,
seignenr, j'irai voir s'il est sorti
de 8a ra^itation : aiiquel cos, je
hii denianderai polirnent de TPtiir
te vi>ir'.
Kei sVn irrita et ae repaiidit.
en parolca nmerei» tt euvieiiaes;
^Uwiiichmei, je ue dmite pas que
tu ne l'atueDes en tenant »es renes.
bien minces »eront ta gloire et
tOD hoiitieiir )xiurvaincre un Che-
valier fatique et epuise pur le
combat. cVst ainni d'ailleurs, que
tu as triomphe de beaitcniip. taut
que dureronl ta langiie et tes
[li mis] ki moiilt l'amoit de bon
cnrage, 5717
ti enviiia un mire sage
et mesire Oanwains li dist: 5727
_sire, se damledies m'ai't,
il est raisoDs, bien le aaves,
si com TOU8 nieismes l'aves
tons jours dit et jugie ä droit,
que cheTaliers autre ne doit
oster, si com eil dui ont fait,
de son penser, quel que il l'ait.
et, a'il en ont le tort eu,
ce ne sai jou, mes mesceu
lor en est il, c'est cose certe;
li Chevaliers d'aucune perte
estoit pensius, qu'ü avoit faite,
n s'amie li ert fourtraite;
si Ten anuie et i pensoit.
niaiR, se vostre plaisirs estoit,
veoir sa contenance iroie
et, se g'en tel \Kt\a\. le trovoie
qu'il eust son {leo^e guerpi,
diroie et prieroie lui,
qu'il venint ä vous jusques ^ä".
ä ce mot, Kex se courei;.a
et dist: ha, mesire Oauwain,
vnus Ten amenr^ par le frain
le Chevalier, niaia bien li polst;
il ert bien fait se il vos loist
et la batalle vos remaint;
ensi en avfe-voa pris maint?
quant li Chevaliers est lasses
et il a fait d'arnies nsses,
lora doit preudonie le don rcquerre
äk
i
180
Sitzung der phüosrphüol. Clasae vom 7. Juni 1890.
belles paroles, une mince robe de
fine toile sera pour toi une armure
süffisante; tu n^auras besoin de
rompre ni lance ni epee pour
te battre avec le Chevalier que
tu vastrouver dans un pareil etat\
^Kei*, r^pondit Gwalchmei, ^tu
pourrais, si tu voulais tenir un
langage plus aimable. ce n^est
pas sur raoi que tu devrais venger
ta fureur et ton ressentinient. il
me semble, en effet, que j'anie-
nerai le Chevalier sans qu'il ra'en
coüte bras ni epaule*.
tu as parle ensage et en homme
sense*, dit Arthur ä Gwalchmei.
va, prends des armes convenables
et choisis ton cheval .
Gwalchmei s'arma et se dirigea,
comme en se jouant, au pas de
son cheval, du cote de Peredur.
celni-ci etait appuye sur la hampe
de sa lance, toujonrs« plonge dans
la menie meditation.
Gwalchmei s'approcha de lui
sans aucun air d'animosite et lui
dit: si jo savais que cela düt
t'etre aussi agreable qu'ii moi, je
m'entretiendrais volontiers avec
que on 11 laist aler conquerre..
bien saves vos paroles vendre 57
qui moult sont hihles et polies .
ciertes, en un bliaut de soie 57
}K)rie8 ceste besongne faire;
ja ne vos i eonvenra traire
espee, ne lance brisier'
^ha, sire Kex, plus belement, 571
fait-il, le me poriä dire;
quidiös-vos or vengier vostre iit
et vostre mautalent ä nioi?
si Ten amenrai, par ma foi,
se j^onques puis, biaus dos amu;
jii en avä le brac maumis
et vo canole fait loiier;
je n'en ai mie tel loier*.
^or i alfe, ni&, fait li rois,
que moult aväs dit que cortois;
s'estre puet, si Ten amenes;
mais totes vos armes prenes,
car desarmes n'ires-vas pas*.
armer se fet en es le pas
eil ki de toutes les bont6j
a los et pris, et est montes
sor un cheval fort et adroit,
et vient au Chevalier tot droit,
qui sor sa lance est apoies,
n'encor n'estoit pas anoies
de son penser qui moult li plot.
et mesire Gauwains se trait 581
viers lui, tout suef vait amblant,
sans faire nul felon samblant,
et dist: sire, je vas eusche
saluet, s'autretel seusse
ioi. je TM» Tfss toi, ea effet,
de t& put d'Artlmr, poar te prier
de TCDJr le vuir. (leuz de i^es
officien mnt d^jä venus rers toi
ä ce «njei . ^c'eKt vmi', dit Pere-
dnr, ^DUH ils se sont präsentes
d'ane £b^;od d^ss'^reable. ils ae
aont baUus avec moi. ä rnon
ii;rand r^ret, car U me deplai-
sait d'etre diätrait d« mu medi-
tation : je toeditais sur la femme
ijue j'aime leplus. roici coromeat
äODvecir ro'est venu, en con-
sidemnt la neige, [le corbeau]
ei les tacbes de sang du ca-
naitl tue par le faiicon sur la
neige, je me inis ä penser que
sa pean resaeinblait ä la neige,
[la noircuur de ses chevuuic et
de xes sourcils au plom^e du
corbeau] et lee deux pomiuettes
de ses jouea auj deux gouttes de
sang.* cette müditation n'eät pa»
Sans Dobleaee', dit Gwalchmei, ^et
I n'est pos ^toniiant i|u'il t'ait
deplu d'en etre distrait.'
jine dirax-tii, si Ktri est ä la
war d'Artbur?'
iil y est; c'est le dernier clie-
valier qui s'est battu avec toi,
et ce n'est pas ponr atm bonheiir
qUe cette aventure lui eat arrivee:
JM». l>Miw.-pl>Uutu.bln.CI. ll.±
Tostre coer com je Eac k mien;
mus ee itK pois-je dire bie«
qoe je »rü meaig«9 le r»i
qui TOä niande ei prie par mai
qoe TOS reu^ parier ä Ini .
^il ea i ont ja este dui,
fait PerceTauä. qui me toloient
ma rie et mener ni'«n valoient
ausi com se je fiisce pris;
et Jon estoie si pensis
d'un penser ki monlt nie plaisoit
et eil ki partir m'eii voloit
ii'aloit mie querant M)n preii;
que deraot moi, en icest leu,
avoit 111 gotes de fresc sanc
qai enluminoient le blaiic;
en IVgarder m'eatoit avis
que la fresce color ilel vis
m'amie la biele veisse.
ne ja partir ne m'en quesisi-e".
jCertes, fait meaire Gauvains,
eis peuaers n'estoit pas viluins,
ain^ois ert inoult cortoiH et doH§;
et eil eatoit fols et estous
qui Yoatre euer en reamovoit' ....
^or me dites, bians »miB cliiers, 5844
prMaieremeiit, fait Percevaus,
se Kex i est li senescbans?'
^par fni, faitement i est-il.
et bien saciä ke ce fn cbil
qui orendriiit k vns jiiustn,
et 1a JQUijte t^nt li coti^ta
182
Sitiujtii der phSng.-philol. Clius* n
soQ br&8 est son oinoplate oot
6te hiis^a da aaat qn'il a re^u
de ton coup de lunce'.
eh bien! j'aime autaiit com-
mencer a venger ainsi l'injure
(]ii nain et de la iiuine .
Gwalclimei fut tout etonne de
l'eiiteadre parier ainsi du nain
et de la naine. Ü ü'approcha de
lui, lui jeta les bras autonr du
cou et lui denmnda son noni. ^ou
m'appelle Peredur, fib d'Evrawc,
repondit-il; _et toi, qui es-tu?'
Gwalcfainei est raon nora'.
je suis heureux de te Toir.
j'ai enteudu te vanter, dans lous
lea pays oü j'ai ete, pour ta
bravoure et ta lojaute. je te
prie de m'accorder ta compagnie'.
^tul'aurasparmuibi; maisdonne-
moi auasfi la tienne'. ^volontiers',
ils «'eil allerent enserable, joyeux
et Ullis, vers Arthur.
en apprenant qu'ils venaient,
Kei s'^ria: ,je suvais bien qu'il
ne serait paa necessaire ä Gwalcli-
mei de se battre avec le ebevalier.
i! n'est pas etonnant qu'il se fasse
grande r^putation. il fait plus
que le brac diestre l\ aves
pechoie, et ai nel saves,
et la canole desloee'.
^dont ai-je bien, je quic, lo6e
la puci^e que U feri'.
quact tnesire Gauwains I'oT,
tn fi'e&niervelle et ai tfeaaut
et diet: _sire se dex me saut,
li rois ne qußrroit se vos aon.
por dieu, content avea-vos noi
^Percevauß, sire, et vos,
sire, sacies certaineuient
que j'ai ä iiom en bateatire
Gauwains.' — Gauwainl' — __
biaus sire*^
Percevaus moult s'en esjotat
et dist; ^sire, bien ai oYt
de TOS parier en pluseurs leiu
et l'acointance de nos deuH
d^iroe moult ä savoir,
s'ele VUU8 doit plaire et seoir'
_par foi, fait mesire Oauwain«
ele ne nie plaiat luie maina
qu'ele fait vom, nmis plus, ce ci
lors Ta li unarautreenbracier.
puis si a'en vont joie ntenant . . .
et Kex dist au roi, sonsignor: i
^or en a le pris et l'ounor
inedre Gauwains, vostre niie.
onquea d'aiitrui cop n'i recjut,
n'autre de liii cop n'i senti,
et il de inot nel desmenü;
s'i«t droit ke pris «t lo« en
Oollher: Chrrgtunts ennte del grnij.
183
par aee bellps paroles qae nous
par In force des iioa armes'.
l'credur et Gwiilclimei allerent.
au pavillcju dt' celui-ci pour se
ilewirnier. l'or«<liir prit lee ni^mea
babit^ qiiv GwHlchtuei. puis üs
ae rejidircnt , la maiu dana la
moiti. Miipr^ d'ArÜiur et le sa-
lubreat.
,voici'i(littiwalcIiniHi,,l'bnniine
(jne tu ^is en train tle chercher
d^jä loitgteiups'.
^oia le hieuTenu, migneur', dit
Arthur; _tii reeteras au|>r^s de
mui; ä j'avsis su que ta valeur
ddt HC moiitrßr couime eile h fait,
j« te u'aurais ;iiu lai^ tiiequitter.
__e'9Bt ce qae t'avaient predit le
L,«t la naine que Kei irial-
t rt que tu as ven^'.
et que on die qu'it a fait
(0[i dont no8 autret iie poi^mes
venir ä cief, et si metiäues
ioxts uos pooirs et dos esfon' . . ,
meaire Gauwains
en son tref d^rmer le fait . . . ri9 15
qnant il fu vieetns bieii et bei 5919
et de la cote et del niantel
qui moult fu bele et bieii 1« «ist,
au roi quj devant son tref sut
s'en viurent andui niain ä main,
et dist: nre je vos aiuain,
fait mesire Gauwains au roi,
eelui que vona, si com jou croi,
Teiasies moult tres voleiitiera . . .
c'est eil que querant aliies' . . . .'(930
^ba, Pierceval, biaus doa aniis, .^941
düs kVn ma cort, voe estes mts,
jatuuis n'en partir& mon vuel;
moult ai eu de vos graut duel
des que Vous vi premJereiueut,
que je ne aoi i 'amen dement,
que diei vos avoit destine;
si fu il moult bieu devine,
si que toute ma cors le not,
par la puui^le et par le sot
que Kex li eenescaua f^ri ....
la roine vint ä ce mot . . . 5957
maiutenant contre eles als 59(34
et diät : ^des doinst joie et houor . . .
et la roine li respout: 5970
et vous aoies li bien troves . . .
grant fu la joie que li rois 5981
üst de l'eroeval le Galois,
et la roine et li barou
qui l'enmaiiient h Carliou.
184 Sitzung der phüosrphüol. Classe vom 7. Juni 1890.
eine ähnliche genaue Übereinstimmung im Wortlaut lasst
sich in der folgenden scene mabinogi s. 96 z. 10 — 98 z. 29
= Chrestien 5986 — 6181 verfolgen, aber auch da, wo das
mdbinogi nur eine gekürzte und zum teil leicht veränderte
erzahlung gibt, begegnen noch genug wörtliche anklänge
an Chrestiens text, wie man sich bei vergleichung jeder be-
liebigen scene überzeugen mag. so findet sich namentlich
bei der scene, wie Perceval an den Artushof kommt und
mit dem roten ritter kämpft (Chr. 2195 — 2496 = mab, s. 52
z. 19 — s. 55 z. 15), trotz starker kürzung seitens der wälschen
Übertragung doch auch vielfach genauer wörtlicher anschluss
an Chrestien.
bis auf rede und gegenrede entspricht die eine darstel-
lung in der mitgeteilten scene genau der andern, und es ist
eigentlich allein schon dadurch der beweis erbracht, dass
Peredur unmittelbar aus dem Perceval Chrestiens geflossen
sein muss, andernfalls bei annähme einer gemeinschaftlichen
vorläge, wäre Chrestien ein geistloser abschreiber und man
versteht nicht, was überhaupt sein gedieht zu so hohem rühme
erheben konnte, wenn alles wörtlich schon vor ihm da war.
zweifellos wird sich vermittelst der hier wiedergegebenen
scene unschwer sogar die bestimmte handschrifb oder doch
die handschriftengruppe angeben lassen, welche dem mab, zu
gründe lag, wenn wir einmal einen kritischen text des conte
del graal Chrestiens besitzen, ebenso steht zu erwarten, dass
sich eine noch engere Übereinstimmung zwischen dem mabinogi
und Chrestien ergeben dürfte, wenn einmal der erhaltene ältere
willsche Peredurtext (vgl. Loth a. a. o. I. s. 4 anm. 2) oder
gar eine kritische ausgäbe des ganzen veröffentlicht ist.
dadurch, dass sich die wörtliche Übereinstimmung durch
eine ganze lange und zusammenhängende scene hindurch
erstreckt, wird die abhängigkeit der wälschen erzahlung vom
text Chrestiens ausser zweifei gestellt, bei verstreut und
vereinzelt wiederkehrenden anklängen zwischen Chrestien
<Mth«r: GltTestieit* cimte ikl i/raa!.
18
t dem wMftirtojri kGvinte man «ich ja aur not iraiDer noch
f die genieintiiunc vorläge hiiiauHreden, Aenn aiisdruck iiuch
SiruMtivu hie und da beibehalten hätte, aber duKS ihai llber-
mpt nicht ein fflnkchen von selbständiger dichterischLT
itigkeit /.nkoiutue, weder in be^ug auf die stolfliühe b^hanii-
luh bin sichtlich des Wortlautes, wird denn doch achwer-
I jemand glauben und gntheissen wollen.
sftlteamer weise kiiQpl't gerade an diese stelle ein ver-
im miibinoyi ält«re fiberlieferung uufzndecken. im
titgang der scene erzählt Ohrestien, wie t^chnee gefallen aei;
B wildi! gans wurde von einem falken verwundet und drei
bfaitropfen fielen auf den schnee. von ihrem anblick ge-
int blieb Perceval stehen und gedachte an die färben rot
weiss in seiner geliebten Bkncbefieiir autJitz. detn-
[enOber fQgt das mab. noch einen weitern zug hinzu; ein
^be liees sich auf den todten körper de.t Togelg nieder:
Airedur n'arrila et en voifunt tu noirceur du corheau, ht
■Jicur de la neigt-, la rougcur Hu simg, il songta ä In che-
Vsftire de la fcmnte 0i'U aimaii te plus, aassi noire que Ic
Jaia, a sa i>eau ttussi Manche ipte la neige, aux {lOmmeUes de
se joue», aussi rougea que le sang sur la neige' (Loth II s. 70/ 1 ).
zn den von Cbreittien verglichenen färben weiss und rot tritt
also im mall, auch noch »chwarz. Zimmer (keltische stildien
II s. 201 ff.) nnd nach ihm Nutt (a. a. o. s. 137 f.. Nutt-Mac
|nes, foOc and hero (ntes, London 1890 s. 431-434) weisen
jjiuf hin, daaa die zusammeuMtellung dieser drei färben,
!ia9-rot, um ein Schönheitsideal xa schildern, der
dien. insbcRondere der giteli>4cheu (irisch-schottischen)
i gttlüufig sei und das« darum im mab. hier gegen Chre-
der ältere stand der Überlieferung gewahrt erscheine.
0 tifiiain Oiis. Chrestien invenle the incidcnt of thc ihree dropa
of UfMid in thc imoui; Ihe maUnogi, cojymij Chrestien, prcsenta
i incident in almont as /trimUtiv a form as the nhksl known
b/ here, Iken, the mnlnnogi hau /wfscri'fd an otdcr form Ihan
186 Sitzung der phüos.-philol. Clawe vom 7. Juni 1890.
Chrestieriy aUeged to have been üs source in aU thase parts
common to hoth* (Nutt s. 138).
unseres erachtens erklärt sich die Sache einfacher, das
mab,^ welches einen franzosischen stoff behandelt, sucht diesen
hin und wieder den wälschen Verhältnissen anzupassen, während
Chrestien Percevals geliebte Blanchefleur dem ritterlich-hofi-
schen Schönheitsideal entsprechend natürlich mit leuchtenden
goldgelben haaren schildert (3005/6 nach Potvins ausgäbe),
hat bereits hier das mäb, das wälsche ideal dafür eingesetzt:
ses cheveux et ses sourcüs itaient plus noirs que le jais (Loth
II s. 63 z. 22). gerade weil dieser vergleich der keltischen
sage so geläufig ist, lag er dem mabinogischreiber nahe ge-
nug; er berechtigt keineswegs zu so weitgehenden Schlüssen,
wie sie Nutt aus der stelle gewinnen möchte, kommt es
doch oft genug vor, dass ein nachweislich literarisches werk,
das in die volkstümliche erzählung oder überhaupt in andere
Umgebung übergeht, märchenzüge annimmt, die uralt und
der folklore wol bekannt sind, sie sind aber in vielen
fällen erst spät und äusserlich hinzugekommen und dürfen
zu keinerlei unerlaubten, unmöglichen constructionsversuchen
verwendet werden, es ist überhaupt ein ziemlich verbreiteter
fehler des folkloristen, beim erscheinen von solcherlei zügen
sofort auf ein hohes alter der sage, in der sie vorkommen,
zu schliessen, während doch gerade die Volkskunde uns über
die ewige Jugend und allgegenwart von derlei erscheinungen
belehren sollte, man muss im einzelnen falle sehr scharf
unterscheiden, wo solche züge die grundlage einer erzählung
ausmachen und wo sie nur als äusserliche zutat aus dem an
formein und typischen Wendungen so reichen und stets be-
reiten horte volksmäsöiger darstellungsweise an bereits vor-
handene und festgefügte werke sich anschliessen. das mcttn-
nogi von Peredur ist auch sonst öfters in den märchenähn-
lichen ton verfallen , der sich durch wörtliche wiederhol-
Oollhf:r: ChrtHienH conte iM •jriui}.
187
linken rinii typische redewendiingeu,') durch Vorliebe fllr
die dreizahl und unileres mehr kenuzeichnet, uhne darum
dem gediohle Clire^tiens gegenfiber den Vorzug der ultor-
tQmlichkeit ku erhalten, der ganze aufbau der gecicliichte auf
der gnitidUge d«s rittertuins und franendienstea mit all seinen
gebrauchen und feinbeiten spricht schon entschieden gegen
fline volbstüm liehe Herkunft der aagenform, wie sie sich ein-
mal im Perceval-Peredur herausgebildet hiit.
wührend in dieser einen sceae die beiden darstellungen
sich auf« genaueate decken, ist das in den übrigen teilen
nicht im gleichen mtuisse der fall, die wälsche darstelliing
hat die französiache sehr zusammengezogen und gekürzt, Zil-
ien nur den allgemeinen gang der handliing beibehalten
im einzelnen ziemlich frei im stile der andern rtuibmogitm
'., jedoch auch hier immer durch gelegentliche wört-
anklänge die abbängigkeit von der französischen quelle
>nd; mitunter i«t die wälsche erzählnng in Verwirrung
geraten, hat sich Umstellungen von einzelnen scenen, ja
Wiederholungen einer und derselben soene zu schulden kom-
men lassen ; dabei entstand hie und da vollkommener uusinn,
die wolgefUgte. logisch fortschreitende handlimg des Chrestien-
sofaen werket« ist im mab. gestört ; aber gerade aus diesen
mannigfachen fehlem lässt sich die völlige abbängigkeit des
letzteren am deutlichsten nachweiHen. einige beispiele mögen
ctiw gnwgle erläutern.
ein hanptunterschied liegt in der Versetzung der scene,
wie Percevnl Hlanchefleur zum weib gewinnt, die^' ist im
ganz verkehrte stelle geraten und dadurch er-
weilen
^B«Ut,
Y I) wörtliche Wiederholungen finden sich z. b. Mubinogi a. 62.
[. 7 = «. 53 h. 7— I*i 8.53 i. I3-U = «.53 %. 1* — 16;
!. 17— au = s «1 *. 38 — «.ea «.2 = «. 99 t.9-ll; B.56 ». 11
1.19—26 = «.58 «. 11-20 = «.62 t. 26-26, i.28-3Ui «.57
= «. 58 «.2a-2&; ».66 i. 15 — s.67 «.9 = ».67 t.6-17
1.18 -
1.1—8 = 1
1.9—11.
188 Sitzung der ijhäos.-phüol, Classe com 7. Juni 1890,
gaben sich noch andere Störungen. beiChrestien ist die reihen-
folge : a) Perceval bei Gornemans ; b) Perceval bei Blanche-
fleur; c) Perceval beim gralkönig; d) Perceval wird im
walde von einer Jungfrau (Wolframs Sigune) über sein ver-
gehen, die unterlassene frage auf der gralsbarg, belehrt;
e) Perceval triflfl die geliebte des OrgeUous de la lande, welcher
er einst kuss und ring geraubt hatte; — dagegen im mabi^
nogi folgen aufeinander a) c) d) e) b), also die Blanchefleur-
episode zuletzt, der ritter, von dem Perceval Unterweisung
empfängt (Chrestiens Gornemans) und der gralkönig sind sinn-
los mit einander verwechselt, indem der erstere als ^lahm'
bezeichnet wird (s. 56 z. 19), während beim gralkönig keines
gebrechens erwähnung geschieht ; wohl aber wird beim fluche
der gralsbotin (s. 97 z. 3) die sache richtig dargestellt {tu es
alle ä la cour du roi boiteux). eine weitere torheit begeht
das mab. s. 61 f. nachdem Perceval die über der leiche ihres
geliebten trauernde Jungfrau {Sigtme) verlassen, findet er die
geliebte des Orgellous (Wolframs Jeschüte). sie muss in arm-
seligem aufzug ihrem gebieter folgen, der sie in schlimmem,
aber falschem verdacht hält. Perceval besiegt ihn im kämpf,
zwingt ihn, die unschuldige wieder in gnaden anzunehmen,
sie mit ehrbaren gewäudern zu versehen und sich darnach
an den hof des Artus zu begeben, das mah, macht aber
aus den zwei frauen eine ! Peredur begräbt den todten und
zwingt den ritter (Orgellous), die Jungfrau zu heiraten,
nirgends wird etwas von deren ärmlichem aufzug berichtet,
wol aber muss der ritter die dame mit pferd und kleidem
versehen (s. 62 z. 14). der unsinn ist allein dadurch ent-
standen, dass der anfang der scene e) hier fehlt und nur
deren schluss erzählt wird; infolge davon entsteht der schein,
als ob in d) und e) von einer und derselben frau die rede
sei. seltsamer weise findet sich aber der anfang von e)
allerdings auch im woft., nur an eine unrechte stelle ver-
sprengt (s. 68 z. 15 — s. 69 z. 8). demnach ist nur die über-
OtAthtr: ChreMien/i conlt dtl ijraal.
18'
nrung in iiiiunliiting gekninuiuii, ursprünglich ttuUpracti daa
. genau OlirestieiiK Wrichte. die gruli»Lttue ist lächerliuli
^fentanflen, wenn es am Hcbluaüe (s. tiO z. 14) htqoat: ,Ie
(MM ii partit avrc te eongi de aon tmclc. n. 58 z. 22 —
) z. 21 uiuHä l'tiredur Janelbi^t eine kml'tprobe mit eitietn
Bciiwerte heateheu. Nutl. sucht darin wieder tieferen sinn
und ültere su^entonn; ineine<j urauhtens iitt der zog ebeniall«
> Uu8«erliche, nahe liegende, über in dieser rerwendimg
wende zutat, bei Cltre«tieii erliielt Perceval ein achwert
. ÜHcherküni^, da» sicherlich dazu bestimmt war, eine
in der sage ■m spielen, daa aber wie der gral, die
Mutige ItuiKb u. u. in ein lu^stiHches dunkel dadurch geriet,
dans Chrestion sein werk nimmer bis xn dem punkte geführt
hat, wo er Ober alle dieitv dinge aulMcliluaa 7.u geben sicher-
lieb benli^icbtigte. um spaunung zu erregen, vermied er es
ja absicbtlicb, im ersten teil der dichtung «ich mit klurheit
dardber auszudrücken, und gerade durch diese aulage seines
werk« riiiz-te er /.ur forUetzimg und gab seinen nach folge ni
Balwsi zu allerlei deutimgen, die freilich selten geglückt,
lenfalla srhwerhch nach »einer unipriinglichen absieht ans-
Ueu sind, das schwert ateht ako gleichsam in der lull-,
1 weiss Flicht, was Ghrestien damit wollte, in der kraft^
probe Perediiro vermag ich nur einen harmlosen deutungs-
veniuub de« ma6. ^u sehen und nicht^ weit<>r. diesen erreicht
es durch rerwendung eine« weitverbreiteten märcbenzuges.
besooders naheliegend war er für den verfa.-wer des Peredur,
weil auch tmch 6uuch<?r, dem vom »t«t>. sicherlich gekannlt-n
wtzer Chreetiens, Perceval bei seinem »weiten gralliesuch
I «chwertprobe, Ifeittcbcnd im ziisammeiifEigen »weier zer-
iheneii stück«, »ich unterziehen mns».
bei Chrestien besiegt Perceval die bedränger der Blanclie-
äeur. «endet sie an Artus bof und verunlasst dailnrch den
k&uig, dem K«i einen verweis fflr sein frühere^ unziemliches
gegen Perceval zu erteilen, inali. s. lifi,H tiuden
19«.^ Süzung der phüos,-philol, Classe vom 7. Juni 1890.
sk'h die kämpfe in marchenart er^hlt, d. h. dreimal wird
mit denselben Worten berichtet, wie Peredur einen ritter
niederstreckt; doch von einem entsenden zu Artos verlaatet
nichts, der schluss zu dieser scene ist nur wieder unsinnig
Yerstellt s. 55 z. 16 — 56 z. 10. das mab. hat eben erzahlt,
wie Peredur im thorenun verstand den roten ritter niederwarf
und ihm seine waffen raubte, er muss nun zu seinem er-
ziehet (Gcmemans) kommen; da sind höchst ungeschickt ein
l»ar kämpfe eingeschoben, die Peredur, welcher doch noch
keine idee vom ritterlichen Zweikampf haben kann und sich
die kenutniss dieser regeln erst im weiteren verlaufe der
^(ecichiehte erwerben soll, kunstgerecht besteht und nach deren
beendigung er die besiegten zu Artus schickt, die episode
usc hier xu streichen: aus den Schlussworten (s. 56 Kei fut
bliimti pur Arthur rt en devitU lui-mSme soudeux = Chr. 4055
tt li rois en croUe le cief
et dist: ^ha Kex mouU par est gricf
quamt »7 pt^est ^iens avoec moi;
iHir ta fole lange ei par toiy
s'cH ala-il, dopit moüli me grivve.)
^oho hoi'Hv^r, dft*» sie hinter die Blanchefleurscene gehört.
4 ivh IVivevrtls besuch beim eremiten hat sich seltsam im
i^h,K \erurt. s. 101 wird erzählt, wie Peredur am char-
rwuy; oiuem ritter lM?gegnet, der ihn ermahnt, an diesem
4y;v Joa \\atVensohniuck abzulegen, hierauf muss nach
sn:\<«&iva\ fcfwUoht Perceval zum einsiedler kommen, s. 101
•i U>i\^v[uet Peredur aber wieder demselben ritter im
. ,kvn^;v;^^*'kI und tindet aufnähme auf dessen schloss.
v\.V\* .i*\vau»Uelt sU*ht die wahre und richtige darstelhing
X »V i\#< »«J v^tMi* «7 arriva dans une vallee et au hotU de
, :t A^^»'^ iH iyllule d'un serviteur de Dieu, rermite
„.^....s Vx*^ > *i jß (Hissa Ja nuit\ auch einige raissver-
^.. Unva »<'* *v-\l>*\»rte Chrestiens lassen sich nachweisen,
^ Axx-* V «' • »^^ **^** ausruf der mutter Peredurs über
(Mthtr: Chrenlirn/i cohIc det ijrnnl.
i sieht :
191
die ritt«r, wel<'be der knnbe sieht: et sont des antjes, mon
fils'; daaa die wort« im munde der mutter sich sehr unpassend
ausnehmt'n, hut bereit» Birch-Hirsclifeld, die st^e vom )fral
s. 207 mit recht bemerkt, wie l'eredur bei der in ihrer
barg hedrän^n Jungfrau ( Btaiiche&eur) weilt, bringen zwei
nnen speise und trank, man versteht nicht, wesehalb
( mab nonnen als die aufwärterinnen nennt: der grund
; offenbar im text Chrestiens 2948 ff. 4121 IT, wo aller-
klonterfrauen erwähnt werden, s. 64 x, 12 — z. 24
las mab. den frz. text töricht ausgelegt, die ritter der
rängten Jungfrau (BlancheÜeur) zwingen sie, in der nacht
I das bett des gastes sich zu begeben, während bei Chresties
knchefleur dies im geheimen tut. die sinnlose nnd unschöne
lerung des mab. versteht sich am ehesten auR den loben-
I beifälligen hemerkiuigen der ritter über Perceval (Ohre-
I 3054 — (i(>), wie gut er zu ihrer jungfräulichen herriu
wflrde.
bei der scene mit der dame im zeit, welche Percevat
iverstand tiberfällt, hat dos mabinogi sehr nngeschickt
TergesHeu. zu erzählen, dass Peredur gegen den willen der
ilame handelt (vgl. s. 49 z. 22-51 z. 2). .
als beweis ffir den genauen anschluas des 'nah. an
irestien-s worto dient noch folgende stelle, wie bereits
ir&hnt, hat da» nutb. die ahenti>uer Uauvains ^turk gekürzt.
ich dem hericht vom aufenthalt Gwalchmei'w auf der bürg
rtttera (bei Chrestien Guiffambresil) , wo er die liebe
r «chweAter den letzteren im stürme erobert, schliesst mab.
VhisUnrc n'en dil pas davantagc nu svjet dt Gwalchmei
s de ceäe cj^pedäion. pour Peredur, ü ntarcha dcvanl lui';
I dentelben stelle nagi Chrestien: 7588
de monsignof Gauvain se taist
ict H amtes ä eslal;
sc t.Qmme.fice de J'rrcevat.
192 Sitzung der phüos.-phüol, Claase vom 7. Juni 1890,
wir finden demnach, dass Ghrestiens gedieht vollkommen
und zum grossen teil wörtlich im mabinogi wiederkehrt; nur
hat das letztere eine anzahl von sinnlosen Umstellungen, die
aber auf rein äusserliche fehler der Überlieferung zurückzu-
führen sind, man kann leicht im mab, die gehörige Ordnung
wiederherstellen, man muss dies sogar, andernfalls die hand-
lung ohne sinn und Zusammenhang ist. bei Ghrestien ist
alles in schönster Ordnung; seine darsteliung kann unmög-
lich aus der verwirrten das mabinogi hervorgegangen sein,
wenn letzteres etwa den stand der anglonormännischen vor-
läge ührestiens repräsentieren sollte, selbst diese auftassung
würde sich zu dem Schlüsse genötigt sehen, dass der in halt
und Wortlaut der angeblichen quelle aufls genauste mit
Ghrestien sich deckte, mit andern Worten, dass das mabinogi
aus Ghrestiens tezt sich völlig befriedigend erklärt und ver-
möge seiner beschaffenheit auf keine ältere Vorstufe hindeutet.
die Verschiebungen im m(ib. sind keineswegs infolge einer
bewussten und planvollen bearbeitung eingetreten, vielmehr
ganz zufällig durch einander gewürfelt worden, wo das mab.
Ghrestien gegenüber kürzungen oder besser zusanimenziehung
des inhaltes aufweist, zeigen sich im ansdruck und in ge-
legentlichen eigenen zutaten spuren einer etwas freieren be-
handlung des stofFes. alle abweichungen verstehen sich je-
doch leicht allein durch diLs bestreben, den inhalt des fran-
/(Ksischen gedichtes der neuen Umgebung, in welche es durch
die wälsche Übertragung eingetreten ist, anzupassen, es be-
steht ein offenbares missverhältriiss zwischen dem umfang-
reichen stücke, wo Ghrestien wörtlich und bis auf alle einzel-
heiten wiedergegeben ist, und dem übrigen teile, wo Ghrestien
gekürzt, mit leichten änderungen versehen und umgestellt
erscheint, vielleicht ist im ersten falle unmittelbar nach
der franziVsi sehen handschrift gearbeitet worden, im andern
fall dagegen nur der inhalt in seinen hauptzügen nach dem
gedächtniss reproduciert. denkbar wäre auch, dass eine
Ooitker: Chrestirti»
f dd tjraai.
193
zu aiifanij des 13. Jahrhunderte angottTtigle gentiae kyiurüclie
[iherxK 1.311111g iiachmul« in der wskcheii Überlieferung sell>er
^eklimt wurde, wobei ein stock aber in der alten form xtchen
blieb, in diei<em falle dürften ältere kyrnrische text«, dnren
Veröffentlichung in aussiebt stebt (vgl. oben s. 184), von den
I des malrinoi/i im Herpwt-manuscripte mßglicher weise
i frei sein.
ventebt »icb von selber, dasa das nui/nnoffi in der
rorlio^endon ^estalt, soweit eä Chrestienx werk gekürzt wieder-
gibt, mir in bezug auf den inbalt mit die6eiD gennu über-
^einstiiamen kiuin. die weit unsgeäpiirinenen mbildeningt^n
(tiena, welche die sitten und gebrauche und anschauuugen
r ritterlicben geKellHuhaft behandeln, für welche die fran-
Iriscbe dicbtimg hestimntt i^t, Helen daher im Peredur wie
Hiicb im Owoin imd Geroint groasentetls weg. fibrigene hält
fast jede mittelalterlicb« fibersetKungHlitteratur den vorlagen
gfgeuilber ein solche« ver&hreu ein, das» sie nur den »toff
bvqiQtzt. die vom franximischen dichter daran geknüpften re-
Sexionen d. h. die form, in die er den stoti' kleidete, meist
weglie*! "der aiicb durch eigenes ersetzte, trotzdem blieb
in d<m malrinoi/ion noch genug stehen, um deutlich die form
franzHsischen darstellung, das gedieht ühreetiene noch
[eBuen r.u lassen, die vielen wi'irtlicheD ftbereiuMtimmungen
l vollgilttge beweise hiefür.
die mabinos/idn ve^leicben sich in der art ihrer wiedcr-
' der gedicbte Cbrestiens am nächsten den altnorwegi-
dbentetzungen altfrauzösischer roniatie. vss ist nicht
ibncfaetnlicb, dans zumaJ nach einer Verarbeitung den
taten vorhandenen franzöniscben mid wäUcheu hand-
HrinentnatcrialeH der Ceredur stellenweise ebenso wie hie
I da die ßr.iteren, f(ir die textkrittk dtenste zu leisten vermag,
im mr^. entdeckt man sogar die individuellen eigeu-
heiten der darstellung C'hrestiens, ein sicherer heweiM,
I nur Chrivtiiii, niibt Heim* angebliche vorläge tiUi'lle des
-^ -■'"^-
A
194 Sitzung der phäos.-phüdl, Classe vom 7. Juni 1890.
mab. war. Ghrestien liebt es bekanntlich, die namen der
handelnden personen erst spät zu nennen, überhaupt ist er
mit eigennamen sehr sparsam, die personen im mab. sind
fast alle namenlos; französische namen wie Orgellous, Blanche-
fleur konnten natürlich im wälschen nicht gebraucht werden,
nur der rein französische name des beiden Perceval' ist durch
den lautlich anklingenden rein keltischen (kymrischen) Pere-
dur ersetzt, wie auch im bretonischen märchen durch Peron-
nik ; im übrigen kehren nur die auch in den andern mabi-
nogion vorkommenden namen wie Arthur, Qwenhwyvar,
Owein, Gwalchmei und Kei wieder, sonst ist das mab, in
den entsprechenden partieen noch ärmer als Ghrestien. Chre-
stien hat sich femer über die bedeutung des grales, der
lanze und des Schwertes nicht ausgesprochen, wenn eine
unzweideutige quelle im sinne von G. Paris^ anglo-normän-
nischem gedieht existiert hätte, so müsste das mab. doch hier-
aus haben schöpfen können, es weiss aber nichts darüber,
denn die am Schlüsse gegebenen deutungen, auch das blutige
haupt an stelle des grales sind nur erklärungsversuche, die
teils den französischen fortsetzern Ghrestiens, teils der eigenen
phantasie des wälschen bearbeiters entsprangen, der begriff
ßrat^ den Ghrestien nicht erklärt, war dem mab, völlig dunkel,
das kam auch anderwärts vor, z. b. in der altnorwegischen
Übersetzung Ghrestiens (Parcevalssaga cap. XI bei Eölbing,
riddarasögur s. 30) ; as heisst dort ^herein kam eine schöne
maid und trug etwas in bänden dem gleich als ob es ge-
webe (! textus) wäre; aber in wälscher (d. h. französischer)
spräche nennen sie es hraull; aber wir nennen es gehende
erleichterung ? oder beistand? (ganganda greida?y der
Norweger geriet in völlige Verzweiflung dem grale gegen-
über, und wusste gar nichts damit anzufangen, im mab.
soll Peredur durch den anblick des blutigen hauptes zur
blutrache gemahnt werden, ein gedanke, der aus den franzö-
sischen fortsetzungen stammt, wie wir sehen werden.
GoUhrr: l^renlie-
195
an ennr andern stelle, wo bei Chreätien von ffral und
LRxe die rede war (Ghrestien «031 —603»; 6113 — 6117),
hat tiirli da» mabinogi dudurch zu lielfen gewaast, dass ea
der lauiec allein erwähnunK tat und nur beim ersten male
ganx allgemein dazu bemerkte: tu aa vu li encore d'autres
, womit natiirlicb der gral gemeint ist (mab. a. 97
3 — 7; s. 98 z. S^?"!. im mal/inogi ist beim ersten l>esuch
9 E^eredur das blutige haupt au« dem zweiten heraus inter-
oliert RD Htelle des dankein grale« ; hier aber geschah es
illjcht. man sieht gerade hier, wo die Ulterein»tiinmu>ig
«iscberi dem mabinogi und seiner vorläge eine genauere ist,
die letztere vom blutigen baupte natQrlicb nichts ge-
t hat.
da» ergebniss einer vergleichung des tnnliinogi mit Chre-
1 amtt dfl ffraal \äast sich kurz so zusammenfassen:
Chrestieiis text spiegelt sieh gr^ssenteils in den
^rteu des mali. genauestens wieder; die eigenart
dichtnng, z. b. der kenntlich gemachte ab-
(faluiift eines abscbnittes zeigt sich auch im mab.\
B fnab. weiss nicht mehr von der l'ercevalgeschichte
Chrestien steht, denn was das mofrmo^ sonsit
tch erzählt, ist («einer herkuntt nnch unschwer zu he-
mmen; mit der Percevalsage Chrestiens steht alles übrige
F keinem vernünftigen zusammenbang, ja es tritt in unlös-
I widornprucb zu ihr, wenn demnach Q. Paria mit
Hsr annähme einer gemeinschaftlichen quelle ffir
Phrentieu und das mabinogi recht liatte, so mflsste
pesw 1) wörtlich und inhaltlich mit Chrestiens
•»al tibereingestimmt haben; 2) wie Chrestiens
ftdicbt mtisste sie unvollendet gewesen sein; Chri-
pen hätte zeile für zeüe abgeschrieben, ohne sich
geringste änderung zu erlauben, in bezug auf
■ne dichterische behandlung der anglo-normiUiniscben rc
• käme Chreätien nicht einmal so viel Selbständigkeit t
d
196 Sitzung der phüos.-phiM. Glctnse vom 7. Juni 1890.
als den mittelhochdeutschen dichtem der strengsten übersetzer-
schale ihren französischen Vorbildern gegenüber, und immer
wird die hypothese eines anglo-normännischen Perceval im
sinne von G. Paris abgesehen von allem andern an dem ver-
wunderlichen umstand scheitern, dass die angeblich daraus
abgeleiteten dichtungen über alle die puncte, welche in
einem vollständigen werke doch aufgehellt worden wären,
auch nur soviel wissen, als das unvollendete gedieht Ghrestiens.
mit andern Worten: die vorläge des mabinogi kann nur
Ghrestiens conte del graal in der uns erhaltenen un-
vollendeten fassung gewesen sein, die hypothese
einer älteren anglonormännischen vorläge ist ganz
und gar hinfällig.
was den Chrestien entsprechenden inhalt des mabinoffi
anlangt, so kann nur von einer bald genaueren, bald freieren
Übersetzung gesprochen werden ; von einer der vorläge gegen-
über in freieren bahnen sich bewegenden selbständigen be-
arbeitung treten keine anzeichen hervor, wenn wir die par
leichten und durchaus äusserlicb gehaltenen Zusätze in abzug
bringen, wohl aber enthält das mabinogi auch noch grössere
stücke, welche nicht aus Chrestien stammen und die eine
gesonderte l)etrachtung verlangen. die fraglichen stellen
finden sich s. 45 — 47 z. 15; s. 69 z. 9 — 70 z. 20; s. 75
z. 19 — s. 06 z. 4; s. 102 z. 16 bis zum Schlüsse, schon
die moglichkeit der genauen abgrenzung dieser partien von
dem kerne des mabinogi^ dem conte del gracU^ beweist, wie
rein äusserlich und völlig unvermittelt, fast ohne den ge-
ringsten versuch zur herstellung eines tieferen Zusammen-
hanges der rest des mabinogi dasteht, der stoff stammt teil-
weise aus den französischen fortsetzern des Chrestien, teil-
weise ist er aber der Percevalsage ursprünglich ganz fremd,
und erst im mabinogi in einen lasen Zusammenhang mit ihr
gebracht; die absclinitte von dieser beschaflfenheit sind mit-
unter auf echt kymrische geschichten zurückzuführen, so die
QtHthrr: Chreftietm contr dtl grnal.
197
eptsod*? Ton den hexen vod Gloster (ifocrtoy»), teils «uf reine
«•rfitidiing einer von der geistlosen , l&u|{weiligen späteren
fnuivünintihen ubenteuerromanfabrikatioii lieeJnflussten phiin-
tasie. die plan- nnd dellos eiu abenteuer ans andere reilit,
ileiii kyrnrixcheii beiirbeiter den contc del graal lug »usser
Chrestien wahrscheinlich auch die einleitung zam teil wenig-
st«!» ¥0r, welche bei Potvin fers 1 — 1283 abgedruckt ist,
fonmr von den furt^et/eru (jnueher inid Monnessier, nicht
Oerbert.') eine dumrtige zusumnienstelttmg scheint in att-
frani«>t«iMchen handschriften hnuhg gewesen im s^in, wie das
beiMtiiol der deulMchen überMet7.er des Pamfal. der l>eiden
ßtraasbiirger Wisue und C'olin (vgl. die ausgäbe von K. Schor-
bach in der einleitung) lehrt, dieaes dem wähchcn Schreiber
vorli«^etide, xienilicli umfangreiche material wurde von ihm
nur im oiMznge verwertet, die wenigen angaben Hl»er IVre-
dur» vater, der im tumJer gefallen, der entNchhiss der
iDDtt«r, mit ihrem wihoe die Waldeinsamkeit aufxusuchen,
nm ihn vor gleichem tot^e zu bewahren, erklären sich aus
485 ff. s. lO.'. ^. 29— lOG z. 7; ^. 107 ?.. 4—108 «, 19 findet
genauere berUhrung zwischen dem mab. und fiaucher (vgl.
) Nnlt, ütwdiFi a. 165/169 glaubt freilieh auch l-eiichungen
a dem mah. und Q«r1ierl entdecken xu kCanen. welche er TQr
tjrpotbne de« keltiicben uniirunf^e« der ki^'*"^ nuttbür eu
1 luchL WRim atwrhitupl auf die iLlmlii'bkeit eines beiderneil«
nAommandeD, aber jedeamal in total vergeh iedeaem »aHaramunlmng
■t«h*'nden inges gewicht gelegt werden darf — e^ handelt sich um
Hie wiedefhtdebiing b'otOdteter krieger - nn wilre höchstens der Hchlua«
erlkuht. d^« die bei Oerbort verwendete npisode. deren unurKprUntf-
lichkeit leicht einxUMehen Int. an letsler »teile auf kymriHche Rage
«irilckgoht und ebendaher auch, wol aus dem mahinngi rnn Branwen
j Lotb 1 II. 65-961 der tug im Peredur «tammt, wo ein todter lU
y^lmf* w«nu™ waa-e« B-^worfen wieder auflebl (UUi II ».Ö6
^38). eine benuUung (Jcrberta von »eilen de» m(^iiioip und eine
Bong den ingea aus demeetben kann nicht niu^hgewiiMKn wunlim.
i auch Zioimer in dnn tifiit, gnl. lun:. IflWl nr. 12 - r.iii- \
H'TUka.'tUI«!. u. hlit. Cl. tl. 1. 1 4
198 Siteung der phüos.'phäoL Classe vom 7, Juni 1890.
die inhaltsangabe bei Nutt s. 16 ine. 7, bei Birch-Hirsch-
feld sage vom gral s. 95/9) statt; sie ist im mab. nur unter-
brochen s. 106 z. 8 — 107 z. 3 durch einen kämpf mit einem
schwarzen mann, der recht ungeschickt interpoliert ist. im
mab. und bei Gaucher wird erzählt, wie Peredur in einem
schlösse ein Schachspiel findet; er wird von einem unsichtbaren
gegner matt gesetzt, ergrimmt will er das Schachbrett zum
fenster hinauswerfen, wird aber daran verhindert durch die
erscheinung eines mädchens. dieses befiehlt ihm, mit hilfe
eines hundes, der ihm die fährte zeigt, einen hirsch im walde
zu erjagen und demselben den köpf abzuschneiden, als Pere*
dur die aufgäbe vollbracht, kommt eine Jungfrau vorbei, die
eigentümerin des hirsches, nimmt das hirschhaupt und den
hund und heisst Peredur zur sühne für den getödteten hirsch
einen kämpf mit einem in einem steingewölbe verborgenen
ritter zu bestehen, nach einigen gangen verschwindet dieser
mit Peredurs pferd (nach Gaucher kommt ein anderer ritter
und entführt hund und hirschhaupt). ein vorurteilsfreier be-
obachter erkennt in diesen abteuern unschwer den geist der
s])üteren französischen romane aus dem anfang des 13. Jalir-
hunderts, aus dem die schrecklichen prosaerzählungen schliess-
lich hervorwuchsen, wo um einen älteren vernünftigen kern
eine fünf- bis zehnfach so umfangreiche gaschichte mit un-
erhörten längen und Weitschweifigkeiten und ohne jede lo-
gische composition entstand, weder bei Gaucher noch im
mnhinogi sind diese züge für Percevals Schicksal von irgend
welcher bedeutung, sie dienen eben nur dazu, die handlung
weiter zu spinnen, endlich gelangt Peredur wieder auf die
bürg des lahmen königs, wo er Gauvain ebenfalls vorfindet,
hieraus ist wol zu schliessen, das« dem mab. eine version be-
kannt war, welche auch Gauvain die gralssuche (die queste)
vollenden lä<Jst. letzteres ist der fall im conte del graal
10,(302 -21,916 d. h. in der vor Gaucher befindlichen fort-
setzung eines ungenannten Verfassers, weiterhin wird be-
Gollher: Chrettifne eonte liel grnai.
199
richhit, das bluti^^ baiipt sei dasjenige dra retters Fereditrs,
den die hext-ii von ÜUistei' erschlugen, eine uut'klärung Hber
I bliitend(> lan/.e erbalten wir nicht. Peredur mucbt sich
' räche auf uud tüdtet die bexen. damit schliesat diu
i. die d«rBtelluii(< ixt hier nllerdinxe d«ai inahmogi ei^fen-
nlich, aber man kann noch die f^undlagon i>rkennen, auf
I sie lieruht. die hexen von Gloater, die bereite s, ÜSI
0—70 ^, 2(), vorkommen, sind wohl aus einer ursprüng-
> vüllig fremdartigen wäLschen sage in die Perediirge-
Buchte hineingeraten.') der gedanke eines rachexuges da-
[an stammt ans Menneasier.
wenn wir die fortsetzungen Chrestiena ins aiige fassen, so
\ sich meine« erachtena, daxs sie völlig auH eigener erlin-
; lieraus, ohne irgend welche ältere quellen zij beiiCitzeri,
I Porcevalsage zu ende geführt haben, ich stelle niith mit
r Buuahme in wiileni|inicb zu Nutt, der auch aiia den fort-
n heratia ältere aagen/.Uge ermitteln 7,11 können glaubt, die
Klnen abenteuer mnd völlig /.usuintnenbangslos an einander
1) daa mabitiogi (a. 70 «. 10—20: vgl. aneh b. 109 z. 38-90) er-
, i1m* I'nrciliir von den liexen von ^Mter unterwisnng in dpn
ha MnplienK. NuU (fnlk-tnre reeord rV «. Sl f.) gl>iiil>t, in dem
I weiwr fraann Mir die erxieliuiit; des lielden wieder einen
ebeabafteD, »Iten lut; iMlotellen zu können, selbst wenn die«
ntlfT wSite, würde gerade dailurvh erwiexen, dasa Jan mahiunfii
BBn*"»e((« die «puren einer liieren Percfvalsnjto «eijft, dass vielmeLr
d*Tli-i dinge, wenn nie Je einmal vorkommen, mit drr üigentlii'hen
rniUiliiog in valiigen widenpmuh treten, die eniehung und iiuit-
Mang l'iTcevuU fallt g&tulich seiner mntter und OorniüuuiiB nn-
alnnagi Krrndeao wie tiei ChrmtieD. lOr die pUdiigOKifirbe
^sit dt^r hpinn ixt oirtienda ein platt, weit ontrernt etwa eine
ichere nnd Sltere nljerlicfening dnrclischimmprn nu liuann. tritt
Aexer tMfc vielmehr blonH nUSrend nnd uiit;eachickt in die handliuiK
•in und l>ekund«t damit, daan er in der unprünglichen ptanvollen
telliin^t (.'lireKtiena niclitn »u Hchatfen hutte und mir als ün|Nt*"en4e
t den mahim{i) uufiuriwsi-n ist.
200 Sitzung der phüoa.-phäol, Clasae vom 7. Juni 1890,
gefügt, sie unterscheiden sich in nichts von den mach werken der
französischen romanschreiber dieser gattung. Perceval reitet
in der weit herum, besiegt ritter und sendet sie an den hof
des Artus, es bedurfte keiner besonderen dichterischen Ver-
anlagung, um derlei geschichten in masse zu erfinden, höchst
kindlich ist die erfindungskrafb des Mennessier z. b., wie sich
aus folgendem zuge zeigt : Ghrestien hatte yon einem Schwerte
geredet, das Perceval beim grale erhielt, und hatte gewiss
die absieht, dasselbe im verlaufe der erzählung noch einmal
bedeutsam zu verwenden, es soll einmal zerspringen und
nur der sehmied Trebucet vermag es wieder zusammenzu-
schweissen. Mennessier lässt Perceval ganz beliebig zum
schmiede kommen, der die stücke des Schwertes zusammenfügt.
insoweit aber die handlung sinn und absieht verrat und
sich nicht blos in die gehaltlosen episodeu verliert, die eben-
sowol im hinblick auf die gesamtheit der erzählung unend-
h'ch vermehrt als vermindert werden könnten, ist sie nur aus
andeutungen heraus entwickelt, welche sich bei Ghrestien
vorfanden, keinerlei spuren weisen bezüglich der Schick-
sale des Perceval auf irgend welche Chrestiens gedieht vor-
ausliegende ältere quellen.
zunächst lag es doch nahe, Perceval wieder auf die grals-
burg kommen zu lassen, worauf das gedieht Chrestiens hin-
zielt, das geschah bei Gaucher. Perceval empfieng aufschluss
über die Wunderdinge und über des königs wunde und nun
war diis geheimnissvolle seh wert, welches Perceval nach
Chrestien bei seinem gralsbesuch erhielt, über dessen bedeu-
tung wir aber nichts erfahren, dazu ausersehen, eine rolle
zu spielen, durch Zusammensetzung zweier schwertstücke er-
wies sich Perceval bei Gaucher bereits als der erkorene held ;
bei Mennessier erhielt Perceval die aufgäbe, die wunde des
fischerkönigs und den tod seines bruders an dessen mörder
Partinial zu rächen. Perceval besiegt Partinial und dessen
Imupt wird auf der höchsten spitze des gralschlosses aufge-
Onltkrr: ChrrMie
•M firnal.
201
tWkt nfienbar entnahtn dm mabinogi den )^>'danken der
reche aus Meniiessier. in bexng niif äw blutige httiipt trat
fin« verwefhslunji ein, indem es nicht mehr als wahrzoit^hen
des emiiigenen xieges dienti^ sondern dem Perednr al.t iaah>
nötig i^exeigt nunle und ztrar schon bei dessen cnttem be-
such, der imverstandene grsl — denn von den erklüriingen,
die Mich hei Mennesaier finden, marbt das mabinogi keinen
gebrauch, wie es (iberbatipt nur die eine haupb4cene aus
Meniiewiier in sehr Freier weise benutzte — ward diircb ihis
blutig» hiiupt ersetzt, dnss wir es wirklich hier nur mit
inem »[Sten und nngeschickton erklärnngäversuch von seilen
( wiilscben bearbeiters kii tan haben, bowflist der umstand,
t die blutige tanxe nnerklärt und geheimnissvull daneben
;i geblieben iat und dass, wie bereits oben gezeigt wurde,
I blutige haupt gar nicht einmal Hberatl den gral vertritt.
( inafntwui fiel »unücbät alles gewicht darauf, Chrestions
Ichtung genau wiederzn geben, die fortaetzer wurden nur in
Digiti wenigen huuptpnnkten lieigezogen und darum auch
i genügende kliirbeit.
s. 102 7.. UJ — 10.5 z. 29 wird eine epiiinde von Peredur
richtet, deren unmittelbare vorläge ich nicht an/.ngeben
pmag, die aber jedenfalls uispr(biglich nicht die geringste
XJehung zur IVrcevalge^chichte hatte, der anfang bis s. 103
( 15 ist der Ijauvttinepisode s. 9S z, 30 — 100 z. 17 nachge-
bt, «um teil bis zu wörtlichen anklilngen. gerede die-
me, welche wörtlich mit Chrestien Übereinstimmt,
I durch eine lange interpoUtion s. 76—96 unterbrochen,
«ri«dernm selber in zwei abschnitte /erfällt vgl. s. 82
is darin berichtet wird, findet sich nirgends in den
flldienra französischen graldichtungen. der inhalt tritt aber
•Bell in offenen Widerspruch mit der gescbichte des Peredur.
CT knnpft ein liehesverlmltni!i!ii mit einer kaL^erin an und
weitt H jähre bei ihr, was recht schlecht zu seiner kurz zu-
vor ge8chiIderlt?R treuen geüinniing seiner gattin (BlaocheflBqf]
202 Sitzung der phüosrphUol. Glosse vom 7. Juni 1890.
gegenüber pasnt. auf eine nähere erörterung dieses fÖr die
Peredursage völlig unwichtigen teiles lasse ich mich nicht
weiter ein. es sei nur bemerkt, dass wir ähnlich wie bei
den hexen von Gloster auch hier einigen secundär und neben-
sächlich hinzugetretenen wälschen zügen möglicherweise be-
gegnen, dass aber das ganze vollständig von franzosischer
anschauung sich durchdrungen zeigt, was darin zu tage tritt,
dass turniere abgehalten werden, frauendienst herrscht und
die besiegten gegner sich am Artushofe melden müssen, ob
unmittelbare herübernahme der episoden aus dem franzo-
sischen oder wälsche nachdichtung und erfindung im geiste
der französischen romane des späteren stiles vorliegt, lasse
ich dahingestellt.
die betrachtung des Stoffes des Peredurmahmagi lehrt so-
mit, dass letzterem keinerlei Originalität zukommt, dass es
ganz und gar auf bekannten französischen vorlagen beruht
und als abgeleitet für die französische literaturgeschichte nicht
benützt werden kann, was sonst noch im mabinogi eigen-
tüniliches enthalten ist, wozu auch die par züge keltischer'
herkunft gehören, wurde erst vom wälschen bearbeiter äusser-
lich und lose in die aus der französischen vorläge übernom-
mene Percevalgeschichte eingeschaltet und steht mit dieser
in gar keiner engeren beziehung; es kommt allein auf die
rechnung des Wälschen zu stehen und, weil es nur seinem
köpfe als zutat zur Übertragung entstammt, hat es für die
frage nach dem Ursprung der Percevalsage, welche sich allein
an Chrestien ohne rücksicht auf seine fortsetzer
und nachfolger halten darf, nicht die mindeste bedeutung.
wo ein original einerseits vorliegt, andererseits eine interpo-
lierte Überarbeitung, kann man sich doch nimmermehr auf
die späteren zutaten und interpolationen steifen und aus diesen
rückschlüsse versuchen, die fürs original gelten sollen! eine
wälsche Peredursage, aus der die franziwische Percevalsage
hervorgegangen wäre, hat es nie gegeben, sie ist nur das
Qalthtr: ChrrntiKnii a»it« ilcl grnai.
203
leere phantum einer missbräuüblichen auffaHsiiiiK rfes Pere-
durtoxtw. von dem mabinogi sug i§t weder oiu rilck-
RchluHS auf eine ältere, der frun/.ösischen voraiia-
livKeiidc wälschi« sugtiQ^RHtalt, noch auf eine sdkIu-
normäniiischfi quelle Cfarestien» Ntattfaaft. wenn unsere
uiiMclit, da.ss ftirnli Mennt^saier vom wair. henilt/.t wurde —
heä Itaui-lier liencht gar kein xweifel — ricbtig ist, ao wird
(lunit ein terminna & qiw fflr die abfassung des kyinriw-hen
IVrediir ge^^elien: er kann nicht, vor 1220 entstanden s<:in,
doeli wnge icli die beniitzung Menoeaaiera von seilen des
Perftdur nicht mit voller ^ewisaheit 7,n behaupten.
8ir Perceval nf Qalles'), das engÜüche gedieht, das
in einer um 1440 geschriebenen handschriH; auf ans gekommen
ist, wiird« bereit« von P. Steinbaeh in seiner dissertution ^Uber
den einSusä des Cbrestien von Troyes auf die alteng1it<che
Uieratar' Leipzig 1885 eingehend mit dem cotüe dd yrnnl
rnrglichen, worauf hier verwiesen sei. das* da^ gedieht unt«r
dem einfluss Chrestien^ steht, kann nicht bestritten werden.
GH erbebt aicb nur die frage, wie die von Uhrestien abweicb-
eoden iiUge aiifKufiMsen sind, nach G. Pari^ käme allerding»
aueh hier wieder dan angtonürmänniüche gedieht in betraclit,
demen existenz nach einer genauen prOfung des Peredur ent-
Mr.hieden na verwerfen ist.
W. Hertz in «einem anfxAtx (iber die sage von Parzival
und dem gral in Nord und Süd bd. 18 (1881) hea r>2
E. 103/4 (auch separat erschienen. Breslau 1882 s. 24 f.) hat
Iwmerkt, dass Percevals jugendgescbicbte im englisclien ge-
divJite in der ältesten form erhalten sei, eine hypotheae, die von
U. Paria (Mut. lät^aire bd. 30 s. 254— 2K1 vgl. auch la lütt-
nümnt franfaiac au moyen dge § 50 s. U7) und von Niitt in
mnna stvdies' aufgenommen wurde. Nutt hatte aich bereits
im lalk-tert record IV* 1881 s, 9— II dahin ansgesp rochen.
I) hr»(( Tfin lialtiwcll. the IKnrntnn rOfnaFicB«, priitled for Ihr
I Suüitty. JmuJiih 18J*.
204 Sitzung der philos.'phüol, Glosse vom 7, Juni 1890.
dass der englische Sir Perceval älteren sagenstand überliefere,
als Peredur-Perceyal, ja sogar die hypothese von San Marie
(die Arthursage und die märchen des rothen buchs von Hergest
s. 247), dass das englische gedieht eine Übersetzung oder ge-
naue nachahmung einer bretonischen quelle des 12. Jahr-
hunderts sei, gut geheissen!
gewichtige bedenken erheben sich aber schon aus äusser-
lichen gründen im S. F. müssten eigentlich zwei Versionen
enthalten sein, eine uralte der keltischen ursage entsprechende,
welche dann unter dem einfluss Ghrestiens überarbeitet wor-
den wäre; oder man hätte gleich zwei verlorene anglonor-
männische gedichte zu constatieren ; denn dasjenige, welches
die quelle für S. F. war, stünde auf einer älteren entwicke-
lungsstufe, als das, welches dem Feredur und Chrestien zu
gründe liegen soll.
wir müssen die puncte ins äuge fassen, auf welche sich
die behauptung über den älteren sagenstand des S. F. stützt,
zunächst soll das fehlen des grales von bedeutung sein, als
ob im S. F. der held noch gar nicht in Verbindung mit
dem grale gebracht worden sei. wenn wir berücksichtigen,
dass der S. F. nur Chrestien kennt und nicht einmal diesen
im vollen umfang aufnahm, so ist klar, dass der englische
bearbeiter, so wenig wie früher der wälsche oder der nor-
wegische, die bedeutung des grales zu verstehen vermochte,
da die englische bearbeitung aber mit freiheit zu wege geht,
so ist auch leicht einzusehen, wie der Engländer dazu kom-
men konnte, den besuch auf der gralsburg wegzulassen,
keineswegs ist im fehlen des grales etwas älteres und ech-
teres anzunehmen, die scene vor und nach der gralsepisode
finden sich auch im S. F. wie bei Chrestien : Perceval hat
Lufamour (Blanchefleur) von der belagerung befreit und
sich mit ihr vermählt, er verlässt sie, um seine mutter auf-
zusuchen, und trifft im wald eine klagende Jungfrau (Wol-
frams Sigune)^ welche auch im S. F., aber sicherlich auf
ßolther: Chrettii-mi e.
e del s/rani.
20.5
vit;piie Ihnst, mit il«r Jeschätt A. h. mit Her 'latne, clie Per-
ceval einst ifekUiMt uud ihres ringea beraubt bat und die er
nun wieder tindet und mit ihrem /.{Jruendcu jijeliebten ver-
sobtit, KU einer person verschmolzen wurde. ChrestieriH j^e-
dicbt ist im S. 1'. nur bia zu ditser scene benubtt worden ;
ea erhielt einen eigenen ubscbhisä und einen uiifaiig, wurde
all« in einen neuen rahmen eingestellt und zwar nicht nn-
ichic^kt. ieh vermag aiier tiieriu nur den versuch de» eng-
ifaen dichlers zu erblicken, ans dem Percevul des (Jhrestien,
r ein unverständlicher torso blieb, etwas einheitliches und
i KU tuachen, und dieser versuch ist auch nicht Übel
logen, unter diesem neuen gesichbspunct erhiftrt sich
8 erachten» befriedigend die unleugbare genaue Uberein-
Btnung «wiacben dem englischen und friinx&ai»cheu gedieht
«to, und andererseits die in der freiereu Umgestaltung
I stoRes iKdIngt«; eigenurt des ersteren. den rahmen, in
^eI<h(;o der dichter dee S. P, die sagn einfügte, entnahm
er gewiss den weitverbreiteten märcbenerzählungen , wie
der söhn einer wittwe den tod seines vaters rächt, aber
auch hier ist daw folkluri^ische element erat secnndär und
accid enteil an ein werk der kunstliteratur herangetreten,
die Volkstum liehe suge und die märchenitüge sind wie eine
ewig flie-^ende quelle; gewiss ist ein grod^ter teil der kunst-
literatur der mittelalterlichen kulturvijlker daraus hervor-
gegangen, al)er aneh umgekehrt ist manches literari^he
kuDvtpriHlui.'t später wieder darin eingetaucht. Ja selbst er-
lischt und verjüngt worden, ich verwaise auf die weitaus-
> nordinche volksliederliteratur, wn wir den Vorgang
beobachten können, dass literarische werke ins 1ie<l
^hen und dabei mit miincbem schönen und altbekannten
. ausgestattet werden, welcher ihre dichterische anmut
lliterariiKhen quellen gegenüber zuweilen erhöht.
er gedanke, welcher in der englischen Percevaldichtuug
i Ohrestien» werk hinzutritt, ist fruchtbar
206 Sitzung der phäos.-phäol, Cltuse vom 7. Juni 1890,
lieh, aber die ausfQhrung ungeschickt, wodurch gerade die
spätere entstehung und die nachträgliche anftigung in die
äugen springt. Percyrelle heisst auch der vater des helden;
er ist vermählt mit Acheflour,^) Artus Schwester, im tuniier
wird er vom roten ritter erschlagen, den jungen Percyvelle
erzieht die mutter im walde. des älteren Percyvelles kämpf
mit dem roten ritter ist doch eine naheliegende nachahmung
vom kämpfe des jungen Percyvelle mit diesem gegner. der
Zweikampf des letzteren erhält als act der räche einen ern-
steren hintergrund. der rote ritter hat eine hexe zur mutter,
die Percyvelle ebenfalls tödtet. Percyvelles mutter ist im
englischen gedichte nicht bei seinem Weggang gestorben,
aber sie geriet in die gewalt eines riesen, von dem sie der
söhn nachmals beireit und zum schluss ins heilige land zieht.
Nutt sucht aus allen diesen märchenzügen, die zum ganzen
in keinerlei tieferem zusammenhange stehen, spuren einer
vorfranzösischen gestalt der Percevalsage zu gewinnen ; er
begeht damit wieder den fehler einer verkehrten kritik folk-
loristischer, nach seiner meinung besonders keltischer demente,
die, wo sie auch auftreten, selbst in den spätesten quellen
immer noch die uralten sagen uns vorführen sollen, durch
erneute berührung mit der Volksdichtung kann aber ein literar-
isches werk sogar eine ganz neue, vom ursprünglichen vor-
literarischen stände noch viel weiter entfernte gestalt an-
nehmen, trotzdem sich dieselbe zuweilen einfach genug und
märchenhaft anmutig darstellt, lehrreich in dieser hinsieht
sind die bretonischen ausläufer der Percevalsage, das späte
und ganz junge märchen vom dummen Peronnik, der im
schlösse des Zauberers die goldene schüssel und die diamantene
lanze gewinnt {Peronnik Vidioi bei Souvestre im foyer breton
1) in diesem namen Ächeflour \\egt eine offenbare verderbniss des
frz. Blanchefleiir vor, d. h. die bei Chrestien namenlose mutter Per-
cevals (In ceuve damej erhielt den namen der gattin Percevals, die
dann wiederum mit dem neuen namen Lufamour bezeichnet wurde.
frnither: Chm^ieni catttr liel ijraal.
207
M. II Paris 18&8 ». 137 - 179) xwA das lied von Motihm
oder Las Breis (bei Villmarqti«! Barzae Breie, 4. ^d. Paris
1H46 l)d. 1 B. 127 fr.). auf einen hretonischen national hutden
ist hier die Ptircevalsage (ibertraf;en worden, die ersiehnng
im Walde nnd die begegiiun){ mit dem ritter nach Chrtratien
nnd dio rUokIcehr in die hfiiinut, wo er mn Keiner schwestar
d«n tod der miitt«r erfahrt, nucli Gancher. d^r );rtindat'>ck
der bretoni§clien Morvanäage hat natdrlich nicht die geringst«
hoziehong zum Percev&l. selbst Nutt, studies s. 1.^8, WHjü^t
diesen ({Liellen keinen gebrauch 211 machen, und doch
ite er die« mit derselben, ja vieileicht mit grösserer be-
;ung als in bezug Auf das wälüche mabinoffi und den
:heu Sir Perej-relle.
ias eugiischa gedieht ist u. e. unmittelbar auf OhrestieoH
w«rk KwriickKiifdhren sti gut wie das mabinoffi; ex ist eine
ffflie bearbettung des ccmte del graal; die ihm eigenen »(ige
cntetaniniou tiümmtlich dem köpfe des bearbeitem und dürfen
nicht f(ir die erkläning der PercevaUage irgendwie IjenfUzt
«erden, fUr welche eä, als aus einer bekannten franräsiachen
vorliigo ubgelnitet, nberhuupt nicht in betracht kommt, da«
fulilen de» grales im Pered<ir imd im Sir Perceval ist durch-
kein beweis für bierin noch sichtbare spuren eines älteren
kudcM; vielmehr erklärt ^ich dieser umstand allein ans
ihaSenheit des Chrmti engedichtes, in welchem darüber
ao&cbluss gegeben war.
eine völlig befriettigende erkläning der Percevalsage und
d«ir gralsgesubichta ist trotz allen bemUhungen, wonmtur
romehmlicb die beiden umfangreichen Schriften von Birch-
Hirschfeld und A, Nutt zu nennen sind, noch nicht ge-
glückt, und, wie mir scheint, besonder« desshalb nicht, weil
die Vorfragen noch nicht erledigt sind, die reihenfolge
und diu gegenseitige abhängigkett der i^rhaltenen beurbeit-
noch nicht sicher bestimmt ist. aber selbst wenn din
logiftchr reihenfolge der verschiedenen werk« riil.n.:
Mit kein I
^KMMtauc
^^^BlncchH
HKi aoEu
208 Sitzung der phüos.-phüol. Classe vom 7. Juni 1890.
festgestellt wurde, entstanden wieder neue irrtümer infolge
von hypothetisch angenommenen Vorstufen mit dem allein-
igen zweck, Züge und episoden, welche nur in späten quellen
erscheinen, als alt und ursprünglich zu retten.
Birch-Hirschfeld hatte seiner zeit eine nur in prosa auf
uns gekommene Percevalversion, die in einem einzigen manu-
script vom jähr 1301 hinter Eloberts von Borron Merlin steht
und wohl auch eine prosaauflösuug eines poetischen Perceval
dieses dichters repräsentirt, als die ursprünglichste angeschaut ;
er glaubte, hier dem buch zu begegnen, das Chrestien be-
nützt zu haben behauptet:
QO est U catUes dd graal^
dont U quens li baüla le livre.
diese Version ist aber sicherlich jünger als Chrestien,
dessen poetische und wolgefügte darstellung der Perceval*
geschichte samt der erzählung seines fortsetzers Gbiucher
darin unverständig zerrissen und mit allerlei neuen unpassen-
den Zügen versetzt erscheint, die sache verhält sich keines-
wegs so, dass Chrestiens erzählung aus den verstreuten partien
dieses Borrongedichtes erwuchs, vielmehr hat umgekehrt das
letztere Chrestien und Gancher benutzt; mit recht ist Nutt
dieser ansieht entgegengetreten , und hat an die spitze
der erhaltenen altfranzösischen bearbeitungen der gralsage
wiederum Chrestiens conte dd graal gestellt, von dem alle
andern in mehr oder weniger engem anschluss abzuleiten
sind, oder unter dessen ein Wirkung wenigstens sie verfasst
wurden. Nutt und vor ihm und nach ihm andere wie
Martin, Hertz, G. Paris ^) haben darin gefehlt, dass sie die
für Chrestien notwendig erscheinende ältere eutwicklungs-
stufe der Percevalsage, welche ihm als quelle gedient haben
1) vgl. namentlich Ja litterature fran^aise au moyen age § 69
lind 60. die hier gegebene anordnung der verschiedenen erhaltenen
texte dürfte wol die richtigste sein, mit ausnähme der angesetzten
Vorstufen Chrestiens, gegen welche protest su erheben ist.
Ooithrr
(7irMiiri
' ilel i/raal.
209
t hilfe von ftnorknntiter miutHsen späteren and nacb-
r Btia L'hrestien ubgeleiteteu werken, wie elien ans dem
imofft und Sic IVrcevitl wiuder eii gewinnen suchten und
dabei unfehlbar in einen circiilus vitiosuH gerieten, iiisbe-
l^undeIv Nutt') bnt diuses verfahren auf die «pitze getrieben.
I] In lien (> Otl.in^i.i oben gelehrten anzeiffeii vom 10. Juui
IdWI nr. 12 R. 468—528 Imt untiirdeasen /.immer eine »ehr beacli-
teiMWMte iHioiirerhiioii äen Nutt'nclien baohea grgubcn, worin er mit
Kehlogentlen grDnden die tDanrainenstelluR|;eii der fmnxitxixiL'heD lage
mit der keltiatium. siieoiell irischeo, wie Nutt sie (Ihte. widerlegt,
die von Nuf.t iingezD^eneii iriaühen Keachicfaten dei FinnkreiaeH sind
nicht nllein in ihrer lilierlieferuni^. äondem awjli tarn ((rosaen t<>il
ihrem nrntirim«; nu'h weit jilnt^er uls die fnuixOaisiilien t^edielite, ftlr
deren heltiache Turln^n sie xengen «ollen, von Tomeherein diuf nur
kjDirinch-hreloniaciiea niuterial tllr die ectetehunga^acbiibt« dei Artos-
epen nutibar fcemauht werden, und nur bretonische« xcheint fUr
etBige lUlIe vorbanden tu «ein. die .juutren iri«dien quellen «Ind
■ehr trflber urt. xiiui teil au« der fremde, ja geradewegs au« fnin-
iCiiiit'her lugendichtung geholt und ibre Verwertung ist Qberdie» hOvhst
unmethodiach und rein nniaCglicb. wenn die kelliBcbe jibilologie 4icb
geffen den liDuptgedankeu de» buches ,the celtic nrigin* mit ent-
•chiedenbeit erklärt, in hat die rrnnzUsiscbe literaturgeHchiehte nicht
weniger dagegen ntelhing zq nehmen, weil wie bereite oben bemerkt
I Nutl herTUrgebol>eneD berDbruDgen mit dem keltiiichen epflt
n der bereite längiit frandSaiai^b gewordenen flberliefi*-
eadlic:b verma); die hypothese aui-b allgemeinen er-
n «chwerlich ntnnd xu halten, weil die von Nutt behaup-
eil«n und AbereiuBtimmnngett liAufig Hehr zweifelhufter
1 vermCcble wol in jeder beliebigen m&rcbenllteratur
l oder in der indischen «age (vgl. z. b. Beul, Iht Budähint
» knotm in China intf Japan London 187««. IIG)
I bcdeutniuiie parallelen «u entdecken. luiiial wenn man beider-
6 nOtiffe (]uellenkritik , da« beniu «wachsen jüngerer mit pban-
I KueSttwn auBgesr-bmilekter lierichte aua den filteren, niuht
1 berOcJcitichtigt.
anf die frage l'eredor-Peroeval kommt Zimmer a. a. o. «. BIO
t «o (pm-hen, er weint «ehr entschieden Nutt" wunilerliche an>
niali priitu-mabinogi'. da« vom kymriailien »chrei-
210 Sitzung der pküosrphüol. Classe vom 7. Juni 1890.
indem er jedweden, auch den unscheinbarsten und im Zu-
sammenhang des ganzen völlig nebensächlichen und ausser-
liehen zug der späteren französischen und ausländischen
gedichte, wenn er nur entfernte ähnlichkeit mit keltischen
volkssagen und märchen verriet, für eine hypothetische kel-
tisch-anglonormännische (d. h. von den Kyraren eigentlich
ganz und gar erschafiene, von den Anglonormannen nur
übersetzte und folgerichtig von Chrestien nur wörtlich von
ber neben Chrestien benutzt wurde, zurück und ist nicht gewillt, dem
Peredur gegenüber eine andere beurteilnng snzulassen, als bei den
übrigen zahlreichen kymrischen und irischen (vgl. s. 502 f.) bearbei-
tungen französischer texte, es liegt keine Veranlassung vor, die drei
Chrestien entsprechenden w&lschen geschichten anders zu betrachten
als die gleich in derselben handschrifb befindlichen kyrarischen Über-
setzungen von Amis et Amiles, Bovon von Hampton und Karls reise
nach Jerusalem, s. 614 bestimmt Zimmer die aufgäbe, wie sie auch
in vorliegendem aufsatz allein aufgestellt wurde, ohne rücksicht auf
die längst aufgegebene hypothese über die ursprünglichkeit des kym-
rischen romans, mit deren Widerlegung beim Erec Othmer in der ol)en
8. 176 anm. 2. citierten dissertation viel unnötige zeit und mühe ver-
braucht hat: .dass nun z. b. Ystoria G eraint ab Erbin (d. i. Erec)
und Chwedl Jarlles y Ffynnawn (d. i. Yvain) ebenfalls welsche
prosabearbeitungen romanischer vorlagen sind, darin herrscht heute
in urteilsfähigen kreisen so vollständige Übereinstimmung, dass ich
nicht nötig habe, die gründe hier zu wiederholen, es kann im ernste nur
darüber gestritten werden, ob Chrestiens Erec und Yvain die directen
vorlagen der welschen bearbeiter waren oder ob Chrestien und der
welsche bearbeiter dieselben romanischen quellen (anglonormännische
gedichte) benutzt haben*, richtig wird die tätigkeit des welschen
bearbeiter« beurteilt: «er sucht sein werk seinem publikuni mundge-
recht zu machen, er passt die vorläge nach kräften einheimischem an;
hieraus erklären sich auslassungen und geringe zusätze, Übertreibun-
gen und Schilderungen und vergrüberungen. im grossen und ganzen
bloibt aber der bearbeiter streng bei der stange d.h. seiner vorläge*,
s. 515 «diese welschen texte sind keine konipilationen nach fremden
und einheimischen quellen, sondern welsche bearbeitungen fremder
vorlugen*.
i.^
Oolthtr: ('hrentien.1 aintt del yeitai. 211
in wieder abgeschrit'bHne, wenn wir noch Q. Paris an-
lii[iziin«iiiiien) ursnge nutzbar zu luocheu beniCiht war.
W ixt iliti) daä mabinogi in seiner gegen w artigen geatalt an
uuakilfiU fuaio» of these two varinlinns upon tht one theme
(lt. Uli), d. h. er vertritt ilje ansieht, als »ei es einenieits
xwar von Chrestieu beeinflusat wie HU(.'h der englische Sir
P«rc«VAl, nber iiuderseits sollen sich »itureii einer älteren
Perrtlurtage, eines Protomitbinogi darin vurfinden. diese alte
l'eredursage ist ein kUustUclier und unnatürlicher, eben nur
in sfiUteren quellen mühsam constniirter faypottiesenbau,
(l«n tatsächlichen verhäituisseu gegenüber sich als gänz-
begrQndet erweist.
Nntt lies», wie wir bereits oben bemerkten, zu sehr
dass die fMlorf., so gut sie bai der ersten ent-
sti'hinig eines literarischen werkes in betracht kommt, doch
auch auf dexsen eutwickelung und fortbildung einzuwirken
vr-rmag und hierbei oft genug secundäre einflü^'se ausliht.
bei der künstlerischen Unbefangenheit der mittelalter-
lichttn dichtt^r ihrer überlieternng gegenüber xtand ihr voUend«
thfir und thor iiHen und zum teil auch unter ihrer herrschaft
sind die zahlreichen formen derselben sage, die vielen
immer fabelliatW werdenden Umwandlungen eines grnudstotfeü
gtmeitigt worden : die ursprüngliche dichterische bedeutung
eines Werkes gienf< dabei meistens bald verloren, weil die
rnhnln bezichuagNioH ohne Verbindung mit Riuem grundge-
danken und ohne unter Nich selber ^cuKammenzuhängen an
einander gereiht wurden; der erste schöpfer und unter glück-
lichen uunttiinden auch hie und du einer seiner nachfolger
haben di'ni utotFe tten Stempel ihres geistea aufgedrückt, die
meisten der fortiwtzer und bearbeitet dagegen haben nur
dazu beigetragen, sicher gezogene grundlinien ui verwischen
nnd den ibchteriKchen gehivlt in der stetiS anwuchsenden ntasso
ubnffea, im äusseren umtang zu verfluch tagen, an dieser
ihe:. welche die geschiebte funt eine^ Jeden uiittelaltcr-
^
212 Sitzung der phüas.-phüol, Claase vom 7. Juni 1890.
liehen sagenstoffes lehrt, wird nichts geändert, wenn zuweilen
auch ein an und fär sich genommen nicht unschöner zug,
eine märchenepisode oder dergleichen in den wirren aben-
teuerwust hereingeschneit ist. wenn also Nutt bei den fort-
setzen! ein par scenen auffindet, denen parallelen aus kelti-
scher sage gegenübergestellt werden können, die aber offen-
bar mit dem festen kern der Percevalsage gar nichts zu tun
haben, so wird dadurch fQr die letztere nichts erwiesen, aus
den riesigen altfranzösischen prosaromanen könnte man leicht
noch mehr solcher beispiele hervorsuchen, welche im besten
falle eben dartun, dass einige keltische sagen- und märchen-
zfige auch unter den Franzosen umliefen und dem roman-
schreiber neben allen möglichen anderen hilfismitteln und
neben seiner selbstiütigen phantasie zur band lagen.
nachdem die abhängigkeit des kymrischen nMÖinogi und
des Sir Perceval von Chrestien nachgewiesen ist, ebenso die
des Provenzalen Giiiot (Wolframs Kydt)^ da er ja Chrestien
zum grossen teil bloss abgeschrieben hat, aber selbständig
eine einleitung mit dem zweck, die grafen von Anjou zu
verherlichen , hinzufügte und den gral und was damit zu-
sammenhängt nach eigenem ermessen deutete, kurz Chrestien
zu ende führte, *) — nachdem ebenso Guiots völlige abhängig-
keit als sicher erachtet werden darf, nachdem wir femer die
unmittelbaren französischen fortsetzer Chrestiens Gaucher,
Mennessier und Gerbert in bezug auf die Percevalsage als
durchaus unwichtig, d. h. nicht im besitze etwaiger älterer
Überlieferungen befindlich erkannt haben, so muss als erste
und oberste forderung jeder deutung der Percevalsage der
1) zur Guiotfrage vgl. Kiip]), Zeitschrift f. deutsche philoIogie
17 8. 1 ff, wo namentlich dessen mit Chrestien übereinstimmende par-
tien besprochen werden» und Golther» roman. forschungen 5 s. 120 ff,
wo jedoch die als möglich berührte hypothese einer quelle ^
Chrestien Oniot
natürlich hinfUUig wird, da sie einmal nicht existiert haben kann.
Gallhrr: (Viregtiens imh(< iW ftrirnt.
2t3
gnmiixatz imsgesprocben werden, dase sie nusschlieHs-
licb von Chrestiens gedieht auszagehen hat.') alle
atidcTva quellen haben für diese fmge, als aae Cbrefitien
abgeleitet, gar keine bedeutung. jeder andere standpunct
trägt von vorueherein unlöBÜche wirren in die forschung.
wie nitui schon längst bemerkt hat, ist ja die eigent-
lich« gralsage von der Percevalsage, lieni thorenmiirchea zu
aaf den Ursprung der letzteren, der keineswegs
keltische ziirßckgehen muaa. will ich bier nicht ein-
, nur zum xchlnss die Vermutung aussprechen, daas die
»val^age, worunter ich die Verwendung mürcbenhafler
motive versteh«, in ihrer literarischen form ein werk Chre-
stiens zn nein scheint, denn die tatsache ist einmal nicht
abzuleugnen, dass alle literarischen denkuiälur, die biä jet/.t
bekannt sind, aal' Ohrestien zurückweisen, und keines uiit
ucfaerheit auf eine ält«re quelle, hiezu rechne ich auch den
t nach Gaacher und Robert de Borron nber vor die andern
r Chrestienn falienden rninaÖ8iiH.'hen pronaroinam!. in denen
im1>«ii den ursprOnf^licli alldn berufenen f^alasacher PerueviU zunllehsl
GauTaiu und Lancebt treten, bia er endlich durch Uuliihad, Jen eohn
de» Lftncelot Terdrängt wird, wie ^rrceral te gallots' nnd ,qursle del
taint nraaV, «orllber hei Birch-llirschfeld und Nutt n^ierea (ii finden
[■t, bleiben als unortKinolIe mnchnorke hier hilliger weiae aumer an-
«at«. «ie lehren nar. wie Clireatieu« dicIiLnnn immer mehr verderbt
nsd wtntnrt wird, und tragen tur Idaunft: der frage nach dem ur-
■pntait der enteren nichU bei. Ganvaia war der ernte, wekhen
dia dichtnng die ^uente' neben T'eri'.eval zuHchrieb; das lag schon in
ChrMticna iilan. Heinrich von dem Türlin benutKte auch eine »olche
(toMtviH^itrKtc, wobei der hold Ton Lnncelot und Calogrenunt begleitet
iirt. schon hieraus ^ebt hervnr , daH» diese acene erat apilt entatan-
don ima kann, die anklänge an m^tbun und volkaHagen. welche
Hartin in seinen .unterauch untren »nr graUaiige' Strassburg 1880 und
noch ihm Nutt liurTorbeben. bert-ubtigen nicht lur behäuplung. dofls
bier die <«Bt(> form ile^ gmlbesiirbui vorliege, niuhdem dii^ nelien-
Ide die ap&te ontat^hung der acene deutlich durtun. da^ fulk-
thc element i«t auch hier wieder aecundlLr, nicht nraprüDgliob,
PMIoa.'liUhiL H. bliL CL II. 2. 15
214 Sitzung der phüos.-phüöl. Cliuse vom 7. Juni 1890.
lais von Tyolet (Romania 8, s. 40 ff.). Q- Paris gibt selber
zu, dass der hauptgedankengang sich mit Chrestien deckt:
der ^fils ä la veuve dorne (Tyolet 127 = Chrestien 1283)
wird ohne kenntniss der ritterschaft im walde erzogen; die
erscheinung eines ritters klärt ihn darüber auf; er macht
sich mit mütterlichen ratschlagen versehen nach dem hofe
des Artns auf, um dort ritter zu werden, ein par neben-
umstände, die ebenso gut bei einer freieren behandlung dieser
scene nachmals antreten konnten, bewegen 6. Paris auch
hier wieder, die Übereinstimmung zwischen Chrestien und
dem lais aus einer gemeinschaftlichen quelle zu erklären.
der lais von Tyolet ist meiner ansieht nach unnrsprüng-
lich, was aus seinem ganzen bau hervorgeht, während die
erste hälfte eine blosse nachahmung der erzählung Chrestiens
von Percevals Jugend ist, begegnet im zweiten teile eine be-
sondere und eigentümliche form einer weitverbreiteten ge-
schichte (vgl. darüber G. Paris, hist. lUieraire 30, s. 113 — 118;
Golther, die sage von Tristan und Isolde s. 15).
auch in der englischen literatur ist der eingang von Chre-
stiens Perceval (ausser dem Sir Perceval) nachgeahmt worden :
in It/ biaus desconus\ im Guinglain, dem schönen unbekannten
{hist litt, 30, 185). G. Paris (ebenda s. 269, vgl. auch s. 188)
bemerkt, die scene sei tm lieu commun des r^cits bretons ;
dieser ausspruch ist allerdings insofern richtig, als fast alle
scenen, die in Chrestiens werken vorkommen, bei den spätem
oft gebrauchte geuieinplätze geworden sind, aber der aus-
gangspunct für die literarische Verbreitung der scene in un-
serem falle ist einzig und allein Chrestiens Perceval,
nicht etwa im allgemeinen die wälscbe oder anglonorniännische
Sagenüberlieferung, d. h. quellen, aus denen etwa Chrestien
selber geschöpft haben könnte, nach dem italienischen ^Car-
duino zu schliessen {hist, litt. 30, 187 — 8), war die eingangs-
scene bereits in einer französischen bearbeitung des Guin-
glain dem Perceval nachgebildet worden, dass irgend eine
Oollkrr: Chr^Hierie r-
,lfl ji'-/><U.
215
der vieleD lit«rariscbeii nacbabmuiigen die dai^tellung Chru-
siiens nii nltertilmlicbkeit übertreffe und durum seiner mut-
elicheu quelle näher stehe, vermag ich nicbt einzusehen,
Ikanii mich trotz der häufigen gegeuteiligeri behauptuu^n
t duvon Überzeuge».
G. Paris müsste folgerichtig eigentlich eine ganze reihe
1 Vorläufern Chrentiena aiiuehmeH.') warum sollen immer
typothvtische werke in die liteniturgeacbicht« eingestellt
wo andere ungezwungene erklärUDgen viel n&her
I und mit den Torbondenea denkmäieru in übereiuatim-
: bleiben? eä ist über die bestimmte angäbe ChreatieiiB
vorhanden, daes er nach einem buche gearbeitet hat, und er
nennt ea _die gettcbicbte vom gral' le conte dd graal. wie
t» sich nun auch damit verhalten möge, schwerlich hut er
es nur wörtlich abgeschrieben und den späteren lag das
buch jedeufalls ftlr die Percevalsage nicbt vor, sie begnSgteu
»ich mit Chrestiena dicbtung. war etwa dieses buch eine
npentüe gmlgenchichtc, die aber Chrestien erst am Schlüsse bei
'■Iv erklärung der geheimoiasvoUen gegenstände gegebeu hätte ?
iehtuug des l^)bert von Borrou (.der Joseph von
, hitlnirr. lUUrairc 30 a. 260 .ü m( probahlt qu'U (It rieit
t |/UMC Je xnjrl dt soti iturre) proi'etiait i^unn trittu-
I Irrt H^feetttmue d'un pnime nemhlahlr ä l'iiriffinal rfu »dtre
(SiT Fercecai), mfU au eonte Ja i/raal I« rfeit ainm ampti/U
t ttrt la «nurce du jiotme lif Chrivtien et au moins pour ut>«
l fMirtie, du mahinogi j/aUoia de Perfdur' — rl. h. aluu Kwei
monDiUiniiKihe Oicbtuoffen, von denen noch spnren ouchweiabar
, liegen vor Chrestien nnd daun kiune erst noch im dritter
li>tKt«r atelk die wUlitcbe ardichtiiiiK ' wenn ee der uii^lonoi^
niKiben quellen für die >'erc«val- und itraUat^ ao viel).- i^ab, dann
i»t der uniotund doeh auch sehr verwunderlich. ilüiB sich die nach-
folget immer nur an Chrentien hielten und keiner im htunde war.
mil- hilfe dm oagMicb in n^iohen vorlnindt-nc^n matt.Tiul«ii die ge-
Bchichlu tu einvm ln^frinlli^endt-n ubncliliise tu bringen, diese angli
nluuiBolien gedicbte hätten doch die ponct« erklären mOssen, d
•hrcvtien dunkel bleiben.
IQ'
JbJBb
J
216 Sitzung der phüos.-phüol, Glosse vom 7. Juni 1890,
Arimathia), den Birch-Hirschfeld darunter begreift, ist es
nicht gewesen, die gedichte Roberts sind jünger als Chre-
stiens Perceval. ausserdem scheint mir ziemlich klar ersicht-
lich zu sein, dass, was die spätere französische dichtung von
Robert de Borron ihren ausgang nehmend vom gral, der
lanze und dem Schwerte weiss, einzig und allein als eine
vor unseren äugen entstehende ausdeutung der im unvoll-
endeten Chrestiengedicht rätselhaften gegenstände aufgefasst
werden muss.^) das buch, von dem Chrestien redet, wusste
sich jedenfalls keiner zu verschaffen, möglicherweise hätten
sie es auch vergebens gesucht, weil es eben im sinne einer
auch allen andern zugänglichen quelle gar nicht vorhanden
war, sowenig wie andere z. b. Chrestiens Cligesquelle zu
benutzen oder nur zu finden verstanden hätten, überhaupt
muss man immer sich vorhalten, dass nie mehr gefabelt
wurde, als im MA. und oft gerade da, wo reine erfindung
offenkundig ist, die ernsthaftesten Versicherungen der Ver-
fasser, ganz objectiv nur die vorläge abzuschreiben, von ihnen
dem gläubigen leser aufgetischt werden, ist es notwendig,
dass wir die grossen geister der französischen literaturge-
schichte, denen sich alle späteren willig unterordnen, ent-
gegen dem, wofür die quellen sprechen, jedweder eigenen
phantasietätigkeit verlustig erklären, und alles wirklich be-
deutende von sehr hypothetischen Vorläufern tun lassen, die
dann nur abgeschrieben zu werden brauchten?
was die Pereevalsage anlangt, so dürfte Chrestien der-
jenige gewesen sein, der zuerst aus umlaufenden volkstüm-
lichen Sagenelementen, die ihm in irgend welcher für uns
nicht mehr erkenntlichen weise zukamen, die geschichte vom
thörichten ritterlichen beiden, welcher den gral sucht, ge-
schaffen hat. zu gründe liegt der Pereevalsage nach Foersters
1) vgl. meinen artikel «Perceval und der gral* in der beilage
zur allgemeinen zeitung vom 30. Juli 1890 nr. 209.
0-ilther: ChrfHiri
r drl i/raal.
217
iffenilem urteil in iler haupbuühe die er^ählung von einem in
einsamkeii erzogenen, völlig unerfahrenen und unge-
rehiclcten jfinj^ling, der in die weit auszieht, und durch
innere tiicbtigkeit und ({lückliche umstünde ein grus§er hetd
wird, der stoff an nnd filr sich zeigt keinerlei Zusammenhang
'. keltischer siigenllherlieferung, er kann Ghrestien ebenso
von anderswoher zu^fekommen sein. Chrestien brachte
ä Ijeachifhte in Verbindung mit Artus und seinen
helden, und verwob den geheimnisevollen gral dazu hinein,
da« allee zusammen hat aber wahrscheinlich er§t er aetber
ina leben gernfen. gegen eine solche auffussung spreclien die
erhaltenen literatunlenkmäler, soviel ich sehe, nicht; wol aber
dafltr. und warum soll Chrestien von Troyes, der berühmte
und gewandte dichter, welcher doch mindestenB als der lite-
rarische Schöpfer mehrerer Artuaepeu gelten muss, indem er
sie formell zu den poetischen idealen der ritterlich - höfischen
gesellschall erhob, nicht auch in bezug auf deren stoff
und inbalt schSpferisch tätig gewesen sein? dass von ihm
wenigstens alles abhängt, was die literatur von Perceval weiss,
el welchem voJke urspröngüch das eigantumsrecht auf
renmärcheu zukommt, welches an diesen ritterlichen
mit rein französischem tiameu und daher auch in dieser
hestiinmten gestalt von rein französischer ertindung geknüpft
worden ist, sollte hier nachzuweisen versucht und damit gegen
ijjfle unstatthafte benützung späterer (juellen Verwahrung ein-
, werden.
' H«fr Unger hatte einen Aufsatz eingesandt:
,Die Ä bfassunga7.eit des ägyptischen Pest-
kalenders*.
[ Derselbe wird in den .Abhandlungen* veriilTentlicht.
218
Herr Simons feld hielt einen Vortrag:
, Beiträge zum päpstlichen Kanzleiwesen im
Mittelalter und zur deutschen Geschichte
im 14. Jahrhundert*.
Als ich im Herbst vorigen Jahres (1889) mich wegen
einiger, für die ,Monumenta Gennaniae historica^ nachträg-
lich vorzunehmender Arbeiten in Bologna aufhielt, glaubte
ich die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen zu sollen, in
der dortigen Bibliothek des Gollegio Hispanico nach jener
Handschrift des päpstlichen Kanzleibuches ,Iiber cancellariae^
zu suchen, die einst Merkel benutzt hatte*) und auf welche ich
selbst (bei meinen Vorlesungen über Diplomatik) durch Bress-
lau's Handbuch der Urkundenlehre*) aufmerksam gemacht
worden war. Ich sage: , suchen*; denn Merkel hat die Hand-
schrift nicht näher bezeichnet; jedoch auf Grund der Angaben
Bethmann's in seinem italienischen Reisebericht*) war mit
gutem Grund zu vermuthen, dass es die zu Bethmann's Zeit
unter No. 275 aufgeführte sein werde. Nur der nachdrück-
lichen, gewichtigen Empfehlung meines Freundes Carlo Mala-
gola, des auch bei uns in Deutschland wohl bekannten und
1) cf. Archivio Storico Italiano Append. tora. V. p. 129ff.: , Docu-
menta aliquot quae ad Homani pontificis notarios et curiales pertinent' .
2) Bd. I. S. 264.
3) Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde
Bd. XII S. 579.
nnffU: B4Ur. tum pl/ul/. Kuiuleia-esen int Mittflallrr. 210
um die Gescbichte Her Uiiiventität Bologim hochverdienten
Direktors ries St-aatearcfaiva in Bnlognn, habe ich es zn daokeD,
daas ich so rasch zum Ziele geliin^te. Kr bespruch sich
selbst mit dem Ketture des Uollegio, dein Kobil Uomo Comtu.
Don UiuKepiie Maria Yrazoqui y Miranda, einem Neffen zu-
fällig des8elben Rettore, welcher Merkel die Erlaabuiss zur Be-
nutzung der Bibliothek er t heilt hittte, und ebnete die Scliwien'g-
k»ten, die sich leicht iiiiä der w^itweilijjen Abw^enheit des
Rettore wnd meiner kurx bemessenen Zeit ergeben hätten.
Da die üandächrift in der Uibliuthek nicht eoglek-h gefun-
den ward, wurde es mir (selljst erlaubt, an einem Sonntag
nach derselben zu suchen und, als ich sie ge-
sie nach meinem Belieben zu benutzen. So habe ich
) Ton Bresslau gewünschte nähere Prüfung und Vergleich-
der Handachrift mit dem von Georg Erler veröffent-
iiie.a ,Liber Oancelliiriae' vom Jahre 1380 (ausserhalb der
igen Bibliiithek^zeit) vornehmen können und deren Er-
• will ich zunächst hier mittheilen.
I Der Codex No. 275 ist eine massig grosse Pergamont-
Idschrift von 55 Blatt (0,23:0,32) und gehört der Schrift
nach, wie ich glaube, noch gut dem 13. Jahrhundert an, ist
jfldenfalls älter, als dti; von Erler edirl« Pariser Handschrift.
I.üm vorerst summarisch den Inhalt anzugeben, so beginnt
^pag. 1—20 mit dem .Proviticiale', einem Verzeichnis be-
mtlieh eämmtlicher Bischofssitze und KardinaUtitel, dem
mtlioben Vorläufer und Grundstock des Eanzleibuches
r cancellariae).
Em folgen p. 2] — 81 Privilegien, p. 82— 85 mehrere
Stücke d«s Lyoner Konzil vom Jubre 1241 betreffend; p. 86
büt BS sind leer; p. 89 — 101? enthalten die Merkel'schen
sUgL', woliei zu erwähnen, dass p. 89—90 falsch einge-
a sind zwischen p, 100 und 101 und p, 95 — 96 leer sind.
Der ganzen Handschrift ist vorne ein Inhaltsverzeichnis
I späterer Hand eingeheftet, worin gesagt winl, da^s das
220 Sitzung der historischen Clcutse vom 7. Juni 1890,
,Proyinciale^ yermuthlich von einem Arcfaidiakon in Bologna
Namens Tancredus verfasst sei, der um 1220 ein solches ver-
öffentlicht habe ^). Gegen diese Annahme hat sich schon Fan-
tuzzi in seineu ,Notizie degli Scrittori Bolognesi^*) ausge-
sprochen, wobei er bemerkt, dass zuerst Panciroli dieselbe
aufgestellt habe. —
Abgesehen von den mancherlei Varianten, welche unsere
Handschrift gegenüber dem bei Erler veröffentlichten T^zt
bietet, ist zu diesem ersten wichtigen Stück zu bemerken,
dass alle die Sätze fehlen, welche in der Pariser Handschrift
Nachrichten von Errichtung von Bisthümem etc. aus dem
Anfang des 14. Jahrhunderts durch Bonifaz VlIL, Cle-
mens V. und Johann XXII. enthalten, so S. 25, 27, 29, 30, 42.
Es fohlen dann aber auch insbesondere noch die Angaben
über die Creirung des Erzbisthums Riga durch Alexander IV.
1255 ^), über den Archiepiscopatus Ispalensis mit seinen Di-
özesen, der 1248 errichtet wurde*); es fehlt der Episcopatus
Naulensis (Noli) im Erzbisthum Genua, geschaffen 1239*),
endlich das Bisthum Satrensis alias Sitrensis (Sitia, Cytaeum)
auf Kreta, errichtet 1225®). Damit wäre die Zeit der Ver-
abfassung des Provinciale in der Form, wie es in dieser unserer
Handschrift überliefert ist, in die Zeit vor 1225, also in das
erste Viertel des 13. Jahrhunderts, hinaufgerückt — wie
Erler ganz richtig in dem Vorwort vermuthet hat'').
1) »Tancredus Bononiae Archidiaconus circiter an. 1220 edidit pro-
rinciale . . . unde auspicor esse opus Tancredi, quod continetur in
hoc codice*.
2) 1790 t. VIII. p. 80.
3) Erler, Vorrede S. XVH und S. 27.
4) Erler, Vorrede S. XVII und S. 31.
5) Erler a. a. 0. und S. 23.
6) Erler ebda, und S. 42.
7) S. XVIII. ,Die erste Zusammenstellung des Provinciale muss
vor der Mitte des 18. Jahrhunderts stattgefunden haben.
VHMftlil: Btilr. iiini jiäiMl. Knmleitrrgm im Milltlalt'r. 231
fWa« dann die
'ilegieu anlangt,
miut Erler
[dass die Sftnimiiing derselben (wie sie in der Pariser
Jirift vorli^t) im Beginn von Innocenz IV, PoatiSkat
(124^ — 1254) ahgefnsHt worden sei, indem der Wortlaut der
in den Liber cnncellanne uufgenommeuen Privilegien immer
mit, dem vom lunoeeiiz IV. gewählten Wortlaut Übereinstimme
Dod Über diesen hinan» die Aenderungen an den von früheren
Piipsten verliehenen Privilegien nirgends hiniiusgiugen. Da-
gegen möchte ich ä>ier darauf aufmerksam machen, daas aich
doch auch schon von Clement IV, (12(15—1268) im Text und
nidit nnter den Nuchträgen ein Privileg für den Templer-
orden') vum !tl. Mai 1265 ündet, ohne dass etwa gesagt
wÜre, daKS ee von späterer Hand /.ugesetzt sei. Dieses Do-
kument fehlt in der Bologneser Handschrift und ebenso das
?on Innocenz IV. am 21. .\pril 1244 für die Minoriten er-
lasMine Privileg. *) Hingegen enthält unsere Bologneser Hand-
scbrifl folgende (undatirte) Stücke, welche in der Pariser
Handschrift und bei Erler nicht stehen:')
1) pag. 42 Privileg für dieÄebtedesCist«r/.ienserordens:*)
Archiepiscopia etc. Dilecti tilii Äbbas*) Cist. einsque coabbates
et conventns uiiiversus Cist. ord. suani ad nos querimoniam
distinatur schliesst: oporteat aliter providere (von Urban IV.
5. Mai 1262 V Potthast 1829H).
2) ebda. : Äbbuti Cist. eiusque coabbatibus . . , Cum a nobis
[titur etc. usque effectum. Ex parte dquidem vestra . . . quod
L8 vestre' ; Pottbaat Regesta Pnntif. Roman,
oi in Chrieto ainc«riori' : Pottluut Reg.
J &lerS.96. .Devotio
3) ErLer p. 119. ,Qa(
Pont. N. 1IS13.
8) l>ie Zeitbeatimmniig, die ich erat hier mit HUll'e van Denri-
t, etc. ord. CistertiengiB (1630) versacbec konnte, ist wegen
r feienden Wnrtlantes der Stücke eine nnDJubere.
,6n S, 7S vor: Ahb&ti Ciateroti.
i Alibalii.
222 Sitzung der hiatorisdhen Glosse vom 7. Juni 1890,
licet ordini vestro ... et constitutionis. Si quis antem etc. (von
Innocenz IV. 28. April 1255 ? Potthast 11640).
3) p. 43. Eisdem. Cum — usque efiPectum ... Ex parte -—
qnod nonnulli ecclesiarum prelati vestris libert. invid. —
fuerint promulgate. Si quis. (von Innoncenz IV. 28. April
1245 ? Potthast 11641).
4) p. 43. Eisdem. Thesauro yiH;utum sicut . . . semper
salvo. NuUi (von Innocenz IV. 2. Mai 1245 ? Potthast 11646)
5) p. 44. Eisdem. Meritis vestre religionis — duximns
statuendum. Nulli (von Innocenz IV. 18. Auj^ust 1246 ? Pott-
hast 12254).
6) p. 44. Eisdem. Dolet annueri etc. usque impertiri. Ea
propter dilecti — prontivio (?) communivimus (?) Nulli (von ?)
7) p. 44. Eisdem. Justis petentium etc. usque complere.
Ea propter — percipere valeatis. Nulli (von Innocenz IV.
5. Mai 1249 ? Potthast 13324).
8) p. 44. Eisdem abbatibus .... Cist. ord. Ne tran-
quillitas ordinis vestri — hactenus terminare. (von ?).
9) p. 48 — 53. Privileg fiir den Cisterzienserorden: ^) Re-
formatio ordinis Cist. facta per dominum dementem papam
Ijjjtum qyg dicitur Clementina. Parvus fons qui crevit —
singulis recitari (von Clemens IV. 9. Juni 1265 Potthast 19185).
10) pag. 72—77 Privileg für den Predigerorden*): Pri-
1) Bei Erler einzureihen S. 83 vor : Archiepiscopis.
2) Einzureihen bei Erler S. 117 vor: .Generali ministro'. Im
Anachluss hieran bemerke ich noch, dass in dem Inhaltsverzeich-
niss bei Erler Vorwort p. XII zwischen dem Privileg: Cum pau-
pertatem etc. und Cum universis etc. noch nachzutragen ist: Cum
tamquam veri für die Predigermönche aus S. 108, da in ß. dieses
Stück mit eigener Ueberschrift , Eisdem' aufgeführt ist; femer dass
)). XIII statt Non attendentes: Nos att. zu lesen ist (cf. S. 123) und
daher hinter das folgende Non solum zu setzen ist; endlich dass
p. XIV Quo V08 etc. nicht „für dieselben* sondern „für die Minoriten*
(S. 119) zu setzen ist und dass ebda. „ Keligiosam vitam für die Cister-
zienserinnen S. 59** einzuschieben ist.
Hgfeld: Rtilr. .■um ffifistt. KanilrW'rarn im MitlrliilUr. 223
vilegium fratrum predicatorum. Virtnte conspionos — con-
tigerit promul^iire penitus non tenere .... Dutani Penisü
tertio Non. .Innii pcmtificatus uoatri anno primo (von Cle-
mens IV. 3. Juni 12fir. Potthast 19175).
D*nmHch liGrft« iliesp Smumlunff von PriTilegien nicht
frUbiT als in die zweite Hälfte des 13. Jahrh. zu setxen sein.
Was dann drittens die Stücke zur (lesehichte des Lyoner
KiinxilM vnn 1245 betrifft, so liat die Vergleichiing mit Erler
(8. 130) ergeben, dasH sie nicht mit den in der Pariser Hand-
sictirift Überlieferten .Constitution es alique facte in concitio
Hagdunen.«!' Uliereinstinmien. Vielmehr steht hier p. 82 eu-
k'^e Einladang des Papste« Innocenz lY. zum Konzil:
B^nocentiiis eto. archiepiscopo. Dei virtua et dei sapientia
IHbus Je»us Gbristiis cuius ineffabili — initnigere non post-
ponas. Dat. Lugd.etc. Dazu am Band: MandatiirMetropnlitanis
qwod reniast ad concüium et eitent aiiffraganeos et eorum
cap(itiiluni) ad illnd.
Hierauf folgt p. 83 — 85 der Bericht Über das Konzil
seibat: Anno doniini niill. OCzLv cum Innocentius papa INI
ad parte« Qullie prupter roulta pericula (jiie imminebant ge-
nerali ecclesie.. .. circa C et L sigilla ipsi sententie fnerunt
Es ist Übrigens diese Hand.schrift hiefiir bereits vnn
bentitxt worden, der in seiner Conciliornm NoTorum
') gerade aus ihr Varianten mitgetheilt hat.
s endlich die Merfcel'schen .Auszüge anlangt, so
werde ich /.m-rst im Änächlnss an die Reihenfolge der Stücke
bei Erler die daran von Bresaliiu *) aufgeworfenen Fragen und
raifel, ob dies und jenes Stüiik auch in der Bologneser
ihrift (= B) vorhanden, beantworten.
ierä. 19. Captaciones.'^pecialcslocosalutacioiiis fehlen.
Irler S. 130. Verfügungen Innocenz IV. im Konzil von
, üben.
I lOTo. XXUl col, 610. J) a
O. Bd. I, S. 26411.
224 Sitzung der historisi^n Claaae vom 7, Juni 1890.
Erler S. 154. Forma dandi pallium ist auch in B über-
liefert und zwar in einer Form, welche auf den ersten An-
blick die HofiPnung erweckt, damit einen Anhaltspunkt fßr
eine genauere Datirung zu gewinnen. Die ,Forma jnramenti^
beginnt nämlich in B (pag. 104) folgendennassen: ,Ego B
archiepiscopus Taracon (ensi8)\ während bei Erler kein
Name überliefert ist. Aber die Freude zerrinnt, wenn man
aus Gams, Series episcoporum ersieht, dass es im 13. Jahr-
hundert nicht weniger als drei Erzbischöfe von Taracon ge-
geben hat, welche mit B beginnen : 1) zwischen 1233 und
1238 Berengar de Palao. 2) 1251—1268 Benedict de Roca-
berti. 3) 1272—1287 Bernard de Olivella. Da später in
den Formeln dieses Theiles der Handschrift bereits Papst Nico-
laus III. (1278) erwähnt ist, wird man sich wohl für den
letzten Bemard de Olivella entscheiden müssen.
Erler S. 171 ,Quedam constitutiones iuxta officium scrip-
torie literarum apostolicarum more antiquo^ fehlen wirklich
nicht. Ferner ist die Bemerkung Bresslau's I, 257, letzte
Zeile von unten, dass nur No. IX der MerkePschen Stöcke in
B enthalten sei (daraus entstamme), dahin zu ergänzen, dass
auch No. VIII (Merkel p. 146) aus B entnommen ist.
Indem ich nun die wirkliche Reihenfolge der MerkeP-
schen Stücke, wie sie in der Handschrift sich findet, mittheile,
will ich zugleich jeweils die Varianten und Verbesserungen
anführen, die sich mir bei Vergleichung der Handschrift mit
dem Text bei Merkel ergeben haben.
Zuerst ist demnach aufzuführen Merkel No. V (S. 142 ff.):
in der Handschrift p. 89 — 90 (fälschlich, wie oben erwähnt,
zwischen p. 100 und 101 eingebunden).
S. 142 Absatz 3 ist zu lesen: pictantiis statt pietantiis.
, 4: episcopo »eu quocunque; cancellaria statt cancellario.
^ 5: si procuratio sit pecuniaria st. necessaria.
y, 8: peccunia, que comunicari st. quod.
S. 143 ^ 13: conscientia st. conscentia (^ebenso Abs. 14); similiter
fit st. sit.
Simonsfeld: Beitr. zum päpstl. Kamleiweaen im MitteHaiter, 225
S. 148 Absatz 21 : Item dari de dictis enxeniis.
S. 144 , 24: annuatim a vicecancellario.
Bis folgt in der Hdschr. p. 91 Merkel No. I. Hier ist:
S. 185 Absatz 2 zu lesen: assumebantur st. assumebatur.
S. 136 a 8: babundanter st. habundantes.
Dann p. 92—93 Merkel No. II:
S. 136 Absatz 4 : et si forte st. sorte.
S. 138 , 18: spetialiter st. spetiali.
« 19: sibi st. ibi.
, 24: enxennia babundanter st. enxenia habnndantia.
Es folgt p. 94 Merkel No. III:
S. 139 Abs. 1 sind nach dem erstmaligen ,XVIII panes^
die ,VI cacie vini' zu streichen (die Merkel oder sein Ab-
schreiber falschlich, durch das spätere nachfolgende gleich-
lautende panes irregeführt, hinaufgesetzt hat) — wonach die
Zahlenangaben, deren Richtigkeit Merkel mit Recht be-
zweifelte, vortrefflich zusammenstimmen.^)
Abs. 3 ist a panataria, wie schon Merkel vermuthet hat,
st. appanataria in der Hdschr. deutlich überliefert.
Abs. 8 ist zu lesen: dividuntur st. dividitur.
Da pag. 95 — 96 (cf. oben) leer sind, folgt p. 97 — 101
Merkel No. IV ^) : hie sunt littere, que solent dari sine lectione
et transeunt per audientiam (1278 unter Nicolaus III).
Die Kürze der Zeit gestattete es mir leider nicht, hin-
sichtlich der Reihenfolge der einzelnen Sätze, die von der bei
Erler stark abweicht, genauere Notizen zu machen; und
da ich an einen neuen , Textabdruck mit Benützung aller
Handschriften und brauchbarem kritischen Apparat*, wie ihn
Bresslau als dringend wünschenswert bezeichnet,^) nicht denken
konnte, glaubte ich auf eine Textvergleichung mich be-
schranken zu dürfen. Inzwischen hat Ottenthai aus dem
litterarischen Nachlasse Diekamps (den das Institut für
österreichische Geschichtsforschung angekauft) über eine von
diesem aus den Codd. Vat. 3039, 3040 und dem Cod. IV,
1) cf. Erler S. 189. 2) Erler S. 140—147. 8) Handbuch 1, 266.
22n Sitzung der Mstorisehen Glosse vom 7. Juni 1890,
30 der Marciana in Venedig angefertigte Copie dieser Stücke
Mittheilung gemacht,^) zu welcher ich aus der Bologneser
Handschrift Folgendes ergänzen kann.
Die Absätze Diekamps 23, 27 stehen auch in B und
zwar pag. 99 (als Ergänzung zu Erler pag. 145 unten am
Schluss nach ^Invocato etc.**) mit folgendem Wortlaut: Item
quod parrochiani ecciesiarum conipellantur solvere decimas de
proventibus terrarum, vinearum, ortorum et aliorum bonorum
que habent infra (T) parrochias illarum. De qua quidem
forma dominus Clemens papa ini"* (fehlt bei Diekamp)
ammoneri ') fecit de fructibus arborum, leguminibus, ovis et
puUis ac iumentis (Diekamp. minutis).') Hierauf folgt so-
gleich der Passus: Item solet scribi diocesano quod
Judeos comppellat ferre habitum quo distinguantur
a Christianis, den ich weder bei Erler noch bei Diekamp
finde. Hierauf sogleich (Diekamp 27, von Ottenthal nach
Erler S. 142 Item post arreptum eingereiht):
Item solet dari post iter arreptum (Diekamp: quasi
similis) pro redeuntibus de partibus transmarinis que vocatur:
cum (ö) in sacro. Non detur (st. dentur) nisi melius (Die-
kamp: nisi prius melius) discutiatur.
Diekamp 42: Similiter contra rectores und 65: Item si
prelati fehlen nach meinen Aufzeichnungen in B.
Von einzelnen Varianten zu diesen Stücken theile ich
noch folgende aus B (und der erwähnten Venetianer Hand-
schrift) mit:
Erler S. 142 Z. 10 v. o. nubentium st. inhibentium (= Diekamp).
, Z. 21 monitori st. incantori (= Diek.)
S. 143 Z. 18 V. 0. vel usurarios st. et us.
1) Mittheitungen des Instituts för Österreich. Geschichtsforschung
Bd. ]X. S. Ü79 u. ff.
2) Hdschr. ammoueri?
3j Hdschr. lumtis.
Simonsfdd: Beitr, zum päpstl. Kanzleiwesen im Mittelalter. 227
S. 144 die Aufschrift : lila in virtote obedientie legantur steht hier
vor dem yorausgehenden Absatz: Item dantur — socios.
, Z. 13 y. Q. aliquando (aliqn) st. alioquin.
Z. 8 y. u. affirmatione st. confirmatione.
S. 145 Z. 15 y. o. notarios st. notarium.
Z. 26 y. o. satisfatiant st. satisfecerint «= Cod. Yenetus.
Z. 9 y. u. contra eam st. eum =■ Yen
Z. 7 y. u. nisi contra leges st. et = Y; st. leges vielleicht
Reges (undeutlich); vor legatur Strichpunkt.
Z. 6 y. u. petitur st. publicatur = V.
Z. 8 y. u. seu recedentes st. et rec. = Y.
Z. 1 y. n. mandantur st. mandatur = Y.
S. 146 Z. 7 y. o. notarios st. notarium.
Z. 8 y. o. ordinariis st. ordinario.
Z. 9 y. o. dyoces (anis?)
Z. 11 y. 0. faciant observari Cod. Y. st. fieiciat ministrari.
Z. 20 y. o. residere in eis compellant = Y.
Z. 26 y. o. non permittant st. permittat = Y.
Z. 29 y. o. in concilio est taxatum = Y.
Z. 81 y. o, inveniuntur st. innoyantur = Y.
Z. 34 y. o. quam st. qua = Y.
S. 147 Z. 4 y. o. creditores st. creditorum = Y.
Z. 5 y. 0. petitione st. pensione.
Z. 12 y. 0. per co (con.) et yoc. (st. yec).
Z. 16 y. u. super portionibus debitis st. possessionibus, debitis
um wieder zur Beschreibung unserer Handschrift zurück-
zukehren, ^) so folgt, da auch pag. 102 leer ist, p. 103 Merkel
No. VI (S. 144), wo Z. 3 clericos religiosos et laicos und
Z. 8 y. u. acceptantes st. accettantes zu lesen ist; dann
p. 103 Merkel No. VII. ffierauf folgt: p. 104 Forma
dandi palleum = Erler S. 154 — 155 ohne die üeberschrifben,
welche fehlen und mit folgenden Differenzen:
Erler S. 155. Ego B"» arch. Taracon*)ab hora (ohne hac).
Z. 5. aut membrum st. menbra. Z. 8 non pandam st. nemini.
Z. 15 archiepiscopatus st. episc.
Daran schliessen sich p. 105—106 Merkel No.VIIl (S. 146)
wo Z. 3 de tota procuratione zu lesen st. de sola proc. und
1) cf. oben S. 225. 2) cf. oben S. 214.
228 Süzung der historischen Claase vom 7. Juni 1890,
Merkel No. IX wo S. 146 Z. 1 v. unten etiam in diversis,
S. 147 Z. 6 y. o. nisi forte sit st. sibi zu lesen.
Endlich folgt noch p. 106 — 107 in der Handschrift die
Sanctio Friderici pro eccles. libert. = Erler S. 149 — 152
und p. 108 die Gonstitutiones contra exactionatores cleri-
corum etc. = Erler S. 152 — 154.
In Venedig habe ich dann auf der nämlichen Reise
noch die beiden Handschriften der Markusbibliothek genauer
untersucht, auf welche gleichfalls Bresslau in seinem «Hand-
buch der ürkundenlehre" ^ hingewiesen hat: Gl. IV lat.
No. 30 und 118. um mit der letzteren (s. XIV chart. gr. 4®)
zu beginnen, über welche weniger zu bemerken ist, so hat
Bresslau sie richtig gekennzeichnet, wenn er sagt, dass sie
»für den Gebrauch von Notaren bestimmt war, mit der päpst-
lichen Kanzlei aber keinen Zusammenhang hat*. Ihren In-
halt hat übrigens Valentin elli in seiner „Bililiotheca Ma-
nuscripta ad S. Marci Venetiarum" *) ausführlicher raitgetheilt.
Was die andere Handschrift, den mehrerwähnten Cod. IV,
30 betrifft, so bemerke ich zunächst, dass dieselbe eine
Pergamenthandsehrift in kl. 4® mit 83 Blättern ist, der Schrift
nach entweder noch dem Ende des 14. oder dem Anfang
des 15. Jahrhunderts angehört und folgende Ueberschrift
trägt: ,Formulariuni et stilus scriptorum Romane curie de
Omnibus que spectant ad officium scriptorum', wozu eine spätere
Hand noch übergeschrieben hat: ,Formularium scribendi buUas'.
Ich werde nachher^) den Inhalt der Handschrift im Detail
mittheilen und hebe hier nur das daraus hervor, was zur
Charakterisirung derselben dienen kann.
Im Allgemeinen ist richtig, wenn Bresslau bemerkt, dass
der Codex , theoretische Anweisungen für die Abfassung und
1) I, 638. 2) tom. I. pars 2 pag. 283. 3) s. Beilage I.
infelä: Beitr. fiim fäp.tit. SaniUiwfsr« im MitUlallrr. 229
die graphische Auitstattiing vod Papsturlninden enthalt«, die
durch eingeschobene Formulare sowohl solche flir ganze Dr-
kundeu, wie namentlich fOr eiuzelue Urkniidentheüe, z. B.
A^rroDgen, Snliitutionen, gewisse Seh Itissfor mein (clausuloe)
näher erläutert seien, ' Nur Qberwiegen bei weitem die ersteren
d. h. die Anweisungen für die Abfassung. Denn ausser gleich
Mit Anfang hnbe ich solche ftir die graphiitcho Ausstattung
von Papsturkunden nicht getiinden.
Leider iüt die erste Seite an mehreren Stellen verblasst
nnd daher nicht gnn» gut leserlich. Die Erörterungen be-
gionen mit der bekannten Scheidung der päpstlichen Bride
in solche, welche mit äeidenachnur (cum serico) und solche,
w«lch« mit Uaufsclinur (cum filo canapis) buIUrt wurden
— ein Unterschied, der seit dem Ende des 12. Jahrhundert«
feststehend und zugleich ein formikler und sachlicher ge-
worden zu sein scheint. ^)
Hier ii^t nur von dem formalen Unterschied dann die
Rrde, indem von der Höhe der Buchstaben bei den ein2<<lnen
Worten, insbesondere beim Namen des l*apst«s und bei der
intitulatio, ferner von der Verwendung grosser Antangsbuch-
stAben, von Ligaturen (bei f und t, c und t) und AbkUrz-
nngi» g«handelt wird, von dunen ,[1 (= pro) p (= per) und
ähnliche, ferner z (^ et) nicht anzuwenden seien. Liniirung
mit Blei und Tinte wird ausdrücklich als unstatthaft und
vorkommt-nden Falles als Verdacht erregend bezeichnet.'!
Daran »chlieast sich ein längerer Passus llber die Da-
tiruagsxeile, wobei über die Tageszahl der Monate, dann Über
Kalendfn, Noneu und Iden mir sonst unbekannte Gedenk-
verae in Gestalt des Cisiojanus vorausgeschickt werden, deren
£rkl&ruiig ungereibt wird.
LAllee Weitere aber, was hierauf folgt, bezieht sich ledig-
f die stilistische Form der Briefe und Buüen etc.
I et BrfMlAD, liundimch I, 9^6.
|«r. BrSMlkU u. a. U. I, 8117 n. 6.
1 f»tki«.-^lk4. u. bliL CL U. 1. ■>'
230 Sitzung der historischen Clasae vom 7. Juni 1890.
Eine besonders grosse Rolle spielen dabei die ,clau8u]ae\
dann Conclusionsformeln und Exceptiones. Dazwischen finden
sich eingeschoben die MerkePschen Stücke (cf. oben) ,Iste
sunt littere que solent dari sine lectioue et transeunt per
audientiam/ Dann folgen Arrengen, Dispositionen, Saluta-
tionen und Privil^en mit vielen Beispielen.
Mit Rücksicht auf diese Zusammenstellung kann meines
Erachtens an ein offizielles Handbuch der Kanzlei nicht ge-
dacht werden; höchstens könnte man von einem offiziösen
Charakter desselben sprechen; vermuthlich aber hat es ein
Scriptor nur zum eigenen Gebrauch angefertigt und für sich
angelegt, der vielleicht ein Deutscher war, da unter den
salutationes sich mehrere für deutsche Scriptores finden.
Am wichtigsten ist nun aber noch die Frage nach der
Abfassungszeit der ganzen Sammlung.
Bresslau meint: die Entstehung der Sammlung werde
noch in die letzten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts zu setzen
sein. Dafür lässt sich aber, soweit ich sehe, nur Folgendes
anführen.
Einmal dass sich hier auch jene Merkerschen , Littere sine
lectione* finden, deren Zusammenstellung c. 1278 erfolgte.
Femer, dass gleich zu Anfang eine intitulatio lautet:
,Carissimo in Christo filio F. illustri Romanorum imperatori
semper Augusto, Iherusalem efc Sicilie regi' — was am na-
türlichsten auf Kaiser Friedrich II. bezogen wird — und die
darauf folgende intitulatio: ,Carissime in Christo filie Johanne
regine Francorum' — die man auf jene Johanna beziehen
kann, welche 1274—1304 Königin von Frankreich war;
vielleicht aber auch auf deren Nachfolgerin von 131(> — 1349.
Derselbe Zweifel erhebt sich bei dem bald darauf er-
wähnten P(hihppus) Francorum rex illuster, wo man ja auch
die Wahl zwischen den verschiedenen Philipps (III. 1270 —
85, IV. — 1314, V. — 1321, VI. 1328—1350) hat. Man
wird aber wohl für den letzten sich zu entscheiden am ge-
SmoHtftld: Btitr. futn /läpstl. Kaiuleiicesen im Mütelulter. 231
neigteäten sein, wenn man hört, dhss unmittelbar vorher
eine intjtaliitio eich ßndet: Kurolo illustri Romiuiorum ini-
peratori aeniper aiignabo ia Christo ülio, die äich nur auf
Kurl IV. 1348 — 1375 beziehen künn. Damit sind wir aber
Tora Ende des l'S. Jahrhunderts schon bedenklich tief in's
14. Jahrhundert hinelnKerUckt und dem entspricht auch, wenn
f{l«teh XU Allfang» bei der Äuspinandersebzung tiber die gra-
fthiBch« Ausstattung der Papstbriefe, insbesondere die Höhe
der Buchstaben, als Beispiel — Bfitiifatius genommen iat,
wss nur der Vlll. 1294 — 1303 oder wahrscheinlicher der
IX. 1389 — 1404 sein kann. Ich s^e wahrscheinlicher der
IX., weil auch die später angefllhrteu Beispiele der späteren
2fät entnommen sind. F. 30 wird auf eine Verordnung des
verewigten Bonifaz VITI. Bezug genommen, f. 35 auf eine
Form fDr die Bestätigung eines Abtes aus der Zeit des
Vicekanzleni Papininian, der diese Würde c. 1302 — 1304
iniie hatte.')
Vollends die bei den .Salutationes' aufgeführten Muster
beziehen sich alte auf eine noch spätere Zeit, auf daa Ende
de« 14. Jahrhunderts. Da linden wir einen Bischof Andreas
von Caorle angeführt, wahrscheinlich Andreas Bun von 1378
— 13!H, einen Kardiualbischof F. von Praeneste, Vicekanzler,
dem daa Amt eines Hcriptor der Kurie verliehen wird; wahr-
scheinlich Francesco Priguano 1385 — 1394. Eine andere iat
gerichtet an Kaiser Johannes von Bjzanit — wohl Johannes
Pajaeologus 1341— 1.391. In einem anderen Formular wird
der erwählte Bischof Jo(hannes) von Camino erwähnt, der
138(1 — 1394 diese W(inle inne hatte, und in demselben Stück
der .römische König' W = Wenzel 1378—1400. Endlich
ganz ent^heidend, wie mir scheint, lautet ein Aktenstück
tVenerahili fratri F. episcupo Castellanu', was Niemand anders
sein kann als Francesco Falier, da gleich darauf derselbe
( erwähnt wird und von ihm gesagt wird, da^s er
I 1, 20».
232 Sitzung der Mstorüchen Claase vom 7, Jwnii 1890,
zuvor Bischof von Modon gewesen sei. Das stimmt eben
nach Garns ^) nur auf diesen Francesco Falier, der am 3. Juli
1391 Bischof von Gastello wurde und bald darauf 27. März
1392 starb. So darf wohl der Schluss daraus gezogen werden,
dass die Sammlung, wie sie jetzt vorliegt, in der Zeit etwa
zwischen (Juli) 1391 und 1394 verfasst wurde. Dass dabei
frühere Stöcke benützt wurden, ist nicht weiter auffallig.
Es ist auch immerhin möglich, dass schon früher eine ähn-
liche Sammlung zum Handgebrauch sozusagen für die Scrip-
tores der päpstlichen Kanzlei existirte. Vielleicht weisen da-
rauf auch einzelne Ausdrücke hin, wie z. B. fol. 35 Nota
provisiones antique. Aber es fehlt uns bis jetzt meines £r-
achtens jede Möglichkeit genauer anzugeben, was eine solche
frühere Sammlung etwa enthalten hätte.
Nach meiner Rückkehr aus Italien habe ich nicht unter-
lassen, unter den Handschriftensch ätzen der hiesigen Hof- und
Staatsbibliothek mit Hülfe unseres gedruckten Kataloges und
der werthvollen Angaben Herrn Geh. Hofrathes v. Roekinger
in seiner Schrift: ^Ueber Formelbticher vom 13. bis zum
16. Jahrhundert als rechtsgeschichtliche Quellen* (München
1855"^ nach ähnlichen Handbüchern der päpstlichen Kanzlei
Umschau zu halten. Leider mit geringem Erfolg.
Abgesehen von dem Chn. 3063, welcher unter meist
kirchen rechtlichen »Sachen den von Erler veröffentlichten ,Stilu3
palatii abbreviatus* Dietrichs von Nieheim enthält*), habe
ich bis jetzt nur einige Handschriften gefunden, welche einen
1) Series episcoporuni.
2) Tch will hiebei eine falsche Lesart Erlers korrigiren : die Hand-
schrift gehörte nicht dem egregius doctor dominus Georiua Dittolf,
Kanzler des Herzogs Wilhelm (wie Erler Vorwort p. XXVII angibt),
sondern dem Georius Drttolf. •
tufrld: Btitr. lum iKipult Kntuhiwtufn im MillrliUtrr. 233
I kleinüD Theil de» Über cancellariae, nämlich das ,Pro-
zum Theil mit den .taxae' der einzelnen Kirchen,
itlialten. über iille einer s]>ät«ren Zeit atige}iören, uU die
Bologuetier Handschrift, uamlich dem 14. bis Anfitng 16. Jahr-
bundoH, und die ich tmten verzeichne.')
Hinnegen wurde ich hiebei aaf ein |>aar andere Porrael-
bUcher der bienigen Hof- und StaatobibUotliek geführt, von
denen namentlich das eine zunächst eine etwas eingehendere
Besprechung verdient. & ist dies die lateinische Hsnd§chnft
Olm. 14313, eine schOne Fergamenthandschrift in kl. fol.
eaec. XIV. 195 Bl., früher dem Emraeraniskloster (in Regens-
burg) gehörig, »Ik ,Formnlarius juris' bezeichnet, der aus
drei .'wlb.itändig p)^^i^i^ten Theilen besteht. Ful. 71' heiest
ee: ,Explicit Formularius processuum et instninicntorum raul-
torum et diversanim formarura'; fol. 134 : ,Gxplicit secunda
pars formularii.' worauf f. 135^136' das Inhaltsverzeichnis
des dritten Theiles folgt , ebenso wie vor dem zweiten Theil
f. 71 — 7S ein Inhalt« venr,eichuis aich tindet, während das-
jenige fflr den ersten Theil fehlt, (vielleicht weggeschnitten
ist.) Die Handschrift iceigt zwei verschiedene Hände, deren
eine bis f. 134 (dem Schiuss des zweiteu TheiJes), die andere
den dritten Theil geschrieben hat, in welchem wich manche
Wiederholungen aus den beiden ersten Theilen finden.*)
Beide Hilade gehören noch gut der ersten Hälfte des 14. Jahr-
) ein. Ißfi Taxae anec. XV:
[ am. 2fiB . -aec. XVl-,
I-Clm. 308 Prorinciale mit vorausgeh enil ein ,liber Taiarum om-
nium i^cdesiarDiB et moniwtenurBm' b. XV. ;
I Cira. 423 über taiarum s. XVh
\ Clm. 9üS Provinciale s. XV.;
S. I.. XIV f. 129 Provinciala.
■ '(ilin. 6741 .Kornia procedecidi' dann /I'uiae' ». XVI Anfang
la. 1606).
■ ea dahin ^eatcllt sein Inueti , ob mit dem Wechsel
l aiicli ein Wechsel der Verfuiser einget.reten iat.
234 Sitzung der histariai^^en Glosse vom 7. Juni 1890,
hunderts an und eben dieser Zeit nun auch die als Formeln
angeführten Dokumente, die einfach zusammengestellt sind
ohne jeden Gommentar, ohne jede theoretische Bemerkung,
aber auch ohne jede sichtbare systematische und sachUche
Ordnung. Zahlen und Daten sind freilich fast alle wegge-
lassen (bis auf ein paar ' Ausnahmen, worauf ich sogleich
zurückkomme); auch die Namen sind vielfach getilgt, aber
deren doch noch genug vorhanden, um erkennen zu lassen, dass
wir es mit einer Sammlung zu thun Laben, die wesentlich
Dokumente aus der Zeit der Päpste Bonifaz VIII. (1294 bis
1303), Benedict XI. (1303—1304), Clemens V. (1305—1314)
und Anfang Johannes XXII. (1316-1334) enthalt.
Aber schwierig scheint es zuerst über den Ursprung
oder die Bestimmung der Sammlung in's Reine zu kommen.
Rockinger^) bemerkt darüber nur: »die drei Formelböcher
zeigen auf den ersten Blick die Bestimmung für geist-
liche Höfe**.
Im ersten Theile finden wir überwiegend Stücke, welche
von päpstlichen ,Executores' ausgefertigt sind: N. N. (hier
meist der Name, wenigstens mit dem Anfangsbuchstaben und
der geistlichen Würde)*) ,executor ad infrascripta' mit Be-
rufung auf päpstliche Schreiben — so dass man fast von
einem Handbuch für solche »executores* sprechen könnte.
Im zweiten Theile kommen zwar auch noch wiederholt
Stücke vor, in denen ein executor auftritt, aber öfter noch
1) a. a. 0. S. 173.
2) darunter z. B. f. \T Magister Nicolaus de Secia, domini pape
scriptor, canonicus Aquensis, executor.
f. 22. Altegradus electus VicentinuSf domini pape notarius et rc-
ferendarius, executor.
f. 29' Magister N. de Fractis, domini pape corrector, canonicus
Patracensis, executor.
f. 38. Jacobus dei gratia . . episcopus , executor seu conservator.
f. 48. Q. miseratione divina episcopus Dunolinensis, executor seu
provisor a sede apostolica deputatus.
tafeld: Brilr tum päimll, Kanilr\wtsen
235
t^reclieineii Procuratores und ProciirnttoiifM, daiiehen »her aiirh
andere WüHentruger und Beamte tler Curie. So bestätigt
fol, 102' ,1. doinini pape ciimerariu§' vom Erzbiachof von
Capua eiuen Tlieil der von diesem (liei seiuer Wahl durth
Johann XXII.) veraprucheneii UeldNumme erhalten zu halwn.')
Fol. 110 wird ein Schema der ,litere testimoniales viceciin-
celUrii dotniiii pape cum insertione literarum domisi pape
iu ipais literia' t^egeben (aus der Zeit de» Vicekanzlera Petnta
Anialdi de Hearuio 11105 — ISOli oder Petrus Bischof von
Palentin in Ciu>tili«<iL 1300—1307*1, worauf folgt; .quando
exemplatur aliquud Mub manu publica' und .SubcHptio notarii.'
■iBald darauf fol^t: ,(jniindo exemplatur aliquod inatru-
iRitn w.a Winra bnlliita cum auctoritate et dvcreto judicis
inarii' und ,Hubscriptio uotarii exeiuplantis';*) ferner
Jnspectio cujuadam inätriimenti publici' ( — nos . . curie camere
doniini pape generalis auditor. Acta sunt hec ATiuione in
hoHpitio habitationiH notre . . . mit Bestätigung eines Notars)
tt. «. w. 8«th»n die letzteren Stticke erwecken die Vermnthiing,
dan mau es vielleicht mit einem Formel buch für Notare zu
tbun haben könnte. Und diese Veruiuthung fand sich dann
bd weiterer Nachforschung bestätigt. Die Hof- und Stoats-
Ll) CC flor. aari ^•>a .inüle flor. nnri pro camera domini [inpB et
j^. aari et XXV anl (idos) Tnr{onen«ea> pro fiunilia ejiudem do-
( pontiflcis nomine comimis aerTitii'.
8) %. Bresslau I, 'UM; das« einer der beiden Oenannteji hier ce-
m«iat i*t, ergibt aich aus dem AnranKsbuctulahen 1*. und dem des
Papaiea C.
3) Im dritten TliHil finden «ich die beiden n&mlioben ätQclce
ni>chinala f. I&6' mit Urui UntrrHdbif de , daxa hier ein ächreiben Cle-
maiu V. jingefQhrt wird, un erster Stelle dngesen von Nicolana IV.
-liS2). [n eine noch frHhere Zni roicht, ein andere« Stßck
p[: fol. 80' .Renunciatio eccle«ie facta in inauibu« episcopl*, dae
Eaat: In noiuin« doinini etv. die ... meniiB aptOBtoliuu aede
pur niorteni ieWaia recordationiH domini Cl lemeotinl papc
- aUu xwixtlivn 29. Nov. li^ und 1. Sept. 1371 zu artzen i<t.
230 SiUung der histofisdien Classe vom 7. Jtitii 1890.
Bibliothek besitzt ^) über ihre Regensbur^er Handschriften (zu
denen ja auch dieser Codex Glm. 14313 gehört) einen sehr
werthvollen, ausführlichen, nach Materien geordneten, hand-
schriftlichen Katalog von Sanftl: Catalogus veterum cod. ms.
ad St. Emmeram 1809. Bei der genaueren Beschreibung dieser
Handschrift, die ich unten mittheile, ^) wird nun (p. 789) auf
die verschiedenen Drucke des ,FonnuIare instrumentorum^ im
15. Jahrh. verwiesen, von denen der vorliegende Codex gänzlich
verschieden sei. In diesen Drucken aber, deren die Staats-
bibliothek mehrere Exemplare unter ihren Incunabeln besitzt,
ist deutlich theils schriftlich theils schon im Titel gesagt,
dass die Sammlung für Notare bestimmt sei. Ein Exemplar
(s. 1. s. a.) trägt aussen die üeberschrift: Formulare Nota-
riorum; ein anderes, gedruckt 1504, heisst: ,Formulare instru-
mentorum nee non ars notariatus cum tabulis subjunctis^
Femer werden in dem SanflFschen Katalog nach unserer Hand-
schrift Clm. 14313 sogleich (als denselben Stoff behandelnd)
die beiden Handschriften Clm. 14328 und 14331 aufgeführt,
welche auch Rockinger bereits*) als Notariats- Formelbücher
gekennzeichnet und beschrieben hat.
Es ist somit unser Formelbuch ein Seitenstöck zu der
oben erwähnten Handschrift der Markus])ibliothek in Venedig
(Cl. IV lat. No. 118), welche näher mit einander zu ver-
gleichen mir augenblicklich und hier die Möglichkeit fehlt.
1) worauf mich Herr Bibliothekar Keinz freundlichst aufmerk-
sam machte.
2) »Complectitur haec collectio formulas instrumentorura execu-
tionis, mutui contrahendi, appellationis , collationis et resif^nationis
beneficiorum, electionis, perceptionis fructuum ecclcsiasticorum, man-
dati procuratorii , aliorumque plurimorum ad forum ecclesiasticum
potiHflimum spectantium et ad finem XIII ac initium XIV «aeouli Bub
KummiH pontificibus Bonifacio VlIL, Benedicto XI et demente V usi-
tatorum*. Daraus im Catalogus codd. latinomm Bibl. He^iae Mona-
censis tom. IV. pars II pag. 167.
8) Ueber FormelbQcher etc. S. 89 und öfters, cf. Register S. 202,
nnfeld: Seilr. lum jMpxtl. K/insUiwei
H Mittelalter. 2!17
Aber so viel dürfte »ich jetstt «cbon mit Sicberheit behaupten
laanen, dans die hiesit^e Handschrift, die Ültere iat, deren
einzelne Httlcke') noch in die Zeit Clemens IV. tmd Nieo-
lans IV. Kiirfickreichen.
Ich ha^w ijereite angedeutet, diiss die vorliegende Forrnel-
SHinmlunf! nicht wie a» viele andtre einen einleitenden theo-
retischen Theil, etwa eine an« dietandi oder summa dictaniinis
HiifweiMt. Nur hin nnd wieder findet sich diiriri eine da-
hin zielende Bemerkung, wo z. B. folgt auf diis .Decreturo
electionia in forma processus et forma ^rutinii compoaiti
per dominum (i-piscopnra) Hostiensem' (fol. 2R) ein AbsatK
(ful. 29) ,De podem', der ao beginnt : ,Hredicta loctim habent,
nbi per forraam comproniissi proceditur vel tibi compromiasarii
sunt de colli;gio; nam nbi e^sent extranei, quod potest fieri,
non oportet quod dieatur vice sua etc. etc.")
'Sonst heiM es nur z. B. f. 75 ,In»tnimentum receptionis
cujusdam canonici auctoritate literarum apostolicamm" und
dann: .Aliud instr. receptionis per capitulnm' etc. oder
fol. 119 .Instrnmentutu niutuj contracti per epiwopnm de
licentia domiui pape' fol. 120 .Super eodem in forma simplici.'
Bixweileii (aber aelten) fehlt jede tTeberschrift Über dem
itheilten Dokuuient.
l'R. oben S. S3fi Anm. 3.
I Pimelbeo Stücke «teheo ancb im lirilt«» (vnn anderer üiatil
b^bCDen) Theil f. 149— U4 mit fulKenden [lelierHcbrirten : .Doc-
trina de alectionibnB edita ab eiiiacofio 0»tien»i — Inatitutio per formam
oonipromiEMi — Defretum eleolionia (lar lormam «cruptinü celebrate —
Itutitotio tu fbnnu acmtinii' nnd mit <}eni Schlua«: Esunsatio ti quid
ID firrdictil inperfectiim ri:'[>eriiitiu' ; QnninriB per preiiicta doctrinn
itätsr (VI, aliqimndo taincii ■eciiuiiuTD foruia« diT^rta* et ciuufi vario"
M moltft alia que CAttidiu poHnant oi-currere oportet fortnam dirti decreti
diveratmode »ariare. — Ho»tituiaia ist der bekannte (-'anonist HenriciiB
tiniiiia (gMt. 35. Okt. 1271) ans Siua, der am 4. Dei. 1261 von
■ IV. xum Kardinal biacbof von Ostia ernannt wurde; ef. äohulie.
tr Qaetlen und Literatur dea kanoniäclien EechUss Bü. 11. S. 123,
238 Sitzung der historisthen Glosse vom 7. Juni 1890.
Wa8 speciell die Notare betrifft, so ündeD sich ausser
mehreren Subscriptiones notarii (besonders fol. 110 — 111) nur
folgende Stücke, die sich auf dieselben beziehen: f. 106:
,Forma quando archiepiscopus auctoritate apostolica concedit
officium tabellionatus — Super eodem^ — f. 106': ,Litera
quando cardinalis concedit off. tab. auct. a post. — Ut in-
vestiat (sc. Bassianus de Aliano, civis Mediolanensis, comes
Palentinus) quendam de offitio tabellionatus^ und hinwiederum
im dritten Theil ebenso mit geringen Differenzen fol. 166
,Quando archyepiscopus auctoritate sibi concessa concedit
officium tabellionatus^ und ,Quando cardinalis in sue legationis
provincia concedit tabellionatus officium'; zuvor aber noch:
f. 165 Jnstrumentum tabellionatus auctoritate imperiali' (von
0. Comes Palatinus de Lomello) — ,Super eodem pro absente*
f. 165 ,Super eodem secundum comitem de Monte Floren.'
Es ist natürlich unmöglich, hier in Kürze den ganzen,
reichen Inhalt der c. 450 Stücke umfassenden Sammlung
wiederzugeben; einige wenige Stücke werden im Anhang
veröffentlicht werden (No. 10 u. ff.): hier will ich nur noch
bemerken, dass die meisten der mitgetheilten Dokumente sich
auf Kirchen Italiens, Frankreichs, Spaniens, nur einige wenige
auf deutsche beziehen.^)
Auffallend ist nun aber, dass am Schluss des dritten Theiles
fol. 174 ( — 195) von derselben Hand geschrieben, wie der
eben vorausgehende dritte Theil, eine Anzahl von Stücken
(c. 130) folgt, welche sich nur auf Salzburger Verhältnisse
beziehen. An ein ,Instrumentum donacionis inter vivos' reiht
sich unmittelbar an : ,Sequitur forma litteraruni secun-
dum stilum curie Saltz(burgensis)'. Wie dies zu erklären
ist, in welchem Zusammenhange dieses Fragment eines Salz-
1) Von besonderem IntereHse nind darunter einige Stücke, welche
flieh auf Geldgeschäfte mit Florentiner Kaufleuten beziehen, von denen
genannt sind : f. 1 die «societas Clarentinorum' f. 6 «societas Maziomm'
f. 59' und 119' «societas de Spinis* oder ,Spinorum*.
MHffrld: Sb.1
tachrii Gfsrhirhtr im H. .lahrh.
239
harter Pormelbucbes mit dpii vurauHt^ebetidQn drei Tlieikn
Mteht, ob etwa ein Salzburger Gektliclier, der zugleicli päpst-
licher Notar wnr, sich das Ganxe anpo^lBf^t, iiiiciidum er viel-
leicht frCiber eine Stellung an der päpstlichen Kurie inne-
^t)hMbt — vtirmug ich nicht anzugeben.
Der Zeit nach gehört dieses Fragment dem nämlichen und
einem wenig spütereu Termin an: gleich das erste Stück
Itvginut mit dem Namen des ErzhJHchofs Friedrich, der von
1316 — 1338 den erzbiiichüf liehen Stuhl von Salzburg iiine
batt«; aber bald darauf linden wir zwei ätlli'ke fol. 175
utid 177, die da« Datum IU25 trugen.') Von diesem En-
bischof sind tast alle übrigen Dokumente, die aber in Ver-
gleich KU den in den beiden vorausgehenden Theilen Uber-
in sowohl OI)erhaupt kürzer sind, als insbesondere weniger
derjenigen enthalten, fdr welche nie bestimmt waren.
•Was aber noch mein besonderes Interesse bei diesem
[ment err^^te, war der limfltand, dass dasselbe ein paar
Dokumente enthält, wckhe l'iir die politische Geschiebte
il«r damaligen Zeil von Interesse sind und auf welche
[leicbzeitig auch bei der Durch-sicht zweier anderer
Ibücher tmserer Staatsbibliothek gestossen war.
ine davon ist die Handschria Clm. 97 chart. kl.
fol. aaec. XV. 15lj Bll., enthaltend ein , Formalare eccle-
siasticum secunduni stilum ecclesiae Friaingensis',*)
Ober dessen reichen Inhalt ich anderwärts') berichten werde,
worunter sich von f. 80 an mehrere Sulzburger Stücke
b«Snd«n.
1) Wahrend im dritten i'heil f. 146' «ich ein Procuratoriutn ife-
DOsI« »3 Hgendum et dufendendum (ohne Nanienl iiiil der .laUreszabl
WH n. f. 171' akh eine l'rolexlntio pro election» arcliippiscopi aas
it dar äediiTaeani', nacb dem Tode CJemena V. (30. April 1S14
1516) findet.
I Kockiofrer u. a. 0. Bfteni citirt.
deni nHohsten Hede der rArchiiBliRchoo Z^itochl
240 SiUung der histarisehen Glosse vom 7. Juni 1890.
Das zweite ist Clm. 1726 f= Cbm. 726) chart. gr. A^
saec. XV. 271 Bll. ,Formularin8 (liber) pro cancellaria
Salisburgensi\ überwiegend Aktenstücke Salzburger Erz-
bischöfe des 13. and 14. Jahrhunderts oder für die Didzese
Salzburg enthaltend (formelhaft zugerichtet und ohne theo-
retische Einleitung).^)
Die Stücke, deren ich eben Erwähnung gethan, gehören
der Zeit eben jenes Erzbischofis Friedrichs von Leibnitz
an (1315 bis 1338), welcher während der Regierungszeit Kaiser
Ludwigs des Baiern eine hervorragende Rolle gespielt hat.
^Ein geborener Oesterreicher, hat er stets ohne Wanken zum
habsburgischen Hause gehalten. ''^) Nachdem er an der
Schiacht bei Mühldorf im Heere Friedrichs des Schönen
Theil genommen, trug er nun auch kein Bedenken, ohne
Verzug die vom Papste Johannes XXII. gegen Ludwig er-
lassenen , Prozesse* zu veröifentlichen und zu verkündigen.
Wir wissen dies sowohl aus Anführungen des Papstes'), als
auch liegt darüber nunmehr ein formliches, von zwei päpst-
lichen Notaren aufgenommenes Protokoll vor vom 30. Mai
1324*) — wofür Erzbischof Friedrich einige Monate später
1) Aus dem sonstigen Inhalte — von f. 164 an sind sehr viele Doku-
mente des ausgehenden 14. Jahrhunderts mit genaueren Daten und
den vollen Namen hinzugefügt worden — hebe ich hervor ein ,Prin-
cipium transumpti et descriptio sigillorum' aus dem Jahre 1391 (f. 179')
und die Jnvocatio auxilii brachii saecularis domini V, (Urbani VI.)
dum in Luceria erat detentus' nebst der .Confessio cardinalium contra
antipapam* — beide aus dem Jahre 1385 — (f. 221—227) welche ich
abgeschrieben habe und später veröifentlichen werde.
2) Müller, C, der Kampf Ludwigs des Baiem mit der römischen
Curie (1879) Bd. I S. 148.
3) s. Oberbayerisches Archiv I, p. 71. no. 41.
4) »Instrumentum publicum* s. Archival. Zeitschr. Bd. V, S. 255,
N. 207; Preger, W., Ueber die Anfönge des kirchenpolitischen Kampfes
unter Ludwig dem Baier. Abhdlgn. d. k. Ak. IIL Cl. XVI Bd. U Abt.
Simitmfeld: Brilr. lur deiiUrhf» Oefchichte im 14. Jnltrh, 241
(am 10. September 1324) von Seite des Papste» eiue Be-
lobiitig erhielt.')
Dazu bieten nun jene Stücke in den Formelbüchern
eini|;(e interessante Krg&nzungeii — die nur leider (wie icli
erat nuch ge)ialtenein Vortrag von Herrn Oberconüistorialratli
l'njf. Dr. Preger belehrt wurde) schon grossen t heil» vor
10 .luhreii von Dr. Frunai Martin Mayer ebenfalls entdeckt
and mitgetfaeilt worden sind. Aus einem hin dahin unbe-
nutzte» Formelhuch der ätudienbibliothek in Salzburg*) hat
ilenelbe unter anderen eben die nämlichen Stficke mit demdasu
nOthigen Cummentare verütfentlicht,') welche ich hier zum
Abdruck bringen wollte! Es umss Anderen ßberlaseeu bleiben,
diesm Fonnelhuth mit den drei obenerwähnten, inabesotidero
niit dem in Clm. 172lj Ilberlieferten (welchee vielleicht eine
Abscbritt dett in Salzbui^ selbst aufbewahrten ist) genauer
sa vergleichen. Hier möchte ich zunächst venteichnen. welche
tjon Mayer abgedruckten Stücke ich auch in den hiesigen
Khriften gefunden;*) es sind:
ri) Mayer No. 1 ^ Clm. 1726 f. 119' (und 110')*);
pi Mayer No. 2 = Clm. 97 f. 111' und Clm. 1726
Irin Erzbischof l'riedrich .dem l'apste die Ver-
N. ITS. lind Rieilur, S,. Vatikiuiid<Hie Akten xur (iescb. Lud-
Itdc Baiem (deren Aash&n^b«)feD zu lienntsBii Herr Olierhililio-
r Rieiler mir tfUtiiifst gmUttotc-) N,37U.
^> Aieh. Z. No. 223, PrHKör 8. 168 N. 178, Kieiler N. 3S9.
P^ Signatur: V 3 H J^
8) .Beitr&ge cur Geschichte dm EnbiBtlium« Siilihurg. II. Deber
itn Formtlbuch aua der Zeit des Erxbi»cliol'a friedriih III. [131S bis
ISSa)' im .Archiv für nit«rreiuhiiube Oescbii-hle' Bd. 62.
AI Wenn irh diesen Tbeil meine» Vortra^ea trntidem liier ver-
fllfüntlirhc, iieHchiebl re beionüerB deshiilb. weil die inxwiachcD be'
kanal ^«wordeDon AJitciDatückedea VatikanlHcfaea Archiv» Hoch manche
(■tgllD«eo<Ie und verbeaBsmdB NoUk gestatten.
6) Kiiu! andere Jr'urma indulgentiarum pro caUi|^ndo uubvidio ad
labhcaiB eccieaie Melrupolitiine' nUbt Clm. 1736 t. l&i= Clm. 14313 f.iai
d^d
242 Siteung der historiichen Classe vom 7, Juni 1890.
kündigung der Bullen mittheilt, von den Gefahren seines
Erzbisthums erzählt und Bitten (betre£& des Pallinms)
vorbringt.* Mayer möchte dieses Stück in die ersten
Monate des Jahres 1324 verlegen, was aber mit Rück-
sicht auf das vorhin erwähnte Protokoll vom 30. Mai
1324 mir als ein zu früher Termin erscheint. Nach der
anderen Seite hin haben wir eine bestimmtere Grenze, die
auch Mayer angibt: Erzbischof Friedrich ersucht in dem
vorliegenden Stücke den Papst zugleich, er möge für ihn
sich bei den Herzögen von Oesterreich-Steiermark und Kämthen
thatkräftig verwenden. Die Antwort darauf liegt in Schrei-
ben des Papstes vom 21. August 1324 vor^), die in der
That in diesem Sinne an die genannten Herzöge gerichtet
sind. — Ebenso haben wir die Antwort des Papstes auf die
von Friedrich betrefis des Palliums vorgetragene Bitte, welche
— nach Riezler — vom 16. August 1324 datirt ist.*) Uebrigens
bittet der Erzbischof nicht, wie Mayer irrig angibt, über-
haupt um die Verleihung des Palliums, sondern um die Er-
laubnis dasselbe auch am Frohnleichnamsfest und an den
Stiftungsfesttagen der ihm untergebenen Kirchen tragen zu
dürfen.»)
3) Mayer No. 3 = Clm. 97 f. UO' und Clm. 1726
f. 110 , worauf ich sogleich zurückkomme.
4) Mayer No. 6 = Clm. 1726 f. 113.
1) 8. Oberbayer. Arch. I, 71 n. 41 und Archiv f. Kunde Osten*.
Geschicbtsquellen XV, 190. n. 15.
2) nicht vom 26. Aug. wie Mayer (a. a. 0. S. 158) in dem Copial-
buch des Salzburger Domkapitels fol. 546 gefunden hat.
3) Es erklärt sich dies aus der bekannten Thataache, dass das
Pallium nur vom Papste allein immer und überall bei der Verrichtung
des MesHopfers getragen werden durfte, von den übrigen Pr&laten
aber nur bei bestimmten Gelegenheiten, (cf. Hinschius, System des
kathol. Kirchenrechts Rd. l, S. 210 und II, 30.) und dass femer das
Frohnleichnamsfest damals erst nicht allzulange vorher (1311) allge-
mein eingeführt worden war.
: Beiir. tut thuUckfn Genchichte im U. JaJtrh. 243
Majer No. 7 = Clin. 97 f. 106 und Clm. 1726
worio EntbJBcliof Friedrich behufB Aufbesserung seiner
bidr&uKten ünanziellen Lage den Fspst nochmais um die
Erlaubnias bittet in seiner Diüzfine für drei Jahre die hiühe»
Aiinal«n erheben zu dürfen — '»on Mayer c. 1325 angesetzt,
aber mit Hi'lcksicht auf die ei^te abechltLgige Antwort des
I'apstea vom 5. September 1326*) in das folgeude lahr 132l>
«rlegen.
i) Mayer N«. 8 = Clm. 1726 f. 127.
Mayer No. 10 = Clm. 1726 f. 116'.
Mayer No. 13 = Clm. 1726 f. 118.
Mayer No. 14 = Clm. 1726 f. 124.»)
Mayer No. 18 ^ Clm. 1726 f. 47 und 80.»)
^eitttiis das in tereesan teste StUc-k hierunter ist das oben
Bub 2) aufgeführte; denn es gibt in sehr drastischer Weise Zeug-
nis von den Schwierigkeiten, mit welchen die Verktlndignng
d«r päpstlichen Pror.esüe getreu Ludwig an manchen Orten ver-
bunden war.*) Wenn ich da^elbe noch etwas genauer durcii-
gebe. geschieht es einmiil deshalb, weil Mayer dasselbe, wie
mir scheint, nicht voll und ganz ausgenützt bat, und dann
weil die Kenntnis desselben filr die weiter daran anzu-
|_|J Arch. Zt.i:h. N. 369. PreRsr AbhdI. 111. Cl. XVn.Bd. I. AU.
I. 286.
) Dar lieht hier in L'lm. 1726 staU (Hn.ver a, a. 0. 3. 194 Z. 4
! VII Idiba* Kebruarii - VIII Ydua Febr.
S) Voo den aoiwt von Hayer angefahrten wichtigereo Stücken habe
tob fmter getnaiiea: I) die Hülle BenedJkU XI über »eine W»li] 13US
tlUyer S. 16i) in Ulm. 1726 f. 133. 2) der Revera Er»b. Friedrich« II.
rJÜe Salabenülitang auf Beruh teagadiaubem lllnind (Hayer S. 1Ö4]
I. 1736 f. 117 (utiUl Sehoizie ^tebt hier richtiger SohrofBs).
iCoininiMio nboolntioiUB a aententin excommunicationis lata
^üce« Baharie' (Mayer S. 178) in Clm. 1726 f. 70' und 106. 4) Die
Kobii^beidiinft dea EIr7,hinrhnrs in der Streitj<at.'he Kwiächen dem Propst
Stepban von Klooterneubiirg und «einem (iegen[irop«t Ulrich (Hajar
'^' " ■ in Clm. 172« f. 12ö'.
Lei Uniler ». ti, 0. I. U».
244 Sitzung der historischen Clasae vom 7, Juni 1890.
knüpfenden Mittheilungen unerlässlich ist. Der Wieder-
abdruck des Stückes aber im Anhang wird sich dadurch
rechtfertigen lassen, dass ich einen etwas verbesserten Text
zu bieten im Stande bin.
Nach einer einleitenden Bemerkung über die Gerechtig-
keit der päpstlichen Prozesse gegen den , Herzog* Ludwig von
Bayern theilt der Erzbischof mit, dass er langst die ersten
Prozesse in seinem Brzbisthum verkündet habe und ebenso
die zweiten gegen Ludwig und die Visconti, obwohl Ludwig
heftig gegen ihn erzürnte. Damach habe dieser eine seiner
Burgen nächtlicher Weile überfallen, deren Wächter er mit
Geld bestochen hatte; habe die Besatzung theils nieder-
gemacht, theils gefangen genommen, und wüthe nun mit
Feuer und Schwert in seiner Diözese, so dass er nicht einmal
in seiner Hauptstadt sich mehr sicher fühle.
In solcher Noth habe er nun die dritten letzten Prozesse
des Papstes erhalten, worin der Herzog aller Rechte, die er
etwa krafb seiner Erwählung zum römischen Könige besessen,
verlustig erklärt worden sei. Auch diese habe er veröffent-
licht und Abschriften davon durch beeidigte Boten (cursores)
seinen Suffraganen übersandt, die sie mit schuldiger Ehr-
erbietung aufgenommen — mit Ausnahme von zwei Bischöfen:
des Freisinger und das Regensburger. Der Freisinger befinde
sich, so viel verlaute, an dem päpstlichen Hofe, und Ludwig
halte durch seinen Vitzthum die Stadt besetzt. Daher habe
der Bote nichts anderes thun können, als die an das Kapitel
addressirten Abschriften der Prozesse auf dem Hauptaltar
der Kathedrale niederlegen.
Der andere Bote fand den Bischof von Regensburg zwar
in seiner Stadt anwesend; aber ehe er zu demselben Zutritt
erlangte, war der Bischof auf und davon nach seiner benach-
barten Burg Stauf.^) Als der Bote ihn dort aufsuchen wollte,
1) Der Nuine dieaer Burfj^ fehlt bei Mayer.
ruifeld: Btitr. tur deutschen Oesdiidtlr im 14. Jahrh.
345
er von den vier bewafihetea Wäcbtero auf seine
ob der Bischof zat^e^en sei, ziiertit eiue auxweicbende
kuEwort. Als sie aber börtea, daiw er Briefe des Erzbiniholä
ron Salzburg bringe, sperrten eie ibn in ein Gem»cb unil
Hchickten ibn am nächsten Mor^^en fort mit dem Bedeuten,
dam er des Todett sei. wenn er mit derartigen Schreiben
betroffen würde — worauf der Bote dieselben schlentiigst in
den nahen f\as» warf.
•r Erzbiachof gesteht daun femer in deiuselbeti Schrei-
daivi Kiicb in vielen anderen 8tä<lten und Gemeinden
rtlicben Prozesse bisher noch oirne Wirkung geblieben
seien. Da werde Ludwig nneh Römischer König genannt
nod als solcher verehrt, das Interdikt mii^icbtet. Gottesdienst
gehalten, dem päpstlichen Ansehen in jeglicher Wei-e Ab-
bruch gethan- Da habe Ludwig in königlichem Üruat ein
Schriftstnck gegen den Papst in lateinischer und dann
iltfut»cher Sprache verlesen lasjsen — eine Appellation, wo-
fern dieser Nauie Kuläsaig und nicht vielmehr die Bezeichnung
.apostotacio' die richtigere sei. Aber gerade durch diese»
SchriflstiiGlc werde nach Gottes Weisheit das Gegentheil von
dem Beal>9ichtigten erhielt. Weil darin so oft der päpst~
liehen Prozesse Erwähnung geschehe, sei die Aufmerlisanikeit
Vieler auf dieeelben gelenkt worden, denen »ie (nach dem
Willen Ludwigs) sonst unbekannt geblieben wären.
rW Erzbischof tbeilt danu weiter noch mit, dass er
anch den Herzogen von Niederlmiern die Prozesse mitge-
tlicilt habe, welche bisher treu zu Ludwig gebulteu hütten,
nun aber in einen Zwist (aliqualeni discordiam) mit demselben
geratben wären, weshalb man den Erfolg der Prozesse erst
noch abwarten mds^te.
Von grosser Wichtigkeit Rlr die päjwtlichB Sache wäre
es, fährt der Er/.binchof fort, wenn die Bettelmönche den
Folge leisten und das Interdikt beachten worden,
TOrüchert er den Papst »einer unwandelbiiren
Mal u. bUI. >;i II. i. IT
24(> Sitzung der hwtoria^n Claase vom 7, Jum 1890.
Treue und Folgsamkeit trotz aller Gefahren, die ihn rings
umgeben.
Ohne Zweifel liegt der Schwerpunkt des hier Mitge-
theilten in den Stellen, welche die Verhältnisse in Freising
und Begensburg betreffen. Man hat früher stets angenommen,
dass der damalige Bischof Nicolaus von Regensburg ein An-
hänger Ludwigs des Baiem war. Insbesondere hat diese
Ansicht auch Müller vertreten unter Hinweis darauf, dass
Nicolaus , schon mehrere Jahre (seit 1320) in heftigem Gon-
flict mit dem Papste lag**^) wegen Differenzen über die
Exemtion des Klosters St. Emmeram von der bischöflichen
Gewalt und Gerichtsbarkeit. Ja, Müller vermuthet sogar in
eben diesem Nicolaus den Mann, der König Ludwig zu seiner
ersten, der Nürnberger Appellation gegen den Papst Jo-
hann XXIL vom 18. Dezember 1323 verleitet hat — wie
in der That dieselbe die Zeugen-Unterschrift des Regens-
burger Bischofs trägt! — Auch Riezler*) hat dieser An-
sicht beigepflichtet, Preger aber ist ihr entgegen getreten.')
Er verweist auf ein von ihm (unter den Reinkens'schen Re-
gesten aus dem Vatikanischen Archiv) mitgetheiltes Akten-
stück*) vom 3. Januar 1325, worin Nicolaus dem Papste
,mit einem Eid betheuerte, dass er seit dem Auftreten des
Papstes wider Ludwig mit diesem keinen Vertrag ein-
gegangen sei, ihm Gunst und Beistand xu leisten oder
ihn als König anzuerkennen"*) — wofür Nicolaus etwas
1) l 73.
2) Geschichte Baiems II, 352 u. 411.
3) üeber die Anfänge etc. Abhdlgn. a. a. 0. S. 145.
4) N. 201 in der Abbdlg. ,,Die Verträge Ludwig« des Baiem mit
Friedrich dem Schönen* in den Abhdlgn. d. Ak. III. Ol. XVII. Bd. 1.
Abth.; Archiv. Ztschr. N. 253.
5) quod cum domino Ludovico, duce Bavurie, postquam gracia
Kedis apostolice caruit, non concordavit pro ipsius beneplacito, pre-
stando nibi favoreni et consilium, nee adheserit ei tanquam regi
Romano nee adherere permiserit vel cogitaverit, nisi priuti recoperet
Bimoiw/eW; Bütr. tut ihutfehtn Qenchichte im 14. JahrH. 247
später unter dem 9. Februar 1^25 vom Papste beglDek-
wQnacht wird,') das« er .den Drohungen und Versuchungen
LudviK* Widerstand geleistet und die Treue gegen den
apnstoliscben Stuhl bewahrt habe.* Preger verweist femer
auf die Stelle in unserem ÄktenatOL-ke , wo Friedrich von
Halüburg schreibt: Die beiden Bischöfe (von Freiving und
Kegensburg) könnten sauinit ihrem Klerus König Ludwig
die grijsste Gefahr ftlr Pernon und Besitz nicht wider-
Preger knmnit eu dem ächlu^e, der Bittchuf Nicolaus
lar gezwungen ein Anbänger Ludwigs gewesen, nnr
Drohungen der rücksichtslos für Ludwig eintretenden
BdrgerHchaß hätten ihn abgehalten, die Prozesse des Pag^tee
in «einer DiCzese zu verkünden, und ihn gezwungen, den
in anzunehmen, als halte er es mit Ludwig,*
Dem ist vor Allem aber vielleicht entgegenzuhalten,
die Unterschrift unter der Nfirnberger Appellation doch
ll in keiner Weise nöthig und aufgezwungen, sondern
vielmehr ein sehr freiwilliger Akt des Re^euMbiirger Bischofs
war, der damit zum Mindesten doch zugleich »eine Zustim-
mung zu dieäeni Schritte dea Kaisers aii.sdriickte. kUnd waa
in nnsereui vorliegenden Aktenstücke von i^em Verhalten
Bischofs Nicolaus erzählt wird, sieht doch eigentlich auch
nicht wie unerfreuliche und unfreiwillige Nachgiebigkeit
gfigen gcllbten Zwang aus, sondern niucbk wiederum im Gegen-
theil Jen Kindruck wohlüberlegten selbständigen Handelns.
Wozu d«nn das Ausweichen nach Donaustaitf vor dem Ge-
ttodten des ErzbischofD? wozu die doch vom Bischof ange-
ordnete hrHske Behandlung und Bedrohung des Boten von
8eit«u dttf Leute des Bischofs ? Nicolaus hätte ja immerhin
fpatinm dkte »edis. Dieses tntereaBUtte Aktenntüi'k r«bU in Riexler'a
.VatücaDiacben Akten*; auch \it bei Pregi-r'Reiukeni« nicht ange-
geben, wo es im Vatik. Archiv sich befindet, ob in einem der
B«Ri«ler))&ad« oder ob es Original.
l) Aichiv. XUuhr. So. 262»; PraKor No, im-, Rioslpr, Valik,
Akb», K». -146.
248 SiUung der historischen Claese vom 7. Juni 1890.
die päpstlichen Prozesse von dem Bevollmächtigten seines
Metropoliten in Empfang nehmen und die Nichtyerkündigung
dann mit der oppositionellen Gesinnung seiner Diözeeanen
entschuldigen können.
Sein Verhalten entspricht, wie mir scheint, demjenigen,
dus er bereits früher einmal eingeschlagen. Als der näm-
liche Erzbischof Friedrich über die niederbaierischen Herzoge
wegen einer Viehsteuer den Bann verhängt hatte, schob
Nicolaus die ihm anbefohlene Verkündigung desselben mit
der Begründung hinaus, dass gerade als er denselben erhalten,
die Entscheidungsschlacht bei Ampfing dazwischen gekommen
sei, und legte Appellation dagegen an den Papst ein^), was
gewiss nicht dazu beigetragen haben wird, zwischen ihm
und dem Erzbischof von Salzburg ein besonders freundschaft-
liches Verhältnis herzustellen. So weicht er auch jetzt in
diplomatisch-kluger Weise einer Entscheidung aus, indem er
für den Boten seines Metropoliten nicht zu sprechen ist!
Diese Auffassung würde noch erheblich an Wahrschein-
lichkeit gewinnen, wenn sich mit Sicherheit nachweisen Hesse,
dass ein ajideres in unserem Formelbuch überliefertes Schrift-
stück auch auf den Regensburger Bischof sich beziehe. Es
ist dies das Dokument, welches wir unten unter No. 2 ver-
öfientlichen, da es bei Mayer fehlt — ob absichtlich oder
weil es in dem von diesem benutzten Salzburger Exemplar
des Formelbuches nicht steht, vermag ich nicht anzugeben.
Es ist ein vom Erzbischof Friedrich (der allerdings nicht
genannt, aber sicher der Schreiber ist, da im Vorhergehenden
öfters zu Anfang sein Name erscheint) an einen seiner Suf-
fraganbischöfe gerichtetes Schreiben, der ihm von seiner und
seiner Diözese schwierigen bedrängten Lage und auch von
der Gefangennahme eines Boten des Metropoliten Mittheilung
gemacht und seine Unschuld an die^sem Vorfall betheuert
1) H. R. Zimflribl, Ludwigs des Baiera Lebensgeschichte (München
1814) p. 164. Urkunde vom 1. Okt. 1322.
JtfrM: Bfilr. tur df«ltrh'.n Gt'chiehtf im 14. ./.ihrft. 249
Dw Erzbischof trö§tet densielben Aber die Notb der
rnit dem Hinwei« auf die eigenen Verluste und erklärt
moli aoi'h tietreÜa der GefunKeiinahme des Boten durch die
eidliuhe Veraicherun« rita Bischofs f(lr befriedigt. Aber, fahrt
er fort, da der Bote die Prozesse de« Papstes gegen den Berzog
Ladwig von Baieru UberbriDgen sollte, so 8ei es angezeigt,
bei dem Papste «elbst sich zn entschuldigen. Denn vor diesem
) die Wahrheit nicht verborgen bleiben können.* Ans
1 Na<:hNatz klingt, wie mich liedünken will, doch eine
^'Hisstratien des Metropoliten gegen den Bischof heraus,
n Name leider fehlt. Aber ich v^flaste keinen, dem da-
nwl» in nhnliohi^r Weirie von Seite des Salzburger Erzbiachofs
hätte begegnet werden können, als eben jenen Nicolana von
istburg.
[Der Mann ist int«resgant genug, wie mir scheint, um
rUrtti« willkommen zu heiasen, die sich auf ihn bezieht
I Tii'lli-icht weiteres Material zn seiner Oeschichte bietet.
Ich theile daher im Anhang (No. 7) noch ein Schriftstück aus
einem der drei oben erwähnten Formelbücher mit, iu welchem
e«in«r Erwähnung geschieht, da daasellie zugleich als Ergänz-
nng «n einem Schreiben des Papstes Johann vom -12. Oktober
IH24 an den Erzbiachof Priedrich dient.') In diesem letzteren
war der ErzbiKchof ermächtigt worden, einen Fälscher jÄpst-
liebtfT Schreiben selbst zu bestrafen. Unser Stück enthält
demgemäfts die Aufforderung (an wen ?), von dem Erzbiscbof
in d)«!wr Angelegenheit erlassene Schreiben dem Btlrger-
meister und Rath von Kegensburg zu Qberantw orten und
den Bischof von Regensburg, der mit der Verhaftung der
UebHthäter — nach unserem Stücke ist es nicht bloss ein
RUscber, sondern sind es deren zwei, und zwar der ehemalige
Rabannes des Schotten ktosters und der ehemalige Prior
Archiv. ZtMhr. No. 23S: PrtiK«», U eher die AnfänK« etc. No. 18-1:
Vatik. Akten No.HtO.
i
250 Sitzung der JUstarisdien Cla$8e vom 7, Juni 1890.
P(aulus oder Petrus) des St. Petersklosters ausserhalb R^ens-
burg — betraut erscheint, aufzufordern, in eigener Person
oder durch einen Stellvertreter vor dem Erzbischof • zu er-
scheinen. Wir wissen nicht, ob diese Angelegenheit in irgend
einem Zusammenhang mit den grossen kirchenpolitischen
Streitigkeiten der Zeit steht: immerhin erscheint aber damals
— also nach dem 12. Oktober 1324 Bischof Nicolaus von
Regensburg als eine Art Vertrauensmann oder ESxekutivbe-
hörde des Salzburger flrzbischofs.
Dass er bestimmt am 3. Januar 1325 sich wenigstens
öffentlich von Ludwig lossagte, ist bereits erwähnt worden,
und mit diesem Datum haben wir zugleich einen Anhalts-
punkt für die Zeit gewonnen, vor welchem unser nicht
datirtes Schriftstück (No. 1), zu dessen Erörterung wir hie-
mit zurückkehren, geschrieben sein muss.
Aber dieser Termin ist noch weiter hinaufzusetzen im
Hinblick auf die Zwistigkeiten zwischen König Ludwig und
seinen niederbaierischen Vettern, deren hier gedacht wird.
Dieselben finden ihre Bestätigung in anderwärtigen spärlichen
Nachrichten, die freilich den Grund und Gegenstand des
Zerwürfnisses auch nicht näher bezeichnen. Wir lesen von
Streitigkeiten, in welche die jungen niederbaierischen Fürsten
im Jahre 1324 mit einander selbst geriethen^), in welche auch
König Ludwig verwickelt worden zu sein scheint, da er mit
dem 16 jährigen Herzog Otto am 7. August 1324 ein Bünd-
nis schloss. Am 4. Oktober 1324 aber erfolgte zu Lands-
hut eine »Vertaidinguug (Schlichtung) der Streitigkeiten
zwischen den drei niederbaierischen Herzögen*.*)
Nach der anderen Seite haben wir einen bestimmten
Termin, vor welchem das Schriftstück nicht geschrieben
sein kann einmal in der Erwähnung der dritten päpstlichen
1) s. Riezler, Gesch. Baiems 11, 390.
2) 8. Quellen und Rrörterun^ifen zur bayerischen und deutschen
(beschichte Bd. VI No. 281 und 282.
mftlH: Britr. lur lUufehrn GeirtfcipAt« im U. Jahrh. 251
reiche Htn II. Juli 1324 erlassen wurden. Aber
e erst mehrere Wochen später ilem Krzbiachof Friedrich
, düftlr spricht ein« andere Erwägung. Der Erzbiacfaol
erxählt, wie wir uns erinnern, von der verrätheriächen Gln-
iitthme einer seiner Burgen durch die Leute Konig Lud-
wig«. Nun i><t freilich wieder kein Name genannt, und viel-
leicht sind damals mehrere Burgen auf diese Weise in die
Gewalt LudwigD gerathen. Aber gemeint ist wobi, wie schon
Majer bemerkt hat, doch nur die Bui^ und Stadt Titt-
roouing an der Salzach, welche Wulfing von Goldeck —
xogieicb Lehetumann König Ludwigs und des Erzbiscbofs —
an Ludwig verrieth.') Und zwar erfolgte die Uel>ergabe
und Eionahme, wie auf Grtiud einer Angabe in alten Sulz-
burger Aniialen lUlgemein angenommen wird, am 22. Au-
gust 1324.») Wenn also Erzbischof Friedrich mit Rücksicht
auf dienen Verlust schreibt, in solcher Noth und Bedrängnis»
habe er die dritten frozesae erhalten, so darf man nicht
«twN, wie man vielleicht geneigt wiire, daraus folgern, die
Binnabaie Tittmonings sei zwischen den zweiten und dritten
3. Mönt und II. Juli 1324) erfolgt, sondern
1 Erzbischof Friedrich die dritten Prozesse erst nach
. August 1324 erhielt und daher auch nicht früher an
I Papst darUl>er Bericht erstatten konnte.
Aus demselben Grunde ist auch jenes (cf. oben S. 248)
mite Rcbriftsttick, in dem gleichfalls des Verlustes der Burg
; gedacht wird, nicht früher anzusetzen als vor
12. A ugust 1324. Ffir unser erstes Dokument würde *ich
1. RietJer II, BB7; Biiübner. Ooschicbte von Bayern V. 360:
pr, Sultbnrgii Landes^ew-hicbl« IIS61) 1^.202.
) CoDlinuittio (<Jor Annale« Saliaburgenieal Canonicotiiiu 9. Riid-
hfertl SaJulmrgeDBJB in den Mon. Germ. 8S. IX, i|i2S: In octava oxsump-
tionii IhwIi^ »irifiais Mariue, hoc siit U kal. Sept., uaFtnun ut oppidum
JB Titmaning tc«dituiii et vendjtam »c auiiwum ei>t per dolum «t
252 Sitzung der hifttarischen Glosse vom 7. Juni 1890.
somit die Zeit zwischen dem 22. August 1324 und dem
4. Oktober 1324 als Termin der Verab&nong ergeben.
Ob derselbe noch etwas eingeengt werden darf mit Rück-
sicht auf die darin erwähnten Verhältnisse in Freising,
wage ich nicht zu entscheiden. Dass Ludwig die Stadt da-
mals durch seinen Vitzthum, vielleicht Heinrich von Gump-
penberg, der als solcher (wenn auch nicht von Freising, so
doch von Oberbaiern), am 16. Oktober 1324 urkundlich er-
wähnt wird^) besetzt hielt, ist meines Wissens sonst nicht
bekannt. — unter dem Bischof, der sich eben, wie Erz-
bischof Friedrich schreibt, an der päpstlichen Curie aufhalte,
kann nur jener Eonrad von Elingenberg gemeint sein,
der zum Bischof von Brixen erwählt war, durch päpstliche
Provision aber nach Freising transferirt wurde. Da aber
das für Ludwig gesinnte Capitel demselben die Anerkennung
versagte und „den bisherigen Eammermeister Heinrich zum
Verwalter des Hochstiftes in Vermögenssachen und zu dessen
Pfleger in weltlichen Sachen* erwählte*), erhielt Erzbischof
Friedrich vom Papst unter dem 10. August 1324 den Auf-
trag, für Konrad einzuschreiten imd dem vom Capitel Ge-
wählten die Bestätigung zu versagen. *) Vom 17. September
1324 datirt nun ein weiteres Schreiben des Papstes an den
„erwählten Bischof Konrad von Freising*,*) worin er den
Zeitpunkt der Consecrirung desselben wegen der bestehenden
Hindernisse bis zum nächsten Michaelifest verlängert und den-
selben ermächtigt, sich von einem beliebigen Bischof weihen
zu lassen.
1) Lanjjf Heffesta Boicii VI, 146.
2) Müller a. a. 0. l, 160.
3) Oberbayer. Archiv 1, 69 no. 37; cf. Deutinger, Beiträge zur
Geschichte des Erzbisthums München-Freisiog 11, 84; warum Mayer
a. a. 0. S. 161 als Datum diesea päpstlichen Schreibens den 23. Au-
gust angibtf weiss ich nicht.
4) Riezler, Vatikanische Akten No. 898.
lonjrfrld: Btitr, lur ileulxchfti fifuchirJtlr
Es frafit HJch, »b niis (!iesem Schreiben des Papates ^e-
schUMem werden darf, ditss KodthiI nicht, melir, witt t« in
iinserem mehrerwähnten SchriftetSck {Nu. 1) hoisst, aa der
püpstlicben Gurte weilt« — in weichem li'alle dusttetbe in die
_Zeit zwischen 22. Angust und 17. September m verlegen
oder ob nicht der Papst das Schreiben an Konrad
i knniite, anch während er noch an seinem Hofe weilte.
Wie wenig Erfolg «her das Einschreiten d«! Pupste» hier
in Freising hatte, wie dem Ktingenb^rger die Anerkennung ver-
nagt Idieb and da^ Capitel utich gegen denselben auflehnte,
hat Muyer ans einem anderen Schriftstfli-ke dargelegt.') Ich
kann ah Grgänzug hieen (Beil. No, 5) ein Stück aus zwei
unserer Form elh Fieber liefern, wornns erhellt, dnss Konrad und
seine Umgebung auch vor persönlichen Thatlichkeiten
nicht verschont blieb, ja so^ar »ein Leben ernstlich gefährdet
sehen miiaate. indem er selbst verwundet, einige seiner Leute
Mogar getAiiet wnrden. Der Eryphinohof Friedrich bwtnftragt
daher einen seiner Suffraganbi^höfe, an seiner Statt gegen
die Ilebelthäter einzuschreiten.
Irrig oder unnöthig, scheint mir, iKt die Annahme Mayers,
daw ein anderer Brief des Ershischof^ an den Papst, den er
nicht wörtlich mittheilt nnd ich daher unten ganz veröffent-
liche (Beil. Nu. Oj. von demselben Bischof Eonrad handle, da
ilarin von einem Bischöfe die Rede sei, der kraft püpät-
licher Provision die bischöfliche Würde erbalten habe, dem
pKpstJichen Stuhle stets gehorsam gewesen sei und ihm, dem
Knbischof, gegen Ludwig bewaönet« Hilfe geleistet, als Lud-
wig in «ein Gebiet eingefallen — weshalb Friedrich ihn dem
Papste etopSehlt. Ich beziehe dimes Schreiben vielmehr auf den
Bitchof von Passau. ÄIhrecht von Sachsen, dem das Biti-
, gleich&IIä durch päjwtliche Provision au Tbeil ^e-
i war.*)
a. Ißl. ü) <!f. Mfiller I, 160.
J
254 Sitzung der hiatorisd^en Glosse vom 7, Juni 1890.
Zwei weitere Stöcke, welche bei Mayer fehlen, beziehen
sich (Beil. No. 3 und 4) auf die bereits erwähnte Uebergabe
Tittmonings, das hier mit Namen genannt ist. In demeinen
verhängt Erzbischof Friedrich den Bann über alle, welche
bei der Besitzergreifung aktiv sich betheiligten, und verbietet
die Vornahme geistlicher Handlungen, falls einer der jetzigen
Gewalthaber von der Burg in die Stadt oder in das benach-
barte Oettingen komme. In dem zweiten rügt er die Saum-
seligkeit einzelner ihm untergebener Geistlicher in der Ver-
kündigung des eben verhängten Bannes. Beide Stücke werden
bald nach dem Verluste von Tittmoning erlassen sein.
Erst 1327 gelang es dem Erzbischof die Veste Titt-
moning gegen die hohe Summe von 6500 Pfund Pfennige
wieder zu gewinnen.^) Es wurde ihm, nachdem der Papst ihm
früher schon die dringend erbetenen Mittel zur Verbesserung
seiner bedrängten finanziellen Lage nicht in dem gewünschten
vollen Umfange gewährt hatte,*) nur durch die Unterstütz-
ung seiner Diöcesanen möglich, jene Summe zusammenzu-
bringen, welche sich freiwillig zu einer ausserordentlichen
Beihülfe, einer sogenannten ^ Schatzsteuer* bereit finden
Hessen — gegen die bestimmte öflFentliche Erklärung und
Versicherung von Seiten des Erzbischofs (vom 5. Februar 1327),
dass solche Bei hülfe und Steuer in keiner Weise für später
präjudizierlich sein solle. Da die darüber ausgestellte Ur-
kunde des Erzbischofs bisher nur in deutscher Fassung aus
einem alten Drucke bekannt war, ^) gebe ich hier zur Er-
gänzung aus dem einen der drei Formelbücher die (bei Mayer
wie auch die deutsche Urkunde nicht erwähnte) lateinische
Version. (Beil. No. 9).
Endlich bietet sich uns aus zwei Formelbüchern noch
eine Ergänzung zu der von Preger angeführten, *) dem Erz-
1) Pichler a. a. 0. S. 202, cf. Hansiz, Germania sacra t. II. p. 448.
2) s. darüber Mayer a. a. 0. S. 162 flf.; cf. oben S. 213.
3) bei Duckher, Saltzburgische Chronica (1666) S. 187.
4) Die Vertr&ge etc. N. 248, Riezler, Vatik. Akten No. 540.
fimiiii$f«ld : Britaiftn tu dfti Beiträgen ete. 2^5
bioch'if Kritslriclk vom Pap.'^e ertheilt«n Ermächtigung, reuige
Anhäuger Ludwig» des Baiern ea abaolvieren. dahin, daus
I vorhergöhende hetreifende Gesuch des Erzbischofs
|1sider ohne Augiibe des Xnmens, um den es sich bandelt
D awei Forinelhilchern (Beil. No, 8) überliefert ist, welch«<
iKOckBicht »nf die Antwort in die Zeit vor dem 1. Kep-
ler SU netzen ist. ^)
Beilagen.
I I. Formelbnch auf der MarltUBblbtiothdk In Venedig.
' Ol. IV Ut. Nr. 30 (Cod. 86) memhr. saec. XV Anfang oder
Bode. kl. 4** 83 Bl. .Incipit, formulariain el atiluä acrip-
Romane curia de omnibas que spectant ud orGuiiun
wriptonim'. Vod aoderer, neuerer Hand II bergesoh rieben : .Forma*
lariam scribendi ballaeV
Bat uotandoin quod liiere domini pape alie bullantar oam
aerico, alie cum filo uaiiapis. Que autem cum serico bullantur,
debeaf habore noman domini pape per oomes litteras elevatam
prima »emper apioe existente et facta, cnni aliqaibaä Hpaciis el
iofni se reliquis literis ejasdem nominis de linea ad lineam at-
tinfteDtibna et cum flexibua vet sine eis hoe modo: Bonifatins*)
apiacopna etc. Dbi dicitnr: Dilecto filio. D. debet elevari boc
modo Dilecto') filio etc. Salatem et apostolicam btin(edtctio-
r will ich «och bemerken, dass die von Mayer S. 169 er-
) Vollmacht det Erxbischofs nir xeiaen Procurator in Sachen
l einer Florentiner Kaul^aDnegeBellachaFt ihre Erklärung Sudel in
dem Reue«! bei PruK«''. Uebar die Anlange etc. N. 180 (vom 10. Sept.
13241 woraus erhellt, das« es sich um die GeHclIschaft der Hacci (oder
Itatii) hiindell. die aach »onH genannt wird «. B. in dem oben (cf.
S. 386 Anm. 1) erwUinten pJlpatlichen Notariats-Haadbuch Clm. U313
t B vtc.
2) Lrider ist gerade die erste Seite sehr verblaesl und Qberdiee die
{•ndii Handschrift vielleicbt nicht einmal da« Original, so das»
hbning der Beixpiele tehr viel xn wßnschen QbriK I&hiI. Ich
R daher aaf eine Reprudaktion dieser und der «plltereo Worte
algetlalt und bemerk« nur. dam diesen erat« Wort doppelt ao
spätere Diieoto balbmal so gro« iiit als die anderen.
256 Sitzung der historischen Claase vom 7. Juni 1890.
Dem) io Omnibus sie scribitar, litera aatem prime dictionis
qne immediate sequitar ad ben(edictionem) semper debet esse
magna in omnibos litteris, pnta sie: Ad audientiam etc. nisi
in simpiicibus, nbi debet esse mediocris hoc modo: Conquestos
etc. Item notandnm qnod in istis literis cum serico titalas
debet esse semper soper nominibus, at sapra, sicat est in Epis
(statt episcopus?) hoc modo: B. vel aliter ut placebit scriptori,
non tamen in Omnibus. In illis autem cum filo canapis semper
planus hoc modo (fehlt).
Item notandum quod in literis de serico, qaando f attingit
t, ex parte antea iu eadem dictione t. debet aliquantulam pro-
longari ab f hoc modo: teftimonio. lilud idem fac de t. cum
conjungitur ad c, in eadem dictione hoc modo: Dilecto etc.
Item notandum quod N de NuUi ergo etc. et 8 de Siquis aa-
tem etc. semper in omnibus literis, ubi scribuntur, debent esse
magne et elevate ut hie et majores, ubi forma competit.
Item notandum quod in literis papalibus non recipiantar
omnes breviature ut iste J^ f ei hiis similes nee tales z.
Item notandum quod litere domini pape non debent liniari
cum plumbo nee cum incausto; quod si fieret, essent suspecte.
Item notandum quod ille litere, que bullantur cum filo
canapis, debent habere primam literam domini pape elevatam
et aliquas comunes hoc modo : Bonifacius etc. preter 1 f 1 (?) et
similia que debent taogere superiorem lineam; ubi dicit: Di-
lecto filio d debet esse talis D vel in eadem linea vel in dua-
bus. Ita quidem: Dat. Laterani vel Rome apud Sanctum Pe-
trum, sie scilicet in una linea, vel: dat. Laterani kal(endi8)
Januarii sie in una linea. Et: pontificatus nostri anno unde-
cimo sit in alia ; quod si secus fieret, litere essent corrigende.
S(cilicet?) dat. Laterani kal. essent (?) in una et quod sequi-
tur in alia linea, vel ejusmodi litere suspecte essent.
Item notandum quod in literis papalibus omnia propria
nomina officiorum et diginitatum debent habere primam literam
elevatam sie: Petrus Cenet (? ensis) Episcopus et similia.
Et quia hie de dat. fit mentio, de illa dicunt (?): No-
tandum quod dat. scribitur secundum Noä Idus et kal. men-
sium que denotantur per hos versus:
Asin ter denos, plus uno epta, Feb octo vicenos;
Immo sex captant, reliqui sibi quatuor aptant
Idus septenos Febrius sex, Yda uovenos;
Nisa tenent octo ; sunt Id(us ?) omnibus octo.
SimiinufM: Srilnjii^"
i rfr» Bnl
TsLi verlos sant tjiliter latelligendi in ista dictiooe: Asin sunt
qnatuor liiere A. s. i. et n , per quas iatelligantar qa»taor
mensee scilicel per A: Äprilia, per s: September, per i: Junios,
p«r d: November, qni habent ter deoos id est triginta dies;
plus epta valet quikotuni Bsp lern, unde epta id est Septem
mensea habent plus quo id est 31 dies, scilicet Jaouarius Martius
Julius Auguslus Mttius October «t Decemtierj Feb. id est Fe-
liruitriuä oclo ykenos id est SXVIII dies. Item in isla diulione:
Ininio sunt qQutuor liiere sctlii^et J. o. geminiim m, suilicet ^)
Ukrtius et Malus qni balient septeni)» id est XVII kal., Fe-
bruarias hübet sex id est seidtcim kal. In ist» dirtione: Ida
sunt tres liiere: scilicet 1 d et a, per quae iDtellii^ontur tres
meases scilicet Januarius Dei;enib(er) et Auguätiis, qui habent
noveiios XIV kal. Item m ixta dictiooe: Nisa auDt quatuor
litere, per quai inlelliguotur quatuor uenses sdticet November
JuoiuH September et Aprilis. qui habent oi^to id est XVlll kal.,
sed qailibet mengis habet octo Id. NotaDdutu ergo breviter
quod omDei« menses haben L oi:to Id. Item notaadum qaod
Mains Oütob, Julius') et Martius habent sex Non., omuts alii
meuses habent quatuor Non. Item notaudum quod Jannahus
Decemb(er) et Augastus habent XIX kal., 3eptemb(er) Novem-
b(er} Aprilis et Junius XVill kal.
^cieudum est qnod prima dies cojuslibet mensis in dat.
Utenu-uro dicitnr kal. Secuoda dicitur VI dod. Terlia dicitur
Quinta dicitur III non.
i dicitur DOD, ; et boc ser-
- ad Idus et dicitur: VIII
a postea dicitur kal. nomi-
V non. Quarta dicitur IUI
SeiU dicitnr II oon. Seplima
Titnr ID mensibuü hnbentibu: sex
qni babent quatuor dod. aecundum i
Completis autem Nouia devenitu]
11 Vit Id etc. usque ad Id. et tun
naado meaaem sequentem iltum in quo Htere concedautnr,
delioftt ai litere concedanLur: XVI kl. infra Maium dicer (siel)
dat. Laterani XVII kal. Junii et siti de Htngulis nliiä raensibus.
RccoUige i^rgo iteruin et die: quod Janunriu^ Uartius
Uaioi Julius Augustus Ociober et Deuember XXXI die» habent,
Aprilu Junius September et November XXX, Februarius XXVIII.
Hec wt pouendua in dat. atiquis pnnutus et est i'acieudus cum
DiHDpeteutibas iutervalis si splu^ium liturarum boc paciatur sie:
_Dnt AvinioS VIII kl. etc. Si vero hoc non pnciatur, poteat
1 Hier rehlen Jubi
od Oolütier. 'i) iliUchr. Jul
*l
258 Sitzung der historischen Glosse vom 7. Juni 1890.
strictius scribi. Item semper debet VIII et Villi ita ecribi,
alioquio litera rescribetar gratis.
Sex^) Non(a8) Mains October^) Julius et Mars
Quatuor at') reliqui, tenet Idus quilibet octo.
Jaonus et Augustus denas Non atque December*)
Julius October Mars Maius septemque deceroque*)
Junius Aprilis September et ipse November
Ter senas retinent Febriusque kal.^)
Junius Aprilis September'') Novemberque tricenos,
Plus^) UDO reliqui; habet Febrius octo vicenos. —
Item notandum quod secundum constitucionem domini
Bonifacii pape VIII cause audie . . . (kleine Lücke audientie?)
auetoritate sedis apostolice non committuntnr nisi personis
dignitate preditis vel personatum obtinentibus sive cathedralinm
ecclesiarum canonicis vel officialibus snperiorum prelatorum
archiepiscoporum vel episcoporum aut priori predicatorum et
guardiano minorum cum clausula: Cum autem, qui ultimo poni
debent post alios judices et canonicos ac officiales, nisi propter
vitandum repetitionem , ubi duobus prioribus scriberetur, tunc
potest prior predicatorum preponi et ante constitntos in di-
gnitate.
Item notandum quod ubi scribitur not(ariis), ipse (sie!
st. ipsi) debent vocari magistri et precedere abbatem et mona-
bterium in ordinatione judicum etsi esset simplex.
1) Dieselben Verse hat mit einigen Abweichungen Cesare Paoli
nach der AufzeichDung eineH Florentiner Humanisten im Florentiner
Staatsarchiv in den Mittheilungen des Instituts für österreichische
Geschichtsforschung Bd. 7 S. 467 veröfi'entlicht mit der Bemerkung«
dass einige Verse davon auch in einigen ^ummae notariae* des 18.
Jahrhunderts angegeben sind.
2) bei Paoli falschlich Aprilis.
3) Handschrift et.
4) bei Paoli: denas nona^que December. Vers 3 — 6 folgen
bei Paoli hinter 7 u. 8; die Ordnung hier ist vorzuziehen, weil Vers
1 u. 2 von den Nonen und Iden handelt, denen sich die ,, Berechnung
des dritten Abschnittes jedes Monats, nämlich dessen, der die den
Kaienden des folgenden Monats vorausgehenden T-Age enthält* natur-
gemäss anschliesst. Vers 7 u. 8 geben dann die Zahl der Tage jedes
Monats nach fortlaufender Zählung.
5) bei Paoli: epte decemque.
6) bei Paoli: Fcbruusque bis octo kalendas.
7) bei Paoli: semptemque novemque tricenos.
8) dieser Vers lautet bei Paoli: Unum adde reliquis. Viginti Fe-
bruus octo.
Simonsfeld: Beüctgen zu den Beiträgen etc, 259
f. l'. De hiis de qaibos per apostolicas litteras potest
comitti, dootrina de hiis qui trahunt et trahnotur extra dio(ce8im)
et de hiis qui trahi non posaunt per litteras apostolicas.
Clausula cum autem.
Clausule perhorrescencie episcopi et absentie in causa ma-
trimoniali.
f. 2. Quomodo scribitur regibus: Carissimo in Christo
filio F. illustri Romanorum imperatori semper Augusto, Jherusa-
lem et Sicilie regi vel: Carissime in Christo filie Johanne re-
gine Francorum etc. vel: Carissimo in Christo filio B. illustri
regi Anglie salutem etc.
Nota qualiter scribitur (a?) Cardinalibus vacante sede: Excei-
lenti et magnifico principi carissimo ecclesie filio domino A.
regi Castelle et Legionis illustri.
Modus quem servat dominus papa in salutationibus litte-
rarum suarum^):
Karolo illustri Bomanorum imperatori semper augusto . . .
in Christo filio.
P(hilippo) Francorum regi illustri.
Item notandum quod dominus papa in literis suis neminem
voeat dominum vel dompnum ut dicat: Conquestus est nobis
dominus Petrus ; tamen bene dicitur : Nicolaus dominus castri.
dioc. Item nota quod mortuum non appellat carissimum filium
nee dilectum filium nee etiam nobilem nee venerabilem iratrem,
sed dicet: bone memorie vel quondam, tali modo: papa fe.
re. Tel sancte vel pie memorie; de rege dicit: clare vel inclite
memorie Re.
f. 2\ De judicibus.
In quibns ecclesie ponitur.
f. 8. Quando non ponitur U8(uris) r^essantibus.
De decimis.
Clausula proviso.
f. 8^ Quando non dantur testes. — Notula de Judeia. —
De manuum injectione. — De appellationibus. .
f. 4. De causis matrimonialibus.
Qnaodo non ponitur clausula: Testes.
f. 4^ Clausula proviso.
f. 5. Clausula proviso de pensionibus.
f. 5'. Super terris debitis et rebus aliis ad judicem extra
1) ein Stück vom Rand hier weggerissen.
260 Sitzung der historiaehen ClcLSse vom 7, Jwm, 1690.
quando actor et reus sant laici de diversis dvitatibas et dioc.
(Mit Beispielen aos Reate.)
f. 6'. Saper injariis et torbationibos eccleBiaram et alia-
rnm reram.
Saper osaris.
f. 1\ Saper pignoram detentione.
f. 8'. De venditione simalata in fraadem osuraram facta
cam juramento.
f. 9. De testameotis.
f. 9'. Incipit capitalam de manaam injectione.
f. 11. Contra monacbos.
Super eodem. Conquesti sant nobis dilecti filii commen-
dator et fratres doma«; Theatonicoram sancte Marie Jerosalemi-
tan in M arbarg Magantin. diocesis quod P. et F. de . . monacbi
monasterii de . . . ordinis sancti Benedicti dicte diocesis in Jo.
fratrem professam ejasdem domas manus injecerint Dei ti-
more postposito temere violentas. Mandamas qaatenas, si est
ita, dictos sacrilegos tamdia etc. asque donec saper hiis satis-
fecerint competenter et debitam absolutionis beneficiam asse-
quantur. Dat.
f. 11. Contra impedientes venientes ad cariam Bomanam
et recedentes ab ea.
Jad(ici ?). Signavit nobis dilectus filius rector ecclesie de
Helprun . . dioc(esis), quod, cum ipse constitutus esset in
itioere causa peregrinationis et pro quibusdam suis expediendis
negociis ad sedem apostolicam veniendi, duo laici associatis sibi
quibusdam in hac parte complicibus Pataviensis dioc(esis) ipsum
in portu fluminis Danubii per quem transibat non absque ma-
nuum injectiooe in eum Dei timore postposito temere violenta
ausu temerario capientes et captum aliquamdiu detineutes equos,
pecunie summam et res alias quas secum habebat per violen-
tiam abstulerunt ; propter quod excomunicationis sententiam
per sedem apostolicam generaliter promulgatam in illos qui ad
predictam sedem venientes et recedentes ab ea impediant in-
currisse noscuntur. Mandamus quatenus, si est ita, predictos
usque ad satisfactionem condignam excomunicatos publice nun-
ties et facias etc. usque absol^. (solvendi? dus?) Testes etc.
Dat. etc.
f. 13' — 14. De sppulturis.
f. 17 . Forma preces et mandata.
Simons feld: Beüagen zu den Beiträgen etc. 261
f. 18'. Clemens papa V predecessor noster.
f. 19. De forma: Cum olim.
f. 20. Super absolatione monacbomm a violenta mannum
injectione.
f. 22. Ezpoeita nobis carissime in Christo filie nostre M.
regine Sieilie illostris, qaod ipsa dudum fratrem T. conversum
monasterii Casenove Cistercien. ord. Pennen, dioc. snper pro-
carandis et custodiendis massariis ipsius infra ejasdem regni
confinia constitntis duxit fiducialiter deputandam . . .
f. 22'. De dispensationibns. Super defectu natalium et
aliis formis.
f. 24'. Forma: Cum secundum apostolum.
f. 25'. Forma: Post iter arreptum.
f. 25'. Forma: £a que de bonis.
f. 27. Forma contra predonum et raptorum audatiam.
f. 27'. Forma: Nonnulli iniquitatis filii.
f. 28'. Significavit nobis vener. fr. n. J. episcopus Port-
uensis . . .
f. 29. Conservatoria amplissima pro prelatis. (Die Kirche
TOD Payia betreffend).
f. 30. Conservatoria amplissima. (f. d. Kardinäle von
Benedict XI?)
lud. Ad regendum universalis ecclesie firmamentum fratres
et filii nostri sancte Romane ecclesie cardinales assistendo nobis
submissis humeris operosa sedulitate laborant . . . super bene-
ficiis et bonis ac fructibus (sollen die Kardinäle von Niemand
beeinträchtigt werden) non obstante de duabus dietis in con-
cilio generali et fe. re. Bo(nifacii) pape VIII predecessoris nostri
€a(u8a) circa judices.
f. 30'. Conservatoria pro monasterio sancti Antonii Vien-
nensis.
f. 30' — 31. 'Forma: Omnes libertates.
f. 81. Prohemium: Solet annuere sedes apostolica piis.
f. 81'. Privilegium crucesignatorum pro clerico.
Clemens Epis. serv. serv. D. dilecto filio N . . . de . . .
clerico dioc. 8al. et ap. bened.
Super eodem.^ — Executoria.
Super eodem in forma Corta nova. — Executoria.
f. 32. De confirmationibus compositionum. Confirmatur
compoeitio cum serico.
tSeO. PliUo«.-pliUol. o. hkt. Gl. II. 2. 18
262 Sitzung der historischen Classe vom 7. Juni 1890,
f. 32'. GoDfirmatio arbitni.
f. 33. Qaod coinpellatar pars ad observationem arbitrii.
f. 83'. Qaod arbitri oompellantar ad ferendum arbitriam
qaod ferre distulerant.
f. 33'. Qaando excomunicayerit eum sine causa raiionabili.
f. 34. Contra statata generalis concilii. — Execntoria.
f. 34'. Seribitar jadici qai tenait causam diucius in sus-
penso qaod procedat. — Quando additur judex.
f. 35. Quod relaxet clericum incarceratum qui paratns
est cedere bonis. — Quando scribitur contempto. — De confir-
tnationibus communibus. — Confirmatio pro abbate in comuni
forma bullata tempore Papiniani yicecancellarii. ^)
f. 35'. Confirmatio super permutatione. Privilegium com-
mune. Clemens (IV. ?)^) für ein Cistercienserkloster ^s. Marie
dei genitricis de Thorigneio.'
f. 36'. Privilegium commune. Clemens (IV. ?) f. d. Kloster
s. Benedicti Salernitani.
f. 37. Conclusio super revocatoriis, dann folgen: 8 con-
clusiones.
f. 41. Incipit tractatus de revocatoriis super appellatio-
nibus secundum cursum et stilum cancellarie domini pape.
f. 45'. De diversis confirmationibus. (Enthält allgemeine,
theoretische Bemerkungen darüber.) Sicut ea que injuste vel
minus provide facta sunt ....
f. 48. De confirmatione ordinationum et statutorum. —
De ordinandis judicibus.
f. 49'. Peremptoria.
f. 50. Quando aliquis convenerit super majori re quam
processum sit in registro.
f. 50'. Forma litterarum audientie.
f. 51. Quando arbitri electi a partibus non procedunt nee
compelluntur a judice quod procedaot et propter hoc appellatur.
f. 52'. Littera quando quis mittitur in possessionem rei
petite. — Quando post conclusionem testes alii admittuntur.
f. 53. Exceptio de exceptione capitis pro membro.
f. 53' dann Anno domini = Merkel p. 140 No. IV; Erler
p. 140 (cf. oben S. 225 u. £f.) mit mancherlei Varianten und
Di£ferenzen.
1) Nach Bresalau I, 209 c. 1302—1304.
2) Oben am Rand, wo öfters der Inhalt der Seite kurz angege-
ben iHt, Hteht: No(t}i) provisione» antique.
Simomfeld: Beilagen tu ilen Beilrdgrn t
263
Nftch ErUr 141 Ab§aU 2 folgt hier: Item dispeasatioDe§
Mapev defectu natalium (jue mittantar aub sigülo Cafd('itiali8)
Primarii Iadi pro presenübua quam pro abseDtibos expediebantur
Dsqae ad teiupus dumini Qregorii pspe X *) qiii restrioxit, eus
ad presenttta taatnii), (juorum nalla lei^ebatur nigi fni^et pro
BMÜa du odulterio »el inragnlaribus nul iacesto procreatis =
p. 145 (oben), acliliesät mit Grler p. 147 (unten) n
Uadd Tolgt: ßxceptiones. ßxceptio fori.
Incipiunt eiceptioaes dilalori«.
Exceptio rei fetidalis. (oben nai K
f. SS',
divers«}.
f. 57.
ceptio
De libella.
f. 60 . Incipiunt eiueptiones peremptorie qaando litere
Bxtaodnat se ad fnturas questiones .... Quaudo quis agit supei
msjora quam expresserit in reecripto. — Quando couventua est
alteriuB diocfeats) quam in rescripto contioeatur, gimilem formuni
c)Der« io quateroo aimpliciom ....
f. 61 . Exceptio contra conservatores.
r. f>4. Inhibitiones. — ßemisaio facta in coatamacinm
f. 66'. Revocatio attemptorum.
f. 6ti' scbliesat mit einer Bulle von? Testes noo dantur.
Avinioo- 111 kal. NoTembri^ pnatificatua Dostri anno prinic
(wegen ungerecbter ÜesteueruDg in der Civita^ Albingaoeuaig),
Von da an ander» Huail.
r. G9. Bine AozabI von Arrengen (18 Stück, fortlaufei
ODmmnrirt]. ,Vite ac moraiu boneetaii atiaque laadabilia pr
bitttis et TJrtntun) merita auper qnibus apnd uoa tide digno
coniuieodaris teetimuaio 003 iodacunt ut tibi reddamur ad
gratiam liberales'.
r. 69'. leer.
f. 70. 5 (nunimerirte) DiapoaiUone», x. B.: 2) Nos enim
■XDUBc irrilnni decernimna et inane si si^cus super hiis a qao-
i|Daixi quamvi« auctore sei enter Tel ignoranter contigeritattemptari.
r. 70'. leer.
f. 71 — 72. Bioe grössere Aiuahl von Salatatiooes (oder
ilatiuoes) beginnend mit: Dilecto 6Uo inagistro N. de
derico Aquilegensis dioc(esiH), suriptori et famillari nostro
qof «tinm lileraram apostolicarum abbreviator exislis.
IJ71 7«
Ä
264 Sitzung der historischen Classe vom 7, Juni 1890.
Grata (5)^) premissorum obsequioram et tnorom meritoram
(intaitu).
Dann Magistro M. Barbonis de Wesena, canonico Wratislavi-
ensi, scriptori nostro, salntem, qai ut asseriior in scribendo
minutas litterarum nostrarnm secretamm et de curia longis
temporibns fideliter laborasti prout laboras. Orata premiso-
rum obsequioram et tuorum meritorum intuitu.
Magistro ß. Jobannis, rectori parrocbialis ecclesie sancti
Dooati de Sancto donato Bansoramensis SoraA(ensi8) diocesin,
scriptori nostro, Salutem. Grata (5) qui subdiaconus et literarum
ap(osto]icarum) abb(reYiator) existis.
Gunthero de There canonico Herbipolensi salutem. Nobi-
iitas . . qui subdiaconus es et ut asseris ex utroque parente de
militari genere procreatus existis et per plures annoe in jure
canonico studuisti etc. p(remis8orum) meritorum (mi).
H. de Woleri alias de Novoponte, canonico Bremensi,
bacallario in Sacra theologia.
Jo. Burkonis Sculteti de Wesena, elvi Wratislavensi.
Di(lecto) fi(lio) N. priori monasteriorum alias prioratuum
. . . (verblasst) sancti Andree Pisane dioc. ... ad ortum Pisan
in vicem canonice unitorum per priorem solitorum grubernari
or(dinis) ejusdem sancti Augustini. Tibi, qui ut asseritur Bac-
(calaureus) in artibus existis et pro quo etiam dilectus filius
Jo. electus Camiü(eDsis)^) asserens te suum dilectum fore (foe)
super hoc nobis humiliter supplicavit, premissorum intuitu nee
non consideratione carissimorum in Christo filiorum nostrorum
W. Roman(orum) ^) et A. Dacie regum illustrium pro te eorum
dilecto super hoc nobis humiliter supplicantium gratiam etc.
Die weiteren Salutationes zwar von derselben Hd. aber
mit etwas anderer Dinte geschrieben ; darunter :
Priori secularis curate et collegiate ecclesie sancti Viocentii
de Menania Spoletane dioc.
N. relicte quondam Ja(cobi) de Cararia de Padua militis
vidue Mautue commoranti. Et nota quod mortuo non dicitur
Nobili nee dilecto fi(lio) Andree episcopo Capruler(si) in loco
de Venetiis Castellane diocesis commoranti.^)
1) Diese bisweilen beigesetzten rothen Ziffern beziehen sich auf
die vorher (fol. 69) regiHtrirten Arrengen. 2) 1386—1394. 3) Wenzel (?)
1378—1400. 4) Andreas Bon 1378-1394, undeutlich ob zum Vorher-
gehenden gehörig.
Simi'HufM: Bfdivj
;u äett
265
i(lecto) fi(lio) No{bili) viro V. de Carraria militi in ei*!-
idoaDa iitiperiali vicario.
'. 72. Di. fi. DorUnrosi Magal.in diocesis ni . . Sancti
'Haarilii oitrn maros Hildesemensi prepositis ao decano ojuadtun
Kiuicli Unaritii enclesiamm snlntem.
Cariesinio ia Christo fi(lio) Jo(anDi) impuratori Constantino*
r. 72." leer.
i'f, 7S. Da o0i(:io scriptorie vacttnte per matrimoninm con-
baetam. (Merkel p. 152. Nu. XUI.)
Dann ,CoDCeditar caooDioo Privilegium percipiendi quoti-
diwiM distributioceä in abseolia'.
fr 73.' Litera rnarescalli pape. Dilecto filio Do{bili) viro
Colamna militi RomaDO aostro et Ro(maae) carie mares-
lutem.
Cooc^itur oBiciom §criptorie loi:o alterius abseotis.
TeneraHli fratri F. episcopo Penestrino ") saacte Itomaue
ncclesiti vicecaDcellario salutem. Luudabilia probitatis et vir-
Itotnm) merila eaper qnibns apud nos di(lectiis) fi(liuä} A.
dioc(en«) . . laicns axoratns fide digno etc. ut personam suam
condi^is r&vofibns et gratiiä prosequamur. Htnc uet quod Doa
rolrate» eutidcm A. p. (prefatom?) meritorum suonim intnita
(avore pronfijui gratioso, fra{terDil.ati) tue per ap(o3tolica) aoripla
in(aiiiliun)us r[uat.emis enudem A. in scriplorem litteraram aposlo-
li»mm ip^uinque ad si;riptnne ofTidam ejasqae eierciciom ac
oaera rt eDiolaiuenta consaeta ipsias ofßcii in abäentia et ad
locam dilecti filii magistri M. de . . . ipaarum ütterarum scrip-
toria a Bomaoa curia ad preäeos abaentis et etiam si ad eaadem
cBTtem lerertatur in abaentia et ad locum alterias earUDdem
int HCrtptom ab eadeiti curia tanc Bbaentia, donec ipse
«Iter bujnsniodi scriptor ad ipsam curiam reverta-
«idem A. de officio litterarum ipsarum vacante vel
per DOS provideri contingat auctoritate nostra reuipiaa
•I rtclpi faciäs, at est moris. Non obstanle statuto de cert.o
nniniiro »chptorum üaruadein lilteraram aactoritutß apostolica
facUt cui per boc alias (al') DOn intendiinus derogare.
f. 73- Coaceditur in minoribua or(diDibas) constitato qaod
ntqDC ad bieuniam non teneatur promoveri ad sacros ordinea
ntioH« pAtTOchialis l? pro'') ecclesie quam obtinet.
IJolmaM I'alaivilii^« 13tl-1391'i-
266 Sitzung der histortsehen Classe vom 7. Juni 1890.
f. 74. Conceditnr hospitali nt io altari in eo sito Tel con-
stmendis aliis possint divina of ficia celebrari etiam pnlsatacampaDa.
CoDceditur abbati et conventni qnod in ecclesiis eonim
monasierio nnitis in qnibus sunt perpetni yicarii cedentibns
vicariis pooatur unus de canonicis roonasterii.
Litera salvi conductus.
f. 74/ Mandatar dari magisterinm in sacra pagina.
f. 75. Litera inqnisitionis heretice pravitatis.
f. 75'. Innovatio privilegiomm Judeorum. — Innovatio
privilegiorum. — Inhabilitatio eoram qai per fraadem subeant
examen pro alio. — Litera servientis armoram pape.
f. 76. Quod electio generalis diflferatur semper asqne ad
proximam capitulam. — Qaod scriptores literamm ap(o8to-
licarum) sunt veri familiäres pape. (Merkel p. 158). — Quod
possint de novo erigi duo altaria in hospitali. — Confirmatio
permutationis.
f. 76'. De perceptione fractanm in absentia ad VII noD
obstante quod alias fait concessum.
f. 77. Benovatio privilegiorum et constitutio contra mendi-
cantes fratres minores volentes eximia correctione. — (Emea-
erung einer constitutio fe. rec. Oregorii pape XI. dat. Avinioni
V. Idus Novembris pontificatus nostri anno III. für die Minoriten).
Mandatur quod filii (? fl*i) questuarii capiantur et restituant.
Bonifacius ven. fratribus archiepiscopis etc. . . . Exponit nobis
venerabilis frater noster P. episcopus ostiensis ^) qui precep-
toriam domus sancti Antonii Florentini ord. s. Aug. . . . obtinet
in commendam ....
f. 77'. De perceptione fructuum in absentia non obstante
si alias fuerit concessum et si primam non fecerit residentiam.
Quod fratres minores subsint correctori. Bonifacius VIII . . .
Ro(mae) id(u8) No(vembris) anno primo.
Quod fratres mi(nore8) qui sunt deputati ad aliorum ser-
vicia subsint correctori. Innocentius (IV ?) Lugduni an. V.^
Quod possit teuere duo be(neficia) incompa(tibilia ?) usque
ad annum.
Dispensatio super defectu etatis pro episcopo.
f. 78. Prorogatur terminus retinendi duo beneficia incom-
patibilia (?) illi cui per predecessorem fuerat concessum usque
1) Pbilippus d'Alenyon ? 1892-1397 (womit freilieb dann an. II
nicht recht stimmt, da Bonifaz IX. von 1389 (Nov.) ab Papst war!)
Simntisfftit: Bciliiyen iii äen SritrniieK
267
F BiiD(i]m). Dndom siquidem fe. re. - Cr(baiiiia) pape VI
Kessor DOater.
1^ Conceditar iinod quis possit percipere frnctns canooicata«
^ (prebcode ?) reqaireiitium orcl(iQein) asque quo perveomt
Istom.
fjaod episcopu» Irans latus poEsit eiigere dttbita pnoris
ac si adbuc «äset episoopas iliius ecclesie.
'enerabiti &utri P- episcopo Castellano. ')
f. 78. Qaod litcre Tnleaat noa obt^tante omissione beDe-
Beii tempore gratie obtenti. — ßxeuQloria littere secuncle pre-
cedeotU. Sincere etc. Sane pridem eucdeui F. tunu Motoa'
(i?flndeiii?} episcopum etc. nt supra mntatucn est.')
Qtiod tercla gratia valeat dod obstaate quod noo fecarit
moDtionem de danbus priinH. — Confirmalio veoditioDU poasea-
aiODom tnonasterii Taute laicD per abbatem et conventnm.
f. 71). Donantar bona Uici oonfiacata prina louata illis qui
deliitum nei^easanum persolveruot. — Redacitnr numerus octo-
Darins od seuarium, i|iiorum duo ad subdiacoDatns, duo ad dya-
itos, reliqni vero duo ad preHbiteratus ordinem infra UDDum
loveri facere teceantur.
79 . Eiemptio mouasturii ad vitam abbatis. — Qnod
parrochiatis ecdesie dividat portiones abseatium preaantibus.
f. 80. Quod aubdiacoDiia nun teoe&lar promoveri ad sacroB
ordioM neque ad VII elJam ei be (eneficium) cn(ratoriB?) et dig-
(oitatfRi) interim obtioebit. — Quod coll'o (llectio ?) pape non
prejadicet patronis laii-is facta de (pro") parronhiali (?) ec(cleaia)
ad WI9 Bpeclftote. — SuppUcatio pertnutandi in manibus or(di-
oariorum) extra curiam. — Quod qiiis possit resignare in manibus
icamque or(dinuni).
80'. Gxeiuptio plebia ad vitam plebani. — Quod oppidum
lit interdici post receesum excomiDunicatoram.
81. Quod canonici non percipiant fructns nisi sint promuti
ordlnes.
81'. Supprimitur dignitas abbatialis et corporalis prio-
(sic) Cainaldaleo(Biam). — Conceditnr clero quod
t da eetero legato III f(loretio8) damtaiat.
' 1S92 (27. Märtl. cf.
J
268 Sitzung der historischen Classe vom 7. Juni 1890,
f. 82. (Mit etwas blasserer Dinte and anderer Schrift). De
fructibas percipiendis io absentia. — Licentia fundandi mona-
sterium cum privilegiis. Johannes XXII fflr ein zu gründen-
des Nonnenkloster in England Dat. Avinion. VI Id. Jnnii anno V ^.
f. 83. gehört zu fol. 72, da die Blätter f. 73—82 kleineren
Formates eine Lage für sich bilden; enthält eine Anzahl Dis-
positionsformeln.
Seu quod idem T. canonicatum et prebendam (p.) predicte
ecclesie quorum fructus etc. XII secundum dictam exti. va. ä.
ut asseritur nÖ ex. ac altare sancti Ja. situm in eadem ecclesia
noscitur obtinere volumus autem prout idem T. ad sponte voluit
quod ipse quam primum vigore presentiam predictom thesau-
rariam fuerit pacifice assecutus prefatum altare quod ut pre-
fertur obtinet et quod ex tunc yacare decernimus omnino di-
mittere teneatur. Et insuper prout est irritum etc.
Seu quod ut asseris in Wor. et Zerw (?) nee non in om-
nium sanctorum in Castro Pragensi canonicatus et p (preben-
dam ?) obtines ac in Hil(de8beim) cum arcbidiaconatu Goslari-
en(8i) in eadem et dudum tibi de canonicatu et p (prebenda?)
in Spiren(8i) predictis ac de (ppo'*) prepositura in sancti B. Bmns-
wic\ predicte Hil(desheimen8is) diocesis ecclesiis tunc certis modis
(mois) va(canti)bus apostolica fuit auctoritate provisum. Vo-
lumus autem quod quamquam vigore presentium sive cum cura
vel sine cura preposituram prout ad dimittendam illam te sponte
obtulisti. Cum vero cum cura be(neficiu)m a(u)t of(ficiu)m seu
dignitatem vel p*"" vigore presentium fueris pa(cifi)ce as(secutas ?)
arcbidiaconatum predictum qui curatus est quos extunc vacare
decernimus et omne jus tibi in dicta prepositura seu ad eam
quomodolibet coropetens omnino dimittere tenearis.
IL Urkunden.
Nr, 1. (Ztcischen 1324, Aug. 22 und Sept. 17 oder Oct. 4, cf. oben
S. 252 und 253) Erzbischof Friedrich gibt dem Papst Johann XXII.
Nachricht über den Erfolg der Verkündigung seiner Processe gegen
Ludwig den Baiern in seiner Diöcese,
Insinuacio^) facta apostolico super processibus per eum
babitis et *) recommendacione ad papam. ^) Sanctissimo in ')
1) Dieses Stück ist in den zwei Handschriften Clm. 1726 f. HO' = 1
und Clm. 97 f. 110' = 2 überliefert; wir geben einen aus beiden com-
binirten Text. 2) et — papam fehlen in 2. 3) in — beatomm
fehlen in 2.
iiAfdd: liriliUifH .-« •ien Britr-inrH
2fi9
Obristo pntri ac daminn sno karissimo, ilomino snßrosanote Ko-
ruMio et noirovsalis «vulesie, suiumo pooUGci, diviDa miseracioDe
. . arcbiepiscopu» Tel episcopOH . . talia cum saj recommen-
dacione devota pedum obcuU bealorum. ') Processus vestri
lubiLi uontm daueui . . ejusque compliues, Tautores et*) ite-
quacef !)i<! vigore lacent eqailatia et vigore^i corrnscaat jasti-
cte, ijnod omnes viri «t sancte malris eccieste devoti*) filii
digiifl illo» unm reverencia amplectuntur, recipiant et obBorvaDt.
IVotecntionibas^) qaoque. danipnis et incommodis eiinde surgen-
Ubm 8&lubna eornm pacienci» non recordalur*) propter noeri-
tam obedieucie que uäüor ease victimis cooprobatur; et qaia
pittema pieT.u§ pro Gliis capere iiolet ronsilium, expedit obedieo-
cium filiiirani tribalavionea et aagustias vobis fore coDgnitas,
at uoram succnrsai soUicitins^) inteodatis.
Veatre itaqae aanctitati doIuid facio') qnod, cum jsm ■)
dadum primoa procesaus *") coDtra dictum dacem faabitoa")
Jaxttt matidsti vestri tenorem in metropoH '*) mea sollempoiter
pablickSHem el muodasKem in locis aliis publican : ille oimia
MDtra nie iracnodift eititit inflammatns; non tameo propter boc
continai ") aecuudoa proceüstia contra enndem babitos qaoa
postea recepi'*) aimul cum*) proceasibus contra filioa dampnate
mAinorie Matlieum") ollm Vicecomitem **) de Mediolauo '*) nee
sau contra tales et talea uomites prumnlgatia similiter publi-
ear«. Propter quod idem dux asperius provocatua custodea
larrinni et portanim ac vigiles murorum castd mei talis cor-
ntiDpi '^ procaravit fedis pecaniarum preciia et pollicitis frau-
dulentia; sicqne conflata prodicione tnrpissima gcntea illiua in
imdio noctis sitencio in*) ceatrum illud irraentea et opidani
aalijucna '*) occnpantea, liomiDnin ibidem repertorum alioa
l^adio Inicidsrnnt, alioa vinculis manciparnnt, alios vero ad
faguo miacrabilern cotnpnlernnt et absque difTurentia condicionia '*)
Hiaa Tri elntiü omoea omnibus facultstibus spoliarunt. Di-
«trictani quoque caatri ejuadem et alios meos et subjectornm
■eomra «c«lenasticoraiu et aecularium diatrictna redditua et
1) in — bcfttoniiu fehlrn in 2. 2) feblt in 2. 3) rigore 3,
4) f. 4. 3. G) de iion. 3. 61 non rec. febton in 2. 7) solliciOB 1.
d) 1uäB»l. 0] ipM% 10) exceaauH 2. IDbabitaaZ. 13) metropolitS,
tiania. U)reripia. I5)fehltinl. 16) Vioecomiti« 1, lJ)oor-
^ IB) a^jucecB •>. 19) condicione 2.
270 Sitzung der histarisehen Glosse vom 7, Juni 1890,
boDa continuis deyastant ^) incendiis, spoliis et rapinis, sed nee
illis po88um*) resistere, sed osqae ad portas ciTitatis mee ho-
Stiles faciunt^) impetas et incarsus.
iDter tot^) et tantas angustias recepi tercios et nltimos
processQS^) vel oovissimos processos, quibos ipsam dacem de*
clarastis fore priyatam et privastis cum omni jure si qnod
illi ex electione facta de eo ad regnum sen ad imperiam
Bomannm competit*), eosqne similiter publieavi^; copias qao-
qne omniam processuam predictomm sigillum meum habentes
appensnm singulis meis^) suffraganeis transmisi per carsores
meos^) juratos, quos*) illi cum debita reverencia receperunt,
duobas videlicet Frysingensi et Batisponensi damtaxat exceptis.
Nam Frjsingensis in yestra^^) nt dicitur curia commora-
tnr ejnsque civitatem dnx predictos tenet per snam yice-
dominum occupatam et ob ^^) hoc carsor noster^^) non yalens
metn mortis plas facere, captata oportanitate copias easdem
capitulo directas saper altare principale kathedralis ecclesie
posait et recessit. Alias yero carsor episcopam Batisponen-
sem inyenit Ratispone, sed antequam haberet accessom, iyit
idem episcopus ad castram suam yicinum in Stauffe^'), abi,
cam ad ipsum carsor yellet accedere, qaataor armati yiri
stantes in porta, interrogati per eam de presencia episcopi,
dnbie responderunt. Cognito qaoque quod^') meas deferret^^)
literaSy reclasernnt eum in conclavi^^) et de mane jussus fait
abire dictumqoe sibi extitit, quod mortem non evaderet, si
cum bujusmodi literis prenderetur ^^) ; et ex hoc territus copias
ipsas in fluyium projecit^*^ vicinum. Sic prefati cursores
retulerunt sab sacramento quo tenentur.^^) Id ^^) autem est
notoriam , quod ambo prefati episcopi et clerus eorum *^)
absque prompte periculo personaram et reram aut aoxilii
dispendio^^) duci non possent resistere memorato. Porro in
proyinciis^^) eorundem episcoporum, nee non extra meam pro-
vinciam in multis aliis civitatibus et dyocesibus processus ipsi
adhuc nallum sorciuntur effectum. In hiis enim partibus^^)
dux predictus rex Bomanorum communiter appellatur eique
1) devastat 1. 2) posaunt 1. 8) faciant 2. 4) hec 1. 5) fehlt in 1.
6) compeciit 2. 7) publicari 2. 8) s. m. 2. 9) quas 2. 10) nostra? 2.
11) ab 1. 12) tunc 2. 18) fehlt in 1. 14) deferrent 1. 15) recl.
cum clavi 2. 16) preoentaretur 1. 17) y. p. 2. 18) sub sanctuario
ohne q. t. 2. 19) ideo 2. 20) illorum 1. 21) exilii suspendio 2.
22) in pr. fehlen in 2. 28) fehlt in 2.
Simomfelit: Bdlni/fn zu ihn BtilrAf/rn elc. 271
tamqaiun Tfgi iDtenditnr sivut prins, loanper claveH couUnip-
Dnntnr') ecoUsie, vialatnr iDterdictutn, divina officia propha-
Dftntnr, yrao, t|uod et est Meorabilius*}, nomini veatro, ijuod
lleDt^diutam fl. glorioaum est') in secula. mHledioitur, hoDori
Y»slro ') dulrahilar, digoitati tnaltipliuiter derogalur. In plu-
ribuK «nitn civitatihus msjoribns convocata cleri a popuH niDlti-
tndioa nnniprotain idem dnx regio npparata assiatens quandam*)
«criptor&m KAuritegam, verborum quidem foüis diffueam sed io
radica veritalts aridam et inaoem, statum gloriam et buDorem
saDctitatis voatre qaaDtnm iu ae est crudeliter lacerantem, laliao
sarraooe l«gi Tecit et in valgari Tbeatunico ') iaterpretari
AubicieoB ') ((iiuDdaiii ^) ap p eil acio nein, si tarnen appellacio et
Don mag» ejus ') apostatacio ^) dici debet. quam credo dadum
in VMtrsm ooticiam taDqaam uotoriam devenisse.*)
üx hiis aat«m Dei eapientia que de malo »cit booDm oH-
care ") et contra sagittantem non nanquam ") moviti') retor-
qaentein sagittam, talem dedit proTentiim, qood eadcm scriptara,
qaanivis sacrile^a ut prophana, proceasaum vestroram crebro
repliuans meDdoDem. illos tnnltorum inculcavit noticie, quibuB
atia« incogniti remHOsisseot; oec ilJos ut scribens volnit es-
tioiil, Nod contra scribentis *^) propositum notificacioDis robore
illostfavit ecjam^ et audientes docuit frivola stoltiloqaia risai
relinqaere proceaauuro '*) eorundem. Ad hoc ad vestram *')
cujHO Teoire^') noticiam qood eoiam''') illastribas prindpibua
doeibas ioferioris Bavarie, conaangwineis Ludovici ducis preta-
«ati, qnorum adhesio fortitudioem illiaa hactenua Tehementer
, veatros insinuavi procesäas, aed propter aliqualem dia-
lillli inter hone et itloa eiortam Doodam apparere'^) potesl,
Vtliot '*) resialere vel obedire eisdem.'") Hujus tarnen rei
I diQ i:elari non poterit vel latere. Denique multum in-
tencioni venire uonferret, al fratres ordinnm meadicancium veatna
parereDt proceasibna et maiime ai cenasruni ioterdtcti eculesia-
■lici observarent; qood*') quidem cotnode facere non pöasent,
aisi alicabi ad alia loca ae mutarent pro tempore forsitan et
(nnaferreat. 9ed ad talia absque snperiorum ordinnm eoran-
|)conilempaiintui'3. 2) in ex mit Lücke 2. 3) rehlt in 2- 4)i|uon-
iltnid2. fi) (leiitunico2. 6] quondam 2. 7) fehlt in 1. 8) apoat«-
S. 9| in Tentri noticiam deTenire 2. 10) ebnere 2. 11) novit,
L i. 19) novit 1 und 3. 131 ecribente« 3. 14) et procesKUaV 2.
' ' am 2. IG) revenire 3. IT) et 1. 16) nperire 2. 19) Telit 2.
I 1. 21) quos 2.
272 Sitzung der historischen Cl(tsse vom 7. Juni 1890.
dem cohercione doo facile dacereotur.^) Qaid autem in hiis
ezpediat, vestre interest providencie discatere et Tidere. Saoe
licet ducis sepedicti et coDsangnineomm suoram predictomm
principatus patrimoniales michi sint contermini et vicini et ez-
inde urgeos et ardua necessitas me*) constriogat, nalla tarnen
adyersitas Deo propicio nie a yestra et sedis apostolice obe-
dieotia') separabit. Vestre itaqae misericordie me fidncialiter
recommendans ^) devote supplico et instanter, quatenus michi
et ecclesie michi commisse circa immioencia pericula de oportonis
remediis dignemini providere sicqae de regno seu^) imperio
Romano disponere sanctitati vestre placeat, nt ezcnsso eornm
terrore qui in sua veritate^) confidunt, hü qni tantam vestrnm
ezpectant auziliam, sab alarum vestrarum tntamine'') valeant
respirare. Datum etc.*)
Nr. 2. (Nach 1324, Aug. 22. cf. oben S. 24S). Erzh. Friedrich an
einen Suffragan: tröstet ihn über die erduldeten Drangsale und er-
klärt sich durch dessen Angaben über die Gefangennahme seines Boten
für seine Person für befriedigt.^)
Coopassio alicnjos cum excusatioDe.
Venerabili in Christo fratri etc. Qaod quantis agitemini
incommodis et perplexitatibus ^) involvamini, expHcare non possi-
tis succinto sermone, quodqae dilacerationem ecclesie vestre,
perdicionem castroram et omnimodam sabversionem ipsius ex-
pectatis simul cum inminenti pericalo vite vestre, Dobis per
literas vestras intimastis. Ad hoc eciam de capcione nuncii
nostri *^) facta in Castro vestro tarn ^*) nos excusastis et eciam
qualiter per juramentum corporale super hoc ionocenciam ve-
stram ostenderitis, nobis per instrumentum publicum insinuare
curastis. Nos igitur consciencie vestre breviter respondentes
credimus firmiter, quod instanti dierum malicia multas perse-
cuciones et incommoda paciamini io rebus pariter et persona;
super quibus vobis compatimur affectu sincero et regulam com-
paciendi a propriis sumimus dampnis et incommodis, qui jam
perdicionem municionis nostre '*) in tali loco deplangimus et
magis plangenda cottidie formidamus. Verumtamen jactantes
in dominum curam nostram magis eligimus incidere in manus
bominum, quam transgredi per obedientiam legem Dei, confortati^^)
1) compelluniur decurrentur (?) 1. 2) fehlt in 2. 3) obediencie 1.
4) commendans 2. 5) euo 2. 6) feritate 2. 7) sub umbra al. vestr. 2.
8) au« Clm. 97 f. 108. 9) Hdschr. proplex. 10) Hdschr. vestri. 11) sie
12) Hdschr. vestre. 13) V Hdschr. confor**-
Sitnoiufrltl: Beilagrn :u den B-filriigen etc. 273
ewaoi^elica veritate dicente: Beati qui peraecocionem propter
jiuticiam paciaotur. Super aüo vero articnlo acire vos oupimus,
t|tiod uiiptivit»loiii uarsorla ooalri faclam in Castro veatro tali
quiintuRi ta nobtx etit traDsimtiä, ymmo amore veatri boa» remilti-
■Dus volontale. 8ed qnia idem i:ursor oicbil de Dostris oegocüs,
utA proc#3SQa domiai nostri pape contra dommum Lad(ovicuin)
dacem Bafarie habitos nobisque oc vobis et c^teria noatris
suffra^Uieia directOB ') tuDtuminado deferebat, eipedire ciediinaH,
ut sDper hoc veatrU aput «amdein doiuiuum p&pam preuav^re
(leriuulis et inuoiuniodiB Btadostjs. Nam apud enm TeritBH tum
pot«rit oiÄuH.ari. Porrn copium eoruudem processunra libenter
vobis dfimo tninstnisisix^tiius per DUDuinm ooslrum latorem
preeMiciarn, sed ille Doluit ros assumere deferendos, aaserend
sil>i w dwlacione eoram per§one et irr , . . *) per icu Iura lomiiiere;
pftTuti auteni suinua eorum copiam vobia facere qDandouumque
von aut aliam haue doientis r«quireiidam. Datum etc.
lü«^ 13:H, Äag. 22. cf. ohe« S. S64^ Erth. Friedrich verhänst
, irrlche bri ikr Einnahme urintr Burg TitlmnniHg
hrtheilirjl gruienrn,'')
t similis (sc. deaaDciitcio) ex pari« Metropotilaoi.
Frt(dericus) elo. dileuto*) in Christo etc. Notum et') no-
tm4niii est*) io taUt patna et Qulla polest Iprgiversacioae u«lari
qood comca - . junior de tuli looo ') et H. et N. et multi eoruni
cooplices et seqnnuea ioteiideotes et iiervieates domiuo *) L(udu-
Ti») doci Bawai'ie latiquntn regi itoiii(anorum) castrotu no^trum
in lall loco prodicloiialil«r noctis tempore occuparout, homines
ibidttD repertoa occideodo, vulnerBodo, captivaado, boois suis
iMnnibuii spoliando, districtum caätri ejuadem et aüos uoatros
diiitnctai vu-itundo iacendita, apaliis et rapinis: Lot quoque et
tautia malia noa ('nalent! tan de bnniü deriuorum et 4-uolesiarum
(|naai pemoniiruni srcularium mutain seu exactioaem reciptunt
apad idem castrum novain iodebitain, gnivem pat.rie et danip«
oOMni. Bx qaibna omoibua (.^oostst ilios excomaaicationia et
9eiiteDtUrum et procesauuiu domiui pttpe darissimog
|04Kfar. direuU». 'i) tld»chr. irr* lirrvpimtbile?). 3] Aua Clin.
W (■=!) und Ctm. I«1S f. 190' (= Sl. t) l>il.— etc. fehlin
0) nMt a. 0) f>-hlt in I. 1) U\\ loc'u fehlen in 1. wo dano
*- - I wird: et oiinDulli alii winini i*. r^) feljlt >u 3.
274 Sitzung der historischen Glosse tMun 7. Juni 1890,
laqaeos ^) iDcarrisse. Ad hoc 0. et H. ^) et nonnalli alii, qai
occapacioni predicti castri doo interfneraDt ab ioicio, postea
occapatoribas lUius sese soeiamot^) et prorampeotee in facta
dampoata ac communicantes in predictis criminibas ^) in eosdem
reatus easdemqae *) penas et sententias inciderant. Ne igitar
Christi fideles ^) eoram contagione pestifera macalentar, devo-
cionem yestram rnonemas et hortamar vobisqae sub pena ex-
comanicacionis, quam in siogalos vestram ei inobedientes faeritis
ferimus in hiis scriptis, nee non snb pena priTacionia oflTicioram
et beoeficiorum vobis precipiendo maDdamoa, qaateoas eos qni
snperins sunt '') ezpressi nomioatini omnes vero alios eoram
complices et in predictis criminibas participes ac eos qai se
postea sociavenint eis vel adhac inantea sociabant generaliter
singalis diebas domioicis et festivis palsatis caopanis accensis
et extinctis candelis, qaando major aderit popali raaltitado, per
aliquem idoneum et discretum presbiterum pablice in ambone
excomunicatos deouncietis, mandantes eos ab omnibas arcias
evitari. Volumus insuper vobisqae sab penis memoratis pre-
cipimus ut qoociens eoram qui dictum castram nanc tenent,
occupant aut in futurum tenaerint quique se illis sociaverint
veP) sociabunt in posterum et cum eis maoent vel inantea
maDebunt aliquem vel aliquos predictam civitatem seu^) oppi*
dum OettiDgum ^^) intrare cootigerit quamdin ibi manserit vel
manserint et^^) post recessum ejus vel eorum per duos dies con-
tinuos cessetis et cessare ibi faciatis generaliter a divinis. '^) Omnes
quoque vestros parroebianos ex parte nostra ^^) moneatis ne emendo
vel vendendo aut^^) aliquid comunicando supradictis hominibus
ullum prestent auxilium, consilium vel favorem; alioquin contra-
venientes eisdem penis et sententiis percellemus. Dat. etc.
anno etc. ").
Nr. 4. (Nach 1324. Aug. 22). Erzb. Friedrich ermahnt einige seiner
Untergebenen in der VoHziehumj seiner Befehle, speziell des ww ihm
verhängten Bannes (cf, No. 3) nicht lässig zu sein. ^^J
Admonicio^'') contra^'') negligentes publicare sentenciam me-
tropolitani.
1) fehlt in 1. 2) 0. und U. fehlen in 1. 3) sorciarunt 3. 4) criminoaiH
noch zuprenetzt in 1. 5) que fehlt in 3. 6) fidelium 3. 7) fehlt in 3.
8) et 1. 9) vel 1. 10) tale 1. 11) fehlt in 1. 12) in 1 adminisV
18) vestra? 3. 14) vel 1. 15) anno etc. fehlen in 3. 16) aus Clm.
14313 f. 191 (= 8) und 1726 f. 68 (= 1). 17) fehlt in 1.
Simmitfeld: Btäagtn 2a den Bfiträfien e
27.1
Prid(ericiiB) etc. DilectJs *) in Christo etc. ') Ad noatrAm
d«latiiiD Bfl uDilieDtiam quod vos In deDunciacioae seDteDtlarnm,
qoM occnpstorea caatri noatri in Titimaog') neo non faatores.
A^jotOFM «omni ac Buccedeiiteä eis in vicium declaravinrns in-
cmriss«*). deeidra faeritia et remiasi et cesäacionem a divinis
nOD eo modo serTaveritis, quo ") vobia in Doulrie littens memi-
aimuB injnnxisse. *} Quoeirca*) devociooem vestram monemus
rei]UtrituDs liortHinnr attunte, qnateuus DeKligeociam et deeidiam
Bi qanm coramiaiatia in liac parte digoa solticitudine et dtü-
geoci» emeodetje, scieotes qnod, si mandatoram oostroniiu reperti
fueritis tranggressores, penas in predictis DOstris llteris cont^nta^
vel iorallihiliter infligerauft ad °) hoc prwibus vortris favora-
annaeotes.
fXMk J334. Aug. lo. ef. obea 8. 252J Eftb. Friedneh bf
tinm Suffragnnbiichof an «einer Statt timuschreilfn gegen
■llhäler. die gieh an Mifchtf Ronrnd von Frehing und einigen
»einer Ofixtlichen thätlith vergriffen. *)
Oommissio facta per metropolitsnain super iDSUltii contra
m babito").
i>Venerahili in Christo fratri Pri(dericus) etc. Ad noah-am
noticiam qnod nobilis vir comes . . de tali *) loco cbdi
COmplicibuN vfinerabili in Christo fratri domioo*) Ch(uoD-
rsido} episcopo FriaiD|(eDsi violentum et'*') hosUlem feuil in-
variom, vulnerando ipsatn lo persona propriu "} et nonaallos
de ejus familia Oüoidendu et aliqaus tum clericos qnam lajcos
TulDeranilo (.-l capiendo, ioter quos discretoni virum U. "') de
tolt ') locü canonicam talis *) loci et prepositum talia loci nostri
djoumis adliac teoet suis carceribos iDaadpatum nee illam
mit liberum dimitter^ nee escredere, ut audivimus, nllo '*) modo.
Veram qnia eicessum tain enoimem io lesiooem et dispendium
dericoUs**) eruiupoi'alJs '*) pariLer et bonoria non decet dos
GOBiiiventibua ocuüh pertranaire vosqae ") in vicioo plei
futi bajUMiiiodi et de ejus circumstaaciiä quam nos in
IJ Tehlt in 1. 3) Milt iu U. 3) q~<que) 1 (st. qu«m?l 1) xtiLlt
l^uocin» — rcijuirimuH in 9 nur: niaDdamii«. 5) ad — annuentea fehlen
in 1. 61 aa« Clin- 1726 l Ol' (= 1) und Clm U313 f. 191' {= »).
7) hab. c ». I. 6) t. l. fehlen in l. 9) fmti-i .. epiacopo de '
10) fohlt in 1. II) pro.p 8. lai quoqiio 3, "•> ..i"-'..-!-- < 1.
] andiMitlirJ] nruninitatiiiy in) vobi.'ijUf 3
13) L-1cncale9l.
IAH
d
276
Sittung der historUche» Clfuse c
ginquo naticiam potertis ') habere, diacretioni vestre, de qaa
fidnciam gerimas Bpecialem, in bac parte committimuB vtces
□ostras, mandantes quatenos pro eicessu snpradicto contra ipsos
eicedentea uec non cootra districtns lerras homines et boau
illoram secandum tradicionem tau jaris communiB qaara pro-
Tinciatium statutoTum procedatis, sii:at fuerit procedendnin, maa-
daotes abbatibas prepositis archidiaconia decaaiB^) plebanis et
aliis ecciesiarum rectoribus nostre dyoceäis nt procetisiis veslros
diligeoter observent et et.iain eiequantur, eoatradictoi'es et re-
belies anctorilate oostra per ceDsuram ecclesiaaticain compes-
ceodo. Nos quo(|ae^) Msdem prouessos rite babitoa ralos hftbe-
biinau et facieiiiDs auclore domino inviolabiliter observari. Dat..
etc. aDDO*) etc.
Na. e. fi, (. et (1. ef. oben S. 353). Enh, IViedrieh vertpendet «icA bei
Papst Johann XXII. für eitmn leiner SiiffraganbinäiUft (f), der «it
treuer Anhätger des Pap»te» gegen hud%üig den £ai«rn tti. •)
Litera anpplicacionis ad papam^] pro epUcopo obpresao.
Sanctissimo etc. Ad decus et devociooem saactitutis vestre
perlinere diooädtur, ut ioter ceteros prelatos illos siagularis ^)
fiivoris gratia pi'oäcqu amini, qaos iomediate subjectioats TObis
jaogit viDcalura qaibusve statua') sui caraslia tribaere digoi-
tatem. Sane veaerabilis io Cbri^to pater dominaä . . eptscopoB
talis, qui ex provisione vestra kalbedram episcopalem accepil
Tobisque inmediateaubjectus existit. *) servando vobis et eccie«ie
Romane üdem devociooem et obedientiani debita^ et oonstanler'")
tencDdo contra se tyrannidem Ladovici") dutia Uavarie, bell&odo
ecJam contra cetero^ eccle.iic sae oppretioreg, diversM patitur
moleatias, angustiaa et pre^auraa nee biis frangitur. sed fervore
spirituä sublimiora conBcendeos. forcior reddilnr et sie colompiiB
inmobilia perseverat. Hie eciam et dam gentes dicti Ladovici
nnper t«rram meam inlrare et hoatiliter devaatare volaisseot,
auxilium milicie super prompta devocione michi eibibuit, sie
quod ope 803 illa vice cohibai introituui uarundem. Quapropter
sanotitati vestre supplico revereater, quatenua dicLam episcopura
sieot dt^votum fliiuni et aicut ereaturam et plaotulBm maDu»
1) poteHti« 3. 2) et dec. 1. 3) noaque 1. 1) anno et*', feblen inl.
6) aoa Clm. 17'J0 f. US (= 1) und Clin. 97 t 110' (^ 2). 6) Ilem
(iic. Petitionen) ■uppliratorie ad dominum papam 'i. 7) illiaainjfutia 3.
S) luibut vMtatui %; qnibua TetniUitiB nui circa »uat trib. di^o. 1!
Q| extitit 1- 101 conatantOH 1. II) L. qui et «ai cum nupi'r 1 mit
Aanlasiiiinf; de« ga.tiz«n Pu^eua diici* Buv. — Lndovici.
Simomftld: Beilagm ju den Beiträtien elc. 277
Teelredignemiai confovere, protegere et taeri et habere la Om-
nibus suis necessitatibns gratioaias oommendatam. Datam etc.
uioo etc. ')
Nr. 7. ( Vor 1334 Okt. 12 ef. oben S. 349.) MrtU. Friedrich ordnet
die Ausführung eines päpgttichtn Befehles über Gefangennahme ttpeirr
gen, Fälscher päpstlicher Schreiben an.')
Comniissio ut bullarum domiai pape deteatorea^) detene-
antur (?) ')
Friderlcas etc. dilectis in Obristo etc. Literas nostras
patentes*) vobia cum presenübaä a^si^Dandas, habentes tcDorem
mjuidati apoatolici de verbo ad verbum infrasoriptum: Viris
pmdeDtibos et diecretis de . . et . . de , , magistro civium et coa-
salibas civitatis Rat(iBpDaeDais) direxiinua, eos aactoritate dicti
mandatl apoatolici moneotes et hortantea attente, nee non
sub cert» pena precipieutes eisdeio, quod Jo(bannein) qaon-
dam abbateni mooasteni Baocti . . aput Scotos Bat. ordiois
Baocli . , et f. qaocdam priurem sancti ?etri extra maros Rat.
ejnsdem ordinis, qoi ab elsdem moaasterio et prioratti per Ben-
tentiam amoti^) pretestn falsarum at dicitar literairum sub
nomine domiai DO^tri pape fabricatarani se violenter intru^erunt^}
ad ista, capiant et captos yoaerabili in Cbriato fratri Dostro
domioo , . eptäcopo Kat. asäigoent, eidera prestent aasiliam, cod-
siliam et favorem, ut sab fida") custodia illos cobis preaentent,
Doslro secuodum tenorem mandati Hpostolici carceri includendos ;
literas qaoqae ut dicitur falttas, quiboii prefati Jo(haDDes) et
I'. aai fneritit, si quas babuerint vel habere poterict clausaa nobis
«ab sigillis'') civitatis Rat. ne illis quicquam iumatari valeat
desUnare^) procurent. Quocirca") devocioaem yestram moaeraufl.
reijuirlmas atteote et nicbilomiaas in virtute obedieotie sub
pen« excomaaicatiouis quam exnaoc in hiis scriptis in vos Terimas,
!>i nuiudati nostri ymo verius apostoüci contemptores extiteritis,
precipiendo mandamus qnalenus nmnes vel duo vel unns veatrum,
pront reqaisiti Fueritis, dictas literas nostras prefatos magistro
civium et consulibus civitatis Rat. presentetis et super hiis
responsionem eoram requiratis et quod in premissia feceritia et
qBftUter predictJ magistri et ooasules in ezecacione mandatl
1) anoD «tc. fehlen in 1. 2) ausCltn. 1726 f. 70. 3) uDdeiii.licIi.
4) Bdachr pet«at«K. &) lldschr. amotu. 6) HdscJir. sida. 7) Hdachr.
■igilla«. H) llducbr. k-dtinare. 9) Hdschr. quac^ircu.
18M. rhilMk-pbOoL u. hiBl. Cl. II. 1. ly
278 Sitzung der historischen ClcLsse vom 7, Juni 1890.
nostri ymo verins apostolici se habuerint nobis per vestras
patentes literas fideliter intimare caretis, ut hec eciam possu-
mas sedi apostolice intimare. Ad hec eciam yobis committimus
sub pena prefata firmiter et mandamos quatenus memoratum
dominum . . episcopam Rat. citetis, ut per se vel per procn-
ratorem jdoneum coram nobis feria tertia^) etc., quem terminum
sibi peremptorie assignamus, in tali loco compareat, processus
omnes quos contra dictos Jo. et P. super preraissis babuisse
dicitur exhibiturus coram nobis, et similiter quod in hoc^) feceritis
per literas vestras nobis fideliter intimare curetis. Dat. etc.
Nr, 8. (Vor 1325, Sept, 1 cf. oben S, 255,) Erzb, Friedridi ersucht den
Pajtst Johann XXII. einige frühere, nun reumüthige Anhänger Lud-
wigs des Baiern vom Banne lösen zu dürfen.^)
Alia pro absolutiooe excomunicacionis irapetranda.^j
Significo sanctitati vestre, quod nobilis vir . . de tali loco ^)
miles mee djocesis, qui longo tempore .. duci Bavarie, dum^j
adhuc fungeretur regio nomine et eciam postea, adbesit eiqae
prestitit auxilium consilium "') et favorem, nunc ad cor reversus
abjurata adhesione illius ab eo recedere et redire ad sinum
sancte matris ecclesie est paratus. Ut igitur exemplo illius ad-
hesione prefati ducis eciam alii milites retrabantur, supplico
humiliter et devote quatenus, ut ilJum auctoritate vestra a sen-
tentiis vestris absolvere valeam, dignemini iodulgere. Item
supplico quatenus absolvendi . . canonicum talis ecclesie **) et
cum eo dispensandi super irregularitate et inbabilitate, quas
incidit ex eo quod in civitate tali que adheret prefato . . duci
Bavarie et in qua interdictum , cui ex processibus vetris sub-
jacet, minime observatur, cum ceteris suis concanonicis divina
oflTicia celebravit in suo ordine ministraodo, ipsi autem duci
nullum prestitit auxilium consilium"^) vel favorem, de gratia speciali
michi concedere dignemini facultatem. Datum®) etc. anno etc.
Ar. />. (lS:i7 Fviir.'i cf.ohen S.iini.) Ki'zh. Friedrich rrkh'irt, dass die
v(m aeinen l^ nt ergehr ucn ilnn grlrishtr .,Srh(it::st(tier" eine freiwillige
getrcsfn sei und für dir Zukunft uirhf prurjudiriHich sein s(dle.
llecognicio^^) de subsidio sive steura indebite soluta ex
amore et amicicia non ex debito non ä te. ^*)
1) undeutlich: fra. iTl. 2) Hd.schr. hec. 3) Aus Ulm. 1726 f. 112
(- 1) und 01m. 97 f. 111' (= 2). 4) fehlt in 2. 5) tali loco fehlen in 2.
6) cum 2. 7) con». aux. 2 8) talem 1. 9) Datum etc. fehlen in 1.
10) aus Clm. 1726 f. 117. 11) undeutlich: Re<Iögacö. 12) die drei
letzten Worte undeutlich.
Simons feld: Beilagen zu den Beiträgen etc. 279
Nos Fri(derica8) etc. Coafitemar et constare cnpimns
universis present^ literas inspecturis, ^) quod, cam ad reca-
perationem et redempcionem castri ecclesie nostre in . . quo per
LQd(ovicam) regem Babarum spoliati fueramus, nostre non
sufficerent facaltates, sed commani nostrorum in hac parte in-
digeremus sabsidio subjectorum , dilectus in Christo . . prepo-
situs talis, licet non baberemus jus hoc exigendi, tarnen ob
selom devocionis et fidei que ad nos et dictam nostram gerebat
ecclesiam sponte admisit et liberaliter, quod homines et coloni
ecclesie sue in nostris terris et territoriis constituti^) in con-
tribncione que vulgariter vocatur Scbaczstewer nobis in sub-
sidione recuperacionis seu redempcionis dicti castri prestiterant ^)
quilibet secundum suarum exigenciam facultatum, ita tarnen
taliter quod hujusmodi admissio spontanea et liberata^) con-
cessio sibi et ecclesie sue in hominibus suis in posterum pre-
jadicare non debeat nobisque et successoribus nostris exinde jus
exigendi contribncioni ^) vel exactioni hujusmodi minime atoratur^)
nosque ab hiis promittimus fideliter de cetero abstinere. In
cujus rei etc.
Nr, 10, (cf. oben S. 238.) Alia forma (vorher Inspectio cujuadam instru-
menii publici) quando exemplatur aliqtwd in^trumentum seu littera
cum auetoritate et decreto auditoris camer e domini pape. Ruhrica.*)
In nomine domini amen . . Nos P. decretorum doctor, cau-
samm curie camere domini pape generalis auditor, presenti
publico transcripto noium facimus universis ipsius seriem in-
specturis, quod accedens ad personam nostram . . executor una
cum . . et . . testamenti seu ultime voluntatis ostendit et produxit
coram nobis pro tribunali sedentibus ad jura reddendum quedam
publica instrumenta non abolita nee cancellata nee lesa in
aliqaa parte sui sed cum ^) suspicione carentia, quorum tenores
ioferios describentur , pet'ens instanter ipsa transcribi et in
pnblicam formam reddigi nostra auctoritate ordinaria et decreto
pro sui et omnium aliorum quorum interest vel interesse posset
fntura memoria et cautella. Cui peticioni utpote rationabili
annuentes ipsorum instrumentorum tenores per subscriptum
notarium fecimus presentibus inseri et transcribi et in publicam
formam reddigi. Cui quidem transcripto hujusmodi deinceps
1) Hdschr. inscriptaris. 2) undeutlich. 3) sie! 4) Auä Clm. 14313
f. 111. 6) sUtt omni?
19*
280 ^ Sitzung der historischen Glosse fX)m 7, Juni 1890,
plenaria fides adbibeatur per omnia in juditio et extra, sicat
et predicüs originalibas instrumentis quoram hü exietuDt tenores:
In nomine domini etc. Acta sant hec per nos auditorem domini
camerarii sapradictnm Carpentorati in hospitio nostro ad in-
stantiam et requisitionem prefati domini executoris sab anno
etc . .presentibas et . . not. apostolicis ad boc Tocatis specialitet
et rogatis, et nichilominus ad pleniorem certitndinem omninm
predictoram presens transcriptum publicum de mandato nostro
confectum sigillo prefati domini camerarii domini pape quo
utimur jussimus comuniri. Et ego . . not. sufrascriptomm in-
strumentoram tenores, prout in ipsorum originalibus inveni
vidi et legi, ita bic de mandato, auctoritate et decreto prefati
domini auditoris et rogatus a prefato domino episcopo executore
transcripsi fideliter et diligeoti collacione facta cum magistro . .
infrascripto notario carie prefati domini auditoris in publicam
formam reddegi meumque Signum apposui consuetum.
Nr. 11. Protestacio ad ostium pape. M
In nomine domini amen etc. Religiosus vir frater . . pro-
curator et institutor ac nuncius specialis venerabilis viri fratris
J. electi etc. et not (arius) R. de . . procurator religiosorum
virorum fratium . . et . . monachorum ejusdem monasterii etc.
nee Don dicti fratris J. electi in abbatem ipsius monasterii
procur(atorio) nomine pro eis ac nomine et vice dicti fratris
J. et pro eo conbtituti apud . . locura ante hostium caraere, ubi
dictus summus pontifex moiabatur, in personam ejusdem domini
pape ostiarii, qul tunc dictum bostium custodiebat, per quod
ad ipsum papam comuniter iotrabatur, procuratorio nomine quo
supra ac nomiue et vice dicti fratris J. electi eundem . . ostiarium
cum instanter requisiveriot sibi humiliter inplorando, ut eos
prefatum intrare permitterent ^) ut deinde possint accedere ante
presentiam domini pape predicti ad proponendum coram eodem
domino papu justum impedimentum« per quod ipse electus ad
sedem apostolicam personaliter venire non potuit neque potest
et ad petendum obtineudam confirmationem electionis facte de
domino fratre J. electo in abbatem dicti monasterii secundum
constitutionem Capientes et quamlibet aliam constitutionem et
ad prosequendum coram eodem papa electionem de ipso fratre
J. factam secundum quod jura requirunt et sicut alias deinde
1) Aus Clm. 14818 f. 170. 2) sie!
SimutiKffId : Beilugm :u ilm Di-itTögtn tte. 281
fieri poteet vel at ab eodem doiuino papa pMsint inpe-
trara Tot obt.ioere alkiaem Buditorem, eorani quo poseent pro-
»e<jai et Gairi ') hujnemodi electioniä aegocium, i|ui paral.i eraot
priueqat cum elTectn. Quibus idem oatiarias re«pondil et dixit
(|aod noa erat, tumpus inti-andi ad ipsnm dominum papsm eosqae
prefalam ostium iotrare Don permisit, firmaado et claudendo
ipsoin; rt tuoc dictns frater V. instructor et ootarius B. pro-
caralor DominibDa qaibua anpra ilti^o dixernnt et protestati
fuernot, quud ipsis et predictis, qaorum iaatruutorea et pro-
ountorea aaat, hdd aarant temporu diute coostltutionU Capi-
«0(99 et cujualibet niterius coDStitutioois super boc edite, com
par BOa non «tet, ijnnndo prefatutii ostium iDtrareot et pre-
sentiam domioi papo nccederent ad propoDeodum eoram «o justam
impedimeDtnui, propter i|aod idem electus ad sedem apostolicam
personaliter venire non potuit et ad propODendam L-cram eo
bojanmoili electtonis negoiiini», sicut requirit dicta cotiBtitutio
Cupientea et qn«lil>et alia Tel nt ab eodem domino papa posaent
iBpeüare vel obtioere aaditorem coram qno possent prosequi
*t finire biijuamodi elsctioDis negocium, quod parati erant pro-
Mqni com effeotu protestanlea qnod cum tenipus et commodi-
Uten babneriat dictam iDpedimentum proponeot et dintum
dectionis neROcium prosequeutnr cuai effeutu. Actum etc.
fZicimihrti 1314, Apr. SO unil 1316. Jali T.t Saper eodein
?rott»lalio ad ostiuvi paprj pro cteclitHie arckiepäcopi.^)
aomine domini amen etc. Constitoto venerabili viro
8. de . . canonico Tranenai (?) electo in archiepiscopam
BD. eoule^ie nna uum diacrelia riris. . et . . canonicis pre-
fat« occIeHiü Raven. iostmuloribas electionis celebrate de ipso
cIkU) ad acclesiani supradiutam et procDr(atoribas) ad presen-
tudatn negotiam electionis ejusdem io Ävinione ante ostium
paUni loci prudicatorum, per quod intratur comunlter anlom aeu
eamerua, in qua major pura cetus sancte Romane eccleaie car-
dinalitim conaueverat et cunsueTit concistoriDiu pro electiono
riwton «ummi pont.ificis celebrare post di^^aolucionem collegii
cardiDalium de conclari Bimal in civitate Carpeotatoria (?) mo-
notiam, diiit et asscrait aut protestatus fail quod veoerat ad
Bomanam cariam et se presentabat ac presentavit ibidem cum
omoibos actis jorlbua et munimenti» dictum elecliooem tau-
enttbiLa ad prosequendnm negoctum dicte electionis äe se facte
Inal 3) An« Olm. I4S1S f il'f.
282 Sitzung der historischen Glosse vom 7. Juni 1890.
ac peiendom confirmacionem electionis ejosdem et sibi anetoritate
apostolica manus consecrationis inpendi et ad onuiia alia facienda
gerenda et exercenda juxta formam juris, proat reqairit negociam
electionis ejusdem. Verum cam Bomana ecclesia pastore vacet
ad presens et nnllas sit a quo ipsius electionis confirmacionem
et munus consecracionis petere possit nee ar(iter) vaieat dictum
negociam proseqai propter yacacionem notoriam apostoiice sedis,
ilico dixit et protestatus fait electus prefatus quod nallnm sibi
et electioni sae prejudicium generetur in predictis aat circa ea
ex vacatione predicta aut excarsn ipsorum, cum paratus se
offerat et sie supradicta faceret si posset, nee per eum stet qao-
minas ipsa faciat, ac faciet et facere intendit quam cito ad hoc
offeret se facultas et Romane ecclesie providebitur de pastore.
Prefati eciam canonici (?) instructores et procuratores ibidem
presentialiter existentes dixerunt et protestati fuerunt, quia ipsi
etiam yenerant ad Romanam curiam sufficienter instructi cum
Omnibus actis et juribus et manimentis negocium electionis
prefate contingentibus ad petendum confirmacionem electionis
ejusdem et instruendum in ipso negoeio et alia omnia facien-
dum ad que tenentur juxta formam juris. Quare dixerunt et
protestati fuerunt quod nullus eis aut cappitulo seu ecclesie
Trauen.^) prefate aut diete electioni prejudicium generetur in
predictis aut circa ea ex vacatione predicta aut excursu ipsorum,
cum parati so offerant et fir(me?) facere si possent, nee pro
eo stet quominus faciant, facient et facere intendant quam cito
ad hoc oflFerat se facultas ut^) prefate Romane ecclesie pro-
visum extiterit de pastore.
Nn. 13. (Nach 1325 Apr. 22.) Litern te.'ftimonialis domini cjjiscnpi
siqter rcnuticiacionv, primihcneficii itt manuii eiti.'^copi facta et per eum
recepta et atlmism.^)
Nos Frid(ericus) etc. confitemur et constare volumus uni-
versis presentes literas inspecturis, quod cum nos disCcreto) viro
H. decano . . utriusque juris perito habenti tunc ecclesiam paro-
chialem in tali loco nostre dyocesis propter sue probitatis merita
contulissemus ecclesiam parrochialem talem ejusdem nostre dyo-
cesis VP Idus*) Aprilis anno domini *) MCCCxxv idem'') H.
cupiens satisfacere constitutioni nove domini J(ohannis) pape
1) sie! atatt Raven? 2) st. et? oder ubiV 3) Aus Clm. 1726
f. 101. (=1) und Clm. 14313 f. 17G (=3); in manus — admissa fehlen
in 3. 4) Kai. 3. 5) :mno tali 1. 6) ibidem 3.
Simonsfeld: Beäagen zu den Beiträgen etc, 283
XXn^) et evadere penas ejus habita corporali possessione
dicte ecclesie Id ') Maldorf ^), ad nos tanquam ad ordina-
riam, ad quem etiam predictarum ecclesiarnm collatio perti-
nere diDOBcitur, personaliter accessit et ecclesiam predictam
in Samheim') in manibns nostris verbaliier et realiter cam
effectn dimisit et reDUDciavit expresse anno eodem X^ kal.
Maii . Nos qnoqne ^) dimissionem et renaociacionem illios re-
cepimos et admisimns similiter cam effectn. In onjns rei etc.
Dat.') eto. Anno^) etc.
No. 14. Item cdia per procuratorem ad idem. ^)
Nos Alb(ertn8?) etc. Confiternnr etc. Quod cnm discretas
▼ir magister Fr]d(ericn8) doctor decretorom et ecclesie nostre
canonicns assecntns fuisset ecclesiam parrocbialem in Pels Saltze-
bargensis dyocesis et ex boc ecclesia parrochialis in Weiten
nostre dyocesis qnam prins teunerat, yacare cepisset, idem
magister F. ^) volens satisfacere et devote parere nove consti-
tncioni domini J(ohanni8) pape XXIV) et prndenter evadere
peoas ejns, transmisit ad nos tanqnam ad ordinarinm ecclesie
in Weiten discretnm virnm magistram H. Vislariam ^) pro-
caratorem snum habentem plenum mandatam renunciandi in
manibns nostris verbauter et realiter cum effectn dimittendi
prefatam ecclesiam in Weiten, dictnsqne magister H. procnrator^)
nomine ejnsdem magistri Frid(erici) hnjusmodi rennnciationem
et dimissionem in manns nostras fecit nosqne illas recepimns
cam effectn. In cnjns rei etc. Datnm^) etc. Anno^) etc.
Nr. 15. Procuratorium ad premissa.^^)
Reverendo in Christo patri etc. magister Frid(erica8) de^)
Chotwico^ cnm sni recomendacione se^^) totum. Cnm ex colla-
tione reverendi patris domini Frid(erici) archiepiscopi Saltz-
borgensis apostolice sedis legati ^') ecclesiam parrocbialem in
Pels Saltzbnrgensis dyocesis sim assecntns et ex hoc ecclesia
parrochialis in Weiten vestre dyocesis, qnam prins obtinebam,
yacare noscatnr, volens ergo nove constitucioni domini J(ohanni8)
pape XXII ^) satisfacere et evadere penas ejns, discretnm virnm
1) XX. 8. 2) fehlt 1. 3) st. in S. in 1 : sine more dispendio.
4) nosqne 8. 5) Elbenda^er wie Nr. 18; per proc. fehlen 3. 6) fehlt 3.
7) XX 8. 8) fehlt 1. 9) procuratorem 1. 10) Ebendaher wie Nr. 13.
11) Hdschr. te. 12) 1. 1; legatus 3.
284 SÜJfung der MstarMien Claase vom 7. Jum 1890,
magisimm H. Vislarium^) ecclesie yestre Ganonicmn ad tos
tanqnam ad ordinarium dicte ecclesie in Wejten^ transmitto
eaademque procaratorem meam constitno dang sibi plennm
mandatum renonoiandi in manns yestras yerbaliter et realiter
et cum effecta dimittendi pro me et nomine meo ecclesiam
eandem in Wejten ^) et') literas testimoniales enper hoc petendi
et reoipiendi com generali hajosmodi facta adminietratione et
omnia et 8in(gala) faciendi que circa hoc fnerint optimal etiam
si mandatum ezigant speciale, ratnm et gratnm habiturns qoic-
quid per enm factum fuerit in premiseie. In cujus rei etc.
Datum*) etc. Anno*) etc.
1) fehlt 1. 2) Weiten 8. 8) et — administr. fehlt 3. 4) fehlt 1.
Zum SchluBs bemerke ich, dass die Abkürzungszeichen leider
teilweise nur ungenau wiedergegeben werden konnten.
285
Herr Ferd. Gregorovius hielt einen Vortrag:
, Briefe aus der «Gorrispondenza Acciajoli* in
der Laurenziana zu Florenz/
Unter den alten berühmten Geschlechtern der floren-
tinischen Republik sind zwei zu geschichtlicher Grosse empor-
gekommen: die Medici und die Acciajoli. Jene nahmen in
der glänzendsten Zeit der Renaissance zweimal den päpst-
lichen Tron ein, prägten der Cultur ihres Zeitalters ihren
eigenen Namen auf, zerstörten die Freiheit ihrer Vaterstadt,
und wurden Grossherzoge Toscanas. Den Acciajoli fiel kein
so erstaunliches Lod zu, aber eine seltsame Verkettung per-
sonlicher und allgemeiner Verhältnisse bewirkte es, dass ein
Zweig ihres Hauses sich in Griechenland unsterblich machte.
Denn dreiundsiebzig Jahre lang sassen Acciajoli auf dem
Herzogstnle Athens, bis Hellas in die türkische Knecht-
schaft fiel.
Beide florentiner Häuser wurden in derselben Zeit nam-
haft; beide gehörten dem Stande der Popolanen an, und
stiegen aus ihm zu den höchsten Ehren in der Republik empor.
Ihr durch Bank- und Handelsgeschäfte erworbener Reich-
tum war die Grundlage ihrer Macht. Der dunkle Ursprung
der einen wie der andern Familie lässt sich nicht über das
zwölfte Jahrhundert hinaus verfolgen.
286 Siteung der historischen Classe vom 7. Juni 1890,
Die Medici sollen aus der Provinz MugeUo nach Florenz
gekommen sein, wahrend die Familieutradition der Acciajoli
das Haus dieser von Gugliarello, einem Guelfen Brescia's,
ableitet, welcher um die Mitte des 12. Jahrhunderts in Florenz
einwanderte und hier eine Stalfabrik gründete. Am Ende
des dreizehnten besassen die Acciajoli bereits ein lebhaftes
Bankgeschäft, und sie bekleideten angesehene Aemter in der
florentiner Magistratur.
Als die Medici noch klein und ohne besondem Ein-
fluss im Staate waren, beherrschten jene schon einen Teil
des europäischen Geldmarkts. Sie würden das Emporkommen
der Medici in Florenz entweder unmöglich gemacht, oder
doch mit ihnen um die höchste Gewalt gerungen haben,
wenn sie nicht ihre erst bankgeschäftlichen, dann persön-
lichen, sehr engen Verbindungen mit dem Eönigshause Anjou
dem heimischen Boden zum Teil entrückt und nach Neapel
und Griechenland verpflanzt hätten.
Neben den zahlreichen Familien Italiens aus Venedig
und Genua, aus Verona, Bologna, Benevent und anderen
Städten, neben den Sanudo, Giustinian, Zaccaria, Tocco,
Ghisi, Gozzadini, Crispi, Carceri u. s. w., die in der fränk-
isclien Levante Länder erwarben und Dynastien gründeten,
sind die Acciajoli das einzige florentinissche Haus gewesen,
welches in Griechenland zur Herrschaft kam. Sie erwarben
viele Lehngüter im westlichen Peloponnes, sie erlangten die
Castellanie Korinth. und sie wurden endlich Herzoge Athens.
Gründer der Grosse dieses Hauses war ein genialer Mann,
Niccolo Acciajoli, erst einfacher Bankhalter, dann Familiär
des Königs Kobert von Neapel, Günstling der Titularkaiserin
von Byzanz, Katharina von Valois (f 184(»). Vormund ihrer
Söhne, Beschützer der Königin Johanna und ihres Gemals
Louis von Tarent, zum Lohn seiner den Anjou geleisteten
Dienste Grossseneschall des Königreichs Sicilien, Graf von
Melfi und Malta, Castellan von Korinth, einer der mächtigsten
Oregoravius: Briefe aus der Corrispondenea Äcciajoli. 287
und thatkraftigsten Staatsmänner seiner Epoche, wo er Zeit-
genosse des Petrarca und Boccaccio, des Tribuns Ck)]a di
RJenzo , des Gardinais Gil d' Albomoz und des Giotto war. ^)
' Niccolo Äcciajoli starb zu Neapel am 8. November 1365,
erst 55 Jahre alt. In der von ihm aus seinen griechischen
Renten gestifteten prachtvollen Gertosa bei Florenz liegt er
unter einem Marmordenkmal bestattet.
Nicht die directen Nachkommen dieses merkwürdigen
Mannes, sondern Verwandte von einem Nebenzweige des
Hauses gelangten zu fürstlicher Stellung in Griechenland.
Denn jene blieben als Kronvasallen der Anjou in Neapel
und erloschen schon im Jahre 1420 mit dem Grossseneschall
Robert, einem Enkel Niccolo's, während dieses Niccolo Neffe
und Adoptivsohn Rainerio im Jahre 1385 von Korinth aus
Athen den Gatalanen entriss, und hier eine herzogliche Dy-
nastie gründete. Rainerio (Nerio I), der erste Herzog Athens
vom Hause der Äcciajoli, war ein Sohn des Jacopo und der
Bartolomea Ricasoli aus Florenz. Bis zum Jahre 1458, wo
die Akropolis sich den Türken ergab, herrschten die Äccia-
joli in Athen.
Die Finanzgeschäfte der Bank Äcciajoli, und die Ver-
flechtung der Schicksale des Hauses des Grossseneschalls mit
denen der Anjou als Fürsten Achaja's hatten demnach einige
Zweige der Familie nach Griechenland verpflanzt, aber andere
waren in Florenz geblieben, wo sie, noch ehe sich die Me-
dici zu Tyrannen der Republik auf warfen, das höchste An-
sehen genossen, und sieh mit den namhaftesten Geschlechtem
der Stadt verschwägerten.
Als Bischof von Florenz machte sich ein Vetter des
Grossseneschalls Niccolo berühmt, nämlich Angelo Äcciajoli,
welcher dem Titularherzoge und Prätendenten Athens, Walter
von Brienne, erst zur Gewalt in Florenz verholfen, und ihn
1) Oesch. der Stadt Athen im Mittelalter II, li8.
288 Skeung der historischen Glosse vom 7. Juni 1690,
dann mit anderen Verschworenen wieder gestürzt hatte. Ein
zweiter Angelo, ein Bruder Nerio^s, des ersten Herzogs von
Athen, war ebenfalls Bischof von Florenz. Der Papst
Urban VI., dessen Sache er eifrig verteidigte, machte . ihn
zum Cardinal von S. Lorenzo in Damaso. Nach dem Tode
Urban ^s im Jahre 1389 war Angelo Acciajoli nahe daran,
aus dem Conclave als Papst hervorzukommen. Sein glück-
licher Nebenbuler Bonifacius IX. ernannte ihn zum Cardinal-
bischof von Ostia und Velletri. Am 11. Aug. 1390 krönte
Angelo Acciajoli als päpstlicher Legat den König Ladislaus
in Gaeta. Er war einer der einflussreichsten und auch
gebildetsten Cardinäle in seiner furchtbaren Zeit. Er starb
als Decan des heil. Collegiums und Kanzler der Kirche im
Jahre 1407 in Pisa. Man sieht noch in der Certosa bei
Florenz in der Gruftkapelle der Acciajoli sein Grabmal neben
dem seines Bruders, des Ritters Donato.
Die Acciajoli sahen indess die Medici in Florenz gross
werden. Von ihnen verdunkelt, vertrugen sie sich mit deren
Glück, und sie hielten ihre Partei, ohne sich durch den Ruhm
ihres alten Hauses 7X\ ehrgeizigen Bestrebungen verleiten zu
lassen. Ihre höchst fruchtbare Familie war zahlreicher an
Mitgliedern als die der Medici. Zwar nicht Päpste, noch
Fürsten gingen aus ihr hervor, aber sie stellte noch immer
eine Reihe von bedeutenden Staatsmännern, von Cardinälen
und Bischöfen auf und brachte auch in der Wissenschuft
ausgezeichnete Männer hervor. Donato Acciajoli (f 1478),
Schüler des Argyropulos, glänzte als Hellenist und Staats-
mann der florentiner Republik. Zanobio Acciajoli war der
gelehrte Bibliothekar Leo's X. Medici, und starb als solcher
zu Rom im Jahre 1510.
Die Acciajoli überlebten endlich in Florenz das regie-
rende Haus der Medici, welches mit dem Grossherzog von
Toscana Johann Gaston im Jahre 1737 ausstarb; denn nur
Ur,,M
BAf
1 der CorritpoHilrns/i Accit^joli,
zwei Nebenlinien setzten »eitber diese Familie fort, die der
Medici Tornnqiiinci m Florenz, und der OUajaiio in Neapel.
Das Haus Acciajoli erlosch zu Florenz erat im Jabre
18'14 mit Niccoln, einem Geistlichen, dessen SchweHter Julia
sich mit dem Baron Rit-asoli vermiilt hatte aus demselben
alten üorentiner Geschlecht, welchem Bartolomea angehört
hntto, die Mutter Nerio's, des ersten Uerzugs von Athen
(t 1394).
Die (Jeschichte dieser berühmten Familie ist, von den
diplomatischen [Irkiiuden ub);eäehmi, in einigen MonograHen
behandelt worden, deren er^te itugleich mich die reichhal-
iigtUi ist; ich meine die Vita des Groaaseneschalls Niccolo
»on Matteo Palniieri, in der Uebersetzung des Donato Accia-
joli, welche den Anhang zu ühaldlni's Istoria della casa
degli L'baldini, Flor. 1588, bildet, nebst der Schrift .Origine
della fuuiiglia degli Acdajoli e degli uomini famosi in esaa.'
In Litta's monumi'ntdlt'm Werk ,Fainiglie celebri d'Itaüu'
iKt die Genealoge der Acciajoli aus geschichtlichen Mono-
^^ft^BO und urkundlichen) Material mit grosser Mfihe zu-
^^^^beflgetragen.
^^^^fcieses Material, in den Archiven und Bibliotheken Italiens
^HtKut, konnte freilich niubt erschöpft werden. In Florenz
selbst liegt die Haupttnasxe der Urkunden zur (ieschichte
des Hauses im Staatsarchiv, wohin auch manche Schriftstücke
atu der Certu^a gekommen .lind. Ausserdem ist ein Teil des
alten Familienarchi vs im Besitz des Hauses Rtcasoli, in welches
die Accia-joli aufgegangen sind.
Als Buchon Materialien Kur Uesehichte der Fraukenherr-
scbsft in ßriechenlaud bammelte, verstattete ihm zuerst der
Bnron Orazio Cesare Uicasoli im Jabre 1843 Einsicht in sein
Hanaarchiv. Buchon dnK'kte hierauf im zweiten Bande seiner
Nourellea Kecherches historique« sur la priucipaute fran^aise
[oree 73 die Acciajoli betrefifende Urkunden ab, die er
»rentiner Staatsarchiv und jcimtu des Uuuse^^ Uicasoli
dfa^
290 Sitzung der historischen Classe vom 7, Juni 1890.
entnommen hatte. 'Die Reihe derselben beginnt mit dem
Diplom Roberts von Neapel zu Gunsten Acciajolis, des Vaters
des berühmten Grossseneschall Niccolo, welchen jener König
im Jahre 1323 zu seinem Gambellanus und Familiaris er-
nanute. Mit diesen Aktenstücken hat Buchon die Anfänge
der geschichtlichen Laufbahn des Hauses Acciajoli zuerst
urkundlich beleuchtet.
Das Glück, welches der französische Forscher in Florenz
hatte, wurde zwanzig Jahre später nicht mehr Leopoldo
Tanfani zu Teil, der für seine Biographie des Grossseneschalls
(Niccolo Acciajuoli, studi storici fatti principalmente sui do-
cumenti deir archivio Fiorentino Firenze 1863) lediglich
auf das Staatsarchiv und einige Bibliotheken beschränkt blieb;
denn das Hausarchiv der Ricasoli wurde ihm nicht geöffnet.
Man wnsste übrigens, dass sich eine ansehnliche Masse
von Familienpapieren der Acciajoli im Privatbesitz in Eng-
land befand, wo sie keinem Forscher zugänglich wurden. Sie
waren mit der Bibliothek des florentiuer Marchese Giuseppe
Pucci im Jahre 1840 durch Kauf in den Besitz des bekannten
Gugliehno Libri gekommen, welcher sie, während er nach
Frankreich hinüberging, bei Gino Capponi in Florenz nieder-
gelegt hatte. Im Jahre 1 843 hatte er diese Sammlung nach
Paris abgeholt; er machte von ihr einen Katalog, um sie
dem brittischen Museum zum Ankaufe darzubieten. Der
Bibliophile Lord Bertram Ashburnham erstand die Bibliothek
Libri im Jahre 1847 ins Geheim; er vereinigte mit ihr
später andere höchstbedeutende Sammlungen von Hand-
schriften. Libri veröffentlichte im Jahre 186G einen Katalog
dieser Bibliothek, während er selbst bereits des Diebstals
von Manuscripten öffentlich i)esehuldigt wurde.
Es ist bekannt, dass die Handschriftensammlung Ash-
burnham einige Jahre nach dem Tode des Lords (1878),
teilweise von der englischen, französischen und italienischen
Regierung angekauft wurde. Die letztere erstand nur den
ChregoroüiiM: Briefe aus der Corrispondenza Acciajoli, 291
eigentlichen Fondo Libri, welcher 1826 Codices nmfasste,
für die Summe von 585000 Lire. *)
Unter diesen jetzt in der Laurenziana zu Florenz nieder-
gelegten Handschriften befindet sich eine Gruppe von fänf-
zehn starken Convoluten, welche bisher unbekannte, wissen-
schaftlich noch nicht verwertete Schriftstücke des Familien-
archivs Acciajoli enthält. Der in Rom im Jahre 1884 an-
gefertigte Katalog des Fondo Libri, welcher dem Bericht
an die Deputirtenkammer beigefügt ist, hat (auf Seite 80)
diese Gruppe so verzeichnet: Corrispondenz von verschiedenen
Mitgliedern der Familie Acciajoli mit einander und mit den
berühmtesten Personen Italiens im vierzehnten und fünf-
zehnten Jahrhundertf auf Papier und Pergament, in Folio
und in Qaarto des 14. und 15. Säculum, 15 Bände stark,
autographisch und unedirt. ^)
Die Bezeichnung Corrispondenza ist in so fern richtig,
als diese Schriftstücke ihrer grossten Menge nach aus Briefen
bestehen, welche Mitglieder des Hauses geschrieben haben,
oder die an solche gerichtet worden sind. Nicht alle sind
Originale, viele sind Copien, manche erst aus dem 17. Jahr-
hundert. Man hat die Masse der losen Schriften erst ober-
flächlich geordnet, in Hefken zusammengelegt und mit Auf-
schriften versehen. Ich bezeichne die wichtigsten:
Corrispondenza Acciajolo Acciajoli.
C . . . Niccolo Acciajoli, gran Siniscalco di
Sicilia.
1) Belazione alla Camera dei Depatati e diaefi^o di Legge per
racqmsto di Codici appartenenti alla Biblioteca Ashbamham de-
scritti neir aonesso catalogo. Roma 1884. Der 7on der italienischen
Regierung bevollmächtigte Unterhändler bei diesem Ankauf war Pas-
qnale Villari.
2). Corrispondenza di di^ersi membri della famiglia Acciajoli fra
ioro e coi personaggi piü illustri dltalia nel secolo 14 e 15. cart. e
membr. in folio et in quarto del XIV. e XV. sec. in quindici volumi
antografo ed inedito.
292 Sitzung der historischen Classe vom 7. Juni 1890.
CörrispoDdenza Jacopo di Donato Acciajoli.
G . . . Angelo Acciajoli veecovo di Firenze.
C . . . Donato Acciajoli.
C . . . Neri Acciajoli (es ist Nerio di
Donato).
G . . . Angiolo di Nicola Acciajoli, gran
Siniscalco di Sicilia.
G . . . Lapa de Aczerolis.
G . . . Margherita Acciajoli.
Jahre aufopfernden Fleisses werden erforderlich sein,
um diese zahlreichen Gorrispondenzen zu lesen, zu sichten,
an ihre biographisch-geschichtliche Stelle zu bringen, zu er-
läutern und der Forschung dienstbar zu machen. So viel
sich erkennen lässt, werden sie weniger die politische Ge-
schichte von Florenz mit besonders wichtigen Documenten
bereichern, als zur Familiengeschichte des Hauses AcciajoH
manche neue Beiträge liefern, und die Genealogie bei Litta
berichtigen und vervollständigen.
Schon die Corrispondenz des Grossseneschalls Niccolo ist
sehr zahlreich. Es befinden sich darunter auch Schriftstücke
in Bezug auf den Bau der Certosa; dann mehrere Briefe,
die von ihm an Jacopo di Donato gerichtet sind mit der
Aufschrift: Nobili viro Jacobe Donati de Aczarolis carissimo
et honor. fratri suo. Jacopo war der Sohn des Donatus von
jenem Seitenzweige des Hauses, aus welchem später die
Herzoge Athens hervorgingen. Mit Bartolomea Ricasoli er-
zeugte er mehrere Töchter und Söhne. Unter diesen wurden
drei angesehen und namhaft: Angelo, Bischof von Florenz,
Cardinal, Commendatar- Erzbischof von Patras, Bail von
Morea (f 1409); Nerio I, Herzog von Athen (f 1394);
Giovanni, Erzbischof von Patras (f 1365); der Ritter Do-
nat(j, Vicar des Grossseneschalls in Morea, vom Könige Ladis-
laus von Neapel durch Urkunde zum Nachfolger seines
Bruders, des kinderlosen Nerio I, in Athen bestimmt, aber
Oregoroviu»: Sritfe au» der Corrispontlenea AeeiajoH. 293
in Florenz gebUeben, wo er Oonfnloiiiere war und im hSch-
stem Ansehen im Jahre 1400 starb. Seine Gorrispoii<leD2
ist sehr zahlreich, und sie dürfte für die Florentiner Ge-
schichte besonders wichtig sein.
leb habe ihr einige Briefe entnommen, die ich mit ein
paar andera ans derselben Sammlung der Corrispondenzen hier
vervinigc. als eine wenn iiueh geschichtlich nicht beMunders
bedeutende, so doch immer wertvolle Ausbeute aus meiner
erstfiu Durchsicht der Ourriäpondeuza Acciajoli.
Dicee Untersuchung hatte den ausschliesslichen Zweck
mich zti versichern, ob in den genannten 15 Convoluteu
Briefschaften enthalten sind, welche den griechischen Accia-
joli angehören, oder sicli auf ihre Verhältnisse, zumal in
Athen beziehen. Nur wenige solcher habe ich aufgefunden.
Die bemerlcenswertesten, acht an Zahl, betrachte ich ab
oinoD Nachtrug /.u meiner Oescliiclite der Stadt Athen, für
welche sie zu verwerten ich nicht mehr die Zeit gefunden
hat!«. Ich steile nie hier chronologisch zusammen, und
drucke sie mit Er^uteningen, teilweise oder ganz ab, hoffend,
Gelehrte zumal in Italien anzureizen, jene Manuscript« zum
Gegenstände ihrer Forschung zu machen.
, A. 1300, IVtrus de Barba Licentiat an ttiovanni di Ja-
L'COpo Acciajoli, erwählten Erzbischof von l'atras.
\A. 1385. Jacobus Bischof von Ai^os an den Cardinal
Antfelo Acciajoli.
1388. Maddaleua de Buondelmonti , Herzogin von
leacadia uiid Pfalzgräfin von Eephalonia, an Donato
iajoli.
1381). Agnes, Genmiin Nerio's 1. von Athen, an
lonato Acciajoli.
%. 1390, Amadeas von Savoyea, Titularf[lr»t von Achaja,
I Dooato Acciajoli.
. 13Ö4. Nerio 1. Acciajoli, Herzog von Athen, an
I Bruder Doinito.
294 Sitzung der hiatorischen ClcLsse vom 7. Juni 1890,
VII. A. 1394. Jacobus Bischof von Argos an den Cardinal
Angelo Acciajoli.
VIII. A. 1394. Roberto Acciajoli, Graf von Melfi und
Malta, Grossseneschall, an Donato Acciajoli.
I. Anno 1360.
Draussen: Reverendo in Christo patri et domino dno. Johanni de
Acciaiolis miseratione div. electo Patracensi domino sao. ^)
Rey. Pater, efusam circa vos clementie divine dulcedinem
et expositam circa vos supeme dextere karitatem quamplu-
rium relatione nunc didici et gaudet animus meus omni
tempore statum vestr. et vestror. prosperis florere successibus,
sed nuper precipue quia estis ad archiepiscopatos Patra-
censis dignitateni promotus et quia dominus Nicholaus
magnus seneschallus regni Sicilie a summo pontifice roman-
diole factus est comes, ac etiam electus est urbis Senator
illustris, mihi de vestris exaltationibus ut de propriis gratu-
lanti, gaudia gaudiis augmentantur. Et exquo divina de-
mentia, tarn Yos quam ipse, ad tante dignitatis et honoris
apicem pervenistis erbittet er sich von des erwählten
Erzbischofs oder des Qrossseneschalls Gunst Berücksichtigung
seiner Person zur Anstellung in irgend einem Amt.
Scriptum Pisis die nona Junii
vr. Petrus de Barba licteratus in jur. civili.
Der Brief, ohne Jahres- und Indictiousangabe, ist un-
zweifelhaft im Jahre 1360 geschrieben , wo Giovanni, der
Sohn des Jacopo Acciajoli, der Bruder Nerios I und des
Donato, zum Erzbischof von Patras ernannt wurde. In dies
reichste und grösste Bistum des fränkischen Morea, welches
sich von der Lehnshoheit dos Fürsten Achaja's unabhängig
machte und als eine geistliche Baronie unmittelbar unter die
1) Der Name Acciaioli wird mit verschiedener Orthographie in
Schriftstücken geschrieben: Acciaioli, Acciajoli, Accioli, Yaczoli, de
Aczarolis, de Aczaiolis.
Oregarovius: Briefe aiis der Corrispondema Acciajöli. 295
Autorität des Papstes stellte, hatte der Gros&seneschall, der
seit 1358 Gastellan von Korinth geworden war, seinen Nepoten
einzusetzen gewusst. Giovanni AcciajoIi starb im Jahre 1365.
Sein Nachfolger in Patras wurde ein Seitenverwandter, An-
gelo Sohn des Alemanno AcciajoIi, welchen derselbe allmäch-
tige Grossseneschall adoptirt hatte, und auch Giovanni's
Bruder Angelo erlangte später die Commende desselben Erz-
bistums. ^)
Das Schreiben Barba^s ist auch deshalb wertvoll, weil
es bestätigt, dass der Grossseneschall vom Papst Innocens VI
zum Grafen der Romagna ernannt und zum Senator der Stadt
Rom ausersehen worden war. Dies geschah auf das persön-
liche Gesuch des berühmten Cardinallegaten Gil d* Aibornoz,
welcher, in dem schwierigen Kriege mit Bemabo Visconti
von Mailand, der Dienste des Grossseneschalls bedurfte und
daher dem Papst den Vorschlag machte, diesen mächtigen
Staatsmann des Hauses Anjou zum Senator der Stadt und
Rector des Patrimoniums und Gampaniens oder einer andern
benachbarten Provinz zu machen. (Requisivisti eum per nos
... de aliquo ex regiminibus ejusdem ecclesie, et presertim
de senatoria Urbis et Rectoria Patrimonii ac Gampanie vel
alterius ibi vicine provincie honorare. Breve Innoc. VI. an
Albomoz.*) Innocenz VI. überliess es seinem Legaten, den
1) Jacopo AcciajoIi
verm. mit Bartolommea Ricasoli.
Angelo geb. 1349, Nerio I Herzog Giovanni Erzb.v. Donato, mächtig
Enb. V. Florenz, v. Athen 1 1394. Patrast 1866. in Florenz, von
Card. 1884, Erzb. zahlreicherNach-
y. Patras 1894 t kommenschafb,
1407. die meist in Grie-
chenland ver-
sorgt wurde t
1400.
2) Das Breve des Paostes an Albomoz, den Qrosssenetohal
treffend, Villanova XII. &al. Julii, pont. nri. anno VIH, um
ao*
296 Sitzung der historischen Glosse vom 7, Juni 1890.
Grossseneschall mit derjenigen Amtsgewalt im Kirchenstaate
zu bekleiden, die er fQr passend erachten wQrde. In Folge
dieser Befugniss übertrug Albomoz dem ihm befreundeten
Acciajoli den Rectorat der Provinz Romagna und der Stadt
Bologna; er gab dies durch ein öffentliches Schreiben den
Bewohnern jener Landschaften kund. In diesem Erlass des
Legaten wird übrigens der Senatorwürde des Grosseneschalls
gar nicht erwähnt. Wenn derselbe, wie der mitgeteilte Brief
Barba*s bestätigt, zum Senator Roms , erwählt' oder aus-
ersehen worden war, so hat er dies Amt doch nicht that-
sächlich bekleidet. Die Fasten des römischen Senats nennen
ihn nicht. Im Jahre 1359 waren Senatoren: Ludovicus de
Rocca von Pisa, welcher die Statuten der römischen Gilde
der Eaufleute am 6. Mai bestätigte, und für das zweite Se-
mester Ungarus de Saxo Ferrato, der dasselbe am 11. No-
vember that. Im Jahre 1360 war in der ersten Hälfte
Senator: Thomas von Spoleto, in der zweiten aber regierten
die Stadt wieder die sieben Reformatoren.^)
Ich bemerke flüchtig, dass für das Jahr 1392 Donato
Acciajoli, der Bruder Nerio's L, als wirklicher Senator Roms
angenommen wird. In den Fasten ist er nicht verzeichnet,
und Urkunden darüber kenne ich nicht. Um jene Zeit ist
die Liste der Senatoren oder der capitolischen Magistratur
sehr lückenhaft. Allein die Thatsache ist immerhin möglich,
schon deshalb, weil der Papst Bonifacius IX. (1389 — 1404),
ein Neapolitaner, mit den Acciajoli sehr ))efreundet war.
Der Cardinal Angelo dieses Hauses krönte als sein Legat
Ladislaus von Neapel am 11. August 1390, und der dank-
bare König stattete de&sen Bruder, den Ritter Donato, mit
Gütern in den Abruzzen aus.*)
CardinulH Albomoz ötfentliche KundgebuDg der Ernennung des Sene-
schalls, dat. Bononie XV. kal. Decembris, Pont Innoc. P. VI anno
ocUvo, hat Tanfani abgedruckt, a. a. 0. Docum. XVII.
1) Statuti dei Mercanti di Roma ed. G. Gatti, 1887.
2) Vitale storia Dipl. dei Senatori di Koma, p. 349 f.
mOfgorniHUn: Briefe ans der Ciirriipaadentn Aceiiijoli, 297
II. A. 1385.
v»" in Chr. Putri et Uomino dorn. Angelo de Äcoia-
Ed>v. dem. Card iniUi Klo rentmo digniaaimo stit> dommo pradpao.
I BeTerandiasime in Christo pnter et <loinine. Devotissima
iniiatione preraiss» scire dignetur V. P. prout per alias
litww V. P. signiticavi ine de partibus Romanie die XV
8 nciveDibria recesaiäse de ordinatJoue et mandato domioi
inci d. Nerii. P. V. germaiii qui me ad. P. V. et domiaum
Donatum de «iia intentione informatum destinabat. Quam
legatinnem JibentisHime acceptans catisam V. dulctssittiani
P. mitandi Venetiaa cum domino Petro Curiiario domiiio
patrie Argolicensis*) usque perveni, in ciiius civitatis in-
troito graviter ftii infirmatus decumbens in lecto per meiisetti
et ultra; quo tempore atiditu de assiimptione V. P. ad
cappellnin taliter fiii gavisus qiiod de lecto subbito surresei
aanos, expectans aiit«u ut viribus aliqualiter rectiperatis qnas
fcre UtUs atnmiHeram ad presentiam V. P. valerem accedere.
Paxas sum recidiviiim et sie usque ad presens infirmus non
potui gratiusimam V. P. quod mihi foret dulcissimum viai-
tare nee mihi imposita per domiiium Keriiim oreteniis
enarrare. prapter quod triati neceasitate cogor koe per litteras
dUpplere. commissa igitur mihi Mngula mitto hiis preäentibus
interelasa et manu ipaius domini Nerii et manu mea propria.
Nunc igitur quod me amariua torquet est quod dominus
patrie ArgoHcensis parat se ad reditum et est reces-
I iofailibiliter die XV mensis Martii immedtate futuri,
ted in pactiti factia (ler ipsum cum patrono Cocche conti-
iwtar quod iiavigiuin dictum expeutabit uaqtie ad diem VIII
I predicti, sed dictua dominus aperat posse protongare
tenninam usque ad diem XV. aupradictam. Qui dominus
nallo modo nie vult dimittere sed vult omnino quod redeam
u, aic ut snm icfirniua; ego autem uon audeu sibi de
i In ScbriflutDckfln dieter Zeit findet iicb Ii&uGk '^"■^ Wort
i fitr ciTita« oder terra in (lehranob.
ä
298 Sitzung der historischen Glosse vom 7, Juni 1890.
commissis mihi per dominum Nerium aliud indicare quia
adhuc non sunt usquam coniuncti amicitia sed nee adhnc
se matuo viderunt quod tamen fieri faciam nt spero in ipeo
accessu. Nunc igitur Reverendissime domine poetquam huc
perveni yidentur mihi multa mutata. nam V. P. assnmpta
est ad Cardinalatum. d. autem patracensis non sine
maximo comodo relinquet Ecclesiam patracensem propter
dominium et tenetur alio amore. Dominus noster odit domi-
num meum Comitem nolanum usque ad mortem in tantum
quod privayit eum comitatu suo et hoc quia amicatnr dictos
dominus comes regi karolo. itaque dictus dominus Comes non
posset prodesse cum domino papa. sed potius obesset. rex
vero karolus privatus est ab utroque papa et nescio
si foret valoris confirmatio sua. Jtaque hiis singulis diligenter
consideratis videat V. pradentia quid mandet circa ista fa-
ciendi, nam si apparet V. P. quod ista exequi debeant ad
presens, redibo nunc cum isto domino, et loquar cum do-
mino Nerio et inmediate revertar ad P. V. quia tempus a
modo est bonum nee mihi nocivura sicut usque nunc fuit.
si vero videtur V. P. quod non sit adhuc tempus predicta
negotia pertractandi, sed quod expectetur quousque negotia
que sunt nunc obscura magis elucescant ego ibo et expectabo
mandatum P. V. et statim quod V. P. mandabit veniam
in dilate et ero magis liber ad faciendum servitia V. P.
quando non ero in comitiva domini Argolicensis. itaque
dignetur V. P. rescribere de hiis tarn domino Nerio quam
etiam mihi si placet, quia deus novit maximum mihi sola-
tium est in P. V. servitiis occupari. Quia optat V. P. nova
veridica scire de domino Nerio, scire dignetur V. P. eum
Christi gratia cum domina sua et Bartholomea despina
et Francisca filiabus et pulcra familia bene valere. Na-
varenses ut video qui sunt in Amorrea non diliguut eum
et libenter nocent sibi si possent in aliquo magno, sed non
audent se discoperire. in parvis ipsi faciunt guerram cum
Ortgnruvnu: Bntfe
t Corrupondema Aeciajali. 2?f*
<tis|)oto. cuiua facta mal*« viiduiit qiiiä omnes liarones bui
Bont aibi rebelies et sunt cum navareDsihus. DoiniDUä Neriiis
iuvat dispotiim bM non multuiu ferventer, et excusat se nava-
rfneibns, ({Uod iion invat dispotnm contra nav&rensea, sed
contra barone« grecos diejioti qwi sunt rebellos et hoc non
wt contra eapitula pacia. Sed ego credo quod ista palliatio
modice durabit, et nt mihi videtiir credo quod erit guerra
mt«r iiavarenseH ex una parte et dominum Nerium (et) dis-
potum ex altera. Cuius signum est, quia modo venerunt oora
de Argo quod Navarenses ex una parte parant se ad faci-
endam t^erram fortiorem i{uam poHsuut dispoto isto novo
tempore et dispotua parat se; et iilia, quod G, equJtes venerunt
(dbi de civiUite thesnlouice ubi dominatur frater §uu3, et
quod dominus Nerius coliigit undiqne poteat homines urmornin,
Jtaqne dnbito qnod guerra erit. Dominus Nerius potest habere
lanceas bene LXX et AlbaueuNes eqnites VIII et peditea
plnrimw. dis|Hitns vero qui est seraper una cum domino Nerio,
habebit etiam equjtea ad minus ducentos et pedites multos
et Tiircoe etiam in copia. Navarenses autem habent uaqne
ad mille et trecentoa equee. De omnibus supradictis poterit
Testru paternitaa conimunicare cum domino Donato P. V.
geruinno, preterquam de facto patrasti, quia hoc solnm
P. V. secreto imposuit dominus Nerius fore dicendum. digne-
tur oro V. P. alligatas litteras Jacobi de Prato assignari
f«cere quibus diriguntur, et ut reapoiisaics habere valeam
reportandas.
Reverendissime Pater, Patriharcatus Constantino-
politaniis vacat ad presenx, et si quando occurreret V. P.
comnioditas et viduretur P. V. gratiim et ipsum per me im-
IMrtmrtt dignaremini, cum adiutorio domini Gardinutia Mi-
«chini,') qui eat dominus me(us) pitssem liberiorem et
nieliorem societatem facere domino Nerio eique utilius ser-
^ Hiccolu Miiijui
.■i'iolo, Cariliniil von I
. t 1
300 Sitzung der historischen Glosse vom 7, Juni 1890,
yire. ut autem habui a maioribus civibus Venetorum, in casa
ubi hoc fieret sine contradictione a dominio Venetornm posses-
sionem haberem. Hec autem prosequor ex maxima confi-
dentia quam habeo de paternitate yestra et quia forte faci-
litas posset accidere hoc impetrandi, nam non modicam in-
famiam in hac civitate imponunt isti cives domino nostro
pro eo quod dictum patriarchatum quasi avaritia tenet et
alicui non concedit. Dignetur supplico intimari mihi facere
y. P. si Vera sunt nova de tortura cardinalium et etiam
morte, ut hie fuit relatum, et si qua alia nova sunt dignetur
V. P. mihi optanti ea scire facere intimari. dignetur etiam
oro mandare, ut littera alligata provinciali predieatomm
assignetur, et quod possim habere responsales si placet.
Altissimus conservet Vestram Reverendissimam patemitatem
feliciter et longeve. Saluto Johannem filium Bindacci cano-
nicum meum et reliquos P. V. servitores.
Paternitatis Vestre Capellanus
Frater J. Episcopus Argolicensis.
(Ich verdanke die Abschrift dieses Briefes der Güte des
Herrn Doctor Frati in Florenz.)
Der vorstehende Brief des Bischofs J (Jacobus) von
Argos ist undatirt. Wie es sich aus einigen in ihm be-
merkten Thatsachen ergibt, ist er in Venedig nicht zu lange
vor dem März 1385 geschrieben worden. Der Bischof war
eine Vertrauensperson des Nerio Acciajoli. Dieser, damals
Castellan von Korinth und Herr von Megara, rüstete sich,
die von ihm seit längerer Zeit vorbereitete Unternehmung
gegen die Catalanen und Aragon en in Athen auszuführen.
Dies Wagniss gelang ihm bald, im Beginne des Sommers
1385, mit überraschend glücklichem Erfolge. Nerio hatte
vorher, noch im Herbst 1384, den Bischof von Argos als
seinen Bevollmächtigten nach Italien geschickt, wo derselbe
Oregoniciuii: Brirfc initi der C'/rTiapomte-nin AclHiiJuU. i}0|
geheime Anftriige an seine Brilder, «Jen Bischof Angelo nnd
don Bitter Donnt«) Acciajoli, in Florenz auarichtpu sollte.
Jacobus veriieAs Romanieu am 15. November 1384, zugleich
mit dem edetn Venetianer Pietro Curnaro, dem damaligen
Gebieter von Ärgos. Dies war Cornaro seit 1377 geworden,
wo er eich mit Maria, der Krhtochter des bisher in Argos
gebietenden Haiues Engbien vermalt und dadurch jene Herr-
schaft erlangt hatte. Beide Münner landeten in Venedig.
Hier erkrankt« der Bi»cbof; seine Krankheit währte, wie er
sollHt; berichtet bat, länger als einen Monat, also bis zum
Ende des December 1384. Dadurch verhindert, sich jiersön-
lifJi YM Angeld Acciajoli zu begeben, welcher seit 1383
BiAcbof von Florenz war, übersandte er demselben die ihm
SNerio anvertrauten Briefe und begleitete sie mit dem
«henden Schreiben.
Kr vernahm während seines Aufenthaltes zu Venedig,
Angelo Acciajoli die Cardinalswürde erhalten hatte. Sie
liewm thatsächlich erteilt worden in der vierten Cardinals-
kotion ürbans VI., und diese machte der Papst, wie be-
it ist, unter den schrecklichsten Verbältnisaeu in der
[ Nocera bei Salemo. Uiaceonius hat als Promotions-
iea Angelo Acciajoli den 14. December 1384, Pauvinius
den 7. Januar 138.> angenommen. Welches von diesen
beiden Daten das richtige sei, wage ich nicht zu entscbei-
dm. Jene Cardinalseniennung durch Urban VI., der das
üiiti futndhcb gewordene heilige Collegium durch seine ent-
schiedenen Anhänger erneuem musste, stand durchaus im
Zwtammcnhnnge mit der Verschworung einer Partei unter
den Cardinälen gegen ihn, den verhassten schrecklichen Papst.
Sechs derselben hatte er am 11. Januar 1385 als der Re-
^^^lion Terdachtig festnehmen nnd in eineCisterne verscbliessen
Auf dieses lÜreiguiss jener ersten furchtbaren Zeit des
und der dynastischen Umwälzung Neaiiels bezieht
i
302 Sitzung der historiMhen Classe vom 7. Juni 1890.
sich die Frage in dem Briefe des Bischofs von Argos, ob es
wahr sei, was man in Venedig höre, dass Gardinäle die Tortur
erlitten haben und sogar getodtet worden seien. Die Zustande
in Neapel waren kurz folgende. Carl III. yon Durazzo hatte,
vom Papst Urban in Rom ausgerüstet, mit Neapel investirt
und gekrönt, dieses Königreich im Sommer 1381 erobert,
und ein Jahr darauf die Königin Johanna von Anjou er-
würgen lassen; der Papst selbst war im Jahre 1383 nach
Neapel gekommen, wo er sich mit Carl feindlich überwarf;
er entsetzte ihn sogar des Thrones. Wie genugsam bekannt
ist, Hess ihn der König in Nocera belagern ; aus der dortigen
Burg befreite ihn im Juli 1385 der Sohn des Grafen von
Nola, Raimondello Orsini, welcher erst eifriger Parteimann
des Hauses Durazzo gewesen, dann aber zu den Anjouinen
übergegangen war. Im Briefe des Bischofs wird der Graf
von Nola genannt, und von ihm gesagt, dass der Papst
(dominus noster) ihn tödtlich hasse und seiner Grafschaft
verlustig erklärt habe, weil er mit dem Könige Carl ver-
bunden sei.
Der Brief wirft ferner ein paar Streiflichter auf die
damaligen Zustände in Griechenland, wo sich die Bande der
Navarresen unter ihren Capitänen Majotto de Coquerel und
Bordö von Sanct Superan in Elis (Morea) festgesetzt hatte,
und der Despot Theodor Paläologus von Sparta (Misithra)
mit ihnen im Kriege lag. Theodor suchte dafür auch die
Unterstützung des Nerio Acciajoli, des Herrn von Korinth,
zu gewinnen, mit welchem er freundliche Verbindungen
unterhielt.
Nerio hatte zwei Töchter, Bartolomea und Francisca.
Die erste vermählte er mit jenem Despoten Theodor, die
andere mit Carlo Tocco, dem Herzoge von Leucadia. Hopf
hat in seiner Geschichte Griechenlands wie in der genealogi-
schen Tabelle des Hauses Acciajoli (in den Chroniques Greco-
Komanes) die Vermälung beider in das Jahr 1388 gesetzt,
; Briefe .
■itpondfin Aeeiajnli.
3o;5
und ich bin seiiier Angabe ^ufolgt. Nuu aber widempricht
dieser oöeiibar der Titel .DespinH". welclien der Bischof
TOM Argiw in seinem (1385 geschriebenen) Briefe der Barto-
lome« gegeben hat. Ich kuim nicht glauben, dass „Despina*
hier fOr dame oder denioisetle gebraucht ist; dies Wort tuiiHS
vivlinithr durchaus den fürstlichen Rang bezeichnen, und
diesen hatte Bnrtolomea nicht von ihrem Vater, sondern von
ihrem äemale, dem Despoten Misithras Theodor. In dein
Briefe n. IIl, welcher im Jahre 1388 gesehrieben worden
ist, i«t die als Despina bezeichnete Dame ohne Frage die-
selbe Bartolonieit. Aus dieaen GrUnden bezweifle ich jetzt
die Kichtigkeit des Jahres 1388 als Datum der VermSlung
Bartolumea'it. Die Familie Nerioa (pulcra von Jacobus ge-
nannt, wegen der nusgexei ebneten Schönheit seiner Töchter)
Iconnte übrigens immerhin in Knrinth beisammen gewesen
senn, bU sich der Bischof von Argos vor seiner Abreise dort
l>efand.
Kr selbst bewarb sich ohne Erfolg nm die Wtirde des
(lateinixcheD) Patriarchen von Constantinopei , welcher da-
mals in Negroponte residirte. Er Icehrte nach Argos zurtlck.
Hier wird er noch ein paar Mal sichtbar. Am 2, .Inli 1394
war er Bevollmächtigter des Herzogs Nerio nnd empfing in
daiSen Namen das Castell Megara von den Venetiiinern zn-
rtCfc.') Am 2. Nov. 1304 zeigte er dem Cardinal Angelu
I des Herzogs Nerio an.*)
in. Ä. 1388.
niuimeD: Maf^ifico viro donimo Donitto de Aci^yülin cIl> FIu-
> fratri noatro — DuciasB Lui^ate et comitiüRa
Cepbtitonie Paltttina-
Uagnifice miles et uobis carissime, tamquam frater post
Eüt« Kaliitis alTectuin. Statiim nostnim Caroli dit$ä| 9t
iflonftrdi filionim noatrorum nmgnifici domini Neti|
} OoKb. der SUdt Athun 11, Z1& 1!| e
: anibn.
304 Sitzung der Mstorisd^en Glosse mm 7. Juni 1890.
Yestri et sue tocius familie prout per suas proprias litteras
certe cognovimus per nostrum ligium, et alios familiäres
nostros qui reyerendum fratrem Matheum de Empoli Archi-
episcopum Corinthinum nobis per tos ultime recomman-
datum sociaverunt ad honorem, Christi gratia notificamos
vobis personaliter fore sanum. De Excellenti despoto Ysau
germano nostro qui fuit versus partes Thesalonias (!) pro
quibusdam suis arduis negociis et agendis habemus per lit-
teras recentes domine despine sororie nostre que eadem
Christi gratia bene valet, et speramus quod nunc sit rever-
sus ad civitatis J alline (sie!) domum suam. Nos autem
de vobis et singulis nostris consuangineis affinibus et amicis
nostris affectamus nova prospera sepe sepias persentire pro
consolatione et gratitudine mentis nostre . . .
Valete. Scriptum in Castro Sei. Georgi de Insula
nostra Cephalonia die XIII. mensis martii XL Ind. Si
habetis nova de reverendissimo doraino domino Cardinali
Florentino fratre vestro nobis illa pro cordis consolacione
scribatis.
Der Brief ist gesehrieben am 13. März 1388 von Mad-
dalena de' Buondelmonti, Tochter de^ Manente Buondelmonti
und der Lapa Acciajoli. Lapa war eine in ihrer Zeit durch
Tugenden hervorragende Frau, die Freundin der heih'gen
Brigitta. Ihre Tochter Maddalena, die Schwester des be-
rühmten Grossseneschalls Niccolo, war vermalt mit dem da-
mals in Griechenland mächtigen Dynasten Leonardo Tocco,
dem Pfalzgrafen von Kephalonia und Herzoge von Leucadia.
Der im Briefe Maddalena's erwähnte Isau, ihr Bruder, be-
herrschte Jannina. Nach dem Tode ihres Gemales Leonardo
(um 1381), war Maddalena bis 1388 Regentin für ihren
Sohn Carlo I. Tocco, der sich mit Francesca Acciajoli, der
zweiten Tochter Nerio's I. von Athen, vermalte. Maddalena
selbst starb im Jahre 1401. Die im Brief genannte Despina
ist Bartolonmiea, die Tochter Nerios I., Gemalin des Despo-
ten von Sparta, Theodor Paläologus.
Gre^OTorius: Briefe auf lirr CorrigpoudciiKi AeciajoJi. 305
IV. A. 1389.
Manitii^ho rini Donttto de Auci&iöli luilea hononibile e
charissinio frate.
Bonombile e churismmo frut« po saliite. focciam aasa-
Bcbome e stado antiato lo si^or me§ser neri alla bo-
na a parlare choIlD vicliaria della luorea, e clio gli altri
I ooDipa^nia per ilur^ hordioe at liuono statx> dellu paeae
r altri loro provigi, lo vichario Ih fatto ritenere e por-
Inelo prigioue o (|ueätu fue venerdi ad X settenb. In
mie et I per che laimo ritenuki e preso aon vi posBo
pmente scriTere per che io Dollaao. ma lo chaso acfaono
icio »«sapere cboiDo quelln che mi siete frut« lovedete e
meterci nesuno aiutw e remedio alla aua liberaxiooe,
t Telo facdo a sapere. aparechiata soiio a ogni voatro
e ben« Christo vi coiisoli. scHtta a choranto ad
I setteäb. XIII. indiüjon«!. facciovi assapere chomo
Mo paesis tnnto dello duchame qnanto della cbastel-
tutto si ttene bene alla nostrn t'edeilita ed ntistra
u?) «iio provedera alaTan»).
Annessa acciajoli.
Ilorio I., der trügerischen Einladung Bordo's von Saiict Su-
t, iee Hfloptes der Navarresinchen Suldband<> in Morea, arg-
llftend, Um mit diexer Companie die schwebenden Zwisttig-
dnrch Unterhandlung friedlich beizulegen, war mit
ksbriereii nach Votttizza gegangen, dort verräterisch ge-
1 gcnoainien und von Asan Zaccaria, dem Grosaconne-
PMorea's, in die Burg Li§trena gebracht worden. Der
r txtiaer liemaliu bezeichnet genau da^ Datum des Er-
nKni"»»i den 10. September (1389),') ßiichou hat oine
Reibe von Äctenstücken abgedruckt, welche hicIi auf die
langwi und schwierigen Unterhandlungen der Verwandteu
Nerio'B in Italien zum Zweck seiner Befreiung aus dem
j (liwh. ilpr 8tftiU Alben im Mitl«lnlU'i II. 235 f.
306 Sitzung der histarisd^en Clasae rom 7. Juni 1890,
Kerker beziehen. Der Brief seiner in Korinth zurückgebliebenen
Gemalin ist wertvoll; denn andere Briefe von ihrer Hand
sind, soviel ich weiss, nicht erhalten.
Diese Dame (sie selbst nennt sich Annessa, ohne sich
irgend einen Titel beizulegen) war eine Eubootin, Agnes
Saracino , Tochter eines auf jener Insel mächtigen Signors,
dessen Familien herkunft unbekannt ist. Die Saraceni finden
sich in vielen Städten Italiens, auch in Siena. Da der Brief
durchaus den Accent und die Schreibweise der Toscaner
jener Zeit hat, so bringt mich das auf die Vermutung, dass
die Saraceni Euböa^s eine toscanische Familie gewesen sind.
V. A. 1390.
Draussen: Egregio militi domino Donato de yaczoli amico nostro
carissimo.
Egregie amice carissime. Displicenter audivimus quod
Egregius miles dominus Reynerius frater vester per navar-
renses personaliter detinetur in nostro Achaye principatu.
Et cum jam lapsis multis t.emporibus disposueramus dictum
nostrum principatuni ad manus nostras et obedieutiam redu-
cere, multo niagis de presenti etiam contemplatione dicti
fratris vestri et vestra vacare intendimus ceteris omnibus
obmissis ad predicta adimplenda dei et amicorum nostro-
rum auxilio sufi'ragante, cupientes fratrem vestrum a carce-
ribus totaliter liberare. Ita tarnen quod in transsitu et certis
aliis coutribuatis, et alia faciatis, prout dilectus servitor
noster lator presentium quem ad vos pro preniissis duxinms
specialiter destinandum vobis plenius declarabit. Cui in re-
ferendis super predictis vestra parte fidem velitis indubiam
adhibere et nobis ipsis per eundem rescribere plenarie vestre
voluntatis intentum, et si qua alia possiiuus vobis gratia
parati pro viribus cordialiter coniplacere. Altissirnus vos
conservet feliciter et longeve.
Datum querij die XXX Marcii.
Amedeus de Sabaudia
Princeps Achaye.
fwTtffOrOpii
Brieft .
((er CorrUponflentit AccinjoU. -107
Brief int von Amadeua VII. von Savoyeo am 30. März
za Chieri geechrieben. Dieser Vürat ging in jener
it mit deru Plane um, die Ansprüche meines Hauses auf
das FQrslentum Aclii^a durch diplomatisclie Mittel imd einen
Kri^lBzug zur Geltung zu bringen. Die Gefangenschaft
Kerio's bcstiirVt£ ihn ilariii. Nachdt^m dieser in Folge eines
Vertrag«« mit der navarresischen Companie seine Freiheit er-
langt hatte und am Ende des Jahres l'SW nach Korinth um-
rDckgekehrt war, scblosa Amadoo mit ihm, zum Zwecke seines
Planes, durch seiae Abgesandten ein Btlndniss zu Athen, am
^^December 1391.')
^^^^Plhmnasen : Ca.ro frate meaaer Donato Acci^joli in Firenxe-
Cnro frate. per sismonda avemo voatra lettera la quäle
(aveoio) bene intesa ed apresso da essa funio pienainente in-
formato dongui cosa. le quali cose non si sonu potuto lare
per In guerni. Inpero che lo gran turcho e venuto a Salo-
iiichi, e a preso per moglie !a llglia della donna della
»ola, et apresso a pre«o tutto lo sao paese, e sperasi lui
venini piü inanzi. II perch^ tratianio piü tosto la guerra
ohelU paee. lo capellana de messer lo cardinale viene di
cotte iuformato dauoi dongni cosa siehe dallui apieno sarete
iufonoAto . . . data in corsnto il XX di Febraio II. Ind.
^^^ NeriuB acciolis (hic).
^^^K jUs Autograph de^ ersten Herzog» von Athen aus dem
^^^^M Aocii^oU ist dieser Brief (aus Korinth am 20. Febr.
18M) beoonders wertvoll.
Die darin gununnte Sismonda war die Schwester Nerio's
iiDi) Oonat'j'.s und die Gemahn des Matten d'Asuoü Herrn
Ton CBst«Iarhauu. Der Sultan Bajazet hatte daniaU seinen
J 8i»he nlinr Ai^^ VargA-nge Geicfa. il. Stadt Atb«n i
Eil, Uü r.
308 Süeug der histarisehe Glosse vom 7. Jfmt 1890,
m
grossen Eriegszug nach Oriechenland ausgeführt, die Lander
Phokis und Lokris besetzt, Neopatra eingenommen und der
Unabhängigkeit der Grafschaft Salona ein Ende gemacht.
Die im Briefe genannte Donna della Sola war Helena Eanta-
kuzena, die Wittwe des Don Luis Fadrique, des letzten
Grafen von Salona. Sie hatte dem Sultan ihr Land über-
geben, und ihre viel umworbene Tochter Maria fand ihren
Platz im Harem Bajazet^s. Der Brief Nerio^s ist wichtig
für die Feststellung des Datums des Unterganges Salona*8,
welcher sich vor dem 20. Febr. 1394 vollzogen hatte.
Vn. A. 1394.
Draussen: Reyeren™^ in Christo Patri et Domino dorn. A. divina
prov. cardinali florentino dignissimo suo domino precipno.
Reverendissime in Christo pater et domine devota recom-
mendatione premissa. reverend. paternitati vestre cum summa
cordis amaritudine significho qualiter magnif. dominus rever.
patemitatis vest. gernianus die XXV. mensis settembris imme-
diate preteriti diem suum clausit extreraum. post cujus obi-
tuni dispotus cepit omnia chastra Chastellaiiie chorin-
tiensis; etiam rocam et civitatem cliorintim tenet obsessam,
bastardus autem prefati domini nerei et beltranetus fuit
totis viribus con dispoto ac secum raanent in campo pug-
nantes contra chorinti et cetera vestra locha et nisi per
doniinationem vestram de ceteri provideatur medio, totam
patriam per doniuni vestram atenus aquisitam dictns despotus
total iter ochupabit. altissimus conservct rever. paternitatem
vestram feliciter et longieve. Datum Neapoli romanie die
socundo mensis novembris.
Reverend, paternitatis vestre
orator frater J. episcopus argolicensis.
Aus diesem Briefe des Bischofs Jacobus von Argos (ge-
schrieben in Nauplia am 2. Nov. 1394) ergibt sich das ge-
naue Datum dos Todes Nerios I. : der 25. September 1394.
\ fSrrgonimus: Britft •
n iler (''irriKinnitniin Acänjnti,
30(1
Icli hebe in der Gescliicfat« Athetis von dessen TeHtament
lind dem Streite der Erben und Prätendenten ausftihrUch ge-
redet, und verweise darauf zurück. Der Brief des Bischofs
zotgt. dtuss augenblicklich nach dem Tode I^erio'a, der nur
zwei TOchter und einen illegitimen Sohn hinterliesa, der
Des|>ot Theodor Paläologiis, vereinigt mit Antonio, dem
kShoen Bastarde des Verstorbenen und mit einem (mir
unbekannten) Kriegshaupttnann Beltranetus. Korinth über-
fall«n und besetzt hatte. Der Bischof forderte den Bruder
Nerio'a, Donato in Florenz, dringend auf, die Ansprflohe
im HaUBee Äcuiajoli auf die Länder Nerio's geltend -iv machen,
und diese Ansprüche gründeten sich auf die Investitur-Ur-
kunde dee Königs Ladislaua für Nerio vom 11. .Tannar 1394,
wonach das Recht der Nachfolge in Athen nach Nerio's
Tode auf den Ritter Donato und seine männlichen Nach-
komineti Übergehen sollte.
IVIIT. A. 1394.
I^en: Strunuo et Egregio viro (locDino Donalo de Acmiolid militi
y nostro cariMiiuo fratri masuua SenesoilluB J eiJ^Je
iStrenue et egregie roilea sc nobis tarnqnam frater ca-
me. Qnnmvia que ab altissimo permictuntur nniversis
grata ese debeant pariter et accepta, nee in occurrentibus
divtnis caaibua nil aliud excogitari debeat, quam attisaimi
Imik ezbibenda, nichilomiuus humane camis fragilitas non
sapportat quia in casibus uecis proprie caniis attinentium et
omicoTum dnloris anc^ietas non revelletur. Sane per literas
magnifiee niulieris domine ducisse Luchate carissime
sororis mee Emigrationem magnifici fratris mei domini Nerii
de Aczaroliti Kerenitatis ve»tre germani attenarum dacis
iltJentisnniis et lacrimantibus occulis intellexi. De quo mens
raea inaioris doloria angiiutie et tribulntionts gladium nnn
pohiit reccpimc. Uloricbutur utque animus nieu>^ considerans
«t cognoecens, nnum de prole nostra tante probitatia et ex-
ihUol. B. bIM, Ol. IL 1. 21
1
BIO Sitzung der hintorisdien Classe vom 7. Juni ltt!K>,
cellentie nrum ducis attenarum nomen acquisisse. Nee
poterat cor meum qualicunque tristitia ansium esse et reple-
tum, quia recordatus ipsius exeellentis nominis ducis atte-
narum gaudium et conforkamen non susciperet excessivurn.
Nunc vero ipsa confortatio mea in doloris amaritudinem est
conversa. De quo deo et fortune queror, et non Valens tale
perditum rehabere Landes et dignas gratias refero meo altis-
simo creatori, sibi devotissirae supplicans, ut ipsius anime per
sue benignitatis pietatem misereri dignetur et in eterne vite
gloriam requiescat. Cumque nulla alia certitudo quam mortis
crudelitas habeatur et sit universis destinata, necessario co-
gimur aliqualis exhortationis partem recipere et habere. Sic
ego quam mich! melius possibile fuerit, quamvis sine magno
dolore essere non posset, exhortabor vestram sapientissimam
nobilitatem deprecans et exbortans ut quamquam hie duris-
siinus, crudelissimus et insupportabilis casus advenerit, ipsa
vestra fraternitas debitum confortationis remedium obtinere
et vos ipsum propriis remediis consolari, quod altissimo gra-
tum erit et acceptuin, et raichi ad uiagnum consolamen ve-
niet et succedet. Unum tainen videre voluissem postquam
talis dolentissimus casus debuit evenisse, quod alius de domo
nostra ad gloriam omnium nostrorum et exhortationem sue
necis in dicto titulo et ducamine successisset. Deus nobi-
lissimam fraternitatem vestram consolari dignetur et conser-
vare omnipotens in longevum.
In Castro nostro Melfie
die XXII. Dec.
Dies Condolenzsch reiben an Donato Acciajoli verfasste
lloberto, Graf von Melfi und Malta und Grassseneschall des
Königreichs Neapel. Er war der Enkel des Grossseneschalls
Niccolo, und starb uuvermält und kinderlos als Prior in
Florenz, im Jahre 1420. Mit ihm erlosch diese Linie der
Acciajoli.
Gregorovius: Briefe aus der Corrispondenza Äcciajoli. 311
Der Brief zeigt, wie sehr sich die Äcciajoli bewusst
waren, dass der Besitz des Herzogtums Athen ihrem Hause
einen ausserordentlichen Glanz verleihe. Der letzte Gross-
seneschall Roberto sprach deshalb den Wunsch aus, dass ein
Mitglied ihrer eigenen Familie der Nachfolger Nerio^s werden
möge, aber er forderte dessen Bruder Donato nicht auf,
seine Rechte auf die Nachfolge zu behaupten. Antonio, der
ehrgeizige und kluge Bastard Nerio^s, gewann das Herzog-
tum Athen, und erst nach seinem kinderlosen Tode gelangten
dort die Nachkommen des Donato Äcciajoli zur Herrschaft.
Sitzungsberichte
der
kOnigl. bayer. Akademie der WisseDschaften.
Philosophisch-philologische Glasse.
Sitzung vom 5. Juli 1890.
Herr Keinz hielt einen Vortrag:
»lieber Aventins Tagebuch. (Aventins Haus-
kalender). **
Den Verehrern des Begründers der bayrischen Geschichte
konnte ich in der Münchener Allgemeinen Zeitung vom
16. August 1888 die nachfolgende erfreuliche Mittheilung
machen :
,(AYentin-Fund an der k. Staatsbibliothek.)^
Das von Aventin in den Jahren 1499 bis 1531 geführte
Tagebuch gehört zu seinen wichtigsten Hinterlassenschaften,
weniger wegen seiner Aufzeichnungen für die zeitgenös-
sische Geschichte, als wegen derjenigen für seine Be-
ziehungen zum Herrscherhause und besonders wegen der
wichtigen Angaben für seine Lebensgeschichte und seine
Werke. Selbstverständlich wurde diese Arbeit auch in die
von der k. Akademie der Wissenschaften auf Veranlassung
Seiner Majestät des Königs von Bayern vor einigen Jahren
herausgegebene Sammlung der sämmtlichen Werke Aventins
aufgenommen und befindet sich im ersten Bande S. G55
bis 689. Für diese VeröflFentlichung hatte man aber nur
den Abdruck, welchen M. Gandershofer in den Verhand-
lungen des historischen Vereins für den Regen-Kreis, Bd. III
Uta PhikMi-pUloL u. hisi. Gl. II. S. 22
314 Sitzung der phüosrpMol. Classe vom 5. Juli 1890.
(1835), Heft 1, SS. 1 — 65, gegeben hat, und zwar nach
einer Abschrift, welche Westenrieder dem Pfarrer Nagel im
Jahre 1797 zur Vergleichung mit dem Original übergeben
hatte. Westenrieders Abschrift aber und, was noch schlimmer
ist, das Original derselben war nirgends zu finden. Aventin
selbst hatte seine Aufzeichnungen in ein gedrucktes Kalender-
werk, wie sie damals üblich waren: Almanach nova (oder
Ephemerides) per J. Stoefflerinum et J. Pflaumen (Ulniae),
das für die Jahre 1499 — 1531 angelegt war, eingetragen.
Als ich im Auftrage des verstorbenen Directors der Staats-
bibliothek, Dr. V. Halm, die Vorarbeiten für die Druck-
legung des Tagebuches ausführte, gab ich mir viele Mühe,
dieses Buch in verschiedenen Bibliotheken aufzuspüren; es
fand sich aber kein Exemplar mit Aventin'schen Einträgen.
Ueber das Exemplar Aventins, welches Westenrieder aus der
Bibliothek des Klosters Neustift bei Freising entlehnt hatte,
bemerkt die akademische Ausgabe: „Es kam im Jahre 1803
in die Ceiitralbibliothek zu München, ist aber bald spurlas
verschwunden." Bei einer Durchsicht alter Doubletten der
k. Bibliothek kam mir heute (14. Aug.) ein dickes Buch
zur Hand , das in dem Verzeichnisse nur mit dem Worte
StoefFlerinus aufgeführt war. Erregte schon dieser Name
meine Neugierde, so war ich um so angenehmer überrascht,
als mir beim Oelfnen die wohlbekannten Schriftzüge von
Aventins Hand gegeiiübertraten : das war sein berühmter, viel-
gesuchter Hauskalender. Offenbar war dieses Buch bei dem
massenhaften Einlauf von Büchern aus den Bibliotheken
der damals eben aufgehobenen Klöster, da schon zwei schönere
Exemplare aufgestellt waren, sofort zu den Doubletten ein-
g«*reiht worden und ist seitdem keinem Kenner der Aven-
tin'schen Hand oder des Werthes seiner Einträge zu Gesicht
gekommen. Um so grässer ist meine Freude, dass ich den
vielen Freunden d<»s Vaters der bayerischen (T«»schicht« hie-
mit die frohe Nachricht geben kann, dass dieser Schatz nun-
Keinz: Ueber AvenUns Tagebuch. 315
mehr wieder an dem Platze zu finden ist, wo man ihn vor
allem suchen muss — in der k. Hof- und Staatsbibliothek
zu München. Zu Westenrieders Abschrift kann ich nach
kurzer Durchsicht des Originals bemerken, dass sie so genau
ist, wie man sie von dem berühmten Manne erwarten kann,
dass aber immerhin eine hübsche Nachlese von kleineren
Nachtragen und Berichtigungen sich ergeben wird/
Durch die Auffindung dieses seit achtzig Jahren ver-
loren geglaubten Werkes war nun die Möglichkeit gegeben,
die Westenrieder'sche Abschrift, oder vielmehr den Ganders-
hofer 'sehen Abdruck derselben auf ihre Richtigkeit zu prQfen,
and sowohl manche Stellen, die schon bisher Zweifel erregt
hatten, als andere, die man bisher auf Treue und Glauben
hingenommen hatte, nach der ursprünglichen Aufzeichnung
sicher zu stellen.
Zunächst fiel diese Aufgabe mir als dem Finder zu und
wenn ich sie bisher, durch andere Arbeiten abgehalten, nicht
erledigen konnte, so will ich nun in den nachfolgenden
Zeilen das Wichtigste in aller Kürze mittheilen.
Diese Art der Darlegung des Sachverhaltes aber wähle
ich, weil sie mir für den Augenblick als die passendste und
mir allein mögliche erscheint. Es boten sich - nämlich zur
Ausführung zweierlei Wege dar. Der eine war, alle Ver-
schiedenheiten, die sich bei Vergleichung des Originals und
des Abdruckes ergaben, aufzuführen. Dabei wären aber
eine Unzahl von Kleinigkeiten zu erwähnen, deren Darlegung
Niemandem nützen, keinem Zwecke förderlich sein würde,
und dessen ungeachtet manchmal auch noch einen erheb-
lichen Wortaufwand erfordern, und einen unverdient bedeu-
tenden Raum einnehmen würde.
Für eine so genaue Wiedergabe des Originals wäre
meines Erachtens der einzig richtige Weg die Veranstaltung
einer neuen Ausgabe; hiezu aber scheint mir zur Zeit eine
genügende Veranlassung nicht vorzuliegen.
22*
31 C Sitzung der phüosrphUoL Ciasse vom 5. Juli 1890.,
Der andere Weg ist die Aufzählung aller für das Ver-
ständniss des Wortlautes wichtigen oder sonst erwähnens-
werthen Abweichungen und dieser Weg soll hier einge-
halten werden. ^'
Die Beschreibung des Druckwerkes, welches Aventin zu
seinen Einträgen verwendete, ist in der akademischen Aus-
gabe schon mit solcher Genauigkeit gegeben, dass derselben
nur wenig beigefügt werden kann. Es ist davon besonders
fest zu halten, dass jeder Jahrgang ein Titelblatt hatte,
welches nur auf der ersten Seite die Worte ^Ephemerides
a*" virg. partus^ auf kleinem Raum enthielt und dass auch
die letzte Seite leer war, so dass fast drei vollständige Seiten
für die grösseren politischen Berichte zur Verfügung standen:
für die kleineren täglichen Bemerkungen war durch zwei
schmälere Seitenränder und einen breiteren unteren Hand
genügend Platz vorhanden. Dass die 32 Jahrgänge in einem
Bande hergestellt und verkauft wurden, ist daraus zu schliessen,
dass nur dem ersten Jahrgang die allgemeinen calendarischen
Einleitungen vorausgeschickt sind und zwei andere hier vor-
handene Exemplare den gleichen Umfang zeigen. Im
Widerspruch damit steht nur, dass sieh zweimal die Angabe
über Ankauf des Almanacli findet, nämlich im Eingang zum
J. 1504 in sehr abweichender Schrift: ,isto anno emi alma-
uach pro nno fl.' und z. J. 1509 ,illo anno emit Aventinus
almanach in Carroduno h. e. Burghausen'.
Da die erste Angabe noch in die Zeit seines Pariser
Aufenthaltes, also noch in die Jahre seiner Studien und Studien-
reisen fällt, so wird sie sich wohl auf einen Kalender ge-
ringeren Umfanges beziehen, da man nicht annehmen kann,
djiss er ein in Ihnfang und Gewicht so bedeutendes Buch
auf seine sehr ausgedehnten Reisen mitgenommen hätte. Da-
gegen war er i. J. 1509 schon in seiner festen Stellung als
IVinzenerzieher und es steht also nichts der Annahme ent-
gegen, dass das in diesem Jahre gekaufte Exemplar das uns
fCeitu: äbtr AurtiliiiA Tafirharh. ^17
jetxt nm:h erhnlt^ne sei. Die Notizen d^ frQlie<ren KalenilerN
mt^ er dann wohl in den neuen Dbergescbriebeu liftben.
Sot stimmt eu dieser Annahme, dass die vorausgehenden
Jahre znar <Iie politischen JabrR''l>6n'chte in gr5s8erer Aiis-
delinimg haben, aber die zu einzelnen Tagen gehörenden
Mittlieiifjngen in ziemlich j^erin^r Zahl zeigen. Eine Gattung
der EintrTige — die meteorologischen — f^ngt überhaupt erst
mit il. J. 1500 an. Femer erhellt diesa auch aus dem In-
halt einiger Einträge, wie z. B. gleich beim ersten Jahre
geschieht liebe Notizen mit einer späteren Zeit in Bezug ge-
setzt sind.
Da indess :«ämmtliche Einträge Avcntins Hand »eigen.
«I dürfte die Frage nach einem oder zwei Exemplaren des
Kalendera als eine mfissige zu betrachten und nicht weiter
KU behandeln sein.
Die verschiedenen Arten der Einträge sind »chon in der
akademischen Ausgabe aufgezählt. Vier davon wurden beim Ab-
druck übergangen, nämlich I ) diät«tt!üche Flegeln allgemeiner
Art mit mediz. Kecepten. manchmal ziemlich umfangreich;
2) die .Angabe der beweglichen Fe^ (nur beim 5. Mai 1510
nind die rogatioues oder snpplicationes , d. h. die alljähr-
lichen Frlihlingsbittgänge um die Felder, aufgenommen;
3) die gelegentlich hii^eworfenen etymologischen Versuche
mit Personen- und Ortsnamen; diese finden sich nur auf
dem ersten und letzten Blatte des ganzen Buches und sind
in genügender Menge in der Einleitung mitgetheilt; 4) die
Wetterberichte. Bei diesen waren die Ansichten verschieden.
Ich hatte sie alle in die für den Druck gefertigte Abschrift
ftufgenommen; Halm aber hat bis auf wenige, (z. B. Januar
l'')23) alle gestrichen, weil sie zu bedeiitunga- und werthlos
aei«n. Mir erschien das anders: allerdings hatten sie, nach-
dem einmal die Zeit ihre» Eintrags vorüber war, keinen
Werth mehr. Das wusste aber auch Aventin und wenn er
dann deasenungeacbtt^t dit^e Aufzeichnungen, zeitweilig mit
318 Sitzung der phUoa.-phüol, Glcusse vom ö. Juli 1890,
grosser Uegelmässigkeit, fortsetzte, so mossten sie ihm doch
nicht bedeutungslos erscheinen.. Man kann also fQglich
glauben, dass er schon eine dunkle Ahnung von der Mög-
lichkeit der erst in unserer Zeit ausgebildeten Wissenschaft
der Meteorologie hatte und für seinen Theil zu den Anföngen
derselben Beiträge liefern wollte, aus deren fortgesetzter
Aufnahme sich vielleicht Kegeln ergebem könnten.
Eine künftige Ausgabe des Tagebuches wird daher auch
diese Eiuzeichnungen unbedingt aufnehmen müssen, weil sie
das Bild der vielfaltigen Thätigkeit des aussergewöhnlichen
Mannes um einen wesentlichen Zug bereichem und vervoll-
ständigen.
Die wirklich zum Abdruck gelangten Einträge sind also
nur von zweierlei Art.
Erstens die Berichte über die politischen Zeitereignisse,
welche aber für eine Zeit, die wir aus den archivaiischen
Aktenbestünden auf's genaueste erforschen können, nur ein-
zelne wichtige Beiträge liefern; zweitens die Angaben über
seine persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen. Diese sind
selbstverständlich von der höchsten Wichtigkeit. Sie uni-
fiissen alles dahin gehörige, seine Gesundheitsverhältnisse,
seine materielle Lage, seine Familie, seine Studien und Reisen,
und besonders seine Stellung als Prinzenerzieher und später als
Landeshistoriograph.
In der Wiedergabe der Kalendereinträge durch den
Druck hatten die Herausgeber, also zunächst und ursprüng-
lich Westenrieder, zwei Schwierigkeiten zu überwinden.
Die eine lag, bei grösseren Einträgen auf einer Seite,
also besonders bei den für djis ganze Jahr, meist nach Ab-
lauf desselben, gemachten politischen Berichten iu der Qrup-
]>irun^ der einzelnen Sätze. Aventin schrieb die erste ihm
in die Hund kommende Notiz oft mitten in die Seite, setzte
rechts und links andere Sätze an, schob auch mitunter zwischen
zwei Sätzen auf kleinem freigebliebenen Kaume wieder einen
KVitii* Ihbrr Acentiit/i Taf/eltuch. 319
midrrn 8ntz ^^nz andern Inhnlta ein ii. dgl. m^br. Die richtige
AtuliS«unK flolch«r hie uml da. scheinbar ineiimiider greifen-
deu Siitae l>iet«t mitunter erhebliche Schmeri^keiten , x. B.
in (l«n UvbtirMichten der Jahre 1504 oder 1511. Atthuliohes
findet tich iiuoh. wenn bei «einzelnen Monnten mif dem
schmalen Kande §ich viele Einträge Boden, die oft. in ein-
Knder gehen und häutig dann auch zum Zweck der Ranm-
enpurutig klein nml sehleuht giwijhrielwn sind, wie mimeiit-
üch die vielen ^tze ilher die Belagerung Wiens beim Oct 1529.
Di« zweite Schwierigkeit liegt in der Schrift Äventina.
Diese i»t »ehr verarhieden, snwohl in der 'Grösse äU im Zuge
und wechselt von der grinsten Deutlichkeit bis zur vollstäu-
(ligcD Itnleserlichkeit iu ao hohem Cirade, du^s uian manch-
mal «ehr XU itweii'eln ventucht ist, üb man es mit ÄuJ'iteich-
nutigen derselben Uand zu thun hat.
AI» rin weiterer misslicher Umstand nmas erwähnt werden,
iam Äventin hie und da, besoudem in den letzten Jahren
aue rotbe Tinte verwendete, die dem Verblassen sehr untt'r-
Hngt, wobei sich noch der sonderbare OmBtand findet, dass
niBiivbe Worte und »elbat Sätze, die Westenrieder ohne alle
Benierknng, also als ganz sicher, wiedergibt, jetzt kaum
Qiühr in einv^lnen Strichen oder auch gar nicht mehr zu
«r^enoen «ind.
Durch blossen Zufall mag es veranlasst sein, das» an
anigiin Stellen kleine Einträge ganz ßhemehen waren z. B.
die in ihrem Wortlaut eigentbümliclie und noch der Er-
kÜrong bedürftige Notiz zum f!. März 1821.
Alle erwähnten Schwierigkeiten lassen es als «ehr ver-
sdfalich «racheinen, wenn «ich in Westenrieder« .\bschrift
(and OBcb dieser in den beiden Drucken) nicht wenige Stellen
finden, in welchen Abweichungen vom Originale nochge-
vrieseii wnilun köunKU. Es bleiben sogar nach Heilung zahl-
Ki^cbäden dieser Art noch einige zurfick. an welchen ^^^fl
(Vigcr MeratLtgeber seine Augen und Meinen Scharf- ^^^^^
320 Sitzung der phOos.'phäol, Glosse vom 5. Jtdi 1890,
sinn anstrengen kann. Der Bericbierstatter hat in allen
diesen Dingen gethan, was ihm in der fSr diese Arbeit ver-
fögbaren beschränkten Zeit möglich war und ist zufrieden
damit, dass er dem etwaigen spateren Bearbeiter die meisten
Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt hat.
In der nachfolgenden Aufzäbhing sind die Berichtungen,
Nachträge und erklärenden Bemerkungen in der Reihe der
Jahre sowie der Seiten und Steilen der akademischen Aus-
gabe aufgeföhrt.
Ephemerides anno
1499.
S. 658 Z. 3 nach Caesaris ist einzusetzen hoc anno. — Z. 12
st. pt*fn' dtirft« zu lesen sein partium und Z. 21 nostri
statt Herum. Aus Z. 13 ff. ergibt sich, dass dieser ganze
Bericht erst in späterer Zeit eingetragen wurde.
1500.
S. 659 Z. 1 nach electus ist einzuschalten postea. Z. 9 I.
vefii st. redii.
1502.
S. 659 Z. 1 1 Thurinonwrfis ist für ausgestrichenes tummaier
eingesetzt. — Z. 13 1. quondam st. qui. — Z. 28 I.
Cametz (d. h. Kamen z, wie in der Anmerkung richtig
verrauthet ist) st. Camelorum. Der in der Anm. erwähnte
Eintrag ist nicht vorhanden; wohl aber stehen beim
9. Mai die Silben harcino fii rlie^ also wohl UarcifW'
furdiae = Erfurt.
S. ()()() Z. 1 st. Heiohorgae ist wohl zu lesen Nerobor gae
(Nürnberg.) — Z. 4 rodem mense ist vom Abschreiber
einj^esetzt. Vindemia Chclohemii ist wohl der Ort Kehl-
heirnwinzer.
1502.
S. r)()0 Z. 5 l, Modiusfscheff] tritici X aureis venditus (statt:
modius 11 flormis aureis ve^iditus scheff II Tumisen).
4
Keinz: Ueber Äventins Tagebuch, 321
Z. 7 1. OcL Otingium (fuit?); Nov. CivibtM Apsibergami
consiliatus.
1503.
Z. 12 vor vi einzusetzen: Ferdinandus. — Z. 15 1. OaUiam.
Z. 23 1. Partum. — Z. 24 nach dieser Zeile ist zu er-
ganzen: Sept. Francofori (?) fui^ inde rursus Lutetiam
petivi. — Z. 25 1. Nov. st. Dec. 1. — Die Zeilen 25
bis 30 (bis aetas) stehen beim November (beim De-
zember steht nur 1 obiü dux Oearyius); alles übrige
bis S. 661 Z. 6 ist auf der leeren Schlussseite des J. 1503
eingetragen. — Z. 28 occupavit steht vor Bain. — Z. 31
hinter fratres steht qui obiit 1509.
1504.
S. 661 Z. 20 1. superiarum st.propwrum; der erste et ist zu
streichen. — Z. 28 1. vi st. tarnen. — Z. 30 ist der
Schrift nach an Z. 21 anzuschliessen.
S. 662 Z. 20 1. c%vÜ€Ues st. cives. — Z. 21 ist wohl zu lesen:
qui mulctarunt Bhenum oppidum; Hasse etc. — Z. 32
1. Apr. 5 et 7 st. Apr. 7; vor 15 ist einzusetzen 13 Slestad.
— Z. 24 Freistat etc. ist unmittelbar an Z. 22 anzu-
schliessen.
1505.
S. 663 Z. 1 I. Gelrhia; ebenso steht auch Z. 23 Gelrhie
(nicht Gddrie). — Z. 7 auch beim Januar steht Straubing.
1507.
Z. 22—24 Cozyria ist Zusatz des Abschreibers; ^et Julius
(papay ist ganz zu streichen; Hn fine anni et pr. sq.'' ist
an occupant in der 23. Z. anzuschliessen ; und oppugnat
st. appugnant zu lesen.
1508.
S. 663 Z. 37 1. insipienter.
S. 664 Z. 6 an Stelle des eingesetzten ßngens steht dicU.
322 Sitzung der phüosrphüol, Glasae vom 5. Jtdi 1890.
1509.
S. 665 Z. 5 1. Aegrenses; hinter nobiles scheint nur das Wort
vulgus zu stehen. — Z. 26 Eodem anno ist vom Ab-
schreiber eingesetzt.
1510.
S. 666 Z. 4. Remis ist eine gewiss fiaische Lesung eines uu-
deutlich übergeschriebeuen Wortes (wahrscheinlich rhetie).
Z. 33 zu Januar und zu Februar ist er^nzend einzu-
setzen ^Burghausen-München^ — Z. 35 zum 27. März
ist zu lesen : venit praefecius praetorii muckentfialer (der
Abschreiber hat die Minuskel m für in und ucken für
urbem gelesen). Die Zahl 31 ist zu streichen; der da-
bei stehende Satz steht unten am Rande als zum Monat
überhaupt gehörig.
S. 667 Z. 3 die Zahl 30 ist zu streichen ; der Satz steht am
untern Rande. ^Bnrghamen*' steht bei allen Monaten
vom Mai bis zum Oktober.
1511.
Z. 10 statt quae mit ist vielleicht zu lesen qui nimis
s(a)evit. — Z. 111. gefiiis statt gmionim. — Z. 14 ist xd zu
streichen. — Z. 17 1. quaesienint st. cofiservant. —
Z. 22 1. in römischer Zahl 1520. — Z. 23 nach astro-
nomo ist Bononiae einzusetzen und statt ^L(eoniy X.
zu lesen ''ex\ (Der Abschreiber wollte den Namen des
Pabstes haben und las daher L(eoni) statt e und X
statt X. Leo X. wurde Papst i. J. 1513). — In Z. 24
sollte Timetur & den neuen Absatz beginnen.
S. 668 Z. 2 1. sich st. des ersten dich. — Z. 10 sc ist zu
streichen. — Z. 17 si ist vom Abschreiber eingesetzt.
Z. 21 wohl dbaci st. Abati, — Z. 29 1. Visa^, — Z. 30.
Die ganze Zeile ist so zu lesen partis pontificis fuerat.
Incolae occisi ad tmum. In ultimo Junio <t. Der
Öchluss des Absatzes (Z. 33) ist unsicher.
Keing: Ueber Äventina Tagebuch. 323
1511.
S. 669 Z. 6 Ser(enissimi) ist zu streichen. — Z. 16 nach
venu ist einzusetzen: 22, discessit. — Z. 17 1. Gesarem
st. Austriam. — Z. 21 1. matertam st. refectorium; die
ganze Stelle ist übrigens sehr schlecht geschrieben und
zum Theil vergilbt, so dass sie kaum mit Sicherheit
herzustellen ist; ebenso der folgende Absatz, der — von
Veneti an — am unteren Rande steht, und in welchem
drciimgresii C!onjectur zu sein scheint.
S. 670 Z. 2/3 der ganze Satz von Totus bis pluverat steht
beim 16. Sept.; das übrige ohne Datum beim Oktober.
— Z. 4 hinter Arragoniae ist einzusetzen qui a Gaesare
et Gallis defecercU. — Z. 7 1. sed statt post; in der
folgenden Zeile ist quipiam cum fraude jedenfalls falsch,
aber die richtige Deutung schwierig. — Z. 14 1. pro-
vincialium st. privatum.
1512.
S. 670 Z. 23 1. concilia st. comitia, — Z. 29 1. praesensere
st. pers . . .
S. 671 Z. 2 1. mendici st. interdid^ ebenso Z. 4 mendicos
st. mentitoa, — Z. 19 statt ahihunt steht eine Abkürz-
ung {iurisconsvMus?) und darnach profecti; in Z. 20
ist st. München zu lesen Landshut, — Z. 26 1. eo tem-
pore st. Lotharingiae,
S. 672 Z. 8 das in der Anmerkung erwähnte Sternchen ist
nur Verweisungszeichen. — Z. 10 1. iussu und st. cum
wohl eum, — Z. 14 die Punkte sind zu tilgen. — Z. 22
Hohen creidum (d h. Hohenkrähen.) — Z. 26 Vlsung,
1513.
S. 673 Z. 1 zum 1. März ist bemerkt: nan ieiunare^ Gamedi.. .
— Z. 5 die zwei griechischen Worte sind ausgestrichen;
die den Leonardus betreffenden Worte stehen beim
14. April; das übrige steht am unteren Rande ohne
324 Sitzung der philos.'phüdl. Classe vom 5, Juli 1890.
Datum; das Wort supplicatiofies ^hört zum 1. Mai. —
Z. 9 die Angaben zum 8. mid 18. Mai kaum richtig
und jedenfalls unvollständig ; die Schrift hier ganz schlecht
und verblasst. Beim 24. Mai steht: nil orare post pran-
dium. — Z. 11 das beim 10. Juni stehende LandshU
bezieht sich auf den ganzen Monat; die Angaben zum
19., 26., 28., 29. Juni finde ich nicht. — Z. 17 beim
26. Nov. steht dasselbe wie beim 24. — Bei diesem
Jahre verschiedene kleine Angaben, die verblasst oder
wegen schlechter Schrift nicht lesbar sind.
1514.
S. 673 Z. 26 1. Wolfgangus comes de Ort . . .; am Schlnss
dieser Notiz noch einige unlesbare Worte. — Z. 29
scheint Licatia irrthümlich eingesetzt zu sein. — Z. J^O
beim 9. Februar ist einzusetzen diu dormire post jyran-
dium, somnium, orare.
S. 674 Tl. 5 die Angabe vom 7. Juni steht auch beim 9.;
dazwischen ein paar Worte. — Z. 8 zum 28. Nov. 'post
prandium orar&.
1515.
S. 674 Z. V'\ einzusetzen 8. Jan. hihUopola; beim 27. Jan.
.steht ein (Jebet-Eintrag. — Z. 15 1. Fehr. 1 dk :>S -
Der zum 25. Febr. gegebene Eintrag steht beim März
am oberen Rande, ist aber ganz ausgestrichen. — Z. 24/26
statt Bemried ist zu lesen Lermos, das nachfolgende
frcs ist zu streichen. München steht nicht am Schluss,
sondern als für den Monat fiberhaupt, hier für den An-
fang desselben geltend, am unteren Rande. Beim Sep-
tember und Oktober ist unten am Rande 'ItaUa^ ein-
getragen. Durch die Einstellung von Lernios statt des
falschen Bernried ist, da auch Verrcs sich leicht als
'Fernpass' erklärt, ein richtiger Reiseweg — Starnberg,
Andeehs, PoUing, Raitenbuch, Steingaden, Füssen, Leer-
mos, Fernpass, Nassereit, Landeck, Imst - hergestellt.
Keinz: lieber Äcentins Tagebuch. 325
Da, wie oben erwähnt, die Ansetzang Münchens an den
Schluss keine Berechtigung hat, so ist es zweifellos,
dass wir in diesen Orten schon die ersten Stationen der
Reise nach Italien haben. Die Reise nahm also vom
Anfang Juli bis zum Eintreffen in Ingolstadt am 24. No-
vember nahezu fünf Monate (nicht wie in der Anmerkung
und den Biographien bisher angegeben wurde: nicht
volle vier Monate) in Anspruch.
1517.
S. 675 Z. 1 pcUmarum ist richtig; camer entschieden falsch,
aber nicht lesbar. — Z. 6 ist statt der Punkte einzu-
setzen: St. Salvator. -- Z. 12 statt des unmöglichen
Aüerspach wird zu lesen sein : Äbensperg^ wie schon
Nagel vermuthete.
1518.
ä. 675 Z. 19 bei 5. März steht ein undeutlicher Ortsname,
vielleicht Rocheling an der Um. — Z. 20 zum 6. Apr.
Diessen ist gewiss falsch ; zum 9. April wird Kipfen-
berg statt der Punkte einzustellen sein. — Z. 21 beim
29./30. April zwei Namen, deren erster Thierhaupten
sein kann. — Z. 22 hier scheint Thierhaupten ausge-
strichen zu sein. — Z. 23 zum 13. Mai: 1. Piburch. —
Z. 25 zum 28. Juni wohl Wasserburg. — Z. 27 zum
3. Juli wohl Beiharting.
S. 676 Z. 3 statt Andechs ist zu lesen St. Rasso^ d. h. Graf-
rath an der Amper.
1519.
S. 676 Z. 13 der in der Anmerkung zu Z. 13 erwähnte Ein-
trag steht nicht am Schluss von 1518, sondern am An-
fang von 1519; aber ohne das fabche Datum« — Z.
statt nocte surgo in casto ist zu lesen tarde awrf§
Aricnisto forare ?) ; dabei noch ein paar unlesban Y
und einzelne griechische Buchstaben. — Z. 17 dia
326 Sitzung der phOos.-fMdl. Clasw vom 6. Juli 1890.
gaben zum 4. 5. und 8. Mai sind sicher falsch, aber
kaum zu lesen; ebenso eine zum 2. Juni. — Z. 21 st.
vesperas et complet, oblüus ist zu lesen vergessen vesp.
& comple. (wie beim 18. Juni 1520).
1520.
S. 676 Z 27 zu ergänzen Jan. 9. nil orare ... — Z. 29 beim
4. Febr. ein unlesbarer Eintrag.
1521.
S. 677 Z. 12 anzufügen Jan. 25 crap(ula) vamiitis. — Z. 17
statt der Punkte einzusetzen similis iridi. Beim 8. März
findet sich der von W. übersehene Eintrag: ^auricularium
sacrtim*^ in deutlicher Schrift. — Z. 22 1. quarti libri
st. qtuzrtum.
1522.
S. G78 Z. 8/9 die nach ^gedrucM stehenden Worte sehe ich
nicht. — Z. 13 1. geschickt st. geschriebeti. — Z. 10 da-
bei noch der undeutlich geschriebene Eintrag: sie(?)
nach arcu^ lunae sicut (?) 1521 in martio. Am unteren
Rande steht vindeliciae. Auf der letzten Seite steht
ein besonders ausführlicher Wetterbericht über die Zeit
von Weihnachten bis hl. 3 Könige.
1523.
S. 078 Z. 20 st. stielecht ist wohl snebccht (= schneeig) zu
lesen. — Z. 23 beim Februar, März, April, Mai gelten
die Angaben des Aufenthaltsortes für den Monat und
sind daher die einzelnen Zahlen zu streichen. Beim
A])ril steht Lundshiit auch beim 13. (also wohl Ankunft-
Tag), beim 13. Mai steht die Einzelaii^al)e Ranslioven
und unten noch zwei unverständliche Worte. — Z. 28
hinter Ranshovcn steht noch Otiny. — Z. 29 die hier
stehende Angabe findet sich auch auf der ersten Seite
dieses Jahres: ''fui apud cardinalem Saleburgefisetn* . ~
Z. 30 st. Salehury steht Lnndshut (beiui 1. Nov.)
Keiru: Ueher Aventins Te^bueh, 327
1524.
S. 679 Z. 6 am nniern Rande zwei Worte, die, wie sie aus-
sehen, (matse maratus) hier keinen Sinn geben. — Z. 8
beim 23. Juni eine unverständliche Angabe. Die Worte
von Ahensperg an stehen am untern Rande. — Z. 11
statt München ist wohl zu lesen Schirling, — Z. 26/27
Witeberg und Sueviam sicher falsch; statt des ersteren
scheint riceburg zu stehen.
1525.
S. 081 Z. 1 abiit ist för ein unlesbares Wort eingesetzt. —
Z. 5 1. capsularii. — Z. 12 1. geben st. geborgen. —
Z. 17 die ganze Zeile bis zur Zahl 21 werthlose Con-
jectur. — Z. 25 nach III einzusetzen eüen.
1526.
S. 682 Z. 15 statt Lirer wohl mylner zu lesen. — Z. 19 st.
Sannsbach ist wohl Zaunspeck zu lesen. — Z. 22 1.
foedus st. pariibtis (ohne Punkt) und in der nächsten
Zeile wohl niiUit episcopo st. juvant — Z. 24 1. bellum
episcopi SäUfburgensis st. b, cun% Saleb. — Z. 27 von
diesem Bericht über einen Uagelschlag steht, da hier
der Buchbinder die Blätter falsch eingereiht hat, die
erste Hälfte beim April, die zweite beim Juni.
S. 683 Z. 1 und 2 stehen beim Juli am oberen Rande. —
Z. 4 nach Philippus einzusetzen: hie. — Z. 10 statt
^SepL* L: J2 hol. Septembribus rex. — Z. 16 die Zahl 15
ist zu streichen. —
1527.
S. 683 Z. 21 ivimtis sicher falsch, aber kaum lesbar. —
Z. 23 der Eintrag zum 24. Febr. steht ohne Datum
unten. — Z. 28 der gleiche Eintrag steht auch beim Juni.
1528.
S. 684 Z. 1 per rusticos ist sehr zweifelhaft; aber das Wort
zu sehr verblasst. — Z. 25 ibidem bezeichnet die Wieder-
328 Sitzung der pkOos.'phOol. Clasäe wm 5. Jtdi 1890.
holung des yorhergehenden Eintrags. Die 3 folgenden
Worte stehen auf dem Titelblatt des Jahres 1529.
1529.
S. 684 Z. 31 die Zahl 25 ist zu streichen.
S. 685 Z. 12 der falsche Wortlaut ist hier kaum zu ver-
bessern; die Zeilen 15 — 24 stehen noch beim September.
Von den Eintragen zum September und October, die
fast ganz mit rother Tinte geschrieben sind, ist vieles
verblasst und desswegen, sowie wegen schlechter Schrei-
bung und Gruppirung kaum mehr herzustellen.
S. 687 Z. 4 1. vüibtis st. urbibus. — Z. 14. An den mit
bestiis abschliessenden Ausruf reiht sich, mit ihm auf
der leeren letzten Seite des Jahrgangs eingetragen, der in
der Anmerkung zu S. 686 Z. 20 abgedruckte Entwurf
zu' Aventins Heiratspakt'. Er ist theil weise so schlecht
geschrieben, dass sich nur behaupten lässt, dass manches
vom Abschreiber falsch gelesen ist, besonders in der
auf S. 687 stehenden AbtheiUmg, während ich die sichere
Herstellung besseren Augen überlassen muss. — Die
Zeilen 14 (Anstria d\) — 19 stehen auf der ersten Seite
des Jahres 15IW.
15:^0.
S. 687 Z. 22 statt Holeperc scheint zu stehen Sulzpek. Vor
Neumarkf ist das "C" su streiclien. — Z. 23/24 statt
proditiotws versus pactum. Purchausefi ist zu lesen ;)ro-
ditionis reus pcractus Perathausen, — Z. 26 Pcrates-
husm gehört hier nicht zur Keiseroute, sondern erst in
der folgenden Zeile. Die Orte sind in zwei Gruppen
eingetragen, Trfar bis Parsberg auf der einen, die von
Ttaning an auf der andern Seite, also wohl Hin- und
und Rückreise. Dabei ist nach Helfenberg Veldorl\
nach Teining Sinj^enhof einzusetzen, nach Taimburg
stehen zwei kaum lesbare Nüinen. — Z. .'U 1. Aniberg
st. Amborus,
Tafel mm Müitärdiplom von Eining.
Innenseite.
329
Herr y. Christ legte einen Au&ate des Herrn Stadt-
pfarrers Wolf gang Schreiner in Abensberg vor:
«Das Militärdiplom von Eining*.
(Mit 1 Tafel.)
I.
In der Sitznng der philos.-philol. Klasse der königlichen
Akademie der Wissenschaften vom 5. März 1887 berichtete
der gegenwärtige Studienrektor am königl. Gymnasium zu
Speier, mein verehrter Freund F. Ohlenschlager: «Ausser den
erwähnten Fundstücken von Eining haben wir der Sorgfalt
des Herrn Pfarrers Schreiner auch ein Militärdiplom zu
verdanken, dessen Bruchstücke aber dick mit Patina bedeckt
sind und erst nach völliger Reinigung, die nur mit grösster
Vorsicht vorgenommen werden kann, veröffentlicht werden
sollen-.^)
Bei der Wichtigkeit der Herausgabe eines derartigen
Denkmales, bei der überaus grossen Schwierigkeit einer
vollständigen Reinigung desselben, bei der Oewissenhaftig-
keit und Genauigkeit, die mit der Veröffentlichung einer
solch wertvollen Geschichtsquelle verbunden sein muss, konnte
ich mich bisher nicht entschliessen, mit der Publikation des
1) SitsuDgsberichte der kgl. Akademie der Wissenschallei
Seite 196-199.
1890. Phaoc-phUol. n. bist. Gl. U. S. 38
330 Süzung der philoarphäol, Glosse vom 5. Juli 1890.
Militärdiploms, dessen Vorhandensein Rektor Ohlenschlager
als der erste von mir erfahren hatte, vor die Oeffentlich-
keit zu treten. Dazu kam noch, dass ich wohl gleich nach
der ersten Reinigung den Namen wenigstens des einen Con-
suis erkannte, aber weder bei Idatius, noch bei Sigonius,
noch bei Noris^) oder einem anderen einen Consul dieses
Namens aufgeführt fand. Es mussten somit für die Zeit-
bestimmung des Diploms ganz andere Oründe ins Feld ge-
führt werden, diese aber schienen mir eine überaus schwie-
rige und verwickelte Untersuchung zu fordern, zu der mir
die nötigen literarischen Hilfsmittel nicht zur Hand waren.
Erst der am 29. Juni dieses Jahres erfolgte hohe Besuch der
Eininger Ausgrabungen von Seite mehrerer Mitglieder der
königlichen Akademie der Wissenschaften sowie der anthro-
pologischen und historischen Vereine von München, Lands-
hut, Regensburg, Ingolstadt, Neuburg a/D., Eichstädt, Dil-
lingen und die ermunternden Worte, die bei jener Gelegenheit
die berufenen Meister der Altertumsforschung an mich rich-
teten, namentlich aber die überaus liebenswürdige Zusage,
mit der Herr Professor Dr. v. Christ etwaige Schwierig-
keiten bei Veröfifentlichung des Diploms mir überwinden
zu helfen versprach , konnten mich bestimmen , mit dem
Nachfolgenden vor die Oeffentlichkeit zu treten.
1) Noris hat zuerst ein Consulenverzeichnis bis 854 n. Chr. (das
um 854 selbst verfasst worden) aufgefunden und herausgegeben, nach
ihm andere, zuletzt 1850 Mommsen in den Abhandlungen der hist.-
phil. Kl. der sächs. Geseilsch. der Wissenschaften. Aber es finden
sich auch hier die auf unserem Diplome verzeichneten Namen nicht
vor. Auch bei Wilhelm Henzen, der die Inscriptionos latinae von
Orelli fortgesetzt hat (Zürich 1856), habe ich vergeblich nach den
Conauln unseres Diplomes gesucht.
Scfcfrtnfr.- Da» MiHtärdiplom von Eininy.
tl.
An drei Pankten de§ langen Laufes der Donitu bilden
sich gmsäartige Felseoeugen. Die längste und grci§sartägst«
ist das sogenannte .eiserne Thor' unterhalb Gradista in
Serbien bis Orsova, auch die .Klissur* genannt. Eine ehen-
fajla sehr schöne Felsenenge befindet sieb auf österreicbiacbem
Boden unterhalb Paseau. Die dritte, die einzige auf dem
Boden des deutschen Reiches, erstreckt sich von Eining bis
xur Stftdt Kelheini. Da. wo diese deutsche Kli^ur beginnt,
nimmt auch der Limex transdanubianus auf dem jeufieitigcn
oder nfttdlichen Donauufer seinen Anfang.
Vom Beginne des römischen Grenzwaües drei Viertel-
stunden stromaufwärts — genauer 3800 und 4800 Meter in
der Lufllinie gemessen ~ schützen die auf dem rechten und
linken Donauufer gelegenen römischen Sperrfort« Irnsing
nnd Kiiiing den BrUckeii libergang über die Donau. Der
Kindruck der Lage dieser beides Lager ist ein gewaltiger.
Wie die in die Höhe gestemmten Schultern eines trut/Jgen
Helden drohen sie hinab in das Dmiauthal gegen die ger-
manischen Wohnsitze im Korden an der AltmiUil , Laber
Dnd Naab und hinauf gegen die weitausgedebnte Üonsu-
ebene, Am xu FUseen liegende breite Thal der Douau mit
ihren Ton den Wällen herab auf ca. 800 Meter wirkenden
Geichossen der Katugiulten und üallisten voll beherrschend
Und b<)ch nberragend. Die EntTernung zwischen beiden
Kutellen betrügt in der Lufllinie 1200 Meter. Der Platz
war von den Riimern sowohl für die beiden ijuer gegontlber
liegenden Festen »Is auch für den Beginn des Grenzwallee
vurtrefflich gewählt; erhöht wurde noch die Vertbeidigunga-
knft der Feste von Eining dadurch, das« die gemauerten
THmu) im Lager, die man als Prätoriuui zu bezeichnen pflcgtt|
;_ mitten im Lager, sondern auf der aussersten 8&^
tuS^lichst nahe der Douau angebracht waren.
332 Sitzung der phÜ08,'phü6l. Cltuse wm 5. Juli 1890.
Speziell das Lager von Eining zog schon frühe durch
seine Wälle die Aufmerksamkeit der Altertumsforscher auf
sich, man hielt es aber nicht für das Abusina des Itinerars,
so namentlich nicht Apian, Wesseling, Simmler und Schott,
Schönwiessner, Gewold, Lazius, Gruter, v. Pallhausen, v. Lang,
Eledenbacher, y. Stichaner, Leichtlen, Jaumann, ebensowenig
Reichart, v. Rudhart, Buchner, Mannert auf ihren Karten.
Büchner erklärte eine ganze Linie von Verschanzungen an
der Abens für die Castra Abusina. Ihm folgte Raiser und
Anton Mayer. Erst Prugger identificierte Eining mit Abu-
sina^), mit ihm v. Hefner ^). Sichtlich aus Patriotismus für
seine Vaterstadt Abensberg hielt auch Bayerns grosser Histo-
riker Aventin Abensberg für Abusina, während er Eining
Cenum nannte. Das Wort GEN., das er falschlich auf einer
in Eining gefundenen Altarinsehrift für CENO statt GENIO
las, mag ihn wohl dazu verführt haben ^).
Erst die Neuzeit, welche die Forschung mit Pickel und
1) Historische Verhandlungen der kgl. bayer. Akademie der
Wissenschaften, Band V, Seite 33 sq.
2) Dr. Joseph v. Heiner ^.Das römische Bayern*. 8. Auflage.
München 1852.
3) In seinen Annalen (Annalium Boiorum libri septeni Joanne
Aventino Autore, Ingolstadii per AI. et Sam. Weissenhornios. A. D.
MDLlll) schreibt er auf Seite 28 und 29: „Apsus vero Abusinam
(alluit), patriam nieam, cujus meminit Imperator Antoninus in itine-
rario", und im zweiten Buche auf Seite 111: ,Artobriga minor, quae
et Cenum, major quae et Valentia, duobus millibus passuum distant,
nomina servant, Artzberg verniicula lingua in instrumentis Pontiti-
cum et Principum vorantur. Absunt ab Kponu, itidem putria mea
Almsina, quinque, supra Ueginoburgium viginti millium passuum
intervallo: utraque utranque Danubii ripam contingit. lila juxta
l)agum Enning, haec juxta Coenobium Weltenburgium. Extant fossa,
pars moenium, agger, loco edito, et natura munitissimo : extenduntur
in Peninsulam, quam Alemanus, et Danubius efHciunt, latitudine
duo fero millia passuum patent, in longitudine quatuor, usqne ad
ripam Alemani, qui non longe in Danubium evolvitur. Praeniptae
Sekrol
r ZAm lUilUärdijil'm
:133
ächaufel unfnahm, bracht« vollee Liebt in die Sfu-he, iind
wit ächiiegruf bat tiicb immer mehr die LTeberzeu|;^ng Bahn
gebrochen, dass da» Abuaiiia des Itiiierar« uicht stundenweit
von der Donau, sondern in der Nähe der Müiulun^ der Abens
in die Donnii kii »liehen sei. Für diese Meinung traten neuer-
dings ein Ohl«nscblager , Arnold, Dahlem, Fei. Dabo u. a,,
wahrend Planta noch 1872 zur Anweht Bucbuers sich be-
kannte'). Auch Spiibnfehlner erklärte Eining f(ir den
hanpisächlichuten, noch im letueu Jahrhunderte der Itömer-
herntchaft über das stidücbe Bayern fortbestehenden tiarni-
oonepiatz, indem er zugleich einen grogsartigen Strossenstem
in den castris Abusinis tirideu wollte*).
Alu ich 1879 auf deu Wunsch meiner Vorgesetzten die
Pastoriernng der Pfarrei Eintng Übernahm, wo ich gerade
ftuch am 29. Juni meine erste seelsor^licbe Funktion voU-
\\n nip««, utrinqne Alemanum et Daniibiam cohibent: acooliie Ro-
niatiam äalam nuDcnpant. l,ii])idem reperi ibidem in guo sculpta
(ul Minerva, et altera parte nm, obi titu aolenui Taunw Minerva»
immolatur, ea'i tiiibjeetae sunt hae literne in eodem monumento m-
NVNC HET MINEH SAG CENO COH III BRIT ARAM T FL
FEL X PHAEP EX VOTO POSVIT L M DEDICAVIT KAL DEC
GENTIANO ET HASSO GONS,
L>ie richtif^e Leseart dagegen siebe bei llefner .Dm römische
Elayem* nod Schreiner .Rining and die dortigen RCmeraUBerabuDgeii
im dm Jabritti 1879— 1S82* in den Verhandlungen des bistoriscben
TsrstDM fhr Niederbajem, B&nd XXIi, Heft 3 luid i', ferner Felii
Dalin, DrgMchichte der gennan. a. ronian. Völker, II. Bd. Seite 448
K* 4S0. Berlin 1B81.
1) Plant» Dr. P. ü. .Daa alte Rfttim, staatlich und kultnr-
hiatoriitcb darjfentellf, Berlin 1872. Seite 110-111. tJeber diese so
rielfacfa verbreitoto Aniicht and über den Volksatamm der Abisuntes
wird wohl noch einmal eioe umfassendere Erkl&rung des tropa«uin
Alpinm Auücbtuss gel>en mÜBsen.
_ Sl Vgl 8cefrieU .Die neuen flegner »on Jovitara und Petren-
' > Seil« 9 and 10.
334 Sitzung der phüos.-pkäol, Classe tom 5, JtiU 1890,
zog, nahm ich bei Begehung des Pfarrwiddums Tiele sc^e-
nannte Hitzflecke wahr, auf denen das Getreide yiel kfirzer
stand als im übrigen Felde, und die bei genauerer Be-
obachtung wie die Grundplftne von Gebäuden aussahen.
Ich versuchte daher auf den Steuerblättem die gemachten
Wahrnehmungen einzuzeichnen und konnte schon vierzehn
Tage nach meinem Antritte der Pfarrei Eining die Aus-
grabungen beginnen, die nun schon über elf Jahre fortge-
setzt den unumstösslichen Beweis geliefert haben, dass der
grösste Teil der Grundmauern des römischen Abusina auf
den Fluren südlich und nördlich vom Dorfe Eining noch
vorhanden ist.
Ausser dem erwähnten Prätorium im Lager sind etwa
80 Meter vor dem nördlichen Lagerwall in der von der
Kreisgemeinde Niederbayem käuflich erworbenen sogenannten
Falterbreite die Reste von vier Gebäuden blosgelegt worden,
die zusammen eine grossartige Badeanlage (balnea) mit gut
erhaltenem Galdarium und ausgedehnten Hypokausten bilden.
Um vieles höher und besser erhalten als die in der bekannten
Nidda-Hauptstadt der Taunenser bei Heddernheim (Frank-
furt) stehen dieselben wegen ihrer Grossartigkeit und tech-
nisch hohen Bedeutung einzig in Bayern, ja, abgesehen von
Trier, in Deutschland da und erregen mit Recht die Be-
wunderung aller Altertumsforscher und Historiker. Dem
Mauerwerk nach zu urteilen, stammen sie aus einer ent-
schieden älteren Zeit als die Türme und Gebäude des soge-
nannten Prätoriums, welch' letztere die Römer vermutlich
erst zur Zeit, als sie den Grenzwall und das ganze jenseitige
Donauufer bereits aufgegeben hatten, zum Schutze gegen
etwaige Versuche der Barbaren, die Donau zu überschreiten,
errichteten und allmählich erweiterten.
In einem nun der drei conservierten Gebäude, in Nr. 3
des Planes, den ich meinem Büchlein „Eining und die dor-
tigen Römer- Ausgrabungen* (Landshut 1886) beigegeben
; Dil» MüifJrdiplon
335
hahe. fand ich im August 1885 die Ueberreste eines Bronw-
blMibütilckea , Ana mit eitior Qbcniiis harten Schutt- und
Mürtelschichte vollsüiiidig rerwmjhsen und so oxydiert war,
dsKs ich dasselbe, weil es einer Heiuigimg überhaupt nicht
fKhig iEU sein schien, anfAngs nicht einmal recht der Beach-
tung wert hielt. Zudem hatte der Wickel das Stückchen in
18 kleinere Teile zerschlagen. Welche Freude jedoch, als
bnm Reinigen mit Hilt'e des ausgesuchtesten englischen Stahles
diQ entten Buchstaben sichtbar wurden. Leider konnten nicht
silseits mehr auf beiden Seiten die Schriftzeichcn zum Vor-
Hchein gebracht werden. Wiu alier »um Vorsclieine ge-
bracht werden konnte, das soll nun im Folgenden besprochen
werden.
^Kb I
m.
Die erhaltenen BnichstÜcke unseres Broncebleches bilden
nuteren Teil der Vordertafel eines Militärdiploras. Der-
selbe ist 74 Millimeter hoch und 5+ Millimeter breit, hat an
der rechten Ecke ein Loch für den Stiften, mit dem das
Diplom an eine Wand oder ein Brett angenagelt war, und
zeigt oben am äuesersten {{and Spuren des Aufliegen« jenes
dreifachen Bronzedrahtes (triplex Blum), vermittels dessen
r^elrecht die l)eiden ein Diplom bildenden Tafeln verschnürt
waren. Welchen Teil der ganzen Tnfel das uns erhaltene
Fragment bildete, lässt sich noch mit BeM.immtheit feat-
aetxen. In der dritten Zeile von unten stand auf der Aussen-
seite die stets wiederkehrende Vidimierungst'ormel:
DESCRIPT ET RECOQNIT EX TABULA AENEA
Von den 31 Buchstaben dieser Zeile sind 18 (durch
Punkt« von mir gekennzeichnet) auf unserem Fr^nient er-
halten; 13 fallen also auf das fehlende Stück, und es fehlt
detnnach etwa ein Drittel von der Sclinmlseite der Tafel.
Bei^glicii der Lungseite der Tafel gel>en uns die eben be-
1
1
336 Sitzung der pkäosrphüol. Glosse eom 5. Jtilf 1890,
eben besprochenen Spuren des Bronzedrahtee einen äusseren
Fingerzeig; danach ist die Tafel etwas unter der Mitte oder
etwas unter den beiden Löchern, durch welche der Draht
ging, abgebrochen. Dazu stimmt auch vollsi»ndig der In-
halt der Schrift der Aussenseite, der uns, wie wir gleich
nachher sehen werden, deutlich lehrt, dass von den 28 Zeilen
der Aussenschrift so ziemlich die Hälfte erhalten ist.
Die römischen Militärdiplome waren bekanntlich so ein-
gerichtet, dass auf den beiden Innenseiten die mit der ehren-
vollen Verabschiedung verbundene Bürgerrechtsurkunde stund,
von der sich der Inhaber eine Abschrift unter Hervorhebung
des ihn persönUch betreffenden Abschnittes hatte anfertigen
lassen. Von den beiden Aussenseiten enthielt die der zweiten
Tafel die Namen der sieben Zeugen, welche ihr Siegel auf
das über dem durchgezogenen Bronzedraht ausgebreitete Wachs
gedrückt hatten; auf der Aussenseite der Vordertafel war
nochmals der ganze Inhalt der beiden Innenseiten in kleinerer
Schrift wiederholt, und zwar so, dass, während im Innern die
Schrift der Langseite der oblongen Tafeln folgte, die Zeilen
aussen parallel der Schmalseite liefen. Ein glücklicher Zu-
fall hat es nun in unserem Falle gewollt, dass uns drei
Fünftel nicht der Rücktafel, sondern der Vordertafel er*
halten sind. Im letzteren Falle hätten wir auf der Aussen-
seite nur die Reste der Zeugennauien und wahrscheinlich
nur lauter bekannte Namen gefunden , da in der Regel,
ähnlich wie bei unseren Notaren, immer dieselben Leute
der Nachbarschaft als Zeugen fungierten. So sind von dem
Diplome selbst zwei Teile, einer auf der Innenseite und einer
auf der Aussenseite, auf uns gekommen und lässt sich mit
Hilfe derselben, da sie verschiedenen Partien der Urkunde
angehören, fast das ganze Diplom rekonstruieren. Die Züge
der Schrift sind so ziemlich die gleichen auf beiden Seiten,
während auf vielen der übrigen erhaltenen Militärdiplome
oder tabulae honestae missionis, wie man sie früher nannte,
Sehrtinrr: Vau MUilärdipU.m wn Binini/. 337
die BuebsUbeii innen gans äOchtig, kursiv und ofl kaum
lexbsr K^^b"^''^» siniP); nur flind, Tras die Kaumverhält^
Disse Toii selber geben , die Buchstnben auf der Innenseite
uuseres Diplomes «twas (^ösaer. Die geringere Lesbarkeit
der inneren Schritt hat wohl mehr in der schlechteren Er-
haltung als in der seichteren Einritzung der Schrift ihren
Cinind. Im Übrigen hat sich der Schreiber weder einer
benonderen Sorgfalt, noch einer gleich tnässigen Schrift be-
fliaaen; namentlich der letztere Umstand bebindert etwas die
Sicherheit der Ergänzung. Auf bewuaster Absicht beruht
ea wohl, diiss auf der Innenseite der Name des Statthnlters
und auf der Auosenseite derjenige des Inhabers der Urkunde
mit griMtferen und schöneren Buchstaben geschrieben sind.
Wir gehen nun zunächst die Inschrift selbst, zuerst die
der Innenseit«, da diese den erst«n Teil der Inschrift und
zwar nach der verloren gegangenen Eingangsformel*) die
I) Auf iler im MDnchener Antiquiiriiini befindlicben Tordertufel
eine« MiliUtrdiploms de» KaiHert PtulippuH (C. J. h. III. 3. n- U) nteht
•OfnU" ein f^ns undercr, iLlt«rHr Text, «eloben Betrat^ eich der Notar
«riaoben durale, da dem BeBteUer nur die verechnürte und versiegelte
Doppeltufel (Diplona) Qberreiciit warde, bei der daajenigc, was im
InDwn (tiind. nic!bt sicbtbur war.
2} Zur Orten tit^ruD ff der Leser netten wir Aas g&me Weisien-
bnrg'T Piptom. wie ea iiuf der AnsBenieitc deaselben geachriebeD
*tAly bisher:
, IMP CAESAR DIVI NKRVAE F NERVA TRAIANVS
AVGV8TVS OERMANICVS DACICVS PONTIFEX MA
fXIMVS TBIHVNIC POTESTAT XI IMP VI COS V P f
QVITIBVS ET PBDITIBVS QVI MILITAVEBVNT IN
US QVATVOR ET COHORTIBVS DECEM ET UNAM
(OVAE APPELLANTVR I HISPANORVM AVRIANA
' I AVUV8TA THRACVM ET I SrNOVLARIVM C B
P F ET II FLAVIA P F co ET I BREVCOBVM ET t ET U
AETORVM ET III BHACAKAVGVSTANORVM ET
THRACVM ET tll THRACVM C R ET 111 OKI
&ANNOHVM ET III BATAVORVM cc ET im GAL
(fcOBVM ET V BRACARAVGVSTANOBVM ET VI]
a.VälTÄN(iKVM ET SVNT IN BAETU SVB T[ IV
338 Sitzung der phüos.-pkäol, Glosse vom 5. JuU 1890.
Namen der Truppenteile enthält, dann die AnssenAeite, welche
den Sehluss der Inschrift iimfasst und ungefähr gerade da
anfängt, wo die Innenseite aufhört. Bezüglich der Ent-
zifferung haben wir uns mit Professor v. Christ yerstöndigt
und geben dessen Ansichten in den beigefügten Bemerkungen
wieder.
A. Innenseite.
•
BT II FLAV
TI KT I: RäETORVM
VG ET III THRAC ET III
BRITANN ET IUI GALLÖR
lynitän et SVNT
PROVINCIäSYB . . .
NIN
r» •• •
LIO AQVILINO QVINIS ET VICENIS PLVRIBVS
VE STIPENDIIS EMERITIS DIMISSIS HONES
TA MISSIONE QVOR\ntf NOMINA SVßSCRIPTA
SVNT IPSIÖ LIBERIS POSTERISQVE EORVM
CIVITATEM DEDIT ET CONVBIVM CVM VXO
RIBVS QVAS TVNC HABVISSENT CVM EST CI
VITAS IIS DATA AVT SI QVl CAELIBES ESSENT
CVM IIS QVAS POSTEA DVXISSENT DVMTA
XAT SINGVLI SINGVLAÖ FR K IVL
C MINVCIO FVNDANO C VETENNIO SEVERO COS
ALAE I HISPANORVM AVRIANAE CVI PRAEST
M INSTEIVS M F PAL COELENVS
EX G REGALE
MOGETISSAE COMATVLLI F BOIO
ET VERECVNDAE CASATI FILIAE VXORI EIVS SEQVAN
ET MATRVLLAE FILIAE EIVS
DESCRIPTVM ET RECOGNITVM EX TABVLA AE
NEA QVAE FIXA EST ROMAE IN MVRO POST
TEMPLVM DIVI AVG AD MINERVAM.
(Vgl. Oncken, Allgem. Geschichte 2. Hauptabt. 2. Teil 2. Band
S. 466, 67. Berlin 1881.)
SchmtifT: Dan Mditärdiplom von Eimng.
3.10
In Zeile 1 ist nur noch F und die gerade Richtung
«icfast vurausgefa enden imd des nävhstfolKeiiden Buch-
2u erkennen. Darnach vermute ich mit Hilfe deti
WeiMeHburfrer und Regeiiaburi^er Diploms ET U f LAV PF oo,
juduch so, daas die letzten drei Zeichen in den Änfan)^ der
nSchaten Zeile zu äteben kommen. Diese Ala II Fla via
p. f. rti. stand der Rangordnung nach am Schlüsse der Alae,
und wir habi^n daher in den nüchsten Zeilen die Namen der
Uohorteti zu erwarten.
Zeile 2. Im Anfanj^ fehlen hier wie in den übrigen
Zeilen ca. 15 Buchstaben. Die reichen gerade zur Ergän-
zung P K 00 ET ! BREVTOK ET aus.
Zeile 3. Im Anfang passt, in den Raum genau die Er-
gänzung ET III BRACARAVG. dii- dnrch die beiden anderen
Diplome sicher gestellt ist.
Zeile 4. Da am Schlüge der dritten Zeile noch die
Nummer III erhalten ist, s» ist im Anfang der vierten
Zeile mit aller .Sicherheit zu lesen THUACVM C R ET III.
Nach BRITANN ET »ehe ich vier, nicht bloss drei Striche;
danach er^nze ich Hlr den nicht lesbaren SchUiss der Zeile
OALLOR und nicht BATAV.
Zeile 5. Ist der Schluss der vierten Zeile richtig er-
gänzt, so ergibt sich für den fehlenden Anfang der fünften
Zeile ET V BRACARAVll. Der Rest der Zeile macht
groate Schwierigkeiteu. Den ersten BuchHtal>en am linken
ß«nde des Blüttchens möchte man nämlich beim ersten Blick
als E leiwn. Da aber der nach einem Znirichenruunie von
c«. fünf Buchstaben deutlich erkennbare Buchstabe ein N
■t und dieser auf den Namen der in Ratieu stationierten
eoh. Lnsitan- hinweist, so düHle doch der erste Buchstabe
der Zeile kein E , sondern ein L , und das Zeichen vor N
iceüi 1, sondern der Kest eines A sein.
Zeile 6. Die Le«ung PRUVlNcia «teht fest, wiewohl
deo MUilärdiplomen ein solcher Zusatc zu (
340 Sitzung der phüos.-phüol. Classe vom 5. Juli 1890.
vinznamen sich nicht findet. Der Name RA ETI A. selbst
muss nach stehendem Sprachgebrauch vor PROVINGIA und
nicht dahinter gestanden haben; am Schlüsse der Zeile stand
daher jedenfalls SVB, vielleicht auch noch das Piimomen
des Procurators der Provinz.
B. Aussenseite.
• « •
CIVIT DED ET CÖNVD CVM VXO
VNC NVPSIS CVM EST CIVITAS
S QVAS POSTEA DVXIÄSENT DVM
SINGYLÄS PR K lAN
CINO D AEMlLlü FRONTONE COS
BRITTONVM CVI PRAEEST
NIVS QF IVNIANYS
EXPEDITE
SIMNIAE CON EIvS
OGNIT EX TABVLA AENEA
ROMAE IN MVRO POS F TEM
AVG AD MINER vA:=I
In Zeile 1 der weit besser erhaltenen Aussenseite glaube
ich noch NT lesen zu können; daraus ergibt sich die Er-
gänzung SVBSCRIPTA SVNT IPSIS LIBERIS.
In Zeile 3 fällt NVPS(issent) auf, da sonst die Militär-
diplome regelmässig das korrekte HABVISSENT bieten und
nubere, d. i. den Schleier nehmen, nur von der Frau ge-
braucht zu werden pflegt. Aber die Lesung steht ausser
Zweifel; auch machen es die Raumverhältnisse wahrschein-
lich, dass trotzdem im Anfang nach uxoribus QVAS TVNC
und nicht QVIBVS TVNC vorausging.
Zeile 4 und 5 machen keine Schwierigkeiten.
Zeile 6. Vom ersten Consul ist nur ein Teil des Cog-
nomen erhalten, ich vermute PLACIDO o«ler FLACCINO.
,Der letzteren Vermutung", schreibt Professor Dr. v. Christ,
Sdirtiner: Da» Mttitärdiplmi
341
I ich jetzt den Vorzug, da der Rest des A Dfangsbiicli-
! Profesair .Schnell mir bemerkt, eher auf C ds
%'A weist'. Das PräDomra des zweiten Consula ist uo-
ler: ich glaube aber doch eher \) als L oder Tl zu finden;
dpD verblichenen Bwchstabeuspuren ziehe ich hei dem
die Lesung FKONTONE der Lesung FHON-
110 vor.
In Zeile 8 ist noch der Schiusa des Cognomen des Statt-
halters erhalten; denn das Pränomen und der Gentilname
fielen in die Ldcke. Deutlich ist noch erkennbar Nl. Den
folgenden Bnchstubeii mischte man um ehesten als V lesen,
zumal tUr ein N der Abstand nach I zu klein ist. Unter
den l)iä Jetzt bekannten und von Oblenftchlager in dem trelT-
iichen Bnohe .Die römischen Truppen im rechtsrheinischen
Bayern" (München 1884) auf Seite 22 -29 zuaammenge-
stelltmi Htatthiiltern Rätiena kommt aber keiner vor, auf den
diu (.'rlialtenen Buchstabon unseres Diploms gedeutet werden
konnten. Auch ist mir sonst keiu Cognomen bekannt, da«
Ablativ im Innern die Buchstabengruppe NIV bietet;
kbt wird e» Kundigeren gelingen, einen solchen Namen
bden. Der Vorname des Vaters ist nicht mehr sicher
, doch glaube ich noch die verblassten Spuren eines
[ sehen. Koch weniger lesbar sind der erste oder die
I ertden Buchstaben, weli'he die Tribus, zu der derselbe
te. )>ezeichneten.
^ile 9 8(1. enthalten die stehenden Formeln der Militär-
von denen ein weitere« Beispiel zu erhalten kein
^r Gewinn ist.
eile 10. Der Eigenname des Fusasoldaten der britto-
Cuhort« stand am Anfange der Zeile. Vor CON
FnitUeicht noch die Angabe de» Vaters.
Eeile II — 1;) enthalten die bukauuten Schlussformeln
biat«n in der Lesuug keine Schwierigkeit.
342 Sitzung der phüoBrphßM, Glosse wm 5. Jvii 1890,
Dass nach VICENIS der Innenseite PLVRIBV8VE
folgte, yermnte ich nach den Raumverh<niasen. Für diese
selbst ist massgebend, dass noch von jeder Zeile am Anfange
1 oder 2 Buchstaben, welche in die Formel passen, mit
einiger Sicherheit gelesen werden können. In der letzten
Zeile schwanke ich, ob 0 und nicht vielmehr C txx lesen
ist; ich entschied mich für 0, da ich davor noch das Ende
der Querstriche eines E zu erkennen vermeine. War aber
der Buchstabe ein C, so erstreckte sich die Schrift der Innen-
seite bis über CIVITAT oder CONVB hinauB, was an und
für sich leicht möglich ist, da wir ja nicht wissen können,
wie viele Wörter abgekürzt und bis zu welchem Orade ab-
gekürzt geschrieben waren.
Ueber die Abfassungszeit unseres Militardiploms schrieb
mir Herr Professor v. Christ Folgendes:
, Zeile 6 der Ausseuseite verspricht eine bestimmte Zeitan-
gabe an die Hand zu geben. Es standen nämlich in dieser
Zeile die beiden Konsuln, unter denen der kaiserliche Erlass
über die Verleihung des Bürgerrechtes an die verabschiedeten
Soldaten der rätischen Hilfstruppen erging. Von dem zweiten
derselben ist der volle Name D. Aemilius Fronto ^) erhalten,
von dem ersten nur der Schluss des Cognonien, das ich zu
Flaccinus ergänze*). Aber mit diesen Konsulnamen ist nichts
anzufangen, da dieselben in unseren Verzeichnissen der Con-
sulea ordinarii , nach denen bekanntlich die Jahre benannt
sind, nicht vorkommen und meines Wissens auch unter den
ausserordentlichen Konsuln, von denen wir freilich nur eine
sehr lückenhafte, erst allmählich durch neue Inschriften sich
1) Ein Zweier Frontonum der genn Aemilia war bisher nicht
bekannt.
2) Es existiert inschrittlich ein T. FLAVIVS FLACCINVS bei
Gruter 1109. 10. Gerade dieser Name würde sehr gut in den Baum
passen, besser als der Name P. AELIVS FLACCINVS in C. J. L. 11.
2166.
Schreiner: Daf Müüärdiplam txm Eining. 343
erweiternde Kenntnis haben, bisher noch nicht nachgewiesen
sind. Aber doch eins lehrt nns dieser Umstand, dass wir
nämlich mit unserem Diplom nicht bis ins dritte Jahrhun-
dert herabgehen dürfen; denn Ton dem dritten Jahrhundert
an wäre unsere Urkunde, wiewohl sie am letzten Tage des
Dezember erlassen wurde, doch nach den ordentlichen, im
Anfange des betreffenden Jahres fungierenden Konsuln sig-
niert worden.*)
In das zweite Jahrhundert und zwar in die Zeit vor 166
verweist uns auch das Verzeichnis der Gohorten unseres Di-
ploms, verglichen mit denen des Weissenburger Diploms vom
Jahre 107 (Christ, Sitzungsber. der k. bayer. Akademie der
Wissensch., 1868, Bd. II S. 409—447; Mommsen C. J. L. III,
4. n. 24; Ohienschlager «Die römischen Truppen im rechts-
rheinischen Bayern*' S. 9) und denen des Regensburger Di-
ploms vom Jahre 166 (Ohienschlager, Sitzungsber. der kgl.
bayer. Akademie der Wissenschaften, 1874, S. 193—239;
«Die römischen Truppen' S. 12.)
Das zeigt sofort schon die blosse Zusammenstellung der
Truppenkorper unserer drei Urkunden:
WeiMenbarfi^r Diplom. Eininger Diplom^). Regensbarger Diplom.
— — I.FlaviaCanathen.
I. Breucorum. I. Breucorum? I. Breucorum.
I. Raetorum. I. Raetorum. I. Raetorum.
11. Raetorum. II. Raetorum. II. Raetorum.
— — II. Aquitanorum.
III. Bracaraug. III. Bracaraug? III. Bracaraug.
1) Vergl. Mommsen C. J. L. m. 2. p. 918: Consnles nsqne ad
tempora Marci et Veri nalli ponuntur nisi qai eo ipso tempore
fiftsces gererent; contra saeculo tertio hae quoqae tabulae consulum
ordinariomm nominibas totum annum signant.
2) Mit einem Fragezeichen versehe ich diejenigen Cobor^^*"^
namen , die auf Ergänzung beruhen , wenn dieselbe auch aa
Baume und den Buchstabenresten sicheren Anhalt hat.
B44 Sitzung der phüosrphiM. Classe vom 5. Jvii 1890.
Weissenburger Diplom. Eininger Diplom. Begensbnrger Diplom,
in. Thracum. III. Thracura. III. Thracum.
III. Thracum er. III. Thracum c. r. ? IIL Thracum er
III. Britannorum. III. Britannorum. III. Britannorum.
III. Batavorum. — ■;—
IUI. Gallorum. HIL Gallorum? IUI. Gallorum.
V. Bracaraug. V. Bracaraug. ? V. Bracaraug.
VII. Lusitanorum. VII. Lusitanorum? VII. Lusitanorum.
- - IX. Batavorum m.
Damach hatte Rätien zur Zeit unseres Diploms wesent-
lich noch dieselbe Garnison wie im Jahre 107, es war nur
die Cohors III Batayorum, die auch auf dem Regensburger
Diplom nicht vorkommt, abgezogen; es standen aber noch
nicht in Rätien die nach der letzteren Urkunde vor dem
Jahre 1G6, wahrscheinUch infolge der unter Antoninus Pius
und Marc Aurel erfolgten Einfälle der Germanen, in unsere
Provinz gezogenen Cohorten I Flavia Canathenorum, II Aqui-
tanorum und IX Batavorum. Es fällt demnach unser Di-
plom zwischen das Weissenburger und das Regensburger
Diplom, oder zwischen die Jahre 107 und 166.
Eine noch nähere Abgrenzung ermöglicht die Ver-
gleichung der Form unseres Fragments mit der der übrigen
Militärdiplome. Eine solche Vergleichung ist uns jetzt leicht
gemacht durch die zwei Zusammenstellungen sämtlicher Di-
plome von Leon Renier in dem noch unvollständigen Re-
cueil de diploraes militaires, und Theod. Mom rasen im dritten
Bande des Corpus inscriptionum latinarum p. 843 — 910;
namentlich leistet für unsere Zwecke das letztere Werk vor-
zügliche Dienste, da in demselben die Diplome nach der Zeit,
nicht wie bei Renier nach den Provinzen geordnet sind. In
Betracht nun kommt in unserer Frage die Formel, mit der
die V^erleihung des Bürgerrechts ausgedrückt ist. Dieselbe
lautet in allen uns erhaltenen Diplomen bis zum Jahre 138:
civitat^m dedit et conubium cum uxoribuH quas tunc habuissent
Schrrintr: Bai Mililiirdiplnm
uh
tsaxa est civitax üs data aut si qui caetibe« essent cum iia
qau postea dnxisseDt. Ganz ao st«lit sie noch in dein Di-
plom XXXVI bei Miimmsen aiiä dem Juni des .)ahres 138;
irbni«) in Nr. X.XXIV u. XXXV vom Jabre 134; Nr. XXXU
und XXXIII Tom Jahre 129, Nr. XXXt vom Jahre 127, in
tiniterem VVeissenbui^er Diplnin (Nr. XXIV bei Momitiseu)
«mi Jalire 107. In den Diplomen nach 1:18 wird regel-
mSssiß dit? civitas durch den Zusatz KOM.AN nüher limtimmt,
s.> in Nr. XXXVIII vom Jahr« li5. Nr. XL vom Juhre U>7.
Nr. SLV vom Jahre 165. Nr. XLVI vnm Jahre Iti", in
unserem llegen^ibitr^er Diplom vom Jahre 166. Auf der
auderen S«ite »icbwiudet um dJetjelbe Zeit der Ziisatx xi qui
i:a4)libt?H ofMeut. Donelb« findet t^ich noch auf dem Di-
plom XXXVIII vom Jahre 145, wiewohl auf demselben
Mho» CIVITATEM FKJMANAM steht; derselhe ist aber
austjelassen in Nr. XXXIX vom Jahre 154 und in allen fol-
(^enden Diplomen, auch in dem Ke^^enahurger vom Jahre lll6.
Die beiden Aeiuierungeu scheinen al.-«) mit der llegieruufp-
zeit de» Kai»tent AntoninuH Fius (138 — 161) eingetreten /.u
sein nnd sn ziemlich zur gleichen Zeit. Was zu denselben
Anlaw K'^b, ob die Laune der Schreiber oder juristische
Bedenken . lässt eich nicht ganz sicher entecheiJen. Man
konnte ja sagen . dass der Zusatz üi qui caelJbes easent zu
jumtucben Anntiissen Anlass geben kimnte. Denn wenn
d«r Verabschiedete zur Zeit der Erteilung Ans jus conubii
tmr nicht Jungg&'«lle war, aber spüter durch den Tod
«ein« Frau verloren hatte, sollte dann seine zweite t'rau,
wenn sie eine Fremde (peregrina) war. der mit dem jus
connbii verbundenen Vorrechte entbehren P Schwerlich doch
lag dieses in der Absicht de« Ge5et7,gebers; man mOsste denn
«nnehuien, da-ss der Satji dmutaxat siugnli singnlas nicht
gvgen dii- Vielwi-iherei der Orientalen gerichtet gewesen W,
sondern die Beschränkung enthalten habe, daw ^J
nutü)» der Ehe mit einer Fremden immer nor
346 Sitzung der phüos.-phüol, Glosse vom 5. Juli 1890.
einzigen Fall gelten sollte, so dass also der yerfaeiratete
Veteran, wenn er, Witwer geworden, sich noch einmal ver-
heiraten wollte, eine Römerin zur Frau zu nehmen genötigt
worden sei. Möglich wäre es also, dass die Weglassung des
Zusatzes si qui caelibes essent in bestimmter Abeicht erfolgt
sei. Aber abgesehen von der anderen, von meinem verehr-
ten Kollegen Bechmann für wahrscheinlicher gehaltenen Deu-
tung der Worte dunitaxat singuli singulas spricht gegeu eine
solche juristische Absicht auch der Umstand, dass in Diplomen
des dritten Jahrhunderts, wie in Nr. LIU vom Jahre 247
und Nr. LVI vom Jahre 250, die früher mit si qui caelibes
essent gegebene Beschräukung wiederkehrt, nur in der ver-
änderten, auch Nichtlateinern leichter verständlichen, vul-
gären Form si qui tum non haberent. Noch weniger wahr-
scheinlich ist es, dass der Zusatz Romana zu civitas erfolgt
sei, um den nodi juris zu entgehen oder den Ränken der
Advokaten einen Riegel vorzuschieben. Besterfahrene Juristen
nämlich , so z. B. Professor Dr. Bechmann , erklären aus-
drücklich, dass es für den römischen Kaiser nur eine civitas
gegeben habe und dass auch der Unterschied des jus Itoma-
nuni und jus Latinum bei Verleihung der Civität nicht her-
eingezogen werden dürfe ^). Aber mögen auch die zwei
Punkte, der Zusatz von KOM^ und die Weglassung von
SI QVl CAELIBES ESSENT, 'nicht rechtliehen Bedenken
entsprungen , sondern lediglich in den Wandlungen des
Kanzleistils begründet gewesen sein, für die Zeiti)estininuing
der betreifenden Urkunden behalten sie immerhin ihre voll-
wichtige Bedeutung.
Nun hat unser Eininger Diplom nicht mehr den Satz
SI QVI CAELIBES ESSENT, aber auch noch nicht den
Zusatz ROMAN zu CIVIT, steht also der Form nach zwischen
1) Cfr. Adam Alox. Jisiinll». d. röm. Altert.^ I. Hd. S. 101 sq.
Krlan^'on 1818.
Sfhrf
: Itßs Mililär.lipl-x
317
deo Diplomen Nr. XXXVI vom Juni des ,Ialire§ 138, in dem
ICOMAN iiocli fehlt, »ber mich Sl QVI UAELIBES KSSENT
iincli builiehalten ist, imiJ Nr. XXXIX vom November dett
Jahres lfi-1, in dem einerseit« [{OMAN schon ziifje.ietat. ist,
. ttlmr SI QVI CAELIBBS EH8KNT fehlt. Man
k demnach unaer Diplom in die Zeit nach .Inni 13ä und
BoTember 145 aetzen, mfiglichnt niihe dem Diplome
^XXVIII vom Jahre 154, diu Kiciohfiilli«, nur in etwa»
^iHener Weise, den UeluTjfimg vom alten Knii/Iti.stil
i neuen bezcoj^.
kommt ftber bei nnserer Frage noch ein l'imkt in
^ht, den wir nicht mit Stillschwei^n übergehen dllrfen.
der «ben Regebenen Darlegung fiele nämlich unser
in die Zeit nach dem .Innt ISH, oder genauer, da
nach d«m erhaltenen Datum die Urkunde am :J0. Dezember
ausfcestellt ist, nicht vor den 'iO. Dezember 1S8. Du mm
: der Kaiser Hadrian am 10. Jnli KW starb, so miia^tie
ich nn.s('r Diplom iMreits nnter Antoninus l'itjs au.v^e-
Kfi frag^ «ich, ob di^e Annahme durch die
tuniverhilltniHse begünstigt oder überhaupt nnr zugelassen
wird. Den Kopf aller Militürdiplomf bildet« nämlich selliab-
bfindlich der Name des Kaisers. Nun erforderte aber,
ühlreiche Urkunden «eigen, die Titulatur des Hadrian 3,
I Antoninns Pius 4 Zeilen'). Wie steht e^ alno mit
ttm Diplom? entfallen drei oder mehr Zeilen fllr den
1) Die Titulatur dei Antoniniix riux lautet x, It. mif >!eui Militür-
1 »r. XXXIS vom Jahre 1S4;
IM!' CAES DIVI HAÜRIAN[ V DIVI TKAl
ANl l'ARTH N DIVI NKItVAE l'RON
T AKLIVS UADBtANVS ANTDNINVS AVil
i'ivs r M TK i'üT xvu iMi' II t:oa IV V V
I d«« Hiulriiin nxxf arm Diplom XXXV ¥um Jahre IM:
IMP CAKSA» lilVI HADRIANl i'AKTHlCI K DIVI
NKttVAK NKP08 TRAIANVS »ADKIANVS AVU
l'MNTIK MAX TIUI! PuTr^ST XVIII ''iS III 1' I'
348 Sitzung der phüosrphüol, Classe vom 5, Juli 1890.
Kopf des Erlassed? Das hängt natürlich von der Grosse des
leeren Raumes und der Grösse der notwendigen Ergänzungen
ab. Erhalten sind uns aber von der Innenseite 11 Zeilen,
und der erhaltene Teil yerhält sich zu dem verlorenen nach
der oben angegebenen Berechnung wie 18 : 13. Demnach
haben wir für den Anfang des Diploms 6 Zeilen zu er-
warten. Nun glaubten wir am Schlüsse der 11. Zeile, von
unten gezählt, zu lesen II FLAV. Das war der Name der
im Ilang zuunterst stehenden Ala; ihr gingen jedenfalls
die zwei in den Diplomen von 107 und 166 erwähnten Alae
I HISPANORVM AVßlANA und 1 SINGVLARIVM C R
P F voraus^), möglicher Weise auch die Ala I Augnsta
Thracum, die allerdings nur auf dem Diplom von 107 vor-
kommt, aber nicht mehr auch auf dem von 166 aufgeführt
ist und zwischen 140 und 144 in Noricum lag^). Von den
diese Alae betreffenden Buchstaben standen wahrscheinlich
in der 11. Zeile noch ET I SINGVLARIVM C R P F ET
n FLAV. Die Namen der 1 oder 2 übrigen Alae und die Ein-
gangsformel EQVITIBVS ET PEDITIBVS QVI MILITA-
VERVNT IN ALIS IUI (oder III) ET COHORTIBVS X
QVAE APPELLANTVR beanspruchen für sich 3 Zeilen, und
es bleiben somit für den Kopf des Diploms oder die kaiser-
liche Titulatur von den 6 Zeilen nur noch 3. Diese äusseren
Verhältnisse scheinen also die Annahme, dass unser Diplom
noch unter Kaiser Hadrian, etwa im Dezember 137, ausge-
stellt sei , zu begünstigen ; aber dieselben sind doch nicht
derart, dass sie die Gründe, welche gegen eine Ausstellung
vor dem Dezember 138 sprechen, umzustossen vermögen. Denn
einmal kann sehr wohl damals schon die Ala I Augusta
Thracum nach Noricum verlegt gewesen sein, so dass wir
1) Die letztere wird auch auf einem Gedenkstein von Kösching*
(C. .1. L. III. 5910) aus dem Jahre 141 erwähnt.
2) C. J. L. 111. 5654. Vgl. Ohlenschlager »Die römischen Truppen
im rechtsrheinischen Bayern" S. 47.
untn* Zuhilfeimhuie einiger gebräuchlichen Abkflr/,iinRen mit
2 SCnlmi für rien Anfang dra eigentUclien ürkumlentextes aus-
reichen wtlrden
fiQVJT. ET PEDIT. QVI MILITAVKRVNT IN ALIS IUI
^pOHOBT. X tiVAE APPELL. I HISPAN. AVIUANA.
iodKDU stand in dimi erhaltenen Teile der mit grö.^se-
KSuchstuben ges(.'iiriebene und demnach l*/a Zeilen he-
HiiBpriicheade Name des Statthalters, und lässt die letzte
Zeile am unteren Kande noch einen un verhältnismässig grossen
liniim , HO dasa , wenn vorn etwtis weiter oben angersngen
war, für den oberen Teil statt 6 auch 7 Zeilen in Anspruch
genommen werden können. Wir sind demnach nicht ge-
n)}tjgt, von der obigen Annahme, dui«> unser Militiirdiplom
unter Antoninu«; Pius nicht vor dem SO. Dezember 138 und
nicht nach iri4 geschrieben sei, abzustehen. Innerhalb diese»
Z«itmumeH wuge ich nicht, die Grenze genauer abzustecken
und demnach auch nicht mit Zuversicht zu entscheiden, ob
damaU noch die Ala I Augusta Thracum in Rätien gelegen
«der »chwn nach Nnricum verlegt gewesen sei.*
Von den Truppenteilen hat unser besonderes Interesse
die H. Cohort« der Brittonen, von der ein ungenannter
Veteran Mich daa Diplom hatte ausstellen lassen. Die von
Ohienschlager a. a- 0. 3. liO und 61 geäusserte Vornuttung,
i»m dieselbe von der der BritAnnen nicht verschieden ge-
wesen sei, erhält jetzt durch unser TÜfelcben eine urkund-
liche Bestätigung; denn dieselbe Cohorte, die unten als
Cüh. UI BRITTONVM bezeichnet wird, ist oben als coh. Ill
BRITÄNN. «ufgefnhrt. Dieselbe war früher schon bekannt
Lidiuch den oben angeführten, jetzt im kgl. Nationalmnseum
HOnchen befindlichen Altar vom Jahre 211'), den der
B) nypaati^Uai? hievnn nind in Lundiihnt und Eining. Di« 9
f Tmnaueninit "■n <Ip.t Kirchen man er in Eining deckte ji
e für alle ^eit«D sichtbar bei Gelegenlieit der ä
350 Sitzung der phüosrphilol. Clause vom 5. JM 1890,
Präfekt I. Flavius Felix dem GEN. COH. III BRIT. seteen
li^88, ferner durch die Stempelsteine der COH. III BR.,
welche ich in den Jahren 1880 — 83 in den Ausgrabangs-
gebäuden fand, endlich durch einen im Hause Nr. 1 in der
zweiten Brandschicfate gleichfalls 1883 gefundenen kleinen
Altarstein vom Jahre 219:
I. H. D. D.
DEAE. FORT VN
AVG.SAd-FABIVS
FAVSTINIäNVS
PRAEFC-III BE
SACERr?
Von anderen Truppenteilen hat sich weiter ein Altar
des Mercurius und der Fortuna, gesetzt von dem Decurio
M. Virius Marcellus der AL«I«F'S- A« = ala I. F(lavia)
S(ingularium) A(ntoniniana), in dem benachbarten Untersaal
erhalten (C. J. L. III. 5938; Hefner, Rom. Bayern n. 61).
Im übrigen erregt bei der Durchmusterung der Gami-
soiistruppen Kätiens unser besonderes Interesse die Cohors
I Flavia Canathenoriim niiliaria, die zwar auf unserem Diplom
noch nicht aufgeführt erscheint, von der ich aber doch in
und ausser dem Lager überaus zahlreiche Stempelsteine und
im Hause Nr. 1 zwei Reiterpanzer fand. Nach unserem
Diplom zu schliessen, kam die Cohorte nicht vor 138 nach
Rätien. Die aufgedeckten Gebäude von Eining waren somit
vor 138, wohl unter Trajan, auf dessen Zeit der Baustil und
die massige Anlage hinweisen, erbaut worden, scheinen aber
nach 138 vor dem Eintreffen der Cohors I Fl. Canath. ein-
mal bei den unter Antoninus Pius und Marc Aurel erfolgten
Einfällen der Germanen zu Grunde gegangen zu sein, so
Kirchenrestaurierun^ 1881 — 1882. Merkwürdiger WeiHe befindet sich
im dortigen Friedhofe an derselben Stelle in den Gräbern römisches
Mauerwerk und selbst ein Inschriftstein ANTONIN P . . .
Schreiner: Das Müüärdiplom i>on Eining, 351
dass dann Leute der Goh. I Fl. Ganath. und der LEG. III
ITAL. (GONcordia) dieselben zum zweiten Male wieder auf-
bauten. £ine zweite Zerstörung £inings und einen dritten
Aufbau weisen, abgesehen von den überall sich zeigenden
dreifachen Brandschichten, die in den Lagermauern vermauer-
ten und heute noch sichtbaren Altar- und Gedenksteinüber-
reste unzweifelhaft auf.
Schliesslich geben wir ausser einer Phototypie der beiden
Inschrifbenseiten den vollständigen Text unseres Diploms nach
den oben bereits von uns begründeten Ergänzungen, indeni
wir die noch erhaltenen Buchstaben durch liegende Schrift
hervorheben.
Innenseite.
Imp(erator) Gaes(ar) divi Hadriani f(ilius) divi Traiani
Parth(ici) nep(od) divi Nervae pron(epos)*
T. Aelius Hadrianus Antoninus Aug(ustus) Pius
p(ontifex) m(aximus) tr(ibunicia) pot(estate) . , imp(erator) . .
cos(ul) . . p(ater) p(atriae)
equitibus et peditibus qui militaverunt in
alis IUI [III] et cohortibus X quae appellantur
I Hispanorum Auriana [et I Aug(usta) Thracum]^)
et ISingularium G(ivium) R(omanorum) p(ia) ^[idelis) et //Fla via
p(ia) f(idelis) m(iliaria) et I Breucorum et I et II RaetoTum
et HI Bracaraug(u8tanorum) et III Thrac(um) et IJI
Thracum c(ivium) K(omanorum) et III -ßn7ann(orum) et
IUI Gallorum
et V Bracaraug(ustanorum) et VII Lusitan(orum) et sunt
in Raetia provincia sub ....
nino quinis et
vicenis pluribusve s/tpendiis emeritis
dimissis hone^^a missione quorum
nomina subscripta sunt ipsis
liberis posterisque eornm civitatem
1) Ueber diese Variante siehe oben S. 348«
352 Sitzunq der philosrphüol, Classe vom 5. Juli 189Q.
Aussenseite.
niina subscripta sunt ipsis liberis post
erisque eorum civit(ü.tem) ded(it) et conub{ium) cum uxo
ribus quas tunc nupsis{aer\t) cum est civitas
is data aiit cum is quas postea duxissetit dum
taxat singuli singidas pr(idie) -©[alendas) Jan(uarias)
Flavio Flacctno D. Aemilio Frontone cos.
cohortis III Brittonum cui praeest
nius C. f. Junianus
expedite
. . . . et Stmntae con(jugi) eius
descript(um) et reco^t/(um) ex tabula aenea
quae fixa est Romae in muro post tem
plum divi Aug{usti) ad MinerYhm.
IV.
Anhangsweise möchte ich noch mitteilen, dass auch im
Jahre 1890 die Eininger Ausgrabungen am Südcastrum fort-
gesetzt wurden und dabei im Prätorium das Bruchstück einer
Inschrift gefunden wurde.
AFR . 1
OLEM
PRAE
Ich möchte diese Inschrift mit ieuen des C. J. L. III.
5775, 577G und 5777 in Verbindung bringen. Vielleicht ge-
lingt es, im nächsten Jahre Ergänzungsstücke hiezu zu finden.
Eine zweite hochinteressante Inschrift wurde bei Auf-
deckung des Norddoppelthores in bisher sechs Bruchstücken
gefunden, von denen die ersten fünf zusammen gepasvst, das
sechste Stück aber mit den Buchstaben
LICI
ITAl
n
Schreiner: Das Müitärdiplom von Mning. 353
noch nicht verbunden werden kann. Hoffentlich gelingt bei
weiteren Grabungen deren vollständige Auffindung, worauf
die Inschrift einer eingehenderen Erörterung unterworfen
werden wird.
•
Die fünf zusammenhängenden Stücke aber lauten:
IMP . CAES . M . AV?: .
ANTONINO . PIO . F£L •
AVG . PARTHICO • MAX •
BRIT . MAX . PONT • MAX •
TRIB . PO . XV . IMF . II . COS •
iii.DES.iii.p.r.paocos.
Die Inschrift ist eine wundervolle Ergänzung der In-
schrift auf dem Altare vom Jahre 211, den der Präfekt
T. Fl. Felix in Eining setzen Hess. Sie stimmt in der
Kaisertitulatur vollständig zum Stein von Garnuntum, Nr. 3487
bei Orelli-Henzen , Inscr. lat. sei., und gehört an das Ende
des Jahres 212, als Kaiser M. Aurel. Anton. Pius Garacalla
für das nächste Jahr bereit« zum vierten Mal zum Gonsul
(consul quartum) designiert war. (üeber den Aufenthalt
Caracallas in Deutschland und die Errichtung und Neu-
befestigung von Lagerplätzen {q>QOtQia) daselbst vergleiche
Gassius Dio 77, 13, Wietersheim-Dahn I, 156, besonders
aber S. 553 f. und Brambach inscr. Rhen. Nr. 1424.)
364
Historische Classe,
Sitzung vom 5. Juli 1890.
Herr Stieve hielt einen Vortrag über
^Ernst von Mansfeld*".
Derselbe wird am Ende dieses Bandes der Sitzungs-
berichte veröffentlicht werden.
Herr von Rockinger hielt einen Vortrag:
„Zur Genealogie der Handschriften des so-
genannten Schwabenspiegels".
Derselbe wird in den „Abhandlungen" veröffentlicht
werden.
355
SitzunK vom 8. November 1890.
Herr v. Christ legte einen Aufsatz des Herrn Wilhelm
Meyer vor:
, Nachlese zu den Spruchversen des Menander
und Anderer."
Als ich eine neue Ausgabe der Spruchverse ausarbeitete,
welche den Namen des Menander tragen, ward ich aufmerk-
sam auf die wichtige Handschrift in Paris, Nr. 690 des
Supplement Grec, Pergament XH. Jahrh. 258 Blätter, aus
welcher z. B. von Minas der Philogelos abgeschrieben worden
ist. Omont nennt in seiner Beschreibung dieser Handschrift
'Sententiae versibus iambicis, alphabetice: ^vrJQ dUaiog
nXovtov . . . Bl. 73b.' Auf meine Bitte um nähere Nach-
richt erhielt ich durch Omont *s Qüte die Anfänge der Sprüche,
die mit A und B beginnen. Sofort erkannte ich, dass diese
beiden Reihen sich nahezu vollständig decken mit der Ur-
binatischen Spruchsammlung, welche ich in den Abhand-
lungen 1880 (I. Cl. XV. Bd. U. Abth. S. 398-449) her-
ausgegeben habe. Diese Sammlung hat die Aufmerksamkeit
der Fachgenossen erregt, aber sie bereitete mir jetst •s'»^
bei der Sichtung des ganzen handschriftlichen SteA
meisten Schwierigkeiten. Besonders auffallend ist am
die grosse Zahl von Sprüchen, welche in keiner a
356 Sitzung der phüosrfhüol, Glosse vom 8, November 1890,
Sammlung sich finden. Aber die Anfänge, welche Omont
mir aus der Handschrift des Minas — ich bezeichne sie
fortan mit M — mitgetheilt hatte, deckten sich mit den
Versen 36—45 der Reihe A in meiner Urbinatischen Samm-
lung (U) und mit der Reihe B, wo nur der 4. und 8. Vers
der Handschrift U in H fehlt. In beiden Reihen stehen
die Verse genau in derselben Folge. Von diesen 17 Versen
sind aber 15 allein in diesen beiden Handschriften erhalten.
Diese Thatsachen erregten natürlich sehr meine Begierde,
von der Handschrift M, welche ausser den mir beschriebenen
Reihen A und B noch die Reihen F bis H enthält, genaue
Kunde zu erhalten. Ich musste hoffen, für die schwierige
Handschrift U manche Verbesserung nnd ausserdem manchen
neuen Vers zu finden. Ich theilte Omont die Sachlage mit
und erhielt nach längerer Zeit durch die Güte des Herrn
Dr. L. Sternbach, der in Paris ebenfalls an dieser Hand-
schrift arbeitete, eine Abschrift der Sammlung.
Gross, wie vorher die Erwartung, war jetzt zunächst
die Enttäuschung. Von den weiteren 119 Sprüchen, welche
diese Sammlung in den Reihen F bis S enthält, kommt
kein einziger in einer andern Handschrift der Menander-
sprüche oder bei Stobaeus oder sonst vor. Folglich haben
diese Sprüche mit den Menandersprüchen überhaupt nichts
zu thun und sind auch nicht irgendwie ein Erzengniss des
klassischen Alterthuras. Form und Inhalt bezeugen das.
Jeder Vers hat die regelrechte Caesur; 4 Verse nach der 7.,
alle übrigen nach der 5. Silbe. Alle Verse bestehen aus
12 Silben; also sind sie nach der Zeit des Georgius Pisida
entstanden. 5 Trimeter schliessen mit ßgotov^ ßQotolg etc.;
je 1 mit (fQBvwv^ li€vr^v, fiaxQav; 1 mit /ragiaratai; 3 mit
Enclitica, wie txei noxL Alle übrigen Schlüsse haben den
Accent auf der vorletzten Silbe. Anderseits findet sich kein
Hiatus; sogar an die Stelle von ovöe elg ist ovde zig ge-
treten. Elisionen sind äusserst selten ; nur d\ fjdovr^ 'axi und
Meyer: NoMeae zu den Spruchveraen des Menander u. A, 357
xoT* aSiay. Die Quantität wird schon ziemlich oft verletzt:
q>iXogt noXvy aöUwvy rig mit langem; (laxvei^) aiyav^ rchovatv
mit kurzem i oder t; finden sich hier in je einem Verse.
Dies war der Anfang der Missachtnng der Quantität. Auf-
fallender sind die Verse:
10 iav %ig oxvq, ^ri ifLokäv ilni^ivu).
Im letzten Verse hat H yafdereiv; allein es ist wohl
nur ya^etrlv zu schreiben; denn auch in dem Verse
10 äftBivoy avöqi /ui] yafiezriv ixTQiq>eiv
hat H yafieteiv geschrieben. Den metrischen Fehler in
xaköv und yafietrjv muss man wohl hinnehmen. Sehr weit
geht der Versmacher in der Dehnung kurzer Endvokale bei
folgender Muta vor Liquida; Längen wie l^iiM üquibIv^ drjy^ä
nQoqmyei sind häufig, so dass in dem elfsilbigen Verse
7 veliQidv To nävd'og x^og avXav d^iXet
als 3. Länge o eingeschoben werden darf. Dagegen die
Spondeen in
7 Xdfitov yeiüQyog Tr^v ßkaGTtjv noQccTQixei.
3 ycatQog iidaaxei ti^v q>OQdy rtSv andvTtov
sind Schreibfehler; im ersten Verse ist ßXaßrpf zu bessern,
im zweiten xaiQog diddaxei xüv anavtiov ir^v q>o^v oder
Demnach dürfen wir die Zeit des Versmachers nicht
zu früh und nicht zu spät ansetzen; am besten scheint er
um das 9. Jahrhundert gesetzt zu werden.^)
1) Die Verse sind in der Handschrift M durch manche Schreib-
fehler entstellt; z. B.
8 yv&'&i TtQoaeXns (jigoeinel) aavxoy tj stagot/Ua,
1 d^fia TiQOipevye (jiQOfpevYei'i) ovxfxpdvrov nag (piXog.
2 detvor i6 vooeTr {ßiiaeTv'^) jovg iXiyxoyrag q>iXovg.
1 iJHOvaas ev^vg {ei ti'^'f) fitf XdXe^ Tiäv aaxonwg.
358 Sitzung der phüos.-phüol, Glosse vom 6. November 1690.
Auch die Sprache zeigt, dass diese Sprfiche von ein^n
Manne geschrieben sind und das in spater Zeit, z. B.:
2 i/X££ Tcr ndvra ngog ro Tiqpia toZ ßlov,
10 rjSfj t6 rigua tov ßlov naqiaxaxai,
8 l'^£i ro ziqiJia xov xQOvov ßqotüv tdxog.
Der Inhalt dieser SprGche ist durchweg sehr gering;
z. B. in der Reihe I
1 hrnov Tiaxiatov y.al ßqoxov cpevyeiv ^aKQar.
3 iarrjOi vavv 1x9^9 r/g log dvfiov Xoyog,
4 iÖQüig yaXrjvtjv zcov 7r6viov TrolXr^v ayei.
6 iOTav XQonaiov in 7i6vcjv ßqoxov x^ifug.
8 i^ei To tiq^a toi xQovov ßQOzwv vdxog.
9 ixei ydq ridt] xov d'iXyg xov ^ij x^ikjjg.
Diese Probe wird kaum Jemand reizen, mehr von dieser
Weisheit kennen zu lemeu. Uns geht aber zunächst das
Verhältniss des Mannes zu den .sogenannten Menander-
spr liehen an. Der Mann hat. sicher diese Sammlung ge-
kannt, hat aber im Stolz auf sein Können sich enischlassen,
jener Sammlung eine neue gegenüber zu stellen. Dabei hat
er hie und da Stichwörter aus jener alten Sammhmg her-
ü hergenommen. Diese Stellen, welche für die Frage wichtig
sind, seien hier zusammengestellt.
3 ^H^iüv ajravtwv r^ aweidr^aig <Jix/;.
597 Z^naaiv Tqfilv fj aweldtjoig (jjqioitj) ^eog,
(354 BQOTo7g aicaaiv if övveiöi]Oig V^eog,
Der Vers 597 (Meineke) ist in den Handschriften, die
ihn überliefern, der letzte der Reihe A, also wahrscheinlich
eine nachträgliche Fälschung.
4 fj voüv FX^tv 5 ^artTr (xar^aretv?) rajft» jtosnet.
9 i?a»'ü>v xdxtaTog elg Ttovrovg (ndvovi*^) T^ei viovs.
10 fivOos diuQxi^g tcüv yvvatxtjy 6 tf>&6vog {ov *n>h'Fs'i).
2 voftots tfjitjxtor {vjTiixwy) ov rj>//4«»' e$ovötap.
* f
Meyer: Nachlese zu den Spruchversen des Menander u. A, S59
209 ijSei z6 yfJQag riaaav alviav (al'Kiav?) (piffoy,^)
7 0€ov t6 äwQOv ov fABt^iarcerai note,
241 O'eov niqwne dtoQOv eJyvci^cjy TQonog»
In einer andern Sammlung ist der Vers des Aeschylns
(Sept. 625) umgestaltet zu l^eov t6 dÜQov kaxiv evtt'xeiv
ßgoTOvg. Ebenso nahe steht das Fragment des Sophocles
(bei Nauck p. 335, 879 aus Vita Homeri c. 158) ^co? to
dwqov tovto' etc.
2 "laov liovtog avuofpanrjg kv ßiip,
267 Haov Xealvfjg xal ywamog (o^OTrjg.
440 6 ovxoqxivTfjg bojIv iv noXei Xtnog,
5 ^loov novfjQog xdxoQKnog sv ßti^f.
456 jfOvrjQog iar* av^quinog nag (T/g) dxaqiaxog.
1 KaXov TO yriQagy bI xa^tjy 9>^iH^P^ ^X^'*
2 xoTLOv to Y^Qagj q>avXov bI q^iqBi TQOirov,
283 xaXov t6 yrjQav xai to fdt] yrjQov noXiv,
608 KaXov, to ytjQov, to d* vjiBQyi^Qov xanov,
9 KqIvbi q>iXovg mravtag ImtBOiov (piXog.
276 xQivBi q>iXovg 6 xaiQog log xqvaov v6 nvq.
2 Miyiozov oirXov ij qiQOvrjaig h /?iy.
Vgl. 433 ^'OjtXov fityiatov iaviv oQBtrj ßi^oig oder
619 o. f4, tolg (iv) ßqotolg td XQ^H^^^ oder
0. f4. Bat IV dv^Q(x)7Coig Xoyog (ü).
5 Mifiov td OBfLivd tiov aoq>wv ^'v^»/, tixvov,
6 fiaxqdv dt yivov tüv ytaxwv ^^cSy ndXiv.
336 fitfdov td OBfivd, fiiq xcntwv fiifiov tQonovg,
3 Sivoig inaqxiov rraaiv aldolog fdivBig,
391 ^Bvotg Bnaqxwv tuiv Xoutv tBv£fj 7toti.
1) Der verderbte Vers 7 'H ^ga xdvttor tjdw^ ^0U m
ist Tielleicht zu ilndem in rj^ rä ndvjcjy r^dovri aigiipu jgin^
wäre zu vergleichen 573 >7^; ta ndvtwv iy XQ^V yf^tQdCnmt*
360 Sitzung der pKHosrphäol, Glosse vom 8, November 1890,
Dazu kommen noch einige zweifelhafte Aehnlichkeiten,
wie 5 KaXoy to nevS-elv irijy ya^etriv iv rafftif vielleicht
eine Verbesserung sein soll von 95 yvvaixa x^anteiy xQehioy
tat IV rj yafdelv.
Diese Nachahmungen beweisen, dass der Verfasser dieser
Spruchsammlung ein Gegen- und Seitenstück zu der in den
Schulen gelesenen Sammlung der Menander-SprQche schaffen
wollte. Von dem Vorbilde wich er nur in einer Kleinigkeit
ab. In jener Sammlung finden sich nur sehr selten 2 zu-
sammengehörige Verse; hier aber öfter. So ausser den oben
S. 358 und 359 gedruckten Paaren 1 8 und 9 i'^ei, K 1 und
2 ytaXov und M 5 und 6 fiifwv noch
9 Feiviüv TvovrjQog Tovg JtiXag namog ^eXeiy
yeiitjv d* aQiatog ev dia/cQaztei ßQotoig,
2 "Ei^i^e ykiooaav r^avxd^etv Jiokldxtg'
ev{)Oig yoQ oviw ti]v ö66v twv jiQuyfiaiwv,
7 ^Hiüv To ;iivi>og oXßov fjL^fjoev^ lexug'
i^k0^ev CO 7tiv^og i^ qöUiov jcgay/naiiov.
5 yti]DtfV hxßovreg rJJc; xaxijg o^agtiag
kv7it]g zu TLtviqov tSavaainoai (pgevojv.
Ja sogar 3 und 4 Verse scheinen verbunden zu sein:
5 Zrjzei ^eQifivr^g a^OQ/iioai /toXv ßoQog.
Uioriv yog ovTw rijV oXvnov av tvxoig,
^tjOeig (r'V) aitviwc: zov 7iQoyLeif.ievo%' ßtov.
r» * Egwg lagaoaei nov igvcfcuvKov log (pQ^vag
tyiov ßütjÜ^dv ijdüvriv ioiiXiöfAivi^v
evQioy yuQ T]J/y yovv oQVjyia /rgog zoQoy
i'yv^e 7Liy[(jtiJ Kv/tQidog jiayiykkytog,^)
1) jiny&ekyi mit i ü!)er € und von ni. rec. ^ über r; vielleicht
.ini'&eÄyhov. Das Wort findet Mich freilich Honst nicht; über auch
nicht 7 xtU.Aü^ avyaojtu nby uofXywr ror yoor.
Meyer: Nachlese zu den Spruchversen des Menander u, Ä. 361
Die Thatsache, dass dieser Mann um 900 n. Chr. die
Menahdeisprüche nacbgeahmt hat, würde eine so ausführliche
Besprechung dieser Verse nicht rechtfertigen. Denn schon
Gregor von Nazianz, Palladas und Andere haben jener Spruch-
sammlung nachgeeifert und wahrlich Besseres geleistet als
dieser Versmacher. Den Werth dieser Sammlung lehrt die
Behandlung des Anfangs, welcher sich auch in der urbi-
natischen Sammlung findet.
Fviofiai naza axoixeiov did ia^ßtuv. So lautet der
Titel in der Pariser Handschrift (M); in der Urbinatischen
(ü) steht natürlich hier mitten in der Reihe A kein Titel.
1(36) '^viiQ aßovlog elg tcsvov ^ox^bI %Qi%oiv.
dvifi dixaiog tvXovtov ovtc exßi no%i, ■
3(38) ayei novrjQci nqa^ig elg xaxov xliog,
äygvnvov Ofifia zovg koyiofiovg eigßlinei,
5(40) dvriQ dneix^fi elg ex^Qiov nimei öoXovg.
avTog (avtov M) yaQ oldev ovdiv eig (ovdi elg M)
z6 <JVfig>€QOV.
7(42) dniild'ev ovdeig tcSv ßQOTÜv nXovzov q>äQ(ov.
öxove ndrva {navroiv M) mal }AXei xaiQffi (pihx
{fpiXog ü).
9(44) aq)tXog elyai /u?) xß^eX'^ajjg iv ßi(^.
afie$vov dvdql /ut] ya^e%r(v (yafietelv M) ixtQiq>eiv.
Darauf folgt unmittelbar in M wie in U die Reihe B:
1 BovXijv yegovtiüv naaav elg nQa^Lv Idße.
ßovXrg cifAeivov ovdiv iativ iv ßi(p,
3 ßovXiqy TtovfjQav ^»j d'iXe XQccrelv cXtog.
ßiXziare^ /utJ z6 niqdog ev naai axonei. fehlt in M.
ßiog novTjQog elg xaxov (piqei tiXog.
5(6) ßißaiog ovdeig affii züv q>iX(ov /divei,
ßaßai TO fdiytQov Oftfia nüg TtoXXd ßXirtei.
7(8) ßiov xQOTvvei fiv&og ?/ XQ^'^^S ßQOzov. fehlt in M«
ßaQog fdoXißdov {fdoXvßdav M) xai xaxog ßQOtüv Jacv.
1890. PliUo0.-|»hilol. u. histCI. II. 8. 25
362 Sitzung der phüo8,-philol, Classe vom 8. November 1890,
Lassen wir von diesen Versen zunächst A 1 und 2 und
B 4 ausser Betracht, so sind in Form und Inhalt diese Reihen
A und B aus demselben Guss, wie die Reihen F his S der
Sammlung M. Alle haben 12 Silben. Alle haben den Accent
auf der 11. Silbe; nur A 2 schliesst mit e^ct nori; B 7
mit ßqotov. Das kommt nachher noch öfter vor; doch, da
es hier zum ersten Male vorkam, so veranlasste dies vielleicht
den Schreiber von M diesen Vers wegzulassen. Jeder Vers
hat Caesur nach der 5. Silbe; kein Hiatus, keine Elision
findet sich. Die Quantität von 9 äq^iXog und a 10 yafiiTr^v
findet sich ebenso in y 6 (fiXog und x 5 yafierrjv. Ja viel-
leicht hat dieser Mann auch in a 5 exi^Qiov gekürzt. Sprache
und Sinn dieser Verse entspricht durchaus den folgenden;
so ist die Lieblingsphrase iv ßi(^ hier zwei Mal zu finden.
Diese beiden Reihen sind also ebenfalls von demselben
Manne fabricirt, wie die folgenden Reihen, und haben mit
den verschiedenartigen Sammlungen der Menander-
sprüche nichts zu thun. Dieses Ergebniss ist wichtig.
Ueberall sonst konnte ich die Urbinatische Sammlung mit
den übrigen Sammlungen der Klasse, 7x\ denen sie gehört,
vereinigen. Sie bietet allerdings werthvoUe neue Verse, allein
dieselben sind, wie natürlich, zwischen den mit andern Samm-
lungen gemeinsamen zerstreut. Nur hier diese geschlossene
Reihe von Versen am Schlüsse des Buchstabens A und der
ganze Buchstabe B blieb unnahbar; weder fand ich einen
Vers derselben in andern neu auftauchenden Sammlungen der
Menandersprüche , noch gehing es durch gute Besserungen
diese Verse annehmlicher zu machen. Jetzt können wir diese
Reihen einfach aus den Menandersanimlungen streichen. Denn
es ist klar: ein Abschreiber der Urbinatischen Sammlung hatte
zu der im Ganzen abgeschriebenen echten Sammlung ein Ex-
emplar der Sammlung M in Händen. Als er nun den Buch-
staben A aus der ihm vorliegenden Menandersammlung in
zwHuialiger Auslese zu Ende gt'bchrieben (V. 1 — 1(), 17 — 27
: if/ichle»e :u dtn Stiraehrersrit <Vm Menandrr «. A. 3t'3
meiner Auxgabe). ac1iqI> er eunächst Vetve ans einer noch
unbeknunten Qnelle an {V. 28—35). dann aber schrieb er
aus der i^Binmlunp H den ganzen Buchstaben A ab, dem er
mtbrt dt>n BiitihKtJiben B aus tieiselben Sammlung folgen
lie*>;. Duiin kehrtet er wieder au seiner eigentlichen Vorlage
RurUck, in welche er wenigstens bia nur Reihe B ans H
keinen einzigen Spruch mehr aufnahm.
Noch zwei Pnnkte l>leiben zu erledigen. In d^r
K«th(i B etehen in der Urbinatischen Sammlung znei Verse,
weiche in der Pariser fehlen. Da.HM M den Vers Btov K^ati-vei
5 Jtf^flög iiefioi' nicht bat, liegt vielleicht an der
I des Bchreiliera, vielleicht auch daran, daas dieses der
VersHohluHs ist, welcher die byzantinische Accentregel
■ verletzte; jedenfalls ist der Vers aus derselben Fabrik
me übrigen. Wichtiger ist, daas nach B 3 der Vers
ir« fi^ to xfifdog iv nÖai aviönet in U steht, aber in
nit. Dieser Vers kommt nahezu in allen Menander-
unngen vor und wird (aus jenen '(*) bei mehreren Ithe-
cttirt, hat also jedenfalls mit der Haminliing M
I zu thun. I^r tst rielmebr von dem Abschreiber der
Urbinatischen Sammlung mitten in die aus H abgeschriebene
Beihe eingeflickt. So hat derselbe ächreil>är nachher au»
suner guten Vorlage zwei Sprüche der weggelassenen Reihe B
zwischen die zwei Aunleseu eingeflickt, aus denen seine ICeihe T
bfKtohl (V. I-&. S— 12).
Wichtiger ist der zweite Punkt. Die beiden ersten Verse
der R«ihe A: ^cije lißovXo^ tls xtvöv fioxt>ei tpexw»-. yif'ip
iixatog rikoviov ovx t'xti Jioii .scheinen aus derselben Fabrik
Sfl stnmmen, wie die übrigen. Die Anfange finden sich auch
«Miat lA yltii^ äßovi.oi; •^iovau; »tj^CtTOi und 038 ^vi]^
iixaiög tativ oCx ^ t"] odixtUv etc.; der eine Scbluss <
xtföf livxSti t^ix'^^ i*t unseres Ver»emach«rs würdig u
■■ andere nKovto» ovx fjjei ■'int ist (ibertrieben.
kiimumn in •''i bis li andern, nieistena
3(54 Sitzung der phHosrphüoL Glosse vom 8 November 1890.
Sammlungen der Menandersprüche vor und stehen desshalb
schon bei Meineke, Nr. 51 und 52. Sind diese Verse doch
altes Gut und hat vielleicht der Verfasser der Sammlung
M den Anfang seiner Spruchdichtung dadurch zieren wollen,
dass er aus den Menandersammlungen zwei Verse abschrieb,
während er weiterhin dies durchaus vermied? Die Frage
wird dadurch fast beantwortet, dass jene zwei Verse, welche
in U und H die ersten sind, in jenen 5 bis 6 andern Hand-
schriften die letzten der R^ihe A sind. Demnach ist es in
einer alten Menandersammlung ebenso zugegangen, wie in
der ürbinatischen. Der, welcher jene Sammlung besass oder
abschrieb, bekam auch unsere Sammlung M in die Hände
und fing an in seiner Menandersammlung am Schlüsse der
Reihe A aus der Sammlung M die Reihe A einzutragen.
Doch schon beim zweiten Verse hörte er auf und nahm
auch in den folgenden Buchstabenreihen keinen Vers mehr
aus jenem Fabrikate der spätesten Zeit auf. Es bestätigt
sich also auch hier der Grundsatz, dass in jeder Menander-
sammlung die Verse im Anfang und noch mehr die im
Schlüsse der Reihen verdächtig sind. Wichtiger ist die Zeit-
bestimmnng, die wir gewinnen. Die sämmtlichen Menander-
sammlungen der besseren Klasse haben jene zwei unechten
Verse am Schluss der Reihe A; also müssen sie alle auf ein
Exemplar zurückgehen, in welches nach dem Jahr 900 jene
zwei Verse am Schluss der Reihe A eingetragen wurden.
Neue Spruchverse.
Im vorangehenden Abschnitte war es möglich, von der
Ürbinatischen Spruchsammlung einen hässlichen Fleck abzu-
waschen. Im Uebrigen steht sie zusammen mit den übrigen
Sammlungen dieser Klasse, der Pariser 1168 (P), welche
Boissonade Anecdota I p. 153—159 bespricht und der Wiener
(Nessel 128, V), welche schon J. G. Schneider benützte. Zu
Meyer: Nachlese zu den Spruchversen des Menander u, Ä. 365
diesen drei Genossen kommt eine vierte Handschrift/ welche
mit K bezeichnet sei. Ich hoffe aus derselben Handschrift
in der nächsten Zeit ein anderes werthvoUes Schriftstück
vorlegen zu können und verspare die genauere Beschreibung
derselben auf diese Gelegenheit. Diese ganze Klasse von
Sammlungen ist viel kecker überarbeitet als die andere,
welche durch die Handschrift A (Wien Nessel 277) und
ähnliche erhalten ist. Wiederum ist von den vier Genossen
die urbinatische am kecksten behandelt, was sich schon daran
zeigt, dass viele Buchstabenreihen in ihr eine zweimalige,
einige sogar eine dreimalige Auslese aus der Vorlage enthalten.
Die neue Sammlung (K) bot mir 35 Sprüche, welche
ich noch in keiner andern Sammlung geftmden hatte. Damit
steht es hier, wie in jeder guten Sammlung dieser Sprüche:
eine Anzahl der Verse lassen sich auch in andern Schrift;en des
Alterthums nachweisen. Es sind die 7, welche ich zunächst
besprechen werde. Daraus erhellt, dass wir auch die übrigen
für echtes, altes Gold ansehen dürfen. Nur der Spruch
Ilaviga aißov riy di ^Qeipafdivrp ategye ist bedenklich.
Er Hesse sich zwar (leichter als der ähnliche Spruch in U
nariQa rifta' tiqv de Tenovaav aißov) in einen Vers ver-
wandeln, z. B. nccriQa aißov fASv^ xr^v de &qB\pafJiiyr}v g)iXei;
doch seine Stellung — er ist der letzte in der Reihe n —
spricht dafür, dass er ein späterer, wohl prosaischer Zu-
satz s^i.
Dass in der Klasse, welche durch die Handschriften P T
und U gebildet wird, der Text sehr oft und mitunter stark
entstellt ist, ist vorhin bemerkt. Wie es damit in dem neu
gefundenen Genossen jener Handschrift;en steht, lehrt am
sichersten die Prüfung der sieben Verse, welche sich f
in andern Schriften finden.
0eov to dwQOv iaxiv bvtvxbIv ßQotovg.
Diesen Vers würde gewiss Mancher für christlich hl
36(5 Sitzung der phüosrphüol. Classe vom 8. November 1890.
doch es ist Aeschylus Sept. 625 d^eov di diOQov iativ eitV'
XeTv ßqotoig,
Maiv6f4e&a navteg iav OQyi^Ofie&a.
Stob. 20, 4 0dr]f4ovog (Mein. 4 p. 54, Kock 2 p. 529)
Maivc^ed'a ndvieg^ OTtorav OQyi^tifAS&a ; ebenso Maximiis 19,
doch hat auch Gessner orav und (rait 1 Hft.) o^yi^o^e^a.
TleQi xqri^axtjv /iij anovda^e oßeßalov fiQay^arog.
Ein warnendes Beispiel ! Wer würde diesen Spruch nicht
als Prosa und als christlich streichen? Allein eine treffliche
Stelle von 16 Versen wird bei Stobaeus 16, 13 eröflfeet
durch: MeydvÖQOv in Jvaxokov (Mein. 4 p. 107; Kock 3
p. 38): TlßQi xqtiiAaxwv XaXelg dßeßaiov jrQdyfdavog.
T6 fdrjdiva adixtlv %aXovg fjfjiäg noiei.
Zur Warnung für die, welche Parallelverse gern als
Interpolation tilgen, seien hier folgende Verse ausgeschrieben:
TO fifjdiv ddixetv nai y,ah)vg rjfiag 7roiei.
TO firjdiv ddixelv %ai cptixxvd-QiOTiovg noiel.
dvvatai to Trlovretv xai q^ikav&Qionovg ttouXv,
t6 fir]div aäixeiv naaiv dvd^QW/totg nQtnei,
TO ^rjdiv ddixeiv iiifAa^eiv yog, lo ^dxrjg, etc.
Nr. 1) Sextus Empir. : Ox^ev xai 6 Mavavdgog . . (Mein. 4
p. 244; Kock 3 p. 174). 2) Stob. 9,20 MevdvÖQOu Tqo-
(fiovUi), 3) Stob. 91,5 Mei'dvÖQOv 'AXiei. 4) Stob. 9,10
MevdvÖQot\ 5) Stob. 9,19 MevdvdQov KtDaQtaxf^,
Tov ikev^cQOv del navraxoi aiü(pQOveiy fiäya.
Stob. 89,7 MevdvÖQOv "Hqwi
kxQrjv yoQ eivai ro liaXov evyeviatatov.
TOV iXevd-eQOv öi del navraxov q^qoveiv fieya.
Im ersten Vers haben geringe Handschriften des Stobaeus
ror xakov. Im zweiten Vers ist zu schreiben : tov ilevd^eQOv Sei
navraxov cpQovelv fxiya. Der zweite Vers hat mit dem ersten
nichU zu thun. Bisher wollten Alle beide Verse verbinden;
Pfryec; NneJtlete :ii ihn Sprwhrrt
3(17
ilh interpoiirt« der Abschreiber des Stobneus di. schrieb
iua tÖ d" i^^iäeqov dei^ Bentley xovXev&tQov de nar-
tvxov q^oveiy f^iya, was Meineke Com. 4 p. 12? und Kouk ;!
{>. (<0 Aufnahmen.
XoiU/rGg tfGatijt; tat' äaivstog xa^/AEvog,
Theopfailiis ad AutnI. ij, 3S1J'' xa&änEf xai o (J>ii.Tfi^MV
(Mein. 4 p. 4ti; Kock 2 p. 522) XaXifröp ÖKQOatijg aaiv-
etog xaifi^fievos 'Ynö yaq övoiag ovx haviov ftffiq<eiai, aJUö
x6v -TOiijr^v. Dem ersten Verse suchte Dobree aufzuhelfen
durch XakeiTOV y ön^oatifi. Doch der dramatische Dichter
schrieb XaXsnöv ^satt^s öai'veiog xaSijfievog, was ein doci-
render Älöchreiber oder Theophilus seibat mit der Aender-
IOK^ocnts der veränderten Zeit anpasste.
'ßg xpijoiä jiqätJtiv x^eirTov eox' eX^^i^iug.
Kann nichts Anderes sein als der Vers Tö xQ'l"^^ nqäi-
egyoy eai' iKeviUgov (ilevifiqwv?) bei Stobaeus 37, ij
l«r 2. von 3 Spruchversen, deren erstem beigeschrieben
_ w avtov d. h. Meyävöeov; Mein. 4 p. 288; Kock 3 p. 217.
Wir befinden uns also hier in guter Gesellschaft: von
den 7 Versen gehört 1 dem Aeschylus, 2 dem Philemon.
4 dem Menander. Allein die lleberlieferung des Textes ist
Hchlimm; kein Vei's ist ohne .Wanderung gebheben, ja 2
dieser Verse sind so verderbt, dasa kein Scharfsinn sie hatte
heilen können. Nicht anders steht es mit den folgenden
27 Sprüchen, welche ich genau nach der Handschrift gebe,
in der Reihenfolge, in welcher sie ewiachen den bekannten
eenitreut stehen. Die schönen Gedanken einiger Verse können
wir schon jetzt ohne Mühe geniessen. Viele sind verderbt,
io dasH selbst diejenigen ein Genüge tinden können, die
denken, wie der Meister der Kritilc, unser heimgegangener
College Konrad Hufmann, mitunter im Scherz sagte: .Was
it mich ein Text, wenn er nicht veniorben ist'. Ich füge
ich bis jetzt gefunden habe, hoH'e jedoch, dass mit
368 Sitzung der phüos.'phüol, Glosse vom S, November 1890.
der Hilfe der Fachgenossen in der kritischen Ausgabe dieser
Spruch-Sammlungen viele Verse ohne die jetzt noch an-
haftenden Flecken erscheinen werden.
l4ßißai6g eati nkotrog^ iav rig ev ygoyj.
Da idv tig sv g>QOvfj nicht heissen kann 4n den Augen
eines richtig Urtheilenden ^ und da auch die Aenderung von
lißißaiog zu Bißaiog höchst unwahrscheinlich ist, so bleibt
wohl nur: !/ißißai6g iari nXovxog i\v xig fxrj g>QOv^,
^l^QBGxe 7th^&ei xa&iya q)iXoTifjiovfjievog,
'Eiaarog rifiwv laXivayiayov exBi öaipiova,
XaXLvaYWYOv ist ein sehr seltenes und wohl nur spätes
Wort. Vielleicht ist zu schreiben: inaaiog rjfiwv ayad^ov
eaxsv daifxova oder der Spruch ist nur ausgeschnitten aus
Clemens Alex. Strom. 5, 14, 130 (vgl. Eusebius, Plutarch,
Ammian und Andere) : MivavÖQog 6 xiüfxixdg (Mein. 4 p. 238,
Kock 3 p. 167) dya&ov fQfitjveviov tov &edv, cprjatv' '!A7iavzi
daifiiüv dvÖQl avpirtagioraTai Evx^g yevofiivip^ ^voTayioyog
TOV ßiov läyad-og etc., wobei ;fa^ti/aycoyög für ^ivoraycoyog
eingesetzt wurde.
^loxvQOV TtQayfia ioTiv ^ dXi^deia wg fj (pvoig.
Zwischen verschiedenen Versuchen schwanke ich nocli:
loxVQOv eoTi T^g dlrjd^tiag (fvaig.
laxvQOv ioTi nqayijC dki^d-eiag (fvoig.
loxvQOv iazi nqayijC dXrj^cug i] cpvoig.
KaXrl öiadoxrj tov yivovg enl zd tixva.
Statt eni zd scheint ein Adjektiv ( « « « ) im Sinne von
ia^Xd oder einfach eazlv zu schreiben zu sein.
KaxoTtQayjnoveiv fxovov ov nglrrei %6v ileid^egov.
Ist der Vers ironisch, so kann durch Streichung von ov
ein caesurloser, aber passender Vers gewonnen werden; ist
er ernst, so ist wohl ydg statt ^oVoi^ zu schreiben.
Meyer: Nachlese zu den Spruchversen des Menander u. A. 369
Mrfiiv Ttovr^QOv nQayfiatevov 7[oieiv.
Statt noulv scheint f«v noiüv zu schreiben: bei Wohl-
thaten verfolge keine unedlen Nebenzwecke.
Movog devre^g ßdöi^e xqitoq de (ät^,
Wohl fiovog f] ßadiKe öevteQog^ oder /Aovog ßddi^^ rj
devzeQog^ xqitog öi ^ij. Diese rtodeme Weisheit ist wohl
sonst noch nicht bei den Alten gefunden.
MetQionad'i^g vnoQx^ zoig avfjintiifiaaiv.
Mtj V7i€(fq^Qoyijar]g rov nivr(tog fv\pv%av.
/uij %ai:a — oder nBQL(f(fovriarjg zov nivtfcog eitvxwv,
Mij aaeßwv x^eolai xhve' noXkd ö^evaeßwv öidov.
Dies kann nur ein trochaeischer Septenar sein. Solche
sind in der Spruchsammlung des Publilius nicht selten, da-
gegen in diesen griechischen Sammlungen habe ich noch
keinen gefunden. Der Imperativ dlöov gibt einen matten
Gedanken. Ich vermuthe : fii^dib^ daeßuiv &Bolai ^e' nolXd
d^evaeßuiv didwg^ mit dem gleichen Sinn, wie ^aia fiBylair]
Ty ^€ip To evaeßeiv (Nauck to &eoaeßBiv ; vielleicht zolg &eolai
t^eiaeßBiv?)
Niov nvQ ioTiv rf^üv zov ßiov za yigripiata.
Die Verbesserung des Anfangs ist schwierig. Es stand
wohl ein bildlicher Ausdruck hier, wie voaog iaziv riixüv
zov oder vBvqov yciq iazi zov ß. z, xq,
Nofxov x^Q^ ovdiv yivetai iv ßiw xalov,
vo^ov ist wohl (nach dem Anfang vofxog des folgenden Verses)
verschrieben aus vov.
Noi^og novrjQog dvofiiav naqefifpalvei.
Vielleicht naQeigg>iQei?
niaag yvvalnag rcQOfjirj&evg enlaae xaxdg.
Ttdaag yvvainag enXaaev 6 ÜQOfiri&evg xoxcrg. Vgl. Lin
Amor. 43, wo Prometheus verflucht wird, weil er %
370 Sitzung der jfhüosrphilol, Clasae vom 8, November 1890,
rijV Mevarägeiov q^n]v (Mein. 4 p. 231; Kock 3 p. 159)
yvvalTiag eTtXaaev . . edyog pnaqov,
novrjQog avrJQ XQfiaxog ovxh^ iatai noti.
mit livfiq TtovTjQog ;f^»yardg ovx eatai nozi wäre ein richtiger
Vers gewonnen; doch die Veränderung des Anfangsbuch-
stabens ist höchst unwahrscheinh'ch. So ist wohl zu schreiben:
TtovrjQog oV ij^, x^^'^^9 otJx eciß notL
IloXXag fisraßoldg 6 ßiog rificiv hx^ßavei.
Der Gedanke mit diesen oder mit ähnlichen Worten ist
nicht selten; auflFallend ist nur die Verbindung fietaßoXag
laftßdvei.
TlQogixvjv odeve %i(v ßiov odov.
Die Lücke ist nach ßiov; vielleicht ist xoX^ftr]v ausgefallen.
Ugovoiav dyaO-ov navraxov noiov g)lXog,
Mit gutem Klang und besserem Sinn wohl: nQovoiav
dyai^ov navxaxf^ noiov cpllov,
riovrfiov iati y.ai aäixov yevog o q)i^6vog.
Eine Variation des Verses ^el novtiqov eavi T'dvÖ^QWJHov
yivog ist kaum anzunehmen; 7iovriQ6v eori xödmov . . (o)
(fd^ovog ist gut; es fehlt nur ein Flickwort, wie q^ioei oder
7iQVTwg oder, wie Christ vermuthet, XQVf^^ ^.
nXovxov yoLQ OQeiinv do^av ff avtrig Ttoiei,
nXovTog ydq ccQerrjg do^av f^avrr^g 7ioi€l?
TlkovToi 7iXiov Tiifpvxev dgettj ßgozolg.
Kann 7iXiov 7ii(fVY.ev bedeuten fuel^cov^ fiel^ov ri? SoHvst
wäre, da ttXoutov TcXea 7ricfvy.Bv aqeTr^ ßqoToig kaum gesagt
werden kann, wohl x6 7r'keov zu schreiben entweder ernst
TiXovtov TO 7iXlov Tieqwxev a^crij oder ironisch .rXovtog to
TrXäov 7tiq)vxe ifjg OQezrig ßgozolg,
rigog xrjv dvdyar^v ovöelg ovo* ovd^loiaxai.
7üQ6g ^r^l' dvdy¥.i]v ovdi etg dvö^iataxai.
Meyer: Nachlese zu den Spruchcersen des Menander u. A, 37 1
nevofievov idv Xöwai xafimovaiv ol q)ih)i,
ftevoi^evov idv Ydwai xa^movraL g>iXoi.
2(o<pQiav yvvri nrjöaXiov iari xov tloKov ßiov.
Allerdings ist dieser Spruch der 1 . der Reihe - und es wäre
möglich, dass er aus dem Verse rvvt] öi XQV^^^ nrjddXiov
iar^ oixiag gemacht und hier eingeflickt worden wäre; allein
der Wortlaut ist doch zu verschieden. Die Herstellung dieses
Verses ist leicht: aioq^wv yivr^ TtTjöcXiov eati tov ßiov,
Td ydq gwaei neq)vii6g ov fis&iaTaTai.
Vgl. Eur. Bacch. 896 vofiifiov dei (pvati xt 7ieqn;x6g, Soph.
Phil. 79 e^oida . . qttaei ae fii^ TretpvKota Toiavra gnovelv
und ähnliche Stellen.
*£ig ovdiv oldev avd-qionog tov uaiXei Ttouiv,
7touiv gibt schiefen oder matten Sinn; desshalb wohl: wg
ovdiv olö^ avx^qianog wv fxiXlei na^eiv. Vgl. Miv€i d' lxa(7T</i
rot'v^* oneQ fiOXsi na^eiv; Antiphanes (Mein. 3 p. 133;
Kock 2 p. 111) bei Athenaeus II 60 c: Tig ydq olö' "^fiwv
td fiiXXov 0 TL na^elv ninqu}^^ kudarq) twv q>ihav.
Dies sind die neuen Spruchverse, welche ich nur in der
neu aufgetauchten Handschrift gefanden habe. Nun stehen
aber in den verwandten Handschriften U V und P eine
Reihe von Versen, welche schwer verderbt sind. Etliche von
diesen finden sich auch in der neuen Handschrift K mit
mit andern Lesarten, die vielleicht zur glücklichen Verbes-
serung der schweren Schäden helfen können.^) Insbesondere
finden sich in P etliche Sprüche, welche schwer entstellt
sind und welche zwar Boissonade (Anecd. I, 153) mittheilte,
Meineke aber als Prosa und Schreiberweisheit einfach weg-
1) Der Vers von U (fji \) Mrjdiva xqIvs evtvz^ ^H^ 9
von Prinz und Nauck mit Recht als Eurip. Troad. 610 MiiSim
evTvx^tv xQtv äv ^dvfj erklärt worden. K hat Mtjdira v6f»iCk
372 Sitzung der phüosrphüoh Claane vom 8. November 1890.
liess, so dass die neuem Gelehrten von denselben nichts mehr
wissen. Es ist aber wichtiger, verkanntes und weggeworfenes
Gute wieder zu Ehren zu bringen. Es sind natürlich die
am stärksten entstellten Verse und ihre Wiederherstellung
wird nur theilweise möglich sein.
l^vdQiZv äixaiiüv iao elg aioiijQiav,
Steht in K P. Boissonade: Forsan lai^i pro eao vel
l'ao Tig *ut salveris, unus sis ex iustis hominibus*; versus est
christianus. Statt eao ist wohl a7Tevaov zu corrigiren.
JUaiog idv iqg nccvzaxov XaXijd^rjarj.
KP; f/? P, el K; laXrj&^g K Boisssonade: Clausula
politica; Forsan d, eav jg aov koyog eatai navtaxov. Der-
selbe Anfang findet sich in JUaiog^ ov pg ry %q6n({} XQ^^V
vciAiif. Hier steckt wohl ein Adjectiv, wie navta ydßXaßr^g iatj,
Elg vag fieraßoldg öi z^g Tvx^jg axonei.
K P. Boissonade: Forsan elg tag öi fievaßoldg ai
%rig ttx^9 axonei. Vielleicht: elg tag ^etaßoXdg del ae
tilg tix^^g oxonelv. Vgl. den Vers von K P (Meineke 609)
KaiQWv fietaßoXriv Ttavzoze del a'ÄOxeiv^ wo Boissonade nav-
zaxov ae del oxonelv besserte.
^Ev navTi TQonti) del zov ixvöqa ev q^QOvelv,
KP; Qvdo' K Boissonade: iv navri del TQO/iifj, Of-
fendo ad hiatum. Sed sunt et alibi hiatus duri. Vielleicht:
iv navri del zov dya&ov ev (fQovelv zoin^.
^H yXuiOoa aov x^Xivov ixezio ij ev'KOJKog kdXei.
K P Boissonade: Forsan x^^^^'O»' ^x^i^co yXwaaa- fit^
evxonwg kdlei. Dieser Gedanke ist verwandt mit rj del
auonav r/ Xiyetv dfieivova und ähnlichen; vielleicht aber
lautete der Schluss hier ursprünglich tö oder z'ev (pQOvelv,
&avdTOv ^ovov ovx tattv inavoqd^iü^a.
K P. Boissonade: ^. ydq inavogi^waig ovy, iariv
fiovov. Eher O^avdrov /aovov d' ovx tariv i/favoQ&iüfÄa tl
Metier: NniMcte !u 'Itn Siiruchfertit
taog io9l lols T^jioi^ nXovtÜ» &ant^ tji;.
K P. Boisaonade: looc ia!ti riKoitwv totg tqÖhoii;
toarrtfi nivi^g. Folsan qnoijue äantg nä^os. wg iipd
xoi werden oft verwechselt; also iaog ia!h tnig igöuotai
irXovTwy xal Tiivijg.
Kai^g yoQ deanottimv xai näai övyaftiv äidsi.
K P; difoftiv näai K, Boisaonade: Porsan xai^i;
xt^ioa (UV X. n. ä. dtdol vel xaigög de tiöai xv^tog Övvaftiy
iidot, Vielleicbt Kai^ög de netiiav xoi ßiva^iv iiäaiv
iiöoi.
Ulaxägiog oatig ;jjj ämoieiv iniatcnai.
K P. Boissonade: Forsait ftax. oatig olde ^r] o^n-
atetv dei vel Xlav. Das Verderbniss scheint nur in fii]
aniaxeiv -/.u stecken.
Mr^dev xoxöc XoyitiW itävta yäg xai^i yivetai.
K P. Boksonade: firjäiv v.ax6v rjyoü- navta Kaiqip
yiyyerai. Vieiraehr: Mtjdev loyi^ov fiövza xai^ yly-
reiai; dazu V(^l. ^q6v<^ tä jiövtit yiyvetat xai xßi'vecai.
Not-g eajiv 6 ifeög ■ roviov tov vovv i'x^ty xoAöy.
K P; V. i. 6 &. tor voiv i'xB Kalöf K. Vielleicht: folg
iattf t Iteog' tovTOv ovv oqx^^'' xalöv.
Zivunr axoveii- /iij /(orgetiJezv^^g ttots.
K V; ^ivov und noii Xöyor K Boissonade: SensiiH
postulare videtur If'vtuv ßxcn;ei*' lög av na^adex^'js ^oje.
Xoyov ist entbehrlich, wenn in nagadexi^g eine Form, wie
(TOfatTijoj verborgen ist.
'Opyi'iUK: ** liifu ovöüg eüifvfirjoeiev.
K P. Boissonade: puUi Menandrnm .'^cripsisse ö^yi^g
Uv oideig ttxvxTjaiiev /J/y.
Hiersn seien noch einige Sprüche gereiht, die Meineke
/war aul'genrimmcn hnt, dii.' alier noch nicht hergestellt sind.
374 Sitzung der phäos.-phüol. Classe vom 8, November 1890.
606 ^laxve aoq)i(f xoQ€tjj, XQ^^V ^^ f^V*
KP; nai dgeri K P. doXip de fir^ F. W. Schmidt.
Aeusserlich ist der Vers verwandt mit (K P) 604 "/axte
^iivy ^r^ XQV ^^ ovvTovqt ^Qaaei (K P avvtopcjg %w aü ^^.,
Boissonade ovvtovwg x^q,). Unser Vers ist wohl zu bessern:
iaxve aoq)i(f xa^erg, xav^c^ ü f^^i.
361 Mfjdäv note xoivov t^ ywami yj/fiai^ov. K Y haben
Mrjöiv dvoTiOivov; noze ist nur ein Fehler der Herausgeber.
615 MeTQ^f öi ndvta ixav^avfov dintj] noUi.
K P. Die Handschriften haben fxiTQw novra fiov-
d^ctvwv äixaiiog noul (noiu K). Wenn fiav&dvtav über-
haupt passt, so ist eher zu schreiben : lÄh^i^ ömaiiDg (dixa/«^)
ndvxa fiav&dvwv Ttoiei,
Zu den Spruchversen der sieben Weisen.
Die Formen des griechischen jambischen Trimeters haben
viele Gestaltungen durchgemacht, deren Geschichte ebenso
schwierig, wie umfangreich ist. In der Abhandlung über
die Beobachtung des Wortaccents in der altlateinischen Poesie
(1884 Abh. I. Cl. XVII. Bd. I. S. 67. 111) habe ich nachge-
wiesen, wie in der Kaiserzeit der zügellose komische Trimeter
allmählich den strengen tragischen und den noch strengem
lyrischen verdrängte und Alleinherrscher wurde, bis im 7. Jahr-
hundert Georgios Pisida nach Lykophi'on den strengen lyr-
ischen, zwölfsilbigeu Trimeter wieder einführte, welcher dann
ebenfalls Alleinherrscher wurde. Leider haben wir aus dem
2.-6. Jahrhundert nicht viele Dichter, welche Trimeter
anwendeten. Ein interessantes Denkmal dieser Art sind die
^Sprüche der sieben Weisen', welche WölflFlin in diesen
Sitzungsberichten (1886 S. 287—298) aus der Pariser Hand-
schrift2720 herausgegeben hat. Dann hatStudemund(Wochen-
schriit für khussische Philologie 1886 Nr. 50) eine genaue
Meyer: Nachlese zu den Spruchversen des Menander u. A. 37o
Collation der pariser Handschrift 2720 gegeben und die — .
werthlosen — Lesarten einer andern (Nr. 1773 in Paris) hin-
zugefügt; besonders hat er mit genauer Untersuchung der
metrischen Formen manche Stellen verbessert. Anderes fügten
Erumbacher und Christ (in den Blättern f. d. bayer. Gym-
nasialschulwesen XXIII S. 125 — 128) hinzu. Der Text dieser
Sammlung ist ungemein verderbt und auch nach den Be-
mühungen Wölfflins und der übrigen Gelehrten bleiben noch
viele und natürlich die schwierigsten Käthsel.
Der Dichter hatte eine ähnliche Sammlung von Sprüchen
der sieben Weisen vor Augen, wie solche bei Stobaeus Flor.
3, 79; Boissonade Auecdota I 135; Meineke zum Stobaeus
IV 296 und sonst bekannt gegeben sind ; allein die von dem
Dichter benützte Sammlung war mit keiner der bekannten
identisch.^)
Der Dichter nimmt je einen Spruch vor und fügt daran,
fast stets mit ^^o^, eine geschwätzige Exegese. Er war eben
kein Dichter, sondern nur ein Versm acher.
32 Ml] g>iXoq>Q6vei yvvaixl fti^öi fiijv piaxov
xivüjv naqovxiov xa naqanaiquig: yevo^eva
TOVTiüv oq^Qoavvr^v fiaviav e'xeiv donel,
(Cleob. 17) rvvaixi jujj q)tXoq>Qovov /uijd^ fidxov dUko-
tQiwv naQCvxwv' %6 fiiv yag avoiav, vo de fiaviav orj/aaivei,
rotrwv verstehe ich nicht; vielleicht: to piiv axalgiog
yevofiBvov lovTutv dg)Qoatvr]v, rd fiaviccv d^e'xBiv donel.
38 0iXrjii6ovg öel xvyxdveiv vovg a(6q)Qovag
%al fijj noXvhih)vg' x6 ydq x^iyardy naw
eiwx^ev iviovg eig xaroyvwaiv g>€Qeiv»
Vielleicht: tovto ydq axQ^oxov ndw . .
50 Iloiiov a x^X^^^ ravxa fiiq fiilkiov noiei.
Doch wohl tloieiv a XQII^^^Q^ ^*
1) Ich citire die Sprüche nach G. Brunco*» Arbeit darüber (Acta
tfem. philol. Erlang. III 299-397).
37(5 Sitzung der phüos.'phüol. Glosse vom 8. November 1890.
52 Mt] zaxv q>ilovg xrcü, xozex^ d^ovg av doxifiaarjg.
ßiwTixwv yoQ fieraßolüv fÄvartj^iuv
^xaatog axndv xai atvyelod^ai n((oadoifLwv
ozav anoßXri^^^ ÖBivog ix^(^S /iVercti.
(Solon 9.) Es scheint zu schreiben:
ßiwTixwv yoQ pi€TaXaß(dv fivartjQiufv
fxaavog avtwv %ai (piXalad-ai nqoadonwvy
otav d7CoßXri&^, deivog ix^Qog yiverai.
59 ^^Ttaai av/jßovXeve fiij td nQoag>iXij,
dUd Tcf nqinovra, xai xQi&T^atj vovv t%u}v.
Der Mann verbindet sein Lieblingswort xqivea^ai mit
dem Infinitiv; also TLQixhqafj vovv t^Biv,
89 BQddiov int to deinva tüv q)lhav i&i,
xaxiiüg ö\ otav avTolg %l avfißaivov fid&rjg,
(Chilon 5.) Den metrischen Mangel suchte Studemund
durch tQx^ora oder xaxiiag d^indv zu heben; vielleicht ist
zu schreiben raxewg &i\ ozav,
107 ndvta TteQieQyov avÖQa xal (ftXon^y^ova
OJcovdaCe q>ety6iv' vd ydq eavxov xataXiTrwv
Xvntjg re fcoXXd xal fteQifivrjg ix^ia
exeivog elg dXkoxqia ntQinuiTBi yicxad,
^Üaov ikiyxBiv dtvxiciv aiywfiivr^v,
112 Tov otv TOiovTOv, wg i(priv^ (pevyeiv oe xQ^t
ileyxov ix^-gov ixovxa dvaoeßrjfidtiüv.
Christ nahm des Metrum» halber Anstoss an ix^Qov
txovra und schrieb oxovra; Studemund hielt den metrischen
Fehler für möglich ; ich finde weder in ixovxa nocli in
oxovxa genügenden Sinn und vermuthe ekeyxov ixx^QOv *6vTa
dvaaeßrjfidTiüv, In 109 ist wohl Xvnrjg xd nokld oder
kvnrjg xe TtoXXfig zu schreiben.
139 To nigdog eaxi x6 xaxoi^ aniaxov jcdvv
xaXov di xeQÖog xo fiiiQiov vofii^exai.
141 xot xQeixxov ioxi C^v dkvrrufg yevofisvov
tu ydq xQKioxov xtQdog dya&olg dvöqdaiv
r; NitcMrM m ilen Spruchverarn iha MenaiiiUr u. A. 377
ovtt nginov iativ ovte ovfiyiigov do^el.
Ibvhtaoe ntutir, xog äXi/deiag aißov,
jÖXij&ig äei yd(j ig enatvov l^z^rai.
N4 stellt in der Handsclirift a&ch Ul: WülfTHii
mit Kecht tjtiif^stellt. In 139 ist xaxöv, wie in 141)
xtiKdf Prädikat. h\m tu vor xaxci>' falwJi. anktjaiov, wie
Urunca nach ilem Sjpruche (PitUuiis 13) ZiftltjOtov xi^dog
Tinscfalug. gehiirt, wie «ö fiir^tov, /,u rö xifdog. V. 141
){iebi weder an und für sich nocii an dieser Stelle Sinn.
J^ ist w»hl üu schreil>en:
Tö )U^og iati xanw äiiXijazov ov nävv,
üttiä» dt KfQdo^ tö ftftfiov vofiii^etai.
OVIS Ji^iiiov iojtv oiie avfitff^v doxel,
Kai Xfcinov lati ^ijv dlvitoig nevüftevoy.
Ov dti Xiysiv i'naivov eig äya^iovg
i yäg i ipaikov Xlitov ug xalöv Xiyiav
^•ev . . ijiatn.1 tö itayrjQOv x^ivetai.
13.) l^väitor ävöga iiij enalvet ätö nlLoltov. lit:j Die
Aenderung Wülfflin'a lö tfaii.vy Xtav ist unsicher, ducli der
äinii muas ähnlich sein. Den nächsten Vers ergänzen Stiide-
muiid und Knimbncher /.ii t/'socJwt,- inatyth td itovtjguv xpi-
retai. Dieser Vere ist aietriscl] lalscb imd sagt genau dw
Mtlbe wie der vorige. Ich vermuthe tf/ndiäs inaiveiy xai
itor^fos xfiyetai. Es folgen die Verse:
Iß5 //(xfiüg niffwitv i'fi tikwe toig xpw^tVoifi ■
tu yäfi xaxiög xtgdijitiv oUrioi xanüig.
Di« bereit« erkannte Lücke v»r 1(>5 war wohl gef&llt
durch eine Versißcirung des Spruches (Thaies 4) Mij nXovtti
xaxijjs oder vielmelir IDMitov ödixov tftvye {dann 165 m
ni^vxKv), wtnu der Verseniacher Anlas«» halt«, i
dem Torigen Spruch {yiyä^ioy ä*6^ ftf, hialvti JSia n,
die beiden tet^t«» Worte weggela<>*en hatte.
378 Sitzung der phüosrphüol. Glosse vom 8. November 1890.
188 BaQvtatov iaziv, axS^og anmdevaia *
ex tov Tta&eiv yag xal fia&üv eiwi^afitv *
tijv afia&iav ow dg avoiav TVQogdoxa
xat &fjQicid€is xovg dnaidBvtovg öokbi. etc.
(Thaies 13) Baqv anaidevala. Den Vers 189 ver-
siehe ich hier nicht. Auch geändert, z. B. ix vov fia&m
yoQ ev na&eiv eld&afiBv, passt er nur schlecht. Seine obige
Fassung gibt einen häufigen Gedanken und so ist er hier
als eine Randbemerkung oder ein versprengtes Stück zu
streichen.
206 riiOTOvg QTtavrag juij vofjii^e tvyxavBiv^
clXoL xivag alvai xai navovQyovg TtQogöoxa^
wv 6 XQonog dqnxvrig ^^ iliyx^cci . .
209 €x xov Xiyeiv xi xaxovaiv wv ov n^Ttei
ixnotvxag xovg novtjQovg xvyxavuv,
(Thaies 19) Mij naai nlaxeve, V. 208 hat Wölfflin
passend noxe ergänzt. In V. 209 u.^ 210 hat Wölfflin xi
xai xaxovv wv ov nqinBi' \ nioxovg anavxag^ Christ Vi xa-
xovoovoiv wv jcQtTiei' \ Tcioxotg^ geschrieben; Beides verstehe
ich nicht. Zunächst scheint 209 lauten zu müssen ex xov
Xeyeiv xi xai noielv wv ov jrquiei. Dieser Vers schliesst
sich an den folgenden, wenn wir diesen (mit einer allerdings
späten Construction von xvyxdvw) schreiben (,/AaO^eivy anav-
xag xovg 7C0vt]Q0vg xvyxdvei.
229 OiXwv TCQoarjvwv xovg anoQQXiXovg Xoyovg
TteiQw g)vXdxxeiv ' x6 yoQ aTthJjg slnelv xioiv
avxov navovqyov öeiyfia q)aivexai xq67tov,
oaov yaQ einei xlg dvanoQQrjXov Xoyov
233 xai g)wxiaai nqog novxag dveXixxov koyov,
xd dvo ydq \xavwg nXri^fieku xig elxoxwg
xai Xoyog äßovXog eXeyx^eig xai (piXog,
(Periander 13) Aoywv drroQQi^xwv exg)OQQv fii^ 7ioiov.
\V(>lfflin schrieb 232 eurj]^ 235 e^eXeyx^^eig, In Gegen-
Meyer: NaMese zu den Spruchversen des Menander u. A. 379
satz gebracht ist to änXüg bIttbIv und to emeiv dTtoQqrjrov
Ijoyov. Demnach ist 234 zu ändern, und zwar etwa nooov
%6 / eirreiv naiv oder iot\ In V. 235 kann nur 1 Subjekt
sein; also ta ovo,, nlri^ixelci . . Xoyoii; oßovkog i^eleyx^^^S
xaifiXog,
236 OiqBiv xo^ avfißalvovza yevvaiwg l/^y.
6 yaq v/rBQoyynog hti xaxtp XvTtovfievog
238 eavTOv odvva neQaivutv fiTjdiv
€i yoQ xctzd %vxi]v öel naO'eiv o del Jtad-ely
240 /iQog(og>€Xrjaai rl övvatai Xv/irj nore
otav Tov dvvatov advvanov 6 /arj yevofievov
242 öiaaiq tsXevtrl ^rjfxiav iQyd^etai
tpvxrjg dvoiav xal fiBQiafidv aio^atog,
236 hat Nauck ob xon (▼gl* H^) vorgeschlagen. Weiterhin
hat Studemund geholfen, indem er schrieb 238 iavrov oöwS
IA\ neQaivwv ixrfie tv und 242 iiaar^v ze XvTrri £. fi^y. V- ^'*'«
xai fiaQaajLidv aiüfiazog. Es bleibt noch V. 241. Die über-
mässige Trauer wird getadelt, weil sie 1) nichts nützt, 2) viel
schadet. V. 241 muss zum vorangehenden Verse gehören
Falls das Unglück unvermeidlich ist, so nützt der Schmerz
darüber nichts, ozay oder ov ov odw^ to y^dövvarov ^ij yevo^
fievov. Ftvofievov für Verwirklicht* ist Lieblingswort unseres
Versemachers. Dann folgt der Gegensatz *die Trauer nützt
nichts, aber sie bringt zwiefachen Schaden' ; desshalb steht in
V. 242 besser: diaai]v de Xirnq ^tjfuav iQyd^etai,
131 To fiiXkov (og adrjkov del nqoadoxa '
ovx daq>aXeig ydq 7tQoag>eQei rag iußdaeig,
aal diaXoyl^ov fiTjdeVf ev elötigf oti
134 ovx tazlv iv f^filv diX iv zf^ tvxs»
(Pittakus 11.) liaq^aiAg %6 yevofievov^ dqfa»if
Xov. Studemund schliesst seine Arbeit mit «uif
Besprechung dieser Verse. V. 134 will &r aol
iazi vovg h rjftiv^ diX iv tq ztxf] und halt es fi
%
380 Sitzung der phüos.'phäol, Clasae vom 8. November 1890,
dass dieser Vers von Menander herrühre, bei dem dieser Ge-
danke sich findet, und von unserm Dichterling abgeschrieben
sei. Das will er annehmlich machen mit den Worten *Als
aus Menander entlehnt werden endlich die Verse 159
und 160 (ersterer vom unvollständig) anderweitig ausdrück-
lich bezeugt; vgl. C. Wachsmuth, Studien zu den griechischen
Florilegien S. 137 und Brunco S. 372.' Studemund hat
hier geirrt. Wachsmuth kannte diese Sprüche der sieben
Weisen noch nicht; Brunco, der sie kannte, hat auch S. 321
den richtigen Sachverhalt erkannt Versus illi, quos ab auctore
collectionis Par. II (d. h. unserm Versemacher), non a Menandro
compositos esse manifestum est, a Byzantino quodam demum
versibus Menandri Philistionisque additi videntur.' Das ist
vollkommen richtig. Zwei Versgruppen unseres Versemacheis
(159 160 und 124-126) sind mit anderen fremden Federn
in die Comparatio Menandri et Philistionis eingeflickt worden.
(V. 90 und 163 — 165 in Studemunds Programm, Breslau
1887.) Hier mussten sie natürlich den Namen entweder
des Menander oder des Philistion erhalten. Aus der Com-
paratio wurden, wie manche andere Verse, so auch die
Verse 159 und 160 mit Menanders Naraen abgeschrieben in
jene Sammlung, aus welcher die von Wachsmuth S. 137 ge-
nannten Sammlungen ausgezogen sind. Das Lemma ^Menander'
ist also durchaus werthlos; die Verse sind von unserm
Dichterling gemacht, folglich aus den Ausgaben der Menander-
fragmente endlich zu streichen. Also bleibt diesem Manne
wenigstens der Ruhm , dass er keine fremden Verse abge-
schrieben hat. Da V. 134 erst im 4. bis 6. Jahrhundert
nach Chr. entstanden ist, so ist die Form lyiWiv, also auch
Studemunds Vorschlag durchaus unwahrscheinlich. Wölff-
lins *oi;x iar' h fjixiv oiöiv^ dW iv tj tvxrj' giebt passenden
Sinn; doch ist die Ergänzung von novra bei oiX iy rj
Tvxj] für diesen Dichter kühn. Leichter geht eine Ergänzung,
wie ot'X fcW er i^^lv iövrafÄig oder to x^ro(;>, dW iv rrj tvxjj.
r CkrrUr« hielt «inm VortoifF:
,Wie kommen wir Kiim Sitteugeset/.¥*
Piaton lässt im Phädoa seinen Sokratew erzählen, wie
lioclierfreut er einat vernommen, duss Anuxa^onu« den (ieist
a|j« den Ordner der Welt iKzeiclmet. Nun habe er f^hüßt,
die Uraachf von jeglichem darin zu finden, dass ee vernünftig,
zweckniäseig das Beste aei, aher er aei getÄuacht worden:
denn nicht im Verattuid, sondern in Luft, Aether und Wasser
habe Änaicagoras die Gründe der Dinge gesucht, ,Dnd mich
dUnkt, fahrt Sokraten zur Krtäuteriing fort, es aei ilim an
ergangen, als wenn Jemand zuerst sagte: Sokrates thut alle»,
was er thiit, mit Vernunft, — dann aber, wenn er sich daran
machte, die (jrilnde anzuführen von jeglichem was ich thue,
dann sagen wollte: zu erst dass ich hier jetzt deswegen sässe,
weil mein Leih aus Knochen und Sehnen besteht, und die
Knochen dicht »ind und durch Gelenke von einander ge-
schieden, die lehnen aber so eingerichtet, dass sie anger^gen
und nachgelaaBen werden kouiien, und die Knochen umgeben
Delwt dem Fleisch und der Haut, welche sie zusammenhält.
Da non die Knochen in ihren Gelenken achweben, so
machten die Sehnen, wenn ich aie nachlasse und an^^iebe,
da« ich jetzt im Stande sei, meine Glieder zu bewegen, und
aas diesem Grande süsse ich jetzt hier mit gebogenen Knieeii,
Geapräcb andere i
.nftlhre
'ullte, die Töne nemlicb und i
382 Sitzung der phüos.'phüol. Classe voin 8. November 1890.
und das Gehör, und tausenderlei dergleichen herbeibringen,
ganz vernachlässigend den wahren Grund anzuführen, dass
nemlich, weil es den Athenern besser gefallen hat mich zu
?erurtheilen, deswegen es auch mir besser geschienen hat
hier sitzen zu bleiben, und gerechter die Strafe geduldig za
ertragen, die sie angeordnet haben. Denn schon lange, beim
Hunde, glaube ich wenigstens wären diese Sehnen im Megara
oder bei den Böotiem, hätte ich es nicht für gerechter und
schöner gehalten, lieber als dass ich fliehen und davon gehen
sollte, dem Staate die Strafe zu büssen, die er verordnete.
Wenn aber einer sagte: dass ohne Sehnen und Knochen ich
nicht im Stande sein würde das auszuführen, was mir gefallt,
der würde richtig reden. Dass ich aber deshalb thäte, was
ich thue, und es in sofern mit Vernunft thäte, nicht wegen
der Wahl des Besten, das wäre doch gar eine grosse und
breite Untauglichkeit der Rede, wenn sie nicht im Stande
wäre zu unterscheiden, dass bei einem jeden Ding etwas
anderes ist die Ursache, und etwas anderes jenes, ohne
welches die Ursache nicht Ursache sein könne.*
Piaton unterscheidet hier den Bestimm ungsgrund des
Thuns und die Bedingungen der Ausführung, ohne dass er
die wirkenden Ursachen und die Endursache isolirt; später
sind verschiedene Weltanschauungen daraus hervorgekommen,
dass man eines oder das andere einseitig hervorhob und zum
Princip machte, und der Gegensatz des Materialismus, Na-
turialismus, Atheismus ist dem Spiritualismus, der ganz üusser-
lichen Teleologie, die alles auf den Nutzen des Menschen
bezieht, und einer dogmatischen Theologie zur Seite getreten,
deren Wundermacht sich über die Naturgesetze hinwegsetzt.
Mir scheint, dass eine >vissenschaftliche Philosophie nur in
der Beachtung beider Betrachtungsweisen der Dinge möglich
ist, dass der Aufbau einer sittlichen Welt der Freiheit, des
Guten, Wahren, Schönen in und über dem Naturmechanismus
uns zu dem Einen Princip alles Lebens führt, das weder
Carrihc: Wi« ku»
I SiUengrgttl?
383
n&biirloüer (leiat, noch gcistloni; Nuliir, suixlerii als [Irkraft
xuglttich Vernunft und Wille ist.
Wir haben keinen angeltorenen Inhalt, unsere Gedanken-
welt nilt8sen wir iiri der Hand der Erfuhrung aim unseren
EmptiiidunK*^!) in uns bilden ; aber wir haben Anlagen, wir
haben in unserem Wesen liejjende Beziehungen zu andermi
Dinge», wir haben Gesetze unserer ThilUgkeit, die uns nicht
von au»«en auferlegt siml. sondern die nothwendige Wirkungs-
weiae des GeiHtos bezeichnen. So kommen wir zum Bewusat-
Min d«r Oausalitüt aus un--<erer Erfahrung, wcun wir unseren
Wi]l«n zur Handlung werden I&äaen und dadurch eine Ver*
äadüning in der Welt hervorbringen, oder wenn wir unnere
VnrBt«Uaßgen nach Qrund und Folge aufeinander beziehen
and ordnen, und dadurch das zusammen hängende Denken
giKtalten, das wir von bloä.ien Träumen, von der bloRsen
Anociatiun der VoTstellimgen unterscheiden. Wenn wir aber
in unserem WiUen eine Vorstellung haben, die wir zn rer-
wirklichen streben, so ist sie das Ziel oder der Zweck unserer
Thädgkeit, und die Bedingungen der Ausführung sind die
Mittel dazu.
unmittelbar und unleugbar gewiss ist uns nur unser
BewiissUeinsinhalt, unsere Emptindungen, Strebnngen, Ge-
danken, und so gellen Cuu»ilität und Zweck unmittelbar
Hucb nur in unserem Innenleben; wir gewinnen sie durch
die Betmchtung unserer eigenen Thatigkeit, und erfahren,
ilt» durch sie Ordnung und Zusammenhang in unserem
Bewusstdein ist. In unserem WiUen erfahren wir uns .»ellist
als Ursache. Indem wir aber eine Fülle von Empfindungen
Itaben ohne oder gegen unseren Willen, so schliessen wir
nach dem Kausalgesetz uiif Kräfte ausser uns, die im Zu-
nammenwirken mit der Kraft in uns A«& Bild der Er-
schein nngs weit bedingen, das wir nun objectiviren, als eine
AnnoonTrlt unRchuuen. Cnd indem wir ohne sie unser ii
xbt erklüren können und /mt Attsurditäi
384 Sitzutig der philosrphüöl. Glosse com 8, November 1890.
psismus gefGbrt wurden, so zweifeln wir um so weniger an
ihrer Realität, als wir sie wiederum nach dem Causalitits-
gesetz betrachten, und dadurch ein nothwendiger, von um
nicht gemachter, sondern erst erforschter Zusammenhang
uns zur Erfahrung kommt.
Ist es aber nun nicht eine Einseitigkeit, die Causalitit
auf die Welt der Dinge zu tibertragen und sie gelten zu
lassen, den Zweck aber für blos subjectiy zu erklaren und
ihn für die objective Realität zu verwerfen? Wir würden
dazu berechtigt sein, wenn seine Leistungskraft nichtig
wäre. Allein das Gegentheil ist der Fall. Wenn schon
jede Bewegung neben ihrer Geschwindigkeit ihre Richtung
hat und diese durch ein Ziel bedingt wird, so unterscheidet
sich das Leben von blosser Veränderung durch den inneren
Zusammenhang seiner Momente, durch eine immanente Ein-
heit, welche die Mi^nnigfaltigkeit durchdringt, indem auch
die Veränderungen nicht nur an ihr geschehen, sondern auch
von ihr bestimmt werden. Dadurch ist das Leben Ent-
wicklung, und diese geht stets von einem Princip aus und
auf ein Ziel hin, durch welches ihre Richtung bedingt wird;
erreicht sie es regelmässig, so setzt dies eigenthümliche
Bildungsgesetze voraus, und das Ziel selbst kann als der
Zweck des ganzen Processes bezeichnet werden, sodass es
ihn lenkt und das am Ende Erreichte auch das schon am
Anfang Wirksame war. Stellen wir uns an den Anfang,
so ist es die Ursache, sind es die wirkenden Kräfte, welche
alles Folgende bestimmen; stellen wir uns an das Ende, so
sehen wir sie auf das Ziel gerichtet und ist dies das Mass-
gebende für sie. Es wird ohne sie nicht erreicht, aber sie
würden ohne es keine Entwicklung, sondern blosse Ver-
änderungen darstellen. So ist uns der ZweckbegriflP unent-
behrlich zum BegriflF der Entwicklung, und steht er im un-
lösbaren Zusammenhang mit den wirkenden Ursachen. In
der Natur eine aufsteigende Entwicklungsreihe der Lebewesen
U'.> k<>,.
n SitUniJf»(lt?
385
uii*rkeiiDRn und den Zweck leugnen ist «in offenbarer Wider-
•ipnieh; nline den Zweckgedanken ist der BegritT der Kni-
wicklutiK unm&glicb.
Aristoteles, Kant und He^el haben im < )rf|amsuiuii den
rurwirk lichten Zweck gesehen; er war ihnen da» Ziel «II der
Vorgänge und Zustandaünderungen, weicht* vom Ei an in
ibreni Caunaliueammenbang das Mannigfaltige so bildeteTi,
dnas »II«! Glieder einander entspreelien, ant' einander be-
»ogen »ind und /.U8amm«n wirken, sodass die Moditication den
eine« «ol'ort auch eine ihr ontaprechende Umbildung in
anderen Organen bedingt. Weiter nocli stehen die Organe
nelbflt in gesetzlicher Besiehung Kur AuHsenwell, da» Auge
au den Aetlmr wellen, die Lunge, das Ohr zur Lufl, und durch
die den Formen des Orgunixmus entsprechenden Schwingungen
natl Bewegungen der Kräfte ausser uns bilden wir in unserer
Innerlichkeit als unsere Lebenaaute die Eniplindungen des
Tons, der Farbe, der Wärme. Da sulches nicht einual oder
gelegentlich dann und wann, da es vielmehr mit gesetzlicher
Regelmä«Mgkuit geschieht, so kann für die logisch Denkenden
von keinem Zufall die Rede sein, sondern wir fordern nach
der Norm der Causalität einen Grund für diese Wechsel-
beziehung des Innern und Aeu^isem, fdr dleice sich stet«
wiederholenden Vorgänge der Entwicklung, und werden da-
durch zur Idee einer immanenten Einheit aller wirkenden
Kräfle hingeführt; das All erscheint uns nicht wie ein iu-
fSIIigW Haufwerk von einander unabhängiger Stoffe, sondern
als ein System von Kräften, die in ihrer ursprünglichen
Ordnung und in ihrer Bewegungsweise auch die Ziele der-
selben in sich tragen.
Von Materiali.sten ist Darwin geprie^ien worden : doM ur
(Un Zweck aus der Welt geschaäi habe, indem er gexeigt,
WM di« Organismen auf rein mechanischem Weg r.u Stwulft
^t und umgebildet wurden. Diee letztere ist nnn ainlit
hll. Darwin hat nicht gezeigt, wie die Zelle aus an-
386 Sitzung der jfhüosrphüoL Classe vom 8. November 1890.
organischen Atomen entstand oder entsteht, er hat nur aus
einer einfachen Zelle die aufsteigende Entwicklung der Lebe-
wesen darzustellen gesucht, und in den Mitteln der An-
passung, der Vererbung, dem Kampf ums Dasein und der
natürlichen Zuchtwahl eine Reihe von Bedingungen auf-
gestellt, durch welche der Lebensprocess sich vollzieht; der
Organismus wird auch bei ihm nicht von aussen in seine
Form zusammengepresst oder auseinander gezerrt, sondern
durch den Bildungstrieb von innen her gestaltet. Aber wenn
Darwin wirklich geleistet hätte, was Strauss im neuen Glauben
recht neugläubig ihm zuschrieb, so hätte er damit den Zweck-
begriff gar nicht aus der Welt geschafft, denn dieser besteht
fort im menschlichen Denken und Wollen, und wäre folge-
richtig nach materialistischer Auffassung das nothwendige
Ergebniss der blind wirkenden Naturkräfte, die ihn durch
den Mechanismus der Gehirnschwingungen in uns hervor-
brächten, und wir können hinzufügen: auch ein Buch ent-
steht durch lauter Nothwendigkeiten und physikalische oder
chemische Ursachen, durch den Mechanismus der Presse und
Papiermühle, durch den Druck der Lettern und die Anstösse,
welche diesen die Muskelzuekungen der Setzerhände gegeben
haben; aber diese Maschine, diese Metallstückchen, diese
materiellen Bewegungen haben doch den Sinn der Worte
nicht gemacht, nicht die Weisheit oder die poetische Schön-
heit, nicht den Geist, der dem Geist im Buche sich offenbart
So wird wohl auch der so vielgliederige, wunderbare, mensch-
liche Organismus mit seiner idealen Bethätigung im Denken
und Wollen nicht das Ergebniss eines wähl- und ziellosen
Stoffwechsels, sondern ein zweckmässiges Gebilde sein, in
welchem ein Bildungsprincip in zusammenhängender Ent-
wicklung mittels der mannigfachen Atome sein Ziel erreicht
hat, und as werden wohl auch die Atome keine todte Stoff-
partikelchen, sondern in sich lebendige, aufeinander ur-
sprünglich bezogene Monaden, thätige Kräfte sein.
Caerifft: Wtt kiii\
«87
beuii noch «ii amlpres wetzt der OrganiaiuuH und seine
SfllMbildiiiift voraiw: ein Uijilunfisgiriiicip, eine reale Organi-
Katioii)tkriifl. die wir ebenso aiu^ ihren Ln^tun^ei). die auswr-
balb ihrer nicht varkomiuen. wie die Abimkräfle der aii-
{'oqpuii^hen Natnr aiiü ibrfn Wirkimg^en ersteh lit;w(tii. Ohni'
Ich einheitlich im Wechsel der mannigfaltigen Htoffe.
Btend, Behauptende, det> Ziisanimenliang aller Leben»-
' Hedingende, duä in ihm selber Angelegte Vt^rwirk-
mend» ist der Organismus, ist der sittliche Charakti.>r uner-
ktärbar; m ist das ihn von den Veründorungeii der an-
sehen Natur Unterscheidende; die Erhaltung des einmal
■ich KrruogPDen nt\d der dadurch bedingte Kurtschritt
inzäloen, wie die aufsteigende t]nt.wickhingareihe der
L fordert, dass wir an die Stell« einer allgemeinen
Tit^nskraft die mannigfaltigen individuellen OrganiHations*
kr&iW setzen. Und gilt in der anorgnnisclien Natur die
jkaltung der Energie, so linden wir in der organivchen,
I in der geistigen Welt die Hteigerimg derselben, indem
^ansteigende Entwicklung immer Neues zu Tage fördert,
saa der eigenen Innerlichkeit xiir Ausgestaltung derselben
hervorbringt. Difrs Behaltjjn des Gewonnenen in der Fort-
Iwldung ist ohne das eine allen Wechsel dnrchdauernde. sich
ickelnde I'riuci|J nicht verständlich. lOs ist aber dieselbe
nheit, die tiU Organ isutinnskrafi den Leib und die in
und mittel« de-^sen den geistigen Organismus im
1 und Wollen gestaltet ; so erklärt sich der Zusammen-
f des Geistes und der Natur.
ist also die Erfahrung, welche uns eine Iteihe
wechselnder Zuxtünde in unserem Bewusstsein bietet, fllr
welch« wir nach dem CauRalgeHetü Bedingungen,
' uns voraussetzen, da wir ohne sii- i;
i niuht erklären kCnnen. Den ursächlicbci
»der AuKsenwelt sehi*n oder hören wirnii-tit
He» bringen wir &U lügische Nolbwemii
Dinge
388 Sitzung der phüos.-philoL Clasne www 8, Nnvetfiber 1890.
Wahrnehmungen hinzu, aber wir sehen, dass die Natur ihm
entspricht, wenn der Stand der Gestirne erfolgt, wie der
Astronom ihn berechnet hat, sodass die logische Noth wendig-
keit nicht blos unsere subjective Vorstellung, sondern da^
Naturgesetz selber ist. Und wenn wir das Leben von blosser
Veränderung durch die zusammenhängende Entwicklung der-
selben unterscheiden, die Entwicklung aber das innerlich
Angelegte als Ziel oder Zweck entfaltet, gestaltet und erreicht,
so werden wir die Bedeutung des Zweckbegrifib sowohl für
unser subjectives Weltbild, wie für die Weltwirklichkeit
behaupten dürfen.
Selbstgestaltung gehört zum BegriJBT des Organismus,
des leiblichen wie des geistigen. Auch im Geistigen zeigt
sich der innerste Zusammenhang und das gemeinsame Wachs-
thum unserer Thätigkeitsweisen , wenn wir aus unseren
Empfindungen die Bilder der Welt uns veranschaulichen, und
im Gefühl des eigenen Zustandes als bedingt durch die Ver-
änderungen unserer Erfahrungen inne werden, wenn unser
Denken ein gewolltes ist und unser Wille durch Vorstellungen
bestimmt wird; die Harmonie unseres inneren Lebens ist
unsere Aufgabe, ist das Ziel unserer Entwicklung. Auch
geistig treten wir wie leiblich als Keim, als Seelenkeim in
das irdische Dasein, nicht,s ist fertig für uns, wir müssen
alles erwerben, im Zusammenwirken mit der Welt in uns
hervorbringen. An die Stelle der angeborenen Ideen sind
längst die Anlagen und die Bildungsgesetze getreten; durch
eigene Willensthat müssen wir zu uns selbst kommen, uns
von unseren Empfindungen, Trieben, Vorstellungen als die
in ihnen waltende einige Wesenheit unterscheiden, in und
über ihnen uns als Ich erfassen, selbstschöpferisch uns zur
Geistigkeit erheben. Aber wie der leibliche, so trägt noth-
wendig auch der geistige Organismus sein Ziel und seine
Bildungsgesetze in sich, da ohne sie Leben und Entwicklung
nicht gedacht werden können. Unsere Bestimmung, unser
Ciirriere: Wie kumiHen wir
'< Sinenilfsetii-
389
Leheuazweck liegt nicht ausser utts, tfandern in iuih; aber
wir knniien ihn mir duri^h 8ell>ittheätiiiimuiig erreichen und
Bo unsor Wesen »u unfforer That machen. Wir kOanen Iwi
unaerm Denken die Nonnen kennen lernen, nach denen wir
es üben, die K&tegorieeii, die wir tinwendeu um die Er-
tahnint^en nach ihnen m i>rdnen, und »o uns den Uegrilf
der Cnnsalität nnd der Teleologie /um Bewusstsein bringeu.
Wir erfassen uns Belljat als in der Kntwicklung begriffene
Wesen, und gewinnen Ton der Gegenwurt uns vor- und rück-
blickend die Vorstellung von Ausgangs- und Zielpunkten der
Entwicklung, und unaer Lebenszweck, den wir in uns tragen,
tw^nnt damit una als Lebensaufgabe klar zu werden, als
nnäere Bestimmung, die wir durch Selbtttbestimmung zu er-
ntichen haben: er ist das Seinsollende im Seienden.
Freiheit ist Selbstbestimmung, kein fertiger Zustand,
vielmehr ein Ideal, dessen Verwirklichung uns erat znr Selbst-
Iierrlichkeit führt. Wir beginnen al« Naturwesen, nicht frei
geschaffen, weil das begrifttich unmöglich ist, weit Bewusat-
win und Freiheit als 8eibsterfassung und Selbstbestimmung
niubt verliehen sein können, sondern durch eigene Willens-
that verwirklicht werden. Freiheit ist fortwährende Be-
freiungsthat, i^elbstbehauptimg gegen die Einflüsse der Aussen-
welt, gegen die blinden Triebe der Innenwelt., Selbsterfassung
(to9 ganzen Wesens in dem Drängen und Wogen der mannig-
faltigen Lehensregungen. Selbsterhebung Dber sie, Selbst-
beherrschung. Selhstbildimg nach dem selbsterschauten selbst-
geietzten Lebenszweck, damit in ihrer Vollendung durch
Selbstgesetzgebung verwirklichte Selbstherrlichkeit. Für den
freien Geist kann das Gesetz keine zwingende Notbwendig-
keit, kein Müssen, sondern nur ein Sollen sein; ee kann ihm
nicht von aussen auferlegt sein, da er dann in deinen Er-
füllung au einen fremden Willen, an eine andere AatnrtUU
Ware; darum tüii>s er sein Lebensge«ety. im
I lindei
nd I
it eigenem
Willei
* sich selber H
390 Sitzung der phüos.'phüol. Clause vom 8. November 1890.
und so in der Oesetzeserftillung bei sich selbst und frei sein;
die sittliche Nothwendigkeit ist der Freiheit Werk.
Blicken wir auf die Naturorganismen zurück, so ent-
falten sie sich durch Selbstgestaltung aus der Keimzelle; so
tritt auch der geistige Organismus nur als Keim in das
Leben ein, um seine Anlage zu entfalten, zu verwirklichen.
Im Pflanzenkeim liegt die Rose, die Palme nicht mit dem
Mikroskop erkennbar, sondern nur als Anlage, als Bildungs-
trieb mit eigenthümlichen Bildungsgesetzen ; der fertige
Organismus ist das Ziel derselljen, der Zweck um dessen
willen, für und durch den sie bestimmt sind. Die Blume
und in ihr der Blüthenstaub, die Wiederherstellung und Ver-
vielfältigung des Ursprünglichen, ist das Ziel zu dem die
Lilie aus der Wurzel hinstrebt; hätte sie Bewusstsein, so
würde sie das Kommende ahnen, so würde sie aus anderen
älteren Pflanzen, die bereits in Blüthe stehen, auch ihre Be-
stimmung erschliessen, ihren Lebenszweck sich klar machen.
Die Raupe würde den Schmetterling, den sie vorbereitet,
auch vorerapfinden, und im frei beschwingten Falter das Ziel
der eigenen Entwicklung erkennen. Der Mensch kommt
zum Bewusstsein, das Kind sieht im Erwachsenen die Vor-
bilder des eigenen Wesens; indem es sich selbst als in der
Entwicklung begriflFeu aufFasst, fühlt es, dass es noch nicht
ist was und wie es sein soll, und die Idee der Bestimmung
des eigenen Seins geht als das Seinsollende in ihm auf.
Bildungsgesetze für ein freies Wesen sind die Richt-
und Gesichtspunkte seiner Thätigkeit, logische Gesetze für
das Denken, Sittengesetze für das Wollen. Wie wir uns
nur als endlich erfassen können in der Unterscheidung vom
Unendlichen, und dies damit als Unterscheidungsnorm in uns
tragen, indem wir ja in ihm unser Entstehen und Bestehen
haben, und damit bei unserer Selbsterfassung seine Idee
mit hervorbilden, so können wir uns als unvollkommene und
noch in der Entwicklung befindliehe Wesen nur bejjjreifen,
Carriere: Wie kommen wir zum Sittetufesetz? 391
indem wir das VollkonimeDe als Unterscheidungsnorm wie
als Zielpunkt in \xn^ tragen und seiner inne werden. Das
Vollkommene ist die harmonische Entfaltung und Gestaltung
unserer Seelenkräfte nach den nothwendigen Grundrichtungen
der Geistesthätigkeit: erkennend die Welt in uns aufzu-
nehmen, wollend uns selbst und die Welt zu bestimmen,
phantasievoll die Welt die GefQhle in Formen auszuprägen,
dem Denken wie dem Wollen ein Bild des Werdensollenden
zu entwerfen. Das Wahre, Gute, Schöne ergeben sich also
als die drei leitenden Ideen des geistigen Lebens, und als
ethiacbe Kategorieen sind die ünterscheidungsnormen zwischen
Wahr und Falsch, Gut und Böse, Schön und Hässlich die
immanenten Bildungsgesetze des Geistes. Sie liegen nicht
in dem Naturmechanismus und seiner Nothwendigkeit, wo
alles ist wie es ist und nicht anders sein kann, sondern sie
gehören dem Reich der Freiheit an, wo der Subjectivität es
möglich ist sich für sich auch anders zu entscheiden, als
das Gesetz verlangt, weil nur so die Selbstbestimmung möglich
ist. Und damit sind sie nicht so sehr ein Seinmüssendes,
als vielmehr das Seinsollende, das erst hier seine eigenthüm-
liche und rechte Stätte hat. Wir haben keine angeborenen
Ideen, keinen fertigen Bewusstseinsinhalt, wir müssen alles
in uns hervorbilden; wir bedürfen dazu der Welt, der Er-
fahrung, aber diese wird selbst erst möglich durch die apri-
orischen Bestimmungen und Gesetze unserer eigenen Natur,
und so wissen wir nicht unmittelbar was wahr, gut und
schön ist; aber wir tragen die Unterscheidungsnormen von
Falsch und Wahr, von Böse und Gut, von Hässlich und
Schön als Rieht- und Gesichtspunkte unserer Thätigkeit in
uns, und indem wir diese auf unseren Bewusstseinsinbalt,
auf unsere Empfindungen und Vorstellungen, und Ifonfi ^'^
Cansalgesetzes auf die sie veranlassenden Gegensü
Aussenwelt anwenden, kommen wir zur Er&hraii|
was gut, wahr und schön ist. Dies zu bestimmaii
1
392 Sitzung der phüosrphUol, Classe vom 8. November 1890,
verwirklichen ist die Lebensaufgabe der Menscbheit, welche
ja ihre Bestimmung durch Selbstbestimmung erreichen soll,
wie es der Begriff des Geistes ist: sein Wesen zn seiner
That zu machen. Wahrheit zu finden und festzustellen ist
fortwährend die Sache der Wissenschaft, Schönes zn bilden,
die Harmonie des Geistes und der Natur, der Vernunft und
Sinnlichkeit, des Innern und Aeussem zu gestalten und
damit das volle Lebensgeftihl im Einklang des Sinnlichen
und Geistigen zu erzeugen, ist Sache der Kunst, und die
grossen Meister alter und neuer Zeit in Ton und Wort,
in Stein und Farbe gestalten die Ideale der Menschheit fKr
die Anschauung, für die Erhebung des Gemüths. Und so
arbeiten die Religionstifber, die Gesetzgeber, die Weisen des
Alterthums wie der Neuzeit daran das Gute zu erkennen
und es als Gesetz des Willens zu begründen.
Jedes für sich seiende Wesen ist seiner selbst inne, und
was es erlebt wird ihm verinnerlicht im Selbstgefühl;
Hemmendes, Störendes empfindet es damit als dem Selbst
widerstreitend, als Unlust, — Förderndes, Naturgemässes als
Lust. Das Wahre, Gute, Schöne beglückt uns, weil wir
ethische Wesen sind, weil es unserer Natur entspricht, und
so wird unsere logische Thätigkeit des Unterscheidens und
Bestimmens dessen was gut, schön und wahr ist, unser Ver-
standesurtheil wird unterstützt von dem Wohl- oder Miss-
behagen unseres Selbstgefühls, und die Lebensaufgabe der
Selbstgestaltung, Selbstvervollkommnung wird erleichtert, ja
geweckt durch die Glückseligkeit, die sie uns bereitet, durch
das Wohlgefühl, das dem Guten, Wahren, Schönen nicht
als äusserer Lohn, sondern innerlich einwohnt. Dadurch
sind sie werthvoU für uns, wie diese Ideen selbst ihre Ver-
wirklichung im fühlenden Geiste haben, der fühlende Geist
durch sie seine Vervollkommnung, sein Lebensziel findet.
Wir stehen nicht für uns allein, wir sind Glieder eines
grossen Organismus, wir erfahren die Einwirkungen der Mit-
r tum SUUnijttf
;iö3
lebenden, und die.se tclbst hnhen die Errun^nschaft der Vor-
üibreii in «cli uiifi^-noramen. und so nacli dem Trit-li und
DrnnK der eif^eneD Weseubeit, unter dem frziehenden Eiiillii^^s.
den Geboten wie dem Beispiel der Voranscbreitenden ent-
wickelt nifb iitiser sittliches Leben. Aber Gebote Ton Anderen
wären ans ein Zwang, der die Freiheit aufhöbe, nod könnten
nieroalH uns Am (.ief(i)j| der Verpflichtung erwecken, wenn
wir me nicht als unserer Natur gemäss in uns empt^indeii.
Das Seinsotlende also, das wir in uns tragen, bedingt dies
(jefQbl der Verpflichtung, unser eigenes Leben^ideal zw ver-
wirklichen, und linaer Heil ist daran geknüpft.. Das ün-
genUgen . Atu. wir spüren . die Selbstzerstürung und Zer-
Tfittimg, dor wir inne werden, wenn wir von der Bahn des
Kechtcn ubweichen. wie der Frieden der Seele, wenn wir
innerhalb derselben wandeln, da^ alles weist uns auf das
Seinsollende hin und ist selbst dessen erfahrene Bekräftigung,
Und indem wir das Giite aK dai< unserer Geisteanatn r (>e-
BÜme, unser Wesen Vollendende erkennen, wird es uns mir
Pflicht, und treibt uns die innere Htinime des eigenen Wesens
ilieieia tu genügen, es anszubilden. Das Lebensideal, der
ideale Mensch in uns, bezeugt sich im Gewissen, in welchem
wir Gericht Aber uns selltst halten, uns die Richtung auf
iltK Ziel unserer Entwicklung geben.
Nicht veriilinftig. aber vemunfiräfaig, nicht frei, sondern
als unbewußtes Triebweseii treten wir in da.« iniische Dasein,
luini Setlistbewussteein, /.ur Freiheit berufen: die zu sich selbst-
gekommene Vernunft will das Gute als das ihr Gemässe, als
das Heilviille. und so ist das Wollen \\t^ Vernont'ttnenKcben
Am ^lleu für den binnen menschen. Der vernflnftige Wille
ig^üM^t ilo« rieinsullende als das wahre Wesen seiner selbst
nnd will e^ verwirklichen, weil er .sich iielber will; er gibt
■ieh Mellmt sein U-henKgesetz und ist damit frei in dwaen
ErfDllong. Kanis kategorischer Imperativ: da« Gute ntU
Achtung vtir dem Sittengeset?., nicht aus Fnrelit rnr Stra^
iRk/phllul, n. liLil. Cl. [|. i. 27
304 Sitzung der phUosrphilol. Clatffte vom 8. Notemher ISiH).
oder HoflFniing auf Lohn, sondern um des Outen willen zu
thun, er ist kein fremdes Machtgebot, sondern er drückt die
Autonomie des Willens aus, in welcher die Freiheit sich
vollendet.
Den Geist Kants erfüllte zweierlei stets mit neuer Be-
wunderung: der gestirnte Himmel über uns und das Sitten-
gesetz in uns. Aber dies war ihm ein nicht weiter ableit-
bares Factum. Ich suche zu zeigen, wie wir zum Sittengesetz
kommen. Als geistige wie als leibliche Organisationsprincipien,
wie wir ins Dasein treten, können wir die eigene Entwicklung,
die Selbstgestaltung nur vollziehen, wenn wir das Ziel der-
selben, unseren Lebenszweck als Ideal, als das Seinsollende
in uns tragen; durch dasselbe sind die Bildungsgesetze be-
dingt, und als Geist bringen wir sie uns zum Bewusstsein;
indem wir ihnen gemäss verfahren, erfahren wir sie in der
Selbstbeobachtung, und gerade ein Gefühl des Ungeuügeus,
dass wir noch nicht sind, was und wie wir sein sollen, erregt
uns den Gedanken des Seinsollenden, des Vollkommenen, der
Lebensvollendung, unsere eigene Lebensidee zu denken ; und
der vernünftige Wille will ihre Verwirklichung und gibt
sich selbst das Sittengesetz, das ihm kein zwingendes Muss,
sondern ein Sollen ist, zu dem er sich verpflichtet fühlt,
weil es das Wesen seiner eigenen ethischen Natur ausdrückt.
SelbstvervoUkomninung und Liel)e, diese beiden Urworte
des Sitten gesetzes, sie verlangen ja nichts anderes von uns
als die Entwicklung unserer eigenen Natur und ihre Voll-
endung. Wir sind eigen thümliche Wesen, erfassen uns selbst
im Unterschied von allen anderen, um uns als selbstbewusste
Persönlichkeit zur in sich geschlossenen Einheit des Charakters
emporzuarbeiten, unsere Kräfte harmonisch auszubilden, und
so im vollen Sinne des Wortes wir selbst zu sein. Oder
wie Schiller sagt:
Was da*< Höchste, das (iröasteV Die Pflanze kann es dich lehren:
Was sie willenlos ist, sei du es wollend, — das iHts.
»1 1'_
Cirritre: Wie Ur.
I SiUen<)eiieliy
W5
Aller wir eutwickehi unser Seihst, ja wir kommen /n
lins ML'lbat nur im Ziisainnien wirken inü. iler Ans^eiiwelt: wir
sehen uuh eingeglieHort in den Welixüsammeiihang. Olieder
«ineM gruMsen Uanxen, eiaes, höheren Organismus, wir erfassen
uns aU emllicli nur innerhalb r]e» einen I unendlichen, des
gemeinsamen Lebensgrundes aller Dinge, und werden der
We»en gern ein iiicfaatl mit ihnen und ihm inne im Ueffihl der
Liebe, und so luiser Sein in der Lebens- und Willensgemein-
achaft mit Gott und Welt zu betbatigen. unser Wohl im
Gemeinwohl zu suchen, ist der Weg nur V^erwirklichuog
de» Lebenaidenl» und gibt uns die Heseligung der Lebens-
vidlendung. Gesetzgeber des Alterthums. Muses und die
Fniplieten bezeichneten die Sitten gesetze, wie sie in ihrer
grossen Seele olTenbnr geworden, als göttliche Oifenbaruug;
die vollendende Verkündigung derselben von .lesua wird
gleichfalls als solche anfgenommen. Ich glanbe mit KechL
Denn jede unter dem Zweckbegriff sich vollziehende urgan-
iMche Entwicklung setzt den Zweckgedanken voraus, wodurch
der allgemeine Lebensgrund oder das Princip der Welt als
selbst bewusnter Wille der Weisheit bezeichnet wird. Seine
Ur^edanken sind die Weltgesetze, sind die Ideale des Geistes,
die wir nicht erfinden, die wir finden, die wir krall des in
uiia waltenden L'nendlichen uns zum Bewusateein bringen.
Darum gelten sie auch nicht blo» fdr den Einzelnen, sondern
für alle, weil sie Ideen des allgemeinen, de» göttlichen
Geisten sind.
Wir sollen vollkommen werden wie unser Vater im
Himmel vollkommen ist; wir sollen Gott über alles lieben
nnd unsere Nächsten wie uns selbst — mit diesen Worten
sind die von mir philosophisch erörterten Grundsätze der
Ktliik von Jesus mit religiöser Weihe verkündiget. Nicht
weil sie (ins Nutzen bringen, sondern nm ihrer selbst willen,
nm der Verwirklitbung unserer BestimmuTig, unseres Lebens-
idenl« willen «ind sie ausgesprochen. Oii' dmit.'fche Wi-^seii-
ä
396 Sitzung der phHos.-phü^. Classe vöm 8. November 1890.
schafb in Kant und Fichte hat sie mit aller Strenge gegen-
über dem Egoismus der Franzosen, dem TJtilitarismus der
Engländer festgehalten, unter ihrem Banner hat der deutsche
Geist auch dem nationalen Leben seine Unabhängigkeit von
der Fremdherrschaft und die politische Einigung des Vater-
landes errungen; — sollen wir nun geistig uns der Fremd-
herrschaft unterordnen? Lieber wollen wir der deutschen
Wissenschaft ihre eigenthümliche Ehre behaupten, auf dem
gut gelegten Orunde muthig weiterbauen, das Sitthche nicht
zum Mittel herabwürdigen, sondern es als Zweck des Lebens
bewahren.
Philosophisch-philologische Classe.
Sitzung vom 6. Dezember 1890.
Herr v. Christ legte einen Aufsatz des Herrn Wilhelm
Meyer vor:
„Die athenische Spruchrede des Menander und
Philistion."
Derselbe wird in den „Abhandlungen* veröffentlicht werden.
Herr Kuhn hielt einen Vortrag:
„Barlaam und Joasaph, eine bibliographisch-
literargeschichtliche Studie."
Derselbe wird in den „Abhandlungen" veröffentlicht werden.
Historische Classe.
Sitzung vom 8. November 1890.
Herr v. D ruf fei hielt einen Vortrag:
^Der Bairische Minorit der Observanz Kaspar
Schatzger und seine Schriften/
Gleich den meisten katholischen Polemikern der Refor-
mationszeit entbehrt auch der Minorit der Observanz (Johann)
Kaspar Schatzger, welcher zu den eifrigsten Gegnern Luthers
gehörte, eines neueren Biographen. Nicht viel mehr, als
sein Name wird von den Geschichtschreibern erwähnt, und
zwar erscheint er meistens in der Form Schatzgeier, was
Luther thesaurivora ^) übersetzte. Mit ähnlichen spöttischen
Wendungen wird er von andern Zeitgenossen geschildert.
Eberlin von Günzburg^) will wissen, dass Schatzger davon
gesprochen habe, die Verdienste der Heiligen würden im
Himmel mit 600 Jochen Landes belohnt, welche Gott dort
1) Joannis Bri^ämanni ad Caaparis Schatzgeyri Minoritae plica»
responsio, a 2: Ta ergo prospere procede in Christo, nt qui mino-
riticatn sectam egregie callens probe intelligas, qaot locis Thesauri-
Tora ille indagator et conator mentitur.
2) Eberlin «Mich wundert, dass kein Geld etc.", d 1 fg.: Auch
finden sie in yren buchem, wie vil stund ein seel ybm fegfeur miist
sein, unn haben ein sonder buch das hat ein heiliger man geflchfü
parfnsterordens genannt Caspar Saszger, darin findt man, daü m
hergot noch sechshundert iuchart feldt gefunden hat für den himiJ
»308 Sitzung der historiscl^n Glosse com 8, November 1890,
noch aufgefunden habe, Oslander^) meint, Schatzger klage
über die Unterdrückung seiner Schriften, und der ülnier
Arzt W. Richard*) erzählt uns, dass die Anhänger Schatzgers
behaupteten, der hl. Geist sitze auf dem Haupte des frommen
Vaters, während er gegen Luther schreibe. Die zahlreichen
Werke, welche Schatzger drucken Hess, blieben unbeachtet.
Und dennoch verdient der Bairische Barfüssermönch wohl,
näher gekannt zu werden; man wird an ihm manche selb-
ständige Züge wahrnehmen, wodurch er sich unter seinen
Ordensgenossen bemerkbar macht.
In der Vorrede, mit welcher der Minorit, Frater Johann
Bach mann — Ripanus — von Liech aus Prankfurt, Prediger
zu Ingolstadt, im Januar 1543 die gesammelten Werke
Schatzgers einführte, heisst es, dass Schatzger zu Landshut
geboren wurde, als das Kind anständiger, nicht dem alier-
niedrigsten Stande angehöriger Eltern.^) In dem Franzis-
kanerkloster seiner Heimathsstadt empfing er den ersten
Unterricht. Dann aber schickten ihn seine Eltern, nicht das
Kloster, auf die Universität Ingolstadt, um sich hier mit
philosophischen Studien zu beschäftigen. Er erwarb auch
(Ion ersten akademischen (irad , das Baecalaureat , w^ie sein
Biograph meint, weil dies seine Studien erforderlich machten,
1) Osiandcr „Wider Caspar Schatz^eyer"*, A 3: wie er sich
(los selbs aufs höchst bekhigt und sagt man wöll nicht leaen, sondtT
verhynder, vertruck und verpiet seine und seines gleichen büchlin
untl fürder dargegen der Widersacher schreiben. Ich habe eine Stelle,
auf welche Osiander anspielen könnte, nicht gefunden.
2) Schelhorn Amoen. lit. I. 306. Vielleicht gab folgende Stelle
«1er ^.Heplica"*, s, Anlass zu der Aeusserung: Opinor scribentem
iLutheruni) inter scribendum non sui iuris esse, sed geniuni suum aut
nescio quem spiritum suum regere calamam. Det nobis omnibus
Heus o. m. spiritum suum sanctum etc.
3) 'ortus ex parentibus non infimae conditionis honestate prae-
<litis' sagt Hachmann, was Wiedemann übersetzt: 'von armen al>er
rechtschaffenen Bürgersleuten.'
. llruffrh Ktfpur Srhaliiicr
.SJtil
i|. li. uiclit aus {{uhiuflucht oder aiiHfren weltliclieti Bi'wcj;-
^rUiiil«n. Em wird dies eiitsr huldigend hervorgehobeti, weil
lajimt die Obaervanteri auf ftkiidemische Titel verticliteU'ii.
Wie es dann kam, dii^a Schat/ger die bisher eingetichUgene
liant'buhn verliess und in das Franziskanerkloster seiner
Hfinmth^tadt eintrat, wissen wir nicht.') Die im Jahre 1497
vun ihm verl'assten Conimentare zum Buche Judith und 7.u
Daniel zeigen, dass er ganz erfüllt war von der Weissagung
<!«:< Abte^ Joachim über den Antichrist, auf deren Richtig-
keit damals die Söhne des hl. Franziskus schwuren. Die
Ankunft des Anticlirists schien auf Grund untrüglicher Rech-
nung tiuniittelbnr bevor ku stehen, und die Kanzel diente
daen, diese Ansichten im Volke nu verbreiten. Schatzger
«rnrdc um diese Zeit, nach Uiichmaun, zum Guardian de^
Münchner Franziskanerklosters erwählt, und hielt seinen
Ordeuflbrildeni thefilogische Vorlesungen. Das Mflnchner
Klimter erfreute sich der hesondem Huld des Uofes und es
kann nicht Wunder nehmen, dase Schatzger mit den Fürsten
in Berührung kam. im Jahre 1512 wurde Scliatzger, ,der
minduni UrUder sanct Franziscusordens von der Observanz
bektor*. nebst Äventin und einem Freisinger Domherrn llsung
nach lugolstadt*) von dem Herzoge abgeschickt, um Streitig-
keiten in der Artistenfakultät beizulegen und deren Be-
schwerden entgegen zu nehmen. Dass Ilsung die Haupt-
l>Kr«on war. kann man aus einer späteren Eingabe der
Artistenfakultät schlie&sen, welche beklagt, dass man ihnen
iSr das FrOhjalir eine Antwort versprochen habe, dass dann
alwr llsungs anderweitige Verwendung &h Gesandter Ver-
zögerung gebracht habe:*) immerhin aber zeigt, uns die 7m-
1) 'mundum fnifieiw' sagt Bachinann.
21 I'rantI (ieacbiehte der rnivervität I), 150. .\\a »ubiiUgun
Vumums i-t in dem herrojfiichen Eriw!» ..loliunn* angeloben.
31 franll I, 128 läwt diese Uahnunjt er-t ftm ö. Okt. eriblKen:
itie Üi^hrül IriKl imie-Pn .Jrw Dal.um 'Montag TOr Viti", gahflrl also
10 Jani 1&
400 Sitzung der historischen Glosse vom 8. November 1890.
xiehuug Schatzgers, dass derselbe bereits damals sich eines
gewissen Ansehens auch ausserhalb des Klosters erfreut haben
Qiuss. Schatzger blieb mit Ingolstadt auch weiter in Ver-
bindung. J. Eck druckte in seiner Schrift Chrysopassus
1514 einen aus Ingolstadt an ihn gerichteten Brief Schatsgers
ab, worin dieser ihn in überschwänglicher Weise verh^rlichte.
Aus dem Jahre 1514 besitzen wir ein bemerkenswerthes
Gutachten Schatzgers über die Frage der Immonitat der
Klöster. Dasselbe knüpfte an einen in München toi^^
kommenen Fall an. Ein friedlich auf der Strasse gehender
Bürger war ermordet worden. Der Mörder hatte sich in
das Kloster geflöchtet und die Mönche verweigerten, gestützt
auf in ähnlichen Fällen erflossene juristische Gutachten und
auf eine mit der Exkommunikation drohende päpstliche Bulle,
die Auslieferung, welche von der Stadtbehörde gefordert und
trotz des Widerstrebens der Mönche mit Anwendung von
Gewalt durchgesetzt wurde. Da es sich um die Verletzung
eines allgemeinen Privilegs handelte, wollten die meisten
Ordensleute den Papst um Hilfe angehen; aber Schatzger
rieth ab: Das Privileg sei den Mönchen nur schädlich, nicht
nützlich. Sie kämen in den Ruf, die Verbrecher zu schützen,
würden gehasst von der weltliehen Behörde, die durch sie
an der Bestrafung der Verbrecher gehindert werde. Zu-
weilen, wie grade in diesem Falle, kämen die Mönche so in
den Mund der Leute im ganzen Lande. Dass Schatzger zu dem
Ergebniss gelangte, man möge dieses Privileg nicht zu ver-
theidigen suchen, ist jedenfalls beachtenswerth ; obschon wir
nicht entscheiden können, ob dieses Ergebniss der Selb-
ständigkeit seines Geistes oder vielleicht dem Einflüsse des
Hofes zuzuschreiben ist.
Bis 1514 hat Schatzger sich vorzugsweise dem Unter-
rieht und der Predigt gewidmet; aus dieser früheren Zeit
1) Das Gutachten steht Chu. 18983 f. 137.
V. Druff el: Kaspar Schatzger, 401
stammen wohl die meisten Predigten für die Advents- und
Fastenzeit, welche uns nur handschriftlich im C. Lat. Monac.
7803 aufbewahrt sind. Eine andere gleichfalls der älteren
Zeit angehörige Schrift, die «Formula — auch Normula —
perfectae vitae* schliesst in den gesammten Werken den Band
ab. Hier wird sie für bis dahin ungedruckt ausgegeben,
was nicht richtig ist, da ein Antwerpener Druck aus dem
Jahre 1534 vorhanden ist. Die Abfassungszeit ist leider
nicht genau festzustellen. In den gesammelten Werken wird
das Jahr 1501 angegeben, damals habe Schatiger das Werk
herausgegeben (primo ab eo aeditus), und es cuidam Bene-
dictini ordinis abbati coenobii Tegemseensis dedicirt. Der
Name dieses Abtes — Heinrich — ist in der Handschrift
Clm. 18505 in einer Kandnotiz angegeben, hier aber fehlt
die Bezeichnung des Jahres. Der Abt Heinrich Kurzer
resignirte 1512, nachdem er vom Jahre 1500 an regiert
hatte und übernahm erst nach Schatzgers Tode 1528 zum
zweiten Male die Abtwürde. Der Inhalt zeichnet sich vor
den zahlreichen ähnlichen Werken, welche am Schlüsse des
15. Jahrhunderts von Franziskanern herausgegeben, nicht
wesentlich aus. Vielleicht könnte die 14. Regel hervor-
gehoben werden, worin äussere Werkheiligkeit als bedenklich
bezeichnet und stets die Unterwerfung unter des Prälaten
Meinung als das l)este empfohlen wird, und Regel 20, worin
die hl. Schrift der Sonne, das kanonische Recht dem Monde,
die übrigen kirchlichen Schriftsteller den Sternen verschie-
dener Leuchtkraft verglichen werden, wobei von den Neueren
Bonaventura begreiflicher Weise besonders empfohlen wird.
Das Jahr 1514 brachte eine wesentliche Veränderung
in Schatzgers Stellung. Er wurde zum Provincial der Ober-
deutschen, der Strassburger Provinz erwählt. Es war seine
Au%abe, die Klöster der Franziskaner von der Observanz,
und auch die Klarissenklöster in seiner ausgedehnten Provinz
zu bereisen. Als Gehülfen hiebei erwählte sich Schatzger
41)2
. N"----
i]i>ii ilainiiligen üimi-rlinn von Pforztieiiii Konrud Pellikmi.
nelclier in »einer Chronik uns über diese Rei^^ejahre berichtet..')
Bei Uelfgentaeit einer dieser Reisen wnrde der Franzis-
kaiierkonvcnt zu Freilnirg i. Br. durch Suhatzger mit einer
päpatlichen Bulle flberrumpelt,*) welche die Annuhme der
Obaervan/. forderte; in den vorhergehenden Jahren waren
widersprerhende Entscheid ungen von Koni ergangen, du»
eine Mal die Observan« vorgeschrieben, dann nnter Androh-
ung des Bannes Rückgabe des Klosters an die Konventnalen
angeordnet worden, .letj-t wurden die ^äiumtlichen Bnlder
auHgetrielien, der Convent eintach von den Ubserviint^n in
AHsfiihnmg päpstlicher und kai-erlicher Befehle unter Bei-
hflife der Stadtbehörde m Besitz genommen.*)
■Schnt:qj;er betheiligle sich •ainiit persönlich an dem Ver-
nichtungskriege, welchen die einer strengeren Antfaaning
des Armnthf^elOhdes huldigenden Observanten gegen die
Kunventualen fßhrten, welche ihrerseits Hieb selbst als dis
eigentlichen Sohue des hl. Franziskus bezeichneten, deetseii
Regel von jenen durch erschlichene p&pstliche Bullen gv-
tUlscht wurden oei. üiesem Kampfe widmete Scbatzger auch
die erste Schrift, welche er drucken liesä. Auf der ROck-
reise von dem tieneralkapitel der Observanten diesseits der
Alpen, welches im Jahre ISlIi zu Ronen abgehalten wurde,
erhielt er in Pontoii<e eine ätreitschrift de« Ministerä der
Konventnalen der Französischen Fnivinx Bontfacins de Cava,
eines geborenen Italieners, zur Hand, welche ihn veranlasste,
die Fetier zu ergreifen. In äusserst lebhaftem Tone bekämpft
Hchatzger die Au^fiihrungen des Minonten, der in üeinem zu
1) B. Hijtfienbui'h Du« Cliromhim dt'« Konriul Ppiliktui.
liiisel 1877.
2) Vgl. KiggenbAi^li S. M iini) suili Kvhe] Gettbichte da
i>li«rileut*eheii Mtnoritonproviiii ij, 377, der leider die twi«ohea den
Parteien KewecfaBelten 8treiUuhrifI«n nichl lienutst W.
8} i.lirDnikfln .-4. hO.
l'uris löll erachietmneti Werke 'Kirmanieota triiiiu urdinuiii
Krancwci"') und ueuenlings in iler an das LaterAii™ncil [ge-
richteten Schrift 'Defense rill m') cliicidativiini Obäervantiai>
reguliiriR Iriitrutu Minorum' »einerseits die Ansprüche der Ob-
Hervunü auf die Unterwerfung der Konventuulenklöster sübarf
;(iirückgewiesen hatte. Ks blieb nicht bei dem blossen Streite
der veriichiedenen Theorien. Beide Parteien wandten »ich
an den jugendlichen Erzherzog Karl, damit dieser «eitie Hand
biete »ur Unterdrückung der gegnerischen Ansicht mit Hülfe
de« Papstes und des Concils: BonifaK hatte von dem Forsten
die Kllckgul>e des von den Observanten ein genommenen
KonventA zu Brügge erbeten, und wir hören, dass Karl die
Obnervanten hindert«, gegen demselben die Exkommunikation
in Anwendung zu bringen, wenngleich Bonifaz andererseits
klagt, daa8 der Kath KarU fllr die Betrügereien der Obser-
vanten kein Auge zu haben scheine. In Karls und seineri
UaUies Gegenwart fand eine Verhandhing der persönlich er-
nühii^ueiieii Ordenwobern lieider Parteien statt. Es war fast
das erste öffentliche Auftreten de^ eben dem Knabenalter
entwachsenden Fürsten. Er vermochte eben so wenig eine
Verntändigiing herbei/.ufflhren, als die Befehle Leo's X. nud
seines Lateran eoncils, obgleich vorher dessen Urtheü von
beiden streitenden Parteien aU verbindlieb anerkannt worden
war. Öcbatzgers .Apologia Status fiatrum ordinia minorum
de ubservantia* schliesst denn auch mit dem Vorwurfe, dass
1) In <ien mir «ugäDglicbun Exemplaren iler hieniitun ätaaln-
wie der tTuIvereitätetiibliothek ist Fol. 112 — 1.'')2 iiungesolinitten; nun
d«n InbttlUrKneichnisit ibI r,u fneljen, daag dort ricie Vertbeidigung
WUhplniH von Ockatu uod seiner (EenosBcn gegrn Johuin \XI1. ge-
«tnndcn bat. Sehr bouchlennwcrth eind auch die Scrmooes ijuadra-
geaiinale* und dos Üpo» de perSwtioae chriatiaaa, welche* L'«*»
lierauagab.
Ut N'M-h Hef«le->terttenrÖther VIII. 7«7 wird NivmnnrI ..linrn,
wie die l>ingi! in Wirkliihlieil »erlielnn. Uevu •chri-il-l im llrfun-
L
404 Sitzung der historutchen Classe vom 8. November 1890.
seiu Gegner die Autorität des Papstes geringschätze.^) Die
beiden Streitschriften bieten reiche Belehrung über die vor
der Reformation in den Klöstern herrschenden Zustande.
Man könnte auf den Gedanken kommen, für die schärfsten
protestantischen Angriffe gegen die Mönche hätten die
Schriften jener beiden Ordensvorstände als Vorlage gedient.
Schatzger vollendete seine Schrift gegen fionifaz in
Basel im August 1516. In dieser Stadt gab er seinem Ge-
nossen Pellikan Erlaubniss, noch einige Zeit zu verweilen,
um die Drucklegung der Amorbachschen Bibel zu beauf-
sichtigen. Er selbst setzte inzwischen seine Reise durch
Oberdeutschland fort. In Ulm, wo Pellikan wieder zu ihm
stiess, erreichte ihn ein päpstlicher Befehl, welcher für das
nächste Pfingstfest ein Generalkapitel sämmtlicher Minoriten,
der Observanten wie der Konventualen, nach Rom berief.
Nachdem im Januar auf einer Versammlung zu Pfortzheim
zum Vertreter der Strassburger Provinz noch der frßhere
8orium a 2: 'Obtulerunt itaque principi serenissimo fortassis praece-
dentibus inauditam seculis iniustissiinam in scriptis petitioneiu, vide-
licet ut ad sedandas fratrum discordias peteret ab sanctissimo domino
noatro cogi fratres regulam aub ministris observantes ad obedientiam
vicarionira subeundam dividique provinciam contra morem antiquum
et hactenus observatura. Post haec in conspectu illu8tris»imi prin-
cipis convocati adversa pars et ego, praeHentibus illustrissimis doroinis
Philippe de Ravestain in patria Clevensi duce, Carolo de Croy prin-
cipe Chimiacensi, Guillermo de Croy domino de Chievres, aliisque
plurimis dominis et consiliariis eiusdem principis, declarato per os
honorandi domini Joannis Silvestris utriusque juris doctoris et prin-
cipis ilhistrissimi cuncellarii eiusdem principis ad noHtri ordinis unio*
nem et paceni desiderio* habe er den Observanten ein grosses Blatt
überreicht mit dem Anerbieten 'obligent se ad observantiam regulae
secundum intentionem expressani beati Francisci, ubi purius ab sacro
concilio fuerit iudicata' aber die Observanten hätten die Reform ihren
Vikaren vorbehalten wollen.
1) Cum enim religiosus obligatus sit secundum regulam suo
regulari obedire praelato, numquid summus pontifex sibi praelatum
. Jiruffrl: Kanpar SrhiH:!)/
405
l'nivintial und joUige QoaHian 2ii NOrnberg, Jahatin Maohs-
eisen, erwählt worfle« war, lieft"'' '^'ch ^^chatzj^er im MUra
1517 von Bii«el aus nul' die Reise iinch H'.ni. Bei dein
GeiM^ralkapite) wurde die gf^wüu»<chte t^iiuKung nicht erzielt,
vielmehr jetzt die Trennung im Orden, wie Tschaniser ')
richtig Lerv'>rlii*bt, ili>ch vpr.'scliiirft. Ein minister (generalis,
den üW'rvunte» nngeliörig. sollte an der Spitze aller Franzis-
kaner stellen, aber den Konventualen blieb die Wahl einm
iiiagi«ter generulis venttnttet, und dem von ilies<!n Erwilhlten
gab Leti gleich Diapeas von der eben neu angeordneten Ein-
holnng der Bestätigung durch den Minister der Observanten.
Dtirlei einander widersprechende Erlasse waren nnr xn oft
das Ergebnis» gemeiner Bestechnng: auch in diesem Falle
nannte man hohe Summen, welche die Observanten anf-
gewHinlt haben sollten.^) DasK aber, wenn dies nicht bloM^
schnöde Verleumdung ist, 8chatzger hierbei nicht betheiligt
nMignare poteHt, iiDiii(|iiii1 papn ministriini poteitt ile)ioiiere et uliuni
caasülaer», i^uliditociu« praecipere ut illl qaem coii»ti[nit tamqaani
Mtio rvgulnri obediat praelato, Si hoii nega^. «icut. »imilia poaeti de
antnino neftasli ponliÜiM'. ut in auperioribu» profuBJUH est dednctam.
□Dmum Bii<'t«ritati.'m super nrilineni fnitriim niinorum n 'tumnia tollis
pontificc. nif Si'hliiiitifol|{emnK i^t wohl nkht abmilebnen: nber Kur
Xnit ilei LaUrnnkoni^iU w»r eben die Macht des Papi^les noch oichl
■o Ant begründet, daw die KoDventnalen jjeiifithiKt jfeweRen wSren,
aufa Won EU gehorchen. Ihnen erschien der Anvpnioh de«
: Venündigang an der von Oott «elbtit hcrrührRnden
j »\e rechtfertigten ihren Wideretand mit dem Rin-
i;. XII. 9. 1. Die von Wadding verzeichnete Antwort
mifiwiu« aof ScIintxgerH Apologia liegt mir nicht vor.
) AanalB« der KaaifDaeren zu Thann 11, 3.
I Vergl. OeTeiuorium ttlDcidativDm: Hü nihilomiiiu! aperte
intur, i]ui pul>Iica in lermone miilta milia nn pro noKtriir con-
veatibui ctpcnauroi ilixenitit. c S; viilgarie cnim est rumor, ens in-
I etfudinw pei-nnium pro noitri conventns Urageiuiia adeptione
t pro nura« buiiiii. iiiam [irtunt.. pmvinciiie üonsecutinne, li 2.
1 8. 02.
406 Sitzung der lUstonschen (Ututae wni 8. Nncemher 1690.
war, darf man aus Pellikans Aufzeichnung folgern, wonach
jedenfalls aus Deutsehland bei dieser Gelegenheit kein Geld
in die päpstlichen Kassen gelangt ist.
Mit der Rückkunft in die Heimath lief das Vikariat
Schatzgers ab und er trat für die nächsten drei Jahre wieder
in die bescheidenere Stellung eines Guardians des Nfirn berger
Klasters zurück.
Während dieser Zeit erfolgte das Auftreten Luthers.
Dass Schatzger sich gleich auf die Seite der Gegner stellte,
wird man vielleicht daraus schliessen wollen, dass ihm J. Eck
am 2. September 1519 die Streitschrift gegen Luther widmete,
welche unter dem Titel „Expurgatio** erschien, Thi Wiede-
mann, Johann Eck Nr. XXIV. Leider ist diese Schrift mir
unzugänglich, schon Löscher war nicht im Stande, sie auf-
zutreiben. Wir wissen ferner, dass Schatzger von dieser
Zeit her bei den Klarissen und ihrer Oberin Charitas Pirk-
heimer in gutem Andenken und in freundschaftlicher Verbind-
ung mit ihnen geblieben ist.^) Im Jahre 1520 wurde er auf
dem Kapitel zu Amberg von etwa 120 anwesenden Vertretern
der verschiedenen Klöster aufs Neue zum Provincial der
oberdeutschen Ordensprovinz gewählt. Schatzger wollte mit
Pellikanus, dem gewählten Vertreter, an dem Generalkapitel
zu Carpi theilnehmen, aber Pellikan blieb aus, durch Bau-
sorgen in dem Basler Konvent gehindert, an seine Stelle
trat Schatzgers Sekretär. Wir hören, dass der Spanische
Provincial Franziskas de Angelis über mancherlei Aender-
nngen im Orden mit Pellikan verhandelt hatte, welche er
auf dem Kapitel zu Carpi zur Sprache bringen wollte;
Pellikan erzählt uns nichts näheres, sondern nur, däss diese
Dinge auch noch das folgende Generalkapitel beschäftigten.
1) Vgl. Binder Charitas Pirkheimer S. 40 fg. Den von Binder
angeführton Ausspruch Schatzgers fU>er Nürnberg habe ich nicht
j^efnnd»»n.
, l>,;i/r<l: Ko.,,
41»;
ktire IS22 wurde An,nu SchatÄiier bei einem Fnmncinl-
:1, itaA KU Iieonberg in Schwaben abgeb alten wurde.
infithiKt, ^ch niil der LuMiPrisuhen AngeleKenhpit ■/.» Iw-
.«ciiMftigen . Ellen Hein Freund Pellikaii, der Guardian tu
Ba««l, wurde aia Anhänger Luthers verdächtigt und naancbe
forderten, da»!* i-r. weil exkoiunitmicirt, zu den Berathuugen j
nicht zugelassen werden solle. Unter dem Vorsitze Schatz-
gers n«hni man indessen die Einrede Pellikana wohlwollend ]
entge^n. daxs er von einer ExkunimunikatinQ keiniv Kennt-
nis liabp, kein (tUpatlicbBä Dekret ihm je zu Ocu^ichtc ge- I
k<»mmen »ei, und er auf das blosse Oeriicht bin die Fürder-
uug der Luthunachen Büi'lier aufgegeben, sich nur mehr um i
die nicht verurtbeiltou, wie z. B. die Paalmenausgabe, be- <
Vßmmert hiibi^. Es widerspricht dies nicht einem späteren
Briete Pellikang: daa&ch Üasserte sich aber Pellikan noch
weiter ober den Wertb der Lutherischen Schriften dahin,
das» er darin manches nicht verstehe, einiges billige, anderes '
aber tadele; rr le>ie auch tleissig, was gegen Lutlier er- <
Ncbeine nmi habe ein Buch deü Schatzgers zum Drucke he*
ßirdurt, damit die < )r(ten3geno.4fien wUssten, waa man von
Luthers Schriften zu halten habe. Pellikan wurde daraufhin
laitsun und aetzte. wie er erzählt, mit Schatzgjer zu-
i«D durch, iliv^ von einem allgemeinen Verbot, Luther- |
Schriften zu lesen, abgesehen wurde; man nahm die
irten Brüder, besonders die Prediger, davon aus, mit der 1
Be|^[rtliulnng , du» ilteaelhen die BUcher vielmehr eifrig \
li«rep mU^t^-'U, um die darin enthaltenen Irrthdmer, die j
iflV gegen die kanonischen Schriften und die Wahrheit
ikzuweisen.
Oiese Entscheidung war nicht nach dem Sinne der-
welche am lietnten den ketzerischen Wittenberger
ler den [-'lanimen überliefert hätten. Uaa i
RrgebnisH war. dnss die L»bre Lutlier«. ind«m |
nnd Licht gfwührtf, sirh in Pulge ilea
Luthe
408 Sitzung der KisttorMhen CloMse rom 8. Noremher 1890,
weiter ausbreitete, mochte aneh dem Wortlaute nach eher Kampi
gegen die neue Lehre in Aassicht genommen sein. Es entsprach
ein solches Vorgehen der Art Schatzgers, der uns als ein ver-
söhnlicher und milder Mann selbst von seinen G^^em im
Orden geschildert wird. Auch im Jahre 1523, als die Eiferer
ihn an& neue antrieben gegen Pellikan und seine Ge-
nossen einzuschreiten, weil diese bei der Drucklegung Luther-
ischer Schriften in Basel thätig waren, ging Schatzger nur
vorsichtig und zögernd ans Werk. Die Angebereien der
Professoren und Kanoniker zu Basel bestimmten ihn zwar,
Pellikan und noch zwei andere Brüder zu versetzen, indessen,
wie Pellikan sagt, sollte dieser Ortswechsel in durchaus
ehrenvoller Weise stattfinden. Doch auch hiermit drang er
nicht durch. Der Elath von Basel legte sich ins Mittel,
drohte die Verjagung aller Minoriten an, falls jene drei, gut-
willig oder widerwillig, Basel verlassen würden. Schatzger
wurde, nachdem er vergeblich vor dem versammelten Rathe
die Versetzung zu rechtfertigen versucht hatte, aufgefordert,
die Stadt zu verlassen.
Nach dem RathsprotokoU soll Schatzger vor versam-
meltem Rath erklärt haben, es sei nicht gut, dass ein Pre-
diger stets die Wahrheit sage, zuweilen müsse man darin
vorsichtig sein, damit der gemeine Mann im Zaume gehalten
werden könne. Pellikan in seinem ausführlichen Bericht
erzählt davon nichts. Er meldet aber, dass nach jener
üflTentlichen Verhandlung Schatzger sich ihm gegenüber
unter vier Augen über die geringschätzige Behandlung be-
klagte, welche ihm von dem Rathe sowohl als von den un-
gehorsamen Mönchen zu Theil geworden sei; Pellikan selbst
will unter Betheuerung seines Gehorsams gegen den Pro-
vincial sich nur über seine Ankläger abfallig ausgesprochen
haben, denen man allzu leicht Glauben geschenkt habe. Am
folgenden Tage hielt dann Schatzger eine Ansprache an die
versammelten Brüder, worin er zum Frieden mahnte, auf
. Thuffel: Katjirir Schattger.
409
uiinmiaHe hinwies, welche er )>ei Ansdbiing setues Amtes
|Hen habe und auf das künftige ['roviDcialktipit«! die
- Wrhandlung verschob: schliesslich beim Fortgehen
nii)^ «r zu Pellikati: Du bist iiichl, uielir mein, sondern
des Rstha Guardian, woj^egen dieser ihm in Ffissen fallend
betheuerte, er wolle f^ehorsam sein, wenb der Provincial die
Falgen auf »ich nehmL-n wolle. Darauf reiste Schat^ger ab,
oUnt' ein entscheidendem Wort zu sprechen.
Hei dem im August 1523 stattfindenden Kapitel wurde
Scbatzger von der Last des Provincialata befreit und blieb
die ihm noch vergönnten 4 Jahre seintfs Lebens meist iu
Manchen als Guardian der^ Klosters: die Hufleute jiäegteu
ihn, da er stets um h Ohr celebrirte, den FrUbmesaer de»
den Franziskanern überhaupt geneigten Herzog» Wilhelm zu
nennen. Er wusste diesen zu bestimmen, den König Ferdi-
nand nra seine Verwendung im Interesse der von dem Nilrn-
Iterger Itath bedrängten Barftis«ermönch« und der Clorissinnen
anzugehen.') Ala Schatzger an der Wassersucht erkrankte,
verlangte er besonders die hJ, Oelung zu empfangen und
xwAT, wie sein Biograph sagt, aus dem Grunde, damit seine
Gegner nicht ihm nachsagen könnten, er habe nichts davon
gehalten,*) eine Besorgniss, welche nach dem, was wir Über
Schatzge« kircbliohe Haltung wissen, Verwunderung erregen
Diuas. Am Schreibtisch sitzend, starb Schatzger am IS. Sep-
tember, am Tage nach dem Feste der Stigmata de« hl. Fran-
Ki^ku», wie der Biograph hervorhebt.
I'ellikan schildert uns Schatzger als einen nicht hIo«5
1) VkI. Binder S. 182. (<reider>ir ISjuiL dün Sthat/ger auf einom
Kapitel .Bqrjjtüisi* (burKXu odar BrIlKI?<<'') ^"i" Inquisitor gegen
blllher« Atilt&PKeT .pneKirtim ordiaü noatri* ernnnnt werdea. DJp
Quelle dieoer NacUriclit kenne ich nicht.
'i) obuiit jieUin» divina lilti udminiiitnu-i nucnunentA, ^raenertiui
I exiceniav. dk ea n^glcclo ftdtBrsurii "ni i]>»iini. tmiiiiUciiii
B eü ■nnaiiiict, ioculiiaro [waaenl..
■.•phlluL
1 US.
410 Sitzung der historisdten Classe rrm 8. November 1890.
gelehrten, sondern auch aufgeklärten — minime super-
stitiosae fidei — und wohlwollenden Mann, welchem er selbst
in Liebe und Verehrung anhing. Und nicht allein der
frühere Vertraute urtheilt in dieser Weise, sondern auch
Eberlin von Günzburg lobt Schatzger im Gegensatz zu Eck,
Faber und Mumer als einen Mann, der ehrlich nach seiner
Ueberzeugung handle, die Pflichten, welche der Ordensstand
ihm auflege, gewissenhaft selbst erfülle. Kilian Leib spricht
sich ebenfalls lobend über Schatzger aus auf Grund persön-
licher Bekanntschaft.^) Eberlin bezeichnet ihn als ziemlich
den besten unter allen Barfüssem und begegnet sich in
diesem Urtheil mit dem Herausgeber der Schriften Schatzgers
Bachmann, welcher hervorhebt, er habe nicht jenen Mönchen
geglichen, welche äusserlich wie ein Cato, insgeheim aber
wie ein Sardanapal lebten.^) Aber wenn auch aus Eberlins
Worten deutlich hervorgeht, dass der Ruf Schatzgers als
eines gewissenhaften Mönchs nicht anzutasten war, so hin-
1) A retin Beyträge zur Geschichte IX, 1026.
2) non, inquam, eorum raore faciebat qui foris sunt Cathones,
intus Sardanapali. Es ist ein Observant, der Schatzger mit diesen
Worten zu den andern Mönchen in Gegensatz stellt. Der Konventuale
Uonifacius de Ceva schreibt über die Observanten:
,Non mihi videntur 'observantes* recte dici nonnulli crapulosi
et idiotae fratres, nulla spiritus acutie, nulla scientia, nulla devotione
praediti. qui solis quaestibus inhiant ventrique parent, existimantes
— secundum apostolum — questum pietatem, et ventrem connti-
tuentes Deum. Orationi nunquam vel raro, coinessationi vero et
hauriendis calicibuH crebro instantes, ecclesiam niulto minus quam
coquinam et oppidum frequentantes . . . non ultra progrediendum
puto in his quae veram religionem attingunt. Decipimur cultu:
siquidem ob exteriorem cultum plurimi fratres a secularibus vene-
rantur ut sancti, qui multo plu? vacant ventri quam devotioni. Non
despicio fratrum simplicitatem, sed non laudo asinitateni. Profeeto
vilescit religio repleta trutannis, piures ob corporalem aümoniam
quam propter sanctimoniam habitum religionis assumunt:** Defen-
sorium b 2.
e. Ihu/ffl: Ka*jmr Sehitisiifr.
4U
aei^ dieser Umstand ihn iloch nicht, scharfe AnKriHe genen
ün sta richten. Eberlin macht sich (iber den Schriftsteller
Schata^er laatiu- der zwar viel gelesen habe, bei dem es
»her an der recht«ii Grundlage fehle; ferner schreibt er riem-
aelben ((rossen biigeiisinn zu, der keinen Widerspruch dulde,
nnd meint, dasa durch listige Mönche und Nonnen, welche
ihn gelobt hätten, um von ihm Vortheile »u erlangen,
Sclint/ger iu Keiner Eitelkeit sich habe bestimmen lassen, ali^
theotof^ischcr Schriftsteller nufstu treten,')
Elferlin spricht von der ersten Schrift, welche Hchatzj{er
seit jener Streitschrift in Ordenssachen zu Basel 1522 dem
Druck fibergab, von dpm .Scrutinium." Pellikan habe den
:i?chat?4[er dadurch für »ich zu gewinnen gewiisst, da«s er
den Druck bei Adam Petri vermittelte, also in der OffiEin,
welche auch Luthers Werke herausgab. In der Vorrede
weidet sich Pellikan an den Leser, um Schatzger zu rühmen,
der mehr anf die zuverlässigen Zeugnisse der Schrift «ich
bei seiner BeweiafUhrnng stütze, als auf menschliche Grflnde
und Spitalindigkeiten. Obgleich in des Duns Scotus Schule
truinich ausgebildet, habe er doch nach des b). Augustinus
Betspiel sich lieber der müden Redeweise bedient, und in
chrii^tticher Liebe seine Sprache gemässigt. Es wird Schatzger
zu besonderem Vordienst angerechnet, dass er sich den
Hprachstudieu und der humanistischen Literatur trotx seines
hohen Altjjr:* noch zugewandt habe. Die Vorrede des Scru-
tininm trägt Pelükan's Nnme, nach Elierlin stammt sie von
Enumuit. Schatzger selbst aber beklagt in seiner Einleitung,
diws in jetziger Zeit allzu viel Gewicht auf die Sprache ge-
legt werde, imd die Polemik oft sich selbst Zweck sei; er
r])ricbt den Wunsch aun, dass die Liebe st«ts die Richt-
aeiji möge. Wenn man rüe Schrift durchgeht, .so
I KborlJD V liiUuborfT 'Mkb wunilerl. etc.' D 2. Vgl. Kudl-
412 SUeung der historiscken ClasH vom B, November i890.
wird man finden, dass Schatzger allerdings einen Ton an-
schlug, welcher sich yortheilhaft von dem damals üblichen
unterscheidet, dagegen vermag ich nicht recht einzusehen,
dass Schatzgers Darstellung sich von der früheren scholas-
tischen Methode wesentlich unterscheiden soll. Unter dem
üblichen Citatenschwall führt er in seinen Conatus und In-
dagines die Lehre von der Gnade und der Willensfreiheit,
über die Verdienstlichkeit der guten Werke, über das Mess-
opfer, Priesterthum und Gelübde in der herkömmlichen Weise
aus, nicht ohne polemische Ausführungen gegen die Neuerer,
aber unter scharfer Betonung der Nothwendigkeit katho-
lischer Einheit nicht bloss in Bezug auf Luther, sondern
auch gegenüber den Streitigkeiten zwischen Thomisten und
Sectisten, den Anhängern des hl. Augustinus und des hl.
Hieronymus.
Eberlin sprach 1524 die Ansicht aus, die Gelehrten
würden dem Schatzger nicht antworten, sondern ihn in seinem
Narrensinn bleiben lassen; er wusste also nicht, dass schon
im Jahre vorher 1523 Joh. Briesmann im Auftrage Luthers
eine von diesem mit einem einleitenden Briefe versehene
Schrift^) veröffentlicht hatte, welche sich gegen eine zweite
Arbeit Schatzgers „Replica" wandte, worin Schatzger Luthers
Ansichten angegriffen hatte, die in den Schriften über die
Mönchsgelübde und die babylonische Gefangenschaft ent-
wickelt waren. Eine Erweiterung der in der Replica ge»
gebenen Ausführungen unter Rücksichtnahme auf die in-
zwischen veröffentlichten Schriften liegt in dem „Examen
novarum doctrinarum" vor, welches Schatzger 1523 in Ulm
erscheinen liess. In schärfster Weise fährt Schatzger hier
gegen seine Widersacher los. Schatzj^^er hatte seinen Gegner
allerdings nicht mit Namen genannt, aber das lässt die
1) Joannis Briesmanni ad Casparis Sohatzfreyri Minoritae plicaH
responsio.
, DraffrV. K^iKpnr SchaUgrr.
4U(
peil MeiiiHr l'ubinJk iiuUlrlicb nicht im »iilder»u Lichte
»nen: mau versteht uicht, wie in der Vorrede Amera-
' 'mi von Scbalsi^er rtilimen kann, derselbe lasse sich durch
BcleidifiimKi^n nicht reiiwn. verstumme bei Beschimpfungen
und zeichne sich durch Milde und S&nftmiith aus; »eine
Oegner dbertraten ihn duun aber noch au UnhÖflichkett, wus
eigentlich nicht zu verwundürn ist. da jeder von seinem
nacber voriius8et7,te, daaa der Satan dessen Feder ge-
t liMbe.
her erwähnten, nur iu lateinischer Sprache er-
Shenen Schriften Scbatzgers fanden, wie ans den wieder-
hri[t«n Auflagen hervorgeht, vieiaeitige Auerhennung und so
kann v» nicht Wunder nehmen, dass Scbatzger allmählich
darauf bedacht war, sich iiuter Anwendung der deutschen
üprsche auch an weitere Kreide zu wenden. Die kleine
Schrift ,De cultii et veneratione Sanctorum,* zuerst wohl
noch 1522 gedruckt, erschien deutsch 1523, und dann wieder
Ut«iniKch 1524 iu einer sehr vergrösserten Ausgabe. Das
gleiche Verhältnitis wallet ob bei den Schriften .De vita
chriatiana et monastici instituti . . . quadratura' und ,yoti
dem waren christlichen Leben, 1524." In beiden Testen
findet sich eine hitzige Polemik gegen drei .alluphiU,*
deatitcb .Boten,* von denen der zweite und dritte mit Sicher-
hut auf die Ordensgenoswu Schatzgers Lambert von Avignon
und Eberlin von Gttnzburg zu deuten ist, während unt«r
dem errteu vielleicht Heinrich von Kettenbach zu verstehen
iat. Dem Th. Billicanus, welcher in seiner Apologie gegen
Marstaller auch einen Ausfall auf Schatzger macht, hat
dmer, ao viel ich weiss, uicht erwidert.') Auch die Schrift
1) Advenu« iinipiwitiones Leonardi Murataüen IngolBtadiensis
(^uufuLatio ThenbiLldi ttilliciLni, eucleBiiutiie, d 3 : ((uaniquam conatus
C lulaerer« äa^tteron libello i|UO<laiii longe miaerrimo, in qno neque
I r^ikndur uIIqk neque »rtiliciiim neqiie Verität ineat. [Vr
k.oluiB Ort »cheinl »m der Werkatält* l'lrich Morhart» in Tob-
414 Sitzung der historischen Glosse vom 8, November 1890,
^Von der waren christlichen und evangelischen Freiheit"
lateinisch: ,De vera libertate evangelica* erweist sich als
deutsche Uebersetzung, wenn man den Stil ins Auge fasst.
Es bleibt dabei auffallend, dass die Vorrede des Tübinger
Professors Johann Amersford, eines Minoriten, welcher früher
auch das ^EJxamen* mit einem Vorwort versehen hatte, in
der deutschen Ausgabe fehlt. Die Lehre von den guten
Werken, welche in dieser Schrift gegeben war, führte dann
Schatzger in demselben Jahre 1524 noch in einem besonderen
Buche „Von christlichen Satzungen und Lehren* weiter aus
und vertheidigte sie gegen erfolgte Angriffe. Gegen die noch
1530 in der Gonfutatio bekämpfte Schrift des Pfarrers zu
Teuchern Anton Zimmermann, wonach Christus vor der Auf-
erstehung in der Hölle gelitten, erhob sich Schatzger 1526.
„Vom Fegfeuer* handelte Schatzger 1525, femer schrieb er
1525 deutsch und lateinisch über das Messopfer. Diese Arbeit
muss indessen wohl noch im Jahre 1524 verfasst sein, denn
bereits vom 10. März 1524 ist eine Ergänzung zu derselben
datirt, worin die Schrift der beiden Pröpste zu Nürnberg
„Grund und Ursach* bekämpft wird, während auf Osiander
schon in der Hauptschrift Rücksicht genommen war. Osiander
liess dann , Wider Caspar Schatzgeyer Barfüsser-Münchs
unchristlichs Schreiben* in scharfem Angriffstone ein Heft
injjfen zu stammen. Es würde die Feststellung desshalb von Interesse
sein, weil der Brief an Leonhard von Eck, welchen Marstaller drucken
liess, da er dem Billican zu antworten verschmähte, in genau dem
gleichen Exemplar, welches Marstaller dem Freisinger Kanonikus
Joh. Bai eigenhändig widmete, auch der von Billican dann ver-
öffentlichten „Apologia Theobaldi Bil licani ad excusato- riam epi-
stolani Leonardi Marstal- leri ad Leonard. Eckium Equi. Germa.
De libero arbi-''rio quaedam. Epistola „Mar- stallen ad finem ex-
cussa, beigegeben ist. Die Seitenzahl der Marstal lerschen Epistel ist
selbstständig gezählt. Man wird sonach für wahrscheinlich halten
müssen, dass der Drucker nach Ablieferung der bestellten Exemplare
an Marstaller auch dessen Gegner zur Verfügung stand.
. llniffel: A'cw/kic SehtiUijer.
-IIG
erscheinen, welcheä eine ErwidiTun^ fiind: , Abwaschung des
Unflate BO Andreas Oslander dem Gaispar Schatzger in äpin
Antlitz gespiben hat' Au diese« Büchlein reihte mh dann
ehiQ anonyme Flugschrift eines aus Baiern gebürtigen Nfini-
bergara,') der, wie er sagt, nur des Schatxgera letzte, nicht
die früheren Schriften gelesen hatt«, und sich von Schatzger
Jetxt Aufklärung Ober eine Anzahl von Fragen erbat.
Schatzger that dies in der Schrift .Ein gietlicbe und freunt-
lichfi Antwort,'
Noch eiu »iweiter Anonymus, der aber »ein Inkoguitti
weniger wahrte, trat gegen ächatxger auf. Es ist .Johann
vwi Seil Warzen berg. Gegen dietien den gleichfalls anonymen
Hcntut«geber der .BeächwOrung der ulteu teuflischen Schlange
mit dem göttlichen Wort' richtete Schatzger 1525 seine
.Furbaltung 'M Artikel, so in gegenwärtiger Ver-
wirrung auf die Bahn gt^bracht und durch einen
neuen Beschwörer der alten Schlange gerechtfertigt
werden.' Scbwarzenberg wurde auch von Schatzger nicht
aU der Verfasser ausdrücklich genannt, aber doch so be>
zeicfanüt, daas man nicht darüber im Zweifel sein konnte.
Die Persönlichkeit des Verfassern, d«8 frühereu Hofmeisters
bei dffni Bischof von Bamberg ver:icliatlle dem Buche eine
besondere Bedeutung grade am Milnchiier Hofe, wo Schatzger
wirkt«. Dort war der Herzog Wilhelm zwar ein gewaltiger
Waidmann, beaass aber für geistige und geistliche Dinge
wenig Ver^tändniss. Christof Freiherr von Schwarzen berg,
der Sohn .lohanns, hatte als Landhofmeister eine einfluasreiche
Stellung. Schatiger bemitleidet den Verfiu«er, welchen er
vor Jahren wohl gekannt habe, derselbe habe seines ehr-
wUnligen Allen» und seinen früheren Ansehens und guten
LHumund» nicht geachtet und klug gethan, ilen Namen nicht
zu nennen. Schatzger sagt, er habe dessen Sohu — eben
416 Sütung der historischen Classe vom 8, November 1890.
den Hofmeister Christof — gefragt, ob dieser nicht gegen
seinen Vater die Feder ergreifen wolle, wozu derselbe, wie
Schatzger naiv hinzusetzt, durchaus das Zeug habe. Auf
die ablehnende Antwort hin habe er selbst dann dieser Auf-
gabe sich unterzogen, ohne dass er Ton jenem aufgefordert
worden sei: auch habe jener die Schrift nicht zu sehen be-
kommen, damit eben jeder Anlass zu Missstimmung zwischen
Vater und Sohn vermieden werde. Diese Bedenken waren
jedesfalls nicht sehr ernster Art. Als Johann von Schwarzen-
berg eine mir unbekannte Schrift ,,von der Kirchendiener
und geistlichen Personen Ehe" veröffentlichte, schrieb Christof
an Schatzger einen Brief, worin er die Veröffentlichung des
väterlichen Werkes beklagte und Schatzger ersuchte, wo
möglich nichts dagegen zu schreiben, man dürfe vermuthen,
dass Andere an dem Werke Antheil hätten; sollte aber
Schatzger sich doch für schuldig erkennen, dies zu thun, so
möge er in solcher Weise söhreiben, dass man erkenne, wie
nicht Rachsucht, sondern nur der Eifer für die Ehre Qottes
ihm die Feder geführt habe; Schatzger druckt diesen Brief
ab und seine Antwort darauf. Er erklärt, Schwarzenberg
bekämpfen zu müssen, weil derselbe unchristliche Dinge be-
haupte, die römische Kirche und ihn selbst schmähe, ja er
versichert, er wolle ihm den adeligen Titel vorenthalten,
weil das in Glaubenssachen nichts austrage. Man wird dem
demokratischen Freimuth des Barfüssers, welcher auch dem
Herrn Landhofnieister mit dieser Bemerkung gewiss keinen
Gefallen that, Anerkennung zollen.
In dem Buche „Traductio Satanae" hat Schatzger unter-
nommen, diejenigen katholischen Lehren, welche damals am
heftigsten bestritten wurden, zu vertheidigen ; er will den
Satan, welcher sich als Engel des Lichts ausgiebt, mit dem
Lichte der göttlichen Schrift beleuchten und so entlarven.
Erst nach seinem Tode, 1530, wurde das ganze Werk ge-
druckt, zu Schatzgers Lebzeiten erschienen schon vor Mai
I'. Uruffel: hiispitr Sckiüi'jci
1526, die (
tl7
IÖ2fi, nicht »rst 1526, die ersten vier Kapit«!, nnter dem
Titel: ,Ain WHrhuftige Erklärung, wie sieh Satrinft» . . .
erzaigt unter der Ueüitalt ein^ Eiigds dcüt Liekteü, ' Im
(iasMin Millte ik'i Work 20 ICaftitel enthalten, iiideieeu hat
Scbatzger da» 19. Kapitel, gt'geii Luthers Schrift De serTu
arbitrio gerichtet, unvollständig hint«rlatisen, dos 20. über
di« Prädestination gar nicht begonnen. Wir emehen dies
■ti8 d(*r Bandscfarift; gedruckt wurden l.'iSO die ernten |l>
und da« 18. Kapitel, ferner die Kapilel U — 17 aU besonderes
Bucli 1530 mit dem Titel .ecclesiasticomm aacramentorum
pi* . . . assertio," nnd die Kapitel 5 — 9 im .Ishre 1520
deubtch als .Fünf Titel von den dreien Gotttförmigen
Tugenden.'
Biiie angeblich za Strassbui^ 1523 erwhieneiie deutsche
äcbritl Sohatv.gers .Drei Predigten Über das äalfe Regina,*
mtlclie Kubolt anfuhrt, habe ich niclit geaeheu. .anfänglich
dacht« ich. es kOnne eine Verwechf>Iung mit Ueorg Hauer's
,[lrei Predigten" vorliegen; aber Sebald Heiden wendet sich
in «einer Schrift fiber das Salve uusdritcklich gegen 8chatz-
gers gedrnckte Predigten, so kann Kobolt doch recht haben,
itbHchou nach Will und ?>eltner die tv^hrift Schatzgere nicht
existirt haben soll — worauf midi Dr. Schnize vom Germ.
Miiaeum aufmerksam macht«, als ich dort der Schrift unseres
äcbittxger riuclif ragte. Pälse blich wird Schatjtger df^fegeu
»on Th. Wiudemann Nr. 2.3 ein Werk .Pia . . dominicae
oratinni^ enarratio' zugeBchrieben, welcbeö ebeiu jüngeren
SMciiHi.tc)ieti Minoriteo Säger angehört, und Nr. II eine
, Oittptilatio IngoUtadii 1524.* Diene i.'tt nicht« anderes aU
die Schrift der Universität Ingolstadt, worin sie zur R«cht-
fortigung wegen Seehofer'* Verurtheilung zu einer Dispu-
tatitiD einlnd. Schnizgers Name kommt durin nicht vor.
In beiden Fällen haben irrige, jetzt richtig gestellt« Hin-
im Katalog der Münchner St«atabibliotbek
418 Sitzung der historischen Classe vom 8. November 1890.
Handschriftlich findet sich auf dieser Bibliothek noch
ein M Remediarius tentationum* und «Directio salubris pro
monasticis personis* Clm. 18505 und 18204, und deutsch
15 Ermahnungen, wie man sich vor Irrlehren schützen könne,
Clm. 27153, femer lateinische Ck)ncepte zu Predigten in
der Adventszeit über den Glauben, in der Fastenzeit über
die zehn Gebote.
Ueberblicken wir die gesammte schriftstellerische Thätig-
keit des Münchner Franziskaners, so wird man wohl manche
seiner Schriften ihrem Hauptinhalte nach als unselbständige
Wiederholungen älterer, besonders minoritischer Schriftsteller
bezeichnen dürfen. Indessen, wie auch Luther in seinem
Briefe an Briesmann andeutet, folgte Schatzger doch nicht
unbedingt und gedankenlos dem Wege seiner Vorgänger;
er vermeidet die Häufung von Citaten aus späteren Kirchen-
lehrern, zieht es vor Stellen aus der hl. Schrift anzuführen,
wobei dieselben allerdings, aus dem Zusammenhang gerissen,
oft in sonderbarer Weise ak Belege verwerthet werden. In
dieser Beziehung leisten ja auch die protestantischen Gegner
mancherlei. Aber es ist zu betonen, dass wir fehlgreifen
würden, wenn unser Urtheil über den Schriftsteller Schatzger
lediglich jenen Männern folgte, welche sich in ihrer Polemik
über den dummen, frechen, unverschämten Barfüsser weg-
werfend aussprachen. Schatzger steht höher, als z. B. ein
Cochleus, welcher im römischen Solde stand, und auch^ von
Alfeld, Dietenberger, Emser und Eck unterschied er sich zu
seinem Vortheil. Die Derbheit seiner Sprache verletzt ge-
wiss häufig unsern Geschmack, aber man wird fordern dürfen,
dass nitin den katholischen Barfüsser nicht strenger beur-
theile, als seine Gegner, zugleich aber sich davor hüten,
mit Janssen II, 194 Luther für den Ton der Polemik ver-
antwortlich zu machen, während dieser in Wirklichkeit
doch genügende Auswahl an theologischen Vorbildern derber
und unwürdiger Sprache vorfand. Fast könnte man gegen-
. Illil/I'rl
410
nliur <ltfr -laiiswen 'sehen üeb»rtmbung die Behäiiptun}; WKgen,
dam firmle dii^ Sprach«: Luthers zeige, wie tief bei ihm die
ttiöncihiscbe Erniphitn^ einRewiireelt war. .Wie einer /.ii
M«rtit kommt, danaeh findet er Kaufmannschaft* saßt
Sclist^cr j^egenilher SohwarK*nbei^,') iim i-s iü rechtfertigen,
daa er ein BGchlein grachriehen habe, welcher« jenem /ii
Kopf Hteigen werde. Kr meint, das« er noch bei vreiteiu
nicht init dem gleiotieu Masse vorholten hiibe, welches Jener
gebraucht habe, wie denn Ltither und dessen Schßler alle
.nicht bloas hitzig , sundem auch spötUich . schmähend,
Mrhüudeiid, liiatomd, mit hHchRt«n Lastern, freventlich ur-
Uicilend. nhiie hIIu christliohe Zucht nnd Hihrsamlieit, frecher
uU die Hippenträger" '1 schrieben. Man wird aber wohl
lUiiiehmeti ddrf'eii, daüi« ^hatzger nach und nach wirklich
dtsr richtige Mamsatnh in der Beurtheilung seioejs eigenen Ver-
haltens verloren gegangen war und dass er wirklieh glanbti^,
ihn selbst zeichne christliche Milde und Sanftmuth höchst
vortheilhaft vor »einen Gegnern aus. Besonders in den
frnheren Schriften Schatzgers finden sich wirklich schöne
Stellen, in denen er die vet^iftet« gehiUsige Sprache, welche
flblitrh geworden, beklagt und vervirtheilt; dann aber be-
gegnen uns wieder unglaubliche Ilohheiten.
Der Inhalt der Schriften verdient in mehreren Beaieh-
ongen Beachtung. Schatxger hatte ein ofTenes Auge l'llr die
MiHHstände, weiche in der damaligen kirchlichen Lehre und
in dem l>el>en sich feätgesM^tst hatten. Er c^rkennt und be-
kilmptl die in die Kirche eingedrungenen Miissbränohe,
wendet sich mit Entschiedenheit gegen diejenigen, welche
bestiuimU' menschlich« Vrirsuhriften unter .Androhung des
Buiiies d. h. ewiger Strafen einschärflen. Amersfurd he)it
in (l«r Vwrede zur .vera llbertiw* grade diesen Punkt herror,
> rttrhaltung 30 Artikel I' 1.
) t%'ha)tnng O 2.
420 Sitzuny der Hstorischen Classe vom 8, November 1890.
erklärt sich mit Schatzger durchaus einverstanden, f> aber
die Warnung bei, der Leser möge aus dessen Schrift die
Arznei zur Beruhigung des eigenen Gewissens, nicht aber
die giftige Auffassung herausziehen, als ob alles menschliche
Gesetz nichts zu bedeuten habe. Schatzger- versteht unter
diesen , menschlichen* Gesetzen nicht etwa die staatlichen
und bürgerlichen, sondern alle diejenigen zahlreichen kirch-
lichen Gebräuche, welche, ohne in der hl. Schrift ausdrück-
lich begründet zu sein, doch von Seiten der Kirche den
Gläubigen aufgelegt werden. Schon in dem Scrutinium hatte
er auf die Wallfahrtsgelübde und die Dinge ihres gleichen
hingewiesen, wie er später in der „de vera libertate . . .
lucubratio" sagt, allerdings nur mit einem Nadelstich. In-
dem er jetzt näher auf die Frage eingeht, stellt er sich in
die Mitte zwischen die Partei, welche alle Kirchengesetze als
der Freiheit widersprechend verwarf, und deren Gegner,
welche dieselben für verbindlich erklärten bei Verlust der
ewigen Seligkeit. Schatzger will, dass die Kirche das Bei-
spiel von Eltern nachahme, welche für den Leichtsinn oder
auch den Uebermuth ihrer Kinder doch nicht Ertränken oder
Erdrosseln als Strafe anwenden, sondern eine leichte Ruthe.
Obgleich Schatzger seiner Ausführung einen Theil ihrer Be-
deutung dadurch nimmt, dass er z. B. das Fastengebot
wegen des durch die Verletzung entstehenden Aergemisses
für unter Todsünde verbindlich erklärt, und dass er das ab-
sichtliche Verachten der Kirchen Vorschriften nicht minder
schroff aufzufassen gewillt ist, war diese Ansicht doch mit
allen den zahlreichen Anordnungen des kanonischen Rechts
in Wider pruch, welche das Leben der Geistlichen wie der
Laien einengten. Schatzger rieth den Ordensleuten ab, sich
selbst bestinmite Gebetsleistungen oder andere sogenannte
gute Werke aufzulegen, auf welche man nicht vertrauen
dürfe: es gelte vielmehr das Reich des Geistes d. h. der
Freiheit anzustreben. Dieser Gedankengang führte folge-
I-, Ttniffr-h Kaipitr MmUrifr. 42!
rieht]'); zum Preisgeben Jer »oga nannten evangelischen Rntlie
um! zu dnftf Brachntteriing ier Gniii«llagen des Ordenslebens
selbst, iitiil wenn Schatzger auch sellwt diese Folgerungen
sich nicht aneignete, Ja sie auch nicht als solche anerkannt«,
■« war es d^ch nicht zu rerwundera, dass Schatxger wegen
iltaser Aeui^eriingen Anfeindungen erlitt. In der .gietlichen
Antwort' klagt er, man werte ihm vor, er spiele auf Luthers
Laut«:') auch von Anfeindungen Schatzgers durch die Liiwener
weil«« VVoIfgang Richard zu erzählen: wie einst den voti
Schittzger bekämpften Luther, so hätten nie jetzt den SchntKger
1) B» lat grosse klag in der ^iiÜDeo kirchen über so vil be-
«cbwürnuii in xeitlirhen und t;(^tetUchen Hingea und tiendlen', ich liwu
tkber jetx die zuitlictien furen. Mild Iclaf^ in hendlen den ^lat an-
treffend über HO lil kirchlich penfell. a!» nemlich sein die panDUDK,
nher »o vil kircbentiche satKimg, da in geistlichen rechten liegriffen
Mnn, Übel' io vil ceremoni and kiKhlicbe precbtikait. Ober mj vil
»ellätlUDK in emp&hung cristeu lieber recht, auch in Bakrainenten.
Aber sn vil kirchenliche gepot. antreffend auch die
KwiHiien. in welithen man vil todsünt) macht, über io vi)
|iueii und K''nDgthuuDg umb volpracht aiind. Ober «o vil herttikait
ta TaiitJ^n nod luitiger s|ieinz abprechung ond ilergieiclien andoni
merr. Wellirh all nach meinem gednnken die niftiat nach der neuwen
aofraer »ein und b<?wegunR, leicht anzanemen dfti neu evangeli. unU>r
der [uuik herfOrgeiogen. ivann man vermeint, ao die neuen evan-
gelikten predigen von HvaDgeliscber nnd er ieten lieber freihält, mttn
wftU all Bulicb lieschwiLmuas damit ablegen als roenscblich sflnd und
«nlivkt b&odet. tn dem ewangeti nlt gehörig, sonder meer vnn unnerni
hemn visqiotteo. von dem ich nachvolgend weiter wird Rchreibeii.
Ahtir «* wirt nith dermaisen nil Siiden, wienol nit vemaint mag
weiden, da» in obgeraeltun »tucken und kirrhjichen preuchen vtl un-
bMchaidenlieit tiud mii<H|)reucbung Heia geieheben und mitgelolTcn.
Ciul nemlich in besehvänuigen der gewissen mit vi! todsQnden. dun
idi die gr'lant be«uhwärutig revhen in cristenlicher get«tlikait. Daminli
icb in vergangen leiten ein pQchel von crütenlieber IVeiliait hal>
liMven aiugEen, dan nit Jedermann hat gefallen, und ich vil geug«ji
) worden, ich «i'lilahi? naf [.iittm lallten: aber f hat. inicli »ii
i t C 8.
422 Sitzung der historischen Classe ww 8. November 1890,
selbst verketzert.^) Aber Schatzger erklärte, daas ee um nicht
gereue, seine Ansichten ausgesprochen zu haben, die Seele
eines Christen sei zu kostbar, als dass Grott es dem Urtheil
der Menschen überlasse, sie zu verdammen oder selig zu
machen, und er verwahrt sich aufs Neue gegen das «unbe-
scheidene ungegründete Urth eilen über die Gewissen,^) gegen
die zu hoch gespannten kirchlichen Satzungen, Gebrauche
und Ordnungen/ J. Eck^) sprach sich desshalb dahin aus,
dass Schatzger an die Stelle des ängstlichen ein zu weites
1) Vgl. Th. Wiedemann, J. Eck S. 428, der die bei Schelhom
Amoen. I, 294 stehende Stelle abdruckt. Ich weiss nicht, was Richard
hier im Auge hat.
2) Directio salubria Msc: ,,6. Monasticus omnem tolicitudinem
apponere debet, ut cor iucundum et spiritum in Domino semper gan-
dentem habeat. Ad quod obtinendum ponere debet omnem fiduoiam
suam in Deum, non tristetur plus aequo de quotidianis suis defec-
tibus, non edificet super opera sua, quin ea nihili pendat coram ocalis
Dei, se totum fundet in misericordiam Dei et in merita et passionem
Christi, habeat liberam non anxiam conscientiam super agendis, nam
timens Daum debet sibi latam formare conscientiam.
7. Monasticus non gravet se ipsum corporalibus institutis, ut-
pote ad tot orationes persolvendum, ieiunandum, vigilandum etc.
praeter comnmnia monu^tica instituta, nee sibi ipsi praefigat certa^
regulan inviolabiliter observandas, sed ni nonnulla sibi ipsi assump-
serit instituta servanda, faciat cum consilio sui directoris, nee ea uUo
pacto servet, dum a spiritu divino ducitur et movetur ad salnbriora.
8) Clm. 18506 f. 77; von gleichzeitiger Hand findet sich am
Schlüsse der Directio salubris pro omnibus monasticis personis,
welcher die obige Stelle entnommen ist, folgende Bemerkung:
„Doctor Joannes Eckius theologun de predicta directione salutis
dicit: Est — inquit — utilis et pius libellus et tangit verum scopum
omnis exercitii monastici, eo dempto quod ab anxia conscientia re-
currit ad latam, ubi desideramus rectam et mediocrem. Item fines
exercitioi'um non plene explicat, cum quis possit sibi illa sumere ad
honorem Dei, ad Hcipsum preservandum a peccato vel occtii^ione pec-
cati, ad cumulum meritorum suorum.
Ihiec ille anno doniini 1588 in vigilia S. Jucobi apost^li.*
. Dru/fel- Knuiitir Srhiilifin-
423
icbtiRen
Oewiwaen setxi', während r« auf diis Kintialtei
MittuU unkomtiie.
Dies ist nnaeres Wisseus der piiiKi^H l'iinkt, um de*ient-
wUten der MUnchner Franziskaner von katholiachen Zeit-
g«ii<iswii uls nicbt rerhtglÜubig verdächtigt wurde, wie wir
(Ken am Schlüsse der .RepUca' bezllglicii eines nngenannti-n
l>nient)geni>s3en selten, mit welchem sich Schatzger auseinander
setzt, iiii-bt ohne i-ine gewisse f^hürfe und Bitterkeit.') Dos
schlieast aber nicht ans, dasa er manche Ansicht vortrug,
welrhK den blinden AiihÜDgem der Pä))ste nicht bloss als
nach Häresie schmeckend, sondeni geradezu als häretisch
TorkommeD niusaten. Man muss sich gegenwärtig halten.
Aam in Deutschland daniab« die Lehren der Reformconcilien
fortwirkten und noch nicht durch die Päpste beseitigt worden
waren. Schatzßer verwahrt sich gegen diejenigen, welche
neue Lehren vortrügen; ihm ist es Orundlehre des Christen-
thums, das.* neue Dogmen nicht geschaffen werden könnten;
wnh! mSge ein neuer Irrthom, nicht aber eine neue Wahr-
ht-it au ftji liehen. Er nimmt in der Regel für die allgemeinen
Concilien in Anspruch, dass man ihren ICntscheidungen gv-
1) Ad noDOulla obieuta reBponsio. Caajiar äti«(;eruH dilecto cou'
fratri 8it]at«ui, ßer Gegner hatt* an «einen Provim'iiil einen Bri«l
l^rlclitei. der von dieriem Schati)?er mgeschitltl wcirden war. Eine
Stelle, »elclie Schatr^r ans dem angreifenden Briefe nnttiieitl,
lantd«: .Ka«eni> Liithem acribenti ad Spalatinum de di^iputntinnf
LilMico, ponit [lercatum mortale et veniale ex intrinscca nktione non
diSinre, »ed i>x lioc dumtaxat, qnia divina voliinta« bunc vult actum
Dtenut pena diifDiim ei««, tllum vero non.' Das dann angefU^tu Vt-
Üieil .illud dictnni. i^noad partera primam, contta dicta Joctoruin et
veritat«m ccnBebitur iure rBfellendtmi" veranirwst Schätzer tu der
SrkUlrung: Noio in H-nbenlibija e»w pencinaruiu, in preiudieinni
veritati«, ai-ceptor. vcrituti^ni a qiiövis cxquiro, sine iiersonaruni de-
ledu. Onde, «i dictum meum a doctoram dissidet dictii, non *ati»
ntovüor .... quid, li dicam omoia operu noxtra aei-mtdam tBtiv>
aooain mlioninti taue niortifern. atptite a radice inrecta Mt a dirfnft
iaititia dntnnal4i ]trodi?iintin iit vliHiriiruin ti
424 Sitzung der historischen Clcmse vom 8. November 1890,
horche und sie für recht halte; aber f(ir den Fall, dass
man bestimmt wisse, ein Concil habe nicht ehrlich und auf-
richtig verfahren, falk es z. B. die hl. Schrift zu einem
falschen Sinne verdrehe, so erklärt Schatzger, man habe
demselben nicht zu glauben. Aber er will, dass man derlei
Urtheile über ein C!oncil nicht leichtfertig ausspreche, in
zweifelhaften Fällen möge man sich damit beruhigen, dass
Gott keinen verdamme, welcher der Kirche folge.
Die Ausführungen über den Primat des Papstes beginnt
Schatzger in der «Replica* mit der Erklärung, dass er über
die «Monarchie und den Papat* keine Ansichten au&teUen
werde; in der «Traductio** wird dies genauer dahin erläutert,
dass der ganze «primatus honoris et dignitatis,* weil von
dem Evangelium an sich nicht einbegriffen, bei Seite bleiben
solle; denn dieses lehre menschlichen Ruhm gering schätzen
und sich selbst verachten. Er will den Primat nicht soweit
ausgedehnt wissen, wie es der Ehrgeiz des Einzelnen
wünschen möchte, sondern nur so weit, als es heilsam ist
für die gute Regierung der Kirche.^) Allen Aposteln ist
die gleiche Machtvollkommenheit verliehen, aber nur die
Nachfolger Petri haben dieselbe Gewalt auch bekommen,
denn hier ist noch eine sedes apostolica, während die Sitze
der übrigen Apostel sich alle nicht erhalten haben, so dass
die Frage, welche Ansprüche deren Nachfolger zu erheben
hätten, gegenstandslos sei. Dabei findet er sich mit der
1) In der „Fürhaltung" findet sich folgende Stelle: Es war dann
dach, dass Christus sunt Peter einen merem gewalt hat wollen geben,
dann den andern, so hat er nit von im erfordert ein grössere lieb;
B 4. Damit ist aber, wie sich weiter unten ergibt, el)enfall8 B 4,
nur gemeint, dass dem Petrus die gleiche Gewalt, wie die andern sie
persönlich erhielten, als ordinaria ertheilt worden sei. Hier wird
denn auch das Argument: „des auch urkund ist, das kaines andern
zwelfi>oten stuel in zwelfpotischem gewalt ist pliben, dann allain
Petri" kühnlich verwerthet.
V. Druff et: Kaspar Schatzger. 425
Schwierigkeit, dass Petrus vielleicht gar nicht in Rom ge-
wesen sei, in merkwürdiger Weise ab durch einen Hinweis
auf das kaiserliche Reichsregiment zu Nürnberg, welches
auch in des Kaisers Namen dort schalte und walte, obgleich
Karl V. Nürnberg nie gesehen habe.^) Schlimmer als dieser,
1) Eeplica, r S: Queris forte: ubi est sedes apostohca? Num
solus Petrus apostolus est aut fuit, aut non alii quoque? Cur sola
Petri sedes praedicatur, cur non et aliorura, utpote Thomae in
India, Andreae in Achaia, Jacobi Hierosoljmis, Mathei in Ethio-
pia etc.? Verum secundum hanc ar^umentationem, quam in ecclesia
occidentali aliam assignabis alicuius apostoli sedem, praeter Roma-
nam sanctorum Petri et Pauli, signanter Petri. Objicis forte, Petrum
nnnquam venisse Romam, sicut quidam ex apocriforum somniis nuper
probare conati sunt, ex quo seqnitur episcopum Romanum non esse
Petri successorem, nee per consequens Petri ibidem residet auctoritas.
Respondetur: Posito — absque veritatis praeiuditio — quod sie sit,
ut tu asseris, nonne praesente nostro evo imperatoris Caroli auctoritas
et potestas in civitate residet Nürnbergensi, apud suum imperiale parla-
mentum. ut omnia imperatoria agat auctoritate, cum imperator ipse
Nfimbergam viderit nunquam. Quare? quia sibi et imperio ita pla-
cuit. Sic ecclesia ab apostolorum tempore iudicavit et tenuit B. Petri
sedem Romae consistere, et episcopum Romanum Petii esse succes-
sorem. Quoad aliorum apostolorum successores modo non discepto,
utrnm et ipsi apostolici dicantur, an non; quia materiam de Petri
primatu implicat, de qua supra protestatus sum, non hoc in loco
disquirere. Unde quisquis iudicas apostolicum et episcopale vel arcbi-
epi<icopale regimen esse ecciesiae catholicae pestem et exterminandum
censes, non de potestate sed de potestatis abusu deceme; potestas
non est Satbanae, sed Cbristi sedes, quicquid sit de sedente.
Traductio D 8: Prima asserit, omnibus apostolis aequalem a
Christo esse potestatem donatam, tamquam legatis a sno latere
misflis. Uaec plenaria coUatio potestatis in primordio necetsaria fuit
apostolis, tamquam primis ecciesiae fundatoribus pro stato novi
testamenti .... et baec commissio duravit per totam ecNroin fitanDL
Ex boc infertur: 1) quod in potestate ecciesiae necesMUria ei pcofi-
cna omnes erant equales, 2) quod in huius potestatif eieontilMM ii
administratione nullus dependebat ab alio, unde non ftnt ima&mb
S. Thomae ex India ad S. Petrum pro cuiuspiam fiacti oonfimailiovA
nuncium mittere, aut Mattheo ex Aethiopia; eorum eqnidem poiflilM
1800. Philo{i.-pbilol. u. bist. GL II. 8. 29
426 Sitzung der historischen Classe vom 8. November 1890.
hat wohl nie ein Vergleich gehinkt; man wird höchstens
sagen können, dass Schatzger auf diese Weise das oberste
Kirchehregiment als ziemlich losgelöst von der Person des
Trägers hinstellen wollte.*) Der aus der damaligen Reichs-
verfassung hergeholte Vergleich gewinnt indessen doch ein
gewisses Interesse, indem Johann Eck in seinem 1521 zu
Paris gedruckten Buche »De priraatu Petri" bei Besprechung
der Frage nach der Stellung Petri über oder neben den
andern Aposteln die Reichsverhältnisse gleichfalls heran-
gezogen hatte. Eck meint, der Kaiser verleihe das Reichs-
vikariat nur dem Kurfürsten und dessen Nachfolgern in der
Kur,*) möchten auch andere Glieder desselben Hauses, die
ebenfalls Herzoge von Baiern seien, dabeistehen. Dass der
Ingolstädter Theologe auf diese Frage hinwies, ist wohl nur
dann zu begreifen, wenn man bei ihm eine völlige, freilich
kaum wahrscheinliche Unkenntniss der scharfen Streitigkeiten
sicut immediate a Christo eis erat collata, sie soli Christo suberat
J. Eck dagegen sagt, III, 43: apostoli caeteri Petniiu agnoverunt
eorum principem esse; unus apostolus non habebat potestatem supra
alium, dempto Petro, qui erat princeps omnium.
1) In der ^Traductio/ E 7, schreibt Schatzger:
,Auctoritas papalis est in ecclesia immortalis. Nee enim
Christus eam per mortem papae aufert, nam 8ine penctencia sunt
dona Dei, sed residet in ecclesia, in concilio, si pro tunc esset
congregatum, aut in eaetu electorum papae/
2) Committit imperator aliquid principi electori Bavariae, ut in
interregno sit vicarius imperii per Sueviam Khcnuiu Bavsiriam Fran-
ciam orientalem ; etiamsi plures alii duces Bavariae sint pniesentes,
tarnen potestas illa vicariatus remanet dumtaxat apud i>rincipem elec-
torem et successores eius in electoratu perpetuo, non in aliis ducibus
qui sunt de eadem domo Bavarica. Lib. I, caj). 16.
j.Examen'' P. 1 : Exemplo sunt haeretici qui inter errores quos
docent et quibus alios inficiunt multa vera et bona scribunt et prae-
dicant, pro quibus et persecutiones patiuntur et nonnunquam mortem
nppetunt, putantes ingens obsequium se probare Deo. (.^uia tarnen
vero carent fundamento . . a Deo reprobabuntur.
17. Druffel: Kaspar Schatzger. 427
«
voraussetzt, nnter denen eben wegen der Nachfolge in der
Kur das Wittelsbachische Haus gelitten hatte, und welche
zur Zeit als Eck schrieb, noch keineswegs endgültig be-
graben waren. Ein Kenner dieser Verhältnisse hätte sie
eigentlich nicht heranziehen sollen als Beispiel einer treff-
lichen Nachfolgeordnung.
In der „Traductio* bespricht Schatzger die Frage nach
der Gewalt der Nachfolger Petri. Er sagt hier, die Gewalt,
welche Christus den übrigen Aposteln verliehen habe, sei
Petrus allein in der Weise übertragen worden, dass dieselbe
auch auf die Nachfolger übergehe; er vermeidet^) indessen,
wie mir scheinen will, geflissentlich ein näheres Eingehen
auf diesen Punkt. Er verwendet auch, so viel ich gesehen
habe^ nirgends die Bulle ^Exsurge Domine", mit welcher
durch Papst Leo X. Luther verurtheilt worden war, vielmehr
1) Traductio Satanae D 6: Primum, bonorin et digpiitatos pri-
matns a praesenti est scrotiDio selegandos, utpote ab evangelio per
ae non intentas. Docet quippe humanae gloriae contemptum et sni
ipsiua yilipendium. Unde evangelicos magister ait: Qoi maior est
vestnim fiat sicut minor, et qui praecessor est sicut ministrator.
Quo verbo ambitionem de boc primata contendentium repressit.
Nihiiosetins et potentiae ac temporalis dominationis primatus, quo
ecclesiasticuB status nostra tempentate plurimum est oneratus, est
posthabendns , tamquara eyangelico tractatni extrarius. Verus et
indubitatus beaii Petri saccessor in plenitudine potestatis a Christo
sibi traditae est episcopus Romanae ecclesiae, etiamsi fingatur
qnod Petrus nunquam faerit Romae. Hanc et nonnullas circum-
stantias superius assignatas et substituendas plerique multis venti-
laverant tractatibus, ob quod hie succinctus pertranseo. «Examen*
0. 1.
Selegabimas autem, chare lector, inpresentiamm beati Peiri
primatnm^ vicariatum, monarchiam et papatum de quo nihil
tialiter me locutunim protestor, in neutram partem dMÜft^^
iadicinm. Scrutabiraur autem de ipsius potettate tikl
stoiatns cum titulo tum officio, quae cum apotiolil
a Christo accepit communia. Replica, 9 2.
428 Sitzung der historischen Ctasse tom 8. Kocember 1690.
bekämpft er seinen Gegner mit wissenschaftlichen Folger-
ungen und Citaten aus der hl. Schrift. Es lag hier eine
Schwierigkeit. Schatzger stand unbedingt zu den Lehren
des Constanzer Goncils; demgemäss war seine Meinung, dass
dem Concil der Vorrang vor dem Papst gebühre. Diese An-
sicht spricht er deutlich und oft genug aus.^) Ihm war in-
dessen gewiss bekannt, dass Eck in seinem Buche ,De pri-
matu" die entgegenstehende Ansicht vertrat,*) wenngleich
1) Es genüge die Schlusssätze in der „Traductio* anznföhren, G 5:
1) Supremum in ecclesia iodicium, inobliqoabile quoad neces-
saria salutis animarum, est in concilio in Spiritu Sancto legitime
congregato et secundum formam evangelicam procedente.
2) Suprema potestas divina ecclesiae aChriato salo-
briter communicata in concilio praefato modo congre-
gato universalem ecclesiam repraeaen tante residet, cum
et papalem et quamlibet aliam complectatur.
Traductio, F 8: Per quem concilium est convocandum? Resp.:
Cum concilium convocetur ad bonum ecclesiae, aequum est et rationi
consentaneum ut per eum fiat, cui generalis cura ecclesiae eat com-
missa. Hie est B. Petri succeHSor, Romanus pontifex . . . qui et in
arduis causis, quae alias remediari non possunt, tenetur huiusmodi
convocationem facere .... Unde si pertinaciter renueret sine legitima
causa in gravem ecclesiae iacturam, posset concilium per alium con-
gregari modum. De hoc et sequentibus salubres in concilio Constan-
tiensi factae sunt Ordinationen.
2) Dico quando papa esset indubitatus et non subesset haeresis
aut alia causa ob quam posset deponi, tunc nee concilium nee ali-
quis qui vivit posset alteri tantam potestatem dare, quantam habet
papa. p]ck De Primatu III, cap. 50. Bemerkenswerth ist, dass Eck
von dem V. Lateranconcil schreibt: Non liquet mihi de illo decreto
[er meint die Constitution Pastor aeternu:«, vgl. Hefele-Hergenröther
VIII, 710] novissimi concilii. Vidi enim aliquas, non omnes dit'fi-
nitiones illius concilii, dein, dato eo quod ita sit diffinitum in con-
cilio Lateranensi, quod me praeterit, diluitur sua obiectio facil-
lime; et quia in manibus est solutio D. Thomae de Vio Caietani,
({uue mihi apparet bona esse et valida, ideo eam renarrabo; ib. IIl,
41), vgl, Hergenröther VIII, 474. Ein Druck der Concilsakten wurde
allerdings ernt 1520 veranstaltet, vgl. Hergenröther VIII, 735.
V, Druff el: Kaspar Schatzger, 429
unter Festhaltung der Meinung, dass ein Papst in Häresie
verfallen könne. Gegen den befreundeten berühmten Ingol-
städter Theologen ausdrücklich aufzutreten, schien ihm wohl
nicht erwünscht zu sein. In dem 4. Kapitel der ^Traductio^
entwickelt er die Lehre von dem Vorrang der Concilien,
auch über den Papst, mit grosser Ausführlichkeit und Deut-
lichkeit. Ihm bestehen die Bestimmungen des Concils von
Constanz völlig zu Recht, welche anordnen, dass das Beruf-
ungsrecht des Papstes in besonderer Nothlage verloren gehen
könne. Und er lässt seinen Lesern keinen Zweifel darüber,
dass er selbst die Berufung eines Concils für dringend noth-
wendig hielt.^) Auf die Thätigkeit des Satans führt er die
damaligen Bestrebungen, ein Concil zu hindern, zurück:
„Weil die Abhaltung eines allgemeinen Concils nach mensch-
lichem Ermessen das einzige Mittel ist, um Spaltungen, Irr-
lehren und Aergernisse aus der Kirche zu beseitigen, be-
sonders in jetziger Zeit, wo die apostolische und kaiserliche
Majestät verachtet und geringgeschätzt wird, so wagt der
Satan die Berufung und Abhaltung eines Concils in ver-
schiedener Weise zu hintertreiben.**) Er hat hiebei nicht
bloss Jene im Auge, welche mit dem Hinweis auf die Un-
fähigkeit der Prälaten Sonder bestrebungen förderten, sondern
auch diejenigen, welche ein Concil für überflüssig erklärten,
weil der hl. Qeist ohnedies die Kirche lenke. Früher^)
1) Exaraen novarum doctrinarum Nr. 3. Quam necessaria autem
Sit nostro aevo talis concilii generalis celebratio, nemo est qui igno-
rat, cum in dies errores et haereses pullulent, dormientibus ecclesiae
pastoribns. Praeterea, etsi non dormiunt, vident se nihil proficere.
AatotiMimum enim daemoninm meridiannm, qaod modo potenter
regnat, banc aubditis persnasit sospicionem, qnod praelati ecclesiae
non regnent ex Deo, non sint veri pastores, non qnaerant animas s^
tint Inpi rapaces perversi, et aliurum perversores, Teriftalit et liber-
tatifl eyangelicae persecutores.
2) .Traductio* G. 6.
3) , Examen' N 3.
430 Sitzung der historischen Classe vom 8, November 1800,
hatte er mit bitteren Worten sich auch gegen diejenigen
erklärt, welche von einem Concil eine noch schlimmere
Spaltung erwarteten, oder eine Reform ihres Standes und'
ihrer Missbräuche fürchteten, oder auch die voraussacht-
lichen Kosten des Concils geltend, und damit das Wort des
Apostels wahr machten: Alle suchen, was ihrer, nicht was
Jesu Christi ist.
Wer, wie unser Minorit, dem Standpunkt des Con-
stanzer Yerfassungsrechtes huldigte und dabei die Vorgänge
auf der 5. Lateransynode in sich aufgenommen hatte, musste
nothwendig dahin kommen, bestimmte Einschränkungen
hinsichtlich der Gültigkeit der Concilsbeschlüsse aufzustellen.
Seine Forderungen in dieser Beziehung sind:^) Nach dem
apostolischen d. h. nach dem evangelischen Vorbild des
Concils von Jerusalem muss es auf dem Concil zugehen.
Petrus, obgleich der erste der Apostel, habe dort doch nicht
das Schlussurtheil verkündet, sich auch nicht im geringsten
über seine Genossen erhoben, Jakobus durch Anführung von
Schriftstellen seine Ansicht vertreten dürfen, man habe Nie-
manden, der Gehör verlangt, hochmüthig zurückgewiesen
und nicht durch allzu grosse VVerthschätzung der persön-
1) , Examen* Nr. 1: Talia fidelium congregatio, Kanctam eccle-
siam catholicain repraesentans, debet fieri in Spiritu Sancto et in
actibus suis, ne erret et ad hoc, ut firnia sit eius sententia, secun-
dum fomiam apostolicam procedere forma autem aj)Ostolica
forma est evangelica quam in suo servaverunt concilio Hierosolymi-
tano, in quo non quivis sed apostoli et presbyteri sunt convocati,
nihilominuö onines ad disceptandum et au dien dum ad-
missi .... Petrus quo<jue iudicium suum proponens, quamvis esset
primus inter apostolos, aent^ntiam tarnen diffinitivam non jiromul-
f^avit, nee se aliis vel in minimo praetulit, Jacobus sententiam suara
per scripturaa prol»avit. Nulla ibi de prioritate aut locatione sive
sessione contentio, nulla oorrupta intentio, nullius pie audientiam
petentis superba repulsio, nulli ob personae dignitatem vel autori-
tatem officii delatum est in derogationem verit-atis.
V. Druffel: Kaspar Schatzger. 431
liehen Würde oder des Amtes eines Einzelnen die Wahrheit
geschädigt. Die Verbindlichkeit der Beschlüsse allgemeiner
Concilien lässt Schatzger denn auch in solchen Fällen nicht
gelten, wo dieselben augenscheinlich mit der hl. Schrift im
Widerspruch stehen.^) Aber nur, wenn dies völlig augen-
scheinlich ist, gestattet er den Widerstand, im Zweifel ver-
langt er Gehorsam; denn ein unverschuldeter thatsächlicher
Irrthum werde von Gott nicht zur Schuld angerechnet werden,
falls man der Kirche gehorcht habe.
Schatzger sucht hier die nach seiner Meinung allzu
weit gehenden Folgerungen aus seinen Lehren abzuschwächen,
wie er denn in ähnlicher Weise an anderer Stelle die Beob-
achtung kirchlicher im göttlichen Gesetze nicht genügend
begründeter Eirchenvorschriften auch denen zur Pflicht
1) Replica, R. 4: Asseritar inter alia novella dogmata, magis
credendnm rurali alleganti divinam scripturam, secundum verum quem
Spiritus Sanctus efflagitat sensum, quam concilio in eadem materia
scnpturam ad sinistrum detorquenti sensum, aut sine scriptura con-
trarium decernenti ; assentirer, fatemur ingenue, uec concilio generali
acquiescendum aperte contra divinam scripturam decernenti, sed in
dubio decreto concilii standum.
Examen, N 2: Objicis: quis me certificabit de illis circum-
stantiis, quae in concilii determinatione aliqua, concemente neces-
saria ad salutem, concurrerint et eint observatae, ut sie possim fir-
miter absque eunctatione adbaerereV Responsio: Quamdiu certitu-
dinaliter tibi non constat contrarium, debes incunctanter determina-
tioni concilii adhaerere.
In der ,Traductio* G 5, wird dieser Punkt in folgender Weise
erörtert:
Quamdiu cuivis certitudinaliter non constat contrarium, debet
incunctanter concilii decreto adhaerere, in quo, si quis intercessisset
error, obtemperant(i) non imputaretur in animae pericolum, tnm quia
habet ignorantiam facti iustam, quae invincibilis dicitur, neqne enim
quis tenetur omnes concilii circumstantias et procesrai wte. tum ob
hnmilem et devotam obedientiam, quam hoc ipso mftU
hibet, tum, tertio, quia in causa ambigua iadicaadiui
cilii sententia.
432 Sitzung der historischen Glosse vom 8. November 1890.
macht, welche davon für sich keine Erbauung erwarten; die
Achtung vor der Mutter, die Rücksicht auf den Nächsten
muss hiebei bestimmend sein. Er schärft auch mit Eifer ein,
dass die Fehlerhaftigkeit der Diener der Kirche bedeutungs-
los sei für die Wirksamkeit ihrer Verrichtungen, so lange
die Kirche sie dulde. Seine Erörterungen über die Mög-
lichkeit eines Irrthums bei den Concilien führen ihn nicht
zu dem Urtheile, dass es ein Verbrechen sei, um des
Glaubens willen die Todesstrafe zu verhängen, vielmehr tritt
Schatzger ausdrücklich für die Ketzerverbrennung ein.^) Ob-
schon er aber so vielfach für die bestehenden kirchlichen
Einrichtungen seine Stimme erhebt, durchzieht doch alle
seine Schriften der Gedanke, dass es in der bisherigen Weise
nicht vorwärts gehen könne, dass eine tiefgreifende Besser-
ung der kirchlichen Zustände eintreten müsse. Er will das
mannigfache Wahre und Gute, welches sich auch in den
Schriften der falschen Apostel und Prediger vorfinde, ver-
werthet wissen, man solle es den ungerechten Inhabern fort-
nehmen und zu eigenem Nutzen gebrauchen, denn — so
fügt er geschmacklos hinzu — auch im Mist finden sich
zuweilen Perlen. Schatzger meint, der Hass der Laien gegen
die Klosterleute sei erklärlich; denn stets niüssten jene sieh
den Ausspruch gegenwärtig halten: *Thue nach ihren
Worten, aber nicht nach ihren Werken/ Schatzger ist in
heller Verzweiflung über die damaligen kirchlichen Zustände,
er meint, der Papst mit allen seinen Erzbischöfen, Bischöfen
1) In der ^Replica,** 8 sagt Schatzger von der Bestimmung
Deuteron. 17: Haec, inquam, constitutio iuste vindicari potest et in
novo testamento, ut haeretici obstinati igni tradantur.
^Examen,** Q 3: Sicut defensanda est ecclesia contra tempo-
rales vastatorefl, aeque, imnio amplius, contra animaruni trucidatores,
cuiusmodi sunt haeretici, non censura solum ecclesiastica, verum
etiani tcmporali et niateriali ferro et igne, decernente domino in
Deuter.
17. Druff el: Kaspar Schatzger. 433
und dem gesammten Klerus müssten zu Grunde geben. Seine
einzige Hofinung ist ein Concil, von dem er erwartet, dass
es in der Weise vorgehen werde, wie er es selbst als noth-
wendig bezeichnete. Von einem solchen erwartete er die
Wiederherstellung der Kirche in ihrer ursprünglichen Rein-
heit und Einigkeit, die Beseitigung aller der Missstände,
welche er selbst als vorhanden anerkannte. In dieser HoflF-
nung berührte er sich in seinen Gedanken mit den trefiF-
lichsten seiner Zeitgenossen den in beiden sich so schroff
gegenüberstehenden kirchlichen Lagern.
Nachtrag zu S. 414 Anm. 1:
Während alle Exemplare der hiesigen Staatsbibliothek nur den
von Marstaller an »eine Freunde vernchickten Druck als Beilage des
Werkes von Billicanus aufweisen, ist das in dem Katalog 70 des
Rosenthalschen Antiquariats unter Nr. 8210 aufgeführte Exemplar
ein solcbea, in welchem Marstallers Brief im Anschluss an des Billi-
canus Werk und unter fortlaufender Paginirung (Bogen e) erscheint.
Damit föUt die ausgesprochene Vermuthung. Es mag noch bemerkt
werden, dass das Exemplar des Marstallcrschen Briefes Polem. 818m
die eigenhändige Notiz von J. Eck trSgt: „D. Mathiae Kretz [vgl.
über diesen Prantl I. 138] — Eck,* und dass die Confutatio Billican's
adversus propositiones Marstalleri den Vermerk trägt: ,Dono celeber-
rimi viri D. Leonardi Vuolfeck, senatoris ducalis, domini sui et patroni
maximi.* Leider vermag ich die Hand nicht festzustellen. Aber
könnte man nicht daraufhin vermuthen, dass Leonhard von Eck es
überhaupt war, der die Ingolstädter auf Billicans Angritt' erst auf-
merksam machte? Dadurch würde sich auch sehr natürlich ergeben,
wesshalb Marstaller sich an Leonhard von Eck mit seiner Entgegnung
wandte.
434 Sitzung der historischen Clcuise vom 8. November 1890.
Herr v. Reber hielt einen Vortrag:
„Ueber den Karolingischen Palastbau;
I. die Vorbilder.*
Derselbe wird in den Abhandlungen veröfiFentlicht
werden.
435
Historische Classe.
Sitzung vom 6. Dezember 1890.
Herr Uiezler hielt einen Vortrag:
^Der Hochverratsprozess des herzoglich baye-
rischen Hofmeisters Hieronymus von Stauf,
Reichsfreiherrn zu Ernfels.*
Noch schmachtete ein bayerischer Staatsmann, der einst
zu den mächtigsten im Reich gezählt hatte, der frühere
Landshuter Kanzler Kolberger, im Kerker, wo ihn vor vier-
zehn Jahren ein wahrscheinlich unbegründeter Argwohn
seines Landesherrn eingeschlossen hatte und nun der Hass
der Pfalzgrafen festhielt — da endete am 8. April 1516 zu
Ingolstadt unter dem Schwert des Henkers der glänzendste
und einflussreichste aus dem bayerischen Beamtenkreise, der
Hofmeister Herzog Wilhelms IV., Hieronymus von Stauf,
Reichsfreiherr zu Ernfels — ein Drama, das an grässlicher
Tragik noch den Sturz des Landshuter Kanzlers überbot und
dem im ganzen Verlauf der bayerischen Geschichte kein
ähnliches an die Seite gestellt werden kann. Dass es allent-
halben ungeheures Aufsehen erregte, ist selbstverständlich;
seine Bedeutsamkeit steigert sich, je mehr man in die Kennt-
nis der Zeit eindringt, wie denn der tiefe Eindruck, den es
vor allen auf die Standesgenossen des Verurteilten gM 1^
haben muss, wohl nicht unterschätzt werden darf, wen
nach den Gründen forscht, welche unter Wilhelm ',
436 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dezember 1890.
Ludwig X. die Haltung der Landschaft von dem selbstbe-
wussten Eingreifen, ja der üeberhebung der ersten Jahre
so bald 7A\ unterwürfiger Fügsamkeit umschlagen Hessen.
Gewährte das mittelalterliche Hofmeisteramt, als dessen
letzter Repräsentant im alten Sinne der Staufer in Bayern
betrachtet werden kann, seinem Inhaber eine Stellung, welche
— soweit ein Vergleich mit der Gegenwart zu^ssig ist —
Befugnisse"eiues Ministers des Auswärtigen und des herzog-
lichen Hauses, eines Kabinetsvorstaudes und zugleich person-
lichen Adjutanten des Landesfürsten vereinigte, so wirkte in
diesem Falle auch die Persönlichkeit durch sich selbst, über-
dies kam damals die Jugend der Herzoge und ihre Zwie-
tracht, kamen die Erschütterung der gesetzlichen Erbfolge-
ordnung im Fürsten hause und die daran anknüpfenden, das
Land durchwühlenden Parteiungen hinzu, um diesem ersten
Hof- und Staatsbeamten eine ganz ausserordentliche Macht-
stellung zu schaffen. Das kann man nicht leugnen, sagt
Aventin, dass Hieronymus, wäre er nur ehrlich geblieben,
im ganzen Bayerlande keinem Adeligen nachstand, mag man
nun Geburt oder Reichtum, Verstand oder Beredsamkeit in
Betracht ziehen. Hinzuzufügen ist, dass an politischem Ein-
fluss der Staufer zweifellos nicht nur keinem nachstand,
sondern alle überragte. Es soll aber hier keine Lebens-
beschreibung des Mannes entworfen, sondern nur so viel er-
wähnt werden, als zum Verständnis seines Prozesses dienlich
erscheint.
Hieronymus entstammte einer jener bayerischen Adels-
familien, welche von Kaiser Friedrich HI. mit der Reichs-
frei Herrn würde ausgezeichnet, dadurch aber einem teilweise
nicht unberechtigten Misstrauen ihrer Landesherrn ausgesetzt
worden waren. Bekannt ist der Witz, den man damals am
kaiserlichen Hofe aufgebracht haben soll: dass sich drei
grosse Hansen aus Bayern freien Hessen. Die neuen Frei-
herren hiessen nämlich Hans von Degenberg, Hans von Aich-
Bietler: Prozess des Hieronymus v. Stauf. 437
berg und Hans von Stauf, des Hieronymus Vater. ^) Auch
geistige Interessen scheinen in der Staufisehen Familie nicht
fremd gewesen zu sein: die Namen Farzival, Gramoflanz,
Feirafiss, die Söhnen des Hauses beigelegt wurden, künden
von dem Kultus, den man hier der alten Heldenpoesie
widmete; als unerschrockene Bibelforscherin und Vorkämpferin
fQr Luthers Lehre lebt des Hieronymus Nichte, Argula
von Grumbach, die Tochter seines Bruders Bernhardin, in der
Geschichte fort. Als eines der Häupter des Löwenbundes
hatte Hieronymus gegen Herzog Albrecht IV. in offener
Fehde sich aufgelehnt. Er und sein Bruder Bemhardin
waren die ersten Verbündeten, die losschlugen, aber man
darf nicht übersehen, dass Hieronymus seinen Bruder an-
fangs von dem Abschluss des Bundes zurückzuhalten und die
Zwistigkeiten mit Herzog Albrecht gütlich beizulegen ver-
suchte.*) Schon in diesem Kriege hatte Hieronymus die
mächtige Hand seines Landesfürsten zu fühlen bekommen;
er war von diesem besiegt und zur Haft gesetzt worden
(1491). Nachdem aber die Staufer im August 1493 einen
Sühnevertrag mit Herzog Albrecht geschlossen hatten,
scheint es, dass sich der Fürst edelmütig, die Unterthanen
loyal genug erwiesen, um über alles Vorausgegangene den
Schleier des Vergessens fallen zu lassen. Dafür sprechen
wenigstens die wichtigen Aemter, die den Staufem vom Her-
zoge nun übertragen wurden, und die hervorragenden Dienste,
die sie darin leisteten. Als herzoglicher Hauptmann zu
Straubing*) focht Hieronymus, sein Leben einsetzend, für
1) Wiguleus Hund, der dies überliefert (Stammenbuch II, 307),
erwähnt aach der Weissagung, dass über hundert Jahre von diesen
Geschlechtem keiner mehr leben werde. ,Und steht nun darauf, dass
diese Prophezei wahr werde, denn Aichberg ist hindurch, Stauf und
Degenberg, deren jedes steht nur auf zwei Augen, dieses 1586. Jahrs.
Gott wolle sie noch länger erhalten!"
2) Vgl. Erenner, Landtagshandlungen X, 167.
8) 8. Beilage Nr. 8.
438 Sitzung der historischen Classe vom 6. Deeember 1890,
Albrecht im Erbfolgekriege, in der Böhmenschlacht und vor
Dingolfing wurden ihm Pferde erstochen, sein Bruder Bem-
hardin ward mit der wichtigen Hauptmanns- oder Vitztums-
stelle in dem neugewonnenen Landshut betraut, ja noch von
Albrecht selbst als einer der Vormünder seines Erstgeborenen
und Mitglied des Regen tschaftsrates bestellt. Laut eines nicht
ganz sicheren Zeugnisses soll Albrecht freilich seinen Nach-
folgern die Mahnung hinterlassen haben, seine Niederlage im
Rechtsstreit mit den Löwenrittern nicht ungerächt zu lassen,
aber auch wenn dem so war — der Gedanke, dass dreiund-
zwanzig Jahre später beim Prozess der »Söhne gegen Hiero-
nymus, nach so vielem, was dazwischen lag, diese Mahnung
noch in Erinnerung geblieben und befolgt worden wäre, ist
zurückzuweisen. Dagegen liefen allerdings nach einer andern
Richtung noch Fäden von dem Prozess bis zu jenen Ereig-
nissen zurück: Ausdrücke des Hasses, den Hieronynius da-
mals gegen seinen Landesherrn eingesogen, ja Mordgedanken
gegen denselben bildeten noch jetzt, ein Vierteljahrhundert
später, einen Gegenstand der Anklage.
Im Februar 1514 wurde durch einen landständischen
Ausschuss der herzogliche Hofhalt neu geregelt, Gregor von
Egloffstein, der bisher Hofmeister Herzog Wilhelms gewiesen,
„ausgemustert" und als Hofmeister für beide Herzoge, Wil-
helm und Ludwig, Hieronynius von »Stauf bestellt,^) der schon
1) S. Landtag v. 1514, S. 178. Ausser ihm erscheint ein ,,Land-
hofnieister," Kitter Wolf von Ahaini, und ein besonderer Hofmeister
Herzog Ernsts, Heinrich Muckenthaler. Dass der Staufer als Hof-
meister bei den beiden zusammen regierenden Fürsten bestellt wurde,
erhellt aus den folgenden Ereignissen, v. Lilien nennt H. v. St.
„obersten Hofmeister Herzog Ludwigs, Kat H. Wilhelms und Landes-
hauptmann in Ingolstadt." Kr beruft sich hiefür auf Hund II, 308,
wo jedoch nur steht : „(er) war in grosser (inad und Thuon bey
Hertzog Wilhelm, und Hertzog Ludwig oberster Hotfmaister." Kr-
wägt man, das« Ludwig etwa im März 1512 erst aus der Aufsicht
seines Lehrmeisters Aventin entlassen wurde und dann ,in das dritte
Jtiezter: Prozess des Hieronymus v. Stauf. 439
•
vorher als Wilhelms Rat und Gesandter eine bedeutende Rolle
bei Hof gespielt hatte. Als Hofmeister gehörte er zu den »täg-
lichen,* d. h. ständigen Räten in München^") und hatte im her-
zoglichen Schlosse selbst seine Wohnung.*) Wo nur ein wich-
tiger politischer Vertrag abzuschli essen ist, treflfen wir ihn
nun unter den Vermittlern oder Zeugen, wo eine vertrau-
liche oder schwierige Botschaft, sei es an den kaiserlichen
Oheim, die Landstände oder andere gerichtet wird, niemand
wird öfter dazu ausersehen als Hieronymus. Er ist auch
unter den vier Beamten und Landständen, die (9. Sept. 1515)
allein in das wichtigste Geheimnis der herzoglichen Politik,
in den Plan, die verlorenen Lande wieder beizubringen, ein-
geweiht wurden.
Doch wir müssen hier, wenn der Prozess verstanden
werden soll, auch die politischen Ereignisse der voraus-
gehenden Jahre ins Auge fassen. Wilhelm IV. hatte an
dem Tage, da er sein 18. Lebensjahr erreichte, 13. November
1511,') gemäss der Primogeniturordnung seines Vaters die
selbständige Alleinregierung angetreten, bald aber durch
eigenmächtiges und unreifes Gebahren^) den heftigen An-
Jahr' vom Kaiser «in seine Zucht und Regierung genommen war*
(Landtag v. 1514, S. 306), so bleibt für einen besonderen Hofmeister
Ludwigs vor dem Eingreifen der Landschaft im Jahre 1514 kein Raum.
Hunds Angabe dürfte (wenn nicht etwa nur falsche Interpunktion
im Drucke vorliegt) auf Verwechselung mit H. Wilhelm beruhen.
1) Landtag v. 1514 a. a. 0.
2) Landtage v. 1515, 1516, S. 588.
3) S. Krenner, Landtagshandlungen XVIII, 374, 379, wodurch
Häutle's (Qenealogie des Hauses Witteisbach S. 42) Angabe über das
Ende der Vormundschaft (18. März 1511) als irrig erwiesen wird.
4) Auch der Vorwurf der Verschwendung ward damals gegen
Wilhelm erhoben. Als aber 1515 neuerdings die Klage laut wurde,
•als sollt S. Gnad am Kais. Hofe die Zeit her abermals viel verthan
haben, verspielt und verschwendt/ erklärten seine Räte, „daran sei
Sr. Gnaden hievor wie jetzt grässlich und öffentlich Unrecht be-
schehen.* Landtage v. 1515 u. 1516, S. 31.
440 Sitzung der historischen Glosse txm 6. Dezember 1890.
stürm einer in der Hauptsache wohlbegründeten ständischen
Opposition heraufbeschworen. Als der Herzog im Oktober
1512 den Versuch machte, durch Einberufung des Land-
schaftsausschusses die Landschaft selbst zu umgehen, welche
gesetzlich zur Huldigung, Bestätigung der Landesfreiheiten
und Erlassung von Landgeboten berufen war, war es eben
Hieronymus von Stauf, durch dessen Mund die einberufenen
Landschaftsglieder sich als nicht zuständig erklärten.*) Wie
aber die Dinge lagen, äusserte die Missachtung und Ver-
stimmung, die der jugendliche Herzog gegen sich herauf-
gerufen, eine noch schlimmere Wirkung, als sie unter allen
umständen gehabt haben würden. Nur durch sie ward es
ermöglicht, dass das von 64 Landständen, von den Ersten
des Landes besiegelte Primogeniturgesetz, diese kostbare
Hinterlassenschaft Albrechts des Weisen, gleich die erste
Probe seiner Wirksamkeit nicht bestand und durch dieses
Versagen dem Lande nochmal die Gefahr eines greuelvollen
Bruderzwistes erschreckend nahe trat. Aufgestachelt von einer
in dieser Hinsicht unverständigen Mutter und vom kaiserlichen
Oheim, der von eigennützigen Absichten in diesem Handel
kaum freizusprechen sein dürfte, leimte sich der lebenslustige
zweite Bruder Ludwig gegen die für ihn allerdings harten Be-
stimmungen der väterlichen Erbfolgeorduuiig auf. Gewichtige
Unterstützung fand er darin, dass die Neuerung des Vaters
gegen das allgemeine Herkommen und gegen die Öifentliche
Meinung verstiess. Die Landschaft aber ward durcii diesen
Streit im Hause der Landesfürsten noch einmal zu glänzender
Machtstellung empor gehoben. Ohne Zögern, teils durch den
Anstoss, den des jüngeren Bruders autfallende Zurücksetzung
weckte, teils durch tiefen Missmut über das Treiben des
regierenden Fürsten bewogen, ergriffen, gleich dem Kaiser
und der Herzoginwitwe, auch die Landstände Partei für
1) Liindtaj^Hhandlungen XVUI, il*J.
aVrfcr; Proifi-i ilt, lliti
'. Stnvf.
411
Lndwig, Sie forderten fllr ihn lüe Mitrexiening, schlössen
(1. h'fbniar 1514) ein Bdndiiis zur Handhabung ihrer Frei-
hpiten und setzten »us ihrer Mitte einen Viereraiisscbiifts
nieder, der bedenklich au eine (legcnregieninf^ erinnerte,
'■«fuhrt v'>n dem geistrollen und redegewandten Humanisten
Dietrich von Plieuingen traten sie Wilhelm mit Freimut
und Kner^e gej^etitlber. Ae setzten durch, diiss Ludwig in
Avi MitreKierung iiufgenumnien, Albrecbts I^rbfolgegesetz also
Dai]^t(uwen wnrde, ja sie ernannten selbst die neuen Rute,
tlie Wilhelm, bis er vierandzwaniig Jahre erreicht haben
;ine Regentschail zur Seite stehen stillten, l'nter
, HSten befand sich — man möchte sagen, a!« nnent-
iobe Persönlichkeit — wiederum der herzoglielie Hof-
^r Hieronymiis von Staiif.
JM» Histracht der Brilder. die durch dieees Abkommen
^ftthrt Ward, ging so weit, ^oi» sie Tisch und Schlaf-
bsh teilten, abor sie wührte nur wenige Wochen. Da
[aiser gegen die Landschaft strengen Tadel wegen ihrea
reifena aussprach und ihr bei Strafe der Aclit alles
I Vorgehen untersagte, bot dies Wilhelm Rückhalt zu
IVeranche, die Mitregierung des Bruders abzuscLlitteln
■ich der denidtigenden Abhängigkeit vom Kegentscbufls-
"nod den Stünden xu entwinden. Gewisse Massregetn
pBersflgH und Drehworte, die er gegen einige seiner [tüte
itieüs, riefen eine neue Verstimmung der Landschaft gegen
Wilhelm hervor, welche an Schärfe die zu Anfang seiner
Regierung zutage getretene noch fiberbot. Wilhelm verlieas
datnaU München, wo sein Bruder und die Stände nun freie
Huid erhielten, reiste /.um Kaiser, der ibti in seinem Wider-
iitand gegen die Landschaft bestärkte, und richtete sieh in
Bnrghunäen einen bn^nderen Hofhalt ein, wiewohl der dor-
tige Uauiitmann am :t. Aj>ril nn den SUufer berichtet hatte:
ilhülm möge eich nicht zu sehr niif Avus Niederlnud ver-
1 soweit er die Stimmung durchschaue, sei sie fQr die
nii(ia.-i<i>iiui. u. iiut. 01. II n. m
442 Sitzung der historischen Classe vom 6: t>ezember 1890.
Landschaft. Herzog Ludwig schrieb am 4. Jali an den
Staufer, der Wilhelm begleitet hatte: es nehme ihn Wunder,
dass er nach seiner vorher gemachten Zusage ihm nunmehr
„so gar nichts* schreibe oder entbiete; er möge ihn wissen
lassen, aus welchen Ursachen Wilhelm den Kaiser aufsuche,
nachdem doch dieser sie geheissen habe, ihren Wohnort
nicht zu verlassen, bis er in die Nähe käme. Eine ständische
Botschaft wurde vom Herzog in Burghausen, wie sie klagte,
«grässlich geschmäht und verachtet*. Schon erzählte man
sich, ein Diener Wilhelms habe geäussert, etliche der Land-
schaft müssten noch ihre Köpfe verlieren, schon beschloss
der Landschaftsausschuss, wenn Wilhelm noch länger in
seinem Widerstand beharre, nach einem geschickten Feld-
hauptmann sich umzusehen.
Schwer belastende Gerüchte waren damals über den
Staufer in Umlauf. Wiewohl selbst Mitglied des Landschafts-
ausschusses, habe er Wilhelm gegen die Landschaft auf-
gehetzt und ihm geraten, den brüderlichen Vertrag zu um-
gehen, habe sogar den Ausschuss grundlos des Planes be-
zichtigt den Fürsten aufzuheben. Eifrig habe er alle Räte
wider die Landschaft aufzustiften gesucht und in aller Form
als Hofmeister den brüderlichen Vertrag als nicht mehr giltig
behandelt, wiewohl er vor seiner Abreise mit dem Herzog
sich gegen einige Räte äusserte: sollte Wilhelm gegen den
Vertrag etwas vornehmen wollen, so werde er das wider-
raten und die Landschaft zu rechter Zeit warnen.^)
Infolge dieser Gerüchte Hess die Stadt München Herzog
Wilhelm erklären, er könne ohne jeden Argwohn in ihre
Mitte kommen ; sie verbürge sich mit Leib und Gut für
seine Sicherheit. Im August entsandte Wilhelm seinen Hof-
meister und den Grafen Christoph von Ortenburg an den
Münchener Rat, um demselben verschiedene Beschwerden
1) Landtag v. 1514, S. 549 f.
liiezler: Prozess des Sieronymus v. St auf. 443
vorzutragen, und bei dieser Gelegenheit ward der Staufer von
Dietrich von Plieningeu im Auftrag Herzog Ludwigs und
des Landschaftsausschusses auf dem Rathause zur Rede ge-
stellt. Nachdem er von der Landschaft als Hofmeister für
beide Fürsten aufgestellt worden sei, möge er nun erklären,
wie sein Verhalten damit in Einklang zu bringen sei. Der
Staufer forderte schriftliche Zustellung der Anklage. Da
dies verweigert wurde, ritt er trotzig hinweg, ohne sich zu
verantworten, und sandte von Burghausen aus an Herzog
Ludwig die schriftliche Aufkündigung seiner Rats- und Amts-
pflicht, welchem Beispiele das ganze Burghauser Hofgesinde
folgte.
Das Verhalten des Staufers in dieser Erisis hat später
einen der Punkte der gegen ihn erhobenen Anklage ge-
bildet, ja man geht wohl nicht zu weit, wenn man annimmt,
dass in der Erbitterung, welche der Hofmeister damals bei
Herzog Ludwig^) und der Landschaft gegen sich wach-
rief, die nach anderthalb Jahren gegen ihn eingeleitete Ver-
folgung vornehmlich wurzelte.
Gegen Ende des Sommers war es so weit gekommen,
dass ein Bruderkrieg in Sicht schien. Schon rieten kaiser-
liche Räte Wilhelm, er solle München und Landshut mit
Gewalt besetzen, schon warb dieser in Böhmen und Franken,
Salzburg und Passau Söldner, während Ludwig, der über
die Kräfte des Landes verfügte, überall Hauptleute und Kriegs-
räte aufstellte. Dann kam doch (14. Sept.) am kaiserlichen
Hoflager zu Innsbruck ein von beiden Herzogen und dem
Landschaftsausschusse besuchter Vergleichstag und dort die
Aussöhnung der Brüder zustande. Das Ziel ward nicht
durch die kaiserliche Vermittlung erreicht, vielmehr beför-
1) Ludwig bezeichnete in seiner Antwort das Schreiben des
Staufers als ,nngebührlich* and „^r fremden Inhalts/ Landtag v.
1514, S. 569.
30*
444 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dezember 1890.
derte der in den Herzen der Brüder damals rege gewordene
Argwohn gegen die Ehrlichkeit der kaiserlichen Absichten die
Annäherung der Fürsten. Auf Seite Wilhelms aber wirkte
wohl auch die allmählich durchgedrungene Ueberzeugung
mit, dass er im eigenen Lande so gut wie keinen Halt habe.
Die Niederbayern, in deren Mitte er Anhang gesucht, hatten
unzweideutig zu verstehen gegeben, dass sie nicht gesonnen
seien, den Standpunkt der Landschaft preiszugeben.^) Briefe
des Burghauser Hauptmanns Thomas von Wallbrunn, welche
kurz vor dem eingetretenen Umschwung (am 21. Sept. und
1. Oktober)*) an den Staufer gerichtet wurden, erwähnen den
Verdacht, der auf ihnen beiden ruhe, als ob sie Wilhelm
leiteten und beherrschten , und mahnen , der Staufer möge
vor allen Dingen die (kaiserliche) Bestätigung ihrer «Gab*
zu erlangen streben.
Von dem Abkonmien, das nun zwischen den Brüdern
geschlossen wurde, heisst es: es sei insgeheim «durch etliche
treffliche Personen* vermittelt worden. Nichts liegt näher,
als diese , trefflichen Personen* in den vier fürstlichen
Räten zu suchen , welche als Zeugen des Abkommens ge-
nannt werden. Einer von diesen aber war Wilhelms Hof-
meister Hieronymus von Stauf.^) Der brüderliche Einungs-
vortrag ward am 14. Oktober auf der Heimreise vom Inns-
brucker Tage zu Rattenberg beurkundet. Er besagte, dass
Ludwig ein Drittel des Landes erhalten sollte, und sicherte
allen an den vorausgegangenen Streitigkeiten Beteiligten
Vergeben und Vergessen zu. Dass nun die Landschaft,
die keine neue Landesteilung wollte , der Ausführung des
Vertrags widerstrebte , auch die Brüder selbst über die
Art der Teilung sich nicht einigen konnten, brachte noch
1) Darüber verbreiten nun die Schreiben Wallbrunns Liebt; Bei-
lagen Nr. 7 und 11.
2) Beilagen Nr. 10, 11.
3) Landtag v. 1511, S. 774.
Riezler: Prozess des Hieronymus v. Stauf, 445
keinen Riss in die neugewonnene Eintracht, sondern veran-
lasste die Herzoge nar, sich nun zu gemeinsamer Regierung
zu entschli essen. Dahin einigten sie sich in einem am
20. November 1514 zu München beurkundeten Vertrage zu-
nächst auf drei Jahre. Die Unterhändler dieses Abkommens
waren acht fürstliche Räte, an ihrer Spitze wiederum Hier-
onymus von Stauf. Die der Landschaft und allen Beamten
hinsichtlich der jüngsten Vorgänge zugesicherte Amnestie
ward neuerdings ausgesprochen.
Mehr als ein Jahr Hessen jedoch die Herzoge verstreichen,
bis sie der Landschaft diesen neuen Vertrag eröffiieten. Die
Unklarheit in der wichtigen Frage, wie es mit der Regierung
bestellt sei, dann auch der Umstand , dass Herzog Wilhelm
die Stände einige Wochen auf sein Erscheinen warten liess,
riefen auf dem Landshuter Landtage, der auf den 30. No-
vember 1515 einberufen worden war, neuerdings eine ge-
wisse Verstimmung gegen den älteren Herzog hervor, i)
Wilhelm entschuldigte sein Ausbleiben mit dringenden Ge-
schäften beim Kaiser, in der Versammlung aber herrschte
die Anschauung vor, dass sein Hofmeister die Schuld daran
trage. Es ist ein grosses Geschrei über den Hofmeister —
1) Einen interessanten Stimmungsbericht bietet das Schreiben
des Sekretärs Kölner an Herzog Wilhelm y. 4. Dez. ans Landshut
(Landtage, S. 270 f., gekürzt bei v. Freyberg, die Staafer II, 94 f.).
Man sieht daraus, dass H. Wilhelm anfangs diesem Landtage nicht
recht traute und unschlüssig war, ob er kommen sollte. Kölner
sucht ihm sein Misstrauen auszureden, zieht aber immerhin den Fall
in Erwägungi ,ob E. G. von einer Landschaft oder ihrem Bruder
ichts beschwerlich gleich begegnet, des ich mich doch nicht versieh,
sonder zu Gott hoff, es werd nicht beschehen." Er empfiehlt seinem
Herrn leutseligeres Verhalten nach dem Muster seines Bruders: ,Item
£. G. Bruder hat heut gemeiner Landschaft mehrer Theils die Hand
gereckt, ihnen gnädiglich zugesprochen, das müssen E. G. auch thun
und sich freyes Mund gegen den Leuten stellen, je zu Zeiten selb
auch ein Red mitlaufen lassen, thut nicht noth, dass die all weg mit
aerlichen Worten beschehe."
440 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dezember 1890,
bericbieien am 10. Dezember Statthalter, Hanptmann und
Räte in Landshut an Wilhelm — da diesem die Schald am
Ausbleiben Eurer Gnaden zugemessen wird. Dietrich von
Plieningen sprach die Ansicht aus, dass der Stanfer, der
zum Teil die Schuld an dem Fembleiben des Herzogs haben
dürfte, auch für sich selbst fürchte.
Die Stimmung gegen ihn war eine derartige, dass er wohl
Grund zur Furcht gehabt hätte. Seit dem Herbst 1514 war zu
den früheren Gründen der Unzufriedenheit mit dem mächtigen
Hofmeister ein sehr wirksamer neuer hinzugetreten. Herzog
Wilhelm hatte ihm nämlich unter dem 27. September 1514 zu
Innsbruck, wie er ihm schon am 2. Juni dieses Jahres zur
Belohnung für ^seine redlichen und getreuen Dienste* urkund-
lich zugesagt hatte/) Schloss und Herrschaft Falkenstein
nördlich der Donau nicht etwa geliehen, sondern zu eigen
geschenkt*) — eine der Vergabungen, auf welche Wallbrunn
angespielt hatte. Am 10. Januar 1515 waren die Einwohner
und Unterthanen der Herrschaft davon in Kenntnis gesetzt
worden'.) Die Zulibsigkeit einer solchen Schenkung war
zum mindesten zweifelhaft, da herzogliches Gut nicht ohne Zu-
stimmung der Lfindschaft veräussert werden sollte, und unter
den Standesgenossen des Hofmeisters fachte diese ungewöhn-
liche Auszeichnung Zorn und Neid zu hellen Flammen an.
Man verbreitete das allem Anschein nach grundlose Gerücht,
der Staufer habe die neugewonnene Herrschaft überdies dem
Reich zum Lehen aufgetragen. Während der Landtag zu
Landshut versammelt war, fand man dort eines Tags an
der Kirchthür von St. Martin einen Zettel angeschlagen,
auf dem ein Anonymus gegen den Staufer aufhetzte. Dass
er Falkenstein ohne der Landschaft Wissen und Willen nur
1) Zu München. Abachrifl Rieds im Reichsarchiv, Adelsselekt:
Staufer v. Ernfels, 2. Faszikel.
2) Oefele, Script. II, 327.
S) Beilagen Nr. 13, 14.
Jtinler: Pmieif dr« llirr
: Stniif.
447
i Ffitst«Rv:iii>st innehabe, künn^ keinen Bestand Iinben:
Piandschafl MeinnnR sei . das Schlosa dCrfe nicht vom
Bayern kommen. Stelle es der Staufer den Landes-
I nicht Burllck , s» möge er wi.'^sen , da^L« er bei der
trhaft fortan nichts zu thun und zu schaffen habe.
IJgenfalU werde man ibm das Hatiä altwerfen! Herzog
; lies» den Zettel von der Kin^hthüre abreissen; seinen
^t Über diesen Angriff sollen auch einige Herren des
Kbaftsauüsc hassen geteilt haben, wenn wir anders in
I Punkte dem Berichte eines staufischen Beamten trauen
Am 8, Dezeraiier aber entsandte Herzog Wilhelm aus
1 Hofmeister an den Landtag, um die Verzögerung
Ankunft zu entschuldigen. Zugleich Qbernahro der
Slanfer (neben Sigmund von Herberstein) eine Mission des
Iiers im selben Sinne. In dem Cralenzbriefe wird er
L als kaiserlicher Hat bezeichnet') und es ist sehr wahr-
lllieh, du!« diese WUrde. mag sie dem Staufer erst da-
I oder schon frtiher verliehen worden sein, die Missgunst
er Standesgenossen gegen ihn steigerte, tnüglich auch,
( Misätrauen hei den Herzogen weckte. Er erstattete
\ Ausschuss mündlich Bericht , bat auf den Herzog nur
I Tier bifl fünf Tage zu wHiien , vertrat zugleicii aucli
Angelegenheit der ihrem Gemahl aus WUrtemberg ent-
p) De* Pfle^ra Oiesser. Beilagen Nr. 18. Heraoga Ludwig«
i er«cbeint pioiil unglaubwürdig, wenn wir die Äusaage dos
I Verhör lArt. 16) b^Bt'bten, wonach H. Wilhelm ihm «u-
[ liabn, ihm auch die EiDwilligung Beines Bruder» lu dieser
a vemchiiffon, und diese homach wirVlich (fewOhrl worden
r henogliche Befehl (Beilage St. 13} tur Üeber^nbe Falken-
I Stuufer ifing denn auuh von littiden Brndem an».
Mttäa blieb auch nach des Kieronyinua Verurteilung im Besiti
mili^ bi* «B der Sohn Hans Ruprecht. 1B36 (10. Jonoar) lun
1. ta Bercoir Ludwig Tirrkaafl.c.
) Uadt%L> 8. 92.
448 Sitzung der hisiorisdien Classe vom 6*. Dezember 1890,
flohenen Herzogin Sabine. Bald darauf brachte Wilhelms
persönliches Erscheinen in Landshut und die Kundgebung
des brüderlichen Vertrags vom 20. November 1514, die nun
nicht länger verzögert ward, alles wieder ins rechte Geleise.
^Mit erhobenem Gemüt" empfingen die Stande die Nachricht
von dem Entschluss der Herzoge auf gemeinsame Regierung.
Sie bedauerten nur, dass das Abkommen nur auf drei Jahre
lautete, und wünschten, dass es für und für gelten sollte.
Auch in dieser Hinsicht ward ihr Wunsch wenigstens teilweise
erfüllt: am 12. Februar 1516 ward der Vertrag auf fünf Jahre
erstreckt. Wenige Wochen später aber, am 7. April, erfreuten
die Fürsten ihre zu Ingolstadt versammelte Landschaft über-
dies durch die hochwillkommene Botschaft, dass sie aus Spar-
samkeitsgründen auch die vorher beschlossene Trennung der
Verwaltung aufgeben und auf zehn Jahre gemeinsames Re-
giment und gemeinsamen Hofhalt haben wollten.
Als unmittelbare Wirkung der Aussöhnung und des
engen Anschlusses zwischen den lang entzweiten herzoglichen
Brüdern erscheint nun der in unserer vaterländischen Ge-
schichte einzig dastehende Hochverratsprozess gegen den
Staufer. Bei dem Hasse, den der Mächtige gegen sich wach-
gerufen hatte, kann sein Sturz nicht überraschen; merkwürdig
ist aber, dass derselbe nicht durch Herzog Ludwig und die
Landschaft, sondern durch die beiden Herzoge, auch durch
den bisher so eng mit ihm verbundenen Wilhelm herbeige-
führt wurde. Was dem Staufer bisher so viele Feinde zu-
gezogen hatte , war ja zum guten Teil eben dies , dass er
Herzog Wilhelms Sache gegen den Bruder und gegen die
Landschaft bis zum äussersten verfocht. Nun aber muss
Ludwig, unterstützt von der Mutter, den Bruder tiberredet
haben, dass unter der heuchlerischen Maske des beflissenen
Dieners ihm bisher nur ein eigennütziger Verräter zur Seite
gestanden sei. Am 1. April l^liJ, um neun Uhr Nachts, ^)
1) S. Beilage Nr. 22.
Riezler: Prozess der Hieronymus r. Stauf, 449
ward der Hofmeister in Ingolstadt, wohin er kurz zuvor zur
Landschaft geritten war^), auf Befehl der Herzoge verhaftet.
Gleichzeitig erhielt der herzogliche Schlosspfleger zu München,
Ritter Hieronymus von Seiboldsdorf zu Schenkenau, den Be-
fehl , des Staufers Habe und Fahrniss , die sich in seiner
Wohnung im fürstlichen Schlosse fanden , zu inventarisiren.
Da die überschickten Schlüssel nicht passten , Hess derselbe
durch den Hofschlosser alle Schlösser öffnen. Dann nahm
er ein Inventar auf und schickte dasselbe an den Herzog.*)
Alle in der Wohnung vorhandenen Briefe und Schriften
wurden ^pCrklaubt^ und durchgesehen, unter dem allen aber
, nichts Namhaftes oder Besonderes, das wider den Staufer
anzuziehen sein möchte^ , gefunden. Seiboldsdorfer hob je-
doch einige Punkte hervor, über die der Staufer seines Er-
1) Landt&ge v. 1515, 1516. Anhang, S. 590. In diesem Bande
anch die Quellen fQr alles folgende, soweit nicht anderweitige ge-
nannt werden. Dem dort (S. 880 fgd.) veröffentlichten Berichte über
die Verhandlungen bezüglich des Staufers vor dem Landtage liegt
eine gleichzeitige Handschrift des Landschaftsarchivs (jetzt Reichs-
archiv^ Altbayerische Landschaft) zugrunde, betitelt: , Landtage v.
1515 u. 1516.* Der Ingolstädter Landtag v. 1516 ist in diesem Bande
besonders foliirt; die Stauferischen Sachen stehen dort f. 34 v. —
85 V. und (Hinrichtung) f. 46 v. Die Urgicht findet sich nicht in
dieser Vorlage, auch die im Anhange der „Landt&ge v. 1515, 1516,**
S. 585 fgd. auf den Staufer bezüglichen Dokumente sind nicht hieraus
entnommen.
2) S. Beilage Nr. 21 und den Bericht Seiboldsdorfers in den
«Landtagen* S. 588 fgd., nach dem Druck datiert vom 5. Tag Martj
1516, was nur Schreibverstoss oder Bditionsfehler statt 5. April sein
kann. Denn der Bericht muss an einem Samstag geschrieben sein,
da er erwähnt (S. 590), dass „auf morgen, Sonntag* der Casperl, ein
reitender Bote des Herzogs, mit des Staufers Urgicht zum Kaiser
reiten werde.* 1516 fiel der 5. April auf Samstag, der 5. März aber
auf Mittwoch. Zum 5. April stimmt auch die Erwähnung der be-
reits vorliegenden Urgicht des Staufers sowie das Datum (8. April)
des in München aufgenommenen Inventars; s. Beilage Nr. 21.
450 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dezember 1890.
achten» zu befragen wäre, unter anderm sprach er die Ver-
mutung aus, derselbe werde nicht unterlassen haben, mit den
Böhmen^) heimliche Praktik und Verschworung zu machen.
Am 2. April erschienen beide Herzoge vor der in Ingol-
stadt versammelten Landschaft, Wilhelm nahm das Wort
und eröffnete den Standen: aus dringenden und gerechten
Ursachen, weil sonst unter ihnen , anderseits auch zwischen
ihnen und der Landschaft bedenkliche Uneinigkeit, Schaden
und Nachteil entstanden wäre, hätten sie seinen Hofmeister,
Hieronymus von Stauf, gefangen setzen lassen. Gern hätten
sie vorher die Landschaft darüber zu Rat gezogen, aber die
Besorgnis, dass dem Angeklagten eine Warnung zugehen
möchte, habe dies widerraten; nunmehr aber sollten alle
weiteren Massregeln nur nach Rat und Gutdünken der Land-
schaft erfolgen.
Hierauf liess Graf Wolfgang vom Haag ein an ihn ge-
richtetes Schreiben der Herzoginwitwe Kunigunde, datiert
vom 24. März d. J. aus München verlesen, worin die Herzogin
ihn bat , bei der Landschaft dahin zu wirken , dass Herr
Hieronymus des Hofmeisteramtes entsetzt und an seiner Stelle
ihrem Sohne Wilhelm ein frommer, verständiger und gottes-
fürchtiger Mann als Hofmeister bestellt werde, da ja ihm
wie jedermann bekannt sei , dass der Staufer „für ihren
Sohn, auch Land und Leute nicht sei". Welcher Schaden
aus seiner bösen Handlung ihren Söhnen, Land und Leuten
entstanden , brauche sie ihm nicht zu schreiben , er habe
davon gute Kenntnis und seine wie der Landschaft Pflicht
sei es nun, das Beste dagegen anzuordnen. Ein Schreiben
mit gleichem Inhalt erklärte dann auch Ludwigs Hofmeister
Christoph von Laiming von der Herzogin Kunigunde er-
halten zu haben. Graf Wolfgang vom Haag aber gab
1) Die Unruhen in Böhmen wirkten seit dem Sommer 1615 im
bayerischen Nachbarlande beängHtigend ; vgl. Landtage, S. 253, 254.
Biesler: Prozess des Hieronymus t?. Stanf. 451
dazu mündlich folgende Erläuterung : als er jüngst auf Drei-
könig als Verordneter der Landschaft zu München gewesen,
habe ihm die Herzogin witwe klagend und vertraulich ent-
deckt: als ihr Sohn Wilhelm vom Kaiser aus Innsbruck
zur jüngsten Landschaft nach Landshut reiste und durch
München kam , sei der Staufer zu ihrer Tochter , Herzogin
Sabine von Würtemberg, die in München weilte, gekommen
und habe dieselbe ganz geheimnisvoll und vertraulich ge-
beten, sie möchte den Herzog Wilhelm ersuchen, einen oder
zwei Tage in München zu verharren, da er bestimmt wisse,
dass die Landschaft in grosser Heimlichkeit beschlossen habe,
des Herzogs, sowie er nach Landshut käme, sich zu be-
mächtigen. Ein ein- oder zweitägiger Aufenthalt des Her-
zogs in München werde ihm Zeit geben , sich nach Lands-
hut zu verfügen und bei seinen Freunden in der Landschaft
dahin zu wirken , dass der Plan nicht ausgeführt werde.
Voll Schrecken und Betrübnis habe die Herzogin Sabine die
Sache ihrer Mutter eröflPhet, sei aber von dieser getröstet
und bedeutet worden , sie möge der Anzeige des Staufers
keinen Glauben schenken; sie kenne die Landschaft als
fromm, redlich und eines solchen Vorhabens unfähig. Nichts
desto weniger solle sie dem Staufer (um ihn in Sicherheit
zu wiegen) antworten: sie wolle seinem Begehren nach-
kommen.
Sogleich in der folgenden Nacht (2. April) ward Herr
Hieronymus unter Anwendung der Folter dem Verhör unter-
worfen. Die Tortur, die als eine , ziemliche* bezeichnet
wird, bestand nach dem Zeugnis der Herzoge^) in viermal
wiederholtem , leerem* Aufziehen. »Leer** besagt, dass keine
Gewichte angehängt wurden. Räte beider Fürsten und
Herzog Wilhelm waren anwesend, der Herzog richtete selbst
einige Fragen an den Gefolterten.
1) In ihrem Bericht an den Kaiser, Beilage Nr. 23.
452 Sitzung der hiittorischen Classe vom 6, Dezember 1890,
War aber nicht der Reichsfreiherr von Ernfels durch Ge-
burt und hohes Amt vor Anwendung der Folter geschützt? —
Er wäre es gewesen, hätte die Anklage nicht auf Hochverrat
gelautet. Wie das die Praxis längst beherrschende Beweis-
mittel der Folter, das weder in der Lex Baiuwarioruro noch in
Kaiser Ludwigs Landrecht noch in irgend einem bayerischen
Gesetz vor der Carolina erwähnt wird , aus dem römischen
Rechte herübergenommen war — der früheste und schlimmste
Eindringling aus fremdem Rechtsleben — , so scheint man
sich auch bezüglich seiner Anwendung im einzelnen schon
damals an die vom römischen Recht aufgestellten Grundsätze
gehalten zu haben. Die Exemption des Adels und der hohen
Beamten von der Folter beruhte auf römischem Recht, aber
dasselbe Recht bestimmte, dass für Majestätsverbrecher keiner-
lei Ausnahme in Anwendung der Folter gelten sollte.^)
Die erpressten Geständnisse des Gefolterten wurden in einer
Urgicht zusam menge fasst, welche die Fürsten vor der Land-
schaft verlesen liessen, und wie die Herzoge an ihre Mutter
schrieben*): die Landschaft trug grosses Gefallen daran, dass
sie 80 rückhaltlos in den Handel eingeweiht wurde. Am
1) Die unter dem Namen des italienischen Juristen Guido von
Suzaria verbreitete Abhandhing ,in materia tormentorum* besagt in
dieser Hinsicht unter Anführung der Beweisstellen aus dem Corpus
iuris: ^Flxcipiuntur quaedam liberae personae, quas torqueri ius non
sinit .... item in dignitate positi ut eminentissimi iudices et mili-
tes et decuriones et filii et nepotes praedictorum, ne in eis aliqua
pudoris macula aspergatur . . . . Sed in quibusdam dignitas
non praebet excusationem nee minor aetas, quin torquea-
tur, ut in crimine laesae magiestatis et proditoribus et
in quibusdam aliis." Guido's Autorschaft wird übrigens bestritten.
Vgl. V. Savigny. Gesch. d. römischen Hechts im Mittelalter ^ V, 3%.
Ich benütze eine Handschrift des 15. Jahrhunderts, welche ebenso
wie die wiederholten Drucke zeigt, dass der in der zweiten Hälfte
dos 13. Jahrhunderts entstandene Traktat noch am Ende des Mittel-
alters benützt wurde: cod. lat. Monae. 28987 (f. 1).
2) Beilage Nr. 22.
Miezler: Prozess des Hieronytnus v. Statt f. 453
4. April überreichten die Vettern des Angeklagten , die
Herren Joachim und Bernhard von Stauf, den Ständen eine
Bittschrift , worin sie nachsuchten , dass ihr Vetter ihnen
gegen Bürgschaft zu ewiger Haft ausgeantwortet werde.
Die Landschaft lehnte dies ab. Am 3. und wieder am
5. April wurden dem Staufer seine Bekenntnisse im Beisein
von Bäten beider Fürsten, des Oberrichters und des inneren
wie äusseren Ingolstädter Stadtrates nochmal vorgehalten
nnd von ihm nunmehr angeblich ohne Anwendung der Folter
wiederholt. Vergebens hatten die Ingolstädter über ihre
aussergewöhnliche^) Beiziehung zum Hofgericht sich bei Her-
zog Wilhelm beschwert und ihnen diese zu erlassen gebeten ;
beide Herzoge befahlen ihnen ,bei ihrer landesfürstlichen
Obrigkeit* im Gericht zu erscheinen. Die Massregel sollte
wohl dazu dienen, die Autorität des Gerichtshofes als eines
unparteiischen zu verstärken und ihn mit einem volkstüm-
lichen Nimbus zu umgeben.
Das Gericht aber erkannte zu Recht, man solle den
Angeklagten mit dem Schwert richten, so lange, bis er vom
Leben zum Tode gekommen sei, damit hinfort Land und
Leute vor ihm beschirmt und versichert würden. Hierauf
eröJBTnete Herzog Wilhelm der Landschaft, er sei gesonnen,
dem Rechte seinen Lauf zu lassen ; vermöge jedoch die Land-
schaft Besseres und Füglicheres anzuzeigen, so werde er gern
nach ihrem Rate handeln. Nach dieser Erklärung verliessen
beide Fürsten das Haus. Die Stände aber beschlossen nach
langer Umfrage einstimmig, sie wüssten nichts an dem Urteil
zu verbessern ; wo einem Recht geschehe, geschehe ihm nicht
Unrecht.
Am 8. April, in der neunten Stunde des Tags, fiel auf
1) Denn mit dem herzoglichen Ratscollegium zu Ingolstadt,
das eine eigenartige Stellung einnimmt (vgl. Rosenthal, Gesch. des
Gerichtswesens und der Behördenorganisation in Bayern I, 414), hat
diese Heranziehung des Stadtrates nichts gemein.
454 Sitzung der historiacKen Claase vom 6, bezenAer 1890.
dein Salzmarkt zu Ingolstadt das Haupt des herzoglieben
Hofmeisters. Fünfhundert Ingolstädter Bürger im Harnisch
und eine von weither zusammengeströmte Volksmenge um-
standen das Schaffot. Die Leiche ward von einer Prozession
abgeholt und nach den staufischen Erbgütern, nach Emfels
oder Beratzhausen geführt.
Zu spät lief nun ein Schreiben des Kardinals Matthäus
Lang und anderer in Augsburg versammelter kaiserlicher
Räte vom 7. April ein, welche betonten, dass der B.eichs-
freiherr von Emfels , nicht allein den Herzogen zugehörig,
sondern auch Glied und Verwandter des heiligen Reiches'
sei. Im Namen des Kaisers befahlen sie daher den Herzogen,
mit dem Prozess innezuhalten, widrigenfalls sie und Bayern
zweifellos die kaiserliche Ungnade treffen würde. Die Fürsten
aber hatten nicht versäumt, ihren Oheim in diesem Handel
auf ihre Seite zu bringen. Damit derselbe nicht etwa durch
falsche Nachrichten irregeführt „und zu ernstlichen Man-
daten veranlasst werde *', hatten sie ihm sogleich durch einen
Eilboten die Geständnisse des Staufers zugeschickt und gleich-
zeitig ihrer Mutter geschrieben , sie möge in ihrem Sinne
auf den Kaiser einwirken — Bemühungen, die ihren Zweck
nicht verfehlten: am 20. April antwortete Maximilian aus
Terzola im Sulzberg, seine Neffen mögen gegen den Staufer
handeln, was Recht sei.^)
Treten wir nun den Quellen für Anklage, Verhör und Ge-
ständnisse näher, so ist klar, dass die Berichte der zeitge-
nössischen Chronisten neben den Prozessakten, wenn solche
vorhanden sind, weit im Hintergrund stehen. Von Akten-
material lag bisher des Staufers Urgicht vor , die in den
^Landtagen von 1515 und 1516\ S. 330—338 unter den
Landschaftsverhandlungen gedruckt ist, ferner eine sogenannte
, Anklageakte", die M. v. Freyberg in seinem Buche: Die
1) Beilagen Nr. 22—25.
Riezler: Prozess des Hieronymus v, Stauf, 455
StauflFer von Ehrenfek (1827), II, 100-104 ohne Angabe
des Fundortes und der Vorlage veröffentlicht hat. Doch
konnte man dem letzteren Stücke nicht ohne weiteres den
Charakter einer Quelle zuerkennen , wenn auch der Inhalt
eher dafür als für eine Erfindung zu sprechen schien. Da
Freyberg seine Darstellung auf dem Titel als „teils Ge-
schichte, teils Roman ^ bezeichnet^), die romanhaften, frei
erfundenen Elemente in derselben auch unverkennbar einen
breiten Raum einnehmen , galt es vor allem des Dichter-
1) Auch dramatische Behandlung hat der Stoff gefunden. Der
Baron Friedrich de la Motte-Fouqu^ beteiligte sich mit einem «Hiero-
nymus von Stauf* an der 1818 von der Münchener Intendanz ausge-
flchriebenen Preisbewerbung für Dramen aus der bayerischen Geschichte.
»Nun hab' ich keinen Preis darin gewonnen,
Doch ist mir nicht deshalb die Lust zerronnen
Am Liede, das aus meinen Saiten drang."
Sein Trauerspiel H. v. St. in fünf Aufzügen ist 1819 in Berlin im
Druck erschienen. Historisch hat CA. v. Lilien in den Bayerischen
Annalen 1834, 1. Hälfte, S. 25 f., 68 f., 94 f. (Mspt. dazu in der Staats-
bibliothek, cod. germ. 5776 aus Danners Nachlass) den Stoff behandelt
in seinem: Hieronymus v. Stauff, Freyherr zu Ernfels und Falken-
stein; V. 1489 — 1516; eine biographische Skizze aus archivalischen
Quellen. Rudharts (Geschichte der b. Landstände) Darstellung des
Falls wird, wie auch sonst sein Werk, dadurch beeinträchtigt, dass
ihm, abgesehen von dem unedirten Material, auch die 1804 erschie-
nene wichtige Publikation «Die Landtage im Herzogthum Baiem von
den Jahren 1515 und 1516*^ unbekannt blieb. Unter dem literari-
schen Nachlass des P. Joseph Moritz (Staatsbibliothek, Moritziana
Nr. 29) finden sich Stammtafeln der Staufer v. Ernfels und Materialien
za einer Geschichte dieses Geschlechtes (für den Prozess des Hiero-
nymus nichts von Belang), zum Teil von dem Regensburger Historiker
Thomas Ried rührend. Hier meldet ein Schreiben des Pfarrers Treu-
tinger aus Berazhausen an Ried v. J. 1821: „es soll im hiesigen
Pfarrarchiv ein kostbares Manuscript über die Herren von Stauf vor-
banden gewesen sein, welches aber vor ein paar Dezennien in den
Käseladen gewandert ist.* Die Hauptmasse der von Ried gefertigten
Urkondenabschriften und Auszüge über die Staufer von Ernfels,
ebenfalls aus dem Nachlass des P. Moritz, liegt nunmehr als 2. Fas-
456 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dexemher 1890,
Historikers etwaige Vorlage aufzusuchen und deren Echtheit
zu prüfen.
Diese Vorlage findet sich nun in einem Sainmelbande
des Reichsarchivs, der betitelt ist: Stauflferisch , VVilden-
felserisch und Liechtensteinerische Sachen de annis 1505 —
1517, Nr. lU. auf fol. 160 (nach neuerer Zählung 162)
unter dem Titel: ^ Fragstuck, dorauff der frum man (ironisch
zu verstehen) sol gefragt werden ''. Das Stock ist zweifellos
echt, es ist von gleichzeitiger Hand geschrieben und zwar,
wie sich aus Vergleichung mit fol. 134 desselben Bandes,
einem eigenhändigen Berichte des Dr. Augustin Lösch er-
gibt, von der Hand dieses herzoglichen Kanzlers. Freyberg
aber hat es in seinem Abdruck erheblich gekürzt und ver-
ändert; während die Vorlage 34 Artikel enthält, hat Frey-
berg nur 17 aufgenommen. Die Kenntnis des interessanten
Dokumentes nach seinem vollen Wortlaut bildet aber nicht
nur die Vorbedingung für die richtige Würdigung der An-
klageakte selbst, sondern auch zum Verständnis der Urgicht
In unseren Beilagen soll das Stück daher unverkürzt mit-
geteilt werden.
Diese Anklageakte ist, wie sich nun deutlich zeigt, nach
dem Diktat der beiden Herzoge aufgezeichnet. Im Anfange
tritt der Schreiber als redend auf, indem er erwähnt: „meines
gnädigen Herrn, Herzog Wilhelms**, von dem er dann weiter
in der dritten Person als Herzog Wilhelm und Seiner Gnaden
spricht, aber schon am Schlüsse des ersten Artikels verfällt
der Schreiber in wörtliche Wiedergabe dessen , was Herzog
Wilhelm diktierte („uns treulich zu helfen"), ebenso folgt
in Artikel 7: „in unserer, Herzog Wilhelms Kammer; wir,
H. Wilhelm". Die ersten sieben Artikel sind Anklagen,
die Herzog Wilhelm erhebt. Die folgenden sind durch die
einleitenden Worte: „VVir, Herzog Ludwig, begehren auf
zikel der Abtlf^.: Staufer v. Ernfels im Adelsselekt des Münchener
Reichsarchivs.
JtUiIer: Proeet* Jen tlieronifmag v. Stauf.
457
nochfol^fnile Artikel die Wtihrbeit xu wistieD*, als Anklagen
lies jüu};er<.'ii Herzog in^ kenn zeichnet, der auch im folgenden
in der ersten Person als redend eingeführt wird. Dieses Ver-
hältnis orstreokt sil^h Iüh y.u Artikel 25 eiuschliesslich, während
die Anklagen und Fragen der letzten Artikel (26 — 34) huld
»fin Wilhelm, bald von Ludwig oder auch von beiden Fürsten
Kemeiiisani gestellt scheinen. Herzog Ludwig erscheint also
ftU ileijenige, von dem der weit grössere Teil der einzelnen
Anklagen ausging. Da&s dieser Fürst besonders gegen den
ätaufer gereizt war, liess sich ja schon ans der Vorgeschichte
des Proiesses folgern; es findet hier seine Bestätigung in
dem Befehle des FUrstoD, von dem Augekliigten nicht ab-
:tulA«eeii, bis er ,die Wahrheit* bekannt habe, und du diese
Wahrheit nur zu leicht ab gleichbedeutend mit der von der
Anklage behaupteten Schuld aufgefasst werden konnte, liegt
in diesem Befehle Herzog Ludwigs auch ein gewisser Beweis
fUr die ijtrenge, mit der die Folter ungewendet wurde.
Zu überroschendeu Ergebnissen haben mich sodann die
Nach forsch ungen über die handschriftliche Vorlage der Ur-
gicht iteführt. Der nämliche äamraetband Stauferischer Akten,
der die FrsgestHcke enthält, bietet sechs gleichzeitige Äiif-
seichouDgen der Urgicht, die hier als Ä — F bezeichnet werden
Milien. Von diesen stimmen 0 (fol. 197—203)') und K
(ful. 210 fgd.) im wesentlichen mit der durch den Druck*)
T««aentlic)iteD Redaktion überein. F (fol. 155—156) er-
wmA sieh als ein gedrängter Auszug") aus dieser Redaktion.
Eia ganz neues Bild tritt uns dagegen in der Aufzeichnung
•af fol. 168 fgd. entgegen. Das Stück ist von einer Hand,
Rber s«hr ungleich, offenbar nicht in einem Zug, sondern
J Meine Citat« beliehen i
Voliining des BaDdeK: imi-'l
ich hie
i folKenilen auf die
i es die f. 199— 2U6.
. 1616 u. 1516. S. 1
9 Auf der letiten Seite steht dii^ llllclitige Notix: De» SüiutTers
t, wi» die »tlicti (c.lireiber tu Ingolxtat hhiura aiiegetiFiD. 1 male.
458 Süsung der historischen Ölasse vom 6, t)tzenAer 18^,
stossweise und zum Teil hastig geschrieben. Eis wimmelt
von Gorrekturen, darunter sind solche, welche an Stelle
einer bestimmten Aussage eine abweichende, zuweilen auf
das Gegenteil lautende setzen. Wiederholt enthielt die erste
Niederschrift Verneinung oder Abschwächung der Anklage,
dies ist dann durchstrichen und daneben oder darüber ein Ge-
ständnis aufgezeichnet. Das Rätselhafte dieses Verhältnisses
verschwindet, wenn man annimmt, dass die erste Aussage eine
unerzwungene, die zweite durch die Folter erpresst war. Kurz
es lässt sich nicht daran zweifeln, dass wir in A nicht nur die
Quelle aller abweichenden Redaktionen, sondern geradezu die
in der Folterkammer entstandene Urschrift des Proto-
kolls zu erkennen haben. Diese Aufzeichnung zeigt, dass
wohl auch ohne Anwendung der Folter auf zuerst verneinte
Fragen nach wiederholtem Zusetzen ein Geständnis erfolgte
(so bei Artikel 1), weit häufiger aber, dass trotz der Folter
der Angeklagte auf Versicherung seiner Schuldlosigkeit ver-
harrte. So nicht nur beim zweiten Artikel, im B^nne der
Tortur, wo die Kräfte des Gepeinigten noch frisch waren,
sondern auch bei vielen der folgenden, ja noch der letzten
Artikel. Bei der Stellung der zweiten Frage hat, wie aus
diesem Aktenstück hervorgeht, die Anwendung der Folter
begonnen. Sie muss aber dem Angeklagten schon gleich
zu Anfang des Verhörs gedroht oder von ihm vorausgesehen
worden sein, denn er schickt schon bei der Antwort auf die
erste Frage die Beteuerung voraus: sollte er den einen oder
andern Artikel bekennen , so wolle er doch voraus bezeugt
haben, dass ihm diese Geständnisse nur durch die Folter er-
presst worden seien.
Auf fol. 178 des Sammelbandes folgt eine Aufzeichnung
(B) der ürgicht, die sich als eine in der Hauptsache formelle
Redaktion des ursprünglichen Protokolls A erweist. Während
in A nur die Antworten des Angeklagten niedergeschrieben
sind, sind hier aus dem Text der »FragestOcke** jeweils auch
Itialrr: Pm:«if
( Ui<-i
: Sta„f.
4Ö«
die Iwtrüireinleii Fnigeii duKu^escbrieben und biedurch erst
ein für jedermann verständlitlier Text berKestellt. B ist von
derselben üttud geschrieben wie Ä, ;tber sgrjjfältiger, leser-
liofacr, nicht luebr sbtasweise. Man sieht, daas d^r Schreiber
■in dieser Aufoeichnung sich mehr Zeit lassen konnte. Ich
bezeichnet« diese Ked»ktion als eine in der Hauptsache
formell«;; indessen fehlt es (abgesehen von tünztiftigung der
Anklagepunkte) nicht ganz an inhaltlich neuen ZasStzen.
UdiI frir deren Würdigung i^t nun die Feststellung sehr
wichtig, doRs A und B vuu demselben Schreiber herrühren.
Denn es ist demnach die Möglichkeit gegelien, da»» die
lieaen Zusätze nicht eigen niÄchtig vom Schreiber erfunden
odor ihm von einem dritten aufgezwungen wurden. Die
Zosittze können Aeusserungen des Angeklagten enthalten,
di« der ProtokolIfQhrer während den Verhörs gehört hat,
die er daniuU nur aus Mangel an Zeit oder weil sie ihm
nach dem ersten Eindruck minder wichtig schienen , nicht
niederschrieb, die er aber in seiner Erinnerung behielt und
bei Fertigung der Reiuscbrift des Protokolls nachtrug.
Als derartige Nochtr^e aus der Erinnerung dürften
dnrcti ihren Inhalt die Zusätze zu den Artikeln li, 23, 26
(.mit Ausnahme von Esswoaren'), 31 (.denn de haben Ihm
nicht HO viel Vertrauen geschenkt*), 3'd gekennzeichnet
werden. Einige andere Zusüt7,e haben nur erläuternden Cha-
rdcter, so der Käme des alten Kanzlers bei Artikel 31. Eine
gfttu (ügeiiartige Stellung nimmt aber der wichtige Zusatz
xma Q. Artikel ein , laut dessen der Angeklagte gestanden
hat, in München einst gegenüber dem Mäleskircher') bei
1) Der Maler Qabriel Mäleskircher (oder MächlBekircher),
MOschoer ßOr^^er, SchwAtfer Ulridi FQelrer«, eritclieint urkaudlicb
TOD 14G6— 1603. Vgl, Spiller. Stadien über Albrecht tüh Suhorfäif
Iwr^ onil L'Iricb KQclrer. Ü. 33, 87 T. Es ist immerluD inSt;bcii, äa^
^0 noch Iclitn. Eiiit> bajerische Adeli^tuniilie illeaeü Numtrns guli
Diu Ife/i eil Hilft '*'■'' Nami-na iitit' den l>ei Hufe vurkehrnndon
81*
460 Sitzung der historischen Cltisse vom 6, Desember 1890,
Tisch geäussert zu haben , dass er unter Herzog Albrecht
zweimal zu Hof gekommen sei, in der Absicht, den Her-
zog zu erstechen. In der Urschrift des Protokolls findet
sich davon nicht das geringste, wiewohl dieses Geständnis
unter allen , die erzielt wurden , vielleicht das belastendste
ist, jedenfalls schwerer wiegt, als die im 5. Artikel in A
verzeichnete Aeusserung des Angeklagten: wenn der Döse-
wicht Herzog Albrecht im Himmel wäre, wolle er nicht
hinauf. Die Verschweigung eines so wichtigen Geständnisses
in A wäre ein Rätsel, wenn das Geständnis im ersten Ver-
hör erfolgt wäre. Es kommt in Betracht, dass dieser Punkt
auch in der Anklageakte nicht berührt wird. Als die wahr-
scheinlichste Lösung betrachte ich demnach, dass die Anzeige
von der zum Mäleskircher gemachten Aeusserung erst nach
dem ersten Verhör erfolgte, die darauf bezügliche Frage
dem Angeklagten erst im zweiten oder dritten Verhör vor-
gelegt wurde, in das Protokoll daher erst bei dessen Rein-
schrift aufgenommen werden konnte. An eine Erfindung
des Schreibers wird auch hier nicht zu denken sein.
Da ein vollständiger Abdruck von B zum grössten Teil
nur wiederholen würde, was in den Fragestücken und in A
steht, schien es mir angemessen, aus B nur jene Stellen mit-
zuteilen, welche gegenüber A Neues enthalten oder den Text
von A verdeutlichend umschreiben oder endlich sich auf
Punkte beziehen , wo A verschiedene Fassungen enthält, da
es nicht ohne Interesse ist zu ersehen, welche derselben in
Maler, die mir als sehr wahrscheinlich gilt, ist aber nicht an die
Voraussetzung gebunden , dass derselbe 1516 noch am Leben war.
Da das Gespräch öifentlich geführt worden war, konnte die Anzeige
auch von einem Dritten herrühren, — ich halte dies sogar für wahr-
scheinlicher in Anbetracht des Umstandes, dass die Anzeige, wie es
scheint, erst nach dem ersten Verhör und zu Ingolstadt erstattet
wurde — auch dürfte der Ausdruck ,.auf ein zeit* auf «einst, vor
langer Zeit" zu deuten sein.
Bicthr: rrnzrut ilrs Uirrnnymu» v. Stiiuf.
461
di« Reiusclirift Jus Protokolls aufgenommen wurde. Die nach
dimer Richt^clinur aitagewälilten I^t^Uen aus B verbinde ich
ftU All merk uiigeii mit den corre&pundierenden Stellen von A,
welche Anordnung die bequemste Uebersicbt des Verhält-
nisse« gewähren dflrfte.
Eiof mit ß Uhereinstinnueiide Kedaktion (D) der ürgicht
findet sich auf fol. 204 — 209 unseres Sauimelbandes. Die-
selbe beginnt jedoch erat mit dem zweiten Artikel (Ein
trcffeiiliche IVrson) und hat die Artikel nicht numeriert,
Daa Stück ist als Aljschritt oder irielleiclit als Conzept zu
B TU betrachten.
H«-hr abweichenden Redaktionen sowohl gegenüber Ä
als B begegnen wir auf fol. 197—203 (C) und fol. 210 —
218 (E). Beide «nd von verschiedenen Händen des 16. Jahr-
haiiderte (E wohl von Älterer), von anderen als A und B
geachri«b<9D. Von anderer Hand rühren zwei Nachträge in
C): 1. die Namen der beim Verhör anwesenden Rät«, welche
eine Abweichung von A und B zeigen, indem am Schlüsse
anch Herzog Wilhelms Sekretär Äuguetin Kölner, der be-
kannte Geschichtschreiber des Erhfolgeknegx, genannt wird.
2. Am SthliiÄse des ersten Artikels folgt: und des triten
taga darna(^h hat er zu ferer ercläruDg des artickls nnbe-
xwDngenlieh bekent u. g. w. (was in A und B am Schlüsse
dm Protokolls steht).
Welcher Absicht die unter sich übereinstimmenden Re-
daktionen 0 und E dienen sollten, ergibt sich unzweideutig
»tu der gegen den Schluss r.a uiifgenouimenen Bemerkung
(C fol. 203): .Und wiewol der von Stauff auf vJl mer artigkl
gegichtigt und di bekennt hat, siudt doch dieselben artigkl
aiu beweglichen Ursachen zu eroltnen, auub irer [eng halb»tif
damit Kaiserlich Mi^jestaet nit aufgehalten werde'),
1 1 Deren ender in G fehlt.
3) K fol. :iI8T*: ttumit geuiaine landtchaft Dit aufgehalte
(dttrcliatrichen , obnu daai ander«« un die Slellü geselKt w&re).
I gkichlADtend.
462 Sitzung der htstorischen Classe vom 6, Dezember 1890,
lesen underlassen." Wir haben also hier die zur Mitteilang
an den Kaiser und an die Landschaft bestimmte Redaktion
vor uns, eben jene, welche in den ,,Landtagen von 1515
und 1516", S. 330 fgd. gedruckt ist und bisher allein be-
kannt war.
Diese Redaktion enthält nur 11 (oder nach abweichender
Zählung 13) Artikel. Nicht aufgenommen sind die Artikel
2, 3, 8, 10-16, 18—21, 23, 25-27, 30—34. Zur üeber-
sicht diene die folgende Tabelle:
Artikel
1 des Druckes (u. C)
2
3
4
5
6
7
8
R
9
m
m
m
R
R
R
R
7»
R
R
R
Artikel 9 des Druckes (u. C) = Art.
Artikel 10 des Druckes (u. C) =
Artikel 11 des Druckes (u. C) =
= Art. 1 in A^) u. B
= R 4 , ,
w
= R *^ R R
= , 6
= . 7
9
17
22
u. Art. 19 in B»)
24 in A u. Art.
22 in B')
Art. 28 u. 29 in A u. Art.
25 in B
Art. 32 in A.
R
R
R
R
1) Die ZilhluDg in A correspondirt mit jener der Fragstücke.
2) Art. 18 — 21, die zusaramengehören , sind dem entsprechend
in B zu 1 Artikel, 18, zusammengezogen.
3) Art. 23 ist in B in 2 Art., 20 und 21, auseinander, dagegen
Art. 28 und 29 in B zu einem, dem 25. zusammengezogen. Dem-
nach sind:
Art. 18
. 19
. 20
. 21
, 22
in A = Art. 18 in B;
19
Biezler: Prozess des Hieronymus v. Stauf,
463
Also 23 von den 34 Anklagepunkten sind in der ver-
öffentlichten Drgicht {übergangen worden , wie es in dem
Exemplar für den Kaiser heisst, weil man die kostbare Zeit
Seiner Majestät nicht zu sehr in Anspruch nehmen wolle,
in Wahrheit aber aus ganz anderen Gründen. In moderne
Begriffe und Worte übersetzend, würde man vielmehr sagen :
Der Staatsanwalt hat die Anklage in 11 Punkten aufrecht
erhalten, in 23 fallen gelassen. In der Urschrift des Proto-
kolls steht unten am Rande die Weisung verzeichnet: alle
Berufungen des Angeklagten auf die Fürsten wegzulassen.
Dies ist in C befolgt (vgl. u. a. Art. 24) und daraus er-
klärt sich ein Teil der Lücken gegenüber A und B, die
meisten Punkte sind desshalb übergangen, weil kein Geständ-
nis erfolgte oder das Gericht selbst die Anklage als grundlos
befand, einige vielleicht auch desshalb, weil das Geständnis
des Staufers eindringlich die frühere Entzweiung der An-
kläger , der herzoglichen Brüder und hiemit ein sein Ver-
schulden milderndes Moment in Erinnerung brachte.
Die Angabe von C, dass der Angeklagte auch die hier
nicht aufgeführten (23) Artikel, die ihm vorgehalten worden
waren, gestanden habe, ist, wie wir jetzt aus der Urschrift
des Verhörprotokolls erkennen, eine grobe Fälschung. Viel-
Art. 23 in A = Art.
21 /
»
n
9
n
a
9
24
25
26
27
28
29
80
81
82
88
84
)
^
22 « .
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26 , ,
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. 25 , ,
» 1. = 1!
27 , ,
=
» 28 , ,
=
. 29 . ,
=
. 80 , .
. 31 , .
464 Sitzung der Jhistorischen Glosse vom 6. Dezember 1890,
mehr hätte bei einer auf die 23 verschwiegenen Artikel aus-
gedehnten Publizität Anklägern und Richtern die Gefahr ge-
droht, dass die Grundlosigkeit so vieler erhobenen Anklagen
in Verbindung mit manchen auf die Herzoge zurückfallenden
Aeusserungen des Staufers die Hörer stutzig machen und
auch auf die eingestandenen Vergebungen ein milderes Licht
werfen könnte.
An der XJrgicht ist also eine fortgesetzte Entstellung zu
Ungunsten des Angeklagten begangen worden. Schon in
ihrer Urschrift sind Aeusserungen des Angeklagten, die den
Hörer allenfalls milder stimmen konnten, wie die Beteuerung
seiner Anhänglichkeit an Herzog Wilhelm (Art. 4), nachdem
sie bereits niedergeschrieben waren, getilgt worden. Manches
der Art ward wohl gar nicht niedergeschrieben, wie der An-
satz mit „aber'' in Art. 5 vermuten lässt. Wie weit diese
Fälschung des Verschweigens ging, ist natürlich nicht an-
nähernd festzustellen. Die Reinschrift des Protokolls (B)
gestaltet dann die Sache für den Angeklagten erheblich
schlimmer. Sie unterdrückt dessen Beteuerung, alle Geständ-
nisse seien durch die Folter erpresst und der Wahrheit wider-
sprechend, und sie lässt nicht mehr erkennen, dass manchen
Geständnissen eine Ableugung vorausging. Die gröbste Ent-
stelhmg fällt der für die Oeffentlichkeit bestimmten Redak-
tion C zur Last, indem hier nicht nur in den spezifizierten
Artikeln alle einschränkenden Zusätze, alle etwa mildernden
Umstände verschwiegen , sondern auch wider die Wahrheit
behauptet wird, dass der Staufer auf säramtliche Anklage-
punkte ein Geständnis abgelegt habe^).
1) Fragwürdig erscheint auch die Angabe in C, daaa beim zweiten
und dritten Verhör die Folter nicht mehr angewendet wurde. Dass
in A und B nichts davon steht, kann diese Behauptung freilich nicht
widerlegen, doch bleibt zweifelhaft, ob nicht die Bitte des Angeklagten
^ihn bei seiner gethanen Urgicht bleiben zu lassen" durch die wieder-
holte Anwendung oder doch Androhung der Tortur zu erklären ist.
Jtitzler: Vrotess lU« HieruHymnB c. Stau f. 465
Das Urteil des Kaisers, der Landscbaft, der ^unveii Welt
wurde aber au%4chliesslicli durch die aru gröbsten entstellte
Form der Urgicht bestimmt. Auf Gnind dieser Kenntnis,
deren Richtigkeit nicht bezweifelt wurde, hat die Landschaft
das Todesurteil gegen den Staufer gebilligt, hat der Kaiser
den Protest, den seine Räte anfangs einlegten, nicht aufrecht
erhalten, hat der Dichter des Volksliedes .Ton dem Staufer")
seinen Helden als abschreckendes Exempel ftlr ähnliche Uebel-
thäter und Zuträger besungen, hat Aventin das Urteil gefallt,
man traue kaum seinen Augen und Ohren, wenn man dieses
(iewehe ?<tn Schlechtif^keiten wahrnehme.*) Fürwahr, mit
dem sterbenden Hamlet konnte auch Herr Hieronynius von
Staaf ausrufen:
.Welch ein verletzter Name. Freund,
Bleibt alles so verhflllt, wird nach mir leben!*
1) Bei T. Liliencron III. 206. Daae der Dichter die Drgicht in
der Teröffentlichten Form kannte, dQrfle deren VergleichaoR (S. 338
de« Druckes) mit SIroplie 11 besonders wahrBt^belnlicb maehen. Eine
gewisse Abschwäohang der Schuld lleRt nur in der Aniicht de» Dich-
ter«, das der Staufer mit Beinen VerbreeJien nicht vereinselt stand;
k&me es auf, dass man alle derartigen .Ohrenkräuer' richtete, dami
würde e» noch manchem ^aner werden, der jetzt gewaltig sei. Diu
Lied wurde Qbrigens niich der Melodie des Pienzenauerliedes . diu
ein schntdlnsea Opfer Terherrlichte, gesunRen.
3] Werke II. G70. Aventin befand sich, wie er in seinem Tage-
buch eingetragen, daa ganie Jahr 1516 in Ingolstadt- — Pemeder
hegnDgt sich in »einer Chronik Icod. germ. Monac. IM4. (. 7') mit
der Bemerkung, diis« Herr Eieronjniu» .etlicher hochen Verprecbungen
halber* uiit detn Schwert gerichtet wurde. Auch der unbekannte
Verfiwser der Chronik bei Oefele (Script, I. 391) behandelt die Schuld
des Hingerichteten aU zweifelloa. Wiguleus Hund ist . ao viel ich
»che, unter den älteren Historikern der einzige, dem die Schuld des
Staufera möglicherweise nicht als feststehend galt, da er an seinen
kursen Bericht (Stammenbucb II. 306) die Lehre knäpft: .Aber auf die
Bofgnad ist »ich nit gar zu verlausen, viel weniger dieselb zu miss-
hranchon, denn so hoeli dieser Herr Hieronymua gestiegen, so hoch
lieu ihn Gott wieder füllen.'
466 Sitzung der historischen Classe vom 6, Dezember 1890,
In dem Sinne aber, wie es Hamlet von Horatio erwartete,
ist es dem Historiker nicht vergönnt, des Staufers Sache «den
unbefriedigten zu erklären.* Unsere Enthülhmgen haben
den Nachweis erbracht, dass der Angeklagte nicht in dem
Masse schuldig war, wie er den Zeitgenossen auf Grund des
entstellten Verhörprotokolls erscheinen musste. Eis hiesse
aber nun weit über das Ziel hinausschiessen , wollte man
durch die Entrüstung über das Unrecht, das Mit- und Nach-
welt hier begangen haben, sich zu der Behauptung fort-
reissen lassen, dass an Hieronymus von Stauf ein Justizmord
oder ein politischer Mord begangen worden sei. Eine ge-
wissenhaft abwägende Forschung wird vielmehr trotz des ver-
hältnismässig nicht dürftigen Materials darauf verzichten
müssen, ein bestimmtes Urteil über Schuld oder Unschuld des
Hofmeisters auszusprechen. Nur einige Momente, die in beide
Wagschalen verteilt werden müssen , seien hier hervorge-
hoben. Für die Schuld: dass die Annahme eines Irrtums
auf Seite der Herzoge, die zweifellos in gutem Glauben
handelten , ein starkes Mass von Verblendung oder Leiden-
schaft voraussetzen würde , wofür unsere Kenntnis von den
Charakteren dieser Fürsten keinen Anhalt bietet. Dass Her-
zog Wilhelm selbst der Folterung seines vertrauten Ministers
beiwohnte , führt uns zum Bewusstsein , dass die Menschen
des Reformationszeitalters den Söhnen des 19. Jahrhunderts
an moralischer Feinfühligkeit ebenso nachstanden , wie sie
ihnen an Nervenstärke überlegen waren. Ein Greuel aber,
wie ihn um dieselbe Zeit der tyrannische Herzog Ulrich von
Würtemberg durch die grausame Marterung und ungerechte
Hinrichtung seines Beamten Konrad Breuning begingt), war
schon durch die gutmütigeren Naturen der beiden Witteis-
bacher ausgeschlossen.
Sodann lässt sich nicht verkennen, dass der Maugel
1) Vgl. Hayd, Ulrich Herzog zu W. I., 476 fgd.
HiriUr: Vn
den lliertiitijmuii v, älauf.
nv» Gtwt&ndtiiM»« in der Melirlieit der AnklaKejiiinkte c
Tert der Ijestandnisse, welche auf die Minderheit der Vragl
'folgten, erbiiht. Als enUcheidend wird man gk-ichwd
ich diese Erwägnng nicht heiruchton können . da ja nim
len ist, oll die Fciller in jedem Äugenblick des ^
in mit gleicher Stärke angewendet wurde und gleich i
idcrstehlich wirkte.
Die Vergehen , beztiglieh deren ein Geständnis siehe*
ler «ngohlioh erfolgte, eollen gegen den vertturlienen Her-
ig Älbrecht, getjeii jeden der regierenden Lande^fürsten
in^oln und gegen beide xusaiumen, endlich gegen die Lai
;1iaft gerichtet gewesen »lein.
1. Uegen Herzog Albrecht soll vorgelegen sein:
ordplan und nttch seinem Tode beleidigende Aeusserunra
Irt. »);>)
2. Gegf-n Herzog Wilhelm: Untreue und Pflichtvergessd
Btt in desson Dienst, einmal thätlich begangen wfihrend i
[isaiun nach Worms (Art. 1), mehrnjals angedroht in Wort
Irt. 2 und 5);
3. Gegen Herzog Ludwig: unberechtij^ und eigi
Btzig« DienstaufkOndigung gegen denselben, während
ftMen Forsten verpHichtet w»r (Art. 6, 7); Dn)hw»rte g
in (Art, 7); unter einer gewissen Eventuatifät der Plan i
D ermorden (Art, 9);
4. Gegen beide Fürsten: eigenniitzige GeschSftsfßhr
Kti. 4, 6. 1^), sodäun AufhetKung derselben gegen einander
iirch das trügerische Vorgeben, daas einer den andern ver-
[tft*n wolle (Art. 10);
5. Gegen die Land^chuß: Verleumdung derselben
Fürsten imd Aufhetzung Herzog Wilhelms gegen i
Art. II).
Die schwersten Funkte sind die Mordpläne gegen Herd
idffig ond gegen Albrecht IV. Aber beim ersten
1} Di« ZAhloDg der Artikel hier uncb dem Drucke.
468 Süzung der historischen Glosse vom 6, Dezember 1690.
nach der Urschrift des Protokolls immerhin etwas zweifel-
haft bleiben, ob ein klares Geständnis erfolgte, der zweite,
der auf einen Vorgang vor etwa einem Vierteljahrhundert
zurückgriff, ward im ersten Verhör noch nicht berührt, son-
dern beruhte, wie es scheint, auf der nachträglichen Denun-
ziation einer Persönlichkeit, die wir nicht kennen und deren
Glaubwürdigkeit zu beurteilen wir kein Mittel haben.
Ausser der Urgicht kommen als Aktenstücke , welche
etwa geeignet sind, einiges Licht auf die Anklage zu werfen,
besonders das Schreiben des Staufers Tom 20. April 1518
an Herzog Ludwig, die Briefe seines Verbündeten Kun von
Wallbrunn von April bis Oktober 1514 und das Schreiben
der Herzoginwitwe vom Dezember 1515 in Betracht. Aus
dem ersteren lässt sich nichts anderes als tadellose Loyalität
des Staufers gegen sein Fürstenhaus herauslesen. Damals
wenigstens hat er offenbar nur daran gearbeitet, den im
Aufkeimen begriffenen Bruderzwist mit der Wurzel auszu-
rotten, zu diesem Zweck schildert er Herzog Wilhelm dem
jüngeren Bruder als versöhnlich und empfiehlt Ludwig dringend
nach Augsburg zu kommen , einmal um dort mit Wilhelm
persönlich zusamraenzu treffen, sodann um sich dem Kaiser für
den italienischen Feldzug zur Verfügung zu stellen. Ohne
zu ahnen , dass die von ihm beklagte Gesinnung einst ihm
selbst zur Last gelegt werden sollte, bemerkt er, dass es
Leute gebe, welche in der Hoffnung, dass dann ihr eigener
Weizen blühe, die Brüder lieber uneinig sähen, welche , ihren
eigenen Nutz mit Ihrer Gnaden Schaden zu schaffen ver-
meinen." In welches peinliche Gedränge herzogliche Beamte
gegenüber sich widersprechenden Anforderungen der ent-
zweiten Landesfürsten kommen konnten, schildert eindrucks-
voll des Hauptmanns Kun von Walibrunn Rechtfertigungs-
schreiben an Herzog Ludwig vom 12. September 1514.^)
1) Landtag v. 1614, S. 628-682.
Hifder: Pntzrsa dcx Ihtnmgmuti r. Slauf.
Am
Üott* — schreibt Wallbninn Creiiuritig — .(Iftss ich
Guern FUMlichiMi (jntideii zu beiden ilerge»tu1t einge-
.' Und: .Welches E{«ich zergehen will, «eratört sich
«ßlber/ Weniger giinatig für lien Stiiufer klingen die in
nnseren Beilagen veröffentlichten Schreiben Wallbrunns, welche
eigennützige Ziele der beiden HöHinge verraten und an die
Vertrau ür.iiküit heimlicher Verschwörer erinnern. Geht man
aber den Dingen anf den Grund , so bleibt doch nnch hier
nichts eigentlich Belastende» zurück. Wie heutaiitage be-
aondere Dienstleistungen bei Fürsten iliirch Ürden, so wurden
sie damals durch Schenkungen von Gütern, baarein (ield,
Kleinoden, Verleihung von einträglichen Aemtern oder An-
warbtchatlen betuhtit. Wenn Her7/)g Wilhelms Hofmeister
und Hauptmann darauf ausgingen, die damals erwarteten
lind, wenigstens wns den Staufer betrilTt, bereits zugesagten
Schenkungen sich auch von Seite des Kaisers sicher stellen
zu lasiten, ') so liegt darin nichts Strafbares, nicht einmal
«twas Tadelnswertes.
An der Uebersiedelung Herzog Wilhelms nach Burg-
bausim, an dessen Anflehnimg gegen die Landschaftäbe-
KublRase und an der trotzig isolierteu Stellung, die er da-
mals eine Zeit lang einnahm, dürfte der Staufer bei seinem
zweifellos grossen £infli])is auf den jugendlichen Fürsten, wenn
nicht allein, zum mindesten mitverantwortlich gewesen sein,
aber hier kommt in Betracht, dasa mau mit diesen Rchritt«n
nnr auf den ßoden des väterlichen Testaments und der Ue-
itetKlicbkett zurücktrat , dnss das Voi^ehen der Landschaft
Tom KsiM^r verworfen, weiteres Verharren auf iliesen Wegen
sogar mit der Acht bedroht war. Die Aera der Staatsstreiche
war nicht von Herzog Wilhelm und seinem vertrauten Rate,
sondem von der Landschaft durch die Preisgebung der Pri-
I) Ll^r unbeKrDndeten Anklugp, iLua iler Stimfi^r FalkeD«t«tn
drin Kauer tn bellen auf^etruK^n lialie, X^^vn viellpielit unklare U-.'-
rOcbta Dlier üi^se BemüliuoKen cuftritndn.
470 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dezewher 1890.
iMOgeniturordDung, welche doch ihre Vertreter beschworen
und besiegelt hatten, eröffnet worden. Einmal auf diese ab-
schüssige Bahn geraten, wurden die Führer der Landstände
zu weiteren ungesetzlichen Schritten gedrängt. Eine merk-
würdige Enthüllung bringt uns nun der 31. Artikel in der
echten Urgicht des Staufers. Hienach haben zu einer Zeit,
da beide Fürsten sich einträchtig vertragen hatten — es kann
wohl nur die Periode nach dem Rattenberger und Münchner
Vertrag, etwa November 1514 bis Oktober 1515 in Be-
tracht kommen - Dietrich von Plieningen, Wolf von Ahaim
und der Kanzler Neuhauser mit Wissen Herzog Wilhelms
daran gearbeitet, dass Wilhelm wieder alleinregierender Fürst
würde. Man darf die Glaubwürdigkeit dieses Zeugnisses nicht
darum bezweifeln, weil ja Plieningen und die anderen zwei
Herren an der Spitze jener Landschaftsmehrheit standen,
welche den Ansprüchen des jüngeren Bruders durch ihre
Unterstützung Gewicht und Erfolg geliehen hatte; denn es
ist wohl zu beachten , dass Plieningen und die Landschaft
immer nur für Ludwigs Mitregierung waren, einer Landes-
teilung aber, wohl auch in der gemilderten Form einer ge-
trennten Verwaltung, wie sie der Vertrag von 1514 fest-
setzte, widerstrebten. Innere Unwahrscheinlichkeit hat also
des Staufers Aassage keineswegs, und erwägt man die äusseren
Umstände, unter denen sie erfolgte: während der Angeklagte
an der Folter hing oder doch von ihr bedroht war, in Ge-
genwart Herzog Wilhelms, den er durch grundlase Angaben
und Beschuldigungen noch weiter zu reizen sich wohl ge-
hütet haben wird — so kann man kaum an der Wahrheit
seiner Aussage zweifeln. Einen Umsturzplan in derselben
Richtung, wie er dem Angeklagten aus dem Jahr 1513 zur
Last gelegt wurde, haben also ein bis zwei Jahre später
auch seine Gegner geschmiedet. Was endlich die Anklage
der Herzoginwitwe Kunigunde betrifft, so wird man immer-
hin die Möglichkeit gelten lassen müssen , dass der Staufer
Siegler: Prozess des Hieronymm v. Siauf. 471
in gutem Glauben handelte, als er seinen Herrn vor einem
Besuche des Landshuter Landtages warnte. Hielt doch auch
der Sekretär Kölner damals nicht für ausgeschlossen , wenn
auch nicht für wahrscheinlich, dass dem Herzoge Wilhelm
»von der Landschaft oder seinem Bruder etwas Beschwerliches
begegne.* Und in anderen Stadien der Ereignisse erzählte
Herzog Wilhelm selbst dem Staufer, es sei ihm geraten
worden, etliche vom Äusschuss erschlagen zu lassen,^) während
anderseits Herzog Ludwig Gerüchte von einem Vergiftungs-
anschlag glaubte und verbreitete, der gegen ihn wie seinen
Bruder geschmiedet worden sei.^) Manche Änklagepunkte
dürften, auch wenn sie begründet waren, in milderem Lichte
erscheinen, wenn man nach Gebühr berücksichtigt, dass es
sich um eine Epoche der inneren Entzweiung und heftiger
Parteikämpfe handelt. Endlich darf man nicht übersehen,
dass der Staufer durch die Sonderstellung gegenüber seinen
Standesgenossen im Jahre 1513 deren Hass und Widerwillen,
dann besonders durch den Gewinn von Falkenstein weitver-
breiteten Neid auf sich gelenkt hatte. Mehrere der Anklagen
sind auf geschäftige Denunziation seiner Widersacher zurück-
zuführen ; unbedachte Reden , Ausbrüche augenblicklicher
Aufwallung oder Verstimmung, in deren Beurteilung man
den Massstab der zeitgenössischen Derbheit anzulegen hat,
wurden ihm noch nach Jahren zum Verbrechen gemacht.
Die meisten Anklagepunkte freilich sind von den Herzogen
selbst ausgegangen. Die Anklage im ganzen aber beruhte
auf einem Compromiss der beiden Fürsten, wonach — dies
erhellt aus Artikel 1, 6 und 7 (nach C) — jeder der Brüder
den Staufer auch wegen solcher Schritte zur Verantwortung
ziehen durfte, die er im Interesse des einen zum Schaden
des andern unternommen haben sollte! Wenn sich der
1) Art 24 der echten Urgicht. S. Beilage 20.
2) Beilage Nr. 12.
472 Süzung der historisehen Classe vom 6, Dezember 189Ö.
Staufer dagegen auf die wiederholt erlassene Amnestie berief,
so kann man dies nur begründet finden — was diesen Teil
der Anklage betrifft, mag es manchem scheinen, dass aus
ihm auf die Ankläger ein ungünstigeres Licht fallt als auf
den Beklagten.
Zum Schlüsse aber muss noch einer Auffassung gedacht
werden, weiche die Ursache oder doch die Hauptursache vom
Sturze des Staufers ausserhalb der in der Anklageakte und
Urgicht ausgesprochenen Dinge sucht. Wie erwähnt, war der
Staufer einer der vier Herren, welche den geheimen brüder-
lichen Vertrag vom 9. Septeniber 1515 besiegelten, laut dessen
die Herzoge die Terlorenen bayerischen Lande, in erster
Reihe also das sogenannte habsburgische Interesse, zurück-
gewinnen wollten. Nun hat schon Adlzreitter^), dem übri-
gens die Bekenntnisse der Urgicht als erwiesen gelten, aus-
gesprochen, es habe sich an das anfänglich strengere, spater
aber entgegenkommendere Verhalten des Kaisers g^en seine
Neffen die Meinung geknüpft, dass der Staufer am kaiser-
lichen Hofe seine Herren verraten habe. Stumpf*) hat dies
dahin gedeutet, der Staufer möchte etwa den geheimen
brüderlichen Vertrag dem Kaiser mitgeteilt haben, und was
Stumpf als Vermutung äusserte, ward von Büchner^) bereits
als Gewissheit hingestellt, wobei dann die Folgerung auf
der Hand lag, dass diese Verräterei die Hauptursache vom
Ende des Stau fers gewesen sein dürfte.
Es muss festgestellt werden, dass man sich hier durch-
aus auf dem Boden von nicht nur unsicheren, sondern sogar
wenig wahrscheinlichen Vermutungen bewegt. Schon dass
der Kaiser Kenntnis von dem geheimen brüderlichen Ab-
kommen erhalten habe, ist eine leere Vermutung. Was wir
von dem Verhältnis zwischen Oheim und Neffen aus den
1) Annales II 238.
2) Baiems politische Qeschichte I, 17.
8) Geschichte von Bayern VII, 25.
Bit zier: Prozeas des Hieivfiymus v. St au f. 473
Jahren 1516 — 1519 wissen, deutet eher auf das Gegenteil
und die Aufnahme des Staufers unter die kaiserlichen Räte
genügt nicht, dieser Hypothese eine sichere Grundlage zu
verschaffen. Das Schweigen der Anklageakte und der ür-
gicht über diesen Punkt kann allerdings keinen Gegenbeweis
gegen Buchners AuiFassung bilden , da ja der Vertrag vom
9. September 1515 ein geheimer war und geheim bleiben
sollte. Ein anderes Dokument aber, das Buchner und dessen
Vorgängern noch nicht bekannt war, spricht stark dagegen:
Maximilians zustimmende Antwort an Herzog Wilhelm auf
dessen Mitteilung über den Staufischen Prozess. Denn wäre
der Kaiser vom Staufer in den Inhalt des geheimen Vertrags
eingeweiht worden, so hätte er ein Viertel- oder ein halbes
Jahr später auf die Eröffnung seiner Neffen hin doch wohl
den Zusammenhang der Dinge durchschaut oder geahnt, er
hätte in der Enthüllung des Staufers die eigentliche Ursache
seines Prozesses gesucht und hätte seinen Rat, der ihm mehr
Anhänglichkeit bewies als seinen Landesherrn, nicht den
letzteren preisgegeben.
Urkundliche Beilagen.
(Sämmtliche aus dem Münchener Keichsarchiv.)
1. 1509, Nov. 12. (Montag nach Martini). Landshut. ^) (sie)
Der Rentmeister zu Straubing an Herzog Wolfgang und
die andern verordneten Vormünder. „Gibt Unterricht
von wegen her Iheronimen von Staufs schuld f orderung
vom krieg herrurend, auch als ain gerhab seinz bruders
her Bernhardin von Staufs kinder halb, von wegen der
pfleg Kelhaym umb etlichen draid.** Lihaltsangabe
von gleichzeitiger Hand auf der allein erhaltenen Adresse.
Stauferische Sachen III, f. 112.
1) Datum und Ort wohl irrig aus der Antwort hiehergatsl
1890. PhUot.-phüol. u. bist. Gl. II. 3. 82
474 Sitzung der historischen Glosse vom 6, Dezember 1890.
2. 1509, Nov. 12. (Montag nach Martini). Herzog Wolf-
gang sammt andern verordneten Vormündern an den
R(entmeister) zu Str(aubing). Nachdem der Herzog
Herrn Iheron. von Stauf die 1000 fl. , die ihm dieser
hievor zu merkliclier Notdurft geliehen, auf diesen Mar-
tinitag nicht bezahlen konnte, hat er ihm bewilligt, dem
Mosse Juden von Regensburg , dem der Staufer 200 fl.
auf Martini zu zahlen schuldet,^) diese Summe zu ent-
richten. Wird dem Juden Zahlung vor Lichtmess zu-
gesagt, so wird derselbe nach Versicherung des Stau fers
solches nicht ungern und ^ohne allen Judenschaden '
zulassen. Er soll diese Summe also auszahlen etc.
Concept a. a. 0. f. 114.
3. 1509, Nov. (vor Katherinentag). lieronimuss von Stauff,
Freiherr zu Ernfels, an Herzog (Wolfgang) und dessen
Mitvormünder. Da er im Krieg Herzog Albrechts Haupt-
mann zu Straubing gewesen, ist ihm von diesem zuge-
sagt worden, dass er wie andere Seiner F. Gn. Haupt-
leute gehalten werde. Bittet um Entschädigung aus
den Huldigungsgeldern, die er „aus den Widerwärtigen*
gebracht und dem Rentmeister zu Straubing abgeliefert
hat. Legt auch ein Verzeichnis (f. 110) des Schadens
bei, den er an Pferden im Dienste seines gnädigen Herrn
löblicher Gedächtnis (H. Albrecht IV.) jjjenornmen. Da-
runter: „vor Dingelfing, als wir ettlich Beheim er-
stochen haben, ist mir ain prauner hengst erstochen
worden, acht ich unib ()5 fl. rhein** und : „ain schimel
mit aineni langen schwantz, ist mir in der behemischen
Schlacht erstochen worden, schlag ich an umb38 fl. rhein.*
Verzeichnet sind sieben Pferde, zum Teil im Stall und
an Krankheiten gestorben, im Werte von zusammen 300 fl.
Or. a. a. 0. f. 115, 110.
4. 1511, März 30. (Sonntag Letare), Peretzhausen. Iheron.
v. 8t. an H. Wilhelm. Bittet um Auszahlung seines
auf letzte Lichtmess fällig gewesenen Dienstgeldes durch
den Rentmeister zu Straubing, da er desselben , grösslich "
notdürftig sei.
1) Diese Schuld wird auch in einem undatirten Zettel (f. 111),
überHchrieben : ^Dein Stautfer ain abforderuu^ ze geben an das camer-
gericht" erwähnt.
Riezler: Prozess des Hieronymus v, Stauf, 475
Or. a. a. 0. f. 117. unten Concept der Antwort: Das
Geld sei nicht bezahlt worden, weil der Herzog, wie
der von St. wisse, bisher mit merklichen Ausgaben be-
laden gewesen und von baarem Geld ganz entblösst sei.
Es soll wegen der Schuld mit ihm ,rechnung und verrer
handlung gehalten werden. **
5. 1512, Juli 17. (Samstag nach Margrete), Landshut. H.
Wilhelm an Iheron. v. St. Er soll binnen eines Monats
die 200 fl. rhein. zahlen , die ihm der Herzog wegen
seines Pflegsohns geliehen hat und die nun verfallen
sind, widrigenfalls auf den Gütern seiner Pflegkinder
mit Pfändung eingeschritten wird. Or. a. a. 0. f. 119.
F. 120 Concept dieses Schreibens von der Hand des
Kanzlers Lösch, datirt: Samstag Allexi (Juli 17.) Caspar
Morhart, des Herzogs Rentmeister zu Straubing, hat
berichtet, dass er sich unterstehe dagegen Einrede zu
thun, als wäre der Herzog ihm oder seinen Pflegkindern
auch schuldig. Das Anlehen ist aber sonderlich „ge-
freidt auf guten trawen und gelawben gesetzt" und darf
billig keiner andern Forderung willen vorbehalten werden.
6. 1513, April 20. (Mitichen vor st. Jergeintag), Augsburg.
Jeronimus von Stauff, Freiherr zu Ernfels, (eigenhändig)
an Herzog Ludwig „in sein selb haut*. „Durch-
leichtiger hochgeporner fürst! E. f. g. sein mein unter-
tenig dinst mit willen zuvor. Genediger her, als ich
mich negst zu Wurms, wie e. g. wisen haben, anheims
zu reiten erhebt, hab ich die Rom. Kays. Mt., meinen
alergenedigisten hern , auch meinen g. hern , herzog
Wilhalm all hie zu Auspurk petreten. Dar auff bin
ich aus getreuer guter mainum^) für mich selber pebet*)
(sie) worden e. f. g. in unterteikait (sie) zu perichteu,
das mein g. h. , herzog Wilhalm , bey der Kays. Mt.
in handlura (sie) stet e. f. g. herauff* zu brinen*) , und
wiewoll ich vast besorg , etlich , die baiden e. g. nit
gutes gunen, als man derselben wol am hof findet,
werden sich understen solihs zu verhindern und solihs
nit geschehen lassen, darumb das sy eur pede gnad nit
1) = Meinung.
2) = bewegt.
3) = bringen.
82»
476 Sitzung der historischen Classe vom 6, Dezember 1890,
gern ainich sehen und fermainen dardurch iren nutz
mitt e. g. schaden zu schaffen, als e. g. dan selb wol
bedenken kan. Dieweil dan iezt alhie der Venedier
krigs halben alerlay geschray und die gemain sag ist,
ir Mt. werde sich in etlichen tagen dem Welscheuland
pas neben, so verste ich auch , ir Mt. haben iren hof-
maister, den vom Rapoltstain und Gabriheln Vogt auch
abgefordert villeicht in das Welschland zu geprauchen
so kun ich nit fersten, wo e. g. noch lener^) zu Wurmbs
pelieben sollte, das solihs e. g. ere noch nuz sein wurde,
sonder wil eurn g. aus mir selber, der e. f. g. em und
guet gunt, raten, das e. f. g. nit pas tun kan , dan e.
g. wele sich von Wurms erheben alher zu Keys. Mt.
zu reiten, damit e. g. und mein g. h., herzog Wilhalm,
zusamen kumt, dan e. g. wais, das ale handlum, dy zu
Wurms geschehen ist, sich nur in dy her zeucht, so ist
ie der Verzug in der pericht e. g. ganz nachtalich und
foraus, dy weil das geschrai ist, das der kaiser sich zum
Welschland nehent und e. g. ain iuner (sie) fürst ist,
moch (sie) e. g. das in fil weg nachredlich sein , das
e. g. so fer von der sach wer, foraus wen man etwas
gegen den feind solt furnemen , dan es ist wol zu ge-
denken , moch (?) e. g. zu nachteil raichen , dan dy
kays. Mt. fint wol elter und dy fileicht nit als gern als
e. g. sich zun feinten neherete, dan ich hab oft selber
gesehen und gehört: wen kays. Mt, sich ie zen feinten
genehet hat, was man rede darzu getriben hat, wen
sich etlich von ir Mt. schicken haben lasen oder in
weite geleger sich haben legen lasen. Das stet e. f. g.
auch hoch zu ermesen als ainem innen fursten und ist
in all weg mein rat , das sich e. g. her ferfueg und
aufs fudeligest'-^). So hab ich gut hofnum, so e. peder g.
zusamen kumen , e. g. weren (sie) sich ungezweifelt
freintlich mit einander fertragen , dan ich find meinen
g. h., herzog Wilhalm, ie nit änderst, dan da.s sich sein
g. ganz freintlich und pruderlicher treu gegen e. g.
merken lest, und acht ganz darfur, das sich e. peder
g. ganz freintlich mit einander fertragen wurden. Zu
den das der hofmaister und Gabriel Vot auch an der
1) -- länger. 2) = turderlichest.
Riezler: Prozess des Hieronymus v, Stauf. 477
hant werden, so kan e. g. gegem kays. Mt. kain pesere
ursach' haben e. g. anher kumens, dan das e. g. sage,
ir habt feruomen, wie sich sein Mt. gegen den feinten
neben, so wers e. g. als ainem innen fursten ganz nach-
redlich, das ir nit pey seiner Mt. sein solt. Das zaig
ich eum g. in guter treuer mainum an und als fer e.
f. g. ie gern pein feinten sein wolt und dan mit meinem
gnädigen hem fertragen werden wol, so kan ich e g.
kaine andern weg anzaigen, dan e. g. ist ie nit nuzer
dan ain fraintlicher vertrag mit ra. g. , hern prüder,
und ist ain Sprichwort: dy erst pericht ist alpot dy
pest. Wo dan e. f. g. sich erheben wurdej so mag mir
e. g. ainen e. g. pueben oder poten gen Emfels schiken,
so wil ich mich fon stund an auch her ferfuegen und
dan ganz gern und treulich das pest, so zwischen e. f. g.
peden zu perich (sie) und pruderlicher fraintschaft dyent,
nach meinem besten (sie) fermugen und fleis handeln, dan
ich pin ie ganz der hofnum, e. peder g. werden unge-
richt von einander nit kumen. Wil soliche handlum
e. f. g. in untertenikait und in sunder m fertrauen an-
gezait haben, und last in kainen weg unterwegen, es
stet eurn g. iil nacbtails auf dem ferzug der pericht
und kert euch an niemant, ob e. g. etlich wolten ab-
schlahen, dy woltn nit, das eur peder g. mit ainander
fertragen werden und ob schon e. g. nit ales eur ge-
sind mit euch nimt, kumen wol hernach. Wil mich
hiemit e. f. g. pefolhen haben. Datum Auspurk am
mitichen vor sand Jergein tag im 13. iar.*
Or. mit aufgedrücktem Siegel. A. a. 0. f. 123, 124.
7. 1514, April 3. Chono von Walbrunn, Hauptmann^) etc.
an H. V. St. (eigenhändig).
„Wolgebomer her, myn gantz vertreulich willig dinst
sint e. g. mit vleiß brait. Ich hab verlangen zu wiessen,
wie sich all Sachen schicken und euch die zu handt
sten , bit myr daß , auch wie eß unsrer veschreibung
(sie) halber stee, so vil euch genboren (sie) wil bey
nester botschaft zu verkünden. Und wolt euch nit zu
1) Vgl. dessen gedruckte Correapondenzen ; Landtag v. 1514,
S. 617 f. Dort wird er Cunz von Walpronn zu Neuen-Eglofaheim
genannt.
478 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dezember 1890.
hoch auf die Niderlender deß Dnnckawß vertrösten, ich
vernymb, daß sie sich alhie solten haben hom lassen,
daß sie nit ewerß willen so gantz folgen, sonder faren
mit halben winde, dor noch wiest euch zu zu richten,
daß ir euch nit verdiefft, die weit ist abentteuerlicb,
hab ich euch auf unser vertrawen warnongßweiß nit
wellen verhalten. Man sagt, her Seitz von Torring und
her Hanß Kloßner schicken ir klainat und brieff an
ander end ir gewarsam und .... (unleserlich) lassen
sich hörn, ehe sie hertzog Wilhalraen wellen unterteneg
sein, siQ wellen ehe deß lands vertrieben werden, gent
vil seltzamer red, wist ir euch zu halten, und verbrent
dissen brief auf unser vertrau wen. lUent myn hant-
schrift aus Burghaussen mentags nach sant Ruprechts
tag anno 14.*
Or. a. a. 0. f. 128.
8. 1514, Juli 4. Herzog Ludwig (eigenhändig) an H. v. St.
„ Unsern grues zuvor, lieber her Jeronimus von Stauf !
Uns nimbt wunder, damit yr uns so gar nichs (sie)
schreibt oder nichs enbiett auf eur zusagen, das yr uns
dan gethan habt, wellet uns doch wyssen lassen, aus
was ursach unser brueder zu kays. Mt. zeucht, dan kays.
Mt. uns nit verrücken hat haissen , bis yr Mt. in die
nechent kumbt, auf solchs ich hie verhar. Es nimbd
uns auch frenibd, das unser brueder derraas dahin zeucht,
wellet uns aufs furderlichist wissen lassen, wo sein Lieb
hin wil oder was seyner Lieb maynung sey, hin zu
ziechen, auch was das geschray allenthalben ist etc.
Datum in eyl zu Munichen den 4. tag July anno 14.*
, Herzog Ludwig von Beyren, Pfalzgraf, manu propria.*
Or. mit Siegelspur a. a. 0. f. 125.
9. 1514, Sept. 9. (Sambstag nach Uns. 1. frawen geburt).
Hans Pflug Herr vom Rabenstein auf Peischaw und zu
Konigswart, an seinen Schwager^) H. v. St.
Herzog Wilhelm hat ihm wegen der unziemlichen
Beschwerung etlicher seiner (des Herzogs) Eigenleute
geschrieben. In seiner und Herrn Sebastian Schlicks
1) H. V. 8t. hatte eine PHii^ von Rabenstein zur Krau. 8. Hund,
bayrisch 8tammenbucli 11, 308.
Riezler: Prozess des Hieronymtts v, Stau f. 479
Angelegenheit möge sein Schwager bei H. Wilhelm das
Beste fördern. Hat zu seinem Schrecken von seinem
Bruder, Herrn Sebastian Pflugk, der seine Knaben bei
ihrer Schwester, Herrn Hier. Gemahlin gehabt, gehört,
dass dieselbe schwer krank zu Yngelstat .unther den
ertzten* liege, worauf er zu ihr einen Boten mit Ge-
sundheitswünschen schickte.
Or. a. a. 0. f. 126.
10. 1514, Sept. 21.
Chono von Walbrunn , Hauptmann , an H. v. St. .in
sein hant und sunst niemant aufzubrechen.**
.Wolgeboruer her, mein freuntlich willig dinst sint
euch myt allem vleiß brait zuvor. Gebiettender her,
wir haben unserm gn. hern geschrieben und den brief
in seiner f. g. hant zu antworten befollen und bietten
den noch Verlesung zu stunt, unß vor nochtail zu
bewarn , zu verbrennen , aber meinß tailß auf unser
vertrawen sich ich gern , daß ir den auch lesset, euch
destar baß zu richten habt, und verkund euch, daß mich
itzunt anlangt, unßers gn. hern sach sey nit ainß oder
zwayer menschen geschicklichkait noch vermögen ine
und sein furstethum zu reigirn, vermerck in Worten, daß
ir und ich darin verdacht werden , als weren wir , die
solichs zu thun für betten etc. Darbey habt abzunemen,
daß vil leud verhinderong unß baiden zuzefuogen sich
fleissen werden und darunter, wo sie waß wiesten, dar
myt sie unsern fursten bwewegen (sie) und abwenden
mochten, wirt warlich nit gespart werden. Nun waiß
sein f. g. , wer ime trewilich beystendig und geratten
hat und daß noch thut; solt sein f. g. sich widder unß
bewegen laßen, wer zu erbarmen, ich getrew seinen f.
g. auf ir zusagen deß ye nit. Darumb so last sein g.
nit onerynnert deß im furgesagt von unß ist. Etz get
itzunt darher, so man siecht und hoflFong (sie) hat, frids
und anigkait (sie), und daß unserß gn. hern Sachen recht
Stent, wil ain yeder daß best getan haben. In diessem
wiesset ir euch nun wol zu richten. Mich langt aach
ane, so R. K. Mt., unser allergn. her, die bericht mac^
so well er unsern gn. hern myt raetten besetzen *
seiner Mt. hoff, darmyt ain lan tschaft hien färt, ^
480 Sitzung der historischen Glosse vom 6, Dezember 1S90,
gehandlt wirt, desta wenger clagen und wiedder sein f.
g. handln mog. Dissem ich auß den ansehen liehen Ur-
sachen nit klainen glauben gib, darumb rieht unßre
Sachen, darmit wir nit ins nochtraben komen, und fiir
allen dingen so erlangt die bstettung über unser gab
und vergest nit daß in meiner bstettung, daß Randeck^)
in die pfantschaft Abensperg gehört und, wo daß lehen
ist, aigentlich ausgedruckt und myr daß in sunderhait
geaigent und gegeben werd durch die K. Mt. in dem
bstet brief , eß wer myr sunst nicht nutz und all gab
het kain kraft, wie ir selbst wiesset. Darin wolt thun,
alß unser vertrawen zusamen stett, dann wirt solichs
itzt nit erlangt, ist zu besorgen, wyr haben zu baiden
tailen an den gaben smalen notz, dann komen die kaiser-
rischen inß thaem (sie), so ist unser sach auß. sie lassen
niemant hienzu, wenden ab, waß unß gudß gescheen
mag, und furdem sich selber. Darumb seit vleissig und
versumbt unß nit, dan es ist zeyt; schneidt, dwihl es
aern ist, daß wir nit den spot sambt dem schaden erben.
Darniyt seit got befollen und so botschaft alher get,
schreibt unß, wie al sach stent, und verbrent dissen
brieff von stund an unß baiden zu guot. Erbeut mich
auf unser vertrawen alzeit zu thun, waß euch lieb ist.
Illent myn hantschrieft auß Burghaussen an st. Matheus
deß heiigen zwölf botten und ewangelisten tag anno 14.'
Or. a. a. 0. f. 127. Hienach gekürzt und nioderuisirt
bei V. Freyberg, Die StaufFer v. Ehrenfels IL 74 (2.).
11. 1514, Okt. 1.
Chono von Walbrunn, „reigementß hauptuian etc.* an
H. V. St.
.... „Ich hab euch nächst in ainer meiner schrieft*)
angezaigt, das ir euch auf die Niederleuder nit zu hoch
verladen solt, dan sie sich alhie haben niercken lassen
solt ir vermaint sie gewießen zu haben es sey aber weit
f. . . (?) und wolten euch nit anseen, suuder waß gemayne
lantschaft beschlossen , darin sie gelobt und gesworn
haben, auch deß ir brief geben , dem wellen sie folg
1) Randork an der Altmühl, «las später Wilhehiis Kanzler. Dr.
Leonhard Eck erhin^te.
2) S. ol.en Nr. 7.
Riezler: Prozess des Hieronymns v, Stau f. 481
than , kan auch nit änderst versten , daß solichs der
merer tail des larids zu thun auch bschlossen und zu
volnziehen genaigt sint, alß sie auch in irren schriefften
meinß Verstands zu thun lautter anzaigen und waß et-
lichen hem gemot, so bey meinem gn. hern itzt sint,
ist (sie), findet sich an dem bfelch, den sie irren dienern
hinter innen alhie verlassen haben. Darumb seyt weiß-
lich furbetrachtlich , das mit euch nit guote wort mit
weiten hertzen mytgedailt werden, dan ir secht, daß
diesse weit abenteurlich ist, und auf unser vertrawen
wolt ich ye nit gern, das ir also solt in guottem glauben
verfuort werden. In diessem wiest ir euch alß ain ver-
stendiger baß, dan ich gedencken kan, zu richten. Ver-
gest unser nit in aigen Sachen und schreibt myr, wie
al Sachen sten und sich zutraigen (sie). Ich hab ain
bswerd deß verzogs und ain wiessen zu entphaeen ain
großen verlangen, dan mich langt so vil an, daß ich
sorg trag, waß ich mynem gn. hern und euch schreib,
es wiesse der gegen tail alleß, zu besorgen, ob euch myn
brief all worden oder durch ewer ghaymen goffenbart,
dan es ist ye etwaß daran. Wießet euch noch zu
richten und ir findet in mynß gn. hern brieff, waß unß
begegne. Darmyt seit got bfollen und schribt myr
forderlich. Mich dunckt und ist warlich auf meinß
hern tail klainer hauff etc. Illent myn hantschriefb am
suntag noch Michaheliß archangeli anno 14.*
Or. a. a. 0. f. 129. Nicht bei Freyberg, wo jedoch
(II, 73, 1) nach unbekannter Vorlage ein weiteres
Schreiben Walbrunns an den Staufer gedruckt ist.
12. (Undatirt. c. 1515?)*
H. Wilhelm an den Staufer (wohl eigenhändig).
„Lieber hofmaister, als ich in euerm schrei[ben] ver-
standen hab und ir mir in gehaim zwschreibt, was mein
prueder, herczog Ludwig, mit euch und graf Kristof,^)
uns al drei betreflFendt, geredt hat, wie man uns in ainer
lang zwrichten solt, damit wir unsinnig würden,*) das
mich warlich nit klainn befrembt, und ist mein gnädigs
1) Graf ChriBtoph von Ortenburg.
2) Kann wohl nur auf einen Plan gedeutet werden, den Herzogen
ein auf den Verstand wirkendes Gift beizubringen.
482 Sitzung der historischen Glosse vom 6, Dezember 1890,
beger, ir wellet ench der Sachen noch paß erfaren und
zuvoran, ob die zewen gefangen etwas darum b westen,
und selb bei der frag sein, darpei mügt ir wol versten,
was man mir und meinem pruedern ern und guetz gunt.
Und ob ir etwas weiter erfiert, war meiner handlunj;^
nit undienstlich gegen Kayserl. Mt., und wellet in dem
und allem andern gueten vleiß furkem, wie mein gnädigs
vertrawen zw euch stet, und was euch begegnet, wellet
mich wissen lassen/
Ohne Datum und Unterschrift. Spuren des in rotem
Wachs aufgedrückten Siegels. Von der Adresse nur:
Iheron .... hof . . . (das andere weggeschnitten).
Stauferische Sachen III, f. 130.
13. 1515, Januar 10., München.
Die Herzoge Wilhelm und Ludwig verkünden allen
Einwohnern und Gerichtsleuten zu Schloss und Herr-
schaft Valkenstain gehörig, dass sie dieses Schloss und
Herrschaft dem edlen, ihrem Hofmeister Iheron. v. Stauf
erblich zugestellt haben , und befehlen ihnen , diesem
Pflicht zu thim. Mitichen nach st. Erhards tag.
Or. und Concept. A. a. 0. f. 132, 133.
14. 1515, Januar 28. Straubing.
Dr. Augustin Lesch an H. v St. Letzten Freitag ist
er auf fürstlichen Befehl und sein, des St.ers Begehr
mit dem Rentmeister in Valkenstain angekommen. Am
Samstag hat er die Bewohner des Marktes und die Ge-
richtsleute ihrer Eidespflicht ledig gesprochen und Herrn
H. V. St. saniiut Giesser und Hinderniair^) als dessen
Anwälten Schloss, Markt u. s. w. Valkenstain zugestellt
und die Unterthaneu in neue Eidspflicht genommen.
Sonntag nach Conversionis st. Pauli.
Or. a. a. O. f. 1:U.
IT). 1515, März 10., München.
H. Wilhelm an seinen Hofmeister und Rat, Iheronymus
von Stauf, Freiherrn zu Ernfels zum Valkenstain.
Entbietet ihn auf nächsten Eritag (März 13.) zu sich
nach München. Nachdem er mit seinen Räten und des-
gleichen sein Bruder mit seinen Räten im Grund einer
li üebjT (iies.spr v^l. unten Nr. Ib. über Uindermuir .Die Land-
tüt'e von 151ü und 1516', S. 595 und unten Nr. 27, 28.
Rieeler: Prozess des Hieronymm v. Staiif, 483
Meinung entschlossen sei wegen der Antwort, die sie
dem Kaiser auf die Werbung seiner Räte jüngst in des
Staufers Beisein geschehen geben wollen, haben sie auf
sondern Befehl des Kaisers dieselben Räte auf nächsten
Mittwoch hieher beschieden , um ihre Antwort zu em-
pfangen. H. Ludwig wird auch kommen. Sambstag
nach Sonntag Reminiscere.
Or. mit eigenhändiger Unterschrift H. Wilhelms. A. a.
0. f. 135.
16. 1515, Mai 14. (Montag nach Vocera Jocunditatis) Hans
von Törring zu Seefeld hat mit Hieronyraus v. Stauf
die Abrede getroffen, dass er eine von dessen eheleib-
lichen Töchtern zur Ehe nehmen wird, welche 1000 fl.
Heiratgut erhalten soll, wogegen er ihr dieselbe Summe
Widerlage und 500 fl. Morgengabe gibt. Unter den
Zeugen: Augustin Lesch, Doetor und Kanzler, und Cun
von Walbrun, Hauptmann zu Burkhausen.
Pap. Or. Adelsselekt, Stanfer v. Ernfels, 1. Faszikel.
17. 1515, Mai 28. (Montag in Pfingstfeur).
H. V. St. eigenhändig an Pernhart Waltkircher, „Dom-
herrn hier und Pfarrer zu Straubing*, seinen lieben
Herrn und Freund. Sein gnädiger Herr hat ihn mit
einem Glaubsbrief zu Herzog Albrecht von Mekelburk
geschickt auf ein Schreiben hin, das der von Mekelburk
an seinen Herrn gerichtet hat. Sein Herr kann den
Anschlag eines Rittes, den er mit dem von Mekelburk
gemacht hat, jetzt nicht ausführen wegen des Rittes,
den er mit Kays. Mt. thun wird. Der Herzog möge
das nicht anders aufnehmen. Sowie der Ritt zum Kaiser
vollendet, wird sein Herr gewiss zu Herzog Friederich
von Sagsen reiten und auf einer Malstatt mit ihm zu-
sammenkommen.
Or. mit Siegelspuren. Stauferische Sachen III, f. 140.
18. 1515, Dez. 11. (Eritag nach unser lieben frauen en-
pfahung), Landshut. Seiner Gnaden Pfleger C. Giesser
(an H. V. St.)
Letzten Sonntag^) hat ein Bösewicht, der seinen Namen
nicht unterschrieb, einen Brief an St. Martins Kirchthttr
1) In den «Landtagen von 1515 und 1516, S. 585, wo dieser
angeschlagene Zettel gedruckt ist, heisst es: Montag.
484 Sitzung der historischen Classe wm 6, Dezember 1890.
zu Landshut angeschlagen, ihn betreffend. Herzog Lud-
wig hat ihn von der Kirchthtir abreissen lassen und
ist darüber fast zornig gewesen, der Meinung, wo er
den Gesellen erführe, ihn nach Notdurft zu strafen.
Auch etliche im Ausschuss sind fast zornig darüber und
haben solchen Brief noch in ihrer Gewalt. ,Auch ist
sunst ein zettl gefunden worden, die einer fallen hat
lassen, die hat man untertruck (sie), aber ich kann nit
erfarn, was in sich gehalten hat.* , Jedoch will mich
für gut nit ansehen , das ir vergebenlich herein reitt
dan mit gutem vorwissen, uff das seit gedacht. Ich bet
uch mer zu berichten, will mir zu schreiben nit fuglich
sein. Nichtsweniger wart man meines gnedigen hern,
herzog Wilhelmen, und eur zu kommen all tag.* Er
reitet jetzt heim zum Schloss.
Or. a. a. 0. f. 142.
19. 1516 (c. April 1., 2.) Anklageakte gegen Hieronymus
von Stauf.^)
Fragstuck, dorauff der frum man sol gefragt werden.
Erstlich sol ime furgehalten werden: wiewol er meines
gn. herren herzog Wilhelms rat und diener, verlübt und
verpflicht gewest, hatt er doch die selbige aids pflicht
in vilfeltig weg, wie zum tail hernach folgt, geprochen
und der nit gehalten.
1. Als herzog Wilhelm ine mit sanibt*) Doctor 111-
sungen auf den reiehs tag gen Wurmbs von Landshuet
auß verordnet und darneben bevelch gehabt, bey k. Mt.
umb guetlichen Vertrag zwischen seiner gnaden und
derselbigen bruder, herzog Ludwigen,^) mit vleis zu
handeln, damit ir f. gu. als gebrüder nit zu fernerem
umwillen und anfrur verwüchßen , landt und leutt bey
frid und aynikhait behalten wurden etc., hatt er seiner
pflicht zuwider dtis widerwertig seiner instruction be}'
herzog Ludwigen , wie hernach folgt , gehandelt und
.seinen gnaden da selbs trostliche hilf zuegesagt, unß*)
treulichen in ainer landschaft zu helfen , als er dann
1) V^l. oben S. 456 f.
2) Ausgestrichen folj?t: herzog Lud.
Hl Vor Ludwigen: VV'ilh. durohatrichen.
4) Vor unß scheint widor oder dergleichen ausgehissi'n zu sein.
Riezler: Prozess des Hieronymus v, Stauf. 485
mit allem vleiss gethan hatt, das herzog Ludwig selbs
bekennt und ojBFenwar ist.
2. Item ain trefienliche person hatt in auf ain zeit
gefragt, wie ime herzog Albrechts seligen testament
und Ordnung gefall, darauf er geantwurdt, sy gefall im
gar nichts (sie), er wöll seinen khopf nit sampft legen,
er weis wider zerprechen; welches der pflicht zuwider
und khainem frumen ratt und diener gebürt.
3. Itera er hatt sich in ainem offnen wirdtshaus hören
lassen , man sey doch innen worden, was die herzöge
haben aufzuheben, man hab gesagt, sy seien gar ver-
dorben, aber er hab erfaren, das sy noch wol hundert-
tausend gülden ierlich an trucknem gelt haben aufzu-
heben, sy weren ime noch zu reich, man solts nit zu
reich lassen werden, er und ander khündten sunst nit
vor ine pleiben — alles wider sein pflicht, die er ge-
schworen, der fursten frummen helfen furdem und schaden
zu warnen.
4. Itera er hatt zum dickemmäl vor herzog Wilhelms
truchseßen^) auch vor ettlichen*) edlen und unedlen ge-
sagt: wann herzog Wilhelm ainmal wider in thette, er
wolt seiner gnaden noch ain ander spil zuerichten, dann
das gewest sey ; darumb so thue er nur nit wider mich,
das mag ich im rathen. Darauf wil herzog Wilhelm
ain wißen haben, was er im herzen und willen gehabt,
wo sein gnaden wider in gethan hette, für ain spil an-
zurichten.
5. Item er hatt offen lieh in beysein ettlicher person
geredt: wann herzog Albrecht der selbig pöß wicht im
himel wer, er wolt nit zu ime hinauff, den frummen
löblichen fursten des heiligen reichs, seines aignen herren
leiplichen vatter, also mit der unwarhayt in jhener weit
gescheut und geschmacht wider sein aid imd pflicht.
6. Item als auf jüngst gehaltnem tag,^) so er und
andern ettlicher seiner aigen irrung halb mit herzog
Fridrichs*) etc. rethen gehabt, hatt er sich geübt und
1) Nach: truchseßen: geredt ausgestrichen.
2) Nach: ettlichen: gesagt auägestrichen.
3) Zn Regensburg, wie das Verhörsprotokoll B, f. 181 hinzusetzt
4) Von der Pfalz.
480 Sitzung der historittchen Classe vom 6, Dezember 1890.
practiciert, das dy selbigen bey herzog Pridrichen han-
deln sollen , dise yrrung ime nachzugeben , so wöll er
als vil verfuegen, das dy statt Wembding^) herzog
Fridrichen durich ine zuegestelt sol werden. In dem
hatt er seinen aigen nutz betracht und gesucht, seines
aigen herren iand und leuten zu nachteil und schaden
gehandelt.
7. Item er hatt auf ain zeit offenlich in unser,*) herzog
Wilhelms khammer in beywesens vil personen gesagt:
wir haben frumm rethe, seien gute, frumme mendlein;
er weit, das wir, herzog Wilhelm, ein ganz iar niehtz
dann lautter pößwicht zu rethen hetten. Nu wollen
wir, herzog Wilhelm, wissen von ime, wie er diese red
gemaint hab, es khau auf nichts guts verstanden werden,
dann wir seien ain frummer fürst, frummer redte und
khaines pößwichts nottirftig.
Wir herzog Ludwig begeren auf nachfolgundt artikel
von dem mißhaudler und aidsprüchigen dy warhayt zu
wissen und khains wegs, bis dy warhait bekhennt wirdet,
von im zu lassen.
8. Im ist bewist, das er von ainem ausschus und ge-
mainer landtschaft unß beden brOdern der raitregierung
verordnet ist, doranff er aidspflicht mit aufgehebten
fingern unß beden fürsten und geniainer landtschaft ge-
thon. Darübt^r und wider dasselbig, auch dy versigelt
aynigung, wider sein aidspflicht und insigel gehandelt,
trölich in vil weg sich nierckhen lassen, hatt unß beid
fürsten aufgesehriben, in welcher maß, ist noch vor-
handen. Solche pflicht hatt er mit eren zu yglicher
zeit seines gefallens, dy weil er so khurz in der pflicht
gestanden und khain iar darin pliben, nit aufschreiben
mögen. Dann gleich im iar aufzuschreiben und sich
selbs desselbigen tags des aufschreibens der pflicht zu
entledigen steet in seiner noch khiiines dieners macht
nit, sunder dy pflicht sol sich, wiewol sy aufgesehriben
ist, zum wenigisten das iar hinauß strecken, wie es dann
1) Weiiidin^ gehörte zu den in der Abgränzung zwischen Bayern
und der jungen Pfalz «treiti^^en Orten. Vgl. u. a. Baierische Land-
tagshandlungen X\\ 2 45.
2) khammer nach un^er iät durchstrichen. Im folgenden sind
ähnliche iSchreibverstösse, die mehrmals wiederkehren, nicht mehr
verzeii-hnnt.
Rie2ler: Prozess des Hieronymus v. St auf. 487
allenthalb gewonhait und gepreuchlich ist, sunst west
khain herr, welche stund er diener hette oder nit.
Sunderlich so er durich ain landtschaft unß beiden
forsten zu hoffmaister geordnet, das aufschreiben nit
macht gehabt noch mit eren thun mügen. Er solt das
ainem ausschus und landtschaft sölich aufschreiben ge-
thon haben und darüber nit im schlos Burckhaußen
pliben sein, ainem forsten wider den andern nit hilflich
sein gewest und wider daß, so im ain landtschaft ver-
traut, darzue er geschworn das schloß nit helfen inn-
haben und zu ver waren.
Auf disen artikel aigentlich in fragen, auß was be-
wegnuß er sein pflicht verprochen und das aufschreiben
gethon, was er im sinn gehabt.
9. Ob er sich dardurich bey herzog Wilhelm hatt
wollen reichen,^) schloß und dorfer zu uberkhummen,
als sich dann in der thatt befunden, den Valckenstain
erobert und bey ime noch khain aufhörung gewest, wie-
wol er oft gesagt, khain fürst hab nichtz macht die (?)
landt zu begeben.
10. Er hat ein Werbung von h. Wilhelmen ausser-
halb des ausschuß und landtschaft auch herzog Ludwig
wissen bey den von München geübt, das seiner pflicht,
die er beden fürsten und der landschaft ime (? zum?)
hofmeisterambt gethon, nit geburt hat.
11. Er hatt auch unsern lieben bruder herzog Wil-
helmen mit seinen hinderlistigen und aigennützigen fur-
schlegen beredt und dahin gebracht und sein lieb aufs
höchst in unß versagt und bewegt, ime das pösist von
unß, des wir gegen seiner lieb nie zu gemuett und synn
genummen, anzaigt, khriegs volk wider unß und unßer
beder landt und uuderthanen zu verderbung der selbigen
annemen laßen, der wir fursten noch ettlich zu unserm
mercklichen schaden besolden mueßen.
12. Item als Römische khays. Mt. zwischen beden
fursten und der landtschaft ainen tag zu gütlicher ver-
hör gen Innspruck*) angesetzt, aber er auß sundern
1) = bereichem.
2) Auf 9. August 1514. S. «Der Landtag im Herzogthum Baiern
vom Jahre 151 4" \1804). S. 495-497.
488 Sitzung der historischen Classe vofn 6, Dezember 1890.
erdachten listen und betrug bey kh. Mt. und herzog
Wilhelmen mich, herzog Ludwigen, angericht und prac-
ticiert, dy frumnien fursten bewegt, das dy sach, wiewol
sy zu beden tailen darzue geschickt waren, nit zu ver-
hör (was allentall (?) gehandelt) khumen ließen, sunder
sich allaiu hin und wider vast bemuett, wol zu achten,
das er ims selbs zu <^uet abgewendet, dann es sich auß
den offen liehen geschieh ten erfunden hette, das er zwen
prey in ainer pfannen gekocht und die frumnien iungen
unschuldigen fürsten in grosse unainikhait gepracht, dar-
durich iren f. gn. und den yeren mordt und todtschleg
leichtlich, wo es gott der almechtig mit seiner gnad nit
underkhummen, erfolgt hette. ^)
13. Item ine zu fragen, ob er das schloß und herr-
schafb Valkenstain, als dy gemain sag ist. Römischer
khays. Mt. und dem reich zu leben gemacht hab, auß
was Ursachen und bewegnuß, dy weil das ain ort schloß*)
sey gegen den Behamen.
14. Item auf was grundt und raaynung er geredt
hab: wir mueßeu und wollen den waldt') haben, khunnen
und mögen deß nit geraten , dy weil doch wir, herzog
Ludwfg, unß zu unserm freuntlichen lieben bruder alles
guts mit haltung des Spruchs versehen.
15. Item er hatt unsern bruder, herzog Wilhelmen,
dahin bewegt , das sein lieb ettlich ambtleutt wider
unsern vertrag und unß, herzog Ludwigen, von neuem
in pflicht hatt genunimen , unserm bruder anzaigt , als
süln wirs dergleichen auch gethou haben, welches wenig
guten brüderlichen willen zwischen unß brüdern ge-
macht hatt.
1) Der tolgende Artikel ist durchstrichen:
13. (• rossen vleis und niüe gepniucht kays. Mt. wider dy
frumnien fursten und j^^cniaine landtschuft zu ungnad und zu
der selbigen verderben gern, so vil an in» gewest, gepracht
hette, damit er bey khays. Mt. auch nutz und gnad erlangen
möcht, des abt»r k. Mt. seinem vertrag zu nachtail nit verhengen
(V) wollen.
2) Ort — Ecke. Ortschloß so viel wie Gränzburg.
3) Den bayerischen Wald. Der brüderliche Vertrag hatte da8
KentmeiHteiamt Straubing, wozu dieser gehörte, Ludwig überwiesen.
S. Landtage von 1515, lölü, 8. 347.
Riezler: Prozess des Hieronymus v, Stauf, 489
16. Item da unser bnider, h. Wilhelm, und wir den
vertrag zu Rotenburgk^) aufgericht, hatt er sein prac-
ticken gemacht und rigel undergeschossen , dardurich
der vertrag lang gesperdt ist worden, zu unß gesagt,
wir muessen im auch ainen nebenbrieff geben umb die
herrschaft Falkenstain. So pald wir dasselbig gethan,
ist der vertrag von staten gangen und gefurdert worden.
17. Item wir, herzog Ludwig, haben in vergangner
vaßnacht ainen aufstoß mit im gehebt zu München auf
dem tantzhaus im schloß, hatt er offenlich unsernhalb
unverursacht zu unß gesagt, wir solten uns nichts guts
zu im versehen und wo er args in unser sach khündt
reden, wolt er thun, wir sollen unß auch soliches zu
im versehen.
18. Item in negst verschiner vasten in der palraen-
wochen,*) als unser bruder, h. Wilhelm , zu Landshuet
ist geweß, und am montag in der kharwuchen, als wir
bede wider hinweck geriten sindt, hatt er sich mit lugen-
haftigen erdichten gemuet understanden , villeicht auß
Ursachen, so er verstanden, das mein furgenumen raiss
ab ist gewest, des er nit wenig erschrocken, ist er zu
unsem rethen khummen, inen anzaigt, als wie sich
unser bruder, herzog Wilhelm, beschwer, und ime N.
soliches treulichen (?) geklagt, als ob wir an sein lieb
mit etwo vil hitzigen wordten khummen sol (sie) sein
und mit seiner lieb zumt auf meynung, als lig uns
nichts doran, wir wolten seiner lieb die erstreckung
des Vertrags gern widergeben, wir muessen dannoch be-
sehen, wie wir unsem Sachen thun. Dorauf hat Staufer
unser rethe gepeten unß dorumb zu straffen, damit wir
firter nymmer mit so hitzigen wordten an unsern bruder
khummen.
19. Und auch dameben unsern rethen mer gesagt:
unser bruder und ich wollen nur selbs mit ainander
handeln, das sey nit gutt, wir soltns nit also allain in
den winckeln mit ainander handeln, sunder albeg reth
bey uns haben.
1) Vertraif zu Rattenberg vom 14. Okt. 1514.
2) 16.-22. März.
1890. Pliilo«.-phi]ol. o. bist Cl. II. 3. 33
490 Sitzung der historischen Glosse vom 6. Dezember 1890,
20. Darzue zu unserra hoffmaister^) ferner gesagt, als
ob ers unsernthalb gutt mainte : wier seien ain narr,
versteen es nit, wir selten unserm bruder die erstreckhunj?
nit geben haben, wir weren sein noch wol khummen,
und*) deß von uns, h. W., khainen bevelch gehabt.
21. Darnach hatt er unserm bruder, herzog Wilhelmen,
eben das widerspil gesagt, deßbalben er khain bruder-
liche aynikhait zwischen uns leiden mag, sunder was
er khan anrichten mit lugen oder practica, damit wir
nit ains pleiben, befleist er sich treulich.
22. Er hat auch unser beder bruder erstreckung füuf-
ierigen vertrag nit fertigen wollen laßen, wir, h. Lud-
wig, haben ime ain hofiFmarckt (sie) mit derselbigen
oberkhait, außgenummen das gericht, geben mueßen.
23. Item er hatt unß auch zuegesagt , dy weil wir
noch die Neu vest zu München in unserm gewalt hetten,
der selbigen abzutreten, dagegen sol unß unser bruder
Burckhausen auch abtreten, dem aber auß seiner aigen
und nit unsers bruders, herzog Wilhelms schuld nit
volg geschehen. Ine darauff zu gichtigen , was doch
sein furnemen und anschleg mit Burckhausen gewest,
dann er anfengklich unserm bruder geraten, Burckhausen
einzunemen, uns bruder, landt und leut in unfrid und
verderben zu pringen.
24. Weitter hatt er zu Riiidenbuchern^) gesagt,
do*) .... das necher nuii zu München mit im auf-
stieß, er bette übel gethan, djis er das nit hab für sicli
gen lassen, er west wol, das wir nu lengst faul weren.
Dorauff sol er notturftcklioh gichtiget werden, wie und
in was gestalt er das genuiint liab, damit es zu gutem
verstandt gepraclit werde.
1) Zu tlem in Art. 24 jrenannten (Wilhelm) Kaidenbucher. Der-
selbe wird als Hofinoister H. Ludwig,'-! ii. a. im Dezember 1515 er-
wähnt; Landtage v. 1515, 1516, S. 2(>6, 271.
2) und — gehabt, wie es sclieint, von gleicher Hand nach-
getragen.
3) Vgl. oben die Anmerkung zu Art. 20.
4) do — aut>itieß mit anderer 'J'int«*, aber, wie es scheint, von
derselben Hand nachgetragen. Die Punkte bezeichnen ein unleser-
liches Wort.
Biezler: Prozess des Hieronymus v, Stauf, 491
25. Er hatt mit ettlichen seinen haimlichen prack-
tiken und anschleg uns nnib den stift Saltzburgk ge-
pracht,^) als uns durich hoch person angezaigfc ist.
Inen (sie) auch zu fragen , mit wem er und auf was
verhaissen er soliche anschleg gemacht hab.
26. Item uns ist glaublich angelangt das er vil
schenckh, miet und gab entpfangen in seinem hoifmaister
arabt. In zu fragen, was er alles eingenummen und
von wem und was er den selbigen darumb procuriert
und zu verhelfen zuegesagt hab.*)
27. Item er hatt von dem prelaten zu Degernsee acht-
hundert gülden zu lehnen begert, dy hatt er im abge-
schlagen,^) sich entschuldiget, er hab diser zeit nit statt
im solche summa zu leihen, darumb er im so vest mit
Ungunst zuegesetzt, das ers nynimer gedulden mögen,
StauflFern vierhundert gülden geschenckt, damit er ainen
günstigen hoffmaister behalt. Das*) zu befragen.
28. Item^) er hatt herzog Wilhelm gesagt, sein gnad
sol sich wol hueten, dann h. Ludwig gee darauf unib
ime zu vergeben.
29. Deßgleichen hatt er zu herzog Ludwigen auch
gesagt, herzog Wilhelm wöll im vergeben.
30. Item als Stauffer auf dem iüngsten pundtstag mit
herzog Wilhelm gewest, hatt er mit Jörgen von Aw
1) Genauer: die Salzburger Coadjutorstelle , die 1514 Matthäus
Lang übertragen worden war. Denn Erzbischof Leonhard von Keut-
schach regierte von 1496 bis zu seinem Tode, 8. Juni 1519. Bisher
hatte man nur von Absichten des jüngeren Bruders Ernst auf Salz-
burg Kenntnis. Vergl. v. Druffel, Die bairiscbe Pohtik im Beginne
der Keiormationszeit, S. 603. Herzog Ludwig war übrigens beim Ein-
stige des Coadjutors, Cardinais Lang in Salzburg im Juni 1515 zu-
gegen. Zauner, Chronik von Salzburg IV, 294.
2) Durchstrichen folgt:
27. Item er hatt neulicher zeit zu herzog Ludwig gesagt, der
gehaimsten oder maisten rethe ainer, den sein gnad hab, sey ain
pößwicht; wo im sein gnad ainen hengst schencken wöll, so wöll
ers seinen gnaden sagen. Darauff hatt im herzog Ludwig ainen
hengst geschenckt. In zu fragen, wer doch der selbig poßwicht sey
und was er übeU oder pöß an herzog Ludwig gehandelt hab. — Andre
fragstiick seien zu ferner handlung vorbehalten. — Vgl. oben Art. 31.
3) Durchstrichen folgt: villeicht der nit gehabt.
4) Da« — befragen mit anderer Tinte nai'h getragen.
5) Die Artikel 28 u. 29 stehen mit diesen Kümmern vor Nr. 27.
33*
492 Sitiuttff der Imlorüchen Clniine
. Ihtemher 1S90.
lang in gehaini geredt. Wollen die Fürsten wissen, wbb
er doch in solcher gefanini mit im ^Kredt. ob er dem
von Wirtenberjfk trost meines lierren, herzog Willielms
halber hab zu enpoten, anf mayunng, er wöll diae saclien
wol abringen (?) und was er von dem Ton \Virt«ij-
ber^k darumb begert hal».
31. K-em er hatt zu herzog Ludwigen gesagt, dy
mnisten seiner gnaden rethe seien piißwitht, denen sein
gnaden am niaie^ten vertruiig, und sti im sein gnaden
den weissen hängst göben (sie), wolle er dy selbigvn
anzeigen. Ine zu fragen, wer doch dy selbigen p5ß-
wicht seien und was sy wider herzog Ludwigen gehRn-
delt haben.')
(32.)*) ItPin er hatt zn meiner gnaden l'ranen von
Wirtenbergk*) gesagt in gröster gehaim, wie er gutt
wisHfin hab. das dy landtschaFt, so zu Landshutt ver-
samlet gewest,*) ainen anscfalag über meinen giiildigcn
herrn, herzog Wilhelm gemacht und im willen «ein
gniulen zu fahen, uu wolt er ye gern , du» söüch» ver-
khiiniroen wurde, nnd so ferr er mÖcht nur lun tag vor
bey der lundkchart sein, wolt er soliches fumemeu wol
abpringeu etc. Damit hatt er den heritog und dy Inndt-
schaft in ain ander hetzen wollen. In zu tVag«n, tuiß
was Ursachen er solielic unwurhait erdacht und der
frummen flirstin vor gesagt hab.
(33.) Item in zu fragen, waß zub er dy steig and
fallKeug. auch den daura^tock, strick und dietrich praucben
wollen, dann ers on zweifei auf gutt aacbeu nit xa in
gen nm inen hutt.^)
I) Diese etwai verilnderto FusMing ist im SM\i< dnr o'j'O dnivb-
»triuhenen getreten.
3) Von hier an «inJ dii« Artikel nicht mehr niimprirt.
8) Sabine, üemaliiin de« HeraoRs Ulrich »on Wirternborg,
Scbweater der Wjerischen Hertoge.
41 PMember 1515. Zu diesem Art. vgl ohen 8. tm t
5) Durchstrichen fnigt: lt«in in tu t'rag«n, auO wan nraachcn
herr Bernhardt von Stauff «o lang nuQ).leihl. nber da» er hftnog
Wilhetnira geloht niid tnrgrsagl., an montag In der palmnuchcDbey
■vincn ftnndun und herzog Ludwig zu [.andilint in Hiiin, ob er nittbt
anachleg mit im gcmmlit, woa er hnndcln »ölt. wo im ichU wid«r-
wertign tuentnnd flc. iVgl. dazu Billigen Kr. '.^1! und flgd. Nra.J
mn
Biezler: Prozess des Hieronymus v. Stauf, 493
(34.) Wer oder welche ime zu seiner raißhandlung
lautt eiuer bekhantnuß verholfen und geraten.^)
A. a. 0. f. 160—167.
20. 1516, April 2. Des Staufers ürgicht (A, Urschrift
des Protokolls).*)
Zu wissen, das her Iheronimus von StauflF, hofmeister,
in beiwesen graf Wolfns von Hag, her CristofiFen von
Layniing, ritter,^) Sigmunden vom Swartznstain, vitz-
dum,*) Gregorien vom EglofiFstein,*) dr. Augustin Lesch^)
und Dietrich Spät') an mitichn zu nacht den andern
tag Apprilis anno 1516 gegichtigt®) ist.
Auf den ersten artickel sagt er in der gutigkeit, im
sei swär davon wider ainen fürsten ze reden , dieweil
herzog Ludwig den selbs bekennt, aber wie dem, er
hab zu Wurmbs von herzog Wilhelm anfangs keinen
bevelch zu erst gehebt mit herzog Ludwigen ichts zu
handeln, bis im dr. Ylsung unser alten gnädigen frauen
bevelch eröflFent und darnach ine (sie) und dr. Pleninger
bevelch von herzog Wilhelmen zuechomen sei. Hab
der kais. Mt. mittel furgeslagen, aber das er herzog
Ludwigen hab vertrost, wie der artickel vergreift, sei
nit beschehen. Wol®) davor zu Regenspurg hab im
1) Auf der letzten Seite des Heftes steht noch : Peter Gall sol
dy knecht herein fordern umb 6 ur. Jej^ermaister sol gen München
reiten mit ainer scbrift an raein gnadigiste frau.
Femer: Kayser: 1, 4, 6, 6, 7, 17, 19, 22, 26, 29. Landtschaft:
1, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 17, 19, 22, 25, 29. (Die Nummern der Artikel,
die Kaiser und Landschaft berühren?)
2) Vgl. die Erörterungen oben S. 467 f.
3) In Redaktion B, f. 178: Ritter und Hofmeister.
4) Ebendort: Vitzdom zu Straubing.
6) Herzog Wilhelms früherer Hofmeister.
6) Ebendort: cantzler.
7) Ein Würtemberger, herzoglich würtembergischer, aber auch
bayerischer Rat, der die Flucht der Herzogin Sabine gefördert hatte
und nun am bayerischen Hofe lebte.
8) gichtigen, zum Geständnis bringen, überführen, muss schon
damals die prägnante Bedeutung gehabt haben, durch die Folter
zum Geständnis bringen oder auch einfach: foltern. Schmeller-
Frommann I, 869 verweist für das erstere auf die offizielle Redaktion
eben der StauflFer'schen ürgicht (Die Landtage von 1615 und 1516,
S. 386): »Als er aber auf diesen Artikel gegichtigt ist, hat er be-
kennt.** Für die zweite vgl. den zweiten Artikel des obigen Textes,
wo auf das «Gichten*" kein Schuldbekenntnis erfolgt.
9) An Stelle von darchstrichenem: allain.
494 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dezember 1690,
herzog Ludwig in beiwesen des vom Egloffstein aiueii
bevelch geben etwas an herzog Wilhelm zu bringen,
das hab er gethan.
Sagt weiter, ob er den oder andr naehvolgend
artickel aus marter gleich bekennen wurd, well
er doch bezeugt habn, das solhs allain aus
marter durch in bekennt sei worden.^)
So haben die fürsten im und andm landleuten be-
geben,^) was wider sy in ir beder widerwertigkeit ver-
handelt sei. Bit umb gotzwillen im sölhs zu verzeihen.
Und hat nach vil reden beslossen , er habs, bit im
got zu helfen, nit gethan.
Darnach nach vil reden hat er on marter*) bekennt,
er hab herzog Ludwigen zu Wurmbs vertröst, er well
seinen gnaden zu seinem geburendem teil helfen.*)
Auf den andern artickl hat er in der gütigkeit ge-
sagt, er hab gleichwol mer dann ainstmal (?) gesagt,
1) Vorher stand hier: das er solhs allain aus marter hab ge-
than, dann wurde: ^.er* und: „hab gethan* durchstrichen und daför
gesetzt: sei beschehen, endhch auch dieß durchstrichen und durch
die obige Fansung ersetzt. Aenderungen von solcher Art, welche un-
zweideutig das Originalconcept verraten, kehren im folgenden häufig
wieder. Diese rein formellen Aenderungen abdrucken zu lassen, wäre
zwecklos. Dagegen wird sorgsam berücksichtigt werden, was der
Schreiber als erste Aussage des In(]uisiten niederzuschreiben begonnen,
dann aber nicht vollendet und durchstrichen hat. Diese Stellen
deuten darauf, das« das erste Geständnis unter dem Einfluss der Folter
geändert wurde.
2) Bezieht sich auf die Amnestie, die von den Herzogen in den
Verträgen vom 14. Okt. und 20. Nov. 1514, dann wiederholt ausge-
s])r()chen wurde. S. u. a. Landtag v. 1514, 8.774; Landtage v. 1515
und 1516, S. 5ö, 76.
31 ,,<>n marter'', wie es seheint, von derselben Hand nach-
getragen.
4) B (nach Wiederholung des 1. Fragstücks): auf disen vorge-
schriben artickel hat herr Iheronimus in seiner urgicht nach vil aus-
tluchten und umbswaitfigen reden, die er zu verplüemung desselben
artickls gesucht hat, im besluIS bekennt: es sei war, (»r hab herzog
Ludwigen zu Wurmbs vertrüst , er well seinen genaden zu seinem
gebürenden teil helfen.
Und des driten tags darnach hat er verrer zu erclärung des
artikls unbczwun<;enlich bekennt, das er damit nit allain seinen aigen
herrn, in des potschalt er gewest , sonder sein Vaterland und das
fur.itenthumb verraten und dawider gehandlt hab, aus poahaftigem
gemuet un<l willen, (hiese Ph'klärung findet sich in A aui Schlüsse
der Urgicht; s. unten S. 502).
Riezler: Prozess des Hieronymxis v. Stauf» 495
im gefall herzog Albrechts seligen Ordnung gar nichts,
sy chonn und werd nit beleiben, oder sei nit möglich,
djis sy bleiben oder besteen mög, aber die nachvolgen-
den wort, das er seinen köpf nit sanft well legen , bis
sölh Ordnung werd zerbrochen oder da leyts mir oder
dergleichen wort hab er nit geredt.
Darnach als er gegicht ist, hat er den artickel im
beslus auch nit änderst bekennen wellen.
Den dritten artickel wil er nit wissen, das er den
dermassn, wie der artickel laut, geredt hab, aber die-
weil er hofmeister sei gewest, hab er geredt, die fürsten
haben noch ob hundert tausent gülden ierlicher güUt,
aber CvS sei nit für als Unglück*) guet, das dy fürsten
so reich seien.
Auf den vierden artickel sagt er,*) die red hab er
mermals gethan laut des artickels.^)
Und dieweil herzog Wilhelm wissen wil, was er dem-
selben, h. Wilhelmen, für ain spil wolt zurichten, wo
sein genad wider ine, den Stauffer handlet, darzu sagt
er, das solhs das spil gewest war, das er sich zu herzog
Ludwigen wolt gethan haben und demselben herzog
Ludwigen wider herzog Wilhelmen das besst geholfen
haben, anders hab er im hertzen und willen nit gehebt.
Den fünften artickel hat er bekennt,*) er hab den
dermassen geredt: wann herzog Albrecht derselb pos-
wicht im himel war, er wolt nit zu im hinauf.*)
1) B: nit für allen ungluck.
2) Durchätrichen folgt: das er im hertzen das gehebt hab, die-
weil er sein hofmeinter sei gewest.
3) Durchstrichen folgt: aber sein hertz sei gegen hertzog Wil-
helmen, dieweil er sein hofmeister sei gewest, nit anders gestanden
dann als gegen seinem aigen leib, hab im auch nye gedacht noch in
seinem gemyet gehabt seinen gnaden ain spil zuzerichten.
4) Nach bekennt folgt durchstrichen: ,.aber wie*, nach der-
mai<sen: „hab.* Das „aber* verrät, dass das ursprüngliche Geständ-
nis ein eingeschränktes war.
5) B (f. 180^) hat hier don wichtigen Zusatz: Weiter hat der
Ton Stauf auf ein zeit zum Mäleskircher zu München offenlich ob
dem tisch gercdt, er hab bei weiland herzog Albrechten keina han-
dels nie fueg können haben und sei zu zwaien malen hinein
gen hof gangen und sich darnach gericht und des willens
gewest sein genad zu erstechen. Disen artickel hat er auch
496 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dezeniber 1890,
Auf den sexten artickel Wembding betreffend sagt er,
er hab 7a\ her Jörgen Wispeken und her Adamen von
Törring^) auf iüngsten tag zu Regenspurg gesagt, das
sy in seinem handel des auswechseis der guter und giaid*)
hilflich sein, so well er in der furstn hendJn Wembding
und anders betreffend auch das best thün.^)
(Geänderte Fassung)^)
Den sibenden artickel hat
er bekennt, als aber unser
gnädiger hera, herzog Wil-
helm , begert von dem von
Stauff zu wissen , wie er es
geniaint hab, sagt er, er hab
es in ainer hitz geredt.
(Ursprüngliche Fassung)
Zu dem sibenden artickel
sagt er: hab er die red der-
massen gethan , sei er doch
der red nit eingedenck. Als
aber doctor Augustin Lesch
ine der red bericht , hat er
die bekennt und sagt, er hab
die in ainer hitz geredt.
Auf den achten artickel mit seinen anhengen hat er
gesagt, er verhoff, er hab mit dem aufschreiben und
rat*) nit unbillichs gehandelt, habs dermassen bei andern
in rat gefunden, er hab auch das aufschreiben darumb
gethan, das er bei h. Wilhelmen bleiben well.
Den newnten artickel, sich anfahend : ob er sich dar-
(lurch bei herzog Wilhelm hab wellen reichen etc., den
hat er nit widersprochen, chan den nit vernainen.^)
Zu dem zehenden artickel , das er ainen handel hab
geworben an die von München etc., gesteet er , das er
in laut h. Wilhelms instruction, darein er geraten hab,
an die von München ain Werbung hab gethan, die mit
seiner gnaden band sei unterzaichent gewest, und hab
den von München derselben Werbung ain abschrift davon
bekennt, das der war sei, doch hab er des nach dem vertrag, so
zwischen herzog Albrechtn und sein (sie) aufgerioht ist worden,
(Sühnevertrag v. 14. Aug. 1493V Krenner XI. 434) nit nier im willen
gehebt.
1) Pfalz- Neuburgische Hüte.
2) B setzt hinzu: ime durch weilend lierzog Albrechten .«»eligen
zugestelt.
3) B setzt hinzu: und weiter gesagt : schmierst du, so fuerst du.
4) In B nach dieser aufgenommen.
5) B (f. 182^') erläuternd: mit d(»m aufschreiben seiner pflicht
noch mit dem rat und hilf durch ine zu Burckhausen beschehen.
G) B setzt hinzu: dann die tat ist vor äugen.
Riezler: Prozess des Hieronymus i\ St an f. 497
geben ^) und ob er sein pflicht dannoch nit aufgeschriben
noch entledigt sei gewest, das wiß er nit. Und solhs
alles ausser ains ausschus wissen gebandelt und wiew . . .*)
Auf den aindliften artickel von wegen herzog Lud-
wigen fürbracht, des gesteet er dermassen nit, aber aus
den warnungbriefen , die h. Wilhelmen von München
aus und von andern sein zuechomen, hab er zu herzog
Wilhelmen gleichwol geredt, er süU seinem bruder nit
trauen und sein sach in guter warnung haben.
Hab nit mer dann den Walraben und ContzF) Arnolt
bestellt. Mit herzog Lorentzen in der Slesy sei also
ain gschrai chonien herauf in das land, haben sy es
zu Burckhausen dabei beleiben lassen, aber seins wissens
hab h. Wilhelm mit demselben herzog nichts gehandelt.
Auf den zwelften artickel, sich anfahend: als Roem.
keys. Mt. , des artickls gesteet er nit, zeucht sich des
auf bed fursten, das es durch her Caspar Wintzrer ge-
handelt sei.^)
Zu dem dreizehenteu artickel sagt er, er hab das slos
und herrschaft Valkenstein keys. Mt. und dem reich nit
lehen gemacht, sol sich nit erfinden, sonder er hab den
pan über das plut von herzog Ludwigen^) durch seinen
richter empfangen.
Auf den vierzehenden artickel sagt er: als herzog
Ludwig den wald furgeslagen , hab er gesagt, so
man h. Wilhelmen den wald geben well , mneß man
Straubing darzu haben und man chon des walds von
wegen des fleisch im Obrland nit wol geraten.^)
1) Durchstrichen folgt: und sei seiner pflicht von aincr landt-
schafl dannoch nit entledigt gewest.
2) Hier bricht dieser Artikel ab; der Schluss desselben von:
,Dnd ob* an ist auf der vorausgehenden Seite mit Verweisungszeichen
nachgetragen. B (f. 188^) fiillt die Lücke folgendermassen aus : und
obgleich das aufschreiben seiner pflicht durch ine beschehen, wiir es
dannoch ain unbilliche händlung gewest.
_3) In A ziemlich unleserlicher Name, in B (f. 184) deutlich:
Contzl.
4) B : zeucht sich des auf bed fursten und her Caspar Wintzrer,
so dazemal zwischen der (sie) fursten in der händlung gewest.
6) üeber durchstrichenem : Wilhelmen.
6) B (f. 185^) deutlicher: und man chonn des walda zu dem
Oberland von wegen des fleisch nit wol geraten.
498 Sitzung der historischen Classe vwn 6. Dezember 1890,
Zum fünfzeheiiden zeucht er sich auf bed fursten,*)
das er zwischen beden fursten der ambtleut pflicht halben
derselben zeit nichts hab gehandlt, sonder bed fursten
dazemal ze München hetten*) im garten') selbs mit
einander davon geredt.*)
Auf den sechtzehenden artickel das er den vertrag,
davon zu Katemberg zwischen der fursten gehandlt
sei, hab verzogen , bis er die verwilligung von herzog
Ludwigen heraus bring, **) des gesteet er dennassen nit,
dann h. Wilhelm hab im selbs zugesagt, sein gnad
well im die verwilligung von h. Ludwigen selbs heraus-
bringen, habs auch gethan.
Zum sibenzeheuden bekennt er des artickek des auf-
stoss halben, so er mit h. Ludwigen gehebt, hat h. Wil-
helm seiner gnaden bruder, h. Ludwigen, gepeten, das
sein gnad solh Unwillen laß hin sein , doch das er es
seiner gnaden furan nit mer thue, wo er es aber thät,
als^) er dann nachvolgend wider sein gnad gethan hat,
solt im h. Ludwig ains zu dem andern rechen.
Des achtzehenden artickels halben zeucht er sich in
bed fursten und in her Cristoffen von Layming, das
herzog Ludwig sich ans im selbs erboten hab, h. Wil-
helmen die orstreckung wider/egeben.
Und die wort, die nachvolgend im newnzehenden und
zwaint/igisten artickel steen, hab er keiner argen noch
pi'xsen nieynung geredt.
Das'') er aber gegen h. Wilhelm auf obnermelte niey-
nung das widerspil geredt und gehandelt hab, des gst^et
er nit, bit sein gnad des zu erinnern.
1) Zuerst staml: luif b. Wilhelm.
2) Nael) betten diirrbstriiben: berzo^ Ludwig.
3) I)urcb8tricben folgt: b. Wilbelmen angezaigt, wie derselb b.
L. die ])tli«'bt dermassen nit wie die scbuster vergriffen seien, aiifge-
nonien liab.
A) (lauz unten am Kan<le dieser Seite stebt mit kleiner Schrift :
Nota d y artickel darauf er sieb au f d y fursten z <> u c h t , nit
a n zu zeigen.
.'S) Hie /u«;timniung Herzog Ludwigs zur Scbenkung der Herr-
stbaft Kalkenstein an ibn.
{)) .als — bat** aiu Rande narbgetragen.
7) Durcbstriibcn stebt vorn: Auf den ainundzwaintzigisten
artickel.
Kie:ttr: l'nntm dt» niemtgmit» v. Stttuf,
Zu dem KwemindEwaintzigisteii') artickpl htit er ^^-
I »gt, er fiet-tee, das er die erstrecknng dcw ftinfüirideii
f Ter tragB verzogen Imb, bis im dasdorfvon h. Ludwigen
F geifttben sei.
Zu dein dreiuiidzwaitibagisbrn*) artickei sap;! er,*l das
I er h. Willielmen doriimb graten hnl) Biircklmiisen ein-
I KeDemcn, damit sein genad am-h uiii baymwesen hiib,
' hab auch die abtretiing dpa stoas Burckhausen gc-
I »erlith nit ventogen.*!
7-» dem vierund/wiiintüigisteni urtickel sagt er,'') er
* hnb gein Rwidnbucber aW gcsugt: dits mir gut die dniü
t gob, wSr ich nit gewesl, vr war ISiigst f'uul, und bnb
I ftollis daninib ^ethaa: als hentog Ludwig bcr Jörg von
rupjwnperg marxibalb und ine, den Staiiffer, herj^ig
' WillieliinTi zugeordnet, liet er von demselben h, Wilhelm
[ Yerstwiiüen , wie seinen gnnden geratn wür etlich vom
I ftuischuss erslahen /.e hissen, war er des willens gewest,
f wo es für sich war gongen , b. Ludwigen auch zu er-
es hab in aber darnach gemn^n.")
fünfund/woinsiigisten artickel von wegen des
Ziffern am Itandi': 19. In 11 sind dit^ Artikd IS-21 za
] Artikel, dvm IS. xtiBamnient;exogon.
) Hit Kiffern um Ittuide: 20.
1 Duiclisl rieben folgt: da« lt die alitreUinu den »]o»8 Hurck-
(»verUch uil hnl> v«rxogen. aacli in der und niuh die ("ic).
. In B (r lB'J/191) fol^: dos xol «ich bei dea. diu dagelegen
k KrflBden.
* ti) DuTchalricIieDO erati- Fussiiog soweit gloichlautci«!, dann folgt:
tnb benng Imdwigen in der red nit genaint, sonder gein llftidn-
her alfc gf»agt : das mir gnt die drus geh. war ich nit güwext, ir
'WBrel Ivntfal iiinl und diirinn ir aet gemainl. Wo mun us nbcr nndemt
vi>n Uli viT^Undim oder er nölha biut de» articltls gredt. hett er es doeh
■lcriij»-'ien nil gnialnL ~ In der «weiten Fniuung folgt aur nrtielcel
dtirclwlnclieu: hat er geiagt, als aina h. Inidwig begert tn wisaen.
w« e« gt'wvjidt IV) hab. da« er. h. Ludwig, lengst faul war. wa» das
•»i, da".
fi) In D (f. 190/192) ist die Aeus4enjng gegen Ituidnpnrher fol-
hermg Ludwig ine, dpti HtftnfFcr. Keiner genadi>n bruder, heniog Wil-
bültnen, zugiKirdrnt und wdlctid her .Toi'g von (tumppnberg dunfh
ilnia«IWn bettoK Ludwigen genomen und pr von seivBu genuden aua-
veilMiien war. de* er dann miUfnlln gehebt, hett er dnrnneh von
u«Ti<)g Wilhelmen verslanden (u. s. w. wie oben, diu gnnte
aneh in der Vorlage nnterittrivhen, bis: er hab in aber darnach
500 Sitzung der Imtoriüchen Clause vom 6, Dezember 1890,
Stifts Salzburg sagt er, er gstee desselben artickis gar^)
nit, wie er gesetzt ist.*)
Auf den 26. artickel sagt er der schaukung halben
hat er erber^) anzeug und Unterricht geben und*) kein
myet noch schanckung genomen.*)
Auf den 27. artickel des von Tegernsee schanckung
halben gsteet er desselben artickels nit, zeucht sich des
in den von Tegrnsee.
Zum 28. und 29. artickl des vergebens halben mit
yedem fursten in Sonderheit geredt, des gsteet er und
habs gegen herzog Ludwigen am ersten und darnach
gegen herzog Wilhelmen solhs mermals gesagt, alles
aus ainem hitzigem gemüet und aus ainem neid gethan,
die fursten damit an einander ze pynden (?)®) und be-
sorgt, die herrn wem zu ains mit einander, auch darumb
gethan, damit die herrn dest mynder aneinander trauen
und sein sach dest bas bey herzog Wilhelmen stee,'^
aber mit keinem gift umbgangen noch solhs zu thun
nye in willen gehebt.
, Auf den dreissigistn artickel , Jörgen von Aw be-
treffend, als der iungst zu Augspurg bei im gewest ist,
sagt er, er hab nichts sonders®) mit im geredt, das
wider unser gnedig herren gewest sei.
f^ornwen). Darauf fol^^t, wie es acheint, etwas später, aber von der-
selben Hand geschrieben: Und wo etlich vom ausschus solten er-
schlagen sein worden, wolt er herzog Ludwigen auch erslagen haben.
l>iese Fassung ist in C übergegangen, wo die Angabe, dass die Kennt-
nis des Staufers von einem Mordanschlag gegen Ausschusaglieder auf
Mitteilung Herzog Wilhehns beruhte, übergangen ist.
1) Durchstrichen folgt: dermassen.
2) Durchstrichen folgt: hab auch kain und wiewol.
8) In B: guet (zuerst: erber und guet).
4) Durchstrichen folgt: ander.
5) In B folgt: es sei dann essend ding gewest.
6) Tn B (f. 191V /193V.) ^ranz deutlich: ze pynnden.
1) In B folgt: hab auch allweg besorgt, die fursten werden ze
:iinig mit einander. Durchstrichen folgt in B ferner: Weiter ist er
gefragt, ob er für sich selbs inen nit hab vergeben wellen. Dazu
sagt (T nain , er sey auch nye mit gift umbgangen noch solhs zu
thun nye im willen gehebt.
8) B: nichts sonders noch geheyms, das wider unser genedifjf
herren die fursten oder irer gnaden swester, die von Wirtenberg, ge-
west si'i , sonder .lorg von Aw hab allein mit im gredt von wegen
der al)tretung «ler pfl«'g Ingolstadt.
Rieeler: Prozess des Hieronymus r. Stauf. 501
Auf den ainunddreissigisten artickel sagt er, er gstee
des artickels derniassen nit, aber herzog Ludwigs rät
halben, die in ainer practiken sein snllen,^) ist nemlich
Dietrich Pleninger, her Wolf von Aheym und der alt
canzler*) in ainer practik gewest wider herzog Lud-
wigen, damit herzog Wilhelm wider ainiger regirender
fürst werd, aber er, StaufFer, sei mit ine in der prac-
tiken nit gewest,^) sonder herzog Wilhelm wiß den-
selben handel bas dann er seinem bruder, herzog Lud-
wigen, anzuzeigen.
Zu dem zwenunddreissigistn artickel*) sagt her Iheroni-
mus, derselb artickel sei war*), und hab das keiner andern
meynung gethan, dann das er besorgt hab, die weil ain
landschaft, als er mit der keyerlichen potschaft zu Lands-
hut gewest, ine so übel angesehen , sy möchten etwas
gegen im handeln.
Zu dem lesten artickel des daumenstocks®) halben
sagt er, er hab den vil iar allweg bei im gefürt, und
den steigzeug hab im Allexander marschalh negst zu
Mönchen im garten geben , hab im sein pueb in das
falis (?)') vergebenlich gelegt, sei also dorin beliben.
Item er sagt, im hab weiter nyemands darzu geholfen,
well also auf diser Urgicht besteen , bit darauf umb
genad umb gottes willen.
Actum die ut supra.
Und als im solhs alles wider furgehalten ist, an pfintz-
tag darnach,®) ob er das alles derniassen gethan und
1) Znerst hiess es: die mit im in der practiken gelegen sind.
2) ^Doctor Newnhauser*, setzt ß hinzu. Neuhauser war erst
vor kurzem (26. Januar 1516) gestorben.
3) «Dann sy haben im so vil nit traut**, setzt B hinzu.
4) Durchstrichen folgt: das ain landschaft auf dem landtag
iungst zu Landshut h. Wilhelmen haben vahen wollen, das sol er
gegen unser gnädig frauen, der von Wirtenberg auch gegen Diet-
richen Späten gredt haben, nemlich die wort.
5) Durchstrichen folgt: aus was Ursachen er das gethan.
6) B: Nachdem in seiner truhn, watzschko (sie; Redaktion D
f. 208^- bietet hiefür den deutlicheren Ausdruck: watsack) und fales
(Verließ) allhie zu Ingolstat ain dawrabstock, strick und dietrich,
auch ain steig und fallzeug gefunden sei.
7) In B: fales; wohl = Verliess.
8) 3. April. B setzt hinzu: in beiwesen der obnermelten ver-
ordenteo, beder fursten rate.
502 Sitzung der historischen Glosse vom 6, Dezember 1890.
darauf besteen well, hat er gesagt^): ia, wie er es he-
kent hab, also well er darauf bleiben.
An*) freitag ze nacht^) ist er fragt, auf was end er
sein mißhandlung hab gestelt, was entlichen anslag er
darauf gehebt hab. Sagt aufsein leste hinfart (?), das
er zu erst mit herzog Ludwig gehandelt, hab er keinen
gedanck gehebt weder nach slosser oder auderm*) und
allain in gebetn seinen iungen vettern, der itz zu Saxen
ist, aufzenemen, im (V) gantz nichts iurgesetzt, weder
myet noch gab, sonder aus freiem (?) gemuet gethan,
keins nutz noch Schadens darauß zu erfolgen bediicht,
unser herrgott weit von im und der teufel uaheut.
Mit dem vergeben sagt er, in keiner andern meynung
gethan hab dann das er es darumb gethan, damit die
herrn nit ains mit einander beleiben. Bit, man laß in
bei seiner getaner urgicht bleiben.
Hab auch mit nyeraandt anderm gehandelt, sonder
aus freiem bösen willen durch sich selbs allain gehandelt.
Zu^) erclärung des ersten artickels hat er weiter be-
kennt, das er mit dem ersten furnemen nit allain seinen
aignen herrn, in des potschaft er gewest sonder sein
Vaterland und das furstenthumb verraten und darwider
gehandelt.^)
A. a. 0. f. 1G8— 174.
1) B: bsit er ainon yedn artickol von neuem wider bekennt und
«gesagt etc.
Am Schlüsse in H: Actum iit supni.
Da« tigd. (An freitag u. s. w.) nicht mehr in 13.
2) I>a.s llgd. von dersolljen Hand wie das obige, ab«>.r tlüchtigor
geschrieben.
3) 4. April.
-i) Die Hdsclir. wiederholt hier: gehebt.
f)) Diese Faflsung (zu — gehandelt) sollte augenscheinlich an
Stelb^ der vorausgehenden treten, welche so lautet: Item die handlung
tzigt (V) auf im (anstelle des durchstrichenen: bekennt), das er mit
dem ersten lürnemen nit allain seinen aignen herrn, in des potschaft
er gewest, sonder sein vaterlanil und das furstenthumb verraten und
dawider gehandelt. Darauf hat er gesagt: er hab den handel so
weit nit erine>^en nn( h bedacht, bekennt al>er, er habs laiiler ge-
than. — Ks lieruht wohl nur auf Versehen des Schreibers, dass «lies
nicht ausgestrichen wunle.
• C) L'nten am Iian<le: Den Stokbeimcr (V) /e fragen der 2-1 gülden
halben, hat er Tanhau>:<'rn (V) gelihen.
Eiezler: Prozess des Hieronymus v. St au f. 503
21. 151G, April 3. Inventar des H. v. Stauf im Schloss
zu München, aufgenommen von Herrn Iheronimus von
Seiboltstorf. Actum an pfintztag nach Quasimodogeniti
anno IG.^) A. a. 0. f. 144.
22. 1516, April 3. (Phintztag nach Quasimodogeniti), In-
golstadt.
Die Herzoge Wilhelm und Ludwig an ihre Mutter,
H. Kunigunde. Letzten Erichtag (April 1.) in der Nacht
um 9 Uhr haben sie H. v. St. hier in ihrem Schloss
„fencklich annemen* und gestern, Mittwochs, in der
Nacht .peinlich fragen und gichtigen lassen*. Aus der
beigeschlossenen ürgicht möge sie nun ersehen , wie
listig, eigennützig und unehrlich der untreue Mann mit
ihnen beiden gehandelt. Die Landschaft trage ein großes
Gefallen daran, dass die Herzoge ihnen die Sache so
offen mitgeteilt. Nach deren Rat und Gutdünken werden
sie gegen den v. St., damit das Uebel andern zu einem
Ebenbild getraft werde, auf gemeldete IJrgicht nach
Ordnung peinlichen Rechtes handeln lassen. Damit der
Kaiser nicht durch falsche Nachrichten irregeführt und
zu ernstlichen Mandaten veranlasst werde, zeigen sie
ihm gleichzeitig die Urgicht an. Bitten ihre Mutter,
in gleichen Sinne an den Kaiser zu schreiben.
Or. im Adelsselekt, Staufer v. Ernfels, Fasz. 1. Concept,
Stauferische Sachen HI, f. 154.
23. 1510, April 4. Ingolstadt.
Die Herzoge Wilhelm und Ludwig an den Kaiser.
Mit Rat und Willen ihrer Mutter und ihrer geheimsten
Räte haben sie den Staufer gefänglich annehmen, „nit
mer dann viermal 1er aufziehen und gichtigen lassen"*,
worauf derselbe seine unehrliche, schändliche und un-
erhörte Mißhandlung bekannt, wie der Kaiser aus der
zu wahrhaftem Grund und Bericht hiemit zugesendeten
Urgicht ersehen möge. Wiederholt seien sie vor seiner
Missethat gewarnt worden, überdies haben sie beide ihm
Gnaden, Gab und Schenkung gethan. Nachdem durch
die Gnade des Allmächtigen Mord und andere Uebel,
1) Vgl. den Bericht de« Hrn. v. Seiboltstorf v. 5. April. Tjaml-
tüge ▼. 1515, 1516, S. 588 und über dessen Datirung oben S. 449.
504 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dezember 1890.
die aus seinen Missethaien entspringen konnten, bisher
verhütet worden, müssen sie die Gerechtigkeit walten
lassen, wiewohl sie das viel lieber vermieden hätten, und
bitten den Kaiser, an dieser rechtmässigen und billigen
Handlung gnädiges Oefallen zu tragen, keinen Glauben
zu schenken, wenn ihm die Sache anders, als in diesen
wahrhaftigen Schriften angezeigt wird , vorgetragen
würde, und das Recht, das sie gegen den Staufer er-
gehen lassen wollen, ,auf des widerteils ungestümes an-
rufen, wie das beschehe*, mit Mandat oder auf anderem
Weg nicht zu sperren oder zu verzögern.
Concept a. a. 0. f. 159.
24. 1516, April 6. München.
Herzogin Kunigund an den Kaiser. Erzählt den
Handel ähnlich (ihre Brüder haben den St. er «zimlicher
weis gichtigen lassen*). Bittet ihn als den Brunnen
aller Gerechtigkeit, an dem Vorgehen ihrer Brüder kein
Missfallen zu tragen und kein Gehör noch Glauben zu
schenken , wenn die Sachen von des Staufers Freund-
schaft oder seinen Günstigem und Fördrern (,der ich
acht wenig gefunden werden**) anders dargestellt werden,
als in dieser ürgicht begriffen. Datum Suntag Miseri-
cordia domini.
Concept a. a. 0. f. 158.
25. 151(), April 20. Tertzola in Sultz am Nons (Sulzberg
beim Noiisberg, Südtirol).
Kaiser Maximilian an die Herzoge Wilhelm und Lud-
wig. Hat ihre Schriften berührend Iher. v. St. ver-
nommen. Sie mögen gegen denselben um seiner Ver-
handlung willen handeln, was Recht ist.
Or. mit aufgedrücktem Siegel. A. a. 0. f. 222.
20. 151(), Nov. 15. (Samstag nach Martini).
Bernliardin v. Stauflf, Freiherr '/u Ernfels an Herzog
Wilhelm, tr^ein Vetter selig, Herr Iher. v. St. hat in
seinem Getanguis ein Sehuldenregister „herrürende von
dem vergangen ])ayri.'Nchen krieg, das mein lieber vater
sei. zu Ing()l>tat treulich dargestnu-kt , daneben ettlich
])erganien besigelt briet!' und einen brieft* über die Juden
zu IJegensping lauttrnd«*** aiig<v.eigt. Diesen>en sind
jedoch nicht in dem ihm und anderen Vormündern zu-
Biezler: Prmess des Hieronymus v, Stauf. 505
gestellten Inventar begriffen. Bittet ihm einen Tag zu
bestimmen , an dem er um diese Stücke schicken darf.
Or. mit aufgedrücktem Siegel. Ä. a. 0. f. 223.
27. 1516, Nov. 17. (Montag nach Martini) München.
H. Wilhelm an Bernhartiii v. Stauf. Befiehlt ihm
nächsten Sonntag hier an der Herberg zu sein und
Tags darauf vor ihm Erbhuldigung zu thun und Lehen,
auch die angezeigten Briefe und Register, was davon
vorhanden sei , zu empfangen. Im Verhinderungsfall
mag er einen Stellvertreter schicken.
Concept a. a. 0. f. 224.
28. 1516, Dez. 10. (Mitichen nach Conceptionis Marie).
Der verordnete Obersteurer an des Staufers Vormünder.
Sie haben sich geweigert, den Steurern des Rentmeister-
amtes Straubing die Register der Herrschaft Valkenstain
zu schicken, da diese Herrn Iheron. v. St. als eine freie
Herrschaft zugestellt sei. Er muss aber darauf bestehen,
denn diese Herrschaft ist nicht dermassen, wie sie viel-
leicht meinen, gänzlich vom Fürstentum Bayern getrennt,
sondern mit Steuer und anderem demselben zugehörig.
Concept a. a. 0. f, 229.
29. 1516, Dez. 13. (Samstag Lucie).
Bernhardtin v. St. an H. Wilhelm. Hat seinen Diener
Hans Hindtermair beauftragt die Briefe und Register
vom Herzog zu empfangen. „Dann der erbhuldigung
halb, steend ich und meine brueder in ainem vertrag,
wo sich der endet, alßdann mich gegen Eure f. g. der-
halb gebürlich halten (sie). Zum andern, das ich lehen
enpfahen soll, ist mir nit bewist ainicherlay lehen von
e. f. g. zu enpfahen dann allain das schlos Schöneperg . .,
ist dem Paungarter aus e. f. g. zugebung pfantschafl
weis eingeben und ime solch lehen zu enpfahen ufferlegt,
bis widerumb die loßung beschicht.*
Or. a. a. 0. f. 225.
30. 1516, Dez. 17. (Mitichen quatember vor Weihnachten)
München.
H. Wilhelm an Bernhardin v. Stauf. Die Register
und Schriften werden seinem Diener Hintermair aus-
geantwortet werden. Was seines Vetters Sachen be-
rührt, ist zusammengelegt und wird , wenn auch die
1890. PhUoA-phUoL u. bist. Cl II. 8. 34
500 Sitzung der historischen Classe vom 6. Dezember 1890.
Mitgerhaben sämmtlich darum ersuchen, ihnen zugestellt
werden. Bezüglich der Erbhuldigung, für die er Auf-
schub begehrt, versieht er sich, dass er dieselbe, wie
sich gebührt, nicht abschlagen wird. Wegen Lehens-
enipfang von Schloss und Herrschaft Schonperg war er
(der Herzog) vorher nicht gründlich berichtet.
Concept a. a. 0. f. 226.
31. 1516, Dez. 17. (Mittwoch nach Lucie) Landshut.
H. Ludwig an Ulrich Eck, Pfleger zu Haidau. Bern-
hardin V. Stauf soll Georigeu Häblkofer (von dem mehrere
Klagschreiben beiliegen) endlich die verfallenen Gilten
und Schulden bezahlen.
Or. a. a. 0. f. 231.
32. 1517, Jan. 12. (Montag nach Erhardi).
Bernhardin v. St. an H. Wilhelm. Nachdem weiland
seinem lieben Vater „in dem bairischen krieg zu In-
golstat, nachmals zu Landßhut und zu Kelheim sein
Besoldung an gelt und getraid laut und vermöge ettlicher
register und bekentnus noch ausstendig stet*, er und
seine Brüder aber dessen ,fast nottürftig* sind, bittet
er sie gnädig zu bedenken und ihnen diesen Ausstand
zu verschaffen.
Or. a. a. 0. f. 258.
33. 1517, Jan. 17. (Samstag Anthony), München.
Antwort H. W^ilhelms. Er weiss von keinen Schulden.
Diese Forderung hat ihn daher befremdet, ist auch „ver-
tunkelt und unlautter."
Concept a. a. 0. f. 259.
34. 1517, Febr. 4. (Mitwoch nach Purificationis Marie).
H. Ludwig an den Pfleger Ulrich Eck. Soll dem
Häbelkofer in der (in Nr. 31) erwähnten Sache mit Pfän-
dung und Gant verhelfen.
Or. a. a. 0. f. 233. Es folgen noch mehrere Schreiben,
diesen Handel betrefl'end.
507
Historische Classe.
Nachtrag zur Sitzung am 5. Juli 1890.
In derselben hielt Herr Stieve den folgenden Vor-
trag über:
, Ernst von Mansfeld.*
Die Urteile über Mansfelds^) Persönückeit haben sich
lange Zeit in schroffen Gegensätzen bewegt. Wjährend seines
Lebens betrachteten ihn allerdings sogar diejenigen, welchen
er diente, mit Misstrauen und Abneigung und dauernd fand
1) Ihm den Grafentite], welchen er sich anmasste, zuzugestehen,
ist unberechtigt. Dass die Legitimationsurkunde von 1591 nicht
rechtskräftig wurde, erhellt unzweifelhaft iius dem Testamente seines
Vaters und daraus, dass er noch kurz vor dessen Tode i. J. 1604
Howol in einem Schreiben des Erzherzogs Albrecht an den Vater wie
auch in der Antwort desselben als «filz naturel' bezeichnet wird.
S. Villermont Ernest de Mansfeldt I, 10 fg. II, 366 fg. Wenn
ihn die üebernchrift eines amtlichen Aktenstückes vom J. 1607, das.
II, 372 Graf nennt, so ist das gewiss nur darauf zurückzuführen, dass
er sich, wie sein Schreiben das. 373 zeigt, bereits damals den Titel
beilegte und der Registrator in Folge dessen in der Ueberschreibung
des Entwurfes — denn nur ein solcher liegt vor — einen Irrtum
beging. In zwei Erlassen des Erzherzogs aus den nächstfolgenden
Monaten heisst er nur Ernent de Mansfeld und sogar sein Freund
Baville nennt ihn im Dezember 1607 nur „sieur E. de Mansfeld."
Ebenso bezeichnet ihn dann noch IHIO der Statthalter von Luxemburg.
A. a. 0. 874, 377 und 878.
34^
508 Nachtrag z. Sitzung der histor. Classe am 5. Juli 1890.
er damals aufrichtige Bewunderer, abgesehen von dem kur-
pfälzischen Diplomaten Rusdorf,^) nur in den Kreisen der
in die politischen Entwickelungen nicht Eingeweihten. Ein
Umschwung erfolgte jedoch in unserem Jahrhundert. Schillers
Geschichte des dreissigj ährigen Krieges, welche in der Dar-
stellung der Persönlichkeiten ebenso vorurteilsvoll und in
Folge der Dürftigkeit der ihm fliessenden Quellen oft eben-
so unzulänglich wie in der Auflfassung der allgemeinen Ver-
hältnisse unbefangen und eindringend ist, rückte den grossen
deutschen Krieg aus dem Staube enger Gelehrtenstuben in
den bewegten Kreis der Teilnahme aller Gebildeten und
hauchte den Mumien der Vergangenheit ein frisch pulsierendes
Leben ein, welches sie befähigte, in den Nachkommen leiden-
schaftliche Parteinahme für und wider sich zu erwecken,
sobald jenen die Kämpfe des 17. Jahrhunderts als Vorläufer
ihres eigenen Ringens erschienen. Und des geschah, als die
grossdeutschen und ultramontanen Bestrebungen einerseits,
die in Preussens Führung das Heil Deutschlands erbh'ckende
und kirchlich freisinnige, aber zugleich beschränkt prote-
stantische Bewegung anderseits Deutschland in zwei feind-
liche Lager spaltete. Nun wurde Mansfeld von den An-
hängern der Oesterreich und dem Tltramontanismus abge-
neigten Richtung unter die ersten Helden und Vorkämpfer
der nationalen Entwickelung Deutschlands und des Prote-
stantismus eingereiht und je grimmiger die Gegner ihn eben
deshalb in den Schmutz zu ziehen trachteten, desto eifriger
suchten ihn seine Bewunderer auf ihren Schilden zu erhöhen.
Um das Andenken des Mansfelders entbrannte ein Kampf,
1) Ver^'l. dessen Epigranim Ihm .1. (Jroäsniann. Des Grafen
Ernst von Mansfeld letzte IMiine und Thaten 154, worin aber auch
gesagt wird:
Hostis nie timuit, sed non dilexit aiuicus
Nee nie, quem merui, laudis honore tulit.
Stieve: Ernst von Mansfeld. 509
wie ihn einst Achäer und Trojaner um die Leiche des Pa-
troklus geführt hatten.
Ihren Gipfel erreichten die Gegensätze bezeichnender
Weise in den Werken zweier Dilettanten; in den Biographien
Mansfelds, welche Graf Villermont vom trojanischen, Ludwig
Graf Uetterodt zu ScharflFenberg vom achäischen Standpunkte
aus verfassten. Weder das erste noch das zweite, in Forschung
und Kritik höchst dürftige und äusserst parteiische Buch
war jedoch danach angethan , den erbitterten Streit ent-
scheidend zu beeinflussen.
Da wies einer der eifrigsten Achäer selbst, Ernst Fischer,
nach, dass Mansfeld nie Protestant geworden und als Katho-
lik gestorben sei,^) und Anton Gindely , welcher nicht zu
den Trojanern gerechnet werden konnte, erbrachte Belege
dafür, dass Mansfeld in Pilsen den Winterkönig und die
Böhmen verraten habe.*) Obendrein aber zeigte Julius Opel
in seinem unparteiiseheu und mit musterhafter Sorgfalt ge-
arbeiteten «Niedersächsisch- dänischen Kriege", dass Mans-
feld sich auch nach dem böhmischen Feldzuge der pfälzisch-
protestantischen Sache keineswegs rückhaltlos und uneigen-
nützig gewidmet habe und dass seine letzten Thaten nicht
aus jenem genialen Plane entsprungen seien , auf welchen
hin Julius Grossmann^) ihm den Anspruch auf unvergäng-
lichen Ruhm zugebilligt hatte.
Unter diesen Streichen Hessen die Achäer ihren Pa-
troklus entsetzt zu Boden sinken und einer aus ihnen, Julius
Krebs, zieh in seiner trefflichen Abhandlung über die Schlacht
am Weissen Berge (S. 49) Mansfeld ungescheut «gemeiner
1) E. Fischer, Des Mansfelders Tod 1878.
2) Geschichte de8 dreiHsigjährigen Krieges III, 315 fg.
8) In der oben, Seite 508 Anmerkung 1, erwähnten geistreichen
Schrift, welche nur übersah, dass das Vernunftgemässe nicht immer
das geschichtlich Wahre ist und nicht jede Handlung um der Folgen
willen, welche sie hat oder haben könnte, unternommen wird.
510 Nachtrag z, Sitzung der histor, Classe am 5. Juli 1890.
Schlechtigkeit des Characters* ; ja sogar Uetterodt wagte in
einem Aufsatze, welchen er in der „ Allgemeinen Deutschen
Biographie" Mansfeld widmete, seine frühere Lobpreisung
desselben , obwol er Gindelys und Opels Werke unbeachtet
liess, nicht zu wiederholen und beschränkte sich darauf, die
dunkelsten Punkte im Bilde seines Helden durch Verschweigen
oder durch irreführende Redensarten zu vertuschen.
So ist denn im Wesentlichen der Kampf um Mansfelds
Beurteilung zwischen Achäern und Trojanern beendet.
Jene werden nun wol auch nicht mehr geneigt sein, die
„Acta Mansfeldica*^, wie sie es früher gethan haben, ohne
weiteres als eine verlogene Schniähschrifk zu verwerfen,
sondern beachten , dass deren Verfasser allerdings von er-
bitterter und schmähsüchtiger Feindseligkeit gegen den Mans-
felder durchdrungen ist, dass er jedoch manche arge Be-
schuldigung, welche von Plugblättern seiner Partei erhoben
war, nicht wiederholt^) und dass er mehrfach , wo er sich
leicht mit Erfindungen helfen gekonnt hätte, offen sein Nicht-
wissen eingesteht, also seine thatsächlichen Angaben guten
Anspruch auf Vertrauen besitzen und nur auf Irrtum und
Uebertreibung hin zu prüfen sind. Wirklich hat denn
auch bereits Uetterodt Angaben der Acta, welche er früher
als „alberne Anklage" abwies,*) nunmehr ohne Bedenken
wiederholt.^)
Ebenso wird man vermutlieh in Bezug auf den Abfall
Mansfelds von Erzherzog Leopold i. J. 1610 zu einheitlicher
Beurteilung gelangen. Die Rechtfertigungen desselben, welche
Reuss*) und Uetterodt früher gegeben hatten, beruhen auf
1) Das hat sogar Uetterodt schon in seinem Buche: Erneut
Graf zu Mansfeld I, 189 Anm. 29 bemerkt, ohne sich freilich in seiner
Beurteilung der Acta beirren zu lassen.
2) A. a. 0. I, 23.
3) Allg. D. Biographie 20, 222 fg.
4) Rudolf Reuas, (iraf Ern«t von Mansfeld im Böhmischen
Kriege, 1865, JS. 8.
Stieve: Ernst von Mamfeld. 511
irriger Darstellung des Herganges.^) üetterodt hat nun
allerdings auch noch in seinem mehrerwähnten , 1884 ver-
öffentlichten Aufsatze Mansfelds Verhalten zu verteidigen ge-
sucht, indem er sagte: ^Mit einem Gesuch um Ueberweisung
1) BeuB8 sagt a. a. 0., nachdem er Mansfelds Gefangennahme
durch Solms erwähnt hat: «Erzherzog Leopold weigerte sich trotz
froherer Verpflichtungen sowol des gefangenen Obersten Lösegeld als
seinen Truppen den versprochenen Sold zu zahlen. Umsonst ver-
suchte Mansfeld, auf Ehrenwort freigelassen« am Hofe zu Brüssel Ge-
rechtigkeit zu erlangen; zuerst mit leeren Vertröstungen hinge-
halten, dann sogar mit Gewalt aus den Niederlanden verwiegen,
kehrte er ins Elsass zurück, wo er zu seinen übrig gebliebenen
Truppen mit erborgtem Gelde neue warb, um Leopold weiter zu
dienen. Als er aber statt Geld und Ehre von diesem nur Hohn und
Beleidigung empfing, und schliesslich seine Truppen durch Gewalt
gezwungen wurden, ohne auch nur einen Heller Sold zu erhalten,
dem Erzherzog Treue zu schwören, trat der erbitterte Mansfeld mit
den Unirten in Verbindung und ging ... über." Vergleicht man
diese Erzählung mit Mansfelds , Bericht und Ausführung*, so ergibt
sich Folgendes: Erzherzog Leopold verweigerte nicht das Lösegeld,
sondern er versprach die Zahlung; er leistete sie nur nicht, weil er
kein Geld hatte. Von dem Solde der Truppen konnte keine Rede
sein, weil dieselben teils gefallen, teils geflohen, teils von Solms ge-
fangen genommen waren ; die Letzteren hatte Solms entlassen, nach-
dem sich Mansfeld dafür verbürgt hatte, dass für Jeden ein Monats-
sold als Ranzion gezahlt werden solle; nur diese Summe forderte
Mansfeld neben seinem Lösegelde von Leopold. Entlassen, suchte er
nicht zu Brüssel Gerechtigkeit. Er kam überhaupt nicht dorthin und
Leopold war ja auch nicht dem Erzherzog Albrecht untergeben, viel-
mehr lehnte dieser damals aus Furcht vor Frankreich jede Beziehung
zu ihm ab. Dann wurde Mansfeld nicht aus den Niederlanden als
Hülfeflehender verwiesen, sondern seiner eigenen — allerdings durch
Villermonts Forschungen als unwahr erwiesenen — Angabe nach mit
den teils von ihm geworbenen, teils von Leopold ihm zugeschickten
Truppen aus dem Trierschen durch die Sorge vor Angriffen von
Solms und Erzherzog Albrecht vertrieben. Selbstverständlich kehrte
er auch nicht ins Elsass zurück, da er dort noch nie gewesen war.
Femer warb er nicht erst dort seine Truppen. Ueber den Hohn und
die Beleidigung, welche er von Leopold empfangen habe, wird so-
512^ Nachtrag z. Sitzung der histor, Classe am 5. Juli 1890.
einzelner Besitzungen aus dem reichen väterlicfaen Nachlass
oder überhaupt der Priedeburger Linie des Mansfelder Hauses
schnöde abgefertigt und ebenso wegen vorgeschossener Werbe-
gelder höhnisch zurückgewiesen , trat er zur Zeit , wo die
Union i. J. 1610 ihre Streitkräfte in den Elsass rücken Hess,
rasch entschlossen zu dieser letzteren über.*^) Diese Be-
gründung ist indes wiederum nicht stichhaltig.
Auf das Erbe seines — übrigens im höchsten Masse
verschuldeten — Vaters hatte Mansfeld nach dessen Testament
und als nicht legitimierter Bastard nicht den mindesten An-
spruch und seine Abweisung war also keine schnöde, sondern
eine völlig berechtigte. Empfindlich wird sie ihm allerdings
gleich oben zu sprechen sein ; die betreffenden Ereignisse trogen sich
aber zu, ehe Mansfeld nach Zabem kam. Von seinen Truppen er-
hielten die Gemeinen nach der Vereidigung einen halben Monatssold.
Endlich leistete auch Mansfeld den Treuschwur, was aus Reuss Worten
wol Niemand entnehmen wird. In dessen Erzählung ist mithin das
Meiste falsch. Die Mitteilungen bei üetterodt I, 37 fg. zeigen
ebenfalls eine Reihe von Unrichtigkeiten. Ich hebe nur die stärkste
hervor. S. 42 berichtet üetterodt: ^Ala nun unmittelbar darauf der
Fahneneid abgenommen werden sollte, murrend die Seinigen erst
vollständige Soldzahlung forderten und Krichingen den Widerspän-
stigen mit Gewalt und Standrecht drohte, zauderte Mansfeld nicht
länger," überzugehen. In einer Anmerkung zu dem Satze: „Als . . . .
sollte/ Hagt üetterodt weiter: ,Also stellt Mansfeld den Thatbestiind
dar. Im Widerspruche damit behauptet Villerniont, der Fahneneid
sei von Mansfeld und seiner ganzen Mannschaft geleistet worden.*
Nun sagt aber Mansfeld mit gar nicht misszuverstehenden Worten
und zwar zweimal, dass er und seine Truppen gezwungen worden
seien, sich mustern zu lasssen und zu schwören. Der Behauptung
üetterodts könnte man daher mit gutem Rechte die Frage entgegen-
halten, welche er a. a. O. Anni. 41 an eine andere — ebenfalls dem
Herichte Mansfelds entsprechende — Bemerkung Villermonts knüpft:
„Erkennt man nicht blindeste Parteiwut, ja Mangel an Logik in
jenen Worten?**
1) Allg. D. Biographie 20, 323.
Stieve: Ernst vofi Mansfeld, 513
gewesen ^ein , indes in dem Bericht,*) wodurch er seinen
Abfall zu rechtfertigen suchte, versicherte er, dass er bereit
sei, für Erzherzog Albrecht zu sterben, und in keinem Falle
konnte er für eine von diasem erfahrene Abweisung den
Erzherzog Leopold verantwortlich machen , welcher nicht
einmal mit Albrecht im Bundesverhältnisse stand. Er redet
denn auch in dem Bericht, obwol er oflFenbar mühsam nach
Gründen für seinen Abfall sucht, von der Erbfrage mit keiner
Silbe und auf sie darf man sich also zu seiner Rechtfertigung
nicht berufen.
Was sodann den zweiten von Uetterodt berührten Punkt
betriflPb, so handelte es sich nicht um vorgeschossene Werbe-
gelder, sondern um Erstattung der Kosten, welche Mansfeld
auf die Werbung eines Teiles seiner Truppen verwendet
hatte, um Bezahlung des rückständigen Soldes für ihn und
seine Soldaten und um Beschaffung der „Ranzion,* zu welcher
er sich verpflichtet hatte, als der brandenburgische Befehls-
haber in den jülicher Landen, Graf Solms, ihn aus der Ge-
fangenschaft, worein er geraten war, entliess. Die Summe,
welche er forderte, war also jedenfalls eine sehr beträchtliche.
Das ist indes von untergeordneter Bedeutung. Uetterodt legt
ohne Zweifel das Hauptgewicht, wie er es schon in seinem
Buche gethan hat,^) darauf, dass Mansfeld höhnisch abge-
wiesen worden sei, und denkt dabei daran, dass Erzherzog
Leopold Mansfeld gefragt hatte, ob er schon die Ranzion
an Solms bezahlt habe, da dieser sonst seinen Namen an
den Galgen schlagen lassen wolle.
Das nun war nach Mansfelds Bericht viele Wochen vor
seinem Zuge nach dem Elsass bei einer Unterredung mit
dem Erzherzog geschehen und Mansfeld erzählt davon ohne
1) Den vollen Titel 8. bei E. Fischer: De Ernesti coniitin de
Mansfeld apolo^iis et de Actis Mansfeldicis. 2 fg.
2) Vgl. daselbst I, 42 Anni. 42.
514 Kachtrag z, Sitzung der JUstor, Glosse am 5. Juli 1890,
iede Gereiztheit, bemerkt, dass er den Erzherzog an dessen
frühere Zusagen , die Ranzion zu bezahlen, erinnert habe,
und schliesst mit dem gleichmütigen Satze: ,Darbei es aber
selbiger Zeit verblieben/ Offenbar hatte er die Frage des
Erzherzogs nicht als Hohn aufgefasst, wie denn auch dessen
ganze Lage nicht danach angethan war, sich solchen Hohn
gegen einen seiner Truppenführer zu erlauben.
Ebensowenig sieht Mansfeld einen Schimpf darin , dass
Leopold , als er auf der Reise nach Prag in seiner Nähe
vorbeizog, einen Furier Mansfelds zurückhalten liess, damit
dieser ihn nicht aufsuchen und sich beklagen könne. Der
Erzherzog selbst aber liess durch den Furier Mansfeld sagen,
er solle binnen vierzehn Tagen völlig bezahlt werden. Er
wollte also denselben begütigen und Mansfeld wartete, wie
er sagt, sechs Wochen lang auf die Erfüllung der Zusage.
Die beiden erwähnten Vorgänge können mithin un-
möglich Mansfelds Abfall veranlasst haben , weil er selbst
sie nicht als Ursachen desselben bezeichnet, und sie können
ihm überhaupt nicht als Beleidigungen erschienen sein, weil
er das sonst mit Nachdruck hervorgehoben haben würde.
Er wirft dem Erzherzoge nur vor , dass dieser die ver-
sprochenen Zahlungen nicht geleistet habe.
Den Gedanken an Abfall lässt er erst dadurch ent-
stehen, dass ihm in Zabern, nachdem er zunächst freundlich
aufgenommen worden , die Musterung seiner Truppen von
dem Befehlshaber der erzherzoglichen Truppen im Elsass,
Kriechingen, mit verletzenden Redensarten verweigert worden
sei. Die Ausführung des Planes aber wurde seiner Angabe
zufolge dadurch veranlasst, dass Kriechingen ihn zur Musterung
und zum Treueide zwang, die von ihm zur Bedingung ge-
machte Bezahlung der Soldrückstände nur in ungenügendem
Masse leistete und die Soldaten zu meutern drohten.
Nehmen wir nun an . dass Mansfelds Erzählung der
Wahrheit völlig entspreche, so erscheint die erste Anknüpfung
Stieve: Ernst von Matisfeld. 515
mit den linierten durchaus nicht als gerechtfertigt. Maus-
feld hatte, wie er selbst erzählt, einen Teil seiner Truppen
von Leopold erhalten und die anderen hatte er nicht als
Privatmann geworben, sondern auf Grund der ihm von Leo-
pold erteilten Bestallung. Er stand also zu dem Erzherzog
in einem regelrechten Dienstverhältnisse und hatte seiner
eigenen Erzählung zufolge nach der Bildung seines Heer-
haufens Leopolds Befehle über dessen Verwendung eingeholt
und befolgt. Kriechingen aber verweigerte die Musterung,
weil er zu daren Vornahme von Leopold keinen Auftrag
habe. Dass nun eine solche Erklärung eines Generals Mans-
feld nicht seiner Dienstpflicht gegen den obersten Kriegs-
herrn entband, ist doch wol unzweifelhaft. Die erste An-
knüpfung mit den linierten bildete mithin auch nach seiner
eigenen Darstellung einen schnöden Verrat.
Den Abfall selbst begründet er damit, dass er den Treu-
eid nur unter der Bedingung völliger Soldzahlung geleistet
und sich daher an denselben nicht gebunden erachtet
habe, als den gemeinen Soldaten nur der ^ halbe Sold und
ihm sowie den OflFizieren gar nichts bezahlt worden sei.
Diese Auffassung mag vom juristischen Standpunkte aus viel-
leicht gebilligt werden können. Ob sie vor dem Gefühl für
Sittlichkeit, Ehre und Wahrheit bestehen kann, mag Jeder
nach dem Masse, worin er mit diesem Gefühle ausgestattet
ist, entscheiden. Dem Soldaten brauche der Zeit entsprach
sie schwerlich. Mir wenigstens ist vor der zweiten Hälfte
des dreissigjährigen Krieges kein Beispiel bekannt, dass wegen
nicht geleisteter Soldzahlung, welche so überaus häufig und
oft in ungleich grösserem Umfange, als es hier der Fall war,
vorkam, ein Heerführer mit seinen Truppen im oflFenen Kriege
zum Feinde übergegangen wäre. Die Soldaten und zuweilen
auch die niederen Offiziere meuterten dann wol , die Ober-
offiziere aber bemühten sich stets zu beschwichtigen. Nicht
einmal der Fall ist meines Wissens vorgekommen , dass ein
."iU' NncMmii t. tjiUun'j ilrr kUtiT. flasfe 'im 5, Jnli (WO.
Oberst oder Generul seine BestBlliing aiifgepagt liütte und
dann abgezogen wäre. In hohem Masrte erechwerend ist
obendrein bei Munsfeld der llmstaiid, dais er er^^t weiti^
Tttge vorher den Eid geleistet und Geld für seine Soldul«n
empfangen hatte. Wie wenig unter solchen Voraussetzungen
ein üebergang tarn Feinde mit den gewöhnlichen Anschau-
ungen von Soldtttenehre vereinbar war. beweist die That-
Rache, dass Krieehingen jenen nun nicht mehr für möglich
hielt, i'bwol er von den frliberrn Verhandlungen MansfMda
mit Ansbach Kenntnis besass. Man^feld «Ibst vermeidet
denn anch in meinem Berichte sorgfältig, zu bekennen, dass
er seine Truppen Kiini Feinde (lV>eriilbrte.')
Das abo ist das Ergebnis, wenn wir Mansfelds Bericht
als völlig glaubwürdig betrachten. Weit schliitimer noch
erscheint aber sein Verschulden . wenn der üebcrgang mri
in der Weise vollzog, wie ihn eine hei Viüermont I, BS aus-
gezof^ene brdsseler Hand«chrift schildert, und er seine Truppen
ohne ihr Wissen und wider ihren Willen hinterlistig /.nm
Treubruche zwang. Jene Erzühlnng aber wird in hohem
Grade wahrscheinlich gemacht durch einen Bericht der Mark-
grafen von Ansbach und Baden seibut, welche melden,
dass sie auf Mansfelds AnüPige, er wolle unter dem Vor-
wande eines Handstreiches gegen Dachstein zu ihnen flber-
gehen, einen Hinterhalt gelegt hiitt-en , um ihn alsbald um-
ringen zu können, und daas der Rittmeister Wnssenburg am
1.3. August mit einem Teil seiner CompE^^nie zu den Ent-
herBOgtichen zurückgekehrt sei. '"l Ja, wenn die Fflr»t,<Mi utgiea,
A
II Uati iit oline Zwpird die Unu^b(^ ilervoc KiacliFr ApoUifT- "
tferObmtan .Miiavi^unit.* Uer ifiuae IterJi'ht Mnn«felU> ilOrflv dun
lliilittfnnKeiien ürn Kindnick machMi, daat er aua «chledit-em UewiHoi
KnUpiang.
2) Ritt.nr, ßri^f'e iin<) Actim xiir Oitschiuhti? dfj dreiHiiKJIbrijreB
Kriegr» 111. 890 U- Matufcld cernchweigt in »'innin .B«-rii:lit*. itm
tuit WoMenbnrK <-')» Teil sainer Soldaten at>KOK-
Stiere: Ernst von Mansfeld. 517
60^) bei Mansfeld gewesene Reiter Krieehingens seien ohne
Lösegeld entlassen, „dammb das sie uf gemelten gravens wort
mitkommen/ so lässt sich kaum die Annahme ablehnen, dass
Mansfeld vor seinem Aufbruche sein Wort verpfändet hatte,
er wolle nicht übergehen. In jedem Falle ist es gewiss, dass
er seinen Abfall durch trügerische Vorspiegelungen ermög-
lichte. Liess er doch nach dem Berichte der Markgrafen
auch sein Gepäck in Zabern zurück.
Nach den Acta Mansfeldica S. 8 fg. wurde übrigens
der Abfall Mansfelds dadurch veranlasst, dass man ihm von
Seite des bei Zabern vereinigten Heeres nicht die von ihm
beanspruchte Stellung als Oberst zugestehen wollte. Wenn
man erwägt, dass ihm 1606 diese Würde wegen des verun-
glückten Handstreiches gegen Sluys durch kriegsgerichtliches
Urteil abgesprochen und er dann nach vorübergehender Ver-
wendung als Capitän ohne Wartegeld entlassen worden war,*)
so wird man eine solche Verwahrung altgedienter und vor-
nehmer Offiziere gegen seine Ansprüche nicht unwahrscheinlich
finden, und wenn man sich vergegenwärtigt, wie ehrgeizig
und eitel sich Mansfeld später erweist, so wird man geneigt
sein, in diesem Zwiste die wahre Ursache seines Abfalls zu
erblicken.
Dass er denselben, wie die vorhin erwähnte brüsseler
Handschrift und die Acta Mansfeldica') berichten, bereits in
Düren verabredet habe, erscheint jedenfalls nicht glaub-
würdig. Nach seiner Befreiung liess er zu Bastogne An-
fangs Mai 1610 auf die Nachricht, ,dass der Feind zwei
französische Soldaten ausgeschickt habe, um seine Streit-
1) Mansfeld spricht in seinem , Bericht* übertreibend von 150.
Nach dem Schreiben der Markgraten war sein Volk überhaupt nicht
so stark, wie man früher annahm, sondern bestand nur aus vier
Compagnien Reiter und ungefähr 400 Mann z. F.
2) Villermont I, 22 fg. 66 und II, 874.
3) Villermont I, 60 und Acta 8 fg.
518 Nachtrag z, Sitzung der histor. Classe am 5. Juli 1890.
kräfte und seine Pläne zu erforschen/ einen durchreisenden
Franzosen verhaften.^) Unter dem Feinde können nur die
linierten oder die Franzosen selbst verstanden sein; wie aber
sollte Mansfeld zu einer Feindseligkeit gegen diese veranlasst
worden sein, wenn er sich bereits im geheimen Einverständ-
nisse mit Solms befand? Die Absicht, den brüsseler Hof
über seine Pläne zu täuschen, kann nicht vorausgesetzt werden,
denn er rausste wissen, wie ängstlich jener damals ein Zer-
wörfniss mit Frankreich zu vermeiden suchte und welches
Missfallen daher seine Massregel erregen musste. Er wurde
ja auch wegen derselben sogleich von dem belgischen Be-
fehlshaber Bastognes verhaftet und vom brüsseler Hofe nur
unter der Bedingung sofortigen Abzuges freigegeben. Ein
zweiter Umstand, welcher gegen die dörener Verabredung
spricht, ist ferner der, dass Mansfeld nicht zu den Unierten
überging, als er aus dem Luxemburgischen durch belgische
Truppen vertrieben wurde. Daraals hätte er den Abfall
leicht und sicher vollziehen können. Was sollte ihn be-
wogen haben, erst nach dem Elsass zu ziehen? Einen Vor-
teil für sich konnte er nicht davon erwarten und die Ver-
einigung mit den überlegenen Streitkräften Kriechingens
musste die Ausführung seines Planes erschweren. Wäre
jener nicht durch Mansfelds Eidesleistung getäuscht worden,
so hätte er in der That dessen Abfall doch ebenso gut mit
Gewalt hindern gekonnt, wie er den Treuschwur erzwang.
Wenn Villermont I, 64 ohne Quellenangabe berichtet, der
Markgraf von Brandenburg habe Mansfeld in Zabern an das
zu Düren gegebene Versprechen erinnert, so hat er das wol
der mehrfach erwähnten brüsseler Handschrift entnommen,
diese aber nur ihre früher ausgesprochene Vermutung weiter
ausgesponnen.
Ich gehe auf diese Dinge nicht näher ein, da bei dem
1) Villermont f, (Jl.
Stieve: Ernst von Mansfeld. 519
jetzigen Stande unserer Kenntnisse eine sichere Entscheidung
doch nicht zu erreichen ist. Meine Absicht ist hier über-
haupt nicht auf eine eindringende und erschöpfende Be-
trachtung der Geschichte Mansfelds, sondern nur darauf ge-
richtet, die Erörterung einiger auf sie bezüglichen, noch
ungelösten oder nicht beachteten Fragen anzuregen.
Zu diesen gehört auch folgende. Im August 1618 wird
uns mitgeteilt, dass Mansfeld dem Markgrafen von Ansbach
50000 Gl. geliehen habe und für 100000 GL Güter kaufen
woUe.^) Woher stammte diesesfür jene Zeit sehr bedeutende
Vermögen? Es ist selbstverständlich, dass Mansfeld es nicht
an dem kümmerlichen Wartegelde, welches er von der Union
bezog, oder an der Besoldung, welche er während seiner
Kriegsdienste für Herzog Karl Emmanuel von Savoyen
empfing, ersparte. Nicht wahrscheinlich ist es ferner, dass
er es 1010 im elsässer oder dann im italienischen Kriege
erbeutete, denn wie in ersterem, so hatte er auch wol in
letzterem, wo er eine höchst unbedeutende Rolle gespielt
haben muss, schwerlich Gelegenheit, so grosse Summen zu
erpressen und zu rauben, und im dreissigjährigen Kriege
zeigt sich nicht, dass er es verstand, Beutegewinn dauernd
zu behalten. Endlich ist die Summe zu gross, um daran zu
denken, dass er sie am Solde der 4000 Knechte, die er seit
1617 für Karl Emmanuel in Werbegeld zu halten hatte,
unterschlagen hätte. Könnte sie aber nicht der Preis und
zugleich das Mittel sein, wofür und wodurch Mansfeld dem
Herzoge von Savoyen zur böhmischen und zur deutschen
Krone verhelfen sollte? Wir wissen ja, dass Mansfeld die
Verbindung des Herzogs mit der Union vermittelte und dass
er dabei nicht von Eifer für diese oder gar den Kurfürsten
von der Pfalz geleitet wurde, sondern den Wünschen Karl
Emmanuels zu dienen suchte. Wir wissen ferner, dass er
1) Der linierten Protestierenden Archif, Appendix 282.
."»20 Nnthlmii t. Sitiunij ifcr hiMor. Ulaitae am ä. Ju't ISSfß.
während der Verhandlungen tou dem Herzoge mit Geld uod
Lehenagütern begabt wurde, und dasa ihn eine besoniler«
VerpSicbtuug an jenen kiiQpfte. sohHnl. uns der ThutMielie
zu erhellen. diu>s Mansfeld uach dem Scheitern des BündniMes
7.wiachen der Union und tfavoyen mit zäher Beharrlichkeit
Karl Emniuniiels Wiihl zum bohinitu-ben Könige beffirwurlcto.
Üie& Unternehmen war von vornherein zu Htie«icbtslos. sl»
duas wir annehmen dürften, Mausfeld Hei dazu durch die
Berechnung bewogen worden, dass er von dem Uunttigu
grössere Förderung zn envarten habe als von dem ihm ab-
geneigten Kurttirsten von der Pfalz. Diesen aber gejjten sich
herauszufordern, konnte ihn schwerlich Ulm:' die Dankbarkeit
dafür, dass Savnyen einen Tlieü seiner Trn]>peo zu bi-solden
vereprochen hatte, veranlacuen. War doch dieaem Versprechen,
wie es scheint, nur st-hr nnvollkonimen erfüllt worden linH
lag doch flberschwänglicbe Dankbarkeit keineswegs im Wesen
des Mausfelders. Es drängt sich al^o die Vermutung anf,
dass dessen Verbalten mit jenem Vermögen xuäHmnienhüngt.
in dessen Besitz wir ihn bald nach dem Beginne der Vr.t-
handlungen zwischen ^^avoyen und der Union finden.
Nehmen wir aber einen soli.'ben Zusammenhang an. so
bietet sich ein neuer Gesichtspunkt Tür die ÄuS'aüsutig der
Stellung, welche Mnn«feld in jenen Verhandlungen einnahm.
Sie bedürfen indes Oberhaupt einer nochmaligen eindringenden
ErürterUQg und eine solche wCirde hier zu weit fuhren.
Ich wende mich daher zu der Frage, ob Mun^ifeld «iah
in den Jahren 1020 bis ll>22 wirklich immer wieder kuib
Abfall von der die HaUhurger bekämpfenden Partei bereit
erwiea, wie man da« seit Gindelys Mitteilung über ilie pilsener
Verhandtungen mit Herzog Maximilian von Bayern und
Bucquoi annimmt,
Man musa zugeben, da§B sich einem oolchen Verrat«
in Munst'eld weder Begeisterung für den l^it&ttantUmus,
zu welchem er flii:b nicht bekiilinte, noch Eiffr ftlr i»
Stkve: Ernst wm Mansfeld, 521
^deutsche Freiheit*, welche ihm, dem Fremdlinge, nicht
am Herzen liegen konnte, entgegenzustellen vermochten,
und ebensowenig war sein Ehrgefühl fähig, ihn zurückzu-
halten, da er ja i. J. 1610 thatsächlich unter offenem Eid-
bruche abfiel, 1621 den mit Baiem abgeschlossenen Vertrag
schmählich brach und fort und fort den Schein verräterischer
Absichten auf sich lud. Idealismus und Edelsinn wohnten
überhaupt nicht in seiner Brust. Sein Lebensgang hatte
ganz andere Triebe in ihm grossgezogen.
Seine Kindheit hatte er am Hofe seines Vaters zuge-
bracht. Dessen lockeres und üppiges Leben und das Ver-
hältnis seiner Mutter zu dem greisen Vater, bei welchem
sie unverheiratet weilte, waren nicht geeignet, sittliche An-
schauungen in ihm zu pflanzen und zu entwickeln. Vor
allem aber musste seine eigene Stellung schädlich auf ihn
einwirken. Das, was er sah, und die Kenntnis seiner Ab-
stammung mussten in ihm unablässig lebhafte, auf Genuss,
Glanz und Ehre gerichtete Wünsche und Ansprüche erwecken;
sein Vater aber liess ihn unter seinen EMelknaben wie Einen
aus diesen erziehen und als er einmal den Wappenspruch
des Fürsten in seine Bücher einschrieb, wurde ihm mit der
Reitpeitsche klar gemacht, dass er sich nur als Bastard zu
betrachten habe. Schon in seinem sechzehnten Jahre nahm
ihn dann sein Halbbruder, Fürst Karl von Mansfeld, mit
nach Ungarn in den Türkenkrieg. Auch da musste sich
seine Zwitterstellung geltend machen und dazu gesellten
sich nun die Einflüsse des wüsten Lagerlebens. Nach seiner
Rückkehr äusserten sich dieselben in übermütig-roher Qewalt-
thätigkeit und unanständigem Schuldenmachen , und als er
wieder in den Türkenkrieg zog, wurde ihm zwar — ohne
Zweifel aus Rücksicht auf seine Abstammung — ehrende
Bevorzugung zuteil , aber bald nötigte ihn ein für ihn sehr
schimpflich endender Handel, wieder die Heimat aufzu-
suchen. Dort wurde er auf Fürsprache seines Vaters, erst
1800. Philos.-philol. u. bist. CI. II. 3. 35
522 Niiebtrag t. Süiung J^r hiuior. Clasne am S. Jaii IStHK
24 Jahre alt zum Obersten befördert, indee twach wurde
ihm sein Kegimeut — wie es scheint, weil er nicht Zucht
zu halten wusstt^ — wieder entzogen und nach neuer Ver-
leihung eines solchen wurde ihm die Obersteiiwnrde -lelbst
abgesprochen und zwar durch ein kriegNgerichtliches Urteil.
welche§ die i^ffeiitliche Meinung aXn ungerecht beKeichnete
und wodurch er daher um »> tiefer verletzt werden musste.
Nur als Hauptmann wurde er später wieder Terweud«t, doch
auch diesmal rasch entlassen, konnte er, da die Verhand-
lungen über einen Wafi'en still stand zwi«chün den Spaniern
und den Holländern in Fluss kamen, nicht einmal ein Warte-
geld erhalten, während sich nirgends sonst mehr iielcgenheit
zu Kriegsdiensten bot. Inzwischen war auch sein Vater ge-
storben und hatte ihm nur ein gerinp^fs Jahrgeld vennacfat.
Dürftig stand »Iso Mansfeld vor einer Zukunft, welche ihm keine
Änssichten bot, du er für einen anderen Beruf als den d«
Soldaten weder Vorbildung noch Neignng besass. Wie es
scheint, fand er am Hofe des Nachfolgern seines Vaters eine
untergeordnete Stellung und musste also dort lüeneu. wo er
täglich an die Ansprüche seines Blutes erinnert wurde.
Solche Schicksale waren fUrwahr geeignet , durch den
Wechsel zwischen Bevorzugimg und DeiuHtigung, zwischen
Verlangen und Erfüllung in einem dazu veranlagten Charakter
masslosen Ehrgeiz und l)edenkenlose SetbsUucht zu entwickeln,
zumal die Leliensfiihrung , woran Munsfeld als Knabe und
Jüngling teilnahm, sittlichen Ernst nicht in ihm groaszieheu
konnte. Jene Leidenschaften riehen wir denn auch oht
betitimmeude Kräfte im Leben Mansfeldi« walten.
Konnten aber nun sie ihn zum Abfall von der Partei, welefa«
er, vermutlich durch nie getrieben, i. J. Hilf' ergritteii hatte, ho-
stimmen? Die Antwort muss, glaube ich, verneinend lauten.
Allerdings wurden ihm von katfaolisch-halu<burgi»>cheräeit.e für
den Pnll seiner Klickkehr die gliinzcnd«ten Anerhir>tnngFfi
gemacht. Konnte man ihm indes in jenem Lager wohl nocli
Stieve: Ernst von Mansfeld. 523
jemals vertrauen? Ihm, welcher als Katholik und Offizier
Leopolds im offenen Kriege zu den Protestanten übergegangen
war; ihm, welcher jetzt auch diese verraten zu wollen, erklärte;
ihm, welcher in den Verhandlungen seit 1620 Täuschung auf
Täuschung häufte! Es musste unstreitig den Spaniern und
dem Kaiser geboten erscheinen, Mansfeld nach seiner Rück-
kehr stets argwöhnisch zu überwachen und sich bei erster
Gelegenheit seiner zu entledigen. Eine solche Gelegenheit
aber konnte sich bald genug bieten, wenn durch seinen Abfall
der Sieg der katholischen Waffen ein vollständiger wurde.
Schlug dagegen das Glück zu Gunsten der Protestanten um,
so war Mansfeld ganz sicher verloren, wenn er sie vorher
verraten hatte. Alles das war dem scharfsichtigen Manne ohne
Zweifel klar und durch einen Vertrag konnte er sich den Habs-
burgem gegenüber nicht für gesichert halten, denn, wer selbst
keine Treue besitzt, glaubt auch nicht an solche.
Wir dürfen also annehmen, dass alle Verhandlungen
Mansfelds nur bezweckten, die Gegner zu täuschen und sich
aus gefahrlichen Lagen zu befreien. Thatsache ist, dass er
sie stets in dieser Weise ausnützte, und ein Beweis, dass er
sie von vornherein in solcher Absicht anknüpfte, scheint
mir in Bezug auf den Vertrag, welchen er Anfang Oktober
1621 mit Baiern abschloss, also in Bezug auf den einzigen
Vertrag, den er wirklich zustande kommen Hess, darin vor-
zuliegen, dass er schon drei Wochen vorher den Strassburgern
ankündigte, er werde ins Elsass kommen,^) und dass ihm eben
jener Vertrag die Möglichkeit zur Verwirklichung dieser An-
kündigung verschaffte. Dass die späteren Verhandlungen
mit belgischen Abgeordneten lediglich Täuschung bezweckten,
hat schon Opel vermutet und mit guten Gründen unterstützt.
Man dürfte mithin dem Mansfelder doch einigem] assen
Unrecht gethan haben, wenn man ihm ernstliche Verrais-
1) Opel I, 285.
86^
524 Nachtrag z, Sitzung der histor. Classe am 5. Jttli 1890.
gelüste zuschrieb. Anderseits hat man meines Erachtens,
um das hier einzuflechten , auch dem Pfalzgrafen Friedrich
ohne Grund einen Vorwurf daraus gemacht, dass er Mans-
feld und den Halberstädter am 13. Juli 1622 seiner Dienste
entliess. Er befand sich ja ganz in der Gewalt der beiden
Heerführer und konnte daher gewiss nicht ohne deren Zu-
stimmung den angedeuteten Schritt ausführen. Sie aber
bedurften der Entlassung, um zum Zwecke ihrer Befreiung
aus einer unhaltbaren Stelhing bei Tilly den Täuschungs-
versuch, welchen Mansfeld gleich darauf machte, zu unter-
nehmen und um, wie sie wohl schon damals beabsichtigten,
Dienste bei Frankreich oder Anderen zu suchen.
Wie aber ist es zu erklären, dass Mansfeld i. J. 1620
nach der Vereinigung des bairischen und kaiserlichen Heeres
den Führern Beider seinen Abfall von den aufständischen
Böhmen und ihrem Könige anbot? Um diese Frage zu
beantworten , müssen wir zunächst die weitere erörtern , ob
Mansfeld denn nicht in seiner Kriegsthätigkeit seit 1618
bestimmte Absichten zu seinem eigenen Vorteile verfolgte.^)
Nachdem er Ende 1021 an den Oberrhein gelangt war, be-
setzte er sehr bald Hagenau, machte dieses zu seinem Haupt-
waffenplatze, suchte es aufs stärkste zu befestigen und war be-
müht, sich auch die Nachbarschaft zu unterwerfen. In den
Verhandlungen mit dem brüsseler Hofe und mit England ver-
langte er dann für sieh die Reiehsfürstenwürde mit einem
Besitze, de&sen Mittelpunkt Hagenau bilden sollte, und durch
den <i;evstürzten Kurfürsten von der Pfalz Hess er sich sogar
mit dem von ihm erdachten Reichsfürstentume beiebnen.
Monate lang blieb Hagenau der feste Punkt in all seinen
Kriegsunternehmungen und seine Sorge, dessen Verlust zu
verhüten, trug wesentlich dazu bei, dass seine Vereinigung
mit dem Halberstädter verzögert wurde, bis dieser von Tilly
1) Die Beiego lür das Folgende finden sich bei Oj>el: ich halte
es daher für unnötig, sie dieser Skizze beizufügen.
Stieve: Ernst von Mansfeld. 525
geschlagen war, und dass dann das Spiel am Oberrhein
gänzlich verloren ging. In Ostfriesland femer verfolgte Mans-
feld den Plan, jene Grafschaft nach Verdrängung des Erb-
herren unter seiner Statthalterschaft dem Bunde der nieder-
ländischen Freistaaten einzufügen. Hier wie im Elsass sehen
wir ihn also nach einer fürstlichen Stellung trachten.
Später tritt er mit einem solchen Plane nicht mehr oflFen
hervor. Höchst auffallend ist es jedoch, dass er immer be-
strebt ist, mit Heeresmacht nach dem Elsass zurückzukehren.
Bei den Verhandlungen , welche er 1G24 mit Frankreich
wegen eines von ihm zu leitenden Angriffes gegen die habs-
burgisch-ligistische Macht pflog, drang er immer darauf,
dass das Elsass zum Ausgangspunkte des Unternehmens ge-
macht werde. Nachdem er dann durch Frankreich genötigt
worden war, seine Trappen nach Holland zu führen, rückte
er von dort an den Niederrhein und setzte sich an diesem
fest, in der Absicht, nach Süden vorzustossen. Und sogar
als er gezwungen worden war, an die Elbe zu ziehen, machte
er wiederholt den Vorschlag, dass er seine Truppen nach
dem Elsass führen wolle. Nicht aus seinem Entschlüsse,
sondern aus den Anordnungen König Kristians IV. von
Dänemark entsprang der Augriff auf die dessauer Brücke und
noch wenige Tage vor demselben schwankte er, ob er den
Zug nach Schlesien, welcher dem Gelingen des Unternehmens
folgen sollte, überhaupt versuchen solle. Als er diesen Zug
dann später wirklich antrat, war er vielleicht von vornherein
nicht gesonnen, das von Dänemark vorgeschriebene Ziel zu ver-
folgen und zur Vereinigung mit Bethlen Gabor zu ziehen,
denn bei seinem Aufbruche hatte man noch nicht die min-
deste Gewissheit, dass sich der Siebenbürger zum Kriege
gegen den Kaiser verstehen werde. In Schlesien aus seinem
Lager abgesandte Briefe (s. Beilagen. 2) bezeichneten Böhmen
als sein wahras und einziges Ziel. Thatsache aber ist, dass
er, als er den nach Ungarn führenden Jablankapif
52<) Nachtrag z, Sitzung der histor, Classe am 5, Jxdi 1890,
hatte, nach Westen abschwenkte und in Leipnik den
Vorschlag machte, dass man durch Böhmen, Baiem und
Schwaben nach dem Elsass ziehen solle.^) und dieser An-
trag ist um so auffallender , als damals in Oberrösterreich
die protestantischen Bauern in hellem Aufruhr standen und
sich ihm also dort, wenn er einmal nicht nach Ungarn
gehen wollte, ein weit näherer Schauplatz der Thätigkeit
und die Möglichkeit, sowohl dem Kaiser wie Baiern die
grösste Gefahr zu bereiten , darbot. Dürfen wir bei dieser
Sachlage nicht vermuten, dass Mansfeld bei dem schlesischen
Zuge von Anfang an die Absicht hegte, nach dem Elsasse
hin durchzubrechen?
Weshalb aber waren seine Gedanken so stetig auf jenes
Gebiet gerichtet? Der Widerspruch seiner Mitfeldherren und
die Ueberflügelung durch Wallenstein*) nötigten den Mans-
felder, nach Ungarn zu rücken , und dort ereilte ihn der
Tod. So konnte er seine geheimen Pläne nicht mehr durch
Thaten kundgeben und Niemand war, so viel wir wissen,
von dem verschlossenen Manne in dieselben eingeweiht worden.
Indes die Vermutung wird nicht allzu verwegen erscheinen,
dass der ehrgeizige und selbstsüchtige Söldnerführer seinen
einst in Hagenau verfolgten Plan wieder aufzunehmen ge-
dachte. Nirgends konnte er sich ja leichter und mit grösserer
Aussicht auf Dauer ein Reichsfürsten tum zu schaffen hoffen
als in dem unter so viele Herren geteilten und Frankreich
nahen Elsass, wo sich ihm habsburgischer und reich &städtisc her,
schlecht beschützter Besitz in enger Verbindung darbot.
1) Höchst merkwürdig ist es, dass man diesen Plan in Wien
schon am 18. August abnte; s. Beilagen n. 8.
2) Einige auf Mansfelds Verfolgung durch Oberst Pechmann,
auf Wallensteins Zug und den Krieg von 1626 überhaupt bezügliche
Actenstücke, welche ich an Orten fand, wo man sie nicht leicht suchen
wird, und welche meines Wissens noch unbekannt sind, gebe ich in
den Beilagen.
Stir^ee: Krml mu Mamßld. 527
Nehmen wir nun an, iJass MansfelJ bis aii sein Lebens-
Piide den seit Ende Ui21 eine Zeit lang offen verfolgten
PInn, sich ein eigene» KUrstentiim zu erringen, festhielt, nnti
blicken wir von dieser Auffassung aus auf sein Verhalten
im bQhni Ischen Feldzuge, so ergibt sich in Bezug auf dieses
Hie Möglichkeit einer neuen Erklärung,
Gleich Anfangs macht sich Mansfeld an Pilsen und nach-
dem er die Stadt erobert , dabei aber gegen seinen Brauch
mit der t'liinderung verschont hat, verfährt er dort in gaux
ähnlicher Weise wie später zu Hagenau, indem er sie aufis
stärkste befestigt und ausrüstet und weithin die Umgegend
besetzt. An den Kriegsunternehmungen der Böhmen beteiligt
er sich nur widerstrebend nnd vorübergehend und stets ist
er darauf bedacht, sich eine unabhängige Stellung zu be-
wahren. Stets auch kehrt er nach Pilsen zurück, welches
er nach dem treffenden Ausspruche von Krebs, der bereits auf
da» eigentümliche Verhalten Mansfelda hingewiei^en hat,')
.gleichsam wie sein Eigentum behandelt." Nicht einmal
beim Anrücken des Ligaheeres versteht er sich dazu , sich
von Pilsen abz.ulösen und nach Oberösterreich, wohin ihn die
dortigen protestantischen Stände mfen, zu ziehen, obwol er
unmöglich verkennen konnte, dass es den Böhmen und ihren
Verbündeten den grössten Vorteil bringen musste. wenn dem
Liguheere die schwierigen Pässe des Hausruckwaldes gesperrt
wurden, und das» diese Sperrung erfolgen konnte, weil dazu
neben seinen Truppen die der oberÖsterreic bischen Stände
nnd Tausende fanattsierter Bauern*) mitgewirkt haben würden.
Zur Erklärung dieses Verhaltens scheinen mir Mansfelds
Zerwürfnisse mit den böhmischen Generalen und Directoren
und mit den Heerführern König Friedrichs nicht genügend.
Er war ja nicht eine kleinlich emptiiidliche und beschränkte
1) Scblacbt am Weiiaen Berge 4.
S) Vgl. ^tievi?, Der oberOHterreichUche Baneniaufstaii<l des
Jahr«« I62G. 1, 53 ig.
i
528 Nachtrag z. Sitzung der fUstor, Classe am 5. Juli 1800,
Persönlichkeit, sondern berechnend und scharfsichtig. Er
konnte sich also nicht darüber täuschen, dass sein Verhalten
dem Siej^e der Böhmen über ihre Gegner durchaus nicht
förderlich sei , und konnte es nicht einhalten , wenn jener
Sieg sein wahres Ziel bildete. Begreiflich wird es dagegen,
wenn wir annehmen, dass er bereits in Pilsen den Plan ver-
folgte, den er nachmals in Hagenau und unter den durch
die Verhältnisse bedingten Einschränkungen in Ostfriesland
verfolgte. Dass er von den gegen alle Ausländer feindlich
gesinnten Böhmen und den ihm abgeneigten Pfalzem für
sich nichts Grosses zu erwarten hatte, war unzweifelhaft.
Er musste also, falls er den angedeuteten Plan verfolgte,
eine feste Stellung zu gewinnen suchen und sich im Besitz
des gewünschten Fürstentums festsetzen. Ebenso musste es
ihm alsdann erwünscht sein, dass der Krieg sich unentschieden
in die Länge zog und die kämpfenden Gegner erschr)pfte,
weil er so seine Absicht desto weiter vorbereiten und desto
leichter schliesslich durchdrücken konnte. Dass das Ein-
greifen des Ligaheeres der Herrschaft des Böliinenkönigs ein
so jähes Ende bereiten werde, vermochte Mansfeld ebenso-
wenig vorauszusehen, wie es die Gegner selbst vor der Schlacht
am Weissen Berge zu hoffen wagten. Es ist ja bekannt,
dass das ligistische und das kaiserliche Heer in sehr üble
\'erfassung gerieten , dass Buccpioi Winterquartiere zu t)e-
zielien gedachte und sich nur schwer zur Schlacht bewegen
Hess und dass deren Ausgang und durchschlagende Wirkung
guten Teils nur durch die Fehler der böhmischen Heer-
führer und durch die feige Kopflosigkeit der Pfälzer er-
niögliclit wurde.
Halten wir diese Tliatsachen im Auge, dann wird uns
aber unttT der Vorau>set/uiig , djuss Mausfeld nach einem
Fiirst(»iituni trachtete, auch seine Anknüpfung mit Bucquoi
und den Baiern und sein bei den folgenden Verhandlungen
beobachtetes Verfahren verständlich. Nach der Vereinigung
Stieve: Ernst von Mansfeld. 529
des ligistischen Heeres mit dem kaiserlichen erschien die Be-
siegimg der Böhmen immerhin möglich und Mansfeld musste
mit dieser Möglichkeit rechnen. Deshalb bot er den Gegnern
seinen Abfall an. Er ging jedoch nicht wirklich über, sondern
schloss nur einen Neutralitätsvertrag und forderte zwar seinen
AIjschied vom Böhmenkönige, suchte denselben aber über
seine Beziehungen zu den Gegnern zii täuschen und liess
noch in der Schlacht am Weissen Berge ein Regiment seiner
Reiter auf Friedrichs Seite kämpfen. Hätte er ernstlich den
Anschluss an die Kaiserlichen und die Ligisten beabsichtigt
und hierdurch sein Glück machen gewollt, so hätte er sich
den Uebergang vor der Schlacht abkaufen lassen und mit
dem Pfälzer entschieden brechen müssen. Wie er verfuhr,
konnte er, glaube ich, nur dann mit Ueberlegung verfahren,
wenn er unter längerem Ringen beider Teile für sich mehr
zu erreichen hoffte, als er von der Gnade des Kaisers oder
des Pfälzers erhoflfen durfte.
Die prager Schlacht und ihre Folgen täuschten seine
Berechnung. Auch in der Folge verständigte er sich indes
nicht mit den Siegern. Die Verhandlungen mit diesen dienten
ihm nur dazu, ihre Rüstungen und ihr Vorgehen gegen ihn
zu verzögern und sich seinerseits zu verstärken und um Geld
zu bewerben. Er liess sich aufs neue von Friedrich V. zum
General bestellen , doch wird wol Niemand glauben , dass
er nun plötzlich von Begeisterung fiir die Sache dieses Fürsten,
welchen er vor der prager Schlacht so schmählich verraten
hatte, erfüllt worden sei. Vielmehr wird man es für gewiss
halten dürfen, dass er unter der Fahne Friedrichs nach wie
vor nur seine selbstsüchtigen Pläne zu verfolgen gedachte.
In Schlesien stritten noch Anhänger des Pfalzers gegen den
Kaiser. Friedrich selbst und Mansfeld bemühten sich bei
allen Gegnern der Habsburger um Hülfe. Die Aussicht auf
die Fortdauer des Krieges in Böhmen schwand nicht. Darum
ist es denn auch keineswegs ausgeschlossen, dass Mansfeld
530 Nachtrag z. Sitzung der histor. Classe am 5. Juli 1S90.
jenen Plan, den er von Anfang an in Pilsen verfolgt zu
haben scheint, festhielt. AuflFallend ist es in jedem Falle,
dass er mit den grossen Streitkräften, welche er bald vereint
hatte, weder sogleich an den Rhein , wo es den Erbbesitz
des Pfölzers zu retten galt und holländisch-englische Hülfe
ihm weit eher als in und für Böhmen zu teil werden konnte,
eilte noch über die wehrlosen Ligisten in Oberdeutschland
herfiel noch wenigstens einen kräftigen Vorstoss nach Böhmen
unternahm. Er haftete immer noch an seiner pilsener Stellung,
suchte nur sie auszubeuten und besetzte auch nur ihretwegen
die Oberpfalz, wenn er nicht vielleicht dort ein zweites Ge-
biet für die Verwirklichung seines Fürstentraums zu gewinnen
gedachte.
Lassen wir nun alle die ausgesprochenen Vermutungen,
welche ja freilich nur solche sind und unbezweifelbare Ge-
wissheit weder beanspruchen noch auch wol jemals acten-
mässig erhalten werden, als annehmbar gelten, so sehen wir
Mansfeld vom Jahre 1618 bis zu seinem Tode von einem
einheitlichen Plane geleitet und die Rätsel in seinem Ver-
halten schwinden. Zugleich erscheint er uns nicht nur darin,
dass er den Krieg sicli durch den Krieg ernähren Hess, sondern
auch in dem Streben seines selbstsüchtigen Ehrgeizes als
Vorläufer Wallensteins.
Die Anregung zu seinem Plane kann er durch die
abenteuerlichen Entwürfe zur Aufteilung der österreichischen
Lande, welche unter seiner Teilnahme zwischen der Union
und Savoyen erörtert wurden, empfangen haben. Nicht
unmöglich ist es jedoch, dass der Ursprung viel weiter zurück-
liegt und in Jugendträunien zu suchen ist, welche des Mans-
felders ehrgeizige Seele in jenen Jahren trösteten und quälten,
wo er in Dürftigkeit und niederer Stellung jeder thatsäch-
lichen Befriedigung seiner Wünsche und Hoffnungen ent-
behrte. Im Jahre 1010 besetzte er mit der einen Compagnie
Reiter, welche er damals befehligte, das Städtchen Schlejden.
Stieoe: Ernst von Mansfeld, 531
Vom militärischen Standpunkte aus war das, wie die Acta
Mansfeldica S. 9 mit Recht ausführen, ein ungeheuerlicher
Unsinn. Aber Mansfeld war durch keine Vorstellung seiner
OfiFiziere zum Weichen zu bewegen und geriet in Folge
davon in brandenburgische Gefangenschaft.^) Was kann er
nun mit der Festsetzung in dem Städtchen bezweckt haben?
Erinnern wir uns, wie er in Hagenau und vermutlich auch
in Pilsen die Ausführung seines Fürstenplanes begann, so
werden wir versucht, bereits in dem schleydener Streich ^in
Vorspiel der späteren Unternehmungen zu wittern. Derselbe
erscheint dann freilich als Ausgeburt einer überreizten Ein-
bildungskraft, indes etwas Phantastisches war doch überhaupt
wie in Wallenstein so auch in Mansfeld mit aller Berechnung
und Klugheit verbunden und die vorausgegangenen Jahre
konnten den Mansfelder sehr wohl krankhaft erregt haben.
Ueberdies berechtigt eben die Tollheit der That zur Annahme
eines durchaus nicht nüchtern verständigen Grundes. Ander-
seits lässt sich freilich nicht leugnen, dass Mansfeld auch im
dreissigjährigen Kriege manchen schweren Fehler in seiner
Heerführung beging, wie denn seine Stärke überhaupt weniger
in der Strategie und im Angriff als in der Abwehr und in
der Auswahl von Verteidigungsstellungen zu liegen scheint.
Nach dieser Richtung hin wäre die Untersuchung seines
Wirkens durch einen Fachmann erwünscht, denn je nach
seiner Begabung wird manches als Berechnung oder als un-
absichtliches Fehlen zu betrachten sein.
Mir sei hier zum Schlüsse noch eine Bemerkung über
die Bildnisse Mansfelds gestattet. Ich habe die Darstellungen
vieler Persönlichkeiten aus dem Ende des 16. und aus dem
17. Jahrhundert verglichen und dabei gefunden, dass die
1) Dass der brandenburgiache An^iff schon am ersten Tage
nach Mansfelds Eindringen erfolgte, scheint mir durch die Erzählung
der Acta au^eschlossen zu sein.
532 Nachtrag z. Sitzung der histor, Classe am 5. Juli 1890.
Maler es, je geschickter sie waren, desto weniger streng mit
der Wahrheit nahmen und dass ein absichtliches, um nicht
zu sagen gewerbsmässiges „Idealisieren* stattfand, welches
nicht selten zu vollständiger Unähnlichkeit ftthrte. Weit
zuverlässiger zeigen sich in der Regel die Medaillen oder
Münzen, obwol auch hier sehr weitgehende „Verschöne-
rungen* vorkommen. Es wäre der Mühe wert, die Sache
systematisch zu verfolgen. Viele der landläufigen Bilder
würden sich ohne Zweifel ebenso als Fälschungen erweisen,
wie die fort und fort wiederholten Maximilians von Baiem,
Wallensteins , Gustav Adolfs und Bernhards von Weimar
sich mir als solche ergaben.
Einer der verwegensten „Idealisten* ist A. van Dijk,
insbesondere da , wo er Leute darstellt , welche er nicht
gesehen hat. So ist denn auch das von ihm herrührende
Bild Mansfelds^) freie Dichtung, in welcher wenigstens ich
nicht einmal mehr eine Erinnerung an andere nach dem
Leben gefertigte Bilder zu entdecken vermag. Unter
letzteren steht der Kunst nach an erster Stelle ein von
Wilhelm Jakob Delphius in Kupferstich wiedergegebene«
Bild, welches Michael Johann Miereveld 1624 schuf. Der
verschlossene Ausdruck der Züge und der lauernde Blick der
Augen machen den Eindruck der Naturwahrheit und es fehlt
auch nicht die — bei seinem Vater und Grossvater ebenfalls
vorhandene — Aehnlichkeit mit einem Hasen, welche zu
manchen Karrikaturen Mansfelds Anlass gab und später aus
dem Missverständnis einer Quelle die Sage von seiner Hasen-
scharte erzeugte. Indess ist das Bild doch zu glatt und
stilisirt , um für völlig treu gehalten zu werden , und es
stimmt nicht zu dem Zeugnisse des französischen Gesandten
1) Vgl. über dieses und das gleich zu erwähnende Bild Miere-
velds, sowie andere mir unbekannte Bilder: E. Fischer, Des Mans*
felders Tod 28.
Stieve: Ernst von Mansfeld, 533
Maurier, der Mansfeld Ende 1622 sah und ihn als „fort
ride* schilderte.^)
Dieser Ausdruck bedeutet gewöhnlich »faltig, runzelig*,
er dürfte indes hier auf eine Eigenart im Gesichte Mansfelds
anspielen, welche uns auf zwei anderen Stichen deutlich
entgegentritt. Von diesen ist der eine 1620 durch Peter
Isselburg, der andere 1621 durch Wolfgang Eilian ange-
fertigt. Beide sind von einander unabhängig, stimmen aber
im Wesentlichen tiberein und wie dieser Umstand so spricht
auch die geistlose Rohheit der Mache für die naturalistische
Wahrheit der Darstellung, üeberdies haben ja beide Künst-
ler einen nicht schlechten Namen als Abbildner und sind
die Eigentümlichkeiten, welche sie zeichneten, zu ungewöhn-
lich, als dass sie für Verzeichnungen oder Erfindungen gehalten
werden könnten. Von grösstem Gewichte ist jedoch, dass sie
durch eine Medaille*) bestätigt werden, welche hohe, künst-
lerische Fertigkeit bekundet und das Mittelglied zwischen
ihnen und dem Bilde Mierevelds liefert. In gewisser Be-
leuchtung entspricht ihr Profilbild ganz dem Vollbilde
Mierevelds. In richtiger Beleuchtung aber treten gemildert
dieselben Eigentümlichkeiten wie auf den beiden Stichen
hervor.
1) Villermont II, 119.
2) Es ist die, welche Gerard de Loon Histoire metallique des
XII provinces des Pajs-Bas S. 148 beschreibt. Wenn dieser meint,
die auf der Rückseite befindlichen Worte: »Force m'est trop*, deuteten
auf die Niederlage, welche Mansfeld bei Fleurus erlitten habe, und
die Medaille gehöre daher ins Jahr 1622, so ist das selbstverständlich
hinfällig, weil Mansfeld in der Schlacht bei Fleurus siegte und die
fraglichen Worte der Wappenspruch seines Vaters waren. Ich möchte
die Entstehung der Medaille eher gleichzeitig mit dem Bilde Miere-
velds setzen. Die Umschrift lautet: „Emest. Pr. Et Comes Mans-
feldiae, Marchis Castelli Novi Et Butiglierae, Baro Heldrungae-*^ Das
Pr[incep8] bezieht sich auf die Belehnung mit dem Reichsfürstentum
Ilagenau durch Friedrich V von der Pfalz.
534 Nachtrag z, Sitzung der histor. Glosse am 5. Juli 1890,
Sie bestehen darin, dass das Auge ungewöhnlich nahe
unter dem vorspringenden oberen Stirnknochen liegt, dass
der Backenknochen unter dem Auge ungemein stark vor-
tritt und dass der hintere Teil der Kieferknochen sich in
starker Anschwellung vordrängt. Durch die letztere Bildung
wird bewirkt, dass der Kopf eher rautenförmig als rund
oder oval erscheint und durch sie sowie durch das Vortreten
des Backenknochen entstehen zwischen ihnen beiden nnd
dem Munde und zwischen dem Backenknochen und der Nase
Gruben und ausserdem Falten, welche Maurier vermutlich
mit seinem «fort ride*' bezeichnen wollte. Das ganze Gesicht
aber erhält dadurch und durch die Stellung des Auges etwas
ungemein Seltsames und Bizarres. Auf den Stichen herrscht
das vor, ohne einen bestimmten seelischen Eindruck zu erzeugen.
Auf der Medaille erscheint der Kopf in der ihre Darstellung
dem Bilde Miere velds anpassenden Beleuchtung fein und schön.
In der Beleuchtung dagegen, welche die Eigentümlichkeiten
des Baues enthüllt, tritt, namentlich wenn man den Kopf
von unten her betrachtet, nicht nur seine Hasenähnlichkeit
scharf hervor, sondern das Gesicht wird banditenhaft, ja ge-
radezu grauenerregend.
So mag denn wohl die Medaille das wahrste Bild Mans-
felds bieten. Ich wage indes keine Entscheidung zu treflfen,
da mir die anderen, ausser den angeführten Bildern vor-
handenen Darstellungen Mansfelds nicht bekannt sind. Wie
in den Fragen über Mansfelds Handeln und Streben muss ich
mich auch hier bescheiden, weitere Untersuchungen anzuregen.
Stiere: Ernst von Mansfeld, 535
Beilagen.
1. Neumarkt, 31. Jtdi 1626. Oberst Gabriel Pech-
mann an Qnestenberg. — Im FürstentDm Sagan habe ich
noch Alles dem Kaiser treu gefunden, dagegen im Fürsten-
tum Glogau den Feind und grosse Vertraulichkeit zwischen
ihm und den Städten sowie einigen Ädlichen. Jene haben
ihn aus- und eingelassen. Ich habe sofort auf Mittel, das
abzustellen, gedacht. Darauf hat sich der Feind jählings
aufgemacht und eilt nun stark an der polnischen Grenze hin
auf Wartenberg, weil ihm der Weg schon bis nach Oppeln
und Ratibor, wohin ich heute Nacht Dragoner voraiisgeschickt
habe, verlegt ist. Wäre ich zwei Stunden später gekommen,
so hätte der Feind Grossglogau genommen, dessen Bürger
bereits erklärt hatten, sie würden sich nicht wehren. Jetzt
hört die Vertraulichkeit mit dem Feinde etwas auf, weil man
hört, dass Wallenstein anrückt. Beim Abzüge hat der Feind
das Städtchen Gurau geplündert «und stattliche peiten be-
kommen , die darin versamblete ritterschaft demontiert und
auf 10000 reichstaller rantioniert, auch alle ire roß genommen,
vill adenliche heuser geplündert." Darüber klagt Niemand,
wenn aber mein Volk ein Huhn nimmt, so ist ein Mords-
geschrei. Meine ausländischen Regimenter haben freilich
nicht zum besten gehaust; «ich laß alle tag under inen auf-
henken, doch hilft es, soyil es kan; ligt an dem respect
der officier allein. Nunmehr sehen J. Mt. , was Si an den
Schlesiern haben und wie weit Sie sich auf si zu verlassen
haben.* Man wird einige Oerter besetzen und befestigen
müssen. «Wan die ritterschaft thuen wolt, was si schuldig,
were der Mansfeld schon hin. Er ist in einem solchen
schrecken, das ich mir getraue, allein ohne mehrere assistenz
ein zimblich rencontre ime zegeben; ich muß mich aber
536 Nachtrag z. Sitzung der histor, Classe am 5. Juli 1890,
wegen der inwendigen besen affection wol in acht nemmen,
dann, wann ich 100 pferd vor J. fl. Gn. des herrn generals
ankunft verlure, so ging das land zum feind, also muß ich
nur sehen, ime zu wöhren, das er keine posto nemen kan.*
Der Feind ist 14000 Mann, darunter 4800 Reiterstark und
hat 20 Geschütze, 900 Centner Pulver und für 24000 Mann
ledig Gewehr bei sich. „Versucht an allen orten ein rebellion
zu erwecken; wo er anschlegt, kome ich ime alzeit vor,
verhüet zum teil mit muet, das mehrerste aber mit schrecken.
Wan wir in nur dißmal mit ehrn aus dem land haben mögen,
ein andere zeit mueß man vorsichtig gehn." Uebermorgen
hoffe ich meine Reiter bei Oppeln zu sammeln. Dieselbe
Zeitung von Bethlen vrie in Wien hat man auch hier. Ver-
einigt sich jener mit Mansfeld, so werde ich eine feste Stellung
einnehmen, bis Wallenstein kommt; „wo nicht, so soll der
Mansfelder ungeruebft von mir nicht kommen, dan ich kenne
sein Volk und meines auch. Vom könig aus Denemark hat
er guet volk, 2000 pferd und 2 regiment knecht; das Kbrig
ist lauter canalla.*
Reichsarehiv München. Dreissigjähr. Kriegsacten tom. 135, 150 Copie.
2. Mechiz (!) bei Kosel, 11, August 1626, Pechmann
an Questenberg. — Der Feind drängt nach Mähren. Ich
halte ihn auf, wie ich kann. Jede Nacht muss er in der
Wagenburg liegen; allezeit hat er Allarm; wo Feld ist,
marschiert er auch in der Wagenburg. Er leidet viel Hunger.
Viel Volk bleibt zurück; das schicken ich und Dohna alles
zum hinmilischcn Vater. Wenn in Mähren Volk vorhanden
ist, will ich dem Feind den Rest wol geben. Geht dieser
nach Mähren, so will ich nach Olnuitz eilen. Hätte ich
2000 Musketiere, so hätte ich den Feind längst bezwungen.
Ich hal)e viele Briefe aufgefanji^en; ^darin befindt sich, daß
ir intent allein auf Böhmen ist gewest.**
A. a. (). tom. 134, G05 Auszuf^.
Stieve: Ernst von Mansfeld. 537
3. München, 12. August 1626. KurfQrst Haximilian
von Baiem an seinen Agenten zu Wien, Dr. Esaias Lenker.
— Du wirst Dich erinnern, dass wir Dir vor wenigen Tagen
befolen haben, dem Kaiser vorzustellen, dass dem oberöster-
reichiscben Bauernaufstände unbedingt ein Ende zu machen
sei, und was wir früher deshalb dem Hegenmüller vorge-
halten haben. ^) Nun berichtet uns Tilly , dass er und Al-
dringer wegen Mangels an Kriegsvolk in höchster Gefahr
seien, und bittet uns, ihm Verstärkungen und wenigstens
unser an der oberösterreichischen Grenze liegendes Volk zu
senden. Begehre also sofort Audienz, teile dem Kaiser Tillys
Schreiben mit und stelle ihm vor, dass wir kein anderes Volk
als das gegen Oberösterreich aufgestellte schnell genug auf-
bringen können, Friedland kaum solches wird entbehren
wollen und auf spanische Hülfe nicht zu rechnen ist, der
Kaiser also dem Bauernaufstände ein Ende machen, den An-
griff, falls die gütliche Handlung noch keinen Erfolg gehabt
hat, befehlen imd uns über Zeit, Ort und Art desselben zum
Zweck unserer Mitwirkung verständigen möge. Bei längerem
Zögern müssten wir unser Volk zu Tilly schicken. Wenn
gleichzeitig von verschiedenen Seiten angegriffen wird, werden
die Bauern leicht zu bezwingen sein. Dann kann auch der
Kaiser sein Volk an Aldringer schicken und dieser sowie
Tilly sich Dänemark gegenüber halten. Der Kaiser darf
nicht glauben, dass die Gefahr durch den Vorteil, welchen
Graf Jakob Ludwig von Fürstenberg bei Kallenberg errungen
hat, beseitigt sei: das Gegenteil zeigen jüngere Briefe Tillys
und Aldringers.
Eigenhändige Nachschrift. „Wann es möglich
were, das Ir. Mt. eben dasjenige stratagema brauchten , so
der Dennemerker gebraucht, indem er Ir Mt. durch den ein-
1) Vgl. Stieve: Der oberösterreichische Bauernaufstand des
Jahres 1626. I, 223, 253.
189a Pbiioa.-pbilol. u. hist. Gl. II. ». 36
538 Nachtrag z. Sitzung der histor. Classe am 5. Juli 1890,
fall in Schlesien mit Irer armada auß dem nidersäxischen
craiß gebracht, und das Ir Mt. etlich tausent cosaken sambt
etlichem teiitschen volk von der walnsteinischen armee den
kürzesten und gradesten weg durch die mark Brandeburg
gegen Holstein einfallen ließen, wurde Mansfelder den stil
umbkeren und so geschwind er gekommen, so halt wurd er
wider sich auß Ir. Mt. erblanden machen , der Gabor auch
allein ohne den Mansfelder ihme gegen Ir Mt. nichts ge-
trauen außzurichten, der dennisch könig auch, wo nit alleß,
doch meistes volk vom Tilly zu seiner aigenen defension
fueren , deme alßdann mit allerseits armaden nachzurücken
und also sedem belli weit von Ir Mt. und Dero assistirenden
landen abzuwenden.
Staatsarchiv Mönchen, Schw. Abt. 486/21 Orig.
4. Wien 12. August 1626. Dr. Esaias Lenker an Kf.
Haximilian. — Aus Ungarn wird man kein Volk gegen
Oberösterreich verwenden können, denn man ist noch nicht
vor Bethlen sicher und muss erst den Erfolg der Verhand-
lungen des Grafen Altheim mit dem Vezier von Buda ab-
warten. Der Graf ist vorgestern mit dem Geschenke, welches
dem Vezier vor vier Jahren versprochen worden ist, nach
Komorn abgereist. Jener hat bereits dem sehr ergrimmten
Pascha von Bosnien befohlen , nicht weiter gegen Ungarn
vorzurücken und die Grenze von Kanisza nicht zu entblössen,
und er wird, da der „Ciniiam*' an der Pforte erdrosselt
worden ist , wol im Stunde sein , Gabor am Angriffe auf
Ungarn zu hindern. Eggenberg hat das Wesen in Steier-
mark und an der windischen Grenze so „accommodiert,* dtiss
dort nichts zu fürchten ist. Einige tausend Mann sind im
Anzüge, um das Vordringen Bethlens und Mansfelds zu hindern.
Nach Pressburg sind Schiffe gebracht, um diis kaiserliche
Volk nötigenfalls über die Donau zu setzen; auch wird eine
Brücke geschlagen. Man fürchtet, Mansfeld werde, wenn
er sieht, dass die Verbindung mit Bethlen unmöglich ist,
Stieve: Ernst von Mansfeld. 539
sich durch Mähren nach Oberösterreich wenden; dort und
in Unterösterreich sollen einige Herren mit ihm in Corre-
spondenz stehen. Er hat einen Anschlag auf Breslau, wo
er sich einige Zeit zu halten vermocht hätte , gehabt; da
aber die Schlesier hörten, dass Friedland mit einem starken
Heere nahe, haben sie erklärt, beim Kaiser bleiben zu wollen.
Einige schlesische Adliche wollten ihm vorige Woche bei
Oppeln über die angeschwollene Oder helfen; der Tags zuvor
angelangte Vortrab Pechmanns und einiges von Dohna ge-
sammelte Volk schlugen ihn jedoch und töteten 400 Mann.
Er verschanzt sich nun in einem eine Stunde von Oppeln
jenseits der Oder gelegenen Kloster. Man meint, er werde
bald gegen Ratibor zu über die Oder gehen und dann nach
Teschen und, falls keine Hoffnung auf Verbindung mit Bethlen
sich zeigt, über Troppau, Olmütz, Brunn und Znaim nach
Ober- und Unter-Oesterreich ziehen. Man verlässt sich in
Wien zumeist auf des Herzogs von Sachsen-Lauenburg und
auf das bairische, an der oberösterreichischen Grenze stehende
Volk. Gestern hat Wallenstein Tillys [!] Sieg bei Kallen-
berg gemeldet. Es heisst, auch Göttingen sei genommen.
Friedland wirbt einige 1000 Kosacken in Polen sowie Knechte
und Reiter in Schlesien. Der König von Polen soll selbst
gegen die Schweden nach Preussen gezogen sein. Wenn
Friedland einige Regimenter entbehren kann, will er sie dem
jungen Könige von Ungarn auf dessen Kosten überlassen.
Reichsarchiv München, Dreissigj. Kriegsacten tom. 134, 569 Auszug.
5. Hochwald (bei Olmütz) 14, August 1626. Der Pfleger
daselbst an den Cardinal von Dietrichstein. — Feindliches
Kriegsvolk unter dem Herzoge von Weimar ist in Polnisch-
Ostrau angekommen und liegt in Zabrzeg und überall an
der Oder bis Fulnek. Ich fürchte, dass es morgen, wenn
nicht noch heute hier einfällt. Man sagt, es wolle über
Holleschau nach Skalitz ziehen, um sich dort mit Bethlen
86*
540 Nachtrag z. Sitzung der histor. Classe am 5. Juii 1890,
zu vereinigen. Heute hat sich der Feind in der Stadt Rziborsze
[!] einquartiert.
A. a. 0. 606 b Copie.
•
6. Hof in Mähren 75. August 1626. Oberst Pechmann
au Questenberg. — Der Feind ist schon in Mähren zu
Polnisch-Ostrau und Freistadt. Ich habe bereits drei Com-
pagnien Dragoner nach Olmütz geschickt und hoffe morgen
mit meiner ganzen Reiterei dort zu sein. Wallenstein wird
in Liegniz liegen und in fünf Tagen in Mähren sein. Falls
Bethlen nicht kommt, soll Mansfeld nicht viel weiter mehr
kommen. Das Heer ist sehr müde; von Bauern und Krobaten
bleiben viele im Nachzuge. In Schlesien habe ich bewirkt,
dass in den nächsten Wochen 8000 Mann beisammen sein
werden. Der „herr Schaffgutsch*, der noch mit 100 Pferden
auf seine Kosten bei mir ist, will auf meinen Vorschlag noch
1000 Pferde und 100 Dragoner auf seine Kosten werben,
, allein die bezallung soll wie deß herrn von Dona auf die
schlösische camer gericht werden.* Das Landaufgebot in
Mähreu und Oesterreich ergehen zu lassen, ist nicht rätlich:
man liiit es in Schlesien auch nicht wagen dürfen. „Alle
kundschaften lauten, der feintl wöll sich mit den obderens-
erischen paurn conjungiern." Ich bitte um einen des Landes
Mähren kundigen Befehlshaber; „daß steinicht ebne land,
wir mechtens leicht versehen, das er in der Wagenburg wie
bishero nach dem land ob der Enß gienge, dann sie freien
sich gwelt auf Bairn." Für diesen bitte ich um Erlaubnis,
es mit dem Feinde wagen zu dürfen. Wenn ich nur etwas
Fussvolk hätte, wollte ich ihn schon , schmeißen. In Schlösien
ist ein große vertraulicheit gewest; jezt verachten sie schon
einander selbst , welcher salva quartia von ime genomen
hat/ — Nschr. Nach (tlatz habe ich 400 Musketiere von
den 1000, welche der Statthalter zu Neisse geworben hat,
gelegt, weil der Feind verschiedene Anschläge darauf gehabt
haben soll. Mansfeld hat ein Fähnlein von 500 Mann bei
Stieve: Ernst van Mansfeld. 541
sich «von der löblichen behemischen nation allein gericht;
die bemiehen sich gewaltig, zu corespondieren. In Schlösien
versucht dasselbe ambt der aufwiglung der von Kettern,
welcher sich sehr bemieht, dann inie Friedt[land] hat zu-
gehört/^)
A. a. 0. 613 Copie.
7. Wien, 18. August 1626. Dr. Leuker an den
Kf. MazimiliaiL — Nschr. Friedland ist am 8. von Zerbst
aufgebrochen und in Niederschlesien angelangt. Der Kaiser
hat ihn durch Kurier aufgefordert, durch das Qlatzische nach
Leitomischl und Tglau zu s&iehen, um dem Mansfelder den
Weg nach Oesterreich zu verlegen ; es ist aber nicht zu hofien,
dass er diesen Weg nimmt und so bald fortzieht. Man hat
ihm schon vier Kuriere geschickt, er aber hat seit seinem
Aufbruche noch nicht geantwortet.
A. a. 0. 603 Or.
8. Wien 19. August 1626. Der venezianische Gesandte
zu Wien , Marc Antonio Padavin an den Dogen. — Man
sagt, dass Mansfeld, wenn er sich bei der Ankunft Wallen-
steins allein befinde und sich nicht vorher ins Herzogtum
Krossen zurückgezogen habe, nichts Anderes thun könne,
als durch Mähren nach Oberösterreich zu ziehen, sich mit den
anfstandischen Bauern zu verbinden und in Baiern einzu-
dringen, um sich so den Weg nach dem Elsass zu bahnen.
Staatsarchiv Wien, Dispacci Veneti 67, 220, eigh. Or.
9. Wiefij 20. August 1626. Bescheid des Kaisers
für Leuker. — Friedland musste „underschitlicherantrohenden
grossen gefahren halber" herausberufen werden. Soviel aber
der Kaiser weiss, hat derselbe seine Posten besetzt und auch
Tilly Volk hinterlassen, wie denn 74 Fähnchen z. F. und
5000 Pferde zurückgeblieben sind. Auch rückt ja jetzt die
1) Ohne Zweifel ist Kristof von Ködern gemeint; 8. Allgemeine
Deutsche Biographie 29, 25.
542 Nachtrag z, Sitzung der histor, Classe am 5. Juli 1890.
spanische Hülfe an. In Polen hat der Kaiser sein Aeusserstes
gethan, aber nichts erreicht, weil der König selbst bedrangt
ist; er will indes in seinen Bemühungen fortfahren.
Staatsarchiv München, schw. Abt. 29/21, 199 Copie, z. Teil.
10. München, 27. August 1626. Memorial des Kf.
Maximilian an seinen Hofrat Veit Hans von Neuhaus. —
Da Lenker und die Schreiben des Obersten Pechniann an
den Kaiser und an Questenberg melden, dass Mansfeld schon
am 15. in Mähren angekommen war und sich verlauten
lässt, er wolle sich mit den oberösterreichischen Bauern ver-
binden und gegen Baiem vorbrechen, wie er dessen seine
Soldaten vertröstet habe; da ferner Wallenstein an Orte,
wo er Mansfelds Vorgehen hindern könnte, wohl zu spät
gelangen wird und Pechmann, weil er kein Fussvolk hat,
zu schwach ist, so schicken wir Dich zu Wallenstein, Herzog
Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg und Pechmann. Du
sollst zuerst zu Sachsen eilen, ihm Mitteilung von der Sach-
lage machen und ihn ersuchen, beim Einmarsch in Böhmen,
wohin er vom Kaiser befehligt ist, gute Kundschaft, wo
Mansfeld sich aufhält, einzuziehen, die Pässe zu versichern
und Pechmann Fussvolk zu senden. Dann sollst Du zu diesem
und ihn auffordern, gute Aufsicht zu halten und sich der
sächsischen Hilfe zu bedienen. Ist er schon mit Wallenstein
vereinigt, so sollst Du zuerst bei diesem Deine Werbung
ablegen , andernfalls aber nachher zu Wallenstein reisen
und ihm vorstellen, wenn Mansfeld nach Böhmen, Oesterreich
oder der Oberpfalz vorbreche, was er mit leichter Reiterei,
namentlich nach seiner Vereinigung mit Bethlen ohne
Schwierigkeit thun könne, so werde nicht nur dem kaiser-
lichen Heere alles schwerer werden, sondern Mansfeld sich
auch mit Hülfe der übelgesinnten Untertanen der festen
Plätze und Pässe bemächtigen und die Lande verheeren
können; auch werde man dann einen Teil der Truppen
Tillys herbeirufen und so die unteren Plätze dem Dänen
Stieve: Ernst tan Mansfeld. 543
preisgeben müssen. Wallenstein möge also das Nötige vor-
kehren und dem Obersten Pechmann sowie dem Bezöge von
Sachsen die geeigneten Weisungen zugehen lassen. Du sollst
auch selbst fleissig nach dem Feinde forschen und wenn Du
merkst, dass dessen Vorbrechen und damit Gefahr f(5r uns
droht, schleunigst durch den mitgegebenen Kurier Meldung
erstatten und durch ihn im Durchreiten die Beamten zu
Fürth und sonst benachrichtigen lassen.
Reichsarchiv München, Dreissigj. Kriegsacten tom. 102, 176 Cpt.
11. Wien 31. August 1626. Dr. Leuker an Kf. Maxi-
milian. — Am kaiserlichen Hofe hält man einen allgemeinen
Angriff auf die Bauern für unerlässlich.^) ,Dann ainmahl
noch gestern abents zeittung eingelangt , das der Gabor an-
fange , anzeziehen , und hab vor drei tagen ainen aignen
curier alher geschickt, bei dem er an I. ksl. Mt. von aignen
banden geschriben und seine devotion und das er nichts
feindliches wider der ksl. Mt. zu attentiem begere, versichert;
meldet dabei, es solle I. ksl. Mt. den Ungarn, sonderlich dem
Palatino nit trauen. Zu gleicher zeit kombt gewisse nach-
richt ein, das der Mansfelder anfangt, herüber aus Schlesien
in Mähren zu setzen, weil er sihet, das der paß von Teschen
gegen der Jablonka in Ungarn aller verhaut und von den
Ungarn stark besetzt,*) der ander aber, der aus Mähren bei
Scalitz über den Weißen Perg geet, den auch der Gabor
anno 1623 gebraucht, vil bequember zu der coniunctur mit
dem Gabor, derwegen er, Mansfelder, sich gegen denselben
nähert. Es ist zwar den 28. aug. der herzog von Friedland
zu Neuß angelangt, er will aber daselbsten ausruhen und auf
1) Vgl, über den eisten Teil des Briefes Stieve, Bauernauf-
stand I, 240.
2) Int dies richtig, so kann die Schwenkung Mansfelds naoh
Mähren allerdings an und für sich nicht für dessen elnuwer
zeugen.
544 Nachtrag z. Sitzung der fUstor. Classe am 5. Juli 1890.
etlich tansent Cosaggen warten , die er in Poln zu werben
ausgeschickt;*) getrauet ime den feind mit dem volk, so er
bei sich hat, nit anzugreifen. Es haben Ir Mt. den Monte-
cucculi ime entgegen geschickt und ermahnen lassen, das er
eilends den Mansfelder angreifen solle. lj?tvder Montecucculi
gestern abents spat wider hie ankommen. Sovil ich vernimb,
hat er ein mehrers nicht ausgericht, als das er gedachten
herzog von Friedland bis auf Neuß marchieren machen . . .
.... Montecucculi bringt noch ferner zeitung, das der feind
die eingenommene ort besetze und sich auf Krerabschier
nähere. Das liegt nicht über drei meil von Olmütz an dem
Wasser die Marck genannt, welches Mähren von Ungarn
scheidet, abwerts 5 meil von Gotting, welches der Gabor
anno 623 belagert gehabt. Die Ungarn sein zwar in einer
Verfassung, die sein aber nicht bastant, da ihnen Fried land
nicht etlich regiment zu fueß zu hilf schickt, den Gabor
aufzuhalten, vil weniger den Tirken , so sie sich moviem
wollen, widerstand zu thuen. Sein etlich scorrerien bei Raab
vorübergangen, daran die kais. den anfang gemacht; haben
den Tirken die bezahlnng abgenommen, die jezigem Tirken
hat sollen zuekommen; entjjregen die Tirken widerumb ge-
straift und denen von Kaab all ihr viehe sambt etlich 100
underthanen weckgefürt. Graf von Altheinib hat etlich casti-
giert und bemiehet sich stark , dasselb wessen , damit die
Tirken nit ursach nenimen, den frieden zu brechen, zu com-
poniern
Nschr. Jetzt, weil ich im schreiben, kombt da^s gesehrei
aiKs, Krenißier hab der Man.<feld einbekommen. Setzt er da-
sei bs über das wasser, so ist es ein anzaichen, das er gegen
Oesterreich sich wenden, l)Ieibt er aber jenseits der Marck,
1) Am Hände lu'inorkto LcMiktT: ,Man hat hio irewiase nach-
richt, <laß (l«'r zi'it k<*in(» ('osii«,'^n'n \v(»r«l»'n zu bekommen sein, weil
der köni^r aus Polen alles, was in der eil zu bekommen gewesen, in
Preixsen wider die Sehweden 'refihrt.*
i
Sluie: Erml ••<„, »tnnxfeld. ö4.i
;uit dem Gabor sich conjungirn, itißdftn si imget^iinitjt ent-
weder auf NiklaQbur^. Taha, Znemb oder an der Taya auf-
werte K^gen Böhemb »ich avuiKireii luöuhteti. Der markt.,
meint man, wenl sie kramben lelirnen.*
StaatHfircliiv Hünilien, ächw. AU. 29/21. l'Jl eijfh. Or.
12. Prmj 2. September 1636. V. H. von Neohaua an
(Jen Kf, Haximilian. — Inh habe den Ht- Ftmix Albre^-bt
von Sachsen- Linien burn am 31. .Anfällst /« Beraun (i;etroffen.
Derselbe ist. iti Folge meiuer Werbung, zumal ibui von den
ksl. KomniiääHreii Befehl zugekfimmen war, seine 25 Fähn-
chen und 200 Pferde mustern in lassen . noch am selben
Abend nach Prag gegangen und hat auch mich dahin be-
schieden. Da er am näehsten Tage mit der Musterung viel
tu thuD hatte, habe ich erst heute den lieiliegenden Bescheid
(fehlt) erhulten, Watlenfitein soll vor Iturzeni mit aeinem
Heere bei Neisse und noch weiter zurllck gelegen haben,
vor wenigen Tagen aber gegen Mansfeld. der sich bei Schweid-
DÜK befindet, autgebrochen sein und nun nur noch vier Meilen
von jenem entfernt stehen. So melden Heißende, die aus
Schlesien kommen. Genaues weiss weder Fürst LiediteUBtein
noch einer der hiesigen Leute Wallensteins. Trof^dem will
Ich mich alsbald — indes nicht mit der Pust, die hier nicht
zu Iwkommen ist — nach Schlesien begeben. Wo Mansicld
hinaus will, kann man nach Liechtensteinii und des Herzogs
von Sachsen Meinung nicht wissen , doch haben ihm die
Ungarn den Pass Kur Vereinigung mit Bethlen versperrt
and wird er seine Absicht wol nicht ausfuhren können , da
der Palatin viel Volk beisammen hat. Der Hz. von Sachsen,
Liechtenstein und Andere haben mir wegen der durch die
Soldaten und Bauern verursachten I^nsicherheit die Keis« zu
Walleustein widerraten, doch will ich nichts versänmen.') —
1) Ana »inem Bei^ldlurlii eitien von NeuhaUE nn deu Bofkamnier-
unii KriiipiraWJirwlor Wilhelm Bisenreich von und zu iVurlumh tiuf
LkfiKenbettenbacb and Hof'lorr erhellt, da^B jener vor der Heise grosse
Anpt bitUe. A, a. 0. 19ö Or,
546 Nachtrag z, Sitzung der histor. Classe am 5. Juli 1890,
Nschr. Eben ist Nachricht von einem grossen Siege TiUvs
über Dänemark gekommen.
Reichsarchiv München, Dreiasigj. E^riegsacten tom. 102, 191 Or.
13. Frey Stadt IL September 1626, Wallenstein an
den Kf. Maximilian. — E. Dt. haben uns am 26. August
geschrieben, dass Sie den Hz. von Holstein und Ihre neu-
geworbenen Reiter nach Oberösterreich verordnet hätten und
wir das Vorbrechen Mansfelds verhindern möchten. Sobald
"Mansfeld erfuhr, dass wir ihm mit dein kaiserlichen Volke
nachrückten, hat er sich nach den Bergstädten und dann
nach Oberungarn zurückgezogen, wo er sich mit Bethlen und
den Türken verbinden will. Wir haben deshalb hier Posto
gefasst, wollen aber bis nach Schmitta vorrücken. ^Verhoffen
alsdann, weilen sich die Hungarn auf I. ksl. Mt. seiten sehr
guet erzaigen und dem feind neben uns zu resistiren sich
entschlossen, demselben mit göttlicher hilf, da er nur an uns
kommen wird, woll obzusiegen, das es an der victori nit zu
zweiflen sein wird, inmassen wir dann mit im zu schlagen
resolviert sein, dieweilen sonst, wann wir nur defensiv mit
ime kriegen wollen, er mit seiner leichten cavalleria die
fourage uns alle abschneiden und dardurch wie an vor öfter
beschehen, die arniada consumiern wurde. Dannenhero E. Dt.
sich wegen des feinds etwann vornembenden cavalcada in
Beheimb, dardurch er dann in die Oberpfalz und anderwerts
weiter einbröchen möchte, in keinen sorgen stehen wollen,
weilen wir inie also vermittelst göttlichen beistands wol
ehender zu trennen uns getrauen und dardurch diasem hoch-
schedlichen niiheil zeitlich vorzukommen.'* Mansfeld hat
allerdings in Jä^erndorf und Troppau Besatzungen hinter-
lassen, welche stark werben, aber auch die Fürsten und
Stände in Schlesien werben, wir haben den Obersten Mörder
mit seiner Reiterei dort hinterlassen und meinen, Burggraf
Karl Hannibal von Dona werde in kurzem neben dem
Stieve: Ernst vofi Mamsfeld, 54:7
schlesischen Volke auch eine grosse Anzahl von Polen be-
kommen.
A. a. 0. 203 Copie.
14. München 17, Oktober 1626, Kurfürst Maximilian
an Wallenstein. — Aus dem uns durch Neuhaus über-
brachten Schreiben E. L. (vom 11. September) und dessen
mündlichem Berichte haben wir vernommen, dass E. L. sich
getrauen , den Mansf eider von seiner Zurück wendung abzu-
halten und gänzlich zu schlagen. Da noch immer verlautet,
derselbe wolle sich wieder nach Schlesien und dann weiter
begeben, bitten wir dagegen Vorkehrung zu treflFen. Wir
glauben um so mehr an jenes Vorhaben, als der Bauernauf-
stand in Oberösterreich und namentlich im Hausruckviertel
noch stark fortdauert, da die Bauern fest auf die ihnen durch
einen eigenen Gesandten versprochene Hülfe des Königs von
Dänemark^) rechnen. Auch andere kaiserliche Untertanen
würden sich gewiss Mansfeld anschliessen und ein nicht leicht
zu löschendes Feuer anzünden. Niederlage des Herzogs von
Holstein und der bairischen Truppen gegenüber den Bauern
in Oberösterreich.*) Wir haben nun vorgehabt, den Herzog
von Holstein mit einem Teile unseres Volkes anf der Donau
nach Linz zu den Kaiserlichen zu schicken, damit man doch
endlich den Aufstand stillen und das dazu gebrauchte Volk
E. L. senden könne. Der Kaiser hat sich jedoch unsere Ab-
sicht nicht gefallen lassen. Deshalb haben wir dem Herzoge
wegen des heurigen Misswachses anheimgestellt, anderswohin
zu ziehen. Wir halten indes, wie wol auch E. L. thun wird,
für unerlässlich , dass der Aufstand gründlich unterdrückt
werde, und stellen das auch dem Kaiser eindringlich vor.
Die Aufrührer im Hausruckviertel sind ja trotz fünfmonat-
licher Bedenkzeit und obwol sich alle anderen Viertel auf
die von den kaiserlichen Kommissaren gestellten Bedingungen
1) Vgl. Stieve, Bauernaut'ätand I, 167.
2) S. a. a. 0. 262 fg.
548 Nachtrag z, Sitzung der histor. Glosse am 5. Juli 1890.
hin unterworfen haben, in ihrer Halsstarrigkeit mit Kauben,
Brennen und Plündern unausgesetzt verfahren und haben die
kaiserlichen Truppen feindlich angefallen und die anderen
Untertanen aufzuwiegeln gesucht. Es kann leicht geschehen,
dass sich diese in Folge mangelnden Schutzes auf die steten
Drohungen der Empörer hin und weil Manche vielleicht
selbst noch gute Lust dazu tragen, wieder zu den Auf-
ständischen schlagen und dann die Sachen schwerer als zuvor
werden. Es wäre daher sehr gut, wenn E. L. einen Teil
ihres Volkes heraufschickten, um aus dem Grunde zu helfen,
und Sie könnten das vielleicht wol bewilligen, weil Bethlen
und die Türken abgezogen sein sollen. Zieht sich der Auf-
stand bis in den Frühling hin, so werden E. L. viel schwerer
Hülfe leisten können, weil dann Bethlen, Mansfeld und die
Türken vermutlich verstärkt ins Feld rücken und wol gar
den Bauern Hülfe schicken oder die übelgesinnten Unter-
tanen in Böhmen und anderen Ländern aufwiegeln werden. —
Beiliegend überschicken wir Nachrichten über des alten Mark-
grafen von Baden ange^^tellte und wieder abgeschaflfte Rüst-
ungen und über Werbungen , welche noch jetzt zu Basel
stattfinden sollen.
A. a. (). 206 Cpt.
Nachtrag zu S. 406 Anmerkung 1.
Herr Dr. Franz Binder macht mich gütigst aufmerksam, dass
er die folgende Stelle in Schatzwerts . Ahwa Hchung" im Auge hatte:
,l>ass du, Osiander. aher wis8est die urnach warum ich dich und
deinen häufen nit genennet hab, sollt du wissen, diiss ich der herr-
lichen und in vergangen /eiten hochhen*nu]>ten liWdichen stat Nürm-
herg darin verschont hah. in der mir viel gut"<. lieh und freuntschaft
ist erzeigt worden, damit sie nit gedächt, ich hätt ein lust und ge-
fallen, dass ihr ehr und leyiuuet sollt gemindert werden/
549
Oeffentliche Sitzung
zu Ehren Seiner Majestät des Königs nnd Seiner
Königlichen Hoheit des Prinzregenten
am 15. November 1890.
Der neu ernannte Präsident Herr von Pettenkofer
eröffnete die Sitzung mit einer Ansprache: „rerum cog-
noseere causa.s*, welche als besondere Schrift im Verlage
der Akademie veröffentlicht worden ist.
Hierauf erfolgte die Verkündigung der am 19. Juli lfd. Js.
von der Akademie vollzogenen, am 19. Oktober von Sr. Kgl.
Hoheit dem Prinzregenten bestätigten Neuwahlen.
Es sind gewählt und bestätigt:
1. für die philosophisch-philologische Classe
A. als ordentliche Mitglieder:
Herr Dr. Wilhelm Hertz, o. Professor für deutsche
Sprache und Literatur an der technischen Hochschule
dahier, bisher ausserordentliches Mitglied.
Herr Dr. Karl Stumpf, o. Professor der Philosophie an
der Universität München.
B. als ausserordentliches Mitglied:
Herr Dr. Karl- Krumbacher, Studienlehrer am.Ludwigs-
gymna-sium und Privatdocent an der Universität München.
550 Oeffentliche Sitzung vom 15, November 1890
C. als auswärtige Mitglieder:
Herr Dr. Wilhelm Ritter von Hartel, o. Professor der
Philologie an der Universität Wien, bisher correspon-
direndes Mitglied.
Herr Dr. Berthold Delbrück, o. Professor für Sanskrit
und vergleichende Sprachforschung an der Universität
Jena.
Herr Dr. Johannes Schmidt, o. Professor für indogermanische
Sprachen an der Universität Berlin.
n. für die historische Classe
A. als ordentliches Mitglied:
Herr Dr. Franz von Reber, o. Professor der Kunstge-
schichte an der technischen Hochschule dahier, Central-
Gemälde - Gallerie - Direktor , bisher ausserordentliches
Mitglied.
B. als auswärtiges Mitglied:
Herr Dr. Moriz Ritter, o. Professor der Geschichte an
der Universität Bonn, bisher correspondirendes Mitglied.
C. als correspondirende Mitglieder:
Herr L. Duchesne, Professor an der Ecole des Hautes-
Etiides und am Institut Catholique in Paris.
Herr Dr. Max Lenz, o. Professor für mittlere und neuere
Geschichte an der Universität Berlin.
Herr Dr. Gerold Meyer von Knonau, o. Professor der
Geschichte an der Universität Zürich.
Hieraufhielt Herr FerdinandGregoroviu8,o. Mitglied
der historischen Classe, die Festrede über: ^die grossen
Monarchien oder die Weltreiche in der Geschichte**,
welche als b(\s()nclere Schrift im Verhi»(e der Akademie er-
schienen ist.
VerzeichniS8 der eingelaufenen Druckschriften
Juli bis December 1890.
Die vorehrlichen GesellsohAften und Inatitute, mit welchen unsere Akademi
TauBcbverk ehr steht, werden gebeten, nachstehendes Yeneiehniaa zugleich als Empfai
beetätignng zu betrachten. — Die zun&chst fOr die math.-phys. Glasse bestimn
Druckschriften sind in deren Sitzungsberichten 1890 Heft IV verzeichnet.
Von folgenden Gesellschaften nnd Instituten:
Geschichtsverein in Aachen:
Zeitschrift. Bd. XII. 1890. 8®.
Societe d^ Emulation in Äbbeville:
M^moires. 4« Särie. Tora. I. 1. 1889. 8®.
Bulletin. 1888. Nr. 1—4. 1889. Nr. 1-4. 8«.
Südslavische Akademie der Wissenschaften in Agram:
Rad. Bd. 98—101. 1890. S^.
Starine. Bd. 22. 1890. 8«.
Lietopis. 1889. 8^.
MoDumenta. 1889. 8<>.
Archäologische Gesellschaft in Agram:
Viestnik. Bd. XU. Heft 1—4. 1890. 8^.
Papis arkeol. o(^je1a nar. zem Muzeja. Bd. I. 1. Bd. II. 1. 1890.
New- York State Library in Albany:
72th annual Report. 1890. 8<>.
ünicersity of the State of New- York in Albany:
43^ annual Report of the New- York State Museum for the year 1^
1890. 8^
552 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften.
SociiU des Äntiquaires de Picardie in Amiens:
Bulletin. Annöe 1889 Nr. 2. 3. 1889. 8».
Mämoires. Documenta inädits. Tom. X. 1883. 4**.
K. Akademie der Wissenschaften in Amsterdam:
Versla^en en Mededeelingen. Äfd. Letterkunde. III. Reeks. Deal 6.
1889—90. 80.
Jaarboek voor 1889. 8«.
Rud. van Oppernraaij. Amor. Carmen elegiacum. 1890. 8^.
Johns Hopkifis University in Baltimore:
Circulai-8 Nr. 81—83. 1890. 4».
The American Journal of Philology. Vol. X, 4. XI, 1. 1889/90. 8®.
Studie« in historical and political Science. Vol. VIII, 1 — 4. 1890. 8®.
Historische und antiquarische Gesellschaft in Basel:
Beiträge zur vaterländischen Geschichte. N. F. Bd. III. Heft 3. 1890. 8**.
Gefiootschap van Künsten en Wetenschappen in Batavia:
Dagh-Register gehouden int Casteel Batavia Anno 1661. 1889. 4®.
Tijdschrift. XXXIII, 5. 6. XXXIV. aflev. 1. 1890. S«.
Notulen. XXVII, 4. XXVIII. aüev. 1. 1890. 8^
Nederlandsch-Indisch Plakaatboek. Deel VII. 1765—1764. 1890. 8^
Historischer Verein für Oherfranken in Bayreuth:
Archiv für Geschichte und Alterthumskunde. Bd. XVII. Heft 3.
1889. 8«.
K. Serbische Akademie der Wissenschaften in Belgrad:
Spomenik. IL VI. 1890. 4«.
Glasnik. Tom. 71. 1890. 8".
Godischnjak (Jahrbuch). II. 1888. 1889. 8^.
Glas Nr. 21. 22. 1890. 8».
2 P^'zählungen in .serbischer Spriulie von L. K. La^are witsch und
Simc Matawülja von der k. AkatUMiiie in Belgrad preisgekrönt.
A'. Akademie der Wissenschaften in Berlin:
Abhandlungen. Jahrg. 1889. 1890. 4«.
Politische Korrespondenz Friedrich's des Grossen. Band 18, 1. Hälfte.
1890. 80.
Sitzunj^hberirhte. 1890. Nr. XX— XL. 8«.
•n"
Kaiserlich Deutsches archäologisches Institut in Berlin
Jahrbuch. Bd. V. lieft 2. 3. 1890. 4«.
Jahresberiiht ülicr seine Thiltigkeit 188*j/90. 1890. 8".
50. Programm zum \\'inckelmann>feste. iJsUü. 4".
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften, 553
Verein für Geschichte der Mark Brandenburg in Berlin:
Forschungen zur Brandenburgiachen und Preussischen Oescbichte.
3. Band, 2. Hälfte. Leipzig 1890. 8«.
Allgemeine geschichts forschende Gesellschaft der Schweiz in Bern:
Jahrbuch für Schweizerische Geschichte. Bd. XV. Zürich 1890. 8^.
Quellen zur Schweizer Geschichte. Bd. IX. Basel 1890. 8^.
Historischer Verein des Kantons Bern in Bern:
Archiv. Bd. XIII. Heft 1. 1890. 8».
Adrian von Bubenberg, Charakterbild von Jakob Sterchi. 1890. 8^.
Verein von Alterthumsfreunden in Bonn:
Jahrbücher. Heft 89. 1890. gr. 8^.
Schlesische Gesellscliaft für vaterländische Cuitur in Breslau:
67. Jahresbericht für 1889. 1890. 8«.
Academie Boyale des Sciences in Brüssel:
Bulletin. 3« Sdrie. tom. XIX. Nr. 6. tom. XX. Nr. 7—11. 1890. 8".
Universiti libre in Brüssel:
Annales de la facultä de philosophie et lettres. Tom. I. fasc. 1. 2.
1889/90. 8«.
Ungarische Akademie der Wissenschaften in Budapest:
Ungarische Revue 1890. Heft 7—10. Juli— October. 8«.
Almanach 1890. 8».
ftvkönyo (Jahrbuch). Bd. XVII. 7. 1889. 4«.
ßrtesitö (Sitzungsberichte). 1889, 2—5. 1890, 1—6. 1889-90. 8^.
fiml^kbeszedek (Gedenkreden). Bd. V, 9. 10. VI, 1—7. 1889—90. 8**.
Nyelotudomanyi £rtekez^sek (Sprachwissenschaftliche Abhandlungen).
Bd. XIV, 11. 12. XV, 1-5. 1890. 8«
Sextus Porapeius Pestus ed. Aemilius Thewrewk. Pars I. 1889. 8®.
Simonyi Zsigmond, Amagyar hatärozök (Die Bestimmungsworte im
Ungarischen). Bd. I, 2. 1890. 8».
Nyelvtudomdnyi KOzlem^nyek (Philologische Mittheilungen). Bd. XXI,
3—6. 1889/90. 89.
KünoH Ignäcz, Oazman-török nepköltäsi gyüjtt^m^ny (Sammlung os-
mano-türkischer Volksdichtungen). 1889. 8".
Abel Jenö, Magyarorszdgi tanulök külfbldön (Studierende aus Ungarn
im Auslande).
Tört^netludomänyi I^rtekezt^sek (Historische Abhandlungen). Bd. XIV,
5—9.
Tarsadalmi £)rtekez^ek (Socialwissenschaftliche Abhandlungen). Bd. X,
3—10.
Bölcseszettudomanyi 6rtekezäsek (Philosophische Abhandlungen).
Bd. m, 2.
Ballagi Aladdr, Colbert. Bd. II. 1890. 8*^.
1890. Philos.-pbilol. a. bist. Cl. II. 3. 37
554 Verzeichnias der eingelaufenen Druckschriften,
Csänki Dezsö, Magyarorazäg iörtänelmi fSldrajza a Hunjadiak Koraban
(Geschichtliche Geographie Ungarns im XV. Jahrhandert). Bd. I
1890. 8®.
Corpus statutorum Hungariae mnnici^alium. Tom. IL 1. 1890. 8^
Demko Kdlmön, A felsömagyarorszÄgi v^rosok ^letdröl a XV — XVII
8z4zadban (Da« Leben obeningarischer Stä<lte im XV— XVII
Jahrhundert). 1890. 8«.
Ferdinandi Koväcs, Index alphabeticus Codicis diplomatici Arpadiani
continuati. 1889. 8*
Monumenta comilialia regni Hungariae. Tom. 10 1890. 8^.
Monumenta comitialia regni Transylvaniae. Tom. XIV. 1889. 8^.
Archivum Rakoczianum. Sectio I. Tom. 10. 1889. 8®.
Cvdry Lipöt, A tört^nelmi bizottsäg o klevdl-raäsolatai (Abschriften
der Urkunden der historischen Commission der Ungarischen
Akademie). 1890. 8».
Archaolog^ai Ertesitö (Archäologischer Anzeiger). Neue Folge. IX, 3—6.
X, 1. 2. 1889-90. gr. 8^.
Register zu den Schriften der Ungarischen Akademie der Wissen-
schaften. 1830-1889. 1890. 8".
Statistisches Bureau der Hauptstadt Budapest:
Publikationen Nr. XXIII. XXIV. 1889/90. 80.
Bulletin annuel des finances des grandes villes. IX^ annäe 1886.
1890. gr. 8».
Rumänische Akademie der Wissenschaften in Bukarest:
Eudoxiu de Hurmuzaki, Documente privitöre la istoria Romänilor.
Vol. I. part. 2. 1346—1450. 1890. 4».
Anales. Seccion 2» Ano 1889. 1890. fol.
A-siatic Society of Bengal in Calciitta:
Journal. New Series Nr. 296—301. 1890. 8».
Proceedings. 1890. 1— lll. 8».
Zeitschrift „ The Open Court^ in Chicago:
The Open Court. 1890. Nr. 146—173. 4^.
Videnskabs Selskab in Christiania :
Forhandlinger. 1889. 8«.
Universität Czernowitz:
Verzeiehnirts der Verleihungen 1890/91. 8^.
Uebersicht der akiidemischen Behörden etc. 1890/91. 8®.
Akademische Lesehalle in Czernowitz:
Jahres- Verwaltunga- Berieht. 29. und 30. Semester. 1890. 8°.
Aca<lemie des sciences in Di Jon:
M^moires. IV. Serie. Tom. 1. Annees 1888—89. 8^
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriftefh 555
Gelehrte estnische Gesellschaft in Dorpat:
Sitzungsberichte. 1889. 1890. 8^.
Universität in Dorpat:
Schriften der Universität Dorpat vom Jahre 1889/90. 49 nnd 8®.
K, Sächsischer AlterthuMscerein in Dresden:
Neues Archiv für sächsische Geschichte. Bd. XI. 1890. 8^.
Jahresbericht 1889—90. 1890. 8».
K, Gymnasium zu Eislehen:
Das Werder- und Acht- Buch der Stadt Eisleben von H. Grössler.
1890. 8«.
Verein für Geschichte der Chrafschaft Mansfeld in Eislehen:
Mansfelder Blätter. 4. Jahrg. 1890. 8<^.
Universität Erlangen:
Schriften der Universität Erlangen vom Jahre 1889/90. 4® und 89.
Universität Freiburg i, Br.:
Schriften der Universität aus dem Jahre 1889—90. 4^ und 8".
Universität in Freiburg in der Schweiz:
Index lectionum 1890-91 mit Programm von W. Effmann, Heilig-
kreuz und P&lzel. 1890. 4^.
Universität in Genf:
Schriften der Universität Genf vom Jahre 1889/90. 4» und 8®.
Universität in Giessen:
Schriften der Universität Giessen vom Jahre 1889/90. 4^ und 8^.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Ctottingen:
Göttingische Gelehrte Anzeigen 1890 Nr. 9—19. gr. 8^.
Göttingische Nachrichten 1890 Nr. 4—10. gr. 8^,
Rügisch'Pommerscher Geschichtsverein in Greifstoald:
Beiträge zur Pommerschen Rechtsgescbichte, von Th. Pyl. Heft 2.
1891. 8®.
K, Instituut voor de Taal-, Land- und Volkenkunde van Neder-
landsdi-Indie im Haag:
Bijdragen. V. Reeks. Deel V. Aflev 3. 4. 1890. 8^.
Deutsche morgenländische Gesellschaft in Halle:
Zeitschrift. Bd. 44. Heft 2. 3. Leipzig 1890. 8^.
37*
556 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften.
Universität in Halle:
Schriften der üniversitÄt Halle vom Jahre 1889/90. 4« und 8^.
Stadtbibliothek in Hamburg:
Jahrbuch der Hamburgischen wipsenschafblichen Anstalten. VII. Jahrg.
1889. 1890. gr. 8«.
Schriften der Hamburger wissenschaftlichen Anstalten aus den Jahren
1889—90. 4*.
Verein für Hamhurgische Geschichte in Hamburg:
Mittheilungen. 12. Jahrgang 1889. 1890. 8^.
Historischer Verein in Hannover:
Zeitschrift. Jahrg. 1890. &*,
Teyler godgeleerd Genootschap in Harlem:
Verhandelingen. N. F. Deel XII. 1890. 8^.
Universität in Heidelberg:
Schriften der Universität Heidelberg vom Jahre 1889/90. 4® und 8^.
Vom Vogel Phönix. Akademische Rede von Fritz Scholl. 1890. 4».
FinJändische Gesellschaft der Wissenschaften in Hei sing fors:
Öfversigt. XXXI. 1888—1889. 1889. ^,
Universität in Helsingfors.
Schriften der Universität aus dem Jahre 1889-90. 4» und 8^.
Verein für siehenhürgische Landeskunde in Hermannstadt:
Archiv. N. F. Bd. XXIII. lieft 1. 1890. 8^
Progi-amm des evangelischen Gymnasiums für d. J. 1889/90. 1890. 4®.
Historischer Verein in Ingolstadt:
Sammelblatt. Heft 15. 1890. ^,
Ferdinandeum in Intisbriick:
Zeitschrift. 3. Folge. Heft 34. 1890. 8^
Wissenschaftliche und liierarische Gesellschaft in Jassy:
Archiva. Vol. II. Nr. 1—4. 1890. 8^
Verein für thüringische Geschichte in Jena:
Zeitschrift. N. F. Bd. Vll. Heft 1. 2. 1890. 8^.
Grossherzoglich Badische Staats- Alt erthüinersamwlung in Karlsruhe:
VIII. Publikation: Besohroihung der Sammhing antiker Bronzen, von
Karl Schumacher. 1890. 8^.
!4. 18fl9-W»-
VcrttichnU' Her ciiiyrlaufeiie-i Uni:
Verein für Hetfiichr GeaehiehU n
Zcit-4c)iritt. Kd. 24. 25 nebst liid«i zu Bnnd 1-
Mittbeilungen 1688. 1889. 6".
Sehlemriii Hiiliileinii^hris Musfuni nilertämli'ehfr Allfrlhüm.
S'X Bericht. 1890. 8".
UHtoenitäl Kiel:
Schriften iler UniveraiUt aits dem Jahr 1669/!». i" und i
Universität in Kicv
hwMtija. Bd. XXX. Nr. 4-Iü, 1690. 8°.
K. Akademie der Wiaucnschaflen in Knpenknije»
OTeraittt. 1890. Nr. 2. 8".
Skrifter. 6. Serie, pbilol. Claase, B.!. I. Nr, 1. 1890. 4».
Aktstykfeer of? Oplisninger til Bigaraadels Historie Bii. I
1, a. 111, I. 2. 1863-90, 8".
Gegtlhrhaft für nordische Altenhumiikun
Aarl«ger 1890. 11. Kiiekke. Bd. 4. Beft 4,
<f in Ko]i*nhagen:
d. 6. Heft 1-3. 1
1889. 4".
Akademie der Wissenst^afte« i" Krukau:
Aiueii^er 1890. Juni, Juli. Oktober. November. 8°.
RocKnik (AIra»nttthl Jahrg. 1888. 1889, 6".
l'ainittiiit (Arlieiten). Philol. Clanue. Bd. VII. 1869—90. i".
KOKpraw; [ Sitzung» berichte). Philologische Clawe. Bd. 13. 1669'941
Bistorinehe Classe. Bd. 22-24. 1869—90. 8",
ScriplorcH rerum Polonicarom. Tom. XIU. XIV. 1889, Sf.
AcU lii-torip«. Tom- XII. 1890, i".
StarodAWne prawu polsfaiefco pomniki Tom. IX. X, 1, 1688—89.
Archiwum do dziejiSw literaturv. Tom. VI. 1890. 8".
!iprawcisidn,Die kouiieyi do bftdiiDia hSaior^i SKluki. Tom. IV, 1
1889, fol.
Biblijotekit pisaridw polakich. Tom. 1—8, 1669. 8<*.
K. Bralsdiiile in Landtberg:
Krullinger. Wilh. P
L
Hisloriiieher Verein in Laiiilshut:
Verbandiungen. Bd. 36. Heft S. 4, 1690. 6°.
MaatKhnppij der Ntderlandsehc LetUrtundr
TijdBclirift voor Nederlandsche Taal- t-n LetU-rkao-le.
Att.^» 3. 4. 1890. 8".
N. Ser. IX. I
558 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften.
Handelingen over het jaar 1888—89. 1889. 8<>.
r^evensberichten der atgestorvene medeleden. 1889. 8®.
Deutsche Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und
Älterthümer in Leipzig:
Mittheilungen. Bd. VlII. Heft 3. 1890. 8».
iL. Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:
Abhandlungen der philol.-hist. Classe. Bd. XI. Nr. 7. 1890. 4^
Berichte. Philol.-historische Classe. 1890. I. 8^.
Fürstlich JablonowsMsche Gesellschaß in Leipzig:
Jahresbericht für das Jahr 1889. 1890. S^.
Akademie der Wissenschaften in Lissabon:
Memorias. Classe de sciencias moraes, politicas etc. N. Ser. Vol. V.
parte 2. Vol. VI. parte 1. 1882—85. 4».
Historia dos estabelecimentos scientificos. Tom. 10 — 16. 1882 — 89. 8®.
DocumentoB remettidos da India. Tom. 2. 3. 1884—85. 4®.
Cartas de AflFonso de Albuquerque. Tom. 1. 1884. 4^.
Jo^o de Andrade Corvo, Estodos sobre as provincias oltramarinas.
Vol. 1-4. 1883-87. 8».
Portogaliae Monumenta historica. Inquisitiones. Vol. I. fasc. 1. 2.
1888. fol.
Elogio de D. Fernando. 1886. 4».
The English Historicäl Review in London:
Review. Bd. V. Nr. 19. 20. July and October. 1890. 8®.
Universität in Lund:
Acta universitatis Lundensis. Tom. XXV, 1 — 4. 1888/89. 4®.
Historischer Verein der fünf Orte in Lnzern:
Der Geschichtsfreund. Bd. 45. Einsiedeln 1890. S».
Heal Academia de la historia in Madrid:
Boletin. Tom. XVII. cuad. 1—6. 1890. B«.
Bihlioteca Nazionale di Brcra in Mailand:
Archivio storico Lombardo. Serie II. Anno XVII. fasc. 3. 1890. 8^.
Catalogo della sala Manzoniana. Stampati. 1890. 8^.
J?. Istituto Lombardo in Mailand:
Uendiconti. Serie II. Vol. 21. 22. 1888—89. 8®.
Memorie. Chisse di lettere. Vol. XVII. fasc. 2. Vol. XVIII. fasc. 2.
1890. 4^
Societä Storica Lombarda in Mailand:
Archivio Storico Loml»ardo. Seriell, anno XVll. Fasc. 2. 3. 1890. 8^.
Verzei(^ni»8 der eingelaufenen Druckschriften, 559
Universität Marburg:
Schriften aus dem Jahre 1889/90. A^ und 8®.
Historischer Verein für den Regierungsbezirk Marienwerder in
Marienwerder:
Zeitschrift. 26. Heft. 1890. 8«.
Hennebergischer alterthumsforschender Verein in Meiningen:
Neue Beiträge zur Geschichte deutseben Alterthums. Lief. 7 mit einem
Urkundenbuche. 1890. 8®.
Fürsten- und Landesschule St. Afra in Meissen:
Jahresbericht mit Abhandlung von Reinhardt über Polyeder. 1890. 4*^.
Äcademie in Metz:
Mämoires. 3« Sörie, Ann^ 68. 1886—87. 1890. 8^.
Gesellschaft für Lothringische Geschichte in Metz:
Jahrbuch. II. Jahrg. 1890. 8^
Metropolitan-Capitel Mündien-Freising in München:
Amtsblatt für die Erzdiözese München und Freising. 1890. Nr. 13--22. 8^.
Universität München:
Schriften der Universität München vom Jahre 1889/90. 4« und 8*.
Historischer Verein in Neuburg:
KollekUneenBlatt. 53. Jahrg. 1889. 8^.
American Oriental Society in New-Haven:
Proceedings at Boston Mai 7. 1890. 8^.
MusSe Guimet in Paris:
Annales. Vol. XV. XVI. 1. 2. Vol. XVII. 1889. 4^
Revue de Thistoire des religions. Tom. XX. Nr. 1—3. Tom. XXI.
Nr. l. 1889-90. 8^.
Revue historique in Paris:
Revue historique. Tom. 43. Nr. 2. Tom. 44. Nr. 1. 2. 1890. 8^.
SocietS academique Indo-chinoise de France in Paris:
Mömoires. Tom. I. 1879. 4®.
Äcadhnie imperiale des sdences in Petersburg:
Mämoires. VII. Sörie. Tom. XXXVII. Nr. 8-13. 1890. 4«.
Bulletin. Nouv. Serie. Band I. Nr. 4. 1890. 4«.
560 Verzeichniss der eingelaufetien Druckschriften,
Unicersüäts-Bibliothek in St. Petersburg:
Sapiski etc. (Schriften der historisch-philosophischen Fakultät). Tom.
XVII. XVIII. XIX. 1. XXII. XXIII. 1888-90. S^.
Otschet etc. (Bericht der Petersburger Universität). 1888. 1889. 8".
Protokoly (Protokolle der Kathssitzungen der Universität). Nr. 38 — 41.
1888-90. 8®.
Obosrenije etc. (Uebersicht der Vorlesungen). 1889—90. 1890—91.
1888—90. 8».
Excerpta e libris sacris veterum Aegyptiorura ed. 0. de Lemm. Fase. I.
1890. IV.
0. V. Lemm, Sahidische Bibelfragmente I. II. 1889—90. 4^.
Girgas und Rosen, Arabskaja Ohres tomathia. 1890. 8^.
Russische archäologische Gesellschaft in St, Petersburg:
Sapiski (der orientalischen Abtheilung) Bd. V. Heft. 1. 1890. 8®.
Zeitschrift „Wojenni Sbornik" in St, Petersburg:
Wojenny Sbomik. 1890. Nr. 7. 8. 8®.
Historical Society of Pennsylvania in Philadelphia:
The Pennsylvania Magazine of History and Biography. Vol. XIV.
Nr. 1. 2. 1890. 8^.
K, böhmische Gesellschaft der Wissenschaften in Prag:
V. E. Mourek, Syntaxis gotskych predlozek. 1890. 8^.
Deutsche Universität t'w Prag:
Ordnung der Vorlesungen. WinterHcmester 1890/91. 8®.
Personalstand. Wintersemester 1890/91. 8^
Beale Accademia dei Lincei in Rom:
Atti. Serie IV. Rendiconti. Vol. VI. 1. Semestre. fasc. 8—12. Vol. V'I.
2. Semestre. fasc. 1—9. 1890. 4^
K. deutsches archäologisches Institut C Römische AhtheilungJ in Rom:
Mittheilungen. Vol. V. Heft 2. 1890. 8®.
R. Societä Romana di storia patria in Rom:
Archivio. Vol. XIII. Fasc. 1. 2. 1890. 8^.
Universität in Rostock:
Schriften der Universität Ptostock vom Jahre 1889/90. 4® und 8°.
Gesellschaft für Sahhurger Landeskunde in Salzburg:
Mittheilnngen. 30. Vereinsjjihr 1890.
(irsrhichte <ler Stadt Salzburg von V. F. Zillner. IL Buch. 2 Bde.
1890. 8»
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften. 561
K. K. Staats-Ghfmnasium in Saieburg:
Programm für das Jahr 1889/90. 1890. 8^.
Historischer Verein in St. Gallen:
Mittheilungen zur vaterländischen Geschichte. Bd. XXIV. 1890. 8^.
Camite zur Feier der EnthiÜlung des Rückert-Denkmals in Schweinfurt:
Fest-Zeitung Nr. 1-4. 1890. 4®.
Verein für Mecklenburgische Geschichte in Schwerin:
Meklenburgisches Urkundenbuch. Bd. XV. 1890. 4®.
Jahrbücher und Jahresberichte. 65. Jahrg. 1890. 8^.
China Branch of the Royal Äsiatic Society in Shanghai:
Journal. Vol. XXIV. Nr. 1. 1890. 8^.
Archäologisches Museum in Spdlato:
Bollettino di archeologia. Anno Xlll. Nr. 6-11. 1890. S^,
Verein für Geschichte und Älterthümer in Stade:
Das älteste Stader Stadtbuch von 1286. Heft 2. 1890. 89.
Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde in
Stettin:
Baltische Studien. 40. Jahrg. 1890. 8<>.
K. Vitterhets Historie och Äntiquitets Äk<idemien in Stockholm:
Antiqvarisk Tidskrift. XI. Delen. Haft 1. 2. 1890. 8®.
Manadsblad. 17. & 18. Ärgäng. 1888. 1889. 1888-90. 8®.
R. statistisches Landesamt in Stuttgart:
Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde. Jahrg.
1889. I. Hälfte. Heft 3. 1890. 4°.
Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrg. III.
1890. Heft 1 und 2. 1890. 4^.
Imperial üniversity of Japan in Tokyo:
The Kalendar for the year 1889-90. 1889. 8®.
Museo comunale in Tric'^U:
Archivio Trentino. Anno IX. fasc. 1. 1890. 8®.
Universität Tübingen:
Schriften der Universität Tübingen vom Jahre 1889/90. 4» und 8^
R. Äccademia ddle scienze in Turin:
Atti. VoL XXV. disp. 11—14. 1890. Bf^.
562 Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften.
Verein fikr Kunst und Älterthum in Ulm:
Urkunden zur Geschichte der Pfarrkirche in Ulm von H. Bazin^ und
ö. Veesenmeyer. 1890. 8®.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Upsala:
Nova Acta. Ser. III. Vol. XIV. faac. 1. 1890. 4».
Catalogue mdthodique des Acta et Nova Acta 1744—1889. 1890. 4®.
Universität in Upsala:
Schriften aus dem Jahre 1889/90. 4® und 8®.
Historisch Genootschap in Utrecht:
Werken. Nr. 55. 56. Haag 1890. 8°.
Bijdragen en Mededeelingen. Deel XII. Haag 1890. 8^.
Bureau of Education in Washington:
Circular of Information 1889 Nr. 3. 1890 Nr. 3. 1889-90. 8«.
Smithsonian Institution in Washington:
Smithsonian Contributions to knowledge. Vol. XXVI. 1890. 4**.
Annual Report. 1886. part II. 1887. part I. H. 1889. 8®.
Harzverein für Geschichte in Wernigerode:
Zeitschrift. Jahrg. 23. 1890. 1. Hälfte. 8».
K. K, Universität in Wien:
Oeffentliche Vorlesungen im Wintersemester 1890/91. 8®.
Herzogliche Bibliothek in Wolfenbüttel:
Die Handschriften der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel von
Otto V. Heinemann. Bd. IV. 1890. 8«.
Historischer Verein in Würzhurg:
Archiv. Bd. XXXIII. 1890. 8».
Jahresbericht für 1889. 1890. 8^.
Universität in Zürich:
Schriften der Universität von 1889—90. 8".
Von folgeDden Privatpersonen:
Mad' c. Chlingensperg-Bcrg in Beichenhall :
Das Gräberfeld von Reichenhall in Oberbayern. Reichenhall 1890. 4®.
Ernst von Dcstouches in München:
Geschichte des Verbands-Hauses des Münchener Akademischen Gesang-
vereins. 1890. S».
Verzeichniss der eingelaufenen Druckschriften. 563
Julius Fürst in Mannheim:
GloRsarium graeco-hebraeum oder der griechische Wörterschatz der
jüdischen Midraschwerke. Lief. I. Strassburg 1890. 8^.
Antan Ganser in Graz:
Die Wahrheit. Kurze Darlegung der letzten und wahren Welt-
principien. 1890. 8^.
F, Smit Kleine in Leiden:
Friedrich Uückert. Gedenkschrift. Amsterdam 1890. 4®.
Josef Körösi in Budapest:
Bulletin annual des fiuances des grandes villes, 10® annee 1886. 1890. 8^.
J. V. Kidl in München:
Studien zur Geschichte der oberpfalzischen Münzen des Hauses
Witteisbach. 1329—1794. Stadtamhof 1890. 8«.
Henry Charles Lea in Philadelphia:
Chapters from the religious History of Spain connected with the
Inquisition. 1890. 8°.
Franz von Löher in München:
Archivlehre. Paderborn 1890. &^,
Adolf Römer in Kempten:
Zur Kritik und Exegese des Sophokles. München 1890. 8^
Giovanni Scardovelli in S, Lazzaro di Savena, Colunga:
Penombre medievali. Conferenza. Bologna 1890. 8®.
Lucrezia Beniamini. Racconto. Bologna 1890. 8®.
Luigi, Alfonso e Rodolfo Gouzaga, Marchesi di CastelgofTredo. Con-
ferenza. Bologna 1890. 8^.
Leonhard Winkler in München:
Der Antheil der bayerischen Armee an den Feldzügen in Pieraont.
1691-1696. Theil I. II. 1886-87. 8*^.
Dar kurbayerische Regiment z. F. .Graf Tattenbach* in Spanien.
1695—1701. 1890. 8''.
565
Namen-Register,
Amari (Nekrolog) 2.
Bechmann 149.
Y. Brunn 2.
Carri^re 381.
Cornelius 34. 42.
Delbrück (Wahl) 550.
Delitzsch (Nekrolog) 23.
V. DöUinger 33. 42.
V. Drutfel 397. 548.
Duchesne (Wahl) 550.
Dudik (Nekrolog) 37.
Geiger 43.
Y. Giesebrechi 33.
Golther 174.
GregoroYius 285. 550.
Y. Hartel (Wahl) 550.
Heigel 109.
Hertz (Wahl) 549.
Keinz 313.
Krumbacher (Wahl) 549.
Kuhn 396.
Lenz (Wahl) 550.
Lossen 85.
Meyer Yon Knonau (Wahl) 550.
Meyer W. 356. 396.
Y. Oefele 147.
566 Namen- Register,
V. Pettenkofer 649.
V. Reber 434. (Wahl) 550.
Biezler 435.
Ritter (Wahl) 650.
V. Rockinger 354.
Schmidt J. (Wahl) 550.
Schreiner 329.
Simonsfeld 218.
Stieve 354. 507.
Stumpf (Wahl) 649.
ünger 217.
V. ürlich« (Nekrolog) 14.
V. Voit 1.
Walther v. Walderstötten (Nekrolog) 36.
Weizaäcker (Nekrolog) 34.
de Witte (Nekrolog) 8.
Würdinger (Nekrolog) 36.
567
Sach-Eegister.
Acciajoli, corrispondenza 285.
Ansprache: rerura cognoscere causa-s 547.
Aventina Tagebuch 313.
Barlaam und Joasaph 396.
Bremen, Erzbischof Heinrich 85.
ChreHtienB conte del graal 174.
Eining, Militärdiplom 329.
Festkalender, aegyptischer 217.
Judith, Herzogin von Bayern 147.
Kanzleiwesen, päpstliches 218.
Karolingischer Palastbau 434.
Leopold I , Kaiser 109.
Mansfeld, Ernst von 354. 507.
Menander, Spruchverse 355. Spruchrede 396.
Militärdiplom von Eining 329.
Monarch ieen, die grossen 550.
Palastbau, karolingischer 434.
Philistion, Spruchrede 396.
Pontifices, richterliche Thätigkeit 149.
Savignj-Commission, Preisaufgabe 41.
Schatzger Kaspar 397. 548.
Schwabenspiegel, Handschriften 354.
Sittengesetz 381.
Stauf, Hieronymus v. 435.
Wahlen, akademische 549.
Yätkär-i Zarirän und §äh-näme 43.
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CECIL H. GREEN LIBRARY
STANFORD, CALIFORNIA 94305-6004
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