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Full text of "Sitzungsberichte der Philosophisch-Philologischen und Historischen Classe der K.B. Akademie der Wissenschaften zu München"

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^richte 


ogischen  und 
Classe 


ssenschaften 


Sitzungsberichte 


philosophisch-philologischen  und 
historischen  Classe 


k.  b.  Akademie  der  Wissenscliaften 

zu  Münclien. 


Jahrgang   1890. 


THIS  ITEM  HAS  BEEN  MICROFILMED  BY 

STANFORD  UNIVERSITY  LIBRARIES 
REFORMATTINGSECTION1994.  CONSULT 
SUL  CATALOG  FOR  LOCATION 

Mflncheii 

Verlag  der   K.  Akademie 
1890. 


Sitzuni^sberichte 


1  philosophisch-philologischen  und 
historischen  Classe 


k,  b.  Akademie  der  Wissenschaften 


au  M-ünchen. 


Jahrgang   1890. 


THIS  ITEM  HAS  BEEN  MICROFILMED  BY 

STANFORD  UNTVERSITY  LffiRARlES 
REFORMATTING  SECTION  1994.  CONSULT 
SUL  CATALOG  FOR  LOCATION 

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n  M  8.  Flui. 


175370 


•  •• 
•  •   •  • 

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•  •     • 


Inhalts  -  üebersicht. 


Di«  mit  *  bezeiehneten  Abhandlungen  sind  in  den  Sltsongsberiohion  nieht  abgedmekt. 

Philosophisch-philologische  Classe. 
Süjsung  vom  3.  Januar  1890. 

Seite 
Wecklein:    Dramatisches  und  Kritisches  zu  den  Fragmenten 

der  griechischen  Tragiker 1 


Sitzung  vom  1,  Februar  1890, 

y.  Christ:    Die  verbalen  Abhängigkeitskomposita  des  Griechi- 
schen     148 

Schnorr  von  Carolsfeld:    Beiträge  zur  Sprachenkunde  Oze- 
aniens        247 


Sitzung  vom  1.  März  1890, 

Wölfflin:    Die  Inschrift  der  Columna  rostrata 293 

H i  m  ly :    Sprachvergleichende  Untersuchung  des  Wörterschatzes 

der  Tscham-Sprache 322 

£.    Schlagintweit:    Bericht    über    das   Denkmal    für    Adolf 

Schlagintweit  in  Easchgar 457 


IV 


Historische  Classe. 

Siißung  vom  3,  Januar  1690. 
Friedrich:    Zur  Entstehung?  des  liber  diumus    . 


Sitzung  vom  1,  Februar  1690, 
(Kein  Vortrag) 


Sitzung  vom  1,  Märe  1690, 

Riezler:    Zur   Geschichte    der    Herrschaft   Waldeck 
waldeck)  in  den  bayerischen  Alpen 

*Y,  Hefner-Alteneck:   Die  Poesie  der  Frau  Minne 
Werken  der  bildenden  Kunst  des  Mittelalters     . 


Einsendungen  von  Druckschriften 
Register 


l 


Sitzungsberichte 


bayer.  Akademie   der  Wissenschaften, 


Philosophiach-pliilologische  Classe. 

Sitisung  vom  3,  Jaouar  189ü. 

Herr  Wecklein  hielt  eineu  Vortrag: 

, Dramatisches   nnd   Kritisches   /.n   dpn    Frsm- 
meaten  der  griechiacben  Tragiker.' 

Die  uftchfolgmideii  Bemerkungen  verdanken  ihren  Ui-- 
üprung  dem  Studium  der  neuen  Auflage  der  Fragmenten- 
sanimluug  von  A.  Nauck,  Dieses  schon  in  der  ersten  Be- 
arbeitung tretttiche,  iu  der  neuen  ganz  vorzügliche  Werk 
legt  lins  den  gegenwärtigen  Stund  der  Knrachiing  und  des 
Wianens  nach  allen  Seiten  dar  und  «o  liegt  gerade  jetzt,  wo 
man  sofort  orientiert  sich  gleich  der  Sache  widmen  kann. 
eine  besondere  Annehmlichkeit  darin,  diesen  koätbai-en  Renten 
d«i  Altertums  seine  Aufmerksarakeit  2u/,nwendeu. 

1)   üeber  die  Auge  des  Kuripides. 
Im   dritten  Budh    der   nnnenischen  Rhetorik   lies  Mo^ie.s 
.die  Obrie"   wird  als  drittes  Progymna^ma  eine  Widerlef^ung 
TOn   .Erzählungen  der  Dichter"   in   Bezug  auf  Henikles  ge- 
geben.     Alu    sittenlose  Paljelei    ein«w    snlchen    Dichters    wird 


^ 


.  *       •   •  • 
•      •      •  •    • 
•  •        ••     •■ 


2  Sitzn}W*'(ffr\phäo8rphi1ol.  Ciasse  vom   9.  Januar  189Ö, 

"        •    •    •  • 

•        •    •  • 

..^Igende  S&ge   geboten:^)    ,In   einer  Stadt  Arkadia 
\,\*?jßV»t**der  Athena  abgehalten  worden,  und  als  eine  Pi 


•  •   • .  •  • 


derselben,  Auge,  die  Tochter  des  Aleos,  an  der  näcl 
Feier  getanzt  habe,  da  habe  Herakles  ihr  Gewalt  an 
Und  zum  Merkmal  der  Verführung  einen  Ring  bei 
rücklassend,  sagt  er,  ging  er  weiter.  Und  von  Aug 
sie  von  ihm  schwanger  geworden  den  Tele]>hos  geb 
von  seinem  Schicksale  den  Namen  erhalten  hat.  Und 
Vater  die  Verführung  erfuhr,  zürnte  er  sehr,  und  sie  sei 
dass  er  den  Telephos  aussetzen  lies«  in  die  Einöde,  u 
ihm  eine  Hirschkuh  das  Euter  gab.  Und  die  Auge 
er  durch  Versenken  vertilgen.  Zu  jenem  war  in  die 
Herakles  gewandert,  und  da  er  wohl  an  dem  Ringe  er 
dass  von  ihm  die  Verführung  geschehen  sei,  lud  er  i 
jener  von  ihm  geborene  Kind  auf,  und  jene  rettete 
dem  drohenden  Tode.  Und  sie  verkünden  dann  wi< 
dass  gemäss  der  Weissagung  des  Apollonos  [sie!]  T 
von  ihm  die  Auge  zum  Weibe  genommen  habe  u 
Telephos  zum  Sohne."  Dieser  Mythus  ist  zuerst  du 
lateinische  Uebersetzung  von  A.  Mai  in  Euseb.  Chr 
Mediol.  p.  294  bekannt  geworden;  Meineke  fragm.  ( 
p.  57  hat  darin  den  Inhalt  einer  Komödie  gefunden, 
mowitz-MöUendorif  Anal.  Eur.  p.  189  das  Argume 
Euripideischen  ^vyi]  erkannt.  Nauck  scheint  die  F 
keit  dieser  Annahme  zu  bezweifeln,  da  er  die  Ordnu 
Fragmente  in  keiner  Weise  geändert  hat.  Aber  die 
tenen  Bruchstücke  erheben  die  Herleitung  über  jeden  Zv 

1}  Nach  der  Uebersetzung  von  Baumgartner  in  der  Zeitfi 
deutäclien  morgenländ.  Gesellsoh.  40  (1886)  S.  476.  Auf  die  i 
lung  von  Baumgartner  hat  mich  Herr  Koll.  Kuhn  aufmerkf 
macht. 

2)  Auch  C.  Pilling,  quomodo  Telephi  fabulam   et  scrip 
artiticeH  veteres  tractaverint.     Dissert.  von  Halle  a./S.  1886 
überzeugt  sich  8chlie8slich  von  der  Richtigkeit  der  Annahme 


Wecklein:  Fragmente  der  griechischen  Tragiker.  3 

Vor  allem  gehört  fr.  265 

vov  S*  oivoq  i^ioTtjoi  fi"'  ofioXoyw  de  ae 
odiKLeiy,  t6  d'  ddixrjfA^  iyivet'  oi5%  iy^ovaiov^ 

velcbes  bei  Naack  immer  noch  wie  in  älteren  Sammlungen 
der  Fn^mente  am  Anfang  steht,  in  eine  spätere  Scene,  zu 
der  Unterredung  des  Herakles  und  der  Auge.  Darauf  hat 
^rhon  Wilamowitz  a.  0.  aufmerksam  gemacht.  Frgm.  266, 
weiches  bei  dem.  Alex.  Strom.  VII  p.  841  sq.  mit  den 
Worten  angefQhrt  wird:  ev  di  nat  fj  .Avyi]  dixaioXoyovfitvrj 
.7^0$  siiy^^d'r^vav  eni  z(p  x^AcTraiVfiv  cjrtJrj  teroxviif  ev  Tip 
ti^i  iiyti  und  welches  ich  darum  so  schreiben  möchte: 

{javaaa*  y^^avay,  cxvka  fxiv  ßQoroqf&OQa 
XatQ€ig  dQfjüoa  xal  vexQwy  eQeima, 
xov  fAvaaqa  aoi  ravr^  iarlv  ei  d'  iyio  erenov, 
dtivov  Tod'  fffi; 

diestes  Fragment  würde  ich  als  etaßoXri  xov  ögafiarog  be- 
trachten« wenn  es  nicht  notwendig  erschiene,  vorher  den 
ZoiK^hauem  das  Vorgekommene  und  die  Verhältnisse  der 
handelnden  Personen  auseinanderzusetzen.  Da  am  Anfang 
des  Stfickes,  vor  der  Parodos,  ein  Zwiegespräch  der  Auge 
und  einer  vertrauten  Person,  ofienbar  einer  Amme,  statt- 
tindet.  so  lasst  sich  schliessen,  dass  die  Amme  die  delikaten 
Eruffinungen  gemacht  hat,  welche  ffir  Auge  minder  schicklich 
waren.  Diesem  Monolog  der  Amme  muss  wohl  fr.  269  an- 
sfehoren : 

"E^ora  d'  ootiq  fii^  x^eov  nqivei  fieyav 
xai  zw  a:rav%0)v  öai^ovojv  ineqzaTOv, 
ig   oxaiog  loxiv  ij  i^akwv  aneiqog  Siv 
ovx   otie  xov  fAeyiaxov  dvd-Qcinoig  ^eov. 

Bs    tritt    also   zuerst   die  Amme   auf,   zu   dieser  kommt 
nachher  Auge    aus    dem    Teni|)el    heraus.     Der    Gegenstand 


■i  SinuJig  rfrr   jMm.-}Mol.  Chmr  i-om  3.  Jmiiiar  18m. 

ihres  Zwiegesprächs  ist  der  Zorn  der  Göttin  (fr.  2ß(i).  W'w 
hat  sich  dieser  i^eotl'etibart?     Fr.  2ö7 

dtivtj  nölig  vooota'  dreveioxeiv  tluvm 

verrät  uns,  dass  die  Wendung  der  Sage,  wie  wir  4e  lioi 
Äpollodor  II  7,  4  linden,  auf  Eunpide»)  zurücksteht:  ;taqtiiiv 
dt  Teyiay  'fi^axXr^s  TtfV  ^i'yjjv  '^Keov  &vy(nf^  otoav  dy- 
roüv  tg>!t6ifey.  r,  dt  ttxovaa  xQVfpa  lö  ßqlfpog  xatiöero  tr 
Trp  tefifVEt  tijg  ^!}rjväg.  koiftfji  de  tijg  x'^C^S  tp&Bigo- 
(tivijt;  ^isog  Eiaekäiov  xai  i^evy^aag  eis  tö  rtfievog  (1. 
eiBsX!ttiv  eis  tö  tifievog  xai  ffeivi^oas)  lot;  t^j;  fftyarpoe 
tüähai;  etipf  TÖ  fiiy  ovv  ß^tifiog  eig  tu  fla^iHfiov  oßog  fit- 
!f£io.  xai  TOVTO  (lev  xata  ife<öy  uva  rr^ovoiav  iaditr/  &ij- 
ijtfV  ^liv  yop  äßittöxos  «^la^o^*  iniay^ev  adtili,  Tintftiveg  dt 
ävBi.üt.iEvoi  tö  ßqifpog  Tr^Xeq'Qv  fxöXBoay  avzöv.  Vgl.  III  9,  3 
-4vyij . .  vip'  'Hgaxi^oig  {fi!>a^Eiaa  xatixqvit'E  to  fie^^og  fv 
tili  tefiivei  t^s  ^^^t/VÖg,  tjg  elxB  irjv  ießwoiV»^»-.  äxögnov 
äi  tf/g  yils  ^levovatjg  xai  firjviörtiav  tüv  xV'flf'^'"'  «»"'"'  " 
fV  tff  ttfjtyet  tfjg  l^itt^vög  äraaißij^ia,  tfiifealtdaa  iitö  TOt- 
nazQog  iia^äo^ij  Navti^ifi  i:ii  davärtii'  nag*  uv  Tevit^g 
i'i  MvaiÜv  dvvautr^g  icaQoXaßtöv  (w'tijv  e/'j/'e.  Diese  Angaben 
stimmen  mit  dem  Ai^iment  dea  Muses  mich  in  der  Uer- 
leitung  da*  Namens  {i'ijiijV  .  .  hXatfog  .  .  T^ltijt>g]  Bbereiii. 
welche  nbiiediea  auf  Kuripides  hinweist.  Vgl.  0.  Jahfl 
Telephon  und  Troiluä  'ä.  57.  Es  ist  also  durch  den  Zorn 
der  Güttin  .\thena  Pe^t  uad  Unfruchtbarkeit  llber  das  Land 
^i-kouiinen  und  Auge  und  ihre  Vertraute  keimen  den  (irund 
des  Zonies.  Ihrom  Zwiegespräch  it^t  wakrsclicinlich  tinch 
fr.  2G8 

xai  ßüv9vi(iv  yod  r,iiotg  ifir,y  x^Q**"' 
KnKuwei^en.     Wenn    man    nämlich    den    Satr.   aU   Prngesslx 
aiilTaaKt,   so   hut   vorher   in  der  Stichomytliit  die  Amme  i;r- 
kliirt,  daxs  mu  dprliüttin  ein  Opfer  ni-liriicht  habe,  um  ihren 


U'tcUem:  Frifjaict' 


der  i/rirehi/idirn   Tnuj 


i 


(»roll  Kii  beschwichtigen,  und  auf  Hie  Frage  tler  Aiigo  wird 
«e  erwidert  hüben,  dass  die  GiSttin  das  Opfer  ungnudi):;  auf- 
genommen halH>. 

Ijefjt   man   das   angefllhrte   fr.  2'i7   der   Amtne   in   den 
■Muud,  dann  begreÜl  man  auch  fr.  271 

nri;i'ct:  (tfr-yxetW'  <"  Ttxi'Cir,    toii  ilniäag. 

Wie  die  Anrede  «  «'»»'oi'  zeigt,  fallen  diese  Worte  der 
Amme  jtn.  Ange  also  will  »ich  nicht  von  dem  Kinde  trennen 
und  verläset  sich  auf  verschiedene  ZufiUligkeiten.  welche  Het- 
tiing  bringen  ki'mnen.  Die  .4nime  dagegen  sucht  sie  7M 
bestimmen,  das  Kind  aus  dem  Tempel  wegzuschaffen,  da  die 
Entdechnng  deasclben  nicht  zu  umgehen  sei,  und  redet  ihr 
alle  Hoffnungen  ans,  welche  sie  auf  eine  glückliche  Wendung, 
etwt»  auch  auf  die  Rftckkehr  des  Herakles,  setzt.  Wie  (iich 
Ange  zuletzt  den  Einreden  der  Amme  fügt  und  sich  schweren 
Her/en»  entschliesst.  das  Kind  von  sich  zu  geben,  xeigt 
fr.  277.  welches  Enger  richtig  geordnet  hat: 

(.^YTHy  nol;  nw^  St  lijaet;  tlg  di  vipv  iiiaTÖg  yiktjg; 

iTPOfUOS^  ^rjrüiuev  fjc  3'  oxy^  rtg,*)  äy&^iroiii  xaxöv. 

i^Yrfiy  xcj   tov!nx€igEiv  y'  fia^ia^iövetv  ifiXBi. 
Die  Amme  ist  es  also  auch,  welche  fr.  27ti 

t  fiiy  'öxr^  vixüiiESn. 
■I   itqaaos  vntgßaXotJO  iii; 
itpricht.    Die  Worte  erinnern  an  Med,  407  nQÖg  dt  /.ai  nsifi- 
xafiev    Yvvalxes,    eit;    ^fV    ea!fi.'    äfitjxovtüraiat,    xaxiüv    dt 
näviiuv  lixioveg  aotpwTatot  und   Hipp.  481)  t,   rog'    Sv  o^'i 


I)  '^Zn  T'''XU  babe  k-h  Itlr  ovx  f'i  tt'X'i  ge  sehr  leben. 
3)  '/v    i'   ixrfl    iis   habe  kh  für   '/   /tiixt/oi;   jieidi rieben, 
ileD   >)  i'  iinviinii,  tihpr  ^Hvijni;  )9l   nicht  bezeugt. 


jn:vaixf.g  fOftev  ■  ii 
tö  A'  ovx  Sv  fjfiiü 


(*^  Sitzung  der  philos.'philol.  Classe  vom  3.  Januar  ItifH} 

Je  verwegener  sie  ist,  desto  mehr  rnisslingt  ihr  Pil 
ebenso  im  Hippolytos  Phädra  für  die  Voreiligkeit  ihrei 
büssen  muss.  Die  oben  angeführten  Worte  der  Ai 
TOvnix^i(}elv  y'  i^a^aQtdveiv  q)iXei  deuten  dieses  _Mii 
an  und  weisen  damit  auf  den  Portgang  der  Handhu 
Äuge  gibt  den  Auftrag,  das  Kind  heimlich  aus  dem 
zu  schaffen  und  bei  einem  guten  Freunde  unterzul: 
dem  sie  sagen  lässt  Adesp.  399 

Tov  Ttäiöd  ^01   Tovä'  d^iwg  ^HQankiovg 

aber  der  Versuch  rnisslingt.  Die  Frevelthat  der  Auf; 
entdeckt,  das  Kind  im  Parthenischen  Gebirg  ausgesetzt 
aber  zum  Tode  verurteilt.  Sie  soll  ins  Meer  geworfe 
den.  Diese  Angabe  der  aus  dem  Buche  „die  Chric 
nommenen  Hypothesis  wird  durch  fr.  270 

oi  rwv  '/.axovQyiüv  olxTog,  dlld  Tijc:  äiTti^g 

bestätigt.  Nauck  bezeichnet  diese  Worte  als  schwi 
dorben  und  Enger  hat  scharfsinnig  o  tcov  y.anoiQyojv 
dvdXvaig  öUrjg  vermutet.  Aber  es  lässt  sich  ein  Zusa 
hang  denken,  in  welchem  die  Eigentümlichkeit  der 
ihre  Erklärung  fand.  Wenn  jemand,  z.  B.  der  Cho 
vorher  gefragt  hatte,  ob  es  bei  dem  König  kein  Mitlei 
so  konnte  Aleos  erwidern,  mit  den  Frevlern  gebe  es  l 
allerdings  kein  Mitleid,  wohl  aber  mit  dem  schnöc 
letzten  Rechte. 

Dass  xegag  oq&iov  fr.  278  auf  die  Hirschkuh  hi 
ist  bereits  von  anderen  bemerkt  worden.     Den  Beric 
über  kann  nur  Herakles  selbst  erstattet  haben.    Und 
wird  die  Angabe  obiger  Hypothesis   bestätigt   durch 

rig  d'  oixl  xalqu  vr^nioig  dd-VQ/AaOiv; 

Herakles  erzählte,  wie  er  im  Gebirge  ein  Kind,  d 
einer  Hirschkuh   gesäugt   wurde,   gefunden,   wie   er   i 


Wecklein:  Fragmente  der  griechischen  Tragiker.  7 

dtfin  kindlichen  Spiele  erfreut,  dabei  aber  den  ihm  wohlbe- 
kannten goldenen  Schmuck^)  entdeckt  habe.  Daraus  schloss 
er,  was  es  mit  dem  Kinde  für  eine  Bewandtnis  haben  müsse, 
nnd  machte  sich  mit  dem  Kinde  auf  dem  Arme  auf  zur  Mutter. 

Hier  haben  wir  die  zwei  Scenen,  welche  die  Bildwerke 
darstellen,')  wie  Herakles  zu  dem  Kinde  kommt,  dem  eine 
Uin»chkuh  das  Euter  reicht,  und  wie  Herakles  den  Telephos 
auf  den  Armen  trägt. 

Dieses  Auftreten  des  Herakles  kann  uns  bestimmen 
Welcker  in  der  Ansicht  beizutreten,  dass  das  Stück  die 
Stelle  eines  Satyrdramas  vertreten  habe.  Allerdings  müssen 
die  gegen  Aleos  gerichteten  Worte  fr.  275 

vLaycwg  d*  oXoivxo  Tiavreg  oi  TVQavviÖL 
Xai^i'Oty  oXlyjj  t'  Iv  noXei  ixovaQxi(f' 
Tovlev^eQoy  yoQ  ovofia  navzog  a^iov^ 
xSy  a^Uq    ixf]  ^tff,  fieyoil'  bxbiv  vo/Ai^izw 

Zweifel  erwecken.  Denn  wenn  der  Widerstand  des  Aleos 
Ton  Herakles  durch  dessen  Tod  gebrochen  wird,  so  ist  der 
Homor  gestört.  Vielleicht  aber  verhielt  sich  die  Sache  so. 
In  seinem  Beginnen,  mit  Gewalt  gegen  Aleos  vorzugehen, 
wurde  Herakles  durch  einen  dens  ex  machina  aufgehalten 
und  zwar,  wie  uns  die  oft  erwähnte  Hypothesis  verrät,^) 
durch  Apollon,  der  die  Auge  dem  Teuthras  zur  Gemahlin 
bestimmte. 

1)  yRing'  ist  vielleicht  ein  un^^enauer  Ausdruck  bei  Moses;  es 
wird  wohl  von  einem  XQ^'^^^^  Sofiog  oder  einem  j^egiöegaiov  die  Rede 
^wesen  sein. 

2)  Zusammengestellt  von  Pilling  a.  0.  p.  84  sqq.  V^gl.  dazu 
noch  C.  Robert,  zur  Erklärung  des  Pergaraenischen  Telephos-Frieses. 
Jahrb.  d.  arch.  Inst.  II  S.  244  ff.  und  III  S.  45  ff.  n.  87  ff. 

3)  In  der  üebersetzung  von  Baumgartner  ist  die  Sache  deut- 
licher als  in  der  von  A.  Mai:  ,praeterea  dicitur  Teuthras  ex  oni- 
rolo  Apollinis  Augeam  deinde  uxorem  duxisse  Telephunique  in  filii 
ioGO  habuisse. 


^  SitzutHj  der  philos.-philoJ .  Cltusse  vom  .7.  Januar  lt>ff(). 

Kr.  27**^  und  274  konnten  an  verschiedtmen  Stel 
Stückes  einen  Platz  finden ;  es  lässt  sich  über  diej^elber 
Genaueres  fest-setzen. 

2)  Zu  dem  Ereclithcus  des  Phiripides. 

Die  Handlung  des  Stückes  lässt  sich  nur  im  allj^e 
bestimmen:  was  Welcker  Gr.  Trag.  S.  717  ff.  zusa 
stellt,  ist  in  vielfacher  Hinsicht  unsicher.  Hier  sc 
eine  Frage  besprochen  werden,  die  PVage:  ist  P]re< 
sofort  entschlossen,  dem  Delphischen  Orakel,  welch 
Opfer  seiner  Tochter  verlangt,  Folge  zu  leisten?  V 
meint,  Erechtheus  habe  gleich  im  Prolog  seine  Bereu 
keit  das  Opfer  zu  bringen  erklärt.  Aber  wenn  die 
des  Erechtheus  in  fr.  3(^0 

Tog  x^Q^'^^S  oüTtg  evyeviog  yaqittiai^ 
r]dLOv  h  [iQOvdiaiv  oi  di  ÖQwai  fiiv, 
XQOPi^t  di  ÖQioai,  dvayeviateQor  (jtiXety 

Entschiedenheit  und  Raschheit  das  Entschlusses  fordi 
muss  jemand  da  sein,  welcher  zögert  und  sich  geg 
harte  Opfer  sträubt.  Dies  kann  nur  Erechtheus  se 
welchem  nach  V.  3()  Praxi thea  spricht.  Eine  Bestä 
de^ssen  geben  ebd.  die  V.  34  ff. 

^^Jw7  ^*  naiäi  arecfavog  elg  fxiiji  f.i6i'fj 
TcoXswg  d-avovajj  rrfid^  V7ieQ  6o^i]oeTai 
y.al  Tr]v  TSAOvaav  ycat  at  ovo  ^'  opioajroQio 
awaei'  li  xovxwv  ovxi  dt£aa&ai  y.aXüv; 

Hieraus    geht   deutlich    hervor,    dass    Erechtheus   das 
der  Tochter   bedenklich    und  unstatthaft   findet.     Woi 
Erechtheus  also  enthält  fr.  359 

d-etiüv  di  7iaidiov  nov  nQOTog;  id  ytivra  yctQ 
nQeioau)  vof.itL€iv  toüv  doTHjf.iaTiov  xQewv. 

Hiernach  verstehen  wir  die  Absicht  der  Wort-e  von  1 


WfvkUin:  Fragmente  der  griechischen  Traijiker.  0 

ot-x   iim  f.ir^TQdg  ovöiv  i^diov  jinvoig ' 
fgare  ftr^TQog,  naldeg^  (og  orx  «W  tQwg 
loiovxog  aiXog  oatig  rfiiuiv  eqav. 

Diese  Worte  richtet  Erechtheus  an  seine  Töchter.  Wir 
müssen  annehmen,  dass  sie,  nachdem  Erechtheus  den  Pro- 
li»jr  im  engeren  Sinne  gesprochen  hat,  zum  Vater  hinzu- 
treten. Sie  konnten  von  Erechtheus  fnit  Lsvyog  XQiiiaq^evov 
(:v>7)  angekündigt  werden.  Die  besondere  Liebe  der  Töchter 
7Jir  Mutter  aber  bildet  den  Kontra!st  zu  der  an  und  für  sich 
untre  wohn  liehen  Erscheinung,  dass  gerade  die  Mutter  es  ist, 
welche  zuerst  und  am  schnellsten  sich  entschliesst,  das  Opfer 
des  Kindes  zu  bringen.  Die  Mutter,  nicht,  wie  Welcker  an- 
Lininit,   Erechtheus,   spricht  ja  auch  die  Worte  Adesp.  411: 

(fihix}  xi'Kv\  alXa  naTQid^  i/Ar]v  fiaXXov  (piX(7ß, 

\\r|.  Lyk.  g.  Leokr.  §  101  q>vaei  yaQ  ovowv  (fiXorixvwv 
,\acun^  iwr  yvvaiy.(ov  tavTi^v  (die  Praxithea)  i/ioiijae  rijv 
:i€tTQida  fiaXkov  rcSv  rraldwv  (piXotoav. 

In    dem    grossen  Fragment  3G2,    welches  also  beginnt: 

oQ&wg  fi*  htrfiov  ßovlojuat  de  ooi,  raKvovy 
qqovtig  yaQ  rfirj  yLanoawoai    av  nazQog 
yrw^ag  (pQaaavtog^  rjv  d^drojy  jiaQaivlaai 
x€ijur|^^  ia^Xa  xal  vioiai  x^rjai^ua 

» 

;ribt  Erechtheus  seinem  Sohn  Kekrops  gute  Lehren  für  die 
Zukunft.  Welcker  meint,  Erechtheus  sei  tödlich  verwundet 
Auf  die  Bühne  gebracht  und  nehme  Abschied  von  den  Sei- 
oi^n.  In  diesem  Falle,  wenn  der  Tod  sicher  wäre,  würden 
die  Worte  iqv  &dvio  wenig  passen;  vor  allem  aber  eignet 
*irh  der  Schluss  schlecht  für  diese  Auffassung: 

crJU'  (0  ti'Avov  jMO/  6dg  ytQ\  wg  ä-iyr]  itaxifi^ 
xai  x^m*'  ^'^^'  aidovg  d'ov  Xlav  oairdl^o^ai' 
yvyaix6(pQ(ov  yag  O^vfAog  dvÖQog  ov  ao(fov. 


1^)  Sitzung  der  philos.-philol.  Classe  cum  3.  Januar  ISÜ(K 

Erechtheus  nimmt  Abschied,  um  in  den  Kampf  zu  i 
in  welchem  er  fallen  wird.^) 

Um  so  mehr  ist  zu  billigen,  was  Welcker  bemerki 
liegt  in  diesem  Kranz  von  Sprüchen,  wenn  man  will 
Nachahmung  der  Abschiedsrede  des  Amphiaraos  an  AI 
und  dessen  Bruder  bei  dem  Ausziehen  des  Sehers  zum 
und  zum  Tod,  in  der  Thebais". 

Ein  Bote  muss  nachher  den  Sieg  über  Eumolpi 
richten  und  ein  deus  ex  mnchina  verkündet  die  Verwai 
der  drei  Tochter  in  Hyaden  (Schol.  Arat.  172). 

8)   Ueber  den  Oeneus  des  Euripides. 

Im  Prolog  tritt  Diomedes  auf  und  begrüsst  das 
seiner  Väter  Kaljdou,  aus  dem  einst  sein  Vater  1 
wegen  Blutschuld  auswandern  musste.  Er  berichtet  ^ 
wie  Tydeus  Eidam  des  Adrastos  wurde  (fr.  558),  als  s 
am  Kriege  gegen  Theben  theilnahm  und  dabei  zu  C 
ging,  wie  dann  er  mit  den  Söhnen  der  übrigen  Geft 
den  Rachezug  gegen  Theben  unternommen  (559): 

^yio  di  naTQog  ai(A^  iTifjioQr^adftrjv 

avv  xolg  ecp   rßrjg  jiaial  tcjv  oliokoiiov. 

Von  diesem  Hachezug  kommt  also  Diomedes  her. 
cker  meint,  es  sei  auch  der  Troische  Krieg  angerei 
wesen,  da  nicht  bloss  Hygin  (175),  sondern  auch  Ant 
Lib.  (37)  und  Pausanias  (IV  35,  1)  das  Ereignis  des  S 
nach  dem  Troischen  Kriege  ansetzen,  während  Apc 
den  Diomedes  erst  nach  demselben  in  den  Krieg  gegen  1 
ziehen  lasse.  Aber  gegen  diese  Annahme  spricht  das 
zu  Ach.  418    yiyqaTVvaL   tip  Evquiidrj    dQcc/Aa    Olvstg' 

1)  Als  eine  Möglichkeit  hat  dies,  wie  ich  sehe,  auch  Hü! 
Gaertrin^en,  Wochenschrift  f.  klass.  Philol.  1887  S.  673,  hin« 
Der  Text  erhebt  es  aber  zur  Gewissheit. 


WeckUin:  FragmefUe  der  griechischen  Tragiker.  11 

it  lor   O-avazov  Tvditug    xal  STriaigaTevaiP  Jiof^iqdovg  xatd 

hfßaiiov  oqyjjQeiyr^    rr)y   ßaoikeiav  Olvecg   dia   t6  yfjQag  vno 

tvjr  L-iyqiov  iiaidiov  TLat  ir^qn^ei  raicetvogy   äxQig  ov  htavek- 

tfbjy  o  xJiofir^dfjg  ^yqiov  piiv  dvelXB,  ttjv  ßaaiXeiav  de  Olvei 

c\-ti6iox€.      Nach    dieser   Inhaltsangabe   ging   der    Handlung 

nur  der  Feldzug  gegen  Theben  voraus.     Dieser  genügte  zur 

M«>tivieriing  des   frevelhaften  Wagnisses,  Ueberflüssiges   liass 

der  Dichter  bei  Seite.     Was   wir   bei  ApoUod.  I  8,  0  lesen: 

Ol  di   yiyQiov  naldeg  . .  Q(pBk6f.i€voi  xriv  Oiviiog  ßaaikeiav  zi[t 

.laTQi    bdoaav    xai    nQOOtTi   twvxa    tov  Olvea   TLaO^elq^avieg 

jnüZorTOj    das   trifft  für   das  Stück    des   Euripides   nicht   zu. 

Allerdings  ist  in  fr.  562  von  schmählichen  Misshandlungeu *) 

die  Rede,    aber  Oeneus   niuss  frei   umhergehen    (Tcegirjei  ta- 

.iiiv6g)j  weil  er  mit  Diomedes  und  seinem  Begleiter  zusamnien- 

tri£Ft.     Die  Misshandlungen  fallen  also  in  die  Zeit,  in  welcher 

Oeneus  des  Thrones  beraubt  wurde.    Aus  Philostr.  Her.  p.  12 

rtri   6i  fioi  exelvo  ehre'   olxela  yeioQyeig  lavxa,  rj  deOTtOTifjg 

uiv  avruiy   ?TeQog^    av    de   TQerfowa   tovtov   TQetpeigj    üaneq 

tov  toi  EvQutidov  Oivea,  wo  es  eigentlich  üa7ieQ  6  zov  Er- 

Qi.Tiiav  Olveig  heissen  sollte,  muss  man  schliessen,  dass  Oeneus 

im  Dienste  eines  Mannes  steht,  dessen  Felder  er  bebaut.    Man 

iKrtracbtet 

av  de  TQecpovTa  nv  TQe(p€ig; 

als  Bruchstück  des  Euripides.  Aber  das  lässt  sich  aus  der 
Stelle  gar  nicht  schliessen  und  die  Worte  sind  weit  geeigneter 
im  Munde  des  Oeneus.  Sie  können  also  ursprünglich  etwa 
iirelautet  haben: 

w  —  w  —    TQeq)Ovra  tovcJ'  eyiu  TQeq^io. 

Oeneus  ist,  wie  er  dem  ihm  unbekannten  Sohne  begegnet, 
im  B^friffe  seiner  Arbeit  nachzugehen.  Das  geht  aus  fr.  5G3 
hervor : 

1)  Vgl.  damit  Ae«ch.  i'rg.  179,  Sopb.  140. 


12  iSitziuiff  der  jßhihsrphUnJ.  CUiasc  vom  3.  Januar  IHUO, 

oyoXr^  /iuv  ovyj^  rrp  dt  övoxvyovvii  71  (og 
T£Q7ivdv  ro  kiSai  y.d;roxXavaaa^ai  y.axd. 

Welcker  bemerkt:  «Oeneus  in  Lumpen  d.  i.  ländlic 
kleidet,  wie  aus  den  Acharneni  (418)  bekannt  ist, 
den  Dioniedes  mit  seinem  Begleiter  als  Fremde  an  (5< 

orav  xaxoi  jiqa^Looiv^  10  ^ivoi^  xakwg^ 
ayav  xQaiovvieg  xov  ro^il^ovieg  di'y.tjv 
diooeiv  töqaaav  vcdvt'  ecftweg  fjdovy, 

Üass  er  zu  Unbekannten  sofort  von  seinen  Schic 
spricht,  ist  durch  sein  Alter,  seine  Lage  und  durch  de 
blick  von  Miliniern  hohen  Standes  hinlänglich  nioti 
Diese  Auffassung  ist  nicht  richtig.  Es  geht  ein  Zwiege 
voraus  (5()1),  an  dessen  Schluss  Diomedes  den  Oeneus 
seine  Schicksale  zu  erzählen,  wenn  er  Zeit  habe.  ( 
erwidert,  dass  er  zwar  keine  Zeit  habe,  dass  er  abei 
ihrem  Wunsche  willfahre,  weil  es  ihm  wohlthue,  .seine 
fühlen  Luft  zu  machen  (563).  Daran  schliesst  sich  d; 
Zählung,  der  Unbilden  an,  die  ihm  widerfuhren,  wie  ei 
Kottabosspiel  als  f^dvtjg  dienen  und,  damit  der  Hohi 
werde,  noch  den  Sieger  bekränzen  (562),  wie  er  auf  h. 
Boden  [dO^Qavevrov  5(59)  schlafen  niusste. 

Den  Schluss  dieser  Erzählung  Vjüdete  das  ange 
Bruchstück  564.  In  demselben  fällt  auf,  dass  zuers 
gemein,  dann  von  einem  besonderen  Falle  gesprochen 
Dieser  Anstoss,  welcher  nicht  etwa  durch  die  Annahme 
tÖQaoav  aor.  gnom.  sei,  gehoben  wird,  scheint  für  1 
Schmidt,  Krit.  Stud.  II  S.  475  f.,  der  Anlass  gewesen  zu 
<lass  er  an  dem  vollständig  heil  überlieferten  Bruchi 
vei*schiedene  Aenderungen  vornahm.  Um  die  Worte  r 
aufzufassen,  muss  man  sich  dieselben  ungefähr  in  folg« 
Zusammenhange  denken : 

<xavrai;^'  i(fdvy^i)  rotx'  o  yiyveoü^ai  qtkely 
orar  xaxoi  ;rQdS(oaiVj  w  ^ivoi^  '/,ahog' 


"W'ecltletn;  Pragmente  der  griechischen  Tragiker,  \^ 

ayay  TLQctTOvyreg  klov  vofAiCovzeg  dixrjv 
dtiaeiy  Sdqaaav  navx^  ifpivreg  rfiovr^. 

Hieran  schloss  sich  fr.  565  an: 

^lOM.,  av  d'  wd'  tQfjiÄog  ^vf^i^axiov  Q7r6Xkvaai; 
OIN.       oi*  ^iv  yoQ  orx6T'  elolv,  oi  <J'  ovieg  "kwaoI, 

Üie^e  Stichomythie  führte,  wie  man  sieht,  dazu,  dass  der 
Sohn  sich  dem  Vater  zu  erkennen  gab.  Denn  Diomedes 
oiuf^te  den  Vater  an  dem  vorher  Erzählten  bereits  erkannt 
haben. 

4)  lieber  die  ^xvQtoi  des  Euripides. 

Während  von  den  Stücken  des  Sophokles  ziemlich  viele 
aus  Satvrdramen  bezeichnet  sind,  finden  sich  unter  den  Dra- 
men  des  Euripides  verhältnismässig  wenige,  welche  als  Satyr- 
dranien  betitelt  werden  oder  sich  durch  andere  Kennzeichen 
als  solche  verraten.  Man  darf  daraus  schliessen,  dass  unter 
»ien  Dramen  des  Euripides  verschiedene  den  Charakter  der 
Alkestis  gehabt  und  die  Stelle  eines  Satyrdramas  vertreten 
haben.  Sehr  deutlich  gibt  sich  dieser  Charakter  an  dem 
Bruchstück  der  2xiQioi  682  zu  erkennen : 

f^  7ralg  voaei  aov  xd/rmivdvviüg  i'xBi. 
AYKOM.    ^fQog  Tov;   rig  atxi]v  nr^/AOvq  da/ia^erae; 

/icSf  XQVfAOg  avrfjg  vrXevQa  yvf.ivd{^Bi  x^^Vi 

Die  komische  Frage  des  Vaters  «hat  sie  Bauchweh?**, 
während  die  Tochter  von  Achilleus  geschwängert  ist,  hat 
keinen  Platz  in  einer  ernsten  Tragödie.  Kaum  auch  dürfte 
einer  Tragödie  das  Wort  /ra^aaoyyi^c;  im  Sinne  von  „Gesandter** 
zokonimen.  Die  Grammatiker  berichten  uns,  dass  es  in  den 
noiuirtq  des  Sophokles  (fr.  477)  und  in  den  ^xvQiai  des  Eu- 
ripides (686)  vorkam.  Von  den  Floii^Uveg  urteilt  G.  Hermann 
mit  Recht:  fabula  ex  illo  genere  fuit  quod  satyrorum  locuni 
teneimt.     Mit  Recht  auch  hat  Nauck    (zu  Soph.  fr.  121)   in 


14  Sitzung  der  phUos.-jihihl,  Glosse  vom  3.  Januar  ISOOi 

BetreflF  der  Angabe,  dass  7[aQaodyyrjg  bei  Sophokles  iv  U 
ftdxii  vorgekommen  sei,  seine  frühere  Vermutung  iv  U 
^ud(f  nicht  festgehalten,  sondern  sich  Welcker  angesch] 
der  an  die  Rolle  der  Androniache   in   den  Tloi^iveg   d 

Hiernach  dürfte  es  keinem  Zweifel  unterliegen, 
Adesp.  9 

ov  d'  w  To  kaftJCQOv  qxJig  dnoaßevvvg  yivovg, 
^aiveig  dqiaxov  natqog  ^EXkr^nov  yeyvug^ 

welches  Bruchstück  aus  einem  Stück  ^xvq^oi  citiert 
den  ^'KVQioi,  des  Euripides  und  nicht,  wie  Brunck  ann 
den  ^T^vQioi  des  Sophokles  angehört.  Denn  wer  vei 
die  humoristische  Ausdrucksweise  in  ycSc;  dTtoaßevvvg  y 
^aiveig?  Diese  Annahme  wird  bestätigt  durch  das  I 
von  Bergk  den  2xvqioi  zugewiesene  Fragment  des 
pides  880 

orx  iv  yvvai^i  tovg  veaviag  x^ewv, 
diX  ev  oidr^i^  xcrv  onXoig  Tipidg  ex^tv, 

welches  Mch  als  Fortsetzung  an  das  vorher  iinge 
anschliesst. 

5)  Ueber  Eur.  frg.  953. 

Unter  den  Fragmenten,  welche  von  H.  Weil  (T 
pyrus  inedit  de  la  bibliotheqiie  de  M.  Ambroise  Firmin- 
Paris  1879)  aus  einem  ägyptischen  Papyrus  veröffentlich 
den  sind  (953  N.),  hat  keines  den  Kennern  der  griech 
Tragödie  grössere  Ueberraschung  oder  vielmehr  grösser 
fremden  bereitet  als  das  aus  44  Trimetern  bestehende  I 
stück,  das  durch  Unterschrift  als  dem  Euripides  zug« 
bezeichnet  ist,  in  welchem  eine  Frau  ihrem  Vater,  d 
von  ihrem  bisherigen  verarmten  Gatten  trennen  und  an 
reichen  Mann  verheiraten  will,  die  Pflichten  ehelicher 


Wfclilein:  Fragmente  der  griechischen  Tragiker.  15 

Torbält  lind  denselben  von  seinen  Absiebten  zurückzubringen 
!^ucht.  Das  Auffallendste  an  dieser  ^fjaig  ist  der  niedrige 
and  gewohn  liehe,  ganz  prosaische  Ton,  der  auch  unter  den 
niedrigsten  Ton,  dem  wir  in  den  erhaltenen  Stücken  und  in 
den  Fragmenten  des  Euripides  begegnen,  tief  herabsinkt.  Es 
ürnugt  den  Anfang  herzusetzen : 

lu  nareQ,  ixQ^^  f'^^  ort;  fyw  koyovg  liyto, 

Tovzovg  iJyeiv  ai'  aal  yoQ  oQ^oCei  q^Qorelv 

ai  fdoiXov  ^  ifji  xal  Xiyeiv  ottov  xi  der 

ifiti  d'  Qqifpiag,  loinov  eaz^  Yawg  iiiia 

ix  tfß  dvayKtjg  ta  ye  dixai*  at'rrjv  Xiyetv.  5 

ixelrog  el  fiiv  fiei^ov  T^dUrjxi  t/, 
ot*x  ifAB  jrQoarpiei  Xa^ßdveiv  tovtiüp  dixriv 
a  d"  eig  l)u'  f^fioQzrjxev  alad-iad-ai  (At  Sei, 

d}JC  dyvoco  dij  tvxoy  lOiog  aq^iov  iyio 
oto\  ov'A  av  dnBLnoifxi'  xairoi  y\  lu  TtdreQ^  10 

el  raXXa  nqiveiv  iativ  dvorjrov  yvvfj, 
rteQi  Twv  y'  eavtr^g  ifqay^dxiov  Yaiog  q^qovei. 
tariü  d'  0  ßovlBi'^)  xovro  W  ^'  dötyiei;  Xe'ye. 


Der  Tulgäre  Ton  veranlasste  Cobet,  Mnemos.  N.  Ser.  VIII 
(18j?0)  p.  ()2,  weil  das  Versmass  nicht  an  eine  Komödie 
•if-nken  lasr>e,  das  Bruchstück  einem  Satyrdrama  nach  der 
Art  der  Alkestis  zuzuweisen:  „quis  tandem  serio  inducere 
in  animum  poterit  cadere  haec  in  heroicam  aetatem  et  herouni 
ftersonas,  maritum  in  re  angusta  domi  et  uxoreui  rei  fanii- 
liaris  penuria  in  moerore  vitam  transigentem : 

iva  fdt]  nataCw  tov  ßiov  Xvnvfjivrj  (21). 
«Juae,  quaeso,  rfiioivr^  aut  cogitare  aut  dicere  nnquam  potuit: 

1}  Mit  eoTO)  6^  o  ßovXei  wiederholt  sie  nach  der  Zwischenbeiner- 
kno^  xatrot  .  .  Tao>g  (fQovFi  den  Gedanken  von  ovx  äv  dviftjtoifii.  Mit 
Unrecht  nimmt  Cobet  (u.  ebenso  Nauck)  an,  dass  hier  wie  an  anth;ren 
Stellen  ikuetgefMen  sei    «.qtiae  pater  roMpondebiit   aut   criminabatur". 


L 


xai  iTOv  loaavta  xprj^at'  eouV,  w  näte^. 
a  fiäXXov  ärd^i;  evif^vel  tia^öna  /ig,-" 

Cubet  erkennt  in  der  Sprecherin  dieselbe  ihrem  Gatten 
ergebene  Frau  {fpiKavSQov  yi'vahtct,  Cleni.  Alex,  Strfjni.  IV 
1».  IJ20),  welcher  frg.  909  gehört : 

oväsftiay  vinjon  x.aiXog  eis  töaiv  ^Lvaogov, 
a^en,  6'  wvijae  noiXäs'   näaa  yog  oyaiti]  /icij 
ijiii;  avdfjt  ai'rtftrjXE  ntiKfgovclv  tn.tatatai  xif-. 

tlijbet  hnt  dabei  übersehen,  dass  durcli  fr.  54« 

näaa  yäg  öovXi^  niqmxtv  ärÖQÖg  ^  au>q^v  jTvtj" 

soviel  wie  erwiesen  int,  dass  900  aus  dem  Oidinmg  stammt. 
Weil  (Revue  de  Pliilol.  1880  p.  1  ff.)  hpbt  Cnbet  gegenüber 
hervor,  dass  ein  uns  nicht  einmiil  dem  Namen  nach  bekanntes 
Drama  dvs  Ruripides  auch  den  alexandrinischen  <!rammatikeni 
unbekiinnt  gewesen  äein  lufSsste,  dass  In  einer  Koiiiiidie  oder 
einem  Drama  wie  es  die  Alke^tis  ist  nicht  leicht  ein  Vater 
«ch  soviel  herauf^nehmen  darf,  imi  die  Tochter  ihrem  Gatten 
za  entziehen.  Kuripides  erweise  sieh  nls  der  Dichter  wie  er 
bei  Aristoplianns  geschildert  werde  oixiia  jigäyfjiix'  etaayuiv 
oii;  zpnJ^ey  0*5  ^inofiev.  Der  erste  l'iinwand  von  Weil 
kann  nns  unter  UnwitÄnden  bestimmen,  diis  Fragment  Knri- 
pides  ganz  abzusprechen.  Weil  hat  unter  den  Heldinnen 
der  den  alexandriniiicheu  tirammittikern  bekannten  Dramen 
nur  eine  einzige  gefunden,  die  nach  der  änge  in  einer  ähn> 
liehen  Lage  wich  befunden  bat  wie  unnere  Sprecherin,  die 
lly^metho  in  den  Tr^fttyiiai.  Kuriptdat  mtiftütc,  wit.i  noch 
der  gcwiühnlichen  .Sage  die  Si'ihno  thaten  (Pau«.  II  28,  3), 
auf  den  Vater  übertragen  haben.  Diese  Annahme  wird,  wi« 
ich  in  den  Sitzungsber.  1SR8.  I.  S.  llß  bemerkt  habe,  durch 
den  Titel  Tijunvidai  widerlegt.  Der  T^'/itwji'  d»-  IDuripid«^ 
hatte,  wie  ich  im  l'hilol.  IW  S.  lUO  tf.  dnrgethan  habe,  einen 


anderen  Inhalt.  Fllr  meine  dort  dargele^tfi  Vermutung,  dasn 
der  jJ^x^lttog  nur  eine  neu«  Auflage  iJes  Tr^fiBvos  war,  finde 
ich  eine  Bestätigung  in  Stob.  flgr.  56,  14,  wo  frg.  742 
Etf>inißov  Bofii^/jtvov  angegeben  wiril ,  was  Fritzsche  in 
»einer  Ausgabe  der  Frösclie  dea  AristopLanes  S.  409  glänzend 
in  deit^qav  Tijfievov  euiendiert  hat.  Her  dttreQog  Tijfievoi; 
ist  eben  der  lieX^Xnogi  (Phot.  bibl.  p.  444  b  29  EiQi.iiöov . . 
Tip  jJß^iXäiji  jctuitEÜUxüzoq  tqc   Ti^ftiviw  ngä^etg). 

Das  Kweite  Argument  von  Weil  wird  dunih  den  Stichu« 
de»  Plautiia  widerlegt.  Mit  Keciit  aber  bemerkt  Weil 
gegen  C'ibet,  iana  in  der  Sprache  <les  Sut^ntramas  durchaus 
kein  vulgarer  Ton  herrsche.  Und  darin  liegt  der  ürun^, 
warum  iidi  an  der  Autorschiift  des  Eurlpideä  Überhaupt 
xwuifeln  uiiisti,  Wäre  nur  der  Inhalt  hatisbackL'n,  ao  könnte 
man  «ich  den  Dichter,  der  o'ixüa  tr^äyfiac'  eia^ye,  gefallen 
lassen.  Wo  aber  Hndet  sich  bei  Euripides  eine  Übnliehe 
Sprache?  Dastu  kommen  drei  besondere  Kennzeichen,  welche 
iina  von  der  Tragödie  nnd  auch  vom  Satyrdranta  abfuhren. 
Auf  eines  hat  bereits  Cobet  aufmerksam  gemacht,  welcher 
zn  dem  SchliiSHe: 

tavi^  sattf  äate  ^ij  ^e,  ;rßog  x^g  'Eatiag, 
Qrrotttefr^atjg  rtffdßög  (;i  auvtpiLiaas.  40 

XOßlv  SiKaiar  xal  ifiXävitunov,  nateg, 
atnö  ae  taictjv.    et  de  fir^,  av  fisv  ßitf 
nfäitig  a  ßavi.ei,  rrjv  6'  ifn]v  iytö  ti^i^v 
nstgtiaoft'  tog  dei,  ^u^  fier'  aiaxvvijg,  (piqsti:  44 

trcfffnd  bemerkt :  idem  iisdern  verbis  Menander  dicere  po- 
tuisaet,  nam  nihil  siipra  soccnni  haec  assnrgit  oratio.  Eiiw- 
dem  modi  est  n^^;  irfi'EaTtag,  quod  poptilo  et  plebi  in  ori' 
est,  nun  beroibus  et  tragici.^  persouia.  Anazandrides  Athen, 
p.  i*i(>  D  oqn^  xt%ki]aet.  B.  ito  li,  /rgös  i^s'Boi/bj;;  Straton 
Ibid.  p.  382  D  «Wo  tl  nQÖg  i,päg  totta,  repöt;  i^y  'Eaiiai;; 
Nocb  schwerer  wiegt  der  /weite  Grund,  die  Elision  de«  ai 
IWO.  Plills*,-pbil<il.  a.  Mit  ci.  I  ■;• 


18 


Sifsuni)  lief  iihihn.-lihil')!.   (Uns 


in  einem  Triiueter  (44).  Die  Beispiele,  welche  Lobeck  zu  Boph. 
Ai.  191  nnch  gelten  lässt.  sind  beseitigt,  vgl.  N&ack  jiraef, 
p.  XV  i  nil  p.  762,  7l>8,  wr.  in  Fragmenten  des  Sthenelos 
und  Aguthun  yiyvtt'  Gberliefert  ist.  Man  darf  mit  Bestimmt- 
heit behaupten,  in  keinem  Trimeter  eines  trngischen  Dichters 
findet  eich  die  Elision  der  Endung  ni  im  Paesiv.  während 
üie  bei  Komikern  sehr  häufig  ist  (z.  B.  Meiiand.  95,  155, 
171».  290.  302,  310.  323,  326.  394.  404.  440.  462,  &09, 
535,  543,  548,  51)4,  5S5  a.  s.  f.).  Allerdings  eiiuht  man  die 
Elision  in  unserer  Stelle  durch  Aenderung  zu  beseitigen, 
durcli  nttQÖbo^iai  jioig,  durch  nEiQäao/^at  ötj,  durch  tijc  d' 
t^ijV  i]iietg  11X1''  ^ei^aöfiea&a.  Aber  tüg  öel  hat  vor  ^^ 
fist'  aiaxvvrjQ  den  besten  Platz. 

Endlich  drittens  kann  weder  in  einer  Trag&lie  noch  in 
einem  Sittyrdranm  der  ubsohit  prosaische  Ausdruck  tvxöf  (9) 
ertragen  werden.  Derselbe  kommt  nirgends  bei  tragischen, 
kommt  nur  bei  komischen  Dichtern  vor,  z.  B.  Men.  94  w 
Tixov  uEtahqt^Etat,  128  avtr^  yop  ^^^  tvxov  äva^tut  tivt 
}raQei.ofiinj  aov  navsa  nQüoitr^aei  naiiv.  Diese  drei  Kenn- 
zeifhen  weisen  mit  Bestimmtheit  auf  die  Komödie  hin. 

Um  KU  /.eigen,  wie  ein  gewöhnlicher  Inhalt  in  einer 
der  Tragödie  würdigen  Sprache  gegeben  wird,  führe  ich  das 
fragment  des  Ajetes  von  Sophokles  103  an,  dessen  Gedanke 
in  die  Komüdie  Qbergegangen  ist: 

deo'ßi-  ye  loig  ftsv  dvaaelielg  xaxüv  t'  ano 

ßXaOtovTag  Uta  itivods  ^cV  n^aoottv  xoAüg, 

rotg  d'  oiTos  sü!>Xovii  Ix  t€  yenaimv  Sfia 

yeyütag  tira  dvavvxeig  ne<fvv.ivat. 

ov  Xi'i*'  ccd'  ovitit  daiftovas  SvifTbiv  ttifji 

töaattv  ■  ixe'i*  y°V  ""^S  /**'*'  •l'«|3£I$  ß^otüiv 

txeiv  ti  xi^do^  ifi(pavfe  itttüv  näga, 

loti,'  ä'  oviag  o'dixwj  *ovads  t^v  ivayiiar 

Jixtp'  xaxiüv  ttfifügör  tfiipavii  tivtif 

xovdeiii  öV  olTwt;  t^iiix^t  xwxög  yeyt^s. 


Weddein:  Fragmente  der  ffriechischen  Tragiker.  19 

Bn  sehr  sprechendes  Beispiel  hiefÜr  gibt  auch  das  schon 
oben  erwähnte  Fragment  des  Euripides  909: 

ovdtfiiccy  äyrjoe  xaXXog  elg  noatv  ^vdoQOVy 

a^ferr^  d'  ojyrjoe  noiXag'  naaa  yag  ayad^rj  ywrj 

^ng  aviQi  ovvtitTjxe  aioq^veiv  iniatatai, 

nfwra  fiiv  ye  tov^^  vttolqxbi'  xav  aiAOQ<pog  t'  /rocjig, 

Xf^  doyLsiy  evfÄOQq>ov  elvat  tj  ye  vovv  xenTtj/iivr], 

ov  yoQ  ofpd^aXiAog  ro  hqivbiv  i,xvQiog  tad^y   dXkd  vovg. 

ev  Xdyeiv  d\  orcn*  %i  Xi^y  xqr^  doxelv,  xav  ^ij  Hyt]^ 

tdxnovtiv  av  rqt  ^vovti  nqog  xotQiv  fiiiXrj  xbKbIv, 

ifiv  d\  ijv  xccxov  nd&rj  t«,  avaxvO-QiOTrdCeiv  noaei 

aloxoy  fy  xoiyqt  te  Xvrrrjg  rjdovrjg  ir'  ixetv  f^^Qog, 

Nirgends  findet  sich  hier  ein  Ausdruck,  welcher  der 
trijipseben  Sprache  fremd  ist. 

Dagegen  erinnert  an  Ton  und  Sprache  unseres  Frag- 
mentes folgendes  Bruchstück  aus  dem  JvaxoXog  des  Menan- 
der  (12»): 

Tc^  XQr^udtioy  XaXeig^  dßeßalov  TtgdyfxaTog  • 

u  fiiy  yoQ  olad-a  ravra  naQafABVovvrd  aoi 

ug  Ticnria  voy  xQOvov,  (piXavte  firjdevi 

aiXiiß  fievadidoig,  avzog  wv  de  xvQiog. 

ci  ff^  di  aavtov,  ^f^g  tvxrjg  de  ndvt*  exeig, 

vi  Qy  ip&oyoirfiy  w  ndveQ,  Tovtwv  Tivi; 

avtr^  yoQ  oXkufi  zvxov  dva^ii^  Tivl 

7€€tQelofieyti  aov  navta  nQoaSiqaei  ftdXiv. 

diontQ  eyuyye  gnjfAi  deJyy  oaov  xQoyov 

£1  xvQiogf  xM^^^'  ^^  yevvaiiog,  ndxeq^ 

avxoy^  inixovqeiy  naatv^  einoQOvg  noelv 

oig  ay  dvyg  7rXeiotovg  did  aavzov  (1.  aavtov)'  totto  ydq 

ditdyaxoy  iati  xdv  note  7iTaiaag  xvxS^t 

Ixei^ey  eatai  zaitd  tovto  ool  ndXtv, 

TioiXip  di  xf^lxxoy  iaxiv  iiKpavrfi  q^lXog 

^  nXoivTog  dtparffi,  ov  av  xaxoQv^ag  exeig. 


20  Sitzung  der  phüo8,-philoL  Classe  vom  3.  Januar  1890. 

Mit  V.  24  flF.  unseres  Fragmentes  . 

Tj  Tvwg  dUaiov  ioTiv  rj  xalwg  e'xov 

xtjv  fiiv  dyad-wv  jM€  to  f^egog  lov  elx^v  Xaßelv, 

Tov  awanoQfjd-f^vai  di  ^tj  hxßelv  fASQog; 

vergleicht  Cobet  Menand.  bei  Stob.  flor.  68,  4: 

tüfv  fAev  dviaowv  ex^ov 
To  fAeQog  ändvTCJv,  xüv  d\  dyad-atv  ovdiv  (iiqog, 

und  Plaut.  Stieb.   133 

placet  ille  meus  mihi  mendicus:  suus  rex  reginae  placet. 
Idem  animust  in  paupertate  qui  olini  in  divitiis  fuit. 

Plaut.  Stich.  141 

ANT.    Certumne  est  neutram  vostrarum  persequi 

iniperium  patrisV 

PHIL.  Persequiniur:  nam  quo  dedisti  nuptum 

abire  nolumus 
erinnert  an  V.  34  fiF.: 

or'  r^v  sycti  nalg^  tote  a'  ^XQ'^^  ^rrBiv  e.fAol 
dvöo"  ({)  fue  dwaetg'  atj  ydq  r^v  rd^'  aiqeöig' 
inei  d'  aita^  dedcjxag,  iidrj  ''ativ,  7cd%Bq^ 
i^ov  axonelv  rovr'  xre. 

Nun  aber  erhebt  man  gegen  die  Herleitung  des  Frag- 
mentes aus  der  Komödie  den  Einwand,  dass  das  Versmass 
nur  der  Tragödie  angehören  könne.  Ich  will  kein  Gewicht 
darauf  legen,  dass  mehrere  Verse  wie 

10  ova\  ovx  av  dvTeiTtoi^t'  xaltoi  y\  w  irdteg, 
16  rp  (J*  0(j'  av  dQeaxfj  rdvögi  ravT*  ai%y]v  7toelv 
25  %wv  /itiv  dya&wv  /ne  rd  f^egog  tjv  elx^v  Xaßelv^ 

Tov  avvaTroQrjd^r^vaL  öi  fAtj  laßelv  ^iQog 
32  ixBlvog,  hregq);  ^exQi  noaov  rrjv  Tr^g  TvxfJS 

dem  Versmass  der  Komödie   nicht  fernstehen.     Ich  will  nur 
bemerken,    dass    wir   die  Weise   der   (mittleren   und)   neuen 


WtMein:  IfVcigmefUe  der  griechischen  Tragiker.  21 

EoiDÖdie  zu  wenig  kennen,  um  nicht  zuzugeben,  dass  in 
einzelnen  Partien  und  Situationen  der  Ton  sich  der  Tragödie 
aiherte.  In  der  That  finden  sich  unter  den  Fragmenten 
am&ngreichere  Partien,  die  im  Versmass  sich  von  unserem 
Fngmente  in  keiner  Weise  unterscheiden.  Beispieishalber 
oenne  ich  Antiphan.  94 

ta  yffiag^  c5$  arcov  fiiv  dvd-Qwnoiöiv  el 
itod^tivov  (ig  evdaifAOVj  cl^'  orav  nag^g^ 
ipl[&7lQav  dg  ^ox^rjQOv^  ev  keyei  ti  ae 
ovdeigy  xcmuig  de  nag  zig  dg  ao(pu)g  Xeyei 

iuhnl,  15,  wo  freilich  absichtlich  in  sieben  aufeinander- 
blgenden  Versen  immer  ein  Perfekt  Passiv  in  -tat  {dUana- 
^aK%€u^  dtiQ^XiOxaiy  natrjXorjri^ai  u.  s.  w.)  den  Vers  bis  zur 
?aesar  ausfüllt,  Alex.  25 

I«   ravTa  Xr^Qcig  q^Xfjvaqxuv  avw  xcfrw 
jivxsiov^  liTfLaÖTqpiBiaVy  ^Siideiov  jrilag, 
hlj^ovg  ooq>iarijv;  oidi  tv  rovrwv  x,aX6v. 
rrirwfiey,  ifÄ7civ(x)^€V,  io  2ixwv,  2iiicov, 
xaiQWfÄev  olg  eveazi  iijV  tpvxi^v  zgeq^eiv, 
tvQßa^e,  Mdvt]'  yaorgog  oidiv  ridiov. 
avxr^  naxTiQ  aoi  xal  naXiv  fxr\triq  fAOPtj. 
dQtral  de  /rgtoßelai  re  xal  OTQavrjyiai 
xofijioi  xevol  ipo(povaiy  dvT^  oveiQaTiüv, 
iln-^ei  G€  daifitov  T(^  vienqto^avii^  XQ^^U* ' 
V^eig  <J*  oo''  ttv  (pdyrjg  te  xal  Ttirjg  fnova, 
anodog  de  TaXXa,  IleQixXerjg^  Kodgog^  Kifxcov. 

Worin  unterscheidet  sich  in  Bezug  auf  das  Versmass 
ron  einer  tragischen  Partie  das  Gespräch  des  Kochs  in  der 
Udijoia  des  Alexis  fr.  149: 

ovx  lare  zalg  nleiataiac  twv  zexvüfv  oti 
ovx  dgx^zixTwv  xvQiog  zr^g  ridovrjg 
fiovog  xa&iazrjx\  dXXd  xal  zcjv  xQ^f^^^^^^ 
ovfißdXXezai  zig^  dv  xaXwg  ^f^w^xa/,  f^tglg; 


22  SitiHiig  der  jihUos.-philol.  Clane  rom  3.  Januar  t&90. 

B.  Ttolov  Ti;  Sü  yag  xofii  tov  ^tvov  ftaSeiv. 
A,  züv  ö\}ionoiov  axeioaai  zeiionüs;  /lövov 

dsl  Tori/'ov,  oiXo  d'  ovdi*.  av  (liv  oiv  ti'XJ] 

d  taita  fifXXiov  taSüiv  le  xai  xgtveiy 

eis  xai^öv  siätäy,  löftlijae  t»jv  Tt^yriV 

Of  S'   laie^iXjj  i^S  Tecayitivt^s  ax^iiig, 

loat'  ^  ngoo'itijaayia  x^iaiveiv  näliv 

tj  fiij  »Qooitciiaavxa  avvrtXelv  %a%i\ 

B.  üg  Tovg  ooq)iotäg  töv  piäyBtQOv  iyy^fio. 
A.  tatrjKait'  ifisls,  xäetai  de  fiai  jö  ntg, 

i}dti  itvxvoi  d'  ^Ttovaiv  'Htpaiaiov  xiveg 

xtn:(f<üis  UQÖg  tii&Qav,  oJg  ro  ylyvtaitai   tf'  (ifia 

xai  TtfV  TBXevT<^y  loP  ßiov  ittv^tl'S  %ig 

i-ö/40tg  aväyxifi   d-tofiog  ovj[  OQWfieyoq. 

Ich  verweise  Doch  auf  Alex.   174,  240.  268. 
Hiernach  wird  nna  die  Unterschrift 

EYPiniJHCCMOJPErATHV, 
würiii  K.  Holzner,  Wiener  Studien  XI  S.  170  f.,  Et^iftia>]g 
JMOC  EPPATHC  ä.  i.  deättntog  reyättje  erkannt  liat. 
nicht  irre  machen  können.  Wir  werden  die  Partie  dem 
Guripides  absprechen  und  der  Komödie  zuweisen,  mag  nun 
ein  Zusammenhang  mit  dem  Stichus  dfi«  PUntus  liHstebeo 
oder  nicht. 


i))  Zu  den  Fragmenten  An*  Aeschylns. 

23  o  taiffog  d'  eotuev  xvQl$ety  iiv'  {iqx''*i 

(f&aOavtog  d'  In'  effyoig  trijOftiiä^OBtai  vtv. 

Dieses  Franment,  welches  Hephästiun  ula  seltenei«  Beispiel 
fortgesetzter  Bacchieu  anführt,  bietet  mehrere  Schwierig- 
keiten, an  ilvreu  Hebung  luuu  nicih  vielfach  versucht  bat. 
Der  Form  und  dem  8inn    nnch  •^ivai.  unbrauchbar  ixt    tfätf 


WeeUein:  Fragmente  der  griechischen  Tragiker,  23 


I  m!¥€OQ.  Leicht  ergibt  sich  hieraus  äaavtog.  Vgl.  Cho.  421 
'  iaarrog  ix  fiaTQog  iaxi  d^v^og.  Hiernach  möchte  ich  im 
Torhergehenden  nicht  mit  F.  W.  Schmidt,  Krit.  Studien  I 
S.  108  ai-v  OQyq,  sondern  xat*  oQydv  schreiben.  Auch  Eur. 
Med.  106  scheint,  wie  Witzschel  gesehen  hat,  dox^lQ  i^nd 
o^ijg  Terwechselt  zu  sein.  Ausserdem  verlangt  die  Kon- 
«tmktion  von  n^mjdav  den  Gen.  (tc5v  lilXcjv  7TQon,  führen 
die  Lexika  aus  Lucian  an),  also  riqonrjdrfle^vai  v(^v.  Ueber 
in  tqfOig^  welches  immerhin  von  daavrog  abhängig  sein 
kernte,  lasst  sich  wegen  mangelnden  Zusammenhangs  nicht 
arteilen.  Doch  kann  ich  die  Vermutung  nicht  unterdrücken, 
da»  es  ans  ivagywg  entstanden  ist.  Jedenfalls  würde  nun- 
mehr der  Text 

6  tav^og  d'  eoixev  xvQi^etv  xar'  ogydvy 
aaavxog  S*  ivaqywg  jiQOTtrjdriaetai  vqiv 

verständlich  sein:  „Der  Stier  droht  im  Zorne  mit  den  Hörnern 
ZD  idossen;  augenscheinlich  nicht  zu  besänftigen  wird  er  uns 
beiden  vorspringen*.  Das  Bruchstück  gehört  den  BaaaaQai 
an,  der  Stier  ist  also  Dionysos. 

57,   10    xvnivov  d'  eIxwv  äad^  vnoyaiov 
ßQoyrf^g  qtiqexai  ßaqvxoQßrig. 

Geringere  Handschriften  bieten  teils  eix^^v  teils  i^x^-  Daraus 
erkennt  man,  dass  uxiiv  nur  dem  Bedürfnis,  den  Hiatus  zu 
besi*itigen,  seine  Entstehung  verdankt.  Da  elxtjv  neben  üare 
anbranchbar  und  an  und  für  sich  ungeschickt  ist,  niuss 
fjxo'  als  ursprünglich  gelten.  Vgl.  Prom.  1116  ßQvyJa  d' 
fjjw  TiaQafivxatai  ßQOvtf^g,  F.  W.  Schmidt  hat  mit  lyV'^ 
nnarav  d'  die  avydq>eia  der  Anapäste  aufgelöst,  Herwerdeu 
ändert  zu  viel,  wenn  er  x^ia^'  wcoyaiov  ßQOvri^g  tvndviov 
{{na  q^^ezai  ßaQvzaqßr^g  schreibt.     Es  genügt 

tvndviüv  i]X^  ^'  üiod-^  vftoyaiov 
ß^ovzifi  ß^fietai  ßaQvtaQßtjg. 


21  Sitiung  tier  iihilos.-phüol.  CluMe  voni  3.  Jutiuar  IH90. 

Tvndvov  ist  wahrwh  ein  lieh  anter  dem  Eiuflass  vnn  ifnoyaioii 
entstanden.     B^ifjctat  bat  F.  W.  Schmidt  (fefuii<)E-n. 

itqiv  di^  fiaQOvün  datfxoviav  ttg  evtf^vwi 

hikt  HertnnDn  entnominen  ans  dem  Schol.  zu  So])h.  AI.  833 
q/ijoh  di  TTE^i  aitov  (über  Aias,  der  nach  Aeschylos  nor  &b 
der  Achsel  verwnndbar  war)  ^hzii-Oi  Sri  xai  tt,  ^lifOS 
Ixäi^fTteio,  oi'dafif,  ipäidoptoi^  rov  nßf^oä  'D  '^f^fi'  ^oSsi" 
wg  tig  f.yteivtüy,  it^iv  dr^  tig,  ipr^al,  n  a^otaa  äalfnav  tdei^ 
otTfji  xatä  no'tov  (ifQog  de*  yi^i\aa(}!>at  rfj  a<fayf^.  Mit  Un- 
recht hat  Hermann  tyafiifte  geschrieben;  das  Imperfekt  ver- 
langt der  Sinn  wie  die  Uebertieferung:  iitäiinxeio  scheint 
aus  «x«|U/n£  und  der  ersten  Silbe  von  tö^ov  eiit.itanden  xn 
»ein.  Zweitens  ist  bei  dem  allgemeinen  Ausdnuk  die  Be- 
zeichnung einer  weiblichen  Gottheit  unmöglich.  Vgl.  Soph. 
Oed.  T.  1258 

XvoaÖivTi  d'  atT((i  dai[i6yfiv  deUvvai  iit;. 

Endlich  scheint  das  willkürlich  biiiznget'cigte  eirpQovwg  dem 
Sinne  wenig  ?.u  euteprecbeti,  du  eine  »otche  Handlung  mehr 
eine  feindliche  (iesinnung  verrät.  Der  Gedanke  aber  xatä 
noiov  fttQog  Ott  xe^oooitat  tf,  o<foyj  wird  in  der  Sprache 
der  Poesie  einfach  mit  t''>  xalgior  wit-dergogeben.  Htemaob 
mSchte  ich  vermuten : 

Exa^itTB,  tö^ov  äg  iig  ivieivwy,  ^iif(tg, 
n^iv  ^i)  rra^iijy  rig  dainäviov  x6  xai^tov 
iätiiev  m'tifi. 

09.  20  :t^g  ov  Jfioixa  fit^   ti  f4nffyaivwy  6oßi 

ACTYIJ^PB^P-I'ON  diiäaji  «  Kai  nä9j}  xcxör. 
leb  habe  öoq!  f(ir  JOPlil  gosi-lzt.  weil  in  Z.  4  auch  tum^y 
fllr  VV  Ol  V,  5  ^M-ßywMi  für  §vröovi,   15  rfi}oytiXtiy  fOr  y^wr- 


Weehiein:  Fragmente  der  griechischen  Tragiker.  25 

«w,  20  iti  für  XI  geschrieben  ist  und  die  Form  doqeL  nur 

fSr  Sophokles  bezeugt  wird,  während  Aescbylos  sonst  überall 

Aifc   gebraacht    hat.     Freilich   bedienen   sich    die   Tragiker 

jwi5t  nur    der  Form   fiaqyav  und   da   der    Papyrus  M^PF 

AlAJOP^l  mit  N  über  AI  bietet,  niuss  es  sich  fragen,  ob 

es  nicht  ursprünglich   fiaQyoiajj  %bqi   geheissen  hat.     Vgl. 

Bor.   Hek.   1128    fAaQyioaav  xiqa.     Für   aarvneQßaQvov    hat 

Weil   arvniqßcnov^    Bergk    vneq   fioqov    oder    vtibq   ßgoToVy 

Herwerden  und  Nauck  irtiqxarov  geschrieben.    Keiner  dieser 

Ausdrücke  gibt  den  entsprechenden  Sinn,   am  wenigsten  der 

Superlativ    VTtiqvaiov.      Das   gebräuchliche   Epitheton   einer 

That^  weiche  todbringende  Wirkung  hat,  ist  oVi^'xcaTov.    Vgl. 

Che.  514    oprjxearoy    naOog^    Eur.  Hipp.  722    XO.  fxeileig 

ii  dr^  %i  d^y  ari^Ataiov  vloxov;  (DAL  x^aveJv,     Dafür  sagt 

.\e&chjlos  auch  d^atarog  Ag.  1468  d^varatov  akyog  e^Qa^ev, 

Diese»  Wort  ist  hier  das  allein  geeignete:  d^voxatov  dqaoi] 

tt  xai  zidd^ff  xcTKOv. 

117.  Hesych.  avvoqiy^iovog  7[6T(,tov'  öoov  eavvov  ege^e 
xai  xcerevdig  eccvTOQey/itovog ,  nagd  ro  ogeyeip  xr^v  x^^Q^- 
AioxiXog  KQT^aaaig  will  Hermann  also  schreiben:  avxoQey- 
uot^og  /iOifiov  olov  taviov  ^fdge^erai  '/.axev&vg  avxogey- 
uorog  \  rrotfiov^ ,  Damit  ist  dem  sehr  prosaischen  Worte  xa- 
t€t9ig  poetischer  Wert  beigelegt.  Dieses  Wort,  welches  L. 
Dindorf  in  naxe^vae  hat  verwandeln  wollen,  bezieht  sich 
auf  die  zweite  Ableitung:  „geradezu  von  ogeyeip" .  Die 
Worte  sind  nur  durcheinander  gekommen :  avxoqfyfxovog 
.xdwfiov '    oiov   iavxoqiy^ovog   ov    eavxov   tgei^e,    f   xatevO^vg 


:faqd  ro  OQeyeiv  xry  xec^a. 


160  xai  dofxovg  lin(fiovog 

y.avaid^aXwau)  7iiQ<p6qoiaiv  alexoig. 

Zu  dieser  Parodie  aus  der  Niobe  des  Aeschylos  Aristoph. 
Vö.  1247  bemerkt  der  Schol.  xegaworpogov  ydg  to  Cofov. 
Das  mag  sein;   aber   man    hat   einen    Scherz   des  Komikers 


26  Sitzung  der  phüosrphUol.  Glosse  vom  3.  Janu4 

übersehen.  Augenscheinlich  stehen  die  aleroi^ 
Hähne*,  nur  dem  Herrn  von  Wolkenkukukshd 
fügung,  während  Zeus  Blitze  zu  schleudern  pflegt 
hat  also  geschrieben:  nvqcpOQOioiv  dorga/tatg, 
431  Toy  TTVQqiOQOv  vLegavvov^  Soph.  0.  T.  20< 
äoTQanav. 

242  odwv  Talg  ayvaig  naqd-ivoig  ya^rjkitov 
XexTQiov  aoTei  ^tj  ßXenfxatijJv  ^ertBi  ßoXr^, 

Man  hat  ycifuov  yog^  aldol  yoQj  xarw  ycf^,  f4uk 
adiov  Talg  und  Xiy.TQCov  a/rci^ijg,  XixTQiav  anuqp 
Nach  Soph.  Ant.  269,  441  ig  nidov  xoQa  vevaai 
frg.  243  viag  yvvamog  ov  fue  ^^  ^^  ffkiyiOi 
ijTtg  dvÖQog  ^  yeyevfiivrj ,  welche  Stelle  ursprti 
nach  der  obigen  folgte,  denke  ich  an 

niöoi  fABv  ayvaig  naq&evoig  ya^riXlwv 
lixTQiov  äyevoToig  ßXe^uaTwv  ^inti  ßoX% 

254  10  7covgy  dfAiiGaß  a\ 

aber  nicht  w  7covg^  ag^ijaw  ae  hat  Philoktet  b< 
ebenso  gerufen,  wie  der  Philoktet  des  Sophokles  c 
lemos  zuruft:  dfvafirjoov  o5g  ToxiOTa  (rdv  noda), 
ist  citiert  bei  Maximus  Tyrius  XHI  p.  241  ^w  n 
ac"  6  OikoxTrlTfjg  Xeyei,  avd-QwnSy  aq^g  xal  fjt 
loidoQOv  Tolg  q^ikTOTOig  fATjdi  evoxXet  rijV  ^rjfivi 
y^dvaTE  iraidv'^  el  uiv  TavTa  Xiyetg  dXkatzofji 
xaxov^  ovK  dnodexof-iat  Ttjg  ei'X^g  xtI.  Sollte  . 
nicht  einfach  heissen  ^lass  es*",  sondern  sich  a 
hergehende  Stelle  beziehen ,  so  müsste  man  a/ 
setzen. 

304,  9  del  di  /aiaei  tcSvcJ'  a/t'  aiXov  elg  tona 
dQVfdovg  FQTifAOvg  xal  ndyovg  dnoixiel. 

Es   ist  vom  Wiedehopf  die  Kede.     Scaliger  dach! 


Weddein:  Fragmente  der  griechischen  Tragiker,  27 

Bailipnjg  ronov^  Heath  vermutete  rwvd'  dnaüayeig  to- 
«4tfr.  Weder  das  eine  noch  das  andere  kann  richtig  sein, 
v€il  wegen  au  fjtiaei  nicht  eine  besondere  Oertlichkeit,  son- 
dern die  besondere  Eigenschaft  eines  beliebigen  Ortes  an- 
gegeben sein  mnss.  In  Erinnerung  an  die  Abbreviatur  von 
Sw^fiairog  und  am  den  Gegensatz  zu  £^'jUOt;g  hervorzuheben 
mochte  ich  äel  di  fiiaei  tüv  biC  dvd-QWJcoig  totkov 
fchreiben.  Wie  ich  nachträglich  sehe,  erwartet  auch  Oder 
.Der  Wiedehopf  in  der  griechischen  Sage*,  N.  Rhein.  Mus. 
43  (1888)  S.  542,  den  Sinn  „aus  Hass  vor  menschlichen 
Wohnstatien*'  und  findet  einen  Anklang  an  unsere  Stelle  in 
Ad.  Tiergesch.  III  26  o'i  tJtonig  eiatv  ogvid^ojv  drtfjviatatoi, 
wai  fioi  doxovOi  rußv  nqoxiQwv  twv  QvO-Qionix,üfv  ev  f^vijfArj 
mal  fiivTOt  xal  piiaet  xov  yerovg  %ov  zwv  yvvaixwv  V7r07tli- 
TUtp  rag  xaXidg  iv  talg  iQ^fioig  xal  tolg  ndyotg  roJg  vilrtjXolg. 

362  diX*  ovre  noXld  tqavfjiai'^  sv  OTtQvoig  laßciv 
ihn^axii  xig^  el  ^ij  tiqfAa  avvxqixoi  ßiov, 
off'  iv  (niyij  tig  r^f4evog  jioq'  eoxiff 
^eu/«i  XL  ^aXkov  xov  jterrQWinivov  ^oqov. 

Kann  der  Ausdruck  xiq^a  ovviqixoi  ßiov  genügen,  um  das 
vom  Schicksal  bestimmte  Ende  des  Lebens  zu  bezeichnen? 
(}ed.  T.  1530  heisst  xiQfia  xov  ßiov  das  Lebensende,  nirgends 
die  von  einer  höheren  Macht  gesteckte  Grenze  des  Lebens. 
Man  erwartet  deshalb  si  ^i}  i^oIqo  avvxqaxoi  ßiov  (^wenn 
nicht  der  Anteil  des  Lebens  damit  zusammenfällt*).  Vgl. 
Herod.  III  142  fioiQav  xi^v  ewvxov  i^inlrjaet  Hom.  J  170 
af  x€  ^drrjg  xal  nox^ov  dvankr^aijg  ßioxoio, 

• 

7.  Zu  den  Fragmenten  des  Sophokles. 

22  äöntq  ydq  iv  (fvlXoiaiv  alyeiQOv  fAaxQcg 
xav  aXXo  ftrjdiv,  dXXd  xovxeivrfi  xdqa 
xiVT^ajjg  avQaig  dvaxovifiZei  rixeqov. 


28 


SiUung  der  philot.-phüol.  Clant  vom  3.  Jam 


Herwerden  vermutet  »AiV«  rig  ai'ßo  xavaxovqii^ei  neo^, 
Diudorf  vuve't  tig  ai-qa  itävaxoi'ftXei  nttdöv.  P.  W.  Scbmidt 
schreitit  ^tiiov  fdr  itTt^öt;  Oompera  nähr.  Meine  Bemer- 
kung «legendum  Kiffj  tit;  avqa,  ndvta  Yjjvfpi^ei  »Td^y 
(omiiiu,  mnii  fuüii,  nmventur,  tülluntur,  evoliint).  Cum  lo- 
cutione  xouy/teif  ujeqÖv  cf.  Ai.  1278  SA^a  xovtfiieU'*  hat 
keine  Beachtung  gefninlen,  offpnliar  weil  mau  sich  über  den 
riebraucli  von  xc*  täiiacht.  Der  ellijitische  Oebniiich  voo 
xav  kommt  bei  den  tm^iucben  Dichtern  nur  in  Verbiiidtntg 
mit  öh'yoe,  oftiXQÖg,  ßQayvg  vor.  Vgl.  Sojih.  El.  1483  oiW 
fwi  iiö^ei;  xav  antxqov  Ehitiv.  Eur.  frg,  418  stSr  afiix^ä 
ai!iQoi\  wie  auch  Snph.  frg.  375  Nauck  mit  Cobet  wohl  mit 
Hecht  MV  (idaxiy  t^ov  ^et^chrielien  hat.  In  un.sen-n)  Fmg- 
ment  kann  überdies  der  Sinn  nur  sein:  .Denn  wie  in  den 
Btätteru  der  hohen  Pappel,  wenn  ein  Luftzug  auch  nur  den 
Wipfel  derselben,  sonst  nichts  bewegt,  alles  sich  buwejjt  und 
auffiattert' .  Es  soll  ja  das  Citsit  bei  dem  ^chol.  zu  Hom. 
ij  106  die  Betibaelitung  i«  efHXa  trjii  aiyiiQov  .  .  sinUn^a 
^ffdlwi;  xai  t.iö  it^otW^t:  aiQoi;  illuHtriercn.  Unglücklich  ist 
darum  die  Conjeetiir  von  F.  W.  Schmidt  tug  tv  itvtiXatair 
yäff  a\yt!qov  /laxfä^  xar  öXXo  fitjd^v  xir.,  dpnn  bittni  Ijturme 
liewepen  sich  die?  Blätter  filier  Bitumo. 

AÜ  ei  inxtiög  äh  rä  fpuiXa  vixilaai  t%v>. 

Eint;  merk  würdige  Erklärung  von  fpaila  geben  uns  die 
alten  Grammatiker  (F'hot.  Lex.  p.  fi43,  8,  Etjra.  M.  p.  789, 
i'.\^  Sitid.  II.  ff^i'Xov  u.  \\):  ifatXuv  teäeif}  ov  xai  irrt  foü 
ftsyälov.  Diias  diese  Deutung  unmüglich  ist,  hat  bereits 
EUendt  bemerkt.  Augenscheinlich  iät  die  Deutung  nur  fdr 
diese  Stelle  erfunden.  Mau  uum  aber  durchiins  /.ugif^tti^ben, 
das«  der  tiegeusat-/  zu  fitXQog  öiy  diese  Uedeiitung  unbedingt 
fordert  Was  also  ist  anzmiehmen?  Oirenbnr,  ditis  bereit« 
dem  alt^en  Graniumtiker.  von  dem  die  Erkliirung  herrOhrt,  aiDo 
verdorbene  Lesart  vorlug  und  dass  Sopbokli«  geschrieben  hat: 


Wrckidn:   Frafimfiilt  der  {irieehinriim    Tragitri;  2fl 

Vgl.  Hes.  yal^oi;-  m'öödijs,  ae^vog,  fttyaXon ^tni^g,  f 
ftetiuiQoi;.  EiQinldtji;  (ßilaxz^rjj  (f'rR.  788  ovöiv  yäg  oirui 
jraiQOr  mg  oVijß  «V')-  Fragni.  44  luiiss  t-ntweder  alxfiöäetog 
(Hesyth.)  otler  aijiftöhioe  {Etym.  M.)  ein  falscht-r  Text  ge- 
wesen sein.  Ein  nuftnUeniles  Beispiel  eines  weit  znrück- 
liegenden  und  einflussreichen  Textverderbitisses  bietet  uns 
das  Wort  fivfdög  (stumm).  Dieses  wird  bei  Arkiid,  p.  48. 
11  und  Steph.  Byz,  h.  Bäläog  unter  den  Oxytona  auf  dog 
MitgefUlirt.  Gebrmitlit  hat  das  Wort  Lykophr.  1375  und 
Kallim.  frg.  'idO.  Mit  der  Krkläruii);  aifiavog  bietet  uns 
mtth  He«ych.  ftvvdog  neben  ftvöog  (vgl.  ^ftrög,  nmtna). 
Woher  fttamnit  diese  merkwürdige  Form?  Die  Antwort  gibt 
nna  du  Etym.  M.  p.  595,  1  ftvväog  (X'Vi's."  — f^yr/x^^'  6  fn, 
atdüv.  o&tv  xal  tiXoifi  a/iu  iXi.inij  ti^v  otia  f^^O',  verglichen 
mit  dem  Citat  bei  Athen.  VII  p.  277  B  (und  Clem.  Alex. 
Strom.  VI  p.  787)  xaia  yog  röf  Soq'oxUa  ,x°6°i  <^  ävav- 
äiov  ixUroiv  fVcggöyei"  xti.  Nicht  ist  hier,  wie  Berj^k  und 
Diudorf  tbun,  X'^G'^9  ^*  fii'i-düv  txtfii^v  zu  i^chreibeii,  sondern 
aus  der  Verderbung  y<m  J^N.-tYJliN  m  JEmrNJÜN 
ist  die  falsche  Form  {twiäg  abzuleiten,  die  bei  dem 
inangeüiafteu  Sprachgefahl  der  Späteren  eine  ge- 
wisse Geltung  gewonnen  hat.  Ganz  ähnlich  verhält  es 
seh  mit  der  Form  jo^ß  =  iStiaüa  im  Etym.  Flor.  p.  153 
f^dua!>a  dt  xorö  myttoin'iV  loila  ygäycroi  /verä  lor  /,  Ei- 
t^ni&tjii  tlrjXei  f,iiiqeafiev,  öü'  ovx  ^ait'  öV  ov  nagövia  fis'. 
^B^S  6  MtXtjoios.  Dass  hier  jjOäävov  zu  lesen  ist,  hat  erst 
0.  Wolff  bemerkt.  Mit  Unrecbt  hat  man  dem  Schoi.  xu 
Uüta.  ^  423  xP'"'''^'"  ^'  "*<**  nktiovtg  öilot  xwv  fcottjtwv 
rj  xazä  övri  r^g  hii.  — ogn>s(i^s  i.*y*"  *"*'  avtöy  tag  OQ^g 
i^QjjDfim'  (Trg.  812)  geglaubt.  Der  Schol.  ist  getäuscht 
worden  durirh  die  Vertnuschung  von  /jeio  und  xaio,  welche 
in  den  Handschriften  bäuGg  ist  und.  wie  eben  der  V.  424 
a.  0,  zeigt,    schon    in    alter  Zeit    vorkam.     Wir    haben   also 


30 


■SiliHiiy  lUr  iiliilos.'iibihil.  f'hii 


iytö  uet'  aizöv  .  .  .  i^i^x^/iai  zu  setKen.  Ebenen  beruht 
äfiaqieiv  im  Hinne  von  tixolovlteiy  trotz  des  Zeugnissps  de» 
Kustathiiis  II.  p.  592,  21  gewiss  nur  auf  falscher  Uebei^ 
HefeninK  und  tat  Eur.  tiSU  öfja^ttiv  zu  schreiben.  Nach 
Strab.  VIII  p.  364  sollen  Sophokles  (<i82)  und  Jon  ^4  ^^^ 
^äiQv  gebraucht  haben.  Nanck  meint,  ^  sei  das  Homsriscbe 
^ia.     Vielleicht  liegt  nur  eine  Verwechslung  mit  ^a  vor. 

85  td  xßT,'^ai'  dv&^irotaty  edgiaxei  qitXovg, 

ivgavyldog  9axoiaiv  ay^hiiiv  tigay. 

För  oyxiatfiv,  wofür  Handschriften  auch  alaxiaztjt'  und 
i]3iaTtjV  biete»,  bat  M.  Schmidt  faxarr^y  vermutet,  was  nach 
821  i,aiai  yöq  "(Jpp  Zevf  iy  eaxäi^  !Ut5y  sehr  piissenil  er- 
schiene, weun  nicht  vne^cötrjg  vorherginge.  Die  tudelnden 
Hpithetn  alaxlottiy  und  ^;;if(Vi^i'  (das  letztere  hat  Oaisford 
vorgesuh lagen)  liegen  dem  Sinne  der  Stelle  vollkommen  fem; 
iiber  auch  ifilatijv,  offenbar  eine  Correctur,  i^it  iinf^eeiguet, 
da  eher  von  Macht  und  Grösse  die  Hede  sein  muss.  Hat 
Dindorf  lex.  Aesch.  unf«r  äyytaiog  Recht,  wenn  er  fOr  A^. 
268  ayx'Otov  ,  .  ftoytirp^ov^ov  f^xo^;  die  Form  oQX'Oioy  sta- 
tuiert, so  bann  man  hier  ÖQxif^l*'  i'd^y  schreiben.  Aber 
diese  Form  uiu^  doch  als  zweifelhaft  erscheineu.  DeahiJb 
vermute  ich  oßz*«^'»'  fdg«"'.  Vgl.  Oed.  K.  1293  loig  aolg 
naväqxo'S  ey^axelr  i/gavoig.  In  V.  11  desselben  Fragment« 
beisst  es  von  dem  Reichen  weiter 


fioyi^  i 


Man  kiinnt«  an  x.ai  voaarvt'  /$ovala  denken,  nber  ilie  Ver- 
besserung von  Meiueke  xav  vöaoiy  ^yovai^  scheint  schon 
dedhalb  den  Vorzug  zu  verdienen,  weil  i^waia  näqtaxiv  kein 
gewählter  AuMirnck  ist.  Wunderlich  aber  mutet  uns  der 
Gedanke   au,    dass  der  Reiche  sich  in  der  Krankheit  frenen 


mm 


Wecklein:  Fragmente  der  griechischen   Tragiker.  31 

9oU.  Er  kann  sich's  wohl  sein  lassen,  aber  zur  Freude  werden 
ihm  seine  Schätze  doch  nicht  verhelfen,  wenn  er  von  Schmer- 
aeo  heimgesucht  wird.  Ich  nehme  die  auch  anderswo  sich 
indende  Verwechselung  an  und  schreibe 

ffor<p  di  xXitiv  xdv  voatjv  ^vovaif^ 
fta^eoTiy  avxi^  xanoxQv/iTead'ai  ncmd, 

132  führt  Nauck  als  Fragment  des  Sophokles  JSikijvoi 
an.  Das  Schol.  zu  Theokr.  IV  62  lautet  nicht  zovg  aatv- 
fcng  nJLelovg  q^rfliv^  wg  xal  toig  JSeilr^vovg  xai  Flavag  xt£., 
sondern  nach  der  Ausgabe  von  Ziegler  und  wie  der  Text  ij 
Snr^axoig  lyyv^fv  ^  lldveaai  erfordert,  in  dem  allein  die 
Mehrzahl  der  Pane  auffallend  ist,  tovg  Ilavag  nXelovg  (ptjoiv, 
tig  wai  Tovg  Stikrp^ovg  nai  aatiQOvg,  ijg  AlaxvXog  ^iv  iv 
riavTU^y  SogKfxXfig  di  iv  l4vdqoixid(^.  Wie  wir  aus  dem 
Schol.  zu  Enr.  Rhes.  36  wissen,  dass  Aeschylos  von  zwei 
Pbaen  gesprochen  hat,  muss  sich  wg  yiiaxikog  .  .  livd^o- 
läfdif  aaf  %ovg  llovag  nlelovg  qnjoiv  beziehen,  also  auch  in 
der  Andromeda  des  Sophokles  von  einer  Mehrzahl 
von  Paneu  die  Rede  gewesen  sein. 

142  ti  jKOPia  nqaaatav^  wg  6  2iav(fog  noXvg 
ivdf^ijog  iy  aol  nccwaxov  i^rjTQog  jrairiQ, 

Sehr  schön  hat  Nauck  die  Schlussworte  mit  einer  kleinen 
Aendemng  umgestellt:  2iavq^og  nattjQ  und  ^rjTQog  noaig. 
Aher  nicht  Sisyphos,  sondern  Laertes  ist  als  jroaig  der  Anti- 
Ueia  zn  bezeichnen.  Vgl.  Trach.  550  ravr'  ovv  (poßovfiat, 
ptr^  nooiQ  fiiv  ^HaonaXTfi  f.fiog  xaXijvai,  Tt]g  vewteQag  d'  dvrJQ. 
Deshalb  vermute  ich 

<tf  ndvta  nQdaaoßv^  wg  6  2iavq^og  natrfi 
ivdr^Log  iv  aoi  ndvta  xov  fitjtQog  noatgj 

m  dasB  der  Sprechende  zu  Odysseus  sagt:  „in  allem  zeigt 
ideh,  da»  Sisyphos  dein  Vater  und  Laertes  nur  der  Gatte 
deiner  Mutter  ist**. 


S2  Sili<.'i;i  ,kr  ,-}olm_.i.haM.  Chi»---  i-<"><  3.  J»»a,ir  U 

226  aotföii  yaq  oi'Jcig  ttJ.ijV  ov  Sv  ti/tq:  9e6e. 

äXV  eig  Oeoig  S^üyta,  xav  i'^w  dixtjg 

XtoQeiv  xe^Guj;,  xelo'  ödoittoaEiv  x^ewv ' 

ato/ßoy  yüg  ovSiv  wp  v^i^yotnai  Ifeoi. 
Wir  hören  einen  Sophisten  reden,  welcher  einen  anileren, 
<iein  sein  HechtsgefiUil  verbietet,  den  gewünschten  Schritt 
zu  tliun,  damit  xu  beruhigen  sucht,  dasa  er  auf  Hen  wahr- 
scheinlich durch  ein  Orakel  kundge^elienen  göttlichen  Befelil 
hinweJHt.  .Du  willst  deiner  eigenen  Weisheit  folgen,  aber 
weise  ist  niemand,  ausser  wer  die  Uottitett  ehrt.  Wohlan, 
auf  die  Gottheit  musst  du  blicken  und  musst,  wenn  ihr  Be- 
fehl auch  aus  den  Schranken  des  Rechtes  hinausführt,  ihm* 
Führung  folgen.  Denn  unehrenhaft  ist  nichts,  wozu  die 
GOtter  anleiten*,  üicriu  tiiide  ich  richtigen  ZusammeDhang 
und  möchte  weder  mit  Mciueke  den  ersten  noch  mit  Naack 
<len  letzten  Vera  von  den  fibrigen  trennen.  Dagegen  mtm 
sowohl  wegen  des  vorhergehenden  ittög  als  auch  damit  xa- 
iU(.7;  Aktiv  sein  kann,  im  »weiten  Vers  Jkl'  fig  iitöv  it' 
uiiwvia  ge.schriflben  werden. 

237  r^oxt's  t^^'i?  xtQxvog  e^ofimaiai. 
Der  Vers  handelt  ntQi  tijg  anotavQovtiivt,g  'lovg.  Mir  ist 
)[tlfiyijg  unverständlich.  Auch  Nauck  bemerkt:  •/Ei.W't^g  oor- 
rnjitum.  xoQwrrjg  M.  Schmidt,  igu^'^  ^*  T""'^i;  xigX'OS  ^fio* 
rieiat  Herwerdeii,  Wiirura  .■schreibt  man  nit^ht  das  am  näch- 
sten liegende  %i).ivT,g^  Die  :t«rte  Lippe  der  .lung^n 
verwandelt  sich  in  eine  ruulie  und  haarige. 

283  Hesych.  cintQ!}ivti%og  äxioatog  xa!)aQä.  SixfOxXyg 
'//rniivi^.  Vgl,  Bekk.  Anecd.  p.  418,  It  öuafifiytiftog'  oxi- 
eaiog,  xaäa^g.  Ausserdem  fllhrt  Hesych  noch  an;  anof- 
itiretia'  oi  ngirtovta  rfUQÜivotg,  iio^oxlifi  'Iq'iyertif  tj 
if  ^vMdf.  Die  Stelle  ist  Eur.  Iph.  A.  9!)3  änatdtrtvta 
fiif  lädi.     In    iihnlichem  Sinn    heiicit   es  Eur.  Phoen.   1739 


WeckUin:  Fr<igmente  der  griechischen  Tragiker.  33 

i.fuui  :jaiQidog  OTronQO  yaiag  dnaQd-ivevt^  okaffdiva.  Diese 
Bedeutung  «teht  in  bestem  Einklang  mit  der  von  jraqd^e- 
rtica^ai  «in  jungfranlicbem  Stande  leben **,  wie  naQ&eveveiv 
Eur.  Hik.  452  ,als  Jungfrauen  auferziehen''  heisst.  Wundem 
Aber  moss  man  sich  Ober  die  entgegengesetzte  Bedeutung 
«anTersehrt,  rein''.  Zur  Erklänmg  dient  höchstens  die  Ana- 
logie ¥on  xoi^eiVy  KoqtvBa&ai,  Es  findet  sich  /.oqtveiv  im 
Sinne  Ton  devirginare,  wofür  sonst  iiai^oqevBiv  gesagt  wird. 
Daneben  steht  xoQsvead^ai  Eur.  Alk.  312  av  d'  w  Tenvov 
tHH  fiiag  xoQivihf^arj  xakaig  im  Siune  von  icaqd^svevead-ai. 
Sehr  gut  hat  auch  Jon  1084  für  xoqevoiiBVM  Musgrave  xo- 
fat>^4<rai  hergestellt  mit  der  gleichen  Bedeutung.  Trotz 
dieser  Analogie  würde  man  an  der  Bedeutung  zweifeln  und 
eher  an  ein  MinsTerständnis  glauben,  wenn  sich  nicht  eine 
Belegstelle  fände  bei  Athen.  XIV  p.  622  G : 

aof ,  Baxx^^  tdvde  (iovaav  dykatCo^ev, 
CTwXol'Y  ^d^fiov  x^ovreg  aloXiit  fiikei, 
xaivav^  dnaQ&ivevTOVf  ovti  talg  icaqog 
xexQr^fti^ov  i^dalaiv^  d)X  dxriQctiov 
xard^ouev  %6v  v^vov. 

Dieses  Fragment,  in  welchem  der  richtige  Gegensatz  zu 
czf^fOToy  durch  XBxqiiJiivav  (, geschminkt,  gesalbt**)  ge- 
wonnen wird,  könnte  man  geneigt  sein,  auf  obige  Glosse 
hin  dem  ^Innovovg  zuzuschreiben;  aber  für  eine  Tragödie  — 
ab  eine  solche  ist  der  ^Injiovovq  bezeugt  —  dürfte  sich  der 
änn  wenig  eignen.  Porson  (zu  Eur.  Hek.  2)  schliesst  aus 
Atb^i.  p.  624  F  ngaTivag  di  noi  q>rjai 

fifjff€  avrtoyoy  diwxe  iir[fB  %dv  dveifdivav  laazt  fiovaav 
dlXd  tdv  fiiacn^  vewv  ixQOVQav  aloh^e  T(p  fiiXei. 

auf  Pratinas  als  Verfasser.  Aber  auch  dieser  Schluss  ist 
sehr  unsicher.  Uebrigens  kann  ich  in  dem  letzten  Fragment 
roy   fuaav   v€wv   QQOVQav    nicht   verstehen.      Der   Sinn    soll 

ima  FUkML-philol.  a.  hkt.  CL  1.  3 


34  Sitiung  äff  phüot.-phitol  CtoMie  vom  .1.  Jnnani    IHOO. 

offenbar  sein:  »den  Mittelweg  einschlagend*,  also  täv  fiiaar 
te/4(äv  ÖQQveap.  Vf^\.  Plat.  Prot.  ji.  338  Ä.  ftiaor  ti  ..  ie^«ö-, 
Ges.  p.  793  Ä  fiicoy  di  tiva  (ßior)  rt'^vEiv  oei,  Pfililik. 
p.  226  B  ßia  fiiaiiiv  öoipctltazeQov  Uvai  lifiyovtuii- 

297  iv  Jtög  iir,nots  aQoialtai  ftovvov  eiöalftoyoi  oifJov^. 
Qeima&th  vermutet  fv  j^idg  xr^Tcotg  ÖQovat  fiol-noy  aydfue 
okßiui.  Da  der  Begriff  ägoiaifai  wenig  geeignet  iirt,  hnt 
Bergk  an  öevta^ai  gedacht.  Auf  das  Hichtige  führt  Eur. 
Hipp.  78  ^^Idiig  d*  notafiiaiat  xtjnevBi  Ö^aotg,  öofig  6t- 
äaxtöv  fAtidiv,  akV  iv  tf^  tpiaei  t6  Oiuffgoyeiv  tti^j-fp-  £ig  rd 
itäyä'  ofAbig,  tovtoig  d^inea&af  loig  xaxotai  d'  oii  itifug. 
Femer  erweist  sich  eiöaifiovog  als  ein  Ulussem  xu  oX{ltov, 
endlich  hat  M.  Schmidt  hieher  H^ch.  xänotg-  xt).-t(iis  b^ 
zogen.     Demnach  möchte  ich  schreiben: 

^>'  ^log  xä/roit;  d^enead^at  fiovvov    ävSgög   6lßiot; 

315  Tj  (fijg  tinoftvvg  dyiHtTOv^,aai  z*'f'*'i' 
Die  Angabe  aythnov^yr^aai'  lo  nria^ioäovrai  %äQtv.  S<»f<i- 
*KT,g  Koi-xioir  ,r;  .  .  xä^iy;'  Anecd.  Bekk.  p.  404,  21  linil 
Suid,  darf  uns  nicht  abhalten,  das  notwendige  ävifv^iavf- 
yrjaety  tu  setiien.  Medea  läsät  den  Jason  achwSren.  fUr 
Bat  nnd  Hilfe  bei  der  Bestehnng  der  Abenteuer  ihr  Qvgen- 
dienste  zu  erweisen.  Vgl.  Scbol.  zu  Apoll,  ilh.  III  104« 
SoipoxXffi  di  h  Talg  Kokxlaty  e.ioäyei  TTjy  IMr,äeiav  vnow 
ittiÄiyr^y  \<^  'läaovt  nsQi  cov  ä9Xov  di'  anoißaluiy.  In  »Ibt 
gleichen  Scene  stand  312,  worin  Medea  dem  Jason  die  feuer- 
»chuau  bell  den  ehernen  Stiere  b&ichreibt.  Darana  ergibt  sich, 
da«8  die  Ordnung  der  Fragmente  313—315  bei  Nauck  der 
ursprünglichen  Stellung  nicht  entspricht,  aber  auch  daes  die 
von  Kauck  aufgenommene  Conje^ctur  von  M.  Schmidt  änjjfe 
niutfii^  i^iÄov  oeXaaifönQv  unrichtig  ist.  iJunu  in  fr.  313. 
314   wird    erzählt,  wie    ili<-   feiiL-r>chnaul>eut](tu    Stiere   Aber- 


Wecklein:  IVagmente  der  griechischen  Tragiker.  35 

wihigt  wurden  {anf^^t  nifiq>i^  dg  Itwov  aeKaacpoqov  ver- 
bessert  passend  G.  Hermann).  Diese  Erzählung  musste  lange 
nach  dem  Versprechen  des  Jason  (315)  kommen.  Dem 
gleichen  Berichte,  welchen  ein  Bote  dem  Könige  Aeetes  er- 
stattete, gehorte  317  an: 

>^/.       ij  ßlaatog  ovx  eßXaarev  ovTTixdqiog; 
^Pr,    %ai  xaqria  (pQi^ag  evXoqn^t  aq)rjxwfiaTi 
XCtXxrjXciTOig  o/rXoioi  fAfjTQog  i^idv. 

Dindorf  und  Nauck  schreiben  hierin  mit  EUendt  und  Bergk 
Moi  jt^ara.  Aber  damit  wird  xai  unmöglich  gemacht.  Der 
Bote  beantwortet  die  Frage  des  Königs,  ob  nicht  die  ehernen 
Miliner  ans  dem  Boden  emporwuchsen,  mit  einem  „das  will 
imh  n^inen*. 

461   kuM&ivog  yoQ^  Jtqiv  Tiy'  ccvXiTwv  OQav^ 
&cüiX6v  x^H^^Q^^S  nQoaq^e^iov  v^oairada 
tidov  axQaxov  ateixoyta  naQaXiav  nitqav. 

Nicht  vom  Binnenlande  zieht  ein  Heer  nach  der  Küste,  son- 
dern vom  Heere  her  kommt  eine  Flotte.  Man  erwartet 
darum  tldow  axöXov. 

iSl,  G  rcCtg  d^T'  eytjjy'  av  dyrjTog  in  dyrjtrjg  re  qwg 
^iog  yevoififjv  ev  q^doveiv  aoqaireQog; 

Der  Ausdruck  et  (p^veiv  ooqxjizeQog  ist  nicht  stilgerecht. 
Anch  hier  ist  wie  an  mehreren  anderen  Stellen  ooqiwreQog 
»US  TtQoq^iQXBqog  entstanden. 

483  x*^*^  ^'  äjieiQog  ivdvriqQiog  xanujv, 

Ffir  xaxdh  hat  es  wohl  Xaßtuv  geheissen.  Das  Fragment, 
welches  der  floXv^ivr]  angehört,  entstammt  allem  Anscheine 
nach  einer  Prophezeiung,  in  welcher  dem  Agamemnon  die 
Art  deines  Todes  ge weissagt  war.     Denn    der  iiiuiqog  x^^^ 

3* 


■ib  Siniinii  der  iMof.-phiM .  a<nuie  mm   i   .!,ir<Har   IfillO. 

ist  Jas  ärtei^ov  a'ftfißXTjorffov  (Äesch.  \g.  1:181)  oder  anet- 
for  'i(faafia  (Eur,  25)  der  Klytämestra. 

532  fv  ifi^Xov  ävit^u/iiuv  fil'  edet^E  naiqög 

i^oxog  aiXoi;  fßXaatev  aX3.fiv. 
In  dieser  schönen  Strophe  ist  fdlu  .  .  tatgög  um  ftarnos 
äfii(/a  unverständlich.  Was  soll  n^'n  Tag  des  Vaters  and 
der  Mutter*  bedeuten  V  Auch  Herwerdeii  hat  an  ö/Jfgo  Än- 
«toss  j^en  omni  eil.  Aber  oäora,  wie  er  vonxblägt,  verdirbt 
den  weihevollen  Ton  der  Worte.  Mun  erwiirtet:  .Eine«  ist 
das  Geschlecht  der  Menschen,  ein  und  dieselbe  Abstämmling 
TOD  Vater  und  Mutter  hat  uu»  alle  an  da»  Tageslicht  ge- 
bracht".    Auch  die  Interpunktion  a.U(>  ist  zu  Hnderii: 

xai  /jaifo^  'iftäg  ä  onOQu   loig  fxvrcac  xi'f. 

tiöH  ffioi  dt  XtiiUTOv  alfia  taigtiov  mt'iv 

xai    fiTitE    ifjti    ye)    iiXeitn    [nKiiay)    tiiivd'    ixetv 

Man  konnte  «toi  (li^  'iti  nhilov  täod'  ixetv  dvaqitifiiag  oitt 
ifjvd'  i'xttv  dvaifijfiiav  erwarten,  wenn  die  Korm  :ii^tov  bw 
den  Tragikern  gebräuchlich  wäre.  Man  schreibt  f^ewötuilicli 
mit  t'obet  xal  /j^"  i'ti  (Dindorf  ftrj  ti)  nkeioig  tiüvd'  fx*'* 
dvoif'ijfiia-;,  aber  nicht  .mir  ist  es  am  Itesten  Stierblut  xu 
trinken  und  nicht  noch  mehr  Schmähungen  aU  diese  za  ef 
tragen*,  itondern  ,mir  ist  es  am  beäteo  km  ^^lerben  und 
nicht  länger  den  üblen  Nachreden  au^eeetzt  zu  «ein'  isair 
spricht  dem  fledanken.  Deshalb  behalte  ich  nltiai  bei  mid 
schreibe : 

xai  fiT^    fii  nXtiiu  xfiöfoy  ixti*  iiotfr/fAtcK- 

1)79  a^oviff  yäg  ^  xor'  olxov  tyvifx^Vftfiivi, 
ov   .ip''s-  tfigoiW  vvüaftüi^  äxotat!!!). 


Wecklein:  Fragmente  der  griechischen    Tragiker.  37 

Wie  es  sich  auch  immer  mit  anovdrj  verhalten  mag,  jeden- 
tkll«  hat  der  zweite  Vers  ursprünglich 

f\  rcQog  xH'Qaioßv  ovda^wg  dnovoifit] 
iMautet. 

707    nvXr^g  ava^  dvQwqi. 

&  mag  befremden,  dass  ein  Thürhüter  als  ava^  bezeichnet 
wird,  weon  auch  im  Etvm.  Flor,  in  Miller  Mel.  de  litt.  gr. 
p.  32  die  Erklärung  gegeben  wird :  ova^  .  .  arjfAaivei  xal 
rar  ^ijtxa.  Gerade  das  Befremdliche  des  Ausdrucks  lehrt 
uns.  dass  damit  ein  besonders  gewaltiger  und  ehrwürdiger 
Pfortner  angeredet  wird,  der  Kerberos.  Das  Bruchstück  ge- 
borte also  vermutlich  der  Beschreibung  an,  die  Theseus  in 
der  Phädra  von  der  Unterwelt  gab,  in  welcher  nach  fr.  625 
Tom  Kerberos  die  Rede  war. 

*^>i  ifi€iyofÄivio¥  ov  xegycldotg  vfivovg,  rj  Tovg  ^dovrag  iyeiQei. 

Dindorf  hat  ov  getilgt  und  xBQuidog  vfivoig  geschrieben, 
Bergk  hitytiQOiAivtJv.  Mit  Recht  bemerkt  Kock  Com.  Att.  I 
p.  266,  dass  die  Wiederholung  inByeiqo^ivwv  .  .  iyeiQSi  nicht 
sefallen  könne.  Kock  vermutet  ejtavaiQO/nivwv  nach  Arist. 
Ri.  784.  aber  a7cavai(fead^ai  hat  zum  Gegensatz  na&iCeo&ai. 
Da  f7T€iyofiivi(tv  von  selbst  auf  iniyiyvofAeviov  führt,  so  ist 
ZQ  schreiben : 

iTuyiyvofiivwv  ueQuidog  vfAvwv 
^  TOvg  fxdovxag  iyei^ei, 

8)  Zu  den  Fragmenten  des  Euripides. 

27  1^  ßQojv  TOI  a^ivog  aviqog'   dlXa 
noi%ÜLi<f  n^nidwv 
deiva  lAtv  qwla  itovxov 
xS'Oviixiv  t'  aBQiojfv  ze 
Safirittai  /laidevfAaTa. 


.18 


7  <lcr  jAilnu.-pKilal.  Clasnif  r 


Ganz  utipik8sen()  ist  der  Aiiadrunk  rtaidei/^ata,  welche»  Wort 
z.  B.  54  am  Platze  ist:  xaxöv  tt  naiäevft'  rp-  ag'  elg  eiar- 
ÖQtav  ö  iilovtos  ävifQtinotijn:  Mit  Recht  Imt  F.  W,  Schmidt 
an  yevv^fiata  gedacht.  Aber  näher  liegt  (pitiifiata.  wie 
auch  in  dem  Papyrus  Didot  (Aeach.  frg.  99,  10)  ipiÖevfiä- 
totv  für  (fiTvtiötMv  geschrieben  ist.  Sujipl.  316  gibt  der  Med. 
^vieiei  ftlr  ^ntiet.  Die  gleiche  Verhei^«ierung  erweint  »ob 
als  notwendig  in 

52,  3  ro  yop  näXai  xal  n^önov  ox'  iyeväfieita. 
ov  d/x'  sTi^ivev  6  texovaa  yö  ß^otoii;, 
ofioi'av  x^föv  orraatv  l^e^ai8m:0ev  di/'n'. 

Auch  hier  ist  i^eq>itvaey  /,ii  schreiben,  wenn  mmi  nicht 
i^ifvasv  vorzieht. 

ftS  Tcolvg  d'  orsT^TTE  xmaöi;  f^tipn]e;  y:Xädot<i 
oijÖovti}»  fjovaeioy. 

Sehr  schön  hat  K.  Engel  mann  in  dein  Programme  du« 
Fripdricbs-GjTunasimna  iu  Berlin.  Ostern  1882,  mit  HiUe 
eines  Vasengeniäideä  nachgewienen ,  ilaas  die  Alkmene  dnt 
Kuripidea  von  dem  Besuche,  welchen  Zeus  der  Alkmen«  un- 
mittelbar vor  der  ItQckkehr  dee  Amphitryon  abstattet,  von 
dieser  Kfickkunft,  von  dem  Strafgericht,  welches  Ober  die 
Alkmene  ergeht,  und  deren  Errettung  durch  Zeus  gehandtU 
hat.  Im  einzelnen  lassen  sich  aus  den  Fragmenten  einig» 
Momente  anders  bestimmen  als  es  Elngelmann  gethan  hat. 
Das  Vasengemälde  stellt  die  Errettung  der  Alkmene  diir. 
Diese  Hitzt  auf  einem  Scheiterhaufen,  welchen  recht»  Amphi- 
tryon.  Hnks  Ant«nor  mit  Fackeln  anzustecken  im  Begriff« 
sind.  In  der  Höhe  erscheint  Zeus,  um  mit  Donner  und  Blitz 
Amphitryon  und  Antenor  zu  verscheuchen;  zugleich  giesaen 
zwei  Hyaden  aus  Urnen  Wtuwir  auf  den  Soheiterhnufen,  um 
die  Flamme  zu  löschen.  Aus  Pluut.  Hud.  80  pro  dt  ttn* 
mortalos.  tempestnteiu  i|UoiuHmodi   Neptunns  uohis  nnci«  bai: 


Weckiein:  Fragmente  der  griechischen  Tragiker.  39 

mi^t  proximal  —  non  ventus  fuit,  verum  Alcumena  Euripidi 
^falieäst  Engelmann,  dass  die  Errettung  durch  das  Unwetter 
Qod  die  Erscheinung  des  Zeus  auf  der  Bühne  selbst  erfolgt 
s«i  Es  lässt  sich  das  schwer  glauben.  Das  Herabgiessen 
TOQ  Regen  würde  leicht  einen  lächerlichen  Eindruck  gemacht 
haben.  Blosser  Blitz  und  Donner  war  unvollkommen  und 
wenn  auch  Aeschylos  kein  Bedenken  trug,  Zeus  selbst  auf 
der  Bühne  erscheinen  zu  lassen,  so  lag  dies  doch  der  Weise 
des  Eaiipides  fem.  War  der  Sturm  der  Elemente  in  er- 
greifender Weise  geschildert,  so  ist  der  Ausdruck  non  ventus 
foit,  verum  Alcumena  Euripidi  ganz  verständlich.  Eine  Be- 
?itäti|ining  för  meine  Ansicht  finde  ich  in  dem  oben  mit- 
geteilten Fragment  Engelmann  weiss  keine  Stelle  für  das- 
selbe in  dem  Stücke.  Es  ist  gar  keine  andere  denkbar,  als 
m  dem  Bericht  von  der  Löschung  des  flammenden  Scheiter- 
haufens, der  sich  in  eine  kühle  mit  Epheu  bewachsene  Laube, 
trinen  Mosenhain  für  Nachtigallen,  verwandelte.  Also  ist  die 
Errettung  der  Alkmene  nicht  auf  der  Bühne  dar- 
gestellt, sondern  in  einer  ayyBXi%ri  ^riatg  berichtet 
worden.     Die  Worte 

89  ov  yoQ  /tot'  uunf  2&€vekov  elg  tov  evtvxft 
XßiagovvTa  zoixov  Tffi  dtxiyg  dnoareQBlv 

meisten  dem  Araphitryon  gehören,  der  erzählte,  wie  er  von 
Stbeneloe  ans  Argos  vertrieben  ward.  Eine  solche  Erzählung 
eignet  sich  nur  für  den  Prolog;  also  begann  das  Stück 
mit  dem  Auftreten  des  Amphitryon.  Engelmann  nimmt 
aiL,  dass  Hermes  wie  im  Amphitruo  des  Plautus  den  Prolog 
gesprochen  habe.     Die  Fragmente 

9S  olX  ei  (peQBiv  XQ^  avfiq>o(idg  tov  Bvysvr^ 
101    criUL*  fffii^  toi  noiXd  xat  (iiXaiva  vv^ 
r/xTci  ßgotolaiv  ^) 


1)  D.h.  «fiberlsM  es   nur  der  Zeit;   die  Zeit   bringt  gar  vieles 
berror*.     Das  Epitheton  ftiXatra  gibt  den  Trostworten  etwas  Gemüt- 


SiUhhii  dfr  iihüna.-phM.   Hass 


1  3.  Januar  ISSO, 


101  itö^aet,  xäy'  Sv  yivotto'    rtoiXa  toi  tfeöt; 

enthalten  Trostworte,  welche  nach  der  Meiiiuiif^  von  Engcl- 
maiia  jemaufl  dem  Amphitryon  zusprach,  der  natürlich  nicht 
weniger  Schmerzen  tiher  das  Unglück  seines  Hauses  empfind« 
als  die  Gattin,   die   er   in  den  Tod   zu   pchickeii  im  Begriffe 
sei.     Diese  Meinung  wird  scheinbar  bestätigt  durch 
97  oXK'  Ol  yÖQ  ö^ttwi;  lavza,  ysvfaihig  d'  latui; 
ünßaiag'  alvetaifai  St  diatvxüiv  tyiu 
fjtüü '  Koyos  ya^  vorffyov  ov  vtx^  noie. 

Dass  der  Zusammenhang  ile^ag  för  ht^aSag  fordert,  hat 
F.  W.  Schmidt  erkannt,  welcher  jedoch  mit  Unrecht  an 
tpij^ov  Anstoss  nimmt  (,über  die  Wirklichkeit  hilft  di« 
Rede  nicht  hinweg").  Aun  dvaivywv  zu  schliessen,  lehnt 
ein  Mann  die  Trostworte  und  das  gespendete  Lob  ab.  alffo 
Amphitryon.  Aber  die  Worte  noXXä  toi  iteög  xox  tön 
aelTTTiiiy  evno^'  avägiünoi^  reXei  beziehen  sich  augenschein* 
lieh  auf  die  Kettung  aus  unmittelbarer  Lebeusgefahr,  wn 
keine  Hilfe  mehr  in  Auseicht  steht,  können  also  nur  d«r 
Alkmene  gelten,  Alkraene  muss  auch  frgm.  97  sprechen; 
es  ist  demnach  atvEia&at  df  dvaTvyoia'  iyiä  au  8chreil)en. 
Das  Ma§kulinum  wurde  bei  dem  Citat,  wo  es  sich  nur  nm 
eine  allgemeine  äentenü;  bandelte,  gesetzt. 

2IH  xoeog  äi  TiovTiaf   »ai  yÖQ  ix  xalkiövinv 
Idxiffois  it'  alay^Ts,  eidov  iKit6n),t}Yh^vovS 

Wir  mÜMen  wohl  för  ixnenhjyftivovg  das  bezeiclui«>nde  und 
immer  von  leidenschaftlicher  Liebeserregung  gebraucJit«  Wort 
setzen:  fuTor^fitvovi;. 


volle«,  so  d&JM  ich  nicht  bsirreife.  wie  Naucli  aclireiben  käno ;  ntiqit» 
Tero  fiilana  e|>ithetoii  hoc  locn  ini*titum.  AtUanii  darf  plu-ninw^nit; 
geflndert  »1»  /ifia^  U  fCir  ^^Jga  j^etetKl  wcriltin, 


Wecktet n:  Fragmente  der  griechischen  Tragiker.  41 

NeiXov  kiniiv  xdiXiotov  ex  yaiag  vdwg  xtL 

Von  den  vielen  Versuchen  ix  yaiag  herzustellen  (iv  yvaig, 
wrylayoig^  evaxaXrig^  ixx€av&'  und  vorher  Nelkov,  et'ay^g,  ex 
Xfcia^y  r^g  yaiag)  kann  keiner  befriedigen,  so  dass  man  be- 
zrnft,  dass  Mekler  karzweg  errvaQQov  axofxa  für  ix  yaiag 
xiuq  einsetKte.  Ich  möchte,  da  man  besonders  die  Gesund- 
h«t  des  Nil  Wassers  pries  (Aesch.  Suppl.  570  vdwQ  %6  Neilov 
rCaoig  a^ixxov)^  ex  yaiag  in  evaoiag  ändern  und  deshalb 
zaXXiCToy  auf  ogiajovy  dieses  auf  oQwyov  zurückführen: 

SuXov  Xirtwv  aQioyov  evaoiag  vdioQ, 

Wegen  äqcjyov  etooiag  vgl.  Sopb.  Ai.  357  yivog  vatag  aqo)- 
yif9  xijwag. 

282.  13  ifieuipdfifjv  di  xal  zwv  ^E^r^voiv  vofdov^ 
oV  TcSvd'  ?xaTi  avXkoyov  jioiov/aevoi 
xi^CJa    axQeiovg  ^dovdg  daixog  yaqiv, 
xlg  ydq  nakaiaag  ci;,  rig  tixvitovg  dvr^Q 
r  diaxov  ccQag  yj  yvdd'ov  /raioag  xakiog 
TiolLei  naxQi^q  axifpavov  rJQxeaev  Xaßcov; 

Höchlich  erstaunt  muss  man  bei  den  griechischen  Wettkämpfen 
über  die  Bestimmung  daitog  xdqiv  sein.  Wo  wäre  das  er- 
hört, dass  es  sich  bei  solchen  Oelegenheiten  um  das  Essen 
gehandelt  habe.  Offenbar  muss  ^eag  xdqiv  geschrieben  werden. 

292   ni^  rrjv  voaov  toi  xal  %6v  latqov  x^6Ct)v 
«doyj'  dxeiod^ai,  ^r]  errnd^  xd  (poQfAaxa 
did6'y%\  idv  fitj  lavza  %f^  v6a(^  nqeTTrj. 

Hierin  ist  Iddvz''  befremdlich;  wie  es  nachher  didovxa  heisst, 
¥>  moas  auch  voraus  das  Präsens  stehen:  ßXhtovr^  dxeiad^ai. 
Allerdings  heisst  es  auch  917 

oaoi  d^  lavQeveiv  xaXüg, 
nqog  tag  diaixag  xwv  ivoixovvxwv  nokiv 
xriv  yi^v  Idovxag  xag  voaovg  axoneiv  x9^^^' 


4-2  Sifiunif  fhr  jMM.-iihiloi.  ClagKt  rom  .7.  J/iiiuar  IHM. 

Aber  hier  ist  der  Fehler  noch  offenkundiger;  denn  n;f  yiiv 
kann  auch  mit  der  AeDileriing  i^c  y^v  t'  oder  *ai  yi^  nicht 
»nnehmbar  gemacht  werden.  Welchen  Zweck  soll  bei  diesem 
Gedanken  y^  neben  nö),iq  haben?  F.  W.  Schmidt  will  vor- 
her eis  tog  dtaitas  schreiben.  Iiu  Gegenteil  lehrt  uati  die 
Präposition  n^s,  wie  das  entsprechende  Verbum  lautet : 
n^ög   lä^  dtaitag  t(5v  ivoMoi'vrfuy  nöXiv 


36(1,  .'>  iiQWTa  fifv  Ttöltv 

oi'x  rif  tif'  öiXijv  ti^odc  ßekim  Xaßiiv, 
/^  nQÜxa  fiff  letig,  ovn  irtaKtös  äXi-oÜev. 
avrüx&ore^  d'  i'qmftev  oi  d'  alXai  irölEig 
rceaoMV  tfioitag  6iaq>ogalg  ixtiaftivai 
oiJiai  rrac'  alXoiv  elatv  etaaywyiftat. 
Man  hat  im  zweiten  Verse  ot*  ^f  tiv"  aiXtp;  oik  Sv  ätirm- 
/njv,  ovx  or  itv'  . .  Xcßotv  vermutet.    Am  näch.sten  liegt  ovn 
i'oTtv   a)Xt}v.     Die   hüutifire  Verbindung  von   ot'x  av  hat  zu 
der  Verschreibung   geführt.     Iiu    letzten   Verse   verlangt  der 
Sinn   oXXiov   riag'  aXXu»'.     Die  Übrigen  Stadt«  hai)en  keine 
einheitliche  Bevölkerung,    sondern    haben   einen  Teil    daher, 
einen   anderen    dorther   erhalten.     Der   gen.  rel.  bei   Adjek- 
tiven int  den  Dichtern  geläufig. 

382,  10  tö  rii(utTov  ä'  oi'-x  iv  eifjugei  tfQQOaf 
ygaf4[4a'i  yuQ  eiotv  fx  ÖieaTunuy  dvo, 
aiizai  de  avvtgixovai*  etg  fiiav  ßäatv. 
Damit  wird    der  fßntW  Buchstabe   des   Namens  Theseu»,   X, 
beiichrieben ,    Ich  kann  ix  disaxuitinv  nicht  veretehen.    Aach 
llerwerden   hat,  wie  ich  selie,  hieran  Anstoss  genommen  tind 
üai   iü)v  ditaiioaüiv  vermutet,  womit   nach   meiner  Meinutif[ 
wenig  gedient  ist.     Es  muss  Et'  duatüiaat  beisseo.    Mit  et 
wird  die  Symmetrie  der  Ueid^i  oberen  Linii'O  dn>  BtuOiHUbeiui 


HVeWriw.  Fruftvienle  rfcr  fiyiechiir.hrn    TriLyiker.  ■(■5 

gekennzetcbnet.  Als  n-  sil-Ii  in  «x  verwandelt  hatte,  ging 
^jftatwaai  in  dtemiüici'»'  aber. 

xai  yäti  h  xaxaiair  oh- 

Ifeück  bemerkt  y.ii  dieser  Stelle  ,äv  de  rauliere  dictum  de- 
fendit  Dindorf  in  Eiir.  Hipp.  llO.'i'  und  zur  Javäij  bemerkt 
er  in  Betreff  der  oft  besprMhenen  Stelle  des  Poll.  IV  111 
tüv  df  j^o^ixtüv  ^afiätiav  twv  UMftixMf  Vv  n  xai  ^  na^- 
ßttoig,  ozav  a  6  «ooji^t;  nQÖg  rö  i^iattjov  ßoiXerai  Itysiv, 
i  XO^S  na^ei.9uit'  Xeyjj.  i/rieiTiiüi;  3'  ai'rö  uowvatr  oi  xtu- 
tiifidonoitjial ,  t^aytxöv  di  oi'x  tffiiv  älX'  EvQifitdjjg  ai'tö 
trertoiijxey  iv  ifo)J.ots  üqä^taaiy.  tv  fttv  yt  t^  Javätj  %6v 
XO^öv  Tag  yvvalxas  vnig  aiTOV  ti  7toir',aag  iiaQ^detv,  ixi.a- 
itöftevog  dg  ävÖQag  Xiyeiv  tnolijas  Tifi  a%rinazt  zrfi  iJ^BKig 
rag  yi'vaiKag:  mnlieres  de  se  diceiites  iiti  interdiim  genere 
niaactilinn  nutiseimnm  est  (cf.  Eur.  fr.  418,  4);  parabasi 
iragicoriim  poetanim  quemtiu&m  usnin  esse  nnn  crediderini. 
Man  sollte  nicht  vernchiedene  Dinge  vermengen  und  ganz 
iiicfaere  nicht  als  Kweifelhaft  hinstellen.  Von  ein^r  Parabatie 
in  der  Tragödie  kann  keine  Rede  aein.  Nur  in  dem  Sinne, 
in  welchem  der  Dicihter  in  der  Parabase  seine  persönlichen 
Ansichtau  durch  den  Mund  des  Obures  vorti^gt,  findet  »eh 
ekwt»  einer  Farnbase  Aehnliches  in  der  Tragödie.  Bei  Eu- 
ripides  seinen  öfters  der  Gebrauch  des  musc.  sing,  des  Parti- 
cipe  im  Nominativ  im  Munde  eine»  weiblichen  Chores  aus- 
drücklich daran  zu  mahnen,  da^  Kuripide.s  in  eigener  Peraim 
spreche.  Die  bezeichnendste  Stelle  hiefür  haben  wir  an  dem 
Chorgesang  Hipp.  1102  ff.,  wo  das  Schol.  ytnaixBg  tiiv  elatt- 
(Ü  TOI  zoeoii,  fÄtrafioei  Öi  lö  neöamnov  fq^'  eavzoi  t  not- 
fttfi  xavaiAinav  ta  yofiixa  nqöm^na,  ^iiioyalg  yoQ  a^aen- 
xo<s  xt'xgi/iai  (nämlich  xevifwv  1105  u.  levaatuv  1107,  1121) 
genau  der  in  der  Stelle  des  Pnll.  vorgetragen en  Ansicht  ent- 
s|tricht,    wo    auch    der    Dichter    recht    eigentlich     pernönliche 


44  Sitzung  der  phüos.'phiIoL  Classe  vom  3.  Januar 

Gefühle  und  Reflexionen  zum  Ausdruck   bringt, 
ist  es  die  Absicht  des  Dichters  gewesen,  durch  dei 
des  M&sc.    gewissermassen    die   Illusion    aufzuheb 
seine  Person   zu   erinnern.     Vielmehr  spricht   dei 
dem   allgemein    menschlichen   Standpunkt   aus   tu 
sich    deshalb  des  verallgemeinernden  Masc.     Jede] 
darf   mit    diesem    Gebrauch    in    Chorgesängen 
Masc.  in  einer  Stelle,  wie  die  oben  angeführte  iai 
Plut.  Mor.  p.  506  C  Ino  spricht,  gerechtfertigt  w0 
muss  unbedingt  geschrieben  werden: 

xal  yaq  h  xanoig  Ofiupg 
IXevd-iqoiaiv  f.finenaidevfiai  TQonoiq, 

426  Tcr  TOI  fieyiata  ndvT^  drreiQyaaTai  ßQOToig 
Tok/Li^  äoTc  vmäv  ovre  yoQ  TVQavvideg 
X^Qig  Ttovov  yivoivc^  av  ovr'  oixog  fiiyag. 

Die  nichtssagenden  und  ungehörigen  Worte  Üotb  i 
ich    ab    aus    einem  Worte,   welches   der   Sinn    an 
gibt,  dQaarrfiiov,  welches  zuerst  falsch  geschrieben 
um  des  Verses  willen  verstellt  wurde: 

öqaotr^Qiov  Tokfi* '  ovts  yaq  Tx^qavvideg, 

Vgl.  Hei.  992  danqvotg  elg  t6  d^rjlv    TQeno^evog   l 
av  fiaXXov  rj  dQaOTrfiiog^  fragm.  688  aroArJy  tdovn 
nat   ^vX^i»    dqaaxriQiog^    54    irevia    xqiifei   fxoxd^elv 
zexva  xat  dQaarrjQia. 

455  xai  iig  fm^  avrrjg  rixva 

Nioßrjg  &av6vra  Ao^lov  TO^evf.taotv, 

Nauck  bemerkt  zu  dieser  Stelle:  avr^g  dubito  nu 
sit.  Vielmehr  ist  Nioßrjg  zur  Erklärung  beigefügt 
ein  anderes  Wort  verdrängt,  d-eov  oder  lieber  Tittj 

482  tj  TTQuna  (itv  rd  d^ela  TTQOVfxavrevaaro 
XQTjOfioiGi  aaq^ioiv  daTtQwv  f/i'  dvtolaig. 


Weekleiii:  Frn/;mfiiU  lUr  iirifchiaclteii   Trui/ikef 


4f> 


Die  häufige  Verwechslung  von  Formen  wie  no(/svofiai  und 
no^LOOfiai,  ftatteiofiat  und  ftaviehaofiai  ^e^tattet  auch  hier 
ohno  Bedenken  dtis  her/ustellen.  was  der  ^^inn  verlangt: 
ti  QOfjfiavreLBio. 

511  ÖotXov  yöq  raiHdv  lovvoft'  ov  diarpittgEi, 
iiüiXoi  d'  tifAeinivc;  etat  iiüv  ilevlUfioi'. 

Wegen  tä  önopia  ist  dovXutv  notwendig,  wegen  des  folgen- 
den noiXoi  kt  es  erwDnscht  (,dem  edlen  Wesen  von  Sklaven 
wird  der  Name   .Sklave'   keinen  Eintrag  thun'). 

ö7S,  'S  iS'jvgov  dfit^wicoiai  y^öfifiuz'  elätrui. 

xäxti  xtn'  otxovs  növt'  iriiataaO^ai  iiai.Mg. 
iiataiv  ['  anoitviiOxoyfa  ;(ßj;fjoi(uv  ^lii^ov 
yqaifiuviaii  tiriziv,  lov  Xaßuvra  df'  eidcVar 
!iB  vorletzten  Verse    habe   ich   schon    früher   .latalv  et  löv 
Dyf^uxonu  verbeasert.     Im  letzten  Verse  hat   yQÖif)avzas  et- 
:itiv  Si-AÜger  in  yqäij'aria  lEirreiy,    Enger  in  ypitpavcu  vei- 
ftat,    Gooiperz    in   ypci/ißvi'  evianelv    verändert,     Gewisa   ist 
kEiiteiv  richtig.    Dagegen  erscheint  yqätJHtina    ,ich  habe  die 
Buchstnl)en  erfunden,  sn  dnss  der  Sterbende  den  Kindern  den 
Anteil  des  Verniögenß  in  Buchstaben   hinterlassen  kann'  als 
nicht  stilgerecht.     E^  niusa  heiasen;    ,au  dass  der  Sterbende 
(Iher  den  Anteil  der  einzelnen  Kinder  Bestimm iingpn  binter- 
laiweu  kann*,  A.  h.  e.s  hat 


'  tu  tov  t)y] 
■ta  Xei.'ftiv, 


■  lali6yxa  d'  dUvat 


gchinscen. 

605  «ü  S"  i'axacov  dij  toCta  ^av/iaatöf  /(pi«oit: 
it'dayvig,  ot'x  e'veuig  ov  äifkio'teQot'. 
ffikotg  fe  .■logit^eh  xat  xaiaxfiti-eh-  x^f'i; 


46  Sitzung  der  pkäosrphüol,  Glosse  vom  3.  Janum 

Die  Fehler  in  den  zwei  letzten  Versen  hat  ma 
fache  Weise  zu  heilen  gesucht  {noXeig  te  tcoqS 
lovg  xtaveiv  XQ^^^  Nauck,  enel  (foßog  TCQoaea 
Gomperz  hat  auch  erkannt,  dass  vor  V.  3  etwas 
ist;  aber  die  grammatischen  und  stilistischen  1 
beiden  ersten  Verse  hat  man  unbeachtet  gelassen. 
7rXB7aTog  aus  7c6Xeig  oaoig  ab,  wovon  noXsi 
vorhergehenden  Verse  stammt,  und  schreibe  das  g 
ment  in  folgender  Weise: 

Tov  c?  saxoi^ov  dr]  tovS^  o  iyavfxaozdv  ß^ 
TVQawig^  oix  evQOig  av  dd-XiwreQOv ' 
*     yoQ  ********  ^^£a)v 
7r6Xeig  re  noQ&elv  x,al  y.azaxTavetv  (piXov 
oGoig  (poßog  jigoaeoTi  /nrj  dgaatoai  %i. 

Nunmehr  schliesst  sich  die  Apposition  TVQawlg   ai 
zwischentretenden    Relativsatz    an   wie   so   häufig 
deshalb   im    Nominativ    statt   im  Genetiv.      Natürl 
die  Lücke   auch    mehr   als    einen  Vers  eingenomm 

606  ovx  EOxi  zd  d-eiüv  adix',  iv  dvd'QW7roiai  di 
xoTLOig  voaovvra  avyxvaiv  ttoAAijV  e'xBi. 

Der    Sinn    erfordert    avrolg    voaovai.      Vgl.  Ipl 
Tovg  d'  sv&dd*,  avrovg  övrag  dvi^Qa)7ioiirovovg^  €ig 
t6  q)cevXov  dvafpiqBLv  (JoxcD. 

620  Sr[(ji(^  dk  fitjTe  7t av  dvaqzrfirig  ngdtog 

^iJt'  at  TLaTLCoarjg,  7ikovTOv  iviifiov  rt^fiig, 
fii]d*  dvdqa  dfjfi(p  tiiotov  ex,ßdXr]g  7roxB 
fiTjd*  av^e  TLaiQov  piBil^ov\  ov  ydq  dacpaXig^ 
lAr   001  ivqavvog  XaixTvqog  i^  dazoi  q>avy. 

Jt]fA(if    7iia%6v    ist    natürlich    nicht    der    richtige    i 
Meineke  hat  dy«^^  x^i^arov,    Vitelli    d*;^(^  dqeaTOv 
Warum  soll  Euripides  nicht  dvöqa  ätjuaycoyov  ge 
haben  V 


Wecklein :   Frtitimente  der  ;iritchigehe»    Tragikfr. 


17 


wihpinb.    in    foljtender 


%27    und   629    sind, 

verbinden; 
I  üaiv  yäß  etat  äiifiti^ai  fisiMyyi/aifei^ 
t  noiXüi*  yifioiaat  jio^iov  yi^vfiätiaf. 
<;(p>jg  tavtay  xal  Kataitke  x^'  ^JS  noet. 

fiSO  nöXX'  fX/tideg  ijjev6ovai  xai  ^öyot  ßqoioti;. 
Prinz  iptvdoioi*  evl^iyoi  trefflich,    nur  entapricht  lieni  Sinm' 
wie  der  l'ebertieferun};;  besser  xtvXoyoi. 

H97  Jiti-jj'  o^^ißXfjatQv  atLfiaioi;  lafliüv  ^nij 

Dobree  hat  aXxtij^ia  {fvxov^,  Hibbeck  oixitjgi'  aixfiJi'i  ver- 
mutet. Ohne  Kticksicht  auf  da«,  was  ich  Sitzungsber.  1878. 
11  S,  208  f.  bemerkt  habe,  bemerkt  neuestens  Herwerden : 
sententiae  aptissiniiL  eät,  sed  metro  eadem  iniinica  Dubraei 
coniectura  cixrijeia  i/zi'/oug.  Numeri  admittunt  i/^i^ofg  oī- 
^Tfii'*.  Telephos  motiviert  im  Prologe,  warum  er  Bettler- 
kleidnng  angelegt  habe  statt  fürstlicher  Gewandung.  Gegen 
die  Kälte  hütte  ihm  das  fürstliche  Gewand  bessere  Dienste 
geleistet;  ij't-xovg  macht  also  geradezu  einen  komischen  Eiu- 
drack.  Ich  habe  ä(fiaya  t'  evx^g  Kai  ipövfuv  oAxnJfta  ver- 
mutet. Eh  würde  auch  älxci'ißi'  tß^ew^  passen  oder  Xvfii^i; 
öi^^t/Tilfii'  t.aixiag  ti  ftoi}. 

736  lüg  axatög  äyqQ  xai  ^ivoiaiv  ö'^ei'oi; 
Kai  /(»■ij^ocettu»'  ovdir  (uy  «xg^y  ipiXov. 
Ich  verstehe  nicht,  wie  (piXüV   nach   lov  *XP^*'   möglich   sein 
soll.    Ua  (fiXiav  io  nahe  lieget,  werden  es  schon  andere  vor- 
geschlagen   haben. 

772  setzt  Nauck  mit  Recht  in  den  Prolog.  Trotzdem 
bemerkt  er  zu  771:  verba  habemus  prologi  quem  Phaethonti 
poeta    l.riljiiit,.     Nach    der   Frage   des  Pbaethon  773,  5   •■itüt: 


48  S»(«K«3  ^'^  fMii'.-phUol.  CluKte  mm  .3.  Jannnr  1890. 

UVV  TT^aeifii  äwfia  iteqfiöv  'HXioi-,  welche  Fr^e  Klyin«ue 
beantwortet  mit  xsi'c^i  /vcArJösi  aijfia  fti^  ßXamuv  rö  aür. 
kann  rlie  Kenntnis  von  772 

xai'ei   la  riö^io,  tayyv&ey  ä'  evxQOt'  txti 
nur  der  Klymeoe  zukommen;  diese  muss  also,  wie  ich  Sttx- 
ungsber.  1888   S.  119    »nfrenümmi-n    habi».    den    l*nil(>K    im 
engeren  Sinne  sprechen. 

800  dli.'  oi'troi'  avtog  äfi.-iXaxtüv  aUoi'  /f^uröf 
.lacaiyfaaifi'  av  viaial  »Qoaltelvcu  xgäti;, 
-ißii'  av  xai'  oaauiv  tvyym'^  H^  -t^'  axotoi;, 
ei  x?'(  dtel^eiv  /rpöt;  tfxvuiv  vixiifjevov. 

In  deni  ersten  Verse  scheint  aKlov  dadurch  entstuiden  »n 
sein,  dass  ßgotür  in  ßqatöv  überging.  Im  dritten  Vers  ist 
das  unbrauchbare  |We  —  der  Sprechende  (Ämjntor)  hat  j* 
eben  nicht  so  gehandelt  und  int  deshalb,  wie  er  glaubt,  dem 
Hohne  seines  Sohnes  Phönix  ]ireiägegeben  —  durch  tiilae 
axoToa  beseitigt  worden,  .\usserdeiii  hat  Monk  xiyx'^'T/  ver- 
mutet imd  man  könnte  auch  au  xiyxöi'ij  fo'  &  axöiog  denkcD. 
Aber  xar'  oaauiv  passt  weder  '/,»  tvyxövrj  noch  ku  «j^TP*»!)* 
Deshalb  mSchte  ich  schreiben : 

äXX  o'vrtvf'  aviö^  äfirrlaxiüv  aAA(^  ßqozCiv 
na^aiviaaifi'  ixv  noial  iiqaaiyetvai  x^it^t 
iiqIv  üv  xot'  öaawr  ffiitfay  fUXaq  (txoios, 
ei  xiPi  iteXifäv  n  ij  tixt-wy  vtutäfisvov. 

81(j,  5  xai  viv  köyoiai  tolg  fnah;  ivayiioii; 

Die  Bemerkung,  dass  es  i'yviox'  beissen  muw,  bedarf  keiner 
weiteren  Begründung.  In  den  zwei  letzt«n  Venum  di«M« 
FrRgtucnU 


Wfcklein:  Fraymctite  der  griechischen  TVagiktr.  49 

fäg  Jts  qioßtitat  tpoig  Xtnüv  z66'  t'llov 
3er    A^usdruck    .aus   Uubekanat^haft   mit  dem   Sterben 
fCIrcliteb  sich  jeder  zu  sterben'    nicht   Btilgeoiäas.     Deshalb 
vermute  ich  tov  xätio  ffir  lov  SavBiy. 

861  dti$ag  yoQ  äat^iav  rijv  svavzlav  bSov 
äijfiovg  t'  etfcoaa  xal  zißayvog  il^ofiijf. 
Für  <J»);(ots  hat  man    döfiovg,    ^qÖvovs,   y^y   i^(ioiaaa)  ver- 
mutet,   wovon    keines    dem    Sinne    vollkommen    entspricht. 
Richtig  dürfte  sein 


B^e 


ler  greise  Diener  zur  Merope  sagen,  welche  im  Be- 
f^ffe  ist,  ihren  Sohn  Kresphontes  als  den  venueintlichen 
Mörder  ihres  Sohnes  zu  ermorden  (45()).  Das  Bruchstück 
wird  also  dem  Kresphontes  angehören. 

8TT  äki.'  ali^Tfe  ttxTsi  Oe,  kÖqo, 

Zeiig  OS  avtfgmrotg  ovofiö^eiai. 
Das  Versmass  scheint  zu  fordern: 

Zeig  d*  ävÖqüinoig  övofiö^^ai. 

^te  Tvx«  <i^<S>  c^^c  dai/itov  ta  ßQoreta  X(taivei, 
naßö  t^-  fXnläa  xai  rraQO  Slxav 
Tffi's  fiiv  dn'  oyxov  xtizanimavtag 
zoii  nqoxigov^  tovg  d'  sCti^oiifvag  atBi. 
Hierin  habe  ich  ««'  öyxov  xatatäiczoviag  zov  n^oztQov  fllr 
Oa'  <^K(av   d^  ivanimovtag   ötag   Oeoi   geschrieben.     Tovg 
fti>  ,  .  eitvxcvviag  steht  als  Appiiaitiini  zu  i«  ßqötaa. 


50  Sitzung  der  phHos.-phUol.  Classe  vom  3.  Januar  1890, 

927   eifdov  ywainLÜv  aal  na^  olnitag  Xoyog 

Man  schreibt  gewöhnlich  mit  Valckenaer  oixiraig^  passender 
erscheint  7rQdg  olTierag. 

943  ^vQiyevilg  de.  dQomwv  odov  rjyeiTai  Tex^^6qq>Oig 
WQaig  ^evyvvg  aQiAOvi(f  TtoXvxaQnov  *6xTjf^CL. 

Dass  ^coXtmaQnov,  an  und  für  sich  wunderlich,  unrichtig  ist, 
zeigt  Macrob.  sat.  I  17,  59,  wo  die  Stelle  citiert  wird  mit 
der  Bemerkung:  solis  meatus  .  .  iter  suum  velut  flexum 
draconis  involvit,  unde  Euripides  etc.  Hiernach  muss  es 
TTokvxa/üjrtov  oder  vielmehr  noXvna^jiig  oxtj^icc  heissen. 

966   0  ßlog  yoLQ  ovoijC  exBi  novog  yeywg, 
Sinn  wie  Vers  lässt  sich  herstellen  mit: 

ßiog  ßiov  yoQ  ovo^^  t'x^i  novog  yeycig. 

1028   oatig  veog  a)v  fiovawy  dineXel, 

Tov  TB  ^caQeXd-ovT^  Q7i6X(üXe  xqovov 
Hat  TOV  ixiXXovra  Tidi'rjxev, 

Unmöglich  kann  es  von  dem  jugendlichen  Menschen  heissen, 
dass  er  in  der  Vergangenheit  tot  sei,  da  er  noch  gar  keine 
Vergangenheit  hat.  Vielleicht  hat  es  tioq'  i^ßr^v  geheissen. 
Man  erwartet  aber  tov  naQOvva  xQOvov  und  nach  Plat.  Alk. 
II  p.  148  C  Big  To  vioQ^xov  TOV  XQOVOV  kann  in  diesem  Sinne 
TOV  7caQr^xovTa  xQOvov  stehen. 

1054,  3  xdv  T(p  xcrx/aT<^  rd/y  cpQevcuv  oinBiv  q^iXBi. 

Die  Lesarten  der  Handschriften  M  und  A  dxBiVy  vaQXBiv 
führen  auf  vaiBiv, 

Phrynich.  23  p.  725  N.  Hesych.  aeiuXij'  VQa/tB^a.  naQa 
6i  Wqvvixv  '^OQir^.  Mit  Recht  hat  in  OB^eXt]  Schrevel  ^h;- 
lAtXri  erkannt.  M.  Schmidt  verweist  dafür  auf  Aristoph. 
Flut.  G78.     Ich  glaube  aber,   dtiss  (bqvvixn^   ein  Gedächtnis- 


Wecklein:  Fr-agmente  der  griechinchen   Tragiker.  51 

fehler  fßr  Udarivtf  ist  und  dnss  sich  die  Glosse  auf  das  be- 
kanut«  Hjporchem  des  Pratinas  Athen.  XIV  p.  617  C  n'g  6 
Hopjßog  ode;  ti  tödt  tä  xoQeifJata;  iig  vßQig  tfjolev  Ini 
^lonaiädu  noXvnvLvaya  ih:fifkav;  bezieht,  In  dieser  Stelle 
kann  ^vfiiXij  mit  ko^ttj  erklärt  werden,  während  sonst  eo^it^ 
TQD  der  Bedeutung  von  itufithj  weit  ablie):ft. 

_Jon  22  p.  736 

o'W  bJb,  jivdai  i})öKT^tai,  naXat^itan' 

feahl  stehende  xoaftrjaare   scheint  Meineke  Teraolasst  zu 
haben,  xoiftr]aais  for/uschlagen.    Aber  eher  ist  nalatquxTün' 
r  DobreeJ  vftnov  ootöalg  ton  §(yof  noofi^aate  zu  setzen. 
.  Med.  421   ^oijflai  *j£  naXatyBvlii»'  i^^otö'  äotÖäv. 

(haereni.  10  p.  784 

Sviy  ctt  fi8v  avxüv  Etg  öneiQOva  orpoiöv 
äv^iii/v  aXoyxfv  iar^tevato',  rjÖoraii: 
ftfjQiäfievai  (.!>öiX)  ovra  i^tfitüruv  it'xva. 
Für  ijdovali  würde  man  eher  t]^ovfi  erwarten;  aber  das  Wort 
tfaält   Überhaupt   eine   hier   wenig   geeignete   Bestimmung, 
mute  dafür  iy  rönaig. 

?s.  5  p.  795 
6  T^  Jixtjg  öifi&altiog  wg  Öl'  -ffivxov 
iLevaaiav  nQoaäitiov  näv^'  oftws  o'ei  ßXinet. 
[  man  auch   mit  Canter   ö^iug   schreiben,    so    kann   mau 
douh  nicht  verstehen,  was  die  Ruhe  des  Antlitzes  in  diesem 
Zusammenhang  bedeuten  soll.     Auch   ist  tug   unpassend.     F. 
W,  Schmidt  hat  auf  Eur.  555,  2    o'U'  »j  JUi}  yae  ■x.ai  diu 
0X&XOV   verwiesen    und    damuch    tu?  diä  axotov  geachriebeTi . 
I  Da  hiedorch  /rpoffwjrOTi   oder,  was  auch  Überliefert  ist,  /igo- 
t  mfbisig  wird,  s(i  ändert  Schmidt  ausserdem  n^oan'mov 


52  Sitzung  der  phihs.-phUol.  Classe  vom  3,  Januar  1890. 

7rdvd^'  in  jrqoaco  ttbq  ovd-\  Aber  soll  etwa  der  Qrastand, 
dass  das  Auge  der  Dike  auch  im  Dunklen  sieht,  ein  Grund 
dafür  sein,  dass  es  selbst  Fernes  erblickt?  Sehr  gut  aber 
passt  der  Gedanke  des  erwähnt-en  Bruchstückes  ij  JUt]  i^at 
did  axoTOv  ßlf7cei  zu  dem  o/awg  unseres  Fragments:  es  muss 
ein  Hindernis  des  Sehens  angegeben  sein,  das  Versqhleiem 
des  Antlitzes.     Deshalb  schreibe  ich : 

Xeiaawv  7TQoaw7r(p  7rdvd-^  o^ioq  dei  ßXi7iei. 

Zu  axidueiv  vgl.  Eur.  Hipp.  134  Xe7rTd  de  q^dq^ri  ^av&dv 
ueq^aXdv  amdl^eiv,  auch  Soph.  Trach.  914  Xa&Qa7ov  ofifi^ 
F7teo%iaafievr], 

Karkin.  8  p.  800 

XaiQCt)  a'  OQwv  cp^ovovvxa^  tolt'  eldiog  ort 
W  dq^  /aovov  dUaiov  iov  7ioiei  qi&ovog' 
Xv7i€i  yoQ  avTO  to  xr^^a  jovg  xexTtjiaevovg, 

Die  Versuche,  den  dritten  Vers  herzustellen,  avzo  nvrjfta,  ai 
To  xT^jiia,  avtovg  y.TrjiLtay  avroxQrjincc,  können  nicht  befriedigen. 
Dem  Sinne  scheint  allein 

Xv7tovv  ydq  iari  ^K^r^lxa  roig  xenTrjfiivovg 

zu  entsprechen. 

In  der  schönen  Behandlung   des    tierischen  Urzustandes 
der  Menschheit,  Moschiou  6,  p.  813,  heisst  es: 

14  ßogai  di  aaqyLoßqioxeg  dXXrß.O'KXovovg 
7raQelxov  aivoig  daitag. 

Naturgemäss  müssen  die  Epitheta  vertauscht  werden :  ßoQat 
Ö€  aaQ'KoßQwtag  dXXtjXoxtdvoi  . .  öalzag.  Es  wird  dann 
erklärt,  wie  die  Menschen  sich  zur  Kultur  entwickelten. 
Dabei  lesen  wir: 

23   t6&'  TjVQ^.xhj  fiiv  xaQ/Tog  r^^tQOv  T(}0(pffi 
JtjfAt^TQOg  dyvrig,  rjVQt&rj  öa  Baxxiov 
yXvxela  7€tiyt], 


Weckitin:  Jb^agmente  der  griechischen  Tragiker,  53 

Augenscheinlich  war  die  fjfieQog  tQoq>ij  näher  bestimmt  mit 
Jr^ut;;w^og  axifjg.  Vgl.  Hoin.  N  322  dg  ^vrixog  x'  eYrj  xal 
iioi  Jr^ui]x€Qog  oxttJv,  Eur.  frg.  892  hiei  vi  öel  ßqoxoioi 
,TiijF  dvolv   fiovovy    dri^r^TQog    axr^c;   ntifiazog  &^  vdQtjxoov ; 

Mosch.  9,  5,  p.  813 

xai   naoi  deixvvg  wg  ta  XafATvqa  Trjg  tvxtjg 
T?Jy  üjriaiv  ov  ßißaiov  dv^qwrcoig  vifuei. 

Gohet  vermutet  exBi  för  vifieiy  welches  mit  tjJv  xrijoiv  sich 
nicht  gut  Yerbindet.  Ich  möchte  vif^ei  festhalten  und  lieber 
owr^öiv  für  Tiqy  xtfjaiv  schreiben. 

Sosith.  3  p.  823 

Ö^avü/v  ^iv  ovv  Maiavdqov  iQQiqit]  7tod6g 
ooXog  Tig  Üotcbq'  riv  ö^  6  diaycetoag  dvriQ 
7W&10'  tig  ydq  dv&^  ^HQcmXeovg; 

Das  Fragment  wird  eingeleitet  mit  ort  d'  dire&avev  v(p* 
'H^andiiovg  yijai  liytjv,  Nauck  bemerkt:  fortasse  Tiqiv&iog 
iiigy  legendum.  Die  Präposition  dvii  gemahnt  uns  an  das 
hd  Tragikern  gebräuchliche  äXXog  dvri^  weshalb  wir  schreiben : 

rjv  d'  6  öianevoag  dvr^Q 
TiQvvx^lov  tig  aXlog  dv^  ^HQaxliovg; 

Aesch.  Alexandr.  1  p.  824 

Tig  d*  tar'  dvdyxrj  dvarvxBiv  iv  nXeioaiv, 
f^oy  010)71  av  %dv  a%6t(j)  xQvmeiv  rade; 

Der  Gegensatz  zu  onanav  erfordert  offenbar  dvaio^elv, 

Zopyr.  1  p.  832 

firjdeig  ajceiQog  twv  ifiwv  eHij  q^iXwv 
igijJTog^  evTVX(iiv  de  tov  d-eov  Xaßoi, 

För  evTvxtbV  (evtvxcjv)  hat  man  ivrvxfJ^Vf  evcpqovwv^  eiaywv 
fermutet  oder  evrvxol  .  .  Xaßüiv,  eufievovg  di  tov  d^eov  tvxoi 


54  Sitzung  der  pMosrphilol.  Classe  vom  3.  Janwa 


geschrieben.      Nach    Eur.  Herakleid.   894    ridela 
l4q)Qoöii:a  ist  wohl  herzustellen:  Bvxaqiv  di  rov  • 

Adesp.  14  aojTYiQeg  ev&a  xdya&ol  TraQaatan 

Für  i'v&a  hat  man  ia&lol,  a/iicpw  vorgeschlagen.. 

an  evvoi, 

I 

Adesp.  18  (TtycS*  aico/rt)  J'  ioti  %ov  dvfiov  ^ 

Dieses  Fragment  ist  entnommen  aus  Alkiphr.  III  | 
de  xiwq  (asv  dvoyxrj  HQvmeiv  t6  hccxov  xat  Tr^oi 
aiytirpf '  oiyri  {aituni^  cod.  Ven.)  di  ioxi  tov  dx% 
wo  man  schreibt:  nqog  ro  itaqov  aiyav.  aiyü* 
iati  xov  &V/ÄOV  iQoqrr^.  Aber  an  seiner  ursprünglj 
kann  der  Vers  nur  so  gelautet  haben: 

Denn  die  Worte  oiwni^  .  .  TQocprj  kann  einer  nid 
sondern  nur  zu  einem  anderen  sagen,  den  er  c 
bringen  will.  Vgl.  Eur.  126  aiy^g'  auoirri  d'  äno 
vevg  l6y(0Vy  Hipp.  911  aty^g'  auonrjg  d'  ovöev 
y,axolg.  Nauck  bemerkt  zu  diesem  Fragment:  q 
Wagner  dicit,  verba  aiyr]  de  eoti  tov  (}v^ov  xqoq 
ripide  esse  desumpta,  nescio  quo  testiraonio  niti 
angeführten  beiden  Stellen  lassen  allerdings  diese 
als  eine  vorzugsweise  Euripideische  erkennen. 

Adesp.  112 

w  övGTvxßh  (pig  xal  naxwg  ntnqayivai^ 
ov&Qwnog  iyevov  aal  ro  övazvxig  ßiov 
i'xei&ev  ilaßeg,  o&ev  anavz^  evr^Q^aTO 
TQeqiBiv  od'  al&iqQ  ivdidovg  d^vr/Toig  nvoo^ 
^Tj  wv  Ttt  dyrjTO  d-vtjTog  lov  oyyio/aovei. 

Im  dritten  Verse   hat   anavr^    ivilfi^cao    für   07iai 
Valckenaer   hergestellt.   •  Diese    Emendation    erfor 


Weeklein:  Fragmente  der  griechischen  Tragiker.  55 

im  nächs^u  Verse  attoig  für  d-vtyvoig  gesetzt  werde,  weil 
mit  irdiiotg  nvoag  das  aTuavra  %qi(peiv  erklärt  wird. 

Adesp.   191  r^Xd'Bv  de  laoi  iivqloi  nqoq  r^ova 

Hefod.  n.  aoXoix.  in  Anecd.  Boiss.  vol.  III  p.  244  führt 
dieise»  Fragment  als  Beispiel  an  für  die  Verbindung  von 
Singular  und  Plural:  t6  de  nXrjdvvTixov  t(p  evixqi  awaifd-ev 
iüpiiAortL  Wer  kann  glauben,  dass  irgend  ein  Dichter  so  ge- 
schrieben hat  und  dass  es  nicht  ursprünglich  r^X^^ov  de  laol 
fttf^iai  oder  Tielmehr  i^kx^ev  öi  Xaog  fivQiog  geheissen  hat? 
Deon  der  Gebrauch  des  s.  g.  oxrj^ct  TlivdaQixov  ist  ein  sehr 
beschränkter.  Mir  sind  bei  den  Tragikern  6  Fälle  bekannt: 
Aesch.  Per».  50,  Soph.  Trach.  520,  Eurip.  Bakch.  1350, 
Bei.  1358,  Jon  1146,  Phoen.  349.  An  der  ersten  Stelle 
hat  Weil  azüxai  .  .  Jieldrrjg  (für  neXätai)  hergestellt.  An 
keiner  der  anderen  Stellen  fehlt  ein  gewisser  Zwang  des  Vers- 
masses.  wenn  nicht  ein  anderer  Anlass  für  den  Gebrauch  des 
>ioguIar  vorliegt.  Trach.  520  haben  wir  das  ankündigende 
f>  wie  Jon  1146  hiiv.  Vgl.  Krug.  I  §  03,  4,  4.  Bakch. 
l^föO  ahn  diöoTcxai,  nqioßv^  tXijfioveg  q^vyat  und  Phoen.  349 
oW  di  &rjßttifxv  iroXiv  iaiydd-t]  aag  i'aoöoi  vvf4(pag  folgt  der 
Plnral  gewissemiassen  als  Apposition  des  im  Verbum  ent- 
haltenen allgemeinen  Subjekts  nach.  Hei.  1358  steht  um 
itb  Versmasses  willen  dvvatai^  als  wenn  der  Plural  eines 
Keotmms  folgte. 

320  Tavtofdcctov  jy^wv  xalkio)  ßovXevetai, 

In  der  Annahme,  dass  der  Vers  (Men.  raon.  720)  nicht  von 
einem  Jambographen,  sondern  von  einem  attischen  Tragiker 
herrühre,  beseitigt  Meineke,  Jahrb.  f.  Philolog.  87  S.  380, 
den  metrischen  Fehler  in  xalkiw  durch  die  Aenderung  in 
ßilzeqoy^  wie  Aesch.  309  im  Ausgang  des  Trimeters  Burney 
ßiiieqor  für  ßiXxiov  hergestellt  hat.  Die  Stelle  des  Euri- 
pides,  wo  ridiov  am  Ende  des  Trimeters  steht,  Suppl.  1101 


1 


56  Sitzung  der  phüosrphüol.  Glosse  wm  3,  Januar 

muss  wohl  fehlerhaft  überliefert  sein  {Y.axtlxB  xe{ 
ijdiov  TiaTQi  Herwerden).  Aber  ein  attischer  Trag 
auch    nicht  Tovrofiarov ,  geschrieben   haben.     Nui 

Tvxrj  yaq  r^fxuiv  ßiXTSQOv  ßorkeverai 

würde  einem  Tragiker  zukommen.  Dagegen  heia 
Menand.  291  xairofiaxov  eoriv  wg  eoixi  nov  d^eoQ 
iari  xal  ravTOfiaTOv  i'via  xqTfiiiiOv,     Man  könnte 

xavTOfiaxov  f^fiaiv  Xciiov  ßovXeverai. 

denken,  wie  Soph.  Phil.  1381  nalwg  in  Är/Iarfi 
worden  ist.     Aber  bei  einem  Komiker  ist 

nicht  zu  beanstanden,  da  sich  ndXiXov  Aristoph.  E 
allerdings  in  einer  melischen  Partie,  und  f]6iov  im 
eines  Trimeters  Alex.  25,  6  findet. 

Adesp.  384  (piXwv  ye  ^evTOv  XQ^^^S  ^  ^Qog  c& 

(AOVYj  xanov  ^iovTog  wq)eleiv  g>iXei, 

Nicht  x^^^S;  sondern  xTf^alg  entspricht  dem  Sinn 
Besitz  blutsverwandter  Freunde  allein  hilft  im  1 
sagt  sarkastisch  Atreus  zu  seinen  Söhnen,  nachdem  < 
Bruder  das  verruchte  Mahl  vorgesetzt  hat.  Die  ! 
in  der  That  des  Euripides  würdig,  dem  sie  Porsc 
wiesen  hat. 

Adesp.  397   li^yei  de  KvTtqtg  d^akiav  te  viwv 

ovö^  ezi  &vqoog  q)vXXa  ßaxxeiov 

Die  einfachste  Herstellung  dürfte  mit  ovd^  hi 
qiiXa  ßauxBiov  gegeben  sein. 

Adesp.  520.  In  der  Stelle  des  Teles  bei  Stob 
67  vol.  l  p.  127,  11  Mein,  äoneq  fx  avfiTroaiov  i 
TOiAai  ov&ev  övaxBqaivcov,  ovtio  nat  ex  xov  ßiov,  1 
jf '   ^e'fißa  jcoQ&^idog   tQv/ja''    ist  vielleicht   das  Ori 


Wecklein:  Fragmente  der  griechischen  Tragiker,  57 

erblicken  för  Hör.  sat.  I  1,  118  exacto  contentus  tempore 
Titai  cedat  uti  conviva  satur  oder  vielmehr  für  Lucret.  III 
938  cur  non  ut  plenas  vitae  (I.  vita)  conviva  recedis  aequo 
aniiDoque  capis  securam,  stulte,  quietem?  Ich  kann  aber 
weder  ^qvua  noch  was  Nauck  dafür  setzt  Vq^a  verstehen. 
Man  hat  an  Worte  des  Charon  zu  denken.  Vgl.  Aristoph. 
Frö.  188,  wo  Charon  zu  Dionysos  sagt  zax^ojg  e'iAßaive  — 
i^ißatre  di],  Eur.  Alk.  260  OQoi  dixwTtov  oqo)  ax6q)og^  vexviov 
6i  710^9 fieig  ixwv  x«V  ^^^  yion:t{)  Xccqiov  KaXel'  „zi  ^iXKeig; 
indyov  cv  nareioyeig*^ ,  Der  Kahn  kann  aber  nicht  mit 
jMO^^idog  ^Qfda^  sondern  nur  mit  7tOQd^ixidog  aiidq>og  be- 
zeichnet werden.     Vgl.  Eur.  Kykl.  362    noq&^idog  anaipog. 


Nachtrag  zu   S.  29. 

Ueber  fivvdog  hat,  wie  ich  eben  sehe,  bereits  J.  v.  Le- 
euwen  de  authentia  et  integritate  Aiacis  Soph.  1881  die 
gleiche   Ansicht  ausgesprochen. 


I 


58 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom   3.  Januar  1890. 

Herr  Friedrich  hielt  einen  Vortrag: 

„Zur  Entstehung  des  liber  diurnus". 

Der   liber  diurnus,    das   alte  Formelbuch  der  rl 
Kirche,  einst  Jahrhunderte   lang  im  Gebrauche,    hal 
dem  es  im  17.  Jahrhunderte  wieder  an's  Tageslicht 
worden,    eine    eigenthüraliche   Geschichte.      Die   nac 
früher  in  der  Sessoriana,   jetzt  in  der  Vaticana  sich 
liehen  Codex  durch  Hülste  besorgte  Ausgabe  wurde 
Veröffentlichung  unterdrückt,  und  seitdem  ist  der  lib 
nus  nur  nach  dem  Codex  Claromontanus   durch  Gan 
kannt  geworden;    denn    zu    allen   späteren  Wiederab« 
konnte  der  Vaticanus    nicht  benützt  werden.     Erst  y 
war  es  gegönnt,  eine  neue  Ausgabe  auf  Grund  desse 
veröffentlichen  (Wien  1889).     Sie  ist  mit  all'  jener  i 
und  Akribie  sowie  Gelehrsamkeit  veranstaltet,  welche 
dem  Herausgeber    zu   beobachten    gewohnt  sind.     Do 
Verdienst  um  dieses  Buch  ist  noch  ein  viel  grösseres, 
abgesehen  davon,  dass  seine  Ausgabe  uns  erst  die  un 
liehe  Gestalt   des    liber  diurnus   zeigt,    so   hat  er  auc 
die   Entstehung    desselben   zum    erstenmale    Licht    ve 
in  der  dem  Buche  vorausgeschickten  umfangreichen  p 
und    in    den  Prolegomena   1.  II    (Wiener  Sitzungsbei 


Friedrich:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  59 

n.  1889).  Alle  früheren  Annahmen  über  die  Entstehung  des 
liber  diumus  sind  als  imstichhaltig  aufzugeben.  Das  ist  ein 
unum^tassliches  Ergebniss  der  Sickerschen  Forschung.  Aber 
«  wird  auch  kaum  Jemand  gegen  seine  weitere  Aufstellung 
viel  Stichhaltiges  einwenden  können,  dass  das  Formelbuch 
iies  Vaticanos  zeitlich  ziemlich  weit  auseinander  liegende 
Theile  enthalte:  eine  Collectio  I.  (form.  1  —  63),  vor  dem 
Jahr  r)80,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  bald  nach  dem 
.Tahre  025  angelegt;  ein  Appendix  I.  (form.  64 — 81),  etwa 
bis  700  jener  zugewachsen,  und  eine  Collectio  II.  (form.  82—99), 
nnter  Hadrian  I.  an;^elegt.  Den  liber  diurnus,  wie  er  im 
VaticaniLs  vorliegt,  setzt  er  hingegen  vor  dem  Claromontanus 
ui  und  lässt  ihn  ebenfalls  unter  Hadrian  I.,  bez.  vor  795, 
{!eschriel>en  sein.  v.  Sickel  hat  bei  seinen  Untersuchungen 
begreiflich  nicht  von  allen  kirchengeschichtlichen  und  theo- 
logischen Erörterungen  absehen  können:  allein  ein  näheres 
Eingeben  auf  den  diumus  von  diesen  Gesichtspunkten  aus 
überliess  er  doch  den  Vertretern  dieser  Disciplinen. 

Es  geschah  nun  nicht  ohne  die  besondere  Anregung  des 
Herausgebers,  dass  ich  vom  kirchenhistorischen  Standpunkte 
lor?  an  eine  Untersuchung  des  diumus  herantrat,  und  wenn 
ich  nunmehr  die  Ergebnisse  meiner  Forschung  hier  darlege, 
^o  ging  auch  dazu  die  Aufforderung  desselben  voraus.  Ich 
bemerke  dies  nur,  um  anzudeuten,  dass  ich  durchaus  auf 
keine  Controverse  ausgehe,  sondem  höchstens  zu  weiterem 
Forschen  anregen  will.  Man  hat  es  bei  den  Formeln  des 
diumus  mit  Aktenstücken  zu  thun,  welche  so  sehr  genauerer 
Zeitangaben  entbehren,  dass  es  kaum  gelingen  kann,  beim 
ersten  Angriff  derselben  bereits  alle  Fragen  zu  l()sen.  Ich 
läge  dem  nur  noch  hinzu,  dass  ich  das,  was  v.  Sickel  schon 
festgestellt  hat,  ausser  Betracht  lasse  und  voraussetze,  und 
dass  ich  mich  auch  nicht  auf  das  paläographische  und  di- 
plomatische Gebiet  begebe. 

Die  form.  78.  —  Selbstverständlich  musste  es  mir  vor 


60 


Siltiini/  der  kislor.  Claase 


Allem  (darauf  aukonimen,  eine  [eate  Unterlage  -au  gewiiinen, 
tim  TOii  ibr  aus  weiter  gehen  /.u  ki^nnea.  Dieselbe  lund  ich 
denn  auch  ohne  Mühe,  du  ich  mich  emnerte,  wenige  Tage 
vorher  einen  Theil  der  form.  73  irgendwo  gelesen  xu  haben, 
wie  eich  herausstellte,  in  dem  Schreiben  iles  P.  Pelagina  II 
an  B.  Elias  von  Aquileia  und  die  'Ibri^jen  Bischöfe  IfltrieDa 
(Jaffe*  1054)  c.  585. 

Pelaylus  II.   Manci  IX.  891. 

Nos  eniui  illam  fidem  prae- 
diclam  teoenius  et  cum  omni 
puritatu  conscleDtiae  aaque  ad 
BanguiDis  effasiooem  derondi- 
mns,  quae  ali  npostolia  traditu 
Bt  per  succeasorea  eorum  in- 
violabiliter  custodita,  reverenda 
Nicaena  synoduE  316  palrum 
snscepit  atqae  redegit  in  ajoi- 
bolum,  eed  et  Constan tinopol  i- 
taaa  150  patrum  sub  p.  m. 
Tbeodosio  aeQiore  principe  fac- 
tum,  etiam  Epbesina  prima, 
cui  praMedit  b.  r.  praedecesaor 
ooster  Caeieütinns  Rouianae  ur- 
biB  antistes  et  Cyrillua  Alexao- 
drioos  episcopus;  sed  et  Chal- 
cedOQeaaiä  630  patmm  quae 
sub  p.  m.  Marciano  Imp.  con- 
venit  cniqno  s.  r.  papa  Leo  per 
legatos  vicarios  sdos  praeaedit: 
et  ut  divemarum  baeresam 
damoaDda  exigebat  adveraitas 
(f),  eamdem  fideoi  uno  eodem- 
qae  sensu  clamantes  eintitu 
edidernot.  Sed  et  epUtotam 
praedicli  b.  m.  LeoDia  ad  Fla- 
vianuDi  Con»taDtiDOpolilaiiain 
epiecopum  datam,  qnae  et  to- 
mu»    appellatur,     per    omaia 


lAU.  dinrn.  fonn,  73.  p.  TOj. 

.  ,  .  [devola  mentis  iotegri* 
täte  et]  pnra  conscieatia  .  .  . 
[ue  proüteri.  Kt  ideo  pro- 
mitto  .  . .]  illam  fidem  tensre 
[  predicare  J  ati|ae  defend«« 
quam  ab  apostolis  traditiuii 
[babemuMj  et  auccassores  eormn 
üuatoditftiü,  röverendam  Nicse- 
ünm  318  patram  [s.  spirita 
sibi  revelante]  suscipiens  re- 
dsgit  in  bymbolum.  [deinde 
trea  alia«  a.  syaodi,  id  est) 
CoDstantiDOpolitanam  1 50  pa- 
lrum sab  p.  m.  Tbeodosio  86- 
Diore  principe  facta,  et  Bf«saoaili 
priroam  cui  b.  m.  pape  CeU- 
stinais  ap.  t^edis  pontifex  ei  b. 
Cyrillns  Alexundrinas  epiMCOpU 
preüederunt,  sed  et  Cakedonen- 
sein  630  patrum  qaae  sub  p. 
m.  Marciano  iiup.  coDvenit  cni- 
<ine  s,  r.  papa  Leo  per  legatos 
suoa  vicariosqae  presedit,  et 
proat  diversaroio  hcresum  dam- 
niinda  exigeliat  diveraitaa,  aan- 
dem  fidem  nno  eodeimjue  «eosa 
[al<iaeiipirJtn|dpclaratitpslntiiLS 
ediderunt.  [eoa  anteu)  qakam- 
que  ab  eisdem  patribn?»  in  me- 
in Oratia    (juaitnor   aynodb   re) 


Friedrick:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus. 


61 


Tcneramar,  teoemus,  defendi- 
mos.  atqoe  secandnm  eins  te- 
Borem,  adinvante  domino,  prae- 
dkamiis.  Et  sicut  praadecessor 
D«»ter  saepe  dictas  b.  m.  papa 
Leo  sjDodam  Chalcedonensem 
nacepit  atqae  firmavit;  ita  et 
006  per  omnia,  operante  divina 
rratia,  veDeramur,  custodimus, 
4tqae  defeDdimus. 


quinte  sub  p.  m.  Justiniano 
confecte  diversis  vieibus  dam- 
Dati  leguntnr  .  .  .  illud  etiam, 
spiritali  saffragante  gratia,  pro- 
fitemur,  nas  s.  et  b.  r.]  Leonis 
[ap.  sedis  antistitis]  epistalam 
ad  Flavianum  ConstaDtinopoli- 
tanaxn  episcopam  datam,  qai 
et  tomus  appellatnr  [sed  et 
omnes  eias  epistolas  de  fidei 
firmitate  prescriptas]  per  omnia 
[et  in  omnibas]  inviolabiliter 
custodire  et  semper  libere  sicut 
predicatis  predicare  .  .  . 


Diese  Stelle  des  P.  Pelagius  II.  bildet  widerspruchslos 
d«fn  Grundstock  der  ursprünglichen  form.  73,  zu  der  erst 
spater  zwei  weitere  Zusätze  gemacht  wurden ;  denn  was  zu- 
nächst in  der  ursprünglichen  Formel  folgt,  ist  der  formnla 
Honnisdae  F.  (Mansi  VI[[,  407 ;  J.  782)  nachgebildet,  doch 
nicht,  ohne  wieder  eine  kurze  Stelle  von  Pelagius  IL  zu 
entlehnen : 


Form.  Hormisdae. 

patram  sequentes  in  omnibus 
ooostitata  t  anathematizamus 
omnes  faaereticos ,  praecipue 
Xestorinm  baereticum ,  qui 
qaondam  Constantinopoiitanae 
foit  nrbis  episcopus,  damnatus 
in  conciiio  Ephesino  a  Caele- 
stino  papa  urbis  Romae,  et  a 
a.  Cyriilo  Alexandrinae  civitatis 
•Btiatite;  uno  cum  ipso  ana- 
thematizantes  Bntycbetem  et 
DiosGomm  Alexandrinum  in  s. 
sjnodo,  qoam  sequimur  et  am- 
plectimor,  Chaicedonensi  dam- 
natos;    bis  Timotbenm    adjici- 


Form.  73,  p.  7I2. 

eos  autem  quicumque  ab  eisdem 
8.  patribus  in  memoratis  quat- 
tuor  synodis  vel  quinte  sub  p. 
m.  Justiniano  confecte  diversis 
vieibus  damnati  leguntur,  me 
meamque  ecclesiam  eorundem 
venerandam  auctoritatem  pa- 
trum  sequentes  insolubili  dam- 
natione  procellimus,  nee  non 
et  omnes  quos  b.  r.  Romane 
urbis  pontifices  propter  diversos 
errores  vel  haereses  damnave- 
runt,  damnamus.  illud  etiam, 
spiritali  suffragante  gratia, 
profitemar,  nos.  s.  et  b.  r.  Leonis 


^^^H      ß2                 Sitimn  iler  histOT.  Clause  vom  3.  Januar  1890.                            1 

^^^H      eotes      parricidaiu,      Aeluram 

ap,  sedis  antistitis  epiatulam  ad 

^^^H     cognomeiDto,  et  aUcipuliim  quo- 

Flavianüm     Const  an  tinopol  lU- 

^^^^1      qne  eius  atqae  Bequacem  Petruin 

nnin  episcopum   datam    qui  et 

^^^^1      vel    Äcacium,    qni    in    eoraia 

tonius  appellatar,    sed  et  om- 

^^^^H      communioiiis  societate  permun- 

nes  eius  epistolaä    de   Sdei 

^^^^H     sit;    qnia  quoriun   se  cotninu- 

ärmitate  prescriptas  per  om- 

^^^^H      nioni  luiscuit,  illorum  simiieui 

□ia  et  in  ooitiibns  iiivLolabilil«r 

^^^^B      memit    in    daioDatione  aenten- 

cnstodire  .  .  , 

^^^^V      Uam;  Petram  nihilomiiiaii  äd- 

^^^^       tiochenum  damnantes   cum  se- 

1                     quaeibus  suis  et  omaium  supra- 

1                     BCriplorum  [bis  adjicientes  .  .  . 

^^^^       entspricht  form.  73,  p.  TI,:  nee 

^^^ 

^^^^ft      Don  et  onmea...].   Quapropter 

^^^^M 

^^^^H      suscipimus  et  approliamus  om- 

^H 

^^^^H      nee  e'piatolas  Leonia  papae 

^^^H     QDiversaa,    qnaa   de    religioae 

^H 

^^^H     cbriatiana  coDscripsit. 

^^H              Das  Weitere    ist   nach    der  Angabe   der    Formel    seffl^V 

^^^^H      den   Briefen    Leo's   1.   entnommen ,    stimmt    al>er    mehr    mit     1 

^^^^H      dem  Coucil  von  Cbulcedoii.     Doch  ancb   hier   lehnt  neb  die      1 

^^^H      Formel  wieder   an   das  Schreiben  des  P.  Felagius  1.  an  den      1 

^^^1     fränkischen  K.  Childebert  (5.^7).  wie    folgende  Ver^leichtinff     1 

^H     zeigt,                                                                                                    1 

^^H        PeUgiaa  I.  ManBÜX,  728; 

Form,  73,  p.  71ie 

^^^1     J.  946.  -  Vgl.  i:an.  12  Conc.  Epbei. 

^^^^H             ßst  ergo  nnas  atqae  idem 

UDuni  eandeinque  deam  do- 

^^^^H      JeBOs  Cbriatus  verus  filios  dei 

atinuin  et  salvatorem  Doatrtun 

^^^^H      et   idem   ipse  Veras   filios  ho- 

Josum     Christum     filium     dd 

^^^^1      mlois    ...    ei    duabus    et    in 

eundeitiqae   hominis   filium    n 

^^^H     duabus     maoeutibus     iudivisiä 

duabus  et  Ld  duabu  nalariit .  ■ . 

^^^H      incourusisque      crediiiius      esse 

maoeulibus  ,  . . 

^^^^H               —  — 

^^^^H             eondem  verbam    ac    tilium 

:*od,   ut  dictum  eat,    aniuB 

^^^H     dei  in  utero  eiasdem  s.  virgiois 

cnrodemque   ßliuin  düi   et  do- 

^^^H     Uarioe  deueDter  ingreesam   ot 

minum    Doatram    J.  C,    qnm 

^^^^H      d«  uarne  eiuä  sibi    unihte  uar- 

credimus    iu     ul^rum    Tirgini« 

■^^^^Hk^^^^^H 

FViedrieh:  Zur  Entstehung  des  Über  diurnus. 


63 


lem  anima  rationali    et    intel- 
kctuali  animatam   —    — 


Qoem  snb  Pontio  Pilato 
spofite  pro  salnte  nostra  passum 
esse  came  coDfitemur,  cruci- 
fixun  Game,  resnrrexisse  tertia 
die  glorificata  et  incorruptibili 
eadem  caroe  —  — 


8.  Mariae  genitricis  suae  [in- 
gressum  et  ?]  de  eadem  s.  sem- 
per  virgine  Maria  sumpsisse 
yeram  carnem  aDimatam  aDima 
rational!  ac  sibi  unisse  —  — 

eundem  passum  carne,  cruci- 
fixum,  mortnnm  came,  resur- 
rexisse  eundem  secundum  car- 
nem  —     — 


Damit  ist  der  Hauptinhalt  und  der  Hauptzweck  der  ur- 
-prünglichen  form.  73  erschöpft;  denn  bezeichnenderweise 
wird  fortgefahren :  et  quam  vis  ad  orthodoxe  fidei  sinceritatem 
&i>imde  superius  dicta  sufficiant,  tarnen  hoc  a  nobis  specialiter 
protitendum,  sicnt  voluistis,  detestamur  etiam  eos  ...  (p.  729). 
Was  folgt,  ist  zwar  wieder  aus  der  Glaubensdefinition  der 
IV.  allgemeinen  (Chalcedonischen)  Synode,  welches  aber  ge- 
rade im  7.  Canon  des  V.  ökumenischen  Concils  neu  eingeprägt 
worden  war.  Wenn  nun  zum  Beweis  ,der  Reinheit  des 
orthodoxen  Glaubens"  das  Vorausgehende  reichlich  genügt, 
d.  h.  wenn  dieselbe  nur  mittels  der  fünf  ersten  allgemeinen 
Konzilien  bewiesen  und  nur  noch  als  etwas  ^Besonderes"  das 
Bekenntniss  einer  Bestimmung  des  Chalcedonischen  Glaubens- 
deerets,  welche  der  7.  Anathematismus  der  V.  allgemeinen 
Synode  berührte,  verlangt  wird,  so  können  andere  Streit- 
fragen und  Entscheidungen  darüber  zur  Zeit  der  Abfassung 
der  Formel  noch  nicht  vorhanden  gewesen  sein.  Fährt  da- 
her die  jetzt  vorliegende  form.  73,  ohne  einen  Zusammenhang 
mit  dem  Vorausgehenden,  mit  einer  neuen  dogmatischen 
Streitfrage  fort,  so  ist  das  ein  Zeichen,  dass  wir  es  von  da 
an  mit  einem  späteren  Zusatz  zu  thun  haben.  Da  dieser, 
wie  sich  zeigen  wird,  649  gemacht  wurde,  so  fällt  also  der 
erste  Theil  oder  die  ursprüngliche  form.  73  längst  vor  dieses 
Jahr.    Schon  ursprünglich  mag  dazu  auch  der  Schluss  gehör 


(i4 


Siimng  der  hislor,  Cfajise  r 


haben  (p.  73i8):  et  ut  noatrae  fidei  vestro  apostolatni  sanctae- 
que  cath.  eclesie  integritas  ac  puritas  luonstraretur  . . .  sanimt 
tten  subscriptiones,  worauf  tiocli  zurück /ukommen  sein  wird. 

Wir  können  jedoch  die  Zeit  der  EntirtehutiR  and  d«n 
Zweck  dieses  1.  Theileu  noch  näher  lieii^tiuinien. 

Es  ist  oben  nachgewiesen  worden,  dass  er  wesentlich 
aus  einer  Stelle  eines  Schreibens  Pelagius  II.  besteht,  und 
dass  wenigstenä  eine  andere  Pelagius  I.  nebenbei  benQtist 
wurde.  Wenn  nun  diese  Schreiben  beider  Päpste  den  .Drei- 
kapitelstreit* behandeln,  so  liegt  es  nahe,  anzunehmen,  dtus 
auch  die  form.  73  ursprünglich  die  gleiche  Beziehung  ra 
diesem  Streite  hatte.  Ist  es  aber  gar  nachweisbar,  dass  die 
zur  Einheit  mit  der  römischen  Kirche  ans  dem  Schiscia, 
welches  durch  diesen  Streit  eutetandeu  war,  zur fickk ehrenden 
Bischöfe  ein  die  , Dreikapitel "  verdammendes  Glaubensl»- 
kenntniss  ablegen  mussteti,  so  wird  man  um  so  mehr  daran 
denken  dürfen,  dass  form.  73  (I.Thl.)  ein  solches  tilaubens- 
bekenntniss  war. 

Dass  nun  wirklich  die  zurückkehrenden  Bischöfe  ein 
solches  Bekenutniss  ablegen  mussten,  das  geht  unzweideutig 
aus  den  Briefen  Gregors  d.  Gr.  hervor.  Derselbe  schreibt 
5d3  Sept.  an  B.  Constantins  von  Mailand:  dicentes  (itc.  tm 
episcopi),  vos  in  damnatione  trium  capitulorum  consensiiR 
atqne  cantionem  feciiise.  Et  si  (juid  de  tribns  capitulis  m 
qnocumque  Tel  verbo  vel  scripto  uominatum  est  bene  fratar- 
nitus  tiia  remiuiscitur ,  qnamvis  deceasor  fnitemitutis  toae 
Laurentius  districtiseimam  cautionem  sedi  aji.  emisit,  in  qua 
viri  nobili-Hsimi  et  legitimo  numero  9ubscri|)äerunt.  Lnter  qgus 
et  ego  quoque  tunc  urbanam  praeturam  gerens  parit«r  sub- 
i<cripsi,  qtiia  postcjnam  talis  scissura  pro  null»  re  facta  ettt  iutstuni 
fnit,  ut  sedes  ap.  curam  gereret,  quatvnne  unitatem  in  uni- 
versalis ecclesiae  sacerdutum  mentibus  per  omnia  custodirot') 


I)  .per  0 


uuBtüdire*   auch  foroi.  78.  p.  71  „ 


Friedrich:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnua.  65 

«IV.  2,  Ewald  p.  232;  vgl.  IV.  3,  p.  235).  Nur  konnte  das 
voü  Laureutias  unterschriebene  Glaubensbekenntniss  die  form. 
73  darum  noch  nicht  gewesen  sein,  weil  derselbe  schon  573 
^Ew.  p.  234  n.  7)  Erzbischof  von  Mailand  wurde,  Pelagius  II. 
ihet  erst  578  den  romischen  Stuhl  bestieg,  unter  welchem 
.Tfihestens,  wenn  nicht  erst  unter  Gregor  d.  Gr.  die  form.  73 
«Atstand,  um  den  zurückkehrenden  schismatischen  Bischofen 
Torgei^t  zu  werden. 

Wenn  ich  ihr  aber  diesen  Zweck  zuschreibe,  so  meine 
ich,  das»  derselbe  aus  der  Formel  selbst  schlagend  hervor- 
gehe. Denn  erstens  enthält  sie  nicht  Einen  Gedanken  mehr, 
ftk  das  Glaubensbekenntniss  Pelagius  I.  oder  die  Schreiben 
Pelagius  II.  und  Gregors  d.  Gr.  an  diese  Schismatiker,  da 
alle  sich  darauf  berufen,  dass  keiner  von  ihnen  den  Glauben 
der  vorausgehenden  vier  allgemeinen  Konzilien  oder  den  Brief 
Li>o*s  I.  an  den  Erzb.  Flavian  von  Constantinopel  aufgegeben 
cder  gar  durch  Annahme  der  V.  allgemeinen  Synode,  bez. 
die  , Dreikapitel*,  die  Lehre  des  Konzils  von  Chalcedon  und 
Leo*s»  I.  verletzt  habe.  Letzteres  könne  überhaupt  nicht 
dnrch  die  Anerkennung  der  V.  allgemeinen  Synode  geschehen, 
weshalb  sie  aber  auch  mit  allem  Nachdrucke  die  Autorität 
dieser  Synode  vertheidigen  raössten.  Wer  daher  zur  römi- 
schen Kirche  zurückkehren  wolle,  müsse  auch  die  V.  allge- 
meine Syn^ide  anerkennen  (Pelagius  IL,  a.  0. ;  Greg.  M.  Epp. 
IL  49,  Ew.  151;  IIL  10,  p.  170;  IV.  4,  p.  237;  IV.  33, 
p.  268).  Gerade  darum  wird  auch  in  form.  73  zwischen  die 
Worte  Pelagius  IL  über  das  IV.  ökumenische  Konzil  und 
nber  das  Schreiben  Leo*s  I.  an  Flavian  die  Stelle  eingeschoben: 
«OS  auiem  quicumque  ab  eisdem  s.  patribus  in  memoratis 
4iiattuor  synodis  vel  quinte  sub  p.  m.  Justiniano  confecte 
diversis  vicibus  damnati  leguntur  (nämlich  auch  die  ,  Drei- 
kapitel* ) ,  me  meamque  ecclesiam  eorumdem  venerandam 
aocioritatem  patrum  sequentes  insolubili  damnatione  procel' 
Umas  ...  (p.  71i).     Der  Unterschied  in  der  Behandlung  dei 

IMl  nüloa-pküoL  a.  hist  Cl.  1.  5 


66  SiUung  dtr  ftidfoc.  ClaifKe  ivtii  :i.  Jaioiiir  1S90. 

V.  Synode  gegenüber  den  vier  vorausgehenden  iet  nicht  211 
verkennen.  Während  von  dem  Nicäuiim  ansgeangt  wini,  m 
habe  den  npostaüschen  Glauben  in  ein  Synibnlani  gefiisst, 
und  von  den  drei  folgenden  Konzilien,  sie  haben  den  näm- 
lichen Glauben  weiter  erläutert,  wird  von  dem  fünften  nur 
gelt«nd  gemacht,  es  habe  häretische  l'ermneii.  die  .Ürn- 
kapitel'  verdammt,')  welche  der  schwörende  Bischof  ebeofalb 
verdamme.  Weiter  deuten  darauf  hin,  dass  SchiematUcer 
diese  Formel  zu  beschwören  hatten,  die  Ausdrücke:  ilUm 
fidem  tenere  predicare  atque  defendere,  quam  .  .  .  (p.  70  ■] ; 
denn  da  diese  Worte  aus  dem  Schreibeu  des  Pelagiiw  IL 
stammen,  so  sind  sie  auch  anf  das  Schisma  xu  beeieheii. 
Ferner:  et  semper  libere  sicut  predicntis  predicare,  d.  Ii.  wi« 
die  römischen  Bischöfe,  welche  nach  den  kurz  vorher  aa- 
geftihrten  Worten  auch  das  V.  allgemeine  Konzil  lehren. 
Endlich  heisst  es:  nachdem  wir,  wie  ihr,  lehren,  auch  die 
Personen,  welche  das  V.  Konzil  verdammt,  wie  ihr  ver- 
dammen, so  steht  die  Integrität  und  Reinheit  unseres  tiUabens 
hinreichend  fest;  da  ihr  aber  noch  etwas  ,8pe?.ieUes'  ver- 
danimt  wissen  wollt,  so  thun  wir  auch  dies:  et  quamvia  oA 
orthodoxBL-  fidel  sinceritateni  abunde  superiiis  diuta  sufHciont, 
tarnen  ((uia  hoc  u  nobis  specialiter  proßtenduin,  .sicut  con- 
decet,  voluistis,  detestumur  (wie  die  , Dreikapitel*)  etiam  on« 
et  ahhominamur  atque  damnamus  quicumque  in  dominu  d«o 
et  salvatore  nostro  J.  C.  ante  adunatioueni  duai  naturas  et 
[Kwit  adunationem  unani  delirando  dicere  vel  credere  pre- 
aumpseruut  preeiumunt  at*jue  presunipseriut  (p.  ~2„).     Ba  ist 

1}  OuK  «0  wie  Greg,  U.  H.  19.  Ew,  p,  1G1,  mgt;  Kam  ia  »f 
Dodo,  in  qua  de  trihue  eapituli«  autoiit  nnt,  aperto  lii)uet,  nUtll  ds 
Ede  convuiHUiu  ««»e,  vel  aliqnatenua,  inuuulutum,  »eA  »ieal  scitii  da 
qiiibu)i<iaiii  (llk  Huluuinivda  pvrsotiM  eiit  uutiLaluni  . . .  EbunMi  IV.  37, 
Ew.  p.  278.  -  Zu  form.  79.  p.  71  J  »({1.  Qrng.  M.  1,  2i,  Kw.  p.  U: 
(JunL'ta*  vcro  i^qm  pmeliitA  veni-ruiidik  (6)  eondlia  pervunu  raptma^ 
respiw  . . . 


FriedrUh:  Zur  Entstehung  des  Über  diumus.  67 

&&,  wie  schon  gesagt,  aus  dem  Chalcedonischen  Glaubens- 
itcxet  ausgehoben;  darauf  kam  der  7.  Anathematismus  der 
?.  allgemeinen  Synode  zurück,  welcher  auch  später  gleich- 
an  als  die  Hauptdefinition  derselben  hervorgehoben  wird, 
L  B.  Ton  P.  Agatho  in  seinem  Schreiben  an  die  VI.  all- 
gemeine Synode  (Mansi  XI,  255;  J.  2109).  Ist  aber  diese 
Bongnahme  auf  die  Dreikapitel  richtig,  so  folgt  gerade 
liraus,  das8  die  form.  73  fQr  die  Schismatiker  bestimmt  war; 
denn  Gr^or  d.  Gr.  sagt  in  einem  zweiten  Schreiben  an 
Enb.  Constantius,  dass  die  unverdächtigen  Bischöfe  ein  die 
, Dreikapitel*  ausdrücklich  berührendes  Glaubensbekenntniss 
nicht  abzulegen  hatten :  Pervenit  ad  nos,  quod  quidam  epis- 
copi  Testrae  dioceseos  exquirentes  occasionem  potius  quam 
mrenienies  aese  scindere  a  fratemitatis  vestrae  unitate  temp- 
UTerint,  dicentes,  te  apud  Romanam  urbem  in  trium  capi- 
tolonim  damnatione  cautionem  fecisse.  Quod  videl.  idcirco 
dicont^  quia  quantum  fraternitati  tuae  etiam  sine  caatione 
credere  soleam  nesciunt.  Si  enim  hoc  esset  necessarium  üeri, 
mtia  Tobis  nrudis  credi  potuisse.  Ego  tarnen  nominata  inter 
DOS  neque  verbo  neque  scripto  tria  capitula  recolo  (IV.  3, 
p.  235). 

Endlich  scheint  darauf  auch  der  Umstand  hinzudeuten, 
daas  der  das  Glaubensbekenntniss  Ablegende  sich  nicht  als 
erwählten  Bischof,  sondern  als  solchen,  welcher  bereits  Besitz 
Too  seiner  Kirche  ergriffen  hat,  bezeichnet:  Promitto  ill*  ego 
til'  episcopus  s.  ecclesiae  ill*  (p.  69  ig)  und :  Sabscriptio  epis- 
copL  Lii*  indignus  episcopus  s.  ecclesiae  ill*  (p.  74  2),  ganz 
to  wie  in  der  Promissio  cuiusdam  episcopi  haeresim  suani 
loaihematizantis,  quam  solvi  fecit  in  nomine  domini  impe- 
nlor  Constantinopoli  (Mansi  X,  326). 

Erst  als  das  Schisma  immer  schwächer  wurde  und  end- 
lich ganz  aufhorte,  wurde  die  form.  78  auch  für  die  in  Rom 
ZQ  koosekrirenden  Bischöfe  verwendet  und  deshalb  auch  v 
Zeit  zu  Zeit  mit  neuen  Zusätzen  vermehrt.     Der  erste  wi 

6* 


68 


Sitswii/  der  tiistor.  Claime  vom  3.  Jonuo 


aber  unter  P.  MarÜD  I.  gemacht  und  bezieht  aich  auf  die 
moQotlieleti sehen  Streitigkeiten,  in  die  «uch  Üoin  durch  1*. 
Honorius  T.  in  unvorsichtiger  Weise  verwickelt  worden  war. 
Es  bedarf  zunj  Beweis  dieser  Beliuiiptuiif^  nur  einer  Ver- 
gleichuDg  der  auf  S.  G9  stehenden  Stellen,  welche  nid)  auf 
den  nämlichen  Punkt  beziehen. 

Der  Unterschied  zwischen  form.  73 .  dem  Schreiben 
Agatho'a  und  der  römiHchen  Synode,  »owie  der  form.  85 
springt  in  die  Augen.  Im  ■!.  680  ist  nicht  mehr  von  den 
Päpsten  Severin,  Johannes  und  Theodor,  sondern  nur  nucli 
von  Martin  I.  die  Rede,  indem  dasjenige,  was  die  voniiia- 
gehenden  Pfipstc  in  der  moiiotheletischen  Frngi;  gethiui 
hatten,  verschwand  gegenüber  dem  Auftreten  Martins,  Denn 
dieser  hatte  049  eine  grosse  abendländische  Synode  nach 
Rom  berufen,  und  in  Verbindung  mit  ihr  auch  CuoDiui« 
gegen  den  MunotheletiHmus  „definirt  und  decretirt*.  Diese 
Delinitionen ')  llherragteu  bis  /.um  VI.  allgemeinen  Konxil 
6S0  alW,  was  vor  und  nach  041*  gegen  die  Monotheletui 
geschehen  war,  und  welches  Gewicht  Martin  I.  seibat  anf 
sie  legte,  das  erkennen  wir  daran,  das«  ler  sie  an  die  aus- 
wärtigen Kirchen,  wie  durch  B.  Ämandus  von  Mustriebt  na 
die  gallische,  7.ur  Aunahaii^  und  Unterzeichnung  sandte  (m. 
Kirchengesch.  Deutschi.  II.  327).  Ebenso  schickte  aber  auch 
['.  Agatbo  noch  kurz,  vor  H80  dieselben  nach  Knuland  (Boda 
IV.  18).  Dagegen  stehen  wir  bei  form.  73  mitten  im  Be* 
ginn  des  Streites.  K^  werden  die  unmittelbaren  Nachfolger 
des  in  diesem  Streite  Fehlgegangenen  Ilonorius  1.  in«g«siutinit 
aufgezählt,  obwohl  eigentliche  Dekrete  wenigstens  von  Semrin 
und  Johannes  nicht  vorhanden  waren.  Wie  es  mnni  nie  gi^ 
schiebt,  wird  hier  hervorgehoben,  dass  in  Constautinopel  du 

1)  DeSnitio  war  680  die  Keteicliirotig  flir  cnnanM  der  SjutASi 
t,  B,  A|;ntbo  vom  V.  all  gern  »inRn  Konuh  in  Vll.  ileünitionuin  Mpt*. 
tuln  praedicat,  Manul  XI,  2&ß. 


Friedrich:  Zur  Entstehung  des  liber  diumu». 


69 


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7(1 


Sittung  der  hinlur.  ('lau 


Unkraut  eniporschoas.  Doch  ist  au ffnUeiiditr weise  Ton  pDe- 
finitionen'  keine  Rede,  aondeni  Martin  I,  wird  auf  gl«iche 
Stufe  mit  den  voraiis|^ehenden  PUpst«!)  ^eafa^Ut,  und  itta  JH 
den  Gedanken  an  nein  Kon/.il  nicbt  aufkommen  zu  lamen, 
heisat  es  zu  allem  Ueberflu^  auch  nocli.  diese  Päpste  hätte» 
.durch  ihre  eigenen  Doctrinen"  die  in  Constantinopel  ont- 
standenen  Skandale  Kl>ge»chnitt«ii.  Dub  m\iea  nothwendig 
649  für  die.  vom  Papste  zu  konwkrirenden  Bischöfe  pe- 
sclirieben  sein,  als  noch  keine  Konzilsbeschlüsse,  sondern  nnr 
einzelne  Handlungen  und  Sehreiben  der  Nachfolger  des  Uo- 
norius  vorlagen,  Ich  glaube  auch  nicht,  dass  dagegen  das 
s.  rec,,  welches  vor  Severio  sticht,  geltend  gemacht  werden 
kann.  Bei  der  Häufung  der  nachfolgenden  Pai«tniimen 
njusa  es  sich  nicht  nothwendig  auch  auf  Martin  I.  beziehen. 
Doch  ist  es  auffallend,  dass  man  wenigsten«  nai^lt  dem  VI. 
Konzil  die  Stelle  über  Martin  I.  u.  s.  w.  nicht  auch  um- 
arbeitet«. 

Der  UI.  Theil  der  form,  73  ent,staud,  wie  sich  a\u  dwii 
Wortlaut  ergibt,  tinmittolhar  nach  dem  VI,  allKsmeiDUi 
Konzil,  ad  haec  vero  snscipio  et  amplector  et  venero  defi- 
nitiouem  quam,  deo  iiuspice,  s.  luiiversaiis  ac  magna  VL  i^- 
nodus  quae  in  regia  ConKtantinopolitaua  urbe  conv^nit,  in 
qua  et  ap.  sedis  legati  doniiii  Ägathonis  pape  presidere  routi- 
festiuu  est,  qui  et  per  decreto  Christian issimi  ac  pÜMimi  4it 
a  deo  coronati  Constautini  magni  principis  congregata  est;  et 
quefpie  susceperunt,  suscipiuius  vel  qtiae  ubiecerunt,  abieimiM 
similiter  et  qiios  anathematizaverunt  et  damnaveruut,  UUk' 
thematizamus  ac  damnamus  (p.  7St  u).  Damit  stimmt  w&rl- 
lich  überein,  was  form.  85,  p.  109s  p,  über  du»  VI.  nllg«- 
nicine  Konzil  gesagt  ist;  nur  hat  form.  73  legati  dumni 
AgathoDiH  pape  und  form.  85  que  nnper  in  regia  Cnn- 
stantitKipoli  urbe  und  sct/.t  lt'tzt.'n-  den  Sin^uliir:  suscvptt. 
suacipio  cet,,  wo  ersten-  den  Plural  hat:  susceperunt,  ansci- 
pimus  cet. 


FVi^driih:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  71 

Dsi^  dieser  Zusatz  in  diese  Zeit,  und  zwar  noch  in  die 
Lebieit  Kais.  Constantins  fällt,  zeigt,  einmal  dass  er  un- 
■ittelbar  mit  dem  VI.  allgemeinen  Konzil  schliesst  und  dann 
iam  er  den  Kaiser  Konstantin  noch  als  lebend  anführt: 
Chiistianissimi  ac  piissimi  et  a  deo  coronati  Constantini  magni 
prindpis.  ^)  Zwar  ist  es  richtig,  dass  auch  form.  84,  p.  lOOi 
diese  Formel  gebraucht,  obwohl  sie  den  Kaiser  durch  p.  m. 
ik  ferstorben  bezeichnet:  p.  m.  principis  nostri  donmi  Con- 
Maniini  dementer  implente  . . .  eo  presidente;  allein  letzteres 
kann  schon  deswegen  keine  Instanz  gegen  form.  73  und  85 
bildai,  weil  man  die  Quelle  fQr  form.  84  und  damit  zugleich 
die  Gedankenlosigkeit,  mit  der  der  Verfasser  seine  Quelle 
benfitzte,  nachweisen  kann.  Darauf  komme  ich  jedoch  später 
zorOck,  wenn  Yon  form.  84  näher  gehandelt  wird. 

Es  kann  nur  die  Frage  entstehen,  ob  dem  Zusätze  in 
iorm.  73  oder  in  form.  85  die  Priorität  zuzuerkennen  sei. 
Da  bemerke  ich  aber  vorläufig,  die  Ausführung  auf  später 
fcr^mrend,  dass  mir  der  Zusatz  in  form.  73  als  der  ursprüng- 
lichere erscheint,  indem  in  form.  85  eine  form.  78  verbessernde 
Hand  nicht  zu  verkennen  ist,  und  dass  an  sich  schon,  wenn 
form.  73,  wie  es  offenbar  ist,    in    fortwährendem  Gebrauche 


1)  V.  Sickel,  Proleg.  11,  19,  legt  darauf  kein  Gewicht,  da  es  mit 
dem  Zusatz  p.  m.  weder  in  Urkunden  noch  in  Formeln  streng  ge- 
BOBimen  werde;  stehe  doch  in  form.  73  auch  domni  Agathonis,  ob- 
wohl er  das  Ende  des  Konzils  nicht  erlebt  habe.  Ich  unterschätze 
diese  Beweisführung  keineswegs.  Wäre  aber  domni  Agathonis  pape 
■ieht  als  eine  später  in  den  Text  gerathene  Randbemerkung  zu  denken  ? 
Man  sieht  nicht  recht  ein,  was  neben  ap.  sedis  legati  noch  domni 
A|^.  p.  ihan  soll;  Garnier  aber  hat  wieder  eine  andere  Lesart:  ap. 
•edis  domni  Agathonis  legatos;  form.  85  lässt  den  Zusatz  ganz  aus. 
Aocb  sonst  ist  diese  Verbindung  meines  Wissens  ganz  ungebräuchlich. 
Dagegen  hat  form.  73,  p.  70^0:  cuique  s.  r.  papa  Leo  per  legatos  suos 
Ticarioj>qae  presedit,  während  form.  84,  p.  9734  schreibt:  cui  apostöli- 
ms  papA  Leo  per  legatos  et  yicarios  prefuit,   also  auch  das  sancte 

weglässt. 


72 


SUniHJi  dtr  hixliir    flau 


blieb,  hier  früher  ein  Zusatü  niitliwt'ndig  war,  iil«  liei  einei« 
b^eltener  noÜiweiidigen  päpatlinhen  OUubensbekenntnisse. 

Das  ErgebiüsB  der  gaunert  ürit«rKuciiui)g  fiber  form.  73 
ist  also,  dass  die  ursprünglich  nntiT  Pelagiiis  11.  fider  Gt«^r 
d.  Gr.  im  Dreikapitelstreite  entstandene  Fornit'l  |I.  Theil)  in 
den  älteren  Tbeil  der  ganzen  Sammlung,  mtch  in  Collecüo  L, 
gehört.  Auf  die  Frage  indessen,  warum  in  den  zumniiuen- 
gehörigen  form,  73,  dann  form.  74 — 7ß,  welche  letzteren 
unverändert  geblieben  sind,  die  ursprüngliche  Formel  de» 
Pelagius  11-  oder  Gregor  d.  Gr.  fehlt  imd  gtstt  ihrer  nur 
die  mit  zwei  Zusätzen  versehene  vorhanden  ist.  lasse  ich 
mich,  da  sie  einem  anderen  Gebiete  angehört,  nicht  ein.  I«h 
darf  aber  auf  den  Umstand  hinweisen,  das^  auch  in  form-  63 
ein  älterer  und  jDiigerer  Theil  zu  unterscheiden  ist,  gleich- 
wohl aber  der  ältere  Theil  selbständig  nicht  mehr  erhalten  ut. 

Ich  mache  schlieselich  nur  noch  einige  uachträglicbe 
Bemerkungen.  Wenn  von  Sickel  lib.  diurn.  praef.  p.  XXVIU 
auf  den  Gebrauch  des  Ül"  in  Collectio  I,,  welcher  iu  Appen- 
dix I.  bereife  mit  ill(e)  tttl(i8)  oder  tiil'  wechsle,  hingewioMU 
wird,  so  spricht  dies  meiues  Erachtens  ebenfalls  für  meiD« 
Auffassung  der  form.  73  —  7li.  In  form.  7.1  und  7ti  steht 
nur  i\\\  während  die  eautio  form.  7^  im  gnnzen  Stück  Dnr 
ill'  und  erst  am  Schlüsse  hat:  Subscriptio  scriptoris.  IU.  la- 

li» Letztere»  kaim  wohl  aus  dem  Gehrauche  der  form.  74 

erWUrt  werden.  In  form.  73  ist  freilich  im  .\nfang  und  am 
Schlüsse  ill'  talia  zu  lesen ;  allein  gerade  da»  entspricht 
meiner  Annahme,  dass  die  ureprOugliche  Formel  in  fwt«- 
währendem  tjebrauche  blieb  un<I  immer  neue,  dnu  Ztibver- 
biUtnissen  entsprechende  Zunätze  erhielt.  Dem  konnte  sieh 
(vuch  ill'  nicht  ganz  entziehen,  sowie  ja  auch  .snnimi)  pootj- 
fici  seu  univemali  pape'  (p,  70i}  ein  späterer  Zusatz  ist,  da 
universalis  pajitt  die  Päpste  bis  auf  tiregor  d.  Or.  sich  niebb 
nannten,  Gregor  d.  Gr.  niich  diesen  Titel  sogar  verbat,  and 
erat   ca.  t)40    die    Bischöfe   den    Papst    universalis    papa    zu 


I*VUdrich:  Zur  Entstehung  des  Über  diurnus.  73 

nennen  anfingen,  in  Kom  selbst  nicht  vor  680  der  Gebrauch, 
aber  noch  nicht  seitens  der  Päpste,  begann  (s.  S.  69  die 
ft)nn.  85,  dann  ra.  Constantin.  Schenkg.  S.  88  f.  101.  184  f.). 
Es  dürfte  vielmehr  ursprünglich  eine  ähnliche  Phrase  wie 
form.  75  oder  76,  vielleicht  auch  wie  in  der  promissio  bei 
Mansi  X,  326  gestanden  haben. 

Die  form.  74  —  76.  —  Wenn  es  richtig  ist,  dass  nur 
die  schismatischen  Bischöfe  .die  «Dreikapitel'^  beschwören 
mossten  und  wir  diese  Formel  in  form.  73  d.Theil)  haben, 
dias  aber  die  unverdächtigen  Bischöfe  die  «Dreikapitel'  nicht 
ZQ  beschwören  hatten,  so  musste  für  sie  ein  anderes  Formular 
Torfaanden  sein,  das  jedoch  im  lib.  dium.  nicht  mehr  er- 
kalten ist ;  denn  die  form.  75  und  77,  welche,  ihrem  Wort- 
laate  nach  identisch,  nur  insofern  verschieden  sind,  als  es 
daraof  ankam,  ob  sie  einem  langobardischen  oder  einem  der 
reepublica  angehörigen  Bischöfe  vorgelegt  wurden,  sind,  wie 
vir  bei  Bonifatins  sehen  (Jaffe,  Mog.  p.  76),  das  jnramentum, 
welches  noch  heute  von  dem  zu  konsekrirenden  Bischöfe 
neben  dem  Glaubensbekenntnisse  geleistet  wird.  Der  Bischof 
aus  Langobardien  musste  schwören :  promittens  pariter  festi- 
nare  omni  annisu  ut  semper  pax  quam  deus  diligit  inter 
rempublicam  et  nos,  hoc  est  gentem  Langobardornm,  con- 
!«nretur.  et  nullo  modo  contra  agere  facerevel  quippiam  ad- 
Tersnm  promitto,  quatenus  fidem  meam  in  omnibus  sinceris- 
simam  exhibeam,  während  der  Bischof  aus  der  respubliea 
Tenprach:  promittens  pariter  quia,  si  quid  contra  rempubli- 
cam et  piissimum  principem  nostrum  quodlibet  agi  cogno- 
Tero,  minime  consentire,  sed  in  quantum  virtus  sufFragaverit, 
obviare  et  vicario  tuo  domino  meo  apostolico  modis  quibus 
potnero  nuntiabo  et  id  agere  facerevel,  quatenus  fidem  meam 
m  omnibns  sincerissimam  exhibeam. 

Diese  Forderungen  können  doch  wohl  nur  von  Gregor 
d.  Gr.  gestellt  worden  sein,  in  dessen  Zeit  sie  ganz  und  gar 
anch  passen.    Denn  gerade  Gregor  war  es,  welcher  zugunsten 


74  SiUutuj  'hl'  hi»tor.  aiarnn  imm  H.  Jnwiar  IIÜKI. 

der  rettpublie»  die  grössten  Anstrengungen  machte,  äberall- 
liin  zu  dem  Zwecke  Boten  äandte,  Aunrdnungeri  traf,  Tri- 
bunen ernannte  und  schickte,  und  die  Öuldaten  zum  Gehor- 
sam gegen  sie  aufforderte,  der  von  allen  Seiten  Kundschaften 
erhielt,  sie  den  roroiscfaen  Bet'ebUhabern  initfcbeilte,  um  iticli 
gegen  die  Langubarden  vorsehen  und  ihre  Anordnungen 
treffen  zu  können,  und  sogar  den  Befehlshabern  Weisungen 
zukommen  liess,  wie  »ie  den  Feind,  die  Langobarden,  fassen 
eollten.  Er  verhandelte  aber  auch  über  den  Frieden  der 
reHpublica  mit  Langobardien  und  schloss  ihn  einmal  nogar 
selbst  (s.  dessen  Kpp.,  z.  B.  U.  33,  £w.  p.  129;  die  kurz« 
Debersitiht  über  diese  Thätigkeit  Gregors  bei  Weisse,  Italien 
und  die  Langobardenherrgeher  S.  184  ff.).  Endlich  liess  auiJi 
gerade  Gregor  nach  seiner  vita  c.  3  in  Am\  Canon  der  Meeae 
die  Worte  einschieben:  diescjue  nostros  in  tua  pace  dispoo«. 
Die  Forderung  wegen  Beobachtung  de«  Friedens  wurde  rifA- 
leicht  599  eingeschoben.  Ks  entspräche  dieselbe  auch  der- 
jenigen, welche  Gregor  an  K.  Agilulf  wegen  der  langobar- 
dischen  Herzoge  stellt«.  Nachdem  er  dem  König  ftlr  den 
Frieden  gedankt  und  gelobt:  tjuia  pacem  diligendo,  tos  Deam 
qui  ipsiua  est  auctor,  amare  monstrastis,  fahrt  er  fort:  Sed 
ut  prodesse  unbis  eamdem  paceni  quemadmoduni  a  nobis 
facta  est  sentiamus,  paterna  caritate  salutantes  pctimiui,  ot 
(|uotiens  se  occaaio  dederit,  ducibus  vestris  per  diversa  locs, 
maxime  in  his  partibus  constitutjs,  vestria  praecipiatis  e|H- 
stolis,  ut  hanc  pacem,  sicut  promissum  est,  sunimopere  uusto- 
diant,  et  occasionea  sibi  aliquaa  non  qnaerant,  unde  atit  coa- 
tentio  qnaedam,  aut  seditio  aliqua,  aut  ingratitndo  nas<»tur, 
quateaus  voluntati  vestrae  amplius  agere  gratias  vnleamDS 
(J.  1591).  Da  musste  Gregor  wohl,  was  er  von  Agtlalf 
gegenüber  di*n  Hi-rzogeo  verlangte,  auch  von  den  Biscbf^feu 
fordern.  Br  wollte  aber  das  Verhältniss  mittels  TliPodelindv 
zu  einem  dauernden  gestalten:  Salntantes  vos  praeterea  ptk- 
terna  dilectione  hortumur,  ut  apud  excelieuti.sNiunini  cuniugwu 


Kri^drieh:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  75 

Ttttram  ita  agatis,  quatenus  christianae  reipublicae  societateni 
■00  reiiciat.  Nam,  sicut  et  vos  scire  credimus,  multis  modis 
ea  aiile,  si  se  ad  eins  amicitias  conferre  voluerit.  Vos  ergo 
Bore  Tesiro,  quae  ad  gratiam  et  reconciliationem  partium 
pertinent,  semper  studete,  atqae  ubi  causa  mercedis  se  dederit 
laborate  .  .  •  (J.  1592).  Und  was,  worauf  schon  y.  Sickel 
in  srinen  Prolegomena  hingewiesen,  die  schismatischen  Bi- 
«höfe  der  Kirchenprovinz  Aquileia  hinsichtlich  der  Treue 
gegen  die  respublica  schwuren,  obwohl  nicht  alle  ihr  mehr 
angehörten,  (Ew.  p.  20),  mussten  nothwendig  auch  die  unter 
Gregor  siehenden  Bischöfe  thun. 

In  der  That  sehen  wir  auch  den  Erzb.  Constantius  von 
Mailand,  welcher,  weil  er  vor  den  Langobarden  flüchtig  in 
ticnna  sass,  wahrscheinlich  form.  75  geschworen  hatte,  in 
vollstem  Umfange  nach  der  Richtung  der  in  ihr  über  die 
respoblica  enthaltenen  Klausel  thätig  (Weisse  S.  184;  Epp. 
IV.  2,  p.  234  f.) :  Subtiliter  autem  mihi  et  breviter  indicastis 
vel  de  Agone  rege  vel  de  Francorum  regibus  quae  gesta 
«ont.  Peto,  ut  fratemitas  vestra  quae  adhuc  cognoverit,  mihi 
modis  Omnibus  innotescat.  Si  autem  videtis,  quia  cum  pa- 
tricio  nihil  facit  Ago  Langobardorum  rex,  de  nobis  ei  pro- 
mittite,  quia  paratus  sum  in  causa  eins  me  impendere,  si 
ipse  aliquid  utiliter  cum  republica  voluerit  ordinäre.  Meint 
man  da  nicht  die  Klausel  der  form.  75  durchzuhören?  So- 
gar die  Redewendungen  sind  verwandt;  form.  75:  si  quid  . . . 
cognovero^  Greg.:  quae  adhuc  cognoverit;  form.  75:  domino 
meo  apostolico  modis  quibus  potuero  nuntiabo,  Greg.:  mihi 
modis  Omnibus  innotescat. 

Die  form.  76  hat  aber  gegenüber  form.  75  noch  eine 
andere  Eigenthümlichkeit,  welche  nicht  übersehen  werden 
darf,  nämlich  p.  81  is  das  Einschiebsel:  vel  contra  catholicam 
legem.  Vergleichen  wir  nun  zu  form.  75  und  76  noch  das 
jnramentum  s.  Bonifatii,  so  ergibt  sich,  dass  die  Stelle,  welche 
in  75  von  der  respublica,  in  76  von  Langobardien  handelt, 


70  Sitzung  der  histor.  Glosse  vom  3.  Januar  ISIH). 

überhaupt  auf  die  Verhältnisse  zugeschnitten  wurde, 
chen  sich    der   schwörende   Bischof  befand.      So    la 
Stelle  bei  Bonifatius:   sed   et,    si  cognovero  antestite 
instituta  antiqua  sanctorum  patrum  conversari,  cum 
lam  habere   communionem    aut   coniunctionem.     Sed 
si   valuero,    prohibeam;    si    minus,    ne(nae)    fidelitei 
domno  meo   apostolico   renuntiabo   (JafFe,  Mog.  p.  7 
catholica   lex   ist  auch    hier   weggelassen.     Das  Feh 
Einschiebsels  bei  Bonifatius  und  in  form.  75  zeigt  al 
man    hinsichtlich   der  Bischöfe    der  respublica   so  we 
bei  Bonifatius  eine  Veranlassung  hatte,  hier  einen  Zc 
machen:    für  ihren  katholischen  Glauben  gab  es  keil 
suchung  und  Oefahr.    Aus  dem  juramentum  s.  Bonifai 
aber  ferner  hervor,  dass  die  Versuchung  oder  Gefahr 
Berührung  mit  der  näheren  und  entfernteren  Umgeb 
suchen    ist.      Wenn    daher    die    Bischöfe    in    Langol 
schwören  müssen,    nichts  gegen  den  katholischen  Glau 
thun  oder  zu  versuchen,  so  müssen  sie  der  VersuchuDj 
Gefahr,   solches  zu  thun,   seitens  ihrer  Umgebung  in 
derem    Grade    ausgesetzt    gewesen   sein.      Nimmt   ma 
hinzu,   dass   im   6.  und  7.  Jahrh.    catholica   oder    nost 
im  Gegensatz  zu  aliena  lex,  aliena  religio,    die  den  A 
nius    bedeutete,    oder    zu    perfidia  Ariana,    Arriana  ha 
sacrilegi  sacerdotes  (arianische  Langobardenbischöfe)  gebi 
wurde,*)   so   haben  wir   ein   neues  Merkmal    zur  Zeitb 
mung  unserer  form.  76.    Sie  muss  demnach  in  der  Zei 
standen  sein,  als  die  Langobarden  noch  Arianer  warer 
vor  den  Königen  Perctarit  und  Cunincpert.*) 

1)  z.  B.  Avit.  Vienn.  ep.  1.  6.  28.  85  (Migne  c.  59.  199.  224 
261);  Athalarich  bei  Cassiodor.  Var.  Vlll.  15;  Greg.  M.  dial.  II 
29;  Epp.  I.  17,  Ew.  p.  23  u.  ö. 

2)  Hartmann,  Untersuchungen  z.  Gesch.  der  byzantin.  \ 
tung  in  Italien,  S.  18.  121,  setzt  die  Formel  um  677—678,  wo 
zwischen   der  respublica  und  den  Langobarden  gcschloäsen  ^ 


Friedrich:  Zur  Entstehung  des  liber  diumus,  77 

Hindert  somit  dieses  Einschiebsel  nicht,  an  der  Zeit 
Gregors  d.  Gr.  festzuhalten,  so  sind  es  andere  AusdrQcke, 
velche  uns  neuerdings  darauf  und  auf  das  Schisma  wegen 
ies  Dreikapitelstreites  hinweisen.  Die  lex  catholica  lief  bei 
den  Bischöfen  der  respublica  keine  Gefahr,  sondern  nur  bei 
den  Bischöfen  in  Langobardien,  weshalb  nur  diese  eine  darauf 
bezflgliche  Klausel  zu  beschwören  haben.  Anders  aber  stand 
es  mit  der  unitas  communis  et  universalis  ecclesiae.  Noch 
kurz  Torher  hatte  sich  fast  das  ganze  Abendland  wegen  der 
Dreikapitel  von  Rom  getrennt,  und  wenn  das  Schisma  auch 
zur  Zeit  Gregors  d.  Gr.  bis  auf  die  Kirchenprovinz  Aquileia 
(ond  Hiberien)  zusammengeschmolzen  war,  so  gab  es  doch 
loch  noch  in  den  anderen  Kirchenprovinzen  Viele,  welche 
m  den  Schismatikern  hinneigten  (z.  B.  im  Frankenreich), 
and  gerade  jetzt,  als  Gonstautius  Erzbischof  von  Mailand  ge- 
vorden,  brach  das  Schisma  nicht  blos  in  dieser  Provinz  wieder 
ins,  sondern  fanden  die  Schismatiker  auch  den  Beifall  der 
Königin  Theodelinde,  deren  Kathgeber  Secundus,  der  erste 
Gescbichtschreiber  der  Langobarden,  ohnehin  die  Bedenken 
icT  Schismatiker  theilte:  Quod  autem  dicitur  filiam  nostram 
Theodelindam  reginam  sese  a  communione  hoc  audito  nuntio 
suspendisse;  constat  per  omnia,  quia  etsi  pravorum  liominnm 
verbis  ad  paululum  seducta  est  . . .,  d.  h.  zum  Schisma  der 
Dreikapitel  (Ew.  p.  234.  230).  Ja  sogar  Gregors  eigener  Sub- 
diakon  Savinus  hess  sich  von  den  Schismatikern  verleiten, 
ZQ  ihnen  überzugehen  (III.  10,  Ew.  p.  170).  Ist  es  da  zu 
Terwundem,  wenn  Rom  Alles  aufbot,  diese  schisniatische 
Bewegung  zu  unterdrücken:  quia  postquam  talis  scissura 
<eben  wegen  der  Dreikapitel)  pro  nulla  re  facta  est  iustum 
hnt,  nt  sedes  ap.  curam  gereret,  quatenus  unitatem  in  univer- 
salis ecclesiae  sacerdotum  mentibus  per  omnia  custodiret  (Ew. 


.Allein  ich  »ehe  nicht,  diian  seine  Gründe  triftiger  als  die  nieini- 
g«B  wären. 


78  Sitzung  der  Higtor.  Glosse  vom  3.  Januar  1690. 

p.  234)?     Wenn   daher  die  Bischöfe  nach  form.  75 
schwören  müssen  :  et  in  nnitatem  eiusdem  fidei,  deo  < 
persistere  in  qua  omnis  Christianorum   salos   esse  sii 
coraprobatur,   et   nuUo   modo   contra   unitatem   comi 
universalis   ecclesiae  suadenti   quippiam   consentire, 
sich  dies   nur   auf  die  Dreikapitel   beziehen.     Schre 
Gregor  selbst   über   den  Erzb.  Laurentius    von  Mail 
autem  fecit,  cum  universali  ecclesia  non  fuit  et  cautic 
iuramenta  transcendit.    Sed  quia  eundem  virum  sua  i 
sacramenta    (die    Dreikapitel    betreffend)    servasse    a 
unitate  ecclesiae  catholicae  permansisse  (Ew.  p.  273), 
die   Bischöfe  von  Hiberien,   denen   er    sein    im   Nan 
Pelagius  IL   abgefasstes  Schreiben  (J.  1056)    sendet: 
unitatem   nostram    reversuros   nihilominus   esse  confi« 
p.  151). 

Die  form.  73,  75  und  76  gehören  also  sachli 
zeitlich  zusammen  und  sind  spätestens  (iustum  fiiit] 
Gregor  d.  Gr.  entstanden.  Doch  auch  die  cautio  < 
form.  74  muss  in  diese  Zeit  gehören.  Sie  entsprich 
nur  der  Thätigkeit  Gregors  d.  Gr.,  welcher  nach  seinen 
die  grösste  Sorgfalt  darauf  verwandte,  dass  das  K 
gut  der  Diöcesen  erhalten  werde,  sondern  eine  be« 
Phrase  in  derselben  zeigt,  dass  sie  ihm  noth wendig 
hören  muss. 

Es  heisst  nämlich  p.  76 19:  Promitto  etiam  me  ad  n 
apostolorum ,  si  nuUa  necessitas  impedierit,  annis  s 
occursurum.  Nach  form.  42,  p.  31  und  wohl  auch  Pela 
(Löwenfeld,  Ep.  Pontif.  Rom.  ined.  nr.  38)  hatten  di 
Papste  speciell  abhängigen  Bischöfe  an  dem  Konsekn 
tage  des  Papstes  nach  Rom  zu  kommen.  Das  sah 
Gregor  d.  Gr.  als  eine  »eitle  Ueberflüssigkeit*  der  1 
an,  welche  ihm  keine  Freude  mache,  weshalb  er  bestii 
künftighin  habe  es  am  Tage  des  h.  Petrus  zu  gescfa 
Praeterea  sicut  moris   fuit,  ut  ad  natalem  pontificis  ep 


Friedneh:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  7d 

coDTenireni,  ad  ordinatioDis  meae  diem  venire  eos  prohibe, 
qoia  iflta  me  vana  superfluitas  non  delectat.^)  Sed  si  eos 
eoDTenire  necesse  est,  in  b.  Petri  app.  principis  natalem 
eoQTenümt,  nt  ei,  ex  cuius  largitate  pastores  sunt,  gratiarum 
ictioDes  solvant  (Ew.  p.  54).  Dass  dies  aber  auch  durch- 
geführt warde,  das  zeigt  Gregors  Schreiben  an  den  Diacon 
Crprian  597  (J.  1465),  in  dem  er  die  sici lianischen  Bischöfe 
ad  DAtale  8.  Petri  einberuft,  und  beweist  aus  dem  7.  Jahr- 
hmdert  die  Abmachung,  welche  zwischen  P.  Leo  II.  und 
Erzb.  Theodor  von  Elayenna  dahin  getroffen  wurde,  dass  der 
Enbischof  von  Ravenna  künftig  nur  zu  seiner  Konsekration 
nach  Rom,  jedoch  blos  auf  acht  Tage,  zu  kommen  habe,  am 
Aposteltage  hingegen  nur  einen  seiner  Priester  als  Legaten 
nach    Rom    zu    schicken    brauche    (Agnell.  v.  Theod.  c.  4). 

Auf  seiner  Synode  von  595,  welche  allerdings  nur  die 
römische  Kirche  im  Auge  hat,  aber  u.  A.  die  übertriebene 
Verehmng  der  Päpste,  den  Kirchendienst,  den  Kirchenbesitz 
(nrbana  et  rusüca  praedia)  und  simonistische  Missbräuche 
bei  Bischofekonsekrationen  in  Rom  behandelt,  sagt  Gregor 
Ober  letztere  c..5:  Antiquam  patrum  regulam  sequens,  nihil 
anquam  de  ordinationibus  accipiendum  esse  constituo, 
Mansi  X,  435.  Ein  Papst,  der  so  auf  Besserung  der  römi- 
schen Kirche  drang,  musste  nothwendig  das  Gleiche  den 
Bischofen  einschärfen.  So  erschöpft  sich  denn  wirklich  die 
cantio  form.  74  in  ähnlichen  Anweisungen,  und  p.  753  heisst 
es  mit  den  Worten  der  Synode:  spondeo  me  de  ordinatio- 
nibus clericorum  ab  hostiario  usque  ad  presbyterum  null  um 
proeminm  esse  accepturum  .  .  . 

Demgemäss   kommen   auch   die  form.  74 — 76  an  Alter 


1 )  Gregors  Sjrn.  t.  696  c.  4 :  Sicut  indignos  nos  pro  b.  ap.  Petri 
rererentia  meiu  fideliom  vener atur,  ita  nostram  infirmitatem  decet 
■emetipiAin  temper  agnoscere,  et  impensac  sibi  venerationis  honorem 
deeliaaie,  ICassi  X,  486. 


80  Sitzung  der  hisior.  Classe  vom  3.  Januar  1890, 

vielen  Formeln  des  älteren  Theils  des  liber  diun 
Collectio  1)  gleich,  und  es  hinderte  nichts,  sie  dense 
zuzählen. 

Die    form.    57—63.    —    Die    Entstehungszei 
Formeln,  welche  sich  sämmtlich  auf  die  Papstwahl  un 
konsekration  beziehen,  ist  deshalb  schwer  zu  bestimm 
wir  überhaupt  wenig  von  der  Bestätigungsart  durch  di 
und  Exarchen  von  Ravenna  wissen.     Theils  müssen 
der  zwischen  dem  Tode  eines  Papstes  einerseits  und  s 
der  Wahl  und  Konsekration   des   neuen  Papstes  and 
verflossenen  Zeit,   deren  Unzuverlässigkeit   aber  gen 
Sickel  in  den  Prolegomena  nachgewiesen  hat,  Schlüsse 
theils  sind  unsere  sonstigen  Nachrichten  zu  unbestimi 
Rücksicht  auf  ersteres   und  auf  die  Abwesenheit  des 
auf   einem    Kriegszuge    nach    Asien    nimmt    man    ai 
Honorius  I.  der  erste  Papst  gewesen,  welcher  von  dem 
natischen  Exarchen  allein  bestätigt  worden  ist.     Spät 
bei  Severin  und  Leo  IL,  findet  aber  wieder  eine  Besti 
durch  den  Kaiser  statt,  und  als  Agatho  zwar  die  Auf 
der  Bestätigungstaxe,  welche   an  den  Kaiser  gezahlt 
musste,    erlangte,   wurde   gleichwohl    neu    eingeschär 
tarnen,    ut  si  contigerit  post   eius  transitum  electionei 
non  debeat  ordinari    qui   electus  fuerit  nisi  prius  de 
generale   introducatur   in   regiam   urbem   secundum 
quam   consuetudinem:    et   cum   eius,   scilicet   impe 
conscientia  et  iussione  debeat  ordinatio  pro  venire  (D 
355 ;  Vign.  c.  5 :  properare).     Doch  auch  diese  Bestin 
wurde  unter  Benedict  IL  aufgehoben:    Hie   suscepit  d 
iussionem   cleraentissimi    principis  Constantini  .  .  .  per 
concessit,  ut  qui  electus  fuerit  in  sede  ap.,  e  vestigio  \ 
tarditate  pontifex  ordinetur   (vita  c.  3).     Man   sah   da 
der  Nachricht  der  vita  seines  Nachfolgers  Johannes  V 
post  multorum  pontificum  temporum  vel  annorum  iuxfa 
cam  consuetudinem  a  generalitate  in  ecclesia  s.  Salvato 


JF\riedrieh:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  81 

fkdus  est  atque  exinde  in  episcopium  ductus  (c.  1),  die  erste 
inwendung  des  kaiserlichen  Erlasses  unter  Benedict  11.^), 
ktm  aber  nur  in  um  so  grössere  Verlegenheit  darüber,  wie 
tt  weitere  Nachricht  in  vita  Cononis  c.  2  zu  verstehen  sei: 
H  miaBoe  pariter  ex  clericis  et  ex  populo  ad  excellentissiroum 
Tbeodomm  exarchum,  ut  mos  est,  direxerunt.  So  hat  Du- 
ehesne  in  seiner  Ausgabe  des  liber  pontif.  angenommen, 
Kais.  Constantin  habe  die  bisher  allein  übliche  Weise  der 
Bestätigung  durch  die  Kaiser  aufgehoben  und  die  Bestätigung 
auf  die  Exarchen  übertragen,  worauf  sich  die  form.  58—63 
besehen  sollen:  die  erste  an  den  Kaiser  (58)  sei  685  zuiti 
letzten  Mal  gebraucht,  statt  ihrer  aber  die  form.  59 — 63  ein- 
geffthrt  worden. 

Dieser  Auffassung  widerspricht  indessen,  dass  es,  wie  in 
der  Tita  Agathonis  die  kaiserliche  Bestätigung  „secundum 
antiquam  consnetudinem"  bezeichnet  wird,  bei  der  Bestäti- 
gung Conons  durch  den  fiXarchen  «ut  mos  est"*  heisst.  Wie 
abo  die  erstere  .alte  Gewohnheit*  war,  so  letztere  «Sitte*^. 
Allein  wenn  vor  Gonon  nur  erst  Johannes  V.  vom  Exarchen, 
auf  den  der  Kaiser  eben  die  Bestätigung  übertragen  haben 
9olL»  bestätigt  worden  wäre,  so  könnte  es  nicht  „ut  mos  est^^ 
heiasen.  So  drückte  man  sich  in  Rom  auch  nicht  aus^  das 
aeben  wir  bei  Gregor  d.  Gr.,  der  Constantius  von  Mailand 
«aecnndam  modum  decessoris*  zu  konsekriren  befiehlt  (Ew. 
p.  187)  und  dies  in  den  beiden  folgenden  Briefen  dahin  er- 
läutert: a  propiis  episcopis,  sicut  antiquitatis  mos  exigit,  und 
1  suis  episcopis,  sicut  vetus  mos  exigit  (Ew.  p.  388  ff.).    Das 


1)  Ich  glaube,  dass  diese  Stelle  überhaupt  mit  Unrecht  heran- 
geiogen  wird-,  denn  sie  handelt  nur  von  der  electio,  und  c.  3  wird 
noch  angegeben:  Hie  consecratus  est.  Von  der  Bestätigung  oder 
Nichtbetftätigung  wird  keine  Erwähnung  getban;  es  kann  sich  also 
pcwt  mnltoram  pontificum  temporum  vel  annorum  iuxta  priscani  con- 
«Qtftodineni  a  generali  täte  .  .  .  electus  est  auch  nur  auf  die  Wahl, 
nicht  aof  die  Bestätigung  beziehen. 

laML  PiakML-|»lülo].  a.  bist.  Cl.  1.  6 


82  Sitzung  der  histor,  Classe  vom  3.  Januar  1690, 

heisst   aber:    wie   sein  Vorgänger   Laurentius,   so   i 
Constantius   nach    der    «alten  Sitte**    konsekrirt   we 
also   hier  abgebrochen   gewesen    sein    rouss.      In    i 
wissen  wir   aus   einem  Schreiben  Pelagius  I.,    dass 
länder  Erzbischof  den  von  Aquileia  und  diesen  jem 
krirte  (Ew.  p.  187  n.  8),  dass  sie  also  nicht,  wie  dU 
Bischöfe  „von   ihren   eigenen  Bischöfen*   konsekrirt 
Auf  diese   alte,    in    Mailand    abgebrochene  Sitte   gl 
Gregor  d.  6r.  zurück,    indem   er   den   bei  der  Kon 
des  Laurentius  angenommenen  Modus  billigt.    So  kS 
her  auch  die  der  Bestätigung   des  P.  Conon  durch 
archen    beigefügte  Phrase    „ut    mos    est*    dahin    vi 
werden:    die   durch   die  kaiserlichen  Bestätigungen 
ebene  alte  Sitte,   dass   die  Päpste  durch  die  Exarch« 
bestätigt  wurden,    ist  seit  Johannes  V.,    bez.  CJonon 
eingeführt  worden. 

Es  wäre  jedoch    auch    eine   andere  Erklärung 
mos  est*   möglich,  nämlich  die,    dass  die  kaiserliche 
gung,  wie  die  durch  die  Exarchen,  alte  Sitte  war,  u 
wenn   die   kaiserliche  Bestätigung   nachgesucht  wurd 
zugleich    auch    die    des  Exarchen   eingeholt   werden 
Aehnlich  fasste  schon  Pagi,  Breviarium  gestor.  ponti 
I,  321  §  8  die  Sache  auf:    De  electione  mox  referel 
imperatorem,    a  quo    petebatur   expectabaturque    fact 
tioiiis  approbatio.     De  ea  item  scribebatur  ad  exarch 
iudices,  archiepiscopum  et  apocrisiarium  Ravennae,  ut  ( 
faverent.     Auch  Hinschius  meint:   „Unter  Uebersendi 
Walprotocolls    oder   decretum   electionis  wurde  daraui 
Vermittlung   des  Exarchen   in  Ravenna   die  Bestätigt 
Kaisers  eingeholt    und    nach  dem  Eingang  der  letztei 
Gewälte,   welcher  vorher  sein  Glaubensbekenntnis   abs 
hatte,    konsekrirt*    (Real-Encyklop.  f.   prot.  Theol.    , 
wal* ;    KU.  I,  220  n.  4).     Und    ebenso    nimmt    Philli 
dass  ein  schriftlicher  Bericht    über  den  Wahlakt  nacl 


Kritilneh:  Zar  Ei\tslfhung  lUs  liher  liiurw 


83 


staatitiopel  und  Ravenna  durch  eine  Gesandtschaft  geschickt 
worden  sei  (KB.  V.  7,14).')  Das  scheint  mir,  wie  ich  später 
seigen  werde,  auch  am  den  form.  58 — öü  hervorzugehen. 
Unter  dieser  Annahme  würde  aber  ,ut  mos  est"  in  der  v. 
Cononis  im  Zuaamiuenhalt  mit  der  Aufhebung  der  kaiaer- 
licfaen  Bestätigung  unter  Benedict  II.  heiasen:  die  kaiserliche 
Bestätigung  wurde,  um  die  iiingen  VRrzögerungen  ■/.»  ver- 
meiden, uitlgehobeti,  dagegen  büeb  die  des  Exarchen,  Dt  mos 
est,  bestehen,  oder  auf  die  torm.  5S.  59  angewendet:  beide 
wurden  Ijei  jeder  Papstwafal  aiiisgefertigt  und  an  die  Adres- 
saten geschickt,  um  von  beiden,  vom  Kaiser  nnd  vom  Ex- 
archen, die  Bestätigung,  bez.  Ausführung  derselben  zu  er- 
langen, tii.s    Kais.  Constantin  erster«  auf)iub. 

Ehe  ich  aber  an  den  Nachweis  aus  den  Formeln  gehe, 
niuss  ich  eine  andere  Bemerkung  vorausschicken.  In  ihnen 
ist  inimt-r  wieder  von  ordinatio  und  ordinäre  die  it«i)e,  deren 
Begriff  erst  feststehen  muss,  bevur  an  eine  Erläuterung  der 
Formeln  selbst  gegangen  werden  kann.  Nun  faast  man  or- 
dinatio gewöhnlich  als  coiupcratia  auf,  wodurch  meines  Kr- 
nchteoa  viel  Verwirrung  in  die  hier  eiuachlägigeu  Uutersucb- 
ongen  gekommen  ist.  Ordinatio  kann  aber  auch  entweder 
die  Wahl  selbst  ohne  llHcksicht  auf  die  Konsekration  oder 
die  Bestätigung  durch  den  Kaiser  «ein,  welche  zwiächen 
Wahl  und  Konsekration  mitten  Inne  Hegt.  Diese  Bedeut- 
ungen von  ordinatio  treten  Überall  deutlich  hervor,  wo  von 
einer  Betheiligung  der  weltlichen  tiewalt  an  der  Wahl  die 
Hede  iat.  So  heisst  es  Wahl  schon  bei  der  Doppelwalil  des 
Enlaliiu  und  Bonifatius  I.  (418J;  denn  nur  darum,  nicht  um 


1)  Ph.  IILtst  SDi^r  Ilhnlich,  wie  nach  Kavenna  an  den  Eribischof. 
die  iailicea  UDd  den  rODi.  Apokriaiur.  nach  Constantinopel  Schreiben 
abgehen  unil  glicht  ilica  aus  den  Briefen  Gregors  d.  Gr.  su  betreisen. 
Allein  ilie  Wob!  Uregnra  war  insofern  unregeluiäiaig,  als  er  sie  nicht 
MjineluDpn  wollte  iin<l  iletilialb  nacli  Cuiistanlinoiiel  «clirleLi.  man  iiiögir 
ihn  nichl   lieitStii^cii  oder  die  ÜtBtiitigiuig  verhindern 


84  Sitzung  der  histnr.  Clcuse  vom  3,  Januar  1890 

die   Konsekration   handelt  es   sich   in   dem    ganzei 
Das  zuletzt  erlassene  kaiserliche  Gesetz  sagt  es  so  b< 
als  möglich:   sciant  omnes   ambitionibus  esse  cesa 
si  duo  forte  contra  fas  temeritate  certantum  fuerin 
nullum  ex  his  futurum  penitus  sacerdotero,    sed  ill 
in  sede  ap.  permansurum,  quem  ex  numero  clericoi 
ordinatione    divinum    iudicium    et   universitatis 
elegerit    (p.  86f.).     Letzteres   bezieht   sich    aber 
Bittgesuch   der  Bonifatianer,  worin   sie  sagen:   Et 
clementiam  vestram  constat  falsidica   relatione  dea 
nescio  quid  in  iniuriam  divini   iudicii  sanciretis 
vinum  est,  quidquid  tantorum  confirmat  electio*),  p 
(p.  19). 

Da  kann  denn  auch  in  dem  ersten  kaiserlichen  i 
ordinatio  nichts  anderes  als  Wahl  bedeuten.  Um  a 
Zweifel  zu  beseitigen,  sagt  es  selbst:  der  Kaiser  c 
sich  für  Eulalius:  cui  competens  numerus  ordii 
legitirai  sollemnitas  temporis  locique  qualitas  recte  ^ 
nominis  apicem  contulerunt  (p.  16),  welchem  die  Boi 
selbst  entgegenstellten:  elegimus  .  .  .  acclamatioi 
populi  et  consensu  meliorum  civitatis  ascivimus:   di^ 


1)  Ich  benütze  Wilh.  Meyer:  epistulae  imperat.  rom.  ex  c 
canonum  Avellana  [14 — 40],   Gott.  Lectionskatalog  f.  d.  "VI 
1888/89.   —    Wie   ich,    fasst    auch   Phillips,   KR.  V,  761, 
gang  auf. 

2)  Dass  dies  eine  uralte  Auffassung  ist,  zeigt  Cyprian  e 
Hartel.  p.  629,  wo  er  von  P.  Cornelius  sagt:  non  de  malig 
detrahentium  mendacio,  sed  de  Dei  iudicio,  qui  episcopum  eu 
Dann:  factus  est  autem  Cornelius  episcopus  de  Dei  et  Ch: 
iudicio,  de  clericorum  paene  omnium  testimonio,  de  plebis  < 
adfuit  suffragio,  de  sacerdotum  antiquorum  et  bonorum  uin 
legio,  cum  nemo  ante  se  factus  esset  .  . .  Aber  auch:  et  f 
episcopus  a  plurimis  collegis  nostris  qui  tunc  in  urbe  Roma 
qui  ud  nos  litteras  honorificas  et  laudabiles  et  testimonio  s* 
dicationis  inlustres  de  eins  ordinatione  miserunt. 


FViedrieh:  Zur  Entstehung  des  Über  diurnus,  85 

icHntionis     ordine    consecratum ;     naiu    subscribentibus    plus 
mm»  septaaginta  presbyteris  (Wahl),   astantibus  novem  di- 
lonnim    provinciarum    episcopis    benedictionem    competenti 
tapCM«    constat    fuisse   celebratam    (p.  18).     Von    letzterem 
fnch  aber  der  Kaiser  nicht,  sondern  davon,  dass  die  Boni- 
Uiner    mit    Missachtung  der   solennen   Wahlzeit    wählten: 
idieiiieiiter    miramur  aliquos  extitisse,   qui  soUemnitate  eon- 
mpta  circa  ordinationem  alterius  festinarent  (p.  16),  näm- 
iieb  am  zweiten  Tage   nach  dem  Tode  des  P.  Zosimus,  wie 
ae  selbst    zugestehen  (p.  18).     Darum   ist  auch   im    ersten 
Bericht  des  Syramachus,  der  in  seinem  zweiten  ausdrücklich 
lor  Ton  der  electio  spricht  (p.  17),  ordinatio  ebenso  zu  ver- 
kleben :  Verum  cum  vir  sanctus  Eulalius  ad  ecclesiam  Latera- 
Mssem  de  exequiis   prioris   episcopi   a   populo   et   a   clericis 
finaset  adductus,   ibi    per  biduum   cum   maxima   multitudine 
et  com  pluribus  sacerdotibus  remoratus  est,    ut    expectaretur 
dies  consuetus,  quo  posset  sollemniter  ordinari.     Cum  haec 
ita  easent,  subito  aliquanti  presbyteri  cum  Bonifatio  eiusdem 
oidinis  ad  Theodorae   ecclesiam   collecto  populo  properaruut 
ibiqoe  babito  tractatu  ipsum  ordinäre^)  episcopura  velle  coe- 
penmt   cet.    (p.  15f.).     Dem   stimmt   übrigens   auch    die  v. 
Bonif.  I.  c.  1  bei:  Hie  sub  intentione  cum  Eulalio  prdinatus 
UDO  die   (sie).     Eulalius   ordinatus   est   in    basilica   Constan- 
tiniana,  Bonifatius  vero  in  basilica  Julia,    c.  2 :  ambo  Augusti, 
missa  auctoritate,  praeceperunt,   ut  ambo   electi   exirent  de 
eivitate  ...     In  der  v.  Felicis  III.  (IV.)  c.  2  hat   der  catal. 
Conen. :    Qui  etiam  ordinatus  ex  iussu  Theoderici  regis,  was 
bei  Güssiodor.  Var.  VIII.  15  umschrieben  wird :  quod  gloriosi 
domni  avi  nostri  respondistis  in  episcopatus  electione  iudicio. 
Derselbe  Felix  hat  bekanntlich  seinen  Nachfolger  selbst  be- 

1)  Wenn  Duchesne  I,  228  Bonifatius  in  der  Kirche  der  h.  Theo- 
dors gewählt  und  in  der  des  h.  Marcellus  konsekrirt  sein  läsBt,  so 
■immt  anch  er  ordinäre  im  ersten  Falle  =  eligere. 


R(i 


Sitiiitif, 


'hr  hk 


.   Clltsst  i'nin  .?.  Jiii 


r  isao. 


zeichnet  und  darOber  einen  Befehl  an  seinen  Klerus  erl»Ksen. 
Dazu  erfloes  aber  auch  ein  Decret  des  römische»  Sensta, 
worin  es  heisst;:  senatntn  anipliHsimum  decreviaie  ut  quicum- 
qiie  vivo  papa  de  alterius  nrdinatione  tmcbiverit  .  .  . 
(Dnchesne  I,  21^2).  BegreiHicIi  soll  hier  nicht  von  <Iem 
minder  wichtigen  Schlussakt,  der  Konsekration,  die  Rede 
sein,  .-Kindern  ist  die  Wahl  f^enieint.  So  ist  wohl  mich  ordi- 
natio  in  der  v.  Silverii  c.  1  HiifzuFassen.  Hie  levatns  est  h 
tyramio  Theodato  sine  deliberatione  decreti,  d,  h.  Theodabal 
erhob  äÜTerius,  ohne  tiuss  dieser  gewählt  und  ein  VValildekret 
darüber  uu^f^estellt  war.  Und  nun  wird  erzählt,  wie  es  da- 
bei zugegangen  und  wie  der  römische  Klerus  ttich  dazu  stellt«: 
Qni  Theodatus,  corruptus  pecnniae  datum,  tiilem  timon-ni 
indixit  ctero  ut  qui  nnn  consentiret  in  huius  Ordinationen! 
(Wahl)  gladio  puniretur.  ijuod  quidem  sacerdotes  non 
subm'ripseriiut  in  euin  (nur  die  Cardinal  priestcr  uotei^ 
i'chrieben  das  Wahldekret  nicht)  secundiim  morem  anticnm 
vel  decretum  cunfirmaverunt  ante  ordinntiuneni  (dnrch  dm 
übrigen  Clerus);  iam  ordinato  (erst  nachdem  der  Dbiige 
CleniH  gewählt  hatte)  sub  vim  et  raetnm,  propter  adunatio- 
neni  ecclesiae  et  religitmis,  postuindum  iam  ordinat-o  Silrerio 
sie  snbscripHerunt  presbiteri.  Auch  dieses  letztere  «sub- 
scripserunt*  zeigt,  dass  es  sich  liei  nrdinatio  noch  nicht  um 
die  Konsekration,  sondern  um  Anerkennung!  des  von  dom 
übrigen  Clerus  gewählten  Silverius  und  inn  Ausfertigun|f  de« 
nach  alter  (Jewohnheit  hergebrachten  Wabtdekrebi  durch 
die  Cardinal priester  handelte.')  Es  war,  wie  einst  bei 
der  Wahl  des  Eulalius  und  Bonifatius,  wieder  ein  i!wtespalt 
zwischen  dem  „höheren"  und  niederen  Clerns  ansgebroofaen : 
Sed  cuni  supra  dictum  EulaliiiK,  qui  unte  per  In»  coumoef^ 
dotes  notttros  fuerat  ex  niultorum  auctoritate  conventua,  ^e 
quid   sibi   temere   praeter   conscientiam    cleri    toaiori« 

IJ  7,0  HuWnliere  vgl.  die  lunlructivü  Stvile  v.  Cddoii.  e.  3. 


FViedfich:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  87 

ifftomeret  (W.  Meyer,  ep.  17  p.  18),  nur  schlössen  sich  bei 
SÜTerius  die  Priester  dem  übrigen  Cleriis  propter  adunationem 
fcclesiae  et  religionis  an,  während  sie  es  bei  Eulalius  nicht 
tbten. 

Seyerinus  schickte  Apokrisiare  nach  Gonstantinopel,  um 
iher  seine  «Promotion*  zu  verhandeln:  quando  illic  missos 
in  causa  promotionis  papae  cum  delatis  decretis  apocrisia- 
n»  susceperunt  (Mansi  X,  677).  Promotio  wird  aber  in 
den  Foruieln  des  lib.  dium.  mit  ordinatio  identisch  genommen; 
fbenso  wie  noch  v.  Pauli  I.  letzteres  mit  electio,^)  zu  wel- 
cher Auffassung  sich  wohl  auch  diejenigen  gezwungen  sehen, 
velche  ordinatio  för  die  Konsekration  halten,  wenn  in  den 
form.  60 — 63  von  perfecta  ordinatio  immer  wieder  die  Rede 
iB^  welche  der  Exarch  herbeiföhren  soll.  Ich  meinerseits 
Böchte  aber  ordinatio  in  den  Formeln  eher  für  die  Bestäti- 
gung der  vorausgehenden  Wahl  halten,  da  z.  B.  die  Thätig- 
keit  des  Exarchen  form.  61,  p.  56ii  so  ausgedrückt  wird: 
hanc  apostolorum  principis  sedem  ...  de  perfecta  ordinatione 
apostolici  electi  adornet,  oder  form.  62,  p.  685:  die  locum 
«rrantes  hätten  an  den  Exarchen  eine  Deputation  gesandt 
pro  celleri  promotione  oratoris  vestri  et  amatoris  .  .  .  archi- 
diaconi  et  electi,  und  da  form.  63,  p.  59 1%  der  römische 
Apokrisiar  in  Ravenna  aufgefordert  wird,  bei  dem  Exarchen 
pro  celleri  proraotionem  pontificalis  ordinationis  zu  wirken.*) 
Doch  für  die  nächste  zu  behandelnde  Frage  hat  die  eine 
oder  andere  Auffassung   noch    keine   wesentliche    Bedeutung. 

Es    handelt   sich    nemlich   noch   darum,    ob,  wie    Pagi, 

1)  Auch  y.  Steph.  II,  c.  26  heisst  ea  von  der  Wahl  des  Ravenna- 
di^hen  Archidiacons  Leo  zum  Erzbischof:  ele^erunt  saepefatum 
LeoDem  .  .  .  qni  ad  hanc  ap.  sedem  properans  ...  in  archiepiscopatua 
boDOiem  ab  eodem  sanctissimo  papa  Stephane  ordinatus  conse- 
cratosque  est. 

2)  Vom  Exarchen  Paulus  erzählt  v.  Gregor.  IL  c.  16:  er  wollte 
diesen  Papst   tödten  atque   alium   in   eins  ordinäre  locum  nitebatur. 


88 


n;;  der  liistor.  CImhv  iviih  ,V.  Januar  IM}. 


HinsctiiuH  TiDil  Phllli[is  iiiinehinen  und  iiuch  ich  ui^m«.  an 
Kaiaer  unil  Exarchen  ursprfiiiglich  Bittgesuche  um  Bestäti- 
gung der  Wahl,  so  wie  die  Formeln  sie  enthHlteu,  uhgeiieo 
miissteu.  Mir  scheinen  die  Formeln  selbst  dies  n ab ev.u legen, 
aber  nur  dann,  wenn  nicht,  wie  Pngt  und  ätnschiu^  an- 
deuten, der  Weg  über  Ravenna  nach  Constantinopel,  sondern 
umgekehrt  über  Constantinopel  nach  Ravenua  genomtaen 
wurde-  Denn  nur  so  scheint  form.  59  Nuntius  ad  esarcbum 
de  transitu  (pontificis)  einen  Sinn  ^u  haben,  da,  wenn  nach 
der  VoraussetKUDg  dei*  Forniela  die  Papstwahl  am  dritten 
Tage  nach  dem  Tode  dea  Papstes  stattfand,  die  Deputation 
dem  Nuntius  unmittelbar  auf  dem  Fusse  nachfolgte.  Doch 
wichtiger  i«t  die  Bitte  der  Deputation  an  den  Exarchen,  ut 
oelerius  .  .  .  apustoUcam  sedem  de  perfecta  eiii.idein  nostri 
putria  ordinatione  adornare  preeipiatis  (form.  60,  p.53u)« 
So  kann  die  .Vermittlung  des  Exarchen  in  Ravenna*  im- 
möglich erbeten  worden  sein,  weil  sie  voraussetzt,  dass  dar 
Exarch  .befehle",  der  Kaiser  (tolle  schnell  die  Be>tätigung 
ertheilen.  Wohl  hingegen  würden  die  Ausdrücke  der  fomi. 
60  —  63  erklärlich  sein,  wenn  der  umgekehrte  Weg  ange- 
nommen wird.  In  form.  58.  p.  4Sia  wird  der  Kaiser  ge- 
beten, ut  .  .  .  concessa  pietatis  suae  iusaioue  petentiiim  desi- 
deria  pro  mercede  imperii  sui  ad  effectum')  de  Ordination« 


1)  ilJ  effectum  oder  tuiaio  in  effevtuin,  Uanei  X,.67Tf.,  wnr  der 
■  techniReht^  Aviidruck  fQr  die  BeBiUti)tan|f  lie»  neugew&hltcn  pHpstM 
durch  den  Kaiser.  —  GreR,  M.  t,  36,  Ew,  p.  49;  Et  qiiicqiiid  inier 
praedictnm  Johuinem  virum  magnificum  et  «nepe  fatnn  epiicopnm 
electorum  hieril  aententia  ilefinitum,  ad  effectum  perducere  non 
omittas.  —  Ad  effectom  de  aliqua  re  procedere  =  Durohmbran^ 
dner  Sache  );ehSrt  noch  heute  t\xr  Terminologie  der  rOmixfheD  COB* 
l^regatirineii.  So  le^e  Leo  Xtll.  der  Riteo-ConffreKatioD  in  Betreff 
der  Wiedeiaafaahme  aoA  UucchfQhrung  dea  unterbrochenen  äellg- 
■prechungBproccstiea  der  Maria  von  Agrada  die  Frage  vor:  an  *it 
locua  remotioni  <tilentii  taaaae  iaipositi  .  .  .  ita  ut  proti-iÜ  powit  itd 
utteriora  in  cniu  et  ad  efTcctum.  de  quij  agltur.  U.  Hurk.  isa9,  S.  412. 


Friedriek:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus,  89 

fSB»  precipiat  pervenire,  quatenus  per  sacros  clenientiae 
apices  .  .  .  ecclesiae  dignum  ordinari  giibernatorem 
Täasche  ich  mich  nuD  nicht,  so  bedeutet  ad 
Aetam  perv^enire  praecipere  den  Befehl  zur  Ausführung 
fthen.  Diesen  gab  der  Kaiser  aber  seinen  Vollzugsorganen, 
a  das  Weitere  zu  veranlassen,  in  unserem  Falle  also,  da 
o  die  Verwaltung  des  Westreichs  anging,  dem  Exarchen 
1QB  SaTenna,  unter  dem  Rom  stand.  Thatsächlich  wird  von 
imtm  auch  nicht  anderes  erbeten,  als  piis  votis  concurrere, 
mi  zwar  celeriter  voti  compotes  fieri  precipiat,  was,  wenn 
üt  Deputation  Ober  Ravenna  nach  Gonstantinopel  zog,  wie- 
lenim  hiesse:  der  Exarch  solle  ^befehlen*,  dass  der  Kaiser 
fHch  die  Angelegenheit  erledige.  Statt  dessen  besteht  die 
Kookarrenz  des  EIxarchen  darin :  supplicamus  ut  celerius  . .  . 
ap.  aedem  de  perfecta  eiusdem  nostri  patris  ordinatione  ador- 
Bue  precipiatis,  oder  form.  61,  p.  57  2:  ut  optate  ordinationis 
...  adceleretur  negotium  (form.  62,  p.  585:  pro  celleri  pro- 
BotioDe).  Darunter,  ich  leugne  dies  nicht,  kann  man  sich 
lUerdings  auch  die  Bestätigung  durch  den  Exarchen  an  Stelle 
des  Kaisers  denken;  allein  man  muss  es  nicht,  und  jeden- 
büs  haben  diese  Ausdrücke  auch  einen  guten  Sinn,  wenn 
nan  unter  ihnen  versteht,  dass  der  Exarch  gebeten  wird, 
er  möge,  nachdem  zur  Erlangung  der  kaiserlichen  iussio 
!«bon  so  viel  Zeit  verflossen,  „schnell*^  die  nothwendigen 
Befehle  ergehen  lassen,  um  die  kaiserliche  iussio  ad  effectum 
«perfect*  zu  machen,  damit  die  Gesandten  cum  effectu  (form. 
ö2.  63,  p!  58 10;  59  u)  nach  Rom  zurückkehren.  Doch  ich 
lasse  diese  mehr  die  Juristen  angehende  Frage  und  wende 
oiicb  zu  der  nach  dem  Alter  dieser  form.  58—63.^) 


1)  För  aa^iserordentliche  Fälle  mag  trotzdem  der  Exarch  dieVoll- 
micht  gehabt  haben,  allein  den  Gewählten  zu  bestätigen.  Wir  wissen 
Mf  den  Quellen  nichts  über  eine  solche  VoUmachtsertheilung;  aber 
di«  Kdrze  der  Sedisyakanzen,  z.  B.  bei  Honorius,  legt  diert  nahe. 
PUle,  wie   bei  Pelagius  IL,  der  ordinatus  fnit  absque  iussione  prin- 


1 


90  Sitzung  der  histor.  Classe  com  3.  Januar  1890. 

Da  hat  aber  bereits  v.  Sickel  mehrmals,  in  der  f 
und  in  den  Prolegomena,  darauf  aufmerksam  gemad 
ein  auffallender  Unterschied  in  der  Ausdrucksweise  de 
60  und  61  (triduo)  oder  63  (die  tertia)    und  form.  { 
hinsichtlich  der  Zeit,  wann  die  Papstwahl  stattzufind 
gegeben  sei,  und  obwohl  Duchesne  widersprach,  so  w. 
doch  dabei  stehen  bleiben    müssen,    dass  diu  (form.  f. 
Neuerung  bezeichnet.    Um  aber  den  terminus  a  quo 
stimmen,  ging  v.  Sickel  von  der  Mittheilung  des  Pap 
V.  Bonifat.  III.  c.  2  aus:    Hie   fecit   constitutum   in 
b.  Petri,  in  quo  sederunt  episcopi  72,  prebiteri  Rom 
diaconi  et  clerus  omnis,  sub  anathemate,  ut  nuUus  poi 
viventem  aut  episcopum  civitatis   suae    praesumat   lo(; 
partes  sibi  facere,    nisi   tertio  die  depositionis   eins,   t 
clero  et  filiis  ecclesiae,  tunc  electio  fiat,  et  quis  quem  ^ 
habebit  licentiam  elegendi  sibi  sacerdotem.    Und  es  lä 
nicht  leugnen,  dass  diese  Worte  die  Meinung  erwecken  i 
durch  dieses  Constitutum  sei  der  Brauch  eingeführt  ^ 
die  Papstwahl  am  dritten  Tage  nach  dem  Tode  des  ^ 
gehenden  Papstes  vorzunehmen.    Indessen  bin  ich  über 
Punkt  nicht  ganz   sicher.     Denn    zunächst   Hegt   der 
druck  darauf,    dass  vivente    pontifice    nicht   über   die 
wähl    verhandelt  werden    dürfe,   worüber  schon    unter 
machus  ein  Beschluss   gefasst  worden  war   (Langen,  ( 
K.  II,  220)  und  das  auch  das  von  Amelli  gefundene  ] 
des    römischen   Senats    unter    P.  Felix  IV.  verbot    (Di 
282).     Dann  ist,  wenn  ich  die  Wahl  des  Eulalius  und 
fatius  1.  (ob.  S.  84  f.)  richtig  aufgefasst  habe,  schon  4] 
dies  consuetus  der  Papstwahl  der  dritte  Tag  nach  dem 
eines  Papstes    gewesen.     Wir   hätten    demnach  in  dem 
stitutum  Bonifatius  III.  nur  eine  aus  besonderen  Vorg, 
entsprungene  Erneuerung  der  früheren  Uebung. 

cipis  eo  quod  Langobardi  obsiderent  civitatem  Romanam,  oder 
im  ÜHten  forderten  eine  Vorsorge. 


FMedrich:  Zur  Entstehung  des  liber  diurniM.  91 

In  der  That  scheinen  einzelne  Angaben  der  Formeln 
«bon  auf  die  Zeit  vor  Bonifatius  III.  hinzuweisen.  So  heisst 
»form.  60,  p.  52» — 53 1»:  praesertini  cum  plura  sint  ca- 
fitala  et  alia  ex  aliis  cottidie  procreentur  quae  eure  et  sol- 
idtodini  pontificalis  favoris  expectant  remedinm.  proyinciales 
f«fo  core  vel  queque  sunt  snbinde  causarum  utilitates  per- 
iMie  anctoritatis  censurara  expetunt  et  expectant.  propin- 
^oantiuiQ  quoqne  inimicornm  ferocitat«ni  quam  nisi  sola  dei 
jutas  atque  apostolorum  principis  per  suum  vicarium,  hoc 
«t  Komane  urbis  pontificem,  ut  oranibus  notum  est,  aliquando 
monitis  comprimit,  aliquando  vero  et  flectit  ac  raodigerat 
bartatu ,  singularem  interventum  indigeant ,  cuius  solius 
pontificalibus  monitis  ob  reverentiam  apostolorum  principis 
parentiam  offerunt  voluntariam  et  quos  non  virtus  armorum 
hamiliat,  pontificalis  increpatio  cum  obsecratione  inclinat. 
Diese  merkwärdige  Stelle  zeichnet  die  Thätigkeit  eines  Papstes 
nach  dem  Leben.  Dieser  ist  nicht  blos  Papst,  dem  als  sol- 
chem die  gewöhnlichen  täglichen  Geschäfte  der  kirchlichen 
Verwaltung  in  Korn  und  diejenigen  seiner  Kirchenprovinz, 
mitunter  auch  ausserge wohnliche  obliegen,  sondern  er  ist 
•och  der  bewährteste  Kämpfer  gegen  die  Wildheit  der  heran- 
nahenden Feinde.  Vor  ihm,  d.  h.  vor  der  durch  ihn  wir- 
kenden ^rafb  Gottes  und  des  Apostelfürsten  Petrus,  dessen 
Vicar  er  ist,  beugen  sich  die  Feinde  allein,  und  zwar  bald 
vor  seinen  Mahnungen,  bald  vor  seinen  Drohui\gen.  Die 
besondere  Intervention,  deren  es  bei  den  Feinden  bedarf,  kann 
blos  der  römische  Bischof  übernehmen.  Denn  nur  seinen 
Elrmahnungen  allein  leisten  sie  aus  Ehrfurcht  vor  dem  hl. 
Petrus  freiwilligen  Gehorsam.  Diejenigen,  welche  die  Waffen- 
gewalt nicht  demüthigt,  beugt  der  päpstliche  Verweis,  ver- 
bunden mit  Beschwörung.  Das  ist  das  getreueste  Bild  Gregors 
d.  Gr.  in  seiner  kirchlichen  Verwaltung  und  seiner  politischen 
Thätigkeit  gegenüber  den  Langobarden.  Von  keinem  anderen 
Papste  seit    dem  Einbruch    der  Langobarden   in   Italien    und 


32  SUtunn  der  liist<tr.  Claiae  vom  .f,  Jatiunr  IHHO. 

im  Laufe  des  7.  Jahrh.  liesse  sich  ein  gleichet^  Bild  ii^iitwcrffii, 
von  keinem  anderen  solches  dem  Exarclieu  ^egenfibor  Ritgen. 
Geht  man  hingegen  Gregors  Briefe  durch  oder  ül>ersieht 
man  seine  Thatigkeit  nach  den  J  äffe- Ewald 'sehen  Hegest«» 
oder  nach  den  Darstellungen  Langen'»  und  Weisse's,  so  hat 
man  einen  fortlaufenden  Kommentar  za  den  Worten  unserer 
Formel.  Diese  Thatigkeit  prägte  sich  atich  so  tief  der 
Christenheit  ein,  Aasn  Gregor  noch  Jarhunderte  lang  als  der 
best*  aller  Päpate  in  ihrer  Erinnerung  blieb. 

Es  genilge,  nur  einige  Stellen  anzuführen.  Schon  in 
seiner  Grabachrift  heisat  ee:  Ksuriem  dapibus  snperavit,  fri- 
gore  veste  Atque  animan  monitis  tesit  ab  hoste  Aacris  (Dach. 
],  3U).  —  Prosp.  Coutin.  Havn.,  ed.  Hille  p.  3«  sagt: 
Postremum  cum  totius  robore  exercitus  ad  übsidionein  urbis 
Romae  perrexit;  ibique  cum  b.  (iregoriimi,  qui  tunc  egregie 
regebat  ecciesiatu,  sibi  ad  gradus  baailicae  l>.  Petri  npp.  prio- 
cipis  occurreuteni  reperiRset,  citius  prücibu»  fractiis  et  sapientis 
atque  religiouis  gravitate  tanti  viri  pennotu»  ab  urbis  oh»i- 
dione  ahücedit  —  Paul.  diac.  vita  Greg.  IL  2(i  aber  scitroibt: 
Oui  advenienli  b.  Gregorius  ut  collo'iueretur  occurrit,  Untam- 
(jiie  vim  nutu  divino  eins  verbis  inesse  expertus  fuit,  ut  enm 
humillima  indulgentia  religioso  apostolico  satisfaceret  et  se 
deiuceps  sibi  subditum  et  s.  Rom.  eccle^ae  devotum  famuluiu 
spupondisset .  .  .  Gregor  gibt  Übrigens  ge  wisser  in  assnn  selbst 
die  Eintheilung  der  Geschäfte,  wie  sie  in  der  Formel  aus-, 
gedruckt  ist:  Hf>c  in  loco  quisquis  pastor  dicitur,  curis  ex- 
terioribus  graviter  occupatur,  ita  ut  sae]»  ineert,iini  Bat, 
utnim  pastoris  ofBcium  an  terreni  proeeris  agat  (J.  ll}92}, 
oder;  snb  culure  episcopatus  ad  eaeculuni  sum  reductus,  in 
qua  tiintis  terrae  curis  inservio,  quantis  nee  in  vita  Uica 
nequaquam  deservisse  reminiscor  (Ew.  p.  5).  Ebenso  spriclit 
er  selbst  von  .ierociasima  gens'  (J,  13(iO).  und  die  Phne« 
form.  60,  p,  Säg:  propinqnantiu  m  qnoqne  inimicoram 
feruoitatt-m  quam  nisi  sola  dei  virtus  atque  apoatoloratn 


FViedri^:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus,  93 

principis  per  sunm  yicarium  .  .  .  aliquando  monitis  coiii- 
pimit  .  .  .  scheint  geradezu  aus  Oregor  II.  32  (Ew.  p.  129) 
entlehnt  zu  sein,  wo  von  dem  Herannahen  des  Feindes  (Herz. 
Iriolf  Yon  Spoleto)  die  Rede  ist:  Speramus  enim  in  omni- 
potentis  Dei  yirtutem  et  in  ipsius  b.  Petri  principis 
tpostoloram  .  .  . 

Auffällig  ist  femer  auch  p.  53  e :  ut  omnibus  notum  est, 
niinlich  die  geschilderte  Thätigkeit  des  römischen  Bischofs 
im  wilden  Feinden  gegenüber.  Lautet  diese  Phrase  nicht 
doch  zugleich  als  ein  Protest  gegen  eine  gewisse  Ungläubig- 
keit?  Braucht  man  in  einem  Bittgesuch  an  den  Exarchen 
'  fOD  Italien,  unter  dessen  Augen  der  charakterisirte  Papst 
lebte  und  wirkte,  eine  solche  Bekräftigung  der  Charakteristik, 
wenn  diese  nicht  angezweifelt  oder  bestritten  worden  ist? 
Nun  ist  bekannt,  wie  gerade  Oregor  in  seiner  Thätigkeit 
ftegen  die  Langobarden  595  heftige  Gegner  an  dem  Exarchen 
Romanus  u.  a.  hatte  und  wie  sie  auch  das  Ohr  des  Kaisers 
Mauritias  gegen  ihn  zu  gewinnen  wussten,  so  dass  dieser 
^bet  darfiber  an  den  Kaiser  schrieb:  dumque  meis  suggestio- 
nibus  innullocreditur,  vires  hostium  immaniter  excrescunt 
(J.  1359),  und  sich  gegen  ihn  wegen  des  Vorwurfs  verthei- 
digen  musste,  er  sei  nicht  blos  ein  Dummkopf,  sondern  auch 
ein  Lügner. 

Doch  ebenso  bezeichnend,  als  die  Charakteristik  des 
Terstorbenen  Bischofs,  ist  der  Schluss  des  Schreibens  an  den 
Exarchen  (p.  54  z),  namentlich  die  Worte :  et  de  subiectionem 
omninm  gentium  christianam  rempublicam  faciat  triumphare 
deque    restituta    plenius    Bom.    imperii    prisca    ditione 

laetiüam  cordis  impertiat exoptate  felicitatis  incrementa 

Rom.  imperio  preparavit  .  .  .  huius  servilis  Italiae  provinciae. 
Diese  Hofihung,  insbesondere,  dass  das  römische  Reich  die 
alten  Grenzen  wieder  erhalten  möge,  was  hier  auf  Italien 
▼or  Allem  sich  bezieht,  konnte  doch  nur  im  Anfang  der 
langobardischen  Erobening   gehegt  werden,   nicht   mehr  zur 


04 


SiUmig  iler  hintiir.  Clannr  riim  -5,  Jnnw 


Zeit,  als  es  i^alt,  die  LaiiHoh&rden  atif  ihre  Gren/^n  tu  be- 
ttcfaränken,  was  achmi  sehr  bald  eingetreten  i§t,  denn  Pnwp. 
cootin.  Havn.,  ed.  RWle  p.  37,  berichtet:  BriicHus  Eleatbe- 
rium  Hd  tuendam  jiarteni  Itiiliae.  (juam  noiidiim  LaatfulHit^i 
occupaverant,  inittit,  und  Exarch  Kleiitherius  wurde  t»19  ür- 
mordet.  Luo  II,,  m  sehr  er  den  Kaiser  Gonätantin  erhebt 
und  alle  Kirchen  auffordert,  ihn  7m  preisen  und  ibui  Gutes 
KU  wünf^cbeu,  wogt  docb  in  seinem  Schreiben  an  ibn  nur 
■Ol  sagen:  ut  Dumiuus  1.  C,  cuius  exempliM  utitur,  et  aeteruo 
eius  ref^nu  et  perenni  gloria  potiatur,  et  in  orbeui  terrunim 
generaliter  atque  perrenniter  eins  Imperium  dilatetur  .  .  , 
Püssinium  domini  Imperium  grutia  superua  euBtirdiftt,  ei  ci* 
oinnium  geutium  colla  substernat  (J.  21  IS),  Aehnlicta  drückt* 
Hieb  aber  amb  schon  Martin  I.  aus  {.].  2062).  Die  Phrw« 
von  Unterwerfung  aller  Völker  ist  geblieben,  aber  die  feste 
Hotfhung  darauf,  dasä  es  geschehe,  namentlich  hinsichtlivli 
Italiens,  ist  geschwunden.  Die  Zustände  in  diesem  Land« 
waren  ^chon  xu  fest)fewiiri;elt  und  die  renpublicn  hatte  tJoh 
all)  7.U  schwach  und  unzulänglich  gegen  die  LangoImrdeD 
erwiesen.  (jaiiK  anders  aber,  und  zwar  wie  In  un.sL'rer  Formel, 
lautet  die  AuÖassiing  der  Dinge  nach  der  langohardiindieu 
Ginwanderung  znr  Zeit  Gregors.  So  sagen  die  istrischen 
Bischöfe  in  ihrem  Sehreiben  an  Kuk.  Mauritius  gegen  die«eti 
Papst:  Kam  etsi  uu«  peccata  iiostrn  ad  teoipuit  grarisnimo. 
iugo  gentium  «ummiserunt  --  —  Deinde  nee  obliti  suani« 
s,  rem  publicam  vestram,    snh   tjua  ollm   i[Uieti  TiximoH,   et 

sdiuvante  domino  redire  totis  viribu»  feetinamii» qtKH 

usque  cüinpressis  gentibus,  ad  libortatem  omnes  sacerdotea 
coQcilü  sub  H.  re  publica  pervenirent  .  . .  ut  pro  red- 
denda  rntione  cominnnionis  nustrue,  contritti  dei  indicto 
iugo  barbarico,  opportune  tempore  ad  vestrae  pietatis 
vefltigia  occurramus  —  —  Huc  tantum  prostruti  depiifcimaa. 
ut  quin  m iHerit'ordia  dei  circa  i*.  rem  publicum  iiperunl«,  in 
uieliori  T<tatu  Italiae  partes.    laburanU'  tidelilcr  gluriuMu 


Pritdridi:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus,  95 

Bonuuio  patricio,  dignanter  perduxit,  et  credimus  nos  ce- 

leriter    devictis    gentibus    ad    pristinam    libertate'm 

redaci    —    — ;    tempore   ordinationis    nostrae    unusquisque 

•cerdos  in  s.  sede  Aquileiensi   cautionem   scriptis  emittimus 

jtodiose  de  fide  ordinatoris  nostri :  nos  fideiii  integram  s.  rei 

pQblicae  servaturos  —  —  dissolvetur  metropolitana  Aquilei- 

eBs»  ecciesia   sub  vestro   imperio   constituta,    per   quam    deo 

propitio    ecciesias  in  gentibus  possidetis   (Ew.  p.  18  ff.)     Der 

gleichen   Meinung  war   übrigens   auch  Kaiser  Mauritius,   als 

«r  anf  dieses  Gesuch  dem  P.  Gregor  d.  Gr.  befahl:  concedere 

e»  utioeos  esse,  quousque  per  providentiam  dei  et  partes 

italiae    paccaliter    constituantur    et    ceteri    episcopi 

Litriae    seu  Venetiarum    iterum    ad    pristinum    ordinem 

redigantur  (Ew.  p.  22).    Und  in  dem  Briefwechsel,  welcher 

Boter  Manritios  Yon  dem  Exarchen  Romanus  mit  dem  Franken- 

köni)?  Childebert  geführt  wurde,   ist   ebenfalls  von   der  ditio 

Romaoa,  sowie  von  der  liberatio  Italiae  und  der  Vernichtung 

des   unseligsten  Volkes  der  Langobarden    (delere)   die  Rede; 

ja  diese  wäre  schon  erreicht  worden,  wenn   sie    nicht  durch 

die  Treulosigkeit  der  Franken  vereitelt  worden  wäre:    hodie 

Italia  a  gente  Langobardorum  nefandissima  libera  habuit  re- 

periri  (Greg.  Tnr.,  ed.  Migne,  App.  p.  1171  ff.). 

Indexen  glaubte  keiner  mehr,  als  Gregor  d.  Gr.  selbst, 
alles  zur  Erhaltung  der  Republik  aufbieten  zu  sollen.  Geht 
er  doch,  wie  wir  schon  sahen,  so  weit,  dem  Kais.  Mauritius 
Torzuwerfen,  dass  er,  während  er  ihm  nichts  glaube,  die 
feindlichen  Kräfte  erschrecklich  heranwachsen  lasse.  Und 
als  Phocas  nach  Ermordung  des  Mauritius  Kaiser  wurde, 
schrieb  Gregor  an  ihn:  Laetentur  coeli  et  exultet  terra.  — 
Comprimantur  iugo  dominationis  vestrae  superbae  mentes 
bo^tium  .  .  .  Virtus  caelestis  gratiae  inimicis  terribiles  vos 
faciai,  pietas  subditis  benignas.  —  Keformetur  iam  singulis 
«üb  iugo  iraperii  pii  libertas  sua  (J.  1899).  Später  aber 
ächliesst  er  einen  zweiten  Brief  an  Phocas  mit  den  Worten: 


96  Sitzung  der  histor.  Glosse  vom  3,  Januar  1890, 

Sed  in  omnipotente  domino  coufidimus,  qui  quae  ca 
solationis  suae  nobis  bona  perficiat.  Et  qui  suscitai 
publica  pios  dominos,  etiam  extinguet  crudeles  iniu 
1906).  Dies  war  also  die  Hoffnung,  mit  der  Gre 
Grab  stieg  und  die  er  den  Seiuigen  hinterliess,  als  a 
gehen  mussten,  für  ihn  einen  Nachfolger  zu  wählen 

In  das  Bestätigungsgesuch   für  den  Nachfolger 
passt   also  die  Schlussstelle  vollkommen;    dass   sie   b 
bei  einer  späteren  Wahl  erst  entstanden  sein  soll,   ii 
anzunehmen.     Jedenfalls  hatte  sich  beim  Antritt  des 
norius  I.  die  Lage  vollständig  geändert,    da   dieser  6 
Bestand  des  langobardischen  Reiches   sogar  dadurch 
dass   er   mit   dem  Exarchen  Isaak   an   der  Befestigui 
selben  arbeitet   und   diesen    auffordert,    die   transpada 
Bischöfe,  welche  sich  als  Gegner  K.  Adalvalds  zeigtei 
Rom  zur  Bestrafung  zu  schicken  (J.  2012). 

Schliesslich  mache   ich    noch    darauf  aufmerksas 
kein  Papst  sich  von  den  „irdischen  Sorgen"  so  niederg 
fühlte,  als  Gregor.    Er  schildert  uns  dies  im  Prolog  zu 
Dialogen  wie  in  seinen  Briefen:    Sed  qiiis  inter  tot  i 
curas  valeat  dei  miracula  praedicare  (Ew.  p.  6.  8).    Er 
während  der  Belagerung  Roms  durch  Agilulf*  vehement 
labores  vigiliarum  et  custodiae  civitatis  aushalten   (J. 
Bei  keinem  Papst,  ausser  bei  Gregor,  wird  es  daher  in 
Grabschrift  angemerkt:    Hie  labor,    hoc  Studium,    hac 
cura,  hoc  pastor  agebas  (Duch.  I,  314),    Wenn  es  nui 
in  form.  60,  p.  51 9  und  form.  61,  p.  55 10  heisst:  pont 
mem.  domno  ill*  de  praesentibus  curis  ad  aeternam  re 
evocato,    so   könnten  wohl    auch   diese  Phrasen    auf  ( 
deuten.     Doch  lege  ich  darauf  kein  Gewicht. 

Ich  meine  also.  Hie  Entstehung  der  form.  60 — 63,  y 
unbedingt  zusammengehören,  könnte,  rein  kirchenhisi 
betrachtet,  in  die  Jahre  604 — 025  fallen,  oder,  da  Hono 
025  den  Bestand  des  Langobarden reichs  nicht  nur  aner 


FViedfidi:  Zur  Entstehung  des  Über  diumus.  97 

mdem  sich  an  der  ZurückfQhrung  des  rechtmässigen  Königs 
4r  Langobarden  betheiligt,  604 — 619.  Allein  da  von  keinem 
k  Ton  604  —  619  auftretenden  unbedeutenden  Päpste  ein 
U  entworfen  werden  kann,  wie  in  form.  60,  und  da  wir 
m  den  Grabschrifben  des  Bonifatius  IV.  und  Honorius  I. 
tann,  dass  Gregor  den  folgenden  Päpsten  als  Muster  vor- 
pibdten  wurde  und  galt,  ^)  so  ist  m.  E.  form.  60  mit  den 
■^hörenden  folgenden  nach  dem  Tode  Gregors,  also  604, 
oManden. 

Doch  auch  form.  58  scheint  ihrer  Entstehung  nach  zu 
Gruppe  zu  gehören;  wenigstens  wird  diese  Annahme 
Terschiedenen  Phrasen  der  Formel  unterstützt.  Denn 
imr  Ton  dem  Nachfolger  Gregors  kann  gesagt  werden,  dass 
er  mit  seinem  Vorgänger  in  langem  Verkehr  war  und  in 
Verdiensten  gleich  denen  des  letzteren  fortschritt,  ^)  dass  er 
den  nach  den  himmlischen  Freuden  Verlangenden  (vgl.  Gre- 
gOKs  Briefe,  Ew.  p.  5  f.  10:  superna  gaudia  incorporaliter 
ndere;  Prolog  zu  den  Dialogen)  durch  seine  Worte  ent- 
flunmte,  da  Sabinian  Gregors  Diakon,  dann  Apokrisiar  in 
GoQstantinopel  seit  593  auf  einige  Jahre  und  später  wieder 
Diakon  in  Rom  war.  Nehme  ich  aber  dazu  folgende  Stelle 
IIB  einem  Schreiben  Gregors  an  Kaiser  Phocas  (603  Juli, 
J.  190t>),  das  von  einem  nach  Constantinopel  zu  schickenden 


1)  Bonifatius  IV.:  Gregorii  seraper  monita  atque  ezempla  ma- 
(ittri  Vita,  opere  ac  dignis  moribus  iste  sequens.  —  Honorius :  Nam- 
<fae  Gregorii  tanti  vestigia  iusti  Deum  sequeris  cupiens  et  nieritum- 
ifat  f^eri»  .  .  .     Duch.  I,  318.  326. 

2)  form.  59,  p.  4S^:  presertim  dum  talius  olim  fuerit  instituti, 
n  etiam  predicti  . . .  pontificis  assidua  conversatione  sua  ad  tantorum 
3nfnua,  qoibos  isdem  . . .  antistes  fuisse  cognoscitur  adomatus,  fe- 
eerit  . . .  proficere,  erinnert  an  Gregors  Synode  v.  595  c.  2,  wo  er  an- 
Ofdnei*  das«  nicht  mehr  Laien,  sondern  nur  Kleriker  oder  Mönche 
^n  Papst  bedienen  dürfen:  ut  is  qui  in  loco  regiminis  est,  habeat 
teitei,  qui  yitam  eins  in  secreta  conversatione  videant,  qui  ex  visione 
tednla  ezemplnm  profectus  sumant  (Mansi  X,  434). 

ima,  PMlo«.-pki)oL  Q.  bist  Cl.   1.  7 


98  Sitzung  der  histor   Ciasse  vom  3.  Januar  1890. 

Apokrisiar  bandelt:    Sed   quia   eorum   qtddam   ita 
sunt  debiles,  ut  laborem  ferre  vix  possint,  quidam 
ticis  curis  vebementer  implicantur,  et  lator  praesenl 
pritnus  omniurn  defensor  fuit,   bene   mihi   ex   lon| 
duitate  compertus,  vita,   fide  ac  moribus  approbat 
aptum  pietatis  vestrae  vestigiis  iudicavi:    so   erkenn 
Sabinian    nicht    blos   einen   der   in    die    kirchlichei) 
^heftig  Verwickelten*,   von    denen   Gregor  spricht, 
es  ist  das  Kriterium  Gregors   für  die  Tüchtigkeit  d 
Apokrisiars:  bene  mihi  ex  longa  assiduitate  comperl 
fide  ac  moribus  approbatus,  auf  den  Erwählten  der 
beinahe   mit   den   gleichen    Worten    übertragen :    pi 
dum  talius  olim  fuerit  instituti,    iit  etiam  predicti  b 
ill*    pontificis   assidua   conversatione   sua  .  .  .      Mit 
Worten:  Wie  es  für  den  neuen  Apokrisiar  eine  Em] 
bei    Phocas  war,   in   langem  Umgang   mit  Gregor 
zu  sein,   so   glaubt   der  Wahlkörper   bei   Phocas  gl 
geltend  machen  zu  sollen,    dass    der  Nachfolger   des 
in  langem  Umgang   mit   diesem   gewesen   sei    und   i 
bildet    habe.      Ja    der    Wahlkörper    legt    sogar    dar 
Hauptgewicht :  praesertim  dum  .  .  . ,   so   dass   es    na 
gar  nichts  Empfehlend  eres  gibt,   als   in  der  Schule  ( 
storbenen  Papstes   lange   gewesen  zu  sein.     Das  ka 
welcher  Seite   aus   man  es  betrachten  will,    nur   auf 
d.  Gr.  gehen.     Gerade   aber  Sabinian   wird    in    seinei 
Schrift  nachgerühmt:    Hie  primam  subita  non  sumpsi 
coronam,  sed  gradibus  meruit  crescere  sanctus  horao 
I,  315).     Seine  Aemter    unter  Gregor  verbürgen   alsi 
lieh,  dass  er  mit  diesem  in  langem  Verkehr  stand.     1 
ist  die  Angabe  der  Grabschrift  nur  das   oft,    auch  fo 
p.  47 19  vorkommende :    propter   quod    ita    ab    ineunte 
sua  eideni  ecclesiae  militavit ;  allein  die  scharfe  Hervorl 
dieses  ümstandes    in    Sabiuians    Grabschrift   gegenüb€ 
subita  laude  muss  doch  eine  bestimmte  Veranlassung 


h'riednch:  Jitir  Enlatrbung  drs  Über  fbiirnus.  "» 

haben,*)  iinH  ich  fin'le  eine  Amleutuu);  in  der  Bemerkung 
der  V.  ^tiibiii.:  Uic  ecclesi&m  de  clero  implevit,  von  welcher 
Dnchfsne  auch  tiichte  Be.^sere!i  za  na^en  weiss,  als:  ,Säbinian 
gab  ohne  Zweifel  dem  Klenis  die  Stellen  zurHuk,  welche 
Oregor  den  Mönchen  anvertraut  hatte"  (I,  315).  Es  hat 
sich  also  trotz  iler  hohen  Verehrung  Gr^ors  doch  bei  seinem 
Tode  eine  durch  die  vit*i  und  Grabschrift  Sabinians  bezeiipte 
Reaktion  geltend  gemacht,  und  zwar  in  Beziehung  auf  die 
Fapstwahl  sowie  auf  die  Be^tzung  der  (ihrigen  geistlichen 
Stellen  Man  wählte  nicht  wieder,  wie  590,  einen  .subita 
laude"  Emporgekommenen,  der  nicht  von  unten  auf  durcli 
alle  ürade  gedient  hatte,  sondern  griff  auf  die  alte  Ordnung 
zurQck,  dass  der  zu  Wählende  im  Dienste  des  Laterans  her- 
angewHchiien  sein  müsse.  So  ganz  hedeutimgslos  erscheint 
mir  daher  form.  58  die  Phrase:  ab  ineuiite  aetute  sua  eidem 
ecclesiae  militavit,  nicht,  Sie  ist  gerade  gegenüber  der  vor- 
ausgehenden Wahl  Gregors  am  Platze.  Die  at^ebende  „su- 
bita laus"  aber  wird  ersetzt  durch  den  langen  Umgang  mit 
artnem  .durch  grosse  Verdienste  ausgezeichneten'  Vorgänger, 
indem  auch  der  Erwählte  sich  solche  erwarb.  War  doch 
gerade  Sabinian  während  der  schlimmsten  Zeit  Gregors, 
wiUireud  seines  Streites  mit  ilem  Kaiser  und  den  Patriarchen 
TOD  Constantinopel  wegen  des  Titels  .ükumeuischer  Bischof, 
während  seiner  Verhandlungen  aber  das  Gesetz  des  Mauritius 
Ober  den   Eintritt  in  den  Klerus  und  mn  Möncbthum,  sowie 

I)  Merk  würdige  rw  eine  Kebruucht  ÜjpHun  ep.  55.  p.  629.  ilie 
ftleichen  inndrücke  von  der  Wahl  dea  P.  (^orneliu»!:  nam  quod  Cor- 
Ddlinin  rnriüsimnm  noütrum  Deo  et  Chhato  et  eccle^iue  eitu.  item 
MUlMCerdotibua  cimctls  iuudiibili  praedicatione  commendiLt,  non  iste 
•d  epftcopatum  subito  pemenit.  sed  per  omnia  ecclesiastica  ofGcia 
prOniotUD  et  in  diuiuia  adiuJuiatratioDibug  Oomiaum  Noepe  piomeritus 
ad  Mcerdutii  tnlilime  l';i«I%ium  conctis  reli^tionia  tfradjbUB  lucendit. 
tune  deuidt^  epUiroputuin  ipaum  oec  pODtalavit  oec  nolnit,  nee  at 
iMtnri  qua«  adrogancine  et  i<u]ierbiat!  suae  tuuor  ioflat  invaiit,  aed 
qnietna  aUoH  et  mcideitue  .  . . 


i 


100 


SiUv7ii/  der  hiKlor,  Oasse  r 


'ler  tiefsten  RränkuDgen  durch  den  Kaiser  und  der  feind- 
seligen UHltiiEiK  i^Etä  Exarchen  Komanus  gegen  ihn,  Apokriaar 
in  C'onfltanitiopel.  Nach  Rom  ä97  zurückgekehrt,'  uiusste  er 
als  der  beste  Kenner  der  Verhältnisse  am  Kaioerliote  selbst- 
verständlich auch  der  zuverlüäsigste  Hathgeber  Gregors  rttäa. 

Wenn  demnach  die  charakteristischen  Züge  der  ionp,  60 
tind  68  auf  Qregor  d.  Gr.  und  seinen  Nachfolger  ?^ahiiiiaii 
passen,*)  so  »teht  dem  aUerdingi^  der  JJDi^tiuid  entgegen,  diu» 
wir  letzteren  nur  uls  Diakon  kennen,  nährend  der  BrwiUilte 
in  beiden  Formeln  als  Ärchidiakou  bezeicliuet  wird.  Ailtän 
wir  kennen  auch  nur  die  frühere  Laufbahn  Sabiniaiw.  da 
er  ab  Diakon  Apokrisiar  in  Constantinopel  war;  seine  Std- 
Inng  seit  seiner  Rückkehr  nach  Rom  ist  uns  aber,  .soviel  ich 
weiss  und  ttehe,  nicht  bekannt.  Er  kann  also  indemen  recht 
gut  die  Stellung  des  Archidiakons  in  Kom  eingenonunen 
haben.  Diizii  kommt,  dasrt,  wie  die  Apokrisiiire  in  Oonütimti- 
nopel  nach  Qregor  d.  Ur.  Diakone  xu  sein  pllegtt^'n,  weshalb 
er  den  Primicerius  der  Defensoreu  Bouifatius  vor  iwiner 
Sendung  dahin  ebenfalls  «um  Diakon  machte,  no  auch,  wie 
schon  aus  den  Formeln  zu  scblieesen  ist,  der  y.iim  Papst  m 
wählende  Diakon  in  der  Regel  der  Archidiitkim  war. 

Ich  fßge  noch  einige  Worte  Über  die  lucum  s.  »edia 
servantes  der  form.  59,  61  —  63  hin?.u.  Als  solche  werd«a 
bezeichnet:  Archipresbiter,  Archidiakim  und  l'rimiceriiia  der 
Notare,  was  ganz  und  gar  mit  der  Notiz  Martins  1.  Qberein- 
stinimt,  das»  in  abaentia  puntiticis  ardiidiaconus,  archiprw 
byter  et  primicerius  locum  praesentunt  pontificia  (J.  2079), 
was  aber  doch  erat  seit  P.  Vigiliua  eingeführt  worden  «nn 
kann,  da  dieser  noch  eine  ganz  andere  Vertretung  för  die 
Zeit  seiner  Abwesenheit  bestellt  (v.  Vig.  c.  >5).     DagegA  hat 

1}  Prolog,  11.  Tl   n.  1    liemerkt  t.  Skknl    xii   form.  69,  p.  48n: 
,Bi.'iii^hten«werth    int  die  BezeivlmiiD);   d«»  Tu^tvi   aU   dttw 
meiwi«,  welche  lieiu  unter  Urejror  1.  ntH.'liWpi"t>iiren  Itrani^be 
Arthi«  VllI,  694)  «ilniiHtit* 


FririiTich:  Zur  EntgtfhuiUi'^iftifr:(lii^TVU> 


101 


nns  tkvia  (h.  e.  11.  18.  J.  2040)  pin  Schrei'beh- äjtf  eifl«r. 
SedisTukanz,  Hber  nach  der  Wahl,  aufbewahrt,  welches  "mÜ- 
iina«reii  Fornieln  in  Widerspruch  xu  stehen  scheint,  da  es 
nnr  «wei  locum  b,  sedis  aenrantM  keunt :  Hilarusi  nrchipres- 
brt^r  et  servans  locum  s.  aedis  ap.,  Johannes  diacunus  et 
in  dei  nnmijie  eletitus,  item  •Tuhannes  primicerius  et  servans 
lücnoi  s.  sedis  a;>.,  et  Jobiuine»  servus  dei,  conailiarius  eius- 
dem  a]i.  ^edis.  der  Arcbidiakon  also  fehlt,  wahrend  neben 
dem  Electus  noch  der  eonsiliariua  ap.  aedis  anftritt,  ohne  da«8 
jedoch  beide  als  locum  serrante«  bei»ichnet  sind.  Und  doch 
besteht  kein  Widerspruch  mit  den  Formeln.  Der  Arcbidiakon 
ist  entweder  ebenfalls  während  der  Sedisvakanx  gestorben. 
in  irelcheni  falle  aber  mcher  bei  der  grossen  Holle,  welche 
die  Diakonen  damaU  spielten,  ein  anderer  Diakon  an  seine 
Stelle  als  locum  Sfrvans  getreten  wäre,  oder  der  erwählte 
Diakon  Johannen  war  selbst  der  Archidiakon.  In  der  That 
mnas  leticterea  der  Fall  gewesen  sein,  da  der  Erwählte  kaum 
un  zweiter  Stelle  etehen  würde,  wenn  er  kraft  seiner  Wahl 
zum  I'apftt  erst  in  die.ws  Colieginm  eingetreten  wäre  und 
ihm  nicht  sihon  als  zweiter  locum  tenens,  d.  h.  als  Archi- 
diakon angpbört  hätte.  Es  folgt  also  aus  diesem  Schreib.n 
nur,  dais  der  Archidiakon,  wenn  ihn  die  Wahl  traf,  wohl 
im  stellvertretenden  Kollegium  an  zweiter  Stelle  blieb,  aber 
nach  Ausfertigung  de*  Wahldekrets  den  Titel  Archidiakon 
ablegte  und  dch  nur  noch  diaconus  et  in  dei  nomine  electns 
nitnnte. 

Die  form.  82.  —  Diese  Formel,  welche  mit  einem 
Satze  der  form,  r>l.  p.  55^  s,  beginnt,  mit  form.  tlO,  p,  .lOia 
fortfährt,  dann  eine  Bibelatelle  der  form.  85.  p.  lOIiu  hemn- 
rieht  und  endlich  wieder  auf  die  form.  61,  p.  5Cu  zurück- 
greift, xeigl  whon  dadurch,  dass  äie  später,  als  die  in  ibr 
beiintzt.iii  Formeln,  entstanden  sein  niU)V!i.  Das  geht  aber 
auch  daraus  hervor,  dasa  sie  triduo  mit  diu  vertauscht,  wo- 
rtlber  indessen  v.  Sickel  hinreichend  gehandelt  hfit,     Wich- 


102 


Sitpi^.^e'ch'ilO''-  Clauf  t 


.  -ti^sr  ist,"iite"  bprache  der  Formel,  die  erst  iiiiU^r  GreRor  11, 
■".  Vegnint  und  uuter  Stephan  II.  ihre  Vollendiinj^  erhält.  Untw 
ersterem  taucht  meines  Wiääeti>-  Kueret  der  Äusdruclc  der 
form.  82,  p.  SS«  auf:  proeeres  ecciesia»  (v.  c.  23;  Stepb.  II. 
c.  19)  ^owie  optiniates  Komae  (u.  19;  Greg.  IIL  c.2:  Zachar. 
(1.23;  Steph.  c.  19).  Zw  dem  um  die  Mitte  des  8.  Jihrh. 
Üblichen  Stil  gehört  femer  die  Phrase :  ut  prelatum  wt, 
p.  89i8  (m.  Const.  Schenkg.  S.  158).  Gar  nicht  bekannt 
vrir  dieser  Zeit  ist  endlich :  qm  s.  tiiuni  univerHalem  ecclesiuin 
et  ctinelas  sihi  dumtnicas  ae  rationales  commisBa»  oves  ri^re 
et  guberuare  valeat.  p.  89  u,  wofür  «war  als  Vorlage  tonn. 
ül,  p.  5Bi6  dient:  qui  et  regat  ecelesiam  gregeiiique  ratio- 
nabilium  salubriter  dispenset  ovium  ;  allein  nur  um  ao  mehr 
tritt  bei  Nebeneinanderstellung  beider  Phrasen  der  Untere 
schied  hervor.  Die  eccieeia  iät  zur  universalis  und  die  ratio- 
nales i>ves  7.U  domiDicas  Reworden  —  Wendungen,  welcbft 
nur  erst  der  vita  Steph.  II.  eigeuthUmlich  sind.  Sf>:  depre- 
carftur  pro  gregibus  sibi  ii  den  comiiiissis  et  penHtis  ovibns, 
sciticet  pro  univerao  exarchatu  Havennae  atque  ennctae  iütitu 
Italiae  provinciae  popitl»  (c.  15):  pro  recolligendia  iiniToni« 
domiuicis  perditis  uvibus  (c.  18);  commendatit»  cnnctam  do- 
minicam  plebem  (c.  19) ;  nt  dominicai«  (|iias  abstulerat,  red- 
deret  oves  (c.  21):  zuletzt  aber  wird  i^eradezu  rationaljs  mit 
dominiea  erläutert:  ut  univerüani  dominicam  plebem,  vidoUcet 
rationales  sibi  conimissas  oveti  (c  51),  welches  gaue  di£ 
rhraae  unserer  form.  82  iitt  und  die  Stephan  II.  auch  aftlM 
in  bereite  durchaus  ])olitischem  Sinne  gebraucht  (m.  Ooiut> 
Schenkg.  S.  144).  Zu  dieeer  Kategorie  neuer  Ausdrtloke 
aus  dieser  Zeit  dürfte  jedoch  auch  p.  K9ig  gehören:  in  ar- 
civo  domine  noatre  s.  Rom.  ecclesie  (vgl.  Conc.  t.  7ti9, 
Mansi  XU,  719),  Damit  iat  das,  ebeuRo  im  Constibatom 
Conatantini  vorkommende,  .mariihu«  proprüe  roborantes*  vüt- 
bunden,  worauf  übrigens  H:bon  Brunner,  Const.  Sch&nkff. 
S.  tJ.  hintfewiesen  hat,   sowie   er  auch   biireit»  hervorgeliulwn 


1^ 


FYitdrich^  Zur  Entstehung  des  Über  diurnus,  103 

brt.  dass    letztere   Wenduug  sich   auch    form.    81,   p.  86  is 
KU  Papste  gebraucht  findet. 

Da  nun  sonst  kein  Merkmal  der  form.  82  nothwendig 

■f  «ne  spatere  Zeit  hinweist  und  da  Paul  L,  wie  ich  zeigen 

■  können  hoffe,  auch  form.  84  angehört,   so  könnte  unsere 

Formel  sehr  gat  bei  der  Wahl  Pauls  I.  entstanden  und  dann 

veiter  gebraucht  worden  sein,  wie  ja  y.  Sickel  nachgewiesen 

hi,    daisA    sie   nach   Cod.   Glarom.    wirklich    bei    der    Wahl 

Leo*s  III.    benQtzt  wurde.     Denn  wenn    auch   derselben   das 

iteisebe  Concil  von  769  zugrunde  liegen  sollte,   so  schlösse 

ik»  ihre  Entstehung  in  einer  früheren  Zeit  noch  keineswegs 

iw.     Es   würde,   um    dem   Beschlüsse   von   769   gerecht  zu 

werden,    genügt  haben,   zu  dem  früher  entstandenen  Dekret 

fbe  Worte  beizufügen :   istius   a  Deo   servate  Romane   urbis 

ip.  88  n). 

In  der  That  kommen  alle  anderen  Elemente  der  form. 
82  schon  früher  vor,  auch  das  blose  Begrüssen  durch  die 
kikalen  Theile  der  Bevölkerung,  wie  es  die  Synode  von  769 
feitwtzt.  So  ist  bei  der  Wahl  Conons  der  wählende  Theil 
der  Klerus ;  das  Militär  hatte  nur  die  basilica  Gonstantiniana, 
wo  der  Klerus  zur  Wahl  sich  versammeln  wollte,  besetzt. 
Das  Heer  seinerseits  war  hingegen  in  der  basilica  s.  Stephani 
TerHammelt,  doch  nur  zum  Zustimmen  zu  der  Wahl  des 
Klerus.  Da  nun  die  Absichten  des  einen  wie  des  anderen 
Theiles  auf  verschiedene  Personen  gingen  und  man  sich  auf 
keine  derselben  vereinigen  konnte,  so  ging  der  gesammte 
iüerus  (sacerdotes  et  clerus)  von  beiden  Candidaten  ab,  trat 
in  das  episcopium  Lateranense  und  vollzog  die  Wahl,  welche 
Auf  eine  dritte  Person,  auf  Gonon,  fiel.  Damit  war  die  Wahl 
ToUiogen.  Die  Thätigkeit  des  Heeres  und  Volkes  wird  näm- 
lich sehr  genau  so  geschildert:  E  vestigio  autem  omnes 
iadices  una  cum  primatibus  exercitus  pariter  ad  eius 
«alotationem  venientes  in  eius  laudem  omnes  simul  ad- 
clamavernnt.     Videns   autem   exercitus   unanimitatem 


104  Siizuft/j  der  histor,  Classe  vom  3.  Januar  1890, 

cleri    populiqne   in    decreto   eins   subscribentiu 
aliquot  dies  et  ipsi  flexi  sunt  et   eonsenserunt   in 
praedicti  sanctissimi  yiri,  atque  in  eius  decreto  devQ 
subscripserunt   (y.  Gon.  c.  1.  2).     Es   muss   also 
Wahl   Gonons   schon    ein    ganz    ähnliches    Dekret  \ 
worden  sein,  das  wegen  der  eigenthümlichen  Sprach 
erhaltenen   form.  82   frühestens   unter   Paul  I.    umg 
wurde.     In  dieser  Annahme  werde  ich  aber  durch  < 
stand    bestärkt,   dass   gerade   der  Nachfolger  Pauls 
phan  III.,  ganz  so  gewählt  wird,  wie   form.  82   vor 
und  dass  diese  wieder  mit  der  Wahl  Conons  tibereil 
nur  dass  bei  letzterer  die  Thätigkeit  der  Laien  deutli 
bei  der  Wahl    Stephans  III.    hervortritt    und    diejei 
form.  82,  richtiger  des  Goncils  von   769   schon  ist. 
scheint   auch    die   Erzählung   des    Primicerius    Chris! 
vor    dem    versammelten    Konzil  769    zu    beweisen,    c 
Wahlordnung    schon    vor    diesem  Konzil   die   näralic 
wie  sie  769  durch  dieses  neu  festgesetzt  wurde ;  denn 
es    Tradition   des    h.  Stuhles,   dass   nur   Priester    odi 
konen     desselben    gewählt    werden    dürfen;     2)    vei 
die    Wählenden    unter    dem    zum    Wahlakt    konkun 
Volke  Borns  nur  die  Stadt-,  nicht  auch  die  um  Rom 
wohnende  Bevölkerung;  3)  gaben  die  Wählenden  na« 
Tode  Pauk  1.    nochmals   das   eidliche  Versprechen,   i 
bei  der  alten  Ordnung  bleiben  und  Jedem  seine  Gerec 
gewahrt   werden    (denuo    sacramenta   populo    praebuii 
conservandas   unicuique   iustitias,    Mansi   XII;  717). 
Ausdruck    bezeichnet   aber  m.  E.    schon,    dass   die   6* 
samen  der  einzelnen  an  der  Wahl  T heilnehmenden  versc 
waren :  die  einen  hatten  zu  wählen,  die  anderen  zu  k 
riren,  wie  es  form.  84,  p.  94  lo  heisst. 

Demnach  wurde  769    an  der  Wahlordnung   nich 
geändert,  sondern  wurden  nur  gegen  die  Neuerungen, 
nach  dem  Tode  Pauls  I.  vorgefallen  waren,  zum  Schul 


Friedrieh:  Zur  Entstehung  des  liher  diurnus,  105 

JteD  Wahlordnung  Beschlösse  ^efasst.  Ich  bin  daher  ge- 
Migt,  anzunehmen,  dass  sich  diese  Beschlüsse  durch  die 
Worte:  isfcius  a  deo  servate  Romane  urbis  ausprägen,  indem 
ae  in  das  ältere  Dekret  jetzt  eingeschoben  wurden.  Doch 
iiabe  ich  di^egen  auch  ernste  Bedenken,  da  „populus  huius 
R«>niane  urbis*  schon  in  der  form.  60,  p.  50 12  steht,  welche 
sofosi  der  form.  82  als  Vorlage  gedient  hat.  Es  ist  darum 
höchst  wahrscheinlich,  dass  in  form.  82,  welche  keine  Adresse 
hat.  wie  form.  60,  aas  der  Adresse  der  letzteren  die  Angabe 
des  Wahlkörpers  in  den  Text  der  form.  82  gezogen  wurde 
and  dann  also  auch  keine  besondere  Bedeutung  hat. 

V.  Sickel  hat  schon  auf  die  überraschende  üeberein- 
jümmnng  der  Charakteristik  des  Erwählten  in  form.  82: 
<»ihodoxae  fidei  et  ss.  patrum  traditionum  defensorem  et 
fortissimum  observatorem  mit  der  Hadrians  I.  im  lib.  pont. 
hingewiesen.  Dieser  Punkt  scheint  mir  allerdings  bedeutsam 
in  sein.  Denn  obwohl  man  damals  mit  solchen  Prädikaten 
sehr  verschwenderisch  war  (v.  Greg.  II.  c.  1 ;  Greg.  III.  c.  1 ; 
Steph.  II.  c.  3;  Pauli  1.  c.  3 ;  von  K.  Pipin  und  Karl  d.  Gr. 
Hansi  XII,  (524.  758),  so  treifen  doch  die  Hadrians  I.  mit 
form.  82  am  genauesten  zusammen.  Ich  meine  daher,  dass 
die  unter  Paul  I.  umgearbeitete  Formel,  so,  wie  sie  jetzt 
erhalten  ist,  von  der  Wahl  Hadrians  I.  stammt. 

Die  form.  83.  —  Diese  Formel  wird  mit  den  nächst- 
folgenden 84.  85  so  in  Zusammenhang  gebracht,  dass  form. 
83  ein  von  dem  zu  konsekrirenden  Papste  abzulegendes 
Glaubensbekenntniss,  84  eine  von  dem  neuen  Papste  zu  er- 
lassende Synodica  und  85  eine  Honiilie  desselben  enthalte. 
Früher  wurden  diese  Formeln  verschiedenen  Päpsten  zuge- 
schrieben; V.  Sickel  indessen  hat,  wie  er  schon  form.  82 
Hadrian  I.  beilegte,  so  auch  form.  84.  85  ,in  ihrem  ganzen 
Wortlaute*  diesem  zugeschrieben,  während  er  djis  Glaubens- 
bekenntniss form.  83  unter  Benedikt  II.  entstanden  sein  lässt, 
mit  welchem  indessen  auch  gewisse  Theile  der  form.  84.  85 


10(5 


SitiKiiii  der  hütiH:  Claigc  rim  3,  Janui 


^leiebalt  sein  niSgeii.  Ich  sehe  jedoch  uiif  das  Verhattni»* 
der  drei  Formeln:  Glaubensbehenntniiis,  Synodica  und  Huimlie, 
welche  letzteren  übrigens  ebenfalls  ku  ihrem  prössten  Theile 
Glaubens bekenntnis.<ie  enthalten,  nicht  ein,  sondern  nutersncbe 
nur,  ob  sich  in  ihnen  historische  Anhaitapunkte  finden, 
welche  auf  die  Zeit  ihrer  Entstehung  schliesf^en  litasen. 

Doss  der  t'omi.  83  ein  ältere;^,  nftch  der  V.  ungemeinen 
Synode  abgefas^ites  päpstlichen  OlaubenRbekeuntniss  zugninde 
liegt,  int  Kweifellos,  Bin  zn  dieser  Synode  iat  nämlich  io 
der  Formel  eine  gleichmäßige  Formiiliriii^^  zu  beubichten : 
sancta  quociue  univeraalia  concilia:  Niceuum,  Con§tantin«[Nj- 
litannui .  Efesenum  primum ,  Calcediiüenisem  et  '«ecundutn 
Constautinopolitanum  quod  Juatini&ni  p.  m.  principis  teiupu* 
ribuH  celebratuni  est,  iisque  ad  uuum  apiceni  iinmntilatH 
«ervare  (p.  91is).  Das  ist  die  ursprüngliche  Kedaktion.  wo- 
rin die  fiUnimtlichen  Konzilien,  ähnlich  wie  in  der  SynodicK 
Gregors  d.  Ur.  (Ew.  p.  3H),  oder  im  can.  17  der  Synode 
Martins  I.  {t)49). ')  gleichmässig  aufgezählt  werde».  ebimfalU 
ohne  Erwähnung  des  ächreiberi.s  Leo's  I.  an  Er/.b.  Flavian 
von  Oonstantinopel.  Wenn  aber  dann  die  form.  83  fort- 
tahrt:  et  una  cum  eis  pari  bonore  et  veneratione  b.  sextuoi 
convilinm  quod  nuper  snb  Con^tantino  ,  .  .  conveuit.  niednl- 
Ittus  et  pleuius  conservare  . . . ,  so  charakteri.Kirt  sich  dit^er 
Satz  selbst  stilistisch  al»  einen  späteren  Zusatz.*) 

Kben.-!o  muss  man  aber  auch  aageii  von  den  folgenden 
Worten :   diligeutius   autem    et  vivncins  umnia  decreta  prae- 


1)  Si  quin  setuDdum  *.  ptttres  non  cnnfit«tiir  iiroprin  et  itoean- 
diim  veritateni  omniu.  qaae  tradita  iinnt  et  pTawlicAtii  nanrtJM  i-atb. 
et  ap.  Uei  uc^leaiue,  periodeque  n  s.  patiibua  »l  teDeranili»  aoivw 
«alibus  quinqne  condlji«  tiaque  ad  unum  apicem.  T^rbo  et  aient«. 
rondemnatos  n\. 

2)  Dipsß  Unebenheit  wurde  «pIiod  frilh  erkanot.  a.  H.  in  ihr 
neuen  Redaktion  der  t''oTiiiel  1>ei  Deuadedit  (Huttinocci  p.  Vlll.  In 
dem  BoDJtatiDa  VIII,    zu^aKchrie Linnen   und    in   tiem  ynm  Kontil    votl 


Friedrieh:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  107 

Jcfe^^aonim  apostolicorum  nostrorum  pontificum«  quaeque  vel 
ifnotaliter  vel  specialiier  statuerunt  et  probata  sunt,  eonfir- 
■are  et  indiniinute  servare  .  . . ,  welcher  Satz  an  den  Ab- 
chnitt  des  sogen.  Decretnm  Gelasii  P.  erinnert,  wo  ebenfalls 
fon  den  decretales  epistolae  der  römischen  Bischöfe,  aber, 
«ie  eR  scheint,  in  anderem  Sinne  die  Rede  ist.  Ich  bemerke 
Torläufig  nur,  dass  es  weder  zur  Zeit  Gregors  d.  Gr.  noch 
Oberhaupt  im  7.  Jahrh.  erhört  war,  die  päpstlichen  Dekrete 
den  allgemeinen  Konzilien  tiberzuordnen ,  wie  es  in  den 
Worten  geschieht :  diligentius  autem  et  vivacius  . . .  oder  gar 
fOD  den  constituta  pontificum  nostrorum  ut  divina  et  celestia 
maudata  custodire  .  .  .  ^)     Das  hat  keine  andere  Formel.*) 

Conitanz  vorgeschriebenen  Papsteide  (m.  Gesch.  d.  Vatik.  Konz.  III, 
7  f.)  Ceberall  werden  die  Konzilien  vor  «usque  ad  unum  apicem 
immotilata  servare*  genannt  und  bildet  also  diese  Phrase  „usque 
Ad *  den  Schluas. 

1)  Dem  scheint  freilich  entgegenzastehen  das  bekannte  irag- 
meatnm  Agathonis:  Sic  omnes  ap.  sedis  sanctiones  accipiendae  sunt, 
UnqDaiD  ipsios  voce  divina  Petri  firmatae  (J.  2108).  Allein  ich  halte 
<s  nicht  für  acht;  denn  einmal  ist  es  nicht  nachzuweinen  und  dann 
ut  «ipeius  voce  divina  Petri'  so  gar  nicht  dem  7.  Jahrhundert  und 
Agatlio  entsprechend,  was  übrigenn  Hchon  frühzeitig  Anstoss  erregt 
haben  mnss,  da  die  Phrase  bei  Deusded.  I.  c.  119  (Martin,  p.  98) 
^täuiquam  ipeius  divini  Petri  voce  firmatae*',  in  der  Pannorm.,  Lov. 
1&57  p.  126,  utanquam  ipsius  divini  praecepti  voce  firmate**  heisst, 
welche  letztere  Version  sich  form.  83  nähert  und  sicher  die  bessere 
iivt.  Das  Fragment  wird  später  aus  den  Worten  Agatho's  auf  dem 
römischen  Concil,  welches  über  B  Wilfried  verhandelte,  gebildet  sein: 
qaae  terroinantnr^  amplectitur  (Wilfr.),  integra  fide  »e  suscepturum 
perhibens.  quod  nostro  ore  auctor  noster  b.  Petrus  ap.,  cuius  mini- 
*terio  fungimur,  providerit  statuendum.  Aber  in  der  ganzen  Ver- 
hAodlung  bandelt  es  sich  nur  noch  um  die  canones,  und  werden 
nirgends  päpstliche  sanctiones  oder  constituta  genannt;  vielmehr  ver- 
langt VV.  blos  ein  Urtheil  des  Papstes  gemäss  den  canones,  und  von 
diesem  Urtheil  sagt  Agatho:  nostro  ore  auctor  noster  cet. 

2)  Wie  in  manchem  anderen,  so  ging  auch  hier  die  spanische 
Kirche  voran,  welche  589  im  Conc.  Tolet.  III.  cap.  1   bestimmt:    At 


lOR 


Siltiinfi  'Irr  huitor.  Clmn«  twn  3.  Jim 


Ich  bulte  'lulier  da»  dieser  Formel  KUgrunde  liegeDde 
Uiaiibenijbeketiiitnial«  für  das  Gref^ors  A.  Gr.  oder  einen  «einer 
Nachfolger,  welches  im  Gebrauche  der  Päpste  des  7.  -lithr^ 
biinderts  blieb  und  zunächst  den  Zusatz  flber  das  VI.  all- 
gemeine Konxil  erhielt.  Das  kann  und  mag  unter  Ben^ 
dikt  U.  geschehen  sein:  allein  dagegen  daes  die  jetzt  vor- 
liegerule  Formel  nnter  diesem  Papst  ihre  Kedaktion  erhielt, 
habe  ich  sehr  schwere  Bedenken.  Eines  ist  der  ÄaBdrack: 
sanctae  et  iudividuae  trinitatis,  p.  91s.  welcher  »ach 
im  Constitutum  Uonstantini  ächwienfjkeiten  bereitet  (Brunner. 
Gonst.  Hchenkg.  S.  \h  IT,).  Derselbe  war  bis  vor  Knrseoi 
im  7.  Jahrb.  nicht  uachgewiesen,  von  welchem  Standpunkte 
aus  dann  schwerlich  die  letzte  Redaktion  der  Formel  im 
7.  Jahrh.  angesetzt  werden  könnte.  Unterdeiwen  ist  ts  mir 
Jedoch  gelungen,  mehrere  Stellen  auK  dem  7.  Jahrh.  uacb- 
zuweisen,  ««lebe  schon  indiviilua  trinitos  haben  (ui.  Crniat. 
Schenkg.  S.  133),  danint«r  gerade  die  alte  lateiniHche  Uebur- 
setzuug  des  VI.  allgeni einen  Ciinoils  (Mun^i  XI,  911).  Allein 
damit  stosst^n  wir  auf  die  neue  Schwierigkeit,  das  Älter 
dieser  Uebersetifinng  nicht  bestimmen  ku  können.  Zwar  heieat 
es  V.  Leon.  II.  c.  2:  i|uam  (synotlnm  fi.)  et  studiosisaime  in 
latino  trauslatavit ,  und  man  könnte  daran  denken.  diuM 
wir  in  der  noch  vorhandenen  alten  üebersetsmng  die  von 
Ueo  11.  besor^;tj^  oder  angeregte  besitzen.  J»,  auch  darui 
wäre  die  Möglichkeit,  das»  vun  Leo  II.  der  Ausdruck  indi- 
vidua  trinitas  stamme,  noch  festzuhalten,  wenn  er  sojfar  Tor 
der  Beendigung  dieser  lTeber»etznng  gestorben  wäre,  da  dw 
Ausdruck    gerade   in   dem    Edikt   des    Kaisers   Cnnstaatintut 


nunc  jiace  eccleoine  Cbriitti  misencnnün  r«pKrstit,  onioe  qnod  pn«> 
coruni  [^unonuni  aactoritM  protiibet,  nt  r^targeot«  diNriplioa  inhfhj- 
tatn,  et.  a^utor  uinije  qoriil  pmuripil  fieri:  mant^ant  in  »iio  vi(t»n! 
roncilioinin  omnium  conrtiliila.  ainiul  t-l  nynotlii'ui-  mmokirum  pn«- 
•nliiin  Komiuinrom  rpiiifj)!»«.  Allnin  «ioe  Bevonutfnng  Anr  letEt«r«ii 
vor  nnteren  geschieht  hier  noch  nicht. 


Friedrich:  Zur  Entstehung  des  Über  diumus. 


109 


«b    findet,    das    Leo  Tl.    schon    682    in   lateinischer  Ueber- 
«tzuD^    nach    Spanien    sandte.     Eis    würde   auf  diese  Weise 
neh  die  Erscheinung  erklärlich,  dass  zum  erstenmal,  ausser 
m  dem   kaiserlichen  Dekret,  der  Ausdruck  in  Spanien  (693) 
aaichzu weisen    ist   (m.  Const.  Schenkg.    S.  133).     Allein    der 
j^nzen    Annahme   steht   der   Umstand   im  Wege,    dass   eine 
Verjjleichung  der  form.  85.  84  mit  den  beiden  üebersetzungen 
d«:->   VI.  allgemeinen  Kon/ils    ergibt,    dass    man   in  Rom  die 
bei  Mansi    an    erster   Stelle   stehende,    nicht  die   andere,    in 
welcher    individua   trinitas   vorkommt,   benützte.     Man   wird 
daher  doch  die    letzte  Redaktion  der  Formel  bis  in  die  Zeit 
rerschieben  müssen,  da  man  individua  trinitas  auch  in  Rom 
abreiben  konnte,  ohne  den  übrigen  Kirchen  zu  sehr  voran- 
zoeilen.      Diese  Zeit  liegt  aber  ziemlich  spät;    denn  obwohl 
der    Ausdruck  in  Angelsachsen  mehr  und  mehr  gebräuchlich 
wird,    wie    wir    aus   den  Briefen    des  h.  Bonifatius  erfahren 
(Jatfe,   Mog.  p.  211.  248),   so  kommt  er  in  Rom  im  Consti- 
tutum Constantini  zuerst  vor.    Auf  eine  so  späte  Zeit  weisen 
übrigens  auch  andere  Theile  der  Formel  hin. 


form.  73,  p.  70  6-  form.  84,  p.  95 7. 

qaae  pro  furmameDto  profitemur  .  .  .  quae- 
^i'we  rectitodiDe  ca- ,  que  ad  stabilitatem 
tfaolicae  fidei  et  or-  '  cbristianae  religionis 
tfaodoxae  religioDi  1  et  rectitudinem  catbo- 
cocveniunt  me  pro- '  licae  fidei  coDgruunt . . 
öteri 

I  p.  94)4. 

I  meduUitus    conserva- 
:  mus 

p.  101  18. 
quosquos  vel  quaeque 
haec  8.  sex  uni versa  lia 
coDcilia  abieceruDt,  ^i- 
I  mili  etiam  coDdemna. 
tione  percellimus. 


form.  83,  p.  91  n. 

quaeque  ad  rectitu- 
dinem vestrae  do- 
straeque  ortbodoxae 
fidei  a  te  traditae 
respiciuDt ,  conser- 
vare  . . . 

p.  91  21- 

medullituä  et  plenius 
conservare 

p.  926. 

quaeque  vel  quosque 
condemDaveraDt  vel 
abdicaverunt,  simili 
auctoritatis  senten  tia 
;  coDdemnare. 


110 


fateunfi  ilrr  llutiiir,  (HasKe  r 


Die  Entwicklung  von  form.  73  und  84  zu  tbno,  8^  ist 
80  unzweideutig,  dass  sie  nicht  Hbersehen  werden  kann. 
Wenn  in  ersteren  das  Bekenntnias  sicli  auf  den  katboliachwi 
Glauben  und  die  christliche  Heligion  bezieht,  ao  ist  in  form. 
83  nur  mehr  nor.li  viin  dem,  vom  Apostel  Petrus  Über- 
lieferten Glauben  die  Hede.  Simili  coudeinnatioüe  form.  84 
wird  zu  eimili  auctoritatis  »eutetitia  form.  85.  L'eberbsupt 
aber  zieht  sich  durch  die  giiuKe  form.  SS  das  iiiiahläw<i|;e 
Bestreben,  die  Päpste  eiuKuschieben  und  ihre  Autoritäl.  höbüT 
zu  heben.  Wenn  /,.  B.  form.  85,  p.  108  m  nnr  erst  s^t; 
noB  igitur  in  umiiibus  se^uente^  ss,  quinque  syuodoruoi  iii- 
stituta  nee  non  et  prububiltuni  cath.  ecclesiae  patmm  atqnn 
doctomm  venerabiles  traditiouea  confitemnr,  so  wird  form,  äil, 
p.  die  daraus:  et  de  ceteris  eccle^iae  dei  dogmatibns,  »icut 
univer^ialibus  conciUis  et  constitutie  apnatolicoram  pun- 
tificum  probatissiraorumque  doctorum  ecciesiae  scriptis  sunt 
commendata.  Daa  kann  nicht  im  7.  Jahrhundert  geachrie- 
beii  sein. 

Noch  deutlicher  und  schlagender  tritt  aber  das  VerliiUt- 
iiiss  einer  Fortentwickelung  von  der  form.  85  /u  Hi  und 
endlich  »u  8:il  in  der  NebeneinanderstellunfC  (auf  >S.  111) 
scheinbar  unwichtiger  Sät^e  heraus. 

Während  forui.  85  auf  lirundlage  der  form.  ~'i,  \>.  72  a 
der  Thätigkeit  der  Päpste,  namentlich  Martins  I.  innerlmlb 
der  KoDKilien  uud  gegeufiber  der  von  ihnen  liekäuipfteii 
Häresie  des  Monotheletisntiia  gedenkt  und  daher  ihre  Er- 
wähnung TerHtändlich  ist,  gehen  form.  84  und  83  Ton  dicMn' 
sachlichen  und  zeitlichen  Ordnung  vollständig  ab,  setzen  den 
Satz  der  form.  85  hinter  die  sechs  allgemeinen  Konsilien 
und  dehnen  ihn  damit  auf  alle  pä^istlichen  Dekrete  am. 
Ebenso  machen  e»  aber  lonu.  84  und  83  mit  dem  Hatz  d«r 
form,  85:  profiteinur  ctiam  seruinlutn  illu  quae  a  predec*^ 
sorihus  meis  statuta  sunt,  niiniqaam  aÜquid  novi  contra 
cal.hoticuin    atque    orthoiloxam    tideni    HUMr^pturus  . .  .     Bior, 


Frietbrkk:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  111 

OB       •*•  .<^      L^       O     Jmi    -«^       ^    '"^       J>  a<    tr\      ».    .^:     ^    «^^       GS 


•      5  g  SLj  o.|  «s  o^  S  A-S  S-l-S-S^-S  § 


•  •-    at 


«l^f  Ie^^  ll"f  sisl-Ji-g^^sl^^s 

-5     «..^  -  i  «  ^  g  'S  I  'S  -g  ^     -  -i  §  *  *a  §  .2  S  £ 


3.        TS 


9 


"^  B  §  8  §  5  g  -g  « -s     I  s  §  i  1 «  1^.2 1  §  'S  I 

903»io«5.a2§-«a^S§t32*5*s°°        SS 

„•S-5     g-si'"*l*5'g53g-s^Ss2£-sS8 

-t      :^«o822«.^§Sad«2ö^5bo|5«        "S 
Cflsa^o   2   PU9   o<^  'aocoS««K;a'ac«>>a 


5a2S3i5;2S*3§*2*ai®s6i§? 

^  2^  s  °  §  a  §--43 ^-S- §.-5  g  g^^^S  2  §-S|.1| 


-g^S;|S5s-2§S,o|?Sga^j^a^«^« 


J  I    f  S  s  ^  2  S  'S  a  §  s  -  s  ö  §  "  -t  §  I  2  :^  g^-S  a 
-£     8  -  ä  -  .2  ^  «  §  ll'S  ;s  I  •§  1  1 13  5  i  g  11^ 

-Ä25fl2ag'^^-'  Q-'o  i5«ö'03a,2so  --^t: 

•5*a®öfc.2dOa)ö^oa)^^;g,g,eö2p       :S 
2'9ai^oO«afloO«>i-)a>ocoCucu<7'<7'-^av4      ^ 


112 


Siteutiß  der  hittor.  Cla» 


in  form,  85.  i^eht  alles  «uf  die  Verwerfung  des  Monntheletis- 
niiis  durch  die  dem  Hoiiorius  1.  befolgten  Päpste,  iabeHonden.' 
durch  das  Konzil  Martina  I.  in  Honi  Ii40,  und  wird  nur  ver- 
sprochen, dass  der  Papst  diese  und  nur  diese  Dekrete 
seiner  Vorgänger  halten  wolle.  Iti  form.  84  und  83  hin- 
gegen gehen  die  nämlichen  Worte,  weil  ohne  Btr.tiehung  auf 
die  päpstlichen  Dekrete  und  Deünitionen  im  Monotheleten- 
Ktreit^  (H49)  und  absolut  hingestellt,  auf  die  päpstlichen 
Dekrete  überhaupt.  Wahrend  sich  aber  form.  84  noch  den 
Worten  der  form.  85:  contra  catholicam  atque  orthodoxatn 
fidem  anseht iesutt,  läHst  form.  83  auch  diese  Bi.>stiniiuung 
fallen  und  spricht  überhaupt  nur  noch  von  der  päpstlichen 
Tradition:  nihil  de  traditione  quae  a  probatissimis  prede- 
cessoribuB  raeis  servatum  repperi,  diminuere  vel  uiutare  aot 
aliqiiam   nnvitatein  admittere. 

Theologisch  ist  der  Abstand  s-.wischen  form.  85  und  84, 
noch  luehr  83  m  ungeheuer,  duä»  form.  83  unmöglich  vor 
form.  85  oder  auch  nur  vor  form.  84  ihre  letzte  Hedaktion 
erhalten  haben  kann  Gehört  aber  form.  84,  wie  ich  zu 
xeigeu  hoffe,  Paul  I.  an,  so  nius»  form.  83  in  der  jetzigen 
Gestalt  nach  ihr  redigirt  worden  sein ,  also  von  einem 
seiner  nächsten  Nachfolger,  worauf,  wenn  wir  die  Schreiben 
der  folgenden  Päpste  berücksichtigen,  wohl  auch  der  in 
einem  Glaubensbekenntnisse  auffallende  neue  Satz  hindeutet: 
et  ioditiiinuttis  res  ecckaiue  conservare  et  nt  indiminate 
custodiantur,  operant  dare  (p.  ä2|ci),  den  ich  von  dem  in- 
y.wiüchen  erhaltenen  weltlichen  Besitz  der  römischen  Kirche') 
verstehe.  Die  Vertheidigwng  desselben  sUtnd  auf  gleicher 
Linie  mit  der  des  Glaubens  und  gehörte  seitdem  zu  Am 
borvorragendateu  Cigenschaften    eines  Papstes,   wie   es  z.  B. 


1)  Silioti  QreKor  1U.    (J.  3352)    mumt    dreimal  den   Elexitt  ikf 
rfiniisoheu  Klniii!  rw  »umtonini  DpCMixilornm,  nss  b.  Pelrt,  mt  eceta* 


Friedrieh:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  113 

leerade  von  Hadrian  T.  heisst:  constans  eiiam  atque  fortis- 
smos  orthodoxae  fidei  ac  patriae  et  plebis  sibi  commissae  de- 
fenM>r,  Tiriiiter  cum  Dei  virtute  inimicis  s.  Dei  ecclesiae  ac 
npablicae  impognatoribus  resisteus  (vitac.  1).  Merkwürdiger- 
weise wurde  dieses  Bekenntniss  auch  von  den  Päpsten  nach 
Hadrian  I.  beibehalten,  wenn  auch  den  Verhältnissen  ent- 
sprechend  neu  redigirt  (Deusded.  IL  93,  ed.  Martinucci, 
jL  210  —  212),  weshalb  ich  es  nicht  für  unwahrscheinlich 
halte,  dass  es  seine  jetzige  Gestalt  im  lib.  dium.  unter 
Hadrian  1.,  nach  dem  es  wegen  Nichterwähnung  der  VII. 
iHgemeinen  Synode  ohnehin  kaum  fallen  kann,  erhalten  habe. 
Zo  dieser  Annahme  stimmt  aber  auch,  dass  gerade  Hadrian  I. 
in  sttoem  Schreiben  an  Kaiser  Constantin  und  seine  Mutter 
Irene  785  Okt.  26  (J.  2448)  in  ganz  gleicher  Weise  von 
Petrus,  der  romischen  Kirche,  den  Päpsten  und  den  Vätern 
spricht.  So  schreibt  er  gleich  im  Anfang:  Magis  autem 
äi  orthodoxae  fidei  sequentes  traditiones  ecclesiae 
k.  Petri  apostolorum  principis  amplexi  fueritis  censuram  . .. 
Ipee  princepe  apostolorum,  cui  a  domino  deo  ligandi 
««olTendique  peccata  in  caelo  et  in  terra  potestas 
data  est  . . .  Nam  ipse  princeps  apostolorum  b.  Petrus  qui 
ap.  sedi  primitus  praesedit,  sui  apostolatus  prineipatum  ac 
pastoralis  curae  successoribus  suis,  qui  in  eins  sacratissima 
sede  perenniter  sessuri  sunt,  dereliquit:  quibus  et  auctoritatis 
potestatem,  quemadmodum  a  salvatore  domino  deo  ei  con- 
cessa  est,  et  ipse  quoque  suis  contulit  ac  tradidit  divino  iussu 
successoribus  pontificibus  (simili  auctoritatis  sententia  con- 
demnare?  form.  83,  p.  927)1  quorum  traditione  Christi 
T^acram  effigiem  .  .  .  veneramur  imagines  (Mansi  XII,  1057). 
Porro  et  hoc  ve^trum  a  deo  coronatum  ac  piissimum  posci- 
musimperium:  ut  si  veram  et  orthodoxam  s.  catholicae 
ecclesiae  Komanae  nitimini  amplecti  fidem  . .  (col.  1073). 
Es  wQrde  dies  nach  der  Meinung  Hadrians,  wie  nach  form. 
83  genügen ;  allein  es  kann  Fälle,  wie  den  Bilderstreit,  geben, 

ISiO.  PhilM.-phUoL  a.  bist  Gl.    I.  3 


114  Sitzung  der  Jdstor.  Classe  vom  5.  Januar  1890. 

in  welchen  es  gat  ist  sieh  auch  auf  die  Väter  zu  1 
Wie  es  daher  form.  83,  p.  91 9  heisst:  et  constitut 
stolicorum  pontificum  probatissimorumque  doc 
ecclesiae  scriptis  sunt  commendata  (dogmata),  so  lä 
drian  neben  der  traditio  pontificum  successorum  l 
auch  die  ^^probatissimi  patres*  (col.  1060)  zu 
kommen  und  führt  eine  lange  Reihe  von  Zeugnise 
ihren  Schriften  an :  Unde  et  quod  in  diversis  et  prob 
patrum  testimoniis,  qui  ipsas  sacras  imagines  statuerun 
tiliter  videri  potest,  sicut  in  eorum  libris  repi 
(col.   1071). 

Schon   oben   (S.  107)    wurde   darauf  hingewiesei 
die  Stelle  p.  92  le:  si  qua  vero  emerserint  contra  disci 
canonicam,   emendare   sacrosque  canones  et  constituta 
ficum  nostrorum  ut  divina  et  celestia  mandata  custodii 
in  keiner  anderen  Formel   finde.     Noch  Gregor  II.  ui 
sowie  Zacharias  sprechen  blos  von  instituta  antiqua  s.  ] 
(juram.  Bonifatii),    von  den  canones,   nach  denen  Boi 
alles  verbessern  solle  (Mansi  XII,  235.  278.  315.  318  f 
Nebenbei  kommt  bei  Gregor  III.  vor:    et  si   aliquid   < 
extra  canonicam  regulam,  doce  et  corrige  eum  iuxta 
nae  ecclesiae  traditionem  (XII,  285);   allein   nach  XII 
280  (edocens  direxit).  282  bezieht  sich  dies  offenbar  a 
Unterweisung,  welche   Bonifatius,   ähnlich  wie  in  der 
form.  74,    bei   seiner   Konsekration    in    Rom    erhielt, 
geht   schon   Zacharias    um    einen    Schritt  weiter,    ind 
folgende  Nebeneinanderstellung  hat:   tam  sanctorum  p 
sanctiones   seu  etiam    probabilium    beatissimorum   pont 
decreta    (XII,    334).  ^)      Das    ist    schon    form.  83,    p. 
Vielleicht  deutet  es  dennoch  mehr  auf  Hadrian  I.,  der 
774  Karl  d.  Gr.  die  sogen.  Hadriana  schenkte,  worin 


1)  Jaffe,    Mog.  ep.  17.   J.  2239.   2264.   2274,   2251.   2161. 
2247.  2277. 


Friedrich  :^  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus,  115 

oflidell  die  Decrete  der  Päpste  gesammelt  waren,  und  die  seit 
8(k2  als  die  ToUsiändige  Sammlung  des  Kechtsstoffes  in  Frank- 
neh  galt.  Alcuine  nennt  schon  799  Aug.  die  Symmachia- 
nehen  Apocryphen  canones  (Jaffe,  Alcuin.  p.  489)  und  ge- 
ade  YOD  jetzt  ab  werden  die  constituta  pontificum  neben  den 
caoones  nicht  mehr  vergessen,  wie  z.  B.  von  Leo  lY.  (Mansi 
XIV,  884 ;  J.  2599).  Die  römische  Synode  unter  Nicolaus  I. 
rm  863  spricht  in  ihrem  c.  5  aus :  Si  quis  dogmata,  man- 
data,  interdicta,  sanctiones  vel  decreta  pro  cathoh'ca  fide,  pro 
ecclesiastica  disciplina,  pro  correctione  fidelium,  pro  emeu- 
datione  sceleratorum,  vel  interdictione  imminentium  vel  fatu- 
romm  malorum,  a  sedis  ap.  praeside  salubriter  promulgata 
contempserit,  a.  s.  (Mansi  XV,  625).  An  sein  bekanntes 
Schreiben,  dass  alle  Decretalschreiben  der  Päpste,  wenn  sie 
och  auch  im  codex  canonum  nicht  finden,  zu  recipiren  sind 
( J.  2785),  braucht  nur  erinnert  zu  werden.  Hadrian  II.  aber 
fögt  in  die  formula  Hormisdae  im  Widerspruch  mit  deren 
Anfang  mehrmals  gerade  den  Zusatz  der  form.  83  ein:  Ab 
haius  ergo  fide  atque  doctrina  separari  minime  cupienies  et 
patnim  [et  praecipue  sanctorum  sedis  ap.  praesulum]  sequentes 
in  Omnibus  constituta  .  .^  Anathematizamus  etiam  Photium, 
qui  contra  sacras  regulas  [et  ss.  pontificum  Rom.  veneranda 
decreta]  .  . .  (Mansi  XVI,  27).  Doch  dieser  Punkt  dürfte 
mehr  Sache  der  Kanonisten  sein. 

Die  form.  84  und  85  im  Allgemeinen.  —  Während 
form.  83  nur  mit  form.  84  einige  Verwandtschaft  hat,  ist 
die  der  form.  84  und  85  mit  form.  73  um  so  grösser,  doch 
merkwürdigerweise   nicht   bei   den  gleichen  Stellen,    sondern 

84  ist  mehr  verwandt  mit  dem  allgemeinen  Schema  von  73, 

85  aber  mit  dem  Glaubensbekenntniss  von  73. 


8* 


^^^H         116             Sktimg  der  hinter.  Clnimf  vmi  X  JmiHar  im).                       ■ 

^^V                    form.  B4.  p.  95^- 

form.  73,  p.  70,. 

^^^L           devota  mente  omni  ecclusiae  pro- 

8,  reBti-ae  catholicfte  eccleme . . . 

^^^^k         fiteinur  . .  .  qnaeque  ad  atabili- 

devola njeDtifr  integrilate . .  qaae 

^^^^H        tatem  christianne    religionis  et 

pro  firmamento  sive  recütadine 

^^^H        reutiludinem     L-atholicae     6dei 

catholiuae    fidei    et  ortbodoxae 

^^^^H 

religioni  conveDiunt  me  profiteri 

^^H 

p.  70s. 

^^^^V         prei^kare    teuere    ac   defeodere 

tidem  tenere  predicore  atqne  de- 

^^^^^          pretlicatnrosque    eese     eooßdat 

leodere  quam  ab  apostolis  trodi- 

r                     fidem     Cbristi     quam     apoetoli 

tam  habemus  et  »occessoree  eo- 

1                      tradiderant,  apostoloram  diaci- 

rum  custoditnm 

^^^^         pnli  doeneraiit  eorumqae  buc- 

^^^^L        cessoreä  apostolici 

^H 

p.  70„. 

^^^^H        custodiens  veDeiandum  sancto- 

uu^toditam.revereDdamNic-eMin 

^^^1        ram  316  patrum  concilium  qaod 

synodum  318  palrum,  a.  spiriln 

^^^^H        in   Niuea   sab   miigno    principe 

Bibi  reTelante.EOHcipieD.i  redegit 

^^^^H        Coostantino  convenit,  dei  gratia 

iti  symlioium 

^^^H        revelante  redegit  iu  aymbolum 

^^^1 

p.  7l)„. 

^^^^H        debini-    aecundum  CoDstantioo- 

deinde  tres  alias  Kaoctae  ayoodi. 

^^^^H        polHanum  adeque  sauctum  eeu- 

id  est  CoDStsutinopolitaDumoeD- 

tum  quinquaginta  patratn  sab 

^^^^B        tram    concilium    sab    imp.   m. 

p.  m.  Theodoaio  saniore  princip« 

^^^H         m&iorem  Theodosium  in  regiom 

facta 

^^^^H         urbera  coDuarrens 

^^M 

^^m 

^^^H         tertkum  geo^ral»  .  .  .  condlium 

facta  et  Gfeaanam              ^^^H 

^^^^1         .  . .  factum  est  .  . .  iu  Eresenam 

^^^^M 

^^^^H         urbem  uoDVeDit 

^^^H 

^^M 

P-  70,..                         V 

^^^H         qaartnm  s.  G.tO  palrum  s&dc- 

Calcedonenäeni  €30  patriim  qua«     1 

^^^^H        torum    uoDciliuro  §ub  aag.  m. 

soll  p.  m.  Mar<:iaDo  imperatore    H 

^^^H        Martiano  imperatori  in  Calehe- 

convenit  cuique  i.  r.  papa  Lm    H 

^^^^1        dona  concntrit,  uni  apostolioaa 

per  legatos  mos  vioariosqtu  |>re-    H 

^^^^H        papa  Leo  per  legatos  »t  vicarjos 

fiodit                                                   ■ 

^^^^H 

J 

Friedrich:  Zur  Entstehung  des  Itber  diurnus. 


117 


p.  102  u- 
iide  et  .  . .  interdictione  subi- 
öias,  81  qais  arnquam . .  Dovnm 
abqnod  presaroat  contra  eias- 
■odi  evaDgelicam  atqoe  aposto- 
ficam  traditionem  et  orthodoxae 
fidei  Christianeqae  religionis  in- 
tcgiitaiem 


p.  73 13. 

profitemur  etiam  namqaam  nos 
aliqaid  novi  quod  contra  catho- 
licam  fidem  et  orthodoxam  re- 
ligionem  esse  clarnerit,  sus- 
cepturos 


Zwischen  diese  Sätze  schiebt  der  Verfasser  der  form.  84 
«€in  selbstgemachtes  Glaubensbekenntniss  ein,  während  da- 
gegen der  der  form.  85  von  den  ersten  fünf  allgemeinen 
Konzilien  im  Besonderen  nicht  spricht,  also  das  Schema  der 
form.  73  verlässt,  dafür  aber  das  Glaubensbekenntniss  der- 
selben fast  wörtlich  aufnimmt. 


form.  85,  p.  106 15. 

hbera  profiteri  voce:  credimos 
in  nnom  deom  . .  .  onum  eun- 
demqae  dei  filiam  eundeinque 
hominis  filiam  ex  duabus  et  io 
dnabas  nataris,  hoc  est  divina 
et  hnroana,  incondita  et  condita, 
xmpassibilem  et  passibiiem,  in 
onam  personam  atque  subsisten* 
tiam  concorrentibas,  et  saa  pro- 
prietAte  incoofase  et  inmata- 
biliter  einsdem  nataris  manen- 
tibos,  ex  quibus  et  ineffabilis 
adnnatio  facta  est,  deos  verbum, 
mediante  rationali  anima  caroi 
qaam  de  sancta  et  iromaculata 
rirgine  adbumpsit.  qua  de  re 
Tere  ac  proprie  tbeotocon,  i.  e. 
dei  geoitricem  sanctam  semper- 
qae  Tirginem  predicamus,  eo 
qaod  anum  eundemque  deum 
ei  dominum  J.  C.  genait,  non 
ta  dnas  personas  duosve  filios 


form.  78,  p.  71 15.     - 

libere  sicut  predicatis  predicare 
.  . .  unam  eundemqae  deum  do- 
minum et  salvatorem  nostrum 
J.  C.  filium  dei  eundemque  ho- 
minis filium  ex  duabus  et  in 
duabus  naturis,  hoc  est  divinam 
et  humanam,  in  unam  personam 
atque  substantiam  concurrenti- 
bus  et  in  sua  proprietatemanen- 
tibus,  esse  predicaoda,  non  in 
duas  personas  atque  in  duos  filios 
partitum  sed,  ut  dictum  est, 
unum  eundemque  filium  dei  et 
dominum  nostrum  J.  C,  quem 
credimus  in  uterum  virginis  s. 
Mariae  genitricis  suae  [ingres- 
sum  et  ?.,  nach  Pelag.  1.]  de 
eadem  s.  semper  virgine  Maria 
sumpsisse  veram  carnem  ani- 
matam  anima  rationali  ac  sibi 
unisse,  et  ita  ex  utero  dei  vir- 
ginis  genitricis  Mariae    natum 


HR 


SiUin'n  iIt 


.  ai,is 


partit.nm,  aeH  euodem,  deitati 
qnidem  impassibilom ,  passnm 
aat.ero  carne,  cracifiiam  et  se- 
pultiim  csme,  re8nrrcxis§e,  et 
Mceudisse  in  celis  carne,  node 
□omquam  dedivinitaledtaceasit. 
sedentem  ad  dextersm  patris  in 
eadem  carne  et  ita  venturum 
iadicare  vi  tos  et.  mortaos  et 
sie  seiuper  in  eadem  carne  maD- 
snrnm,  proplerea  attestamur  eos 
Atqu6  condeiunamus  quicumqae 
ante  adanatioaem  dune  naturas 
etpostadunatinoernnDamCbriati 
natoram,  cec  non  et  JDoe  qai  in 
dnas  peraooas  vel  daos  tilios 
nnum  domiDiim  oostram  J.  C. 
divideDtes  blasphemant. 

p.  108«. 
coDfitemur  atqne  predicamus 
inxta  daarUQi  Christi  Datura- 
rom  proprietatea,  ita  et  oihilo- 
minas  et  dtia§  uaturales  volun- 
tates  atqae  operatioaes  oniaa 
eiusdemqae  domini  Dostri  J.  C. 

p-  108,0. 
ad  bnecquoqae  profitemnretinm 
cncctB  decreta  ponliGcam  np. 
sedia  predecessornm  meomm, 
praesertiin  qaa'-  a  s.  m.  Martiuo 
nniveraali  papae  ad  conärina- 
tionem  predictamm  Baoctaruni 
qDinque  gynodoramdefiDif  a  sniil 
atque  decreta,  in  onmibuscnsto- 
dire,  maxime  quac  Adversus  dd- 
vns  protnu  Igata  snnt  q  uaestiones, 
qnibus  tiziinioram  scandala  linc 
atqae    illuc    disoenninata    sunt, 


!e  t'/m  3.  Jnimnr  lfm. 

enndem  denm  verlium  come, 
enndem  possnm  carnu,  crnci- 
fixam,  mortanm  carne,  r«9ttr- 
reiisse  euudem  secDodum  cmt- 
nem,  ascendiase  idem  in  celis 
in  eadem  carne.  uiid>?  numqDam 
divinitate  discesait,  et  ita  iD 
eadem  carne  venturam  iudioare 
vivös  et  mort.aos,  et  sie  üemper 
in  eadem  carne  ventnmm  (man- 
snnini  HOB)  .  .  .  düteatatnnr 
etiom  eos  et  ahhominamar  at- 
qae damnamus  qaiuamqae  tD 
domino  deo  et  aalvatore  noatro 
J.  C.  ante  adunationeui  daas 
natnras  et  post  adanatioaem 
unam  delirando  dicere  Tel  cre» 
dere  preaumpaerunt  presiunUDt 
atque  presampserint. 

p-  72, t. 
proCtentea  iuita  duarara  B«tu- 
raruiu  moduni  ita  et  daaa  na- 
turales volantatea   utque   duaa 
nataralea  Operation  es. 


p.  72  „„ 
profitemnr  etiam  caacta  decreta 
pontificurn  ap.  aedis,  id  «t.  ■. 
r.  SeTerini,  -lobannis,  Tbeodori 
atqne  Martini,  custodire  qau 
adveraua  noTaa  qaaeationea  U 
urbi  regia  eiorte  snnt,  et  per 
proprias  doctrioas  cnnctn  icfal»- 
niomm  Hvandalaamputasa«  no** 
cuntnr. 

p.  73,, 
pt    qoeque    damoaveranr,    sab 
anatbemate  daniDamoe,  qnoqa« 


^^^^f           Fnedricb:  ZiiT  EHislehuiti)  deg  lAtr  liuirxus.                 11!*                         1 

quornm    (luictornni    patram   et 

saeceperiiDt,  suscipiraua  et  tota 

ap.  sedt»  pontificum  auctoritate 

lidei  integritate  venerarnua. 

moDiti  ac  freu,  (jüaB  vel  synodiue 

sascepernnt  Tel  predicaverunt, 

p.  73  11. 

sine  oliqun  dimioalione    susci- 

profitemur  etiam  nnnqoam  noa 

pimns,  simüi  modo  et  quaeqae 

aliquid     novi    quod     dantaxat 

damoaverunt,  cnm  suis  ancto- 

contra  catbolicam  fidem  et  or- 

ribuä  et  aectatoribas  fiub  aoa- 

thodoiam  religionem   ease  eln- 

tbemate  damoarnuä.  profitemur 

ruerit,  suacepturos. 

«tiam  no?  äecuoduni    illa  quae 

a  predecessoribus  nieia  statuta 

aont.    coniquani    aliquod    novi 

uonlra  catbolicam  atque  ortho- 

dosam    fidem    ^usceptarns    vel 

talia    lemerarie   presuraentibua 

.  .  .   quomodo    conseasuin    pre- 

beturos. 

p.  109  8. 

p.  734. 

ad   baue  vero  suacipio    el    atn- 

ad  baec  voro    guscipio   et  am- 

plector  et   veneror  detJoitioDem 

plector    et  veDero  definitionem 

quam,    deo  anspice,    sancta  et 

quam,  deo  anspice,   s.  univer- 

aniverBalis, ac  magna  sejtta  sy- 

salis    aii  magna  seiU  synodos 

nodns  qne  nuper  in  regia  Con- 

qnae  in   regia  Coostaatinopoli- 

sianlinopoli    urbis,    io    qua   et 

tana  nrbe  convenit,   in   qua  et 

ap.  sedis  legatos  praesidere  ma- 

ap.  »eiU  legati  domai  Agatbonis 

nifestan)  est,    qaae  et  per  de- 

pape  presidere  manifestum  est, 

cretam  christiaDisaimi  ac  piis- 

qiii  et  per  deereto  christianis- 

flimi  a  deoque  coronali  ConstaD- 

aimi  ac  piissimi  el  a  deo  coro- 

üüi  Diagni  principis  congregala 

natiConstantiDi  magni  principis 

Ml;  el  qaae  snscepit,  anscipio 

vbI  quae  abietit  abicio,  simÜiter 

ceperuQt,    suacipimus    et    qnos 

et    quos     anatbeamti/avit    at- 

vel   quae  abieceninl,    aliiuimus 

que  dnmnavit.,  atiathematiio  et 

simÜiter  et  quos  anatheraatiza- 

damno. 

verußt    et    damnnverunt,    aoa- 

thematizamns  ac  damuamas. 

Weniger   eine   wörtliche.   Eita    eine  sachliche  Verwaudt- 

scbalt  besteht  zwischen  form.  8.5  und  form.  84   hinsichtlich 

dc'^  UervorgmiffB  des  h.  üeiätes  vuiii  Vater  und  Sohn. 

1 


120 


Sitzung  der  JUstor.  Clasfte  vom  3,  Januar  1890. 


form.  85,  p.  106)o* 
spiritam  vero  saDctum  nee  geoi- 
tnm  D6C  iDgeDÜam,  sed  de  patre 
filioqne  procedentem ;  uDam  8. 
trinitatis  essentiam,  aDam  vir- 
tatem ,  unam  domioatioDein, 
anam  nataralem  Yolootatem  at- 
qne  operationem  unam. 


form.  84,  p.  96  t 

spiritas  sanctas  de  pal 
cedere    confirmatar,    \i 
filins  de  sno  accipere  | 
et  in  nomine  sno  mitti 
8.  spiritum  manifestat  € 
flando  discipulis:   accip 
ritam  s.  utpote   de   se 
dentem    adnontiat  .  .  . 
ergo  vivaciter    et    doc« 
unicam  deitatis   essen  tu 
patris  igitur  et  filii  et  i 
s.  sicot   una   vere    est' 
ita    anä    et    glona    im 
maiestas  virtns  atqae  p 
una   quoque    eorum    ni 
volnntas  est  et  una  est  o] 

Ich  gehe  nun  zu  einer  Untersuchung  der  eii 
Formeln  im  Besonderen  über,  beginne  aber  mit  foi 
welche  ich  für  die  ältere  halte. 

Die  form.  85.  —  Betrachten  wir  vor  Allem  da 
gang  derselben,   so   setzt  sie  eine  ganz  eigenthümlichc 
des  neuen  Papstes  voraus,  welche   auch  allein,  wie  er 
sagt,    ihn   zu    dieser  Ansprache   (alloquium)   drängte 
diei  praeclara  sollemnitas   geminam  .  .  .  compulit  pen 
functionem).     Die  eine  Funktion  ist,    dass   er  um  das 
der  Anwesenden  (alacer  vestrae  devotionis  concursus)  fö 
bittet,  die  andere,  dass  er  sie  zur  Aussöhnung,  Eintracl 
Frieden  ermahnt;  denn  es  sind  nicht  nur  querelae  der 
gegen  die  anderen,  sondern  simultates  et  discordiae  vorfat 
Mit  den  beweglichsten  und  einschmeichelndsten  Worten  i 
(exortare,   amplissimae  caritatis  adortatio),    beschwört 
cratio)  und  bittet  (quaeso)  er  daher  die  Versammelten, 
„Rivalität  und  Zwietracht  ein  Ende   zu   machen*.*) 


1)  Ueber  simultan  bei  Greg.  M.  s.  Ew.  p.  3.     Einharti  vil 
e.  18,  .laif^  Carol.  p.  525:  tanta  pacientia  simaltates  et  invidiai 


Friedrieh:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  121 

ik  dominus  omnium,  wie  es  von  dem  Erwählten  im  Konzil 
•4)9  heiast,  tritt  er  ihnen  daher  entgegen,  sondern  wie  der 
■rtlicbste  und  liebevollste  Vater.  Es  gibt  darum  auch  im 
fHizeu  Schriftstück  keine  Titulaturen,  sondern  nur  liebkosende 
iBredeo,  wie  gleich  in  der  Adresse:  dilectissimis  et  dulcissi- 
■18  filiis  in  domino  salutem,  dann  wiederholt:  dilectissimi, 
cuiasiini.  Er  ist  ja  der  Dispensator  der  „Familie  des  All- 
nichtigen-  geworden  und  deren  Vater:  et  primum  omnium 
qnidera  condecet  paterno  affectu  meos  dulces  deposcere  natos.  ^) 
kh  kenne  dazu  nur  Ein  Seitenstück  in  Gregors  I.  Briefen, 
aimfich  II.  2,  Ew.  p.  102:  In  nomine  Domini.  Chartula 
que  relecta  est  de  laetania  maiore  in  basilica  s.  Mariae. 
SoUemnitas  annuae  devotionis,  filii  dilectissimi,  nos  admonet, 
Qt . . ;  Considerare  enim  nos  convenit,  dilectissimi . . . 

Da  muss  nothwendig,  wie  es  v.  Gon.  c.  1  heisst:  non 
minima  contentio  facta  est,  schwerer  Streit  der  Wahl  voraus- 
gegangen sein,  und  da  der  Papst  es  selbst  betont,  dass  er 
wegen  seiner  Verdienste,  die  nichts  sind,  nicht  an  eine  Wahl 
denken  konnte,  und  zweimal  nachdrücklich  hervorbebt,  dass 
er  nur  den  Wählenden  seine  Erhebung  verdanke,  so  ist  an- 
zunehmen, dass  er  gar  nicht  einer  der  Miturheber  des  Streites 
war,  sondern  eine  Persönlichkeit,  auf  die  man  sich  erst  nach 
dem  Misslingen  anderer  Wahlversuche  einigte.  Das  kam  bei 
Conon  und  Sergius  vor ;  ausserdem  werden  uns  Wahlstreitig- 
keiten bis  auf  Hadrian  I.  nur  noch  bei  Paul  I.  (?)  und 
Stephan  III.    (?)    gemeldet.     Gerade   die  Wahl   Hadrians  I. 

iCarlmanni)  tulit,  at  Omnibus  mimm  videretar,  qaod  ne  ad  iracun- 
diam  qaidem  ab  eo  provocari  potuisset.  —  Hlotar.  imper.  ad  Leoneni 
IV^  Mansi  XIV,  884.  —  Livius:  de  locis  (höchaten  Stellen)  summis 
•inmltaÜbus  contendere. 

1)  Paul  I.  in  seinen  Bnefen  an  E.  Pippin  nennt  dessen  Söhne: 
rentros  camales  natos  et  nostros  spiritales  filios.  Ebenso  P.  Constan- 
tin,  Mansi  XII,  759.  Karl  d.  6r.  nennt  sieb  selbst  in  seinem  Epitaph 
ftof  Hadrian  I.  natus  desselben,  Mansi  XII,  757. 


122  Sittung  dfT  kigtnr.  Cla«";  rnni  H.  Janu'ir   /«)0. 

vollirog  sich  aber  so  friedlich  und  rHsch,  dass  auf  ibo  dvt 
Eingang  der  form.  Sb  kaum  anwendbar  erscheint;  man  mdsste 
denn  anf  die  Feindaeligkeiteu  zwischen  der  Partei  de«  Primi- 
cerius  Christophonis  und  der  des  t'auhis  Aüartii  hioweieen, 
welche  unter  dem  Pontififcat  Stephans  III,  vorfielen  und  «ch 
bis  an  das  Hadrians  I,  erstreckten,  ho  diiss  ditwer  noch  in 
der  Stunde  seiner  Wahl  die  von  Paulus  Atiarta  verbanntMi 
Kleriker  und  Soldaten  sowie  die  Eingekerkerten  Oberhaupt 
amnestirte.  Allein  der  Papst,  welcher  in  form.  85  spricht, 
hat  o9eub»r  Streitigkeiten  hei  seiner  Wahl  und  um  don 
päpstlichen  Stuhl  im  Auge,  nicht  Streitigkeiten  und  Partei- 
UDgen,  wie  sie  vor  Hadrians  Wahl  vorkamen,  ohne  mit  dieser 
selbst  etwas  zu  than  zu  haben.  Daher  fordert  der  Sprecher 
in  form.  85,  p.  105  le  die  .Anwesenden  auch  auf,  den  simul- 
tates  ein  Ende  zu  machen,  und:  ut  cundecenter  pun  asseoBU 
hymnum  gloriae  .  .  .  possimus  concordi  modulamine,  etiasi 
cum  intemo  mentis  adeenäu  alacriter  exciamare:  Gloria  in 
excdsis  ...  Es  gab  also  nach  diesen  Worten  solche,  welche 
bei  der  eben  stiittgefundeneu  Wahl  sich  in  aimultatee  ein- 
liessen  und  nicht  gleicher  Zustimmung  waren,  welche,  wriu 
auch  jetzt  äusserUch  zustimmend,  im  Innern  noch  nicht  mit 
der  Wahl  ausgesöhnt  waren.  Das  passt  m.  G.  nicht  aof 
Hndnan  I. 

Ich  meine  überhaupt,  dass  die  Formel  Ende  des  7.  .Iiihr- 
hundertä  entstanden  ist. 

Vor  Allem  fällt  hei  ihr  die  starke  Benutrung  der  form. 
7:J,  so  dass  85  beinahe  eine  blose  Abschrift  von  73  geiiiinnl 
werden  könnt«  {s.  ob.  S.  117),  ins  Auge.  Sie  behält  auch 
den  geschichtlichen  Gang  der  form.  7S  hei,  den  R4  und  83 
verlassen,  mit  Ausnahme  des  Satzes  ,iuxta  duaram  .  .  .* 
p.  lOSii,  wo  sie  sich  aber  dafür  der  sachlichen  Ordnung 
des  Schreibens  Agatho's  und  der  abeudlündisclien  Synodo  au 
da»  VI.  iillgemeine  Konzil  anschliesst  (Manai  XI,  291).  Aber 
auch  da.  wo  eine  Berührung  der  form.  85  mit  form.  8U  ontl 


i^^ü 


"Friedridi:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus. 


123 


*4  stattfindet,  wie  bei  synodice  (85),  stimmt  sie  mit  Agatho 
wi  der  abendländischen  Synode,  während  synodaliter  vel 
fccialiter  (83)  oder  synodaliter  et  decretaliter  (84)  zeigen, 
keß  letzteren  das  blose  synodice  nicht  mehr  genügt,  dass 
it  aba  form.  85  ergänzen  zn  müssen  glauben.  Ebenso  haben 
farm.  73,  Agatho  und  Synode  sowie  form.  85  zizanioram 
nuidala  oder  genimina,  das  aus  form.  83  und  84  bereits 
Terschwonden  ist.  In  dieselbe  Zeit,  wo  form.  73  in  die 
Adrease  universalis  papa  eingeschoben  wurde,  weist  auch 
form.  85,  p.  108 19:  Martine  universali  pape,  das,  wie  schon 
gwagt,  seit  680  in  Rom  gebraucht  zu  werden  anfängt.  Und 
endlich  deutet  noch  unum  igitur  s.  trinitatis  p.  107  4  auf  die 
monotbeletischen  Streitigkeiten,  in  welchen  diese  Phrase  un- 
xähligemale  gebraucht  worden  ist,  und  mit  der  das  VI.  all- 
gemeine Konzil  geschlossen  hat  (m.  Gonst.  Schkg.  S.  42  ff.), 
während  später  der  Ausdruck  der  V.  ök.  Synode:  unus  de 
oder  ex  trinitate  stehend  wird  (form.  84,  p.  98  ig ;  Gonstit. 
Gonstant.  ed.  Zeumer  §  1,  3). 

Die  Verwandtschaft  der  form.  85  mit  den  römischen 
Schreiben  an  die  VI.  allgemeine  Synode  gebt  jedoch  noch 
weiter.*) 


form.  85,  p.  106 15. 

eredimas  io  unum  deam,  patrem 
et  filiom  et  spiritum  s.,  trini- 
tatem  inseparabilem  .  .  . 


spiritum  vero  s.  Dec  genitum  nee 
ingenitiim,  sed  de  patre  et  filio 
procedeotem ;  onam  s.  trinitatis 
es^eotiam,  onam  virtutem,  nnam 


Agatho,  Mansi  XI,  288. 

confitentes  sanctam  et  insepa- 
rabilem trinitatem,  id  est  Patrem 
et  Filinm  et  s.  spritum  (was 
jedoch  auch    sonst  vorkommt). 

Agatho  et  syn.,  p.  290. 

et  in  spiritum  s.  ...  ex  Patre 
procedentem  .  .  .  unitatem  qui- 
dem  essen tiae  .  .  .  una  potestas. 


1)  Auch  das  Schreiben  der  VI.  Synode  an  P.  Agatho  bewegt 
»eh  in  den  mit  den  römischen  Schreiben  verwandten  AusdrQcken  der 
form.  86  (Mansi  XI,  686). 


124 


Sitzung  der  histor.  ClcLSse  vwn  3.  Januar  1890, 


domin ationem,  anam  natnralem 
Yoluntatem  atqne  operationem 
unam.  trinitatis  nomiDecredeDtes 
baptizati  samus  et  credendam 
fideliter  predicamus:  uoam  tgi- 
tar  8.  trinitatis,  hoc  est  dei 
verbam  qni  natas  est  de  patre 
ante  omnia  saecnla,  enndem  in 
ultimis  temporibus  descendisse 
de  celis,  incarnatnm  esse  de 
spiritu  8.  et  de  semper  virgine 
b.  dei  genitrice  Maria  et  huma- 
natum  consubstantialem  patri 
secnndum  deitatem  et  consub- 
stantialem enndem  nobissecnn- 
dom  humanitatem 


.  .  .  anum  enndemque  hominis 
filiam,  ex  dnabns  et  in  duabns 
naturis,  hoc  est  divina  et  hu- 
mana,  incondita  et  condita  .  .  . 


unam    impennm ,    una 
una    adoratio,    una   esi 
eiasdem  s.  et  inseparat 
nitatis  volantas  et  oper 
Gonfitemnr  autem  anai 
dem   s.    coessentialis   ti 
Deum  verbum,  qni  ante 
de  Patre  natas  est,  in 
saecnlorum  temporibuspi 
nostraque  salnte  descem 
coelis,  et  incamatum  de 
s.  et  s.  immaculata  sem 
virgine  gloriosa  Maria  • 
nostra,    vere   et   propric 
trice  . . .  consubstantiales 
dem  Deo  Patri  secandm 
tatem,   consubstantialem 
eumdemUpsnm  secundam 
nitatem  . . . 

Agatho,  p.  271. 

ünde  et  veraciter  creditar 
idem  ipse,  cam  unas  sit, 
habet  naturales  Operation 
vinam  scilicet  et  humanai 
conditam  et  conditam  .  . 


Und  wenn  es  form.  85,  p.  109 1?  heisst:  hanc  dei 
dilectissiini,  orthodoxae  atque  ap.  fidei  normam  in  om 
tenentes  atque  spiritualiuni  patrum  lucidissimis  veluti 
luminaribus  ...  oportet  nostrae  humilitatis  religiosai 
votionein  quae,  eorum  magisterium  inlustrantem  su] 
gratia,  corde  suscepimus,  ore  etiam  libere  confiteri :  so  1 
sich  auch  bei  Agathe  et  syn.,  p.  291 :  quia  hoc  nos  a 
evangelica  traditio,  sanctorumque  patrum  magister; 
({uos  s.  ap.  atque  cath.  ecclesia  et  venerabiles  synodi  i 
piunt,  instituisse  monstratur,  und  bei  Agatho,  p.  239: 
quam  (ap.  doctrinam)  et  probatissima  ecclesiae  Christi  li 
naria  claruerunt  .  . . 


Friedrich:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus,  125 

Eioe  Schwierififkeit  scheint  nur  de  patre  filioque  pro- 
ccd«iitem  (p.  106 n)  gegen  diese  Annahme  zu  bilden,  da  in 
kf  That  dieser  Ausdruck  um  diese  Zeit  sich  in  Rom  noch 
neht  findet,  wenn  er  auch  schon  von  Leo  I.  im  Anschluss 
an  den  h.  Augustinus  gebraucht  wurde  (Langen  II.  s.  y, 
filioque).  Allein  die  Lehre  vom  Ausgang  des  h.  Geistes  vom 
Vater  und  Sohne  wurde  trotzdem  von  Rom  aus  verbreitet. 
Man  sieht  dies  aus  dem  Schreiben  der  abendländischen  Mönche 
ani  Oelberge  zu  Jerusalem  an  Leo  III.  (JafiPe,  Carol.  p.  384). 
wo  ausdrücklich  die  Beweise  für  das  filioque  angeführt 
werden.  Danach  soll  es  schon  in  der  Regel  des  h.  Benedikt 
{gestanden  haben  und  sagt  Gregor  d.  Gr.  hom.  26 :  Sed  eius 
mtäsio  ipsa  processio  est,  qui  de  patre  procedit  et  filio.  End- 
tich  weisen  sie  auf  Gregors  dialogi  hin,  wo  II.  38  wirklich 
<eht:  cum  enim  constet  quia  paracletus  Spiritus  a  patre 
«mper  procedat  et  filio,  cur  se  filius  recessurum  dicit,  ut 
üle  Teniat,  qui  a  filio  numquam  recedit,  und  auf  das  atha- 
nasianische  Glaubensbekenntniss :  Spiritus  s.  a  patre  et  filio, 
non  factus,  nee  creatus,  nee  genitus,  sed  procedens.  Das  ist 
freilich  das  formelhafte  filioque  nicht;  allein  wo  die  Aus- 
drueksweise  Gregors  als  richtig  galt,  da  konnte  das  filioque 
keinem  Widerstand  mehr  begegnen.  Nun  ist  es  bekannt, 
dass  eine  spanische  Synode  nach  der  anderen  im  7.  Jahrh. 
das  filioque  wiederholte  (Hefele,  Conc.  Gesch.*  IL  s.  v.  filio- 
que), und  im  J.  680  hat  ihn  auch  eine  englische  Synode 
unter  Erzb.  Theodor  gebraucht.  Dieser,  von  Rom  selbst 
nach  England  geschickt  und  dort  noch  besonders  überwacht, 
musste  den  Glauben  der  römischen  Kirche  kennen,  und  da 
er  von  P.  Agatho  aufgefordert  war,  seinen  und  seiner  Kirche 
Glauben,  ob  er  katholisch  sei,  zu  berichten,  und  dieser  wirk- 
lich ,in  allem  als  der  unverfälschte  katholische  Glauben* 
befunden  wurde,  so  musste  auch  in  Rom  das  filioque  schon 
anerkannt  sein.  Dazu  kommt,  dass  der  Bote  Agatho's  nach 
England,  der  archicantor  ecclesiae  s.  Petri  et  abbas  monasterii 


12fi 


Sitsunfj  der  hülor.  Clasne  rom  3,  ./•oiu 


b.  Martini  in  Rom  Johanues,  der  engÜHchen  Synode  bei- 
wohnte und  ihr  Glaubensbekenntiiias  ontersohrieb  (Beda  V. 
17.  18).  Somit  kann  es  kdnen  Anstoss  mebr  erreReii.  wenn 
rla^  filioque  in  diei^en  Jahren  auch  in  Rom  wieder,  nie  einst 
in  Leo'ii  1.  Ta^en,  in  einem  pilpstlicben  Giaubensbekeimbiiäae 
auftaucht. ') 

Auf  einen  der  orientalischen  Päpste,  welche,  einer  nach 
dem  anderen,  gerade  Ende  de-s  7.  Jahrb.  seit  Johannes  V. 
den  römischen  Stuhl  beätief^en,  weist  übrigens  auch  der  um- 
stand, da^  der  Papst,  welcher  form.  85  abfaßte  oder  ab- 
fassen iiess,  das  Ulaubensbekenntniss  i]er  furm.  73  mitten 
durchbrach  nnd  folgende  Stelle  in  daüselbe  einschob  mit  der 
griechischen  Bezeichnung  Maria:  qua  de  re  vere  ac  proprie 
theotociin,  i.e.  dei  genitrioem  s.  semperque  virginem  pre- 
dicamus  ...  (s.  oh.  S.  117). 

Welchem  Papste  wird  also  form.  85  angehören?  Ich 
meine  dem  P.  Connn,  auf  den  alle  hervorgehobenen  Umstände 
passen  Kr  ist  erst  nach  .nicht  geringem  Streite",  nachdem 
zwei   andere   Candidaten    nicht    battt-n    durchgesetzt    werden 

IJ  Ich  (glaube  indaiiHPi).  dose  hinBichtlich  der  frühesten  Stella 
groKse  Vorsicht  nothwendif;  ist.  wenhiilh  irh  auch  nagte;  achon  lüe 
reffula  b.  Benedict!  soll  den  Aaugan^  de«  h.  (tciiitea  vom  V&ter  and 
Sobn  gehiibt  haben.  Zur  Ueknlftigung  meiner  MulinunK  führe  tob 
fotgendea  Beispiel  ad.  [lie  Uexba  Überii  p.  haben  bei  L'ouabutt,  tayp. 
liom.  pont..  upp.  t-oL  B9:  sed  de  Patre  prowilRnteni,  fiitrii  et  Filii, 
»eraper  cum  Patre  et  FÜio  coiieternutn  venemmur;  bei  Atnort,  Klem. 
jur.  can.  I.  38fi  »teht  aber  «chon:  sed  d«  Patre  et  Kilio  prauodeotMii 
cet.  Da  nun  die  Ijoelle  dafQr  die  Eitpuiutiu  tidei,  Ainort  1,  41t  iat 
(m  (.'oQBt.  ächimkg.  S.  48H'.|,  bq  sehen  wir,  dnui  wir  in  obigen  SU)U«a 
Interpolationen  vor  unn  hahenj  denn  in  drr  E{£}>ni(itio  heiail  r»  nnr: 
ii<;d  Patris  et  Flui,  semper  com  Pnlre  cet.,  wie  dpon  wirklich  noch 
in  der  jüngeren  uua  Kxpnsiti»  und  Sertiin  (Amort,  a.  0.)  ent«taDtleB«n 
Kidea  rnth.  Nicaeni  uonnilii  nocleiiae  Hom.  dtrmta  (Maniti  X,  77t) 
Hteht:  xed  Petrin  et  Filii,  aemper  in  Palre  et  FUio 


Fri^dridi:  Zur  Entstehung  des  liher  diumus.  127 

cönnen,  infolge  eines  Compromisses  als  Papst  gewählt  worden. 
Seine  Tita   c.  2   nennt   ihn  „religiosae  vitae',   einen  Möncb; 
iam  das  bedeutet    religosa  vita   (Greg.  M.  dial.  II.  5;    vita 
Pelag.  I.    c.  1 :    multitudo  religiosorum ;    religiosi   servi   dei 
Wissen    die  Gesandten   zum  VI.  Konzil  aus   Italien,   welche 
keine    Bischöfe  waren,   also  die  Mönche,  welche  auf  Befehl 
Kais.  Constantins  aus  Italien   gekommen  waren,    bei  Agatho 
et  syn.    Mansi    XI ,    295).      Ein    Mönch   spricht    auch    aus 
form.  85,  wie   die  sonst  ungewöhnlichen  Phrasen  bezeugen : 
Dostrae  humilitatis  religiosam  devotionem,  p.  lOOio,    und: 
nt    nimirum    omnipotens    «de   terra    inopem    et   de    stercore 
paaperem  sublimaref,  p.  1045*    Ich  zweifle  darum  auch  gar 
nicht  daran,  dass  P.  Gonon  jener  Presbiter  und  Mönch  war, 
welcher,    aus   Rom   gesandt,    Mitglied    der   VI.    allgemeinen 
Srnode  war  (Mansi  XI,  211.  223  u.  ö.).     Ganz  ungewöhnlich 
war  aber   damals  die  Wahl  eines  Mönches  nicht;    denn  ab- 
ji^esehen  von  Gregor  d.  Gr.,  war  P.  Adeodat  und  wahrschein- 
lich, nach  den  Varianten  seiner  vita,  auch  P.  Agatho  Mönch. 
Wenn    dann   P.  Conon  im  Papstbuch  ein  ehrwürdiger  Greis 
mit  wahrem  Engelsgesicht  genannt  wird,    so   setzt   die  Ein- 
leitung der  form.  85   einen   solchen  Mann  voraus;    denn   so 
herzlich  und  väterlich  spricht  nur  ein  Greis  mit  wahrhaftiger 
Engetsniilde,  ein  Papst,  von  dem,  wie  von  Conon    vita   c.  2, 
gesagt  wird:    religiosae  vitae,  qui  se  numquam  aliquando  in 
causis  actnsque  saeculares  commiserat. 

Insbesondere  bewegt  mich  aber  der  Schluss  der  form.  85 
zu  der  Annahme  Conons  als  des  Verfassers  derselben,  da  in 
ihm  die  Anwesenden  aufgefordert  werden,  für  das  ganze 
rumische  Reich  und  seine  Dauer  sowie  für  die  Heere  der 
romischen  Republik  und  Italiens  zu  beten,  damit  diese  die 
rebellischen  Feinde  des  Reiches  unterjochen  (subiugare)  und 
niederwerfen,  nicht  mit  dem  Schwerte,  sondern  mit  klugem 
Kath  und  ohne  Schaden  für  das  Heer.  Von  den  Triumphen 
der  Heere  gehe  in  Constantinopel  und  ringsum  die  Rede,  so 


12« 


SiUunj)  der  fuMnr.   Clan'' 


™  .V.  Jotiuar  l>i!Hi. 


dass  jedes  Geschlecht  und  Jede  Würde  Tiber  die  .Siege  jubeln 
und  Gott  dafür  preineii  und  danken  müsse.  Da  muaate  doch 
etwna  Besonderes  Torfiegangeii  sein,  welches  das  Reich  in 
hohem  Grade  interessirte  und  das  für  dasselbe  glückverbein- 
send  erschien.  Man  ttihlt  e»  aus  der  Aufforderung  und  dem 
Gebete  heraus,  dass  man  sich  damaU  noch  eins  mit  dem 
Iteiche  und  warm  t'dr  dasselbe  fühlte.  Im  S.  Jnhrh.  dürfte 
das  aller  kaum  mehr  der  Fall  gewesen  sein.  Üie  Bilder- 
stilrmerei  hutte  gegen  Constantinopel  erbittert;  seit  (Jrenor  111. 
aber  hatte  man  seine  Blicke  nach  dem  Frankenreicb  ge- 
richtet und  ging  man  in  Kom  .selbst  auf  eine  Schmäleruug 
des  Reiches  aus.  Allerdings  sagt  Paul  I.  noch  in  meinem 
Constitutum,  er  habe  das  Kloster  t^t.  Stephan  und  Silvester 
auch  gegründet,  damit  die  Mönche  beten  pro  dilatatione  at- 
.|ue  Stabilität  reipubticae  (Man.'si  XU,  (>46;  J.  2UG).  Allein 
der  Ausdruck  respubtica  ist  bereits  so  schwankend,  das»  in 
der  V.  Stephan!  II.  c,  51  die  Herausgabe  einiger  Städte  und 
des  üukats  Ferrara  an  Stephan,  nicht  an  da.«  Iteich,  mit 
den  Worten  gegeben  wird:  Kt  ita  annuente  deo  rempublicam 
dilatnns  (sc.  Htephanus).  Paul  1.  theilt  in  seinen  Briefen 
auch  schon  das  Kaiserreich  und  das  Frankenrejcb.  indem  er 
diesem  öfter  die  Unterjochung  aller  barbarischen  Völker  anm 
Lohne  für  die  Rettung  und  Erliisnog  der  röniischi'n  Kirube 
wünscht.  Madrian  I.  aber  spricht  unmittelbar  nach  iteinvr 
Wahl,  schon  772  Febr.  20  {J.  23H5)  von  ,hominum  nortrao 
liomanorum  reipublicoe" . 

Wenn  ich  mich  nun  umsehe,  wann  solche  KretgnttMe 
im  Reiche  die  Aufmerksamkeit  in  Rom  in  besonderem  Mmw 
erregten,  no  tinde  ich  im  lib.  pont.  nur  einmal  seit  680  ein« 
Mittheihing,  welnhe  sich  darauf  bexielit.  V»  heilst  n&mlicb 
in  der  v.  Johannis  V.  (t)85  — 68lj)  c  3:  Huiiis  temporibu» 
reguavit  domuus  Justinianus  Auguatus  defunuto  patre,  in 
initi»  mensis  sn-ptembri»  ind.  XIV  (6S5).  tjui  clemcntisninu« 
priuceps    Uomino   »usiliante   patom   lonstiruit    cum   nee   di- 


FViedrich:  Zur  Entstehuntf  des  liber  diurnus.  129 

i«oda  gente  Saraceiiorum  decennio  terra  marique;  sed  et 
proTincia  Africa  subiugata  est  Romano  imperio  atque  re- 
«taorata.  Da  nun  beides  unmittelbar  vor  der  Wahl  Conons 
(2«i  685  Sept.),  wenigstens  wie  man  nach  den)  Zeugnisse 
d«  Papetbucbes  in  Rom  annahm,  geschehen  sein  sollte,  und 
da  die  Ereignisse  mit  einem  Wahlstreite  zusammenfielen,  so 
wird  man  form.  85  mit  Fug  und  Recht  Gonon  zuschreiben. 
Ich  wQsste  wenigstens  nicht,  wo  Schluss  zugleich  mit  An- 
£mg  der  Formel  sonst  unterzubringen  sein  sollte. 

Unter  dieser  Voraussetzung,  dass  form.  85  P.  Conon 
angehört,  wird  es  dann  auch  begreiflich,  warum  diese  sich 
noch  so  eng  an  die  680  mit  ihrem  zweiten  Zusatz  versehene 
form.  73  und  an  die  römischen  Schreiben  an  die  VI.  ök. 
Synode  anschliesst,  und  warum  sie  noch  ein  warmes  Interesse 
für  F.  Martin  I.,  das  form.  83  und  84  nicht  mehr  kennen, 
leigt  nnd  sein  Beispiel,  nöthigenfalls  auch  für  die  antimono- 
tbeietiäche  Lehre  zu  sterben,  ähnlich  wie  Agatho  und  die 
abendländische  Synode  (Mansi  XI,  291),  nachzuahmen  ver- 
spricht. Der  Papst  der  form.  85  muss  also  den  monothele- 
tischen  Streitigkeiten  noch  sehr  nahe  gestanden  sein.  Ja, 
wenn  wir  diese  Stelle  noch  etwas  näher  betrachten,  so  finden 
wir  in  ihr  bis  ins  einzelnste  die  Gefühle  ausgedrückt,  welche 
die  Verdammung  des  Honorius  1.  durch  die  VI.  Synode  680 
in  Rom  hervorgerufen  hatte  und  die  besonders  Leo  II.  zum 
Aasdruck  brachte.  Der  Verfasser  der  form.  85  setzt  näm- 
lich die  Stelle  form.  73,  p.  73 13,  welche  hier  nach  dem 
VI.  allgemeinen  Konzil  steht:  profitemur  etiam  numquam 
notf  aliquid  novi  quod  dumtaxat  contra  catholicam  tidem  et 
ortbodoxam  religionem  esse  claruerit,  suscepturos,  vor  das 
VI.  Konzil  und  in  Verbindung  mit  Martin  I.,  also  mit  den 
monotheletlschen  Streitigkeiten,  und  versieht  sie  mit  ganz 
charakteristischen  Zusätzen,  p.  IO93:  profitemur  etiam  nos 
[secnndum  illa  quae  a  predecessoribus  meis  statuta  sunt]  num- 
quam aliquod  novi  contra  catholicam  atque  ortbodoxam  fidem 

ina  PhikML-pUloL  o.  bist  GL  1.  9 


130  Sitzung  der  histor.  Glosse  vom  3.  Januar  1890, 

suscepturos  [vel  talia  temerarie  presumentibus,  si  opor 
fuerit  etiam    mori,    dei    gratia    nos   corroborante ,    qu 
consensum  prebeturos].     Darin   spiegelt  sich  zweifeil 
Geschichte  der  Päpste   in   den  letzten  Jahrzehnten  ab. 
Papst  der  form.  85  will  es  nicht  machen,  wie  der  jeti 
dämmte  Honorius  I.,  von  dem  Leo  II.  ganz  mit  den  V 
der  form.  85   sagte:   una   cum    eis   Honorius  Romanui 
immaculatam  apostolicae  traditionis   regulam,   quam    a 
decesaoribus    suis    accepit,    maculari    consensit    (J.  i 
sondern  wie   Martin  I.,  welcher  lieber  starb,   als  den  ! 
theleten  zustimmte.    Es  wäre  zu  peinlich  gewesen,  um 
bar  nach  der  Verdammung  des  Honorius    bei    so   feiei 
Gelegenheit  dessen  Namen  zu  nennen ;  schonend,  aber 
noch  verständlich  ging  er  mit  obigem  Satze  über  die  sc 
Niederlage  eines  Papstes  und  mit  ihm  Roms  selbst^)  hi 
doch  nicht,   ohne  das   feierliche  Versprechen  zu  geben 
er  die  monotheletischen  Bestrebungen   nie    unterstötzer 
Gleiches   wie   Honorius   der   römischen    Kirche   nie   zu 
werde.     Im  Zusammenhalt    mit   dieser   Stelle    werden 
auch  die  Worte   des  Papstes    in    der  Einleitung   der  F 
p.   104 15  klar:  Gott  möge  mit  Hülfe  der  Apostel  gewS 
sein  Amt   inculpabiliter  adimplere,   quatenus  non  de 
mine  presulatus   temeritatis    poena   condemner,    w 
Honorius  begegnet  war. 


1)  Agatho  hatte  Honorius  noch  schützen  zu  können  ge| 
und  geschrieben:  Man  brauche  nur  der  römischen  Kirche  zu  f 
die  nie  vom  Wege  der  Wahrheit  abgeirrt.  Unde  et  ap.  m. 
parvitatis  praedccessores,  dominicis  doctrinis  instructi,  ex  quo  novi 
haereticam  in  Christi  immaculatam  ecclesiam  Constantinopoli 
ecciesiae  praesules  introducere  conabantur,  nnnquam  neglexe 
eoä  hortari,  atque  obsecrando  commonere,  ut  a  pravi  dogmatii 
retico  errore,  saltem  tacendo  desisterent,  Mansi  XI,  248. 
VI.  Konzil  hatte  es  anders  gefunden  und  Honorius  doch  verurt 
weshalb  sich  auch  Leo  II.  genöthigt  sah,  das  Qegentheil  auszo: 
und  Honorius  „Nachlässigkeit*  vorzuwerfen. 


Friedrich:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus.  131 

&  wurde  schon  oben,  wo  von  forra.  83  gehandelt  wurde 
iS.  llOff.)*  auf  den  Unterschied  hingewiesen,  dass  diese  p.  91 5 
?ii?e:  et  de  ceteris  dei  dogmatibus,  sicut  universalibus  con- 
diüs  et  constitutis  apostolicorum  pontificum  proba- 
tiftämorumqae  doctorum  ecclesiae  scriptis  sunt  commendata, 
wahrend  form.  85,  p.  108 10  nur  erst  schreibe:  nos  igitur 
in  omnibus  sequentes  quinque  synodorum  instituta  nee  non 
K  probabilium  cath.  ecclesiae  patrum  atque  doctorum  vene- 
nbiles  traditiones  . . .  Ich  behauptete  darauf  hin,  dass  form. 
^.  wenigstens  deren  letzte  Redaktion,  jünger  sein  müsse,  als 
form.  85 ;  hier  muss  ich  einen  Schritt  weiter  gehen  und 
«•liren,  dass  die  eben  angeführte  Stelle  ganz  genau  die  Auf- 
fa^Hsung  dieser  Sache  um  680  enthält.  Form.  73,  p.  70  9 
bat  noch  den  Wortlaut  des  Pelagius  IL:  illam  fidem  tenere 
predicare  atque  defendere  quam  ab  apostolis  traditam  habe- 
mi»  et  soccessores  eorum  custoditam,  reverendam  Nicenam  .  . . 
P.  .\gatho  und  die  abendländische  Synode  schreiben  ebenfalls 
»n  das  VI.  allgemeine  Konzil:  quod  (fidei  lumen)  ex  veri 
liiminis  fönte  tanquam  de  radio  vivifici  fulgoris  per  ministros 
beatiM  Petrum  et  Paulum  apostolorum  principes,  eorumque 
di««ipulos  et  apostolicos  successores  gradatim  usque  ad  nostram 
parritatem  ^)  Dei  opitulatione  serratum  est,  und :  quia  hoc 
c<«s  apoatolica  atque  evangelica  traditio  sanctorumque  patrum 
Diagisterium,  quos  sancta  apostolica  atque  catholica  ecciesia 
et  venerabilee  synodi  suscipiunt,  instituisse  monstratur,  Mansi 
XI,  287.  291.  Das  zu  gleicher  Zeit  gehaltene  Mailänder 
Konzil  aber  schreibt  an  dasselbe  Konzil:  Nos  autem  omnes 
.  . .  pari  tenore  et  reverentia  traditiones  sanctorum  apostolo- 
rum sen  reverendissimorum  patrum,  qui  in  supradictis  conciliis 
adfuerunt,  omni  cum  veneratione  suscipere,  amplecti,   defen- 


1)  Hefele  111,258  gibt  dies:  , bis  auf  den  gegenwärtigen  Papst *", 
fficber  ODrichtig,  wie  ans  Pelagins  IL  und  form.  78  klar  hervorgeht. 
Allerdinini  i^  ^^^  ^^^  den  Aposteln  insgesammt  schon  Petrus  und 
PaoIob  allein  geworden. 


1 


132  Sitzung  der  histor.  Classe  vom  3.  Januar  1890. 

dere,  predicare,  praecipue  s.  ni.  Leonis  ap.  sedis  pm 
dicta,  sed  etiam  orthodoxes  patres,  qui  per  di versa  loci 
Dei  ferventes,  dogiuata  salutaria  nobis  reliquerunt,  ni 
Gregor  v.  Nazianz,  Basilius,  Cyrillus  von  Alexandrien,  . 
nasius,  Johannes  Chrysostomus,  Hilarius  von  Poitiers,  k 
stinus,  Ambrosius  und  Hieronymus,  Mansi  XI,  205  f. 

Schliesslich  darf  ich  jedoch  nicht  unerwähnt  lassen, 
form.  85  sich  selbst  einem  Papste  zur  Lebenszeit  des  K 
Constantinus  Pogonatus  zuschreibt,  indem  sie  sagt,  p.  1 
sancta    et    universalis  ac  magna  sexta  synodus  que  nup 
regia  Gonstantinopoli  urbis  .  .  .  per  decretnm  Christian 
ac   piissimi    a   deoque    coronati   Constantini    magni   prii 
congregata  est.     Das  ist  jedoch  bioser  Schein,   da  die  I 
wörtlich  bis  auf  nuper  und  mit  der  Auslassung  domni 
thonis   pape   vor   presidere  von   form.  73   abgeschriebei 
Es  ist  überhaupt,  wie  v.  Sickel  nachgewiesen  hat,  auf  s 
Angaben    kein    besonderes   6e^vicht    zu    legen;    denn 
auch   der  Verfasser,   der   von   dem  Tode   Agatho*s   wäl 
des  Konzils  wusste,  durch  Weglassung  des  domni  Agat 
pape  verbessern  wollte,    so  schrieb  er  doch  das  üebrigi 
dankenlos  ab.     Oder  soll  man  annehmen,  der  Verfasser 
von  dem  Tod  des  Kaisers  Constantinus  noch  nichts  gew 
Die  Beziehungen   zwischen   Constantinopel  und    Rom    ii 
damals  allerdings  noch    recht   gering;    man  sieht   es   di 
dass    man  in  Constantinopel   noch   unterm  17.  Febr.  68' 
Schreiben    an    P.  Johannes  V.    ausfertigte,    obwohl   der 
schon    am    2.  August   686   gestorben    und    sein    Nachf« 
Conon  am  21.  Oktober   konsekrirt  war.     Ein   sehr   stre 
Winter  konnte  zwar   für  diese  Zeit  die  Communication 
sehen  Constantinopel  und  Italien  unterbrechen  (J.  2356), 
der  Tod  eines  Kaisers  konnte  im  Abendland  kein  Jahr/ 
unbekannt  bleiben,  und  wäre    es   vielleicht  in  Rom  mo( 
gewesen,  doch  gewiss  nicht  in  Ravenna,  wo  der  neugewi 
Papst  bestätigt  wurde  (v.  Con.  c.  2). 


Friedrich:  Zur  Entstehung  des  liber  diurnus,  133 

Die  form.  84.  —  Das  allgemeine  Schema  dieser  Formel 
irt  form.  73,  d.  h.  auch  sie  halt  sich  an  die  von  Pelagius  II. 
forgezeichnete  Elintheilung  nach  den  ökumenischen  Konzilien 
and  an  die  Formulirung  der  sie  betreffenden  Sätze,  wie  sie 
MH  Pelagius  II.  die  form.  73  herübergenommen  hat.  Erst 
hei  dem  Konzil  Martins  I.  und  der  VI.  allgemeinen  Synode 
weicht  sie  vollständig  von  form.  73  ab  und  geht  ihre  eigenen 
Wege,  indem  Martin  1.  gar  nicht  erwähnt  und  das  über  die 
VI.  Synode  Gesagte  selbständig  redigirt  wird,  und  zwar  an 
der  Hand  des  lib.  pont.  (v.  Leon.  U.,  Agathon.),  sowie  der 
Briefe  Leo's  II.  über  diese  Synode.  Auch  der  Satz  p.  101  u: 
6ed  et  eis  qui  nnam  siraul  et  duas  voluntates  et  operationes 
in  Christo  dicere  presumebant  sive  nee  unam  nee  duas  scheint 
<ler  V.  Agath.  c.  10  entlehnt  zu  sein:  .  .  .  ut  profiteretur 
unam  aut  duas  voluntates  et  operationes  in  Christo,  nulla- 
tenus  eos  audivit:  sed  potius  neque  uham  neque  duas  in 
salvatore  dicere  voluit ;  denn  die  Ecthesis  wird  der  Verfasser 
kaum  vor  sich  gehabt  haben.  Eine  andere  Auffassung  des 
Honorinsfalles,  als  form.  85,  tritt  in  form.  84,  p.  100  u  auf: 
ana  cum  Honorio  qui  pravis  eorum  adsertionibus  fomen- 
tnm  impendit.  ^)  Während  dort  die  Schuld  des  Honorius 
aL«  «Zustimmung*'  bezeichnet  wird,  erscheint  sie  hier  nur 
ab  «Begünstigung*  (fomentum) ,  —  eine  Auffassung  des 
Falles,  wie  sie  seitdem  in  Rom  stehend  wurde.  Entnommen 
iftt  sie  aber  ebenfalls  einer  Aeusserung  Leo*s  II.  über  Hono- 
rius: cum  Honorio,  qui  fiammam  haeretici  dogmatis,^)  non 
at  decoit  apostolicam  auctoritatem,  incipientem  extinxit,  sed 
negligendo  confovit  (J.  2119).  Ausserdem  benützt  er  das 
Schreiben   (tomus)    Agatho's,   das   er   ausdrücklich   erwähnt, 

1)  Paul  I.  [i,  2368):  protinus  earum  adsertio,  tamquam  sua- 
▼itatiti  fra^oantia  nos  adficiens,  ac  salutaris  providentiae  fomento 
isedens,  laetos  effecit. 

2)  haeretici  do^matis  wiederholt  form.  84,  p.  100 sa  and  5:  novi 
haeretici  dogmatifl. 


134  Sitzung  der  histor.  Classe  vom  3.  Jantiar  1890, 

das  Agatho's   zugleich    mit   der   abendländischen  Synodl 
das    VI.  allgemeine  Konzil    und    dieses   selbst,    wie   p.  ; 
profanus    boroinicula   Nestorius,    Agatho:    ifcem    ex    libi 
Nestorii  hominiculae  (Mansi  XI,  274);  p.  99  jo:  absque  I 
peccato,  Agatho  et  syn. :  absque  solo  peccato  (XI,  290;- 
VI.  Syn.,    XI,  631);    p.  98 m:    in   hoc   (V.  concil.)   Ori 
cum  irapiis  discipulis  et  sequacibus  Didymo  et  EvagrioJ 
et  creatorem  omnium  deum  et  omnem  rationalem  eius  \ 
turam   gentilibus   fabulis   prosecuti   sunt,    VI.  Syn.  XI,  j 
V.  8.  synodo,    quae    hic  congregata   est   adversus  Theodi 
Mopsvestenum,  Originem,  Didymum  et  Evagrium.     Letil 
ist  nur  dem  VI.  allgemeinen  Konzil  eigenthümlich,  wäh 
gentiles  fabulae   dem  Schreiben    Kaiser   Justinians  I.    gl 
Origines   entnommen  ist.     Aus  dem  Schreiben  Agatho*», 
es   heisst:    ut   eorum   doctrinae    pedissequi    (XI,    255.    I 
dürfte   auch    form.  84,  p.  102 13  stammen:    cum  dei  pr« 
eorum  in  omnibiis  sequipedam. 

Die  Auifas&ung  der  Schuld  des  Honorius  nicht  mehi 
eine  Zustimmung,   sondern    nur   noch  als  Begünstigung, 
wohl  sie  auf  Leo  II.,  der  sie  doch  zugleich  als  Zustimn 
bezeichnete,  zurückgeht,  sowie  p.  1029-ai  das  Herausr^ 
der  päpstlichen  Dekrete  aus  dem  historischen  Zusammenl 
der  form.  73  und  85,  ho  dass  die  Anerkennung  einiger 
selben    in    diesen    von    form.  84   auf   alle    ausgedehnt   v 
zeigen   bereits,    dass   diese   P^ormel   später   liegen    muss, 
form.  73   und  85.     Wann   sie   aber   anzusetzen   ist,   daa 
keineswegs  eine  leichte  Frage,  wenn  ich  auch  gestehen  ni 
dass  ich   sogleich    beim   ersten  Lesen   derselben    an    Pao 
erinnert  wurde,   und  es  mir  noch  jetzt  scheint,  dass  sie 
angehöre.     Ich  will  meine  Gründe  dafür  entwickeln. 

Wie  in  form.  84   eine   lange  Einleitung   über   die 
Würdigkeit  des  neuen  Papstes   und    den  stupor,    mit   den 
sein    Amt    übernimmt,   steht,   so   hält  es  Paul  I.   in    seil 
Constitutum    für   St.    Stephan   und    Silvester   und    in   sei 


Ftiedrich:  Zur  Entstehung  des  Über  diurnus.  135 

Schreiben,  z.  B.  an  Fipin:  Quod  quidem  nos  tanto  eius  re- 
lerati  beneficio,  licet  meritis  nequaquam  suffragantibus  . .  . 
i^ninni  respiciens  respexit  super  humilitatem  nostram  et 
ad  tarn  praecipuum  pontificale  colmen,  non  nostris  raeritis 
pfoeeqaeniibiis,  provexit  (J.  2340).  Oder:  Sed  hoc  non 
Dostris  meritis  sed  divina  proveniente  misericordia  agitur 
;J.  2350),  form.  84,  p.  94«:  quia  neque  pro  meritis  pre- 
cedentibus  hoc  nobis  conlatum  advertimus  .  .  .  sed  clemen- 
tisb^inii  dei  noetri  misericorditer  inclinata  sublimitas  hoc  fieri 
. .  .  annuit. 

Weiter  sind  die  Ausdrücke  der  form.  84,  p.  94:  humi- 
Htas  —  pusillitas  —  pusillanimitas  —  impotentia  que  in 
nobis  est  —  nostra  fragilitafi  —  neque  pro  meritis  —  fine- 
tenns  permanet,  p.  95 :  satisfacimus  —  iuxta  capacitatem, 
geradezu  stehende  Lieblingsausdrücke  bei  Paulus  I.  So:  mea 
infelicitas  —  mea  exiguitas  —  nostra  fragilitas  —  licet  im- 
meritus  —  plenius  satisfactus  —  satisfacti  sumus  de  eius 
Immaculata  fide,  öfter  —  humanae  considerationis  capacitas 
—  desiderii  capacitas  —  fine  tenus  perniansuros  —  fine  tenus 
fore  perraansuros  (J.  2336.  2346.  2340.  2363.  2369.  2359. 
2373.  2363). 

Thatsachlich  war  unter  Paul  I.  die  Sprache  der  päpst- 
lichen Kanzlei  ganz  die  der  form.  84.  Es  lässt  sich  dieses 
an  dem  unmittelbaren  Nachfolger  desselben,  an  P.  Constantin, 
xeigen,  wobei  ich  jedoch  noch  einige  andere  Phrasen  auf- 
nehme. Er  schreibt:  quanta  mihi  incoepti  pastoralis  officii 
debet  insistere  cura  ad  pascendas  dominicas  rationales  oves, 
valde  fateor  intolerabilem  moestitiam  cordis  mei  arcano  ad- 
baesisse  .  .  .  qui  nimis  comprimor,  et  uuUis  operum  meritis 
neque  virtutum  profectibus  me  praestituruni  perpendo  — 
nimio  stupore  —  ad  tarn  magnum  et  terribile  pontifieatus 
culmen  —  metuenda  .  .  .  existit  pastoralis  solicitudo  et  .  .  . 
infelix  —  tantum  pastorale  officium,  quod  mihi  immerito 
coutulit   —   nieam  infelicitateni  sibiuiet  pastoreni  elegenint  — 


r  '<^.  ^.umß^  <^  ktjt^   <7,mHi»  'im   l  Iwmmtw  lBBf\ 


*Av^^>m  fttwir   riwri«   p^rmaiMr«   »J.  2375.  £174  fc- 

fViM   f     tUfffMd^    a,   2>^#:^>.<     r«rle(    tot  «ieiiL  ra 

fff^Jt^tfU$fn  ttt4if^h^,  mhi  iifi*ri«t/^lata«)   ünimpiit   cnhneii 
Xll,  7l7f.> 

Afif  OffffMl  A#rfri^  infdicita».  exignitaa,  fngilüi 
¥ft*ii  t*r  irrim^riffM  iiri«  ma^  dann  Paul  1.  in  seinein 
iiiiuw:  pro  wt  r|ii/Ki  niillin  viriututn  profectibns  roa 
Mihiitirrf  ,  .  ,  lulmi  riiagnuni  et  terribile  apoetolict 
iitiMmu  \irtmt»i\tti  dl«  22Hß);  form.  84,  p.  94i:  Ad  h 
Ml^dif'MM  nfti\{*i  ofticitini  .  .  .  porvenimiui,  cum  tanto 
nhipoM«  Mi  liMtMlIitain  HON  HUMdporu  debere  perpendimti 
AtiiüdMirk  «lipont^ilicHii  nmliN  ofHcium''  finde  ich  aber 
I'mmI  I.  mihI  In  form.  H4,  woMWi>^en  Hie  auch  gleicb 
mptuiiMM  mHii  W(«rdi*n. 

horh  ilii*  VorWAiidUchaft.  der   form.  84   mit  der 
Mrlu>n   Au«ilnM'k«wi»i«o  \iiA\i  m»o.h  weiter.     Wenn   es 
lH«i^n(  :    hiM(|Uitn   Unh|UHm  inpxpu^jtnabili  muro  precinc 
lldimMn,    Hw  m'hmlil    Piiulun:    Sod    mxs    sv>em    nostrai 
hiMHU,  n\v\\\  im'xpvi^tmUilom  nmnun«  tirmissimam  in  i 
n  Ooo  oov)>dHU'A<i^m  oxoolbmtiiuu  h«ilxM««s   (J.  2345, 
VVUIV     tMov  INiulu»:    Pin*  ^\im  nrnpliori  certificatione 
oni^h  hvitom  pi>\fiMvnt<v^»   (xmu.  S4.  p.  S5«:   coram  de 
jnMiM\lii^n\m   hvMi*.      W<M   8toph?\«   IK,    dorn   Vorginge 
Unidi^v  IN^ul»,   Wiwt    «^   n\    Kin<^m  Schreiben  ftweima] 


r  0^*v»^^^  \^n»h^|4i*M'^^v  ^^oh<>v   !*v^>KVn   nnt^r  $t)^pbaa  1 


FViedrieh:  Zur  EnUtehung  des  liber  diurnus.  137 

fBo  redemit  preiioso  sanguine,  und :  qui  dos  suo  pretioso 
■ifpiine  redimens  (J.  2327),  bei  Paul  I.  selbst  aber:  per 
vt  qooqiie  redemtor  noster,  Dei  hominumque  mediator,  ec- 
dnae  suae  et  universo  populo  christiano,  eius  pretioso  re- 
dmplo  sangine,  pacem  tribuit  .  .  .  (J.  2372) ;  die  form.  84, 
pi  94is  hat:  qui  omnes  filii  sui  pretioso  sanguine  dignatus 
ert  rediniere.  Und  yielleicht  dürfen  auch  folgende  Stellen 
Paols  L:  Sed  omnipotens  Dominus  .  .  .  conroboret  .  .  .  com- 
Donitatem  vestram,  und:  fides  catbolica  ab  hereticorum  telo 
mlibata  consistit  (J.  2368)  verglichen  werden  mit  form.  84, 
p.  94ift:  dei  noetri  omnipotentia  roboret,  und  p.  95»:  con- 
idimas  cuncta  inimicorum  fidei  tela  destruere. 

Zu  Pauls  I.  Lieblingspbrasen  möchte  ich  auch  rechnen 
p.  102 1«:  onde  et  districti  anathematis  interdictione 
fohicimiis,  si  quis  .  .  .  Das  Anathem  kommt  in  keiner 
anderen  Formel  bei  diesem  Satze  von  ,novum  aliquod**  vor, 
fondem  nur  in  form.  84,  aber  ganz  so  wie  Paul  I.  es 
öfters  ausspricht:  maximis  sub  anathematis  interdictio- 
nibus  —  sab  terribili  anathematis  obligatione  —  insolubili 
inathematis  vinculo  (J.  2346),  sab  anathematis  interpositione 
fJ.  2347). 

In  m.  Constant.  Schenkung  S.  48  fif.  habe  ich  die  Quellen 
des  Glaubensbekenntnisses  im  Constitutum  Constantini  nach- 
gewiesen ^)  sowie  Zusätze  zu  sonst  feststehenden  Phrasen  und 


1)  Zenmer.  ConBÜt.  Const.  p.  4841:  Nam  sapiena  retro  semper 
l^%u  edidit  ex  se.  Per  quod  fiemper  erat  gignenda  ad  saecula,  yer- 
bfoin  —  habe  ich  übersehen,  dass  dies  ▼.  5.  6  der  Praef.  Apoth.  des 
Pnidentius  nind.  —  Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  auch  in  Bezug  auf 
Hadrian  I.  apotestatem  in  his  Hesperiae  partibus**  zu  m.  Const.  Schkg. 
S.  8  n.  1  nachzutragen,  da^s  wenigstens  in  der  ersten  Hälfte  des 
8.  Jahrh.  die  päpstliche  Kanzlei  unter  H.  nicht  blos  Italien,  sondern 
X.  B.  auch  DeuUchlajid  Terstand.  So  schreibt  Greg.  IL  an  Boni- 
fatioi»:  in  partibus  Esperiarum  ad  inluminationem  Germaniae  geutis 
. . .  dirigere  prae^idimus  (Jaffiä  Mog.  p.  86);    Greg.  III.  an  ihn:   Qui 


138  Sitzung  der  histor.  Classe  vom  3.  Januar  1890. 

Titulaturen.     Man   kann   nun    genau   sehen,  was  Zut 
Verfassers   des  Constitutum  ist.     Merkwürdigerweise 
holen  sich  ganz  die  nämlichen  Zusätze,  wie  sie  zum 
tutum  Constantini   gemacht  worden    sind,    in    form.  ( 
p.  96  8 :    trinitatemque    in    unitate    et   unitatem   in   i 
(Z.  p.  53 14t);    p.  97i6:   verbum   caro   factum  est  et 
tavit   in   nobis   (Z.  p.  4959);    p-  dSig:    unus   esse 
trinitate  dominus  noster  J.  C.  (Z.  p.  47  8):  p.  99 ai 
[carne  venturumj   iudicare  vivos    et   mortuos,    cuius 
non  erit  finis  (Z.  p.  4969).     Diese  auffallende  Erscl 
hat  mich  nun  veranlasst,  der  Frage  weiter  nachzugel 
nicht  überhaupt  das  Constitutum  Constantini  in  der  fc 
benützt  worden  sei,  und  ich  glaube,  diese  Frage  beja 
müssen.     Wenn  man  die  Methode  des  Verfassers  der  '. 
im  Auge  behält,  seine  Vorlagen  zu  umschreiben  oder 
Zusätze  zu  erläutern,  und  ähnlich,  wie  im  Constit.  Coi 
das  Glaubensbekenntniss  aus  Bruchstücken  der  verschiec 
Bekenntnisse  zusammenzusetzen    (m.  Const.   Schenkg. 
bis  183.  185),  so  kann  m.  E.  kein  Zweifel  daran  seil 
er  sich  des  Const.  Constantini  bediente. 


form.  84,  p.  96  g. 
per    haec   duo    sacros.  concilia 


sanetam  et  inseparabilem  trioi-      nisi  (^  esse  unum  Denn 


tatem  uoum  deum  unamque 
trinitatis  substantiam  esse  co- 
gooscimus  trinitatemque 
in  unitate  et  unitatem  in 
trinitate  palam  predicare 
didicimus  .  .  . 


Znumer  p.  532* 
agnovi,  non  esse  alium 


trem  et  Filium  et  Spirit 
quem  beatissimus  Silveste 
predicat,  trinitatem  ii 
täte,  unitatem  in  trin 


ianuam  misericordiae  et  pietatis  in  illis  partibus  Speriis  .  .  .  a 
und:  Sed  confirma  corda  fratrum  et  omniuni  fidelium,  qui  rur 
in  illis  Speriis  partibus  (J.  p.  lOö  f.). 


^^^                     Friedrich:  Zur  EnUtrhunq  <U»  fiter  diuriuis.                139                     H 

1                                 p.  9ßi,. 

Z.   p,  48 1«. 

■         irinitatem  predioare  perfec- 

Nos   Patrem   et  Filium    et 

tarn    palris  et  filii  et  spi- 

Spiritum  s.  eonfitemur.  itn  ut 

ritns  s.;    sicnt    uoa  vere    e§t 

in  Trinitate  perfecta  et  pie- 

deitas.  ita  una  . . .  potentia  ') 

nitudo  sit  dirinitatis  et  unitaa 

poteatatis  .  . .  uoa  polestas. 

p.  96  ,■;. 

Z.  p-  48  m. 

('luiD  de  patre  fiJius  neternaliter 

(sapiens  retro  semper  [^  aeter- 

noBcilur) 

nalitar]  deus  edidit  ex  se  ?ot- 

bum  .  .  .) 

p.     100  ,!• 

Z.  p.  49  ». 

idem    dominus  noater  J.  C. 

per  quos  (prophetas)  lumen  fu- 

filiaa    dei    et    adnuntiatur 

turae    vitae.    adTentnm    seil. 

et  creditur  ,  .  .  qui   in  a»  sal- 

filii  sui  domini    dei   et  sal- 

T«re  totam  liomiDero  vetierat 

fatoris  noätri  J.C.,  adnuD- 

tiana,  misit  nniRenitum  suom 

liliuni  et  sapientiae  verbam. 

p.  9y„ 

qui    cum    Bit    conaubstantialis 

Qui     deseendens     de     oelis 

patri  et  toaeteroua,  *)  propter 

propter    oostram    salutem 

Dostramqne    saintero    des- 

natns  de  Bpiritn  s.  et  Marin 

uendit    de    uelis    et    [iocarj- 

virgine,  verbum  caro  factum 

uatus    est  de  apiritn  ».,    id 

«st    et    habitavit  in  nobis. 

eat  operalione  b.  spiritua  vir^o 

Non  amisit,  qnod  fuerat,  sed 

dei  filiom  ooncepU 

coepit    ease,    quod    non    erat, 

Deum    perfeotum    et   bomiDem 

p.  97aa. 

perfectnm.                                                      ■ 

verhuni  caro  tactam  est  et_ 

liabitavit    in    Dobis,    id   est 

^^^H 

deus  verbum  idemque  filius 

^^^H 

dei  pro  Dobiä  factas  est  bomo. 

^^ 

«0  (et?)   quod    erat  ujaDens, 

1 

factua  eet  qnod  non  erat. 

1 

1)  TriaittM  perfecta  kenne  ioh  Uberbaupl  our  ia  drei  Schrill-                  ■ 

■tocken:   de   Gde  uatbolii^i    bei   Amort  I,  41Ö.   dax  würtllch  in  Am                  I 

Coufllitnt.  L-onBt.  Oberpiig  (w.  i'^nA.  Schk«.  8.  56)  und  form.  S4.                        ■ 

j 

Dagegen  stellt  xich  der  Verfasser  der  form.  84  in  Bezu^ 
auf  den  Haiipt^usatz  zu  der  Quelle  das  Constit.  Gunst,  (Deiim 
{lerfectiim  et  humineni  perfectum)  ganz  selbständig:  et  sd- 
nuntiatiir  et  creditur,  quia  totus  deiis  t.otU!i  factum  wt  bctmo 
et  in  suis  integer  manens  etiam  in  itostris  perfectiis  atipariiit, 
absque  soIuh  peccato,  qai  in  ae  salvare  totuni  homine  venerat 
(p.  100  b).  Daneben  ist  aber  noch  eine  andere  Bemerkung 
KU  machen.  Im  Constit.  Cooätant.  kommt  Z.  p.  58 »i  vor: 
ubi  principatus  i<acerdotum  et  Chriatianae  religionis  Ca- 
put') ab  imperatore  Celeste  constitutum  est.  Vei^leicht  niwi 
damit  form.  84,  so  zeigt  es  sich,  das»  ihr  Verfasser  eine 
ganz  besondere  Vorliebe  für  christiana  religio  hat.  Zwei- 
mal ändert  er  seine  Vorige  form.  73,  p.  70i  und  p.  V3i»: 
orthodoxa  religio  um  in  christiana  religio  p.  9öt  nnd 
p.   102,8. 

Wenn  es  sich  nun  so  verhielte,  wie  ich  nachzuweisen 
gesucht  habe,  dass  form.  84  dem  P.  Paul  L  angehöre  and 
dass  in  ihr  das  Constitutum  Coustatit.  benutzt  worden  aet, 
w  folgte  daraus,  dat»  diesen  schon  vor  dem  Antritt  PauU  I.. 
also  unter  seinem  Bruder  Stephan  IL  eutetanden  sein  mOEst« 
—  ein  Ergebniss,  das  genau  mit  dem  in  m.  Conxt.  Schenk- 
ung gewonnenen  übereinstimmte.  Eine  andere  Beobachtung 
scheint  dies  zu  bestätigen. 

Merkwürdigerweise  berüKren  «ich  form.  84  und  85  nur 
wenig  (a,  ob.  S.  115  6'.)  und  lieinahe  wörtlich  stimmen  nur 
P.96ii-m;  100»_i,  und  p.  102  n.n  mit  p.  100»,  — 107  i.i; 
p.  107 10-11  und  p.  109t. g.  Um  so  auffälliger  ist  es  daher, 
dass  sowohl  form.  84  als  85  eine  Stelle  über  den  Herror- 
gang  des  h.  (ieistes  haben  (s.  ob.  8.  11dl,  und  wenn  sie  tin 
Ausdrucke  auch  verschieden  sind,  so  \wi^ti  doch  beide  den 
h.  Geist  vom  Vater  und  Sohne  ausgehen    und  unterscheiden 


li  Auiih  Pnul  I.  whreiht  «inmal:  capiit  o 
ili|U(;  orlliDdoiue  CtltM  {J.  ^iSSlI. 


irleiiiiuiuii  llct 


Friedrich:  Zur  Enisiehumj  des  Über  diurnus.  141 

sie  sich  nur  darin,  dass  form.  84  das  Bedörfniss  hat,  die 
Tliesis  auch  zu  begründen,  ähnlich,  wie  es  schon  Leo  I.  that 
(Langen  II,  104).  Diese  ausführliche  Behandlung  der  Frage, 
welche  bei  anderen  Punkten  nicht  zu  beobachten  ist,  deutet 
auf  eine  besondere  Veranlassung.  Da  wir  aber  nur  davon 
hören,  dass  unter  Paul  I.  über  das  filioque  verhandelt  wurde 
und  sich  die  Synode  von  Gentilly  mit  der  Frage  beschäftigte 
(Langen  II,  088 f.;  Hefele  III,  432),  so  würde  die  Stelle 
unserer  Formel  ebenfalls  auf  Paul  I.  deuten,  indem  wohl  die 
Erörterung  des  tilioque  schon  weiter  zurück  bis  in  das  Pon- 
tilikat  Stephans  II.  reichte.  Dies  als  richtig  vorausgesetzt, 
würde  sich  auch  dann  ergeben,  dass  das  Constitutum  Con- 
stantini,  welches  von  dem  Ausgange  des  h.  Geistes  vom  Vater 
und  Sohne  keine  Spur  enthält,  kaum  erst  unter  Paul  L, 
sondern  schon  unter  Stephan  II.  verfasst  oder  überarbeitet 
worden  wäre. 


** 


•  • 


i 


Sitzungsberichte 


könifj;!.  bayer.  Akademie  der  WiesenBcbaften. 


PhiloBopbisch-philologische  ( ■  1  aesa 


Herr  v.  Christ  hielt  einen  Vortrag: 

.Die   verbalen   Abfaäiigigkcitskompoaita   des 
Griechischen." 

Ein  hervorragender  Sprachforscher,  Osthoff,  üeber  das 
Verhuiu  in  der  Nouiinalkoniposition  S,  205,  hat  die  griech- 
ischen Komposita  ein  vieldurchackertea,  ausgetretenes  Gebiet 
in  der  neueren  sprachwissenschaftlichen  Litteratur  genannt. 
Wenn  ich  gleichwohl  nochmals  die  Aufmerksaiukeit  der 
Forscher  auf  dieses  Gebiet  zu  lenken  wage,  so  thue  ich  es, 
teils  weil  ich  die  Lehre  von  der  Zusammensetzung  noch 
immer  in  den  Grammatiken  und  Wörterbilchern  der  klns- 
si»chen  Sprachen  ungebührlich  vernachlässigt  sehe,  teils  weil 
ich  höfie,  in  einzelne  Punkte  dieses  schwierigen  Kapitels 
der  Grammatik  mehr  Licht  bringen  zu  können.  Während 
die  einheimische  Sanskritgrammatik  »ehr  ausführlich  die  ver- 
schiedenen Arten  der  Zusammensetzung  behandelt  und  Jak, 
Qrimm  in  ^ner  Deutschen  Grammatik  der  Komposition 
einen  mehrere  hundert  Seiten  füllenden  Abschnitt  gewidmet 

laW).  Phll«k..pliltDl.  0.  hlat.  ci.  z.  10 


J 


1 


144        Sitzung  der  phÜos.-phüol  Classe  vom  1.  Februar  1S9i 

hat,   sind   im  Griechischen  weder   Leo   noch   Gust  ] 
zur  Behandlung  der  Komposita  gekommen   und  habe; 
Curtius,    Brugmann,   Stolz   denselben  nur  wenige 
graphen  gewidmet.     Und  während  im  Petersburger  Sa 
lexikon    in    sehr    zweckmässiger    Weise    bei    den    eil 
Wörtern    ihre    Verwendung    in    der    Zusammen setzur 
gegeben  ist,  müssen  wir  in  unseren  griechischen  und 
ischen  Wörterbüchern  noch  immer  dieser  so  wünschen« 
Bereicherung   des  lexikalischen  Materials  en traten.     D 
gebnisse   meiner   eigenen  Forschungen   in    dieser  Frag 
ich   seit  Jahren    neben    anderen  Studien   im  Auge   In 
hatte,  gedachte  ich  anfangs  in  zwangloser  Form,  per  sa 
wie   die   Lateiner  sagten,    vorzulegen.     Aber   bald    sa 
dass   in    diesem  Fall    meine  philologischen  Leser  öfbei 
allgemeine  Orientirung  vermissen  würden,  und  ich  enfa 
mich  deshalb  zu  einer  mehr  systematischen  Darlegung, 
ich  dadurch  in  die  Lage    kam,   manches,  was  den  spe 
linguistischen    Forschern    längst    bekannt   ist,    nochma 
zusammenfassend  zu  sagen,  so  bitte  ich  dieses  mit  dem 
der  Arbeit  entschuldigen  zu  wollen. 

I. 
Die  Elassifikation  der  Eomposita. 

Die  indischen  Grammatiker,  welchen  das  Verdiem 
kommt,  zuerst  die  Lehre  von  der  Wortzusammensetzung 
gebildet  zu  haben,  nahmen  6  Klassen  von  Komposita 
Dvandva  oder  kopulative  Komp.,  Bahuvrihi  oder  posa 
Komp.,  Karmadhäraja  oder  determinative  Komp.,  Tatpun 
oder  Abhängigkeitskomp. ,  Dvigu  oder  kollektive  K< 
Avjajibhäva  oder  adverbiale  Komp.  Diese  Einteilung 
der  Altmeister  der  Sprachvergleichung,  Fr.  Bopp,  in 
vergleichende  Grammatik  der  indogermanischen  Spra 
einfach    herübergenommen.      Ihr   ist   im    wesentlichen 


ChrM:  Ahhän/jifjktUskomjmsita  lies  fi-rirchisdieti.  145 

noch  •Tiii'ti  in  rier  ^etehrteii  A bhanillun)^.  Die  ZuBammen- 
set;!anK  der  Nomina  in  den  indogermanischen  Sprachen  (Gott, 
1861)  gefolgt,  nur  iJhss  er  noch  als  Vorstufe  der  Komposition 
die  Just»iiosit,ion  annahm,  in  der  die  beiden  Teile  nur  zu- 
«ani  menge  rückt  aind,  jeder  deraelben  aber  seine  selbständige 
Deklination  sich  bewahrt  bat,  wie  in  Jina-xov^t,  iurts' 
iurandi,  Gottes-f'rieden.  Aber  von  den  neueren  Forschem 
ist  jene  Einteilung  der  SanskritjEraramatiker  entweder  ganz 
aufgegeben  oder  doch  wesentlich  modificiert  worden,  und  dieses 
mit  Recht.  Denn  abgesehen  davon,  dass  dieselbe  nur  die 
zusammengesetzten  Nomina  uud  Adverbia,  nicht  auch  die 
zusammengesetzten  Verba  beröcksichtigt,  leidet  dieselbe  auch 
an  einem  entschiedenen  Zuviel  von  Klassen.')  Es  haben 
daher  /.unäcbst  Benfey  und  Schleicher  in  ihren  gramma- 
Uschen  Werkeu  die  6  Klassen  auf  4  reduciert.  Diu  meisten 
Forscher  aber  gingen  weiter  und  brachen  überhaupt  mit 
dem  System  der  indi>ichen  Grammatiker,  indem  sie  nach 
eigenen  Principien  eine  neue  Klassifikation  au  die  Stelle  der 
indischen  set^-ten.  Hiit^r  den  Versuchen  einer  neuen  Ein- 
teilnng  hat  mit  Recht  der  von  Schröder,  Die  formelle 
Unterscheidung  der  Redeteile  im  Griechischen  und  Lateini- 
schen mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Nominalkomposita 
(LeipK.  1874),  den  meisten  Anklang  gefunden.  Derselbe 
nimmt  zwei  Hauptklassen  von  Kompositen  an,  nämlich  un- 
mutiert«  Komposita,  in  denen  das  Ganze  demselben  Redeteil 
wie  das  hauptsächlichste  d.  i.  zweite  Glied  angeliijrt,  wie 
afi-(Mtxio<;,  oKQÖ-jiuXig,  :iav-aiohig,  und  mutierte  Konipnsita, 
in  d«nen  ein  Uebertritt  in  einen  anderen  Redeteil  stattfindet, 
ifisbeaondere  in  der  Art,  daas  der  2,  Teil  zu  den  Substan- 
tiven, das  Ganze  zu  den  Adjektiven  zählt,  wie  a-itavatog, 
^odo-iäxiii.og,   sLQV'Utifi-ug.      Der   bezeichnete    Unterschied 

I)  Scbon   der  iudiscle  ümmiuntiker  Panini   (12,  42;   11   1.  23] 

hat,  wir  ich  auH  Fr.  Skutsch.  De  nominuni  latitioruit)  coiufiositinup. 
>liM^-  1H88.  L'up.   1   (T-ebe,  i)it»es  Zuriel   IjcMnettuidüL 


146       SUiunq  der  phäog.-pkaol.  ÜlMse  vom  l.  Fehruar  1890. 

ist  ein  tiefgreifoDfler  nud  verdient  um  so  mehr  Beachtung, 
als  sich  an  ihn  auch  wichtige  Formimterschi(!<le  imknlipfen, 
aber  er  altein  reicht  doch  zur  befriediKenden  Unteracheid ung 
der  reichen  Fülle  tud  Znsamraeo Setzungen  nicht  aus:  ea  gibt 
noch  -andere,  wesentliche  Unterschiede,  die  neben  jenem  oder 
über  jenem  in  Betracht  gezogen  zu  werden  verdienen.  Aller- 
neuestens  hat  Brugmann,  Grundriss  der  vergleichenden 
Grammatik  II  1,  21')  vier  Arten  von  zoBammeii gehetzten 
Nomina  unterschieden,  je  nachdem  das  1.  Glied  der  Stamtn 
eines  deklinierten  Nomen  oder  Pronomen  ist,  wie  /iovo-ywijff, 
oder  ein  für  sich  nicht  vorkommendes  Indeklinabüe,  wie  «f- 
ßcttog,  oder  ein  adverbiales  Wort,  wie  irri-iteiov,  oder  eine 
Kasusform,  wie  ^iöa-xov(foi.  Aber  mehr  wie  ein  Grund 
hält  mich  vom  Anschiusa  an  diese  lCint«ilung  ab.  Ich  ver- 
misse nicht  bloss  zwischen  2  und  ^  einen  einschneidenden 
Unterschied;  ich  stosse  mich  vor  Allem  daran,  dass  j«ne 
Einteilung  in  4  Klassen  sich  nur  auf  die  Form  und  nur  auf 
die  Form  des  ersten  Gliedes  bezieht,  so  daas  sich  ihr  Autor 
selbst  genötigt  sieht,  derselhen  noch  eine  zweite,  von  der  Be- 
deutung ausgehende  Einteilung  in  unterordnende,  heiordnifndä, 
unmutierte  und  mutierte  Komposita  nachfolgen  zu  lassen. 

Geben  wir  logisch  zu  Werk,  so  müssen  wir  zwei  Diuge 
nnterauchen,  erstens  was  alles  fflr  Unterschiede  in  der  Wort- 
/usammen Setzung  vorkommen,  siweitena  welcher  Unterschied 
als  der  banpt£ächlichste  der  Klassifikation  zu  gründe  gel^ 
zu  wenien  verdient.  Vorerst  nun  leuchtet  ein,  daas  w  «ich 
hei  einem  Kompositum  vor  allem  darum  Landelt,  in  welchem 
Verhältnis  die  Glieder  desselben  zu  einander  und  zum  l!uix«D 
stehen.    Dieses  Verhältnis  kann  ein  dreifaches  sein,  entweder 


1)  Ebenso  in  der  2.  Aufl.  aaine«  AbrisHt^a  di>r  Oriecb.  Or.  in 
Malier'^  Uandb.  de»  kla».  Alt.  In  der  I.  Aü&a^e  iln  Abriaiea  Mgta 
der  Verf.   noch  einet  aiiderD  Eintnitung.  wua  i^nttl«  niclit  von  ainsr 

besondi'reo  t'e<4tit{l(eit  der  [iebie  Euiifft. 


Christ:  ÄbhängiffkeitsJcomposita  des  Griechischen,  147 

erhallt  das  Hauptglied  durch  das  Nebeuglied,  das  ist  das 
xwdte  durch  das  erste,  eine  nähere  Bestimmung,  oder  es 
wird  das  eine  Glied  von  dem  anderen  regiert,  oder  endlich 
beide  Glieder  sind  nebengeordnet  und  stehen  in  einem  kopu- 
ktifen  Verhältnis  zu  einander.  Daraus  ergeben  sich  3  Arten 
TOQ  Kompoeiten,  determinative  Komposita,  wie  vavoi'qyoQrjrog^ 
fiüov^ovQog^  ini'Tid^fjfii  j  dgi-deUezog  ^  rektive  oder  Ab- 
hingigkeitskomposita ,  wie  Y.aQnO'(p6qog^  oidrjQO'ßQiog^  fieve- 
ntoltfiog^    kopulative  Komposita,    wie   JtXovd^'vyieia ^   w%&^ 

Das  Verhältnis  des  zweiten  Gliedes  zu  dem  Ganzen 
drückt  sich  zumeist  in  dem  von  Schröder  eingeführten,  von 
ans  oben  schon  berührten  Gegensatze  der  unveränderten 
(anmutierten)  und  veränderten  (mutierten)  Komposita  aus. 
Fragen  wir,  ob  bei  allen  oder  nur  bei  einzelnen  der  drei 
n>raDgestellten  Hauptarten  dieser  Unterschied  vorkomme,  so 
idgt  sich  alsbald,  dass  derselbe  auf  die  Klasse  der  determi- 
Bitiven  Komposita  beschränkt  ist.  In  dieser  Klasse  also  sind 
UDveräuderte  Determinativa  cry-cf|tog,  dvo-a&liogy  dxQO'Ttohg^ 
n^Xoyog^  veränderte   ä'XoYog^  di'/tovg^  ßa&v-xohtog^  ineq- 

Von  geringerer,  weil  bloss  äusserlicher  Bedeutung  ist 
die  Stelle,  erste  oder  zweite,  welche  ein  jedes  Glied  in  der 
Komposition  einnimmt.  Diese  Stellung  folgt  verschiedenen 
Normen  in  den  einzelnen  drei  Hauptarten.  In  den  de- 
terminativen Kompositen  steht  regelmässig  das  bestimmende 
Element,  mag  es  nun  in  einem  Indeklinabile  oder  einem 
Adverbium  oder  einem  Adjektiv  bestehen,  an  erster  Stelle. 
In  den  kopulativen  Kompositen,  die  ohnehin  im  Griechi- 
schen nur  ganz  schwach  vertreten  sind,  ist  es  völlig 
gleichgiltig,  welches  der  nebengeordneten  Glieder  die  erste 
oder  zweite  Stelle  einnimmt,  wie  es  ja  auch  keinen  Unter- 
schied macht,  ob  wir  3  +  ^  ^^r  4  +  3  addieren.  Nur 
bei  den  rektiven  Kompositen  ist  die  Reihenfolge  der  Glieder 


US 


Silsimg  rfcr  iikiton.'iiliiiiit.  CIiik 


\   I.  Frbruar  18U0. 


schwankend  und  maclit  die  Sprache  in  Anwendung  ihrer 
sprachlichen  Mittel  einen  Unterschied  nach  der  Stelle.  lii« 
das  regierende  Element  einnimmt.  Hier  »Iso  mfisseii  wir 
imterscbeiden,  rektive  Kumpoaita  mit  dem  regierenden  Glied 
an  erster  Stelle,  wie  ^^yi-kaog,  fiiao-yvvtjg,  o'Aj^r-xaxog,  und 
rektive  Komposita  mit  dem  regierenden  Glied  au  letzter  fitellu, 
wie  dogv-qiÖQoe,  noXi-tlag,  vofio-Oiitig.  Dabei  gelten  drei 
Regeln,  erstens,  dass  die  Präposition  stein  die  erste  Stelle  ein- 
nimmt, wie  in  fy-xiq'alog,  ftet-aix/iiov;  zweitens  daNs,  wenn 
die  beiden  Elemente  eigL'ntlicbe  Nomina  sind,  immer  das 
abhängige  Nomen  voransteht,  so  dasa  aigotiö-.tedov  nur 
aiQcnov  fiidov,  nicht  auch  aiQatög  /i(doiJ  bedeuten  kann; 
drittens  dass  in  den  alten,  kaum  mehr  als  Komposita  er- 
kennbaren Zusammensetzungen  zweier  Verl>a  das  Hilfsverbam 
regelmässig  die  zweite  Stelle  einnimmt,  wie  in  nkr/-xha,  ftiUeu 
thue  icli,  yij-i>iiü  =s  i/au-deo,  mich  freuen  thne  ich,  yiymw 
flxcu,  zu  lernen  beginne  ich. 

Ausser  dem  Verhältnis  der  beiden  Teile  ku  einander 
luid  zu  dem  liunvcn  bewirken  Unterschiede  die  Form  der 
Teile  und  der  Kedeteilcharakter  des  Gan/.eu  oder  de»  Uiuipt- 
teilea.  In  Bezug  auf  die  Form  kommt  daa  zweite  Glied 
wenig  in  Betracht,  weil  dieses  den  allgeineincn  Gesetzen  dtT 
Nominal-  und  Verbal bildung  tulgt.  Das  erste  ist  entweder 
ein  ludeklinabile  oder  ein  Jeklinierbarea  Nomen  (Pronomen). 
Das  fudekünikbile  hinwieiifnim  ist  entweder  ein  fUr  sich 
nicht  vorkommendes  Präfix,  wie  in  öv-tnöog,  y^-noirae,  fe** 
ujdtjs,  Cä-&iüg,  oder  ein  auch  in  Helbatändiger  Stellung  als 
Adverbinm,  Präposition,  Zahlwort  verwendetes  WürtchvB, 
wie  in  hiiSetov,  ä^ifi-itoXog,  oij'i-f/aitr^g,  iia)Jv-iopo(,  ifiTc» 
ii^tjg.  Das  Nomen  kann  entweder  ein  Substantiv  sein,  via 
in  o(xo-y('ia|,  ZrjVü-dotog,  X/tii-a^x"^--  oder  ein  Adjektir, 
wie  in  i)di;-/ifiiijg,  o^i-itvftog,  lüfiö-tp^y,  oder  ein  I'ronnin«n, 
wie  in  fB-xveög,  aitö-^ioKog,  öklö'itQOüg.  Dnmelhi-  erscheiiit 
fiirner   teils   in  der  Form  dwt  Htammea  oder  ThemiL-<,  wip  in 


ChrUt:  Ahliängigkeitskomposita  des  Griechischen.  149 

uiir^o-^o^g,  ßadv^divrjg,  fiekay-xccitr^Q,  xw-r^yog,  teils  in  der 
eines  obliquen  Kasus,  wie  in  dioa-doTog^  x^Qüi-doptag^  aXi- 
of«.  Es  liegt  mir  fern,  die  Bedeutung  dieser  letztgenannten 
üoierschiede  für.  die  Unterscheidung  der  Komposita  herab- 
drScken  zu  wollen;  haben  dieselben  doch  das  voraus,  dass 
oe  deutlicher  ab  andere  jedermann  in  die  Augen  springen. 
Auch  hat  sie  nicht  bloss  Brugmann  seiner  Klassifikation  zu 
grande  gelegt,  sondern  auch  schon  die  Sanskritgrammatiker 
äind  bei  der  Aufstellung  von  Possessivkomposita  (Bahuvrihi) 
und  Adverbialkomposita  (Avjajibhava)  wesentlich  von  ihnen 
vugegangen.  Aber  gleichwohl  eignen  sie  sich  nicht  zum 
obersten  Einteilungsgrund.  Denn  einmal  kennzeichnen  sie 
nicht  das  Wesen  des  Kompositums  als  Ganzes,  sondern  be- 
zieh^i  sich  nur  auf  die  Form  des  einen  Teiles ;  sodann  treten 
sie  in  ihrer  Mannigfaltigkeit  nur  bei  einem  Teil  der  Kom- 
posita, den  determinativen,  hervor,  während  bei  den  rektiven 
und  kopulativen  das  erste  Glied  regelmässig  die  Gestalt  des 
Themas  hat;  endlich  ist  auch  die  äussere  Form  vielfach 
täas^hend,  indem  z.  B.  ein  grosser  Teil  der  scheinbaren  Ad- 
verbien und  Präpositionen  erstarrte  Kasus  sind,  teils  Lokative 
ifi^i^  7i£Qi,  nahxiy  xafxalj  vifji),  teils  Genetive  oder  Ab- 
lative {.laQOQy  o^q^lg)^  teils  Instrumentale  (?gp£,  £a),  teils  Ak- 
knsative  (cfyay,  SfAo),  teils  endlich  thematische  Nomina 
(tt,  f^ui). 

Von  grosserer  Bedeutung  ist  der  Kedeteilcharakter  des 
puizen  Kompositums  oder  des  massgebenden  Hauptteiles. 
Danach  unterscheiden  wir  verbale  Komposita,  wie  rtegi-dyiOj 
fy-yodffio,  nlrl-^io^  nominale  Komposita,  wie  iaro-jcedov, 
rofiO^vXa^^  i/ti'loyogj  indeklinable  Komposita,  wie  /rfivrij- 
xoria^  TttQi^TtQO.  Zu  den  verbalen  Kompositen  im  weiteren 
Sinne  stellen  wir  aber  auch  alle  diejenigen  Abhängigkeits- 
komposita, in  denen  die  verbale  Kraft  des  regierenden  Teiles 
noch  lebendig  ist,  in  denen  mit  anderen  Worten  das  regie- 
rende Nomen    die  Bedeutung  eines  Participiums  oder  Infini- 


150         Sittutii)  lirr  fihiliia.-iMnl.  ClasM  komi   (.  Fd-riiar  18!)0. 

tives  hat.  In  lo-äöitog,  tratd-aywyög,  ßov-nl^S  sind  aller- 
lÜDga  die  beiden  Teile  der  Form  nach  Nomina,  aber  der 
regierende  Teil  öoxog,  dyuyog,  irXij^  hat  noch  gitii/.  die  Be- 
deutung eines  Participiums,  und  das.  Thtnaa  dea  regierten 
Teiles  8t«ht  im  Sinne  eine-s  Objektsakkuäativen,  geradeso  gut, 
wie  wenn  Aischylos  Sup))l.  23  taXiög  ex  äofimr  tßav  yoog 
:rßo/TOfi nog  ö^'xet^i  ovv  k6ii{i  das  verbale  Nomen  iigtmofi- 
:iög  mit  dem  Akkusativ  des  Objektes  x*^S  verbindet.  Ich 
nenne  daher  diese  Komposita,  ebenso  wie  Avai-at^tog,  jiyi- 
diifiog  n.  ä.  verbale  Komposita,  indem  ich  sie  run  den  uomi- 
nalen  Äbh'ängigkeitskompositen,  in  denen  der  regierende  Teil 
ein  ausgepri^^tes,  auch  für  sich  vorkommendeüi  Nomen  ist, 
wie  'In/tiJij'fi^,  'Ofiij^fiöaTi^,  unterscheide.  Freilich  fli«9e«D 
die  Grenzen  beider  Arten  von  Ahbängigkeit^kompositen  in- 
einander, und  kann  man  zweifeln,  wohin  man  vofio-9itijg 
oder  jiaiä-olheiea  steilen  soll,  aber  aolclie  Nachlxirgebiete 
finden  sich  tiberall  und  sollten  der  Annahme  der  vorge- 
schlagenen Unterscheidung  aicht  im  Wege  stehen. 

Das  sind  also  die  Unterschiede,  die  in  den  griechisclieo 
Zusammensetzungen  zu  tage  treten,  und  die  in  jeder  Klasüi- 
fikntion  zur  Oeltnng  kommen  mdsseu.  Ans  dem  GeMigt«n 
ist  aber  zugleich  auch  schon  klar  geworden,  daas  das  Ver- 
hältnis der  beiden  Glieder  zu  einander  den  wichtigsten  Ufttet^ 
schied  ausmacht  und  dass  demnach  dieses  in  erster  Lini« 
bestimmend  für  die  Klassifikation  sein  muss.  Gehet)  wir 
von  ihm  ans  und  vermeiden  wir  zugleich  in  einer  allgemaiam 
Theorie  das  (tberuiüsaige  Detail,  sn  empfiehlt  sich  folgende 
Einteilung  und  Benennung: 


Christ:  Äbhänijifikm 


I  ilc%   Gri(chi><c}Kn 


letcrn: 


Dative  K 


ompo: 


f  tin veränderte  Det^nuinatiTkoinpoBita : 

1}  verbale:    sni-Tittijfii,  a^t^äeixeiOf;,  dov^i'Xtrirog, 

r,fit-&yTig,  ;tvy-fiäxog. 
2)  nominale:    ängö-noXig ,^)  neaö-yaia,    :tö(i-odog, 
fni-loyog. 
b)  veränderte  Determinativkomposita : 

1)  mit  einer  undeklinierbaren  Partikel  im  ersten 
Glied:   ä-ttöyatog,  ^ä-xorog,  ayöv-vtipog,  vioäög. 

2)  Possessi vkomposita,  d.  i.  determinative  Komposita 
mit  einem  Adjektiv  oder  stellvertretenden  Nomen 
oder  Ziih  Iwort  im  ersten  Glied :  noi-v  -  edvog, 
fiangö-xsiß,  xqvao-nidiXog,  dl-noig. 

B.  Hektive  oder  Abhängigkeitsknmposita: 
a)  verbale  Abhängigkeitskomposita: 

1)  mit  dem  regierenden  Glied  an  zweiter  Stelle: 
doXo-nXäxag,   nmd-ayioyög,  aiär^QO-liQiiig,   tifi- 

2)  mit  dem  regierenden  Glied  an  erster  Stelle:  i^yi- 
laoi,  il>EQf-nttog,  ze^ipi-fißqoxog,  fiiao-yvvtig. 

nominale  Abhiingigkeit^koin{io:?itii. : 
j^ait^-ova^,    atqaio-ntöov,    tao-!>eog,    jJioa-xuvgoi. 


j-Kopu 


itive  Komposita: 


a)  Bildungen  der  Art  sind  im  tiriecbUcheu  viel  aeltener  als  im 
DMtBchi^ii :  ineiateDH  kommt  tmoh  neben  dem  za^ammeDKeaetzten 
Nomen  nouh  die  lone  Verbindung  dm  Stammes  mit  dem  Adjektiv 
vor.  So  gebraucht  neben  AxQ<Kn>Xit  Homer  :noIi!;  öxe'i  X  3B3,  und 
findet  »ith  nur  Ineclirineii  Mtyäkt)  itäiit  und  Nsa  .-roJis  neben  Miya- 
ISnohg  und  Nroitnihtit,  s.  Meisterhane,  Liramm.  d.  ntt,  Inschr.*  91. 
'Jtßinoiit  und  'ItQÖitoh;  waren  Kwei  weraehiedene  Städte,  wie  mein 
I,  Arcb,  trav.  in  Ana  minor,  p.  14.  reatRestcllt  bat. 
)  Der  Kopulativ kompoäita  sind  im  (Iriechischeu  ao  wenige,  Jiu& 


1 


152        SiUung  der  phtlos.'phUol.  Claase  txnn  1.  Februar  1890, 

II. 

Die  altererbten  Komposita  des  Oriechischen 

Wie  es  die  moderne  Naturwissenschaft  als  ihre  Ai 
ansieht,  die  Gattungen  und  Arten  der  Tiere,  Pflanzen,  1 
nicht  bloss  zu  unterscheiden,  sondern  dieselben  auch  in : 
Werden  und  in  ihren  Uebergängen  zu  erfassen,  so  musa 
die  Linguistik  die  Erscheinungen  der  Sprache  in  ihrem 
den  und  ihrer  Entwicklung  verfolgen;    sie    muss   diese 
so  mehr,    als   sie   es    mit   Schöpfungen   des    Menscheng 
zu  tbun  hat  und  deshalb  in  der  Untersuchung  nie  den  . 
Tischen  Gesichtspunkt  übersehen  darf.    Es  sind  aber  in  um 
Thema   zwei  Wege,   die   zum  Ziele   zu   führen    versprf 
erstens   der   historische,    dass  wir  das  Vorkommen  der 
ungen  geschichtlich  verfolgen  und  mit  chronologischer  E 
heit    die    früher    vorkommenden   Wörter   von   den   sp8 
unterscheiden,  zweitens  der  philosophische,  dass  wir  mit 
ischen  und  psychologischen  Argumenten  den  Gang  der 
Wicklung  bestimmen  und  die  eine  Spracherscheinung  voi 
anderen  ableiten.     Beginnen  wir  mit  dem  ersteren  Wej 
gilt  es  hier  vor  allem  festzusetzen,  welche  Wörter  die 
chische  Sprache    aus  der  vorhellenischen  oder  proethnie 
Periode  herübergenommen  hat.    Denn  auf  solche  Weise  le 
wir  den  Boden  kennen,    auf  dem  die  Griechen   standen, 
sie  mit  eigener  Kraft  in  die  Gestaltung   der  Sprache   ei 
greifen  begannen,  und  auf  solche  Weise  bekommen  wir 
gleich    die  Vorbilder   (Prototypen),    nach    deren    Muster 
neuen  Bildungen    geschaffen    wurden.     Den    Schatz   der 
erbten  Komposita  erschliessen  wir  aber  nach  bekannter 
thode    dadurch,    dass  wir  fragen,   welche  zusammengeset 
Wörter  hat  die  griechische  Sprache  mit  den  anderen  Glie( 
unseres  Sprachstammes,    insbesondere  mit  dem  ältesten, 

man  die  wenigen  anderwärts  unterzubringen  versucht  wird;  vgl 
Meyer,  KZ.  22,  ISff.,  Stolz,  Die  zusammengesetzten  Nomina,  l 


Christ:  Ahhänffigkeitskomposita  des  Griechischen.  153 

SuL«krit  geroein.  Eis  werden  dabei  wohl  manche  Wörter 
kenoskommen,  deren  Uebereinstinimiing  nur  darauf  beruht, 
bas  die  gleiche  Bildungsweise  hier  und  dort  selbständig  zu 
fiekhen  Gebilden  führte;  aber  immerhin  wird  die  Ueberein- 
dmmung  das  proethnische  Alter  wenn  nicht  des  einzelnen 
Wortes,  so  doch  der  ganzen  Klasse  der  Bildungen  bezeugen. 
Indem  ich  also  nach  diesem  Gesichtspunkte  eine  Zusammen - 
^Ilang  der  Komposita ')  zu  geben  versuche,  benütze  ich 
slbstrerstandlich  und  mit  gebührendem  Danke  die  Arbeiten 
BMiDer  Vorgänger,  namentlich  Fick's  Wörterbuch  der  indo- 
gmnaniseben  Sprachen.  Das  Verzeichnis  lege  ich  so  an, 
iasB  ich  gleich  die  verschiedenen  Arten  von  Kompositen  von 
ADander  scheide. 

Determinativkomposita  mit  an: 

afi-^^o-g  und  dfi-ßgoa-io-g  =:  skt.  a-mria-s  und  a-mri-ja-s, 

unsterblich,  lat.  in-mort-ali-s, 
i-ff^no-g  zz:  skt.  a-kshita-Sy  unzerstört;    xXiog  ocptynov  =: 

skt.  ^avas  akshifam. 
C'puno-g   zz:    süt.    a-ffffäta-s,   lat.  i-gnotu-s  für  in-gnotu-s, 

got.  uv'kun^s. 
a-ßofo-^  =  skt.  a-gaia-Sy  un betreten, 
o-^if  und    ä'Ctyo-g   zzz    skt.    a-jug   und    a-juga-s,    lat.    in- 

iugi'S, 
i-fixio-g  zz  skt.  a-väta-s,  nicht  begehrt;  vgl.  lat.  in-eptu-s 

uz  skt.  an-apta-s,  nicht  erreicht. 
or^agaw-g   ans   ov-oQ^io-g    zz:    skt.    an-rta-s,    nicht   richtig, 

lat.  in-ritU'S, 
a-fterig  -zz  skt.  a-twawa«,  kraftlos. 

a'iitxQo-g  zz:  skt.  a-tnätras,  masslos;  vgl.  lat.  in-mensn-s. 
Qt-ayig  =z  skt.  an-ägas  und  an-äghas,  sündenlos. 


1 )  Die  Verba  lawe  ich  beiseite,  da  sie  zum  Special thema  dieses 
m€'inen  Aufsatzes  nicht  onmittelbar  gehören  und  auch  überdies  zu 
weit  abfiihren  würden. 


n<i  der  jihilonri^iiM.  Cliisne  v 

av'tmra-g  =:  akt,  an-afva-s,  ohne  Pferd  seiend. 
ßv-t'dßog  :^  skt.  an-udra-s,  wnsserlos. 
av-v7ivo-i;  ^  skt.  a-svapna-s,  schlaflos,  Int.  in-somui-s. 
av-täyvfAO-g  ^;  akt,  u-näiHnn,   namenlos,   arm.  a-«n»iK«,  I«t. 

ij^otntKi'd  aus  iw-;7«o»itn-to- ') 
d-nov^  zz.  akt.  a-parf,  fusalos. 
fi-noÖEg  (CM.  d  404)  und  dviifiiög  aii»  a-nep'i-ios,  verwandt 

mit  skt.  M«-/irt(,  Enkel,  fem.  ra-p'tt;  lut-.  tifr-poi,  fia«. 

nc-p'li-s,  got.  nt|»;is,  Vetter,  altslav.  ncfyi,  Vetter. 
ywAög  aaa  na-adants,  nicht  Zähne  habend,  verwandt  mit  skt. 

shöda-s,  sechszäbni^. 

DeterminatiTkomposita  mit  anderen  Präfixen: 

äva-fievis  uid  ev-fieytg  =  akt.   dur-manas,   scbicchtgeidniit. 

nnd  su-manus,  gutgesinnt.*) 
ßva-xleftg  und  et-xie/t'i:  ^  xpnd.  rfewÄ-ÄfavaA ,  xchlecbUie- 

leumundet,  «kt.  su-cravaa,  gutbeleii mundet. 

1)  Ich  folge  hier  der  alten,  durch  die  Bedeutung  em^rohlnten 
Annahme,  liuMS  alle  diese  Wflrter  auf  W.  j^iib.  erkennen.  xurAdtKeheii 
und  demniich  näman  nun  gnäman,  Srofia  uua  ö-yvoiia  entHtundtm  irt. 
EinwOnde  gegen  diese  Uerleitung  erhebt  huiijiUüehlich  weifen  der 
elaTixchen  und  irischen  Formen  Windiith,  KZ.  21,  432, 

21  Ich  nehme  dabei  mit  Curtius  Btyiu.'  .S.  376  tiii,  da«»  nicht 
bto«ij  in  der  BedentuDK  gr.  "'  tu  "lit.  «u  stinmit,  HoodcrD  »uch  beide 
((leii'hen  Uriiprung  hiihen,  inJeui  nie  auf  ein  von  der  W ,  t*  (febildeles 
Ä^ielitiv  esA  |vk1  lo-XAi)  in  der  Art  cuiSckgehen.  duM  da»  Sanskrit 
dos  rmluutende  tonloae  e  abgeworfen  (wie  «-nii'a  =  h-fiiv).  Am  (Iiie- 
chisüfae  hingef^en  nach  dem  Ausfall  des  mittleren  a  die  Vokale  e  nnil 
a  koDtmhierl.  hat.  Die  IdenliUlt  hält  neuerdingi  unoh  Zubatjr  KZ. 
31.  Ö4  aufrecht,  wenn  er  aoch  einen  neuen,  komplizierteren  Weg 
der  Erklärung'  einaehlügt.  Dagegeu  -teilt  CoXWU.  KZ,  27,  ISS  bM|it- 
näclilioh  wegen  der  Länge  des  e  iu  iiirar  i/v  und  järor  ^i-*  gr.  ^i 
XU  veiiisch  ^ii,  rQhrig.  Aber  dieaes  ^i>  tSMt  sieh  ale  jun^  BildonfF 
nach  dem  Munter  di^r  Kotui>oaUL  iivyiriia^  ^iwd^ioc,  ^vfii/itOXnt  im* 
schwer  erkliiren,  ennikritischei  e^fu  nbnr  lieni?  im  llriechuicheo  aip, 
nicht  i}v  erwarten. 


Christ:  Äbhängigkeitskamposita  des  Griechischen,  155 

ün'XoXo-q  zu  skt.  dug-Uara-s,  schwer  zu  behandelnd. 

Üü'TiOQO-g  z=z  skt.  dash-para-s^  schwer  überschreitbar. 

Oö-q^oQO'g  =  skt.  dur-bhara-s^  schwer  zu  tragen. 

«r-Jpyo-g  =  skt.  iu-jug^  gut  gejocht. 

it-fTiUo-g  zz:  skt.  sU'phuUa-s^  gut  belaubt. 

\ii^  =1  skt.  svüdü'S^  süss,    lat.  suavi-s^  aus  su-adu-s^  gut 

essbar. 
iuwo^  -=.  skt.  sumna-m^   Glück,   Lobgesang,   aus  su-mana, 

gut  denkend. 
a-Mjifeo-g   für   oa-deX^psiO-g   =:   skt.   sa-garbhja'S^   Bruder, 

eigentlich,  gleichen  Mutterschoss  habend. 
a-lojo-g  für  aa-loxo-g^   gemeinsames  Lager  habend  =  slav. 

sa-logü. 
a^stlot'-g  und  a-na^y  im  ersten  Glied  verwandt  mit  skt.  sa- 

kft^  einmal. 
J-x«ayo-^  zz  skt.  a-fo/äna-«,  der  umlagernde;  s.  Ad.  Kuhn 

KZ.  9,  247,  Fierlinger  KZ.  27,  477. 
i^fii'ß((€tnO'gy  'qfii'^r^'g,  r^^i'XqnO'V^  verwandt  mit  skt.  5ätwi- 

hhukta^s^  halbgegessen,  lat.  semi-mortuurs^  ses-tertiu-s, 

altd.  sami'heil. 
fjf^eo-^,  vielleicht  aus  e-vi-dhevo-s   mit   metrischer  Dehnung 

des    vorgesetzten    e   entstanden,    herrinlos,    ledig,    ver- 
wandt mit  skt.  vi-dhava^  mannlos,  Witwe,  lat.  vi-dua, 

got.  tn-dwfo.  *) 
;r€^-xiUrrd-^  zu  skt.  pari-gruta-s,  ringsgehört,  berühmt,  lat. 

in-eluiU'S,  Part.  pass.  von  W.  Äfw,  hören. 
7r«^'-f^oo-c  a"s  TreQi-OQOfo-gf  skt.  pari-5rat;a-5,  Fluss. 
ini-x^eto-g  zz  skt.  api-hita-s^   zugelegt,  verdeckt,  und  a/ro- 

^n^o-S  izz  skt.  apa-hitOrS^   weggelegt,   verborgen,    lat. 

ano-tiOi'^  =z  skt.  apa-Jüti-s,  Abbüssung. 


1)  Direkt  von  W.   vidh   leitet  tjl&Bog  ab  Brugmann,   Grundr.  II 
1,  136. 


156        SihuMi  der  phil/ia.-iMnl    Ülnair  mm   I.    Frhninr  /SSfl, 

uQÖama   aus  pro~kjö,    vorwärta   li^end,    verwandt   mit  akt. 

präw^,  vorwärts  strebend,  aus  pfw  und  ank. 
rmiaaui    nus    opi-kjö,    fikt,    api-kja-S,    vertjorgi^n,    d.  i.    weß- 

lie^eiid.  M     Da?  erste  Element   stecht  auch  in  o/i-wp« 

und  ö:tia&e,  Ist.  op-ocus,  oc-eipul. 
ntjijvig  ans  /fßo-areg,  önfjvig,  i'jcrj»'»/  verwandt  mit  Int.  jwv- 

nu-8. 
ifdjjv  =  skt,  pr««o-s,  Atem,  entsUinden  aus  pra-aHa-s,  ber- 

vorattiiend.  *) 
ovtl-Si'^a-v^   gleichKebililet    wie  skr,  anti-ijrha-m,   der  Pliti 

vor  dem  Haus. 

PossessivkompositH   mit   einem   Zahlwort   im   ersten 

Glied. 
6i-novg  aus  dvi-pod-s  ^^  i'kt.  ilvi-pad.  Kweifilsaiij.  lat,  bi-pet, 

ags.  ttci-feU. 
Si-/iijtw(f  zx  skt,  dvi-mälnr,  7.wei  Mütter  habend,  lat.  hi-matrr. 
di-xodo-g  =:  ^kt.  dvi-firsha-s,  7.weikUpfi){. 
dj-7iAoCi;  :^  lat.  dti-plu-s  aus  dH-^'oio-s. 
tgl-novg  •=  akt.  Iri-pad,  (ireiftisMif^.  lat.  (ripes  und  tri'pui' 

tum, 
iQi-ntiTio-}'  =    tat.    /ri-noclin-ni,    verwandt  skt.  /ri-rä/#0-W, 

}^eitranm  von  3  Nüchten. 
T«pci-HOf^,   fem,  m/ö-iista  au»   r6re«-.fed(a  ^=  skt.  ptilwsA- 

I^at/,  vierfQfidig,  fem.  foiush-padi,  lat.  quadru-pes. 
ti&ff-ifiiio-r,  verwandt  skt,  fo(Hr-^'M^a-H»,  Vicr|iw(pium. 
öxttö'jiovs  =^  akt.  aehlä-pad,  achtfOiuiig. 

1|  Di«  Rndiiug  von  R^nnoi  und  AhVmai  «ckeiat  die  hJdm  alten 
Instrumentalis  auf  a  »u  sein.  Die  .^snimilation  ton  kl  '"'  '1*^'»  Orifr- 
chiitcheD  ^ni  t^L'IAafig:  vgl.  ^ootar  nun  ^hid»',  ^jnodiu  au»  lyvlaJtu». 
iCbun  desluilb  laise  ich  die  Herleilung  von  /tra-stüt  und  opi-aiiU,  An 
iiiüh  sunaf.  in  lo&Doher  Beiieliung  Htnpfehleti  wQrdo,  Humi^r  Betriebt. 

3)  Aus  dem  Litteiniiiclien  vcrglcidii.'  frru-Jiu-«  —  ikt.  pvi>-bhw-j. 
voiiin  ai'ii'nd,  (iivi-ii^/™  =  »kt.  /T(i-nii;ilrtr. 


Christ:  Ahhatujigkeiiskomjyosita  des  Griechischen.  157 

iTuno^i'TtBdO'yy    verwandt   skt.    gata-pady   himdertfüssig,    lat. 

centi'pes, 
ivaov'XQQvO'C^  verwandt  lat.  centi-cep-s. 
hatOfA-ßij  statt  exarofi-ßoia,  sc.  ^vaia,  verwandt  skt.  gata- 

gu'S,  hundert  Kühe  besitzend,  got.  hunda-fa^s,  Gebieter 

von  Hundert. 

Poasessivkomposita  mit  einem  Nomen  im  ersten  Glied. 

Ei'fimog  =  skt.  su-niäja-s^  gute  Ratschläge  habend. 

rroii-ij^o-v;  =:  skt.  puru-vära-s^  viele  Schätze  habend. 

nQh:'it^yici  aus  TtoXt-d&faeg  =  skt.  puru-dansas^  vielen  Glanz 
habend. 

noiV'ßO'Q  =:  zend.  pouru-gao^  viele  Kühe  habend. 

nolv-avioQ  :zz  zend.  pouru-nära^  viele  Männer  habend. 

jioh'^a&ig,  verwandt  mit  skt.  puru-mantu-s^  viele  Einsicht 
habend. 

cuo-TiatwQ  =1  altpers.  hania-pitar,  gleichen  Vater  hfibend, 
altisl.  sam-fedr. 

*Ei€0'xlf^(;  aus  aeieo-nlefifg,  skt.  satja-gravas,  wahren  Ruhm 
habend.*) 

et^'TiQeiaßv  zz:  skt.  uru-kshaja-s,  weiten  Raum  oder  Herr- 
schaft haben;  verwandt  sind  auch  mehrere  andere  mit 
e-v'ru  gebildete  Komposita,    wie    evQv-ona^   skt.    uru- 


1)  Schwierigkeit  bereitet,  worauf  mich  mein  Freund  E.  Kuhn 
Aofmerksam  machte,  das  e  der  1.  Silbe  im  Griechischen,  wofür  man, 
da  ikt.  a  aus  an  oder  n  sonans  entstand,  ein  a  erwartet.  Ausser- 
dem erregt  Bedenken,  dass  im  Kyprischen  von  heo  gebildet  ist  'Ete- 
^v6oia.  Aber  daneben  kommt  auch  'Eteoddfia  ohne  Digamma  vor 
(i.  Meister.  Gr.  Dial.  II  244  n.  245)  und  lässt  sich  zur  Not  auch 
deto  mit  Ostboff  KZ.  24,  419  auf  eine  Nebenform  hv  aus  setü,  wo- 
roii  hv'fiog,  xaräck führen. 

2)  In  tvQV'XQBlcjv  hat  da»  zweite  Glied  ganz  die  Form  eines 
Part,  act.«  aber  dieses  Participium  gebt  ebenso  wie  das  Nomen  kshäja 
auf  die  W.  kM  'wohnen,  herrschen'  zurück. 


158       Sitzung  der  phäoarphüd.  Clasae  t?om  1,  Februar  1896 

JcaJcshaSy  weitblickende  Augen  habend,  Ev^^] 
skt.  urU'gäja-8^  weitschreitend,  Etov-alo-g^  skl 
ara^  Saatfeld,  eigentlich  weitgedehnt,  coxv-Trer^ 
ägU'PcUvan^  schnellfliegend,  lat.  acci-piter  aus  actfi 
dazu  wKv-nov-g  und  lat.  acu-pediu-s^  was  abca 
dem  griechischen  Worte  künstlich  nachgebildet 

0ilO'xXrjg  aus  q^iXo-xlefifjg  z=.  skt.  prija-gravas,  liebei 
Ruhm,  eigentlich  dilectam  gloriam  habens. 

Kvxl'Wipy   gleich  gebildet  wie  skt.  Jcakra-dfg^  Namen 
Dämon,  eigentlich,  kreisrundes  Gesicht  habend. 

livdqO'iiivrig  =z  skt.   fir-manas,    zend.    nare-mananh^ 
Mannes  Herz  habend. 

alyi-/tov-g  und  alyt-nodifj-g  =z  skt.  aga-pad  und  aga-p 
Geissfüsse  habend. 

fe-xvQO-g  =1  skt.  gva-gura-s  aus  sva-gura-s^  Schwiege: 
.     eigentlich,   Eigenherr,   lat.   so-cer,   so-cru-s^   got 
hra.  1) 

fB'&og  zu  skt.  sva-dhä^  Eigenschaft,  Sitte,  got.  i 
eigentlich,  eigene  Satzung. 

Oeo-doTO-g  z=  skt.  deva-datta-s^  von  Gott  gegeben. 

Jic-yvt]TO'g^  verwandt  mit  äio-TQecpeg^  dio-jcerig  =i  skt. 
gatu-s^  im  Himmel  geboren,  divo-ga-s^  vom  H 
stammend. 

%T]'Xixo-g  und  iq-XUo-g  zz  skt.  fä'dfga-Sy  so  aussehent 
dfga-s,  wie  aassehend,  lat.  ta-li-s  und  qtia'li-s. 

Abhängigkeitskomposita. 

ßoV'HoXo-g  zu  skt.  gö-Jcäraka-s^  Kühe  besorgend,  lat 
bulcU'S,  *) 


1)  Davon  ausgegangen  sind  die  griech.  Komposita  Avro'^ 
avTO'jTQSJti^g,  AvTo-voos,   aus  welchen  dann  erst  diejenigen,  in 
avrog  die  Bedeutung   von   6  airog   hatte,    hervorgegangen   sine 
aifX'fjfiaQ,  avxd-exsg,  avrö-diov,  avto-wxi- 

2)  d(pQ6-s  und  skt.  ahkrä-m^  Wolke,  lat.  im-beVi  wird  von 


Christ:  Ahhängigtceitskomposita  des  Ghiechischen.  159 

i,Trro-7rdAo-5  nz  skt.  a^va-pala-s^  Pferde  besorgend;  vgl. 
ai-TToilog,  lat.  au-bulcus  (s.  Saussure,  Systeme  de  voyelles 
p.   104)  und  opilio  aus  ovi-pilio. 

IhAv^oiri^üfyj  viele  liebend,  verwandt  mit  skt.  puru-spfh^ 
▼ielliebend  und  vielgeliebt. 

noix'dQfia-g  z=z  skt.  puru-dama-s^  Beiwort  der  A^vin,  wel- 
ches das  Petersb.  Wörterb.  mit  *viele  Häuser  habend*, 
Qbersetzt,  wahrscheinlich  aber  geradeso  wie  das  griech. 
Wort  *vielbezwingend'  bedeutete;  vgl.  skt.  arin-dama-s^ 
Feinde  bezwingend. 

BtlXeQO'q^yrrj'gy  verwandt  mit  skt.  Vrira-han^  Feinde  tötend. 

iiii-r-ü'tTig  weitergebildet  aus  a^i-ijd,  was  genau  zu  skt.  um- 
ady  rohes  essend,  stimmt;  s.  Fröhde,  Bezz.  Beitr.  7,231. 

>f^ti^  aus  xh:Qa'fO(fog  -=.  got.  daurä-vard-s^  Thürhüter. 
Dazu  kommen  die  zahlreichen,  unten  Y,  B  3  bespro- 
chenen Beispiele  verbaler  Abhängigkeitskomposita , 
welche  im  Griechischen  und  Sanskrit  das  gleiche  Ver- 
bale auf  -OS  als  zweites  Glied  haben  und  nur  durch 
Verschiedenheit  des  ersten,  das  Objekt  ausdrückenden 
Gliedes  von  einander  abweichen. 
Kfn-avQO'g^  dessen  zweites  Element  mit  skt.  arvan^  Renner, 
sich  deckt,  und  als  Ganzes  nach  Ad.  Kühnes  geistreicher 
Deutung  (KZ.  1,  513)  mit  skt.  gandharva-s,  Namen 
der  göttlichen  Sänger,  identisch  ist.  ^) 


in  GloMar.  sanscrit.  als  Kompoeitum,  ab-hhara  (richtiger  amh-hhara), 
aqnam  gerent,  gefasst.  Dieser  Etymologie  widerspricht  Curtius,  Etym, 
B.  486;  und  allerdings  ist  gleichmOglich  die  Zerlegung  ambfHra  von 
9mbk,  Wasser,  and  Suffix  ra. 

1)  Die  ßedentung  würde  gut  zur  mythologischen  Stellung  der 
Iflttmnren  stimmen;  auch  die  lautlichen  Verhältnisse  machten  keine 
Ibertriebenen  Schwierigkeiten,  man  müsste  nur  annehmen,  dass  die 
('riechen,  um  den  Namen  sich  mundgerechter  zu  machen,  da»  richtige 
Ktr^opgoc  in  KinavQo^  =  xhxoQtg  ummv  umgeformt  haben.  Be- 
<ienkeii  erregt  nur,  dass  die  Etymologie  von  skt.  gandharva  ganz  im 

Dunkel  liegt. 

1«0l  PhfloiL-pklloL  n.  btet  Cl.  2.  U 


tiing  ritr  iihilii»  -philiil,  Clim 

dea-7iÖTt]-g,  fem.  äia-noiva  aus  Öea-Tioifia  wird  i 
gebracht  mit  skt.  däsa-pafnt,  leindlicbe  Däi 
Herreu  babend,  ferner  mit  skt.  dam-pati-s,  Hausherr, 
akt.  sadas-pati-s,  des  Sitzes  Herr,  zend.  äanhu-paiti, 
des  Gaiiea  Herr,  endlich  mit  skt.  gäs-pnli-s.  russ.  t/oa- 
podi,  Haus-  oder  Oeschlechtaherr.  Dit;  letst«  HerleituDg 
hat  Job.  Schmidt  KZ.  25,  15  sn  gestützt,  du^  die 
von  Curtius  Et.*  S.  283  eingewendete  lautliche  L'n- 
müglichkeit  als  g&nzlich  beseitigt  gelten  kann. 

uf/iotrig,  vielleicht  aus  'inno-notTj-g  eotatanden  und  dann 
verwandt  mit  skt.  aivn-pati-s,  Pferdeberr.  Vgl.  lat. 
hospeSs  was  aus  )tosH-pels,  Ga^tbeächUtzer,  eiitstauden  ist. 

iUege-nXfjg  aus  0efe-KXffijg  ■=.  slav.  Beri-slav. 

Kopulative  Komposita; 
öbi-dexa  =:  skt.  dvä-dnf;am,  awei  und  zehn,  lat.  duo-deeim. 
tv-äenu  —   lat.  un-deciiH. ') 

Durehmustem  wir  die  ererbten  Komposita,  so  sehen  wir. 
dass  die  Griechen  aus  der  Grundsprache  fruchtbar*?  Vorbilder 
fQr  Neubildungen  der  verachiedensten  Art  überkommen  hatten. 
Namentlich  war  der  griechischen  Sprache  aus  der  Urzeit  der 
Trieb  zur  Bildung  von  unveränderten  und  veränderten  Kotn* 
posit«n.  und  nicht  bloss  von  präverbialen ,  sondern  aocb 
possesfiiven  und  rektiven  Zusammensetzungen  eingppfluttxt. 
Schwach  vertreten  sind  in  dem  ererbten  Schutz  die  kopu- 
lativen Komposita  und  die  nominalen  Abhängigkeitskomposite, 


1)  ZiiHammengeBetxl  aind  nach  luebrere  jiroelboiacbe  l'n 
wie  O/"''*'  ^1-  ^fff  <""•  A-ofui,  v/itU  äol.  i"^;»,-  aasjH-#mM,  flliereln* 
ttimtnenil  mit  ikt.  a-*ma».  vir,  ju^nta«.  ihr,  und  mit  ilhiiliulim 
rorraen  im  DenUulien,  Litauisohen  und  anderen  Spracbmi;  ebciua 
Sa-tis,  Xa-u,  S'ji  verwandt  mit  skt.  kaf-kil.  wpr  immer,  lat.  jutv-fiw 
a.  u.  AliOT  dieae  ForinHn  wurden  nicht  mehr  al»  KomimiiitA  gsfUUt 
ond  tind  nncli  eluI  inranx  andere  Wi>i«o,  durcli  Zuiiammeiinicken  dra 
4  lind  der  enklitlHi'ben  Partikel  onii'  und  kf  «oUtauduB. 


Christ:  Abhängigkeit shompoaita  des  Griechischen.  161 

«0  das8  es  sich  leicht  erklärt,  wenn  die  Griechen  die  eine 
Art,  die  kopulativen  Komposita,  wieder  so  gut  wie  ganz  auf- 
pben,  die  andere,  die  nominalen  Abhängigkeitskomposita, 
erst  in  verhältnismässig  später  S^eit  zu  reicherer  Entfaltung 
bnchien.  Was  die  Form  der  Bildung  anbelangt,  so  ist 
wichtig,  dass  sich  unter  den  ererbten  Kompositen  keine  Mas- 
kulina nach  der  ersten  Deklination  finden;  auch  die  Stell- 
ung des  regierenden  Gliedes  an  erster  Stelle  war  der  vor- 
griechischen  Periode,  wenn  wir  von  dem  anders  deutbaren 
0tijoxkffi  absehen,  noch  so  gut  wie  unbekannt. 

III. 

Die  Ableitung  der  Zusammensetzungsarten  von 

einander. 

Alle  Komposita  aus  einer  Quelle  abzuleiten,  ist  nicht 
m^lich;  wohl  aber  gibt  es  unter  den  aufgezählten  Arten 
mehrere,  die  aus  inneren  logischen  Gründen  als  Vorbilder 
flir  andere  gelten  können,  und  die  daher  jenen  abgeleiteten 
oder  jüngeren  Bildungen  gegenüber  als  ältere  bezeichnet 
werden  müssen. 

1)  Determinative  Komposita. 

a)  Die  einfachsten  und  deshalb  auch  ältesten  Komposita 
dieser  Klasse  sind  die  unveränderten  präverbialen  Komposita, 
in  denen  ein  Verbum  oder  verbales  Nomen  mit  dem  voraus- 
gehenden ondeklinierten  Präfix  ohne  Aenderung  der  Bedeu- 
tung und  der  Form  zu  einem  Wort  unter  einem  Accent 
lusammengerückt  wurde,  wie  a-y^^irog,  o^-ßqotog\  dgi-dei- 
urog,  er-x^oTog,  dva^aqBOzoqy  dva-tix^^rum,  ne-queo,  nego  aus 
•e  ago. 

b)  Nach  dem  Muster  dieser  unveränderten  präverbialen 

Komposita  sind  die  veränderten  gebildet,  indem  an  die  Stelle 

des   Paiiicipiams    ein    förmliches   Nomen    getreten    ist,    das 

11* 


162        Sitzung  der  phüosrphüol.  Glosse  vom  1,  Februar  1890, 

Ganze  aber  wie  in  den  Musterformen  die  Bedeutun|j 
auch  die  Endung  eines  Adjektivs  angenommen  hat.  1 
gehören  o-^avarog,  a-yijpwg,  vciwfiog,  ev-^emt^g^  ig/-/! 
des  weiteren  auch  di-'7rovg^  ZQi'T^fieQogy  zi&Q-iTtjrov, 

c)  Von  den  veränderten  Präverbialkompositen  wa 
ein  ganz  kleiner  Schritt  zu  den  possessiven  Komp( 
Der  Schritt  war  am  kleinsten  bei  denjenigen  Adjek 
deren  Thema  auch  als  Adverbium  in  Gebrauch  war,  w. 
eV'fieXirjg,  noXv-%qaTrjg,  Dann  wurden  aber  auch  a 
Adjektive,  welche  nicht  für  sich  als  Adverbia  gebr 
wurden,  in  der  gleichen  Stellung  verwendet,  wie  in  , 
ad^evr^g,  dyhx6-Y.aqnog ^  7iaXXi'aq)VQog,  Endlich  überna 
auch  stoffanzeigende  Substantiva  die  gleiche  Funktion 
in  XQvoO'nidih)gy  xuXTLO-oiOfiog^  ^odo-dcmTvi^g,  jueXi^yt], 

d)  direkt  an  No.  a  schliessen   sich    diejenigen  ver 
Komposita   an,   in   denen   an   die  Stelle  des  Adverbiuna 
Nomen   in   der  Bedeutung   und  Form   eines   obliquen  1 
getreten  ist.     Zur  Erklärung  der  Leichtigkeit  des  Ueber( 
ist  daran  zu  erinnern,  dass  viele  Adverbia  und  Präposit; 
von   Haus  aus  erstarrte  Kasus  sind,  wie  X^H^^>   ndXaiy 
avxL,  }(pL.     Den  adverbialen  Kompositen  stehen  deranacl 
nächst  diejenigen,  deren    erstes  Glied   durch  ein  deklini 
Nomen  gebildet  ist,  wie  dovgi'XTtjTogy  /Ii;Aoi-yevijg,  Mtj 
'AccOTrjy    OQeai'Hohrjgy    oXi-ai^g,    dti-netrfi.      Aus   ihnen 
diejenigen    hervorgegangen,    in    denen    das    einfache   Tl 
schon  irgend  einen  Kasus  vertritt,  wie  öaxTvXo-deixzogy  » 
ßaQTjgy  dvBfiO'TQBqyrfi^  ^HQO-öozog, 


1)  Ich  denke,  dass  durch  diese  einfache  stufenweise  Ableiti 
weise  sich  die  Annahme  von  Paul,  Principien  S.^  305,  erk 
wonach  ursprünglich  in  den  Possessivkompositen,  wie  Dickkopf 
dOiovi,  pars  pro  toto  stehen  soll.  Deshalb  bleibt  indes  doch  die 
Bemerkung  des  geistreichen  Gelehrten  S.  87  zu  recht  bestehen, 
in  dem  Worte  Maske  der  gleiche  Bedeutungswechsel  vorkommt 


Chrutt:  Ahhängigkeit/tkompogita  des  Griechischen.  163 

2)  AbhäDgigkeitskomposita. 

a)  Den  Ausgang  dieser  zweiten  Reihe  bilden  diejenigen 
Dfiechien  Komposita,  in  denen  ein  Participium  mit  einem 
nmn^ehenden  Nomen  im  Akkusativ  zu  einem  Worte  ver- 
banden ist,  wie  da%Qv^xiwv y  dXko^q>QOviwv ,  noiXa-Xiyutv 
(Alcm.  27).  Auf  hohes  Alter  haben  freilich  diese  Kompo- 
sita ebenso  wenig  Anspruch  wie  die  übrigen  Zusammensetz- 
ungen mit  einem  Partie  act.,  aber  gleichwohl  muss  von 
ihnen  bei  Erklärung  der  Abhängigkeitskomposita  ausgegangen 
werden. 

b)  Die  nächste  Stelle  nehmen  diejenigen  Abhängigkeits- 
komposita ein,  in  denen  das  erste  Glied  gleichfalls  die  Stelle 
eines  Objektes  einnimmt,  das  zweite  aber  ein  mit  der  Kraft 
eines  Participiums  ausgerüstetes  Yerbalnomen  ist,  wie  noXv- 
tiaQy  aidtino-ßQüigf  xh;iLiO'<p%k6Qog,  lo-donogy  ov-ßcirr^g.  . 

c)  Ans  den  verbalen  Abhängigkeitskömpositen  entwickeln 
flch  die  nominalen :  ganz  nahe  stehen  Komposita  wie  oino- 
fila^^  ^Ofitj^fidoTiS,  da  in  diesen  die  Nomina  q^iXa^  und 
uaazi^  noch  den  Participialbegriff  qwXdtzwv  und  inaarl^wv 
deoüich  erkennen  lassen.  Weiter  entfernen  sich  Komposita 
wie  j^ctv-Qva^f  atoctro-nedov^  vcW'Ozad'fiog,  Im  üebrigen 
hat  diese  Bildungsweise,  welche  im  Deutschen  ausserordent- 
lich an  Terrain  gewann,  im  Qriechischen  nur  spärliche  und 
Tcrfaaltnismäasig  junge  Sprossen  getrieben.  ^) 

d)  Das  Objekt  scheint  in  der  Grundsprache  meist  die 
Stelle  vor  dem  regierenden  Verbum  eingenommen  zu  haben ; 
jedenfalls    empfahl    sich    diese    Stellung    unbedingt    für    die 

iu  Wort  DfsprOnglicb  die  Oesichtsmaske  bezeichnete,  dann  aber  auch 
dcft,  dar  dieselbe  trägt. 

1)  Schröder,  Unterscheidung  der  Redeteile  S.  293  ff.  hat  die 
^mche  auf  den  Kopf  gestellt,  wenn  er  umgekehrt  die  alten,  zum  Teil 
proeihnitchen  Verbalkomposita  von  den  jungen  Nominalkompositen 
hcnoleiten  sucht. 


1 


164        Sitzung  der  phüosrphiM,  Glosse  vom  1.  Februar  1890, 

Komposition ,    da    so    am    Schlüsse    des    zusammengefl 
Wortes  ohne  weiters   die  Bezeichnung  des  Qenus,   Na 
und  Kasus  angebracht  werden  konnte.     Ich  betrachte 
die   verbalen   Abhängigkeitskomposita   mit  dem    regiei 
Qlied    an   erster  Stelle    als   secundäre    Bildungen    gege 
den  unter  No.  b  betrachteten.    Unter  ihnen  haben  wio 
diejenigen,    in  welchen    das   erste  Glied   seine   ursprün 
Form  unverändert  beibehielt,   den  Anspruch   höheren 
und    grösserer   Ursprtinglichkeit,    wie   wenn    wirklich 
argarog,  ixi-dvfiog^  fiev-aixidTjg  an  erster  Stelle  einen 
rativ   enthalten.      Diesen    Kompositen   gegenüber   erscl 
als  kompliciertere   und    daher    auch    als  jüngere  Bildi 
jene,  in  denen  das  erste  Glied  in  einem  Verbalnomen 
oder  einem  Abstraktum  auf  ti  (ai)  besteht,  wie  fiiao'i 
XiTTO'vavgf  ßcoTi'dveiQa,  TeQipi-xogog,  hoai-x&wv.    Wir  d 
daher  von  vornherein    vermuten,   dass   diese   zweite  Ar 
Kompositen   ältere   Muster    zum  Vorbild    hatte.      Bei   < 
mit    schliessendem    o    im    ersten    Glied    hat    bereits   0 
scharfsinnig   nachgewiesen,    dass   sie   nach    dem  Muster 
q^iXo'^Eivog^  q^Xo-^fiBiir^g  u.  ä.   gebildet  sind    und  dass 
letzteren    selbst   ursprünglich  Possessivkoraposita   waren, 
der  Bedeutung  ^geliebte  Qastfreunde  habend*,   'geliebtes 
schmeichelndes  Lächeln  habend'. 

e)  Abgesehen  von  den  Kompositen  mit  qpiAo  im  e 
Glied,  die,  wie  wir  oben  sahen,  ursprünglich  Possessiv! 
posita  waren,  gibt  es  nur  sehr  wenige  und  nur  junge  n 
nale  Abhängigkeitskomposita  mit  dem  regierenden  Glie 
erster  Stelle,  wie  d^io-loyog,  QjieiQo-ya^ogy  lao-S^eog.  Se 
verständlich  sind  dieselben  nach  dem  Muster  der  verl 
gebildet.  Bei  denen  mit  lao  mochte  die  Bildung  auch  d 
das  Vorbild  des  präpositionalen  Kompositums  dvii-d-eog 
günstigt  worden  sein. 


Christ:   Abhängigkeitskomposita  des  Griechischeji.  165 

3)  Präpositionale  Komposita. 

a)  Die  Präpositionen  waren  von  Haus  aus  erstarrte 
Kisus  Ton  Pronominal  wurzeln  mit  der  Bedeutung  von  Ad- 
ferbien,  so  dass  ursprünglich  nsQi  ^herum',  dfiq)i  *um  zwei 
Iieniin',  i^d  'darauf*,  ev  'darin',  tvro  'darunter*  bedeutete. 
Demnach  sind  auch  unter  den  mit  einer  Präposition  begin- 
nenden Kompositen  diejenigen  als  die  ältesten  zu  betrachten, 
in  denen  die  Präposition  im  Sinne  eines  Adverl^ums  mit 
einem  Verbum  oder  Verbalnomen  verbunden  ist,  wie  im- 
ti^h^fUj  ini'&tiov^  dno-ridr^^i^  d/ro-d^erog,  Trgo-yavij^,  avv- 
ti^g,  dfitpi-TTology  aiv-eQyog,  €q)'OQogy  livci-^axogi 

b)  An  die  Stelle  eines  Verbums  oder  verbalen  Nomens 
tritt  ein  reines  Nomen,  und  zwar  zunächst  so,  dass  keine 
Matation  der  Bedeutung  eintritt,  wie  äo-odog^  yLa&'odog^  e^- 
odog^  ini^loyog,  inUqqri^a,  nQO-Xoyog^  ngoa-tonovy  ^^q)i' 
noJUg. 

c)  Die  Teile  der  Zusammensetzung  bleiben  dieselben  wie 
hei  b,  aber  es  tritt  nach  Analogie  der  possessiven  Komposita 
eine  Aenderung  der  Bedeutung  in  der  Art  ein,  dass  das 
Ganze  zu  einem  Adjektivum  wird,  wie  ovfA-ßovXog^  zusammen 
Beratschlagung  habend  ,  at/i  -  qnjjvog ,  zusammenklingende 
Stimme  habend,  fteQi-yhjaaog,  hervorragend  beredte  Zunge 
habend  (Pind.  P.  1,  42),  ovr-dmog  und  avy-y^oizog ,  zu- 
sammen ein  Recht  oder  ein  Lager  habend  (Pind.  P.  1,  2 
und  9,  23),  dfig)i'nedog  oxd^og,  Hdgel  mit  Ebene  zu  beiden 
Seiten  (Pind.  9,  55),  ndg-OiKog,  daneben  sein  Haus  habend, 
mi^ßiogy  dagegen  Gewalt  setzend,  dvTi-^'qv,  nach  vorn  das 
Hom  habend. 

d)  Nach  dem  Muster  der  oben  genannten  Komposita 
werden  Nomina  gebildet,  in  denen  die  Präposition  nicht  mehr 
die  Bedeutung  eines  Adverbiums,  sondern  einer  eigentlichen 
Präposition  hat;  so  dv%i-&eog  zz  o  dvxi  &bov  wv,  iqhtjineQog 
—  0  ini    flfienav   yiyvo^evogy    ixixa-^e    (Hes.  Op.  394)    aus 


106         SiUung  der  phUos.-philnl.  ÜlasKe  vam  I.  Februar  1090. 

fitta-dte  ^=.  tö  ^ueto  ijfiepa*',  zukünftift.')   avti-dvqo»  =  lö 
avtl  9veas  ac.  x'^e^o*!  fru'-vuos  z^  ^  int  vtxjj  ^iJij,  fzetton^ 

e)  In  dem  letzten  Falle  liebte  es  ilas  Griedtiache  se- 
kundäre  Komposita  durch  Anttlgung  eines  besonderen  Ad- 
jektivauffixes  zu  bilden,  wie  tm-ifaläaaw;,  ini-rötfto^,  hti- 
it'akäfiiog,  htt'vixtov  sc,  fiiKog.  Eit-öXiog,  xaia-x!t6i-ios,  ey- 
Xtüniog,  ii.-X6yifdOs,  n^u-äatsiov,  /ißo-oifiiov,  itag-oiinov  sc. 
fiflog,  ^lei-aiyjAiov,  (iv^l■^liv^l^(t^ov,  fiSTWJiiov  (II.  ji  il5,  JT  739), 
Iniyovvidioe  (Piud.  P.  9,  02). 

Wenn  wir  nun  aber  auch  die  Komposita  unter  d  und 
e,  in  denen  die  Präposition  die  Bedeutung  einer  wirkUcben 
Präposition  hat,  für  abgeleitet  und  JQuger  ansehen  mQss«n, 
so  darf  doch  nicht  übersehen  werden,  dass  dieselben  big  in 
die  proethnische  Zeit  hinaufreichen.  Das  beweist  die  Ueber- 
einstimmung  der  griechischen  Bildungen  mit  skt.  atifi-fffha-ni, 
Platz  vor  dem  Hause,  anlor-kasla-s,  innerhalb  der  Hand 
befindlich.  lat.  inter-valium ,  Platz  zwischen  den  Pl&hl«n, 
Inttr-amna ,  fitadt  zwischen  den  Flüssen ,  inter-diu,  Z«l 
während  des  Tages. 

f)  Nach  dem  Muster  der  präpo»itionaleii  Komposita  sind 
vermutlich  auch  die  Zusammensetzungen  mit  utooc,  lltteog  a.  ä. 
entstanden ,  da  fteaä-yaia  so  viel  ist,  wie  ^  h'  ^liai^  yota, 
fiiaavlog  ho  viel  als  7,  h  ftiatii  tüy  äiafiöuuv  avX^,  dx^ 
fiolig  so  viel  als  t'  if  axpy  nöXig.  t'eberhaupt  über  sind 
die  Komposita  mit  einem  Adjelitivum  im  ersten  Glied,  welche 
nicht  possessive  Bedeutung  haben,  sehr  solten  im  (iriechisolim 
und  lassen  i^ieh  alle  als  junge,  nach  anderen  Must«m  ge- 
bildete Formen  nachweisen,     Selbst  im  Deutschen,  wo  diese 


11  Schul««,  KZ,  29.  262  zerlegt  /itt-aiir,    iDttem   er 
Glied  MuiHkritiKheti  iidja.  lieutiuta#e.  findet;  nlior  rov  ilieMm  Wofte 
flnde  i'cb  iui  Griechi«olien  keine  Spur. 


Christ:  Abhänffigkeitskomposita  des  Griechischen,  1^7 

Disse  Yon  Zusammensetzungen  grössere  Verbreitung  gefunden 
bt  überwiegen  die  possessiven  Adjektivkomposita,  zu  denen 
■ach  unserer  obigen  Darlegung  auch  Oraubart,  Dickkopf, 
Ltogbein,  barfuss  u.  ä.  zu  rechnen  sind. 

IV. 
Die  Formbildang  der  Komposita. 

Für  die  Bildung  der  Komposita,  insbesondere  die  Endung, 
den  Zosammenstoss  der  beiden  Teile,  den  Accent  gelten 
mehrere  allgemeine  Gesetze,  die  sich  auf  alle  Komposita  und 
auf  die  yerschiedenen  zur  Zusammensetzung  verwendeten 
Elemente  in  gleicher  Weise  beziehen.  Einige  derselben 
hatten  sich  schon  in  der  Ursprache  festgesetzt,  so  dass  die 
BiUangen  im  Griechischen  die  gleichen  Erscheinungen  wie 
in  den  verwandten  Sprachen  aufweisen;  die  Mehrzahl  aber 
gehört  der  jüngeren  Periode  der  speciell  griechischen  Sprach- 
entwicklung an.  Ich  bin  nicht  so  vermessen,  das  grosse 
<iehiet  dieser  allgemeinen  Regeln  der  Kompositionsbildung 
enchöpfend  behandeln  zu  wollen.  Aber  da  ich  in  dem  spe- 
dellen  Teil  die  Kenntnis  dieser  allgemeinen  Regeln  voraus- 
«etien  moss,  so  habe  ich  es  für  zweckmässig  gehalten,  die- 
selben hier  in  Kürze  zusammenzustellen  und  mit  Beispielen 
in  belegen. 

A.  Endung  der  Komposita. 

In  Bezug  auf  die  Endung  macht  sich  zumeist  der  Unter- 
schied der  unveränderten  und  veränderten  Komposita  geltend. 

1.  Die  unveränderten  Komposita  behalten  auch  in  der 
Form  die  Endung  des  zweiten  Gliedes  bei,  wie  oW-t/v^i^jui, 
o^i^navog^  jteqi-xhjtogy  a'^p&izoq^  dnQO'iioXig,  iatCHnidfj^ 
n^aio-ntdovy  xwX-ia^ßog^  iffevdo'fiavrig,  vav-oza&^og. 

Die  g^ebene  Regel  erstreckt  sich  auch  auf  die  Form 
derjenigen    unveränderten  Komposita,   deren  zweites  Glied  in 


1 


168        Sitzung  der  phHosrphüoh  Glosse  vom  1.  Februar  1890, 
selbständigem    Gebrauch    nicht    mehr    nachweisbar   isi 

Die  wenigen  kopulativen  Komposita  des  Oriechi 
wie  doi'dexa,  7tXov&-vyUia^  unterliegen  derselben  Bestimi 
während  die  betreffenden  Komposita  im  Sanskrit,  wo 
Bildungsweise  zahlreiche  Schösslinge  getrieben  hat,  zwa 
Endungscharakter  des  zweiten  Gliedes  beibehalten,  dem 
aber  in  den  Dual  oder  Plural  setzen. 

2)  Die  veränderten  Komposita,  welchen  fast  aussei 
lieh    die  Stellung  von  Adjektiven   oder   von   solchen    I 
namen,   die  ursprünglich  Adjektive  waren,    eigentümlic 
drücken  diesen  Adjektivcharakter    naturgeroäss   auch   i: 
Endung  aus.    In  Folge  dessen  müssen  sie  meistens,  wie- 
das  zweite  Glied  ein  Neutrum  war,  das  Ganze  aber  dit 
tung  eines  Maskulinums  oder  Femininums  haben  sollte, 
Aenderung  der  Endung  erleiden.    Die  dabei  befolgten  B 
richten  sich  nach  der  Themaform  des  zweiten  Gliedes,  nai 
lieh  danach,  ob  dieselbe  auf  einen  Vokal  oder  einen  K 
nanten,  auf  ein  o  (2.  Dekl.)  oder  ein  a,  rj  (1.  Dekl.)  aus 
dieselben    sind   jedoch   nicht   so   durchgreifend    wie    bei 
Deklination  und  Konjugation,  weil  überhaupt  die  Mach 
Analogie  in  der  Komposition  weniger  gross  war   und    i 
nur  im  geringeren  Grade  Uebereinstimmung  der  Form  e: 
wurde.     Namentlich  herrschte  ein  grosses  Schwanken  ir 
Bildung  der  Feminina,  indem  teils  das  Maskulinum,  nan 
lieh  wenn  das  zweite  Glied    auf  o,    i,    v   endigte,   auch 
Femininum  mitvertrat,  teils  das  Femininum  durch  eine  ei 
Endung   ausgedrückt   wurde,    im   letzteren  Falle   a}>er   i 
eine  einzige  Form    bei  allen   zur  Anwendung   kam,   son 
bald  a  oder  rj,  wie  in    /ivdqofjiida,    Eigwo^aj,    bald  la, 
in  dio7C0iva   aus   ÖBOJioxvia^    KaatidvetQa   aus    Kaariccvi 
^Iq)iy€veia    aus    ^Iq)iyei'eaia  ^    TleqatqiOVBia    aus   neQa€q>ov$ 
bald  ig  gen.  idogf  wie  in  TtaQa-xoiTig,  evnXoxa/^icy  vfiQOfpo^ 
ylaviiW7ugy  bald  endlich  ag  (tag),   gen.  aöog,  wie  in  x^i 


Christ:  ÄlMngigkeitskomposita  des  Griechischen,  169 

aradeg.  Ausserdem  entwickelte  sich  auf  dem  Boden  des 
Griechischen  ein  Unterschied  zwischen  den  sachlichen  Ad- 
jektiTen  auf  0-5,  wie  OfiO'ffteQog^  xQ^-^^^'^^^og,  naXki'atpvQog, 
a^ttvoTog^  und  den  persönlichen  auf  tj-g,  wie  ^evanaTtjg, 
tUrfiTTiOvixrjg^  ev&vfioxfjg,  ü^va^ayo^g.^) 

Die  Regehl  sind  im  einzelnen  folgende: 

a)  Geht  das  Thema  des  zweiten  Teiles  auf  0  aus,  so 
behält  das  adjektivische  Kompositum  jenes  0  bei  und  hängt 
im  Maskulinum  und  Femininum  ein  g,  im  Neutrum  ein  v 
ID.  wie  Q'&avarog^  lo^oxitpavog^  ^dO'dduTvXog^  liq^i-da^og^ 
of/i^icdQcnn^og^  nBiai-atgaTog.  Das  persönliche  Femininum 
lintet  in  der  Regel  auf  a  (f/)  aus,  wie  EvQO-vofHj^  Sav^- 
inmjf  floijV'fii^Xt],  Daneben  kommen  aber  auch  unregel- 
minige  Feminina  auf  ta  und  ig  vor,  wie  ev^v-odeia,  ev- 
nhoKafiig. 

b)  Dieselbe  Regel  gilt,  von  der  Bildung  des  Neutrums 
abgesehen,  fQr  die  Themata  auf  1,  v,  ov,  wie  ykarx-tojcig, 
uilctV'aiyig  y  Ev-7ioXig,  7ioXv'daY.qvg  ^  xaXXi'mjxvgf  ev-ßovg. 
Von  den  Kompositen  mit  ßovg  gibt  es  auch  eine  abgekürzte, 
in  die  Analogie  der  0  Stämme  übertretende  Form,  wie  noXv- 
Sog  and  kxavo^'ßf]  seil.  &vaia,  denen  sich  das  ähnlich  ver- 
kürzte MiXaii'TTog  aus  ^eXav  und  7[ovg  zur  Seite  stellt.  In 
Folge  der  Häufigkeit  der  Endung  rrjg  bei  persönlichen  Ad- 
jektiven trat  tig  in  trjg  über  in  dyxvXo'^r^ttjg  H.,  ßa&v- 
lij[€a  (Find.  N  3,  53),*)  dca/rorryg. 

c)  Die  Themata  auf  a   {rj)   bilden   in    doppelter  Weise 


1)  Ganz  ausnahmsweise  werden  Komposita  auf  17-?  auch  von 
Kkhtpenonen  gebraucht,  wie  ßa&vQQeizfjg  sc.  dneearög  IL  0  195, 
mmgöag  sc.  'Afiog  Eur.  Bacch.  668,  igixXdyxxtjg  sc.  y^  Find.  P.  12, 
21.  /foi^xan^f  sc.  di^QOfißoi  Find.  Ol.  13,  19. 

2)  Die  genannten  Formen  können  nicht  angezweifelt  werden; 
dagegen  hat  Nauck  Hom.  A  540  doXö/it^it,  v  293  jioixiX6/ifju,  A  482. 
7  Ifö.  fi  168,  X  115.  202.  281  xoixMfirjuv  mit  Recht  statt  der  über- 
liefcften  Formen  auf  trjs  hergestellt. 


170         Siltunn  der  i>Moi.;JiM.  Ctas^t  rom  I.  Ffbruar   IHäO. 

Kumpositu,  indem  sie  entweder  nach  dem  Vorbild  der  The- 
mata auf  o  dae  a  in  o  verwandeln,  wie  av-avdo(;,  ä-3iKog, 
Bv-fiovi-og,  .toixdä-^eiQoi;,  ^egi-vtxog,  <f<drj-fiovaog,  igi-i^fu^og, 
%aQaii-xä([ätOf;,  oder  das  lan^e  u  |i/)  beibehalten  und  durch 
Anfügung  von  g  Maskulina  nacb  der  I,  Deld.  bilden,  wie 
tvnv-ßiag,  ev^v-tpa^tgas.  %aXito-(nTQag,  j^gvao-xofiijg,  agyigo- 
divtig,  7iaga~Koiii^g,  ftsf-aixfiijg,  l4va§-ay6^s,  Vo-ayopog. 
Die  Komposita  der  letzteren  Art  haben  das  Uepriige  vun 
persönlichen  Adjektiven  »xler  Eigennamen  und  entwickeln 
demnach  aiicli  häutig  aus  sich  eine  eigene  Form  f&r  das 
Femininum.  Ein  unregelraossig  gebildetes  Femininum  ist 
ö-xottig,  gleichsam  ab  oh  dasselbe  direkt  vom  Stamme  "' 
gebildet  und  nicht  znuächat  aus  ö  und  xo/tt/  durch  Zu^ammeu- 
sct/ung  entstanden  sei. 

d)  Schliesst  das  Thema  auf  e^,  wie  bei  den  NeutrJ»  auf 
og  nach  der  3.  Dek!..  so  wird  jenes  tg  im  Nominati»  dee 
Musk.  und  Fem.  in  r;;;  verwandelt,  wie  in  ei-ftet^g,  dft'- 
ßtA^g,  dio-y€vr^g,  lo-etdijg,  t)di-£7r»jt:,  nsya-aöeviig,  dtxa-et^y 
ravt-fiijdrig,  'lao-Ttgdtijg,  Eigv-oäxifi, ' Hqa-xMijg.  Eine  eigene 
Form  für  das  persönliche  Femininum  hat  sich  herausgebildet 
in  Tdito-yivtta  aus  Tqno-yevEa-iei,  'l<pi-yiveia,  rjf}t-yivua, 
ijdv-hteio,  a^tt-iiiBia,  ft'pt-xJUiu,  nav-oKeia.  Bei  einigen 
von  xlifog  gebildeten  Eigennamen  ist  nach  dem  Ausfall  'de>t 
mittleren  Üigamma  xUijg  zu  xKfjs  kontrahlrt  und  dann  Dach 
dem  Muster  der  Eigennamen  auf  o-g  zu  ttXo-g  verstflnim^ 
worden,  vrie  nötqo-yXog,  (l>iQe-*ltig,  Jöffv-KKog,  Ti^iU-xiUil;, 
"■tft<pi-xh}g,  n^ö-xkog. 

Diese  Komposita  auf  i^g  von  Neutri»  auf  og,  über  di« 
wir  in  letzter  Zeit  eine  treffliL-hu  Monographie  von  liion 
('Hrnientier,  Les  subatantifs  et  le«  adjectifs  en  es  dans  U 
langue  d'Boinere  et  d'Hettiotle,  l'aris  Iß^l4,  erhalten  haben, 
sind  uralt,  und  mehrere  derselben  bähen  ihr  vnlUtäniligiM 
Ebenbild  im  Sanskrit,  wie  ei-fievtig  von  ftivog  ^  »kt.  «*- 
Mdflö.«  von    mutids,    'liieo'xlifijg    von    r.kifog   -l   skt.  sa^fO- 


Christ:  Äbhängigkeitakomposita  des  Griechischen,  171 

^rd9  von  gravas.  Im  Sanskrit,  wo  die  Verschiedenheit  der 
Aassprache  des  Grandvokals  a  geringer  war  und  keinen  Aus- 
druck in  der  Schrift  gefunden  hat,  erklärt  sich  die  Endung 
dieser  Komposita  leicht,  indem  äs  aus  as  -|-  Nominativzeichen 
«,  wie  ncttriQ  aus  /rare^-j-S)  ^^  ^©r  Art  entstanden  ist,  dass 
nach  Wegfall  des  einen  s  Kompensation  durch  Verlängerung 
des  vorausgehenden  Vokals  eintrat.  ^)  Das  Griechische  be- 
reitet insofeme  Schwierigkeit,  als  in  ihm  das  Neutrum  im 
Nominativ  auf  og  nicht  eg  ausgeht.  Aber  auch  auf  die  Ge- 
fahr hin,  einer  Ketzerei  beschuldigt  zu  werden,  spreche  ich 
die  Vermutung  aus,  dass  auch  im  Griechischen  die  Neutra 
ursprOnglich  auf  es  ausgingen,  und  dass  in  der  Komposition 
äeh  der  helle  Laut  e,  weil  durch  den  Accent  geschützt, 
erhielt,  in  den  Simplicia  aber  in  Folge  der  Tieftonigkeit 
in  dumpfes  o  Qberging,  wie  in  ähnlicher  Weise  j;  in  Folge 
Ton  Accententziehung   zu  w  ward   in  fX)''q)qu)v,   ofiO-yaorioQ^ 

Die  adjektivischen  Komposita  auf  j;^  waren  so  häufig, 
diss,  durch  ihre  Kraft  angezogen,  auch  einige  von  Substan- 
tiTeu  auf  fj  gebildete  Adjektiva  mit  neutraler  Bedeutung  aus 
der  1  Dekl.  in  die  3.  übertraten.  Die  bekanntesten  Beispiele 
sind  ti'Tvxfls   nnd  dva-tvjirfi  von    tvxi^;    ihnen    reihen   sich 

1)  Ich  weiM  wohl,  dass  ich  mit  dieser  Deutung  von  der  jetzt 
f erbreiteten  Meinung  abweiche;  aber  der  Satz  'mehrsilbige  s-Stämme 
Inkleien  den  Nominativ  mit  Dehnung'  spricht  nur  die  Thatsache  aus, 
erkUrt  nichts. 

2)  Ich  nehme  nämlich  zwei,  wohl  ursprünglich  auch  durch  den 
Laot  ontertchiedene  o  an,  unser  kurzes,  barytones  o,  dem  im  Sanskrit 

aa  a  entspricht,  wie  yivog  =  tkt.  gdnas,  und  das  volltonige,  durch 
VokaUteigerung  aus  e  entstandene  o,  dem  im  Sanskrit  ein  ä  gegen- 

ttbersteht,  wie  yha,  yiyova  =  skt.  ganas,  gag  ana.  Ebenso  hat  man 
<Unn  aber  auch  zwischen  betontem  und  unbetontem  e  zu  unter- 
scheiden, so  dass  in  fteveog  das  erste  (volle)  und  zweite  (reducierte)  c 
aii  wesentlich  verschiedene  Laute  anzusehen  sind. 


172        Sitzung  der  phitosrphüol.  Classe  vom  1,  Februar  1890. 

an   ev-q>vrig   von   yvtj,    a-Xridr^g   von    Xrj&rj,    ev-q^oadi^i 
q>Qadrjj  ev^naXT^g  und  lao-naXi^g  von  ndXrj, 

e)  Von  den  Nomen  auf  tjq  (Thema  eq)  werden  a^j 
vische  Komposita  in  doppelter  Weise  gebildet,  entweder  ( 
Umwandlung  der  Endung  tjq  in  ojq,  wie  oy-ijVw^,  f 
tjvojQ,  ^ij^'fjviOQ,  liTteO'di'iOQy  livc-r^vioQy  JBia-rjvwqy 
dvwQ,  ofiO-ydorwQ,  OfiO-naTWQ,  Ei-ndtWQy  dva'fii^rcDQ,  j 
juriTWQ,  oder  durch  Uebertritt  in  die  Klasse  der  o  Stä 
wie  noXv-avdQog ,  Xeiip-avdQog ,  TiQTr-avdQog,  Avo-cn 
Koaa-avdQog,  Eine  besondere  Form  für  das  Femininun 
sich  entwickelt  in  xvdi^dveiQa  für  xvdt-aycß-m,  ßioti-dt 
ev-TiaTiQeta,   KaoTi-dveiQay  KaaO'dvÖQa, 

In  ähnlicher  Weise  ging  das  17  oder  a  des  einff 
Nomen  in  w  über,  wie  in  ßaQV'q)Q(jJv,  d-fpQwVy  Bv-(pQ(xn 
(pQTiVy  di'Y.iQwg  von  ^egag,  d-yrlQwg  und  ßadv-yriowg 
Y^Qcig. 

Die  Umwandlung  des  7^  in  cc;  hängt  wohl  gleicl 
mit  dem  musikalischen  Accent  zusammen,  indem  die 
tonung  der  Endung  in  nazi^Q,  dvijg,  (pqrqv  den  hellen 
hohen  Vokal  schützte,  die  Tieftonigkeit  aber  die  Verdu 
ung  zu  (o  begünstigte. 

f)  Die  übrigen  auf  einen  Konsonanten  endigenden 
minalthemata    hängen    teils    zur  Bildung  von    adjektivis* 
Kompositen    ein    s    im    Nominativ    au    das   Thema    an, 
XQVoo-nrjhj^,    ^av&o-tQi^,    et-iiaig   statt   ev-naid-g^    di-j 
statt  di-Tiod-g,  aidyjQO'TenTwv  statt  aidtiQO-TBuzov'gy  igi-a 
statt  CQi-avxev-g^  teils  gehen  sie  in  die  Klasse  der  Komp< 
der   2.  Dekl.  über.     Im  letzteren    Falle   fügen    sie   entw 
das  og  einfach  an  das  Thema  an,   wie    nolv-dginaTog^    (p 
XQTjfiaTogy   f40V'6iiif4avogy    no'kv-avxevogy    oder  sie  kürzen 
verstümmeln  zuvor  die  ursprüngliche  Endung,  wie  Bv-wvt 
von  ovvfJiaTy  xQ^'^o-OTOfiog  von  otofiavy  a-neiQog  von  7fc?| 
ßay^V'XeifAog  von  Xeiixiov.     Einige  der  Nomina   auf  fjiti  c 
^a  ziehen  den  Uebergang   in    die  Klasse  der   Adjektiva 


Christ:  Abhängigkeüshompointa  des  Griechischen.  173 

ptn   For,    wie    nokv-TtQdyiniov,    ngano-Tti^fKov ,    OfiO'yvwfAwVy 

Die  possessiven  und  rektiven  Komposita  entbehren  so 
k  der  R^el  eines  eigenen  Adjektivsuffixes,  in  Folge  dessen 
km  mit  einem  Adjektivsuffix  gebildeten  Simplex  dUaiog 
in  dem  Kompositum  ädixog  eine  einfachere  Form  gegen- 
äberateht.  Nur  die  Komposita  mit  vorausgehender  Prä- 
position haben  in  der  Regel  die  secundäre  Form  log  oder 
qtog^  wie  ini-d'aldooiogy  eiv-aXiog^  nt.ata^xd'oviog^  ik-Xoyifiog. 
Za  diesen  gesellen  sich  dann  noch  von  den  übrigen  Arten 
ia  Komposita  die  vereinzelten  Beispiele  d-xtjQiog  von  xif^, 
crr-tf^^/iiO$  von  aQÖ'^ogy  OfiO'fcdtQiog  und  ofiO-fii^TQiog  von 
mniQf  und  aiT|Ti;^,  ^fÄi'fivalov  von  fivS,  Die  Wörter  noXv- 
a^ioq,  nav-CLx^Xiogy  nocv-oXßiogy  nav-vvxiog  haben  nicht  erst 
m  der  Komposition  ein  Adjektivsuffix  angenommen,  sondern 
nnd  aus  einem  Adjektiv  und  einem  adverbialen  Bestimmungs- 
wort zusammengesetzt.  Auch  zu  ßa^-divifiig  gibt  es  ein 
Simplex  divrieig  und  zu  vipiTrerrjeig  lässt  sich  ein  solches 
fonussetzen. 

B.  Zasammenstoss  der  Glieder   eines   Kompositums. 

In  diesem  Kapitel  sind  zwei  Dinge  zu  erörtern,  erstens 
die  Endung,  thematische  oder  flektierte,  welche  dem  ersten 
Glied  zukommt,  zweitens  die  Lautveräuderung,  welche  der 
Zasammenstoss  der  beiden  Glieder  mit  sich  bringt. 

1.  Endung  des  ersten  Gliedes. 

a)  Das  Kasus-,  Genus-  und  Numerusverhältnis,  in  dem 
im  Kompositum  steht,  wird  nur  an  dem  Schlüsse  des  Kom- 
positums  oder  nur  an  dem  zweiten  Glied  ausgedrückt.  In 
Folge  dessen  entbehrt  das  erste  Glied,  wenn  es  ein  Adjektiv 
ist,  regelmässig  des  Kasus-  und  Genuszeichens.  Die  Regel, 
welche  f&r  alle  arischen  Sprachen  gilt,  hat  ihren  natürlichen 
tirand  darin,  dass  das  nominative  s  eigentlich  die  Bedeutung 


174        Sitzung  der  phUosrphild.  Classe  vom  1.  Februar  1890 

eines  nachgesetzten  Pronomens  oder  Artikels  hat,  den 
zu    setzen    gentigte.      Man   sagte    also   in    der    Komp 
ILieyd'^vfio-g^    grossen  Mut   er,    statt   fiiya^g    &vf46'gf 
7tov'(;  statt  cJxt-g  /rot-g,  f4el6f4''7ie7clo'g  statt  fiihx-q  ni 
lao-rredO'V  statt   lao-v  ftido-v,   EvQv-dixrj  statt  evQeUii 

Ausnahmen  von  der  Kegel  bilden  nur  wenige  a 
Komposita  d.  i.  Juxtakomposita,  in  denen  die  selba 
deklinierten  Wörter  nur  äusserlich  in  ein  Wort  zusai 
geschrieben  sind,  wie  oa-Tig,  gen.  ov-vivog,  ro-t;-ro, 
la-t-ra,  lat.  unius-cuius-que,  iuris-iurandi, 

b)  Bei  den  Abhangigkeitskompositen,  in  denen  du 
Glied  zu  dem  anderen  in  einem  Kasusverhältnis  steht 
dieses  Kasusverhältnis  nicht  ausgedrückt,  wenn  das  regii 
Glied  die  erste  Stelle  einnimmt,  wie  in  l^yi-hxog,  A\ 
dQog,  ßtüTi-dvetgay  Xvai-fAekrig^  ebenso  nicht,  wenn  dt 
gierte  Glied  die  Bedeutung  eines  Objektsakkusatives  ha 
in  Xoyo-yQacpog,  dogv-q^ogog,  Tvaid-aytjyog,  oanBO-nako^ 
vixpy  (pcjo-q^ogog.  Dass  so  das  Thema  in  der  Kompc 
die  Stelle  eines  Akkusatives  vertritt,  rührt  wohl  aus  de 
her,  wo  das  Objektsverhältnis,  dieses  einfachste  aller 
Verhältnisse,  noch  nicht  noth wendig  durch  ein  besor 
Kasussuffix  ausgedrückt  werden  musste. 

Ganz  vereinzelt  stehen  die  wenigen  Komposita,  in  d 
wenigstens  scheinbar,  das  erste  Glied  im  Akkusativ  stc 
nämlich  diKao-ziology  richtiger  von  Leo  Mejer,  Got.  Spr 
in  öixa-a7r6Xog  zerlegt,  fxoyoo-toiaog  sc.  ElkeiO-vea^  wai 
fAoyeO'TOKog  durch  Vokalassimilation  verunstaltet  ist,*)  d% 
q^Qwv,  frei  nach  dem  Vorbild  von  draXd  q>Qovi(x)v  geb 
7iodd'VinTQOv  und  7t[oda'Vi7ixr^qj  die  eher  in  7ioö'd'VUi 
und  7roä-a'Vi7itrfi  zu  zerlegen  sind,  endlich  die  späten  V 

1)  Vgl.  0.  Neckelf  De  nominibus  ^raecis  compositis,  qx 
pars  prior  casuum  tbrmas  continet,  Diss.,  Lips.  1882. 

2)  Fick,  Wörterb.  I*  168,  wagt  die  Annahme,  dase  fioyoi 
bale  Kratl  habe  und  'fördernd*   bedeute. 


ChrUt:  Abhängigkeitskamposita  des  Griechischen.  175 

hädungen  vony-ex^vtaig  (Plato),  d^qiOQea-cpoQecj  (Pollux), 
fißha-yQüipog  (Variante  für  das  richtige  ßißXioyQdq>og)^ 
IlaiJia-Jiiywv  bei  Alkman  fr.  27:  TlolXakiyiov  owpCavdqi^ 
ftraixl  di  TlaaixdQffl,  Uebrigens  darf  nicht  verschwiegen 
»erden,  dass  im  Sanskrit  und  Zend  ziemh'ch  häufig  das  erste 
Glied  die  Endung  des  Äkkusatives  hat,  wie  skt.  arin-dama-s^ 
Feindbezwinger,  puran-dara-s^  Stadtzerstörer,  vipag-lcit^  Lieder 
kennend,  zend.  awaa-dana^  Wasser  gebend. 

c)  Hat  das  erste  Glied  die  syntaktische  Bedeutung  eines 
anderen  Kasus,  so  hat  es  gleichfalls  in  der  Regel  die  ein- 
hche  Form  des  Themas,  wie  in  x^eo-öfiorog,  QeO'dcjqog^ 
doxTt'ilo-dc/XTog,  ^iTVTrO'Vixog,  ^Xnd-d'oogf  doQV'XTrjTog,  ^eXi- 
x^i^-roy,  yav-^dxog,  nty-ficxog,  X^Q'^^^^Sj  OQBG-yii^og,  noö- 
i^Tfi,  Aber  in  mehreren  alten  Kompositen  dieser  Art  er- 
scheint dais  erste  Glied ,  indem  die  Komposition  noch  die 
äiafe  der  Juxtaposition  an  sich  trägt,  in  der  betreffenden 
Kasuäform :  so  in  dioa-dorog,  ^),  ^Jioo-xovqoi,  dloo-vdvij,  *) 
{fütPOO'OVQogy  ^lyoO'TtozafAoi,  Kvvoa-ovQay  vewa-oixogy  üelQ- 
TOF-wjaog ;  *)  dki-a'qgy  wxTi-noXog,  bdoi-noqog,  x^f^^^'^^^^'^^fit 

1)  So  auch  Atö^otoi  aus  Aioodotog  auf  bflotischen  Inschriften  bei 
Collitz,  Oriech.  Dialektinschr.  I,  556,  20  u.  700, 9.  Danach  sind  missver- 
itindlich  gebildet  dida-Sorog  Hes.  op.  320.  Find.  P.  5,  132  und  fr.  42, 
ho^cfTos,  dfoCoTfoc,  ßio^oxa  auf  böotischen  Inschriften  (Belege  in  Col- 
iiU,  DialektiüBchr.  Index  und  bei  Meister,  Gr.  Dial.  I,  264).  Vielleicht 
ist  aach  "dioipatov  und  BBOstooyxdg  aus  falschem  ^eoo-tpaxov  und  Bsoö- 
3^To^,  wie  &eajiig  aus  ^eo-acTtig  und  ^saxsXog  aus  ^eo-oexeXog  ver- 
•iümmelt;  vergleiche  einsilbiges  ^e6g  bei  Find.  F.  I,  56  und  die  von 
Bergk  dort  angeführten  inschriftlichen  Formen  ßedwQog,  Gezifiog, 
^iftmunos,  woftlr  die  Belege  bei  Collitz. 

2)  Die  Zerlegung  von  äXacvdvtj  in  dXoo  -j-  vdvrj  (von  udan,  Wasser) 
Int  sein  Analogon  an  skt.  kshödas-udna,  Stromeswelle.  Der  geistvollen 
£rkläni]ig  von  G.  Curlius,  Etym.^  654,  dass  das  Wort  in  dXoavdvij  zu 
Kriegen  und  das  zweite  Element  auf  W.  su,  wovon  viög  und  got. 
tunu*  ttammeo,  zurückzuführen  sei,  stehen  lautliche  Bedenken  entgegen. 

3)  Wenn  anders  das  Wort  auf  neXojiog-yijaog  und  nicht  auf 
nüMto-cwiaog  zurückzuführen  ist.    Ein  erstarrter  Genetiv  steckt  auch 

ISO.  PkOoc-philoL  o.  birt.  Cl.    2.  j2 


\ 


176        Sitzung  der  pMos.-phüol.  Glosse  vom  1.  Februar  1890. 

TtaXai-qxxTogy  üvkoi-ysyi^g,  oQei'ßdrrjg  für  OQeO'i'ßcctfjg;  i 
xzrjTog^  dovQi'dlcjTog  ^  nvQi'xavoTog,  liqrji-fpaxog  ^  J 
(piXog^  XeQOi'idfAag ;  MrjdeGi'ndoTi]  ^  vavai'xXvTogy  N 
xda,  vccvoi'qiOQTjTog^^)  OQeoi'HOiTrjg ,  OQeai'TQoqiog ,  ij 
fjiiüQog,  Teixeai-TTXrjTfjg y  ^Icpi-ödfiag.  Ein  Kasus,  und 
ein  alter  Instrumentalis  auf  3,  steckt  wohl  auch  in  j 
qnxTog,  liX^d-y^oog,  vielleicht  auch  ein  Lokativ  oder  ! 
in  xaai'yvrjTov,  dXxi'q)Qa)v,  l^Xm-^idaiv. 

d)  Vielfach,  namentlich  wenn  das  erste  Glied  mit  c 
Konsonanten  schloss,  trat  das  Kompositum  in  die  Klas» 
o-Komposita   über,   indem  entweder  dem  schliessenden 
sonanten  ein  o  angehängt  wurde,  wie    in  d^r^Q'O-y.Tovogi 
dq^O'XTOvog^  Mrfcq-o-dwQog^^)    dgaKovr-o-ysyi^gj   x^'Q'^'ß 
xvv-O'QaloTTjg ,    ogvid'-o-&rjQag,    fAaaziy-O'q^oQog,    eXm-o 
(paQog,    f^ekav'O'OToXog  ^   ^EXXav-o-öl'nai ,    aaqyi-0'q>ayogy 
o-xrovoc:,   oder   geradezu   der    Schlussvokal  des  Themas 
die  Suffixe   on,    at  in  o  übergingen,   wie   in  ^Hgo-dorog 
'Hga ,    \pvxo-7ro^n6g    von    xlwxTp    d^vgo-xoTvog    von    l 
fdOvoo-vroXog  von  fAOvaa,  y^&rjvO'diogog  von  l4&rivij^  a/rt 
Xoyog    von     OJFeQfAaz ,    dxuo-deTov    von    ox^/wv,    x£0-x( 
neben    ^^lov-O'xgavov.^)     Der   letzteren    Kategorie    verw 
sind    die    zahlreichen   Komposita,    in    denen    die  aus   ei 
Vokal    und    einem   Konsonanten    bestehende  Endung   in 
einfaches   o    übertrat.     Das  war   regelmässig,    wenigstem 
der    nachhomerischen  Zeit,    bei    den   Kompositen    mit    ei 
Neutrum  auf  og  der  Fall,  wie   in    Gxevo-(p6Qog    von    axi 

in  nneo-ßvg    dor.    noeX-yrg ,    der    zuvor    geborene;    mit  nQfg  ist  aj 
nahe  verwandt. 

1)  Verstandlos  ist  die  Phrase  vavoijio/tuiog  avga  bei  Eur.  Pt 
1712,  welche  zeigt,  dass  Kuripides  keine  Vorstellung  mehr  von 
Kraft  der  Dativendung  ot  hatte.  Auch  vavaioiorov  vßoiv  bei  Pi 
P.  1.  72  beruht  auf  unklarer  Vorstellung. 

2)  Der  Analogie  dieser  Wörter  folgte  auch  vdoo-gogog. 

3)  Vgl.  liiugmann,  Morph,  ünt.  2,  280  ff. 


Christ:  Abhang igkeüskümposita  des  Oriechiachen,  177 

m^o-'giOifog  von  av&og,  ino-noiog  von  enog^  xh^o-oxoog  von 
^og;  des  weiteren  aber  auch  in  xQBO-q^yog  von  x^ca^, 
Plfo-'XQoq^og  von  >^^^^9  aldo-fpqttiv  von  acdciig,  ^noXko-diüQog 
TOD  ^jiokXiap.  Vereinzelt  steht  die  Bildung  hiatowa-xd- 
forog,  die  Pindar  P.  1,  16  dem  Metrum  zulieb  nach  der 
Analogie  von  /remjxoyT-e^erjuog,  Tgiaxorra-nedog  u.  ä.  wagte. 
Za  dem  Vielerlei  der  Bildung  gab  den  Hauptanstoss  die  Ab- 
neigung gegen  harte  Konsonantenverbindungen;  es  wirkte 
aber  auch  die  Analogie  des  zweiten  Gliedes  der  Komposita 
mit»  wiewohl  dort  das  Verhältnis  etwas  verschieden  war,  in- 
dem die  Bedingungen  des  Wortschlusses  und  der  Genusbe- 
leichnung  im  Wortende  notwendig  mancherlei  ümgestalt- 
ragen  hervorriefen  und  rechtfertigten.  Es  wäre  eine  lohnende 
Aufgabe,  das  Umsichgreifen  dieser  Formen  mit  unechtem  o 
lätlich  zu  verfolgen  und  den  Bedingungen  nachzugehen, 
welche  ihre  Bildung  begünstigten. 

e)  Selbstverständlich  erlitt  das  erste  Element  keine  Um- 
gcstaltang  oder  Erweiterung,  wenn  es  in  einem  Indeklinabile 
bestund,  wie  in  av-ayvog^  vr^noivog,  öi'Tiovg,  oQi-öeUerogy 
ffi-atTnjy,  dya-iiXerjg,  nakiV'dyQBVog,  övo-xlei^g,  iTci-zgiTog, 
lifC^yt-ijg,  jrqo-qKtvrfi^  df4q>i'XQavog ^  dtQ'7ivQog,  t^d-d^eog, 
i^i-fiOxh^g^  ixpi-xdqr^vog,  TJj^-yavijg. 

2)  Lautliche  Gestaltungen  im  Zusammenstoss 
der  Glieder. 

a)  Die  Glieder  erlitten  in  der  Regel  keine  lautlichen 
Veränderungen,  wenn  die  Verbindung  des  Auslautes  des 
ersten  und  des  Anlautes  des  zweiten  Elementes  keiner  Schwie- 
rigkeit begegnete,  namentlich  also,  wenn  das  eine  mit  einem 
Vokal  schloss  und  das  andere  mit  einem  Konsonanten  anfing 
oder  umgekehrt,  wie  in  fAeyd-dv^og^  d^io-ö^dvaxog^  xavrj-ipOQog^ 
ßa^'-ßQouogy  ij^ii-^eog,  vav-xQaQog,  ßov~x6kog,  ^ekav-avyrfif 
iti^h^yga^  !€od'dgxijg^  naiö-ayioyog.  Auch  nur  eine  leichte 
Akkommodation  trat  ein,  wenn  zwei  Konsonanten,  von  de* 

12* 


178       Sitzuftg  der  phüosrphilol.  CliMse  vom  1,  Februar  189i 

der  erste  ein  Nasal  war,   zusammenstiessen,  wie   in   \ 
7tedog,  eyLatoy-xBiQ^  fcaUy^xoTog^  ^tka^-nercXog^  ^tka^ 

b)  Stiessen  zwei  unverbindbare  Konsonanten  zusa 
und  hatte  die  Sprache  auf  keine  der  oben  beschriebenen  ^ 
die  Verbindung  erleichtert,  so  mus^  der  eine  der  \ 
nanten  weichen,  so  in  d'&dvaTog  statt  dv-xP^avatogy  fieJU 
statt  ^ekiT'yf}Qvg,  ^EiXa-vixog  statt  ^EXkav-vixog,  ^)  yvvai 
statt  yvvaiX'^avrjg,  ovofAa-xXvrog  statt  ovo/LiaT-TÜivtc 
7€6kog  statt  aly-nolog.  In  den  Zusammensetzungen  raii 
ist  das  T  durchgängig,  auch  vor  Vokalen  abgeworfen  ^ 
wie   in    7raf''qf4SQog,    nav-ona'kog^   7rav-onXia,    nav-cii 

c)  Stiessen  in  der  Mitte  zwei  Vokale  zusammen,  » 
im  Einklang   mit   den    herrschenden,   im  Vers  deutUe 
Ausdruck  kommenden  Regeln  der  erste  Vokal,  wenn 
e,  a  oder  o  war,  elidiert,  wie  in  xat-apteg  neben  xara« 
alv-agezr^g  neben  aivo-ya^iog,  ^evTi'i7r7iog  neben  Xevxo-i 
/A0V'diii7rv§  neben  fiovo-yevrig,  q^ik-ddelq^og  neben  q^iXo-n 
fiaxQ'rj^eqog  neben  /daxQO^ßtogj  MeV'i7X7rTi  neben  Mevi 
Auch  das  i  der  Verbalnomina    auf   at   ist   elidiert   in 
r^vioQ^    l^Xe^-avÖQog ,    iQva-dQg^aTog  y    okea-T^vioQ,    xXeif^ 
Ttava-dve^og  u.  a.     Die  Elision  wurde   verhindert,  wen: 
zweite  Teil  des  Kompositums  mit  einem  Digamma  anla 
nach    dem    Ausfall    des    Digammas    wurden    hintendreii 
beiden    Vokale,    wenn    sie    sich    zur    Bildung    eines    Ä 
Vokals  eigneten,  kontrahiert;  auf  diese  Weise  entsanden 
fdvaaaa,   yaid-foxog^  (pegi-ßoinog,  AvyLOtqyog,    hom.  ^ 
fOQyog,   ^[irTxiZva^   aus  %i7iO'j:ava§,      Fälschlich    bildet 
Sprache    nach    unrichtig    verstandenem   Vorbild    auch    7 
oÜQyog^    daö'Ovxogj    xXrjQ-oixog,      Dass    auch   ohne    dass 
zweite  Glied  ehedem  mit  einem  Digamma  anlautete,  das 
ßiüTiaveiga,    xaatidveiga,    xuötdveiQa,    ^Haiodogj    Xrj^u 

1)  Zur  Erliiutei-unjf  dient,  worauf  Wilamowitz  Ind.  Gott. 
S.  12  hingewiesen  hat,  Pindar  N.  10,  25  txodTt/oe  de  xal  no&*  "E 
orgaxov  llv&dtvi. 


Christ:  AhhängigkeUskompasüa  des  Griechischen.  179 

ffUten    blieb,    darf   uns   bei   der   Abneigung  der   Sprache 
gegen  die  EHision  des  i  nicht  wundernehmen. 

Eine    Stellung   für  sich    nehmen    diejenigen    Komposita 
OD,  in  denen  der  anlautende  Vokal  des  zweiten  Gliedes  nach 
Wegfall    des   vokalischen  Auslautes   des   ersten  Gliedes   ver- 
fiagert  ist,  wie  in  o^iyyc^rjg,  xaxdyoQog^  Tcnnnjxeag^  oxerrjyog, 
trfctrr^yog,    XOQfjyog^   dXXriXovgf    vetjhJieg,    doXix'iQ^^H^Sf   ^?^* 
ttßolory  ^fniaßoJUov,  iQcttwvvfiog,  fieyaXüfvv^ogy  xQateQciwxegf 
strwiofgvyog^    vmaqoipiog^    ohwcpeXit],     Alle   Fälle   dieser  Art 
and  sorgfältig  zusammengestellt  und  mit  analogen  Bildungen 
im  Sanskrit    in   Verbindung   gebracht   von   Jak.  Wacker- 
nagel in  der  Abhandlung,   Das  Dehnungsgesetz  der  griech- 
jaehen  Komposita,  die  mir  noch  vor  Abschluss  meiner  Unter- 
flichuiig    durch   die  Güte   des    Verfassers   zukam.      Derselbe 
kommt    znm    Resultat,    dass   die  Länge    des  Vokals   auf  die 
Vereinigung  des  auslautenden  Vokals  des  ersten  und  des  an- 
liotenden  des  zweiten  Gliedes  zurückzuführen  sei.    Ich  kann 
nich   diesem  Schlüsse   aus   drei  Gründen   nicht  anschliessen. 
Erstens  war  im  Griechischen  Elision  der  Vokale   a  e  o   vor 
ehiem  folgenden  Vokal  jederzeit  durchgängige  Regel ;  zweitens 
begt  es  nahe,   die  Vokalverlängerung  derjenigen  Komposita, 
deren    zweiter  Teil   ein  Nomen   verbale   auf   Tog  oder   OTog 
bildete,  wie  dn^ovaiog,  ovr^xBatogy   Cifi(pi]qiaTog^  dvioniaTog, 
imaiatost  intüfioTog^  aqfVQr^ijcnog^  Ttolin^Qarog,  aus  der  Aehn- 
Kehkeit  jener  Verbalia  mit  dem  Part.  prät.  pass.  zu  erklären; 
drittens  endigt,  was  natürlich  auch  Wackernagel  nicht  ent- 
gingen ist,   in    schier   der  Hälfbe   der  Beispiele   von  Vokal- 
dehnong  das  erste  Glied  mit  einem  Konsonanten,  nicht  einem 
Tokal  (wie  ov^iowfAog^  dva-Wi'Vf^og,  nav-rffVQigj  7iod'r(vs^ogy 
itC'f^yrfi)  und  ist  es  bedenklich,  alle  diese  zahlreichen  Bei- 
spiele f&r  falsche  Analogiebildungen  zu  erklären.    Ich  könnte 
noch  die  Unregelmässigkeiten  der  angenommenen  Kontraktion 
hinzuitigen;    aber   die  bereits  angeführten  Gründe  genügen, 
drake  ich,  um  gegen  den  von  Wackernagel  eingeschlf 


180        Sitzung  der  phüos.'phüol.  Classe  vom  1.  Februar  1890. 

Weg  der  grammatisch-lautlichen  Erklärung  einzuneht 
ich  bleibe  daher  bei  dem  alten,  gleich  im  folgenden  F 
graphen  näher  auszufahrenden  Weg  der  prosodisch-metriai 
Erklärung. 

d)  Die  Griechen  hatten  eine  ausgesprochene,  bekannj 
auch  in  der  Prosa  der  Redner,   namentlich  des  Demostfa 
hervortretende   Abneigung   gegen    die    Aufeinanderfolge 
drei   und    mehr  Kürzen;    sie   liebten   auch  hier  die  aus 
Wechsel   geborene  Eurythmie.     Jene    Abneigung   begeg 
sich  in  der  Poesie   mit  der   metrischen  Unmöglichkeit, 
unmittelbar   aufeinanderfolgende  Kürzen    in    den   Hexan 
zu  bringen:  es  hatte  aber  diese  metrische  Schwierigkeit 
sonders   viel   in   der  griechischen   Sprache   zu   bedeuten, 
diese  ihre  Regelung  durch  Homer  erhielt  und  bis  ins  5.  Ji 
hundert  hinein  nur  von  Dichtem  kultiviert  wurde.    In  F 
dessen  haben  wir  eine  Reihe  prosodischer  Erscheinungen 
Griechischen,  wie  z.  B.  bezüglich  der  Bildung  der  Kompi 
tive  und  Superlative  mit  kurzem  und  langem  o,  welche 
nächst  unter  dem  Einfluss  des  Metrums  sich  festgesetzt  hat 
dann  aber  in  der  Folgezeit  als  allgemein  giltige  Sprachr« 
in    Prosa  und  Poesie    aufrecht    erhalten    wurden.     Diesel 
machten    sich    auch    in    der  Wortzusammensetzung    gelte 
nicht  bloss  wurde  die  erste  Silbe  eines  mit  drei  Kürzen 
ginnenden  Wortes  gelängt,  wie    in    i^yaD-eog^    r^vyeveiogj 
KOfiiogy^)    elvaXiog,    T^vs/joeig,   lokeaUaQKogy  r^yeQsd'OVTaij  w 
der  beginnende  Vokal  des  zweiten  Gliedes  eines  Kompositi 
unterlag  ähnlicher  prosodischer  Umgestaltung.    So  entstam 

1)  Aus  dem  Kompositum  ist  das  lange  e  auch  auf  das  Sim{ 
in  dem  homerischen  fierog  ijv  und  yovov  iji'v  (Z  191)  Übertrag 
worden.  Dagegen  geht  Collitz  KZ.  27,  183  ff.  von  dem  langen 
aus,  und  bringt  gr.  jjv  mit  skt.  äjü,  regsam,  zusammen;  für  je 
Sanskritwort  würde  man  aber  im  Griechischen  alv  erwarten;  ai 
ist  die  aus  der  Komposition  übertragene  Verlängerung  des  e  leich 
als  die  Verkürzung  aus  ursprünglicher  Länge  zu  erklären. 


Chrigt:  ÄbhängigkeUskomposita  des  Griechischen.  181 

4ie  Formen  dva^wwfiog  und  noXv^dwfAog  von  ovvf^Of  av- 
tifiaJijog  Yon  b^aXog,  nav^wked'Qog  von  oXe^Qog,  nav-^riyvQig 
Ton  oyeiQfüy  ftod-fjVBfAog  von  ave/jog,  ovv^rioQog  von  äeiQU), 
^;$-i| ro^i  und  dci^-ijvo^a  von  cryi]^,^)  r^^i'cißoXov  von  oßolog, 
d-r^q^epiog^)  {A  427.  'F  81)  von  aq>evog,  vip'r]Q6q>€og  neben 
v}fh€Q€fpigj  xw-wnida,  iv-cima  neben  oiv-ona,  rlvoni,  vclq^ 
(wri,  ^l&i~onag.  •)  Die  Freiheit  der  Dichter  ging  dann  in 
dem  Bestreben,  Häufung  von  Kürzen  zu  vermeiden,  noch 
weiter,  indem  sie,  nachdem  einmal  so  häufig  in  der  Kom- 
position ein  schliessendes  ä  oder  rj  des  ersten  Gliedes  in  o 
Terwandelt  worden  war,  nun  auch  umgekehrt  ein  j;  statt  o 
setzten  in  iXaqirj-ßoXog  neben  richtigem  iXaq>0'Xt6vog,  7roXe^ä- 
doxog  neben  noXßfAO-noiogy  tvyrj-q^oqog  neben  ^vyo'deaiaog, 
xaXad^r^-ipö^og  neben  xalat^o-rtoiog,  al&Qrjyeveog  statt  ai&eQ- 
o^yewiogy  ferner  in  &aXafirp7r6h)g,  d-avaTfj^qfOQog,  ßaXavTj' 
ifayog,  Xafifrad'f]'q>6Qog,^)  Unterstützt  wurde  allerdings 
nebenbei  dieser  Uebergang  aus  der  2.  Dekl.  in  die  1.  durch 
diejenigen  Nomina,  welche»  wie  aveipavog  und  aTeqxivrjy  nach 
der  1.  und  2.  Dekl.  gingen. 

e)  Allzulange  Wörter  sind  dem  Volksmund    unbequem ; 
es  darf  daher  nicht  verwundern,  wenn    die  Sprache  bei  den 


1)  Bei  Erklärung  der  Erscheinung  ist  nicht  von  dem  Nominativ 
der  Komposita  auszugehen,  sondern  von  den  Casus  obliqui,  die  allein 
bei  Homer  vorkommen. 

2)  Diese  notwendige  Korrektur  des  überlieferten  falschen  evrjyt- 
tioi  übersieht  neuerdings  wieder  Bure  seh,  Klaros  61. 

3)  Der  Unterschied  der  Quantität  von  oxp,  Stimme,  und  w\p, 
Gesicht,  ist  etymologisch  nicht  begründet  und  hat  sich  erst  mit  der 
Zeit  durch  den  Drang  nach  Differenzierung  doppeltdeutiger  Wörter 
festgesetzt.  Der  unter  dem  Einfluss  des  Metrums  entstandene  Wechsel 
▼on  yXavxtoxida  und  otvona  geht  auf  eine  Zeit  zurück,  wo  ^v'  unter- 
•chiedlos  die  Stimme  und  das  Gesicht  bezeichnete.  Ändere  Wege 
üchlägt  auch  hier  Wackemagel  S.  52  f.  ein. 

4)  Aus  ähnlichem  Grund  wurde  auch  das  a  in  yaidoxog,  ion. 
yoitioxos  gedehnt,  wiewohl  yaXa  ein  kurzes  a  hat,   und   erlaubte  sich 


182 


SitiUHfi  der  jihilnx-i,kihL  Ctaisr  vom   1.  Frliruar  1850. 


Kompositen  uianigf&clie  Kürzungen  eintreten  liess.  So  wnrd« 
You  zwei  ziisamnienstoBse^nden  gleichen  Silben  die  eine  ««8- 
f^eworfen  in  ötufoQEtg  aas  ä/ifpi-^nfeig,  xehxtvetf^g  !ins  xe- 
Xtttvo-yeffr^g ;  auf  Kosten  des  Vokals  der  voraui^gehenden  Silbe 
erfnlgte  die  Kürzung  bei  nachfolgender  Liquida  in  ti^^tnnov 
aus  lettaq'tJinov,  x^tjÖefiyan  uüs  xaQij-defivov,  t^ir^a  ans 
letre^a-Tit^a,  o'moE/rjjg  aus  arrrepo-e/t i;s , ' )  und  ähulich 
dinlai  aus  dt-Tiala^.  Besonders  häufig  aber  bestand  die 
Kürzung  in  der  Zusnranienzichung  von  lo  xn  i ,  von  aio  xa 
ai,  wie  in  JTjiipo^og  aus  Jijio-qjoßog,  Irjißöiei^  aus  Xi^O- 
/föiei^,  ^akxivaos  aus  xakxtio-vaog,  MvaaiyevtjS  aus  Hiraottt' 
yevtjg,  xtMijrvyog  au»  xa^o-7iiyog,  ^ElötDßog  aus  Ceio-dt^ffos, 
ox^atffvqg  aus  axqato-ifaviig.  -x^Talttedov  aus  xeataio-rteäoy, 
EvQtüntj  aus  EtQv-iü!i tj,  vielleicht  auch  Kkvtaifi^at^  ans 
Klviaio-ftr'iatQa.^)  Aue  der  Abneigung  gegen  allzulange 
Wörter  und  gegen  die  Häufung  von  Kürzen  ist  va  woht 
such  zu  erklären,  dase  bei  stoffan^igenden  Possessi vfaotnpo- 
siten  statt  des  Adjektiven  das  betreffende  Nomen  gefielzt 
wurde,  wie  in  zaizo-^ttpije,  x«^*>'"-i"'<'*'i  z<*^''*'"*f*P'-'*""'äc 
(dagegen  aus  metrischem  Zwang  x'^^^^^-^'^^°S)t  x^^ot-stidt- 
Xog,  zeiJöo-xö^'?^.  %^'aö-9(iovog,  x(n>a6-jiiE^ov  (dagegen  wieder 
Xgvaean^lrj^),  cfg/igö-Tiefa,  OQyvcö-to^og,  oQyt'Q6-fr^i.og,  og- 
yvQO-dii"jg,  ferner  in  Xivo-ifwQa^,  ^odo-daxrvÄos,  x^x6-m- 
Ttkog,  lo-OTf^vos,  fieXl-ytjUvs,  delkö-Ttog  n.  a. 

Piodar  Ol.  5,  lü  noltSoxot  stittt  nokiSoxii  zu  aUf^D-  Auch  die  8fmr 
kope  von  iiaigo:i-liK  aus  {migo-jtoXoi  ist  auf  dtw  gleiche  WideratnbeR 
gegen  Häufung  kuncr  Silben  lorQckcufQlirt-n. 

1)  Da»  Wort  iat  nämlich  mit  der  Phrnse  tov  6'  tti^eo;  enltto  pS- 
Ooi,  seine  (teile  blieb  hiiit«-nil,  in  Verbindang  xu  liringen  und  bedentcti' 
wörtlich  'echwcrhaftendp  Worte  npreihend'.  Ea  nteht  nl^o  für  Aitt'tfi- 
tJi^(,  indem  da«  q  nach  ^i  geraiJäHO  wie  in  dor.  nK&ntiir  =  aKijxi^a* 
aiMgofaHen  isL 

3)  Einpm  Vurxii-'bt  aaf  i-'ini-  ErkUrang  kummt  tn  gleich.  ««■■ 
Saveliberg  KZ.  21.  200  du  ai  von  Klvtaipv^aj^a  «li  VorläDgefODg 
TermittelBt  (  auagibt. 


Christ:  AbhängigkeüskomposUa  des  Griechischen,  183 

C.  Accent  der  Komposita. 

Id  Bezug  auf  den  Accent  der  Komposita   herrscht  eine 
■erkwQrdige  Uebereinstimmung  zwischen  den  ältesten  Glie- 
dern unseres  Sprachstanmies,  dem  Griechischen  und  Sanskrit. 
Nor  hat  das  Griechische  hier  wie  im  Vokalismus  die  Gesetze 
schärfer  ausgeprägt   und   konsequenter    durchgeführt,  ^)    wie 
ach  dieses  namentlich  bezüglich  der  Komposita  mit  dem  an 
(vivaÜTum  zeigt.     Die  ganze  Frage  der  Accentuation  haben 
Tom    sprachvergleichenden    Standpunkt   aus   Aufrecht,    De 
iccentn  compositorum  sanscriticorum,  Bonn  1847,  Schröder, 
Die  formelle  Unterscheidung  der  Redeteile,  Leipz.  1874,  Die 
iccentgesetze   der   homerischen  Nominalkomposita,   KZ.  24, 
101  ff.,    Garbe,    Das   Accentuationssystem   des    altindischen 
Kominalkompositums,   KZ.    23,   470 ff.,    und    Knauer,    Die 
Betonung  der  Komposita  mit  a  privativum  im  Sanskrit,  KZ. 
27,  1  ff,,  einer  sehr  eingehenden  Untersuchung  unterzogen.*) 
Wenn   ich   kurz   auf  die   Hauptsätze   zurückkomme,    so   er- 
fordert dieses  schon  der  Plan  dieser  Abhandlung;   ich   habe 
iber  dabei   auch   die   Genugthuung,    dass   die    Regeln   sich 
nach   der   von    mir   oben  aufgestellten  Einteilung  der  Kom- 
posita viel    einfacher  geben   lassen   und   somit   zum  Beweise 
dienen ,    dass    ich    mich    mit    meinem  Versuch    einer    neuen 
Klassifikation    in    dem    richtigen    Fahrwasser    befand.      Die 
Hanptregeln  sind: 

a)  Die  determinativen  und  possessiven  Komposita,  mit 
einer  einzigen  unter  d  zu  erwähnenden  Ausnahme,  ziehen 
den  Accent  möglichst  weit  zurück,  accentuieren  also  a^-ßqo- 

1)  Ob  das  Schwanken  oder  die  Konsequenz  das  ältere  und  ur- 
ipHInglicfaere  sei,  ist  freilich  schwer  zu  entscheiden;  in  der  Regel 
pflegt  allerdings  erat  das  entwickeltere  und  demnach  jüngere  Sprach- 
gefühl die  Regel  konsequent  durch  zufuhren. 

3)  Eine  Special  Untersuchung  des  Accentes  der  griech.  Komposita 
Termissen  wir  noch. 


] 


184        Sitzung  der  phäos.'phüol  Clcuse  vom  1.  Februar  1890. 

Tog,  aQi-yvwTog,  t^oxogy  irti-aiiOTrog,  ev'ßov^g,  iexa-fi 
ßaQV'OTOvog,  o/iO'TrTeQog,  fiehxy^x^Xog ,  nav-drcaXogj  l 
ddaeia,  of4q>''T^QiOTog^  dioo-dorog,  öovqi-yLTriTog})  Die  AI 
war  dabei  wohl  das  determinative  Element  als  das  ansi 
nende  durch  die  Betonung  hervorzuheben,  oder  doch 
Accent  demselben  möglichst  nahe  zu  rücken. 

b)  In  den  rektiven  Kompositen  hat  das  regierende 
ment  oder  das  transitive  Verbale,  wenn  es  an  zweiter  i 
steht,  den  Accent  wie  in  GtdrjgO'ßQiig,  ßov-jcki^^,  atQat^ 
naid-ayioyog,    ineO'ßoXog,   dyQo^vofiog,   firjXo'ßozrfi,  OfM 
ÖBTTiQy   iTTTv^rjXdTrjgy  iTtrro-KOQvaTi^g,  jtaTQO-qyovBvg,  tjvi-c 
Ueber  die  Silbe,  welche  den  Ton  erhielt,  und  über  die 
nahmen  von  der  Regel  werde  ich  das  Nähere  unten  angt 
Hier   sei    nur   gleich   im    voraus    bemerkt,    dass,    wenn 
Grammatiker   ßowrcig,    ylavxiüTCig   etc.   statt   ßocunig^    y 
Monig   etc.   betonten,    dieses   nur   beweist,    dass  sie    in 
zweiten  Teile  dieser  Wörter  ein  Verbale,    nicht   das  Nc 
wnig^  Auge,  suchten,  eine  Auffassung,    die    sich   auch  c 
ausspricht,  dass  sie  zu  dem  Femininum  Y.vv(jj7tLg  ein  Ma 
linum   nLVvüna    (statt  des  richtigen  %vvw7Xi)    v^  159    in 
Text    brachten.*)      Durch    die   bezeichnete    Betonung   s 
aber  offenbar  das  regierende  Element  als  das  hauptsächlic 
vor  dem  regierten  hervorgehoben  werden. 

c)  •  Steht    in    dem   rektiven   Kompositum    der   regier« 
Teil    an    erster  Stelle,    so    wird    der    Accent   möglichst 


1)  Eine  Audnahme  machen  nach  der  Lehre  der  alten  Gran 
tiker  (s.  Herodian  II,  146  ed.  Lentz),  von  der  es  zweifelhaft  ist, 
sie  auf  alter  üeberlieferung  beruht,  die  Komposita  mit  xXvxog, 
ravoi-xXvTog,  dya-xXvtog.  Auch  sonst  folgt  einige  Mal  das  mit  ei 
Part.  prät.  pass.  gebildete  Kompositum  der  Accentuation  des  Simj 
wie  xaxa^vTjxogf  arfitpegrög,  was  sich  aus  der  Trennbarkeit  (Tm« 
der  Präposition  von  ihrem  Verbum  unschwer  erklärt. 

2)  Falsche  Betonung  der  Grammatiker  ist  noXvxXrjTöi  statt  ^ 
xXtfiöi,  worüber  Schröder,  KZ.  24,  106 f. 


Chrigt:  Äbhängigkeitskomiwsita  dts  Chriechischen.  185 

mrückgezogen,  wie  in  liyi-hxogy  q>EQe'7iovogj  fAiaO'tvQavvogy 
A^^xaxogy  ^vO'avÖQog,  Ob  dabei  die  Analogie  der  ver- 
vindten  Possessivkomposifca  oder  das  Bestreben  den  Accent 
Döglichst  nahe  dem  regierenden  Element  zu  rUcken,  mass- 
gebend war,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

d)  Die  Komposita  auf  j}^,  eog    haben,  wie  die  entspre- 
chendeD    auf  as  im  Sanskrit,    den  Accent  auf  der  Endung, 
wie  io-eidij5,  ei-yevrfiy  fisya-oi^evrig,  evQV'xlerjg,     Eine  Aus- 
nahme  machen   die   Eigennamen,  wie  Evfiivrig,  'loo^KQQTfjg, 
/loit-ycfXfy^,  ^)   da   im  Griechischen    nach   einer  allgemeinen 
B«gel   die  Eigennamen   durch    den  Accent   von  den   gleich- 
lautenden Adjektiven  unterschieden  wurden.    Wahrscheinlich 
sog  wohl  hier  schon  in  alter  Zeit   der   nachgesetzte  persön- 
liche Artikel,  der  in  der  Noniinativendung  g  liegt,  den  Accent 
Mif  die  Endung,  während  derselbe  in  den  neutralen  und  ab- 
strakten Nomina  fiivog  skt.  mänas,   ulifog  skt.  grävas^  vi- 
fog  skt.  ndbhas,  von  der  Endung   auf  den  Stamm  sich  zu- 
rückgezogen hatte.     Selbstverständlich  war  aber  dieses  nicht 
bloss  in  den  zusammengesetzten,   sondern   auch    in  den  ein- 
gehen Nomina  der  Fall,    so   da^  man   im  Griechischen  das 
Neutrum  ipevdog  von  dem  Maskulinum  ipevdrtg  geradeso  wie 
im  Sanskrit   das   Nomen   actionis   tdras^  Energie,   von   dem 
Nomen    agentis    taräs^  energisch,    durch   den  Accent  unter- 
schied.     Früher   dachte    ich   auch    an    eine  Einwirkung  der 
Verwandtschaft   vieler  Komposita   auf  r^g   mit   dem   auf  der 
Endung    betonten    Participium    aor.    pass. ,    wie    von    nQO- 
forr^g   mit  fiQoqioveigy    daq^xkr^g   mit  aq^aleig,    nQOJZO-naytlg 
mit  rrayeig^  yvvai-fAowi^g  mit  fiaveig^  &€0-q)ilrig  mit  q>iXr]x)^Big, 
Da  aber  die  Oxytonierung  der  Komposita  auf  t^g  (5s)  schon  im 
Sanskrit  vorkommt,    so    kann  dieselbe  durch  speciell  griech- 

1)  Ausnahmsweise^  wahrscheinlich  in  Folge  raissverständlicher 
EtTTDologie,  betonten  die  Grammatiker  auch  ovoavofxrixrjg,  oihrjg, 
lujaxriTti^. 


186        Sitzung  der  phüosrphüol.  Classe  vom  1.  Februar  1890, 

ische  Bildungen,  wie  eine  der  Aorist  pass.  ist,  nicht  hei 
gerufen  worden  sein.  Wohl  aber  mag  diese  Verwandtsc 
die  in  der  vorattischen  und  vorsimonideischen  Zeit,  wo 
Big  und  j;^  mit  denselben  Zeichen  E2  ausdrückte,  : 
grösser  war,  ^)  Ursache  gewesen  sein,  dass  im  Griechia 
so  viele  Komposita  auf  i;^  direkt  von  den  Verbalwui 
ohne  ein  dazwischen  liegendes  Nomen  auf  og  gebildet  wui 

V. 
Die  Arten  der  verbalen  Abhängigkeitskomposit 

Die  verbalen  Abhängigkeitskomposita  sollten  nach  mei 
ursprünglichen  Plan  den  einzigen  Gegenstand  dieser  Abh 
lung    bilden.      Durch   die  Umgestaltungen,    welche   ich 
Abhandlung   allmählich   in  Folge  wiederholter  Umarbeii 
gab,   ist   bereits  eine  Reihe  von  Punkten,  welche  zur  L 
von  den  verbalen  Abhängigkeitskompositen   gehören,   in 
vorausgehenden    Kapiteln    im    Zusammenhang    mit   and 
Erscheinungen    erledigt   worden.     Vor   allem   haben  wir 
Vorausgehenden  schon  den  Begriff  verbal  und  abhängig  < 
rektiv  festgestellt,   so   dass  wir  hier    nicht  mehr  von  ne 
zu  sagen  brauchen,  was  wir   unter    verbalen  Abhängigk« 
kompositen    verstehen.      Sodann    ist    die    Bildungs weise 


1)  Auf  der  Tafel  von  Heraklea  1.  56  steht  geradezu  geschri« 
KATAAYMAKÜSHS.     Das  hatte  aber  gewiss  seinen  tieferen  Gl 
in  der  alten  Aussprache  des  später  ei  geschriebenen  Lautes,  über 
Gu.  Meyer.   Gr.  Gramm. ^  §  113,  bemerkt:  ,«  scheint  in  seiner  i 
spräche  zunächst  mit   e  zusammengefallen  zu  sein,  zu  dessen  or 
graphischem    Ausdruck    es    vielfach    verwendet  wurde**.     In   unai 
flomertexten  stehen  freilich  die  wenigen  Participia  aor.  pass    und 
Partie,  präs.  von  Verbis  auf  rji^u  mit  et  geschrieben:  aber  das  bew 
nichts    für   die  ältere  Aussprache    und    selbst  nichts   für  die  alte 
Homertexte   vor   den   Perserkriegen.     Beachtenswert    ist   auch,    d 
Alkman  fr.  27  nach  dorischer  oder  äolischer  Mundart  JJaatxdQrja  sf 
wofür  man  in  gewöhnlicher  Sprache  IlaaixaQsia  erwarten  würde. 


Christ:  Ahhängigkeitakomposita  des  Oriechi sehen.  187 

lerbalen  Abhängigkeitskomposita  in  Bezug  auf  Endung, 
lommissar  der  beiden  Teile,  Accent  bereits  im  4.  Kapitel 
iwammen  mit  derjenigen  der  übrigen  Komposita  behandelt 
vorden.  Endlich  haben  wir  auch  schon  die  für  diese  Klasse 
TOD  Zusammensetzungen  aus  der  vorhellenischen  Entwicklungs- 
mi  ererbten  Prototypen  sowie  die  verschiedenen  Arten  der 
Abbängigkeitskomposita  und  ihr  Verhältnis  zu  einander 
kennen  gelernt.  Es  erübrigt  uns  also  hier  nur  noch  die 
Znaammenstellung  des  statistischen  Materials  und  die  Auf- 
hellmig  der  dunklen  Fälle,  die  dabei  in  Frage  kommen. 
Aber  auch  so  ist  die  Aufgabe  noch  gross  und  schwierig  genug, 
so  daas  wir  bei  den  uns  hier  gesteckten  Grenzen  nicht  viel 
ftber  die  Lineamente  hinauskommen  und  Anderen  mehr  als 
one  blosse  Aehrenlese  übrig  lassen  werden.  Alle  Beispiele  der 
einxelnen  Bildungsarten  haben  wir  nicht  angeführt;  das  ver- 
bot uns  nicht  bloss  die  Rücksicht  auf  den  Raum,  das  hielten 
wir  auch  nicht  für  notwendig.  Dagegen  haben  wir  überall 
auf  die  chronologischen  Verhältnisse  Rücksicht  genommen 
ond  namentlich  durch  den  Zusatz  H.  die  homerischen  Bil- 
dungen von  den  nachhomerischen  geschieden.  Keiner  Ent- 
schuldigung aber  wird  es  bedürfen,  wenn  wir  hie  und  da 
Qber  die  Linie  der  Abhängigkeitskomposita  hinausgegangen 
»ind,  indem  wir  in  dem  Fall,  dass  von  einem  Nomen  ver- 
bale aasser  rektiven  Kompositen  auch  determinative  vorlagen, 
auch  die  letzteren  mitberücksichtigten,  so  dass  wir  z.  B.  bei 
noSüog  nicht  bloss  aUrtoXogy  Ziegen  besorgend,  sondern  auch 
Qfiipi^7iology   die   ringsum   sorgende    Schaffnerin,    anführten. 

A.  Die  Abhängigkeitskomposita  mit  voranstehendem 

Verbalbegriff. 

Ich  beginne  mit  denjenigen  Abhängigkeitskorapositen, 
in  denen  das  regierende  Verbalelement  an  erster  Stelle  steht, 
nicht  als  ob  ich  diese  für  die  älteren  oder  ursprünglicheren 
hielte,    sondern   aus   dem    rein   äusserlichen  Grund,    dass  die 


188         SillUHij  litT  philo». -jihilol.  Glosse  widi   J.  Fuhrutir  1H90. 

vordere  Stelle  naturgemäss  der  binteren  vorausgeht.  That- 
sächltcfa  ist  die  Voranstelliirg  des  Verhnlel einen tes  die  sel- 
tenere und  jüngere  Kouipoaitions weise.  Oeuii  wäiirend  unter 
den  altererbten  Zusammensetzungen  sich  mehrere  Abliängig- 
keitßkomposita  mit  dem  Verbal  begriff  an  zweiter  Stelle  finden, 
gibt  es  kein  griechisches  Kompositum  mit  einem  Verbuni  üb 
erster  Stelle,  dem  ein  ganz,  gleichem  Im  Sanskrit  gegeotlbw- 
stUnde;  überhaupt  scheint  iil  der  Komposition  die  Voran- 
setzung des  Verbaleiemcntes  der  ürundspracfae  wenn  nicht 
fremd,  so  doch  wenig  geläiiüg  gewesen  zu  sein.  Das  ^n»- 
krit  und  Zend  bat  zwar  auch  Komposita  mit  voraiii'gehendeni 
Verhum,  aber  dieselben  siml  ganz  anders  als  im  Griechisch«! 
gebildet,  nämlich  verinittetst  eines  Participinras,  wie  skt 
hharaä-väga-s,  bringead  Kräft'e,  tarud-dvesha-s,  nherwindenil 
Feinde.  Jtend.  frathit-gaetka.  fordernd  die  Erde.  Dieselbeti 
beweisen  also  nichts  für  eine  altfiberkommene,  dt-m  Saimkrtt, 
Xend  und  tiriechischen  gemeinsame  Bildimg.')  Eher  können 
die  unt^n  unziit'tihrenden  Sanskritkomposita  mit  einem  Verbal- 
nomen auf  ti  im  ersten  Glied  f(ir  die  Annahme  einer  dem 
Griechischen  und  i^anskrit  gemeinsamen  Wurzel  Ti_TwemI«t 
werden.  Mehr  Uebereinstimmung  zeigt'  das  GnechiMclie  mit 
dem  Deutschen  und  Stavi^clien.  Scheinbar  stimmen  sogar 
vollständig  die  deutschen  Komposita  Kürchte-gott,  Haasa- 
pflug,  Schiichte-groll,  Liebe-ssng,  zu  ilen  };riechi»H^ien  ^yi- 
XaOii,  Meyt'OTfiaTos,  'Exe-xnatijg,  aber  der  Grad  dtrr  Heber* 
einstimmuiig  mindert  sich,  wenn  mau  die  deutiicben  BebpieJe 
hist.orisch  /.n  rück  verfolgt.  Denn  wie  OstLoB,  Da»  Verbuni 
in  der  V er balkom Position,  nachgewiesen  hat,  kam  dem  Verhak 
element  jener  Komposita  in  der  älteren  Sprache,  dem  Got- 
ischen  und  Altdeutschen,    nicht   di«  Dedeutung   eines  Iiape- 

1  >  Iin  Griechischen  könnte  nur  ßiir-äQ/ioir,  l'iinxrr,  gehend  tm 
Takle,  ein  PartidpiDoi  *u  eDthallen  ■clieint'n;  aber  bei  dem  Mangri 
jeileH  Aiiulo^onH  iiiuhii  hier  eine  aailere  Uerleitnniti  etwH  von  P^tK 
—  /(«Ol.-  ijjer  vüii  ji^-ias,  Gelitri'.  vemufljl  Wfriltm. 


t'hriit:  Ahhänyi^Veilskompmtila  des  (irirehischen,  iiiy 

rativs.  sondern  eines  Nomen  actionis  zn.  Am  nächsten  stehen 
tfaatsächtich  den  griechischen  Beispielen  die  slavischen.  wie 
Rosli-slav,  veriiiphrend  den  Ruhm.  Vlrtdi-voj,  gehietend  dem 
Heer,  Liuhi-voj,  liebend  das  Heer;  hier  treffen  sogar  ge- 
mdezti  zwei  Wörter  voll  und  ganz  zusammen,  nämlich  gr. 
0efE-xXfjg  und  slav.  Beri-slav. 

Was  die  Bedeutung  anbelangt,  ao  sind  alle  hier  ein- 
schlageniiea  Komposita  Adjektive  und  haben  demnach  auch 
am  Schlüsse  die  Endung  von  Adjektiven.  Keine  Ausnahme 
machen  die  zahlreichen  Eigennamen.  Denn  diese  sind  be- 
kanntlich alle  aus  ursprünglichen  AdjeKtiven  hervorgegangen. 
Das  Abhängigkeitsverhältnis  i^t  von  Hause  aus  dieses,  dass  das 
»weite  Glied  regelmässig  ein  Nomen  ist  und  dem  Sinne  nach 
das  Objekt  z»  dem  Verbalbegriff  oder  dem  ersten  Gliede 
bildet.  Demnach  vertritt  dasselbe  in  der  Regel  einen  Ak- 
kusativ, wie  in  'A-^i-hxo^  =  ciye  oder  ayuiv  kaöv,  atvy- 
otnoQ  ^=  atiyei  oder  oivytüv  orÖga,  in  einigen  wenigen 
Fällen  auch  einen  Genetiv  oder  Dativ,  wie  in  äex^-dr^ftoii  = 
o^e  oder  ägy^iuv  ßilttov,  fVf/c'^t-xaxog  :=  fiiixaiße  oder 
iniXtiiecür  xaxolg.  Die  letzte  Art  von  Bildung  darf  nicht 
allzusehr  auffiillen,  da  im  Griechischen  bekanntlich  auch  die 
einen  Genetiv  oder  Dativ  regierenden  Verba  ein  persönliches 
Passiv  bitdeu.  Aber  richtigen  Bildungen  irrfcömlich  nach- 
gebildet fiiurl  alle  diejenigen,  in  welchen  gar  kein  Abhängig- 
keibtverhältnis  vorliegt,  wie  fieKlö-vifiqiog ,  flqtuieai-Xaog. 
Ihre  Ziihl  ist  indes  keine  grosse,  wenn  sich  gleich  darunter 
«ogar  homerische  Beispiele,  wie  eben  jener  Eigenname  /Ipw- 
taai'laog,  befinden. 

£ii^eteilt  werden  unsere  Komposita  vim  Clenint  u.  a. ') 

I|  W.  ClemiD,  De  compositis  qnae  a.  vvrbi»  iodiiiunl.  CinM&e 
1807.  mit  elaen<  Nfichtra^  in  Cart.  Stod.  VII  1-99;  K.  RdJiger, 
De  [iriorQUi  mBnibrorum  in  aoininiUus  graecis  compositi»  eoalortiin- 
tione  fitiAli.  Uuli»  1B6(>:  Gn.  Mejnr,  BRilra^e  nur  StammbildQngv- 
lehre  im  Oriecli.   u.  Ut..  iii  Uurt.  Stua.   V.  1  —  118. 


190       Sitzung  der  phüosrphüol,  Classe  vom  1,  Fthruar  1890. 

in  solche  ohne  a,  wie  OeQi-vixog,  und  solche  mit  d 
^tO'ayÖQog.  Aber  bei  dieser  Einteilung  fallen  in  die 
Klasse  mehrere  Wörter,  von  denen  es  mindestens  zwein 
ist,  ob  sie  ursprünglich  der  gleichen  Bildungsweise  ft 
und  die  gleiche  Bedeutung  hatten.  Ich  ziehe  es  dabei 
alle  Verschiedenheiten  der  Endung  des  ersten,  verbalen 
mentes  gesondert  zu  behandeln  und  erst  in  den  daran 
schliessenden  Erläuterungen  das  Verhältnis  derselben  za 
ander  festzustellen. 

1.  Mit  einem  auf  e  ausgehenden  Verbalelen 

Diese  Bildung  ist  auf  wenige  Verba  beschränkt 
blieben;  ihre  Triebkraft  starb  frühe  ab,  so  dass  die  sp 
Sprache  es  vorzog,  an  ihre  Stelle  Komposita  mit  € 
Verbalnomen  auf  ai  zu  setzen.  Wir  haben  es  also  hiei 
einer  sehr  alten  Bildung  zu  thun,  doch  lassen  sich  Beii 
aus  der  vorhoraerischen  oder  vorhellenischen  Zeit  nicht 
bringen. 

dye-:  liyi-hxoq^  aye-leir]  sc.  !/i%hf{ifri  H.,  -^y€-ova§  1 
krit.,  yiyi'diiiog,  !^yi~fAaxog,  Idye-noXig^  liyi-t 
Tog,  Ausgehend  von  der  Form  rjyog  in  aiQat' 
und  unter  Anlehnung  an  die  Komposita  mit  ^j 
bildete  man  in  Attika  auch  ^Hyi-OTQatog,  ^Hyd-fn 
^Hyi'Xoxog. 

aQxe-:  dox^-'^ccnog^  l^Qx^-koxog,  lioxe-Ttrokefiog  H.,  li 
noXig  Pind.,  d^i-Xaog  Aisch.,  dgxi-x^Qog  Eur.,  c 
Tvnog  Sp.,  ^QX^'^^Qy  l^QX^-veiog^  !t4Qxe~OTQ€ 
Staatt  £  erscheint  i  in  den  nachhomerischen  Wöi 
d^i'xixxiüv^  y^QX^'^X^S^    ^QX^'^f^f^og,    l^gxi'fixi 

l^QXi'f4ßQ0T0g. 

iyQB'i      tyQi'fioxri  sc.  ^ix^ijvrj  hy.  Honi.,  eyQe-xvdoifAOg  . 
fAxfi- :     fAxfi-xiVtuv  H.,  eXTce'TQtßwv  Kom. 
h^-'        h^-^^og,    f;ffi-/r€t'xi;g,    ex^'q>Qwv,    *Ex€-7ikijg,  ". 
nlog,    ^Exi'Vttjg^    ^Exi-niaXog  H.,    fx^-ihj    (vielle 


ChriH:  Ähfiän!iifikfitxknHi{>oitilii  iten  Grifchisckti.  '91 

aus  ix«-iei(j)  Hes.,  ixe-xeieio  fitatt  i);6-X*'e'Ot  ^Z" 
iyyi'tig  Att.,  exB-i"j'S  Aiscli.,  ^x^-orovog  Theokr.. 
fXf'fivltog,  ex^-xriavas  Sp.,  'Exi-äiifiog,  '^xe-xpaiijs, 
'fij;*-Aöe  "US  'Exi-^og,  'Ext-fiß^o^toe,  E%i-noXis,  Bxe- 
atßaTog,  'Ex^-Ttftot;,  "Exe-^^S  mts  "Exe'-reloi;  statt 
'£J:e-T*iiy5,  Danach  auch  gehildet  '/ox-ayogae,  'loxi- 
noXig,  'laxi-yoog. 

fitVB-ätjiag,  fisvb-iitoi.efiog,  fJSPB-xoQfitig,  Mevi-Xaog, 
Mev'ohtog  H.,  Mev-in/irj  Hes.,  fisv-aixfiJjS  Anakr., 
Mev-ähiag  Theokr.,  Mfv-ayÖQog,  MBni-diinog,  Hleve- 
XQau^g,  Mevi-^tvug,  Msvi-atQotog,  Meve-iiXijg,  Mtv- 
lit'iog. 

if^e-:     0tee-xXog    H.,    (^f*-u«oi;    Hes.,    yept'-^vyos   Iby-, 
q>egi-iiohg,  ^eai-.i ovog,  0>EQi-*iKog  Find.,  (He^e-x^d- 
KjS,  0e(/e-7ivÖfjg. 
Da/.u  kommen  noch  mehrere  vereinzelte  und  zwei  fei  haftu 

Beispiele,  zunächst  aus  Homer; 

nr,ve-Ucig,  Schützer  des  Volkes;  vyl.  skt.  päna,  Schutz. 

2Ü6Vf-iMog,  Kraftbulter  des  Vf.lkes,   2f^ir£-)Me  H. 

2ifevi-(tota,  iV^e'v-jnrjros. 

Meli-aydoi;  H. 

il^%i-HTjvog  T  118  mit  Variante  i^Xuö-nijVog.') 

In   den    zwei    ersten   der   angeführten  Beispiele   scheint 

im  ersten  üKetl  eher  ein  Nunien  auf  ta  zu  stecken,  so  dass 

also   2!teyi'Xaog    für    Sifeyeg-Xao^ ,     Herrschaft    des    Volkes 


1)  Nicht  ei^Shnt  habe  ich  Itxsxoltii,  was  Oathoff  S.  130  Anm. 
mit 'zum  Lager  örud  Imbend',  Üa.  Mejer.  Cart.  Stud.  V  109  we- 
niger pa«tiend  mit  'Griur  hinbreitetid'  erklärt.  Ebenso  liess  idi 
unerwähnt  '\iif^f-x6fttj;,  du  der  Verbal»taram  ker  ist.  äietsm-KÜitii: 
alao  rUr  ä-Kr^oi-Kci/i^i  otiiht.  wie  umgekehrt  d^i"^"""*'  f^r  ögxftix- 
nur.  AebnIicheH  urilt  von  fligae-iptiriiu,  [IiQec-<p6trji,  Ilegoi-ipaaoa, 
wo  iib«r  ubendreia  die  Änuahiue.  dius  im  ent«ti  Hlied  eiin  Nom^n 
proprium  aleckl,  grfkisere  Ueai'hLuDg  verdient,    Aueh  /i^^o-ie;  lies»  k'h 

IBtO.  PI>lliM..|lI.Ual.ll.l.»l.CI.    iL  lij 


1 


192        Sitzung  der  phüosrphUol.  Clasae  vom  1.  Februar  1890, 

habend,  stehen  würde,  wie  sicher  TlrjVB'XonBia  das  Net 
7Cfpfeg^  das  Gespinste,  enthält,  und  lexe-noifig  für  kexean 
Lagergras  habend,  steht.  In  dem  letzten  Beispiel  gelx 
der  Variante  'i^XiT6'f4r]vog,  verfehlten  Monat  habend, 
Vorzug  vor  der  Ableitung  von  dem  Aorist  ahtslVf  i 
allen  echten  Beispielen  das  Verbale  transitiven  Sinn  hat 
die  Lesart  rjXiTOfirjvog  durch  die  Analogie  von  äfiaQtc 
geschützt  wird.  Bei  MeXiayQog  ist  es  sehr  zweifelhaft 
zwischen  den  zwei  Vokalen  ein  a  (so  Pott  KZ.  6,  130 
Clemm  S.  9)  oder  ein  f  (so  Osthoff  S.  140,  der  skt.  vt 
Donnerkeil,  heranzieht)   ausgefallen  ist. 

Dazu   kommen    aus   nachhomerischer  Zeit  die  zum 
scherzhaft  von  Komikern  gebildeten,  nirgends  in  die  V 
spräche  eingedrungenen  Komposita: 

ile-vavg,  VX-avÖQog^  ele'7CTolig  Aisch. 

ßl€7t€'daif40vegy  wie  man  spottweise  Sokrates  Schüler  gen 

haben  soll;  vgl.  Pollux  1,  21:  Tnofnxdv  yag  to  ßX 

dalfLtojv. 
dane-Ovfiog  Simon. 
XiTt'BQvrixrjg  Archil. 
fj£U.i'7[taQfiog  Aristoph.,    ^eine-q^iXt]  Paus.,  während    s 

f4elXo  und  Xi/io  in  der  Komposition  gebräuchlich  i 
TQBxi'ÖBurvog  Plut.  nach  einem  Komiker. 
XcciQi'Hanog,  eTnxaiQi'Taaxog  Kom.,  XeiQi'dtjiLiog,   XaiQS-^ 

Xatgi-Xeiog, 
(fayi-OiOQog  Komiker  bei  Pollux  6,  42. 
liQyLB-qmvj  TeXi'vmog,  TeXe-dafnogy  TeXi-aTQatog, 

Endlich    können    hieher    noch    mehrere    Komposita 
zogen  werden,  in  denen  als  Schluss vokal  des  ersten  Glied« 


absichtlich   bei  Seite,  da   die   physiologische,    übrigens  schon  in 
Scholien   zu  A  250  und  von  Xenophon  Mem.  I  4,  12   gegebene 
legung  in  W.  iner,  teilen,  und  o^,  Stimme,  zur  Einfachheit  und  a 
liehen  Greifbarkeit  homerischer  Epitheta  wenig  pa^st. 


Chrufi:  Äbhängigkeitskomposita  des  Griechischen,  193 

«der  o  etidiert  ist,  wie  i^ik^ex^Q^Qi  ^^^r-adcAgpog,  aaiv-ovqog^ 
icfX-fjroi^y  l^fivr-aydQog,  Eid-dvefioi,  *)  KQiv-ayo^g,  /T««^- 
^fOQag^  nu&'etttiQog,  nXrj^-aycQagy  Tlv^-aycqagy  Tiqn-av' 
i^j  ^aiy-aQeffi,  Oaiv-iTcnog,  0eid'i7i7tog, 

Was  die  Deutang  vorstehender  Komposita  anbelangt,  so 
baben  die  Griechen  selbst  das  erste  Element  nicht  als  einen 
Imperativ,   sondern   als  ein  Nomen  actionis  aufgefasst.     Das 
«eht  man   daraus,    dass   sie   an  Stelle   dieser   altertümlichen 
Formen,  deren  Triebkraft  früh  abstarb,  solche  mit  -ai  setzten, 
wie  l/iyr^i'hxog^   ^Hyrjai'hyxog^   iyeqai-fjiaxog^   MvriOL-7ix6XB' 
liog^  Xat^fjoi^Xetag.    Aber  das  beweist  für  die  wirkliche  Ety- 
mdogie  nichts,  das  bezeugt  nur  die  Anschauung,  welche  die 
Griechen  in  sfMLterer  Zeit  von  diesen  alten  dunklen  Bildungen 
hatten.     Von  den  neueren  Forschern  hat  Osthoff  S.  164  die 
Ansicht  aufgestellt,  dass  die  Formen  liyihiog^  oQx^^^^og  u.  ä. 
108  ehemaligen  Idyohxog,   d^onanog   entstanden   seien,   und 
diis    die    homerischen    Wörter    qnjyojizole/dog  ^    i^hiofjrjvog, 
iua^a&rrjg  die  Ueberreste  jener  früheren  Sprachschicht  re- 
prisentierten.     Aber  dagegen  muss  eingewandt  werden,  dass 
die  Komposita  mit  e  entschieden  älter  und  bei  Homer  zahl- 
reicher sind  als  die  mit  o,  und  dass  das  häufige  Vorkommen 
des   o   in   der    Fuge  der    Komposition   ein    ursprüngliches  o 
eher  zu   erhalten  als  dessen  Uebergang  in  e  herbeizuführen 
geeignet  war.     An  der  Ursprünglichkeit   des   e   müssen   wir 
abo  unbedingt  festhalten,   so  dass  wir  nur  darüber  geteilter 
Meinung  sein  können,  ob  das  erste  Glied  unserer  Komposita 
ein  Imperativ  oder  ein  Verbalnomen  sei.    Von  Nomina  könnten 
hier  nur  solche  auf  o  oder  es  in  Frage  kommen.    Aber  einer- 
seits hatte  das  s  von  es  in  Wörtern  mit  nachfolgendem  Vokal, 
wie    ftepaixfitig    oder   ^x^yyvog,    unmöglich    spurlos   ausfallen 
können;    andererseits    erscheint    das    thematische    o    in    der 


1)  (Jeber  dieses  attiücbe  Geschlecht  siehe  Töpffer,  At^ 
ä.  111. 

18» 


194       Sitzung  der  phüosrphüol.  Glosse  vom  1-  Februar  1890. 

schwachen  Stufe  e  nur  im  VokaÜT,  in  welchem  die  Sei 
chuug  durch  die  Tonlosigkeit  und  den  Mangel  eines  I 
folgenden  stützenden  Konsonanten  erklärt  wird,  und  in 
abgeleiteten  Wörtern  auf  e~iog  und  eiu^  alt  e-iw^  die  da 
hier  ausser  Betracht  bleiben  müssen,  weil  die  Teile  der  1 
posita  sich  nach  den  primitiven,  nicht  den  abgeleiteten 
mina  zu  richten  pflegen.  Freilich  ist  es  jetzt  eine  bdl 
Theorie,  von  einem  thematischen  zwischen  o  und  e  scb 
kenden  Vokal  in  der  Gonjugation  mit  Bindevokal   zu   i 

und   aus   i-fAeve-g   und   fiivo-fiev  ein   altes  Nomen  auf 
rekonstruieren.     Aber  so    lange  die  Freunde   dieser  Th 
nicht  im  Stande  sind,  ein  solches  Nomen  auch  wirklich  n 
zuweisen  und  genügende  Gründe  für  den  Wechsel  der  Vc 
anzugeben,  wird    man    es   uns  nicht  verargen  können,  i 
wir  die  Heranziehung  dieses  fingierten  Nomen  zur  Erkläi 
unserer  Komposita  ablehnen.    Wir  bekennen  uns  daher  li 
zu    der  alten  Annahme,    dass  in   l^yiXaog  fASvedr^iog  das 
und  fiive  wirklich  ein  Imperativ  ist  und   dass  das  Kom] 
tum    dem    Zuruf   aye    laovy    fjeve    dr^iovg    seinen    Urspi 
verdankt.     Es    gehören    also    unsere  Komposita    zu  den 
änderten  Kompositen,    in   denen    eine    kleine  Wandlung 
Form   und   auch    der   Bedeutung   stattgefunden    hat.     I^ 
beiden  Richtungen  mögen  die  häufigeren  und  älteren  Possec 
komposita  Vorbild  gewesen  sein.     Wichtig  aber  ist  es,   » 
sich  solche  Komposita  nur  von  Verben  bildeten,  die  wie 
fiivB  vorzüglich  beim  befehlenden  Ausdruck  vorkommen, 
dass  sich  dieselben  fast  ausschliesslich  auf  die  Poesie  und 
die  aus   dem  heroischen  Epos  entstandenen  Eigennamen 
schränkten. 

2)  Mit  einem  auf  i  ausgehenden  Verbaleleme 

Wir   müssen    hier   billig    von    denjenigen   Wörtern  a 
gehen,  in  denen  i  mit  e  wechselt;    diese  sind: 


Christ:  Äbhängigkeitskompoaita  des  Griechischen,  195 

^d^i-dofMog  und  li^i-danog^ 
liyi-dafiog  und  l^yi-dafiog, 
Xaii^'dr^fiog  und  XmQi-Yevrjg, 
a^X8-^eai^og  und  aQx^'x^itJQog. 

Zu  beachten  ist  dabei,  dass  nach  den  Nachweisen  von 
Meisterhans.  Grammatik  der  attischen  Inschriften  2.  Aufl. 
§  43,  5,  die  Formen  mit  «,  wie  aQxe-d'iioQogy  die  älteren 
«od.  Bei  diesen  Wörtern  spricht  also  alles  dafür,  dass  das 
1  nicht  ursprüngliche  Endung  des  ersten  Kompositionsteiles, 
60odem  bloss  lautliche  Vertretung  des  Vokales  e  ist.  Dazu 
stammt  auch  dieses,  dass  die  umgekehrte  Vertretung  des  i 
durch  e  in  d-xeQ-ae'HOfjirjg  statt  d-neQ-ai-xofir^g  und  xaUJ' 
nxog  statt  xcdXi-yixog  vorkommt.^)  Nun  findet  sich  aber 
allerdings  auch  ein  festes  i  in  einigen  Kompositen,  näm- 
lieb  in: 

la&i-xTfdi^g  sc.  ^aCog  H.,  Xad^i-(pd^oyyog  Hes.,  Xa&i-noQqiVQig 
Ibyc,   Xa&i'novog   Soph.,    Xa&i-qtQoavvrj    Apoll.  Rhod. 

xtSi-metga  sc.  fidxrj  H.,  Kväl-fnaxog^  Kvdi-aO^^vaiov. 

ofiagti-roog  Hes.  neben  hom.  a^a^o-c/rijg. 

fldi^X^t^  H. 

(mf^^fiß^otog  H. 

tB^i'xeQcnn^og  sc.  Zevg  H.,  ursprünglich  nach  Gu.  Meyer, 
Curt.  St.  7,  182  soviel  als  'drehend  den  Blitzstrahl'. 

!^lq>i-poog. 

Aber  so  wenige  Beispiele,  bei  denen  obendrein  der  Ver- 
dacht einer  Textkorruptel  nicht  ausgeschlossen  ist.  können 
unmöglich  genügen,  um  die  Annahme  eines  eigenen  Verbal- 
nomeu  auf  t  zu  rechtfertigen.*)    Wir  werden  daher  auch  hier 

1)  Siehe  Meisterhans  a.  0. 

2}  Ein  solches  Nomen  auf  <  stünde  allerdings  zur  Verfügung; 
wir  haben  es  in  Sx-i-i,  xög-i-g,  äyvQ-t-g,  bfjQ-i^g,  und  skt.  ag^s  neben 
a^-€h<  =  gr.  al$  und  cdyls* 


196 


Silmnff  der  phUof.'pkSol.  CinMf  t 


besser  thtiti,  lautlichen  Ueb^rgang  den  e  in  i  aazuDehmeo, 
welcher  sich  an  diu  Formen  mit  regelrechtem  i.  wir  ^tj*- 
tpoßog,  dat-qt^iitv,  ofyi-!tovg,  KuU-i-xo/jog,  vil'i-xäftjvo^  an- 
lehnte. Die  Analogiebildun)^  kunnte  aber  um  so  leichter 
um  Hich  greifen,  als  die  verbale  Bedeutung  in  den  meiat«^ 
jener  Komposita  verdunkelt  war. 

3)   Mit   einem    anf  a  ausgehenden   Verbalement. 

Die  spärlichen  Vertreter  dieser  Bildung  sind: 
tahi  - ftqyüg ,    taXa-Ttey&rji;,     taijiv-Qivog    aus    ta^a-f^tvo^, 

Schildträger'},  zaXa-irei^iog  H.*) 
JuiiardQogy  Ja/titcnog,  wenn  anders  dieaelben,  wie  wahrschein- 
lich, aus  ^aßa-avägog,  Jana-innoq  entHtanden  sind. 

Tn  diesen  Zusaniniensetxtingen  scheint  das  a  zum  ThvuM 
det^  Verbums  zu  gehören .  geradeso  wie  in  eiKv-if)6tDv,  'Egt' 
Xaog,  Ja/jva-fteveig,  und  ähnlich  wie  in  den  Vorbis  t^-fiat, 
xQf/ia-ftai,  aya-fiat,  itpia-fiai,  iüa-flj,  iiira-Tai,  über  deim 
Bildung  freilich  noch  keine  vollgtändige  Klarheit  hernicbt.*) 

1)  Diese  DeutuoR  von  niaveiret  wtml«  zuerst  auF^eittellt  von 
[1orfmu.no.  Quaest  Hom.  I,  IST:  dieselbe  Imt  neu«rdtiiRti  wieder 
bestritten  Sanney.  Philol.  46.  375.  indem  er  unter  BenifunK  uif 
li&i!gsiro(  unter  Wort  erklärt  mit  'ein  Fell,  dta  uuRhült.  haLwnO'. 
Wenn  nur  SuhntAntiv  und  Adjektiv  gli^ichiitfmiien  und  lo'.«  die  «n- 
genommene  Bedeutung  hätte! 

2)  In  taid'iperor,  taXa-migtlia;  iame  ich,  dui>'li  die  Unlptitinig 
geleitet,  lieber  diu«  enta  Clement  üb  Adjektiv  und  lause  tala  aai 
jalar  verBtiimmelt.  «ein.  Auch  dw  pindari-idie  tU^'iiof  N.  i,  18 
wird  ftir  tnlnr-^iiitK  Hteben  moUph,  obwohl  l'indar  die  Uedeuluiiit 
»einer  Komtio^ita  lange  nicht  so  klar  wie  Hunier  )(pt'iw«l  hui.  Hia- 
gegen  wird  in  Tl.ii-aöXtfto(  und  tlij-nd&tiiia  da«  tX^  im  vt^nlra  Sbn 
für  jaXa  alehen. 

S)  In  ah-a'Jii,  dus  erat  bei  Pindtvr  Torlommt,  i>t  diu  a  am 
dem  EinHuK«  des  Aorist««  lirrA/irjr  tw  erklflren;  In  fgofim  Klebt  gr.  « 
fQr  an,  da  die  Zurückrnhrunir  diexe«  Vnrbum»  auf  W.  rati,  sich  rruttua, 
Ton  llrugmann.    KZ.  24   il,  6,  auHser  Zweifel   gexetit  ixt.     In   diMoa 


Christ:  Abhängigkeitskomposita  des  Ghriechischen,  197 

AnsBerdem  besteht  ein  offenbarer  Zusammenhang  dieses  a 
4»  ersten  Kompositionselementes  mit  dem  a  des  zweiten 
Gliedes  in  nohu-xlja^,  ^^I/tno-dofiag,  Tlovlv-dafiag  u.  ä. 

4)  Falsche  Bildungen  mit  einem  auf  ea  aus- 
gehenden  Verbalelement. 

Falsche  Analogiebildungen,  um  gleich  meine  Meinung 
zu  sagen,  sind  die  wenigen  Komposita  auf  ea  im  ersten 
Glied,  nämlich 

ft^-caxfjg    Hes.   scut.    13,    g>eQia'ßiog    Hes.    theog.   693, 
hymn.   Cer.   469,    Emped.    fr.    131    Ritt.,   XuiBO-dvioq 
.  Stesich.  fr.  35. ») 

Diesen  Kompositen  stehen  nicht  bloss  keine  ähnliche 
Bildungen  in  anderen  Sprachen  zur  Seite,  es  widerspricht 
Mch  die  transitive  Kraft  des  Verbalelementes  derselben  der 
Dentralen  Bedeutung  der  Nomina  auf  es.  Da  ausserdem  nur 
ginz  wenige  Beispiele  und  kein  einziges  homerisches  vorliegt, 
80  bat  man  es  hier  offenbar  mit  missverständlichen  Analogie- 
bildangen  zu  thun,  die  durch  ältere,  später  missverstandene 
Komposita,  wie  ogia-ßiog,  o^£(7-x(^'}o^,  fyx^a^^dXog  veranlasst 
worden.*) 


ff^  ebenso  wie  in  dofta  und  taXa  scheint  die  Natur  der  Liquida  und 
Nasalis,  welche  den  Stimmlaut  zugleich  vorher  und  nachher  ertönen 
Iie$i»,  Einfluss  auf  die  Lautgestaltung  geilbt  zu  haben. 

1)  Das  aus  dem  homerischen  Hymnus  21 ,  14  angeführte  (pege- 
oar^ioi  ist  falsche  Konjektur  des  überlieferten  negsoav^iaiv.  Hermann 
hat  dafür  das  richtige  evav^iaiv  auf  Grund  der  Variante  nag*  evav- 
^roiF  hergestellt.  Das  CeoeXato^av^enmayxojrvQoyrog  des  Dithyrambikers 
Philoxenos  ist  gleichfiills  nur  durch  Konjektur  gewonnen  und  beweist 
ao^serdem  nichts  für  die  echte  Sprache  des  Volkes. 

2)  So  urteilt  richtig  Osthoff  S.  196,  während  noch  Justi  S.  45 
ftgeo-ßiog  auf  fftger-ßiag  zurflckzufiihren  die  Kühnheit  hatte.  —  Gar 
nicht  berücksichtigt  habe  ich  im  Text  die  von  G.  Curtius  und  Clerara, 
Cort.  Sind,  m  192  und  VII  60  vertretene  Meinung,  dass  auch  in 
toAoi^Qiov,   tcdcU'JicDQogf    TaXai'fiirtjg   ein    verbales    £iement   stecke. 


198       Sitzung  der  phüos.-phüol,  Classe  vom  1,  Februar  1890. 

5)  Mit   einem   auf  o  endigenden  Verbalelen 

Die  bisher  betrachteten  4  Arten  von  Komposita  ge 
alle  zusammen  zu  einer  Klasse ;    Ton  ihnen  yerschieden 
diejenigen,  deren  erstes  mit  verbaler  Bedeutung  ausgcrfl 
Glied   auf  o   endigt.     Derartige  Verbalia   bilden  häufij 
zweiten  Teil  der  Zusammensetzung  und  hatten  dort  sei 
alter   Zeit  ihre  Stellung;    als   erstes  Glied   kommen   si 
Griechischen  nur  selten  und  meistens  erst  in  verhältnisni 
später  Zeit  vor.     Vorbild  aber   för  alle  Zusammensetzu 
dieser   Art    waren    die   Komposita   mit   q>lXog.      Von    d 
allein   finden   sich   schon    bei  Homer  mehrere  Beispiele^ 
qnlo-xTeavog  y    (piXoiA^Bidifi    aus    q^iXo-a^eidrß  ^    tpii/h-^ 
(piXo-naiyfKoVf  qitko-TtxoXB^og,  q>ilo-ipevdi^gy  OiXo^firjXsid 
und  diese  allein  haben  in  verwandten  Sprachen  Analoga, 
skt.  prija'giva-s^   liebend  das  Leben,   prija-atithi-s,   lie 
den  Gastfreund,  slav.  Ljubo-slav^  liebend  den  Ruhm,  dei 
Liub-ger,  Liub-drut.    Für  diese  gibt  es  aber  auch  eine 
fache   und   einleuchtende   Erklärung.     Wie   nämlich   0» 
S.  159    nachgewiesen    hat,   waren    alle   diese  Komposita 
sprünglich    Possessivkomposita     und    bedeutete    (pih)fjifii 
*  liebes    Lachen    zeigend',    qnlo-ntiavog  Miebes    oder    tec 
Eigentum  habend',  qpiAo-^civog  ^geliebten  Gast  habend'.    Di 
possessive  Verhältnis   ging   aber  gerade  bei  unseren  Kon 
siten    leicht   in   ein    abhängiges    über,   so   dass   das  Volk 

Vielmehr  ist  hier  zaXai  geradeso  aus  raXato  verkürzt,  wie  ngatat 
HQaraio  in  XQatai-nedov,    XQarai-jiovg,  xQaxal-Xeoygf   XQatal-Qivog ; 
oben  S    182.    Wahrscheinlich  ist  auch  fuat-ipövog  und  KXvrai-fAiji 
aus  fiiatotpovog  und   KXvTaio^rjavga   verstQmmelt.     Ganz   in   der  ] 
schwebt  die  Annahme  von  Vo^rinz,   Gramm,  d.  hom.  Dial.  S.  1 
der  xXvrai  für  den  Dativ  eines  Nomen  erklärt. 

1)  q)iXo'(pQoavvr)  gehört  nicht  hieher,   da  sich  dasselbe  an  ^ 
(pQovioyv  Od.  jt  17  anschliesst,  so  dass  (piXo  die  Bedeutung  eines 
jektes  hat.     Noch  weniger  kann  ^iXo'Hxrixr\g  hieher  gezogen  werc 
da  dasselbe  'Freunde  werbend'  bedeutet. 


Christ:  Abhänffigkeitskomposita  des  Chiechischen,  199 

leiDem  Denken  dilectos  bospites  habeus  in  das  einfachere 
üligens  hospites  umsetzte  und  das  jetzt  aktiv  gefasste  q^ilog 
mit  dem  Verbum  q>iki(jj  in  Verbindung  brachte.  War  dieser 
Denkprosess  einmal  vollzogen,  so  war  auch  für  die  Bildung 
ihnlicher  Komposita  Thür  und  Thor  geöffnet.  Bei  Homer 
findet  sich  von  solchen  nur  qwyO'ntoXe^oq  Od,  ?  213,  das 
offenbar  als  Gegenstück  zu  dem  gangbaren  q^iXo-itTokefiog 
gebildet  ist;^)  aber  häufig  werden  diese  Bildungen  in  der 
Dachhomerischen  Zeit,  namentlich  seit  Pindar  und  Aischylos, 
den  kühnen  Sprachneuerern. 

Aus  der  grossen  Zahl  der  Neubildungen  genüge  es  au- 
nfthren:  qpa^FO-^ij^ig  Ibyc.  fr.  61,  i&el6'7roQvog  Anakr. 
fr.  21,  qwyO'fiaxog  Simon.  106,  leino-niva^  Batrach.  100, 
ohfo-^erog,  qfvyo-^etvog,  (fy^ivo-i^aqnog,  (pi^iv-oiTioqig  Find., 
ii.TO-Foig,  fiiaO'^eoc,  otvY'OviüQj  qwy-aixf^rjg  Aisch.,*)  fielko^ 
nftifog  und  ^eiXc-ya^og  Soph.,  Xuro-yafjog  Eur.,  fÄiao-nohg, 
ßctlo'fiaxog  Aristoph.,  Xino-ra^ia  und  Xein o-ra^ia,  Xeino- 
otaatiia,  keijro-fta^tQiov,  ksi/ro-ipvxict,  piioO'XVQavvog,  liiao- 
ifftogj  utao'hyyog,  ^lao-rexvoc:,  /jiao-ßoQßaQog,  f^tiao-Ü^rjQog, 
hüxHÖovlog  Att.,^)  oxeqyO'^vvevvog  Lycophr.,  arvyo^defiviog, 


1)  Nicht  bieher  ziehe  ich  djtteQo-ejti^g,  dfiaQTO-ejiijg,  tjXirO'firjvog 
(Tanante  von  rjXixi'fArjvog),  SlaXxo-fisvtjlg.  In  den  drei  ersten  Wörtern 
L<t  das  erste  Glied  geradeso  wie  in  aioXo-fiitQrjg  ein  Adjektiv;  siehe 
S.  Id3.  Das  dunkle  Epitheton  der  Athene  dXaXxofieyrjig  ward  aller- 
dini^  schon  von  Aristarch  auf  das  Verbum  dXaXxeTv  zurückgeführt 
und  mit  'abwehrend  die  Krafif  erklärt  (s.  Stephanus  Byz.  unter  'AXaX- 
»ofieriar,  einem  Städtchen  Böotiens),  aber  es  ist  auch  nicht  zu  kühn, 
neben  Älx^  eine  reduplicierte  Intensivform  dXaXx^  oder  dXaXxog  an- 
lanehmen  und  dieses  Nomen  im  ersten  Teil  dieses  altertümlichen 
Worte«  za  suchen.  Von  Eigennamen ,  die  durchweg  freier  gebildet 
i»ind,  ist  vielleicht  noch  Biijvmg  II.  A  92  hieher  zu  stellen.  Die  Zu- 
rückf&hrung  von  fitay'dyxeta  auf  fitayo,  fiiayoj  ist  zweifelhaft. 

2)  Auch  ein  xvQoo-xexvoiv  steht  in  Aesch.  Sieben  V.  769,  aber  das 
irt  nur  eine  Konjektur  G.  Hermann's,  die  wenig  Wahrscheinlich- 
keit hat. 

3)  Das  exa-ydr)    bei   Piaton,    Crat.  414  b,   ist  nur  eir 


200        SUnini,  der  phil'if -/ihiliil.  CloBai:  rom  1    Febninr  tS90. 

aQiayo-vavxijs,  Alith.,  la^-uv^ia,  fiiao-yiivt,^,  aiuto-JioXig,  oCo- 
aioftoq  Spät..')  'yi^vvö-fiajioq,  l^^ftd-^evoi,  'yiq:i o~)t^tijS,  Bi- 
avi'jß,  Bt6-äafiog,'loxö-fittX'^i<  K^ivo-ßovXog,  .'Ucfo-xi^y,  Mifirc- 
(ioj^ut;,  Mtayn-Xai;,  Nf*o-5rj(iOg,  OiieXi.0'X.i^iiStji:,  fltiito-iaii, 
tletitö-^evog,  Tifio-ä^tAog.  Ti/jö-i^BO^,  fpatvo-yikrfi,  (DoiV-iÄrtog, 
0siS6-Xaos,  (PeiSö-at^atos,  ißeid-innog.'')  Wenn  nun  fibri^en« 
auch  alle  diese  Bildungen  erst  auf  ^ectiischem  Boden  nadi 
dem  Muster  des  ererbten  ipii.o-xXitj?  entstanden  sind,  so  int 
doch  zu  beiichtfii,  dass  auch  in  den  verwandten  Spracbrn 
ganz  ähnliche,  ans  deriselben  Wurzel  ente|irosseue  Komposita 
vorkommen,  wie  im  Deutschen  Bili-frid.  Bilt-helm,  im  Sla- 
vischen  Bado-gast.  sich  freuend  des  Gastea,  Milo-brat,  aich 
erbarmend   des  Bruders,    guho-duaa,    verderbend  die  Seele.*) 

())   Mit   einem    auf  ai   endif^endeu  VerbalnomflB. 

Die  ausgebreitetsten  Wunteln  acblugeii  im  Qricchmclwn 
die  schon  bei  Homer  zahlreich  vertretenen  Kunipotiita  itüt 
einem  Verbahiumen  auf  tri  im  ersten  Glied ;  diis  s  diewer 
Endung  ist  uns  i  durch  die  assi bilierende  Kraft  des  nach« 
folgenden  Volcalei^  i  entstanden.  Das  alte  t  Kndet  äich  noch 
in  /iioti-ävei^a  H.,  Kaact-ävti^a  H.,  'Oßii-Xoxog  v.  L  »u 
lOpot-Aozog  H.,  ^vii-iQOiig  Theokr.,  wahrscheinlich  auch  in 
ÖQti-rf^iiiv  H    und  ö^t-ineia  Hes.,  wenn  beide  Wörter  nicht 

riiiloHophen  xur  Worterhläruii;;^  fingerte»  Wort,  dsw  nicht,  wie  die 
anderen  aufKeiillilteii  Wörter,  dem  atti)ii;hun  Volke  m  und  gerecht  wuf. 

1)  Statt  faro-^altjn,  dua  Oilbolf  au»  Alkipliron  III  SB  unlthrt, 
lii^Ht  jetxt  Hcroher  in  engeren  Änsubluas  an  die  Udbi.'rlieleriui|{  ipoi- 
taAngdäjijo). 

2)  Nebeneinuntler  kiimi-n  vor  ä/iagto-t.-ri^t  i\„  &iia^t!-roo(  Hea., 
Ih'ltö-laog  Att.,  UcMi'ätanoa  Nonn.,  'Psiia-ot^atoi  tind  'PtiAl-otgatrn 
U.  HeiHterban».  Gr.  d.  att.  lnaehr.'  90),  'Saiä-ßaxtn  und  '/aj|;»-^Mix«, 
6eoo-jQiairtiQ  and  "OpoMujtw. 

8)  Die  von  Früberen  hiehergeio({eaeii  SamtkritkomprHiita  mit 
dnma,  beEwingmd.  and  i/iuit.  beaje^nd.  »«nlon  jolit  alle  im  P«(Wab. 
Wnrlorb.  niiiltT«  und  richtiger  gt^duutet. 


Ckrigi:  ÄbhängigkeitskomposUa  des  Chiechischen.  201 

Poasesdvkompointa  sind  und  in  ihnen  das  aQTi  aus  oqtio 
entstanden  ist.^)  Die  Endung  ai  oder  ti  ist  zum  grössten 
Teil  anmittelbar  an  den  Stamm  angeschlossen;  endigt  der 
iHstere  auf  einen  Konsonanten,  so  wird  mehrfach  ein  ver- 
fflittehides  e  zwischen  die  Konsonanten  zur  Erleichterung 
der  Ansspracbe  geschoben.  Das  Nomen  auf  ai  findet  sich 
zum  Teil  auch  in  selbständigem  Gebrauch,  aber  durchaus 
mcht  immer.  Ich  gebe  nun  im  Folgenden  eine  Zusammen- 
«tellang  der  betreffenden  Komposita,  indem  ich  diejenigen 
Bildungen,  von  denen  sich  Beispiele  schon  bei  Homer  finden, 
TOQ  den  anderen  trenne,  und  in  beiden  Verzeichnissen  die 
echten  Komposita,  d.  i.  diejenigen,  in  denen  der  zweite  Teil 
diesStelle  eines  Akkusativobjektes  einnimmt,  voranstelle. 

of^t-:   de^i^noieg  H.,  aeQüi-voog  Ion,    deQai'Xoq)og   Apoll. 

OWI-:     deoi'q^Qiüv^  oeai-qiQoavvrj  H.,  *!Ao~avdQog, 

ihJ^-:    dleii'Xaxogy    aXe^-ovefiog,    ^iki^-avÖQog   H.,    dle^i- 

lißqotog    Pind.,    dXe^i-fiOQog   Soph.,   dX€^i-q>dQf4axov 

Att.,  ^le^i-xXrjgy   liXe^'CivwQ,    liXe^L-dri^og^   ^/iXi^- 

mnog. 
ofpuai'i  yiqx^ai'hxog. 
ofOi-:     dqai'voog  H.,    ^Qai'vorj^  vielleicht   auch    oQTi-ipQWv 

H.,  d(^i'€neta  Hes. 
ßbni'i     ßwti'dyeiQa  H. 
dttai'i    Jeia^rivioq  H.,  deiai-daifjiiüv  Att. 
iwoat-:    iwoai-xi^unfy  ivi^oai^yaiogy  ivyoai-qwlkog  H.,  ^E^voai- 

dag  Pind. 
fQtHft-:    iQVO'dQfjaTogj  iqvoi^nTo'kig  H.,  ^vai-ßcofiog  Aisch. 
xaOTi-     von    xaivWy    ich    übertreffe:    Kaaxi'dveiqa^    Kaaa- 

dvdf^  aus  Kaori-avdQa  H. 
dxe^HJB-  xofjifjg  für  dneQat^nofirjg  H. 
xrijui-:    Ärija-i/TTTOg  H.,    Krijoi-ßiog^  KTtjai'HQdirjgf  Kzi^ai- 


1)  Ein  Nomen  auf  u   scheint  auch  enthalten  zn  sein  i 
ioi,  Kgat-uixog,  Koari-Ötjaog,  und  selbst  in  Kagri-pixog. 


202        Sitzung  der  phüoa.'phüol.  Classe  vom  1.  Februar  1890. 

xAiJg,    Ktf]ai~q)civj    dor.    ndo^iTtTJog,    naOL'XQCt 

naai'UVTTQog. 
Xvai' :      i.vai-fuXii]g,   Ivai-^wvogy   Aio-avÖQog  H.,   Xvai-fi 

fivog  hy.  Uom.,  ^vai-avacaa  Hes.,  Xvai^novog  Pi 

Avxi'iqar}gj   Xvai-nanogy   kvat-^covog  Theokr.,    h 

TcX't^g  Att. 
dXeai-:    oXeai-xaQnog  H.,  oAca-rJvü/^  Theogn.,  oXeoi-fißgi 

Orph. 
OQTi" :      ^Oqftl'Xoxog^  OQai-veq^g  H.,  OQoi-KtVTiog  Pind.,  *(J( 

xQOTTjg^  "Oqo^innog. 
7r€tai':    Ueiai^atgaTog,  neta-avögog  H.,    netai'dixi]y    Tl9i 

xA^c;,  Uaiai'TiXrjg. 
7iXtj^I':  nXrj^^in7(og  H.,  nXri^-avQrjy  in  dessen  zweitem  I 

raent  das  Wort  ixQpo-g  izi  skt.  arvan,  *  Renner,  Pfi 

zu  stecken  scheint. 
TiXijai'i  nXr^a'loTiog   H.,   TrXrjai-yvax^og   Kom.,    üXijai'Qqi 
^ryfi-:      ^rj^'t^vioQ  H.,    ^^i-niXevd^og  hy.  Hom.,    ^rj^irq^Xo 

Theophr.,  ^Tj^l-voog,  ^ij^i-xy^wv  Orph.,  kret.  Bgaai-X 
raijeat-:  ta/Jcai-xQ^Q  sc.  x^^Axog  H. 
TSQipi'i   TBQXpi'f^ßqoTog    H.,    TBQipi'XOQog    hy.   Hom.,    Te^i 

XOpry  Hes. 
(papeai-:  rpafeai-fißQOTog  H.,  qfaval-fAßQOTog  Pind. 
(pd^iai-:  fpd^ta-rivcjQy  q)^ial-f4ßQotog  H.,  y)d^tai'(pQüJv  Opp. 
(fvat'i     cpvai'^oog  H.,  (pvai-yvai^og  Batr. 

Die  ursprüngliche  Bedeutung  ist  verdunkelt  in: 

Tawai"7tTeQog,  eigentlich  ^ausspannend  die  Flüger,  dann  ga 
gleich  Tavv'7TTeQogy  breite  Flügel  habend,  H. 

7irjyeai'iJaXXog,  dichtwollig,  H. 

eXiieai'7i€7iXog ,  eigentlich  ^schleppend  das  Gewand',  dai 
'Schleppkleid  habend*,  H. 

TüXaal-q^Qiov  zz  TaXc'-fpQcov  H.,  tXrjai'XOQdiog  =z.  raXa-nca 
diog  H. ;  hingegen  ist  die  ursprüngliche  Bedeutoz 
gewahrt  in  zX^ai-fiox^og  und  taXaa-ovQyüg  Att. 


;  Abhi'hnjigkeilxkoiiiiio/iiUi  tlm  fJrifcAiarftfn. 


203 


/t»0<-];o'iliva  BC.  ÜQfiaTa  xata^evyvvi]  attivoi;  'irrniov  hei 
Pindar  V.  2,  11  bedeutet  so  viel  als  jrettfüjuerot  ^o^iv^ü 
und  pusst  als  Hpitbet^^in  zunächst  zu  aSivo^  \nntov. 

V(in  den  zahlreichen  Bildungen,  die  nur  durch  nach- 
bomerische  Beispiele  belegt  werden  könueu,  atelle  ich  wieder 
die  echten,  in  denen  das  zweite  Glied  die  Stelle  eines  Ob- 
jektes im  Akkusativ  einnimmt,  voran;  docli  so,  dass  ich  auf 
volUtänilige  Aufzählung  der  Beispiele  verzichte;  mehrere 
der  angeführten  Beispiele  sind,  wie  ich  anmeiken  werde, 
auch- in  die  Prosa  übergegangen;  aber  daa  eigentliche  feld 
auch  dieser  Art  von  Komposition  ist  immer  doch  die  Poesie 
und  die   damit,  zui^ammenhangeiide  Xametigebung  gebliehen. 

l^ytjoi-laog,  l^yrjoi-ittfiug,  'Uyi^o!-i.oxoii,  'Hp',a-i!i/io^  nelien 

^yi-laog,  ^yi-^aftot;  etc. 
ae^i-yviog  l'ind.,  oeSi'-ifvUos  Aisch..  rtö^i-t^otfoi;  Orjili. 
j^titjot-dafiog,  j4tvria~liuia. 
BJUKai-fißnuni^  Orph.,   äxeai-iiovng   Nonn. 
ofieQai-yafiog,  dfteeai-i'uog  Noiin. 
äfieval-tia^S  Pind.,  öfittilil-xßcog  Hes. 
ärtai-Btiyog  Theokr. 
ßlatl'i-^tiiy  Aisch. 
ßfia-ä^/tatog  Res. 

dafiaat-iiß^oioi;,  Saft aai-<f ßiiv  Pind.,  Ja^äa-tnnog. 
dt%i-fii]iAii  Eur.,  Jf^i-iteog,  Ji^-imiog. 
dtj^i'itvfioi;  Aisch. 

inü^-m.ioi;  Pind,,  iiiwSt-xilevitog  Noun. 
iyetfoi-^axog,    fyt^i-ftoitog ,    fyefai-vnog    Spät.,    g« 

älterem  iyijt/iäyi/. 
flÄa-in.tog  Pind. 
fiietipi-toixos  Aisch. 

n-£sn'js  Piiid.,  evfJtai-i.oyiii;,  li^eai-iexvi'a  f^pät. 
lofiog,  Zü$-ui.-iiig. 


204        Sitzung  der  phihs.-philol.  Classe  vom  1,  Februar  1890, 

^Hai-odog,^)  f^ai-entfi  Et.  m.  669,  7,  dvTjai-dwQog  Alk. 
^eX^i'q>QO)v  Eiir.,  ^ei^i-fAßQotog  Nonn.,  d'eXyeai'fdVx^og  Oi 
O^QBip'ilvwQ  Anth.,  &Qiip'i7i7iog. 
KXrjO'innog,  daneben  naXBaai^x^Qog  Orph.  mit  falscher  D 

pelung  des  o, 
xaftiln-Ttovg    Aisch.,    xafAipi-diavXog   Telest.,    nafd/ieal-yi 

Orph. 
üXeilu-q^ojv  hy.  Hom.,  xXeiff-vdQa  Akt. 
xQvilfi'VOvg  Att. 
Ki'Xfjal'Teq'Qog  sc.   xovia    Arist.   Ran.  710    in    der    unkla 

Bedeutung   mit  eingerührter  Asche'. 
xwXvai'eQyiio  Polyb.,  ynokvO'QvefAog  laiubl. 
hj^i-aQxog  Att.,  kr]^i'7rvQ€tog  Med. 
MrrjGi'jrToXefiog  neben  fieve-ftTokefiog^  Mv/jai-fioxog,  MeVi 

fiPfjai-naneio  Herod.,  fiV1]al'/Tr^filov  Aisch.,  Mvaai-S-eog, 

ovr^ol'jioXig  Sinionid.,  ^Ovaol-fißqoTog^  ^Ovaai-xv/rgog, 

nava-avefjiog    Aisch.,    navo^aviag  Soph.,    ftavai-riorog   Ei 
Tlavö-aviag^  riavoi'fAaxog, 

Ilevd^eai'leia,  die  das  Volk  in  Trauer  setzt. 

TIoQd^eai-Xaogy  vielleicht  Tteqoe-7ToXig  für  7i eqai-Trohg. 

IlQa^i-dixTj^  riQa^i'TfXrjg,  nqa^-ayoqag, 

7rQoSwa-haiQog  in  einem  alten  Skolion. 

Qailf'iifdog  Herod.  und  Att.  Das  Wort  ist  fälschlich  auf  d 
Endung  betont,  weil  in  dem  zweiten  Glied  der  Z 
sammensetzung    ein    Verbalnomen    aoidogf    nicht    e 


1)  Der  Name  wurde  von  Welcker,  Hes.  Theog.  S.  5,  im  Sin 
von  leig  wdijv  gedeutet;  da  aber  die  kontrahierte  Form  tj^dii  nac 
hesiodisch  ist,  so  milsste  der  Dichter,  wenn  in  seinem  Namen  d 
Begriff  Sänger  steckte,  'Haiaoidog  heisi^en.  Der  Name  hat  aber  g 
nichts  mit  dem  Gesang  zu  thun  und  wurde  nicht  erst  unsere 
Dichter  vom  Gesang  gegeben;  er  hängt  vielmehr  mit  der  Phra 
livat  odov,  suvscipere  expeditionem,  zusammen  und  bedeutete  'BSu 
sender  oder  Leiter  des  Feldzugs*. 


Chritt:  ÄhhätiijigkfiUkompotitti  itra  Gritchischen.  20Ü 

^AhkusatJT   vermutet    wurde;    so   dachte    auch    Pindar, 


)  wenn  er  N.  II  2  das  Wort  mit  ^aiirwr  i/i: 


loiäog 


umsichrieb. 
^iil'-otiXog  Aiscb,,  ^itl<-aaiiic;   AriHtflph. 
aenii-x!>t'>f    Find.,    aeia-ov^a   { Bat-liatelze,  die  Bch waii7.be we- 

geiide)  aeia-öy!teta  Ätt. 
aaaat-ptßffoio'i    Hes, ,     aiaai-fioh^     Aristopli. ,     ^uai-xQoi tjg, 

Suiai'-ßiog,  ^wai-yirijg. 
SjfBva-ifrnog,  ^nevai-xqörjjs- 

Stijai-xo^S,  SiijOt-fiß^tOi;,  2iaa-ui'diJ0i;,  ^raal-xv/igog. 
TOQtt^i-xöeSiot;  Aristoph. 
■teXeat-ovfyöi;    utntt    teXeai-EQyog    Plat. ,     lEXtai-iffituf    Ainch., 

Tiai-<föv)j,  Ttai-KQÖTijg,   Teia-ovin^. 
TQiü-anuQ  S(iph.,  Tgvai-ßtog  Aristopli. 
iflu^-ä^iTig  Batracli. 

^fieaai-fioi'og,    mit    falschem    Doppel-a    ivgl,    xaleaai-xoeog 
Noun.)  in  einem  Kpifjramm  hei  Kaibel  epi^r-  gr.  1021». 
^Segai-yevils  Aisch..  <f!tEqoi-fißqozug  Aiith. 
tptXrifji-atiffavog  Arixtid. 
^oßeat-ai(jOTog  Aristoph. 
«fw^  Aiscli- 

i  einem  anderen  Kanus  Verhältnis  stehen  die  Qliedi?r  in 

jfx'e/iiyf  Pind..    'y/vai-ccyoQag,  ^j-ct^-ijciup. 
~  fiei,tjai-ft(iifotog  Find.,  MelfjO-ayöeaii- 
ei(fxecl-fioXiiog  Hes..  Wp|-(/(/rog. 

^OxiiOi-aoffOii  Ar.   Pax.  44.  xlatai-ftaxog  Ar,   Pax.    1292. 
httfai^iioi-jnaxag  Spät..  XatQuiat-Xeiog. 
Ev^i-ifeog  Dem.,   Ev^-l:tntj,  Joai-i>t,og. 
I^t-novg,  7Aim  Schwimmon   fllsse  habend,   Spät, 

nei-laog. 

ptti-itävaiog,   Hüiiiaine  Ata  zum  Selbstmord  ratenden  Philn- 
ksophen   llegesias. 


206       Sitzung  der  phüosrphüöl.  Classe  vom  1,  Februar  1890, 

I 

Als  Adjektiv  ist  ähnlich  wie  in  den  oben  S.  202  f.  I 
geführten  Honierbeispielen  das  Nomen  auf  ai  gedacht  ioi 

degai'jiOTrjTog^  hochfliegend,  Hes.  op.  777,  deqai'noxrjg  E 

scut.  316. 
iQaai'/cloxafiog  Find.  P.  4,  136. 
xQazTjai^novg,  Kgarrja-iTtTtog  Pind.  P.  10,   13,  N.  9,  4;  1 

KQoti-Xagy  Kgaz-iTcnog, 
äiadgaai-Tcokitai  Arist.  Ran.   1014. 
Xeixp-vÖQiov  Herod. 
Kaoai-eTveia  oder  Kaoai-oiieiay   nXyai-fdaxog,  Nixrjal-Jioi 

Von  da  verirrte  sich  die  Sprache  dahin,  das  erste  Gl 
auf  ao  statt  auf  ai  enden  zu  lassen,  in 

fii^O'ßoag,  lai^O'd^QOog  Aisch.,  fjn^o-ßdqßagog^  fii^o-fiaQx^&i 

fjn^O'XväiOTi  Prosa. 
OQOO'TQialvrjg  Pind.,  wobei  die  Verwechselung  von  ogao  x 

OQd^o  mitspielte. 
OTQexpO'diTLiu)  Aristoph. 
iXi^o-yLtQwg  Anth. 
Xenpo-aekrjvov,  XEiipo-b^qi^  Spät. 
QiilfO'nivdvvog  Spät. 
aeiaO'7fvyig  Spät. 

Unter  der  irrtümlichen  Voraussetzung,   dass   in   dem 
die  Endung   des  Dat.  plur.  3.  Dekl.  enthalten   sei,   sind  g 
bildet: 

dkyeoi-dwQog  Opp.,  dlyeai-dvfÄog  Orph. 
dvd^Eal'XQiog  Matron  bei  Athen.  135  e. 

Unter   dem  Einfluss   der   Komposita  mit  einem  Verba 
auf  t  scheint   ae  an  die  Stelle  von    oi   getreten    zu   sein 
dxegae-xofÄrjg  H.  und  negoi^fnoXig  Aisch.    Statt  dxegoexofii 
steht  geradezu  oxeigeytofArjg  in  einem  Päan  CIA.  111  n.  171, 
Missverständlich  auch  hat  Euripides  Uerakl.  899  zeXtaai  m 
einem    Nomen   agentis   verbunden   in  Moiga  zeleaaidoTeiQi 


Chrigt:  AbhängigkeüskomposUa  des  Griechischen.  207 

Was  die  Herleitung  und  Bedeutung   unserer  Komposita 
anbelangt,    so   lässt   die  Mehrzahl   derselben   keinen  Zweifel 
(brfiber,   dass   die  Griechen    das   erste  Glied    in    dem   Sinne 
eines  Partie,  act.  fassten.^)     Und   da  das  charakteristische  s 
desselben  im  sigmatischen  Aorist  wiederkehrte,  so  haben  sie 
dasselbe  geradezu  aus  dem  ersten  Aorist  entstanden  sein  lassen 
and    demnach    ^vrjaixo^og    nicht    ^täaiyoQog^    q>d^iaifißQOTog 
nicht  q^aiiißqotog  gebildet.     Aber  diese  Herleitung  ist  un- 
bedingt falsch,  wie  am  deutlichsten  daraus  hervorgeht,    dass 
silU  des  s  in  den  ältesten  Beispielen,  wie  ßutiaveiQat  Kaati- 
oruQa,  ein  t  erscheint.     Es  ist  also  das  erste  Glied  unserer 
Komposita  mit  den  Nomina  abstr.  auf  ai-g,  deren  ursprüng- 
Kche  Endung  %ig  sich  in  einigen  alten  Wörtern,  wie  f^f^T^g^ 
foug,  erhalten  hat,   zu   identifizieren.     Demnach   musH  eine 
Bedeutungsauderung  in    der  Zusammensetzung   angenommen 
Verden,    so  dass   aus  ^Einspannung  der  Pferde'  'Einspänner 
der  Pferde'  geworden  ist.    Zur  Begründung  dieses  Bedeutungs- 
fiberganges   kann  man  auf  die  Phrasen   Tg  TrjXefioxoiOy   ßia 
VgaxJiehj^   den  Namen   ^xeaig  des    Heilgottes  Asklepios  in 
CIA  III  n.  171,   die  Bezeichnung   des  Gewinnsüchtigen   mit 
xi^dog  bei  Pindar  P.  I  92  u.  II  78  u.  ä.  verweisen.     Wich- 
tiger ist,  dass  auch  einige  selbständige  Nomina  auf  tig  aktive 
Bedeutung    haben,   wie    fiavTig    Seher,    vrioTig    Nichtesser, 
fio^iTig  Räuber,   2ivTig   Schädiger   und  ähnlich   skt.  saptis 
Renner,  aratis  Ordner,  dhüiis  Erschütterer,  lat.  fortis,  testis^ 
hostis.    Aber  ee  ist  gar  nicht  notwendig,  zu  diesen  vereinzelten 
Fallen  aktiver  Bedeutung  seine  Zuflucht  zu  nehmen;    näher 
hegt    es,    unsere   Komposita    im   Sinne   von    Possessiven    zu 
£aaBen,  so  dass  Zev^innog  ^Einspannung  der  Pferde  verrich- 
tend' bedeutet. 

Die  Bildung  von  yiyrjai'hxog^  Mvtiai'7iT6XefÄog,  iye^i- 
fioxog   haben  wir  für  jünger  ausgegeben   als   die  von  ^yi" 

1)  Sophokles  Oed.  T.  817  umschreibt  Xvaitelrje  mit  tiUi  iUt 

ISfOl  PkUüflL-pUloL  Q.  bki.  Cl.  2.  U 


208        Sitzung  der  phüosrphüöl.  Claaae  vom  1.  Februar  1890. 

kaog,   fievB-TtzolefÄog,   iyQB'fioxrif  wobei  wir  uns  auf  die 
stützten,   in  der  die  Wörter  der  einen  und  der  anderen 
thatsächlich  vorkommen.     Man    möchte   demnach   die  B 
posita   mit   ai    überhaupt    für   jüngere,    speciell   griechi 
Sprachschöpfungen  halten.     Dem  steht  aber  entgegen, 
sich  auch  im  Sanskrit  einige  wenige,  ganz  ähnlich  gebil 
Komposita   finden,    nämlich    dati^ära^    Geber    von    Ghl 
ranti-^evay  Erfreuer  der  Götter,  rlti-hötroy  Beiwort  des  i 
oder  Feuers  'Verzehrer  des  Opfers*,  vttj-ap,  Beiwort  des 
runa,  ^Strömung  von  Wasser  habend'.    Dazu  kommt  aus 
Lateinischen,  wenn  wir  auch   in    versi'Colar^  fiexi-pes  u 
ein    Partie,  pass.   finden   wollen,   das    sichere  Beispiel    U 
pellium.     Es  ist  daher  wahrscheinlich,   dass  das  Griechia 
wenn    es   auch   erst   später  Komposita  der  bezeichneten 
häufig  bildete,  doch  Vorbilder  derselben  schon  aus  der  Gm 
spräche  mit  herübergenommen  hat. 

B.  Abhängigkeitskomposita  mit  dem  Verbalbegi 

an  zweiter  Stelle. 

Die  Stellung  des  Verbalbegriflfes    an    zweiter  Stelle 
wie  schon  oben  bemerkt,  die  ältere  und  verbreitetere  in  ( 
Kompositen  der  arischen  Sprache.     Im  Griechischen  erw 
sie  sich  als  fester  eingebürgert  auch  dadurch,  dass  viele 
betreffenden  Komposita  der  Volkssprache  angehören  und  s 
nicht  bloss  bei  Dichtem,  sondern  auch  in  der  Prosa  find 
In  dieser  Art  von  Kompositen  wurden  auch  seit  alters  die  Unt 
schiede  des  passiven,  aktiven  und  neutralen  Verhältnisses  dui 
besondere  Formen  ausgedrückt.    Zur  Bezeichnung  des  passii 
Verhältnisses  diente  das  Partie,  prät.  pass.,  wie  in  a-yyaw 
zz:  skt.  a-gnätas,   lat.  ignotuSt    ofi'ßQorog  zz:  skt.  a-mfia 
^HgO'doTog,    skt.    agni-dattaSy     von   Agni   gegeben,    zer 
ahura-däta^  von  Ahura  gegeben.*)    Neutrale  oder  auch  pi 

1)  Nach   dem  Muster  von    dgr^ifpazo^  ist  gebildet  dQtfixxdfun 


Ührtsl:   Ahkfingidki-Alskomii'mln  rlf.t  Oricehixchen,  20!i 

sivB  BedeutuDg  haben  die  Komposil»  auf  ijg,  sog,  deren 
zweit,<s  Element  ursprünglich  ein  Nomen  abstr.  neutr.  auf 
og  gen.  eog,  alt  esos.  war,  im  (iriechiHchen  aber  geradezu 
die  Bedeutung  eines  medialen  oder  passiven  Particips  annahm, 
wie  in  6iif^ot  :i gwcon ayiig  veoTet'x*«^  R-  ^  ^^^^  äioige- 
tpiss  ßaaik^es  H.  B  445,  .learjfiaia  doQinetfj  vekqwv  Eur. 
Andr.  652.  S^BOtfilijs  eoQtä  Arist.  Hau.  443,  mgati  öfifiato- 
ate^i  Soph.  Oed.  C,  12(30,  Auch  hier  finden  sich  im  Sans- 
hrit  Qod  Lateinischen  ganz  ähnlich  gebildete  Komposita,  wie 
skt.  stt-nianäs,  gute  Gesinnung  habend,  lat.  di^-ifener;  aber 
üb  aach  dort  in  gleichem  Masse  die  ursprfinglicbe  Bedeuttnig 
einee  Nomen  zurfickgetreten  und  der  eines  neutralem  Parti- 
dpiums  gewichen  sei,  vermag  ich  nicht  anzugeben. ')  Zum 
Ansdruck  des  aktiven  oder  transitiven  Verhältnissen,  das  uns 
hier  allein  angeht,  wurden  mehrere  Endungen,  die  wir  nach- 
einander betrachten  wollen ,  verwendet.  Dieselben  waren 
aber  nicht  so  ausschliesslich  zum  Ausdruck  der  aktiven  und 
transitiven  Beziehung  bestimmt,  dass  nicht  mittelst  derselben 
auch  neutrale  Verhältnisse,  wenn  das  Verbum  neutrale  Be- 
deutung hatte,  und  seibat  mitunter  passive  ausgedrückt  werden 
konnten.  Wir  werden  desshalb  auch  diese  auf  den  folgenden 
Blättern  mit  in  Betracht  ziehen,  indem  wir  gleich  hier  noch 
bemerken,  dass  die  aktive  und  passive  Bedeutung  in  der 
Regel    durch   den    Accent   in   der  Art   unterschieden    wurde. 


X  72  and  SaiHt&iieroi  4>  146  titid  301,  wae  man  besser  in  zwei 
Wörter  «ohraibt;  natli  deo  homerischen  Mniilcrn  int  Otoxl^ficvoi  in 
Euripitlea  Hi^l^na  nebildet.  HerkwUrditter  Weise  indes  «ind  die 
Komposita  mit  eineui  Partie  prilt.  paas.  bei  Homer  seilen:  uuaaer 
dnn  Eigennamen  und  dem  dimklen  ^iaipatot  kommen  nur  ai'ro- 
HiaitttK  X  347,  alfio-tp6ßnKtoi  v  348,  tfc<l-Vl">«  **  Sli*.  Arflyö-xfitiioi 
A  871   vor. 

1)  Im  OriechiÄchen  Ward  die  AendenuiK  der  BedentuiiK  'te- 
Iftliutigt  UuTüh  den  Anklang  der  Endung  'i«  der  KomiMsitii  HD  die 
Kadung  tli  d«  l'url.  wir.  pam.;  aiehe  oben  S.  lö«. 


210         Sitiunff  der  philos.-philol.  Classe  mm  i.  ytbriiar  MH). 

dass  die  aJitiven  Komposita  den  Accent  auf  dem  Verbale 
hatieu,  die  passiven  deoselbeo  möglichst  weit  KUrUckzugeii.'t 
Er  ist  aber  die  Betrachtunj^  der  in  der  Konipositiou  ver- 
wendeten Verbalnumiua  doppelt  dadurch  iDtereä.-jaut ,  daas 
aich  in  der  Komposition  viele  Formen  dt^r  Nominal  bildui ig 
erhalten  haben,  die  sich  im  einfachen  Nomen  entweder  gar 
nicht  Enden  oder  nur  sehr  spärlich  vertreten  sind,  so  daa» 
wir  durch  sie  unwillkürlich  bis  tief  in  die  Oeheimniiise  du' 
ersten  Wortbildimg  hineingeführt  werden.  Indem  wir  uns 
also  zur  Durchmusterung  der  einzehieu  Endungen  und  Bei- 
spiele wenden,  gehen  wir  von  den  einfachen  zu  lien  kompli- 
zierteren und  von  den  primären  zu  den  sekundären  Über. 

1)  Mit   einem   auf  t   endigenden  Verbalelement. 

ö-ßi.'^t*)    sc.  o'iöios  akt.    H.;    ini-ßh\t  ^   ü  i^  ^tpy    int- 

ßaiXöftivo^  fiöxkog  H. 
aiäij^-ßQiüt  sc.   t^tjyövtj;  ßagv-ßQfät,  tifto-ß^ait  akt,  H. 
ä-yviüt  pBsa.  Od.  e  79  ov  yof  t'  öyvüneg  ^eoi  öiXt\hnai  rti- 

kovjai,    akt.    Find.   K  9,  58,    Is.   1,    12  ii.  30.    Soph. 

0.  T.  677,   pass.   Soph.  Ant.    1001.  Phil.   1008;    op- 

yvwt  pass.  Pind.  N.  5,   12. 
ii-dfii^i  SP.  rin^S^vog  oder  ^fiiovog  pass.   H. 
ärdgo-Uyt',i  iieutr.  Aisch.  Ag.  805;  Xtfio-ltrr^j  neutr.  Aimsb. 

Ag.    127-t:    ^|Ut-*"!«    neutr.    Ar.    Nub.    504.    Thuc. 

II,  52. 
ii-7ifi7,t  pass.  H.,  avdjo-x^iji  sc.  nfkexvi;  akt.  Aisch.  Oho.  888, 

dnpi-x^T^c  paas. 
tv-xnät  HC.  t)iJo»^'  paat.  Kur. 
ä-nriüt  sc.  dolos  neutr.  Find.  Ol.  9,  91. 


1)  Siehe  oben  8.   18Sf.,    unü  Knntoi,  'A»^vd  I  1I88S) 

2)  Ich  «ette  hivr  Jar  Tlieiua  «tiLtt  de«  NomiiifttiT«!   bpr, 
im  leUtei-eD  die  Natur  de«  iweilen  Üliedv«  der  bot.retfenden  Knii 
iit«  rerdunkult  i>t. 


[ 


Ckri^:  Abhängigkeüskomposita  des  Griechischen.  211 

Weitergebildet  von  Formen  auf  t  scheinen  diejenigen 
Komposita  auf  %og  zu  sein,  welche  durch  ihre  aktive  Be- 
deutung aus  der  Reihe  der  übrigen  Verbalnomina  auf  to<; 
heraustreten,  wie  ßov-Xvrog  H.,  d(Jt;vij-9aT0g  H.,  iTtno-ßorog 
H»,  aiyi'ßoTog  H.,  nokv^Tkfjtog  H.  In  selbständiger  Stellung 
gibt  es  nur  wenige  Nomina  auf  t,  nämlich  &r]T,  x^ccir,  dcir, 
fWT,  TTiloir,  vielleicht  auch  xilrir. 

Die  Anfügung  von  t  an  den  Verbalstamm  zur  Bildung 
eineB    zumeist    in    der   Komposition    vorkommenden    Nomen 
igentis  ist  uralt  ^)    und  wird  insbesondere  von  dem  Griechi- 
schen mit  dem  Sanskrit  und  dem  Lateinischen  geteilt;   man 
vergleiche   skt.   dhana-gi-i,    Reichtum    ersiegend,    dharma- 
ir4^  Pflicht  thuend,  bhära-br-i^  Last  tragend,    div-i-t,   zum 
Himmel  gehend,  zend.  draotö-stat^  in  Flüssen  befindlich,  lat. 
btfii-ple-/,   sacer-diht,    equ-i-t^    com-i-t^   tram-i-t^    anti-ste-t^ 
indirge^t.     Das   zur  Nominal bildung  verwendete   t  ist   wohl 
dasselbe,    welches  zur   Bildung   der   3.  Pers.  act.   verwendet 
wird.     Sieht  man  auf  Form  und  Bedeutung,  so  könnte  man 
das  Thema  jener  Nomina   geradezu    als  die  schwache  Form 
der  Part.  act.  bezeichnen.     Die  nach  der  allgemeinen  Regel 
zo  erwartende  Unterscheidung  der  aktiven  und  passiven  Be- 
deutung  durch    den  Accent  ist  im  Griechischen  hier  ebenso 
w^g  wie  in  der  folgenden  Nummer  (2  a  u.  b)   konsequent 
durchgeführt;  das  erklärt  sich  daraus,  dass  die  Grammatiker 
bei   diesen   später   zum   grossen  Teil   verschollenen  Wörtern 
nicht   auf  die  Aussprache  des  Volkes    zurückgehen  konnten, 
so   da5«   z.  B.   die  einen  ;f€p-vt/?a,  die  anderen  xBQvi^ßa  be- 
tonten (s.  Ath.  p.  409). 

2)    Mit    eiuem    die    Kasussuffixe    direkt    an    den 
Stamm  anfügenden  Verbale. 

a)  An  einen  konsonantisch  auslautenden  Stamm: 

rroit'-aix  akt.  H. ;  xoQv&-aix  akt.  H. ;  xqiX'Ohy,  pass.  H. 

1)  Bragmann,  Grundriss  d.  vergl.  Gramm.  II  865 ff. 


] 


212        Sitzung  der  fhüos.-phüoL,  Glosse  vom  1.  Februar  1890, 

ödfu-aQ  gen.  dafi-aor^og  H. ;    das  Wort  bedeutete  urepii 

lieh  nach  W.  Schulzens  scharfsinniger  Zerlegung 

28,  281  'Hausordner*. 
ifwX'CtQiray  akt.  Batr. 
7iaQa'ßkaJn  akt.  H. 
dfiq)i'iliaaa  sc.  vavg  neutr.  H.,  Femininum  zu  vorauszuset 

dem  QfÄq)i'€lix, 
ve-riXvd  neutr.  H.;  eTt'ijkvö  neutr.  Her.;  es  sollte  eigen! 

vetjlvx^f  inrjkvd^  geschrieben  sein;  im  neuen  Testaa 

act.  apost.  2,  10  steht  nQoarXvzoi  mit  dem  oben  S. 

schon  berührten  Uebergang  in  die  o-Dekl. 
a-£i;y,  veo-^vy,  bixo-l^vyy  av-J^vy  pass. ;  vgl.  lat.  con-^ug^ 

sa-jug^  zusammengebunden. 
veO'd^rjyi  oidt^Q(if  Anth.  7,  184. 
vf^'fid,  unwissend,  H. ;  vgl.  skt.  vigva-vid^  alles  wissend  | 

auch  "Aig^  u^idog  hieher  gehört,  ist  problematisch. 
ßoo-xke/c  Soph.,  TVQO'xlßTi;  akt.  Arcad.  94. 
xiq-viß^  handwaschendes  Becken,  H. 
olv-o/r,    wie  Wein    schauend,    fiijA-o;r,    rp^^on,    H.,    ^ioA• 

JqV'Otv^  XaQ'O/i, 
öi'ÜQvy  pass.  Att. 
d/tO'QQwy  sc.  axTfj  pass.  H. 
ß(w-7vXrly   akt.  H.;    rraQa'nXijy  pass.  H. ;    olazQO-jtXi^y  p 

Aisch.  Soph. ;  Qfiq)i'7i:Xriy  akt.  8oph. ;  fAsd^v^jcXi^y  p 

Kallim.  fr.  223. 
di'TcXax  sc.  nirtXog  pass.  H. 
dno^Gtpay  pass.  Nicand.  Ther.  521. 
olxO'TQiß   akt.    Aristoph.    Thesm.  42(5,    ebenso    7caid'0'r{ 

nOQVO^TQlß. 

KvafiO'ZQwy  akt.  Arist.  Equ.  41,  IhßXaxO'TQwy  Hesych. 
olv6'q)Xvy  pass.  Att. 
Ttqoo-qrvy  neutr.  Spät. 

Vielleicht    gehören    hierher    auch    die   nicht   sicher 


fThrwt:   Alihämjigteitalttmpogita  rf«  GrUrhinchtn.  213 

•a  Wörter  KaiMlfoi}'  ond  alyüjtl'.  In  sellwititndigeni 
ih  Hnilct  loch  nta-i  sc.  /«ywög  IL  X310,  tfiilai  ».%. 
Lach  dtRse  Büduiigitart  vou  Verbalnotuina  in  <)«r  Kum- 
jiAhan  ist  uralt  und  <1biii  ti  nee  bischen  mit  dem  ^Himkrit  und 
UleinW-hen  gemeinsara.  Den  bereite  oben  ku  einzelnen 
Wnrtani  vt^lirhvnt^n  Kompositen  verwandter  Sprachen  fQge 
ch  oneh  binui:  g,Ui.  p6-vitl,  KtUie  spendend,  pflati-ag.  Feinde 
treibend.  iMino-tft/A,  Verebrang  mehrend,  daajwkan,  Feinde 
k'4«nil,  lut.  t'tit^iV,  iu-dic,  arti-fec.  rm\-eg.  Die  Genetiv- 
litnu  döftagio^  tind  ßtWe^-q^wwoj;  von  dä^aff  und  BeUc^o- 
fiir  legt  die  Verrentung  nahe,  dass  diese  Wörter,  und  viel- 
töclit  Auch  die  andi^rttn,  ehedem  ebeneo  wie  die  unter  N.  I 
Wtncfatck'n  »nf  t  aiMgingen,  nnd  dass  diese»  t  nur  /,iir  Vei- 
Mdaog  ron  Konw>nBntenhäut'ung  /.nerst  im  Nominativ  und 
«bau  Mich  in  den  anderen  Kaaus  abgeworfen  uiirde. 

b)  An  einen  vokalisch  aiifllautenden  Atauim: 
HJldongen  diflser  Art  sind  im  Griechischen  trahzeitig 
verdankvit  worden :  aber  im  redischen  Sannkrit  finden  flii^li 
lalilrrich''.  leicht  erki.'nnbiu'e  Komposita  mit  da,  geben,  dhä, 
Mtaeo,  sthä,  «tpben,  pä.  schüt^.en.  pu,  trinken,  prä,  füllen, 
■i,  auM>en,  bhü,  werden,  gav,  erzeugen,  in  der  Art  geliüdet, 
dMF  HB  den  meiab-u»  verkürzten  anslaiitenden  Vokal  des 
Stunmea  dn  s  im  Nominativ  angefflgt  ist,  wie  gö-pä-s,  Kühe 
beMhOtxend,  carshantprä-s.  Men)<chen  füllend,  purvineshthä-s, 
im  Osten  t>t4rh»d,  iam-bhu-s,  mm  Heile  werdend.  Auch 
i»»  Lnteinische  hat  ganz  uhnlich  gebildete,  nur  nicht  gleich 
lacht  »rkfnnbnrp  Kompositji,  nämlich  firo-hu-s  =  skt.  pra- 
M«*«,  voran  seiend,  ferner  /^hlreiche  Adjektiva  auf  du-s  wie 
^«lO-dw-Ji.  con-du-s,  limi-du-a. '■)  Daniicb  lä»rt  sich  ver- 
ancb  im  Griechischen  eine  vokalisch  auslautende 


ihaften  ä  findet  nvh.  wii-  obm  b 
wi)  t«iU  in  ciDKeliiHn  Kosiih.  teils  diirohweg  f 
KompiMilfD  die  Küdiuig  ä-»  in  u-n  Ubitrgeffi 


] 


214       Sitzung  der  philosrphüol,  Ciaast  vom  1,  Fehmar  1890, 

.Verbalwurzel  steckt,  nicht  bloss  in  fi-x^og  =  akt.  sva 
got.  Ätdu/)  sondern  auch  in  /rA^-^og,  y^-^og,  fii$ 
OTti-^og,  ax'^og^  i"o;f-^o-g,  dya^^o-g^  femer  in  ngda!* 
kret.  TTQeUyvg^  ebenso  in  C«-^?»  äXi-ai^g,  ax^cnj^,  vire^ 
aQte-ui^g,  oxQi-ßrg,  ^«o-J^tjg,  und  dass  nur  in  Folgf 
Anziehungskraft  der  Neutra  auf  og,  eog  und  der  Adj^ 
auf  rjg,  eog  die  meisten  der  betreffenden  Komposita  am 
1.  oder  2.  Deklination  in  die  3.  übergetreten  sind.^)     i 

Es  durften  aber  alle  Komposita  dieser  Art  auf  di 
folgenden  Paragraphen  zu  besprechenden  Komposita  au) 
skt.  a*K  zurückzuführen  sein,  indem  auf  ganz  regal 
Wege  das  dä-s?  sth3-s,  pa-s  des  zweiten  Gliedes  aus  urspn 
lichem  dä-as,  stha-as,  pa-as  entstanden  sein  kann;  im  S 
krit  kommen  auch  einzelne  Simplicia  der  Art  vor,  wie  i 
Geber,  sthä-s^  stehend. 

Mit  den  erwähnten   zusammengesetzten  Nomina  häi 
offenbar  auch  die  mit  einem  Hilfsverbum  (dha,  ag,   pS, 
i)  gebildeten  Verba  zusammen,  wie   yry-v^fw,   nQi^^&Wy  ia 
d^io^  ia-^iio,  aX'd^aivio,  xiAr^-yw^  TQio^yio^  äya-rrc(o,  ^oiU 
feX-Tiiü,    yi-yviü-axio,    tq-xoiiai    aus    SQ^axofiai^    id-iw, 
iofjiaiy    denen    die   ganz   ähnlichen,    aber   weit   zahlreich« 
lateinischen  Bildungen  auf  do,  go,  sco,  eo,  wie  cre-do^ 
do,  ven-dOj  venum-do^  pessum-do,  gau-deo^  iur-go,  narro 
gnar-igo,  pur-go^^)   co-gno-sco,  per-eo,  ven-eOy   stützend 
erläuternd  zur  Seite  stehen. 


1)  Siehe  oben  S.  158. 

2)  Vielleicht  ist  auch  Bogia^  in  Bog-efag,  stark  wehend, 
zerlegen  und  bedeutete  ursprünglich  ATyia&og,  bei  den  <"Teis8en  stehi 
auch  int  vielleicht  fisxavdoitjg  nicht  in  fiera'vdö'Ttfg,  sondern  in  , 
ara-oTi^'g  zu  zerlegen.  Von  einfachen  Wörtern  gehören  hieher:  lat. 
speSj  faSj  skt.  hhän^  n.  Licht,  und  vielleicht  auch  gr.  q>o}g,  q>a 
Scog,  do)T6g,  indem  sich  das  Nebeneinander  von  s  im  Nominativ  ui 
im  Genetiv  dem   gleichen  Uebergang  in  yeyovog,  yfyoyfJro^  verglei 

3)  Ebendahin  gehört  auch  das  Nomen  tentigo,  was  aus  te 
und  ago  zusammengesetzt  ist. 


Christ:  Äbhängigkeüskomposüa  des  Griechischen,  215 

3)  Mit  einem  auf  o-s  ausgehenden  Verbale. 

Die  zahlreichst  vertretene  und  am  meisten  in  die  Volks- 
sprache eingedrungene  Klasse  der  Verbalkomposita  hat  zum 
iweiten  Glied  ein  auf  o-s  ausgehendes  Verbalnomen,  das  zum 
grossen  Teil  auch  für  sich  vorkommt,  aber  dann  in  Bezug 
auf  Bedeutung  und  Äccent  vielfach  abweicht. 

In   der   Komposition   hat   dieses    Verbalnomen   meistens 
aktive  oder  transitive  Bedeutung;^)  jedoch  wird  ein  solches 
auch  von  neutralen  Verben   gebildet    und    hat    dann  selbst- 
verständlich gleichfalls  neutrale  Bedeutung,  wie  -yovog,  -d^o- 
(Aog^  -^oog.     Selten  ist  die  passive  Bedeutung,   die  sich  aus 
der  neutralen   und   reflexiven    entwickelt   zu    haben  scheint. 
Bezüglich  der  Form  ist  zu  bemerken,    dass  der  Stammvokal 
regelmässig  in  der  gesteigerten  Stufe  o,  gegenüber  schwachem 
€,  steht,  und  dieses  in  der  Komposition  sowohl  wie  im  selbst- 
ständigen  Gebrauch ;  man  bildete  also  loyog  von  XiyiOy  doxog 
Ton  ddxofiai^   ipoqog  von   (piqio,   yovog  von   y^y'vofiai.     Auch 
das  <  ist  zu  ei   gesteigert  in   dem  Eigennamen   nokv-feidog 
(U.  N  663)   von  W.  vid;    ob   auch   das  t]  oder  ä  in    aTQa- 
^yog^  yavtjyogj  Xaxäyog  als  eine  Steigerung  von  a  anzusehen 
sei,  ist  zweifelhaft,  da  sich  die  Verlängerung  des  Vokals  auf 
eine  andere,  oben  S.  180  f.  erörterte  Weise  erklären  lässt.    Der 
Accent  richtete  sich  nach  der  Bedeutung  und  nach  der  Quan- 
tität der  Stammsilbe.    Ist  die  Bedeutung  aktiv  und  transitiv, 
so   steht   der  Accent   auf  der   letzten    Silbe,    wenn  die  vor- 
letzte lang  ist,  sei  es  von  Natur,  sei  es  durch  Position,  wird 
aber    auf  die   vorletzte   zurückgezogen,    wenn   dieselbe   kurz 
ist.*)    Man  accentuierte  also  lodoxog,  XoyoyQdq)og,  nvyfidxog, 


1)  Der  darin  zu  tage  tretende  Zusammenhang  mit  dem  Partie, 
act.  druckt  fleh  aucb  ftusserlich  aus  in  dem  Verhältnis  von  ycoSög, 
zahnloA,  und  Sdovs,  6d6nog,  Zahn. 

2)  Ueber  die  ganz  ähnliche  Betonung  im  Sanskrit  s.  8^ 
KZ.  24,  124. 


1 


216       Sitzung  der  phüos.-jphüol,  Clcuue  vom  1,  Februar  1890. 


hingegen    ßqoToXoiyog^   rtaidaytoyog  ^    arQOTijyog.^)     Ist 
Bedeutung  passiv,  so  wird  der  Accent  möglichst  weit  zuri 
gezogen,  wie  in  dem  bekannten  d'eotOKog,  von  Gott  geba 
gegenüber    d^eoToxoQf    Gottesgebärerin.      Bei    neutraler 
deutung   schwankt   die   Betonung,   so   dass   ßotjd'oog    ne 
TtBQidQOfdog  und  cinvalog  vorkommt.     Bei  selbständigem  * 
brauch   folgen   die   betreffenden   Nomina   ähnlichen  Acci 
regeln,  indem  sie  bei  aktiver  Bedeutung  den  Accent  auf 
Endung,    bei   neutraler   und   abstrakter   auf  der  Stamms 
haben,  wie  doidog^  Toqog^  (iyoQi  hingegen  loyog^  vofiog^  % 
nog.     Ich  wende  mich  nun  zur  Vorführung  von  Beispiel 
indem   ich   bei    der  Unmasse   derartiger   Bildungen   nur 
altüberlieferten    und    die    schon    bei   Homer    vorkommen^ 
vollständig  zu  verzeichnen  beabsichtige. 

a)  Mit  analogen  Bildungen  in  anderen  Sprachen: 

-ayog:     oxsTt^yog  H.,   OTQctwrjyog  Archil.,   vaväyog,    lox^t^ 
Att.,  drjiuaywyog^  naidaytoyog  seit  dem  5.  Jahrh. 
Anschluss   an   dytoyi^^  wie  idwdog-  an  idwdri.     V 
gleiche  lat.  nav-igat^  was  ein  Nomen   navigus  vi 
aussetzt,  das  Leo  Mejer,   Bezz.  Beitr.  6,  131  i 


1)  In  unseren  Texten  stehen  viele  Verstösse  gegen  diese  Re£ 
wie  noXvßoaxov  statt  7ioXvßoüx6v,  ebenso  TtoXv-tpoQßog,  noXv-laXog  b 
die  übrigen  Komposita  mit  tioXv  bei  Dichtem  und  Prosaikern,  fen 
yaiTjoxog,    ^vloxo^,    aiyloxog,   Innddafiog  statt   yairjoxog,  rjviöxog  etc. 
Homer.    Diese  Verstösse  sind   aber  wahrscheinlich  auf  alte  Irrtün 
der  Grammatiker  und  Herausgeber  zurückzuführen.    Denn  wenn  l 
rodian    zu    Hom.  A  470    bezüglich    der  Accentuation   von   lnji6daf 
bemerkt:    fidxetai    dvTixgvg'    iveQyfjuxov  yog  Bv  ngoTtagco^viovi^^, 
beweist  dieses  nur,  dass  er  die  falsche  Betonung  in  seinem  aristarc 
ischen  Texte  bereits  überliefert  fand,  nicht  dass  dieselbe  in  der  Ax 
spräche    des   Volkes,    das    schwerlich  ein   solches    poetisches    Wc 
kannte,  begründet  war.  —  Der  gegebenen  Regel  folgte  auch  thcom 
sjtaQcoyög,  i^rj/ioißog,   wiewohl    dieselben    mit   einer    Präposition   i 
sammengesetzt  waren  und  zu  den  determinativen  Kompositen  gehörte 
Diese  Erscheinung  erklärt  sich  aus  der  Trennbarkeit  der  Präpositic 


Christ:  Ahhängigkeitakamposiia  des  Chriechischen,  217 

gr.  pccvayot;  in  der  Bedeutung  ^Schiff  lenkend'  zu- 
sammenstellt, femer  iurgat  aus  ius-igat^  narrat  aus 
gnar-igcU;  skt.  agä-s,  der  Treiber,  wozu  ich  aber 
keine  Komposita  angemerkt  finde. 

-ßofog:  dtjfio^ßoQog^  &vfÄO'ß6Qog  H. ;  vgl.  aidijQO'ßQWTf  skt. 
gard^Sy  verschlingend,  aga-gara-s,  eine  Ziege  ver- 
schlingend; lat.  amni'vortis. 

-yorog:    o^i-yoyog,  Aao^yovog  H.;  vgl.  lat.  indi-gena. 

'iafiog:  irmo^ofiog  H. ;  vgl.  ^Inno^ddiiagy  skt.  arin-damas^ 
Feinde  bezwingend. 

-4o(og:  ßav-doQog  Hes. ;  vgl.  skt.  puran-dara-s^  Stadtzer- 
siörer. 

'^yog:  veo^vyog  Eur. ;  vgl.  a-^vfc  lat.  biga  und  quadriga 
aus  bi-^uga  und  quadri-iuga, 

-/7o2og,  -xoiog,  -xo^^:  ainokog  aus  aly-noXog^  ßoV'XoXog^ 
orpaO'XOifog  H.,  »^eco-xo^o^  Att.  In  neutraler  Be- 
deutung ward  in  der  Regel  7€o'kog  verwendet:  dfAq)i' 
noXog^  zqL'-Tcolog^  di-n^loog^  VJiiQO-n^log  H.,  e/n- 
li'hx  Hes.,  dvG'HuAjog  Att.  Doppelte  Bedeutung  hat 
QiO^nokog^  neutrale  ^einsam  weilend'  in  Hom.  iV473, 
F54,  T517,  ß  614,  d  574,  transitive  'Schafe 
hfltend',  hy.  Merc.  314.^)  Vergleiche  skt.  a^m- 
päla-Sj  Pferde  besorgend,  lat.  opilio  aus  otn-piZ-to, 
agri'Cola,  coeli-cola^  vio-curus, 

'XOfiog:  BiqO'XOfÄog  H.,  inno-xofiog  Her.  Der  Form  nach 
entspricht  skt.  söma-küma-s^  den  Soma  liebend. 

'laßog:  iqyo-kißog  Att.;  vergl.  skt.  uJa-grabha-s^  Wasser 
fassend. 

'lo/ag:  fiatpi-Xoyog  hy.  Merc.  546,  aneQf^o-Xoyog  Att.,  dtxo- 
ioyog^  aqeva-Xoyog  Spät. ;  vgl.  lat.  flari-legus^  sacri- 
legus. 

1)  Stadnicska,   Kyrene  S.  105,  empfiehlt  auch  ftlr  Pindar  P. 
•i.  38  die  aktive  Bedeatang,  was  bei  dem  Ueberwiegen  der 
Bedeutung  weniger  angemessen  ist. 


I 


218         SiUiinfi  der  phünx.-philol.  amxe  rom   I.  Fehmor   ts-io. 

-/roAyo^-:  infrii-fioXyoc  H.;  vpl.  lat.  equi-mulga.  akt.  /»«/ö- 
duh,  Milch  melkend. 

-onog:  x^C^^S  sc.  Xibtv,  l^m-öni^,  Biaioftog  H..  (paiägta- 
Tcog  Att. 

-opos  aus  fOQOSt  nvXa-i<}^g,  ^•ga-fufög,  if^iffäg  ans  »^o- 
/opog  H..  zifia-ofög  Find-,  rtfiö-tuQ  AJsch.,  ontor'gög 
aus  oWo-OQog  Eur.,  xi^JTiH'pög  Spät. :  vgl.  got.  (fotira- 
varäs,  Thürwärter. 

-oyo^  aus  oo^oc  und  foxog  zusammengeflossen :  ^w'-oxos, 
Yaitj-oxog,  atyl-oxog,  anijnToi'xog,  ^ffrr-oxr/.  Jrjfiö- 
o^og  H.,  xAjjß-o?zot;  aus  xAiifo-oxos t  i<fi-ovxog, 
xJUfi)-of/og  (letztere  mit  falschem  ov  statt  o)  Att. 
Vgl.  sbt.  amifra-säAa-9,  dem  Peinde  standhattend, 
väri'Väha-s,  Wasser  flihrend,  affni-väkas,  feuer- 
ftlhrender  Rauch. 

-aaoog:  lao-aaöog  H. ,  do^'-aaöog  Aiscfa.;  »gl.  skt.  sntja- 
sava-s,  das  Recht  betreibend. 

-tpayog:  u^o-ipöyog,  ano-iföyog,  yi.axto-g'oyog,  oyd(/0'ifäyog 
H.,  dwgo-tpoyog  Hes-,  xfEO-ifxiyog  Att.;  vgl.  skt 
phala-bhatf,  Früchte  geniessend. 

-fpoqog:  öettlo'if^Qot,  ßotkrj-tpö^og ,  'Bi-itl-cfÖQug,  kau-ipögog, 
tu^o-tfiügog,  lyxBa-tföffog,  jeXea-ff^Qog,  dl-q<'Qog  H., 
iftaa-ifößog,  iteofiO-ifOQog,  ntf^-^gug,  aitoväa-ifoga; 
.Att.  Vergleiche  skt.  vägam-bhnra-s.  Preis  davon- 
tragend, ftam-bk'ira-s.  das  Rerht  tragend,  lat,  fni- 
ffi-fef,  lud-fer,  deutsch  fmcht-bar,  heil-bar,  arm, 
luaa-vor  z^  lucifer.') 

h)  Sonstige  Kouiposita  mit  <?inem  Verbale  »uf  o-v. 

Xn it-a^X*^,  vav-a^oii  Att. 

'O^a-Siog  fl. 

hita-ßöiag.  fXaq>ii-)iöXog,  ixattj-liulog,  txi,-ii6Xv^  H. 


11  VkI.  Ostliurr.  Uns  Vurbuiii.  Ü.  lU. 


Chrigt:  Abhängigkeüskamposüa  des  Chriechiscken,  219 

^oli'ßoaxog  Pind.,  inrco-ßoaxcg  Spät. 

ßov-yciog  H. 

j^y^q>og  Ait. 

hhioxog,  ieiro-doxogy  lato-doxi]  KvfiO^doxrj  H.,  nolifia-doxcg 

Pind.,  diogo-doxog  Att. 
nadio^^fiog,  öoidxo-dQOfiog  Att. 

ao'ft^/og ,  oßgifAO'fBQyog ,  dfjfiiO'feQyog ,  d^Jixavo^fBQyogy 
hwiai^fBoyog^  Avxo-OQyog  H. ;  nach  der  Analogie  des 
letzten  Wortes  ist  gebildet  das  attische  /rcry-ot^^^og, 
als  ob  das  Thema  ovqyo  und  nicht  o^/o  lautete;  vgl. 
d^-ovxog. 
^fovhiog  aus  ^i^po-oAxo^  Aisch. 
üfAi^uiog  H. 

G^-fj^og  Att.,   ^Ofi'f]Qogy    dem  Accent    nach    beide   passivisch 
zu  fassen,   iQi-r^Qog  H.;    yielleicht   gehört   hieher  auch 
tetQO'OQog  und  sixoa-o^g  H. 
ii^fio-^foag  Aisch. 
itr-o-xioTio^  Aristoph. 
crni^xr o'yo^  Herod. 
/i^ro-iloi}^og  H. 

mi'loxoy  H.,  ßiOfio-loxog,  am  Altar  lagernd,  H. 
yaaxQi'iAoqyog  Pind. 
uf.rO'fiaxogy    nvy^fiaxog^    oyxs^f^dxog,    Tr^Xi^fiaxog,    lAvdqo^ 

fiozn  H. 
(Xpo^fiaoSy  ßü-iiaiog  H. 

ay^O'-rofiogy  Ev(^~vofAOg  H.,  olxo^vofiog,  dyoQa^vofiog  Att. 
rofx-ai^*70$  Aristoph. 
€77«a-7raios  H. 
o^aro^nfjyog  H. 

fotw)-/ro«o$,  ilv^-Troidg,  ino-noiog  Att. 
i^iTjo-TTOfiTiog  sc.  *EQfÄfjg  Att. 

:iToXi'rtOQd'Og   H. 

:iorfO'/i6gog,    aTtgo-TCOQog   sc.    oßeXog    akt.    H. ,    cJxtJ-^ 
odoi'Jio^g  neutr.  H.  ^ 


220        Sitzung  der  phäoa.'phüöl.  Glosse  vom  1.  Februar  1890. 

^BO-Tifionog  H. 

ßadV'QQOog  H. 

dixO'QQonog  Aisch. 

x^vo-axoog   H.,    a-axortog   H. ,    ßgoro-axoTtog    Aischyl., 

le-axoTtog  akt.  Aristoph.  Nub.  290,   pass.  Hes.  Tli 

gon.  566. 
vai-orokogy  Ofio-atoXog  neutr.  Att. 
veo'OVQOcpog  sc.  vevQi^  pass.  H.,  dyxi'(TTQoqH)g  neutr.  Att. 
nr^wro-Toxog,  fioyoa^roxog  H.,  didv^a-TOKLog  Theokr.         j 
vXo'Toixog  sc.  rreXexvgj   d^j^rofiogy   xeQ^TOfiiu}  H.,   ßahxvtü 

TOfiog  Att. 
naXiv-TOvog  H.  ■ 

^lyo-To^o^,  den  rindsledernen  Schild  durchbohrend,  H.       ' 
TtoXv'TQonog  nentr.  H. 
xot^^o-T^ogto^,   iTT/ro-r^^og   akt.  H.,    OQeai-TQOtpog  pass.  1 

yfio-T^oyog  pass.  Aisch. 
olooi'TQOxog  H. 
ßoV'Ttnog  Spät. 

dvfio-qid^OQog  H.,  ßQOXo-q^d^oqog  Aisch.,  oixO'ip^OQog  Eur. 
Jili'q)oßog,  die  Feinde  verscheuchend,  H. 
dvdqO'(p6vog^   ßov-ipoviio,    jcaid-o-q^vog,   q^aaao'-ifovog^   fuc 

(fovog  aus  ^laiO'-qiOvog  H.,  7iaTqo^q>6vog  Att. 
noXv-fpoqßog^  v-fpoqßog  H.,  ßov-ifoqßog  Eur. 

Äoergo-xoog  H. 

ai;A-^(Jdg,  xt&aq-iitdog  Att. 

Scheinbar  gehört  hieher  auch  noch  das  bekannte  £p 
theton  des  Hektor  xoqvx^-aioXog  'Helm  schüttelnd';  aber  d 
verwandten  Wörter  aloko^i^cjqrj^,  aloXo^^hqrjgj  aloijo^nußXa 
alolO'lirjZig  machen  es  wahrscheinlicher,  dass  hier  aXoh. 
eigentliches  Adjektiv  im  Sinne  *bunt'  ist,  und  dass  sich  H( 
raer  bloss  des  Versmasses  wegen  eine  Umkehr  der  Teile  d< 
Kompositums  erlaubte. 


(^uiH:  ÄbhängigheUshamposüa  des  Griechischen,  221 

4)    Mit   einem    participialen    Nomen    auf   ovt^ 

Ein  Part,  prito.  ist  mit  dem  yorausgehenden  abhangigen 
Nomen  m  einem  Kompositum  zusammengerückt  nicht  bloss 
io  dcaLQK'Xäiav  und  xoQij^xofiotxty,  welche  man  auch  in  zwei 
Wörter  zerl^en  könnte,  sondern  auch  in  a-qtqoviüiVj  doXo- 
(ff09i(xßv^  evgv^xQeiwvy  EvQV-fiidwvy  Oiko^/Aedovaa,  Jrji-iiowvy 
^Intrth-xotJVy^)  wo  eine  solche  Trennung  unthunlich  ist.  Ausser 
diesen  homerischen  Beispielen  kommt  noch  vor  vipi-fiidtav 
Bes.,  aXi'fiidwv  Aristoph.,  aalaaao-fiidoiaa  Alkman,  d^efÄia- 
i^orteg  Pind.,  z/iyf*o-yc5y,  jTjixo-ifowvy  ^Inno^x^otüv^  iloAv- 
o.T€^biy,  EvQV'fvwvj  was  dem  Patronymikum  Evqvmavxidai 
IQ  Grunde  liegt. 

Statt  der  yoUen  Endung  ovz  erscheint  in  der  Kompo- 
sition die  schwache  Form  wy  in  d'ifaav'fiifi'vtav  H.,  ^ya- 
fUfirtay  H.,  ^YneQ-ianf  H.,  iör-TrnW  H.,  IlokV'Xafüv^  IIoXv^ 

Verwandt  mit  den  Participien  auf  iov  sind  die  Nomina 
auf  /icnr  mit  der  gleichen  Bedeutung  eines  aktiven  Partici- 
piams.  Auch  diese  finden  sich  zur  Bildung  von  Abhängig- 
keitskompositen  verwandt  in 

LrTtO'ßdfUifyt  nedO'ßdfÄonf  Aisch.,  TSx^QiTVTtO'ßdfAWv  Eur. 
liaJLmto^yrwfifav  Aisch.,   OfAO-yvujfiwy,   ev-yywfiwv  Att.,   dixo- 

yrwfiwy  Spät. 
jfokv^äypturp  hy.  Hom.  27,  31,   venQO'diyfAWv,  oiOto-diyfAWv 

Aisch.,  xv/40-diyfi(av  Eur.  ^ 

niJLBiO'd'itififwnf  akt.  Aisch.,  vdaro-d'Qi^iiaiv  pass.  Eur. 
ntJüü-idfAiov  Orph. 
Ufo-fiTi^lÄiop  Att.,  TtoXv'fivj^fionf  Spät. 


DL.  Meyer  billig  in  der  aufgelösten  Form  nur  die  Schreibung 
mit  oort,  nicht  die  flberlieferte  mit  ocdvt» 


222        Sitzung  der  phüos.'phüol.  Classe  vom  1.  Februar  1890. 

devdqo^urjfitav  Aisch. 
7ioXv'7iQayfiiüv,  xano-TiQdyfiwv  Att. 
xoiLi7iO{paiieko''Qi^fiwv  Aristoph. 

Bei  manchen  dieser  Komposita  spielen  die  vom  gleici 
Stamme  gebildeten  Nomina  abstrakta   auf  fiaz  und  fit] 
herein,  so  dass  man  /..  B.  auch  Sfio^yvwfiojv  im  Sinne  ei 
Possessi vkompositums   =  Oßoiav  yvwfAYpf  Sxtav   fassen   k 
In  naXiii'ßofiovg  odotg  Find.  P.  9,  18   ist  dann  weiter 
Endung  ^wv  zu  fdo-g  zusammengeschrumpft,  wie  ovt  zu 
in  viodo-g  gegenüber  odovg^  odovrog. 

Statt  der  Participialendung  ovr  steht  in  vielen  Kom 
siten,  namentlich  nach  vorausgehender  Liquida,   die  Endu^ 
avT,  so  in    ^  * 

*l7T7iO'da^ag,  Aao^da^agy  IlovXv-ddftag,  y^kKi-ddfiagy  XeQ€i 

ädfiag^)  H.,   dda^ag  Hes. 
d-xcifiag  und  lä-nd^ag  H. 
noXv'tXag,  ^^-tXag  H. 
vTieQ'XvdavTeg  IL  J  06  und  71. 
l4'(pBidag  H. 
oxQi'ßag  Att. 
neQi-qfag, 

Vielleicht  gehört  auch  das  homerische  Xvxd-ßag^  Jah 
d.  i.  lichtwandelnd,  hieher.  Die  Endung  avz  ist  nicht  aii 
die  Komposita  beschränkt,  findet  sich  umgekehrt  häufige 
in  einfachen  Wörtern,  namentlich  Eigennamen,  wie  /^o^oi^ 
Jtfxag^  ^EQVfiag,  Jeifiag^  idl^ofAag,  ©at/iag,  Xdqpiag^  Mifio^ 
"Yagy  BQvag,  Biag,  06ag,  0vXagj  fldlkag,  Ooqßag^  rlyag  u.  a 
Ueber  den  Ursprung   dieser  Endung   und   insbesondere  übe 


1)  Das  Femininum  dieser  Maskulina  lautet  'Inno-dafMia,  Acu> 
ddfieia,  IToXv-da/iva,  was  als  Analogiebildung  nach  dem  Muster  voi 
Maskulinen  auf  rjg  und  evs  zu  betrachten  int,  wie  ähnlich  die  SpradM 
zu  Jiiwv  ein  Femininum  jtUiga  bildete.  Die  richtige  Femininform  Hegl 
in  ^£QQe(faaaa  aus  4>egQe<paTia  und  JtgoqpQaooa  aus  jfgo(pgaTta  vor. 


Christ:  Abhänffigkeitskompostta  des  Griechischen,  223 

das  Verbältnis  derselben  zu  der  gewöhnlichen  Participial- 
eodung  ont  ist  schwer  zu  urteilen.  Bei  einigep,  wie  fiifiavT, 
forr,  tlayvy  ßctrvj  yavr,  gehört  das  a  sicher  nicht  zur  En- 
dung, sondern  zu  dem  auf  a  endigenden  Yerbalstamm,  an 
den  die  Endung  nt  unmittelbar,  ebenso  wie  in  ti^bvt,  iazavv, 
dffcrr,  angetreten  ist;  andere,  wie  xa^^ayr^  ßiavr^  daifiavt^ 
Blossen  wohl  als  Denonunativa  von  Nomina  abstr.  auf  ma 
gelten,  zumal  auch  in  den  äolischen  Verben  aUvrjfii,  dowi^ 
tf^fii  u.  a.  die  Personalendung  ohne  weiteres  an  das  Nominal- 
thema  angefOgt  wurde;  ob  auch  für  dafiavr^  xa^tovr,  q>OQ' 
;iarr,  /raüJUrvT,  die  Herleitung  von  einem  Abstraktum  auf  a 
angenommen  werden   dürfe,   wage   ich  nicht  zu  entscheiden. 

5)  Mit  einem   Verbalnomen    auf   Bv-g^    fem.    eia 
ans  Bfia. 

Mit  dem  Suffix  ev-g,  vermutlich  der  starken  Form  von 
i-c,^)  werden  bekanntlich  im  Griechischen  zahlreiche  Nomina 
agentis  gebildet.  Wenn  dasselbe  auch  in  der  Komposition 
eracheint,  so  könnte  man  die  betreffenden  Komposita  als 
nominale  Abhängigkeitskomposita  bezeichnen  und  das  Nomen 
des  ersten  Gliedes  in  dem  Sinne  eines  abhängigen  Genetivs 
fassen.  Aber  dieselben  hieher,  zu  den  verbalen  Abhängig- 
keitskompositen zu  stellen  empfiehlt  der  Umstand,  dass  nicht 
immer  das  zweite  Glied  auch  in  selbsi^ndiger  Stellung  vor- 
kommt.    Komposita  also  dieser  Art  sind: 

n^firj%^evgj  abgeleitetes  Nomen  von  skt.  pra-mantha^  Quirl- 
stab; vgl.  skt.  Pra-manthu-s,  nom.  pr. 
f,ri-ox«t'g  neben  fjyi-oxog  H.,*)  ^OTv-oxeia  neben  uiatv-oxog  H. 


1)  Damit  will  ich  nicht  leugnen,  dasa  einzelne  Wörter  dieser 
Art  auch  mit  Wackemagel.  KZ.  24,  295  ff.  und  27,  84  ff.,  als  sekun- 
dere Nominalbildnngen  gefasst  werden  können,  so  dass  das  ev-g  auf 
anprüni^liches  e-vo-s  zurückzuführen  ist. 

2)  Aehnlich  kommen  neben  einander  zu  gleicher  Zeit  vor  die 
Simplicia  q>ag/i<ue6s  und  tpnQfiaxevg. 

laM.  PkllM.-phik»L  o.  bist  Ol.    8.  j^ 


} 


224        Sitzung  der  phüos.'phüöl  Classe  vom  1.  Februar  1890. 

natqO'q>ovBvg  H.,  UeQaeqHiveia,  neben  TvaTQO'q^vog. 
dvaaQiOTO'TOxeia  H.  neben  nQoncHToxog. 
TIovxo^noqBia  Hes.  neben  Ttovro-nogog, 
afKfi'fpoqevg  H.,   zusammengeschoben   in    der  Prosa   zu 

q)oqeig, 
TTVQ'Tcaevg  sc.  IJQOfirj&evg  Aisch. 
nav'07C€vg,  alles  verrichtend,  H.;  auch  das  homerische  *l 

onevg  ist  vielleicht  in  ^Hvi^OTtevg  zu    trennen    und 

Zügelverfertiger  zu  deuten. 
MevBO'&tig,  Mut  machend. 

Vielleicht  gehört  auch  das  dunkle  ^Pada-^avdvg  hiel 
so  dass  vg  die  schwache  Stufe  zu  der  gesteigerten  evg 
präsentierte,  in  welchem  Verhältnis  auch  vitg,  das  wir 
den  Kasus  v\iog  via  folgern,  zu  riei;^  steht.  Aus  dem  Sa 
krit  klingt  an  unsere  Komposita  an  bhüri-dävan^  viel  gebe 
und  ägU'patvan^  rasch  fliegend;  dem  letzteren  entspri 
bekanntlich  im  Griechischen  cJxr-Trerijg ,  im  Lateiniscl 
accipiter. 

())  Mit  einem  Verbalnomen  auf  xy^q  oder  xi 
fem.  xeiga  aus  xeQia.^) 

Noch  mehr  gilt  von  den  wenigen  Kompositen  die 
Art,  dass  sie  ebenso  gut  als  nominale  Abhängigkeitskom] 
sita  betrachtet  werden  können.  Ihre  Zahl  ist  klein,  w 
an  ihre  Stelle  meist,  wie  wir  gleich  nachher  sehen  werd< 
Nomina   auf  xr^g   getreten   sind.     Es  genüge  zu  erwähne 

fAv^lO'ßoxriQ  H.,  7covXv'ß6x€iQa  H.,  Xrji'ßoxeiQa  H. 
71  av'öaf.idx(j[}Q  H. 

1)  Das8  die  Scheidung  des  sanskritischen  tar  in  ter  und  tor  s 
der  üxytonen  und  barytonen  Betonung  zusammenhänge,  habe  i 
oben  S.  171  f.  angedeutet.  Einen  etwas  abweichenden  Versuch,  < 
Scheidung  auf  Vokalabstufung  zurückzuführen,  gibt  Brugmann 
dem  berühmten  Aufsatz,  Zur  Geschichte  der  stammabstufenden  L 
klinationen,  Curt.  Stud.  9.  361  tt'. 


Chrul :  AlihängigkrilKkompvnita  des  Griechücbe». 


225 


Q/joUo-defij'^  H. 

-liotro-iJoiiip  iinii   ;/Xoi'XO-()öt4(pa  Orph. 

^-r/yi^f^  Spät. 

vav-ttcöxwß  Herod. 

alav-fiyijttl^  B.,  'YuEQ-^viaiqa    oiier  'YrTiQ-fj-ifliqu,    KXvcai- 

fivi^atQa  oder   KXiTUi-fii'fiiQa.^) 
iiod-a-vtmijQ  Herod. 
naiÖ-oltjeiqa  Eiir. 
olvo-noT-^Q  H. 
noXv-atifiövtOi^  hy.  Cer. 

In  (Jie  gleiche  Kategorie  gehört  das  homerische  to-xif- 
aiffa  (ob  Jo;(e/e(eat),  Pfeile  ausachflttend,  abgeleitet  »on  einem 
verlorenen  Maskuliuiioi  x^f'W-  <^as  ähnlich  wie  ö>"ijf,  i5a^- 
tJ9,  mit  dem  Suftix  er  gebildet  ist.  Es  scheint  nämlich  jenes 
Suffix,  welches  ich  indes  nicht  mit  der  Verbal wurKel  ar  in 
Verbindung  zu  bringen  wage,  erst  dadurch.  da.ss  es  an  No- 
mina auf  t  antrat,  das  y.usammengeset/te  Snffix  ter  erzeugt 
7.U   haben. 

7)  Mit  einem  Nomen  auf  S-a  (e-s).  fem.  i-s, 
Die  Komposita,  welche  wir  an  letzter  Stelle  behandeln, 
greifttu  noch  mehr  als  die  vorausgehenden  in  das  Gebiet  der 
nominalen  Äbbängigkeitskomposita  über,  bangen  aber  zu- 
f^ich  mit  äuaaerst  schwierigen  Fragen  der  Formbitdung  zu- 
aunmen.  Dipse  weit  über  das  spezielle  Gebiet  der  Zusammeu- 
neteuDg  hinausgreifenden  tVagen  sollen  zuerst,  gleich  liier 
im  Eingang,  kurz  festgestellt  werden. 

Erstens  ist  es  bekanntlich  eine  spezielle  Eigentümlichkeit 
der  griechischen  und  lateinischen  Sprache,  du«s  in  denselben 
neben  Femininen  auch  Maskulina  nach  der  1.  Dekl.  vorkomniea. 
Dem  Tedischen  Sanskrit  (und  Zend)  sind  zwar  Maskulina  auf 


1|  Keiu  AbhängiKkeitakouipositutn  ut  i 
Katgelier.   Iiei  Aiidi.  Fers,  Ü&S. 


ru-/ii}oi<uö,    KOtt({teichi)r 


\ 


226        Sitzung  der  phHos.'phÜdl,  Classe  vom  1,  Februar  1890, 

S-s  acc.  5-m  nicht  ganz  fremd,  aber  sie  sind  dort  fast  ai 
schliesslich  auf  die  oben  S.  213  schon  betrachtete  Klai 
der  Komposita  mit  einer  auf  a  endigenden  Verbalwurzel  1 
schränkt  geblieben.  Es  fragt  sich  also,  wie  diese  yerbreiti 
Bildung  von  Maskulinen  nach  der  1.  Deklination  in  c 
klassischen  Sprachen  gekommen  ist. 

Zweitens  besteht  ein  unterschied  des  Griechischen  vc 
Lateinischen    darin,    dass    im    Lateinischen   jene    Maskuli 
geradeso   wie   die  Feminina   auf  einfaches   a   ausgehen;    i 
Griechischen    aber   nicht  bloss  im  Gen.  sing,  eine  besonde 
Form  ao  aus  aio  entwickelt  haben,^)  sondern  auch  im  Noi 
sing,  zum  Unterschied  von  den  Femininen  auf  a(e)  +  8  au 
gehen.    Hier  fragt  es  sich  also,  welche  der  beiden  Sprach 
die  ursprüngliche  Form  enthält,  mit  anderen  Worten,  ob  d 
Lateinische  ein  schliessendes  s  abgeworfen  oder  das  Griecl 
sehe   erst   nachträglich   ein    solches    angenommen    hat.      ] 
wird    aber  die  Frage   dadurch   komplicierter,   dass   im  Gri 
chischen    einerseits   neben   dem   a   ailch   ein  e  erscheint  ui 
anderseits    neben    der   vollen  Form  ä-s    auch   eine  kürzere 
vorkömmt.    Es  gehen  nämlich  auf  a  aus  bei  Homer  Bvqvom 
TJ7rvTa^  Qy,üy.rjTa,    miroxa,    alxfdrjtd,  jurjtieTa,    Qveova,  veq)> 
i.tiyeqtTa^    irrTrtjXdza,   OTeQ07rt]'yeQ6Ta,   xvavoxcilTa,   ausserdei 
bei  Hesiod  Op.  582,  Scut.  393  ^x^to,   bei  Pindar  N.  3,  5 
ßa^vfiriTa,  bei  Theokrit  8,  30  ivKvd,  ferner  äolisches  idQxVU 
'^Yßqayoqay    elisches  x^axa  GIG   1149,    thessalisches   X^lfn 
Nixla,  megarisches  Odya,  liqaiay  böotisches  BvXia,  KaiXii 
Moyia,   l4Xxivia,    okv^nioviTcay    uv&iovUa,  BvXlda^  2ayvdx 
viöa,   0eXiaTa,    leukadisches  (DiXoxXeiöay    ambrakisches  Ilfc 
TiXeida,  sikilischas  MvQiXXa,  Eubidida  (s.  Meister,  Gr.  Dial. 
160  u.  II  272).     Die  Kürze  des  a  im  Gebrauche  der  Dichte 
erregt  dabei  weniger  Bedenken,   da   dieselbe   ähnlich  wie  ii 


1)  Ob  die  doppelte  Genetivendunj?  des  Lateinischen  ai  (ae)  an« 
äd  (in  pater  familias)  auf  die  gleiche  Quelle  zurückzuführen  ist? 


Christ:  AbhängigkeüskomposUa  des  Grriechischen.  227 

dem  Vokatiy  dianora  unter  dem  Einfluss  (äolischen)  der 
Tieftonigkeit  bei  mangelDder  Stütze  an  einem  nachfolgenden 
Konsonanten  entstanden  sein  kann,  mehr  aber  der  Wechsel 
xwischen  a  und  e.  Dabei  ist  zu  beachten,  dass  mehrere 
Wörter,  wie  die  Patronymika  auf  dijg,  bei  Homer  wenig- 
stens, bestandig  das  e  behalten,  so  dass  sich  der  Gedanke 
aufdrängt,  es  seien  ursprünglich  die  Maskulina  auf  a-s  und 
e-8  strenge  geschieden  gewesen  und  es  sei  erst  später  eine 
Verwischung  der  Grenzen  beider  eingetreten. 

Drittens  spielt  in  die  Frage  der  Nomina  auf  a  und  a-s 

die  Bildung  und  Abwandlung  der  denominativen  Verba  herein. 

Auch  hier  geht  das  Griechische  und  Lateinische  auseinander. 

Ich  betone  dabei  weniger  die  Bildung  des  Futurums  auf  rjoio; 

denn   diese    lässt  sich  als  Analogiebildung  nach  dem  Muster 

des  OriginaWerbums  ^jjcfw  in  befriedigender  Weise  erklären.^) 

Wichtiger   ist,    dass   im    Lateinischen    die   Nomina   auf  u-s 

Denominativa   nach  der  1.  Konjugation  bilden,  wie  divinat, 

magnifictU^  naufragatur^   und  dass  der  gleichen  Konjugation 

auch  die  Verba  auf  ta,  wie  spectat^  delectat^  natat^  agitat^  imi- 

tatur^  sectatur^  angehören,  während  im  Griechischen  die  De- 

oominatiya  yon  Nomina  auf  o-g  regelmässig  und  von  solchen 

auf  rv;-^  meistenteils  auf  ew  ausgehen.^)     Das  regt,   da  das 

Lateinische  noch  sehr  viele  zusammengesetzte  Maskulina  auf 

a^  wie  coelicola,  terrigena,  foeniseca,   besitzt,   zur  Frage  an, 

ob  nicht  beide  Spracherscheinungen  in  Zusammenhang  stehen 


1)  Andere  denken  an  Kontraktion  von  rjaay  aus  ursprünglichem 
^j-#-«o.  Siehe  darüber  v.  d.  Pferd ten,  Zur  Geachichte  der  griech. 
Denominativa  S.  158. 

2)  Indes  hat  auch  das  Griechische  neben  Denominativen  auf 
xtw,  die  meistens  erst  auf  ionischem  und  attischem  Boden  entstanden 
sn  sein  scheinen,  solche  auf  taco,  wie  6jitd(o,  axigtaco,  tpoitdco,  igco- 
td(ü,  dgrtdo},  evx^dofiai,  vauxdio,  Pfordten  a.  0.  S.  61  führt  als 
einziges  homerisches  Beispiel  der  Bildung  auf  tbo>  an:  v^mni 

eine  aber  steht  in  einer  ganz  jungen,  interpolierten  Ste 


228       Sitzung  der  philo8,'philol,  Classe  vom  1.  Februar  1890. 

und  ob  nicht  das  zahlreiche  Vorkommen  denominativer  V^ 
auf  are  auf  eine  ehemalige  weitere  Ausdehnung  der  Ma4 
lina  auf  a  im  Lateinischen  zu  schliessen  berechtigt.         ^ 

Endlich  drängt  sich  von  selbst  bei  der  Untersuchi 
aller  dieser  Erscheinungen  die  Frage  nach  der  näheren  "l 
wandschafi:  des  Griechischen  und  Lateinischen  auf.  Denq 
kann  wohl  nauta  aus  dem  Griechischen  (vavrrjg)  entlaj 
und  scriba  eine  junge  Neubildung  sein,  aber  im  übr^ 
möchte  man  leicht  die  Uebereinstimmung  beider  Sprao] 
in  der  Bildung  von  Maskulinen  nach  der  1.  Deklination  j 
eine  gemeinsame  vorhellenische  Quelle  zurückführen.         ; 

Das   sind  alles,  wie   man   sieht,    Fragen,    die    über  ' 
Bildung  der  Komposita  weit  hinausreichen ;  dieselben  müfl 
uns   aber  doch  auch  hier  stets  gegenwärtig  sein,  und  die 
um   so   mehr,   als    bei   den  zusammengesetzten  Wörtern 
Bildung  von   Maskulinen   auf  ^-s   am    leichtesten   und   e 
fachsten   erklärt  werden    kann,   so   dass,   da  der  Ansatz 
zusammengesetzten  Maskulinen  auf  a-s  auch  schon  im  Sai 
krit  und  Altbaktrischen  vorkommt,   sich  geradezu  die  Fra 
auf  wirft,    ob   nicht  die  Simplicia   auf  a-s  durchweg  Neul 
düngen  sind,   entstanden   nach   dem  Muster  yon    Komposit 
auf  ä-8.  ^)    Im  Folgenden  werden  wir  nun  aber,  um  ja  nie 
Verschiedenes  zu  vermischen,  die  Maskulina  nach  der  1.  B 
klination  in  drei  Klassen  teilen  und  zuerst  besprechen 

a)  die  Komposita  auf  ä-g  und  i;-g  mit  Ausschluss  dei 
auf  Ti^g. 

Wie  wir  schon  oben  S.  169  f.  sahen,  kam  es  im  Griech 
sehen  einfach  dadurch  zu  Kompositen  nach  der  1.  Dekliuatio 


1)  Diese  Vermutung  wird  zur  Erklärung  von  scriba  schon  ▼• 
Bopp,  Vergleichende  Grammatik  §  914,  Bd.  III  S.  371  Anm.  ai 
gestellt.  Aehnlich  leitet  Benfey,  Abh.  d.  Gott.  Ges.  d.  W.  28  (1« 
S.  8  die  Deklination  von  skt.  tishä-s  acc.  iMhä-m  aus  der  Analof 
der  Komposita,  wie  rathi-shthä-s  acc.  rathe-shthä-m,  her. 


Christ:  ÄbhätiffiglceUskomposita  des  Griechischen.  229 

dt!S  nach  dem  Vorbild  derjenigen  Possessivkomposita,  deren 
iweiieß  Element  ein  Nomen  auf  o-g  war,  dem  a  und  r;  jener 
Ziiäammensetzungen ,  welche  als  zweites  Glied  ein  Nomen 
nach  der  1.  Deklination  enthielten,  ein  s  im  Nominativ  an- 
gehan^  wurde.  So  entstand  also  oQyvQO'öivrj-g,  ßa&v-divrj^g, 
afolo-/ifr^ij-^,  %vavO'Xai%ri'^j  \itno-xaixri*gy  ei^fÄeXifi-g,  nqu^- 
rßfpg,  innio-xoQfifj-g,  xa^aL^evvji-gy  laßQ^ayoQrj-gf  vtp-ayoQrpg 
und  in  dem  Sinne  eines  Abhängigkeitskompositums  fiet^e- 
Xt'^j^g,  hüO^avia^gy  <piXo^Tixy^'Sy  fAioo-yvvrj'g,  Mev-dlxa-g, 
yiytfit'ßovXa-gj  flavo-ayia-g.  Dabei  bemerke  ich,  was  ich 
bisher  noch  von  keinem  beobachtet  fand,  dass,  abgesehen 
Ton  den  zwei  Stellen  iv^f4€Xif]g  dfAekrjae  P  9  und  Oolßog 
axmotxofir.g  ijd'  Y  38,  sich  bei  Homer  der  Nominativ  auf 
fr«  nur  am  Versschluss  findet  (N  396.  0  582.  T538.  Y  73. 
144.  0  130.  143.  212.  228.  329.  ^  419),  so  dass  ohne 
Störong  des  Metrums  das  s  auch  abgeworfen  werden  kann. 
Dm  80  mehr  sind  ganz  auf  gleiche  Linie  mit  den  bespro- 
chenen Wörtern  die  homerischen  Komposita  auf  a,  wie  xvavo- 
jahaj  BVQv-onay  xvvcu/ra,  TtaQ&eyO'Tvhi a  zu  stellen,  von  denen 
die  letzteren  ohne  Bedenken  auf  vorauszusetzende  Abstrakta 
O/TO  and  onintt  zur Qckzuf (ihren  sind.  Sonst  findet  sich  bei 
Homer  von  Maskulinen  auf  17-g,  von  denen  auf  Tijg  und  örig 
and  vereinzelten  Eigennamen  abgesehen,  nur  noch  xAotviyy 
(l  529),  EvQtddrig  (x  267),  wxvTtha  (©  42  rz:  2V  24),  welche 
drei  Wörter  alle  aus  der  3.  Deklination  in  die  1.  überge- 
treten zu  sein  scheinen,')  und  die  vereinzelt  stehenden  aber 
fQr  die  Namenbildung  der  nachhomerischen  Zeit  (wie  NtTciag, 
Tioiagy  0ayiag)  wichtigen  Nomina  tafAirjg  {J  84.  T  44.  224) 


1)  igtavrrfc  kommt  nur  im  Nominativ  vor  (T  84.  ^  322),  so  das» 
daaselbe  ebenso  gut  nach  der  3.  wie  nach  der  1.  Deklination  gehen 
kann.  Da«  in  dem  Vers  Z  320  =  ß  495  aixf*Tj  x^^^^^V*  ^^q'^  ^^^ 
l2vo€(K  ^^  Ji6gxfjg  Aber  lieferte  noQxrjg  halte  ich  fär  eine  alte, 
vielleicht  unter  dem  Einfluss  der  Aussprache  entstandene  Verschrei- 
bong  von  n6QxiQ, 


1 


230        Sitzung  der  phüos.'phüol.  Glosse  vom  1.  Februar  1890, 

und  veavlrig  (x  278).^)  Bei  den  letzteren  ist  zwar  auch, 
bei  den  Kompositen,  zur  Bezeichnung  der  mannlichen  Pe 
an  das  Femininum  auf  it]  ein  g  angetreten ;  aber  dass  ü 
haupt  rafiifj  und  rafiitjg  die  Bedeutung  Schaffiierin 
Schaffher  annehmen  konnten,  beruht  auf  der  schon  ( 
8.  207  berührten  Neigung  des  Griechischen,  Abstrakta  i 
zur  Bezeichnung  der  konkreten  Träger  der  abstrakten  Hl 
lung  zu  verwenden.^)  Ein  solches  in  die  konkrete  Bedeut 
übergetretenes  Nomen  auf  i;  konnte  ursprünglich  auch 
Maskulinum  mit  vertreten,  wie  dieses  der  Vers  y  49  (1 
lieh  X  209): 

aXXc  v&oTBQog  eativ  o/iijXixirj  d^ifiol  avT(^ 

deutlich   zeigt.     Wenn   aber  vereinzelt   Homer    bei    vafi 
vsrpflrjg  und  vielleicht  auch  bei  dem  Eigennamen  [leXitjg 
Bezeichnung  der  männlichen  Person  an  die  Endung  des  4 
straktums  irj  ein  s  angehängt  hat,  so  folgte  er  darin  ge\ 
nur  der  Analogie  der  oben  angeführten  Komposita.     In 
nachhomerischen  Zeit,   namentlich   bei   den  Attikem,   ha 
dann  jene   Maskulina    nach   der  1.  Deklination,    sowohl 
Komposita  als  die  persönlich  gewordenen  Abstrakta  (ATix« 
KQiriag,  böot.  Bvkia,  Moyia),  eine  weit  grössere  Verbreiti 
gefunden.     Namentlich  bildeten  sich  neben  Verba  contr. 
€10   und    au)    Noraina  composita   auf  a-g   oder  rj-g,    die  1 
gemach  so  beliebt  wurden,  dass  sie  vielfach  die  alten  Nom 
auf  o-g  verdrängten.   Es  genüge,  von  Abhängigkeitskomposii 
der  Art  anzuführen : 


1)  Auch  ein  Maskulinum  SiyysXirjg  wurde  ehedem  für  drei  Stel 
{P  206,  N  252,  0  640)  angenommen ;  aber  an  allen  diesen  ist,  1 
zuerst  Bentley  gesehen  hat,  ayyBXlf}v  statt  dyyeXiijg  zu  schreiben  u 
als  inneres  Objekt  zu  dem  dabeistehenden  Verbum  rjXv^s  oder  0 
veoxe  zu  fassen. 

2)  Dieser  Punkt  ist  klar  gestellt  von  Delbrück,  Synt.  F 
achung  IV,  4  ff. 


CkriH:  Abhänffigkeüskomposita  des  Ghriechischen.  231 

olvfifrio-yinrig,  ftv&io-vlxtjg,  boot.  okvfirrio^vUay  rtv-d-io-vina, 
na%i^aXoia^j  fifltg-aloiag. 
o^i^O'-digfagj  ßov-xhqqagy  dvwo-xhriQag. 

mn(HrwfiC[g. 

akgpno^nwXrigj    fem.   ahpiTO-TtwXtgy   ßißXio^ntüXrjgy   diq>x^eQO' 

TfwXrjg, 
ßißho'la^ag. 
naiS'O'Xi'fAag, 
mno^UQfjg, 
Y^O'Ooßijg. 
natd^O'T^ißfjg, 
an-wT^gy  rei-ctJvjjg. 

Alle  Maskulina  nach  der  1.  Deklination  sind  damit 
freilich  noch  nicht  erklärt;  aber  sehen  wir  vom  Lateinischen 
ab,*)  so  bleiben  im  Griechischen  nur  Eigennamen,  wie  'Og)6- 
ia-g,  Ja^a-gj  Kkovo-g,  0r^^-g,  l^leva-g^  Aelxa^g^  liqya^g^ 
Äo/ra-g,*)  thessai.  Xeifia,  megar.  0Qya,  l^Qaia, ')  übrig. 
BezOglich  dieser  haben  aber  bereits  die  alten  Grammatiker 
die  richtige  Vermutung  aufgestellt,  dass  sie  aus  der  Klasse 
der  Nomina  auf  ag,  arvog  in  die  1.  Deklination  übergetreten 
sind.  So  lehrt  Choiroboskos  p.  123,  22  ed.  Hilg.  (=^  Bekker 
An.  gr.  p.  1183):  dei  naqaqwXi^ao^ai  xiva  naqa  xoig 
7ion]fiaig  ndwa  i'xoyra  tov  xavovog  Kai  laoaviXdßiog  x^c- 
t^irroj  olov  6  Biag  %ov  Bia,  6  @Qtag  tov  @Qva^  6  @6ag 
toi  Sooy   dg  naQ*  ^Hoi6d(ify  r/  de  Qoav  xe%Bv  vXovy  6  uäXag 


1)  Nach  Meisterbans,  Gramm,  d.  att.  Inschr.^,  97  f.  findet  sich 
er«t  auf  Inschriften  der  Kaiserzeit  vsaviaxdgxrfg,  ^vatdgxri^- 

2)  Bedenken  könnte  es  nämlich  im  Lateinischen  erregen,  dass  den 
Kompositen  coeli^cola,  intli-gena^  heredi-peta,  parri-cida,  aur-iga,  foeni- 
seca,  legi^rupa,  ad-vena  abstrakte  Nomina  auf  a  nicht  zur  Seite  stehen. 

8)  In  die  gleiche  Klasse  gehören  die  lateinischen  Eigennamen 
Numa^  Suüa^  Nerva^  Oalba, 


232        Sitzung  der  philos.'jjhüol.  Classe  vom  1,  Februar  1890, 

Toi  AXa,  wg  TxaQa  y^Xxai^p,  u4iav  %6v  aqiaxov.  Der  üebi 
gang  geschah  so,  dass  zunächst  neben  dem  Nominaidy  i 
ag  ein  Akkusativ  auf  ay  gebildet  wurde,  wie  denn  thatsä^ 
lieh  neben  fiiyag  nur  fiiyav^  neben  *^QVjg  nur  ^!Aqi]v^  neb 
SanLQaTrjg  nur  ScjTCQaTfjv  vorkommt,  und  dass  dann  erst  au 
die  Bildung  der  übrigen  Kasus  nach  der  Norm  der  1.  0 
klination  nachfolgte.^) 

b)  Die  Nomina  auf  xjy-g. 

Die  Kqmposita  auf  Ttj-g  treten  schon  äusserlich  in  Folj 
ihrer  geringen  Zahl  hinter  der  Masse  von  einfachen  Nomii 
auf  Tf]-g  zurück.  Jene  Masse  erhält  aber  noch  ein  b 
sonderes  Gewicht  dadurch,  dass  sich  bereits  bei  Homer  nie 
bloss  primäre  Nomina  simplicia  jener  Art  finden,  wie  aijT^ 
dixtrjgy  igizfigy  ixirrjg,  TtaQaißdTtjgy  aiyrTjgy  sondern  au( 
schon  zahlreiche  abgeleitete  Nomina,  die  teils  von  sekundär« 
Verben  gebildet  sind,  wie  oyoqrjftrfiy  aKOvriOTrjgy  ^ax^itf^ 
x^ioQTjxTTig,  d^qevzr\gy  vßQiOTrg,  teils  von  Nomina  abstamme 
wie  l/r/roTa,  dygoTrjgy  zo^orrjg,  vavrrig,  TcoXitrjgy  alx^rjr 
vnr]V7iTYigy  7roXvßovttig,  fATjtuTa,  Abhängkeitskomposita  ui 
Komposita  auf  trjg  überhaupt  gibt  es  bei  Homer  nur  folgend 

TwX'OQTrjg,  alv'aQ-i'trjg   mit  v.  1.  alvaqhr)  /7  31,  ^aiqrrj 

EvqV'ßQTr]gy  TraQai'ßatTjg,  ifinvQi-ßT^Trjg, 

exaTtj'ßeXiTtjg  neben  eaaTtj'ßokog. 

iipi'ßQefAtTTjgy  eQt'ßQefAitrjg, 

al&Qrj'yevirrig, 

av'ßwrrjg, 

doTV'ßoüJTtjg, 

l^r/r-j^AcrVa,  gegenüber  passivem  i/r/r-ijAaTO(,\ 

1)  AehDÜche  Uebergän^e  im  Sanskrit  weist  Joh.  Schmidt,  K! 
26,  401  f.,  nach.  Auch  zu  gr.  fuya-g  acc.  fifya-v  stellt  sich  in  den  Vedc 
nom.  mahän^  vor  Vokalen  mahä^  acc.  moAäm  neben  mahantam;  siel 
ßartholomae,  KZ.  29,  266. 


Chritt:  Ahhäiii/ijjleitiikiir, 


(Im  flrirrhiithen. 


■ntl,  sitt.  <ti-kir  Uli»  ad-lnr. 


ä-Koitiji;    für    riclitigeh 


fü/j-tj(7Ti]f,  skt.  äm-äd.  Itol 

Easer. 
iiofa-xoitiig,    fem.    «apa-x 

«/r/ro-xop'Oiij'g. 

<Ptio-xirJif;(;,  Freu  oder  Werber. 

oyxvXo-fd^tijS  \mA  zweifelliafteti  unixiio-ft^ta  (;ro/xiAö-f<f;it 
NtL.)  Od,  f  293  and  n otKtXo-fi^tt/V  {!T0ixd6tii]t$v  Na.) 
^  482.  y  Hi3.  tj  168.  x  Uh.  202.  281,  nnd  noch 
xweifelhaft«res  (JoÄ«-/ii/Ta  v/  540  neben  richtigem  ÖoXö- 
litjug  a  300,  /  525,  l  422. 

atOti-/ii^,(r/(,'  liehen  atav~fjyr/ifiQi   Q  347. 

Xeß-y^tii,  mit  der  Hand  nähend.  M  433. 
retzeac/fi^Ta,  rfßö-«Ai;xii;  sc.  'fipin-y  o  234. 

rjepö-iyioi rig,  Beiwort  der  Erinys.  /  571   iinrf  T  t^7.'l    Hoilr- 

oWpei-9>o«);e  entweder  für  ayeQ-t-tpoimj^.  mit  einem  an- 
htÖssigen  BindeTukal.  uder  fflr  ävdQetoipoirt  iji; ;  ebenso 
j^pyei-yo'viijg,  die  Helle  tötend. 


II  DiM  Wort  niniint  gef^en  die  in  den  Si^holien  tu  7*  87  er- 
wfthnt«  Lesbrt  ilae<uimrit,  Miiliriakend,  in  Schulz  Ludwich,  Juhrb. 
f.  Phil.  139  (1889)  3.  667  ff.,  ohne  die  SchwieriRkeit«n  der  Wort- 
>wdetitaiig  x\t  lAacn.  Die  von  den  Alten  angenommene  Bedeutung  ev 
axorlf  (potiöiaa  üess  ^tgitpaitii; ,  wie  i/pij'örio,  erwarten.  Da  aber 
'K^trvCi  arBtirdnglich.  wie  Aoa  enteprechende  SanRkritwnrt  larniiitt-g 
■•«weint,  die  rauche  tw-dputete.  so  riehe  ich  die  Lesart.  irooirairK,  welche 
tn  l  671  in  den  Srhnlien  nDi^enierkt  ist,  vor  und  erkl&re  rta«  Wori, 
indem  ich  da«  erste  *ilied,  ebenBO  wie  das  «r»te  Wort  in  der  Verbin- 
dung ''!H>i  Ix^'-K,  Hill  «kt,  i»hara,  »i;linell.  in  Verbindung  bringe,  mit 
r.t-ch  ii'hreit«Dd"  oder  'riwchen  Uaug  hitbend'. 


i 


1 


234        Sitzung  der  phüosrphüol,  Glosse  vom  1,  Fehruixr  1890. 

dia-noiva  aus  dca-zrorvia,  wozu  das  Maskulinum  dea-yvi 
bei  Homer  noch  nicht  vorkommt.^) 

Durchmustert  man  diese  Beispiele,  so  schwindet  noch  ib 
ihr  Gewicht  als  Komposita.  Denn  in  einigen,  nämlich  i 
TtoTTjgy  dyxvlO'fii^Tijgf  noi^iXo^iirfla^  dolo-fAtitaf  ist  die  Endi 
Tij-g  erst  nachträglich  aus  ursprünglichem  ri-^  entstände] 
mehrere  andere  aber  sind  Verbalnomina,  gebildet  von 
sammengesetzten  Verben ,  wie  neQivaihrjg  von  neQivc 
TtaQaxohfjg  von  7caQdiieif4ai  ^  ßadvQ^eiTfjg  von  ßadrQQi 
Der  Rest  endlich  ist  durch  blosse  Zusammenrückung  d 
Nomen  simplex  auf  trjg  mit  einer  adverbialen  Bestimmi 
entstanden,  wie  vipi-ßQefiiTtjgy  oyxi'f^axrjTi^g^  ald-^-yerh 
Teix^ai-TtXijta,  unter  solchen  Umständen  kann  man  ni 
daran  denken,  auch  hier  die  Bildung  der  einfachen  Nom 
auf  Ti^g  auf  das  Vorbild  von  Kompositen  zurückzufühi 
Umgekehrt  muss  die  Erklärung  von  den  einfachen  Nom 
auf  Trig  ausgehen. 

Zur  richtigen  Deutung  der  Maskulina  auf  rrjg  v 
spricht  die  Thatsache  zu  verhelfen,  dass  sich  im  Griec 
sehen  die  Endungen  ^r^'g  und  ttiq  ausgeglichen  haben  i 
gleichwertig  nebeneinander  vorkommen.  So  gebraucht  I 
raer  aiavfivf^cai^  3^  258  neben  alaviivrjtffiL  ii  347,  xvß 
vTiTVig  y  316,  T73,  y  279,  l  78,  X  10,  //  152.  412,  ^  2 
neben  xvße^vrjtfjQeg  ^557,  OQxrjOtai  ß  261,  OQxriorrjv  Fl  6 


1)  Ueber  die  Etymologie  dieses  Wortes,  dessen  Endung  n;;  ; 
xig  in  Folge  des  Umsichgreifens  der  Maskulina  auf  xrig  entstanden 
siehe  S.  160. 

2)  Vielleicht  ist  auch  bin6xrig  aus  iJUTOJioTijg  und  dieses  i 
tnno-notig  entstanden.  Dass  auch  in  ähnlicher  Weise  uyxvnixa  i 
wxvjTsxtjg,  eog  entstanden  sei,  haben  wir  bereits  oben  angedeui 
Auch  bei  pextjg,  wenn  man  mit  Recht  dazu  skt.  vatsa^  'liebes  Kio 
stellt,  gehört  das  t  nicht  zur  Endung.  Dagegen  will  Johanssen,  R 
30,  426,  dan  rj  von  gr.  dsojtöxrjg  und  das  i  von  skt.  dampatis  auf  ein 
gemeinsamen  indifferenten  Grundvokal  zurückfuhren. 


Chrigt:  Abhängigkeitshomposita  des  Griechischen.  2tS5 

Deben  o^xV^VQ^^  ^  ^^^i  Euripides  dofciaTai  El.  444  neben 
oWiar^^eg  Heraclid.  277 ;  so  stehen  bei  verschiedenen  Autoren 
sich   g^enQber   ad^XtjriJQi  H.  ^  1()4   und   a&Xrjtalaiv   Find. 
N.  V  49,   X  50,   is.  V  72,    oqot^q   =   arator   H.   2  542, 
V  835  und  dQorag  Find.  N.  VI  37,    Is.  I  48,   XwßrjtriQ  H. 
B  275,  ^  385,  ii  239    und  Iwßrjt'^g  Arist.  Ran.  95,   dxov- 
uütrfi  H-,    Pros,    und   dxovTlarr^Q  Euripid.  Phoen.  140,  ai- 
iTffrfi  Att.  und  avXrjxrfi  Theogn.  533,  y^t]r^T^riq  H.  und  y^eaxrfi 
Att.,    it'jMovTij^   Pros,   und  Xvfiavri^   Soph.  Trach.  790;    so 
kommt  Ton    ixijrjg:  ineri^Qiogy    von    A-iyarijg:    IrjaTQixog,    von 
n/Qtttjg:  nQit r^Qloy^' Yon  /roifi/uiarijg :  noXßiiiaxriQiogy  von  dea- 
^bifr;^:  dtü^unr^qiov^  von  dy^OTrjg:  dyqotiqa  Pind.  P.  IX  6, 
Ton  rri^:  ?To«ßog;^)  so  entspricht  skt.  ari-tar,  Ruderer,  dem 
griech.  i^jfjg^^)  skt.  attar,  Esser,  dem  zweiten  Element  von 
tiurfitjig  ixndj^fijeiQay  lat.  acci-piter  und  ar-biter  dem  griech. 
wjtLvnixfjg  und  TqBqO'q>oiTrig.    Wie  kam  nun  aber  die  Ausgleich- 
ung der  Endungen  te-s  und  ter?  ist  vieUeicht",  was  am  ein- 
ochsten wäre,  auf  lautlichem  Wege  die  eine  aus  der  anderen 
entstanden?     Allerdings   ging   faktisch  im  Lakonischen  und 
Elischen  auslautendes  s  in  r  über,  und  läast  sich  ein  solcher 
Tebergang   auch    für  das  Altachäische  vermuten;    aber  dass 
amgekehrt   ein   auslautendes  r   in   s   übergegangen   sei,    ist 
weder   belegbar,    noch    an    sich    wahrscheinlich.      Aber   ein 
anderer    Weg    lautlicher    Erklärung    der    besprochenen    Er- 
scheinungen bleibt  oiFen.    Es  kann  nämlich  zuerst  das  schlies- 
sende  r  des  Nominativs  ter  abgeworfen  und  dann  erst  hinten- 
drein    zum   Ausdruck   des   Maskulinums   nach   Analogie   der 
Komposita  auf  r^-g  dem  t]  wieder  ein  s  angefügt  worden  sein. 

1)  Die  Ableitung  des  Wortes  haigog  von  sjtjg  steht  nicht  ganz 
fest,  da,  wie  Le  Meyer  in  Bezz.  Beiträgen  einwendet,  ixaigog  keine 
Spur  mehr  eines  Digammas  hat. 

2)  Fick  in  Bezz.  Beitr.  5,  166  stellt  zu  skt.  aritar  zunächst  gr. 
ilatrig,  welche«  Wort  gewiss  auch  der  gleichen  Wurzel  wie  ^oert;<r 
entiiprossen  ist,  aber  doch  von  aritar  weiter  abliegt. 


236       Sitzung  der  phüos. -philo!,  Glosse  vom  1.  Februar  1890. 

Der  Abfall  des  Schlusskonsonanten  nach  vorausgehendem  Voki 
ist  allerdings  im  Griechischen  auf  wenige  Fälle  beschrankt,^ 
aber  er  hat  gerade  bei  den  Nomina  auf  Jtjg  seinen  Rückhai 
an  den  verwandten  Sprachen.  Im  Sanskrit  nämlich  ende 
regelmässig  der  Nominativ  der  betreffenden  Nomina  auf  M 
statt  auf  tars,  wie  pt-Zä,  Vater,  eigentlich  Beschützer,  da 
ta^  Geber,  dätäsmi  =  dä-tchsmi  =  daturus^sum.  Ab« 
auch  im  Litauischen  fehlt  das  s  in  mote  =  H'ilt:tj^  und  duld 
=:  xh^ydtfjQ,  ebenso  im  Altslavischeu  tnaii  und  düsti.  Frei 
lieh  hat  sich  in  den  meisten  griechischen  Wörtern  diesei 
Art  das  r  erhalten,  wie  eben  in  /roTijß  ß^^'^^Q^  ^orijp  eto 
Aber  emancipieren  wir  uns  von  den  Fesseln  ausnahmslose; 
Lautgesetze  und  beachten  wir  die  analogen  Erscheinungei 
des  lateinischen  Auslautes,  so  lässt  sich  recht  gut  annehmen 
dass  im  Altgriechischen  vor  Homer  das  auslautende  r  dei 
Nomina  auf  ter  dem  Verklingen  nahe  war,  und  dann,  viel' 
leicht  in  Folge  dialektischer  Einflüsse,  in  einem  Teil  voi 
Wörtern  ganz  abfiel,  in  einem  anderen  aber  wieder  erstarkte 
War  aber  einmal  der  schliessende  Konsonant  abgefallen,  8( 
war  der  Uebergang  in  die  1.  Deklination  natürlich  und  trat 
geradeso  im  Prakrit  bei  duhidä  und  madä  ein. 

Schwierigkeit  macht  nur  das  a  der  homerischen  For- 
men ij7ri;ra,  aixfirjtd^  irr jttjldTa  und  der  dorisch-äolischei 
Nomina  auf  va-g  statt  Ttj-g,  Denn  mit  der  Ausflucht,  dast 
dieses  äolische  Dialektformen  seien,  ist  uns  nicht  gedient 
da  ursprüngliches  ij,  wie  das  e  unserer  Endung  ist,  aucl 
im  Aeolischen  und  Dorischen  rj  bleibt,  nicht  in  a  oder  a 
übergeht.  Es  bleibt  daher,  wenn  wir  nicht  die  ganze 
Kombination  wieder  aufgeben  wollen ,  nur  der  eine  Aus- 
weg   der    Forraübertragung.      Aber    um    eine    solche    An- 


1)  Belege  bei  Meister,  Gr.  Dial.  I  160  u.  II  272.  Ausserdem 
vergleiche  ovrco  neben  ovjcog,  iftjia  bei  Pindar  P.  5,  74  statt  ifMfoc, 
liomerisches  öcä  =  skt.  dam^  Haus,  aUl  =  skt.  evais^  dvxixgVf  digifia, 
fieotfyv  neben  dviin^fve,  uTQCfiai,  fieot/yve. 


ChrUi:  Abhänffigkeüskamposila  des  Griechischen,  237 

nabine  Gberhaupt  nur  zu  wagen,  müssen  wir  zuerst  nach- 
zuweisen Yermogen,  dass  es  neben  den  Nomina  auf  te  solche 
auf  iä  mit  ursprtünglicheni  a  gegeben  hat.  Dafür  bietet 
ans  nun  auch  hier  wieder  die  Bedeutung  einen  Wegweiser. 
Mit  ter  und  tor  wurden  nämlich  von  vornherein  nur  Nomina 
agentis  von  Verben  gebildet;  im  Oriechischen  haben  wir  aber 
anter  den  Nomina  auf  Tijgy  tag,  ta  viele,  die  nicht  einen 
Handelnden  bezeichnen,  und  noch  mehrere,  die  nicht  von 
einem  Verbum,  sondern  einem  Nomen  abgeleitet  sind,  wie 
eben  i/r/rora,  aixi^rjxo^  fiTjTieTa^  noXiTi]g,  dor.  7ioXiTag  etc. 
Diese  werden  also  auch  nicht  das  Suffix  ter,  sondern  irgend 
ein  anderes  mit  stammhaftem  a- Vokal  enthalten.  Als  solches 
bietet  sich  uns  zunächst  das  Suffix  täti  an,  welches  im  Grie- 
chischen und  Lateinischen  in  der  abgekürzten  Form  tas, 
gen.  tatos  (ion.  ti}^,  ty/to^,  lat.  täs  und  tüs,  gen.  tStis  und 
täüs)  erscheint  und  gerade  besonders  zur  Bildung  abgelei- 
teter Nomina,  wie  vcorijg,  äÖQOTrig^  civitas^  virtus  verwendet 
irird.  Geht  man  auf  diese  Herleitung  ein,  so  niuss  man  an- 
nehmen, dass  auch  hier  zuerst  das  Wort  nach  Abfall  des 
Schlusskonsonanten  in  die  1.  Deklination  übergetreten  sei, 
dann  aber  wieder  im  Nominativ  zur  Bezeichnung  des  niänn- 
hchen  Geschlechtes  ein  s  angenommen  habe.  Unmögliches 
ist  damit  nicht  gefordert;  man  kann  sogar  dafür  noch  die 
lateinischen  Doppelformen  iuventus  und  iuventa^  senectus 
und  senecta  und  das  wegen  des  gleichen  Bedeutungsüber- 
ganges besonders  interessante  italienische  podesta  aus  po- 
tesias  anführen.  Aber  wem  die  Uebergänge  zu  kühn 
scheinen,  der  kann  auch  direkt  zu  dem  einfachen  Suffix  td, 
wie  es  in  o^enj,  ßiortl,  lat.  tnto,  lacerta,  got.  iunda  vorliegt, 
seine  Zuflucht  hehmen.  Denn  es  lässt  sich  in  der  That  der 
Uebergang  der  Bedeutung  aus  einem  Nomen  abstractum 
in  ein  Nomen  agentis  bei  einigen  hiehergehörigen  Wörtern 
dehr  leicht  begreifen.  Bgavtii  hiess  Donner,  ateQony  Blitz, 
davon    bildete   Hesiod    Th.  140   BqovTifi   und   Sta^i 


] 


238       Sitzung  der  phäos.-phäol,  Classe  vom  1,  Februar  1890. 


göttliche  Repräsentanten  des  Donners  und  Blitzes;  %oiv% 
hiess  das  Lager,  davon  wurden  diejenigen,  welche  ein  gemein- 
sames Lager  hatten,  mit  Unterscheidung  des  Oeschlechtei 
axoirig  und  naQaxolzrjg  genannt;  ein  altes  TeXiata  bedeutet! 
die  Vorstandschaft,  davon  benannten  die  Eleer  ihren  Bürger 
meister  teUara^  wie  die  Italiener  des  Mittelalters  aus  potestai 
Gewalt,  ein  podesta^  Träger  der  Gewalt,  Bürgermeister 
schufen.  Ausserdem  wurde  bei  einigen  Nomina  auf  rryg  dei 
Uebergang  in  die  Bedeutung  eines  Nomen  agentis  dadurcb 
begünstigt,  dass  neben  dem  Nomen  ein  aktives  Verbum  -raa 
vorkam,  wie  q^oiTow  neben  -q^oitig,  dQerdo)  neben  -a^w/g, 
vaiezQO)  neben  vauTfjgj  ^elevdü)  neben  iTtifAekrjTiJQf  aixf^o^a 
neben  alxf^r^Trig,  *)  War  nun  aber  einmal  nur  bei  einigen 
Nomina  auf  tä-s  die  Bedeutung  eines  Nomen  agentis  durch- 
gedrungen, so  konnte  leicht  diese  Bildung  weitergreifen,  so 
dass  sich  zur  Not  auch  auf  diesem  Weg  der  Uebergang  der 
Abstrakta  auf  til  in  männliche  Eigennamen  auf  tä-s  und  die 
dadurch  herbeigeführte  Konfundierung  der  Endungen  rrjQ  und 
Ttjg,  Tag  erklären  lässt.  Mochte  aber  die  Sprache  den  einen 
oder  den  anderen  Weg  gegangen  sein,  jedenfalls  griflf  sie  die 
Möglichkeit  einer  Bildung  von  perjsönlichen  Maskulinen  auf 
ij-g  um  so  eifriger  auf,  als  auf  solche  Art  in  erwünschtester 
Weise  die  Maskulina  auf  i^-g  und  die  Feminina  auf  i-g 
unterschieden  werden  konnten. 

c)  Die  Patronymika  auf  örjg. 

Was  schliesslich  die  Patronymika  auf  dijg  anbelangt, 
welche  bei  Homer  die  Mehrzahl  der  Maskulina  nach  der  1.  De- 
klination bilden,  so  könnte  man  wohl  von  vornherein  geneigt 
sein,  an  eine  Zusammensetzung  des  primitiven  Eigennamen 
mit  einem  Abstraktuui  auf  drj  zu  denken  und  somit  das  s  des 

1)  Alle  griechischen  Verba  auf  raco  und  alle  lateinischen  auf 
tare  sind  nichts  anderes  als  Denominativa  von  ehemaligen  Nomina  ab- 
stracta  auf  ta,  ebensowie  die  Aorist.  II  pass.  auf  t;v  solche  von 
Nomina  auf  i/. 


Christ:  Äbhängigkeitskofnposita  des  O-riechisch&n,  239 

NominatiTS    auf    die    besprochene    Bildung    der    maskulinen 
Komposita  zurQckzufähren.    Aber  abgesehen  davon,  dass  ein 
Atwiraktiim  fiirij  an  welches  Fott  gedacht  hat,  nicht  existiert, 
and  eist  vorausgesetzt  werden  miisste,  spricht  auch  das  Fehlen 
des  Digaroinas  in  NearoQidrjg^  TlgiafAidr^g,  yiyr^voqldriq  u.  a., 
besonders  aber  die  volle  Form  iadr]g  in  ntjXriiadrjg^  l^axlt]- 
fruidr^gy    Tekafnoviadr^g   u.  a.    entschieden    gegen   eine    Her- 
leitung vom  Stamme  vid.     Das  hat  Le.  Meyer  in  dem  Auf- 
99tz  Ober  die  homerischen  Vaternamen,    Bezz.  Beitr.  4,  1  ff. 
richtig  gesehen;  derselbe  hat  zugleich  gut  erkannt,  dass  die 
Maskulinendung  idrjg  und  ladrjg   mit  der  Femininendung  ig^ 
idog   und    iag^    ladog  in   NrjXrjlgj    nrjhadeg^   Illrjiadeg   u.  a. 
zusammenhängt,  und  dass  die  letzteren  ursprünglich  Abstrakta 
in  kollektivem  Sinne  zur  Bezeichnung  der  Angehörigen  eines 
iieschlecbtes  bildeten.     Aber  was  er  zur  Erklärung  des  Aus- 
ginges   1^  oder   ag   bemerkt,    den   er   auf  ein   angehängtes 
^^ekundärsuffix  an  zurückführt,  will  in  keiner  Weise  genügen. 
Zur  Auffindung   des   richtigen  Weges   ist  es  wichtig  zu  be- 
merken,   dass   die  Patronymika   auf   idijg,    ladrjg  junge   Bil- 
dungen   sind    und    nicht    viel    über    Homer    hinausreichen 
werden :    nicht    bloss    fehlen    ähnliche  Wörter    in    den    ver- 
wandten Sprachen,  auch  bei  Homer  hat  keines  jener  Patrony- 
mika die  Nominativendung  a.    Das  berechtigt  zur  Einschlag- 
ang  eines  ganz  einfachen  Weges:  nachdem  einmal  im  Griech- 
ischen eine  Reihe  von  Maskulinen  auf  ry-g  existierte  und  das 
Streben .    besondere   Formen    des    persönlichen   Maskulinums 
mf  fj-g  zu  bilden,  erwacht  war,  hat  man  zu  den  Femininen 
Joffdccrideg^     '/^xTOQideg  ^    TlQiotidegf    (DvXkideg^    QaoöioqiÖBg^ 
'Okiuniodegj  OeoTiddeg   die  Maskulina  JaQdavidai,  ^^xrogi- 
6atj  nQonidaiy  0vXiJdaiy  &eod(DQidai,  ^OXv^rnaiaiy   Geotid- 
iai  nach  Analogie   der   übrigen  persönlichen  Maskulina  ge- 
bildet,   und    dann,    nachdem   einmal   der  Wagen  in's  Rollen 
gekommen  war,  auch  direkt  von    NiaitoQ,  llr^Xevg^  flqia^og 
die  Patronymika  NeajOQidai,  nr^ltjiddai,  flQiafAidai  geform' 

IML  Pbilo^-pUloL  o.  bist.  CL  8.  i^ 


240        Sitzung  der  philos.-phüol.  Classe  wtm  1.  Februar  1890. 

Aus   dem  Plural   und    den  Casus  obliqui   ist  dann    erst   4 
Nominativ  des  Singular  auf  idtj-g  entstanden. 

Fassen  wir  schliesslich  das  einzelne  zusammen,  so  laai 
sich  folgende  Arten  von  Maskulinen  nach  der  1.  Deklinati 
in  chronologischer  Folge  aufführen: 

1)  Rektive  Komposita  mit  einer  auf  S  endigenden  Verb 
Wurzel  im  zweiten  Glied,  wie  bala-dä-Sj  ratna-dhä-s;  diesell 
haben  im  älteren  Sanskrit  sich  am  deutlichsten  erhalfa 
waren  aber  wahrscheinlich  schon  der  Grundsprache  eigi 
Nach  schwachen,  aber  genügenden  Anzeichen  im  Sansk 
bestand  die  Bildungsweise  derartiger  Adjektiva  auf  ä-s  el 
dem  auch  bei  einfachen  Wörtern ,  und  hat  sich  nur  1 
zusammengesetzten  mehr  verbreitet  und  länger  erhalten. 

2)  Possessive  und  rektive  Komposita  mit  einem  Nora 
auf  a  (e)  im  zweiten  Glied,  verbreitet  im  Griechischen  u 
Lateinischen.  Im  Nom.  sing,  hat  das  Griechische  seit  Hon 
ein  8  angesetzt,  welches  im  Lateinischen  und  älteren  Gri 
chiscli  fehlt.  Beispiele  sind  xvavo-x(xita,  Mev-ohca^j  cu 
agerrj-g,  trans-fuga^  coeli^cola. 

3)  Noraina  primitiva  auf  Ttj-g,  welche  unter  Anlehnui 
an  die  Komposita  der  eben  besprochenen  Art  nach  dem  Uebc 
gang  der  alten  Endung  tör  in  te  ein  s  angesetzt  habe 
Diese  Bildung  war  dem  Griechischen  speciell  eigen,  hat  ab 
daselbst  bereits  bei  Homer  sehr  grosse  Verbreitung  gefunde 

4)  Abgeleitete  Nomina  masculina  auf  ra,  ra-g,  gebild 
aus  Nomina  abstracta  oder  coUectiva  auf  ts  oder  tat  nr 
dem  Uebergang  der  Bedeutung  eines  Abstraktums  zu  eine 
Konkretum. 

5)  Männliche  Patronymika  auf  £^1^-^  und  ladij-g^  g 
bildet  nach  dem  Muster  der  Maskulina  auf  ttj-gy  zur  Unte 
Scheidung  der  männlichen  Nachkommen  von  den  weibliche: 
durch  die  Endung  ig,  idog  oder  lag,  ladog  bezeichnete 
Nachkommen.  Maskulina  der  Art  sind  schon  bei  Hom« 
sehr  verbreitet,    da  sie  sich  sehr  bequem  in  das  Schema  d« 


Christ:  AbhängigkeUskomposita  des  Oriechischen,  241 

dftktyliacben  Hexameters  fügten,  sind  aber  nicht  sehr  alten 
Ursprangs,  was  sich  darin  zeigt,  dass  sich  von  ihnen  bei 
Homer  keine  Formen  auf  a  und  keine  ohne  nominatives  s 
finden. 

6)  Simplicia,  gebildet  nach  der  Analogie  der  unter  1 
and  2  aufgeführten  persönlichen  Komposita  durch  Anfügung 
euMB  nominativen  s  an  abstrakte  und  kollektive  Feminina; 
Maskulina  der  Art  kommen  erst  nach  Homer  häufig  vor, 
aber  schon  bei  Homer  findet  sich  rafiiri-g  und  vetp^itj-g. 

7)  Männliche  Eigennamen  auf  a-g,  gen.  a-io,  aus  vollen 
Formen  auf  ag,  gen.  awog  verstümmelt.  Beispiele  finden 
lieh  im  Griechischen  und  Lateinischen,  wie  'Oq>ihx'g^  JofMa-g^ 
Nu$ma^  G(Ma.  Von  Appellativen  gehört  in  die  gleiche  Ka- 
tegorie fidya-g^  acc.  ^iya-v, 

C.  Doppelstellung  des  Verbalelementes  im  ersten 

und  zweiten  Glied. 

Bezüglich  der  Stellung  der  Glieder  eines  Kompositums 
gilt  als  massgebende  Richtschnur  für  die  arischen  Sprachen,^) 
dass  der  Hauptbegriff  am  Schlüsse  steht  und  dass  demselben 
dasjenige  Element,  welches  nur  eine  nähere  Bestimmung 
dazu  enthält,  vorausgeht,  mag  nun  jenes  bestimmende  Ele- 
ment in  einem  Indeklinabile,  das  ohnehin  keine  andere  Stel- 
lung zolässt,  oder  in  einem  deklinierbaren  Nomen  bestehen.^) 


1)  Die  semitischen  Sprachen  weichen  vielfach  ab;  hier  steht 
X.  B.  regelmässig  der  abhängige  Teil  nach,  wie  in  het-jehova,  Haus 
des  Herrn,  während  wir  mit  allen  anderen  Ariern  Herrenhaus,  Vater- 
herx  XL  a.  tagen. 

2)  Von  der  Regel  gibt  es  nur  wenige  Ausnahmen:  die  fiilsebe 
Stellung  in  xogv^ioXo^  und  noSijpefiog  entstand  unter  dem  EinfluRS 
des  daktylischen  Hexameters,  s.  S.  220;  xv^^^^^*i^  'fuchsartige  Gans' 
bei  Herod.  H  72  ist  von  einem  unklaren  Kopf  ausgegangen ;  KXeodiHfj 
statt  Jixatoxl^s,  KXeodijfios  statt  ArjfioxXtjg  sind  durch  die  grossere 
WillkOr  in  der  Bildung  von  Eigennamen  entschuldigt. 

16» 


] 


242        Sitzung  der  phüos.'phäol.  Glosse  vom  t  Februar  1890. 


Es   ist   daher   nur   eine   natürliche  Folge  jenes   allgemeinei 
Gesetzes,    dass   auch   in    den  Verbalkompositen   das  Verbun 
oder   Nomen   verbale   die   zweite,   das  Adverbium   oder  ab 
hängige  Nomen  die  erste  Stellung  einnimmt.     Das  ist  dem 
auch  faktisch  der  Fall  bei   a/u-/J^orog,  ve-T^lvdeg,  r^Qi-yiveia 
WKv-TfOQog,    dioa-doTogy    nvy-^dxog,    insbesondere    bei    allei 
Kompositen,    deren   verbales   Element  passive   oder   neutrab 
Bedeutung   hat.     Ein    Schwanken    ergab   sich   nur   bei    dei 
rektiven    Kompositen,    indem   hier  die   natürliche   Ordnung 
dass  das  regierende  Satzglied   dem   regierten  vorangeht,   mi 
jenem  Gesetze  der  Komposition  in  Konflikt  geriet.    Denn  al 
der  hauptsächlichste,    bestimmende  Teil  wird  doch  in  jeden 
Sat/verhältnis  zu  aller  Zeit  dajs  regierende  Verbum  angesehet 
worden   sein.     So  drängte  sich   denn  auch  in  der  That  be 
den  Zusammensetzungen  mit  einem  ursprünglichen  Imperativ 
wie  Idyelaog,  Mevilaog,  die  Energie  der  Aufforderung  voran. 
so  dass  das  regierende  Verbum  auch  in  der  Komposition  die 
erste  Stelle  einnahm.    Ferner  hat  bei  den  Zusammensetzungen 
mit  q>iXo   die   doppelte  Natur  des  Wortes,   das  einesteils  die 
Bedeutung    eines    eigentlichen    Verbale    mit    aktiver    Kraft, 
andernteils  die  eines  Adjektivs   mit   passiver   Geltung   hatte, 
bewirkt,    dass    für  sie  die  Analogie   der  übrigen  mit  einem 
Adjektiv    gebildeten    Possessivkomposita    massgebend    wurde, 
und  somit   q^iko^    auch  wenn  es  aktive  Bedeutung  hatte,    in 
der   Regel   die    erste    Stelle    behauptete.      Von    diesen    zwei 
Fällen  ausgehend,  griff  dann  aber  die  Komposition  mit  voran- 
gehendem   Verbale    im    Griechischen    weiter   um    sich,    und 
es   entstanden   zahlreiche   griechische   Komposita   mit   einem 
Verbalbegriff  im  ersten  Glied. 

Die  Komposita  mit  voranstehendem  und  nachstehendem 
V^erbale  drückten  ein  und  dasselbe  Verhältnis  aus.  Das  war 
ein  Luxus,  da  die  Sprache  zum  Ausdruck  eines  Verhält- 
nisses auch  nur  einer  Form  bedurfte.  In  einem  solchen 
Fall    pflegt    das   natürliche   Sprachgefühl   dazu    zu   drängen, 


Christ:  Äbhängigkeüskomposita  des  Griechischen.  243 

entweder  eine  der  beiden  Formen  ganz  tiber  Bord  zu  werfen 
oder  beide  zu  behalten,  aber  im  Gebrauch  derselben  eine 
Differenz  der  Bedeutung  einzuführen.  Im  Griechischen  hat 
die  Zusammensetzung  mit  nachstehendem  Verbum  die  andere 
Art  mit  Toranstehendem  Verbale  nicht  vollständig  verdrängt, 
sondern  nur  zurückgedrängt  und  in  der  Hauptsache  auf  den 
Gebrauch  in  der  Poesie  und  in  Eigennamen  beschränkt. 
Daneben  entwickelte  sich  ein  an 's  Willkürliche  streifender 
Usus,  wonach  gewisse  Verba,  wie  qwyo,  fieve,  utriai,  atTjai^ 
Tiavüi  nur  im  ersten  Glied,  andere  nur  im  zweiten  ange- 
wendet wurden.  Nur  einige  wenige  Verba  erhielten  sich  an 
erster  und  zweiter  Stelle  gleichmässig  im  Gebrauch.  Von 
edchen  Doppelbildungen  habe  ich  mir  notiert: 

jiqjiv^ijjg^  *l4QXin7iag,   Idq^iava^^   l^Qxiti^og    und   vavagxog, 

iftnagxog,  ^ydS^QX^g,  TifiaQxog. 
liyeloxog,  liyiatqcnog  und  Xoxayog^  aTQoztjyog, 
ßlaipiqiQtfßv  und  fpQ^oßXaßrfi. 
ßüftiarBiQa  und  napißioxig. 
öaiUxPvfAog  und  xhvfAoSaxr^g, 
ihuxixtay  und  ^iq)OvX%6g. 
ixinoXig  und  l4a%vo%og. 
Si^inoJiig  und  ^Innod'iQOTjg. 
ktji'^rtoiijg  und  yavXoxog. 
Auxoniva^  und  a\iJia%oXoix6g, 
JluaioTQCttog  und  Jwnei&rjg. 
n^fiinohg  und  n%oXinoq&6g, 
nlJ^inTvog  und  ßov/iXr]^. 
2%^eyeXaog  und  Aaooi^ivi^g, 
fftXo^^eogy   <pil6oog>og,    OilddeXfpog   und   d^eogulog^  O^eoq^ik^gy 

dipjtfpikog. 
(f%^€QOiy€yf]g  und  n6^q>&eQaig. 

In    ähnlicher   Weise   finden    sich    im    Sao« 
einander:    bharad-vagas  und  vaga-bharas.   Kr 


1 


244        Sitzung  der  phUosrphüöl.  Classe  vom  1,  Februar  1890, 

sanad'Vägas  und  vaga-saSi  Kraft  spendend,  dati-varas,  Gtiti 
spendend,  und  gö-das,  Kühe  spendend,  im  Slaviscben  Ber 
slav  und  Slavo-her,  Ljubo-brat  und  Brato-litd),^) 

In  der  Regel  aber,  wie  gesagt,  ward  das  eine  Yerbui 
nur  an  erster,   das   andere  nur  an  zweiter  Stelle  gebrauch 
Gründe   für  die  Wahl   lassen   sich    nur   zum   kleineren  Te 
ermitteln :    teils   war   die  Autorität  des  Homer   bestimmeni 
teils  schützte  die  Scheu  vor  dem  Hiatus  die  mit  einem  Voki 
anfangenden  Verbalia,  wie  ay«,  ixe,  o^ff,  agoi,  oleoi,  oyfja 
in    ihrer   ersten  Stelle,   oder   wirkte  nach  gleicher  Richtniij 
die  Schwierigkeit  von  den  vokalisch   auslautenden  Stammet 
wie   ila,   xra,   fiva,    teXe^   ara,   aw,   Verbalnomina   auf  o- 
ohne   Verstümmelung   des   Stammes    zu    bilden.      Es   wara 
dieses  aber  dieselben  Rücksichten,  welche  auch  für  die  Wall 
unter   den  verschiedenen  Formen   des  Verbalnomens   für  di 
Dichter  und  Schriftsteller  bestimmend  waren,   weshalb  z.  B 
Herodot  IV  186  xQeiofpayog  und  yakcmtOTioTai,  und  Aristo 
phanes  in  den  Fröschen  230  xegoßdrag  und  ytaXa^6q)&oyya 
nebeneinander  gebrauchten.     Denn    nicht  Lautgesetze    alleii 
machen    eine    Sprache,    sondern   mitwirkende   Faktoren    sim 
und    bleiben   das  Gefühl  für  Wohllaut,    die   metrische  Nöti- 
gung der  Dichter,  das  logische  Unterscheidungsbedürfhis  dei 
Sprechenden  imd  Schreibenden. 

1)  Zieht  man  zwei  Sprachen  heran,  ho  lässt  sich  vergleichei 
gr.  qjvyo-jiToXsfÄog  und  lat-  luci-fugus,  gr,  Zmal-ßiog  und  skt.  vaga- 
sätisj  Krafk  spendend.  Hieher  gehört  auch  die  von  Fick,  KZ.  21. 
462,  gewagte  Nebeneinanderstellung  von  skt.  idcts-paii,  Labctranks- 
herr,   und   gr.  Iloxidä-g,    der  Grundform   von   Iloxeiddcov,   ebenso  gr. 

aüoxo-iArjviog  neben  skt.  md^i-ffco^M,  was  Grassmann,  Wörterb.  d.  RV 
mit  'Mond  verscheuchend'  wiedergibt. 


Christ:  Abhängigkeitskomposüa  des  Griechischen. 


245 


Verzeichnis 

erklärter  Wörter: 


vr/üiffu  S.  230  Anm.  1. 
"Ayüaüi  193  f. 
jßfui&og  214  Anm.  2. 
OLt^txofÄfig  206. 
hmtig  170. 

aijaixo§ieri]ig  199  Anm.  1. 
aiMOv&ptj  175   Anm.  2. 
1^^9)0X71^  233. 
anSrvfiog  154  Anm.  1. 
-oyoi^  172. 

o;rToem]^  182  Anm.  1. 
o^Unua  200  f. 
offog  158  Anm.  2. 
ßfjlfa^fÄüßv  188  Anm. 
<kffia^  212. 
decj/rori;^  160. 
-%  238. 
dixaa/iolog  174. 
di6od(nog  175  Anm.  1. 
<}ailojuj)Ta  233. 
hunofißf]  157,  169. 
'fUoyixog  178. 
V^ijg  235. 
iQiovvfig  229. 
'£reaxJl^$  157. 
«ri^  und  Frai^og  235. 
et  and  rfig  154  Anm.  2,   180 
Anm.  1. 


ßjfAoiog  157. 

€^/U£VI]g   170. 

/€;!^og  158,  214. 
r^eqofpoiTig  233  Anm.  l. 
riid^Bog  155. 
i^XiTOfifjvog  192. 
^HviOTiBvg  224. 
-i?g  171.  185,  209. 
-i/-g  228. 
"Haiodog  204. 
&ea(pcciov  175  Anm.  l. 
ioxiaiQa  225. 
l/tJiodafiog  216  Anm.   1. 
ircnoJTig  160. 
Kaaoovdqa  201. 
-xiog  170. 
Ält;rat/iY]ar^a    182,  197, 

Anm.  2. 
xoQv^aioXog  220,  241. 
xQaTrjoiTtovg  206. 
xt/vcS/ra  184. 

xvQaotixTCüy  199  Anm.  2. 
XexeTCoirjg  191. 
/u€^ag  232. 
MeiUayßog  192. 
^iha^e  165  f. 
-/uiyrig  169,  233. 
IdoyoaToxog  174. 


24(5        Sitzung  der  phüosrphäol.  Glosse  vom  1,  Februar  1890, 


vBi^Xvdeg  212. 
oXvojta  181. 
olo7i6Xog  217. 
OTtiaaiü  156. 
Tteiaixoihva  203. 
nekonovvTjGog  175  Anm.  3. 
Ttirazai  196  Anm.  3. 
FlrjveXeiog  191. 
nhj^avQT]  202. 
riokveidog  215. 
TtoQxrjg  229  Anm.   1. 
nqiößvg  175  Anm.  3,  214. 
TiQooaü)  156. 
riQwxeaiXaog  189. 
^aipi^tdog  204. 


ra^v^ivoc;  196  Anm. 
ta^irjg  230.  j 

zakiipqoiv  196  Anm.  2, 
TawüinTeQog  202.  ' 

Te^aaidoTci^a  206. 
-Ti^  232. 
VTtiqofiXog  182. 
9)£^e(7(7axij^  197. 
tpeQeaainovog  205. 
yiAo-  164,  198,  242. 
(jpcJg  214  Anm.  2. 
Xe^Tig  233.  I 

xpevariu)  227  Anm.  2.  J 
cJxv^era  229,  234.  j 
lü^tjOTTfi  159,  233.  ,i 


247 


Herr  Kuhn  legte  eine  Abhandlung  des  Herrn  Schnorr 
Ton  Garolsfeld  vor: 

, Beiträge  zur  Sprachenkunde  Ozeaniens/ 

Das  australische  Festland. 

In  der  vielbehandelten  Frage  nach  den  Verwandtschafts- 
verhältnissen   der    ozeanischen    Sprachen    —    unter    diesem 
Namen   seien   die   Sprachen   Australiens,   Tasmaniens,   Poly- 
nesiens, Mikronesiens,  Neu-Ouineas,  Malaisiens,  der  Minkopies 
aof  den  Andamanen,  der  Semangs  und  Negritos  zusammen- 
ge&sst  —  wurde  fast  durchgehends  dem  australischen  Fest- 
lande eine  Sonderstellung  angewiesen,  eine  nähere  Beziehung 
seiner  Sprachen  zu  denen  der  nächsten  Umgebung  vor  allem 
Nea-Guineas  und  Melanesiens  abgelehnt.     Norris  und  nach 
ihm   vor   allem    Bleek^)    glaubten    aus   einer   Anzahl,    wie 
Friedrich   Müller^)   gezeigt   hat,   ziemlich    bedeutungslosen 
Momenten   einen  Zusammenhang   der   australischen   mit  den 
dravidischen    Sprachen    herleiten    zu    können.      Kasussuffixe 
und  Pronomina   bilden   die  weitaus   ungeeignetsten  Angriffs- 
punkte bei  Vergleichung  zweier  Sprachgruppen,  weil  einer- 
seits  bei   diesen    infusorienartigen    Gebilden    der  Zufall   eine 
grosse  Rolle   spielen   kann,   wie   denn    in   der  That   ähnlich 
lautende  Suffixe   und   Pronomina   leichtiglich   aus   den    ver- 
schiedensten   Theilen    der    Welt    zusammengestellt    werden 


1)  Jotimal  of  the  Antbrop.  Inst.  I  (1872)  S.  89—102. 

2)  Grundr.  d.  Sprachw.  II,  1,  S.  95—98. 


248       Sitzung  der  phUosrphüol,  Glosse  votn  1.  Februar  1890, 

können,  andererseits  wird  auch  wirklich  Verwandtes  durcl 
den  Eintritt  von  Lautwandlungen  so  von  einander  entfeml 
werden,  dass  die  ursprüngliche  Zusammengehörigkeit  siel 
nur  dann  wahrscheinlich  machen  läset,  wenn  jene  Lautver- 
änderungen  an  anderen  Wörtern  nachgewiesen  sind,  und 
so  bietet  der  übrige  Wortschatz  mit  seinen  grosseren  Ge- 
bilden —  so  weit  es  sich  nicht  direkt  um  einsilbige  Sprachen 
handelt  —  weitaus  grössere  Garantien  und  erst  in  einem 
solchen  weiteren  Zusammenhange  können  jene  beweiskräftig 
werden.  Wörter  ausserhalb  der  Pronomina  sind  aber  von 
den  Anhängern  der  dravidischen  Hypothese  nicht  als  gemein- 
schaftlich nachgewiesen  worden. 

Auf  gleiche  Stufe  mit  derselben  setzt  selbst  v.  d.  Gabe- 
len tz^)  seine  Vermuthung  einer  Verwandtschaft  der  austra- 
lischen Sprachen  mit  den  kolarischen;  auch  sein  Beweis- 
material besteht  nur  aus  Suffixen  und  Pronomina;  nachdem 
er  aber  jüngst')  eine  Anzahl  den  kolarischen  Sprachen  und 
denen  von  Neu-Guinea  gemeinsame  Wörter  nachgewiesen, 
könnten  seine  Aufstellungen  mit  einigen  Veränderungen  in 
ihren  Grundlagen  möglicherweise  dennoch  Bedeutung  ge- 
winnen (s.  u.).  Im  Gegensatz  zu  dem  bisher  Angeführten 
haben  sich  von  vorneherein  auf  den  Boden  des  Wortschatzes 
diejenigen  gestellt,  welche  eine  Verwandtschaft  der  austra- 
lischen mit  den  afrikanischen  Sprachen  annahmen:  Clarke*) 
und  Gurr.*)    Indess  ist  von  ihren  Vergleichungen  eine  ziem- 


1}  Ersch  und  Gruber,  Allg.  Encykl.  II,  38  S.  108  im  Artikel 
«Kolar.  Sprachen*. 

2)  Litter.  Centralblatt  1889  Sp.  860. 

3)  Journ.  and  Proceed.  of  the  R.  Soc.  of  New  South  Wales  18 
(1879)  S.  81—86  und  Transact.  and  Proceed.  of  the  R.  Soc.  of  Vic- 
toria 16  (1880)  S.  170—176.  Vgl.  auch  Journal  of  the  Anthr.  Inst. 
Vll  (1878)  S.  274—276.  Unzugänglich  blieb  mir  Hahns  Critique  on 
Mr.  H.  Clarke«  Theory  in  Transact.  S.  Africa  Philos.  Soc.  II. 

4)  The  Australian  Race  I  S.  152—189. 


Se^HOfT  V,  CaroUfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        249 

liehe  Anzahl  unsicheres  zu  streichen  und  das  wenige  Mög- 
liche, das  als  Rest  bleibt,  kann  die  Hypothese  doch  nicht 
genügend  stützen ;  und  ausserdem  wird  die  Vergleichung  der 
afrikanischen  Sprachen  unter  sich  doch  zuerst  noch  eine 
Anzahl  wichtiger  Fragen  zu  lösen  haben,  namentlich  die 
nach  dem  Wesen  der  Präfixe  in  den  Bantusprachen,  über 
deren  moralische  Verwerflichkeit  (!)  Brincker,  Zeitschr.  f.  all- 
gem.  Sprachw.  V  S.  19flF.,  gesprochen  hat. 

Dagegen  glaubte  man  nun  eineh  Zusammenhang  Austra- 
hens  mit  Neu-Guinea  und  Melanesien  direkt  verneinen  zu 
müssen.  Stein thaP)  suchte  den  Nachweis  zu  führen,  dass 
die  Sprachen  Australiens  in  ihrer  Eigenart  mit  keiner  an- 
deren linguistischen  Gemeinschaft  verwandt  sein  können, 
Friedrich  Müller  sagt  Allg.  Ethnogr.*  S.  219:  «in  weiterer 
Benehnng  (er  sprach  eben  von  ihrer  Verwandtschaft  unter- 
önander)  hangen  sie  jedoch  mit  keiner  Sprache,  weder  der 
neuen,  noch  der  alten  Welt  zusammen,  sondern  stehen,  gleich 
der  australischen  Rasse,  vollkommen  isoliert  da''.  Codring- 
ton laugnet*)  jede  Gemeinschaft  zwischen  dem  australischen 
and  melanesischen,  Pratt')  zwischen  dem  australischen  und 
«East  and  West  Polynesian*  Wortschatze;  die  Belege  ent- 
nimmt letzterer  auch  aus  den  melanesischen  und  Papua- 
Sprachen.  Dagegen  hatte  bereits  1847  Latham^)  einzelne 
Beadehungen  zwischen  dem  Timbora-Dialekte  von  Sumbawan, 
dem  Mangerei-Dialekte  von  Flores  und  der  Sprache  von 
Ombay  einerseits  und  australischen  und  papuanischen  Dia- 
lekten andererseits  konstatiert.  Ehe  mir  indess  Lathams 
Ansicht  bekannt  geworden,  stand  mir  durch  eine  Vergleich- 


1)  Zeitachr.  f.  Ethnologie  XI  (1879)  Verhandl.  S.  (20)— (28). 

2)  Melanesian  Languages  S.  17. 

3)  Journal  and  Proc.   of  the   R.  Soc.  of  New  South  Wales  20 
(1886)  S.  46. 

4)  Bei  Jakes,  Narrative  of  the  surveying  Voyage  of  1 
Fly  U.  817. 


250       Sitzutuf  der  phäos.-phüol.  Classe  com  1,  Februar  1890. 

ung  australischer  Glossarien  mit  solchen  Melanesiens,  Nij 
Guineas  und  Mikronesiens  fest,  dass  der  Wortschatz  die^ 
Gruppen  in  seinen  wichtigsten  Bestandteilen,  bei  denen  Ell 
lehnung  von  vorneherein  ausgeschlossen  war,  auf  gemet 
h^chafblicher  Grundlage  beruhe.  Dass  dieser  Gemeinschaft  alj 
Wahrscheinlichkeit  nach  auch  das  Malayo-Polynesische  ^ 
zureihen  sei,  werden  die  folgenden  Zusammenstellungen  i 
geben.  Wesentlich  erleichtert  wurden  dieselben  durch  zM 
vortreffliche  Werke,  die  mir  als  Grundlage  meiner  Unfaj 
suchuugen  dienten.  Einmal  die  „Beiträge  zur  Eenntniss  d 
melanesischen,  mikronesischen  und  papuanischen  Sprächet 
von  G.  V.  d.  Gabelentz  und  A.  B.  Meyer,  dann  die  iin 
fassende  Arbeit  von  Curr.  The  Australian  Race,  die  eh 
reiche  Fülle  australischer  Vokabularien  bietet. 

Ich  gebe  zunächst  eine  Zusammenstellung  der  wichtiger« 
für  das  folgende  Wörterverzeichniss  zu  benützenden  Litfa 
ratur,  übergehe  aber  dabei  einiges  bereits  bei  Vater-Jül 
und  V.  d.  Gabelentz  a.  a.  0.  Angeführtes.  Mehrere  wicl 
tige  Werke  wie  Taplin,  Folklore,  Manners,  Customs  an 
Languages  of  the  South  Anstr.  Aborig. ,  dann  Dawsoi: 
Australian  Aborigines  konnte  ich  nicht  benützen. 

Lathara,  Elements  of  Comparative  Philology  (London  1862). 
Müller,  Friedr.,  Grundriss  der  Sprachwissenschaft;  bes.  H  1  (1885 

S,  1—98  (austr.  Sprachen)  und  IT,  2  (1882)  S.  1—160  (Sprache: 

der  malayischen  Rasse). 
Cust,  R.  N.,  The  Modem  Languages  of  Oceania.    Journal  of  the  B 

As.  Soc.  N.  Ser.  19  (1887)  S.  369—392  (mit  Karte).    Dasselb 

französ.:  Traduit  par  A.  L.  Pinart  (Paris  1888). 
Raffles,  The  History  of  Java  11  (London  1817)  App.  E  u.  F  (Com 

par.  Vocabularies). 
Crawfurd,   History  of  the  Indian  Archipelago  II    (Edinburgh  1820 

S.  125—192  (.Vocabularies*). 
Humboldt,   Wilh.  von,    üeber  die   Kawi-Sprache  II    (Berlin   1888 

S.  241—256  (Vergl.  Worttafel). 
Crawfurd,    Grammar    and    Dictionary    of   the  Malay    Langoage 

(London  1852)  S.  I-CCXCI  (»Dissertation"*). 


Sthnorr  v.  Carolsfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        251 

Torner,  George,  Nineteen  Tears  in  Polynesia  (London  1861).  Am 
Schlosse  «Comparati^e  View*. 

Wallace,  A.  R.,  Der  Malayische  Archipel.  Deutsch  yon  A.  B.  Meyer 
II  (Braonschweig  1869)  S.  442—467. 

Rosen berg,  H.  y.,  Der  Malayische  Archipel  (Leipzig  1878)  S.  697 
bis  618  («Vergleichendes  Wörieryerzeichniss''). 

Gabele  nie,  6.  von  der,  und  Meyer,  Adolf  Bernhard,  Beiträge  zur 
Kenntniss  der  Melanesischen,  Mikron esischen  und  Papuanischen 
Sprachen  (Abhandl.  der  phil.-hist.  Cl.  d.  k.  Sachs.  Gesellschaft 
der  Wissenschaften.    Bd.  VIII  S.  373—642).    Leipzig  1882. 

Teiehelmann,  G.G.,  Schürmann,  C. W.,  Outlines  ofaGrammar, 
Vocabnlsury  and  Phraseology  of  the  aboriginal  Language  of 
South  Anstralia  (Adelaide  1840). 

Grey,  G.,  A  Vocabulary  of  the  Dialects  of  South  Western  Australia. 
2.  Ed.  (London  1840). 

Brady,  J.,  A  descriptive  Vocabulaxy  of  the  native  Language  of  W. 
Aostralia  (Rome  1846). 

Salf  ado,  B.,  Meroorie  storiche  dell*  Australia  (Roma  1861)  S.  363 
bis  876  «Filologia  australiana.  Lessico*. 

Vocabulaire  des  Dialectes  des  Aborig^nes  de  TAustralie  (Mel- 
bourne 1867). 

Taplin,  G.,  Notes  on  a  Comparative  Table  of  Australian  Languages. 
Journal  of  the  Anthrop.  Inst.  I  (1872)  S.  84—88. 

Barlow,  H.,  Vocabulary  of  Aboriginal  Dialects  of  Queensland.  J.  A.  I. 
n  (1873)  S.  166—176. 

Bidley,  W.,  Report  on  Australian  Languages  and  Traditions.  J.  A.  I. 
II  (1878)  S.  267-291. 

Macke nzie,  A.,  Specimens  of  Native  Australian  Languages.  J.  A.  I. 

ni  (1874)  S.  247—264. 
Bidley,  W.,  Kämilaröi  and  other  Australian  Languages.  2.  ed.  (New 

South  Wales  1876). 
Jung,  E.,  Zur  Kenntniss  södaustr.  Dialecte.    Mittheil.  d.  Ver.  f.  Erd- 
kunde zu  Leipzig.  1876,     S.  68—76. 
Greeoway,   C.   C,   Honery,    Th.,    Mac   Donald,    Rowley,   J., 
Malone,  Creed,  Australian  Languages  and  Traditions.  J.  A.  I. 
VU  (1878)  S.  282—274. 
Tribes,  The  native,  of  South  Australia  (Adelaide  1879). 
Math ew,  J.,  On  the  Kabi  Dialect  of  Queensland.  J.  A.  L   IX  (1880 
S.  812—816. 


252        Sitzung  der  phüos.-phäol,  Classe  vom  1,  Februar  1890, 

Meyer,  A.  B.,  und  Uhle,  M.,    Zur  Dippil-Sprache  in  Ostaastralii 

18.— 20.  Jahreab.  des  Vereins  für  Erdkunde  zu  Dresden  (181 

S.  129—136. 
Palmer,  E.,  Notes  on  some  Australian  Tribes.  Lan^ages.    J.  A. 

Xlü  (1884)  8.  307—810. 
Gerland,  G.,  Zur  Lautlehre  der  australischen  Sprachen.    Festschr 

des  Vereins  für  Naturkunde  zu  Cassel  zur  Feier  seines  25jft 

rigen  Bestehens  (Cassel  1886)  S.  89—97. 
Gurr,  E.  M.,    The  Australian  Race.  I.  II.    (Melbourne    und   Londt 

1886).  m.  IV  (ebenda  1887). 
Lumholtz,  C.,    Blandt   Menneskeaedere.    4  aars  rejse  i  Aostral« 

(KjObenhavn  1888)    S.  867—880. 

Codrington,  H.,  The  Melanesian  Languages.    (Oxford  1886.) 
^UPP7>   H.  B.,    The  Solomon  Islands  and  Their  Natives.    (Londc 

1887.)    8.  180—191. 
Kern,  H.,  De  Fi^jitaal.    (Amsterdam  1886.) 

Gabelentz.    G.  ▼.  d.,   und   Meyer,  A.  B.,   Einiges  über  das  Ve 

hältniss  des  Mafoor  ^)  zum  Malayischen.   Bijdragen  tot  de  Taa 

Land-  en  Volkenkunde.    6.  intern.  Congr.  d.  Oriental.  te  Leide 

(1883).    Taal-  en  Letterkunde  S.  242—262. 
Kern,  H.,   Oyer  de  Verhouding  yan  het  Mafoorsch  tot  de  Malaisd 

Polynesische  Talen.    Tir^  du  vol.  II.   des  Travaux  de  la  6" 

Session  du  Congr^s  intern,  des  Oriental.  k  Leide.  (Leide  1884 
British  New  Guinea  Vocabularies   (By  Chalmers  and  Macfarlane 

(London  1888.) 
Turner,  W.  Y.,    The  Ethnology  of  the  Motu.    J.  A.  I.    VII  (187( 

S.  470—499. 
AlbertiÄ,  L.  M.,  Alla  Nuova  Guinea.    (Londra  1880.)    S.  666—67 

„Vocabulario". 
Kühn,  H.,    Kleines  Vocabularium  von  Sekar.    Festschrift  zur  Jubel 

feier   des   26  jährigen   Bestehens    des   Vereins   für   Erdkunde 

(Dresden  1888.)    S.  148—151. 
Duffield,   A.   J.,   Words,   Phrases  etc.  derived   from   New  Irelant 

Natives  Proceedings  of  the  R.  Society  of  Queensland  I   (1884 

S.  119—127. 
Powell,  Unter  den  Kannibalen  von  Neubrittanien.    Deutsch  von  F 

M.  Schröter  (1884)  S.  264-266.    Glossare  von  Duke  of  York 

InHcl,  Neubrittanien,  Neuirland. 

1)  Aeltere  Litteratur  über  das  Mafoor  bei  v.  d.  Gabelentz  a.  a.  0 


Schm 


CaroU/'rlil :  Ztir  Spraclienkunde  Ozfi>\ 


253 


Daffield.  A..  J..  On  the  Natives  of  New  Ireland.  J.  A.  I.  XVI  118661 

S.  IU-120  Ibes.  S.  118— U9). 
Moseley.  U.  N.,    Thn  Language   of  tbe  Äilmiraltj    Isländers   unii 

Words  or  the  LangUEii^c  of  the  Admiralty  Islands.    J.  A.  I.   VI 

(18771  S.  387—890. 
Ray,  S,  H..    Sketch    of  NguaH  ürammar   (Neu-ael.riden).    J.  A.  !• 

XVI  (1687)  S.  409-418. 
Ray,  &.  H..  Sketch  of  Api  (Jrammiir  iNeu-Hebriden).   J,  A.  I.    XVm 

(1889)  S.  295-3Ü3, 

Cnl ehrooke t    Specimen    nf  the    Aadamaji   Lanfpiof^T    Asiatic  Re* 

«earchea*  IV  (1B07)  S.  393—394. 
Tickell,  Vooabolary  of  Andamanese  Word«;  Journal  of  the  Asiatic 

8oc!.  of  Bengal  XXSIII  (18641  S.  170-173. 
Höepsiorlf.  F.  A.  de,    A  »bort  Liat  of  Andamiineae  Test  Worda. 

Proceedings  of  the  Aa.  Soc.  of  Bengiil  1870  S.  178— IßO. 
Man.  E.  H,.  Tbe  Andaman  Iilanda.   J.  A.  I.  TU  (18781   S,  106-109. 
Uad,  E,  H.,  Od  the  Andainaneae  and  NJcoharese  Objet^U  pre«eated 

to  ,  . .  Pitt  BWer-.    .1.  A.  1.    XI  11882)  S.  2G8— 294. 
Ellia,  ■!.,  Report  on  ReBearchea  into  the  South  Andaman  Language. 

Arranged  from  tbe  Papera  of  E.  H.  Man  and  Lieut.  Temple. 

TranmirlionH   of  the   Philological    Society    London    1882  —  84, 

S.  44—73. 
Hbd,  E.  H.,  On  the  Aboriginal  Inhabitants  of  tbe  Andaman  Islands. 

J.  A.  I.    Xll  (1883)  S.  69-175.  327-434. 

Der  Report.  TOD  Ellis  und  die  AufaiLtze  von  Man  in  J.  A.  I. 

Xll   erschienen   auch   »eparat  n,  d.  T,:    On   the  Aboriginal  In- 

habiUntH   of  the    Anilaman    Islands.     By   E.  H.  Man.    With 

Report by  Ä.  J.  Ellia.     (London   1885.) 

Portmon,  M.  V.,   A  Manual   of  the   Andamanese   Langnage  (Lon- 
don 1867). 
Ultllc^r,    Friedrich,    Die    Spnwhe    der    Bewohner    der    Andamanen. 

Orundris«  der  Sprach  wissensc halt  IV,  1   (1888)  S.  39—68. 

Harre,  A.,  Vocabuluire  ay»tüiiiatt(jue.  :!omparatif,  de»  principales 
meines  des  langues  Malgache  et  MitUiyo-Polyn^ienDes.  Actes 
dii  VI.  QonKrtia  international  des  Orienlalistes  tenu  k  Leide  IV, 
Seut.  V.  S  83-214. 

Kahn,  E.,  HeitrAge  xur  Sprachenkonde  Uinterindiena.  SitKongs- 
tferichte  der  philon.-philol.  u.  Uistor.  Clawe  der  k.  bayer.  Akad. 
d.  WiBsenwh.   1889  Hd.  I   S.  lb»-23Ö. 


254        Sitzung  der  phHosrphäol,  Classe  vom  1.  Februar  1890. 

In  dem  folgenden  vergleigbenden  Wörterverzeichnisse 
ist  die  bei  v.  d.  Gabelentz  und  A.  B.  Meyer  befolgte  An- 
ordnung und  Numerierung  beibehalten :  alle  ohne  weitere 
Quellenangaben  angeführten  Wörter  mit  Ausnahme  der  * 
Australischen  und  Andamanischen  stammen  aus  deren  «Bei- 
trägen*. Die  australischen,  mit  Austr.  bezeichneten  Worter  • 
sind  dem  IV.  Bande  von  Currs  Werk  entnommen  und  be- ! 
ziehen  sich  die  beigesetzten  Nummern  (z.  B.  Austr.  7)  auf 
die  Numerierung  der  Vokabularien  in  Band  I.  IL  III  Zur 
leichteren  Orientierung  namentlich  für  diejenigen,  welchen 
diese  Arbeit  nicht  zugänglich  ist,  bemerke  ich,  dass  1 — 6 
in  , Nord- Australien",  7  am  ,Cap  York*,  8 — 10  an  der 
Nordküste,  11—26  an  der  Westküste,  27—30  im  Innern, 
31 — 33  an  der  Südküste  von  „Westaustralien",  34—36  an  der 
Nordseite  des  „Australbusens*,  37 — 38  an  der  Südgrenze  von 
„Alexandra-Land*,  39  —  41  an  der  Ostseite  des  «Austral- 
busens",  42—49  im  Innern  von  „Südaustralien*,  50 — 53  in 
der  Südwest-Ecke  von  „Queensland*,  54 — 64  im  Innern  von 
„Südaustralien",  65 — 67  am  „Spencer-Golf*,  68  bei  „Ade- 
laide*, 69—88  im  westlichen  „Neu-Süd-Wales*  und  süd- 
lichen „Südaustralien*,  89—92  an  der  Südküste  des  „Meer- 
busens von  Carpentaria*,  93 — 107  im  westlichen  „Queens- 
land*, 108 — 136  in  „Queensland*  nördl.  vom  21.  Breitegrade, 
137—177  mit  Ausnahme  von  173  in  „Queensland*  südl. 
vom  21.  Breitegrade  (168  „Brisbane*),  173  dann  178—198 
in  „Neu-Süd-Wales*  (191  „Sidney*),  199 -214  in  „Victoria« 
und  den  südlichsten  Theilen  von  „Stidaustralien*  (209  „Mel- 
bourne* )  gelegen  sind.  Voc.  Austr.  zz  Vocabulaire  des 
Dialectes  des  Aborigenes  de  TAustralie;  zitiert  werden  die 
Wörter  nach  Folium  und  Spalte  (z.  B.  Voc.  Austr.  III,  2). 
BN6V.  =z  British  New  Guinea  Vocabularies ;  die  dort  ge- 
j^egebenen  Vokabularien  sind  durchnumeriert,  so  dass  1  zi: 
Maiva,  2  =z  Motumotu,  3  =:  Tarova,  4  zu  Mekeo,  5  zz:  Me- 
roka,  6  zz  Favell,  7  :zz  Maiari,  8  zz  Eikiri,  9  z^  Kupele, 


Sdtnorr  r,  Cariilifttd:  Zur  Sprachenkumle  Otraniitng. 


255 


10  =  D<nira.   II   —   Kabana.   12  rr  Manukolu,  13  —  M 
ray  Isld.,  14  ^  Duuftn,   15  z^  Port  Moresby.   Iß  =r  Kere-  1 
puiiu,    17  =  Test   Island.    18  ^  East   Cape,    19  =  South  | 
Cape,  20  ^  Heath  Uland:  doch  ist  meist  die  Seitenzahl  bei- 
fresetzt.     Die  andamantMchen  Wörter  (Ändam.)  sind,  so  weit  | 
nicht  anders  bemerkt,   au!<  Portmaiis   Manual  entnommen; 
1  =  Äka   Bia-da.    11  =  Äku    Böjigiäb,    III  =  Äka   Kede,  | 
IV  =  Aka  Chäriär,  V  =  önge.     Die  übrigen  Abkürzungen 
stimmen  mit  den  von  v.  d.  Gabelentz   und   A.  B.  Meyer 
a.  a.  O.  verwendeten    Qberein    oder   sind   ohne  weiteres   ver- 
^W^tich. 

^^^K  lüoe  einheitliche  Schreibung  der  so  verschiedenen  Quellen  j 
^^^Hbtmmenden  Wörter   konnte   nicht   durchgeführt  werdet 
]^^»   Cnrr   (l   S.  4f.)    ausdrOcküch    bemerkt,    seine   Angaben  1 
über  Bezeichnung  der  australi^hen  Laut«   bezögen  sich  nur 
auf  die  von  ihm  selbst  zusammengestellten  Glossare,  die  von   ' 
anderen    Sammlern    befolgten    Metboden   gibt    er    nicht   an. 
Daher    wurde    durchweg    die    Schreibung    der    Quellen    bei- 
behalten. 

^^^L  Tasmanien  wurde  von  der  folgenden  Darstellung  völlig 
^^^^■eschlosseD,  da  ich  seine  Sprache  in  einem  eigenen  Anf' 
^^^K  be^nders  zu  behandeln  gedenke. 

^B  PRONOMINA. 

1.  Icu.     Da  Pronomina  ein  unsicheres  Gebiet  für  Vergleicb- 
ungeo  bilden,  sei   nnr  auf  die  Parallele  von  Mc.  adi  und 
1  anKtrniischeti  Formen  52  atho,  57  atoo,   150  atta  hin- 
■n;    mit   dt>mr>n>itrativem    Präfis   »    erweitert:    2D5 
,  190  B  naddo,  187  ngata  u.  s.  w.  In  Mc.  1  fungiert 
1  erweiterte  Pronomen  fOr  die  3.  Pera. :  »adi ;  ebenso 
pKowrarega  (Prince  of  Wales  Islands)'):  nädu  .sie*,  nüdu 
;   NarT«live  nf  thc  Voyagu  o(  HM9.  Rattlm- 


ll)IIacgilli< 

I  n,  »9. 


17 


256        Sitzung  der  phüosrphüol.  Glosse  vom  1.  Februar  1890. 

^er"  neben  nüe^  na.  Einfaches  da  »ich"  BNGV.  5.  6.  7. 
8.  9.  Eine  ähnliche  Erweiterung  in  den  Negritos-Dialekten: 
N63    sikon  gegen  Fa  kenn. 

7.  Dieser,  a)  Voc.  Austr.  IV,  3  ina;  BNGV.  15  tVkit,  16 
enai,  14  ina  (, dieses*^  sena);  Mf  tm,  Ann  eni. 

b)  Voc.  Austr.  IV,  12  pa  in  verschiedenen  Pronominal- 
funktionen; BNGV.  13  pe  »dieser".  • 

c)  Voc.  Austr.  IV,  10  ginya;  BNGV.  18  goana;  Mac 
kein^  koin.  In  Fa  kenu^  NG3  sikon,  NG2  siakan  der 
gleiche  Stamm  wie  beim  Pronomen  der  1.  Person. 

ZAHLWÖRTER. 

21.  Eins,  a)  Austr.  7  pirman,  197  loor,  211  lore;  dazu 
Sr.  bo'iri, ')  Die  genannten  australischen  Dialekte  be- 
schränken die  Verwendung  des  Präfixes  *b(p)4-Vok.  auf 
„eins",  Sr.  hat  es  auch  in  »zwei*  und  „drei*.  Das  auf 
der  Insel  Jobi  wie  Sr  gesprochene  Po  besitzt  ein  Präfix 
*ko  in  „eins"  und  „zwei*.  Aus  der  häufigen  Präfigierung, 
Suffigierung  und  Staramesreduplikation  des  Zahlwortes  »eins* 
ergibt  sich  der  Ursprung  desselben  aus  den  Pronoraina. 
Das  Suffix  man  (Austr.  7)  auch  an  anderen  Stämmen: 
41  kubmanna  neben  kop  (209  A),  61  oobmanna  neben 
58  oomarta,  59  obmooto  u.  s.  w.;  ausserhalb  Australien: 
Mc  5  taimon^  Motu*)  tamona  neben  D:  ta,  tai.  Re- 
duplikation ausser  in  Fi  duadua  auch  BNGV.  2  ritarita 
neben  T  riti.  Präfigiert  wird  si-:  Ss  sikai  neben  NI2, 
NHl  kai,^) 


1)  So  schreibt  Fabritius  TITLV.  IV  (1856)  S.  212. 

2)  Pratt   in  Journal   of  the  R.  Soc.  of  New  South  Wales  20 
(1886)  S.  60. 

3)  lieber  Reduplikation  bei  den  Zahlwörtern   Buschmann  bei 
Humboldt,  Kawi-Sprache  II,  266. 


Sdmorr  v.  Carolsfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        257 

b)  Ausir.  40  kooma^  64  cooma^  68  kuma^  65  koutnan;^) 
Ed.  inrne«. 

c)  Austr.  203  kiap,  204  Äyap,  206  kai-up,  207  A 
ÜMiiffp,  G  kaiap,  I  kaiappa,  J  kiappa;  vgl.  noch  208  A, 
B,  H,  209  A,  D.  Dann  mit  dem  erwähnten  Suffixe  *man 
erweitert:  207  G  kaipamen^  208  E  kaapminf  F  kai-ap- 
men;  anch  209  A  kap^  41  kubmatma  gehören  wohl  dazu. 
NB  iapeau^  femer  »Porty-five  miles  at  the  east  of  Port 
Moresby**)  in  ,Hala*  koapuna. 

d)  Anstr.  110  woWti,  113  nupun,  115  noobun;  Er  wo- 
bung. 

e)  Anstr.  181  mal,  Namoi  River  ntarl;  Mi,  N,  NG,  G 
mele,  Ss  moli^  Ul  mola,  Mm  mora. 

f)  Austr.  53  warra,  Fi  ii^Ze. 

g)  Austr.  11.  12.  15  kootea,  14  koothea,  28  koodia, 
29  kuddie,  212  kootook;  I  A:e^6,  Um  A;o/tm. 

h)  Austr.  69,  69  A,  72  koola,  164  kaalim,  166  Äahw, 
l  kulagook  (s.  212  bei  g),  dann  mit  r:  100  kooroin,  167 
karro;  Ans  totV/,  Äef<ri,  Po  iorii. 

i)  Da  zu  EM  nüat  Austr.  78  ngitya,  79  niV^cfa  und 
jedenfalls  auch  73.  75  neecha,  76  t?tc^,  80  neetcha  zu 
stellen  sind,  wird  wohl  auch  74  itcha  hierher  und  nicht 
ZQ  T  hetSy  hetch  gehören. 

k)  Wahrscheinlich  in  Beziehung  zu  Klasse  f)  stehen 
Austr.  114  werrba^  121  mrba^  136  wurpa,  145  wurba, 
146  trar&a,  151  woorba;  vergl.  noch  144  warbur,  147 
warpur.  Dazu  das  warapon  von  Yorke  Island  (Torres 
Strait). ») 

1)  Da  neben  KN  samosi  »eins*,  rinisamoti  för  „sechs* 
steht,  wird  $  aus  t  hervorgegangen  sein  und  moti  zusammen- 


1)  Weiteres  in  der  vergleichenden  Tafel  bei  Taplin  in  J.  A.  I. 
1  (1872)   S.  88. 

2)  Sajce,  A.  H.,  Academy  XXIV  (1883)  S.  285. 

3)  Albertis,  Alla  Nuoya  Guinea  S.  568. 

17» 


\ 


258       Sitzung  der  phüos.-phüol,  Classe  vom  1,  Febntar  1890. 

gehören  mit  Austr.  84  metatta,  85  mata,  87  meta.  Ol 
alle  diese  mit  Jo  niai  und  weiterhin  mit  den  von  Kuhn. 
Beiträge  zur  Sprachenkunde  Hinterindiens  196.  197  zu- 
sammengestellten Ausdrücken  verwandt  sind? 

22.  Zwei,  a)  Die  in  der  ersten  Klasse  bei  Gabelentz  ver- 
einigten Formen  zeigen  neben  offenbaren  verwandtschaft- 
lichen Anklängen  doch  grosse  Differenzen  namentlich  hin- 
sichtlich des  Anlautes;  dieselben  mögen  sich  vielfach  aas 
Präfigierung  erklären  lassen ;  jedenfalls  gehören  sie  nicht 
*  der  einzelsprachigen  Entwickelung  an,  da  sie  im  Austra- 
lischen ebenso  vertreten  sind,  Die  einfachste  Form  ohne 
anlautenden  Konsonanten  zeigen:  Ann  ero,  Mc  5  aru^  0 
arua,  Mc  3  oru^  Mc  6  ari;  dazu  Austr.  140  orra^  141 
oro,  wenn  hier  nicht  anlautendes  w  oder  k  weggefallen  ist. 

b)  Erweitert  wird  der  Stamm  einmal  mit  einem  Ä:-Pra- 
fixe:  T,  Ed  kam,  Mf  kurif,  NC  kam,  Po  keuru.  Ab  kir 
oder  einem  p-Präfixe  (ursprünglich  pw,  pu?  daher  mit  w 
wechselnd?):  NC  puam  (wam),  Sr  hom.  Wr  woruo,  mit 
l  NiS  pilao.  Im  Australischen  erscheint  zunächst  die 
p—l'¥orm:  199  pola,  69  A,  76  loöla,  67  hulli,  75  loolla, 
123  hulla,  129  poole,  130  hoolli.  Dann  tritt  dieselbe 
häufig  mit  einer  r- Erweiterung  auf,  die  später  auch  an 
anderen  Stämmen  nachgewiesen  werden  wird;  sollte  die- 
selbe identisch  sein  mit  obigem  am  etc.?  Auf  Voll- 
ständigkeit der  Aufzählung  muss  hier  verzichtet  werden: 
103  boolari,  107  hoolara,  114  hoolery,  121  boolaroo,  127 
poolaroo,  137  booleroo  etc.  Die  Varianten  sind  offenbar 
zum  Theil  blos  graphisch.  Femer  wird  die  p  —  i-Form 
mit  der  k  —  r-Form  kombiniert:  97  blakarra,  99  blagura. 
Weit  häufiger  p — r  dann  k—l:  48  barkoola,  ebenso  51. 
53.  74.  79.  102.  104.  105;  barcoola  52,  107;  barcoolo 
73;  barkooloo  78;  barkool  77;  barcolo  82;  parakoola  49; 
barlioo   72 ;    piakuUu    80.     Hieher   gehören   wohl    auch 


Schnorr  v,  Cards fdd:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens.        259 

• 

Andam.  I  tk-paür-da,  II  irpöl,  III  irpoly  IV  nerpoL  Die 
Präfixe  Qud  das  Suffix  da  in  I  zeigen,  dass  die  Bedeutung 
»Paar*,  unter  welcher  die  gleichen  Worte  bei  Port- 
man,  Andaroanese  Manual  S.  54 f.,  wieder  erscheinen, 
die  urspröngliche  ist,  wesshalb  auch  erklärlich  wird,  dass 
nur  ,zwei*  nicht  auch  „eins*  eine  andamanische  Parallele 
bieten. 

c)  Zu  Ans  kodu  sind  zu  stellen  136  kotoo^  8.  9  koo- 
tera^  10  kaotara^  II  kootthurra,  12  koodthera,  40  koo- 
tkera^  64  cootera,  100  kurto.  Auch  hier  also  r-Erweite- 
mng.  Daneben  treten  Formen  mit  anlautendem  w  auf: 
14  woother^  15  UH)othera,  Wechsel  von  k  und  w  findet 
sich  schon  in  melanesischen  Dialekten:  Codrington, 
Melanesian  Languages  S.  210f.  Im  Australischen  lässt 
sich  dieses  Schwanken  auch  bei  „Wasser*  „Regen*  nach- 
weisen: Xr- Formen  183  kulle^  190  b  kolle,  190  g  kalle, 
daneben  214  A  wolla^  C  tvolla,  213  warra;  ferner  42.  45. 
57  kaata,  43  kutta^  daneben  90  tvudha^  94  tvadda.  Aehn- 
liches  bei  „Känguruh*. 

d)  Nachdem  das  sekundäre  Anwachsen  eines  r-Suffixes 
in  zwei  Fällen  sicher  nachgewiesen  werden  konnte,  unter- 
liegt auch  die  Gleichstellung  von  W  mando  mit  Austr.  56 
mandru^  55  mundroo^  69  munderu,  194  moondaoora  kei- 
nem Bedenken. 

SUB8T  AKTIVA. 
Himmel. 

47.  SoNNl.  a)  Formen  wie  0  rera^  Sg  raera,  sind  natürlich 
identisch  mit  den  Bezeichnungen  für  „Himmel* :  6  raro, 
Ans  rora;  doch  bleiben  die  speziellen  Verhältnisse,  in  der 
diese  Gruppen  zu  anderen  stehen,  näherer  Untersuchung 
vorbehalten :  so  zu  Mm  saro^  dann  ohne  anlautenden  ^ 


1 


260        Sitzung  der  phüos.-phüol.  Glaste  vom  1.  Februar  1890. 

sonanten:  B  aro  (^Himmel*),  Lo  oroA,  Mf  ort  (»Sonne*), 
B,  6  hura,  femer  zu  zahlreichen  malayischen  Formen, 
die  Marre,  Langue  Malgache  S.  124,  unter  «Jour*  zu- 
sammengestellt hat;  vgl.  auch  Kern,  Mafoor  254 f. ^] 
Im  Australischen  erscheint  zunächst  die  an  erster  Stelle 
genannte  Form:  39  rearra.  Ursprüngliches  s  im  Anlaute 
haben  vielleicht  eingebösst:  190  a  irrae^  b  erie,  g  erat. 
Eigenthümlich  ist  das  laUrra  Austr.  1,  das  doch  wohl 
von  den  angeführten  nicht  zu  trennen  ist. 

b)  Der  weitverbreitete  von  Kern  Mafoor  S.  240  f., 
Kuhn  Beiträge  S.  206  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  über 
das  Gebiet  des  Malayischen  behandelte  Stamm,  der  nntei 
den  melanesischen  Sprachen  als  B  sina,  Mc  l  sing^  Mc  2 
sen,  Mf  isna  erscheint,  dürfte  auch  im  Australischen  nicht 
fehlen;  wenigstens  könnte  Gudang  inga^)  (=i  Austr.  7) 
auf  "^singa  zurückgehen.  Neben  diesem  mit  s  anlautenden 
Typus  figuriert  ein  solcher  mit  anlautendem  t  (s.  Kuhn 
a.  a.  0.).  In  den  melanesischen  Sprachen  hat  er  die  Rolle 
von  »Tag*  (Gabelentz  Nr.  55)  angenommen:  Mb  dani^ 
B  dani^  dangi.  Er  dfaw,  NC  tan;  dagegen  BNGV  10  dina 
{=  »sun"),  15  dina  (ebenso),  18  tonuga  (vgl.  B  dangi); 
im  Motu  (Neu-Guinea)  dina  nach  Pratt  a.  a.  0.  S.  49 
ebenfalls  =  „Tag"".  Es  ist  leicht  erklärlich,  dass  diese 
Form  im  Austr.  die  Oberhand  über  die  «-Form  gewonnen 
hat:  175.  180  tooniy  187  toonau,  dann  von  Ridley,  Ka- 
milaröi^  S.  124  für  das  Wailwun  (=  Gurr  Nr.  181) 
als  düni  or  dhiini  bezeugt.  Darnach  dürfen  die  Formen 
mit  anlautendem  th  bei  Gurr  ebenfalls  hierhergestellt 
werden:  53  thuno,   183  thtnmi, 

c)  Dem  T  mere.  Ml  marin  scheinen  verwandt  zu  sein : 
Austr.  101  miir^    107    moorie,    208   J   mering^    vielleicht 


1)  8.  Kuhn,  Beitr.  z.  Spr.  Hinterindiens  S.  224. 

2)  Macgillivray  a.a.O.  II,  279. 


ScfcwofT  r.  Carolsfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens.        261 

auch  verschiedene   mit  w  anlautende  Formen;    über   den 
Wechsel  von  m  und  w  im  Anlaute  s.  u. 

d)  In  einzelnen  Fällen  scheinen  sich  die  Bezeichnungen 
für  .Sonne*  und  ,Mond*  verschoben  zu  haben.  So  ent- 
spricht einem  Mc  1  karam^  kaaram  «Mond*,  Austr.  114 
kurry,  121  kurri,  123  karri,  129  karrt,  131  kurri,  136 
kari  etc.  Im  Motumotu  (BN6V  2)  bedeutet  koru  , Stern*; 
ebenso  BNQV  6.  7.  8  koro  »Stern*.  Hierher  gehören  auch 
Andam.  III  chirke,  V  chileme  «Mond*,  bei  Röepstorff, 
Vocab.  of  Dialects  spoken  in  the  Nicobar  and  Andaman 
kies  S.  74:  o-goorda;  Z- Formen  auch  im  Australischen: 
181  gille,  Namoi  River  gillee,  168.  170  killen;  mit  k- 
Snffix:  juUuk  am  George's  River   (Ridlej  a.a.O.  124). 

e)  EM  weir^  MI  vear,  ver  «Stern*  =:  Austr.  14  waro 
«Sonne* . 

48.  Mond,  a)  Die  von  Marre  a.a.O.  S.  125,  Kuhn  a.a.O. 
S.  223  beschriebene  Form,  der  im  Melanesischen  entsprechen : 
Lo,  Mai  furaHy  KL  bura  und  einige  weiter  abliegende 
Varianten,  hat  Verwandte  im  Australischen:  12  heerie,  40. 
50.  61.  62.  64  peera^  41  pirra  ebenso  46.  49.  55.  56 ; 
femer:  58  pearra,  59  bera^  60  birra^  63  Wara,  65  biar, 
67  birra;  aufiällig  bleibt  die  Vokalfärbung  der  ersten 
Silbe;  vgl.  indess  Voc.  Aust.  II,  1  purrumbouk^  dessen 
zweiter  Theil  in  Mf  paik  stecken  könnte. 

b)  Mit  Sg  punan,  0  punono  und  wohl  auch  Ed  popu 
vergleichen  sich  164  baboin^  166  bapun,  168  baboon. 

c)  Zu  Li  treu  gehören  die  australischen  Ausdrücke  für 
«Sonne* :  140  toroo,  141  tooroo^  152  toorUy  153  dooroo, 
155  tarow^  156  duroo,  157  thoroo^  dann  bei  «Stern*  20 
tere^  164  dirrai. 

49.  Stern.  Mc  3.  4  batui,  Ng  2.  3  biton,  G  fitou,  Anu 
vüi  —  Austr.  127  botho,  130  buttu,  131  iiitiU, 

ioo^  151  boadthoo,  151  butthoo,  152  bootoo  etc 


1 


262        Sitzung  der  pMos.-phüol.  Glosse  vom  1,  F^mtar  1890, 

Zeit. 

55.  Tag.  a)  NC  buen^  wozu  auch  Ann  aopan^  T  napen  -=z 
«Tag''  zu  stellen  sind,  hat  verwandtes  in  Austr.  30  hannoi 
23  henung, 

b)  Ma  rane^  Mar  ran^  die  wohl  mit  den  in  t  an- 
lautenden Formen,  wie  Li  drae  zeigt,  in  der  Weise  zu- 
sammenhängen, dass  r  wie  t  auf  ursprüngliches  tr  zurück- 
gehen, haben  im  Australischen  einen  Vertreter  in  207  I: 
roanung\  auslautendes  ung  hinzutretend  wie  bei  a). 

c)  Li  drae  —  Austr.  157:  thooroo^  New  England: 
tarar, 

d)  Die  Form  mit  anlautendem  t  repräsentiert  wohl  65 
tindou, 

58.  59.  Abend.    Nacht,     a)  Ut  tapo  —  Austr.  178   iupin. 
h)  Ann.    jupura^    KL  burawa    —    Austr.   192  purra^ 
196  burrabi;  vgl.  noch  Wallace,  Malaj.  Archipel,  deutsch 
II  447  Nr.  24  (Amblau)  pirue. 

c)  Austr.  pitta  (177)  —  Andam.  II  päti-da,  III  yfr 
pdf,  IV  yer  pat;  Wallace  a.  a.  0.  Nr.  21  (Buru)  pc- 
m,  22.  23  (Buru)  beto,^)  36  (Saparua)  potu,  41  (CJeraro) 
jwtüün, 

d)  Andam.  I:  guruk-da  —  Austr.  121  ngumnu^  181 
nguru^  Namoi  River  ngooroo. 

Wetter. 

67.  Wind,  a)  Ed.  tarra  —  Austr.  10  toora,  48  tyiri,  49 
tiarri,  92  tara.  Sollte  die  Uebereinstimmung  zwischen 
den  Bezeichnungen  für  „Wind*  und  verschiedene  Tages- 
zeiten auf  Zufall  beruhen?  so  hier  die  mit  »Tag*  c)  oben. 
Dann  könnten  auch  die  Ausdrücke  für  .Abend"  im  Andam. 


l)Van   der  Grab,   De  Moluksche  Eilanden    in  der  Lijst  van 
Woorden  S.  12:  petibon. 


iSd^Norr  V.  Carola feld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        263 

von  .Wind*  herstammen:  A  I  tdr  diya^  II  td  tiri^  III 
trdi  i  to^  IV  teräi  ehiru ;  cMru  gehört  zu  den  unter  c) 
Tereinigten  Formen. 

b)  Mc  5  tcUu;  sind  Austr.  8  toorda^  9  toordo  Zwischen- 
formen zwischen  diesem  und  den  unter  a)  ?  und  gehört 
Andam.  Y  tötäütS  hierher  ? 

c)  Mh  guri^  0  giriko  —  Austr.  1  guruuHi,  ^)  190  a 
fjirar^  b  gera^  d  geerach^  209  A  gorin;  sollte  das  oben 
55 d  Angefahrte  hierher  zu  stellen  sein?  Ternate  und 
Tidor  köre.*) 

d)  Mit  95.  97  koobin,  99  copin^  100  kuppin,,  146  kaiba^ 
147.  148  kaipa  vgl.  BNGV  14  gubö;  auch  der  2.  Theil 
?on  Er  mankep  hierher? 

e)  Sa  morro;  Austr.  18  marra^  19  maar^  22  maar, 
20.  30  marr^  31  mar^  23  waÄr,  183  mtir.   Misool  m^ö.^) 

f)  Mit  e)  wohl  verwandt*)  ist  Mai  woreai;  Austr.  40. 
68  warre,  41  wirra^  58  tvaree,  60.  61.  62  warrie,  63 
•coiTf,  67  worrie^  (59  waddee). 

g)  Wohl  aus  einer  Reduplikation  von  e)  mit  üeber- 
gang  des  ersten ,  anlautenden  nt  in  u;  sind  entstanden 
Austr.  42  iffolmurra^  90  wirramirra^  94  tcartnara.  Durch 
Assimilation  ist  43  toommara  und  weitere  Verstümmelung 
Mf  waam  entstanden. 

h)  Jedenfalls  weit  älter  als  die  w-Variante  ist  die  ;>- 
Variante  zu  e):   Ng  2.  3  parris^   3  pahas,  Mc  6  bubere^ 


1)  Suffix  wa  in  1  Öfters  (Wörterverzeichniss  bei  Cur r  I  S. 258f.): 
,Fi:«ch*  Muddufca,  gegen  84.  85  moddy^  Sa  met,  mettem;  «Wasser" 
luarrawa,  verwandtes  bei  Gabelentz  Nr.  104:  Ml  ergour,  K  gour, 
CM  g9r;  vgl.  im  Austr.  unter  »Regen* :  214  A  kor-kora,  C  korkora, 
D  karokor.  Dann  ohne  Vergleiche:  »Fliege*  muJalwa,  „Speer*  do- 
vingwa^  «heute*  üluinwa^  «gestern*  goolawa. 

2)  Van  der  Crab  a.  a.  0.  18. 

8)  Robid^  van  der  Aa,  Reizen  naar  Nederlandsch  Nieuw- 
Guinea  S.  842. 

4)  Ueber  den  Wechsel  von  m  und  tr  s.  o. 


1 


264       Sitzung  der  phüos.'phüol.  Clause  vom  1.  Februar  1890, 

ferner  Minahassa-Bantik  *) :  pipihi,  dazu  Austr.  127  eburra^ 
131  ebara,  129  parooga^  130  parretta. 

i)  Anstr.  101  woonungoo  —  Andam.  I  woolanga-da  ist 
wdhl  zufallig. 

76.  Regen  s.  bei  104.  Wasser. 

Erde. 

78.  79.  Erde,  Land,  a)  Der  weitverbreitete  von  Gabelentas 
a.  a.  0.  und  Marre  a.  a.  0.  S.  127  behandelte  Stamm  tan 
etc.,  auf  Boeroe^)  doeniai^  auf  Almaheira  und  Mina- 
hassa^)  ianah,  wird  im  Austral.  vertreten  durch:  181  taan^ 
Namo  River  toum,  83  tuni^  201  thanni.  Auch  Andam.  V 
tutdnö  ? 

b)  KL,  üt  HH  —  Austr.  175  tauH,  176  taree,^)  New 
England  tarri^  196  thoora^  doorla. 

c)  G  tnato,  NC  ptiemcida  {pue  auch  in  puemua  «Land*) 
—  Austr.  46  meta^  50  mitta,  55  mithat  56  mtta. 

d)  Die  Sprache  der  Insel  Bauro  kennt  (v.  d.  Gabe- 
lentz  II  93)  ein  Wort  mägiro  , Erdboden*,  ein  weiteres 
gao  ,. Boden*  und  ein  drittes  mo  ^Garten*,  „Feld*.  Ver- 
wandt mit  diesen  sind  Austr.  91  magi^  95  magea,  99  mug- 
geciTy  100  mukkeo. 

e)  Ma  kurube  (kurupu)  —  Austr.  11  karbo^  (82  kara), 

f)  Austr.  113  borra,  115  poorra,  161  parr^  187  burrai^ 
188  parri,  189  burri,  Andam.  II  per-da^  III  puäh,  IV  budh. 

86.  Berg.  Andam.  I  boroin-da^  II  burinda,  III  burin^  IV 
burain;  bei  Röepstorff  a.  a.  0.  S.  63  borunj;  vgl.  Native 
Tribes  of  South  Australia  (Adelaide  1879)  S.  131  Parn- 
kalla:  purri  „hill*,  Adelaide  Tribe  pure  »stone*. 


1)  Van  der  Grab  a.  a.  0.  19. 

2)  Van  der  Grab  a.  a.  0.  S.  2. 

3)  ebenda  S.  3. 

4)  Curr  III,  269  deree  geschrieben. 


Sdmorr  r.  Carolsfdd:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        265 

Feuer. 

100.  Feübr.  a)  KW,  Mai  iworo,  Mf  foor,  EM  üra,  Ml 
woar  und  weiteres  bei  Kern  Mafoor  S.  238  verzeichnetes; 
dazu  noch  Boeroe  bara.  ^)  Austr.  38  oorra^  39  ooraa^ 
121  poari,  123  burri,  127  booree,  129  boorri,  130  bree 
n.  s.  w. 

b)  K  böte,  Austr.  104  pooti,  137  fcoorfe«,  177  boodi, 
(174  ftoorde). 

c)  ül  tuna,  Austr.  «120  tano  (^ Rauch"  tonone). 

102.  Rauch,  a)  Ed  tula,  Austr.  27  turoo,  87  ^Aöor,  172 
tullo,  173  da7/o,  197  thairra. 

b)  Mar  fror},  Austr.  52  bobatho;  183  booihoo,  187 
beautoOy  188  &u//a,  201  poo^i;  diese  Form  doch  wohl 
identisch  mit  Feuer  b). 

c)  Die  in  der  ersten  Gruppe  unter  , Feuer"  bei  Gabe- 
lentz  zusammengestellten  Varianten  erscheinen  im  Austral. 
zum  Theil  unter  ^ Rauch*  :  zu  Ann.  caup,  Fa  nkup^  Ss 
kapu\  vgl.  Austr.  113  koopoo,  115  kopo,  ferner  Pel  kapp 
»Asche*. 

d)  Pel  kalt;  Austr.  39  couta,  101.  lOü  koodoo. 

Wasser. 

104.  Wasser,  76.  Regen.  Die  Bezeichnungen  für  , Regen* 
(R.)  und  ^Wasser**  (W.)  gehen  beständig  in  einander  über. 

a)  Pal  gul,  Sa  gulim  (R.);  Ml  ergour,  K  gour^  EM 
gür,  Mc  6  kule;  femer  Niknnau*)  (Gilbert- Archipel)  ha- 
rau  (R.),  Karas*)  (W.  —  Neu-Guinea)  kekal^  Kapauer^) 
(W.  —  Neu-Guinea)  keri,  BNGV  3  ghura;  dazu  Austr. 
den  verschiedenen  zusammengestellten  Varianten  (mit  und 


1)  Van  der  Grab  a.  a.  0.  S.  18. 

2)  Pratt  a.  a.  0.  S.  56. 

3)  Robid^  van  der  Aa  a.  a.  0.  S.  343. 


1 


266       Sitzung  der  phüasrphüol.  Classe  vom  1,  Februar  1890. 

ohne  Vokal,  Reduplikation,  schliessender  Nasal,  r  oder  l) 
entsprechend:  , Wasser*:  29  karloo^  148.  190g  kalley  188 
halle,  149  kalli,  176  kolUe,  181  kolle,  183  küllee;  190  b 
hüllen^  199  kerlini,  206  karlin^  (208  B  kartin  u.  s.  w.  s, 
bei  b);  „Regen*:  45  cAa?7i,  214 A  kor-kora^  C  korkora^ 
D  karokovy  63  kooruna^  Namoi  River  koUee- 

b)  Y  Äw^,  Austr.  „Wasser*  37  kootcha^  38  cwachc^ 
39  guta/a,  42.  45.  57  iboo^a,  43  Ä;t<^to,  104  ifeuto.  105 
Äwr^a  (R.)  seheint  Zwischenforni  a — b.  Dann  Weiter- 
bildung mit  n  wie  bei  a:  202  kartini^  203  kaatini^  204 
katchin,  207  A  kaatyin,  208  A  kathun,  208  B  *ar^tn,  E 
kathiny  H  katchin. 

e)  NIS  6tiw  (W.),  Almaheira^)  feaw/o  (W.);  Austr. 
„Wasser*  110  banna  or  bauna,  214  D  banna,  «Regen* 
boonoo^  Sydney  Harbour  panna,  192.  194  bunna.  Hierher 
auch  Andam.*)  panOj  (R.  und  W.). 

d)  KL  mura  (W.)  —  Austr.  (R.)  126  marroo,  190  g 
murra, 

e)  Den  zahlreichen  bei  W.  und  R.  im  Austral.  auf- 
tretenden Formen  in  k  -\-  Vok.  -{-p  und  ähnlichen  tritt 
zur  Seite  BNGV  16  kuba  (R.) 

f)  Gruppe  k  +  Vok.  -(-  m.  „Regen* :  KN  oiwo,  Ut 
koma,  Lo  komah,  KW  jamu,  Mai  yamo;  Austr.  „Wasser* 
99  commo,  114  komoo^  kamoo,  118.  152  kummoo,  121. 
136.  137.  140.  145  Ä:awo,  127.  133.  141.  144.  150.  151. 
156.  157.  158  kamoo,  129.  143.  146.  155  kammoo,  130 
kammo,  177  koomoo,  133  X;am,  138  itummo,  131.  147 
kommo,  dann  ohne  das  anlautende  k  131.  143.  153  am- 
moo.  Dann  ebenso  zahlreiche  Vertreter  bei  „Regen*. 
Sind  die  Formen  in  n  und  ng  hiermit  verwandt? 


1)  Van  der  Crab  a.  a.  0.  S.  19. 

2)  Tickell,  Journal  of  the  As.  Soc.  of  Bengal  XXXIII,   (1864) 
S.  170. 


Sdmorr  r.  Carolsfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens.        267 

Pflanzen. 

113.  Baum.     Ma  sereie,  Voc.  Austr.  II,  4  yara. 

117.  Blatt.  Mb  nehe,  Kowrarega  (Macgillivray  a.  a.  0.  II 
287)  nissa. 

121b.  WüRZKL.  a)  Voc.  Austr.  III  12  (Adelaide)  waeta; 
vgl.  NC  wat^  anderes  bei  Wallace,  Der  malay.  Archipel 
II  459:  32  toaäia,  33  eitcaäti^  35  ai  wcuU^  49  gaka  tcatu; 
34  (Amboina)  hat  ai  allein.  Eine  austral.  Nebenform 
a.  a.  O.  III  1  (Victoria)  warran  hat  entsprechendes  bei 
Wallace  36  (Saparua)  aiwaäri^  38  (Cerani)  haiwaäri. 

b)  NC  ian;  Voc.  Austr.  III  7  goner. 

c)  Voc.  Anstr.  III  3  cour,  dazu  Marre  a.  a.  0.  S.  115: 
mal.  dkar  n.  s.w.;  vgl.  noch  Kern,  Fidjital  S.  196,  dann 
die  Zusammenstellungen  bei  Codrington,  Melanesian 
Languages  S.  49  u.  88  Nr.  52. 

Vögel. 

152.  Ei.  a)  Mit  BNGV  12  (S.  14)  tömi  vgl.  (nord-)  austr. 
92  iaum;  (vielleicht  auch  91.  97  tandoo,  99  tando  hierher). 

b)  BNGV  5.  6  (S.  6)  7.  (S.  10)  uguuni,  9  uguni,  8 
ii^'fit  —  Austr.  126  gunnoo^  144  kungoo,  180  kungiy  er- 
weitert 189  kungiri.  Hängt  das  anlautende  u  der  Wörter 
IQ  den  BNGV  mit  einer  Anlaut-Silbe  wie  in  NC  ongan 
zusammen? 

c)  B  popo  —  Austr.  40.  41.  61.  64  peepee,  41  bebi^ 
42  papooy  43  pappu^  45.  57  bapoo,  59  pepe^  60  piepir, 
63  peppi. 

d)  Andam.  I  moUhda^  II  mvia,  III  mulo;  das  Austr. 
hat  ein  Suffix  beigesetzt:  199  mirhoo,  206.  207  A  G  J, 
208  H  mirk^  204  murrek  u.  s.  w. 

e)  Austr.  163  dail:  dazu  (?)  die  weitverbreiteten  For- 
men toi  u.  dgl.  bei  Codrington  a.  a.  0.  S.  42.  66. 


268        Sitzung  der  phüos.-ptiUol,  Clause  vom  i.  Fehrtusr  1890. 

Fische. 

1(53.  Fisch,  a)  EM  wapi;  Anstr.  7  (Cap  York)  tvappi,  16 
t4)eby  18  wappie^  23  wehing;  ferner  Macgillivray  a.  a.  0. 
II  285  Kowrarega  (Prince  of  Wales  Islands)  toawpiy  Gu- 
dang  (Cape  York)  waiopi;  Jukes,  Narrative  of  tbe  sur- 
veying  voyage  of  H.  M.  S.  Fly  II  284:  Masseed  etc. 
wapiy  Cap  York  tcapi^  Port  Lihou  warpi;  Gurr  III  684 
Warrior  Island  loape. 

b)  EM  tüp;  Austr.  118  taboo. 

c)  Austr.  1  muddutva^  13  moody  —  BNGV  S.  14 
Nr.  11  mada^  12  maita^  Sa  met^  metiem, 

Insekten. 

167.  Fliege,  a)  NC  abut,  B  böte,  Warrior  Island  (Onslow 
bei  Cnrr  III  684)  boule,  vielleicht  Fehler  für  boute  s.  d. 
Bemerkung  Curr's  a.  a.  0.  S.  682;  Austr.  199  perti,  201 
beti,  203  betegi,  207  A  pittik,  208  A  bedik,  208  B  pitiik, 
208  E  biihuk,  208  H  biityik. 

b)  Mc  1  niniga^  ganianiga,  Austr.  126  fitw,  127.  144 
nuigUy  130  nunya^  131  nein^  133  nenga,  145  nungun^ 
147  nungina, 

c)  Austr.  141  nimumia^  157  nemun^  174  vgemun^  177 
vcmov  —  BNGV  S.  6  Nr.  4  anguma. 

d)  Andam.  I  bumila-da,  II  pumity  III  pieftio,  IV  pw- 
/fw/w;  Austr.  183  boomal  und  dazu  wohl  auch  190  a  bur- 
remid,  h  borimilly  d  burrimal^  g  boremul;  NC  maZt  ,  In- 
sekt**. 

Mensch. 

183.  Mann.  Ul  kale,  Austr.  bei  Ridley,  Kamilaröi»  S.  122 f.: 
Victoria  küUnthy  North- West-Coast  gtul,  Lower  Hunter 
köre;  dazu  Andam.  V  unydgile;  gile  ist  offenbar  der 
geschlechtsangebende  Theil  des  Kompositums;  vgl.  unyä- 
öle  -wife". 


Schnorr  «.  Carolsftld:  Zur  Sprachenhwide  Ozeaniens,        269 

188.  Vater.  Fa  temen,  NC  tiaman,  femban^  Er  etemen 
u.  s.  w.,  BN6V  S.  26,  Nr.  15  tamava  —  Voc.  Austr.  I 
12  (Soath  Anstr.)  tamtnamu  «Grossvater*. 

190.  Mutter.  Fi  tina,  tinamu,  Er  dinenie,  Li  thine,  Mar 
^ne^  Motu  ^)  titiana ;  Austr.  7  atinia. 

191.  Kind.  Austr.  Ridley  Kämilaroi»  S.  123  Queensland- 
Kogai  turü;  Am  tererCy  Mar  ad^eri;  dazu  Andam.  I  ab 
dere  ka-doy  II  ab  tire,  III  Üird,  IV  etire. 

192.  Sohn.  Austr.  Uidley  a.  a.  0.  S.  122  Kämil.  wurume, 
EM  wirreim. 

194.  Bruder.     Ma  achelua^    cheluaie;    Austr.   bei   Ridley 
'a.a.O.  Kämilaröi   gullami;    Andam.  II   dr  chtdu  tu^   IV 
ngard  chulu  tu  (s.  auch  bei  , Schwester"). 

196.  Weib.  Im  Austr.  gehen  die  Bezeichnungen  für  ^Weib* 
(w.)  und   .Brüste*  (b.)  vielfach  ineinander  über. 

a)  Den  nencaledonischen  Formen  tabuan,  taamna  ent- 
sprechen Austr.  95.  97  iamboo  (b.),  99  tambo  (b.),  100 
tamyo  (b.),  115  toanioo  (b.),  141  tumbo  (b.);  176  tarn- 
ma  (w.). 

b)  In  der  ersten  Gruppe  bei  Gabelentz:  Sa,  S  pin^ 
Mc  3.  4  patn,  Mc  6  pinomy  Mf  bien ;  mal.-pol.  Verwandte 
bei  Kern  Mafoor  S.  232,  Fidjitaal  197,  Kuhn  Beiträge 
227.  , Brüste*  Austr.  75  poottna,  210.  212  beng;  ^Weib** 
95  poifiu,  99  bunyah,  100.  141  bunya,  106  piinga. 

c)  Dem  austral.  „Weib*  174  amby^  dem  zahlreiche 
ähnliche  Formen  bei  ^^Brüste*  zur  Seite  stehen,  vergleicht 
«ich  BNGV  S.  15  Nr.  11  amu. 

d)  Ss  karai  (goroi)  —  Austr.  40  kore^  62  carroo,  wohl 
auch  87  karump,  207  G  korm  (b.). 

e)  T  peran,  C  farriy  S  herri;  Austr.  unter  b.  186, 
Healesville  birring^  209  A  biring,  190  B  birririy  ohne  Nasal 


1)  Stone  in  Journ.  Geogr.  Soc.  London  46  (1876)  S.  * 


1 


270        Sitzung  der  phüos.-phüoU  Classe  vom  1,  Februar  1890. 


190  g  berey  213  beerree;  dann  mit  Erweiterung  103  beriko^ 
75  burrukka  (w.),  105  purraja  (w.). 

f)  Mit  A  bibi,  Ng  3  babi  (dazu  Marre  a.  a.  0.  S.  108) 
vgl.  die  zahlreichen  Formen  im  Austral.  bei  W.  wie  B.; 
z.  B.  10  bibi,  12  baba  u.  s.  w.  Dazu  wohl  auch  Andaro, 
II  dböb. 

g)  Neben  Ed  manggotta  BNGV  S.  7  Nr.  5.  6  fnagi^ 
S.  11  Nr.  8  maghi,  9  maghina;  Austr.  89  magooa,  90 
mayo,  94  magoo.  Damit  verwandt  sind  die  Formen  mit 
anlautendem  w:  102  wongetta,  103  wongita,  dann  ohne 
Suffix:  130  ungoo,  131  wongo, 

h)  Andam.  III  ebuhu^  IV  laobuku;  Austr.  43  bokti, 
45  bookoo. 

i)  Andam.  I  dpail-da,  Austr.  207  E  pulle-pulle,  41 
pallara^  \9l^,  \96  bullong,  197  bcUlan.  Röepstorff  a.  a.  0. 
S.  110  schreibt  appaila. 

k)  G,  XJl,  Mm  iewt  (wohl  auch  Ss  kana  »Mann"  ver- 
wandt); Austr.  bei  Ridley  Kämilaröi*  S.  123,  North- 
West-Coast  ginaia;  dazu  auch  Nancowry-Nicobar  ^)  fcäw, 
käne?;  Andam.  I  chdno  Id  „mother**,  dann  bei  Tickeil 
a.  a.  0.  S.  170:  chana  »woman*. 

201.  Tante.    Mf  nangguni,  NC  nian;  Voc.  Austr.  I  7  (Vic- 
toria) naan. 

Kopf. 

210.  Kopf,     a)  Austr.  13  wdla,    120  wallow;  Mh,   Fi   ulu^ 

S,  M  olu,  Mc5  ualem;  Marre  101,  Kern  Fidjitaal  187. 

b)  Austr.  7  (Cap  York)  pat^a^)  —  A  boiu  (batu),   Am 

hotu;   die  Form   mit  Nasalinfix    Ng  3    buntok   gehört   zu 

Austr.  52  bunda,  53  boontha. 


1)  Koepatorff,   A  Dictionaiy  of  the  Nancowry  Dialect  of  the 
Nicobarese  Languaj^e  (Caicutta  1884)  S.  208. 

2)  Macgillivray  a.  a.  0.  II  296  GudaDj^:  päda. 


Sd^norr  v.  Cards feld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        271 

c)  KW  kotera^  Austr.  26  kater;  aber  auch  die  Formen 
niit  r  Tor  t  sind  hierher  zu  stellen :  32  kart^  42  kurty^ 
43  kartapu^  45  kardiapoo;  pu  (poo)  wohl  zu  213  hua 
und  NC  huan^  pucanbtian;  pucan  wiederum  zu  Austr. 
214  A.  C  poko.  Dann  weiterhin  mit  rt:  102  karte^  104. 
105  kirti^  121  kirta,  156  hartha.  In  beiden  Stellungen 
hat  r  17  karier, 

d)  Vielleicht  auf  c)  gehen  die  Formen  mit  inlautendem 
«,  dann  ih,  d,  i  zurück:  16  cata,  18.  19.  20  katta,  22. 
147  jfcu^/a,  30  kotta,  123  fta«a,  133  kaita,  150  ta«Aa, 
131.  151  kutka^  144  /r(i(2a,  die  in  dem  Verzeichnisse  bei 
Codrington  Melan.  Lang.  S.  45  zahlreiche  Analogieen 
finden;  bei  Gabelentz  Mc  3.  4  gaten^  Ss  kauduii;  An- 
dam.  I  chetta-da^  III  kUe^  IV  kude. 

e)  Austr.  40.  48  koka^  41.  63.  64  kaka^  67  kakka, 
dann  in  Verbindung  mit  dem  unter  f)  zu  behandelnden 
Synonymum  69  kukaminta;  BNGV  S.  18  Nr.  14  (Dauan) 
kuikö.  Eine  Nebenform  lautet  95  gigh  91  /cAi^i  —  BNGV 
S.  14  Nr.  11  giginafi. 

f)  Austr.  69  kukaminta^  69  A  kafaminia;  NC  mondieih 
Ng  3  mudifig. 

g)  Austr.  161  Xcariif,  dann  164  kaam,  106  /cam  — 
EM  JfcÄ-em,  &Mm  (BNGV  S.  18  Nr.  13  kerem).  Damit 
verwandt  sind:  Austr.  134  kurria,  136  korea,  145  koori, 
Naraoi  River  iwr,  ^rar;  BNGV  S.  18—19  Nr.  15  koarüy 
17.  19.  20  garu. 

h)  Austr.  115  tungOy  153  dungoo  (yoongoo),  155  /o^oo, 
157  towigooj  174  dangoy  177  tooi^o  —  Pel  dww^. 

211.  Haar.     Die  Ausdrucke  sind   öfters  identisch  mit  denen 
für  „Kopf.* 

a)  Austr.  140  katta,  147  kutta,  127  kudtha,  131  kuthy, 
145  katüy  26  üa^er  —  Mai  (nangH-)  katu. 

b)  Austr.  102   bungo,    103   bungu,    104  |M 

I8M.  Pkikw.-pliiloLiLliirt.CL  2. 


272        Sitzung  der  phüo8,-phüol.  Glosse  vom  1,  Februar  1890, 

pundjiiy  107  bungee,  144  boona,  214  A  pokkati,  Mc  2 
gate')banga,  Ng  2.  3  bunk,  H  ibarUa,  Li  pene ;  put 
in  A  langam  pui  wohl  auf  eine  ^-Form  zurückgehend. 

e)  Austr.  28  wale,  65  woolya,  67  kakka  toüya,  153  | 
tt?ooZo,  91  walloolu,  183  M;a«a;  43  M^ÄtVri,  129.  137.  138.. 
156  wooroo,  155  woorow,  173  bcnoray  188  tvooranvy  190  a  i 
wraw,  190  d  wo&ran;  dann  in  Combination  mit  d)  42  «?i7- 
poora,  48  oolparoo;  B  warihu,  Mc  1  w/t,  Am  ii;(>Zti,  ti/;* 
Mf  rwnri^aam ;  mal.  ftw^w ;  andere  Verwandte  auf  malay-  * 
ischem  Gebiete  bei  Favre  Dict.  Mal.-Fr.  II  231. 

d)  NC  bolen,  Lo  (monong-Jfuru,  KN  mnogbum,  SM 
buruluy  Mf  ÄWMW-^  iwra?m,  Hu  gemuroh;  Aastr.  46.  56 
parra,  55  /^ara,   187  boorach,  190  g  pearu. 

e)  NC  ;^o/,  v^l.  Austr.  69  A  puntuy  41  kakaptUti. 

f )  EM  tww5,  MI  mM^A,  f)toosh,  Austr.  6  modir,  Andam. 
V  mäüde. 

g)  NI  2  la-paebe^  NB  pepenaule,  Austr.  203  pope. 

212.  Auge,  a)  Die  malayisch-polynesische  Form  mata  be- 
handelt bei  Marre  a.  a.  0.  S.  96  f. ;  Kern  Fidjitaal  S.  154; 
dann  die  weitere  Ausdehnung  bei  Kuhn,  Beiträge  S.  2 15 f.; 
dazu  aus  Gabelentz  Am  meta,  Mar  med^a^  Ml  maitang^ 
BNGV  S.  2  Nr.  3  matagu,  Motu  mata,^)  dann  Austr.  48 
meetyee^  49  mitchie,  90  midialla^  134  mudjura. 

b)  Während  im  Austral.  die  m -^Yok. -\' t  (d)'Form 
selten  erscheint,  erfreut  sich  die  mit  ihr  offenbar  ver- 
wandte in  m  -(-  Vok.  -f- 1  einer  um  so  weiteren  Verbrei- 
tung. Mc  3  malapatuniy  Mc  4  malun;  vom  Austr.  seien 
nur  die  Hauptformen  angeführt:  male,  meal^  miel,  mail^ 
meail^  mial^  nieil,  meel,  mil,  mael;  daneben  r-Formen  in 
Victoria:  mir,  mer,  mree.*) 

1)  Stone,  Journal  Geogr.  Soc.  London  46  (1876)  S.  40. 

2)  Im    Basä    Krama:    maripat,    Raffles,    History    of  Java    II 
S,  LXXIX. 


Stknorr  t>.  Carohfeld:  Zur  Spraehenkunde  Ozeaniefis,        273 

c)  fw+Vok. +  n:  H  jimafiu,  A  manna,  KL  managa; 
Austr.  40.  58  meena,  41  menay  59  mina^  60  minna,  180 
meinty  201  fitain^',  202.  203  mingi. 

d)  m  +  Vok.  +  /r;  Li  meke,  Austr.  74  mikki,  75  tnee- 
ty,  76  mikeyy  77  meekee,  78  wift«,  72  megie.  Vgl.  La- 
tham,  Elements  of  comparative  Philology  S.  303  u.  304: 
Kissa  (Serwati):  makan,  324  Kanaka  (Sandw.  Isl.):  tiia2;a.^) 

e)  Anu:  vadhu  und  Mf  ropier-wur  ,  Augen  brauen  * ; 
dazu  Austr.  «Auge*^  34  waddoo,  35  wardoo. 

f)  Die  zweiten  Glieder  in  39  ugnaquirta,  43  milki' 
kardi,  45  miltekurte  liegen  dem  NI  2  le-kadli,  katli  nahe, 
der  erste  Theii  von  le-kadli  hinwiederum  erscheint  in 
Aostr.  1  leemurra. 

g)  Kompositum  aus  zwei  Synonymen  ist  auch  Austr.  108 
tcofitree  (vgl.  184  djeeon):  Mh  teri,  Sa  tano, 

h)  Die  versprengte  australische  Form  15  iragoo  hat 
grosse  Aehnlichkeit  mit  EM  airkip,  MI  illcapt  und  dem 
ersten  Theile  von  EM  , Augenbrauen**  (irke-Jmus ;  hierher 
wohl  auch  Dschilolo  läko,   Wallace  a.  a.  0.  II  449. 

i)  An  der  Westküste  Australiens  ist  stark  verbreitet 
eine  Form  dilli  u.  ä.  Damit  sind  verwandt:  Andam.  I 
iddl-da,  III  er-toly  Tickeil,  Joum.  As.  Soc.  of  Bengal  33 
(1864)  S.  171:  edala;  Röepstorff  Proc.  of  the  As.  Soc. 
of  Bengal  1870  S.  179:  ddlda;  ders.  Voc.  of  Dial.  sp. 
in  the  Nicobar  and  Andaman  Isles  S.  53:  edarV-da  und 
dal-da. 

215.  Mund,  a)  Anu  mana,  Ss  nmnu,  Mc  3  inon,  daneben 
=  ,  Lippe*  Ari  muri.  Das  Austral.  hat  Formen  in  n 
und  m:  55  muna,  84.  149  munno^  156  moonoo,  202 
menna,  211  mundOt  57  manga;  42.  45.  46.  48.  49.  69 
muma,  43.  56  moma,  88  moom. 


1)  Auch  W  mgc^si  hierher   zu    stellen   Kern,   Mafoor  B.  260; 
O&belents  und  Meyer,  Msifoor  S.  251. 

1 


274        Sitzung  der  phüo8,-phü6l.  Classe  vom  1.  Februar  1890. 

b)  Austr.  8  narra,  Mai  tiaros.  J 

c)  EM  tay,  tä,   MI  teea,  feh;   Austr.  11.  23.  30.  33.  | 
177   tu,    16.  31.  157    iaa,    146.  182   tha,    134.  174   da, 
19.  123   daa,   19  dia,   22  daw,   26  dow,   114  thatva,  51 
^?a,  52  /Äta,  10.  103  tya,  103  %a. 

d)  NH  1  tabek^   Austr.  67  dabara^   68  taiappa;    vgl. 
noch  MI  .Lippe-    /atp   und   BNGV   S.  7  Nr.  4  , Lippe*  | 
tifinau. 

e)  Mc  1  mubo,  2  wefte;  Austr.  2  trato  (m-M?  im  An- 
laut s.  S.  261,  263,  270);  dazu  wohl  auch  B  wewe, 

f )  Mit  Austr.  207  E  loaittg  vgl.  Mar  longi,  NI  2  lun- 
gussu  (Fi  gusUy  Kern  Fidjitaal  S.  159),  NIS  loh. 

g)  Ans  wore,  KL  uru^  Lo  or/e  w/70,  üt  fW,  KN  t/r- 
?X(7«;  Austr.  208  H.  I  wooro,  209  A.  214  C,  Healesville 
xvoorrOj  214  A  woorroo^  214  ü  worro,  209  D  tcorong,  209  C 
tvoro^^gaiha. 

217.  Kinn.  Voc.  Austr.  I,  1  merruug;  EM  Jmi/r;  Ml 
emmoor. 

218.  Bart,     a)  C  ialajfa;  Austr.   126.  133  talba, 

b)  Mo  pafraivonrou^  Mf  swabur;  Austr.  „Haar*  187 
bo<yrach^  190  g  pcaru, 

c)  NC^otiMflw,  NH  1  pang;  Austr.  „Haar*  144  pooua. 

d)  Mar  göreak^  Austr.  „Haiir**  146  kurri^  Namoi  River 
kar^   „Bart"    183  geer. 

220.  Zunge,  a)  Der  in  Australien  als  t  +  Vok.  +  l  auf- 
tretende Typus  hat  in  allen  Theilen  eine  derartige  Ver- 
breitung, dass  eine  Aufzählung  aller  einzelnen  Belege  auch 
nur  aus  Curr  einen  unverhältnissmässig  grossen  Raum 
einnehmen  würde.  Dieser  Typus  gehört  zu  den  weit- 
reichendsten und  erstreckt  sich  über  alle  Theile  Ozeaniens: 
vgl.  Marre,  Langue  Malgache  S.  94;  Wallace,  Malay. 
Archipel  II  462;  Kuhn,  Beiträge  S.  228;  Crawfurd, 
History    of   the    Indian    Archipelago    II    140;    Raffles, 


Sd^norr  v,  Carolsfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        275 

History  of  Java  II  S.  LXXX ;  Van  der  Grab  a.  a.  0.  S.  16. 
17;  Turner,  19  years  in  Polynesia,  Compär.  View;  Hum- 
boldt, Kawi-Spr.  II  247;  Friedrich  Müller,  Novara- 
Reise,  Ling.  Th.  S.  285.  Ja,  der  Stamm  scheint  bis  in 
das  Mon,  Palaung,  Nancowry  etc.  hineinzureichen:  Kuhn 
a.  a.  0.  S.  217.  Andam.  I  äkd  eteUda^  U  ötätel  (daneben 
III.  IV  äkdtdt)^  bei  Röepstorff  a.  a.  0.  S.  103:  ar  kar- 
eth'ilda,  moiatoel  geschrieben,  sind  zu  unklar,  um  mit 
Sicherheit  hierhergestellt  zu  werden. 

b)  Ari  maiaro,  Austr.  87  mat^  88  mert,  Makian  (Van 
der  Grab  a.  a.  0.  S.  17)  maäd. 

c)  Mc  1  muen,  BNGV  S,  15  Nr.  12  mamne,  Buru  ^) 
mcmn^  tnaanen ;  Austr.  91.  95  nu)oni, 

d)  Fa  numneu^  BNGV  S.  7  Nr.  5  nemu^  6  neme^  S.  11 
Nr.  7.  8  nemeke^  9  nemee;  Austr.  194  nimming, 

e)  KL  mara,  Ut  tnare,  BNGV  S.  7  Nr.  4  malau,  S.  15 
Nr.  10  maara;  Amboina*)  tncUie^  Ceram^)  melin;  Austr. 
98  mu2/t,  101  mileri^  26  meming. 

f)  Li  ihineme;  Austr.  159  dan^  161  doonnan^  166 
tunam. 

221.  Zahn,     a)  Austr.  149   kirra    (und  jedenfalls  auch  150 
yurra)  —  Anu,  Mh  gigiri. 

b)  Austr.  161  toota  —  Ut  HU. 

c)  Austr.  115.  187  iirra,  182  thirra,  153  teera,  185 
iirri,  163  dera,  176  dirra,  214  A  dirra,  155  teer,  168 
Her,  180  ieeria,  Sidney  Harbour  dara,  214  C  dirran,  83 
turar;  Ans  dere.  Verwandt  damit  sind  EM  tirreg,  MI 
tirrig  —  Austr.  85  tarakin,  87  drirk,  88  trenrk,  172 
dirrung^  173  tirrung,  184  dirrang. 

d)  Austr.  102.  104.  105  milka  (dann  28  wilga,  30 
woUok);  Mc  2  melagi. 


1)  Wallace  a.  a.  0.  S.  462. 

2)  Van  der  Grab  a.  a.  0.  S.  16. 


1 


276        Sitzung  der  phüos.-phüol,  Classe  vom  1,  Februar  1690, 


1)  Vgl.  Marre  a.  a.  0.  S.  96. 

2)  Marre   a.  a.  0.    S.  97;    Kern    FidjitÄal    S.  132;    vgl.  noch 
Kuhn  a.  a.  0.  S.  228  u.  216.  ' 


e)  Austr.  53  tiga  (52  tiaa^  67  tea^  68  tia)  —  Mai 
sika  (?),  Andam.  I  i  tug-da, 

f)  Aastr.  152  pirra,  Andam.  II  mo  pSld,  III  mir  pile^ 
IV  mer  pile.     Präfix  iwfr,  mir  auch  bei  „Nase*. 

223.  Nase,  a)  Austr.  2  weer;  0  wirin,  Ut  birimbu.  Austr. 
120  woro^  118.  148.  149  wooroo,  136  icoroo,  146  ooroo^ 
134  urrooa,  BNGV  S.  15  Nr.  10  ururu.^) 

b)  BNGV  S.  3  Nr.  2  imira;  Austr.  163.  164.  170. 
172.  183.  190g,  Namoi  River  wooroo,  106.  181  muru^ 
173  morrOy  178  mooro,  180  mario,  185  ammoro,  190  b 
murroo.     Speziell  mit  190  d  moorotha  vgl.  Ss.  marita, 

c)  Austr.  143  nunder,  EM  wwwor  , Nasenloch". 

d)  Austr.  147  bootan,  Mar  badi. 

e)  Austr.  8  minta^  NC  niuatt(2en  (?). 

f)  Zu  197  woor,  New  England  nurin  gehören  wohl 
Mf  stio(rri,  A  noa, 

g)  Austr.  83  kopiy  87.  88  tuap  mit  NIS  kabtissu  zu- 
sammenzustellen? Daneben  BNGV  S.  11  Nr.  8  ghusa; 
vgl.  man  ferner  bei  »Mund*  NI  2  lungussu  mit  NIS  lok 
(oben  Nr.  215  f.),  Mar  lofigi,  dann  Fi  ^m5m,  so  dürfte 
kabussH  auf  *kabgus$u,  *kapgussu  zurückzuführen  sein. 

h)  NG  2  oddo  —  Austr.  37.  38.  39  adla  (?). 

i)  Andam.  II  mir  kätto,  III  mir  käütö^  IV  mer  A-a^ö 
(Präfix  mir,  oben  221  f.;  vgl.  auch  »left  band"  Andam. 
II  mir  köri'da  gegen  I  köri-^da)  Austr.  48.  49  Zcttt/a. 

224.  Ohr.  a)  Die  im  malay.-pol.-mel.  so  reich  vertretene 
Form  in  ^  -|"  Vok.  +  l  fehlt  im  Austr.  so  ziemlich  ganz ; 
denn  46  talpa,  48  tulpa  gehören  kaum  hierher;  wohl 
aber  103  talgan,  das  melanesischeu  Formen  und  mal.-pol. 
talinga  nahe  liegt.*) 


S€hnorr  v.  Carolafeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens.        277 

b)  Die  in  den  melanesiscben  Sprachen  (Codrington, 
Mel.  Lang.  S.  42)  häufige  Form  in  g  -(-  Vok.  -\-  r  in  der 
ersten  Silbe,  während  in  der  zweiten  ein  g  oder  ein  wohl 
darauf  zurückgehender  Diphthong  erscheint  (Codrington 
Nr.  9  qero^  10  qerogij  11  qoroi  u.  s.  w.)  hat  im  Austral. 
folgende  Correlate:  10  korulka^  koolga^  27  goolga,  28 
hoclga^  29  külkar;  sollte  auch  Andam.  V  ik  qudge  auf 
^kvarge  beruhen  ?  In  die  Gruppe  ohne  ^r-Suffix  gehören 
Mh  hdi  (vgl.  Codrington  Nr.  32.  33.  35.  36  kuli), 
dann  Austr.  194  koari}) 

c)  Austr.  199  tcirmpoolo,  202  wiwhola^  203  wimboli^ 
206  toirhool,  207  C  mirm,  209  A  wim  u.  ä.  -  Ut  hi- 
rimbu,  0  wirin  »Nase*  (?). 

d)  Andam.  I  ikpoko-da,  II  ir  hö-da^  III  6r  hu,  IV  er 
budh;  vgl.  (obwohl  im  Andam.  ik,  ir,  er  Präfixe,  daher 
Röepstorff  a.  a.  0.  S.  50  neben  e-poo'-koO'da,  pokoo) 
Austr.  37  ilpokita,  38  illpockerta,  39  ilpuckita;  BNGV 
S.  6  Nr.  6  ihiko,  S.  10  Nr.  7  iika,  Nr.  8  ipiko. 

Rumpf. 
228.  Brust  vgl.  das  oben  bei  196  angeführte. 
237.  Hoden.    Voc.  Austr.  I  1  woorung,  SM  boro,  Mc  1  bola. 

Extremitäten. 

239.  Arm  und  241.  Hand,  a)  Die  im  Austral.  weitverbrei- 
teten Ausdrücke  marra,  mirra  u.  s.  w.  finden  ihr  Pendant 
in  Ut  mare,  wozu  wohl  auch  gehören  BNGV  S.  7  Nr.  4 
maoaio  und  S.  2  Nr.  2  tnai, 

b)  Austr.  7  (Cape  York)  ata,  BNGV  Nr.  5.  6.  7.  8. 
9  ada. 


1)  Im  Ba8&  Kräma  neben  tdlingati  ein  karha  (so  schreibt  La- 
tkam,  Elements  of  comparative  Philology  S.  296;  dagegen  Raffles 
History  of  Java  II  S.  LXXIX  karna). 


278        Sitzung  der  phüosrphilol.  Cldsse  vom  1,  Februar  1890. 

c)  Austr.  87  toain^  88  waing^  Mc  1  uain, 

d)  Austr.  172.  173.  178  tungun;  NH  1  tugul,  EM 
tag,  BNGV  Nr.  13  tak  (,Arm"),  danu  malayisch  tangan 
etc.  vgl.  Marre  a.  a.  0.  S.  95;  Kuhn  a.  a.  0.  8.  217. 
229;  Andam.  III  mirtong,  IV  mertong  (mir-t  mer-  Prä- 
fixe siehe  221.  223).  Die  andamanischen  Ausdrücke  för 
^Hand*  I  koro-da,  II  an  koro-da  vergleichen  sich  Y  ka- 
rah,  karih. 

e)  Voc.  Austr.  I  1  wooruk  »Arm*  ;  Ans  toara^  Sg  o 
barrar,  NC  boraen, 

241.  Hand  s.  bei  239  Arm. 

243.  Finger.     KL  mana,  Voc.  Austr.  II  4  muna. 

246.  Bein,  a)  Lo  kari,  Mai  okora,  Mf  koor,  koijer,  BNGV 
S.  18  Nr.  14  ngar;  vgl.  Austr.  4  akooroo,  82  karraku^  \ 
199  kero,  208  H  kaar;  Voc.  Austr.  II  2  kireepooc^  11 
careeven  „Bein^,  10  gaar  , Hüfte*,  gaarip  »Knie",  1  car- 
rip  „Schenkel*,  2  wurt-kirip,  5  kerriwo  .Schenkel*; 
Andam.  I  chörog-da  „Hüfte*. 

b)  EM  teer-tar,  teerter  „Bein,  Fuss*,  BNGV  S.  18 
Nr.  13  tefer  „Bein*,  Austr.  „Bein*  43.  56  tarra,  52. 
54  thara,  53  thurra,  95  tarra,  103  tara  „Wade*,  120 
tharruy  121  durra,  123  iarra  u.  s.  w. 

247.  Fuss.  a)  KL  imika,  Austr.  1  macka,  84  makuru; 
dann  wohl  ferner  118  wucka,  120  wakka;  dunkler  Vokal 
auch  174  moko;  vgl.  noch  BNGV  S.  18  Nr.  13  mek. 

b)  NC  kan,  NB  kakindad,  Austr.  »Bein*  35  kanda, 
64  kantie,  67  gantee.  Weiterer  Untersuchung  bleibt  vor- 
behalten, ob  die  australischen  Formen  für  »Fuss*  jan^ 
Jane,  chen,  jinna,  chinna,  dchinna,  dann  weiterhin  tinna^ 
divna  ebenfalls  in  diesen  Kreis  zu  stellen  sind. 

c),  BNGV  S.  2  Nr.  2  bera  „Fuss* ;  Austr.  Namoi  Ri- 
ver booro. 


Sdinorr  v.  Carolsfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        279 

Sonstige  EOrpertheile. 

252.  Haut,  a)  Austr.  34  kooloo,  Fi  kuli^  Mh  guiguli^  Mar 
^7,  EM  Xgür,  Mal.-Pol.  kulü.^) 

b)  Pal  buäall,  Austr.  88  poodla,  79.  80  ptüta^  37 
q^oola  u.  s.  w. 

253.  Knochen.  Ng.  2.  3  tulang,  Austr.  141  toolay  149 
tilloo. 

256.  FLKiscEf.  Voc.  Austr.  II  2  (Victoria)  heng^  B  aftewa, 
G  rapena^  NC  pegan. 

ADJECTIVA. 

J560.  Gross.  Er  harrong^  vgl.  Voc.  Austr.  III  unter  »large* 
3  yeurong,  10  coirung^  unter  »big*  3  jaarang,  5  koaron- 
gando^  10  gooroofig,  unter  »long*  7  gerunguna,  10  ^oo- 
werung  (beide  auch  unter  »tail*). 

372.  Schmal.  Sa  6/ci,  Mt  fiakmak;  Voc.  Austr.  III  3  6?c 
«small*,  bie  ,little*. 

394.  Hart.  Ans  maitu;  Voc.  Austr.  IV  3  mutta  mutta, 
Tgl.  4  ttti^ma^df?. 

397.  Schwarz.  Ans  meta,  KN  meian,  Lo  moitan,  NH  1 
miting^  Austr.  .dunkel'   147  me/a,  151  meetta. 

398a.  Dunkel,  a)  NC  boran,  Austr.  204  porrung,  207  G 
poroin,  I  por-o-in,  208  A  poroong^  B  porroin^  E  poorooin^ 
H  und  Healesville  baroin  u.  s.  w. 

6)  Ar  ntoor  ist  jedenfalls  nur  Nebenform  zu  a);  auch 
Fi  maltiifia/u,  Mar  marok  werden  hierher  gehören.  Im 
Austral.  sind  a-Formen  wie  auch  solche  mit  dunklerem 
Vokale  zu  belegen:  z.  B.  12  marroo,  29  morroo,  48 
muree;  mit  l:  91  mulla,  164  mooloo,  dann  wiederum 
statt  des  anlautenden  m  ein  to  in :  98  warra^  167  nu^ore 
und  andere  Varianten. 


1)  Kern,  Fidjitaftl  S.  146;  Marre  a.  a.  0.  S.  98. 


280       Sitzung  der  phüosrphäol,  Classe  vom  1,  Februar  1890. 

c)  EM  güli,  Austr.  202  holli. 

404.  Kalt,  a)  Mh  gaula^  Austr.  107  gilea^  120  gerole^ 
181  karil^  Namoi  River  kureel;  vgl.  noch  BN6V  S.  18 
Nr.  15  keru^  16  nakura,  denen  Austr.  123.  149  kirroo 
nahe  liegen. 

b)  Mc  1  derwa,  BNGV  S.  14  Nr.  11  dudura,  Austr. 
87  tirowly  52  terria^  106  terrili, 

c)  Den  in  der  ersten  Gruppe  bei  Gabelentz  zusammen- 
gestellten Varianten  entsprechen  zahlreiche  australische: 
Am  mala,  Austr.  104  malli;  MaF  emollu^  Austr.  102  mulli; 
dann  r-Formen  B  marato^  Austr.  143  moora;  Formen  mit 
Zwischenlauten  zwischen  d  und  l  oder  r:  Austr.  57  mudle^ 
28  moordie^  die  vielleicht  Formen  wie  Anu  maladho  nahe 
kommen;  MI  balbal^  Austr.  175  boolea  u.  s.  w. 

405.  Heiss.  Mit  Fi  kaiäkata  sind  verwandt  Austr.  203 
kattai,  202  kute,  199  kurti. 

417.  Kahl.  Austr.  Voc.  Austr.  IV  10  hera^  5  birratvie, 
11   peureebeurpy    6   belaboorp;   vergl.  unter    , nackt*    Mf 

VERBA. 

543.  Sprechen.  KW  fatvariri,  0  fonwencai,  Lo  iuwr,  üt 
iwari;  Voc.  Austr.  V  2  woireei,  5  werten,  10  wurega; 
Andam.  II  o  t/^ar  X:afi,  III  irtvdr;  dazu  eine  Nebenform 
in  m:  Mc  1  marena,  Austr.  a.a.O.  11  moeroegoe^  Andam. 
IV  erewer. 

546.  Rufen.  Voc.  Austr.  V  1  kinda,  2  cumdagut,  5  kumda, 
10  ganida,  11  cannduc.  Mar  kirdok. 

613.  Essen.  621.  Trinken.  Im  Austral.  gehen  die  Aus- 
drücke für  .e^jen'  (m  e.)  und  »trinken*  (:=z  t.)  vielfach 
in  einander  ül)er. 

a)  C  /(irAi;  Austr.  83  takkin.  182  rtoJtÄroo,  187  taki, 
207  C  ^lA*. 


Sdmorr  v,  Carolsfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        281 

b)  Sa  tabon  (e.);  Austr.  46  tapooina,  50  tappenä,  55 
tkapana  n.  ä.  (t.) 

c)  Fi  tatidäku^  tautuba  (e.),  wozu  wohl  auch  Ans  tor- 
iunu  (t.)  zu  stellen;  Austr.  (t.)  205  iaia,  207  C  datt, 
207  £  thaihia. 

G27.  ScHLAFKN.  a)  Austr.  6  petite,  18  bidjar,  23  peetchar 
u.  8.  w. ;  Ed.  puia,  U  fuut,  MI  Aoo^,  m70o/. 

b)  U  fnokuut;  Austr.  46  iwoto,  123  wooka,  136  oote. 

c)  Anu,  Ss  maturu,  V  watura ;  Austr.  69  A  meteru, 
87  mW^rt,  Voc.  Austr.  V  3  mitry. 

d)  Ar  kofnaboon;    Voc.  Austr.  V  2   comheoat^   5    jfco- 

640.  HOrbn.  Pal  meringäs^  Ridley  Kamil.*  S.  129  Victoria 
mxrring, 

662.  FliehIsn.  Voc.  Austr.  V  2  pyca,  5  piTca,  10  hica\ 
Ann  poA;,  puA;. 

684.  Sitzen.  Voc.  Austr.  V  12  tihkunde^  Ann  atei^,  Ed 
/ofi|^o,  F  patoky  ^ndoko,  toko^  Fi  /iT^o,  weiteres  bei  Kern 
Fidjitaal  S.  179;  vgl.  Haie,  United  States  Exploring  Ex- 
pedition, Ethnography  and  Philology  S.  307.  333. 

685.  Stehen.  Voc.  Austr.  V  3  theara,  4  terre  (5  Jerry); 
NC  tur,  NBwo/Mr,  Ed  toru,  NIS  tur,  Mai  itirie,  BNGV 
15  S.  18  toriti  («stand  up*);  G  tooru  (, sitzen*). 

722.  Geben.  Voc.  Austr.  V  1  tvokuk,  2  woocac,  4  ooka^ 
5  tvaekie,  10  wocaa^  D  veia,  H  nebaka,  Mf  6ttA;. 

749.  Machen.     Voc.  Austr.  V  3  cutcha,  Li  kucha^  Fi  mia. 

753.  Nehmen.  Voc.  Austr.  (,take*)  V  2  manuc,  5  wamm 
(unter  ,get*  nuinin)^  10  manga^  11  tnaanuc;  BNGV  S.  26 
Nr.  14  mani. 

765.  Schlagen.  Ridley  Eämilaroi'  128,  Eamilaröi  bümala, 
buma,  Wiradhuri  bümara;   M{  pum. 


282        Sitzung  der  philos.'phüol.  Glosse  vom  L  Februar  1890. 

Mag  vorstehende  Liste  auch  noch  manches  unsichere  | 
und  daher  zu  beseitigende  enthalten,  so  dürfte  sich  dieselbe 
doch  anderereeits,  namentlich  bei  weiterem  Zuwachs  von^j 
Material  zu  Vergleichungen  —  die  Ausbeute  aus  den  BN6V 
allein  beweist  dies  zur  Genüge  —  noch  wesentlich  vergrössern 
lassen.  Indess  schon  das  Angeführte  zeigt  uns  einen  grossen 
und  wichtigen  Theil  des  australischen  Wortschatzes  überein- 
stimmend theils  mit  den  Papua-  und  melanesischen,  theils 
ausser  mit  diesen  auch  mit  den  malayo-polynesischen  Sprachen. 
Diese  Thatsache  dürfte  nunmehr  als  sicher  feststehen.  An 
Entlehnung  ist  nach  der  Art  der  Wörter  (Zahlwjorter,  Be- 
nennung der  Körpertheile)  dabei  nicht  zu  denken;  anderer- 
seits aber  auch  noch  nicht  bewiesen,  dass  sämmtliche  austra- 
lisch -  papuanisch  -  melanesische  Wörter  der  gleichen  Quelle 
entstammen ;  d.  h.  es  kann  Sprachmischung  vorliegen,  an 
der  dann  aber  Australien  ebensowohl  theilgenommen  haben 
müsste,  als  Neu-Guinea  und  Melanesien.  Das  neu  hinzu- 
gekommene Element  wäre  das  malayische,  das  alte  das  Pa- 
puanische. Indess  genöthigt  sind  wir  vom  rein  linguistischen 
Standpunkte  —  und  dass  Linguistik  und  Anthropologie, 
wenn  je  so  auf  ozeanischem  Gebiete  getrennt  von  einander, 
unbeeinflusst  von  den  Resultaten  der  anderen  Seite  arbeiten 
müssen,  hat  Kern  ^)  mit  vollem  Rechte  betont  —  zu  dieser 
Annahme  keineswegs.  Bedenken  wir,  dass  die  im  Vorstehen- 
den als  malayo-polynesisch  und  australisch-neuguipeisch-me- 
lanesisch  nachgewiesenen  Wörter  die  Bedeutungen:  Sonne, 
Erde,  Kopf,  Auge,  Zunge,  Nase,  Ohr,  Hand,  Haut,  Weib 
haben,  also  den  naheliegendsten  Dingen  entsprechen,  so  ist 
nicht  einzusehen,  warum  der  hypothetische  malayo-polynesische 
Strom  gerade  für  diese  Dinge,  nicht  auch  für  andere  seine 
Bezeichnungen  zurückgelassen,  während  die  Erhaltung  der- 
selben, falls  sie  altes  Gut  sind,   der  Erklärung  nicht  bedarf. 


1)  Jahresbericht  über  die  morg.  Studien  1878  S.  96. 


8€knorr  v,  Carolsfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        283 

Solange  daher  nicht  gewichtige  Oegengründe  geltend  gemacht 
werden,  haben  wir  an  der  ursprünglichen  linguistischen^) 
Ednh^t  der  Malayo-Polynesier,  Australier,  Melanesier,  Neu- 
Guineer  und  Mikronesier  festzuhalten.  Das  Auseinander- 
gehen im  Wortschätze  kann  auf  manigfaltige  Gründe  zurück- 
gef&fart  werden:  zunächst  muss  die  grosse  Anzahl  von  Syno- 
nymen auch  auf  yerhältnissmässig  kleinem  Gebiete  —  man 
betrachte  z.  B.  darauf  hin  die  BNGV  —  auffallen.  Viel- 
leicht ist  der  Ausdruck  Synonymum  nicht  vollständig  deckend, 
denn  das  wären  jene  Wörter  blos  innerhalb  einer  Sprache, 
aber  der  Sinn  ist  an  und  für  sich  klar.  Diese  Synonyma 
haben  sicherlich  ursprünglich  nicht  die  gleiche  Bedeutung 
gehabt,  sondern  es  hat  eine  rege  Verschiebung  der  Benen- 
nungen von  naheliegenden  —  es  wäre  vollständig  irrig,  hier 
mit  unseren  Anschauungen  an  die  Beurtheilung  herantreten 
XU  wollen;  vgl.  das  oben  nachgewiesene  Zusammenlaufen  der 
Bezeichnungen  für  Tageszeiten  in  den  Begriff  »Wind*  — 
G^ensfönden  stattgefunden.  Werden  durch  diese  Verschie- 
bungen Dörfer,  nur  wenige  Meilen  von  einander  entfernt, 
scheinbar  weit  von  einander  getrennt,  so  kann  dies  um  so 
weniger  für  die  grossen  Gruppen  auffallen.  Als  besondere 
Art  der  Verschiebung  mag  die  Benennung  des  Genus  (Stern, 
Fisch)  nach  der  Species  gelten,  die  für  erstere  eine  grosse 
Zahl  verschiedener  Benennungen  schafft;  ebenso  verhält  es 
sich  mit  dem  Ganzen  zu  den  einzelnen  Theilen.  Ferner 
spielen,  wie  oben  wiederholt  zu  zeigen  die  Gelegenheit  war, 
eine  nicht  unbedeutende  Rolle  auf  unserem  Gebiete:  die 
Neubildungen ;  die  Wörter  werden  redupliziert,  mit  Präfixen, 


1)  Die  Möglichkeit  einer  anthropologischen  Einheit  suchte  nach- 
zuweisen 0.  Gerland,  Die  physische  Gleichheit  der  ozeanischen 
Rasse.  Leopoldina  1876  S.  23—32  u.  38—48.  Ueber  die  verschie- 
denen Ansichten  hinsichtlich  der  Verwandtschaftsverhältnisse  der 
Ozeanier  orientiert  ein  Aufsatz  von  C.  Hager,  Die  Rassenfrage  der 
insularen  Völker  besonders  der  Mikronesier;  Ausland  1886  S.  501—506. 


284       Sitzung  der  phäosrphUol,  Classe  vom  i.  Februar  1890, 

Suffixen  versehen,  wobei  dann  in  diesen  Neubildungen  oft 
gerade  der  wesentlichste  Theil,  das  Stammwort,  zuerst  ver- 
fällt und  so  ursprünglich  Zusammengehöriges  scheinbar  weit 
voneinander  abliegt.  Eine  im  vorstehenden  zahlreich  nach- 
gewiesene Art  der  Neubildung  ist  die  Zusammenschweissung 
zweier  Synonyma,  eine  Formation,  die  unserem  Sprachgefühle 
allerdings  nicht  nahe  liegt,  indess  in  der  Wortschöpfung 
.Furchtangst"  des  Redakteurs  eines  Provinzialblattes  ihr  ge-^ 
naues  Analogon  hat.  Beachtenswerth  ist  endlich,  dass  nicht 
etwa  für  einen  Begriff  nur  ein  australisches  Wort  einem 
melanesischen ,  beziehungsweise  neuguinei^ichen  entspricht, 
sondern  häufig  drei,  vier  und  noch  mehr  Varianten  auf 
beiden  Seiten  correspondieren ;  grosse  Verbreitung  eines  und 
desselben  Stammes  über  das  australische  Festland  ist  nicht 
minder  selten  als  in  Neu-Quinea  und  Melanesien. 

Als  Hauptmoment  gegen  die  Möglichkeit  einer  Verwandt- 
schaft zwischen  australischen  und  melanesischen  Dialekten 
pflegte  stets  der  ^ausschliesslich  suffigierende  Bau*  ^)  der 
erst^ren  im  Gegensatze  zu  dem  präfigierenden  der  letzteren 
geltend  gemacht  zu  werden.  Doch  ist  zu  bedenken,  dass 
unsere  grammatische  Kenntniss  der  australischen  Sprachen 
noch  sehr  dürftig  ist,  und  vor  allem,  dass  das  wenige,  was 
wir  wissen,  durchaus  dem  südlichen  Theile  des  Festlandes 
angehört;  dass  die  nördlichen  Partieen  gleiche  Verhältnisse 
zeigen,  ist  einstweilen  noch  nicht  bewiesen.  Sehen  wir  aber 
selbst  von  dieser  Möglichkeit  vollständig  ab,  so  kann  auch 
in  dem  angezogenen  Gegensatze  kein  Grund  liegen,  eine 
Verwandtschaft  zwischen  Australien  und  Neu -Guinea  zu 
leugnen.  Da  wir  die  Geschichte  dieser  beiden  Sprachgruppen 
nicht  kennen,  ist  es  ungerechtfertigt,  von  vorneherein  voraus- 
zusetzen,  dass  der  uns  heute  vorliegende  Zustand  derselben, 

1)  V.  d.  Gabelentz  und  A.  B.  Meyer,  Beiträf^e  S.  384;  Fr. 
Müller,  Grundriss  II,  1    S.  2. 


schnorr  v.  CaroUfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        285 

identiacli  mit  dem  ursprünglichen  sei,  während  die  Möglich- 
keit, dass  derselbe  seeundär,  also  das  suffigierende  und  prä- 
figierende  Princip  auf  einem  nach  dieser  oder  jener  Seite 
gelegenen  älteren  beruhe,  einfach  nicht  in  Erwägung  ge- 
zogen wurde.  Dazu  kommt  der  wichtige  Umstand,  dass  die 
aosinilischen  Suffixe  einmal  schon  durch  die  häufige  Mehr- 
idlbigkeit,  dann  durch  das  häufige  Vorkommen  mehrerer 
Varianten  zum  Ausdrucke  einer  Beziehung  (so  beim  Impe- 
raÜT,  Infinitiv)  den  Eindruck  erwecken,  aus  selbständigen 
Wörtern  entstanden  zu  sein  —  können  wir  ja  nicht  einmal 
beurtbeilen,  ob  nicht  der  Eingeborene  heutzutage  noch  in 
diese  oder  jene  Variaute  einen  in  der  ursprünglichen  Be- 
deutung des  Suffixes  begründeten  Unterschied  lege:  um  die 
Sache  klar  zu  machen,  nehme  man  die  zwei  deutschen  Im- 
perative „bitte  hole  mir  das  und  das*"  und  «geh  hole  mir 
das  nnd  das* ;  die  australischen  Suffixe  können  sehr  wohl 
etwas  ähnliches  wie  unser  , bitte*  und  «geh*  bedeuten  oder 
bedeutet  haben.  Ist  uns  aber  einmal  die  Wahrscheinlichkeit 
nahegelegt,  dass  wir  es  vielfach  mit  —  sei  es  jetzt  noch,  sei 
es  wenigstens  früher  —  selbständigen  Wörtern  mit  eigener 
Bedeutung  zu  thun  haben,  und  dass  wir  bei  der  Deklination 
vielleicht  richtiger  von  Postpositionen  als  von  Suffixen 
sprechen,  so  dürfte  die  Stellung  keine  Schwierigkeit  mehr 
bereiten.  Die  Genetivpräposition  im  Melanesischen  ni  (Oo- 
drington,  Mel.  Lang.  144)  und  das  australische  Suffix  ni 
mit  der  Bedeutung  «of,  at,  in*  (Curr  III  S.  182)  könnten 
demnach  sogar  miteinander  verwandt  sein.  Bemerkenswerth 
ist  auch,  dass,  wie  das  Wörterverzeichniss  nachgewiesen  hat, 
hehr  oft  die  Varianten  nur  auf  Verschiedenheit  des  anlau- 
tenden Konsonanten,  der  dann  auch  ganz  fehlen  kann,  be- 
ruhen. Es  mag  darauf  hingewiesen  werden,  dass  wir  in 
dem  wechselnden  Anlaute  Reste  von  Präfixen  sehen  könnten, 
deren  Werth  und  Bedeutung  einstweilen  dahingestellt  sein 
mag.     Von  dieser  Erscheinung  wird  eine  andere  zu  trennen 


286        Sitzung  der  pküosrphüol,  Classe  vom  1,  Februar  1890, 

seil),  nämlich  der  in  vielen  Gegenden  Australiens  auftretende 
Verfall  des  Anlautes,  so  dass  z.  B.  y  an  die  Stelle  verschie- 
dener volltönenderer  Konsonanten  zu  stehen  kommt;  damit 
und  nicht  mit  der  ersteren  Kategorie  dürfte  der  häufige  (s. 
oben  S.  274)  belegte  Wechsel  zwischen  m  und  w  im  Anlaute 
verwandt  sein ;  über  ähnliches  im  Melanesischen  vergleiche 
Codrington.  Mel.  Lang.  S.  213f.  Der  Hauptwerth  der 
vergleichenden  Betrachtung  wird  eben  auch  auf  unserem 
Gebiete  in  der  gegenseitigen  Aufhellung  der  historischen' 
Entwickelung  bestehen.  Als  einen  der  interessantesten  und 
wichtigsten  Punkte  hebe  ich  das  Fehlen  von  /*,  5  und  h  (im 
Andamanischen  5,  s  und  f)  hervor,  da  die  Behandlung  dieser 
Frage  von  G.  Gerland  in  seinem  oben  zitierten  Aufsatze: 
„Zur  Lautlehre  der  australischen  Sprachen*  nicht  die  rich- 
tige ist.  Die  Gründe,  aus  denen  Gerland  annimmt,  dass 
die  genannten  nicht  ursprünglich  vorhanden  und  dann  ver- 
schwunden, sondern  umgekehrt  s  und  h  in  der  Bildung  be- 
griffen, f  überhaupt  nicht  in  Sicht  sei,  sind  folgende:  wären 
die  Laute  /",  s,  h  früher  dagewesen,  so  müssten  bei  so  vielen 
verscliiedenen  und  stellenweise  ganz  isolierten  Sprachen,  doch 
in  irgend  einigen  die  Laute  erhalten  sein;  eine  so  voll- 
kommene Gleichheit  des  Verlustes  wäre  ganz  ohne  Analogie 
und  wenn  diese  Spiranten  ursprünglich  existiert  hätten, 
raüssten  irgend  welche  Ersatzlaute  zurückgeblieben  sein,  und 
weiterhin  erscheinen  ihm  die  an  manchen  Stellen  nachweis- 
baren Palatallaute  als  Vorläufer  des  s,  woran  er  die  Be- 
merkung knüpft:  „die  Entwickelung  der  Laute  geht  vom 
Einfachen  zum  Complizirten*.  Letzterer  Satz  könnte  richtig 
sein,  aber  nur  unter  der  Bedingung,  dass  wir  jedem  einzelnen 
Volke  überlassen,  sich  zu  entscheiden,  was  einfach  und  was 
kompliziert  ist;  aber  trotzdem  dürfte  der  Satz  bedenklich 
sein,  da  man  z.  B.  bei  der  Entwickelung  der  indo-germani- 
schen  palatalen  Gutturalen  doch  höchstens  von  einem  Fort- 
schreiten von  dem  für  das  einzelne  Volk  schwerer  Aussprech- 


Sdinorr  r.  Carolsfeld:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens,        287 

baren  zum  leichter  Aussprechbaren  reden  kann.  Keinenfalls 
ist  daraus  irgend  etwas  auf  das  Yerhältniss  zwischen  den 
im  Australischen  vorhandenen  Palatalen  und  dem  hypothe- 
tischen s  zu  erschliessen.  Was  ferner  den  zweiten  Satz 
Gerlands  betrifft:  woher  können  wir  wissen,  dass  wirk- 
lich gar  kein  Ersatz  für  s^  um  bei  diesem  zunächst  zu 
bleil)en^  mehr  vorhanden  sei:  jedes  tc;,  y,  r  oder  ein 
anderer  Laut  kann  ja  ein  altes  s  vertreten  und  warum 
»ollte  der  Laut  ^  nicht  in  allen  australischen  Dialekten, 
mögen  sie  noch  so  getrennt  sein,  geschwunden  sein  können; 
auch  diese  Voraussetzung  ist  eine  völlig  unmotivierte  und 
nichts  gefahrlicher,  als  solche  ^fErfahrungssätze**  zweifel- 
haften Werthes  auf  andere  völlig  anders  geartete  Gebiete 
zu  übertragen.  Und  selbst  wenn  strikte  nachgewiesen  wäre, 
dass  s  im  Australischen  erst  entstehe,  so  folgte  daraus  doch 
noch  immer  nicht,  dass  s  nie  vorhanden  gewesen  und  da- 
her auch  nicht  verschwunden  seiu  könne;  denn  sekundäres 
s  neben  verschwundenem  primären  ist  leicht  zu  belegen. 
Lehrreich  ist  in  dieser  Beziehung  der  kleine  Abschnitt 
Ober  das  s  bei  Codrington  a.  a.  0.  S.  216.  Auf  Santa 
Cruz  gibt  es  kein  s;  in  Fremdwörtern  wird  t  an  seine 
Stelle  gesetzt;  in  einheimischen  j  iz:  ich :  auf  Duke  of  York 
tritt  w  fCir  s  ein  oder  dieses  schwindet  ganz,  während  es 
auf  Florida  zu  h  wird.  Abo  auch  hier  ein  unsicherer  Be- 
stand des  s,  daneben  aber  unzweifelhaft  erst  im  Laufe  der 
Zeit  entstandenes,  das  dann  an  dem  Schicksal  des  alten 
ebenso  Theil  nimmt.  Ein  paar  Beispiele  sollen  das  Gesagte 
beleuchten:  „Brust''  lautet  mal.-pol.  susu^  dessen  beide  s 
durch  die  weite  Verbreitung  der  Form  (Kern,  Fidjitaal 
S.  173;  Marre  a.  a.  0.  S.  100  f.)  als  alt  und  ursprünglich 
erwiesen  sind ;  melanesische  und  papuanische  Entsprechungen 
bei  V.  d.  Gabelentz  Nr.  228  NIS  sussung,  Mh  susuu,  Mf 
sus;  im  Tongischen  hoohoo  (Humboldt,  Kawi  Spr.  II  24G), 
im  Kowrarega   (Macgillivray  a.  a.  0.  II  297)   süsu,     Be- 

1890.  PhikML-phaoL  a.  hist  C1.  2.  19 


288        Sitzung  der  pkiio$.'phi!ol.  Gaste  rom  1.  Februar  1890. 

achten  wir  nan,  dass.  wie  Gerland  S.  93  selbst  bemerkt, 
einem  8  im  Kowrarega  häufig  ein  ch  im  Gudang  (am  Cap 
York)  entspricht,  so  darf  mit  den  genannten  Formen  das 
chacha  des  Dialektes  der  nur  wenig  sGdlich  von  Cap  York 
gelegenen  „Princess  Charlotte'-s  Bay*  (s.  Gurr  11  391)  identi- 
fizirt  werden:  d.  h.  ch  entspricht  mal.-poL-melan.-papuan. 
5,  so  dass  dessen  Priorität  vor  ch  feststeht.  Andererseits  hat 
Hekundäres  anlautendes  s  entstanden  aus  lingualem  4  (Kern 
Fidjitaal  S.  173)  Mc  1  surle,  Mh  huli,  B  surisuri,  Fi  sui; 
in  einzelnen  poljnesischen  Dialekten  verschwindet  dieses  s 
ebenso  wie  das  alte:  Neuseeland  und  Tahiti  iwi^  wie  dem 
genannten  sttsu  daselbst  ü  entspricht  (Haie  a.  a.  0.  S.  328 
und  329).  Im  Australischen  treffen  wir  noch  die  alte  Form  i 
hier  anlautend  mit  t:  173  turragun^  172  terragun^  187 
tirruk;  daneben  aber  Varianten  mit  anlautenden  Palatalen, 
die  natürlich  ebensogut  auf  s  zurückgehen  wie  in  chacha: 
32  chular,  167  geera.  Vgl.  auch  noch  »Baum*  (Gabelentz 
Nr.  113)  Ma  sereie^  Kowrarega  (a.a.O.  S.  291)  sirä-sirä; 
Austr.  Moreton  Bay  (Turner  a.  a.  0.  Compar.  View)  gira. 
Schon  oben  (S.  247)  bei  Aufzählung  der  unter  den 
Begriff  ^ozeanische  Rasse"  fallenden  Völkerschaften  waren 
auch  die  Bewohner  der  Audamanen^)  mitangeführt  worden, 
und  in  der  vergleichenden  Wortliste  hat  sich  wiederholt  die 
Gelegenheit  gegeben,  auch  andamanische  Wörter  mit  heran- 
zuziehen. Das  Andamanische  nimmt  einerseits  Theil  an 
W(*)rtern,  die  dem  Gesamnitstanirae  der  Ozeanier  anzugehören 
scheinen,  wie  es  bei  „Arm"  nachgewiesen  werden  konnte. 
Dann  Hessen  sich  aber  in  mehreren  Fällen  andamanischen 
Formen  nur  solche  aus  dem  Australischen,  nicht  auch  aus 
anderen  Theilen  des  ozeanischen  Gebietes  zur  Seite  stellen : 
einige  weitere  derartige  sind  noch  folgende: 

1)  Als  iHoliert  bezeichnen  das  Andamanische  Temple,  J.  A.  I. 
XU  (1833)  S.  123  und  Friedr.  Müller,  Grundr.  d.  Sprach wissenscb. 
IV.  1  S.  39. 


Schnorr  v.  Carolsfdd:  Zur  Sprachenkunde  Ozeaniens.        289 

Graben.  Andam.  I  bang  ke^  II  pung  kan,  III  ot  pong^  IV 
dra  pcng;  Voc.  Austr.  V  5  bunga,  10  banga^  11  bangtic, 
2  bcumgoc. 

ScHüLTKB.  Andam.  II  mä  kuropi^  III  me  kuro  puiä,  IV 
tne  kurabi;  Austr.  bei  Ridley  Kämilaröi^  S.  125  Dippil 
iöra;  geht  das  puid  auf  einen  ähnlichen  Ausdruck  wie 
Kogai  bira  zurück? 

TODT.  Andam.  III.  IV  em  pil;  Austr.  bei  Ridley  a.  a.  0. 
S.  128 :  Kämilaröi  balün^  Wiradhuri  balluifiy  Wodi-Wodi 
bultin. 

4 

Dazu  kommen  noch  einige  merkwürdige  Uebereinstim- 
mungen  zwischen  dem  Andamanischen  und  Australischen 
hinsichtlich  der  Flexion.  In  ersterem  tragen  im  Nominativ 
die  Nomina  d&s  Suffix  -da  an  sich,  dem  sich  der  australische 
Exponent  des  Nom.  agens  -du^  -du  vergleicht;  hierher  ist 
auch  das  von  Grube  bei  v.  d.  Gabeientz  und  Meyer 
a.  a.  O.  S.  506  behandelte  Suffix  -de  des  Dialektes  von  Bo- 
gati auf  Neu-Guinea  zu  stellen.  Dann  könnte  das  Plural- 
snffix  'la  (daneben  -lär)  mit  dem  Dualsuffix  -Wa,  -dla  der 
Sprache  von  Adelaide  (Friedr.  Müller,  Grundriss  II  1  S.  65) 
und  dem  Pluralsuffixe  n  der  Parnkalla-Sprache  (a.  a.  0. 
S.  75),  das  in  Australien  häufige  Instrumentalsnffix  -la  (a.  a.  0. 
S.  93)  mit  dem  entsprechenden  andamanischen  -la  identisch 
sein.  Endlich  sei  noch  auf  das  Zusammentreffen  in  der  Prä- 
teritalbezeichnung  zwischen  dem  Andamanischen  und  Tur- 
nibul  hingewiesen:  Andam.  -re  (Portman,  Andam.  Man. 
S.  5),  Turrubul  -ri  (Ridley  a.  a.  0.  S.  79).  Indess  selbst 
unter  der  Voraussetzung,  dass  die  angeführten  Punkte  nicht 
auf  Zufall  beruhen,  beweisen  sie  doch  eine  nähere  Zusam- 
mengehörigkeit zwischen  dem  Andamanischen  und  Australi- 
schen nicht. 

Ebensowenig  möchte  ich  besonderes  Gewicht  auf  den 
Umstand  legen,   dass  im  vergleichenden  Wörterverzeichnisse 


290        Sitzung  der  phüos.-phüol,  Clanse  vom  1,  Februar  1890, 

die  Wörter  und  Varianten,  welche  Australien  und  den  Papua- 
idiomen  (namentlich  Neukaledonien  stellt  ein  reiches  Kon- 
tingent) gemeinsam  sind,  jene  weit  überwiegen,  in  denen 
Australien  und  die  melanesischen  Sprachen  übereinstimmen. 
Vor  allem  verdienen  hier,  wie  bereits  Latham')  nachge- 
wiesen, die  im  Osten  von  Neu-Guinea  gelegenen  Inseln  Be- 
achtung, die  in  ihrem  Wortschatze  zahlreiche  Anklänge  an 
australische,  papuanische  aber  auch  melanesische  Wörter 
zeigen.  Ich  füge  seinen  Zusammenstellungen  einige  weitere 
Vergleichungen  hinzu : 

Arm.  Ombay  iharana^  NC  boraen;  Voc.  Austr.  I  7  bomu 
(vgl.  oben  239  e). 

Nase.  Ombay  imouni^  Mangerei  mmi,  Mc  1  niana,  Mc  2 
wana-oho, 

Kopf.  Ombay  imocila,  Turrubul  (bei  Ridley  a.  a.  0.  S.  123) 
mägTih  dann  bei  Gurr  27  mogga^  28  muggar. 

Knie.  Ombay  icici-bouka.  Mar  buke^  Voc.  Austr.  II  unter 
^knee"  2  baaching,  6  bahtcheen,  11  patcheengen^  unter 
^kneecap*    10  batying. 

Bein.     Ombav  irdka,  BNGV  S.  19  Nr.  19  arahia. 

Busen.     Ombay  ami  (s.  oben  Nr.  196c). 

Bauch.  Ombay  te-kap-ana,  Ar.  kapuri,  EM  kupör^  M  I 
koupore  („Nabel"),  BNGV  S.  13  Nr.  11  habera;  auch 
Austr.  corpeU  Voc.  Austr.  I  9  und  Mf  kraf  sind  wohl 
verwandt. 

Sterne.     Mangerei  ipi  berre  (vgl.  oben  Nr.  48a). 

Kopf.     Mangerei  jähe;  zu  210 e? 

Sterne.  Timbora  kwgkovg;  dazu  Austr.  195  jingee^  196 
jenva  (194  tingee)? 


1)  8.  oben   S.  249   und   Latham,    Elements  of  comp.  Gramm. 
S.  883. 


^ 
i 


Schnorr  v.  Caralsfeld:  Zur  Sprachenkunde  OzeatUefis,        291 

Mond.  Timbora  wang^ong;  das  <yiig  ist  wohl  entstanden  aus 
kong  wie  dieses  auch  in  kingkong  «Sterne* ,  ingkong 
, Sonne*.  Zu  mang  vgl.  NC  manoc;  doch  sind  die  Formen 
ohne  Nasal  häufiger:  T  magoa,  maukua;  dazu  iui  Austr. 
zahlreiche  Verwandte:  meke,  meka,  mega  u.  s.  w. 

SoxSK.  Timbora  ingkong;  zu  ing  vgl.  oben  47b;  mit  kong 
vgl.  Austr.  27  kang. 

Blpt.  Timbora  kero;  Austr.  65  garoo^  67  garroo;  Mc  1 
gaier. 

Kopf.     Timbora  kokore  (vgl.  oben  210  g). 

Fisch.     Mangerei  appi  (s.  oben  163  a). 

Einige  weitere  Wörter  entnehme  ich  den  Vocabularien 
bei  Kaffles,  History  of  Java  II  S.  CXCVIII  f.,  und  von 
der  Gabelentz,  Melanes.  Sprachen  l  S.  5ff. : 

Erde.     Mangerei  tana  (s.  oben  78.  79  a). 

Wasser.  Timbora  naino;  Fa  wai,  EM  naii,  wci,  Ss  noai, 
Moo  nanou^  Er  nu,  Hu  naan. 

Feuer.  Mangerei  atia,  Ut  uta;  Gabelentz  a.a.O.  kennt 
ein  Port  Dorei  oeia;  hierher  dann  auch  Austr.  188  watta^ 
195  wudday  211  tvatha, 

Mensch.  Mangerei  anünu  (Latham  Elements  S.  300  schreibt 
amunu);  Anu,  Mh  tinoni^  6,  G  inoni^  D  unie,  Mf  snun; 
vgl.  Kern,  Mafoor  S.  263. 

Zwei.     Timbora  kalae  (s.  oben  22  b). 

Auch  die  Frage  nach  der  ursprünglichen  Einheit  der 
australischen  Sprachen  wird  nunmehr,  da  weitere  Verwandte 
derselben  nachgewiesen  sind,  von  einem  wesentlich  anderen 
Standpunkte  betrachtet  werden  müssen,  als  es  Friedrich 
Müller,  Grundriss  II  1  S.  90  ff.,  that.  Seine  Gründe  be- 
weisen dieselbe  nicht:  einmal  muss  abermals  betont  werden, 
dmas  ans  den  wenigen  uns  bekannten  australischen  Sprachen 


292        Sitzung  der  phüos.-pMol,  Glosse  vom  1.  Februar  1890. 

nicht  auf  die  Gesammtheit  geschlossen  werden  darf;  ander- 
seits kann  aus  allen  den  Wörtern  nichts  entnommen  werden, 
die  sich  auch  ausserhalb  Australien  nachweisen  lassen.  Die 
Möglichkeit,  dass  einzelne  namentlich  nördliche  Dialekte  mit 
solchen  ausserhalb  Australien  näher  verwandt  sein  könnten, 
als  mit  den  übrigen  dieses  Continents,  wird  demnach  mit 
in  Erwägung  zu  ziehen  sein,  zumal  ja  auch  das  Fehlen  von 
5,  h  und  /*  für  Verwandtschaft  nichts  beweist. 

Indess  diese,  wie  viele  andere  Fragen,  namentlich  die 
nach  einer  möglichen  Zusammengehörigkeit  unseres  ozeani- 
schen Stammes  mit  der  von  E.  Kuhn  in  seinen  „Beiträgen* 
nachgewiesenen  hinterindischen  Gruppe,  werden  einer  be- 
friedigenden Lösung  nur  dann  zugeführt  werden  können, 
wenn  wir  bei  ihrer  Behandlung  das  gesammte  ozeanische  -S 
Sprachgebiet  heranziehen.  Hier  sollte  nur  der  Nachweis  der  i 
Zugehörigkeit  auch  der  Andamanen  und  Australiens  in  lin- 
guistischer Beziehung  zu  den  übrigen  Gliedern  der  ozeani- 
sehen  Rasse  versucht  werden. 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom  1.  Februar  1890. 

Die  Sitzung  wurde    durch    geschäftliche  Verhandlungen 
in  Anspruch  genommen.    Ein  Vortrag  wurde  nicht  gehalten. 


Sitzungsberichte 

der 

kOoigl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Philosophisch-philologische  Classe. 

Sitzung  Yom  1.  März  1890. 

Herr  Wölfflin  hielt  einen  Vortrag: 

,Die  Inschrift  der  Columna  rostrata.* 

Zur  Erinnerung  an  die  Seeschlacht  bei  Mjlae,  welche  im 
Jahre  260  v.  Chr.  Rom  aus  einer  Landmacht  zur  Seemacht 
erhob,  und  zu  Ehren  des  kühnen  Siegers,  C.  Duilius,  er- 
richteten die  dankbaren  Mitbürger  auf  dem  Forum  die  mit 
den  Schi£&schnäbeln  der  erbeuteten  Schiffe  gezierte  Cohirana 
rostrata.  Deutlich  sagt  diess  Quintilian  1,  7,  12  mit  den 
Worten:  columna  rostrata,  quae  est  Duilio  in  foro  posita; 
eine  abweichende  Angabe  des  Servius  in  dem  Commentar  zu 
Verg.  3,  29,  dass  Duilius  selbst  sie  gesetzt  (D.  posuit),  möchte 
ich  am  einfachsten  auf  ein  Missverständniss  zurückführen, 
da  columna  Duilio  posita  in  der  That  zweideutig  war,  und 
nach  einem  den  augusteischen  Dichtem  geläufigen  Sprach- 
gebrauche ')  der  Dativus  als  sogen.  Dativus  graecus  auf- 
gefasst    auch    den    Errichter    der   Säule    bezeichnen    konnte. 


1)  Hör.  carm.  2,  6,  5  Tibur  Argeo  positum  colono;  Ond  trist.  5, 
9,  2;  metam.  18,  782. 

Uta  PhikM.-pliUoL  o.  hitt  Ol.  8.  20 


294         Sitzung  der  phÜ08.-phüol.  ClcLsse  vom  1.  März  1890, 

Den  weniger  glücklichen  Amtsgenossen  des  Duilias,  den 
Consul  Cn.  C!ornelius  Scipio,  welcher,  offenbar  um  vor  den  | 
Stürmen  des  Meeres  Schutz  zu  suchen,  in  den  Hafen  von 
Lipara  eingelaufen  und  daselbst  von  den  Karthagern  gefangen 
worden  war,  erwartete  bei  seiner  Bückkehr  eine  andere  Aus- 
zeichnung; er  erhielt  den  Spitznamen  Asina,  dem  Sinne  nach 
so  viel  als  , Wasserscheu',  weil  die  Eselin  nach  Plin.  nat. 
bist.  8,  1G8  in  auffallender  Weise  das  Wasser  scheut.*) 

Dass  die  columna  rostrata  ein  Standbild  des  Duilius 
getragen  oder  dass  ein  solches  neben  der  Säule  gestanden, 
wird  nicht  überliefert;  man  möchte  diess  gerne  glauben,  da 
die  Inschrift,  welche  wir  zu  besprechen  gedenken,  sowohl 
wegen  der  massigen  Höhe  und  Breite  des  Steines  eher  Basis 
einer  Statue  zu  sein  scheint,  als  auch  die  Form  Duilius  .  .  . 
vicet  (nicht  Duilio  im  Dativ)  diese  Ansicht  unterstützen  würde. 
Selbstverständlich  ist  nur,  dass  auch  die  blosse  Säule  eine 
Inschrift  haben  musste,  theils  weil  das  Kunstwerk  einer  Er- 
klärung bedurfte,  theils  weil  die  Römer  nie  versäumt  haben, 
ihre  Thaten  den  spätem  Geschlechtern  als  Vorbilder  vorzu- 
halten: streitig  dagegen  ist,  wie  die  erhaltene  Marmorplatte 
sich  zu  dieser  verhalte.  Der  Verfasser  des  Artikels  Duilius 
in  Paulys  Realencyclopädie  bezeichnet  mit  Berufung  auf  ver- 
schiedene Vorgänger  die  Inschrift  als  unächt,  weil  im  Gegen- 
satze zu  der  geschichtlichen  Ueberlieferung  die  Entsetzung 
von  Segestil  und  die  Eroberung  der  sicilischen  Stadt  Macella 
vor  dem  Seesiege  erwähnt  seien,  statt  nach  demselben.  Nur 
wenige  halten  sie  heutzutage  für  eine  Copie  der  ursprüng- 
lichen aus  der  ersten  Kaiserzeit,  so  Emil  Hübner,  und 
G.  Edon,*)  obschon  diess  früher  die  vorherrschende  Ansicht 
war;  die  Mehrzahl,  schon  Sirmond  und  Niebuhr,  neuerdings 


1)  Vgl.  Arch.  f.  lat.  Lexikogr.  u.  Gramm.  VII,  Heft  1.  2.  Miscell. 

2)  K.  Hübner,  Exempla  script.  epigraph.  lat.  1885.  pg.  30.  Ders. 
IU')W.  Kpigraphik  in  Iw.  Müllers  Hdb.  d.  Klass.  Alt.  Wiss.  I  634.  G.  £don^ 
Ecriture  et  prononciation  du  latin.  Paris  1882.  pref.  p.  XIII — XV. 


\y/tif(lin:  nie  Usthifi  der  Colur 


2115 


dn-  Altmeister  der  rfiraischen  KpigrapbJk  und  Getichtuht- 
schreibunp,  Th.  Uoraiiisei),  dem  schliesHÜch  auch  Uitschl') 
beigetreten  ist,  früher  auch  Max  Müller')  (welcher  brieflich 
seine  Ansicht  aufgegeben  bat),  sehen  in  ihr  nichts  anderes 
aIs  die  freie  Erfindung  eines  die  nlte  Sprache  unge§cbickt 
nachahmenden  ttrauimatikers,  den  Hjtscfat  in  die  Zeit  des 
C'lundina  setzte.  Dass  aie  ein  Ueberrest  der  im  Jabre  2lj0 
oder  bald  darauf  errichteten  Säule  aei,  glaubt  niemand,  und 
schon  die  Buchstabeofornien  machen  eine  sob'.he  Annahme 
geradezu  iinnifSgHcb. 

Die  Inflchrift  ist  nicht,  wie  man  vielleicbt  erwarten 
könnte,  in  saturnischen  Versen  abgefasst,  sondern  in  Prosa: 
Hie  ist  auch  nicht  kurz,  wie  andere  ähnliche,  sondern  ziemlich 
umfänglich.  Wahrscheinlich  haben  die  Zahlenangaben  über 
erbeul«te8  Gold  und  Silber  sowie  über  den  Erliis  ans  der 
Beute  die  dichterische  Form  ausgescbloasen.  Aber  ob  tne 
das  allerältexte  Latein  sei.  zwanzig  Jahre  älter  als  Livius 
AnHruniciis.  den  wir  als  den  Begründer  der  römischen  Litte- 
ratur  betrachten,  oder  ob  ein  Erzeugniae  der  Kaiserzeit,  ist 
doch  gewiss  eine  wichtige  Streitfrage;  nnr  ist  man  in  der 
Wahl  deii  Mitte]»  dieselbe  zu  lösen  wenig  glücklich  gewesen, 
wenn  man  sich  auf  die  Orthographie  und  die  Flexions- 
endungen ««totste,  in  der  vor  wenigen  Jahrzehnten  allgemein 
Terbreiteten  Vorstellung,  als  sei  mit  der  llntersuchung  der 
Formenlehre    das    iircbaiscbe    Latein    ergründet.     Vielmehr 


1)  Corp.  inscr.  lal.in.  I  p.  W.  Ritsdil,  Priocae  livtin.  nionum. 
epigtaph.  col.  B2:  titnlum  DaelliiiDum  ccrtiBBiiunni  eat  aoa  imto 
Claadiana  fere  teuipom  factum  esaa,  et  dp  ea  quidem  nplute  vel  e 
prialino  vtl  omnino  ex  antiquiore  aliquo  quod  superessiit  eieiii|ilo 
repetiliiDi  iaiitaunitnmve.  vemm  xolo  antiqaarioruiu  i^tudic  •'t  doctcina 
ad  eam  siiRciem  *etuat.-iti>i,  quam  n^nimo  suo  inrormasüänl,  et  iLfKutinn 
rt  lorjniKins  oftictnm.     Dera.  üpuw.  philolog    IV  p.  183  —  212. 

31  t'leckfiaen.  Jabrb  f.  Philo!.  187ft.  S.  697.  -  Ebenso  H.  Jordan, 
Tnpogruphie  der  Sl.a.lt.  Rom   I  2,  8.  232,  Note  67. 


296         Sitzmig  der  phüo8,-phüöl.  Classe  vom  1,  März  1890, 

raass   die   Untersuchung   nicht   von  den   Formen    ausgehen, 
die  bei  einer  späteren  C!opie  leicht  modemisirt  werden  konnten,  J 
sondern  von  dem  Wortschatze  und  der  Wortfügung,  welche 
bei  einer  Transscription  der  Inschrift   der  Aenderung   nicht 
unterworfen   waren.     Hat  man  sich    daraus  ein  Urtheil  ge- 
bildet, so  wird  man  allerdings  verpflichtet  sein,  die  Erklärung 
der  Orthographie  und  Flexion  damit  in  Einklang  zu  setzen. 
Je    mehr   aber   heutzutage   das   historische  Wörterbuch    und 
die  historische  Syntax  gegenüber   der   historischen    Formen- 
lehre  vernachlässigt  sind,    desto   mehr  fühlen   wir  uns  ver- 
pflichtet, was  sich  daraus  gewinnen  lässt,  auf  das  Gebiet  der 
Epigraphik  zu  übertragen.     Auch  wer  sich  nicht  entschliessen   / 
kann    unserer   Ansicht   beizutreten,    wird    hoffentlich    einge-   1 
stehen,    dass   die    Gründe  für  die  Aechtheit   bisher  nicht  so, 
wie  sie  es  verdienen,  geltend  gemacht  worden  sind. 

1.  Die  Unächtheit.  Beginnen  wir  mit  der  Zurück- 
weisung des  Einwurfes,  dass  die  Thatsachen  chronologisch 
falsch  geordnet  seien.  Duilius  landete  nach  dem  Seesiege 
die  Legionen,  entsetzte  die  Stadt  Segesta,  in  welcher  ein 
römisches  Heer  eingeschlossen  war,  ohne  Kampf,  da  die 
karthagische  Belagerungsarmee  floh,  und  nahm  die  sicilische, 
den  Puniern  verbündete  Stadt  Makella  mit  Sturm.  Wenn 
nun  die  Inschrift  den  Seesieg  an  das  Ende  stellt,  so  könnte 
man  diess  zunächst  mit  dem  rhetorischen  Gesetze  der  Gradatio 
rechtfertigen;  aber  es  ist  femer  zu  berücksichtigen,  dass  dem 
Duilius  der  Oberbefehl  über  die  Landmacht  übertragen  war, 
wie  dem  Scipio  der  über  die  Flotte  (Polyb  I  21,  4.  22,  1. 
23,  1),  und  dass  jener  erst  nach  der  Gefangennahme  seines 
Collegen  an  dessen  Stelle  eintrat;  er  war  desshalb  voll- 
kommen im  Rechte,  wenn  er  in  seinem  Berichte  an  den 
Senat  zuerst  der  Operationen  des  Landheeres  gedachte.  Dazu 
kommt  noch  eine  zweite  Erwägung.  Wir  wissen  aus  Servius 
zu  Verg.  Aen.  1,  377,  dass  die  Annales  maximi  jedes  Jahres 
die   chronologische    Aufzählung    der   Kriegsthaten   zu  Lande 


.] 


WolffUn:  Die  Inschrift  der  Cölumna  rostrata.  297 

und  zu  Wasser  (terra  marique  gesta)  enthielten.  Jahr- 
hunderte lang  hatte  die  römische  Chronik  nur  von  Land- 
schlachten  zu  erzählen;  als  Duilius  mit  der  ersten  neu  er- 
bauten Flotte  den  glänzenden  Sieg  erfocht,  war  die  Lage 
Terendert,  und  man  bewilligte  daher  auch  dem  Consul  den 
ersten  triumphus  navalis;  aber  conservativ,  wie  die  Römer 
waren,  und  der  Pontifex  maximus,  welcher  die  Jahrestafel 
redigirte,  erst  recht,  konnten  sie  in  den  Annalen  zuerst  die 
Thaten  zu  Lande  au£PÜhren,  und  dann  erst,  nachdem  der 
alten  Sitte  genögt  war,  das  Neue  als  zweiten  Theil  folgen 
lassen.  Dass  die  Inschrift  nicht  dem  Kalender  folge,  sagt 
sie  selbst  deutlich,  indem  sie  den  Bericht  über  den  Seesieg 
mit  den  Worten  enque  eodem  macistratud  einleitet,  womit 
sie  den  Consul  Duilius  als  Führer  des  Landheeres  von  dem 
Admiral  Duilius  scheidet;  ja  sie  gedenkt  sogar  der  Verdienste 
des  Duilius  um  den  Bau  der  Flotte,  was  ja  chronologisch 
Tor  die  Befreiung  Segestas  und  die  Erstürmung  von  Macella 
fallen  musste,  sachlich  aber  richtiger  mit  dem  Seesiege  ver- 
bunden ist.  Kann  man  daher  in  dieser  Sachlage  unmöglich 
ein  Zeuguiss  für  die  Unächtheit  finden,  so  unterstützt  sie 
noch  weniger  die  Ansicht,  als  hätte  ein  späterer  Grammatiker 
diese  für  uns  ungewöhnliche  Anordnung  der  Thatsachen  er- 
funden; umgekehrt  liegt  in  ihr  vielmehr  ein  Beweis  der 
Aechtheit.  Auch  in  den  inschriftlich  erhaltenen  Triumphal- 
fasten  heisst  es  im  Widerspruche  mit  der  Chronologie,  Duilius 
habe  triumphirt:  de  Siculeis  (welche  Macella  vertheidigten) 
et  classe  Poenica,  so  dass  man  consequenter  Weise  auch  diese 
fQr  unächt  erklären  müsste. 

2.  Das  archaische  Gepräge  der  Inschrift.  Um  mit 
der  Untersuchung  des  Wortschatzes  zu  beginnen,  so  ist 
eine  Partikel  der  Beobachtung  Ritschis  entgangen,  welche 
in  den  wenigen  erhaltenen  Zeilen  nicht  weniger  als  7  mal, 
und  wenn  man  die  unbestrittenen  Ergänzungen  hinzi* 
9  mal  vorkommt,   und  zwar  so,    dass   die  Concurv 


298         Sitzung  der  phüos.-philol.  Classe  vom  1.  März  1890, 

gänzlich  fehlen:  es  ist  die  Partikel  que,  neben  welcher  et, 
ac,  atque  fehlen,  wesshalb  sie  auch  von  den  Ergänzungen 
ausgeschlossen  werden  müssen.  Da  das  Sanskrit  eine  einzige 
copulative  Partikel  kennt,  ca,  griechisch  rc,  lateinisch  que, 
so  ist  es  wohl  denkbar,  dass  im  ältesten  Latein  que  allein 
gebräuchlich  war.  Diess  zeigt  sich  in  der  Curialsprache, 
welche  noch  lange  an  que  festgehalten  hat,  so  dass  in  der 
lex  Cornelia  25  que,  kein  et,  in  der  lex  agraria  46  que,  ein 
einziges  et  (§  30  et  in  <*um,  um  inque  zu  vermeiden),  in 
dem  Senatus  Gonsultum  de  Bacanalibus  5  que,  kein  et  vor- 
kommen. In  dem  Entwürfe  eines  Senatsconsultes  bei  Cic.  \ 
Phil.  14,  36  ff.  zählen  wir  23  que,  kein  atque,  zwei  et,  und 
diese  nur,  weil  Cicero  es  vermeidet  que  einem  auf  kurz  e 
auslautenden  Worte  que  anzuhängen:  §  37  existimare  et 
iudicare,  §  38  salute  et  libertate.  Vgl.  meine  Anmerk.  zu 
bell.  Afr.  51,  3.  85,  4.  92,  4. 

Es  ist  aber  nicht  nur  die  Alleinherrschaft  der  Partikel 
que  an  sich,  welche  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich  zieht, 
sondern  der  Umstand,  dass  dieselbe  zweimal  einer  einsilbigen 
Präposition  angehängt  wird,  was  im  grossen  Ganzen  ver- 
mieden worden  ist.  Weniger  anstössig  ist  Z.  5  enque  eodem 
macestratod,  weil  auch  Cicero  p.  Rose.  Am.  114  inque  eam 
rem  und  offenbar  im  Anschlüsse  an  die  Curialsprache  de 
divin.  1,  102  inque  feriis  imperandis  geschrieben  hat.  Vgl. 
G.  Landgraf,  zu  Cic.  Rose.  S.  337.  411.  Eine  stärkere  Ab- 
weichung vom  klassischen  Gebrauche  zeigt  Z.  8  cumque 
eis  navebos,  weil  das  Sprachgefühl  dahin  entschieden  hat, 
cumque  als  Temporalpartikel  zuzulassen,  als  Präposition  zu 
verwerfen.  Dass  die  ältere  Sprache  dagegen  unbedenklich 
que  der  Präposition  cum  (quom)  angehängt  hat,  namentlich 
vor  folgendem  Pronomen  is,  ersehen  wir  aus  Livius  Andro- 
niciis  bei  Prise.  6,  6  cumque  eo;  Plaut.  Truc.  277  cumque 
ea  noctem  pernoctare;  PI.  Stich.  409  cumque  eo;  Ter, 
Haut.  811  cumque  incepto,  und  wenn  noch  Sallust  Cat.  6,  1 


Wf^fflin:  Die  Iitachriß  ihr  Colin 


299 


cutuqiie  eis  Ahorigines  diese  Verbiudung  billigt,  su  kann 
dieas  bei  seiner  bekiimitea  Liebhaberei  t'ür  urchuisches  Latein 
nicht  befremdlich  erscheinen,  t^inzeltie  .Ausnahmen •)  ver- 
inÖKeu  diese  Kegel  nicht  nm/u^tossen ;  bestätigt  wird  i^ie  bei- 
läufig dadurch,  dass  auch  Caesar  und  seine  Fortsetzer  wieder- 
holt deque,  eiqae,  irnjue,  perque,  circuinque  und  ä.,  aber 
nie  cunique  geschrieben  hüben.  Somit  werden  wir  zu  dem 
ächiu.'^e  gedrängt,  cumque  mit  fulgendem  Pron.  demonstr. 
Hei  eine  in  archaischer  Latinität  übliche  Verbindung  gewesen, 
und  et*  wäre  in  der  That  auffallend,  wenn  eiu  Grammatiker 
der  dandinniücheu  Zeit  auf  dieselbe  verfallen  wäre,  da  nie 
zu  seiner  Zeit  abgestorben  war. 

In  düjipelter  Hinsicht  bemerk  enswerth  ist  es,  diiss  der 
Oberbefehlshaber  des  kartliagiscben  Belagerungsheeres  vor 
Segesta,  Hamiikar,  maxintos  macistratos  genannt  wird, 
woffir  diu  klassische  Latein  etwa  sunimus  dux  oder  imperator 
sHgeu  würde.  Ungewöhnlich  erscheint  uns  vielleicht,  daes 
ruaci.stratos  sich  speciell  »uf  ein  militärisches  Cummandu 
besieht :  wer  aber  an  den  magister  ei|iiitum,  den  magister 
populi  ^  dictator  (Mommsen,  röm.  Staatsrecht  IP  l^S),  an 
die  iniigistri  uHvium  und  suciorum  navnlium  l)ei  Livius  20, 
25.  7.  43,  8,  7.  45,  42,  3.  an  den  magister  elephantoruni 
bei  Liv.  37,  4t,  1,  an  den  magister  militiae  und  rei  militaris 
bei  Liv.  22,  23,  2.  24.  48,  5  denkt,  der  wird  eich  sagen 
laitssen,  dass  in  älteater  Zeit  das  Wort  magister  von  dem 
KriegsweNen  nicht  aui«gesch  lotsen  war.  Dass  uiacistratos  für 
aiacister  gesetzt  ist  (Zeile  5  mnc.  abstract  vom  Amte),  dürft« 
sich  darauH  erklären,  daas  kein  Genetiv  beigefügt  ist;  die 
Form  nach  der  zweiten  Declination  ist  jetzt  geschützt  durch 
pmve  magistrato  in  der  Lex  Colon,  üenet.  127  (Ephem. 
epigr.  II   p.   115.  22J))    und   durch    niagistrati   in   den    Pasti 

1)  Sen,  Hero.  for.  823  i:iiroque  dexerl.ft  rate:  itocli  Liv.  33,  43.7 
cnm  fJrmisqoH.  Ander«  l'laut.  Psnnd.  S38  tl.  cam  candimentiir  tuin 
cuniquc  tiiis. . .  mcndai-lis :  Cure.  2  etc. 


i 


■■: 


300        Sitzung  der  phüos.-phüoL  Glosse  vom  1.  März  1890. 

Philocali  Corp.  inscr.  I  p.  356.  Auch  was  auf  der  Platte 
des  Senatus  consultum  de  Bacanalibus  überliefert  ist:  pro 
magistratuo  ist  vielleicht  nicht  in  magistratud  zu  emendiren, 
zumal  ein  solcher  Ablativ  der  vierten  Declination  nirgends 
bezeugt  ist,  sondern  das  falsche  u  sollte  durch  o  ersetzt 
werden,  und  das  Tilgungszeichen  ist  vergessen  worden  oder 
heute  unsichtbar. 

Maximos  aber  zur  Bezeichnung  des  Oberbefehlshabers 
ist  altlateinisch  nach  Analogie  von  pontifex  maximus  (ent- 
sprechend pontifices  minores),  curio  maximus  (Fest.  p.  126),  J 
haruspex  maximus  (Corp.  inscr.  VI  2164.  2165),  praetor 
maximus  (=  dictator,  Liv.  7,  3,  5),  wozu  Festus  p.  161*  M. 
bemerkt,  der  Ausdruck  beziehe  sich  nicht  auf  d&s  Alter, 
sondern  ad  vim  imperii.  Im  klassischen  Latein  wird  maximus 
durch  summus  ersetzt,  z.  B.  Caes.  Gall.  7,  21  summum  esse 
Vercingetorigem  ducem;  Cic.  divin.  2,  55  summus  haruspex; 
gerade  wie  Plautus,  Terenz,  Cato  ausschliesslich  maxumo 
opere  oder  opere  maxumo  sagen,  Lucretius,  Cicero  und  die 
Späteren  daneben  auch  summo  opere,  bezw.  summopere. 
Ungewöhnlich  bleibt  die  Voranstellung  von  maximos,  ja  sie 
wäre  unerklärlich,  wenn  es  sich  um  einen  römischen  Terminus 
technicus  handelte;  so  aber  haben  wir  es  mit  der  lateinischen 
Bezeichnung  einer  karthagischen  Würde  zu  thun,  welche 
vielleicht  der  punischen  nachgebildet  war. 

Das  interessanteste  Wort  der  ganzen  Inschrift  ist  viel- 
leicht das  Particip  praesens  in  der  bisher  so  gröblich  raiss- 
verstandenen  Stelle  Z.  9,  wo  es  von  Duilius  heisst,  er  habe 
die  karthagische  Flotte  praesente[d  Anibaled]  dictatored  be- 
siegt. Hier  gibt  die  Uebersetzung  ,in  Anwesenheit  des  Ober- 
admirales'  nicht  nur  ehien  an  sich  unerträglichen  Sinn, 
sondern  der  Gedanke  würde  auch  der  Wahrheit  ins  Gesicht 
schlagen,  da  der  feindliche  Führer  nach  Kräften  seine 
Schuldigkeit  that.  Den  ungeschickten  Ausdruck  aber  damit 
entschuldigen,    dass   der    Verfasser  die  Inschrift    nachgeahmt 


W&fflin:  Die  Inschrift  der  CiAnwna  roxtrata.  301 

hftbe,  welche  dem  Aeniiliiis  Regilliis  ffir  seinen  See»ief;  über 
Atitificlms  gesetzt  worden  ist,  heisat  die  beiderseitigen  Ver- 
hältnisse vollkommen  verkennen.  Eh  stand  auf  jener  taliula 
nach  Livins  40,  J)2,  6,  die  königlicbe  Flotte  »ei  betnef^ 
worden:  inspectante  eopse  Antiocho,  vollkommen  richtig, 
weil  Antiochiifl,  der  mit  seinem  Heere  siu  Ufer  atand,  die 
Niederlage  nicht  abzuwenden  vermoclite;  die  Flott*  wurde 
unter  den  Augen  Aes  Ki)nigs  geächlugen.  Gerade  so  sagt 
Cicero  pro  imp.  Pomp.  33:  portura  Caietae  inspectante  prae- 
tore  H  praedonibiis  esse  direptum,  weil  dem  Prätor  am  Ufer 
nichts  Anderes  (ibrig  blieb  a1»  ruhig  zuzuschauen.  Da  also 
die  Lage  des  Antiochus  mit  der  des  Hannibal  nicht  die  ent- 
fernteste Aehnlichkeit  hatte,  so  könnt«  der  Ausdruck  inspec- 
tante weder  überhaupt  benutzt,  noch  in  den  unpassenden 
praesente  geändert  werden. 

Nun  hat  allerdings  die  spatere  Latinität  die  Participia 
Praes.  Ton  praeesse  und  almsse  nur  in  der  Bedeutung  von 
,auweeet)d'  und  , abwesend'  erhalten  und  wenn  man  sagen 
kann:  oppidum  tibest  tria  mUia  pa^suuni,  so  kann  man  darum 
doch  noch  nicht  im  Ablativiis  absohilus  sagen;  ubsente  oppido. 
Wenn  praesens  ursprünglich  bedeutete  ,vorn  belindlieh,  zu- 
vorderst stehend',  so  hat  sich  wohl  in  der  Gerichtoaprache 
die  andere  Bedeutung  .anwesend'  daraus  entwickelt.  Den 
strengen  Gegensatz  zu  ahsens  bot  eigentlich  adsens,  wie 
abewe  und  adesse  »ich  gegenüberstehen.  Seitdem  man  b^ann 
ab  und  ad  in  der  Wortzusammensetzung  vor  folgendem 
Consonanten  zu  us.simi]iren,  mnsste  die  Hpracbe  auf  schärfere 
Unterscheidung  bt^dacht  sein,  und  sie  bevorzugte  praesens, 
indem  sie  adsens  fallen  lie&t.  etwa  wie  sie  dem  »dgredior 
(aggredior)  nicht  abgredior,  sondern  digredior  gegenfibentellt, 
wo  di  durchaus  nicht  nothwendig  bedeutet  .nach  allen  Seiten', 
Kondeni  uur  Ersatz  oder  Nothbehelf  für  ab,  onö  ist.  Üu 
aber  im  Kriege  der  Kührer  vom  stand  (ijyüaitat,  ij/e^wv), 
m    bekam   praees.se    auch    die    Bedeutung    von    , befehligen', 


302        Sitzung  der  phiios.-phüol,  Glosse  vom  1,  März  1890. 

sowohl  mit  folgendem  Dativ,  als  auch  ohne  Casus,  wo  sich 
dieser  aus  dem  Zusammenhange  ergänzt,  wie  z.  B.  Nep. 
Chabr.  4,  1  eum  magis  mih'tes  quam  qui  praeerant  aspicie- 
bant.  Daher  ist  praesented  nicht  mit  nagovrog^  sondern  mit 
TfyovfÄivov  wiederzugeben.  Polyb  1,  23,  4  ijycZro  <J'  liwißag 
avTwv,  Ist  hier  nur  eine  Bedeutung  von  praesens  in  der 
jüngeren  Sprache  untergegangen,  so  besass  das  archaische 
Latein  sogar  eine  den  spätem  ganz  entschwundene  Participial- 
form  consens,  wovon  die  dii  conseutes  =  owovreg^  die  ver- 
einigten sechs  Götter  und  sechs  Göttinnen  (Preller-Jordan, 
Elömische  Mythologie  P  68)  ihren  Namen  haben. 

Ist  dieser  nicht  richtig  gedeutete  Ausdruck  mit  unrecht 
als  Zeugniss  gegen  die  Aechtheit  der  Inschrift  betrachtet 
worden,  so  hat  man  auch  eine  ,loquacitas^  da  gesucht,  wo 
sie  nicht  vorhanden  ist.  Ganz  gewiss  leidet  der  oratorische 
Stil  der  Römer  an  einer  gewissen  abundantia,  welche  auch 
in  der  Inschrift  nicht  zu  verkennen  ist;  allein  diese  üeber- 
schwänglichkeit  darf  nicht  verwechselt  werden  mit  derjenigen 
Breite,  welche  dem  archaischen  Latein  nach  den  allgemeinen 
Gesetzen  der  Sprachentwicklung  eigen thiimlich  sein  muss. 
So  ist  das  es  navales*)  für  den  Ciceronianer  unverdaulich, 
weil  damals  das  Substantiv  allein  die  Flotte  bezeichnete. 
Ehedem  niusste  es  anders  gewesen  sein,  weil  clasis  {nXaaig^ 
xXfiGig)  ursprünglich  nur  das  , Aufgebot'  bedeutete,  und  in 
der  Zeit,  als  man  classis  producta  von  der  Landmacht  sagte 
(wofür  später  exercitus  eingetreten  ist),  musste  man  noth- 
wendig  zum  Unterschiede  classis  navalis  sagen,  so  gut  man 
später  ausnahmsweise  auch  von  einem  exercitus  navalis  ge- 
sprochen hat. 

1)  Ob  vor  diesen  Worten  copiasque  einzusetzen  sei,  wodurch 
das  Adiectiv  einen  besseren  Halt  bekäme,  ist  sehr  unsicher;  allein 
auch  wenn  diess  geschieht,  bekundet  der  Verfasser  ein  von  dem  Geiste 
des  Ciceronianismus  abweichendes  Sprachgefühl,  dass  er  nicht  ver- 
bunden hat:  copiasque  navales  clasesque. 


j 

1 


Wätffiin:   Dir  Inschrift  lUr  CMim 


303 


In  altod  marid  verletzt  unser  Stilgefühl,  weil  Hclion 
Pluiitus,  Kiiuius,  Oato  sich  dtr  Ellipete  in  alto,  in  altiini,  ex 
iillo  bedienen,  ebenso  die  Klassiker,  wie  CHeaiir  und  Cicero, 
l'l.  Riid.  S13.  Trin.  827.  B32.  Men.  227.  Epid.  47.  Cat«  Ijei 
Ciell.  4,  17,  15.  Enniusan.  404  M.  Allein  es  miisste  dieser 
Zeit  eine  andere  vorausgehen,  in  welcher  die  Elli|>8G  noch 
nicht  Rblicli  war,  und  wenn  die  Hiimer  im  Jahre  2i>0  v.  Clir. 
die  erste  (grosse  Flotte  hauten,  so  darf  man  wohl  annehmen, 
das9  erst  von  dieser  Zeit  an  die  Ellipse  sich  alUnäliliKi  zu- 
nächst in  der  Volkssprache,  eiiibüi^ern  konnte.  Einen  Ueber- 
rest  de«  alten  (lebrauches  finden  wir  noch  bei  Ennius  an.  5IJ2 
aequore  in  alto.  .Andere  Verbindungen  haben  erst  viel  später 
das  äubstantiv  alif^eworten ;  denn  Plaiitus  schreibt  in  tran- 
quillo  tnari  Cist.  16.  Poen.  3,  I,  4:  der  späteren  Umgangs- 
sprache genEigtit  tramiuillo  (Sen.  epist.  85,  34  tranquillo,  ut 
aiunt,  quilibet  giiberuatur  est;  Aptil.  mag.  35  tempentate 
reciprocaBtur,  trunquillo  deseruntur),  welche«  substantivische 
Geltung  annahm. 

Wir  widlen  hier  gleich  beifügen,  dass  auch  der  Aus- 
druck: rem  nuveluis  luarid  .  .  ceset  eine  unnÖthige  Breite 
ungtinommen  hat:  die  Erklärung  liegt  wohl  darin,  daas  es 
zwei  Gegensätze  gab,  res  terra,  niari  gerere,  z.  B.  Nep, 
Uam.  1,  2,  und  rem  navibus,  eqnis,  legionibu£  etc.  gerere, 
%.  B.  Hör.  canu.  1,  6,  4,  und  dass  nun  der  Verfasser  beide 
verband. 

Weniger  wird  man  an  trire»mus  tiaveis  Anstoss 
U''Jinien,  da  noch  Caesar  an  zwei  Stellen  des  bell,  civ,  (2,  l3. 
3,  24)  naves  trJreme?  geschrieben  hat,  wie  Äsinius  b.  Afr.  44 
uavis  trieris,  während  derselbe  Caesar  und  Cicero  auch  den 
«lUptischen  Uebraucb  kennen.  —  Umgekehrt  heisst  es  in  der 
Inschrift:  naveti  cepet  cum  sucieis,  wo  wir  die  Zuffigung  von 
navalibus  erwarten,  während  sich  Caesar  civ.  1,  58  mit 
bominibus  behilft  (naves  cum  hominihus  capiunt  =  oilroi'- 
Ai}OV^);  dnch  »cheineu  mit  ^ücii  nur  A'w.  l^ttat,   nicht  die  in 


304        Sitzung  der  phüosrphüöl.  Classe  vom  1,  März  1890. 

den  maxsuraas  copias  Z.  9  enthaltenen  STVißdtai  (Polyb.  1,26,7) 
gemeint  zu  sein.  Liv.  40,  52,  6  in  der  tabula  des  Aemilius 
Regillus  (a.  179  v.  Chr.):  naves  longae  cum  omnibus  sociis 
captae  quadraginta  duae. 

Als  eine  Eigenthümlichkeit  des  alten  Lateins  ist  längst 
bekannt  das  zweigliedrige  Asyndeton,  welches  sich  in 
Jupiter  optumus  maxumus  und  in  Patres  conscripti  bis  in 
späte  Zeiten  erhalten  hat.  Hieher  gehört  die  auf  Z.  4/5 
sichere  Ergänzung:  Mace[lam  vi]  pugnandod  cepet;  denn 
die  Verbindung  treflfen  wir  bei  Plaut.  Amph.  258  et  legiones 
Teleboarum  vi  pugnando  cepimus;  Mil.  267;  Men.  1054; 
Asin.  555;  bei  Cic.  epist.  5,  10**  sex  oppida  vi  pugnando 
(codd.  oppugnaudo,  verdorben  aus  oppida)  cepi,  was  dem 
offiziellen  Stile  der  Siegesberichte  nachgebildet  zu  sein  scheint; 
bei  dem  archaisirenden  Asinius  b.  Afr.  36,  4  castellum  .  . 
vi  pugnando  est  potitus.  Dass  vi  dem  Ablativ  pugnando 
coordinirt  zu  denken  sei,  ergibt  sich  aus  Liv.  44,  39,  3 
etiamsi  pugnando  acie  vicisset,  da  bei  subordinirtem  Ver- 
hältnisse das  Substantiv  dem  Verbum  vorangestellt  sein 
müsste.  —  Aehnlich  wird  Z.  6  navebos  marid  (rem  ceset) 
zu  beurtheilen  sein;  die  Verbindung  ist  nicht  schwülstiger 
als  vi  pugnando,  welches  aus  diesem  Grunde  von  der  klassi- 
schen Sprache  aufgegeben  worden  ist.  Unsicher  ist  Z.  8 
claseis  omneis,  maxsumas  copias.  —  Z.  7  wäre  clases  ornavet 
paravet  nach  Analogie  von  ferre  agere,  fundere  fugare,  oro 
ol)secro  an  sich  vollkommen  genügend,  wenn  nicht  die  Rück- 
sicht auf  den  auszufüllenden  Raum  den  Zusatz  von  que 
nöthig  machte. 

Kühner  ist  das  Asyndeton:  [argenjtora  captom  praeda 
=  argentom  et  captom  et  ex  praeda  vendita  redactum,  wie 
Mommsen  richtig  erklärt,  womit  zunächst  aurum  argentum 
verglichen  werden  mag.  Cic.  leg.  agr.  2,  59  AVRVM 
ARGENTVM  EX  PRAEDA  EX  MANVBIIS  EX  CORO- 
NAKIO;  Flin.  nat.  h.  34,   137  auro  argento;  Scaevola  Dig. 


Wölfflin:  Die  Inschrift  der  Columna  rostrata.  305 

34,  2,  15  quicquid  sibi  in  auro  argento  legavi;  Paul.  sent. 
5,  25,  1 ;  ähnlich  sind  auch  equi  viri,  pedites  equites,  ventis 
remis,  usus  fructus. 

Die  soeben  erwähnte  Stelle  clases  ornavet  paravetque 
enthält  zugleich  ein  beachtenswerthes  vgtbqov  nqoteqov^ 
da  sich  parare  auf  den  Rohbau,  ornare  auf  die  Ausrüstung 
and  in  vorliegendem  Falle  wohl  auch  auf  die  Enterhacken 
(corvi,  manus  ferreae)  bezieht.  (Vgl.  Liv.  37,  50,  5  naves, 
qaae  priore  anno  paratae  erant,  ornare  iussus);  dass  die 
Enterhacken  nicht  ausdrücklich  genannt  werden,  welche  doch 
die  jüngeren  Autoren  als  Erfindung  des  Duilius  bezeichnen, 
ist  wohl  ein  vollgültiger  Beweis  dafür,  dass  ein  Nichtrömer, 
etwa  von  den  socii  navales  oder  ein  Sicilianer  (inoTix^erai 
ng  avioig  ßoijx^i]f4a  bei  Polyb.  1,  22,  3),  den  Duilius  auf 
diesen  Gedanken  brachte.  Genauere  Untersuchungen  über 
die  Geschichte  des  voTegov  nqoxeqov  fehlen  uns  zur  Zeit; 
doch  wird  man  mit  der  Annahme  nicht  fehl  gehen,  dass 
dasselbe  in  der  archaischen  Latinität  mehr  blühte  und  von 
den  Klassikern  bekämpft  wurde.  Besonders  häufig  findet  es 
sich  bei  dem  archaisirenden  Asinius  PoUio,  z.  B.  b.  Afr.  21,  3 
naves  incendebant  atque  expugnabant;  20,  1  armare  et  evo- 
care  (vgl.  Index  zu  As.  Pol.  b.  Afr.  s.  v.  Hysteron  proteron); 
auch  bei  Plautus,  z.  B.  Pseud.  283  at  dabit  parabit;  dass 
Tacitus  d&s  zweite  Wort  mit  que  anzuknüpfen  pflegte 
(E.  Hauler  im  Arch.  f.  lat.  Lexik.  V  578),  könnte  Archaismus 
sein.  Auch  die  (der?)  Dichter  der  beiden  ältesten  Scipionen- 
grabschriften  nahmen,  indem  sie  die  Ehrenämter  mit  consol 
censor  aedilis  aufzählten,  das  Wichtigste  voraus. 

Zum  Schlüsse  verdient  noch  Erwähnung,  dass  die  Sätze: 
rem  navebos  marid  consol  primos  c[eset];  clases  primos 
ornavet  paravetque;  [primos]  navaled  praedad  poplo[m  donavet] 
durchaus  im  Geiste  der  alten  Kömer  geschrieben  sind.  Seit- 
dem es  geschichtliche  Aufzeichnungen  gab,  war  von  den  am 
Alten  so  streng  festhaltenden  Römern  jede  Nc 


306        Sitzung  der  phüos.-phild.  Classe  vam  1,  Märe  1890. 

achtet  worden,  z.  B.  in  Liv.  per.  1  Servius  TuUius  censum 
primuin  egit;  4  Stipendium  ex  aerario  tum  primum  militibus 
datum  est;  6  primus  ex  plebe  consul  L.  Sextius  creatus  est; 
8  lex  de  veneficio  tunc  primum  constituta  est;  17  Duilius  . . 
primus  omnium  Romanorum  dueum  navalis  victoriae  duxit 
triumphum;  19  Atilius  Galatinus  primus  dictator  extra  Italiam 
exercitum  duxit.  Die  erhaltene  Schrift  de  viris  illustribus 
ist  voll  von  dergleichen  Angaben:  20  Licinius  Stolo  primus 
omnium  sua  lege  punitus  est;  32  Fabius  .  .  primus  ob  vir- 
tutem  Maximus;  32  primns  instituit,  uti  equites  B.  etc.; 
40  Regulus  primus  Romanorum  ducum  in  Africam  classem 
traiecit;  45  primus  docuit,  quomodo  milites  cederent;  47  Cata 
basilicam  suo  nomine  primus  fecit.  In  gleicher  Weise  wurden 
die  Fortschritte  in  der  Cultur  beobachtet,  z.  B.  Rutilius 
Rufus  frg.  13  Pet.  primum  lecticis  utebatur;  Sen.  brev.  v.  13,  6 
primus  L.  Sulla  in  circo  leones  solutos  dedit;  Nepos  ExempL 
bei  Plin.  nat.  h.  36,  48  primum  Romae  parietes  crusta  mar- 
moris  operuisse  .  .  Mamurram.  Nur  eine  andere  Form  der 
Aufzeichnung  ist  es,  wenn  wir  bei  Liv.  22,  8,  6.  Per.  59 
lesen:  quod  numquam  antea  factum  erat;  auf  dasselbe 
Interesse  geht  zurück,  was  bei  Sen.  brev.  vit.  13,  8  steht: 
Sullam  ultimum  Romanorum  protulisse  pomoerium.  Es 
ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  das8  Gelehrte  oder  wi&sbe- 
gierige  Dilettanten  dergleichen  Notizen  zusammenstellten ; 
denn  Sen.  erzählt  de  brev.  vit.  13,  3:  audivi  quendam  refe- 
rentem,  quae  primus  quisque  ex  Romanis  ducibus  fecisset: 
primus  navali  proelio  Duillius  vicit,  primus  Curius  Dentatus 
in  triumpho  duxit  elephantos,  womit  indessen  Plin.  nat.  h. 
7,  139  Metellus  primus  elephantos  ex  primo  Punico  hello 
duxit  in  triumpho  in  Widerspruch  steht.  Fügen  wir  hinzu, 
dass  auch  auf  Inschriften  solche  Angaben  nicht  selten  sind 
(Exempla  inscr.  Wilni.  616  preimus  ius  fetiale  paravit;  623 
primus  spolia  opima.Iovi  Feretrio  consecravit  =  Ampelius21), 
so  wird  es  zur  Gewissheit,    dass    dem  Duilius   auf  einer  In- 


Wälfflin:  Die  Inschrift  der  Columna  rt^strata,  307 

Schrift  Alles  das  nachgerühmt  werden  mnsste,  worin  er 
keine  Vor^nger  hatte;  von  diesem  Standpunkte  aus  macht 
daher  die  Inschrift  den  Eindruck  der  Aechtheit.  Ueber  Cic. 
de  sen.  44  Duilius,  qui  Poenos  classe  primus  devicerat,  vgl. 
unten. 

Sprechen  die  beobachteten  Eigenthümlichkeiten  fQr  die 
Aechtheit  der  Inschrift,  so  wösste  ich  umgekehrt  keinen 
Ausdruck  anzuftihren,  der  das  Gepräge  der  silbernen  Latini- 
tat  trQge  oder  mit  dem  archaischen  Latein  im  Widerspruch 
stände.  Denn  Z.  4  konnte  es  allerdings  statt  castreis  ex- 
fociont  auch  heissen:  ex  castreis,  nach  Plaut.  Trin.  701 
effugias  ex  urbe;  noth wendig  aber  ist  die  Wiederholung  der 
Präposition  durchaus  nicht,  da  derselbe  Plautus  Merc.  6G0 
pairia  effugere  u.  a.  sagt. 

3.  Die  Orthographie  nnd   die  Flezionsendnngen. 

Dass  auch  eine  grosse  Anzahl  von  Formen  archaisch,  oder, 
wie  unsere  Gegner  sich  ausdrücken,  von  dem  Grammatiker, 
der  die  alte  Sprache  nachbilden  wollte,  gut  getroffen  seien, 
ist  allgemein  anerkannt.  Das  ältere  e  finden  wir  für  i  in 
den  Perfectformen  exemet,  cepet,  ornavet,  im  Ablativ  nave- 
boe,  in  der  Präposition  en;  ei  für  späteres  langes  i  in  den 
Ablativen  castreis,  socieis;  im  Nominativ  numei,  im  Accu- 
sativ  naveis;  o  für  ü  in  primos,  aurom,  arcentom,  captom, 
in  consol,  in  exfociont.  Die  Syncope  in  poplom  ist  nicht 
nur  durch  Plautus  gesichert,  z.  B.  Amph.  101,  sondern  vor 
Allem  durch  das  bekannte  Bruchstück  des  Carmen  Saliare 
bei  Festus  p.  205  M.  pilumnoe  poploe.  Die  Consonauten- 
verdoppelung  fehlt  in  clases,  olorom,  numei,  was  bekanntlich 
auf  die  Zeit  vor  Ennius  hinweist  und  mit  dem  Zeugnisse  des 
Festus  übereinstimmt  (Paul.)  19  M.  ab  oloes  (oe  =  oi)  di- 
cebant  pro  ab  illis  antiqui;  die  Aspirata  fehlt  in  Cartaci- 
niensis;  exfociont  statt  ecfociont  (=  effugiunt)  darf  nicht  be- 
fremden, da  Plautus  schützend  eintritt  mit  exfodere  Mil.  314, 
874,  exfringere  Mil.  1250. 


308        Sitzung  der  philosrpküol,  Classe  vom  1,  März  1890, 

In  einigen  Formen  seheint  sogar  Ritschi  der  Archaismus 
zu  consequent  durchgeführt  zu  sein,  so  in  den  Perfect- 
endungen  auf  et,  während  in  der  ältesten  Scipionengrab- 
Schrift  et  und  it  wechseln.  Darauf  ist  zu  erwiedem,  dass 
dieses  Elogium  (wie  anderswo  soll  gezeigt  werden)  nicht  vor 
240,  sondern  allerhöchstens  220,  wenn  nicht  gar  200  v.  Chr. 
gedichtet  ist,  so  dass  das  Schwanken  zwischen  der  alten  und 
der  neuen  Form  durch  den  Zwischenraum  eines  halben  Jahr- 
hunderts vollkommen  erklärt  wird.  Femer  bemängelt  Ritschi, 
dass  alle  Ablative  sing,  der  Golumna  rostrata  auf  d  aus- 
lauten, während  schon  das  Elogium  auf  Scipio  Barbatus 
„gnaivod  patre*  nebeneinander  biete.  Auch  hier  darf  ent- 
gegnet werden,  dass  dieses  Gedicht  nicht  vor  200  vor  Chr. 
föllt,  und  die  Col.  rostr.  zeigt  doch  das  erste  Stadium  des 
Zerfalles  der  alten  Form  darin,  dass  das  auslautende  d  vor 
angehängtem  que  abfällt;  denn  Z.  11  ist  vique  .  .  cepet 
(nicht  vidque)  vollkommen  gesichert,  während  Ritschis  Lesart 
atque  (vgl.  oben  S.  298)  unmöglich  ist.  Man  kann  überhaupt 
nicht  genug  vor  dem  Fehler  warnen,  Alles  das,  was  unserem 
aniTkannt  sehr  mangelhaften  Wissen  von  dem  ältesten  Latein 
nicht  genau  entspricht,  darum  zu  verdächtigen. 

Schon  die  neuesten  Entdeckungen  von  Inschriften  müssen 
hier  zur  Vorsicht  mahnen.  Ritschi  wollte  nicht  an  navebos 
glauben  und  doch  ist  jetzt  in  einer  Inschrift  des  hannibali- 
schen  Krieges  protrebibos  gefunden  =  pro  tribubus.  Ephem. 
epigr.  II  208.  Corp.  inscr.  lat.  IX  4204.  An  dem  Nominativ 
macistratos,  den  Ritschi  zu  den  Unmöglichkeiten  zählte, 
wagt  nun  auch  H.  Jordan,  obschon  er  dessen  Ansicht  fest- 
hält, nicht  mehr  zu  zweifeln,  und  so  sieht  er  sich  wider 
seinen  Willen  gezwungen,  dem  Verfasser  der  restaurirten 
Inschrift  peritia  nachzurühmen,  den  titulus  als  perite  resti- 
tutus  zu  bezeichnen.  Vgl.  Quaest.  archaeicae,  Regim.  1884 
j).  (>.  11.  Das  heisst  mit  anderen  Worten:  von  Seiten  der 
Form  steht  kein  Uinderuiss  entgegen,  die  Inschrift  für  acht 


WÖlffUn:  Die  Inschrift  der  Columna  rostrata.  309 

zu  halten.  Ritschi  vermisste  die  alte  Schreibung  von  xs  =  x; 
allein  Z.  9  erkannten  einige  der  ältesten  Herausgeber  am 
Anfange  der  Zeile  noch  sumas,  wornach  denn  maxsumas  her- 
xQstellen  ist.  Wenn  man  auch  statt  der  Präposition  cum 
lieber  die  Form  quom  sähe,  so  ist  doch  ebenso  glaublich, 
dass  der  Verfasser  die  Präposition  cum  von  der  Temporal- 
partikel quom  zu  scheiden  begann. 

Können  wir  somit  die  bisher  vorgebrachten  Gegengründe 
nicht  als  stichhaltig  anerkennen,  so  haben  wir  unsere  Ver- 
theidigungsmittel  noch  lauge  nicht  erschöpft.  Wie  könnte 
man  auch  den  Entscheid  einer  so  wichtigen  Frage  von  der 
Orthographie  eines  Steinmetzen  abhängen  lassen,  der  zwar 
nicht  so  sorglos  war,  wie  der,  welcher  das  Carmen  arvale 
gemeisselt  hat,  aber  doch  zwischen  maximos  und  maxsumos, 
in  und  en,  clases  und  claseis  wechselt?  Diese  Ungleichheit 
wäre  fär  den  Grammatiker  der  daudianischen  Zeit  fast  un- 
begreiflich, fQr  den  Steinmetzen  ist  sie  immer  noch  gravirend 
genug.  Vor  Allem  aber  müssen  wir  uns  darüber  klar  wer- 
den, welche  Ansprüche  wir  an  eine  in  der  ersten  Kaiserzeit 
gemachte  Copie  einer  alten  Inschrift  stellen  dürfen.  Wenn 
Gothe  den  Infinitiv  ,8eyn*  zum  Unterschiede  vom  besitz- 
anzeigenden Fürworte  ,sein*  mit  y  schrieb,  so  gestatten  sich 
doch  die  neueren  Herausgeber,  soweit  sie  nicht  auf  philo- 
logische LfCser  Rücksicht  zu  nehmen  haben,  dergleichen  in 
die  heute  übliche  Orthographie  umzusetzen.  Da  nun  die 
Römer  keine  geborenen  Philologen  waren,  so  brauchen  wir 
uns  nicht  zu  verwundem,  wenn  der  Steinmetz  sich  die  gleiche 
Freiheit  nahm.  Die  Hauptkunde  Mommsens  und  Ritschis 
beziehen  sich  aber  auf  solche  Orthographica.  Ganz  gewiss 
stand  in  der  alten  Inschrift  praida,  Poinicas,  preimos,  so 
sicher  wir  in  der  Copie  praeda,  Poenicas,  primos  lesen  ;  allein 
diess  beweist  absolut  nichts.  Im  Originale  konnte  auslautendes 
s  oder  m  möglicher  Weise  hie  und  da  fehlen,  n  vor  s  unter- 
drückt sein  (cosol),    obschon    diess   nicht  nothwendig  ange- 

imo.  PUkw.-pliUol.  o.  bist  Gl.    8.  21 


310         Sitzung  der  pihUog.-phiM.  Claase  vom  1.  März  1890. 

nommen  werden  muss,  und  der  Steinmetz  darf  nicht  so  scharf 
getadelt  werden,  wenn  er  die  in  seiner  Zeit  anerkannte  Form 
herstellte.  Wenn  man  aber  eine  Copie  zu  nehmen  fQr  nöthig 
erachtete,  so  muss  der  alte  Stein  in  schadhaftem  Zustande 
sich  befunden  haben.  Nicht  nur  der  Zahn  der  Zeit,  auch 
Regen  und  Feuer  konnten  ihm  zugesetzt  haben,  wie  man 
beispielsweise  bei  Livius  42,  20,  1  von  einer  ähnlichen  Säule 
liest:  nocturna  tempestate  columna  tota  ad  inium  fiilmine 
di»cussa  est.  Waren  einzelne  Buchstaben  unleserlich  oder 
undeutlich,  so  sinkt  die  Zuverlä-ssigkeit  der  Abschrift  noch 
tiefer,  und  es  wäre  nur  natürlich,  wenn  der  Steinmetz  das 
nicht  Lesbare  im  Sinne  des  alten  Lateins  zu  ergänzen  ver- 
sucht, sich  dabei  aber  gelegentlich  geirrt  hätte,  wie  z.  B.  in 
exfociont  statt  exfuciunt,  oder  in  der  consequenten  Ersetzung 
des  G  durch  C. 

4.  Die  Ergänzungen. 


"MET-L 


/XTMOSOyEMACIST 
/VEMCASTKElSEXFOClCUTMACLi 
^CNANDODCEPETENQVEEODEM-MÄ 

MNAVEBOS-MARlD'CONSOLTKlMOS 
LASESOVENAVALESfRlMOS-OHNAVET- 
VMQVEElSNAVEB^gSCLASEISrOENlCASOM 
VMASCOPlASCARTAClNIENSlSfRA^SENT 

ICJATOREDCV^  pMLNALTODMAM, 
'»aVE/^-«-^-*^        /rCVMSOClEISSErXEv^,.,^ 

RIRESMOSQVENAVEIS- X^ 
CATTOMNVMEl  '   (DCDODDC 
OMCATTOM TRAEDA'NVMEI    (^ 

c  A  p  TOM-A  ES- (i3Ä(»^(ffaffi)(«n;)crR)Qn) 

OQyENAVALED-PRAEDAD'POrLO^ 


NVOS 


WÖlfflin:  Die  Inschrift  der  Columna  rostrata.  311 

Da  die  Inschrifk  nicht  yollstandig  erhalten  ist,  so  hat 
der  Conjectaralkritiker  eine  schwierige  Aufgabe  zu  lösen. 
Die  linke  Seite  des  Steines  hat  weniger  gelitten,  so  dass  bei 
7  Zeilen  nur  ^/s,  1,  1^/a  Buchstaben  fehlen;  schlimmer  steht 
es  mit  der  rechten  Hälfte,  wo  im  günstigsten  Falle  8,  im 
schlimmsten  etwa  25  Buchstaben  zuzusetzen  sind.  Die  Zahl 
kann  leichter  nach  dem  Maximum,  welches  die  Zeile  fasst, 
bestimmt  werden;  doch  ist  es  erlaubt  die  Buchstabenzahl  uui 
2  herabzusetzen,  weil  der  Steinmetz,  wie  man  es  in  der  ersten 
Kaiserzeit  nicht  anders  erwarten  wird,  nie  in  der  Mitte  einer 
Silbe  abgesetzt  hat,  während  auf  der  Fuciner  Bronceplatte 
CANTOVlOjS,  in  den  vaticanischen  Fragmenten  von  Sallusts 
Historien  SPECTATA  geschrieben  steht.  Andrerseits  ist  zu 
beachten,  dass,  wenn  E  oder  A  als  Buchstaben  von  Durch- 
schnittsbreite gerechnet  werden,  I  als  ^/»,  M  als  P/%  in 
Ansatz  zu  bringen  ist.  Dass  man  die  Ergänzungen  im 
archaischen  Latein  zu  gestalten  habe,  ist  eine  von  beiden 
Seiten  zugegebene  Forderung;  denn  auch  der  Grammatiker 
der  claudianischen  Zeit  soll  ja  dieses  affectirt  haben. 

Zeile  1.  Die  erhaltenen  Buchstaben  ANO  und  das  Verbum 
EXEMET  auf  Z.  2,  verbunden  mit  den  Angaben  des  Polyb 
and  Zonaras  8,  11  genügen  vollkommen,  um  uns  die  Sicher- 
heit zu  geben,  dass  hier  von  dem  Entsätze  der  belagerten 
Stadt  Egesta  die  Rede  war.  Ob  der  Verfasser  der  Inschrift 
die  Bewohner  Segestani  nannte  oder  anders  (griechische 
Münzen  2ayeaja^  Seyeora,  Polyb.  ^lyBOza;  vgl.  Acesta  bei 
Virg.  Aen.  5,  780),  kann  uns  gleichgültig  sein;  aber  nicht 
gerade  wahrscheinlich  klingt  die  Ergänzung  Ritschis:  Sece- 
stanos  graved  et  diutumod  hostium  opsidiod,  schon  darum 
nicht,  weil  in  der  Inschrift  nur  que  vorkommt,  nie  et,  ac 
oder  atque.  Viel  wichtiger  war  es  zu  sagen,  dass  die  Egestäer 
als  Nachkommen  flüchtiger  Trojaner  den  Römern  stamm- 
verwandt waren,  wodurch  das  Verdienst  des  Duilius  um  so 
mehr  steigt.     Gic.  Verr.  4,  72  Segestani  non  solum  perpetua 

21* 


312        Sitzung  der  phüos.'phüdl.  Classe  vom  1.  März  1890. 

societate  atque  amicitia,  verum  etiam  cognatione  se  cum 
populo  Romano  coniunctos  esse  arbitrantur;  5,  83  ubi  Sege- 
stana, ubi  Centuripina  civitas?  quae  cum  officiis  fide  vetustate, 
tum  etiam  cognatione  popnlum  Romanum  attingunt?;  5,  125 
Segestanorum  multis  officiis  comprobata  cognatio.  Auch 
Naevius  hatte  in  seiner  Darstellung  de:^  ersten  punischen 
Krieges  besonders  betont,  dass  die  den  Kampf  mit  Karthago 
(Semiten)  aufnehmenden  Römer  mit  den  Trojanern  verwandt 
seien.  Dem  Sinne  nach  würde  desshalb  eine  Ergänzung  wie: 
cocnatos  popli  Romani   vorzuziehen  sein. 

Zeile  2.  Zu  exemet  kann  sowohl  OPSIDIONED  als 
OPSIDIOD  ergänzt,  eventuell  auch  die  Präposition  EX  hinzu- 
gefügt werden.  Plautus  und  Ennius  haben  beide  Formen 
gebraucht,  ebenso  Tacitus;  Sallust  aber  (hist.  1,  84.  4,  61,  14) 
nur  die  neutrale,  welche  uns  als  die  ältere  gelten  muss, 
wie  nach  Charis.  71,  12  K.  contagiiim  älter  ist  als  contagio. 
Darum  citirt  auch  Nonius  p.  216  M.  obsidium  aus  Ennius, 
und  Festus  p.  193  M.  vertheidigt  das  zu  seiner  Zeit  wenig 
gebräuchliche  obsidium  nicht  nur  mit  der  Analogie  von 
praesidium  und  subsidium,  sondern  auch  mit  einer  Stelle  aus 
einer  Rede  des  C.  Laelius  apud  populum:  ut  terra  marique 
simul  obsidium  facerent. 

Das  Verbum  eximere  ist  wohl  in  der  ältesten  Zeit  nicht 
mit  dem  blossen  Ablativ,  sondern  mit  ex  verbunden  worden; 
wie  bei  Cic.  epist.  5,  6,  2  ex  obsidione  eximere.  (Cic.  inv. 
2,  7  ex  culpa;  p.  Cael.  71  ex  laqueis;  Lael.  23  ex  natura 
rerum.)  Bei  Livius  ist  der  Ablativ  gewöhnlich;  obsidione 
9,  21,  3.  24,  41,  6;  bei  Tacitus  der  Dativ  discrimini,  pugnae. 
Da  indessen  unten  Z.  4  castreis  exfociont  auf  dem  Steine 
überliefert  ist,  so  haben  Ritschi  und  Mommsen  die  Präpo- 
sition ausser  Betracht  gelassen,  während  wir  die  Einsetzung 
iumier  noch  für  wahrscheinlicher  halten,  weil  die  Construction 
bei  sinnlich-räumlicher  Anschauung  keinen  zwingenden  Schluss 
auf  die    übertragene    Anwendung    gestattet.     (Caesar  4,  19. 


M 


WÖlfflin:  Die  Inschrift  der  Columna  rostrata.  313 

5,  49  sagt  obsidione  liberare,  wie  Corp.  inscr.  lat.  I  p.  292. 
N.  XXXIV.) 

LECIONE  . .  auf  das  Fussvolk  der  Karthager  zu  beziehen 
ist  an  sich  unbedenklich,  da  üebertragungen  von  Ausdrücken 
des  römischen  Kriegswesens  (cohors,  turma)  auf  fremde 
Völker  wenigstens  bei  Livius  nicht  selten  sind.  Vgl.  Zeile  10 
dictator  mit  Gato  bei  Gellius  10,  24,  7  dictatorem  Kartha- 
giniensium ;  aber  nothwendig  ist  es  gerade  auch  nicht, 
da  ebenso  gut  von  dem  Entsätze  der  eingeschlossenen  römi- 
schen Legionen  die  Elede  sein  konnte.  Zonar.  8,  11  "EyeaTov, 
ir  f^  tÖ  TtXelatov  vov  ne^ov  Tolg  ^Pcü^iaioig  ?yv.  In  diesem 
Falle  wQrden  wir  eine  Ergänzung  vorschlagen  wie:  legiones- 
que  leiberavet.  Poenei  etc.  Diese  Rettung  war  um  so  ruhm- 
voller, als  ein  ähnlicher  Versuch  dem  C.  Caecilius  (vgl. 
Zon.  1.  c.)  misslungen  war;  überhaupt  aber  sollte  sich  der 
Kritiker  bestreben,  die  Lücken  (wie  wir  es  bei  Segestanos 
gethan)  durch  bedeutsame,  nicht  durch  gleichgültige  oder 
schwülstige  Worte  auszufüllen,  wie  z.  B.  lecionesque  Carta- 
cinienses  omnis.  Dass  der  Satz  Poenei  .  .  .  exfociont  als 
Parenthese  zu  betrachten  ist,  ergibt  sich  aus  dem  mitten 
unter  lauter  Perfecta  eingeschobenen  Praesens  historicum; 
wir  würden  die  Form  der  Subordination  vorziehen  und  sagen : 
wobei  die  Punier  mit  ihrem  Obergeneral  .  .  Reissaus  nahmen. 

Zeile  3.  Dass  wir  uns  mit  der  Ergänzung  LVCI  PALAM 
nicht  recht  befreunden  können,  wollen  wir  nicht  verhehlen; 
das  meiste  hängt  davon  ab,  ob  die  erhaltene  untere  Spitze 
des  ersten  Buchstabens  mit  Sicherheit  auf  ein  L  führe,  oder 
nicht  auf  ein  E,  was  uns  (nach  Einsicht  des  Steines)  wahr- 
scheinlicher zu  sein  schien.  Statt  post  dies  noveni  Hesse 
sich  auch  denken:  intra  dies  novem. 

Zeile  4.   MACE]  Polyb.  1,  24,  2  xara  rr>  ^x  Trjg  u4U 
yiarrjg  dvayjdqriaiy  MaxeXav  rtokiv  xara  xQdzog  elkov.     Die 
Ergänzungen    von   Ritschi    (Macelam  opidom  vid)    und 
Mommsen  (Macelamque  opidom)  bedürfen  einer  Nachpr 


314         Sitzung  der  pküos.-phüol.  Cltisse  vom  1.  März  1890. 

schon  aus  dem  äusseren  Grunde,  weil  sie  den  freien  Platz 
nicht  völlig  ausfällen,  wobei  opidom  (schwerlich  urbeni,  da 
in  der  Scipioneninschrift  Aleriamque  urbeni  nur  dem  Verse 
zuliebe  gewählt  ist)  als  feststehend  betrachtet  werden  soll. 
Die  Anknüpfung  der  Eroberung  durch  que  erscheint  uns 
darum  als  wahrscheinlich,  weil  sämmtliche  Thaten  des  Duilius 
durch  que  aneinander  gereiht  sind.  Statt  des  Ablativs  VID 
aber  dürfen  wir  wohl  wegen  Z.  11  auch  die  Form  VI  an- 
setzen, und  durch  die  Ersparuug  des  einen  Buchstabens  wird 
es  möglich  sein,  die  Conjecturen  beider  Gelehrter  zu  ver- 
binden :  Macelamque  opidom  vi  pugnandod  cepet.  Man  könnte 
gegen  vi  einwenden,  dass  pugnandod  capere  (Gegensatz:  durch 
Verrath,  durch  Hunger)  vollkommen  genüge  (b.  Afr.  25,  2 
Girtam;  Sali.  Cat.  7.  Jug.  28  urbis;  Jug.  61  locum)  und 
dass  die  Z.  11  gebrauchte  Redensart  (vi  naves  cepet)  eher 
dafür  spreche,  Z.  4  den  Ablativ  nicht  aufzunehmen;  andrer- 
seits aber  entspricht  das  Asyndeton  der  beiden  Ablative  dem 
Geiste  der  alten  Sprache,  wie  oben  S.  304  gezeigt  worden  ist. 
Am  Ende  von  Zeile  5  hat  man  die  Lücke  von  vier 
Buchstaben  zwischen:  enque  eodem  macistratud  und  rem 
navebos  marid  consol  priraos  c[eset]  allgemein  mit  bene 
ausgefdllt.  Dieses  Adverbium  enthält  nun  allerdings  ein 
etwas  mattes  Lob,  und  wenn  auch  bene  rem  gerere  alte 
Formel  ist,  so  sagt  doch  schon  Plaut.  Pers.  6,  48  ob  res 
egregie  gestas.  Schwerer  wiegt  der  Einwurf,  dass  das  Adverb 
falsch  gestellt  ist  und  eher  nach  ceset  einzusetzen  wäre,  wo 
man  durch  Verzicht  auf  die  Ergänzung  des  mehr  als  ent- 
behrlichen copiasque  etwa  acht  Buchstaben  zur  Verfügung 
hätte.  Geset  prospere  würde  sich  genau  mit  Tac.  ann.  2,  49 
C.  Duilius  primus  rem  Komanam  prospere  mari  gessit  und 
mit  Liv.  perioch.  17  C.  Duilius  adversus  classem  Poenorum 
prospere  pugnavit  decken,  dem  alten  Latein  aber  kaum  ent- 
sprechen, da  man  wohl  sagt  prospere  evenire,  procedere  u.  ä., 
prospere  gerere  aber  erst  etwa  seit  Livius.     Betrachtet  man 


Wdifflin:  Die  Inschrift  der  Coiumna  rostrata.  315 

genauer  den  Gedankenfortscfaritt,  so  wird  man  zu  der  Einsicht 
gelangen,  dass  überhaupt  jedes  Adverbium  vom  Uebel  ist, 
weil  damit  der  im  Folgenden  genannte  Seesieg  gleichsam 
YGTNe^  genommen  ist.  Es  hat  doch  keinen  Sinn  zu  sagen: 
Dnilios  fährte  den  Seekrieg  mit  Glück,  erwarb  sich  Ver- 
dienste um  den  Bau  und  die  Ausrüstung  der  Flotte  und 
schlug  die  Karthager  bei  Mylä;  viel  besser:  er  nahm  den 
Seekampf  gegen  die  Punier  zuerst  auf,  bethätigte  sich  bei 
dem  Baue  der  Flotte,  und  schlug  den  feindlichen  Admiral 
Hannibal.  So  gut  man  sagt  gladio  rem  gerere,  eben  so  gut 
legionibus,  equitibus,  navibus;  Hör.  carm.  1,  6,  4  quam  rem 
cumque  ferox  navibus  aut  equis  miles  te  duce  gesserit.  Voll- 
ständig klingt  an  unsere  Stelle  an  Livius  30,  2,  7:  viginti 
legionibus  et  CLX  navibus  longis  res  Elomana  eo  anno  gesta; 
ohne  Zweifel  ein  Ausdruck  des  alten  Annalenstiles.  Ist  man 
somit  gezwungen  das  Adverb  bene  von  der  Ergänzung  aus- 
zuschliessen,  so  mag  man  die  Lücke  vorläufig  mit  idem  aus- 
füllen. Die  Wiederholung  des  Pronomens  entspricht  dem 
rednerischen  Stile,  wie  man  aus  Cic.  Verr.  5,  56  ersieht: 
cum  idem  alii  iuris  ex  eadem  causa  non  obtiuerent;  prov. 
coDs.  13.  Vielleicht  lässt  sich  etwas  Besseres  finden;  enque 
eodem  macistratud  Romanam  rem  .  .  marid  primos  ceset 
würde  mit  der  Liviusstelle  wie  mit  Tacitus  stimmen,  ist  aber 
wohl  zu  lang  und  die  Annahme  einer  Abkürzung  von 
Romanam  unzulässig. 

Zeile  6  ist  die  bisher  angenommene  Ergänzung  CESET  • 
COPIAS  dem  Sinne  entsprechend,  wie  Z.  8.  9  umgekehrt 
claseis  und  copias  verbunden  wird;  würde  der  Stein  copias- 
que  zulassen,  oder  am  Ende  der  Zeile  eine  Abkürzung  copiasq. 
zulässii;  erscheinen,  so  hätten  wir  auch  nichts  einzuwenden. 
Sachlich  muss  man  copias  darauf  beziehen,  dass  Duilius  auch 
bei  der  Einübung  der  Rudermannschaften  mit  musste  thätig 
gewesen  sein.  Polyb.  1,  21,  2  oi  de  tq  nkrjfdficcrf 
at^^iaavteg    iöidaoxov    iv    if^    yf^    nwji  ijkaieiv  xTiL 


316        Sitzung  der  phüos.-phüol.  Classe  vom  1.  März  1890. 

strat.  3,  2,  2  C.  Duellius  subinde  exercendo  milites  remiges- 
que  consecutus  est,  ut  etc. 

Zeile  7.  Ueber  die  Ergänzung  ORNAVET.PA[RA VET- 
QVE]  vergleiche  oben  Seite  304. 

Zeile  8.  OM[NEIS.  MASß]VMAS.  Omneis  zu  clases 
Poenicas  gehörig  ist  zwar  kein  inhaltreiches  Wort,  aber  wohl 
zu  rechtfertigen,  wenn  der  Verfasser  die  ,vereinigte'  feind- 
liche Flotte  bezeichnen  wollte;  dass  clases  auch  von  kleinem 
Geschwadern  gebraucht  wird,  ist  zur  Genüge  bekannt.  Den 
Ergänzungsversuch  ou)[nivagasJ,  mit  Rücksicht  darauf,  dass 
die  Punier  die  Küste  Italiens  verheerten,  möchte  ich  selbst 
nicht  befürworten,  da  die  kühne  Wortbildung  eines  Dichters 
mit  dem  prosaischen  Tone  der  Inschrift  nicht  in  Einklang 
stünde.  Es  handelt  sich  nur  noch  darum,  den  Raum  auszu- 
füllen, was  mit  maxumas  nicht  vollständig  erreicht  wird. 
Mit  Ritschi  noch  ,et^  einzusetzen  verbietet  die  S.  298  oben 
gemachte  Beobachtung,  da  diese  Partikel  auf  der  Inschrift 
nicht  vorkommt;  gegen  item  (Mommsen)  spricht,  abgesehen 
von  der  Länge  des  Wortes,  dass  ja  ein  doppelter  Kampf 
nicht  unterschieden  werden  kann,  da  die  copiae  sich  eben 
auf  den  SchiflFen  befanden.  So  möchte  ich  lieber  ein  zwei- 
gliedriges, durch  den  Gegensatz  der  nebeneinander  gestellten 
Epitheta  gerechtfertigtes  Asyndeton  (vgl.  oben  S.  304):  clases 
om[neis,  maxs]umas  copias  empfehlen,  wobei  auf  ortho- 
graphischem Wege  (omnis  Mommsen;  maxumas  Ritschi  und 
Mommsen)  zwei  Buchstaben  gewonnen  werden.  Spuren  des 
S  in  der  Mitte  von  maxsumas  waren  nicht  nur  früher  noch 
sichtbar,  sondern  die  Schreibart  war  ja  der  archaischen 
Latinität  eigenthümlich  (z.  B.  saxsum,  Scipioneninschrift) ; 
wählte  nun  der  Steinmetz,  der  Z.  3  maximos  schrieb,  das 
antike  u  (statt  i),  so  musste  oder  konnte  er  consequent  auch 
das  alte  xs  annehmen.  Auch  [mac]sumas  wäre  denkbar,  da 
nach  neuester  CoUation  das  Elogium  auf  den  Scipio  Barbatus 
die  Form  ABDOVCsIT  aufweist. 


Wölfftin:  Die  Inschrift  der  Columna  rofttrata.  317 

Zeile  9.  prae8ente[d].  Es  ist  noch  knapp  Raum  für 
Anibaled,  welcher,  wie  er  von  vielen  Autoren  genannt  wird, 
in  der  Inschrift  eher  erwähnt  werden  musste,  als  Z.  3  der 
weniger  bekannte  Befehlshaber  der  Belagerungsarmee  voi* 
Segesta  (Hamilkar).  Die  Ergänzung  von  [ipsod]  würde  den 
Raum  nicht  ausfüllen. 

Zeile  10.  Die  drei  Buchstabenreste  am  Ende  der  Zeile 
ergänzt  Ritschi  zu  pucnad  vicet,  Mommsen  zu  pucnandod 
vicet,  was  dem  Räume  nach  zu  viel  ist,  wie  jenes  zu  wenig. 
Pugnandod  ist  zu  verwerfen,  weil  der  schon  Z.  5  gebrauchte 
Ausdruck  ohne  Noth  nicht  nochmals  benützt  werden  soll; 
nberdiess  ist  er  zu  schwach,  da  das  Verbum  an  sich  ohne 
weiteren  Beisatz  auch  von  einem  unbedeutenden  Zusammen- 
stosse  gebraucht  werden  kann;  er  ist  endlich  unpassend,  weil 
oppidum  pugnando  capere  im  Gegensatze  zu  obsidione  gesagt 
wird,  ein  Gegensatz,  welcher  hier  nicht  zutrifft.  Viel  besser 
bezeichnet  das  Substantiv  pugna  die  entscheidende  Schlacht 
im  Gegensatze  zu  proelium,  wie  bei  Liv.  7,  11,  8  Fabius 
proeliis  primum  parvis,  postremo  una  insigni  pugna  Hemicos 
devincit.  Um  zwei  Buchstaben  zu  gewinnen  und  mehr  Kraft 
in  die  Inschrift  zu  legen,  wird  es  sich  empfehlen,  dieses 
zusammengesetzte,  schon  von  Plautus  gebrauchte  Verbum  zu 
ei^änzen,  und  pucnad  devicet  entspricht  besser  dem  Z.  10 
folgenden  vi  cepet  ak  pucnandod.  Cic.  nat.  d.  2,  6  cum 
Crotoniatas  Locri  maximo  proelio  devicissent;  2,  7  classe 
devicta.  Vielleicht  las  Cicero  das  Compositum  auf  der  In- 
schrift; denn  es  ist  doch  recht  auffallend,  dass  er  an  zwei 
Stellen  sich  desselben  Wortes  bedient: 

orat.  §  153  D.  qui  Poenos  [priraus]  classe  devicit; 

de  sen.  44  D.  qui  Poenos  classe  primus  devicerat. 
Primus   hat  an   der  ersten   Stelle  Teuffei,  rhein.  Mus.  XVI 
638  gewiss  richtig  ergänzt,   wenn  man  auch   streiten   kann, 
welchen  Platz  im  Satze  das  Wort  einzunehmen  habe. 

Zeile  11.    vique    naves    (naveis)    cepet    mar 


318        Sitzung  der  phüosrphäol,  Classe  vom  1.  März  1890. 

werden,  weil  vor  que  der  obere  Theil  eines  i  sichtbar  ist; 
atque,  wie  Ritschi  schrieb,  ist  zu  verwerfen,  nicht  nur,  weil 
die  OolJation  gegen  das  t  spricht,  sondern  auch,  weil  atque 
in  der  Inschrift  nirgends  vorkommt.  Mit  vi  ist  ausgesprochen, 
das8  Duilius  nicht  durch  geschicktes  Manöveriren,  sondern 
durch  den  Angriff  vermittelst  der  Enterhaken  sich  der  feind- 
lichen Schiffe  bemächtigte.  —  Septeresmom,  nämlich  navem, 
wird  nach  Analogie  von  Z.  12  triresmos  geschrieben  werden 
müssen;  der  wegen  des  Gegensatzes  noth wendige  Zusatz  von 
VNAM  überschreitet  den  Raum  der  Zeile,  während  bei  Weg- 
lassung der  Zahl  derselbe  nicht  ausgefüllt  wird.  Am  besten 
wird  es  daher  sein,  die  römische  Ziffer  (-I*)  einzusetzen,  wie 
ja  auch  in  der  folgenden  Zeile  XXX  und  XIII  geschrieben 
ist.  —  Die  Zeile  schloss  mit  [QVIN|QVERESMOS]QVE. 

Zeile  12.  Die  Zahl  der  eroberten  Schiffe  wird  richtig 
auf  «XXX«  ergänzt;  es  folgte  dann  nach  Orosius  4,  7,  10 
MERSET-XIII;  die  Zahl  XIIII,  welche  Eutrop  2,  20  gibt, 
fände  auf  dem  Steine  keinen  Raum  mehr;  sie  ist  aber  bei 
Eutrop  nicht  sicher,  da  auch  die  Hist.  miscella  2,  26  tre- 
decim  gibt. 

Da  die  folgenden  Zeilen,  in  welchen  von  der  Beute  die 
Rede  ist,  von  MomnLsen  richtig  erklärt  sind,  so  bleibt  uns 
nur  noch  übrig,  eine  Bemerkung  zu  Zeile  18  zu  machen. 
Cartacinienses  ingenuos  d[uxet  in  triumpo]  wird  dem  Sinn 
nach  richtig  sein,  und  eine  sachliche  Parallele  ist  oben  S.  306 
angeführt:  primus  elephantos  duxit  in  triumpho.  Nur  ver- 
langt der  Sprachgebrauch  der  klassischen  Prosa:  duxet 
per  triumpum.  Vgl.  Cic.  Verr.  5,  67  archipiratam  per 
triumphum  ante  currum  ducere;  §  77  his  per  triumphum 
ductis;  Sali.  hist.  4,  61,  8  Aristonicum  per  triumphum  duxere. 
Das  uns  geläufigere  in  triumpho  ducere  findet  sich  bei  Livius 
45,  39,  3.  45,  42,  5;  dreimal  bei  Velleius;  bei  Seneca  ben. 
2,  11,  1;  im  Spätlatein  auch  in  triumphum  ducere,  wie  bei 
Aurelius  Victor  Caes.  35,  5;  Eutr.  2,  5. 


WölffUn:  Die  Inschrift  der  Columna  rostrata.  319 

5.  Die  Bestanration.  Da  das  Steinmateriai  wie  die 
BuchstabenfonDen  der  erhaltenen  Inschrift  in  gleicher  Weise 
gegen  die  Zeit  des  ersten  punischen  Krieges  und  für  die 
Periode  der  ersten  Kaiser  2jeugniss  ablegen,  so  haben  wir 
der  Frage  näher  zu  treten,  wie  und  wann  man  dazu  ge- 
kommen sei  die  alte  neu  zu  copiren.  Warum  gerade  der 
Kaiser  Claudius  diess  sollte  veranlasst  haben,  sieht  man  nicht 
recht  ein;  seine  ganze  Bauthätigkeit  war  auf  das  Nützliche 
gerichtet,  auf  Wasserleitungen,  Hafenanlagen  und  Korn- 
speicher zur  Aufnahme  des  ägyptischen  Getreides.^)  Es  ist 
desshalb  auch  eine  nicht  überzeugende  Yermuthung  Ritschis, 
die  Buchstabenformen  gehörten  in  die  Regierung  des  Claudius, 
eine  Yermuthung,  welcher  das  Urtheil  von  Emil  Hübner 
gegenüber  steht,  die  Schrift  weise  ebenso  gut  auf  das  Zeit- 
alter des  Angustus  oder  Tiberius.  Sucht  man  die  Erneuerung 
der  Inschrift  in  einen  historischen  Zusammenhang  einzureihen, 
so  passt  Augustus^)  viel  besser,  dessen  ganze  Politik  darauf 
gerichtet  war,  den  religiösen  Sinn  wie  das  Andenken  an  die 
grossen  Männer  der  Vorzeit  neu  zu  beleben.  Seine  Restau- 
rationen verfallener  oder  altersschwach  gewordener  Bauten 
hat  er  selbst  im  Monumentum  Ancyranum  4,  9 — 20  aufge- 
zählt; in  Rom  allein  waren  es  nicht  weniger  als  82  Tempel, 
die  er  wieder  herstellte.  Sueton  fügt  in  dem  Leben  des 
Augustus    cap.   31    hinzu:    Proximum    a    dis    immortalibus 


1)  Gegen  die  Abfassung  der  Inschrift  durch  einen  Grammatiker 
unter  Claudius  spricht  auch  der  umstand,  dass  nicht  ausdrücklich 
der  Enterhaken  gedacht  wird.  Denn  Historiker  der  augusteischen 
Zeit,  die  von  Frontin  strat.  2,  8, 24  und  dem  Verfasser  de  vir.  illustr.  88 
benützt  sind,  schreiben  die  Erfindung  der  manus  ferreae  (coryi)  dem 
Duilius  zu,  während  Polyb.  1,  22,  3  {vjioxl^sral  tig  avrotg  ßoi^^rjfia  , . . 
rofV  hiixXri^iyxag  fiexa  javxa  xögoxag)  an  einen  Sicilianer  oder  an 
einen  aus  dem  Kreise  der  socii  zu  denken  scheint.  Ein  Grammatiker 
unter  Claudius  hätte  sich  jenes  nicht  entgehen  lassen. 

2)  Auch  Jordan  glaubt  aus  topographischen  Gründen  nur  an 
Restauration  unter  Augustus. 


320         Sitzung  der  phüos,-phÜ€i .  Clawe  vom  1.  März  1890. 

honorem  memoriae  ducum  praestitit,  qai  imperiam  P.  R.  ex 
minimo  maximum  reddidissent;  itaque  et  opera  caiiisqae  .  .  . 
restituit  et  statuas  omnium  triurnpfaali  efißgie  in  ntraqne  fori 
8ui  porticu  dedicavit.  Tiberias  aber  trat  genau  in  die  Foss- 
»tapfen  seines  Vorgängers,  indem  er,  was  dieser  bei  seinem 
Tode  unvollendet  hinterlassen,  zu  Ende  f&hrte.  Tacitos 
Annai.  2,  49  (zum  J.  17):  isdem  temporibus  deum  aedes 
vetustate  aut  igni  abolitas  coeptasque  ab  Augusto  dedicavit. 
Dio  Cass.  57,  10,  1  von  Tiberius:  ra  olxödofi'qfiaTay  S  nQO- 
xazeßdXero  ^iv  (^vyovoTog)^  ovx  i^eteXeae  de,  hunouap  to 
övofia  avToif  (des  Augustus)  in€yQag)e  aq>iai^  und  §  2  Ttarta 
%a  irenovrixoTa  dvaxTtjodfievog . .  ovdiv  avrwv  Iditiactzo. 

Beide  Bestrebungen,  die  Wiederherstellung  der  Tempel 
und  die  Verherrlichung  der  alten  Helden  und  Eroberer  passen 
vortrefflich  auf  unsere  Inschrift,  hatte  doch  Duilius  durch 
seinen  glänzenden  Seesieg  den  Grund  zur  Erwerbung  von 
ISicilien  gelegt.  Er  hatte  aber  auch  dem  Janus  einen  Tempel 
erbaut  auf  dem  forum  holitorium,  vielleicht  in  dem  Sinne, 
dass  Rom  fortan  nicht  nur  auf  dem  Lande,  sondern  auch 
auf  dem  Meere  herrschen  solle,  und  dessen  Restauration 
hatte  nach  Tacitus  noch  Augustus  in  AngriflF  genommen; 
Tiberius  vollendete  ihn  im  J.  17:  Jano  templum  (dedicavit), 
(juod  apud  forum  holitorium  C.  Duilius  struxerat  etc.  So 
weit  die  Angaben  unserer  Quellen. 

Aber  wenn  Augustus  und  Tiberius  den  Janustempel 
des  Duilius  renovirten,  mussten  sie  nicht  nach  den  von  den 
Historikern  bezeugten  Grundsätzen  auch  das  Andenken  an 
Duilius  auifrischen?  Gewiss.  Seine  Ruhmessäule  stand  auf 
dem  grossen  Forum,  wo  sie  der  Naturforscher  Plinius 
(lU,  20  columna  . .  quae  est  etiam  nunc  in  foro)  und  Quin- 
tilian  1,  7,  12  sahen.  Letzterer  bemerkt  darüber,  dass  im 
alten  Latein  viele  Formen  auf  d  auslauteten  (wie  in  der 
That  die  Ablative  der  Inschrift),  wornach  er  denn  den  Text 
derselben  als  acht,  nicht  als  eine  freie  Oomposition  der  Kaiser- 


Wölfftin:  Die  Inschrift  der  Columna  rostrata,  321 

zeit  betrachtet  haben  muss.  Hier,  auf  dem  Forum,  wurde 
die  erhaltene  Marmorplatte  gefunden;  die  alte  Inschrift 
musste  nach  nahezu  drei  Jahrhunderten  schadhaft  geworden 
sein,  so  dass  Augustus  die  Erneuerung  anordnete.  Aber 
sowohl  die  Elomer  jener  Zeit  als  auch  die  folgende  Generation 
rousste  wissen,  ob  die  Inschrift  alt,  d.  h.  Copie  einer  alten, 
oder  jung  und  Machwerk  eines  Grammatikers  war.  Dass 
Augastns,  den  wir  an  die  Stelle  des  Claudius  setzen  wollen, 
die  alte  Inschrift  beseitigt  und  eine  neue  bei  einem  Alter- 
thumsforscher  bestellt  hätte,  widerspräche  ja  seinen  conser- 
vativen  Tendenzen,  und  zum  Ueberflusse  sagt  Sueton  an  der 
oben  citirten  Stelle,  Augustus  habe  die  Denkmäler  der  grossen 
Männer  wiederhergestellt  manentibus  titulis,  d.  h.  unter 
Beibehaltung  der  Originalinschriften. 

Unsere  Inschrift  ist  somit  Copie  des  Originales  aus  den 
letzten  Jahren  des  Augustus  oder  den  ersten  des  Tiberius; 
das  Latein,  abgesehen  von  der  inconsequenten  Orthographie, 
Latein  aus  der  Zeit  des  ersten  punischen  Krieges,  nicht  der 
ersten  Kaiserzeit;  der  Inhalt  als  historisches  Zeugniss  für  das 
Jahr  260  v.  Chr.  zu  betrachten. 


322 


Herr  Kuhn  legte  einen  Aufsatz  des  Herrn  K.  Himly  vor: 

^Sprachvergleichende    Untersuchung    des 
Wörterschatzes  der  Tscham-Sprache.* 

Einleitung. 

In  der  vor  wenigen  Jahren  von  Annam  an  Frankreich 
abgetretenen  Provinz  Binh-Thuan,  wo  vor  der  Unterwerfung 
und  Einverleibung  in  das  Reich  Annam  im  17.  Jahrhundert 
die  alte  Hauptstadt  Panrik-Panrang  stand,  scheint  sich  auch 
jetzt  noch  der  grössere  Theil  des  alten  Volkes  der  Tscham 
erhalten  zu  haben;  andere  zersprengte  Ueberbleibsel  befinden 
sich  in  der  Gegend  von  Tai-Ninh  (nordwestlich  von  Saigon), 
in  Lovek  (südlich  von  Pnom  Penh  in  Kambodscha)  und  in 
dem  in  diesem  Jahrhundert  von  Siam  einverleibten  Battambong, 
woneben  es  nach  Bastian  noch  an  der  südöstlichen  Grenze 
Kambodscha's  umherschweifende  Tscham  gibt  (s.  Moura, 
royaume  du  Cambodge;  Bastian,  Völker  des  östl.  Asiens  IV, 
S.  195,  229,  241).  Die  westlich  vom  Mekhong  wohnenden 
Tscham  scheinen  sämmtlich  Muhammedaiier  (Schiah?)  zu 
sein,  während  die  von  Binh  Thuan  der  Mehrzahl  nach  Heiden 
sind.  Wann  der  Islam  eingeführt  wurde,  ist  noch  un- 
gewiss; ^)  indess  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Araber, 


1)  Nach  einer  javanischen  Sage,  die  von  einer  Königstochter 
von  Tschampa,  der  Frau  des  Königs  von  Madschapahit,  erzählt,  wäre 
deren  Schwester  in  der  Heimath  an  einen  muhammedanischen  Geist- 
lichen vermählt  gewesen. 


Hindy:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache,       323 

welche  seit  dem  8.  Jahrhundert  schon  in  grosser  Anzahl  zur 
See  bis  nach  China  streiften,  auch  schon  damals  mit  den 
Tscham  bekannt  geworden  sind.  Ungefähr  aus  derselben 
Zeit  (758),  wo  Araber  und  Perser  Kanton  plünderten,  wird 
ein  Einfall  der  Malaien  in  Tschampa  erwähnt  (767),  ohne 
dass  von  einer  dauernden  Eroberung  die  Rede  wäre.  Die* 
ältesten  Denkmäler  der  Tschampa-Sprache  sind  nach  den 
Forschungen  6ergaigne*s  (rancien  royaurae  de  Canipä.  Journal 
Asiatique  1888.  S.  10  des  Sonderabzuges)  aus  dem  8. — 9.  Jahr- 
hundert und  harren  noch  der  Veröffentlichung;  um  diese 
Zeit  erscheint  auch  der  Name  Campä  in  einer  in  Sanskrit 
verfassten  Inschrift.  Wie  Kambodscha  und  andere  Namen 
zeugt  er  von  einer  Uebertragung  vorderindischer  Ländernamen 
auf  die  neuen  arischem  Einflüsse  unterworfenen  Gebiete.  Das 
Volk  nennt  sich  Tscham^  indessen  ist  z.  B.  bei  den  benach- 
barten Trao  der  Name  Tschampa  noch  in  Gebrauch.  Ob 
daher  Tscham  aus  Tschampa  verkürzt  ist,  oder  vielmehr 
letzterer  Name  von  den  eingewanderten  Hindus  nur  mit 
Rücksicht  auf  einen  schon  vorhandenen  Stammesnamen  ge- 
geben wurde,  muss  der  Zukunft  überlassen  werden  zu  ent- 
scheiden. Auch  die  Japaner  gaben  den  Tscham  noch  im 
17.  Jahrhundert  den  Namen  Tschampan,  schrieben  ihn  aber 
mit  den  chinesischen  Zeichen  Öan-£höng,  welcher  Name  nach 
chinesischen  Nachrichten  dem  älteren  Lin-I  (Lam-Yap  im 
Süden  gesprochen,  d.  h.  „Waldstadt")  entsprach.  Letzteren 
führte  das  Land  bei   den   Chinesen   bis   ins   6.  Jahrhundert, 

V 

und  Can-£höng  ist  nichts  weiter  als  die  Uebersetzung  von 
Campapura^),  oder  Nögar  (=  nagara)  Cam,  dem  Namen, 
den  Hindns  und  Eingeborene  einer  der  Hauptstädte  und  in 
letzterem  Falle  auch  dem  ganzen  Lande  gaben  (Sanskrit 
pura,    nagara    «Stadt*   =  chinesischem    ihöng).     Das    alte 

1)  Der  Name  kommt  in  einer  Inschrift  ans   dem  Ai 
9.  Jahrhunderts  vor,  s.  Borgaigne  a.  a.  0.  S.  47. 


:vii 


Sitzung  litr  philng.-philol.  Chmsf:  vom   1.  Man  1H90. 


Tiichampa-Reich,  voti  dein  Marco  Polo  zuerst  in  einer  euro- 
päischen Sprache  berichtete,  welches  den  Arabern  aber  laoR« 
xuvor  uoter  dorn  Namen  8iuil'  bekannt  gewesen  war  (die 
Araber  halten  weder  ö  noch  p  und  nelinien  s  und  f  dafilr), 
erstreckte  sich  einst  niindestens  über  einen  «roitien  Theü 
lies  jetzigen  Reicbus  Annam,  wie  nicht  mir  die  aonotigen 
geechichtlichen  Nachrichten,  »ondern  auch  die  bis  weif  hinauf 
nach  Norden  in  die  Provinz  Binb-Dinb  (14"  n.  B.)  hinmo- 
reichenden  Denkmäler  beweisen  (0.  Beri^aigne  a.  m.  ().). 
Letztere  sind  in  Sanskrit,  nicht  in  Prili,  und  die  ti[»t«reD 
nebenbei  oder  ausschliesslich  in  der  Laiidess|i räche  ab)^eAiitt(t, 
wie  »ie  Überhaupt  mehr  von  dem  lilitiflusse  de.«  Bralima- 
(bezw.  Siva-) Dienstes,  ula  der  Buddha-Lehre  zeugen  (Ber- 
f^igne  a.  a.  0.  S.  64).  Unter  den  aus  Sanskrit  und  Prükrit 
stanimenden  Wörtern,  welche  uoch.daä  jetzige  Tscbatn  auf- 
weist, ist  freilich  geratle  da«  Wort  für  .Buchstabe*  ursprüng- 
lich Präkrit,  nämlich  althar  (sskr.  aksara,  präkr.  akhhara], 
während  das  Siämische  nel>en  akkha:ra  auch  akson,  das 
Khmer  nur  lihsär  aufweist.  Es  «nd  auch  Thier-  und 
Wandermürcben,  deren  Verbreitung  den  Buddhamöocheu  ku- 
getichrieben  wird,  durch  deren  von  Landes  besorgte  Saiuni- 
tung  wir  erst  in  i^tand  gesetzt  sind,  überhaupt.  einigermKSKen 
in  die  Geheimnisse  der  Tschau- Sprache  einzudringen.') 


1)  A.  Landes,  Conte-s  Tjumes.  Text«  eo  eoract^e«  ^ainM  accora- 
pagnu  de  Ib  trHORcripliaa  dv  preniiet  conte  en  tarai't^feH  rouiiuDH  pt 
U'dd  leiique.   Saigon.    Collage  des  Interpreten,    ISSti,   6".    19.  XI.  4. 


i.  Ü7.  4,  : 


i  pp. 


A,  Landes,  Coat««  Tjamea.  Excursiona  et  KecoanattwaiK^e«  XIII, 
Nr.  29.  Sept.— U^t.  1886.  SaiKOn.  laiptiiBerie  Colciniale.  1887  (p,  ftl 
liiii  181)  l'elftnH'tzungen  |a.  auL-b  aii^nii  üenjirecbuiiKen  tu  IfOtU 
Uel.  Aaiei^D  188B.  Nr.  18  uaU  188!),  Nr.  »).  Uic  antuu  vor- 
komniendon  SniLuaxatilen  beziehen  Hieb  numiinUicIi  auf  diu  Um- 
schrift dur  ersten  dicaer  Erailhlungeni  gelrgeollich  iit  noch  du 
.lüxiquB*  odur  der  Ltrtext  iui((eflUut. 

Mittli^rwiiUe    iat   inilmti    in    (J<:ii    l>iuunii<in>  el   itui.'iluuititMUivw> 


i 


Himly:   Utbcr  dtn   Wortenchai:  der   TgchafH-Sprnchr. 


32ö 


Die  8chriftzeichen  der  ältere»  Inschriften  deuten  nach 
Ber^igne  a.  a.  0.  auf  ein  Behr  hohes  Ält«r  (mindestens  daa 
3.  Jahrhundert  S.  15)  hin,  und  auch  noch  die  von  ihm  ver- 
ntfentlichten  des  14.  Jahrhnnderte  sind  von  den  jetzigen 
Tschampazeichen  sehr  verschieden,  denen  erst  die  weiter  im 
Westen  auf  kanihodschischem  Gebiete  gefundenen  nahe 
kommen. ')  Indessen  ist  der  südindbche  Ursprung  bei  allen 
xii  i'rkennen. 

Die  Tbc  harn -Sprache  bietet,  wie  die  verwandten  Sprachen 
Her  Sedim,  Scharai,  Kuntscha,  RodS  und  Trao-Lay,  das 
BeispiM  einer  ächten  Mischsprache;  denn,  obwohl  sie,  wie 
die  westlichen  nion-annamischen  Sprachen  (Khmer  und  Mon 
namentlich)  bei  der  Neigung  zum  Vor-  nnd  Zwischen  bau 
in  der  Wortbildung,  die  auch  die  malaiischen  Sprachen 
zeigen,  den  Hinterbau  diesen  ungleich  verschmäht  und,  sich 
gleichsam  der  alten  KinsilVtigkeit  erinnernd,  gelegentlich  die 
Endungen  fremder  Wörter  abwirft,  enthält  sie  doch  eine 
solche  Menge  von  Wörtern  malaiischen  Ursprungs  ^  und  untier 
ihnen  die  wichtigen  Zahlwörter  — ,  dass  man  sich  leicht 
könnte  verleiten  lassen,  sie  dem  grossen  Malaienstamme  an- 
zureihen. Dabei  muss  Einem  noch  der  beiden  genannten 
Spracbstämnien  gemeinschaftliche  Satzbau  entgegenkommen, 
sowie  der  Umstand,  dass  z.  B.  im  Falle  des  Zeitwörter 
bildenden  Vorsatzes  i»ö  die  betreffenden  Wörter  so  wenig 
alle  auf  Entlehnung  aus  den  malaiischen  Sprachen  beruhen 
kSnnen,    dass  vielmehr  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen 


(XIV  Nr.  31  Saigon  1969)  eine  .grammaire  chame*  von  A3'iiiomer 
nnliBt  Wortlaut  und  t'eberBetiung-  der  .Chronique  royiili-*  orHchienen. 
1,1  s.  Ajmonier.  redierche«  et  mdliinges  sur  lea  ('Imnis  et  lea 
Kbmpn  in  Eicuivioos  et  RecouuaUiutric««  VTII  S.  319—85 
8.  107 — 187,  wo  die  Inschriften  mit  Vcruud]  einer  Uelierset^nnj,-  und 
Aninbeo  Aber  die  Spruche  zu  £ndea  eind.  Ajnionier  int  nach  dia 
Anf^ndiinft  der  von  Her^ign(>  veriliri'ntii'-hlpii  Inurhriften 
danken. 

law.  rbll«i..|>hllat  D-  lil»  Cl    »  -J2 


^^ 


I 


326         Sitzung  der  philosrphüol,  Glosse  vom  1.  März  1890, 

scheint,  sich  desselben  noch  immerfort  zu  neuen  Wort- 
bildungen zu  bedienen.  Wenn  sich  indess  —  um  einen 
Vergleich  anzustellen  —  im  Englischen  die  angelsachsischen 
Bestandtheile  bis  auf  eine  kleine  Minderheit  verringerten  und 
dem  entsprechend  die  ursprünglich  lateinischen  bis  zu  einer 
tiberwiegenden  Mehrheit  anwüchsen,  so  würde  man  an  dem 
eigentlich  angelsächsischen  Ursprünge  der  Sprache  doch  so 
lange  noch  nicht  irre  zu  werden  brauchen,  als  Fürwörter, 
Hülfszeitwörter  und  Endungen  germanisch  blieben.  Man 
kann  keine  Aussage  machen,  ohne  den  angelsächsischen 
Bestandtheil  zu  Hülfe  zu  nehmen;  der  Satz  a  priest  baptizes 
an  infant  enthält  in  den  Wörtern  a,  an  n^in''  und  der 
Endung  s  immer  noch  angelsächsische  Bestandtheile,  wie 
auch  in  priests  baptize  infants  „Geistliche  taufen  Kinder* 
die  Endung  s  immer  noch  angelsächsisch  bleibt.  Wollen 
wir  dieses  auf  das  Tscham  anwenden,  so  kann  von  Endungen 
nicht  mehr  die  Rede  sein;  man  kann  aber  ohne  ein  malai- 
isches Wort  sagen  söp  hagik  bloh  hü  hiä  16  yau  nan^  «was 
ist  es,  dass  du  so  sehr  weinst*,  —  freilich  auch  wohl  cikan 
mötai  (mal.  ikan  matt)  „der  Fisch  ist  todf*  mit  ganz  malai- 
ischen Bestandtheilen.  —  Man  hat  früher  namentlich  die 
Zahlwörter  als  Kennzeichen  der  Abstammung  der  Sprachen 
betrachtet;  allein  sprechen  z.  B.  die  Berberstämme,  welche 
die  arabischen  Zahlwörter  angenommen  haben,  darum  auch 
arabisch?  Hinsichtlich  der  Fürwörter,  welche  übrigens  eben- 
falls Uebereinstimmungen  zwischen  dem  malaiischen  und  dem 
mon-annamischen  Stumme  aufweisen,  ist  immer  zu  beachten, 
dass  die  Sitte  der  Unterscheidung  des  Höher-  vom  Tiefer- 
stehenden im  Gespräche  zur  Anwendung  von  Hauptwörtern, 
wie  „Knecht*,  „älterer  Bruder"  und  dergleichen  führt,  die 
auch  fremden  Sprachen  entstammen  können.  Doch  ist  das 
eigentliche  Fürwort  der  zweiten  Person  hü  im  Tscham  an- 
scheinend nicht  malaiischen  Ursprungs,  während  das  der 
dritten   hu   sowohl    dem   malaiischen    (%)ha  als  dem  hü  der 


Ilml_f/:   lieber  den    Wöriei-«vh,\tt  der   nehnm-Spruche.        327 

Honsprnche  ähnelt.  Das  Zeitwurt  .haben*  hu  im  Tscham 
ist  lit^in  annamischen  hüu  auffallend  ähnlich;  söp  .Bein*  ist 
auch  ganz  anmalaiisch.  wohin^fegen  freilich  das  den  Sätzen 
vorangesetzte  möda  gAn-i.  dem  niahtiischen  ada  entspricht. 
Die  Seh hiss Wörter,  welche  de»  Satz  abschtiessen.  Fragen 
bezeichnen  und  tlieilweiat)  auch  da  stehen,  wo  wir  unser 
.sein'  mit  dem  Eif^ennchaftöworte  ^ebrauuhen,  scheinen  mehr 
Verwand tHchnfl  mit  dem  Mon,  als  den  malaiischen  Sprachen 
zn  haben.  Ein  Hanptunterschied  aber,  welcher  für  den  nii;ht 
malaiischen  Ursprung  v.a  sprechen  scheint,  sind  ilie  Hiinch- 
laute  kh,  gh,  th,  jh  u.  a.  w.,  die  sich  häufig  in  den  uiou- 
uinamischeu  Sprachen,  nirgends  aber  in  den  nialaiuichen 
finden. ')  Nehmen  wir  dann  die  bedeutende  Anitahl  ein- 
silbiger Wörter,  die  nicht  malaiischen  Ursprungs  sind,  und 
deren  Verwandte  sir.h  nft  in  dpii  mim-iintianiischeu  Sprachen 
wi(nterlinden,  der  geringen  Anzahl  finsilbiger  Würter  in  de» 
Malaiensprachen  gegenüber,  so  scbeint  die  Annahme  gerechte 
fertigt,  das.s  die  Mehntahl  des  Mischvolkes  der  Tnchani  nicht 
nmlaiiscb  war  und  in  ihrer  angestaiumten  Sprache  der  eigent- 
liche Kern  der  Tscham-Sprache  sowohl,  als  der  Sprachen 
der  oben  genannten  verwandten  Stämme  zu  suchen  ist.  Von 
den  Sprachen  der  letxteren  kenuen  wir  indess  his  jetzt  nur 
kury.e  Wi^rtersaniTulungen,  und  so  müssen  einstweilen  die 
nicht  nnbedentenden  Anklänge,  die  dtis  Stieng,  das  Khmer 
und  das  Mon  bieten,  um  so  mehr  Werth  für  uns  haben, 
wenn  wir  der  Sprache  und  dem  Volke  der  Tttcham  die  ihnen 
gehührende  Stelle  anweisen  wollen. 

In  dem  folgenden  Versuche  einer  Beleuchtung  und  Ver- 


k 


II  Wie  freilich  aus  den  in  Kuhn'ti  .Beiti^en  xnr  Sprat-hen- 
kuiide  Ilinteriiidien«'  S,  236  f.  angnfflhrten  UeiHpielen  Ihun  Jiilir 
="  iDiU.  tcJian.  lüiiin  Zweig  —  dahiiti  erhellt,  ainJ  diese  lluuL-hluute 
ffUlegentlitjh  durch  Ausfall  eine»  äelbluutera  entatandon;  indatta  iat 
dinrr  Vorgang  den  niakÜRi'hen  Lnulge4et-.ten  Euwider  und  findet  in 
der  Neigung  des  T^chaoi  zur  lilinsil  big  keil  leine  Krklämng. 

2a» 


a 


328        Sitzung  der  phüos.-phüol.  Glosse  vom  1.  März  1890, 

gleichung  des  Wortschatzes  der  Tscham-Sprache,  welcher 
bei  den  unzureichenden  Mitteln  sehr  der  Nachsicht  des  Lesers 
bedarf,  sind  die  zweisilbigen  Ausdrücke  vorangeschickt  und, 
den  Endungen  nach  eingereiht,  wo  es  anging,  namentlich 
mit  den  entsprechenden  malaiischen  verglichen  worden,  da, 
wo  es  sich  nicht  um  Vorsätze  handelt,  dem  Wortbau  zufolge 
eine  solche  Verwandtschaft  nahe  lag.  Einige  Fremdwörter, 
die  aus  dem  Sanskrit  stammen,  finden  sich  jedoch  schon  in 
der  Einleitung  angeführt. 

Lautlehre,  Wortbildung  und  Wortableitung  der 

Tscham-Sprache. 

Das  Tscham  hat  zunächst  die  auch  im  Malaiischen  vor- 
kommenden Laute  a,  ä,  e,  o,  6,  ö(?),  i,  1,  u,  ü,  b,  t,  |,  d, 
(z),  r,  s,  g,  k,  1,  m,  n,  w,  y,  i,  ng,  p  und  n,  und  zwar 
kommt  das  z  (weiche  s)  auch  in  einheimischen  Wörtern  vor, 
was  im  Malaiischen  nicht  der  Fall  ist;  das  von  den  Malaien 
für  Fremdwörter  aufgenommene  (und  von  Kundigen  auch 
wohl  gesprochene)  f  hat  dagegen  das  Tscham  nicht.  Ander- 
seits besitzt  das  Tscham  die  dem  Malaiischen  abgehenden 
Laute  kh,  gh,  6h,  Jh,  th,  dh,  ph,  bh,  5,  ^,  (J,  ß.  Das  h, 
welches  im  Malaiischen  beliebig  ausgelassen  wird,  scheint 
hier  den  uns  geläufigen  Laut  zu  haben.  Die  Anwesenheit 
der  Hauchlaute  und  des  s  im  Tscham  scheidet  dieses  schon 
allein  scharf  von  den  malaiischen  Sprachen. 

Herr  Landes  zählt  in  der  Reihenfolge  des  Devanägari 
folgende  Mitlauter  mit  den  ihnen  in  Ermangelung  besonderer 
Zeichen  anhaftenden  a  und  ö  auf: 


(y  =  Si  j  =  Ji  n  =  ny) 


ka 

kha 

ga 

gha 

ngö 

tja 

tjha 

ja 

jha 

nö 

tA 

tha 

da 

dha 

nö 

pa 

pha 

ba 

bha 

mü 

Hindy:  üeber  den  Wörterschaiz  der  Tscham-Sprache.       329 

ya      ra         la      wa      sha    (sh  =  §,   w  =  w  englisch, 

Moura  v) 

iha     ha        da     ba       za      (d  =  unserm  ö^    h  =  ß^    th 

=  d-  der  grossem  Ein- 
fachheit und  Deutlichkeit 
wegen). 

Selblauter  sind  a,  i,  u,  o,  ö,  e,  ai,  ?i  (äi),  ao,  au,  ü. 
Das  von  Landes  mit  einem  Striche  bezeichnete  d,  unser  d, 
in  der  Schrift  von  na  (=  nö  mit  Häkchen)  wenig  unter- 
schieden, und  sein  gestrichenes  b,  unser  ß^  dessen  Zeichen 
denen  des  b  und  w  ähnelt,  scheinen  zwischen  den  harten 
und  weichen  Lauten  t  und  d  einer-,  p  und  b  ander- 
seits die  Mitte  zu  halten.  ^)  Das  zweite  th,  unser  &^  ent- 
spricht in  der  hier  vorliegenden  Mundart  von  Binh-thuan 
neben  §,  th  und  h  dem  s  anderer  Mundarten  und  auch 
wahrscheinlich  dem  9  des  Devanägari,  welches  in  Birma 
der  Schrift  nach  unterschieden,  aber  th  ausgesprochen  wird. 
Das  hier  vorliegende  ^  ist  von  p  fast  gar  nicht  in  der 
Schrift  zu  unterscheiden;  mehr  schon  das  entsprechende  s 
bei  Moura«  welches  dem  9  im  Eawi  und  Tschera  einiger- 
massen  entspricht.  Wenn  a^ih  Pferd  (mundartlich  aseh), 
Khmer  sih^  Banar  essäfe  (Bastian),  Eantscho-ßode  se^  Scharai 
chhe  von  afva  stammen  sollten,  würde  hierin  ein  passendes 
Beispiel  f&r  den  Ersatz  des  9  durch  ^  zu  finden  sein  (allein 
Bastian  fQhrt  anae  aus  den  westlichen  Mundarten  an), 
und  raSd  Haufen  konnte  =  rägi,  sram  sich  üben,  lernen 
=  Qram^  hciiih  praticiens  charges  de  r^ler  les  funerailles 
=  updstka  (siam.  basikä)  sein,  ä  also  auch  dem  9,  s  ent- 
sprechen. 

Moura  führt  in  seinem  Royaume  du  Cambodge  folgende 
Buchstaben  auf: 

1)  Wie  im  Chinesischen  and  einigen  (oder  allen?)  binterindischen 
Sprachen  entsprechen  harte  und  weiche  Laute  nicht  genau  den  unsrigen. 


330        Sitzung  der  phüoa.'phUol,  Classe  vom  1.  März  1890. 


crc. 

khäc. 

keäc. 

khä. 

nguc. 

(Vorschlag  e  vor  a 

pac. 

pheac. 

peac. 

phä. 

müc. 

in  Nachahmung 

täc. 

thäc. 

teac. 

thä. 

nuc. 

des  Khmer?) 

chac. 

chhac. 

cheac. 

chhä. 

nhuc. 

säe. 

lac. 

veac. 

bac. 

hac. 

reäc. 

ac. 

• 

1. 

u. 

6. 

ai.  hacheni  (d.  h.  das  allgemein  durch  h  wieder- 
gegebene, am  Ende  der  Wörter  mit  k  wech- 
selnde Zeichen,  welches  bei  Landes  S.  4  unter 
den  besonderen  Zeichen  ä  Janih,  von  Ay monier 
sa  jenih  benannt  ist  ,,qui  n'est  autre  chose 
que  le  rea  tnukh  des  Cambodgiens,  le  visarga 
du  sanscrit*   (Aym.). 

Man  sieht  hier,  dass  nur  khä,  phä,  thä,  chbä,  die  an 
den  gh,  bh,  dh,  Jh  entsprechenden  Stellen  stehn,  ohne 
schliessendes  c  geschrieben  sind,  was  mit  einer  Aeussernng 
Aymonier's  in  Excursions  et  Reconnaissances  Nr.  10  S.  175 
einigermassen  zu  stimmen  scheint:  ,|la  langue  chame  ne  me 
paralt  pas  accentuee  comme  le  sont  le  siamois,  le  chinois  et 
Tannamite;  neanmoins  la  voix  des  indigenes,  epelant  Taphabet, 
tombe  tres-sensibleraent  eii  prononfant  les  quatre  sonores 
aspirees:  gha^  jha^  dha,  bha.  Je  suppose  que  ces  lettre«  ont 
ete  ulterieurement  intercalees  dans  Talphabet,  qu'elles  ont  ete 
empruntees  au  dalil,  et  peut-etre  le  dialecte  sacre  (dalil) 
etail-il  chante?"  (s.  meine  Besprechung  von  Landes  «Contes 
tjames**  in  den  Gott.  Gel.  Anz.  1888  Nr.  18). 

In  der  Aufzählung  Moura^s  befindet  sich  das  der  Mund- 
art von  Binh-Thuan  fehlende  s,  dagegen  fehlen  v^,  ä,  z 
und  y  (welches  letztere  sich  jedoch  in  der  Schriftprobe 
findet);  unser  ß  erscheint  dort  als  b,  was  noch  der  Auf- 
klärung bedarf,  da  das  eigentliche  b  durch  p  wieder- 
gegeben wird. 


Hindy:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       331 

Lautwechsel,  -Schwund,  oder  -Zuwachs. 

A)  Selblauter. 

Das   a  der   Sanskritwörter   fallt    am    Schlüsse    ab    und 
weitere  Anhängsel  zuweilen  mit  ihm. 

Beispiele: 

Pali  akkhara,  sskr.  aksara  Buchstabe:  akhar  (im  Thai 
Päli  und  Sanskrit  äkkha:ra  und  äksSn). 

dkhyana  Erzählung:  akhan  erzählen. 

[agdra  Haus:  agal  livre  donnant  des  preceptes  d^art 
(du  bätiment  p.  ex.)  =  agäragästra?  [agha,  ogha 
ruine  Aymonier]. 

ägama{na)  Umgang:  ägam  qui  manque  aux  lois  de  la 
morale  (comme  Tiuceste  par  exemple)  lex. 

cmgixtara  anderer,  anyatra  anderswo:  anyai{dhar)  Feind. 

isan  Nordost  (sskr.  aigäna)  Aym. 

upakära  Beistand:  dpäkar  geleistete  Dienste. 

[upäsakay  upäsikä  Verbundene,  Laienbrüder  oder 
Schwestern:  bashih  praticiens  charges  de  regier  les 
funerailles  suivant  les  rites,  lex.,  siam.  basika  Nonnen, 
Frauen]. 

kdra  (kärin)  thuend,    Thäter:    kar  ouvrier  (royal)  lex. 

kdla  Zeit:  kal. 

kumära  Knabe:  katnar  kleines  Kind. 

däraka  Sohn,  Kind:  dahlak  Diener,  ich  (h  nach  Ay- 
monier auch  fortzulassen),  darä  Jungfrau. 

nagara  Stadt:  nögar  Land.  Nögar  Öam  =  Öampana" 
gara  entspricht  dem  chinesischen  Can-ihöng  (iyam), 
da  ihöng  =  nagara. 

bala  Heer,  bäla  Kind:  bol  frohnbar,  Frohnieute. 

mandira  Haus,  Tempel:  mödhir  Schloss,  Hofburg 
(khmer  mönirey). 


332        Sitzung  der  phüos.-philol.  Clctsse  vom  1.  März  1890. 

Mägha    10.    Monat    (Januar  -  Februar)  :     Bhang .  len. 

„1.  Monat   (des  Mondjahres   oder   des   europäischen 

Jahres  ?)\ 
nöS^ak  =  sskr.  naksatra  s.  Aym.  anük  n.    «Kind   der 

Zeitrechnung*   =   „Jahr". 
mayüra(ka)  Pfau:  antruk  (mal.  m^ak^  m^ura). 
räksctsa:  rak  monstre  habitant  les  bois  lex. 
rüpa  Gestalt:  rüp. 
löka  Welt,  Zeitalter:  lök. 
akan,  akansak  Himmel  =  sskr.  äkäga. 

Man  vergleiche  ausser  den  Namen  der  Wochentage  adit^ 
som  (^öw),  angar^  but^  jip^  suk  {suk)^  satmadar  die  der 
Monate  mak  und  ptvös  mit  den  betreffenden  Sanskrit-Namen. 

Eine  Ausnahme  ist  scheinbar  radeh  =  ratha  Wagen, 
mal.  rata^  siam.  rathä  Wagen.  Aber  in  Pallegoix,  dict. 
linguae  Thai  heisst  es  weiter  ^ra:thS  plaustrum  parvum  ad 
transvehendam  orizam**.  Vielleicht  liegt  da  ein  Wort  wie 
rätheya  zu  Grunde?  Indess  scheint  auch  pida  sskr.  preta 
zu  entsprechen.  —  Dasselbe  Verhältniss  zum  Malaiischen 
findet  sich  in  dalim  Granate,  mal.  dalima. 

Schwanken  der  Aussprache  in  der  ersten  Silbe 
zweisilbiger  Wörter.  Aymonier  kennzeichnet  (Excursions 
et  Reconnaissances  Nr.  10  S.  167 — 186)  den  Wortbau  des 
Tschara  kurz  dahin,  dass  der  Wortschatz  vorzugsweise  aus 
ein-  und  zweisilbigen  Wörtern  bestehe,  von  denen  letztere 
durch  Vorsätze  (prefixes)  und  Einbau  (infixes)  von  ersteren 
abgeleitet  seien  und  grossentheils  ein  Schwanken  des  8elb- 
lauters  in  der  ersten  Silbe  zeigten,  z.  B.  äZa,  tdo^  ola  Schlange, 
akan^  ikan  Fisch  u.  s.  w.  Es  sind  dieses  jedoch  wohl  vor- 
zugsweise Wörter  malaiischen  Ursprungs,  und  diese  Wandel- 
barkeit ist  auch  anscheinend  mehr  den  malaiischen,  als  den 
mon-annamischen  Sprachen  eigenthümlich ,  nur  dass  das 
Tscham,  oder  der  Theil  der  beiden  Hauptbestandtheile  der 
Sprache,  welcher  der  entsprechenden  untergegangenen  malai- 


Hinäy:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       333 

ischen  Sprache  des  Festlandes  (oder  der  Ursprache)  angehört, 
darin  weit  über  die  jetzigen  malaiischen  Sprachen  hinausgeht. 
Von  den  bekannteren  mon-annamischen  Sprachen  ist  es  das 
Annamische  allein,    welches   die   ursprüngliche   Einsilbigkeit 
bewahrt   hat.     Das    Mon   zeigt   schon   Spuren    von    Vorsatz 
und    Einbau,   welche  sich  im  Khmer   auf  das   Höchste  ent- 
wickelt haben  und  vielleicht  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag 
zur   Weiterentwickelung   der  Sprache  dienen  können.     Wie 
man  das  Koptische  mit  dem  Semitischen  vergleicht,  so  möchte 
ich  die  mon-annamischen   Sprachen  den  malaiischen   gegen- 
überstellen,  welche   letzteren  sich,   wie  die  semitischen,   zur 
Dreilautigkeit    entwickelt    und    dem    Vor-    und    Zwischen- 
bau den  Anbau   (Suffixe)   hinzugefügt   haben.     Indessen   ist 
der  Nachweis  der  Stammsilben    oft  schwierig,   und   auf  die 
Betonung  kann  man  sich  nicht  immer   verlassen.     Ein   an- 
scheinendes Beispiel  ist  obiges  akan^  ikan  Fisch,  mal.  tZran, 
Scharai  hacan^   Rode   und    Kantscho   kan^  Banar   cah^   ami. 
cd^  mon  ka;  nach  dem  gewöhnlichen  Gesetze  der  Betonung 
im  Malaiischen  ist  aber  gerade  die  schwankende  erste  Silbe 
betont.     Im   malaiischen  k^rä  Affe  ist  das  Umgekehrte  der 
Fall,  es  findet  sich  verkürzt  als  kra  und  vielleicht  im  Tscham 
in  dem  Ausdrucke  kräthön  wieder,  welcher  eine  grosse  A£Pen- 
art    bezeichnet.     Fremdwörter   scheinen   denselben    Gesetzen 
unterworfen:  sskr.  kürma  Schildkröte,  malaiisch  kura^  tscham 
kurä^  karä,  krä.     Andere    Beispiele    des   Wechsels    in    der 
Sprache  selber  und  ihren  Mundarten  sind: 

agha^  ogha  s.  o.  unter  agdra. 

ana^  anö^  tea,  inö  Mutter,  Toba  u.  s.  w.  ina, 

ala^  ti/a,  da  Schlange  s.  o.  mal.  ular. 

ftonat,  kunai  vornehme  Frau,  Fürstin  (ka^  ku  ehrender 

Vorsatz?). 
kumi  ich  ist  mal.  kamt  (von  Fürsten). 
ftaiNor,  kufnar  s.  o. 
kamei^  kumei  Frau,  Mädchen  {ka  Vorsatz?). 


334        Sitzung  der  phäosrphüol,  Clctsse  vom  1.  März  1890. 

tajuh,  iijuJi,  iejuh^  7,  mal.  tujuh. 

tapai^  tipai  Hase,  mal.  tupai  Eichhörnchen. 

damön^  dimön  bedauern. 

daJUau^  dihlau  vor,  zuvor,  mal.  däülu  (vgl.  halau  Haupt, 
mal.  ulu), 

nögar^  nugar  Stadt  s.  o. 

page^  pigi^  puge  Morgen,  früh,  mal.  pagi^  pers.-hind. 
pagäh. 

pqitih^  patoh  weiss,  mal.  putih.  Mon  pHng^  Scharai 
phatis. 

pai^ang^  posang  Gemahl,  wahrscheinlich  aus  po  Herr 
(=  pati?)  und  ^ati^,  mundartlich  sang  Haus. 

ba^ei  Eisen,  basei^  besei^  mal.  bäsi. 

ritnong^  ramang  Tiger,  mal.  Srimau. 

läü^  liü  Kokosnuss  (vgl.  Bugi  und  Makassar  lau  See, 
mal.  laut^  kaläpa-laut  See-Kokosnuss). ') 

lakei,  likei  junger  Mann,  mal.  lahi, 

lid-ei,  lad-ei^  rad^ei^  rix>e%  gekochter  Reis.  Im  Malai- 
ischen  entspricht   wohl   das   gleichbedeutende   nasi, 

limön  Elefant,  lomun  (Moura),  Bast,  lamün^  Kantscho 
leman,  Rode  eman^  Scharai  romony  jaw.  liman.  Von 
limö  5,  mal.  u.  s.  w.  lima  Hand  (Bali,  Bugi)  wie 
sskr.  hastin  von  hasta.     Bei  den  Rode  ist  ema  =  5. 

sulä  =  halä  Blatt,  im  Malaiischen  {i)lai  Zablausdruck 
für  Blätter  und  dgl.,  Ehmer:  sloc. 

hajan  Regen,  hujan  Aym.,  mal.  tijfoft,  Scharai  i/an. 
Rode  hayan^  jaw.  udan  (nach  Roorda  aus  dem 
Kawiwort  uda  Wasser,  s.  Gericke,  jav.-nederduitsch 
woordenboek  verni.  door  T.  Roorda  S.  27,  also 
danach  Sanskrit?). 


1)  Die  benachbarten  Sprachen  des  Festlandes  haben  abweichende 
Ausdrücke;  doch  gebraucht  das  Thai  luk  Sohn  fUr  Frucht  mit  ent- 
sprechenden Zusätzen. 


Himly:  üeber  den  Wörterschiitz  der  Tscham-Sprache.       335 

hadar^  hudör^  sudur^  hudur  sich  erinnern,  gedenken. 
Stieng  hahtur, 

hadyapj  hudiep  Aym.  lebendig,  leben,  mal.  idup.  Bei 
Landes  auch  epouse,  epouser,  wofUr  Moura  hadir 
bat,  was  zu  Schand  hatis  besser  stimmt.  Man 
konnte  an  eine  Verwechselung  der  ähnlichen  Schrifb- 
zeichen  ffir  p  und  r  denken,  vgl.  jedoch  jawanisch 
hiffuf  leben,  pangi^up  das  Leben,  belebend,  ngi^ifn 
sich  beständig  wo  aufhalten,  hurip  leben,  das  Leben, 
wo  der  Lippenlaut  am  Schlüsse  vorherrscht.  Im 
Mon  ist  gtfuing  Leben  und  Ehegatte;  es  ist  also 
wohl  die  Ansässigkeit  gemeint. 

halun^  hulun  Diener,  ich,  vgl.  dahlak^  auch  gefolgt  von 
halak,  mal.  ulun  „ich,  wir"  in  Patani  auf  der  Halb- 
insel Malakka  s.  Crawfurd,  dict.  S.  202,  jaw.  hulun 
„Unterthau,  ich,  wir". 

hariiy  hurSi^  haurSi  (nach  Aymonier  alt  auch  Am?) 
Tag,  mal.  hart,  ari  =  Sanskrit  Hari?  Kuhn  hält 
es  mit  Kern  für  echt  malaiisch,  s.  Kuhn  „Beiträge" 
S.  224. 

Der  erwähnte  Lautwechsel  findet  z.  B.  noch  Statt 
zwischen  folgenden  Wörtern  und  den  entsprechenden  malai- 
ischen: 

adä   £nte(rich),    mal.   itik^    Bugi    iti.     Im   Mon    ckJa, 

Stieng  da. 
apah  miethen,  mal.  upah  Miethe. 
akan  Fisch,  mal.  ikan  s.  o. 
ahak  binden,  mal.  ik^t, 

adung  Nase,  mal.  idung,  Scharai  und  Rode  düng, 
huyau  Baum,  mal.  kayu  (annam.  cäy), 
kalik  Haut,  mal.  kulit,  Kantscho  kulit.  Rode  clit. 
gakmg  rollen,  mal.  guling,  jaw.  gidung. 
gafUk  gelb,  mal.  kuning. 


386        Sitzung  der  phüo8,'philol.  Glosse  vom  1.  März  1890, 

talak  blicken,  mal.  tulih, 
t alang  Knochen,  mal.  ttüang. 
rad^a  Hirsch,  mal.  rusa. 

Der  zwischen  Stummlauten  und  flüssigen  Lauten  stehende 
Selblauter  fällt,  wie  im  Malaiischen,  häufig  aus:  krd  = 
kurä  s.  o.,  sara  Salz  auch  sra,  klam  finster,  Nacht  in 
der  zweiten  Hälfte  des  Monats  mal.  k^m  finster  (sanskr. 
käla(m)^  nämlich  nto^a?),  womit  mölam  Nacht  tscham  und 
malaiisch  und  klöm  abnehmen,  spät  aufgehn  im  Stieng  zu 
vergleichen.  Gru  ist  sanskr.  garu  Lehrer,  trun  herabkommen 
mal.  turun^  drai  Mtickenvorhang  =  mal.  tirai  Vorhang(?), 
drSi  ^Leib,  selber,  eigen*  jaw.  dtW,  brüh  laufen,  eilen,  fiiehn 
mal.  huru  nachlaufen,  jagen,  verfolgen  (?). 

Während  oft  das  kurze  a  mit  dem  laugen  ziemlich  will- 
kürlich wechselt,  scheint  das  letztere  am  Schlüsse  der  Wörter 
dem  ar  (Sr)  des  Malaiischen  zu  entsprechen,  z.  B.  pagä 
=  pagar  Zaun  (sskr.  prakara?),  ald  Schlange  =  tdar^  lapä 
Hunger  mal.  lapar^  iä  Wasser  mal.  ay^^  tscham  mundart- 
lich auch  ear,  ughä  Wurzel  =  mal.  akar  vgl.  mak.  djfea, 
bestimmt   akäka^    wo    auch    das    r   fehlt,    okku    entwurzeln, 

ferner    mal.    agar-agar    Seegras  =  Arab.    .Lie    (akar)    bei 

Crawfurd  als  Fremdwort  „root*  mit  übertragener  Bedeutung, 
hyä  weinen  mundartlich  hear  (Moura),  ebenso  Kantscho  und 
Rode,  Scharai  hija^  dabd  ungereimt  jaw.  dabar,  Pasä  Markt 
=  ps.  häedr.  —  Als  ursprüngliche  Endung  oder  als  Theil 
einer  solchen  erscheint  d  in  den  dem  Sanskrit  und  dem 
Arabischen  entlehnten  Wörtern  debutd  Gottheit  ^  sskr.  de- 
vatä,  adhwd  chemins  lointains  neben  adhwan^  jalan  —  chemin 
lex.  =  adhvan^  adhvd^  zu  a  verkürzt  in  kadha  Erzählung 
=  kathdy  und  in  dem  ganz  arabisch  erhaltenen  dunyd  Welt. 
Mit  pald  pflanzen,  palM  Dorf  (vgl.  Benkulen  pelayan  Hütte, 
zeitweilige  Wohnung  Crawfurd),  pald-palei  Dörfer  sind  zu 
vergleichen  sskr.  päli  Damm  (pal,  pal  schützen),  bind.  pal. 


Uiwdy:  lieber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Spraehe,       337 

Itashä  Menge,  Haufen  ist  vielleicht  sskr.  ragt.  Bijä  Fest 
in  ri)n  harü  Tagesfest  ist  zunächst  mal.  raya  festlich  in 
ari  raya  Jahresfeier,  wo  raya  umgekehrt  abhängig  von  ari 
steht,  und  yielleicht  gehört  auch  mal.  riya  Spiel,  Freude 
dabin;  indessen  ist  auch  wohl  an  hind.  hariyar  Schluss  der 
Zeit  des  PflOgens  zu  denken.  Im  Bugi  heisst  rojfa  Fest- 
tag. Ära  Eriechente  ist  yielleicht  nur  eine  Umwandlung 
▼on  add  Ente.  Kadä  fürchten,  kadwa  Aelterer,  yielleicht 
auch  haywä  (ygl.  sskr.  iva^  eva)  weil  haben  ha  nur  als 
den  gewöhnlichen  Vorsatz.  Bei  hand  braten  ist  ha  wahr- 
scheinlich gleichfalls  ein  solcher.  In  alä  unter,  unten  (vgl. 
häala  f&r«  anstatt,  mal.  ela  gegen  —  hin)  ist  a  der  so* 
wohl  im  Malaiischen,  als  dem  verwandten  Stieng  gebräuch- 
liche Vorsatz,  wie  letzteres  z.  B.  alü  neben  lü  oben  hat. 
Jfald  spät  hat  nach  Aymonier  die  Bedeutung  ^  Licht ^,  womit 
mal.  fia/a  Flamme  (sskr.  jvalä)  zu  vergleichen.  Lad  Bambus- 
art wird  von  Landes  mit  ann.  lö-ö  verglichen.  Dupä  Klafter 
ist  jaw.  4^pa.  So  ^bleiben  noch  zu  erläutern  die  einheimi- 
schen (?)  Wörter  lanhd  Bänder  des  Dreschflegels,  lahd  ge- 
hackter Fisch,  lawd  Land  bestellen,  awrd  (mon  mrä^  also 
mit  Vorsatz  a)  Hippe,  hard  Schulter,  kahryä  suchen  (ein 
Mittel  gegen.  Bastian  kahea  denken),  bei  denen  man  wohl  an 
Dehnung,  oder  andern  Ziisammenhang,  wenn  nicht  malai- 
ischen Ursprung  denken  kann.  —  Kurzes  a  als  Endung 
zeigen  toda  Brust  =  mal.  ^o^,  oben  erwähntes  möda 
(=  mal.  ada  +  Vorsatz  ntö)  und  rada  Gestell.  Chawa  in- 
salter  bei  Aym.  s.  ann.  chüöi,  Ita  {gitd)  wir  ist  mal.  kita, 
Baia  Hauer  =  Samang  hcdah  Elfenbein.  Dieses  einfachste 
Anhängsel  ist  yielleicht  vermittels  des  hinweisenden,  im 
Makassarischen  noch  jetzt  beliebig  angehängten  a  zu  deuten, 
welches  Matthes  in  seiner  Bugi-Sprachlehre  S.  34   mit  dem 

—  angehängten   —  a  des   Aramäischen    und    unserem    Be- 
stimranngsworte  vergleicht  (vgl.  im  Skandinavischen    —  en, 

—  et  mit  Unterscheidung  des  Geschlechtes).     Man  sieht  auch 


338        Sitzung  der  phäosrphüol,  Claase  vom  1.  März  1890. 

im  Malaiischen  (wie  im  Semitischen)  die  Anhängsel  bei  der- 
selben Wurzel  oft  genug  wechseln,  wie  z.  B.  in  Unggang^ 
lenggok  rollen,  Idtok^  lätup  zerbrechen,  Idieh  gebrechlich, 
zuweilen  auch  die  Anhängsel  die  Wortart  unterscheiden, 
z.  B.  bei  dem  Zeitworte  krut  runzeln,  knUu  rauh.  Die- 
jenige malaiische  Sprache,  welche  im  Tscham  als  beinah 
gleichberechtigte  Beimischung  erscheint,  hatte  ihrer  Zeit  mit 
ihren  Schwestern  offenbar  schon  den  Schritt  zur  Mehrsilbig- 
keit gemacht;  wie  wir  indess  sahen,  hat  das  Tscham  die 
Neigung,  die  Wörter  wieder  zu  verkürzen,  und  während  im 
Malaiischen  die  einsilbigen  Wörter  unter  den  mehrsilbigen 
fast  verschwinden,  so  halten  sie  denselben  im  Tscham  beinah 
die  Wage,  und  dieses  Verhältniss  würde  noch  bedeutend 
durch  Ausscheidung  der  durch  Vorsätze  (pa,  ha  u.  s.  w.) 
gebildeten  zu  Gunsten  der  einsilbigen  verändert  werden.  Mit 
den  Anlauten  kh,  gh,  £h,  jh,  ph,  bh  finden  sich  überhaupt 
keine  mehrsilbigen  in  Landes^  Wörterbuch  mit  Ausnahme 
von  phunti  {akok  phunti  au  commencement,  wo  akok  Kopf 
bedeutet  und  ptiunti  vielleicht  das  chinesische  pun-ti  Ursprung 
ist),  die  mit  ö  als  Anlaut  sind  sämmtlich  einsilbig,  ebenso 
die  mit  ß.  Bei  i^  sind  theils  der  Vorsatz  xH^  theils  Laut- 
wechsel mit  malaiischem  s  von  Einfluss,  beziehungsweise 
Zusammensetzung  {^ibar  =  habar  wie  x^äläpan  9  =  mal. 
samhüan).  Es  kann  daher  nicht  Wunder  nehmen,  wenn 
wir  die  im  Tscham  vorhandenen  wirklichen  oder  schein- 
baren Anhängsel  zunächst  bei  den  malaiischen  Sprachen 
wiedersuchen.  Aymonier  (s.  S.  182  a.  a.  0.)  spricht  wohl 
von  Vorsätzen  und  Zwischensätzen  (prefixes  und  infixes),  aber 
nicht  von  Anhängseln  (suffixes),  durch  welche  die  zweisilbigen 
Wörter  im  Tscham  aus  den  einsilbigen  gebildet  würden, 

a  ^=^  a  malaiisch:  möda  =  ada  sein  (s.  o.),  tada  Brust 
=  (/(i^a.  Rada  etagere  ä  mettre  la  vaisselle  vielleicht  von 
sskr.  ratha  Wagen,  oder  rathya  Rad,  vgl.  annam.  rüimg  xe 
^Kadkoffer'',  s.  Landes,  Contes  et  legendes  annamites  S.  260. 


HMy:  üdfer  den  Wörterachatz  der  Tscham-Sprache,      389 

f  «=  t  malaiisch:  bangt  wohlriechend  =  wangi^  mört 
Trompete  =  buri.  Ragi^  rügt  Verlust  =  mal.  rügt.  —  Andere 
Wörter  mit  dieser  Endung  sind:  langt  Ohr,  aht  borgen  von 
askr.  aitya?  bei  Aymonier  anhim  Anderer  Hülfe  gebrauchen, 
baM  in  badt  binyai  artifices,  habiletes,  halyt  Regenzeit,  lat 
ein  Mass,  Uuft  (lajfut)  schön  gewachsen,  patrt,  pdirä-päirt 
Art  Hausgeister  (=  sskr.  pt7f  ?),  ramt-ramik  bereiten,  auf- 
bewahren (mal.  ramai  in  Haufen,  ran%ai1can  anhäufen),  talt 
platter  Fels.  Tangt  Ohr  ist  jaw.  talingan^  aber  tangt  fragen 
=s  takan. 

Verwandt  mit  I  scheint  die  Endung  e:  pagS  Morgen 
mal.  pagi  (auch  e  wird  im  Bugi,  wie  a,  als  Bestimmungs- 
wort angehängt).  Po  Barne  „ancien  roi  divinise^  L.  lex. 
ist  augenscheinlich  Räma,  Kämefvara,  der  Kamesuen  der 
Si&mer. 

Femer  gehört  hierher  ei:  ädei  jüngerer  Bruder,  jawanisch 
€/^t,  mal.  a^tJk,  apwei  Feuer  =  mal.  api,  Kantscho  aptii, 
Kode  put,  Scharai  puoi,  gawei  mit  den  Händen  erreichen, 
▼gl.  jaw.  gawa  tragen,  bringen,  führen  und  gawe  machen, 
tbunt  verfertigen,  gebrauchen,  bai^ei  Eisen  (basei)  =  mal. 
bäsi.  —  Andere  Wörter  sind  kakei  (hakei)  empfehlen,  hadei^) 
folgen  (ygl.  deh  anderer,  mal.  isuk  morgen,  folgender  Tag 
=  harXi'hadei)^  w^en  ig  s.  u. 

Femer  ai:  padai  Reis  =  mal.  padi^  jaw.  pari  (Kanara 
baiis  nach  Grawfurd,  mal.  dict.);  banai  Frau  =  mal.  bini; 
mörai  zurückkommen  =  mal.  mari  kommen;  hatai  Leber, 
Herz  =  mal.  aii  Herz.  —  Hierher  gehören  noch  mötai 
iodt  =  mal.  mati^  mölagai  Landhaus  mit  Stockwerken  = 
mal.  maligai  Schloss,  ferner  hadai  helfen,  kämai  Schorf, 
banrai  üeberbleibsel  von  Keis,  vgl.  brah  Reis  und  den 
Zwischensatz  an,  habai  kochen  vgl.  khmer  bat  gekochter 
Reis;  moöai  fehlen  und  mödhai  lieber  scheinen  mit  dem  Vor- 


1)  Auch  adaeh  spr.  adai  (Aymonier). 


340        Sitzung  der  phäoa.'phüol,  Glosse  vom  1.  März  1890. 

Satze  mo  gebildet,  letzteres  um  so  mehr,  als  schon  ihai'6ha% 
je  mehr,  desto  mehr  bedeutet.  —  In  tupäy  waschen,  tapai 
Hase  sind  äy  und  ai  mit  langem  ä  und  y  mit  Rahezeichen 
(virama)  wiedergegeben,  während  ai  und  e  sonst  nach  Weise 
des  Birmanischen,  Thai  und  Tamulischen  durch  das  links 
vom  Träger  gesetzte  e-Zeichen  {ai  mit  einem  krummen 
Strich  darunter)  ausgedruckt  werden.  Für  Hase  haben 
die  malaiischen  Sprachen  auf  den  Eilanden  keinen  Aus- 
druck, da  das  Thier  dort  fehlt;  des  Lautes  und  einer  ge- 
wissen Aehnlichkeit  der  Thiere  wegen  habe  ich  oben  mal. 
tupai  Eichhorn  damit  verglichen  (Kaninchen  ist  mal.  kuweh 
=  portug.  coelho^  und  das  gleichbedeutende  t^rwelu  ist 
wohl  daraus  entstanden).  Auch  säkaray  wird  mit  dem  r 
(=  ra)  und  y  mit  Kuhezeichen  geschrieben,  Landes  gibt  als 
muthmassliche  Bedeutung  ^livres  magiques  de  divination*'; 
es  scheint  mit  dem  auch  ins  Malaiische  aufgenommenen 
arabischen  Fremdworte  sdhir  (sahhär)  zusammenzuhängen 
durch  Bildungen  wie  sahhäri  oder  suharä  (mit  -u,  -i,  -a 
der  Fallendungen?).  Auch  saktijai  „Art  Edelstein^  sieht 
aus  wie  ein  Fremdwort.  Inögaray^  nögaray  Drache  des 
Drachenjahrs  mit  tViö,  nö  „Mutter**  volksetymologisch  für 
wa,  also  ndga  +  raksas. 

Voller  erscheint  die  Endung  als  -wäi  oder  -dy  (letzteres 
mehr  der  jetzigen  Aussprache  gemäss):  darwäi  Dorn  =  mal. 
durt,  takwäi  Hals  (vgl.  mal.  tahuk  Kerbe,  tdngkok  Nacken, 
Bugi  täkkong  Nacken,  jaw.  tegak  Hals,  tengeng  schiefer  Hals, 
tikung  Biegung,  tikel  gebogen,  tekem  Faust),  hanrwäi  Narr, 
närrisch.  —  Hierher  gehören  vielleicht  auch  die  Endungen 
wei  (lies  ui),  wuey^  uy^  öy:  pahwei  Schwein  =  mal.  babi; 
apwei  Feuer  =  mal.  api;  angwei  anziehn  von  Kleidern, 
Güter  (vgl.  jaw.  havggo^  hangge  Kleidung,  worin  das  h 
wahrscheinlich  nur  der  gewöhnliche  Lautträger  der  Schrift 
ist,  mal.  pakai  anziehn,  pakadan  Kleidung,  Biigi  pake  sich 
kleiden);  langwuei  einsam  Bugi  lino^  sino;  päruy  Schwieger- 


Hindy:  lieber  den  Wörierachatz  der  Tscham-Sprache,       341 

eitern  {pä  Vorsatz?),  tanguy  Mais,  pägumy  verfolgen  {p6 
Vorsatz?),  danöy  einen  Laut  von  sich  geben.  Femer  6y: 
lawdjß  junger  Büffel  {lamow  ist  Ochse,  mal.  lifnbu  Hornvieh). 
Dagegen  ist  in  habrdy  das  ka  wahrscheinlich  Vorsatz.  Die 
Bedeutung  ist  , gestern^,  Moura  hat  dafür  mocobroi  (Scharai 
macampray^  Rode  tambrai,  Banar  jambrx\  Bastian  S.  244 
booei  mai  jö  kam  gestern  (booei  vielleicht  bfoei?).  Im  Stieng 
ist  biet  Nachmittag,  mo  mdu^  bar  mau  „der  erste  Vor- 
abend (gestern?),  der  zweite  Vorabend^;  also  ist  mo  =  1 
(mudi).  Im  Malaiischen  ist  Mlmarin  gestern,  der  vorher- 
gehende Tag,  worin  kel  vielleicht  aus  kala  Zeit  verkürzt 
und  marin  statt  mar%an{^)  aus  mari  kommen  entstanden, 
wie  es  ohne  n  vorkommt  in  kamari  hierher.  Demgemäss 
könnte  obiges  bröy  aus  mörai  zurückkommen  entstanden  sein. 
—  Unter  den  auf  ey  {y  mit  Ruhezeichen)  auslautenden 
Wörtern  finde  ich  keines,  das  einem  malaiischen  auf  -i  ent- 
spräche: pabey  Ziege  ist  Stieng  bHh  und  mit  dem  allen 
Thiemamen  vorgesetzten  p^:  pibHh^  mal.  bebek^  Bugi  bembe 
(vgl.  oben  paiwei  =  babi);  liney  sich  umwenden,  tajhey 
langes  Gewand,  taihey  feiner  Regen. 

Zur  Vervollständigung  der  Liste  noch  folgende  Wörter, 
die  theilweise  schon  in  anderer  Beziehung  erwähnt  wurden: 

auf  d:  ia  Wasser  (auch  ear)  =  mal.  a^Ä",  dagä  mettre  en 
reserve,  en  attendant  que  (L.  lex.  vgl.  khmer  bänchäm  Pfand, 
tscham  dang  attendre  =  khmer  chäm^  mal.  öager  Pfand?), 
öangwä  Schwinge,  iaJcä  sich  an  Jemand  wenden,  fragen,  tapä 
hinfibergehn,  iaphiä  nahe  bei  [Landes:  pres  de  (A.  phfa?)], 
ia  ist  häufig  Vorsatz,  tahd  alt,  reif  (vgl.  iathak  reif),  pdyä 
geben  (mit  angan  Namen)  mit  pd  als  Vorsatz?  (vgl.  khmer 
Ol),  pajwd  envoyer  v.  palai^  palai  pajwd  thoh  en  pure  perte 
L.  lex.  (vgl.  jwd  einsam,  lai  theilen,  auslesen?  thoh  leer), 
mÖkyd  Dattelpflaume,  Diospyros  ebenaster,  annamisch  cdtj  thi 
in  dem  entsprechenden  annamischen  Märchen  {cdy  Baum  thi 
=  chines.  Si  Dattelpflaume).     Das  Wort  gleicht  indess  sehr 

lata  PkilMk-iMifloL  o.  hist  Cl.  3.  28 


342        Sitzung  der  philos.-fjhilöl.  Classe  vom  1.  März  1890, 

dem  siämischen  makhüa^  Eierfrucht  (aubergine),  Liebesapfel 
(Tomate),  und  auch  dem  chinesischen  tnuk-kua  (,Banni- 
Melone'*),  Frucht  des  in  Hindustan  papaiyä  genannten 
Melonenbaums.  Mötct  Auge  ist  mal.  mata;  hier  ist  die 
Verlängerung  des  Auslautes,  die  übrigens  an  anderen  Stellen 
wenig  von  Belang  ist,  um  so  auffallender,  als  ähnlichie 
einsilbige  Wörter  in  anderen  Sprachen  mon- annamischen 
Stummes  vorhanden  sind,  wie  Trao  mtaJi^  Banar  mat  (Bastian* 
S.  414),  annanlisch  müt;  Mon  fnai  [vgl.  auch  birm.  myak 
(spr.  myet),  chines.  muJc^  tib.  tnig\.  Indessen  ist  auch  im 
Scharai  und  Kuntscho  mota  das  a  im  Auslaut,  vielleicht 
durch  malaiischen  Einfluss.  In  dem  zusammengesetzten  Worte 
tnötühtabhd  cadet  (L.  lex.)  scheint  mötiih  das  Wort  für  „halb" 
S.  131  des  lex.  zu  sein,  welches  an  sskr.  madhya  erinnert; 
tahhd  ist  vielleicht  =  sahhd  Versammlung,  oder  sabhya  Mit^ 
glied  der  Gesellschaft,  oder  sambhava  Ursprung  vorbehaltlich 
einer  bessern  Ableitung  zu  nehmen.  Yatoä  Hauch,  Laut  ist 
null,  hawa  Athem.  Särawa  beständig  ist  vielleicht  von 
srskr.  sarva  all  (sarvadä  immer)  Jibzuleiten.  x^umä^  B^R* 
matuwa  (jaw.  maratuwa  Schwiegervater,  von  niara  nahe  und 
tfnva  alt:  Koorda,  jav.  s])raakkunst  S.  111)  bedeutet  Schwieger- 
eltern^), ^uld  Spiihu,  vgl.  Bugi-Miikassar  sira  spleissen.  Takd 
alt  =  jaw.  ttiwa^  Bugi  töwa^  tjotva,  mit  welchem  letzteren 
es  auch  in  der  Bedeutung  ,reif"  stimmt. 

Auf  ei:  kumei  Frau  (/rMWt,  Icamei),  Vorsatz  ha'i  vgl. 
muk  Frau,  mu  Grossmutter,  mek  Mutter  (Stieug  w/l,  Tapang 
meo,  siäm.  mC,,  mik  Mulime);  bei  den  Trao  ist  cramai  Frau, 
worin  mi  augenscheinlich  dem  kanilx)dsohischen  cre  ver- 
wandter Vorsatz;  karei  anderer,  vgl.  Dajak,  f/arci  was  für 
ein,  arep  selber;  im  Makassar  ist  kaU^  im  Bugi  aU  .selber,  im 


1)  Vielleicht  liej^  hier  ein  mit  Oh  ^\\\\i*  znsainmen^eHetzter 
AuHilruck  der  Verwandtschaft  {mn  —  wt'k  Mutter  V)  vor.  wie  auch  im 
Khiner,  wo  kmek  die  Verschwä^erunj^  bedeutet  (mek  =  we  Mutter V). 


HinUy:  lieber  den  Wörterschate  der  Tscham-Sprache,      343 

Jawanischen  diri  =»  tscham  drei  für  'deh  hinweisend  -\'  rei? 
Kalei  ist  , graben ''^  mal.  galt.  TrSi  sättigen.  Talei  Strick 
=  mal.  tali.  Tapei  {L  ratjam)  ist  eine  Art  Gebäck.  Pätei 
Banane,  bei  Bastian  patu  =  mal.  pisang^  Bugi  oti,  Pabwei 
Schwein  =  mal.  bäbi,  Mögei  bewegen  mit  Vorsatz  mö? 
Ebenso  mötwei  Waise,  vgl.  pätwei  nach  Jemandes  Willen 
von  iwei  folgen.  Dagegen  ist  ha  nicht,  wie  sonst  oft,  Vor- 
satz in  harei  Tag  =  mal.  an,  halwei  Schatten  =  mal.  silau^ 
kawei  {hawi)  «spanisch  Rohr''  =  Bugi,  Mak.  uwe.  Mal. 
ort  Q.  8.  w.  wird  von  einigen  von  sskr.  hari  abgeleitet,  von 
Kahn  fßr  einheimisch  erklärt  (vgl.  alai  im  Silong). 

Auf  a»,  oy:  rüdai  wiegen  vergleicht  Landes  wohl  richtig 
mit  dai  bewegen,  schwingen,  wiegen,  wozu  der  Vorsatz  ro 
im  Khmer  zu  vergleichen  ist;  aber  auch  radai  Blasebalg 
scheint  hierher  zu  gehören  {radeh  Wagen  habe  ich  oben 
aus  dem  Sanskrit  abzuleiten  versucht,  und,  wenn  sich  nicht 
eine  Nebenbildung  auf  ai  noch  finden  sollte,  ist  das  auch 
wohl  richtiger).  —  Takai  Fuss.  Im  Bugi  ist  takke  Stiel,  Zweig, 
iakke-takke  wird  aber  auch  von  Armen  und  Beinen  gebraucht. 
Im  Mal.  vgl.  tangkai  Stiel,  Makassar  tängke  Hahnensporn. 
Das  Wort  fßr  «Fuss''  hat  k  im  Mal.,  Bugi,  Makassar:  kaki. 
Die  verwandten  Nachbarsprachen  haben  theilweise  sehr  ab- 
weichende Ausdrücke,  wie  Scharai  le,  Rode  )ang,  Kantscho 
iung^  Khmer  chöng.  Das  von  Aymonier  erwähnte  mundart- 
liche (Dalil-)Wort  padutak  ist  vielleicht  eine  Verdrehung  aus 
sskr.  pädiüca  -|"  takai.  —  Wegen  pcUai  s.  o.  unter  paöwä. 
kdranai  Tonwerkzeug  =  mal.  sarunai  dgl.  zum  Blasen  ist 
offenbar  das  persische  sümäi  aus  sür  Fest  und  näi  Flöte, 
welches  auch  von  Shakespear  im  Hind.  dict  als  sumä  auf- 
gefnhrt,  und  von  Vullers,  lex.  pers.  wie  oben  gedeutet  wird. 

Für  das  Anhängsel  u  (ü)  findet  sich  im  Malaiischen 
theils  a,  theils  ur  wieder:  bangu  Blume,  Moura:  bungu^ 
mal.  bunga^  jaw.  bungah^  bingah^  Kantscho  penga,  Song 
pangneh^  Scharai  dango;    hamü  Reisfeld  =  mal.  utna  Feld. 

28* 


344        Sitzung  der  phüos.'phüol.  Classe  vom  1.  März  1890. 

—   Kapü  Mund  voll  Betel  =  mal.  kapur  Kalk,  Eampher, 
sskr.  Jcarpüra. 

Das  Anhängsel  6  findet  sich  in  ard  Hefe,  Deberbleibsel 
=  Bugi  aropä  (vgl.  sskr.  arüpa?^  äropa^  oder  von  rup?). 
Karo  stark  ist  zu  vergleichen  mit  Makassar  harö-karö  hastig, 
und  mit  sskr.  kara^  kajap-karö  stark,  gesund  (kajap  ist 
kamb.  khdop  sicher). 

Das  Anhängsel  ö  findet  sich  in  amö^  Bastian  ama^  mü 
Vater  =  Bugi  äma^  mal.  rama.  Im  (anö^  ettö,  ana)  Mutter 
=  Bugi  ifiUy  Toba  dgl.  Ein  abgekürztes  nö  hat  wohl  den  ^ 
Anlass  gegeben,  aus  sskr.  nägaräja  den  Ausdruck  (inö)garay  . 
für  den  Drachen  der  einheimischen  Sage  zu  bilden.*)  Kam 
formule  de  salutation  ä  Tegard  du  roi,  Kamb.  kauma  pisis 
=  sskr.  vigesa-karai^a?  mölyöng  kanö  servir  un  roi  möchte 
ich  mit  bind,  milan  kamä  ^  Begegnung  machen  *  ver- 
gleichen. jTamö,  tama^  tamau^  tamu  hineingehn  ist  das 
dajakische  famä,  im  Scharai  tamor  mit  r.  Pakrö  nögar 
gouverner  le  royaume  [päkrang  regir,  gouvemer?  L.  lex. 
S.  103).  Pämrö  in  adoh  pdmrö  espece  de  repr&entation 
theatrale  ou  de  danses,  vgl.  adoh  chanter,  representer  une 
piece;  danses?  S.  200  des  lex.  Im  Bugi  ist  nda  Wort  und 
dda  parere  eine  Anspielung,  parere  =  rSre  entlang  gehn, 
rere  attnr&nge  om  de  slaapplaats  van  de  dewäta  zingen  en 
dansen,  rere  äju  om  een  om  te  houwen  boom  zingen  en 
dansen  s.  Matthes,  Boeg.  woordenboek.  —  Hämo  alt  ist 
mal.-jaw.-Bugi-Makassar  lama.  —  Langö  Sesam  ist  mal. 
leiiga;  limö  5  mal.-jaw.  lima  (ursprünglich  =  ^Hand").  — 

V 

Ldmnugö  Hafen  =  mal.  lahulian,    Sahim  nom  ou  titre  d'une 
princesse  lex.    ist   höchst   wahrscheinlich  vermittels  des  Per- 


1)  Tay  (rai)  scheint  in  tagok  rai  sskr.  rajya  zu  entsprechen; 
es,  wie  S.  840  geschehn,  für  rakstis  zu  nehmen,  gestattet  die  nicht 
un  wahrscheinliche  Annahme  nicht,  dass  rai'  =  rakias  ist.  Es  liegt 
näher,  an  nagaraJa  zu  denken.  Ganz  fehlt  das  9m  CnöJ  in  dem  Namen 
Kloug  Garai. 


Himly:  üeber  den  WörterschcUz  der  Tscham-Sprache,       345 

V 

sischen  zu  deuten.  Landes  trennt  Sah  inö  (vgl.  oben  im 
^Mutter*),  vielleicht  ist  auch  eine  Anspielung  auf  das  per- 
sische Eigenschaftswort  sähin  darin  zu  suchen. 

Die  Endung  ü  findet  sich  in  möhrü  schön,  worin  mö 
wohl  Vorsatz  ist,  ebenso  in  takrü  wollen,  lieben  das  /a,  in 
pakrü  Scherz  das  pa  (vgl.  mal.  gurau  scherzen). 

Die  Anhängsei  ar,  tV,  iir^  or  finden  sich  auch  im  Ma- 
laiischen wieder,  wie  wir  theilweise  schon  oben  sahen. 

ar:  Akhar  und  Angar  sind  Fremdwörter  aus  dem  Sanskrit, 
bezw.  Päli  (s.  o.);  athar  Korn  (im  Mal.  hutir  Korn  und 
Zahlaosdruck,  im  Bugi  das  sonst  „  Stein  **  bedeutende  bähi 
fßr  Saatkörner  und  als  Zahlausdruck  gebraucht;  th  für  t 
z.B.  in  thau  =  tau  wissen,  können,  a  für  ba  in  äm^=bSmbem^ 
angwei  ==■  pakai^  hosik  flüstern  im  Batak  =  bisik  im  Jawa- 
nisehen);  adar  leise  z.  B.  in  einer  Erzählung:  an&i  adar^  wo 
ich  (idar  =  Bugi  äda^  jaw.  vjar  Wort  setzen  möchte,  gleich- 
kam , klein  von  Worten ** ;  dhar  Art  Gebäck  =  sskr.  ahära\  ka- 
ydkar  Güter,  Habseligkeiten,  vgl.  mal.  kaya  reich,  kayafcen 
bereichern;  katnar  =  sskr.  kumdra;  kräh  bikar  geschickt  (vgl. 
sskr.  hara(f^a)^  pers.  bikdr  passend?);  tagar  dem  Strom  ent- 
gegen (vgl.  mal.  tSgar  hart,  steif,  eigensinnig);  vgl.  das 
folgende  tagbk  (Moura  tagik)  sich  heben,  steigen.  Im  Bugi 
ist  iingära  »sich  nach  oben  richten**.  Tomdar  rings  herum 
(vgl.  tom  rencontrer,  se  reunir,  accompli,  conduire,  dör  im 
Khmer  ^^gehn**;  arab.  tarn  vollständig  und  dar  umkreisen? 
mal.  idar  dgl.);  danar  glisser  entre  les  mains;  pardayar 
s'envoler  (d^une  troupe  d^oiseaux)  könnte  an  mal.  bSrd^^r 
sich  ängstlich  bewegen,  erinnern,  allein  par  ist  „fliegen** 
(Stieng  dgl.,  jaw.  ibar);  sollte  da^ar  =  arab.  däirah  „Kreis** 
sein?  Nogar  Land  ist  =  sskr.  nagara  Stadt;  bayar  bezahlen 
ist  im  Malaiischen  dasselbe  Wort,  könnte  also  auch  später 
durch  den  vielfachen  Verkehr  entlehnt  sein;  bithar  Art, 
Ding  (vgl.  sskr.  abhidhd,  — «a,  vidAd?),  padar  befehlen, 
mal.  (pi)patahy   möthar   (mödhar)  s.  o.  mötwei.     Bei   den 


34<)        Sitzung  der  phüos.-phüol,  Claase  vom  1,  März  1890. 

mit  ha  anfangenden  Wörtern  fragt  es  sich  Eunächst,  ob  es 
sich  um  den  gleichlautenden  Vorsatz  handelt,  wie  z.  B.  in 
habar  (sabar,  ^ibar)  wie;  haßar  umschlingen;  hagar  Trommel 
=  khmer  scör  (vgl.  den  sonstigen  Wechsel  von  h  und  s), 
mal.  tagar  Donner.  Im  Malaiischen  findet  sich  auch  das 
arabisch-persische  naqära  Kiesseipauke,  welche  hindustanisch 
auch  nebenbei  takor  heisst.  Hanggar  Wespe  hängt  viel- 
leicht mit  mal.  singat  stechen  zusammen,  von  welchem  Worte 
Crawfurd  pähängat  sting,  species  of  wasp  or  homet  ableitet. 
Vgl.  bind,  kumhärt  aus  sskr.  kumbhaJcdfi.  Hadar  sich  er- 
innern (sadar,  sxidar^  hudar)^  mal.  sMar  dgl.,  auch  wobl 
=  Stieng  kahtur  dgl.;  halar  sich  begnügen,  einwilligen, 
sich  nnterziehn.  Päkar  Sache  ist  vielleicht  mit  sskr.  pra^ 
kara  Haufen,  prakära  Art  und  Weise  zu  vergleichen. 

Für  ir,  welches  mit  wenig  abweichenden  Bedeutungen 
z.  B.  in  kikir  feilen,  Mkis  kratzen,  hikil  nagen  im  Malai- 
ischen mit  is  und  il  wechselt,  habe  ich  nur  die  anscheinenden 
Beispiele  möthir  (mödhir?)  =  sskr.  mandira  s.  o.  und  pdtMr 
geschlossen.  Hadir  epouse  bei  Moura,  Scharai  hati^  erscheint 
in  Landes'  textes  tjames  als  hadyap^  sonst  „lebendig*  (mal. 
idvp).  Im  Malaiischen  ist  addp  eddp  =  confarreatio,  a4dp 
vor,  addp-addpan  von  Angesicht  zu  Angesicht  u.  s.  w. 

Mit  'Xir  finden  sich  athur  (bhyöp)  betes  und  amur  Zelt- 
dach. Umur  äge  bei  Ayni.  ist  arab.  umr.  Mit  or:  tasor 
loslassen  vgl.  Bugi  tättang. 

Mit  ör  findet  sich :  payör  faire  passer,  trausmettre,  worin 
j)a  augenscheinlich  der  die  Ursache  bezeichnende  Vorsatz. 
Indessen  ist  doch  vielleicht  mal.  biy^r  erlauben,  zulassen  zu 
vergleichen,  da  in  den  angeführten  Beispielen  diese  Bedeutung 
denkbar  ist:  payör  bok  hü  mai  t-ends-moi  ton  visage,  payör 
trom  jeter  la  trorape  en  avant.  Im  Khmer  ist  phhör  = 
schicken. 

Arischen  Ursprungs  scheinen  -wör  und  wör:  gan-wör 
Herr,  Häuptling,  mit  ahok  Schiff  =  Lootse,  sonst  =  Dorf- 


Hmly:  Ueber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       347 

schalze  und  Sterndeuter  (-hwör)^  womit  sskr.  gai^ka  zu 
Tergleichen;  das  gan  ist  also  wohl  =  sskr.  gai^a^  und  wör 
entspricht  vielleicht  dem  Anhängsel  -toalu,  Nöhwör  Stern- 
deuter ist  wohl  entweder  eine  Abkürzung  aus  (ga)nawala^ 
wobei  das  h  eingeschoben  wäre,  oder  nach  einheimischer 
Wortstellung  =  wo  (siäm.  nai  Herr  =  ttaya,  näyaka)  +  hwör 
=■  svar(ga)^  welches  letztere  in  gmwör  hwör  ebenfalls  selb- 
ständig erscheint.  (Iin  Khmer  ist  hora  übrigens  das  Wort 
für  Sterndeuter.)  Gathwor  (gathwör?)  ist  ein  kupfernes 
Waschbecken,  vgl.  sskr.  galvarka  (für  ga4  —  vgl.  bind. 
gaftcä  Topf?). 

Von  der  Aussprache  der  Buchstaben  k,  t,  p,  h  am 
Scfaluss  der  Wörter  sagt  Herr  Landes  S.  VUI  der  Vorrede, 
dass  dieselben  nicht  ausgesprochen,  oder  wenigstens  in  einen 
kurz  abgebrochenen  Laut  zusammengefasst  würden,  in  dem 
nur  ein  geübtes  Ohr  das  wahre  Wesen  des  Lautes  erkennen 
könne;  die  Eingeborenen  müssten  dasselbe  aber  wahrnehmen, 
da  in  dieser  Beziehung  verhältnissmässig  wenige  Verwirrungen 
in  der  Rechtschreibung  stattfänden.  Das  p  am  Schlüsse, 
dem  gewöhnlich  ö  vorhergehe,  hätte  gelegentlich  einen  ver- 
längerten Laut  (son  prolonge),  göp  z.  B.  werde  gaho  aus- 
gesprochen, indem  ho  stumm  bleibe,  man  könne  glauben, 
das  p  sei  in  diesem  Falle  mit  dem  sehr  ähnlichen  h  ver- 
wechselt, aber  der  Schreiber  habe  immer  ein  p  darin  er- 
kannt, und  ausserdem  stehe  in  mehreren  Fällen  auch  im 
Khmer  und  Stieng  das  p  zur  Seite,  in  welcher  letzteren 
Sprache  das  p  lautbar  wäre.  Es  scheint  also  in  der  Aus- 
sprache dieser  Endbuchstaben  eine  grosse  Uebereinstimmung 
mit  denselben  der  südlichen  chinesischen  Mundarten  zu  be- 
stehen. —  H  wechselt  am  Schlüsse  namentlich  mit  k.  Craw- 
furd  sagt  in  seiner  Malaj  grammar  vom  letzteren,  bei  den 
meisten  Malaienstämmen  werde  es  am  Schlüsse  der  Wörter 
nicht  ausgesprochen,  oder  doch  nur  als  ein  schwacher  Hauch. 
In  dahldk  scheint  das  h,  wie  der  Visarga  in  anderen  hinter- 


1 


•^4H         SitzuHtj  der  2^ilos.']^iIot.  Clause  Cfiiw  /.  Man  1890. 


indischen  Sprachen,  nur  die  kurze,  aber  reine  Aasspraehe 
des  a\s  anzudeuten.  Ngah  «thnn"  ist  im  Rode  nga€,  droh 
^schnell**  =  sskr.  driik^  klah  vermeiden  mit  rfl  vielleicht 
ursprüiij^lich  =  klak  verwerfen;  anderseits  entsprechen  ein- 
ander tak  schneiden  und  Stieng  iah  dgl.,  ttih  giessen  ist 
wieder  im  Stieng  tok.  Wir  dürfen  uns  daher  nicht  wundem 
im  Tscham  und  im  Malaiischen  die  Anhängsel  ak  und  ah 
in  einander  übergehn  zu  sehen. 

Die  Endung  nk  findet  sich  in  den  malaiischen  Sprachen 
und  den  en^)rechcnden  Wörtern  wieder  in  haJak  Diener 
(Toba:  Mann),  parynk  Silber  mal.  xierak.  Ohne  k  entcfaeint 
I)a1ak  Handfliiclie  im  Bugiworte  i)dlä^  Mak.  pälä^  mit  dem- 
selben im  Batak:  pnlak.  Amrak  Pfau  ist  wie  mal.  mnrak 
Fremdwort,  aus  dem  Sanskrit,  im  Malaiischen  auch  meni/m 
(sskr.  mnyüra)^  das  ka  könnte  schon  dem  Sanskritworte 
hinzugi.'fügt  s(Mn.  Im  Malaiischen  findet  sich  -ah  in  getah 
(vgl.  guttapercba)  dem  Tscham- Worte  (/a/at  Saft  gegenüber. 
Mit  nöxhik  Alter  vgl.  hind.  naklmi  =  naksatra.  Statt  -ak  in 
talffk  blicken  findet  siili  im  Malaiischen  ik  in  tulik,  at  in  nrat 
=  nrak  Faser.  Sonstige  Wörter  mit  diesem  Anhängsel  sind 
rnhak  Garten  (vgl.  mk  sjjrossenV),  (rnnak  Bündel  gehört 
nicht  hierher,  da  es  durch  Einfügung  von  an  aus  (>^A  binden 
gebildet,  ist),  athtk  Kaucb  ist  wahrscheinlich  verwandt  mit 
mal.  n>>vp  dgl.,  dttrnk  Markt,  dtis  hohe  Meer  (sskr.  tarnvgn?), 
akak  anheften  (mal.  ikf'ff  binden),  antfk  vor  (mal.  adäji  dgl.), 
ftrak  Tag,  Augenblick  (sskr.  nhar),  aivak-awak  durcheinander 
(Landes  vergleicht  annanlisch  hayha)^^)  hnlakynk  Name  eine.s 
Fisches  (vgl.  ßugi  Mle  Fisch),  (damtk  Päckchen  Betel  ist 
wahrscheinlich  aus  dak  häufen  gebildet),  gaßak  sich  stützen, 
hakak  messen  (mal.  sakat^  Bugi  stfkä)^  hahrak  Riegel,  hanrak 

\)  !'>  ist  bei  Landes  vielmehr  awak  turar  zu  lesen,  welches 
narh  der  Stelle  S.  21  der  UmschriTt  ein  Si'heltwort  zu  sein  «eheint; 
v^l.  «.'niwfnrd,  Maliiv  dietionary:  awak  body,  jierson,  seif;  aicar 
|da«,nie,  niurrain. 


Himly:   Ueber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       349 

Messer,  Spiess  (vgl.  amrd),  harak  Brief,  Befehl  (arab.  sürah?)^ 
kahwaJc  Seidenfaden,  katak  Schallwort  für  Glucksen,  katwak 
zittern,  {mötak  vielleicht,  mal.  intah  ist  wohl  mit  dem  Vor- 
satz mö  ans  tak  s.  o.  gebildet),  nörak  schmutzig,  pägrwak 
umwerfen,  iawak  eingenommen  sein,  öadyak  zuhalten,  päjyak 
zu  etwas  drängen,  pabwak  fee,  päyak  bewirthen,  padyak 
Hitze,  heiss  (krüh-p.  Mittag  von  krüh  Mitte.  Auch  im 
Kantscho  pedeac  heiss  nach  Moura)  vgl.  askr.  parüäpa 
Hitze,  (ratcak  tragen,  vgl.  wak  aufhängen),  rayak  Fluthen, 
raytcak  Netze  (Bugi  rämhdng)^  sarak  gemalt,  gezeichnet 
(ar.  fwroA?),  tdakyak  sich  reiben,  vermuthlich  von  einem 
einfachen  Zeitworte  akydk^  tahyak  herauskommen  (Scharai 
ckapeac)^  icusak  an  der  Hand  tragen  (vgl.  mal.  tatang  auf 
der  Hand  tragen),  tahrak  Taschentuch  vielleicht  zusammen- 
hängend mit  tavgin  Hand,  tapak  gerade,  wahr  ist  iapa  im 
Trao,  tathak  reif,  gar  (Mak.  tdsa  Bugi  dg].,  mal.  masak?)^ 
iathujok  sich  losen  ist  wahrscheinlich  aus  ta  und  ihwak  heraus- 
ziebn  zusammengesetzt.  Alak  Reiswein,  mal.  arak  ist  arab- 
isches 'araq  Saft,  berauschendes  Getränk.  Tahak  =  ta 
4"  AaÄ:(Vj,  da  hec  im  Khmer  dieselbe  Bedeutung  „zer- 
rissen* hat. 

Das  Anhängsel  -ah  findet  sich  im  Malaiischen  wieder 
in  darah  Blut  (Tscham  ebenso,  jaw.  dgl.  Mak.  dird^  Bugi 
ddra^  rdra^  derd^  dero^  nur  im  Jawanischen  auch  verkürzt 
roh  und  erah;  im  Tscham  kommt  ein  Wort  rd  vor,  welches 
nach  Ajmonier  und  Landes  eine  Verkürzung  aus  rang^  orang 
Mensch  ist,  daher  raglai  Waldmenschen;  das  Jawanische 
scheint  auch  mit  der  übertragenen  Bedeutung  von  darah  als 
«Abkunft"  ziemlich  allein  zu  stehen),  npah  Lohn  =  Tscham: 
apah  verdingen,  a>sah  wetzen  =  Tscham  athah^  basah  nass 
=  Tscham  hathah^  pddah  brechen  (patah,  piätis)  =  badah^ 
fnantah  roh  =  tnötah,  Mak.  mdia,  Bugi  dgl.,  jaw.  m^ntah, 
bituwah  (tuwah)  glücklich  =  batwah  in  dem  Satze  batwah 
mxik  talwid  harök  ^ias  war  ein  grosses  Glück  für  das  jüngere 


350         Sitzung  der  phüosrphüöl.  Glosse  vom  1.  März  1890. 

Fräulein";  iuwah  ist  im  Malaiischen  ^glücklich",  b^rtuwah 
^glücklich  sein,  verzaubert  sein**,  —  dälah  Zwischenraum, 
Lücke  =  dalah  getrennt  sein.  Eigentlich  gehört  hierher 
auch  dalah  Zunge  (jaw.  dilat),  das  Malaiische  hat  aber  das 
l  zu  Anfang  in  li4(th  (vgl.  jüat  lecken),  im  Bugi  sind  zwei 
{  in  Itlu.  Gaüah  scheint  nur  in  batit-gaüuh  (religion  musul- 
mane.  Landes)  vorzukommen;  Aymonier  zählt  zwei  Mund- 
arten auf  (neben  dem  eigentlichen  Tscham),  welche  wie 
Kawi  und  Erama  auf  Java  mehr  gewissen  Ständen,  als  be- 
stimmten Gegenden  eigenthümlich  sind ;  1 .  das  Dalä  als  alte 
heilige  Sprache,  2.  das  Bani^  welcher  Ausdruck  nach  ihm 
.religion**  bedeutet  (sskr.  vinaya?)^  panvach  bani  langage 
(des  gens)  de  la  religion**  (musulroane)  ist  bei  ihm  entgegen- 
gesetzt dem  panvach  Cham^  vermischt  mit  vielen  Wörtern 
aus  dem  Khmer,  Malaiischen  und  Arabischen.  Sollte  bani 
nicht  die  Bedeutung  .Glaubensbekenntniss**  ursprünglich 
gehabt  haben,  so  wären  noch  andere  Möglichkeiten.  Da  ist 
z.  B.  das  acht  mon-annamische  Wort  für  „Mensch**,  welches 
im  Mon  mnih^  im  Stieng  benih  (bihih)  lautet,  wenn  man 
nicht  geradezu  das  arabische  bent  „Söhne**  heranziehen  und 
Baut  Gaüah  als  Söhne  Ali's  auffassen  will.  Ausserdem 
könnte  gaüah  vielleicht  eine  Mehrzahl  bildung  aus  dem  im 
Banar  zu  findenden  ngai  (bngai)  Mensch  (s.  Bastian  a.  a.  0. 
S.  413)  mit  Aiihängung  von  lä  mehr  (Tscham  IS)  oder  der- 
gleichen sein.  Gay  „Stock,  Stamm**,  welches  Wort  sich  im 
Tscham  findet,  ist  vielleicht,  wie  Landes  zu  vermuthen  scheint, 
nur  ein  Fremdwort  aus  dem  Annamischen,  wo  es  die  über- 
tragene Bedeutung  „Volkstamm**  meines  Wissens  nicht  hat. 
Hadah  hell,  Tageshelle  hängt  vielleicht  zusammen  mit  hadar 
sich  erinnern  (mal.  sMar  sich  erinnern,  zu  sich  kommen, 
aufleben,  bewusst),  zumal  es  mit  möta  Auge  sich  auf  einen 
Blinden  bezieht,  der  sein  Gesicht  wieder  erlangt.  Hanah 
emporschnellen  scheint  malaiisch  s^hoh^  sSnuh  zu  sein  (Landes: 
„retirer  par  un  mouvement  brusque  le  poisson  qui  mord".  — 


Hiwdy:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       351 

Crawfurd:  sähoh  to  twitch,  to  snatch).  Kamiah  leugnen 
enthält  augenscheinlich  entweder  kam  als  Vorsatz  (im  Khmer 
JbeHft),  oder  am  als  Einschiebsel,  wie  in  kamrang  stehlen  (auch 
Idik^  vgl.  im  Mon  klat  stehlen  und  kamlat  Dieb),  kamraw 
ächzen,  krächzen  (?),  kamlow  stumm  (?),  im  Stieng  ist  klah 
brechen;  besser  scheint  aber  hier  lad  sagen  (Stieng  l&h  sprechen) 
mit  vorgesetzter  Verneinung  khöm  nicht,  ^)  die  wenigstens  im 
Stieng  vorkommt.  Ligah  bedeutet  „müde**  (vgl.  Stieng  löngei?), 
Ätah  fem  ist  auch  im  Kantscho  ata,  im  Scharai  und  Rode 
nach  Moura:  atas^  wo  wir  also  s  und  h  einander  entsprechend 
finden,  wie  so  oft  am  Anfange  der  Wörter  (in  den  Wörter- 
sammlungen, die  nach  blossem  Gehör  gemacht  wurden,  darf 
man  das  h  am  Schlüsse  nicht  so  streng  erwarten,  wie  beim 
geschriebenen  Worte,  da  es  kaum,  wenn  überhaupt,  gehört 
wird.  Moura  hat  als  Tsch am- Ausdruck  ata).  Älah  ,, weichen** 
scheint  das  malaiische  sSrah  zu  sein;  ob  es  in  der  Bedeutung 
9 faul**  nebenbei  noch  mit  mal.-jaw.  nal^s  verwandt  ist,  muss 
ich  dahingestellt  sein  lassen.  Bei  Alwah  steht  in  Landes' 
Lexique  des  (Pontes  Tjames  S.  206  ÄUah?  po-tak  ald  „le 
seigneur  des  regions  inferieures**  (tak  ist  „schneiden**  und 
kann  „bis**  bedeuten,  ala  „unten**,  pö  ist  Herr).  Leider 
kann  ich  die  Stelle  zur  Zeit  nicht  so  leicht  auffinden.  Ich 
hatte  wegen  des  aufiallenden  w  schon  an  Elöah  und  den 
wahrscheinlich  sehr  frühen  Verkehr  der  Tscham  mit  den 
Hebräern  oder  Syrern  der  Malabar-Eüste  gedacht  und  ander- 
seits bei  Crawfurd  arwah  spirits,  soul,  arwdhkän  „ein  Fest 
zu  Ehren  der  Seelen  der  Ahnen  feiern**  gefunden  (arab. 
arwnih  Mehrzahl  von  ruh  Qeist).  Indessen  muss  ich  doch 
gestehen,  dass  obige  Redensart  auffallend  dem  arabischen 
Äüdh  ia  ^cUa  ähnelt.     Banah^  hinah  ein  Stück  Land  ist  mit 


1)  Khmer  com  in  commot  schweigen,  wo  mdt  =  Mund;  cd  ist 
dort  stumm.  Freilich  ist  wieder  mal.  IcHu  stumm  mit  in  Erwägung 
za  ziehen.  Femer  weist  Landes  auf  annamisches  cam  stumm  hin. 
Aoeh  annamisch  ist  khong  inicht**. 


352         Sitzutig  der  jihilosrjihüol.  Clause  ro»»  /.  März  1890. 

Bu^i  wanüua  zu  vergleichen.  Kapah  =  mal.  kapas  = 
Khmer  crebas^  Kantscho  kopas^  Rode  cap<is  Baumwolle  ent- 
stammen alle  mittel-  oder  unmittelbar  dem  sskr.  karpäsa; 
nur  das  Hcharai  hat  nach  Moura  ein  eigenes  Wort  am/xii 
(im  Malaiischen  ist  kutun  Fremdwort  aus  dem  arabischen 
quthnn).  Kapiah  Zwischenraum  der  Finger  (sskr.  karabha?). 
Karah  King  (bind,  kam  nach  Sbakespear  von  sskr.  kataka. 
Landes  leitet  es  von  annamischen  cd-rä  ab,  welches  ich 
in  filteren  Wörterbüchern  nicht  finde;  vielleicht  könnte 
es  den  umgekehrten  Weg  genommen  haben?).  Limah  über- 
reichen (Mak.  lima  Hand,  parllimdnna  überreichen,  Bugi 
dgl.) ;  sonst  entspricht  limö  fünf  dem  lima  der  malai- 
ischen Sprachen.  Mobiah  abstreiten  hat  wahrscheinlich  den 
Vorsatz  niö,  vgl,  mal.  memblah  spalten  von  blaM  dgl. 
(gleichsam  , abschlagen**?).  Pabah  Mund,  Mündung  =  Mak. 
haha.  Palah  Kessel,  Topf.  Pajhi  piastre  (Aym.)  von  jai 
sapetjue  mit  chines.  pak  hundert.  Palah  Keil.  Paßyah  bereit 
leite  ich  von  ßyak  , passend,  genau**  ab  und  vergleiche  mal. 
hayik  passend,  bai/iki  ausbessern,  anpassen,  niembatjiM  dgl. 
Pftf/ah  reinigen  (einen  Graben),  d.  h.  anscheinend  vertiefen; 
vgl.  Hiigi  kfw  (hüll)  graben,  mal.  (jaVi  und  vielleicht  patfifr 
Zaun  (in  deutschen  und  verwandten  Sprachen  Deich,  Teich, 
engl,  to  dig,  ditch).  Pdbrynh  auf  etwjLS  fallen.  Pärah 
werfen,  daraus  mit  zweifachem  Vorsatz  takdprah  zurück- 
prallen, abprallen?  Raßah  arm.  Tahnvdh,  härei  t.  glücklicher 
Tag,  wozu  zu  vergleichen  tahrat  hadah  strahlend,  scheint 
verwandt  mit  Bugi  tdura  Zeichen,  mal.  tanda,  jaw.  tdtida, 
t(i)frav  ri  Idnffie  sind  ,, Sternbilder**  (eigentlich  die  Zeichen 
am  Himmel),  auch  tanrang  ist  „Zeichen*  und  pavatirdng 
St(»ni  (wobei  wegen  des  öfter  zwischen  geschobenen  n  aller- 
dings auch  an  sskr.  tdrd  Stt^rn  zu  denken).  Es  mag  weit 
hergeholt  scheinen,  bei  , Zeichen"  an  ein  „glückliches  Zeichen*' 
und  sodann  gleich  an  den  Begriff  des  „Glückes*'  überhaupt 
zu  denken.     Allein  wir  haben  hier  gleich  eine  ganze  Keihe 


Hindy:  üeber  den  Wörterschcttz  der  Tscham-Sprache.       353 

Yon  Wörtern,  die  mit  tafir-  beginnen,  nämlich  ausser  dem 
schon  genannten  tatirak  das  eben  erwähnte  tahrat,  dann 
tanrau?  in  göp  iahraw  Leute  desselben  Landes,  Landsleute, 
tanrow  »Felder  durch  Geisterbeschwörung  entzaubern**  und 
obiges  tafirwah.  Hiervon  ist  tanrow  mit  Bugi  tänrotoi  yer- 
fluchen,  Mak.  tunra  Fluch  zu  vergleichen,  tahrat  hat  ein 
Seitenstück  an  tattat  deutlich,  gerade  wie  das  von  Ajmonier 
angeführte  ianran  Ebene  an  tanüh  Erde  und  mal.  ianah^ 
jaw.  tantiah  Erde  und  deutlich.  —  Tarah  hobeln  ist  mal. 
tarak^y  welches  wieder  mit  tarah  strecken,  weiten  und  tara 
gleich,  eben  zusammenhängt.  Ta^aA  verfallen.  Ca/?aA  Schüssel 
(mal.  t^palc  Dose  =  d^^,  jaw.  d^puk  dgl.,  liuyu  Deckel- 
tasse, Fläschchen,  dujpdk  Pfeifenkopf).  Öalah  (öalön)  ge- 
trennt (vgl.  mal.  ö^ah  Riss,  Spalte,  Kluft,  Abstand). 

Wenn  ich  hier  das  Anhängsel  -aw  behufs  einer  Ver- 
gleichung  mit  dem  Malaiischen  in  Betracht  ziehe,  kann  es 
sich  selbstverständlich  für  letzteres  nur  um  solche  (zwei- 
silbige) Wörter  handeln,  bei  denen  das  Bestreben,  aus  schon 
vorhandenen  Zeit-  und  anderen  Wörtern  Wörter,  die  Thätig- 
keit.  Zustand,  Wirkung  u.  s.  w.  bezeichnen,  zu  erzeugen 
schon  hervortritt,  z.  B.  galian  Grube  von  gali  graben, 
tisungan  Sänfte  von  nsting  tragen,  garangan  Getöse  von 
garang  laut  u.  s.  w.  Derartige  Anhängsel  zweiter  Stufe, 
wie  mehr  als  zweisilbige  Wörter  überhaupt  auch  nicht  häufig 
sind,  sind  im  Tscham  entweder  gar  nicht  zu  suchen,  oder 
doch  selten.  Hierin  ist  die  Sprache  dem  mon-annamischen 
Orandsatze  treu  geblieben.  Ein  auffallendes  Beispiel  aus 
dem  Malaiischen,  wie  die  hier  in  Frage  kommenden  An- 
hängsel nur  durch  ihre  Verschiedenheit  die  Abschattungen 
eines  Hauptbegriffes  bezeichnen,  bietet  das  Wort  lipan, 
weiches  im  Tscham  und  im  Malaiischen  den  Tausendfuss 
bezeichnet,  während  lipas  in  letzterem  Name  der  , Schabe'' 
ist  und  lipai  «falten''  vielleicht  auf  die  Spuren  der  Grund- 
bedeutung  führt  (im   Jawanischen  ist  klabang  Ti 


354        Sitzung  der  pMas.-phäol,  Classe  vom  1,  März  1890, 

ngläbang  flechten,  im  Bugi  balipäng^  cUtpäng  Tausendfuss, 
balepe  Schabe,  lappig  läppä^  räpäng  falten,  ärtpi^  äppi 
flechten,  im  Makassar  altpang  Tausendfuss,  kalepe,  hdipcisä 
Schabe,  lappd  falten,  äppt  flechten).  Jalan  „Weg*  lautet 
im  Malaiischen  ebenso,  jaw.  dalan.  Balan,  hdan  (bei  Bastian 
neben  pulan  auch  abgekürzt?  lan)  Monat,  mal.  hüan  Mond, 
Monat,  jaw.  undan^  Bugi  undäng^  uläng,  Mak.  htdang.  Um 
das  Gestirn  auszudrücken,  setzt  das  Tscham  ia  vor  hdlan^ 
ein  Wort,  welches  sonst  Wasser  bedeutet,  wie  es  auch  ia 
harei  „Wasser?  des  Tages*  für  ^Sonne*  gebraucht.  In 
ia  ywön  ,,Land  Anuam*  stimmt  dieses,  wie  Landes  bemerkt, 
mit  dem  Gebrauche  des  annamischen  nüöc  überein,  welches 
„Wasser*  und  „Königreich*  bedeutet.  Im  Uebrigen  hat 
sich  bei  den  umwohnenden  Eingeborenen  auch  die  malaiische 
Weise,  die  Sonne  als  „Auge  des  Tages*  (mata  ari)  zu  be- 
zeichnen, eingebürgert.  Wegen  akan  Fisch  =  mal.  ikan 
s.  o.  Angan  Name  hat  dem  Nasenlaut  gegenüber  in  den 
malaiischen  Sprachen  ein  r,  nämlich  jawanisch  aran^  Dajak 
ara^  Mak.  areng^  Bugi  sogar  mit  8  äsäng;  das  Malaiische, 
welches  die  Fremdwörter  nama,  isma  aus  dem  Sanskrit  und 
dem  Arabischen  gebraucht,  hat  zwar  das  Wort  panggü  nennen, 
doch  verbieten  die  Lautgesetze,  hier  das  p  als  Vorsatz  zu 
nehmen,  welcher  vielmehr  p^ng  lauten  müsste;  das  sanskrit- 
ische angka  „Zeichen*  ist  zwar  in  das  Malaiische  einge- 
drungen, aber  hier  bliebe  das  n  am  Schlüsse  zu  erklären 
übrig  (vgl.  mal.  karang,  karangan  Zierung  mit  einem  Namen, 
ang  als  höfliche  Anrede?).  Hajan  Regen  (hnjan)  ist  mal. 
n^an  (Scharai  /jfaw.  Rode  hayan).  Papan  Brett  ist  ganz 
malaiisch  (chines.  pan).  Öatvan  ist  das  chinesische  dha-wan 
Theetasse.  Laav  „kalt*;  nach  Kantscho  lenga^  Khmer  rongea 
zu  urtheilen  könnte  der  Stamm  in  der  zweiten  Silbe  liegen 
{ro  ist  ein  im  Khmer  häufiger  Vorsatz).  Aban  Kleidungs- 
stück (Languti,  sonst  auch  khan  genannt  Aym.).  Apan 
halten    (Mon  pang  tragen,   Stieng  pan  können).     Adhwati^ 


Himly:  Ueber  den  Wörterachatz  der  Tscham-Sprcuhe,       355 

adkwä  «Weg*  ist  Sanskrit.  Akhan  «erzählen*  hängt  zu- 
sammen mit  sanskr.  äkhyäna  Erzählung.  Aymonier  führt 
aacb  davon  anakhan  «devoir  avertir*  auf  mit  dem  einge- 
fügten na  (für  sonstiges  an'i)  mit  Zukunft- Bedeutung,  vgl. 
jaw.  dariia  erzählen  von  öaritra  und  ditiariia  erzählt  werden, 
wo  auch  ein  Fremdwort  so  umgestaltet  ist,  um  das  Leiden 
auszudrücken.  Zwischengefügtes  n  bezeichnet  im  Khmer 
namentlich  das  Werkzeug  wie  anar  Säge  von  ar  sägen.  Aus 
dem  Tscham  stehen  schon  jetzt  einige  Beispiele  zu  Gebote, 
wie  pantvöd  Rede  von  pwöd  reden.  ^)  Butyan  Verwandt- 
schaft; Landes  verweist  auf  tyan  Mutterleib,  indess  ist  Bugi 
hati  Geschlecht,  jaw.  batih  Gesinde.  Bikan^  bukan  anderer, 
dajakisch  beken  (mal.  hukan  nicht).  Hakan  ist  eine  Art  Fisch, 
nach  Landes  der  annamische  cd  tre,  lÄman  schwach;  vgl. 
mal.  l^ah  dgl.,  Mak.  lämma,  Bugi  lämmä,  Lingan  Pflug 
=  sskr.  länggala(m)^  Khmer  ängcal^  Bugi  rakälu^  Mak. 
nangkäla  (auch  hindust.  nängal  neben  IdngaJ),  Das  Malai- 
ische hat  neben  ninggal  Sterz  t^ggdlu  Pflug,  wie  n^gkok 
Hals  neben  tengkok,     Lihan  Leiter  (mal.  tangga?). 

In  findet  sich  im  Tscham  und  im  Malaiischen  in  wöin 
spielen  =  mal.  mayin.  Dasselbe  ist  dem  ersten  Anscheine 
nach  der  Fall  mit  möthin  salzig  =  mal.  masin.  Wir  müssen 
aber  sofort  an  den  Vorsatz  mö  denken,  wenn  wir  die  malai- 
ische Nebenbildung  asin  sehen.  Nach  den  Lautgesetzen 
sollte  man  erwarten,  dass  aus  asin  salzig  m^gasin  salzig 
sein  gebildet  wäre;  hier  finden  sich  aber  im  Jawanischen 
dieselben  Wörter  asin  und  masin  wieder,  in  welcher  Sprache 
das  blosse  m  vor  Selblauter  gesetzt  wird.  Der  Wechsel 
zwischen  th  und  s  ist  der  gewöhnliche  bei  ^  eintretende. 
In  iangin  Hand  wechselt  die  Endung  mit  ön  (iangön)^  und 


1)  Die  Bedeutung  ist  mehr  die  der  Wirkung  wie  in  danal' 
BOndel  von  cak  binden,  oder  des  Ortes  wie  in  danok  Ort  von  dok 
bleiben. 


356        Sitzung  der  phüos.'phüol.  Clcuse  vom  1.  März  1890, 

im  Malaiischen  entspricht  tangan^  im  Scharai  tangin  Finger, 
irangin  Hand,  Kantscho  iengan  Hand  (Rode  cadengy  Banar 
chedrang^  chedeng  Finger),  Rode  cangan  Hand.  Angin  Wind 
ist  dem  Tscham  mit  dem  Malaiischen  gemeinsam.  Akhin 
hikal  «ce  qui  est  d'importance  (a  ne  pas  faire)"  ist  mir  dunkel. 
Alin  „als  Entgelt  geben,  umkleiden '^  scheint  mal.  alUi 
, wechseln"  zu  sein.  Kalin  Aufruhr,  Kampf  erinnert  an 
sskr.  kali,  Pängin  „Schale"  findet  sich  wohl  in  mal.^n^aii 
„Tasse"  wieder. 

Un  findet  sich  im  Malaiischen  und  Jawanischen  wieder 
in  mal,  ayun  —  ayunan  Wiege  von  ayun  (jaw.  yun  i^it  Abfall 
das  a's?)  schaukeln  verglichen  mit  Tscham  ayun  Sänfte  und 
jaw.  bangun  aufgehen,  anbrechen,  entstehen  mit  Tscham 
bangem  Brunnen,  hangumn  Name  der  Tage  der  ersten  Hälfte 
des  Monats  (vgl  jaw.  bangun  Tagesanbruch).  Halun,  Neben- 
bildung zu  obigem  halak  Diener,  entspricht  jaw.  hdun  (Kawi), 
und  beide  sind  ein  herabsetzender  Ausdruck  für  ,|ich". 

On  entspricht  ursprünglichem  an  und  steht  namentlich 
nach  m,  bei  welchem  in  der  Schrift  ja  auch  ein  eigenes 
Zeichen  die  sonst  den  Buchstaben  (bis  auf  nt,  ng^  n,  n)  an- 
heftende a-Aussprache  bezeichnen  muss.  Limön  Elefant  ist 
mal.  liman^  welches  sich  zu  Mak.  lima  Hand  verhält  wie 
im  Sanskrit  hastin  zu  hasta.  —  Taniön  10,000.  Landes  hat  in 
Klammern  das  annamische  wwow,  ohne  das  ta  weiter  zu  er- 
klären; wäre  es  d^ä  eins,  so  würde  die  Herkunft  aus  dem 
Annamischen  und  somit  dem  chinesischen  man  (wan)  keine 
Schwierigkeit  haben.  Die  mahiiischen  Sprachen  nehmen  hier 
theilweise  das  Sanskrit  zu  Hülfe  (mal.  laksa^  jaw.  laksa^ 
Toba  loksa^  Dajak  laksa^  Mak.  lässa^  Bugi  dgl.),  indem  sie 
die  Bedeutung  des  Sanskritwortes  laksa  100,000  um  eine 
Stufe  zu  10,000  verringern.  Daneben  findet  sich  auch  das 
Wort  für  1000  mit  vorgesetzter  10  und  im  Makassar  dokko- 
wang  Abtheilung  Soldaten,  si-öokköwang  =  sisäbu  1000, 
si-öokkoivang-lompo  ein  grosses  iokköwang  für  10,000.    Auf 


Wmdy:  Ueher  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       357 

letztere  Weise  mit  chinesischem  ta  «gross*  zusammengesetzt 
könnte  man  sich  auch  das  chinesische  man  als  ia  man  denken ; 
allein  dieses  ist  weder  im  Annamischen  noch  im  Chinesischen 
zu  belegen;  und  im  Annamischen  kehrt  chin.  ta  als  dai 
wieder.  Auffallend  ist  die  üebereinstimmung  von  tamön  mit 
dem  persisch-türkisch-mongolischen  tümen  (tumän)^  und  man 
könnte  vermuthen,  d&ss  die  Syrer  der  Malabar-Küste  das 
Wort  zugleich  mit  ihrem  r'hü  (eigentlich  10,000,  malaiisch 
ribu  1000,  tscham  rubüw  dgl.)  nach  Ostasien  gebracht  hätten 
(merkwürdig  ist  das  Kawi-Wort  dömas  für  800).  —  Damön 
r^^tter  (diman^  dimön)  könnte  vielleicht  verwandt  sein 
mit  Bugi  limonggäng  Kummer,  Sehnsucht.  Im  Jawauischen 
ist  dama^  daman  Armuth,  womit  Roorda  sskr.  adhama 
vergleicht.  Auch  4'^mik  bedeutet  im  Kawi  ,arm*.  Ta- 
pjfdfi,  »Ort,  wo  man  Wasser  holt,  sich  baden",  erinnert 
an  jaw.  topi  «Ufer,  Rand**,  aber  auch  an  Tscham  tupdy 
waschen.^)  Tabujön  froh  und  wön  tabwön  dgl.  lassen  sich 
wegen  des  Auslautes  mit  sahai  im  Khmer  schwer  ver- 
einigen; vielleicht  liegt  eine  Zusammensetzung  mit  on 
(tcon)^  dem  Urtexte  nach  en,  in  Landes,  lex.  S.  212  vor. 
Bayön  ist  ein  langbeiniger  Vogel.  Kamwön  Neffe  ist  im 
Khmer  khmuei^  wo  auch  das  auslautende  n  fehlt,  jaw. 
kaponnakan  (eigentlich  wohl  «der  an  Kindes  Statt  Ange- 
nommene*' von  annak  Kind?).  Von  kräthön  grosse  Affen- 
art ist  augenscheinlich  Jcra  das  malaiische  Wort  für  Affe; 
f&r  tltön  weiss  ich  einstweilen  keine  Bedeutung  anzu- 
geben. Baniin  (banan^  banön)  «Wald*  enthält  dem  jawan- 
ischen  Sanskrit-Fremdworte  bana^  wana  (sskr.  vana  Wald) 
gegenüber  wieder  das  fast  nur  in  malaiischen  Wörtern  vor- 
kommende n^)   (ram  banün  foret  epaisse,  ram  S.  144  dgl. 


1)  Andere  Beinpiele  fQr  eine  Wurzel  tap  erinnern  an  die  indisch- 
germanischen  Sprachen:  jaw.  tapa  Busse,  Stieng  tap  beerdigen«  kb. 
thäp  ersticken. 

2)  ^gl*  JA^-  sagara,  s^gara^  segaran  von  sskr.  aägara  Meer 

l«a  Fhilos.-philoL  n.  IdaL  Cl.   8.  24 


358        SUsung  der  phüos.-phüdl.  Classe  vom  1.  Mars  1690. 

aDnam.  räm  bei  Landes.     Das  eigentliche  einheimische  Wort 
für  den  Begriff  ist  glai). 

ön  scheint  ähnlich  entstanden  zu  sein,  ¥ne  im  Jawan- 
ischen  aus  der  Verschmelzung  von  u  mit  dem  Anhängsel  an. 
Öalön  ist  eine  Nebenbildung  zu  obigem  dalah  Abstand.  Im 
Jawanischen  findet  sich  s^a  mit  derselben  Bedeutung,  s^n 
ist  ,yZwischen"  (vgl.  auch  mal.  salah  besonders,  verschieden 
sein).  Ebenso  ist  zu  dalön  „suivant  le  cours  de  Teau*  (vgl. 
mal.  Uirun  herabkommen,  turut  folgen)  vielleicht  Stammwort 
dalah^  dala^  daluh  oder  dgl.  vorauszusetzen.  Haön  scheint 
mit  dem  Vorsatze  ha  gebildet  zu  sein  und  entspricht  in  der 
Bedeutung  „sich  erinnern'^  dem  thti-tven-m  (on  allein  „sich 
freuen"). 

AI  findet  sich  im  Malaiischen  wieder  in  bantal  Kissen 
=  Tscham  batal,  Athal  „Geschlecht*'  mit  ih  fär  s  halte 
ich  für  das  arabische  agl^  welches  sich  auch  im  Malaiischen 
als  asal  eingebürgert  hat  {aihal  patao  „race  de  roi*).  Ätcal 
mit  der  Neben bildung  alwal  „Mutterschooss"  scheint  auch 
aus  arab.  habt  schwanger  (bestimmt  dlhabJ)  entstanden  zu 
sein,  wie  Mak.  bättang  aus  bathn.  Dälukal  (duläkal)  könnte 
erinnern  an  das  jaw.  ^alang  Puppenspielaufführer;  vgl.  auch 
kar  lük  heai  „Erzählung"  im  Khmer,  lakon  dgl.  malaiisch; 
ferner  dahlau  „zuvor"  +  arab.  qäl.  Khal-damal  „schweigen* 
sieht  aus  wie  arab.  qäl  thatnan  »sagte  und  schwieg".  Ämal 
jagen  (mal.  Smbat?).  Akhin-bikal  „ce  qui  est  d^importance 
(a  ne  pas  faire)".  Agal  „livre  donnant  des  preceptes  d'art 
(du  bätiment  p.  ex.)"  (sskr.  agära  „Haus"  mit  folgendem  Aus- 
drucke für  „Lehrbuch"?).  Basal  „Schutzdach"  scheint  das 
mal.  bangsal  zu  sein. 

11  finde  ich  mehr  im  Malaiischen,  als  im  Tscham.  Thibil 
in  pwöd'&ibil  lose  Reden  führen,  sittenlos  ist  vielleicht  mal. 


welchen  drei  Umgestaltungen  die  letzte  (Landnee)  eine  Verkleinerung 
auszudrücken  scheint. 


SinUy:  Ueber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache,       359 

iabul  sittenlos,  geschwätzig,  wenn  es  nicht  arab.  thißt 
, kindisch*   ist. 

Ul  ebenso.  Tamul  gestickter  Gürtel  (mal.  saintJc  Gürtel?, 
oder  sskr.  tamäla  Abzeichen?). 

Bei  öZ,  welches  hier  überall  mit  vorhergehendem  w  er- 
scheint, und  zwar  nicht  nur  nach  p  (wie  in  apwei  Feuer 
=s  mal.  opt),  wird  es  sich  yielleicht  nicht  um  ein  Anhängsel 
handeln.  Die  Beispiele  sind:  pathwöl  geneigt  sein  zu  etwas 
(Vorsatz  pa^),  atwöl  hängend  (z.  B.  eine  Flagge),  dapwöl 
Schaar  (Efamer  iap  Schaar). 

Auf  'dl  finden  sich  kaöwöl  Ferse  =  Mak.  katulu.  Hazol 
ist  «leicht*,  „erleichtern*. 

Ik  findet  sich  im  Malaiischen  wieder  in  tasik  See  = 
Tscham  ta^ik.  Sonst  entspricht  auch  -ü  in  langit  Himmel 
aB  Tscham  langik^  kulit  Haut  =  kalik.  Lamk  lange  (vgl. 
Uh&i  mehr)  ist  mal.  IShih  jaw.  luwih  mehr,  zu  lange,  über- 
schreiten. Dagegen  ist  das  lühik  in  (hau  labik  savoir  que 
yielleicht  das  ddpi  im  Bugi,  welches  wie  im  Spanischen 
alcanMar  »erreichen*,  »verstehn*  und  unser  , fassen*  bedeutet. 
Anderseits  ist  es  in  ^ä  läbik  hamu  Reisfeld  offenbar  ver- 
wandt mit  labuk  in  &ä  labuk  hold  ^une  plantation  de  betel*, 
womit  mal.  W)uh  Schuttabladestelle  zu  vergleichen  (Aymonier 
hat  lahik  als  Bani-  Ausdruck  für'dawot  »Ort*).  Ganik  »eng* 
scheint  durch  eingefügtes  an  aus  gik  »dicht  an*  gebildet. 
Oaikik  »gelb*  ist  mal.  hming^  Mak.  kufii.  Lahik  verlieren 
ist  yielleicht  verwandt  mit  Dajak  lihi  verlassen  (vgl.  tscham 
lahy  loh  »lassen* ;  verloren  gehen  ist  im  Dajak  tiihau). 
Anik  Stöpsel  von  Blättern  (tampon  de  feuilles  pour  boucher 
un  trou  dans  une  digue)  ist  vielleicht  ^  hanik  Damm.  Ob 
es  wie  ganik  aus  gik^  so  von  einem  etwa  stammverwandten 
ik  oder  durch  vorgesetztes  ha  gebildet  ist,  muss  ich  noch 
unentschieden  lassen.  Dakik  ^ wenig*  scheint  des  arabische 
daqf^  zu  sein.    Habik  »zusammen,  mit*  wechselt  mit  Ihibik; 

beide   haben  also  Aa,   bezw.  d-u  als  Vorsatz.     Haktk  ^ 

34« 


360        Süzung  der  phUoarphüd.  Classe  vom  1.  März  1890. 

ist  mal.  sakit^  gerade  wie  oben  hakak  messen  =  mal.  sukat. 
Kapik  kneifen ;  Landes  vergleicht  annam.  c&p^  kep.  Letzteres  in 
der  Redensart  cho  kep  hbi  ,|Ort  der  Enge  und  des  Umkehrens* 
entspricht  dem  chinesischen  Zeichen  nach  dem  chinesischen 
kiä  {hip^  hiap^  keh  Morrison  5432)  , kneifen*,  der  Bedeutung 
nach  mehr  dem  mit  gleichen  Lautzeichen  geschriebenen  und 
sinnverwandten  &tä  «Engpass*  Morr.  3408  (hap^  hiap).  Man 
könnte  es  demnach  für  ein  chinesisches  Fremdwort  im  An- 
namischen halten ;  allein  das  Khmer  gebraucht  kiep  , kneifen* 
mit  den  Vorsätzen  th  in  thkiep  dgl.  und  töng  in  iöngkiep 
„Zange".  Ist  es  aber  wahrscheinlich,  dass  das  Tscham  ein 
malaiisches  Anhängsel  (ik)  an  den  mon-annamischen  Stamm 
gehängt  haben  sollte?  Das  Khmer  hat  nun  auch  ein  sinn- 
verwandtes Wort  in  chrebäch  zusammendrücken,  worin  ehre 
Vorsatz,  bäch  der  Stamm  ist.  Anderseits  entsprechen  sich 
Tscham  2>^k  »pflücken**  (Landes  vergleicht  ann.  bi  , brechen**) 
Und  Khmer  be  dgl.,  hek  ist  auch  im  Khmer  =  , brechen**, 
und  so  könnte  kapik  mit  dem  Vorsatz  ka  und  einer  Wurzel 
pik  (=  pek?)  gebildet  sein(?).  Daneben  ist  jedoch  mal. 
s^jrit  Zange,  öubit^  pidit  „kneifen**  zu  halten  (Bugi  ptpi., 
stpi,  Wurzel  pi?),  Möik  harnen,  Mak.  meya,  Möthik  ent- 
spricht augenscheinlich  dem  ta^^ik  „Meer**  in  der  Redensart 
möthik  taOik  möthik  darah  „die  See  war  voll  Blut*.  Da 
tai^ik  =  mal.  tasik^  darah  =  mal.  darah  und  mö  = 
dem  mal.  Vorsatze  w^,  sollte  man  erwarten ,  etwas  Ent- 
sprechendes in  den  malaiischen  Sprachen  zu  finden,  was 
mir  indess  bis  jetzt  nicht  gelungen  ist.  Pmgik  in  pängik 
tangt  „sein  Ohr  leihn,  anhören**  könnte  man  für  aus  pd 
und  gik  „nahe  bei**  entstanden  halten.  Fääik  „krank* 
ist  wohl  verwandt  mit  dik  „liegen**  (Aym.  dik^  bedey)^ 
welches  in  dih  dt  apwei  „im  Kindbett  (eigentlich  auf  dem 
Feuer)  liegen**  vorkommt.  Ramik  (ramt)  zubereiten,  auf- 
l>ewahren  scheint  verwandt  mit  jaw.  ramui^  rtiniat^  rimat 
bereit,   ngramat   aufljewahren    (vgl.  rSmit   schön,  listig,  ge- 


Himly:   üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache,       361 

.schickt,  rampak  regelmässig,  in  geschlossenen  Reihen).    ÖaMk 
ist  eine  Art  Sack  (ann.  bi  Landes). 

Obgleich  das  Anhängsel  -ük  auch  im  Malaiischen  vor- 
kommt, so  entsprechen  doch  hier  mehr  u  und  tth^  z.  B.  lahik 
(vgl.  mal.  l^di  s.  o.  labik)^  lakvk  hinter  (vgl.  mal.-jaw. 
lakii  gehn,  vorbeigehn,  Art  und  Weise,  m^ahi  aufepüren 
(dazu  mal.  lantp^i  vorbeigehn  und  daj.  limha  nach).  Haduk 
lichlaehzen  entspricht  mal.  sM^i  dgl.  Sonst  haben  noch  t^: 
iduk  Knie,  ^uuk  sich  erinnern  {tue  =  kbd.  nÜk  denken  ?).  Bei 
gamik  ligne  (manche  de  la  — )  ftührt  Landes  das  an.  cdn  Stiel 
manche  an  (vgl.  chines.  Araw),  bei  guk  (hanö)  (den  Bogen) 
«spannen''  ist  dagegen  auf  ganuk  verwiesen,  wahrscheinlich, 
weil  es  Herrn  Landes  möglich  schien,  dass  in  letzterem  das 
eingeschobene  an  enthalten  wäre.  Eine  Angel  kann  aber 
sehr  wohl  als  , Werkzeug  zum  Ziehn"  bezeichnet  werden. 
Ebenso  konnte  öam(k  «forme,  modele"  mit  öuk  «hineinthun*' 
zusammenhängen.  Wangkruk  betrübt ,  voreingenommen 
sieht  wie  eine  Zusammensetzung  aus.  Wang  ist  .umgeben", 
«umringen*,  Tcriüc  ein  wilder  Ochse,  pdkrvik  schliessen,  also 
auch  wohl  Icnik  schliessen  (?),  daher  „umringt  und  ver- 
schlossen* ?  Im  Mon  ist  wdk  schwierig,  wak-khai  «in  Nöthen* 
{kkai  allein  «graben",  khai-duk  Aussatz),  kruk  chinesisch; 
ich  weiss  nicht,  ob  man  wak-khai-duk  fdr  «aussätzig*  ge- 
brauchen kann.  Vielleicht  liegt  sskr.  hhangxira(ka)  zu  Grunde 
in  der  Bedeutung  von  «gebrochen,  niedergebeugt*  (vgl.  auch 
jaw.  bingung  verwirrt,  verlegen,  bengkting  krumm,  wimghiüc 
, gebockt*).  Ahiüc  Halsband.  Aduk  Schlafzimmer  scheint 
mit  mal.  ddu  «schlafen*  zusammenzuhängen;  aber  das  Ma- 
laiische kann  sich  so  kurz  nicht  mehr  ausdrücken  und  hat 
mit  Vorsatz  pa  (vor  Selblauten  pir)  und  dem  Anhängsel 
-an  pSradiian  gebildet.  Ättdc  Knöchel,  Knoten,  Absatz  (an 
Fingern,  Bambus  u.  s.  w.),  vgl.  jaw.  itung  zählen,  tan- 
gan  Hand,  tiga  3,  u.  s.  w. ;  a  ist  Vorsatz,  ttdc  Stunde, 
iuk   klau    der   dritte    u.  s.  w.      Abtue   Wassertopf 


862        Süiung  der  philo8,-philol,  Classe  vom  1,  März  1890. 

mit  pers.  äbuk  , Becken  mit  Wasser*  (vgl.  ab  Wasser) 
lautlich  überein.  Ayuk  blasen  {möri  Trompete)  vgl.  jaw. 
fitfl(p^  niyiip  blasen,  nxyaga  Gamellan  spielen  (?).  Banguk 
Schatten;  Landes  vergleicht  das  gleichbedeutende  annamische 
höng  (das  kurz  vorhergehende  hangti  Blume,  von  Landes  mit 
an.  hbng  verglichen,  vv^elches  vv^ohl  eigentlich  nur  Zahlaus- 
druck für  Blumen  ist,  ist  mal.  hunga)^  im  Malaiischen  ist 
hayang  Schatten  (jaw.  wayang  auch  Schattenspiel,  Puppen-  j 
spiel),  Bugi  häjang^  jaw.  wangiin  (bangim^)  Gestalt.  Banuk 
ist  der  Name  eines  Schmarotzergewächses.  Haluk  Erde 
(sinnverwandt  tanüh^  iandh^  hvnü  Aym.)  ist  vielleicht  nicht 
zu  trennen  von  Juxlüw  Haupt,  Spitze,  Quelle,  mal.  tdu;  im 
Malaiischen  ist  tdii  das  höher  gelegene  Land.  Haniik  rechts 
(mal.  kanav^  Bugi  känang?).  Hatük  „in  Wasser  kochen* 
hat  wie  das  sinnverwandte  hahai  wahrscheinlich  ha  als  Vor- 
satz (vgl.  tuh  Stieng  tok  „gieasen,  begiessen").  Mit  ha-^tüc 
schreien,  zurufen  vgl.  Khmer  äSm  rufen  (zu  dem  von  Landes 
angeführten  annamischen  hu  kann  man  noch  chines.  hao 
fügen).  Da  übrigens  ha  getrennt  auszusprechen  ist,  fragt 
es  sich  doch,  ob  ha  nicht  Vorsatz  ist.  Jaluk  Napf  (vgl. 
jaw.  jalaga  Gefass,  sskr.  jala  Wasser).  Kädnh  anus  (vgl. 
Khmer  kd(it  Hintertheil).  Ka-uk  fürchten  (vgl.  mal.  tahä^ 
Bugi  tä'u)  mit  ka  als  Vorsatz?  Lämuk  eifersüchtig  sein, 
hassen  (auch  amoh  Aym.),  vgl.  jaw.  lumuh  abgeneigt  sein. 
Mönuk  Huhn  ist  jaw.  mannk  {man  im  Khmer).  Möhak 
trunken  =  mal.  mabiik.  Rahuk  Sturm  =  mal.  ribid,  Ra- 
thnk  Rücken,  Kippe?  =  mal.  rusnk  Rippe.  Tapuk  Buch 
aus  sskr.  talu  -f-  pustaka*^  Buivk  (batuk)  Aym.  Steni 
=  Silong  bittieky  mal.  bintang^  Pampanga  bafuin  (s.  Kuhn 
S.  22:^  u.  232,  Gabelentz,  Z.  d.  D.  M.  G.  13,  63). 

Die  hier  vorkommenden  Wörter  auf  ik:  hagek  was?, 
harek  Liane,  pakek  anfügen  (adjuster  von  Zimmerleuten  und 
Schreinern  gesagt),  möthek  Umstände  machen  haben  //a,  pd^ 
mö  wahrscheinlich  nur  als  Vorsatz.    Bei  letzterem  ist  in  dem 


HimLy:  Ueber  den  Wörterschatz  der  Tacham-Sprache        363 

oA  von  möthek  tnöthoh  Umstände  machen  wohl  nur  eine 
Nebenbildung  zu  sehn;  thik  isfc  „hobeln*^,  thoh  «leer,  müssig''. 
Bei  hagik  was?  spielt  das  ha  augenscheinlich  dieselbe  Rolle, 
wie  bei  anderen  Frage-  und  Umstandswörtern.  Har^  ent- 
spricht dem  Sinne  nach  dem  Stieng -Worte  glei^  welches 
laaÜich  mehr  glai  Wald  im  Tscham  ähnelt. 

Das  Anhängsel  ok  erscheint  als  uk  im  Jawanischen  bei 
husiik  «dumm*,  welches  dem  Tscham- Worte  hatok  von 
gleicher  Bedeutung  entspricht;  das  malaiische  husuk  bedeutet 
«&ul,  schlecht*'  und  findet  sich  im  jawanischen  hosok  wieder 
(vgl.  auch  jaw.-mal.  htm  stumm,  mal.  bo4o  albern,  huta 
blind).  Balok  Eokosnuss,  Schale  (in  der  Geschichte  vom 
«Herrn  Kokosnuss''  Bdlok-La-ti.  La-u  cocotier  Landes). 
Im  Malaiischen  ist  giltiky  glvk  die  Nuss  oder  ihre  Schale 
(Bugi  kaluku).  Sonst  ist  k^pa^  klapa  der  Ausdruck  dafür, 
jawanisch  kalapa  (vgl.  den  Namen  kalapa  für  Jawa),  wit 
kalapa  Kokosbaum  oder  k  lapper  boom  der  Holländer. 
Külapa-lfnä  ist  nach  Crawfurd  die  Seychellen-  oder  See- 
Kokosnuss  (lata  See),  nach  Matthes  ist  im  Makassar  ia- 
Idpa-läu  eine  Art  Kokosnuss,  die  von  der  See  angeschwenunt 
ist  (lau  «See*  und  «Westen**,  was  aber  je  nach  der  Lage 
der  Gegend  wechselt).  Dass  dieses  lau  das  la-ü  von  balok- 
{a-ti  ist,  hat  wohl  einige  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Ln 
Siamischen  ist  lük  «Sohn*  und  «Frucht*,  wobei  wohl  wie 
beim  ganz  entsprechenden  chinesischen  tjie  jenes  die  Haupt- 
bedeutung ist;  es  wird  daher  weder  das  to-u,  noch  das  lok 
von  balok  damit  zusammenhängen  (Ausdruck  für  Kokos  ist 
fiamisch  maphrao^  kalapa  ist  =  Batavia  und  Rum,  ursprüng- 
lich wohl  Palmwein,  wie  gtila  bei  den  Malaien  Palmzucker?, 
im  Ehmer  ist  datmg^  Kantscho  düng  =  Kokos).  Es  fragt  sich 
also,  ob  balok  =  obigem  mal.  g^eluk  ist  (vgl.  sskr.  gblaka) ;  wie 
das  sskr.  |)Aa2a  «Frucht*  sich  im  mal.  pala  als  Bezeichnung 
der  Muskatnuss  findet,  so  könnte  hier  phalaka  die  Ver- 
wechselung von  ba  mit  ka  veranlasst  haben  (s.  Bugi ' 


1 


364        Sitzung  der  phüosrphilol.  Classe  vom  1.  März  1890, 

Sonst  wären  noch  mal.  bahä  «einhüllen*  und  tscham  bäht 
in  boh  balot  »Knoten  des  sog.  Sarong*  (=  balot?)  zu  ver- 
gleichen; dann  konnte  etwa  batek  eine  HfiLse  bedeuten.  Für 
ahok  «Schür*  sollte  man  etwas  Verwandtes  aus  den  malai- 
ischen Sprachen  erwarten,  da  ia^ik  Meer  =:  tasik^  danao 
Teich  =  mal.  danau^  sogar  Wasser  i&  oder  iar  =  ayifr 
vielleicht  nach  Aufgabe  eines  einheimischen  Wortes  da/r, 
welches  sich  bei  verwandten  Stammen  findet;  aber  das  \ 
gewöhnliche  Wort  ist  im  Malaiischen  und  Jawanischen  \ 
prau^  das  dajakische  artä  liegt  zu  weit  ab.  Am  nächsten 
liegt  Samang  pahak^  pahmücy  wo  wir  auch  finäang  «Nase*  - 
gegenüber  mal.  idung  mit  Lippenanlaut  finden  (vgl.  auch 
ischam  am  «braten*  mit  mal.  beni^em),  Äwak  prau  ist 
nur  der  Bauch  des  Schiffes  und  awak  nur  ein  Wort  für 
Leib.  Sollte  mal.  kapal  (welches  Crawfurd  übrigens  ohne 
weitere  Angaben  aus  dem  Telinga  ableitet),  der  Ausdruck  för  * 
grössere,  mit  Raaen  versehene  Schiffe  von  sskr.  kapäla  Bauch 
des  Geschirres,  Schädel,  Kopf  herzuleiten  (obgleich  letzteres 
in  der  Bedeutung  «Haupt*  vollständiger  als  kapala  erscheint^) 
und  der  Bug  als  Kopf  des  Schiffes  und  dann  ein  mit  hohem 
Buge  oder  einer  Verzierung  am  Buge  versehenes  Schiff 
gemeint  sein,  so  wäre  die  theilweise  üebereinstimmung  von 
ahok  Schiff  mit  akok  Kopf  in  Betracht  zu  ziehen.  Akok 
(Moura:  (icac)  «Kopf*  ist  im  Trau-Lai  coc^  Scharai  und 
Rode  kak^  siäm.  hua.  Wegen  alok  Stück  Land  vgl.  hdluk. 
Arok  Röhre,  Glied  zwischen  den  Knoten  des  Bambus.  Adok 
mit  den  Fingern  greifen  (vgl.  khmer  jöc  nehmen).  Danok 
Ort  ist,  wie  schon  Ay monier  bemerkt,  aus  dok  «bleiben* 
durch  den  Zwischensatz  an  gebildet.  Haöok  heraufziehen, 
aufrichten  (vgl.  mal.  tadah  stützen,  aufrecht  halten,  khmer 
däc  stellen)  scheint  mit  dem  Vorsatze  ha  gebildet  zu  sein. 
Kbenso  harok  hineinbringen    (mit  dem  sinnverwandten  tamö 


1)  Bugi  kapala  Haupt,  l'appdla  Schiff. 


Himly:  üeber  den  Warterschatz  der  Tscham-Sprache.       365 

z.  B.  den  Fiiss  in  einen  Schuh),  womit  rok  empfangen,  ent- 
gegengehen (an. rüöc Landes)  zu  vergleichen.  KadokSchluaa^ 
Wort,  so  sei  es!  (vgl.  jaw.  kaduk  zu  viel,  kados  wie  es  scheint, 
oder  Toba  dohon^  dokon  etwa?).  Kasok  krähen.  Padok  in 
padih'padok  .verheirathen''  halte  ich  für  zusammengesetzt 
aus  pa  (pä)  und  dok  bleiben  (vgl.  auch  pdtdk  verheirathen). 
Pätok  anlehnen  (eine  Leiter),  (vgl.  mal.  tunduk  neigen?). 
Pänok  Trupp,  Bande  ist  vielleicht  aus  pok  Päckchen,  zu- 
sammenrollen durch  Zwischensetzung  von  an  entstanden.  Ta- 
ihok  Schuh,  vgl.  siäm.  küek  (Mak.  kdsu^  bestimmt  kdsukä^ 
Bngi  dgl.;  mal.  kasut^  jaw.  kasut  Schuh.  Das  entsprechende 
chinesische  Wort  bei  Roorda  und  Matthes  ist  mir  unbekannt« 
Liegt  hier  pers.  kews  zu  Grunde?).  Aymonier  setzt  dem 
Worte  takey  (takai)  Fuss  das  Dalil-Wort  padutak  gegen- 
über, welches  augenscheinlich  sskr.  pddukd  „  Schuh '^  ist. 
Wegen  des  Anklanges  an  takai  könnte  ein  Fremdwort  in 
takhok  umgewandelt  sein  (?).  üebrigens  ist  auch  tagök 
^ steigen **  in  Betracht  zu  ziehen.  Tanok  bäiller  mit  möta 
Auge,  also  wohl  mehr  =  gaffen,  starren  (vgl.  toh  heraus- 
ziehen), im  Siäm.  tangok  den  Kopf  zurücklegen,  tangok  den 
Kopf  schütteln. 

Oh  findet  sich  in  hanrök  Augenblick,  welches  wohl  mit 
dem  gleichbedeutenden  Khraerworte  pÜnlü  zusammenhängt. 
Möyok  begleiten  (pdmöyök)  von  sskr.  yoga  Verbindung  (?). 
Taßök  Hügel,  Erdhaufen  (vgl.  mal.  tumpuk  häufen,  tumpukan 
Hänfen?).     Tagök  (Moura:  tag&k)  sich  erheben,  vgl.  Silong 

mata  alai  taok  , Osten*.    Öarök  Art  Fisch. 

Wie  öfi  dem  an^  so  entspricht  zunächst  ök  dem  malai- 
ischen ak  in  mahök  Oel  =  mihak,  Langök  halbtodt  ist 
vielleicht  verwandt  mit  mal.  l^guk  traurig,  l^gai  träge 
und  jaw.  lenggeng  bestürzt  sein.  Angök  den  Kopf  erheben 
(vgl.  jaw.  angkat  heben).  Halök  Abfall  von  Reis  (vgl.  jaw. 
huleg  zerstampfen,  halum  welk,  hulap  wegwerfen,  kf*^*  «Ar- 


366        Sitzung  der  phüosrphüol,  Classe  vom  1,  März  1890. 

mengt,  hcUit  gering,  hilik  verschmähen,  h&Sk  schlecht,  Aa/xi 
schlecht,  halu  Reisstampfer,  worin  nach  Bugi  alu  zu  urtheilen 
das  h  allerdings  nur  Lauttrager  ist).  Halwök  spitz.  Kärok 
schliessen  (vgl.  khmer  reang  dgl.).  Katök  zerschmettert, 
packen,  fortreissen  hängt  vielleicht  mit  tek  zerstfickelt  und 
tok  nehmen  zusammen.  Papök  zerbrechen  ist  =s  khmer 
bambic^  bambäc  von  b&c^  bic  zerbrochen.  Bamök  Strauch, 
dessen  Saft  zum  Vergiften  der  Fische  gebraucht  wird  (vgl. 
JHW.  rami  Flachs,  Nessel?,  ratnbega  und  andere  Namen  von 
Gewächsen  im  Makassar).  Rapök,  rawok  tasten,  greifen 
(vgl.  mal.  raba  dgl.).     Tatök  zittern. 

IJk  ist  wohl  nur  Seitenstück  zu  ök:  antik  Kind  (anök) 
=  mal.  anak  (verkürzt  anu  Bast.,  nuc  Moura).  Tanük 
kochen  =  mal.    tavak    (enti^prechend    ianiih    Land  =  mal. 

tanah).  Janük  erzürnt  sein  (Juk  schwarz?  mal.  ajak  auf- 
regen?). KathüJc  mit  folgendem  yau  »wie**  =  sskr.  kathanr 
katham*^  Panüksä  nachdenken  =  pa  {pra)  -{-  anvesaka 
(sskr.)  vgl.  siäm.  panak  ponvofig  im  Sinn  behalten.  Tusruk 
gierig  (vgl.  sskr.  tfs  dursten,  trsnä  Durst,  Gier,  tfstfa) 
durstig). 

In  ih  entspricht  das  h  malaiischen  A,  s  und  vielleicht  k. 
Beispiele  .sind  j^artA  weiss  =  mal.  putih  (vgl.  auch  mon 
pttng^  mit  welchem  die  Nebenbildung  patijöng  im  Tscham 
mehr  übereinstimmt),  ahih  Alles,  völlig  =  mal.  abis  =  jaw. 
wis  (sskr.  vigva*^)^  batik  Bein  =  mal.  betis^  lapih  dünn, 
schwach  =  mal.  lajnik.  Hadih  rein  ist  wohl  =  sskr.  gudi^ 
welches  sich  auch  im  Malaiischen  findet.  Molih  veilchen- 
farbene  Blume  v(m  der  Gestalt  der  Immortelle  (vgl.  sskr. 
mala.  Kranz?).  Pälih  wählen,  auslesen  =  mal.  pilih^  milih. 
Sälih  vertauschen  =  mal.  a/iA,  salin^  jaw.  halih^  ngalih^ 
salin  (süih  abwechselnd). 

Uh  ist  zunächst  =  mal.  uh.  Labuli  „fallen**  ist  offen- 
bar ursprünglich  dasselbe  mit  mal.  labuh  „fallen  lassen** 
(vgl.  rubuh^   rSbah^  ribah   stürzen).     Ta)uh   sieben  =  mal. 


Hiwdy:  Ufher  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       367 

/ftjfiiA.  Tamuh  spriessen  =  mal.  tumbuh  =  jaw.  tuiDuh^ 
tuwah^  in  der  Bedeutung  ^quellen*'  vielleicht  verwandt  mit 
mal.  sumur  Quelle  (Landes  vergleicht  annamisch  nioc  spriessen). 
Ausserdem  entspricht  dem  uh  mal.  us:  raiuh  100  =  mal. 
raius;  tabuh  loskaufen  =  mal.  tebas.  —  Galuh  rauquer 
(du  tigre)  ist  vielleicht  eines  Ursprungs  mit  pägaloh  brüllen 
und  groh  bellen?  (vgl.  mal.  geläk  laut  lachen,  ngorök 
schnarchen?).  Apuh  ist  ein  bebautes  Feld,  z.  B.  mit  Tabak. 
Banuh  stossen  mit  dem  Hörne  (Landes  vergleicht  annam. 
bang;  mal.  tanduk  Hörn,  tandukkhi  stossen  mit  den  Hörnern 
=  minandvk).  Batuh  briser  (un  filet)  vgl.  mal.  pataJi^ 
puiiis  brechen.  Bitruh  (toujours,  sans  cesser?  Landes)  ist 
vielleicht  zu  zerlegen  in  61,  welches  unserm  £U  vor  Zeit- 
wortern entspricht  (z.  B.  in  bibak  zu  füllen,  biihu  zu  trocknen, 
Iriku  zu  haben,  vgl.  Stieng  bäh,  Khmer  pi)^  und  iruh  heraus- 
kommen, welches  in  diesem  Falle  jaw.  trus  völlig,  durch- 
gehends  entsprechen  könnte.  Ganuh  Gestalt,  Anschein  (vgl. 
jaw.  gana  Gestalt,  Wesen,  siäm.  khana  Art,  khanat  Weise, 
Muster,  sskr.  gut^a^  gufjatas?).  Das  jaw.  gunna  Geschick, 
Gabe,  gunnan  Zauberei  scheint  auch  hierher  zu  gehören. 
(Im  Tscham  ist  ganröh  Zauberkraft).  Haluh  defoncer,  passer 
au  travers  hängt  vielleicht  mit  mal.  sXla  Zwischenraum, 
selat  Meerenge,  setet^  selep  zwischenstecken  zusammen,  wie 
das  folgende  halwdk  Riegel  mit  jaw.  salarak  Querbaum; 
noch  näher  könnte  siluk  hineingreifen,  stochern  liegen. 
Kadtih  Uinde,  kaduh  kard  Panzer  der  Schildkröte  (kard  er- 
scheint hier  abhängig  von  kaduh.  Im  Hindustanischen  kaö- 
kafä  ist  das  Verhältniss  umgekehrt;  hier  ist  im  einfachen 
Worte  kacch(u)  für  Schildkröte  auch  schon  das  p  von  sskr. 
kacchapa  nicht  mehr.  Zur  Vergleich ung  seien  angeführt 
aus  dem  Tscham  kadoh  Schale,  kadong  üeberbleibsel,  aus 
dem  Thai  kädong  Panzerschale,  kadün  Nacken,  kädöng  Rück- 
grat, käduk  Knochen,  aus  dem  Sanskrit  kaööhü  Krätze,  kah- 
kafa  Panzer,  kankdla  Gerippe,  kakkafha  hart,  kafhina  hart. 


36R        Sitzung  der  phÜog,'phi!öl,  Glosse  vom  1,  März  1890. 

kathora  hart  und  bind,  kangrof  Rtickgrat,  kan(aka  Dom 
u.  s.  w.).  Kakuh  sich  niederwerfen  hängt  augenscheinlich 
zusammen  mit  kuk  den  Kopf  senken.  ^)  Kaduh  speien  ist 
jaw.  kfföoh,  Möthuh  augreifen,  bekämpfen  ist  wie  möthao 
streiten,  kämpfen  wahrscheinlich  mit  mö  gebildet  (vgl.  mal. 
masuk  eindringen,  dudtik  durchbohren).  Da  möduh  Grund, 
Ursache  dem  dem  Sinne  nach  entsprechenden  aus  dem  San- 
skrit stammenden  malaiischen  Fremdworte  mula  zu  unähnlich 
sieht,  so  fragt  es  sich,  ob  duh  einen  entsprechenden  Sinn 
gibt;  duh  hafai  (mit  hatai  Herz)  ist  Widerwillen,  duh  allein 
Frohndienste  thun  (vgl.  mal.-jaw.  duka  Zorn  u.  s.  w.  von 
sskr.  du:ka.  im  Khmer  tue  Traurigkeit).  Im  Malaiischen 
haben  wir  zwar  ohne  schliessendes  h  oder  k  adu  jstreiten, 
vor  Gericht  bringen  (letzteres  neben  mingadu  vorstellen,  vor- 
bringen, klagen),  aber,  wenn  dieses  auch  lautlich  nicht  ge- 
nügen sollte,  so  könnte  es  dieses  dem  Sinne  nach  und  möduh 
so  viel  wie  „Ursache  zur  Klage"  sein.  Paguh  ist  desselben 
Ursprungs  mit  page  Morgen,  Tagesanbruch,  paguh  pagi  ist 
„morgen  früh**  (Bastian  puke^  Moura  pige  morgen  =  mal. 
pagi  Morgen,  früh;  das  A  finde  ich  nur  im  pers.-hindust. 
pagah^  pagah  von  gleicher  Bedeutung.*)  Bei  pätuh  ,die 
Schuld  auf  einen  Andern  schieben*  vergleicht  Landes  annam. 
do  thüa  und  verweist  auf  das  einfache  tuh  giessen  =  ann.  rfo, 
es  würde  also  gleichsam  unser  „beizugiessen,  danebenschütten* 
sein.    Tä-ayuh  in  grök  —  „Geierkönig*  vergleicht  Landes  mit 


1)  Vgl.  akok  ^Kopf. 

2)  Im  PerwiMchen  giebt  es  eine  Nebenbildung  hämgähy  bäm  Licht 
ist  nach  Vullers  =  sskr.  bhama  dg),  (gäh  =  gati'f).  In  den  benach- 
barten Sprachen  Hinterindiens  giebt  es  sehr  verschiedene  Ausdrücke 
für  den  Begriff.  Im  Makassar  ist  (tdjbil'e  die  Zeit  des  Morgengrauenn, 
(a)muko  morgen.  Im  Tscham  ist  übrigens  noch  baramguh  ,am 
frühen  Morgen"  in  Betracht  zu  ziehen,  worin  baram  sofort  an  sskr. 
parama  erinnert.  Allerdings  ist  wieder  barang  Ergänzung  zu"*  6a* 
rau  neu.     Das  Khmer- Wort  pruk  hat  ein  r  wie  sskr.  präge. 


Himljf:   VrbrT  dm    iVbiirndiatt  der   Tfcham-Sprachr. 


:(r,9 


ttj/mh  nöcU,  äKO.  Dieses  ist  =  sskr.  ayus,  grfik  wahr^beiii- 
iJoh  mit  deoi  /d  XU  rerbinden  =  Garuifa.  Btsi  ialiluh  luisü- 
gHbftreo  verweist  H.  Landes  m>t  libuh  t'ulleii:  ks  findet  lueh 
indes»  als  talahuh  unter  obigem  ^&uA  wieder  (vgl.  aucb  mal. 
Fehler). 

cnti'pricht  znerst  mal.  ih:  l'ibiJi  niebr=i  mal.  l^h 
im  0^j(lkisl'h<^n,  Lag&h  (wsseud,  gllickücb  (/lur^i 
'Itlck^tag)  ist  vielleicht  jaw.  l?gi  sfiss  (Name  des  ersten 
dn  piiMtir  vun  Jj  Tagen;  vgl.  ISga  WolilgefulWn  haben 
au  etwas).  Vavlh  ifit  ein  /.um  Fiscben  dienender  Korb.  Änth 
JQBg  ist  wohl  gleichen  Ursprungs  mit  ranih  Jüngling,  Jung- 
fnu.  wie  ranam  lieben  {Landes  amt  rutmm  bemitleideu)  = 
dtfu  ODUM  der  Scbarui  (Mouru).  Vielleicht  ist  auch  mal. 
«Ati  klein,  winzig  verwandt.  S^ih  Pferd  (Bastian  mue)  = 
astit  (Aymonier)  ist  sih  im  Ehmer,  si  im  Kantscho  und 
Kodeb,  ehhi  Ijui  den  Scharai.  essee  bei  den  Banur  nacb 
BnNtiun.  Das  im  Malaiischen  gewöhnliche  Wort  Icuda  ist 
wühl  Bskr.  j/kvtaka,  bind.  yhi'TÜ.  Im  Siämischen,  welches 
Gbrigeaa  als  gewöhnlichen  Ausdruck  das  mit  dem  Chinesi- 
whra  nbereinstimmende  ma  hat,  finde  ich  in  Pallegoix's 
Wörtorbuche  asd  Pferd,  assa  dgl..  assava  edles  Boss,  Stute; 
M»  tat  w  denn  wohl  nicht  unwahrscheinlich,  dasä  Name  und 
Tbter  auc  Vorderindien  kamen,  und  da  die  Thai  sich  erst 
ilpnt  zwischen  die  mon-amiHmischen  Stumme  drängten,  dose 
dÜMpr  limäitand  vor  dic^m  Ereignisse  eingetreten  war,  BaSfh 
sinil  Lctit«,  welche  die  Leichenbestatitingen  (ilierwacben 
{updtaiiay  in  Siam  hasika  Laienscfawestem.  Auf  Cetebe« 
Mwl  die  bissu  eine  Art  Zauberer,  deren  Namen  Matthew  von 
JUUüu  ableitet.  Vgl.  auch  sskr.  hhi'tfin  von  lihma  ,i{eile*). 
Gamrik  bunten  hängt  vielleicht  durch  Zwischensatz  von  am 
mit  grrih  hellen  suKammen.  ^adih  gachette  d'utip  arbalete 
(vgl.  pors.-tQrk,  jadch.  [>er  so  benannte  Nierenstein  dient 
k  in  ChiiiB  xn  Daiiiutniringen  beim  Bogeospannen).  —  Mii)ih 
■njlpip&n,  uinternerfen  (vgl.j^/.  Iiin.-ii>>tr<'kfn,  J/ik  I 


370        SUeung  der  phüos.-philol.  Glosse  vom  1.  März  1890. 

Päih  (päoh)  trauern  um  —  scheint  aus  pä  und  einem  Aus- 
rufe des  Bedauerns  (vgl.  ih)  zusammengesetzt.  Päiih  Seide 
(Moura  poiS)  scheint  aus  sskr.  paUa  Seidenzeug  entstanden, 
radih  Wagen  aus  sskr.  ratha. 

Die  Wörter  auf  oh  scheinen  sehr  verschiedenen  Ur-  \ 
Sprungs  zu  sein.  Ädoh  singen,  Schauspiel  geben  (Landes  ver-  \ 
gleicht  annam.  hat  singen,  woher  nhä  hdi  Schauspielhaus.  Im 
Bugi  ist  äda  „Wort*,  äda  parM  Anspielung,  rM  entlang 
gehen,  rere  a)u  um  einen  umzuhauenden  Baum  herumtanzen 
und  singen,  mal.  lie^uwan  Sänger,  jaw.  ba^üya  Truppe  von 
mit  Gesang  begleiteten  Tänzerinnen).  Anioh  hassen  s.  limuk. 
Kadoh  Kürbisflasche,  kaöoh  Schale,  Hülse  (vgl.  kaduh  Rinde) 
scheinen  auf  sskr.  k^tti  Uinde  hinzuweisen,  wie  Jcaddiky 
kardik  im  Khmer  =  krtiikd,  Habah  besiegen,  niederwerfen 
hat  dem  Sinne  nach  mehr  Verwandtschaft  mit  poh  schlagen, 
möpoh  kämpfen  (Landes,  lex.  S.  49  unter  jai)^  als  mit 
dem  einfachen  boh  Ei  (Scharai  ;>05,  Rodeh  bas^  Kantscho 
bo  nach  Moura),  ntöboh  Eier  legen.  Einen  zweifachen  Vor- 
satz hat  mörapoh  =  möpoh  streiten,  kämpfen.  Pädoh  in 
der  Ferne  (=  jaw.  hadöh^  döh).  Bei  tabloh  de  peur  que 
verweist  Landes  auf  bloh  fini.  Eine  Art  Wiederholung  scheint 
zu  liegen  in  tadoh  roh  gerade  auf  dem  Wege  liegend,  auf 
welchen  Ausdruck  Landes  unter  roh  tailler,  ecorcer  (annam. 
röc)  hinweist;  ta  bildet  häufig  Zeitwörter  der  Bewegung 
mit  zurückbezüglicher  Bedeutung;  rok  ist  „entgegengehn*. 
Tagloh  vergiessen  (z.  B.  Blut)  =  mal.  tanggal.  Das 
malaiische  sanggrah^  welches  Crawfurd  von  dem  gleichbe- 
deutenden portugiesischen  sangrar  zur  Ader  lassen  ableitet, 
hat  ein  überschüssiges  h.  Wegen  der  Bedeutung  „blind**, 
die  tagloh  hat,  vergleiche  auch  mal.  kroh  trübe.  Tangoh 
taub  in  ngah  mihigtangoh  sich  taubstellen  sieht  ähnlich 
aus  wie  mal.  tangguh,  tenggoh  zaudern,  oder  wie  eine  Ver- 
kürzung von  tangi  hu  6  keine  Ohren  haben  (mal.  4^iger 
hören    ist   im  Tschaui  hanixt.     Im  Khmer   ist  thlihig  taub). 


Hindy:  üeher  den  Wörterachate  der  Tscham-Spraehe.       371 

Tadok  serschneiden  (vgl.  mal.  tatah  meisseln,  tatal  Spahn, 
mak.  räid  zerschneiden,  tätaJä  Spahn).  TaMoh  tröpfeln, 
Tergiefisen  (vgl.  jsar  durchsickern,  sah  üeberbleibsel,  und 
Khmer  tdc  tröpfeln,  sdl  üeberbleibsel.  Malaiisch  ist  ti- 
iik  tröpfeln).  Uaßoh  anbeissen  (vom  Fisch  an  der  Angel) 
▼gl.  Bugi  däppa  schnappen,  Mak.  säppa  dgl.  Öamoh  Ort, 
Stelle  (vgl.  mal.  semdk  Unterholz?).  Pyoh  lassen,  aufbe- 
wahren (Aym.  peak). 

Für  öh  scheint  sich  auch  kein  bestimmter  Lautwechsel 
zu  ergeben.  Ganröh  Macht,  Zaubermacht  scheint  aus  dem 
Sanskrit  zu  stammen.  Po  ganröh  putrai  »Herr  der  fürst- 
lichen Macht*  ist  etwa  aus  pati,  gaijicvara^  putra  und  rdja 
ZQ  deuten  {pd  ist  «Herr*,  rat  Königs  würde).  Bei  sskr.  gai^ 
Menge,  Zahl  ist  die  Grundbedeutung  von  „zahlen,  rechnen* 
und  ga^dka  Sterndeuter  (im  Tscham  ganwör  Herr  und  Stern- 
deuter) in  Betracht  zu  ziehen,  um  auf  die  Bedeutung  des 
Siaubers  zu  kommen  {hadam  ganröh  verzauberte  Ameisen); 
defiselben  Ursprungs  sind  vielleicht  üki  Zauber  im  Khmer 
(wenn  nicht  irrthümlich  bei  Moura  für  akum^  oder  aus  kar- 
man^  kamma  entstanden)  und  gdl  im  Stieng  in  gal  br&h 
Teufelswerk  von  br&h  Teufel.  Mit  haröh  sehr  vgl.  haiei 
was  auch  immer.  Mit  jalöh  einstürzen  (vom  Himmel)  vgl. 
mal.  jalak  beben.  Kadöh  mit  einem  Hebel  in  die  Höhe 
achnellen  (vergl.  mal.  ttMoe^  tuwas?  mit  ka?)  ist  vielleicht 
mit  mödöh  aufwachen  (sich  erheben?)  verwandt.  Mit  ragöh 
{möta)  beleidigen  (ins  Auge)  vgl.  mal.  rugi  Beleidigung. 
Talöh  Hexerei  (vgl.  jaw.  teluh  dgl.).  Öaßöh  herausziehen 
(mak.  .suM),  daköh  faire  sauter  (d'une  chiquenaude)  vergl. 
jaw.  jfejfoJfc  mit  dem  Fusse  stossen,  mal.  Sekak  packen,  dekek 
drosseln,  würgen. 

Üh  entspricht  mal.  ah  in  tanüh  Land  =  tandk^  pänüJi 
schiessen  =:  mal.  panah.  Letzteres  bedeutet  im  Malaiischen 
zugleich    Bogen    (neben    busor   und    gendeuHi)^ 


."^72        SiUung  der  phOos.'phüöl.  Glosse  vom  1,  März  1890. 

Pfeil  (Kind  des  Bogens),  im  Jawanischen  ist  pannah  Pfeil, 
mannah  schiessen,  im  Makassar  päna  Bogen,  änd-pdiia  Pfeil 
(Sohn  des  Bogens),  dpdna  mit  Pfeil  und  Bogen  schiessen. 
Im  Tscham  heisst  der  Bogen  hanö  (vgl.  Stieng  söna  Bogen,  | 
kihia  Pfeil,  km  Kind).  Zu  obigem  päniih  vergleicht  Landes 
ann.  bUn  schiessen,  welches  ja  urverwandt  sein  mag,  zu  hanö 
ann.  nä,  —  Mötüh  ist  in  der  Bedeutung  «halb*  vielleicht 
von  sskr.  madhyu  Mitte  herzuleiten,  wie  z.  B.  im  Thai  kkrüng 
Beides  bedeutet.  In  der  Bedeutung  , zornig  sein*  ist  iük 
verletzt  sein  und  Khmer  tue  Aerger  zu  vergleichen. 

Eigeuthümlich  ist  dem  Tscham  der  Auslaut  «;,  der  in- 
dess  theil weise  in  der  Aussprache  nicht  gehört  wird,  wie  in 
barüw  {barau  =  mal.  baaru). 

Dem  aw  entspricht  mal.  u  in  lakaw  schreiten  =  laku  (auch 
lakäu  bitten  ist  =  lakti  im  Dajak),  garaw  kratzen  =  garu^ 
tathaw  (1.  tathäu'?  tasau  Aym.)  Busen  =  mal.  susu,  Kamrato 
ächzen,  krächzen  (vgl.  mal.  kaluh?).  Öaraw  merle  jaseur,  vgl. 
bind,  öiriyd  Vogel,  darbariyd  Schwätzer.  Tanraw  in  göp  iah- 
raw  „Landsleute**  scheint  eine  Nebenbildung  zu  taniih  Land 
zu  sein  (tanran  bei  Aymonier?);  doch  ist  anch  Bugi  tunräng 
(=  turung)  helfen,  saftunrmg  Freunde,  die  einander  helfen, 
zu  vergleichen.  Äbaw  Muschel  (jaw.  hibe  Garnele?);  es 
kommt  mit  folgendem  saralang  in  der  Bedeutung  Perlmutter- 
muschel vor.  Im  Malaiischen  ist  in^ung-mutyara  Perlmutter- 
muschel, worin  intfung  Mutter,  mutyara  (bind,  mötiyä^  sskr. 
muktd)  Perle;  da  im  Jawanischen  hibu  , Mutter"  bedeutet, 
fragt  es  sich,  ob  abaw  hier  diesem  entspricht.  Indess  könnte 
man  auch  an  sskr.  dbhd  Glanz  und  das  persische  ähnlich 
gebrauchte  ab  Wasser  denken;  saralang  könnte  dann  an 
mal.  serlah  glänzend  erinnern.  Kaäaw  packen  (vgl.  dap 
dgl.  im  KhmerV).  liakaw  Tabak,  mal.  tambaku  (im  Stieng 
auch  abgekürzt  bokau).  Kubaw  Bäffel  =  mal.  kerbau 
(Khmer    krebey^    Kantscho    crebau^    Rodeh    capau^    Scharai 


Hwäy:  üeher  den  Wörter achais  der  Tscham-Sprache,       373 

hopau.  —  Der  wilde  Ochse  heisst  im  Tscham  kruk).  Mötaw 
Schwiegersohn  =  jaw.  maniu^  Bugi  manitu^  menätUy  Mak. 
mintu^  mal.  menantu.  Pdiaw  (göp)  wetten  wird  von  Landes 
mit  an.  iua  .wetteifern*  verglichen  (vgl.  jaw.  toh  Einsatz 
einer  Wette,  mal.  taruh  setzen,  wetten,  Bugi  täro^  und  bat. 
iaru  s.  Matthes,  a.  a.  0.).  Shcdaw  plateau  ä  manger  (an. 
mdm\  Tgl.  mal.  tcdam  Schüssel,  Teller. 

Auf  iw  finde  ich  nur  langiw  ausserhalb  (vgl.  langieh 
Ausländer  mit  rang  Mann  davor  nach  Aymonier;  sskr.  lahgh 
überschreiten,  siäm.  läng  unterhalb,  l&ng  hinter,  nach,  Bugi 
länge  herauskommen.  Im  Tscham  ist  langtouet  einsam^  ver- 
lassen, im  Mon  Ingä^  lamngd  dgl.,  lamngälngan  Einsamkeit). 

Oto  ist  SS  mal.  u  in  Idmow  Rind  =  letnbu  (Eantscho 
lemo^  Rode  imo^  Scharai  romo).  Kamlow  stumm  =  mal. 
helu^  Bahnar  Mmlö  Stotterer  (Landes  vergleicht  annam.  Tcäm 
stumm).  Jf^aUm^alai  Art  Vogel.  Amrow  Art  Muschel.  Jamow 
glücklich  =s  Bahnar  jfönto.  Kdhow  Name  eines  Stammes. 
Paiow  zeigen  =  Bahnar  hötho.  Patrow  iangin  die  Hand 
ausstrecken  (vgl.  pa  nnd  truh  hervorkommen?).  Rätow 
Fleisch,  Wildpret,  Wild.  Ridow  sich  (den  Kopf)  waschen 
(vgl.  Mak.  raffjfu,  piranju),  Tamow  unangerührt  (von  Speisen) 
vgl.  mal.  tempuh  verschmähen  (?).  Tanrow  die  Felder  ent- 
zaubern, vergl.  Bugi  tänrowi  verfluchen,  Mak.  tunra  Fluch. 
Tanow  bespringen,  mannbar  =  Bahn,  tano  männlich.  Tadow 
Mädchen  ist  nur  öow  mit  vorgesetztem  ta.  Tathow  Sturm 
(vgl.  thow  zurückhalten?). 

Cw  ist  =  mal.  u  in  haiüw  {batau)  Stein  =  hatu ;  harüw 
neu  =  haaru^  Mak.  heru  (]bäu\  Bugi  häru^  jaw.  wahu^  bat. 
imbäru ;  cUüw  Hausgeist  =s  antu ;  mölüw  (Bahnar  mölau)  sich 
schämen  =  malu;  rubüw  1000  =  ribu;  tabüw  Zuckerrohr  = 
i)ß>u\  galau  Adlerholz  =  gcihru;  bcUüw  Haar  =  bulu;  halüw 
Haupt  SB  ulu.  —  Öagüw  ist  .Bär""  =  Bahn.  Sögau^  laüw 
BaamwoUzeug,  kadüw  herabspringen  =  Bahn,  ködau  entlaufen, 

lam  PMIoii-pkUoL  n.  bist  Cl.  S  S 


374        Sitzung  der  phüosrphüol,  Glosse  vom  1.  Märe  1890. 

katrüw  Turteltaube  (Umstellung  von  sskr.  kapotara^);  päjüw 
Hexe  =  Bahn,  b&jau.  Mötüw  Schwiegersohn  =  Mak.  maniu, 
mintUy  jaw.  mantu.  Im  Semang  ist  pesau  child-in-law  nach 
Crawfiird,  History  IL 

Ao  entspricht  mal.  au  in  danao  Teich  =  danau  See 
(jaw.  ranu  Wasser,  See,  daj.  danum  Wasser).  PaUw  König 
(putao;  vgl.  Silong  patao  alt,  sskr.  pati?  jaw.  ratu^  Mak. 
dgl.,  Bugi  datu^  jaw.  patuk  fürstliches  llausgut,  batin  Häupt- 
ling bei  den  Bajau,  mal.  batara  für  sskr.  avatara).  Badao 
sich  wärmen  (im  Khmer  condau  wärmen;  ba  wie  con  Vor- 
satz?), llatao  wo?  (vgl.  Stieng  tau  jener,  jenes  und  das 
fragende  Aa?).  Hayao  Art  Fisch.  Möthao  streiten  s.  möthuh?. 
Möyao  Katze  vgl.  annam.  nteo^  chines.  utoo.  Paralao  gehn 
lassen  {pa  Vorsatz,  vgl.  Bugi  Ido  gehen,  loro  loslassen,  palao 
gehen  lassen.  Auch  ra  scheint  Vorsatz  zu  sein).  Päöao  Räthsel 
vgl.  Bahn,  pödao  zu  erfahren  suchen  (Khmer  pred&u  unter- 
richten ?  Mak.  boto  rathen,  Wahrsager?). .  Rapao  reiben 
(vgl.  rapök  tasten).    Hajäu  grün  =mal.  ijau. 

,  All  entspricht  dem  u  malaiischer  Sprachen:  a/Aatf  Hund 
=  jaw.  hastt  (Kantscho  asmi^  Stieng  soti^  Rode  und  Scharai 
Äö,  Bugi  =  Mak.  dsii).  Dahlau  vorher,  vor  =  dihlau  aus 
dt  und  halüw  =  mal.  dauhi  von  idu  Haupt.  Kuyau  Baum 
=  mal.  Icayu  (annam.  cdy),  Lakau  bitten  =  daj.  laku. 
Tathau  Busen  (tasau  Aym.)  =  mal.  susii, 

Ang  ist  =  mal.  ang.  Ganang  längliche  Trommel  = 
ghndang  (vgl.  gendSrang).  Hadang  Seefloh,  Krabbe  (franz. 
crevette)  =  ?/dan^  Garnele ;  in  der  Bedeutung  „bis**  (en  atten- 
dant  que)  ist  es  wohl  verwandt  mit  Bahn,  dang  Mass,  2ieit 
und  mal.  sM^ng  „zu  der  Zeit".  Kujang  Zelt,  vgl.  mal. 
kajang  „Blättergeflecht**  zu  einem  pdkajangan  (jaw.  Blätter- 
bude). Labung  Loch  =  mal.  lubang,  —  Bntang  Netz  ist 
wahrscheinlich  =  pontong  dgl.  im  Khmer,  bdndong  im 
Makiussar,  hänrong  im  Bugi.  Bakwang  Krug.  Liwang  mager 
(vgl.    mal.    lampai    schlank).     Aydng   (adoh)   singen,    sich 


lemanff  U«isgcriolit, 
lämmiing  gekochter  Heis. 
cdm  Reisklei«   zu    Liebe  a 


HhtUff.    Oebtr  flen    WOrtertichati  drr   Tncham-SpTiicht.        ^'75 

u  (T|fl.  Mttk.  röifong  singtiii  kii  E^liren  mat  neii- 
Kiniicfi).  BiAang  bücken  (v^l.  mul.  pandang), 
iny  LitacUi,  Drachenaugenfnicht.  Qawang  auf  die 
Spule  rollen  (Tgl.  juw.  gawang  Kjiluueii,  boteeng  hulib  Kugel, 
Wpcbn-I  VUQ  4}  iiiiil  h  in  ^ui^unjr,  btucung  weggeworfen, 
Bugi  tnAong  Gold  npuleii,  Mak.  gulung  aufrollen,  galenrong 
Knäurl:  dieoe»  erinnert  ind«S!<  mehr  an  das  Tscham-Wurt 
galmtg  rnllun;  nml.  gawung  Hühle).  GaÜatig  scliweigen 
(vgl.  Mak.  mdang  si\\U).  Kaniang  gebackeuer  Reis  (vgl. 
Mak.  äpang  KeiHkucheii ,  Bugi 
Sollte  d)iä  k  dem  anaaDiiischen 
1  die  Stelle  des  l  getreten  sein?}. 
Ktinnrang  »telilen  mit  eingeacbobeiieni  «mP  (vgl.  Mon  klat 
atolileD.  kamlat  Dieb.  Krnk  ist  ,iiiHgeheiin''  im  l'Kcham, 
Idik  .ntehlen*.  Vgl.  auch  Stien»;  kömang  Dieb,  aiäin.  khamoi 
iffi.  Auch  bei  den  Nikubaren  kalük  st«hlen,  hamalöh  Dieb 
a.  (labeleotz  in  den  Ber.  d.  k.  aaclis.  Gea.  d.  Wias.  II.  JuH 
I88.'i  j?.  H07).  Katmig  (ßlang-)  Hof;  unter  ßatig  findet  sich 
fat^Hff,  fitang  ist  auch  Licbtting,  offenes  Feld.  Galang 
Blle  (Ayni.),  vgl.  mal.  galang  Stütze.  Werft.  Vielleicht 
.  kosong  leer  ku  vergimt:lien.  Äehnlichen  Klanges  ist 
Wjr  in  ptang  kadawj  in  Kile  (phiiig  möta  gebiendut  sein). 
ÜMNciRj;  in  ngati  möta  lamang  pang  laniOtig  pütig  bestürzt 
aiuceben  (ngah  iiiachnn,  mi-la  Äiigeii)>  worin  patig  and  pOng 
viWlericlit  nur  eine  Wiederholung  iler  zweiten  Silbe;  vgl. 
Uak.  lümiong  ßberrascheii.  —  Ltjaug  .auch'  iwt  ^  lei  und 
jüitg.  —  fääang  wetten  (mal.  prang  streiten). 

m-J'^Sf  i^*^  ^'  i^9'  '^S  i>i  ^^^  malaüfcben  Sprachen.  Daning 
r  (Wand?)  =  Bugi  ränring,  Mak.  rinring,  bat.  dinding, 
mifeng.  Uanring  Scliilf-  oder  Oroshalni  xnui  Aufziehen 
rPimJien,  vgl  unil.  spring  Hechten,  Bugi  hinräng  Faden, 
rt'mräug  Tau,  Mak.  ränrang  dgl.  Päning  Vorhang  (Bugi 
§mirmg  dgl.V)  ^  Khmerftiinynim,  veavgnön  Vorbang(V).  Äting 
Kachmg  bouton  Iwi  Aymonier<=niHl.£unMin^. 


^u 


376        Sitzung  der  pküos.'phüdl,  Glosse  vom  1.  Mars  1890. 

üng  ist  =  ung  {ing,  ong)  in  den  malaiischen  Sprachen. 
Gcdung  wälzen  =  jaw.  gulung^  mal.  guling,  vgl.  anch  im 
Khmer  creleng  Rollen  (aus  dem  Malaiischen?),  daj.  ^m- 
lang-galing,  Adung  Nase  =  mal.  i4ufig  (Scharai  und  Rode 
dungy  Moura).  Lithung  Mörser  =  mal.  Usung.  Kaning  i 
lebende  Fische  aufbewahren  (Landes  vergleicht  annani.  rong  ^ 
cä^  worin  cd  ^Fisch*  hinten  steht;  das  Wort  niüsste  also  im 
Tsciiam  umgestellt  sein.  Vielleicht  aber  hängt  es  mit  jaw. 
Jairung  Gehege,  eingezäunt,  kurungan  und  mal.  kunmg  Käfich 
zusammen).  Labung  Bambuspross  ==  Mak.  Ubong^  ^^  ^ob- 
bung  junger  Bambus.  Päbimg  Giebel,  First  =  mal.  bih 
bungan^  bubungan,  bumbungan ,  jaw.  wuwung  (Grawfurd). 
Anung  ein  Schooss  voll  u.  s.  w  (vgl.  Bahn,  anung,  nung 
Päckchen,  einpacken).  Gatung  ziehen  (vgl.  mal.  atung  das 
Ankertau  kurz,  anziehen?).  Halung  Damm  zum  Füichen 
(vgl.  Bahn,  holung  Graben).  Tabung  Geister  todter  Thiere, 
hamü  —  von  solchen  besessene  Reisfelder.  Tarung  ver- 
worren (vgl.  Mak.  rämbang^  ämbang^  Unibang  dgl.  und  bat. 
rumbang-rambing  zerfetzt,  wenn  man  ta  als  zurückbezüg- 
lichen Vorsatz  und  in  taningpung-tarungpah  die  letzten 
Silben  zum  Stamm  nimmt);  vgl.  auch  Bahn,  töröng  wind- 
verweht. 

Für  eng  finde  ich  nur  ein  Beispiel:  jaleng  Hacke  (vgl. 
siam.  cha:  leftg  Eisenstange  zum  Ausheben  von  Steinen). 

Ong  scheint  theils  mit  ong^  theils  mit  ang  oder  ung  in 
malaiischen  oder  hinterindischen  Sprachen  zu  wechseln,  in 
welchen  letzteren  es  sich  (von  etwaiger  Urverwandtschaft 
abgesehen)  auch  zuweilen  um  malaiische  Lehnwörter  handeln 
mag.  liimong  Tiger  (ramang  bei  Moura)  =  jaw.  (fmong^ 
mang,  mal.  erimau,  rimau,  KanWJio  remong,  Scharai  1/inwfig^ 
Kode  immig,  Fäßong  zielen  scheint  mit  dem  Vorsatze  pä 
gebildet  (vgl.  Bugi  abang  sehen,  Tscham  ßöh  sehen,  ßok 
Gesicht).  Farofig  Böses  zufügen  (vgl  mal.  prang  Krieg, 
bekriegen,    jaw.   prang,    w^rang,  Bugi  bäwang  Böses  tiiun). 


Hmly:  Ueher  den  Wörterschatz  der  Tscham-Spracke,       377 

Cakoftg  zu  Zweien  tragen,  dagang  im  Schnabel  tragen.  Da- 
rong  Radkoffer.  Anong  tragen  (an  einer  Querstange),  ebenso 
im  Bahnar,  vom  einfachen  fwng^  Stieng  tung  tragen.  Anrong 
Käfig  =  Bugi  urung,  mal.  kurung^  Khmer  trung,  Atong 
schlagen  (Scharai  fang),  Barong  (tdkai)  Spann  (des  Fusses) ; 
Tgl.  barä  Schulter,  im  Malaiischen  hura-kahv^  rong  ist  im 
Tscham  Rückgrat,  im  Bahnar  Rücken.  Galong  Loch,  Aus- 
gang, Lage  (vgl.  Bugi  gäro,  gdrowang;  mal.  galang  Unter- 
lage, galangang  Werft).  Ganong  zürnen  (vgl.  Khmer 
kkSng  dgl.,  daneben  Tscham  gmig  verhindert  sein).  Halong 
Schaar,  Gefäss,  Eimer  (vgl.  Bugi  örong^  wörong  Menge,  mal. 
balang  Kanne,  Flasche).  Kadong  Ueberbleibsel  =  ködöng 
im  Bahnar.  Panrang  Hofmann,  Grosser.  Landes  verweist 
anter  prong  gross  auf  dieses  Wort,  in  welchem  er  also 
wohl  an  als  eingeschoben  betrachtet.  Auch  das  Stieng 
hat  neben  preh  gross:  pöndreh  dgl.  Aymonier  vergleicht 
ebenfalls  prong  mit  panerong^  glaubt  aber,  dass  dieses,  mehr 
oder  weniger  verändert,  auf  den  malaiischen  Eilanden  wieder- 
zufinden sei.  Roorda  leitete  pangeran  (pängerang)  von  nger 
(^=ngenger)  dienen  ab,  obgleich  es  „Herr",  „Fürst",  , Prinz* 
bedeutet  (vgl.  Minister  in  der  lateinischen  Bedeutung).  Doch 
kommt  arung  , Fürst*  im  Bugi  vor.  Prong  findet  sich  auch 
bei  den  Scharai  und  Rode.  Bei  raJbong  Graben  bleibt  es 
zweifelhaft,  ob  es  mit  rtoök  graben  zu  thun  hat.  Im  Bugi 
ist  hnpang  Graben  (das  Zeitwort  ist  das  mal.  gali,  woraus 
galian  Erzgrube,  Steinbruch),  hibang  Grab  (fämpung).  Aehn- 
lichen  Klang  haben  Khmer  robdng  Zaun,  Pfahlwerk  (Stieng 
rdbang^  aber  bang  umzäunen),  mal.  rubing  Stückpforte, 
ruwang  Zwischenraum  der  Stander  und  Schiffsrippen.  Ratong 
Name  eines  Fisches.  (Landes  vergleicht  anuam.  cd  long 
Umg).  Tabong  Wagenriegel  =  Stieng  tröböng  Wagen  wand 
(vgl.  auch  mal.  tumang  Pfahl  zum  Anbinden  von  Vieh); 
iabong  tyan  Jemandes  Herz  zu  erforschen  suchen  (vgl.  Bahn. 
idmöng    anhören,    mal.   timbang    abwägen?);    mai    ^^^^^^ma 


378         Sitzung  der  phüos.'phäol,  Classe  vtm  1.  März  1890. 

kommen,  um  wegen  einer  Heirath  anzufragen  (hier  ist  tabcng 
vielleicht  gleich  vorigem  , ausforschen* ;  indess  erinnert  es  an 
das  malaiische  tamhang  bini  ,eine  Gattin  (bini)  binden  (^ont- 
hang\  sich  nicht  wieder  zu  verheirathen*  ;  vgl.  Bugi  tämpang 
festbinden,  tämjpa  Geschenk  des  Bräutigams).  Tamang  Mittel- 
rippe des  Bananenblattes  (vgl.  mal.  tumang  Stock  zum  An- 
binden von  Vieh).  —  Langes  ö  findet  sich  in  daköng  zu 
Zweien  tragen;  among  Handfläche,  Palmenzweig  (lat.  palma), 
vgl.  iatnong^  wie  mal.  iibung  binden  mit  tambang  (Mak. 
ämbang);  raböng  Gebüsch,  Gehölz  =  Khmer  robäng  Zaun? 
Öng  entspricht  mal.  ^g  in  panöng  Betelnussbaum  ss 
pinhig  (Grawfurd  gebraucht  für  diesen  wie  u  in  hubbub 
gesprochenen  ö-Laut  ä,  die  Niederländer  ^).  Lanöng  weit, 
gross  (vgl.  jaw.  lana  beständig,  umherschweifen,  lang^g 
ewig,  lannang  gross,  stark,  männlich,  mal.  longgar  weit, 
13ugi  rdnggeng  weit,  lonrang  sich  erstrecken,  lagänni  aus- 
gebreitet, Mak.  rdnggang,  langkara  weit),  oanöng  nach- 
denken (vgl.  mal.  Mn^ig  überlegen,  sangka  dgl.  aus  dem 
Sanskrit).  Thufnöng  freudig  (sskr.  simmnas^).  Adyöng  Skorpion 
ist  auch  im  Balinar  adiang.  Akyöng  Seite  (Khmer  khang  dgl.). 
Amyöng  mit  ^tow^  (^sehn**)  davor  ^das  Loos  befragen  mit  Hülfe 
von  Loosbüchern " .  Aymonier  führt  etnieng  als  Dalli -Wort 
für  mieng  und  glung  in  der  Tscham-  (letzteres  auch  in  der 
Bani-)  Mundart  an  in  der  Bedeutung  „sehn*";  sonst  konnte 
man  an  ein  Buch  denken,  wie  im  Malaiischen  das  Sanskrit- 
wort jmstaka  für  Wahrsagung  gebraucht  wird.  Hajyong 
„darum'^  sieht  wie  eine  Zusammensetzung  aus  dem  Vorsatz 
ha  mit  jyöng  „werden**  aus.  Jamöng  „Stock  zum  Anbinden 
von  Vieh**  sieht  obigem  mal.  tnmang  ähnlich,  und  Wechsel 
zwischen  Gaumen-  und  Zahnlauten  sind  nicht  selten  in 
malaiischen  Sprachen.  Lapyöng  in  der  Verbindung  lapik- 
lapyöng  zart  scheint  nur  Wiederholung  derselben  Wurzel 
mit  anderem  Anhängsel  (vgl.  mal.  lapuk^  rapuh  schwach, 
rapih  Krume,  Bischen).     Mönöng  Art  Mehrzahlzeichen,  mö- 


BttUi/:   t/über  iUh    Wörirrteltat:  der   l^cknm-Üprache, 


379 


ie  Gineu,  die  Andern  =  Bußi  ntänäng  alle. 
MSlyÖHg,  vollstündiK  mölyünff  katiö  (einem  Fürsten)  dienen, 
^Geiet«!  und  Todte)  verßhren.  Kam  ist  nach  Landes  ein 
GniM  an  den  Köni^,  Im  Jawani^uben  Ut  miäe  opfern,  pa- 
mule  Bexeufpmfi  von  lÜhrerbietuiig,  müu,  mdu,  hilu  folgen. 
Die  AnnMJc  mit  kanÖ  ohne  mölyönij  findet  sich  8.  (:>  der 
Umsdirifl  der  ersten  der  von  Lande*  herausgegebenen  Er- 
uüblungün-,  nie  biubet  kanö  dlnd  palak  takai  möh  i/nnröh 
pdtroi,  rtwn  ^kam  ich  niiuthe  mieli  dhtä  /.um  Staube  palak 
takai  .der  Sohle  dea  Pussefl*  möh  .des  goldenen*  ganröh 
pAtrai  .der  ffirMtlicben  Mauht*.  In  derselbe»  Kr.eähluDg 
kummt  S.  12  mall/mg  kam  im  .ihm  dienen*  vor,  wo  kano 
mit  mötyöng  gleichsam  ein  Zeitwnrt  bildet,  von  dem  An  ab< 
hinuig  »t.  Die  Anrede  .Staub  der  heiligen  Füa^e*  (in 
äun  Utuli  prabhat)  könnte  ein  vorhergehende«  .ich", 
.Dieuer*  oder  dergleichen  voraus-iitt/en  lassen;  da«  .'scheint 
nbut  mit  dem  let/tgenauuten  kanö  nur  insufeme  statthaft, 
■Ja  diu  Sprache  /.wischen  Hauptwort  und  Zeitwort  nicht 
aotemcheidet  und  etwa  sich  dazu  eignende  Fremdwörter  mit 
«iosndor  rvrwecliselt,  wenn  es  .^icb  nicht  um  einen  zurätligen 
((iüiehen  Klang  der  Auwlrücke  fßr  zwei  ganz  verschiedene 
Bq^fT«  handeln  Nollte.  Ein  königlicher  Arbeiter  heisst  kar 
inskr.  kärin^).  kanö  könnte  kara^it,  hindust.  karnä  .thiin", 
bwr  .Frohndienste  thun*  »ein;  allein  in  Jenem  Satze  kanö 
dkut  ...  int  GS  vielleicht  besser  aus  gana  Schaiir  (in  Siam 
khatia)  EU  deuten,  wie  bol  von  bala  einen  einzelnen  Frohn- 
knecht  bezeichnet.  Ahnt  wie  ist  mölyöng  zu  erklären  mit 
frtlgendeni  kanöf  Im  Jawanischen  erscheint  obigts  mtäe 
auch  mit  der  sonst  die  UrKache  ausdrßekenden  Endimg  als 
mtitekkaken.  Bin  Znsainmenhuiig  mit  miila  .Ursprung" 
Ummi  iRcfa  etwa  «u  denken,  d&tu  die  Verehrer  die  Herkunft 
des  EU  Verehrenden  rtibmten;  ich  weiss  indes»  nicht,  ob  eine 
«•migeriiuM'en  enUprechcnde  Ableitung  in  dieser  Bedeutung 
^^aakbfu  ist.  Gine  ähnliche  ZuEamnienstellung  wie  lapih-lapyöng 


i 


380        Sitzung  der  jthüos.-phüöl.  Claase  vom  1,  März  ISSßO. 

ist  patih'patyöng  weiss  (von  der  Farbe  der  Haut) ;  patih  ist 
=:  mal.  ptäih  weiss,  die  Nasenlautendung  von  paty^ng  ist 
zwar  den  Grundsätzen  der  malaiischen  Sprachen  nicht  ent- 
gegen, doch  ist  sie  hier  auch  in  dem  Mon -Worte  pttng 
„weiss*  enthalten.  Canöng  Bett  ist  s»  Bahnar  cönang^  vgl. 
mal.  j^^ng  Pfosten,  jaw.  jinnem  Schlafstelle,  Bettstelle  j 
Taryöng  Arbeiter  (arbeitsam?  vgl.  fieng  fortwährend  im 
Khmer).  Gani^g  porter  sur  Tepaule  bei  Aym.  (=  gahöfkg^). 
Am  =  mal.  am,  ^m.  Dalam  in,  tief  =  jaw.  cUiUfm 
in.  Pädam  löschen  =  mal.  padatn.  Mölam  Nacht  =  mal. 
maWm-  Hadam  Ameise  =  keddni  im  Silong,  mal.  sUmvJt. 
Hatam  schwarz  =  mal.  itam  (das  einheimische  Wort  ist 
jtik),     As   hat   das  Malaiische    in    galas    „auf  der  Schulter 

A 

tragen*  gegenüber  Tscham  galam.  Agam  unsittlich  (vgl. 
sskr.  ägamana).  Mötham  (vgl.  jaw.  hasSm  sauer)  für  Eüssig 
ist  zu  vergleichen  mit  möthin  jaw.  masin  salzig,  ge- 
pökelt neben  asin.  Ausserdem  bedeutet  mötham  sich  be- 
kleiden. Zu  päöam  Fische  einsalzen  vergleiche  dam  Ver- 
sammlung? Ranam  (Bast,  rünang)  lieben  nach  Moura  = 
Scharai  anam^  bei  Landes  mit  vorhergehendem  anit  (bemit- 
leiden ,  lieben)  sehr  bemitleiden,  bedauern.  Ranam  ab- 
nehmender Mond  bei  Ayraonier.  Baöam  scheint  nur  in 
tapai-raöam   Krapfen,   Art  Kuchen   vorzukommen. 

Im  entspricht  mal.  am  in  möhyim  weben  =  mal.  atUim. 
Dalim  Granate  (mal.  delimd)  =  sskr.  dä^ima. 

Um  =  mal.  ^^m.  Jarum  Nadel  =  jarum,  Möhum 
(mihum)  trinken  =  mal.  mimim^  jaw.  hinum  (Rode  minomy 
Scharai  nhum).  Hamm  Hülle  ist  vielleicht  mal.  sanmg 
(vgl.  oben  halwei  =  silau  Schatten  wegen  des  Wechsels 
von  h  und  s).  Kabtim  in  den  Mund  nehmen  (vgl.  mal. 
kebem  sich  auf  die  Lippe  beissen).  Päfum  in  p,  dbih  Alles 
zusammen  ist  päjum,  a)um  im  Bahnar  (vgl.  )um  ringsum  im 
Stieng).  Zakmim  goüter  (annam.  nhäm,  Landes);  im  Bahnar 
ist  Mm  kosten,  nam  xa  Zukost;  edk  also  wohl  =  xa  essen. 


Hindy:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       381 

Die  hier  zu  Gebote  stehenden  Worter  auf  otn  scheinen 
alle  mit  Vorsätzen  versehen  zu  sein.  KafUom  da  ja,  wenn 
{=  ka  +  hdlüw -{- yom?),  Möom  sich  einhüllen.  Päyom 
zum  Kaufe  anbieten  (vgl.  sskr.  prayam?,  jslw.  payti^  pajang 
Werth,  gangbar,  yerkäuflich) ;  vielleicht  von  demselben 
Stamm  möyom  loben.  Ein  langes  ö  haben  lingom  und  pa- 
s&m,  lAngam  umpflügen  wird  mit  lingan  Pflug  zusammen- 
hangen (s.  o.),  wie  hiudust.  ndngamä  pflügen  mit  ndngar^ 
langal  Pflug;  das  dm  ist  vielleicht  aus  einem  dem  malai- 
ischen uma  Feld  entsprechenden  Worte  verkürzt.  Pasöm 
denken,  voraussetzen. 

Hinsichtlich  des  Auslautes  ^  ist  es  denkbar,  dass  er  dem 
anf  t  verwandt  ist  und  in  Wörtern  malaiischen  Ursprungs 
aus  letzterem  entstanden,  wenn  öapSä  mit  den  Fingern  zer- 
krümeln =  jaw.  dapit  kneifen  sein  sollte  (vgl.  sapit^  supit 
Zange,  dXping  fassen  und  die  Tscfaam- Wörter  6aßöh  heraus- 
ziehen z.  B.  einen  Dorn,  öaßoh  anbeissen  von  Fisch  und 
Angel,  daßtvöd  Schnabel).  Auf  ad  finden  sich  die  drei  Wörter 
galad^  hamai  und  öaßaö.  Galad  umwenden  scheint  verwandt 
mit  galung  wälzen  (mal.  giding^  Dajak  gnlang-galing);  doch 
kommt  ihm  am  Nächsten  Bugi  (fna)gultci  kreisen ,  sich 
herumdrehen.  Hamaö  einen  Geruch  von  sich  geben.  Öa- 
ßad  bedeutet  mit  vorhergehendem  adat  (arab.  Sitte,  Gebrauch) 
Loosbefragung,  Sühnegebräuche:  das  Wort  für  sich  scheint 
verwandt  mit  obigem  öaßoh  usw.  und  die  Wurzel  auch  ohne 
Anhängsel  als  chäp  nehmen  im  Khmer  vorzukommen,  wo 
chäp  chhnol  =  loosen,  chhnol  Loos. 

lö  scheint  sich  als  Anhängsel  nicht  zu  finden,  da  ta- 
Iwiö  letzter  mit  dem  Vorsätze  ta  aus  lunö  gebildet  ist. 

Auf  iö  finde  ich  noch  ausser  obigem  öapiö  das  Wort 
dtikled  Art  Seezunge  (annam.  cd  trau  nach  Landes);  im 
Bngi  daJuUäng  Name  eines  Fisches. 

Od  findet  sich  ausser  obigem  öaßwdö  Schnabel  (' 


382         Sitzung  der  phäos.-phüdl,  Glosse  vom  L  Märg  1890. 

man  noch  das  Khmer-Wort  chämpu  dgl.  vergleiche)  in  öäkwdö 
Spucknapf,  welches  wohl  von  kaduh  spucken  nicht  zu  trennen 
ist.  Sollte  Bugi  amüung  von  %nidu  speien  damit  zusammen- 
hängen, so  würde,  abgesehen  von  einem  möglichen  Verfahren 
nach  äusserer  Aehnlichkeit  mit  Bildungen  vermittelst  des 
Vorsatzes  Ära,  das  k  nicht  stammhaft  sein. 

Ud  erscheint  in  möüö,  welches  mit  dem  gleichbedeuten- 
den möin  sich  vergnügen  (mal.  mayin  spielen)  verbunden  wird. 

Unter  at  finden  sich  anscheinend  mehrere  Fremdwörter. 
DaJchat  und  dakhah  dakhat  Almosen  spenden  sind  eine 
augenscheinliche  Verkürzung  vom  arabischen  gadaqah^  — i 
Almosen  (mal.  gadakat  Almosen,  gadaJcatk^  Almosen  spen- 
den). Die  verschiedenen  Bildungen  aus  der  arabischen  Wurzel 
finden  sich  in  den  malaiischen  Sprachen  noch  anderweitig 
wieder  mit  theil weise  neuer  Bedeutung:  Wurzel  gadaqa 
wahrhaftig  sein,  giddtq  aufrichtig,  jaw.  sidik  wahr,  scharf- 
sichtig, wahrsagen.  Ob  hier  einfache  Verkürzung  oder  Ver- 
wechselung der  ersten  Sylbe  sa  mit  dem  mal.  sa  «eins*  oder 
dergleichen  vorliegt,  ist  schwer  zu  entscheiden;  übrigens  ist 
auch  das  sinnverwandte  arabische  eakd(t)  von  malaiischen 
Sprachen  als  Fremdwort  aufgenommen  und,  wie  jenes,  um- 
gewandelt worden  (vgl.  Bugi  jdkkd^  welches  Matthes  von 
letzterem  ableitet,  =  säkkä^  jaw.  jfaAra^  in  welchem  letztern 
)  nach  gewöhnlicher  Lautmnwandlung,  obgleich  auch  Roorda 
arab.  zakät  dabei  anführt,  vielleicht  auch  nebenbei  auf  ein 
d  hinweisen  könnte  vermöge  einer  Verwechselung).  Möirat 
^nachdrücklich*    scheint    auch    aus    dem    arabischen   irädeh 

V 

„Wille*  gebildet.  Sakalat  Flanell  ist  das  auch  ins  Malaiische 
aufgenommene  pers.-arab.  saqaldt.  Pägat  lügen,  trügen  ist 
nach  Landes  aus  dem  annam.  gat  trügen  gebildet.  Pddanai 
offenbar,  ersichtlich  ist  vielleicht  =  sskr.  prajnävat  ein- 
sichtig.    Parat  fremd  =  sskr.  parävat  fern? 

Von  den  Wörtern  auf  it  kommt  asit  , wenig,  klein* 
auch    in   der    kürzeren  Gestalt  sit   vor.     Hamit   und   möhü 


llimli/:   Ifrbrr  Jen    Würlfncltats  der   'fi«:httm-H [•nicht        383 

.liören'  sind  vielleicht  aiw  eiiier  Wur/.el  hit  t^ebildeL  mit 
d«Lin  Vorsatz  mö  udü  dem  Kinüchiehsel  am;  v^l.  Jedocli  niiet 
bei  A5mii[iier.  ihinit  mit  folgemlem  ifanrOh  ,/iauberkrnft' 
ist  nellmcht  =  wkr.  stmllt  gul«  Sitte  stutt  des  einfachen 
kU(.  At»ü  liemitleiden.  lieben  (siäm.  an'd,  aber  nescbrieben 
omJc,  im  Khmcr  anüt  neben  sinn ver wund tem  müa  coriia  ana 
«akr.  milra  Freund  und  knra^  tnactien?  v|^l.  sskr.  linata 
güii^lt  *oD  naiti,  TifA-i  kÜRseii?  pranikS  dgl.  we||;en  on'iV  und 
im  Hintiiiäcbfn  pranit  [{rDsaen,  anbeten,  pra:vSm  die  Hände 
Uten,  praitül  /w«tiöt»  nitt  erbo!)eneii  Händen  anbeten,  pratii, 
meia  proHi  Mitleid,  /trati!  pranüm  nachsichtig  sein,  bei- 
«tininitT» ,  sakr.  pranam  «icb  verbenRen ,  verehren)  -,  vgl, 
auch  mattät  lieben,  bemitleiden  im  Bahnar.  Kaltt  «elbe 
Schabe  (Bu|j^  ka/if/o,  Mak.  kadfiwä,  mal.  kredek,  Khmer 
eanial).  Pätit  Kanne,  Topf  (Landes  vergleicht  unnuni.  tnnh 
tiek,  worin  tnnh  dm  chinesische  pkitig  l'lasche,  Hch  anf- 
bewKhren;  danach  wäre  pH  Vurttutz  nud  iü  =  lieh.  Dan 
Bugi-Wirrt  p'ifi  übersefett  Matthes  mit  dem  holländischen 
poije,  ohne  au  s&gen,  ob  er  es  für  daraus  abgeleit«t  hält. 
Im  Mahtiiicheu  iitt  pasu  ein  WatMer^erüts).  I'alU  bai^oire  bei 
Ayrntmier  ist  vielleicht  wie  mul.  batil  uns  säkr,  txUra  zu  erklären. 
Aaf  «/  ist  padrut  traiirig  nach  Landes  von  einfachem 
dnä  «t)gvlcjtift,  wie  das  gleichbedeutende  padrwöi  (padrön) 
roD  drög  (vgl.  juw.  turn  8cfalaf,  sarc  dgl..  mal.  siirut  Khhe, 
•bnahttien,  hinschwinden,  inntn  tiinkeu,  jiiw.  sjinä  abnehmen, 
«terben,  Ictittrc«  altjnwauisch.  före  Abend,  sur  fallende  Sucht), 
ZwMcJien  *  und  r  hchnindet  der  Selbstlauter  leicht;  harte 
und  Weiche  Laute  sind  nicht  scharf  begrenzt.  Auch  tnöytit 
lidtvlii,  den  Uof  machen,  stumuit  von  dem  einzeln  vor* 
kooimenden  ipä  befreundet  (vgl.  «skr.  y;i/a  verbunden?)  Als 
wirklichee  Anhängsel  acheint  tä  jedoch  ?,a  «tehen  in  tatnii 
FI«tM:li brühe  <vgl.  mal.  tatiak  ttieden)  und  in  taeitl,  welche» 
mit  vorhergehendem  lajH  niedlich  zu  betleuten  acheint  (vgl, 
arab.  loifiif  bQhb,  augenehm,  la44'*t  .4nnehnilichk«l«n, 
Javft  iatat  in  beiden  Bedeutungen ). 


384        Sitzung  der  philosrphäol.  Classe  vom  1.  Märt  1890. 

£t  ist  yielleicht  =  mal.  it  in  awei  Stück  (vgl.  mal. 
rabit  zerreissen),  wozu  indes»  wohl  das  sinnverwandte  awan 
zu  nehmen  ist  (mal.  abuan  Theil?  vgl.  auch  sskr.  avayavin 
getheilt?).  KusH  (mit  po  «Herr*"  davor)  Name  eines  Geistes. 
Mögit  Fräulein  ist  nach  Aymonier  =  mu  «fille*  4~  ^• 
Tablet  loslassen  ist  wahrscheinlich  mit  vorgesetztem  ta  ge- 
bildet.    TawH  Kiebitz  =  arab.  thätuAt. 

Ot  =  mal.  ut  (ot).  Balot  mit  vorhergehendem  höh 
(Zahlwort  ftir  runde  Gegenstände,  hier  wohl  einen  Knoten) 
Knoten  des  sarong  genannten  Kleidungsstückes,  dessen  Falten 
zum  Tragen  kleiner  Gegenstände  dienen;  vgl.  mal.  haltd 
einhüllen  {barot  gürten),  Bugi  balädi  zusammengebundene 
Blätter,  die  demselben  Zwecke  dienen  (letzteres  sieht  freilich 
aus  wie  holländ.  blöderen).  Kathot  arm  (vgl.  khsat  dgl.  im 
Khmer  oder  sskr.  kadartha  Elend?).     Pärot  gelüsten   (sskr. 

V 

prärth*^).  Satot,  datot  hocken  (vgl.  jaw.  ^144^1  sitzen,  Bugi 
tiidang,  mit  Stamm  toi  und  m  =  mal.  sa?). 

Auf  üt  finde  ich  nur  tnöfiüt^  welches  mit  vorhergehendem 
al)ih  „völlig"  in  der  Bedeutung  ,,durchaus*  gebraucht  wird 
(vgl.  jaw.  maniä  folgen  von  tut), 

Ap  ist  =  mal.  np  in  hadyap  lebendig  =  mal.  idup; 
in  der  Bedeutung  „beleben*  entspricht  idupi  (wegen  der 
Bedeutung  „Gattin*  s.  o.).  Kajap  sicher  =  Khmer  khchop 
=  siam.  kaxab  (kaxwai)  gesund,  stark  ist  vielleicht  = 
sskr.  kdryavat  geschäftig  {kajap-karö  ist  stark,  gesund,  karö 
stark,  vgl.  mak.  und  siam.  karö-karö  h&stig,  und  prakr. 
ka))a  für  kärya),  Rahap  ist  der  Name  des  arab.-pers.  riibdb 
genannten  Saiten-Ton  Werkzeuges.  Haläp  Teich,  Lache  (mak. 
kaU)bang  Lache,  kaliboiig  Loch,  Bugi  kaläbbong,  aläbbong 
dg].,  pers.-hind.  taldb  Teich ;  also  durch  Verwechselung  des 
ta  mit  dem  Vorsatze  ta?  Vgl.  auch  mal.  t^ah  sickern, 
Tscham  hahtk  durch  den  Boden  gehen).  Kaöap  sich  ver- 
bergen, auch  kunkadap  (mit  Vorsatz  fo/w,  Stieng  k(h},  kadap  aus 
ka  und  dap  s.  u.  öp)^  Bahnar  ködap,    Kalap  cancrelat  rouge 


Him'ly:   Ihher  iten    W6rttraehatz  der   Tucham-SpritrJir. 

(ntbe  Schabe?),  fgl.  kalit  ciincrelat  jaune  (gelbe  Schabe?), 
vwllnicht  Yijii  »tkr.  kalipa  .Menge"?  Jialap  Bohne  (Fnicht 
Aks  bahn  eil  Lrageoil  eil  Korallenliaumea?  mal.  ifa^p,  Bu^ 
rdda'f).  Püffap  coni|mrer  (sskr.  prakhyilp  rdbriieiiV).  Dt 
Man  labik  kyöny  patfap  ö  man  wu^te  an  nicht  genug  zu 
rOhnienV  Pagap jom  enviroiiV  Daher  wohl  butiser  von  ffup 
,pa-«eiii)*  iil>ziileil*ii.  Päkrap  schweigen,  versdiweigen,  vgL 
Bühnar  räp,  krüp  aiiÜaticrn.  Tttuham  kralc  insgeheim.  BaÖap 
Tertntiit  Min,  hd  radap  Oony  vertraut  sein  mit  (vgl.  Bahnar  J 

Öp  ist  mit  einiger  Sicherheit  als  AnhängMel  noch  nicht   \ 
uai^lixu weinen.     In    doAöp   Versteck  (a.  o.  kadap)  steckt  dü^p   1 
.«ich    verbergen*    mit   auch   sonst   vork  omni  ende  ni  Wet-hsel   I 
^d  und  &y  Tgl.  jaw.  ^4fp  Heiailichkeit.  mal,-jaw.  gla^j) 
Kiiwi  6ap  untren:   daher   der   BtigriÜ'  Aen  Hockens? 
r  diip  decken.  —  Dayop  Abemldüniniernng,  Bahnar  yüp 
Ganifiip  Zange  i^t  durch  Zwischensatz  a«  aus  ffi/Op 
äfra  gebildet,     l'äköp  verbieten.    Taiöp  scliniutzig,  auch 
L'lünut  dg),  (vgl.  kip  Nacht ¥). 

I^Auf  äp  endet  i/aniip  reich,  R«ichthum  (vgl.  askr.  katiaka 
t  tiifctn.  ito.'RtJ.  vgl.  kamäb  verl)iQden,  jiiw.  gt^nap  voU- 
Dajak  ffenep  jeder).  Ftaßüp  mit  vorhergehendem 
i  elend  (vgl,  jaw.  r^bih  rfbih  betteln,  riba  schüchtern, 
nUm  dgl.).  In  moiut^r  Besprechung  der  Oout«»  tjumeK  (>5tt. 
gel.  Ani,  1888  Nr.  18  S.  690  hatte  ich,  von  der  ümaehrift 
S.  II  irregeleitet,  nach  dem  Zusammenhang  die  Bedeutung 
.»eiir'  ftir  .urui*  dem  eiii7.t;luen  raßak  geben  /.a  »ollen  ge- 
glnnlrt:  ich  »ehe  aber,  dnsM  der  Urtext  ralap  den  Namen 
des  ToitwerkKtmges  b.  o.  hat,  wa^  dem  tieeanimbiinn  nach 
du  oiincig  Itichtige  i>it. 

■  'Bei  obiger  Aufzählung  mehrsilbiger  Wörter  sind  manche 

'  Acht  gelassen  worden,   bei  denen  die  Bildung  mittels 

t  pd,  mä  i»w,  keinem  Zweifel  unternorf'cD  war.  , 

wd,  das»  im  äiissersti-ii  ^h^en  diu  Anoi 


386         Sitzung  der  phüosrphüöl,  Claase  vom  1,  März  1690. 

wie  Yoni  Chinesischen  beeinflusst,  ganz  einsilbig  geblieben 
int,  während  an  der  Westküste  das  Mon  manche  Spnren  von 
Vorsätzen,  die  dazwischen  liegenden  Sprachen  des  Stammes, 
namentlich  im  Falle  des  Khmer,  grossen  Ueberfluss  daran 
zeigen.  Alle  mon-annaniischen  Sprachen  (freilich  auch  das 
ganz  verschiedene  Thai)  haben  die  Nachsteihing  des  ab- 
hängigen Wortes  mit  dem  Malaiischen  gemeinsam,  die  des 
mittleren  Hinterindiens,  wenigstens  das  Khmer,  das  Stieng 
usw.,  auch  die  Wortbildung  durch  Vorsatz  und  theilweise 
Zwischensatz,  entbehren  aber  der  Wortbildung  durch  den 
Hintersatz;  und  letzterer  Umstand  scheidet  auch  die  mal.- 
mon-annamischen  Mischsprachen,  wie  es  scheint,  streng  von 
den  eigentlich  malaiischen.  Vom  Malaiischen  im  engeren 
Sinne  sagt  Grawfurd  zwar  S.  9  seiner  Sprachlehre,  dasselbe 
Wurzelwort  stehe  oft  als  Hauptwort,  Eigenschafts-  oder  Zeit- 
wort je  nach  seiner  Stellung,  indess  ist  doch  die  Möglichkeit 
der  Unterscheidung  vorhanden,  und  zahlreiche  Vorsätze  sorgen 
für  dieselbe;  worauf  es  hier  namentlich  ankommt,  ist  es 
aber  auch  ein  Anhängsel  —  an^  durcli  welches  ein  Haupt- 
wort aus  dem  Zeitwort  gebildet  wird,  z.  B.  alahau  Nieder- 
lage aus  alah  unterliegen.  In  cUahkin  unterwerfen  sehen 
wir  ein  anderes  Anhängsel  -kSn ,  welches  wie  -i  (nur  in 
anderer  Weise)  anzeigt,  dass  die  Thätigkeit  sich  auf  ein 
Ziel  erstreckt.  Ebenso  hat  das  Jawanische  die  Anhängsel 
an  (^n)^  aki\  akihi  und  i,  das  Dajak  an  und  e  (zur  Bildung 
von  Hauptwörtern),  das  Bugi  ang^  äng  und  i,  das  Batak 
an^  Ofi  usw.  Bei  den  genannten  Mischsprachen,  wie  dem 
Tschani,  aber  sucht  man  danach  vergebens,  als  eben  einem 
dem  (leiste  der  mon-annaniischen  Sprachen  Wider8])rech enden. 
Anders  verhält  es  sich  mit  den  Vorsätzen.  Hier  ist  es 
im  Tscliain  namentlich  der  Zeitwörter  bildende  Vorsatz  traö, 
welcher  dem  Tschani  so  zu  sagen  ein  malaiisches  Aussehen 
gibt  und  dessen  Bildungskraft  anscheinend  auch  noch  nicht 
erloschen    ist   {boh  Ei,    Frucht,    möboh   Eier    legen,    Früchte 


tlmly:   Uthrr  drrt    Wörtenehatt  .irr   Ticham-Sprarht. 


1J87 


VrI.  mal.  laif'm  verschieden,  mSlayin  verst^hieden  sein, 
\mho  hoch,  matunbo  hoch  s)>iu,  jaw.  urttfi  Lohe,  miir7ib 
,  Aui-  üttlotig  tlüwiiin,  monlonff  gewinnen,  Bugi  hissinff 
schön,  mäkäsging  »chiin  sein.  Msk.  lUirong  Mutter,  mätinronff 
eine  Mutt«r  h&heii.  Der  im  Tsfhum  sehr  hilufi^e  Vorsatz 
fxl.  wvictier  nrsÄchliche  iCeitwOrt«r  bildet,  findet  sich  bald 
in  dentelben  (ieatttlt,  bald  mit  anderen  äelbstlautem,  bald 
»(■rltßrxt  oder  v«rliint<*!rt  sowohl  i»  den  maUüschen  Sprachen 
all  in  den  inon-annamiMchon  wieder:  bäd  lernen,  lesen?  pd- 
bAf.  lehren,  daj.  lemfmt  entstehen,  palembut  hervorbringen, 
Bitgi  ddra  Blut,  piulära  bliit.en  machen,  v<^lf  Icouimen,  pa- 
päte  kommen  lassen,  Male,  rässi  voll,  jnrässi  füllen,  }tiri 
wmlen,  pajiiri  machen,  erschaffen,  kamb.  rien  lernen,  prim 
l«hren,  Sti<^ug  chöt  üterben,  pötichöt  tödten,  Mon  Itiim  zer- 
fitUen  (»ein,  pluim  zei^tören.  Tä  hat  eine  surllckbezUgliche 
Bedvatnng  und  findet  sich  ähnlich  im  8tieng  wieder:  galung 
t&gaUmy  sich  wälzen,  ^tieug  pom  schlagen,  tapom 
scblsgeo,  dap  zurechtsetzen,  tadap  mehrere  Gegenstände 
thtMt]E«n,  Umi)  auf  der  Schulter  tragen,  tatu»g  zu  Zweien 
lOfteti.  Im  Stietig  wird  la  vor  Beuenmingen  junger  Lente 
(«l«?  Untergebener  gvsetzt;  im  Tscham  ha'wn  wir  diesen 
(jehrauch  z.  B.  bei  tow,  laötno  junges  Mädchen.  Im  Bugi 
beMicIiDet  da  die  Mutter  dejijenigt;ii,  ilesaen  Namen  folgt, 
le  den  Vater.  £las  vereinzelte  Vorkommen  von  hm  in 
htnkaöap  bd  »tien  erwähnt  worden.  Atemur  sagt  von  kön 
(aU  cimw-lu«  Wort  .Theil,  Ort,  Mal*),  es  kiinnp  betreffeii- 
iten  Wartern  bald  vorgesetzt,  bald  ohne  Veränderung  der 
Bedeutung  fortgela.'i>en  werden:  so  ist  bök  weiss  =  kötibdk; 
über  uNb;hliche  Bedeutung  hat  e«  lu  konjur  herablassen 
Toti  jfir  herabsteigen  und  ebenso  wohl  in  könäar  Angelruthe 
»on  dar  aRg<^ln.  womit  im  Khmer  kÖmb^f  Messer  von  bSt 
«htKiden  m  vprgleicheu.  kSmphhaing  (lewelir  von  phloeiing 
IfmkVT,  kUfinpffmg  Spieliieug  von  Ifnij  .iiiiflen.  In  latxterer 
liie  ist  biSik  zerbrechen,  künibük  verbrochen,  bemf^ 
in.  ]^imbang  vcrborgiti. 


ht 


388        Sitzung  der  phüosrpfUM.  Clasäe  vom  1,  März  1890. 

Beispiele  mit  mö  sind:  moghang  sich  wärmen  (chines. 
khang  Ofen,  trocknen?),  möngaJi^  welches  in  der  Redensart 
ngah  nmigah  thun,  als  ob  . .  .  nur  Verstärkung  des  einfachen 
ngah  «thun*"  ist.  In  möhgim  «weben*  scheint  es  ebenfalls 
dem  mal.  afiam^  jaw.  anam  gegenüber  Vorsatz  zu  sein.  Mö- 
hum  , trinken*  steht  zwar  dem  einfachen  uhum  im  Scharai 
gegenüber;  doch  Andet  sich  bei  Aymonier  minhum^  bei  Moura 
fnanhum^  im  Rode  minoin^  mal.  minum^  dann  wieder  jaw. 
hinum  (auch  im  Tagala  intwi)^  Bugi  inung  neben  minung. 
Mütyan  , schwanger  sein*  ist  aus  tyan  «Leib*  gebildet. 
Möthik  kommt  in  der  Redensart  möthik  tai^ik  mölhik  durah 
,die  See  war  voll  von  Blut*  in  einer  Verbindung  mit  taxHk 
«Meer*  vor,  welche  entschieden  auf  einen  Zusammenhang 
beider  Wörter  hinweist  («soweit  das  Meer  Meer  war,  war 
es  ein  Meer  von  Blut*).  War  es  die  Verwechselung  mit 
dem  Vorsatz  /«,  welche  hier  bei  Bildung  des  Zeitwortes 
möthik  das  /  vernachlässigen  Hess,  welches  sich  doch  in  dem 
Worte  ta^ik^  tasi  weit  über  den  Bereich  der  eigentlichen 
malaiischen  Sprachen  erhalten  hat,  oder  haben  wir  wie  bei 
mOthin  salzig  (mal.  masin,  asin)  an  einen  ursprünglichen 
Stamm  asi  (si)  zu  denken  und  behält  das  Bisaya  Recht, 
wenn  es  tasik  nur  als  Salzsoole  auü'asst,  wie  das  englische 
brine  Beides  bedeutet?  Moni  von  hier  scheint  =  mihig  ni 
zu  stehen  {mOng  von)  und  entspricht  tani  und  kani  (vgl. 
tnök  nehmen,  Stieng  m^ig  zuvor,  mang  mit,  man  hinfort; 
auch  das  injil.  mS-  erscheint  als  fneng-  vor  Selbstlautern  bei 
der  Bildung  von  Zeitwörtern).  Möboh  von  boh  s.  o.  Mö^ 
bläh  abstreiten  (vgl.  Bahn,  töblah  sich  bekriegen  von  bläh 
Krieg).  Möyah  «wenn**,  «auch*  von  dem  gleichbedeutenden 
yah,  Möyok  begleiten  (vgl.  sskr.  yoga),  Möyom  anpreisen 
(vgl.  pai/om  anbieten).  Möyut  liebeln  von  ynt  Freund. 
Möliik  vermischen  (vgl.  Bahnar  luklok  vermischt).  Möhü 
wünschen  zu  (vgl.  hü  haben;  hier  würde  mö  allerdings 
mehr  dem  mal.  mao  «wollen*"   entsprechen). 

Beispiele  mit   i^d    (pa)    sind :   pa)ü  sieden  machen    von 


Itimlt/:  Veber  den    W'örtemcluü:  der  Tschnm-HpracUt,,       389 

i«  iä«d«n.  pa)yiing  erzeugen,  von  )yönff  werden.  Patjfap 
jagen  (mit  ainal  dgl.  ikror)  von  fyojj  treiben  (r..  B.  Vieh). 
i'atout  Htunamlii  von  tum  aich  vereinigen  (Khmer  phdom 
i«nim«ln,  Buhn.  töm  ulle).  Patftau  zu  wi88pn  thnn  von  tltau 
wtaiei].  Padar  umwenden;  vgl.  Bahiior  pidar  umgeben 
Vmi  dar  IJmkrm.  Pahln  vorkaufen  von  biet  kiiufen  (mal, 
Mi).  Papok  einwickeln  von  pok  Holle.  Pamok  ergreifen 
Tou  M^'  nehmen.  Payau  gleich  vtm  yau  wie.  Paralao 
nuMtinunder  githen  Iiiesen  (mit  ti/ap  treiben,  £.  B.  htbato 
BOHiel)  von  roiö  viele  V  (vgl.  auch  Biigi  Ido  gehen).  Palik 
fallen  liL-ttten ,  werfen  von  \ek  füllen  (auch  nga)i  lik  mit 
mgak  milchen).  Palw»  verführen,  betrügen  vun  Ixeö  kitzeln. 
xerffen,  spielen.  Paiih  schlafen  lassen,  verheirathen  von 
dih  Mlitnfen.  PadwCi  schicken  von  dwüS  Uuffu.  Pa- 
(ttfoh  bereit,  verstärkt  aus  ßyah  genau.  Päkramj  beherrschen 
=  Mon   jMtkangrang   =  nakr.  prakaraiiam,  pratikara»am'i 

I1nng   verbergi-M    {fani)  warten,    Mon  gfuing  sich  bncken, 
MV  ntwüi).     Päkhap   Heb   gewinnen,   sieh  verliehen    von 
gp  wQntichen,  verlieht  sein.     Pät/nt   lügen,  betrügen  a,  o. 
pan  tüeh  quer   hinlegen  von  giin  i^ueT,     Pdgum   anfügen 
I  gam  haften.     Pägaloh  brilllen  verstärkt  aus  galoh  (ga- 
9}  K.  o.     Pagwöa  ein  Stelldieheiu  gel>en  vou  gtcon  Frist, 
bectifDmt«*  Zeit.    Piittgik  (mit  laugt  sein  Ohr  leihen  von  gÜi 
nnhe  ? ).      Päfimh    hineinstecken    von    (^roi    (6roh)    stecken. 
P4}al    umgehen    (h{Met>7.en'('),    nni    Gehen    hindern    (von  Jal 
l>eH:faäfligt   mit,    in    Annpruch    genommen   von?    bei   Moura 
.coiuprendre*   =  kamb.  ^"^1').     Päiök  aur  Khe    geL>en   von 
ttik  auf  sieh  nehmen   .recevoir  cn  charge* ;  Aym.  tok  prendre, 
e{iou»er.     Pätteci   '/.n   Jemandes  Verfügung   von  luici  folgen. 
Päd^mg  {jiäd^ng?)  erfreuen  vewtärkt  aus  dyt'mg  dgl.   Päpök 
•he.n  ».  o.     PiimÜyük    \ü   Oeseilwhafl;,    xusiimnien    vgl. 
»yök  (Bahnar  und  Khmer  i/oi  nehmen).    PälwiS  nuf- 
■tbUmeii  von  twif:  endigen.     Piisiih  Befriodi^i^n^  roD 
PAhä  öffnen  von  hri  dgl.     /'«*»»« 


^00        Sitzung  der  philos.-phüol,  Clasae  vom  1,  März  1890. 

von  hw'öl^  fürchten.  PäSik  krank  von  dih  liegen?  P&ßong 
zielen  von  einem  etwaigen  ßong  =  mofig  sehen?  vgl.  Bugi 
äbang.  Päßuk  anhäufen  (vgl.  Bahnar  höh  viel).  Pädang 
auägestreckt   (liegen)  =  dang^   vgl.   Mon  dang  ausstrecken. 

Mit  ia  finden  sich  noch  folgende  Beispiele:  tcJcrü  wollen, 
lieben  (letzteres  nach  Aymonier),  vgl.  pakrü  Scherzworte 
mökrü  schön,  Bahn,  krüp  Eindruck  machen.  Tathwak 
sich  herausziehen  von  thwak  herausziehen.  Taphia  neben 
(Landes  aunam.  phia  Seite?).  Talwid  letzter  von  Itcid  endigen. 
Tawak  eingenommen  sein  von  — ,  vgl.  walc  hängen  an  — . 
Tdakyak  sich  reiben  an  einander  (vgl.  akgöftg  Seite,  khang 
im  Khmer).  Täkatwak  zittern  =  katwak.  Takdprah  ab- 
prallen von  pärah  werien  mit  Ausstossung  des  d  und  Vor- 
satz kä,  Tdlibuh  (tdldbnh)  missgebären  anscheinend  von 
Uhidi  fallen,  mal.  lahüi  fallen  lassen,  aber  vielleicht  mit 
mal.  luput  „verfehlen'*  zusanmien hängend  und  salah  dgl. 
Sdla-snlang  ist  im  Bugi  =  Missgeburt. 

Wegen  des  vorgesetzten  ka  oder  kd  fragt  es  sich,  ob 
eine  stren<(e  Scheidung  des  Wortes  kd  „geben**  (Stieng  /fö, 
Mon  kuiw)  von  dem  Verhältnissworte  kd  durchzuführen  ist, 
welches  im  Tscliam  (wie  kö  im  Bahnar)  den  im  Malaiischen 
durch  andere  Wörter  bezeichneten  Wemfall  ausdrückt,  während 
das  malaiisclie  ka  die  Richtung  bezeichnet,  für  welche  das 
Tscham  die  einfache  Nachsetzung  des  betreffenden  Haupt- 
wortes gebraucht.  Dennoch  scheint  es  möglich,  dass  in  dem 
Satze  wck  dok  kauk  hwöö  dd  kdlahik  min  (S.  4  der  Um- 
.^chrift  des  Mährchens  vom  Balok  Lau)  „ich**  (die  Mutter 
mek)  „fürchte"  (dok  kauk  Jnvöd  dd)  ..sie**  (nämlich  die  drei 
Ziegen)  „gehen  verloren**  {lahik  verlieren)  das  kd  das  im 
Jawanischen  und  Malaiischen  zum  Ausdruck  des  Leidens 
Zeitwörtern  vorgesetzte  ka  ist.  Anderseits  ist  nicht  ausser 
Acht  zu  lassen,  dass  lahik  nach  dem  Geiste  der  Sprache  an 
und  für  sich  schon  „verloren**  bedeuten  kann,  und  dass  kd  wie 
das  gh»ich})edeutende  chinesische  kei  geben  wie  unser  „lassen** 


Jtimly:   üehtr  dm    WArlffuchat!  ilrr   Tenknui-Spraehe.        301 

ttnt  abhinKii^fini  Hauptzeitworte  gebraucht  wird,  wie  S.  II 
%,  o.  O.  i(i  uraui/  thüii  .Jemand  zu  wissen  geben*  (vgl.  ebd. 
(Wi#  Ar«  Bahk-Laü  ganrvh  .sie  wuaste,  daas  B.  Zauberraacht 
gi!}(B)iea  wäre'),  S.  202  h/Ung  kd  kau  mötai  .willst  micb 
»lorben  InKHtm".  Ans  dem  Begriffe  .gelten*  entwickelt  sich 
rc>lf<«ni;htig  der  von  .tilr",  welchen  Ad  in  dem  Satze  der  hier 
büifolgendea  RrTÜhlung  ausdrückt:  dtimig  tä  tith  di  hakaw  kd 
urang,  WusKcr  tragen,  den  Tabak  für  die  Lonte  zu  begieesen*. 
Indes»  kommt  ka  auch  nnch  Ayinonier  in  der  Bedeutung 
»Oll  ,in"  vor  {ka  lamo  .dan«  le  nimistiiiiiaire".  Sonst  ist 
tii  äatam  ^  ,iii* ;  auch  bedt^utet  kSlatnhu  itn  Malaiischen 
achoa  allein  einen  Vorhang.  Sollte  hier  ein  Mit(aventt,ändniHs 
KU  Grunde  li^^n?).  Auch  die  Bedeutung  .gegen'  (envers) 
glanbt  Ayni.  zu  sehen  in  anit  ka  Po  erta  .ayons  grande 
cotupasttioQ  enrerri  la  Dauie  sa  ui^re'  {pa  anit  lieben  kommt 
ohue  kä  vor  S.  17  von  Landes'  Umschrift).  AI«  ehrender 
Voimtx  vor  Männer  bezeichnenden  Äusdrtlrken  steht  ka 
2.  B.  in  kaiei  nt^t  des  einfachen  Sei,  vielleicht  auch  in  ka- 
twa  Enftgebureiier  (vgl.  Bugi  ^omi  dgl.);  im  Stieng  wird 
Afi  Fnuennamen  vorgesetzt.  Bei  kani,  karani  Jetzt"  fragt 
es  sich,  ob  es  nicht  trotz  der  siun verwandten  .\usdrticke  bavi 
und  tatii  {mim  bin  hierher  oder  von  hier,  Int.  abbinc?)  ans 
fal  m  (käla  sxkr.  .Zeit*  und  ni  .dieser*,  vgl.  lak  di  kal 
Hl  «sa  der  Zeit*)  entstanden  ist.  —  Kadok,  ein  bejahendes 
Sefalawwvrt  (sott!  il  suflit!  nach  Landes)  könnte  vielleicht 
ihtt  .bleiben*  enthalten,  es  ist  aber  auch  jaw.  Kados  .wie 
M  Mheint*  zu  vergleichen,  uder  etwa  malaiisch  {tErsabtW) 
p^kalaim  ,»o  wird  in  der  Sage  erzählt*  und  somit  sskr. 
falfAu  and  eine  damit  verbundene  Redensart  {iti  kd/kayali 
katAä?).  Kahriin  .gestern*  sieht  dem  mal.  külmurin  ein 
wen^f  filiuUch  (an^  kala  .Zeit*,  mari  .kommen'  und  nn'i). 
Daaoelhe  hiotet  bei  Moura  mocobröi/  und  bei  Baistiiin  Ijooci 
w'P).  im  Bahnar  iöngbri,  im  Stieng  m>ihä$ia»  (wio  1,  häimu 
^A-andu  eh«demV),   im  ?icharai  nwei'mpnui.   I     i. 


392        SUsung  der  phüosrphilol.  Ciasse  vom  1,  März  1890. 

hrai^  Kantscho  ahrey  (Ausdrücke  für  „kommen*  im  Tscham 
mai^  mörai^  Scharai  mcis^  m,  Kode  re,  Kantscho  vit^  Bahnar 
7iih,  Stieng  Iti),  Es  ist  also  wahrscheinlich,  dass  ka  hier  ein 
Vorsatz  ist,  dem  anderswo  co,  com,  tarn,  a  gegenüberstehen 
und  hroy  =  mörai  zurückkommen  ist.  Kaywa  (y  als  Mit- 
lauter mit  unterschriebenem  to)  »weil*  aus  ka  +  tf^o  (vgl. 
yau  wie  ytw  dgl.  ?).  Ein  anderer  Ausdruck  für  »weil*  ist 
obiges  tnödtih.  Wegen  kadap  s.  o.  Käalä  anstatt,  für  (alä 
unter).     Kdkuh  s.  o.     Karök  schliessen  (s.  oben). 

Ra  scheint  Vorsatz  zu  sein  in  radai  Blasebalg,  von 
dai  bewegen,  wiegen  (vgl.  ro,  roii,  rang,  rom  in  Khmer,  wo 
nach  Agmonier  ro  gewöhnlich  Leiden,  rbm  Ursache  ausdrückt, 
vcdl  messen,  rotigveäl  Mass).  Ra  wechselt  mit  a  in  ranam 
=  anatn ,  ran^h  =  an^h.  Vielleicht  gehören  zu  Obigem 
noch  rawak  tragen  (wak  aufhängen),  ralang  Dachstroh  {lang 
ausbreiten).  Rawang  besuchen  (mon.  rang  sehen,  wangdung 
kltmg  entgegengehen,  empfangen). 

Der  Vorsatz  a  findet  sich  in  akyöng  Seite  (Khmer  khang), 
akok  Koyti'  (Scharai  kak)  ^  a^ok  fassen  (kamb.  yoÄ),  atong 
schlagen  (Scharai  tang^  chines.  tang),  aSit  klein  (vgl.  Sit  s.  o.), 
ahok  Schiff  (?  vgl.  Mon  haik  hohl  sein),  amrä  Art  Messer 
=  Mon  mrä  dgl.  Ueberans  häufig  in  den  malaiischen  Sprachen, 
wo  er  oft  eine  beliebig  fortzulassende  Verlängerung  des  Wortes 
ist,  ist  dieser  Vorsatz  auch  in  den  mon-annamischen  vielfach 
zu  finden  mit  den  verschiedensten  Bedeutungen.  Im  Ganzen 
kann  a  beliebig  wegfallen:  arao  waschen  =  rao  Stieng  dgl. 
Djisselbe  ist  gelegentlich  bei  ha  der  Fall,  tvei  =  hawei  I?ohr; 
von  mö  dient  nci  sich  baden  für  möhai  als  Beispiel. 

Auch  der  Zwischensatz  an  ist  den  mon-annamischen 
Sprachen  nicht  fremd,  und  das  Tscham  hat  ihn  sicher  nicht 
den  malaiischen  Sprachen  entnommen,  wie  ausgedehnt  der 
Gebrauch  der  Zwischensätze  auch  bei  manchen  initer  diesen 
sein  mag.  Banrai  üeberbleibsel  hängt  wohl  so  zusammen 
mit  hray  zerstreut  bei  Aymonier  (epars,  disperse,  Landes  hat 


Hiwdy:  lieber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       393 

brai  en  pluie).  Danak  Bündel  Betelblätter  von  dak  häufeu  ? 
Danok  Ort  von  dok  bleiben.  Ganik  eng  von  gik  dicht  an. 
Ganyöp  Gabelast,  Zange  von  gyöp  kneifen.  Gantüc  Angel- 
schnur (Stiel  der  —  ?)  von  guk  spannen  ?  Banik  barrage 
TOD  bek  (Aymonier).  Päpok  Schaar  (ygl.  pok  loslassen, 
rollen,  Päckchen).     Panrong  Grosser  bei  Hofe,  prong  gross. 

Pa$n€Öc  Bede,  pwöc  sprechen.    Canak  Bündel  von  cak  binden. 

ÖoHuk  Vorbild,  Muster,  cttk  hineinstecken  (?).  In  bamönöng 
vivres  ist  nach  Aymonier  am  -{"  ^^  in  den  Stamm  böng 
(ßöng)  geschoben  (s.  das  Khmer.) 

Ist  man  geneigt,  für  die  inehrsylbigen  Wörter,  wo  es 
sich  nicht  um  Vor-  oder  Zwischensätze,  gelegentlich  auch 
Fremdwörter,  handelt,  nach  einer  malaiischen  Verwandtschaft 
am  suchen,  so  muss  die  grosse  Menge  einsylbiger  Wörter  zu 
Vergleichen  mit  dem  mon-annamischen  Stamme  namentlich 
herausfordern.  Auch  hier  ist  im  Auge  zu  behalten,  dass  ^, 
^,  z  unserer  vorliegenden  Mundart  eigenthümlich  sind,  denen 
8  entspricht,  und  dass  ß  und  d  in  der  Gestalt  von  p,  b,  m 
und  d  zu  suchen  sind ,  wie  andererseits  dem  h  gelegentlich 
ein  s  gegenübersteht.  Die  Vergleiche  würden  wahrscheinlich 
viel  zahlreicher  ausfallen,  wenn  die  Sprachen  der  Trao,  Rode, 
Scharai,  Kantscho  u.  s.  w.  schon  mehr  bearbeitet  wären, 
als  es  noch  der  Fall*  ist. 

Unter  146  mit  k  anlautenden  Wörtern  des  Landes'schen 
Wörterbuches  finden  sich  68  einsylbige,  vou  denen  allerdings 
einige  verkürzt  sind,  nämlich  kal  Zeit  aus  sskr.  käla^  kar 
Frohnarbeiter  von  sskr.  kära  Arbeit,  Arbeiter,  klatn  ab- 
nehmender Mond  (Stieng  klöfn  abnehmen,  khüklöm  la  Urne  se 
leve  tard  apres  la  pleine  lune.  Azemar;  Mal.  kSlam  finster, 
von  Crawford  trotz  der  Endung  aus  dem  Sanskrit  abgeleitet. 
Landes  vergleicht  mölatn  Nacht.  Im  Malaiischen  ist  in 
malim  dgl.  die  Kürze  in  der  zweiten  Sylbe,  vgl.  surSm 
dunkel,  jaw.  k^gm  versinken.    Vgl.  Pallegax,  dict.  Thai  unter 


394        Sitzung  der  philosr^küol.  Clasae  vom  L  März  1890, 

kJdam  „ dunkel '^t  klau  drei  gegenüber  jaw.  t^u),  Kra  Schild- 
kröte ==  Jcarä  (sskr.  kümm  s.  o.).  Aus  dem  Sanskrit  stammt 
kod  (=  kd{i  eigentlich  10  000  000 ;  hier  mit  folgendem  ratuh 
hundert  =  unzählig).  Kau  ich  =  mal.  ku,  aku  (Niederen 
gegenüber  gebraucht,  wie  in  Siam  ht).  Unter  den  sicher 
ursprünglich  einsvlbigen  ist  Ar»  (employe  pour  Tannamite  khi. 
Temps?  Landes;  vielleicht  das  über  Annam  eingedrungene 
chinesische  Fremdwort  khi  , Frist*  (vgl.  jedoch  Bahnar  ki 
ehemals),  kd  noch  =  kow  so?  Ää,  kei^  wo?  (vgl.  Mak.  ke 
kerc^  Bugi  kega^  Bahnar  ki  kiä  was?  Ka  ist  fragend  im 
Malaiischen,  verneinend  im  Silong  (dgl.  Ä:  im  Khmer:  mean 
vorhanden  sein,  khmean  nicht  vorhanden  sein).  Kräng 
Muschelart  ist  das  mal.  kräng,  Krih  zuspitzen  (vgl.  Mon 
kri  ^düim" ,  mal.  kris  Dolch)  erinnert  wohl  kaum  an 
jaw.  krik  aiLsknitzen,  oder  die  Sanskritworter  krg  dünn 
maehon,  krs  schaben.  Kröp  (lies  gröp)  „jeder*  könnte  (rf/)- 
gröp  palei  aller  Orten  entspricht  nach  Ay monier  kamb.  kraj) 
srok)  mit niii\,kr^2^  «oft**,  „ununterbrochen*  zusammenhangen; 
indcvssen  sin<l  auch  Stieng  kop  „jeder*,  das  von  Landes  ver- 
glit'hone  annam.  khäp  überall  zu  vergleichen,  und  göj)  dient 
auch  im  Tscham  al.s  Zeichen  der  Mehrzahl,  während  gaj) 
^enau,  anpassend,  (vgl.  Stieng  gaj)  kneifen.  Zwischen- 
geschobeiies  r  ist  häufig  in  den  mcm-annamischen  Sprachen) 
mit  der  Bedeutung  des  obigen  mal.  krej)  (jaw.  kerep)  „dicht* 
zusammentriflFt  (vgl.  auch  Dajak  genvp  „jeder*).  Krting 
welcher  (jaw.  hang),  Ka  geben  ist  kö  im  Stieng  s.  o. 
In  Mali  „trennen,  meiden*  scheint  k  Vorsatz  zu  sein;  denn 
wie  dieses  Iah  „ablassen*  entspricht,  so  entsprechen  einander 
im  Khmer  khUa  Zwischenraum,  khUat  „trennen*  und  Iva 
^abwenden,  aufgeljen*  (vgl.  auch  Bahn,  klah  bei  Seite  legen). 
Auch  klöng  „Schatzhaus*  ist  das  kamb.  khlcang,  Klong  „ich* 
(kamb.  khUmg  aussätzig?).  KUw  „lachen*  lautet  ebenso  bei 
den  Scbarai  (Moura),  flau  im  Kantscho,  tloa  bei  den  Rode. 
Kick  stehlen,   auch  mit  folgen<lem  kamrang  (vgl.  Mon  klat 


Himly:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache,       395 

stehlen,  kamlat  Dieb,  Khmer  luöch  stehlen,  lemtwch  Dieb, 
Stieng  kömang  Dieb,  Feind).  Koh  abschneiden,  fallen  = 
Stieng  kffh  schneiden  (vgl.  kät^  käp  schneiden  im  Khmer  und 
kah  Eiland).  Kok  Reiher,  ebenso  im  Khmer  (annam.  cÜ 
mit  ean  «Sohn*  davor;  kok  und  co  in  beiden  Sprachen,  im 
Tscham  wie  im  Annamischen,  für  ^ weiss **  gebraucht  nach 
Landes).  Koiig  Armband  =  cäng  im  Khmer  (cäng  day 
Armband,  cdtig  cd  Halsband,  sskr.  kangkana'i)',  in  der  Be- 
deutung «folgen*  vgl.  annam. /rt(9i^  «mit*.  £rd^  Apfelsinen- 
baum =s  croch  Apfelsine  im  Khmer,  Icruich  im  Stieng  (mal. 
jiruk^  chald.  yarok  neben  etrog^);  kröd  umgestellt  für  drök?). 
Krüh  inmitten  =  Mon  akrd  zwischen,  Stieng  klung  dgl. 
{tu  klung  SS  di  krüh  im  Tscham),  siam.  klang  inmitten, 
khrüng  halb  {cifnlä  halb  im  Khmer?).  Krüm  Bambus  = 
cram  im  Kantscho  {com  im  Scharai?).  Kyöng  wollen 
(beirathen)  =  keang  im  Kantscho.  Kyöp  Frosch  (vgl.  äng 
kep  dgl.  im  Khmer).  Kak  —  pablSi  Handel  treiben,  Stieng 
kok  Kerbstock?  Kam  Bauch  in  dih  kam  sich  auf  den 
Bauch  legen  (im  Khmer  dek  phkäp),  Kan  schwerlich, 
bejahender  Redetheil  ?  Mit  o  davor  verneinend  (vgl.  mal. 
k^a  Crawf.  S.  34  «getroffen  werden*,  als  Hilfszeitwort  das 
Leiden  ausdrückend  ?  S.  22  der  Umschrift  vielleicht  als  Frage 
aufzuf&ssen,  wie  mal.  kah:  ai  kadwd  yah  tyap  hu  16  kow 
mi  ifao,  hu  di  nao  trd  o  pajö  kan,  «wenn  Du  ihn  so  sehr 
treibst  zu  gehen,  ist  seinem  Weitergehen  schwerlich  ein 
Ziel  zu  setzen*,  «ist  da  wohl  ein  Ziel  zu  setzen,  damit  er 
nicht  weiter  geht?*);  vgl.  Bahnar  ^an  «kaum*.  Kang  Kinn 
as  siam.  khang^  Stieng  kuam^  Bahn,  käng,  Kad  (gad)  Frage- 
wort. K^  mit  midc  davor  Vorfahren  (vgl.  muk  kok  und  muk 
koi);  ki  «ehemals*  im  Bahnar?  Kek  beissen,  vgl.  Mon  kek 
scharf,  grek  Zahn,   mal.  gigii  beissen,    Mak.  kiki^  mal.  gigi 

1)  In  etrog  ist  t  Lispellaut.  Die  Vermittelnng  fand  wohl  durch 
die  Jaden  von  Malabar  statt.  Andererseits  wird  persisch  turung  ver- 
glichen (8.  Granbaum  in  Ztschr.  d.  D.  M.-G.  Jahrg.  42  S.  241  f.). 


390         SitzuHfj  der  jthilos.-ifhilol.  CliisHC  vom  1,  März  1890. 

Zahn?).  Ä/at  werfen,  wegwerfen,  heralwtürzen  (vgl.  2e/c  fallen, 
kamb.  thUdk  dgl.).  Klan  Riesenschlange  =  hUm  im  Stieng, 
ann.  irtin  (Landes);  vgl.  siani.  Man  kriechen,  mal.  Tdan  stark? 
Kleh  Stiick,  zcrstuckeh],  vgl.  Stieng  kl&h  ,, brechen*,  mal. 
In-at  Stück,  schneiden.  Kiep  Thron,  Sitz,  vgl.  sskr.  hüdpa 
lMa\ion.schweif.  KU  verpiclien,  dicht  machen,  schliessen,  (Mon 
A7/  niuddigV).  Kloh  abtrennen?  abschneiden?  (s.  o.  kliK), 
Klon  folgon  (vgl.  Mnmj  Weg  im  Mon).  Klong  Name  (K. 
Ganiy  =  , Drache"?).  Klop  schlagen,  berühren,  Netze 
sjmiinen  (Stieng  lop  Hölzer  zum  Fischfang?)  Klou)  Wald 
(vergl.  (jlai  dgl.).  Klwd  sieden,  verbrennen  (Mon  kna  sieden). 
Köt  Urahn  s.  o.  hei  (vgl.  köt  erzeugen  im  Stieng).  Kow 
also  (Khmer  kd  auch,  so).  Krak  insgeheim  (Stieng  hrap 
verbergen,  vgl.  kUk  stehlen,  kamrang  dgl.  aus  krängt)  Krep 
und  krap  Schallwörter.  Krek  Art  Baum.  Kring  klirren,  vergl. 
chrieng  „singen"  im  Khmer.  Kröi  schelten  (sskr.  krudh 
zürnen,  krodha  Zorn?).  Kruk  wilder  Büffel  =  Sue  krok 
bei  Kuhn  S.  212.  Kluiso  chclick  Bast.  Kfiin  erkennen 
(vgl.  kanib.  rien  lernen).  Kriim  Bambus  =  kram  im  Bahnar 
und  Kautstho  (Sue  chrong  bei  Garnier?),  vgl.  Stieng  kläm 
Bambu-rohr.  Kuk  den  Ko]»f  senken  =  Bahnar  knh  sich 
verneij^eii.  Kimg-thrük  ist  nach  Landes  das  annamische 
cnng-sü  als  Gesandter  gehen,  Tribut  bringen  (chines.  kiing-sK). 
Kur  ist  der  Name  Kanibodscha's  bei  den  Tscham  und  den 
Bahnar.  Ä'/cör  umarmen,  Klafter  (vgl.  Bahn.  ;(ar  umbinden). 
KiVüd  sieh  entscheiden,  entschliessen,  nach  Landes  vielleicht  = 
annam.  qugct  (=  chinesisch  kücf),  in  der  Bedeutung  (Reis) 
..aufraffen"  aber  wohl  anderen  l^rsprungs  (vgl.  kuah  auf- 
raffen, schöpfen  im  Stieng). 

Die  mit  kh  anlautenden  Wörter  sind  im  Verzeichniss 
alle  einsylbig.  Khang  stark,  vgl.  kamb.  khJäng  (chinesisch 
kang  hart,  steif).  Khan  Lendenschurz  (Languti,  Sarong) 
=  Bahn,  k/iun;  vgl.  annam.  klnhi  Tuch,  chines.  kin^  kän. 
l'eher  khnl  und  khaldumal  s.  o.  unter  ah    Khap  wünschen, 


Hrndy:  Utber  den  Wörter  schätz  der  Tscham-Sprache.       397 

lieben  (Bahn,  khap  Reugeld  bei  der  Verlobung,  kah  anhäng- 
lich sein).  Blhik  bewahren,  beobachten  (Stieng  kSJ^  wach?). 
Khin  wagen,  lautet  ebenso  im  Bahnar.  Khow  dörren  (annam. 
khb  trocken.  Landes,  Bahnar  kho  und  A;ro,  khöh  trocken  im 
Stieng).  Khvai  «knieen*^  bei  Aymonier  (vgl.  chines.  kwei). 
Der  Anlaut  g  scheint  anderswo  theils  g^  theils  ng^  theils 
k  za  entsprechen.  Mehr  als  die  Hälfte  der  Wörter  ist  ein- 
sjlbig.  Oak  aufreissen  (Mon  ngdng  Scheere  des  Krebses, 
Khmer  hid  brechen).  Odh  Seite,  ebenso  im  Bahnar.  Oang 
in  gang  khy&ng  wollen  mit  Wiederholung  des  Stammes? 
(gang  khyöng  nao  gehen  wollen;  gang  ^  gehen  auch  im 
Mon;  sskr.  gam?),  Qad  (s.  o.  kad,  vgl.  an.  kad  Art  und 
Weise).  Gan  quer  über,  „Zwischenzeit*  =  Bahnar  gän 
Qberschreiten;  mit  pä  als  Zeitwort  pägan  vergleicht  Landes 
das  gleichbedeutende  annamische  ngang.  Ausserdem  ist  gan 
sinnverwandt  mit  göp  und  gröp  und  bezeichnet  die  Mehr- 
zahl wie  kan  im  Bahnar.  Garn  „anhaften*,  daher  „mit* 
(Mon  kom)^  gamgam  sowohl  —  als  auch;  vgl.  auch  Bahn. 
gtim  sich  vereinigen.^)  Gay  Stab  =  annam.  gäy  (bei  Landes). 
Gaff  fliehen  (im  Stieng  gahi  „aussen*  in  dugahi  hinaus- 
fliehen). Gar  Stiel  =  Bahnar  gör  (garmäng  nach  Aymonier 
„pattes  d'araignees*  als  Name  einer  alterthümlichen  Schrift- 
art). Gal  verwickelt  sein,  feststecken  (Stieng*]  gih  gal  an- 
geschossenes Wild).  Gök  eintauchen  (vgl.  Bahnar  glök 
ertrinken).  Göp  Beide,  Jeder,  Zeichen  der  Mehrzahl  = 
Stieng  kap  Jeder  (Dajak  genep),  Gyöp  kneifen  ==  kiep  im 
Khmer,  giep  im  Stieng.  Gik  nahe  bei  (Stieng  ging  Seite, 
links),  vgl.  oben  pängik.  Ging  Küche,  Stieng  gönüng  Hütte. 
Gai  =  gay  s.  oben.    Gok  berühren,  anstossen  =  Stieng  gök 

1)  8.  Haswell  S.  142  gwam  d  gwam  kJeng,  nach  der  dortigen 
Umschrift  freilich  Icoo  ä  koo  klä-ung  =  sowohl  kommen,  al«  gehen. 
Nach  H.*8  Wiedergabe  im  Wörterbuche  und  der  Sprachlehre  ist  das 
einzelne  Wort  =  to  obtain,  may,  shcUL 

2)  Tgl.  auch  gal  bräh  Teufelskünste,  gal  nam  d<^  "^r 
schieben. 


308        Sitzung  der  plhUosriihilol,  Classe  vom  L  März  1890, 

schlagen  (vgl.  tongcuc  im  Khmer) ;  auch  gok  Topf  =  Bahn. 
go.  Gong  verwickelt  sein  (Stieng  goiig  verpfänden).  Gitk 
spannen  (den  Bogen).  Landes  vergleicht  gautüc  s.  o.  Im  \ 
Bahnar  ist  gut  spannen.  Gid  Strang,  festgebunden  (Stieng 
gual  auf  die  Weide  führen).  Grök  Geier.  Grik  Koth. 
Groh  bellen,  vgl.  Mon  kreati  blocken,  Khmer  prü  lallen 
und  gamrch  husten  im  Tschani  (mal.  ngorok  schnarchen). 
Gru  Herr,  Lehrer  ist  =  sskr.  guru.  Grum  Donner  bei 
Moura  =  croniim  Scharai,  gram  bei  Rode,  Bahnar  und 
Kantscho.  Glang  zusehen ,  beau&ichtigen  s=  lang  im 
Bahnar.  Glah  Topf  (Landes  vergleicht  annam.  tra^  irach 
wohl  auch  lautlich ;  anderseits  wäre  auch  sskr.  kalasa  zu 
vergleichen).  Glöh  losgehen  vom  Bogen,  von  der  Sonne 
untergehen;  vgl.  Uh  lassen,  hih  ablassen  und  lea  lassen  im 
Khmer.  Gleh  müde,  ebenso  im  Bahnar.  Glai  Wald,  vgl. 
klow,  prey  im  Khmer  (Mcm  gniip),  Gloiig  hoch,  geschickt; 
vgl.  sUwg  „hoch*  im  Mon  und  gling  «lang*,  klofig  tiefe 
Stelle  im  Bahnar.  Gloh  necken,  hänsein  (mal.  ga4uh  quälen). 
Oltfh  ächlamm.  Glut  (im  Schlamme)  versinken;  Bahn,  tut 
in  die  Erde  stecken.  Gwöh  bestimmte  Zeit  (vgl.  annam. 
quan  au  d(?r  Keihe).  Gwuy  Kiepe,  Kö/e,  Hotte  (annam. 
gai  Landes). 

Die  drei  bei  Landes  mit  dem  Anlaut  gh  angeführten 
Wörter  sind  einsylbig  und  nicht  malaiisch.  Ghak  abhalten 
(vgl.  khat  dgl.  im  Khmer  V).  Ghöh  geschickt,  wozu  Landes 
das  gleichbeileutende  annaniische  khco  vergleicht.  Ghwöy 
Stück  Gold,  Zain,  Barren  (cliines.  khwai  „Stück"  V). 

Der  Anlaut  )ig  scheint  mit  g  zu  wechseln.  So  scheint 
injan  „und**  mit  dem  yan^  welches  eine  Mehrzahl  bezeichnet, 
ursprünglich  eins  zu  sein,  indem  beide  etwas  Zusammen- 
gehöriges bezeichnen.  Nyah  thun  (Aym.  ngap)  =  Rode 
HyaCf  Kantscho  iiap  (jaw.  gaive,  Ngah  möngah  im  Tscham 
«thun,  als  ob*,  vgl.  jaw.  guwcyawe  ersinnen,  erlügen,  ma- 
nyaice  Schaden  womit  anrichten;  dagegen  magawc  das  Feld 


Uiwdy:  Ueher  den  Wörter«chatz  der  Tscham-Sprache,       399 

bestellen).  Ngok  auf  (vgl.  Stieng  guk  sein,  sitzen,  bleiben, 
Bahn,  ngoh  bleiben);  vielleicht  gehört  hierher  tagök  steigen. 

Dem  Anlaut  d  entspricht  in  anderen  Sprachen  derselbe 
Laut.  Cak  binden  =  chätig  im  Khnier  (Mon  dak  dgl. ;  vgl. 
auch  iühak  verbinden  im  Mon).    In  der  Bedeutung  , keimen' 

V 

erinnert  es  an  öakak  s.  o.  —  Gang  »warten"  auch  im  Bahnar 
scheint  =  ch&m  im  Ehmer  zu  sein.  Car  kommt  als  Ergänzung 
des  einheimischen  Wortes  öok  für  »Berg*  vor  (vgl.  jaw.  dala 
fär  adal<i  ==  sskr.  addla  »Berg",  eigentlich  »unbeweglich*, 
»als  of  de  ha  een  voorzetsel  wäre,  dat  oiet  wezenlijk  tot  de 
beteekenis  van  het  woord  behoorde*,  Roorda).  Öök  »Berg*, 
Seharai  cAtr,  Itode  chuc,  Kantscho  chot,  Phnong  jtw^  Song 
cheo.  öö  steht  am  Schlüsse  von  Sätzen  (vgl.  döi  im  Stieng). 
Ööi  aufschneiden,  lügen,  öyöt  Art  Bambuskorb.  Ögip  er- 
tragen ,  einwilligen  ist  nach  Landes  das  gleichbedeutende 
annamische  chiu.  Cyöw  =  annam.  chieu  Matte.  Cih  malen 
ebenso  im  Bahnar,  öih  pald  Betelblatt  rollen  (vgl.  Bahn. 
öi  zerreiben).  Ctm  Vogel  ist  nach  Landes  annam.  chim. 
Vgl.  auch  Stieng  chum^  Song  chiem^  Seharai  kchim^  Rode 
cAtifi,  Kantscho  xim^  Pron  chim^  Phnong  sum  (Moura),  Mon 
dang  Uuhn^  gdeng  Yogel,  Bahn.  sem.  Öei  »Herr*  (ehrender 
Vorsatz)  =  di  im  Khmer.  Öek  stellen,  lassen  (auch  Schluss- 
wort).  Ömg  kupfernes  Tonwerkzeug  (in  Siam  eine  Art 
Geige ,  in  Persien  und  Vorderindien  eine  Harfe  =  teng 
im  Bahnar).  Cey  Thee  ist  nach  Landes  eine  Umschrift 
des  annam.  che  (chines.  in  Peking  und  Kanton  cha. 
Dagegen  haben  die  Khmer  in  U  wieder  den  Anlaut  von 
Fokien).  Öok  klagen,  weinen.  Cong  ausersinnen.  Viel- 
leicht ist  dieses  Aymonier's  chrong  [chofig)  sich  anmassen. 
Da  in  der  Bani-Mundart  das  Khmer-Wort  ang  gebraucht 
wird,  könnte  es  sich  um  vorgesetztes  ehre  handeln.  Coh 
mit  Füssen  treten,  misshandeln  (vgl.  im  Khmer  dt 


400         Sitzung  der  philos.'phüol.  Clause  vom  1.  März  1890, 

Nach  Bastian  ist  tschoch  Fluss  (lies  Fuss?).  Öou  Enkel, 
Enkelin  ist  nach  Landes  das  annam.  chdii  (Des  Michels, 
petit  dictionaire  „neveu*"),  so  auch  im  Khraer.  Als  ehrender 
Beisatz  wird  ta  vorgesetzt  {tadou  „Enkelin*  in  der  Erzählung 
von  Balok-Lau).  Culc  hineinstecken,  an  der  Hand  haben 
(öak  stechen  im  Khmer?).  Öum  umarmen  (vgl.  Stieng  jam 
tour,  environ.  Azemar).  Ouh  brennen  (Khmer  chhe).  Crak 
schleudern,  (h'any  hervorzaubern  (siam.  cliareng  Inschrift, 
Mon  cVaw(/ VerzeichnissV).  üraA  (pa^oA)  entschädigen.  Öram 
vertraut  (Aymonier)  vgl.  sskr.  fram?  Öroh  {paöroh)  hinein- 
thun,  einmachen,  einpöckeln  (mit  atüw  davor  Hausgeist. 
In  der  Bedeutung  „hineinthun*^  ist  6ük  zu  vergleichen,  Stieng 
chörok  laden).  Öröfig  anspannen,  Stieng  chörok,  Örong  stellen 
=  Bahn,  ^örang.     (jruh  Glück  wünschen  (kamb.  chueg  är). 

W  V 

Cwah   Sand  =  Bahn,  doäh    (kamb.  kJisäch).     Cwöh  stossen 

V 

(Bahn.  Joh  picken).  Cwic  spitz  (kamb.  sruddi^  Bahn,  duih 
härten),     öwoh  Zahluusdruck  für  Blumen. 

Mit  ch  luuten  im  Verzeichniss  nur  zwei  Wörter  an. 
Chai  wird  nach  Landes  für  das  annam.  xäy  abschälen  (wörtl. 
, faire  tourner")  gebraucht.  Ühai-chai  ist  Je  mehr  —  desto 
mehr** ;  hiermit  scheint  trotz  des  an  das  Malaiische  erinnern- 
den  Vorsatzes  möchai  , lieber*  zusammenzuhängen.  Söh  ciiai 
Joyeux,  heureux",  söh  „content**,  haivon  söh^  hawön  cliai 
„regretter  les  jours  heureux"  scheint  auf  die  Grundbedeutung 
genug  zu  führen  (Stieng  chöi  genug).  Vgl.  auch  das  freilich 
anders  betonte  und  geschriebene  annamische  xäi  in  rong  xai 
wolilhabend  und  yai  „gross**  im  Siamischen).  Ghwai  lange 
(vgl.  Bahn,  tsai  ausgedehnt). 

Dem  Anlaute  jf  entsprechen  jf,  c  (und  //?)  in  anderen 
Sprachen,  unk  weise,  schlau  (vgl.  chca  weise  im  Khmer), 
anreizen.  Nach  Landes  ersetzt  es  das  annamische  gia  Mass 
von  etwa  27  kilogr.  Gewicht,  dang  gleich  (vgl.  kamb.  jang 
Art,  Eigenschaft;  mal.  yang-yang  Gemälde,  anderseits  jedoch 


HinUy:  Ueber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache,       401 
hiermit   chines.  ycmg  Art  und  Weise);    ßang-jang   grosses 

^^  y 

Thor  (Bahnar  Jcmg  Zaun,  mang  Thür).  Jang  patao  dem 
König  dienen  (vergl.  jang  Beruf,  Gewerbe  im  Stieng). 
Ngah  yang  ist  den  Geistern  {yang  Stieng  jang^  mal.  yang^ 
ytoang)  dienen.  J^an  , zerschlagen''.  In  bah  drei  hak  Jan 
«den  ganzen  Leib'  ist  jan  vielleicht  =  sskr.  Jana.  Jam 
decken,  verbergen.  Jap  brah  Zaubergebrauch  bei  Leichen- 
be^ngnissen,  bei  dem  der  Eingeweihte  Buchstaben  mit  ge- 
kochtem Reis  zeichnet  (brah  Reis.  Bei  den  Stieng  ist  brÜh 
.Teufel*,  jang-br&h  der  »Geist  des  Teufels*  Name  eines 
hoben  Berges).  —  Jal  «beschäftigt  mit*,  nach  Moura  „yer- 
stehen*  =  yöl  im  Khmer  (aber  in  päjal  verhindern,  umringen 
=  Bahn,  jäl  sich  an  etwas  stossen?).  —  Jtä  ist  eine  Bezeich- 
nung von  Leuten  niederen  Standes  und  wird  den  betreffenden 
Ausdrücken  vorgesetzt  (Stieng  ja  und  joh  »Freund*?).  — 
e/i*  Wasserkrug  =  Bahn.  Jfö.  —  Jö  nachgesetzt  als  Zeichen 
der  Vollendung  =  Bahn,  ji  schon,  jö  Frageanhängsel.  — 
Jyöng  werden,  entstehn  (jSang  bei  Aymonier),  daher  päjyöng 
erzengen,  gebären  (Bahn.  )ing^  jpöjfm^).  —  Jyoy  steht  nach 
Landes  fQr  das  ann.  gioi  »geschickt*.  Jtei  Fadenende  (Stieng 
öei).  —  Jen  Geld  (Landes  setzt  das  chinesisch-annamische 
tien^  thsien,  iian  wohl  nur  aus  zu  grosser  Vorsicht  mit 
Fragezeichen).  Jc/c  (kajik,  mäjSk)  nahe  bei  (nach  Aymonier 
in  der  Bani-Mundart /iA)  =  Bahn,  je;  vgl.  gik^  Kantscho  und 

Rode  jekj  kamb.  chit,  Scharai  phchis.  —  J^ih  hineinstecken 
(Stieng  jXh  aufstechen?  Mon  6ü).  —  Jai  obenaufschwimmen 
(Landes  vergleicht  für  die  bildliche  Bedeutung  »die  Oberhand 
gewinnen*  das  annamisch  mit  Un  »steigen*  gebrauchte  noi 
obenauf  schwimmen,  welches  sich  auch  als  nwöy  im  Tscham 
wieder  findet.  Im  Bahnar  ist  jäy  siegen.  Eis  ist  viel- 
leicht das  ehai  im  Stieng,  welches  »verstehn,  können* 
neben  »oben  abgiessen*  oder  »fliessen*  bedeatAt.  Jnng 
Axt,   Beil  =s  Bahnar  Sung^  kamb.   ditng.  —  ^ 


402         Sitzung  der  philos.-jjhüol,  Ctasse  vom  1,  März  1890, 

pflücken  =  Kantscho  jos^  Rode  jo,  Seharai  chhischha.  — 
Juk  schwarz,  duukel  =Bahn.  )ü  (vgl.  duh  brennen,  jluAr  rauchen 
bei  Moara  =  Stieng  cliok,  kanib.  chok^  Kantscho  juag^  Rode 
chuCy  Seharai  nhup).  —  Jü  sieden  (vgl.  juk?).  —  Jtük  ein- 
laden =  Bahn.  )äk.  —  Jroh  mit  spitzen  Werkzeugen  schlagen 
(karab.  chämras  urbar  machen?).  —  Jru  Heilkrauter  (vgl. 
pers.  ddrü?),  Jrtih  fallen  =  Bahn,  jönih  vom  einfachen  ruh 
dgl.,  karab.  chrus^  chrü  (beides  von  Laub  und  Früchten).  — 
Jriiw  vermischen  =  Bahn.  jörü.  —  JrU  mit  gai  davor  = 
Stock  (mal.  jaru  Pfahl).  -^  Jtmk  treten  =  Bahn,  juä,  — 
Jtmng  (in  der  Luft)  kreisen.  —  Jwä  einsam  (Mon  £ha  nur). 

—  ttwäi  sich  enthalten,  verbietend,  wie  griech.  ^ij,  gebraucht 
(vgl.  jaw.  ojfa,  Bugi  ajd,  Dajak  d?a,  aber  Jaton  ov  aus  Ja 
und  aton  sein?),  )tmi  —  )wäi  weder  —  noch. 

Der  Anlaut  jh  ist  seltener  und  unmalaiisch.  JhaJc 
schlecht,  hässlich  =  Bahnar  (schlechter)  werden.  —  Jhok 
sich  stürzen  auf  — ,  von  Landes  mit  dem  gleichbedeutenden 
annamischen  chiq^  verglichen.  —  Jhok  schöpfen  (annam. 
xüc,  Landes). 

Der  Anlaut  n  entspricht  malaiischem  und  mon-annam- 
ischem  n  in  nu  er,  sie  =  mal.  wa,  Mon  ha,  —  ^ao 
Dnichenaugenbaum    (an.  nhän   Landes).  —  I^oh   Begattung. 

—  J^uk  tauchen.  —  ^ö  Drohung  am  Schlüsse  des  Satzes 
(mal.  nah?),  —  Nök  Name  eines  Baumes. 

T  im  Anlaut  entspricht  demselben  Laute  in  malaiischen 
und  mon-aimamischen  Sprachen,  ausserdem  d,  jf  in  letzteren. 

—  Tak  abschneiden  =  Stieng  täh,  Tak  ni  hier  (hierher? 
vgl.  tavi).  Tak  di  kal  nan  zu  der  Zeit.  Es  ist  augen- 
scheinlich das  ta  Aymonier's,  welches  die  Richtung  bezeichnet 
{ta  unraj)  „in  Zukunft**),  und  entspricht  so  auch  dem  tö  im 
Bahnar  {tö  kong  „zum  Berge**.  Bastian.  Vgl.  annam.  iöi 
konnnen.   —    Töl   gelangen,    erreichen,   bis   =   kamb.    töl^ 


j 


Hindy:  Üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       403 

dd/,  (Stieng  tal  in?).  —  Tyä  schmieden  (Stieng  tyer  — 
toMi).  —  Tyan  Baach,  wie  unser  Herz  bildlich  gebraucht 
=  Scharai  kajean^  Rode  und  Eantscho  tean,  wie  Moura 
auch  das  Tscham-Wort  wiedergibt  (Tagalisch  tiyan^  Bisaya 
tian  8.  Gabelentz,  Ztschr.  d.  D.  M.  Ges.  13  S.  69.  Kuhn, 
Beitr.  S.  228).  —  Tyap  treiben,  jagen.  —  Tyong  (iyötig?) 
Art  Vogel.  —  Tik  zerrissen  =  tahak^  kamb.  ä^ä,  Bahnar  hak 
spalten,  hek  zerbrechen,  kötek  brechen.  —  Tök  auf  sich 
nehmen,  heiratheu,  vgl.  Bahnar  fok  entlehnen.  —  Tök  nur 
Aym.  —  Toti^  Feldhüterhütte.  —  Tok  Hinterer,  Bambuskuoten 
(Mon  fang),  —  Tom  antreffen,  sich  wieder  vereinigen  auch 
im  Bahnar  (kamb.  phdom  wieder  vereinigen  mit  pA,  die  Ur- 
sache anzuzeigen?);  in  der  Bedeutung  vollständig  =  Bahn. 
iöm.  Taw  Messer  =  kamb.  dau  Schwert,  Stieng  dao  = 
cbines.  iao  Messer,  Säbel  (s.  Jaw).  —  To  herausziehn 
(kambodsch.  d&  herausnehmen).  Vgl.  tök.  —  Tuk  Stunde 
(Stieng  iuk  Mal,  tukrvk  Tagesanbruch).  Tom  Radnabe  = 
kamb.  c?8m.  —  Ttd  Teppich.  —  Tuh  giessen,  begiessen. 
Stieng  iok  (im  Khmer  tük  Wasser,  sroch  iük  begiessen. 
Landes  vergleicht  annam.  do  giessen).  —  Tiik  verletzt  (vgl. 
möiüh  etre  irrit^  und  Bahnar  tu  betroffen  werden  von?).  — 
Trak  Fieber.  —  Tram  mit  Füssen  treten,  einweichen  (Stieng 
iram  einweichen).  —  Trä  mehr,  weiter  (sskr.  /fl,  tar?  Stieng 
iräh  freigebig?).  —  Trei  satt  (Stieng  chöi  genug).  —  Trom 
Rüssel.  —  Tros  Hirsch  bei  Moura  =  kamb.  pros  (das  bei 
Landes  vorkommende  ra^a  ist  mal.  rusa),  —  Tnin  herab- 
kommen =  mal.  iurun.  —  Truh  hervorkommen  (mal.  tnis 
durchdringen?)^)  —  Trü  Bambushürde  zum  Schlafen.  — 
Trwak  anspannen.  —  Twah  schon  in  twah  lap  bhap  gap 
Jkra  dgl.  (Verdrehung  aus  sskr.  swalankrta?  tüa  Bahnar  = 


1)  Vgl.   chines.   ihu,  ihut  hervorkommen,   welches   wie  obiges 
auch  Hülfiszeitwort  ist.    Nach  annamischer  Aussprache  laate^ 
Ira  Tscham  wird  thr  sonst  gelegentlich  5  ausgesprocheiL 


404        Sitzung  der  phüosrphäol,  Classe  vom  1,  März  1890, 

so  leidlich,  läa  kambodschisch  =  schon,  lap  bhap  dgl.  im 
Tscham,  mökrü  dgl.  Bahnar,  Jcrüp  ansehnlich,  gap  passend). 
—  Ttcei  folgen  =  Bahnar  tui  gehorchen  (Landes  ver- 
gleicht annara.  dbi  exiger,  deniander  nach  der  Redensart 
fwei  kau  a  mon  avis.  Sollte  nicht  tuy  folgen  ==  chines. 
swei  besser  passen?).  —  TuHjy  vertraut,  bekannt,  Leute  des 
Hauses  (Landes  „trauscription  de  Tannamite  toi?'^  Toi  ist 
»ein  Leibeigener"). 

Das  th  im  Anlaut  findet  sich  in  anderen  Sprachen  und 
Mundarten  als  ^,  d  und  8  gelegentlich  wieder.  Thaö  aus- 
schöpfen, leeren  (annam.  tat.  Landes).  —  Thap  hinein- 
schieben, gleiten  lassen  unter  (vgl.  dop  sich  verstecken). 
Thöt  (Aym.  thät)  =  annam.  thät  „wahr*  nach  Aymonier 
(chines.  si  oder  sat  vgl.  sskr.  sat).  Thök  obenaufschwimmen. 
Thyap  Flügel  (kamb.  slap).  Thyöm  Siam  (sskr.  gyama 
dunkel?).  Thik  zerschneiden.  ThH  Witz.  TMh  hobeln 
(an.  deo  Landes).  Thow  festhalten  (kamb.  t'öp  hemmen  ?)  Thoh 
müssig,  leer  =  Baini.  doh  (Art  Verneinung,  mal.  tak  nicht,  tah 
Fragewort?).  Tä?/ä*  ruhen.  TÄjm  Jahr  =  mal.  fa-Mfi,  toÄMM*), 
Bugi  ta-nny).  Thur  ertragen.  Thü  trocken  (Stieng  soh). 
Thau  wissen  =  mal.  tau  (kamb.  dau  in  predau  unterweisen  ?). 
Thriny  aufziehen  (auf  einen  Faden),  Stieng  siriny  =  kring^ 
vgl.  mal.  s^iny  flechten  (oder  jaw.  teling  Ohr,  da  die  Fische 
durch  die  Ohren  aufgezogen  werden?).  Throw  kriechen. 
Throny  (spr.  chöny)  Wasser  ziehen  (Stieng  sörony  Eisen 
liVsehen).  Thruy  (choy)  immer,  beständig  (kamb.  darap), 
Thrtip  beschwichtigen  (z.  B.  den  Durst).  Thrüw  {chau)  ver- 
mengen s.  o.jrUiv,  Thrtih  (chnh)  Nest,  Art  Wagen  (oderZahl- 
ausdruek  für  solche?  vgl.  Stieng  tuh  Ort).  Thruh  yuh 
uiistiit  (verneinend?  Stieng  tuk  yuk  Sitz).  Thwak  heraus- 
ziehu  (=  iahyak)^  —yawa  Atheni  holen  (Landes  vergleicht 
annam.  ihoat  =  chines.  thot  heransziehn).     Thivör  Himmel 

1)  S.  Kuhn  S.  236. 


Himly:  Ueher  den  Wörterschate  der  Tscham-Sprctehe,       405 

=  sskr.  svar.  Svarga  erscheint  im  Malaiischen  als  swarga^ 
suioarga^  surga,  aus  welchem  letzteren  das  von  Bastian  als 
Tscham-Ausdrack  angeführte  sukar  umgestellt  zu  sein  scheint. 
Thwördhar  , seliger  Geist'  ist  vielleicht  in  Ermangelung 
einer  Bildung  wie  svardhara  aus  Sürendra  zu  deuten,  wobei 
eine  Verwechselung  von  svar  und  sura  untergelaufen  sein 
mag.  —  Thufoy  verfolgen,  suchen  (annam.  dtiöi,  Landes, 
vgl.  iwei). 

D  entspricht  in  anderen  Sprachen  vorzugsweise  dem- 
selben Laute,  gelegentlich  ä,  dh  oder  auch  t  (?),  —  DaJc 
zusammen ,  sammeln ,  insgesammt ,  Stieng  dang  alle.  — 
Dang  aufrecht  (annam.  düng  dgl.  Landes),  Stück  Faden 
ond  dgl.  —  Dan^  dtdan  in  Menge  (sskr.  dhana  Reich - 
tham  ?).  —  Dam  Junggeselle  (Bahn,  dam  Diener,  Schüler). 
—  Dar  beerdigen  (Stieng  dar  Sarg;  sanskr.  dharant 
Erde?).  —  Döp  sich  verbergen  s.  o.  dadöp.  —  Dap  zählen 
bei  Aymonier  (Stieng  dap  einreihen ,  röp  zahlen).  — 
Dyang  anbinden.  —  Dydng  ergötzen,  trösten.  —  Di  mit 
dem  Zeitworte  nachgesetztem  o  =  «nicht',  ohne  dasselbe 
«einzig,  allein*  (s.  Landes  unter  döm);  im  Ehmer  tS  nur, 
te  nicht,  im  Stieng  di  einzig,  nur  (s.  bei  Landes  S.  9  der 
Verbesserungen).  Im  Dajak  ist  dia  nicht  (^t),  vgl.  auch 
mal.  iij  Bugi  dS^  tä.  —  Als  Verhältnisswort  in  der  Bedeutung 
«an,  in,  auf*  stimmt  dt  mit  di  im  Malaiischen  überein.  — 
Dih  jener  (mal.  /u,  i/ti,  Dajak  tä^  Bugi  ide^  bat.  idi,  Mon 
dekf  vgl.  dÜ  welcher  im  Khmer,  tu  im  Stieng).  —  Dien 
Licht  =  kamb.  tien  (chinesisch  ?).  —  Dai  schwingen,  wiegen 
(vgl.  radai  Blasebiilg  imd  rüdai  wiegen),  Schuppen.  Dök 
Flagge,  Fahne  =  kamb.  tdng  dgl.  (mal.  tunggal),  Dom 
mehrere,  nur  (Bahn.  d^Sm  wie  viel?).  —  Döl  getröstet  = 
Bahn.  dSl  stützen.  —  Ddy  —göp  einander  gleich  (=  dö 
gleich  und  Bahn,  du)  vgl.  kamb.  dauö  wie,  ähnlich.  —  Dok 
bleiben,  sein,  wie  das  spanische  quedar  auch  mit  anderen 
Zeitwörtern   verbunden   (Bahn,  dong  stehn   bleiben,    kamb. 

188a  Pldloc-^kUoL  n.  htot  Cl.  8  27 


406         Sitzung  der  phüosrphüol.  Gasse  vom  1,  März  1890. 

d&c  setzen ,  stellen ,  legen ,  Stieng  ddk  anlegen ,  anziehn, 
mal.  äuäuk  sitzen,  jaw.  dokon  setzen,  legen).  —  Dong 
retten,  helfen  =  Bahn.  dSng,  —  Dreng  sich  aufrecht  halten 
(an.  düng).  Dting  an  sich  ziehn,  Stieng  dang.  —  Dur  Sehall- 
wort, auf  Zusammenprallen  bezüglich.  —  Duh  Frohndienst 
thun,  dienen;  duJi  hatai  wider  WiUeu  (vgl.  sskr.  <2ttA  quälen, 
duhhha  Schmerz,  kamb.  tükh  Strafe).  Dai  Lager  Äymon. 
Drdk  säen  (vgl.  Bahn,  trih  spriefi«en).  —  Drap  Glücksgüter 
(Stieng  und  Mon  drap^  sskr.  dravya).  —  Droh  rasch,  Stieng 
droh  (sanskr.  drak).  —  Droh  wie,  gleich  s.  o.  d6.  Drei 
Leib,  selber  =  jaw.  diri.  —  Drai  Mückenvorhang  =  mal. 
iirai  Vorhang.  —  Drok^  paSik  drok^  heftiger  Schmerz  (sskr. 
dnih  schaden,  dröha  Verletzung).  —  Droy  traurig  =  Bahnar 
druei.  —  Dwah  suchen  (mal.  jarali?).  —  Dwä  zwei  =  mal. 
duwa  (sskr.  dwä?).  —  Dwei  führen,  bewegen  =  Bahn,  dui, 
—  Dwdn  erhalten,  haben  (kamb.  ban). 

Der  Anlaut  dh  ist  einheimisch,  entspricht  aber  dem 
sskr.  dh.  Die  Wörter  des  Verzeichnisses  sind  einsylbig,  aber 
tiieilweise  verkürzt.  Dhan  Ast  =  mal.  dcuin  (Bugi  ddda 
Betelranke  mit  Wiederholung  des  Stammes?  Dhan  aus  mal. 
dahan  durcli  Verflüchtigung  des  a\s  zu  deuten?  vgl.  sskr. 
dhan  Früchte  tragen.  Jaw.  dahna  Reis  =  sskr.  dhänd).  — 
Dhar  Frucht,  Lohn  (nach  Aymonier  im  Dalil)  =  sanskr. 
dharma  Verdienst?  kamb.  thör.  Ngah  dhar  wohlthun  (nach 
Landes  =  annam.  läm  phüoc,  eigentlich  „Glück  bringen"), 
bayar  dhar  phwöl  Wohlthaten  vergelten,  bayar  zahlen  s.  o., 
2)hwöl  =  sskr.  pJiala  „Frucht**?  Anyai  dhar  Zauberei  = 
badi  binyai  s.  o.,  sskr.  änaya  =  vinaya?.  —  Dhit  ver- 
schwunden, geheilt.  Dhong  Messer.  —  Dhul  Staub  ==  sskr. 
dhidi,  kamb.  thidij  mal.  duli,  in  Bezug  auf  den  Staub  unter 
der  königlichen  Fusssohle  gebraucht. 

N  im  Anlaut  ist  auch  meist  in  den  hier  in  Betracht 
konnnenden  Sprachen  zu  finden.  Nan  ist  unser  «der,  die, 
(las**   sowohl  stärker  hinweisend,  als  in  der  abgeblassten  Be- 


Smly:  Ueher  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       407 

deuiung  des  Bestimmungswortes,  in  jener  dem  durch  seinen 
helleren  Laut  die  grössere  Nähe  andeutenden  nt  entgegen- 
gesetzt {ial  tum  Jene  Zeit',  hol  ni  diese  Zeit).  Aehnlich 
sind  im  Khmer  ne  dieses,  no  das,  da  (Stieng  nei  und  ni)\ 
der  Auslaut  findet  sich  indessen  im  malaiischen  nun  wieder, 
wie  iil  in  iniy  und  es  fragt  sich,  ob  die  Sprachmischung  so 
weit  gegangen  ist,  dass  auch  das  hinweisende  Fürwort  davon 
betroffen  wurde.  Es  kann  jedoch  sein,  dass  in  dem  Aus- 
laute fi  nur  eine  Verkürzung  für  nochmaliges  na  zu  sehn 
ist,  wie  im  Khmer  nona  wer?  anscheinend  so  entstanden  ist. 
—  Nam  sechs  =  mal.  anhn.  —  NO,  Schlusswort,  wahr- 
scheinlich verwandt  mit  ncm^  welches  letztere  in  der  Be- 
deutung unseres  ,so*  ganze  Sätze  einleiten  und  beschliessen 
kann.  —  Nai  Fräulein,  Prinzessin  z.  B.  nai  taltoid  das  jüngste 
Fräulein,  d.  j.  Prinzessin  (auch  mit  ka  oder  ku,  kanai,  kunai) 
SS  jaw.  Hat,  welches  letztere  auch  , Grossmutter'  bedeutet; 
üryst,  kiyai^  ka^,  X:f,  kyana,  r^yana  stehn  dort  vor  Männer- 
namen, kenya  kanya  =  sskr.  kanyä  Mädchen.  —  Nom  Spur 
(Bahnar  nam  ,gehn';  kamb.  dan  Spur).  —  Nao  gehn 
(Bahnar  nam).  —  Nüh  mit  Mah  davor  (Liebende)  trennen 
(Bahn,  nüih  Herz?).  Noy  „Geschlecht"  ist  nach  Landes  viel- 
leicht das  annamische  nbi^  noy  patao  die  königliche  Sippe.  — 
Nwiy  (an.  ndi)  obenauf  schwimmen ,  fähig  sein.  Landes 
8.  o.  jai,  —  Zu  ni  dieser  vgl.  unter  nan.  —  Ney  baden 
(Aymonier)  kommt  hier  mit  dem  Vorsatze  mö  als  mönei  vor 
(mal.  mandi^  m^mandi?  annam.  ndi  schwimmen?). 

Dem  Anlaut  p,  welcher  sonst  im  Ganzen  dem  p  anderer 
Sprachen  entspricht,  stehn  in  den  einsylbigen  Wörtern  ausser 
p  noch  6,  pA?,  A?,  dem  pl  vielleicht  (einmal  im  Annamischen) 
tr  gegenüber.  —  Pak  Ort,  am  Orte,  wo,  Samang  ekpaak 
wo?  Stieng  p6h  Dorf.  Mon  bak  folgen,  Vpak  Seite.  Pan 
mit  vorhergehendem  pd  »Herr*  Name  eines  Geistes.  —  Par 
fliegen  =  par  im  Stieng  (hör  im  Khmer?)  —  Prtw  er- 
sehallen  lassen  =»  Bahn,  pöre   von   re  knirschec 


408        Sitzung  der  jyhüofi.-philol,  Ciasse  vom  1,  März  1690, 

Eingeweide  =  Stieiig  prod.  Prwot  zahlreich  (pröt?)  sskr. 
praiflita?,  —  ProJc  Palnienratte  =  Bahn,  prok  Art  Eichhorn, 
kanib.  kSmprSk  (Mon  prip  Eichhorn,  mal.  krawak  fliegendes 
E.,  Bugi  kaluku).  Geister  der  Todtgebornen,  in  dieser  Be- 
deutung auch  mit  folgendem  paträ  (sskr.  parökSa  unsicht- 
bar? pröksita  hind.  besprengt  und  geopfert  prokiat^  Thier- 
opfer?).  —  Prong  gross  (Mon  prang  ,mehr",  kamb.  prhig  sich 
anstrengen).  —  Pruh  bes])rengen,  Hok  pruh  nao  in  Strömen 
fallen  lassen  (Thränen),  Mon  prah  herabfallen,  broh  l)e- 
sprengen.  (Hind.  pröksita?  von  sskr.  tdcs?  vgl.  auch  sskr. 
2>ri(^).  —  Prük  ein  Theil  des  Webestuhles.  —  Prün  Kraft 
(Bahn,  prän  stark).  —  Plang  geblendet  mit  möta  wohl  = 
jdök?,  mit  kadang  hastig,  plang  kadang  plöng  kadäng  dgl. 
vielleicht  =  Bahn,  plang  ganz,  während  und  ködäng  schreiten. 

—  Plök  mit  folgendem  lakiik  (zurück)  rückwärts  sehend, 
blind  =  Bahn,  pled  unidrehn  und  blSk  die  Augen  öflben, 
sehn.  —  Pleh  ans  dem  Wege  gehn  (Bahn,  pöleh  loslassen). 

—  Plom  =  tröm,  le  cäy  trom  des  annamites  (sterculiees). 
Landes.    -   PlOy  Kürbis  (Bahn,  jüey  Frucht,  phle  im  Khnier?). 

—  Pluk  Schilf  =  Bahn,  plung  Kahn.  —  Phih  zehn  =  mal. 
puluh,  —  Fwöd  sagen,  Stieng  hak  Wort,  kamb.  piak^  Rode 
hluc,  —  Pah  schlagen  (Mon  bä  hauen ,  Stieng  bak  an 
einander  schlagen  (Bambus),  die  Vögel  zu  scheuchen).  — 
Pöh  öffnen  (kiimb.  hök^  Mon  jmk),    -  Pyoh  anreihen,  lassen. 

—  Pik  schliessen  (s.  kapik;  hier  von  den  Augen;  auch  Bahn. 
pit,  köpit  niederdrücken).  —  Pek  pflücken  =  kamb.  M, 
Stieng  pok^  Bahn,  pek,  —  Pok  l*äckchen,  zusammenrollen, 
abspannen,  loslassen  (kuhaw  den  Büflel,  in  letzterer  Be- 
deutung auch  püh).  —  Pop  begegnen  (kamb.  cliompop  an- 
stossen,  stolpern).  —  Foh  schlagen  (s.  pah),  —  Puk  Land 
(s.  0.  2)ak  Moura,  auch  bei  den  Kode).  —  Pai  Osten  (vgl. 
annani.  bai  „Ufer",  da  das  (Jestade  östlich  lag).  Pak  vier, 
mal.  ampat,  jaw.  papaf,  Bugi  üppa^  pntay  Trao-Lai  pa.  — 
Pn  Herr  (Bahnar  ha  Vater.     Bastian,    sskr.  pati?),  —  Pok 


StnUy:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       409 

darreichen ,  erheben  (einen  König  patao\  vgL  Bahn,  poh^ 
Mon  pang  erheben.  —  Pun  ,auch*  ist  wohl  das  gleich- 
laotende  malaiische  Anhängsel. 

Die  im  Verzeichnisse  mit  dem  Anlaute  ph  angeführten 
Wörter  sind  alle  einsylbig.  Phak  marque,  l'action  (Landes), 
nach  Aymonier  ,Bani«  für  phap  hämmern,  meiaseln  (Mon 
bä  bauen ,  pa  thun).  Phang  Art  Messer,  oder  Spiess.  — 
Phä  Schenkel,  Schooss,  mal.  paha  s.  Kuhn,  Beiträge.  — 
Pkaw  Geschütz  (chines.  ph(w),  —  Phik  („vesicule  du  fiel?* 
Landes),  tagloh  dt  phik  leiblich,  aus  eigenem  Fleische  ent- 
sprossen («geflossen')  vgl.  siam.  phi  fett,  Bahn,  pik  salben, 
ptit  Fleisch?.  —  Phun  Baum,  mal.  poutt,  puun  (chin.  pun^ 
p&n  Stamm).   —    Phwöl  Verdienste  =  sskr.  phala   Frucht. 

Dem  Anlaute  b  scheint  fast  durchgängig  ein  b  in  den 
zu  vergleichenden  Sprachen  zu  entsprechen.  Bak  voll 
(Stieng  bich  fQllen,  Mon  peng  voll  =  Stieng  biing^  mal. 
bah  überfliessen).  —  Bat  königliches  Inzeichen  von  wunder- 
barer Kraft  (sanskr.  vagra?),  —  Ban  Zahlausdruck  für 
Menschen  (vgl.  annam.  ban  in  Zusammensetzungen,  sofern 
dieses  nicht  chin.  pan  ist,  Bahn,  h&n  Freund,  Verwandter); 
Rinde,  Haut.  —  Bai  fern ;  Hauptstadt  (kamb.  balang  Herrscher- 
stahl, oder  =  veang  Hauptstadt).  —  Bah  fegen  =  kamb. 
bo8  (ambos  Besen).  —  Bak  väterlicher  Oheim  (=  va)^  vgl. 
kamb.  böng  älterer  Bruder.  —  Bä  tragen,  bringen  =  Stieng 
ba  (mal.  bawa) ^  vgl.  chines.  pa  nehmen,  welches  ebenso 
mit  Zeitwörtern  der  Bewegung  gebraucht  wird.  —  Bar 
in  rim  bar  janih  de  toute  espece  bei  Aymonier  =  sskr. 
vama.  —  Bdd  lernen  (mal.  bacha^  jaw.  wacha  lesen, 
Mon  bah^  Stieng  bak  Wort,  bind,  bändnä  =  sskr.  vadana?). 
—  Bök  dämmen,  einen  Damm  aufwerfen  (annara.  bö  Landes, 
chines.  po),  —  Byd  Königin  =  Bahn,  bia  Elfin,  schön, 
Göttin  (jaw.  biyang  Mutter?).  —  Byak  wahrhaft  (mal. 
bagii  gut,  geeignet?).  —  Bf/uh  Festung  (Mon  m'o 
Bf^n  — mal,   byön  ni  dieses   Mal,   vgl.  Bahn.  pH 


410         Sitzung  der  phüosrphüal.  Glosse  vom  1.  März  1890. 

zeit  (Landes  vergleicht  da»  annamisch-chinesiscbe  phien)^ 
jaw.  biyeti  zuvor?  —  Byör  (harü)  Abend  =  kamb.  pear 
glücklicher  Augenblick?  Wie  pagi  Morgens  =  sskr.  pragS^ 
könnte  man  an  eine  Zusammensetzung  wie  vihära  hari 
denken.  Vgl.  jedoch  kabroy  , gestern*,  worin  brdy  =  ,,Abend*. 
Im  Jawanischen  ist  byar  Morgenroth  (vgl.  piar  Morgen  bei 
den  Sui,  kamb.  prüc,  wie  tiar  Wasser  =  kamb.  tük.  Der 
Zusammenhang  würde  etwa  in  Morgen-  und  Abendrothe 
liegen).  —  Byai  sprechen  =  Bahn,  pöjai  (kamb.  nySai)^ 
mundartlich  nijai^  Scharai  majai  (Moura).  —  Bt  um  zu, 
damit  =  Stieng  bäJi  (vgl.  Tscham  bä  nehmen,  Stieng  bS 
wie).  —  Bei  bwdy  espece  d'insecte  qui  se  terre.  —  BSk 
Schlusswort  bei  Aufforderungen.  —  Bai  Bambuskorb  für 
den  Betel  (Mon  bä  Art  Korb,  siam.  phoi  Bambus?).  — 
Bok  feucht,  geschwollen,  glifJc  bdk  Dreck,  Stieng  bok 
Dreck  (Mon  bap  einweichen,  bat  Elebrigkeit,  phüc  mischen 
mit  Wasser,  pap  schmutzig).  —  B(nig  Schildpatt,  feist  (Mon 
buin  stark,  steif,  fest,  chinesisch  phang  feist).  —  Bol 
Frohnknecht,  kambodsch.  poZ,  sskr.  bala.  —  Boh  Frucht, 
Ei,  Lohn,  Zahlausdruck  =  Scharai  pos^  Rode  6o5,  Eantscho 
bo  (mal.  buwah)^  vgl.  Aymonier  und  Moura.  —  Bop  voll 
(Ayni.  s.  0.  bak).  —  Bot  Mittwoch  (Tag  Buddha*s).  — 
Buh  stellen,  legen,  hineinthun  (vgl.  Bahn,  bü  vergraben, 
annam.  bo,  Landes,  „abandonner,  laisser*.  Des  Michels).  — 
Bum  Dach  (mal.  bumbung^  pers.  bäm),  —  Büw  erinnern 
(Aym.  bau  origine,  passe),  vgl.  Bahn,  bau  erwähnen,  Mon 
pmatv  wiederholen ,  abhören.  —  Bü  Brühe  (Mon  pu  auf- 
gehn  beim  Kochen,  ;m*W(7  gekochter  Reis,  Bahn.  Teig,  vgl. 
ob.  ^abti).  —  Brak  Riemen,  Strick  (Bahn,  bra  Halfter).  — 
Brak  enthülster  Reis  =  mal.  bras,  Scharai  ^)ra$,  Rode  brai^ 
Kanischo  brea,  sskr.  vrihi^  pers.  biring.  —  Brei,  geben  = 
mal.  bri  (Scharai  proi^  Rode  broiy  Kantscho  brey.  Moura). 
—  Brai  wie  ein  Regen  (en  pluie.  Landes),  zerstreut  (Aym. 
e])ars,  disi)erse),   vgl.  Mon  bro,  phrö  umhersprengen,  Regen, 


Bhnly:  üeher  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       411 

—  Brök  mannbar  (mal.  bälig  arabischen  Ursprungs,  arab. 
bulug  Mannbarkeit,  sskr.  bdlaJca,  Mon  bl6  junger  Mann, 
brau  Frau).    —    Bride  Sache,   etwas   (Bahn,  müh  Waaren). 

—  Brop  Schall  wort.  —  Brüw  mit  gah  „Seite*  (brüw  = 
bind,  bhaung,  welches  einerseits  =  sskr.  bhrü  Braue,  ander- 
seits s=  bhünti  «Erde*?).  —  Brüh  laufen,  fliehn,  eilen  = 
Bahn,  brifk  gehn  (mal.  buru  nachlaufen,  verfolgen?  Mon 
prah  schnell,  bUüi  entkommen).  —  Blang  mit  blök  davor 
, Lügner*.  Blök  lügen,  herumwerfen,  vgl.  plang  und  plöng 
(Bahn,  plad  lügen,  bldng  prahlen,  Mon  pleng-hleng  ver- 
wischen, pleng  dgl.,  pläk  verleumden,  pl6  herumwerfen).  — 
Blei  kaufen  =  mal.  bli  {paAlei  verkaufen  =s  mal.  m^bli). 
Bloh  endigen  ebenso  im  Bahnar,  und  (vgl.  letzteres  mit 
goth.  unte  bis,  sskr.  anta  Ende).  —  Btvei-bSy  froh  nach 
Landes  =  annam.  vui  ve  sich  freuen.  —  Bwid  ausreissen 
33  Mon  pmk. 

Mit  bh  als  Anlaut  finden  sich  in  Landes'  Verzeichnisse 
nur  einsylbige  Wörter,  in  denen  er  m,  6,  ph  in  anderen 
Sprachen  entspricht.  Bhang  Name  des  ersten  Monats  (d.  h. 
Januar?)  =  bind,  mägh^  sskr.  tndgha  10.  Monat  ==  Januar 
and  Februar,  Mon  ptih^  kamb.  meakh.  —  Bhap^  bol-bhap 
Frohnknechte.  Crawfurd  leitet  mal.  baba  infant  child  of  a 
person  of  rank  aus  dem  Sanskrit  ab.  Bhabanen  bedeutet 
nach  Aymonier  im  Dalil  einen  Ausländer.  Lap-bhap  zierlich. 
-^  Bhai  Otter  =  Bahn,  phdy^  kamb.  phi,  —  Bhyan  ver- 
trauten Umgang  haben  (mal.  biyasa  pflegen  zu  — ,  jaw.  biyen 
zuvor,  biyantu  vereint,  aber  byantara  vor,  in  Gegenwart,  im 
Kawi  nach  Roorda  =  sskr.  abhyantara  inmitten.  Kamb. 
mian^  ban  haben,  sein  können,  besitzen,  es  giebt,  oder  etwa 
kamb.  p^n  bespringen?).  —  Bhöng  roth  =  mal.  ahang. 

M  entspricht  demselben  Anlaut  in  anderen  Sprachen. 
Mök  nehmen,  holen,  suchen  =s  Scharai  mac^  Rode  und 
Kantscho  dgl.,  im  Bahnar  niSk  die  Speise  mit  doi  Fingern 
nehmen.     Möng  von,   seit,   als,    bis,   mit  (Stiel 


412        Sitzung  der  phüosrphädl,  Classe  vom  1,  März  1890, 

vor,  mm  hinfort,  mang  mit,  annam.  mong  sogleich.  Mal. 
maka  zu  Anfang  von  Sätzen,  jaw.  mangtn?),  Mop  schwarz 
in  ad^au  möp  schwarzer  Hund  (an.  müc  Landes  =  chines. 
wok  Tinte,  Tusche?).  Schwarz  ist  sonst  jue  im  Tscham, 
vgl.  Mon  pap  schmutzig.  Möh  Gold  =  mal.  nuM.  —  Mik 
Muhme,  jüngere  Schwester  der  Mutter  «=  Stieng  ming^  kamh. 
ming  mit  meday  davor  dgl.,  mal.  mamak.  —  Miet  hören  bei 
Ay monier,  vgl.  hatnit,  —  Min  Schlusswort  des  Satzes  (Mon 
mang  zur  Andeutung  der  Dauer  bei  Zeitwörtern,  vgl.  mang 
, warten*  und  unser  ,halt").  —  Mik  Mutter  =s  Bahnar 
m^,  Lao-Suay  ameh^  siam.  me,  Phuong  m^,  Stieng  mi^  Mon 
mi,  Scharai  m&,  Euoi  mic,  Rode  mic^  Kantscho  amic^  R)r- 
Samreh  minh,  kamb.  mt  bei  Thieren,  Pron  moo^  mal.  fna, 
ama;  amö  im  Tscham  ist  »Vater").  —  Mai  kommen  = 
Scharai  mus  vis^  kamb.  moc^  Mak.  mai  gehen,  kommen  =s 
mange  gehn.  Das  malaiische  mari  ist  im  Tscham  mörai 
zurückkommen.  —  Mong  zusehn  (Aym.  mieng^  6mieng\ 
vgl.  ßöh  sehn  =  Stieng  mah^  Mon  mang  beobachten,  pmang 
Wächter,  buiw  ansehn,  Kantscho  miang  Gesicht).  —  Mxik 
Frau  (Bast,  mii  Grossmutter).  —  Mom  saugen  =  Bahn,  mdm, 
pamom  säugen,  vgl.  mal.  mdm.  —  Mü  Holzlaus.  —  Mrai 
BauniwoUengarn  (siam.  mi&i  Seide,  fai  Baumwolle).  —  Metig 
Spinne  ist  aus  Aynionier's  akhar  garmeng  caracteres  pattes 
d'araignee  zu  schliessen,  kamb.  mhig^  Stieng  beng  (kamb. 
ming  in  äksär  ming  =  akhar  garmeng;  sonst  ist  Spinne 
ping  peang),  siam.  meng  Kerfe  überhaupt. 

Dem  Anlaute  y  steht  meist  y,  gelegentlich  h  in  anderen 
Sprachen  gegenüber.  Ya  wie  (vgl.  yah,  yau^  ywo,  ywa?). 
—  Yani  wie  dieses,  Mon  nyangno.  —  Yak  klagen  (Mon 
ya).  —  Yang  Geist  =  Stieng  )ang^  ieng  woneben  ang 
Licht,  glänzen,  Bahnar  yang^  jaw.  yang^  ywang^  Kantscho 
yang^  Scharai  yang  =  hatu  txdis^  Yang-harei  , Sonne"  ist 
wohl  das  Ursprüngliche  für  iä-harei  (Stieng  ang  war  Sonnen- 
strahl) ebenso  wie  iä  bulün  „Mond**   wahrsclieinlich  =  yang 


3My:  Ueher  den  WorUnchalt  iltr  Tscham-Spradit.       41'i 

bnitUL  Im  Mon  Ut  ^lA  »cheineii)-  Yaaä  Hauch  =  mal. 
itami ;  Mun  gmm  ulhmen.  Tah  gleich  {».  ya  >  Mon  yw^ 
j«  ^  p  +  wtca  iJieses?  wenn.  Mon  yara  wenn  {ra  lai  oft 
PnllwDrt).  —  Ya  Ausruf.  -  Ki  unten.  -  Yöm  etwa?  — 
Tarn  Üiener,  .\ym.  —  row  beendigt.  —  Tut  Frpiiud,  ver- 
tfsot  e.  V,  möyui.  —  Yiiui  fücheo  ^  Bahn,  ^ah  (chines. 
yd^.  —  ya«  wie  s.  o.  ya,  j/aÄ;  Joch.  Paar  von  BQffeln 
(nkr.  jittj^V).  —  YtcaJc  sehneiden,  mahn  =  Bahn,  yufi,  — 
YwSk  kneifen  mit  hadwöl  ztirückgehn.  s.  jmik.  -  Yw&  iit 
Y»ii}j/önff  verwandeln.  —  Ywöh  Anamite  Bergaigne  (l'ancien 
rofkUnie  de  Camitil,  dans  rindo-Chiiie,  d'aprte  les  imtcriptiQiu). 
Eztnit  du  Jounml  A>tiatique.  Paris  1888.  S.  t>l  f.)  leitet 
iea  Namen  von  Yavanu  ab,  iodetn  er  stugltiich  auf  den 
flhiiiiwiimhftn  Namen  Yüeh-Nam  (annani.  Viel-Nam)  hinweist. 
Bi  ist  aber  such  das  Jucn  der  Siameseu  und  Juön  im  Bahnur 

Für  r  fiadet  eicb  in  anderen  ?^prachen  derselbe  Laut 
wieder.  Rak  Wnldungeheuer  scheint  (1x6  sskr.  rahsas  /.vt 
lein,  ntp  Gestalt,  Leib,  selber  ist  sicherlich  das  sskr,  rdpa, 
Ran  hervurhringen  ist  nach  Landes  anuain.  rdn.  Ram 
diditer  Wald  wird  von  ihm  mit  anuam.  räm  .dicht"  ver- 
glichen. Im  Stieng  ist  rotn  bri  der  Saum  des  Waldes,  im 
Bahnar  mir  räm  neugerodetes  Land,  röm  Dickicht.  Vgl. 
»och  d«  (ihin.-unnam.  tarn  in  Lam-ap  =  Lin-yi  .Waldstadt'. 
Dahinge^n  wUrde  in  ron<;  llllckgrat  das  r  einem  l  im 
AjiaaniLiKhHn  entsprechen,  wenn  es  nach  Landes'  Veroiuthuug 
^  liiag  Kdckyn  wür»*;  näher  liegt  »-ßti^  Itückeu  im  Bahnar. 
BaA  fiberall,  ganx,  rak  nao  roh  mai  hin  und  bergehn,  r<üi 
}aUm  den  ganzen  Weg  (Mon  rat  Land,  Stieng  rmi  laufen? 
T^  Bahn,  roh  Feld,  Mon  ntih  Jeder,  dan  ra  und  r»  in 
mdai  wiegen  s.  o.  und  radai  Blasebalg,  ferner  das  rang  im 
Mun  rämifkl'ififf  entgegengebn  vun  hlätig  koniiiien  und 
i  gegi.>n<witig,  wenn  rang  hier  nicht  .itebn*  Iwdoutet. 
i  gamir,  rap  Ihruh  faire  son  nid  ikamb.  i 


414        Sitzung  der  pküos.'jihilöl.  Classe  vom  1.  März  1890. 

Bahn,  räp  Lage  Zeug,  bar  rap  gefQtteit).  Rä  nach  Landes 
uud  Aymonier  Abkürzung  von  ravg^  arang,  urang^  nach 
Landes  auch  Fßrwort  der  2.  Person  (vgl.  Mon  rd  einzelner 
Mann,  Begleiter,  Rb-kwan  Dörfler  von  kwan  Dorf,  rödäng 
Städter  von  öäng  Stadt;  so  auch  im  Tscham  raglai  Wald- 
bewohner). —  Rök  Gras,  Kraut  (im  Mon  rat  für  allerlei 
Gewächse,  Senf,  Kettich,  raikruk  nChinesenkraut''  =  Kohl, 
Bahnar  rök  Wurzel).  Röp  schlagen  in  röp  deng  hagar 
trommeln.  Ryöng  (dt  tangin)  halten  (an  der  Hand)  führen 
(vgl.  Bahn,  röng  zurtlckhalten).  —  Ryak  zum  Sieden  bringen 
(vjjl    o.  pädyak   warm    und    Bahn,    riö   sieden,    schmelzen). 

—  -Kl,  dt—  de  toute  espece.  S.  33  der  Umschrift  folgt 
mötä  ni^  und  es  scheint  demnach  zu  bedeuten:  ,,soweit 
das  Auge  sieht,  im  ganzen  Umkreise*.  Nach  Aymonier  ist 
es  rini  zu  lesen  =  rim  jeder  im  Bahnar.  Rei  Füllwort 
am  Schlüsse  des  Satzes  (z.  B.  S.  55  der  Umschrift  in  der 
Frage,  ausserdem  S.  59;  vgl.  Mon  rö  Zeichen  eines  ab- 
hängigen Fragesatzes,  Bahn,  rä  wohl,  zwar).  —  Rai  Königs- 
würde ,  Menschenalter?  (jaw.  reh  Königsherrschaft,  bind. 
rät  Fürst,  Mon  rä  Land,  vgl.  unser  , Reich**).  —  Rök  ver- 
pflanzen   (Bahn,  roh  Gärtchen,    Feld).  —  Ron  geräuschvoll. 

—  Rom  Dornen büschel,  Unrath  s.  o.  Bahn,  ram  unter  ram, 

—  Rok  entgegengehn  =  annani.  riiöc  (Landes).  —  Rong 
unterhalten,  ernähren,  heirathen;  wohl  nur  zuföUig  ebenso 
lautend  rom/  stückweise,  zerhackt  (Bahn,  röng  unterhalten 
und  das  folgende).  Roh  schneiden,  abschälen  (annam.  roc. 
Landes),  vgl.  Mon  rek  schneiden.  —  Riih  sich  schütteln.  — 
Rwak  krank.  —  Rtoah  wählen  (Bahn,  röih,  Mon  rue  in 
verschiedenen  Zusammensetzungen).  —  Rxvöy  kriechen  (vgl. 
Bahn,  rö  vorsichtig  gehn).  —  Rwxi^  abreissen  (Stieng  r^ch 
dgl.,  röh  niederreissen,  Mon  rat  ernten).  Hrau  ortie  de  Chine 
(Ajm.);  vgl.  annam.  rau  für  chines.  /e?/,  lü. 

Dem  /  entspricht  derselbe  Anlaut  in  anderen  Sprachen. 
Lak  sollte  vielleicht  lap  sein   in   twali  Idk  (ttvah  lap?  s.  o. 


Hüidy:  Ueber  den  WMerschaJts  der  Tscham-Sprache.       415 

anier  twdh)  «schön*.  In  Mötak  laJe  «vielleicht''  ist  mötdk 
s=  mal.  imtah^  und  loh  ist  im  Malaiischen  ein  gewohnliches 
Anhängsel.  —  LcMg  ausbreiten,  entwirren,  lösen  =  Bahn. 
läng.  In  lang  Som  Dorf  ist  es  nur  das  annamische  gleich- 
bedeutende läng  (xom  Nachbarschaft?)  nach  Landes.  Lad 
sagen  =  Stieng  Uh  (vgl.  Bahn,  lad  schelten).  —  Lah  ab- 
lassen von  Wasser  (Stieng  =  Ulö  überfliessen,  Ud  ablaufen, 
Mon  lai  zerlassen,  auflösen,  kamb.  Uch  fliessen,  verbreiten, 
Ua  lassen.    Dajak  lihi  verlassen).  —  L&  Lunge  (mal.  rdbu). 

—  I/^p  einwickeln,  falten,  rollen  (Bahn,  lup  verschleiern, 
2Mm,  lötn  einwickeln).  Lö  und  {dy  (Ausruf)*  —  Loh  ab- 
legen, ablassen,  aufhören  s.  o.  lah.  —  Lyah  lecken  =  Bahn. 
lioh  und  kamb.  lit  (sskr.  lih).  -^  Lyd  beugen  unter  einer 
Last  (Bahn,  liet  sich  legen  vom  Getraide).  —  Hk  rollen 
(Bahn,  lök  umdrehn).  —  Lik  fallen  lassen  (kamb.  tänüeac)- 

—  Liy  Bein,  Fuss  =  U  im  Scharai.  —  Lih  den  Bogenring 
anziehn,  Bahn,  leh  losgehn  (vom  Schusse).  —  LH  (s.  hal^i) 
was  anlangt,  —  auch  immer  =  Bahn.  Wi  auch.  (Daj. 
haliei  ganz,  durchaus).  —  Lai  Speisen  zutheilen  =s  Bahn. 
lä.  —  Lok  Welt,  Zeit  =  sskr.  loka.  —  Ld  viel  (s.  rald) 
=  Bahn.  IS  viel,  loi  mehr,  kamb.  lös  dgl.  Eantscho  lu  viel, 
Rode  dgl.,  Scharai  lo.  —  LaM  Korb  (Aym.)  =  kamb.  loXy. 

—  Ldngy  gai  I6ng  Hammer  =  kamb.  änlung.  —  Lon 
herunter  (Bast.)  s.  o.  cUüon.  —  Lor  Lüge.  —  Low  Chinese 
(Ld  auch  bei  den  Trao;  von  den  Lo-Lo  in  China?).  — 
Luk  reiben,  schmieren  ==  Mon  lak.  —  Lüw  Stockwerk  = 
annam.  Idu,  chines.  lou  nach  Landes.  —  Luh  Kopfbuch  für 
Frauen  (vgl.  Bahn,  lup  sich  verschleiern).  —  LuHik  sich 
verstecken.  —  Ltoä  insgeheim.  —  Lwid  endigen,  äusserst, 
mit  rai  sterben  (Stieng  laich  abgenutzt,  Bahnar  löet  sterben, 
Mon  uii  zu  Ende  mit  vorgesetztem  /?).  —  Lwäi  zulassen 
(annam.  loi  Landes);  vgl.  kamb.  lea  lassen),  —  Lwd  kitzeln, 
zergen. 

W  entspricht   im  Anlaut  w  im  Stieng  ia  « 


410        Sitzung  der  pfUlos.'phüol.  Glosse  vom  1,  Märt  1890. 

kommen,  wenn  dieses  =  uak  wiederaufrollen  ist;  vgl.  auch 
Bahn. uih  zurückkommen.  In  wü  .rund'  (Stieng uü  umkreisen) 
scheint  es  dem  m  im  Khmer  zu  entsprechen  (mul  ,rund*). 
Wak  hängen  =  Moii  kuHzk.  Wcik  aJAar  Buchstaben  schreiben 
Stieng  bäh^);  wak  Loos  ^=  sanskr.  bhdgya?  (vgl.  toat 
im  Mon  , Pflicht*  =  bhakti).  Wang  einhüllen,  umringen 
(annam.  vong  Kreis  V).  Wap  zurückziehn,  herausziehn.  — 
War  Stall  =  Stieng  iiar  Pferch;  vergessen  (Mon  wtiit^ 
wuitlalue  vergessen,  aus  Vergesslichkeit  zurücklassen).  — 
Val  (bei  Aymonier  bant  =  tval?  vgl.  Mon  tod)  Ebene  = 
kamb.  veal.  —  Wah  Angel,  fischen  (vgl.  u>ak  hangen? 
Stieng  näA  schöpfen,  raffen?).  —  Wä  Muhme,  ältere  Schwester 
der  Mutter  (mal.  uwak  von  väterlicher  Seite,  Mon  b'd  ältere 
Schwester). 

Wegen  des  Anlautes  s  in  anderen  Mundarten  s.  unten  ^. 
Der  grösseren  Vollständigkeit  wegen  seien  hier  nur  folgende 
Wörter  erwähnt.*)  Sieh  blau  Aym.  (hier  jiüc  schwarz?  vgl. 
Bastian  tschu  blau,  Moura  ijou  =  mal.  ijau  grün).  Srah 
, gewöhnlich*  bei  Aymonier  in  Akhar  srah  gewöhnliche 
Schrift  (kamb.  srok  Land?).  Sayap  im  Bani,  siat  im 
Töchani  , Flügel*  (Aymonier),  vgl.  oben  thap  (kamb.  slap). 
Senk  sehn  (Moura). 


1)  Im  Stiengf  ist  ba  kerben,  Kerbe  auf  dem  Kerbholze  (kak), 
bah  schreiben,  ursprünglich  auch  „kerben'.  Obiges  uak  bedeutet 
das  Wiederaufwickeln  des  Strickes  eines  Drachen. 

2)  Aymonier  führt  auch  einige  mehrsylbige  Wört<»r  mit  diesem 
Anlaut  an.  Sainsu  le  «oleil,  taharik,  la  terre,  sont  peut-ötre  des 
personifications.  Sons  ces  appellations  le8  deux  planstes  ctaient  jadis 
Tobjet  d'un  culte  special,  de  möme  que  Saneffreuff,  nom  donne  en 
dalil  au  monstre  B^a  ou  Hahu*.  Sanisu  \ai  nichts  weiter  als  das 
arabische  Wort  für  Sonne  hnns  (al-Samsu):  man  könnte  hier  also 
l^ersischen  oder  himjarischen  Kinfluss  über  Malabar  her  vermuthen 
(Tabrak  hioss  namentlich  eine  Burg  in  Ispahan)  Sanegreng  =  sskr. 
satigmmn  Kampf V.  Stimm  «Kuhm'  soll  in  den  Amt^namcn  von 
Königen  vorkommen  (vgl.  Senim  Po  bei  Moura). 


I  JTimly:   IJrhr.r  lirn    tt'Artertrlml:  drr   Tuchim-.'iprache. 


417 


Anlaut  S,  «reicher  dieser  Mundart  eiffenthfinilich 
Upricht  in  anderen  Sprachen  theil»  i  {iahinö  Prinzes-iin, 
.  Sah),  tbeils  s  (Siirawä  bestünrjig  =  sskr.  sarvadd? 
»aiih  TiM-tAiischen  ^  Bahn,  sölih,  plih,  mal.  salin,  B&ltaray 
ZBaberbCcher,  v^l.  arab.  sakarah  Zauberer,  sakalat  Flauell 
=»  i»üni.-«irub.  eukalät,  iürd  Sulz  =  sra  Wt  Moura),  theils  h 
(hdä^^haM  BUttJ  usw.  Sang  dann  (vgl.  ««  und.  itong  mit, 
imd)  ^  Bftbn.  Süng  i«chon.  sang  vnltendet.  —  aä  und,  sa-sa 
«owohl  aJ«  auch  (luul.  salu-satv  eigentlich  eins  —  eins;  ist 
deuutarb  s&  =  tfä  nud  tiial.  sa  eins?  Bahn,  äi  tat  ee?) 
—  H6p  HtiuiniL',  rufen,  Huchen  (Stieng  ckup  schreien).  — 
Sik  itufricdeii  =  Bahn,  iok  frTihlich  luial.  stika  =  sskr. 
SMiAa  froh,  augenehai,  Stii>ng  sop  genug?).  —  Syöp  Kupl- 
tncli  (mal.  sapu-tangan  Tuch,  eigentl.  .Fege-Hand').  — 
agiim  rteht  für  Ihm  wissen  in  der  Sprechweise  der  Wilden 
(Uao  tim\  Bahn.  ii&  gewohnt  sein).  —  Sil  wenig  (=  asit; 
riH.  «iaiu,  ehit  klein).  —  St  wollen.  Zeichen  der  Zukunft  (tff, 
ü  Ayiu.),  vgl.  an.  s?  (.nnch  und  nach'),  sem  im  Khiner.  — 
Sit  in  die  llühe  »priagen.  —  Söm  =  xöm  im  an.  lang-xöm 
Dorf  (Landes)  k.  o.  lang.  —  Suk  schuldig  (sanakr.  ^öka 
KuinmtT?).  —  ö'Mp  Dunkoihwt,  Nacht  =  kamb.  yiyi  Nftcht 
irgl.  }ufc  schwant,  rauchen,  kamb.  ehoc  ntiiclii*nt  Mon  iw6k 
iiluivhnjenJer  Mond).  —  Smar,  pd—  riisch.  —  Sram  aich 
QbM),  lienKihn  (»ikr.  frtim).  —  Swan  Seele  (pers.  jän  dgl. 
«kr.  itcaiia  Lehen?)  Swan-lhak  dgl.  (Hskr.  su  ~j-  antakaraffa? 
Tgl.  nwl.  BÜmaiigitl,  sumangat  Ueist,  Seele,  Wohlsein).  — 
§wä  D>MmK:hwemmen  lannaui.  Jntit  Brandung).  —  Swün  ver- 
f«bteD.  —  Swäi  langsam,  lange  (anuani.  ae  langsam)  = 
Balinar  ioi  npät? 

l)»!^  It  ent<pricht  dem  s  anderer  Mundarten  nnd  im 
Malaiiachiin ,  femer  t,  d,  th  in  anderen  hinten ndisc  heu 
Sprachen,  dem  Schnftzeichen  (s  bei  Moura)  nacli  8skr.  f, 
[pbtM  auch  von  ileni  hirmaiiischeii  ih  ersetzt  wird«  via  i 
Mli  gitQK  llinterlniiieii  (vielleicht  durch  eine  Ittlcbwi 


•  -  ^ 


418        Sitzung  der  phüos.-phäol.  Glosse  vom  1,  März  1890. 

mundartlicher  Eigenthümlichkeit)  sehr  häufig  ist.  d'ong 
Haus  (ßang  in  anderen  Mundarten  =:  Song  Umg^  Lao-Suay 
dimg^  Khamen-Boran  tong,  Bast.,  Scharai  chhang^  Rode  und 
Kantscho  sang  Moura,  Sui  täng  (vgl.  auch  chines.  thang 
Halle).  —  x^ä  eins  =  mal.  sa,  i^yam  schön  {ßeam  Moura, 
jeam  gut,  Kantscho  seam  gut,  ächarai  hiam).  d^ei  wer  = 
kamb.  they  wasV.  —  x^ong  mit,  und,  Paar  (Aym.  sang^  tang), 
kamb.  teang  alle  (Aym.)  Mon  5utm,  chines.  ihmg,  —  i^u 
und  =  kamb.  te  (s.  o.  sä).  —  &rah  (sraJi)  gewohnlich  in 
akhar  srah  caracteres  usuels  nach  Aymonier,  vielleicht  kamb. 
sroc  Land,  also   , landesüblich*? 

H  im  Anlaut  steht  namentlich  dem  s  anderer  Sprachen 
und  Mundarten  gegenüber.  Hak  Sache  (verkürzt  aus  hagSk 
was?  vgl.  Mon  sah  Farbe,  Weise,  zerreissen,  überhaupt,  svak 
Grund,  wegen,  mal.  sali  unterbrechen,  ha  in  anderen  Mnnd- 
arten  sa  als  fragender,  verallgemeinernder  Vorsatz,  vgl.  mal. 
5a ,  Mon  ha  am  Schluss).  Hang  Rand,  Ufer,  Mon  srang^ 
siam.  fang.  Ha  öffnen  =  kamb.  ha,  Stieng  u.  Bahn.  Aa,  Mon 
ha  (an.  hei  Landes  vom  Munde).  Hön  mehr  (an.  hön  Landes). 
Höp  Seh  weiss,  riechen,  einathmen  (Stieng  hip  athmen,  Bahn. 
höp).  —  Hifak  Art  Amsel.  —  Hyä  weinen  (hear  Moura,  ebenso 
Kantscho  und  Rode,  Scharai  Äya,  Mon  yS).  —  Hey  wohl- 
an! (vgl.  Scharai  hoi  ja!  nach  Moura  im  Tscham  hoc  ja!) 
Hai  oder,  hailad  dgl.  =  an.  hay  lä  dgl.  Landes  (im  Tcham 
lad  sagen,  im  Annamischen  lä  sein);  Bahn,  hiä  oder.  Nach 
Aym.  ist  hay  =  „avec,  aussi*  und  dient  zur  Vervollständigung 
des  Satzes,  wovon  bei  Landes'  l'mschrift  des  Mährchens  vom 
Balok  Lau  S.  24  ein  Beispiel.  —  Höp  Schachtel  (Stieng 
hvj),  annam.  hup  Landes,  d.  h.  chines.  hia.  hap  Morr.  3B92, 
vgl.  auch  AS,  hop  Morr.  4013)  =  kamb.  hSp  Koffer,  Stieng 
htp  Schachtel,  Kiste.  —  Hok  zerkrümelt  (von  Reis),  ver- 
giessen  von  Thränen  (Mon  sank  schälen,  sak  zerreissen,  häi 
überfliessen?).  Hu  haben,  vorhanden  sein  =  annam.  hüu. 
—  Htmg  Zeichen   der   höchsten  Stufe  der  Steigerung,  nach 


Himtf/;  Utbcr  de»   WiirtfriirJiaU  der  Turliam-Sifaclte.       419 

TJandee  .ohne  Zweifel'  das  Ktmamische  bung  cruel,  f^roce 
(Mhtt.  3831  heung.  hiumj);  du,  welchea  nach  Landes  dic- 
sulbe  Bvdeutimg  hut,  wird  in  Ni<»]<!r-Kotsuliincliina  ebenso  für 
die  SteigeranK  gebraucht,  s.  ii,  dei.  -  äiw  du  =  Buhii.  So  er? 
(an.  hüu  Freund?  Wohl  (dier  iir^prfiii^licb  hinweiaeude  Deute- 
witfzcl  wiv  ha,  hu).  —  Hwalc  eiieeri  =:  Kode  hoac  (katiib. 
ifif  nrHcfaluckea ).  —  Htvatig  bracb.  wild,  ausserehelich  nach 
Latides  obue  Zweifel  das  annsniiüicli-cbitit^sische  lioang  (m. 
Murr.  4374).  —  Hwä  Etelin  ibamb.  haut  herau^iziehn),  — 
ffiBÖmg  weit  (ofleu)  ha  pabah  hwmg  den  Mund  weit  liffnen, 
Moo  p{anij  Weg.  glampring  Mnndhühle,  i/anvg  £hu  Hühlung 
mavs  BHanim  (dMu),  Stit-nji  uak  üffnea.  —  Hwör  in  gatiteör 
kucr  Sterndeuter  =  kamb.  fiora  {i!>Qotniönof).  Huntt  riechen 
(wntir,  flairer)  :=  feiimb.  A?(  riecbeu. 

il  im  Anlaut  »nb^pricbt  dem  d  anderer  Sprachen,  dang 
während,  bis  zu  =  Bahn,  dang  Fri8t,  wann,  wie  viel). 
Salt  unterlegen  ^  kamb.  d&c  ,.=techcii",  Stteng  dSh  unter. 
Aoia  Häb«].  Schwert.  =:  8tien){  dao,  Icainb.  dau  (s.  u.  low 
Mewer;  alle  vom  cbinea.  iaa  Melier,  Säbel?),  üä  fQrchten 
{=  kadA,  Vgl.  Mim  ktaw  zittoro).  dam  Venianiriiliiug, 
kamb.  phdom  »ammebi  (annam.  dam  Lande»),  iö  gleich 
Mon  /iip,  s.  o,  do.  6öm  sagen  (kamb.  tha  sprechen),  igöp 
Kim  {nt  glutinenz  crn  et  cutt.  annam.  ttep  et  j^i.  Landes). 
Agi  sic-b  nbenieigen  (Hahn,  di)  gebückt),  dik  besteigen,  reiten, 
bhrefl,  Scharai-ltode-Kantacho  die.  Pron  doc  (Moura)  = 
Uftn  6täk,  äaik  (binn.  tiik).  —  iil.  —dalam  hatui  sich 
iooerlicli  satjen,  den  Gedanken  hegen  (Mon  Sit  schweigsam, 
wortkarg).  —  dih  schlafen  =  kamb.  die,  Samre  thiac 
[Bwtinn'»  dikwoor,  divaJt  ist  wahrscheinlich  das  dih  war 
ft'endonuir  malgrü  soi  bei  Luiide»,  worin  war  ,au8  Versehn' 
sa  bedeuten  scheint).  —  Ad  Zeichen  der  höchsten  Stufe  der 
Stojgemiig.  welch«»  dem  Eigeoäc  hafte worte  uacbgesetzt  wird 
nnil  annam.  du  nach  Landes?),  dfk  JCdebten). 
rbn^«n   (rgl.  annam.  di>i.    Landes).  —  ^nf  l 


^K 


420        Süzung  der  phäos.-phäol,  Glosse  vtm  1.  Motz  1890. 

schwimmen  =  Bahn,  d&ng  dgl.  dok  =s  annam.  döc  grausam 
(Landes).  —  daw  BiQthenscheide  (kamb.  dS  spriessen,  aus- 
schlagen). —  dtuig  einwickeln  (an.  dum  boc  Liandes).  — 
dwä  tragen  (an.  döi  Landes  =  cbines.  tot?),  dwöö  laufen 
(Mon  und  Bahnar  dau  entlaufen,  Mon  drep  laufen). 

ß  im  Anlaut  entspricht  in  anderen  Sprachen  &,  p  und 
m.  —  ßa^tg  essen  ==  Kantscho  bong^  Scharai  pong  (Tscham 
bofig,  Moura).  Hieran  schliesst  sich  bang  «Mund*  bei  Moura 
=  Kode  bangoi^  Kantscho  tebang.  Sonst  ist  htcak  im  Tscham 
« essen  *",  welches  auch  mit  ßang  zusammen  (hwak  bang)  in 
dieser  Bedeutung  vorkommt  (Rode  JuHic.  —  Nach  Bastian 
S.  295  a.  a.  0.  heisst  bei  den  in  der  Nachbarschaft  der 
Rien ,  südlich  von  den  Rode  lebenden  Kha  Tampuen  der 
Mund  'puaro^  und  , essen  **  ist  tschang  puaro).  Im  Mon  ist 
pdng  Mund  (gesprochen  paing,  Haswell  p%ng^).  An  die 
Bedeutung  «Mund''  schliesst  sich  dann  wohl  die  der  ThQr 
{ßang  jang  »grosse  Thür*,  S.  5  der  Umschrift  pabah  ßang 
jang)  =  Kantscho  bang.  Rode  bdbang,  Scharai  robong^  Bahn. 
mang,  auch  im  Tscham  bei  Moura  biabong.  Bei  den  Phnong 
ist  ambong  »Mund*  wohl  dasselbe  wie  ampofig  ThQr.  Aus  den 
malaiischen  Sprachen  sind  zu  erwähnen  mal.  girbang,  k^bamg 
Thor,  ambang  Thürrahmen,  daj.  banga  öflFnen.  In  lithei  d^d 
ßang  »ein  Gericht  Reis*  hat  ßang  eine  ausgedehntere  Be- 
deutung als  päbah  S.  33  der  Umschrift  in  hwak  d-a  pdbah 
er  ass  einen  Mundvoll.  Ebenda  steht  ralo  ßang  vielmals 
auch  nach  Jz^^ei  „Reis*.  Landes  giebt  ganz  allgemein  »fois* 
als  Bedeutung  von  ßang  an,  und  unter  dang  steht  die  Redens- 
art dang  limö  nam  ßang  yanan  »bis  zu  5  —  0  Maien  auf 
dieselbe  Weise*;  auch  dieses  ßang  »mal*  ist  mang  im  Bahn. 
(vgl.  Mon  —  wä  mal,  Imeng-lmefig  hintereinander).  —  ßay 
ersetzen  durch  etwas  (Mon  ßd  wechseln,  siara.  mal  neu, 
mag  im  Bahn.  =  abtragen  von  Speisen).  —  ßök  krümmen 
(Mon  ßcau  verdreht,  pang  Bogen),  ßyah  passend  (annam. 
vüa    Landes),    vgl.    mal.    bayik    passend,     gut.    —    ßit   in 


Himly:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprcuhe.       421 

MeDge;  Art  Vogel.  —  ßong  weiss;  vgl.  Bahn.  &an^  sichtbar 
(Mon  &ti,  Sui  prööng).  Bei  Bastian  lautet  das  Tscham-Wort 
bohwa.  In  pcUih-ßdng  sind  beide  Ausdrücke  für  , weiss*. 
Nicht  zu  Yerwechseln  mit  bhong  roth.  —  ßöh  sehn  =  Kantscho 
pae.  Rode  bu,  Scharai  bos  (Moura),  Tscbam  bo,  iahok^  Bahn. 
bo  (Bastian),  Stieng  mäh  (Azemar),  Lao-Suay  poeh  (Bastian). 
Auch  im  Bngi  ist  äbang  sehn.  —  ßok  Antlitz  =  Rode  ioc, 
Scharai  hac^  Eantscho  miang  (Moura,  welcher  bete  als 
Tscham-Ausdruck  giebt).  Demnach  ist  es  fraglich,  ob  Mon 
mtiJk,  kamb.  mUc  aus  sskr.  mukha  abzuleiten  sind.  Vielleicht 
sind  ßöh  sehn,  ßok  Gesicht,  ßong  weiss  einer  Abkunft;;  vgl. 
jedoch  Bahn.  bS  Wangen.  —  ßuJc  Haar:  Sunda  buuk^  Lampong 
btiho^  Tagala  und  Bisaya  bohoc  (Gabeientz,  formos.  Sprache. 
Ztschr.  d.  D.  M.  Ges.  13.  S.  68)  Mak.  w,  uAw,  Daj.  bok, 
bül.  öp.  buk  (Journal  of  the  Straits^  Brauch  1880.  Kuhn, 
Beiträge  zur  Sprachenkunde  Hinterindiens  1889.  S.  227). 
Auch  Ausruf  des  Absehens.  —  ßüw  Duft  =  mal.  bau^  jaw. 
ambu^  Bahn,  iou,  mou.  —  ßram  Pfeil  =  Bahn,  bröm,  mröm. 
Tgl.  kamb.  pntofih.  ßlak^  — möia  die  Augen  öffnen  =  Bahn. 
bltk  (kamb.  boc  öffnen ,  Mon  päk  öffnen ,  pUh  spreizen, 
ndak  mal  die  Augen  öffnen).  —  ßlang  Hof,  Fläche,  Lichtung 
(vgl.  Bahn,  plao  Ebene,  Ufer,  Mon  pl&h  ausbreiten,  mal. 
(üang  Sandbank,  Mon  prang  und  srang  Ufer).  —  ßlah  nach- 
ahmen. —  ßlow  hervorsehn  (aus  der  Erde).  —  ßUng  er- 
tranken mit  folgendem  dhit  „  verschwinden  **  S.  54  der  Er- 
zählung von  Balok  Lau  (vgl.  Mon  pUng  auswischen,  aus- 
löschen und  Tscham  plang  möta  blenden,  Mon  bluik  sinken). 
—  ßluHik  mehr.  —  ßtoah  kar  seufzen  (sskr.  bhö  und  ifcarawa?). 
ßvoong  fertig,  rein  (Mon  ßö  spülen,  vgl.  ßong  weiss?). 

Z  findet  sich  in  anderen  Sprachen  als  jf,  5?  y?  wieder. 
Zar  sickern  (vgl.  Bahn,  jar  Saft,  kamb.  säl  Ueber bleibsei?). 
Zah  Ueberbleibsel  (=  ssar?),  —  Zop  sein,  wirklich  sein  (vgl. 
Bahn,  si  sein).  —  Zvk  rauchen  (Tabak.  Mon  yah  Rauch). 
Zuh  Brennholz   (Scharai  u.  Rode  juß^   Kantscho  /u.  V 

18M.  PliikM.-pliUoL  a.  hUt  Gl.  8.  28 


422        SitMung  der  phüosrphüoi,  Glosse  vom  1.  Märe  1890. 

Bahnar  söh  in  Brand  stecken.     Im  Ehmer   ist  dfto,  im  Mon 
ehhu  Holz,   aber  2/5,   Mon  oh  Brennholz?).   —   Zneah  Reh. 

Dem  Anlaut  a  entspricht  auch  a  in  anderen  Sprachen,  i 
Ah  Rabe  (Landes:  annam.  dc-la  Elster).  Im  Khmer  ist  ' 
k^c  Rabe,  im  Mal.  gagak  Krabe.  Ac  ist  im  Khmer  Fisch- 
adler. —  Ach  incurie  (Aym.)  vgl.  Stieng  ach  nicht  wollen. 
Am  braten  =  kamb.  Mg  (mal.  h^wh^m).  Ar  Reisfeld  = 
mal.  ara-ara  Feld;  Bahn,  ar  Sumpf,  ar  Ort.  —  Äw  Kleid 
==  kamb.  au,  Stieng  ao  (chines.  a<>?). 

0  ist  selten  Anlaut.  Ök  hungern.  Ön  Gunst,  ön  ngai 
dgl.  (chines.  öfi-ai^  ngm-ngat,  annam.  ön  ngai  bienfaits. 
Landes.  Auch  im  Stieng  und  Mon  in  der  Gestalt  von  gun; 
auch  Mon  pagun  Gunst  erweisen).     Ö,  öy  sind  Ausrufe. 

Wie  ö  werden  auch  anlautendes  ia  und  iö  mit  der- 
selben Lesemutter  a  und  den  Häkchen  für  y  unten,  für  ö 
oben  geschrieben,  wohl  mehr,  um  a  und  ö  nicht  noch  ein- 
mal ausdriicken  zu  müssen,  als  vermöge  einer  von  der 
indischen  Schrift  abweichenden  Annäherung  an  die  Schreib- 
weise der  semitischen  Sprachen.  —  lä  Wasser  (ea,  ear 
Aym.  Dalil:  luorl)  =  Scharai  ja^  Rode  und  Kantscho  ea 
=  mal.  ay^r.  Es  ist  dieses  zugleich  der  Ausdruck  für  Fluss, 
wobei  auch  wohl  krovg  (Scharai  crang  =  Mon  krung)  hin- 
zugefügt wird.  Biistian  hat  tschoch  für  Fluss.  Der  unter- 
halb Saigon 's  mündende  Donay  ^  welcher  aus  den  Bergen 
Tschampa's  kommt,  wird  mit  dem  bei  den  Tampuen  (Phrom, 
Fron)  gebräuchlichen  Ausdruck  für  Fluss  so  genannt.  Kamb. 
tonli  findet  sich  bei  Samreh,  Por  und  Kuoi,  bei  den 
Stieng  alt  ngli^  bei  den  Phnong  rolai.  Verwandt  unter 
einander  sind  folgende  Ausdrücke  für  Wasser  bei  den  Mon 
daÄ;,  döifc,  Lao-Suay  da,  Stieng  däk^  Sedan  diäk,  Bahnar 
rfafc,  kamb.  iüc^  Sui-Tschiong  tear  (wie  kamb.  jmi^  Morgen 
=  pear!)^  Tampuen  iahk,  Song  iahk^  So  rfoe,  Samre  fiek^ 
Lao-Suay  rfa,  Thungtu  ti^  Karen-Ni  tho^  hiie  (s.  Bastian 
a.  a.  0.),    Orang-Utang   (,  Waldmenschen  **    von  Johor  nach 


Hindy:  üeber  den  Wörterachats  der  Tscham-Sprcuhe.       423 

Miklucho-Maclay  bei  Kuhn  a.  a.  0.)  daJc;  bei  Kuhn  u.  A. 
auch  kolh  däh^  däk.  Vielleicht  hat  sich  bei  den  Tscham  und 
den  von  malaiischem  Einflüsse  berührten  verwandten  Stämmen 
der  Scfaarai,  Rode  und  Kantscho  von  ursprünglichem  dia 
im  Anschluss  ans  Malaiische  der  Anlaut  verloren:  Merk- 
würdig ist  das  iä  balan  Mond,  iä  harei  Sonne  (scheinbar 
.Wasser  des  Mondes",  ^ Wasser  der  Sonne*)  gegenüber  mal. 
mata-ari  »Auge  der  Sonne*  oder  „des  Tages*  (Bahnar  wat 
narr  von  narr  Sonne,  Tag).  Dieses  iä  scheint  =  yang 
Geist,  Gott  zu  sein.  Freilich  erwähnt  Landes  auch  iä  Ywön 
für  das  Reich  Annam  =  ann.  nüöc  »Reich*  und  , Wasser*. 
Sonst  wird  im  Tscham  nögar  (sskr.  nagara)  so  gebraucht, 
z.  B.  nögar  Clam  Tschampa,  nögar  Kur  Kambodscha.  — 
lök  betrachten,  bemerken,  sehn,  S.  25  verstärkt  durch  das 
sinnverwandte  mong:  Ted  dafdak  mong  iök^  »lass  mich  sehn*. 

Auch  0  findet  sich  im  Anlaute  mit  a  und  der  gewöhn- 
lichen Bezeichnung  des  o.  Ot  weibliche  Scham  s.  ating. 
Einige  sinnverwandte  Ausdrücke  s.  bei  Kuhn  a.  a.  0. 

Von  ü  gilt  hinsichtlich  der  Schreibweise  dasselbe  wie 
von  0.  Ün  ertragen,  ün  ök  Hunger  ertragen  (Mon  dng), 
—   Un  nehmen  mit  Erhebung  der  Hand. 

Auch  bei  den  drei  Wörtern  (to)ak^  (w)bl^  (w)utj^  deren 
bei  Landes  eingeklammertes  w  wie  obiges  i  nur  ein  leichter 
Vorschlag  (also  etwa  u)  zu  sein  scheint,  wird  derselbe  Kreis 
unter  das  a  gesetzt,  wie  z.  6.  in  dem  Falle  von  dwd  unter 
das  d,  (W)ak^  —rahap  das  rabap  genannte  Ton  Werkzeug 
schlagen  (Mon  ßah  pflücken,  ptdk  rupfen).  (W)öl  sich 
übersättigen  =  Stieng  uol.  (W)ud  Dschambubaum  (goyavier). 
Landes  vergleicht  ann.  öi;  nach  seiner  Vorrede  wird  das  d 
am  Ende  zuweilen  bis  zu  i  erweicht. 

Mit  i  beginnen  nur  wenige  Wörter,  die  mehr  oder 
weniger  auf  die  malaiischen  Sprachen  hinweisen.  Ausser 
inö  Mutter,  ikü  Schwanz,  die  im  Toba  ina,  mal.  tkur  ^Vian. 
falls  t  im  Anlaute  zeigen,  sind  es  der  Ausruf  ik^ 

9 


424        Sitzung  der  phüogrphüol.  Glosse  vom  1,  Mars  1890. 

und  ito  links,  welche  letzteren  hier  in  Betracht  kommen. 
Ing  entspricht  dem  jawanischen  pinggang  Hüfte,  wie  sich 
kapinggang  die  Seiten  über  der  Hüfte  im  Tscham  als  Jca-ing 
und  mal.  taii  pinggang  Hüftenband,  Gürtel  als  tälei  kaing 
wiederfinden.  Ob  sich  im  einen  Falle  p  verloren,  oder  im 
anderen  hinzugefunden  hat,  darüber  mögen  spätere  Unter- 
suchungen entscheiden!  —  Iw  links,  vgl.  jaw.  Mwa^  Stieng 
gio,  giou,  ging. 

Mit  dem  Anlaute  o  sehe  ich  im  Verzeichnisse  nur  die 
Verneinung  o  und  ong  Mann,  Greis.  Erstere  kommt  theils 
einzeln,  theils  ergänzt  durch  dt  vor  und  findet  sich  nach 
Moura  auch  im  Kantscho  (vgl.  Bahn.  uh).  —  Ong  (nach 
Bastian  „Grossvater*)  ist  wahrscheinlich  das  annamische  ong 
„Grossvater*,  „Herr*,  welches  Landes  mit  einem  Fragezeichen 
daneben  gesetzt  hat  und  somit  auch  wohl  das  chinesische 
ung^  wöngy  yung^  ong^  ang, 

£ng  in  engkat  „unabhängig**  (Aymonier)  ist  vielleicht 
=  ing  „selber*  im  Stieng  +  kat  „entscheiden,  richten*. 

Für  ew  rufen,  befehlen  giebt  Landes  die  Aussprache 
iw;  es  ist  vielleicht  verwandt  mit  Bahn,  ri  knirschen,  wie 
obiges  prew  mit  pöre. 

Ai  der  ältere  („Grossvater*  Moura)  findet  sich  so  im 
Sne  und  im  Rode  und  Kantscho  als  oi  (s.  Moura),  bei  den 
Lao  in  Vieng-chang  ebenfalls  als  ai  nach  Bastian  (Pallegoix 
ai  älterer  Bruder  bei  den  Lao,  ferner  „priraogenitus*,  aber 
auch  für  den  ersten  Monat). 

£k  speien,  ^A  mit  adiing  Nase  =  „Rotz*  sonst  „Koth* 
=  Stieng  cd,   Mon  und   Bahnar  ik  in  letzterer   Bedeutung. 

Oti  (Wöfi)  „sich  freuen*,  „Fest*  erinnert  an  kamb.  Jon 
„Glück,  Fest*. 

Wörter  von  mehr  als  zwei  Sylben  sind  selten  und  wohl 
mehr  oder  weniger  fremden  Ursprungs,  wodurch  die  Sprache 
sich  (sowie  durch  die  damit  zusammenhängende  Abwesenheit 
der   Anhängsel)    streng   von    den    malaiischen    unterscheidet. 


Utmiy:   ütbcr  den   H'tMcracftii«  der   lachiiwSpraelir.        425 

Apäkar  .Dienstteidtung*  stammt  aus  dem  Sanaknt  (upalcäraha 
fat^fend,  upiikaratfa  Hlliru?,  vgl.  npaktli,  npakriyä).  Ariic 
fftiitff.  Niinm  eines  Heefisches,  scheint  aus  arik  und  gdng 
viTniügp  d(M  tfewühnlichen  Abbängigkeitsverliültnisjes  za- 
■amaien^fnetxt.  Atak  kal  .invi^juer"  kummt  S.  53  der 
Unwchrift  ror.  Ein  Fischer  sieht  eio  verzaubertes  Gt^richt-, 
and  er  und  seine  Frau  wugen  nicht  davon  /.a  essen:  nWr 
er  ist  hungri)^,  ^oiii/  nan  atak  kal  bloh  ovg  »an  hwak", 
alxo  nach  Lande«  WiDdergabe  der  IttHlenBart  ,der  Mann  rief 
(6o4t,  die  Gotster?)  an,  und  der  Mann  ass*.  Es  sind  deutlich 
im  Urtext  /.wei  Wörter,  atak  mit  k  bL<  lang  geschwänztem 
dchlnssKiicheii  und  kal  oiit  dem  gewübulicben  k  zu  Anfang 
der  Sjibe.  Da  kal  ^=  sskr.  käla  .Zeit'  ansser  Frage  ist, 
kann  ««  tdch  nur  um  ein  anderes  kal  handeln.  E^in  solchen 
findet  tdch  scheinbar  bei  Üuätjtkn  S.  244  in  kalasai  Reis 
e«eD.  asai  Reis,  woraus  kal  essen  2u  entnehmen  sein  würde, 
w«oti  dsftlr  nicht  sunst  hua,  unser  ktmk,  angegeben  wäre 
nnd  ämri  l  auch  der  Anlaut  vou  unserm  la&ä  «ein  könnte. 
Sollte  CK  sieh  in  beiden  Füllen  um  das  arabische  akal  ,e:«en* 
bändeln?  'Ataka  mit  folgendem  'ala  ist  im  Arabischen 
(fiucken*  auf  etwas,  was  bei  einem  deis  Arabischen  so  weit 
Kandigcn  mit  'astq,  asiq  «geluvten*  wegen  mundartlicher 
Ersetxang  des  Zischlautes  durch  t  hüfcte  verwechselt  werden 
köiiiien,  da  die  Malaien  ditffir  asak  aussprechen.  Vii^lleicht 
ist  es  slso  (nnd  dem  Sinne  nach  ist  es  kaum  be^er  zu  ver- 
«t«hn)  .er  hatte  Lust  ku  essen  und  ass*  (vgl.  auch  Crawf. 
[Ben.]  antak  ,to  smart,  to  feel  a  prickling  pain").  —  Dunkel 
\A  der  Fischnnme  hälukydk,  wie  das  Wort  bälidü  für  eine 
behaarte  Decke,  liaffanraeh  Opferscbale  (mal.  pingan  -f- 
rt^ri?).  BaratngiJt  frUh  Morgens  ist  wohl  aus  bnrang  neu 
nnd  puf^  Morgen  zusammengezogen,  Btirgin(u''nhi/ä  ein 
Name  ans  dem  Sanskrit.  Wegen  dalukal  s.  •>.  Kriik  btkar 
gwchickt  Kcheint  höclwtens  in  dem  fti  (,ku*  vor  Zeitwürtern) 
I  einheimisches  Wort  2u  enthalten,  während  krakv 


^^Hfai  einheimisi 


426        Süeung  der  phäosrphüol,  Glosse  vom  1,  Mars  1890. 

die  Sanskritwurzel  kar  enthalten  mögen.  Molagai  ist  das 
nmlaiisclie  maligai  .Schloss''.  Mörapoh  streiten  enthält  die 
zwei  Vorsätze  mö  und  ra  und  erscheint  auch  als  fnöpoh.  — 
Mötühtabhä  wurde  oben  schon  besprochen.  Pägaloh  enthält 
den  Vorsatz  pä  s.  o.  —  Purami  Vollmond  ist  sskr.  pur- 
nimä.  Pothea  Obergeistlicher  =  pd  -{-  thera?  —  JRädayang 
Dienerinnen  besteht  aus  rä  Mensch  und  mal.  dayang  Dienerin. 
Sah  im  Prinzessin  ist  wohl  persisch  sähtn  königlich  mit 
Anhängung  von  inö  Mutter  in  Folge  volksthQmlicher  Ab- 
leitung. —  Sdharay  Zauberbücher  augenscheinlich  vom  arab. 
Sahir  Zauberer  (Jcutub  as  sdharäi?).  Vgl.  indessen  bei 
Aymonier  shakkahräy^  shakarai  annales  von  sskr.  (akaräja 
und  dazu  das  sakkarat  in  Siam.  —  Sakalat  Flanell  ist 
persisch-arabisch  s.  o.  Säradang  Zucker  wird  in  den  Zu- 
sätzen zu  Landes'  Wörterbuche  als  eine  Zusammensetzung 
aus  sarä  Salz  und  dem  aunaraisch-chinesischen  düöng^  dang 
(chines.  thang)  bezeichnet.  Das  Malaiische  hat  gula  und 
sakar  nach  Crawfurd  aus  dem  Sanskrit;  das  jawanische  kara 
ist  nach  ihm  aus  sskr.  ^arkard  (Bopp  1.  glarea,  2.  saccharum) 
verkürzt,  welclies  auch  in  der  Gestalt  von  srSngkara^  s^kara^ 
sarkara  vorkommt;  man  konnte  also  auch  an  die  erste  Sylbe 
des  Sanskritwortes  denken  (das  Hindustanische  hat  auch  sor 
für  „Sa!//).  Säradang  öwah  Sandzucker  enthält  dwah  ,Sand** 
(chines.  Sa-thang),  ^)  Säranai  ist  jaw.-mal.  sarunai  ein  Ton- 
Werkzeug.    Säralang  Perlnmtter  (pers.  ^adafi  rang'i  „Farben- 

V 

muschel)".  Särawä  beständig  =  sskr.  sarva?  Täukyak 
sieh  reiben,  takatwak  zittern,  täkäprah  abprallen,  tälibuh 
missgebären  sind  mit  Vorsatz  ta  gebildet  (s.  o.).  Von  ^d- 
apOi  in  grök  tä-ayuh^)  roi  des  vautours  scheint  das  td  zu 
garuda    zu    gehören    (grök- tu).     In    tdlahat    saluer    en    se 

1)  Es  liegt  vielleicht  eine  volksthümliche  Missdeutung  wegen 
äusserer  Aelinlichkeit  vor.  Sara  ,Salz"*  ist  von  Kuhn  mit  Öilong  selak 
und  Makassar  tj*'la  zusammengestellt. 

2)  askr.  äyus  Alter V 


HMy :   Üeher  den    WMersehati  iler  TKham-SiiTdcke.        427 

Itnt  H  teire  (S-  61  ITnurchrift  Inlabai  patao  .vom  Ki'iuige 

piod  nelmieit''?)  »cbeiut  ta  zum  StammQ  des  urubUchen 

.bitten*  zu  ff^htiren,  thalabat  würdu  hier  mit  «einer 

■chvii  Eniluiiff  stimiuen;  iniless  ist  wülil  das  üau{)tw[>rt 

hdlabal   gemeint   und   etwa    icada     .Abschied"  zu  er- 

(oder    thalah  wadä'    mit    Abrull   der  Endung?).     In 

.Blitx*    (Kuhn    8,  224    nach    Morice)    möchte   ich 

=  mal.   kilat    Blitz   mit   Kuhn   abtrennen    (vgl.  MbU. 

i  tia  (dia?)  ist  vielleicht  das  «i  iu  iä  harei,  ti,  di  steht 

^l>d  Murict?  filr  Zi«i'hlaute;  ist  vielleicht  auch  an  hind. 

.Bitte*    zu  denkenV     Vgl.   Stieng   kao-klat    VVfttter- 


bbige  Bearheitiing  der  Tscham-Sprache  läsat  sich  noch 

mdcren    Quellen,   als   der    von    Landes    veröffentlichten 

1  Grunde  liegenden,  ergänzen,  wenigstens  bo  weit 

wcfUicfaen    Mundarten    betrifft.     Es   iat   hierbei    aur 

[  auHser   Acht   zu   lassen,    das»  die  betreffenden   Wörter 

Beilenaarten    /um    Theil    eine    andere    Rechtschreibung 

,  oder  hie  nnd  da,  wenn  überhaupt,  erst  durch  die 

■'etche  Arbeit,  bei  welcher  die  Urschrift   und   der   Go- 

I  Akt  VViirter  im  Zusammenhang  der  Hede  zu   Gebote 

,  ihre  Erläuterung  erhalten.     Ich  habe  hier  namentlich 

f  erst  durch    Kuhns    .Beiträge*    bekannt   gewordene 

dlung  VOM  Morice:  .Lsh  Tiama  et  tea  Stiengs*  im  Auge, 

bBi).  VII,  3.  859—370  der  Revue  de  Hnguistique   uine 

Hang  Ton  Aasdrücken  einer,  wie  es  scheint,  in  l'ai-Ninh 

Khenen  Mundart  enthält.     Morice  sagt  S.  353  a.  a.  0., 

f  ftbi  ein  Drittel  der  Sprache  sei  malaiischen  Ursprungs, 

^iwohl  nur  insofern  zutreffen  wird,  als  man  den  Ausdruck 

wh*    nicht   im    engeren    Sinne    auffawt.     .Schon   die 

\  als  Beispiele   ftir  diu   malaiische  Verwandtachaft  nn- 

Wttrter   weisen   ein    balam   nuit   gegeutiWr    dem 

Khen   ntalam   (malSm)   iiut*,    welchen  im  Anlaut  melir 


1 


428        Sitsuftg  der  jihiloa.'ijhüol,  Glosse  vom  1.  März  1890. 


als  das  mölam  der  östlichen  Mundart  abweicht.  Obgleich 
Morice  hier  taga  Blut  dem  malaiischen  darcA  gegenüber- 
stellt, sagt  er  S.  354  beispielsweise  von  kku)  3,  hagatau  100,  jj 
agopao  1000,  ketioa  Bruder,  bau  Haar  (s.  o.  ßuk  und  Kuhn 
Beiträge  S.  227),  dass  der  Ursprung  dieser  Wörter  völlig 
unbekannt  sei.  In  der  von  ihm  behandelten  Mundart  steht 
g  öfter  für  r,  woraus  sich  hagatu  (agatu?)  =  ratus^  agopao 
=  ribau  genügend  erklären,  wie  ja  auch  Moura  Juirotti  und 
Bastian  sagapao  anführen  (vgl.  Kuhn,  Beitrage  S.  235). 
Dass  harte  und  weiche  Laute,  p  und  b^  d  und  ^,  k  und  g 
einander  gegenüberstehn,  darf  man  nicht  als  Zeichen  mund- 
artlicher Verschiedenheit  ansehen,  da  die  auf  die  Sanskrit- 
laute bezogene  schriftliche  Wiedergabe  keine  genügende 
Gewähr  für  das  Eine  oder  Andere  bietet  und  vielleicht,  wie 
im  Chinesischen,  eine  mittlere  Härte  der  betreffenden  Mit- 
lauter, oder  auch,  wie  man  vom  Mon  behauptet,  ursprüng- 
liche Unterschiede  der  Stimmlage  zu  Grunde  liegen.  Von 
allen  derartigen  Abweichungen  abgesehen,  fallen  folgende 
Unterschiede  auf: 

1.  A  oder  gänzlicher  Ausfall  (?)  am  Schlüsse  für  k  (ng)^ 
r,  Fehlen  des  A  am  Schlüsse:  pih  bitter,  wenn  dieses  mit 
Kuhn  =  phih  Galle  und  mal.  7>aAi7  bitter  zu  nehmen;  toh 
anus  =  toh^  akah  attacher  =  akak,  ko  (höh?)  Reiher  = 
Ä'ö/c,  mana  avant,  devant  =  anult,  ako,  arho  bateau  =  ahok 
(Dusün,  Bulud-Opie  älüd,  Dayak  oruk,  arut^  Peruk  Semang 
piynhu^  Semang  von  Ulu  Selania  j^ahu),  ako  tete  =  akoky 
pädia  chaud  =  padyak^  padee  chauffer  =  S?mang  pMc^ 
bot  bektad^  bau  cheveux  =  ßuk^  lagni  ciel  =  langit^  langik^ 
ha  corbeau  =  a/i,  tanu  faire  cuire  =  tanüh^  malakou  derriere 
=  lakuk^  moungno  dossus  =  ngok^  iapali  droit  =  tapak, 
man  madanie  =  mtik^  oua  malade  =  rivak^  gona  maladie 
di^l.,  didago  monter  =  dik-tagok^  utoutagnun  phalange  = 
atuk  tangin,  daher  der  erste  tiisa,  der  zweite  tvdoua  usw., 
diassc  monter  a  cheval  =  öik  a^cA,  iä  di  maree  ascendante 


Himly:  lieber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       429 

=  id  dik^  hi  matieres  fecales  =  eA,  haJce  qu^est-ce  que  c'est 
=  hageky  ha  menton  =  kang^  tctssi  mer  =  ta^ik^  me  mere 
=  mik^  kupadea  midi  =  krüh  padyaky  tiou  noir  =»  juk, 
gabau  orage  =  rabuk,  oua  oublier  =  war,  hamra  paon 
=  amrak  (alalo  paresseux  =  alah  mit  16)^  kali^  keli  peau 
=  kaliky  atawaueu  penser,  se  souvenir  =  hadar  wök  yon 
hadar  sich  erinnern  und  toök  zurück,  lahiu  perdre  = 
lahik,  tdtki  peu  =  dakik^  po  oeuf  für  boh^  botamoun  con- 
Gombre  =  boh  -^  tamoun  <=  mal.  timun^  aneu  fils  =  anük^ 
menau^  mancu  neben  tnanuk  =  mönuk  Huhn,  mou  prendre 
=  mök  (muk  bei  Moura),  pa  i  =  päk^  preuotieu  rendre 
=s  brei  wök^  bra^  pra  enthülster  Reis  =  brah^  kairaokadio 
roucouler,  girren  von  der  Taube  =  katrütv  kaeok  {?kaßok 
ehanier  vom  Hahne  bei  Landes),  dega^  taga^  iara  sang 
=  darah^  takoh  soulier  =  takhok^  bobou(dla(n)  ivre,  soül 
=  mobuk-alak  (mal.  mabuk-arak),  topagno  sur,  dessus  = 
iapak(?)  ngok,  mah  tante  =  inik(?),  halou  terre  =  haluk^ 
leupou  tomber  =  labuh^  napcUpa  (natapah?)  tout  droit 
=  nao  tapak  geradezugehn?,  toua  chercher  =  dwah^  touabo 
trouver  =  dwah-poh?  {poh  heurter,  pop  rencontrer  bei 
Landes)  oder  besser  dwah-ßöh  (ßöh  sehn),  tiälou  vase, 
ecueile  =  jäluky  kreu  vautour  =  grök^  maeweu  venir  = 
mai  wök  zurückkommen,  klae  verge  =  kUk  morceau,  barre 
d*argeut?,  kU^  gle  fatigue  =  gleh^  patra  vite  =  drak  mit 
▼oi^esetztem  pd?^  hadiou  vivre  ==  hadyap^  bo  voir  =  ßöh^ 
paetäago  voler  =  par  tagbk^  klelakai  voleur  =  kiek  lakai^ 
pia  vrai  =  byak^  aga^  nahaga  ecrire  =  akhar  Buchstabe, 
tigah  akhar  Buchstaben  machen?,  arei  tako  est  =  harei  tagok 
Sonnenaufgang,  palo  in  palobieu  moustache  =  balüw^  aneuü 
fils  =  anük^  amidra  fille  =  anük  darä^  aneti  tagnun  pouce 
^  anük  tangin  „Kind  der  Hand"  (im  Mal.  ibu  tanggan 
, Mutter  der  Hand"),  anuphao  balle  de  fusil  ist  «=  anük 
Sohn  und  phao  chin.  Geschütz,  malakou  apres,  de* 
mölakuk^   diou  Brennholz  =  jmh,   tiou   brüler  »» 


430         Sitzung  der  phüos.-phüol,  Glosse  vom  1.  März  1890, 

casser  =  joh^  tara  {taga,  dega!?)  sang  =  darah^  hado  chanter 
=  adoh^  hhlou^  glouh  boue  =  gluh^  kannau  ä  droite  = 
kahanuJc^  taomteu  auiour  de  =  tomdar^  nia  fiaire  {niak 
travailler)  ==  ngah^  iieu  montagne  =  öök^  talanbao  pom- 
iiiette  de  la  joue  =  ialang  ßoky  He  pres  de  ^=  jik^  laia 
Segel  =  mal.  layar^  marea  jaune  ist  schwerlich  etwas 
Anderes,  als  mareah^  mageah  roiige  („gelb*  ist  gahik  Ajm.)» 
Imo  mentir  ist  einesteils  das  lor  in  dorn  lor  lügen,  andern- 
teils  erinnert  laohongam  Jemand  betrügen  an  Bahnar  lam 
unwahr,  Stieng  röläm  betrügen,  zumal  da  Bahn,  tiam  gehn 
==  nao  im  Tscham  ist.  —  Vgl.  übrigens  Landes  in  der 
Vorrede  S.  VIII:  ,A  la  fin  des  niots  i,  ^,  jp  ne  se  pro- 
noncent  pas  ou  du  moins  se  resument  en  un  arret  brusqne 
du  son^  ....  Eine  seltsame  Ausnahme  bei  Morice  ist  muek 
Gold  =  möh, 

2.  Die  von  Landes  S.  VII  angefahrte  Erweichung  eines 
scbliessenden  tv  in  der  Aussprache  tritt  nicht  allein  bei  tkff 
ein,  welches  äu  lautet  (vgl.  obiges  agopao  für  nd)üw  1000, 
spr.  rtibäti)^  sondern  auch  in  anderen  Fällen,  wie  iou  appeler 
=  cw^  spr.  iw,  Iw  links  lautet  iu  in  kayo\i  ä  gauche, 
Stieng  gio,     Preo  crier  ist  =  prew, 

3.  Die  Auflösung  des  (5  am  Schlüsse,  welche  ebenfalls 
bei  Landes  a.  a.  0.  angeführt  ist,  findet  sich  auch  hier; 
aber  während  öwötj  danach  dw'öi  zu  lesen  wäre,  lautet  das 
Wort  für  „laufen"  bei  Morice  douc.  Hwöd  fürchten,  welches 
sich  auch  bei  Moura  hiwch  geschrieben  findet,  ist  hier  Äoe, 
woneben  kJwe  eftraye!  Loite  assez  ist  vielleicht  =  Iwid  voll- 
kommen, zu  Ende. 

4.  Wechsel  de^  Selblauters  der  ersten  Sylbe  findet  in 
derselben  Mundart  statt.  Bei  Morice  ist  allah  Schlange  = 
ulä  (mal.  iilar),     Akou  (|ueue  =  ilü  (mal.  elcur^  ikur), 

5.  Für  r  tritt  im  An-  und  Inlaut  oft  g  ein:  agopao  = 
ruhüw^  aga  tcgnun  veine  =  ughd  tangin  {uglui  wäre  jedoch 


ERmdy:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Spraehe.       431 

nach  Kuhn  nicht  akar^  sondern  mal.  urat)^  aha  kayao  racine 
=  ughä  kuyau^  ffoup^  roup  =  rup  corps,  gaua  maladie  = 
rwak^  gabou  orage  =  rabuk^  gapeu  toucher  s=  rapök  tasten, 
greifen,  agan(g)  =  urang  {ra^  ran\  letzteres  bei  Bastian) 
in  agangäkeü  ouvrier  ==  urang  raget  und  agangapron  officier 
=  urang  (a)prang  oder  kaprong^  — gheu^  ghreu  herbe  =  röt, 
negak  sale  =  nöraky  mit  Erweichung  oder  Ausfall  go  aboyer 
s=  groh^  ebenso  in  goaum  für  grum  Donner,  hagatou  100  =s 
raiuh^  keuoum  bambou  =  krüm  (kofn  im  Scbarai),  toou  in 
ia  toou  maree  descendante  =  truh  fortgehn,  aber  troun  in 
traunmognotieu  descendre  =  trun  (möng  ngok  döh  „yon  — 
auf  dem  Berge ^),  ma^eoA  neben  mareah,  tnoria  rotb  =  mal. 
meruh  (letzteres  auch  ==  jaune?  s.  o.),  kaga^  keua  neben  kara 
Schildkröte,  tagoe  epine  =  darwai,  B  im  Anlaut  durch  l 
ersetzt  in  ladai  Blasebalg  =  radai  s.  Landes  S.  10. 

6.  S  ist  =  ^,  th  der  Mundart  von  Binh-thuan :  aUah  sroh 
ramf)er  =  ulä  throw  „die  Schlange  kriecht*,  asse^  se  Pferd 
SS  a&eh^  passai  Eisen  =  bathei^  raga  Hirsch  =  raS-ä;  seam^ 
siam  bon,  sidm  fort  =  ^yam^  sann^  sann  Haus,  sanghin 
Küche,  sangouh  Gefangniss  =  ^ang^  ^ang  ging^  ^ang  + 
kamb.  kük^  papaun  sann  Dach  =  päbung  dang,  tasi  Meer 
=  tadik,  tastiabaa  lac  =  tadik-iapagä?  (katisi  Süden  = 
katadik?),  kasatlo  pauvre  =«  kathot  (lö  sehr),  tassa  laver 
=  tathaL 

7.  Dem  Nasenlaut  ng  der  Mundart  von  Binh-thuan 
entspricht  bei  Morice  die  Schreibung  gn  im  Inlaut  und  n 
(nn)  am  Schlüsse,  wobei  wenigstens  im  Falle  von  sa^m  Haus 
auch  für  Franzosen  der  Nasenlaut  ausgeschlossen  ist :  agnam 
(agnan?)  nom,  se  nommer  =  angan,  agan  und  agam  = 
urang^  agamene  enfant  =  urang  anSh,  agan  eux  =  urang, 
aganniau  ils,  eux  =  urang  hu,  agan  gapran  =  urang  prang, 
agan  gäkei  =  urang  raget,  atien  Skorpion  ==  adyang^  tegnun, 
tagnun  Hand  =  tangin,  agnin  Wind  =  angin^  häb* 


432         Sitzung  der  phüosr^üol.  Glosse  vom  1,  März  1690. 

haha  Mund  vgl.  pahah  Mund  und  ßang  Thfir,  yaman  lo 
ha'ir  (I.  ganon*^)  =  ganony  zürnen  und  lö  sehr,  ganon  pich 
lam  iean  vengeance  =  ganong  j?AtA;  lang  (oder  lanöng)  tyan^ 
glon  baut  =  glong^  Icanon  se  facher  =  ganong^  kon  bracelet 
=  kmg^  kann  Kinn  =  kang  in  halo  katm  barbe  =  baliiw 
kang^  lehonketou  fesse  =  lahang  kaduk^  lagnal  labourer  s= 
lingöm  travailler  la  terre,  vgl.  lingan  charrue,  sskr.  länggala^ 
leouan  maigre,  leotian  lo  maigrir  =  liwang  mit  fö,  man 
viser  =  fnong  sehn  (pähong  viser),  neben  moungkoproi^ 
meungpoproc  hier  =  (möng)  kahröy  heisst  es  mit  Anähn- 
lichung  an  den  Lippenlaut  moumpke  tot  =  mötig  page  ,in 
aller  Frühe*  (?),  peuaban  ouvrir  ==  pöh  hang^  pagnoun  Brunnen 
=  hanyun,  papoun  Dach  =  pdhuny^  pan  hören  =  p<Mg^ 
pdnngoueu  (!)  fleur  =  banyti^  ialan  Knochen  =  talang^  tim 
hache  =  jong^  takron  fleuve  =  krofig  mit  vorgesetztem  fo, 
kan  dur  (au  physique)  =  khang  fort.  Dagegen  mit  Nasen- 
auslaut toiing  estomac,  tang  maire  de  village,  tia  nung  dih 
lit  =  danöng  dih^  kin,  king  =  ging  Küche. 

Unter  den  sonstigen  bei  Morice  vorkommenden  Wörtern 
und  Redensarten  sind  einige  mit  mehr  oder  weniger  Sicher- 
heit auf  die  von  Landes  gegebenen  zurückzuführen,  bei 
anderen  müssen  wir  uns  fürerst  auf  Vermuthungen  be- 
schränken: 

Aüatallap^  Allakallap  Dieu  ist  Allah  ta'äla.  Anu^oo 
cle  ^  anük  +  soo  (chin.  so  SchlossV),  ago  mugir  =  groh 
bellen?,  arei  tako  est  =  hare'i  tayok^  arct  tameu  ouest  = 
harci  tamö^  katieu  nord  =  ka  nach  und  ööh  Gebirge?, 
katesi  sud  =  ka  +  taMk  Meer?,  atiou  Gatten  =  hadyap, 
apik  tieu  finir  =  ahih  jö  (jöh)^  atom  fournii  =  had^jm^ 
akofaou  genou  =  akok-ta-uk,  assah  livre  =  ar.  ag-raMfeh^ 
ayamnao  pcuplci  kalo  Kaufmann  =  nrang  nao  pahlci  {kä  -j- 
kanib.  lok  verkaufen?),  ayuam  nom  =.  angan^  haoulo  air 
=r  sskr.   vayu  +  la^   vntula^    oder  =  ßüw  -{-  W?,   hohtien 


Himly:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       433 

dette  nr  annam.  bo-tien?  (chin.  pa  thsien?),  baple  vendre  = 
pableiy  hdo  vert  zu  bälon  im  S^mang  (Crawfurd,  Klaproth), 
biru  im  Serang,  mal.  hiru  blau  (sskr.  vaidürya?)^  bodaun 
nez  m:  boh  adtwg,^)  bohomh  blanc  =z  ßofig^  diiaptme  accoucher 
=  üh  di  aptvei,  dela  langue  =  ddlcih,  drapeu  mon,  ma, 
▼ieUeicht  drap  hü  ton  bien,  deht  pierre  precieuse  zz:  dik^  doüi 
tara  saigner  y.  n.  =  dtvöö  durah? ^  domala  sous  =  dok  möng 
(üa^^  doul  talon  =  kadtvdl^  gai  diu  baion  =  gai-jrü,  heu 
toi  =  AfV,  gi  (kS)  barqiie  =  annam.  ge^  hadiann,  iann 
(letzteres  in  iä-^iann)  pluie,  pleuvoir  =  hdjan^  hedian-lega 
Saison  des  pluies  =  hajan-laan  (aber  laan  ^kalt''  hier  = 
lakan  neben  Kantsclio  lenga,  im  Stieng  ist  mi  teh  höi  la 
Saison  des  pluies  finit),  hadiou  vivre  =  hadyap^  hatan 
ehevrette  (crustace)  =  hadavg,  hdbabann  (1.  hdbaUinn?)  mois 
==  halan  mit  Vorsatz  a,  Aa?,  hatoun  ann^e  =  thun^  käli 
kay€U>  ecorce  =  kalik  kuyao^  kali^  popelt  ecorcher  =  kalik 
(päkalik?)^  ketioa  fröre  aine  i=  kaöwä  erstgeboren,  kae^ 
thai  front  =i  mal.  dai^  dahi  Stirn  (vgl.  Kuhn,  Beiträge, 
S.  228)  und  Stieng  tangahi^  kegao  in  k.  imin,  k.  tegun  se 
gratter  =  garaw,  keo  (kio)  grenouille  grosse  edule  =  kyöpy 
Jcatau  avec  =:  tu  im  Stieng  (Azemar  „ä,  avec*)?,  kouh  grue 
ä  cou  rouge  =:  äöZc?,  keen  hanche  =  akyöng  Seite?,  kadotd 
banche  =  käduk  anus,  kadao  jarret  iz:  ta-uk  Knie  mit  vor- 
gesetztem ka  ?j  kagiabolo  laid  zu  Zca  +  jhak  +  ßok  +  lö  ?, 
eageu  ferraer  =  kärök^  kehum  mlU^hoire,  vgl.  kamb.  kham 
beissen,  Tscbam  kabum  in  den  Mund  nehmen,  mal.  käbSm  sich 
in  die  Lippen  beissen,  kapoua  fil  ==  kabwak^  kalapa  marcher, 
vgl.  mal.  lampau  vorbeigehn,  ka  menton  =  kang^  kamoun 
niece,  petite-fille  =  kamwön^  kakao  tagnun  ongle  =  mal. 
kuku  und  tangan  (mal.  tangin)^  kia-keou  ours  des  cocotiers 
-=>  dagüic   ours,    kroe   poum   pompleraousse  =.  kröö  prong 


1)  boh  Zahlaosdruck  ?    Vgl.  findafig  im  Semang  bei  Ela-nm^. 


1 


434        Sitzung  der  philosrphüol,  Classe  vom  1.  Mars  1890. 


(s.  prom  gross:  vgl.  Stieng  kruiö  hmg\  Tcan  poisson  = 
dkan^  keung  poteau  =  Bahnar  göng^  katao  Laiis,  Floh  = 
mal.  kuiti  Laus,  ketüopahaoutamou  pousser  =  kuyau  barüw 
iamuh^  kanhou  rare  =  kan-hu  (Landes:  kan  .difficile', 
Bahn,  gän  kaum),  kaya  riche  =  mal.  kaya;  kakctoassi 
sabot  =  kakao  (s.  o.)  a^eÄ,  katiap  kago  sain  ■=.  kajap-kard^ 
kakouh  saluer,  bon  jour  =:  kakuh  se  prostemer,  katok  san- 
terelle,  vgl.  kaäöh  faire  sauter  {katit  cancrelat  jauue,  mal. 
kredek  gra.ss  hopper  Crawf.),  kehlo  savant  :=  ghöh  geschickt 
+  Zö,  koun  savoir  zz:  krün  reconnaitre,  koke  scie,  vgl.  Mk 
beissen?,  kannh  toile  =  khan  langouti,  ia  meide  encre  == 
iä  und  chin.-annam.  mok,  mük,  tum  heure  =  sskr.  yäma 
Naclitwache,  ia  hani  miel  =:  iä  und  hani  Biene,  kata 
poitrine,  vgl.  Stieng  kötoh  Brustwarze,  ia  baba  salive  =  id 
pabah,  ia  doun  morve  =  iä  adungy  iaarre  soleil  =  id  harei^ 
iu  hao  sueur  =  in  höp^  namiü  uriner  =  nao  möik^  klegal 
yaiao  cacher  =  kUk  alä?  padöp,  kUo  chaise  zu  kUp^  iat- 
nassan  eharpentier  =  kayaxi  ngah  &ang?^  kokian  coude  zu 
Stieng  höngkien  {köng  dient  zum  Zählen  länglicher  Gegen- 
stände), katimmhaha  cracher  =z  kaöuh  iä  pabah^  kalamung 
araignee  z=  garmeng  Aynion.,  kapa  arbre  ä  ouate  i=z  mal. 
kapas  (s«kr.  karpasa),  kannou  ä  droite  =:  ka-hanuk^  kanian 
rcbelle  z=  lihan  (laiia  Stricke  an  der  Tragestange;  wie  lid-ei 
=2  ri(hci  =:  /a^c?-,  könnte  ein  von  der  Mundart  von  Tai- 
Ninh  verschmähtes  r  zu  Grunde  liegen.  Im  Malaiischen  ist 
tangga  Leiter,  im  Makassar  tänrang,  ebenda  härringga^  pä- 
lang  Sprosse,  welcher  letztere  Ausdruck  im  Malaiischen  und 
Bugi  durch  atmk^  (hm  Kind  mit  folgendem  tangga  usw. 
wiedergegeben  wird.  Aymonier  stellt  jedoch  das  Dalll-Wort 
linhan  dem  anak  als  gleichbedeutend  gegenüber),  letaneu  5 
zz  limö^  lemoinn  elepliant  =z  limöfi,  lernen  faible  zz:  liman^ 
lahm  froid  zz  laan,  Urnen  gras  z:z  Stieng  lömtmg^  lopa 
tcan  avoir  faini  =z  lapä  tyav^  lakaou  allatallah  prier 
Dieu  =  lakau  Allah  ta\Ua^  mana  avant  =:  mö(ng)    anak^ 


Hiwdy:  üeher  den  Wörterschatz  der  Tseham-Sprache.       435 

Imdava  respirer  =  loh  (Itoöi)  yatcä^  lapae  rever  zz  lapei, 
lemeu  rbinoceros  =  Stieng  römahi,  Xong  ratna^  Ehmer 
ramäs  (s.  Kuhn  S.  212),  letnoo  Rind  ==  lamow,  Unh  soldat 
=  annam.  linh^  maniaum  boire  =  mohum^  motah  chameau 
trotz  des  Anlautes,  der  durch  Missdeutung  aus  lemoo  ent- 
standen sein  mag,  doch  wohl  mit  hind.  on/,  mal.-jaw.  unta^ 
siam.  tt/,  Mon  ut  auf  sskr.  ustra  zurückzuführen,  manieo 
chat  (=:  möyao)  ist  wohl  durch  Einschiebung  des  an  als 
ydie  Miauerin'  zu  deuten,  maJcanapoüi  se  cbauffer  =  möghang 
aptoeiy  matale  cheville  du  pied  =  möiä  leg  (vgl.  mal.  mata 
kaki  ^Fussauge'*).  Mit  dem  manou  =  mönuk  „Huhn,  Hahn*" 
malaiischen  Ursprungs  ist  sinnverwandt  ieungy  welches  an 
Stieng  ier  wohl  mindestens  ebenso,  wie  an  mal.  ayatn  er- 
innert (vgl.  die  Verwandten  bei  Kuhn  S.  213,  wozu  noch 
Mebto  saing  neben  sitn),  manou-ho  coq  de  combat  erinnert 
an  Battoa  u  syi  ar  rung  kuo^  Amwi,  Lakadong  u  syi  rung 
koh  (Khasi  sonst  jar  s.  Campbell,  Specimens),  tnanou  klät 
coq  sauvage  zz  mönuk  glai,  massam  couvrir  =i  möom  s'en- 
▼elopper?  oder  =i  mötham  se  vetir,  se  couvrir  (auch  Essig 
=  mal.  mas^  sauer),  matian  etre  enceinte  =  möiyan^ 
mateuk  dih  s'eveiller  =z.  mödöh  dih.  —  Mouü  termite  =:  Stieng 
römuoi  (?);  Azemar  fuhrt  als  schwarze  Ameisenart  römuoi 
pök  kH  «A.  mit  zerbrochenem  Home''  an,  woraus  nach 
Abtrennung  des  Zusatzes  pak  kei  trotz  dem  ausserdem  als 
Name  einer  gelben  Ameise  angeführten  chäm  der  Gattungs- 
name leicht  zu  entnehmen  ist.  Das  rö  ist  als  Vorsatz  nicht 
selten;  im  Thai  ist  mot  zu  vergleichen,  wo  die  gewöhnliche 
Ameise  pluek  heisst.  So  ist  denn  auch  wohl  das  möch  von 
gramöeh  im  Khmer  zu  beurtheilen,  mit  welchem  Kuhn  mal. 
sSmui  vergleicht.     Ebenda  sind  hmuit  im  Bahnar,^)  moi  im 


1)  hmot  ist   nach   Dourisboure,    Dictionaire    bahnar   eine   rote 
Ameise,  khmaut  nach  Aymonier  ein  geflügeltes,  Holz  nage» 
tier  von  schwarser  Farbe  (vgl.  khmau  schwarz). 


43G        Sitzung  der  phüosrjihüol.  Clcutse  vom  1,  März  1890. 

Ho,  nmih  im  Santbal,  muifi  im  Mundari  als  AusdrQcke  für 
Ameise  erwähnt.  Im  pers.-hind.  mor  ist  das  r  ebenso  stanim- 
haft,  wie  in  obigen  AusdrQcken  scheinbar  ursprüngliches  t 
(riiss.  muravici,  engl,  mire,  gr.  fivQfdr^^,  altbaktrisch  fnaoiri 
s.  bei  Fick,  ,  Wörterbuch  der  indo- germanischen  Grund- 
sprache" unter  matirt  usw.).  Indess  hat  khmor  im  Khmer 
den  r- Auslaut,  w^elches  ausser  „Grille*  nach  Monra  auch 
eine  geflügelte  Ameise  bedeutet  (s.  Kuhn  S.  214).  Hodgson's 
khamol  (ebenda)  im  Mon  fehlt  bei  Haswell,  welcher  khcLhma 
als  allgemeinen  Ausdruck  für  Eerbthiere  anführt  neben 
khaJimaJian  (mit  malaiisch  aussehender  Endung);  es  würde 
mit  seinem  Anlaute  gut  zu  Khmer  khmor  passen,  inden 
sagt  Haswell  S.  6:  „The  only  letters  used  as  finals  are  k, 
ng,  t,  n,  p,  m,  y,  w,  h,  a'^,  und  so  bleibt  nur  die  Annahme 
eines  mundartlichen  Ausdruckes,  oder  eines  Schreib-  oder 
Druckfehlers  übrig  (vgl.  jedoch  auch  khmuor  und  khmuol 
im  Khmer  für  schwärzlich).  —  Mepoui  tiouh  lo  fou  z:z  mö  + 
apwei  +  dufi  +  lo  „(Hirn)  verbrannt"?,  meupaui  iou  (lies 
tioui)  hakao  fumer  du  tabac  =:  mö  +  apwei  +  zuk  +  bakaw^ 
fuassou  giierroyer  =:  möthuh  attacjuer  (vgl.  möthao  se  disputer, 
mal.  musuh  Feind),  maini  he  =:  mai  +  wi  komm  hierher,  ieoga 
he  =  iw  rd  man  ruft  dich?,  mian  joue  (vgl.  chines.  mien 
Gesicht?  Vielleicht  Versehn  für  main  jouer),  momeuh  macher 
=  mal.  mamak^  masaklo  malheureux,  vgl.  ar.  masaqqafi 
Betrübniss  (s.  Hoorda  unter  musakat)  +  lo  sehr,  magnie 
kamao  niiaiiler  s.  o.  manieo  chat  -j"  kamao  (letzteres  also 
eigentlich  das  Zeitwort),  matai  ia  bloun  se  noyer  zu  uiötai 
id  ßlöng,  maiai  i)arler  =z  Scharai  majai,  Tscham  nijai 
(Müura)  =:  kamb.  nycai,  mah  taute  =i  mik  (vgl.  mieu  oncle 
bei  Morice),  makai  tempe,  vgl.  o.  kae  Stirn,  mom  te'ter  =: 
miim  Ayni.  (mal.  mem),  nao  tion  chasser  =:  nao  tyap,  ouaeu 
oublier  z=  war,  niokko  coiter  =i  höh  (+  gok?),  niaokan 
difficile  =  ngah'O'kan,  nia,  niak  faire,  travailler  zu  ngah^ 
naho  janiais    (1.  w?a-o?)  =:  ngah-o,   nama  nei  se  laver  :=z 


l  JIMy:   Ueber  ifcii    WOrterachaii  der   Tficham-Spraeht. 


437 
)  biet 


noo  mvnei.  ohoA  nou  =  Au  o,  noblei  marcfaä  =  ■ 
.kaufsn  f^lm*  mit  t^avur  zu  ergänseudem  pak,  nai  m^chant, 
vgl.  UDitani.  nä\  un^^tfim  verlangen,  am  Bleue  =^  Mab. 
Mai,  Btigi  awäni,  nioii  ia  doun  ( —  ia  ktoun)  se  nioiicher; 
in  der  Muniiart  vim  Biub-Tiiimn  iet  huk  iä  ins  Wower 
tsucben  {doun  —  adunff  Nase,  Moii  ydunif  Vorgebii^e), 
Nooua  pteheur  =  nao  wah  .  fiechen  gvhn '  {urattff  ta 
«rgütuten).  notmiigiiti  nuivtk  ^  nao  twei  uranff? ,  natai 
)Murauivre  daaNelbe?.  namhin  tte  proinener  zz  nao  viöi»?, 
tutpalfta  Unit,  droit  =;  nao  pätajmk?,  niadrou  katiunek  viic- 
emcr(?)  =:  ngak  jrü  kü  anük  anäh  .Heilmittel  /.ubereiteii 
uod  dpn  Kindern  geben*  (?).  premom  nourrir,  donner  le  sein  = 
hm  rmum.  prfmom  mteu  nourrice  =:  brei  mum  anük,  passa 
onibilic  =  roat.  piisat,  palai  oft  =  holet,  peuaban  ouvrir 
^  pöh  -H  /So«?i  pahal  papier,  vgl.  bind,  pahal  Baumwollen- 
flodln*  (wenn  es  »icli  nrsprünglich  um  Baumwollenpapier 
hwideln  »ullte).  patno  pierre  ^  batüw,  paiaieh  plante  dea 
pieds  =  palak  l^.  pooh  porter  un  furdeau.  vgl.  pök  elever 
entj«  les  mainfl  bei  Landes,  oder  bak  porter  sur  l'epaule, 
le  diw,  jirobassi  rat  palmiitte  :=  firok  mit  hinzugefügtem  atfM 
PlisTd.  prcuoufu  rendre  ^  fcrc»  wöfc  (da  liier  preu  =  6fc», 
ki^uiile  ancb  iu  mainbreu  jouer  aux  cnrte.s  6rm  etwa  mal. 
fiari  Laos,  WUrt'el  futoprechen,  wie  auch  »iäm.  bia  ^=  mal.  beya 
Mnscbel  in  /en  dw  spielen  gleich  arab.  qimiir  da«  ßlQoJcHpiel 
im  Allgemeinen  liezeiclinet),  prei  titm  rqiondre  (einst^hn?) 
finf  ij/^Hg , Krfolg  gebenV,  prik  ruisHeaii  =  kamb.  prik, pear^ 
tobt  ^  bg&r  harei;  pol  soldat  =::  bol  bomme  eorv^able,  aer- 
vitecir«  dm  roia  (sakr.  bald),  pohtim  testicale  ^:  hofi  +  ating? 
{f.  Kuhn  Bisaya  utin  ponis  usw.  Bei  Ltin'les  ali»;/  = 
cutitiiu),  ptai,  apetai  vill«  ^  |>a'ri,  /jufra  vite  ^  prt  +  droh, 
paeutai/o  voler  un  l'uir  =:  por  lat/dk,  pta 
pahthtsi  hridi?,  v«!.  prfWA:  ajiwter  tmd  WAr  nuTdrc  bei  Landen 
tM.  p^ntan  t:arr<^  =:  pcijt  4  -(-  »wöi«  +  an  (büj 
ij  pa  4,  »t(aA  Auge).  dii.i  Änhüugsid  an  diu 


1 


438        Sitzung  der  phüos.-phüöl,  Ciasse  vom  1.  Mars  1890, 


malaiischen  Einfluss?  ,Auge'  für  «Seite,  Richtung*  kommt 
öfter  vor,  z.  B.  Tscham  di  rim  mötdni  «in  jeder  Richtung", 
für  etwas  Hervorspringendes  s.  o.  nuUale;  doch  ist  auch  an 
missverstandenes  nial.-jaw.  prapat^  präpcUtan  zu  denken. 
palauhfiiata  cils  r=  balütc  mötä^  pokroe  citron  =:  boh  irod^ 
pokoü  clou  =  mal.  paku^  preo  crier  =  priWy  plaa  lenunm 
defense  d'elephant,  vgl.  Orang  Benua:  bala  «Elfenbein*, 
poke  deniain  =:  page^  popelt  ecorcher  (kalt)  =:  pd  -\-  kalik 
s.  o.,  pra  ecureuil,  vgl.  mon  prip^  pokan  en  face  de,  vgl. 
pägan  steten  dre  en  travers  bei  Landes,  pan  entendre  =  pamg^ 
pato(u)  etoile  =  hutuh  im  Bani,  batuk  im  Tscham  im  engem 
Sinne  bei  Aymonier,  mal.  daj.  Sunda  usw.  hintang^  Bngi 
uAtoeng,  Tagala  biioin^  Pampanga  batuin^  Bisaya  biUnm 
(s.  Gabelentz,  über  die  formos.  Sprache,  Ztschr.  d.  D.  M. 
Ges.  13  und  Kuhn  S.  223,  wo  auch  b%n4ke  aus  dem  Malto 
verglichen  ist),  peunai  femelle  =:  banai^  passai  fer  z=i  bdthei^ 
pänngoueu  fleur  =:  bangu,  prextiou  paiit  guerir  zu  brei  jrü 
pddhit  («Arznei  geben  und  heilen **),  pagam^  paka  haie  == 
pagä^  proe(he)  intestins  =  prb6^  paneuh  lancer  une  flache 
=z  pänüh^  pouh'Sdego  se  lever  =:  brüh  tagoh  se  lever  vive- 
ment  {s  aus  einem  burus  abzuleiten  oder  uz  sä  «und*  ?),  pahai 
(bahai)  loutre  =z  bhai,  paekoanh  lire  =  bäd  -j"  ar*  Qorän?^ 
pih  amer  =:  phik  Galle?,  poumpeuneti  arequier  m  phun 
panöng^  phunptay  bananier  in  phun  pätei^  pogemontasso 
matin  (man  sollte  etwas  erwarten  wie  page  möng  tagöh^ 
aber  vielleicht  hängt  tasso  mit  tußoh  ^tröpfeln*  zusammen 
und  bedeutet  den  Thau),  pager,  paguet  argent  =  pargctk, 
raga  cerf  31  ra^a^  ralin  cire  (auch  bei  Moura)  zz:  mal. 
lilin^  Scharai  lin,  Rodeh  haiin,  während  das  Eantscho  mit 
seinem  jirieng  mit  dem  Stieng-Worte  ßring  beinah  überein- 
stimmt, ramon  (remoti)  Tiger  1=  rimong  (Kantscho  lemong^ 
Rodeh  immig^  jaw.  mong\  ramon  pep  rugir  (tigre),  vgl, 
prew  schreien,  ranih  tout  de  suite,  vgl.  raneh,  aneh  jung 
und    das   ähnlich    gebraucht^e   barüto    »neu,   darauf* ;   rouiUe 


'  Mimt]/:  Deher  dtn   WöHerachiUi  lUr  THvhaai-Sjirache. 


139 


shir  =:  Stieng  iiml  Mon  ntM,  seneung  juger,  vgl.  shanÖng 
räUcbir  bei  Landes,  sing  Uon  =  askr.  sinha;  siio  poudre 
k  fusil  :=  ,Jrü  Hoilkrftut  a.  o.  iiou  in  p-ct  'iou  und  vgl. 
titU  and  ria(  aiititer  ^  »W/,  sni  sei  =  Särä,  soo  serrure 
=:;  chin.  so.  sittnoki  temple,  pagodu.  vgl.  «skr.  gamädhi, 
takgäränta,  oder  mn  +  pera.  mögt?,  agad  dgl.  =  askr. 
äffdra  Hai»,  foAt'aAoa  lac  =  taiHk  -f  mal.  ttflaga  «Teich*, 
w«an  b  für  {  vordruckt,  tnsao  luit,  fa««uo  miiinelle  z^  tatfum 
Buiien,  BT«t«reH  wnhrscbeinlicli  iä  tathau  und  /ostto  =:  tassao; 
doch  kiuiii  da«  entäprecheniie  malaiische  susu  auch  ftir  agSr 
MUU  fit«liri;  fmt  lii  ^:  /rtni,  topton  iuttirpr^te  =;  chiii.  fAunt; 
ym  (ann.  ^on9-n90N)V,  ioalni  ici  ^  liot  /ani?,  tion  hache 
^  iMjr,  tiouhao  »'bnbiller  =  iiüc  ao,  tiaraohekabatt  geai 
bhnti  vgl.  (Sorau'  inerle  jaseur  {kahau  ^  Au/jüw),  tiakoueu 
Güaui  ^  Öagwör,  talea  ecrawr,  vgl.  kb.  f/i/i^ft  fallen,  Mm^^oA 
«Ikllen  lasiten*,  takran,  kagan  eclume  (also  eigentlich /«it-un, 
Aman),  vgl.  mal.  paron,  Mak.  pälan/j,  tagaini  iareini\  au- 
jcMird'hni  =  (lak)  hard-ni,  Iheä  liirgpr  =  (yd.  «apÄo  lente- 
meni  wahracbeinlich  =  siop  ka  arretel  vgl.  tliow  zurdck- 
balten  (kb.  tSp\  uiiil  ku'f  oder  khal  .schweigen'  in  khal 
damai^t  theu  hagan  matai  enterrer  =  dar  urang  mötai, 
tagri  Äpine  ^  darwai.  talan  anuh  epiiw  ilu  dos  =:  talnng 
kanö  (bivgiinin  wie  ein  Bn^en?),  lian-loch  tlanc  ::^  tf/an  tok, 
tairon  Bmivo  —  dak  (Stieug  usw.  .Wasser*)  krong,  troi 
Uaape,  vgl.  kanb.  troi  Baken  ie^en,  damroi  Bake,  lassa 
larer  :=  lalhat,  long  maire  de  viilage  =:  an.  trüüng  (chtiie». 
ä^jT  in  thsun  6kang  Uorfältester)  ?  vgl.  auch  Tacham 
töng  Keltibüt«rhütte,  tagne  Mala  =r  tangtty,  tano  male  =:: 
ttmou,  lohouß  manquer  (il  n'y  en  a  pae)  ^=  ^AoA  Au  <),  fian^ 
froM  ni«dfcrn  =  ja  ngith  jrü?,  tialoi  So  nager  =  ijai)  di 
iMläie  M?  (vgl.  auch  Stieng  tölot  suhwimmeu),  talan  pal 
buiu^rns  ^  talang  -j-  pal  verkjirzt  aiiK  palak'i,  taniukan 
oagooir«  —  ttuigin  4-  akan'f,  besser  wohl  taneo  nun»  +  kan 
=^  Bader  de»  Fisches,  «gl.  Mak.  piinni,   Bugi  kai^i  j~ 


440        SiUung  der  phüosrfMol.  Cla8$e  vom  1.  MärM  1890, 

Flosse,  taklou  tapeya  naitre  =  tagloh  tahyak^  tatio  nevea 
(tatiao  petit-fils)  =  tafy>u)  Enkel  (ann.  ckdu  Neffe,  kamb. 
chau  Enkel) ,  tiou  noir  =  juk ,  takeyao  bücheron  =  t<ik 
kuyau^  taklamata  aveugle  *=  tagloh  mötä,  tapouidri  nous 
=  dapwöl  drei  oder  ta  hol  drei  (ersteres  „Heerde  —  selber*, 
letzteres  «Unterthanen  —  selber*  mit  dem  ta  Jüngerer,  oder 
Untergebener),  takaibou  nnque  =  takai  ßok  fQr  taikwäi 
Hals  durch  Missdeutung,  talan  louon  bassin,  os  de  la  hancbe 
=:  talang  -f~  Stieng  Itumg  anche,  1.  hauche?  (vgl.  ann.  lüng 
Rücken),  sonst  „hauche*  bei  Morice  keen  (:=:  kyötig  Seite?) 
und  kadout  =  käduk  «aniis*?,  takoe  cou  s.  o.  takaibou, 
takoe  pati  cou  de  pied  =  taktcäi  batih^  taofnteti  autour  de 
m  tomdar,  tamah^  beau-pere,  belle-m^re  =:  xhimäj  ttaboe 
bec  =  daßivdö,  touoplou  dixieme,  toudoua  deuxieme  {tau  = 
atuk  Fingerglied?  das  o  in  oplou  vgl.  mit  a  und  ha  in 
agopao  1000,  hagatou  100),  trounmognotieu  descendi-e  = 
trufi  möng  ngök  6öh\  takoai  dent  ziz  Trao-Lai  tagdi^  vgl. 
Tschang-Sui  kiwi  .Zahn",  Stieng  tokha  Gebiss,  tiän  attendre 
rz:  öang^  tioxi  bleu  ^ii:  juk  schwarz  (unbestimmt,  wie  chines. 
thsittg)^  ihaixkngao  brauche  =i  dhan  kayao,  treu  cerf  nz  tros 
bei  Moura,  Scharai  prus^  kamb.  prös,  tim  manieo  chouette 
(eigentlich  Katzenvogel)  zz:  chim  -\-  möyao,  tim  auch  bei 
anderen  geflügelten  Thieren,  z.  B.  timkakou  =:  chim  kaktih 
maute  religieuse,  Gespenstheuschrecke,  Gottesanbeterin,  auch 
timpdit  --z.  chim  pädik  „Krankenheiler*,  oder  mit  pätit 
Kanne?.  —  Thoni  contre  =:  tarn  reneontrer,  tana  faire  cuire 
=:  tanük,  taki  i)eu  uz  dakik^  trao  palet  pigeou  domestique 
ziz  katrüw  palai  „Dorftaube"  (das  ka  entweder,  wie  bei 
Namen  von  Menschen,  Zusatz,  oder  in  der  Mundart  von 
Tai-Ninh  aus  Missverständniss  als  solcher  behandelt),  tre- 
tgnun  tegUdega  blessure  =:  (Jre  couper)  -f-  iangin  iagloh  darafi 
,die  Hand  schneiden,  dass  Blut  tiiesst**.  Ire  couper  scheint 
mit  frae  ciseaux  zusammenzuhängen  und  dieses  mit  Stieng 
kötrai,  kötrri,  siam.  katrai  „Sdieere*,  dieses  aber  mit  bind. 


^^^H    Itiwiifi:   ürhcr  ilrn    WMeriehati  drr   T'fham- Spracht.        441 

^^H  Aa'oml,  anbr.  hartari;  wenn  man  Aaa  französische 
^^H^rtliclie  j'ova  icli  habe  ■=.  je  +  avons  vergleicht,  wo 
|F  der  WurtstHitirii  verachwiindeii  ist,  so  wirr]  man  die 
Möglichkeit  solcher  Liebergänge  zugehen  niDssen.  Krleichtert 
wire  ein  solciier  tiier  durch  den  UinataDd,  dans  ka,  kö  im 
TscbAm  und  Stieng  (gelegentlich  nach  Belieben  vor  die 
Wörter  geeetat  werden.  Tanra^n  plaine  b,  o.  taHratc,  tsiai 
moaUa  ^  aunani.  {e6i)  xäy,  au)!;eni>cheiiiiich  dasselbe  ist  sae 
in  »ai-potai  momln;  =^  thai  padai  (Landes  erklärt  tjhai  für 
Uauchreibnng  des  annamischen  xäy,  welches  eigentlich  de- 
iner Ijedeute).     Sangmüt  prison  —  i>ang  -f  {guk  oder 

aiam.  khuk  (iefangniss,  säkr.  gxtltä^).  Tamarra  plumb 
.1.  timah,    Bngi   lumarra   (s,  wegen  der  übrigen    Ver- 

liaften  Kuhn .  Beiträge  S.  209  u.  224).  Talanbao 
pomnivttv  de  In  Jon«  =  talang  (iok,  Imissa  premrer  r=  {atuk) 
ttä,  tu  prws  de  =z.  ßk.  tailioua  prötre  ^  ann.  thaij  cÄ«aV, 
imtpta  iiuaLriäme  I.  toupa  n.  o.,  Ceogi  rauier  i=  teo  =:  ann. 
ekie  nnlvm  und  gi  >l(cbifF,  Irai  ransaäi^  =:  trui^  lako.  takovh 
rat  =  mal.  tikus,  ianio  rame  =:  Uo  rudern  mit  eingexcliobenem 
an,  Utianganeu  reins  ^;  talung  -\-  anih  (roncA?),  (rott,  ffOou, 
drou  Riniäde  =^  ^'rti,  l!/ra»i  rencontrer  s.  o.  (mw,  /unaA:  rocher, 

•kamb.  tknak  Stufe  oder  taniih  ErdeV,  tania  iarei  rayon 
kil.  vgl.  Rskr.  tatviga  Sohn?  -j-  tä  Aar«,  talanlhou  rotnle 
nny  -f-  i/fA;  s.  o.,  lakouho  sans  ^^^  i/u/:  Au  ö  {dak  immer, 
■men  h.  o.),  toutaliou(k)  tteptienie  =  («/!</(  +)  tajuh,  tolah 
oir  =:i  (2oi  +  fl'''>  tanopmuta  sommeil  ~  tanok  mötd 
iMJller  bei  Landi«.  lagnoh  eourd  =::  tangah,  —  louiga,  »atouigan 
■uivre  qn.  =  twei  rd,  nao  twei  (u)rang,  topagno  nur,  dessu» 
:=  topak  ng&k-,  tmlou  vuse  =^  ya/wi,  taolOHi  tkUan  voyager 
=  {tao)  hcrt  }alan  (lao  =.  ann.  daa  ~  chin.  («ö  Weg,  oder 
kKDib.  (am  folgen,  toui  ^  twei),  taJtalo  vieillard  ^  tahii  alt 
and  iö  whr;  alce  tapah  fröre  cadet,  vgl.  jaw.  adi  dgl.  und 
j^  tabah  von  mödVA  'o&oA,  sowie  askr.  antima,  PoKV/i^m 
^^^^to  =:  Stüng  ptidn,  ebenso  Khmer.     fotdkagan  nü^^^f 


442         Sitzung  der  phüos.'phüol.  Claase  vom  1.  Mäßre  1890. 

=  pwöd  kä  wrang,  genauer  pwo6  JhaJc  kä  wrang,  wie  es 
S.  21  von  Landes'  Umschrift  (mit  ai  Balok-laü  ffir  wrang) 
zu  finden  ist:  (Böses  =  jhaJc)  gegen  Jemand  reden  (ptvöö). 
Papal  bras  ist  vielleicht  eigentlich  Eilbogen  und  ==.  boh  + 
palak  (vgl.  Stieng  phal  Schulterblatt,  Stieng  plu  in  — ti 
Vorderarm,  — jdng  Bein,  sskr.  kürpara).  Die  Namen  von 
Früchten  sind  mit  po  =:  boh  „Frucht*  gebildet:  pokroi  citron 
=  boh  krdö,  popUn  citrouille  (Stieng  plei  Frucht),  pamane 
Ananas  =  tnanÖs  im  Khmer,  manas  im  Bali,  (pojpcu)  mangue 
(phwfipcLO  müsste  durch  manguier  wiedergegeben  werden) 
=:  pao  in  Madura  und  ähnlich  auf  Gelebes,  botron  aubergine 
=  mal.  trung  (khmer  trop)^  pinpoh  tomate  =  kamb.  pmg 
pä,  pohomre  piment  m  Stieng  mrich  (vgl.  amri  kaUm  poivre 
bei  Morice),  kamb.  marsch  poivre  nach  Moura,  mal.  märieha 
schwarzer  Pfeffer  nach  Crawfurd  von  sskr.  mafida,  — phun 
„Baum*  findet  sich  auch  als  pown,  pounh  wieder  {ph\m  ptay^ 
phun  pao  s.  o.),  pounh  kathoum  goyavier,  vgl.  siära.  kathum?^ 
phun  panat  jaquier  (kamb.  khno^  siäm.  khi&nün)  =  bind. 
panas^  podkam  noix  voraique  (akam  vomiquier),  phunamü 
tamarinier  =  kamb.  ämpi7,  phungadäy  oranger  (jaw.  ga^ung 
Art  Manggo),  phunlaJion  papayer,  kamb.  lahong,  pokedeo  man- 
goustan,  kamb.  tiep  pomme  cannelleV,  posomka  melon,  potoe 
ail  (vgl.  mal.  bawang  putih?^  siäm.  kuöai).  Andere  Namen 
von  Gewächsen  sind:  abahe  epinards  (auch  tiooua),  ällah 
lassoun  oignon  vert  petit  =  hald  -j-  lassoun  =1  Bugi  lasuna^ 
mal.  Hofsprache  l^sung^  avouat  rotin  ist  hawei  =:  vSy  Aym. 
zu  siäm.  vai,  vgl.  Bugi  uwe  (kamb.  rSmpeäc),  boukeun  buisson 
de  bauibou  {keun  =:  krünt  Bambus,  bou  z=  Stieng  buk  in  buk 
bang  Bambuslaub?),  bamaodjui  Champignon  edule  {djia  ^ 
ann.  xa  Schlange?  vgl.  pers.  ^l^J^?)^  boria  fayotier,  banou 
banian,  bohout  gorame-gutte,  bohkd'iou  poranie  cannelle 
{zz.  pokadeo  s.  o.  pokedSo  mangoustan),  kamb.  tiep,  dich 
toxd,  dich  diegao  sensitive,  golga  cactus  en  cierge,  kolokayao 
troiic  rz  kamb.  kol  Stumpf  +  kayao  Baum,  kalaauan  arbre 


Bimly:   lltber  ilen    WörtemchaU  der   Tucham-Hprachi .        'HS 

M  liuilif,  s)i\.  inyaoniban  arhre  a.  uuate  (:=  kapa,  sskr.  faw- 
;i(nM),  lakoua  Kin^^mbre  (Mak.  /atya,  siäm.  laA:,  rak  Wurzel, 
«ber  Ingwer  khing),  ieeuben  menthe,  takkou  datitra  ferox 
(vill.  iiiiid.  dAuftim),  fi'f)^^  ueiiuphar  rose  (Biigi  <öt)ji(m^), 
tagnc  tniii'B  n:^  tanguy.  Von  den  GattuD^nainen  sind  pAtin 
nnd  ka^au  die  inHiaiiscben  Ausdrücke  pokun  und  Aiyu,  ku 
oJd,  AaM,  Mä  ist  kamb.  slSIf.  ann.  la,  ^tieng  la,  tib.  IS, 
i'^paL  oto)  £u  vergleichen,  6aA  Frucht  stimmt  in  seinem  Ge- 
ihe  vielfach  mit  mal.  buteah  Dberein;  allein  Scharai  und 
I  hüben  fiir  die  Nebenbedeutung  .Ei*  (mal.  tSlor)  pos 
t  (kamb.  pöng  gegen  phli  Frucht);  die  Ärtnamen  sind 
I  diosem.  bald  jenem  Sprachstamm  entnommen.  An 
men  finden  sieb  noch  folgende  bei  Mnrice:  aieunn 
L.(Art  ann.  Con  ca  tong),  vgl.  jtm  .Himch*  im  Stieng 
7g:rih8te  llinichart  des  Landes  nach  Az^mar),  atieu  cigale 
{ßmdiöp  lebendig?  hadyap  Gattin?  vgl.  Stieng  chdng).  aüah 
MJiapsuHoma  radiatum  {aüah  ^=.  vl&  Bchiange).  alUth 
i  cylindrophis  rufua,  allak  Ha  ^^  ulä  iä  herpefcon  t^nta- 
idlah  le.motm  pasäerite  myaterigans  (?).  aüah  degtan 
Eon,  tniglan)  «ciniiue,  lezard,  aüah  pfUft  simotes  sexlineatns 
(Sli^ug  hüh  SchlaogeV),  allah  diambak  trimeresurus  erytbrurus 
'.^huiib.  rAompean  uniwickelnV),  aUah  tmd  typblopi  braminns, 
:  crabe  det;  boi^,  ago  crapnud  (kamb.  hing  rftr,  siäm. 
r  khik).  ahm  fourmi  =:  hadam,  Silong  keddm  {s.  Kuhn 
B7),  atom  saa  f.  rouge,  grande,  alom  krettme  f.  noire 
■  k  niguitle  (kamb.  sremock  =l  mal.  sSmut,  siäm.  mSt). 
I  termite  iStieng  römuoi  a.  o.).  apil  mygale  (vgl.  kamb. 
t  ampA  luciole),  adianpetieu  n^pe  (auch  timia)  1=  adgöng 
a  (+  penci  =  Stieng  pötwk  Haar,  Feder?),  atakagmm 
:  adä  Ente  4*  kamb,  cüngan  Gans,  alien  teneu  scnrpinn 
tod  :=  adyüng  (-r  /atttiAV),  anugon  telyphone  ä  quene, 
nidu,  am  abeille  —  mak.  bäni,  Uugi  awäni,  aouok 
i  d'eBU:  aga  punaise.  bayä  crocodile  (bei  Aymonier  aiich 
\!  =:  mal.  buwaga.  .jaw.  baya    (s.  Kuhn,  S.  226), 


444        Sitzung  der  phüos.'phüol.  Classe  fX)m  1.  Märe  t890. 

bopao  (apao)  escargot  (ho  =  boh  zur  Bezeichnung  des 
Kunden,  also  Stamm  pao?)^  hopao  Heu  e.  long,  b.  kolum 
e.  rond;  apao  ist  =  abaw  Muschel,  Heu  =  toh  Berg?,  hahA 
(pahat)  loutre  (auch  martin  pecheur)  =  bhai  =  karob.  pke^ 
Stieng  jpi,  bi,  Fischotter,  broniao  pelican,  baJ^iam  pic  (Atom 
,,schön^?),  bobofd  pigeon  vert,  ftotitou!  pangolin,  kamb.  pofi^ 
ruZ,  dian-aneut-proiin  ver  intestinal  {prun  kamb.  Bandwurm; 
ist  das  Erstere  =  jyöng  anük  «in  Kindern  entstanden*?), 
douah^  dunw,  cerf  con  man  des  Aunamites  =  jsrwah  nach 
Landes  chevreuil  (con  man),  douon  charan9on  grand  (in 
der  Bedeutung  chapeau  =  kamb.  dudn,  dagegen  duöng  ver 
qui  ronge  les  arbres  sur  pied  in  Moura's  vocabulaire  camb.; 
der  Rüsselkäfer  könnte  den  Namen  «Hut^  von  seinem  Rüssel 
bekommen  haben);  ga  moustique,  gagS  sarcelle  (Schallwort 
wie  mal.  gaga  Krähe?),  hinghaon  callula  pulchra  (batrachien), 
vgl.  kamb.  hing  Laubfrosch,  iaiian  alouette,  keo  (kio) 
grosser  Frosch,  krap  kleiner  Frosch,  vgl.  kyöp  bei  Landes, 
kasouh,  kassoul  porc-epic  (vgl.  Stieng  köstlich  Pfriemen), 
kimmeuh,  tianimeuh  bupreste  dore  grand  ordinaire  (J^yain  ßdk 
«Schöngesicht"?),  A/aw  epervier  =  klang  im  Stieng  (mal.  lang 
Habicht),  lanoun  (lenoun)  anguille,  wozu  vgl.  lenung  ver  de 
terre  (vgl.  mal.  lahau  Schlamm?,  Mak.  Undong^  Bugi  Ihirong^ 
siäni.  lai  Aal) ,  lakah  limule ,  vgl.  mal.  lakar-lakar  Art 
Schildkröte  (limulus  ist  der  grosse  Molukkenkrebs),  lentoiin 
ragn  baieine  (letnoun  =  Umöti  Elefant,  vgl.  mal.  gajah 
mina  für  Robbe,  jaw.  (jaja  huLam  Walfisch,  raga  =  raksa^'i\ 
nach  dem  mina  sskr.  „Fisch",  hulum  jaw.  dgl.  zu  urtheilen, 
könnte  man  vermuthen,  diiss  akan^  aka  gemeint  sei),  mim 
boeuf  con  dih  =  mini  wilder  Büffel  im  Bahnar,  mediapeu 
civette  (zu  diapeii  vgl.  nml.  j^at^  siäm.  xamot  Zibet,  me  = 
Mntk*r?),  mcdiahao  rat  musque  s.  d.  v.,  metirouä  varan  petit 
und  dazu  neiissaon  meuroua  varan  grand  {rwby  kriechen?, 
meu  Vorsatz?  neti  =:  inö?  saon  =:  sann  Haus?),  ouxi  caille 
(im  Stieng  w)k  eine  Art  Wasserhuhn),  tamah^  ntanMj  ntam 


^^^P     Himlg:   Urler  den    WörUnduttt  dtr   TirkamSiirarhr         445 

ruaolc*  (vfil.  S^tietig  at&n^  tamäu  transparent,    A9!;^mar,   ftict. 

t!tiiing),  HfUifegaiontfeTM  {=2  powiagtii)  tiHJu  tripndiaiiM  (neuge 

—  «kr.  näga.    mal.   ular  garanfi  bissige  8chlant;e,   yaifönij 

U'fTel,  ifcrai  erinnert  an  nögaray,  imgaray  Dnmhy  uml  Pö- 

KloKij-Qaray,  ilfn  aagenhiiften  Ki'mi^if  der  Ts<;hai]i),  nkm  ver 

14  «oie  ^:^  kanib.  nt««sf,  paiiit,  plitt  (lapillun,    vgl.  jiar  dAii 

d»vr>nflicgi>n, po^Coa  |ierdris(kumb.  totia'i), pokowc-pmt(ü-mmb- 

roua  pbVHigDBlhu»  mentu^fr  (l^zard),  vgl.  mal.  j/ä^,  t^i  Ki- 

deitli«^  Stieng  /j^A^  Chamäleon,  plom  sangäue  ^=  Stieiig  ji^öm, 

patiOMMtki  (=;  Wtiwtt)  acarabee  ä  trols  comes  ^  pd  -(-  duoB 

Hot  -f-  doA^  Hörn?,  |>rOM/  (^  dianaiieuiproul  s,  ».)  taenia  ;^ 

^^■01.  ^prun,  pah  tiah  bmiffanxa  aonulutus.  palahian  calau  petit, 

^^Hfionrenil  :^  ätieng  prSh,  peunai  feuielle  ^  hnnai.  peiiditm 

VRvid-dvic,  jiwim  (=  klamoung)  liinmtlelle;  etwa  Beide»  für 

Jcobum  Mlinuppen,  Stieiig  bäm  den  Mund  voll  iiehtnen?  vgl. 

engl,  sicaüow  und  to  swallow  {hla  köutite  auch  ein  Anklang 

HU  dnn  allverbreitete  Wort  l'Or  .Tiger"  nein),  pette  (=  bdielt) 

huppe  (*gl-  kamb.  phtey  Oberfiäobe,  Irewölbe),   pohak  atgle 

yUtamb.  ac  mit  vorgesetztem  pt'i),  rekanko  iule  grand  (myria- 

^Ä^l  =  kaub.  rot  kony  ka   100  Kitige?,  ramon  poui  {remon 

^^Ktim,  r.  jtamoueu)  paiitliere,  tiageut  grillon  (mal.  ckang- 

^^^t    kamb,    eiuinijrSt).    take    gecko    =    mal.    t^ek    (take. 

^^^M  ^=  dak£),    iiaraohikabau  goai   bleu  ^=  duraw   imerle 

^^^K  bei  Landes  +  he  kahau  .Biifieldreck*??  wahmcheinlicb 

^^^Werdrefaung),  tiakoufu  faiRan  =z  (agwör,  tiakoi  i^cureiiil 

^^^Bt  (^ii  metiapfvi),  vgl.  kutnb.  chkhf.  Hund,   tiakoe-paheu 

^^^Htwi-fAffN)   dragon  volatit   {paheti  =z  par  (liegen?  :=  pa 

HPHnr  kamb.  dgl.?).  timkac  {timkm)  libelluie  (Hm  =  rAim, 

^nij?  «gl.  ätieog  kai   ,taon*   bei  Av^mar?),  timkakou  mante 

rettgiras«   {—  timpdU)  ^=  chtm  kakuH,   pdit   Sclimett^rüng 

«.  «.;  torfoA  marabout,  kamb.  trn^c;  traohS  nierle,  Iraohatan 

nivrlfl  maiidariui  frai9  Ut  ^onst  Taube  (^  ^Mw),  A^  sonst 

n  ^A  Kotb,  Aa^an  — -  hitam  schwarz?  Tnniukan  nageoire^ 

taneo  km  , Bnder  des  FiacheB?*  Tiao  {Ho)  btäcmtlna^^^"^ 


446        Sitzung  der  phüosrphüol.  Glosse  vom  1.  Märt  1890. 

Vogel  bei  Garnier?),  tanouan  dipsas  multimaculata  (serpent), 
tiammeuh  tanäo  bupreste  dore  grand  ä  bandes  oranges,  tiecm 
(=  sieao)  aile  (mal.  sayXp.  kamb.  slap),  trarni  calao  grand, 
treu  cerf  =  troSy  kamb.  pros;  tetioc  chacal  =  kamb.  chachäc 
loup,  toou  chauve-souris  (vgl.  kamb.  prechiiu\  tim  mameu 
chouette  (==  chim  möyao  Katzenvogel),  bobaul  pigeon  vert, 
tamtrop  veuve  (oiseau),  vgl.  Stieng  trap  Schwalbe?.  Kalao 
moineau.  KraU  pangolin  s.  honioul.  Krem  poisson  de 
combat  =  kamb.  hrim. 

Andere  Ausdrücke  bei  Morice  sind:  apau  caresser  (vgl. 
Tscham  pok  darbieten,  pö  Herr,  ja!  Stieng  pu  teter,  kamb. 
apuc  Vater?);  aolongnoi  chemise  =:  oo  +  hngnoi  (vgl. 
kamb.  ao  khnong^  khnöng  inwendig,  nou  khnöng  inwendig 
bleiben;  longnoi  für  khnöng  nau?  vgl.  auch  kamb.  lomnou 
Ort,  also  ^landesüblich?),  aplan  citronelle,  aiaepo  coeur  = 
hatai  -\-  po  ^z  kamb.  pb  Leib?,  ata^i  pih  demier  zu  hadei 
(-\-  pih  ^z  Stieng  jWÄ:  hinzufügen?  oder  Stieng  a-tapik  , hin- 
zugefügt?"), agnoun  arc  (=i  hanö).  vgl.  mal.  Wtigkung  ge- 
bogen, an  Tl.  vong-kung,  Ämia  cuillere,  vgl.  Stieng  uek  Löffel, 
nah  schöpfen.  Äpan  cnivre  jaune  =z  kamb.  spSn  von  sskr. 
suvarna  Gold  („schöufarbig*,  varnu  Farbe  zu  sdmbor^  piir)^ 
apan  keo  cuivre  i-ouge  (kanib.-siäm.  thig  deng,  siäm.  thong 
d'eng^  worin  d'eng  roth,  während  thong  khäm  Gold  mit  khäm 
=:  chines.  kin^  kam  Gold  zusammengesetzt  ist.  Das  keo 
scheint  vom  kamb.-siani.  keo  „schön,  kostbar*  zu  kommen, 
im  Siämischen  ist  thong  khdo  Weisskupfer.  Dass  spön  zz: 
suvarna  ist,  dafür  scheint  im  Kamb.  auch  spon  crap  für 
unächtes  Gold  zu  sprechen).  Alaou  bailler.  Äbouen  doux. 
Aneuh  „et"  (conjonction),  vgl.  anak  vom  Vorliegenden,  Zukünf- 
tigen (kamb.  wom?),  oder  ngan  -\-  hü  dgl.  ?  Atiou  femrae  = 
hadyapy  kaniai  =  kumH;  amran  fenetre:  akotaou  genou  = 
äkok  (oder  Stieng  knk-tang  Knie)  :J-  ta-yJc,  asehe  hennir  (= 
kamb.  se-srec),  alanara,  anara  lance,  javeline;  agdoul  leger. 
Assah  livre  =  arab.  ag-gahf  (vgl.  jaw.  musakap  =  arab. 


Uttfly:   Vrher  den    WOrtfrtehad  der   Tuvhani-Sj'racht. 


417 


mufhaf).  Amou  inart«au  (vgl.  Mon  muet  Axt?).  Agnim 
ordcmner.  Apotakai  orteil,  vii;I.  fioutagnun  rlni^t.  iinii  o»i«i 
tagntm  pouc«.  Letzteres  bei  Bastian  S.  245  nu  tagnön  ,die 
Muttnr  der  Hand"  (=  itw  tangin),  H-xai  Zeigefinger  l^fA^t 
•  nigrndc  Finger*  hei  Bustian  ist  wohl  ilas  siäni.  «im  xi  von 
fcx«tg«>i  * 'O  •  tagnün  höh  Mittelfinger  =  tangin  krü/t. 
RingfitigLT;  tschii  =  J«  fllr  jüngere  Leute  mit 
VgL  Stitmg  vt/fau,  lau  Finger.  surlAu  Gatte  und  sinni. 
*fci  Hang  mit  tiani/  , Herrin*;  daher  Silong  mi-nanff  .Finger* 
mit  mi  ^  siitTii.  mi  .Mutter*;  tscha-dteng  Itteiner  Finger 
(dimg  =  jy^ilf  .geboren  werden'  ?).  Der  Daumen  als 
, Mütter  der  Hand"  kommt  vor  im  Stieng  als  me-ti.  im 
Khruer  An  mt-day,  iui  t^iämiBchen  abi  mi-mü,  der  Mittel- 
ängnr  in  der  •ieni  Deiittwlii^n  (Mitsprechenden  Benennung  im 
Stivng  mU  nj/lau  klung,  im  Ehnier  als  mrream  cihidal,  im 
S&uiscben  al»  wm  klang.  Ein  eigener  Ausdruck  für  .Finger' 
mg  nglttu,  Khmer  meream,  siäni.  niu)  scheint  dem  Tächum 
(blil«n.  wenn  es  nicht  eben  jenes  (i  in  tt'Xai  sein  sollte; 
fUand,  Arm*  im  ätieng.  Umgekehrt  kOnnte  das  böH 
I  n^au  t>&h  für  .Zeigefinger*,  in  dem  Äzemar  diia  gleich- 
liititpiiili;  Wiirt  für  .S»!/.*  verninthet,  da»  höh  sein,  welches 
TÜB  Kichtang  bezeichnet  und  in  obigen  apo  und  poa  bei 
st«ckttn.  —  Allting  ouvert  (vgl.  kamh.  lüng  uus- 
,  jaw.  iuwang,  mal.  lubnnij  Hühlung,  lapang  offen). 
iaga  sacrum.  Aekmai  soeur  =  ai  kumei?  Abihgo 
f^  abih  ra?  Anlo  souveiit  für  anak  4-  lo?  —  Akia 
'  Agui  renifler.  Buoulo  air  =  ßilw  +  16  (sakr. 
I)?).  Bogom  dos  de  la  main;  baga  ^paule  (vgL  askr. 
«?),  Bouen  facile,  bleu  biia  =  byor.  Brinr  Hourc« 
(vgl.  kanib.  jtrfc  Fliu«,  Stieng  brek  Kinnsai  ~|-  Tscham 
Air  Wasser;  mal.  prigi  Quell  -|-  ayir).  Batau  tousser 
^  mal.  batttk.  Bau  niai  gugucr  an  jeu  (annam.  vdn 
P^Ock.  Lot»  +■  T>>cham  nMt  .kommen*  ?)  Bigoiäw  go^rir  ^ 
Boboualla    ivre   ^   mal,    mabnk  +  ' 


448        SÜMung  der  pküosrphüol.  Glosse  vom  1,  Mars  1890. 

1 

(Das  eingeklammerte  n  der  Endung  scheint  durch  missver- 
standenen malaiischen  Einfluss  entstanden?).  Bangbra  mächer  - 
=  ßöng  brah.  Momeuh  dgl.  ===  mal.  mamak.  Badeüeu  1 
obeir  =  Stieng  prödou  sich  bessern  (kamb.  predäu  be- 
lehren =  Tscham  pathau,  welches  wegen  der  Endung  hier 
schwerlich  auf  geradem  Wege  zu  nehmen  ist,  wenn  nicht 
etwa  eu  =  toöJc),  Blin  pencher  =  mal.  mtWn,  miring^ 
baring?  Bau  atman  pourquoi  =  Stieng  bei-ön  +  nan? 
Baoutia  sentir  v.  a.  =  ßüw  jhak  (?),  baobgni  sentir  bon 
=  ßüw  bangt  (da  obiges  bdou  auch  wohl  nur  dieses  bao 
sein  kann,  ist  die  Bezeichnung  als  v.  a.  schwerlich  wörtlich 
zu  verstehen);  bdoprou  sentir  mauvais  {prou  =  pr(mgT^. 
Diambolo  (=  lakalö,  bohtieupah)  petite  veröle  (mal.  katum- 
buh  Pocken  von  tumbuh^  tambah  wachsen).  Digtibotihbep 
carquois  scheint  in  der  ersten  Silbe  Stieng  dif^h  «Rohr*  zu 
enthalten.  Die  easser  =  joh.  Daga  couleur  =  dega^  taga^ 
tara  sang?  Dela  langue  =  dalah,  DitiaboS  levre  aus  öab- 
wöd  mit  vorgesetztem  di  wie  rim  in  sikm.  rim  sipak?  Dehi 
pierre  precieuse  =  dek  bei  Landes  (in  Siäm  bezeichnet  thet 
das,  was  aus  dem  südlichen  Vorderindien  stammt.  Vergl. 
auch  dhU  Reliquie  im  Mon  von  sskr.  dhätu),  Dia  propre 
=  Rahnar  dö?  Goup  eorps  =  rtip.  Gm  dos  =  rong.  Gle 
(kU)  fatigue  =  gleh.  Gouhkuaha  fonr  =  kamb.  ciw  Ofen 
(knaha  Name  des  verarbeiteten  Stoffes?).  Gonaganoua  soigner 
=  rong(?)  urang  rwak,  Gapeu  toucher  =  rapök,  Geue 
toujours  =  gröj)  alle  (Stieng  kop,  annam.  khäp  überall). 
Ho  voix  =  söj).  Hall  verre  ä  boire  (vgl.  ann.  li  dgl.,  chin. 
po  li),  Hok  vagin.  Hont  siffler,  souffler  =  Iiosh  (kamb. 
hat),  lladian-lega  saison  des  pluies ;  bei  Landes  ist  haly^ 
der  betreffende  Ausdruck,  hadian  „pleuvoir"  =  hujan,  lega 
dunkel,  violleicht  =  kamb.  rongva  kalt  (Mon  Itiyang.  knyang). 
In  ia  ioun  pluie  könnte  letzteres  die  Neben bildung  zu  sein 
scheinen,  die  sich  vielleicht  zu  hajan  verhielt  wie  ia  zu 
aySr\   aber  besser  ist  vielleicht  an  das  yang  von  yang  harei 


■1»;  I 

nkea.     Tekoltoum  hetii   saisun   ^lie   scheint   ein   Satz 

I  wie  tat  prätiff  lUH    ,die  trockene  Jahreszeit  ist  ein- 

n*   ira  Stien^  fvergl.  kamb.  M^  pr&Hif  trockene  Jahrea- 

\  Makfiic  bouteille  ist  wdIiI  enthulU^n  in  tenoukio  bouclion, 

ninlttrer  Tbeil  ^  katnb.  chhnSh  von  chök  =  tscliHm 

eitwiirt    ,br>uulif>r'    meuknoukliuk):   vgl.    balok   nnd 

ifluk  KiikoHnnss«cliak-  (bind,  haklä).    ferner  lialiii.  hl&p 

t>t>okel  {köttijlöp)   sehliessen.     Halom  lao  filot  de 

(vgl.    Iicr    LamW   hnlunij    burnige    puur    prendre    le 

1  nnd  rali  Wild  Vi.    ffou/iala  beiiiv»«  =  Au  }iuryak'i 

kin^enr  =  kamb.  Aof?    Jle^mn  niiaße  (Silony  A'fMTmj?). 

lliaAtni»  nioiü  ist  dax  /weite  A  wohl  verdruckt  ftlr  l,  ha 

^tesetateiu  a  (oder  =  I  V).     Ualoidmt  -table  =  AaiwA 

=  AmA,  kamb.  khaürh,  siäm.  «at,  chin.  so.    KayoM 

\  ^nclüine,  vgl.  liimi.  gahan,  ghan.     lao  compter, 

ItieDg  tat»  errathrn.    Kloo  cervelle  (kamb.  kkuör  Hini, 

Khi  condre  (=  ssi),  vgl,  annam.  c/i)  Fa<leii,  Stietig 

^tri«k,   kamb.  rhes  Pndeu.    hJis9  Strick.     Kedako  cräne 

I  Kftrbin    f-  akok  Kopf?).     Kali,  keli  bite.  fiel  {palik 

p).     Ktaitou  creuser  (mal  ^ali  graben  +  lou.   vgl.  mal. 

^.  iMbuk  Ucb).    i^ott  Kobold,  Teufel  ist  wohl  kamb. 

Leicho.    Stieng    kömuoch.     Eakaakhan    Taille    de 

I  (vgl.  kamb.  sreca  Schuppe).     Kleumarrat  uuii    (vgl. 

,  Üo  ti«f>ibrte  •\-   matial   tiebeu  im  BalmarVI.     Kloon 

V  (vgl.  Stieng  kl&n  tief?).    Koltian  aiiie;  hol  ^  annam. 

pobn,   welche»   auch    im    ätieng  nnd  Khmer  vorbanden 

I  Uan  etwa  ^  annam.  dimh  Namen  V    Khangan  tner 

I  ^  ran   oder   urang   und   kuh   in    Boden    werfen? 

•jaion  ^  A;an//      Klotalati  Mark  der  Knocben  ans  kto 

I  und   tahn    Knochen,  wie  im  Kliincr  Ichuör  kabal  Hini 

lAwüc  A:nonr/  ch/uihtg  Mark.     Kluokui/ann  sv  moipier  de 

Inu  kä  uranfi  .illii^r  Jemand  btcljeu*.    Käsen  mouchoir 

mb.  eGnurng.    Kimata  pauptere  |8t,ii^>ig  /n  Opn 

,  Drflcker,  '»ler  &Ji  =  kalik  Haut?),     fat 


450        Sitzung  der  phüosrphüol.  Glosse  vom  1.  Märt  1890, 

(vergl.  Stieng  kötoh  Zitze).  Kalisck  Lunge  (»s  iouk)  aus  kali 
Haut  und  soh  =  Stieng  nsoh  Lunge  (kamb.  9uSt).  Als  ver- 
schiedene Affenarten  sind  vermerkt:  lotion  semnopith^ue, 
bac  may  des  Annamites,  krabeult  (!  von  kra  Affe)  =  aimd 
gioc  und  krale  seninop.  eakou  (letzteres  auch  &&=  „pangolin', 
welches  wohl  richtiger  bonioul  heisst).  Kaiieum  sourcil  ^^  > 
Stieng  kSchöm^  kamb.  anchöm^  chenchom  {chom  umringen?). 
Kiaohi  (khieuktna)  table  (vgl.  annam.  gUiöng  Bett);  kiao 
ist  wohl  =  k^yaUf  kayau,  zu  dem  zweiten  Ausdrucke  vgl. 
kamb.  khniö  Becken.  Kegak  tigre  mangeur  d^hommes  (vgl. 
klah  Tiger  bei  den  Stieng  usw.).  Le  jeune  (Stieng  rih 
lebendig,  frisch?).  Lahi  panier  =  kamb.  Idey,  leey^  meit^ 
knouktiouk  boucher  (vgl.  tenouklo  bouchon,  worin  tenavk 
=  kamb.  chhfiSk.  Meu  =  mö  Zeitwort  bildender  Vorsatx, 
knouJc  =  tenouk^  tiouk  =  Tscham  duk  hineinstecken).  Malah 
dessous  =  fMÖ  -}-  alä^  motmgno  dessus  =  möng  -{-  ngdk^ 
mana  de  van  t  =  mö  -f-  anak,  Massat  em  brasser  {wo  + 
arab.  'asaq  Liebe V);  djis  ächte  Tscham-Wort  ist  sonst  (^m. 
Mehouhla  endurer  (1.  enivrer?  möhuk  alak  betrunken?). 
Meuhou  palais  de  la  bouche  (vergi.  nwhü  iä  durstig  sein?). 
Nao  tiou  chasser  =  nao  tyap,  Nohlei  marche  =  naoblei 
„kaufen  gehn**  (tow!?).  Oueu  percer  =  wök  zurückkommen? 
Naktieun  können  =  nyajp  jiSang  reussir  a  faire  (s.  Ay monier, 
gramni.  chame  S.  52).  Naohrat  bestehlen  =  nao  -f-  (Khmer 
prät  trennen  =  bängrat).  Pamoumata  Augapfel  {jmmou 
=■  Khmer  khmäu  schwarz?  +  ^>i(ita  Auge).  Poutakou  strafen 
(kamb.  predäu  oi  cwörV).  Pogean  Jäger  =  kamb.  prian. 
Paneht  kurz  {pa  -j-  anek?)^  mal.  petidek?,  Pohplak  Ziegen- 
melker, mal.  bebcrek.  Pakt,,  pahn  niessen.  Padih  taka 
Krätze  (padifi  -f-  tak  +  garaw?).  Polt  mm  sich  neigen 
=  poh  -\-  ßük  (auch  koh  meu),  Raori  traurig  ==  annam. 
ro-rui  Unglück?.  Ssi  (=  khi)  nähen  (Stieng ^*iw  dgl.,  Bahn. 
sit,  mal.  jaib,  jait).  Semou  seht  Famih'e  ==  sa  amu  sa  kon?. 
Sammw,  sagticu  matrice,  uterus.    Stiwun  moliet  (Wade,  vgl. 


Bmiy:   Uebrr  dtn   Worttrschtiti  der   Tacham-Sprar^it.        451 

5  jo*tg.  kainb.  ckunff  Bau).    Snbai  aicli   Irenen  =:  «skr. 

Srtntn  achnarcben.   Tanktga  Uebernchwemmung  (a!<kr. 

mga^).     Tralah  unwisHend  =  di  /tadah?.    Toung  Magen 

(8J*m»aR  tohomfi    Bauch?).     Takoh  Backstein.     Tolrei  naoh 

JifWrbielea.      Tamavtiea  tanzen.      Tirigo  Besienbogeo    (ia,  dak 

ftivng  kao  in  kaoklat   Wetterleuchten  0  !=  troh    (Stieng 

tlitnmel,  Lnft,  uniinm.  (röi¥).     Tulattkahap.  Utlanpaga. 

Schiilterl>latt  =  t»lang   ■\-  (Orang   Beniia  kapwth 

!hnlt«r,  Stiens  })iilik,  'IVham  und  Bugi  palak  HHndHiir.hp, 

_Sohle?).*>    Taptiilam  Uiieiistroli  (uml.  tl<pi  Snite,  a(^  Stroh- 

L,-f  »ang'O.    Theugapa  Hose  =  titow  ka  phä?   , halten 

iBtMnkel"?.     Tiatda  pemique  tOraukopf?  ja  +  iuhd?). 

lwi«Ken  (/AoK)  halten  V).     Tiadian  tagnvtt  klaner  Finger 

ufiCTi^  bt-i  Bastian  {.)'i -\- jyötig7).    Taokapao  vielleicht 

iuu  kä  habar  o'i.     Tokkadan  schweigen  =  dok  +  Ka- 

Tvniuap  Thiil  =  kiimb.  tomniap  Niederung  von  tiap 

TiondreitmoHtt   Art  Schlange    (senopeltii«  nnieolor), 

^ieng   chön  rifun  ff    Uaiifie.     Talaha   sieb   erbrechen    (ta 

itf?).     Tahaivv   alt*'ra   =  tnhä   alt  -f-  iök   aebn.      Fti» 

^t  (Tgl.  mal.  fcu/it  Abschaum).     £h^   Fleisch  =  ralow. 


Poo  dm  nächsten  Verwandten  der  Tscbam  sind  nameut- 
lehtenHWcrth  die  Trao-Lay,  welche  nebenden  Tscham 
von  Pbn-Yen  wohnen  (s.  Neis  und  Septsns, 
t  ttur  uno  excunion  faite  chez  lea  MüYh  und  Rapport 
I  Toyafte  d'expluration  aux  source^  du  UongnaT  in  Ex- 
«et  RecoDtiaissutices  1881 — 2).  Die  Zahlwörter  stimmen 
ist  Bberein:  1  sah,  2  doua,  ä  claou,  4  pa,  'i  Imou,  (i  vame, 
^  dediou.  H  ttüahane,  0  sarbane,  10  laprou,  20  doua  }trou, 
lardou  (=  xtd  ratuk,  wie  fa^ou  =^  ■*'«  ^«A).  /.rft« 
I  ist  lakÜ,  eramai  femuie  =  kam^i   mit  der  weitver- 

,  bra  (vgl.  Bahr,  kürjiarn  Kllliogeu?), 


452        Sitzung  der  phüoa.'pküol,  Clasae  vom  1,  Märß  1890, 

breiteten  Einschiebung  des  r,  cramat  dodah  fille  =  kiimii  ' 
dard?^  amou  pere  ==  amö,  ami  mdre  =  mik^  mda  en&nt  i 
vgl.  Vorsatz  to?,  coh  tete  =  akok^  miah  oeil  =  motd^  doung  | 
nez  =  adung^  tiäbouiJle  bouche  =  öaßwdö  Schnabel,  iigouiüe 
oreille  =  tiniu  bei  Bastian,  tagot  dent  =  takoat,  ia  eau  = 
»d,  ia  crowig  riviöre  =  id  krong,  iarrei  soleil  =  td  Aoret, 
tarr^*  a^o  est  =  tiarei  tagdk,  iarrei  a  ma  ouest  =  harei 
(-f-  Stieng  mau  Abend,  oder  ma  rechts,  wenn  ago  >=  agio 
links?),  ia  blann  lune  =  id  bälan,  are  deniain  =  harei 
hadei?^  boughi  matin  =  page^  pakao  tabac  =  bakaw^  loid 
riz  ==  la^ei,  tapäi  biere  de  riz  =  mal.  tapai^  tiam  lö  beta 
=  thyam  Id  {lö  eigentlich  .sehr"),  bah  lö  bon  (vgl.  Stioig 
sambah  grfüssen,  auch  im  Khmer  und  im  Malaiischen)  s: 
Trao  paka^  tao  comprendre  =  thau^  gante  voir  (vgl.  kamb. 
thir  beaufsichtigen,  gan  Vorsatz?),  nao  marcher  =z  itoo, 
mioune  boire  =  mömim,  di  dormir  =  diA,  wa  manger 
=  hwak. 

An  der  Grenze  von  Kanh-hoa  finden  sich  Dörfer,  die 
fast  zu  gleichen  T heilen  von  Tschani  und  Trao  bewohnt 
sind.  Weiter  nach  dem  Innern  nimmt  der  Einfluss  des 
Malaiischen  von  Stufe  zu  Stufe  ab.  Die  Trao  behaupten, 
vor  den  Tschani  das  Land  innegehabt  zu  haben.  Die  eigent- 
liche Trao-Spraclie  (s.  a.  a.  0.)  zeigt  namentlich  nahe  Ver- 
wandtschaft mit  dem  Stieng,  wie  u.  A.  die  Zahlwörter  (ausser 
1  dxnine)  2  bare^  '^  bair,  4  boan,  5  prnme,  6  prao,  7  jf^oÄ, 
8  pahm,  9  sine^  10  diotte,  100  dourienne  beweisen.  Auf- 
fallend sind  von  malaiischen  Anklängen  niatagJiai  lip  für 
^ Osten**,  matayhm  niop  Westen  (Stieng  nhap  untergehn) 
neben  matt  Auge  und  taghao  Tag,  Sonne  (vgl.  mal.  mata 
ari),  rbou  Büffel  (mit  abgefsilleneni  A-a?),  dourhou  1000  aus 
du,  dun  +  rbou  =  rihu,  nion  trink(?n  (tscham  mönum)  vom 
lieisbier  neben  out  vom  Wasser,  bapanr  bois  =  papan  Brett? 
Zum  Tscham  besonders  stimmt  tapa  droit  (=  fapak)^  oh 
nicht    nei)en   oh  di    (==  tscham    di-o),     Pao    fusil,    welches 


Himly:  üeber  den  Wörterschatz  der  Tscham-Sprache.       453 

a.  a.  0.  für  ein  Tschamwort  erklärt  ist,  wird  wohl  chine- 
sischen Ursprungs  sein.  Andere  Wörter,  wie  crcü  oranger, 
sim  oiseaa  finden  sich  ebenfalls  sowohl  im  Stieng  als  im 
Tscham  wieder  (Tscham  kröd  und  Hm,  Stieng  kruich  und 
cham).  Saponne  Kupfer  kommt  als  apan  auch  im  Tscham 
bei  Morice  vor  (kamb.  spon),  Ki  „Baum*  ist  wohl  verwandt 
mit  ann.  cäy,  Takoi  hinten  nach  ist  wohl  =  Stieng  dköi^ 
käi  mit  vorgesetztem  ta.  Out  trinken  (Wasser  da)  ist  dem 
Stieng-Worte  uon  wohl  zu  unähnlich,  niou  dgl.  vom  Reis- 
bier (mom)  erinnert  an  Tscham  möhum,  Paka  gut  s.  o. 
Trao-Lay  &aA.  Apagne  jagen  (Tscham  amal\  kamb.  hanh 
schiessen?).  Der  Ausdruck  Lo  fQr  nChinese"  entspricht 
dem  Low  der  Tscham,  Youne  für  Annamer  dem  Ywön  bei 
Letzteren  (vgl.  die  Lao  und  die  Lo-Lo  des  südlichen  China's). 
Bofh  Elefant  ist  ==  ruXh  im  Stieng;  ähnlich  lauten  die 
Aasdrücke  der  Hüei,  Eat,  Suk,  Bahnar  und  Proon  nach 
Kühnes  Beiträgen  S.  211.  Concerr  Kind  (kon-ser)  vgl. 
Stieng  kdn  Kind,  kön-sar  Ringfinger,  sarläu  Gatte  (worin 
wahrscheinlich  Idu  =  klau  Mann,  sar  also  das  eheliche 
Verhältniss  ausdrückend).  Oh  mi  Freund,  oh  di  mi  Feind, 
di  ja,  aune^  oh,  oh  di  =  «pas  oui* ;  oh  und  oh  di  =^  6  und 
di-d  im  Tscham  (di  im  Stieng  =  einzig  »doch*  auffordernd). 
Bou  bit  .Norden*,  diong-diong  , Süden**  sind  dunkel.  Da- 
goudaü  Teich  erinnert  an  Stieng  dak  Wasser  und  dal  stützen, 
festhalten.  Sremann  Stern  ist  Stieng  sömenh.  I  sein  (Stieng 
ja).  Loh  machen,  thun  =  Stieng  loh.  Lott  gehn  =  Stieng 
luh.  Loh  müde  (Stieng  Idk  schlafen,  lol  müde).  Pägne 
Weibchen  =  Stieng  bang.  Hourrou  bao  Ehefrau,  Stieng 
vr  Frau,  tdbdu  Beischlaf.  Loih  Eisen  (vgl.  siäm.  lek).  — 
Hougne  Feuer  =  Stieng  unh,  uinh. 

Weiter  nach  Norden  sind  es  z.  B.  die  Sue,  welche  hier 
in  Betracht  kommen ;  indessen  hat  sich  nur  das  Stieng  einer 
eingehenderen  Betrachtung  bisher  zu  erfreuen  gehabt  (vgl. 
Kuhn,  Beiträge,  Azemar,  Dictionnaire  Stieng  und  Garnier  in 

189a  Philo«.-phUoL  n.  bist  Ol.  3.  30 


454        Sitiung  der  philw.-i'Mnl.  Clanne  vom  l.  Märt  ISüO. 

den  seinem  Reisewerke  angehän^n  Wortvprgleichntigen). 
[m  Siie  Rtimmt  ai  .älterer  Bruder"  =  ai,  ti  knaik  vgl. 
Tscham  püÖik  mit  dem  Tacbam  mehr  oder  weni(^'r  Ulwreiii. 
Ueber  rhpon  Kupfer,  ckrong  Bambus  s.  o.  Vielleicht  gehören 
auch  tea  Vogel  mid  kleng  Arm  hierher. 

Es  wird  sich  wohl  mit  der  Zeit,  immer  mehr  heraus- 
dtelien,  danK  das  Auiiamische  sich  frOh/eitig  vom  nion-atinam- 
iachen  Stamme  getrennt  hat  und  daits  die  westlichen  Zweige 
desselben,  je  mehr  sie  sich  nach  Süden  erstreckten,  Ver- 
bindungen mit  den  malaiischen  Ureinwobnern  eingingen,  bis 
tiie  im  Pulle  det^  Tscham  und  seiner  Genosiscn  die  Zahlwörter 
und  eine  Unzahl  anderer  mit  malaüs^chen  ÄusdrOcken  ver- 
tauschten, so  äasa  sie  beinah  ein  malaiisches  Ansehn  bekamen. 


Ausser  den  oben  angeführten  Werken  von  Landes, 
Äymonier,  Monra,  Knbn  nnd  Daatian  standen  mir 
(grossentbeils  durch  die  Unterstlltzuug  von  Seiten  der  Uiblio- 
thek  der  üentschen  Morgt^nländi^clien  tJesellschaft  und  der 
— —  KBnlylrchEn  Bibliothek  in  Berlin)  n,  Ä.  noch  folgende  xur 
Verfügung : 

Pallegoix,  Dictionariura  ünguae  Thai. 

Hasnell,    liranunatieal    notes    and    vocabultiry    of   ib'' 

Fegiian  language. 
Äymonier,  Dictionnaire  khmer-fran^is. 
Aynionier,  Uictionnaire  frai)9ai<;-canibodgien. 
Mrjura,    Dictionnaire    canihodgien-fran^-ais    et    fran^ais- 

cambodgien. 
A.  des  Michek,  Fetit  dictionnaire  pratiqtie  i^  l'usagv  dm 

elötes  des  conrs  d'annamite. 
A/^mar,  Dictionnaire  Stienp. 
Mattheit,  Makiissuantch-hoUundsch  woordenboek. 
Miitthes,  Buegine<^'Scb-hullHudKch  woordeulKM-'k. 


Ilimtif:   Urbcr  rltn    Wörterschnli  der   TKchnm-SprMhe,        4&5 

Gabelentz,  Grauiuiatik  der  Dajak- Sprache. 

van  der  Tunk,  Tobascbe  gpraakkunat,. 

Hoorda,  Javaansch-nederduitsch  woordenboek, 
ferner  einzelne  in  den  in  Kuhn's  Beiträgen  Renannten  Zeit- 
schriften zerstreute  Arbeiten.  Während  des  Druckes  wnrde 
mir  durch  gütige  Vermittelung  des  Herrn  Professor  Kuhn 
noch  die  Geniigthnimg  zu  Theil,  das  soeben  von  der  MGncbener 
Hof-  und  Staatsbibliothek  angeschaffte  Wörterbuch  der  Bahnar- 
sprafhe  von  Douriaboure  (Dictionnaire  balinar-fran^'ais.  Hitng- 
kong  1889.)  für  einige  Wochen  benutzen  zu  können,  wwfdr 
ich  demselben  (wie  auch  für  sonstige  Beihilfe  mannichfacher 
Art)  noth  zu  besonderem  Danke  verpflichtet  bin.  TheilweiM 
konnten  hierdurch  die  obigen  Wortvergteicbungen  noch 
paasend  ergänict  werden.  Neben  buchstäblichen  l'eberein- 
sttTumnngeu,  wie  alah  faul,  finden  sich  manche,  die  nieiit 
kHiim  einen  Zweifel  (Ihrig  lassen,  wie  atath  fem  =  atah, 
höjap  dauerhaft  =  kajap,  uih  zurückkouiinen  =  wvk,  kötnlö 
^jtterer  ='  kam  low  stumm,  khav  Zeug,  roh  Zahlausdriick 
für  längliche  Dinge  (vgl,  rak  jalan),  gäp  fest  schnüren, 
Sföfiäp  Schnnr  (vgl.  ffjfop  und  ganyöp),  der  Vorsatz  pö  (nach 
Dourisboure  =  pöm  machen)  =^  pn  (Mon  pa  thiiii),  toi, 
atol  hängen  =  attvöl.  ajttn  Sänfte,  Hängematte  =  aytin, 
dah  rascli  ^  dnih,  ake  Hnni  ^  dak6,  anati  nennen  (vgl. 
afiffan),  anong  tragen  {mng-ttonfj),  bat  reden  =  ptvöf,  hlah 
(Zahlansdruck),  l'öbuvg  Giebel,  Gipfel  =  p&bmig.  fMang 
Bett  =  {■a«öng,  (öpet  kneifen,  tasten  {vgl.  fiap^i),  ium  küssen, 
berflhren  (vgl.  Ötim),  dal  bis  =^  löl,  dönau  Teich  =s  datiao, 
gösoh  fifieieu  fvgl.  ka^ah),  kod  zitf«rn  (vgl.  hwöi  fürchten), 
högÖr  Trommel  ^=  hagar,  sölih  (fiölih,  pUh)  tauschen  =  mliii, 
hörok  Buseh  (_vgl.  ftarSk),  höli  nach,  hinter  ^=  hadei,  gömik 
itu  üeberfluss,  jmuk  reich  {Icönuk),  jönap  glücklich  (vgl. 
ganiip),  jwi,  jn5  Dank  -lemand  ^  ywä  (s.  Aymunier.  Grum- 
maire  eliame  S.  7(1),  khan  »agen  =  akluin  er/.ählenV  (vgl. 
kal  in  äalukaVi),  ködoh  ICimle,  li^iut.  (von  doh  platzenV)  = 


456        Sitzung  der  phüos.'phücl.  Classe  vom  1.  März  1890, 

kaduh^  ködü  Rücken  (vgl.  kaduk)^  könal  wiedererkennen 
(auch  malaiisch)  =  kanal^  tru,  kötöp  Taube  =  kairüw^  kräng 
Fluss,  lak  schälen  «=  lok^  manät  bemitleiden,  lieben  ==  anit^ 
mon  Neffe,  Nichte  =  kamwön^  mölau  erröthen,  pöge  Morgen 
=  page^  klaih  entkommen  =  klah^  pöley  Dorf  =  paM, 
pönän  Schale  =  pängin^  prah  schiessen  =  pärah  schleudern, 
röih  kriechen  =  rtvoy^  röya  Fluth,  Wellen  =  rayaky  römd 
Rind  =  lämoWy  töh  herausnehmen  =  /oA,  toh  giessen  =  tuh^ 
töpey  jöring  pain  de  cire  (vgl.  tap^i  Kuchen),  töpöl  Schaar 
(vgl.  dapwöl)^  tüi  gehorchen  (vgl.  twei). 


457 


Der  Classensekretär  legt  einen  Aufsatz  des  Herrn 
Emil  Schlagintweit  vor: 

, Bericht  über  das  Denkmal  für  Adolf  Schlag- 
intweit   in   Easchgar". 

Durch  die  wichtige  Vermittlung  der  königlich  bayer- 
ischen Gesandtschaft  zu  St.  Petersburg^)  gingen  mir  Aus- 
fertigungen zweier  amtlicher  Berichte  zu,  welche  der  kaiserlich 
russische  Konsul  zu  Easchgar,  Herr  Nicolai  Feodorowitsch 
Petrowski,  an  die  Asiatische  Abteilung  im  Auswärtigen  Amte 
zu  St.  Petersburg  über  die  am  3./ 15.  Juni  1889  erfolgte 
Vollendung  des  Denkmals  dortselbst  für  meinen  Bruder  zu 
erstatten  hatte.  Eine  Zuschrift  des  Herrn  Missionars  Hendriks 
Ton  der  Gesellschaft  Jesu,  Vorstand  der  Station  in  Easchgar, 
vom  28.  Dezember  1889  (9.  Januar  1890)  schildert  sodann 
die  Einweihungsfeierlichkeit  des  Platzes  für  das  Denkmal. 

Die  Nachrichten  über  den  Todestag  Adolfs  stellte  noch 
mein  Bruder  Hermann  zusammen.*)  Ueber  die  politischen 
Ereignisse  in  Turkistan  zur  Zeit  der  Tötung  von  Adolf 
brachten  seither  die  Mitglieder  der  englischen  Mission  unter 


1)  £8  sei  mir  gestattet,  dem  kgl.  Oesaodten  Freiherm  von 
Qasser,  Excellenz,  meinen  Dank  für  seine  viel£Eu;hen  Bemühungen 
wiederholt  auszusprechen. 

2)  Sitiungsberichte  der  k.  b.  Akademie  der  Wissenschaften^ 
math.-pb78.  Classe  1869,  S.  181. 


458         Sitzung  der  phüoa.'phüol.  Clasae  vom  1,  Mars  1890, 

Sir  T.  Douglas  Forsyth^)  Ealenderangaben;  ebenso  sind  die 
Tagebücher  und  Zeichnungen^)  Adolfs  vollständig  gesammelt 
und  geordnet.  Im  Einzelnen  liegen  jetzt  folgende  ergän- 
zende Angaben  über  die  letzten  Lebenstage  und  die  um- 
stände des  Todes  von  Adolf  vor. 

Den  Auftrag  zur  Tötung  hatte  Wali  Khan  gegeben; 
er  war  ein  Nachkomme  von  Hazrat  Afak,  einem  Khokandi, 
der  als  Khodscha  oder  Heiliger  im  17.  Jahrhundert  seiner  Fa- 
milie die  Macht  in  Easchgar  verschafft  hatte.')  1759  werden 
die  Chinesen  Herren  von  Easchgar.  Im  laufenden  Jahrhun- 
dert gelingt  den  Mitgliedern  der  Eodscha-Familie  viermal 
der  Versuch,  diese  Provinz  China  wieder  zu  entreissen; 
sie  wurden  aber  jedesmal  nach  Verlauf  weniger  Monate 
in  ihr  Heimatland  Ehokand  zurückgetrieben.  Wali  Ehan 
beteiligte  sich  am  Einfall  von  1845,  wiederholte  ihn  als 
Führer  in  den  Jahren  1855—56  vergeblich,  hatte  dann  1857 
Erfolg.  Sein  Einzug  in  die  Altstadt  Easchgar  erfolgte  am 
17.  Mai  1857 ,  die  Neustadt  wurde  von  den  Chinesen  ge- 
halten und  gelang  Wali  Ehan  die  Einnahme  während  der 
115  Tage  seiner  Herrschaft  nicht. 

Als  Adolf  aus  seinem  Versteck  in  den  Eilianbergen  am 
4.  August  in  die  Ebene  hinabstieg,  hatten  die  Chinesen  in 
den  nördlichen  Provinzstädten  die  Herrschaft  Wali  Eh  ans 
bereits  beseitigt.  Nach  den  übereinstimmenden  Aussagen  der 
Diener  Adolfs  und  der  Führer  indischer  Handelskarawanen, 
die  mit  ihm  zusammentrafen,  kam  Adolf  in  Yarkand  an,  als 

1)  Report  of  a  Mission  to  Yarkand  in  1873  (Calcutta  1875). 

2)  Die  letzte  uns  zugekommene  Zeichnung  Adolfs  trägt  das 
Datum  des  24.  Juli  1857  und  ist  als  Holzschnitt  in  Band  4  S.  262 
der  ,  Reisen  in  Indien  und  Hochasien **  wiedergegeben. 

3)  Dr.  Bellew,  in  Forsyth  Mission,  p.  173  ff.  —  Khodscha,  auf 
Fersisch  Khwadscha  zurückzufüliren,  ist  im  nordwestlichen  Pandschab 
Titel  geworden  „of  one  who  has  found  salvation".  D.  Ch.  J.  Ibbetson, 
Report  on  the  Census  of  the  Pai^jab,  taken  on  the  17  th  of  February 
1881.     Vol.  I  para  599  p.  319. 


E.  SMagifUweit:  Denkmal  für  Adolf  Schlagintweit  in  Kaschgar,  459 

die  Chinesen  zum  Angriff  gegen  die  Kodschas  übergingen 
und  reiste  sofort  weiter.^)  Adolfs  Tagebuch  reicht  nicht  bis 
Tarkand,  sondern  hört  am  11.  August  mit  dem  Eintrag  auf: 
.Kargalik,  Abgang". 

Die  vorhergehenden  Tageseinträge  lauten: 
9.  August:  Ankunft  in  Eargalik. 
10.        .         Halt. 

Nach  den  —  bereits  angezogenen  —  Angaben  der  Diener 
wurde  Adolf  in  Eargalik  drei  Tage  aufgehalten  durch  Hadschi 
Miaser,  den  Ortsvorstand;  Adolf  hatte  seine  Hilfe  angerufen 
g^en  Pferdediebe  und  dieser  hinwieder  Hess  sich  von  Adolf 
an  einer  Säbelwunde  behandeln.  In  ganz  anderer  Weise  als 
die  Diener  schildert  die  Vorgänge  seit  Abgang  aus  dem 
Lager  bei  Eilian  der  Earawanenführer  Eattah  Ali  Schah') 
aus  Yarkand.  Eattah  hatte  einen  Waarentransport  nach 
Indien  Qbernommen ,  wurde  aber  vom  Hadschi  an  der 
Weiterreise  gehindert  und  war  bereits  vier  Wochen  in  Ge- 
wahrsam gehalten  gewesen,  als  Adolfs  Abgeordnete  beim 
Hadschi  eintrafen.  Nach  der  Aussage  dieses  Händlers  wurde 
Adolf  vom  Hadschi  als  Gefangener  behandelt  und  schliess- 
lich dem  Oberbeamten  in  Yarkand  zugeführt.  Adolf  selbst 
sah  die  Lage  sehr  ernst  an  und  beauftragte  Eattah,  der 
wegen  seiner  Eenntnis  des  Hindostani  bei  der  Unterredung 
mit  dem  Hadschi  als  Dolmetscher  beigezogen  war,  von  seiner 
Gefangensetzung,  die  zu  seiner  Tötung  führen  könne,  in 
Indien  Eenntnis  zu  geben.  Schon  den  englischen  Beamten, 
welche  die  Angaben  der  Diener  zu  Protokoll  nahmen,  war 
aufgefallen,  dass  sie  den  Hadschi  als  Gönner  von  Adolf  hin- 
stellen; aus  dem  Inhalt  des  Tagebuches  ist  zu  folgern,  dass 
Adolf  ab  Eargalik  in  der  freien  Bewegung  gehindert  wurde 
und   sich  Verhören    wie   einer   Beaufsichtigung   unterworfen 

1)  Resolts  of  a  scientific  Mission  to  India  and  High-Asia  by 
A.  H.  and  K.  de  Schlagintweit,  Vol.  I  p.  61,  64;  Vol.  II  p.  531. 

2)  Resnlta,  Vol.  I  p.  53. 


460         Sitzung  der  philosrphüol,  Classe  vom  1.  März  1890. 

sah,  die  einer  Gefangennahme  gleichkommen  konnte.  Wäh- 
rend der  ganzen  Reise  yersäamte  nämh'ch  Adolf  niemals, 
Morgens  das  Siedethermometer  aufzustellen  und  die  Ab- 
lesungen daran ,  wie  am  Thermometer ,  genauestens  einzu- 
tragen; konnte  der  Siedepunkt  nicht  erreicht  werden,  so  ist 
durch  eine  Handskizze  die  Temperatur  des  Wassers  und  der 
Stand  der  Scala  veranschaulicht;  Mittags  oder  Abends  ist 
dann  in  dem  als  Kalender  eingerichteten  Abschnitte  des 
Tagebuches  nachgetragen ,  welche  Beobachtungen ,  Zfeich- 
nungen  u.  dgl.  unter  Tags  gemacht  worden  waren.  Diese 
Vollständigkeit  hört  mit  dem  5.  August  auf;  Adolf  war  über 
den  Rilianpass  hinabgestiegen.  Bis  11.  August  ist  noch  tag- 
lich das  Nachtlager  angegeben  und  zwischen  den  Kalender- 
tagen ist  zu  späteren  Nachträgen  Raum  gelassen.  Zu  solchen 
Nachträgen  kam  es  nicht  und  bei  der  Gewissenhaftigkeit, 
die  Adolf  sonst  in  seinen  Aufschreibungen  zeigte,  ist  der 
Mangel  daran  nur  so  zu  erklären,  dass  ihm  sein  Gepäck  vor- 
enthalten  wurde  und  selbst  das  Tagebuch  nicht  mehr  zur 
Hand  war.^)  Einen  Anhaltspunkt  für  diese  Annahme  ge- 
währt, dass  Adolf,  der  wenige  Tage  vorher  noch  sehr  gut 
bei  Kassa  war  und  Kirgisen  Pferde  wie  Lebensmittel  abkaufte, 
die  Vorbereitungen  zur  Aufnahme  eines  Darlehens  triflft. 
Die  Urkunde  ist  vom  19.  Januar  1857,  enthält  weder  Name 
des  Darleihers  noch  Ort  der  Ausstellung,  sondern  ist  eine 
Anweisung,  zahlbar  an  seinen  Diener  Murad.    Dieser  Murad 


1)  Unterm  14.  Juli  trägt  Adolf  ein:  »Ich  wollte  diesen  Tag 
noch  über  den  Kilianpass.  um  Nachrichten  über  die  Revolution  in 
Yarkand  einzuziehen,  von  der  mir  gestern  die  Karawane  erzählte, 
die  erste,  die  ich  seit  Wochen  traf.  In  der  Nähe  des  Passes  kamen 
uns  drei  berittene  Leute  entgegen,  Badakshani,  die  sich  aus  Yarkand 

über  Sandschu  geflüchtet  hatten Die  Leute  nahmen  Nachts 

den  Sattel  nicht  ab  und  schienen  sehr  verdächtig.  Die  ganze  Nacht 
gewacht;  ich  bewachte  die  Badakshi,  sie  mich,  die  Spitzbuben  fürch- 
teten meine  Flinten  und  Pistolen.  Regen,  ohne  Zelt/  Am  15.  Jnli 
nimmt  Adolf  Flussmessungen  vor  und  schreibt  eifrig  Routen-Itinerare! 


E.  SMagintweU :  Denktnai  für  Adolf  SMagintweit  in  Kaschgar.  461 

war  ein  Jude  und  gab  beim  Verhör  über  das  Geschäft  unter 
Vorlage  der  Anweisung  bei  der  englischen  Zahlstelle  in 
Labore  im  Frühjahre  1861  Folgendes  an:  „Ich  hatte  einen 
Geschäftsfreund  Namens  Dada  Boy  in  Tangi  Hissar,  eine 
Stadt  auf  dem  Wege  von  Yarkand  nach  Kaschgar,  die  wir 
zu  berühren  hatten.  Mein  Herr  bedurfte  Geld  und  gab  mir 
diese  Anweisung  auf  10  Tila  (ä  6—7  Rs.  zu  je  2  tA),  da- 
mit Dada  Boy^)  mir  daraufhin  Geld  vorstrecke.  Dada  Boy 
schoss  uns  400  Tangas  vor  und  wurde  ich  ihm  dafür  12  Tilas 
schuldig. ')  Die  Anweisung  händigte  mir  mein  Herr  6  bis 
7  Tage  vor  seinem  Tode  ein*.  Der  Mangel  an  Ueberein- 
stimmung  in  der  Summe  zwischen  Anweisung  und  Darlehen 
zeigt  deutlich,  dass  die  Urkunde  vor  und  nicht  nach  Ab- 
schluss  des  Geschäftes  niedergeschrieben  wurde;  als  Ort  der 
Ausstellung  ergibt  sich  Yarkand,  denn  ein^  Berechnung  an 
der  Hand  der  Angaben  bei  Forsyth  zeigt,  dass  es  am 
19.  August  war,  als  die  Chinesen  in  Yarkand  zum  Kampfe 
schritten,  dessen  Zeuge  Adolf  war. 

Nach  Dr.  Bellew  erfolgte    der  Fall  von 
Kaschgar  am 17.  Mai  1857 

77  Tage   später   rücken    die  Chinesen   in 
Maralbaschi  ein,  d.  i.  am 3.  August 

Wali  Khan  schickt  auf  die  Nachricht  hie- 
Ton  Truppen  nach  Maralbaschi  zur  Vertreibung 


1)  Nach  Murad  ist  Dada  Boy  nach  Hissar  von  Magilon  gezogen. 
Der  Name  ist  nicht  jüdisch,  sondern  Boy  Hlhrt  auf  Bhoi,  Name  der 
Trägerkaste  in  Indien  vom  Himalaya  hinab  bis  Madras;  ans  Bhoi 
wurde  in  Madras  Boy,  die  Bezeichnung  f&r  den  Diener  eines  Euro* 
pAers,  mag  der  Diener  ein  Knabe  oder  ein  bejahrter  Mann  sein.  Vgl. 
N.-W.-Prov.  Gazetteer,  Vol.  VI:  Basti  by  H.  C.  Conybeare  (Allahabad 
1881)  p.  6dl. 

2)  Nach  Forsyth^s  Mission  p.  494  sind  26  Tangas  1  Tila  und 
hatte  letzterer  1878  einen  Wert  von  6  Bs.  12  Annas.  Die  indische 
Regierung  lOete  die  Anweisung  um  140  Bs.  oder  den  doppelten  Be- 
trag der  Summe  ein. 


462  Sitzung  der  philos.-phäoi,  Claase  vom  1.  Märt  1890. 

der  Chinesen.    Die  Reise  dorthin  dauert  7  Tage,^) 

demnach  Eintreffen  dortselbst 10.  August 

Treffen  bei  Maralbaschi;  die  Chinesen  ziehen 
den  Truppen  entgegen  und  treiben  sie  nach  Easch- 
gar  zurück 11.      , 

Marsch  der  Chinesen  nach  Tarkand;  Reise- 
zeit 7  Tage,  Eintreffen  am 18.      , 

Treffen  bei  Yarkand,  Entsatz  der 
eingeschlossenen  Chinesen 19.      , 

(Rast  der  Chinesen   in  Yarkand  10  Tage.) 

Die  Reise  von  Yarkand  nach  Kaschgar  beansprucht 
7  Tage;  Adolf  begab  sich  zu  Wali  Khan  den  Tag  nach 
seiner  Ankunft  und  erhielt  sofort  bei  der  ersten  Unterredung 
den  tötlichen  Streich.  Demnach  berechnet  sich  auch  nach 
diesen  Zeitangaben,  übereinstimmend  mit  der  Mondstellimg 
am  Todestage,  wie  sie  der  Diener  Abdullah  beurkundet,  der 
26.  August  1857  als  der  Tag,  an  welchem  Adolfe  kühner 
Reise  durch  Turkistan  ein  jähes  Ende  bereitet  wurde. 

Zum  Beweis  des  Todes  von  Adolf  wurden  den  indischen 
Behörden  zwei  Menschenschädel  als  solche  von  Adolf  über- 
reicht. Den  einen  Schädel  übergab  Murad  unter  der  Angabe, 
ihn  an  der  Stellung  der  Zähne  erkannt  und  einem  Barbier, 
der  sich  zur  Aufgabe  gestellt  hatte,  die  Schädel  der  Er- 
schlagenen ihren  Angehörigen  zuzustellen,  um  12  Tilas  ab- 
gekauft zu  haben.  Dieser  Schädel  wurde  in  Labore  von 
Aerzten  unternucht;  er  war  gewaltsam  vom  Rumpfe  getrennt, 
aber  hatte  keinem  Europäer  angehört.  Den  zweiten  Schädel 
brachte  Mirza  Abdul  Vadad  mit  dem  Tagebuche  aus  Kasch- 
gar herüber  und  gibt  hiezu  an,  der  Kopf  Adolfs  sei  über 
der  Brücke  aufgehängt  gewesen    und  schliesslich  von   einem 

1)  Die  Ortsentfernungen  sind  dem  Routebook  von  Cpt.  Trotter 
(Forsyth  p.  419)  entnommen  und  können  die  vollste  Zuverlässigkeit 
beannpruclien,  da  Trotter  die  Wege  selbst  zurücklegte. 


4 
I 


E.  SMctgintweit:  Denkmal  für  Adolf  SMagintweit  in  Kaachgar.  463 

Gärtner  unter  einem  Melonen  bäum  bestattet  wurden.  Abdul 
war  8o  vorsichtig,  sich  sowohl  über  den  Schädel  als  den  Er- 
werb des  Tagebuches  eine  Bescheinigung  ausstellen  zu  lassen. 
Bei  genauer  Durchsicht  des  Tagebuches  fand  ich  diese  Be- 
scheinigung auf  der  inneren  Seite  des  Umschlages  in  arabi- 
schen Schrifbzfigen;  ich  sandte  sie  Herrn  Prof.  Dr.  Sachau 
ein,  Direktor  des  Seminars  für  orientalische  Sprachen  in 
Berlin,  und  dieser  hatte  die  Güte,  durch  Herrn  Dz.  Gh.  Ghori, 
Lektor  des  Hindostani  und  Persichen,  eine  Uebersetzung  be- 
sorgen zu  lassen.  Der  Text  ist  Persisch  und  hat  folgenden 
Wortlaut: 

, Meine  Ankunft  in  Kaschgar  erfolgte  am  15.  des  Monats 
ZUkada  1276  =  6.  Juni  1860.  Ich  erhalte  hier  die  Ereig- 
nisse mitgeteilt,  um  sie  mündlich  wiederzugeben,  denn  sie 
können  der  Schrift  nicht  anvertraut  werden. 

In  den  Besitz  des  Schädels  des  erschlagenen  fremden 
Herrn  kam  ich  am  9.  Zilkada  1276  =  30.  Mai  1860. 

Unterschrieben  ist:  S'saleh;  das  beigedruckte  Siegel 
lautet:  Ba-u-d-u-d. 

Das  Schreibbuch  brachte  ich  an  mich  unter  den  grössten 
Zwischenfallen  und  Schwierigkeiten  zu  Kaschgar  am  12.  Scha- 
wal  1276  =  3.  Mai  1860. 

Die  Zahl  der  Blätter,  welche  das  Buch  enthielt,  als  ich 
es  bekam,  war:  beschrieben     92 

blank     19 

im  Ganzen  111 
dazu  zwei  bunte  Blätter  als  Einband  der  Decke.**  ^) 

Beigedruckt  ist  dasselbe  Siegel  Ba-u-d-u-d.  —  Die 
Kalendertage  sind  unter  sich  in  Einklang  gebracht,  wenn 
die  Einträge  mit  Unterschrift  und  Siegel  auf  die  Verkäufer 


1)  Das  Tagebach  ist  jetzt  in  der  k.  Hof-  and  Staatsbibliothek 
onter  der  Beceichnang  «Schlagintweitiana  No.  46**  verwahrt  and  eqt^ 
h&li  88  Seiion,  darunter  7  leer. 


464         Sitzung  der  philos.'phüol,  Cloftse  vom  1.  Märt  1890. 

der  Gegenstände  bezogen  werden,  von  denen  der  vorsichtige 
Mirza  sich  diese  Urkunde  ausstellen  Hess,  während  der  An- 
fang der  ganzen  Schrift  vom  Mirza  selbst  bandelt. 

Der  vom  Mirza  vorgezeigte  Schädel  erwies  sich  eben- 
falls als  der  eines  Eingeborenen.^)  Sir  Douglas  Forsyth  und 
seine  Begleiter  forschten  1873  in  Easchgar  eifrig  nach  dem 
Verbleib  der  Ueberreste  unseres  Bruders;  hienach  erleidet  es 
jetzt  keinen  Zweifel ,  dass  Adolf  das  traurige  Geschick  be- 
schieden war,  mit  seinem  Kopfe  zur  Schädelpyramide  bei- 
zutragen, welche  Wali  Khan  nach  alttatarischer  Sitte  zum 
Wahrzeichen  der  Verdrängung  der  Chinesen  aus  dem  flachen 
Lande  an  der  Eisilbrücke  vor  Alt-Kaschgar  hatte  errichten 
lassen.  Dr.  Bellew's  Bericht  hierüber  lautet:  «Wali  Khan 
war  ein  tief  gesunkener  Wüstling  und  selten  frei  von  der 
berauschenden  Wirkung  seines  Lieblingsgetränkes  Bhang 
(einem  Hanf-Präparate).  Seine  abscheulichen  Grausamkeiten 
und  launischen  Hinrichtungen,  sein  Durst  nach  Blut  und 
seine  unheiligen  Leidenschaften  machten  seine  Herrschaft 
ganz  unerträglich  und  verwandelten  selbst  seine  treuesten 
Parteigänger  in  Gegner.  Der  Schädelhaufen,  den  er  ober- 
halb der  Kisil brücke  am  Ufer  des  Flusses  aufschütten  liess 
und  welchem  in  einem  unglücklichen  Augenblicke  der 
Schädel  des  harmlosen  wissenschaftlichen  Reisen- 
den Schlagintweit  hinzugefügt  wurde,  blieb  Monate 
lang  ein  trauriges  Wahrzeichen  seiner  wilden  Grausamkeiten*. 
Ende  1865  wird  Wali  Khan  selbst  getötet  auf  Befehl  von 
Yakub  Beg,  des  damaligen  Herrschers  über  Kaschgar.  In 
der  Veste  hatte  sich  Buzurg  Khan,  älterer  Bruder  von  Wali 
Khan,  mit  diesem  festgesetzt  und  wollte  sich  zum  Herrscher 
über  Kaschgar  ausrufen;  Yakub  Beg  gewann  die  Besatzung 
und    nach    Uebergabe    der    Veste   Neu-Kaschgar    verbannte 

l)  Resulis,  Vol.  II  p.  529,  584.  544  ^eben  über  diese  Schftdel 
genaue  Auskunft. 


E.  SMagifUweit:  Denkmal  für  Adolf  Schlagintweit  in  Kaachgar.  465 

Takab  Beg  den  Gegen-Padischah  nach  Tibet,  Wali  Khan 
aber  wurde  auf  seinen  Befehl  in  Kaschgar  heimlich  getötet.  ^) 
Das  Denkmal,  das  von  den  russischen  Behörden  unserem 
Bruder  bei  Kaschgar  errichtet  ist,  befindet  sich  auf  dem 
Platze,  auf  welchem  Adolf  sein  Leben  aushauchte;  die 
Schädelpyramide  stand  nördlich  davon  oberhalb  der  Brücke. 
Der   beigegebene  Plan   von   Alt-  und  Neu-Easchgar  ist  im 


Ati    Xafch^cM 


V 


% 


StA  ^2<b^j£*A^»w^ 


N(u  3<a>cf>| 


1)  Fortyth's  Mission  p.  189,  213. 


466         Sitzung  der  phüosrphiJol,  Classe  vom  1,  März  1890. 

Verhältnis  von  1^4  engl.  Zoll  =  3  engl.  Meilen  nach  der 
Karte  von  Captain  Trotter  —  bei  Forsyth  —  gezeichnet  und 
der  Platz,  auf  welchem  die  Schädel  gesammelt  waren,  dann 
der  Platz,  auf  welchem  das  Denkmal  steht,  nach  den  An- 
gaben der  englischen  und  russischen  Behörden  eingetragen. 

unser  Bruder  hat  sich  weder  in  Briefen  noch  durch 
Einträge  in  sein  Tagebuch  darüber  ausgesprochen,  welches 
lelzte  Ziel  er  bei  seiner  Reise  verfolgte;  die  umfangreichen 
Notizen  über  Ehokand  bestätigen  jedoch  die  Aussagen  der 
Diener,  dass  Adolf  mit  Empfehlungsbriefen  dahin  sich  ver- 
sehen hatte  und  Geschenke  an  den  Landesherrn  wie  seine 
Umgebung  mit  sich  führte.  Sehr  treffend  ist  dieser  wich- 
tige Punkt  von  Herrn  Konsul  Petrowski  in  der  Ansprache 
behandelt,  welche  er  bei  der  Besitznahme  und  Einweihung 
des  Platzes  für  das  Denkmal  am  12.  Dezember  1888  an  die 
Zeugen  dieser  feierlichen  Handlung  richtete:^)  »Während 
Wali  Khan  die  Yeste  von  Kaschgar  belagerte,  kam  ein 
europäischer  Reisender  an  mit  Briefen  und  Geschenken  för 
den  Khan  von  Khokand.  Wali  Khan  Hess  sich  den  Frem- 
den vorführen  und  verlangte  Aushändigung  der  Briefe  wie 
Darreichung  der  Geschenke  an  ihn;  der  Reisende  weigerte 
diess,  da  er  beauftragt  sei,  sich  hiemit  zum  Khan  von 
Khokand  zu  begeben.  Darauf  hin  befahl  Wali  Khan,  den 
Fremden  sofort  zu  töteu.  Dem  Andenken  dieses  Reisenden  ist 
das  Denkmal   gewidmet,   dessen  Grundstein  wir  nun   legen*. 

Ich  laase  jetzt  den  Wortlaut  der  amtlichen  Berichte 
folgen,  welche  mir  aus  der  Asiatischen  Abteilung  des  Aus- 
wärtigen Amtes  zu  St.  Petersburg  zugingen  und  spreche  für 
die    wohlwollende   Bescheidung,    welche   meine   Gesuche   um 

1)  Den  Wortlaut  verdanke  ich  Herrn  MiKsionar  Hendriks.  Der 
Feier  wohnte  auch  ein  DeutMcher  hei,  der  Österreich! «che  Forscher 
Herr  Dr.  Josef  Troll ,  der  zu  dieser  Zeit  auf  seiner  grossen  Reise 
durch  Turkistan  in  Kaschgar  weilte. 


E.  SMa^intweit:  Denkmal  für  Adolf  Schlagintweit  in  Kaschgar.  467 

ihre  Mitteilung  seitens  des  Vorstandes  dieser  Abteilung,  des 
kaiserlichen  russischen  Geheimen  Rates  Herren  Sinowieff, 
fanden,  meinen  tiefgefühlten  Dank  aus. 

I. 

Ministeriiun 

dar  answärtigeii  Angelegenheiten. 

Kaiserlich  Russisches 

—  Konsulat  zu  Kaschgar.  — 

Am  18.  Juni  1889. 

No.  629. 

Dem  Herrn  Chef  des  Asiatischen  Departements. 

Aus  meinem  Briefe  vom  10.  Januar  1886  sub  No.  39 
geruhten  Euer  Excellenz  zu  erfahren,  dass  der  Gouverneur 
der  Tsin-Uzian^schen  Provinz  seine  Einwilligung  auf  meine 
Bitte,  den  kleinen  Platz  abzutreten,  auf  dem  der  Eleisende 
Adolf  Schlagintweit  auf  Befehl  des  Wali  Khan  Tora^) 
Khodscha  erschlagen  wurde,  zur  Errichtung  eines  Denkmals 
fQr  diesen  Reisenden  nicht  erteilt  hatte. 

Obgleich  die  Errichtung  eines  Denkmals  und  obendrein 
für  einen  Beisenden  einer  fremden  Macht  in  den  Bereich 
meiner  direkten  Amtspflichten  nicht  gehört,  so  hielt  ich  es 
dennoch  in  Anbetracht  der  ziemlich  groben  Antwort  des 
Staatswfirdenträgers  Li  auf  meine  sehr  höfliche  Bitte  fllr 
notwendig,  gleichzeitig  mit  dem  angeführten  Berichte  an 
Euer  Excellenz  von  diesem  Umstände  auch  unseren  Gesandten 
in  Peking  in  Kenntnis  zu  setzen.  Indem  der  Wirkliche 
Staatsrat  Herr  Kumani  mich  von  der  lebhaften  Teilnahme, 
die  der  deutsche  Gesandte  zu  Peking  an  dieser  Angelegen- 
heit genommen  hatte,  unterrichtete,  übermittelte  er  mir  auch 
eine  Abschrift  des  Briefes  desselben,  in  welchem  Herr  von 
Brandt,  indem  er  mir  seine  aufrichtige  Anerkennung  äussert 


1)  Tora  =  Herr. 


468        Sitzung  der  pfiüosrphüol,  Gasse  vom  1,  Mars  1690, 

und  sich  f&r  die  deutschen  gelehrten  Oesellschafien  das  Recht 
vorbehält,  sich  der  von  mir  unternommenen  Sache  anzu- 
schliessen,  versprach,  sich  der  Zustimmung  der  Chinesischen 
Regierung  zur  Abtretung  des  erwähnten  Platzes  zur  Errich- 
tung eines  Denkmals  zu  versichern. 

Daraufhin  erhielt,  wie  mir  bekannt  wurde,  der  Staats- 
würdenträger Li  eine  für  ihn  nicht  ganz  angenehme  amt- 
liche Zuschrift  aus  dem  Tsuug  li  Tamen  und  die  hiesigen 
Behörden  beeilten  sich  auf  Befehl  von  Li,  den  zur  Errich- 
tung des  Denkmals  erforderlichen  Platz  zur  Verfügung  zu 
stellen.^)  Gleichzeitig  mit  dem  Beginn  der  amtlichen  Kor- 
respondenz spendete  der  Conseil  der  Kaiserlich  Russischen 
Geographischen  Gesellschaft  und  einige  Mitglieder  derselben 
auf  Anregung  des  Gehilfen  ,  des  Vice-Präsidenten  der  Ge- 
sellschaft, des  Geheimrats  Baron  von  Osten-Sacken,  Geld  zur 
Anfertigung  einer  Tafel  ftir  das  Denkmal.  Diese  Tafel  mit 
der  vom  Conseil  der  Gesellschaft  gebilligten  Inschrift  wurde 
mir  auf  Kosten  des  Barons  Osten-Sacken  nach  Kaschgar  zu- 
gestellt. 

Nachdem  ich  mich  dieser  wichtigen  Gegenstände  ver- 
sichert hatte,  nemlich  des  durch  officielle  Zuschrift  der  chine- 
sischen Behörden  abgetretenen  Grundstücks  und  der  Denk- 
malstafel mit  der  von  den  Vertretern  der  Geographischen 
Wissenschaft,  auf  deren  Gebiet  der  verstorbene  Adolf  Schlag- 
intweit  gewirkt  hatte,    gebilligten  Inschrift   schritt   ich    zur 

1)  Im  Jahre  1881  verwilligte  China  dem  Khan  von  Khokand 
gegen  die  Verpflichtung,  Einfälle  der  Angehörigen  der  Rhodscha- 
Familie  in  das  Gebiet  von  Kaschgar  nicht  mehr  zu  unterstützen,  sie 
vielmehr  gegebenen  Falles  sogar  mit  Gewalt  zu  hindern,  das  Recht, 
von  allen  durch  Mohammedaner  eingeführten  Waaren  Zoll  zu  erheben 
und  die  Gerichtsbarkeit  über  alle  fremden  Moslims  durch  seine  eigenen 
Beamten,  deren  es  in  den  Hauptorten  einzusetzen  befugt  war,  auszu- 
üben (Forsyth's  Mission  p.  185).  Eine  Aufhebung  des  Vertrages  ist 
nicht  erfolgt;  Russland  als  Rechtsnachfolger  des  Khans  von  Khokand 
macht  davon  in  zeitgemässer  Anwendung  Gebrauch. 


t  BdilaylnItrnI :  Ihntimil  für  Aihilf  Schlaiiinlvcil  i»  KtiKchiiiir.   4(i!l 

Krriclitung  de*  Dcnkmnls  mif  dem  abgetretenen  l'lntze.    Äiii 
^  Juni   ilieBes  Jahres  (1889)  wurde  das  Denkmal  vollendet. 
[□dem   ich    Euer  EzcelleiiK  hochaclituugsvollRt   darQber 
Bivricht  nntattf,  Iwohre  ich  mich  il<;inael)ien  bei/,iifl)gen : 

a)  eine  Üeschreiliuug  des  PUtxes  und  des  sich  auf  dem- 

Kolben   lii^flnillichitii   Denkmals; 
li)  eine  von  mir  abgenomniene  Photographie  des  Denk- 
mal». 


[plntET)    Hill]    ilfi 


11. 

Beschreibung 

Kii'h   Hilf  ileinst^tlii'ii    WfiDillicben   iH^nktnuli   u 
■bg^t,  wo  der  Iteideml«  Ailoll'  ^i.'}ilii(;iiilweit 
getaut  wurde. 


Üaa  von  der  chinesischen  Regierung  znr  Errichtung  de« 

Denkmals   abgetretene  Stock  Land    piitiiält   de»    Platz,   an( 

welchem  sich  das  Lager  den  Wall   Khan  Tora  Khodacha  be- 

,  m\n  diumr  nach  der  Einnahme  der  Altstadt  (,Kune-Schar) 

Itder  Absicht,  sich  der  Neuen  Stadt  (Yangi -Schar)  za  Ih- 

lektigen,    in   der   die  Chinesen   sich  eingeschlossen  hatten. 

t  Arbeit«-»    v.\n  Ableitung    des  Wassers   von    der  Neustadt 

HafinchtigbL^    .\nf  diesem  Platze  wurde  tu  Wali   Khan  am 

M./2<).  August  der   verstorbene  Schlagintweit  geführt,   der 

»UM  Yarkand   auf   der  Landstrasse   zwischen   Neu-Stadt   und 

jSIt-Stadt   hieher    gekommen    var;   auf   Befahl    Wali    Khan 

i  wurde  Schlagintweit  hier  geU'itet. 

'  t^tMer  I'latz  liegt  fast  in  der  gleichen  Entfernung  v.wiAchen 

1  Ait^Stadt,  etwa  fünf  Werst  von  let/.terpr  entfernt 

[  beBndet  sich  40  m  nach  Ost^-n  ztir  Seite  der  LaiidstniMse, 

['b«de  Htädte  verbindet.     Hinter  diesem   Platxe  tÜeast  der 

n  Kisil-Su  vorüber  und  hinter  diesem  dehnen  sich  anf  einer 

iQbe  die  Kaschgar  Kiuiiiehst  gelegeiien  Ortschaften  iw^. 

t  rUlga-pUlel  d.  lilil  IM    3.  31 


^&i 


H70       autunf  lUr  phaM.-pkanl.  CTiMM  PO«  l.  MSn  l 


E.  Schloffintweit :  Denkmal  für  Adolf  Schi agintweit  in  KuRchgar,  471 

Der  Platz,  auf  welchem  das  Denkmal  steht,  ist  auf  drei 
Seiten  von  Kanälen  umgraben ;  die  vierte  Seite,  in  der  Form 
einer  gebrochenen  Linie,  bildet  eine  naturliche  Abstufung 
scnm  Wiesengrunde  vor  dem  FIuss. 

Die  Raum  Verhältnisse  des  Platzes  sind  folgende: 

a)  auf  der  zur  Landstrasse  parallel  liegenden  Seite  19,8  m; 

b)  auf  der  perpendikulären  und  der  Alt-Stadt  zu- 
nächst liegenden  Seite 13,7  m; 

e)  auf  der  perpendikulären  und  der  Neu-Stadt  zu- 

nSchst  liegenden  Seite 25,7  m; 

d)  auf  der  dem  Flusse  zugewandten  Seite  .  .  .  24,5  m. 
Das  Denkmal  ist  in  der  Mitte  des  Platzes  aufgestellt 
and  besteht  ans  einem  Sockel  und  der  auf  demselben  ruhen- 
den Pyramide  mit  einer  Spitze  in  der  Form  einer  verlängerten 
Halbkugel,  auf  der  ein  eisernes  Kreuz  aufgerichtet  ist.  Der 
Sockel  bildet  einen  Würfel,  dessen  Grundfläche  auf  jeder 
Seite  1,6  m  beträgt  und  dieselbe  Höhe  aufweist.  Die  Höhe 
der  Pyramide  samt  dem  Kreuze  beträgt  4,2  m;  die  Höhe  des 
ganaeen  Denkmals  5,8  m.  An  der  Pyramide,  dicht  über  dem 
Sockel,  in  einer  Vertiefung  ist  zur  Seite  der  Landstrasse 
eine  vergoldete  Kupfertafel  eingesetzt,  ausgeführt  zu  Peters- 
bnig  in  der  Fabrik  Sangalli  unter  Aufsicht  des  Geheimrats 
Baron  Theodor  Romanowitsch  Osten-Sacken  aus  dem  von 
ihm  und  Mitgliedern  der  Kaiserlich  Kussischen  Geographi- 
schen Gesellschaft  gespendeten  Gelde.  Die  Tafel  trägt  in 
erhabenen  Buchstaben  die  vom  Conseil  gebilligte  Inschrift 
folgenden  Inhalts: 

Dem  Reisenden 

Adolf  Schlagintweit 

gefallen  zu  Kaschgar 

als  Opfer  seiner  hohen  Ergebenheit 

für  die  geographische  Wissenschaft 

am   14./26.  August  des  Jahres  1857. 

81* 


472        Sitzung  der  pkihs.-philol.  Chase  vom  1.  März  1890. 

Dieses  Denkmal 
ist  errichtet 
von  dem  russischen  Konsul 
Nicolai   Feodorowitsch   Petrowski 
unter  Mitwirkung  von  Mitgliedern 
der  Kaiserlich  Russischen 
Geographischen  Gesellschaft 
im  Jahre  1887. 
Das  Denkmal  ist  aus  lokal  gebrannten  Ziegeln  quadra- 
tischer Form  erbaut,  die  reihenweise  auf  ihre  Breitseite  auf 
den  Kalk  gestellt  sind  und  auch  mit  lokalem  Kalk  bekleidet. 
Die  Kosten  der  Arbeit  und  des  Materials  zur  Erbauung 
des  Denkmals    belaufen   sich   auf   157  Kredit-Rubel,   einge- 
rechnet die  vom  russischen  Gesandten  zu  Peking,  Wirklichen 
Staatsrat  Kumani,  gespendeten  10  Metallrubel  (ä  3^/4  oM). 
Das  Denkmal  ist  beendet  worden: 

am  3./ 15.  Juni  1889. 
(Gez.)  N.  Petrowski. 

Der  Einweihung  des  Platzes  am  30.  Nov./ 12.  Dez.  1888 
wohnten  bei:  russischerseits  Konsul  N.  F.  Petrowsky,  Sekretär 
Lutsch,  Missionär  Hendriks  (S.J.),  ein  Pole,  Secretariats- 
schreiber  und  Kirchendiener  des  Missionärs,  begleitet  vom 
Dolmetscher  und  von  15  Kosaken,  chinesischerseits  ein  Ver- 
treter des  Taothei  oder  Provinz-Oberbeamten  in  Urumtsi,  der 
Shang-kwen  von  Kaschgar  mit  dem  Dolmetsch  und  der  Diener- 
schaft. Nach  Einsegnung  des  Platzes  durch  Pater  Hendriks 
und  Beendigung  der  beiderseitigen  offiziellen  Ansprachen  trat 
Dr.  Josef  Troll  aus  Wien  vor,  der  im  Gefolge  des  russischen 
Konsuls  erschienen  war  und  sprach  unter  dem  Ausdruck  des 
Dankes  seine  Genugthuung  aus,  ,dass  es  ihm,  der  dieselbe 
Sprache  rede  wie  der  Verstorbene,  vergönnt  sei,  Zeuge  der 
ehrenden  Handlung  zu  sein,  durch  welche  der  Forscher  auch  von 
Seite  der  chinesischen  Nation  gebührend  geehrt  worden  sei*. 


473 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom  1.  Märe  1890. 

Herr  Riezler  hielt  einen  Vortrag: 

«Zur    Geschichte     der    Herrschaft    Waldeck 
(Hohenwaldeck)  in  den  bayerischen  Alpen*. 

Von  den  innerhalb  des  bayerischen  Herzogtums  gelegenen 
weltlichen  reichsunmittelbaren  Gebieten  ist  die  Herrschaft 
Waldeck  (Hohenwaldeck)  in  den  Alpen  als  eines  der  letzten 
mit  dem  bayerischen  Staate  vereinigt  worden.  Erst  1734,  da 
mit  dem  Grafen  Johann  Joseph  Maximilian  Veit  von  Maxi- 
rain der  Mannsstamm  dieses  Hauses  ausstarb,  das  die  alten 
Herren  von  Waldeck  beerbt  hatte,  fiel  die  Herrschaft  laut 
des  1559  abgeschlossenen  Vertrages  dem  Kurhause  Bayern 
za.  Während  die  Reichsunmittelbarkeit  dieses  Territoriums 
eine  ungewöhnlich  junge  ist,  indem  sie  nicht  über  die  letzten 
Jahrzehnte  des  15.  Jahrhunderts  zurückreicht,  können  wir 
seinen  Bestand  als  einheitliches  Hoheitsgebiet  acht  Jahrhun- 
derte hindurch  verfolgen.  Die  Thatsache,  dass  eine  urkund- 
lich znerst  im  11.  Jahrhundert  nachweisbare  Herrschaft  des 
Bistoms  Freising  mit  der  späteren  Herrschaft  Waldeck  iden- 
tisch ist,  ist  schon  dem  gelehrten  Geschichtschreiber  des  Bis- 
tums Freising  ^)  sowie  dem  ältesten  waldeckischen  Historio- 
graphen,  von  Obemberg,  nicht  entgangen,  von  Späteren  aber 


1)  Meichelbeck,  Hist.  Fns.  la,  287. 


474  Sitzung  der  hiatorischen  Classe  vom  1.  Marx  1890. 

wiederum  nicht  beachtet  oder  vielleicht  nicht  anerkannt 
worden.  In  der  That  bedarf  die  Freisinger  Urkunde,  in 
welcher  der  einzige  Beweis  für  diesen  Zusammenhang  liegt, 
erst  einer  näheren  Erläuterung,  wenn  sie  diese  Aufgabe  er- 
füllen soll.  Ich  bringe  dieselbe  (zumal  da  Meichelbecks 
Edition  hier  ausnahmsweise  ein  paar  kleine  Fehler  aufweist) 
nach  der  Aufzeichnung  des  11.  Jahrhunderts^)  neuerdings 
zum  Abdruck,  um  die  nötige  Erklärung  sowie  zur  Ermog- 
lichung  des  Vergleiches  eine  bisher  unedierte  Gränzbeschrei- 
bung  der  Herrschaft  Waldeck  anzureihen.  Der  Nachweis  der 
alten  Zugehörigkeit  des  waldeckischen  Territoriums  zu  Freising 
mus8  vorausgegangen  sein,  wenn  die  eigentümliche  Unsicher- 
heit in  den  späteren  Rechtsverhältnissen  dieses  Gebietes  und 
sein  Uebergang  an  das  Reich  richtig  gewürdigt  werden 
sollen.  Das  Folgende  möge  daher  als  Ergänzung  zu  J.  von 
Obernbergs  1798  verfasster  Geschichte  der  Herrschaft  Wald- 
eck in  Oberbaieru  (Neue  historische  Abhandlungen  d.  baier. 
Ak.  d.  Wiss.  II,  1804)*)  dienen,  sowie  als  Ergänzung  und 
teilweise  Begründung  zu  dem,  was  ich  in  meiner  Geschichte 
Baierns^)  über  die  Herrschaft  Waldeck  und  ihre  Herren  be- 
merkte. Die  fruchtbaren  Forschungen  des  Grafen  Hundt 
über  das  Edelgeschlecht  der  Waldecker  werden  dabei  als 
bekannt  vorausgesetzt. 

1)  F.  40  u.  89  (Hand  des  11.  Jahrhdts.)  der  Noticia  censualium 
mancipiorum  Hpecialiter  ad  oblationem  fratrum  (ecclesiae  Frisingensia 
iiiaioris)  pertinentium,  jetzt  R^ichsarcbiv,  Hochstift  Freising  UI,  A/1 
Nr.  6  (alte  Nr.  190).  Hieraus  bei  Meichelbeck,  Hist.  Fris.  I  b,  Nr.  1266, 
p.  525. 

2)  Dieser  Band  enthält  auch  des  nämlichen  Verfassers  Abhand- 
lung^ von  dem  Chorstifte  Schliers  (verfasst  1788),  die  mit  der  oben- 
genannten in  engem  Zusammenhange  steht.  Die  Urkunde  Bischof  Me- 
ginwards  ist  hier  (S.  48  f.) ,  wie  aus  dem  folgenden  erhellen  dürfte, 
nicht  ganz  zutreffend  aufgefasst. 

8)  Bd.  III,  975—979,  wo  man  auch  Quellen  und  Literatur  ver- 
zeichnet findet. 


Iheilrr:  Xar  Otuch'chle  tifr  flffrsrhnft  W<il,leek  (Hi/hetiir-thteekJ.  47fi 

.Ego  Meginwardiis  doi  gratia  ejiiitcopus  cum  Ottone  ad- 
torailo  meo  (»'^■(lo"^  lugitimo  placito  eiusdem  Oltonie  feci 
inquiri  datnnn  Qcclesi^  mee  in  mia  iidvucatioiie  apuil  Pien- 
cinowa.  Cbo'no,  Ourinch ,  Hartwich,  Waltmati  et  iteruni 
Waltman,  Isingrini,  Liuträt,  Wezil,  Engildie,')  Otachar, 
Adaihnrt,  Uozili,  Piirchitrt,  Liuzili,  Meginhalin,  Iteginperht, 
MeK>nhart.  Liutuni,  Latitpolt,  Waltrich,  Chimipurlil.,  Adti- 
luni,  Kngillieri,  I'urchart,  Mo'tliart,  Azili.  Heginhart,  isti  et 
aLii  «vrviiinl««  et  af^clesi^  itervi  tcroimationem  subscriptani 
cuodixerunt  ^ccleei^  mue  ad  curtiin  Pienzeno'a  pertinenteni 
et  iuxts  preceptuni  meimi  aupradicti  servi  iuramento  con- 
strkti  ratidetii  («rminationem  perai^rantes  et,  iit  hie  scripai- 
mus,  di-iiotuiitea  denionstraveruiit:  Haienperch  totiini  in  cir- 
_etiitu;  inde  intur  fluinina  Manachtialta  et  Stieraha  usque  nd 
■iliDtal;'}  deiude  iteruni  ideni  peragraiiteH  demoiistraverunt 

, ')  de  Hesilintal  sursuiii  iiuta  Slieraha 

M|iie  ad  Rotciipach:  iiide  usque  ad  cacunien  Citulfesecca ; 
üide  usiqae  ad  niedietatem  Maiiachvalte ;  inde  vIbuhi  iuxta 
Manaclivaltn  itsijiie  ad  Uesileiital;  inde  retrorstiin  ii.s<]ue  in 
raha.*)  Iteruni  ideni  ^cl^sif  servi  denotantes  peragratisunt 
.  tenninationeni  aüve  et  montiuu  ad  Slieraie  (sie)  et 
A'fstenhovan  pertiiieutem,  Ateuperch,  Rampercli,  Iloheii- 
terbc  iiMiut:  in  Liu^eiialia;  inde  «uräiun  tisque  in  Ürahu; 
indü  ti»qne  ad  alpee,  qnQ  dJciintiir  Vuldalpe;  inde  Haien- 
perch totiim;  inde  in  'Wtdeppt;;  inde  supru  muntern  Spizy-incb; 
inde  vi»um  iuxtjt  Sliersie  usqne  ad  alpcs,  (jue  dicuntur  Gart^^n; 
tmle  Hupra  niont«m,  qui  dicitur  Hi>benpercli  et  >'iipra  Siiarzin- 
rcb  utH)ue  ad  Abiwincbla.  ^)  Iterum  idem  pragrantes  de- 
ad  cLirtiui  Elbpai:h  siirsnnj  aupra  äuaricenperch 
in    KlbpocheMi^'a;    inde    .snpra   Praitenstein    usque   ad 


1)  Hier  da«  Zekhen  / 
21  t'oKtAhr  4—6  Wurt«  nind  •Im 
L  TOlUtlndlg  sentArt. 


■M  ilberßeBOBeene  iMigv  Kl((ssi)t- 


47<5  Sitzung  der  hiniorisclien  Glosse  vom  1.  Muri  1890, 

Chitenreina;  inde  usqne  ad  Liuzenaha;  inde  Yisum  iuxta 
Liuzeiiaha  usque  ad  Marh»teina;  inde  sureum  usque  ad 
Otliubesinarhsieina.  Quiccjuid  infra  prescriptas  iermina- 
tiones  QcclesiQ  meQ  »ervi  iurameDio  ammoniti  peragrantes 
demonstraveruut  et,  ut  mos  est,  deiiotantes  assigiiaverunt, 
ego  M.  licet  indignus  episcopus  QcclesiQ  me^  episcopali 
banno  ita  coniirmavi,  ut,  si  aliqiia  maior  vel  minor  persona 
quicquani  de  bis  sine  episcopali  concessione  sibi  usurpaverit, 
culpQ  inmuiiitatis^)  episcopali  banno,  nisi  resipiscat,  subiaceat.' 

Bischof  Meginward  von  Freising  regierte  von  1078 
bis  1098.  Der  Freisiiiger  Vogt  Otto  ist  Graf  Otto  II.  von 
8cheiern,  dessen  Tod  nach  den  neuesten  Untersuchungen  des 
Grafen  Hundt-)  nicht  vor  1079,  etwa  um  1080  anzusetzen 
ist.  Für  die  Zeit  unserer  Urkunde  ergibt  sich  daraus  die  Be- 
gränzung:  zwischen  1078  und  1080.  Otto's  Mutter  Haziga  aus 
scheirischem  Stamme,  Witwe  des  Grafen  Hermann  von  KastI, 
hatte  ihrem  zweiten  Gemahl,  Grafen  Otto  I.  von  Scheiern,  die 
Besitzungen  im  Leitzachtal  zugebracht,  welche  ihr  erster 
Gemahl,  von  Willing  an  der  Mangfall  ausgehend,  durch 
Heutungen  erweitert  hatte  und  in  deren  Bereich  sie  um  1077 
die  erste  Kirche  in  Bairischzell,  etwa  zehn  Jahre  später  eine 
zweite  Kirche  nebst  Klösterlein  in  Fischbachau  begründete. 
Der  anschauliche  Bericht  Konrads  von  Scheiern  über  diese 
Okkupationen^)  ist  bekannt  und  gehört  zu  unseren  lehr- 
reichsten Quellen  für  die  Geschichte  der  Ansiedelungen. 

Aus  dieser  Sachlage  ergab  sich  der  Anlass  zur  Aufnahme 
unserer  Gränzbeschreibung.  Der  Vogt  des  Domstifbes,  unter 
dem  die  Vogtei  Pienzenau  stand,  war  im  Osten  zugleich  der 
(iutsnachbar  dieses  bischöflichen  Besitzes  und  seine  Leute 
waren  dort  wohl  noch  vom  Vorgänger  her  im  besten  Zuge, 

1)  Von  gleichzeitiger  Hand  corriffiert  statt:  iniininutis. 

2)  Haverische  Urkuodm  ruh  dorn  11.  u.  12.  Jahrhundert,  S.  34. 

3)  Mun.  Germ.  JScript.  XVII,  615,  61Ü. 


Rieben  Zur  Geschichte  der  Herrschaft  Waldeck  (Hohenwaldeck).  477 

die  Walder  zu  reuten,  das  Land  urbar  zu  machen,  Ansiede- 
lungen und  Besitz  auszubreiten.  Dabei  war  es  zu  Ueber- 
griffen  auf  Kosten  Freisings  gekommen  (damna  ecclesiae 
meae),  die  dem  Bischöfe  rieten,  die  G ranzen  seines  wilden, 
spärlich  bevölkerten  Gebietes  begeben  zu  lassen  und  gericht- 
lich festzustellen.  So  erklärt  es  sich ,  dass  die  Gränzen 
gegen  Osten ,  wo  sie  bedroht  waren ,  genauer  beschrieben 
sind  als  gegen  Westen,  wo  Kloster  Tegemsee  anstiess  und 
der  Gränzzug  nicht  bestritten  war.  Die  Freisinger  Hörigen 
aber,  welche  die  Gränzen  abschritten  und  in  der  herkömm- 
lichen Weise  bezeichneten  (terminationes  peragraverunt  et, 
ut  mos  est,  denotantes  assignaverunt),  scheinen  dies  nicht  in 
einer  zusammenhängenden  Wanderung  vollbracht,  sondern 
in  mehreren  Tagemärschen  ein  bald  kleineres,  bald  grösseres 
StQck  begangen  zu  haben.  Dem  entsprechend  sind  denn 
auch  diese  einzelnen  Stdcke  der  Gränze,  nicht  der  Gränzzug 
zusammenhängend  beschrieben. 

Auch  unter  dieser  Voraussetzung  bleibt  jedoch  die  Be- 
schreibung noch  unverständlich,  wenn  man  die  erste  genannte 
Oertlichkeit  Haienperch,  wie  bisher  geschehen,  auf  Hagen- 
berg bei  Aurach  deutet.  Die  Urkunde  sagt:  Haienperch 
iotum  in  circuitu;  inde  inter  flumina  Manachfialta  et  Slieraha. 
Eis  ist  nicht  abzusehen,  wie  man  von  Hagenberg  bei  Aurach 
sofort  zwischen  die  Flüsse  Mangfall  und  Schlierach  gelangen 
sollte.  Jede  Schwierigkeit  ist  beseitigt,  sowie  man  Haien- 
perch in  der  heutigen  Einöde  Haimberg  südöstlich  von 
Kleinpienzenau  erkennt.  Dieselbe  liegt  ganz  nahe  beim 
Ramsenthai,  wo  die  Gränzbeschreibung  der  Herrschaft  Wald- 
eck beginnt.  Da  das  Gebiet  von  Pienzenau  aus  verwaltet 
wurde,  lag  es  ja  am  nächsten,  auf  dieser  Seite,  im  Norden, 
auch  die  Gränzbeschreibung  zu  beginnen.  Die  historische 
Continuität  macht  sich  auch  darin  geltend,  dass  noch  unter 
waldeckißcher  Herrschaft  der  Galgen  des  Gebietes  im  Ramsen- 
thal,  im  äussersten  Norden  des  lang  von  Norden  nach  Süden 


478  Sitzung  der  historischen  Classe  com  1,  März  1890. 

erstreckten  Gebietes  stand,  weil  die  äusserste  Nordspitze  der 
Herrschaft  ebensowohl  dem  alten  Sitze  der  Obrigkeit,  dem 
Frohnhofe  zu  Pienzenau,  wie  ihren  neuen  Sitzen:  Alten- 
waldeck,  Miesbach,  Wallenburg,  am  nächsten  lag.  Vom 
Hofe  Pieuzenan  aus  wurde  die  Herrschaft  verwaltet  und 
darum  wird  sie  als  Vogtei  Pienzenau  bezeichnet,  aber  Pien- 
zenau  selbst  stand  nicht  unter  freisingischer  Hoheit,^)  aon- 
dem  gehörte  den  Vögten ,  den  Grafen  von  Scheiern.  Der 
Verfasser  des  bayerischen  Stammenbuches  hat  aus  einem 
alten  Scheirer  Fundationsbuche^)  die  Nachricht  geschöpft,  dass 
die  Gräfin  Haziga  in  Pienzenau  Hof  gehalten  habe,  was  in 
unserer  Urkunde  eine  gewisse  Stütze  findet. 

Hesilintal  zwischen  Mangfall  und  Schlierach  kann  nicht 
das  heutige  HessenthaP)  sein,  da  dies  eine  halbe  Stunde 
westlich  von  der  Mangfall  liegt,  sondern  ist  in  einer  jetzt 
abgegangenen  oder  umgenannten  Ansiedlung,  wahrscheinlich 
ganz  nahe  dem  Einfluss  der  Schlierach  in  die  Mangfall,  zu 
suchen.  Die  Gränze  läuft  dann  von  der  Schlierach  hinauf 
bis  Rotenpach,  d.  i.  der  Rettenhach  (den  noch  v.  Obemberg 
das  Rothbächl  nennt  und  an  dem  die  Höfe  Rettenbäck  liegen), 
in  seinem  unteren  Laufe  jetzt  Fehnbach  oder  Fehebach,  und 
zum  Gipfel  Citolfesecca.  Diese  nach  dem  damaligen  Besitzer 
Citolf  genannte  vorspringende  Höhe  ist  unzweifelhaft  der 
Eckerkogel,  wo  auch  die  Höfe:  Hinter- Eck,  Mayer  in  der 
Eck  und  Vorder-Eck   das  Grundwort  des  alten  Namens  be- 


1)  Das  Domstift  besaHH  jedoch  in  Pienzenau  zwei  Höfe,  die  dan 
Freisinger  Salbuch  von  1306  (Reichsarchiv)  p.  99  verzeichnet,  und  in 
Kleinpienzenau  den  Zehnten,  den  ihm  vor  1118  Waldmann  von  Pars- 
bcrg  entrissen  hatte  (s.  die  Urk.  bei  Graf  Hundt,  Edelgeschlecht  der 
Waldecker,  S.  138). 

2)  Hund,  11,  223,  wohl  nach  Konrad  v.  Scheiern  p.  617. 

8)  DieHOH  scheint  v.  Obemberg,  Geschichte  der  Herrschaft  Wald- 
eck, iS.  12  zu  meinen,  wenn  er  bemerkt:  Hesilenthal  ist  ein  bekannter 
Kinödhof  bei  Wall  (von  dem  es  V^  Stunde  nördlich  liegt). 


Uuiltr:  Zur  (IntfiidUf  .irr  Htrrs'Juyfl  Waldeck  ( llob':i-ifald':ekj.  479 

wahrcD.  Von  dort  ziplit  die  liränKo,  wohl  dem  Bach  eiit- 
Ung,  wieder  xnr  Miin^fall  hinunit^r  und,  deren  Laufe  folgend, 
uir  Schlivmch  xurtlck.  Nun  wendet  »ich  die  Reschreibuni; 
nach  t>Bt«n ,  dem  za  Schliers  und  Westenhofen  gehörigen 
Hi'ilieuxtigL*  KU,  wii  in  dem  Weiler  Attenherg  am  Fus»  des 
Bniiit«n?:|)it/c» ,  östlich  von  Ilausham,  der  erste  der  hier  ge- 
nannUn  Namen  erhalten  ist.  Kamperch  ist  der  Rohnberg, 
itin  Ausläufer  duNielbeti  (imch  Oberiilierg  der  BreiteiiWrg) 
wohl  diT  Hübenperch,  Über  den  wir  an  die  Leitzach  geführt 
»cprden.  Weiter  geht  es  in  die  Aurach,  von  dort  das  Ue- 
birge  hinauf  bis  /.ur  Veldalpe,  vielleicht  erhalten  in  der 
liKtiUgen  Wildfcllftlm  am  Fusse  der  Koten  Waud.  Hagen- 
berg (lirr  vordere  und  hintere)  heissen  Teile  des  Berges 
Jägerksmp  sowie  ein  an  ihrem  Fusse  zwiitcheD  Änrach  und 
UeiLtu  lifgeuder  Üof.  Man  kann  jedoch  zweifeln,  ob  sieb 
iu  unserer  Beschreibung  der  Name  nicht  eher  auf  einen  sUd- 
gelegenen  Berg  bezieht.  Hier  im  südlichen  Teile 
p  Gebiets,  wü  auch  heute  die  Natur  keine  anderen  Ausiede- 
aJs  Aliuhütteu  und  .la^dbauser  xuläsüt,  ist  die  Be- 
|kieibung  kurz,  gehalten.  Wldeppe  ^  Waldeppe  ist  die 
ipp,  entweder  der  Bach  oder  di«  noch  heute  so  benannte 
nedlung.  Auf  der  Westseite  läuft  die  tirän/,e  zurück 
ir  den  Spitziiig.  welchen  Namen  der  Spitzingsee  bewahrt. 
Zu  Apiane  'Acil  hiess  auch  die  jetzige  Brecherspitze  Spitzing. 
Garten  weist  wohl  auf  die  Baunigartenschneid  oder  Bauni- 
,  einer  der  folgenden  Bergnamen,  Hohenberg  oder 
lliwimcenberg ,  dürfte  der  alte  Name  des  heutigen  KreuK- 
E  sein.  Von  dort  zieht  die  Gränze  nördlich  weiter  nach 
Abwinlcel  (Ahiwinchla)  bei  Agathaned  an  der  Schlierach. 
Ztiletxt  wendet  sich  die  Bes(.-hreibung  wiederum  nach  Nord- 
,  uach  dem  jetzt  stattlichen  Dorfe  Kllbach.  Nordö.'^tlich 
dieietn  liegen  Berg  und  Gehöfte  Schwarzen  bei^.  Von 
;  bennter  wfnlen  wir  nach  Ellbachau  gewietteji,  das  iu 
t  anf  dem   Aai-  Thal    des  Ellbachs   nördlich    beg ranzenden 


^amsm^Ki 


d 


480  Sitzufig  der  historischen  Classe  f)om  1.  März  1890. 

Höhenzuge  zu  suchen  ist.  Dann  geht  es  über  den  Berg 
Breitenstein  nach  Chitenreina,  dem  schön  gelegenen  Rain, 
d.i.  Waidsaum,  Lichtung  zur  Seite  eines  Waldes,  über  welche 
der  Steig  von  Birkenstein  nach  Geitau  führt  und  wo  das 
alte  Chitanreinisowa,  der  jetzige  Kloohof,  steht.  ^)  Von  dort 
zur  Leitzach  hinunter  und  die  Leitzach  aufwärts  gelangen 
wir  an  den  Ausgangspunkt  bei  Haimberg  zurück,  in  dessen 
nächster  Nachbarschaft  die  Einöde  Markstein  noch  heute 
den  alten  Namen  festhält. 

Dieser  letzte  Teil  der  üränzbeschreibung  von  Ellbach 
an  seheint  aber  nun  der  Annahme,  dass  die  Vogtei  Pien- 
zenau  mit  der  späteren  Herrschaft  Waldeck  zusanimenföllt, 
zu  widersprechen.  Denn  das  Leitzachthal  von  Ellbach  auf- 
wärts, die  Gegend  von  Fischbachau,  die  Abhänge  des  Breiten* 
stein  und  Wendelstein  haben  nie  zur  Herrschaft  Waldeck 
gehört,  sondern  bildeten  unter  herzoglicher  Hoheit  die  schei- 
rische  Hofmark  Fischbachau.  Die  Schwierigkeit  wird  gehoben 
durch  eine  weitere  Freisinger  Urkunde,  die  mit  unserer 
Gränzbeschreibung  in  Zusammenhang  zu  bringen  ist.  Wir 
müssen  annehmen,  dass  der  Zustand,  wie  er  durch  die  recht- 
liche Feststellung  der  Gränze  zwischen  Freising  und  den 
Grafen  von  Scheiern  besiegelt  ward,  die  letzteren  nicht  be- 
friedigte. Während  aber  die  Unzufriedenheit  vor  dem  Da- 
zwischentreten Bischof  Megiiiwards  sich  in  Uebergriffen  Luft 
gemacht  hatte,  führte  nun  die  gräfliche  Familie  durch  einen 
Tauseh  vertrag  in  aller  Form  Rechtens  eine  ihren  Wünschen 
und  Bedürfnissen  besser  entsprechende  Gestaltung  herbei. 
Die  einige  Jahre  später  verwirklichte  Absicht  der  Kloster- 
gründung Fischbachau  mag  bei  diesem  Abkommen  bereits 
mitgewirkt  haben;  Konrad  von  Scheiern  (p.  616,  617),  der 
die  im  folgenden   erwähnte  Urkunde  seiner  Chronik   einver- 

1)  Der  Name  Kittenrain  steht  nicht  auf  den  Karten,  hat  sich 
jedoch  im  Volke  erhalten. 


BietUr:  Zur  Oeschichte  der  Herrschaft  Waldeck  (Hohentcaldeck),  481 

leibt  hat,  nimmt  dies  als  gesichert  an.  Sehr  bald  nach  der 
gerichtlichen  Feststellung  der  Gränze  schloss  nämlich  die 
Grafin  Haziga  mit  dem  Bischöfe  Meginward  einen  Tausch- 
vertrsg,  wonach  sie  dem  Bistum  Freising  ihre  GQter  zu 
Chitanreinisowa  (Kloohof),  Arnoltisowa  (Arnhofen  in  der 
Gemeinde  Holzdolling)  und  Wenga  tibergab,  dagegen  vom 
Bistum  seinen  Bezirk  bei  Fischbachau  und  das  Leitzachthal 
aufwärts  erhielt^)  (terminationem ,  quam  habuit  Frisingensis 
ecclesia  apud  Viscpachisowa  infra  Rotinpach  et  Chlaffintin- 
pach  et  intra  Lucinaha  et  Albiwega  cum  omnibus  rebus  etc.) 
Wiewohl  von  diesen  Bach-  und  Ortsnamen  Rotinpach,  Ghlaf- 
fintinpach^)  und  Albiwega  nur  unsichere  Deutungen  zulassen, 
lässt  sich  kaum  zweifeln,  dass  der  hier  umschriebene,  von 
Freising  abgetretene  Bezirk  an  der  Leitzach  derselbe  ist, 
auf  den  der  letzte  Teil  unserer  Gränzbeschreibung  sich  be- 
zog. Bringt  man  diesen  in  Abrechnung,  so  entspricht,  was 
von  der  Vogtei  Pienzenau  übrig  bleibt,  dem  Gebiete  der 
Herrschaft  Waldeck  mit  Inbegriff  des  Chorstiftes  Schliers, 
nur  dass  in  der  Folge  mit  der  Ausdehnung  des  Almen- 
betriehs  auch  die  Gränzen  im  Hochgebirge  genauer  fixiert 
wurden. 

um  die  Vergleichung  zu  ermöglichen,  I&sse  ich  die 
älteste  Gränzbeschreibung  der  Herrschaft  Waldeck,  die  sich 
erhalten    hat,')    folgen.      Wie    die    Gränzbeschreibung    der 

1)  Die  Urkunde  ist  neuestens  gedruckt  bei  Graf  Hundt,  Baye- 
rische Urkunden  aus  dem  XI.  und  XII.  Jahrhundert,  S.  38,  84. 

2)  Ein  Klafterbach  fliesat  zwischen  dem  Wallberg  und  Setzberg 
in  die  Weissach,  kann  aber  hier  nicht  gemeint  sein.  Bezuglieh  des 
Namens  sei  auf  eine  Bemerkung  Grassauers  (Geschichte  von  Aibling, 
S.  181)  verwiesen :  «Glaferl  ist  noch  ein  in  der  Volkssprache  tagtäg- 
lich vorkommendes  Wort  für  laufendes  Brunnenwasser*  und  auf 
Schmeller-Frommann :  «das  Glaffisl,  der  aus  dem  Köhrbrunnen  flie»- 
tende  Wasserstrang";  I,  971;  vgl.  1826:  Klaffer. 

8)  Aus  dem  Lehen  buch  Jorigs  von  Waldegk  von  1456,  f.  78, 
Beichtarchiv,   Herrschaft  Hohen  waldeck.     Der   Kintrag   scheint   von 


482  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  1.  März  1890. 

Vogtei  Pienzenau  enthält  auch  sie  nur  rein  deutsche  Orts*, 
Berg-  und  Wassemamen.  Es  erklärt  sich  dies  aus  der  ver- 
hältnismässig späten  Besiedelung  den  Gebietes  und  steht  in 
Einklang  mit  den  Ergebnissen  der  fQr  dieses  Gebiet  jüngst 
angestellten  Namensforschung.^)  Zur  Erläuterung  und  Fest- 
stellung zweifelhafter  Oertlichkeiten  sind  heranzuziehen  ein 
Gränzvertrag  zwischen  Tegernsee  und  Ghorherrenstift  Schliers 
von  1385,  welche  bisher  unedierte  Urkunde  nach  dem  Per- 
gamentoriginale im  k.  allgem.  Reichsarchiv  (Schliersee  Chor- 
stifb,  Fasz.  9)  zum  Abdruck  gebracht  werden  soll,  und  die 
den  Schluss  der  Schlierseer  Chronik  bildende  Gränzbeschrei- 
bung  des  Gotteshauses  Schliersee  bei  Oefele,  Script.  I,  385. 

^Vermerckt  die  raärcher  der  herrschaft  und  gerichtz  der 
edeln  und  vesten  herren  von  Waldegk." 

«Item  zfim  ersten  bey  dem  galgen  im  RamsentaP)  und 
von   dem  Ramsental  gen^)  Kogel*)  durch   den   hert*)    (sie) 

dersellien  Hand,  welche  in  dem  LehcnLuehe  Urkunden  v.  1461  (f.  66  v.) 
und  1475  (f.  67)  geschrieben  hat,  und  dürfte  zwischen  1456  und  1460 
zu  Reizen  sein.  Die  Waldeckische  Grenzbeschreibung,  welche  der 
Historische  Verein  von  Oberbayern  unter  seinen  Urkunden  (Nr.  798) 
verwahrt,  ist  eine  Abschrift  des  18.  Jahrhunderts  aus  dieser  Quelle. 
Der  Karte  der  Keichsgnifschaft  Hohenwaldeck,  welche  v.  Obemberg 
seiner  Geschichte  der  Herrschaft  Waldeck  beigegeben  hat,  scheint 
diese  Gränzbeschreibung  zugrunde  gelegt  zu  sein. 

1)  Wessinger,  die  Ortsnamen  des  k.  b.  Bezirksamtes  Miesbach 
in  , Bayerische  Orts-  und  Flusanamen",  1886. 

2)  Kamsenthal  oder  Ransenthal  in  der  Gemeinde  Parsberg  öst- 
lich von  Wallenburg.  Fiir  die  folgenden  Namensdeutungen  reichte 
die  GeneralHtiibskarte,  von  deren  hier  in  Betracht  kommenden  Blättern 
erst  eines:  Tölz  OhI,  in  neuer  Bearbeitung  erschienen  int,  nicht  aus. 
Mehrfache  Nachweise  von  noch  in  Gebrauch  stehenden ,  auf  den 
Kurten  je<loch  nicht  verzeichnot^^n  Namen  verdanke  ich  meinem 
Vetter,  Herrn  Bezirksamtmann  Karl  Kiezler  in  Miesbach. 

3)  gen  —  darnach  von  gleicher  Hand ,  aber  mit  anderer  Tinte 
nachgetragen. 

4)  Kinöde  Kogel. 

5)  Vgl.  dazu  Schmeller-Frommann,  Bayer.  Wörterbuch,  I,  1168 


Hiriler:  Zur  CfKehichlr  ihr  IltrrKhnft  Waldeek  (UnheniealitrrkJ.  -183 

itnd  darnach  ^en  Morehstuin ')  durch  den  hert  und  daraacb 
gen  Riedf^tag*)  durch  den  hert  und  darnach  den  Ried- 
steig*) bis  gvn  Utlinn*)  in  die  pnigW,  damacli  die  Leicz- 
nach  auf  bis  gen  Wern»nilllen°)  in  die  jiruj^k,  darnach  Ju 
die  obern  wöer  bey  dem  Itanpach")  und  von  der  wUer  auf 
in  di'Ji  Raiipergspicz')  und  darnach  das  Awrachegk")  »b 
und  te  Awrach')  durch  den  hert  und  darnach  das  egk 
aaf  in  den  Nagel'")  und  darnach  in  den  Kamp")  und 
darnach  in  da»  Raiichegk")  nnd  darnach  auf  Ober  den 
Tatib«nstain ")  und  umb  hin  in  die  Leniperspergwant '*)  und 
darnach    in    den    KirchsUin'^)    und    darnach    in    das   Peru- 


cchsUtig. 


«■ler:  Halt.  Eine  Vergl«ichUDg  mit  dsr  Gräi]al>e«efarei>>ut)g  v.  1365 
macht  withntcbeinlicli ,  diix8  nu  Iceine  nuJere  [{«deutuiig  tili^:  Wald 
CD  tlpoken  UU 

1)  KiaCkle  Uiirküteia- 

'2}  Von  Kl'><^'>>eilif;er  Hand  corrigierl  a 

31  EinOile  Rinlgusl^'ig. 

41  J<^dlii)|{. 

6)  Wornsmlible. 

B)  il«r  Hobutiach. 

7t  Spiti  lie«  Holinlierp. 

b)  Her  AurauliHtein,  AnilKurpr  iles  KegelsjiiU. 

»)  Thal  und  Weiler  Aurach. 

10)  NiKeUpüx. 

11)  JEgerkamii. 

12)  der  Riinliktipf  iwiai^hcn  .lilf[erkain]i  und  Miosing. 

19}  Felikapf  zwiituheii  Jägerkamp  und  der  Koten  Wand,  deawn 
Name  aocb  in  tiebrunch  int. 

11)  UeliCrt  znr  Wallenburgeralm  am  sildwe«illiuheD  Abhll  der 
HaUia  Wand  (welche  letztere  bereit«  in  Apiani  Beacbrejliuni;  de« 
baroanta*  WaldegceDni»,  Topograph  la  liiiTar.  ed.  v.  Oefele,  Überbayer. 
Acbi*  XXXIX,  77,  80.  eU  .ICj^twnnd'  genannt  wird).  Die  nOrdlicbe 
Heitv  ile*  Leini>erEberghi  (in  der  Sc^blietiieer  Chronik  a.  a.  O.  .l.eiiiper- 
bsit*'  ■tOrxt  in  der  Itiohtung  gegen  Kleinlierenthal  in  dvr  ,Lenijier<- 
bcrgrrwnnd*  ab. 

tA)  AnerrpitBf    Rine    nehr   genaue  GrlUubeaohreibanff 
ii»l)vDwaldrrk    und    der    KInstrr   »i'l'eiri^rlx'n    llofmurk    Il^i 


-       - 


484  Sitzung  der  HintoriRchefi  Ciasse  com  7.  März  1890. 

eck^)  und  darnach  den  KreitzRtain ,  da  der  vier  herren  ge- 
rieht zesammen  stössen."^) 

»Gen  Tegemsee  wertz.* 
„Item  zum  ersten  die  Zwysel,  darnach  das  egk  auf  bis 
auf  die  Hell^),  darnach  auf  den  Rabenstain,  darnach  urab- 
hin  auf  den  Kosskopf,^)  darnach  auf  das  Schönpergeck  und 
darnach  auf  das  Prunnenveichtenegk ,  darnach  auf  den 
Gunczenstain ,  darnach  auf  den  Geigenspicz,^)  darnach  auf 
den   Ehüezagel®)    zu   dem   krewcz,    darnach   bis    zum   ber- 

vom  KircliRtein  bis  zur  Kaiserklause  von  1578  im  Reichsarchiv  (Kl. 
Tegomsee,  Litenilien  Nr.  221)  nennt  folgende  Granzpunkte:  Kircb- 
stoin  —  Claminenstein  —  iiach,  der  hinter  der  Höfen  Hütten  gegen 
den  Seheirischen  Grund  hinabrinnt  —  Dimpflbach  —  auf  den  kleinen 
Durslierg,  der  zwischen  dem  Dimpfl  und  Kaltenhach  liegt  —  Kalten- 
buch  (noch  heute  so,  nördl.  der  Todtengrahenalm)  -  auf  den  grossen 
Dursberg  (Karte:  Duschherg)  —  Todtengraben  (so  noch  heute)  — 
ClauHgraben  (der  bei  der  Kaiserklause  mündet)  —  Krenzstein  l>ei  der 
Kaiserklause. 

1)  Bilreneck  über  der  Elendalm. 

2)  Krouzberg,  noch  heute  die  Grilnze  zwischen  Baiem  und  Tirol. 
Die  vier  Herren,  deren  Gerichte  dort  zusammenstiessen,  sind  Kloster 
Te<^ernsee  im  Westen,  Herrschaft  VValdeck  im  Norden,  die  Herzoge 
von  Haiern-Ingolstadt  und  seit  1147  Baiem-Landshut  im  Süden  als 
lli*rren  des  zum  Gericht  Rattenberg  gehörigen  Brandenberger  Thals, 
endlich  im  Osten  die  Herzoge  von  Baiern-München  als  Herren  des 
Gerichtes  Aucrburg  (oder  Kloster  Scheiern  als  Herr  der  Hofraark 
Fischbachau). 

3)  Dass  hier  nicht  der  Zwieselberg  n.  vom  Planberg,  w.  der 
Langenau,  und  die  n.-w.  davon  liegenden  Hohlenstein-Alm  und  Berg 
zu  verstehen  sind,  zeigt  besonders  die  Granzbeschreibung  von  1386. 
Vielleicht  ist  bei  der  ,Heir  an  ^Hoferhöll*  zu  denken,  welchen 
Namen  heute  eine  tiefe  Sinke  weatl.  vom  Spitzingsee ,  südlich  der 
Bodenschneid  trägt. 

4)  Der  Hosskopf  über  dem  kleinen  Grünsce. 

5)  So  soll  früher  ein  Koj)!'  in  der  Nähe  der  Uaineralm  und  der 
Bodenschneid  geheissen  haben. 

())  Die  Kühzagelalm.  über  welche  ein  VVeg  von  Kottach  nach 
dem  Schliersee  führt. 


;  Zur  Geschichte  der  Herrschaft  Waldeck  (Hohenwaldeck),  4ß5 

hacken^),  darnach  hinauf  bis  auf  Oarteneck'),  darnach  auf 
den  Pan^rien,')  darnach  auf  den  Erewczperg,^)  darnach 
muf  das  egk  auf  der  Gundelalben ,  ^)  darnach  auf  den  Ey- 
beinridel*)  und  darnach  auf  das  egk  auf  den  Därreuperg'') 
und  darnach  auf  den  Schus^)  durch  den  hert  und  darnach 
in  den  Lindenstock  auf  der  eck*)  und  darnach  in  den  Laim- 
graben  und  darnach  bis  in  die  Manigvalt  und  die  Manigvalt 
ab  pis  neben  des  Teuffengraben  bei  dem  purckstal  und  dar- 
nach die  hoch  und  das  geheng  umb  und  umb  her  bis  zu 
dem  galgen/ 

Die  Granzen  gegen  Tegemsee  beschreibt  genauer  der 
folgende,  1385  zwischen  Tegemsee  und  Schliersee  aufge- 
richtete Gränzvertrag. 

,Wir  Gebhart  von  götes  genaden  abt  zu  Tegemse  und 
ich  Oswald  techant  und  gemaincleich  daz  covent  {sie)  da 
selb  veriehen  und  tuen  chunt  o£PenIeich  mit  dem  brief  fuer 
uns  und  fuer  all  unser  nachkoemen  allen  den,  die  in  an  sehent, 
hörnt  oder  lesent,  daz  wir  mit  gäter  bedrachtnuezz  und  nach 


1)  Der  Herhag  ist  ein  Verhau  oder  eine  Einzäunung  an  der 
Gr&nie.  Vgl.  die  Urkunde  Herzog  Albrechts  111.  fon  1446  für  die 
Berggewerkflchaft  zu  Fischbachau :  «von  St.  Margaretben  (Bairischzell) 
bii  an  den  Uerhag  (an  der  Landesgränze)**.  Lori,  Sammlung  des 
baierischen  Bergrechts,  S.  32. 

2)  Vortprung  des  Baumgartenbergs. 

8)  Baumgartenberg,  Baumgartenschneid. 

4)  Kreuzberg. 

5)  Gündelalm. 

6)  Der  Name  ist  noch  in  Gebrauch  (Eiblridl)  fQr  den  höchsten 
Punkt  der  Gflndelalm.  Die  Formen:  Rigel  (s.  fgd.  Seite)  und  Ridel 
wechseln  im  Bayerischen.  So  heisst  das  Schloss  Raunarigl  unterhalb 
Pastau  auch  Rannaridl. 

7)  Ein  Dürrenberg  liegt  etwas  südlich  yon  der  Gündelalm ;  doch 
ist  fraglich,  ob  dieser  gemeint  ist. 

8)  Ober-  und  Unter-Schuss,  Schussberg  und  Sclnui 

9)  Hinter-Eck,  Vorder-Eck,  Mayer  in  der  Eck? 

ISiOi    PUlo^-pUlol.  Q.  hiirt.  Cl.  t. 


486  Sitzung  der  hiatarischen  Glosse  vom  1.  Märe  1890, 

erberger  lawt  (sie)  rat  frewntleich  und  liepleich  verricht, 
verschaiden  und  vertaedingt  seien  mit  dem  erbergen  herm, 
her  Haunsen  dem  Gerolden,    zu  den  zeiten   probst  zu  Sliers, 

o 

und  mit  herrn  Ulreichen  dem  Rawtus^)  (5tc),  techant  daselb, 
und  mit  den  choerhern  dez  capitels  daselb  und  auch  mit  dem 
erbergen  herrn,  her  Gorgen  (sie)  von  Waldeck,  dez  selben 
gotzhaws  vogt,  umb  all  auflauef,  stoezz,  chrieg  oder  miss- 
helung ,  die  wir  von  dez  pirgs  wegen  ,  von  holtz  und  von 
waid  und  wazz  dar  zue  gehoert,  mit  in  gehabt  haben  oder 
si  mit  uens,  mit  sogtam  (sie)  geding,  daz  wir  von  unsers 
gotzhaws  wegen  und  conventz  wegen  vier  erberg  man  dar 
zu  geben  haben  und  die  Chorherren  zu  Sliers  von  iras  gotz- 
haws wegen  auch  vier  erberg  zu  den  unsern  viem  haben 
geben,  die  all  aecht  gelert  aid  hintz  den  heiligen  geswom 
habent,  daz  si  daz  selb  pirg  aus  gen  woelten,  und  daz  auch 
getan  habent,  und  ez  mit  marcken  aus  geslagen  und  ge- 
zaichent  habent,  als  hernach  geschriben  stet.  Ze  dem  ersten 
datz  dem  lindenstock  auf  der  Eck,  von  dem  selben  linden- 
stock  ueber  hin  auf  den  Obernschuzz  durch  den  hert,  von 
dem  hert  hin  auf  den  Eibeinrigel,  ausgenomen  dez  gesuchs*) 
dez  selben  gütz  iiuf  dem  Schnzz,  daz  seinen  gesuch  sol  haben 
mit  holtz  und  mit  waid  in  den  pach.  Ez  ist  auch  gedingt 
worden,  daz  die  vier  gut  Chalttenprnnn  ^)  und  die  zwen  hoef 
auf  der  Eck  und  der  Aenttenloch*)  sullen  im  gesfich  haben 
daz  dem  Schnzz  in  daz  holtz  mit  zawnholtz  und  mit  tache 
ir  notdurft  zu  irn  hawsern  und  zu  irn  veldern  an  gevaerd 
und  sueln  von  dem  holtz  niemant  nichts  hin  geben,  weder 
durich  frewntsohaft  noch  verchawflfen,  und  sol  auch  chainer 

1)  Sonst    Ulrich    der   Reuter    genannt;    vgl.   Oefele,    Script.   I, 
396,  397. 

2)  Weide-  und  Uolzrecht. 

3)  Hof  Kaltenbrunn  am  Tegernsee. 

4)  Ilüfe  Kck  und  Antenlohe,  üdtlicb  von  Uatin. 


ftVrf«-:  Zur  (h-JrJitrJilr  >lir  llerrsehift  WnUhek  fHohrnu^alHtcki.  4»7 

Peftentoeer  laen-t  dbainen  gesflch  haWn  an  'lie  s\;a^  ilnuti  die 
gAt,  aU  si  oben  benent  sind.  Und  die  marich  geiit  dann 
Ti)fi  dirm  Eitirinnrift^l  hin  gureben  anf  auf  den  Chraewtzperg, 
von  d^ni  Chraewtzperg  hin  nuf  den  r'awm|i;arteni  die  alb 
Aa  «elli  Hol  iren  gefiAch  haben  her  ab  in  daz  waKzer  an  ge- 
varrd;  von  di^m  t'awnigHrten  daz  eck  hin  umb  auf  den 
ChwezBKel.  von  dorn  Chwe/agel  hin  aiiff  don  Peittenperch,') 
dax  eck  hin  unib  hintz  auf  die  Farmaneken,  von  der  I-'ar- 
mauckirn*)  da/,  eck  hin  umb  iientz  anf  die  l'aewrn,  al>  der 
lUffwm  ({erehen  hint.«  den  dreinchrafwtKfn,  von  den  drein- 
dirawtxeD  gereheu  hintx  ah  dem  Ilntnstain.*)  von  dem 
Holmtein  daz  selb  eck  hin  auf  hinU  dem  Newenchraewtx, 
von  doni  gdbi^n  Newenchrawt.-/  gerehen  hin  iinih  auf  da?, 
eck  ab  der  Gniensdleiten*)  bin  nmb  auf  Awi  e<!k,  da/,  delb 
eck  hiu  ah  hintz  der  Zwinael  (sie).  Also  waz  zu  der  ge- 
recht«! haut.  Hgent  ist,  m  man  hin  ein  get,  daz  gebort 
fCiüi  ToKeriise,  und  waz  zu  dur  toncken^)  haut  ligenk  ist, 
du  geboert  gen  Sliera,  und  die  marich  nach  de»  hnef»  sa^. 
dia  ^uichent  und  gcinaercbt  soind,  .tuln  alaii  ewigcleicb 
beLeibeD.  Gx  i^t  auch  ze  mercken,  dar.  die  vnr  ven«chriben 
beding  an  dem  brief  staet  und  uniwrprochen  auein  ewigcltiich 
belMbf^n ,  (las  wir,  der  aht  und  die  herren  de?,  coventz  zu 
Tegem«p  noch  ünHi-r  nuchchüemen  noch  amltTs  i<.'mant  von 
I  wegen  bintz  dem  ^itzbaws  au  SHers  noch  hintz  den 

A)  H«at«  Pciiifienberg. 
)  BeoU  Faniiiuliei,  ein  AliuSeck  iwischeo  Oberfirst-  und  Kettea- 
,  tat  entUren  ^'ehSrig.  OKtlich  von  iler  Bodi^nBcbaeid. 
to}  Bllin-(Binii->l«iD(V).  WeidoDerh  bei  der  UntcrfiMalm  an  drrr 


i'4l  Da  die  GHtnfeeleiten  mir  am  Qri'lnsee   unter 
gi'lit  wenl«n  kann,   kann  fiber  J«i  Oriln^nug  vor: 
ilortliin  kaatn  ntn  llweifel  nbwull«».    Kr  nitiiiH  unifl' 
,    B>Ml«iiapiti,   Sultenftrin.   Stllni^iflintr.   Hoxikoiil 
E«)  \mc  mfad.  =  Imk". 


488  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  1,  Märt  1890, 

choerherrn  da  selb  noch  hintz  iren  laewten  und  gfiten  nichs 
{sie)  ze  vordem  noch  ze  sprechen  haben  suellen  von  dez 
vorgenanten  pirgs  wegen.  Bei  der  richttigum  {sie)  und 
taedigen  seind  gewesen:  her  Zachareis  Holnstainer  der  ritter, 
VVernhart  der  Egglinger,  Wolf  hart  der  Hoehenchircher, 
Hanns  der  Saechssenchaemer ,  Hanns  und  Hainreich  baid 
Stoeckel  und  Hainreich  Prant  der  richter  und  andrer  erberger 
laewt  gen&g.  Und  dez  zu  urchuend  und  merem  sicherhait 
geben  wie  vorgenanter  abt  und  covent  zue  Tegernse  dem 
egenaiiten  gotzhaws  zu  Sliers  und  den  choerhem  und  iren 
nachchoemen  da  selb  den  brief  versigelt  mit  uensers  abtes 
und  auch  unsers  coventz  baiden  anhangenden  insigeln.^) 
Daz  ist  geschaehen,  do  man  zalt  von  Cristes  gepuerd  drew- 
zehenhundert   iar   und  darnach  in  dem  fuenfundachtzigosten 

o 

iar  an  sant  Ulreichs  tag  des  bischolfs  zue  Auespurg.'^^) 

Die  Frage,  wie  das  Domstift  Freising  zum  Besitz  dieses 
Gebietes  gekommen,  das  uns  im  11.  Jahrhundert  als  Vogtei 
Pienzenau  begegnet,  lässt  sich  nur  durch  eine  Vermutung 
beantworten ,  der  jedoch  Wahrscheinlichkeit  nicht  fehlen 
dürfte.  Unter  Tassilo  HI.  und  Bischof  Arbeo  zogen  sich 
nämlich  fünf  Brüder,  Adalunc,  Hiltipald,  Kerpalt,  Antoni  und 
Otakir  aus  der  Welt  zurück  (secularia  negotia  deserentes) 
und  gründeten  auf  dem  Erbe  ihrer  Ahnen ,  inmitten  der 
ausgedehnten ,  noch  unbesiedelten  Gegend  des  Schliersees 
(hereditate  nostra  sive  parentum  nostrorum  in  vasta  solitu- 
dine  heremi,  qui  dicitur  Schlierseo)  die  Zelle  und  das  Ora- 
torium in  Westenhofen  am  Schliersee.  ^)  Ein  von  Bischof 
Arbeo    ihnen   vorgesetzter   Vorstand    namens   Perhtcoz   ward 

1)  Beide  Siegel  hängen  an  der  Urkunde. 

2)  1386,  Juli  4. 

3)  Vgl.  V.  Obernberg,  Zur  GeHchichte  der  Kirchen  und  Ort- 
Hchaften  Westenhofen  und  Schliersee;  Oberbayer.  Archiv  II,  281  fgd. 


ft:  Zkt  Gttehirhte.  drr  T1rniich<ifl  ll'u/rfrci  ( tliihrnviddrek).  4**9 

luch  xwei  Jahren  zum  Abte  erwählt  und  im  KloaUr  ilie 
RcgtsI  iil«9t  hl.  Benedict  mngeftihrt.  Die  darOber  aiiageatellte 
Urkunde ')  besa^,  dass  die  Brüder  sich  vollBtäudig  der  Hcrr- 
Kbaft  des  Biaehofs  vou  Freising  unterwarfen:  .deinde  lüiib 
dttjono  tfwiuH  npiMopi  normet  ipsoa  commendavimus  per 
oninta*.  Die«  ist  doch  wohl  dahin  /u  verstehen,  Aa^  die 
fDiif  Klosterjfriinder,  da  sie  ja  dem  weltlichen  Treiben  Lebe- 
wohl «aj^ten ,  auch  ihren  Landbesitz,  dem  Bistum  abtraten. 
(>)S«T  Besitz  ist  null,  wie  es  aclieint,  nicht  vülUtändig  zur 
AnwtattunK  des  neuen  Kloster»  am  Sehliersee  verwendet 
wurden;  ein  Teil  desselben  dürfte  unmittelbar  unter  dem 
Don>:*ttft  geblieben ,  allmählich  durch  Blutungen  erweitert 
uiid  eben  in  der  späteren  Vogtei  PienKeiiau,  dann  Herrschaft 
Waltltfck  zu  suchen  sein. 

Nach  der  Gränzbeschreibung  Biacbuf  Megiuwards  tritt 
iu  den  Z«ugm«Mn  für  die  UolieitHverhältniaie  untres  tie- 
WUm  eine  langdauernde  Lücke  ein,  doch  besteht  kein  Unind 
fttr  di«  Aiiuahuii-,  daas  Freising  im  12.  und  18.  .lahrhiinderl 
dieser  Hiirnwhafl.  entsagt  oder  sie  verloren  habe.  Als  Bischof 
(»to  \.  von  Freiöing  um  1I4I  iin  Stelle  des  in  Verfall  ge- 
ratenen*} Klosters  dos  Chorherrenstift  Schliers  begründete, 
aelietnt  er  es  mit  einem  Teile  jenes  Besitzes,  der  vordem  die 
Vogtai  Pieiizenau  gebildet  hatte,  ausgestattet,  und  die  Vogtei 
d»  Stiftes  den  Herren  von  Waldeck  übertragen  zu  haben. 
Dan  zum  Ghorstifle  Schliers  mehr  gehörte  als  zum  alten 
Klostrr,   IHßst  sich  kaum  bezweifeln,    da   die  Oränzbeschrei- 

[  der  Vogtei  Pienzenau,  aufgenommen  zu  einer  Zeit,  da 


Mdi:tietl>eck.  Kiiit.  Priaiag.  U,  p.  79. 
WobI    nicht  lentort«».     WcaigateiiH  werden  nuub   IIIS  i 
irrwUiDt:    «desia   et   IVatreH  iiijbi  deo  et  at.   Xv>to  iii:itt 
L     Brilogp    *u  Graf  llunill,   Edeltri^arhlecht    ■<■ 
Dam   du   Kloitter   am   Ende    de«   II.  Jahrlmv 
dfe   iirkaDtlliche  Rrwähnunir  einei  iiraepnaittu  l-.| 
Ibeck  llt,  p.  &i'l>  1,'hounrutli  uhruu.  Scliirenii.  l 


400  Sitzung  der  hisiorincf^n  Clasne  vom  1,  Mars  1890. 

(Ihk  ulie  Kloster  noch  bestand ,  besonders  nach  Süden  und 
Osten  auch  Land  uuifasst,  das  später  iin  Bezirke  des  Chor- 
stiftes  lag.  Diese  neue  Dotation  des  Chorstiftes  wird  eben 
aus  dem  Besitz  des  Donistiites  erfolgt  sein,  eine  Auffassung, 
welche  die  von  Wiguleus  v.  Hund  und  v.  Obemberg  (S.  61) 
zugunsten  der  Waldecker  erhobenen  Zweifel  an  der  Gründung 
des  Chorstiftes  durch  Bischof  Otto  zu  zerstreuen  vermag. 

Die  Herren  von  Waldeck,  deren  ältester  schon  in  unserer 
Gränzbeschreibung  beurkundeter  Hausname:  Waldmann,  d.i. 
Ansiedler  im  Walde,  uns  bis  zu  den  Eulturanfängen  dieses 
Gebietes  hinaufgeleitet,  dürften  ihren  Grundbesitz  in  dieser 
Gegend  von  Anfang  an  unter  freisingischer  Hoheit  inne- 
gehabt haben,  wie  sie  denn  auch  im  ganzen  Verlauf  ihrer 
Geschichte  in  den  engsten  Beziehungen  zum  Domstift  und 
als  freisingische  Ministerialen  und  Lehensleute  erscheinen. 
Dass  die  Namen  von  Pastberg  (Parsberg),  Miesbach,  Holen- 
stein (=  Altenwaldeck  bei  Nicklasreut)  und  Waldeck  gleich- 
zeitig oder  der  Reihe  nach  von  Gliedern  einer  und  derselben 
Familie  geführt  wurden,  hat  Graf  Hundt*)  überzeugend  nach- 
gewiesen. 

Von  einer  Bedrohung  der  freisingischen  Herrschaft  durch 
die  Herzoge  von  Bayern  erfahren  wir  zuerst  unter  Ludwig  H., 
der  ja  auf  allen  Seiten  mit  den  Bischöfen  seines  Landes 
territoriale  Händel  ausfoeht.  In  dem  Testamente  dieses 
Fürsten  (1.  Februar  1294)  lautete  die  erste  Verfügung:  ut 
venerabili  episcopo  et  ecclesiae  Frisingensi  super  iusticiam 
restituatnr  castrum  Muespach*)  (Miasbach)  —  nach  der  Neu- 
begründung des  Chorstiftes  Schliers  das  erste  unzweideutige 
Zeugnis  für  den  Fortbestand,  aber  zugleich  auch  die  gefähr- 
liche Bedrohung  der  freisingischen  Herrschaft  um  den  Schlier- 


1)  Pas    Edel^e^chlerht    der   Waldccker    bis    zum    Beginne    des 
XIII.  Jahrhunderts.     Oberbav«r.  Archiv  XXXI. 

2)  Quellen  und  Erörterungen  VI,  33. 


:  Xur  tiftchdiu  .In-  Urrrsth„fl  \Val,ki:k  ( IMit.mvaiAri-.k}.  491 

«m.  I)rr  Herzu(;  hultie  ilmiinuch  dits  Domistifl  in  {HeMeui 
muem  Alpenbesitz  ani^egriäeii  und  der  Btiiy  Mie«bach  und, 
«rie  maii  wo)il  uiintilimeu  diirf,  mit  ihr  (l«r  ganzen  Uerrschaft 
Waldeclc  ^ch  Imuiüclitifit-  F^istJH  bekannt,  Aast  nach  dem 
Spnwbgebraucb  des  Mittelalters  eine  Herrschaft  sehr  häuGg, 
Biui  darf  wohl  sagen:  in  der  Kegel,  nur  als  jene  Burg, 
Sehlütn,  cuetruni  bezeichnet  wird,  wo  die  Obrigkeit  ihren 
Sits  hatte.  Findet  »ich  der  Znsats:  mit  Zubehör,  cum  per- 
tüentüa,  xo  versteht  es  sich  ja  von  selbst,  dass  darunter 
Blich  (lii)  Jurixdiktiun  und  das  etwa  abhängige  Territorium 
inbefrriffea  ist.  Aber  auch,  w»  dieser  <iusat7.  fehlt,  i^t  unter 
mtrom,  wofem  nicht  der  Zusammenhang  diu  eingeschränk- 
ter« Drutnng  fordert,  in  der  Kegel  nicht  nur  das  Hchlosa- 
inbftude.  sondern  auch  die  ganze  vom  8chlo»se  abhängige 
Ranvcbnft  xu  verstehen. 

Ob  die  Herren  von  Waldeck  .«chün  damals  auf  Seite 
4eB  Uerzugs  gegen  den  Bischof  standen,  ist  fraglich,')  sicher 
emolieincn  aiu  dann  in  den  nü^bisten  .Jahr/ebot^u  uU  jeue, 
wehjfa«  das  Stift  in  Keinem  Besitze  bedrohen  mid  schädigen. 
Int  Verlaufe  dieser  Streitigkeiten  wurde  die  Burg  Miesbach, 
duuaki  die  Hauptburg  des  Gebietes,  zerstört,  und  wiewohl 
«in  Viartxvg  von  Vi\2  besagte,  doss  die  Waldecker  es  nicht 
btndaii  dQrfen,  vielmehr  dazu  behilSich  sein  müssen,  wenn 
tüi  Btwhuf  von  Kreising  diesv  Burg  wieder  aufbauen  noUte, 
iat  «in  Wiederaufbau  nie  mehr  erfolgt.  Zum  Ersatz  fUr 
den  Schaden  aber,  den  .Arnold  von  Waldeck  an  der  Burg 
Miiwbach  angerichtet,  trugen  .\rnoIds  Gattin  und  »ein  Hohn 
Frwdricb  1312  dem  Donistift  Freising  .Scbloss  Waldeck* 
nebst  dem  Hofe  zu  Horobach  aX»  Leben  auf.  So  berichtet 
Wiguleoa  Hund  (S.  'Ah'l)  nach  «.-inur  zu  seiner  Zeit  in  Freisirig 
fArliandrncn,   heutzutage  leider  nicht  mehr  auffindbaren   llr- 

1>  Unter  Bicchot  Emiaho  verwultel«  ein  Waldnuknr  f 
[fMB    [Joiiixtin    (Iä9f)}     DKU    ernorbani;    Herracbaft    W4| 
.  IIa.  ().  IIU. 


492  Sitzuntf  der  historischen  Glosse  wm  1.  Mars  1890, 

kiinde.^)  Ihr  Verlust  ist  umsomehr  zu  beklagen,  da  gegen 
die  richtige  Wiedergabe  ihres  Inhaltes  durch  Hund  schwer- 
wiegende Bedenken  bestehen.  Wie  von  Obembei^*)  au^e- 
führt  worden  ist,  spricht  die  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass 
Hund  hier  irrtümlich  Waldeck  statt  Wallenburg  nenne. 
Sicher  ist,  dass  später  nur  Wallenburg  nebst  dem  dabei 
liegenden  Hofe  Hornbach  als  freisingisches  Lehen  erscheint.') 

Die  Urkunde  von  1312  scheint  nun,  soweit  man  ohne 
Kenntnis  ihres  genauen  Wortlautes  urteilen  kann,  den  ersten 
Beweis  dafür  zu  bieten,  dass  die  Lehenshoheit  des  Domstiftes 
Freising  über  die  ganze  Herrschaft  Waldeck  nicht  mehr  be- 
ansprucht wurde  und  dass  an  ihre  Stelle  die  Lehenshokeit 
über  ein  einzelnes  Schloss  und  einen  Hof  getreten  ist. 

Nach  der  Zerstörung  Miesbachs  erscheinen  im  14.  und 
15.  Jahrhundert  Hohen- Waldeck  und  Waidenburg  (Wallen- 


1)  Im  Heicbsarchiv  wurde  vergebens  darnach  gesucht. 

2)  Denkwürdigkeiten  der  Hurgen  Miesbach  und  Waidenberg 
(1831),  S.  9  und  bes.  S.  39.  Auch  Heimbucher,  Gesch.  Miesbachs,  S.  22 
hat  sich  v.  Obembergs  Ansicht  angeschlossen. 

3)  Die  Annotacio  omnium  predioruni  et  redituum  ecclesie  Fri- 
singcnsis,  die  unter  Bischof  Emicho  im  Jahre  1305  von  Georg  von 
Lok  verfasst  wurde  (Reichsarchiv,  Domstift  Freising),  iiihrt  weder 
Wallenburg  noch  Waldeck  oder  einen  Ort  in  der  Herrschaft  auf, 
wiewohl  es  u.  a.  j).  122  f.  das  officium  aquisitorum  cum  Castro  Toel- 
lentz  erwähnt.  —  In  dem  freisingischen  Lehenbuch  v.  1478  (Reichs- 
archiv) finden  sich  dann  bezüglich  Wallenburga  folgende  Einträge 
(f.  213) :  Waidenberg  das  Gschloss  oder  Vest  mit  sambt  dem  Paw- 
hoft",  ruert  zu  Lehen  vom  Stifft;  die  hat  enpfangen  Georg  der  Wald- 
ncker  anno  1423.  —  Anno  1506  hat  Veit  Mcchslrainer  an  stat  seiner 
kindt  das  ychloss  Waiden  werk  und  den  Hornpach  hofstat,  ein  jiurgk- 
stal  zu  Vagen  zu  leben  enpfangen.  —  Anno  1519  Wolf  von  Mechsl- 
rhain  dis  leben  und  andere  zu  Vagen  und  Hornpach.  Waldeck  wird 
in  diesem  Lehenbuche  nicht  aufgefiihrt.  Ebenso  werden  in  einer 
Urkunde  Jörg  Waldeckers  zu  Waidenberg  von  1461  als  Lehen  von 
Freihing  bezeichnet:  die  Feste  Waidenberg  und  der  Bauhof  Horn- 
bach.    (Urkundenband  Hohenwaldeck  im  Reichsarchiv,  f.  62.) 


Siebter:  Zur  Geidüehtt  der  Herrtehaft  Waldeck  fHohenwntdrrk).  493 

bui);)  ak  die  HauptburKen  des  Gebietes^)  und  die  Wobn- 
sttse  seiner  Herren.  Hobenwaldeck  war  wohl  vun  den  Wald- 
eckero  7u  EtDde  des  13.  Jahrhundert  und  dem  Freisinger 
BischofB  zum  Trotz  ffebaut  worden.  1301  niuas  diese  Biir^ 
bereite  gestanden  haben,  da  Henog  Rudolf  in  der  Urkunde 
dieses  Jahres,  worin  er  als  Schiedsrichter  die  in  der  wüld- 
eckiscben  Familie  au^^brochenen  Zerwürfnisse  schichtete, 
die  Bui^n  Wallenbui^  und  Altenwaldeck  erwähnt.^)  Der 
unterscheidende  Zusatz  der  letzteren  zwingt  den  Bestand  einer 
neueren  Burg  Waldeck  vorauszusetzen.  Auch  1312  wird  A  Iten- 
waldeck  urkundlich  unterschieden.  Unter  den  Urkunden  der 
Herrschaft  Hobenwaldeck  liegt  im  KeichsarchiT  eine  Ton 
diesem  Jahre,  August  7.  (nächsten  Tt^  nach  St.  Sixten  Tag; 
TOD  Hundt  a.  a.  0.  ebenfalls  erwähnt),  ein  Vertr^  der  Brüder 
Friedrich ,  Ulrich  und  Wernhard  von  Waldeck  mit  ihrem 
Vetter  Rudolf,  welcher  besagt,  dasa  die  drei  Brüder  mit 
Altenwaldeck  und  dem,  was  daKu  gehört,  nichts  zu 
schaffen  haben  sollen.  Länger  als  höchstens  200  Jahre 
scheint  Hobenwaldeck  nicht  bewohnt  gewesen  zu  sein ,  da 
es  einerseits  jfinger  ist  als  Altenwaldeck,  anderseits  vuti  Apian 
bereits  als  eine  mit  hohen  Bäumen  bestandene  [{uine  ge- 
schildert wird.')     Bei  Teilungen    zwischen  BrOdem,    die   in 

1)  1367,  Sept.  39.,  teilten  die  Brüder  Jör«  nnd  Peter  von  Wuld- 
cck  .die  iwo  Testt  Walldegk  und  Wslldenbercb*  und  einzeln  be- 
Bknnte  OOter.  Bei  dieier  Teilung  (Drk.  im  ReichsarubiT}  erhielt  Jür^ 
n.  a.  anch  ,daii  Barf^tall,  Kenannt  der  SlierBcham*,  Pet<>r  v.  Wald- 
eck  .da«  BnrgBtall,  (genannt  der  Roetenetain',  das  er  wohl  bauen 
durfte.  Die  Lage  dieser  Burget&Ue  bleibt  zweifelbafl.  Die  1326 
iWiedemaniiij  Regesten  8.  168)  genannte  Buig  WachiienKteiii  ver- 
teichnet  Obemberg  auf  seiner  Karte  zwiechen  dem  Nordende  de« 
SchlieTsees  und  der  Uiindelalm. 

2)  ReicbsarcbiT,  Hobenwaldeck,  Urkundenband,  f.  b. 

8)  Topographia  ed.  t.  üefele  (Oberbayer.  Archiv  XXXIX.  79): 
pervetoatae  arcia  niinae  dii-tae  Waldegk,  unde  baronatna  notneu  ao- 
eepiwe  videtur;  intrs  huius  muros  natae  «int  et  eztiten 
e  arboce«. 


18  notneu  ao-  ^ 


494  Sitzung  der  hintoriHchen  Clasw  vom  1,  März  1890. 

der  wiildeckischen  IIaii8ge8chichte  wiederholt  eingetreten  sind, 
nahm  nun  der  eine  Waldeek ,  der  andere  Wallenburg  (so 
13()6),  wie  in  älterer  Zeit  (so  unter  Kaiser  Friedrich  I.)  der 
eine  Alten  waldeck,  der  andere  Miesbach  ^)  genommen  hatte. 
Die  deutsche  Teilungsurkunde  von  1170,  welche  die  zu 
Waldeck  und  Wallenburg  gehörigen  Teile  der  Herrschaft 
in  der  Weise  abgränzt,  d&ss  das  südlich  vom  Chorstifte 
Schliers  liegende  Gebiet  zu  Waldeck,  das  nördliche  zu 
Wallenburg  gehört,  ist  zweifellos  eine  Fälschung,  die  Be- 
gränzung  der  Teile  aber  möglicherweise  aus  Verhält- 
nissen zu  rück  gefolgert,  wie  sie  im  14.  und  15.  Jahrhundert 
zeitweilig  thatsächlich  bestanden. 

Die  Waldecker  waren  aber  nicht  nur  freisingische 
Lehensleute  und  Ministerialen,  sondern  auch  Landsassen  und 
mehrere  derselben  Diener  der  bayerischen  Herzoge.  Von 
diesen  Verhältnissen  ausgehend  und  durch  ihre  wiederholte 
Anrufung  als  Schiedsrichter,  zuweilen  wohl  auch  durch 
streitige  Bisihofswalilen  und  durcli  Sedisvakanzen  in  Freising 
begünstigt,  It'gten  sieli  die  Herzoge  allmählich  eine  8chirm- 
und  Oberholieit  über  die  Herrschaft  bei.  1408  bestätigten  die 
Herzoge  Ernst  und  Willielm  111.  den  Waldeckern  Herrschaft 
und  Gericht  Wallenburg  und  die  Vogtei  zu  Schliers  und 
142()  bestätigte  ihnen  Albrecht  III.  alle  Freiheiten,  die  sie 
von  den  bayerischen  Herzogen  um  das  Gericht  Wallenburg 
und  die  Vogtei  Seh  Hers  hatten.  Albrecht  IV.  hat  dann, 
nachdem  er  die  Vogtei  über  das  Chorherrenstift  Schliers 
erworben,  geradezu  «lie  Gerichtsbarkeit  in  der  Herrschaft  be- 
ans]>rucht,  hat  nielit  nur  djus  mit  der  Stiftsvogtei  zusammen- 
hängende Uichteramt  zu  Schliers  Benedikt  Talheimer  über- 
tragen,*) sondern  auch  das  (iericht  Miesbach  als  herzogliches 

1)  V^l.  <lnif  Hundt.  Wiildeckor,  S.  120. 

2)  Nachdem  Hochi>rarid  »Sandizeller  dein  Kaiser  Kritjdrich  ge- 
klagt, dans  nich  Benedikt  Talheimer  des  Uichteramte.s  zu  Sliers,  das 
zur  Herrsrhaft  Waldeck  gehört,   die  der  Kaiser  Hochpraud  als  heim- 


Biezler:  Zur  Geschichte  der  Herrschaft  Waldeck  (Hohenwcddeck),  495 

behandelt.^)  Dieses  Gericht  Miesbach  ist  unseres  Erachtens 
kein  anderes  als  das  Gericht  der  Herrschaft,  dasselbe,  das 
1408  als  Gericht  Wallenburg  bezeichnet  wird,  sei  es  nun, 
dass  zwischen  1408  und  1424  die  Verlegung  des  Gerichtes 
Yon  Wallenburg  nach  Miesbach  erfolgte,  sei  es,  dass  das 
Gericht  1408  nach  dem  Sitze  der  Herren,  1424  nach  seinem 
eigenen  Sitze  benannt  wird.  In  dem  Schiedspruche  Herzog 
Wilhelms  IH.  von  1424  (Freitag  nach  St.  Veitstag)*)  zwischen 
den  Brüdern  Wernhart  und  Jörg  von  Waldeck  werden  näm- 
lich nur  zwei  Gerichte  erwähnt:  1)  das  Gericht  zu  Schliers 
im  Kloster  und  im  Dorfe,  das  die  Brüder  gemeinsam  inne 
haben  sollen;  2)  das  Marktgericht  zu  Miesbach,  das  sie  auch 
gemeinsam  haben  sollen,  „da  der  Markt  sein  besonderes  Ge- 
richt hat*  (d.  h.  neben  dem  Stiftsvogteigerichte  zu  Schliers). 
Der  Ausdruck  ,  Marktgericht **  ist  nicht  etwa  auf  die  Com- 
petenz  (Marktpolizei),  sondern  wie  bei  „Stadtgericht"  nur 
auf  die  Oertlichkeit  zu  deuten.  In  dem  schiedsrichterlichen 
Spruche  von  1457^)  über  die  Streitigkeiten  zwischen  Frau 
Margarete,  Jörg  Waldeckers  zu  Wallenburg  Wittwe,  und 
Jörg  Wilhelm,  Wolfgang  den  Waldeckem,  Gebrüdern  zu 
Waldeck,  heisst  es:  „von  der  Gerichte  wegen,  sollen  die 
Waldecker  dieselben  mit  Richtern  und  Amtleuten,  die  ihnen 

gefallenes  Reichslehen  verlieben  habe,  ohne  des  Königs  als  rechten 
Lehensherm  Erlaubnis  annehme,  gebietet  der  Kaiser  1490,  27.  Januar, 
aus  Linz  dem  Talheimer  bei  seiner  Ungnade  davon  abzustehen. 
Beichsarchiv,  Herrschaft  Hohenwaldeck. 

1)  Nach  dem  Protokoll  von  1504,  4.  Juli  (Reichsarchiv  a.  a.  0.), 
bat  Albrecht  seinen  Beamten  zu  Aibling,  dem  Pfleger  Veit  von  Maxi- 
rain, dem  Richter  und  dem  Kastner  daselbst,  wiederholt  Befehl  ge- 
geben, sich  in  seinem  Namen  des  Gerichtes  Miesbach  zu 
entschlagen  und  dasselbe  den  Erben  des  Sandisellera  auwaani- 
werten,  worauf  dieselben  die  Unterthanen  dieses  GcnM 
pflicbtungen  gegen  Herzog  Albrecht  ledig  Hessen. 

2)  Urkundenband  im  Reichsarchiv  f.  54. 

3)  A.  a.  0.  f.  92. 


496  Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  1,  Mars  1890, 

schwören,  besetzen  und  entsetzen  und  die  Nutzung,  die  da- 
von  fällt ,  soll  den  Waldeckern  zustehen ,  Frau  Margarete 
soll  keinen  Anspruch  darauf  haben". 

Der  Uebergang  der  Bannleihe  auf  die  Landesherren 
hatte  sich  schon  mit  der  vollen  Ausbildung  der  Landeshoheit 
im  13.  Jahrhundert  vollzogen.  Seitdem  beanspruchten  und 
übten  die  Herzoge  die  Gerichtshoheit  innerhalb  ihres  herzog- 
lichen Gebietes  überall ,  wo  dieselbe  nicht  dem  Reiche  be- 
sonders vorbehalten  war.  Ln  Waldeckischen  aber  dürfte 
einer  Ausdehnung  der  herzoglichen  Gerichtshoheit  lange  Zeit 
die  freisingische  Hoheit  entgegengestanden  sein.  Albrechts  IV. 
Zugriff  ist  wohl  als  Antwort  auf  die  angemassste  Reichs- 
unmittelbarkeit  des  Gebietes  aufzufassen.  Dass  das  Domstift 
Freising  sich  nicht  dagegen  sträubte,  ist  ja  nach  unserer 
Auffassung,  wonach  es  schon  seit  1312  keine  Gerichts-  oder 
Lehensholieit  über  die  Herrschaft  Waldeck  mehr  beanspruchte, 
selbstverständlich.  In  anderen  Fällen  hat  Freising  auch  der 
Widerspruch,  den  es  dem  Umsichgreifen  der  Herzoge  ent- 
gegensetzte, nicht  das  mindeste  genützt.  Arnpeck  klagt, 
wie  es  weder  mit  seinen  verbrieften  Rechtsansprüchen  auf 
die  Herrschaft  Tölz  durchdringen  noch  bei  Ludwig  dem 
{{eichen  seine  Lehenshoheit  ü])er  die  Grafschaft  Moosburg 
zur  Geltung  bringen  konnte.*)  Wenn  es  daher  auf  den 
ersten  Blick  vielleicht  als  wenig  glaubhaft  erscheinen  sollte, 
dass  die  Lehenshoheit  Freisings  über  die  Herrschaft  Wald- 
eck   nur    durch    Verdunklung    des   alten    Rechtsverhältnisses 


1)  Pez,  Thes.  111  c,  279,  451.  Dass  die  PVeisinger  Ansprüche 
ni('ht  unbe^tindet  waren,  lässt  eich  für  Tölz  aus  gedruckten  Urkun- 
den (vgl.  auch  oben  S.  492  Anm.  3)  erweisen;  bezüglich  MoosburgR 
zeigt  Ois  die  Urkunde,  worin  Herzog  Heinrich  (Vorlage  falsch:  Hans) 
1284  von  HiHchof  Emicho  von  Freising  die  Lehen  empfangen  zu  haben 
bezeugt,  welche  die  ohne  Erben  verschiedenen  Grafen  von  Moosbarg 
weiland  von  der  PVeisinger  Kirche  besessen  haben,  (/od.  lat.  Monac. 
97,  f.  161. 


Jlitiler:  Zur  (leschiehU  der  Uerrschaft  Wiüihel:  (Ih^euwiüdfcli).  497 

Diltfr  ilnrch  VerjiUiniiig  verloren  ffegangen  und  zur  Lehens- 
bobeit  Ober  ein  einzelnes  Schlf«s  (Wallenburg)  zuaaruraen- 
^•«cbrunipft  Hei,  ao  vemiu^  der  Hinweis  iiiif  die  in  derselben 
Weis«  eingetretenen  Verluste  von  Tölz  und  vgn  moosburgi- 
Bcbeni  Besitz  untrer  Annahme  wohl  alte  ü  uwabrac  beinlich - 
IcMt  zu  benehmen. 

Was  die  Heichsunmittelbarfeeit  des  Gebieten  betrifft,  so 
DiuM  zunächst  der  Irrtum  berichtigt  werden,  den  Wiede- 
iiuuitM  Hegest  des  bofrichterlichen  Mandut«  vom  7.  Äprit 
1434 '_>  euLhitlt.  Nach  Wiedeinann  hätte  der  kaiserliche 
Uofrkbter  Johann  von  Luiifen  dem  Herzoge  Ernst  von 
Bajr«r>i  belohlen,  Werner  und  Jörg  die  Waldecker,  die  ge- 
freint  nnd  begnadet  sind  von  d<;m  Kaiser,  in  der 
Klage  gegen  den  Burggrafen  Hang  von  LUnetx  vor  sein  Ue- 
rii^t  /.u  fordern.  Die  Urkunde*)  aber  besagt  folgendes: 
(inf  Johann  von  Lujifen,  Liindgraf  zu  Stflhlingen.  schreibt 
als  Hofrichter  Kai§er  Sigmunds  nn  H<^rüog  Ernst:  Die  Ge- 
brGdvf  und  seine  (Eriists)  Diener  und  Kate  Wernher  und 
Jörg  die  Waldecker  wurden  auf  Klage  des  edlen  Rang  Burg- 
grafen von  Liinetz  vor  dae  kaiäerlicbe  Hofgericht  geladen. 
Darauf  httt  Krnst  wegen  der  Gnade  und  Freiheit,  die 
er  von  römischen  Kaisern  und  Königen  hat,  daas  er 
begnadet  und  gefreit  sei,  gefordert,  dieselben  wieder  vor 
ihn  und  »ein  Gericht  zu  weisen.  Der  kaiserliche  Hofrichter 
gastuttcrt  dies  hiemi^  unter  der  Bedingung,  dass  dem  Kläger 
binneti  sechs  Wochen  und  drei  Tagen  aein  Recht  widerfahre, 
widrigDtifnlls  der  Handel  vor  das  Hofgericht  gezogen  würde. 
Die  Urkunde  ist  aUo  ein  Zeugnis  für  die  Anerkennung  des 
EvokatioDApriritegs  der  bayerischen  Hereoge  und  beweist  filr 
div    WiUdecker    anstatt    der    behaupteten    Heichsfreiheit    im 


1)  Uberbarer.  Archiv  XV.  174. 

3)  WH,  Uittvooh  vor  Miaerk.ordiii  (lomini.  Bejoliiarubiv  i 


498  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  1,  März  1890. 

Gegenteil  nur  ihre  Stellung  als  bayerische  Landsassen.  Erst 
von  1476,  Juni  8.,  ist  das  älteste  Zeugnis  fdr  die  Behand- 
lung Waldecks  als  Reichslehen  (s.  Gesch.  Baierns  III,  977) 
und  von  1483,  April  20.,  der  erste  bekannte  kaiserliche 
Lehensbrief  (für  Georg  Hohenrainer).  ^) 

Obern berg  nimmt  au  (S.  27),  dass  die  Reichsun mittel- 
barkeit der  Herrschaft  Waldeck  durch  einen  Lehensanftrag 
])egründet  wurde.  Vielleicht  ist  aber  hier  auch  der  Umstand 
zu  beachten,  dass  das,  was  nun  als  Reichslehen  erscheint, 
als  Alten  waldeck  bezeichnet  wird.  In  dem  1484,  Don- 
nerstag nach  Keminiscere  (18.  März)  aufgerichteten  Vertrage 
zwischen  Martin  von  Waldeck  und  den  hinterlassenen  Kin- 
dern W^olfgangs  von  Waldeck*)  wird  unterschieden  einer- 
seits Schloss  Wallenburg,  der  Hof  zu  Hornbach,  das  Kammer- 
meisteramt mit  Zubehör,  Mass,  Wag,  Zoll  in  der  Stadt 
Freising,  dies  alles  zu  Lehen  rührend  vom  Bischof  von 
Freising,  anderseits  Alten  waldeck  mit  allem  Zubehör, 
so  Lohen  vom  Reich  ist.  Wohl  mag  hier  die  Nennung 
von  Alten  waldeck  zunächst  dadurch  begründet  sein,  dass  von 
den  beiden  Burgen  W^ildeck  nur  diese  damals  bewohnt, 
Hohen  waldeck  bereits  aufgegeben  war.  Jedenfalls  ist  aber 
zu  l)erücksichtigen,  dius^  Alt(»nwaldeek  bei  Nicklasreut,  die 
ältere  Stammburg  der  Wuldeitker,  ausserhalb  der  freising- 
ischen  Vogtei  Pienzenau  wie  der  Herrschaft  Waldeck  (nach 
deren  liegränzung  um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts)  lag. 
Die  Möglichkeit,  djiss  diese.s  Alten waMeck  mit  seinem  Zube- 
bi)r  von  jeher  Reichslehen  war,  kann  um  so  weniger  be- 
stritten werden,  da  wir  Aibling,  das  von  Altenwaldeck  nur 
zwei  bis  drei  stunden  entfernt  ist,  als  Mittel|»uiikt  eines  ur- 
alten Reichsgebietes  in  diestT  (legend  betracht4»n  dürfen,  zu 
d(»ni  Altenwaldeck  ursprünglii-h  gtdn'irt  haben  mag.    804  wird 

1)  V.  Ohernbor^,'  S.  33. 

2)  Keichsiirchiv,   Ilohenwaldeck,  Fiisz.  8. 


Bietler:  Zur  Geschichte  der  Herrschaft  Waldeck  (Höhenwaideck).  499 

AibÜDg  (Epininga)  urkundlich  als  fiscus  publicus  bezeich- 
net.*) Ludwig  der  Deutsche  hat  im  März  855  mehrere 
Wochen  in  Aibling  Hof  gehalten,  auch  Kaiser  Arnulf  scheint 
dort  geweilt  zu  haben.  Wenn  man  angenommen  hat,^)  dass 
Aibling  dann  durch  Kaiser  Heinrich  II.  an  das  Bistum  Bam- 
berg kam,  so  fehlt  es  hiefür  bis  jetzt  an  einem  Beleg. 
Sicher  ist  nur,  dass  die  Grafen  von  Sulzbach  bambergische 
Lehen  zu  Aibling  (Eyvelinge)  inne  hatten,  deren  freien  Ge- 
nass  nach  dem  Tode  des  Grafen  Gebhard  II.  Kaiser  Fried- 
rich I.  1174  für  sich  und  seine  Söhne  ausbedang.  ^)  Graf 
Sigboto  von  Falkenstein  verwaltete  eine  Vogtei  Aibling,*) 
worunter  eben  diese  Güter  zu  verstehen  sein  werden.  In 
dem  Urbarium  antiquissimum  ducatus  Baiuwariae  erscheint 
dann  das  Amt  zu  Eibelingen  als  herzoglich.^) 

Ist  unsere  Vermutung  richtig,  so  wurde  demnach  1476 
die  Reichslehenbarkeit  von  Alten  waldeck  auf  das  ganze  Ge- 
biet der  Herrschaft  Waldeck  ausgedehnt,  das  ursprünglich 
nicht  Reichsgut,  sondern  freisingisch  war. 

Die  freisingische  Lehenshoheit  über  Wallenburg  aber 
wurde  erst  1523  durch  einen  Tausch  vertrag  zwischen  Bischof 
Philipp  und  Wolfgang  von  Maxirain  als  Besitzer  der  Herr- 
schaft Waldeck  beseitigt.^)  Der  Bischof  machte  Wolfgang 
das  Schloss  Wallenburg  samt  dem  Hofe  zu  Hörgenbach 
(Hombach)  und  allem  Zubehör  aus  einem  Lehen  zu  Eigen, 
wogegen  Wolfgang  sein  Schloss  Maxirain  samt  Zubehör  dem 
Bistum  zu  Lehen  auftrug.  „Nachdem  vor  vielen  Jahren"  — 
so  sagt  der  Bischof  —  »und  ob  menschlichen  Gedenkens 
das  Schloss  Waidenberg  sammt  dem  Hofe  zu  Hörgenbach,  so 


1)  Meichelbeck  Ib,  p.  91,  Nr.  120. 

2)  Grassauer,  Geschiebte  von  Aibling,  S.  170. 

3)  Moritz,  Grafen  von  Sulzbach,  S.  207. 

4)  Codex  Falkenstein,  ed.  Petz  p.  4. 
6)  Mon.  Boic.  XXXVI  a,  67. 

6)  Meichelbeck  II  a,  p.  802. 


Herr  von  Hefner-Alteneck  hielt  einen  Vortrag: 

,Die   Poesie   der  Frau   Minne   in    den  Werken 
der  bildenden  Kunst  des  Mittelalters*. 

Derselbe  ist  nicht  7Air  Veröffentlichung  bestimmt. 


500  SitMung  der  kistorischen  Classe  vom  1,  Mär»  1890, 

dabei  gelegen,  mit  allem  ihrem  Zubehör  von  uns  und  unserem 
Stift  Freising  zu  Lehen  gegangen  und  bis  auf  beut  dato  ^ 
unser  und  desselben  Stiftes  rechtes  Lehengut  gewesen  ist.' 
Der  Tausch  dürfte  der  Absicht  entsprungen  sein,  den  Wider- 
spruch zwischen  thatsachlich  bestehenden  und  rechtlich  be- 
gründeten Verhältnissen,  wie  er  in  der  Herrschaft  Waldeck 
seit  Erklärung  ihrer  Reichsunmittelbarkeit  vorlag,  zu  losen 
und  Collisionen  des  Domstiftes  Freising  mit  dem  Reiche  ent- 
weder zu  beendigen  oder  solchen  vorzubeugen. 


501 


Yerzeiehnfss  der  eingelaufenen  Druckschriften 

Januar  bis  Juni  189<). 


Dia  verehrUehen  Geaellachafton  nnd  Institute,  mit  welchen  unsere  Aksdemie  in 
Tsosehverkehr  steht,  werden  gebeten,  nschstebendes  Veneicbntsssugleiehsls  Empfkngs- 
bestltignng  zu  betrachten.  —  Die  znnlchst  für  die  msth.-pbys.  Olasae  bestimmten 
Dmclischriflen  sind  in  deren  Sitcongsberichten  1890  Heft  III  verzeichnet. 


Von  folgenden  Gesellschaften  nnd  Instituten: 

OeschicfUsverein  in  Aachen: 
Zeitschrift.  Bd.  XI.     1889.    8». 

Südslavische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Agram: 

Rad.  Bd.  97.     1889.    8<>. 

Stamie.  Bd.  21.     1889.    ^. 

Monumenta  hist.  Slayorum  meridionaliuni.  Tom.  19.     1888.    8^. 

Maretic,  Istorija  hryatsko^  pravßpisa.     1889.    8^ 

Geschichts-  und  Alterthumsforschende  Gesellschaft  des  Osterlandes 

in  AUenburg: 

Mittheilungen.  Bd.  10.  Heft  2.     1890.    8®. 

Historischer  Verein  in  An^ach: 
43.  Jahresbericht     1889.    4<*. 

Historischer  Verein  in  Augsburg: 
Zeitschrift.  16.  Jahrgang.     1889.    8^. 

Johns  Hopkins  üniversity  in  Baltimore: 

Studies  in  historical  and  political  Science.  Vll^l*  Series  No.  X— XII. 

1889.    8®. 
The  American  Journal  of  Philologj.  Vol.  X.  No.  2.  8.     1889.    8^^. 
Johns   Hopkins   üniversity   CircuTara.    Vol.  VIII.   No,  7*    ^^1     IX. 

No.  76—80.     1889/90.    4". 

laea  PUBoa-phaoi.  &  bist  oi.  t. 


502  Verzeichniss  der  eingelaufetien  Druckschriften, 

Historische  und  antiquarische  Gesellschaft  in  Basel: 

Beiträge    zur    vaterländischen   GeHcbichte.    N.   F.    Bd.  III.    Heft  2. 

1890     8^ 
Basler  Chroniken.  Bd.  IV.    Leipzig  1890.    S^. 

Universität  in  Batsel: 
Schriften  der  Universität  von  1889/90.    4®  und  8**. 

Genootschap  van  Künsten  en  Wetenschappen  in  Batavia: 

Tijdschrift.  Deel  XXXIII.  aflev.  2-4.     1889.    8«. 

Notulen.    Deel    XX VII.    aflev.   2.   3.    und   Register    zu    1879—1888. 

1889     8^' 
Nederlandsch- Indisch  Plakaatboek  1603—1811      Deel  VI.     1889.    ^, 
De  derde  Javaansche  Successie-Oorlog  (1746 — 56)  door  P.  J.  F.  Louw. 

1889.    8«. 

K,  serbische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Belgrad: 

Glas.  Heft  XIV.  XVm.-XX.     1889/90.    8*». 
Spomenik.  III-V.     1890.    4®. 

K.  Prcussische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin: 

Sitzun)?8berichte     1889    No.    XXXIX— LIII.      Sitzungsberichte    1890 
No.  I— XIX.    gr.  ^, 

Kaiserlich  deutsches  Archäologisches  Institut  in  Berlin: 

Jahrbuch.  Bd.  IV.  Heft  4.  Bd.  V.  Heft  1.     1890.    4«. 
Antike  Denkmäler.  Bd.  I.  Heft  4.     1890.     Fol. 

Verein  für  Geschichte  der  Mark  Brandenburg  in  Berlin: 

Forschungen    zur    Brandenburgischen    und    Preussischen    üeacliichte. 
Bd.  111.  1.  Hälfte.     Leipzig  1890.    S^. 

Universität  in  Bonn: 
Schriften  aus  dem  Jahr  1889.     4^  u.  8^ 

Verein  von  Alter thums freunden  im  Rheinlande  zu  Bonn: 
Jahrbücher.  Heft  88.     1889.     gr.  8«. 

R.  Accademia  delle  scienze  delV  Instituto  di  Bologna: 
Memorie.  Serie  IV.  Tom.  IX.     1888.    4«. 

American  Phüological  Association  in  Boston: 
Transactions.  Vol.  XIX.  XX.     1889.     8«. 

Historisch-statistische  Sektion  der  mahr.-schles.  Ackerbau-Gesellschaft 

in  Brunn: 

Schriften.    Bd.  27.    Chr.   d'Elvert,    Oesterr.    Rechtsgeschichte.    Bd.   1. 
1888.    8«. 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften.  503 

Äcadimie  des  sciences  de  Belgique  in  Brüssel. 

Annuaire.  Ann^  56.     18d0.    8^. 

Bulletin.  8«  Serie,  tora.  18.  No.  12.  tom.  19  No.  1-6.     1889/90.    ^. 

K,  ungarische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Budapest: 
Ungarische  Revue.  1890.  Heft  1—6.    8®. 

Äcademia  Bomana  in  Bukarest: 

Documente  privitöre  la  Istoria  Romanilor.  Suppl.  I.  Vol.  III.  Fase.  2. 
1889.    40. 

Äsiatic  Society  of  Bengal  in  Calcutta: 

Journal.  New  Series.  No.  291—295.    1890.    8^. 
Proceedings  1889.  No.  VII -X.    8«. 

Zeitschrift  „The  Open  Court"  in  Chicago: 

The  Open  Court.    Vol.   ÜI.    No.    117—141.    Vol.    IV.    Nr.    12—15. 
1889/90.    4<>. 

Historisck-antiquarische  Oesellschaft  in  Chur: 
19.  Jahresbericht.    Jahrg.  1889.    &*, 

Universität  in  Czernowite: 
Verzeichnis  der  öffentlichen  Vorlesungen.    Somm.-Sem.  1890.    8^. 

Historischer  Verein  in  Darmstadt: 
Quartalblätter.  1889  No.  1—4.     1889.    8^. 

Verein  für  Anhaltische  Geschichte  in  Dessau: 
Mittheilungen.  Bd.  V.  Heft  3-8.     1888/89.    8^. 

B.  Irish  Academy  in  Dublin: 

Proceedings.  III.  Series.  Vol.  I.  No.  2.     1889.    8®. 
Transactions.  Vol.  XXIX.  part  XII.  XIIl.     1889/90.    4<>. 
Cunningham  Memoirs.  No.  V.     1890.    4^. 

Karl' Friedrich- Gymnasium  in  Eisenach: 

Jahresbericht  für  1889/90  mit  Programm  von  Hugo  Weber.    Quae- 
stiones  Catullianae.     1890.    4^. 

K.  Akademie  gemeinnütziger  Wissenschaften  in  Erfurt: 
Jahrbücher.  N.  F.  Heft  16.     1890.    8®. 

B,  Deputazione  di  storia  paJtria  per  la  Toseana  in  Florenz : 

Documenti  di  storia  italiana.   Vol    IX.    Libro  di  Mt»  ^ 

pubbl.  da  Cesare  Paoli.     1889.    4<>. 


504  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

E,  Istituto  di  studi  superiori  in  Florenz: 

Jfr.  8*. 


Donati  (Girolamo),  Maestri  e  Scolari  neir  India  Brahmanica.    M 


Institut  National  Genivois  in  Genf: 

Bulletin.  Tom.  29.     1889.    8^.  1 

Mömoires.  Tom.  XVII.  1886—1889.     1889.    4^ 

Oberhessiacher  Geschichtsverein  in  Giessen: 
Mittheilungen.  Neue  Folge.  Bd.  IT.     1890.    8».  '^ 

Oberlausitziache  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Cförlitn 

Neues  Lausitziaches  Magazin.    Bd.  65.  Heft  2.  Bd.  66.  Heft  1.    ] 
—90.    8<>. 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Göttingen: 

Gelehrte  Anzeigen.  1889.  No.  22-26.  1890.  No.  1—8.    &\ 
Nachrichten.  1889.  No.  19-21.  1890.  No.  1.  2.    8<». 

Lebensversicherungsbank  für  Deutschland  in  Gotha: 
61.  Rechenschaftsbericht  für  1889.     1890.    4«. 

K.  Instituut  voor  de  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlan 

Indi'e  im  Haag: 

Bijdragen  tot  de  taal-,  land-  en  volkenkunde.  Deel  39.  Aflev.  1.  V.  R€ 
Deel  5.  Aflev.  2.     1890.    8«. 

K.  Holländische  Regierung  im  Haag: 

Nederlandsch-Chineessch  Woordenboek    door  G.   Schlegel.    Deel. 
Aflev.  8.     Leiden  1890.     4^ 

Society  Hollandaise  des  Sciences  in  Haarlem: 
Archives  Näerlandaises.  Tom.  XXIV.  livr.  1.    1890.    8^. 

Deutsche  morgenländische  Gesellschaft  in  Halle: 
Zeitschrift.  Bd.  43.  Heft  4.  Bd.  44,  Heft  1.     Leipzig  1889.    8^ 

Universität  in  Halle: 

Index  scholarum  aest.  1890.     4®. 

Verzeichnis  der  Vorlesungen.     Sommer  1890.    4^ 

Verein  für  Geschichte  der  Stadt  Hamburg: 
Zeitschrift.  Bd.  IX.  Heft  1.     1890.     8^ 

Bezirksverein  für  Hessische  Geschichte  in  Hanau: 
Mittheilungen    No.  13.     1890.     8®. 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften,  505 

Internationale  Zeitschrift  für  allgemeine  Sprachwissenschaft 

in  Heühronn: 

Zeitschrift.  Bd.  V.  2.  Hälfte.     1890.    gr.  8<>. 

Verein  für  siebenbürgische  Landeskunde  in  Hermannstadt: 

Archiv.   Neue  Folge.    Bd.  22.  Heft  3.     1890.    8«. 
Jahresbericht  fQr  d.  J.*  1888/89.     1890.     S^, 

Voigtländischer  Älterthumsforschender  Verein  in  Hohenleuben: 
60.  Jahresbericht.    Weida  1889.    8<>. 

Ferdinandeum  in  Innsbruck: 
Zeitschrift.  3.  Folge.  33.  Heft.     1889.    80. 

Wissenschaftliche  und  literarische  Gesellschaft  in  Jassy: 
Archiva.  Nr.  2—5.     1889/90.     8». 

Gesellschaft  für  Schlesioig-Hotstein-Lauenburgisclie  Geschichte  in  Kiel : 

Zeitschrift.  Bd.  XIX.     1889.    8«. 

RegesteD  und  Urkunden.  Bd.  III.  Lief.  1—3.    Hamburg  1890.    4*. 

Universität  in  Kiew: 
Iswestya.  Bd.  XXIX.  No.  11.  12.  Bd.  XXX.  No.  1-3.    1889/90.    8*. 

Kärtnerischer  Geschichtsverein  in  Klagenfurt: 
Carinthia.  79.  Jahrg.     1889.    8». 

Universität  in  Königsberg: 
Schriften  aus  dem  Jahr  1889.    4^  und  8^. 

K  Akademie  der  Wissenschaften  in  Kopenhagen: 

Oversigt.  1889.  No.  2.  3.  1890.  No.  1.    8». 

Skrifter.  Historisk  Afd.  H,  6.  Hl,  1.     1889.    4«. 

Libri  raemoriales  capituli  Lundensis.  Heft  2.     1889.    8®. 

Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau: 
Anzeiger.  1889  Dezember.  1890  Januar— Mai.    8^. 

SocUtS  d^histoire  de  la  Suisse  Bomande  in  Lausanne: 
Mdmoires  et  Documents.  11.  S^rie.  Tom.  2.     1890.    8^. 

Maatsthappij  der  Nederlandsche  Letterkunde  in  Leiden: 

Tijdschrift.  Jaargang  I— VIH.     1881—1888. 
Tijdschrift.  N.  Reeks.  Deel  IX.  Aflev.  1.  2.     1890.    8*. 

K,  Sächsische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  im  L 

Berichte.  Philol.hist.  Classe.  1889.  II— IV.     ISde/M" 
Abhandlungen.   Philol.-hist.  Classe.   Bd.  XI.  Noi.  ft« 


506  Verzeichniss  der  eingelaufenen  DruckKhriften, 

IfMrstlich  Jablonowskische  GeselUehaft  in  Leipzig: 

Preisschriften.  No.  XXVII.     1889.    4^ 

Deutsche  Gesellschaß  für  Erforschung  vaterländischer  Sprache 

in  Leipzig: 

Bericht  über  das  Winterhalbjahr  1888/89.     1889.    8^. 

GeschichtS'  und  AUerthums- Verein  in  Leisnig: 
Mittheilunffen.  Heft  8.    1889.    8*. 

Universität  in  Lüle: 
Travfiux  et  m^moires  des  facultas  de  LiHe.  Tom.  I.  No.  1  —3.  1889.  8^. 

Museum  Francisco-Carolinum  in  Linz: 
48.  Bericht.    1890.    8®. 

Liierary  and  phüosophical  Society  in  Liverpool: 
rroceedings.  Vol.  41—43.    1887—89.    efi. 

Universiti  catholique  in  Loewen: 

Annuaire.  45.  annde  1890.    8^. 

Socidt^  littäraire   de   rUniyersite  catholique  de  Louvain.    Choix  de 

meraoires.  Tom.  XIV.    Bruges  1889.    8**. 
De  Schola  Elnonensi  Sancti  Amandi,  scripsit  JuHuh  Desilye.  1890.  8^. 

Ihe  Knglish  historical  Review  in  London: 
Keview.  Vol.  V.  No.  17.  18.     1890.    8^. 

Jioycd  Society  in  London: 

Proceedings.     Vol.     46.     No.    284.    286.     Vol.    47.     No.    286—290. 

1889/90.    8". 
PhiloHophical  Transactions.  Vol.  179  A.  179  B.     1889.     4^ 
List  of  Menibers.  30**»  November  1888.     4®. 

i?.  Äccademia  di  scienze  in  Lucca: 
Atti.  Tomo  XXV.     1889.    8^ 

Societe  Royale  des  Sciences  in  Lüttich: 
Memoires.  IL  Scr.  tom.  XVI.    Bruxelles  1890.    8®. 

Real  Academia  de  la  historia  in  Madrid: 
Boletin.  Tom.  XV.  ciiad.  6.  Tom.  XVI.  cuad.  1—6.     1889/90.    8*>. 

Biblioteca  Nazionale  i»  Mailand: 

Archivio  storiro  Lombardo.   Anno  XVI.   fasc.  4.  XVII.  fasc.  1.     1889 
und  90.     ^. 

Liierary  and  pWosophical  Society  in  Manchester: 
Memoirs  and  Proeeeding«.  IV.  Serie».  V'^ol.  IL     1889.    8^. 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften.  507 

Historischer  Verein  in  Marienwerder: 
Zeitschrift.  Heft  26.     1890.    S«. 

Gesellsdiaft  für  lothringische  Geschichte  in  Metz: 
Er^dnzungsheft  zum  Jahrbuch.  I.     1889.    8^. 

Domkapitel  der  Erzdiocese  München-Freising : 

Schematismus  der  Geistlichkeit  f.  d.  Jahr  1890.    8^. 
Statistisch-topogr.  Karte  des  Erzbisthums  München   und  Freising  in 
4  Blättern  y.  Lud.  Sailer.    1889. 

Universität  München: 

^hriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1889.    4®  und  8®. 
Amtliches  Verzeichniss  des  Personals.    Somm.-Sem.  1890.    8*. 

Historischer  Verein  in  München: 

Oberbayerisches  Archiv.  Bd.  46.  Heft  1.    1889.    8^. 

50.  and  51.  Jahresbericht  für  die  Jahre  1887  und  1888.     1889.    8^. 

Kaufmännischer  Verein  in  München: 

16.  Jahresbericht  für  das  Jahr  1889/90.    1890.    ^, 

Verein  für  Geschichte  und  Älterthumskunde  Westfalens  in  Münster: 
Zeitschrift  für  vaterländische  Geschichte.  Bd.  46.     1887.    8®. 

Westfälischer  Provinzial- Verein  für  Wissenschaft  und  Kunst 

in  Münster: 

17.  Jahresbericht  für  1888.     1889.    8^, 

Societä  Reale  in  Neapel: 
Annuano.     1890.    8®. 

American  Oriental  Society  in  New-Haven: 
Journal.  Vol.  XiV.     1890.    8®. 

Ästor  Library  in  New- York: 
41.  annual  Report  for  the  year  1889.    1890.    8^. 

Germanisches  Nationalmuseum  in  Nürnberg: 

Mittheilungen.  Bd.  II.  Heft  3.    1889.    8^. 
Anzeiger.  Bd.  II.  Heft  8.     1889.    ^. 

Katalog  der  im  germanischen  Museum  vorhandenen  Bnch-Einb&nde. 
1889.    8». 

Verein  für  Geschichte  der  Stadt  Nümhmrg 

Mittheilungen.  Heft  8.    1889.    8^. 

Jahresbericht  über  d.  J.  1886  und  1888.    1887—89.    ( 


508  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

m 

Revue  historique  in  Paris: 
Revue.  Tom.  42.  No.  1  und  2.  Tom.  43.  No.  1.    1890.    8». 

Kais.  Akademie  der  Wissenschaften  in  St,  Petersburg: 

Memoire.  VH«  Serie.  Tom.  37.  No.  2—4.  6.  7.    1889/90.    4«. 
Bulletin.  Nouv.  S^r.  tom.  I.  No.  3.     1890.    4^ 

Russische  archäol,  Gesellschaft  in  8t,  Petersburg: 

Sapiski.  Orientalische  Abtheilung.  Bd.  III.  Heft  4.  Tom.  IV.  Heft  1—4. 

1 889/90     4^ 
Trudy.  (Arbeiten.)  Orientalische  Abtheilung.  Bd.  XX.     1890.    8<^. 

Historicdl  Society  of  Pennsylvania  in  Phüaddphia: 

The  Pennsylvania  Magazine  of  History.    Vol.  XII F.    No.  3.  4.    1889 
—90.    8<>. 

Gymnasium  zu  Plauen: 

Jahresbericht  fQr  d.  J.  1889/90  mit  Abhandlung  v.  Alwin  2^11er,  Das 
Pferd,  der  Esel  und  der  Hund  in  der  hl.  Schrift.     1890.    4P. 

Alterthums' Verein  in  Plauen: 
Mittheilungen.  7.  Jahresschrift  auf  die  Jahre  1888/89.     1889.    8^. 

K.  höhmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Prag: 

Sitzungsberichte.  Philos.-hist.  Classe.  1889.     1890.    8®. 

Jahresbericht  f.  d.  Jahr  1889.     1890.    8*>. 

Abhandlungen.  Philos.-hist.  Classe.  7.  Folge.  Bd.  3.     1890.     4^ 

Regesta.  Pars  III.  Vol.  6.     1890.    4^ 

Codex  juris  bohemici.  Tom.  II.  pars  3.     1889.    8^. 

Joh.  Heinrich  Loewe.  Die  speculative  Idee  der  Freiheit.    1890.    8**. 

Preisschriften.  3.  4.     1890.    8". 

Museum  des  Königreichs  Böhmen  in  Prag: 

Casopis.  1889.  Bd.  63.    ^, 
Geschäftsbericht  f.  d.  J.  1889.     1890.     8^ 

Lese-  und  Redehalle  der  deutschen  Studenten  tw  Prag: 
Jahresbericht  filr  das  Jahr  1889.     1890.    8*^. 

K.  K.  deutsche  Carl-Ferdinands- Universität  in  Prag: 

Ordnung  der  Vorlesungen.  Somm.-Sem.  1890.    8^ 
Personalstand.  Studienjahr  1889-90.     8®. 

R,  Äccademia  dei  Lincei  in  Rom: 

Atti.  Ser.  IV.    Rendiconti.  Vol.  V.  Fase.  6—13.  Vol.  VI.  Fase.  1-7. 
1889/90.     4^ 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Drucksdiriften,  500 

Kaiserl.  deutsches  archäologisches  Institut  in  Born: 
Mittheilungen.  Bd.  IV.  Heft  4.  Bd.  Y.  Heft  1.     1689/90.    8^. 

Ministero  ddla  pubblica  istrujsione  in  Barn ; 
Cataloghi  dei  codici  orientali.  Fase.  4.    Florens  1889.    8^. 

JB.  Societä  Bomana  di  Storia  Patria  in  Rom: 
Archivio.  Tom.  I— XI.  1877—88.  Tom.  XII.  Fase.  1-4.    1889.    8<>. 

Gesellsehaft  für  Salzhur ger  Landeskunde  in  Salzburg: 
Mittheilungen.  XXIX.  Vereinsjahr  1889.    8^. 

K.  K,  Ärchäologisehes  Museum  in  Spaloto: 
Bnllettino.  Anno  XH.  No.  12.  Anno  XIII.  No.  1—5.    1889/90.    8P. 

Oesetlschaft  für  Pommersehe  GeschiMe  in  Stettin: 

Baltische  Stadien.  89.  Jahrg.  Heft  1—4.    1889.    8^. 
Monatsblätter.  1889.  No.  1—12.    1889.    ^, 

K,  Akademie  der  Wissenschaften  in  Stockholm: 

Handlingar.  Ny  Följd.  Bd.  XX.  1.  2.  XXI.  1.  2.  and  Atlas  zu  Bd.  XXI. 

No.  8  in  Folio.     1882    85.    4®. 
Bihang  tül  Handlingar.   Bd.  IX,  1.  2.   X,  1.  2.    XI,  1.  2.  XII,  1-4. 

Xm,  1.  4.     1884-88.    8^. 
öfersigt  Arg.  41—45.  1884-1888.     1885-1889.    8«. 
Leinadsteckningar.  Bd.  IL  Heft  8.     1885.    8». 
Förteckning.  1826-1888.     1884.    8^. 

Kgl.   Vitterhets  Historie  oeh  Äntiquitäts  Äcademien  in  Stockholm: 
Antiquarisk  Tidskrift  f5r  Sverige.  Del  X.  Heft  5.     1889.    8''. 

K,  Statistisches  Landesamt  in  Stuttgart: 

Wflrttembergische   Jahrbücher.    Jahrg.    1888.    Bd.    I.    Heft   1.   2.   8. 

1890.    4^. 
Württembergische  Jahrbücher  für  Statistik.    Jahrg.  1889.    II.  Hälfte. 

Heft  2-4.    1890.    8®. 
Würtiembergische  Viertelljahreshefte.    Jahrg.  XU.    1889.    Heft  2-4. 

1890.    4«. 

M%ueo  eomunale  in  Trient: 
Archmo  Trentino.  Anno  VUL  Fase.  1.  2.    1889.    ^. 

JB.  Äccademia  deüe  Scienze  in  Turin: 
AttL  VoL  XXV.  disp.  1—10.    1889-90.    8». 


510  VerzeiehmsB  der  eingelaufenen  Druefuekriften, 

Praüinciaal  ütreehtsch  GenooUchap  in  UtredU: 

Versla^  der  algemeene  ver^dering.    1889.    8^. 

Aanteekeningen  van  de  sectie-yergaderingen.     1889.    8^. 

De  Erfelijkheid  yan  verworven  eigenscbappen,  door  J.  F.  ran  Bem- 

melen.    s^Oravenhage  1890.    8^. 
Vervolg    op   den    Catalogos    der    archeolog.    Verzameling.    Utrecht 

1890.    8<>. 

Äteneo  Veneto  in  Venedig: 
L'Ateneo  Veneto.  Settembre  1887— Ottobre  1888.    8®. 

Istituto  Veneto  in  Venedig: 
Atti.  Sörie  VI.  Tom.  6.  disp.  10.  Tom.  6.  disp.  1—9.    1886-88.    8^^. 

Bureau  of  Education  in  Washington: 

Report  of  the  Commissioner  of  Education   for  the  year   1887—88. 

1889.    8«. 
Circular  of  Information.  1889.  No.  2.  1890.  No.  1.  2.    8^^. 

Harz- Verein  für  Geschichte  in  Wernigerode: 
Zeitschrift.  Jahrg.  XXn.  1889.  2.  Hälfte.     1890.    8^. 

K,  K,  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien: 

Almanach.  39.  Jahrg.     1889.     8**. 

Sitzungsberichte.   Philos.-historische  Classe.  Bd.  117.  118.     1889.    8^. 
Archiv  für  österreichische  Geschichte.  Bd.  74,  1.  2.     1889.    8®. 
Venetianische  Depeschen  vom  Kaiserhofe.  Bd.  1.     1889.     8**. 
Mittheilungen  aus  dem  Vaticanischen  Archive.  Bd.  I.     1889.    8^. 

Universität  in  Wien: 

Uebersicht  der  akademischen  Behörden  f.  d.  Jahr  1889/90.    Bf^, 
Die  feierliche  Installation  des  Kectors  am  19.  Oktober  1889.    8°. 
Vorlesungen  an  der  Universität.  Somm.-Sem.  1890.     8**. 

Verein  für  Nassauische  Älterthumskunde  in  Wiesbaden: 
Annalen.  Bd.  XXI.  1889.     1890.    4^ 

Deutsche  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens 

in  Yokohama: 

Mittheilungen.  Heft  48.     1890.    Fol. 

Antiquarische  Gesellschaft  in  Zürich: 
Mittheilungen.  Bd.  XII.  Heft  6.     Leipzig  1890.     4^ 


Verzeichmss  der  eingelaufenen  Druckaehriflen,  5 1 1 

Von  folgenden  Privatpersonen: 

Frans  Ludwig  Baumann  in  DanauescfUngen: 
Geschichte  des  Algäa».  2  Bände     Kempten,  s.  a.    8^. 

Auguste  Castan  in  Besan^fon: 
Deuz  ^pitaphes  romaines  de  femmes.    1890.    8^. 

Fratniee  Dinahaw  Manocfrjee  Petit  in  Calcutta: 

Travels  in  Europe,  America,  Japan  und  China  in  Gujrati  language. 

Bombay  1888.    8<>. 
Paraee  Prakash.    Vol.  I.    Compiled   by  Bomaigee  Byramjee  Patell. 

Bombay  1888.    4<». 

Albert  Jahn  in  Bern: 
Dionysiaca.    Altena  1889.    8^. 

Matthiae  van  Lexer  in  Würsburg: 
Zur  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Lexikogpraphie.     1890.    4^. 

Miss  Emüy  Malane  in  Dublin: 
Aeneidea,  by  Jones  Henry.  Vol.  IV.    Dublin  1889.    8^. 


513 


Namen-Register. 


▼.  Christ   ß3. 

Friedrich   58. 

y.  Hefner-Alteneck  500. 
llimly    822. 

Biezler   478. 

Schlagintweit  E.   457. 
Schnorr  von  Carolsfeld   247. 

Wecklein    1. 
WölflFlin    293. 


Sach-Register. 


Abhängijifkeitscomposita  des  Griechischen    143. 

Columna  rostrata,  Inschrift   293. 

Liber  diumus    58. 

Minne,  Fran    500. 

Ozeanische  Sprachenkunde   247. 

Schlagintweit  A.,  Denkmal   457. 

Tragiker,  Fragmente  der  griechischen    1. 
Tscham-Sprache,  Wörterschatz   822. 

Waldeck  (Hohenwaldeck)  Herrschaft   473. 


Sitzung^sberichte 


der 


philosophisch-philologischen  und 
historischen  Classe 


der 


k.  b.  Akademie  der  Wissenschaften 


zu  M^üncheti. 


Jahrgang   1890. 


Ztveiter  Band. 


Mttncben 

Verlag  der  K.  Akademie 
1891. 

In  Commiraion  bei  G.  Franz. 


Inhalts  -  üebersicht. 


Die  mit  *  bezeichneten  Abhandlungen  sind  in  den  Sitzungsberichten  nieht  abgedmekt. 

OeifenÜiche  Siteung  der  kgL  Akademie  der  Wissenschaften   zur 
Feier  des  131,  Stiftungstages  am  28.  März  1890, 

Seite 
•v.  Voit:    Einleitender  Vortrajr 1 

?.  Brunn:    Nekrologe 1 

Cornelius:    Nekrologe       88 

Preisaufgabe  der  Savigny-Commission       41 

'Cornelius:    Gedäcbtnissrede  auf  J.  v.  DöUinger 42 

Oeffenttiche  Sitzung  zu  Ehren   Seiner  Majestät  des  Königs  und 
Seiner  Köfiigl.  Hoheit  des  Prinzregenten  am  15,  November  1890, 

Wahlen 649 


Philosoph!  seh -philologische  Classe. 

Sitzung  vom  3,  Mai  1890, 

Geiger:    Das  Yätkär-i  Zarirän  und  sein  Verbältniss  zum  Sah- 

näme 43 

Sitzung  vom  7,  Juni  1890, 

Bechmann:    Ueber  die  richterliche  Thätigkeit  der  Pontifices 

im  altrömischen  ZivilprozesH 149 

Golther:    Chrestiens  conte  del  graal  in  seinem  verbültniss  zum 

wälschen  Peredur  und  zum  englischen  Sir  Perceval    .    .     174 

^Unger:  Die  Abfassungszeit  des  ägyptischen  Festkalenden 


IV 

Sügung  vom  5.  Juli  1890. 

Keinz:    lieber  AveDtins  Tagebuch  (Aventins  Hauskalender)  313 

Schreine i*:    Das  Militärdiplom  von  Eining  (mit  1  Tafel)     .     .     329 

Sitzung  vom  8.  November  1890, 

Wilh.  Meyer:    Nachlese  zu    den  Spruchversen  des  Menander 

und  Anderer 355 

Oarribre:    Wie  kommen  wir  zum  Sittengesetz V 881 

Sitzung  vom  6,  Dezember  1890, 

*Wilh.  Meyer:   Die  athenische  Spruchrede  des  Menander  und 

Philistion 896 

*Kuhn:    Barlaam  und  Joasaph,  eine  bibliographisch -literarge- 

schichtliche  Studie 396 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom  3.  Mai  1890, 

Lossen:    P^rzbischof  Heinrieh  von  Bremen  und  das  Haus  Oester- 

reich  im  Mün>t»^rschen  Postulationsstreit  1579 — 1580  .  .  85 
Heigel:  Neue  Beitrii<,'e  zur  Charakteristik  Kaiser  Leopolde  I,  109 
*v.  Oefele:    rrkundliches  zur  Genealogie  der  Herzogin  Judith 

von  Bayern 147 

Sitzung  vom  7.  Juni  1890. 

Simonsfeld:  Beiträge  zum  i>äj)stliclien  Kanzleiwe^en  im  Mittel- 
alter  und   zur  deut>chen  Geschichte   im  14.  Jahrhundert     218 

(iregorovins:    Briefe  aus  der  ('orrispondenza  Arciajoli  in  der 

Laurenziana  zu  Florenz 285 

Sitzung  vom  :">.  Juli  1890, 

*Stieve:    Ueber  Krnst  von  Mansfeld 354 

*v.  Bockinger:    Zur  Genealogie    der   Handschriften    des    sog. 

»Schwaben«piegel> 854 


V 


Sitzung  vom  8.  November  1890, 

Seit« 

V.  Drnffel:    Der   Bayerische   Minorit    der   Observanz    Kaspar 

Schatzger  und  seine  Schriften 897 

*v.  Reber:  Ueber  den  Karolingischen  Palastbau;  I.  Die  Vor- 
bilder    484 


Sitzung  vom  6,  Dezember  1890. 

Riezler:  Der  Hochverrathsprozess  des  herzoglich  -  bayerischen 
Hofmeisters  Hieronymus  von  Stauf,  Reicbsfreiherm  zu 
Emfels 435 


Nachtrag  zur  Sitzung  vom  5.  Juli  1890, 
Stieve:    Ernst  von  Mansfeld        6ü7 


Einsendung  von  Druckschriften         551 

Register 565 


M^l 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.   Akademie  der  Wissenschaften. 


Oeffentliche  Sitzung 
zur  Feier  des   131.  Stiftungstages 

am  28.  März  1890. 


Die  Sitzung  wurde  von  dem  stellvertretenden  Vorstande 
der  Akademie,  Herrn  v.  Voit,  mit  einem  einleitenden  Vor- 
trage eröflFnet,  der  in  den  Sitzungsberichten  der  mathematisch- 
physikalischen  Classe  veröflFentlicht  werden  wird. 

Hierauf  gedachte  der  Secretär  der  philosophisch-philo- 
logischen Classe  der  Verluste,  welche  dieselbe  im  letztver- 
flossenen Jahre  zu  beklagen  hatte.  Es  starben:  am  16.  Juli 
1889  in  Florenz,  Michele  Amari,  seit  1863  auswärtiges 
Mitglied;  —  am  30.  Juli  in  Paris,  Jean  Joseph  Antoine 
Maria,  Baron  de  Witte,  seit  1871  auswärtiges  Mitglied;  — 
am  3.  November  in  Würzburg,  Dr.  Ludwig  von  Urlichs, 
.seit  1866  auswärtiges  Mitglied;  —  am  4.  März  in  Leipzig, 
Dr.  Franz  Delitzsch,  seit  1850  auswärtiges  Mitglied.  — 
In  Bezug  auf  das  Nähere  über  diese  vier  Gelehrten  wurde 
auf  die  nachstehenden  Nekrologe  verwiesen. 

18»a  Philoc-philoL  a.  hist  Cl.  II.  1.  1 


2  OcffeniUehe  Sitzuiuj  mm  38,  März  1S90. 

Michele  Amari. 

Mag  man  den  Werth  der  wissenschaftlichen  Thäti|;(keit 
Amari 's  noch  so  hocli  veranschlagen,  so  bildet  dieselbe  doch 
nur  einen  Thoil,  die  eine  Seite  der  Bedeutung  des  gan7^n 
Mannes.  ,  Amari  hatte  die  Inspirationen  der  Vorläufer,  iiud 
unter  den  Vorläufern  liat  er  seine  Stelle" :  so  bezeichnete 
sein  Wesen-  der  italienische  Minister  Boselli  in  der  Rede  bei 
(relegenheit  seiner  Leichenfeier.  Unter  den  Vorkämpfern  für 
die  Wiedererweckung  Italiens  im  Leben,  wie  in  der  Wissen- 
schaft steht  Amari  in  der  vordersten  Reihe,  und  sein  Leben 
ist  j^Ls  ein  glückliches  zu  preisen,  insofern  es  ihm  vergönnt 
war,  im  Alter  die  Ziele  erreicht  zu  sehen,  fiir  die  er  den 
grössten  Theil   seines  Lebens   gekämpft   und   gelitten    hatte. 

Michele    Amari    wurde    zu    Palermo    am    7.  Juli    1806 
geboren.    Seine  häusliche  Erziehung,  wenig  auf  die  physische 
Entwickelung  bedacht,  war  eine  streng  moralische.     In  dem 
liildiingsgaiige    seiner    früheren  Jahre  scheint  auf  mathema- 
tische und  naturwissenscliaftliche  Studien    ein    mehr   als  ge- 
w(>lin lieber   Nachdruck    gelegt   worden    zu    sein,    dabei   aber 
(las  schon  damals  begründete  jjcrsönliclie  Verliältniss  zu  seinem 
LelinT    Donienico  Scina    auf   d(»n    politischen  Charakter   be- 
stimmend eingewirkt  zu   haben.     Doch  drängte  ihn  die  Wahl 
<?iiics   Lebonsberutes    s»'lir    bald    in    die   Laufbahn  eines  Ver- 
waltungsbeamten,   und    fast    nocii   im   Knabenalter  von  vier- 
zehn   Jahren    fand    er    Bes<liäRigung    als    llülfsarbeiter    iiu 
Ministeriiun.     Da  traf  Hin  bald,  im  Anfange  des  Jahres  1822, 
der  harte  Schlag,  dass  sein   Vater,  als  (.^arbonaro  in  die  da- 
maligen   revolutionären   Bewegungen   verwickelt,    zuerst    zum 
Tode,  stdiliesslieh  aber  zu  dreissigjäliriger  Zwangsarbeit  ver- 
nrtheilt   wunle:  ein  Schlag,  der  dem  Sechzehnjährigen  nicht 
nur  schwere   ViM*])ilichtungen   in   der   Fürsorge  für  eine  zahl- 
reiclu"    Familie    auferlegte,    snndern    auch    eines    tiefen    Ein- 
druckes auf  dit»  Kntwickelung    stMiies  (Charakters    nicht    ver- 
fehlen  knnnte.      in   harter   l>erufsarbeit    that   er   aus   [Pflicht- 


V.  Brunn:  Nekrolog  auf  Michele  Aman.  3 

gefühl  seine  volle  Schuldigkeit.  Daneben  aber  trieb  ihn 
nicht  etwa  nur  eine  ausgesprochene  Neigung  zur  Jagd  in 
die  Einsamkeit  und  Wildniss  der  Natur,  sondern  die  bewusste 
Absicht,  seinen  Körper  zu  kräftigen  und  sich  in  der  Hand- 
habung der  WaflFe  zu  ernsteren  Kämpfen  vorzubereiten.  Für 
streng  wissenschaftliche  Fortbildung  blieb  ihm  daneben  keine 
Zeit.  Nur  an  poetischen  Liebhabereien  hielt  er  fest,  die 
1832  zu  einer  ersten  literarischen  Leistung,  einer  metrischen 
Uebersetzung  von  Walter  Scott's  Marmion  führten.  Erst 
damals  etwa  »wurde  er  von  einem  wohlwollenden  Vorgesetzten 
auf  historische  Studien  hingewiesen,  die  bald  eine  patriotisch- 
politische Färbung  annahmen,  indem  sie  sofort  auf  den  hei- 
mischen Boden  Siciliens  sich  lenkten.  In  einer  ersten  Arbeit, 
der  Fondazione  della  monarchia  de'  Normanni  in  Sicilia  in 
den  Eifemeridi  scientif.  per  la  Sicilia  1834,  trat  er  ein  für 
die  Selbständigkeit  des  sicilischen  Geistes  gegenüber  der 
Herrschaft  des  Festlandes.  Weitere  Studien  über  die  Herr- 
schaft der  Bourbonen  in  Sicilien  gelangten  nicht  zur  Ver- 
öffentlichung, sondern  traten  in  den  Hintergrund  gegen  die 
nun  beginnenden  Untersuchungen  über  die  sicilianische  Vesper. 
Indessen  hatten  die  Gesinnungen  Amari^s  bereits  angefangen, 
den  Verdaclit  der  Regierung  zu  erwecken;  doch  waren  es 
zunächst  andere,  durch  ihn  nicht  verschuldete  Verhältnisse 
bei  Anlass  einer  Choleraepidemie  in  Palermo  und  Sicilien 
im  Jahre  1837,  bei  der  sich  vielmehr  die  Energie  seines 
Charakters  in  hellem  Lichte  zeigte,  welche  seine  Versetzung 
nach  Neapel  zur  Dienstleistung  in  dem  ihm  fremden  Justiz- 
ministerium veranlassten:  für  ihn  eine  Art  Exil.  Indessen 
erfuhren  seine  Studien  durch  Ermöglichung  einer  gründlichen 
Erforschung  der  wichtigen  Archive  des  Hauses  Anjou  eine 
neue  Förderung,  so  dass  er,  1841  nach  Palermo  zurück- 
versetzt, an  die  Veröffentlichung  des  Werkes  über  die  Vesper 
gehen  konnte.  Im  Sommer  1842  trat  dasselbe  ans  Licht. 
Obwohl  aus  Vorsicht  der  Titel:  Un  periodo  delle  storie  sici- 

1* 


4  OeffnMclie  Sitzung  vom  38.  März  1890, 

liane  del  XIII.  secolo  gewählt,  obwohl  das  Bach  unter  regel- 
mässiger Censur  erschienen,  obwohl  in  demselben  jede  An- 
spielung auf  die  Gegenwart  vermieden  war,  so  sollte  doch 
der  Erfolg,  den  sein  Werk  in  den  weitesten  Kreisen  erzielte, 
der  Person  des  Verfassers  verhängnissvoll  werden.  Der  König 
und  sein  Minister  glaubten  in  der  Schilderung  Karls  von 
Anjou  und  seines  Generals  ihr  eigenes  Bild  wiederzuer- 
kennen; und  der  König  rief  Amari  zur  Verantwortung  nach 
Neapel.  Gewarnt  indessen  durch  das  Schicksal  seines  Censors 
und  seines  Verlegers  leistete  Amari  dem  Befehle  keine  Folge, 
sondern  entwich  nach  Paris. 

Dort  nahmen  seine  Studien,  ohne  ihren  Zielen  ungetreu 
zu  werden,  eine  neue  Wendung.  In  der  Geschichte  Siciliens 
nimmt  die  Herrschaft  der  Araber  keine  untergeordnete  Stel- 
lung ein.  Dadurch  wurde  Amari  auf  das  Studium  des 
Arabischen  geleitet,  in  welches  ihn  Reinaud  einführte;  und 
schon  1845  begegnen  wir  ihm  als  Herausgeber  arabischer 
Texte  und  Inschriften,  die  meist  auf  die  Geschichte  und  die 
Geographie  seines  Ileimathlandes  Bezug  haben.  Da  fährte 
ihn  die  Revolution  im  Anfange  des  J.  1848  nach  Palermo 
zurück.  Obwohl  sofort  zu  einer  Lehrthätigkeit  als  Professor 
des  sicilisclien  öffentlichen  Rechtes  berufen,  gelangte  er  in 
derselben  nicht  über  die  Antrittsvorlesung  hinaus.  Man 
forderte  seine  praktische  Thiitigkeit;  man  wählte  ihn  zum 
Deputirten  der  Stadt  Palermo,  übertrug  ihm  das  Ministerium 
der  Finanzen,  betraute  ihn  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres 
mit  der  Führung  diplomatischer  Verhandlungen  in  Paris  und 
London.  Bei  Wiederbeginn  der  Feindseligkeiten  im  April 
1840  eilt  er  nach  Palermo  zurück.  Doch  bald  zwingt  ihn 
der  Sieg  dt'r  Keaction,  sein  pariser  Exil  wieder  aufzusuchen 
und  seine  historischen  Studien  wieder  aufzunehmen.  Als 
Friiflit  derselben  erschienen  1854  und  58  die  zwei  ersten 
Bände  d<*r  Storia  de'  Musulmani  in  Sicilia,  denen  der  dritte 
«Tst   IH72    folgt-**      An  sie  schloss  sich   185G  die   Bibliotheca 


V.  Brunn:  Nekrolog  auf  Michele  Amari,  5 

arabico-sicula,   eine   Sammlung   arabischer  Texte   und    1859 
ein  arabisches  Kartenwerk  über  Sicilien. 

Erst  das  Kriegsjahr  1859  führte  Amari  endgültig  nach 
Italien  zurück.  Man  beeilte  sich,  ihm  eine  Professur  des 
Arabischen  in  Pisa  und,  noch  ehe  er  dieselbe  angetreten,  in 
Florenz  zu  übertragen.  Aber  kaum  hatte  seine .  Lehrthätig- 
keit  begonnen,  so  riefen  ihn  die  politischen  Verhältnisse 
wieder  nach  seiner  Heimath  Sicilien  zurück.  Mitte  1860 
folgte  er  Garibaldi  nach  Palermo,  verwaltete  für  kurze  Zeit 
das  Staatssecretariat  des  Unterrichts  und  der  öffentlichen 
Arbeiten  und  ebenso  nachher  das  des  Aeusseren,  legte  aber 
auch  dieses  bald  nieder:  aus  dem  Streiter  für  die  Unabhängig- 
keit und  Befreiung  Siciliens  war  inzwischen  ein  Kämpfer 
für  die  Einheit  Italiens  geworden.  Erst  nach  einigen  Monaten 
war  es  ihm  gegeben,  als  Mitglied  einer  Commission  für  die 
Organisation  Siciliens,  dieses  Ziel,  die  Vereinigung  Siciliens 
mit  dem  Königreich  Italien,  der  Erfüllung  entgegenzuführen. 
Bald  darauf,  Anfang  1861,  begegnen  wir  ihm  als  Senator 
des  Königreiches,  und  noch  einmal  1863  —  64  erscheint  er 
in  öffentlicher  politischer  Stellung  als  Leiter  des  Ministeriums 
des  öffentlichen  Unterrichts.  —  Die  Hauptziele  seines  politi- 
schen Strebens  und  Kämpfens  waren  erreicht,  und  so  durfte 
er  bei  herannahendem  Alter  an  den  Frieden  einer  eigönen 
Häuslichkeit  denken:  erst  um  diese  Zeit  verheirathete  er  sich, 
um  das  Muster  eines  Gatten  und  Familienvaters  zu  werden. 

Von  jener  Zeit  an  nahm  sein  Leben  einen  ruhigen  Ver- 
lauf. Er  blieb  seinem  Lehrberufe  in  Florenz  bis  in  seinen 
letzten  Jahren  getreu ;  er  wirkte  in  den  Berathuugen  über 
den  öffentlichen  Unterricht.  Er  erfreute  sich  wissenschaft- 
licher Ehrungen  von  den  verschiedensten  Seiten  des  In-  und 
des  Auslandes,  die  einen  besonders  lebendigen  Ausdruck  er- 
hielten, als  er  1876  den  Vorsitz  bei  dem  vierten  internatio- 
nalen Congress  der  Orientalisten  in  Florenz  0 
wissenschaftliche  Thätigkeit  erlahmte  nicht.    Zl 


ß  OeffeniUche  Siiswig  vom  38.  März  1890. 

seiner  Storia  de'  Musulmani  gesellte  sieh  neben  manchen 
Einzelnbearbeitungeii  arabischer  Quellen  in  verschiedenen 
Zeitschriften  die  Publication  der  Diplomi  arabi  del  r.  Archivio 
fiorentino  1863.  Mit  ihrer  Weiterführung  bis  zuletzt  be- 
schäftigt, war  der  Dreiundachtzi^iihrige  einen  Tag  vor  seinem 
Tode  von  Kpm  nach  Florenz  zurückgekehrt,  um  dort  einer 
wichtigen  Sitzung  wegen  eines  Monumentes  für  seinen  Freund 
Atto  Vannucci  beizuwohnen.  Am  letzten  Morgen,  dem 
1().  .Ulli  1889,  arbeitete  er  mehrere  Stunden  auf  der  Biblio- 
thek. [Jm  Mittag,  im  Begri£f,  die  Treppe  zum  Sitzungssaal 
des  Instituto  superiore  emporzusteigen,  verliessen  ihn  die 
Kräfte  und  nach  wenigen  Minuten  hatte  sein  Leben  ge- 
endet. 

Als  M.  .1.  Müller  im  J.  18(>3  Aniari  zum  auswärtigen 
Mitgliede  unserer  Akademie  vorschlug,  bezeichnete  er  ihn 
als  ^ einen  der  ersten  Historiker  und  den  unbestreitbar  ersten 
Anibologen  Italiens**.  Anuiri  beherrsclite  das  Arabische  und 
hat  es  im  niündlidien  Vortrage  gelehrt.  Aber  grammatische 
und  sprachliclie  rntorsuchiingen  über  das  Arabische  hat  er 
nicht  veWWientlicht.  Sein  Verdienst  liegt  in  der  Durch- 
torsehun^  von  liil)li()theken  und  Archiven  nach  arabischen 
Qiieliensclirit'ten,  in  der  Sammlung  von  inschriftlichem  und 
niiniisniatisclieni  Material  und  in  der  gründlichen  und  ver- 
ständnissvollen Venirl)oitung  desselben,  nicht  in  einem  so  zu 
sagen  iinb(\i;renzten  Umfange,  sondern  ganz  überwiegend 
unter  ansgesproclien«*r  Bescliränkung  auf  die  Geschichte  seines 
lleimathlandes  Sicilien.  Die  ara]>ischen  Studien  dienten  ihm 
als  Mittel,  um  diese  Geschichte  aul  neuen  Gnuidlagen  auf- 
zul>auen.  Aber  so  sehr  auch  seiner  Historiographie  djis  Lob 
gründlicher  Forschung  und  objektiver,  unparteiischer  Dar- 
stellung zu  Tlieil  wird,  so  war  selbst  diese  ihm  noch  nicht 
Selbstzweck,  sondern  wiederum  nur  Mittel  zu  dem  noch 
höheren  Zwecke,  durch  die  Erforschung  der  Vergangenheit 
zu  wirken  auf  die  Erkenntniss  der  Gegenwart   und   die  Ge- 


V.  Brunn:  Nekrolog  auf  Michele  Ämari.  7 

staltung  der  Zukunft.  Dass  er  diese  Wirkung  schon  mit 
seiner  ersten  Arbeit  über  die  sieilische  Vesper  in  einer  von 
ihm  selbst  kaum  geahnten  Weise  erreichte,  erklärt  sich  nur 
daraus,  dass  der  Gelehrte  in  ihm  noch  überragt  wurde  durch 
das  Gewicht  des  ganzen  Mannes  und  seines  persönlichen 
Charakters. 

Amari  wird  uns  geschildert  als  eine  urwüchsige  Natur, 
befähigt  durch  eine  eiserne  Gesundheit,  an  seine  Arbeitskraft 
ungewöhnliche  Ansprüche  zu  stellen,  wenig  bedacht  auf  das 
Aeussere  der  Erscheinung,  aber  vom  edelsten  Kern  unter 
herber  und  rauher  Schale,  nicht  sowohl  eine  poetisch  an- 
gehauchte Gestalt,  als  ein  unbeugsamer  altrömischer  Charakter. 

Das  Schicksal  drängte  ihn  zum  Kampfe  gegen  politische 
und  geistige  Unterdrückung.  Aber  selbst  die  schweren  Er- 
fahrungen, die  ihm  schon  in  seinen  Jünglingsjahren  nicht 
erspart  wurden,  bewirkten  in  ihm  nicht  leidenschaftliche 
Erregtheit  und  tiefe  Verbitterung:  sie  machten  aus  ihm 
nicht  einen  gewöhnlichen  Conspirator  oder  Strassen- Revolu- 
tionär, sondern  sie  stählten  seine  Energie.  Die  Revolution 
ward  ihm  nicht  Zweck,  sondern  durch  die  Nothwendigkeit 
aufgedrungenes  Mittel.  Er  war  nicht  Parteimann,  sondern 
er  arbeitete  im  Dienste  der  Wahrheit  und  Gerechtigkeit. 
Wie  ein  unparteiischer  Richter  stand  er,  wie  als  Beurtheiler 
der  Vergangenheit,  so  in  den  Kämpfen  der  Gegenwart  über 
den  Dingen.  Darum  ist  auch  in  der  Wissenschaft  seine 
Darstellung  keine  tendenziös  gefärbte  oder  beabsichtigt  agi- 
tatorische; ja,  er  fühlt  sich  gedrungen,  eine  Revolutions- 
gestalt, wie  die  des  Giovanni  da  Procida,  ihres  legendarischen 
Schimmers  zu  entkleiden  und  die  sicilianische  Vesper  nicht 
als  das  Werk  eines  Einzigen  oder  die  Verschwörung  Weniger 
zu  verherrlichen,  sondern  darzustellen  als  das  Werk  eines 
ganzen  Volkes,  des  mit  unwiderstehlicher  Mai ' 
brechenden  Volksgeistes.  Darin,  dass  in  ihm 
geist    in    hervorragender   Weise    verkörpert  ^ 


8 


Oe/fintlivhe  Sitzuntj  vom  i'H.  März  J8!H). 


Geheiiiiiiiss   seiner  Wirkung:    er    war   nicht   blos  Vorläufer, 
sondern  Vorbild,  sein  Charakter  ein  vorbildlicher. 

Dieseis  Charakterbild  im  Einzelnen  zu  entwickeln  auf 
dem  breiten  Hintergrande  den  historischen  Schauplatzes,  auf 
dem  er  wirkte,  würde  eine  Aufgabe  gewesen  sein,  würdig 
eines  Döllinger;  ich  darf  noch  mehr  sagen:  ich  weiss,  dass 
djis  Thema  in  der  That  für  ihn  etwas  Verlockendes  hatte; 
und  gewiss  nicht  aus  Zufall.  Denn  so  verschiedenartig  sich 
die  äusseren  Lebenswege  und  das  Wirken  des  Einen  und 
des  Anderen  gestaltet,  so  vielfach  innerlich  verwandt  waren 
beide  in  ihren  idealen  Hestrebungen  und  letzten  Zielen;  und 
wenn  jetzt  beide  in  hohem  (i reisenalter  und  ffist  gleiehzeiti}; 
aus  ihrer  nimmer  erniiidet«ni  Thätigkeit  abberufen  worden 
sind,  so  liegt  darin  nur  eine  verstärkte  Auflfbrderung,  an 
dieser  Stelle  auf  ihre  geistige  Ziisannnengehörigkeit  hinzu- 
weisen und  ihr  Andenken  aucli  für  die  Folge  in  unserer 
Erinnerung  zu   verbinden. 

l>eniit'/t  wnnlcn:  <«.  l)ii^at.  IIi<inir<^  i\v<  orientalisles  de  TKiiropc 
lR*i8,  T.  T,  p.  12— 21:  de  Gul)Ornatis.  hizionario  hiojTrafi<o  1879.  1. 
p.  32;  Diclionnaire  international  d(v^  »''iTivains  1888,  p.  50;  die  Redon 
lu.'i  drr  Ltnchenlf'ior  von  15oseJli,  Villari  und  Massaiani  in  der  Floren- 
tiner Zoitun;^  la  Nazione,  vom  19.  .luli  1Ö8*J. 


J.  de  Wille. 

Jean  .l(>sej)li  Antoine  Marie,  Hanui  de  Witte  war  am 
21.  Februar  1808  /u  AntwerjK'n  geboren,  wo  seine  Familie 
>eit  fast  drei  Julirhunderten  >esshaft,  durch  ihre  Thätigkeit 
in  städtischen  Aenitern  und  Würden  eine  hoch  angesehene 
Stellung  einnahm.  Ueber  seine  .lugen«!  und  wissenschaftliche 
Vorbildung  fehlen  mir  bestimmt«'  NaciiwiMsungen.  J^ereits 
aber  im  beginne  seiner  wissrnseliat'tliehen  Thätigkeit,  bei 
Abfassung  eines  arcliäulogiM-hen  Bericlites  im  Bull.  dell'Inst. 
areh.  \>^'M),  linden  wir  ihn  in  Paris,  das  er  nie  mehr  auf 
die   |)auer  bis  zu    seinem    am    -M).  Juli    188l>  erfolgten  Tode 


Httmcntlieli  »rft  scinpr  VorlipirafiTiirap  'hHeir  ftirt*  ' 
«-•in  fostt-r  Wuhnsitz,  dt-n  er  mir  in  den  Sonimerrmiasben 
luit  dem  Aurt^nl ImlU;  auf  aeitieiu  äi;iiliissu  VVniuiiielghniu  l>ei 
Antw«qH;ti  verUtii-scIit«.  Weitere  ünlerbreclumgpn  liitiiet*ni 
mir  vonichiedvii«  wiKseuHchaftlichc  Reisen,  mitcr  denen  «iu 
Biimcli  T(in  Italien  uud  Griftchenlütid  I84I/2  sich  der  otVi- 
rifllvn  hVmferung  durcli  dit;  belgische  Ut^Kieruiiy  erfreute.  ~ 
(.WTcnUitho  Aemtcr  hat  da  Witte  niemals  bekleidet. 
WisHeniichaftliehtt  Ehren  wurden  ilini  von  verschiedenen 
Si-ilen  ml  Tlicil,  —  onserer  Akademie  Kehörto  er  seit  1871 
•I»  »iMwürtigM  Mitglied  an  -;  aber  wohl  nur  eine  hat  er 
Bemtassen  aIü  da^  Ziel  Heines  literHriAchen  Efargmeis 
:  da  er,  nicht  »In  FninitiMe  nKbnriiliiiirt,  in  di«  piiritwr 
I^Diie  d(M  itutcriptionü  et  bellts  lettre^  nicht  als  ordunL- 
ÜiJiiiH  Atit^lied  anfgenoaiuien  werden  konut<-',  !tü  gereichte  m 
•  l)fM)ii deren  Ijpnuntliuun^,  ihr  (seit  I8ti4)  als  eine« 
wonigou   auswärtigen  Mitglieder    (iiäM)cie  etrauger)    au- 


llit  d«  Witte  ist  der  letxt«  ejiier  Oeneratiun  vgn  Archäu- 

i  geschieden,  denen  die  Kntdecknnf^en  Htruriens  uud  die 

wcndigkeit  ihrer  nntva  wiifi^schnftlichen   Verarbeituii(f 

^beecmderes  Gepräge  verliehen  haben,     Nur  wenige  Jahre 

ileai    Beginne   seiner  Tbätigkeit,    gegen   ihm    Ende   iler 

iwanaigerJahre  unsere«  Jahrhundert»,  Öffnrten  sieb  die  Nekro- 

foi/ta    Ktniriens   nnd    boten  durch  ihren  Inhalt  der  Archäo- 

I  «in   ungeahntes   reicbei)  Material   an    kleineren  Monu- 

,    Rnnientlii'h    iu   überwältigender  /»hl    an    gemalten 

Hieraus  erwuchsen  der  Archäologie  gan»  neue  Anf- 

Die   nyntematische  Behandlung   musste  vorläufig   in 

ilit«rgrund  tret«n.     Ks  galt   /.uuächst  xich    de«  SUiS't^s 

iehtigen,  das  Material  zu  wimmeln,  len  registrirtni,  zu 

nn.    Dieser  Aufgabe  ?.u  genUgon.  das  blU 

r  Hnuptthiitigkeit  ifii  von  E>.  I  ierhard  in  Ü 

ien  Instituts  für  archäu  logische 


10  Oeff entliche  Sitzung  com  28,  März  1890. 

verwandte  Zwecke  wirkte  in  Paris  Panofka,  der  sich  damals 
durch  das  Zusammenfassen  wissenschaftlicher  Krilfte  zar 
Verfolgunj^  gemeinsamer  Aufgaben  unleugbare  Verdienste 
erwarb.  Zu  diesen  gehört  es,  de  Witte  zur  Mitarbeiterschaft 
herangezogen  zu  haben ;  die  Art  aber,  in  welcher  sich  die- 
selbe bethätigte,  war  wiederum  bedingt  durch  die  persön- 
lichen Verhästnisse. 

In  völlig  unabhängiger  Lebensstellung,  die  ihm  sogar 
gestattete,  zuweilen  höheren  Zwecken  ein  materielles  Opfer 
zu  bringen,  durfte  er  der  Wissenschaft  durchaus  frei  und 
um  ihrer  selbst  willen  ohne  Zwang  leben,  allerdings  auch 
ohne  denjenigen  Zwang,  den  eine  berufsmässige  Thätigkeit 
nicht  selten  auf  die  Förderung  namentlich  umfassender  und 
systematischer  Aufgaben  ausübt.  Schon  früh  war  er  offen- 
bar durch  das  neue  Lel)en  auf  dem  Gebiete  der  Archäologie 
angeregt  worden ;  neues  Material  floss  fast  täglich  in  reichem 
Maassf»  zu  und  führte  ihn  bald  über  das  Stadium  blosser 
Liebhaben^  und  des  Dilettantismus  zu  ernster  wissenschaft- 
licher J^eschilftiginig.  In  einem  Mittelpunkte  wie  Paris,  in 
einem  Kreis(?  von  Kunstfreunden  und  Sammlern,  konnte  es 
nur  erwünscht  sein,  in  de  Witte  eine  Kraft  zu  gewinnen, 
die  mit  uneigennütziger  Freudigkeit  sich  mancher  mühe- 
vollen Arbeit  zu  Nutz  und  Fronmien  der  Wissenschaft  unter- 
zog. So  entstanden  die  Cataloge  der  Sammlungen  Durand, 
Oanino,  Magnoncourt,  Beugnot,  weiter  Greppo,  Janze,  des 
Musee  Napoleon,  der  Sannnlnngen  A.  Ca>tellani,  Paravay, 
und  noch  in  seinen  letzten  Jahren  der  Sammlung  Dzialvnski- 
C/artoryski  (anti(iu.  conserve»?s  a  T  hötel  Lambert),  welche, 
wenn  aucli  zunächst  meist  nur  für  Auctionszwecke  bestinmit, 
doch  durch  die  Sorgfalt  d«M*  mit  geübtem  Hlioke  ausgearbeiteten 
Beschreibungen  lange  ihren  Werth  als  wissenschaftliche 
Stoffsammlungen  für  weitere  I  ntersuchungen  bewahrt  haben. 
Auch  als  das  archäologische  Institut  in  Rom  während  der 
ersten  Jahrzehnte    seine  Wirksamkeit  in  enger  Vereinigung 


V.  Brunn :  Nekrolog  auf  J,  de  Wüte.  1 1 

mit  den  pariser  Kreisen  entfaltete,  war  es  neben  der  Pro- 
tection des  Herzogs  von  Luynes  wiederum  de  Witte,  der  als 
der  persönliche  Träger  und  Vermittler  des  geschäftlichen 
Verkehrs  diese  Beziehungen  zu  gemeinsamem  Nutzen  lange 
aufrecht  erhielt;  und  selbst  als  sich  dieselben  später  lockerten, 
hat  er  sich  noch  durch  die  Ermöglichung  einer  stattlichen 
Publication  panathenäischer  Vasen  in  den  Monumenti  inediti 
IX  (1877 — 78)  ein  dankbares  Andenken  gesichert.  —  Auf 
gleicher  Linie  stehen  die  Verdienste,  die  er  sich  durch  die 
Leitung  und  Förderung  französischer  Zeitschriften,  der  Revue 
archeologique,  der  Gazette  archeologique  erwarb. 

Die  Aufgabe  des  Beschreibers  erweiterte  sich  natur- 
gemäss  zu  der  des  Erklärers.  In  einer  langen  Reihe  inter- 
pretatorischer  Aufsätze  hat  er  theils  einzelne  Monumente, 
theils  die  bildlichen  Darstellungen  einzelner  mythologischer 
Gestalten  eingehend  behandelt.  Einen  umfassenderen  Plan 
verfolgte  er  in  Gemeinschaft  mit  Charles  Lenormant,  mit 
dem  ihn  eine  enge  Freundschaft  verband ,  die  sich  mit 
fi^leicher  Wärme  sogar  auf  dessen  Sohn  Fran^ois  vererbte. 
Es  handelte  sich  um  eine  Publication  von  Vasenbildem  im 
weitesten  Umfange,  die  wenigstens  in  der  Beschränkung  auf 
die  Darstellungen  der  oberen  Götter  in  den  vier  Bänden  der 
Elite  ceramographique  zur  Durchführung  gelangte.  Wenn 
hier  allerdings  der  Text  durch  die  Nachwirkungen  Creuzer'- 
Symbolik,  sowie  durch  die  unkritische  Methode  Panofka^s 
nicht  zu  seinem  Vortheil  beeinflusst  wurde,  so  bleibt  doch 
dem  Werke  auch  jetzt  noch  ein  wissenschaftlicher  Werth, 
der  sich  wohl  am  besten  dem  der  verwandten  Publicationen 
Gerhardts  an  die  Seite  stellen  lässt. 

Veränderte  Gesichtspunkte  machen  sich  in  anderen  Ar- 
beiten geltend.  Durch  ein  sorgfältiges  und  umfassendes 
Verzeichniss  der  Namen  und  Werke  der  Vasenmaler  hat  er 
zuerst  für  die  späteren  Studien  über  diese  Klasse  von  Künst- 
lern oder  Kunsthandwerkern  eine  gute  Grundlage  geschafifen. 


12  ()e  ff  entliehe  SUzutuj  vom  28,  März  1890, 

Auf  das  Gesamintgebiet  der  Vasenkuude  sind  j^erichtet  die 
Etudes  sur  les  vtLses  peints  (1865)  und  die  Einleitung  zum 
Catiilog  der  Dzialynski'schen  Sammlung:  ^Man  sieht  (sagt  er 
mit  Bezug  auf  die  ersteren),  die  Sammlung  Campana  hat  den 
Vorwand  geliefert  für  diese  Artikel,  aber  schliesslich  habe 
ich  versucht,  einen  ntschen  üeber blick  zu  geben  über  den 
gegenwärtigen  Zustand  unserer  Kenntnisse  von  der  kera- 
mischen  Kunst  der  Griechen**.  Es  sind  also  nicht  eigentlich 
systematische,  auf  der  (Grundlage  eines  erschöpfenden  gelehrten 
Apparates  ausgeführte  Durcharbeitungen  des  Stoffes,  sondern 
sie  sind  erwachsen  auf  der  Grundlage  einer  breiten  prakti- 
schen Erfahrung,  und  gerade  durch  diesen  Charakter  ent- 
behren sie  neben  fortgeschritteneren  Arbeiten  auch  heute 
noch  nicht  eines  selbständigen  Werthes. 

Dass  in  allen  diesen  Studien  die  gemalten  Vasen  im 
Vordergrunde  stehen,  hig  in  der  Natur  der  damaligen  Ent- 
deckungen auf  dem  Boden  Italiens  und  insbesondere  Etruriens: 
gegenüber  den  Vaseiifunden  standen  kleine  Bronzen,  Spiegel, 
Geräthe  und  der  übrige  Appanit  des  Gräberschmuckes  dem 
Tuifange  mich  stark  zurück.  Ebenso  bei  de  Witte:  er  hat 
zur  Verarbeitung  auch  dieses  Stoffes  manchen  Beitrag  ge- 
liefert, in  geringerer  Ausdehnung,  aber  geleitet  von  den 
gleichen  wissenschaftlichen  Gesichtspunkten.  Dagegen  ist  er 
der  Betrachtung  der  monumentalen  Plastik  und  ihrer  histo- 
rischen Entwickelung  fast  ganz  fremd  geblieben:  sie  lag 
weniger  im  Geiste  der  Zeit,  in  welche  seine  Hauptthätig- 
keit  fällt. 

In  gleicher  I?ichtung  wie  bei  den  archäologischen  Studien 
ln'wegt  sich  die  Thätigkeit  de  Wittens  auch  auf  dem  (4ebiete 
der  antiken  Numismatik.  Auch  hier  ist  wieder  der  engen 
Beziehungen  zu  der  Redaction  der  französischen  Revue  numis- 
muti(|ue,  sowie  seiner  Mitarbeiterschaft  an  der  Revue  de  nu- 
mismati(|ue  beige  zu  gedenken.  Hilfreich  betheiligte  er  sich 
ferner    durch    eigene  Ergänzungen    an    der    Herausgabe    der 


V.  Brunn:  Nekrolog  auf  J.  de  Witte,  13 

Marchant*schen  numismatischen  Briefe  und  führte  ebenso  die 
von  dem  Herzoge  von  Blacas  begonnene  Uebersetzung  der 
Mommsen'schen  Geschichte  des  römischen  Münzwesens  nach 
dessem  Tode  zu  Ende.  In  der  langen  Reihe  von  kleineren 
Arbeiten  ist  die  griechische  Numismatik  nicht  unberücksich- 
tigt geblieben;  aber  entschieden  überwiegt  die  römische: 
hier  verdichten  sich  gewissermassen  die  Einzelnstudien  zur 
Lösung  einer  grösseren  Aufgabe,  die  zu  einem  nicht  geringen 
Theile  im  «heimathlichen"  Boden  wurzelt,  zu  dem  Plane 
einer  Münzgeschichte  der  römischen  Kaiser,  welche  im  dritten 
Jahrhundert  n.  Gh.  in  Gallien  regierten.  Der  erste  Theil, 
welcher  die  Sammlung  der  bis  dahin  der  Wissenschaft  zu- 
gänglichen Münzen  enthielt,  erschien  im  Jahre  1868.  Aber 
zum  Theil  wohl  in  Folge  dieser  Publication  ergab  sich  eine 
Mehrung  des  Materials,  welche  de  Witte  zum  Abschlüsse 
einer  systematischen  Verarbeitung  desselben  nicht  hat  ge- 
langen lassen.  Hoffentlich  werden  die  vielen  Vorarbeiten 
der  Wissenschaft  nicht  verloren  gehen! 

So  tritt  uns  die  Thätigkeit  de  Witte's  als  eine  viel- 
verzweigte und  nach  vielen  Seiten  fordernd  eingreifende  ent- 
gegen, und  wenn  ihm  trotzdem  seine  Stelle  nicht  wohl  in 
der  vordersten  Reihe  der  Führer  und  Bahnbrecher  angewiesen 
werden  kann,  so  gebührt  ihm  dagegen  —  ich  möchte  den 
Ausdruck  gebrauchen  in  des  Wortes  bester  Bedeutung  — 
unter  den  Geschiiftsföhrern  der  archäologischen  Wissenschaft 
ein  Ehrenplatz.  Nicht  mit  Unrecht  hat  Gerhard  das  archäo- 
logische Institut  bei  seiner  Gründung  bezeichnet  als  Institut 
für  archäologische  Correspondenz,  und  es  ist  ihm  in  der 
That  gelungen,  durch  dasselbe  einen  Mittelpunkt  zu  schaffen 
fär  den  archäologischen  Geschäftsverkehr.  Ihm  hatte  sich 
in  seiner  Thätigkeit,  soweit  es  den  Kräften  des  Einzelnen 
gegeben  ist,  de  Witte  an  die  Seite  gestellt.  Er  hatte  sein 
Leben  recht  eigentlich  dem  Dienste  der  Wissenschaft  ge- 
widmet:   aufmerksam  folgte  er  ihrer  durch  epochemachende 


14  Oe  ff  entliche  Sitzung  vom  28.  März  1890. 

Entdeckungen  eingeleiteten  neueren  Entwickelung,  aber  nicht 
nur  um  seinem  eigenen  Wissenstriebe  genug  zu  thun,  sondern 
bei  voller  Unabhängigkeit  frei  von  jedem  Neide,  ward  es 
ihm  fast  zum  BedQrfniss,  das  Zusammenwirken  verschiedener 
Kräfte  zu  gemeinsamen  Zielen,  wo  sich  ihm  Gelegenheit  bot, 
zu  fördern  und  zu  unterstützen.  Eine  biedere,  mehr  nieder- 
deutsche, als  französische  Natur,  so  dass  er  auch  nach  lang- 
jährigem Aufenthalte  in  Paris  den  heimischen  viamischen 
Accent  in  der  Aussprache  des  Französischen  nicht  zu  ver- 
läugnen  vermochte,  machte  ihn  seine  schon  durch  die  Geburt 
ihm  angewiesene  neutrale  Stellung  in  besonderem  Maasse 
geeignet,  auf  dem  Gebiete  wissenschaftlicher  Interessen  eine 
gewissermassen  internationale  vermittelnde  Stelle  zu  über- 
nehmen. Dadurch  hat  er,  wenn  auch  in  seinen  eigenen 
Arbeiten  so  manches  dem  Schicksal  der  Veraltung  nicht  ent- 
gehen kann,  sich  um  den  allgemeinen  Fortschrittt  der  archäo- 
logischen Studien  bleibende  Verdienste  erworben,  die  ihm, 
und  nicht  am  wenigsten  unter  den  deutschen  Fachgenossen, 
ein  dankbares  Andenken  sichern  werden. 

Kin  (bis  zum  Jahre  1886)  volktiindij^es  Verzeicbnias  der  Schriften 
de  Wittens  findet  sich  in  den  Noticea  biographiques  et  bibliojirraphiqui*« 
der  k.  bclfj^.  Akademie  vom  .1.  188G,  8.  313—325.  Eine  Erf^änzung 
nebst  Biographie  wird  demnächHt  in  den  Schriften  derselben  Akademie 
erHcheinen.  Vgl.  auch  den  Nekrolog  im  Bulletin  de  la  Societe  des 
antiquaireH  de  France  1890. 

Ludwig  Yon  ITrlichs, 

Karl  Ludwig  Urlichs  war  am  9.  Nowmber  1813  zu 
Osnabrück  geboren.  Nach  dem  Sturze  des  Königreichs  West- 
phalen  kehrte  sein  Vater,  bis  dahin  dort  Abtheilungsdirector 
in  der  französischen  Priifectur,  nach  seiner  Heimath  Aachen 
zurück  und  war  dort  bis  zu  sein(»m  Tode  1820  als  Kegivstrator 
iu  der  preussisclien  Regierung  thätig.  Am  dortigen  üyni- 
sium    erhielt    der   rfohn    seine    wissenschaftliche  Vorbildung. 


V,  Brunn :  Nekrolog  auf  L.  i\  Urlichs,  15 

Von  1829  an  studirte  er  in  Bonn,  wo  er  noch  die  letzten 
Vorlesungen  Niebuhrs  besuchen  konnte,  während  neben 
Heinrich  besonders  Naeke  und  Welcker  bestimmenden  Einfiuss 
auf  seine  Studien  ausübten.  Der  Promotion  im  Jahre  1834 
folgten  mehrere  Wanderjahre.  Zuerst  als  Lehrer  im  Fellen- 
berg*schen  Institut  zu  Hofwyl  beschäftigt)  wandte  er  sich 
1835  nach  Rom  und  trat  dort  1836  —  38  als  Erzieher  im 
Hause  Bunsens,  in  nahe  Beziehungen  zu  dem  damaligen 
Kreise  deutscher  Gelehrter,  nächst  Bunsen  selbst  zu  Gerhard, 
Kestner,  Platner,  sowie  den  jüngeren:  Lepsius,  Reumont, 
Braun,  den  beiden  Abeken,  Papencordt.  Auch  zu  Reisen 
nach  Neapel  und  Sicilien  bot  sich  Gelegenheit.  Nach  Bun- 
seu's  Weggang  führte  ihn  eine  Hauslehrerstelle  in  einer 
schottischen  Familie  1839  nach  der  Schweiz  und  Florenz 
und  nochmals  nach  Rom  zurück,  von  wo  er  1840  dauernd 
nach  Deutschland  zurückkehrte.  Von  da  an  ist  seine  Lauf- 
bahn die  eines  deutschen  Universitätslehrers.  1840  Privat- 
docent  und  1844  ausserordentlicher  Professor  in  Bonn  folgte 
er  1847  einem  Rufe  als  ordentlicher  Professor  nach  Greii^- 
wald  und  1855  nach  Würzburg.  Als  Mitglied  des  obersten 
Schulrathes  seit  dessen  Gründung  1873  bot  sich  ihm  ausser- 
dem Gelegenheit,  an  der  Reform  des  bayerischen  Gymnasial- 
wesens sich  wirksam  zu  betheiligen.  Die  letzten  Jahre  ge- 
statteten ihm,  Italien  wiederzusehen  und  Griechenland  kennen 
zu  lernen.  Noch  über  sein  50  jähriges  Doctorjubiläum  hinaus 
blieb  er  in  voller  und  frischer  Thätigkeit  bis  zn  seinem 
schnellen  und  unerwarteten  Tode  am  3.  November  1889. 

Wie  bei  de  Witte,  so  haben  auch  bei  Urlichs  die  be- 
sonderen Sicitumstände  und  persönliche 'Verhältnisse  auf  den 
ganzen  geistigen  Ent wickelungsgang  in  sehr  bestimmender 
Weise  eingewirkt.  Als  Ulrichs  die  Universität  bezog,  hatten 
sich  die  Kämpfe  zweier  widerstreitender  Richtungen  in  der 
Philologie,  die  sich  an  die  Namen  G.  Herraann's  einer-,  und 
Böckh*s   und    Welcker's    andererseits   knüpften,    noch    nicht 


16  Oeff entliehe  Sitzung  vom  ^8.  Mnrz  1890. 

beruhigt;  und  wenn  auch  die  zur  Alterthumswissenschaft 
erweiterte  Philologie  immer  mehr  Boden  gewann,  so  waren 
doch  die  neuen  antiquarischen  und  archäologischen  Disci- 
plinen  noch  keineswegs  schon  zu  der  uns  jetzt  geläufigen 
Abrundung  gelangt.  Es  war  ferner  damals  noch  eine  seltene 
Ausnahme,  dass  ein  junger  Philologe  wie  Urlichs  nach  voll- 
endetem Universitätsstudium  als  Vorbereitung  für  den  eigenen 
Lehrberuf  noch  eine  zweite  Lehrzeit  auf  dem  klassischen 
Boden  Roms  durchzumachen,  als  forderlich,  wenn  nicht  als 
nothwendig  erachtete.  Als  Universitätslehrer  lag  es  ihm  bis 
an  das  Ende  seines  Lebens  ob,  in  weiterem  Umfange  als  es 
jetzt  meist  verlangt  wird,  das  ganze  Gebiet  der  Philologie 
imd  Archäologie  bis  zur  Aesthetik  und  neueren  Kunst- 
geschichte zu  vertreten.  Dazu  gesellte  sich  sein  eigenes 
Naturell,  Leichtigkeit,  Beweglichkeit  und  Gewandtheit  im 
Leben,  welche  weniger  darauf  gerichtet  waren,  alle  Kräfte 
in  miihsanier  Arbeit  auf  Erreichung  eines  einzigen  engeren 
Zieles  zu  concentriren,  als  nach  verschiedenen  Seiten,  wie 
sich  die  Gelegenheit  bot,  selbst  über  seine  eigentlichen  Fach- 
kreise hinaus  frisch  einzugreifen.  Ja  noch  weiter:  im  öffent- 
lichen Leben  führte  ihn  die  politische  Bewegung  von  1848 
zu  einer  parlamentarischen  Thätigkeit  als  Mitglied  des  preus- 
sischen  Abgeordnetenhauses  und  des  Erfurter  Parlamentes 
(1848  —  52). 

Seine  Erstlingsarbeit  über  Achaeus  von  Eretria  war 
unter  dem  Einflüsse  Welcker's  entstinden.  In  Kom  führte 
ihn  Uunsen  in  die  Topograj>hie  der  Stadt  ein ;  und  aus 
dieson  Studien  ^ing  der  Abschnitt  über  das  Marsfeld  in  der 
grossen  „Beschreibung  Roms",  sowie  der  in  Verbindung  mit 
Phitner  bearbeitete  Auszug  aus  derselben  hervor.  Gewisser- 
massen  ein  Nachspiel  dazu  bildeten  mehrere  Jahre  hindurch 
heftige  Streitschriften  mit  dem  Leipziger  W.  A.  Becker. 
Erst  später  (1871)  und  in  Folge  der  Ooncurrenz  jüngerer 
Forscher  fast  verspätet  folgte  die  Herausgabe»  des  Codex 
topographicus  urbis  Honiae. 


V.  irunn:  Nekrolog  auf  L,  r.  Ulrichs.  17 

Schon  beim  Beginne  seiner  Lehrthätigkeit  in  Bonn,  wo 
ich  zu  seinen  ersten  Zuhörern  gehörte,  bewegte  sich  dieselbe 
nach  verschiedenen  Richtungen.  Wir  finden  allerdings  Vor- 
lesungen über  ciceronisch'e  Reden,  über  Thucydides,  Pindar; 
aber  die  engere  Philologie  tritt  stark  zurück  gegen  die  realen 
Disciplinen:  alte,  besonders  römische  Geschichte,  alte  und 
ebenso  italische  Geographie  und  Chorographie  und  dazu  Topo- 
graphie von  Rom  und  Athen,  griechische  und  römische  Anti- 
quitäten und  —  damals  vielleicht  zum  ersten  Male  in  einem 
deutschen  Kathedervortrag  —  eine  Einführung  in  die  latei- 
nische Inschriftenkunde.  Dazu  gesellte  sich  die  Archäologie 
zuerst  in  encyclopädischer  Behandlung  nach  Müller^s  Hand- 
buch, dann  alte  Kunstgeschichte  (und  ausnahmsweise  einmal 
Kunstmythologie),  allgemeine  Kunstgeschichte.  Seinen  Eifer 
für  die  praktische  Seite  der  archäologischen  Studien  bethätigte 
er  ausserdem  durch  die  von  ihm  1841  ausgegangene  Grün- 
dung des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande,  der 
noch  heute  in  voller  Wirksamkeit  und  Blüthe  fortbesteht. 
—  Ganz  vereinzelt  steht  die  Ankündigung  einer  Vorlesung 
über  Shakespeare^s  Romeo  und  Julie,  von  der  es  mir  aller- 
dings zweifelhaft  ist,  ob  sie,  gerade  um  die  Zeit  seiner  Be- 
rufung nach  Greifswalde,  wirklich  gehalten  worden  ist. 

Dort  und  später  in  Würzburg  musste  sich  dieser  Cyklus 
mehrfach  den  Anforderungen  an  seine  Stellung  anbequemen, 
welche  weit  mehr  auf  eine  Erweiterung,  als  auf  eine  Be- 
schränkung hindrängten.  Zur  Archäologie  verlangte  man 
in  Würzbnrg  die  Berücksichtigung  der  allgemeinen  Kunst- 
geschichte und  Aesthetik.  Wenn  die  historischen  und  anti- 
quarischen Disciplinen  eine  geringe  Beschränkung  erfahren, 
so  trat  an  ihre  Stelle  die  griechische  Literaturgeschichte  als 
Ganzes  oder  in  verschiedenen  Theilen.  Der  Kreis  der  eigent- 
lichen InterpretationscoUegien  erweiterte  sich  verhältniss- 
mäflsig  wenig,  durch  Aeschylus,  Aristophanes,  Tacitus.  Da- 
gegen  boten    ihm    die   Uebungen   im    Seminar   den    Anlass, 

ISea  PUloa.-i»hUol.  u.  hiBt  GL  IL  1.  2 


18  Oe ff  entliehe  Sitzung  vom  28,  März  1890. 

seine  Lehrthätigkeit  auf  die  gesammte  klassische  Literatur 
im  weitesten  Umfange  und  fast  in  allen  ihren  Hauptvertretem 
auszudehnen. 

lieber  seine  Erfolge  als  Lehrer  sprechen  sich  zahlreiche 
Schüler  mit  warmer  Anerkennung  aus.  Die  Zuhörer  f&hlten 
sich  angezogen  schon  durch  die  leichte  und  gewandte  Be- 
herrschung der  Sprache  und  die  frische  Lebendigkeit  des 
Vortrages.  Weiter  wirkte  sodann  eben  die  Breite  und  Viel- 
seitigkeit seiner  Bildung  und  seiner  Anschauungen,  welche 
den  Blick  auch  der  Schwächeren  über  den  engen  Kreis 
blosser  Schulwissenschaft  hinaus  zu  erweitern  mit  Erfolg 
bestrebt  und  doch  auch  zugleich  geeignet  war,  bei  den 
Besseren  die  Liebe  zu  eigener  wissenschaftlicher  Arbeit  zu 
erwecken.  Wo  er  solchen  Bestrebungen  begegnete,  da  hat 
er  sich  den  Einzelnen  nicht  nur  durch  näheren  persönlichen 
Verkehr  hilfreich  erwiesen,  sondern  ihnen  auch  über  die 
Universitätszeit  hinaus  eine  wohlwollende  Förderung  ange- 
deihen  lassen. 

Als  eine  Frucht  jener  Vielseitigkeit  in  der  Orientirung 
auf  den  verschiedenen  Gebieten  der  Alterthums Wissenschaft 
darf  es  wohl  luich  betrachtet  werden,  wenn  es  ihm  gelang, 
in  dem  einleitenden  Bande  der  Iwan  Müller'schen  Handbücher 
die  ^Grundlegung  und  Geschichte  der  Philologie*  geschickt 
und  mit  leichter  Hand  darzulegen,  die  gewissermassen  auch 
als  das  Programm  seiner  eigenen  Thätigkeit  betrachtet  wer- 
den darf. 

Wenn  auf  dem  Gebiete  der  Lehrthätigkeit  die  Philologie 
nach  ihrer  praktischen  Bedeutung  den  grösseren  Raum  ein- 
nahm, so  ist  das  Umgekehrte  der  Fall  auf  dem  Felde  der 
literarischen  Arbeit.  Rein  philologisch  sind  fast  nur  die 
Arbeiten  über  Tacitus,  insbesondere  dessen  Agricola.  Denn 
wenn  auch  die  Chrestomathia  Pliniana  und  die  Vindiciae 
Plinianae  von  umfassenden  Studien  über  Plinius  Zeugniss 
ablegen,    so    zeigen    doch    andere  Aufsätze  wie  die  über  die 


j 

] 


.  Brutm:  Nekroloii  auf  t.  v.  UrUchs. 


19 


Qaellenregister  zii  Plinius'  letzten  Bßchern  u.  Ä.,  wie  ihm 
Ptmius  weniger  fUr  dch  selbst  Zweck,  sondern  nur  Mittel 
filr  !«ttinc  archäolo^sclieii  Studien  sein  »ollte.  Auf  dieäeni 
letzteren  Gebiete  tritt  una  in  zahlreichen  Beiträgen  seine 
Thittigkeit  iils  eine  r^clieinbar  /.ersplittertc  entgegen,  eiitlielirt 
n)>er  keineswegs  einer  inneren  Kinbeit.  In  der  Zeit,  in 
welcher  ürlichs  den  («rund  seiner  Stndien  in  Bon»  legt* 
und  auch  noch  wülireiid  des  dantnf  folgenden  Aufenthaltes 
jn  Rom  halte  die  neuere  Methode  der  DenkniältTerklärnng, 
wie  me  in  Folge  des  massenhaften  Zuwachses  neuen  Materials 
Rieh  abi  nothwendig  erwies,  noch  keine  feste  Gestalt  ge- 
wonnoD.  Ebenso  wurden  kunst^eüchichtliche  Untersuchungen 
nach  der  künstleriscben  oder  stjrlgeschichtlichen  Seite  damals 
fllwirhuipt  kaum  liotrieben,  unil  er  selbst  brachte  denselbeu 
wenig Kfligung  entgegen.  In  einer  Recension  meiner  Kfiristler- 
gwchichte  (.lahrb.  f.  Philol.  69,  8.  374)  sagt  er:  ,1hm  (dem 
Ii«c.)  itind  die  trockeneren  cbronologi'^cben  Untersuchungeu 
(in  dcnwlben)  die  liebsten,  weil  sich  dadurch  feste  Punkte 
ergehen,  von  denen  man  ganze  Gebiete  der  Kunstgeschichte 
leichter  nnd  sicherer  beherrschen  kann,  iils  wenn  man  vnn 
mbj«ctjvvn  Meinungen  aus  ihren  Gang  zu  uonstruiren  unter- 
nidiuit.*  Aus  dieser  Verschiedenheit  der  Grundanschauungen 
hat  sieh  «Ilenlings  /.wischen  Urlichs  und  mir,  von  der  mUnd- 
Ucben  Disputation  hei  meiner  Diwtorjiromotiou  beginnend, 
un  .dreissifuübriger  Krieg*  Aber  die  Chronologie  der  ältesten 
grwehischmi  Künstler  entwickelt,  neben  dem  indessen,  was 
ich  aoadrOcklich  hcton«^',  die  alten  persönlichen  Beziehungen 
DBgetrdbt  fortbestanden  haben.  Und  ausserdem  blieben  seine 
UnttTtuchungen  keineswegs  bei  der  blossen  Chronologie 
■tehen:  beeooders  machte-  sich  seine  frfibere  Hinni.'igung  zum 
Ktudium  der  altj^n  Geschichte  nberhaupt  gelt^'ud.  In  si-invr 
Snhrift  Cb<.'r  8kopas  hat  er,  wenn  nicht  zuerst,  so  doch  in 
enderer  Weise  als  je  /.uvor  die  politische  Geschichte 
len  nnd  tlrtsrhaften,  welche  fflr  künstlerische  Untere 


1 


20  OeffentJiche  Sitzung  vom  28.  Mars  1890. 

nehmungen,  die  Entstehung  oder  Weihung  einzelner  Werke 
maassgebend  gewesen  sein  dtirfben,  zur  Erörterung  beigezogen, 
vielleicht  in  zu  umfassender  Weise,  wie  es  ja  bei  der  Ein- 
führung eines  neuen  Gesichtspunktes  leicht  erklärlich  ist, 
der  aber  doch  unter  gewissen  Beschränkungen  sich  schliess- 
lich als  berechtigt  und  förderlich  erweist.  Diese  Richtung 
lässt  sich  weiter  verfolgen  in  den  Arbeiten  über  den  Tempel 
von  Olympia,  über  das  Nereidenmouument  von  Xanthos,  über 
pergamenische  Inschriften;  nach  einer  andern  Seite  hin  in 
denen  über  griechische  Statuen  im  republicanischen  Rom; 
über  die  Malerei  in  Rom  vor  Caesars  Dictatur;  über  rö- 
mischen Bilderhandel.  In  allen  diesen  Arbeiten  lässt  sich  ein 
einheitlicher  Zug  nicht  verkennen,  einheitlich  in  der  Art  der 
historischen  Behandlung,  die  aber,  was  den  Inhalt  anlangt, 
weniger  auf  die  innere  Entwickelungsgeschichte  der  Kunst 
gerichtet  ist,  als  auf  die  äusseren  Thatsachen  ihrer  Gestaltung. 

Einen  bestimmenden  Einfluss  auf  einen  weiteren  nicht 
kleinen  Theil  seiner  literarischen  Thätigkeit  musste  die  Stif- 
tung ausüben,  welche  der  Universität  Würzburg  durch  die 
Erbschaft  Martin  Wagner \s  im  Jahre  1857  zufiel.  Die 
Antikensamm hingen  derselben,  zu  deren  Vermehrung  ürlichs 
namentlich  durch  den  Ankauf  der  Feoli'schen  Vasensamm- 
lung beitrug,  verlangton  eine  Kaüilogisirung,  die  er  in  drei 
Abtheilungen  durchführte.  Einzelne  Monumente  fanden  eine 
eingehende  Besprechung  in  besonderen  Aufsätzen  (Zwei  Vasen 
ältesten  8tyls;  über  die  Gruppe  des  Pasquino;  über  den  Vasen- 
maler Brygos),  sowie  in  den  1885  erschienenen  „Beiträgen  zur 
Kunstgeschichte**.  Aus  der  Correspondenz  mit  König  Ludwig  I. 
erwuchs  die  Geschichte  der  Glyptothek  (18()7).  Der  übrige 
schriftliche  Nachhiss  aber  lieferte  nicht  nur  den  Stoft*  zu  einem 
Lel)ensl)il(l(^  WagnerV,  sondern  auch  zu  weiteren  biographi- 
schen Mittheilungen  über  Thorwaldsen,  Cornelius,  Overbeck. 

Selbst  über  solche,  durch  seine  amtliche  Stellung  ver- 
anlasste Verarbeitung  gegebenen  Stoffes  hinaus,  Hess  er  auch 


V,  Brunn:  Ntkr6lo<j  auf  L,  v.  Urlichs,  21 

sonst  sieb  darbietende  Gelegenheiten  sich  nicht  entgehen, 
seine  Thätigkeit  über  das  engere  Gebiet  seiner  Fachstudien 
auszudehnen.  Durch  Beziehungen  zu  Persönlichkeiten  aus 
den  Goethe'schen  Kreisen  und  zu  der  Familie  Schiller's 
glückte  es  ihm,  von  wichtigen  literaturgeschichtlichen  Docu- 
menten  Kenntniss  zu  erlangen,  welche  er  durch  mehrfache  Be- 
sprechungen und  wissenschaftliche  Bearbeitungen  dem  weiteren 
Kreise  der  Literaturfreunde  zugänglich  zu  machen,  mit  nicht 
geringerem  Eifer  und  Verständniss,  wie  bei  seinen  philologi- 
schen und  archäologischen  Arbeiten  sich  angelegen  sein  liess. 

So  sehr  sich  hierin,  wie  überhaupt  in  seiner  Thätigkeit 
die  Vielseitigkeit  seiner  Interessen,  die  Beweglichkeit  seines 
Geistes  und  die  Gewandtheit  bei  der  Inangriffnahme  so  ver- 
schiedener Aufgaben  bekundeten,  so  ist  es  doch  gerade  in 
solchen  Eigenschafben  begründet,  dass  sich  seine  Studien  nicht 
zu  wenigen  Werken  grösseren  ümfanges  einheitlich  zusammen- 
schlössen, sondern  schon  in  der  Art  ihrer  Veröffentlichung 
meist  den  Charakter  von  Gelegenheitsschriften  trugen.  So 
hat  Urlichs  nach  Analogie  der  Winckelmannsprogramme 
zu  der  jährlichen  Stiftungsfeier  des  Wagnerischen  lastitutes 
seit  1865  nicht  weniger  als  22  Programme  veröffentlicht,  die 
eine  Einheit  nur  durch  den  Anlass  ihres  Erscheinens  und  aller- 
dings durch  die  Person  ihres  Verfassers  bilden,  ihrem  Inhalte 
nach  sich  aber  nur  etwa  als  vermischte  Schriften  desselben 
bezeichnen  Hessen.  Anderes  trägt  die  Form  von  Vorträgen : 
bei  Philologenversammlungen  oder  anderen  Gelegenheiten, 
während  natürlich  ein  sehr  wesentlicher  Theil  von  Beiträgen 
in  verschiedenen  Zeitschriften  zerstreut  ist.  Ein  vollständiger 
Ueberblick  wird  sich  erst  aus  der  Biographie  gewinnen  lassen, 
die  von  seinem,  den  Spuren  des  Vaters  auch  in  seinen  eigenen 
Studien  folgendem  Sohne  vorbereitet  wird. 

Es  wird  sich  kaum  jemals  die  Gesammtcharakteristik  einer 
bestimmten  Persönlichkeit  unverändert  auf  eine  zweite  über- 
tragen lassen;  und  doch,  wenn  man  liest,  wie  ürlichs  in  seiner 


22  OeffentUche  Sitzung  vom  28,  März  1890. 

Geschichte  der  Philologie  (S.  121)  über  Gottling  urtheilt:  ,der 
geistreiche,  für  das  Alterthum  begeisterte,  als  Lehrer  ausgezeich- 
nete Mann  entwickelte  . . .  eine  vielseitige  Thätigkeit,  überall 
anregend,  selten  überzeugend ^^^  so  hat  man  die  Empfindung, 
als  ob  in  diesen  Worten  Urlichs  in  sehr  wesentlichen  Zügen 
sein  eigenes  Bild  gezeichnet  habe.  Ich  möchte  das  , selten  über- 
zeugend" nicht  zu  scharf  betonen,  obwohl  ich  ja  in  unseren 
Controversen  mich  oft  genug  als  nicht  überzeugt  habe  be- 
kennen müssen.  Aber  so  viel  darf  wohl  behauptet  werden,  dass 
die  zahlreichen,  mehr  den  Charakter  von  Studien,  als  von  ab- 
geschlossenen Arbeiten  tragenden  Beiträge  häufig  nicht  zu 
Ergebnissen  geführt  haben,  welche  sich  sofort  als  fester  und 
dauernder  Erwerb  dem  Besitzstande  der  Wissenschaft  hätten 
einfügen  lassen.  Aber  oft  bedarf  es  der  halben  Wahrheit, 
ja  des  Irrthums,  um  nur  erst  den  Weg  zur  vollen  Erkennt- 
niss  der  Wahrheit  zu  bahnen.  Gerade  bei  Kämpfen  über 
verwickelte  Fragen  verwirren  sich  oft  die  Fäden,  so  dass  es 
oft  erst  am  Schlüsse  hervortritt,  wie  auch  der  besiegte  Theil 
das  Seinige  beigetragen  hat,  dem  höheren  Ziele  des  Kampfes, 
der  Wahrheit,  zum  Siege  zu  verhelfen.  Die  Wissenschaft 
bedarf  zu  ihrem  Gedeihen  des  Zusammenwirkens  von  Kräften 
verschiedener  Art;  aber  um  den  Antheil  des  Einzelnen  ge- 
recht zu  beurtheilen,  bedarf  es  vor  Allem  einer  gerechten 
Würdigung  der  Voraussetzungen,  die  in  der  Persönlichkeit 
des  Einzelnen,  in  den  Bedingungen  seiner  Zeit  und  seiner  Um- 
gebung gegeben  sind.  Bei  Urlichs  fällt  die  Studienzeit,  welche 
die  tiefsten  Eindrücke  zu  hinterlassen  pflegt  und  oft  für  die 
gesammte  spätere  Entwickelung  massgebend  bleibt,  in  eine 
Uebergangsperiode,  aus  welcher  unter  mannigfachen  Schwan- 
kungen eine  neue  Entwickelung  der  Alterth  ums  Wissenschaft, 
erst  hervorgehen  sollte.  Die  verschiedenen  Ansprüche,  denen 
er  in  seinen  amtlichen  Stellungen  zu  genügen  hatte,  erwiesen 
sich  einer  Concentrirung  aller  Kräfte  auf  die  Bearbeitung 
eine^s  engeren,    bestimmt    begrenzten    wissenschaftlichen  Ge- 


V,  Brunn:  Nekrolog  auf  Franz  DeliUach,  23 

bietes  wenig  günstig.  Nicht  minder  aber  war  es  die  Lebendig- 
keit und  Beweglichkeit  der  eigenen  Natur,  welche  den  Lock- 
ungen zu  vielseitiger  Thätigkeit  stets  bereitwillig  entgegen- 
kam. Wenn  nun  auch  die  Ergebnisse  der  unter  solchen  Ein- 
fltbssen  entstandenen  Arbeiten  durch  den  Fortschritt  der 
Wissenschaft  vielfach  überholt  werden  und  selbst  da,  wo 
sie  im  Einzelnen  sich  förderlich  erwiesen  haben,  den  spätem 
endgültigen  Lösungen  gegenüber  mehr  in  den  Hintergrund 
treten,  so  wird  doch  die  Gestalt  ihres  Verfassers  als  eines 
stets  bereiten  Kampfgenossen  in  dem  Gesammtbild  des  wissen- 
schaftlichen Fortschrittes  seiner  Zeit  nicht  fehlen  dürfen. 

Vgl.  den  Nekrolog  von  N.  Wecklein  in  der  Beilage  der  All- 
gemeinen Zeitung  vom  6.  Februar  1890. 

Franz  Delitzsch. 

Der  äussere  Lebensgang  Franz  Delitzsch*s  ist  im  Wesent- 
lichen der  eines  deutschen  Universitätslehrers.  Geboren  am 
23.  Februar  1813  in  Leipzig  als  Sohn  unbemittelter  Eltern 
ward  ihm  die  Möglichkeit  wissenschaftlichen  Studiums  durch 
die  nachhaltige  Unterstützung  eines  mit  seinen  Eltern  zu- 
sammenlebenden IsraeUten  Hirsch  Levi,  des  Lihabers  eines 
kleinen  Büchergeschäftes  geboten.  Nach  vollendeter  Vor- 
bildung auf  der  St.  Nicolai-Schule  widmete  er  sich  1831 
auf  der  Universität  zunächst  dem  Studium  der  Philosophie 
und  Philologie;  aber  schon  1832  trat  er  in  Folge  einer 
plötzlichen  inneren  Wandlung  zur  Theologie  über,  was  ihn 
nicht  hinderte,  am  3.  März  1835  den  philosophischen  Doctor- 
grad  zu  erwerben,  während  die  Ehren  eines  Doctors  der 
Theologie  ihm  erst  später  durch  die  Universität  Erlangen 
ertheilt  wurden.  Erst  nach  einer  Reihe  von  Jahren,  die  er, 
bereits  wissenschaftlich  thätig,  wie  bisher  in  Leipzig  ver- 
brachte, habilitirte  er  sich  1842  an  der  Universität  und 
rückte  an    derselben    1844   zum  ausserordentlichen  Professor 


24  Oeffentliche  Sitzung  vom  28.  März  1890, 

vor.  184(3  folgte  er,  nachdem  er  schon -vorher  einen  Antrag 
aus  Königsberg  als  seiner  theologischen  Richtung  weniger 
entsprechend  abgelehnt  hatte,  einem  Ruf  als  ordentlicher 
Professor  nach  Rostock  und  von  dort  1850  nach  Erlangen, 
V70  er  17  Jahre  lang  im  engen  Verein  mit  Hofmann  fdr 
den  Glanz  und  die  hohe  Blüthe  der  theologischen  FacultSt 
mit  hervorragendem  Erfolge  wirkte.  Das  Jahr  1867  fahrte 
ihn  als  Professor  der  biblischen  Exegese  nach  Leipzig  zurück, 
um  hier  eine  ähnliche  tiefgreifende  Thätigkeit  zu  entfalten, 
der  es  auch  an  äusserer  Anerkennung  durch  Ehren  und 
Würden  nicht  fehlen  sollte. 

Erst  im  Herbst  1888  erlitt  seine  Gesundheit  eine  starke 
Erschütterung  durch  eine  schwere  Erkrankung,  die  er  sich 
auf  einer  Reise  nach  Holland  durch  unvorsichtigen  Gebrauch 
kalter  Bäder  zugezogen  hatte.  Doch  konnte  er  im  Laufe 
des  Winters  und  im  Sommersemester  seine  akademische  Lehr- 
thätigkeit  wieder  aufnehmen.  Allein  in  den  Herbstferien 
befiel  ihn  eine  Lähmung,  welche  dem  Körper  die  Bewegungs- 
fiihigkeit  fast  vollständig  raubte,  ohne  dabei  seine  geistige 
Kraft  zu  brechen.  Bis  in  die  letzten  Tage  vor  seinem  Tode 
wissenschaftlich  thätig,  verschied  er  am  4.  März  dieses  Jahres. 

Unserer  Akademie  gehörte  Delitzsch  als  auswärtiges 
Mitglied  vSeit  1850  an,  und  es  ist  ehrend  für  beide  Theile, 
dass  der,  der  ihn,  den  protestantisclien  Theologen,  zur  Auf- 
nahme vorsehlug,  kein  anderer  war  als  der  katholische  Theo- 
loge, Abt  Haneberg.  Zur  Begründung  seines  Antrags  führt 
derselbe  Folgendes  aus:  , Delitzsch  hat  in  seiner  Schrift, 
Mesuruni  Isagoge  in  grammaticam  et  lexicographiam  linguae 
liebraicae'  1838  unter  anderem  die  Vergleichung  semitischer 
Sprachen  mit  indogermanischen,  namentlich  dem  Sanskrit 
wesentlich  gef()rdert.  Seine  Resultate  haben  die  Anerkennung 
der  ersten  Männer  vom  Fache  erhalten,  z.  B.  von  Eugen 
Burnouf.  —  In  seiner  Schrift  ,,Znr  Geschichte  der  jüdischen 
Poesie*  (1836)    hat  er  den   dichterischen  Reichthum  der  jü- 


t?.  Brunn:  Nekrolog  auf  Franz  Delitzsch.  25 

dischen  Literatur,  welcher  früher  nur  im  engsten  Kreise  und 
unvollkommen  bekannt  war,  weithin  zur  Kenntniss  gebracht, 
hat  die  Formen  und  Gesetze  dieser  Poesie  gründlich  erforscht 
und  ihre  Haupterscheinungen  nach  Zeit  und  Inhalt  ge- 
sichtet. —  Das  grösste  Verdienst  hat  er  sich  durch  die 
Herausgabe  und  Bearbeitung  des  Systems  der  Religions- 
philosophie von  Aaron  ben-Elia,  einem  Karäer  aus  Nico- 
media .  .  .  erworben.  So  reichliche  Bearbeitung  bisher  das 
Gebiet  der  rabbanitischen  Religionsphilosophie  gefunden  hatte, 
so  dunkel  blieb  das  entsprechende  der  Karäer.  Man  wusste 
im  Ganzen  nur,  dass  ihre  Richtung  freisinnig  sei  und  dass 
zwischen  ihnen  und  den  Rabbaniten  eine  grosse  Abneigung 
herrschte.  Durch  die  Herausgabe  des  genannten  Werkes 
hat  Delitzsch  den  Karäem  einen  Ehrenplatz  im  Kreise  der 
orientalischen  Religionsphilosophie  gesichert.  Er  gibt  den 
Text  zunächst  nach  einem  trefflichen  Codex  von  Leipzig  und 
fügt  in  den  Anmerkungen  die  Varianten  der  Münchener 
Handschrifb  bei.  Tn  sehr  schätzbaren  Beilagen  und  Ein- 
leitungen hat  er  die  europäische  Kenntniss  von  der  Cultur- 
geschichte  und  den  Lehren  der  Karäer  sehr  gefördert  und 
in  vielen  Fällen  populäre  Vorstellungen  berichtigt.  Zwar 
ist  noch  viel  zu  thun,  bis  wir  von  der  Geschichte,  der  Lite- 
ratur und  dem  eigenthümlichen  Ritus  dieser  merkwürdigen 
Fraction  des  Judenthums  eine  vollkommene  Vorstellung  haben 
werden;  aber  Delitzsch  gebührt  das  Verdienst,  zunächst  nach 
Wolf  und  Teigland  Bahn  gebrochen  zu  haben.*  Nachdem  so- 
dann noch  auf  manche  belehrende  Aufsätze  im  Literaturblatt 
des  Orients  und  im  Serapeum  hingewiesen  wird,  gedenkt 
Haneberg  noch  des  rühmlichen  Antheils  an  der  orientalischen 
Abtheilung  der  Neumann'schen  Kataloge  der  leipziger  Stadt- 
bibliothek. 

Es  schien  angemessen,  dieses  Zeugniss  eines  competenten 
Fachgenossen,  obwohl  dasselbe  nur  auf  das  erste  Drittel  der 
langen    wissenschaftlichen  Thätigkeit   und   noch   dazu   unter 


26  Oeffentliche  Sitzung  vom  28.  Märe  1890, 

Ausschluss  des  eigentlich  theologischen  Gebietes  Bezug  nehmen 
konnte,  hier  ausführlich  mitzutheilen,  je  weniger  der  Schreiber 
des  folgenden  Qedenkblattes,  ohne  persönliche  Beziehungen 
zu  dem  Verstorbenen  und  den  Stndienkreisen  desselben  fern- 
stehend, sich  zu  eigenem  Urtheil  befähigt  erachten  darf, 
vielmehr  sich  darauf  beschränken  muss,  aus  dem  Abhören 
verschiedenartiger  Zeugen  das  Bild  eines  hervorragenden 
Mannes  nur  in  allgemeinen  Zügen  zu  entwerfen. 

„Mit  den  Blumen  stand  ich  stets  auf  vertrautem  Fusse; 
sie  erzählen  mir  himmlische  Dinge;  in  ihrem  Dufte  fühle 
ich  die  Nähe  und  den  Odem  des  Schöpfers *',  sagt  Delitzsch 
in  seiner  Schrift:  Iris;  Farbenstudien  und  Blumenstücke 
(1888).  Schon  in  diesen  Worten  kündigt  sich  die  mensch- 
liche Seite  des  Mannes  an,  der  gemüth-  und  poesievoll,  eine 
anima  Candida  auch  mit  der  Menschheit  stets  auf  vertrautem 
Fusse  stand,  stets  bereit,  so  weit  er  es  vermochte,  zur  Lin- 
derung materieller  Noth  im  Stillen  Wohlthaten  zu  spenden, 
nicht  weniger  aber  auch  als  wahrhaft  frommer  Mann  durch 
geistigen  Rath  und  Trost  zu  helfen.  In  dieser  Richtung 
wirkte  er  auf  weite  Kreise  durch  Erbauungsschriften,  wie 
sein  Coramunionbuch  und  sein  Vater  unser,  und  ebenso  durch 
das  lebendige  Wort  in  Unterweisung  und  Lehre.  Er  ver- 
schmähte es  nicht,  bis  zu  den  Kindern  herabzusteigen  und 
ihnen  besondere  Gottesdienste  zu  halten,  er  leitete  die 
Hebungen  religiöser  Conventikel  und  Missionen.  Ausländischen 
Studierenden  widmete  er  sich  in  besonderen  Conversatorien ; 
seinen  Zuhörern  suchte  er  als  väterlicher  Freund  persönlich 
näher  zu  treten. 

Von  solcher  inneren  Wärme  war  offenbar  auch  seine 
akademische  Lehrthätigkeit  erfüllt  und  getragen;  doch  musste 
dieselbe  natürlich  ihr  besonderes  Gepräge  durch  seine  reli- 
giösen Anschauungen  erhalten. 

Sein  theologischer  Standpunkt  war  der  des  strenggläu- 
bigen Lutherthums,  streng  kirchlich,  aber  nicht  im  gewöhn- 


.  Brunn i  NrlfiliHj  auf  Fio 


27 


Sinne  (irt)iu(l<>x ;  nud  wen»  «r  auch,  wo  er  sich  in 
iniicreo  Blaipfinden  vorletzt  ftlhlte,  in  Zom  aiifzu- 
linen  und  seine  Ueberzeugungen  in  scbarfer  Polemik  /.u 
verlbcidigi^n  ventHpil,  hu  wurde  er  doch  dadurch  lüplit  zum 
Zelot«n  und  t'aDutiker.  Er  war  seiner  Nutur  mich  kein 
Mgentlicher  Hyst*miitiker  oder  Uogmatiker,  der  mit  eigen- 
Kiiiiiig«r  Versieh iosMenbeit  Nioh  ntreiig  im  den  Buchatebeu  an- 
kUinDiiTii  zu  mÜiMcn  ^hinhte.  In  ifii'inpr  Zeit  wuWmg  «ich 
rin  |j;ewaltiger  Unitichwung  in  der  AuffaiMUiiK  und  Behand- 
lung  II IUI) entlieh  der  alttentanieiittichen  Urkunde.  ,  (taktlos 
arbeitend  und  allen  Krumen  »meines  Kuches  sich  stek«  offen 
haltend,  wie  Oelitzsch  war,  weigerte  er  sich  nicht,  auch  auf 
die«!  Krügen  der  literarisch-historischen  Kritik  einsugeheo 
und  seino  frohere  Stellung  im  ^inzeltien  im  Laufe  der  Zeit 
tkfaritt  f(ir  Schritt  manuichfaoh  zu  ändern.  Aber  niemand 
konnte  weiter  davon  entfernt  Rein,  als  er,  in  der  hl.  Schrift 
nur  etwa  ein  Object  kritischer  und  überhaupt  blos  vrissen- 
«chfflfYliuher  Untersuchungen  zu  sehen.  Sie  war  ihm  stet« 
die  heilige  Urkunde  göttlicher  Offenbarung,  der  er  nur  mit 
fTonioief  J!«heu  nahte  ,  ,  .'  (Luthardt).  Und  er  selbst  sagt 
io  «ier  Einleitung  zum  Neuen  (jeucsiä-Commentar  (1887): 
.Wir  sind  Christen  und  stehen  deshalb  zur  beihgeii  Schrift 
andeni  als  zu  den  homerischen  Gedichten  oder  zu  den  Nibe- 
ImtgtfD  oder  zu  den  D en k tu älersch ätzen  in  der  Bibliothek 
AasarbanipaU  .  .  .',  was  ihn  jedoch  nicht  hinderte,  noch  in 
»eilten  späten  Jahren  unter  der  Leitung  seine-«  jUngaten,  als 
ÄJs^HologL'n  bekannten  Sohnes  Friedrich  diesen  letzteren  in 
eigenen  Studien  näher  zu  treten.  Wenn  er  dennoch  zu  der 
Uetieraengung  gedrängt  wurde,  dass  von  einem  Kerne  gött- 
licbsr  Offenbarung  ein  Theil  menschlicher  Zuthaten  zu 
scheiden  »ei  and  sich  scheiden  lasse,  so  glaubte  er  an 
dem  enteren  um  mi  unverbrüchlicher  festhalten  zu  müssen; 
und  auf  diesem  Glauben  beruht  seine  Wirkäamkeil  auf  dem 
engeren    oder   eigentlicbeu    Gebiet«    der    Theologie.      Oi4>ae 


28  Oeffentliche  Sitzung  vom  28,  März  1890. 

Verdienste  aber  eingehend  zu  beurt heilen  und  zu  würdigen, 
nuiss  den  Theologen  überLissen  bleiben. 

Aber  ^Theologie  und  Linguistik  haben  sich  von  jeher 
um  die  Oberherrschaft  in  mir  gestritten",  und  wenn  er  auch 
aussprach,  dass  der  Grammatiker  „doch  schlechthin  unfähig 
sein  kann,  sich  theologisch  in  den  Geist  seines  (des  Textes) 
Sinnes  und  seiner  Geschichte  zu  versenken **,  so  stand  ihm 
doch  fest,  „diiss  die  Theologie  als  eine  wesentlich  historische, 
auf  urkundlich  bezeugten  Thatsachen  beruhende  Wissenschaft 
sich  auf  dem  Fundamente  grammatischer  Auslegung  aufzu- 
bauen habe**  (in  seiner  Antrittsrede  als  Professor  in  Leipzig: 
Physiologie  und  Musik  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Gram- 
matik, besonders  die  hebräische,  1868,  in  der  Einleitung  und 
am  Schlüsse).  Diese  philologische  Behandlung  der  Urkunden 
aber  des  alten  Testaments,  die  bei  Delitzsch  weit  hinaus- 
wächst über  das  Studium  der  hebräischen  Sprache  und  von 
diesem  aufsteigt  zur  allgemeinen  Betrachtung  des  jüdischen 
Volkes  nicht  blos  in  der  Geschichte  seiner  Vergangenheit, 
sondern  im  Hinblick  auf  seine  Zukunft,  verleiht  seiner  ganzen 
Thätigkeit  ein  so  eigenartiges  (.Topräge,  dass  man  sich  ver- 
sucht fühlen  muss,  ihren  Trsprüngen  nachzuforschen  und 
dieselben  auf  bestimmte  Grundursachen  in  dem  inneren  Wesen 
seiner  ganzen  Persönlichkeit  zurückzuführen. 

Es  geht  die  ^^tige,  Delitzsch  sei  getaufter  Jude  gewesen. 
Damit  steht  die  Thatsache  im  Widerspruch,  dass  er  wenige 
Tage  nach  seiner  Geburt  christlich  getauft  wurde.  Aber 
auch  Verehrer  von  ihm  leugnen  nicht  den  fast  jüdischen 
Typus  seiner  äusseren  Erscheinung.  ,Die  ehrwürdige  Greisen- 
gestalt, klein  von  Statur,  mit  hoher  Stinie  und  tiefblau 
hMH'htenden  Augen,  an  die  ehrwürdigen  Gestalten  des  alten 
Testaments  erinnernd,  muss  jedem  unvergesslich  sich  ein- 
geprägt halben,  der  je  ihn  gesehen  hat.**  Andere  nennen 
ihn  eine  im  guten  Sinne  durchaus  orientalische  Natur,  er- 
füllt von  religiöser  Gefühlsinnerlichkeit.     Bietet  sich  da  nicht 


V,  Brunn:  Nekrolog  auf  Franz  Delitxach.  29 

wie  Yon  selbst  die  Annahme  dar,  dass  sein  Blut  nicht  frei 
TOD  semitischer  Beinaischung  gewesen  ?  Bedeutende  Seiten 
seiner  Persönlichkeit  treten  dadurch  in  eine  scharfe  Beleuch- 
tung und  das  Bild  des  Mannes  gewinnt  an  Einheitlichkeit. 
Oewiss  hat  sich  Delitzsch  durch  verschiedene  Schriften 
nicht  geringe  Verdienste  um  die  biblische,  auch  die  neutesta- 
mentliche  Textgeschichte  erworben,  und  sich  mit  Eifer  au  den 
Arbeiten  zur  Revison  der  Lutherischen  Bibelübersetzung  be- 
theiligt. Aber  von  noch  hervorragenderer  Bedeutung  ist  seine 
einzig  dastehende  Kenntniss  der  hebräischen  Sprache.  Schon 
frOh  begann  er  das  Studium  derselben,  und  er  beschränkte 
sich  dabei  nicht  auf  die  Sprache  der  Bibel,  sondern  er  machte 
sich  auch  vertraut  mit  dem  talmudischen  oder  neuhebräischen 
Idiom.  Davon  legt  neben  manchen  späteren  Arbeiten  schon 
die  Schrift  Zeugniss  ab,  welche  er  bald  nach  seiner  Promotion 
veröffentlichte:  »Zur  Geschichte  der  jüdischen  Poesie  vom 
Abschluss  der  heiligen  Schriften  des  alten  Testamentes  bis 
auf  die  neueste  Zeit,  1836*.  Von  noch  tiefgreifenderem 
Einfluss  aber,  so  dass  sich  in  ihnen  der  eigentliche  Kern 
seiner  wissenschaftlichen  Thätigkeit  erkennen  lässt,  erwies 
sich  die  Reihe  von  Commentaren  zu  verschiedenen  Schriften 
des  alten  Testamentes.  Ueberall  handelte  es  sich  dabei  nicht 
blos  um  ein  durch  eifrigstes  und  fleissigstes  Studium  er- 
worbenes Wissen,  um  eine  bis  in  die  grössten  Feinheiten 
eindringende  Kenntniss  der  Sprache,  durch  die  er  den  Ver- 
gleich mit  den  gelehrtesten  Rabbinern  nicht  zu  scheuen 
brauchte,  sondern  um  eine  ihm  innewohnende  Geisteseigen- 
thümlichkeit,  welche  in  das  innere  Wesen,  das  Denken  und 
Empfinden  des  israelitischen  Volkes  sich  zu  versenken  ver- 
stand, nicht  blos  soweit  dasselbe  seinen  Ausdruck  fand  durch 
die  Sprache  in  den  verschiedenen  Formen  ihrer  Erscheinung, 
in  Poesie  und  Prosa  oder  den  wechselnden  Phasen  ihrer 
geschichtlichen  Entwicklung :  vielmehr  ging  damit  Hand 
in  Hand  die  Fähigkeit,   das   ganze  geistige  und  Gulturleben 


1 


30  Oeffentliche  SitBung  vom  28,  MärM  1890. 

des  Judenthums  zu  erfassen,  geistig  gewissermaasen  mitasa* 
erleben  und  nachzufühlen,  was  dasselbe  in  seinen  grössten 
Geistern  bewegt  hat;  er  war  ganz  erfQllt  von  dem  Geiste 
des  alten  Testaments. 

Dadurch  wurde  er  oder  war  er  von  früh  an  Philosemit, 
der  sich  sogar  gedrungen  fühlte,  das  TieWerläumdete  Volk 
gegen  ungerechte  Angriffe  thatkräfbig  zu  vertheidigen.  Als 
vor  nicht  vielen  Jahren  in  Ungarn  die  alte  Fabel  von  dem 
rituellen  Christenmord  der  Juden  zur  Osterfeier  wieder  ein- 
mal auftauchte,  da  war  es  Delitzsch,  der  dieselbe  mit  allen 
Mitteln  seiner  Gelehrsamkeit  und  mit  dem  vollen  Muthe  der 
inneren  Ueberzeugung  vernichtete.  Wie  er  aber  in  dem 
alten  Testamente  eine  Offenbarung  Gottes  und  in  derselben 
die  Grundlage  des  messianischen  Heiles  im  neuen  Testamente 
erkannte,  so  lag  darin  für  ihn  die  Aufforderung,  gleichsam 
als  ein  neuer  Prophet  das  Volk  Israel,  welches  sich  bisher 
den  Segnungen  des  Christenthunis  verschlossen,  auf  die  Er- 
füllung der  Verheissung  hinzuweisen  und  der  Religion  des 
Messias  zuzuführen.  Persönlich  musste  es  ihm  zur  freudig- 
sten Genugthuung  gereichen,  dieses  Ziel  bei  dem  Wohlthäter 
seiner  Jugend  Hirsch  Levi  zu  erreichen ,  indem  derselbe 
1843,  zwei  Jahre  vor  seinem  Tode  zum  Christenthum  über- 
trat. Aber  in  weit  umfassenderem  Sinne  und  schon  von 
vSeiner  Studienzeit  an  widmete  er  eine  ausgedehnte  Thätigkeit 
der  Judenraission  überhaupt.  Er  forderte  sie  durch  eine 
Reihe  von  einzelnen  Schriften,  sowie  durch  die  von  ihm 
18(33  begründete  und  fast  bis  zu  seinem  Tode  geleitete  Zeit- 
schrift „Saat  auf  Hoffnung**,  und  schuf  endlich  nach  mancher- 
lei Vorstudien  1886  für  sie  einen  dauernden  Mittelpunkt  in 
dem  Institutuni  Judaicum  zu  Leipzig,  einem  Seminar  zur 
Ausbildung  junger  Theologen  für  den  Beruf  der  Juden- 
mission. —  Auf  dem  gleichen  Felde  bewegen  sich  seine 
Beziehungen  zu  Rabbinowitsch  in  Kischenew,  welcher,  der 
grösste  Talmudkenner  seiner  Zeit  und  ursprünglich  Erzjude, 


e.  Brunn :  tfeiroiog  auf  Frani  DelUrach. 


:ll 


«UmShlicIi  zum  Christenthume  hinüberlenkte  «iiJ  in  Vol- 
bynion  and  Stidrussiand  eine  Gemeinde  von  Jtideti  um  sich 
sammelte,  die,  den  ältesten  Jndenchristen  im  ebionitischen 
Kinne  verwundt,  eine  Art  Mittelstellung  zwischen  Judenthuni 
nnd  mestiiiniachem  Christ«nthiim  einnehmen. 

Im  engsten  Zu^iamnien hange  mit  diesen  Bestrebungen 
•teht  ein  wisBenschaftHchös  Unternehmen,  das  wieder  »nf 
die  sprachlichen  Studien  zurück fUtirt,  die  Uebersetziing  des 
neuea  Tetttumentes  in  das  Hebräische,  die  Sprache  Israels. 
Uiewr  Uedaiike.  xu  einfach  er  klingt,  zeugt  vun  »eltener 
KOhnbeit,  zunächst  wegen  der  Schwierigkeit  des  Uolten^etzens. 
Die  Sprache  imd  Sprachweise  des  alten  Testamentes  war  im 
Pwitat«nch  und  den  histnriHchen  Bitcheru  historisch,  in  andero 
Tbeilen  poetisch;  aber  sie  war  nicht  dugmatisch  durchge- 
bildet. Wie  Fcollten  in  einer  solchen,  ant-h  in  ihrem  Bau 
uod  ihrer  Urammatik  nicht  sehr  entwickelten  Sprache  die 
Schriften  des  neuen  IVstamenteti  tlber^etzt  werden,  besonders 
die  Briete  l*auli,  welche  in  der  zu  allen  pLilosuphi^hen  und 
dogmatischen  Erörterungen  geeigneten  und  durcligebildeten 
griechischen  Sprache  geschrieben  waren?  Hier  kam  Delitzsch 
ifeine  ungewi>hnlich  tiefe  Kennbiiss  nicht  nur  des  älteren, 
Mondem  anch  de»  furtgeechrittenen,  des  tatmudischen  Hebrä- 
iacb  KU  UlUfe,  welches  so  recht  die  jüdische  Theologe uttprache 
goOBunt  werden  kann.  Er  Obersetzte  das  neue  Testament, 
so  weit  es  anging,  in  das  alttestamentliche  Hebräisch,  und 
nur  wo  in  diesem  eine  dem  griechiscfaeu  Begrifte  streng 
entspreuhende  Änsdrucksweise  fehlte,  zog  er  das  talmudische 
nir  Brgi&nzung  herbei.  So  hat  er  die  erste  correcte,  den 
wiMODMhaftlicheii  Aiisprüchen  entsprecliende  hebräische 
Cebenetzung  geliefert.  Er  hat  sie  als  seine  Lieblingsarbeit 
bcxeichnet,  aber  nie  als  eine  abgt»chlos.-(ene :  bis  zum  letzten 
Tage  vor  seinem  Tode  hat  er  nicht  nacligelawen,  an  ihr  7 
nnd  zu  feilen. 

&hrr  obwohl  im  Hinl'lick    mif  die  Judenmia 


32  Oeffentliche  Sitzung  vom  38.  März  1890. 

nommen,  hat  diese  Uebersetzung  noch  eine  weitere  Bedeutung 
für  die  neutestamentliche  Theologie.  Christus  und  die  Apostel 
deichten  und  lehrten,  wie  Delitzsch  selbst  hervorgehoben  hat, 
nicht  in  dem  palästinisch -aramäischen  Dialect  des  taglichen 
Lebens,  sondern  in  der  Sprache  der  Gebildeten  und  der  Litera- 
tur, der  heiligen  Sprache  des  Tempelcultus,  des  synagogalen  und 
häuslichen  Gebetes.  Indem  nun  Delitzsch  diese  Sprache  mit 
möglichster  Treue  reproducirt,  wirkt  seine  uebersetzung  aus 
dem  Griechipchen  wie  eine  Rückübersetzung  in  die  Sprache 
des  Originals.  Manches,  was  uns  z.  B.  in  den  Gleichniss« 
reden  Christi  da  und  dort  etwas  fremdartig  anmuthen  mag, 
gewinnt  durch  die  eigenthüniliche  Färbung  der  hebnuschen 
Sprache  in  solcher  Rückübersetzung  grössere  Verständlichkeit 
und  Anschaulichkeit.  Wenn  ferner  in  den  Begriffen  und 
Speculationen  der  paulin ischen  Theologie  sich  mehrfache 
(nicht  talmudische,  wohl  aber)  rabbinische  Anklänge  nicht 
wohl  ableugnen  lassen,  so  bedarf  es  kaum  eines  Beweises,  dass 
auch  hier  die  Formulirung  in  der  hebräischen  Sprache  über 
den  Sinn  des  Griechischen  vielfach  neues  Licht  verbreiten 
niuss.  Nach  dieser  Richtung  haben  die  Forschungen  Delitzsch's 
auf  neue  oder  wenigstens  vor  ihm  wenig  betretene  Wege 
liingewiesen,  und  so  bedeutend  die  Einwirkungen  sein  mögen, 
welche  seine  Thäti^keit  auf  anderen  Gebieten  bereits  aus- 
geübt hat,  so  sin<l  es  vielleicht  gerade  die  noch  keineswegs 
erschöpften  Anregungen,  von  dieser  Seite  in  da-s  Verständ- 
niss  (l<»r  heiligen  Schriiti'n  tiefer  einzudringen,  welche  De- 
litzsch über  die  Gegenwart  hinaus  auch  auf  die  Zukunft  der 
neutestamentlichen  und  damit  der  theologischen  Studien  über- 
hau])t  einen  nachhaltigen  Kinfluss  verbürgen. 

Benutzt  wurden:  der  Nekroloj^  von  Köhler  in  der  Neuen  kirch- 
lichen Ztfitsehrift  von  Holzhäuser  1.  S.  234 — 253;  die  Grabrede  Lut- 
Imrdt's  in  der  All-j^eni.  evun^elisrh-lutherisehen  Kirchenzeitung  1890, 
Nr.  11;  ausserdem  private  Mittheilunt^en  ver8chie<lener  Freunde. 


Cornelius:  Nekrologe,  33 


Die  historische  Classe  hat  in  dem  Tergangenen  Jahre 
zahlreiche  und  unter  ihnen  die  schmerzlichsten  Verluste  er- 
litten. Es  starben:  am  8.  September  1889  in  Kissingen, 
Dr.  Julius  Weizsäcker,  Professor  zu  Berlin,  seit  1869 
correspondirendes,  seit  1888  auswärtiges  Mitglied  der  Classe; 
—  am  80.  September  zu  München,  Wilhelm  Ritter  von 
Walther-Walderstötten,  Excellenz,  General  der  Infanterie, 
seit  1846  ausserordentliches  Mitglied  der  Classe;  —  am 
25.  November  zu  München,  Oberstlieutenant  Josef  Wür- 
dinger,  seit  1864  ausserordentliches,  seit  1878  ordentliches 
Mitglied;  —  am  18.  December  zu  München,  Geheimer  Rat 
Professor  Dr.  Wilhelm  von  Giesebrecht,  seit  1858  aus- 
wärtiges, seit  1801  ordentliches  Mitglied,  seit  1873  Secretär 
der  historischen  Classe;  —  am  10.  Januar  1890  zu  München, 
Dr.  Ignaz  von  DöUinger,  Reichsrat,  Stiftspropst  und 
Professor,  seit  1835  ausserordentliches,  seit  1843  ordentliches 
Mitglied,  seit  1860  Secretär  der  historischen  Classe,  seit  1873 
Vorstand  der  Akademie  und  General-Conservator  der  wissen- 
scfaafllichen  Sammlungen  des  Staates;  —  am  18.  Januar  zu 
Haigern  in  Mähren,  Dr.  Beda  Dudik,  Ehren -Abt  von 
Trebitsch,  Benedictiner-Ordens,  seit  1870  correspondirendes 
Mitglie<l  der  Classe. 

Die  Gedächtnissrede  auf  DöUinger  ist  in  derselben 
Sitzung  von  dem  Secretär  der  historischen  Classe  gehalten 
und  später  in  den  Schriften  der  Akademie  veröffentlicht 
worden.  Die  Gedächtnissrede  auf  Giesebrecht  soll  in  der 
Frühjahrssitzung  1891  gehalten  werden. 

In  Bezug  auf  die  übrigen  wurde  auf  die  nachstehenden 
vom  Classensecretär  Herrn  Cornelius  verfassten  Nekrologe 
verwiesen,  von  welchen  nur  der  auf  Würdin ger  in  der 
Sitzung  zur  Verlesung  gekommen  ist. 

1890.  Phil<M.-pbiloL  a.  hiit  GL  II.  1.  3 


34  Oeffentlkhe  Sitzung  vom  26.  März  1800. 

Jnlins  Weizsäcker 

gehört  dem  würtem bergischen  Franken  an.  Er  ist  geboren 
am  13.  Februar  1828  zu  Oehringen.  Sohn  eines  evangeli- 
schen Pfarrers,  ging  er  durch  die  Schulen  in  der  für  künf- 
tige Theologen  hergebrachten  Ordnung,  studirte  am  Lyceum 
zu  Oehringen,  dann  zu  Tübingen,  darauf  im  theologischen 
Seminar  zu  Urach,  dann  besuchte  er  die  Universität  zu 
Tübingen  als  Angehöriger  des  Tübinger  Stiftes.  Zuerst  der 
Kinfluss  Baur's  in  Tübingen,  dann  ein  Winter  in  Berlin  bei 
Ranke,  gewannen  ihn  für  die  Geschichte,  in  der  Art  zu- 
nächst, dass  er  Gegenstände  der  Kirchengeschichte  in  Arbeit 
nahm.  Nach  einigen  Jahren  einer  theologischen  Laufbahn 
promovirte  er  1850  in  Tübingen  mit  der  Schrift  «Hinkmar 
und  Pseudoisidor**,  und  habilitirte  sich  1859  mit  der  Schrift 
^Der  Kampf  gegen  den  Chorepiskopat  im  fränkischen  R^ich*. 
Während  er  aber  fortfuhr,  sich  mit  der  fränkischen  Kirchen- 
geschichte des  9.  Jahrhunderte  zu  beschäftigen,  brachte  ihm 
ein  Ruf  nach  München  die  Entscheidung,  der  ihm  eine 
grosse  Arbeit  profanhistorischen  Inhalts  antrug.  Er  nahm 
an,  und  lehnte  die  etwas  spätere  Berufung  nach  Göttingen 
zu   einer  Professur   der  Kirchen-  und  Dogmengeschichte  ab. 

Es  war  die  Herausgabe  der  deutschen  Reichstagsacten, 
die  unter  die  Aufgaben  der  185ft  gestifteten  historischen 
Conimission  bei  unserer  Akademie  gehörte,  und  die  der  mit 
der  Leitung  beauftragte  Secretär  der  Conimission,  Heinrich 
v.  Sybel,  zuerst  Voigt  und  nach  dessen  Abberufung  unserm 
Weizsäcker  übertrug.  Sie  wurde  sein  Lebenswerk.  In  den 
dreissig  Jaliren,  die  ihm  noch  /u  leben  vergönnt  war,  hat 
er,  zwar  von  zahlreichen  und  verdienstvollen  Mitarbeitern 
unterstützt,  doch  vorzüglich  durch  das  Aufgebot  seiner  eignen 
ganzen  Kraft,  die  Edition  in  neun  umfangreichen  Bänden 
bis  zum  Jahre  M-U  gt*f ordert.  Lebhafte  und  allgemeine 
Anerkennung  begleitete  seine  Arbeit  bis  zum   Ende,    und   es 


Cornelius:  Nekrolog  auf  J.  Weizsäcker,  35 

ist  ihm  durch  sie  ein  hervorragender  Platz  in  der  Geschichte 
unserer  Wissenschaft  für  immer  gesichert. 

Wenn  wir  es  als  ein  hohes  Glück  betrachten  dürfen, 
früh  einen  Mittelpunkt  für  unser  Leben  und  Streben  zu  ge- 
winnen, so  hat  Weizsäcker  dieses  Glück  im  vollen  Masse 
erreicht  und  mit  energischem  Bewusstsein  genossen.  Er  hat 
seine  Aufgabe  mit  Begeisterung  ergriffen  und  ohne  ünterlass 
sein  ganzes  Leben  hindurch  mit  einer  zähen  Leidenschaft, 
die  an  Eigensinn  streifte,  festgehalten.  Aber  das  Glück  hat 
eine  Kehrseite.  Es  lag  mehr  in  dem  Mann,  als  auf  dem 
eingeschlagenen  Weg  zu  Blüte  und  Frucht  gedeihen  konnte. 
Die  Talente  des  Dichters  und  Redners,  die  er  in  der  Jugend 
zeigte,  blieben  zuletzt  ohne  Förderung.  Zwar  der  Universitäts- 
laufbahn konnte  und  wollte  er  nicht  entsagen,  und  es  hat  sich 
die  Hochschätzung,  welcher  sein  Wirken  hier  begegnete,  in 
den  Berufungen,  die  ihn  nach  Erlangen,  Tübingen,  Strassburg, 
Berlin  führten,  glänzend  bewährt;  aber  auch  hier  zeigte 
sich  der  beschränkende  Einfluss  seines  grossen  Lebenswerkes, 
indem  allmählich  der  Schwerpunkt  seiner  akademischen 
Thätigkeit  immer  mehr  von  den  Vorlesungen  auf  das  Seminar 
hinüberrückte,  dem  er  eine  angestrengte  und  erfolgreiche 
Sorge  widmete.  Auch  an  monographischen  Abhandlungen 
Hess  es  der  rastlose  Mann,  früher  und  später,  nicht  fehlen: 
wir  heben  unter  ihnen  den  «Rheinischen  Bund  von  1254* 
hervor.  Aber  dem  Wunsche  des  Historikers,  zur  Geschichts- 
schreibung durchzudringen,  blieb  die  Erfüllung  versagt. 

V.  Sybel,  Julius  Weizsäcker.  Rede,  gehalten  bei  Eröffnung  der 
30.  Plenarversammlung  der  historischen  Coinmission  bei  der  k.  bayr. 
Akademie  der  Wisnenschaflen  am  1.  October  1889.  Abgedruckt  in 
der  historischen  Zeitschrift  von  v.  Sybel  und  Lehmann.  Band  64. 
Manchen  1890.  p.  193.  —  L.  Quidde,  Julius  Weizsäcker.  Deutsche 
Zeitschrift  für  Geschichtswissenschaft.  Bd.  II.  1889.  Freibarg.  p.  827. 
—  A.  V.  Kluckhohn,  Erinnerungen  an  Julius  Weizsäcker,  W^w^«« 
zur  Allgemeinen  Zeitung,  1890,  Mai  2.  ff. 


36  Oeff entliehe  Sitzung  vom  28,  März  1890, 

Wilhelm  Bitter  ron  Walther -Walderstoetten, 

kgl.  bayer.  General  der  Infanterie  z.  D.,  wurde  bereits  im 
Jahre  1846  als  ausserordentliches  Mitglied  in  die  Akademie 
aufgenommen,  da  er  als  Verfasser  einer  «Topischen  Geographie 
von  Bayern*'  geeignet  erschien,  an  der  Ausfährung  des  da- 
mals von  der  Akademie  geplanten  historisch-topographischen 
Lexikons  von  Bayern  mitzuwirken.  Der  Verfolg  seiner  mili- 
tärischen Laufbahn  hat  ihn  verhindert,  diese  Studien  weiter- 
zuführen und  an  den  Arbeiten  und  Sitzungen  der  Akademie 
teilzunehmen. 

Josef  Wttrdinger 

ist  am  20.  Mai  1822  in  München  geboren.  Er  gehorte  aber 
durch  Abstammung,  Elternhaus  und  seine  frühe  Jugendzeit 
der  Oberpfalz  an.  Nachdem  er  dort  das  Gymnasium  fast 
bis  zum  Schlüsse  in  Amberg  besucht  hatte,  absolvirte  er 
dasselbe  1839  in  München,  und  wandte  sich  hier  juristischen 
und  forstwirtschaftlichen  Studien  an  der  Universität  za. 
Doch  zwang  ihn  die  Not,  1843  in  dfis  Heer  zu  treten. 
Hierdurch  wurde  sein  Lebensgang  und  seine  Entwicklung 
bedingt:  er  wurde  nämlich  Soldat,  ohne  den  Studenten 
aufzugeben.  Allerdings  widmete  er  sich  seinem  militäri- 
schen Lebensberuf  mit  vollkommener  Hingebung  und  wurde 
ein  tüchtiger  und  tapferer  Soldat.  Im  Frieden  und  im 
Krieg.  Er  machte  beide  Feldzüge  seiner  Dienstzeit  mit, 
und  hat  namentlich  an  den  harten  und  ehrenvollen  Kämpfen 
des  bayerischen  Heeres  in  den  Monaten  October,  November, 
December  1870,  an  welche  uns  für  alle  Zeit  die  Namen 
Orleans  und  Coulmiers  mahnen  werden,  mit  Auszeichnung 
teilgenommen.  Daneben  aber  hielt  er  an  seinen  Studien 
fest,  im  Frieden,  wo  er  die  Nächte  ihnen  widmete;  im 
Kriege,  wo  er  in  den  Stunden  der  Waft'enruhe  den  histori- 
schen Merkwürdigkeiten  des  französischen  Landes  nachging. 
Von  der  Conimission  für  ])ayerische  Kriegsgeschichte,  die  König 


CnT^etiiis:  Kehröln^  auf  F.  iMidik.  37 

Haxitnilian  ins  Leben  rief,  wurde  ihm  die  Abteilung  für  da« 
14.  und  L^.  .Iiihrhiinderl  zugewiesen:  eine  Äufgiibe,  der  wir 
awei  Bände  einer  Kriegin^^eaciiichte  von  Biijern,  Schwaben, 
irnnken  und  der  I'falz  1347 — 1508  verdanken.  Ausserdem 
erhielten  die  Arhriilen  der  liiKtoriHchen  Vereine  Bayerns,  auch 
Her  Nnfhbiirsriisfl,  von  ihm  xahtreiche  Ahbundhingen,  welche 
»orwi^end  einzelne  Kriegxmäuner,  einzelne  Kriegsthaten  oder 
kriegerische  Bewegiuigen  2uiu  tiegenstand  hatten. 

Onm-hen  war  sein  Angsiimerk  auf  Land  nnd  Leute  des 
bayerischen  Vaterlandes  gerichtet,  und  sein  mtlitäriscber 
Blick  lehrte  ihn  die  Hflnierstroitse  von  Scharniz  nncb  Parten- 
kircheo  nnd  die  mit  ibr  xusiunmenhäQgpndcn  Befestigungen 
erkranen  und  klar  stellen.  /uletKt  waren  es  vorziigsweiite 
die  priUiistnrischön  Studien,  die  ihn  fesselten,  und  in  der 
Ounmrifflion  ftir  die  l'rgeschicht^  Bayerns,  in  welche  ihn  die 
Akademie  wählte,  bat  er  denselben  seine  eigentümlichen 
Talent«  mit  fruchtbarem  Erfolg  gewidmet.  Indem  er  Ueer- 
ifmcD  und  Uencbichte  mit  gleicher  Liebe  umfasste,  hat  er 
dort,  wo  beides  7,a'<ammeritruf.  seine  grösste  Kraft  eingeitet/.t, 
Qiid  durch  die  GrUndnng  den  bayerischen  Armeemuaeun» 
hdiden  du.''  wertvoUiite  Andenken  hinterlattsen. 

Hngu  ÄrnolJ,  Oberatlieutenant  Josef  WürUinger,  Bin  gelehrter 
SoUkl.    lui  iiaiuuler,  belletr.  Heil,  zur  Äugsb.  AbendzLg.  Dec.  1869. 

Frani  Dndik, 
mit  seinem  Ordensnamen  Beda  Dudik,  gebfiren  IS  15  zu 
Kojet«in  bei  Kremsii^r,  «tndierte  an  dem  Gymnasium  zu 
Kremsier,  dann  an  dem  Lyceum  zu  Brllun,  trat  ISSö  aU 
Kovize  in  dan  ßenediclinerstift  Kaigern.  set^tte  dann  seine 
pbilo6a|ibiKchen  und  tbmiogischen  Studien  fort  xn  BHlnn 
ntid  an  der  Universität  Olrafltz,  wurde  1S.'J9  Doctor  der 
Philosophie  und  erhielt  1840  die  Priesterweihe.  Er  wurde 
ttaranf  sofort  Professor  an  dem  Lyceum  zu  Brtlnn  bi»  3 
Lyceum  mit  dem  Gymnasium  zu  eioem  1 
rereinigt  und  ihm  eine  PndVs.-'ur  an  der  tvi 


38  Oeffenüiche  Sitzung  vom  28.  März  1890. 

stalt  übertragen  wurde.  In  mancherlei  Fächern  beschäftigt, 
folgte  er,  so  weit  er  die  Müsse  fand,  dem  Trieb  zu  den 
historischen  Studien,  den  in  früher  Jugend  sein  Ordensge- 
noss,  der  Brünner  Professor  Gregor  Wolny,  in  ihm  geweckt 
hatte.  Mährens  Geschichte  und  die  tschechische  Literatur 
wurden  seine  Lieblingssorge;  über  die  letztere  hat  er  schon 
1845  zu  Brunn  Vorlesungen  gehalten.  Die  schriftstellerische 
Laufbahn  beschritt  er  1848  mit  einer  Abhandlung  über 
einen  mährischen  Gegenstand.  Entscheidend  für  sein  Leben 
wurde,  dass  der  ständische  Ausschuss  Mährens  auf  ihn  auf- 
merksam wurde  und  wiederholt  des  Historikers  Gutachten 
verlangte.  Die  Herren  erkannten,  dass  sie  bei  ihrer  Sorge  um 
Mährens  Landesarchiv  keinen  besseren  Helfer  finden  könnten, 
und  schickten  ihn  1850  nach  Schweden,  um  nach  den  im 
30jährigen  Kriege  aus  Mähren  entführten  literarischen  Schätzen 
zu  forschen.  Die  wertvollen  Ergebnisse  dieser  Reise,  die  er 
in  dem  Buch  „Forschungen  in  Schweden  für  Mährens  Ge- 
schichte** 1852  niedergelegt  hat,  forderten  als  unabweisliche 
Ergänzung  eine  zweite  Reise,  und  zwar  nach  Rom,  wohin 
die  Königin  Christine  einen  grossen  Teil  der  mährischen 
Beute  mitgenommen  hatte.  Diese  Forschungen,  im  Winter 
1852 — 53,  griffen  über  den  ursprünglichen  Gegenstand  hin- 
aus. Das  Werk  Iter  Romanum,  das  über  dieselben  Rechen- 
schaft ablegte  1855,  enthält  namentlich  über  das  päpstliche 
Regestenwesen  ausführliche  Mitteilungen. 

Es  schien,  als  sollten  seine  für  Mähren  errungenen  Er- 
folge und  die  Aufmerksamkeit,  die  sie  in  weiteren  Kreisen 
erregten,  ihn  seiner  Heimat  entfremden.  1853  übertrug  der 
Hoch-  und  Deutschmeister  Erzherzog  Maximilian  ihm  die 
Errichtung  eines  Centralarcliivs  des  Deutschen  Ordens,  eine 
Aufgabe,  die  ihn  sechs  Jahre  lang  beschäftigte,  während 
deren  er  seinen  W^ohnsitz  nach  Wien  verlegte,  und  1855  in 
die  Stellung  eines  Privatdocentcn  an  der  Universität  für  das 
Studium    der    historischen    Quellen    des    Mittelalters    eintrat, 


Cornelius :  Nekrolog  auf  F,  Dudik,  39 

freilich  nur,  um  ihr  bald  wieder  zu  entsagen.  Im  Jahr  1859 
aber  entschlossen  sich  die  Stände  seiner  Heimat,  ihn  durch 
ein  dauerndes  Band  an  dieselbe  zu  fesseln,  indem  sie  ihn  als 
Nachfolger  Boczaks  zum  Landeshistoriographen  Mährens  er- 
nannten. Von  da  an  betrachtete  er  es  als  seine  Lebensauf- 
gabe, eine  ausführliche  Geschichte  Mährens  zu  schreiben. 
Er  schrieb  bis  an  sein  Lebensende  daran,  30  Jahre  lang, 
und  erreichte  im  12.  Bande  das  Jahr  1350.  Als  er  fünf 
Bande  veröffentlicht  hatte,  1870,  wurde  er  von  Döllinger 
zum  Correspondenten  unserer  Akademie  vorgeschlagen,  „als 
einer  der  fleissigsten  und  fruchtbarsten  historischen  Forscher 
der  österreichischen  Staaten,  und  der  unter  den  Bearbeitern 
der  Geschichte  von  Mähren  gegenwärtig  wohl  den  ersten 
Rang  einnehme".  Die  damals  schon  grosse  Zahl  der  Schriften, 
die  er  neben  der  Geschichte  Mährens  hatte  erscheinen  lassen, 
ist  in  den  folgenden  zwanzig  Jahren  noch  ansehnlich  ge- 
wachsen. Es  waren  meistens  Arbeiten,  die  mit  Mähren  in 
näherer  oder  fernerer  Beziehung  standen,  unter  ihnen  auch 
solche,  welche  den  30  jährigen  Krieg  betrafen,  über  Wallen- 
steiu  in  den  Jahren  1630 — 32,  über  die  Schweden  in  Mähren. 
Dudik  war  ein  rascher  Arbeiter,  wusste  die  deutsche  Sprache, 
welche  nicht  seine  Muttersprache  war,  gewandt  und  sicher 
zu  handhaben,  war  ausser  den  classischen  und  seiner  tsche- 
chischen Muttersprache  mehrerer  anderen,  namentlich  slavi- 
schen,  Sprachen,  aber  auch  der  modernen  Hauptsprachen 
kundig ;  lernte  die  Archive  in  seiner  Heimat  und  auf  seinen 
B«isen  gründlich  kennen :  aber  wenn  man  die  Zahl  und  Ver- 
schiedenartigkeit seiner  Werke  überschaut,  die  zahlreichen 
Unterbrechungen  in  Folge  seiner  häufigen  Reisen  in  Betracht 
zieht,  daneben  den  Mangel  einer  historischen  Schulung  be- 
denkt: so  begreift  man,  wie  sein  literarisches  Wirken  der 
Kritik  manche  Blosse  bieten  musste.  Das  wurde  mit  dem 
Alter  schlimmer:  die  beiden  letzten  Bände  der  mährischen 
Geschichte   nennt   sein  offizieller  Biograph  ,den  Schwanen- 


40  OeffentUche  Sitxung  vom  28.  März  1890. 

gesang  des  allmählich  ersterbenden  mährischen  Landeshistorio- 
graphen". 

Der  gelehrte  Ordensmann  hatte  auch  eine  weltmännische 
Seite.  Seine  Reisen,  die  sich  über  den  grösseren  Teil  Eu- 
ropas und  die  Levante  erstreckten  und  durchaus  nicht  immer 
gelehrten  Zwecken  dienten,  verschafften  ihm  zahlreiche  Be- 
kanntschaften. In  Korn,  wohin  er  viermal  wanderte,  und 
in  Wien  fand  er  Zutritt  zu  vornehmen  Kreisen.  Papst, 
Kaiser  und  Erzherzoge  schenkten  ihm  ihre  Gunst.  So  wurde 
er  auf  den  Wunsch  Erzherzog  A.lbrechts  vom  Kaiser  für 
die  Zeit  des  italienischen  Feldzugs  1866  in  das  Hauptquartier 
gesandt,  und  stellte  dann  die  von  dort  in  die  Heimat  ge- 
sandten Briefe  zu  einem  Büchlein  «Erinnerungen  aus  dem 
Feldzuge  von  1866  in  Italien*  zusammen.  Der  Kaiser  nahm 
ihn  1869  als  ßeisehistoriographen  mit  auf  seine  Reise  nach 
Jerusalem  und  zu  der  Eröffnung  des  Suezkanals;  und  er 
beschrieb  dann  im  Auftrag  des  Kaisers  in  einem  stattlichen 
Prunkbande  «Die  Kaiserreise  nach  dem  Orienf*  1870.  Beide 
Schriften  empfehlen  sich  durch  lebendige  Schilderung  ein- 
zelner Vorgänge  und  Oertlichkeiten.  Allerdings  blieb  er  im 
Geräusch  der  Welt  seines  Berufes  eingedenk,  und  hat  selbst 
unter  dem  Kanonendonner  von  Custozza  sein  Breviergebet 
nicht  vergessen.  Aber  sein  Wesen  erhielt  nach  und  nach 
eine  Art  und  Richtung,  welche  ihn  seinen  Ordensbrüdern 
entfremdete.  Daher  erklärt  es  sich,  dass  sein  Wunsch,  1883 
zum  Abt  seines  Stifts  Raigern  gewählt  zu  werden,  kein  Ge- 
hör fand.  Zur  Entvschädigung  erhielt  er,  unter  Beihilfe  des 
gewählten  Abtes,  durch  päpstliche  Gunst  die  Würde  eines 
Ehrenabtes  von  Trebit^ch.  Andere  Auszeichnungen,  Orden 
und  ähnliche  Ehren,  wurden  ihm  in  Fülle  zu  Teil. 

Beda  Diulik  mon.  Itaigradieii'^is.  Nekrolog  (I.  Teil)  in  Studien 
und  Mitteilunffen  aus  dem  Henedictiner-  und  dem  Cistorzien.ser-Orden, 
Ilauptredactour  P.  Maurus  Kinter  <).  S.  I^.  Stiftsarchiviir  zu  Hiiigern. 
.lahrjj.  1890  Heft  1.  —  Der  Mährische  Landeshistorioj^raph  I>r.  Beda 
Dudik.     Eine  Lebenuskizze  von  M.  K.     Brunn  1890. 


Savigny-Siiftwig,  41 


Hierauf  verlas  der  Vorsitzende  folgende,  die  im  Jahre 
1886  von  der  Savigny-Commission  ausgeschriebene  Preis- 
aufgabe betreffende  öffentliche  Verkündigung: 

Die  K.  Akademie  der  Wissenschaften  hat  am  26.  Juni 
1886  folgende  Preisaufgabe  gestellt: 

»Der  Antheil,  den  die  leges,  plebiscita  und 
senatusconsulta  der  vorklassischen  und  klassischen 
Zeit  an  der  Gestaltung  des  römischen  Civilrechtes 
gehabt,  die  Gründe  aus  welchen  und  die  Art  in 
welchen  sie  in  dieselbe  eingegriffen  haben,  sollen  im 
Gegenhalte  zu  dem  Antheile,  den  die  Jurisprudenz 
an  der  Rechtsbildung  gehabt,  nachgewiesen  und  dar- 
gestellt werden**. 

Als  unerstrecklicher  Einsendungstermin  der  Bearbei- 
tungen war  der  1.  August  1889  bezeichnet. 

Eine  einzige  Bearbeitung  ist  und  zwar  rechtzeitig,  näm- 
lich am  16.  Juli  v.  Js.  eingelaufen,  welche  folgendes  Motto 
trägt : 

„Aliter  leges,  aliter  philosophi  tollunt  astutias: 
leges,  quatenus  manu  tenere  possunt,  philosophi,  qua- 
tenus  ratione  et  intelligentia.    Cic.  d.  off.  III  17  (68).** 

Der  Verfasser  bekundet  einen  sehr  rühmlichen  Fleiss 
und  eine  anerkennenswerte  Gelehrsamkeit  sowohl  in  der 
Benutzung  des  Quellenmaterials  als  in  der  Sanmilung  der 
Literatur;  auch  legen  die  Einzelausführungen  vielfach  Zeug- 
nis ab  von  eindringender  und  scharfsichtiger  Forschung. 
Leider   aber   hat   der  Verfasser  das  Thema    selbst   in  seiner 


42  Oeffentliche  Sitzung  vom  28.  März  1890. 

Tragweite  nicht  erfasst  und  daher  gerade  die  wesentlichen 
Punkte  teils  ungenügend  teils  gar  nicht  untersucht,  so  dass 
seiner  Arbeit  nur  die  Bedeutung  einer  Materialiensammlung 
für   die   eine  Hälfte  des  Themas   zugestanden  werden  kann. 

Die  K.  Akademie  ist  daher  zu  ihrem  Bedauern  nicht  in 
der  Lage,  der  Arbeit  den  Preis  zuzuerkennen.  — 

Den   Schluss   der   Festsitzung   bildete    der   Vortrag    der 
bereits  erwähnten  Gedächtnissrede  auf  J.  v.  Döllinger. 


Philosophisch-philologische  Classe. 

SitzDDg  vom  3.  Mai  1690. 
Herr  Geiger  hielt  einen  Vortrag: 

.Das   Yatkflr-i   Zarirfln   und    sein   Verliältnis 
zum  Sah-name.* 

In  dem  Abschnitte  ITie  Pahlavi  lAterature  Exhml  der 
Neubearbeitung  Ton  Haug's  Essays  on  the  Par$js  berichtet 
auf  S.  109  West  über  ein  altes  in  der  Bibliothek  des  Da.stur 
Jamaspji  in  Bombay  befindliches  Manuskript,  welches  den 
Namen  Pahlavi  Säh-nätnah  führt  Diese  Bezeichnung  ist 
ohne  Zweifel  eine  unrichtige.  Die  Handschrift  enthält  25 
Stücke  von  sehr  verschiedenem  Umfang  und  Inhalt.  Einige 
von  ihnen  behandeln  allerdings  Gegenstände,  weiche  auch 
in  dem  persischen  Eönignbuche  berichtet  werden,  die  meisten 
aber  stehen  mit  demselben  in  keinem  Zusammenhtint^e.  Wie 
ich  glaube,  wurde  die  Benennung  Pahlavi  Sah-namak  durch 
das  erste  in  dem  Manuskripte  sich  vorfindende  Stück  vtr- 
anlasst.  Dasselbe  führt  den  Sondertitel  Yatksr-i  Zarirän  und 
enthält  eine  Geschichte  des  Krieges,  welchen  ViStrTsp  gegen 
Arjasp  führte.  Den  nämlichen  Stoff  hat  auch  Daciiqi  poe- 
tisch bearbeitet  und  seine  Dichtung  wurde  von  Firdau»i  in 
das  .Königsbuch'  (Bd.  III  S.  U9Sff.  der  VuUers-Liuidnuer- 
schen  Ausgabe)  aufgenommen. 

Die   Handschrift   des    P.  S.-n.   ist   reichlich 
alt,   aber   in   starkem   Masse    wurmstichig    und 


500  Jahre  ^ 

a»dut^|M^^H 


4:4  Sitzung  der  phüos.-phüol,  Classe  vom  3,  Mai  1890. 

schadhaft,  dass  mit  ihr  allein  eine  Herstellung  und  Bearbei- 
tung der  Texte  kaum  möglich  sein  dürfte.  Zum  Olück 
wurde  im  vorigen  Jahrhundert,  als  das  Manuskript  noch  in 
besserem  Zustande  sich  befand,  eine  Kopie  desselben  an-  • 
gefertigt,  welche  gegenwärtig  in  Teheran  aufbewahrt  wird. 
Mit  Hilfe  dieser  Kopie  lassen  sich  die  Lucken  grösstenteils 
ergänzen,  und  es  kann  ein  lesbarer  Text  hergestellt  werden. 

Wenn  ich  nun  in  der  Lage  bin,  eine  üebersetzung  des 
Yatkar-i  ZarirSn  vorzulegen  und  den  Inhalt  desselben  mit 
dem  iSäh-name  zu  vergleichen,  so  verdanke  ich  dies  der  Güte 
des  Herrn  Dr.  West.  Derselbe  überliess  mir,  da  meine 
Firdausi-Studien  mich  naturgemäss  auch  auf  die  Frage  nach 
den  Quellen  des  Königsbuches  führten,  mit  liebenswürdigster 
Bereitwilligkeit  seine  Abschrift  des  Bombayer  Manuskripts, 
welche  ergänzt  ist  durch  die  Kollation  einer  Kopie,  welche 
Dastur  Jamaspji  von  der  Teheräner  Handschrift  angefertigt 
hatte.  Ausserdem  stand  mir  eine  von  West  gefertigte  Um- 
schrift des  Pahlavi-Textes  zur  Verfügung,  sowie  der  erste 
Entwurf  einer  englischen  üebersetzung,  welche  freilich  nur 
bis  02  reicht  und  die  schwierigen  Stellen  vielfach  überspringt. 
Auch  diese  beiden  Hilfsmittel  boten  mir  Nutzen,  jedenfalls 
Hassen  sie  mich  gewiss  manchmal  ein  Fehlgreifen  vermeiden. 
Es  ist  mir  eine  Freude,  an  dieser  Stelle  Herrn  West  meinen 
Dank  auszusprechen  für  die  Selbstlosigkeit,  mit  welcher  er 
mir  seine  Materialien  überlassen  und  damit  auf  die  Früchte 
schwieriger  und  mühsamer  Vorarbeiten  verzichtet  hat. 

Der  Stil  des  Yätkär  ist  im  allgemeinen  ein  einfacher 
und  verstündlicher.  Nichts  desto  weniger  stossen  wir  oft 
genug,  namentlich  in  den  Reden,  auf  äusserst  schwierige  und 
dunkle  Partien.  Manche  derselben  hoflfe  ich  ganz  oder  doch 
annähernd  richtig  erklärt  zu  haben ;  einige  Stellen  und  Wörter 
spotteten  aber  allen  Erklärungsversuchen  und  ich  muss  die 
Lösung  ihrer  Schwierigkeit  einem  glücklicheren  Nachfolger 
überlassen.     Ich  hätte  mich  ja  damit  begnügen  können,   im 


W,  Geiger:  lieber  das  Yatkar-i  Zariran.  45 

allgemeinen  den  Sinn  wiederzugeben;  allein  damit  wäre  die 
Sache  selbst  mcht  gefordert  worden.  So  entschloss  ich  mich 
denn,  in  allen  Fällen,  wo  Zweifel  oder  Schwierigkeiten  sich 
boten,  den  Pahlavi-Text,  wie  er  in  der  Handschrift  vorliegt, 
mitzuteilen.  Es  wird  mich  nur  freuen,  wenn  es  anderen 
gelingt,  die  eine  oder  die  andere  Schwierigkeit  zu  lösen, 
welche  ich  selbst  nicht  zu  beseitigen  vermochte. 

Von  Nutzen  war  mir,  wie  ich  glaube,  dass  ich,  um 
mich  in  die  Darsteliungs weise  von  Schriften  der  Profanlitte- 
ratur  einzulesen,  vor  der  endgiltigen  Feststellung  meiner 
Uebersetzung  des  Yatkar  den  Text  des  Eamamak-i  Arta^Slr 
Papakan  nach  der  hiesigen  Handschrift  Zend.  76  an  der 
Hand  von  Nöldeke's  Uebersetzung  durcharbeitete.  Zitate 
aus  dem  Earnnmak  beziehen  sich  auf  Seite  und  Zeile  der 
genannten  Handschrift. 

Was  meine  Transskription  des  Pahlavi  betri£Ft,  so  lag 
mir  vor  allem  an  Einfachheit  und  Deutlichkeit.  Ein  neues 
System  zu  den  verschiedenen  aufstellen  zu  wollen,  die  schon 
bestehen,  war  nicht  meine  Absicht.  Gerade  jetzt  befindet 
sich  die  Frage  nach  der  Transskription  des  Pahlavi  so  im 
Flusse,  dass  es  meines  Erachtens  nicht  zur  Klärung,  sondern 
zur  Verwirrung  der  Sachlage  beitragen  würde,  wollte  ich  in 
einer  überwiegend  litterarhistorischen  Arbeit,  wie  die  vor- 
liegende ist,  irgendwie  auf  die  Frage  mich  einlassen.  Am 
liebsten  hätte  ich  überall  die  aramäischen  Ideogramme  durch 
ihre  iranischen  Aequivalente  ersetzt;  allein  damit  würde 
ich  mich  doch  zu  weit  von  der  Handschrift  entfernt  und 
die  Kontrole ,  namentlich  bei  Textverbesserungsversuchen, 
noch  schwerer  gemacht  haben  als  sie  ohnehin  schon  ist. 
D&ss  ich  ganz  die  Auffassung  über  das  Wesen  des  Pahlavi 
teile,  wie  sie  Nöldeke  in  seinem  bekannten  Artikel  der 
.Encyclopaedia  Britannica*'  (deutsch  in  den  ,  Aufsätzen  zur 
Pers.  Gesch.*  S.  150 — 158)  bestimmt  und  deqtlich 
sprochen,   das   brauche   ich  kaum  zu  versichern.     J 


^ 


46  Sitzung  der  philos.-phüoL  Classe  vom  3.  Mai  1890. 

meinen  habe  ich  mich  an  die  Transskripfcionsweise  Westes 
angeschlossen ,  dieselbe  jedoch  in  manchen  Punkten  ver- 
einfacht. Von  einer  Wiedergabe  des  senkrechten  Striches, 
wie  er  vielfach  am  Ende  der  Wörter,  namentlich  an  der 
Infinitivendung  vorkommt,  habe  ich  abgesehen.  Man  ver- 
gleiche darüber  JCirste  WZKM.  3.  322,  Hörn,  ZDMG.  43. 
612.  Gelegentlich,  wo  es  mir  wünschenswert  erschien,  den 
Zeichen  der  Pahlavischrift  möglichst  nahe  zu  kommen,  be- 
diente ich  mich  der  hebräischen  Buchstaben. 

Von  einer  Veröffentlichung  des  vollständigen  Textes 
glaubte  ich  aus  mehreren  Gründen  absehen  zu  müssen.  Eine 
solche  hätte  doch  wohl  in  der  Originalschrifb  geschehen 
müssen,  welche  jedoch  in  München  nicht  vorhanden  ist. 
Der  Umstand,  dass  wir  nur  eine  einzige  Handschrift  för 
unseren  Text  haben,  erschwert  natürlich  wie  Uebersetzung 
und  Erklänmg  so  auch  eine  genaue  Ausgabe  sehr  erheblich. 
Vor  allem  aber  hinderte  mich  die  Rücksicht  auf  Dastur  Ja- 
niaspji,  den  Pahlavi-Text  abzudrucken,  da  derselbe,  wie  es 
scheint,  früher  oder  später  eine  vollständige  Ausgabe  seiner 
Handschrift  zu  veranstalten  beabsichtigt.  Möge  meine  kleine 
Arbeit  dazu  beitragen,  die  Aufmerksamkeit  auf  diese  künftige 
Edition  zu  lenken. 

I.  Yfitkilr-i  Zariran 

(MS.  1).  .1.  p.  l-18a.). 

Uebersetzung. 

Im  Namen  des  Sch()j)fers  Oliarmazd  und  der  in  ihren 
Auspizien  guten  Schöpfung  mlUjc  Gesundheit  und  langes 
Leben  allen  Guten  und  Frommen  zu  teil  werden,  namentlich 
dem,  für  welchen  diese  Ersählumj  geschrieben  ist.^) 

1)  Die  Einleitunj^  lautet  im  MS.  pnran  hem-i  dätär  Öharmazd 
ra-murväl'  dahihnh-i  ntvak  tiiH-durustih  ra-dir-zirishih  kniä  tiapiräH 


W,  Geiger:  lieber  das  Yatkar-i  Zariran,  47 

1.  Diese  Erzählung,  welche  man  die  Geschichte  von 
Zarlr  nennt,  ist  geschrieben  zu  der  Zeit,  als  König  ViStasp 
mit  seinen  Söhnen  und  Brüdern  und  Grossen  und  Freunden 
die  reine  Religion  der  Mazdaverehrer  von  Oharmazd  an- 
nahm. 2.  Hierauf  wurde  Arjäsp,  der  Fürst  der  Xyön,  be- 
nachrichtigt,') dass  König  Viätasp  samt  seinen  Söhnen  und 
Brüdern  und  Grossen  ^)  und  Freunden  die  reine  Religion 
der  Mazdaverehrer  von  Oharmazd  angenommen  habe.  Da 
wurden  sie  sehr  beunruhigt^)  und  er  sandte  den  Zauberer 
Vidraß  und  den  Näm-^wäst,  den  Sohn  des  Haz.^,  *)  mit 
zwei  Myriaden  auserlesener  Gardetruppen  ^)  in  das  Reich  von 


va-frärtln-kuniinän  namöist  valman  mün  räl  yektibünf-tt.  Ganz  ähn- 
lich (mtirväk  =  np.  («yo  scheint  zu  fehlen)  lautet  die  Einleitung 
zum  Säyast-lä-Sayast     Vgl.  West,   P.  t.  I.  S.  239. 

2)  axar  Ärjäsp,  Xyönän  /utät,  azd  mal.  Das  Wort  azd  kenne 
ich  nicht;  seine  Bedeutung  geht  aber  aus  unserer  Stelle,  sowie  aus 
14  und  15  hervor. 

3)  ]KnK1£DK-  Das  Wort  kommt  auch  im  Kämämak  mehr- 
fach vor  und  ist  von  Nöldeke  (das.  39.  2)  besprochen. 

4)  adayiniän  girän  dus'xtoärih  yehvünet.  Zur  Konstruktion 
vgl.  Artä  Viräf  1.  33,  77.  6. 

5)  Statt  Näm-xträst  steht  hier  Sem-xwäst  mit  Einsetzung  des 
aram.  Ideogrammes  statt  des  pers.  näm;  recht  bezeichnend  fQr  das 
Wesen  der  Pahlavischrift.    Die  Stelle  wirft  ein  Licht  auf  §.  n.  1522. 

455.  Hier  hat  Mo  hl  gewiss  richtig  ijMjM«id  v::^k^Mit«^AÜ  L&. 
aÜ  (=  Häm'xwäst-i  Hazärän),  während  die  Calcuttaer  Ausgabe  \! 
aU  ^j^l«jjfc>  liest.  Ebenso  ist  natürlich  1525.  502  das  \t  zu  streichen. 

6)  levatman  2  htvar  sipäh-i  vijltak  pavan  n''3NSDl^]D-  Das 
letzte  Wort  ist  schwierig.  Ohne  die  Endung  Ih  kommt  es  in  13 
und  15  wieder  vor.  West  (briefl.  Mitt.)  meint,  man  habe  vielleicht 
heh'ospän  zu  lesen  «mit  guten  Rossen  versehen*  =  „reitender  Bote, 
Kurier*,  wobei  dann  beh  ungewöhnlichere  Schreibung  für  veh  wäre. 
Die  Bedeutung  würde  ja  auch  in  13  und  15  gut  passen.  Schwierig- 
keit bereitet  jedoch  an   unserer  Stelle,   dass  ih  an   eine  Pluralform 


48  Sitzung  der  phUos.'philol,  Ciasse  vom  3.  Mai  1890. 

Tran.  3.  Hierauf  begab  sich  Jilniasp,  der  oberste  der  Hof- 
beamten,'^)  schleunig  in  das  Innere  des  Palastes  und  sprach 
zu  Vist^sp:  Von  Arjasp,  dem  Fürsten  der  Xyön,  sind  zwei 
Gesandte  gekommen,  die  edelsten  Männer,  die  man  im  Lande 
der  Xyön  finden  kann.®)  Der  eine  ist  der  Zauberer  Vidrafä 
und  der  andere  Nam-^wäst,  der  Sohn  des  Hazar;  zwei  My- 
riaden auserlesener  Truppen  haben  sie  bei  sich  und  sie  tragen 
in  der  Hand  ein  Schreiben  *)  und  sprechen :  Lasse  uns  vor 
den  König  Viätäsp.  4.  König  Vistäsp  sprach:  Lasse  sie  ein- 
treten. 5.  Und  sie  traten  ein  und  brachten  dem  Könige 
Viätasp  ihre  Huldigung  dar  und  händigten  ihm  das  Schreiben 
ein.  6.  Aprahim,  der  oberste  der  Schreiber,^^)  erhob  sich  und 
verlas  das  Schreiben  mit  lauter  Stimme.  7.  In  dem  Schreiben 
stand  aber  folgendermassen  geschrieben:  Ich  habe  vernommen, 
dass    deine   Majestät  ^^)    das    reine  Gesetz  der  Mazdaverehrer 


angesetzt  wäre.  Ich  glaube,  dass  ?K£Dim  dasselbe  Wort  ist  wie 
]N^CXncn£  im  Kam.  44.  4.  Vgl.  Nöldeke,  S.  62,  N.  1,  der  das 
Wort  in  pustpän  ändert  und  mit  „Garde"  übersetzt.  Ich  fasse  vijilak 
jtarau  n^jNSCI!*^  "=  r^^userlesen  unt^^r  der  Schar  der  Garde.* 

7)  pisimkän  sardär.     Meines  Wissens  bedeutet  sonst  }>eHfm1iän 
allerdings   nur    „die  Ahnen.   Vorfahren".     Mkh.  27.  12;    Pahl.  Gloss. 

S.  186.    np.    ^LXäjUmjo. 

8)  miln   ihn  hamük  satr-i   Xymiän  min   valmamün  hu-cihariar 
löit.     Vgl.  Anm.  42. 

9)  parrartnk   =    iuoü    im   S.   n.      Die    Bedeutung    ergibt    sich 
aus  dem  Zusammenbang;  vielloidit  von  Vcnr  -{'  j^oii'i  „das  Umhüllte*. 

10)  Das  MS.  hat  dajnr  änmahifif  statt  dapirän  m.  Vgl.  Nol- 
deke,  Kam.  02.  N.  2,  Tabari,  S.  444. 

11)  h'küm  hayün.  So  möchte  ich  lesen  und  auf  das  Wort  bayän 
verweisen,  welches  in  dem  von  Ilosbangji  Jamas))ji  herausgegebenen 
l'ahl.  (iloHs.  Kap.  I  zwischen  imdän  (vgl.  llaug.  (il.  u.  d.  W.  S.  166, 
sowie  unier  hnyCin  S.  95)  und  fjaduian  steht,  also  zweifellos  etwa?»  ?lhn- 
lithes  wie  „Glanz,  Herrliibkeit*  l>edeutet.  Die  Thnise  hat  leküm 
bnt/iin   mcdammfintt    kommt    im   Yätkar   m«.*lirfach    vor,   so  8,  10,  23, 


W,  Oeiger:  lieber  dcui  Yätkär-i  Zartrün.  49 

von  Oharmazd  angenommen  hat  und  wenn  auch  noch  nicht, 
so  doch  daran  denkt,  obwohl  uns  daraus  grosser  Schaden 
und  Nachteil  erwachsen  wird.  8.  Aber  wenn  es  eurer 
Majestät  geföUt,  diese  heilige  Religion  aufzugeben  und  mit 
uns  eines  Glaubens  zu  werden,  dann  wollen  wir  euch  als 
König  huldigen,  dann  werden  wir  euch,  Jahr  ftXr  Jahr,  viel 
Gold  und  viel  Silbergerät  und  viele  schöne  Rosse  geben  und 
viele  königliche  Thronsessel.  9.  Wollt  ihr  aber  diese  Religion 
nicht  aufgeben  imd  nicht  eines  Glaubens  mit  uns  werden, 
dann  werden  wir  über  euch  kommen,  das  grüne  Korn  auf- 
zehren und  das  dürre  verbrennen,  Tiere  und  Menschen  aus 
dem  Reiche  gefangen  fortführen  und  euch  in  der  Knecht- 
schaft schwere  Bedrückung  auferlegen. ^^)  10.  Als  aber  König 
ViStOsp  dieses  ihr  Wort  gehört  hatte,  da  wurde  er  sehr  be- 
unruhigt, und  wie  sodann  der  reisige  Feldhauptmann,  der 
tapfere  Zarir,  sah,  dass  König  ViStasp^^)  in  Sorgen  war,  da 
b^^b  er  sich   eilends   ins  Innere   des  Palastes   und  sprach 


83,  35  n.  8.  w.  Das  Wort  findet  sich  auch  Karn.  41.  2  v.  a.  min 
töxmak  leküm  hayän  »aus  dem  Samen  eurer  Majestät*,  NOldeke  60 
nur:  ^aus  eurem  Stamme*^.  Möglicherweise  könnte  auch  bagän  ge- 
lesen werden  (vgl.  Nöldeke,  Tabari  452),  doch  ist  mir  dies  minder 
wahrscheinlich. 

12)  Text  von  9:  va-hnt  dentnan  din  barä  lä  iskünet  va-levatman 
lanman  hamkti  lä  yehvünet,  adayin-tän  madam  yämtfinem,  /atrff 
vaitamünim  V€hxuik  süfem,  va-^ahär-päi  va  dö-päi  min  §(Ur  vartak 
vädOnim,  aftän  pavan  bundakfh  girän  [vajduix^f^änh  kär  framäyem. 
Ich  möchte  hier  /uiX:  fast  als  »was  wir  nicht  brauchen  können*  auf- 
fassen: vgl.  np.  ^AIA^  in  der  Bed.  »inutilis".  Zur  Ueberaetzung  von 
vartak  vädOnim  ist  yt.  10.  38  gäui  .  . .  varai^m  pahtäm  azaiti,  sowie 
yt.  10.  86  vareta  azemna  , gefangen  fortgeführt*  heranzuziehen.  Die 
Schreibung  bundakih  statt  bandaklh  findet  sich  auch  in  dem  MS.  des 
Kam.,  das  ich  benutzte,  mehrfach.    Bezüglich  kar  framäyem  vgl.  np. 

^i^yjiyi    X^  »imperare*. 

13)  MS.  -jM^3,  waH  ich  in  V«n^3  nihlv  (vgl.  AV.  60.  3)  ändere 
=  np.   s«aa^,   y*f^*     West  umschreibt  zweifelnd  vayädak. 

ISMl  PhlkML-phil<»L  o.  Usi.  Gl.  IL  1.  4 


1 


50  Sitzung  der  philas.'phüol,  CIomc  vom  3.  Mai  IRQO, 

zu  Vi§tasp:  Wenn  es  eurer  Majestät  gefällt,  so  will  ich 
dieses  Schreiben  beantworten  lassen.  11.  König  VidtBsp  gab 
den  Befehl:  Gib  die  Antwort  auf  das  Schreiben!  12.  Und 
der  reisige  Heerführer,  der  tapfere  Zarir,  Hess  das  Sehreiben 
folgendermassen  beantworten:  Von  König  ViStSsp,  dem  Ge- 
bieter von  Iran,  an  Arjasp,  König  der  Xyön,  Gmss!  Pörs 
erste :  wir  werden  diese  heilige  Religion  nicht  aufgeben  und 
wollen  mit  euch  nicht  eines  Glaubens  werden;  denn  wir 
haben  diese  heilige  Keligion  von  Oharmazd  angenommen 
und  werden  sie  nicht  wieder  aufgeben.  Und  ich  werde  ohne 
euch  Unsterblichkeit  trinken,  jetzt  in  zwei  Monaten,  dort  in 
Hutös-i  Rajür  und  Merv,  der  Stadt  des  ZartuSt.  wo  kein 
hoher  Berg  ist  und  keine  tiefe  Schlucht,  sondern  auf  der 
Ebene  der  Steppe  die  Pferde  und  das  tapfere  Fussvolk  freie 
Bewegung  finden.^*)  Ihr  werdet  von  dort  kommen  und  wir 
von  hier,  ihr  werdet  uns  erblicken  und  wir  euch;  dann 
werden  wir  euch  zeigen,  wie  der  Teufel  bezwungen  werden 
wird  durch  die  Hand  Gottes.  13.  Aprilhim,  der  erste  der 
Schreiher,  fertigte  das  Schreiben  aus  und  der  Zauberer 
Vidnifs  und  Nfmi-^wäst,  der  Sohn  des  Hazar,  nahmen  es  in 
p]mpfang,  brachten  dem  Könige  Viätäsp  ihre  Huldigung  dar 
und  machten  sich  auf  den  Weg. 

14.  Hieraufgab  König  Vistasp  seinem  Bruder  Zarir  den 
Befehl:  „-^"f  Hügeln,  Häusern  und  hohen  Bergen  lasse  Feuer 
anzünden.^*)     Benachrichtige    das  Iteich  und   benachrichtige 

14)  va-harä  lektlm  datigar  hidanä  anös  raHamfinam,  tammnn 
pavan  Hutön-i  Rajür  va-Murc-i  Zartustän,  mün  lä  köf-i  burj  va-lä 
var  ziifr,  bara  pavan  zak  daU  hümün  süsyän  tag  paikän  ridäriin. 
Zu  anös  raktarnfffitan  ist  AV.  10.  5  zu  verjjfleichon  Die  Lokalität 
HutöS'i  Hajftr  ist  nicht  festzustellen.  Bdh.  24.  16  (S.  58.  8)  wird  ein 
ArüS'i  razür  genannt;  doch  wird  man  unsere  Stelle  kaum  darnach 
eniendieren  dürfen. 

16)  pacan   garäy},  bay^ni^   köf-i   burJ  ätak  framäi    kartan.     Ich 

stelle  bayän  zu  np.  ^^w  =  »•U  (auch  bal.  bün)  und  jüd.-peraiBch 
]N*^2.  d«  Lagarde,  imth.  Stud.  S.  72. 


W,  Oeiger:  üeber  das  Yätkar^  Zariran.  51 

die  Garde  folgendermassen :  abgesehen  Yon  den  Magiern, 
welche  das  Wasser  und  das  Feuer  Vahram  verehren  und  pflegen, 
soll  vom  10.  bis  zum  80.  Jahre  kein  Mann  in  seinem  Hause 
säumen.  Ihr  sollt  es  so  einrichten,  dass  ihr  im  zweiten 
Monat  zum  Hofe  des  Königs  ViStasp  kommet.  Wenn  ihr 
aber  nicht  kommen  und  diesen  Galgen  auf  euch  nehmen 
wollt,  werde  ich  euch  an  den  Galgen  hängen  lassen. ''^') 

15.  Darauf  wurden  alle  Leute  der  Garde  in  Kemitnis 
gesetzt,  und  sie  kamen  an  den  Hof  des  Königs  ViSt^p  zur 
Heeresfolge,^'')  und  sie  schlugen  die  Pauken  und  bliesen  die 
Pfeifen  und  Hessen  die  Trompeten  ertönen.  16.  Und  sie 
formten  eine  Marschkolonne,  und  die  Elefantenführer  stiegen 
auf  ihre  Elefanten  und  die  Führer  der  Lasttiere  auf  ihre 
Lasttiere  und  die  Wagenlenker  auf  ihre  Wagen.  Zahlreich 
waren  die  Lanzen  der  Helden  ^^),   zahlreich  die  Köcher,  mit 


16)  Der  Text  lautet:  harä  mag<H-mart^  mün  mayä  va-ätaS-i  Vahräm 
yeshexünd  va-pähr^i^.nd,  adayin-ai  min  10  inat  vad  80  sälak  he6  gabrä 
pavan  baitä-i  nafahnan  al  netrilntt  Btün  vädünet  aiy  datigar  bidanä 
fvajvai  habü  ViHtisp  iah  yütünet  va-hcU  lä  amat  yätünit  zak  dar 
levatman  nafaiman  tan  barä  lä  yäüyünet,  tamman  pavan  dar  framäyem 
kartan.  Die  Stelle  iat  im  einzelnen  sehr  schwierig,  doch  hoffe  ich 
im  allgemeinen  den  Sinn  getroffen  zu  haben.  Wegen  neträntan  in 
der  Bed.  «säumen,  zögern,  warten*  verweise  ich  aui  Note  51.  Was 
den  Schluss  betrifft,  so  ist,  wie  mir  scheint,  dar  zuerst  in  übertragener, 
dann  in  der  ursprünglichen  Bedeutung  gebraucht:  «wer  nicht  seinen 
Galgen  (d.  h.  die  ihm  auferlegte  Last  der  Heeresfolge)  auf  sich  nimmt, 
den  soll  (umgekehrt)  der  Qalgen  tragen.* 

17)  MS.  pavan  Mmanam  sipäh.  Dies  ist  sicher  ein  Fehler. 
Vielleicht  dürfen  wir  hömanam  in  anjuman  ändern.  West  (briefl. 
Mitt.)  Termntet  avi-mand  «unlimited*. 

18)  DXnDnil  ^inSB^'  Das  erste  Wort  ist  mir  unbekannt. 
Dem  Zusammenhange  nach  muss   es  Bezeichnung   einer  Waffe  sein. 

Ich  verweise  zweifelnd  auf  das  bei  Vullers  angeführte  sMJLxA  «hasta 

parva,  iaculnm*,  das  freilich  offenbar  ein  sehr  unsicheres  Wort  ist. 
Bütagtam  ist  die  Pahla?i-Form  des  Namens  Rustam.  Hier  bedeutet 
es  wohl  «Held*  im  allgemeinen. 

4* 


52  Sitzung  der  phihs.'phüol,  Glosse  vom  3,  Mai  1890, 

Pfeilen  gefüllt^®),  zahlreich  die  funkelnden  Panzer,  zahlreich 
die  vierfaltigen  Panzer.  17.  Und  die  Armee  des  Reiches 
von  Iran  war  so  za/dreich^  dass  das  Getöse  bis  zum  Himmel 
emporstieg  und  das  Stampfen  der  Füsse  bis  zur  Hölle  drang. 
Auf  der  Strasse,  auf  der  sie  zogen,  zerstampften  sie  den  Pfad 
so  und  beschmutzten  dadurch  das  Wasser  in  den  Flössen  so, 
dass  man  das  Wasser  auf  die  Dauer  eines  Monats  nicht 
trinken  konnte.^^)  Siebzig  Tage  lang  wurde  es  nicht  hell, 
und  die  Vögel  fanden  keine  Ruhestatte,**)  ausser  wenn  sie 
sieh  auf  den  Köpfen  der  Pferde  oder  auf  den  Spitzen  der 
Lanzen  oder  auf  dem  Gipfel  eines  hohen  Berges  niedersetzten. 
Wegen  des  Staubes  und  Dampfes  konnte  man  Tag  und  Nacht 
nicht  unterscheiden.  18.  Hierauf  gab  König  Vidtasp  seinem 
Bruder  Zanr  den  Befehl :  Lasse  ein  Lager  schlagen ;  so  lange 
sollen  die  Iriinier  sich  lagern,  bis  wir  wissen,  ob  es  Nacht 
ist  oder  Tag.  19.  Da  stieg  Zarir  vom  Wagen  und  schlug 
ein    Lager;    und    die   IrSnier    lagerten  sich    und    Staub    und 


19)  kantir-i  pur-tfr.  Die  Bedeutung  „Köcher*  für  kantir  ergibt 
sich  mit  Sicherheit  aus  68,  76,  77.  Das  Wort  kommt  auch  im  PahW. 
vd.  14.  86  (Sp.)  vor,  wo  zainis  mat  akanii  durch  zin  leoatman  kantir 
übersetzt  wird.  Vgl.  Spiegel,  Comm.  I.  S.  336.  Es  ergibt  sich 
also,  daas  hier  nicht  in  zainis  (Hörn,  ZDMG,  43.  S.  39,  Anm.),  sondern 
in  akana  der  Begriff  „Köcher*  zu  suchen  ist. 

20)  MS.  pavan  ras  aiy  vazhlnd  vatarg  etiin  harä  pesküfiä 
levntmnn  mayä  harä  mptnd-i  vad  hanä  hidanä  mayä  vaStamüntan 
lä  säytt.  Der  Text  ist,  wie  ich  glaube,  verdorben.  Man  erwartet 
doch  den  Sinn,  dass  auf  dem  ganzen  Wege,  wo  das  Heer  raar.schiert. 
das  Wasser  durch  Verunreinigung  ungeniessbar  wird.  Daher  möchte 
ich  statt  levatman  mit  leichter  Aenderung  rotän  lesen  und  §apefid 
an  das  AV.  58.  5  vorkommende  ^apik  „schmutzig"  anschliessen.  Das 
Wort  vatarg  findet  sich  auch  Dinkard  IV,  Gloss.  S.  20,  sowie  Kam. 
27.  2  in  der  Verbindung  ras  vatarg.  West  übersetzt  die  Stelle  so: 
„on  the  road,  that  they  go,  they  so  cut  up  the  path  with  the  water 
they  discharge  that,  during  a  month,  the  water  is  not  fit  to  drink/ 
Allein  kann  Ifratman  in  dieser  Weise  für  den  Instrumentalis  stehen? 

21)  }iiHm  =  np.    i%jUmJ    und 


W,  Geiger:   üeher  das  Yätkar-i  Zariran,  53 

Kauch  sanken  und  die  Sterne  und  der  Mond  wurden  am 
Himmel  sichtbar.  20.  Hierauf  schlugen  sie  300  Pfahle  ein, 
an  welchen  sie  300  Stricke  befestigten  und  an  jedem  Stricke 
waren  300  goldene  Schellen  angebunden.*^) 

21.  Hierauf  setzte  sich  Vistasp   auf  seinen  königlichen 

Thron  und  berief  seineu  obersten  Minister*^)  JsmSsp  vor 
sich  und  sprach:  Ich  weiss,  dass  du  weise  und  einsichtig 
und  klug  bist.  Du  weisst  es,  wenn  es  zehn  Tage  lang 
regnet,  wie  viele  Tropfen  auf  die  Erde  fallen,  und  wie  viele 
Tropfen  auf  Tropfen  fallen.  Du  weisst  ferner,  wenn  die 
Pflanzen  blühen,  welche  Blüte  am  Tage  aufgeht  und  welche 
in  der  Nacht  und  welche  am  Morgen.  Auch  von  dem  Wasser 
weisst  du,  welches  tischreich  ist  und  welches  keine  Fische 
enthält.^)  So  wirst  du  auch  wissen,  wie  es  morgen  ergehen 
wird  in  der  Schlacht  des  Vigtasp  gegen  den  Az-dahäk,  und 
welche  von  meinen ,  des  Kai- Vistasp,  Söhnen  und  Brüdern 
am  Leben  bleiben  und  welche  fallen  werden.    22.  Da  sprach 

der  Minister  JamSsp:  Ach,  dass  ich  doch  nie  geboren  wäre 


22)  Sehr  schwierig.  Der  Text  lautet:  axar  majfitünd  300  mex'i 
oHnin-i  poloi  asründ  300  arsy  tnün  kclä  ars^  300  daräi-i  zahabäin 
patai   aküst  yekavimOnit,     Das  Wort  daräi  ist  ohne  Zweifel  =  np. 

C/I^O,   Ui^    »tintinnabulam*.    ars   ist   nur  geraten.     Am   nächsten 
läge  np.   Ji^l. 

28)  n^Xn^^D  ist  jedenfalls  Titel  eines  hohen  Beamten,  wie  aus 
6S,  71    hervorgeht.     Das  Wort   scheint   eine   Zusammensetzung   des 

aram.  Xn^2  =  iip*   x3L^   mit  suff.  th  zu  sein;  doch  erwartet  man, 
da  eine  abstrakte  Bedeutung  nicht  passen  will,  eher  suff.  ik.    Vgl. 

np.       Olv    „domesticus*. 

24)  Die  Handschrift  ist  verstümmelt.  Sie  bietet  folgende  Buch- 
staben und  Worte  aiy  . . ä  kutäm  zak  m.  .h man  va-kutäm  znk 

r nun€i.    Davon  ergänzt  West  das  erste  Wort  zu  wayö,  den 

Schluss  zu  yaxsenunct,  beides  gewiss  richtig.   Versuchsweise  lese  ich 
■o:   aiy  mayä  kutäm  zak  mahi  malman  va-kutäm  zak  lÄ  ya/senunet. 


54  Sitzung  der  philos.-phüol.  Glosse  vom  3.  Mai  1890, 

von  meiner  Mutter,  oder  dass  ich,  nachdem  ich  geboren,  doch 
schon  längst  durch  mein  eigenes  Geschick  gestorben  wäre! 
oder  dass  ich  doch  zu  einem  Vogel  geworden  und  ins  Meer 
gestürzt  wäre!*^)  oder  dass  doch  eure  Majestät  diese  Frage 
nicht  an  mich  gestellt  hätte!  23.  Aber  nachdem  ich  nun 
einmal  von  euch  gefragt  bin,  will  ich  auf  nichts  anderes 
ausgehen,  als  dass  ich  die  Wahrheit  sage.  Wenn  es  eurer 
Majestät  beliebt,  so  bewahret  euer  Wort  im  Gedächtnis  ■•) 
und  schwöret  mir  bei  der  Herrlichkeit  des  Oharmazd  und 
bei  der  Religion  der  Mazdayerehrer  und  bei  dem  Leben  eures 

Bruders  Zarir  einen  Eid :*'0    Ich   werde   dich   nicht 

schlagen  und  dich  nicht  töten  und  dich  nicht  in  Fesseln*®) 
halten,  falls  du  mir  mitteilst,  was  sich  in  der  Schlacht  des 
ViätSsp  zutragen  wird.  24.  Daraufsprach  König  VistSsp :  Bei 
der  Herrlichkeit  des  Oharmazd  und  der  Religion  der  Mazda- 
yerehrer  und    bei  dem  Leben   meines  Bruders  Zanr   sei   es 


25)  Ich  lese  af/fff  murv-e  yehvünt  hfitnanäCy  val  daryäw  öpast 
hömanäi.  Das  MS.  trennt  "»^Tl  ^0,  was  West  durch  min  rün-i  um- 
schreibt. Meine  Aenderung  besteht  also  lediglich  in  dem  Zusammen^ 
rücken  der  Buchstaben. 

26)  hat  leküm  hayän  medammünety  saxun-i  tuifasman  rubän 
yedrünyen.    Ich    nehme    hier    rtibän    yedrUntan    (eigentlich    =    np. 

yj^y?    \J^^))    ^"   ^^^  gleichen  Bedeutung  wie  sonst   ,^%Xm\ö   ^L% 

oder   ^ji>y^  yj^y 

27)  Das  MS.  hat  hinter  sauffand  vaitamtlnet  die  Worte  aiy 
inmsir-i  piiläwtin  va-hit-i  tir  trvnr  vnd  v^al  drmsp  harä  mal.  Ich 
habe  dieselben  lieber  unii hersetzt  gelassen,  da  ich  doch  nur  eine 
höchst  ]>roblematische  hlrklärung  vorzuschlagen  wüsste.  Sie  enthalten 
ottenbar  t'ine  solenne  Eidesformel.  Die  einzelnen  Wörter  sind  ja  klar. 
Zu  "IX^n^X»  da«  , Kinnbacken"  bedeutet,  sind  die  Bemerkungen  Justins 
im  Wörterbuch  zum  Bdh.  ii.  d.  W.  zu  vergleichen,  drräsp  ist  Name 
einer  Genie,   der  Personifikation  des  Herdeviehs   und    barä  mal   der 

Imper.  —  np.    JL4J 

2«^  "INKßD  vielleicht  =  np.  XxMi  , Presse",  also  etwa  , Stock*. 


W,  Geiger:  Ueber  das  Tätkär-i  Zariran,  55 

geschworen,  dass  ich  dich  nicht  schlagen,  noch  dich  töten, 
noch  dich  in  Fesseln    halten    werde.     25.  Hierauf  sagte  der 

V 

Minister  Jomäsp:  Wenn  es  eurer  Majestät  gefällt,  so  gebet 
den  Befehl,  dass  dieses  grosse  Heer  des  Reiches  Iran  einen 
Pfeilschuss  weit  vom  Zelte*®)  des  Königs  entfernt  sich 
lagere.  26.  Da  erteilte  Vi§täsp  den  Befehl,  dass  das  grosse 
Heer  des  Reiches  Iran  einen  Pfeilschuss  weit  von  dem  Zelte, 
das  dem  Vi§tasp  zum  Aufenthalt  diente,  entfernt  sich  lagere. 

27.  Hierauf  sprach  der  Minister  Jamasp:  Der  ist  glücklich, 
welcher  nie  von  einer  Mutter  geboren,  oder,  wenn  er  geboren, 
schon  gestorben,  oder  doch  nicht  aus  der  Feme  so  weit  bis 
hieher  gekommen  ist.*^)  Morgen,  wenn  sie  sich  schlagen 
werden,  Krieger  gegen  Krieger,  Held  gegen  Held,  dann 
werden  viele  Mütter  samt  vielen  Söhnen  vaterlos  werden  und 
viele  Väter  werden  ihre  Söhne,  viele  Brüder  ihre  Brüder 
und  viele  Frauen,  die  Gatten  haben,  ihre  Männer  verlieren, 
und  in  grosser  Zahl  werden  kommen  Streitroese  der  IrSnier, 
welche  ihrer  Reiter  beraubt  dahinstürmen,  und  werden  unter 
den  Xyöns   ihre    Herren   suchen    und   sie   nimmer  finden.^^) 

28.  Glücklich   ist   der,  welcher   nicht   sehen   muss,   wie   der 


29)  min  ntt^Q-i  pätaxiä,  weiter  unten  dann  7^nßX  ^tt^Q.  Wir 
können  ^tt^Q  vielleicht  zu  np.  ySiiäJjo  stellen  oder  auch  Tjn^D  lesen 
=  aw.  ^mae&aka  statt  mae^ana  (bal.  metag).  Zu  VtlfiK  hat  West 
i^^)y^  beigeschrieben;  doch  ist  es  mir  zweifelhaft,  ob  die  Zusammen- 
stellung richtig  ist. 

30)  min  ariklh  valman  pcUmän  lä  mat  wtl.  «(welcher)  aus  der 
Feme  dieses  Mass  (d.  h.  eine  solche  Strecke,  eine  so  grosse  Ent- 
fernung) nicht  gekommen  ist.* 

81)  Der  Schluss  lautet  va-kabed  yätünd  bärak  Bränakän  mün 
vaiät  aruband  sütünd,  den  än-i  Xyönän  x^^^^  bavihünand  va-lä 
aikaxQnand,  Hier  ist  aruband  =  aw.  arvafU,  indem  u5,  wie  oft,  an 
Stelle  von  r  steht;  Säle  mann,  Litteraturbl  f.  or.  Philol.  ü.  S.  81); 

vaiät  ist  an  öImS^   SoLmJ   anzuschliessen. 


56  Sitzung  der  phüos.-phäol,  Classe  vom  .?.  Mai  1890. 

Zauberer  Vidrafä  kommt  und  den  Kampf  erre^  und  viel 
Uebles  anrichtet  und  den  Zanr,  deinen  Bruder,  erschlägt  und 
sein  Streitross  erbeutet,  d&s  schwarze  eisenhufige  Ross  des 
Zarir;  —  29.  und  den  Nsm-^wSst,  den  Sohn  des  Hazar,  wie 
er  kommt  und  den  Kampf  erregt  und  viel  Uebles  anrichtet 
und  den  Pnt-xusrav,  den  Helden  ^*)  der  Mazdaverehrer,  deinen 

Bruder,  erschlägt  und  sein  Streitross  erbeutet, ••)    — 

30.  und  den  Ndm-^wSst,  den  Sohn  des  HazSr,  wie  er  kommt 
und  viel  Uebles   anrichtet    und   den  Fraäokart   tötet,  deinen 

Sohn, **)  der  dir  lieber  ist  als  deine  übrigen  Söhne. 

Und  ausserdem  werden  von  deinen  Söhnen  und  BrQdem 
zweiundzwanzig  fallen.  31.  Als  König  ViStSsp  dieses  Wort 
vernahm,  stürzte  er  von  seinem  erhabenen  Throne  zur  Erde 
und  ergriff  mit   der   linken  Hand  einen  Dolch  und  mit  der 

V 

rechten  ein  Schwert,  und  er  fiel  über  Jamäsp  her  und  sprach: 
Dass  du  doch  nimmer  gesund  sein  mögest,  du  arger  Sklave 
eines  Zauberers;'^)  denn  deine  Mutter  war  eine  Zauberin  und 
dein  Vater  ein  Lügner.  32.  Du  hättest  das  aber  nicht  aus- 
gesprochen ,  wenn  ich  dir  nicht  bei  der  Herrlichkeit  des 
Oharmazd  und   bei  der  Religion  der  Mazdaverehrer  und  bei 


32)  phlv.  artäi,  S.  GIosb.  z.  AV.  S.  19  u.  d.  W.  ardä,  ardäi. 
Vjrl.  päz.  ardl  =  HAkr,j/ud<lha,8äini/abei  Neriosenjjh,  West,  Shik.  gum. 
GloMs.  u.  d.  W. 

83)  Am  Kode  stehen  die  Worte  n£r:j'n  ]K1T  (die  oatQrlich  auch 
noch  auf  j?ar  manche  andere  Weise  gelesen  werden  können)  mit  üeber- 
gang   auf  eine  neue  Seite  zwischen  denselben.     Vielleicht  ist    7X11 

in   niT   =    f^y    zu   ändern    ^falb"*,    wie  auch  in  28  a.  E.  mit  siyäh 

die  Farbe  des  I'ferdes    angegeben    wird;    im    zweiten  Worte    könnte 
dann   vielleicht   ein   Epitheton   wie    ^breitschulterig,  starkschulterig' 

(np.   ss^mS^   enthalten  sein. 

34)  Die  Worte  vad  zät  pavan  Jn^D^I  kadbä  sind  unverständlich 
und  wohl  auch  verdorl>en. 

36)  MS.  Upamman  sim-sipär-i  Jätük.  West  schlügt  (briefl.  Mitt.) 
die  Aendemng  unham-sipär  „terror  accomplishing**  vor. 


W.  Geiger:  Ueber  das  TätkaM  Zariran.  57 

dem  Leben  meines  Bruders  Zarir  einen  Eid  geschworen  hätte; 
ich  hätte  dir  sonst  mit  diesen  beiden  Waffen,  dem  Schwerte 
und  dem  Messer,    den  Kopf  abgeschnitten    und  ihn  auf  die 

V  

Erde  geworfen.  33.  Darauf  sprach  JftmSsp :  Wenn  es  eurer 
Majestät  gefällt,  so  stehet  auf  vom  Erdboden  und  setzet  euch 
wieder  auf  den  königlichen  Thron ;  denn  es  rauss  geschehen, 
wenn  es  geschehen  muss,  wenn  ich  es  auch  nicht  gesagt 
hätte.**)  34.  König  Viätäsp  aber  erhob  sich  nicht  und  sah 
auch  nicht  um.  35.  Da  sprach  der  reisige  Heerführer,  der 
tapfere  Zanr,  indem  er  hinzutrat:  Wenn  es  eurer  Majestät 
gefallt,  so  stehet  auf  vom  Erdboden  und  setzet  euch  wieder 
auf  den  königlichen  Thron;  denn  ich  werde  morgen  kommen 
und  mit  dieser  meiner  Kraft  15  Myriaden  der  Xyön  töten. 
36.  Konig  ViStilsp  aber  erhob  sich  nicht  und  sah  auch  nicht 
um.  37.  Da  sprach  zu  ihm  Pat-^usrav,  der  Held  der  Mazda- 
verehrer, indem  er  hinzutrat:  Wenn  es  eurer  Majestät  ge- 
fallt, so  stehet  auf  vom  Erdboden  und  setzet  euch  wieder 
auf  den  königlichen  Thron ;  denn  ich  werde  morgen  kommen 
und  mit  dieser  meiner  Kraft  14  Myriaden  der  Xyön  töten. 
38.  König  ViStSsp  aber  erhob  sich  nicht  und  sah  auch  nicht 
um.  39.  Da  sprach  zu  ihm  Fradö-kart,  der  Sohn  des  Königs 
Vidtilsp,  indem  er  hinzutrat:  Wenn  es  eurer  Majestät  ge- 
fallt, so  stehet  auf  vom  Erdboden  und  setzet  euch  wieder 
auf  den  königlichen  Thron;  denn  ich  werde  morgen  kommen 
imd  mit  dieser  meiner  Kraft  13  Myriaden  der  Xyön  töten. 
40.  König  Vidtfisp  aber  erhob  sich  nicht  und  sah  auch  nicht 
um.  41.  Da  sprach  zu  ihm  der  tapfere  Held  Spand-dät,  in- 
dem er  hinzutrat :  Wenn  es  eurer  Majestät  gefällt,  so  stehet 
auf  vom  Erdboden  und  setzet  euch  wieder  auf  den  könig- 
lichen Thron ;  denn  ich  werde  morgen  kommen,  und  bei  der 


86)  MS.  amai  denman  li  guft  yehvünet  Sollte  statt  I«  nicht  lä 
zu  lesen  fein?  Der  Sinn  ist  doch  wohl  der:  Das  Verhäng«  tnoM  sich 
erf&llen,  ob  ich  es  nnn  vorher  sage  oder  nicht. 


58  Sitzung  der  phüos.-phüol,  Cltuse  tom  3.  Mai  1890, 

Herrlichkeit  des  Oharmazd  und  bei  der  Religion  der  Mazda- 
verehrer und  bei  dem  Leben  eurer  Majestät  schwöre  ich  den 
Eid,  dass  ich  keinen  Xyon  lebend  aus  diesem  Kampfe  ent- 
kommen lassen  will.  42.  Da  stand  König  ViStasp  auf  und 
setzte  sich  wieder  auf  den  königlichen  Thron,  und  er  berief 
seinen  Minister  JamSsp  vor  sich  und  sprach  zu  ihm:  Wenn 
es  sich  so  verhält,  wie  du,  o  JämSsp,  sagst,  dann  will  ich 
eine  eherne  Burg  machen  lassen  und  die  Thorriegel  der  Burg 
will  ich  aus  Eisen  machen  lassen,  und  ich  werde  Söhne  und 
Brüder  und  Grosse  in  die  Burg  bringen  lassen,  und  sie  sollen 
darinnen  bleiben,  damit  sie  nicht  in  die  Hand  der  Feinde 
geraten.  43.  Der  Minister  Jsimäsp  sprach:  Wenn  du  eine 
eherne  Burg  machen  lassest  und  die  Thorriegel  aus  Eisen 
machen  lassest  und  Söhne  und  Brüder  und  die  Grossen  deines 
gesegneten  Reiches  in  dieser  Burg  bleiben  heissest,  wer  wird 
denn  dann  im  stände  sein,  die  Feinde  vom  Reiche  abzuwehren? 

44.  Denn  dieser  reisige  Heerführer,  der  tapfere  Zarir,  dein 
Bruder,  wird  kommen  und  von  den  Xyon  15  Myriaden  töten, 
und  Pät-xusrav,  der  Held  der  Mazdaverehrer,  wird  kommen 
und  von  den  Xyon  14  Myriaden  töten  und  Fra§ö-kart,  dein 
Sohn,  wird  kommen  und  von  den  Xyön  13  Myriaden  töten. 

45.  König  Viätäsp  fragte :  Wie  viele  Xyön  von  Nation  werden 
kommen,  [die]  zu  Ross  [kommen],  und  wie  viele  werden 
fallen,  und  wie  viele  werden  entkommen?''';  46.  Hierauf 
erwiderte  der  Minister  J3mäsp:  131  Myriaden  Xyön  von 
Nation    werden    kommen    zu    Koss    und   keiner    wird  lebend 


37)  kevan  cand  yatilnd  Xyön  min  bunak  va-amat  "^^<^VK  yätund 
ra-i^and  yemUfnid  va-cnnd  fräj  vazhlnd.  Ich  glaube,  dass  "1^<^V^<  in 
nN21DK  7.U  ändern  ist.  Es  spricht  dafür  auch  die  Teheräner  Hand- 
schrift, welche  im  fol>?enden  Paragraphen  Xyön  min  bunak  mtln 
■'N^VDK  liest.  "1X^^D^<  steht  für  ")K1DK  (vgl.  Anm.  31);  amat  ist 
wohl,  wie  öfters,  nur  fälschlich  statt  mün  =  gS  gesetzt.  S.  West, 
Gl.  zum  AV.  u.  d.  W. 


W.  Geiger:  lieber  das  Yätkar-i  Zariran.  59 

zorOckkehren  ausser  dem  einzi^^en  ArJ^sp,  dem  Fürsteh  der 
Xyön.  47.  Und  auch  diesen  wird  der  Held  Spand-dat  er- 
greifen und  wird  ihm  eine  Hand  und  einen  Fuss  und  ein 
Ohr  abschneiden  und  ihm  ein  Auge  mit  Feuer  ausbrennen, 
und  ihn  auf  einem  Esel,  dem  er  den  Schwanz  abgehauen, 
in  sein  Eteich  zurückschicken  und  sagen :  Geh'  und  erzähle, 
was  für  Thaten  du  gesehen  von  meiner,  des  Helden  Spand-dat 
Hand!  48.  Hierauf  sprach  König  Kai-Viätitsp:  Wenn  auch 
alle  die  Söhne  und  Brüder  und  Grossen  von  mir,  dem  Könige 
Kai-ViStSIsp,  und  auch  die  Hutos,  welche  meine  Schwester 
und  meine  Gattin  ist  und  von  welcher  mir  der  Söhne  und 
Töchter  30  geboren  worden  sind,'®)  allesamt  getötet  sind,  so 
werde  ich  doch  diese  reine  Religion  der  Mazdaverehrer,  wie 
ich  sie  von  Oharmazd  empfangen  habe,  nicht  aufgeben. 

49.  König  Vigtasp  setzte  sich  nun  auf  dem  Gipfel  eines 
Berges  nieder,  und  er  hatte  mit  sich  eine  Streitmacht  von 
12  X  12  Myriaden.  50.  Und  Arjäsp,  der  Fürst  der  Xyön, 
liess  sich  ebenfcdls  auf  dem  Gipfel  eines  Berges  nieder, 
und  er  hatte  mit  sich  eine  Streitmacht  von  12  Myriaden 
Myriaden.") 

51.  Der  reisige  Heerführer,  der  tapfere  Zarir,  begann 
den  Kampf  so  ungestüm,  wie  wenn  der  Genius  des  Feuers 
auf  ein  Röhricht  sich  stürzt  und  der  Sturmwind  ihm  bei- 
steht.*®)   Wenn  er  mit  dem  Schwerte  vorwärts  schlug,  tötete 

38)  vorgak'id^  Hutös  syam  axtman  va-nBhnan^  mün  min  harman 
tad  hartman  30  azas  iät  yekaoimünit.  Die  Stelle  ist  von  Wichtig- 
keit, weil  9ie  von  der  Geschwisterehe  in  ganz  unzweideutiger  Weise 
spricht.  Vgl.  auch,  was  weiter  unten  in  dem  Abschnitte  über  die 
Eigennamen  gesagt  ist.     In  dem  Relativsatze  fasse  ich   min  barman 

vctd  bartman  (vgl.  np.   13*  —  \l)   geradezu    als    «sowohl  Söhne  als 
auch  Töchter';  mün—aea§  gehört  zusammen  =    «vi   sj, 

39)  So  nach  dem  MS.  12  bivar  bivar,    S.  jedoch  §  46. 

40)  Ich  lese  den  Text  so:    Stgün  amat  Ätur  y<UiU  ä§^ 
kanyastän  ufUt  vcU-ii  aiyyär  yehmlnii.    Zu  kanyästän  t« 


60  Sitzung  der  phäos.'phüci,  Classe  vom  3.  Mai  1890, 

er  zehn  Xyön,  and  wenn  er  es  zurückzog,  elf.  Wenn  er 
hungerig  und  durstig  war,  so  sah  er  das  Blut  der  Xyön  an. 
und  er  ward  wieder  frohgemut.  52.  Aber  Arjasp,  der  FOrst 
der  Xyön,  hielt  Ausschau  vom  Gipfel  des  Berges  und  sprach: 
Wer  ist  unter  euch  Xyön 's,  der  es  unternähme,  mit  Zanr  > 
zu  kämpfen  ^^)  und  ihn  zu  töten,  diesen  reisigen  HeerfQhrer, 
den  tapferen  Zanr.  damit  ich  ihm  dann  meine  Tochter 
Zarst^n  zum  Weibe  gebe,  welche  die  anmutigste  Frau  ist, 
die  es  im  ganzen  Lande  der  Xyön  gibt*'),  und  daffit  ich 
ihn  zum  obersten  Minister  über  das  ganze  Reich  der  Xyön 
mache;  53.  denn  wenn  Zarir  bis  zum  Abend  am  Leben 
bleibt,  80  wird  es  nicht  lange  Zeit  mehr  dauern,  bis  keiner 
von    den    Xyön's    mehr    lebendig    auf   den   Füssen   steht.**) 

54.  Dil  sprang  der  Zauberer  VidrafS  auf  und  rief:  Sattelt 
für    mich    ein    Pferd;**)    denn    ich    will    es    unternehmen! 

55.  Und  sie  sattelten  ein  Pferd  und  der  Zauberer  Vidrafi 
bestieg  es,  und  er  ergriff  die  verzauberte  Lanze,  welche  die 
Dämonen  in  der  Hölle  mit  dem  Gifte  des  Zorns  und  dem 
Wasser    der   Sünde   verdorben    gemacht   hatten ;  **)    und   er 

auf  Luu    bei  Vullers,   appendix.     Das  Wort  (h.   njD)  ist  =  np. 

^LäamJU.      Wegen    des    BildeR    vgl.    den   sskr.  Vers    vanäni   dahat fi 

vahneh  sal'hä  bhavati  märutah,  sowie  §.  n.  1627.  543.  Hierüber  s. 
weiter  unten. 

41)  Das  l'öi^et  des  Pahl.  Textes  ist,  wie  öfters,  ungenaue  Schreibung 
statt  köxiet.    Vgl.  West,  Mkh.  Gl.  u.  d.  W.     K'okMdan. 

42)  miipi  dtn  hamäk  satr  Xyönän  neiman-e  min  valman  hu-H" 
hartar  löet.     Vgl.  Anm.  8. 

43)  päyet  =  np.    ^j4XaSÜ. 

44)  li  rät  süsyä  zin  säjet.     Vgl.  np.    t^f^yS   i^HV 

45)  Die  Stelle  ist  schwierig  und  die  grammatische  Konstruktion 
nicht  ganz  klar.  Der  Text  lautet  va-yansegünyen  zak  parai-i  afsü- 
tak-i  ie'd^än  den  dösax  paoan  Hm  zcüiar  vasistak  paoau  mayä-i 
hözak  kart  yekavimünät.  In  der  Parallelstelle  72  liest  das  MS.  va- 
yanseyünyen  zak  jyarai-i  afsütak  iedään  den  döiax  pavan  eim  zahar 


W,  Oeiger:  üeber  cUls  Yätkär-i  Zariran,  61 

erfasste  sie  mit  der  Hand  und  stürmte  in  die  Schlacht  und 
sah,  wie  da  Zarir  tapfer  stritt.  56.  Aber  er  kam  nicht  von 
▼ome  gegen  ihn  angeritten,  sondern  aus  dem  Verstecke  ?on 
hinten  brach  er  hervor,  und  er  traf  den  Zarir  unterhalb  des 
Gürtels  und  oberhalb  der  heiligen  Schnur  in  den  Rücken, 
und  er  durchbohrte  ihm  das  Herz  und  stürzte  ihn  zu  Boden. 
Da  hörte  auf  der  Kampf  der  Bogen  und  das  Schlachtgeschrei 
der  Streiter.**) 

57.  Darauf  hielt  König  Vi^tlisp  Umschau  von  dem  Gipfel 
des  Hügels  und  sprach:  Ich  bin  in  Besorgnis;  denn  mich 
befallt  die  Ahnung,*'')   dass   uns   getötet   worden  Zarir,   der 


siiiak  pavan  mayä  hazaJc  hart  yekammünät.  Offenbar  ist  mit  72 
hmak  =  np.    sw   (AV.  87,  6;  Glossary  zu  deros.  S.  77),  mit  66  da- 

gegen  vcisistäk  =  np.   IüLmmau    fractns,   perditns  zu   lesen;   afsütak 

gehört   zu   np.    ^JuuUMJt    verzaubern.     Das  Wort  parc^   erklärt 

West  im  MS.  durch  t^lS»  fasst  es  also  als  «Pferd*  auf;  eine  Etymo- 
logie weiss  ich  nicht  zu  geben,  die  Bedeutung  «Wurfspeer*^  scheint 
mir  aber  sicher  zu  sein  und  zwar  aus  folgenden  Qründen:  a)  sie  ist 
die  einzige,  die  einen  Sinn  gibt  in  76  und  76  (vgl.  Anro.  68) ;  b)  von 
dem  Pferde  ist  ja  bereits  die  Rede  gewesen  und  Vidrafl  sitzt  schon 
im  Sattel;  c)  auch  im  Säh-näme  ist  ausser  dem  Pferde  von  einem 
vergifteten  Wurfspeer  die  Rede,  den  BTdarafS  mit  in  den  Kampf 
nimmt;  vgl.  1629.  674—76 

^^^1  (>s^  tL&  ü^  v>Ub  ^y 

46)  va-axar  harä  yeHhünet  zak  par§n'i  kamänän  va-kälä-i  tag 
gnbrään.  Der  Tod  Zarir*s  macht  auf  Freund  und  Feind  einen  solchen 
Eindruck,  dass  der  Kampf  eine  Zeit  lang  unterbrochen  wird.  Bei 
parin  Terweist  West  im  MS.  auf  np.   Jm^    ,agitatio'  (?) 

47)  Der  Text  hömanam  pavan  hömanet  yaxsenunoM 
verdorben.  Nach  71  könnte  man  hömanam  pavan  hanä  f 
\e»en  ,Ich  denke  ho'.   Vgl.  AV.  64.  8,  64.  10.   Ich  mOchti 


62  Sitzung  der  phüos.-philci.  Glosse  vom  3.  Mai  1890, 

Heerführer  der  Ir&nier;  denn  nicht  mehr  dringt  0U  meinen 
Ohren  der  Kampf  der  Bogen  und  das  Schlachtgeschrei  der 
Streiter.  Wer  ist  nun  unter  euch  Iraniern,  der  es  unter- 
nähme, den  Zanr  zu  rächen,  damit  ich  ihm  dann  meine 
Tochter  Hum.lk  zum  Weibe  gebe,  welche  die  anmutigste 
Frau  ist,  die  es  im  Reiche  Ir3n  gibt,  und  damit  ich  ihm 
als  Wohnung  den  Palast  des  Zarlr  überlasse  und  die  Heer- 
führerschafb  von  Iran  verleihe.  58.  Keiner  der  Edlen  und 
Grossen  gab  eine  Antwort;  nur  der  Sohn  des  Zanr,  der 
einem  siebenjährigen  Knaben  ähnlich  war,  sprang  auf  und 
rief:  Für  mich  sattelt  ein  Pferd,  damit  ich  mich  aufmache 
und  den  Kampf  der  Iranier  sehe  und  die  Grossen  des  ViStäsp, 
und  damit  ich  sehe^  ob  der  reisige  Heerführer,  der  tapfere 
Zarir,  mein  Vater,  am  Leben  ist  oder  tot.  Wie  es  steht, 
das  will  ich  eurer  Majestät  berichten.  59.  Aber  König  ViStasp 
sprach:  Gehe  du  nicht;  denn  du  bist  noch  ein  Knabe  und 
verstehst  noch  nicht  die  Behutsamkeit,  die  in  den  Schlachten 
notwendig  ist^  und  deine  Finger  sind  noch  nicht  geübt  im 
Entsenden  der  Pfeile.*®)  Ich  fürchte^  es  möchten  sonst  die 
Xyön  kommen  und  dich  töten;  denn  sie  haben  ja  auch  den 
Zarir  getötet.  Dann  würden  die  Xyön  doppelten  Ruhm  da- 
vontragen: Zarir,  der  Heerführer  der  Iränier,  ist  von  uns 
geti*)tet  worden,  und  auch  den  Biistvar,  seinen  Sohn,  haben 
wir  erschlagen.     60.   Aber  Bastvair  sprach    im    geheimen   zu 


homanet  mit    ^nz    leichter   Aenderung    in    ömet  =  np.   Juyol,   aw. 
upa-maiti , Erwartung,  S))annung,  HotFnung  oder  Besorgnis*  emendieren. 

48)  lak  a1  vazlün,  maman  lak  ajmruäi  hömanih,  va-rajmän  pähr^ 
lä  x(^i^ttf4net,  afat  angunt  pavan  tir  hl  ;ffra«^  gekartmüuet.  Ich  habe 
den  Schluss  ziemlich  frei  überHetzt.  Mit  x^^^^  vergleiche  ich  np. 
vu**M>'^    «via  trita"  und  ^""•i'^    «eti'oHHUd,  evulHUH**.    Man  sieht  an 

den  Kindern    ncH'h    nichts    von  den  Spuren,    welche    da»   Zerren    der 
Bogenriehne  zurückläHst. 


W.  Geiger:  Ueber  das  Yatkär-i  Zariran,  63 

dem  Siallinei8ter:**)  Vidtasp  hat  den  Befehl  gegeben:  gebt 
dieses  Pferd  dem  Bastvar,  nachdem  Zanr  getötet  ist.^) 
61.  Und  der  Stallmeister  befahl  das  Pferd  zu  satteln,  und 
B&stvar  bestieg  es,  und  er  trieb  das  Pferd  an  und  tötete  die 
Feinde,  bis  dass  er  an  die  Stelle  kam,  wo  er  seinen  tapferen 
Vater  tot  erblickte.  62.  Und  er  zögerte  nicht  lange  Zeit,**) 
sondern  sprach:  Wehe,  du  Licht  meiner  Seele,  deinen  schim- 
mernden Panzer,  wer  hat  ihn  davongetragen?*')   Wehe,  du 


49)  axar  Basttar  pavan  nihän  val  v<üman  äxursardär  yemcUe- 
lünit,    pavan   nihän  =  np.      J  g^  *   s.  Nöldeke,  Käru.   8.  67,  2; 

äxursardär  (iXliD)  ist  "=  ytLua  ^1.  Im  S.  n.  ist  im  gleichen  Zu- 
sammenhange 1532.  647  und  1633.  649    «IOu^a^miI    gebraucht. 

50)  Das  MS.  hat  eak  süsyä,  amat  Zarir  kütak  yehvünt,  harä 
val  Bastvar  yehdninet.  Der  Text  ist  sicher  korrupt.  Ich  möchte 
vorschlagen,  kütak  in  kuitak  (plene  geschrieben  ^intt^l^)  >u  ändern. 

51)  va-lä  der  damän  netrünet.  Die  gewöhnliche  Bedeutung  von 
netrüntan  (aram.  ID^)  ist  allerdings  , behüten,  bewahren*,  doch  ist 
ea  auch  Kam.  15.  4,  42.  1   durch   .warten,  säumen"    zu  Übersetzen. 

52)  Der  ganze  folgende  Abschnitt  bis  zu  64  ist  äusserst  schwierig; 
der  Anfang  überdies  in  der  Bombayer  Hdschr.  lückenhaft,  so  dass 
man  auf  die  Ergänzungen  des  Teheräner  MS.  angewiesen  ist.  Was 
ich  zu  geben  vermag,  ist  lediglich  ein  Versuch,  den  ich  nur  mit  Be- 
denken mitteile.   Der  Anfang  des  Textes  lautet  in  möglichst  genauer 

Wiedergabe  |K"I  ^  ]1")tt^^N^K  niTID«  ]10  rWÜ  ^K-  Bei  dem  Worte 
|^^  findet  sich  ein  diakritisches  Zeichen,  das  diese  Lesung  vorschreibt; 
über  dem  Schluss  von  ^\\^^Z  steht  die  Korrektur  n^*  Ich  fasse  aläi 
als  Interjektion  «wehe!*.    Tr*^  ist  vielleicht  in  wy^  tu  ändern  (im 

Archetypus  müsste  etwa  eine  Korrektur  wie  V\'\  gestanden  haben). 

SUtt  |N-|   lew  ich  |K5  i«»  .Seele',  und  l)K  «t  vielleicht  =   vJ 
«Glanz,  Herrlichkeit*  zu  nehmen.    Das  nun  folgende  Wort  ist  offen- 
bar verdorben,   ich   vermute  H^VlS  iauian-at   »dein  Panzer*  =  np. 
%  i*%r"      Die  AnfQgung  des  suffixalen  Fronomens  an  ein  Subst.  ist 

dem  echten  Pahlavi  fremd,  sie  findet  sich  aber  gerade  in  unserer 
Stelle  weiter  unten  in  bärak-at  wieder.   Was  endlich  das  letste  Wc^ 


64  Sitzung  der  phüosrphüdl,  Olasae  vom  3.  Mai  1890. 

Held,  deinen  Rock,  wer  hat  ihn  davongetragen?^*).  Wehe, 
dein  dem  Greif  gleiches  Pferd,  wer  hat  es  fortgeführt?**) 
Obwohl  es  dir  immer  ein  Wunsch  war:  mit  den  Xyön  hisst 
mich  kämpfen!^*)  so  liegst  du  nun  da  getötet  in  der 
Schlacht  wie  ein  niedriger,  armer  Mann.  ^)  63.  Dieses  dein 
....Haar  und  dein  Bart  sind  von  den  Winden  s^rrauft;*'') 
dein   reiner  Leib   ist  von  den  Pferden  zerstampft  mit  ihren 


betrifft,  so  liest  dasselbe  West  ;|ramüil^  =  np.   rr •  j t ^  =  imyA^ 
Ich  transskribiere  ham-vtxt  und  stelle   das  Wort  zu      %j{^s\AfS\   in 
der  Bed.   \j*^y^ )%*^   (bei  Vullers  u.  d.  W.).    Kine  gewisse  Stütze 
erhält  meine  Auffassung  der  Stelle  durch   das  §.  n.  158S.  668 ^  wo 
die  Rede  des  Nastür  auch  mit  den  Worten  beginnt  Sjov>«  J(>  ^^y^ 

^jjo   ijI-^^    ii<iu  Leuchte    meines  Herzens   und    meiner  Augen  und 

meiner  Seele*.  Dies  würde  gut  zu  dem  Beginn  der  Worte  Bastvar's 
im  Yätkär  nach  meiner  Auffassung  passen.  Auch  die  Erwähnung 
des  Panzers  stimmt  zum  S.  n.,  da  nach  1529.  583  Bidaratä  allerdings 
den  getöteten  Zaiir  seiner  Rüstung  beraubt. 

53)  aläi  varäj  patrahan-i  Jak  niün  hamvtxt.  Zu  varäj  =  np. 
\l*j  ist  27  zu  vergleichen,  wo  varäj  pavan  varäj  durch  ,Held  wider 
Held"  zu  übersetzen  ist.  Bei  patralian  ist  in  West's  MS.  richtig 
auf  np.    ^Jd|«ju    verwiesen. 

54)  diäi  sen-i  mürük  härak-at  mün  hamvexL  Vgl.  aw.  saetia 
und  mereya^  np.   p \%^, iv 

55)  amat-at  hamäi  etün  käm-est  alyam  levatman  Xyönän  kärijär 
vädünäi. 

56)  (Ügün  agüR  JarK  (inmtä.  Ich  glaube,  das«  in  53rK  das  ^ 
ungenaue  Schreibung  für  ;i  ist,  und  lese  somit  a-ganj  —  np.  ,p^  ^ 

,ein  Mann  ohne  Thron  (»O  )  d.  h.  ohne  Rang  und  Würde  und  ohne 
Reichtum.** 

57)  Afai  denman  "lx:iiK  f-f^rs  oa-res  vätäfi  vimft  yekavimünet. 
Das  Wort  nach  denman  ist  sehr  vieldeutig  und  mir  in  diesem  Zu- 
sammenhang unverständlich,  rars  stelle  ich  zu  aw.  raresa;  vgl. 
Pahlv.  vd.  6.  12,  13,  95  u.  a 


W.  Geiger:  lieber  das  Yätkar-i  Zarirün,  65 

Hufen  und  Staub  lagert  auf  deinem  Gewand.*®)  64/ Aber 
wie  soll  ich  jetzt  tbun?  Denn  wenn  ich  vom  Pferde  steige 
und  dein,  meines  Vaters,  Haupt  an  mein  Herz  drücke*^) 
und  den  Staub  von  seinem  Gewände  entferne,  so  wird  es 
mir  hernach  nicht  möglich  sein,  rasch ^)  wieder  zu  Pferd 
zu  steigen;  ich  fürchte,  es  möchten  die  Xyön  kommen  und 
mich  töten.  65.  Denn  sie  haben  auch  dich  getötet;  und  sie 
würden  dann  doppelten  Ruhm  davontragen:  Zarir,  der  Heer- 
führer der  Iranier,  ist  von  uns  getötet  worden,  und  auch  den 
Bastvar,  seinen  Sohn,  haben  wir  erschlagen.  66.  Darauf 
trieb  Bastvar  sein  Pferd  an,  und  er  tötete  die  Feinde,  bis 
dass  er  vor  den  König  Vistasp  kam,  und  er  sprach  zu  ihm:  Ich 
habe  mich  aufgemacht,  und  ich  habe  den  Kampf  der  Iränier 
in  gutem  Stande  gesehen,  und  die  Grossen  des  Vistäsp  habe  ich 
ge^ehen^  und  tot  habe  ich  gesehen  diesen  reisigen  Heerführer, 
den  tapferen  Zarir,  meinen  Vater.  Aber  wenn  es  eurer 
Majestät  gut  dünkt,  so  entlasset  mich,  dass  ich  mich  auf- 
mache,  Rache   zu   suchen    für   meinen    Vater.     67.  Hierauf 

sprach  Jämasp,  der  oberste  Minister:  Lass  ihn  nur  ziehen; 
denn  das  Schicksal  ist  für  ihn,  und  er  wird  die  Feinde  töten. 
68.  Hierauf  befahl  König  Vistlisp  ein  Pferd  zu  satteln,  und 
Bastvar  bestieg  es.  Hierauf  gab  er  ihm  (V.  dem  B.)  aus 
seinem  Köcher  einen  Pfeil,  sprach  einen  Segensspruch  darüber 
imd  sagte:  Aus  meinem  Köcher  mögest  du  ausgehen  sieg- 
bringend   ®*)     69.  Hierauf  trieb  Bastvar  sein  Pferd 

58)  afat  awijak  tan  iriisyän  x^^^  pavan  päi,  afat  afrä  pavan 
iolman  niiast.    Zu  x^<^^^  vgl.  Anm.  48. 

59)  den  kanär  vädünam  =  np.   i^jf^j^  )^J^  )4>« 

60)  sapükihä  ^  np.    v^JUam    «leicht,  flink*. 

61)  Der  Abschn.  68  ist  sehr  schwierig.  Es  ist  mir,  trotzdem  ja 
einselne  WOrter  und  Wendungen  verständlich  sind,  nicht  geglückt, 
eine  befriedigende  Erklärung  zu  finden.  Vor  Beginn  des  Segens- 
flpmchefl  stehen  die  Worte  afal^  affin  C^nifi  vä ,  ,,d.  Hier  ist  wohl 
patak  vädünd  zu  lesen.   Der  Segenssprnch  selber,  durch  welchen  wohl 

1890.  Philoc-phllol.  n.  hkt  Ol.  II.  1.  5 


66  Sitzung  der  phüosrphüol,  Glosse  vom  3,  Mai  1890. 

an  und  tötete  die  Feinde  und  kämpfte  so  tapfer,  wie  dies 
Zarir,  der  Heerführer  der  Iränier,  gethan.  70.  Darauf  hielt 
Arjasp,  der  Fürst  der  Xyön,  Umschau  vom  Gipfel  des  Berges 
und  sprach:  Wer  ist  dort  der,  welcher,  ein  Bursche  von 
10  Jahren,®*)  ein  Pferd  reitet,  das  eines  Helden  würdig  ist, 
und  Sattelzeug  hat,  das  eines  Helden  würdig  ist,  und  so 
tapfer  kämpft,  wie  dies  Zarir,  der  Heerführer  der  Iränier, 
gethan.  71.  Aber  ich  vermute  so,  dass  dieser  Rache  nehmen 
will  für  den  tapferen  Helden  des  Vistasp,  den  Zarir.  Wer 
ist  nun  unter  euch,  den  Xyön,  der  es  unternähme,  mit  diesem 
Burschen  zu  kämpfen  und  ihn  zu  töten,  so  würde  ich  ihm 
meine  Tochter  Basstan  zum  Weibe  geben,  welche  die  an- 
mutigste Frau  ist,  die  es  im  ganzen  Reiche  der  Xyön  gibt. 
Und  ich  will  ihn  zum  obersten  Minister  machen  im  ganzen 
Reiche  der  Xyön;  denn  wenn  dieser  Bursche  bis  zur  Nacht 
am  Leben  bleibt,  so  wird  nicht  viel  Zeit  vergehen,  bis  kein 
einziger  von  uns,  den  Xyön,  mehr  lebend  übrig  bleibt. 
72.  Da  sprang  der  Zauberer  Vidrafs  auf  und  rief:  Für  mich 
sattelt  ein  Pferd;  denn  ich  will  es  unternehmen.  73.  Und 
sie  sattelten  ein  Pferd,  das  eisenhufige  Streitross  des  Zarir, 
und  der  Zauberer  Vidrafs  bestieg  es,  und  ergriff  die  ver- 
zauberte Lanze,  welche  die  Dämonen  in  der  Hölle  mit  dem 
Gifte  des  Zornes  und  dem  Wasser  der  Sünde  verdorben  ge- 

der  Pfeil  Siegenkraft  erhalten  soll,  (vgl.  die  analoge  Stelle  in  28, 
sowie  Anni.  27),  lautet  im  Mh5.  so:  lantlr  min  li  v^azlunäi  "l1iK3l"lS 
xadih  pacan  har  rajin  va-pät-rajm-i  lak  perö}  X^3T  pät-röj  sem  yäit- 
yihuii  )<li'itün  röjän  du^nian  murtak  yäityünäl  va-kevan  härak  va- 
(haß  Jedenman  sipäh  rränak  DIIX  ^<^^  framälh  va-hnm-x^cart-i  ^X£13 
datän  yöm  Jäcit. 

62)  Die  Worte  r|\in  •?]nittO  lese  ich    10  §natak  rahlk  =  np. 
^S^s    xJLiM    S4>.     Ueber  das   Zeichen    ka   als  Zahlzeichen   filr  10  8. 

West,  Glosa.  z.  AV.  S.  194.  rahik  steht  in  der  Bed.  von  np.  «ft^Le 
(Vullers,  u.  d.  W.    ^.    2). 


W,  Geiger:  lieber  das  Yatkär-i  Zanran,  67 

macht  hatten ;  und  er  ergriff  sie  mit  der  Hand  und  stürmte 
in  die  Schlacht  und  sah,  wie  da  Bastvar  tapfer  kämpfte. 
Aber  er  kam  nicht  von  vorne  gegen  ihn  angeritten,  sondern 
insgeheim  von  hinten  brach  er  hervor.  74.  Bastvar  sah  um 
sich  und  rief :  Verruchter  Zauberer !  von  vorne  komm' heran, 
du  Sklave  !^^)  denn  ich  denke,  ich  verstehe  es  ja  gar  nicbb, 
ein  Streitross  zwischen  den  Schenkeln  zu  regieren,  und  ich 
denke,  ich  verstehe  es  nicht,  einen  Pfeil  im  Köcher  zu 
führen.^)  Von  vorne  komm'  heran,  du  Sklave!  so  will  ich 
dir  dein  süsses  Leben  rauben, ^^)  wie  du  es  dem  tapferen 
Heerführer  Zarir,  meinem  Vater,  gethaA.  75.  Und  Vidrafs 
der  Zauberer . . .  .•*)  kam  heran ,  von  vorne  griff  er  den 
Bastvar  an,  und  das  schwarze^'')  eisenhufige  Streitross  des 
Zarir,  wie  es  die  Stimme  des  Bastvar  vernahm,  da  stemmte 
es  die  vier  Beine  auf  und  stiess  999  Schreie  aus.  Vidrafs 
schleuderte  den  Spiess,  aber  Bastvar  fing  ihn  mit  der  Hand 
auf.*®)     76.  Da  rief  die  Seele  des  Zarir:  Wirf  diesen  Spiess 


63)  frä]  vcd  peS  Upamman:  ,forth  to  the  front,  slave!"  (West). 

64)  maman  li  yaxsenunam  härak  azer  rän  täxtan  lä  ;ifa(?i^ünam, 
va4i  yaxftenufiam  tir  den  kantir  harä  §adilüna9tan  lä  xd^Uünam. 

65)  afat  denman  hasim  x^V^  ^^^^  vädünam.  Mit  äoär  vergleiche 
ich  np.    %LI,   5\U. 

66)  MS.  Jälük  |XNnD»*  ?  =  Jätük  stihän  d.  h.  Zauberer  in 
Menschengestalt. 

67)  Der  Text  bietet  hier  siyäh,  oben  73  ganz  im  gleichen  Zu- 
sammenhange süsyä, 

68)  va-eak  siyäh  äsanin-itunb'i  Zarir  härnky  amat  kälü-i  Bastcar 
raimamünet,  öahär-päi  madam  [damikj  yekavimünät  (das  Wort  damtk 
fehlt  in  der  Teheräner  Hdschr.,  in  der  Bombayer  sind  nur  die  ersten 
zwei  Buchstaben  zn  lesen,  sowie  der  Anfangszug  des  dritten)  900  90 
va-9  kälä  barä  vädünet  va-Vidraß  para^  vejet,  va-Bastvar  pavan 
yadnian  fräj  makbelünyen.  Ueber  para§  vgl.  Anm.  45.  vejet  ist 
=  aw.  vi}  in  hu-ni-vtxta^  das  vom  Schleudern  der  Wurfkeule  ge- 
braucht wird,  sskr.  vi). 


68  Sitzung  der  philos.'pküol,  Classe  vom  H,  Mai  1890, 

aus  der  Hand  und  nimm  aus  deinem  Köcher  einen  Pfeil  und 
gib  damit  diesem  Frevler  Antwort.  77.  Und  Bastvar  warf 
den  Spiess  aus  der  Hand  und  nahm  einen  Pfeil  aus  seinem 
Köcher  und  traf  den  Vidrafä  damit  ins  Herz,  dass  er  zum 
Rücken  wieder  herausdrang,  und  stürzte  ihn  zu  Boden  und 
tötete  ihn.*®)  78.  Dann  wählte  er  den  weissen  Schuh  des 
Zarir  ans,  der  mit  Perlen  und  mit  Gold  gestickt  war,''®)  be- 
stieg selber  das  Pferd  des  Zarir  und  fasste  das  eigene  Pferd 
mit  der  Hand.  79.  Und  er  trieb  sein  Pferd  an  und  tötete 
die  Feinde,  bis  er  zu  dem  Platze  kam,  wo  Garämik-kart, 
des  Jamäsp  Sohn ,  das  siegreiche  Banner  mit  den  Zähnen 
gefasst  hielt  und  mit  beiden  Händen  kämpile.  80.  Wie 
GarSmik-kart  und  das  grosse  Heer  der  Iranier  den  Bastvar 
sahen,  da  erhoben  sie  alle  zusammen  Wehklagen''*)  um  den 
Zarir  und  sprachen :  0  Knabe,  warum  bist  du  gekommen,  ob- 
wohl doch  deine  Finger  noch  nicht  geübt  sind  im  Entsenden  von 
Pfeilen,  und  obwohl  du  die  Behutsamkeit,  die  in  den  Schlachten 
7wttvendi(/  ist^  noch  nicht  verstehst?  Ich  fürchte^  es  möchten 
die  Xyön  kommen  und  dich  töten;  denn  sie  haben  ja  auch 
den  Zarir  getötet.  Dann  würden  die  Xyön  doppelten  Ruhm 
davontragen :  Zarir,  der  Heerführer  der  IrSnier,  ist  von  uns 
getötet  worden,  und  auch  den  Bastvar,  seinen  Sohn,  haben 
wir  erschlagen.  81.  Hierauf  erwiderte  Bastvar:  In  Sieg- 
haftigkeit    trägst    du ,    o  Garämik-kart ,    des    Jämäsp   Sohn, 


69)  va-vart  val  ruhän  yehahünet.     Die  wtl.  Uebers.  ist   ,er  gab 

Staub  auf  seine  Seele**.     Es  sind  wohl  Redensarten  wie  io<^)%l    *^y^ 
•J    oder    12^'^y^  f^Y    '''"'"  Vergleiche  heranzuziehen. 

70)  Dios  scheint  der  Sinn  der  Worte  a/Vi«  harä  rajet  zak  müJc-i 
saprt'i  pavan  murrnrit-i  ham  zahahä  Zarir  harhamak  zu  sein,  die 
Konstniktion  ist  aber  dunkel.     Zu  pavan — harhamak  vgl.  AV.  14.  7. 

71)  hcmög-gun  Zarir  räi  baremend.  Zu  dem  ersten  Wort,  dessen 
Lesung  zweifelhaft  ist,  vgl.  West,  Gl.  z.  AV.  S.  70.  baremend  kommt 
ohne  Zweifel  von  baram  und  hängt  mit  baramän^  haramvand  za- 
saniuien ;  s.  ebenda  S.  79. 


W,  Geiger:  Ueber  das  Yätkär-i  Zartran,  69 

dieses  siegreiche  Banner ;  denn  wenn  ich  lebend  zurückkomme 
vor  den  König  ViStäsp,  so  werde  ich  ihm  melden,  wie  tapfer 
du  gekämpft  hast.  82.  Dann  trieb  Bastvar  sein  Pferd  an 
und  tötete  die  Feinde,  bis  er  zu  dem  Platze  kam,  wo  er  den 
tapferen  Helden  Spand-dät  erblickte.  83.  Dieser  liess  das 
zahlreiche  Heer  der  Tränier  bei  Bastvar;''*)  er  selber  eilte 
auf  die  Spitze  des  Berges  und  jagte  den  Arjasp  samt 
12  Myriaden  seines  Heeres  vom  Gipfel  des  Berges  herab  und 
zersprengte  sie  über  das  Blachfeld.'^^)  Und  das  Schlagen  des 
Spand-dat  drang  durch  bis  zu  GarSmik-kart,  und  Garamik- 
kart  schlug  und  drang  durch  bis  zu  Bastvar.''^)  84.  Da 
währte  es  keine  lange  Zeit,  bis  von  den  Xyön  keiner  mehr 
am  Leben  übrig  blieb  mit  Ausnahme  des  einzigen  Arjasp, 
des  Fürsten  der  Xyon.  85.  Und  auch  ihn  nahm  der  Held 
Spand-dat  gefangen  und  schnitt  ihm  eine  Hand  und  einen 
Fuss  und  ein  Ohr  ab  und  brannte  ihm  ein  Auge  mit  Feuer 
aus  und  schickte  ihn  auf  einem  Esel,  dem  er  den  Schwanz 
abgehauen,  in  sein  Reich  zurück  und  sprach :  Gehe  und  ver- 
kündige, was  für  Thaten  du  gesehen  hast  von  meiner,  des 
Helden  Spand-dät,  Hand;  damit  die  Xyön  erfahren,  was 
sich  begeben  hat  am  Tage  Farvardin  in  der  Az-dahak- 
Schlacht  der  Leute  des  Viätasp. 

72)  di^man  zektelünd  vad  val  zak  finäk  yämtünet  dxy  yal  tag 
8pand-4ät  [amat  Bastvar]  ;|ra<{l^t2n^^  zak  räbä  sipah-i  Erän  pavan 
Bastvar  harä  Sedkünd,  Sollten  die  im  MS.  eingeklammerten  Worte 
richtig  sein,  so  wäre  zu  Übersetzen:  ,....  woselbst  der  tapfere  Held 
Spand-dät  war.  Wie  dieser  den  Bastvar  erblickte ..."  Mir  scheint 
aber  fast,  als  ob  der  Text  hier  in  Unordnung  geraten  wäre  und  so 
gelesen  werden  müsste.  aiy  ydl  tag  Spand-dät  j^aditdnet.  A;|rar  zak 
yal  tag  Spand-dät  amat  Bastvar  x^^itunit . . .  Die  Auslassung  erklärt 
sich  ungezwungen  durch  die  Wiederholung  der  gleichen  Wörter. 

78)  va-ÄrJäsp  levatman  12  bevar  sipäh  min  köf  sar  maxUünet 
ra-harä  va-roZ  dait  ramitünet, 

74)  va-Spand-dät  zana§n  val  Garämik-kart  spöjet^  Chwümi         -i 
tamt  vü-val  Bastvar  spqjet.    Statt  zanain  könnte  auch  Miri 
werden;   das  Wort  ist  nur  teilweise  erhalten.    Za  spSjß^ 
spöztan  bei  West,  Ql.  z.  Mkh.  S.  191  imten,  np.  ^j2i^ 


70  Sitzung  der  phüos.-jjhüd.  Classe  vom  3,  Mai  1890, 

II.  Das  Verhältnis  des  YatkSr-i  ZarirSn 

zum  S&h-name. 

I.  Wenn  man  das  Yätkar-i  Zariran  auch  nur  oberfläch- 
lich mit  dem  entsprechenden  Abschnitte  des  Säh-nSme  von 
Daqiqi^)  vergleicht,  so  springt  die  enge  Zusammengehörigkeit 
sofort  ins  Auge.  Allerdings  ist  der  Pahlavi-Text  bedeutend 
bündiger  und  entbehrt  des  ausschmückenden  Beiwerks.  Die 
Darstellung  im  Königsbuche  dagegen  geht  ins  Breite:  Reden 
unterbrechen  den  Fortschritt  der  Handlung,  die  Briefe,  welche 
GuStäsp  und  ArjSsp  wechseln,  werden  ausführlich  mitgeteilt, 
die  Schilderung  der  Kämpfe  gefällt  sich  in  der  Ausmalung 
der  Einzelheiten.  Allein  dieser  Unterschied  fallt  selbstver- 
ständlich nicht  ins  Gewicht,  da  er  schon  durch  die  ungleich- 
artigen Zwecke  der  prosaischen  und  der  dichterischen  Dar- 
stellung begründet  sein  würde.  Ich  möchte  aber  glauben, 
dass  diese  Breite  schon  in  dem  prosaischen  Königsbuche  be- 
stand, welches  den  Dichtungen  des  Firdausi  und  des  Daqiq! 
zu  gründe  lag;  sie  erklärt  sich  hier  durch  den  Zusammenfluss 
verschiedener  Quellen,  durch  das  Ineinanderarbeiten  mehrerer 
den  gleichen  Stoff  behandelnder  Sagen.  Der  Gang  der  Be- 
gebenheiten ist  jedenfalls  —  vom  Schluss  abgesehen,  auf  den 
ich  zurückkommen  werde  —  nicht  bloss  in  den  Hauptzügen, 
sondern  auch  in  zahlreichen  Einzelheiten  im  Yatksr  und  im 
Sah-nänie  vollkommen  übereinstimmend.  Es  ist  wohl,  denke 
ich,  nicht  notwendig,  auf  diesen  Punkt  näher  einzugehen. 
Die  Mohr  sehe  Uebersetzung  ist  ja  allgemein  zugänglich, 
und  jedermann  kann  sich  schon  bei  flüchtiger  Durchsicht 
derselben  von  der  Richtigkeit  des  Gesagten  überzeugen.  Die 
Uebereinstimmung  ist  aber  auch  eine  derartige,  dass  sie  sich 
unmöglich  nur  durch  die  Annahme  erklären  lässt,  der  Ver- 


1)  Bd.  III.  S.  1495  fF.  der  Vullers-Landauer'schen  Ausfjabe. 
In  Mohl'a  Uebewetzung  IV.  S.  287  ff.,  bei  Pizzi  V.  S.  79  ff. 


W.  Geiger:  Ueber  das  YütkärA  Zarirän,  71 

fasser  unseres  Pahlavi-Textes  habe  eben  einen  allgemein  be- 
kannten Stoff  des  einheimischen  Sagenkreises  behandelt.  Es 
muss  vielmehr  ein  bestimmter  quellenmässiger  Zusammenhang 
zwischen  dem  Yatklflr  und  dem  Königsbuche  bestanden  haben. 
Um  dies  zu  beweisen,  will  ich  aus  beiden  eine  Anzahl  von 
Stellen  neben  einander  setzen,  welche  selbst  in  einzelnen  Aus- 
drücken, Wendungen  und  Bildern  eine  merkwürdige  Aehnlich- 
keit  zeigen.  Diese  Stellen  nötigen  uns  zu  der  Annahme,  dass 
entweder  Daqiqi's  Darstellung  mittelbar  auf  den  Text  des 
Yätkar  zurückgehen  muss  oder  dass  beide  auf  eine  gemein- 
same Quelle  zurückzufahren  sind. 

1)  Wie  Viätäsp  den  Glauben  der  Mazda  Verehrer  an- 
genommen, verspricht  ihm  ArjSsp,  falls  er  denselben  verlassen 
werde: 

8.  adayin'tün  pavan  S.-n.  1504.  v.  158  ff. 

Xutäi  parastem,  ada-  ^^-a-ä-^  O^r^)  ^'-^  kJ^) 
yin-tän  yehebünam,  snat  7        i     i 

pavan  snat,  kabed  za-  ü^)    c^y  y^^  yJ  ^^^  V' 

habä,  kabed  stmtn,  va-  [    g    y/  yjj^^  ^1  jUi^  yü 

2)  10.  Zarirzütan-  §.-n.  1508.  212  ff. 

darün  den  vaelünt,  afas  J4>j*Lj  ^^^  ssaLS  voLjä^  »Uo 

val   Vistäsp    Sah    guft  ^ 

alyihat    leküm    bayän  ;*^;    g    *^'  '/^  *^^  ^r^^  f^ 

medammünetjidenman  \^Ji^\     oU    -^  ^^^b  äT 

parvartakpasuxfarma^  ^ "'       '^     \'     ^   d^  "" 

ytm    hartan.      Vistäsp  ^;^^^^<^  «Li  v:^'  «X^t  4X^ 

sah    farmän    yehebünt  ^'     a  :ei .-    «  ^^ 

a%Y :  parvartak     pasux  * 

vädün! 


kabed  süsya  nevak  va- 
kabed  gas  satr-atyyärth. 


72  Sitzung  der  phüo8,-pfnlol,  Classe  vom  3.  Mai  1890, 

3)  Der  Schwur  des  Viätasp  lautet: 

24.    pavan    gadman  i§.-n.  1515.  323—24: 

Oharmazd    va-dÄnA  ,^     ^l,  UiT  JjüU^ 

Mazdasnän     va-^ayä  ^  ^  ^        "*  * 

Zarxr  ax  saugand  vas-  ^5')^^  )^\j^'*^    C^  \j^.^ 

4)  Beschreibung  der  Schlacht: 

27 ,  kabed  emlevatman  S.-n.  1516.  335:  * 

puhar  kabed  awe-äb,  va-  .^  iülä/^Ju^      y,; 

kabed  üb  awe-puhar,  va-  ^  >    v    • 

kabed  nesman  süiman- 
ddk  awe-süi  yehvünd. 

b)  Jamasp  tröstet  den  Vistäsp: 

V 

S3,  ma7nan  Süyat  geh'  S.-n.  1521.   423**: 

vToitan^  antat  säyat  geh-  [•         .  \n      Li 

6)  Die  Aufforderung   des  JamSsp   an  Vistäsp,  sich  vom 
Boden  zu  erheben  und  den  Thron  wieder  zu  besteigen: 

33.  min  detiman  afrü  S.-n.  1520.   421 : 

madam   axezet   va-lax-       i  ^^      ,.      ,     .  ^^^    ^  Jl  •        ,.     v 
rar  val  icai-yäs  yetxbu-  '   ^      v^  y*     -'^  wy  y 


W.  Geiger:  lieber  das  Yätkär-i  Zariran,  73 

7)  Zarlr  stürmt  in  den  Kampf: 

51.  öigün  amat  Ätur  S-»-  1527.  543: 

yaaat  den  va-val  Jcanyä-  ^L>  jjo.  yäif  »LT  ,Jül 

stän^)  uftet  afas  vcU-id  '   ^  " 

ätyyär  yehevünet.   Vgl. 
Note  40. 

8)  Aufforderung  des  Arjasp  an  seine  Grossen,  dem  Zarir 
entgegen  zu  treten: 

h2,m%nlekümXyönän  S.-n.  1528.  553,  555: 

mün    et   mun  v(ulünet  b\y^Jj  U^  \l  4>y^  vi^^Muolji' 

levatman  Zarlr  köxSet^  .            i          •                   T 

afas  kuSet  zak-i  taxm  ^^    O^   )'  ^^^  ^.'  *^ 

sipäh-pat     tag    Zartr^  

lad  Zarsian-i  li  hart-  ^)\J^,^    Ja^^O  ^O  K^l  ^ 

man    pavan    nesmanth  ^ 

öbas  yehebünam^   mün  ^ü^^    7  -?    •    T^  v* 

.  .  .  löet^  afas  hamäk 

satr-i  Xyönän   baitäth 

vadünam.     Vgl.    Note 

41-43. 

9)  Damit  ist   zu   vergleichen  die  analoge  Aufforderung 
des  Vistasp: 

57.  min  leküm  Erm  S--n.  1530.  607,  1531.  610: 

niün   et    mün  vojslünet  y^  o^M»»«Tt(X-5'  UäXj   %X^mJ^ 
va-min  Zarträn  hin  ba-  -    .         <  rs  1    V     x< 

vihünet,    vad    amat-as  T^»  t^  ^^   ^^    ^' 

Eak-i  Humäk-i  li  döxt  


pat-an    fiesmamh    öbas  ^L  jäuu  J^  ä^Luo  /^  äT 

yehebunam.  v         v    -  /  > 

1)  Nach  dem  S.-n.  möchte  man  sich  fast  yersucht  fahlen,  kan- 
yästän  in  Jnyästän  su  ändern.     Eis  war  das   wenigstenf  T« 
eine  Variante  in  irgend  einem  Pahlayi-Original  der  Qaell 


74  Sitzung  der  phüos.-phüol.  Glosse  vom  3.  Mai  1890. 

10)  AngriflF  des  Vidrafs  auf  Zarir: 

50.  fräj   val  pes   lä  §.-n.  1529.  579 

asühäret  vaelünet  afas     ^^^    ,  |->.    ^    .    ^j 


min    nihän    mm    axar  »        • 

fräj    dübäret   vazlünet.     ^r    "^f    f    """^^   ^  y^H) 


11)  Bastvar  (.^Ju»o)  im  Kampfe: 

Ol.  süsya    früj   sed-  §.-n.  1533.   660—662. 

künyen  va-dmman  eeh-  ^                            -^ 

tclümt,    vad    val    eak  ;^    ^^5^'    f    '^T*^  v:^'  O^- 

jwäkyamtünetatymur'  .^    ojS^      ^<ft^    4>yo    ^^i^J;S     t« 

taktagabtiarxavttünet.  ,              . 

j^jo  lüuÄy  JL-^  ^icu  i^^f  ^ 

Man  wird  auf  diese  Parallelstellen  einzeln  für  sich  be- 
trachtet kein  allzu  grosses  Gewicht  legen  dürfen.  Allein  wenn 
auch  jede  von  ihnen  an  sich  wenig  beweiskräftig  ist,  so  sind 
sie  doch  in  ihrer  Gesamtheit  nicht  ganz  ohne  Bedeutung. 
Halten  wir  sie  zusammen  mit  der  Thatsache  der  grossen  Aehn- 
lichkeit,  welche  zwischen  Yatkar  und  Königsbuch  in  der  Schil- 
derung der  Begebenheiten,  selbst  bis  in  Einzelheiten  hinein, 
besteht,  so  wird  man  wenigstens  den  engeren  quellenmässigen 
Zusammenhang  zwischen  beiden  Texten  nicht  in  Abrede 
stellen  können. 


II.  Fassen  wir  aber  nun  die  Sache  näher  ins  Auge,  so 
sehen  wir,  dass  trotz  aller  Aehnlichkeiten  das  Yatkar  gegen- 
über dem  äsh-näme  doch  in  mancher  Hinsicht  eine  selb- 
ständige Stellung  einnimmt,  und  zwar  repräsentiert  es 
eine  ältere  und  ursprünglichere  Form  der  Ueber- 
lieferung.    Diese  Thatsache  ergibt  sich  als  eine  ganz  zweifei- 


W,  Geiger:  Ueber  das  Yätkär-i  Zanrän.  75 

lose,  wenn  wir  die  im  YatkSr  vorkommenden  Eigennamen 
mit  denen  des  persischen  Königsbiiches  vergleichen: 

1)  Arjasp,  der  Ar^at-aspa  des  Awesta  wird  im  §ah- 
nSme  als  König  der  ^y>  und  fj*^  bezeichnet.  Das  Yät- 
kSr  bezeichnet  ihn  als  Fürsten  der  Xyön.  Diess  stimmt  mit 
den  Angaben  des  Awesta  überein,  wo  yt.  9.  80,  81 ;  17.  50, 
51 ;  19.  87  Arejat-aspa  als  hyaona  bezeichnet  wird. 

Was  den  Namen  hyaona  betriflft,  so  glaube  ich  aller- 
dings, dass  derselbe  identisch  ist  mit  dem  der  Chioniten,  wie 
dies  Spiegel')  zuerst  nachgewiesen  hat.  Ebenso  unzweifel- 
haft ist  es,  dass  diese  Chioniten  mit  welchen  Sapür  II  (Mitte 
des  4.  Jahrh.  n.  Chr.)  Krieg  führte,  in  der  Nachbarschaft 
von  Gilan  wohnten.  Für  die  Feststellung  des  Wohnsitzes  der 
Hyaona  der  iranischen  Heldensage  ist  dies  aber  ohne  Belang. 
Dieselbe  verlegt  übereinstimmend  den  Schauplatz  der  Kämpfe 
zwischen  Arjasp  und  Yistäsp  nach  dem  Osten  de»  Reiches. 
Das  Sah-name  nennt  den  Jihün  (1505.  165,  1511.  264  etc.), 
das  Yatkar  (12)  das  Gebiet  von  Merw.  Wir  müssen  also 
annehmen,  dass  im  Verlaufe  der  Zeit  eine  Verschiebung  im 
Wohnsitze  der  Chioniten  stattgefunden  hat,  oder  dass  zwischen 
den  Hyaona  des  Awesta  und  den  Xyon  des  Yatkar  auf  der 
einen  und  den  Chioniten  Ammians  auf  der  anderen  Seite 
eben  nur  eine  Identität  des  Namens  besteht.  Erstere  An- 
nahme ist  mir  die  wahrscheinlichere,  sie  hat  auch  ihre 
Analogien,  z.  B.  in  der  Geschichte  der  Alanen.') 

2)  Der  Sohn  des  Vistäsp,  welcher  der  Weissagung  das 
Jamasp  zufolge  in  der  Schlacht  von  NSm-^wast  getötet 
werden  soll,  heisst  im  Yatkar  39  fras^xuri.  An  einer  anderen 
Stelle  (30)  ist  der  Name  verstümmelt,  an  einer  dritten  (44) 
findet  sich  eine  etwas  andere  Form,  welche  wohl  frasö-kart 


1)  yi8tä9pa  oder  Hystaspes  und  das  Reich  von  Bak' 
Histor.  Zeitschnft  N.  F.  Vm.    S.  18.    Vgl.  Sitsk  1 

2)  T.  Gutschmid,  Gesch.  Irans  8.  67  ft 


76  Sitzung  der  phüosrphüol,  Glosse  vom  3,  Mai  1800, 

zu  lesen  ist.  Die  Pahlavizeichen  lassen  sich  etwa  durch 
nn:i"INtt^"lS  transskribieren,  wobei  "IK  wie  dies  öfters  vorkommt, 
statt  des  d- Vokals,  :i  statt  k  (gleichfalls  eine  sehr  häufige 
Vertauschung)  steht.  Ich  habe  die  Namensform  fraSö-kart 
in  den  Text  aufgenommen  und  glaube,  nicht  fehlzugreifen, 
wenn  ich  den  Namen  identifiziere  mit  dem  frasö-kareta  des 
Awesta,  welcher  in  der  Liste  yt.  13.  102  unter  den  Söhnen 
des  Vistäspa  genannt  wird.^) 

3)  Der  Sohn  des  Zarir,  der  den  Tod  seines  Vaters  rächt, 
führt  den  Namen  Bastvar.  Derselbe  ist  ohne  Zweifel  der 
Basia-vairi,  welcher  im  Awesta  yt.  13.  103  unmittelbar 
nach    Spentö-dsta    genannt    wird.*)     Natürlich    ist    wieder 

Bastvar  identisch  mit  dem  )y^^^  des  Sah-näme,   und  dieses 

muss   ein   alter  Fehler  für  )y^***^   sein.     Dass  dieser  Fehler 
aber  nicht  dem  Daqiqi  zur  Last  gelegt  werden  darf,  sondern    . 
bereits  in  dessen  Quelle  zurückgeht,  das  beweist  Tabarl,  der 
ebenfalls    ^^h-'^    schreibt.     Ein    Blick   auf  die   in   Tabari's 

Chronik  vorkommenden  Namen  zeigt  uns  überhaupt,  dass 
dieselbe  in  ihrem  Berichte  vom  Krieg  zwischen  Arjäsp  und 
Guätäsp  vollständig  zu  dem  Berichte  des  Königsbuches  stimmt.^) 

4)  Erwähnt  sei  endlich,  dass  im  YatkSr  48  auch  die 
Gattin  des  Vistasp  erwähnt  wird  mit  Namen  Hutös.  Sie  ist 
nach  der  nämlichen  Stelle  zugleich  die  Schwester  ihres 
Mannes.  Im  Awesta  wird  Hutaosa  yt.  9.  26,  17.  40,  15. 
35,   13.  139  erwähnt;    doch    bleibt  ihr  doppeltes  Verhältnis 

1)  Spiegel,  Commentar  II.  614. 

2)  Darmesteter,  l^tudes  iran.  II.     330. 

3)  Vgl.  S.  677,  Z.  3  der  de  Goeje'echen  Ausgabe.  Ich  bemerke 
hier,  dass  ich  auch  einen  dritten  Namen  aus  der  Liste  yt.  13.  103  im 
Königfibuche  nachweisen   zu   können   glaube.     Nach  meiner  Meinung 

ist  nämlich  der  §.-n.    1520.  414   etc.    erwähnte    ^\S  identisch  mit 

dem  Karärasmö  in  yt.  13.  103.  Tabari  hat  äVö  nach  Nöldeke'a 
gewiss  richtiger  Emendation  S.  677,  Z.  10. 


W,  Geiger:   üeher  das  Yätkar-i  Zarirän,  77 

ZU  Vistaspa  unberührt.  Dasselbe  ist  übrigens  aus  dem  Grunde 
von  Interesse,  weil  ja  auch  die  historische  Atossa  zugleich 
die  Schwester  und  Gattin  des  Kambyses  war.  Das  §5h-n?ime 
erwähnt  die  Hutos  nicht,  aber  der  Name  muss  in  dem  alten 
Pahlavi-x^tai-nämak  gestanden  haben ,  da  er  bei  Taban 
vorkommt.^) 

Von  den  übrigen  im  Ystkar  allein  vorkommenden  Namen 
ist  vor  allem  der  des  Pät-xusrav  zu  erwähnen,  eines  Bruders 
des  Vistasp,  welcher  gleich  Frasö-kart  von  NSm-^wäst  ge- 
tötet wird.  Es  ist  leider  nicht  möglich,  denselben  im  Awesta 
aufzufinden;  ich  zweifle  aber  nicht,  dass  auch  hier  wieder 
eine  alte  Tradition  vorliegt.  Ebenso  wenig  vermag  ich  die 
Namen  der  beiden  Töchter  des  Arjäsp,  Zarsianv  (52)  und 
BaSstanÜ  (71),*)  anderweitig  nachzuweisen. 

In  einer  Reihe  von  Namen,  die  sich  teilweise  auch  im 
Awesta  finden,  stimmen  Yätkär  und  äsh-name  zusammen. 
Eis  sind  dies,  um  von  VistSsp,  Arjasp  und  Jamasp  ganz  abzu- 
sehen,   vor    allem    die    Namen    der    Helden    Spand-dät  = 

^L^JJÜLmI  =  aw.  Spehtö-däta  und  Zartr  =  ji<\  =  aw. 
Zairi'Vairi  (»mit  goldenem  Panzer'*).  Letzterer  ist  natürlich 
der  Zariadres,  der  Held  der  von  Chares  von  Mytilene  (bei 
Athenäus)  Oberlieferten  Liebesgeschichte.^)  Ak  Tochter  des 
Vistäsp  wird  im  Yatkär  57  Humak  genannt  =  ^Ujd  (§.-n. 

1531.  619)  =  aw.  huma.  Eine  Uebereinstimmung  zwischen 
dem  Ystkar  und  dem  §ah-name  liegt  endlich  noch  vor  in 
den    Namen    der    beiden    tOränischen    Helden    Vidrafs    und 

1)  S.  678,  Z.  2  ^^^. 

2)  Der  Name  Zar-stan  Hesse  sich  vielleicht  als  .goldbusig*  er- 
klären. Statt  BaS'Stan  könnte  man  Beh-stan  =  Veh-atan  (vgl.  Note  5) 
lesen:  »schönbusig*.  Allerdings  ist  das  PahlavI-Wort  fEür  nBasen*" 
sonst  pisiän. 

8)  Bapp,   ZDM6.    XX.    S.  65;    Spiegel,  Srii 
kande  I.    S.  665. 


78  Sitzung  der  phüos.-phüol.  Classe  vom  .?.  Mai  1890. 

Nsm-xwast  =  jäJ^Juo  und  vaA*Ml«itfb   (vgl.  dazu  Anm.  3) 

und  des  Sohnes  des  Jiimasp^)  Garämlk-kart  =  is^^j^' 

III.  Abgesehen  von  den  Differenzen  in  den  Eigennamen 
fallen  uns  vor  allem  zwei  Verschiedenheiten  in  der  Erzählung 
des  Yätkar  und  des  Sah-n3me  auf:  l)  Die  Einzelkämpfe  in 
der  Arjäsp-Sehlacht  fehlen  im  Pahlavi-Text  voUstiindig; 
2)  Der  Schluss  weicht  in  beiden  Quellen  erheblich  ab.  Beide 
Verschiedenheiten  gehen,  wie  ich  glaube,  auf  ein  und  die- 
selbe Ursache  zurück. 

Man  kann  nicht  sagen,  dass  die  genaue  Schilderung 
der  Schlacht  zwischen  Arjssp  und  Gust^p  mit  ihren  zahl- 
reichen Einzelkämpfen  ausschliesslich  auf  Rechnung  der 
dichterischen  Ausmalung  seitens  des  Daqiqi  zu  setzen  sei. 
Auch  das  Yatkär  hat  eine  Tradition  dieser  Kämpfe  in  der 
Weissagung  des  Jämasp  von  dem  Verlaufe  der  Schlacht  er- 
halten (28 — 30);  allein  hier  werden  ausser  Zarir  nur  Pafc- 
Xusrav,  der  Bruder  des  Visblsp,  und  Frasö-kart,  sein  Sohn, 
mit  Namen  genannt.  Ausserdem  heisst  es  nur  im  allgemeinen, 
dass  22  von  den  Söhnen  und  Brüdern  des  Königs  fallen 
werden.  Ganz  anders  im  Königsbuche.  Gerade  die  beiden 
Namen,  welche  im  Yatkär  besonders  erwähnt  werden,  kommen 
hier  überhaupt  nicht  vor,  dagegen  werden  der  K^eihe  nach 
die  Helden thaten  und  der  Tod  folgender  Iränier  (1523.  473  ff.) 
geschildert:  1)  Ardasir,  Sohn  des  Gustasp;  2)  §örö  (Variante: 
Örniazd);  3)  Sedasp;  4)  Garämi,  der  Sohn  des  Jämasp  (^1524. 
407  ff.);  5)  Nastfir,  der  Sohn  des  Zarir  (rächt  den  GarRml 
und  kehrt  siegreich  zurück);  6)  NivzAr,  der  Sohn  des  Gustasp; 
7)  Zarir,  Bruder  des  Königs  (1527.  549  ff.),  wird  von  Bidarafs 
erschlagen.  Nach  Zarir's  Tod  eilen  nun  Nastür  und  Isfandyar 
in  den  Kampf,  um  Rache  für  ihn  zu  nehmen. 

1)  Im  Awestä  yt.  13.  104  wird  haiihaurid  als  Sohn  des  J. 
QämäspanaJ  genannt. 


W,  Geiger:  Ueher  das  Yatkär-i  Zanrän,  79 

Von  allen  den  Helden  nun,  welche  nach  dem  Sah-nanie 
in  der  ArjSsp-Schlacht  fallen,  nennt  das  Ystkar  nur  einen, 
den  Garamik-kart.  Allein  auch  er  wird  nur  kämpfend  ge- 
schildert (79  ff.),  sein  Tod  wird  nicht  erwähnt.  Dabei  möchte 
ich  auf  einen  Einzelzug  hinweisen,  der  in  beiden  Quellen 
vorkommt,  aber  mit  einer  leichten  Differenz,  welche  durch 
die  Verschiedenheit  der  Gesamtschilderung  bedingt  ist.  Daqiqi 
berichtet,  wie  die  Tur5nier  den  Garämi  bedrängen  (1525. 
516  ff.) 


^1^   tXjJi-jiXj   jiwTU.   ^^  ^d^ 

Wahrend  hier  also  Gar^ml  im  Kampf  die  Rechte  ver- 
liert, das  Reichsbanner  nun  mit  den  Zähnen  ergreift  und 
mit  der  Linken  ficht,  bis  er  fällt,  ist  im  Yätkar,  welclfes 
ja  überhaupt  nicht  von  GarSmik's  Tod  spricht,  die  Sache 
anders  gewendet.  Hier  fasst  der  Held  das  Banner  mit  den 
Zahnen,  um  mit  beiden  Händen  ungehindert  fechten  zu 
können :  daraß-i  peröjan  pavan  dandün  yoxsenuhet  va  pavan 
2  yadman  kartjär  vadunyen  (79). 

Ich  mochte  nun  diese  Abweichung  zwischen  Yätkar  und 
Sah-name  damit  erklären,  dass  in  dem  prosaischen  Königs- 
bache, auf  welchem  letzteres  beruht,  zwei  (oder  mehr)  ver- 
schiedene Quellen  zusammengeflossen  sind.  Die  eine,  welche 
unserem  YStkar  entspricht,  beschäftigt  sich  speziell  mit  dem 
Schicksale  des  2iarir,  seinem  Tod  und  der  Bac 
Sohn  fOr  ihn  nimmt;   die  andere  war  eine  L 


80  Sitzung  der  phüos.-phäol.  Clasfte  vom  5.  Mai  1890, 

Arjasp-Schlacht:  aus  ihr  stammen  die  Einzelheiten,  mit 
welchen  im  §ah-name  das  Bild  des  grossen  Kampfes  aus- 
gemalt ist. 

Wir  kommen  nun  zu  dem  Schluss  der  Zarir-Episode, 
wie  er  im  Yatkar  und  im  §Sfa-name  behandelt  wird. 

Im  YatkSr  sehen  wir  die  Ereignisse  in  einer  durchaus 
naturgemässen  Weise  sich  entwickeln.  Nach  Zarir^s  Tod 
wagt  niemand  den  Kampf  gegen  Vidrafs  aufzunehmen,  als 
sein  Sohn  Bastvar.  Dieser  übernimmt  es,  den  Vater  zu 
rächen,  und  erlegt  den  Vidrafs  im  Zweikampfe.  Spand-dat 
gilt  auch  dem  Yatkar  als  der  bedeutendste  Held  der  Iranier. 
Allein  seine  That,  die  Ueberwältigung  und  Verstümmelung 
des  Arjäsp,  wird  nur  kurz  gestreift;  sie  wird  nur  mit  wenig 
Worten  geschildert,  soweit  dies  eben  als  Abschluss  der  ganzen 
Erzählung  nötig  erschien,  namentlich  um  zu  zeigen,  wie  die 
Weissagungen  des  Jamasp  sich  thatsächlich  erfüllten.  Das 
Interesse  des  Erzählers  bleibt  bei  Zarir.  Dieser  ist  der  Mittel- 
punkt der  ganzen  Geschichte,  sein  Heldentod  und  die  Rache, 
die  Bastvar  an  Vidrafs  nimmt,  das  Hauptthema,  dem  gegen- 
über alles,  was  sonst  noch  vorkommt,  als  Beiwerk  in  den 
Hintergrund  tritt.  So  macht  das  Yatkar  einen  durchaus  ein- 
heitlichen Eindruck.  Ich  bezweifle  nicht,  dass  es  zurück- 
geht auf  eine  alte  Quelle,  welche  die  Geschichte  von  Zarir 
behandelt,  auf  ein  Zarir-namak  —  um  der  Kürze  wegen 
diesen  Namen  anzusetzen  —  das  auch  in  das  Pahlavi-^utai- 
namak  hineingearbeitet  wurde,  auf  welchem  das  Sah-näme 
beruht.  Durch  die  mehrfache  Umarbeitung,  welche  das  Zarir- 
nämak  bis  zu  .seinem  Uebergange  in  das  persische  Königs- 
buch  erfuhr,  erklärt  es  sich,  dass  manches  Altertümliche  — 
ich  erinnere  besonders  an  die  Namen  —  im  Laufe  der  Zeit 
abgestreift  wurde. 

Dass  das  Yatkar  mit  jenem  supponierten  Zarir-namak 
geradezu  identisch  ist,  dass  wir  also  in  ihm  eine  der  Quellen 


TT.  Geiger:  lieber  das  Yätkär-i  Zarirän,  81 

des  Königsbuches  selbst  gefunden  hätten,  das  wage  ich  nicht 
zu  behaupten.  Die  Sprache  macht  keinen  altertümlichen 
Eindruck,  und  ob  wir  die  moderne  Färbung,  die  das  Ganze 
trägt,  ausschliesslich  den  Abschreibern  aufbürden  dürfen,  ist 
mir  sehr  zweifelhaft.  Manche  Momente  lassen  es  sogar  als 
möglich  erscheinen,  dass  unser  Text  des  Yatkar  Uebertragung 
eines  persischen  Textes  ist.  Diese  Ansicht  hat  West,  aller- 
dings mit  allem  Vorbehalte,  zuerst  mir  gegenüber  ausge- 
sprochen, und  eine  Prüfung  des  Pahlavitextes  von  diesem 
Gesichtspunkte  aus  machte  mir  die  Sache  nicht  unwahrschein- 
lich. Ein  überzeugender  Beweis  wird  sich  freilich  kaum 
führen  lassen.  Mag  sich  dies  nun  yerhalten,  wie  es  will, 
mir  steht  nichts  desto  weniger  fest,  dass  das  Tätkar,  wenn 
auch  durch  üebertragungen,  so  doch  ohne  wesentliche  Um- 
gestaltungen, auf  jene  Quelle,  das  Zarlr-nSmak  zurückgeführt 
werden  muss. 

Im  Ssh-name  nun,  um  auf  dieses  näher  einzugehen, 
erscheint  uns  der  Schluss  der  Zanr-Episode  fremdartig,  ich 
mochte  sagen,  unorganisch.  Das  Hervortreten  des  Isfandyar 
wird  jedem  unbefangenen  Leser  auffallen  müssen.  Es  ist 
durch  den  Zusammenhang  nicht  genügend  motiviert.  Auf 
die  Kunde  von  Zarir's  Tod  (1531.  612  ff.)  eilt  Isfandyar 
sofort  an  dessen  Stelle  in  die  Schlachtreihe.  Da  vernimmt 
er  vom  Hügel  herab  die  Stimme  seines  Vaters,  der  dem 
Sohne  Thron  und  Reich  zu  überlassen  verheisst,  falls  er  sieg- 
reich aus  dem  Kriege  heimkehren  werde.  Isfandyar  stürzt 
sich  ins  Kampfgetümmel.  Nun  springt-  aber  die  Erzählung 
plötzlich  auf  Nastür  über  (1532.  647  ff.) ;  derselbe  fordert 
vom  Stallmeister  ein  Pferd,  um  seinen  Vater  Zarir  zu  suchen. 
Er  findet  ihn  tot  auf  dem  Schlachtfelde  und  kehrt  zu  Gudtasp 
zurück,  Rache  für  den  Erschlagenen  zu  fordern.  Gustäsp 
will  zuerst  selbst  am  Kampfe  teilnehmen,  wird  aber  von 
Jamasp  abgehalten.  Nastür  übernimmt  pen&nlißh  Hie  Rache 
und   fordert  den  Bidarafg  zum  Zweikampi 

IflOO.  P]ii]<M.-phUoL  n.  hisi.  Ol.    U.  1. 


82  Sitzung  der  phüosrphüol.  Clause  vom  3,  Mai  1890, 

stellt  sich  ihm  erst  auf  eine  Aufforderung  des  Arjasp  hin. 
Während  beide  Helden  sich  bekämpfen,  eilt  (1536.  706  ff.) 
IsfandySr  zur  Hilfe  herbei.  Bidarafs  wendet  sich  gegen  ihn, 
fehlt  ihn  mit  der  Lanze  und  wird  nun  von  Isfandyar  getötet. 

Dieser  Schluss  ist  unbefriedigend.  Nastür  spielt  bei 
demselben  keine  glückliebe  Rolle.  Nicht  er,  der  eigene  Sohn, 
ist's,  der  den  Vater  rächt,  sondern  Isfandyar.  Andrerseits 
ist  aber  Nastür's  Persönlichkeit  doch  noch  nicht  ganz  hinaus- 
gedrängt. Er  teilt  sich  gewissermassen  mit  Isfandyar  in  die 
Ehre,  den  Bidarafs  erlegt  zu  haben,  doch  so,  dass  diesem 
der  Hauptanteil  zukommt.  Diese  eigentümliche  Erscheinung 
lässt  sich  doch  nur  durch  die  Annahme  erklären,  dass  sich 
hier  zwei  verschiedene  Quellen  durchkreuzen.  Die  eine  der- 
selben, welche  den  Hergang  in  der  Weise  schildert,  wie  sie 
unserer  Auffassungsweise  am  naturgemässesten  erscheint,  fiber- 
lässt  das  Werk  der  Rache  dem  Nastür.  Es  ist  das  eben 
die  Quelle,  welche  im  Yatkar  vorliegt,  das  mutmassliche 
Zarir-nämak.  Diese  Quelle  ist  im  §ah-name  in  den  Partien 
bruchstückweise  erhalten,  welche  von  Nastür  handeln.  In 
diesen  Partien  ist  der  nahe  Zusammenhang  mit  dem  Yatkür 
unverkennbar.  Neben  dem  Zarir-namak  tritt  nun  aber,  dessen 
Darstellung  durchkreuzend  und  umgestaltend,  eine  neue  Quelle 
hervor,  deren  Hauptheld  Isfandyar  ist.  Wir  könnten  diese 
zweite  Quelle  als  ein  Spand-dat-n?lmak  bezeichnen. 

In  den  Abschnitten  des  Königsbuches,  welche  auf  die 
Beschreibung  des  ersten  Krieges  zwischen  Gnstäsp  und  ArJasp 
folgen,  tritt  die  Persönlichkeit  des  Isfandyar  ganz  in  den 
Vordergrund.  Sie  wird  mit  einer  unleugbaren  Vorliebe  ge- 
schildert; denn  Isfandyar  ist  nicht  nur  ein  Held  der  Waffen, 
wie  Rusttim,  dem  er  ja  an  Stärke  sogar  überlegen  ist  und 
von  dem  er  nur  durch  Hinterlist  bezwungen  wird,  sondern 
auch  ein  Held  des  Glaubens  und  der  Frömmigkeit.  Offenbar 
stellen  diese  Teile  des  §ah-näme  das  jüngste  Entwickelungs- 
stadiuni   eines   alten  Volksepos   dar,   dessen  Held  Isfandyar, 


W.  Geiger:  üeber  das  Yätkär-i  Zarirän,  83 

der  Spentö-data  des  Awesta  war.  Wie  es  noch  jetzt  in 
Indien  zahlreiche  in  Guzerati  verfasste  name*s  gibt,  welche 
einzelne  Hauptpersonen  der  altiranischen  Heldensage  ver- 
herrlichen:  ein  GustSsp-näme ,  ein  Isfandyar-nSme  und  so 
fort,  so  mag  das  schon  in  früheren  Zeiten  gewesen  sein,  und 
aus  der  Zusammenstellung  solcher  Einzelsagen  mag  das  Pahlayi- 
Xntai-namak,  ^)  auf  welches  als  letzte  Grundlage  das  Säh-nSme 
des  Daqiqi    und  Firdausi   zurückgeht,   hervorgegangen   sein. 

Die  Anfügung  nun  des  Spand-dat-nSniak  an  das  Zarir- 
nSmak  hat  die  Umgestaltung,  welche  der  Schluss  des  letzteren 
erfuhr,  verursacht.  IsfandySr,  der  Held  der  weiteren  im 
§ah-name  berichteten  Begebenheiten,  muss  schon  in  der 
Arjasp-Schlacht  eine  Rolle  gespielt  haben.  Er  kann  aber 
doch  unmöglich  neben  einer  relativ  untergeordneten  Persön- 
lichkeit, wie  Nastür  es  immerhin  im  Königsbuche  ist,  die 
zweite  Stelle  einnehmen.  Es  muss  geradezu  die  hervor- 
ragendste That  in  der  Schlacht,  die  Rache  für  Zanr  und 
die  Erlegung  des  Bidarafs,  auf  ihn  übertragen  werden,  damit 
auf  seine  künftige  Bedeutung  im  voraus  hingewiesen  werde. 
Ja  noch  mehr:  in  diese  Arjäsp-Schlacht  wird  auch  das  Ver- 
sprechen des  Gustasp  verlegt,  dem  Sohne  Thron  und  Regierung 
abtreten  zu  wollen,  ein  Motiv,  das  ja  bekanntlich  in  der 
späteren  Geschichte  von  Isfandyar  von  Wichtigkeit  ist.  Auf 
solche  Weise  erhielt  die  Erzählung  von  der  Arjätöp-Schlacht 
ihren  befremdenden  Abschluss  auf  Kosten  der  dichterischen 
Wahrheit.  Diese  Umgestaltung  geht  aber  bereits  in  eine 
der  Quellen  des  Daqiql  zurück,  möglicherweise  sogar  schon 
in  das  Pahlavi-xutai-nämak  selber,  wie  uns  der  Umstand  be- 
weist, das8  Firdausi  die  Erzählung  des  Daqiq!  einfach  aufnimmt 
und  fortsetzt,  ohne  dass  der  Uebergang  irgend  welche  Härten 
oder  Schwierigkeiten  verursacht. 


1)  Vgl.  namentlich  Nöldeke,  Tabari,  Einleitung  S. 
bes.  Xim  ff. 

6* 


84  Sitzung  der  pküosr^üol.  Classe  vaih  3.  Mai  1890, 

Das  alte  Zarfr-namak  schloss  sicher,  wie  das  YritkSr, 
mit  der  Verstümmelung  des  Arjssp  ab.  Das  ist  ein  derber, 
urwüchsiger,  echt  epischer  Zug,  der  freilich  nicht  jedermann 
behagt  haben  mag.  In  dem  Buche  von  Isfandyär  aber  wird 
die  Besiegung  des  Türkenfürsten  weiter  ausgeführt  und  in 
das  Gebiet  des  Uebematürlichen  und  Wunderbaren  empor- 
gehoben. So  entwickelte  sich  der  kurze,  kräftige  Schluss, 
wie  er  im  Yatkar  vorliegt,  zu  einem  neuen  Epos  von  einer 
ganz  eigenartigen  Färbung,  in  welchem  Isfandyär  in  ähn- 
licher Weise  den  Mittelpunkt  bildet,  wie  Rustam  in  anderen 
Teilen  des  Königsbuches. 

Ich  möchte  zum  Schluss  versuchen ,  das  Verhältnis 
zwischen  Ystkar  und  §ah-n3me  graphisch  darzustellen.  Be- 
zeichnet man  dabei  die  Quelle,  welche  die  Details  zu  der 
Schilderung  der  Arjasp-Schlacht  (S.  78  flf.)  geliefert  haben 
mag,  mit  X,  die  Zwischenglieder,  welche  zwischen  dem  mut- 
masslichen Zarlr-namak  und  dem  Ystkär  liegen,  mit  Y,  so- 
wie die  zwischen  dem  Pahlavi-^utai-nämak  und  dem  persischen 
Konigsbuche  mit  Z,  so  ergibt  sich  etwa  folgendes  Bild: 

*Zarir-n5mak  —  X  *Spand-dclt-nämak 


Pahl  .-xutai-nämak 

I  z 

Yätkar-i  Zariran.  | 

§äh-nanie. 


85 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom  8.  Mai  1890. 

Herr  Lossen  hielt  einen  Vortrag: 

, Erzbischof  Heinrich  von  Bremen  und  das 
Haus  Oesterreich  im  Münsterschen  Postu- 
lationsstreit  1579—1580«. 

Wie  der  Streit,  welcher  seit  dem  Jahre  1575  zwischen 
den  beiden  Parteien  des  bairischen  Herzogs  Ernst  und  des 
Bremer  Erzbischofs,  Herzog  Heinrich  von  Lauenburg,  um 
die  Erlangung  des  Hochstifts  Münster  geführt  wurde,  im 
Mai  1580  dadurch  zum  Stillstand  kam,  daß  der  im  Jahre 
1574  zum  Bischof  postulierte  Herzog  Johann  Wilhelm  von 
Jülich-Cleve-Berg,  anstatt  zu  resignieren,  wie  er  eigentlich 
gesollt  hätte,  vielmehr  die  Administration  übernahm,  habe 
ich  in  meiner  Vorgeschichte  des  Kölnischen  Krieges  aus- 
führlich erzählt.^)  Aus  vereinzelten,  mir  damals  zu  Gebot 
stehenden  Nachrichten  versuchte  ich  dort  auch  darzulegen, 
inwieweit  Beziehungen  des  Bremer  Erzbischofs  zum  kaiser- 
lichen Hofe  auf  diesen  vorläufigen  Abschluß  des  Postulations- 
streites mit  eingewirkt  hatten.  Die  von  Ludwig  Keller  kurz 
vor  dem  Erscheinen  meines  Buches  veröffentlichten  Akten- 
stücke fügten  dem  von  mir  benutzten  Material  nichts  neues 


1)  Der  Kölnische  Krieg.   Vorgeschichte  1565—1581.   Gotha  1882. 
7.  Buch.    Kap.   1.  3  u.  4.     Ich   citiere   im  folgenden  Ei 
mit  der  Seitenzahl. 


86  Sitzung  der  histor,  Glosse  vom  3.  Mai  1890. 

bei,  während  Keller's  angebliche  Erläuterungen  durch  Flüchtig- 
keit und  üngenauigkeit  die  Dinge  nur  verwirrten.*)  Ein 
volles  Jahr  nach  meinem  Buch,  jedoch  ohne  Kenntnis  des- 
selben, veröflFentlichte  sodann  Augustin  Hüsing  ein  Büchlein,*) 
welches  aus  dem  Münsterschen  Stadtarchiv  den  von  Keller 
(und  mir)  benutzten  Münchener  und  Düsseldorfer  Archivalien 
einige  ergänzende  Aktenstücke  beifügte ,  die  jedoch ,  weil 
Hüsing  seine  Vorlagen  weder  ordentlich  lesen  konnte  noch 
recht  verstand,  nur  mit  Vorsicht  zu  benutzen  sind.  Einige 
sehr  kurze,  aber  für  die  im  folgenden  zu  behandelnde  Frage 
nicht  unwichtige  Auszüge  aus  einem  Kopienbuch  des  Wiener 
Haus-Hof-  und  Staatsarchivs  hat  endlich  noch  der  inzwischen 
leider  schon  verstorbene  Wilhelm  Diekamp  im  42.  Band  der 
Zeitschrift  für  Geschichte  und  Altertumskunde  Westfalens 
mitgeteilt.^)  Sonst  ist  mir  keine  Publikation  bekannt  ge- 
worden, durch  welche  meine  Darstellung  jener  für  die  kirch- 
lichen und  politischen  Verhältnisse  von  Westfalen  und  Nieder- 
sachsen nicht  unwichtigen  Dinge  erweitert  oder  berichtigt 
worden  wäre. 

Vor  einigen  Monaten  führten  mich  nun  meine  Studien 
für  die  Geschichte  des  Kölnischen  Krieges  wieder  einmal  in 
das  Dresdener  Archiv  und  kam  mir  dort  ein  vordem  über- 
sehenes Aktenheft  zur  Hand,  welches  in  jene  aus  Anlaß  des 
Münsterschen  Postulationsstreites  geknüpfte  Verbindung  des 
Bremer  Erzbischofs  mit  dem  Hause  Oesterreich  einen  viel 
klareren  Einblick  gestattet,  als  er  mir  beim  Niederschreiben 


1)  Ludwig  Keller,  Die  Gegenreformation  in  Westfalen  und  am 
Niederrhein.  1.  Teil  (1555—1585).  Leipzig  1881.  S.  326/34  und 
Nr.  465/496. 

2)  Augustin  Hüsing,  Der  Kampf  um  die  katholische  Religion 
im  Bisthum  Münster.     1535—1585.     Münster  1883. 

3)  Wilh.  Diekamp,  Beiträge  z.  Gesch.  der  kath.  Reformation  im 
Bisthum  Münster  a.  a.  0.     1884.     S.  158/171. 


Lassen:  Erzbischof  Heinrich  van  Bremen,  87 

meiner  Vorgeschichte  möglich  gewesen  war.^)  Unter  stetem 
Hinweis  auf  meine  frühere  Erzählung  beabsichtige  ich  hier 
die  wichtigeren  neuen  Ergebnisse  jenes  Dresdener  Akten- 
fascikels  zusammenzustellen.  Den  Haupt-Inhalt  desselben 
bilden  Berichte,  welche  Erzbischof  Heinrich  im  Jahre  1580 
Qber  seine  Beziehungen  zum  kaiserlichen  Hof  an  seinen 
Oheim  und  Gönner,  den  Kurfürsten  August  von  Sachsen, 
teils  brieflich,  teils  durch  einen  eigenen  Gesandten  gelangen 
ließ. 

Im  Sommer  1578,  nachdem  der  Streit  zwischen  der 
bairischen  und  der  bremischen  Partei  des  Münsterschen  Dom- 
kapitels schon  drei  Jahre  gewährt  hatte,  sprachen  zuerst  die 
Stiftsstadte,  dann  auch  die  Ritterschaft  das  bestimmte  Ver- 
langen ans,  das  Domkapitel  solle  Ton  beiden  bisherigen  Be- 
werbern absehen  und  einen  Dritten  wählen.*)  Den  Vater 
des  jetzigen  Postulierten,  Herzog  Wilhelm  von  Jtilich-Cleve- 
Berg,  gedachte  man  dieser  Forderung  dadurch  geneigt  zu 
stimmen,  dass  man  ihm  anheimgäbe,  selbst  einige  geeignete 
Kandidaten  dem  Domkapitel  zur  Auswahl  vorzuschlagen. 
Die  erste  Antwort  des  Herzogs  auf  dieses  Ansinnen,  am 
30.  Oktober  1578,  lautete  wirklich  —  freilich  nur  in  Folge 
ihrer  ungeschickten  Fassung  —  so  entgegenkommend,  daß 
daraufhin,  im  Dezember  1578,  die  Münsterschen  Stiftsstande 
den  beiden  Parteien  des  Domkapitels  bereits  einen  bestimmten 
Vorschlag  unterbreiteten,  wie  im  Falle  fortdauernden  Zwie- 
spaltes der  Domherren  zur  Wahl  eines  Dritten  zu  gelangen 
sei:  80  nämlich,  daß  sowohl  Bremen  wie  Baiern  freiwillig 
zurückträten,  Herzog  Wilhelm  aber  gebeten  würde,  seinen 
Sohn   resignieren   zu  lassen   und  dem  Domkapitel  drei  oder 


1)  K.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden,  loc.  8958  «Münster- 
ische  Wahlen  Nr.  4*.  Ich  citiere  im  folgenden  DrA.  mit  der 
Blattzahl. 

2)  Köln.  Krieg  I,  599  f. 


88  Sitzung  der  histor,  Glosse  vom  3.  Mai  1890. 

vier  andere  taugliche  Personen  zur  Auswahl  zu  benennen.^) 
Während  man  nun  am  clevischen  und  am  bairischen  Hofe 
nicht  gewillt  war,  auf  die  Nachfolge  des  Herzogs  Ernst  in 
Münster  zu  verzichten,  dachte  Erzbischof  Heinrich  für  seine 
Person  anders:  —  Seit  Jahren  bemühte  er  sich  vergeblich, 
durch  allerlei  gute  Worte  und  Versprechungen  für  sein  längst 
ganz  protestantisches  Erzstift  Bremen,  sodann  für  seine  mit 
protestantischen  Elementen  schon  stark  durchsetzten  Hoch- 
stifter Osnabrück  und  Paderborn,  von  Rom  bestätigt  zu 
werden;*)  wie  viel  schwächer  war  die  Aussicht  auf  päpstliche 
Konfirmation  seiner  Wahl  für  das  Stift  Münster,  wo  das 
römisch-katholische  Bekenntnis  noch  fast  unbeschränkt 
herrschte,  wo  eine  ansehnliche  Partei  im  Domkapitel  nichts 
von  ihm  wissen  wollte,  und  wo  er  endlich  zwei  der  mächtigsten 
deutschen  Fürstenhäuser,  Cleve  und  Baiem,  zu  Gegnern  hatte ! 
Von  Natur  zum  Vermitteln  und  Paktieren  angelegt,  nie 
geneigt  die  Dinge  auf  die  Spitze  zu  treiben,  hatte  er  sicher- 
lich den  Gedanken,  seine  durch  Majoritätswahl  erworbenen 
Rechte  auf  Stift  Münster  um  einen  möglichst  guten  Preis 
loszuschlagen,  längst  schon  im  Herzen  erwogen,  als  jetzt  das 
Drängen  der  Münsterschen  Landstände  ihn  nötigte,  Art  und 
Weise  der  Ausführung  ernstlich  ins  Auge  zu  fassen.  Bereits 
im  Spätsommer  1578,  kurz  nachdem  die  Landstände  ihre 
Wünsche  wegen  der  Wahl  eines  Dritten  zuerst  offen  kund- 
gegeben hatten,  war  Erzbischof  Heinrich  durch  den  Land- 
grafen Wilhelm  von  Hessen  ersucht  worden ,  dem  jungen 
Grafen  Bernhard  von  Waldeck,  einem  Vetter  der  hessischen 
Landgrafen,  seine  Rechte  auf  Münster  abzutreten.^)  Der 
Erzbischof  schien    für   seine  Person  nicht  gerade  abgenpigt. 


1)  Köln.  Krieg  I,  601/4. 

2)  Köln.  Krieg  I,  210  f.,  257  ff.,  362,  375.  Vgl.  auch  W.  E. 
Schwarz,  Der  Briefwechsel  dos  Kaisers  Maximilian  II.  mit  Papst 
Pius  V.     Paderborn  1889.     8.  79  ff. 

3)  Köln.  Krieg  I,  600  f. 


Zossen:  Erebischof  Heinrich  von  Bremen,  89 

behielt  sich  jedoch  Rücksprache  mit  seinen  Anhängern  im 
Kapitel  vor.  Außerdem  erkundigte  er  sich  im  November 
1578  bei  seinem  Oheim,  dem  Kurfürsten  von  Sachsen,  was 
dieser  von  der  ihm  angesonnenen  Gession  denke.  Nun  war 
man  zwar  auch  in  Dresden  der  Meinung,  daß  das  Haus 
Baiem  in  Niederdeutschland  nicht  zu  mächtig  werden  dürfe, 
und  erklärte  sich  darum  —  übrigens,  aus  Rücksicht  auf  die 
Freundschaft  mit  dem  Hause  Baiern,  nur  mündlich  und  nur 
unter  der  Voraussetzung,  dass  sich  Herzog  Heinrich  hier- 
durch nicht  noch  mehr  Feinde  mache  —  mit  Heinrich's  Ver- 
zicht auf  die  in  Münster  erworbenen  Rechte  einverstanden; 
ein  besonderes  Interesse  für  die  Person  des  Grafen  von  Waldeck 
war  jedoch  augenscheinlich  am  sächsischen  Hofe  nicht  vor- 
handen.^) Bald  nachher  verfiel  daher  Erzbischof  Heinrich 
selbst  auf  einen  anderen  Kandidaten,  den  er  mit  größerem 
Vorteil  für  sich  selbst  und  zugleich  mit  mehr  Aussicht  auf 
Erfolg  an  seine  Stelle  treten  lassen  konnte,  —  nämlich  auf 
Erzherzog  Maximilian,  einen  der  jüngeren  Brüder  des  Kaisers 
Rudolf  n. 

In  dem  Bericht,  welchen  der  Erzbischof  nachmals  dem 
sächsischen  Kurfürsten  über  diese  Kandidatur  vortragen  ließ, 
heißt  es:  er,  Herzog  Heinrich,  habe  sich  überzeugen  müssen, 
daß  er  wegen  der  Praktiken  der  Raesfeldischen  Faktion  im 
Münsterschen  Domkapitel,  welche  auch  den  Papst  gegen  ihn 
aufgehetzt,  keine  Aussicht  gehabt  habe,  seine  Postulation 
durchzusetzen.  Das  habe  ihn  bestimmt,  wiewohl  er  lieber 
einen  seiner  eignen  Brüder  dahin  befördert  gesehen  hätte, 
auf  eine  Person  zu  gedenken,  der  sich  seine  Gegner  nicht 
widersetzen  könnten,  —  nämlich  auf  den  Bruder  des  Kaisers, 
Erzherzog  Maximilian,  welcher  denn  auch  sein  Anerbieten 
mit  großem  Dank  aufgenommen  habe.*)  —  Hiebei  ist  nicht 

1)  Köln.  Krieg  I,  606. 

2)  Schriftliche  Relation  Hermann*«  von  der  Becke  all 
in  Annaburg  16.  Januar  1580,  samt  Beilagen,  DrA.  %.  0*' 


90  Sitzung  der  histar,  Gasse  vom  3.  Mai  1890. 

erwäbnt,  welche  besonderen  Vorteile  für  seine  Person  Erz- 
bischof Heinrich  von  dieser  Kandidatur  sich  versprach.  Diese 
liegen  aber  auf  der  Hand. 

Herzog  Heinrich,  seit  1567  bereits  postulierter  Erz- 
bischof von  Bremen,  war  zum  Bischof  von  Osnabrück,  im 
Jahre  1574,  und  zum  Bischof  von  Paderborn,  im  Jahre  1577, 
nur  unter  der  ausdrücklichen,  in  den  Konkordaten  der 
deutschen  Nation  begründeten  Bedingung  gewählt  worden, 
daß  er  sich  die  päpstliche  Konfirmation  verschaffe;  bis  dahin 
sollte  eigentlich  nicht  ihm,  sondern  den  Domkapiteln  die 
Stiflsregierung  zustehen.*)  Wiewohl  die  beiden  Domkapitel 
nachher  nicht  vollständig  auf  ihrem  Schein  bestanden,  sondern 
aus  Zweckmäßigkeitsgründeo  dem  Postulierten  die  Regierung 
überließen ,  blieb  doch  die  Voraussetzung  päpstlicher  Be- 
stätigung in  Kraft.  Am  kaiserlichen  Hof  konnte  Herzog 
Heinrich  nur  auf  je  zwei  Jahre  Lehensindulte  erlangen  und 
regelmäßig  mit  der  Bedingung,  daß  er  sich  um  die  päpst- 
liche Konfirmation  bemühen  müsse.  Gerade  damals,  im 
Winter  1578  auf  79,  war  Herzog  Heinrich's  Kammersekretär 
und  Vertrauter,  Hermann  von  der  Becke,  wieder  einmal  in 
Prag,  um  eine  Verlängerung  des  Lehen-Indults  für  Osna- 
brück zu  erwirken.*)  Das  Gesuch  stieß  wieder  auf  Schwierig- 
keiten, zum  Teil  wohl  in  Folge  einer  Zusage,  welche  der 
neue  Kaiser  Rudolf  auf  dem  Regensburger  Reichstag  (1576) 


1)  Köln.  Krieg  I,  257f.  548.  Vgl.  Stuve,  Gesch.  des  Hoebstifts 
Osnabrück.    2.  Teil.  1872.     S.  242. 

2)  Für  Osnabrück  erhielt  Herzog  Heinrich  zuerst  1674,  dann 
wieder  1576  oder  77,  ein  kais.  Lehenaindult.  Stüve  a.  0.  S.  238  u. 
272;  für  Paderborn  ebenfalls  auf  2  Jahre  im  Februar  1578.  Köln. 
Krieg  I,  625.  —  Für  Bremen  war  dem  Erzbischof,  nach  Lünig, 
Teutsches  Keichs-Archiv  Tom.  IX.  452  (Pars  spec.  Tom.  V),  bereits 
am  26.  Februar  1577  das  Lehcnsindult  auf  unbestimmte  Zeit  proro- 
giert  worden,  mimlich  „so  lange  bis  S.  L.  berürt  päpstl.  Confirmation 
und  kaiserl.  voUkommliche  Belehnung  erlanget.* 


Lassen:  Erzbischof  Heinrich  von  Bremen,  91 

dem  Kardinallegaten  Morone  gegeben  hatte,^)  so  daß  Heinrich, 
auf  den  Rat  der  kaiserlichen  Geheimräte,  die  Vermittelung 
seines  Oheims,  des  sächsischen  Kurfürsten,  anrief.  Damals 
nun  setzte  sich  von  der  Becke  im  Auftrag  seines  Herrn  auch 
mit  dem  in  Wien  weilenden  Erzherzog  Maximilian  in  Ver- 
bindung. Er  eröfinete  diesem  die  Aussicht  das  Plochstift 
Munster  zu  erlangen,  ohne  Zweifel  in  der  Erwartung,  daß 
Maximilian  und  sein  Bruder,  der  Kaiser,  zum  Danke  dafür 
die  Hemmnisse  aus  dem  Wege  räumen  würden,  welchen 
Heinrich's  Regierung  in  Osnabrück  und  Paderborn  begegnete. 
Am  24.  April  1579  antwortete  der  Erzherzog  auf  diese  durch 
seinen  Stallmeister  Karl  von  Zierotin  und  einen  kaiserlichen 
Sekretär  (Obern burger?)  an  ihn  gelangten  Andeutungen,  in- 
dem er,  jedenfalls  mit  Wissen  und  Willen  des  Kaisers,  das 
Anerbieten  zwar  nicht  für  seine  Person,  wohl  aber  für  seinen 
älteren  Bruder,»  Erzherzog  Matthias,  dankbar  annahm.*)  Die 
Aussicht,  dass  dieser  Bischof  von  Münster  werden  könne, 
betrachtete  man  am  kaiserlichen  Hof  als  ein  willkommenes 
Mittel,  ihn  und  das  ganze  kaiserliche  Haus  aus  dem  ge- 
spannten Verhältnis  zu  dem  König  von  Spanien  zu  befreien, 
in  welches  Matthias,  durch  die  unbesonnene  Uebernahme  der 
niederländischen  Statthalterschaft,  beide  gebracht  hatte.  Die 
Wahl  zum  Bischof  von  Münster  sollte  für  Erzherzog  Matthias, 
wie  sich  von  der  Becke  einmal  ausdrückte,  ,der  Theseus- 
faden werden,  an  dem  ihn  der  Kaiser  aus  dem  undurch- 
dringbaren  Labyrinth  befreie,   in    dem   er  jetzt  stecke    und 


1)  Köln.  Krieg  I,  624  A.  1.  Die  von  mir  dort  angeführten 
Gründe  scheinen  mir  durch  die  Bemerkung  von  Fr.  v.  Bezold,  Briefe 
des  Pfgm.  Johann  Casimir  I,  677,  Nachtrag  zu  Nr.  371  u.  399  nicht 
berührt  zu  werden. 

2)  Erzh.  Maximilian  bemerkt  in  diesem  Brief  (Kop.  DrA.  a.  0. 
f.  15)  u.  a.,  «daß  wir  uns  auch  noch  guetter  massen  eriimeni  könten, 
waß  e.  1.  'durch  ermelten   iren   secretarium   hiebevor  I 
messigem  fal  des  erzstifbs  Cöln   halben  an   unsem  fti 


92  Sitzung  der  histor,  Glosse  vom  3,  Mai  1890. 

umherirre".^)  Darum  ließ  denn  auch  der  kaiserliche  Hof, 
als  er  nachher  dem  Erzherzog  von  dem  Plane  Nachricht 
gab,  diesen  nicht  in  Zweifel,  dass  er,  um  das  Hochstift 
Münster  zu  erlangen,  die  niederländische  Statthalterei  auf- 
geben müsse*). 

Erzbischof  Heinrich  war  anfangs  nicht  sehr  geneigt, 
auf  die  ihm  von  Prag  ans  angesonnene  Vertauschung  der 
beiden  Brüder  einzugehn.  Als  Erzbischof  von  Bremen  und 
Bischof  von  Osnabrück  hatte  er  bisher  gute  Nachbarschaft 
mit  den  niederländischen  Statthaltern  des  spanischen  Eöni^ 
gehalten.  Einer  seiner  eigenen  Brüder,  Herzog  Franz  der 
Jüngere,  war  spanischer  Pensionär  und  Oberst.  Mit  gutem 
Grund  durfte  er  bezweifeln,  ob  Erzherzog  Matthias  dem 
König  und  dessen  Statthalter,  dem  Prinzen  von  Parma,  als 
künftiger  Nachbar  in  Münster  genehm  sein  werde;  eben 
darum  war  es  aber  auch  sehr  fraglich,  ob  die  Münsterschen 
Domherren  und  Stände  Matthias  als  Landesherm  haben 
wollten.  Diese  Bedenken  deutete  Heinrich  in  seiner  Ant- 
wort vom  25.  Mai^)  auf  das  Schreiben  vom  24.  April  dem 
Erzherzog  Maximilian  an,  erklärte  jedoch  zugleich,  für  Mat- 
thias eintreten  zu  wollen,  wenn  er  überzeugt  sein  dürfe,  da- 
durch  beim  spanischen  König   wie    beim  Kaiser  Gnade  und 


liebten  brudern  erzh.  Matthiam  zu  Osterreich  und  uns  ganz  vertreu- 
lich bringen  lassen."  Von  dieser  Zusage  des  Erzbischofs,  einem  der 
Brüder  des  Kaisers  zum  Erzstift  Köln  verhelfen  zu  wollen,  ist  mir 
sonst  nichts  bekannt  geworden;  sie  müßte  etwa  in  den  Sommer  oder 
Herbst  1577  fallen,  in  die  Zwischenzeit  nämlich  zwischen  Herzog 
Heinrich's  Lossage  von  der  Kandidatur  des  bairischen  Herzogs  Ernst 
und  seiner  Entscheidung  für  Gebhard  Truchseß;  vgl.  Köln.  Krieg  I, 
614  mit  559. 

1)  Von  der  Becke  an  Kf.  August  16.  Jan.  1580,  s.  o.  S.89  Anm.  2. 

2)  Köln.    Krieg  I,    676/8  u.   die   dort    angeführten    Bücher  von 
Chmel,  Hurter  und  v.  Bezold. 

3)  Erzb.  Heinrich  an  Erzh.  Maximilian.    Schloß  Vörde  25.  Mai  79 
Kop.  DrA.  f.  17. 


Losaen:  Erzhischof  Heinrick  von  Bremen.  93 

Dank  zu  verdienen.  Sodann  sei  nötig,  daß  sich  Erzherzog 
Matthias  das  Wohlwollen  des  Herzogs  von  Jülich  verschaffe, 
dessen  Sohn  zur  Zeit  noch  die  Postulation  in  Händen  habe 
und  der  an  der  Nachfolge  des  bairischen  Herzogs  festhalte. 
Weiterhin  würde  es  dem  Erzherzog  in  Münster  sehr  nütz- 
lich sein,  wenn  er  sich  noch  andere  Einkünfte,  etwa  aus 
einer  Koadjutorie  zu  Lüttich,  oder  auch  eine  spanische  Pension 
verschaffle;  denn  Münster  allein  dürfte  zum  Unterhalt  eines 
so  hohen  Herrn  nicht  ausreichen.  Vorbedingung  für  jede 
weitere  Bemühung  sei  aber,  daß  die  jüngst  von  Rom  ver- 
fügte Suspension  des  Führers  der  bremischen  Partei  im 
Münsterschen  Domkapitel,  des  Scholasters  und  Statthalters 
Konrad  von  Westerholt,  baldigst  wieder  aufgehoben  werde. 
Das  vom  Papst  oder  vom  päpstlichen  Nuntius  zu  fordern, 
entspreche  schon  der  Würde  des  kaiserlichen  Amtes,  welches 
nicht  zulassen  dürfe,  dass  der  Münstersche  Statthalter  bloß 
darum  von  Rom  suspendiert  werde,  weil  er  einer  widerrecht- 
lichen Citation  an  die  Kurie,  aus  gewichtigen  Gründen,  nicht 
gefolgt  sei ;  zugleich  aber  werde  man  durch  Betreibung  dieser 
Angelegenheit  Westerholt  und  seine  Anhänger  dem  öster- 
reichischen Erzherzog  geneigt  machen. 

Um  die  Frage,  ob  Westerholt's  Suspension  aufgehoben 
oder  bis  zur  wirklichen  Privation  getrieben  werden  solle, 
dreht  sich  in  der  That  fortan  Monate  lang  der  Münstersche 
Wahlstreit.  Ein  auf  Drängen  der  Verwandten  Westerholt's 
im  Juli  1579  abgehaltener  Landtag  verlief  ganz  zu  Gunsten 
des  Statthalters  und  seiner  Partei  im  KapiteP).  Im  Ab- 
schied wurde  die  Forderung  wiederholt,  der  jetzige  Postulierte 
solle  resignieren  und  dann  sein  Vater,  Herzog  Wilhelm, 
einige  geeignete  Kandidaten  zur  Auswahl  vorschlagen;  zuvor 
aber  solle  beim  Papste,  direkt  und  durch  Vermittelung  des 
Kaisers,  die  Aufhebung  der  Suspension  Westerholt^s  erbeten 


1)  Kohl.  Krieg  I,  652/661. 


94  Siteung  der  histor.  Classe  vom  3.  Mai  1890, 

werden.  Andererseits  bestQrmten  die  Häuser  Jülich  und 
Baiern  den  Papst,  die  wirkliche  Privation  über  Westerholt  zu 
verhängen  und  drängten  den  Kaiser,  dem  unruhigen  Mann 
keinen  Fürschub  zu  leisten ,  vielmehr  die  Münsterschen  zum 
Gehorsam  gegen  die  päptlichen  Befehle  zu  ermahnen.  Herzog 
Albrecht  von  Baiern  ordnete  deshalb  eigene  Gesandte  nach 
Prag  ab,  welche  zugleich  den  Wunsch  aussprachen,  der  Kaiser 
möge  durch  Kommissare  zu  gunsten  des  Herzogs  Ernst  zwischen 
dem  Bremer  Erzbischof  und  den  Häusern  Jülich  und  Baiem 
vermitteln  *). 

Daß  man  in  solcher  Lage  am  kaiserlichen  Hof  Be- 
denken trug,  mit  der  österreichischen  Kandidatur  oflFen  her- 
vorzutreten, ist  wohl  begreiflich.  Als  daher  Erzbischof  Hein- 
rich anfangs  Juli  den  Erzherzog  Maximilian  ermahnte,  mit 
seiner  Bewerbung  um  das  Hochstift  Münster  nicht  länger 
zu  säumen ,  weil  jetzt  auch  andere  Leute  sich  eifrig  um 
dasselbe  bemühten  —  damit  spielte  er,  außer  auf  Bernhard 
von  Waldeck,  vielleicht  auch  auf  den  jetzigen  Kurfürsten 
von  Köln,  Gebhard  Truchseß,  an  —  antwortete  der  Erz- 
herzog, er  müsse  des  Kaisers  Resolution  erwarten,  zweifle 
jedoch  nicht,  „da  K.  Mt.  ein  wenig  vergewißt  raöcht  werden, 
daß  die  Postulation  auf  unser  einen  sollt  fallen,  sie  würden 
ihr  die  Sache  mit  allem  Ernst  lassen  angelegen  sein,  auch 
alle  gute  Beförderung  dazu  thun".  Zugleich  teilte  er  mit, 
Baiem  und  Cleve  hielten  beim  Kaiser  stark  an  um  Exekution 
des  päpstlichen  Bannes  wider  den  Statthalter,  der  Kaiser 
habe  aber  diese  bisher  noch  eingestellt,  „denn  Ihre  Majestät 
haben  an  solcher  geschwinden  Praktik  gar  kein  Gefallen*)**. 


1)  Köln.  Krieg  I,  661/3. 

2)  Erzbischof  Heinrich  an  Erzherz.  Maximilian.  Vörde  6.  Juli, 
Maximilian  an  Heinrich.  Wien  31.  Juli,  und  Heinrich  an  Maximilian. 
Vörde  27.  Aug.  1579.  Kopp.  DrA.  a.  0.  f.  16.  27  u.  28.  Ueber  den 
Plan  den  Kurfürsten  Gebhard  nach  Münster  zu  bringen  s.  Köln.  Krieg 
I,  602  f..  607,  659  f. 


JjOanen:  ETtbimihof  Heinrich  ron  Bremen, 


95 


j  Dennoch  wH(i;te  es  Kaiser  Rittlulf  nicht,  tfet^enfiber  dem 
P.droheDclcu  Auftreten  aeineü  Oheims,  des  tier/.agB  Albrecbt  | 
I  Baiern,  ollen  des  Statthiilte»   »ich  anKiinehriien,    bewil- 
ligt« vtrlDiehr,  am   18,  Sp|il«niljer  1579.  die  von   Bdiera  be- 
Kekrt«  kniüerlicbe  Kommiiwion.     Daß  man  damals  am  kaiser- 
lichen Hof  n^ich  nicht  vorhatte,  diese  gvgen  das  ilnita  ßaiern   I 
r.u  bonut/.ttn,  ersiebt  man  duriiiis,   daß  eben  die  von  Herzog  { 
Albrecht  gewanschten  l'eraonen  —  die  Erzbiachöfe  von  Mainx   | 
und    von  Trier  und  der  wegen   des  niederländischen  Pritcifi- 
Icationidtuiigresses    ;Kur    Zeit     tn     Köln    weilende    kniserliche 
Hufmarsobail  Ottheinrich   tJraf  von  Schwarzenberg,    früher 
Landhofmeinter   des    Herzogs  Albrecht   von    Bayern,    —    als  I 
KomniissAre    ituKerselieti    waren  ').       Wunsch    und    Hoffnnng 
den  Enherioji  Matthiua  nach  Münster  /m  bringnn,  hielt  man 
j«doch    am    kaiserlichen    Hofe   fe§t;    eben    damals,    anfangs 
Oktober    IS79,    wurden   von    hier   ans  dem  Erzherzog  Mat- 
thias   die    ersten     Andeutungen    über    den    Plan    gemacht, 
während  dieß  durch  Krzbiachof  Heinrich  schon  etwas  frQher 
gKCheben  war'). 

AnftiDgs   Oktober   kam    von    der   Becke   wieder  einmal 
I  frag,  zunächst  wogen  Verlängerung  der  Lebenmndiilte 
fOa«abrl1ck  und  Paderborn,  zugleich  aber  auch  um  Rat-   | 
iehlüge  seines  Herrn    (tlr   die  Qsterreiciiische  Bewerbung  um 
Stift  Münster  /.u  überbringen:  —  Vor  allem  müsse   der  Erz- 
herzog  die  Gunst   des  Uen^ogs   von  Jülich   sieb    verschalTea 
und   auch   Baieni  zum  gutwilligen   Abstand   von  der  Kandi- 
datur bewegen;    für    seine  Person    wolle    »Isdunn    Erabibclic>f  | 
Heinrich  für  Erzherzog  Matthias  thun,  was  menschenmöglich : 
Vwbedingung  bleibe  aber,  daß  Westerholt's  Privation  hinter-   | 
trieben  werde.     Diesmal  erlangte    von  der  Hecke  bei  Kaiser  J 
lolf  persßnlich  Audienz  und  wußte  dimen  zu  übi 


[  1)  Köln.    Krieg  I.    66S  □.  609  f. 
nit>er|{  iluaetbnt  RoKiBt«-  «.  v. 
:  6.  »3  Antii.  'i. 


lieber  Ottbw&mli  J 


96  Sitzung  der  histar,  Classe  vom  3,  Mai  1690, 

daß  sein  Herr  ein   aufrichtiger  Freund   des  Hauses  Oester- 
reich  sei  ^). 

Oegen  Ende  Oktober  kam  dann  auch  Erzherzog  Maxi- 
milian von  Wien  nach  Prag  und  nun  wurde  gemeinsam  fest- 
gestellt, wie  man  die  Kandidatur  des  Erzherzogs  Matthias 
betreiben  wolle  ') :  Während  man  in  Münster  die  Sachen 
einstweilen  in  der  Schwebe  halten  müsse,  wollte  der  Kaiser 
mit  dem  Herzog  von  Jülich  insgeheim  handeln  lassen,  nicht 
aber  mit  Baiem  und  ebensowenig  mit  dem  Papste.  Warum 
das  nicht,  kann  man  sich  leicht  denken:  —  Herzog  Albrecht 
Yon  Baiern  hatte  unlängst  erst,  bei  der  letzten  Kölner  Wahl, 
den  Versuch  des  Kaisers,  einen  seiner  Brüder  an  die  Stelle 
des  bairischen  Bewerbers  zu  schieben,  so  schroff  zurückge- 
wiesen^), daß  Rudolf  nicht  den  Mut  haben  mochte,  seinen 
gefürchteten  Oheim  durch  die  Wiederholung  eines  ähnlichen 
Versuchs  in  Münster  neuerdings  zu  beleidigen.    Gegen  Baiems 


1)  7.  Okt.  1679  schreibt  Kaiser  Rudolf  selbst  an  seinen  Bruder 
Erzherz.  Maximilian  einiges  Aber  von  der  Beckers  Werbung  und  ver- 
weist im  übrigen  auf  das  was  dieser  mündlich  über  die  Mittel ,  wie 
eiuer  von  des  Kaisers  Brüdern  zum  Stift  Münster  zu  bringen  sei,  be- 
richten werde.  Kaiser  Rudolf  fügt  bei :  ,dan  ich  eß  je  anders  nit  be- 
finde, als  daß  eß  der  erzbischof  mit  mir  und  meinen  geliebten 
bruederen  zum  allerbesten  meine,  derwegen  uns  auch  gegen  ime  zu 
eröfnen  wir  beiderseits  billig  destoweniger  bedenkens  haben  sollen  .  .  . 
und  wirdet  e.  1.  sonst  diese  ganze  sache  in  aller  stille  und  gehaimb 
zu  halten  wissen,  damit  nit  etwan  vor  der  zeit  ichts  davon  auß- 
komme*. —  In  einem  eigenhändigen  P.  S.  entschuldigt  sich  der  Kaiser, 
,daß  ich  diesen  brief  nit  mit  eigener  hant  schreibe,  dan  eß  Gotweiß, 
die  viel  geschefte  mich  daran  verhindern;  e.  1.  möge  aber  des  Obem- 
burgers  hant  so  wol  als  meiner  selbst  treuwen.*  Kop.  DrA.  a.  0.  f.  80. 
(Aus  diesem  P.  S.  schließe  ich ,  dass  Obemburger  auch  jener  kaiser- 
liche Hat  und  Secretarius  gewesen  ist,  dessen  Vermittelung  Erzherzog 
Heinrich  bei  seinen  ersten  Anerbietungen  an  Erzh.  Maximilian  sich 
bedient  hatte,  s.  o.  S.  91). 

2)  Erzherz.  Maximilian  an  Erzb.  Heinrich.  Prag  26.  Okt.  79  und 
Ks.  Rudolf  an   Erzb.  Heinrich.    Prag  2.  Nov.  1879.   DrA.  f.  32  u.  84. 

3)  Köln.  Krieg  I.  483  f. 


Im'»™.  Er:bigi}u>f  Urinrifh  t 


,  Bren 


C7  I 


Ml    ließ    sich    aber    auch    beim   Papste    schwerlich  et' 
pichen. 

Kode  Oktober  wurde  Kr/herzog  Miitthiait  von  Prag  atis  1 
rsniich  lerstiliidijtt ,  daß  er,  um  Bischof  von  Münster  > 
ideu,  unbedingt  daa  niederläudiKche  Otilieminnent  niiigubeii  1 
nOM«;  wolle  er  das  nicht,  so  werde  sein  Bruder  Moximiliun  I 
ein  sulches  stattlichen  Bistum,  damit  es  nicht  in  fremde  | 
flfaidw  koiiime.  nicht  in  den  Wind  schlagen'). 

Erzherzog  Matthias    hatte  inzwischen  schon   auf  eigene  I 
id,  auf  die  ereten  von   llirzhischof  Heinrich  ihm  Gemach- 
Andeutungen    hin,    Erkundigungen  eingezogen,    welche  1 
Änaatchten    seine    Btiwerbutig   um   Au^   Stift   Münster    habe. 
Am  9.  Oktolit-r   hatte   er   einige   seiner   deutschen    HotlcuU', 
seinvn  Kämmerer  Heinrich  Freiherrn  von  Liechtenstein  und  den  1 
Rittmeister    Ludwig  von   Kumpf,   zuerst   nach   Münster   i^itni  1 
Statthalter    Westerholt    gcsuhickt,   sodann    nach    Bremisch-  I 
Vörde   zu    Erzbischof  Heinrich.     Westerholt  antwortete  an- 
fangs ausweiiihenü ,    kam    dann    aber  selbst  nach  VGrde,  wo  | 
der  EmhlMchof  in  saincr  (Jegenwart   und  mit  seiner  Zustim- 
mung am  28,  Oktober  den  Gesandten  Mittel  und   Wege,  wie  j 
das    Hau«  Oesterreich    zum   Stift   Münater   gelangen    könm 
in  Uhnlicher  Weise  darlegte,  wie  früher  dem  Erzherzog  Maxi-  I 
milian    und  dem  Kaiser.     Insbesondere   achlug   er  jetzt  vor, 
der  Kaiser   miSge   die  jUng»t   beschlossene   kaiserliche   Kom- 
mitnion  dazu  hendtzen,  um  in  MUnster  die  Wahl  uine-s  Dritten, 
mit  Ausschluss  von  Bremen    und  Baiern.    zu    betreiben  und 
tkU  solchen  den  Erzherzog  zu  empfehlen.*). 


II  27.  Okt.  79 


98  Sitzung  der  histar.  Glosse  vom  3,  Mai  1890, 

Das  war  jetzt  auch  des  Kaisers  eigene  Meinung.  Den 
frül^er  bezeichneten  Kommissaren  wurde  noch  der  Keicbshof- 
ratspräsident  Philipp  der  Aeltere  Freiherr  von  Winnenberg 
beigeordnet  und  ihm,  ,als  den  des  Herzogs  zu  Jülich  Liebden 
wohl  leiden  möge'',  aufgetragen,  vorher  vertraulich  mit  diesem 
zu  sprechen,  um  ihn  entweder  auf  österreichische  Seite  zu 
bringen  oder  wenigstens  soweit,  daß  er  es  sich  gefallen  ließe, 
falls  ohne  sein  Zuthun  einer  der  Brüder  des  Kaisers  nach 
Münster  gebracht  werden  könne.  Alsdann  sollten  der  Graf 
von  Schwarzenberg  und  Winnenberg  gemeinsam  mit  den  ein- 
zelnen Münsterschen  Domherren  insgeheim  dahin  handeln, 
daß    sie   ihre  Stimmen   einem    der    Erzherzoge   zusagten^). 

Erzbischof  Heinrich  empfing  von  Kaiser  Rudolf  einen  ganz 
hervorragenden  Beweis  kaiserlichen  Wohlwollens:  während 
er  und  andere  vom  Papste  nicht  konfirmierte  niederdeutsche 
Bischöfe  bisher  nur  mit  großer  Mühe  kurze  Verlängerungen 
der  kaiserlichen  Lehensindulte  hatten  durchsetzen  können, 
erhielt  jetzt  von  der  Becke  die  Zusage,  die  Indulte  für  Osna- 
brück und  Paderborn  sollten  auf  Lebenszeit  (ad  perpetuitatem) 
verlängert  werde»;  nur  müsse  Herzog  Heinrich  weiterhin 
bemüht  bleiben,  die  päpstliche  Konfirmation  sich  zu  ver- 
schafien  *). 

Mittlerweile  waren  einige  Ereignisse  eingetreten,  welche 


Heinrich :  eben  als  der  von  Liechtenstein  hier  gewesen,  sei  auch  der 
StÄtthalter  angekommen,  um  sein,  des  Erzbiachof«,  Gemüt,  zu  erfahren, 
„dan  er  sich  gegen  den  von  Liechtenstein,  welcher  zuvor  bei  ime  zu 
Munater  gewesen,  nichtoH  wollen  erkleren".  Das  Memorial  des  Erz- 
herzogs Matthias  lautet  zwar  auf  drei  Gesandte  (Liechtenstein,  Rumpf 
und  Balthasar  von  Dannewitz) ;  nach  einem  Berieht  des  clevischen 
Hechenmeisters  Lic.  Budenschied  an  seinen  Herzog  (DQsseld.  StA. 
Landesherrl.  Familiensachen  28^509)  aus  dem  November  79  scheinen 
aber  nur  die  beiden  ersten    in  Münster   und  Vörde  gewesen  zu  sein. 

1)  Kfl.  Rudolf  an  Erzb.  Heinrich.  Prag  2.Nov.  79  s,  o.  S.  96  Anm.  2. 

2)  Von  der  Becke  an  Kf.  Sachsen,  Annaburg  16.  Jan.  1580.    DrA 
(s.  o.  S.  96.  Anm.  2). 


Lassen :   Erzhischof  Heinrich  von  Bremen,  99 

dem  Kaiser  den  Entschluß  erleichterten,  auch  gegen  den 
Willen  des  bairischen  Hauses  die  Kandidatur  eines  seiner 
Brüder  zu  betreiben^):  zunächst  der  am  24.  Oktober  1579 
erfolgte  Tod  des  alten  Herzogs  von  Baiern  ;  —  auf  seinen  Vetter, 
den  neuen  Herzog  Wilhelm  V.,  brauchte  Kaiser  Rudolf  viel 
weniger  Rücksicht  zu  nehmen,  als  auf  seinen  Oheim.  Das 
zweite  Ereignis  war  die  am  26.  August  zu  Rom  über  den 
Statthalter  Westerholt  verhängte  Privation  und  Exkommuni- 
kation und  die,  im  Anschluß  hieran,  am  20.  September  ver- 
fügte Ernennung  des  jungen  Postulierten,  Herzog  Johann 
Wilhelm,  zum  Verwalter  der  Temporalien  des  Stifks  Münster. 
Hierin  erblickte  man  am  kaiserlichen  Hof  einen  groben  Ein- 
griff in  die  kaiserlichen  Hoheitsrechte.  —  Ein  dritter  dem 
österreichisch-bremischen  Plan  günstiger  Umstand  war  end- 
lich der  Ausgang  eines  neuen,  anfangs  Januar  1580  abge- 
haltenen Münsterschen  Landtags,  auf  welchem  die  Forderung 
wiederholt  wurde,  der  Herzog  von  Jülich  solle  seinen  Sohn 
resignieren  lassen  und  einige  geeignete  neue  Kandidaten  zur 
Auswahl  benennen. 

Gleich  nach  diesem  Landtag  richteten  Westerholt's  Ver- 
wandte eine  scharfe  Beschwerde  gegen  die  Suspension  des 
Statthalters  an  den  Kaiser  und  gleichzeitig  eine  noch  ent- 
schiedener lautende  Bitte  um  Fürsprache  an  den  Kurfürsten 
von  Sachsen*).  Beide  Aktenstücke  nahm  Erzbischof  Heiii- 
rich^s  Sekretär,  von  der  Becke,  im  Januar  zuerst  mit  nach 
Dresden  zu  Kurftirst  August,  welcher  damals  eingehenden 
Bericht  erhielt  über  die  bisherigen  Verhandlungen  des  Erz- 
bischofe  mit  dem  Hause  Oesterreich  und  um  seine  gewichtige 


1)  Köln.  Krieg    I,  670  f.  u.  678/80. 

2)  Hermann,  Burkbart  und  Berent  von  VVeüterholt,  Rutger  Turk 
und  Lambert  von  0er  an  Kf.  Sachsen  (Ogl.)  und  dieselben  an  den 
Kaiser  (Kop.)  DrA.  f.  54  u.  61,  beide  Schreiben  aus  Mlta** 

zember  79  datiert,    aber   erst  im  Januar  durch  von  de* 
Dresden  flberbracht 


100  Sitzung  der  histor,,  Glosse  f)om  3.  Mai  1890. 

Fürsprache  am  kaiserlichen  Hofe  gebeten  wurde  ^).  Von 
Dresden  begab  sich  von  der  Becke  nach  Prag.  Er  führte 
sechs  schöne  junge  Pferde  mit  sich,  als  Geschenk  seines 
Herrn  für  den  Kaiser,  zum  Dank  für  die  demselben  in  bezug 
auf  die  Lehensindulte  fQr  Osnabrück  und  Paderborn  zuge- 
sicherte kaiserliche  Onade.  Weiter  überbrachte  er  dem  Kaiser 
ein  Schreiben  des  Erzbischofs,  in  welchem  mitgeteilt  wurde, 
der  Münstersche  Domdechant  Goddert  von  Raesfeld,  der 
Führer  der  Gegenpartei  im  Kapitel,  habe  von  ihrem  Plane 
etwas  erfahren  und  sich  daraufhin  scharf  gegen  die  Wahl 
eines  österreichischen  Erzherzogs  ausgesprochen.  Die  Baes- 
f eider  würden  also  jedenfalls  das  äußerste  versuchen,  um 
das  gute  Werk  umzustoßen.  Darum  sei  es  höchste  Zeit,  daß 
der  Kaiser  dieses  einerseits  beim  Herzog  von  Jülich  betreibe, 
anderseits  zu  Rom  die  Aufhebung  der  Suspension  und  Pri- 
vation  Westerholt^s  durchsetze.  Gelinge  es,  den  Erzherzog 
Matthias  nach  Münster  zu  bringen,  so  werde  diesem  voraus- 
sichtlich  auch   das  Hochstift  Lüttich  ohne  Mühe  zufallen*.) 


1)  S.  o.  S.  89.  Erzb.  Heinrich^s  eigh.  Beglaubigungsschreiben 
für  von  der  Becke  ist  datiert  von  Vörde  2.  Januar  1580  praes.  Anna- 
burg 14.  Jan.  80  DrA.  f.  2. 

2)  Erzb.  Heinrich  an  den  Kaiser.  Vörde  2.  Jan.  80.  Kop.  DrA. 
f.  41.  Darin  folgende  Stelle:  ^Eur  Rom.  K.  Mt.  sol  ich  allerunder- 
tenigst  nicht  furhalten,  daß  der  Munsterischer  tumbdechant  Gothart 
von  Kasfelt  von  unserm  furhaben  etwas  erfaren  und  sich  gegen 
meinen  Osnabrugkischen  canzlem  und  andere  vememen  laßen,  daß 
dem  stift  Munster  nicht  zu  raten  noch  dienlich  Hei ,  einen  österrei- 
chischen hem,  wegen  seines  herkommens  und  hohen  gepurt,  zum 
bischoffen  daselbst  zu  erwelen,  welcher  sich  auch  in  die  westphelische 
lantart  übel  schicken  und  den  leuten  accomodiren  wurde;  worauß 
vermutlich,  daß  dieser  man  kegen  das  postulationswerk  soviel  mensch- 
lich und  muglich  wirt  practiciren.  Derentwegen  hoichnotig ,  daß 
eur  Rom.  K.  Mt.  ungeseumet  sowol  bei  der  Pabst.  Heil,  als  dem  von 
Gulich  diß  werk  forttreiben  ,  und  je  eher  eß  zu  werk  gerichtet,  je 
besser  eß  ist,  den  die  Rusfeldiani  werden  nicht  feiren  sondern  extreraa 
teutiren,  damit  dieselben  dieß   gute  werk  mugen  umbstossen  und  ir 


iMarn:    KrzhUdiof  lleinrieh  ron  Hrtmen, 


101 


In  Prag  traf  von  der  Becke  den  kureäclisischen  Rat 
Erich  Volktnar  von  Berlepsch,  welcher  ihm,  wie  von  der 
ichher  selbst  an  Kurfürst  August  hericiitet,  bsi  seinen 
IcfaK-dvnun  l)i-<(.'hüften  auf's  eifrit^ste  zur  Hund  giii|^. 
indere  habe  Berlepsch  dazu  verholfea,  daß  utiomehr, 
8.  Februar,  der  Kaiser  für  die  nach  MHnster  bestimmt« 
rliche  KommiMsioD  eine  Person^veränderung  vumahm, 
I  dereit  Charakter  voUstätidi^r  omäuderte.  Der  kluge 
alt«  Mainaer  tJnbischnt'  Daniel  Brendel  hatte '  bereits  im 
Dezember,  angeblich  wegen  Ueberhäufung  mit  anderen  Oe- 
Boh&ft«n,  das  undankbare  Amt  eines  Vermittlers  in  Münster 
abgelehnt,  Ottheinrich  von  8chwarv,enberg  hatte  die  Rliein- 
lande  damals  verlassen  und  trat  bald  nachher  wieder  in 
bHiri.ichi!  Dienste;  von  den  früher  bezeichneten  Kommiaaaren 
waren  also  noch  der  Trierer  Kurfiirat,  Jakob  von  Eltz,  and 
Att  Freiherr  von  Winnenberg  übrig.  Jenen  fürchtete  von 
;  Bvcku;  ,lbre  kfstl.  Unadon',  schreibt  er  nachher  an 
t  August,  ,iät  mir  ex  multis  caitsiis  siispect  gewesen, 
\  xemper  futt  Bavaricua  et  totus  pontiticius  atque  unius 
einsdemque  farinae  et  religioni--^*.  Deswegen  habe  er  mit 
BerlepHch'a  Hilfe  durchgesetzt ,  daU  sie  statt  seiner  den 
^nKSluer  Kurfürsten,  Oebhard  Truchseß,  als  Kommiamr 

l^t  (fallen.  ES  mnU  aber  vor  allen  dmK'^ii  dii^  nuBpension-  und 
jDioahe  mit  dem  tumbscboliul'-r  und  etudtbalttrr  abKesubalfet 
■udkI  iuo  bi.<sort;mi,  die  ){aiiie  lacbe  den  kreixi^nk  K^beo 
Wirt,  —  Wieviel  "bsr  cur  ttom,  K.  Mt  und  dem  hn  ich  lob  liehen 
hantte  Ontcrreicfa,  im  Klei<^bpa  aoch  der  [toni.  W.  tnn  Hiflvonien  ».n 
dem  otifl  MuDüler.  we^cin  der  vicinitet,  geleKeu  und  waß  für  nuti- 
bam  MntvilitäDEen  ilenielbeu  darauQ  entstehen  konten,  wil  eiir  Rom. 
K.  Mt.  iehalWipiedi^t  eu  erweisen  hit^mil  undertenifi^t  heimutelluii  Ick. 
md  anfani  ja  eriüi.  Matthiaiien  1,  vorerst  lue  dem  dtill  Hiiiiit«r.  wie 
icii  ttrnxlii'b  verhoffe,  wi-rden  ^eru.ten.  cKi-ilfel  ich  nichl  t.  1.  mit 
Lottiff  xath  {irmpHrirKn  und  tu«  underen  and  derer  gleiotaeii  ereiutaBdi) 
in  kdani^m  «eittnn  noch  können  erhöbet  «erden*.  —  f 
<fk)  jnBKe  uiiab([ericbt«t«  üßnlc  »chtrkt  iler  KnbiiehoP'J 
t  •elae«  nnterth&nigsten  uod  dankbamn  GflmQbi''i 


1 


102  Sitzung  der  histor,  Glosse  vom  3.  Mai  1890. 

bekommen  hätten,  —  also  den  siegreichen  Rivalen  des  bai- 
rischen  Hauses  hei  der  letzten  Kölner  Wabl!^) 

Weiter  erreichten  die  beiden  Freunde,  daß  sich  Kaiser 
Rudolf  jetzt  des  Statthalters  Westerholt  in  Elom  aufs  ent- 
schiedenste annahm.  Kurfürst  August  hatte  dem  bremischen 
Gesandten  eine  sehr  scharfe  Intercession  für  Westerholt  nach- 
gesandt, in  der  es  hieß;  seit  guter  Zeit  habe  man  solchen 
geschwinden  Proceß,  wie  er  zu  Rom  mit  Westerholt's  un- 
rechtmässiger Citation  ergangen,  im  heiligen  Reich  nicht 
mehr  erfahren.  Gestatte  man  solches  dem  Papste  oder  anderen 
auswärtigen  Potentaten,  so  werde  daraus  gefahrlicher  Miß- 
verstand, Zerrüttung  des  Religions-  und  Profanfriedens  er- 
folgen, , indem  die  Päpste,  wann  sie  in  l^eutschland  ein  Blut- 
bad anrichten  wollen,  sich  gemeiniglich  hiezu  des  Mittels 
gebraucht,  dass  sie  ihres  Gefallens  die  Stand  im  Reich  ihrer 
Dignitäten  und  Würden  entsetzt,  dieselben  einem  anderen 
conferiert  und  sie  dadurch  in  einander  gehetzt".*)  —  Auch  der 


1)  Köln.  Krieg  I,  682.  6.  Dez.  79  schreibt  Kf.  Daniel  von  Mainz 
an  den  Herz,  von  Jülich,  bisher  sei  ihm  eine  kaiserliche  Kominission 
noch  nicht  zugekommen;  falls  sie  ihm  aber  noch  aufgetragen  werden 
sollte,  könne  er  sich,  wegen  vieler  anderer  Geschäfte  und  ihm  anbe- 
fohlener Verschicknngen  seiner  Räte,  derselben  nicht  unterziehen.  Ogl. 
I)ü88.  A.  a.  0.  28'  fol.  428.  Daß  auch  der  Trierer  Kurfürst  die  Kommis- 
sion freiwillig  abgelehnt,  hatte  ich  a.  0.  aus  einem  Schreiben  derMün- 
sterschen  Senioren  an  den  Herzog  v.  Jülich  vom  7.  Januar  80  (Ogl. 
DüsH.  A.  a.  0.288  fol.  22)  gefolgert,  in  welchem  es  heißt:  der  Mainzer 
Kurftirsthabe  bereits  die  Kommission  abgelehnt  und  andere  würden  dieß 
vielleicht  gleichfalls  thun.  Von  der  Beckers  oben  angeführter  ausführ- 
licher Bericht  an  den  Kf.  von  Sachsen  vom  20.  März  1580  (Ogl.  DrA. 
f.  60)  scheint  aber  keinen  Zweifel  zu  gestatten,  dass  die  Einschie- 
bung  des  Kölner  Kurfürsten  an  die  Stelle  des  Trierers  vom  kaiser- 
lichen Hofe  ausging. 

2)  Kf.  August  an  Ks.  Rudolf.  Annaburg  20.  Jan.  1580  Kpt.  DrA. 
f.  57.  Von  der  Becke  versichert'  nachher  (in  dem  vorhin  erwähnten 
Sehr,  vom  20.  März),  dem  Kaiser  und  den  geheimen  Kammerräten 
desselben  sei  dieses  Schreiben  sehr  angenehm  gewesen,  da  sie  daraus 


iMimeii :  Jirihi/chiif  Heinrieh  eiin   Bremrn 


loa 


MuiD'jwr  Kiirfflnit  erklärt«  auf  eine  Anfrage  des  Kais«;rs, 
WeBlerbolt's  ETokation  nach  Rom  sei  deo  Koakordaten  der 
deatachen  Nation  und  den  ülteii  Heichsabschiedeti  ganz  eiit- 
gvgen  *).  DarnuDiin  verlangte  der  Kaiser,  wie  ron  der  ßeoke 
Tersichert,  in  llora  die  Aufhebung  der  Suspension  Wester- 
Itotfa,  mit  der  Drohuug,  andernfalls  werde  er  selbst,  gemäß 
kHiHorlichur  VnHrancht,  dieselhe  aufheben*).  Die  von  der 
seni  JQliuh  und  Baiern  in  Pr^  nachgesuchte  Uestätigung 
&Wn  Rom  verfugten  üeberlTaguiig  der  weltlichen  Ad- 
rution  tui  Herzog  Johann  Wilhelm  war  vom  Kaiser 
1  vor  der  Ankunft  von  der  Becke's  in  Prag  in  einem 
rfen  Schreiben  abgeschlagen  worden*).  Als  nun  eigene 
mdte  beider  Kdrsten  in  Prag  erschit^nen  und  den  Kaiser 
dum  Vollzug  der  Exkommunikation  und  Privatiou 
kerbült'a  freien  Lauf  zu  lassen,  wurden  sie  —  nach  Von 
Bcke'a  Bericht  —  auf's  ungnädigste  abgefertigt*}. 

fllnttin  y.aaeigoDg  gfifea  den  Kitiser  und  deasen  Brüder  er- 
I  und  leic-bt  vcrBtandun  hütten,  .itue  wuQ  ende  au<i  efTect  eur 
SO-  Aoloh  ■chreibnn  »O  acut  und  Hcliiuf  un  i.  Mt.  nligehen  laascn.' 
B)  Von  der  Becke  an  Kf.  Augn't,  Leipzig  '20.  MKrxdO  Ogl.  ciRli. 
Zt.  60.  Vitl,  Diakaiiip  a.  0.  Nr.  b. 
)  Von  der  8eck<>'s  Sehr.  n.  0.  Saeh  Diekaiiip  Kr.  lU  «i^heint 
Mriichen  Schrniben  dieno  Inhalt«  tvn  tlec  Kardinal  Madrunito 
j,  Fclir.  abgottiingen  lu  «ein,  neli'h'ün  ilaiin  Kwoi  weitere  fthDlic:)ia 
L  0-  i\.  April  foltern,  Diekamp  Nr.  8  u.  10.  Vgl.  KJIln.  KricR  1, 662. 
'  W  Kb  Rudolf  an  Her».  Jülich.  Trug  26.  Det.  20,  Ogl,  DObs.  A.  28  b 
M.  8,  kurx«T  Auszug  bei  Keller  a.  0,  Nr.  476;  da  dieM»  Srbroitwn 
and  (vei  rileichieitig  im  di«  liairUchen  Hprr.oge  Wilhelm  und  lernst 
XcrichtnL«  errt  am  2.  Februar,  Iimw.  28.  Januar  den  Adresnalen  tu- 
konien  und  da  ein  BeKteitcuhreiben  von  L>T.  Andren«  Ouil  an  den 
Ben.  »ein  Jalich  (DA.  1.  k.  f.  10}  erst  vom  13.  Januar  1680  datiert 
i«t,  v^liRini-n  sie  rordjitiert  zu  sein.  Beachtung  verdient  noi'li.  daa« 
di(MS  dem  IlauMfl  Baiero  ungOnstigen  kuiaerliulien  Svlireilien  von  diun 
Sekretär  P.  Obemburger  («  o.  S.  96  Anm.  l),  nicht  von  .\ndr.  Ertrton- 
h«rg«r  uujiKefertigt  iriod, 

ij  Uebur  diem .i<ili.:h'si;he  und  liair.  Geitaiiiltachart  nurh  Vm^r  Ji.kfi.' 
IlZ.  vMler  in  denManchcnnrAri'hivfn&och  Im  I)<i-"' '  ■■■'■■■ 


104  Sitzung  der  histor,  Classe  vom  3.  Mai  1890, 

In  meiner  Vorgeschichte   des  Kölnischen  Eri^s  ist  er- 
zählt, wie  das  wenige,  was  von  dem  bremisch-österreichischen 

Nachrichten  gefunden;  ich  gebe  d^her  die  betr.  Stelle  aus  von  der 
Beckes  Bericht  an  den  Kf.  von  Sachsen  y o m  20.  März  80 
(s.  0.  S.  101  f )  hier  vollständig,  in  der  Hoffnung,  daß  spätere  Forsch- 
ungen in  jenen  Archiven  Gelegenheit  bieten  werden,  seine  Erzählung 
zu  prüfen  und  zu  ergänzen  oder  zu  berichtigen.  .Als  ich  zu  Praga 
ankommen  (gegen  Ende  Januar),  hab  ich  daselbst  einen  adversarium 
doct.  Schelver,  welcher  von  der  Munsterischen  regierunge  dahin  ge- 
schickt gewesen,  für  mich  (!)  gefunden,  denselben  hab  ich  liederlich 
(=  leicht  8,  Grimm  W.  B,  6.  988  f,)  confundirt  unt  nachdem  er  zue 
Proga  etzliche  wochen  gelegen  unt  allerlei  exploriren  wollen,  hat 
man  ime  den  köpf  mit  harter  unt  scharfer  läge  {=^  Lauge)  gewusscben, 
unt  hat  im  der  vicecanzler  Dr.  Vieheuser  jussu  Imp»***«  M*^  den 
text  mit  der  glossen  gelesen  unt  auf  gut  teutsch  angesprochen  &c., 
dardurch  er  entlich  verursachet  unt  hat  recht  gebeichtet  unt  in  den 
streitigen  Sachen  das  beste  zu  tuen  dem  hem  vicecanzlem  unt  an- 
deren geheimen  cammerreten  gelobet  und  zuegesagt.  £ß  hatte  aber 
der  Mimsterischer  tumbdechant  Rasfeit  ine  furnemblich  auf  Praga 
abgefertiget ,  in  massen  er  solchs  selbst  bekennen  müssen,  unt  ist 
derselb  doctor  vor  fünf  wochen  (also  etwa  Mitte  Februar)  abgezogen 
unt  wird  dem  tumbdechanten  keine  gefellige  zeittunge  überbringen. 
—  Nach  diesem  seint  die  baierischen  gesanten  ankommen,  haben  ganz 
heftig  bei  der  K.  Mt.  umb  execution  wieder  dem  Munsterischen  stat- 
halier  angehalten,  aber  die  Rom.  K.  Mt.  hat  inen  libellum  repudii 
unt  kurzlich  den  bescheit  gegeben,  daß  ir  Mt.  in  dieser  Sachen 
commissarios  verordnet,  dabei  wolten's  ir  Mt  pleiben  und  beruhen 
lassen.  —  Nach  den  Baierischen  seint  die  Guiischen  abgesanten, 
Dietrich  von  Palant,  lic.  Johan  Mulert  und  secretarius  Peucker,  an- 
kommen unt  die  Munsterische  postulation  ab  ovo  et  origine  dispu- 
tiren  wollen,  ego  contra  ab  origine  in  scriptis  (insciis  tame  Juliacen- 
sibus)  respondi  &c.;  haben  gleichsfals  ganz  heftig  auf  die  execution 
getrungen,  aber  die  K.  Mt.  hat  inen  als  den  Baierischen  literas  refu- 
tatorias  gegeben.  Entlich  haben  sie  ein  breve  apostolicum  vom  pabst, 
worinne  dem  jungen  herzog  zue  Gulich  des  stift«  Munster  regierunge 
drei  jar  zue  verwalten  bevolhen,  herfur  gebracht  unt  darauf  indultum 
regalioruro  von  der  R.  K.  Mt.  alleruntertenigst  gesucht  unt  gelietten, 
wellichs  inen  abgeschlagen,  imt  haben's  nicht  erhalten  können.  Daruf 
sie  sich  ser  unnutz  gemachet  und  allegiret,  daß  meinem  gnedigsten 
hern  indulta  ad  perpetuitatem  über  alle  drei  erz:  und  stifte  indulgirt, 


t.mi 


■    hW::hi>fchof  Hritirith  i 


inr. 


Plmi  iti  MQn9t«r  bekannt  wurde,  in  d^ni  DumducIinDU'n 
KAeefeld  den  verwei^enea  Anschlag  zur  Keife  brachte,  darch 
eine  mit  allerlei  Listen  erKioltc  eiliije  Majoritätj^wahl  des  bai- 
riwhen  Herviug«  die  Üegner  au  ilherrurn[ielii.  wi«  dann  aber 
dieser  Handstreich  durch  das  Zusammenwirken  dee  Bremer 
EixbiHchoti«,  der  kaisurüchen  KomniiiMare  und  zuletzt  besonders 
dm  Orafen  Jobann  von  Nassau  vereitelt  wurde,  so  daß  achließ- 
,  infolge  eiuer  Art  von  Kompromiß  beider  Parteien,  der 

■  aber  betten'«  riur  ad  tetuporalitatcDi  C<^af  drei  jar)  nnt  kouten's 
Bt  erhalten.  —  Lelr.llch  halwu  xie  gebett^n.  coiiiiui«8ioiieiii  uf  itz- 
gnneltnn  Catunt,  MnlHrt  and  doct.  Schelver  &c..  daß  dieiiellien  die 
Huhm  in  Torlinr  nemun  und  vurBucheo  mußten,  ob  sit*  die  Htreittjge 
Hocbm  koDtf^n  nfbeben  iint  per  aminubileni  i:nmpn)iiti(>nem  vnr- 
sl)«ii  &•:.,  wcklif  inen  gleithafala  (vbgeiK'li Ingen,  unt  hut'H  die  Korn. 
Mt.  bei  den  vimirdneten  comroitwariia  pleiben  Uaacn.  Darob  die 
tachen  luid  Baiefiti><rhoD.  welvhere  mit  oinander  eine  üaien  ge- 
,  über  die  mawen  eriamet,  unt  neint  daruf  die  Baierisschen 
\  IndiKnutioDe  davon  geaätfen,  aber  die  Uuliuchun  liggen 
b«t  noch  nnt  worden  in  drei  wochen  not'h  nicht  expedirt,  londeru 
n  Jaaelbat  ao  lunge  pleiben,  bili  dnü  ich  zuror  bei  meinen  gne- 
I  hern  und  di-n  Unniterincheo  Htathalter  mnt;e  kommen  et  de 
ibiu  ijuae  vidi  et  audivi  uiuge  referiren  £c.,  derentwegen  ich 
leumet  «o  tag  unt  na<.'ht  muß  fortziehen,  —  Obbemelt  drei  con- 
■  hab  ich  mit  den  drei  udvennrii»  niuaHpn  auOwart^n  und  inen 
Kteiebwol  Turraittehit  gotlieber  hülfe  nl  ir  intent  lueruk  getrieben, 
derentwegen  ich  auch  diMcIbit  bo  tank  anrgebiilteii  wurden,  nnt  hat 
mir  obbemelter  unr  curf.  0.  uberhaubtman  l^rirh  Volkmer  von 
UerlapDüb  nxitz  getrenlich  beigestanden,  intnasiien  a,  geat.  unlängst 
T«n  allem  untertenigat«»  muntlichen  Bericht  eur  curf.  0,  wirt  ein- 
tinagen.  —  Lettlich  aU  «ie  meinem  g")™  hern  Ac.  nicht  mer  zue  leit 
,  haben  nie  die  perpetuata  indnit»  über  Oanabruuk  unt 
■rbom,  wvbhere  itxn  aller«r«t  verfertigt  worden,  i.  f.  O.  wotlnn 
hrea  unt  de»  pahtt«  abgesanteu.  welchfr  «ich  ruinel,  dn(I  er  nuQ 
Mchem  gebluet  berkomuien  (Barth'ihmäiu  flmf  iki,  I'-t.ui'i. 
h  ifetogen  und  derentwegen  gaui  ungeitiunb  . 
E;)tft(i  (K>  viel  getun  nnt  diu  wege  gefunden.  'i>i' 
lob   bekommen    luit  J^tst   bei   mir   hab  &<■.,    liot 

B  ftn»df  verleihen,   diiß   mein  g*'"   her  difaellii'o   ■ 
M  ant  KDtwIig  rauge  gebrnucheu*. 


:^ 


106  Sitzung  der  histor.  Glosse  wm  3.  Mai  1890, 

bisherige  Postulierte,  Herzog  Johann  Wilhelm,  statt  zurück- 
zutreten, vielmehr  die  Administration  übernahm,  um  sie  bis 
zu  seiner,  erst  nach  Jahren  erfolgten  Verheiratung  in  Händen 
zu  halten  ^).  —  Ueber  diese  Vorgänge  enthalten  unsere  Dres- 
dener Akten  nur  wenig  neues  zu  meiner  früheren  Darstellung, 
bestätigen  diese  übrigens  durchaus.  Neu  ist  die  Mitteilung, 
daß  Erzbischof  Heinrich  wiederholt  den  Kurfürsten  Gebhard 
von  Köln  und  den  Freiherm  von  Winnenberg  gedrängt  hatte, 
ihre  Kommission  zu  Gunsten  der  bremisch-kaiserlichen  Ab- 
sichten eiligst  in^s  Werk  zu  setzen  *).  Das  stimmt  überein 
mit  einer  kurzen  Notiz  bei  Diekamp,  wonach  Winnenberg 
der  undankbaren  Aufgabe  einer  Vermittelung  in  Münster  sich 
gerne  entzogen  hätte,  was  aber  der  Kaiser  nicht  zuließ'). — 
Neu  ist  ferner  die  Nachricht,  dass  Westerholt  und  seine 
Parteigenossen  kurz  vor  dem  auf  den  26.  April  1580  ausge- 
schriebenen Postulationstag  in  dem  Osnabrückischen  Hause 
Jburg  sich  gegen  Erzbischof  Heinrich  förmlich  verpflichteten, 
ihre  Stimmen  auf  einen  der  österreichischen  Erzherzoge  zu 
übertrugen*).  Auch  diese  Angabe  wird  durch  einen  der 
Diekampschen  Briefauszüge  bestätigt:  —  in  einem  Briefe  an 
Kardinal  Madruzzo  versichert  der  Kaiser  ganz  offen,  was 
Westerholt  gethan  habe,  sei  nicht  sowohl  dem  Bremer  Erz- 
hischof  zu  Liebe  geschehen,  welcher  das  Stift  Münster  schon 
längst  nicht  mehr  begehrt  habe,  sondern  damit  einer  von 
seinen,  des  Kaisers  Brüdern  zn  diesem  Stift  kommen  könne  *). 

1)  Köln.   Krieg  1.  681/6  und  688/98. 

2)  ^Kurzer  Disours  von  der  Munsterisohon  postulationshanthing* 
iius  l>ringen>MTg  (im  HochHtift  l^aderborn)  am  11.  Mai  1580  von  Erzb. 
Heinrich  an  den  Kf.  von  Sachsen  gCHendet.  DrA.  f.  65. 

3)  Diekamp  a.  ().  Nr.  6. 

4)  Nach  dem  o.  Anm.  2.  cit.  Piscurs  vom  11.  Mai  80;  vgl.  Köln. 
Krieg  J,  688. 

5)  Diekamp  a.  0.  Nr.  12  ohne  Datum,  etwa  aus  dem  Knde  Mai  oder 
Anfang  Juni   1580. 


Lossen:  Erzhischof  Heinrich  von  Bremen,  107 

Merkwürdiger  übrigens  als  diese  kleinen  neuen  Beiträge 
zur  Geschichte  des  mißglückten  Handstreichs  der  bairischen 
Partei  in  Münster  ist  das  vollständige  Schweigen  unserer 
Dresdener  Akten  über  den  Umstand,  welcher  wohl  am  meisten 
zur  Vereitelung  des  Anschlags  beigetragen  hatte:  nämlich 
über  das  Erschemen  des  Grafen  Johann  von  Nassau  in  Münster 
und  seine  Drohung,  daß  die  niederländischen  Staten,  im 
Falle  der  Wahl  des  bairischen  Herzogs,  ihre  Soldaten  in  das 
Stift  einrücken  lassen  würden.  Aus  den  früher  von  mir 
benutzten  Quellen  ergibt  sich  unzweifelhaft,  daß  Erzbischof 
Heinrich  selbst  den  Grafen  veranlaßt  hatte  nach  Münster 
zu  kommen.^)  Heinrich  hatte  das  Spiel  schon  fast  verloren 
gegeben,  als  Graf  Johann  durch  sein  keckes  Auftreten  in 
Münster  den  Umschlag  herbeiführte.  In  dem  Bericht  aber, 
welchen  Herzog  Heinrich  seinem  Oheim,  dem  sächsischen 
Kurfürsten,  erstattete,  wird  Graf  Johannas  Name  nicht  einmal 
genannt.  —  Um  dieß  zu  verstehen,  muß  man  sich  der  Ab- 
neigung erinnern,  welche  Kurfürst  August  gegen  die  nieder- 
ländischen Rebellen  und  gegen  die  Calvinisten,  insbesondere 
aber  gegen  Oranien  und  das  Haus  Nassau  überhaupt,  hegte. 
Herzog  Heinrich  scheute  sich  offenbar,  seinem  Oheim  zu  ge- 
stehen, welches  doppelte  Spiel  er  in  der  Münsterschen  Sache 
gespielt  hatte. 

Aus  den  wenigen  in  unserem  Dresdener  Aktenheft  noch 
folgenden  Briefen  ist  hervorzuheben,  was  auch  wieder  durch 
Diekamp's  Auszüge  bestätigt  wird ,  daß  Erzbischof  Heinrich 
und  das  Haus  Oesterreich  mit  dem,  durch  die  Uebemahme 
der  Stiflsregierung  durch  Herzog  Johann  Wilhelm  erfolgten  vor- 
läufigen Abschluß  des  Postulationsstreites  ihre  Sache  noch  nicht 


1)  Köln.  Krieg  I,   688  f.    Aus   dem   Konzept  eine«   Briefes   des 
Grafen  Johann  von  Nassau  an  den  Hofmeister  des  Oraftei  ' 
heim  aus  Rheine  25.  April  (im  Wiesb.  A.  Dillenb.  Corr*  1 
vgl.  Köln.  Krieg  I.  691.  A.)  ergibt  sich,  da8s  Erzb.  Heiiiriä 
meister,  d.  i.  Gert  zur  Lohn,  den  Grafen  Johann  herbeigen 


108 


Sitzung  der  histw.  Cloisse  vom  3.  Mai  1890. 


verloren  gaben;  als  das  zunächst  zu  erstrebende  Ziel  wurde 
vielmehr  ins  Auge  gefaßt,  daß  man  die  durch  den  Eifer 
und  die  Schlauheit  der  Gegner  zeitweilig  verlorene  Majorität 
im  Domkapitel  wieder  gewinnen  und  darum  auf  der  Wieder- 
einsetzung des  vormaligen  Statthalters  Westerholt  in  seine 
Pfründen  und  Würden  bestehen  müsse.  ^) 

Erst  mit  dem  Tode  des  Bremer  Erzbischofs  im  Jahre 
1585  wurde  diesen  Hoffiiungen  ihr  Fundament  entzogen  und 
fiel  der  bairischen  Partei  ohne  weitere  Anstrengung  der 
Si^  in  den  Schooß. 


1)  Dieß  ist  in  dem  o.  S.  106  cit.  Discurs  vom  11.  Mai  und  einem 
dazugehörigen  Schreiben  des  Erzbischofs  an  Kf.  August  vom  12.  Mai 
(Ogl.  DrA.  f.  64)  weiter  ausgeführt,  vgl.  Diekamp  Nr.  12.  13.  16/18 
20.  22. 


109 


Herr  He  ige  1  hielt  einen  Vortrag: 

.Neue    Beiträge    zur    Charakteristik    Kaiser 
Leopolds  I.* 

Erst  in  jüngster  Zeit  hat  sich  die  Forschung  angelegent- 
licher einer  sogenannten  , undankbaren"  Periode  deutscher 
Geschichte,  der  Regierung  Kaiser  Leopolds  L,  zugewendet, 
und  wir  besitzen  jetzt  eine  Anzahl  trefflicher  Monogra- 
phien über  jene  Jahre,  in  welchen  zum  österreichischen 
Einheitstaat,  zugleich  aber  durch  Anschwellung  mit  nicht 
deutschem  Gebiet  zur  Trennung  Oesterreichs  von  Deutsch- 
land der  Grund  gelegt  wurde.  Allein  auch  diese  neueren  Ar- 
beiten beschäftigen  sich  mehr  mit  der  Entwicklung  der  poli- 
tischen Zustände  oder  mit  dem  Leben  und  Wirken  einzelner 
hervorragender  Feldherren  und  Staatsmänner;  der  Kaiser 
selbst  tritt  nur  selten  in  den  Vordergrund,  indem  gelegent- 
lich das  Urteil  des  einen  oder  anderen  Zeitgenossen  über 
den  Träger  der  Krone  erwähnt  wird. 

Gerade  diese  Urteile  gehen  aber  weit  auseinander. 

Ueberraschend  günstig  lauten  im  aUgemeinen  die  Be- 
richte der  venetianischen  Botschafter  über  Leopold,  zumal 
aus  jenen  Jahren,  da  die  Politik  der  Inselstadt  mit  der 
kaiserlichen  rückhaltlos  Hand  in  Hand  ging.  Etwas  kühler 
lauten  dieselben,  seit  sich  die  Beziehungen  zwischen  Wien 
und  Venedig  gelockert  hatten.  Abgesehen  von  der  äusseren 
Beeinflussung  ist  jedoch  die  Zuverlässigkeit  der  Veneti 


1 


110  Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  3.  Mai  1890, 


schon  deshalb  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben,  weil  die 
Gesandten  bei  ihrer  , Spezialitat*,  der  Zeichnung  von  Cha- 
rakterporträts, über  der  Feinheit  und  Sauberkeit  der  Aus- 
führung nicht  selten  die  Treue  vernachlässigten.  Während 
Leopold  in  den  Depeschen  der  Battista  Nani,  Giovanni 
Sagreda,  Molin  aus  den  Jahren  1658  bis  1670  als  Typus 
eines  tadellosen  Regenten  erscheint  ^),  werden  in  den  späteren 
Berichten  die  Unselbständigkeit,  die  Lässigkeit,  die  Schlaff- 
heit des  Fürsten  bitter  gerügt.*) 

Wie  grell  sticht  von  den  gleichzeitigen  Schilderungen 
der  Venetianer  das  Urteil  ab,  das  der  Franzose  Grammont 
über  den  jungen  Leopold  in  den  Tagen  der  Kaiserwahl  zu 
Frankfurt  fällt.  Ein  milder,  guter,  aber  herzlich  ungebil- 
deter Herr,  dem  es  gänzlich  an  wissenschaftlichen  und  sprach- 
lichen Kenntnissen  gebricht,  dessen  einziges  Vergnügen 
darin  besteht,  traurige  Melodien  zu  komponieren  und  K^el 


1)  Die  Relationen  der  BotHchafiber  Venedigs  über  Deutschland 
und  Oesterreich  im  17.  Jahrhundert,  her.  v.  Fiedler;  Fontes  rerom 
Austriacarum,  27.  tom.,  5,  31.  Nani  versichert,  der  junge  Leopold  er- 
innere in  Vielem  an  Karl  V.,  und  die  Hoffnung,  dasa  Leopold  durch 
Vermählung  mit  der  spanischen  Infantin  zur  Kaiserwürde  auch  den 
Titel  eines  Königs  von  Spanien  fügen  werde,  leihe  dem  Vergleich 
noch  höhere  Berechtigung.  Sagreda  rühmt  insbesondere  die  seltene 
Sittenreinheit  des  jungen  Fürsten  :  „tal  innocenza  e  purit^  de  costumi, 
che  se  sarebbe  in  un  privato  essemplare,  risce  meravigliosa  in  un 
Principe,  che  pub  farsi  legge  della  sua  volonte". 

2)  So  sagt  Marino  Giorgi  (1671)  (Fiedler,  127)  von  Leopold:  „E 
gratiato  dal  cielo  d'ottinie  doti ;  li  scuopre  capacita  e  intelligenza, 
riesce  prudente,  pio,  Religioso,  di  costum'  innocenti,  di  vita  essem- 
plare, di  conscienza  illibata,  d'intentione  rettissima.  Li  pensieri 
sono  placidi,  Tinclinatione  soave.  Li  manca  vigore  nol  commando, 
franchezza  nelle  rissoluzioni ,  ardore  nelT  esseguirle,  et  ardire  neir 
appligliarsi  ad  operationi  magnanime,  et  cospicue;  Scatae  riscono  li 
(lifctti  da  npirito  destituto  d'educatione  generosa,  non  addata  alle 
Corone  et  alli  scetri;  Destinato  fü  in  vita  di  Ferdinand©  quarto, 
i'ratello  Priraogcnito,   alh»   Mitrc  et   alle    Chiese."     Zuanne   Morosini 


Heigel:   Beiträge  zur  Charakteristik  Kaiser  Leopolds  I.      Hl 

zu  schieben !  V  Günstiger  äussert  sich  Marschall  Villars, 
der  1698  nach  Wien  kam.  Leopold  sei  ein  Fürst  von  Geist, 
Redlichkeit,  Religiosität  und  Arbeitseifer;  man  könne  an  ihm 
nur  aussetzen,  dass  er  allzu  misstrauisch  gegen  sich  und 
Andere  sei  und  sich  allzu  bequem  auf  das  Wohlwollen  und 
die  Wunderkraft  der  Vorsehung  verlasse.*)  Den  nämlichen 
Vorwurf  erhebt  auch  Esaias  Pufendorf*),  der  von  1671  bis 
1674  als  Gesandter  Schwedens  am  kaiserlichen  Hofe  weilte. 
„In  Resolutionen  von  Wichtigkeit  etwas  langsam  und  circum- 
spect**,  stehe  er  «fest  bei  dem,  was  er  einmal  gefasset*,  im 
aUgemeiuen  sei  er  „ein  von  Gott  mit  guten,  gesunden  Ver- 
standes- und  Gemüthsgaben  gezierter  Herr.''  Während  aber 
Villars  ausdrücklich  den  unermüdlichen  Fleiss  des  Habsburgers 
rühmt,  meint  Pufendorf,  derselbe  komme  „mehr  aus  Gewohn- 
heit her,  und  dass  er  persuadirt  ist,  es  müsste  also  sein,  als 
dass  er  so  sonderliche  Lust  zu  den  Affairen  haben  sollte, 
denn  von  Natur  liebt  er  die  Ruhe  und  Divertissements,  als 
da   sind   fürnehmlich   die  Jagd  und  Musik.**     Auch  die  von 


(1674)  (Fiedler,  144)  erklärt,  der  Kaiser  sei  ein  Ref^ent  von  herrlichen 
Talenten  und  treuestem  Pflichteifer,  nur  sei  er  allzn  abhängig  von 
den  Jesuiten.  Francesco  Michiele  (1678)  (Fiedler,  167)  versichert, 
Leopold  hätte  nach  seinen  natürlichen  Anlagen  ein  ebenso  that- 
kräftiger,  wie  geistvoller  Regent  werden  können,  wenn  nicht  die 
Gaben  der  Natur  durch  die  jesuitische  Erziehung  gewaltsam  unter- 
drückt worden  wären. 

1)  Mämoires  du  mar^hal  de  Qrammont;  Petitot,  collection  des 
m^moires,  JI.  serie,  57.  tom.,  21.  —  Bei  einzelnen  Behauptungen  liegt 
die  Unrichtigkeit  auf  der  Hand,  z.  B.  wenn  er  versichert:  ,11  ne 
tavoit  pas  un  mot  de  Tespagnole,  ce  qui  ne  laissait  pas  d'Stre  bizarre 
par  plus  d*une  raison*. 

2)  Villars  d'apr^s  sa  correspondance  et  des  documents  in^its 
par  le  Marquis  de  Vogu^,  I,  87. 

8)  Esaias  Pufendorfs,  k.  schwedischen  Gesandten  in  Wien,  Be- 
richt über  Kaiser  Leopold,  seinen  Hof  und  die  österreichische  Politik 
von  1671—74,  her.    v.  K.  G.  Heibig,  68. 


112  Süeung  der  historischen  Glosse  vom  6,  Mai  1890, 

Yillars  und  den  Venetianem  gerühmte  Religiosität  will  der 
Protestant  Pufendorf  nicht  anerkennen ;  das  sei  nnr  »ftiisser- 
liche  Devotion  und  strenge  Observanz  der  Kirchengebräuche.* 
Ja,  sogar  die  Verantwortung  für  die  harte  Bedrückung  der 
Protestanten  in  Oesterreich  treffe  nur  den  Fanatismus  des 
Kaisers,  der  sich  im  Gewissen  verpflichtet  fühle,  die  verirrten 
Unterthanen  in  den  Schoos  der  wahren  Kirche  zurückzu- 
führen, und  darin  von  den  Jesuiten,  «als  woraus  er  von 
Jugend  auf  seine  Präceptores  und  Beichtväter  gehabt,^  be- 
stärkt werde.*) 

Dagegen  entwirft  wieder  ein  überaus  günstiges  Cha- 
rakterbild der  Franzose  Casimir  Freschot,  der  im  letzten 
Lebensjahr  des  Kaisers  Aufzeichnungen  intimer  Natur  über 
den  Wiener  Hof  anonym  veröffentlichte;*)  allerdings  ist  unter 
dem  überschwänglichen  Lob  auch  einiger  Tadel  versteckt. 
Leopold  sei  „der  beste  Fürst  der  Welt" ;  seine  bewunderungs- 
würdige Frömmigkeit  habe  den  Himmel  immer  wieder  in 
der  Sti^nde  äusserster  Bedrängnis  gezwungen,  durch  ein 
Wunder  Hilfe  zu  bringen.  Freilich  fehle  es  nicht  an  Kritikern, 
die  den  Kaiser  lieber  mit  Regierungsarbeiten,  als  mit  frommen 
üebungeu  beschäftigt  sähen,  aber  gerade  ein  Fürst  könne 
in  der  Frömmigkeit  und  Andacht  wohl  niemals  zu  weit 
gehen.  Auch  des  Kaisers  Freigebigkeit  gegen  die  Armen 
kenne  keine   Grenzen;    er   gehe   niemals    aus,    ohne    einige 


1)  Dies  ist  nicht  richtig;  gerade  derjenige  Beichtvater,  der  am 
längsten  des  Kaisers  Vertrauen  genosg,  Pater  Eraerich,  war  Mitglied 
des  Kapuzinerordens  und  ein  Feind  der  Jesuiten  (A.  Wolf,  Fürst 
Lobkowitz,  215). 

2)  Mumoires  de  la  tour  de  Vienne  contenant  les  remarques  d'un 
voyageur  sur  Te'tat  present  de  cett«  cour  et  sur  ses  interöts  (Cologne 
1705),  91)  p.  (cfr.  Barbier,  Anonymes,  VJ,  199).  —  Die  , Relation  von 
dem  kaynerl.  Hofe  zu  Wien,  aufgesetzt  von  einem  Reisenden  im 
Jahre  1704  (Colin  1705)  ist  nur  eine  Uebersetzung  von  Freschok's 
Mumoires. 


Jtriijtl:  BfilTilgf  :nT  Ch/irnktrrigtik  Knhfr  LeorK^ld«  I        113 

Hollen  mit  Dukaten  bei  sich  zu  führen,  rÜe  er  an  die  sich 
heran (Irän^nden  UetUer  verschenke;  freilich  sei  zu  beklagen, 
da«  in  Wien  die  vontchätnten  Armen  darben,  wührund  den 
Zutlringlicben  mit  vollen  Händen  gespendet  werde.  Der 
Kaiwr  sei  auch  nicht  blixs  ein  guter,  sondern  ein  nistlüs 
tbäti^er  FHrst;  er  habe  die  Fähigkeit  und  dieKraft,  sein  eigener 
Slautarat  und  sein  eigener  Preniierininwter  /.u  sein.')  Wenn 
hImo  di«  Frage  anfgeworfcn  werde,  wie  es  unter  einem  ao 
wohl  Kesiiluten,  unterrichteten,  pHichttreuen  Regenten  mög- 
Hch  Mei,  Aaatt  das  Land  so  maugelhutl  verwaltet,  das  Vulk 
1*0  wroig  glücklich  «ei,  hu  niRsse  die  Antwort  lauten:  die 
Sebnid  liegt  an  den  unfähigen  Dienern,  die  den  Fürsten 
Din^ben,  die  zwar  immer  viel  Beratung  pflegen  und  Be- 
»L-hlflasu  fasnen.  aber  nichts  zur  AuafDhrung  bringen  und 
die  Htaatägelder  nur  zu  Bestreitung  de»  eigenen  Wohllebens 
ventcbwenden. ') 

im  Uegenaat/  zu  diesem  Urteil  spendet  der  Franzose 
de  la  Paille  gerade  der  Staatsklugheit  und  dem  Pflichteifer 
lUr  Leiittt  des  Kaisers  hohes  Lob,')  und  nicht  minder  vur- 
rt   sich    Ueneral   Ohnvagnac    (Iber   den   Wiener 

') 

KeLohsprIlche  der  vomKaiHer  seihst  aufgestellten  Historio- 
die  hüti.>iche  Chronik  des  Ijiialdci  Prioriitii, ')  das  itii 


}  t.  c,  147. 
I L.  c,  l&l. 

l  Le  I'ürteri'uille   de   Mr.  L.  l).  F.  (Üologne,  IG9S)  (L.  ik-  li 

t  aateur  i1<h  AunnlKn  de   Tnalousc:   llarbior,  VI,  96&)    13.  Vt;l 

,  I.enpildii  diu  Ur.  Lrlien  n.  Tbalcn,  24'.), 

4j  Mrmoirw     de    (iiiKpiirii    cnmte    do   Chiivnffnac,    marJthal  ili 

I    cain[i  ilnDo    Ii-h   rvrntücH   do   Itov,   gännral   de   rnrtilliTie,   sergunt  di 

tiatatlte   de   celle*   de   an   Miuenti^   (Jathnliiiue .   et  lieiit^nnunt-gi'niTii 

I   ita»  troup««  de  rGuipemur  et  tau  Ämliaiuaileur  en  l'nlnj^u  (AiiiHli-r 


I  170ÜI  296.  2«8.  aiM)  eW.  V([l.  Hinck.  237.  2«. 
&)  Unaldo  Priunito.  UUttirtu  di  Uuixildo  I  (Viu 
a  CUndia  ({ewidiuHU-  Hund  dor  Uido 


1  "»W-^ 


1 


114  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  5.  Mai  1890, 

AllgemeineD  sehr  tüchtige  Buch  des  Jesuitenpaters  Wagner, ') 
der  Panegyrikus  des  Giovanni  Goramazzi,  *)  das  «zu  mehrer 
Grossschätzung  des  Kaysers**  verfasste  biographische  Werk 
des  Wiener  Professors  Schenckel ')  sind  natürlich  nicht  hoch 
anzuschlagen.  Von  den  ausserhalb  Oesterreich  von  deutschen 
Zeitgenossen  geschriebenen  Biographien  rührt  die  bekannteste 
von  dem  Ältdorfer  Professor  Eucharius  Gottlieb  Binck  her, 
der  jedoch  als  treuer  Anhänger  des  Habsburgischen  Kaiser- 
hauses in  der  Hauptsache  nur  mit  pathetischem  Wortschwall 
wiedergiebt,  was  er  aus  den  Memoires  de  la  cour  de  Vienne 
geschöpft  hat.^)  In  weniger  freundlicher  Beleuchtung  er- 
scheint der  Kaiser  in  der  Biographie  eines  englischen  Ano- 
nymus, die  der  Leipziger  Professor  Mencke  seiner  Biographie 
Leopolds,  einer  herzlich  schwachen  Leistung,  zu  Grunde  ge- 
legt hat. ») 

Wenn  die  Zeitgenossen  so  abweichende  Urteile  vernehmen 

meno  giusto,  demente  e  pio,  che  invitto,  glorioao  e  fortanato  cesare' 
reicht  bis  zum  Jabre  1670;  bis  zum  Jahre  1676  die  Continuatione 
(leir  Historia  di  Leopolde  cesare  (Vienna  1676). 

1)  P.  Wagner,  Historia  Leopoldi  Magni  imperatoria  (Vienna  1719). 

2)  Giov.  Batt.  Commazzi,  Istoria  di  Leopoldo  Primo  imperadore 
de  Romano  (Vienna  1690).  Es  erschien  davon  auch  eine  deutsche 
Bearbeitung:  Immer  grünender  Kajserlicher  Lorbeerkrantz  oder  grund- 
richtige Erzehlung  der  fürtrefflichsten  Staatsverrichtungen  und  glor- 
würdigsten  Heldenthaten  des  ietzo  regierenden  unüberwindlichsten 
Höraischen  Kaysers  Leopold  des  Grossen  (Augsburg  1690). 

3)  J.  A.  Schenckhelius ,  Vollständiges  Lebensdiarium  deas  etc. 
Kaysers  Leopoldi  I.  des  Grossen  (Wien  1702). 

4)  Leopolds  des  Grossen  wunderwürdiges  Leben  und  Thaten 
(Köln  1713). 

6)  Das  englische  Original :  Life  of  Leopold,  emperor  of  Germany, ' 
war  mir  nicht  zugänglich.  Dass  ihm  dieses  Werk,  sowie  dasjenige  eines 
anonymen  Spaniers  (er  meint  wohl  „Admirabiles  efectos  de  la  Provi- 
dencia  suceditos  en  la  vida  e  imperio  de  Leopoldo  primero  invictissimo 
emperadorde  Romanos,  con  licencia  de  los  Superiores  j).  D.  M.  G.  P.*) 
,wohl  zu  statten  gekommen*,  erklärt  J.  B.  Mencke,  Leben  und  Thaten 
Sr.  Majestät  des  röm.  Kaysers  Leopold  des  ersten,  in  der  Vorrede. 


^  Ueigtl:  BfUräge  lur  (^liiiraktrri»tik  Kai»fr  LniipnliU   I.       1  !•'» 

lunen,  kann  m  nicht  überraschen ,  in  Heu  späteren  Schildertmgen 
den  schroffesten  Widersprüchen  an  begegnen,  üfriirer, ') 
Itnno  Klopp,')  Baiiuwtjirck.')  Walewaky*)  feiern  den  er- 
geliüiien  RoKri  der  Kirche,  der  willig  das  weltliclie  Interesse 
hülioreii  Pflichten  unterordnete  und  diis  Wohl  und  die  Aus- 
br«tiiag  der  Kirche  über  Alle«  stellte.  Dagegen  wird  von 
Üroyoen')  Noordcn,*)  (iaedecke^  und   »ndreii  tiurddeutscbt^n 

1)  niVSrer,  OpHuhiditt!  d»a  18.  .lalirbundert« .  1,  801,  laacUt  <lle 
richtig«  Bemerbin^,  diu«  t>ii  acboo  »I*  KroaaeM  Verdieiwl  tu  »oliAUim 
mI,  Häaner,  mtt  Kiu-1  *.  Lotbrint;en .  HaDtmucuH.  KOiLiger  uotl 
Ouldo  Sttkbremlieri; ,  Prini  Eitj^ea  Q.  A.  im  dio  richliKcn  I'ldtze 
frnttcllt  tu  bnlien.  ,1ch  knnn  duher  dem  Terdfimmendpn  Urteil  bei- 
nübc  alJur  Kniieren  niclit  beiatimtoeD ,  weli-he  Laopolii  fUr  eioeu 
SchwSctiliiiK  «rkläron;  ein  |^l«r  Grundstock  mumi  in  «einem  Oeisl« 
t[0««xen  nein,  diu«  er  aoluhe  Mäannr  liemniizntindeu ,  te«tiuliult«n 
iiikI  enit  **!■  '^e»terreich  lu  fes^ielii  wusele*. 

31  Oano  Klopp,  der  Kalt  d«s  Uuuaea  StuarL,  I,  90. 

3)  Bttumituik.  KuHer  Uopold  I..  208  E 

i)  Wulewikf,  Undiiohte  dnr  iil.  I.i^e  nnd  Lei>i>old<<  I..  I,  176  It, 

6)  liroj-.eii,  QBBchictiM  der  prflUB^ischeii  Politik,  III,  3,  SSfi,  .Ein 
mOdcr,  bleiehirr  Harr,  balb  lahm  in  den  Schenkeln ,  Hchwnnkenden 
liBiig««  et«.*  Bek&nul  ixt,  wt^lch  absehreukendeN  Rild  Uroysen  (llt.  3, 
«10  ff.)  »OB  der  kuinertidit-n  Pulilik  entwirlt. 

8)  NoonJeo  nftnnliin  I.  Bund  der  Europäischen  öen;hichte(150  eU.) 
il«n  Kaixer  .mit  lieielesgiiben  nur  mastiit;  aiiegeittiittet.  laitg«ani,  HTg- 
wAboiiicb  und  uberglünbiäch  von  Natur,'  gänilicb  abhängt;  vom 
Baiclitrator,  jeder  UeiRteiinnitpannunK  nbhoM,  l&ssig  in  Jen  drinjc 
lintiHt«D  AngeleiteaheiteD,  nur  auf  rettende  .Mirnkel*  verl.rauend  etc. 
Nach  UenlkUun^  de«  Wiener  StaalsaichiT«  t'ftlU  er  im  2.  Band  1 126  rk.) 
eio  etvup  ^ün«tiicere«  Vitnil  -.  er  meint,  die  OeMundten  der  itaeni&cht- 
lichtm  Höfe,  deren  Berichte  ihm  frOhar  aDBachlieftiÜch  vorlagen,  halten 
mit  Vorlicbu  Scbwari  in  Sthwari  gemalt,  und  die  hOhoren  Kreise  der 
Aatiirr«icbiichun  BAitmtcnwi'lt  hlltt«n  bllufi;;  mit  |{ehüii(i(!Cr  ('«nniir 
da  IjiH>pDldmii'L'hen  KeginienU  die  eigene  Pflicbtrergc«senheil  «u  be- 
uitot«lli  KCUrhti  troltulen]  dürre  auch  .der  ocbonendete  Kiebter  niobt 
Irapicn,  dau  an  iio.  Fttlie  xtaatHmiLnDiitcber  Anfgiibeo,  die  im  Iinutu 
dea  letxl«a  MenAcheualters  (gerade  den  {i«terr«i<'hi»chen  StaaUlenkem 
I,  w«der  die  Aufiju><uug«i{abe,  noch  din  ThatJmiR  dm  ^/i- 
KkIkuv  hemngi'nricbt*. 
iBoedeck«,  die  Politik  OeaterreiuhH  io  der  •pani>cbeii  Krlrf'  ; 


116  Sitsunfi  der  historischen  Glosse  vom  5,  Mai  1890, 

Historikern  über  Leopold  nur  in  mehr  oder  weniger  gering- 
schätziger Weise  gesprochen.  Oegen  solche  Darstellung  Hesse 
sich  einwenden,  dass  für  das  Regiment  des  Habsburgers  ab- 
sichtlich dunkle  Farben  gewählt  wurden,  damit  sich  vom 
düsteren  Hintergrunde  um  so  leuchtender  die  jugendliche 
Entwicklung  des  brandenburgischen  Staatslebens  abhebe. 
Allein  auch  die  Beurteilung  von  Seite  österreichischer  Forscher, 
Krones,^)  Wolf,*)  Scheichl*)  u.  A.  lautet  nichts  weniger  als 
schmeichelhaft.  Hinwieder  zollt  Ameth,  hauptsächlich  auf 
die  Venetianer  sich  stützend,  den  Eigenschaften  des  Geistes, 
wie  des  Herzens  Kaiser  Leopolds  hohes  Lob.^) 


frage,  II,  56  :    «Kaiser  Leopold  ist  sehr  verschieden   und   meist  eu 
gunstig  beurtheilt  worden  etc.* 

1)  Krones,  Grundriss  der  österreichischen  Geschichte,  684:  ^Leo- 
pold war  ein  friedsamer,  schwerfälliger,  körperlich  und  geistig  schwach 
begabter,  aber  rechtschaffener,  zäher  und  von  dynastischer  Macht- 
vollkommenheit erfüllter  Herrscher/  In  der  Geschichte  Oesterreichs, 
HI,  564  etc.,  erkennt  der  nämliche  Verfasser  die  strenge,  sittliche 
Ueberzeugung,  den  unbestechlichen  Rechtssinn,  die  Achtung  vor  der 
WisHenschaft  und  das  richtige  Hoheit^gefiihl  des  Kaisers  an,  beklagt 
aber  dessen  melancholisches  Temperament,  pedantische  Förmlichkeit, 
schwerfällige  Unsicherheit  und  Vertrauensseligkeit,  angeborene  Scheu 
vor  grossen  Unternehmungen  etc. 

2)  Wolf,  Fürst  Wenzel  Lobkowitz,  206.  ,Er  war  ein  starker, 
gesunder,  rüstiger  Mann,  aber  die  Scheu  und  Schüchternheit  seiner 
Jugend  war  ihm  geblieben.  Die  jesuitischen  Beichtväter  und  Ei^ 
zieher  hatten  dafür  gesorgt,  dass  er  nicht  sobald  selbständig  werde  . . . 
Die  frische  Freudigkeit  des  Lebens  hat  Leopold  weder  früher  noch 
später  empfunden.  Er  war  immer  ernst,  düster,  verschlossen,  liebte 
ein  zurückgezogenes  Leben**  .... 

8)  Scheichl,  Leopold  I.  und  die  österreichische  Politik  während 
des  Devolutionskrieges,  10:  «Nach  allem,  was  über  Leopolds  Fähig- 
keiten und  Charaktereigenschaften  bekannt  ist,  hatte  er,  obwohl  ihn 
seine  Schmeichler  den  Grossen  zu  nennen  pflegten,  sozusagen  seinen 
Beruf  verfehlt.  Wäre  er  nicht  auf  der  Menschheit  Höhen  geboren 
worden,  er  hätte  einen  vortrefflichen  Musiker  abgegeben  . .  .  ** 

4)  Arneth,  Prinz  EuK'on  von  Savoyen,  I,  11,  132,  189,  193  ff. 


I  Utiiful:  lif.UrilQt  mr  Chiiraitfrijtlik   Kiiisfr  [sttipiildt   I. 


117 


titgesicbta  dieser  G^ensätze  stioi;  in  mir  gelegentlich 
Studien  xur  Keschicht«  Kaiser  Leopolds  der  Wiitiscli 
Hif,  QnelleD  uii^Einilig  r.u  iiiacberi.  welche  möglichst  zu- 
verlange  Aafschlüase  Über  den  Charakter  des  Kaisera  böten, 
■tK>  vor  Wlum  Briefe  des  Kaisers  und  an  den  Kaiser,  welche 
iHcfaeti  Einblick  in  dessen   Wesen  gestatteten. 

AuNlieute  ans  gednickten  Briefen  ist  gering.  Nur 
Korrespondenz  Leopolda  mit  dem  Hofhibliotbehar 
LambiwcJUB  hat  Karajan  dankenswerte  Mitteiinngen  ge- 
bot«» , ')  und  jfinfpt  bat  Krones  Nachricht  gegeben  von 
«genhändigen  Briefen  Leopolds  an  den  Ajo  und  Hinteren 
Premierminister  Grafen  Portia.') 

Ich  wandl«  mich  also  an  das  Wiener  Staatsarchiv,  imd 
da  klopft  man  nie  rergeblich  an.  Nachdem  ich  auseinander- 
gesetzt, worauf  es  mir  besonders  ankäme,  wurden  mir  einige 
ll»nde  zur  Verfiigung  gestellt,  in  welchen  ich  zu  meiner 
Btffriudigung  alles  GewUnschte  vereinigt  fand.') 

Es  \Ht  die  KorrespondeuK  des  Kaisers  mit  dem 
Grafen  Franißnsebius  Poetting,  kaisertiuhen Gesandten 
in  Madrid  aus  den  Jahren  llilS2  bis  1674,  in  welcher  die  eigen- 
bändig gCMchrielien^n  Briefe  dbs  Kaisers  nicht,  weniger  als  fünf 
Fuliubände  fflllen.*)  Bekanntlich  zählt  Kaiser  Leopolda  Bsnd- 

I)  Kat^jon.  Kaiser  Leopold  1.  u.  Petet  Lmubeuk  (IB68). 

in  der  alldem.  ileuUchen  BiogrAphie,  2G.  IM..  45ü. 
)[  Dem  »erelirten  VorBlund  nnd  -ien  Beitiaten,  insbesondere  Herrn 
r  Dr.  Winter,  »ei  liiermit  wkrtOHtcr  Unnlt  iiusgUMppochen. 
[iHintuJi  KalleKen,  Qctm  Dr.  Pnibram,  diT  auf  diu  Zn- 
rnrkommnDdrte  meine  Arlieil.  untentutit«.  H6ge  Prtibmm,  wie 
■r  mitndlieh  in  Aiisricbt  itellt«,  recbL  Imld  xu  ÜGrausgiibe  der  Pöttinif'- 
■elieu  Korn)>q>on<l«nji  Haue  und  HeleKenkeit  linden. 

4)  Die  KürrvMponde&i  umfasat  '21  Bände.  Wl^tcile  in  dl«  Faadk^l 
18—86  der  Abteilung  .Uro«HF  Correspondenx*  lerteilt  HiaiL 
'  ^a— ft  iVtn.  83):   Leopol<J  «n  PooUini;.  OnKinali.  IßffS— II 
-10(Fui.  841:   Leopold  nn  PofUinf;,  Abscrlirtacn.  lßr>B-ll 


] 


1 


118  Sitzung  der  historisdien  Glosse  mm  5.  Mai  1890. 

Schrift  zu  den  greulichsten  Denkmälern  der  Schrifbenkunde. 
Da  ich  nur  eine  Spanne  Zeit  auf  die  Benützung  des  Archivs 
verwenden  konnte,  war  es  mir  zwiefach  willkommen,  dass 
von  den  meisten  Briefen  für  den  Empfanger  gefertigt  Ab- 
schriften vorhanden  sind.  Eine  andere  Schwierigkeit  bietet 
die  Chiffrierung  zahlreicher  Stellen  in  den  Briefen  des  Kaisers; 
es  war  mir  wegen  Zeitmangels  nicht  möglich,  einen  Schlüssel 
auszuziehen;  da  jedoch  für  ein  Schreiben  des  Kaisers  vom 
24.  September  1670  und  für  ein  weiteres  vom  16.  Novem- 
ber 1672  eine  Auflösung,  vermutlich  von  Poettings  Hand, 
beiliegt,  liessen  sich  wenigstens  die  am  häufigsten  wieder- 
kehrenden Namenschiffem  ausfindig  machen.  Für  dasjenige, 
was  mich  zunächst  interessierte,  für  die  Mitteilungen  über  die 
Lebensweise  und  die  Erlebnisse  des  Kaisers  sind  glücklicher- 
weise ohnehin  keine  Chiffem  verwendet. 

Franz  Eusebius  Graf  Poetting  wurde  1663  zum  Ge- 
sandten in  Madrid  ernannt.^)  Von  seiner  Begabung  zum  Diplo- 
maten geben  die  etwas  verworrenen  Berichte  an  den  Wiener 


Bd.  11—12  (Fasz.  35):  Diarien  Poettings,  1664—1674; 

Bd.  13—20  (Fasz.  36—37):   Poetting  an  Leopold,    Concepte,  1663 
—1672; 

Bd.  21— 24  (Fasz.  38):  Poetting  an  Leopold,  Abschriften,  1663—1674. 
Die  meisten  der  solid  in  Schweinsleder  gehefteten  Bände  tragen  auf 
der  Aussenseite  der  Vorderdecke  den  Reichsadler,  in  dessen  Bnist- 
schild  sich  das  Porträt  Leopolds  befindet;  nahe  dem  unteren  Rande 
ist  das  Wappen  Poetting's  angebracht.  Band  6  u.  7  sind  einfache 
Pappbände. 

1)  Die  Poetting  sind  ein  altes  österreichisches  Geschlecht, 
dessen  gleichnamige  Stammburg  bei  Murstätten  lag.  Alban  v.  P. 
wurde  von  Karl  IV.  zum  Reichsritter  geschlagen.  Der  Freiherm- 
stand kam  1609  durch  Urban  v.  P.,  des  deutschen  Ordens  Comthur, 
kaiserlichen  Kämmerer  und  Hofrat,  in  die  Familie,  1636  die  Grafen- 
würde. Franz  Eusebius  wurde  1649  zum  böhmischen  Vicekajizler 
ernannt;  1652  wurde  die  Familie  durch  Indigenatsdiplom  für  Böhmen 
zum  Besitz  der  Herrschaften  und  Güter  Rumburg,  Miroschowitz, 
Miltschin  etc.  berechtigt. 


Ht^nl:   Bfitriige  -tir  ChanikltriMik  Knuer   Leopolds  I.       IlSl 

r  ntubt  |rer»<ie  glänzeDtleti  Zuuijuis.  Der  einfluasreichnte  I 
(inter  »Di  Wiener  Hole,  Fürst  Lobkowitz,  der  ?ori  Port-  ^ 
\  aIk  nrli^ucht<^ter  StaBtemauu,  hU  ein  wahres  Muster  ge- 
wird ,  wnr  Gfinner  tini)  Meister  des  Diplomateo.  *) 
^dcm  eich  djeaer  Itinge  vei^eblich  um  ein  eiaträ^licheres 
mt  lieworhen  hatte,  wurde  er  1(571  mim  Hofmarschsll 
I  kwMrrlicIien  tiut'ts  ernannt,  durfte  aber  erst  zwei  Jabre 
^r  Minen  Poeten   in  Madrid  an  Graf  Ferdinand  Harracli 

I  (irftf  Poetting  utand,  wie  aus  den  Briefen  selbst  ersieht-  | 
L  wird,  bei  seiueui  6ebieter,  desHen  Jugendgefipiele  er  ge- 

war,   in    hoher  üunst.     Die  Worte,    die   der  Kaiser I 
I.  Verhältnis  zu  seinem  Oesuidten  widmet,  sind  ehrenvolt  I 
^  Herr   und    Diener.      Als   Poetting    eindiessen    lieas,    er 
glaulie  sich  von  kaiserlicher  Unt^nade  bedroht,   schrieb  Leo- 
ii^old  {6.  Jäner  lfiti7):   .Ich  sehe  ans  dem  letzten  {Schreiben),  ] 
t  ihr  vermeint,  als  wan  ich  mit  euern  Diensten  nicht  a 
I  wäre;  mein  Qraff,  macht  euch  in  diseni  gantz  keine  I 
,    dan    ich   bin  gar  wohl  mit  eurem   Fleiss  zufrieden, 
!  eure  Dienste,    werde  noch  würeklich  selbe  effective 
ginen,  und  glaubet  fest  und  sicher,  diis^  das  Refran:  Aus 
L  Augen,   HUN   dem  ^'inn,   bey   mir  gantz  nicht  statt   hat, 
■lögen    andere    isagen    und   schreiben,    wass   sie    wollen.  | 
',  kIko  furth  und  berichtet  alles  fein  und  Heiastg, 
\  itelbige   miniatri  in   {ilurali   et  singulari,    und   »eit  ver-  | 
,  da-ts  ich  euch  niemals  verlassen  werde.*    AU  Leopold  I 
Leionuil  veranlasst  sah,  den  Marquis  de  Granu  in  auaser- 
pUicher  Mission  nach  Madrid  zu  senden,  schrieb   er  an  | 
Ing   zur  Bcttchwichtiguug:   .Weilleu   ich  mir  wohl  etti- 
kunn    (ex    inoderno   cun<u    miindi   et  aularuni),    daas 
tLaide  nmnglen  werden,  so  ench  werden  Mucki^n  niach«n 


1 


120  Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  5,  Mai  1890, 

wollen  über  dise  Mission,  also  versichere  euch  gnädigist, 
dass  dise  abschickhung  nicht  geschieht  auss  einigem  miss- 
trauen in  eure  Person,  sondern  nur  per  finezza  und  aus 
Noth,  dass  wir  doch  einmal  wissen,  woran  wir  sein'  (2.  Fe- 
bruar 1668.)  Doch  nicht  bloas  dieser  Vertrauensstellung 
wegen  unterrichtete  Leopold  den  Gesandten  von  den  intim- 
sten Vorgängen  am  Wiener  Hofe;  Poetting  sollte  davon  das 
Wissenswerte  den  nächsten  Verwandten  des  Kaisers,  dem 
König  von  Spanien  und  insbesondere  der  im  habsburgischen 
Interesse  eifrig  thätigen  Königin  Maria  Anna,  Kaiser  Ferdi- 
nands III.  Tochter,  mitteilen.  Auch  über  die  politischen 
Angelegenheiten  äussert  sich  Leopold  in  der  freimütigsten 
Weise,  so  dass  diese  Briefe,  die  über  des  Kaisers  eigene  An- 
schauung aufklären,  zweifellos  zu  den  wichtigsten  Quellen 
zur  Geschichte  jenes  Zeitraumes  gezählt  werden  dürfen. 
Allerdings  hat  dieser  Freimut  eine  Grenze.  Als  sich  der 
Kaiser,  widerwillig  dem  Rat  der  Lobkowitz  und  Auersperg 
Folge  leistend,  mit  dem  von  Grund  der  Seele  ihm  wider- 
wärtigen ,  ja  verhassten  König  von  Frankreich  insgeheim 
verbündete  und  durch  den  Vertrag  vom  19.  Jänner  1668 
für  den  Fall  des  Erlöschens  der  spanischen  Habsburger  eine 
Teilung  der  spanischen  Monarchie  vereinbarte,^)  wurde  von 
diesen  auch  in  Wien  nur  jenen  zwei  Ministern  bekannten 
Abmachungen  kein  Sterbenswörtchen  in  die  Briefe  an  Poet- 
ting aufgenommen.  Man  braucht  aber  deshalb  nicht  anzu- 
nehmen, der  Kaiser  habe  Bedenken  getragen,  ein  so  wich- 
tiges Geheimnis  seinem  Gesandten  anzuvertrauen,  damit  nicht 
übelwollender  oder  unvorsichtiger  Gebrauch  davon  gemacht 
werde;  das  Schweigen  des  Kaisers  ist  aus  einem  andren 
Grunde  zu  erklären.  Wiederholt  ^vird  vom  Kaiser  Klage 
geführt  über  die  ,,Insolenz*  und  „Discortesia*  der  Franzosen, 
welche  die   kaiserlichen  Briefe  verschwinden  Hessen.     Insbe- 

1)  Wolf,  177.  —  Scheiohl,  86. 


^Scgot:   Bntrili]e  :ur  ('hiirnltirMk   KnUrr  TitopoUls  I.        121 

sondere  während  des  spHnisch-franitösischeii  Kriege«  wurde 
die  kuiscrliclie  Korresjmiiden/.  nicht  selten  auf  frniizüüischem 
Bodtfu  ttbgt<fangeti;  der  Kaiser  «chickte  deshfilb,  wenn  es 
sich  um  wichtigere  Kachrichten  handelte ,  mt^hrere  gleich- 
Ittutmide  Briefe  j^leielizeitig  auf  verschiedenen  Wegen  nach 
Madrid.  Tmtz  solcher  Gefahr  spricht  sich  aber  der  Kaiser, 
auf  den  iSchutz  der  ChiS'em   hauend,   im  Altgemeinen   (iher 

;be  Vorgänge,  sowie  über  Fürsten  uudStaat^niünner  der 
I  europäiachen  Höfe  Überraschend  offenherzig  aus. 

labei  läaat  sich  Tor  Allein  feststellen,  das»  sich  An- 
dieaer  au^ttl lirlich eu,  in  die  verwickeltsten  diploma- 
tiscbun  Kragen  eingebenden  Erörterungen  der  am  h&ufig*<ten 
wiederkehrende  Vorwurf,  der  Kaiser  sei  träge  und  nachlüäsig 
gewesen,'}  nicberlicli  nii'ht  gerechtfert.igt  erscheint.  Die  von 
LunfMild  entwickelten  Ansichten  Dberrascben  nicht  durch  Geist 
und  Scharfblick,  lassen  aber  immerhin  auf  gesundes  Urteil  und 
rege  Teilnahme  an  den  ßegienmgsgeschüften  schUeasen.  ^ie 
zeDgcn  auch  von  gutem  Humor,  denn  der  Bnefschreiber 
(»enlltxt  gern  jede  Gelegenheit,  einen  etwas  derben,  schwer- 
lUligen  Wilz  anzubringen.  Wenn  man  sich  ert^t  in  das  fUr 
dos  ganze  Zeitalter  und  besonders  fQr  Leopold  uharakteri- 
itische  Gemisch  von  deutechen,  spanischen  und  lateinischen 
WSrtern  und  SUtzen  gefunden  hat,  lesen  sich  die  Briefe  ganz 
g(>f)illig.  Der  Verfasser  trägt  dip  AUongeperrücke  «eines 
Zeitaltere,  aber  nnter  dem  Ltmkenwiist  blicken  munter  ein 
paar  treuherzige  Angen  hervnr.  Namentlich  aus  zeitgenöasi- 
■cben  Schilderungen  von  Uoffesten,  hei  welchen  Leopold  in 
unnahban-r  Waise  paradierte,*)  wurde  der  Schluss  gezogen, 
dik'«  aacfa  der  Charakter  [^eopolds  etwas  Steifes,  Finsteres, 
UttcbmQtige«   gehabt   habe.     .Mehr   ein  Spanier,    denn   ein 

l)  Sogar  der  wohlgetinnte  Fretchot  In.  &.  0.,  1Ö4J   erhebt  dieit 
mit  äem  ßi^itK^rkun;    .La  Jeiit«ur  naturelle  de  la  natlon  AJIe- 
prtte  qiiL'lqnp  r-xcnap  h  re  di-fauL* 
r.fer*t<!r,  Vx.,  die  Wie  Kiiropa'*,  U,  IG. 


1 


122  Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  5,  Mai  1890, 

Deutscher!''  Diesas  Urteil  kehrt  häufig  wieder.  Allein  ans 
unsrer  Korrespondenz  wird  das  Gegenteil  ersichtlich.  Der 
echte  Wiener  tritt  uns  darin  entgegen;  die  Licht-  und 
Schattenseiten  des  Wienertunis  sind  hier  ausgeprägt,  und 
auch  die  AuRdrucksweise  ist  dem  entsprechend.  So  wenn 
Leopold  z.  B.  über  seine  erste  Begegnung  mit  dem  englischen 
Gesandten  Carlingford,  Karls  IL  Kanzler,  der  im  Jänner  1666 
nach  Wien  kam,  um  den  Kaiser  für  ein  Bündnis  mit  Eng- 
land und  Spanien  zu  gewinnen,  Nachricht  giebt  (21.  Jänner 
1666):  „Carlingfeld  hat  schon  bey  mir  Audienz  gehabt,  ist 
gar  ein  lieber  Cavalier  di  bonissima  pasta,  aber  scheint  doch 
nit  gar  zu  spitzfindig  zu  seyn,  welches  ich  lieber  habe,  als 
wan  die  Ministri  gar  zu  furbi  sein,  als  wie  der  Grenoville; 
sie  sagen,  er  seye  auch  ein  guter  gesell  und  mache  alles 
mit;  mier  ist  leidt,  dass  ich  ohne  interprete  nicht  mit  ihm 
sprechen  kann,  dann  er  nichts  alss  Englisch  und  Französisch 
reden  kann,  Latein  verstehet  er  zwar,  in  audientia  inter- 
pretatus  est  p.  de  Nellany,  ego  respondi  latine,  sie  Carling- 
feldt  me  bene  intellexit."*) 

1)  Scheichl,  38. 

2)  Aus  dieser  Stelle  läsat  sich  ersehen,  dass  die  Nachricht  Rinck's 
(S.  94)  unrichtig  ist,  Leopold  habe  zwar,  als  sich  das  Französische  am 
kaiserlichen  Hofe  immer  mehr  einzubürpfem  drohte,  ein  Verbot  erlassen, 
er  wolle  in  seinen  Antichambres  niemals  die  Sprache  seiner  Feinde 
reden  hören,  er  selbst  aber  sei  des  Französischen  mächtig  gewesen. 
Auf  sein  Latein  that  sich  Leopold  nicht  mit  Unrecht  viel  zu  gute. 
Das  reine  Latein  in  den  eigenhändig  geschriebenen  Briefen  an  den 
Bibliothekar  P.  Lambeccius  erregte  schon  bei  den  Zeitgenossen  Be- 
wunderung; in  lateinischer  Sprache  schrieb  er  an  König  Wilhelm 
V,  England  1697  einen  ausführlichen  Bericht  ül)er  die  Schlacht  bei 
Zenta;  auch  lateinische  Epigramme  und  Chronosticha  liebte  er  ab- 
zufassen, berühmt  ist  u.  a.  sein  Epigramm  auf  Ludwig  XTV.  ge- 
worden : 

„Bella  fugis,  sequeris  bellas  pugnaeque  repugnaa, 

Sed  bellaturi  sunt  tibi  bella  tori; 

Imbelles  imbellis  amas  totusque  videris 

Mars  ad  opus  Veneris,  Martis  ad  arma  Venus." 


Heigel:  Beiträge  zur  Charakteristik  Kaiser  Leopolds  I.      123 

Der  vorhergehende  Brief  vom  6.  Jäner  1666,  der  dem 
dringenden  Wunsche  nach  Beschleunigung  der  Abreise  der 
für  Leopold  bestimmten  Braut,  der  spanischen  Prinzessin 
Margarita,  Ausdruck  giebt  und  dem  Gesandten  die  Wege 
weist,  wie  in  Madrid  Beschleunigung  des  Werkes  zu  er- 
reichen wäre,  schliesst  mit  den  lustigen  Worten:  „üebrigens 
beziehe  mich  nochmals  auf  die  depeches  der  Gantzley  und 
wünsch  euch  zum  beschluss  ein  glückseliges  neues  Jahr, 
ein  Sohn  im  krausen  Haar,  zudem  auch  Mittel  dabey  und 
bin  auch  allezeit  euch  mit  besonderer  Keyserlichen  Hulden 
wohl  gewogen*.  An  der  Heirat  ist  ihm  sehr  viel  gelegen, 
denn  er  ist  jetzt  27  Jahre  alt  und  will  endlich  einmal  einen 
braven  Sohn  haben;  deshalb  bringen  ihn  die  Ausreden  der 
Spanier,  die  immer  wieder  Aufechub  der  Hochzeit  erreichen 
wollen,  ganz  aus  dem  Häuschen.  «Muss  ich  bestehen,  dass 
ich  denen  Spanischen  ministris  nicht  recht  traue,  biss  meine 
Brauth  über  den  grossen  Bach  (verstehe  das  meer)  kommen 
sey,   und   diess   macht  mir  noch   mehr  mucken,   et  quidem 


Dans  Leopold  diese  Dysticha  eigenhändig  schrieb ,  wurde  von 
P.  Lambeccius  bezeugt  (Rinck,  91).  Menzel  (Geschichte  der  Deutschen, 
YIIl,  345)  bemerkt  dazu,  das  Zeugniss  des  gelehrten  Bibliothekars 
beweise  nicht,  dass  Leopold  die  Verse  auch  selbst  verfEMst  habe. 
In  der  Korrespondenz  mit  Poetting  sind  aber  ähnliche  lateinische 
Witzeleien  gar  nicht  selten.  — 

Die  oben  angefahrte  Stelle  beweist  auch,  dass  die  gäng  and 
gäbe  Annahme,  der  französische  Gesandte  Jaques  Brethel  Chevalier 
de  Gremonville,  der  galante,  schlaue,  gewissenlose  Diplomat  aus 
Mazarin's  Schule,  habe  beim  Kaiser  Alles  gegolten,  sei  wegen  seines 
Witzes  der  Liebling  des  Kaisers  und  zur  Zeit  des  Devolutionskrieges 
die  Hauptperson  am  Wiener  Hofe  gewesen  (Mignet,  N^gociations 
relatives  k  la  succession  d'Espagne  sous  Louis  XIV,  n,  207),  durch- 
aus der  Begründung  entbehrt.  Auch  am  8.  April  1668  schreibt  Leo- 
pold: p  Eurer  in  Frankreich  geplünderter  Curier  hat  sein  nnglück 
per  anhero  berichtet,  habe  alsobald  es  dem  GrenovOI^ 
lassen,  er  hat  aber  nur  guete  worth  ausgeben:  um 
delli  furbü* 


1 


124  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  5,  Mai  1890, 

Talde,  ut  credo ,   dass  zu  Maylandt  noch  nicht  die  geringste 

anstatt  gemacht  wirdt*.  (3.  Februar  1666.)  Freilich  er- 
füllt ihn  mit  Schrecken,  dass  die  Braut  «ein  weibergesfindel 

Ton  weith  über  20  mitbringen"  will,  ,,so  einmahl  ein  elend 
wäre  und  ich  wüste  ja  einmahl  nicht,  wo  auss  oder  hin  da- 
mit*. Poetting  soll  also  ja  darnach  trachten,  dass  , nicht 
die  Dienerinnen  mehr  Canaillen  mitbringen  als  die  Frau 
Selbsten  ....  Mein,  schauet  nur,  wie  ihr  mir  auss  diesem 
Purgatorio  fael£fet,  dann  ich  weiss  also  gar  zu  wohl,  wass 
ich  mit  diesen  lieben  Leuthen  vor  eine  saubere  arbeith  und 
plag  haben  werde^  Dazwischen  hinein  meldet  er  von  poli- 
tischen Vorgängen  u.  A.:  «Der  Münsterische  Handel  hat  ein 
schlechtes  Aussehen,  attamen  speramus  per  mediationem  im- 
peratoris  bonum  e£fectum".  Denn  im  Friedenstiften  sieht  er 
seine  schönste  Aufgabe.  « Möchte  wohl  auch  das  Sprich worth 
verificirt  werden,  das  ein  Schwert  das  andere  in  der  scheide 
halte*.  Auch  von  Wiener  Vorgängen  giebt  er  dem  Gesandten 
Nachricht,  u.  A.,  dass  wieder  ein  paar  Heiraten  ,  richtig  ge- 
macht worden  sind*,  darunter  «das  Sigerle  von  Dietrichstein 
mit  der  verwittibten  Collaldin,  die  nehmen  einander  ex  puro 
amore,  viell  Glück  darzu ,  wann  es  nur  tauert!*  —  von 
Duellen,  zu  welchen  die  Verlobungen  Anlass  gegeben,  aber 
er  habe  die  Duellanten  kurzweg  in  Arrest  gesetzt,  bis  sie 
sich  mit  einander  aussöhnen  wollten,  —  von  Gerüchten,  die 
über  diesen  und  jenen  bei  Hofe  im  Schwange  sind.  Der 
echte  Wiener  kommt  zum  Wort,  wenn  er  z.  B.  einen  An- 
geschuldigten zu  rechtfertigen  sucht:  «Mein,  seine  Emoli 
hängen  ihm  darinnen  auch  manches  Klamperl  an!* 

Als  in  Madrid  neuer  Aufschub  der  Hochzeit  geplant 
wird,  gerät  er  in  Unruhe.  «Duncket  mir,  die  Giornada  gehe 
auf  die  lange  Bank,  und  es  ist  schier  grob!*  (3.  März  1666.) 
Er  ist  nicht  ohne  Besorgnis,  dass  man  ihn  in  Madrid  hinter- 
gehen wolle.  «Chi  ama,  tenie!*  Als  endlich  von  Poetting 
die  Abreise  der  Braut    durchgesetzt  wird,   giebt  er  jubelnd 


r  CharaktrTintik  Kaiser  Ijtopoidt  t.      \~h 

Befriedigung  xu  erkenneu:  ,Könt  ibr  leicht  erachten, 
CORSolation  dicter  avieo  nicht  allein  in  mir,  sondern 
in  HÜen  ineiiji'ri  Ländern  erwecket  hut,  ich  kann  sogen, 
dass  ich  v»r  Freyden  nicht  ^ewiist.  wo  ich  wäre,  dunn  ich 
alltiweil  besorget  habe,  es  stecke  noch  wasa  dahinter.  Nun 
»i!yii  Oott  zu  aller  Gwi^^kheit  geprieasen,  dus»  alai  so  wohl 
gegangen*.  (2S.  Mai  10t>6)  Kr  hat  die  Kretidenbot^chaft 
um  y  Uhr  Abeudi,  als  er  schon  ?m  Bette  war,  erhalten;  so- 
gleich li««  er  .alle  Stnck  losbrenneii'  und  Morgens  Tedeum 
tdngen  und  sodann  ein  Kopfrenneii  halten  und  zu  diesem 
Zweck  diu  Hotlraucr  ablegen.  .Wird  zwar  übel  gedeutet 
werden,  über  l)ei  ao  frühlicher  Post  kann  man  sie  nicht 
tragen.*  Die  Feotins,  Oper  und  Tan«,  liegen  ihm  liberhaupt 
«ehr  tun  Heraen.  i^hon  vor  dem  KintrcHen  der  Freuden- 
bolacbaft  wUNSt«!  er  einmal  wieder  tanzen  sehen.  „Ditwen- 
Faacbing  hätte  ich  ;£iinblich  xtül  seyn  sollen,  wegen  der 
Klagen,  doch  haben  wir  ettich  Festel  in  camera  gehabt, 
dann  «  iiiltR  den  Toten  do<^:h  nicht,  wann  man  traurig  i.'tt, 
diicb  alles  ganis  retirat'.  (IT.  März  1666^  Den  nächsten 
liebartstug  seiner  .Oesponss*  feiert  er  durch  ein  Ballet, 
.welchen  l'riuK  Karl  von  Lotliringen  sunibt  etlichen  Camerern 
getanzt  hat  und  i»^t  ein  so  galantes  Festiu  gewest,  aU  eines 
dabivr  genehen".  üeber  die  Festlichkeiten  bei  Hofe  pHegt 
li«o)y^d  dem  Grsaiidten  genaue  Mitteilungen  zu  machen, 
and  die  Korrespondenz  i^  aus  diesem  Grunde  auch  als  Fund- 
ftlr  kau»tgeHchichttiche&  Detail  wert.voll.  >) 

i   Leopold    GOgar   mit  liMnaderct  Vorliebe   bei    iliesen    Ue- 

Q  rerweilt.  lälH  d'iv  Buhaaptung  Kinük'H  in  aii'li  misuniinen, 

'    halu!    aim    kon*(?rviil.irnin     Dron^r    nit^ht    geduldet,    diui 

r   nnodrdift    lirmllr.lipn    lloflmltunK    ntwHx    (fPAndert  würtle : 

I  Kavier«  tknianicet,  ao  beland  «ich  «eibiger  in 

t  itaadt'.  wie  e»  aeine  niodeittie,  uicht  wi^  et  «eiae  H^JeatU  er- 

I   LleKenlt-il    ' 


in  ikQtlerer  Seite  beteti^,  iliv<»  x.  B.  die  U 


,   mubeiiondi^re   du-    l>|jui 


,   die   b«i  (klH 


126  Sitzung  der  historischen  Citusse  w>m  5.  Mai  1890, 

Unmittelbar  neben  der  Nachricht  über  das  Festballet 
findet  siah  eine  Bemerkung,  die  den  Beweis  liefert,  dass 
Leopold  schon  damals  von  Misstrauen  gegen  Lobkowitz, 
seinen  einflussreichsten  und  angesehensten  Minister,  erf&Ut 
war:  „Dass  Lobkowitz  nicht  der  besten  einer  seye,  ist  leicht 
zu  erachten,  man  muss  ihn  aber  gleichwohl  nicht  gantz  aoss 
der  wiegen  werffen,  sonder,  wie  man  spricht,  dem  Teuflei 
auch  immer  einmal  ein  Liechtel  anzienden^  (22.  Juli  1666.) 

Der  spanische  Erbfolgestreit  warf  schon  in^s  Jahr  1666 
seine  Schatten  voraus.  Schon  damals  wurde  in  Spanien 
befürchtet,  dass  aas  der  Verbindung  der  Infantin  mit  dem 
deutschen  Habsburger  Erbstreitigkeiten  und  für  Spanien 
Zersplitterung  und  Kriegsunheil  erwachsen  würden.  Diese 
Gefahren  waren  in  einer  in  Spanien  erschienenen  Schrift 
■weitläufig  auseinander  gesetzt  worden;  Kaiser  Leopold  liess 
sich  durch  seinen  Gesandten  das  Buch  schicken,  „damit  man 
dise  schöne  Doctrin  ein  wenig  durch  die  Hächel  ziehen 
möge"  (1().  August  1066.)  Solcher  Bedenken  halber  wurde 
auch  von  spanischer  Seite  immer  wieder  Aufschub  der  Hoch- 
zeit zu  erwirken  gesucht,  bis  endlich  der  Kaiser,  des  langen 
Foppeus  müde,  den  Gesandten  anwies,  er  möge  „nur  ganz 
impertinent*  darauf  dringen ,  dass  dieses  Zaudern  ein  Ende 
habe,  „und  kann  euch  mit  Wahrheit  sagen,  dass  mir  recht 
das  Herze  klopfet,  nur  dass  ich  von  diser  materi  die  Curier 
schicken  thue." 

In  Madrid  war  man    üi)rigpns   auch   deshalb  verstimmt, 

Gelegenheiten  über  die  Bretter  gingen,  z.  B.  II  pomo  d'oro,  il  fuoco 
Vestale,  la  Monarchia  etc.,  an  l'racht  und  Gescbmack  Alles  hinter  sich 
lies8#n .  was  in  Frankreich  und  Italien  geleistet  wurde.  Das«  die 
Wiener  Kapelle  die  beste  ihrer  Zeit  war,  wird  auch  von  Kinck  an- 
erkannt (S.  121),  der  daran  die  Hpöttisehe  Bemerkung  knüpft :  ^Wann 
all«'  collegia  in  Wien  auf  solche  art  untersucht  und  besetzt  worden, 
so  ist  kein  Zweitfl,  Wien  wäre  ein  paradiess  auf  Krden,  ein  Sammel- 
platz der  Gennlitigkeit,  der  freien  Künste  und  aller  Tugenden." 


Heigel:  Beiträge  zur  Charakteristik  Kaiser  Leopolds  I.     127 

weil  sich  Kaiser  Leopold  nicht  dazu  anfra£fen  wollte,  mit 
Entschiedenheit  gegen  Frankreich  aufzutreten  und  die  ehr- 
geizigen Pläne  Ludwigs  XIV.,  wie  der  scharfblickende  kaiser- 
liche Qesandte  im  Haag,  Franz  von  Lisola,  verlangte,^)  im 
Entstehen  zu  vernichten.  Nicht  als  ob  Leopold  die  vom 
Westen  drohende  Gefahr  nicht  erkannt  hätte;  er  charakteri- 
sirt  die  von  Frankreich  gebrauchten  friedlichen  Redensarten 
ganz  richtig.  ,,  Circa  Galliara ,  werdet  ihr  auch  aus  der 
Cantzley  instruirt  werden,  und  mahnet  mich  dieser  Vorschlag 
an  die  Fabel  vom  Wolff  und  denen  Schaafen,  wie  er  mit 
denselben  hat  wollen  einen  bestendigen  Frieden  machen,  hac 
tamen  conditione,  dass  sie  die  Hund  abscha£fen  sollen.'  Aber 
er  will  es  auch  mit  Frankreich  nicht  verderben  und  will  sich 
die  spanische  Bevormundung,  die  sich  sogar  auf  die  klein- 
lichsten Dinge  erstrecke,  nicht  gefallen  lassen.  Machte  man 
doch  in  Madrid  schon  ein  grosses  Wesen  daraus ,  dass  der 
Bräutigam  der  Infantin  französische  Tänzer  auftreten  liess. 
.Ich  vermeine  aber,  wan  man  einem  gaukler  und  taschen- 
spieler  zuschauen  kann,  so  kann  man  wohl  auch  einem 
französischen  Narren  und  Tanzer  zuschauen,  oltre  que  era 
una  cosa  si  fredda,  das  gar  nicht  der  Mühe  werth  ist,  so 
viel  Redens  davon  zu  machen,  aber  die  Leuth,  so  kein  ne- 
gotia  haben,  die  machen  ex  mosca  elephantem,  das  ist,  aus 
einer  StQmpelei  das  gröste  negotium'*  (27.  September  1666.) 
Als  endlich  die  Braut  glücklich  in  Wien  anlangt  und 
das  Beilager  vollzogen  wird,  ist  Leopold  höchlich  conten- 
tiret,  aller  Freuden  voll  und  von  der  zartesten  Aufmerksam- 
keit für  sein  liebes  Weibel  beseelt.  »Seynd  vor  3  Tag  mit 
75  Schlitten  gefahren,  30  mit  Dames,  die  andern  lahr,  dar- 
auif  ein  teutschen  Tanz  gehalten,  wobey  legatus  Hispanus  et 
uxor   auch   gewest.     Videtur   non  displicuisse  meae  conjugi. 


1)  Qrossmann,   der   kaiserliche   Gesandte,   Fraai  v.  T-«*^i«v,  im 
EMLg,  15. 


128  Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  5.  Mai  1890, 

Gestern  hat  auch  die  verwittibte  Kayserin  ein  Festel  ge- 
halten, wobey  mein  Schatz  auch  gar  lustig  gewest,  ich 
schaue  halt,  sie  lustig  zu  erhalten,  dass  sie  alles  contento 
habe'.  (6.  Jäner  1667)  Um  der  Gattin  eine  Freude  zu 
machen,  bestellt  er  die  in  Spanien  gerade  beliebten  Musik- 
stücke, die  seine  Kapelle  zur  Aufführung  bringen  soll. 
vSonsten  seynd  wir  alle'  schreibt  er  am  3.  Februar,  «Gott- 
lob  gar  wohl  auf,  und  mein  Gemahl  schickt  sich  gar  schön 
in  die  Teutschen  Brauch  ,  und  hab  ich  dieser  Tagen  den 
Ross-Ballet  halten  lassen,  ich  soll  es  nit  loben,  weil  ich  es 
halten  lassen,  ihr  könnt  aber  gewis  versichert  seyn,  das  a 
seculis  nil  dergleichen  solches  gesehen  worden,  dahero  ich 
euch  hiemit  10  exemplaria  und  dessen  beschreibung  mit 
Kupfer  schicken  wollen,  dass  ihr  auch  was  davon  unter  da- 
sige  Gesandte  und  ministri  austh eilen  könnt/  «Sonsten 
seynd  ¥dr  gar  wohl  auf  und  unterhalten  uns  mit  Faschings- 
passatempi,  schicke  euch  von  unterschiedlichen  Gomedien  und 
eine  lista  von  der  Würtschait,  so  heütt  gehalten  wird,  euer 
Vetter,  der  Wastel,  ist  Chineser  worden,  haben  ihn  gantz 
ausmundiret,  dan  ich  ohnedem  von  einem  Pater  S.  J.  ein 
Original  chinesische  Kleid  bekommen"  (17.  Februar  1G67). 
Als  sich  Etiquettestreitigkeiten  zwischen  der  regierenden  und 
der  verwittweten  Kaiserin  erheben,  ist  Leopold  ernstlich  be- 
müht, einen  friedlichen  Vergleich  zu  Stande  zu  bringen. 
Poetting  möge  die  Königin  von  Spanien  bitten,  sich  darob 
keine  Skrupel  zu  machen,  und  ihr  versichern,  ^dass  der 
Teuffel  nit  so  schwartz,  als  man  ihn  mahlet  und  dass  die 
beyden  Kayserinen  recht  von  Hertzen  einander  lieben  und 
gar  gern  beysammen  seyn*   (3.  März  1G67). 

Während  er  aber  seine  spanische  Gattin  zärtlich  liebte, 
war  er  um  so  ungehaltener  über  den  Dünkel  ihrer  spanischen 
Umgebung.  Als  sich  der  Gesandte  Ciistehir  in  Wien  Ex- 
cesse  erlaubte,  schickte  Leopold  an  Poetting  zwei  für  den 
spanischen    Hof   bestimmte  Schreiben,    «prima  Höflich     und 


tMeigel:  BfilTüge  lur  Charakterishl!  Kmurr  7,eo;wI[(»  J.     129 

»mcciiict,  sectmda  fusior  et  acrior,  damit  sich  der  Gesandte 
je  imcli  Oiitiiiink<^!U  des  einen  ofler  andren  bediene.  Einen 
andren  Oenandten  will  er  nicht  verlangen,  ,dan  obwohl 
(Coatelar)  zieuilicb  kUzlich  unil  gant-A  furios  ist,  na  hoffe 
ieli  doch,  er  werde  hac  occasione  die  Hi'imer  ziemlich 
abif^tüEsen  hiibcti.*  (6.  Juni  1667)  Freilich  mus."  er  uiich 
Npi&ter  noch  wiederholt  seiner  t)  n  an  frieden  hei  t  Ausdruck 
geben.  ,D<>  rogina  Hispiuiine  spero,  qnod  iiupunet  frenuiii 
I«gaU>  lIiH{)Bno,  qnia  suume  necessanum  est'.  (5.  J&nner 
IfidS)  In  drafltischer  Weise  macht  er  seiner  Abneigung 
gvge»  den  spnnischen  Diplomuten  Peiieraiidn  Luft.  «Das 
Wetter  ist  sehr  kalt*,  schreibt  er  am  31.  Dezember  ll)67, 
,nml  t^ebt  diesen  Winter  nicht  viel  nach,  alss  wir  vor 
10  Jahren  nach  I''rankfiidt  gereixt,  wo  penecuda  (Pencriindii) 
nch  gant/.  in  ein  pel^em  Hackh  einnefaeii  hatt  lassen.  War' 
er  damals  nur  crepirt,  wer  kein  grosse  Acliad  nit  gewest". 
(31.  Dezember  U>ü7)').  Auch  der  bevorstehende  Tod  de« 
Papste«  entlockt  ihm  eine  wenig  respektirlicho  Bemerkung. 
,l)er  Papst  ligt  am  Hchnigen,  wurde  uns  jetzo  gar  niat 
ä  propos  Ht«rben'.  (2S.  Märe  1667)  und  gar  unchristlieh 
spricht  er  von  einem  schweren  Verlust  der  Franzosen.     .Die 

Mtßetn  haben  ein  paar  mal  'lOOO  Mann  cingehllsst,  Uott 
r  ihn  dergleichen  OlOck  mehr!'  (31.  August  1067) 
FDie  Abneigung  gegen  Frankreich  und  die  Franzosen 
t  immer  und  überall  durch.  Trot/dem  wi-igerte  sich 
Leopold  entscliieden,  dem  Drängen  der  Spanier  nachzugeben 
tuid   sich   am    Krieg   gegen    Frankreich   zu    beteiligen.      Er 

Hticht  genngnam  armirt,   sclirieb  er  am  6.  .luui  16l>7,  nnd 

M)  Die  AbBeigTinpj  iftgeo  t'enemnda.  Jer  dwh  »pinerieit  Kr  die 
■wähl  Leoiwlds  bo  enMgiseh  gevfirkt  hatte  (l'raibrani.  Zur  Wiilil 
t.i»jioltU  1.,  SC,  S2I,  rOhrte  wulil  hau|>Uili'hlicli  duruD  ber.  ilax,  Jur 
SiMBier  AntTnichU  il»  äifH^hthuniH  Phili|i|iit  IV.  und  iler  Uelireultlicli- 
ln>  TliroatirtHm,  KBrla  II,  iri^K^"  '^'^  Heirat  Mii.riniritu'>  mit  duui 
r  ««itin.  hatlo  (ft.  Klopp.  I,  97) 


130  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  5.  Mai  1890, 

könne  deshalb  nicht  verhindern,  da&s  ihm  die  Franzosen 
ungestraft  seine  tirolischen  und  schwäbischen  Lande  weg- 
nähmen; er  wisse  auch  nicht,  wie  sich  Schweden  verhalten 
werde,  und  müsse  befürchten,  dass  die  Schweden,  sobald  er 
mit  seiner  Hauptarmada  ausgerückt  wäre,  in  Böhmen  und 
Schlesien  einfallen  würden.  Dies  Alles  soll  Poetting  «nervase* 
in  Madrid  vorstellen,  ,, weilen  ich  wohl  weiss,  dass  nit  alda 
werden  Critici  mangeln,  so  alle  meine  actiones  genugsam 
judicieren  werden.* 

Der  28.  September  1667,  der  «allerliebste  St.  Wenzels 
Tag,  so  mir  jetzo  über  Alles  lieb  ist*,  brachte  dem  Kaiser 
eine  grosse  Freude:  es  wurde  ihm  ein  Sohn  geboren,  dem 
in  der  Taufe  der  Name  Ferdinand  beigelegt  wurde.  Allein 
der  Jubel  war  von  kurzer  Dauer,  schon  am  13.  Jänner  1668 
verschied  der  Erbe  des  Thrones.  «Alhier  ist  ein  grosses 
Laidt  et  tale  quod  a  niulto  tempore  noii  fuit  visum,  imo 
mea  etiam  summe  percussa  est,  doch  hat  sich  heroisch  da- 
rrin gefunden  und  diss  umb  so  viel  mehr,  weillen  sie  sellist 
v(m  Tag  zu  Tag  gasehen  hat,  wie  dieser  unser  lieber  Engl 
a  graiid  paine  zu  Himmel  geeilet  hatt.*  Nur  das  Eine  kann 
ihm  zum  Trost  gereichen,  dass  sie  nun  an  diesem  Engelein 
„einen  unschuldigen  Vorbitter  bei  Gott  haben  werden*.  Als 
bald  darauf  auch  Poetting  sein  erstes  Kind  durch  den  Tod 
verliert,  schreibt  Leopold :  „  Jam  sumus  pares  in  dolore,  qui 
etiam  par&s  fninius  in  laetitia,  fiat  in  omni  tempore  voluntas 
dominü*   (11.  April  1(308) 

„Wassonsten  die  Publica  anlanget,*  fügt  er  jener  ei^sten 
Nachricht  ))ei,  „weiss  ich  schier  nit  mehr,  was  ich  schreiben 
soll,  dan  mich  dimkt,  es  heisse:  oleum  et  operani  j)erdidi, 
si  .^altem  saperent  parnges**.  Man  wäre  fast  vei'sucht,  in 
diesen  Worten  eine  Verlegenheit« Wendung  zu  erblicken,  denn 
wie  wir  wissen,  wurde  wenige  Tage  später,  am  10.  Jänner 
1668,  der  Vertrag  unterzeichnet,  wodurch  Frankreich  und 
Oesterreich  für  den  Fall  des  Erlöschens  der  spanischen  Habs- 


Heigel:  Beiträge  tut  dharaklerutik  Kiuner  LcnjxiltU  I.       Uli    ' 

pr  eine  Teilung  der  äpaiiiachen  [leiche  vereinharteii.    Da 

i  ilffm   Gesandten,    wie    erwähnt,   die    Abmachungen  mit 

mkrdcli    geheim    gehalten    wurden,    erfahr^ii    wir   leider 

die    wiLhrmi  Bewi-ggrüude    Ata    Kaisern    nichts   Neuen. 

Pltu  er  ilurcb  diesen  mit  den  Traditionen  der  Dynastie  in 

lerspruch  stehenden  Schritt  eigennütziger  Weitte  nur  Kein 

iu  Sicherheit  bringeiiV)     Oder  wollte  er  die  Verbin- 

[  der  Müehte  England ,   Holland   und  Schweden ,   die  in 

iTripelallianz  vom  23.  Jänner  Itil):^    zum   Abschlua"  kam 

\  in  welcher  itr  eine  Uefuhr  für  die  katholische  Kirufae  er- 

,  durch  den  Bund  mit  Frankreich  uusehädlich  machen?*) 

r  bezweckte  der  Umschwung  der  kaiserlichen  Politik  nur  ] 

bieji  7.U  xwingeu,    dem  frieden   nicht   länger   211    wider- 

Nodos^  der    Kaiser  den  kritischen  Vertrag  ,aU  Aaa 

lament    des    künftigen    europäischen    [i'riedens ,   als    die 

)  einer  neuen  Zeit  anwth'i'^)     Auh  der  Kiirres{>ondeUK 

Epotttting  lüsst  sich  nur  ersehen,   dass   sich  bei)i)uld  alle 

gab,   keinen    Verdacht   gegen   die   [ledlichkeit  seiner 

mdschaft  mit  Spanien  aufkommen    ■/.»   lassen.     Er  flihrt 

t  den  Spaniern  gute  Kat^chlug»  vm  geben,    wie   t^ie  sii-h 

Ibe^n   der    Franxosen    erwehren    könnten ,    und    seinen 

neu  Beistand  in  Aussicht  zu  «teilen,  falls  ihm  von  Spanien 

pirlionde  Qel<lmttt.ol  zur  VerfQ^^ung  gestellt  würden.    Er  j 

I  der  Loge,   »agt  er,   den  Hefrain  Karls  V.  anstimmen  ( 

ptteen:    .Dineros,  i^ineros  y  man  dineros ,  dann  sine  illis  1 

fit!"    (1.1.  Kehruar  1(108")     Da/.wi.'^chen  ironisirt  er   dim  ! 

polittscho   Treiben   der    Kinder   dii-ser    Welt.      .Aher  j 

1  iiimniel,  der  schauet   uns  /.u  und  lacht  (iher  un> 

diafWn!'      Du     die    gnädige     Aufnahme    iU-n     fmn- 

Bben    üowindten   in    Wien   am    Madrider    Hufe   ruchbar 


1 


132  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  5.  Mai  1890, 

geworden  war,  weist  er  Poetting  an,  unberechtigten  Ueber- 
treibimgen  entgegenzutreten.  Der  franzosische  Gesandte,  der 
schon  einmal  am  Türkenkrieg  Teil  genommen  habe,  sei 
persönlich  bei  den  jungen  Burschen  am  Hofe  sehr  beliebt; 
dass  man  ihm  den  Sohn  des  Kaisers  einmal  gezeigt  habe, 
sei  auf  ausdrücklichen  Wunsch  der  Königin  von  Frankreich 
geschehen.  «Dises  Alles  habe  ich  euch  wollen  erinnern, 
aber  nur  zu  eurer  Nachricht  und  durchauss  nicht,  dass  ihr 
ein  weiteres  negotium  sollet  machen,  dan  ich  eben  einmahl 
nicht  schuldig,  dominis  Hispanis  von  meinen  actionen  Rechen- 
schaft zu  geben.*  (14.  März  1668)  Auf  die  Spanier  ist  er  nicht 
selten  schlecht  zu  sprechen.  Nach  dem  Tode  des  spanischen 
Statthalters  in  Mailand  schreibt  er:  «Umb  den  Caracena  ist 
mir  laid,  dann  obwoln  er  so  ein  Mensch  gewesen,  so  hatt 
er  doch  guete  Intention  gehabt  und  die  Miliz  aufs  Wenigste 
in  etwas  verstanden.  Itzt  werden  sie  embarassiret,  dann 
kein  frambden  wollen  sie  haben  ob  peccatum  originale  na- 
tionis,  biss  sie  unter  ihrer  nation  einen  finden,  so  werden 
sie  eine  guette  weill  suechen  müessen**.  (16.  Februar  1668) 
Insbesondere  den  spanischen  Gesandten  bezichtigt  er  feind- 
seliger Umtriebe.  ^Was  man  euch  von  B  Z  (?)  gesagt,  ist 
nicht  wahr  und  ein  Lug  von  B  G  (dem  spanischen  Gesandten) ; 
ich  bemiehe  mich  eins  so  vill  als  des  andern  und  bin  neutral 
inter  meos  proprios  ministros.*  Man  gewinnt  aber  beim 
Lesen  der  Briefe  gerade  aus  diesen  Tagen  den  Eindruck,  als 
fühle  sich  der  Schreiber  in  gedrückter  Stimmung.  Er  betont, 
dass  er  sich  nicht  für  unfehlbar  halte:  „Multa  multi  dicunt, 
ego  non  sum  Joannes,  qui  apocalypsem  habeat/  und  bricht 
wiederholt  in  die  Klage  aus:  „0  tempora,  o  mores!*  Auch 
als  sich  der  spanische  Hof  endlich  durch  die  zweideutige 
Politik  das  Kaisers  genötigt  sah,  mit  Frankreich  Frieden  zu 
schliessen,  suchte  sich  Leo])old  durch  die  beliebte  Spruch- 
weisheit zu  trösten:  »Ist  guett,  das  der  Fried  publicirdt 
worden;    das^    er  Hispanis  nicht  gefallen  hatt,  ist  leicht  zu 


Heigd:  Beiträge  nur  Charakteristik  Kaiser  LtopoJds  I.      133 

erachten,  aber  necessitas  non  habet  legem,  autf  iliesi>»  sollen 
domJni  Hispani  ihr  fundameut  machen;  dass  aber  der  arme 
Teuffel,  der  Kaiser,  von  allen  disen  alzeitt  die  SchuM  muets 
haben,  ist  bardt  zu  Teraemmen.  Patientia,  TemiH>ra,  tem- 
poni,  tempora,  ist  ein  altes  ad&gium  und  des^^en  auch  ich 
mich  gedröete."    (2.  August  1668) 

In  der  nächsten  Zeit  treten  wieder  die  häuslichen  An- 
gel^enheiten  mehr  in  den  Vordei^rund.  Leopold  liericbtet 
von  den  Festen,  die  ihm  und  seiner  GemahUn  vom  Bischof 
Ton  Neustadt,  von  Nadasty,  Esterbasy  und  andren  Adeligen 
gegeben  worden,  von  Heiraten  bei  Hofe  —  »TJelleicht  schickt 
es  sich  auch,  dass  wir  bald  eine  Spanische  Dame  anbringen !' 

—  ,Hat  geetem  der  von  Saurau  (der  die  Monroy  heiratet) 
das  regal  geben,  so  also  stattlich  gewest,  diis  es  wol  ein 
wenig  die  Mas  überschritten  hatt  und  kßndte  es  passiren, 
wan  ich   es  meiner  Gemahlin  ^be!*     (21.  November  l(i68) 

—  von  seinen  Jagden  —  ,Heunt  haben  wir  ein  Jagen  ge- 
hatten und  gegen  Hundert  Sau  gefangen,  und  i^^t  der  Nuntius 
Pignatelli  auch  dabey  gewest,  hat  ibme  zwar  gar  wohl  ge- 
fallen, doch  exclamabat,  esse  rem  plenam  periculis!"  (23,  Ok- 
tober 1668)  —  (Haben  wir  in  ein  ji^n  etlicb  gar  grosse 
Hirschen  gefangen,  so  600  W  oder  24  Arroba  gewogen  haben, 
ich  meine,  in  Spanien  wirdet  er  vor  einen  Elephanten 
passiret  seyn!*  (28.  August  1669)  —  von  theatrtilischen  Auf- 
ftlbrangen  —  ,Obwohlen  Klag  ist,  so  werden  wir  doch  disen 
Fasching  einiges  Cammerfest  halten ,  wie  dati  vor  8  Tagen 
einige  Cammerherren  eine  gantze  Comedia  in  Musica  ge- 
sungen haben,  so  gewiss  pro  miraculo  kan  gehaldten  werden, 
abaonderlicb  wan  man  es  nit  sehen  tbuet!"  (27.  Februar  1669) 
Als  ihm  seine  Gattin  ein  Mädchen  schenkte,  wnr  die  Freude 
gerade  nicht  gar  gross;  er  giebt  aber  doch  genau  an,  um 
welche  Zeit  die  Geburt  erfolgte,  damit  dem  Kinde  (Marie 
Antonie)  in  Madrid  das  Horoscop  gestellt  werde  (19.  Jänner 
1669).   Ein  Etiquettestreit,  in  welchen  Poetting 


mit  baj;^|g|^^^^^ 


134  Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  5,  Mai  1890. 

Diplomaten  verwickelt  ward,  bietet  Anlass  zu  einer  ftir  Bayern 
wenig  schmeichelhaften  Aeussernng:  ,|Kan  mich  nit  genueg 
verwundern  der  Impertinenz  der  churfürstlichen  Abgesandten, 
die  sie  von  euch  pratendiren,  da  doch  im  Reich  Selbsten 
ganz  ein  andrer  Stylus  ist,  aber  dass  ist  nur  eine  Bay- 
rische Höfligkeit  secundum  morem  consuetum;  ihr  habt  euch 
gar  wol  hierin  comportirdt,  und  ich  werde  es  schon  ge- 
höriger ordhen  anden,  dann  es  ist  gar  zue  grob/  (3.  Juni  1668) 
Die  dankenswertesten  Aufschlüsse  erhalten  wir  Ober 
die  Auffassung,  welche  Leopold  von  seinem  Verhältnis  zu 
seinen  Ministern  und  Beamten  hegte.  Als  er  den  Saga  zu 
wichtiger  Stellung  beförderte  und  diese  Auszeichnung  eines 
Franzosen  von  den  Spaniern  mit  scheelen  Augen  angesehen 
wurde,  schrieb  der  Kaiser:  ^Ich  sage  nochmahls,  ich  halte 
denjenigen  vor  kheinen  Franzosen,  so  mir  so  guete  dienst 
geleistet  hat  und  gedienet,  halte  mich  des  italienischen 
Sprechens:  ama  Dio  e  non  fallire,  fa  pur  bene  e  lascia 
dire,  ich  kan  einmahl  denen  Leuthen  nicht  das  Maul  stopfen* 
(27.  Febr.  1669).  Er  nimmt  seine  Beamten  immer  wieder 
gegen  die  Verdächtigung  des  spanischen  Gesandten  in  Schutz, 
beteuert  aber  zugleich,  dass  er,  unabhängig  von  Jedermann, 
gegen  Jeden  nach  Ilecht  und  Gesetz  verfahren  wolle.  ,Dass 
aber  Alles  per  canalem  des  B  F^)  beschehe,  ist  ein  alte 
leyern,  ich  thue,  wass  recht  ist  imd  frage  umb  niemand. 
Sollete  ich  aber  ein  prob  haben,  das  ein  Minister  ein  Schelmb 


1)  Soweit  Mich  ohne  Dechiifrirung  aus  dem  Inhalt  entnehmen 
lässt,  int  darunter  Lobkowitz  gemeint;  mit  BeHtimmtheit  wage  ich 
jedoch  dies  nicht  festzustellen.  Da  mir  zur  Benützung  des  Wiener 
Archivs  nur  wenige  Tage  zu  Gebote  standen,  darf  ich  mir  wohl  die 
Bitte  erlauben,  dass  man  mit  etwa  vorkommenden  Lesefehlern  und 
anderen  Ungenauigkeiten  nicht  allzu  streng  ins  Gericht  gehen  möge. 
Kft  soll  hier  nur  auf  eine  so  gut  wie  unbekannte  Quelle  aufmerksam 
gemarht  werden;  über  ihren  eigentlichen  Wert  wird  erst  eine  ge- 
nauere Untersuchung  Licht  verbreiten. 


Itiyiel:    Ütilrügt  :itr  Ch>irnUtrhtik   KuUer  Le-i/x^'U  I.      135 

aeje,  «o  wird  sein  Kopff   bald    zu  Boden   liegen'    (22.  Mai   ' 
Ißtiö).     Diette  Anachnuitng  «piegfilt  sich  auch  in  il«n  Worten  , 
[ibt*r   Mimcudii:     .Die   Ersezimg    dt»  VicorejnHt   de    Kapoli, 
hiildt   ich,    sey    mitt   den  Astorgn   nitt   ilbel    er^^eKt  worden, 
Ans  man  aber  ein  solches  Wunder  mache  mit  der  dem  Car- 
din»!   Mtincadii   .iiifTgetrugenen    Riitniächen   Embascada,    kan 
ich  ja  einmal  nit  finden.     Vor   was   seind    die  Ministri,   als 
ilaa  «ie  ihren  Herschafft  in  allem  hlind  gehor^iniien  itollen? 
Wm>  gil(lL-i,  wann  man  ihine  Napohtt  olTeriret  hatte,  er  hatte» 
fieixsif;  nnffonommeii.    ÄUo  geht'«  zue.  in  siunma,  bey  mir  liatt 
durch  di«  nilt  wenig  an  Credit  verloren"  (21.  Oktober  1671). 
Auch    niif    geistliche    Würdenträger  seine«    Uufes   und 
Staates  kommt  er  wiederholt  zn  sprechen.     ,Ut  heut   uuscr 
lieber    alter    Bischnff   zn    Wienn    gestorben;    wie    m    leid 
mir  M}'e,   künnt    ihr  euch   wühl  einbilden,  indeme  ich    nit 
ttald  einen  «o  zelosum  et  exemplarem  successorem  werde  be- 
neuuen    und    resolviren    küuiien'   (22.  Mai  1609).      Das»  er   ] 
bi)i  mIIüt  l''r<'imniigkeit  und  Vorliebe  für  die  geistlichen  (Irden   | 
ibirchaus  nicht,  wie  aus  der  Daistellung  Itinck's')  and  andrer   1 

^^^Kl)  Nach  Rinrk,  147,  hatte  Leopold  aogar  .in  Ansehung  einiger 
^^^Hnln  der  ^rOmniiglcrit  dnn  Orden  dor  Jesuiten  Bojfi^noninien.'  Uas 
^^Bfflleher  nnr  ein  e'ienMO  unbeKTflndete«  öerflcbt,  wie  die  Angabe 
Blni^s,  duf  lilt^mdif  Kuiter  habe  dao  I  lese  hiebt«  lehrer  «eine«  äohnes 
JtMepli  angewiesen,  dem  ZCglin^  einsagohärfeD.  daa«  er  niclit  gluiah 
Mnaem  Vat«r  alku  gruiwea  EinHiis«  dem  Elt^nu  einrUnme,  od«r  die 
««ttrnt*  UittHÜung,  tVpiit  Innocenz  XI  habe  erklArt,  er  tntge  keinen 
Aogenlilirk  Bed«nkeii,  den  Kiiiaer  wegun  seines  heiligen  Lehens- 
waadql*  lu  rnnonldrün .  wenn  .die  (ierei^htigkeit  in  OeiUrreich 
»fliWer  Iwribachttit  wflnlr."  (Rin:-k.  It6  tf.l  Ohn*  Zweifel  wurde 
Irisber  in  l'oign  de»  t'mmnien  Rifer«.  womit  Leo|)old  den  kiri'hlicliea 
Fdlchlen  niwhkam.  der  klerikale  EinlliiiHi  uuf  die  kaieerlicbe  l'ulitik 
ftbomdiättt.  ÜewiHn,  Leopold  war  der  Meinnn),-,  das«  die  religiöse 
Ueb«neugimg  de«  Herrachera  t'Qr  den  Olanben  der  Bptiwnclit™  niiuB' 
gebend  *B)  and  iliu»  dmn  Berrncber  metehe,  auch  i 
I    '^fttw   der  BdhvtriiL-littni    mniu greifen,   aber   diese   . 


nt^hr    Aklp    der   Undiild-iL 


akeit 


(legen  i 


13G  Sitzung  der  historischen  Clcisse  vom  5.  Mai  1890, 

Zeitgenossen  liervorgehen  könnte,  ein  willenloses  Werkzeug 
der  Gewisensräte  war,  beweisen  u.  A.  folgende  Stellen.  „Im- 
peratrix  inclinat  per  successorem  (ihres  zum  Bischof  erhobenen 
Beichtvaters)  ad  P.  Siinonem  Oorig  jam  hie  praesentem,  ist 
wol  nitt  von  den  grossen  subjectis  Einer,  sed  vir  bonos,  und 
weillen  er  schon  bekandt  undt  also  bösser  als  Einer,  den 
wir  erst  müessen  kennen  lernen*  etc.  (8.  Oktober  1670).  Bei 
Besetzung  der  Beichtvaterstelle  sei  vor  Allem  wichtig,  «das 
er  ein  frumber  religiös  ist,  ein  andrer  mechte  sich  in  Alles 
einmischen  wollen,  so  nit  allzeitt  ratsamb  ist*  (1.  Juli  1671). 
Mit  Wärme  verwendet  er  sich  für  bewährte  Diener,  zumal 
wenn  es  ,,arme  Teufel"  sind,  bei  der  Königin  von  Spanien, 
die  ihm  darin  gern  zu  Gefallen  ist.  *  Worauf  er  seine  Em- 
pfehlung begründet,  erhellt  aus  folgender  Stelle:   «Der  Königin 


erklären  lassen,  teilte  er  mit  seinem  ganzen  Zeitalter.  Er  vertrat 
zeitweise  gegenüber  den  Brandenburgern  und  Schweden  daa  katholische 
Interesse,  aber  er  war  der  Nebenbuhler  und  Widersacher  Ludwigs  XIV., 
der  sich  die  Wiederherstellung  der  alten  hierarchisch  -  feudalen 
Einheit  mit  ungleich  rücksichtsloserem  Eifer  angelegen  sein  Hess 
und  deshalb  auch  —  man  denke  nur  an  die  Parteistellung  im 
spanischen  Erbfolgestreit  —  von  der  Kurie  und  insbesondere  von  der 
Oesellschaft  Jesu  weit  bereitwilliger,  nicht  selten  auch  gegen  den 
Kaiser,  unterstützt  wurde.  Mochte  Leopold  immerhin  in  Andachts- 
übungen, Wallfahrten,  Förderung  des  Missionswesens  etc.  seine  erste 
und  wichtigste  Aufgabe  erblicken,  so  hat  ihn  der  Einfluss  der  Väter 
der  Gesellschaft  Jesu  doch  nicht  abgehalten,  sich  wiederholt  mit 
protestantischen  Mächten  zu  verbinden,  eine  neue  protestantische 
Kurwürde  zu  schaffen,  eine  neue  protestantische  Dynastie  willig  an- 
zuerkennen, den  von  den  Jesuiten  missgünstig  angesehenen  Prinzen 
Eugen  von  Savoyen  von  Stufe  zu  Stufe  zu  fördern,  die  Erziehung 
des  Thronfolgers  Joseph  welterfalirenen  Laien  zu  überlassen,  an  seinen 
landesherrlichen  Rechten  circa  sacra  mit  aller  Zähigkeit  festzuhalten. 
Auch  schon  von  protestantischen  Zeitgenossen  wurde  die  ,,von  Frömmig- 
keit unbeeinflusHte  Slaatsklugheit*  Leopolds  anerkannt;  Mencke 
(^..  913)  sieht  ein  IJauptverdienst  des  Kaisers  darin,  dass  er  erst  in 
Wahrheit  den  Religionskriegen  ein  Ende  gesetzt  habe,  indem  er 
„zwischen  der  Religion  und  dem  Staat  ein  beständiges  Vernehmen 
sehr  klüglich  und  glücklich  unterhalten.' 


thigd:   Brüriigr  :ar  Charakienutik  KaUer  Lnipulii«  l.      Ül" 

recomiuftnilir  ich  viiinn  Knnimenlienpr  von  meiner  Qetnaliliii, 
Dan  Diegn  de  Concbä  Zeiiollus.  Ist  gar  ein  feini«  subjectuiti, 
iiK>dei«t,  und  poaaedirt  4  tipmchen,  Spanisch,  Dotitäch,  WuUch 
und  Fnuizi'Mische.  Er  verlangt  bey  Formiening  de  Im  ea»a 
del  Key  im  piiesto  de  Ayada  de  Camera,  ich  meindte,  sollte 
nitl  yl>el  taugen.  li,r  kt  ea  nialein  de  la  ningeres,  gar  nitt 
hitzig,  alw  waltet  ihr  ihn  apadnmiren'  (15.  Jali  1671). 
Peinlich  berührt  es  ihn,  dasa  der  s{ianiache  Hof  fiir  den 
Tt>rlrug8müi«iig  flhenioniinenen  Unterhalt  d«r  s|iunii<chen  Diener- 
itchaft  der  Kaiserin  so  dfirftig  und  gewiKsenltw  Sorge  trage. 
,3o  kan  ich  euch  auch  nit  bergen,'  schreibt  er  am  14.  Au- 
f(ii»l  Ißtil),  ,daa  die  fijianische  Bedienten  annoch  so  discon- 
suliret  leben,  wüiUen  man  ihnen  noch  in  nif  hulfft  und  15 
laten  schuldig  ist.  Icli  hör,  man  sage  alda,  man  zahle 
pjt,  wdllen  ich  Niederland  nicht  succuriret  habe.  Birne 
che  bella  Vendetta!  Die  Leith  lachen  daxue,  und  wass 
Siuien  dittfle  arme  Teiffel  und  Teifflin  darumb  leiden  ?  Haben 
also  euch  befelhen  wollen,  damitt  ihr  instanter,  inätantius, 
üutantiflsime,  bei  der  Königin  anhaltet,  daas  sie  doch  mache, 
inan  ihre  Befehle  dermahleins  voliziehel*  Die  Klage 
r  die  Hoffuri.  und  den  Geiz  der  Spanier  bleibt  auf  der 
lordnnng.  Sic  wiasen  vor  Uoffart  nicht,  wie  sie  den 
t  halten  Milien,  und  machen  ein  Kapitalverbrechen  da- 
wenn  einmal  der  spaniaihe  Gesandte  nicht  zu  einem 
9  geladen  wird,  aber  sie  lassen  Aas  Personiil  der  Kaiserin 
[äiefitter  Not  ät«cken,  dass  es  eine  Schande  igt.  «Ich 
•  mich  ofTt  vor  die  Spanier,  das»  sie  su  gar  nit  tbnn, 
I  si«  than  soltenl"  (20.  Mai  1671)  Freilich  sind  die 
MjHiniticben  Hofdamen  selbst,  die  .Höllteufel",  dem  Kaiser 
nidil  sympathisch,  aber  .es  ist  einmahl  ein  schlechter  Spass, 
eil  abgescbmache  Gesichter  vor  »einer  zu  haben  1' 
Juiii  Iß71)     Und  Keigt  je   einmal   ein   Spanier,   daas  er 

^r  dcntwhe  Nation  und  das  deutsche  Wesen  liebi-,  so  wird 

flr   fon  Minen    Landsleut«u    als    Verräter    und    Laude^feind 


138  Sitzung  der  historischen  dasse  vom  5.  Mai  1890. 

angesehen.  ,|Ach  mein,  was  kann  einem  narrischer  tnlamen?'^ 
Da  gegen  die  Camerera  der  Kaiserin  der  Vorwarf  erhoben 
wird,  sie  habe  durch  ihre  Lässigkeit  verschaldet,  dass  der 
Kaiser  keinen  Succurs  in  die  Niederlande  geschickt  habe, 
nimmt  er  sie  energisch  in  Schutz.  »Wo  stehets  geschrieben 
en  la  etiqueta  de  palacio,  dass  die  Camerera  mayor  sieb  solle 
en  cosas  de  estado  einmiischen,  da  es  doch  denen  Weibern 
gar  nicht  zustehet?  zu  geschweigen,  dass  sie  mich  gar  offl 
iniporttuniret  hat  und  auch  meine  Gemahlin  angehezt,  das 
es  offt  nicht  wenig  zachem  gekastet  hat  und  ich  aufF  sie 
von  Hertzen  harb  gewest,  also  sehen  Eur  Majestaet,  wie  hart 
der  Erjl  geschieht  An  Allem  trage  der  misslaunige,  miss- 
trauische  spanische  Gesandte  Schuld.  „Ich  möchte  ihm  aber  die 
Rechnung  recht  teutsch,id  est,  redlich  machen!*  (16.  Juli 
1670)  „Dass  Castellar*  schreibt  er  ein  andermal,  „so  gute 
memoir  hat,  nam  mendacem  oportet  esse  memorem,  Ist  mir 
leid,  habe  mir  aber  alzeit  einbildt,  es  seye  nur  sein  schöne 
invention,  von  mir  geldt  zu  haschen,  es  wird  aber  ihn  nitt 
angehen  undt  hatt  er  wol  nitt  vill  gnaden  umb  mich  ver- 
dient* (8.  Oktober  1670).  Endlich  nimmt  Ciistelar  Abschied 
von  Wien.  „Castellar  ist  gar  malad  und  traurig,  es  heisst 
aber,  wie  jener  italienische  Poet  gesagt  hat:  Chi  e  cagion 
del  suo  mal,  piange  se  stesso!'*  (5.  November  1670)  Dem 
Datum  des  Briefes,  17.  Dezember  1670,  fügt  er  bei:  ,Id  est 
in  vigilia  diei,  qua  ante  quatuor  annos  conies  de  Ciistellar 
f'ecit  illud  sollemne  assassinium  in   Kevenhiller." 

Auch  an  malitiösen  Bemerkungen  über  andere  spanische 
(4rosse  fehlt  es  nicht.  «Wie  der  capello  des  W  Neidhardt** 
schreibt  er  am  5.  üktohiT  1660,  ,in  dem  Portocarero  sich 
verwexeldt  hatt,  habe  ich  in  metamorphosi  Ovidii  nitt  ge- 
lesen, mechte  wol  wissen,  wie's  daniitt  abgeloffen,  sorge  wol, 
es  könne  nitt  leicht  ohne  discredito  A  C  (des  Königs  von 
Spanien)  geschehen  sein".  „Was  den  Cardinal  Moncada  an- 
langet, so   wiintsch(*    ich  ihme    wol    von  Hertzen    die  Ewige 


Iftifffl:   Bfiiräije  Zur  l'hariiktrrislik   Kamfr  Sjeopold«  1,     l'JO 

Uiilii*,  ilntiii.  Imtt  LT  sich  kainu  in  ilieser  weMt  gelassen,  ao 
vrinlt  (lucli  &w  (^^tliche  Burtuhortzigkeitt  es  ihme  in  Jeiivr 
nitt  abgrachlagen  Haben,  und  hatt  ea  l^y  ihme  wol  billich 
gKheüseii:  jier  i[n)ie  rjuis  ]im:cat,  per  illa  punitiir*  (15.  ■Juni 
16721.  und  auch  llber  die  Lidilingsfeste  der  t^panier  fällt 
i  dnisti>ic)i<>a  Urteil:  .La  fiesta  de  toros  tuueiw  schön 
L  Ke3fti,  allein  scheint  es  ein  [miitduxum  a:u  seyn:  das 
1  Iloas  sambt  dem  Eiwl ,  so  vielleicht  ilaraufT  ge- 
,  liatt  fliegen  gelerndf  {7.  September  1672). 

I  viol  er  aber  an  den  Spaniern  aiiaziisetzeii  hat,  so 
t  er  doch  scljon  seit  li)70  wieder  Angesichts  der  vom 
und  vom  Westen  drohenden  Gefahr  sein  Heil  im 
I  ÄiiMcliln»!  an  Spanien;  der  11)158  mit  Krankretch 
gwchlowene  Vertrag  hatte  keine  freiuid^chaftliche  Annäiier- 
UKg  der  beiden  l{«ieiie  wir  Folge.  .Habeliimus  uti  tiiuendum 
Tiircas,  veroa  autcm  Tureiia,  flalloa,  a  tergii,  also  man  sieb 
Wühl  vurseiivn  solle,  die»  liegt  an  deme.  dass  wir  uns  beenden 
Ttieil"  wohl  mit  einander  verstehen'  (30.  .länner  1(170).  Das« 
einige  imgarische  (jmstte  sich  nicht  schämten,  mit  dem  Erb- 
firind  der  Christenheit  in  Verbindung  zu  treten,  erscheint 
ihm  geradeis»  nnfasslich;  gegenüber  solcher  Verirrung,  glaubt 
VT,  mtltuie  er  die  üuMnerste  Strenge  walten  lassen,  .Indewen 
buKtivi  <iubit<i  avieo,  das»  Graf  Peter  von  Zemiii,  cujii«  praede- 
cessore»  ulim  tam  iideles  fuerunt,  so  weitt  kumbe,  das  er 
A«a  Tvrken  gehuldigt  und  üich  dnrch  sie  pro  principe  Cro- 
atJM  et  aJiariim  partium  declariren  lassen.  Videntiir  souintn? 
BUiit  verissima  nt  ego  i]>4e  non  crederem,  nisi  cum  meo  perl- 
nilu  rideirom,  also  gehet  es  zne.  ich  hoffe  aber,  Gott  werde 
mir  beyat«hen.  und  will  sie  schon  ad  mores  bringen  und 
aoBT  liie  HngtT  klopfen,  d«s  die  köpf  wegspringen  sollen" 
(2fi.  Miirz  1670).  So  oft  er  auf  die  „croatischen  Schelmen- 
stuck* zu  sprechen  kommt,  giebt  er  seinem  Unmut  Aua- 
draok;  «f  entnchuldigt  i<ich  gewls-iurnuüt^n ,  do&a  ^  diesmal 
nnd    tVbarmcn    völlig   zu  nick  drängen    mtUiwt. 


140  Sitzung  der  historischen  Glosse  ttom  5,  Mai  1890. 

ungarischen  Sachen  geben  sich  gar  sehen  nnd  hatt  man 
mitt  den  processen  crimina  contra  Nadasdi,  Zerin  und  Fran- 
geban  auch  schon  an  ein  Orth  komen,  und  obwolen  ich 
sonsten  nitt  gar  böss  bin,  so  muss  ich  dissmal  per  forza 
seyn  und  möchte  es  sich  wol  schickhen,  das  man  bey 
nächster  ordinari  etwas  von  gestürzten  Köpften  hören  möchte* 
(22.  April  1670).  „Endlich  habe  ich  müessen  dem  Recht 
sein  lauff  lassen,  und  sein  also  der  Nadasdi  zu  Wien,  der 
Zerin  und  Frangepan  zue  Neystatt,  ein  gewisser  Bekis,  ein 
Edelmann,  zue  Pressburg  durch  das  schwerdt  vom  leben 
zum  Tod  gericht  worden.  Werde  dem  Hoff  Gantzier  be- 
felhen,  euch  data  occasione  ein  wenig  von  ihren  Stickheb 
communication  zue  geben.  Izt  sein  die  Hungam  zimblich 
ruhig  und  hoffe  ich  baldt  alles  in  gantz  andern  Standt  zue 
bringen*  (6.  Mai  1670).  »So  erinnere  ich  euch,  dass  ich 
endlich  auch  in  Erblanden  der  Justiz  ihren  lauff  habe  müessen 
lassen,  weillen  dann  der  Tattenbach  auch  mit  Zerin  inter- 
essirt  gewast  und  das  crimen  laesae  (majestatis)  begangen  hatt, 
also  wirdt  er  gesterdt  zu  Graz  noch  seyn  durch  das  schwerdt 
gerichtet  worden.  Ich  habe  es  nitt  gern  (getan),  allein  ne 
Hungari  possent  credi  (sie),  (Jernianis  omnia  condonari,  illos 
solura  .  .  .,  undt  damitt  auch  die  Erblanden  ein  Exempel 
haben,  hab  ichs  müessen  geschechen  lassen.  Gott  seye  seiner 
Seel  genädig!**  (2.  Dezember  1671)  Das  ivst  nicht  die  Sprache 
eines  blutdürstigen  Wütheriehs,  wie  der  Kaiser  wegen  seines 
Vorgehens  gegen  die  ungarischen  Rebellen  wohl  genannt 
worden  ist,  —  das  ist  die  Sprache  eines  strengen,  aber  ge- 
rechten Richters,  der  sich  seiner  Verantwortung  bewusst  ist 
und  nur  um  der  Wohlfahrt  seiner  Staaten  willen  von  seinem 
Begnadigungsrecht  keinen  Gebrauch  macht. 

Von  den  tapferen  Thaten  seiner  Kavaliere  und  Offiziere 
in  den  Kämpfen  in  Ungarn  berichtet  Leopold  mit  stolzer  Be- 
friedigung,   aber  ein  Hemmschuh    der  Kriegführung    ist  der 


[Jtfigtl:  Bnträ^f  lur  VharnklenMtk  Rainer  Leopold«  I.        141 

MnoK^l  am  ,nervus  belli*,  am  nütigen  Gelde.  .Hnnc  si 
Hiäpani  mihi  non  tribuerint,  vere  res  nostrae  male  ibunt* 
(Tt.  Oktober  lii72).  Die  Klage  liiirilber,  doss  die  von  Hpanieu 
xiitifleichurten  Siibsidierinfelder  nur  tropfenweise  einlaufen, 
kehrt  immer  wipiler.  Auch  nn  den  K&mpf  mit  Frankreich 
geht  er  nur  mit  Mi»8bebagen,  weil  er  nicht  auf  genügende 
ttnU!R4tnt/.iitig  rtfclineu  jm  können  glaubt.  .Koitibt  mir  vor, 
jrir  machen»  wie  die  Schwaben,  so  Einer  denie  Andern  zue- 
iriegeu  hatt,  gang  Du  voran,  ich  Horge  nber,  et  utinara 
nugur,  wann  wir  in  der  Wasch  wol  impegDiH 
l^werden,  so  werde  man  uns  steckhun  lassen*  (2.  No- 
'  1672).  In  Madrid  tauchen  deshalb  wieder  die  alten 
Werden  ntif,  dn^i«  es  dem  Kaiser  an  der  nötigen  Enerf^e 
I  wohl  gar  am  guten  Willen  fehle,  gegen  das  Übermütige 
Fraiikrfich  V'>r7,ngeheii.  L^ipuld  ent.schuldigt  sich  mit  seiner 
isolirtftn  Stellung.  ,Da  &4  fast  das  Ansehen  hat,  ilass 
niemand  von  den  Khurfünnten  aus  dem  lleich  es  mitt  A.  P. 
(dem  Kai."er)  hnidten  wollen,  abni  kann  mann  auch  nitt  mitt 
dirm  Koptf  wider  die  Mauer  lautfen.  Wollen  xie  dann  so 
Jniip  rationes  anh&ren,  so  mueas  ich  die  Sachen  Gott 
in  und  das  Werckh  lauffen  laxsen*  (it.  August  1673). 
ftber  endlich  der  Kampf  gegen  Frankreich  beschlosaen 
worden  ist,  geht  auch  durch  des  Kaisers  Briefe  ein  etwas 
schneidigerer  Zug.  Er  selbst  will  zwar  nicht  mit  in's  Feld 
neben,  weil  er  noch  keinen  Nachfolger  hat,  aber  zur  Truppen- 
«hun  begiebt  er  sich  im  AuguRt  1673  nach  Eger.  Ueber 
30,000  Mann  nnd  hier  /ii^mmengezogen,  so  prächtig  montirt, 
,dafM  man  die  Gemeinen  wol  vor  Ol^zier  halten  kßnnt*. 
In  den  Kaisers  Gefolge  allein  befinden  sich  20  Forsten  und 
540  Cavalierc.  .Wann  es  die  Spanier  allda  hören  werden, 
sie  mächtig  lo^en.  Balbaces  obatupnit  uh  tantam 
liUtm*  (25.  August  ]i;73).  Um  für  die  Waffen  der 
Hilfe  von  üben  zn  erflehen,  geht  er  auf  den   hl.  Berg 


Eihn 


bei    I'n 


'alUabre 


ilar 


kehrt 


nach 


142  Sitzung  der  higtorisehen  Classe  vom  5.  Mai  1890 

kurzem  Aufenthalt  in  Prag*)  nach  Wien  zurück  und  hier 
kommt  es  endlich  zur  Katastrophe:  dem  französischen  Ge- 
sandten werden  die  Pässe  zugestellt.  ,  Diese  Zeittung*' 
schreibt  er  am  21.  September  1673,  «zweiffle  ich  nicht 
werde  allda  (in  Madrid)  noch  gar  angenehm  sein,  weillen 
sie  es  also  starck  schon  lang  verlanget  haben.  Ich  bin  voa 
Hertzen  froh,  wäre  schon  längst  gern  sein  loss  worden, 
habe  niemahl  aber  nicht  legitiraas  caussas  gehabt,  nunmehr 
aber  ist  nicht  mehr  zeit  gewest,  Ceremonias  zu  brauchen.*^ 
Die  nächsten  Briefe  bringen  noch  bittere  Klagen,  dass  der 
Kaiser  auch  diesmal  die  gehoffte  Unterstützung  der  Reichs- 
fürsten nicht  finde,  da  die  Franzosen  «absonderlich  durch 
Geld  so  mächtig  in  Teutschland  eingerissen^;  über  den 
weiteren  Verlauf  des  Streites  mit  Frankreich  sind  wegen  der 
Abberufung  Poetting's  aus  Madrid  Nachrichten  nicht  mehr 
geboten. 

In  günstigstem  Lichte  zeigt  sich  der  Kaiser  in  den 
auf  sein  Familienleben  bezüglichen  Mitteilungen.  In  einer 
Zeit,  da  das  in  Versailles  herrschende  Mätressen wesen  fast 
an  alle  deutschen  Höfe  verpflanzt  war,  blieb  Leopold  ein 
zärtlicher  Gatte,  ein  besorgter  Vater.  Aus  den  Briefen  an 
Poetting  lässt  sich  ersehen,  dass  er  unablässig  bemüht  war, 
seiner  Gattin,  die  nicht  einmal  hübsch  gewesen  sein  soll,*) 
Freude  zu  machen.  Bald  lässt  er  ihr  zu  Liebe  spanische 
Musik  aufluhren,  bald  veranstaltet  er  Tanz  und  Mummen- 
schanz; die  Costumebilder  sendet  er  nach  Madrid.  Auch 
sonst  werden  Geschenke  zwischen  den  beiden  Höfen  aus- 
getauscht; freilich  fand  nicht  Alles,  was  aus  Madrid  kam, 
den  Beifall    des  Kaisers.     Als    für  seine  Gattin  einmal  neue 

1)  Von  Pra^  ist  besonders  der  spanisehe  (.iesandtfi  entzUckt. 
^Ist  ganz  in  diese  »Stadt  verliebet.  Saj^t,  er  kenne  nit  oapireOf 
waruHib  wir  die  Residenz  zu  Wienn  und  nicht  allhier  hätten"  (6.  Sep- 
tember 1673). 

2)  Scheichl,  12. 


Hri^el:  Beilf'iyf  lur  ChirniUrUtik  Kaiser  J^opolilx  I.      1-13 

gesendet  vrord«ii,  achreilil,  er:  .Möcht  ich  wo! 
wissen,  wfw  '\i>:  !<|>aiiischen  Dames  jetzo  vor  Uhren  haben 
nini^ttsen.  itiis  sie  solche  Ohren^ehenk,  tjue  illura  am  Brnndes 
drohen  können,  no  liiich  ein  guette  Htymolugiam  hüben: 
Mi  .  .  .  bien  tiraii  ]an  iirejaa'  (15.  Juni   lti72). 

AWr  oft  ^emig  kehrte  hitteres  Leid  in  der  Hotburg  ein; 
von  vier  Kindern,  welche  Mar^nrita  dem  Ijatteii  ncheokte, 
blieb  nur  eine  Tochter,  Marie  Antonie,  am  Leben,  und  nach 
Hiebenjäbri);er  )r|(lcklicher  Gbe  utarb  Margarita  Reibst  (12.  März 
1(175).  Ijeaiiold  sellist  /.eigt  e^  in  tiefer  Bewegung  dem  Qe- 
saodt'in  KP.  iLiebf'rv.  Poetting,  diesen  BrieS  hebeich  leider 
mit  dem  Ruf  an;  Miseremini  mei,  miseremini  mei,  vos  amici 
nwi,  quia  manus  domini  tetigit  me,  dann  der  gröKstschreckhen, 
der  «ein  kiuin,  der  hatt  mich  gedroffen,  nemblich  der  Doth 
mdütir  allerliehsten,  ach  leider!  nunmehr  ?ertubrenen  gti> 
mahlin,  der  Kayaerin,  ro  vorgesterdt  umb  2  vormittags  ver- 
Kchiduii  ikI.  nuch  uchttitgiger  indispositinti.  Icii  hiUte  wnl 
ein  lind  ander»  von  diesen  fall  au  schreiben,  ist  mir  aber 
anmirh  unmöglich,  und  wollet  allein  obacht  haben,  damit 
disea  trtt-te  mnicio  also  der  Königin  beygebrucht  werde,  da- 
tuii  auch  nie  nit,  in  Qetahr  kombe,  und  ich  auch  noch  mehr 
Inwtßrzt  werde,  btt  wol  ein  iinwiderbringhclier  .icbnden  viir 
mich,  dann  ich  weis,  was  ich  verloren  habe  und  wie  wir 
ein^iuder  geliebt.  Ihr  werdet  mich  compatiern,  dann  ihr 
bi^t  auch  einmal  schon  ein  liebes  weib  verlohren.  Und 
weilleu  allein  di^er  Cnrier  niitt  diser  elenden  Zeittung  ge- 
whickbet  wird,  aUo  remettire  ich  mich  ad  alias  und  ver- 
lileibe  Kuer  gnüdigKter  Herr  Leopold.  Scbinbrunn  den 
U.  tfartit  tiJ73.  Die  ministri  haben  mich  herausgebracht 
Dml  haben  nit  gewolt,  da«  ich  in  der  Statt  hab  verbleiben 
aollen."  Im  urichsten  Briefe  l^rOhrt  er  nttchmals  den  er- 
«chDtternden  Verlunt,  Ober  welchen  ihn  nur  sein  Qottvertrauen 
^fL  ttüsten    vermag,     .und    ist  en   wol    ein    emchrOckltcher 


teil,  aber  i 


liitt   siibmittiren    und  sich  mitt 


144  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  5i  Mai  1890. 

selbigem  in  kein  Disputat  einlassen  so  zwar  ietzo  mir  wohl 
gar  schwer  ankombt*   (22.  März  1673). 

Allein  die  Politik,  um  deren  willen  er  schon  früher  den 
Tod  der  Töchter,  »weillen  es  ja  doch  nur  Madel  waren*,  leichter 
verschmerzte,  zwang  ihn,  obwohl  die  Trauer  ob  des  erlittenen 
Verlustes  in  ihm  noch  lebendig  war,  an  neue  Vermählung  zu 
denken.  Die  Wahl  fiel  auf  Erzherzog  Ferdinands  Tochter, 
Claudia  Felicitas;  von  welchen  Gedanken  er  dabei  geleitet  war, 
enthüllt  ein  Brief  an  Poetting  vom  12.  Juli  1673.  „Und  weillen 
ich  von  allen  Orthen  sehr  angetrieben  werde,  ad  secunda 
vota  zu  schreiten,  absonderlich  aber  von  Ihro  Bäbstlicher 
Heyligkeit,  und  auch  die  Königin  in  Hispanien  noch  selbes 
alss  eurem  vermelden  nach  gar  starckh  verlangen  wird,  also 
habe  ich  mich  endtschlossen,  mich  widerumb  zu  verhayrathen 
und  zwar  cum  Serenissima  Claudia  Feiice  Oenipontana.  Ich 
hette  zwar  wol  gern  den  annuum  luctum  ausgewartet,  man 
hat  es  aber  mir  nit  zuelassen  wollen,  also  hab  ich  billich 
publicum  borrum  privato  dolori  vorziehen  müassen. 
Die  Ursachen  electionis  Serenissimae  Claudiae  seyn  nach- 
folgende: 1^,  Das  es  selbst  ipse  summus  pontifex  vorschlage, 
alss  auch  A  C  (Königin  von  Spanien)  iteratis  vicibus  mir 
vorgeschlagen,  dass  es  fast  schaind,  Gott  wöU  es  also,  in- 
deme  die  Heyrath  mit  A  R  (?)  niemals  hatt  vollbracht  können, 
auch  vox  populi  vocem  Dei  zu  inferiern  pflegt.  2^,  Das  Sie 
in  hosten  Jaren.  indeme  sie  den  30.  Mai  jüngsthin  20  Jar 
complirt  hatt,  auch  starckh  und  gesund  seye,  3*^,  von  guetter 
gestaldt  (all,  non  tali,  qua  mea  unica  Margarita!),  auch  von 
trefilichem  humor,  allen  tugendten  und  absunderlich  pietas 
seye,  4*,  das  sie  von  meinem  Haus  ist,  auch  meine  Dochter 
nicht  leicht  ein  böasere  Stieffmutter  würde  finden  können, 
5",  das  es  nit  so  viel  dotes  und  andere  spesen  bedarfl',  auch 
conie  con  figlia  de  casa  nit  vill  caeremonien  gemacht,  die 
Hochzeit  auch  sine  festu  kann  gehaldten  werden.  Diese 
motivos  habe  ich  alle  aportieren  wollen,  damit  ihr  data 
occasione  euch  derselben  bedienen  mögen.  ** 


Heigel:  Beiträge  zur  Charakteristik  Kaiser  Leopolds  L    145 

Besonderes  Interesse  bieten  die  Nachrichten  über  die 
Böcherankäufe  in  Spanien,  die  im  kaiserlichen  Auftrage 
durch  Poetting  vermittelt  wurden.  Bekanntlich  war  in 
Leopold,  der  sich  sonst  nicht  leicht  in  seinem  behäbigen 
Stillleben  stören  Hess,  eine  Neigung  der  Steigerung  zur 
Leidenschaft  fähig,  die  Vorliebe  für  seltene  oder  wertvolle 
Bücher  und  Handschriften.  Doch  nicht  ausschliesslich  der 
Eifer  des  Sammlers  leitete  ihn;  namentlich  aus  den  zwischen 
dem  Kaiser  und  seinem  gelehrten  Bibliothekar  Lambeccius 
gewechselten  Briefen  lässt  sich  ersehen,  dass  es  dem  Kaiser 
aufrichtig  darum  zu  thun  war,  auch  den  Inhalt  der  Schätze 
seiner  Bibliothek  sich  eigen  zu  machen.  Schon  sogleich  bei 
dem  ersten  Gang  durch  die  Bücherei  sprach  Leopold,  wie 
Lambeccius  bezeugt,  «mit  solcher  Gewandtheit,  Genauigkeit 
und  Wohlredenheit,  dass  man  sowohl  über  die  Kraft  seines 
Gedächtnisses  und  die  Schärfe  seines  Urteils,  wie  über  die 
Wahl  seiner  Worte  staunen  musste.*  ^)  Die  Auswahl  der  Werke, 
die  er  sich  von  Lambeccius  vorlegen  Hess,  verrät  in  der  That 
eine  überraschende  Vorurteilslosigkeit.  Nicht  bloss  Macchia- 
velli*s  und  Baco's  Schriften  zog  er  in  den  Kreis  seiner  Studien, 
sondern  auch  die  Bibelübersetzung  Luthers  und  die  Schriften 
des  Erasmus  von  Rotterdam  über  die  Reformation,  und  wenn 
er  auch  im  Allgemeinen  jene  philosophischen  Werke,  welche 
unmittelbare  Anknüpfungspunkte  an  die  spekulative  Richtung 
der  Theologie  gewähren,  bevorzugte,  so  schloss  er  auch  jene 
Schriften  nicht  aus,  welche  besseres  VerslÄndniss  der  Gegen- 
wart erschlossen  oder  Erforschung  der  Natur  und  ihrer 
ewigen  Gesetze  sich  zur  Aufgabe  stellten. 

Das  günstige  Urteil,  das  Lambeccius  über  die  Bildung 
und  den  Bildungseifer  Leopolds  fallt,  findet  durch  zahlreiche 
Anweisungen  für  Poetting  Bestätigung.  Am  30,  November 
1669  beauftragte   er   ihn  —  ^weillen  ich  ein  mlk 


1)  Karajan,  8. 
1880.  PliUM.-p]dloL  n.  bist  CI.   H.  1. 


146  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  5.  Mai  1690, 

Liebhaber  der  Bücher  bin,"  —  im  Fall  des  Ablebens  des 
hochbejahrten  Marquese  Feriua  die  berühmte  Bibliothek 
dieses  Bücherfreundes  zu  erhandeln.  1670  kaufte  er  durch 
Poetting's  Vermittlung  des  Cabrega  Bibliothek.  Fast  in  jedem 
Briefe  erfolgt  eine  Anfrage,  ob  nicht  dieses  oder  jenes  Werk 
zu  erlangen  wäre,  wobei  freilich  immer  die  möglichste  Spar- 
samkeit angeraten  wird.  Den  Preis  von  200  Dublonen 
für  das  Buch  de  triumphis  Maximiliani  findet  er  zu  hoch  — 
„Kan  ich  nicht  über^s  Hertz  nehmen,  umb  ein  Buch  allain 
so  vill  zu  zahlen*  —  um  so  weniger,  da  nach  seiner  An- 
sicht das  in  seiner  Bibliothek  befindliche  Exemplar  als 
Original  anzusehen  sei  (17.  Dezember  1670).  Eifrig  betrieb 
er  die  Anfertigung  einer  Abschrift  des  Katalogs  der  Escorial- 
Bibliothek ;  er  wies  den  Gesandten  an,  den  F.  P.  Hieronymiten 
dafür  2 — 400  Thaler  zu  bezahlen.  Kaum  war  der  Katalog 
in  seinen  Händen,  wurde  das  Escorial  samt  der  kostbaren 
Bibliothek  ein  Raub  der  Flammen.  »Wie  laid  ist  mir  umb 
das  abgebrniiene  Escorial,  und  haldt  ich  es  selbst  vor  kein 
kleines  unglückh,  aber  alss  umb  nil  ist  mir  laider  als  umb 
die  Manuscripten ,  dann  sein  die  verloren ,  so  können  sie 
durch  kain  geldt  erstattet  werden.  Und  habe  ich  noch  den 
trost,  dass  ich  a  tempo  den  indicem  bekommen  habe,  das 
ich  auffs  wenigst  weis,  was  alda  gewest  ist.  Also  sein  dise 
zergen^liclie  Sachen,  und  soll  eim  woll  die  liist  vergehen, 
so  vill  geldt  zu  spendiren  anff  ge bauen  und  Sachen,  so  her- 
nach in  einem  augenblickh  zu  (staub)  reducirt  werden •* 
(15.  Juli  1671). 

Auch  was  Leopold  über  seine  scliwere  Krankheit  im  De- 
zember 1(W>9,  über  seine  Reisen,  seine  Bauten  etc.  erzählt,  bietet 
mannigfaltiges  Interesse,  doch  dürfte  schon  das  Dargebotene 
zurUenü^e  beweisen,  dass  wir  hier  eine  Quelle  ersten  Hanges 
zur  Geschichte  des  Kaisers,  den  sie  uns  menschlich  näher 
bringt  als  irgend    eine  andre,  vor  uns  haben.     Benützt  sind 


Heigel:   Beiträge  zur  Charakteristik  Kaiser  Leopolds  I,     147 

aus  der  ganzen  Korrespondenz  bisher  nur  ein  paar  Stellen 
in  Mailath^s  österreichischer  Geschichte.^)  Es  wäre  daher 
gewiss  wünschenswert,  dass  die  Briefe  —  womöglich  voll- 
ständig —  durch  den  Druck  der  Forschung  leichter  zugäng- 
lich gemacht  werden  möchten. 


1)  lieber  den  ungesehen  Aufstand  bei  Mailath,  lY,  95;   über 
die  angebliche  Vergiftung  des  Kaisers   im  Frühjahr  1670,  lY,    121. 


Herr  von  Oefele  hielt  einen  Vortrag: 

»Urkundliches   zur  Genealogie   der  Herzogin 
Judith  von  Bayern." 

Derselbe  wird  anderwärts  gedruckt  werden. 


Sitzungsberichte 

der 

köoigl.  bayer.  .Akademie  der  Wissenschaften. 


Philosophisch-philologische  Classe. 

Sitzung  vom  7.  Juni  1890. 

Herr  Bechmanu  hielt  einen  Vortrag: 

»Ueber  die  richterliche  Thätigkeit  der  Pon- 
tificeR  im  altröniischen  Zivilprozess". 

Dass  das  romische  Pontificalcollegium  bis  in  das  5.  Jahr- 
hundert der  Stadt  herab  einen  tiefgreifenden  Einfluss  auf 
Auslegung  und  Anwendung  des  Civilrechts  ausgeübt  hat,  ist 
unbestreitbar  und  unbestritten.  Um  so  mehr  gehen  aber 
die  Meinungen  der  Rechtshistoriker  darüber  auseinander,  in 
welchen  Formen  dieser  Einfluss  geübt  wurde.  In  der  Haupt- 
sache stehen  sich  zwei  Ansichten  gegenüber,  von  welchen 
dann  jede  wieder  in  mancherlei  Abschattungen  auftritt.  Die 
eine,  welche  unbedingt  als  die  zur  Zeit  herrschende  bezeichnet 
werden  kann,  und  welche  in  der  Hauptsache  auch  mit  der 
Ueberlieferung  des  Altertums  übereinstimmt,  beschränkt  das 
Kollegium  und  die  einzelnen  Mitglieder  desselben  auf  eine 
lediglich  respondirende  Thätigkeit  nach  Analogie  der  späteren 
republikanischen  und  der  kaiserlichen  Juristen.  Die  andere 
dagegen  nimmt  f(ir  die  älteren  Zeiten  eine  direkte  Mi^ 

1880.  PhÜML-pfanol.  a.  bist.  01.  II.  2. 


150         Sitzung  der  phüos.-phild,  Classe  vom  7,  Juni  1890. 

sei  es  des  Kollegiums,   sei   es   der   einzelnen    Mitglieder    bei 
der  Civilrechtspflege  an. 

Volle  Sicherheit,  ja  auch  nur  annäherungsweise  Ge- 
wissheit ist  in  allen  diesen  Fragen  der  älteren  römischen 
llechtsgeschichte  zur  Zeit  nicht  zu  erlangen,  teils  wegen  der 
Dürftigkeit  des  Quellenmaterials,  teils  aber,  und  vielleicht  so- 
gar noch  mehr,  wegen  des  beklagenswerten  Mangels  einer 
irgendwie  feststehenden  und  anerkannten  Methode  der  Verwer- 
tung desselben.  Man  wird  leider  —  trotz  aller  hervorragenden 
Leistungen  Einzelner  —  behaupten  dürfen,  dass  auf  keinem 
Gel)iete  der  historischen  Forschung  der  Subjektivismus,  oder, 
was  das  nämliche  ist,  die  Gleichgültigkeit  gegen  wissen- 
schaftliche Materialkritik  grösser  ist,  als  auf  dem  unsrigen. 
Je  nachdem  es  zu  den  aprioristischen  Construktionen  passt, 
wird  eine  Stelle  von  Plautus,  Cicero,  Livius,  Dionysius, 
Pomponius  u.  s.  w.  als  voUgnltiges,  historisches  Zeugnis  in 
Anspruch  genommen,  und  je  nachdem  es  nicht  passt,  werden 
e])en  diese  Schriftsteller  als  imglaubwürdig  bei  Seite  geschoben. 

Die  folgende  Studie  luit  daher  von  vornherein  keinen 
andern  Zweck,  als  die  oft  erwogenen  Gründe  darzulegen, 
welche  den  Verftusser  bestimmen,  sich  für  diejenige  Haupt- 
ansieht zu  entscheiden,  welche  eben  als  die  Ansicht  der 
Minorität  bezeichnet  worden  ist.  Alle  direkte  Polemik  ist 
dabei  nach   Möglichkeit  vermieden. 

I. 

Der  i)h)s>en  begutachtenden,  Rat  und  Aufschluss  er- 
bMlenden  Thiitigkeit  als  solcher  fehlt  die  äussere  Autorität 
und  die  äussere  Nötigung,  auf  der  die  (ieltung  des  Rechtes 
schh'chthin  beruht.  Niemand  ist  verpflichtet,  ein  Gutachten 
überlijiupt  und  von  einer  bestimmten  Person  insbesondere 
einzuholen,  und  Niemand  ist  verpflichtet,  dem  erstatteten 
Gutachten  einen  grösseren  EinHuss  auf  sein  Verhalten  zu 
gewähren,    als    dem  Masse    von    innen»r  I'elierzeugungskrafb 


Beckmann:  üeber  die  richterliche  Thätigkeit  der  Pontifices  etc.    151 

entspricht,  das  die  fremde  Ansicht  auf  seine  eigenen  An- 
schauungen ausQbt.  Wer  also  dem  Pontifikalkollegium  eine 
bloss  respondierende  Thätigkeit  beilegt,  verzichtet  damit  von 
vornherein  auf  die  Erklärung  des  überwiegenden,  ja  aus- 
schliesslichen Einflusses,  den  dasselbe  auf  die  Erklärung  und 
Fortbildung  des  Civilrechtes  gehabt  hat.  Denn  der  blos 
moralische  Einfluss  des  Kollegiums  kann  angesichts  seiner 
exklusiv  patrizischen  Zusammensetzung  und  Tendenz  gewiss 
nicht  —  insbesondere  in  den  Zeiten  nach  den  zwölf  Tafeln 
—  als  unbedingt  ausreichend  und  Ausschlag  gebend  be- 
trachtet werden.  Gerade  in  dem  Zurücktreten  des  moralischen 
üebergewichts  würde  vielmehr  ein  spezifischer  Gegensatz  des 
Collegiums  zu  den  späteren  republikanischen  Juristen  erblickt 
werden  müssen. 

Dieses  Bedenken  empfindet  denn  auch  die  antike  Tradition 
und  verstärkt  darum  die  blos  respondierende  Thätigkeit  der 
Pontifices  durch  ein  Moment  äusserer  Autorität.  Die  Rechts- 
auslegung und  Rechtsanwendung  sei  sorgfältig  gehütetes 
Geheimnis  des  Kollegiums  gewesen;  durch  diese  Geheim- 
haltung seien  alle  diejenigen,  welche  zum  Rechte  in  eine 
praktische  Beziehung  traten,  genötigt  gewesen,  sich  um  Auf- 
schluss  und  Oeffnung  an  das  Kollegium  oder  an  einzelne 
Mitglieder  zu  wenden,  und  der  erteilte  Aufschluss  habe  eben 
um  seiner  Unkontrollierbarkeit  willen  die  Kraft  äusserer 
Autorität  gehabt.  So  gelangen  wir  denn  zu  potenzierten 
Gutachten ,  die  nur  die  Pontifices  als  die  ausschliesslich 
Wissenden  erteilen  konnten,  die  eben  deshalb  notwendig  ein- 
geholt werden  mussten,  und  die  für  alle,  an  die  sie  direkt 
oder  indirekt  gerichtet  waren,  unbedingt  wie  Orakelsprüche 
bindend  waren. 

An  dieser  Tradition  und  der  daran  sich  anschliessenden 
Erzählung  von  der  revolutionären  That  des  Appius  Claudius 
Coecus  oder  seines  Schreibers  Cn.  Flavius  hält  auch  die 
heutige  Kechtsgeschichte  überwiegend  fest;  einzelne 


152         Sitzung  der  philos.-pliilol,  Classe  vom  7,  Juni  1890. 

Verschiedenheiten,  wie  z.  B.  darüber,  ob  Flavius  im  Auftrag 
oder  vielmehr  gegen  den  Willen  das  Appins  mit  der  Ver- 
öflFentlichimg  des  bisher  geheim  Gehaltenen  voranging  u.  s.  w. 
können  hier  füglich  auf  sich  beruhen  bleiben.  Dass  die 
weitere  Erzählung,  Flavius  habe  auch  den  bis  dahin  geheim 
gehaltenen  Gerichtskalender  veröffentlicht,  in  dieser  Form 
eine  bare  Unmöglichkeit  ist,  hat  unsere  Rechtsgeschichte  in 
dem  Festhalten  des  anderen  Teils  der  Ueberlieferung  nicht 
wesentlich  zu  erschüttern  vermocht. 

Nach  der  Tradition  hat  sich  —  vom  Kalender  abge- 
sehen —  das  Geheimnis  des  Pontificalkollegiums  auf  zwei 
Punkte  bezogen: 

1.  auf  die  sogen,  legis  actiones,  d.  h.  auf  die  Spruch- 
formulare, deren  sich  die  Parteien  vor  dem  rechtspflegenden 
Magistrat  bedienen  mussten,  um  ein  formell  gültiges  Ver- 
fahren überhaupt  zu  Stande  zu  bringen.  Diese  Formulare 
wurden  im  Anschlüsse  an  das  Gesetz  vom  Kollegium  com- 
poniert,  dann  aber  als  sorgfaltig  gehüteter  Schatz  geheim 
<(ehHlten;  wer  klagen  wollte,  rausste  sich  die  Formel  erst 
vom  CoUegium  geben  lassen.  Jedes  Abweichen  von  der- 
selben aber,  selbst  nur  in  einem  Worte,  hatte  sowohl  die 
Nichtigkeit  des  Verfahrens,  als  auch  die  Unznlässigkeit,  das- 
selbe in  verbesserter  Form  zu  wiederholen,  also  das  sogenannte 
causa  cadere  zur  Folge.  Gaius  berichtet  zur  Veranschau- 
lichung einen  Fall,  der  sieh  wahrscheinlich  in  der  Tradition 
lebendig  erhalten  hatte:  Jemand,  der  wegen  abgeschnittener 
Reben  klagen  wollte,  gebrauchte  statt  des  formelgerechten 
Wortes  arbores  das  dem  wirklichen  Sachverhalt  entsprechende 
Wort  vites. 

Sodann  aber  war: 

2.  —  was  mit  dem  vorigen  zwar  zusammenhängt,  aber 
nicht  identisch  ist,  —  auch  die  Auslegung  des  Gesetzes,  ins- 
besondere der  zwölf  Tafeln  zugleich  ein  Vorrecht  und  ein 
Geh(Mnniis    des    Collegiums.     Nicht    nach    wissenschaftlichen 


Beckmann:  lieber  die  richterliche  Thätigkeit  der  Pontißces  etc,   153 

Grundsätzen,  sondern  in  materiell  sehr  willkürlicher  und 
formell  traditioneller  Weise  wurde  das  Gesetz  und  folglich 
auch  die  Spruchformel  auf  Fälle  ausgedehnt,  die  unter  den 
Wortlaut  nicht  einbezogen  werden  konnten;  und  umgekehrt 
wurde  auch  dem  Gesetze  die  Anwendung  verweigert  auf 
Fälle,  die  unter  den  Wortlaut  desselben  unzweifelhaft  fielen, 
z.  ß.  die  dem  Wortlaut  der  zwölf  Tafeln  gegenüber  schlecht- 
hin willkürliche  Beschränkung  des  Intestat-Erbrechts  der 
Frauen  auf  den  Verwandtschaftsgrad  der  consanguineae. 
(Allerdings  ist  es  nicht  nachweisbar,  dass  diese  beschränkende 
Auslegung  schon  auf  das  Collegium  zurückgeht,  wahrschein- 
lich aber  ist  es,  trotz  der  Voconiana  ratio,  in  höchstem 
Orade). 

Auch  in  Beziehung  auf  die  materielle  Rech tsan Wendung 
waren  also  Parteien  und  Gericht  an  die  Oeffnung  des  Col- 
legiums  gebunden. 

Nun  war  aber 

1.  das  Verfahren  vor  dem  Magistrat  von  jeher  unbedingt 
mündlich  und  unbedingt  öffentlich.  Wie  mit  dieser  Ein- 
richtung eine  durch  Jahrhunderte  sich  hinziehende  Geheim- 
haltung der  Spruchformulare  verträglich  sein  soll,  habe  ich 
niemals  begriffen.  Die  Formeln  sind  nicht  für  den  einzelnen 
Fall  componiert  worden,  sie  waren  stereotyp;  und  wenn  auch 
die  Zahl  derselben  eine  ungleich  grössere  gewesen  sein  wird, 
als  die  uns  zufällig  erhaltenen,  so  haben  sie  sich  doch  fort 
und  fort,  die  einen  häufiger,  die  anderen  seltener  wiederholt. 
Jedem  aufmerksamen  und  einigerniassen  sachverständigen 
Zuhörer  konnte  es  nicht  schwer  fallen,  wenigstens  die  häufig 
wiederkehrenden  dem  Gedächtnisse  einzuprägen,  und  zu  Hause 
aufzuzeichnen.  In  der  That  behauptet  auch  ein  neuerer 
Rechtshistoriker,  ^)  dass  die  Sammlung  des  Appius  Claudius, 
von    dem   gar   nicht   feststeht,    dass   er   selbst  Mitglied   des 


1)  Jörs,  Geschichte  der  Rom.  Rechtswissenschaft  I,  S.  66. 


1 


154         Sitzung  der  philosrphüol.  Glosse  vom  7,  Juni  1890. 

Collegiuins  war,  gerade  auf  diese  Weise  entstanden  sei. 
Damit  ist  das  , Geheimnis^  prinzipiell  aufgegeben,  und  es 
wäre  nur  zu  erklären,  warum  nicht  schon  lange  7or  Appius 
ein  Anderer  auf  dieses  einfache  Kunststück  verfallen  sei. 
War  das  Verlangen  des  Volkes  nach  einer  solchen  Samm- 
lung so  gross,  dass  der  Herausgeber  Flavius  nach  dem  Be- 
richte des  Pomponius  mit  allen  möglichen  und  auch  einigen 
unmöglichen  Ehren  überschüttet  wurde,  so  ist  diese  Ver- 
zögerung nur  um  so  schwerer  zu  begreifen. 

Noch  niemand  weder  im  Altertum  noch  in  der  Neuzeit 
hat  behauptet,  dass  die  Spruchformeln  der  Rechtsgeschäfte, 
nexum,  mancipium,  und  die  zum  Teil  recht  komplizierten 
Formulare  der  Schein-  und  der  Fiduciar-Öeschäfte  ein  Ge- 
heimnis gewesen  seien,  obschon  doch  auch  sie  nicht  direkt 
im  Gesetze  standen,  sondern  in  älterer  oder  jüngerer  Zeit 
componiert  worden  sind.  Wie  diese  Formeln  und  Formolare 
auf  Grund  des  täglichen,  öffentlichen  Gebrauches  jedermann 
bekannt  sein  konnten,  lange  ehe  es  geschriebene  Sammlungen 
derselben  gab,  gerade  so  musste  es  sich  mit  den.  prozessualen 
Formularen  verhalten,  die  zum  Teil  auch  nicht  einmal  kom- 
plizierter und  unverständlicher  waren,  als  jene. 

Auch  darf  nicht  ausser  Acht  gelitssen  werden,  dass  die  Mit- 
teihmg  des  Formulars  aus  den  „Penetralien"  der  Pontifices*) 
im  einzelnen  Falle  nicht  wohl  anders  als  schriftlich  erfolgen 
konnte;  denn  dass  etwa  ein  Pontifex  die  Partei  vor  Gericht 
begleitete,  und  ihr  dort  die  Formel  vorsprach,^)  ist  weder 
durch  ein  äusseres  Zeugnis  beglaubigt,  noch  aus  inneren 
Gründen  irgendwie  wahrscheinlich;  wäre  ein  solcher  ,Für- 
sfjrech"  in  Thätigkeit  gewesen,  so  wäre  die  Geschichte  von 
den  vites  ganz  unbegreiHich.  Lagen  aber  schriftliche  Oeff- 
nungen  vor,  welches  Hindernis    bestand   dann    vollends,  dass 

1)  Livius  IX,  46:  Civile  ins  repositum  in  pcnetralihus  Pontificuni. 

2)  Jür8,  a.  a.  0.,  S.  19. 


Beckmann:  lieber  die  richterliche  ThätigkeU  der  Pontifices  etc.   155 

dieselben  schon  von  jeher,  sei  es  einzeln,  sei  es  in  Samm- 
hingen abschrifth'ch  verbreitet  wurden. 

Dass  sich  Appius  Claudius  oder  sein  Schreiber  irgend- 
wie um  die  Erleichterung  der  Prozessföhrung  den  Parteien 
verdient  gemacht  haben,  wird  als  sicherer  Kern  der  üeber- 
lieferung  festgehalten  werden  dürfen.^)  Alles  weitere  aber 
ist  tendenziöse  Aufbauschung,  sei  es  zum  Ruhme,  sei  es  zur 
Verlästerung  des  appischen  Geschlechtes.  Als  mitwirkender 
Faktor  mag  dabei  immerhin  die  unkritische  Verallgemeine- 
rung von  Einrichtungen  in  Betracht  kommen,  wie  sie  in 
Wirklichkeit  beim  Pontificalcoliegium  bestanden  haben.  Dass 
viele  Teile  des  ius  sacrum  Geheinilehre  waren,  ebenso  wie 
die  Kunde  vom  Vogelflug  Geheimnis  der  Auguren  —  und 
dass  insbesondere  gewisse  selten  angewendete  und  von  Fall 
zu  Fall  besonders  zurecht  zu  legende  Eidesformulare  sich  in 
den  «Penetralien*'  des  Collegiums  befanden,  ist  unzweifelhaft. 
Von  den  in  alltäglicher  Anwendung  stehenden  und  nach 
stereotypen  Formularen  zu  schwörenden  Eiden  lässt  sich  dies 
schon  nicht  behaupten,  und  soweit  bei  ihnen  ein  praeire 
verbis  vorkommt,  hat  dies  offenbar  eine  ganz  andere  Be- 
deutung. 

Durch  die  bisherigen  Ausführungen  sind  die  Schwierig- 
keiten der  herrschenden  Lehre  noch  keines weges  erschöpft. 
Sind  die  Formeln  Geheimnis  der  Pontifices,  so  sind  sie  es 
notwendig  für  Jedermann  ausserhalb  des  Collegiums,  also 
auch  für  den  Magistrat  und  den  Richter.  Woher  weiss  der 
Consul,  ob  die  vor  ihm  abgesprochenen  Formeln  die  richtigen 
sind ;  wie  vermag  der  Richter  zu  beurteilen,  ob  das  vor  dem 
Magistrat  stattgehabte  Verfahren  gültig  oder  nichtig  war; 
woher  wissen  Magistrat  und  Richter,  dass  der  Kläger  statt 
des  von  ihm  gebrauchten  Wortes  vites  das  Wort  arbores 
hätte  gebrauchen  müssen  ?    Wirklich  ist  auch  neuerdings  be- 

1)  Mo  mm  Ben.    Das  Rom.  Staatsrecht,  I.  S.  44. 


15G         Sitzung  der  phUos.-phüol.  Glosse  com  7,  Juni  1690, 

haiiptet  worden,  ^)  das  Collegium  habe  an  der  Gerichtsver- 
handlung selbst  oflFiziell  durch  einen  Deputierten  Teil  ge- 
nommen, und  es  habe  diesem  ein  Recht  der  Inhibition  und  der 
Cassation  zugestanden,  sobald  die  Partei  von  der  correkten 
Formel  abwich.  Eine  solche  quasitribunicische  Amtsgewalt  des 
CoUegiuras  ist  aber  weder  überliefert,  noch  irgendwie  glaub- 
würdig; ich  halte  diese  Annahme,  die  auch  kaum  irgendwo 
Anklang  gefunden  hat,  für  eine  staatsrechtliche  und  prozessuale 
Unmöglichkeit. 

Als  historischer  Kern  bleibt  mir  also  nur  zweierlei  übrig: 
einmal,  dass  die  Processformeln ,  soweit  sie  nicht  überhaupt 
in  die  vorhistorische  Zeit  zurückreichen,  vom  Collegium  redi- 
giert worden  sind;  und  sodann,  dass  in  der  Mitte  des  5.  Jahr- 
hunderts der  Stadt,  auf  welchem  Wege  immer,  eine  Privat- 
sammlung —  ius  Flavianum  —  erschienen  ist,  durch  welche 
der  Gebrauch  derselben  erheblich  erleichtert  wurde. 

2.  Womöglich  noch  unhaltbarer  ist  die  Tradition  von 
der  Geheimhaltung  der  Auslegung  der  Gesetze  und  Spruch- 
fonnelii.  Kür  den  Richter,  der  das  Recht  anwendet,  kann 
dasselbe  doch  kein  Geheimnis  sein.  Stand  einmal  durch 
eine  Oeffnung  des  CoUegiunis  fest,  dass  unter  arbores  auch 
vites  zu  verstehen  sind,  oder  da^ss  Frauen  über  den  Geschwister- 
grad liinaus  kein  Intestat-Erbrecht  haben,  so  ist  diese  Aus- 
legung eben  ein  für  allemal  bekannt  geworden;  geheim 
bleii)en  allenfalls  nur  die  Gründe,  auf  welchen  solche  mehr 
oder  minder  willkürliche  Auslegung  beruht.  Man  kann  also 
höchstens  behaupten,  dass  das  Collegium  bei  neu  auftauchen- 
den Ifechtsfragen  vorzugsweise  zur  Auslegung  berufen  war 
und  dafür  in  Ansj)ruch  genommen  wurde.  A])er  selbst  nur, 
ob  diese  Auslegung  von  Anfang  an  mit  äusserer  Autorität 
ausgestattet;  war,  könnte  keineswegs  für  unzweifelhaft  gelten. 

1)  l'iin t  scha rt,  ?]ntwicklun^  des  prundgesctzlichcn  Givilrecht» 
der  Hünicr,  JS.  12  u.  sonst. 


Beckmann:  lieber  die  richterliche  Ihätigkeit  der  Pontifices  etc,   157 

Die  in  neuerer  Zeit  aufgestellte  Ansicht,  dass  dem  Collegium 
die  potestas  legum  interpretandarura  gewissermassen  als  Teil 
der  gesetzgebenden  Gewalt  delegiert  gewesen  sei,  hat  mit 
vollstem  Rechte  keinen  Anklang  gefunden.  Insbesondere 
wäre  gar  nicht  abzusehen,  welche  Rechtsmittel  gegen  einen 
Richterspruch,  der  sich  über  die  Interpretation  der  Pontifices 
hinwegsetzte,  bestanden  haben  sollten.  Das  alte  Recht  kennt 
weder  eine  Berufung,  noch  einen  persönlichen  Entschädi- 
gungsanspruch gegen  den  index  qui  litem  suam  fecit,  Ein- 
richtungen, mit  welchen  immerhin  die  äussere  Autorität  der 
kaiserlichen  Respondenten  durchgesetzt  werden  konnte.  Man 
müsste  also  zu  der  geradezu  abenteuerlichen  Annahme  greifen, 
dass  der  Deputierte  des  Collegiums  auch  der  Verhandlung 
des  Richters  als  lebendiges  Cassationsgericht  beigewohnt  habe. 

IL 

Die  am  meisten  hervorspringende  Eigentümlichkeit  des 
Civilprozesses  der  republikanischen  Zeit  ist  die  Trennung  in 
zwei  Abschnitte;  sei  es,  dass  dieselbe  unmittelbar  durch  Ge- 
setz oder  durch  die  Anordnung  des  Magistrats  herbeige- 
führt ist. 

Sehen  wir  nun  von  der  Eigentümlichkeit  der  Form  ab, 
so  gelangen  wir  zur  Unterscheidung  zweier  an  der  Rechts- 
pflege in  verschiedener  Weise  beteiligter  Faktoren:  auf  der 
einen  Seite  steht  das  Organ  der  Staatsgewalt,  das  dem  vor 
ihm  und  unter  seiner  Mitwirkung  in  den  vorschriftsmässigen 
Formen  sich  vollziehenden  Verfahren  den  Charakter  eines 
öffentlich  rechtlichen  verleiht,  auf  der  anderen  der  Richter, 
der  aus  seinem  Wissen  und  Gewissen  die  Entscheidung  da- 
rüber schöpft,  welche  von  den  beiden  streitenden  Parteien 
recht,  hat.  Dieser  Gegensatz  ist  im  Wesentlichen  kein  an- 
derer, als  der  des  Richters  und  des  Schöffen,  wie  er  dem 
germanischen  Prozesse  zu  Grunde  liegt,  der  des  Richters  und 
des  Geschworenen,  wie  er  im  heutigen  Strafprozesse  und  in 


158        Sitzung  der  phÜos.'phüal.  Clasae  vom  7.  Juni  1890, 

England  auch  im  Zivilprozesse  besteht.  Dass  im  republi- 
kanischen Verfahren  der  Schoflfe  oder  Geschworene  nicht 
gleichzeitig  mit  dem  Magistrat  und  unter  dessen  unmittel- 
barer Leitung  in  Thätigkeit  tritt,  sondern  formell  selbst- 
ständig handelt,  ist  eine  geschichtlich  zufallige  Einrichtung. 
Daher  ist  es  aber  auch  für  die  prinzipielle  Auffassung  gleich- 
gültig, ob  diese  Trennung  des  Verfahrens  in  zwei  räumlich 
und  zeitlich  geschiedene  Akte  unmittelbar  auf  Gesetz  (legis 
actio)  oder  auf  einer  vom  Magistrat  dem  iudex  von  Fall  zu 
Fall  kraft  Gesetzes  oder  kraft  Amtsgewalt  verliehenen  Voll- 
macht (Formularprozess)  beruht. 

Auch  dem  römischen  Rechte  der  republikanischen  Zeit 
ist  das  gleichzeitige  Zusammenwirken  von  Magistrat  und 
Schöffen  oder  Geschworenen  keineswegs  unbekannt.  Es  fand 
in  dem  Verfahren  der  strafrechtlichen  quacvstiones  perpetuae 
statt,  und  es  würde  auch  im  Centumviralprozesse  stattgefunden 
hai)en,  wenn  es  richtig  wäre,  —  was  sich  kaum  beweisen 
lässt^)  —  dass  dieses  Gericht  in  früherer  Zeit  unter  dem 
Vorsitz  des  Praetors  fungirt  hat.  —  Auch  wird  sich  nicht 
behaupten  lassen,  dass  die  im  Uebrigen  jedenfalls  sehr  früh- 
zeitig durchgeführte  Trennung  des  civilgerichtlichen  Ver- 
fahrens in  zwei  Abschnitte  sehr  natürlich  und  naheliegend 
ist.  Im  Gegenteil  wird  sie  als  etwas  durchaus  künstliches 
und  positives  augeseben  werden  müssen.  Und  zwar  gerade 
in  der  älteren  (iCvstalt  des  Legisactionen- Prozesses. 

Denn  hier  ])esteht  zwischen  den  beiden  Akten,  von  denen 
doch  der  zweite  den  gültigen  Verlauf  des  ersten  zur  uner- 
lässlicben  Voraussetzung  hat,  nicht  einmal  ein  äuvsserlich  er- 
kennbarer Zusammenhang,    wie  er   später   durch  die  schrift- 

1)  Die  Hie\hi  des  Plinins  Ep.  5,  21  ist  doch  wohl  für  die 
JlltoroTi  ZtMton  nioht  bewei-^kräftipj.  —  Iiiim(Tliin  ist  wenigstens  soviel 
bezeugt,  dass  bis  auf  Auj^istus  dos  Centumviralj?eriebt  quasimagi- 
stratische  VorHitzende  (die  Quaentorier)   hatte.     Suet.  Augast.    c.  36. 


Beckmann:  lieber  die  richterliche  Tfuitigkeit  der  Pontifkes  etc.   159 

liehe  Formel  hergestellt  wurde.  Das  verbindende  Element 
sind  lediglich  die  Litiscontestationszeugen ,  für  welche  zu 
sorgen  Sache  der  Parteien  ist.  Daher  ist  wohl  auch  schon 
die  Vermutung  ausgesprochen  worden,  dass  wenigstens  in 
der  spateren  Zeit  etwas  der  Formel  ähnliches  schon  im 
Legisactionenprozesse  bestanden  habe;  an  einer  äusseren  Be- 
glaubigimg für  diese  Vermutung  fehlt  es  vollständig,  auch 
würde  sie  die  Schwierigkeiten  für  die  ältere  Zeit  nicht  be- 
seitigen. 

Wohl  aber  liegt  aus  inneren  Gründen  die  Vermutung 
nicht  ganz  ferne,  dass  das  Trennungssystem  selbst  nicht  in 
die  älteste  Zeit  zurückreicht,  sondern  erst  später  durch  die 
äussere  Notwendigkeit  veranlasst  worden  ist.  Diese  und  ins- 
besondere das  Bedürfnis,  den  Gerichtsherren  möglichst  zu 
entlasten,  hat  auch  sonst  in  der  Entwicklung  des  republikan- 
ischen Prozesses  eine  grössere  Holle  gespielt,  als  man  ge- 
wöhnlich annimmt. 

Allerdings  irren  diejenigen,  welche  aus  solchen  und  ähn- 
lichen Erwägungen  den  Schluss  ziehen,  dass  der  römische 
König  und  ursprünglich  auch  der  Consul  die  Funktion  des 
Magistrats  und  des  Richters  in  seiner  Person  vereiniget  und 
nur  allenfalls  in  wichtigen  Sachen  ein  beratendes  Con- 
silium  zugezogen  habe.  Es  soll  die  Möglichkeit  und  Wahr- 
scheinlichkeit nicht  in  Abrede  gestellt  werden,  dass  in  ge- 
wissen, durch  Gewohnheit  und  Gesetz  näher  bestimmten 
Sachen  eine  solche  einzelrichterliche  Thätigkeit  des  Magistrats 
vorkommen  konnte.  Aber  entschieden  muss  in  Abrede  gestellt 
werden,  dass  dieselbe  die  Regel  bildete  und  sich  insbesondere 
auf  Prozesse  über  Freiheit,  Civität,  Eigentum,  Erbrecht  er- 
streckte.^) Es  ist  in  dieser  Beziehung  immerhin  charakte- 
ristisch, dass  unter  den  Freveln,  die  dem  letzten  Könige  zur 


1)  Belanglos   ist  die  Stelle  von  Cicero  de   republ.  V,  8.    Der 
Schwerpunkt  liegt   daraaf,    dass   es   in   der   Königszeit    noch    keine 


1(>0  Sitzung  der  philoa.'philol.  Classe  vom  7,  Juni  1890, 

Last  gelegt  wurden,  sieh  nirgends  ein  Missbrauch  der  civil- 
riehteHichen  Gewalt  angedeutet  findet  und  dass  daher  auch 
nirgends  mit  der  sogenannten  Einführung  der  Republik  eine 
Neuerung  nach  dieser  Seite  hin  in  Verbindung  gebracht 
wird.  Daraus  wird  gefolgert  werden  dürfen,  dass  die  Tra- 
dition von  einer  souveränen  Machtvollkommenheit  des  Königs 
in  Entscheidung  von  wichtigen  Civilprozessen  nichts  gewusst 
hat.  Andrerseits  legt  die  Ueberlieferung  dem  Pontifical- 
collegium  die  ausschliessliche  Rechtskunde  nicht  etwa  erst 
für  die  Zeit  nach  den  zwölf  Tafeln  bei;  gerade  um  den 
massgebenden  Einfluss  desselben  zu  brechen,  erging  geraume 
Zeit  nach  Vertreibung  der  Könige  der  Ruf  nach  geschriebenen 
Gesetzen;  und  aus  der  Geschichte  vom  Decemvirn,  der  als 
Richter  sein  eigenes  Gesetz  sofort  in  schnödester  Weise  ge- 
brochen hat,  kann  man  auch  einen  Ton  des  Hohnes  und 
Spottes  über  den  Misserfolg  der  dem  Einflüsse  der  Pontifices 
abträglichen  Bestrebungen  herausklingen  hören. 

Hiernach  erscheint  mir  die  Vermutung  nicht  allzu  ge- 
wagt, dass  in  der  Königszeit  zwar  nicht  das  Collegium  als 
solches  in  Civilsachen  zu  Gerichte  sass,  wohl  aber,  dass  das 
Königsgericht  aus  dem  König  als  Vorsitzendem  und  einer 
Anzjilil  von  Pontifices  als  urteilenden  Beisitzern  bestand,  und 
dass  vor  dem  also  besetzten  Gerichte  die  Sache  von  Anfang 
bis  zu  Ende  teils  mit,  teils  ohne  Spruchformeln  verhandelt 
wurde. 

Es  möge  zunächst  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
solche  Co'nsilien  nnt  nicht  blos  beratender,  sondern  be- 
scliliessender  Funkticm,  die  sich  also  vom  Collegium  nur 
durch  den   Mangel    der   St}i))ilität    unterscheiden,    auch    noch 


rrivatri<lit<'r  ^\\.h,  sondiTn  diiss  allf»  Kntschoidungon  erfolgten  iudiciis 
regiifl.     Wie  aber  diese  iudicia  regia  organisirt  waren,  ist  nicht  gesagt. 

1)  Liv.  I,  20. 


Beckmann :  üeher  die  richterliehe  Thätigkeit  der  Pontifices  etc.   IG  1 

später   vorgekommen   sind.     Ich    verweise   —   um   von   den 
quaestiones  perpetuae  ganz  abzusehen  — ,  auf  folgende  Fälle: 

1.  Die  lex  Atilia  räumt  das  Recht,  den  Vormund  zu 
ernennen,  dem  Prätor  und  der  major  pars  tribunorum  plebis 
ein.  Wir  haben  hier  kein  ständiges  Collegium,  denn  dem 
Collegium  der  Tribunen,  als  solchem  kann  der  Prätor  nicht 
Vorsitzen;  sondern  die  Beisitzer  werden  aus  dem  GoUegium 
von  Fall  zu  Fall  einberufen.  Darüber  aber  kann  nach  der 
Darstellung  des  Gajus  (U,  185)  nicht  der  geringste  Zweifel 
sein,  dass  diese  major  pars  tribunorum  plebis  dem  Prätor 
nicht  als  beratendes  sondern  als  beschli essendes  Ck)nsilium 
beigegeben  war.  Haben  wir  hier  zugleich  das  Beispiel 
eines  Gonsilium  mit  Beisitzern,  die  einem  Collegium  ange- 
hören, dessen  Mitglied  der  Vorsitzende  nicht  ist,  ja  nicht 
einmal  sein  kann,  so  ist  die  Annahme  umso  unbedenklicher, 
dass  das  Königsgericht  aus  König  und  Pontifices  bestand. 

2.  Aus  viel  späterer,  aber  doch  noch  immer  aus  der  Zeit 
der  republikanischen  Verfassung  ist  das  durch  die  lex  Aelia 
Sentia  geschaffene  Gonsilium  zur  Erteilung  von  Freilassungs- 
dispensen zu  erwähnen.  Nach  der  Darstellung  des  Gajus 
(I,  18)  stand  dasselbe,  das  in  Rom  aus  fünf  Senatoren  und 
fünf  Rittern,  in  den  Provinzen  aus  zehn  Recuperatoren 
bestand,  dem  Prätor  oder  Statthalter  unzweifelhaft  be- 
sch liessend  zur  Seite. ^) 

Mir  scheint,  dass  durch  die  oben  aufgestellte  Hypothese 
eine  Reihe  von  Erscheinungen  des  republikanischen  Civil- 
prozesses  ihre  annäherungsweise  befriedigende  Lösung  finden 
würden.     So  insbesondere 

1.  Die  Bezeichnung  des  Magistrats  als  ins  dicens. 
Freilich   ist  das   Alter   dieses   Ausdruckes    nicht    bezeugt.^) 


1)  Vgl.  A.  Schmidt.   Zeitschrift   der  Savigrny-Stiftung  R.  A.  9, 
S.  139  Anm.  2. 

2)  Urkundlich  kommt  derselbe  meines  Wissens  zuerst  in  der  lex 
Papiria  (Bruns  fontes  ed.  V ,  pag.  45)  vor ;  demnächst  in  der  1.  Atilia 


162         Sitzung  der  jihiloa.-i^ilol.  Classe  vom  7.  Juni  1890. 

Setzt  man  aber  —  wofür  doch  immerhin  die  überwiegende 
Wahrscheinlichkeit  spricht  —  den  sprachlichen  Gegensatz 
in  die  alte  Zeit,  so  ist  die  Erklärung  des  ersteren  Ausdrucks 
als  dessen,  der  das  llecht  ^ weist**,  sehr  wenig  befriedigend. 
Denn  sprachlich  bedeutet  dicere  nicht  wie  das  entsprechende 
griechische  Wort  „zeigen*  und  «weisen*,  sondern  , sprechen* 
und  , anordnen.*  Und  sachlich  lässt  sich  gerade  im  späteren 
Legisuctionenprozesse  die  Thätigkeit  des  Magistrats,  über 
dessen  Passivität  vielmehr  Cicero  spottet,  nicht  entfernt  als 
eine  das  Recht  weisende  bezeichnen.  Weder  den  Parteien 
noch  dem  Richter,  der  zumeist  schon  formell,  jedenfalls  aber 
materiell  unabhängig  von  ihm  in  Funktion  tritt  —  »weist* 
der  Praetor  das  Recht.  Und  wo  das  Wort  als  Forraular- 
bestandteil  vorkommt,  (vindicias  dicere,  viam  dicere)  da  be- 
zeichnet es  gerade  wie  das  Compositum  addicere  eine  befeh- 
lende, anordnende  Thätigkeit,  die  aber  doch  selbst  wieder 
zu  untergeordnet  und  vereinzelt  ist,  als  dass  sich  daraus  die 
all»^*Mneine  technische  Bezeichnung  als  ius  dicens  ableiten 
Hesse.  Auch  im  Forum lar pro/esse  kann  die  Thätigkeit  des 
Pnietnrs  nur  als  eine  constitutive,  Vollmacht  erteilende  und 
die  Vorauss(.»tznngen  derselben  hypothetisch  bastimmende, 
nicht  aber  als  (Mue  weisende  bezeichnet  werden.  Vielmehr  ist 
der  ius  dieeus  der  das  „Uecht"  mit  äusserer  Autorität  Aus- 
sj)recht*nd(».  Diese  Bezeichnung  ]»jis.st  auf  den  Vorsitzenden, 
softMiu»  erst  durch  seinen  niagistratischen  Ausspruch  die  von 
dem  <ierichte,  sei  es  mit,  sei  es  ohne  seine  Mitabstimmung 
gcl'undiMie  Seutentia  den  (Charakter  eines  autoritativen  l{4»chts- 

(ibitl.  p.  58).  Ist,  wie  nicht  zn  )MV/w»;iteln,  der  Majifistrat  urnprüng"- 
licli  selbst  als  imlfx  b«v,eiclni<.'t  wonh'n,  so  ist  daraus  nicht  /u  t'o]|rom, 
dass  er  jils  Kinzdrichl^T  lun^iort  hat;  or  war  dann  eben  als  Vor- 
sitzender des  (leridites  der  .HichttT*  im  eminenten  iSinn.  —  Erst 
die  spätere  Zeit  hat  dann  das  Bedürfnis  empfunden,  ilie  b'unk- 
tion  des  Maj^istrats  untl  die  des  Spruchrichters  sprac.hli«h  zu  unter- 
scht.'iden. 


Beckmann:  Ueher  die  richterliche  Thätigkeit  der  Pontifices  etc.     163 

.Spruches  (ius)  annimint.  In  diesem  Sinne  ist  die  Bezeich- 
nung auch  noch  für  das  ppätere  Verfahren  annehmbar. 
Denn  im  späteren  Legisactionenprozesse  spricht  zwar  der 
Magistrat,  —  abgesehen  von  interimistischen  und  prozess- 
leitenden Verfügungen  —  das  ius  nicht  mehr  selbst  aus,  aber 
der  Ausspruch  des  iudex  hat  doch  seine  Autorität  nicht  in 
sich  selbst,  sondern  leitet  sie  ab  aus  dem  Verfahren,  das 
vorher  in  iure  stattgefunden  hat.  Augenscheinlich  tritt  dann 
der  Zusammenhang  im  Formularprozess  hervor;  durch  die 
Formel  fordert  der  Praetor  den  Richter  nicht  auf,  —  was 
ja  an  sich  auch  möglich  gewesen  wäre  —  ihm  seine  Sen- 
tentia  mitzuteilen,  damit  er  sie  dann  als  Recht  ausspreche, 
sondern  im  Interesse  der  Geschäftsvereinfachung  und  der 
Beschleunigung  ist  der  Richter  zugleich  autorisiert,  seine 
Rechtsansicht  als  einen  mit  öffentlicher  Autorität  ausge- 
statteten Rechtsspruch  selbst  zu  verkündigen.  Insofern  liegt 
auch,  staatsrechtlich  aufgefasst,  der  Schwerpunkt  der  Formel 
gar  nicht,  wie  nach  rein  civilrechtlicher  Anschauung  in  der 
Intentio,  sondern  in  der  Condemnatio.  Es  ist  meine  lang- 
jährige wissenschaftliche  Ueberzeugung,  dass  der  Schlüssel 
für  das  Verständnis  des  Formularprozesses  nicht  in  der  Inten- 
tio, die  es  auch  schon  vorher  gegeben  hat,  sondern  in  der 
Condemnatio  zu  suchen  ist.^) 

2.  Weiter  dürfte  sich  erklären,  dass  der  Ausspruch  des 
Richters  als  „Sententia*  bezeichnet  wird.  Die  Sententia  als 
solche  hat  keine  autoritative  Bedeutung,  sie  ist  , Meinung,'' 
^Gutachten."  So  verhält  es  sich  ursprünglich  auch  beim 
Senate,  in  dessen  Funktionen  Sententia  und  Auctoritas  wohl 
unterschieden  wird.  Damit  die  Sententia  äussere  Autorität 
erlangt,  muss  noch  etwas  hinzu  kommen,  die  Publikation 
durch  den  Magistrat;    später  die,    sei  es  ausdrücklich,  sei  es 


1)  So  stellt  auch  noch  Cicero  de  leg.  III  3,  8  iudicare  und  iu- 
dicari  inbere  als  gleichartig  nebeneinander,  beides  ist  die  Funktion 
des  iuris  disceptator. 


164        Sitzung  der  philosrphüdl,  Glosse  vom  7.  Juni  1890, 

stillschweigend  zum  Voraus  erteilte  magistratische  Sanktion 
desselben.  Man  könnte  vielleicht  einwenden,  dass  auf  diese 
Weise  der  Gegensfitz  zwischen  der  Sententia  und  dem  bin- 
denden Responsum  verloren  gehe.  Einen  materielleu 
Unterschied  vermag  ich  auch  in  der  That  nicht  anzuer- 
kennen. Wohl  aber  besteht  ein  formeller  Gegensatz; 
Responsum  ist  das  (bindende)  Gutachten,  das  von  aussen  her 
eingeholt  wird;  Sententia  dagegen  die  bindende  Meinungs- 
äusserung, die  auf  einem  organischen  Zusammenwirken  des 
Anfragenden  und  des  Befragten  beruht,  sei  es,  dass  der 
Fragende  zugleich  den  Vorsitz  im  Consilium  führt,  oder  dass 
der  von  ihm  Befragte  zugleich  die  Vollmacht  besitzt,  an 
seiner  Stelle  die  Sententia  als  bindende  Norm  zu  veröffent- 
lichen. Die  erstere  Art  des  Zusammenwirkens  werden  wir 
als  die  ältere,  die  zweite  als  die  spätere,  durch  Zweckmässig- 
keitsgründe veranlasste  Form  betrachten  dürfen. 

3.  Nimmt  man  eine  richterliche  Tliätigkeit  der  I^onti- 
fices  in  dem  bisher  entwickelten  Sinne  an,  so  ist  damit  auch 
der  Einflnss  des  Collegiums  selbst  auf  die  Rechtsflege  in  be- 
friedigender Weise  gelöst.  Das  CoUegium  komponiert  die 
Sprucliformehi ,  und  die  richtenden  Pontifices  entscheiden 
darüber,  ob  di\i<  gebotene  Formular  in  Anwendung  gebracht 
sei.  Eben  durch  diese  richterliche  Thätigkeit  verschafften  sie 
den  Formeln  die  erforderliche  äussere  Autorität,  und  ver- 
bal f(*n  denselben  zur  gewohnheitsrechtlichen  Geltung,  die 
auch  fortdauerte,  nachdem  die  richterliche  Thätigkeit  auf 
andere  Potenzen  übergegangen  war.  Und  e))enso  verhalfen 
di(»  l\)ntilices  der  innerhall)  des  Collegiums  sich  feststellen- 
den Auslegung  der  (Jesetze  und  der  Formeln  zur  äusseren 
(leltung,  die  sich  nun  ebenfalls  leicht  zu  einer  gewohnheits- 
rechtlichen ausgestalten   konnte». 

Mit  dieser  richterlichen  Thätigkeit  ist  die  respondierende 
demnach  sehr  wohl  in  Einklang  zu  bringen.  Nach  moderner 
An.schanung    freilich    ist    ricliterliche    und    rechtsbelehrende 


'Stehiiiitnn:   l'eber  die  richlerliche  nuUii/keil  rfer  I'i>ntiftre6  i 


1()5 


Thätiigkttit;  nnvemnlinr.  Aber  dem  Altertum  ist  diese  scharfe 
Trennung  fremd;  noch  der  Kaiser  ist  zugleich  obenter  ttichter 
uud  oberster  [{«spondent.  —  War  also  die  Partei  nicht  sicher, 
nolclitir  Spnichformel  »io  sich  zu  bedieuen  hatte,  oder  ob 
lÜH  ihr  (fünatigR  Auslegung  <les  tjesetzes  auch  die  appro- 
hivrtu  sei,  so  mochte  sie  zuvor  beim  Collegium  anfragen. 
Aber  solche  Anfragen  waren  keine  Handlungen  der  Not- 
wendigkMt,  wip  nach  der  herrschenden  Ansicht,  sondern  nur 
HantiluDKen  der  VorMitht.  Es  liegt  im  Wesentlichen  kein 
anderes  Verhültnis  vor  wie  im  späteren  l'mzejwe.  Der  Pmetor 
renpundiort  nicht  von  Fall  zu  Fall,  ob  er  eine  Formel  er- 
teilt, wohl  iiber  fjenerell,  indem  «r  die  Formeln,  die  er  er- 
teilen wird,  im  Album  bekannt  macht.  Keine  Partei  ist 
genntigt,  wich  v'irkonimendwi  Falls  erst  nun  dem  Albimi  Itat 
au  orholen;  aber  dass  sie  es  tbut,  ist  eine  Sache  der  Vor- 
sicht und  Khighett.  Umgekehrt  respondiert  das  Colleginui 
nicht  giinerell  —  darin  gerade  bestand  der  Fortschritt  der 
sjAt^ren  Bechtjwamroluntten,  innbesondere  des  ins  Flavianum; 
aber  die  Einholung  des  Itesponsum  ist  gleichwohl  ituch  hier 
nnr  nnt^^tr  Um!ftänden  rüMich,  nicht  aber  notwendig. 

Dnnih  4iese  Erwägungen  wQrde  vielleicht  auch  ein  Licht 
auf  fidgcndu  E^mcheiniing  fallen.  Wer  eine  nngebürige 
Sprur.hformel  gebrauchte,  verlor  seine  Hacho  (causa  cadehat); 
d.  h.  nicht  nur,  doss  ihm  auf  Grund  dieser  Formel  kein 
nist<iriell«(  Urteil  gewährt,  sondern  dasa  er  auch  mit  der 
richtigen  Furnud  nicht  mehr  zugelussen  wunle.  Mit  der 
li)(MH!n  Logik  lässt  «ich  diese  Entscheidung  ohne  Zweifel 
kht  rechtfertigen:  sehr  wohl  aber  ist  sie  zu  begreifen  altt 
alten  Itecht«  geläutige  Prozessstrafe.  Der  Kläger 
•  sinb  selbst  zuzuschreiben,  wenn  er  eine  faLiche  Sprnch- 
I  K^brHU'^'ht.  Zur  Strafe  ffir  die  zwecklose  Beläütignog 
ricbtes  wird  vt  auch  mit  der  richtigen  Formel  nicbl 
Auch  die  strenge  Behandlung  der  plus  petitio 


lulnr]] 


[iiwt  sich  iius  logi.ti'bt'u  On'indi 


166         Sitzung  der  phUos.'pbüol.  Classe  vom  7.  Juni  1890. 

wie  mir  scheint,  nicht  erklaren.  Denn  sagt  man,  hundert 
enthalte  auch  neunundneunzig,  so  ist  nicht  zu  begreifen, 
warum  nicht  auch  der  Richter  auf  neunundneunzig  erkennen 
darf.  Sagt  man  umgekehrt,  hundert  dürfe  nicht  in  seine 
arithmetischen  Bestandteile  aufgelost  werden,  so  mfisste  dies 
doch  auch  für  die  Formel  gelten.  Die  consumierende  Wirkung 
einerseits  und  die  Freisprechung  andrerseits  stehen  in  logischem 
Widerspruche;  es  handelt  sich  auch  hier  um  eine  Prozessstrafe. 
4.  Was  endlich  d&s  sacramentum  anlangt,  so  steht  unter 
allen  Umständen  doch  soviel  fest,  dass  dasselbe  ursprünglich 
irgend  eine  Beziehung  zum  sacrum  gehabt  habe.  ^)  Damit 
ist  freilich  nicht  gesagt,  dass  das  Sacramentsgeld  selbst  eine 
res  Sacra  und  damit  unveräusserlich  geworden  sei,  sondern 
nur  so  soviel,  dass  es  für  sacrale  Zwecke  bestimmt  war. 
Dies  aber,  sowie  die  weitere  Thatsache,  dass  es  erst  später 
durch  ein  besonderes  Qesetz  in  die  allgemeine  Staatskasse 
einbezogen  wurde,  steht  fest.  In  hohem  Grade  wahri^chein- 
licli  ist  insbesondere  auch,  dass  schon  der  Ort,  wq  es  ur- 
s])rnnglicli  einbezahlt  wurde,  auf  die  Verwendung  zu  saeralen 
ZweckcMi  hinweist.  Mag  man  nun  im  üebrigen  dits  Prozess- 
geld als  Sülmp^eld  oder  als  Succumbenzgeld  aufiFassen,  immer 
setzt,  die  Zuweisung  an  die  Poiitificalcassa  irgend  eine  Thätig- 
keit  der  Pontifices  im  Prozesse  selbst  voraus;  und  da  scheint 
es  doch  wieder  viel  näher  zu  liegen,  an  eine  richterliche 
als  an  eine  blos  respondierende  zu  denken.  Die  letztere 
steht  formell  ganz  ausserhalb  des  Prozesses,  und  ein  pro- 
zessualer Zwang,  dafür  etwas  zu  bezahlen,  vollends  ein 
Zwang,    der    gewisserniassen    den    Angelpunkt    des    zweiten 


1)  Die  Annahme,  diwa  das  sacramentum  ursprünglich  ein  Eid 
j^owenen  sei,  halte  ich  für  nicht  erwiMsbar  und  für  innerlich  unwahr- 
scheinlich. Jedenfalls  ist  die  Jherinjj^'sche  Theorie  vom  «geistlichen 
Schiedsgericht**  in  sich  seihst  widerspruchsvoll.  Aus  dem  Eid  könnte 
man  immer  nur  eine  ordentliche  Gerichtsbarkeit  des  (./ollegiums 
ableiten  (Kariowa,  Ht'chtsgeschichte  I,  S.  274.) 


Seehmitnn:   Ceher  die  riehterlicht  Thätigkeil  drr  l'oatiflfc» 


167 


Teiles  Ar»  Verfalirens  selbst  bildete,  wäre  doch  recht  auf- 
Fallf^Dd.  Geht  man  dagegen  von  der  Ansicht  am,  das«  die 
Pontificee  im  Kdnigaj^ericbte  als  Ricliter  fungierti;n,  m  fallen 
dicAe  Bedenken  weg;  es  ist  sogar  ventändUch.  Aans  diu 
Urteil  Hchliesslich  t'urmell  duruiir  abgestellt  wurde,  utrius 
Rftcramentutn  instiini  ait. 

Eine  iimeri^  Notwendigkeit  wird  miui  freilich  in  allen 
diesi'ii  Dingen  nicht  suchen  dürfen;  es  können  ja  immerhin 
anch  »olche  /weckmöAsigkeitsgrilude,  wie  sie  Peatus  snfGhrt, 
dafür  hestiraniend  gcw&sen  sein,  data  das  Geld  der  PontificÄl- 
■  llberwiesen   wurde. 

!1I. 
l  Hut  jemals  cino   richtorliche  Mitwirkung   der  Pontifioea 
ätattge fluiden,    so   sind  sicher  schon    frilhwitig   tiefgreifende 
Aenderungen    eingetreten.     Meiner   Ansicht   nach    bewegten 
«ich  diwtdbon  in  einer  doppelten  Ilichtung: 

1.  Das  unmittelbare  zeitliche  nnd  örtlich»  Zusammen- 
wirken von  Magistrat  nnd  Pontifices  hörte  auf:  an  die  Stelle 
dmüelben  trat  dii-  Trennung  den  Verfahren»  in  die  hinläng- 
lich bekannten  beiden  Stadien.  Waiin  ditae  Veränderung 
ei&gefGbrt  wurde,  lässt  sich  ebenso  wenig  mit  einiger  Be- 
tnth«it  angehen,  al»  durch  welche  Kecht^ijuelle  nie  erfotgt(>. 
li'Ueberreste  der  zwölf  Tafeln  geben  weder  einen  sicheren 
■dUpnnkt  dafür,  dass  damals  die  Trennung  bereiU  bo- 
tl,  geechwoige  denn,  dass  sie  von  den  Detemviru  einge- 
:  wurde,  noch  für  das  Gegenteil;  aus  ihnen  ergibt  sich 
t  für  gewiisso  Fälle  der  Abnchätzung,  der  Erniitt*- 
;  tbabiüdilich  verwnrreiier  Zustände  r|er  Magistrat  arliitri 
mnen  rouaqte  oder  ernennen  konnte.  Sicher  aber  wird 
J"  'NttUtruiig  geraume  Zeit  vor  die  HinHIhruuig  der  »tiui- 
ttscbpn  Praetnr  zu  set7.en  sein;  daher  ist  es  auch  sehr  wahr- 
wkitinlicb,  diisw  die  Uücksieht  auf  dii-  llt»ibäft»nberhäufung 
r  CuOMlIn   niiMigebend  war. 

Vi' 


168         Sitzung  der  phüosrphüol,  Glosse  vom  7.  Jufd  1890, 

Die  Aenderung  selber  würde  nach  meiner  Ansicht  darin 
bestanden  haben,  das  die  Pontifices  —  nicht  das  CoUegiuin 
als  solches  —  von  nun  an  das  selbstständig  verhandelnde 
iudicium  bildeten,  während  die  Verhandlung  in  iure  aus- 
schliesslich vor  dem  Magistrat  stattfand.^)  Vielleicht  hat 
sich  eine  Spur  dieser  Veränderung  noch  erhalten  in  der  be- 
kannten Notiz  des  Pomponius  in  L.  2,  §  5  D.  d.  0.  J. 

ex  quibus  (pontificibus)  constituebatur  quis  quoquo  anno 
praeesset  privatis. 

Man  versteht  diese  Mitteilung  gewöhnlich  dahin,^)  dass 
das  Collegium  alljährlich  einem  Mitgliede  die  Funktion  des 
Elespondierens  kommissarisch  übertragen  habe.  Allein  damit 
verträgt  sich  meines  Erachtens  der  Ausdruck  praeesset 
privatis  in  keiner  Weise.  Das  Wort  praeesse  kommt  gerade 
in  der  angeführten  Stelle  ausserordentlich  häufig  vor,  immer 
aber  bezeichnet  es  die  autoritative  magistratische  oder  quasi- 
raagistratische  Leitung  eines  Zweiges  der  Staats-  und  Rechts- 
verwaltung; so  insbesondere  hastae  praeesse  die  Direktion 
des  Centrumviralgerichts.  Mit  dieser  Bedeutung  wäre  die 
hier  vorausgesetzte  ganz  incongrueiit.  Selbst  die  respon- 
dierende  Thätigkeit  des  CoUegiuras  könnte  nicht  als  ein 
praeesse  privatis  bezeichnet  werden,  noch  viel  weniger  die 
kommissarische  Vertretung  des  Collegiums  in  diaser  Thä- 
tigkeit. Unter  einem  qui  privatis  praeest  kann  vielmehr 
in  Uebereinstimmung  mit  dem  sonstigen  Sprachgebrauch  der 
Stelle  und  wohl  auch  mit  dem  allgemeinen  Sprachgebrauch  ^) 

1)  Der  traditionelle  Bericht  über  den  Prozesa  der  Virginia  setzt 
diese  Trennung  offenbar  als  bereits  damals  bestehend  voraus.  Als 
historisches  Zeugniss  kann  ich  denselben  weder  in  diesen  noch  in 
anderen  I3eziehungen  gelten  lassen. 

2)  So  neuesten»  Jörs  a.  a.  0.  S.  44  —  Die  sprachliche  Bedeu- 
tung von  praesse  erkennt  richtig  Fun  tschart  a.  a.  0.  S.  42  — 
Vgl.  auch  Mommsen,  StaAtsrecht  Bd.  2,  S.  45  Anm.  3. 

3)  Vgl.  z.  B.  Cicero  de  domo  1:  —  vos  eosdera  et  rcligionibus 
deorum  immortalium  et  summae  reipublicae  praeesse  voluerunt  etc. 
Servius  ad  Aeneid.  2, 141:  —  singulis  actibus  proprios  deos  praeesse. 


thmnun:   Uebrr  die  riehterliche  Jliäliijkeif  lUr  Pi)«tificts  etc.     169 

;  ivT  verstanden  werden,  der  die  re»  priv&toe  mit  äuxserer 
borität  luitet,  und  d»  nun  die  Bezielitmg  auf  den  iiu<  dicene 
Bcblwlithin  auäge8chliJ6§eu  Ut,  ho  bleibt  nur  die  Beziehung 
auf  den  VorKib:  im  iudicium  Übrig.  Uur  Vorsitzende  war 
wwier  der  I'until'ex  Maximus  hIh  sulcher,  noch  ging  der  Vor- 
I  von  Sitzung  zu  Sitaung  im  Turnus  herum,  sondern  der 
tektor  wurde  auf  die  Dauer  eines  Jahres  bestimmt,  — 
mfalle  hat  Pomprmtus  die  Notiz  selbst  nicht  mehr  ver- 
standen ;  so  wio  er  sie  vorbringt,  ist  sie  eigentlich  völlig 
belanglos. 

Hand  in  Hand  mit  der  formellen  Veränderung  in  der 
tigkeit  der  Foiitiücee  mag  die  andere  gegangen  sein,  daa» 
1  König  oder  Consul  in  den  Sachen,  die  er  bisher  als 
Eiiiixflricht^ir  entschieden  hatte,  die  eigene  Judieatur  entzogen 
wurde  oder  doch  durch  den  Willen  des  Kläger«  entzogen 
werden  konnte,  so  diias  er  sich  uuf  die  Ernennung  eines 
Richters  zu  i>escbränken  hatte. 

2.    Die   andere')  Seite   der   Entnickelung   richtete  sich 
Huf  die   allmHhlige  Einschränkung   und   schliessliche   Besei- 
tigung der  richterlichen  Competenz  der  Pontifices.     Als  den 
ersten   Schritt    in   dieser    Richtung   betrachte    ich    die   Ein- 
UiiDg  des  CulU'giunis  der  Decemvirn.     Dass  gerade  in  den 
eitigkdton    fiber    Freiheit   und  Civität   die   Plebejer   kein 
Vertrauen    in   die   Rechtsprechung   der   patri- 
l«n  Puntitices  haben    konnten,   ist  begreiflich;  so  setzten 
j  ohne  Zweifel  schon  frühzeitig  durch,  dass  diese  Strei- 
|keit«u  ohne  weeentliche  Veränderung  des  Verfahrens  einem 
mderen  Collegiuin  tiberwiesen  wurden.*) 

I]  Die  taitlich  oicbt  atwA  cnl  nitch  AbschlusH  der  Brateren  be- 

I   haben    brAnuht,      Dius    inabesonderi;   die   Uecemvirn    ur- 

Iftlich  unter  dem  Vor«it>e  de»  MngisitMi'  tliütig  waren,  iit  xwur 

i  m  t>eweüea,  aber    die    Möglichkeit   ist,  durch  nichU  anige- 

'  S)  Dom  diCB  Cellefriatn  kein  auaiulilieaiilioh  plebejüches  war.  i«t 
■  dvr  CumiictcnnerbftJlnuiiK  vcllii;  etkllrlich. 


d 


170         Sitzung  der  phüo8 -phUöl,  Classe  vom  7,  Juni  1890, 

Die  früheste  Erwähuung  desselben  findet  sich  meines 
Wissens  bei  Livius/)  nach  dessen  Bericht  sich  der  besondere 
Schutz  der  Lex  Horatia  Valeria  (305  a.  u.  c.)  auch  auf 
die  Decemvirn  erstreckte.  Dies  führt  allerdings  nicht  not- 
wendig zu  der  Deutung,  dass  sie  schon  vor  diesem  Gesetze 
bestanden  haben.  Was  die  von  Livius  vor  den  Decemvirn 
genannten  ^iudices*  anlangt,  so  ist,  wie  mir  scheint,  die  Be- 
ziehung derselben  auf  irgendwelche  magistratus  populi 
roniani,  namentlich  die  Consuln,  durch  mehr  als  einen  Um- 
stand völlig  ausgeschlossen.  Aber  auch  an  die  Centumyim 
ist  nicht  wohl  zu  denken,  warum  sollten  sie  nicht  bei  ihrem 
offiziellen  Namen  genannt  sein?  Ebenso  wenig  können  die 
blossen  Privatrichter  gemeint  sein ;  bei  ihnen  wäre  doch  ver- 
nünftiger Weise  eine  Beschränkung  der  Zeit  für  welche,  und 
der  Voraussetzungen,  unter  welchen  sie  sacrosanct  sein  sollten, 
nicht  zu  entbehren  gewesen.  Ich  schliesse  mich  also  denen 
an,  welche  iudiees  und  deceniviri  verbinden,  möchte  aber 
vermuten,  dass  das  erstere  Wort  ein  altes  Glossem  ist,*)  um 
die  hier  genannten  deceniviri  —  die  man  später  als  decem- 
viri  stlitibuö  iudicandis  bezeichnete  —  von  andern  Behörden 
dieses  Namens  zu  unterscheiden.  Doch  ist  dies  natürlich 
ein  Punkt  von  untergeordneter  Bedeutung. 

Als  einen  weiteren  Schritt  der  Entwicklung  vermute  ich. 
dass  den  Pontifices  die  Judicatur  in  Schuldsachen  entzogen 
und  dafür  das  Institut  des  Privatricliters  eingeführt  oder  viel- 
mehr aus  der  legis  actio  per  iudieis  postulationeni  entlehnt 
wurde.  Ohne  gesetzliche  Grundlage  kann  auch  diese  Neue- 
runjij,  die  vielleicht  weniger  auf  politischen,  als  auf  Zweck- 
miu^sigkeiisgründen    beruhte,    nicht    erfolgt    sein;    dass    aljer 

1)  Ahgeaehen  von  der  urkundlichen  Erwähnung  vom  Jahre  616. 
L.  J.   lj.  ^.  38. 

2)  Das  Wort  iudex  inüssen  bereitH  diejenigen  im  Texte  des  Ge- 
setzes gelesen  haben,  welche  die  von  Livius  III.  55  berichtete  und 
zurüokjfewieHene  Auslegun^f  versuchten. 


Ki»n:    Vebtr  rfi'e  nchtertiehe  TJuUigkeit  der  Punlifieef  e. 


171 


I  tinindluge  durch  die  von  G&iud  erwähnt«  lex  Piiiaria 
{ebfjn  war,  glaube  ich  nicht.  Denn  iimg  auch  die  Lficke 
f  üaodschrift  noch  nach  der  n^ueateu  Lesung  e)>en  ^u  gut 
ich  dw)  Wort  iiundum  ab  ilurcli  ilus  Wort  ätatiiu  iiu^ge- 
;  wurden  können,  su  macht  duch  die  gunzB  Wurtätellung 
JM  Bericht«  Ton  Oaius  die  Deutung  notwendig,  daas  da« 
fteiielx  nur  eine  Neuerung  bezüglich  des  Zeil[iunkte  der  Er- 
nennung «infUhrtti.  Dünn  itt  freilich  auch  die  Annahuie, 
daaa  das  liesetz  schon  in  das  Jahr  282  a.  u.  c.  zu  ttetxen 
sei,  volleiid.'i  unmöglieh. ') 

Nicht  unerwähnt   kann    ich   folgenden  Umstand    lassen. 

In  IV.  g  14  führt  (iiiiufi  die  Äbatiifung  der  SacrauientsHumme 

gauu  itllgeruein  auf  die  12  Tafeln  üuriiuk,  in  §  15  aber  sagt 

r  nach    eiuer  längeren  Ldcke   in  Beeiehung   auf  die   actio 

■pereonani : 

iilud  ex  superioribus  intelliginiutt,  »\  de  re  minoris  quam 
;  agebatar,  quiuquagenario  stuiramento  nun  q^mugenario 
\  eontendere  »olitoa  fuisse. 

Dieser  Ausdruck  ist  in  hohem  Grade  auffallend,  wenn 
die  Abstufung  auch  hier  auf  Gesetz  beruhte;  vielmehr  deutet 
die  Hervorhebung  der  Gewohnheit  darauf  hin,  dass  das  üe- 
Mtz.  welches  den  unus  iudex  für  actiones  in  personam  ein- 
fuhrt«, eine  ausdrückliche  Uebertragung  der  bexiigUcbon  Vor- 
«cbriftt-n  der  12  Tafeln  nicht  enthielt.')  Hebrigens  dürfte 
I  diu  folgende  Bemerkung  des  Guius: 


i   1)  bl  der  iudex  iliUua  LIie^ilwHue  fCrsaU  iIl'h  at&ndiK<-'n   iuiliciuia, 

■'die  iäaohe  eorort  von  Anfang' bin  au  Rnde  verliand'dt,  lititlehnnj^s- 

I  aU  Ein r.ei  rieh tcr  fungioriMiden  UiurUtntta,    so  ial  <■»  nicht 

■oDdprn  orkiUlich,  diu«  or  unprünglicii   aofurt  (ceifebeii 

Die  daniu«  GQUilaadenen  Dniutriglichkeilen  fflhrten  lu  der 

t  d«  lex  Piuaria. 

3)  Vergl.  HvlbmiLDD-tlollweg,  CivUproM«»  I,  ä.  BS,  Anm.  23.  bei 

■Mn  Aii[^«un(;  ab«r  f^orAcIe  du«  Kulllua  Cuiiioe  uuerktürt  bleibt. 


^ 


172  Sitzung  der  phäosrfhäol,  Classe  vom  7.  Juni  1890, 

^deinde  cum  ad  iudicem  venerint,  anieqaam  apud  enm 
causam  perorarent,  solebant  breviter  et  quasi  per  indicem 
rem  exponere,  quae  dicebatur  causam  conjectio,  quasi  causae 
suae  in  breve  coactio," 

darauf  hindeuten,  dass  zwar  nicht  er  selbst,  aber  eine 
mittelbare  oder  unmittelbare  Quelle  noch  die  Vorstellung  von 
einem  Verfahren  hatte,  bei  welchem  eine  solche  causae 
conjectio  überflüssig  war.*) 

Als  Schlusspunkt  der  Entwickelung  betrachte  ich  die 
Einsetzung  des  üentumviralgerichts  für  Erbschafts-  und 
Eigentumsprozesse.^)  Dass  dies  Oericht  nicht  schon  den 
ältesten  Zeiten,  auch  nicht  dem  Ende  der  Königszeit  ange- 
hört, dafür  sprechen  bekanntlich  sehr  entscheidende  Oründe, 
und  das  Symbol  des  Gerichtes,  die  hasta  als  Signum  iusti 
dominii,  ist  schon  deshalb  kein  Gegenargument,  weil  dies 
Zeichen  sehr  wohl  von  einem  früheren  Gerichte  herüber- 
genommen sein  kann. 

Als  abgeschlossen  wird  die  Entwicklung,  durch  welche 
schliesslich  den  Pontifices  als  solchen  alle  richterliche  Thätig- 
keit  in  Civilsachen  entzogen  wurde,  zu  der  Zeit  betrachtet 
werden  müssen,  als  die  lex  Papiria  die  Beitreibung  der  Sacra- 
mente  und  die  Entscheidung  über  die  dabei  auftauchenden 
Streitfragen  den  Tres  viri  capitales  übertrug.  Damit  war 
ohne  Zweifel  das  Sacramentuni  auch  materiell  der  Ponti- 
ficatscassa  entzogen.     Dies   wird    als  die    naheliegende  Gon- 


1)  Der  Ausdruck  causam  conicere  kommt  auch  schon  in  den 
12.  Tafeln  vor  (Gell.  17,  2;  Auct.  ad.  Herenn  2,  13;  Bruns  fontes 
ed.  V.  pag.  18.);  hier  aber  kann  er  unmöglich  die  Bedeutung  gehabt 
haben,  die  ihm  Gaius  beilegt:  es  kann  darunter  nur  die  Verhapdlnng 
der  Sache  selbst  oder  doch  der  Anfang  dieser  Verhandlung  zu  ver- 
stehen sein.  Gerade  jene  Stellen  scheinen  mir  auf  die  ursprüngliche 
Einheitlichkeit  des  ganzen  Verfahrens  hinzuweisen. 

2)  Keiler- Wach  §  6. 


Beckmann:   üeber  die  richterliche  Thätigkeü  der  Pantifices  etc.   173 

Sequenz  des  Umstands  betrachtet  werden  dürfen,  dass  auch 
die  richterliche  Thätigkeit  der  Ponti^ces  als  Gegenleistung 
YoUkommen  weggefallen  war.  ^) 


1)  Der  von  Festns  mitgetheilte  Text  der  lex  Papiria  (Brons  p.  45) 
ist  in  mancher  Beziehung  dunkel  und  unverständlich.  Die  Schluss- 
worte lassen  sich  dahin  verstehen,  dass  schon  ältere  Gesetze  und 
Plebiscite  sich  mit  der  Beitreibung  und  richterlichen  Erledigping  der 
Sacramente  beschäftigen.  Demnach  ist  die  Vermuthung  nicht  ausge- 
schlossen, dass  die  Sacramente  schrittweise  den  Pontifices  entzogen 
wurden,  und  dass  die  lex  Papiria  den  letzten  Best,  der  noch  den 
Pontifices  geblieben  war,  beseitigte  und  f&r  alle  Sacramente  eine 
einheitliche  Behörde  einführte. 


174 


Herr   Willi.   Hertz   legte    einen    Aufsatz   des    Herrn 
Golther  vor: 

^Chrestiens  conte  del  graal  in  seinem  yer- 
hältniss  zum  wälschen  Peredur  und  zum 
englischen  Sir  Perceval.* 

lieber  das  verhältniss  der  drei  kymrischen,  wälschen  er- 
zählungen,  welche  den  gedichten  des  ührestien  von  Troyes 
entsprechen,  Erec-Geraint,  Yvain-Owen,  Perceval-Pere- 
dur,  sind  schon  die  verschiedenartigsten  ansichten  aufge- 
stellt worden,  die  einen  glaubten,  in  den  wälschen  geschichten 
die  unmittelbaren  kymrischen  vorlagen  der  altfranzosischen 
Artusgedicht«  annehmen  zu  sollen,  die  andern  dagegen  be- 
haupteten mit  gutem  gründe,  dass  umgekehrt  die  wälschen 
sagen  aus  den  französischen  quellen  hervorgegangen  sein 
müssten. 

San  Marte  hat  in  seiner  schrift  ^die  Arthursage  und  die 
mährchen  des  rothen  buches  von  Bergest'  1841  das  malnnogi 
von  Peredur  einer  eingehenden  besprechung  unterzogen  und 
gelangte  zu  dem  wunderlichen  Schlüsse,  dass  örtlichkeit  und 
Personen  darin  rein  wälsch  seien,  ton  und  character  sei  älter 
als  das  Zeitalter  der  Kreuzzüge  und  des  rittertums;  es  müsste 
überhaupt  als  die  älteste  bekannte  quelle  der  Percevalsage 
angeschaut  werden!  auch  Villemarque  contes  populaires  des 
anciens  Bretons  preccdes  d'un  essai  sur  Vorigine  des  epopies 
chevaleresques  de  la  table  ronde'  Paris  1842  erblickte  im  Pere- 
dur die  vorläge  Chrestiens,  wie  er  ja  überhaupt  alle  im  kym- 


(  litt  ijraai. 


175 


riiiob«n  iinil  bruUmischen  vürliuiKJBneri  unspieluiigen  und  ttu8- 
Iftufer  der  itltfraii/iisisclieii  ilicbtuii^eii  ^ärizlicb  verkehrt  uU 
1  ([uolicn  betraiibtet«.  mit  [ter  zeit  trat  ein  DiDschwutt)^ 
I  guiisteii  der  zneiten  ansieht  eiu,  denu  allicii  deutlich  "iiid 
bewt^tti!,  wrkbu  den  durchaus  ritterlich -fniiizö-tiiiclien 
rukter  des  inhaltex  der  miihino'jhn  darttin.  gL'nauer  \ni 
r  Peredur  noch  nicht  luitersiicht  worden  {doch  vgl.  Birch- 
«hfdd.  die  Bttge  vom  gral  1877  a.  204-211):  im  all- 
teineu  int  aber  heutzutage  die  ansieht  von  der  französischen 
tftEnuinng  der  sogenaiiuten  mabinogion  die  allein  gütige 
1  vrJKsenschaftlich  unschwer  zw  beweiscTide,  und  selbst  dic- 
ken, welche  sich  nbmtiht>n,  einige  ältere  und  echtere,  aus 
vermein tiicben  wälscheii  urqiielle  herstammende  sUge 
^  den  Mjg.  mabtnoifion^']  auf^ntindeii ,  sehen  sich  genötigt, 
Ziitugeben,  dass  in  der  haujibiache  die  altf'ransSsischen  ge- 
dieht« die  quellen  der  wäbchen  sind,  unterdessen  hat  Uaaton 
Parix*)  eine  eigenartige  erklürung  der  mabit\ogion  versucht; 
|gUubt,   dass   eine   auglonormännische   aus   keltischer 

1)  der  kOrxe  und  liuigcr  g««rohiihrtt  balber  verwende  ich  hier 
Nn  fMwlruck.  obwol  er  deo  meisten«  damit  K^iueiuten  drei  itOckon 
f  finrifeHtimuiUBcripteB  von  re<.'lit«weK6n  gar  nicht  zukommt  nad 
rdem  Ht-lne  liudeutung  mit  di^r  seit  lad;  Quegt'e  aungube  äb- 
1  ttheraeUuag  .kinderuiäruht^n'  ganx  falsch  wiedergegebea  wird; 
I  richtige  tindol  Hieb  bei  Kh^K  Erans,  the  ItJ-t  of  Ike  malnnoffiou 
I  th«  red  book  uf  Httgeal  I  s,  VHl  f. ;  I>otli  /«  mainnopon  l  s.  9; 
TErmmer,  (Ifitt.  gvl.  odt..  1890  nr.  13  ».  611—514.  «pricht  man  dm-h 
aoch  Doch  heute  ohue  nachtheil  von  .ICäda -lu-d^m,  eiuar  .ö/fereii 
JSddtC,  (lincr  JSaemuHii-JCiida' ;  nur  muas  man  wiesen,  daiis  man  damit 
B  art  VCD  »rkonnuQifHmiu'ke  langi^r  gewohnheit  gemlUii  weiterfiibrt., 
i  nachweislich  auf  gana  falscher  auflassuDg  und  mi:<Rver»täD<l- 
1  aller  art  beruht,  und  darum  auch  ja  nicht  mehr  miHsbraai'hi 
i  tnindenlet  werden  darf,  als  enthielte  der  namL'  wirklich  auf- 
•chlUH,  Ja  überhnupl  nur  beiiabung  zum  beirKÜcndtn  dcnkmal. 

tt)  t|(1.  Romanin  H,40;  I<>,t6&tt.;  12,45SD'i  IS.IBT;  h'xtoir*  UUerairt 
n  Fraiet  90  ■>.  13.  'Mi.  •il.  29,  260;  wipderbolt  wird  dio  byiwlbMe 
U}th,  le«  mnhiiu'ijiiiii  I;  i.  1&.    auch  Siiiirock  in  «einer  UIjK 


176         Sitzung  der  phüosrphäol,  Glosse  vom  7.  Juni  1890, 

sage  heiTorgegangene  dichtung  in  versen  oder  prosa  die  ge- 
meinsame quelle  für  Chrestien  und  die  mabinogion  sei.  mit 
dieser  hyi)othese  als  der  allein  wissenschaftlich  discutierbaren 
haben  wir  es  hier  zu  tun.  dass  dies  fär  Tvain  und  Erec 
unmöglich  ist,  haben  Foerster^)  und  nach  ihm  Othmer^) 

des  Parzival  und  Titurel  4.  aufl.  Stuttgart  1862  bd  2  s.  551  stellte 
schon  als  möglich  hin,  dass  mab,  das  werk  eines  der  n&chsten  fran- 
zösischen Vorgänger  Chrestiens  benüzt  habe. 

1)  der  löwenritter  (Tvain)  von  Christian  von  Troyes,  hrsg.  von 
W.  Foerster,  Halle  1887  s.  XXV  — XXVIII.  im  Literaturblatt  für 
germ.  u.  rom.  phil.  1890  nr.  7  sp.  265  ff.  hat  Foerster  mit  schlagen- 
den gründen  die  Unmöglichkeit  solcher  anglonormännischer  denkm&ler, 
wie  sie  G.  Paris  aufstellen  möchte,  dargetan,  worauf  hier  nachdrück- 
lich verwiesen  sei.  in  der  einleitung  zur  Erecausgabe  ist  die  frage 
nochmals  erörtert  worden,  wie  G.  Paris  bereits  Rom.  10,468  anm. 
mit  recht  bemerkt  hat,  verlangt  jeder  frz.  roman  für  sich  eine  ge- 
sonderte betrachtung  und  in  bezug  auf  herkunfb  und  entstehung  gilt 
nicht  notwendig  vom  einen  dasselbe  wie  vom  andern,  so  ist  zwar  der 
Tristan  sammt  den  zwei  darin  bedeutenden  dichtemamen  Berol  und 
Thomas  an  die  normannische,  zum  teil  auch  anglonormännische  lite- 
ratur,  jedenfalls  an  vorhergehende  Spielmannsdichtung  geknüpft  (bist, 
litteraire  30,  22).  hier  sind  denkmäler,  die  vor  den  werken  des  kunst- 
dichters  Thomas  und  Chrestiens  liegen,  auch  wirklich  vorhanden,  aber 
damit  ist  in  alle  weite  nicht  bewiesen,  dass  ein  normannischer  oder  gar 
anglonormännischer  Erec,  Yvain  und  Perceval  überhaupt  eine  quelle 
vor  Chrestien  angesetzt  werden  muss.  diese  durch  die  mabinogion 
und  einige  englische  gedichte  durchaus  nicht  gestützte  behauptung 
ist  somit  von  jedem  standpunct  aus  besehen  hinfällig,  ja  sogar  ge- 
rade die  beschaffen heit  des  Tristan,  soweit  er  aut  dem  entwicklungs- 
stadium  der  Spielmannsdichtung  beharrt,  könnte  eher  zu  entgegen- 
gesetzten Schlüssen  hinleiten,  nemlich  dass  etwa  vorhandene  Vor- 
bilder der  drei  Chrestiengedichte  sich  doch  inhaltlich  und  formell 
sehr  bedeutend  von  diesen  unterschieden  haben  müssten,  nicht  mit 
ihnen  sich  vollkommen  decken  konnten. 

2)  das  Verhältnis  von  Christians  von  Troyes  .Erec  et  Enide*  zu 
dem  mabinogion  (sie!)  des  roten  buches  von  Bergest  «Oeraint  ab  Erbin*. 
Bonner  dissert.  Köln,  druck  von  M.  Du  Mont-Schauberg  [1889].  vgl. 
dazu  meine  anzeige  in  der  Zeitschrift  für  französische  spräche  und 
litteratur  bd.  XIP  (1890)  s.  126  ff. 


■  ihi  !/rual. 


17 


trieben.      Aie^c    beiden   mabinopion   sind   einzig   und   allein 
I  ChrtMttenH  gedicht«n  zu  erklüreti,   und   es  ist  eine  gaan 
ViHkOrlifihe  annähme,   für   welche   nicht  der   schatten  eines 
wirklichen  )>eweisei>  spricht,   gegen   die    aber   wo]   die  fraii- 
zösiMche  und  anglonarmänniache  literatni^eschichte   und   der 
inntmassliche  auf  die  aremorikanixche  Bretagne,  nicht  auf  das 
kyinriächu    Wale^  hinweisende    Ursprung   de«   Artusepos   ge- 
meinsam Hich  nuflehnen,   dass  eine  anglonormännische  dich- 
Wg,   die  wörtlich  mit  Chrestic^n  gleichlautend  sein  niUsste, 
'  beiden  liege,     wir  wollen  im  folgenden   nun  auch  noch 
1  verhältnisH  des  Perceval  zum  Peredur  näher  in§  äuge 
fii^Mcn,  was  zum  selben  ergebniss  führt,     die  mabinogion  be- 
nutze ich  nach  der  französischen  flbersetzung  van  Loth  lea 
binogion,  Paris  1889  2  bände;  über  deren  verlü^igkeit  vgl. 
Wiudi«eh    im    liteniriachen    CentralbUtt   1890    nr.   26 
■  903  f.;  der  Peredur  ab  Kvrawc  tindet  sich  band  11  s.  45 
"^^110,     die  llbertnigung  beruht  auf  der  neuen  diplomatisch 
gßnaui^n  ausgäbe  des  Hergestmanuscripts  viiti  Rhjs  und  Evans, 
Ihe  text  of  Ike  mitbinoffion  fram   thc  red   book  of  Ihrgesl.     auf 
I  ausfuhrliche  inhalteiingabe   und   vergleichung   verzichte 
i  billiger  weise,  da  sie  schon  oft  genug  ausgefllhrt  wurde. 
t  hebe  nur  dasjtnige  heraus,  teas  zur  aitsckeülunji  der  m  be- 
handelnden frage   d.  h.   nb  eine  gemeinsame  anglonormfinnischc 
ifWiiU  für  Chrestien    und   das   mabtttogi    aneuneAmen   nei   tider 
nicht,  in  welch  lettterem  falle  der  Peredur  aus  Chreatiens  leerk 
Jossen  sein  muss,  unmittelbnr  dient,     eine  bec[neme  tmd  jirak- 
ti«eh  eingeteilte  inhaltnangabe  Cliresticns    und   des   mairinogi 
liei  sich    (»ei  Nutt,  sludiea  on  Ihe  legend  of  the  liolg  grail, 
1888,   auf   welches  werk  ich  mehrfach  zu  sprechen 
1  werde,     es   ist  vorauszuschicken,   wovon  sich  jeder 
I  durch   einsieht  der    inhaltsangiiben    und    noch    beseer 
f  t«xte  beim   ersten    blick    tiberzeugen    kann,   dass    neben 
Igen  grB*!<ercn  stücken  des  inabinogi.  die  ans  anderweitigen 
Hleo  «tumnifU,  der  inhalt.  des  Perci'val   zug  für  eug  bald 


178 


Sitzung  der  phüosrphüol.  Glosse  vom  7.  Juni  1890. 


ausführlicher  bald  kürzer  im  Peredur  sich  wiederfindet,  von 
Chrestiens  gedichte  fehlen  im  mabinogti  nur  einige  episoden 
der  Gauvaingeschichte  (nach  Nutt  inddenJC  13,  16,  17,  18) 
d.  h.  die  Übereinstimmung  geht  nur  bis  zu  Percevals  besuch 
beim  einsiedler,  der  ihm  am  charfreitag  absolution  erteilt, 
was  Chrestien,  der  bekanntlich  sein  gedieht  unvollendet  hinter- 
lassen hat,  vollends  von  Gauvain  erzählte,  blieb  im  mäbinogi 
weg,  und  zuvor  Gauvains  abenteuer  mit  dem  kindlichen 
mädchen  (Wolframs  Obilöt).  zum  beweise,  wie  genau  Perce- 
val  und  Peredur  zusammenstimmen,  teile  ich  eine  scene  in 
beiderseitiger  fassung  hier  mit: 


Peredur  IiatEei  vom  pferde  ge- 
stochen ;  als  es  ohne  reiter  an  den 
Artushof  kommt,  hegeben  sich 
die  daselbst  anwesenden  hinaus, 
um  nach  Kei  zu  sehen. 
Loth,  mabinogion  II  s.  72  if. 

les  gens  de  la  cour  le  voyant 
revenir  sans  son  chevalier ,  se  ren- 
dirent  en  häte  sur  le  Heu  de  la 
rencontre.  en  arrivant  ils  crurent 
que  Kei  etait  tue;  mais  ils  reco- 
nurent,  (ju'avec  les  soins  d'un  bon 
raedecin,  il  vivrait. 


on  transporta  Kei  dans  le  pa- 
villon  d'Arthur,  qui  lui  fit  venir 
des  medecins  habiles.  Arthur  fut 
peine  de  Taccident  arrive  ä  Kei, 
car  il  Taimait  beaucoup. 


Chrestien  bei  Potvin  bd.  II  s.  191  ff. 

le  cheval  virent  li  baron         5698 

qui  venoit  sans  le  senescal; 

et  varlet  keurent  au  ceval, 

et  dames  et  chevalier  muevent, 

quant  le  senescal  pasme  truevent, 

se  quidierent  bien  qu'il  fust  mors... 

mais  on  li  (sc.  dem  Artus)  dist,  qu'il 

ne  s'esmait,  5712 

quMl  garira  bien,  mais  qu*il  ait 

niire  ki  s'en  sace  entremetre 

de  kanole  en  sen  liu  remetre . . . 

puis  Tont  au  tref  le  roi  porte    5723 

et  si  Tont  moult  reconforte 

mai^  li  rois  ot  moult  grant  pesance 

5708 

del  senescal  qui  est  blecies 


Oollhtr:    Chrrslif: 


•tri  yraul. 


179 


l 


Gwalchniei  fit  remtirqiier  alnrs 
iine  pprsoiine  ne  devait  troiibler 
d'iine  fa\'nn  impolie  un  Chevalier 
orilnnne  daiis  »es  lueditatiotis,  car 
il  se  pniivait  qu'il  eüt  fait  qiielque 
pf rte  Oll  iju'il  sfHigeät  ü  la  femnie 
qu'il  aimait  It!  plus,  c'est  pro- 
bablenieot',  ajouta-il,  ,cette  iii- 
coHTenance  qu'a  commise  celiii 
qui  s'est  rencoiitre  le  dernier  avec 
le  chevntier.  8i  tu  le  trouvea  bon, 
seignenr,  j'irai  voir  s'il  est  sorti 
de  8a  ra^itation :  aiiquel  cos,  je 
hii  denianderai  polirnent  de  TPtiir 
te  vi>ir'. 


Kei  sVn  irrita  et  ae  repaiidit. 
en  parolca  nmerei»  tt  euvieiiaes; 
^Uwiiichmei,  je  ue  dmite  pas  que 
tu  ne  l'atueDes  en  tenant  »es  renes. 
bien  minces  »eront  ta  gloire  et 
tOD  hoiitieiir  )xiurvaincre  un  Che- 
valier fatique  et  epuise  pur  le 
combat.  cVst  ainni  d'ailleurs,  que 
tu  as  triomphe  de  beaitcniip.  taut 
que    dureronl    ta    langiie    et  tes 


[li  mis]   ki    moiilt   l'amoit   de  bon 
cnrage,  5717 

ti  enviiia  un  mire  sage 

et  mesire  Oanwains  li  dist:     5727 

_sire,  se  damledies  m'ai't, 

il  est  raisoDs,  bien  le  aaves, 

si  com  TOU8  nieismes  l'aves 

tons  jours  dit  et  jugie  ä  droit, 

que  cheTaliers  autre  ne  doit 

oster,  si  com  eil  dui  ont  fait, 

de  son  penser,  quel  que  il  l'ait. 

et,  a'il  en  ont  le  tort  eu, 

ce  ne  sai  jou,  mes  mesceu 

lor  en  est  il,  c'est  cose  certe; 

li  Chevaliers  d'aucune  perte 

estoit  pensius,  qu'ü  avoit  faite, 

n  s'amie  li  ert  fourtraite; 

si  Ten  anuie  et  i  pensoit. 

niaiR,  se  vostre  plaisirs  estoit, 

veoir  sa  contenance  iroie 

et,  se  g'en  tel  \Kt\a\.  le  trovoie 

qu'il  eust  son  {leo^e  guerpi, 

diroie  et  prieroie  lui, 

qu'il  venint  ä  vous  jusques  ^ä". 

ä  ce  mot,  Kex  se  courei;.a 

et  dist:    ha,  mesire  Oauwain, 

vnus  Ten  amenr^  par  le  frain 

le  Chevalier,  niaia  bien  li  polst; 

il  ert  bien  fait  se  il  vos  loist 

et  la  batalle  vos  remaint; 

ensi  en  avfe-voa  pris  maint? 

quant  li  Chevaliers  est  lasses 

et  il  a  fait  d'arnies  nsses, 

lora  doit  preudonie  le  don  rcquerre 


äk 


i 


180 


Sitzung  der  phüosrphüol.  Clasae  vom  7.  Juni  1890. 


belles  paroles,  une  mince  robe  de 
fine  toile  sera  pour  toi  une  armure 
süffisante;  tu  n^auras  besoin  de 
rompre  ni  lance  ni  epee  pour 
te  battre  avec  le  Chevalier  que 
tu  vastrouver  dans  un  pareil  etat\ 

^Kei*,  r^pondit  Gwalchmei,  ^tu 
pourrais,  si  tu  voulais  tenir  un 
langage  plus  aimable.  ce  n^est 
pas  sur  raoi  que  tu  devrais  venger 
ta  fureur  et  ton  ressentinient.  il 
me  semble,  en  effet,  que  j'anie- 
nerai  le  Chevalier  sans  qu'il  ra'en 
coüte  bras  ni  epaule*. 

tu  as  parle  ensage  et  en  homme 
sense*,  dit  Arthur  ä  Gwalchmei. 
va,  prends  des  armes  convenables 
et  choisis  ton  cheval . 

Gwalchmei  s'arma  et  se  dirigea, 
comme  en  se  jouant,  au  pas  de 
son  cheval,  du  cote  de  Peredur. 
celni-ci  etait  appuye  sur  la  hampe 
de  sa  lance,  toujonrs«  plonge  dans 
la  menie  meditation. 


Gwalchmei  s'approcha  de  lui 
sans  aucun  air  d'animosite  et  lui 
dit:  si  jo  savais  que  cela  düt 
t'etre  aussi  agreable  qu'ii  moi,  je 
m'entretiendrais    volontiers   avec 


que  on  11  laist  aler  conquerre.. 
bien  saves  vos  paroles  vendre  57 
qui  moult  sont  hihles  et  polies . 
ciertes,  en  un  bliaut  de  soie  57 
}K)rie8  ceste  besongne  faire; 
ja  ne  vos  i  eonvenra  traire 

espee,  ne  lance  brisier' 

^ha,  sire  Kex,  plus  belement,  571 
fait-il,  le  me  poriä  dire; 
quidiös-vos  or  vengier  vostre  iit 
et  vostre  mautalent  ä  nioi? 
si  Ten  amenrai,  par  ma  foi, 
se  j^onques  puis,  biaus  dos  amu; 
jii  en  avä  le  brac  maumis 
et  vo  canole  fait  loiier; 
je  n'en  ai  mie  tel  loier*. 
^or  i  alfe,  ni&,  fait  li  rois, 
que  moult  aväs  dit  que  cortois; 
s'estre  puet,  si  Ten  amenes; 
mais  totes  vos  armes  prenes, 
car  desarmes  n'ires-vas  pas*. 
armer  se  fet  en  es  le  pas 
eil  ki  de  toutes  les  bont6j 
a  los  et  pris,  et  est  montes 
sor  un  cheval  fort  et  adroit, 
et  vient  au  Chevalier  tot  droit, 
qui  sor  sa  lance  est  apoies, 
n'encor  n'estoit  pas  anoies 
de  son  penser  qui  moult  li  plot. 
et  mesire  Gauwains  se  trait    581 
viers  lui,  tout  suef  vait  amblant, 
sans  faire  nul  felon  samblant, 
et  dist:    sire,  je  vas  eusche 
saluet,  s'autretel  seusse 


ioi.  je  TM»  Tfss  toi,  ea  effet, 
de  t&  put  d'Artlmr,  poar  te  prier 
de  TCDJr  le  vuir.  (leuz  de  i^es 
officien  mnt  d^jä  venus  rers  toi 
ä  ce  «njei  .  ^c'eKt  vmi',  dit  Pere- 
dnr,  ^DUH  ils  se  sont  präsentes 
d'ane  £b^;od  d^ss'^reable.  ils  ae 
aont  baUus  avec  moi.  ä  rnon 
ii;rand  r^ret,  car  U  me  deplai- 
sait  d'etre  diätrait  d«  mu  medi- 
tation :  je  toeditais  sur  la  femme 
ijue  j'aime  leplus.  roici  coromeat 
äODvecir  ro'est  venu,  en  con- 
sidemnt  la  neige,  [le  corbeau] 
ei  les  tacbes  de  sang  du  ca- 
naitl  tue  par  le  faiicon  sur  la 
neige,  je  me  inis  ä  penser  que 
sa  pean  resaeinblait  ä  la  neige, 
[la  noircuur  de  ses  chevuuic  et 
de  xes  sourcils  au  plom^e  du 
corbeau]  et  lee  deux  pomiuettes 
de  ses  jouea  auj  deux  gouttes  de 
sang.*  cette  müditation  n'eät  pa» 
Sans  Dobleaee',  dit  Gwalchmei,  ^et 
I  n'est  pos  ^toniiant  i|u'il  t'ait 
deplu  d'en  etre  distrait.' 

jine  dirax-tii,  si  Ktri  est  ä  la 
war  d'Artbur?' 

iil  y  est;  c'est  le  dernier  clie- 
valier  qui  s'est  battu  avec  toi, 
et  ce  n'est  pas  ponr  atm  bonheiir 
qUe  cette  aventure  lui  eat  arrivee: 

JM».  l>Miw.-pl>Uutu.bln.CI.  ll.± 


Tostre  coer  com  je  Eac  k  mien; 

mus  ee  itK  pois-je  dire  bie« 

qoe  je  »rü  meaig«9  le  r»i 

qui  TOä  niande  ei  prie  par  mai 

qoe  TOS  reu^  parier  ä  Ini . 

^il  ea  i  ont  ja  este  dui, 

fait  PerceTauä.  qui  me  toloient 

ma  rie  et  mener  ni'«n  valoient 

ausi  com  se  je  fiisce  pris; 

et  Jon  estoie  si  pensis 

d'un  penser  ki  monlt  nie  plaisoit 

et  eil  ki  partir  m'eii  voloit 

ii'aloit  mie  querant  M)n  preii; 

que  deraot  moi,  en  icest  leu, 

avoit  111  gotes  de  fresc  sanc 

qai  enluminoient  le  blaiic; 

en  IVgarder  m'eatoit  avis 

que  la  fresce  color  ilel   vis 

m'amie  la  biele  veisse. 

ne  ja  partir  ne  m'en  quesisi-e". 


jCertes,  fait  meaire  Gauvains, 
eis  peuaers  n'estoit  pas  viluins, 
ain^ois   ert  inoult  cortoiH  et   doH§; 
et  eil  eatoit  fols  et  estous 
qui  Yoatre  euer  en  reamovoit' .... 
^or  me  dites,  bians  »miB  cliiers,  5844 
prMaieremeiit,  fait  Percevaus, 
se  Kex  i  est  li  senescbans?' 
^par  fni,  faitement  i  est-il. 
et  bien  saciä  ke  ce  fn  cbil 
qui  orendriiit  k  vns  jiiustn, 
et  1a  JQUijte  t^nt  li  coti^ta 


182 


Sitiujtii  der  phSng.-philol.  Clius*  n 


soQ  br&8  est  son  oinoplate  oot 
6te  hiis^a  da  aaat  qn'il  a  re^u 
de  ton  coup  de  lunce'. 

eh  bien!  j'aime  autaiit  com- 
mencer  a  venger  ainsi  l'injure 
(]ii  nain  et  de  la  iiuine  . 

Gwalclimei  fut  tout  etonne  de 
l'eiiteadre  parier  ainsi  du  nain 
et  de  la  naine.  Ü  ü'approcha  de 
lui,  lui  jeta  les  bras  autonr  du 
cou  et  lui  denmnda  son  noni.  ^ou 
m'appelle  Peredur,  fib  d'Evrawc, 
repondit-il;  _et  toi,  qui  es-tu?' 
Gwalcfainei  est  raon  nora'. 


je  suis  heureux  de  te  Toir. 
j'ai  enteudu  te  vanter,  dans  lous 
lea  pays  oü  j'ai  ete,  pour  ta 
bravoure  et  ta  lojaute.  je  te 
prie  de  m'accorder  ta  compagnie'. 
^tul'aurasparmuibi;  maisdonne- 
moi  auasfi  la  tienne'.  ^volontiers', 
ils  «'eil  allerent  enserable,  joyeux 
et  Ullis,  vers  Arthur. 


en  apprenant  qu'ils  venaient, 
Kei  s'^ria:  ,je  suvais  bien  qu'il 
ne  serait  paa  necessaire  ä  Gwalcli- 
mei  de  se  battre  avec  le  ebevalier. 
i!  n'est  pas  etonnant  qu'il  se  fasse 
grande  r^putation.     il  fait  plus 


que  le  brac  diestre  l\  aves 
pechoie,  et  ai  nel  saves, 
et  la  canole  desloee'. 
^dont  ai-je  bien,  je  quic,  lo6e 
la  puci^e  que  U  feri'. 

quact  tnesire  Gauwains  I'oT, 
tn  fi'e&niervelle  et  ai  tfeaaut 
et  diet:  _sire  se  dex  me  saut, 
li  rois  ne  qußrroit  se  vos  aon. 
por  dieu,  content  avea-vos  noi 
^Percevauß,  sire,  et  vos, 
sire,  sacies  certaineuient 
que  j'ai  ä  iiom  en  bateatire 
Gauwains.'  —    Gauwainl' —     __ 
biaus  sire*^ 
Percevaus  moult  s'en  esjotat 
et  dist;  ^sire,  bien  ai  oYt 
de  TOS  parier  en  pluseurs  leiu 
et  l'acointance  de  nos  deuH 
d^iroe  moult  ä  savoir, 
s'ele  VUU8  doit  plaire  et  seoir' 
_par  foi,  fait  mesire  Oauwain« 
ele  ne  nie  plaiat  luie  maina 
qu'ele  fait  vom,  nmis  plus,  ce  ci 
lors  Ta  li  unarautreenbracier. 
puis  si  a'en  vont  joie  ntenant . . . 
et  Kex  dist  au  roi,  sonsignor:  i 
^or  en  a  le  pris  et  l'ounor 
inedre  Gauwains,  vostre  niie. 
onquea  d'aiitrui  cop  n'i  recjut, 
n'autre  de  liii  cop  n'i  senti, 
et  il  de  inot  nel  desmenü; 
s'i«t  droit  ke  pris  «t  lo«  en 


Oollher:  Chrrgtunts  ennte  del  grnij. 


183 


par  aee  bellps  paroles  qae  nous 
par  In  force  des  iioa  armes'. 


l'credur  et  Gwiilclimei  allerent. 
au  pavillcju  dt'  celui-ci  pour  se 
ilewirnier.  l'or«<liir  prit  lee  ni^mea 
babit^  qiiv  GwHlchtuei.  puis  üs 
ae  rejidircnt ,  la  maiu  dana  la 
moiti.  Miipr^  d'ArÜiur  et  le  sa- 
lubreat. 

,voici'i(littiwalcIiniHi,,l'bnniine 
(jne  tu  ^is  en  train  tle  chercher 
d^jä  loitgteiups'. 


^oia  le  hieuTenu,  migneur',  dit 
Arthur;  _tii  reeteras  au|>r^s  de 
mui;  ä  j'avsis  su  que  ta  valeur 
ddt  HC  moiitrßr  couime  eile  h  fait, 
j«  te  u'aurais  ;iiu  lai^  tiiequitter. 
__e'9Bt  ce  qae  t'avaient  predit  le 
L,«t  la  naine  que  Kei  irial- 
t  rt  que  tu  as  ven^'. 


et  que  on  die  qu'it  a  fait 
(0[i  dont  no8  autret  iie  poi^mes 
venir  ä  cief,  et  si  metiäues 
ioxts  uos  pooirs  et  dos  esfon' . . , 
meaire  Gauwains 

en  son  tref  d^rmer  le  fait . . .  ri9 15 
qnant  il  fu  vieetns  bieii  et  bei  5919 
et  de  la  cote  et  del  niantel 
qui  moult  fu   bele  et  bieii   1«  «ist, 
au  roi  quj  devant  son  tref  sut 
s'en  viurent  andui  niain  ä  main, 
et  dist:    nre  je  vos  aiuain, 
fait  mesire  Gauwains  au  roi, 
eelui  que  vona,  si  com  jou  croi, 
Teiasies  moult  tres  voleiitiera  . . . 
c'est  eil  que  querant  aliies' . . .  .'(930 
^ba,  Pierceval,  biaus  doa  aniis,  .^941 
düs  kVn  ma  cort,  voe  estes  mts, 
jatuuis  n'en  partir&  mon  vuel; 
moult  ai  eu  de  vos  graut  duel 
des  que  Vous  vi  premJereiueut, 
que  je  ne  aoi  i 'amen dement, 
que  diei  vos  avoit  destine; 
si  fu  il  moult  bieu  devine, 
si  que  toute  ma  cors  le  not, 
par  la  puui^le  et  par  le  sot 
que  Kex  li  eenescaua  f^ri  .... 
la  roine  vint  ä  ce  mot . . .      5957 
maiutenant  contre  eles  als       59(34 
et  diät :  ^des  doinst  joie  et  houor  . . . 
et  la  roine  li  respout:  5970 

et  vous  aoies  li  bien  troves .  . . 
grant  fu  la  joie  que  li  rois     5981 
üst  de  l'eroeval  le  Galois, 
et  la  roine  et  li  barou 
qui  l'enmaiiient  h  Carliou. 


184  Sitzung  der  phüosrphüol.  Classe  vom  7.  Juni  1890. 

eine  ähnliche  genaue  Übereinstimmung  im  Wortlaut  lasst 
sich  in  der  folgenden  scene  mabinogi  s.  96  z.  10 — 98  z.  29 
=  Chrestien  5986 — 6181  verfolgen,  aber  auch  da,  wo  das 
mdbinogi  nur  eine  gekürzte  und  zum  teil  leicht  veränderte 
erzahlung  gibt,  begegnen  noch  genug  wörtliche  anklänge 
an  Chrestiens  text,  wie  man  sich  bei  vergleichung  jeder  be- 
liebigen scene  überzeugen  mag.  so  findet  sich  namentlich 
bei  der  scene,  wie  Perceval  an  den  Artushof  kommt  und 
mit  dem  roten  ritter  kämpft  (Chr.  2195 — 2496  =  mab,  s.  52 
z.  19 —  s.  55  z.  15),  trotz  starker  kürzung  seitens  der  wälschen 
Übertragung  doch  auch  vielfach  genauer  wörtlicher  anschluss 
an  Chrestien. 

bis  auf  rede  und  gegenrede  entspricht  die  eine  darstel- 
lung  in  der  mitgeteilten  scene  genau  der  andern,  und  es  ist 
eigentlich  allein  schon  dadurch  der  beweis  erbracht,  dass 
Peredur  unmittelbar  aus  dem  Perceval  Chrestiens  geflossen 
sein  muss,  andernfalls  bei  annähme  einer  gemeinschaftlichen 
vorläge,  wäre  Chrestien  ein  geistloser  abschreiber  und  man 
versteht  nicht,  was  überhaupt  sein  gedieht  zu  so  hohem  rühme 
erheben  konnte,  wenn  alles  wörtlich  schon  vor  ihm  da  war. 
zweifellos  wird  sich  vermittelst  der  hier  wiedergegebenen 
scene  unschwer  sogar  die  bestimmte  handschrifb  oder  doch 
die  handschriftengruppe  angeben  lassen,  welche  dem  mab,  zu 
gründe  lag,  wenn  wir  einmal  einen  kritischen  text  des  conte 
del  graal  Chrestiens  besitzen,  ebenso  steht  zu  erwarten,  dass 
sich  eine  noch  engere  Übereinstimmung  zwischen  dem  mabinogi 
und  Chrestien  ergeben  dürfte,  wenn  einmal  der  erhaltene  ältere 
willsche  Peredurtext  (vgl.  Loth  a.  a.  o.  I.  s.  4  anm.  2)  oder 
gar  eine  kritische  ausgäbe  des  ganzen  veröffentlicht  ist. 

dadurch,  dass  sich  die  wörtliche  Übereinstimmung  durch 
eine  ganze  lange  und  zusammenhängende  scene  hindurch 
erstreckt,  wird  die  abhängigkeit  der  wälschen  erzahlung  vom 
text  Chrestiens  ausser  zweifei  gestellt,  bei  verstreut  und 
vereinzelt    wiederkehrenden    anklängen    zwischen     Chrestien 


<Mth«r:  GltTestieit*  cimte  ikl  i/raa!. 


18 


t  dem  wMftirtojri  kGvinte  man  «ich  ja  aur  not  iraiDer  noch 
f  die  genieintiiunc  vorläge  hiiiauHreden,  Aenn  aiisdruck  iiuch 
SiruMtivu  hie  und  da  beibehalten  hätte,    aber  duKS  ihai  llber- 
mpt   nicht    ein    fflnkchen    von    selbständiger    dichterischLT 
itigkeit  /.nkoiutue,  weder  in  be^ug  auf  die  stolfliühe  b^hanii- 
luh  bin  sichtlich  des  Wortlautes,  wird  denn  doch  achwer- 
I  jemand  glauben  und  gntheissen  wollen. 
sftlteamer  weise   kiiQpl't  gerade  an  diese  stelle  ein  ver- 
im  miibinoyi  ält«re  fiberlieferung  uufzndecken.     im 
titgang  der  scene  erzählt  Ohrestien,  wie  t^chnee  gefallen  aei; 
B  wildi!  gans  wurde  von  einem  falken  verwundet  und  drei 
bfaitropfen    fielen    auf  den  schnee.     von  ihrem  anblick  ge- 
int blieb  Perceval  stehen  und  gedachte  an  die  färben  rot 
weiss   in    seiner   geliebten    Bkncbefieiir   autJitz.      detn- 
[enOber  fQgt  das  mab.  noch  einen   weitern  zug  hinzu;  ein 
^be    liees   sich    auf  den    todten    körper  de.t  Togelg  nieder: 
Airedur  n'arrila  et  en  voifunt   tu   noirceur   du  corheau,   ht 
■Jicur  de  la  neigt-,  la  rougcur  Hu  simg,  il  songta  ä  In  che- 
Vsftire  de  la  fcmnte  0i'U  aimaii  te  plus,   aassi   noire  que  Ic 
Jaia,  a  sa  i>eau  ttussi  Manche  ipte  la  neige,   aux  {lOmmeUes  de 
se  joue»,  aussi  rougea  que  le  sang  sur  la  neige'  (Loth  II  s.  70/ 1 ). 
zn  den  von  Cbreittien  verglichenen  färben  weiss  und  rot  tritt 
also  im  mall,  auch  noch  »chwarz.    Zimmer  (keltische  stildien 
II  s.  201  ff.)  nnd   nach  ihm  Nutt  (a.  a.  o.  s.  137  f..   Nutt-Mac 
|nes,  foOc  and  hero  (ntes,  London  1890  s.  431-434)  weisen 
jjiuf  hin,   daaa   die   zusammeuMtellung   dieser   drei  färben, 
!ia9-rot,  um   ein  Schönheitsideal  xa  schildern,  der 
dien.    insbcRondere   der   giteli>4cheu  (irisch-schottischen) 
i  gttlüufig  sei  und  das«  darum  im  mab.  hier  gegen  Chre- 
der   ältere   stand   der  Überlieferung  gewahrt  erscheine. 
0  tifiiain  Oiis.  Chrestien  invenle  the  incidcnt  of  thc  ihree  dropa 
of  UfMid  in  thc  imoui;  Ihe  maUnogi,  cojymij  Chrestien,  prcsenta 
i  incident  in  almont  as  /trimUtiv  a  form  as  the  nhksl  known 
b/    here,  Iken,  the  mnlnnogi  hau  /wfscri'fd  an  otdcr  form  Ihan 


186  Sitzung  der  phüos.-philol.  Clawe  vom  7.  Juni  1890. 

Chrestieriy   aUeged  to   have  been  üs  source  in   aU  thase  parts 
common  to  hoth*   (Nutt  s.  138). 

unseres  erachtens  erklärt  sich  die  Sache  einfacher,  das 
mab,^  welches  einen  franzosischen  stoff  behandelt,  sucht  diesen 
hin  und  wieder  den  wälschen  Verhältnissen  anzupassen,  während 
Chrestien  Percevals  geliebte  Blanchefleur  dem  ritterlich-hofi- 
schen Schönheitsideal  entsprechend  natürlich  mit  leuchtenden 
goldgelben  haaren  schildert  (3005/6  nach  Potvins  ausgäbe), 
hat  bereits  hier  das  mäb,  das  wälsche  ideal  dafür  eingesetzt: 
ses  cheveux  et  ses  sourcüs  itaient  plus  noirs  que  le  jais  (Loth 
II  s.  63  z.  22).  gerade  weil  dieser  vergleich  der  keltischen 
sage  so  geläufig  ist,  lag  er  dem  mabinogischreiber  nahe  ge- 
nug; er  berechtigt  keineswegs  zu  so  weitgehenden  Schlüssen, 
wie  sie  Nutt  aus  der  stelle  gewinnen  möchte,  kommt  es 
doch  oft  genug  vor,  dass  ein  nachweislich  literarisches  werk, 
das  in  die  volkstümliche  erzählung  oder  überhaupt  in  andere 
Umgebung  übergeht,  märchenzüge  annimmt,  die  uralt  und 
der  folklore  wol  bekannt  sind,  sie  sind  aber  in  vielen 
fällen  erst  spät  und  äusserlich  hinzugekommen  und  dürfen 
zu  keinerlei  unerlaubten,  unmöglichen  constructionsversuchen 
verwendet  werden,  es  ist  überhaupt  ein  ziemlich  verbreiteter 
fehler  des  folkloristen,  beim  erscheinen  von  solcherlei  zügen 
sofort  auf  ein  hohes  alter  der  sage,  in  der  sie  vorkommen, 
zu  schliessen,  während  doch  gerade  die  Volkskunde  uns  über 
die  ewige  Jugend  und  allgegenwart  von  derlei  erscheinungen 
belehren  sollte,  man  muss  im  einzelnen  falle  sehr  scharf 
unterscheiden,  wo  solche  züge  die  grundlage  einer  erzählung 
ausmachen  und  wo  sie  nur  als  äusserliche  zutat  aus  dem  an 
formein  und  typischen  Wendungen  so  reichen  und  stets  be- 
reiten horte  volksmäsöiger  darstellungsweise  an  bereits  vor- 
handene und  festgefügte  werke  sich  anschliessen.  das  mcttn- 
nogi  von  Peredur  ist  auch  sonst  öfters  in  den  märchenähn- 
lichen   ton    verfallen ,    der   sich    durch    wörtliche    wiederhol- 


Oollhf:r:  ChrtHienH  conte  iM  •jriui}. 


187 


linken  rinii  typische  redewendiingeu,')  durch  Vorliebe  fllr 
die  dreizahl  und  unileres  mehr  kenuzeichnet,  uhne  darum 
dem  gediohle  Clire^tiens  gegenfiber  den  Vorzug  der  ultor- 
tQmlichkeit  ku  erhalten,  der  ganze  aufbau  der  gecicliichte  auf 
der  gnitidUge  d«s  rittertuins  und  franendienstea  mit  all  seinen 
gebrauchen  und  feinbeiten  spricht  schon  entschieden  gegen 
fline  volbstüm liehe  Herkunft  der  aagenform,  wie  sie  sich  ein- 
mal im  Perceval-Peredur  herausgebildet  hiit. 

wührend  in  dieser  einen  sceae  die  beiden  darstellungen 
sich  auf«  genaueate  decken,  ist  das  in  den  übrigen  teilen 
nicht  im  gleichen  mtuisse  der  fall,  die  wälsche  darstelliing 
hat  die  französiache  sehr  zusammengezogen  und  gekürzt,  Zil- 
ien nur  den  allgemeinen  gang  der  handliing  beibehalten 

im  einzelnen  ziemlich  frei  im  stile  der  andern  rtuibmogitm 
'.,  jedoch   auch   hier  immer  durch  gelegentliche  wört- 

anklänge  die  abbängigkeit  von  der  französischen  quelle 
>nd;  mitunter  i«t  die  wälsche  erzählnng  in  Verwirrung 
geraten,  hat  sich  Umstellungen  von  einzelnen  scenen,  ja 
Wiederholungen  einer  und  derselben  soene  zu  schulden  kom- 
men lassen ;  dabei  entstand  hie  und  da  vollkommener  uusinn, 
die  wolgefUgte.  logisch  fortschreitende  handlimg  des  Chrestien- 
sofaen  werket«  ist  im  mab.  gestört ;  aber  gerade  aus  diesen 
mannigfachen  fehlem  lässt  sich  die  völlige  abbängigkeit  des 
letzteren  am  deutlichsten  nachweiHen.  einige  beispiele  mögen 
ctiw  gnwgle  erläutern. 

ein  hanptunterschied  liegt  in  der  Versetzung  der  scene, 
wie  Percevnl  Hlanchefleur  zum  weib  gewinnt,  die^'  ist  im 
ganz  verkehrte  stelle  geraten  und  dadurch  er- 


weilen 
^B«Ut, 


Y I)  wörtliche  Wiederholungen  finden  sich  z.  b.  Mubinogi   a.  62. 

[.  7  =  «.  53   h.  7— I*i    8.53   i.  I3-U  =  «.53   %.  1*  — 16; 

!.  17— au  =  s  «1   *.  38  — «.ea  «.2  =  «.  99  t.9-ll;  B.56  ».  11 

1.19—26  =  «.58  «.  11-20  =  «.62  t.  26-26,  i.28-3Ui  «.57 

=  «.  58  «.2a-2&;    ».66  i.  15   —    s.67  «.9  =  ».67  t.6-17 


1.18  - 


1.1—8  =  1 


1.9—11. 


188  Sitzung  der  ijhäos.-phüol,  Classe  com  7.  Juni  1890, 

gaben  sich  noch  andere  Störungen.  beiChrestien  ist  die  reihen- 
folge :  a)  Perceval  bei  Gornemans ;  b)  Perceval  bei  Blanche- 
fleur;  c)  Perceval  beim  gralkönig;  d)  Perceval  wird  im 
walde  von  einer  Jungfrau  (Wolframs  Sigune)  über  sein  ver- 
gehen, die  unterlassene  frage  auf  der  gralsbarg,  belehrt; 
e)  Perceval  triflfl  die  geliebte  des  OrgeUous  de  la  lande,  welcher 
er  einst  kuss  und  ring  geraubt  hatte;  —  dagegen  im  mabi^ 
nogi  folgen  aufeinander  a)  c)  d)  e)  b),  also  die  Blanchefleur- 
episode  zuletzt,  der  ritter,  von  dem  Perceval  Unterweisung 
empfängt  (Chrestiens  Gornemans)  und  der  gralkönig  sind  sinn- 
los mit  einander  verwechselt,  indem  der  erstere  als  ^lahm' 
bezeichnet  wird  (s.  56  z.  19),  während  beim  gralkönig  keines 
gebrechens  erwähnung  geschieht ;  wohl  aber  wird  beim  fluche 
der  gralsbotin  (s.  97  z.  3)  die  sache  richtig  dargestellt  {tu  es 
alle  ä  la  cour  du  roi  boiteux).  eine  weitere  torheit  begeht 
das  mab.  s.  61  f.  nachdem  Perceval  die  über  der  leiche  ihres 
geliebten  trauernde  Jungfrau  {Sigtme)  verlassen,  findet  er  die 
geliebte  des  Orgellous  (Wolframs  Jeschüte).  sie  muss  in  arm- 
seligem aufzug  ihrem  gebieter  folgen,  der  sie  in  schlimmem, 
aber  falschem  verdacht  hält.  Perceval  besiegt  ihn  im  kämpf, 
zwingt  ihn,  die  unschuldige  wieder  in  gnaden  anzunehmen, 
sie  mit  ehrbaren  gewäudern  zu  versehen  und  sich  darnach 
an  den  hof  des  Artus  zu  begeben,  das  mah,  macht  aber 
aus  den  zwei  frauen  eine !  Peredur  begräbt  den  todten  und 
zwingt  den  ritter  (Orgellous),  die  Jungfrau  zu  heiraten, 
nirgends  wird  etwas  von  deren  ärmlichem  aufzug  berichtet, 
wol  aber  muss  der  ritter  die  dame  mit  pferd  und  kleidem 
versehen  (s.  62  z.  14).  der  unsinn  ist  allein  dadurch  ent- 
standen, dass  der  anfang  der  scene  e)  hier  fehlt  und  nur 
deren  schluss  erzählt  wird;  infolge  davon  entsteht  der  schein, 
als  ob  in  d)  und  e)  von  einer  und  derselben  frau  die  rede 
sei.  seltsamer  weise  findet  sich  aber  der  anfang  von  e) 
allerdings  auch  im  woft.,  nur  an  eine  unrechte  stelle  ver- 
sprengt (s.  68  z.  15  —  s.  69  z.  8).    demnach  ist  nur  die  über- 


OtAthtr:  ChreMien/i  conlt  dtl  ijraal. 


18' 


nrung  in  iiiiunliiting  gekninuiuii,  ursprünglich  ttuUpracti  daa 
.  genau  OlirestieiiK  Wrichte.  die  gruli»Lttue  ist  lächerliuli 
^fentanflen,  wenn  es  am  Hcbluaüe  (s.  tiO  z.  14)  htqoat:  ,Ie 
(MM  ii  partit  avrc  te  eongi  de  aon  tmclc.  n.  58  z.  22  — 
)  z.  21  uiuHä  l'tiredur  Janelbi^t  eine  kml'tprobe  mit  eitietn 
Bciiwerte  heateheu.  Nutl.  sucht  darin  wieder  tieferen  sinn 
und  ültere  su^entonn;  ineine<j  urauhtens  iitt  der  zog  ebeniall« 
>  Uu8«erliche,  nahe  liegende,  über  in  dieser  rerwendimg 
wende  zutat,  bei  Cltre«tieii  erliielt  Perceval  ein  achwert 
.  ÜHcherküni^,  da»  sicherlich  dazu  bestimmt  war,  eine 
in  der  sage  ■m  spielen,  daa  aber  wie  der  gral,  die 
Mutige  ItuiKb  u.  u.  in  ein  lu^stiHches  dunkel  dadurch  geriet, 
dans  Chrestion  sein  werk  nimmer  bis  xn  dem  punkte  geführt 
hat,  wo  er  Ober  alle  dieitv  dinge  aulMcliluaa  7.u  geben  sicher- 
lieb  benli^icbtigte.  um  spaunung  zu  erregen,  vermied  er  es 
ja  absicbtlicb,  im  ersten  teil  der  dichtung  «ich  mit  klurheit 
dardber  auszudrücken,  und  gerade  durch  diese  aulage  seines 
werk«  riiiz-te  er  /.ur  forUetzimg  und  gab  seinen  nach  folge ni 
Balwsi  zu  allerlei  deutimgen,  die  freilich  selten  geglückt, 
lenfalla  srhwerhch  nach  »einer  unipriinglichen  absieht  ans- 
Ueu  sind,     das  schwert  ateht  ako  gleichsam  in  der  lull-, 

1  weiss  Flicht,  was  Ghrestien  damit  wollte,    in  der  kraft^ 

probe  Perediiro  vermag  ich  nur  einen  harmlosen  deutungs- 
veniuub  de«  ma6.  ^u  sehen  und  nicht^  weit<>r.  diesen  erreicht 
es  durch  rerwendung  eine«  weitverbreiteten  märcbenzuges. 
besooders  naheliegend  war  er  für  den  verfa.-wer  des  Peredur, 
weil  auch  tmch  6uuch<?r,  dem  vom  »t«t>.  sicherlich  gekannlt-n 
wtzer  Chreetiens,  Perceval  bei  seinem  »weiten  gralliesuch 
I  «chwertprobe,  Ifeittcbcnd  im  ziisammeiifEigen  »weier  zer- 
iheneii  stück«,  »ich  unterziehen  mns». 
bei  Chrestien  besiegt  Perceval  die  bedränger  der  Blanclie- 
äeur.  «endet  sie  an  Artus  bof  und  verunlasst  dailnrch  den 
k&uig,  dem  K«i  einen  verweis  fflr  sein  frühere^  unziemliches 
gegen   Perceval    zu    erteilen,     inali.    s.    lifi,H    tiuden 


19«.^         Süzung  der  phüos,-philol,  Classe  vom  7.  Juni  1890. 

sk'h  die  kämpfe  in  marchenart  er^hlt,  d.  h.  dreimal  wird 
mit  denselben  Worten  berichtet,  wie  Peredur  einen  ritter 
niederstreckt;  doch  von  einem  entsenden  zu  Artos  verlaatet 
nichts,  der  schluss  zu  dieser  scene  ist  nur  wieder  unsinnig 
Yerstellt  s.  55  z.  16 — 56  z.  10.  das  mab.  hat  eben  erzahlt, 
wie  Peredur  im  thorenun verstand  den  roten  ritter  niederwarf 
und  ihm  seine  waffen  raubte,  er  muss  nun  zu  seinem  er- 
ziehet (Gcmemans)  kommen;  da  sind  höchst  ungeschickt  ein 
l»ar  kämpfe  eingeschoben,  die  Peredur,  welcher  doch  noch 
keine  idee  vom  ritterlichen  Zweikampf  haben  kann  und  sich 
die  kenutniss  dieser  regeln  erst  im  weiteren  verlaufe  der 
^(ecichiehte  erwerben  soll,  kunstgerecht  besteht  und  nach  deren 
beendigung  er  die  besiegten  zu  Artus  schickt,  die  episode 
usc  hier  xu  streichen:  aus  den  Schlussworten  (s.  56  Kei  fut 
bliimti  pur  Arthur  rt  en  devitU  lui-mSme  soudeux  =  Chr.  4055 

tt  li  rois  en  croUe  le  cief 
et  dist:   ^ha  Kex  mouU  par  est  gricf 
quamt  »7  pt^est  ^iens  avoec  moi; 
iHir  ta  fole  lange  ei  par  toiy 
s'cH  ala-il,  dopit  moüli  me  grivve.) 
^oho    hoi'Hv^r,  dft*»    sie   hinter   die   Blanchefleurscene   gehört. 
4  ivh   IVivevrtls    besuch    beim  eremiten    hat   sich  seltsam    im 
i^h,K    \erurt.     s.   101    wird   erzählt,    wie  Peredur   am   char- 
rwuy;  oiuem    ritter  lM?gegnet,    der   ihn  ermahnt,    an  diesem 
4y;v    Joa    \\atVensohniuck    abzulegen,      hierauf    muss    nach 
sn:\<«&iva\  fcfwUoht   Perceval   zum   einsiedler  kommen,    s.  101 
•i    U>i\^v[uet  Peredur   aber  wieder  demselben  ritter  im 
.  ,kvn^;v;^^*'kI    und    tindet    aufnähme    auf    dessen    schloss. 
v\.V\*    .i*\vau»Uelt  sU*ht  die  wahre  und  richtige  darstelhing 
X     »V    i\#<  »«J  v^tMi*  «7  arriva  dans  une  vallee  et  au  hotU  de 
,  :t      A^^»'^   iH    iyllule   d'un    serviteur   de   Dieu,     rermite 
„.^....s    Vx*^  >  *i   jß  (Hissa   Ja    nuit\     auch   einige  raissver- 
^.. Unva     »<'*    *v-\l>*\»rte  Chrestiens    lassen   sich  nachweisen, 
^     Axx-*  V    «'   •    »^^   **^**  ausruf  der  mutter  Peredurs  über 


(Mthtr:  Chrenlirn/i  cohIc  det  ijrnnl. 
i   sieht : 


191 


die  ritt«r,  wel<'be  der  knnbe  sieht:  et  sont  des  antjes,  mon 
fils';  daaa  die  wort«  im  munde  der  mutter  sich  sehr  unpassend 
ausnehmt'n,  hut  bereit»  Birch-Hirsclifeld,  die  st^e  vom  )fral 
s.  207  mit  recht  bemerkt,  wie  l'eredur  bei  der  in  ihrer 
barg  hedrän^n  Jungfrau  ( Btaiiche&eur)  weilt,  bringen  zwei 
nnen  speise  und  trank,  man  versteht  nicht,  wesehalb 
(  mab  nonnen  als  die  aufwärterinnen  nennt:  der  grund 
;  offenbar  im  text  Chrestiens  2948  ff.  4121  IT,  wo  aller- 
klonterfrauen  erwähnt  werden,  s.  64  x,  12  —  z.  24 
las  mab.  den  frz.  text  töricht  ausgelegt,  die  ritter  der 
rängten  Jungfrau  (BlancheÜeur)  zwingen  sie,  in  der  nacht 
I  das  bett  des  gastes  sich  zu  begeben,  während  bei  Chresties 
knchefleur  dies  im  geheimen  tut.  die  sinnlose  nnd  unschöne 
lerung  des  mab.  versteht  sich  am  ehesten  auR  den  loben- 
I  beifälligen  hemerkiuigen  der  ritter  über  Perceval  (Ohre- 
I  3054 — (i(>),  wie  gut  er  zu  ihrer  jungfräulichen  herriu 

wflrde. 
bei  der  scene   mit   der   dame  im   zeit,    welche  Percevat 
iverstand  tiberfällt,   hat  dos  mabinogi   sehr  nngeschickt 
TergesHeu.  zu  erzählen,  dass  Peredur  gegen  den  willen  der 
ilame  handelt  (vgl.  s.  49  z.  22-51  z.  2).    . 

als    beweis    ffir    den    genauen    anschluas    des    'nah.    an 
irestien-s    worto    dient    noch    folgende   stelle,      wie    bereits 
ir&hnt,  hat  da»  nutb.  die  ahenti>uer  Uauvains  ^turk  gekürzt. 
ich  dem  hericht  vom  aufenthalt  Gwalchmei'w  auf  der  bürg 
rtttera    (bei    Chrestien    Guiffambresil) ,    wo    er    die  liebe 
r  «chweAter  den  letzteren  im  stürme  erobert,  schliesst  mab. 
VhisUnrc  n'en  dil  pas  davantagc  nu  svjet  dt  Gwalchmei 
s  de  ceäe  cj^pedäion.   pour  Peredur,  ü  ntarcha  dcvanl  lui'; 
I  dentelben  stelle  nagi  Chrestien:  7588 
de  monsignof  Gauvain  se  taist 
ict  H  amtes  ä  eslal; 
sc  t.Qmme.fice  de  J'rrcevat. 


192        Sitzung  der  phüos.-phüol,  Claase  vom  7.  Juni  1890, 

wir  finden  demnach,  dass  Ghrestiens  gedieht  vollkommen 
und  zum  grossen  teil  wörtlich  im  mabinogi  wiederkehrt;  nur 
hat  das  letztere  eine  anzahl  von  sinnlosen  Umstellungen,  die 
aber  auf  rein  äusserliche  fehler  der  Überlieferung  zurückzu- 
führen sind,  man  kann  leicht  im  mab,  die  gehörige  Ordnung 
wiederherstellen,  man  muss  dies  sogar,  andernfalls  die  hand- 
lung  ohne  sinn  und  Zusammenhang  ist.  bei  Ghrestien  ist 
alles  in  schönster  Ordnung;  seine  darsteliung  kann  unmög- 
lich aus  der  verwirrten  das  mabinogi  hervorgegangen  sein, 
wenn  letzteres  etwa  den  stand  der  anglonormännischen  vor- 
läge ührestiens  repräsentieren  sollte,  selbst  diese  auftassung 
würde  sich  zu  dem  Schlüsse  genötigt  sehen,  dass  der  in  halt 
und  Wortlaut  der  angeblichen  quelle  aufls  genauste  mit 
Ghrestien  sich  deckte,  mit  andern  Worten,  dass  das  mabinogi 
aus  Ghrestiens  tezt  sich  völlig  befriedigend  erklärt  und  ver- 
möge seiner  beschaffenheit  auf  keine  ältere  Vorstufe  hindeutet. 
die  Verschiebungen  im  m(ib.  sind  keineswegs  infolge  einer 
bewussten  und  planvollen  bearbeitung  eingetreten,  vielmehr 
ganz  zufällig  durch  einander  gewürfelt  worden,  wo  das  mab. 
Ghrestien  gegenüber  kürzungen  oder  besser  zusanimenziehung 
des  inhaltes  aufweist,  zeigen  sich  im  ansdruck  und  in  ge- 
legentlichen eigenen  zutaten  spuren  einer  etwas  freieren  be- 
handlung  des  stofFes.  alle  abweichungen  verstehen  sich  je- 
doch leicht  allein  durch  diLs  bestreben,  den  inhalt  des  fran- 
/(Ksischen  gedichtes  der  neuen  Umgebung,  in  welche  es  durch 
die  wälsche  Übertragung  eingetreten  ist,  anzupassen,  es  be- 
steht ein  offenbares  missverhältriiss  zwischen  dem  umfang- 
reichen stücke,  wo  Ghrestien  wörtlich  und  bis  auf  alle  einzel- 
heiten  wiedergegeben  ist,  und  dem  übrigen  teile,  wo  Ghrestien 
gekürzt,  mit  leichten  änderungen  versehen  und  umgestellt 
erscheint,  vielleicht  ist  im  ersten  falle  unmittelbar  nach 
der  franziVsi sehen  handschrift  gearbeitet  worden,  im  andern 
fall  dagegen  nur  der  inhalt  in  seinen  hauptzügen  nach  dem 
gedächtniss    reproduciert.      denkbar    wäre    auch,    dass    eine 


Ooitker:  Chrestirti» 


f  dd  tjraai. 


193 


zu  aiifanij  des  13.  Jahrhunderte  angottTtigle  gentiae  kyiurüclie 
[iherxK  1.311111g  iiachmul«  in  der  wskcheii  Überlieferung  sell>er 
^eklimt  wurde,  wobei  ein  stock  aber  in  der  alten  form  xtchen 
blieb,  in  diei<em  falle  dürften  ältere  kyrnrische  text«,  dnren 
Veröffentlichung  in  aussiebt  stebt  (vgl.  oben  s.  184),  von  den 
I  des  malrinoi/i  im  Herpwt-manuscripte  mßglicher  weise 
i  frei  sein. 

ventebt  »icb  von  selber,  dasa  das  nui/nnoffi  in  der 
rorlio^endon  ^estalt,  soweit  eä  Chrestienx  werk  gekürzt  wieder- 
gibt, mir  in  bezug  auf  den  inbalt  mit  die6eiD  gennu  über- 
^einstiiamen  kiuin.  die  weit  unsgeäpiirinenen  mbildeningt^n 
(tiena,  welche  die  sitten  und  gebrauche  und  anschauuugen 
r  ritterlicben  geKellHuhaft  behandeln,  für  welche  die  fran- 
Iriscbe  dicbtimg  hestimntt  i^t,  Helen  daher  im  Peredur  wie 
Hiicb  im  Owoin  imd  Geroint  groasentetls  weg.  fibrigene  hält 
fast  jede  mittelalterlicb«  fibersetKungHlitteratur  den  vorlagen 
gfgeuilber  ein  solche«  ver&hreu  ein,  das»  sie  nur  den  »toff 
bvqiQtzt.  die  vom  franximischen  dichter  daran  geknüpften  re- 
Sexionen  d.  h.  die  form,  in  die  er  den  stoti'  kleidete,  meist 
weglie*!  "der  aiicb  durch  eigenes  ersetzte,  trotzdem  blieb 
in  d<m  malrinoi/ion  noch  genug  stehen,  um  deutlich  die  form 
franzHsischen  darstellung,  das  gedieht  ühreetiene  noch 
[eBuen  r.u  lassen,  die  vielen  wi'irtlicheD  ftbereiuMtimmungen 
l  vollgilttge  beweise  hiefür. 
die  mabinos/idn  ve^leicben  sich  in  der  art  ihrer  wiedcr- 
'  der  gedicbte  Cbrestiens  am  nächsten  den  altnorwegi- 
dbentetzungen  altfrauzösischer  roniatie.  vss  ist  nicht 
ibncfaetnlicb,  dans  zumaJ  nach  einer  Verarbeitung  den 
taten  vorhandenen  franzöniscben  mid  wäUcheu  hand- 
HrinentnatcrialeH  der  Ceredur  stellenweise  ebenso  wie  hie 
I  da  die  ßr.iteren,  f(ir  die  textkrittk  dtenste  zu  leisten  vermag, 
im  mr^.  entdeckt  man  sogar  die  individuellen  eigeu- 
heiten  der  darstellung  C'hrestiens,  ein  sicherer  heweiM, 
I  nur  Chrivtiiii,  niibt  Heim*  angebliche  vorläge  tiUi'lle  des 


-^    -■'"^- 


A 


194        Sitzung  der  phäos.-phüdl,  Classe  vom  7.  Juni  1890. 

mab.  war.  Ghrestien  liebt  es  bekanntlich,  die  namen  der 
handelnden  personen  erst  spät  zu  nennen,  überhaupt  ist  er 
mit  eigennamen  sehr  sparsam,  die  personen  im  mab.  sind 
fast  alle  namenlos;  französische  namen  wie  Orgellous,  Blanche- 
fleur  konnten  natürlich  im  wälschen  nicht  gebraucht  werden, 
nur  der  rein  französische  name  des  beiden  Perceval'  ist  durch 
den  lautlich  anklingenden  rein  keltischen  (kymrischen)  Pere- 
dur  ersetzt,  wie  auch  im  bretonischen  märchen  durch  Peron- 
nik ;  im  übrigen  kehren  nur  die  auch  in  den  andern  mabi- 
nogion  vorkommenden  namen  wie  Arthur,  Qwenhwyvar, 
Owein,  Gwalchmei  und  Kei  wieder,  sonst  ist  das  mab,  in 
den  entsprechenden  partieen  noch  ärmer  als  Ghrestien.  Chre- 
stien  hat  sich  femer  über  die  bedeutung  des  grales,  der 
lanze  und  des  Schwertes  nicht  ausgesprochen,  wenn  eine 
unzweideutige  quelle  im  sinne  von  G.  Paris^  anglo-normän- 
nischem  gedieht  existiert  hätte,  so  müsste  das  mab.  doch  hier- 
aus haben  schöpfen  können,  es  weiss  aber  nichts  darüber, 
denn  die  am  Schlüsse  gegebenen  deutungen,  auch  das  blutige 
haupt  an  stelle  des  grales  sind  nur  erklärungsversuche,  die 
teils  den  französischen  fortsetzern  Ghrestiens,  teils  der  eigenen 
phantasie  des  wälschen  bearbeiters  entsprangen,  der  begriff 
ßrat^  den  Ghrestien  nicht  erklärt,  war  dem  mab,  völlig  dunkel, 
das  kam  auch  anderwärts  vor,  z.  b.  in  der  altnorwegischen 
Übersetzung  Ghrestiens  (Parcevalssaga  cap.  XI  bei  Eölbing, 
riddarasögur  s.  30) ;  as  heisst  dort  ^herein  kam  eine  schöne 
maid  und  trug  etwas  in  bänden  dem  gleich  als  ob  es  ge- 
webe  (!  textus)  wäre;  aber  in  wälscher  (d.  h.  französischer) 
spräche  nennen  sie  es  hraull;  aber  wir  nennen  es  gehende 
erleichterung ?  oder  beistand?  (ganganda  greida?y  der 
Norweger  geriet  in  völlige  Verzweiflung  dem  grale  gegen- 
über, und  wusste  gar  nichts  damit  anzufangen,  im  mab. 
soll  Peredur  durch  den  anblick  des  blutigen  hauptes  zur 
blutrache  gemahnt  werden,  ein  gedanke,  der  aus  den  franzö- 
sischen fortsetzungen  stammt,  wie  wir  sehen  werden. 


GoUhrr:  l^renlie- 


195 


an  ennr  andern  stelle,  wo  bei  Chreätien  von  ffral  und 

LRxe  die  rede  war    (Ghrestien  «031 —603»;    6113  —  6117), 

hat  tiirli  da»  mabinogi    dudurch   zu    lielfen   gewaast,    dass   ea 

der  lauiec  allein  erwähnunK   tat   und   nur   beim  ersten  male 

ganx   allgemein   dazu  bemerkte:    tu  aa  vu  li  encore  d'autres 

,  womit   natiirlicb  der  gral  gemeint  ist    (mab.  a.  97 

3 — 7;  s.  98  z.  S^?"!.    im  mal/inogi  ist  beim  ersten  l>esuch 

9  E^eredur  das  blutige  haupt  au«  dem  zweiten  heraus  inter- 

oliert  RD  Htelle  des  dankein  grale« ;    hier   aber   geschah   es 

illjcht.      man    sieht    gerade    hier,    wo    die    Ulterein»tiinmu>ig 

«iscberi  dem  mabinogi  und  seiner  vorläge  eine  genauere  ist, 

die   letztere  vom   blutigen   baupte  natQrlicb  nichts  ge- 

t  hat. 

da»  ergebniss  einer  vergleichung  des  tnnliinogi  mit  Chre- 
1  amtt  dfl  ffraal  \äast  sich  kurz  so  zusammenfassen: 
Chrestieiis  text  spiegelt  sieh  gr^ssenteils  in  den 
^rteu  des  mali.  genauestens  wieder;  die  eigenart 
dichtnng,  z.  b.  der  kenntlich  gemachte  ab- 
(faluiift  eines  abscbnittes  zeigt  sich  auch  im  mab.\ 
B  fnab.  weiss  nicht  mehr  von  der  l'ercevalgeschichte 
Chrestien  steht,  denn  was  das  mofrmo^  sonsit 
tch  erzählt,  ist  («einer  herkuntt  nnch  unschwer  zu  he- 
mmen; mit  der  Percevalsage  Chrestiens  steht  alles  übrige 
F  keinem  vernünftigen  zusammenbang,  ja  es  tritt  in  unlös- 
I  widornprucb  zu  ihr,  wenn  demnach  Q.  Paria  mit 
Hsr  annähme  einer  gemeinschaftlichen  quelle  ffir 
Phrentieu  und  das  mabinogi  recht  liatte,  so  mflsste 
pesw  1)  wörtlich  und  inhaltlich  mit  Chrestiens 
•»al  tibereingestimmt  haben;  2)  wie  Chrestiens 
ftdicbt  mtisste  sie  unvollendet  gewesen  sein;  Chri- 
pen  hätte  zeile  für  zeüe  abgeschrieben,  ohne  sich 
geringste  änderung  zu  erlauben,  in  bezug  auf 
■ne  dichterische  behandlung  der  anglo-normiUiniscben  rc 
•  käme  Chreätien  nicht  einmal  so  viel  Selbständigkeit  t 


d 


196         Sitzung  der  phüos.-phiM.  Glctnse  vom  7.  Juni  1890. 

als  den  mittelhochdeutschen  dichtem  der  strengsten  übersetzer- 
schale ihren  französischen  Vorbildern  gegenüber,  und  immer 
wird  die  hypothese  eines  anglo-normännischen  Perceval  im 
sinne  von  G.  Paris  abgesehen  von  allem  andern  an  dem  ver- 
wunderlichen umstand  scheitern,  dass  die  angeblich  daraus 
abgeleiteten  dichtungen  über  alle  die  puncte,  welche  in 
einem  vollständigen  werke  doch  aufgehellt  worden  wären, 
auch  nur  soviel  wissen,  als  das  unvollendete  gedieht  Ghrestiens. 
mit  andern  Worten:  die  vorläge  des  mabinogi  kann  nur 
Ghrestiens  conte  del  graal  in  der  uns  erhaltenen  un- 
vollendeten fassung  gewesen  sein,  die  hypothese 
einer  älteren  anglonormännischen  vorläge  ist  ganz 
und  gar  hinfällig. 

was  den  Chrestien  entsprechenden  inhalt  des  mabinoffi 
anlangt,  so  kann  nur  von  einer  bald  genaueren,  bald  freieren 
Übersetzung  gesprochen  werden ;  von  einer  der  vorläge  gegen- 
über in  freieren  bahnen  sich  bewegenden  selbständigen  be- 
arbeitung  treten  keine  anzeichen  hervor,  wenn  wir  die  par 
leichten  und  durchaus  äusserlicb  gehaltenen  Zusätze  in  abzug 
bringen,  wohl  aber  enthält  das  mabinogi  auch  noch  grössere 
stücke,  welche  nicht  aus  Chrestien  stammen  und  die  eine 
gesonderte  l)etrachtung  verlangen.  die  fraglichen  stellen 
finden  sich  s.  45  —  47  z.  15;  s.  69  z.  9  —  70  z.  20;  s.  75 
z.  19  —  s.  06  z.  4;  s.  102  z.  16  bis  zum  Schlüsse,  schon 
die  moglichkeit  der  genauen  abgrenzung  dieser  partien  von 
dem  kerne  des  mabinogi^  dem  conte  del  gracU^  beweist,  wie 
rein  äusserlich  und  völlig  unvermittelt,  fast  ohne  den  ge- 
ringsten versuch  zur  herstellung  eines  tieferen  Zusammen- 
hanges der  rest  des  mabinogi  dasteht,  der  stoff  stammt  teil- 
weise aus  den  französischen  fortsetzern  des  Chrestien,  teil- 
weise ist  er  aber  der  Percevalsage  ursprünglich  ganz  fremd, 
und  erst  im  mabinogi  in  einen  lasen  Zusammenhang  mit  ihr 
gebracht;  die  absclinitte  von  dieser  beschaflfenheit  sind  mit- 
unter auf  echt  kymrische  geschichten  zurückzuführen,  so  die 


QtHthrr:  Chreftietm  contr  dtl  grnal. 


197 


eptsod*?  Ton  den  hexen  vod  Gloster  (ifocrtoy»),  teils  «uf  reine 
«•rfitidiing  einer  von  der  geistlosen ,  l&u|{weiligen  späteren 
fnuivünintihen  ubenteuerromanfabrikatioii  lieeJnflussten  phiin- 
tasie.  die  plan-  nnd  dellos  eiu  abenteuer  ans  andere  reilit, 
ileiii  kyrnrixcheii  beiirbeiter  den  contc  del  graal  lug  »usser 
Chrestien  wahrscheinlich  auch  die  einleitung  zam  teil  wenig- 
st«!» ¥0r,  welche  bei  Potvin  fers  1  —  1283  abgedruckt  ist, 
fonmr  von  den  furt^et/eru  (jnueher  inid  Monnessier,  nicht 
Oerbert.')  eine  dumrtige  zusumnienstelttmg  scheint  in  att- 
frani«>t«iMchen  handschriften  hnuhg  gewesen  im  s^in,  wie  das 
beiMtiiol  der  deulMchen  überMet7.er  des  Pamfal.  der  l>eiden 
ßtraasbiirger  Wisue  und  C'olin  (vgl.  die  ausgäbe  von  K.  Schor- 
bach  in  der  einleitung)  lehrt,  dieaes  dem  wähchcn  Schreiber 
vorli«^etide,  xienilicli  umfangreiche  material  wurde  von  ihm 
nur  im  oiMznge  verwertet,  die  wenigen  angaben  Hl»er  IVre- 
dur»  vater,  der  im  tumJer  gefallen,  der  entNchhiss  der 
iDDtt«r,  mit  ihrem  wihoe  die  Waldeinsamkeit  aufxusuchen, 
nm  ihn  vor  gleichem  tot^e  zu  bewahren,  erklären  sich  aus 
485  ff.  s.  lO.'.  ^.  29— lOG  z.  7;  ^.  107  ?..  4—108  «,  19  findet 
genauere  berUhrung  zwischen   dem   mab.    und  fiaucher  (vgl. 


)  Nnlt,  ütwdiFi  a.  165/169  glaubt  freilieh  auch  l-eiichungen 
a  dem  mah.  und  Q«r1ierl  entdecken  xu  kCanen.  welche  er  TQr 
tjrpotbne  de«  keltiicben  uniirunf^e«  der  ki^'*"^  nuttbür  eu 
1  luchL  WRim  atwrhitupl  auf  die  iLlmlii'bkeit  eines  beiderneil« 
nAommandeD,  aber  jedeamal  in  total  vergeh iedeaem  »aHaramunlmng 
■t«h*'nden  inges  gewicht  gelegt  werden  darf  —  e^  handelt  sich  um 
Hie  wiedefhtdebiing  b'otOdteter  krieger  -  nn  wilre  höchstens  der  Hchlua« 
erlkuht.  d^«  die  bei  Oerbort  verwendete  npisode.  deren  unurKprUntf- 
lichkeit  leicht  einxUMehen  Int.  an  letsler  »teile  auf  kymriHche  Rage 
«irilckgoht  und  ebendaher  auch,  wol  aus  dem  mahinngi  rnn  Branwen 
j  Lotb  1  II.  65-961  der  tug  im  Peredur  «tammt,  wo  ein  todter  lU 
y^lmf*  w«nu™  waa-e«  B-^worfen  wieder  auflebl  (UUi  II  ».Ö6 
^38).  eine  benuUung  (Jcrberta  von  »eilen  de»  m(^iiioip  und  eine 
Bong  den  ingea  aus  demeetben  kann  nicht  niu^hgewiiMKn  wunlim. 
i  auch  Zioimer  in  dnn  tifiit,  gnl.  lun:.  IflWl  nr.  12  -  r.iii-  \ 
H'TUka.'tUI«!.  u.  hlit.  Cl.  tl.  1.  1 4 


198        Siteung  der  phüos.'phäoL  Classe  vom  7,  Juni  1890. 

die  inhaltsangabe  bei  Nutt  s.  16  ine.  7,  bei  Birch-Hirsch- 
feld  sage  vom  gral  s.  95/9)  statt;  sie  ist  im  mab.  nur  unter- 
brochen s.  106  z.  8 — 107  z.  3  durch  einen  kämpf  mit  einem 
schwarzen  mann,  der  recht  ungeschickt  interpoliert  ist.  im 
mab.  und  bei  Gaucher  wird  erzählt,  wie  Peredur  in  einem 
schlösse  ein  Schachspiel  findet;  er  wird  von  einem  unsichtbaren 
gegner  matt  gesetzt,  ergrimmt  will  er  das  Schachbrett  zum 
fenster  hinauswerfen,  wird  aber  daran  verhindert  durch  die 
erscheinung  eines  mädchens.  dieses  befiehlt  ihm,  mit  hilfe 
eines  hundes,  der  ihm  die  fährte  zeigt,  einen  hirsch  im  walde 
zu  erjagen  und  demselben  den  köpf  abzuschneiden,  als  Pere* 
dur  die  aufgäbe  vollbracht,  kommt  eine  Jungfrau  vorbei,  die 
eigentümerin  des  hirsches,  nimmt  das  hirschhaupt  und  den 
hund  und  heisst  Peredur  zur  sühne  für  den  getödteten  hirsch 
einen  kämpf  mit  einem  in  einem  steingewölbe  verborgenen 
ritter  zu  bestehen,  nach  einigen  gangen  verschwindet  dieser 
mit  Peredurs  pferd  (nach  Gaucher  kommt  ein  anderer  ritter 
und  entführt  hund  und  hirschhaupt).  ein  vorurteilsfreier  be- 
obachter  erkennt  in  diesen  abteuern  unschwer  den  geist  der 
s])üteren  französischen  romane  aus  dem  anfang  des  13.  Jalir- 
hunderts,  aus  dem  die  schrecklichen  prosaerzählungen  schliess- 
lich hervorwuchsen,  wo  um  einen  älteren  vernünftigen  kern 
eine  fünf-  bis  zehnfach  so  umfangreiche  gaschichte  mit  un- 
erhörten längen  und  Weitschweifigkeiten  und  ohne  jede  lo- 
gische composition  entstand,  weder  bei  Gaucher  noch  im 
mnhinogi  sind  diese  züge  für  Percevals  Schicksal  von  irgend 
welcher  bedeutung,  sie  dienen  eben  nur  dazu,  die  handlung 
weiter  zu  spinnen,  endlich  gelangt  Peredur  wieder  auf  die 
bürg  des  lahmen  königs,  wo  er  Gauvain  ebenfalls  vorfindet, 
hieraus  ist  wol  zu  schliessen,  das«  dem  mab.  eine  version  be- 
kannt war,  welche  auch  Gauvain  die  gralssuche  (die  queste) 
vollenden  lä<Jst.  letzteres  ist  der  fall  im  conte  del  graal 
10,(302  -21,916  d.  h.  in  der  vor  Gaucher  befindlichen  fort- 
setzung   eines    ungenannten    Verfassers,     weiterhin    wird   be- 


Gollher:  Chrettifne  eonte  liel  grnai. 


199 


richhit,  das  bluti^^  baiipt  sei  dasjenige  dra  retters  Fereditrs, 

den  die  hext-ii  von  ÜUistei'  erschlugen,     eine  uut'klärung  Hber 

I  bliitend(>  lan/.e  erbalten   wir   nicht.     Peredur  mucbt  sich 

'   räche   auf  uud   tüdtet   die   bexen.     damit  schliesat   diu 

i.  die  d«rBtelluii(<  ixt  hier  nllerdinxe  d«ai  inahmogi  ei^fen- 

nlich,  aber  man  kann  noch  die  f^undlagon  i>rkennen,  auf 

I  sie  lieruht.     die  hexen  von  Gloater,   die    bereite  s,  ÜSI 

0—70  ^,  2(),  vorkommen,    sind   wohl  aus  einer  ursprüng- 

>  vüllig   fremdartigen    wäLschen   sage   in    die   Perediirge- 

Buchte  hineingeraten.')     der  gedanke  eines  rachexuges  da- 

[an  stammt  ans  Menneasier. 

wenn  wir  die  fortsetzungen  Chrestiena  ins  aiige  fassen,  so 

\  sich  meine«  erachtena,  daxs  sie  völlig  auH  eigener  erlin- 

;  lieraus,  ohne  irgend  welche  ältere  quellen  zij  beiiCitzeri, 

I  Porcevalsage  zu  ende  geführt  haben,     ich  stelle  niith  mit 

r  Buuahme  in  wiileni|inicb  zu  Nutt,  der  auch  aiia  den  fort- 

n  heratia  ältere  aagen/.Uge  ermitteln  7,11  können  glaubt,    die 

Klnen  abenteuer  mnd  völlig  /.usuintnenbangslos  an  einander 


1)  daa  mabitiogi  (a.  70  «.  10—20:    vgl.  aneh  b.  109  z.  38-90)  er- 

,  i1m*  I'nrciliir  von  den  liexen  von  ^Mter  unterwisnng  in  dpn 

ha  MnplienK.     NuU  (fnlk-tnre  reeord  rV  «.  Sl  f.)  gl>iiil>t,  in  dem 

I  weiwr  fraann   Mir  die  erxieliuiit;   des   lielden    wieder   einen 

ebeabafteD,  »Iten  lut;  iMlotellen  zu   können,    selbst   wenn  die« 

ntlfT  wSite,  würde  gerade   dailurvh  erwiexen,   dasa    Jan    mahiunfii 

BBn*"»e((«  die  «puren  einer  liieren  Percfvalsnjto  «eijft,  dass  vielmeLr 

d*Tli-i  dinge,  wenn  nie  Je  einmal  vorkommen,   mit  drr  üigentlii'hen 

rniUiliiog  in  valiigen  widenpmuh  treten,    die  eniehung    und  iiuit- 

Mang  l'iTcevuU  fallt  g&tulich  seiner  mntter  und  OorniüuuiiB  nn- 

alnnagi  Krrndeao  wie  tiei  ChrmtieD.     lOr  die  pUdiigOKifirbe 

^sit  dt^r  hpinn  ixt  oirtienda  ein  platt,    weit  ontrernt  etwa  eine 

ichere  nnd  Sltere  nljerlicfening  dnrclischimmprn  nu   liuann.  tritt 

Aexer  tMfc  vielmehr  blonH  nUSrend  nnd  uiit;eachickt  in  die  handliuiK 
•in  und  l>ekund«t  damit,  daan  er  in  der  unprünglichen  ptanvollen 
telliin^t  (.'lireKtiena  niclitn  »u  Hchatfen  hutte  und  mir  als  ün|Nt*"en4e 
t  den  mahim{i)  uufiuriwsi-n  ist. 


200        Sitzung  der  phüoa.-phäol,  Clasae  vom  7.  Juni  1890, 

gefügt,  sie  unterscheiden  sich  in  nichts  von  den  mach  werken  der 
französischen  romanschreiber  dieser  gattung.  Perceval  reitet 
in  der  weit  herum,  besiegt  ritter  und  sendet  sie  an  den  hof 
des  Artus,  es  bedurfte  keiner  besonderen  dichterischen  Ver- 
anlagung, um  derlei  geschichten  in  masse  zu  erfinden,  höchst 
kindlich  ist  die  erfindungskrafb  des  Mennessier  z.  b.,  wie  sich 
aus  folgendem  zuge  zeigt :  Ghrestien  hatte  yon  einem  Schwerte 
geredet,  das  Perceval  beim  grale  erhielt,  und  hatte  gewiss 
die  absieht,  dasselbe  im  verlaufe  der  erzählung  noch  einmal 
bedeutsam  zu  verwenden,  es  soll  einmal  zerspringen  und 
nur  der  sehmied  Trebucet  vermag  es  wieder  zusammenzu- 
schweissen.  Mennessier  lässt  Perceval  ganz  beliebig  zum 
schmiede  kommen,  der  die  stücke  des  Schwertes  zusammenfügt. 

insoweit  aber  die  handlung  sinn  und  absieht  verrat  und 
sich  nicht  blos  in  die  gehaltlosen  episodeu  verliert,  die  eben- 
sowol  im  hinblick  auf  die  gesamtheit  der  erzählung  unend- 
h'ch  vermehrt  als  vermindert  werden  könnten,  ist  sie  nur  aus 
andeutungen  heraus  entwickelt,  welche  sich  bei  Ghrestien 
vorfanden,  keinerlei  spuren  weisen  bezüglich  der  Schick- 
sale des  Perceval  auf  irgend  welche  Chrestiens  gedieht  vor- 
ausliegende ältere  quellen. 

zunächst  lag  es  doch  nahe,  Perceval  wieder  auf  die  grals- 
burg  kommen  zu  lassen,  worauf  das  gedieht  Chrestiens  hin- 
zielt, das  geschah  bei  Gaucher.  Perceval  empfieng  aufschluss 
über  die  Wunderdinge  und  über  des  königs  wunde  und  nun 
war  diis  geheimnissvolle  seh  wert,  welches  Perceval  nach 
Chrestien  bei  seinem  gralsbesuch  erhielt,  über  dessen  bedeu- 
tung  wir  aber  nichts  erfahren,  dazu  ausersehen,  eine  rolle 
zu  spielen,  durch  Zusammensetzung  zweier  schwertstücke  er- 
wies sich  Perceval  bei  Gaucher  bereits  als  der  erkorene  held ; 
bei  Mennessier  erhielt  Perceval  die  aufgäbe,  die  wunde  des 
fischerkönigs  und  den  tod  seines  bruders  an  dessen  mörder 
Partinial  zu  rächen.  Perceval  besiegt  Partinial  und  dessen 
Imupt  wird  auf  der  höchsten  spitze  des  gralschlosses   aufge- 


Onltkrr:  ChrrMie 


•M  firnal. 


201 


tWkt  nfienbar  entnahtn  dm  mabinogi  den  )^>'danken  der 
reche  aus  Meniiessier.  in  bexng  niif  äw  blutige  httiipt  trat 
fin«  verwefhslunji  ein,  indem  es  nicht  mehr  als  wahrzoit^hen 
des  emiiigenen  xieges  dienti^  sondern  dem  Perednr  al.t  iaah> 
nötig  i^exeigt  nunle  und  ztrar  schon  bei  dessen  cnttem  be- 
such, der  imverstandene  grsl  —  denn  von  den  erklüriingen, 
die  Mich  hei  Mennesaier  finden,  marbt  das  mabinogi  keinen 
gebrauch,  wie  es  (iberbatipt  nur  die  eine  haupb4cene  aus 
Meniiewiier  in  sehr  Freier  weise  benutzte  —  ward  diircb  ihis 
blutig»  hiiupt  ersetzt,  dnss  wir  es  wirklich  hier  nur  mit 
inem  »[Sten  und  nngeschickton  erklärnngäversuch  von  seilen 
(  wiilscben  bearbeiters  kii  tan  haben,  bowflist  der  umstand, 
t  die  blutige  tanxe  nnerklärt  und  geheimnissvull  daneben 
;i  geblieben  iat  und  dass,  wie  bereits  oben  gezeigt  wurde, 
I  blutige  haupt  gar  nicht  einmal  Hberatl  den  gral  vertritt. 
(  inafntwui  fiel  »unücbät  alles  gewicht  darauf,  Chrestions 
Ichtung  genau  wiederzn geben,  die  fortaetzer  wurden  nur  in 
Digiti  wenigen  huuptpnnkten  lieigezogen  und  darum  auch 
i  genügende  kliirbeit. 

s.  102  7..  UJ — 10.5  z.  29  wird  eine  epiiinde   von  Peredur 
richtet,  deren   unmittelbare    vorläge    ich    nicht  an/.ngeben 
pmag,  die  aber  jedenfalls  uispr(biglich  nicht  die  geringste 
XJehung  zur  IVrcevalge^chichte  hatte,    der  anfang  bis  s.  103 
(  15  ist  der  Ijauvttinepisode  s.  9S  z,  30  —  100  z.  17  nachge- 
bt,  «um    teil    bis   zu    wörtlichen  anklilngen.     gerede  die- 
me,    welche   wörtlich   mit  Chrestien  Übereinstimmt, 
I  durch  eine  lange  interpoUtion  s.  76—96  unterbrochen, 
«ri«dernm   selber   in    zwei   abschnitte   /erfällt   vgl.  s.  82 
is  darin  berichtet  wird,  findet  sich  nirgends  in  den 
flldienra  französischen  graldichtungen.     der  inhalt  tritt  aber 
•Bell  in  offenen  Widerspruch  mit  der  gescbichte  des  Peredur. 
CT  knnpft   ein    liehesverlmltni!i!ii    mit   einer   kaL^erin    an    und 
weitt  H  jähre  bei  ihr,  was  recht  schlecht  zu  seiner  kurz  zu- 
vor ge8chiIderlt?R  treuen  geüinniing  seiner  gattin  (BlaocheflBqf] 


202  Sitzung  der  phüosrphUol.  Glosse  vom  7.  Juni  1890. 

gegenüber  pasnt.  auf  eine  nähere  erörterung  dieses  fÖr  die 
Peredursage  völlig  unwichtigen  teiles  lasse  ich  mich  nicht 
weiter  ein.  es  sei  nur  bemerkt,  dass  wir  ähnlich  wie  bei 
den  hexen  von  Gloster  auch  hier  einigen  secundär  und  neben- 
sächlich hinzugetretenen  wälschen  zügen  möglicherweise  be- 
gegnen, dass  aber  das  ganze  vollständig  von  franzosischer 
anschauung  sich  durchdrungen  zeigt,  was  darin  zu  tage  tritt, 
dass  turniere  abgehalten  werden,  frauendienst  herrscht  und 
die  besiegten  gegner  sich  am  Artushofe  melden  müssen,  ob 
unmittelbare  herübernahme  der  episoden  aus  dem  franzo- 
sischen oder  wälsche  nachdichtung  und  erfindung  im  geiste 
der  französischen  romane  des  späteren  stiles  vorliegt,  lasse 
ich  dahingestellt. 

die  betrachtung  des  Stoffes  des  Peredurmahmagi  lehrt  so- 
mit, dass  letzterem  keinerlei  Originalität  zukommt,  dass  es 
ganz  und  gar  auf  bekannten  französischen  vorlagen  beruht 
und  als  abgeleitet  für  die  französische  literaturgeschichte  nicht 
benützt  werden  kann,  was  sonst  noch  im  mabinogi  eigen- 
tüniliches  enthalten  ist,  wozu  auch  die  par  züge  keltischer' 
herkunft  gehören,  wurde  erst  vom  wälschen  bearbeiter  äusser- 
lich  und  lose  in  die  aus  der  französischen  vorläge  übernom- 
mene Percevalgeschichte  eingeschaltet  und  steht  mit  dieser 
in  gar  keiner  engeren  beziehung;  es  kommt  allein  auf  die 
rechnung  des  Wälschen  zu  stehen  und,  weil  es  nur  seinem 
köpfe  als  zutat  zur  Übertragung  entstammt,  hat  es  für  die 
frage  nach  dem  Ursprung  der  Percevalsage,  welche  sich  allein 
an  Chrestien  ohne  rücksicht  auf  seine  fortsetzer 
und  nachfolger  halten  darf,  nicht  die  mindeste  bedeutung. 
wo  ein  original  einerseits  vorliegt,  andererseits  eine  interpo- 
lierte Überarbeitung,  kann  man  sich  doch  nimmermehr  auf 
die  späteren  zutaten  und  interpolationen  steifen  und  aus  diesen 
rückschlüsse  versuchen,  die  fürs  original  gelten  sollen!  eine 
wälsche  Peredursage,  aus  der  die  franziwische  Percevalsage 
hervorgegangen  wäre,    hat  es  nie  gegeben,     sie  ist  nur  das 


Qalthtr:  ChrrntiKnii  a»it«  ilcl  grnai. 


203 


leere  phantum  einer  missbräuüblichen  auffaHsiiiiK  rfes  Pere- 
durtoxtw.  von  dem  mabinogi  sug  i§t  weder  oiu  rilck- 
RchluHS  auf  eine  ältere,  der  frun/.ösischen  voraiia- 
livKeiidc  wälschi«  sugtiQ^RHtalt,  noch  auf  eine  sdkIu- 
normäniiischfi  quelle  Cfarestien»  Ntattfaaft.  wenn  unsere 
uiiMclit,  da.ss  ftirnli  Mennt^saier  vom  wair.  henilt/.t  wurde  — 
heä  Itaui-lier  liencht  gar  kein  xweifel  —  ricbtig  ist,  ao  wird 
(lunit  ein  terminna  &  qiw  fflr  die  abfassung  des  kyinriw-hen 
IVrediir  ge^^elien:  er  kann  nicht,  vor  1220  entstanden  s<:in, 
doeli  wnge  icli  die  beniitzung  Menoeaaiera  von  seilen  des 
Perftdur  nicht  mit  voller  ^ewisaheit  7,n   behaupten. 

8ir  Perceval  nf  Qalles'),  das  engÜüche  gedieht,  das 
in  einer  um  1440  geschriebenen  handschriH;  auf  ans  gekommen 
ist,  wiird«  bereit«  von  P.  Steinbaeh  in  seiner  dissertution  ^Uber 
den  einSusä  des  Cbrestien  von  Troyes  auf  die  alteng1it<che 
Uieratar'  Leipzig  1885  eingehend  mit  dem  cotüe  dd  yrnnl 
rnrglichen,  worauf  hier  verwiesen  sei.  das*  da^  gedieht  unt«r 
dem  einfluss  Chrestien^  steht,  kann  nicht  bestritten  werden. 
GH  erbebt  aicb  nur  die  frage,  wie  die  von  Uhrestien  abweicb- 
eoden  iiUge  aiifKufiMsen  sind,  nach  G.  Pari^  käme  allerding» 
aueh  hier  wieder  dan  angtonürmänniüche  gedieht  in  betraclit, 
demen  existenz  nach  einer  genauen  prOfung  des  Peredur  ent- 
Mr.hieden  na  verwerfen   ist. 

W.  Hertz  in  «einem  anfxAtx  (iber  die  sage  von  Parzival 
und  dem  gral  in  Nord  und  Süd  bd.  18  (1881)  hea  r>2 
E.  103/4  (auch  separat  erschienen.  Breslau  1882  s.  24  f.)  hat 
Iwmerkt,  dass  Percevals  jugendgescbicbte  im  englisclien  ge- 
divJite  in  der  ältesten  form  erhalten  sei,  eine  hypotheae,  die  von 
U.  Paria  (Mut.  lät^aire  bd.  30  s.  254— 2K1  vgl.  auch  la  lütt- 
nümnt  franfaiac  au  moyen  dge  §  50  s.  U7)  und  von  Niitt  in 
mnna  stvdies'  aufgenommen  wurde.  Nutt  hatte  aich  bereits 
im  lalk-tert   record  IV*   1881    s,  9— II    dahin   ansgesp rochen. 

I)  hr»((    Tfin  lialtiwcll.   the    IKnrntnn  rOfnaFicB«,   priitled  for   Ihr 
I  Suüitty.  JmuJiih  18J*. 


204  Sitzung  der  philos.'phüol,  Glosse  vom  7,  Juni  1890. 

dass  der  englische  Sir  Perceval  älteren  sagenstand  überliefere, 
als  Peredur-Perceyal,  ja  sogar  die  hypothese  von  San  Marie 
(die  Arthursage  und  die  märchen  des  rothen  buchs  von  Hergest 
s.  247),  dass  das  englische  gedieht  eine  Übersetzung  oder  ge- 
naue nachahmung  einer  bretonischen  quelle  des  12.  Jahr- 
hunderts sei,  gut  geheissen! 

gewichtige  bedenken  erheben  sich  aber  schon  aus  äusser- 
lichen  gründen  im  S.  F.  müssten  eigentlich  zwei  Versionen 
enthalten  sein,  eine  uralte  der  keltischen  ursage  entsprechende, 
welche  dann  unter  dem  einfluss  Ghrestiens  überarbeitet  wor- 
den wäre;  oder  man  hätte  gleich  zwei  verlorene  anglonor- 
männische  gedichte  zu  constatieren ;  denn  dasjenige,  welches 
die  quelle  für  S.  F.  war,  stünde  auf  einer  älteren  entwicke- 
lungsstufe,  als  das,  welches  dem  Feredur  und  Chrestien  zu 
gründe  liegen  soll. 

wir  müssen  die  puncte  ins  äuge  fassen,  auf  welche  sich 
die  behauptung  über  den  älteren  sagenstand  des  S.  F.  stützt, 
zunächst  soll  das  fehlen  des  grales  von  bedeutung  sein,  als 
ob  im  S.  F.  der  held  noch  gar  nicht  in  Verbindung  mit 
dem  grale  gebracht  worden  sei.  wenn  wir  berücksichtigen, 
dass  der  S.  F.  nur  Chrestien  kennt  und  nicht  einmal  diesen 
im  vollen  umfang  aufnahm,  so  ist  klar,  dass  der  englische 
bearbeiter,  so  wenig  wie  früher  der  wälsche  oder  der  nor- 
wegische, die  bedeutung  des  grales  zu  verstehen  vermochte, 
da  die  englische  bearbeitung  aber  mit  freiheit  zu  wege  geht, 
so  ist  auch  leicht  einzusehen,  wie  der  Engländer  dazu  kom- 
men konnte,  den  besuch  auf  der  gralsburg  wegzulassen, 
keineswegs  ist  im  fehlen  des  grales  etwas  älteres  und  ech- 
teres anzunehmen,  die  scene  vor  und  nach  der  gralsepisode 
finden  sich  auch  im  S.  F.  wie  bei  Chrestien  :  Perceval  hat 
Lufamour  (Blanchefleur)  von  der  belagerung  befreit  und 
sich  mit  ihr  vermählt,  er  verlässt  sie,  um  seine  mutter  auf- 
zusuchen, und  trifft  im  wald  eine  klagende  Jungfrau  (Wol- 
frams  Sigune)^   welche  auch  im  S.  F.,    aber    sicherlich    auf 


ßolther:  Chrettii-mi  e. 


e  del  s/rani. 


20.5 


vit;piie  Ihnst,  mit  il«r  Jeschätt  A.  h.  mit  Her  'latne,  clie  Per- 
ceval  einst  ifekUiMt  uud  ihres  ringea  beraubt  bat  und  die  er 
nun  wieder  tindet  und  mit  ihrem  /.{Jruendcu  jijeliebten  ver- 
sobtit,  KU  einer  person  verschmolzen  wurde.  ChrestieriH  j^e- 
dicbt  ist  im  S.  1'.  nur  bia  zu  ditser  scene  benubtt  worden ; 
ea  erhielt  einen  eigenen  ubscbhisä  und  einen  uiifaiig,  wurde 
all«  in  einen  neuen  rahmen  eingestellt  und  zwar  nicht  nn- 
ichic^kt.  ieh  vermag  aiier  tiieriu  nur  den  versuch  de»  eng- 
ifaen  dichlers  zu  erblicken,  ans  dem  Percevul  des  (Jhrestien, 
r  ein  unverständlicher  torso  blieb,  etwas  einheitliches  und 
i  KU  tuachen,  und  dieser  versuch  ist  auch  nicht  Übel 
logen,  unter  diesem  neuen  gesichbspunct  erhiftrt  sich 
8  erachten»  befriedigend  die  unleugbare  genaue  Uberein- 
Btnung  «wiacben  dem  englischen  und  friinx&ai»cheu  gedieht 
«to,  und  andererseits  die  in  der  freiereu  Umgestaltung 
I  stoRes  iKdIngt«;  eigenurt  des  ersteren.  den  rahmen,  in 
^eI<h(;o  der  dichter  dee  S.  P,  die  sagn  einfügte,  entnahm 
er  gewiss  den  weitverbreiteten  märcbenerzählungen ,  wie 
der  söhn  einer  wittwe  den  tod  seines  vaters  rächt,  aber 
auch  hier  ist  daw  folkluri^ische  element  erat  secnndär  und 
accid enteil  an  ein  werk  der  kunstliteratur  herangetreten, 
die  Volkstum  liehe  suge  und  die  märchenitüge  sind  wie  eine 
ewig  flie-^ende  quelle;  gewiss  ist  ein  grod^ter  teil  der  kunst- 
literatur der  mittelalterlichen  kulturvijlker  daraus  hervor- 
gegangen, al)er  aneh  umgekehrt  ist  manches  literari^he 
kuDvtpriHlui.'t  später  wieder  darin  eingetaucht.  Ja  selbst  er- 
lischt und  verjüngt  worden,  ich  verwaise  auf  die  weitaus- 
>  nordinche  volksliederliteratur,  wn  wir  den  Vorgang 
beobachten  können,  dass  literarische  werke  ins  1ie<l 
^hen  und  dabei  mit  miincbem  schönen  und  altbekannten 
.  ausgestattet  werden,  welcher  ihre  dichterische  anmut 
lliterariiKhen  quellen  gegenüber  zuweilen  erhöht. 

er  gedanke,  welcher  in  der  englischen  Percevaldichtuug 
i  Ohrestien»  werk   hinzutritt,   ist  fruchtbar 


206         Sitzung  der  phäos.-phäol,  Cltuse  vom  7.  Juni  1890, 

lieh,  aber  die  ausfQhrung  ungeschickt,  wodurch  gerade  die 
spätere  entstehung  und  die  nachträgliche  anftigung  in  die 
äugen  springt.  Percyrelle  heisst  auch  der  vater  des  helden; 
er  ist  vermählt  mit  Acheflour,^)  Artus  Schwester,  im  tuniier 
wird  er  vom  roten  ritter  erschlagen,  den  jungen  Percyvelle 
erzieht  die  mutter  im  walde.  des  älteren  Percyvelles  kämpf 
mit  dem  roten  ritter  ist  doch  eine  naheliegende  nachahmung 
vom  kämpfe  des  jungen  Percyvelle  mit  diesem  gegner.  der 
Zweikampf  des  letzteren  erhält  als  act  der  räche  einen  ern- 
steren hintergrund.  der  rote  ritter  hat  eine  hexe  zur  mutter, 
die  Percyvelle  ebenfalls  tödtet.  Percyvelles  mutter  ist  im 
englischen  gedichte  nicht  bei  seinem  Weggang  gestorben, 
aber  sie  geriet  in  die  gewalt  eines  riesen,  von  dem  sie  der 
söhn  nachmals  beireit  und  zum  schluss  ins  heilige  land  zieht. 
Nutt  sucht  aus  allen  diesen  märchenzügen,  die  zum  ganzen 
in  keinerlei  tieferem  zusammenhange  stehen,  spuren  einer 
vorfranzösischen  gestalt  der  Percevalsage  zu  gewinnen ;  er 
begeht  damit  wieder  den  fehler  einer  verkehrten  kritik  folk- 
loristischer,  nach  seiner  meinung  besonders  keltischer  demente, 
die,  wo  sie  auch  auftreten,  selbst  in  den  spätesten  quellen 
immer  noch  die  uralten  sagen  uns  vorführen  sollen,  durch 
erneute  berührung  mit  der  Volksdichtung  kann  aber  ein  literar- 
isches werk  sogar  eine  ganz  neue,  vom  ursprünglichen  vor- 
literarischen stände  noch  viel  weiter  entfernte  gestalt  an- 
nehmen, trotzdem  sich  dieselbe  zuweilen  einfach  genug  und 
märchenhaft  anmutig  darstellt,  lehrreich  in  dieser  hinsieht 
sind  die  bretonischen  ausläufer  der  Percevalsage,  das  späte 
und  ganz  junge  märchen  vom  dummen  Peronnik,  der  im 
schlösse  des  Zauberers  die  goldene  schüssel  und  die  diamantene 
lanze  gewinnt  {Peronnik  Vidioi  bei  Souvestre  im  foyer  breton 

1)  in  diesem  namen  Ächeflour  \\egt  eine  offenbare  verderbniss  des 
frz.  Blanchefleiir  vor,  d.  h.  die  bei  Chrestien  namenlose  mutter  Per- 
cevals  (In  ceuve  damej  erhielt  den  namen  der  gattin  Percevals,  die 
dann  wiederum  mit   dem   neuen  namen  Lufamour  bezeichnet  wurde. 


frnither:   Chm^ieni  catttr  liel  ijraal. 


207 


M.  II  Paris  18&8  ».  137  -  179)  xwA  das  lied  von  Motihm 
oder  Las  Breis  (bei  Villmarqti«!  Barzae  Breie,  4.  ^d.  Paris 
1H46  l)d.  1  B.  127  fr.).  auf  einen  hretonischen  national hutden 
ist  hier  die  Ptircevalsage  (ibertraf;en  worden,  die  ersiehnng 
im  Walde  nnd  die  begegiiun){  mit  dem  ritter  nach  Chrtratien 
nnd  dio  rUokIcehr  in  die  hfiiinut,  wo  er  mn  Keiner  schwestar 
d«n  tod  der  miitt«r  erfahrt,  nucli  Gancher.  d^r  );rtindat'>ck 
der  bretoni§clien  Morvanäage  hat  natdrlich  nicht  die  geringst« 
hoziehong  zum   Percev&l.     selbst  Nutt,    studies  s.   1.^8,   WHjü^t 

diesen    ({Liellen    keinen   gebrauch  211  machen,    und   doch 

ite  er  die«  mit  derselben,  ja  vieileicht  mit  grösserer  be- 
;ung  als  in  bezug  Auf  das  wälüche  mabinoffi  und  den 
:heu  Sir  Perej-relle. 

ias  eugiischa  gedieht  ist  u.  e.  unmittelbar  auf  OhrestieoH 
w«rk  KwriickKiifdhren  sti  gut  wie  das  mabinoffi;  ex  ist  eine 
ffflie  bearbettung  des  ccmte  del  graal;  die  ihm  eigenen  »(ige 
cntetaniniou  tiümmtlich  dem  köpfe  des  bearbeitem  und  dürfen 
nicht  f(ir  die  erkläning  der  PercevaUage  irgendwie  IjenfUzt 
«erden,  fUr  welche  eä,  als  aus  einer  bekannten  franräsiachen 
vorliigo  ubgelnitet,  nberhuupt  nicht  in  betracht  kommt,  da« 
fulilen  de»  grales  im  Pered<ir  imd  im  Sir  Perceval  ist  durch- 

kein  beweis  für  bierin  noch  sichtbare  spuren  eines  älteren 
kudcM;  vielmehr  erklärt  ^ich  dieser  umstand  allein  ans 
ihaSenheit  des  Chrmti engedichtes,  in  welchem  darüber 

ao&cbluss  gegeben  war. 

eine  völlig  befriettigende  erkläning  der  Percevalsage  und 
d«ir  gralsgesubichta  ist  trotz  allen  bemUhungen,  wonmtur 
romehmlicb  die  beiden  umfangreichen  Schriften  von  Birch- 
Hirschfeld  und  A,  Nutt  zu  nennen  sind,  noch  nicht  ge- 
glückt, und,  wie  mir  scheint,  besonder«  desshalb  nicht,  weil 
die  Vorfragen  noch  nicht  erledigt  sind,  die  reihenfolge 
und  diu  gegenseitige  abhängigkett  der  i^rhaltenen  beurbeit- 
noch  nicht  sicher  bestimmt  ist.  aber  selbst  wenn  din 
logiftchr   reihenfolge   der    verschiedenen  werk«   riil.n.: 


Mit  kein  I 

^KMMtauc 

^^^BlncchH 

HKi  aoEu 


208         Sitzung  der  phüos.-phüol.  Classe  vom  7.  Juni  1890. 

festgestellt  wurde,  entstanden  wieder  neue  irrtümer  infolge 
von  hypothetisch  angenommenen  Vorstufen  mit  dem  allein- 
igen zweck,  Züge  und  episoden,  welche  nur  in  späten  quellen 
erscheinen,  als  alt  und  ursprünglich  zu  retten. 

Birch-Hirschfeld  hatte  seiner  zeit  eine  nur  in  prosa  auf 
uns  gekommene  Percevalversion,  die  in  einem  einzigen  manu- 
script  vom  jähr  1301  hinter  Eloberts  von  Borron  Merlin  steht 
und  wohl  auch  eine  prosaauflösuug  eines  poetischen  Perceval 
dieses  dichters  repräsentirt,  als  die  ursprünglichste  angeschaut ; 
er  glaubte,  hier  dem  buch  zu  begegnen,  das  Chrestien  be- 
nützt zu  haben  behauptet: 

QO  est  U  catUes  dd  graal^ 

dont  U  quens  li  baüla  le  livre. 

diese  Version  ist  aber  sicherlich  jünger  als  Chrestien, 
dessen  poetische  und  wolgefügte  darstellung  der  Perceval* 
geschichte  samt  der  erzählung  seines  fortsetzers  Gbiucher 
darin  unverständig  zerrissen  und  mit  allerlei  neuen  unpassen- 
den Zügen  versetzt  erscheint,  die  sache  verhält  sich  keines- 
wegs so,  dass  Chrestiens  erzählung  aus  den  verstreuten  partien 
dieses  Borrongedichtes  erwuchs,  vielmehr  hat  umgekehrt  das 
letztere  Chrestien  und  Gancher  benutzt;  mit  recht  ist  Nutt 
dieser  ansieht  entgegengetreten ,  und  hat  an  die  spitze 
der  erhaltenen  altfranzösischen  bearbeitungen  der  gralsage 
wiederum  Chrestiens  conte  dd  graal  gestellt,  von  dem  alle 
andern  in  mehr  oder  weniger  engem  anschluss  abzuleiten 
sind,  oder  unter  dessen  ein  Wirkung  wenigstens  sie  verfasst 
wurden.  Nutt  und  vor  ihm  und  nach  ihm  andere  wie 
Martin,  Hertz,  G.  Paris  ^)  haben  darin  gefehlt,  dass  sie  die 
für  Chrestien  notwendig  erscheinende  ältere  eutwicklungs- 
stufe  der  Percevalsage,  welche  ihm  als  quelle  gedient  haben 

1)  vgl.  namentlich  Ja  litterature  fran^aise  au  moyen  age  §  69 
lind  60.  die  hier  gegebene  anordnung  der  verschiedenen  erhaltenen 
texte  dürfte  wol  die  richtigste  sein,  mit  ausnähme  der  angesetzten 
Vorstufen  Chrestiens,  gegen  welche  protest  su  erheben  ist. 


Ooithrr 


(7irMiiri 


'  ilel  i/raal. 


209 


t  hilfe  von  ftnorknntiter  miutHsen  späteren  and  nacb- 
r  Btia  L'hrestien  ubgeleiteteu  werken,  wie  elien  ans  dem 
imofft  und  Sic  IVrcevitl  wiuder  eii  gewinnen  suchten  und 
dabei  unfehlbar  in  einen  circiilus  vitiosuH  gerieten,  iiisbe- 
l^undeIv  Nutt')  bnt  diuses  verfahren  auf  die  «pitze  getrieben. 


I]  In  lien  (> Otl.in^i.i oben  gelehrten  anzeiffeii  vom  10.  Juui 
IdWI  nr.  12  R.  468—528  Imt  untiirdeasen  /.immer  eine  »ehr  beacli- 
teiMWMte  iHioiirerhiioii  äen  Nutt'nclien  baohea  grgubcn,  worin  er  mit 
Kehlogentlen  grDnden  die  tDanrainenstelluR|;eii  der  fmnxitxixiL'heD  lage 
mit  der  keltiatium.  siieoiell  irischeo,  wie  Nutt  sie  (Ihte.  widerlegt, 
die  von  Nuf.t  iingezD^eneii  iriaühen  Keachicfaten  dei  FinnkreiaeH  sind 
nicht  nllein  in  ihrer  lilierlieferuni^.  äondem  awjli  tarn  ((rosaen  t<>il 
ihrem  nrntirim«;  nu'h  weit  jilnt^er  uls  die  fnuixOaisiilien  t^edielite,  ftlr 
deren  heltiache  Turln^n  sie  xengen  «ollen,  von  Tomeherein  diuf  nur 
kjDirinch-hreloniaciiea  niuterial  tllr die  ectetehunga^acbiibt«  dei  Artos- 
epen  nutibar  fcemauht  werden,  und  nur  bretonische«  xcheint  fUr 
etBige  lUlIe  vorbanden  tu  «ein.  die  .juutren  iri«dien  quellen  «Ind 
■ehr  trflber  urt.  xiiui  teil  au«  der  fremde,  ja  geradewegs  au«  fnin- 
iCiiiit'her  lugendichtung  geholt  und  ibre  Verwertung  ist  Qberdie»  hOvhst 
unmethodiach  und  rein  nniaCglicb.  wenn  die  kelliBcbe  jibilologie  4icb 
geffen  den  liDuptgedankeu  de»  buches  ,the  celtic  nrigin*  mit  ent- 
•chiedenbeit  erklärt,  in  hat  die  rrnnzUsiscbe  literaturgeHchiehte  nicht 
weniger  dagegen  ntelhing  zq  nehmen,  weil  wie  bereite  oben  bemerkt 
I  Nutl  herTUrgebol>eneD  berDbruDgen  mit  dem  keltiiichen  epflt 
n  der  bereite  längiit  frandSaiai^b  gewordenen  flberliefi*- 
eadlic:b  verma);  die  hypothese  aui-b  allgemeinen  er- 
n  «chwerlich  ntnnd  xu  halten,  weil  die  von  Nutt  behaup- 
eil«n  und  AbereiuBtimmnngett  liAufig  Hehr  zweifelhufter 
1  vermCcble  wol  in  jeder  beliebigen  m&rcbenllteratur 
l  oder  in  der  indischen  «age  (vgl.  z.  b.  Beul,  Iht  Budähint 
»  knotm  in  China  intf  Japan  London  187««.  IIG) 
I  bcdeutniuiie  parallelen  «u  entdecken.  luiiial  wenn  man  beider- 
6  nOtiffe  (]uellenkritik  ,  da«  beniu «wachsen  jüngerer  mit  pban- 
I  KueSttwn  auBgesr-bmilekter  lierichte  aua  den  filteren,  niuht 
1  berOcJcitichtigt. 
anf  die  frage  l'eredor-Peroeval  kommt  Zimmer  a.  a.  o.  «.  BIO 
t  «o  (pm-hen,  er  weint  «ehr  entschieden  Nutt"  wunilerliche  an> 
niali  priitu-mabinogi'.  da«  vom  kymriailien  »chrei- 


210         Sitzung  der  pküosrphüol.  Classe  vom  7.  Juni  1890. 

indem  er  jedweden,  auch  den  unscheinbarsten  und  im  Zu- 
sammenhang des  ganzen  völlig  nebensächlichen  und  ausser- 
liehen  zug  der  späteren  französischen  und  ausländischen 
gedichte,  wenn  er  nur  entfernte  ähnlichkeit  mit  keltischen 
volkssagen  und  märchen  verriet,  für  eine  hypothetische  kel- 
tisch-anglonormännische  (d.  h.  von  den  Kyraren  eigentlich 
ganz  und  gar  erschafiene,  von  den  Anglonormannen  nur 
übersetzte   und   folgerichtig  von  Chrestien  nur  wörtlich  von 


ber  neben  Chrestien  benutzt  wurde,  zurück  und  ist  nicht  gewillt,  dem 
Peredur  gegenüber  eine  andere  beurteilnng  snzulassen,  als  bei  den 
übrigen  zahlreichen  kymrischen  und  irischen  (vgl.  s.  502  f.)  bearbei- 
tungen  französischer  texte,  es  liegt  keine  Veranlassung  vor,  die  drei 
Chrestien  entsprechenden  w&lschen  geschichten  anders  zu  betrachten 
als  die  gleich  in  derselben  handschrifb  befindlichen  kyrarischen  Über- 
setzungen von  Amis  et  Amiles,  Bovon  von  Hampton  und  Karls  reise 
nach  Jerusalem,  s.  614  bestimmt  Zimmer  die  aufgäbe,  wie  sie  auch 
in  vorliegendem  aufsatz  allein  aufgestellt  wurde,  ohne  rücksicht  auf 
die  längst  aufgegebene  hypothese  über  die  ursprünglichkeit  des  kym- 
rischen romans,  mit  deren  Widerlegung  beim  Erec  Othmer  in  der  ol)en 
8. 176  anm.  2.  citierten  dissertation  viel  unnötige  zeit  und  mühe  ver- 
braucht hat:  .dass  nun  z.  b.  Ystoria  G  eraint  ab  Erbin  (d.  i.  Erec) 
und  Chwedl  Jarlles  y  Ffynnawn  (d.  i.  Yvain)  ebenfalls  welsche 
prosabearbeitungen  romanischer  vorlagen  sind,  darin  herrscht  heute 
in  urteilsfähigen  kreisen  so  vollständige  Übereinstimmung,  dass  ich 
nicht  nötig  habe,  die  gründe  hier  zu  wiederholen,  es  kann  im  ernste  nur 
darüber  gestritten  werden,  ob  Chrestiens  Erec  und  Yvain  die  directen 
vorlagen  der  welschen  bearbeiter  waren  oder  ob  Chrestien  und  der 
welsche  bearbeiter  dieselben  romanischen  quellen  (anglonormännische 
gedichte)  benutzt  haben*,  richtig  wird  die  tätigkeit  des  welschen 
bearbeiter«  beurteilt:  «er  sucht  sein  werk  seinem  publikuni  mundge- 
recht zu  machen,  er  passt  die  vorläge  nach  kräften  einheimischem  an; 
hieraus  erklären  sich  auslassungen  und  geringe  zusätze,  Übertreibun- 
gen und  Schilderungen  und  vergrüberungen.  im  grossen  und  ganzen 
bloibt  aber  der  bearbeiter  streng  bei  der  stange  d.h.  seiner  vorläge*, 
s.  515  «diese  welschen  texte  sind  keine  konipilationen  nach  fremden 
und  einheimischen  quellen,  sondern  welsche  bearbeitungen  fremder 
vorlugen*. 


i.^ 


Oolthtr:  ('hrentien.1  aintt  del  yeitai.  211 

in  wieder  abgeschrit'bHne,  wenn  wir  noch  Q.  Paris  an- 
lii[iziin«iiiiien)  ursnge  nutzbar  zu  luocheu  beniCiht  war. 
W  ixt  iliti)  daä  mabinogi  in  seiner  gegen w artigen  geatalt  an 
uuakilfiU  fuaio»  of  these  two  varinlinns  upon  tht  one  theme 
(lt.  Uli),  d.  h.  er  vertritt  ilje  ansieht,  als  »ei  es  einenieits 
xwar  von  Chrestieu  beeinflusat  wie  HU(.'h  der  englische  Sir 
P«rc«VAl,  nber  iiuderseits  sollen  sich  »itureii  einer  älteren 
Perrtlurtage,  eines  Protomitbinogi  darin  vurfinden.  diese  alte 
l'eredursage  ist  ein  kUustUclier  und  unnatürlicher,  eben  nur 
in  sfiUteren  quellen  mühsam  constniirter  faypottiesenbau, 

(l«n  tatsächlichen  verhäituisseu  gegenüber  sich  als  gänz- 
begrQndet  erweist. 

Nntt  lies»,  wie  wir  bereits  oben  bemerkten,  zu  sehr 
dass  die  fMlorf.,  so  gut  sie  bai  der  ersten  ent- 
sti'hinig  eines  literarischen  werkes  in  betracht  kommt,  doch 
auch  auf  dexsen  eutwickelung  und  fortbildung  einzuwirken 
vr-rmag  und  hierbei  oft  genug  secundäre  einflü^'se  ausliht. 

bei  der  künstlerischen  Unbefangenheit  der  mittelalter- 
lichttn  dichtt^r  ihrer  überlieternng  gegenüber  xtand  ihr  voUend« 
thfir  und  thor  iiHen  und  zum  teil  auch  unter  ihrer  herrschaft 
sind  die  zahlreichen  formen  derselben  sage,  die  vielen 
immer  fabelliatW  werdenden  Umwandlungen  eines  grnudstotfeü 
gtmeitigt  worden :  die  ursprüngliche  dichterische  bedeutung 
eines  Werkes  gienf<  dabei  meistens  bald  verloren,  weil  die 
rnhnln  bezichuagNioH  ohne  Verbindung  mit  Riuem  grundge- 
danken  und  ohne  unter  Nich  selber  ^cuKammenzuhängen  an 
einander  gereiht  wurden;  der  erste  schöpfer  und  unter  glück- 
lichen uunttiinden  auch  hie  und  du  einer  seiner  nachfolger 
haben  di'ni  utotFe  tten  Stempel  ihres  geistea  aufgedrückt,  die 
meisten  der  fortiwtzer  und  bearbeitet  dagegen  haben  nur 
dazu  beigetragen,  sicher  gezogene  grundlinien  ui  verwischen 
nnd  den  ibchteriKchen  gehivlt  in  der  stetiS  anwuchsenden  ntasso 
ubnffea,  im  äusseren  umtang  zu  verfluch  tagen,     an  dieser 

ihe:.  welche    die    geschiebte  funt  eine^  Jeden   uiittelaltcr- 


^ 


212         Sitzung  der  phüas.-phüol,  Claase  vom  7.  Juni  1890. 

liehen  sagenstoffes  lehrt,  wird  nichts  geändert,  wenn  zuweilen 
auch  ein  an  und  fär  sich  genommen  nicht  unschöner  zug, 
eine  märchenepisode  oder  dergleichen  in  den  wirren  aben- 
teuerwust  hereingeschneit  ist.  wenn  also  Nutt  bei  den  fort- 
setzen! ein  par  scenen  auffindet,  denen  parallelen  aus  kelti- 
scher sage  gegenübergestellt  werden  können,  die  aber  offen- 
bar mit  dem  festen  kern  der  Percevalsage  gar  nichts  zu  tun 
haben,  so  wird  dadurch  fQr  die  letztere  nichts  erwiesen,  aus 
den  riesigen  altfranzösischen  prosaromanen  könnte  man  leicht 
noch  mehr  solcher  beispiele  hervorsuchen,  welche  im  besten 
falle  eben  dartun,  dass  einige  keltische  sagen-  und  märchen- 
zfige  auch  unter  den  Franzosen  umliefen  und  dem  roman- 
schreiber  neben  allen  möglichen  anderen  hilfismitteln  und 
neben  seiner  selbstiütigen  phantasie  zur  band  lagen. 

nachdem  die  abhängigkeit  des  kymrischen  nMÖinogi  und 
des  Sir  Perceval  von  Chrestien  nachgewiesen  ist,  ebenso  die 
des  Provenzalen  Giiiot  (Wolframs  Kydt)^  da  er  ja  Chrestien 
zum  grossen  teil  bloss  abgeschrieben  hat,  aber  selbständig 
eine  einleitung  mit  dem  zweck,  die  grafen  von  Anjou  zu 
verherlichen ,  hinzufügte  und  den  gral  und  was  damit  zu- 
sammenhängt nach  eigenem  ermessen  deutete,  kurz  Chrestien 
zu  ende  führte,  *)  —  nachdem  ebenso  Guiots  völlige  abhängig- 
keit als  sicher  erachtet  werden  darf,  nachdem  wir  femer  die 
unmittelbaren  französischen  fortsetzer  Chrestiens  Gaucher, 
Mennessier  und  Gerbert  in  bezug  auf  die  Percevalsage  als 
durchaus  unwichtig,  d.  h.  nicht  im  besitze  etwaiger  älterer 
Überlieferungen  befindlich  erkannt  haben,  so  muss  als  erste 
und  oberste    forderung  jeder   deutung   der  Percevalsage  der 


1)  zur  Guiotfrage  vgl.  Kiip]),  Zeitschrift  f.  deutsche  philoIogie 
17  8.  1  ff,  wo  namentlich  dessen  mit  Chrestien  übereinstimmende  par- 
tien  besprochen  werden»  und  Golther»  roman.  forschungen  5  s.  120  ff, 

wo  jedoch  die  als  möglich  berührte  hypothese  einer  quelle  ^ 


Chrestien    Oniot 

natürlich  hinfUUig  wird,    da   sie   einmal  nicht  existiert  haben  kann. 


Gallhrr:  (Viregtiens  imh(<  iW  ftrirnt. 


2t3 


gnmiixatz  imsgesprocben  werden,  dase  sie  nusschlieHs- 
licb  von  Chrestiens  gedieht  auszagehen  hat.')  alle 
atidcTva  quellen  haben  für  diese  fmge,  als  aae  Cbrefitien 
abgeleitet,  gar  keine  bedeutung.  jeder  andere  standpunct 
trägt  von  vorueherein  unlöBÜche  wirren  in  die  forschung. 
wie  nitui  schon  längst  bemerkt  hat,  ist  ja  die  eigent- 
lich« gralsage  von  der  Percevalsage,  lieni  thorenmiirchea  zu 
aaf  den  Ursprung  der  letzteren,  der  keineswegs 
keltische  ziirßckgehen  muaa.  will  ich  bier  nicht  ein- 
,  nur  zum  xchlnss  die  Vermutung  aussprechen,  daas  die 
»val^age,  worunter  ich  die  Verwendung  mürcbenhafler 
motive  versteh«,  in  ihrer  literarischen  form  ein  werk  Chre- 
stiens  zn  nein  scheint,  denn  die  tatsache  ist  einmal  nicht 
abzuleugnen,  dass  alle  literarischen  denkuiälur,  die  biä  jet/.t 
bekannt  sind,  aal'  Ohrestien  zurückweisen,  und  keines  uiit 
ucfaerheit  auf  eine  ält«re  quelle,    hiezu  rechne  ich  auch  den 


t  nach  Gaacher  und  Robert  de  Borron  nber  vor  die  andern 
r  Chrestienn  falienden  rninaÖ8iiH.'hen  pronaroinam!.  in  denen 
im1>«ii  den  ursprOnf^licli  alldn  berufenen  f^alasacher  PerueviU  zunllehsl 
GauTaiu  und  Lancebt  treten,  bia  er  endlich  durch  Uuliihad,  Jen  eohn 
de»  Lftncelot  Terdrängt  wird,  wie  ^rrceral  te  gallots'  nnd  ,qursle  del 
taint  nraaV,  «orllber  hei  Birch-llirschfeld  und  Nutt  n^ierea  (ii  finden 
[■t,  bleiben  als  unortKinolIe  mnchnorke  hier  hilliger  weiae  aumer  an- 
«at«.  «ie  lehren  nar.  wie  Clireatieu«  dicIiLnnn  immer  mehr  verderbt 
nsd  wtntnrt  wird,  und  tragen  tur  Idaunft:  der  frage  nach  dem  ur- 
■pntait  der  enteren  nichU  bei.  Ganvaia  war  der  ernte,  wekhen 
dia  dichtnng  die  ^uente'  neben  T'eri'.eval  zuHchrieb;  das  lag  schon  in 
ChrMticna  iilan.  Heinrich  von  dem  Türlin  benutKte  auch  eine  »olche 
(toMtviH^itrKtc,  wobei  der  hold  Ton  Lnncelot  und  Calogrenunt  begleitet 
iirt.  schon  hieraus  ^ebt  hervnr ,  daH»  diese  acene  erat  apilt  entatan- 
don  ima  kann,  die  anklänge  an  m^tbun  und  volkaHagen.  welche 
Hartin  in  seinen  .unterauch  untren  »nr  graUaiige'  Strassburg  1880  und 
noch  ihm  Nutt  liurTorbeben.  bert-ubtigen  nicht  lur  behäuplung.  dofls 
bier  die  &lt«Bt(>  form  ile^  gmlbesiirbui  vorliege,   niuhdem  dii^  nelien- 

Ide  die  ap&te  ontat^hung  der  acene  deutlich  durtun.  da^  fulk- 
thc  element  i«t  auch  hier  wieder  aecundlLr,  nicht  nraprüDgliob, 
PMIoa.'liUhiL  H.  bliL  CL  II.  2.  15 


214        Sitzung  der  phüos.-phüöl.  Cliuse  vom  7.  Juni  1890. 

lais  von  Tyolet  (Romania  8,  s.  40  ff.).  Q-  Paris  gibt  selber 
zu,  dass  der  hauptgedankengang  sich  mit  Chrestien  deckt: 
der  ^fils  ä  la  veuve  dorne  (Tyolet  127  =  Chrestien  1283) 
wird  ohne  kenntniss  der  ritterschaft  im  walde  erzogen;  die 
erscheinung  eines  ritters  klärt  ihn  darüber  auf;  er  macht 
sich  mit  mütterlichen  ratschlagen  versehen  nach  dem  hofe 
des  Artns  auf,  um  dort  ritter  zu  werden,  ein  par  neben- 
umstände, die  ebenso  gut  bei  einer  freieren  behandlung  dieser 
scene  nachmals  antreten  konnten,  bewegen  6.  Paris  auch 
hier  wieder,  die  Übereinstimmung  zwischen  Chrestien  und 
dem  lais  aus  einer  gemeinschaftlichen  quelle  zu  erklären. 

der  lais  von  Tyolet  ist  meiner  ansieht  nach  unnrsprüng- 
lich,  was  aus  seinem  ganzen  bau  hervorgeht,  während  die 
erste  hälfte  eine  blosse  nachahmung  der  erzählung  Chrestiens 
von  Percevals  Jugend  ist,  begegnet  im  zweiten  teile  eine  be- 
sondere und  eigentümliche  form  einer  weitverbreiteten  ge- 
schichte  (vgl.  darüber  G.  Paris,  hist.  lUieraire  30,  s.  113 — 118; 
Golther,  die  sage  von  Tristan  und  Isolde  s.  15). 

auch  in  der  englischen  literatur  ist  der  eingang  von  Chre- 
stiens Perceval  (ausser  dem  Sir  Perceval)  nachgeahmt  worden : 
in  It/  biaus  desconus\  im  Guinglain,  dem  schönen  unbekannten 
{hist  litt,  30,  185).  G.  Paris  (ebenda  s.  269,  vgl.  auch  s.  188) 
bemerkt,  die  scene  sei  tm  lieu  commun  des  r^cits  bretons  ; 
dieser  ausspruch  ist  allerdings  insofern  richtig,  als  fast  alle 
scenen,  die  in  Chrestiens  werken  vorkommen,  bei  den  spätem 
oft  gebrauchte  geuieinplätze  geworden  sind,  aber  der  aus- 
gangspunct  für  die  literarische  Verbreitung  der  scene  in  un- 
serem falle  ist  einzig  und  allein  Chrestiens  Perceval, 
nicht  etwa  im  allgemeinen  die  wälscbe  oder  anglonorniännische 
Sagenüberlieferung,  d.  h.  quellen,  aus  denen  etwa  Chrestien 
selber  geschöpft  haben  könnte,  nach  dem  italienischen  ^Car- 
duino  zu  schliessen  {hist,  litt.  30,  187 — 8),  war  die  eingangs- 
scene  bereits  in  einer  französischen  bearbeitung  des  Guin- 
glain  dem  Perceval   nachgebildet  worden,     dass  irgend  eine 


Oollkrr:  Chr^Hierie  r- 


,lfl  ji'-/><U. 


215 


der  vieleD  lit«rariscbeii  nacbabmuiigen  die  dai^tellung  Chru- 
siiens  nii  nltertilmlicbkeit  übertreffe  und  durum  seiner  mut- 
elicheu  quelle  näher  stehe,  vermag  ich  nicbt  einzusehen, 
Ikanii  mich  trotz  der  häufigen  gegeuteiligeri  behauptuu^n 
t  duvon  Überzeuge». 

G.  Paris  müsste  folgerichtig  eigentlich  eine  ganze  reihe 
1  Vorläufern  Chrentiena  aiiuehmeH.')  warum  sollen  immer 
typothvtische  werke  in  die  liteniturgeacbicht«  eingestellt 
wo  andere  ungezwungene  erklärUDgen  viel  n&her 
I  und  mit  den  Torbondenea  denkmäieru  in  übereiuatim- 
:  bleiben?  eä  ist  über  die  bestimmte  angäbe  ChreatieiiB 
vorhanden,  daes  er  nach  einem  buche  gearbeitet  hat,  und  er 
nennt  ea  _die  gettcbicbte  vom  gral'  le  conte  dd  graal.  wie 
t»  sich  nun  auch  damit  verhalten  möge,  schwerlich  hut  er 
es  nur  wörtlich  abgeschrieben  und  den  späteren  lag  das 
buch  jedeufalls  ftlr  die  Percevalsage  nicbt  vor,  sie  begnSgteu 
»ich  mit  Chrestiena  dicbtung.  war  etwa  dieses  buch  eine 
npentüe  gmlgenchichtc,  die  aber  Chrestien  erst  am  Schlüsse  bei 
'■Iv  erklärung  der  geheimoiasvoUen  gegenstände  gegebeu  hätte  ? 
iehtuug    des  l^)bert  von  Borrou  (.der  Joseph  von 

,   hitlnirr.  lUUrairc  30  a.  260  .ü  m(  probahlt  qu'U    (It  rieit 

t  |/UMC   Je  xnjrl   dt   soti  iturre)   proi'etiait   i^unn   trittu- 

I    Irrt   H^feetttmue   d'un    pnime   nemhlahlr  ä  l'iiriffinal   rfu  »dtre 

(SiT  Fercecai),  mfU  au  eonte  Ja  i/raal I«  rfeit  ainm  ampti/U 

t  ttrt  la  «nurce  du  jiotme  lif  Chrivtien  et  au  moins  pour  ut>« 
l  fMirtie,  du  mahinogi  j/aUoia  de  Perfdur'  —  rl.  h.  aluu  Kwei 
monDiUiniiKihe  Oicbtuoffen,  von  denen  noch  spnren  ouchweiabar 
,  liegen  vor  Chrestien  nnd  daun  kiune  erst  noch  im  dritter 
li>tKt«r  atelk  die  wUlitcbe  ardichtiiiiK '  wenn  ee  der  uii^lonoi^ 
niKiben  quellen  für  die  >'erc«val-  und  itraUat^  ao  viel).-  i^ab,  dann 
i»t  der  uniotund  doeh  auch  sehr  verwunderlich.  ilüiB  sich  die  nach- 
folget immer  nur  an  Chrentien  hielten  und  keiner  im  htunde  war. 
mil-  hilfe  dm  oagMicb  in  n^iohen  vorlnindt-nc^n  matt.Tiul«ii  die  ge- 
Bchichlu  tu  einvm  ln^frinlli^endt-n  ubncliliise  tu  bringen,  diese  angli 
nluuiBolien  gedicbte  hätten  doch  die  ponct«  erklären  mOssen,  d 
•hrcvtien  dunkel  bleiben. 

IQ' 


JbJBb 


J 


216  Sitzung  der  phüos.-phüol,  Glosse  vom  7.  Juni  1890, 

Arimathia),  den  Birch-Hirschfeld  darunter  begreift,  ist  es 
nicht  gewesen,  die  gedichte  Roberts  sind  jünger  als  Chre- 
stiens  Perceval.  ausserdem  scheint  mir  ziemlich  klar  ersicht- 
lich zu  sein,  dass,  was  die  spätere  französische  dichtung  von 
Robert  de  Borron  ihren  ausgang  nehmend  vom  gral,  der 
lanze  und  dem  Schwerte  weiss,  einzig  und  allein  als  eine 
vor  unseren  äugen  entstehende  ausdeutung  der  im  unvoll- 
endeten Chrestiengedicht  rätselhaften  gegenstände  aufgefasst 
werden  muss.^)  das  buch,  von  dem  Chrestien  redet,  wusste 
sich  jedenfalls  keiner  zu  verschaffen,  möglicherweise  hätten 
sie  es  auch  vergebens  gesucht,  weil  es  eben  im  sinne  einer 
auch  allen  andern  zugänglichen  quelle  gar  nicht  vorhanden 
war,  sowenig  wie  andere  z.  b.  Chrestiens  Cligesquelle  zu 
benutzen  oder  nur  zu  finden  verstanden  hätten,  überhaupt 
muss  man  immer  sich  vorhalten,  dass  nie  mehr  gefabelt 
wurde,  als  im  MA.  und  oft  gerade  da,  wo  reine  erfindung 
offenkundig  ist,  die  ernsthaftesten  Versicherungen  der  Ver- 
fasser, ganz  objectiv  nur  die  vorläge  abzuschreiben,  von  ihnen 
dem  gläubigen  leser  aufgetischt  werden,  ist  es  notwendig, 
dass  wir  die  grossen  geister  der  französischen  literaturge- 
schichte,  denen  sich  alle  späteren  willig  unterordnen,  ent- 
gegen dem,  wofür  die  quellen  sprechen,  jedweder  eigenen 
phantasietätigkeit  verlustig  erklären,  und  alles  wirklich  be- 
deutende von  sehr  hypothetischen  Vorläufern  tun  lassen,  die 
dann  nur  abgeschrieben  zu  werden  brauchten? 

was  die  Pereevalsage  anlangt,  so  dürfte  Chrestien  der- 
jenige gewesen  sein,  der  zuerst  aus  umlaufenden  volkstüm- 
lichen Sagenelementen,  die  ihm  in  irgend  welcher  für  uns 
nicht  mehr  erkenntlichen  weise  zukamen,  die  geschichte  vom 
thörichten  ritterlichen  beiden,  welcher  den  gral  sucht,  ge- 
schaffen hat.    zu  gründe  liegt  der  Pereevalsage  nach  Foersters 


1)  vgl.   meinen   artikel   «Perceval  und  der  gral*    in  der   beilage 
zur  allgemeinen  zeitung  vom  30.  Juli  1890  nr.  209. 


0-ilther:  ChrfHiri 


r  drl  i/raal. 


217 


iffenilem  urteil  in  iler  haupbuühe  die  er^ählung  von  einem  in 
einsamkeii  erzogenen,  völlig  unerfahrenen  und  unge- 
rehiclcten  jfinj^ling,  der  in  die  weit  auszieht,  und  durch 
innere  tiicbtigkeit  und  ({lückliche  umstünde  ein  grus§er  hetd 
wird,  der  stoff  an  nnd  filr  sich  zeigt  keinerlei  Zusammenhang 
'.  keltischer  siigenllherlieferung,  er  kann  Ghrestien  ebenso 
von  anderswoher  zu^fekommen  sein.  Chrestien  brachte 
ä  Ijeachifhte  in  Verbindung  mit  Artus  und  seinen 
helden,  und  verwob  den  geheimnisevollen  gral  dazu  hinein, 
da«  allee  zusammen  hat  aber  wahrscheinlich  er§t  er  aetber 
ina  leben  gernfen.  gegen  eine  solche  auffussung  spreclien  die 
erhaltenen  literatunlenkmäler,  soviel  ich  sehe,  nicht;  wol  aber 
dafltr.  und  warum  soll  Chrestien  von  Troyes,  der  berühmte 
und  gewandte  dichter,  welcher  doch  mindestenB  als  der  lite- 
rarische Schöpfer  mehrerer  Artuaepeu  gelten  muss,  indem  er 
sie  formell  zu  den  poetischen  idealen  der  ritterlich  -  höfischen 
gesellschall  erhob,  nicht  auch  in  bezug  auf  deren  stoff 
und  inbalt  schSpferisch  tätig  gewesen  sein?  dass  von  ihm 
wenigstens  alles  abhängt,  was  die  literatur  von  Perceval  weiss, 
el  welchem  voJke  urspröngüch  das  eigantumsrecht  auf 
renmärcheu  zukommt,  welches  an  diesen  ritterlichen 
mit  rein  französischem  tiameu  und  daher  auch  in  dieser 
hestiinmten  gestalt  von  rein  französischer  ertindung  geknüpft 
worden  ist,  sollte  hier  nachzuweisen  versucht  und  damit  gegen 
ijjfle  unstatthafte  benützung  späterer  (juellen  Verwahrung  ein- 
,  werden. 


'  H«fr  Unger  hatte  einen  Aufsatz  eingesandt: 

,Die    Ä  bfassunga7.eit   des    ägyptischen   Pest- 
kalenders*. 
[  Derselbe  wird  in  den   .Abhandlungen*  veriilTentlicht. 


218 


Herr  Simons feld  hielt  einen  Vortrag: 

, Beiträge  zum  päpstlichen  Kanzleiwesen  im 
Mittelalter  und  zur  deutschen  Geschichte 
im    14.  Jahrhundert*. 

Als  ich  im  Herbst  vorigen  Jahres  (1889)  mich  wegen 
einiger,  für  die  ,Monumenta  Gennaniae  historica^  nachträg- 
lich vorzunehmender  Arbeiten  in  Bologna  aufhielt,  glaubte 
ich  die  Gelegenheit  nicht  vorübergehen  lassen  zu  sollen,  in 
der  dortigen  Bibliothek  des  Gollegio  Hispanico  nach  jener 
Handschrift  des  päpstlichen  Kanzleibuches  ,Iiber  cancellariae^ 
zu  suchen,  die  einst  Merkel  benutzt  hatte*)  und  auf  welche  ich 
selbst  (bei  meinen  Vorlesungen  über  Diplomatik)  durch  Bress- 
lau's  Handbuch  der  Urkundenlehre*)  aufmerksam  gemacht 
worden  war.  Ich  sage:  , suchen*;  denn  Merkel  hat  die  Hand- 
schrift nicht  näher  bezeichnet;  jedoch  auf  Grund  der  Angaben 
Bethmann's  in  seinem  italienischen  Reisebericht*)  war  mit 
gutem  Grund  zu  vermuthen,  dass  es  die  zu  Bethmann's  Zeit 
unter  No.  275  aufgeführte  sein  werde.  Nur  der  nachdrück- 
lichen, gewichtigen  Empfehlung  meines  Freundes  Carlo  Mala- 
gola,  des  auch  bei  uns  in  Deutschland  wohl  bekannten  und 

1)  cf.  Archivio  Storico  Italiano  Append.  tora.  V.  p.  129ff.:    ,  Docu- 
menta aliquot  quae  ad  Homani  pontificis  notarios  et  curiales  pertinent' . 

2)  Bd.  I.  S.  264. 

3)  Archiv   der  Gesellschaft   für  ältere  deutsche  Geschichtskunde 
Bd.  XII  S.  579. 


nnffU:  B4Ur.  tum  pl/ul/.  Kuiuleia-esen  int  Mittflallrr.      210 

um  die  Gescbichte  Her  Uiiiventität  Bologim  hochverdienten 
Direktors  ries  St-aatearcfaiva  in  Bnlognn,  habe  ich  es  zn  daokeD, 
daas  ich  so  rasch  zum  Ziele  geliin^te.  Kr  bespruch  sich 
selbst  mit  dem  Ketture  des  Uollegio,  dein  Kobil  Uomo  Comtu. 
Don  UiuKepiie  Maria  Yrazoqui  y  Miranda,  einem  Neffen  zu- 
fällig des8elben  Rettore,  welcher  Merkel  die  Erlaabuiss  zur  Be- 
nutzung der  Bibliothek  er t heilt  hittte,  und  ebnete  die  Scliwien'g- 
k»ten,  die  sich  leicht  iiiiä  der  w^itweilijjen  Abw^enheit  des 
Rettore  wnd  meiner  kurx  bemessenen  Zeit  ergeben  hätten. 
Da  die  üandächrift  in  der  Uibliuthek  nicht  eoglek-h  gefun- 
den ward,  wurde  es  mir  (selljst  erlaubt,  an  einem  Sonntag 
nach  derselben  zu  suchen  und,  als  ich  sie  ge- 
sie  nach  meinem  Belieben  zu  benutzen.  So  habe  ich 
)  Ton  Bresslau  gewünschte  nähere  Prüfung  und  Vergleich- 
der  Handachrift  mit  dem  von  Georg  Erler  veröffent- 
iiie.a  ,Liber  Oancelliiriae'  vom  Jahre  1380  (ausserhalb  der 
igen  Bibliiithek^zeit)  vornehmen  können  und  deren  Er- 
•  will  ich  zunächst  hier  mittheilen. 
I  Der  Codex  No.  275  ist  eine  massig  grosse  Pergamont- 
Idschrift  von  55  Blatt  (0,23:0,32)  und  gehört  der  Schrift 
nach,  wie  ich  glaube,  noch  gut  dem  13.  Jahrhundert  an,  ist 
jfldenfalls  älter,  als  dti;  von  Erler  edirl«  Pariser  Handschrift. 
I.üm  vorerst  summarisch  den  Inhalt  anzugeben,  so  beginnt 
^pag.  1—20  mit  dem  .Proviticiale',  einem  Verzeichnis  be- 
mtlieh  eämmtlicher  Bischofssitze  und  KardinaUtitel,  dem 
mtlioben  Vorläufer  und  Grundstock  des  Eanzleibuches 
r  cancellariae). 

Em  folgen  p.  2] — 81  Privilegien,  p.  82— 85  mehrere 
Stücke  d«s  Lyoner  Konzil  vom  Jubre  1241  betreffend;  p.  86 
büt  BS  sind  leer;  p.  89  —  101?  enthalten  die  Merkel'schen 
sUgL',  woliei  zu  erwähnen,  dass  p.  89—90  falsch  einge- 
a  sind  zwischen  p,  100  und  101  und  p,  95 — 96  leer  sind. 
Der  ganzen  Handschrift  ist  vorne  ein  Inhaltsverzeichnis 
I  späterer  Hand  eingeheftet,  worin  gesagt  winl,  da^s  das 


220  Sitzung  der  historischen  Clcutse  vom  7.  Juni  1890, 

,Proyinciale^  yermuthlich  von  einem  Arcfaidiakon  in  Bologna 
Namens  Tancredus  verfasst  sei,  der  um  1220  ein  solches  ver- 
öffentlicht habe  ^).  Gegen  diese  Annahme  hat  sich  schon  Fan- 
tuzzi  in  seineu  ,Notizie  degli  Scrittori  Bolognesi^*)  ausge- 
sprochen, wobei  er  bemerkt,  dass  zuerst  Panciroli  dieselbe 
aufgestellt  habe.  — 

Abgesehen  von  den  mancherlei  Varianten,  welche  unsere 
Handschrift  gegenüber  dem  bei  Erler  veröffentlichten  T^zt 
bietet,  ist  zu  diesem  ersten  wichtigen  Stück  zu  bemerken, 
dass  alle  die  Sätze  fehlen,  welche  in  der  Pariser  Handschrift 
Nachrichten  von  Errichtung  von  Bisthümem  etc.  aus  dem 
Anfang  des  14.  Jahrhunderts  durch  Bonifaz  VlIL,  Cle- 
mens V.  und  Johann  XXII.  enthalten,  so  S.  25,  27,  29,  30,  42. 
Es  fohlen  dann  aber  auch  insbesondere  noch  die  Angaben 
über  die  Creirung  des  Erzbisthums  Riga  durch  Alexander  IV. 
1255  ^),  über  den  Archiepiscopatus  Ispalensis  mit  seinen  Di- 
özesen, der  1248  errichtet  wurde*);  es  fehlt  der  Episcopatus 
Naulensis  (Noli)  im  Erzbisthum  Genua,  geschaffen  1239*), 
endlich  das  Bisthum  Satrensis  alias  Sitrensis  (Sitia,  Cytaeum) 
auf  Kreta,  errichtet  1225®).  Damit  wäre  die  Zeit  der  Ver- 
abfassung  des  Provinciale  in  der  Form,  wie  es  in  dieser  unserer 
Handschrift  überliefert  ist,  in  die  Zeit  vor  1225,  also  in  das 
erste  Viertel  des  13.  Jahrhunderts,  hinaufgerückt  —  wie 
Erler  ganz  richtig  in  dem  Vorwort  vermuthet  hat''). 


1)  »Tancredus  Bononiae  Archidiaconus  circiter  an.  1220  edidit  pro- 
rinciale  .  .  .  unde  auspicor  esse  opus  Tancredi,  quod  continetur  in 
hoc  codice*. 

2)  1790  t.  VIII.  p.  80. 

3)  Erler,  Vorrede  S.  XVH  und  S.  27. 

4)  Erler,  Vorrede  S.  XVII  und  S.  31. 

5)  Erler  a.  a.  0.  und  S.  23. 

6)  Erler  ebda,  und  S.  42. 

7)  S.  XVIII.  ,Die  erste  Zusammenstellung  des  Provinciale  muss 
vor  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  stattgefunden  haben. 


VHMftlil:  Btilr.  iiini  jiäiMl.  Knmleitrrgm  im  Milltlalt'r.      231 


fWa«  dann   die 


'ilegieu   anlangt, 


miut  Erler 


[dass  die  Sftnimiiing  derselben  (wie  sie  in  der  Pariser 
Jirift  vorli^t)  im  Beginn  von  Innocenz  IV,  PoatiSkat 
(124^  —  1254)  ahgefnsHt  worden  sei,  indem  der  Wortlaut  der 
in  den  Liber  cnncellanne  uufgenommeuen  Privilegien  immer 
mit,  dem  vom  lunoeeiiz  IV.  gewählten  Wortlaut  Übereinstimme 
Dod  Über  diesen  hinan»  die  Aenderungen  an  den  von  früheren 
Piipsten  verliehenen  Privilegien  nirgends  hiniiusgiugen.  Da- 
gegen möchte  ich  ä>ier  darauf  aufmerksam  machen,  daas  aich 
doch  auch  schon  von  Clement  IV,  (12(15—1268)  im  Text  und 
nidit  nnter  den  Nuchträgen  ein  Privileg  für  den  Templer- 
orden')  vum  !tl.  Mai  1265  ündet,  ohne  dass  etwa  gesagt 
wÜre,  daKS  ee  von  späterer  Hand  /.ugesetzt  sei.  Dieses  Do- 
kument fehlt  in  der  Bologneser  Handschrift  und  ebenso  das 
?on  Innocenz  IV.  am  21.  .\pril  1244  für  die  Minoriten  er- 
lasMine  Privileg.  *)  Hingegen  enthält  unsere  Bologneser  Hand- 
scbrifl  folgende  (undatirte)  Stücke,  welche  in  der  Pariser 
Handschrift  und  bei  Erler  nicht  stehen:') 

1)  pag.  42  Privileg  für  dieÄebtedesCist«r/.ienserordens:*) 
Archiepiscopia  etc.  Dilecti  tilii  Äbbas*)  Cist.  einsque  coabbates 
et  conventns  uiiiversus  Cist.  ord.  suani  ad  nos  querimoniam 
distinatur  schliesst:  oporteat  aliter  providere  (von  Urban  IV. 
5.  Mai  1262  V  Potthast  1829H). 

2)  ebda. :  Äbbuti  Cist.  eiusque  coabbatibus  . . ,  Cum  a  nobis 
[titur  etc.  usque  effectum.  Ex  parte  dquidem  vestra  . . .  quod 


L8  vestre' ;  Pottbaat  Regesta  Pnntif.  Roman, 
oi  in  Chrieto  ainc«riori' :    Pottluut  Reg. 


J  &lerS.96.  .Devotio 

3)  ErLer  p.  119.    ,Qa( 
Pont.  N.  1IS13. 

8)  l>ie  Zeitbeatimmniig,  die  ich  erat  hier  mit  HUll'e  van  Denri- 
t,  etc.  ord.  CistertiengiB  (1630)  versacbec  konnte,  ist  wegen 
r  feienden  Wnrtlantes  der  Stücke  eine  nnDJubere. 
,6n  S,  7S  vor:  Ahb&ti  Ciateroti. 
i  Alibalii. 


222  Sitzung  der  hiatorisdhen  Glosse  vom  7.  Juni  1890, 

licet  ordini  vestro  ...  et  constitutionis.  Si  quis  antem  etc.  (von 
Innocenz  IV.  28.  April  1255  ?  Potthast  11640). 

3)  p.  43.  Eisdem.  Cum  —  usque  efiPectum  ...  Ex  parte  -— 
qnod  nonnulli  ecclesiarum  prelati  vestris  libert.  invid.  — 
fuerint  promulgate.  Si  quis.  (von  Innoncenz  IV.  28.  April 
1245  ?  Potthast  11641). 

4)  p.  43.  Eisdem.  Thesauro  yiH;utum  sicut .  .  .  semper 
salvo.  NuUi  (von    Innocenz  IV.  2.  Mai  1245  ?  Potthast  11646) 

5)  p.  44.  Eisdem.  Meritis  vestre  religionis  —  duximns 
statuendum.  Nulli  (von  Innocenz  IV.  18.  Auj^ust  1246  ?  Pott- 
hast 12254). 

6)  p.  44.  Eisdem.  Dolet  annueri  etc.  usque  impertiri.  Ea 
propter  dilecti  —  prontivio  (?)  communivimus  (?)  Nulli  (von  ?) 

7)  p.  44.  Eisdem.  Justis  petentium  etc.  usque  complere. 
Ea  propter  —  percipere  valeatis.  Nulli  (von  Innocenz  IV. 
5.  Mai  1249  ?  Potthast  13324). 

8)  p.  44.  Eisdem  abbatibus  ....  Cist.  ord.  Ne  tran- 
quillitas  ordinis  vestri  —  hactenus  terminare.    (von  ?). 

9)  p.  48 — 53.  Privileg  fiir  den  Cisterzienserorden:  ^)  Re- 
formatio ordinis  Cist.  facta  per  dominum  dementem  papam 
Ijjjtum  qyg  dicitur  Clementina.  Parvus  fons  qui  crevit  — 
singulis  recitari  (von  Clemens  IV.  9.  Juni  1265  Potthast  19185). 

10)  pag.  72—77  Privileg  für  den  Predigerorden*):  Pri- 


1)  Bei  Erler  einzureihen  S.  83  vor :  Archiepiscopis. 

2)  Einzureihen  bei  Erler  S.  117  vor:  .Generali  ministro'.  Im 
Anachluss  hieran  bemerke  ich  noch,  dass  in  dem  Inhaltsverzeich- 
niss  bei  Erler  Vorwort  p.  XII  zwischen  dem  Privileg:  Cum  pau- 
pertatem  etc.  und  Cum  universis  etc.  noch  nachzutragen  ist:  Cum 
tamquam  veri  für  die  Predigermönche  aus  S.  108,  da  in  ß.  dieses 
Stück  mit  eigener  Ueberschrift  , Eisdem'  aufgeführt  ist;  femer  dass 
)).  XIII  statt  Non  attendentes:  Nos  att.  zu  lesen  ist  (cf.  S.  123)  und 
daher  hinter  das  folgende  Non  solum  zu  setzen  ist;  endlich  dass 
p.  XIV  Quo  V08  etc.  nicht  „für  dieselben*  sondern  „für  die  Minoriten* 
(S.  119)  zu  setzen  ist  und  dass  ebda.  „ Keligiosam  vitam  für  die  Cister- 
zienserinnen  S.  59**  einzuschieben  ist. 


Hgfeld:   Rtilr.  .■um  ffifistt.   KanilrW'rarn  im  MitlrliilUr.       223 

vilegium  fratrum  predicatorum.  Virtnte  conspionos  —  con- 
tigerit  promul^iire  penitus  non  tenere  ....  Dutani  Penisü 
tertio  Non.  .Innii  pcmtificatus  uoatri  anno  primo  (von  Cle- 
mens IV.  3.  Juni   12fir.  Potthast  19175). 

D*nmHch  liGrft«  iliesp  Smumlunff  von  PriTilegien  nicht 
frUbiT  als  in  die  zweite  Hälfte  des  13.  Jahrh.  zu  setxen  sein. 

Was  dann  drittens  die  Stücke  zur  (lesehichte  des  Lyoner 
KiinxilM  vnn  1245  betrifft,  so  liat  die  Vergleichiing  mit  Erler 
(8.  130)  ergeben,  dasH  sie  nicht  mit  den  in  der  Pariser  Hand- 
sictirift   Überlieferten    .Constitution es   alique   facte  in  concitio 

Hagdunen.«!'  Uliereinstinmien.  Vielmehr  steht  hier  p.  82  eu- 
k'^e  Einladang  des  Papste«  Innocenz  lY.  zum  Konzil: 
B^nocentiiis  eto.  archiepiscopo.  Dei  virtua  et  dei  sapientia 
IHbus  Je»us  Gbristiis  cuius  ineffabili  —  initnigere  non  post- 
ponas.  Dat.  Lugd.etc.  Dazu  am  Band:  MandatiirMetropnlitanis 
qwod  reniast  ad  concüium  et  eitent  aiiffraganeos  et  eorum 
cap(itiiluni)  ad  illnd. 

Hierauf  folgt  p.  83  —  85  der  Bericht  Über  das  Konzil 
seibat:  Anno  doniini  niill.  OCzLv  cum  Innocentius  papa  INI 
ad  parte«  Qullie  prupter  roulta  pericula  (jiie  imminebant  ge- 
nerali ecclesie..  ..  circa  C  et  L  sigilla  ipsi  sententie  fnerunt 
Es  ist  Übrigens  diese  Hand.schrift  hiefiir  bereits  vnn 
bentitxt  worden,  der  in  seiner  Conciliornm  NoTorum 
')  gerade  aus  ihr  Varianten  mitgetheilt  hat. 
s  endlich  die  Merfcel'schen  .Auszüge  anlangt,  so 
werde  ich  /.m-rst  im  Änächlnss  an  die  Reihenfolge  der  Stücke 
bei  Erler  die  daran  von  Bresaliiu  *)  aufgeworfenen  Fragen  und 
raifel,  ob  dies  und  jenes  Stüiik  auch  in  der  Bologneser 
ihrift  (=  B)  vorhanden,  beantworten. 
ierä.  19.  Captaciones.'^pecialcslocosalutacioiiis  fehlen. 
Irler  S.  130.  Verfügungen  Innocenz  IV.  im  Konzil  von 
,  üben. 


I  lOTo.  XXUl  col,  610.     J)  a 


O.  Bd.  I,  S.  26411. 


224  Sitzung  der  historisi^n  Claaae  vom  7,  Juni  1890. 

Erler  S.  154.  Forma  dandi  pallium  ist  auch  in  B  über- 
liefert und  zwar  in  einer  Form,  welche  auf  den  ersten  An- 
blick die  HofiPnung  erweckt,  damit  einen  Anhaltspunkt  fßr 
eine  genauere  Datirung  zu  gewinnen.  Die  ,Forma  jnramenti^ 
beginnt  nämlich  in  B  (pag.  104)  folgendennassen:  ,Ego  B 
archiepiscopus  Taracon  (ensi8)\  während  bei  Erler  kein 
Name  überliefert  ist.  Aber  die  Freude  zerrinnt,  wenn  man 
aus  Gams,  Series  episcoporum  ersieht,  dass  es  im  13.  Jahr- 
hundert nicht  weniger  als  drei  Erzbischöfe  von  Taracon  ge- 
geben hat,  welche  mit  B  beginnen :  1)  zwischen  1233  und 
1238  Berengar  de  Palao.  2)  1251—1268  Benedict  de  Roca- 
berti.  3)  1272—1287  Bernard  de  Olivella.  Da  später  in 
den  Formeln  dieses  Theiles  der  Handschrift  bereits  Papst  Nico- 
laus III.  (1278)  erwähnt  ist,  wird  man  sich  wohl  für  den 
letzten  Bemard  de  Olivella  entscheiden  müssen. 

Erler  S.  171  ,Quedam  constitutiones  iuxta  officium  scrip- 
torie  literarum  apostolicarum  more  antiquo^  fehlen  wirklich 
nicht.  Ferner  ist  die  Bemerkung  Bresslau's  I,  257,  letzte 
Zeile  von  unten,  dass  nur  No.  IX  der  MerkePschen  Stöcke  in 
B  enthalten  sei  (daraus  entstamme),  dahin  zu  ergänzen,  dass 
auch  No.  VIII  (Merkel  p.  146)  aus  B  entnommen  ist. 

Indem  ich  nun  die  wirkliche  Reihenfolge  der  MerkeP- 
schen  Stücke,  wie  sie  in  der  Handschrift  sich  findet,  mittheile, 
will  ich  zugleich  jeweils  die  Varianten  und  Verbesserungen 
anführen,  die  sich  mir  bei  Vergleichung  der  Handschrift  mit 
dem  Text  bei  Merkel  ergeben  haben. 

Zuerst  ist  demnach  aufzuführen  Merkel  No.  V  (S.  142  ff.): 
in  der  Handschrift  p.  89 — 90  (fälschlich,  wie  oben  erwähnt, 
zwischen  p.  100  und  101  eingebunden). 

S.  142  Absatz  3   ist  zu  lesen:  pictantiis  statt  pietantiis. 

,       4:  episcopo  »eu  quocunque;  cancellaria  statt  cancellario. 

^       5:  si  procuratio  sit  pecuniaria  st.  necessaria. 

y,       8:  peccunia,  que  comunicari  st.  quod. 
S.  143        ^     13:  conscientia  st.  conscentia  (^ebenso  Abs.  14);  similiter 

fit  st.  sit. 


Simonsfeld:  Beitr.  zum  päpstl.  Kamleiweaen  im  MitteHaiter,       225 

S.  148  Absatz  21 :  Item  dari  de  dictis  enxeniis. 
S.  144       ,       24:  annuatim  a  vicecancellario. 

Bis  folgt  in  der  Hdschr.  p.  91  Merkel  No.  I.    Hier  ist: 
S.  185  Absatz  2  zu  lesen:  assumebantur  st.  assumebatur. 
S.  136       a      8:  babundanter  st.  habundantes. 

Dann  p.  92—93  Merkel  No.  II: 
S.  136  Absatz  4 :  et  si  forte  st.  sorte. 
S.  138       ,      18:  spetialiter  st.  spetiali. 
«      19:  sibi  st.  ibi. 
,     24:  enxennia  babundanter  st.  enxenia  habnndantia. 

Es  folgt  p.  94  Merkel  No.  III: 

S.  139  Abs.  1  sind  nach  dem  erstmaligen  ,XVIII  panes^ 
die  ,VI  cacie  vini'  zu  streichen  (die  Merkel  oder  sein  Ab- 
schreiber falschlich,  durch  das  spätere  nachfolgende  gleich- 
lautende panes  irregeführt,  hinaufgesetzt  hat)  —  wonach  die 
Zahlenangaben,  deren  Richtigkeit  Merkel  mit  Recht  be- 
zweifelte, vortrefflich  zusammenstimmen.^) 

Abs.  3  ist  a  panataria,  wie  schon  Merkel  vermuthet  hat, 
st.  appanataria  in  der  Hdschr.  deutlich  überliefert. 

Abs.  8  ist  zu  lesen:  dividuntur  st.  dividitur. 

Da  pag.  95 — 96  (cf.  oben)  leer  sind,  folgt  p.  97 — 101 
Merkel  No.  IV  ^) :  hie  sunt  littere,  que  solent  dari  sine  lectione 
et  transeunt  per  audientiam  (1278  unter  Nicolaus  III). 

Die  Kürze  der  Zeit  gestattete  es  mir  leider  nicht,  hin- 
sichtlich der  Reihenfolge  der  einzelnen  Sätze,  die  von  der  bei 
Erler  stark  abweicht,  genauere  Notizen  zu  machen;  und 
da  ich  an  einen  neuen  ,  Textabdruck  mit  Benützung  aller 
Handschriften  und  brauchbarem  kritischen  Apparat*,  wie  ihn 
Bresslau  als  dringend  wünschenswert  bezeichnet,^)  nicht  denken 
konnte,  glaubte  ich  auf  eine  Textvergleichung  mich  be- 
schranken zu  dürfen.  Inzwischen  hat  Ottenthai  aus  dem 
litterarischen  Nachlasse  Diekamps  (den  das  Institut  für 
österreichische  Geschichtsforschung  angekauft)  über  eine  von 
diesem   aus   den   Codd.  Vat.  3039,  3040   und  dem  Cod.  IV, 


1)  cf.  Erler  S.  189.     2)  Erler  S.  140—147.     8)  Handbuch  1,  266. 


22n  Sitzung  der  Mstorisehen  Glosse  vom  7.  Juni  1890, 

30  der  Marciana  in  Venedig  angefertigte  Copie  dieser  Stücke 
Mittheilung  gemacht,^)  zu  welcher  ich  aus  der  Bologneser 
Handschrift  Folgendes  ergänzen  kann. 

Die  Absätze  Diekamps  23,  27  stehen  auch  in  B  und 
zwar  pag.  99  (als  Ergänzung  zu  Erler  pag.  145  unten  am 
Schluss  nach  ^Invocato  etc.**)  mit  folgendem  Wortlaut:  Item 
quod  parrochiani  ecciesiarum  conipellantur  solvere  decimas  de 
proventibus  terrarum,  vinearum,  ortorum  et  aliorum  bonorum 
que  habent  infra  (T)  parrochias  illarum.  De  qua  quidem 
forma  dominus  Clemens  papa  ini"*  (fehlt  bei  Diekamp) 
ammoneri  ')  fecit  de  fructibus  arborum,  leguminibus,  ovis  et 
puUis  ac  iumentis  (Diekamp.  minutis).')  Hierauf  folgt  so- 
gleich der  Passus:  Item  solet  scribi  diocesano  quod 
Judeos  comppellat  ferre  habitum  quo  distinguantur 
a  Christianis,  den  ich  weder  bei  Erler  noch  bei  Diekamp 
finde.  Hierauf  sogleich  (Diekamp  27,  von  Ottenthal  nach 
Erler  S.  142  Item  post  arreptum  eingereiht): 

Item  solet  dari  post  iter  arreptum  (Diekamp:  quasi 
similis)  pro  redeuntibus  de  partibus  transmarinis  que  vocatur: 
cum  (ö)  in  sacro.  Non  detur  (st.  dentur)  nisi  melius  (Die- 
kamp: nisi  prius  melius)  discutiatur. 

Diekamp  42:  Similiter  contra  rectores  und  65:  Item  si 
prelati  fehlen  nach  meinen  Aufzeichnungen  in  B. 

Von  einzelnen  Varianten  zu  diesen  Stücken  theile  ich 
noch  folgende  aus  B  (und  der  erwähnten  Venetianer  Hand- 
schrift) mit: 

Erler  S.  142  Z.  10  v.  o.  nubentium  st.  inhibentium  (=  Diekamp). 
,        Z.  21  monitori  st.  incantori  (=  Diek.) 
S.  143   Z.  18  V.  0.  vel  usurarios  st.  et  us. 


1)  Mittheitungen  des  Instituts  för  Österreich.  Geschichtsforschung 
Bd.  ]X.  S.  Ü79  u.  ff. 

2)  Hdschr.  ammoueri? 
3j  Hdschr.  lumtis. 


Simonsfdd:  Beitr,  zum  päpstl.  Kanzleiwesen  im  Mittelalter.     227 

S.  144  die  Aufschrift :    lila  in   virtote  obedientie  legantur  steht  hier 

vor  dem  yorausgehenden  Absatz:  Item  dantur  —  socios. 
,      Z.  13  y.  Q.  aliquando  (aliqn)  st.  alioquin. 

Z.    8  y.  u.  affirmatione  st.  confirmatione. 
S.  145  Z.  15  y.  o.  notarios  st.  notarium. 

Z.  26  y.  o.  satisfatiant  st.  satisfecerint  «=  Cod.  Yenetus. 

Z.    9  y.  u.  contra  eam  st.  eum  =■  Yen 

Z.   7  y.  u.  nisi  contra   leges  st.  et  =  Y;  st.  leges  vielleicht 
Reges  (undeutlich);  vor  legatur  Strichpunkt. 

Z.    6  y.  u.  petitur  st.  publicatur  =  V. 

Z.    8  y.  u.  seu  recedentes  st.  et  rec.  =  Y. 

Z.    1  y.  n.  mandantur  st.  mandatur  =  Y. 
S.  146  Z.   7  y.  o.  notarios  st.  notarium. 

Z.    8  y.  o.  ordinariis  st.  ordinario. 

Z.   9  y.  o.  dyoces  (anis?) 

Z.  11  y.  0.  faciant  observari  Cod.  Y.  st.  fieiciat  ministrari. 

Z.  20  y.  o.  residere  in  eis  compellant  =  Y. 

Z.  26  y.  o.  non  permittant  st.  permittat  =  Y. 

Z. 29  y.  o.  in  concilio  est  taxatum  =  Y. 

Z.  81  y.  o,  inveniuntur  st.  innoyantur  =  Y. 

Z.  34  y.  o.  quam  st.  qua  =  Y. 
S.  147  Z.   4  y.  o.  creditores  st.  creditorum  =  Y. 

Z.   5  y.  0.  petitione  st.  pensione. 

Z.  12  y.  0.  per  co  (con.)  et  yoc.  (st.  yec). 

Z.  16  y.  u.  super  portionibus  debitis  st.  possessionibus,  debitis 

um  wieder  zur  Beschreibung  unserer  Handschrift  zurück- 
zukehren, ^)  so  folgt,  da  auch  pag.  102  leer  ist,  p.  103  Merkel 
No.  VI  (S.  144),  wo  Z.  3  clericos  religiosos  et  laicos  und 
Z.  8  y.  u.  acceptantes  st.  accettantes  zu  lesen  ist;  dann 

p.  103  Merkel  No.  VII.  ffierauf  folgt:  p.  104  Forma 
dandi  palleum  =  Erler  S.  154 — 155  ohne  die  üeberschrifben, 
welche  fehlen  und  mit  folgenden  Differenzen: 

Erler  S.  155.  Ego  B"»  arch.  Taracon*)ab  hora  (ohne  hac). 
Z.  5.  aut  membrum  st.  menbra.  Z.  8  non  pandam  st.  nemini. 
Z.  15  archiepiscopatus  st.  episc. 

Daran  schliessen  sich  p.  105—106  Merkel  No.VIIl  (S.  146) 
wo  Z.  3  de  tota  procuratione  zu  lesen  st.  de  sola  proc.  und 

1)  cf.  oben  S.  225.    2)  cf.  oben  S.  214. 


228         Süzung  der  historischen  Claase  vom  7.  Juni  1890, 

Merkel   No.  IX  wo   S.  146   Z.  1  v.  unten  etiam  in  diversis, 
S.  147  Z.  6  y.  o.    nisi   forte  sit  st.  sibi  zu  lesen. 

Endlich  folgt  noch  p.  106 — 107  in  der  Handschrift  die 
Sanctio  Friderici  pro  eccles.  libert.  =  Erler  S.  149 — 152 
und  p.  108  die  Gonstitutiones  contra  exactionatores  cleri- 
corum  etc.  =  Erler  S.  152 — 154. 


In  Venedig  habe  ich  dann  auf  der  nämlichen  Reise 
noch  die  beiden  Handschriften  der  Markusbibliothek  genauer 
untersucht,  auf  welche  gleichfalls  Bresslau  in  seinem  «Hand- 
buch der  ürkundenlehre"  ^  hingewiesen  hat:  Gl.  IV  lat. 
No.  30  und  118.  um  mit  der  letzteren  (s.  XIV  chart.  gr.  4®) 
zu  beginnen,  über  welche  weniger  zu  bemerken  ist,  so  hat 
Bresslau  sie  richtig  gekennzeichnet,  wenn  er  sagt,  dass  sie 
»für  den  Gebrauch  von  Notaren  bestimmt  war,  mit  der  päpst- 
lichen Kanzlei  aber  keinen  Zusammenhang  hat*.  Ihren  In- 
halt hat  übrigens  Valentin elli  in  seiner  „Bililiotheca  Ma- 
nuscripta  ad  S.  Marci  Venetiarum"  *)  ausführlicher  raitgetheilt. 

Was  die  andere  Handschrift,  den  mehrerwähnten  Cod.  IV, 
30  betrifft,  so  bemerke  ich  zunächst,  dass  dieselbe  eine 
Pergamenthandsehrift  in  kl.  4®  mit  83  Blättern  ist,  der  Schrift 
nach  entweder  noch  dem  Ende  des  14.  oder  dem  Anfang 
des  15.  Jahrhunderts  angehört  und  folgende  Ueberschrift 
trägt:  ,Formulariuni  et  stilus  scriptorum  Romane  curie  de 
Omnibus  que  spectant  ad  officium  scriptorum',  wozu  eine  spätere 
Hand  noch  übergeschrieben  hat:  ,Formularium  scribendi  buUas'. 
Ich  werde  nachher^)  den  Inhalt  der  Handschrift  im  Detail 
mittheilen  und  hebe  hier  nur  das  daraus  hervor,  was  zur 
Charakterisirung  derselben  dienen  kann. 

Im  Allgemeinen  ist  richtig,  wenn  Bresslau  bemerkt,  dass 
der  Codex  , theoretische  Anweisungen  für  die  Abfassung  und 


1)  I,  638.    2)  tom.  I.  pars  2  pag.  283.     3)  s.  Beilage  I. 


infelä:  Beitr.  fiim  fäp.tit.  SaniUiwfsr«  im  MitUlallrr.      229 

die  graphische  Auitstattiing  vod  Papsturlninden  enthalt«,  die 
durch  eingeschobene  Formulare  sowohl  solche  flir  ganze  Dr- 
kundeu,  wie  namentlich  fOr  eiuzelue  Urkniidentheüe,  z.  B. 
A^rroDgen,  Snliitutionen,  gewisse  Seh Itissfor mein  (clausuloe) 
näher  erläutert  seien, '  Nur  Qberwiegen  bei  weitem  die  ersteren 
d.  h.  die  Anweisungen  für  die  Abfassung.  Denn  ausser  gleich 
Mit  Anfang  hnbe  ich  solche  ftir  die  graphiitcho  Ausstattung 
von  Papsturkunden  nicht  getiinden. 

Leider  iüt  die  erste  Seite  an  mehreren  Stellen  verblasst 
nnd  daher  nicht  gnn»  gut  leserlich.  Die  Erörterungen  be- 
gionen  mit  der  bekannten  Scheidung  der  päpstlichen  Bride 
in  solche,  welche  mit  äeidenachnur  (cum  serico)  und  solche, 
w«lch«  mit  Uaufsclinur  (cum  filo  canapis)  buIUrt  wurden 
—  ein  Unterschied,  der  seit  dem  Ende  des  12.  Jahrhundert« 
feststehend  und  zugleich  ein  formikler  und  sachlicher  ge- 
worden zu  sein  scheint.  ^) 

Hier  ii^t  nur  von  dem  formalen  Unterschied  dann  die 
Rrde,  indem  von  der  Höhe  der  Buchstaben  bei  den  ein2<<lnen 
Worten,  insbesondere  beim  Namen  des  l*apst«s  und  bei  der 
intitulatio,  ferner  von  der  Verwendung  grosser  Antangsbuch- 
stAben,  von  Ligaturen  (bei  f  und  t,  c  und  t)  und  AbkUrz- 
nngi»  g«handelt  wird,  von  dunen  ,[1  (=  pro)  p  (=  per)  und 
ähnliche,  ferner  z  (^  et)  nicht  anzuwenden  seien.  Liniirung 
mit  Blei  und  Tinte  wird  ausdrücklich  als  unstatthaft  und 
vorkommt-nden    Falles    als    Verdacht   erregend    bezeichnet.'! 

Daran  »chlieast  sich  ein  längerer  Passus  llber  die  Da- 
tiruagsxeile,  wobei  über  die  Tageszahl  der  Monate,  dann  Über 
Kalendfn,  Noneu  und  Iden  mir  sonst  unbekannte  Gedenk- 
verae  in  Gestalt  des  Cisiojanus  vorausgeschickt  werden,  deren 
£rkl&ruiig  ungereibt  wird. 

LAllee  Weitere  aber,  was  hierauf  folgt,  bezieht  sich  ledig- 
f  die  stilistische  Form  der  Briefe  und  Buüen  etc. 

I  et  BrfMlAD,  liundimch  I,  9^6. 

|«r.  BrSMlkU  u.  a.  U.   I,  8117  n.  6. 

1  f»tki«.-^lk4.  u.  bliL  CL  U.  1.  ■>' 


230  Sitzung  der  historischen  Clasae  vom  7.  Juni  1890. 

Eine  besonders  grosse  Rolle  spielen  dabei  die  ,clau8u]ae\ 
dann  Conclusionsformeln  und  Exceptiones.  Dazwischen  finden 
sich  eingeschoben  die  MerkePschen  Stücke  (cf.  oben)  ,Iste 
sunt  littere  que  solent  dari  sine  lectioue  et  transeunt  per 
audientiam/  Dann  folgen  Arrengen,  Dispositionen,  Saluta- 
tionen  und  Privil^en  mit  vielen  Beispielen. 

Mit  Rücksicht  auf  diese  Zusammenstellung  kann  meines 
Erachtens  an  ein  offizielles  Handbuch  der  Kanzlei  nicht  ge- 
dacht werden;  höchstens  könnte  man  von  einem  offiziösen 
Charakter  desselben  sprechen;  vermuthlich  aber  hat  es  ein 
Scriptor  nur  zum  eigenen  Gebrauch  angefertigt  und  für  sich 
angelegt,  der  vielleicht  ein  Deutscher  war,  da  unter  den 
salutationes  sich  mehrere  für  deutsche  Scriptores  finden. 

Am  wichtigsten  ist  nun  aber  noch  die  Frage  nach  der 
Abfassungszeit  der  ganzen  Sammlung. 

Bresslau  meint:  die  Entstehung  der  Sammlung  werde 
noch  in  die  letzten  Jahrzehnte  des  13.  Jahrhunderts  zu  setzen 
sein.  Dafür  lässt  sich  aber,  soweit  ich  sehe,  nur  Folgendes 
anführen. 

Einmal  dass  sich  hier  auch  jene  Merkerschen  , Littere  sine 
lectione*    finden,    deren  Zusammenstellung   c.  1278    erfolgte. 

Femer,  dass  gleich  zu  Anfang  eine  intitulatio  lautet: 
,Carissimo  in  Christo  filio  F.  illustri  Romanorum  imperatori 
semper  Augusto,  Iherusalem  efc  Sicilie  regi'  —  was  am  na- 
türlichsten auf  Kaiser  Friedrich  II.  bezogen  wird  —  und  die 
darauf  folgende  intitulatio:  ,Carissime  in  Christo  filie  Johanne 
regine  Francorum'  —  die  man  auf  jene  Johanna  beziehen 
kann,  welche  1274—1304  Königin  von  Frankreich  war; 
vielleicht  aber  auch  auf  deren  Nachfolgerin  von  131(> — 1349. 

Derselbe  Zweifel  erhebt  sich  bei  dem  bald  darauf  er- 
wähnten P(hihppus)  Francorum  rex  illuster,  wo  man  ja  auch 
die  Wahl  zwischen  den  verschiedenen  Philipps  (III.  1270  — 
85,  IV.  —  1314,  V.  —  1321,  VI.  1328—1350)  hat.  Man 
wird  aber  wohl  für  den  letzten  sich   zu  entscheiden  am  ge- 


SmoHtftld:  Btitr.  futn  /läpstl.  Kaiuleiicesen  im  Mütelulter.      231 

neigteäten  sein,  wenn  man  hört,  dhss  unmittelbar  vorher 
eine  intjtaliitio  eich  ßndet:  Kurolo  illustri  Romiuiorum  ini- 
peratori  aeniper  aiignabo  ia  Christo  ülio,  die  äich  nur  auf 
Kurl  IV.  1348 — 1375  beziehen  künn.  Damit  sind  wir  aber 
Tora  Ende  des  l'S.  Jahrhunderts  schon  bedenklich  tief  in's 
14.  Jahrhundert  hinelnKerUckt  und  dem  entspricht  auch,  wenn 
f{l«teh  XU  Allfang»  bei  der  Äuspinandersebzung  tiber  die  gra- 
fthiBch«  Ausstattung  der  Papstbriefe,  insbesondere  die  Höhe 
der  Buchstaben,  als  Beispiel  —  Bfitiifatius  genommen  iat, 
wss  nur  der  Vlll.  1294  —  1303  oder  wahrscheinlicher  der 
IX.  1389  —  1404  sein  kann.  Ich  s^e  wahrscheinlicher  der 
IX.,  weil  auch  die  später  angefllhrteu  Beispiele  der  späteren 
2fät  entnommen  sind.  F.  30  wird  auf  eine  Verordnung  des 
verewigten  Bonifaz  VITI.  Bezug  genommen,  f.  35  auf  eine 
Form  fDr  die  Bestätigung  eines  Abtes  aus  der  Zeit  des 
Vicekanzleni  Papininian,  der  diese  Würde  c.  1302  — 1304 
iniie  hatte.') 

Vollends  die  bei  den  .Salutationes'  aufgeführten  Muster 
beziehen  sich  alte  auf  eine  noch  spätere  Zeit,  auf  daa  Ende 
de«  14.  Jahrhunderts.  Da  linden  wir  einen  Bischof  Andreas 
von  Caorle  angeführt,  wahrscheinlich  Andreas  Bun  von  1378 
— 13!H,  einen  Kardiualbischof  F.  von  Praeneste,  Vicekanzler, 
dem  daa  Amt  eines  Hcriptor  der  Kurie  verliehen  wird;  wahr- 
scheinlich Francesco  Priguano  1385 — 1394.  Eine  andere  iat 
gerichtet  an  Kaiser  Johannes  von  Bjzanit  —  wohl  Johannes 
Pajaeologus  1341— 1.391.  In  einem  anderen  Formular  wird 
der  erwählte  Bischof  Jo(hannes)  von  Camino  erwähnt,  der 
138(1  —  1394  diese  W(inle  inne  hatte,  und  in  demselben  Stück 
der  .römische  König'  W  =  Wenzel  1378—1400.  Endlich 
ganz  ent^heidend,  wie  mir  scheint,  lautet  ein  Aktenstück 
tVenerahili  fratri  F.  episcupo  Castellanu',  was  Niemand  anders 
sein  kann  als  Francesco  Falier,  da  gleich  darauf  derselbe 
(  erwähnt  wird  und  von  ihm  gesagt  wird,  da^s  er 
I  1,  20». 


232  Sitzung  der  Mstorüchen  Claase  vom  7,  Jwnii  1890, 

zuvor  Bischof  von  Modon  gewesen  sei.  Das  stimmt  eben 
nach  Garns  ^)  nur  auf  diesen  Francesco  Falier,  der  am  3.  Juli 

1391  Bischof  von  Gastello  wurde  und  bald  darauf  27.  März 

1392  starb.  So  darf  wohl  der  Schluss  daraus  gezogen  werden, 
dass  die  Sammlung,  wie  sie  jetzt  vorliegt,  in  der  Zeit  etwa 
zwischen  (Juli)  1391  und  1394  verfasst  wurde.  Dass  dabei 
frühere  Stöcke  benützt  wurden,  ist  nicht  weiter  auffallig. 
Es  ist  auch  immerhin  möglich,  dass  schon  früher  eine  ähn- 
liche Sammlung  zum  Handgebrauch  sozusagen  für  die  Scrip- 
tores  der  päpstlichen  Kanzlei  existirte.  Vielleicht  weisen  da- 
rauf auch  einzelne  Ausdrücke  hin,  wie  z.  B.  fol.  35  Nota 
provisiones  antique.  Aber  es  fehlt  uns  bis  jetzt  meines  £r- 
achtens  jede  Möglichkeit  genauer  anzugeben,  was  eine  solche 
frühere  Sammlung  etwa  enthalten  hätte. 


Nach  meiner  Rückkehr  aus  Italien  habe  ich  nicht  unter- 
lassen, unter  den  Handschriftensch ätzen  der  hiesigen  Hof-  und 
Staatsbibliothek  mit  Hülfe  unseres  gedruckten  Kataloges  und 
der  werthvollen  Angaben  Herrn  Geh.  Hofrathes  v.  Roekinger 
in  seiner  Schrift:  ^Ueber  Formelbticher  vom  13.  bis  zum 
16.  Jahrhundert  als  rechtsgeschichtliche  Quellen*  (München 
1855"^  nach  ähnlichen  Handbüchern  der  päpstlichen  Kanzlei 
Umschau  zu  halten.     Leider  mit  geringem  Erfolg. 

Abgesehen  von  dem  Chn.  3063,  welcher  unter  meist 
kirchen rechtlichen  »Sachen  den  von  Erler  veröffentlichten  ,Stilu3 
palatii  abbreviatus*  Dietrichs  von  Nieheim  enthält*),  habe 
ich  bis  jetzt  nur  einige  Handschriften  gefunden,  welche  einen 

1)  Series  episcoporuni. 

2)  Tch  will  hiebei  eine  falsche  Lesart  Erlers  korrigiren :  die  Hand- 
schrift gehörte  nicht  dem  egregius  doctor  dominus  Georiua  Dittolf, 
Kanzler  des  Herzogs  Wilhelm  (wie  Erler  Vorwort  p.  XXVII  angibt), 
sondern  dem  Georius  Drttolf.  • 


tufrld:   Btitr.  lum  iKipult    Kntuhiwtufn  im  MillrliUtrr.       233 

I  kleinüD  Theil  de»  Über  cancellariae,  nämlich  das  ,Pro- 

zum  Theil    mit  den  .taxae'    der  einzelnen  Kirchen, 

itlialten.   über   iille   einer   s]>ät«ren  Zeit  atige}iören,   uU  die 

Bologuetier  Handschrift,  uamlich  dem  14.  bis  Anfitng  16.  Jahr- 

bundoH,  und  die  ich  tmten  verzeichne.') 

Hinnegen  wurde  ich  hiebei  aaf  ein  |>aar  andere  Porrael- 
bUcher  der  bienigen  Hof-  und  StaatobibUotliek  geführt,  von 
denen  namentlich  das  eine  zunächst  eine  etwas  eingehendere 
Besprechung  verdient.  &  ist  dies  die  lateinische  Hsnd§chnft 
Olm.  14313,  eine  schOne  Fergamenthandschrift  in  kl.  fol. 
eaec.  XIV.  195  Bl.,  früher  dem  Emraeraniskloster  (in  Regens- 
burg) gehörig,  »Ik  ,Formnlarius  juris'  bezeichnet,  der  aus 
drei  .'wlb.itändig  p)^^i^i^ten  Theilen  besteht.  Ful.  71'  heiest 
ee:  ,Explicit  Formularius  processuum  et  instninicntorum  raul- 
torum  et  diversanim  formarura';  fol.  134  :  ,Gxplicit  secunda 
pars  formularii.'  worauf  f.  135^136'  das  Inhaltsverzeichnis 
des  dritten  Theiles  folgt ,  ebenso  wie  vor  dem  zweiten  Theil 
f.  71 — 7S  ein  Inhalt« venr,eichuis  aich  tindet,  während  das- 
jenige fflr  den  ersten  Theil  fehlt,  (vielleicht  weggeschnitten 
ist.)  Die  Handschrift  iceigt  zwei  verschiedene  Hände,  deren 
eine  bis  f.  134  (dem  Schiuss  des  zweiteu  TheiJes),  die  andere 
den  dritten  Theil  geschrieben  hat,  in  welchem  wich  manche 
Wiederholungen  aus  den  beiden  ersten  Theilen  finden.*) 
Beide  Hilade  gehören  noch  gut  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahr- 

)  ein.  Ißfi  Taxae  anec.  XV: 
[  am.  2fiB  .  -aec.  XVl-, 
I-Clm.  308  Prorinciale  mit  vorausgeh enil ein  ,liber  Taiarum  om- 

nium  i^cdesiarDiB  et  moniwtenurBm'  b.  XV. ; 
I  Cira.  423  über  taiarum  s.  XVh 
\  Clm.  9üS  Provinciale  s.  XV.; 

S.  I..  XIV  f.  129  Provinciala. 
■  '(ilin.  6741   .Kornia  procedecidi'  dann  /I'uiae'  ».  XVI  Anfang 
la.   1606). 
■  ea  dahin  ^eatcllt  sein  Inueti ,   ob  mit  dem  Wechsel 
l  aiicli  ein   Wechsel  der   Verfuiser  einget.reten  iat. 


234  Sitzung  der  histariai^^en  Glosse  vom  7.  Juni  1890, 

hunderts  an  und  eben  dieser  Zeit  nun  auch  die  als  Formeln 
angeführten  Dokumente,  die  einfach  zusammengestellt  sind 
ohne  jeden  Gommentar,  ohne  jede  theoretische  Bemerkung, 
aber  auch  ohne  jede  sichtbare  systematische  und  sachUche 
Ordnung.  Zahlen  und  Daten  sind  freilich  fast  alle  wegge- 
lassen (bis  auf  ein  paar '  Ausnahmen,  worauf  ich  sogleich 
zurückkomme);  auch  die  Namen  sind  vielfach  getilgt,  aber 
deren  doch  noch  genug  vorhanden,  um  erkennen  zu  lassen,  dass 
wir  es  mit  einer  Sammlung  zu  thun  Laben,  die  wesentlich 
Dokumente  aus  der  Zeit  der  Päpste  Bonifaz  VIII.  (1294  bis 
1303),  Benedict  XI.  (1303—1304),  Clemens  V.  (1305—1314) 
und  Anfang  Johannes  XXII.  (1316-1334)  enthalt. 

Aber  schwierig  scheint  es  zuerst  über  den  Ursprung 
oder  die  Bestimmung  der  Sammlung  in's  Reine  zu  kommen. 
Rockinger^)  bemerkt  darüber  nur:  »die  drei  Formelböcher 
zeigen  auf  den  ersten  Blick  die  Bestimmung  für  geist- 
liche Höfe**. 

Im  ersten  Theile  finden  wir  überwiegend  Stücke,  welche 
von  päpstlichen  ,Executores'  ausgefertigt  sind:  N.  N.  (hier 
meist  der  Name,  wenigstens  mit  dem  Anfangsbuchstaben  und 
der  geistlichen  Würde)*)  ,executor  ad  infrascripta'  mit  Be- 
rufung auf  päpstliche  Schreiben  —  so  dass  man  fast  von 
einem  Handbuch  für  solche  »executores*  sprechen  könnte. 

Im  zweiten  Theile  kommen  zwar  auch  noch  wiederholt 
Stücke  vor,    in  denen    ein  executor  auftritt,  aber  öfter  noch 


1)  a.  a.  0.  S.  173. 

2)  darunter  z.  B.  f.  \T  Magister  Nicolaus  de  Secia,  domini  pape 
scriptor,  canonicus  Aquensis,  executor. 

f.  22.  Altegradus  electus  VicentinuSf  domini  pape  notarius  et  rc- 
ferendarius,  executor. 

f.  29'  Magister  N.  de  Fractis,  domini  pape  corrector,  canonicus 
Patracensis,  executor. 

f.  38.  Jacobus   dei   gratia  . .  episcopus ,  executor  seu   conservator. 

f.  48.  Q.  miseratione  divina  episcopus  Dunolinensis,  executor  seu 
provisor  a  sede  apostolica  deputatus. 


tafeld:  Brilr  tum  päimll,  Kanilr\wtsen 


235 


t^reclieineii  Procuratores  und  ProciirnttoiifM,  daiiehen  »her  aiirh 
andere  WüHentruger  und  Beamte  tler  Curie.  So  bestätigt 
fol,  102'  ,1.  doinini  pape  ciimerariu§'  vom  Erzbiachof  von 
Capua  eiuen  Tlieil  der  von  diesem  (liei  seiuer  Wahl  durth 
Johann  XXII.)  veraprucheneii  UeldNumme  erhalten  zu  halwn.') 
Fol.  110  wird  ein  Schema  der  ,litere  testimoniales  viceciin- 
celUrii  dotniiii  pape  cum  insertione  literarum  domisi  pape 
iu  ipais  literia'  t^egeben  (aus  der  Zeit  de»  Vicekanzlera  Petnta 
Anialdi  de  Hearuio  11105 — ISOli  oder  Petrus  Bischof  von 
Palentin  in  Ciu>tili«<iL  1300—1307*1,  worauf  folgt;  .quando 
exemplatur  aliquud  Mub  manu  publica'  und  .SubcHptio  notarii.' 

■iBald  darauf  fol^t:  ,(jniindo  exemplatur  aliquod  inatru- 
iRitn  w.a  Winra  bnlliita  cum  auctoritate  et  dvcreto  judicis 
inarii'  und  ,Hubscriptio  uotarii  exeiuplantis';*)  ferner 
Jnspectio  cujuadam  inätriimenti  publici'  ( —  nos  . .  curie  camere 
doniini  pape  generalis  auditor.  Acta  sunt  hec  ATiuione  in 
hoHpitio  habitationiH  notre . . .  mit  Bestätigung  eines  Notars) 
tt.  «.  w.  8«th»n  die  letzteren  Stticke  erwecken  die  Vermnthiing, 
dan  mau  es  vielleicht  mit  einem  Formel  buch  für  Notare  zu 
tbun  haben  könnte.  Und  diese  Veruiuthung  fand  sich  dann 
bd  weiterer  Nachforschung  bestätigt.     Die  Hof-  und  Stoats- 

Ll)  CC  flor.  aari  ^•>a  .inüle  flor.  nnri  pro  camera  domini  [inpB  et 
j^.  aari  et  XXV  anl  (idos)  Tnr{onen«ea>  pro  fiunilia  ejiudem  do- 
(  pontiflcis  nomine  comimis  aerTitii'. 

8)  %.  Bresslau  I,  'UM;  das«  einer  der  beiden  Oenannteji  hier  ce- 
m«iat  i*t,  ergibt  aich  aus  dem  AnranKsbuctulahen  1*.  und  dem  des 
Papaiea  C. 

3)  Im  dritten  TliHil  finden  «ich  die  beiden  n&mlioben  ätQclce 
ni>chinala  f.  I&6'  mit  Urui  UntrrHdbif de ,  daxa  hier  ein  ächreiben  Cle- 
maiu  V.  jingefQhrt  wird,  un  erster  Stelle  dngesen  von  Nicolana  IV. 
-liS2).  [n  eine  noch  frHhere  Zni  roicht,  ein  andere«  Stßck 
p[:  fol.  80'  .Renunciatio  eccle«ie  facta  in  inauibu«  episcopl*,  dae 
Eaat:  In  noiuin«  doinini  etv.  die  ...  meniiB  aptOBtoliuu  aede 
pur  niorteni  ieWaia  recordationiH  domini  Cl  lemeotinl  papc 
-  aUu  xwixtlivn  29.  Nov.  li^  und   1.  Sept.  1371   zu  artzen  i<t. 


230  SiUung  der  histofisdien  Classe  vom  7.  Jtitii  1890. 

Bibliothek  besitzt  ^)  über  ihre  Regensbur^er  Handschriften  (zu 
denen  ja  auch  dieser  Codex  Glm.  14313  gehört)  einen  sehr 
werthvollen,  ausführlichen,  nach  Materien  geordneten,  hand- 
schriftlichen Katalog  von  Sanftl:  Catalogus  veterum  cod.  ms. 
ad  St.  Emmeram  1809.  Bei  der  genaueren  Beschreibung  dieser 
Handschrift,  die  ich  unten  mittheile,  ^)  wird  nun  (p.  789)  auf 
die  verschiedenen  Drucke  des  ,FonnuIare  instrumentorum^  im 
15.  Jahrh.  verwiesen,  von  denen  der  vorliegende  Codex  gänzlich 
verschieden  sei.  In  diesen  Drucken  aber,  deren  die  Staats- 
bibliothek mehrere  Exemplare  unter  ihren  Incunabeln  besitzt, 
ist  deutlich  theils  schriftlich  theils  schon  im  Titel  gesagt, 
dass  die  Sammlung  für  Notare  bestimmt  sei.  Ein  Exemplar 
(s.  1.  s.  a.)  trägt  aussen  die  üeberschrift:  Formulare  Nota- 
riorum; ein  anderes,  gedruckt  1504,  heisst:  ,Formulare  instru- 
mentorum  nee  non  ars  notariatus  cum  tabulis  subjunctis^ 
Femer  werden  in  dem  SanflFschen  Katalog  nach  unserer  Hand- 
schrift Clm.  14313  sogleich  (als  denselben  Stoff  behandelnd) 
die  beiden  Handschriften  Clm.  14328  und  14331  aufgeführt, 
welche  auch  Rockinger  bereits*)  als  Notariats- Formelbücher 
gekennzeichnet  und  beschrieben  hat. 

Es  ist  somit  unser  Formelbuch  ein  Seitenstöck  zu  der 
oben  erwähnten  Handschrift  der  Markus])ibliothek  in  Venedig 
(Cl.  IV  lat.  No.  118),  welche  näher  mit  einander  zu  ver- 
gleichen mir  augenblicklich   und   hier  die  Möglichkeit  fehlt. 


1)  worauf  mich  Herr  Bibliothekar  Keinz  freundlichst  aufmerk- 
sam machte. 

2)  »Complectitur  haec  collectio  formulas  instrumentorura  execu- 
tionis,  mutui  contrahendi,  appellationis ,  collationis  et  resif^nationis 
beneficiorum,  electionis,  perceptionis  fructuum  ecclcsiasticorum,  man- 
dati  procuratorii ,  aliorumque  plurimorum  ad  forum  ecclesiasticum 
potiHflimum  spectantium  et  ad  finem  XIII  ac  initium  XIV  «aeouli  Bub 
KummiH  pontificibus  Bonifacio  VlIL,  Benedicto  XI  et  demente  V  usi- 
tatorum*.  Daraus  im  Catalogus  codd.  latinomm  Bibl.  He^iae  Mona- 
censis  tom.  IV.  pars  II  pag.  167. 

8)  Ueber  FormelbQcher  etc.  S.  89  und  öfters,  cf.  Register  S.  202, 


nnfeld:  Seilr.  lum  jMpxtl.  K/insUiwei 


H  Mittelalter.       2!17 


Aber  so  viel  dürfte  »ich  jetstt  «cbon  mit  Sicberheit  behaupten 
laanen,  dans  die  hiesit^e  Handschrift,  die  Ültere  iat,  deren 
einzelne  Httlcke')  noch  in  die  Zeit  Clemens  IV.  tmd  Nieo- 
lans  IV.  Kiirfickreichen. 

Ich  ha^w  ijereite  angedeutet,  diiss  die  vorliegende  Forrnel- 
SHinmlunf!  nicht  wie  a»  viele  andtre  einen  einleitenden  theo- 
retischen Theil,  etwa  eine  an«  dietandi  oder  summa  dictaniinis 
HiifweiMt.  Nur  hin  nnd  wieder  findet  sich  diiriri  eine  da- 
hin zielende  Bemerkung,  wo  z.  B.  folgt  auf  diis  .Decreturo 
electionia  in  forma  processus  et  forma  ^rutinii  compoaiti 
per  dominum  (i-piscopnra)  Hostiensem'  (fol.  2R)  ein  AbsatK 
(ful.  29)  ,De  podem',  der  ao  beginnt :  ,Hredicta  loctim  habent, 
nbi  per  forraam  comproniissi  proceditur  vel  tibi  compromiasarii 
sunt  de  colli;gio;  nam  nbi  e^sent  extranei,  quod  potest  fieri, 
non  oportet  quod  dieatur  vice  sua  etc.  etc.") 

'Sonst  heiM  es  nur  z.  B.  f.  75  ,In»tnimentum  receptionis 
cujusdam  canonici  auctoritate  literarum  apostolicamm"  und 
dann:  .Aliud  instr.  receptionis  per  capitulnm'  etc.  oder 
fol.  119  .Instrnmentutu  niutuj  contracti  per  epiwopnm  de 
licentia  domiui  pape'  fol.  120  .Super  eodem  in  forma  simplici.' 
Bixweileii    (aber   aelten)    fehlt   jede    tTeberschrift    Über   dem 

itheilten  Dokuuient. 


l'R.  oben  S.  S3fi  Anm.  3. 

I  Pimelbeo  Stücke  «teheo  ancb  im  lirilt«»  (vnn  anderer  üiatil 
b^bCDen)  Theil  f.  149— U4  mit  fulKenden  [lelierHcbrirten :  .Doc- 
trina  de  alectionibnB  edita  ab  eiiiacofio  0»tien»i  —  Inatitutio  per  formam 
oonipromiEMi  —  Defretum  eleolionia  (lar  lormam  «cruptinü  celebrate  — 
Itutitotio  tu  fbnnu  acmtinii'  nnd  mit  <}eni  Schlua«:  Esunsatio  ti  quid 
ID  firrdictil  inperfectiim  ri:'[>eriiitiu' ;  QnninriB  per  preiiicta  doctrinn 
itätsr  (VI,  aliqimndo  taincii  ■eciiuiiuTD  foruia«  diT^rta*  et  ciuufi  vario" 
M  moltft  alia  que  CAttidiu  poHnant  oi-currere  oportet  fortnam  dirti  decreti 
diveratmode  »ariare.  —  Ho»tituiaia  ist  der  bekannte  (-'anonist  HenriciiB 

tiniiiia  (gMt.  35.  Okt.  1271)  ans  Siua,  der  am  4.  Dei.  1261  von 

■  IV.  xum  Kardinal biacbof  von  Ostia  ernannt  wurde;  ef.  äohulie. 
tr  Qaetlen  und  Literatur  dea  kanoniäclien  EechUss  Bü.  11.  S.  123, 


238  Sitzung  der  historisthen  Glosse  vom  7.  Juni  1890. 

Wa8  speciell  die  Notare  betrifft,  so  ündeD  sich  ausser 
mehreren  Subscriptiones  notarii  (besonders  fol.  110  —  111)  nur 
folgende  Stücke,  die  sich  auf  dieselben  beziehen:  f.  106: 
,Forma  quando  archiepiscopus  auctoritate  apostolica  concedit 
officium  tabellionatus  —  Super  eodem^  —  f.  106':  ,Litera 
quando  cardinalis  concedit  off.  tab.  auct.  a  post.  —  Ut  in- 
vestiat  (sc.  Bassianus  de  Aliano,  civis  Mediolanensis,  comes 
Palentinus)  quendam  de  offitio  tabellionatus^  und  hinwiederum 
im  dritten  Theil  ebenso  mit  geringen  Differenzen  fol.  166 
,Quando  archyepiscopus  auctoritate  sibi  concessa  concedit 
officium  tabellionatus^  und  ,Quando  cardinalis  in  sue  legationis 
provincia  concedit  tabellionatus  officium';  zuvor  aber  noch: 
f.  165  Jnstrumentum  tabellionatus  auctoritate  imperiali'  (von 
0.  Comes  Palatinus  de  Lomello)  —  ,Super  eodem  pro  absente* 
f.  165   ,Super  eodem  secundum  comitem   de  Monte  Floren.' 

Es  ist  natürlich  unmöglich,  hier  in  Kürze  den  ganzen, 
reichen  Inhalt  der  c.  450  Stücke  umfassenden  Sammlung 
wiederzugeben;  einige  wenige  Stücke  werden  im  Anhang 
veröffentlicht  werden  (No.  10  u.  ff.):  hier  will  ich  nur  noch 
bemerken,  dass  die  meisten  der  mitgetheilten  Dokumente  sich 
auf  Kirchen  Italiens,  Frankreichs,  Spaniens,  nur  einige  wenige 
auf  deutsche  beziehen.^) 

Auffallend  ist  nun  aber,  dass  am  Schluss  des  dritten  Theiles 
fol.  174  ( — 195)  von  derselben  Hand  geschrieben,  wie  der 
eben  vorausgehende  dritte  Theil,  eine  Anzahl  von  Stücken 
(c.  130)  folgt,  welche  sich  nur  auf  Salzburger  Verhältnisse 
beziehen.  An  ein  ,Instrumentum  donacionis  inter  vivos'  reiht 
sich  unmittelbar  an :  ,Sequitur  forma  litteraruni  secun- 
dum stilum  curie  Saltz(burgensis)'.  Wie  dies  zu  erklären 
ist,  in  welchem  Zusammenhange  dieses  Fragment  eines  Salz- 

1)  Von  besonderem  IntereHse  nind  darunter  einige  Stücke,  welche 
flieh  auf  Geldgeschäfte  mit  Florentiner  Kaufleuten  beziehen,  von  denen 
genannt  sind :  f.  1  die  «societas  Clarentinorum'  f.  6  «societas  Maziomm' 
f.  59'  und  119'  «societas  de  Spinis*  oder  ,Spinorum*. 


MHffrld:   Sb.1 


tachrii   Gfsrhirhtr  im   H.  .lahrh. 


239 


harter  Pormelbucbes  mit  dpii  vurauHt^ebetidQn  drei  Tlieikn 
Mteht,  ob  etwa  ein  Salzburger  Gektliclier,  der  zugleicli  päpst- 
licher Notar  wnr,  sich  das  Ganxe  anpo^lBf^t,  iiiiciidum  er  viel- 
leicht frCiber  eine  Stellung  an  der  päpstlichen  Kurie  inne- 
^t)hMbt  —  vtirmug  ich  nicht  anzugeben. 

Der  Zeit  nach  gehört  dieses  Fragment  dem  nämlichen  und 
einem  wenig  spütereu  Termin  an:  gleich  das  erste  Stück 
Itvginut  mit  dem  Namen  des  ErzhJHchofs  Friedrich,  der  von 
1316 — 1338  den  erzbiiichüf liehen  Stuhl  von  Salzburg  iiine 
batt«;  aber  bald  darauf  linden  wir  zwei  ätlli'ke  fol.  175 
utid  177,  die  da«  Datum  IU25  trugen.')  Von  diesem  En- 
bischof  sind  tast  alle  übrigen  Dokumente,  die  aber  in  Ver- 
gleich KU  den  in  den  beiden  vorausgehenden  Theilen  Uber- 
in  sowohl  OI)erhaupt  kürzer  sind,  als  insbesondere  weniger 
derjenigen  enthalten,  fdr  welche  nie  bestimmt  waren. 
•Was  aber  noch  mein  besonderes  Interesse  bei  diesem 
[ment  err^^te,  war  der  limfltand,  dass  dasselbe  ein  paar 
Dokumente  enthält,  wckhe  l'iir  die  politische  Geschiebte 
il«r  damaligen  Zeil  von  Interesse  sind  und  auf  welche 
[leicbzeitig  auch  bei  der  Durch-sicht  zweier  anderer 
Ibücher  tmserer  Staatsbibliothek  gestossen  war. 

ine  davon  ist  die  Handschria  Clm.  97  chart.  kl. 
fol.  aaec.  XV.  15lj  Bll.,  enthaltend  ein  , Formalare  eccle- 
siasticum  secunduni  stilum  ecclesiae  Friaingensis',*) 
Ober  dessen  reichen  Inhalt  ich  anderwärts')  berichten  werde, 
worunter  sich  von  f.  80  an  mehrere  Sulzburger  Stücke 
b«Snd«n. 

1)  Wahrend  im  dritten  i'heil  f.  146'  «ich  ein  Procuratoriutn  ife- 
DOsI«  »3  Hgendum  et  dufendendum  (ohne  Nanienl  iiiil  der  .laUreszabl 
WH  n.  f.  171'   akh  eine  l'rolexlntio  pro  election»  arcliippiscopi  aas 
it  dar  äediiTaeani',  nacb  dem  Tode  CJemena  V.  (30.  April  1S14 
1516)  findet. 

I  Kockiofrer  u.  a.  0.  Bfteni  citirt. 
deni  nHohsten   Hede  der   rArchiiBliRchoo  Z^itochl 


240  SiUung  der  histarisehen  Glosse  vom  7.  Juni  1890. 

Das  zweite  ist  Clm.  1726  f=  Cbm.  726)  chart.  gr.  A^ 
saec.  XV.  271  Bll.  ,Formularin8  (liber)  pro  cancellaria 
Salisburgensi\  überwiegend  Aktenstücke  Salzburger  Erz- 
bischöfe des  13.  and  14.  Jahrhunderts  oder  für  die  Didzese 
Salzburg  enthaltend  (formelhaft  zugerichtet  und  ohne  theo- 
retische Einleitung).^) 

Die  Stücke,  deren  ich  eben  Erwähnung  gethan,  gehören 
der  Zeit  eben  jenes  Erzbischofis  Friedrichs  von  Leibnitz 
an  (1315  bis  1338),  welcher  während  der  Regierungszeit  Kaiser 
Ludwigs  des  Baiern  eine  hervorragende  Rolle  gespielt  hat. 
^Ein  geborener  Oesterreicher,  hat  er  stets  ohne  Wanken  zum 
habsburgischen  Hause  gehalten. ''^)  Nachdem  er  an  der 
Schiacht  bei  Mühldorf  im  Heere  Friedrichs  des  Schönen 
Theil  genommen,  trug  er  nun  auch  kein  Bedenken,  ohne 
Verzug  die  vom  Papste  Johannes  XXII.  gegen  Ludwig  er- 
lassenen , Prozesse*  zu  veröifentlichen  und  zu  verkündigen. 
Wir  wissen  dies  sowohl  aus  Anführungen  des  Papstes'),  als 
auch  liegt  darüber  nunmehr  ein  formliches,  von  zwei  päpst- 
lichen Notaren  aufgenommenes  Protokoll  vor  vom  30.  Mai 
1324*)  —  wofür  Erzbischof  Friedrich  einige  Monate  später 


1)  Aus  dem  sonstigen  Inhalte  —  von  f.  164  an  sind  sehr  viele  Doku- 
mente des  ausgehenden  14.  Jahrhunderts  mit  genaueren  Daten  und 
den  vollen  Namen  hinzugefügt  worden  —  hebe  ich  hervor  ein  ,Prin- 
cipium  transumpti  et  descriptio  sigillorum'  aus  dem  Jahre  1391  (f.  179') 
und  die  Jnvocatio  auxilii  brachii  saecularis  domini  V,  (Urbani  VI.) 
dum  in  Luceria  erat  detentus'  nebst  der  .Confessio  cardinalium  contra 
antipapam*  —  beide  aus  dem  Jahre  1385  —  (f.  221—227)  welche  ich 
abgeschrieben  habe  und  später  veröifentlichen  werde. 

2)  Müller,  C,  der  Kampf  Ludwigs  des  Baiem  mit  der  römischen 
Curie  (1879)  Bd.  I  S.  148. 

3)  s.  Oberbayerisches  Archiv  I,  p.  71.  no.  41. 

4)  »Instrumentum  publicum*  s.  Archival.  Zeitschr.  Bd.  V,  S.  255, 
N.  207;  Preger,  W.,  Ueber  die  Anfönge  des  kirchenpolitischen  Kampfes 
unter  Ludwig  dem  Baier.  Abhdlgn.  d.  k.  Ak.  IIL  Cl.  XVI  Bd.  U  Abt. 


Simitmfeld:  Brilr.  lur  deiiUrhf»  Oefchichte  im  14.  Jnltrh,      241 

(am  10.  September  1324)   von    Seite   des  Papste»   eiue    Be- 
lobiitig  erhielt.') 

Dazu  bieten  nun  jene  Stücke  in  den  Formelbüchern 
eini|;(e  interessante  Krg&nzungeii  —  die  nur  leider  (wie  icli 
erat  nuch  ge)ialtenein  Vortrag  von  Herrn  Oberconüistorialratli 
l'njf.  Dr.  Preger  belehrt  wurde)  schon  grossen t heil»  vor 
10  .luhreii  von  Dr.  Frunai  Martin  Mayer  ebenfalls  entdeckt 
and  mitgetfaeilt  worden  sind.  Aus  einem  hin  dahin  unbe- 
nutzte»  Formelhuch  der  ätudienbibliothek  in  Salzburg*)  hat 
ilenelbe  unter  anderen  eben  die  nämlichen  Stficke  mit  demdasu 
nOthigen  Cummentare  verütfentlicht,')  welche  ich  hier  zum 
Abdruck  bringen  wollte!  Es  umss  Anderen  ßberlaseeu  bleiben, 
diesm  Fonnelhuth  mit  den  drei  obenerwähnten,  inabesotidero 
niit  dem  in  Clm.  172lj  Ilberlieferten  (welchee  vielleicht  eine 
Abscbritt  dett  in  Salzbui^  selbst  aufbewahrten  ist)  genauer 
sa  vergleichen.  Hier  möchte  ich  zunächst  venteichnen.  welche 
tjon  Mayer  abgedruckten  Stücke  ich  auch  in  den  hiesigen 
Khriften  gefunden;*)  es  sind: 
ri)  Mayer  No.  1  ^  Clm.  1726  f.  119'  (und  110')*); 
pi  Mayer  No.  2  =  Clm.  97  f.  111'  und  Clm.  1726 
Irin    Erzbischof   l'riedrich    .dem    l'apste   die  Ver- 


N.  ITS.   lind  Rieilur,  S,.    Vatikiuiid<Hie  Akten  xur  (iescb.  Lud- 
Itdc  Baiem  (deren   Aash&n^b«)feD  zu  lienntsBii  Herr  Olierhililio- 

r  Rieiler  mir  tfUtiiifst  gmUttotc-)  N,37U. 
^>  Aieh.  Z.  No.  223,  PrHKör  8.  168  N.  178,  Kieiler  N.  3S9. 
P^  Signatur:  V  3  H  J^ 
8)  .Beitr&ge  cur  Geschichte  dm  EnbiBtlium«  Siilihurg.  II.  Deber 
itn  Formtlbuch  aua  der  Zeit  des  Erxbi»cliol'a  friedriih  III.  [131S  bis 
ISSa)'  im  .Archiv  für  nit«rreiuhiiube  Oescbii-hle'  Bd.  62. 

AI  Wenn  irh  diesen  Tbeil  meine»  Vortra^ea  trntidem  liier  ver- 
fllfüntlirhc,  iieHchiebl  re  beionüerB  deshiilb.  weil  die  inxwiachcD  be' 
kanal  ^«wordeDon  AJitciDatückedea  VatikanlHcfaea  Archiv»  Hoch  manche 
(■tgllD«eo<Ie  und  verbeaBsmdB  NoUk  gestatten. 

6)  Kiiu!  andere  Jr'urma  indulgentiarum  pro  caUi|^ndo  uubvidio  ad 
labhcaiB  eccieaie  Melrupolitiine'  nUbt  Clm.  1736  t.  l&i=  Clm.  14313  f.iai 


d^d 


242  Siteung  der  historiichen  Classe  vom  7,  Juni  1890. 

kündigung  der  Bullen  mittheilt,  von  den  Gefahren  seines 
Erzbisthums  erzählt  und  Bitten  (betre£&  des  Pallinms) 
vorbringt.*  Mayer  möchte  dieses  Stück  in  die  ersten 
Monate  des  Jahres  1324  verlegen,  was  aber  mit  Rück- 
sicht auf  das  vorhin  erwähnte  Protokoll  vom  30.  Mai 
1324  mir  als  ein  zu  früher  Termin  erscheint.  Nach  der 
anderen  Seite  hin  haben  wir  eine  bestimmtere  Grenze,  die 
auch  Mayer  angibt:  Erzbischof  Friedrich  ersucht  in  dem 
vorliegenden  Stücke  den  Papst  zugleich,  er  möge  für  ihn 
sich  bei  den  Herzögen  von  Oesterreich-Steiermark  und  Kämthen 
thatkräftig  verwenden.  Die  Antwort  darauf  liegt  in  Schrei- 
ben des  Papstes  vom  21.  August  1324  vor^),  die  in  der 
That  in  diesem  Sinne  an  die  genannten  Herzöge  gerichtet 
sind.  —  Ebenso  haben  wir  die  Antwort  des  Papstes  auf  die 
von  Friedrich  betrefis  des  Palliums  vorgetragene  Bitte,  welche 
—  nach  Riezler  —  vom  16.  August  1324  datirt  ist.*)  Uebrigens 
bittet  der  Erzbischof  nicht,  wie  Mayer  irrig  angibt,  über- 
haupt um  die  Verleihung  des  Palliums,  sondern  um  die  Er- 
laubnis dasselbe  auch  am  Frohnleichnamsfest  und  an  den 
Stiftungsfesttagen  der  ihm  untergebenen  Kirchen  tragen  zu 
dürfen.») 

3)  Mayer   No.  3   =    Clm.  97    f.  UO'   und   Clm.  1726 
f.  110 ,  worauf  ich  sogleich  zurückkomme. 

4)  Mayer  No.  6  =  Clm.  1726  f.  113. 

1)  8.  Oberbayer.  Arch.  I,  71  n.  41  und  Archiv  f.  Kunde  Osten*. 
Geschicbtsquellen  XV,  190.  n.  15. 

2)  nicht  vom  26.  Aug.  wie  Mayer  (a.  a.  0.  S.  158)  in  dem  Copial- 
buch  des  Salzburger  Domkapitels  fol.  546  gefunden  hat. 

3)  Es  erklärt  sich  dies  aus  der  bekannten  Thataache,  dass  das 
Pallium  nur  vom  Papste  allein  immer  und  überall  bei  der  Verrichtung 
des  MesHopfers  getragen  werden  durfte,  von  den  übrigen  Pr&laten 
aber  nur  bei  bestimmten  Gelegenheiten,  (cf.  Hinschius,  System  des 
kathol.  Kirchenrechts  Rd.  l,  S.  210  und  II,  30.)  und  dass  femer  das 
Frohnleichnamsfest  damals  erst  nicht  allzulange  vorher  (1311)  allge- 
mein eingeführt  worden  war. 


:  Beiir.  tut  thuUckfn   Genchichte  im   U.  JaJtrh.      243 

Majer  No.  7    =  Clin.  97  f.  106   und   Clm.  1726 

worio  EntbJBcliof  Friedrich  behufB  Aufbesserung  seiner 

bidr&uKten  ünanziellen  Lage  den  Fspst  nochmais  um  die 
Erlaubnias  bittet  in  seiner  Diüzfine  für  drei  Jahre  die  hiühe» 
Aiinal«n  erheben  zu  dürfen  —  '»on  Mayer  c.  1325  angesetzt, 
aber  mit  Hi'lcksicht  auf  die  ei^te  abechltLgige  Antwort  des 
I'apstea  vom  5.  September  1326*)  in  das  folgeude  lahr  132l> 
«rlegen. 
i)  Mayer  N«.  8  =  Clm.  1726  f.  127. 

Mayer  No.   10  =  Clm.   1726  f.  116'. 

Mayer  No.   13  =  Clm.  1726  f.  118. 

Mayer  No.   14   =  Clm.   1726  f.  124.») 

Mayer  No.  18  ^  Clm.  1726  f.  47  und  80.») 
^eitttiis  das  in tereesan teste  StUc-k  hierunter  ist  das  oben 
Bub  2)  aufgeführte;  denn  es  gibt  in  sehr  drastischer  Weise  Zeug- 
nis von  den  Schwierigkeiten,  mit  welchen  die  Verktlndignng 
d«r  päpstlichen  Pror.esüe  getreu  Ludwig  an  manchen  Orten  ver- 
bunden war.*)  Wenn  ich  da^elbe  noch  etwas  genauer  durcii- 
gebe.  geschieht  es  einmiil  deshalb,  weil  Mayer  dasselbe,  wie 
mir  scheint,  nicht  voll  und  ganz  ausgenützt  bat,  und  dann 
weil   die    Kenntnis   desselben    filr    die    weiter    daran    anzu- 

|_|J  Arch.  Zt.i:h.  N.  369.  PreRsr  AbhdI.  111.  Cl.  XVn.Bd.  I.  AU. 
I.  286. 
)  Dar  lieht  hier  in  L'lm.  1726  staU  (Hn.ver  a,  a.  0.  3.  194  Z.  4 
!  VII  Idiba*  Kebruarii  -  VIII  Ydua  Febr. 
S)  Voo  den  aoiwt  von  Hayer  angefahrten  wichtigereo  Stücken  habe 
tob  fmter  getnaiiea:  I)  die  Hülle  BenedJkU  XI  über  »eine  W»li]  13US 
tlUyer  S.  16i)  in  Ulm.  1726  f.  133.  2)  der  Revera  Er»b.  Friedrich«  II. 
rJÜe  Salabenülitang  auf  Beruh teagadiaubem  lllnind  (Hayer  S.  1Ö4] 
I.  1736  f.  117  (utiUl  Sehoizie  ^tebt  hier  richtiger  SohrofBs). 
iCoininiMio  nboolntioiUB  a  aententin  excommunicationis  lata 
^üce«  Baharie'  (Mayer  S.  178)  in  Clm.  1726  f.  70'  und  106.  4)  Die 
Kobii^beidiinft  dea  EIr7,hinrhnrs  in  der  Streitj<at.'he  Kwiächen  dem  Propst 
Stepban  von  Klooterneubiirg  und  «einem  (iegen[irop«t  Ulrich  (Hajar 
'^'  "      ■  in  Clm.  172«  f.  12ö'. 

Lei  Uniler  ».  ti,  0.  I.  U». 


244  Sitzung  der  historischen  Clasae  vom  7,  Juni  1890. 

knüpfenden  Mittheilungen  unerlässlich  ist.  Der  Wieder- 
abdruck des  Stückes  aber  im  Anhang  wird  sich  dadurch 
rechtfertigen  lassen,  dass  ich  einen  etwas  verbesserten  Text 
zu  bieten  im  Stande  bin. 

Nach  einer  einleitenden  Bemerkung  über  die  Gerechtig- 
keit der  päpstlichen  Prozesse  gegen  den  , Herzog*  Ludwig  von 
Bayern  theilt  der  Erzbischof  mit,  dass  er  langst  die  ersten 
Prozesse  in  seinem  Brzbisthum  verkündet  habe  und  ebenso 
die  zweiten  gegen  Ludwig  und  die  Visconti,  obwohl  Ludwig 
heftig  gegen  ihn  erzürnte.  Damach  habe  dieser  eine  seiner 
Burgen  nächtlicher  Weile  überfallen,  deren  Wächter  er  mit 
Geld  bestochen  hatte;  habe  die  Besatzung  theils  nieder- 
gemacht, theils  gefangen  genommen,  und  wüthe  nun  mit 
Feuer  und  Schwert  in  seiner  Diözese,  so  dass  er  nicht  einmal 
in  seiner  Hauptstadt  sich  mehr  sicher  fühle. 

In  solcher  Noth  habe  er  nun  die  dritten  letzten  Prozesse 
des  Papstes  erhalten,  worin  der  Herzog  aller  Rechte,  die  er 
etwa  krafb  seiner  Erwählung  zum  römischen  Könige  besessen, 
verlustig  erklärt  worden  sei.  Auch  diese  habe  er  veröffent- 
licht und  Abschriften  davon  durch  beeidigte  Boten  (cursores) 
seinen  Suffraganen  übersandt,  die  sie  mit  schuldiger  Ehr- 
erbietung aufgenommen  —  mit  Ausnahme  von  zwei  Bischöfen: 
des  Freisinger  und  das  Regensburger.  Der  Freisinger  befinde 
sich,  so  viel  verlaute,  an  dem  päpstlichen  Hofe,  und  Ludwig 
halte  durch  seinen  Vitzthum  die  Stadt  besetzt.  Daher  habe 
der  Bote  nichts  anderes  thun  können,  als  die  an  das  Kapitel 
addressirten  Abschriften  der  Prozesse  auf  dem  Hauptaltar 
der  Kathedrale  niederlegen. 

Der  andere  Bote  fand  den  Bischof  von  Regensburg  zwar 
in  seiner  Stadt  anwesend;  aber  ehe  er  zu  demselben  Zutritt 
erlangte,  war  der  Bischof  auf  und  davon  nach  seiner  benach- 
barten Burg  Stauf.^)    Als  der  Bote  ihn  dort  aufsuchen  wollte, 

1)  Der  Nuine  dieaer  Burfj^  fehlt  bei  Mayer. 


ruifeld:   Btitr.  tur  deutschen  Oesdiidtlr  im   14.  Jahrh. 


345 


er   von    den    vier    bewafihetea   Wäcbtero    auf    seine 

ob  der  Bischof  zat^e^en  sei,  ziiertit  eiue  auxweicbende 
kuEwort.  Als  sie  aber  börtea,  daiw  er  Briefe  des  Erzbiniholä 
ron  Salzburg  bringe,  sperrten  eie  ibn  in  ein  Gem»cb  unil 
Hchickten  ibn  am  nächsten  Mor^^en  fort  mit  dem  Bedeuten, 
dam  er  des  Todett  sei.  wenn  er  mit  derartigen  Schreiben 
betroffen  würde  —  worauf  der  Bote  dieselben  schlentiigst  in 
den  nahen  f\as»  warf. 

•r  Erzbiachof  gesteht  daun  femer  in  deiuselbeti  Schrei- 
daivi  Kiicb  in  vielen  anderen  8tä<lten  und  Gemeinden 

rtlicben  Prozesse  bisher  noch  oirne  Wirkung  geblieben 
seien.  Da  werde  Ludwig  nneh  Römischer  König  genannt 
nod  als  solcher  verehrt,  das  Interdikt  mii^icbtet.  Gottesdienst 
gehalten,  dem  päpstlichen  Ansehen  in  jeglicher  Wei-e  Ab- 
bruch gethan-  Da  habe  Ludwig  in  königlichem  Üruat  ein 
Schriftstnck  gegen  den  Papst  in  lateinischer  und  dann 
iltfut»cher  Sprache  verlesen  lasjsen  —  eine  Appellation,  wo- 
fern dieser  Nauie  Kuläsaig  und  nicht  vielmehr  die  Bezeichnung 
.apostotacio'  die  richtigere  sei.  Aber  gerade  durch  diese» 
SchriflstiiGlc  werde  nach  Gottes  Weisheit  das  Gegentheil  von 
dem  Beal>9ichtigten  erhielt.  Weil  darin  so  oft  der  päpst~ 
liehen  Prozesse  Erwähnung  geschehe,  sei  die  Aufmerlisanikeit 
Vieler  auf  dieeelben  gelenkt  worden,  denen  »ie  (nach  dem 
Willen  Ludwigs)  sonst  unbekannt  geblieben  wären. 

rW  Erzbischof  tbeilt  danu  weiter  noch  mit,  dass  er 
anch  den  Herzogen  von  Niederlmiern  die  Prozesse  mitge- 
tlicilt  habe,  welche  bisher  treu  zu  Ludwig  gebulteu  hütten, 
nun  aber  in  einen  Zwist  (aliqualeni  discordiam)  mit  demselben 
geratben  wären,  weshalb  man  den  Erfolg  der  Prozesse  erst 
noch  abwarten  mds^te. 

Von  grosser  Wichtigkeit  Rlr  die  päjwtlichB  Sache  wäre 
es,  fährt  der  Er/.binchof   fort,    wenn    die   Bettelmönche   den 
Folge  leisten  und  das  Interdikt   beachten    worden, 
TOrüchert    er    den    Papst    »einer    unwandelbiiren 

Mal  u.  bUI.  >;i  II.  i.  IT 


24(>  Sitzung  der  hwtoria^n  Claase  vom  7,  Jum  1890. 

Treue  und  Folgsamkeit  trotz  aller  Gefahren,   die   ihn  rings 
umgeben. 

Ohne  Zweifel  liegt  der  Schwerpunkt  des  hier  Mitge- 
theilten  in  den  Stellen,  welche  die  Verhältnisse  in  Freising 
und  Begensburg  betreffen.  Man  hat  früher  stets  angenommen, 
dass  der  damalige  Bischof  Nicolaus  von  Regensburg  ein  An- 
hänger Ludwigs  des  Baiem  war.  Insbesondere  hat  diese 
Ansicht  auch  Müller  vertreten  unter  Hinweis  darauf,  dass 
Nicolaus  , schon  mehrere  Jahre  (seit  1320)  in  heftigem  Gon- 
flict  mit  dem  Papste  lag**^)  wegen  Differenzen  über  die 
Exemtion  des  Klosters  St.  Emmeram  von  der  bischöflichen 
Gewalt  und  Gerichtsbarkeit.  Ja,  Müller  vermuthet  sogar  in 
eben  diesem  Nicolaus  den  Mann,  der  König  Ludwig  zu  seiner 
ersten,  der  Nürnberger  Appellation  gegen  den  Papst  Jo- 
hann XXIL  vom  18.  Dezember  1323  verleitet  hat  —  wie 
in  der  That  dieselbe  die  Zeugen-Unterschrift  des  Regens- 
burger Bischofs  trägt!  —  Auch  Riezler*)  hat  dieser  An- 
sicht beigepflichtet,  Preger  aber  ist  ihr  entgegen  getreten.') 
Er  verweist  auf  ein  von  ihm  (unter  den  Reinkens'schen  Re- 
gesten aus  dem  Vatikanischen  Archiv)  mitgetheiltes  Akten- 
stück*) vom  3.  Januar  1325,  worin  Nicolaus  dem  Papste 
,mit  einem  Eid  betheuerte,  dass  er  seit  dem  Auftreten  des 
Papstes  wider  Ludwig  mit  diesem  keinen  Vertrag  ein- 
gegangen sei,  ihm  Gunst  und  Beistand  xu  leisten  oder 
ihn    als    König    anzuerkennen"*)    —    wofür   Nicolaus    etwas 

1)  l  73. 

2)  Geschichte  Baiems  II,  352  u.  411. 

3)  üeber  die  Anfänge  etc.  Abhdlgn.  a.  a.  0.  S.  145. 

4)  N.  201  in  der  Abbdlg.  ,,Die  Verträge  Ludwig«  des  Baiem  mit 
Friedrich  dem  Schönen*  in  den  Abhdlgn.  d.  Ak.  III.  Ol.  XVII.  Bd.  1. 
Abth.;  Archiv.  Ztschr.  N.  253. 

5)  quod  cum  domino  Ludovico,  duce  Bavurie,  postquam  gracia 
Kedis  apostolice  caruit,  non  concordavit  pro  ipsius  beneplacito,  pre- 
stando  nibi  favoreni  et  consilium,  nee  adheserit  ei  tanquam  regi 
Romano  nee  adherere  permiserit  vel  cogitaverit,  nisi  priuti  recoperet 


Bimoiw/eW;  Bütr.  tut  ihutfehtn  Qenchichte  im  14.  JahrH.      247 

später  unter  dem  9.  Februar  1^25  vom  Papste  beglDek- 
wQnacht  wird,')  das«  er  .den  Drohungen  und  Versuchungen 
LudviK*  Widerstand  geleistet  und  die  Treue  gegen  den 
apnstoliscben  Stuhl  bewahrt  habe.*  Preger  verweist  femer 
auf  die  Stelle  in  unserem  ÄktenatOL-ke ,  wo  Friedrich  von 
Halüburg  schreibt:  Die  beiden  Bischöfe  (von  Freiving  und 
Kegensburg)  könnten  sauinit  ihrem  Klerus  König  Ludwig 
die  grijsste  Gefahr  ftlr  Pernon  und  Besitz  nicht  wider- 
Preger  knmnit  eu  dem  ächlu^e,  der  Bittchuf  Nicolaus 
lar  gezwungen  ein  Anbänger  Ludwigs  gewesen,  nnr 
Drohungen  der  rücksichtslos  für  Ludwig  eintretenden 
BdrgerHchaß  hätten  ihn  abgehalten,  die  Prozesse  des  Pag^tee 
in  «einer  DiCzese  zu  verkünden,  und  ihn  gezwungen,  den 
in  anzunehmen,  als  halte  er  es  mit  Ludwig,* 
Dem  ist  vor  Allem  aber  vielleicht  entgegenzuhalten, 
die  Unterschrift  unter  der  Nfirnberger  Appellation  doch 
ll  in  keiner  Weise  nöthig  und  aufgezwungen,  sondern 
vielmehr  ein  sehr  freiwilliger  Akt  des  Re^euMbiirger  Bischofs 
war,  der  damit  zum  Mindesten  doch  zugleich  »eine  Zustim- 
mung zu  dieäeni  Schritte  dea  Kaisers  aii.sdriickte.  kUnd  waa 
in  nnsereui  vorliegenden  Aktenstücke  von  i^em  Verhalten 
Bischofs  Nicolaus  erzählt  wird,  sieht  doch  eigentlich  auch 
nicht  wie  unerfreuliche  und  unfreiwillige  Nachgiebigkeit 
gfigen  gcllbten  Zwang  aus,  sondern  niucbk  wiederum  im  Gegen- 
theil  Jen  Kindruck  wohlüberlegten  selbständigen  Handelns. 
Wozu  d«nn  das  Ausweichen  nach  Donaustaitf  vor  dem  Ge- 
ttodten  des  ErzbischofD?  wozu  die  doch  vom  Bischof  ange- 
ordnete hrHske  Behandlung  und  Bedrohung  des  Boten  von 
8eit«u  dttf  Leute  des  Bischofs  ?     Nicolaus  hätte  ja  immerhin 

fpatinm  dkte  »edis.  Dieses  tntereaBUtte  Aktenntüi'k  r«bU  in  Riexler'a 
.VatücaDiacben  Akten*;  auch  \it  bei  Pregi-r'Reiukeni«  nicht  ange- 
geben, wo  es  im  Vatik.  Archiv  sich  befindet,  ob  in  einem  der 
B«Ri«ler))&ad«  oder  ob  es  Original. 

l)  Aichiv.   XUuhr.    So.   262»;   PraKor    No,  im-,    Rioslpr,    Valik, 
Akb»,  K».  -146. 


248  SiUung  der  historischen  Claese  vom  7.  Juni  1890. 

die  päpstlichen  Prozesse  von  dem  Bevollmächtigten  seines 
Metropoliten  in  Empfang  nehmen  und  die  Nichtyerkündigung 
dann  mit  der  oppositionellen  Gesinnung  seiner  Diözeeanen 
entschuldigen  können. 

Sein  Verhalten  entspricht,  wie  mir  scheint,  demjenigen, 
dus  er  bereits  früher  einmal  eingeschlagen.  Als  der  näm- 
liche Erzbischof  Friedrich  über  die  niederbaierischen  Herzoge 
wegen  einer  Viehsteuer  den  Bann  verhängt  hatte,  schob 
Nicolaus  die  ihm  anbefohlene  Verkündigung  desselben  mit 
der  Begründung  hinaus,  dass  gerade  als  er  denselben  erhalten, 
die  Entscheidungsschlacht  bei  Ampfing  dazwischen  gekommen 
sei,  und  legte  Appellation  dagegen  an  den  Papst  ein^),  was 
gewiss  nicht  dazu  beigetragen  haben  wird,  zwischen  ihm 
und  dem  Erzbischof  von  Salzburg  ein  besonders  freundschaft- 
liches Verhältnis  herzustellen.  So  weicht  er  auch  jetzt  in 
diplomatisch-kluger  Weise  einer  Entscheidung  aus,  indem  er 
für  den  Boten  seines  Metropoliten  nicht  zu  sprechen  ist! 

Diese  Auffassung  würde  noch  erheblich  an  Wahrschein- 
lichkeit gewinnen,  wenn  sich  mit  Sicherheit  nachweisen  Hesse, 
dass  ein  ajideres  in  unserem  Formelbuch  überliefertes  Schrift- 
stück auch  auf  den  Regensburger  Bischof  sich  beziehe.  Es 
ist  dies  das  Dokument,  welches  wir  unten  unter  No.  2  ver- 
öfientlichen,  da  es  bei  Mayer  fehlt  —  ob  absichtlich  oder 
weil  es  in  dem  von  diesem  benutzten  Salzburger  Exemplar 
des  Formelbuches  nicht  steht,  vermag  ich  nicht  anzugeben. 
Es  ist  ein  vom  Erzbischof  Friedrich  (der  allerdings  nicht 
genannt,  aber  sicher  der  Schreiber  ist,  da  im  Vorhergehenden 
öfters  zu  Anfang  sein  Name  erscheint)  an  einen  seiner  Suf- 
fraganbischöfe  gerichtetes  Schreiben,  der  ihm  von  seiner  und 
seiner  Diözese  schwierigen  bedrängten  Lage  und  auch  von 
der  Gefangennahme  eines  Boten  des  Metropoliten  Mittheilung 
gemacht   und   seine    Unschuld  an    die^sem    Vorfall  betheuert 

1)  H.  R.  Zimflribl,  Ludwigs  des  Baiera  Lebensgeschichte  (München 
1814)  p.  164.  Urkunde  vom  1.  Okt.  1322. 


JtfrM:  Bfilr.  tur  df«ltrh'.n  Gt'chiehtf  im   14.  ./.ihrft.      249 

Dw  Erzbischof  trö§tet  densielben   Aber  die  Notb  der 

rnit  dem  Hinwei«  auf  die  eigenen  Verluste  und  erklärt 

moli  aoi'h  tietreÜa  der  GefunKeiinahme  des  Boten  durch  die 
eidliuhe  Veraicherun«  rita  Bischofs  f(lr  befriedigt.  Aber,  fahrt 
er  fort,  da  der  Bote  die  Prozesse  de«  Papstes  gegen  den  Berzog 
Ladwig  von  Baieru  UberbriDgen  sollte,  so  8ei  es  angezeigt, 
bei  dem  Papste  «elbst  sich  zn  entschuldigen.  Denn  vor  diesem 
)  die  Wahrheit  nicht  verborgen  bleiben  können.*  Ans 
1  Na<:hNatz  klingt,  wie  mich  liedünken  will,  doch  eine 
^'Hisstratien  des  Metropoliten  gegen  den  Bischof  heraus, 
n  Name  leider  fehlt.  Aber  ich  v^flaste  keinen,  dem  da- 
nwl»  in  nhnliohi^r  Weirie  von  Seite  des  Salzburger  Erzbiachofs 
hätte  begegnet  werden  können,  als  eben  jenen  Nicolana  von 
istburg. 
[Der  Mann  ist  int«resgant  genug,  wie  mir  scheint,  um 
rUrtti«  willkommen  zu  heiasen,  die  sich  auf  ihn  bezieht 
I  Tii'lli-icht  weiteres  Material  zn  seiner  Oeschichte  bietet. 
Ich  theile  daher  im  Anhang  (No.  7)  noch  ein  Schriftstück  aus 
einem  der  drei  oben  erwähnten  Formelbücher  mit,  iu  welchem 
e«in«r  Erwähnung  geschieht,  da  daasellie  zugleich  als  Ergänz- 
nng  «n  einem  Schreiben  des  Papstes  Johann  vom  -12.  Oktober 
IH24  an  den  Erzbiachof  Priedrich  dient.')  In  diesem  letzteren 
war  der  ErzbiKchof  ermächtigt  worden,  einen  Fälscher  jÄpst- 
liebtfT  Schreiben  selbst  zu  bestrafen.  Unser  Stück  enthält 
demgemäfts  die  Aufforderung  (an  wen  ?),  von  dem  Erzbiscbof 
in  d)«!wr  Angelegenheit  erlassene  Schreiben  dem  Btlrger- 
meister  und  Rath  von  Kegensburg  zu  Qberantw orten  und 
den  Bischof  von  Regensburg,  der  mit  der  Verhaftung  der 
UebHthäter  —  nach  unserem  Stücke  ist  es  nicht  bloss  ein 
RUscber,  sondern  sind  es  deren  zwei,  und  zwar  der  ehemalige 
Rabannes  des  Schotten  ktosters   und  der  ehemalige  Prior 


Archiv.  ZtMhr.  No.  23S:  PrtiK«»,  U eher  die  AnfänK«  etc.  No.  18-1: 
Vatik.  Akten  No.HtO. 


i 


250  Sitzung  der  JUstarisdien  Cla$8e  vom  7,  Juni  1890. 

P(aulus  oder  Petrus)  des  St.  Petersklosters  ausserhalb  R^ens- 
burg  —  betraut  erscheint,  aufzufordern,  in  eigener  Person 
oder  durch  einen  Stellvertreter  vor  dem  Erzbischof  •  zu  er- 
scheinen. Wir  wissen  nicht,  ob  diese  Angelegenheit  in  irgend 
einem  Zusammenhang  mit  den  grossen  kirchenpolitischen 
Streitigkeiten  der  Zeit  steht:  immerhin  erscheint  aber  damals 
—  also  nach  dem  12.  Oktober  1324  Bischof  Nicolaus  von 
Regensburg  als  eine  Art  Vertrauensmann  oder  ESxekutivbe- 
hörde  des  Salzburger  flrzbischofs. 

Dass  er  bestimmt  am  3.  Januar  1325  sich  wenigstens 
öffentlich  von  Ludwig  lossagte,  ist  bereits  erwähnt  worden, 
und  mit  diesem  Datum  haben  wir  zugleich  einen  Anhalts- 
punkt für  die  Zeit  gewonnen,  vor  welchem  unser  nicht 
datirtes  Schriftstück  (No.  1),  zu  dessen  Erörterung  wir  hie- 
mit  zurückkehren,  geschrieben  sein  muss. 

Aber  dieser  Termin  ist  noch  weiter  hinaufzusetzen  im 
Hinblick  auf  die  Zwistigkeiten  zwischen  König  Ludwig  und 
seinen  niederbaierischen  Vettern,  deren  hier  gedacht  wird. 
Dieselben  finden  ihre  Bestätigung  in  anderwärtigen  spärlichen 
Nachrichten,  die  freilich  den  Grund  und  Gegenstand  des 
Zerwürfnisses  auch  nicht  näher  bezeichnen.  Wir  lesen  von 
Streitigkeiten,  in  welche  die  jungen  niederbaierischen  Fürsten 
im  Jahre  1324  mit  einander  selbst  geriethen^),  in  welche  auch 
König  Ludwig  verwickelt  worden  zu  sein  scheint,  da  er  mit 
dem  16  jährigen  Herzog  Otto  am  7.  August  1324  ein  Bünd- 
nis schloss.  Am  4.  Oktober  1324  aber  erfolgte  zu  Lands- 
hut eine  »Vertaidinguug  (Schlichtung)  der  Streitigkeiten 
zwischen  den  drei  niederbaierischen  Herzögen*.*) 

Nach  der  anderen  Seite  haben  wir  einen  bestimmten 
Termin,  vor  welchem  das  Schriftstück  nicht  geschrieben 
sein  kann  einmal  in  der  Erwähnung  der  dritten  päpstlichen 


1)  s.  Riezler,  Gesch.  Baiems  11,  390. 

2)  8.  Quellen  und  Rrörterun^ifen  zur  bayerischen   und  deutschen 
(beschichte  Bd.  VI  No.  281  und  282. 


mftlH:  Britr.  lur  lUufehrn   GeirtfcipAt«  im   U.  Jahrh.      251 

reiche  Htn  II.  Juli  1324  erlassen  wurden.  Aber 
e  erst  mehrere  Wochen  später  ilem  Krzbiachof  Friedrich 
,  düftlr  spricht  ein«  andere  Erwägung.  Der  Erzbiacfaol 
erxählt,  wie  wir  uns  erinnern,  von  der  verrätheriächen  Gln- 
iitthme  einer  seiner  Burgen  durch  die  Leute  Konig  Lud- 
wig«. Nun  i><t  freilich  wieder  kein  Name  genannt,  und  viel- 
leicht sind  damals  mehrere  Burgen  auf  diese  Weise  in  die 
Gewalt  LudwigD  gerathen.  Aber  gemeint  ist  wobi,  wie  schon 
Majer  bemerkt  hat,  doch  nur  die  Bui^  und  Stadt  Titt- 
roouing  an  der  Salzach,  welche  Wulfing  von  Goldeck  — 
xogieicb  Lehetumann  König  Ludwigs  und  des  Erzbiscbofs  — 
an  Ludwig  verrieth.')  Und  zwar  erfolgte  die  Uel>ergabe 
und  Eionahme,  wie  auf  Grtiud  einer  Angabe  in  alten  Sulz- 
burger Aniialen  lUlgemein  angenommen  wird,  am  22.  Au- 
gust 1324.»)  Wenn  also  Erzbischof  Friedrich  mit  Rücksicht 
auf  dienen  Verlust  schreibt,  in  solcher  Noth  und  Bedrängnis» 
habe  er  die  dritten  frozesae  erhalten,  so  darf  man  nicht 
«twN,  wie  man  vielleicht  geneigt  wiire,  daraus  folgern,  die 
Binnabaie  Tittmonings  sei  zwischen  den  zweiten  und  dritten 
3.  Mönt  und  II.  Juli  1324)  erfolgt,  sondern 
1  Erzbischof  Friedrich  die  dritten  Prozesse  erst  nach 
.  August  1324  erhielt  und  daher  auch  nicht  früher  an 
I  Papst  darUl>er  Bericht  erstatten  konnte. 

Aus  demselben  Grunde  ist  auch  jenes  (cf.  oben  S.  248) 
mite  Rcbriftsttick,  in  dem  gleichfalls  des  Verlustes  der  Burg 
;  gedacht  wird,  nicht  früher  anzusetzen  als  vor 
12.  A  ugust  1324.    Ffir  unser  erstes  Dokument  würde  *ich 


1.  RietJer  II,  BB7;  Biiübner.  Ooschicbte  von  Bayern  V.  360: 
pr,  Sultbnrgii  Landes^ew-hicbl«  IIS61)  1^.202. 
)  CoDlinuittio  (<Jor  Annale«  Saliaburgenieal  Canonicotiiiu  9.  Riid- 
hfertl  SaJulmrgeDBJB  in  den  Mon.  Germ.  8S.  IX,  i|i2S:  In  octava oxsump- 
tionii  IhwIi^  »irifiais  Mariue,  hoc  siit  U  kal.  Sept.,  uaFtnun  ut  oppidum 
JB  Titmaning   tc«dituiii  et  vendjtam  »c  auiiwum  ei>t  per  dolum  «t 


252  Sitzung  der  hifttarischen  Glosse  vom  7.  Juni  1890. 

somit  die  Zeit  zwischen  dem  22.  August  1324  und  dem 
4.  Oktober  1324  als  Termin  der  Verab&nong  ergeben. 
Ob  derselbe  noch  etwas  eingeengt  werden  darf  mit  Rück- 
sicht auf  die  darin  erwähnten  Verhältnisse  in  Freising, 
wage  ich  nicht  zu  entscheiden.  Dass  Ludwig  die  Stadt  da- 
mals durch  seinen  Vitzthum,  vielleicht  Heinrich  von  Gump- 
penberg,  der  als  solcher  (wenn  auch  nicht  von  Freising,  so 
doch  von  Oberbaiern),  am  16.  Oktober  1324  urkundlich  er- 
wähnt wird^)  besetzt  hielt,  ist  meines  Wissens  sonst  nicht 
bekannt.  —  unter  dem  Bischof,  der  sich  eben,  wie  Erz- 
bischof Friedrich  schreibt,  an  der  päpstlichen  Curie  aufhalte, 
kann  nur  jener  Eonrad  von  Elingenberg  gemeint  sein, 
der  zum  Bischof  von  Brixen  erwählt  war,  durch  päpstliche 
Provision  aber  nach  Freising  transferirt  wurde.  Da  aber 
das  für  Ludwig  gesinnte  Capitel  demselben  die  Anerkennung 
versagte  und  „den  bisherigen  Eammermeister  Heinrich  zum 
Verwalter  des  Hochstiftes  in  Vermögenssachen  und  zu  dessen 
Pfleger  in  weltlichen  Sachen*  erwählte*),  erhielt  Erzbischof 
Friedrich  vom  Papst  unter  dem  10.  August  1324  den  Auf- 
trag, für  Konrad  einzuschreiten  imd  dem  vom  Capitel  Ge- 
wählten die  Bestätigung  zu  versagen.  *)  Vom  17.  September 
1324  datirt  nun  ein  weiteres  Schreiben  des  Papstes  an  den 
„erwählten  Bischof  Konrad  von  Freising*,*)  worin  er  den 
Zeitpunkt  der  Consecrirung  desselben  wegen  der  bestehenden 
Hindernisse  bis  zum  nächsten  Michaelifest  verlängert  und  den- 
selben ermächtigt,  sich  von  einem  beliebigen  Bischof  weihen 
zu  lassen. 


1)  Lanjjf  Heffesta  Boicii  VI,  146. 

2)  Müller  a.  a.  0.  l,  160. 

3)  Oberbayer.  Archiv  1,  69  no.  37;  cf.  Deutinger,  Beiträge  zur 
Geschichte  des  Erzbisthums  München-Freisiog  11,  84;  warum  Mayer 
a.  a.  0.  S.  161  als  Datum  diesea  päpstlichen  Schreibens  den  23.  Au- 
gust angibtf  weiss  ich  nicht. 

4)  Riezler,  Vatikanische  Akten  No.  898. 


lonjrfrld:  Btitr,  lur  ileulxchfti   fifuchirJtlr 


Es  frafit  HJch,  »b  niis  (!iesem  Schreiben  des  Papates  ^e- 
schUMem  werden  darf,  ditss  KodthiI  nicht,  melir,  witt  t«  in 
iinserem  mehrerwähnten  SchriftetSck  {Nu.  1)  hoisst,  aa  der 
püpstlicben  Gurte  weilt«  —  in  weichem  li'alle  dusttetbe  in  die 
_Zeit  zwischen  22.  Angust  und  17.  September  m  verlegen 
oder  ob  nicht  der  Papst  das  Schreiben  an  Konrad 
i  knniite,  anch  während  er  noch  an  seinem  Hofe  weilte. 

Wie  wenig  Erfolg  «her  das  Einschreiten  d«!  Pupste»  hier 
in  Freising  hatte,  wie  dem  Ktingenb^rger  die  Anerkennung  ver- 
nagt  Idieb  and  da^  Capitel  utich  gegen  denselben  auflehnte, 
hat  Muyer  ans  einem  anderen  Schriftstfli-ke  dargelegt.')  Ich 
kann  ah  Grgänzug  hieen  (Beil.  No,  5)  ein  Stück  aus  zwei 
unserer  Form elh Fieber  liefern,  wornns  erhellt,  dnss  Konrad  und 
seine  Umgebung  auch  vor  persönlichen  Thatlichkeiten 
nicht  verschont  blieb,  ja  so^ar  »ein  Leben  ernstlich  gefährdet 
sehen  miiaate.  indem  er  selbst  verwundet,  einige  seiner  Leute 
Mogar  getAiiet  wnrden.  Der  Eryphinohof  Friedrich  bwtnftragt 
daher  einen  seiner  Suffraganbi^höfe,  an  seiner  Statt  gegen 
die  Ilebelthäter  einzuschreiten. 

Irrig  oder  unnöthig,  scheint  mir,  iKt  die  Annahme  Mayers, 
daw  ein  anderer  Brief  des  Ershischof^  an  den  Papst,  den  er 
nicht  wörtlich  mittheilt  nnd  ich  daher  unten  ganz  veröffent- 
liche (Beil.  Nu.  Oj.  von  demselben  Bischof  Eonrad  handle,  da 
ilarin  von  einem  Bischöfe  die  Rede  sei,  der  kraft  püpät- 
licher  Provision  die  bischöfliche  Würde  erbalten  habe,  dem 
pKpstJichen  Stuhle  stets  gehorsam  gewesen  sei  und  ihm,  dem 
Knbischof,  gegen  Ludwig  bewaönet«  Hilfe  geleistet,  als  Lud- 
wig in  «ein  Gebiet  eingefallen  —  weshalb  Friedrich  ihn  dem 
Papste  etopSehlt.  Ich  beziehe  dimes  Schreiben  vielmehr  auf  den 
Bitchof  von  Passau.  ÄIhrecht  von  Sachsen,  dem  das  Biti- 

,  gleich&IIä  durch  päjwtliche  Provision  au  Tbeil  ^e- 
i  war.*) 


a.  Ißl.      ü)  <!f.  Mfiller  I,   160. 


J 


254  Sitzung  der  hiatorisd^en  Glosse  vom  7,  Juni  1890. 

Zwei  weitere  Stöcke,  welche  bei  Mayer  fehlen,  beziehen 
sich  (Beil.  No.  3  und  4)  auf  die  bereits  erwähnte  Uebergabe 
Tittmonings,  das  hier  mit  Namen  genannt  ist.  In  demeinen 
verhängt  Erzbischof  Friedrich  den  Bann  über  alle,  welche 
bei  der  Besitzergreifung  aktiv  sich  betheiligten,  und  verbietet 
die  Vornahme  geistlicher  Handlungen,  falls  einer  der  jetzigen 
Gewalthaber  von  der  Burg  in  die  Stadt  oder  in  das  benach- 
barte Oettingen  komme.  In  dem  zweiten  rügt  er  die  Saum- 
seligkeit einzelner  ihm  untergebener  Geistlicher  in  der  Ver- 
kündigung des  eben  verhängten  Bannes.  Beide  Stücke  werden 
bald  nach  dem  Verluste  von  Tittmoning  erlassen  sein. 

Erst  1327  gelang  es  dem  Erzbischof  die  Veste  Titt- 
moning gegen  die  hohe  Summe  von  6500  Pfund  Pfennige 
wieder  zu  gewinnen.^)  Es  wurde  ihm,  nachdem  der  Papst  ihm 
früher  schon  die  dringend  erbetenen  Mittel  zur  Verbesserung 
seiner  bedrängten  finanziellen  Lage  nicht  in  dem  gewünschten 
vollen  Umfange  gewährt  hatte,*)  nur  durch  die  Unterstütz- 
ung seiner  Diöcesanen  möglich,  jene  Summe  zusammenzu- 
bringen, welche  sich  freiwillig  zu  einer  ausserordentlichen 
Beihülfe,  einer  sogenannten  ^ Schatzsteuer*  bereit  finden 
Hessen  —  gegen  die  bestimmte  öflFentliche  Erklärung  und 
Versicherung  von  Seiten  des  Erzbischofs  (vom  5.  Februar  1327), 
dass  solche  Bei  hülfe  und  Steuer  in  keiner  Weise  für  später 
präjudizierlich  sein  solle.  Da  die  darüber  ausgestellte  Ur- 
kunde des  Erzbischofs  bisher  nur  in  deutscher  Fassung  aus 
einem  alten  Drucke  bekannt  war,  ^)  gebe  ich  hier  zur  Er- 
gänzung aus  dem  einen  der  drei  Formelbücher  die  (bei  Mayer 
wie  auch  die  deutsche  Urkunde  nicht  erwähnte)  lateinische 
Version.     (Beil.  No.  9). 

Endlich  bietet  sich  uns  aus  zwei  Formelbüchern  noch 
eine  Ergänzung  zu  der  von  Preger  angeführten,  *)  dem  Erz- 


1)  Pichler  a.  a.  0.  S.  202,  cf.  Hansiz,  Germania  sacra  t.  II.  p.  448. 

2)  s.  darüber  Mayer  a.  a.  0.  S.  162  flf.;  cf.  oben  S.  213. 

3)  bei  Duckher,  Saltzburgische  Chronica  (1666)  S.  187. 

4)  Die  Vertr&ge  etc.  N.  248,  Riezler,  Vatik.  Akten  No.  540. 


fimiiii$f«ld :  Britaiftn  tu  dfti   Beiträgen  ete.  2^5 

bioch'if  Kritslriclk  vom  Pap.'^e  ertheilt«n  Ermächtigung,  reuige 
Anhäuger  Ludwig»  des  Baiern  ea  abaolvieren.  dahin,  daus 
I  vorhergöhende  hetreifende  Gesuch  des  Erzbischofs 
|1sider  ohne  Augiibe  des  Xnmens,  um  den  es  sich  bandelt 
D  awei  Forinelhilchern  (Beil.  No,  8)  überliefert  ist,  welch«< 
iKOckBicht  »nf  die  Antwort  in  die  Zeit  vor  dem  1.  Kep- 
ler SU  netzen  ist.  ^) 


Beilagen. 
I  I.  Formelbnch  auf  der  MarltUBblbtiothdk  In  Venedig. 
'  Ol.  IV  Ut.  Nr.  30  (Cod.  86)  memhr.  saec.  XV  Anfang  oder 
Bode.  kl.  4**  83  Bl.  .Incipit,  formulariain  el  atiluä  acrip- 
Romane  curia  de  omnibas  que  spectant  ud  orGuiiun 
wriptonim'.  Vod  aoderer,  neuerer  Hand  II bergesoh rieben :  .Forma* 
lariam     scribendi  ballaeV 

Bat  uotandoin  quod  liiere  domini  pape  alie  bullantar  oam 
aerico,  alie  cum  filo  uaiiapis.  Que  autem  cum  serico  bullantur, 
debeaf  habore  noman  domini  pape  per  oomes  litteras  elevatam 
prima  »emper  apioe  existente  et  facta,  cnni  aliqaibaä  Hpaciis  el 
iofni  se  reliquis  literis  ejasdem  nominis  de  linea  ad  lineam  at- 
tinfteDtibna  et  cum  flexibua  vet  sine  eis  hoe  modo:  Bonifatins*) 
apiacopna  etc.  Dbi  dicitnr:  Dilecto  filio.  D.  debet  elevari  boc 
modo  Dilecto')  filio  etc.    Salatem  et  apostolicam  btin(edtctio- 

r  will  ich  «och  bemerken,  dass  die  von  Mayer  S.  169  er- 
)  Vollmacht  det  Erxbischofs  nir  xeiaen  Procurator  in  Sachen 
l  einer  Florentiner  Kaul^aDnegeBellachaFt  ihre  Erklärung  Sudel  in 
dem  Reue«!  bei  PruK«''.  Uebar  die  Anlange  etc.  N.  180  (vom  10.  Sept. 
13241  woraus  erhellt,  das«  es  sich  um  die  GeHclIschaft  der  Hacci  (oder 
Itatii)  hiindell.  die  aach  »onH  genannt  wird  «.  B.  in  dem  oben  (cf. 
S.  386  Anm.  1)  erwUinten  pJlpatlichen  Notariats-Haadbuch  Clm.  U313 
t  B  vtc. 

2)  Lrider  ist  gerade  die  erste  Seite  sehr  verblaesl  und  Qberdiee  die 

{•ndii  Handschrift  vielleicbt  nicht  einmal  da«  Original,  so  das» 

hbning  der  Beixpiele  tehr  viel  xn  wßnschen  QbriK  I&hiI.    Ich 

R  daher  aaf  eine  Reprudaktion  dieser  und  der  «plltereo  Worte 

algetlalt  und  bemerk«  nur.  dam  diesen  erat«  Wort  doppelt  ao 

spätere  Diieoto  balbmal  so  gro«  iiit  als  die  anderen. 


256  Sitzung  der  historischen  Claase  vom  7.  Juni  1890. 

Dem)  io  Omnibus  sie  scribitar,  litera  aatem  prime  dictionis 
qne  immediate  sequitar  ad  ben(edictionem)  semper  debet  esse 
magna  in  omnibos  litteris,  pnta  sie:  Ad  audientiam  etc.  nisi 
in  simpiicibus,  nbi  debet  esse  mediocris  hoc  modo:  Conquestos 
etc.     Item  notandnm    qnod    in    istis  literis  cum   serico  titalas 

debet  esse  semper  soper  nominibus,  at  sapra,  sicat  est  in  Epis 
(statt  episcopus?)  hoc  modo:  B.  vel  aliter  ut  placebit  scriptori, 
non  tamen  in  Omnibus.  In  illis  autem  cum  filo  canapis  semper 
planus  hoc  modo  (fehlt). 

Item  notandum  quod  in  literis  de  serico,  qaando  f  attingit 
t,  ex  parte  antea  iu  eadem  dictione  t.  debet  aliquantulam  pro- 
longari  ab  f  hoc  modo:  teftimonio.  lilud  idem  fac  de  t.  cum 
conjungitur  ad  c,  in  eadem  dictione  hoc  modo:  Dilecto  etc. 
Item  notandum  quod  N  de  NuUi  ergo  etc.  et  8  de  Siquis  aa- 
tem etc.  semper  in  omnibus  literis,  ubi  scribuntur,  debent  esse 
magne  et  elevate  ut  hie  et  majores,  ubi  forma  competit. 

Item  notandum  quod  in  literis  papalibus  non  recipiantar 
omnes  breviature  ut  iste  J^  f  ei  hiis  similes  nee  tales  z. 

Item  notandum  quod  litere  domini  pape  non  debent  liniari 
cum  plumbo  nee  cum  incausto;   quod  si  fieret,  essent  suspecte. 

Item  notandum  quod  ille  litere,  que  bullantur  cum  filo 
canapis,  debent  habere  primam  literam  domini  pape  elevatam 
et  aliquas  comunes  hoc  modo :  Bonifacius  etc.  preter  1  f  1  (?)  et 
similia  que  debent  taogere  superiorem  lineam;  ubi  dicit:  Di- 
lecto filio  d  debet  esse  talis  D  vel  in  eadem  linea  vel  in  dua- 
bus.     Ita  quidem:  Dat.   Laterani  vel  Rome  apud  Sanctum  Pe- 

trum,  sie  scilicet  in  una  linea,  vel:  dat.  Laterani  kal(endi8) 
Januarii  sie  in  una  linea.  Et:  pontificatus  nostri  anno  unde- 
cimo  sit  in  alia ;  quod  si  secus  fieret,  litere  essent  corrigende. 
S(cilicet?)  dat.  Laterani  kal.  essent  (?)  in  una  et  quod  sequi- 
tur  in  alia  linea,  vel  ejusmodi  litere  suspecte  essent. 

Item  notandum  quod  in  literis  papalibus  omnia  propria 
nomina  officiorum  et  diginitatum  debent  habere  primam  literam 
elevatam  sie:   Petrus  Cenet  (?  ensis)   Episcopus  et  similia. 

Et  quia  hie  de  dat.  fit  mentio,  de  illa  dicunt  (?):  No- 
tandum quod  dat.  scribitur  secundum  Noä  Idus  et  kal.  men- 
sium  que  denotantur  per  hos  versus: 

Asin  ter  denos,  plus  uno  epta,  Feb  octo  vicenos; 

Immo  sex  captant,  reliqui  sibi  quatuor  aptant 

Idus  septenos  Febrius  sex,  Yda  uovenos; 

Nisa  tenent  octo ;  sunt  Id(us  ?)   omnibus  octo. 


SimiinufM:  Srilnjii^" 


i  rfr»  Bnl 


TsLi  verlos  sant  tjiliter  latelligendi  in  ista  dictiooe:  Asin  sunt 
qnatuor  liiere  A.  s.  i.  et  n  ,  per  quas  iatelligantar  qa»taor 
mensee  scilicel  per  A:  Äprilia,  per  s:  September,  per  i:  Junios, 
p«r  d:  November,  qni  habent  ter  deoos  id  est  triginta  dies; 
plus  epta  valet  quikotuni  Bsp  lern,  unde  epta  id  est  Septem 
mensea  habent  plus  quo  id  est  31  dies,  scilicet  Jaouarius  Martius 
Julius  Auguslus  Mttius  October  «t  Decemtierj  Feb.  id  est  Fe- 
liruitriuä  oclo  ykenos  id  est  SXVIII  dies.  Item  in  isla  diulione: 
Ininio  sunt  qQutuor  liiere  sctlii^et  J.  o.  geminiim  m,  suilicet  ^) 
Ukrtius  et  Malus  qni  balient  septeni)»  id  est  XVII  kal.,  Fe- 
bruarias  hübet  sex  id  est  seidtcim  kal.  In  ist»  dirtione:  Ida 
sunt  tres  liiere:  scilicet  1  d  et  a,  per  quae  iDtellii^ontur  tres 
meases  scilicet  Januarius  Dei;enib(er)  et  Auguätiis,  qui  habent 
noveiios  XIV  kal.  Item  m  ixta  dictiooe:  Nisa  auDt  quatuor 
litere,  per  quai  inlelliguotur  quatuor  uenses  sdticet  November 
JuoiuH  September  et  Aprilis.  qui  habent  oi^to  id  est  XVlll  kal., 
sed  qailibet  mengis  habet  octo  Id.  NotaDdutu  ergo  breviter 
quod  omDei«  menses  haben  L  oi:to  Id.  Item  notaadum  qaod 
Mains  Oütob,  Julius')  et  Martius  habent  sex  Non.,  omuts  alii 
meuses  habent  quatuor  Non.  Item  notaudum  quod  Jannahus 
Decemb(er)  et  Augastus  habent  XIX  kal.,  3eptemb(er)  Novem- 
b(er}   Aprilis  et  Junius  XVill  kal. 

^cieudum    est    qnod    prima    dies    cojuslibet  mensis  in  dat. 
Utenu-uro  dicitnr  kal.     Secuoda  dicitur  VI  dod.     Terlia  dicitur 


Quinta    dicitur    III    non. 

i  dicitur  DOD, ;    et  boc    ser- 


-  ad   Idus  et  dicitur:    VIII 
a  postea  dicitur  kal.  nomi- 


V  non.      Quarta    dicitur    IUI 
SeiU  dicitnr  II  oon.      Seplima 
Titnr    ID    mensibuü    hnbentibu:    sex 
qni  babent  quatuor  dod.  aecundum   i 

Completis  autem  Nouia  devenitu] 
11  Vit  Id  etc.  usque  ad  Id.  et  tun 

naado  meaaem  sequentem  iltum  in  quo    Htere  concedautnr, 
delioftt  ai  litere  concedanLur:  XVI  kl.  infra   Maium  dicer  (siel) 
dat.   Laterani  XVII  kal.  Junii  et  siti  de  Htngulis  nliiä  raensibus. 

RccoUige  i^rgo  iteruin  et  die:  quod  Janunriu^  Uartius 
Uaioi  Julius  Augustus  Ociober  et  Deuember  XXXI  die»  habent, 
Aprilu  Junius  September  et  November  XXX,  Februarius  XXVIII. 
Hec  wt  pouendua  in  dat.  atiquis  pnnutus  et  est  i'acieudus  cum 
DiHDpeteutibas  iutervalis  si  splu^ium  liturarum  boc  paciatur  sie: 
_Dnt    AvinioS  VIII  kl.  etc.     Si  vero  hoc  non    pnciatur,    poteat 


1  Hier  rehlen  Jubi 


od  Oolütier.     'i)  iliUchr.  Jul 


*l 


258         Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  7.  Juni  1890. 

strictius   scribi.      Item    semper   debet  VIII  et  Villi  ita  ecribi, 
alioquio  litera  rescribetar  gratis. 

Sex^)  Non(a8)  Mains  October^)  Julius  et  Mars 
Quatuor  at')  reliqui,  tenet  Idus  quilibet  octo. 

Jaonus  et  Augustus  denas  Non  atque  December*) 
Julius  October  Mars  Maius  septemque  deceroque*) 
Junius  Aprilis  September  et  ipse  November 
Ter  senas  retinent  Febriusque  kal.^) 
Junius  Aprilis  September'')  Novemberque  tricenos, 
Plus^)  UDO  reliqui;  habet  Febrius  octo  vicenos.  — 
Item    notandum    quod    secundum    constitucionem    domini 
Bonifacii    pape   VIII   cause  audie  . . .  (kleine  Lücke  audientie?) 
auetoritate    sedis    apostolice    non    committuntnr    nisi    personis 
dignitate  preditis  vel  personatum  obtinentibus  sive  cathedralinm 
ecclesiarum    canonicis    vel    officialibus    snperiorum    prelatorum 
archiepiscoporum  vel  episcoporum    aut   priori    predicatorum    et 
guardiano  minorum  cum  clausula:  Cum  autem,  qui  ultimo  poni 
debent  post  alios  judices  et  canonicos  ac  officiales,  nisi  propter 
vitandum  repetitionem ,  ubi  duobus  prioribus  scriberetur,  tunc 
potest   prior   predicatorum    preponi    et    ante   constitntos   in  di- 
gnitate. 

Item  notandum  quod  ubi  scribitur  not(ariis),  ipse  (sie! 
st.  ipsi)  debent  vocari  magistri  et  precedere  abbatem  et  mona- 
bterium  in  ordinatione  judicum  etsi  esset  simplex. 

1)  Dieselben  Verse  hat  mit  einigen  Abweichungen  Cesare  Paoli 
nach  der  AufzeichDung  eineH  Florentiner  Humanisten  im  Florentiner 
Staatsarchiv  in  den  Mittheilungen  des  Instituts  für  österreichische 
Geschichtsforschung  Bd.  7  S.  467  veröfi'entlicht  mit  der  Bemerkung« 
dass  einige  Verse  davon  auch  in  einigen  ^ummae  notariae*  des  18. 
Jahrhunderts  angegeben  sind. 

2)  bei  Paoli  falschlich  Aprilis. 

3)  Handschrift  et. 

4)  bei  Paoli:  denas  nona^que  December.  Vers  3  —  6  folgen 
bei  Paoli  hinter  7  u.  8;  die  Ordnung  hier  ist  vorzuziehen,  weil  Vers 
1  u.  2  von  den  Nonen  und  Iden  handelt,  denen  sich  die  ,,  Berechnung 
des  dritten  Abschnittes  jedes  Monats,  nämlich  dessen,  der  die  den 
Kaienden  des  folgenden  Monats  vorausgehenden  T-Age  enthält*  natur- 
gemäss  anschliesst.  Vers  7  u.  8  geben  dann  die  Zahl  der  Tage  jedes 
Monats  nach  fortlaufender  Zählung. 

5)  bei  Paoli:  epte  decemque. 

6)  bei  Paoli:  Fcbruusque  bis  octo  kalendas. 

7)  bei  Paoli:  semptemque  novemque  tricenos. 

8)  dieser  Vers  lautet  bei  Paoli:  Unum  adde  reliquis.  Viginti  Fe- 
bruus  octo. 


Simonsfeld:  Beüctgen  zu  den  Beiträgen  etc,  259 

f.  l'.  De  hiis  de  qaibos  per  apostolicas  litteras  potest 
comitti,  dootrina  de  hiis  qui  trahunt  et  trahnotur  extra  dio(ce8im) 
et  de  hiis  qui  trahi  non  posaunt  per  litteras  apostolicas. 

Clausula  cum  autem. 

Clausule  perhorrescencie  episcopi  et  absentie  in  causa  ma- 
trimoniali. 

f.  2.  Quomodo  scribitur  regibus:  Carissimo  in  Christo 
filio  F.  illustri  Romanorum  imperatori  semper  Augusto,  Jherusa- 
lem  et  Sicilie  regi  vel:  Carissime  in  Christo  filie  Johanne  re- 
gine Francorum  etc.  vel:  Carissimo  in  Christo  filio  B.  illustri 
regi  Anglie  salutem  etc. 

Nota  qualiter  scribitur  (a?)  Cardinalibus  vacante  sede:  Excei- 
lenti  et  magnifico  principi  carissimo  ecclesie  filio  domino  A. 
regi  Castelle  et  Legionis  illustri. 

Modus  quem  servat  dominus  papa  in  salutationibus  litte- 
rarum  suarum^): 

Karolo  illustri  Bomanorum  imperatori  semper  augusto  .  .  . 
in  Christo  filio. 

P(hilippo)  Francorum  regi  illustri. 

Item  notandum  quod  dominus  papa  in  literis  suis  neminem 
voeat  dominum  vel  dompnum  ut  dicat:  Conquestus  est  nobis 
dominus  Petrus ;  tamen  bene  dicitur :  Nicolaus  dominus  castri. 
dioc.  Item  nota  quod  mortuum  non  appellat  carissimum  filium 
nee  dilectum  filium  nee  etiam  nobilem  nee  venerabilem  iratrem, 
sed  dicet:  bone  memorie  vel  quondam,  tali  modo:  papa  fe. 
re.  Tel  sancte  vel  pie  memorie;  de  rege  dicit:  clare  vel  inclite 
memorie  Re. 

f.  2\     De  judicibus. 

In  quibns  ecclesie  ponitur. 

f.  8.     Quando  non  ponitur  U8(uris)  r^essantibus. 

De  decimis. 

Clausula  proviso. 

f.  8^  Quando  non  dantur  testes.  —  Notula  de  Judeia.  — 
De  manuum  injectione.  —  De  appellationibus.    . 

f.  4.     De  causis  matrimonialibus. 

Qnaodo  non  ponitur  clausula:  Testes. 

f.  4^     Clausula  proviso. 

f.  5.      Clausula  proviso  de  pensionibus. 

f.  5'.     Super  terris  debitis  et  rebus  aliis  ad  judicem  extra 


1)  ein  Stück  vom  Rand  hier  weggerissen. 


260  Sitzung  der  historiaehen  ClcLSse  vom  7,  Jwm,  1690. 

quando  actor  et  reus  sant  laici  de  diversis  dvitatibas  et  dioc. 
(Mit  Beispielen  aos  Reate.) 

f.  6'.  Saper  injariis  et  torbationibos  eccleBiaram  et  alia- 
rnm  reram. 

Saper  osaris. 

f.  1\     Saper  pignoram  detentione. 

f.  8'.  De  venditione  simalata  in  fraadem  osuraram  facta 
cam  juramento. 

f.  9.     De  testameotis. 

f.  9'.     Incipit  capitalam  de  manaam  injectione. 

f.  11.     Contra  monacbos. 

Super  eodem.  Conquesti  sant  nobis  dilecti  filii  commen- 
dator  et  fratres  doma«;  Theatonicoram  sancte  Marie  Jerosalemi- 

tan  in  M arbarg  Magantin.  diocesis  quod  P.  et  F.  de .  .  monacbi 
monasterii  de  .  .  .  ordinis  sancti  Benedicti  dicte  diocesis  in  Jo. 
fratrem  professam  ejasdem  domas  manus  injecerint  Dei  ti- 
more  postposito  temere  violentas.  Mandamas  qaatenas,  si  est 
ita,  dictos  sacrilegos  tamdia  etc.  asque  donec  saper  hiis  satis- 
fecerint  competenter  et  debitam  absolutionis  beneficiam  asse- 
quantur.      Dat. 

f.  11.  Contra  impedientes  venientes  ad  cariam  Bomanam 
et  recedentes  ab  ea. 

Jad(ici  ?).  Signavit  nobis  dilectus  filius  rector  ecclesie  de 
Helprun  .  .  dioc(esis),  quod,  cum  ipse  constitutus  esset  in 
itioere  causa  peregrinationis  et  pro  quibusdam  suis  expediendis 
negociis  ad  sedem  apostolicam  veniendi,  duo  laici  associatis  sibi 
quibusdam  in  hac  parte  complicibus  Pataviensis  dioc(esis)  ipsum 
in  portu  fluminis  Danubii  per  quem  transibat  non  absque  ma- 
nuum  injectiooe  in  eum  Dei  timore  postposito  temere  violenta 
ausu  temerario  capientes  et  captum  aliquamdiu  detineutes  equos, 
pecunie  summam  et  res  alias  quas  secum  habebat  per  violen- 
tiam  abstulerunt ;  propter  quod  excomunicationis  sententiam 
per  sedem  apostolicam  generaliter  promulgatam  in  illos  qui  ad 
predictam  sedem  venientes  et  recedentes  ab  ea  impediant  in- 
currisse  noscuntur.  Mandamus  quatenus,  si  est  ita,  predictos 
usque  ad  satisfactionem  condignam  excomunicatos  publice  nun- 
ties  et  facias  etc.  usque  absol^.  (solvendi?  dus?)  Testes  etc. 
Dat.  etc. 

f.  13'  — 14.      De  sppulturis. 

f.  17  .      Forma  preces  et  mandata. 


Simons feld:  Beüagen  zu  den  Beiträgen  etc.  261 

f.  18'.    Clemens  papa  V  predecessor  noster. 

f.  19.     De  forma:  Cum  olim. 

f.  20.  Super  absolatione  monacbomm  a  violenta  mannum 
injectione. 

f.  22.  Ezpoeita  nobis  carissime  in  Christo  filie  nostre  M. 
regine  Sieilie  illostris,  qaod  ipsa  dudum  fratrem  T.  conversum 
monasterii  Casenove  Cistercien.  ord.  Pennen,  dioc.  snper  pro- 
carandis  et  custodiendis  massariis  ipsius  infra  ejasdem  regni 
confinia  constitntis  duxit  fiducialiter  deputandam  . .  . 

f.  22'.  De  dispensationibns.  Super  defectu  natalium  et 
aliis  formis. 

f.  24'.     Forma:  Cum  secundum  apostolum. 

f.  25'.     Forma:  Post  iter  arreptum. 

f.  25'.     Forma:  £a  que  de  bonis. 

f.  27.      Forma  contra  predonum  et  raptorum  audatiam. 

f.  27'.     Forma:  Nonnulli  iniquitatis  filii. 

f.  28'.  Significavit  nobis  vener.  fr.  n.  J.  episcopus  Port- 
uensis  .  .  . 

f.  29.  Conservatoria  amplissima  pro  prelatis.  (Die  Kirche 
TOD  Payia  betreffend). 

f.  30.  Conservatoria  amplissima.  (f.  d.  Kardinäle  von 
Benedict  XI?) 

lud.  Ad  regendum  universalis  ecclesie  firmamentum  fratres 
et  filii  nostri  sancte  Romane  ecclesie  cardinales  assistendo  nobis 
submissis  humeris  operosa  sedulitate  laborant  .  .  .  super  bene- 
ficiis  et  bonis  ac  fructibus  (sollen  die  Kardinäle  von  Niemand 
beeinträchtigt  werden)  non  obstante  de  duabus  dietis  in  con- 
cilio  generali  et  fe.  re.  Bo(nifacii)  pape  VIII  predecessoris  nostri 
€a(u8a)  circa  judices. 

f.  30'.  Conservatoria  pro  monasterio  sancti  Antonii  Vien- 
nensis. 

f.  30' — 31.  'Forma:  Omnes  libertates. 

f.  81.      Prohemium:    Solet  annuere   sedes   apostolica  piis. 

f.  81'.     Privilegium  crucesignatorum  pro  clerico. 

Clemens  Epis.  serv.  serv.  D.  dilecto  filio  N  .  .  .  de  .  .  . 
clerico  dioc.  8al.  et  ap.  bened. 

Super  eodem.^  —  Executoria. 

Super  eodem  in  forma  Corta  nova.  —  Executoria. 

f.  32.  De  confirmationibus  compositionum.  Confirmatur 
compoeitio  cum  serico. 

tSeO.  PliUo«.-pliUol.  o.  hkt.  Gl.  II.  2.  18 


262  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  7.  Juni  1890, 

f.  32'.     GoDfirmatio  arbitni. 

f.  33.      Qaod  coinpellatar  pars   ad  observationem  arbitrii. 

f.  83'.  Qaod  arbitri  oompellantar  ad  ferendum  arbitriam 
qaod  ferre  distulerant. 

f.  33'.    Qaando  excomunicayerit  eum  sine  causa  raiionabili. 

f.  34.     Contra   statata   generalis   concilii.    —   Execntoria. 

f.  34'.  Seribitar  jadici  qai  tenait  causam  diucius  in  sus- 
penso qaod  procedat.  —  Quando  additur  judex. 

f.  35.  Quod  relaxet  clericum  incarceratum  qui  paratns 
est  cedere  bonis.  —  Quando  scribitur  contempto.  —  De  confir- 
tnationibus  communibus.  —  Confirmatio  pro  abbate  in  comuni 
forma  bullata  tempore  Papiniani  yicecancellarii.  ^) 

f.  35'.  Confirmatio  super  permutatione.  Privilegium  com- 
mune. Clemens  (IV.  ?)^)  für  ein  Cistercienserkloster  ^s.  Marie 
dei  genitricis  de  Thorigneio.' 

f.  36'.  Privilegium  commune.  Clemens  (IV.  ?)  f.  d.  Kloster 
s.  Benedicti  Salernitani. 

f.  37.  Conclusio  super  revocatoriis,  dann  folgen:  8  con- 
clusiones. 

f.  41.  Incipit  tractatus  de  revocatoriis  super  appellatio- 
nibus  secundum  cursum  et  stilum  cancellarie  domini  pape. 

f.  45'.  De  diversis  confirmationibus.  (Enthält  allgemeine, 
theoretische  Bemerkungen  darüber.)  Sicut  ea  que  injuste  vel 
minus  provide  facta  sunt .... 

f.  48.  De  confirmatione  ordinationum  et  statutorum.  — 
De  ordinandis  judicibus. 

f.  49'.     Peremptoria. 

f.  50.  Quando  aliquis  convenerit  super  majori  re  quam 
processum  sit  in  registro. 

f.  50'.     Forma  litterarum  audientie. 

f.  51.  Quando  arbitri  electi  a  partibus  non  procedunt  nee 
compelluntur  a  judice  quod  procedaot  et  propter  hoc  appellatur. 

f.  52'.  Littera  quando  quis  mittitur  in  possessionem  rei 
petite.  —   Quando    post   conclusionem    testes    alii    admittuntur. 

f.  53.     Exceptio  de  exceptione  capitis  pro  membro. 

f.  53'  dann  Anno  domini  =  Merkel  p.  140  No.  IV;  Erler 
p.  140  (cf.  oben  S.  225  u.  £f.)  mit  mancherlei  Varianten  und 
Di£ferenzen. 


1)  Nach  Bresalau  I,  209  c.  1302—1304. 

2)  Oben  am  Rand,  wo  öfters  der  Inhalt  der  Seite  kurz  angege- 
ben iHt,  Hteht:  No(t}i)  provisione»  antique. 


Simomfeld:  Beilagen  tu  ilen  Beilrdgrn  t 


263 


Nftch  ErUr  141  Ab§aU  2  folgt  hier:  Item  dispeasatioDe§ 
Mapev  defectu  natalium  (jue  mittantar  aub  sigülo  Cafd('itiali8) 
Primarii  Iadi  pro  presenübua  quam  pro  abseDtibos  expediebantur 
Dsqae  ad  teiupus  dumini  Qregorii  pspe  X  *)  qiii  restrioxit,  eus 
ad  presenttta  taatnii),  (juorum  nalla  lei^ebatur  nigi  fni^et  pro 
BMÜa  du  odulterio  »el  inragnlaribus  nul  iacesto  procreatis  = 
p.  145  (oben),  acliliesät  mit  Grler  p.  147  (unten)  n 
Uadd  Tolgt:  ßxceptiones.  ßxceptio  fori. 
Incipiunt  eiceptioaes  dilalori«. 
Exceptio  rei  fetidalis.  (oben  nai  K 


f.  SS', 
divers«}. 
f.  57. 


ceptio 


De  libella. 

f.  60  .  Incipiunt  eiueptiones  peremptorie  qaando  litere 
Bxtaodnat  se  ad  fnturas  questiones  ....  Quaudo  quis  agit  supei 
msjora  quam  expresserit  in  reecripto.  —  Quando  couventua  est 
alteriuB  diocfeats)  quam  in  rescripto  contioeatur,  gimilem  formuni 
c)Der«  io  quateroo  aimpliciom  .... 

f.  61  .      Exceptio  contra  conservatores. 

r.  f>4.      Inhibitiones.     —     ßemisaio    facta    in   coatamacinm 

f.  66'.     Revocatio  attemptorum. 

f.  6ti'  scbliesat  mit  einer  Bulle  von?  Testes  noo  dantur. 
Avinioo-  111  kal.  NoTembri^  pnatificatua  Dostri  anno  prinic 
(wegen  ungerecbter  ÜesteueruDg  in  der  Civita^  Albingaoeuaig), 
Von  da  an  ander»  Huail. 

r.  G9.      Bine    AozabI  von  Arrengen  (18  Stück,    fortlaufei 
ODmmnrirt].      ,Vite  ac  moraiu   boneetaii    atiaque  laadabilia  pr 
bitttis  et  TJrtntun)  merita   auper   qnibus   apnd    uoa  tide  digno 
coniuieodaris    teetimuaio    003    iodacunt    ut    tibi    reddamur     ad 
gratiam  liberales'. 

r.  69'.     leer. 

f.  70.  5  (nunimerirte)  DiapoaiUone»,  x.  B.:  2)  Nos  enim 
■XDUBc  irrilnni  decernimna  et  inane  si  si^cus  super  hiis  a  qao- 
i|Daixi  quamvi«  auctore  sei  enter  Tel  ignoranter  contigeritattemptari. 

r.  70'.     leer. 

f.  71 — 72.     Bioe    grössere  Aiuahl    von  Salatatiooes  (oder 

ilatiuoes)    beginnend    mit:    Dilecto   6Uo    inagistro    N.   de 

derico  Aquilegensis  dioc(esiH),  suriptori  et  famillari  nostro 

qof  «tinm   lileraram  apostolicarum  abbreviator  exislis. 

IJ71     7« 


Ä 


264  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  7,  Juni  1890. 

Grata  (5)^)  premissorum  obsequioram  et  tnorom  meritoram 
(intaitu). 

Dann  Magistro  M.  Barbonis  de  Wesena,  canonico  Wratislavi- 
ensi,  scriptori  nostro,  salntem,  qai  ut  asseriior  in  scribendo 
minutas  litterarum  nostrarnm  secretamm  et  de  curia  longis 
temporibns  fideliter  laborasti  prout  laboras.  Orata  premiso- 
rum  obsequioram  et  tuorum  meritorum  intuitu. 

Magistro  ß.  Jobannis,  rectori  parrocbialis  ecclesie  sancti 
Dooati  de  Sancto  donato  Bansoramensis  SoraA(ensi8)  diocesin, 
scriptori  nostro,  Salutem.  Grata  (5)  qui  subdiaconus  et  literarum 
ap(osto]icarum)  abb(reYiator)  existis. 

Gunthero  de  There  canonico  Herbipolensi  salutem.  Nobi- 
iitas  .  .  qui  subdiaconus  es  et  ut  asseris  ex  utroque  parente  de 
militari   genere   procreatus  existis    et   per  plures  annoe  in  jure 

canonico  studuisti  etc.  p(remis8orum)  meritorum  (mi). 

H.  de  Woleri  alias  de  Novoponte,  canonico  Bremensi, 
bacallario  in  Sacra  theologia. 

Jo.  Burkonis  Sculteti  de  Wesena,  elvi  Wratislavensi. 

Di(lecto)  fi(lio)  N.  priori  monasteriorum    alias   prioratuum 

. . .  (verblasst)  sancti  Andree  Pisane  dioc. ...  ad  ortum  Pisan 
in  vicem  canonice  unitorum  per  priorem  solitorum  grubernari 
or(dinis)  ejusdem  sancti  Augustini.  Tibi,  qui  ut  asseritur  Bac- 
(calaureus)  in  artibus    existis    et  pro    quo   etiam  dilectus  filius 

Jo.  electus  Camiü(eDsis)^)  asserens  te  suum  dilectum  fore  (foe) 
super  hoc  nobis  humiliter  supplicavit,  premissorum  intuitu  nee 
non  consideratione  carissimorum  in  Christo  filiorum  nostrorum 
W.  Roman(orum)  ^)  et  A.  Dacie  regum  illustrium  pro  te  eorum 
dilecto    super    hoc   nobis    humiliter   supplicantium  gratiam  etc. 

Die  weiteren  Salutationes  zwar  von  derselben  Hd.  aber 
mit  etwas  anderer  Dinte  geschrieben ;  darunter  : 

Priori  secularis  curate  et  collegiate  ecclesie  sancti  Viocentii 
de  Menania  Spoletane  dioc. 

N.  relicte  quondam  Ja(cobi)  de  Cararia  de  Padua  militis 
vidue  Mautue  commoranti.  Et  nota  quod  mortuo  non  dicitur 
Nobili  nee  dilecto  fi(lio)  Andree  episcopo  Capruler(si)  in  loco 
de  Venetiis  Castellane  diocesis  commoranti.^) 

1)  Diese  bisweilen  beigesetzten  rothen  Ziffern  beziehen  sich  auf 
die  vorher  (fol.  69)  regiHtrirten  Arrengen.  2)  1386—1394.  3)  Wenzel  (?) 
1378—1400.  4)  Andreas  Bon  1378-1394,  undeutlich  ob  zum  Vorher- 
gehenden gehörig. 


Simi'HufM:   Bfdivj 


;u  äett 


265 


i(lecto)  fi(lio)  No{bili)  viro  V.  de  Carraria  militi  in  ei*!- 
idoaDa  iitiperiali  vicario. 
'.  72.      Di.  fi.    DorUnrosi    Magal.in    diocesis    ni  .  .  Sancti 
'Haarilii  oitrn  maros  Hildesemensi   prepositis  ao  decano  ojuadtun 
Kiuicli   Unaritii  enclesiamm  snlntem. 

Cariesinio  ia   Christo  fi(lio)  Jo(anDi)  impuratori  Constantino* 

r.  72."     leer. 

i'f,  7S.  Da  o0i(:io  scriptorie  vacttnte  per  matrimoninm  con- 
baetam.  (Merkel  p.  152.  Nu.  XUI.) 

Dann  ,CoDCeditar  caooDioo  Privilegium  percipiendi  quoti- 
diwiM  distributioceä  in  abseolia'. 

fr  73.'  Litera  rnarescalli  pape.  Dilecto  filio  Do{bili)  viro 
Colamna  militi  RomaDO  aostro  et  Ro(maae)  carie  mares- 
lutem. 

Cooc^itur  oBiciom  §criptorie  loi:o  alterius  abseotis. 

TeneraHli  fratri  F.  episcopo  Penestrino ")  saacte  Itomaue 
ncclesiti  vicecaDcellario  salutem.  Luudabilia  probitatis  et  vir- 
Itotnm)  merila  eaper  qnibns  apud  nos  di(lectiis)  fi(liuä}  A. 
dioc(en«)  .  .  laicns  axoratns  fide  digno  etc.  ut  personam  suam 
condi^is  r&vofibns  et  gratiiä  prosequamur.  Htnc  uet  quod  Doa 
rolrate»  eutidcm  A.  p.  (prefatom?)  meritorum  suonim  intnita 
(avore  pronfijui  gratioso,  fra{terDil.ati)  tue  per  ap(o3tolica)  aoripla 
in(aiiiliun)us  r[uat.emis  enudem  A.  in  scriplorem  litteraram  aposlo- 
li»mm  ip^uinque  ad  si;riptnne  ofTidam  ejasqae  eierciciom  ac 
oaera  rt  eDiolaiuenta  consaeta  ipsias  ofßcii  in  abäentia  et  ad 
locam  dilecti  filii  magistri  M.  de  . .  .  ipaarum  ütterarum  scrip- 
toria  a  Bomaoa  curia  ad  preäeos  abaentis  et  etiam  si  ad  eaadem 
cBTtem  lerertatur  in  abaentia  et  ad  locum  alterias  earUDdem 
int  HCrtptom  ab  eadeiti  curia  tanc  Bbaentia,  donec  ipse 
«Iter  bujnsniodi  scriptor  ad  ipsam  curiam  reverta- 
«idem  A.  de  officio  litterarum  ipsarum  vacante  vel 
per  DOS  provideri  contingat  auctoritate  nostra  reuipiaa 
•I  rtclpi  faciäs,  at  est  moris.  Non  obstanle  statuto  de  cert.o 
nniniiro  »chptorum  üaruadein  lilteraram  aactoritutß  apostolica 
facUt  cui  per  boc  alias  (al')  DOn  intendiinus  derogare. 

f.  73-  Coaceditur  in  minoribua  or(diDibas)  constitato  qaod 
ntqDC  ad  bieuniam  non  teneatur  promoveri  ad  sacros  ordinea 
ntioH«  pAtTOchialis  l?  pro'')  ecclesie  quam  obtinet. 

IJolmaM  I'alaivilii^«  13tl-1391'i- 


266         Sitzung  der  histortsehen  Classe  vom  7.  Juni  1890. 

f.  74.  Conceditnr  hospitali  nt  io  altari  in  eo  sito  Tel  con- 
stmendis  aliis  possint  divina  of ficia  celebrari  etiam  pnlsatacampaDa. 

CoDceditur  abbati  et  conventni  qnod  in  ecclesiis  eonim 
monasierio  nnitis  in  qnibus  sunt  perpetni  yicarii  cedentibns 
vicariis  pooatur  unus  de  canonicis  roonasterii. 

Litera  salvi  conductus. 

f.  74/     Mandatar  dari  magisterinm  in  sacra  pagina. 

f.  75.     Litera  inqnisitionis  heretice  pravitatis. 

f.  75'.  Innovatio  privilegiomm  Judeorum.  —  Innovatio 
privilegiorum.  —  Inhabilitatio  eoram  qai  per  fraadem  subeant 
examen  pro  alio.  —  Litera  servientis  armoram  pape. 

f.  76.  Quod  electio  generalis  diflferatur  semper  asqne  ad 
proximam  capitulam.  —  Qaod  scriptores  literamm  ap(o8to- 
licarum)  sunt  veri  familiäres  pape.  (Merkel  p.  158).  —  Quod 
possint  de  novo  erigi  duo  altaria  in  hospitali.  — Confirmatio 
permutationis. 

f.  76'.  De  perceptione  fractanm  in  absentia  ad  VII  noD 
obstante  quod  alias  fait  concessum. 

f.  77.  Benovatio  privilegiorum  et  constitutio  contra  mendi- 
cantes  fratres  minores  volentes  eximia  correctione.  —  (Emea- 
erung  einer  constitutio  fe.  rec.  Oregorii  pape  XI.  dat.  Avinioni 
V.  Idus  Novembris  pontificatus  nostri  anno  III.  für  die  Minoriten). 

Mandatur  quod  filii  (?  fl*i)  questuarii  capiantur  et  restituant. 
Bonifacius  ven.  fratribus  archiepiscopis  etc.  .  .  .  Exponit  nobis 
venerabilis  frater  noster  P.  episcopus  ostiensis  ^)  qui  precep- 
toriam  domus  sancti  Antonii  Florentini  ord.  s.  Aug. .  . .  obtinet 
in  commendam  .... 

f.  77'.  De  perceptione  fructuum  in  absentia  non  obstante 
si  alias  fuerit  concessum  et  si  primam  non  fecerit  residentiam. 

Quod  fratres  minores  subsint  correctori.  Bonifacius  VIII . . . 
Ro(mae)  id(u8)  No(vembris)  anno  primo. 

Quod  fratres  mi(nore8)  qui  sunt  deputati  ad  aliorum  ser- 
vicia   subsint    correctori.      Innocentius   (IV  ?)   Lugduni  an.   V.^ 

Quod  possit  teuere  duo  be(neficia)  incompa(tibilia  ?)  usque 
ad  annum. 

Dispensatio  super  defectu  etatis  pro  episcopo. 

f.  78.  Prorogatur  terminus  retinendi  duo  beneficia  incom- 
patibilia  (?)   illi  cui  per  predecessorem  fuerat  concessum  usque 


1)  Pbilippus  d'Alenyon  ?  1892-1397   (womit  freilieb  dann  an.  II 
nicht  recht  stimmt,  da  Bonifaz  IX.    von  1389  (Nov.)  ab  Papst  war!) 


Simntisfftit:   Bciliiyen  iii  äen  SritrniieK 


267 


F  BiiD(i]m).     Dndom    siquidem    fe.    re.  -  Cr(baiiiia)    pape    VI 
Kessor  DOater. 
1^  Conceditar  iinod  quis  possit  percipere  frnctns  canooicata« 
^  (prebcode  ?)  reqaireiitium  orcl(iQein)  asque  quo  perveomt 
Istom. 

fjaod  episcopu»  Irans  latus  poEsit  eiigere  dttbita  pnoris 
ac  si  adbuc  «äset  episoopas  iliius  ecclesie. 
'enerabiti  &utri  P-  episcopo  Castellano. ') 
f.  78.  Qaod  litcre  Tnleaat  noa  obt^tante  omissione  beDe- 
Beii  tempore  gratie  obtenti.  —  ßxeuQloria  littere  secuncle  pre- 
cedeotU.  Sincere  etc.  Sane  pridem  eucdeui  F.  tunu  Motoa' 
(i?flndeiii?}  episcopum  etc.  nt  supra  mntatucn  est.') 

Qtiod  tercla  gratia  valeat  dod  obstaate  quod  noo  fecarit 
moDtionem  de  danbus  priinH.  —  Confirmalio  veoditioDU  poasea- 
aiODom  tnonasterii   Taute  laicD  per  abbatem  et  conventnm. 

f.  71).  Donantar  bona  Uici  oonfiacata  prina  louata  illis  qui 
deliitum  nei^easanum  persolveruot.  —  Redacitnr  numerus  octo- 
Darins  od  seuarium,  i|iiorum  duo  ad  subdiacoDatns,  duo  ad  dya- 
itos,  reliqni  vero  duo  ad  preHbiteratus  ordinem  infra  UDDum 
loveri  facere  teceantur. 

79 .  Eiemptio  mouasturii  ad  vitam  abbatis.  —  Qnod 
parrochiatis  ecdesie  dividat  portiones  abseatium  preaantibus. 
f.  80.  Quod  aubdiacoDiia  nun  teoe&lar  promoveri  ad  sacroB 
ordioM  neque  ad  VII  elJam  ei  be  (eneficium)  cn(ratoriB?)  et  dig- 
(oitatfRi)  interim  obtioebit.  —  Quod  coll'o  (llectio  ?)  pape  non 
prejadicet  patronis  laii-is  facta  de  (pro")  parronhiali  (?)  ec(cleaia) 
ad  WI9  Bpeclftote.  —  SuppUcatio  pertnutandi  in  manibus  or(di- 
oariorum)  extra  curiam.  —  Quod  qiiis  possit  resignare  in  manibus 
icamque  or(dinuni). 

80'.     Gxeiuptio  plebia  ad  vitam  plebani.  —  Quod  oppidum 
lit  interdici  post  receesum  excomiDunicatoram. 
81.  Quod  canonici  non  percipiant  fructns  nisi  sint  promuti 

ordlnes. 
81'.     Supprimitur  dignitas  abbatialis  et  corporalis  prio- 
(sic)  Cainaldaleo(Biam).  —  Conceditnr  clero  quod 
t  da  eetero  legato  III  f(loretio8)  damtaiat. 


'   1S92  (27.  Märtl.  cf. 


J 


268  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  7.  Juni  1890, 

f.  82.  (Mit  etwas  blasserer  Dinte  and  anderer  Schrift).  De 
fructibas  percipiendis  io  absentia.  —  Licentia  fundandi  mona- 
sterium  cum  privilegiis.  Johannes  XXII  fflr  ein  zu  gründen- 
des Nonnenkloster  in  England  Dat.  Avinion.  VI  Id.  Jnnii  anno  V  ^. 

f.  83.  gehört  zu  fol.  72,  da  die  Blätter  f.  73—82  kleineren 
Formates  eine  Lage  für  sich  bilden;  enthält  eine  Anzahl  Dis- 
positionsformeln. 

Seu  quod  idem  T.  canonicatum  et  prebendam  (p.)  predicte 
ecclesie  quorum  fructus  etc.  XII  secundum  dictam  exti.  va.  ä. 
ut  asseritur  nÖ  ex.  ac  altare  sancti  Ja.  situm  in  eadem  ecclesia 
noscitur  obtinere  volumus  autem  prout  idem  T.  ad  sponte  voluit 
quod  ipse  quam  primum  vigore  presentiam  predictom  thesau- 
rariam  fuerit  pacifice  assecutus  prefatum  altare  quod  ut  pre- 
fertur  obtinet  et  quod  ex  tunc  yacare  decernimus  omnino  di- 
mittere  teneatur.     Et  insuper  prout  est  irritum  etc. 

Seu  quod  ut  asseris  in  Wor.  et  Zerw  (?)  nee  non  in  om- 
nium  sanctorum  in  Castro  Pragensi  canonicatus  et  p  (preben- 
dam ?)  obtines  ac  in  Hil(de8beim)  cum  arcbidiaconatu  Goslari- 
en(8i)  in  eadem  et  dudum  tibi  de  canonicatu  et  p  (prebenda?) 
in  Spiren(8i)  predictis  ac  de  (ppo'*)  prepositura  in  sancti  B.  Bmns- 
wic\  predicte  Hil(desheimen8is)  diocesis  ecclesiis  tunc  certis  modis 
(mois)  va(canti)bus  apostolica  fuit  auctoritate  provisum.  Vo- 
lumus autem  quod  quamquam  vigore  presentium  sive  cum  cura 
vel  sine  cura  preposituram  prout  ad  dimittendam  illam  te  sponte 
obtulisti.  Cum  vero  cum  cura  be(neficiu)m  a(u)t  of(ficiu)m  seu 
dignitatem  vel  p*""  vigore  presentium  fueris  pa(cifi)ce  as(secutas  ?) 
arcbidiaconatum  predictum  qui  curatus  est  quos  extunc  vacare 
decernimus  et  omne  jus  tibi  in  dicta  prepositura  seu  ad  eam 
quomodolibet  coropetens  omnino  dimittere  tenearis. 

IL  Urkunden. 

Nr,  1.  (Ztcischen  1324,  Aug.  22  und  Sept.  17  oder  Oct.  4,  cf.  oben 
S.  252  und  253)  Erzbischof  Friedrich  gibt  dem  Papst  Johann  XXII. 
Nachricht  über  den  Erfolg  der  Verkündigung  seiner  Processe  gegen 

Ludwig  den  Baiern  in  seiner  Diöcese, 

Insinuacio^)  facta  apostolico  super  processibus  per  eum 
babitis    et  *)    recommendacione    ad    papam.  ^)      Sanctissimo  in ') 

1)  Dieses  Stück  ist  in  den  zwei  Handschriften  Clm.  1726  f.  HO'  =  1 
und  Clm.  97  f.  110'  =  2  überliefert;  wir  geben  einen  aus  beiden  com- 
binirten  Text.  2)  et  —  papam  fehlen  in  2.  3)  in  —  beatomm 
fehlen  in  2. 


iiAfdd:  liriliUifH  .-«  •ien   Britr-inrH 


2fi9 


Obristo  pntri  ac  daminn  sno  karissimo,  ilomino  snßrosanote  Ko- 
ruMio  et  noirovsalis  «vulesie,  suiumo  pooUGci,  diviDa  miseracioDe 
.  .  arcbiepiscopu»  Tel  episcopOH  .  .  talia  cum  saj  recommen- 
dacione  devota  pedum  obcuU  bealorum. ')  Processus  vestri 
lubiLi  uontm  daueui  .  .  ejusque  compliues,  Tautores  et*)  ite- 
quacef  !)i<!  vigore  lacent  eqailatia  et  vigore^i  corrnscaat  jasti- 
cte,  ijnod  omnes  viri  «t  sancte  malris  eccieste  devoti*)  filii 
digiifl  illo»  unm  reverencia  amplectuntur,  recipiant  et  obBorvaDt. 
IVotecntionibas^)  qaoque.  danipnis  et  incommodis  eiinde  surgen- 
Ubm  8&lubna  eornm  pacienci»  non  recordalur*)  propter  noeri- 
tam  obedieucie  que  uäüor  ease  victimis  cooprobatur;  et  qaia 
pittema  pieT.u§  pro  Gliis  capere  iiolet  ronsilium,  expedit  obedieo- 
cium  filiiirani  tribalavionea  et  aagustias  vobis  fore  coDgnitas, 
at  uoram  succnrsai  soUicitins^)  inteodatis. 

Veatre  itaqae  aanctitati  doIuid  facio')  qnod,  cum  jsm  ■) 
dadum  primoa  procesaus  *")  coDtra  dictum  dacem  faabitoa") 
Jaxttt  matidsti  vestri  tenorem  in  metropoH  '*)  mea  sollempoiter 
pablickSHem  el  muodasKem  in  locis  aliis  publican :  ille  oimia 
MDtra  nie  iracnodift  eititit  inflammatns;  non  tameo  propter  boc 
continai ")  aecuudoa  proceüstia  contra  enndem  babitos  qaoa 
postea  recepi'*)  aimul  cum*)  proceasibus  contra  filioa  dampnate 
mAinorie  Matlieum")  ollm  Vicecomitem  **)  de  Mediolauo '*)  nee 
sau  contra  tales  et  talea  uomites  prumnlgatia  similiter  publi- 
ear«.  Propter  quod  idem  dux  asperius  provocatua  custodea 
larrinni  et  portanim  ac  vigiles  murorum  castd  mei  talis  cor- 
ntiDpi  '^  procaravit  fedis  pecaniarum  preciia  et  pollicitis  frau- 
dulentia;  sicqne  conflata  prodicione  tnrpissima  gcntea  illiua  in 
imdio  noctis  sitencio  in*)  ceatrum  illud  irraentea  et  opidani 
aalijucna '*)  occnpantea,  liomiDnin  ibidem  repertorum  alioa 
l^adio  Inicidsrnnt,  alioa  vinculis  manciparnnt,  alios  vero  ad 
faguo  miacrabilern  cotnpnlernnt  et  absque  difTurentia  condicionia  '*) 
Hiaa  Tri  elntiü  omoea  omnibus  facultstibus  spoliarunt.  Di- 
«trictani  quoque  caatri  ejuadem  et  alios  meos  et  subjectornm 
■eomra    «c«lenasticoraiu    et    aecularium    diatrictna    redditua  et 


1)  in  —  bcfttoniiu  fehlrn  in  2.  2)  feblt  in  2.  3)  rigore  3, 
4)  f.  4.  3.  G)  de  iion.  3.  61  non  rec.  febton  in  2.  7)  solliciOB  1. 
d)  1uäB»l.  0]  ipM%  10)  exceaauH  2.  IDbabitaaZ.  13)  metropolitS, 
tiania.  U)reripia.  I5)fehltinl.  16)  Vioecomiti«  1,  lJ)oor- 
^      IB)  a^jucecB  •>.     19)  condicione  2. 


270  Sitzung  der  histarisehen  Glosse  vom  7,  Juni  1890, 

boDa  continuis  deyastant  ^)  incendiis,  spoliis  et  rapinis,  sed  nee 
illis  po88um*)  resistere,  sed  osqae  ad  portas  ciTitatis  mee  ho- 
Stiles  faciunt^)  impetas  et  incarsus. 

iDter  tot^)  et  tantas  angustias  recepi  tercios  et  nltimos 
processQS^)  vel  oovissimos  processos,  quibos  ipsam  dacem  de* 
clarastis  fore  priyatam  et  privastis  cum  omni  jure  si  qnod 
illi  ex  electione  facta  de  eo  ad  regnum  sen  ad  imperiam 
Bomannm  competit*),  eosqne  similiter  publieavi^;  copias  qao- 
qne  omniam  processuam  predictomm  sigillum  meum  habentes 
appensnm  singulis  meis^)  suffraganeis  transmisi  per  carsores 
meos^)  juratos,  quos*)  illi  cum  debita  reverencia  receperunt, 
duobas  videlicet  Frysingensi  et  Batisponensi  damtaxat  exceptis. 
Nam  Frjsingensis  in  yestra^^)  nt  dicitur  curia  commora- 
tnr  ejnsque  civitatem  dnx  predictos  tenet  per  snam  yice- 
dominum  occupatam  et  ob  ^^)  hoc  carsor  noster^^)  non  yalens 
metn  mortis  plas  facere,  captata  oportanitate  copias  easdem 
capitulo  directas  saper  altare  principale  kathedralis  ecclesie 
posait  et  recessit.  Alias  yero  carsor  episcopam  Batisponen- 
sem  inyenit  Ratispone,  sed  antequam  haberet  accessom,  iyit 
idem  episcopus  ad  castram  suam  yicinum  in  Stauffe^'),  abi, 
cam  ad  ipsum  carsor  yellet  accedere,  qaataor  armati  yiri 
stantes  in  porta,  interrogati  per  eam  de  presencia  episcopi, 
dnbie  responderunt.  Cognito  qaoque  quod^')  meas  deferret^^) 
literaSy  reclasernnt  eum  in  conclavi^^)  et  de  mane  jussus  fait 
abire  dictumqoe  sibi  extitit,  quod  mortem  non  evaderet,  si 
cum  bujusmodi  literis  prenderetur  ^^) ;  et  ex  hoc  territus  copias 
ipsas  in  fluyium  projecit^*^  vicinum.  Sic  prefati  cursores 
retulerunt  sab  sacramento  quo  tenentur.^^)  Id  ^^)  autem  est 
notoriam ,  quod  ambo  prefati  episcopi  et  clerus  eorum  *^) 
absque  prompte  periculo  personaram  et  reram  aut  aoxilii 
dispendio^^)  duci  non  possent  resistere  memorato.  Porro  in 
proyinciis^^)  eorundem  episcoporum,  nee  non  extra  meam  pro- 
vinciam  in  multis  aliis  civitatibus  et  dyocesibus  processus  ipsi 
adhuc  nallum  sorciuntur  effectum.  In  hiis  enim  partibus^^) 
dux    predictus    rex    Bomanorum    communiter   appellatur    eique 


1)  devastat  1.  2)  posaunt  1.  8)  faciant  2.  4)  hec  1.  5)  fehlt  in  1. 
6)  compeciit  2.  7)  publicari  2.  8)  s.  m.  2.  9)  quas  2.  10)  nostra?  2. 
11)  ab  1.  12)  tunc  2.  18)  fehlt  in  1.  14)  deferrent  1.  15)  recl. 
cum  clavi  2.  16)  preoentaretur  1.  17)  y.  p.  2.  18)  sub  sanctuario 
ohne  q.  t.  2.  19)  ideo  2.  20)  illorum  1.  21)  exilii  suspendio  2. 
22)  in  pr.  fehlen  in  2.    28)  fehlt  in  2. 


Simomfelit:   Bdlni/fn  zu  ihn   BtilrAf/rn  elc.  271 

tamqaiun  Tfgi  iDtenditnr  sivut  prins,  loanper  claveH  couUnip- 
Dnntnr')  ecoUsie,  vialatnr  iDterdictutn,  divina  officia  propha- 
Dftntnr,  yrao,  t|uod  et  est  Meorabilius*},  nomini  veatro,  ijuod 
lleDt^diutam  fl.  glorioaum  est')  in  secula.  mHledioitur,  hoDori 
Y»slro ')  dulrahilar,  digoitati  tnaltipliuiter  derogalur.  In  plu- 
ribuK  «nitn  civitatihus  msjoribns  convocata  cleri  a  popuH  niDlti- 
tndioa  nnniprotain  idem  dnx  regio  npparata  assiatens  quandam*) 
«criptor&m  KAuritegam,  verborum  quidem  foüis  diffueam  sed  io 
radica  veritalts  aridam  et  inaoem,  statum  gloriam  et  buDorem 
saDctitatis  voatre  qaaDtnm  iu  ae  est  crudeliter  lacerantem,  laliao 
sarraooe  l«gi  Tecit  et  in  valgari  Tbeatunico ')  iaterpretari 
AubicieoB  ')  ((iiuDdaiii  ^)  ap p eil acio nein,  si  tarnen  appellacio  et 
Don  mag»  ejus ')  apostatacio  ^)  dici  debet.  quam  credo  dadum 
in   VMtrsm  ooticiam   taDqaam  uotoriam  devenisse.*) 

üx  hiis  aat«m  Dei  eapientia  que  de  malo  »cit  booDm  oH- 
care ")  et  contra  sagittantem  non  nanquam  ")  moviti')  retor- 
qaentein  sagittam,  talem  dedit  proTentiim,  qood  eadcm  scriptara, 
qaanivis  sacrile^a  ut  prophana,  proceasaum  vestroram  crebro 
repliuans  meDdoDem.  illos  tnnltorum  inculcavit  noticie,  quibuB 
atia«  incogniti  remHOsisseot;  oec  ilJos  ut  scribens  volnit  es- 
tioiil,  Nod  contra  scribentis  *^)  propositum  notificacioDis  robore 
illostfavit  ecjam^  et  audientes  docuit  frivola  stoltiloqaia  risai 
relinqaere  proceaauuro '*)  eorundem.  Ad  hoc  ad  vestram  *') 
cujHO  Teoire^')  noticiam  qood  eoiam''')  illastribas  prindpibua 
doeibas  ioferioris  Bavarie,  conaangwineis  Ludovici  ducis  preta- 
«ati,  qnorum  adhesio  fortitudioem  illiaa  hactenua  Tehementer 
,  veatros  insinuavi  procesäas,  aed  propter  aliqualem  dia- 
lillli  inter  hone  et  itloa  eiortam  Doodam  apparere'^)  potesl, 
Vtliot  '*)  resialere  vel  obedire  eisdem.'")  Hujus  tarnen  rei 
I  diQ  i:elari  non  poterit  vel  latere.  Denique  multum  in- 
tencioni  venire  uonferret,  al  fratres  ordinnm  meadicancium  veatna 
parereDt  proceasibna  et  maiime  ai  cenasruni  ioterdtcti  eculesia- 
■lici  observarent;  qood*')  quidem  cotnode  facere  non  pöasent, 
aisi  alicabi  ad  alia  loca  ae  mutarent  pro  tempore  forsitan  et 
(nnaferreat.     9ed  ad  talia  absque  snperiorum    ordinnm  eoran- 

|)conilempaiintui'3.  2)  in  ex  mit  Lücke  2.  3)  rehlt  in  2-  4)i|uon- 
iltnid2.  fi)  (leiitunico2.  6]  quondam  2.  7)  fehlt  in  1.  8)  apoat«- 
S.  9|  in  Tentri  noticiam  deTenire  2.  10)  ebnere  2.  11)  novit, 
L  i.  19)  novit  1  und  3.  131  ecribente«  3.  14)  et  procesKUaV  2. 
'  '  am  2.  IG)  revenire  3.  IT)  et  1.  16)  nperire  2.  19)  Telit  2. 
I  1.    21)  quos  2. 


272  Sitzung  der  historischen  Cl(tsse  vom  7.  Juni  1890. 

dem  cohercione  doo  facile  dacereotur.^)  Qaid  autem  in  hiis 
ezpediat,  vestre  interest  providencie  discatere  et  Tidere.  Saoe 
licet  ducis  sepedicti  et  coDsangnineomm  suoram  predictomm 
principatus  patrimoniales  michi  sint  contermini  et  vicini  et  ez- 
inde  urgeos  et  ardua  necessitas  me*)  constriogat,  nalla  tarnen 
adyersitas  Deo  propicio  nie  a  yestra  et  sedis  apostolice  obe- 
dieotia')  separabit.  Vestre  itaqae  misericordie  me  fidncialiter 
recommendans  ^)  devote  supplico  et  instanter,  quatenus  michi 
et  ecclesie  michi  commisse  circa  immioencia  pericula  de  oportonis 
remediis  dignemini  providere  sicqae  de  regno  seu^)  imperio 
Romano  disponere  sanctitati  vestre  placeat,  nt  ezcnsso  eornm 
terrore  qui  in  sua  veritate^)  confidunt,  hü  qni  tantam  vestrnm 
ezpectant  auziliam,  sab  alarum  vestrarum  tntamine'')  valeant 
respirare.     Datum  etc.*) 

Nr.  2.  (Nach  1324,  Aug.  22.  cf.  oben  S.  24S).  Erzh.  Friedrich  an 
einen  Suffragan:  tröstet  ihn  über  die  erduldeten  Drangsale  und  er- 
klärt sich  durch  dessen  Angaben  über  die  Gefangennahme  seines  Boten 

für  seine  Person  für  befriedigt.^) 

Coopassio  alicnjos  cum  excusatioDe. 

Venerabili  in  Christo  fratri  etc.  Qaod  quantis  agitemini 
incommodis  et  perplexitatibus  ^)  involvamini,  expHcare  non  possi- 
tis  succinto  sermone,  quodqae  dilacerationem  ecclesie  vestre, 
perdicionem  castroram  et  omnimodam  sabversionem  ipsius  ex- 
pectatis  simul  cum  inminenti  pericalo  vite  vestre,  Dobis  per 
literas  vestras  intimastis.  Ad  hoc  eciam  de  capcione  nuncii 
nostri  *^)  facta  in  Castro  vestro  tarn  ^*)  nos  excusastis  et  eciam 
qualiter  per  juramentum  corporale  super  hoc  ionocenciam  ve- 
stram  ostenderitis,  nobis  per  instrumentum  publicum  insinuare 
curastis.  Nos  igitur  consciencie  vestre  breviter  respondentes 
credimus  firmiter,  quod  instanti  dierum  malicia  multas  perse- 
cuciones  et  incommoda  paciamini  io  rebus  pariter  et  persona; 
super  quibus  vobis  compatimur  affectu  sincero  et  regulam  com- 
paciendi  a  propriis  sumimus  dampnis  et  incommodis,  qui  jam 
perdicionem  municionis  nostre  '*)  in  tali  loco  deplangimus  et 
magis  plangenda  cottidie  formidamus.  Verumtamen  jactantes 
in  dominum  curam  nostram  magis  eligimus  incidere  in  manus 
bominum,  quam  transgredi  per  obedientiam  legem  Dei,  confortati^^) 

1)  compelluniur  decurrentur  (?)  1.    2)  fehlt  in  2.    3)  obediencie  1. 
4)  commendans  2.    5)  euo  2.    6)  feritate  2.    7)  sub  umbra  al.  vestr.  2. 
8)  au«  Clm.  97  f.  108.    9)  Hdschr.  proplex.    10)  Hdschr.  vestri.    11)  sie 
12)  Hdschr.  vestre.     13)  V  Hdschr.  confor**- 


Sitnoiufrltl:  Beilagrn  :u  den  B-filriigen  etc.  273 

ewaoi^elica  veritate  dicente:  Beati  qui  peraecocionem  propter 
jiuticiam  paciaotur.  Super  aüo  vero  articnlo  acire  vos  oupimus, 
t|tiod  uiiptivit»loiii  uarsorla  ooalri  faclam  in  Castro  veatro  tali 
quiintuRi  ta  nobtx  etit  traDsimtiä,  ymmo  amore  veatri  boa»  remilti- 
■Dus  volontale.  8ed  qnia  idem  i:ursor  oicbil  de  Dostris  oegocüs, 
utA  proc#3SQa  domiai  nostri  pape  contra  dommum  Lad(ovicuin) 
dacem  Bafarie  habitos  nobisque  oc  vobis  et  c^teria  noatris 
suffra^Uieia  directOB  ')  tuDtuminado  deferebat,  eipedire  ciediinaH, 
ut  sDper  hoc  veatrU  aput  «amdein  doiuiuum  p&pam  preuav^re 
(leriuulis  et  inuoiuniodiB  Btadostjs.  Nam  apud  enm  TeritBH  tum 
pot«rit  oiÄuH.ari.  Porrn  copium  eoruudem  processunra  libenter 
vobis  dfimo  tninstnisisix^tiius  per  DUDuinm  ooslrum  latorem 
preeMiciarn,  sed  ille  Doluit  ros  assumere  deferendos,  aaserend 
sil>i  w  dwlacione  eoram  per§one  et  irr  , .  .  *)  per icu Iura  lomiiiere; 
pftTuti  auteni  suinua  eorum  copiam  vobia  facere  qDandouumque 
von  aut  aliam   haue  doientis   r«quireiidam.      Datum   etc. 


lü«^  13:H,  Äag.  22.  cf.  ohe«  S.  S64^  Erth.  Friedrich  verhänst 
,  irrlche  bri  ikr  Einnahme  urintr  Burg  TitlmnniHg 
hrtheilirjl  gruienrn,'') 

t  similis  (sc.  deaaDciitcio)  ex  pari«  Metropotilaoi. 
Frt(dericus)  elo.  dileuto*)  in  Christo  etc.  Notum  et')  no- 
tm4niii  est*)  io  taUt  patna  et  Qulla  polest  Iprgiversacioae  u«lari 
qood  comca  -  .  junior  de  tuli  looo ')  et  H.  et  N.  et  multi  eoruni 
cooplices  et  seqnnuea  ioteiideotes  et  iiervieates  domiuo  *)  L(udu- 
Ti»)  doci  Bawai'ie  latiquntn  regi  itoiii(anorum)  castrotu  no^trum 
in  lall  loco  prodicloiialil«r  noctis  tempore  occuparout,  homines 
ibidttD  repertoa  occideodo,  vulnerBodo,  captivaado,  boois  suis 
iMnnibuii  spoliando,  districtum  caätri  ejuadem  et  aüos  uoatros 
diiitnctai  vu-itundo  iacendita,  apaliis  et  rapinis:  Lot  quoque  et 
tautia  malia  noa  ('nalent!  tan  de  bnniü  deriuorum  et  4-uolesiarum 
(|naai  pemoniiruni  srcularium  mutain  seu  exactioaem  reciptunt 
apad  idem  castrum  novain  iodebitain,  gnivem  pat.rie  et  danip« 
oOMni.      Bx   qaibna  omoibua  (.^oostst    ilios   excomaaicationia    et 

9eiiteDtUrum    et    procesauuiu    domiui    pttpe    darissimog 


|04Kfar.  direuU».  'i)  tld»chr.  irr*  lirrvpimtbile?).  3]  Aua  Clin. 
W  (■=!)  und  Ctm.  I«1S  f.  190'  (=  Sl.  t)  l>il.— etc.  fehlin 
0)  nMt  a.  0)  f>-hlt  in  I.  1)  U\\  loc'u  fehlen  in  1.  wo  dano 
*-   -  I  wird:  et  oiinDulli  alii  winini  i*.     r^)  feljlt  >u  3. 


274  Sitzung  der  historischen  Glosse  tMun  7.  Juni  1890, 

laqaeos  ^)  iDcarrisse.  Ad  hoc  0.  et  H.  ^)  et  nonnalli  alii,  qai 
occapacioni  predicti  castri  doo  interfneraDt  ab  ioicio,  postea 
occapatoribas  lUius  sese  soeiamot^)  et  prorampeotee  in  facta 
dampoata  ac  communicantes  in  predictis  criminibas  ^)  in  eosdem 
reatus  easdemqae  *)  penas  et  sententias  inciderant.  Ne  igitar 
Christi  fideles  ^)  eoram  contagione  pestifera  macalentar,  devo- 
cionem  yestram  rnonemas  et  hortamar  vobisqae  sub  pena  ex- 
comanicacionis,  quam  in  siogalos  vestram  ei  inobedientes  faeritis 
ferimus  in  hiis  scriptis,  nee  non  snb  pena  priTacionia  oflTicioram 
et  beoeficiorum  vobis  precipiendo  maDdamoa,  qaateoas  eos  qni 
snperins  sunt '')  ezpressi  nomioatini  omnes  vero  alios  eoram 
complices  et  in  predictis  criminibas  participes  ac  eos  qai  se 
postea  sociavenint  eis  vel  adhac  inantea  sociabant  generaliter 
singalis  diebas  domioicis  et  festivis  palsatis  caopanis  accensis 
et  extinctis  candelis,  qaando  major  aderit  popali  raaltitado,  per 
aliquem  idoneum  et  discretum  presbiterum  pablice  in  ambone 
excomunicatos  deouncietis,  mandantes  eos  ab  omnibas  arcias 
evitari.  Volumus  insuper  vobisqae  sab  penis  memoratis  pre- 
cipimus  ut  qoociens  eoram  qui  dictum  castram  nanc  tenent, 
occupant  aut  in  futurum  tenaerint  quique  se  illis  sociaverint 
veP)  sociabunt  in  posterum  et  cum  eis  maoent  vel  inantea 
maDebunt  aliquem  vel  aliquos  predictam  civitatem  seu^)  oppi* 
dum  OettiDgum  ^^)  intrare  cootigerit  quamdin  ibi  manserit  vel 
manserint  et^^)  post  recessum  ejus  vel  eorum  per  duos  dies  con- 
tinuos  cessetis  et  cessare  ibi  faciatis  generaliter  a  divinis.  '^)  Omnes 
quoque  vestros  parroebianos  ex  parte  nostra  ^^)  moneatis  ne  emendo 
vel  vendendo  aut^^)  aliquid  comunicando  supradictis  hominibus 
ullum  prestent  auxilium,  consilium  vel  favorem;  alioquin  contra- 
venientes  eisdem  penis  et  sententiis  percellemus.  Dat.  etc. 
anno  etc. "). 

Nr.  4.    (Nach  1324.  Aug.  22).     Erzb.  Friedrich  ermahnt  einige  seiner 

Untergebenen  in  der   VoHziehumj  seiner  Befehle,  speziell  des  ww  ihm 

verhängten  Bannes  (cf,  No.  3)  nicht  lässig  zu  sein.  ^^J 

Admonicio^'')  contra^'')  negligentes  publicare  sentenciam  me- 
tropolitani. 


1)  fehlt  in  1.  2)  0.  und  U.  fehlen  in  1.  3)  sorciarunt  3.  4)  criminoaiH 
noch  zuprenetzt  in  1.  5)  que  fehlt  in  3.  6)  fidelium  3.  7)  fehlt  in  3. 
8)  et  1.  9)  vel  1.  10)  tale  1.  11)  fehlt  in  1.  12)  in  1  adminisV 
18)  vestra?  3.  14)  vel  1.  15)  anno  etc.  fehlen  in  3.  16)  aus  Clm. 
14313   f.   191   (=  8)    und    1726  f.  68  (=  1).     17)  fehlt  in  1. 


Simmitfeld:  Btäagtn  2a  den  Bfiträfien  e 


27.1 


Prid(ericiiB)  etc.  DilectJs  *)  in  Christo  etc. ')  Ad  noatrAm 
d«latiiiD  Bfl  uDilieDtiam  quod  vos  In  deDunciacioae  seDteDtlarnm, 
qoM  occnpstorea  caatri  noatri  in  Titimaog')  neo  non  faatores. 
A^jotOFM  «omni  ac  Buccedeiiteä  eis  in  vicium  declaravinrns  in- 
cmriss«*).  deeidra  faeritia  et  remiasi  et  cesäacionem  a  divinis 
nOD  eo  modo  serTaveritis,  quo ")  vobia  in  Doulrie  littens  memi- 
aimuB  injnnxisse. *}  Quoeirca*)  devociooem  vestram  monemus 
rei]UtrituDs  liortHinnr  attunte,  qnateuus  DeKligeociam  et  deeidiam 
Bi  qanm  coramiaiatia  in  liac  parte  digoa  solticitudine  et  dtü- 
geoci»  emeodetje,  scieotes  qnod,  si  mandatoram  oostroniiu  reperti 
fueritis  tranggressores,  penas  in  predictis  DOstris  llteris  cont^nta^ 
vel  iorallihiliter  infligerauft  ad  °)  hoc  prwibus  vortris  favora- 
annaeotes. 


fXMk  J334.  Aug.  lo.  ef.  obea   8.  252J    Eftb.   Friedneh  bf 
tinm  Suffragnnbiichof  an  «einer  Statt  timuschreilfn  gegen 
■llhäler.  die  gieh  an  Mifchtf  Ronrnd  von  Frehing  und  einigen 
»einer  Ofixtlichen  thätlith  vergriffen.  *) 


Oommissio  facta  per   metropolitsnain  super  iDSUltii  contra 

m  babito"). 
i>Venerahili  in  Christo  fratri   Pri(dericus)  etc.     Ad  noah-am 
noticiam  qnod  nobilis    vir    comes  .  .  de  tali  *)  loco  cbdi 

COmplicibuN  vfinerabili  in  Christo  fratri  domioo*)  Ch(uoD- 
rsido}  episcopo  FriaiD|(eDsi  violentum  et'*')  hosUlem  feuil  in- 
variom,  vulnerando  ipsatn  lo  persona  propriu  "}  et  nonaallos 
de  ejus  familia  Oüoidendu  et  aliqaus  tum  clericos  qnam  lajcos 
TulDeranilo  (.-l  capiendo,  ioter  quos  discretoni  virum  U.  "')  de 
tolt ')  locü  canonicam  talis  *)  loci  et  prepositum  talia  loci  nostri 
djoumis  adliac  teoet  suis  carceribos  iDaadpatum  nee  illam 
mit  liberum  dimitter^  nee  escredere,  ut  audivimus,  nllo '*)  modo. 
Veram  qnia  eicessum  tain  enoimem  io  lesiooem  et  dispendium 
dericoUs**)  eruiupoi'alJs '*)  pariLer  et  bonoria  non  decet  dos 
GOBiiiventibua  ocuüh  pertranaire  vosqae ")  in  vicioo  plei 
futi    bajUMiiiodi    et    de    ejus   circumstaaciiä  quam    nos    in 


IJ  Tehlt  in  1.  3)  Milt  iu  U.  3)  q~<que)  1  (st.  qu«m?l  1)  xtiLlt 
l^uocin»  —  rcijuirimuH  in  9  nur:  niaDdamii«.  5)  ad  — annuentea  fehlen 
in  1.  61  aa«  Clin-  1726  l  Ol'  (=  1)  und  Clm  U313  f.  191'  {=  »). 
7)  hab.  c  ».  I.  6)  t.  l.  fehlen  in  l.  9)  fmti-i  ..  epiacopo  de  ' 
10)  fohlt  in  1.  II)  pro.p  8.  lai  quoqiio  3,  "•>  ..i"-'..-!-- <  1. 
]  andiMitlirJ]  nruninitatiiiy     in)  vobi.'ijUf  3 


13)  L-1cncale9l. 


IAH 


d 


276 


Sittung  der  historUche»  Clfuse  c 


ginquo  naticiam  potertis ')  habere,  diacretioni  vestre,  de  qaa 
fidnciam  gerimas  Bpecialem,  in  bac  parte  committimuB  vtces 
□ostras,  mandantes  quatenos  pro  eicessu  snpradicto  contra  ipsos 
eicedentea  uec  non  cootra  districtns  lerras  homines  et  boau 
illoram  secandum  tradicionem  tau  jaris  communiB  qaara  pro- 
Tinciatium  statutoTum  procedatis,  sii:at  fuerit  procedendnin,  maa- 
daotes  abbatibas  prepositis  archidiaconia  decaaiB^)  plebanis  et 
aliis  ecciesiarum  rectoribus  nostre  dyoceäis  nt  procetisiis  veslros 
diligeoter  observent  et  et.iain  eiequantur,  eoatradictoi'es  et  re- 
belies anctorilate  oostra  per  ceDsuram  ecclesiaaticain  compes- 
ceodo.  Nos  quo(|ae^)  Msdem  prouessos  rite  babitoa  ralos  hftbe- 
biinau  et  facieiiiDs  auclore  domino  inviolabiliter  observari.  Dat.. 
etc.   aDDO*)  etc. 

Na.  e.   fi,  (.  et  (1.  ef.  oben  S.  353).    Enh,  IViedrieh  vertpendet  «icA  bei 

Papst  Johann  XXII.  für  eitmn  leiner  SiiffraganbinäiUft  (f),  der  «it 

treuer  Anhätger  des  Pap»te»  gegen  hud%üig  den  £ai«rn  tti.  •) 

Litera    anpplicacionis    ad    papam^]    pro   epUcopo  obpresao. 

Sanctissimo  etc.  Ad  decus  et  devociooem  saactitutis  vestre 
perlinere  diooädtur,  ut  ioter  ceteros  prelatos  illos  siagularis  ^) 
fiivoris  gratia  pi'oäcqu amini,  qaos  iomediate  subjectioats  TObis 
jaogit  viDcalura  qaibusve  statua')  sui  caraslia  tribaere  digoi- 
tatem.  Sane  veaerabilis  io  Cbri^to  pater  dominaä  .  .  eptscopoB 
talis,  qui  ex  provisione  vestra  kalbedram  episcopalem  accepil 
Tobisque  inmediateaubjectus  existit.  *)  servando  vobis  et  eccie«ie 
Romane  üdem  devociooem  et  obedientiani  debita^  et  oonstanler'") 
tencDdo  contra  se  tyrannidem  Ladovici")  dutia  Uavarie,  bell&odo 
ecJam  contra  cetero^  eccle.iic  sae  oppretioreg,  diversM  patitur 
moleatias,  angustiaa  et  pre^auraa  nee  biis  frangitur.  sed  fervore 
spirituä  sublimiora  conBcendeos.  forcior  reddilnr  et  sie  colompiiB 
inmobilia  perseverat.  Hie  eciam  et  dam  gentes  dicti  Ladovici 
nnper  t«rram  meam  inlrare  et  hoatiliter  devaatare  volaisseot, 
auxilium  milicie  super  prompta  devocione  michi  eibibuit,  sie 
quod  ope  803  illa  vice  cohibai  introituui  uarundem.  Quapropter 
sanotitati  vestre  supplico  revereater,  quatenua  dicLam  episcopura 
sieot  dt^votum  fliiuni    et    aicut    ereaturam    et    plaotulBm  maDu» 

1)  poteHti«  3.  2)  et  dec.  1.  3)  noaque  1.  1)  anno  et*',  feblen  inl. 
6)  aoa  Clm.  17'J0  f.  US  (=  1)  und  Clin.  97  t  110'  (^  2).  6)  Ilem 
(iic.  Petitionen)  ■uppliratorie  ad  dominum  papam  'i.  7)  illiaainjfutia  3. 
S)  luibut  vMtatui  %;  qnibua  TetniUitiB  nui  circa  »uat  trib.  di^o.  1! 
Q|  extitit  1-  101  conatantOH  1.  II)  L.  qui  et  «ai  cum  nupi'r  1  mit 
Aanlasiiiinf;  de«  ga.tiz«n   Pu^eua  diici*  Buv.  —   Lndovici. 


Simomftld:  Beilagm  ju  den  Beiträtien  elc.  277 

Teelredignemiai  confovere,  protegere  et  taeri  et  habere  la  Om- 
nibus suis  necessitatibns  gratioaias  oommendatam.  Datam  etc. 
uioo  etc. ') 

Nr.  7.     ( Vor  1334    Okt.  12  ef.  oben  S.  349.)     MrtU.   Friedrich  ordnet 

die  Ausführung  eines  päpgttichtn  Befehles  über  Gefangennahme  ttpeirr 

gen,    Fälscher   päpstlicher  Schreiben  an.') 

Comniissio   ut   bullarum    domiai    pape  deteatorea^)  detene- 
antur  (?) ') 

Friderlcas  etc.  dilectis  in  Obristo  etc.  Literas  nostras 
patentes*)  vobia  cum  presenübaä  a^si^Dandas,  habentes  tcDorem 
mjuidati  apoatolici  de  verbo  ad  verbum  infrasoriptum:  Viris 
pmdeDtibos  et  diecretis  de  .  .  et  .  .  de  ,  ,  magistro  civium  et  coa- 
salibas  civitatis  Rat(iBpDaeDais)  direxiinua,  eos  aactoritate  dicti 
mandatl  apoatolici  moneotes  et  hortantea  attente,  nee  non 
sub  cert»  pena  precipieutes  eisdeio,  quod  Jo(bannein)  qaon- 
dam  abbateni  mooasteni  Baocti . .  aput  Scotos  Bat.  ordiois 
Baocli .  ,  et  f.  qaocdam  priurem  sancti  ?etri  extra  maros  Rat. 
ejnsdem  ordinis,  qoi  ab  elsdem  moaasterio  et  prioratti  per  Ben- 
tentiam  amoti^)  pretestn  falsarum  at  dicitar  literairum  sub 
nomine  domiai  DO^tri  pape  fabricatarani  se  violenter  intru^erunt^} 
ad  ista,  capiant  et  captos  yoaerabili  in  Cbriato  fratri  Dostro 
domioo  , .  eptäcopo  Kat.  asäigoent,  eidera  prestent  aasiliam,  cod- 
siliam  et  favorem,  ut  sab  fida")  custodia  illos  cobis  preaentent, 
Doslro  secuodum  tenorem  mandati  Hpostolici  carceri  includendos ; 
literas  qaoqae  ut  dicitur  falttas,  quiboii  prefati  Jo(haDDes)  et 
I'.  aai  fneritit,  si  quas  babuerint  vel  habere  poterict  clausaa  nobis 
«ab  sigillis'')  civitatis  Rat.  ne  illis  quicquam  iumatari  valeat 
desUnare^)  procurent.  Quocirca")  devocioaem  yestram  moaeraufl. 
reijuirlmas  atteote  et  nicbilomiaas  in  virtute  obedieotie  sub 
pen«  excomaaicatiouis  quam  exnaoc  in  hiis  scriptis  in  vos  Terimas, 
!>i  nuiudati  nostri  ymo  verius  apostoüci  contemptores  extiteritis, 
precipiendo  mandamus  qnalenus  nmnes  vel  duo  vel  unns  veatrum, 
pront  reqaisiti  Fueritis,  dictas  literas  nostras  prefatos  magistro 
civium  et  consulibus  civitatis  Rat.  presentetis  et  super  hiis 
responsionem  eoram  requiratis  et  quod  in  premissia  feceritia  et 
qBftUter   predictJ    magistri   et   ooasules   in    ezecacione   mandatl 


1)  anoD  «tc.  fehlen  in  1.  2)  ausCltn.  1726  f.  70.  3)  uDdeiii.licIi. 
4)  Bdachr  pet«at«K.  &)  lldschr.  amotu.  6)  HdscJir.  sida.  7)  Hdachr. 
■igilla«.    H)  llducbr.  k-dtinare.    9)  Hdschr.  quac^ircu. 

18M.  rhilMk-pbOoL  u.  hiBl.  Cl.  II.  1.  ly 


278  Sitzung  der  historischen  ClcLsse  vom  7,  Juni  1890. 

nostri  ymo  verins  apostolici  se  habuerint  nobis  per  vestras 
patentes  literas  fideliter  intimare  caretis,  ut  hec  eciam  possu- 
mas  sedi  apostolice  intimare.  Ad  hec  eciam  yobis  committimus 
sub  pena  prefata  firmiter  et  mandamos  quatenus  memoratum 
dominum  . .  episcopam  Rat.  citetis,  ut  per  se  vel  per  procn- 
ratorem  jdoneum  coram  nobis  feria  tertia^)  etc.,  quem  terminum 
sibi  peremptorie  assignamus,  in  tali  loco  compareat,  processus 
omnes  quos  contra  dictos  Jo.  et  P.  super  preraissis  babuisse 
dicitur  exhibiturus  coram  nobis,  et  similiter  quod  in  hoc^)  feceritis 
per  literas    vestras    nobis   fideliter   intimare  curetis.     Dat.  etc. 

Nr,  8.  (Vor  1325,  Sept,  1  cf.  oben  S,  255,)    Erzb,  Friedridi  ersucht  den 
Pajtst  Johann  XXII.  einige  frühere,  nun  reumüthige  Anhänger  Lud- 
wigs des   Baiern  vom  Banne  lösen  zu  dürfen.^) 

Alia  pro  absolutiooe  excomunicacionis  irapetranda.^j 
Significo  sanctitati  vestre,  quod  nobilis  vir .  .  de  tali  loco  ^) 
miles  mee  djocesis,  qui  longo  tempore  ..  duci  Bavarie,  dum^j 
adhuc  fungeretur  regio  nomine  et  eciam  postea,  adbesit  eiqae 
prestitit  auxilium  consilium "')  et  favorem,  nunc  ad  cor  reversus 
abjurata  adhesione  illius  ab  eo  recedere  et  redire  ad  sinum 
sancte  matris  ecclesie  est  paratus.  Ut  igitur  exemplo  illius  ad- 
hesione prefati  ducis  eciam  alii  milites  retrabantur,  supplico 
humiliter  et  devote  quatenus,  ut  ilJum  auctoritate  vestra  a  sen- 
tentiis  vestris  absolvere  valeam,  dignemini  iodulgere.  Item 
supplico  quatenus  absolvendi  .  .  canonicum  talis  ecclesie  **)  et 
cum  eo  dispensandi  super  irregularitate  et  inbabilitate,  quas 
incidit  ex  eo  quod  in  civitate  tali  que  adheret  prefato  .  .  duci 
Bavarie  et  in  qua  interdictum ,  cui  ex  processibus  vetris  sub- 
jacet,  minime  observatur,  cum  ceteris  suis  concanonicis  divina 
oflTicia  celebravit  in  suo  ordine  ministraodo,  ipsi  autem  duci 
nullum  prestitit  auxilium  consilium"^)  vel  favorem,  de  gratia  speciali 
michi  concedere  dignemini    facultatem.     Datum®)  etc.  anno  etc. 

Ar. />.  (lS:i7  Fviir.'i  cf.ohen  S.iini.)     Ki'zh.  Friedrich  rrkh'irt,  dass  die 

v(m  aeinen   l^ nt ergehr ucn  ilnn  grlrishtr  .,Srh(it::st(tier"  eine  freiwillige 

getrcsfn  sei  und  für  dir  Zukunft   uirhf  prurjudiriHich  sein  s(dle. 

llecognicio^^)   de  subsidio    sive  steura    indebite    soluta    ex 
amore  et  amicicia  non   ex  debito    non  ä  te.  ^*) 

1)  undeutlich:  fra.  iTl.  2)  Hd.schr.  hec.  3)  Aus  Ulm.  1726  f.  112 
(-  1)  und  01m.  97  f.  111'  (=  2).  4)  fehlt  in  2.  5)  tali  loco  fehlen  in  2. 
6)  cum  2.      7)  con».  aux.  2     8)  talem  1.     9)  Datum  etc.  fehlen  in  1. 

10)  aus  Clm.  1726  f.  117.  11)  undeutlich:  Re<Iögacö.  12)  die  drei 
letzten  Worte  undeutlich. 


Simons feld:  Beilagen  zu  den  Beiträgen  etc.  279 

Nos  Fri(derica8)  etc.  Coafitemar  et  constare  cnpimns 
universis  present^  literas  inspecturis,  ^)  quod,  cam  ad  reca- 
perationem  et  redempcionem  castri  ecclesie  nostre  in . .  quo  per 
LQd(ovicam)  regem  Babarum  spoliati  fueramus,  nostre  non 
sufficerent  facaltates,  sed  commani  nostrorum  in  hac  parte  in- 
digeremus  sabsidio  subjectorum ,  dilectus  in  Christo  .  .  prepo- 
situs  talis,  licet  non  baberemus  jus  hoc  exigendi,  tarnen  ob 
selom  devocionis  et  fidei  que  ad  nos  et  dictam  nostram  gerebat 
ecclesiam  sponte  admisit  et  liberaliter,  quod  homines  et  coloni 
ecclesie  sue  in  nostris  terris  et  territoriis  constituti^)  in  con- 
tribncione  que  vulgariter  vocatur  Scbaczstewer  nobis  in  sub- 
sidione  recuperacionis  seu  redempcionis  dicti  castri  prestiterant  ^) 
quilibet  secundum  suarum  exigenciam  facultatum,  ita  tarnen 
taliter  quod  hujusmodi  admissio  spontanea  et  liberata^)  con- 
cessio  sibi  et  ecclesie  sue  in  hominibus  suis  in  posterum  pre- 
jadicare  non  debeat  nobisque  et  successoribus  nostris  exinde  jus 
exigendi  contribncioni  ^)  vel  exactioni  hujusmodi  minime  atoratur^) 
nosque  ab  hiis  promittimus  fideliter  de  cetero  abstinere.  In 
cujus  rei  etc. 

Nr,  10,  (cf.  oben  S.  238.)  Alia  forma  (vorher  Inspectio  cujuadam  instru- 
menii  publici)  quando  exemplatur  aliqtwd  in^trumentum  seu  littera 
cum  auetoritate   et  decreto  auditoris  camer e   domini  pape.   Ruhrica.*) 

In  nomine  domini  amen  . .  Nos  P.  decretorum  doctor,  cau- 
samm  curie  camere  domini  pape  generalis  auditor,  presenti 
publico  transcripto  noium  facimus  universis  ipsius  seriem  in- 
specturis,  quod  accedens  ad  personam  nostram  . .  executor  una 
cum  .  .  et . .  testamenti  seu  ultime  voluntatis  ostendit  et  produxit 
coram  nobis  pro  tribunali  sedentibus  ad  jura  reddendum  quedam 
publica  instrumenta  non  abolita  nee  cancellata  nee  lesa  in 
aliqaa  parte  sui  sed  cum  ^)  suspicione  carentia,  quorum  tenores 
ioferios  describentur ,  pet'ens  instanter  ipsa  transcribi  et  in 
pnblicam  formam  reddigi  nostra  auctoritate  ordinaria  et  decreto 
pro  sui  et  omnium  aliorum  quorum  interest  vel  interesse  posset 
fntura  memoria  et  cautella.  Cui  peticioni  utpote  rationabili 
annuentes  ipsorum  instrumentorum  tenores  per  subscriptum 
notarium  fecimus  presentibus  inseri  et  transcribi  et  in  publicam 
formam    reddigi.      Cui  quidem    transcripto  hujusmodi  deinceps 


1)  Hdschr.  inscriptaris.    2)  undeutlich.    3)  sie!    4)  Auä  Clm.  14313 
f.  111.    6)  sUtt  omni? 

19* 


280     ^     Sitzung  der  historischen  Glosse  fX)m  7,  Juni  1890, 

plenaria  fides  adbibeatur  per  omnia  in  juditio  et  extra,  sicat 
et  predicüs  originalibas  instrumentis  quoram  hü  exietuDt  tenores: 
In  nomine  domini  etc.  Acta  sant  hec  per  nos  auditorem  domini 
camerarii  sapradictnm  Carpentorati  in  hospitio  nostro  ad  in- 
stantiam  et  requisitionem  prefati  domini  executoris  sab  anno 
etc .  .presentibas  et . .  not.  apostolicis  ad  boc  Tocatis  specialitet 
et  rogatis,  et  nichilominus  ad  pleniorem  certitndinem  omninm 
predictoram  presens  transcriptum  publicum  de  mandato  nostro 
confectum  sigillo  prefati  domini  camerarii  domini  pape  quo 
utimur  jussimus  comuniri.  Et  ego  .  .  not.  sufrascriptomm  in- 
strumentoram  tenores,  prout  in  ipsorum  originalibus  inveni 
vidi  et  legi,  ita  bic  de  mandato,  auctoritate  et  decreto  prefati 
domini  auditoris  et  rogatus  a  prefato  domino  episcopo  executore 
transcripsi  fideliter  et  diligeoti  collacione  facta  cum  magistro  . . 
infrascripto  notario  carie  prefati  domini  auditoris  in  publicam 
formam  reddegi  meumque  Signum  apposui  consuetum. 

Nr.  11.    Protestacio  ad  ostium  pape.  M 

In  nomine  domini  amen  etc.  Religiosus  vir  frater  .  .  pro- 
curator  et  institutor  ac  nuncius  specialis  venerabilis  viri  fratris 
J.  electi  etc.  et  not  (arius)  R.  de  .  .  procurator  religiosorum 
virorum  fratium  .  .  et .  .  monachorum  ejusdem  monasterii  etc. 
nee  Don  dicti  fratris  J.  electi  in  abbatem  ipsius  monasterii 
procur(atorio)  nomine  pro  eis  ac  nomine  et  vice  dicti  fratris 
J.  et  pro  eo  conbtituti  apud  .  .  locura  ante  hostium  caraere,  ubi 
dictus  summus  pontifex  moiabatur,  in  personam  ejusdem  domini 
pape  ostiarii,  qul  tunc  dictum  bostium  custodiebat,  per  quod 
ad  ipsum  papam  comuniter  iotrabatur,  procuratorio  nomine  quo 
supra  ac  nomiue  et  vice  dicti  fratris  J.  electi  eundem  .  .  ostiarium 
cum  instanter  requisiveriot  sibi  humiliter  inplorando,  ut  eos 
prefatum  intrare  permitterent  ^)  ut  deinde  possint  accedere  ante 
presentiam  domini  pape  predicti  ad  proponendum  coram  eodem 
domino  papu  justum  impedimentum«  per  quod  ipse  electus  ad 
sedem  apostolicam  personaliter  venire  non  potuit  neque  potest 
et  ad  petendum  obtineudam  confirmationem  electionis  facte  de 
domino  fratre  J.  electo  in  abbatem  dicti  monasterii  secundum 
constitutionem  Capientes  et  quamlibet  aliam  constitutionem  et 
ad  prosequendum  coram  eodem  papa  electionem  de  ipso  fratre 
J.  factam  secundum  quod  jura  requirunt   et    sicut  alias  deinde 


1)  Aus  Clm.  14818  f.  170.  2)  sie! 


SimutiKffId :   Beilugm  :u  ilm   Di-itTögtn  tte.  281 

fieri  poteet  vel  at  ab  eodem  doiuino  papa  pMsint  inpe- 
trara  Tot  obt.ioere  alkiaem  Buditorem,  eorani  quo  poseent  pro- 
»e<jai  et  Gairi ')  hujnemodi  electioniä  aegocium,  i|ui  paral.i  eraot 
priueqat  cum  elTectn.  Quibus  idem  oatiarias  re«pondil  et  dixit 
(|aod  noa  erat,  tumpus  inti-andi  ad  ipsnm  dominum  papsm  eosqae 
prefalam  ostium  iotrare  Don  permisit,  firmaado  et  claudendo 
ipsoin;  rt  tuoc  dictns  frater  V.  instructor  et  ootarius  B.  pro- 
caralor  DominibDa  qaibua  anpra  ilti^o  dixernnt  et  protestati 
fuernot,  quud  ipsis  et  predictis,  qaorum  iaatruutorea  et  pro- 
ountorea  aaat,  hdd  aarant  temporu  diute  coostltutionU  Capi- 
«0(99  et  cujualibet  niterius  coDStitutioois  super  boc  edite,  com 
par  BOa  non  «tet,  ijnnndo  prefatutii  ostium  iDtrareot  et  pre- 
sentiam  domioi  papo  nccederent  ad  propoDeodum  eoram  «o  justam 
impedimeDtnui,  propter  i|aod  idem  electus  ad  sedem  apostolicam 
personaliter  venire  non  potuit  et  ad  propODendam  L-cram  eo 
bojanmoili  electtonis  negoiiini»,  sicut  requirit  dicta  cotiBtitutio 
Cupientea  et  qn«lil>et  alia  Tel  nt  ab  eodem  domino  papa  posaent 
iBpeüare  vel  obtioere  aaditorem  coram  qno  possent  prosequi 
*t  finire  biijuamodi  elsctioDis  negocium,  quod  parati  erant  pro- 
Mqni  com  effeotu  protestanlea  qnod  cum  tenipus  et  commodi- 
Uten  babneriat  dictam  iDpedimentum  proponeot  et  dintum 
dectionis  neROcium  prosequeutnr  cuai  effeutu.     Actum  etc. 

fZicimihrti  1314,  Apr.  SO  unil  1316.  Jali  T.t  Saper  eodein 
?rott»lalio  ad  ostiuvi  paprj  pro  cteclitHie  arckiepäcopi.^) 
aomine  domini  amen  etc.  Constitoto  venerabili  viro 
8.  de  . .  canonico  Tranenai  (?)  electo  in  archiepiscopam 
BD.  eoule^ie  nna  uum  diacrelia  riris.  .  et . .  canonicis  pre- 
fat«  occIeHiü  Raven.  iostmuloribas  electionis  celebrate  de  ipso 
cIkU)  ad  acclesiani  supradiutam  et  procDr(atoribas)  ad  presen- 
tudatn  negotiam  electionis  ejusdem  io  Ävinione  ante  ostium 
paUni  loci  prudicatorum,  per  quod  intratur  comunlter  anlom  aeu 
eamerua,  in  qua  major  pura  cetus  sancte  Romane  eccleaie  car- 
dinalitim  conaueverat  et  cunsueTit  concistoriDiu  pro  electiono 
riwton  «ummi  pont.ificis  celebrare  post  di^^aolucionem  collegii 
cardiDalium  de  conclari  Bimal  in  civitate  Carpeotatoria  (?)  mo- 
notiam,  diiit  et  asscrait  aut  protestatus  fail  quod  veoerat  ad 
Bomanam  cariam  et  se  presentabat  ac  presentavit  ibidem  cum 
omoibos  actis  jorlbua  et  munimenti»  dictum  elecliooem  tau- 
enttbiLa  ad  prosequendnm  negoctum  dicte  electionis  äe  se  facte 

Inal    3)  An«  Olm.  I4S1S  f    il'f. 


282  Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  7.  Juni  1890. 

ac  peiendom  confirmacionem  electionis  ejosdem  et  sibi  anetoritate 
apostolica  manus  consecrationis  inpendi  et  ad  onuiia  alia  facienda 
gerenda  et  exercenda  juxta  formam  juris,  proat  reqairit  negociam 
electionis  ejusdem.  Verum  cam  Bomana  ecclesia  pastore  vacet 
ad  presens  et  nnllas  sit  a  quo  ipsius  electionis  confirmacionem 
et  munus  consecracionis  petere  possit  nee  ar(iter)  vaieat  dictum 
negociam  proseqai  propter  yacacionem  notoriam  apostoiice  sedis, 
ilico  dixit  et  protestatus  fait  electus  prefatus  quod  nallnm  sibi 
et  electioni  sae  prejudicium  generetur  in  predictis  aat  circa  ea 
ex  vacatione  predicta  aut  excarsn  ipsorum,  cum  paratus  se 
offerat  et  sie  supradicta  faceret  si  posset,  nee  per  eum  stet  qao- 
minas  ipsa  faciat,  ac  faciet  et  facere  intendit  quam  cito  ad  hoc 
offeret  se  facultas  et  Romane  ecclesie  providebitur  de  pastore. 
Prefati  eciam  canonici  (?)  instructores  et  procuratores  ibidem 
presentialiter  existentes  dixerunt  et  protestati  fuerunt,  quia  ipsi 
etiam  yenerant  ad  Romanam  curiam  sufficienter  instructi  cum 
Omnibus  actis  et  juribus  et  manimentis  negocium  electionis 
prefate  contingentibus  ad  petendum  confirmacionem  electionis 
ejusdem  et  instruendum  in  ipso  negoeio  et  alia  omnia  facien- 
dum  ad  que  tenentur  juxta  formam  juris.  Quare  dixerunt  et 
protestati  fuerunt  quod  nullus  eis  aut  cappitulo  seu  ecclesie 
Trauen.^)  prefate  aut  diete  electioni  prejudicium  generetur  in 
predictis  aut  circa  ea  ex  vacatione  predicta  aut  excursu  ipsorum, 
cum  parati  so  offerant  et  fir(me?)  facere  si  possent,  nee  pro 
eo  stet  quominus  faciant,  facient  et  facere  intendant  quam  cito 
ad  hoc  oflFerat  se  facultas  ut^)  prefate  Romane  ecclesie  pro- 
visum  extiterit  de  pastore. 

Nn.  13.    (Nach  1325  Apr.  22.)     Litern   te.'ftimonialis  domini  cjjiscnpi 
siqter  rcnuticiacionv,  primihcneficii  itt  manuii  eiti.'^copi  facta  et  per  eum 

recepta  et  atlmism.^) 

Nos  Frid(ericus)  etc.  confitemur  et  constare  volumus  uni- 
versis  presentes  literas  inspecturis,  quod  cum  nos  disCcreto)  viro 
H.  decano  .  .  utriusque  juris  perito  habenti  tunc  ecclesiam  paro- 
chialem  in  tali  loco  nostre  dyocesis  propter  sue  probitatis  merita 
contulissemus  ecclesiam  parrochialem  talem  ejusdem  nostre  dyo- 
cesis VP  Idus*)  Aprilis  anno  domini  *)  MCCCxxv  idem'')  H. 
cupiens    satisfacere    constitutioni    nove   domini   J(ohannis)    pape 


1)  sie!  atatt  Raven?  2)  st.  et?  oder  ubiV  3)  Aus  Clm.  1726 
f.  101.  (=1)  und  Clm.  14313  f.  17G  (=3);  in  manus  —  admissa  fehlen 
in  3.     4)  Kai.  3.     5)  :mno  tali  1.     6)  ibidem  3. 


Simonsfeld:  Beäagen  zu  den  Beiträgen  etc,  283 

XXn^)  et  evadere  penas  ejus  habita  corporali  possessione 
dicte  ecclesie  Id ')  Maldorf  ^),  ad  nos  tanquam  ad  ordina- 
riam,  ad  quem  etiam  predictarum  ecclesiarnm  collatio  perti- 
nere  diDOBcitur,  personaliter  accessit  et  ecclesiam  predictam 
in  Samheim')  in  manibns  nostris  verbaliier  et  realiter  cam 
effectn  dimisit  et  reDUDciavit  expresse  anno  eodem  X^  kal. 
Maii .  Nos  qnoqne  ^)  dimissionem  et  renaociacionem  illios  re- 
cepimos  et  admisimns  similiter  cam  effectn.  In  onjns  rei  etc. 
Dat.')  eto.  Anno^)  etc. 

No.  14.    Item  cdia  per  procuratorem  ad  idem.  ^) 

Nos  Alb(ertn8?)  etc.  Confiternnr  etc.  Quod  cnm  discretas 
▼ir  magister  Fr]d(ericn8)  doctor  decretorom  et  ecclesie  nostre 
canonicns  assecntns  fuisset  ecclesiam  parrocbialem  in  Pels  Saltze- 
bargensis  dyocesis  et  ex  boc  ecclesia  parrochialis  in  Weiten 
nostre  dyocesis  qnam  prins  teunerat,  yacare  cepisset,  idem 
magister  F.  ^)  volens  satisfacere  et  devote  parere  nove  consti- 
tncioni  domini  J(ohanni8)  pape  XXIV)  et  prndenter  evadere 
peoas  ejns,  transmisit  ad  nos  tanqnam  ad  ordinarinm  ecclesie 
in  Weiten  discretnm  virnm  magistram  H.  Vislariam  ^)  pro- 
caratorem  snum  habentem  plenum  mandatam  renunciandi  in 
manibns  nostris  verbauter  et  realiter  cum  effectn  dimittendi 
prefatam  ecclesiam  in  Weiten,  dictnsqne  magister  H.  procnrator^) 
nomine  ejnsdem  magistri  Frid(erici)  hnjusmodi  rennnciationem 
et  dimissionem  in  manns  nostras  fecit  nosqne  illas  recepimns 
cam  effectn.     In  cnjns  rei  etc.    Datnm^)  etc.  Anno^)  etc. 

Nr.  15.    Procuratorium  ad  premissa.^^) 

Reverendo  in  Christo  patri  etc.  magister  Frid(erica8)  de^) 
Chotwico^  cnm  sni  recomendacione  se^^)  totum.  Cnm  ex  colla- 
tione  reverendi  patris  domini  Frid(erici)  archiepiscopi  Saltz- 
borgensis  apostolice  sedis  legati  ^')  ecclesiam  parrocbialem  in 
Pels  Saltzbnrgensis  dyocesis  sim  assecntns  et  ex  hoc  ecclesia 
parrochialis  in  Weiten  vestre  dyocesis,  qnam  prins  obtinebam, 
yacare  noscatnr,  volens  ergo  nove  constitucioni  domini  J(ohanni8) 
pape  XXII  ^)  satisfacere  et  evadere  penas  ejns,  discretnm  virnm 


1)  XX.  8.  2)  fehlt  1.  3)  st.  in  S.  in  1 :  sine  more  dispendio. 
4)  nosqne  8.  5)  Elbenda^er  wie  Nr.  18;  per  proc.  fehlen  3.  6)  fehlt  3. 
7)  XX  8.  8)  fehlt  1.  9)  procuratorem  1.  10)  Ebendaher  wie  Nr.  13. 
11)  Hdschr.  te.    12)  1.  1;  legatus  3. 


284  SÜJfung  der  MstarMien  Claase  vom  7.  Jum  1890, 

magisimm  H.  Vislarium^)  ecclesie  yestre  Ganonicmn  ad  tos 
tanqnam  ad  ordinarium  dicte  ecclesie  in  Wejten^  transmitto 
eaademque  procaratorem  meam  constitno  dang  sibi  plennm 
mandatum  renonoiandi  in  manns  yestras  yerbaliter  et  realiter 
et  cum  effecta  dimittendi  pro  me  et  nomine  meo  ecclesiam 
eandem  in  Wejten  ^)  et')  literas  testimoniales  enper  hoc  petendi 
et  reoipiendi  com  generali  hajosmodi  facta  adminietratione  et 
omnia  et  8in(gala)  faciendi  que  circa  hoc  fnerint  optimal  etiam 
si  mandatum  ezigant  speciale,  ratnm  et  gratnm  habiturns  qoic- 
quid  per  enm  factum  fuerit  in  premiseie.  In  cujus  rei  etc. 
Datum*)  etc.   Anno*)   etc. 


1)  fehlt  1.   2)  Weiten  8.   8)  et  —  administr.  fehlt  3.    4)  fehlt  1. 

Zum  SchluBs  bemerke  ich,  dass  die  Abkürzungszeichen   leider 
teilweise  nur  ungenau  wiedergegeben  werden  konnten. 


285 


Herr  Ferd.  Gregorovius  hielt  einen  Vortrag: 

, Briefe  aus  der  «Gorrispondenza  Acciajoli*   in 
der  Laurenziana  zu  Florenz/ 

Unter  den  alten  berühmten  Geschlechtern  der  floren- 
tinischen  Republik  sind  zwei  zu  geschichtlicher  Grosse  empor- 
gekommen: die  Medici  und  die  Acciajoli.  Jene  nahmen  in 
der  glänzendsten  Zeit  der  Renaissance  zweimal  den  päpst- 
lichen Tron  ein,  prägten  der  Cultur  ihres  Zeitalters  ihren 
eigenen  Namen  auf,  zerstörten  die  Freiheit  ihrer  Vaterstadt, 
und  wurden  Grossherzoge  Toscanas.  Den  Acciajoli  fiel  kein 
so  erstaunliches  Lod  zu,  aber  eine  seltsame  Verkettung  per- 
sonlicher und  allgemeiner  Verhältnisse  bewirkte  es,  dass  ein 
Zweig  ihres  Hauses  sich  in  Griechenland  unsterblich  machte. 
Denn  dreiundsiebzig  Jahre  lang  sassen  Acciajoli  auf  dem 
Herzogstnle  Athens,  bis  Hellas  in  die  türkische  Knecht- 
schaft fiel. 

Beide  florentiner  Häuser  wurden  in  derselben  Zeit  nam- 
haft; beide  gehörten  dem  Stande  der  Popolanen  an,  und 
stiegen  aus  ihm  zu  den  höchsten  Ehren  in  der  Republik  empor. 

Ihr  durch  Bank-  und  Handelsgeschäfte  erworbener  Reich- 
tum war  die  Grundlage  ihrer  Macht.  Der  dunkle  Ursprung 
der  einen  wie  der  andern  Familie  lässt  sich  nicht  über  das 
zwölfte  Jahrhundert  hinaus  verfolgen. 


286  Siteung  der  historischen  Classe  vom  7.  Juni  1890, 

Die  Medici  sollen  aus  der  Provinz  MugeUo  nach  Florenz 
gekommen  sein,  wahrend  die  Familieutradition  der  Acciajoli 
das  Haus  dieser  von  Gugliarello,  einem  Guelfen  Brescia's, 
ableitet,  welcher  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  in  Florenz 
einwanderte  und  hier  eine  Stalfabrik  gründete.  Am  Ende 
des  dreizehnten  besassen  die  Acciajoli  bereits  ein  lebhaftes 
Bankgeschäft,  und  sie  bekleideten  angesehene  Aemter  in  der 
florentiner  Magistratur. 

Als  die  Medici  noch  klein  und  ohne  besondem  Ein- 
fluss  im  Staate  waren,  beherrschten  jene  schon  einen  Teil 
des  europäischen  Geldmarkts.  Sie  würden  das  Emporkommen 
der  Medici  in  Florenz  entweder  unmöglich  gemacht,  oder 
doch  mit  ihnen  um  die  höchste  Gewalt  gerungen  haben, 
wenn  sie  nicht  ihre  erst  bankgeschäftlichen,  dann  persön- 
lichen, sehr  engen  Verbindungen  mit  dem  Eönigshause  Anjou 
dem  heimischen  Boden  zum  Teil  entrückt  und  nach  Neapel 
und  Griechenland  verpflanzt  hätten. 

Neben  den  zahlreichen  Familien  Italiens  aus  Venedig 
und  Genua,  aus  Verona,  Bologna,  Benevent  und  anderen 
Städten,  neben  den  Sanudo,  Giustinian,  Zaccaria,  Tocco, 
Ghisi,  Gozzadini,  Crispi,  Carceri  u.  s.  w.,  die  in  der  fränk- 
isclien  Levante  Länder  erwarben  und  Dynastien  gründeten, 
sind  die  Acciajoli  das  einzige  florentinissche  Haus  gewesen, 
welches  in  Griechenland  zur  Herrschaft  kam.  Sie  erwarben 
viele  Lehngüter  im  westlichen  Peloponnes,  sie  erlangten  die 
Castellanie  Korinth.  und  sie  wurden  endlich  Herzoge  Athens. 

Gründer  der  Grosse  dieses  Hauses  war  ein  genialer  Mann, 
Niccolo  Acciajoli,  erst  einfacher  Bankhalter,  dann  Familiär 
des  Königs  Kobert  von  Neapel,  Günstling  der  Titularkaiserin 
von  Byzanz,  Katharina  von  Valois  (f  184(»).  Vormund  ihrer 
Söhne,  Beschützer  der  Königin  Johanna  und  ihres  Gemals 
Louis  von  Tarent,  zum  Lohn  seiner  den  Anjou  geleisteten 
Dienste  Grossseneschall  des  Königreichs  Sicilien,  Graf  von 
Melfi  und  Malta,  Castellan  von  Korinth,  einer  der  mächtigsten 


Oregoravius:  Briefe  aus  der  Corrispondenea  Äcciajoli.      287 

und  thatkraftigsten  Staatsmänner  seiner  Epoche,  wo  er  Zeit- 
genosse des  Petrarca  und  Boccaccio,  des  Tribuns  Ck)]a  di 
RJenzo ,   des  Gardinais  Gil  d' Albomoz  und  des  Giotto  war.  ^) 

'  Niccolo  Äcciajoli  starb  zu  Neapel  am  8.  November  1365, 
erst  55  Jahre  alt.  In  der  von  ihm  aus  seinen  griechischen 
Renten  gestifteten  prachtvollen  Gertosa  bei  Florenz  liegt  er 
unter  einem  Marmordenkmal  bestattet. 

Nicht  die  directen  Nachkommen  dieses  merkwürdigen 
Mannes,  sondern  Verwandte  von  einem  Nebenzweige  des 
Hauses  gelangten  zu  fürstlicher  Stellung  in  Griechenland. 
Denn  jene  blieben  als  Kronvasallen  der  Anjou  in  Neapel 
und  erloschen  schon  im  Jahre  1420  mit  dem  Grossseneschall 
Robert,  einem  Enkel  Niccolo's,  während  dieses  Niccolo  Neffe 
und  Adoptivsohn  Rainerio  im  Jahre  1385  von  Korinth  aus 
Athen  den  Gatalanen  entriss,  und  hier  eine  herzogliche  Dy- 
nastie gründete.  Rainerio  (Nerio  I),  der  erste  Herzog  Athens 
vom  Hause  der  Äcciajoli,  war  ein  Sohn  des  Jacopo  und  der 
Bartolomea  Ricasoli  aus  Florenz.  Bis  zum  Jahre  1458,  wo 
die  Akropolis  sich  den  Türken  ergab,  herrschten  die  Äccia- 
joli in  Athen. 

Die  Finanzgeschäfte  der  Bank  Äcciajoli,  und  die  Ver- 
flechtung der  Schicksale  des  Hauses  des  Grossseneschalls  mit 
denen  der  Anjou  als  Fürsten  Achaja's  hatten  demnach  einige 
Zweige  der  Familie  nach  Griechenland  verpflanzt,  aber  andere 
waren  in  Florenz  geblieben,  wo  sie,  noch  ehe  sich  die  Me- 
dici  zu  Tyrannen  der  Republik  auf  warfen,  das  höchste  An- 
sehen genossen,  und  sieh  mit  den  namhaftesten  Geschlechtem 
der  Stadt  verschwägerten. 

Als  Bischof  von  Florenz  machte  sich  ein  Vetter  des 
Grossseneschalls  Niccolo  berühmt,  nämlich  Angelo  Äcciajoli, 
welcher  dem  Titularherzoge  und  Prätendenten  Athens,  Walter 
von  Brienne,  erst  zur  Gewalt  in  Florenz  verholfen,  und  ihn 


1)  Oesch.  der  Stadt  Athen  im  Mittelalter  II,  li8. 


288  Skeung  der  historischen  Glosse  vom  7.  Juni  1690, 

dann  mit  anderen  Verschworenen  wieder  gestürzt  hatte.  Ein 
zweiter  Angelo,  ein  Bruder  Nerio^s,  des  ersten  Herzogs  von 
Athen,  war  ebenfalls  Bischof  von  Florenz.  Der  Papst 
Urban  VI.,  dessen  Sache  er  eifrig  verteidigte,  machte .  ihn 
zum  Cardinal  von  S.  Lorenzo  in  Damaso.  Nach  dem  Tode 
Urban ^s  im  Jahre  1389  war  Angelo  Acciajoli  nahe  daran, 
aus  dem  Conclave  als  Papst  hervorzukommen.  Sein  glück- 
licher Nebenbuler  Bonifacius  IX.  ernannte  ihn  zum  Cardinal- 
bischof  von  Ostia  und  Velletri.  Am  11.  Aug.  1390  krönte 
Angelo  Acciajoli  als  päpstlicher  Legat  den  König  Ladislaus 
in  Gaeta.  Er  war  einer  der  einflussreichsten  und  auch 
gebildetsten  Cardinäle  in  seiner  furchtbaren  Zeit.  Er  starb 
als  Decan  des  heil.  Collegiums  und  Kanzler  der  Kirche  im 
Jahre  1407  in  Pisa.  Man  sieht  noch  in  der  Certosa  bei 
Florenz  in  der  Gruftkapelle  der  Acciajoli  sein  Grabmal  neben 
dem  seines  Bruders,  des  Ritters  Donato. 

Die  Acciajoli  sahen  indess  die  Medici  in  Florenz  gross 
werden.  Von  ihnen  verdunkelt,  vertrugen  sie  sich  mit  deren 
Glück,  und  sie  hielten  ihre  Partei,  ohne  sich  durch  den  Ruhm 
ihres  alten  Hauses  7X\  ehrgeizigen  Bestrebungen  verleiten  zu 
lassen.  Ihre  höchst  fruchtbare  Familie  war  zahlreicher  an 
Mitgliedern  als  die  der  Medici.  Zwar  nicht  Päpste,  noch 
Fürsten  gingen  aus  ihr  hervor,  aber  sie  stellte  noch  immer 
eine  Reihe  von  bedeutenden  Staatsmännern,  von  Cardinälen 
und  Bischöfen  auf  und  brachte  auch  in  der  Wissenschuft 
ausgezeichnete  Männer  hervor.  Donato  Acciajoli  (f  1478), 
Schüler  des  Argyropulos,  glänzte  als  Hellenist  und  Staats- 
mann der  florentiner  Republik.  Zanobio  Acciajoli  war  der 
gelehrte  Bibliothekar  Leo's  X.  Medici,  und  starb  als  solcher 
zu  Rom  im  Jahre  1510. 

Die  Acciajoli  überlebten  endlich  in  Florenz  das  regie- 
rende Haus  der  Medici,  welches  mit  dem  Grossherzog  von 
Toscana  Johann  Gaston  im  Jahre  1737  ausstarb;    denn  nur 


Ur,,M 


BAf 


1  der  CorritpoHilrns/i  Accit^joli, 


zwei  Nebenlinien  setzten  »eitber  diese  Familie  fort,  die  der 
Medici  Tornnqiiinci  m  Florenz,  und  der  OUajaiio  in  Neapel. 
Das  Haus  Acciajoli  erlosch  zu  Florenz  erat  im  Jabre 
18'14  mit  Niccoln,  einem  Geistlichen,  dessen  SchweHter  Julia 
sich  mit  dem  Baron  Rit-asoli  vermiilt  hatte  aus  demselben 
alten  üorentiner  Geschlecht,  welchem  Bartolomea  angehört 
hntto,  die  Mutter  Nerio's,  des  ersten  Uerzugs  von  Athen 
(t   1394). 

Die  (Jeschichte  dieser  berühmten  Familie  ist,  von  den 
diplomatischen  [Irkiiuden  ub);eäehmi,  in  einigen  MonograHen 
behandelt  worden,  deren  er^te  itugleich  mich  die  reichhal- 
iigtUi  ist;  ich  meine  die  Vita  des  Groaaseneschalls  Niccolo 
»on  Matteo  Palniieri,  in  der  Uebersetzung  des  Donato  Accia- 
joli, welche  den  Anhang  zu  ühaldlni's  Istoria  della  casa 
degli  L'baldini,  Flor.  1588,  bildet,  nebst  der  Schrift  .Origine 
della  fuuiiglia  degli  Acdajoli  e  degli  uomini  famosi  in  esaa.' 
In  Litta's  monumi'ntdlt'm  Werk  ,Fainiglie  celebri  d'Itaüu' 
iKt   die  Genealoge    der  Acciajoli   aus  geschichtlichen  Mono- 

^^ft^BO    und   urkundlichen)    Material   mit   grosser    Mfihe  zu- 

^^^^beflgetragen. 

^^^^fcieses  Material,  in  den  Archiven  und  Bibliotheken  Italiens 
^HtKut,  konnte  freilich  niubt  erschöpft  werden.  In  Florenz 
selbst  liegt  die  Haupttnasxe  der  Urkunden  zur  (ieschichte 
des  Hauses  im  Staatsarchiv,  wohin  auch  manche  Schriftstücke 
atu  der  Certu^a  gekommen  .lind.  Ausserdem  ist  ein  Teil  des 
alten  Familienarchi vs  im  Besitz  des  Hauses  Rtcasoli,  in  welches 
die  Accia-joli  aufgegangen  sind. 

Als  Buchon  Materialien  Kur  Uesehichte  der  Fraukenherr- 
scbsft  in  ßriechenlaud  bammelte,  verstattete  ihm  zuerst  der 
Bnron  Orazio  Cesare  Uicasoli  im  Jabre  1843  Einsicht  in  sein 
Hanaarchiv.  Buchon  dnK'kte  hierauf  im  zweiten  Bande  seiner 
Nourellea  Kecherches  historique«  sur  la  priucipaute  fran^aise 
[oree  73  die  Acciajoli  betrefifende  Urkunden  ab,  die  er 
»rentiner  Staatsarchiv  und  jcimtu   des   Uuuse^^  Uicasoli 


dfa^ 


290  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  7,  Juni  1890. 

entnommen  hatte.  'Die  Reihe  derselben  beginnt  mit  dem 
Diplom  Roberts  von  Neapel  zu  Gunsten  Acciajolis,  des  Vaters 
des  berühmten  Grossseneschall  Niccolo,  welchen  jener  König 
im  Jahre  1323  zu  seinem  Gambellanus  und  Familiaris  er- 
nanute. Mit  diesen  Aktenstücken  hat  Buchon  die  Anfänge 
der  geschichtlichen  Laufbahn  des  Hauses  Acciajoli  zuerst 
urkundlich  beleuchtet. 

Das  Glück,  welches  der  französische  Forscher  in  Florenz 
hatte,  wurde  zwanzig  Jahre  später  nicht  mehr  Leopoldo 
Tanfani  zu  Teil,  der  für  seine  Biographie  des  Grossseneschalls 
(Niccolo  Acciajuoli,  studi  storici  fatti  principalmente  sui  do- 
cumenti  deir  archivio  Fiorentino  Firenze  1863)  lediglich 
auf  das  Staatsarchiv  und  einige  Bibliotheken  beschränkt  blieb; 
denn  das   Hausarchiv  der  Ricasoli  wurde  ihm  nicht  geöffnet. 

Man  wnsste  übrigens,  dass  sich  eine  ansehnliche  Masse 
von  Familienpapieren  der  Acciajoli  im  Privatbesitz  in  Eng- 
land befand,  wo  sie  keinem  Forscher  zugänglich  wurden.  Sie 
waren  mit  der  Bibliothek  des  florentiuer  Marchese  Giuseppe 
Pucci  im  Jahre  1840  durch  Kauf  in  den  Besitz  des  bekannten 
Gugliehno  Libri  gekommen,  welcher  sie,  während  er  nach 
Frankreich  hinüberging,  bei  Gino  Capponi  in  Florenz  nieder- 
gelegt hatte.  Im  Jahre  1 843  hatte  er  diese  Sammlung  nach 
Paris  abgeholt;  er  machte  von  ihr  einen  Katalog,  um  sie 
dem  brittischen  Museum  zum  Ankaufe  darzubieten.  Der 
Bibliophile  Lord  Bertram  Ashburnham  erstand  die  Bibliothek 
Libri  im  Jahre  1847  ins  Geheim;  er  vereinigte  mit  ihr 
später  andere  höchstbedeutende  Sammlungen  von  Hand- 
schriften. Libri  veröffentlichte  im  Jahre  186G  einen  Katalog 
dieser  Bibliothek,  während  er  selbst  bereits  des  Diebstals 
von  Manuscripten  öffentlich  i)esehuldigt  wurde. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Handschriftensammlung  Ash- 
burnham einige  Jahre  nach  dem  Tode  des  Lords  (1878), 
teilweise  von  der  englischen,  französischen  und  italienischen 
Regierung  angekauft    wurde.     Die   letztere   erstand  nur  den 


ChregoroüiiM:  Briefe  aus  der  Corrispondenza  Acciajoli,      291 

eigentlichen   Fondo    Libri,   welcher  1826  Codices  nmfasste, 
für  die  Summe  von  585000  Lire.  *) 

Unter  diesen  jetzt  in  der  Laurenziana  zu  Florenz  nieder- 
gelegten Handschriften  befindet  sich  eine  Gruppe  von  fänf- 
zehn  starken  Convoluten,  welche  bisher  unbekannte,  wissen- 
schaftlich noch  nicht  verwertete  Schriftstücke  des  Familien- 
archivs Acciajoli  enthält.  Der  in  Rom  im  Jahre  1884  an- 
gefertigte Katalog  des  Fondo  Libri,  welcher  dem  Bericht 
an  die  Deputirtenkammer  beigefügt  ist,  hat  (auf  Seite  80) 
diese  Gruppe  so  verzeichnet:  Corrispondenz  von  verschiedenen 
Mitgliedern  der  Familie  Acciajoli  mit  einander  und  mit  den 
berühmtesten  Personen  Italiens  im  vierzehnten  und  fünf- 
zehnten Jahrhundertf  auf  Papier  und  Pergament,  in  Folio 
und  in  Qaarto  des  14.  und  15.  Säculum,  15  Bände  stark, 
autographisch  und  unedirt.  ^) 

Die  Bezeichnung  Corrispondenza  ist  in  so  fern  richtig, 
als  diese  Schriftstücke  ihrer  grossten  Menge  nach  aus  Briefen 
bestehen,  welche  Mitglieder  des  Hauses  geschrieben  haben, 
oder  die  an  solche  gerichtet  worden  sind.  Nicht  alle  sind 
Originale,  viele  sind  Copien,  manche  erst  aus  dem  17.  Jahr- 
hundert. Man  hat  die  Masse  der  losen  Schriften  erst  ober- 
flächlich geordnet,  in  Hefken  zusammengelegt  und  mit  Auf- 
schriften versehen.     Ich  bezeichne  die  wichtigsten: 

Corrispondenza  Acciajolo  Acciajoli. 

C  . . .    Niccolo  Acciajoli,  gran  Siniscalco  di 
Sicilia. 


1)  Belazione  alla  Camera  dei  Depatati  e  diaefi^o  di  Legge  per 
racqmsto  di  Codici  appartenenti  alla  Biblioteca  Ashbamham  de- 
scritti  neir  aonesso  catalogo.  Roma  1884.  Der  7on  der  italienischen 
Regierung  bevollmächtigte  Unterhändler  bei  diesem  Ankauf  war  Pas- 
qnale  Villari. 

2). Corrispondenza  di  di^ersi  membri  della  famiglia  Acciajoli  fra 
ioro  e  coi  personaggi  piü  illustri  dltalia  nel  secolo  14  e  15.  cart.  e 
membr.  in  folio  et  in  quarto  del  XIV.  e  XV.  sec.  in  quindici  volumi 
antografo  ed  inedito. 


292  Sitzung  der  historischen  Classe  vom  7.  Juni  1890. 

CörrispoDdenza  Jacopo  di  Donato  Acciajoli. 

G  . . .    Angelo  Acciajoli  veecovo  di  Firenze. 

C  . . .    Donato  Acciajoli. 

C  . . .    Neri  Acciajoli  (es  ist  Nerio  di 
Donato). 

G . . .    Angiolo  di  Nicola  Acciajoli,  gran 
Siniscalco  di  Sicilia. 

G  . . .    Lapa  de  Aczerolis. 

G  . . .  Margherita  Acciajoli. 
Jahre  aufopfernden  Fleisses  werden  erforderlich  sein, 
um  diese  zahlreichen  Gorrispondenzen  zu  lesen,  zu  sichten, 
an  ihre  biographisch-geschichtliche  Stelle  zu  bringen,  zu  er- 
läutern und  der  Forschung  dienstbar  zu  machen.  So  viel 
sich  erkennen  lässt,  werden  sie  weniger  die  politische  Ge- 
schichte von  Florenz  mit  besonders  wichtigen  Documenten 
bereichern,  als  zur  Familiengeschichte  des  Hauses  AcciajoH 
manche  neue  Beiträge  liefern,  und  die  Genealogie  bei  Litta 
berichtigen  und  vervollständigen. 

Schon  die  Corrispondenz  des  Grossseneschalls  Niccolo  ist 
sehr  zahlreich.  Es  befinden  sich  darunter  auch  Schriftstücke 
in  Bezug  auf  den  Bau  der  Certosa;  dann  mehrere  Briefe, 
die  von  ihm  an  Jacopo  di  Donato  gerichtet  sind  mit  der 
Aufschrift:  Nobili  viro  Jacobe  Donati  de  Aczarolis  carissimo 
et  honor.  fratri  suo.  Jacopo  war  der  Sohn  des  Donatus  von 
jenem  Seitenzweige  des  Hauses,  aus  welchem  später  die 
Herzoge  Athens  hervorgingen.  Mit  Bartolomea  Ricasoli  er- 
zeugte er  mehrere  Töchter  und  Söhne.  Unter  diesen  wurden 
drei  angesehen  und  namhaft:  Angelo,  Bischof  von  Florenz, 
Cardinal,  Commendatar- Erzbischof  von  Patras,  Bail  von 
Morea  (f  1409);  Nerio  I,  Herzog  von  Athen  (f  1394); 
Giovanni,  Erzbischof  von  Patras  (f  1365);  der  Ritter  Do- 
nat(j,  Vicar  des  Grossseneschalls  in  Morea,  vom  Könige  Ladis- 
laus  von  Neapel  durch  Urkunde  zum  Nachfolger  seines 
Bruders,  des  kinderlosen    Nerio  I,   in  Athen  bestimmt,    aber 


Oregoroviu»:  Sritfe  au»  der  Corrispontlenea  AeeiajoH.       293 

in  Florenz  gebUeben,  wo  er  Oonfnloiiiere  war  und  im  hSch- 
stem  Ansehen  im  Jahre  1400  starb.  Seine  Gorrispoii<leD2 
ist  sehr  zahlreich,  und  sie  dürfte  für  die  Florentiner  Ge- 
schichte besonders  wichtig  sein. 

leb  habe  ihr  einige  Briefe  entnommen,  die  ich  mit  ein 
paar  andera  ans  derselben  Sammlung  der  Corrispondenzen  hier 
vervinigc.  als  eine  wenn  iiueh  geschichtlich  nicht  beMunders 
bedeutende,  so  doch  immer  wertvolle  Ausbeute  aus  meiner 
erstfiu   Durchsicht  der  Ourriäpondeuza  Acciajoli. 

Dicee  Untersuchung  hatte  den  ausschliesslichen  Zweck 
mich  zti  versichern,  ob  in  den  genannten  15  Convoluteu 
Briefschaften  enthalten  sind,  welche  den  griechischen  Accia- 
joli angehören,  oder  sicli  auf  ihre  Verhältnisse,  zumal  in 
Athen  beziehen.  Nur  wenige  solcher  habe  ich  aufgefunden. 
Die  bemerlcenswertesten,  acht  an  Zahl,  betrachte  ich  ab 
oinoD  Nachtrug  /.u  meiner  Oescliiclite  der  Stadt  Athen,  für 
welche  sie  zu  verwerten  ich  nicht  mehr  die  Zeit  gefunden 
hat!«.  Ich  steile  nie  hier  chronologisch  zusammen,  und 
drucke  sie  mit  Er^uteningen,  teilweise  oder  ganz  ab,  hoffend, 
Gelehrte  zumal  in  Italien  anzureizen,  jene  Manuscript«  zum 
Gegenstände  ihrer  Forschung  zu  machen. 

,  A.   1300,     IVtrus  de  Barba  Licentiat  an  ttiovanni  di  Ja- 
L'COpo  Acciajoli,  erwählten  Erzbischof  von  l'atras. 
\A.  1385.     Jacobus  Bischof  von  Ai^os  an  den  Cardinal 
Antfelo  Acciajoli. 

1388.     Maddaleua  de  Buondelmonti ,   Herzogin   von 
leacadia   uiid    Pfalzgräfin   von   Eephalonia,    an  Donato 
iajoli. 

1381).     Agnes,  Genmiin  Nerio's  1.    von    Athen,    an 
lonato  Acciajoli. 
%.  1390,  Amadeas  von  Savoyea,  Titularf[lr»t  von  Achaja, 
I  Dooato  Acciajoli. 

.  13Ö4.     Nerio  1.    Acciajoli,   Herzog   von    Athen,   an 
I  Bruder  Doinito. 


294         Sitzung  der  hiatorischen  ClcLsse  vom  7.  Juni  1890, 

VII.  A.  1394.     Jacobus  Bischof  von  Argos  an  den  Cardinal 
Angelo  Acciajoli. 

VIII.  A.  1394.     Roberto   Acciajoli,    Graf    von    Melfi    und 
Malta,  Grossseneschall,  an  Donato  Acciajoli. 

I.  Anno  1360. 

Draussen:    Reverendo  in  Christo  patri  et  domino  dno.    Johanni  de 
Acciaiolis  miseratione  div.  electo  Patracensi  domino  sao.  ^) 

Rey.  Pater,  efusam  circa  vos  clementie  divine  dulcedinem 
et  expositam  circa  vos  supeme  dextere  karitatem  quamplu- 
rium  relatione  nunc  didici  et  gaudet  animus  meus  omni 
tempore  statum  vestr.  et  vestror.  prosperis  florere  successibus, 
sed  nuper  precipue  quia  estis  ad  archiepiscopatos  Patra- 
censis  dignitateni  promotus  et  quia  dominus  Nicholaus 
magnus  seneschallus  regni  Sicilie  a  summo  pontifice  roman- 
diole  factus  est  comes,  ac  etiam  electus  est  urbis  Senator 
illustris,  mihi  de  vestris  exaltationibus  ut  de  propriis  gratu- 
lanti,  gaudia  gaudiis  augmentantur.  Et  exquo  divina  de- 
mentia,  tarn  Yos  quam  ipse,   ad    tante   dignitatis   et  honoris 

apicem  pervenistis erbittet   er   sich  von  des  erwählten 

Erzbischofs  oder  des  Qrossseneschalls  Gunst  Berücksichtigung 
seiner  Person  zur  Anstellung  in  irgend  einem  Amt. 

Scriptum  Pisis  die  nona  Junii 
vr.  Petrus  de  Barba  licteratus  in  jur.  civili. 

Der  Brief,  ohne  Jahres-  und  Indictiousangabe,  ist  un- 
zweifelhaft im  Jahre  1360  geschrieben ,  wo  Giovanni,  der 
Sohn  des  Jacopo  Acciajoli,  der  Bruder  Nerios  I  und  des 
Donato,  zum  Erzbischof  von  Patras  ernannt  wurde.  In  dies 
reichste  und  grösste  Bistum  des  fränkischen  Morea,  welches 
sich  von  der  Lehnshoheit  dos  Fürsten  Achaja's  unabhängig 
machte  und  als  eine  geistliche  Baronie  unmittelbar  unter  die 

1)  Der  Name  Acciaioli  wird  mit  verschiedener  Orthographie  in 
Schriftstücken  geschrieben:  Acciaioli,  Acciajoli,  Accioli,  Yaczoli,  de 
Aczarolis,  de  Aczaiolis. 


Oregarovius:  Briefe  aiis  der  Corrispondema  Acciajöli.         295 

Autorität  des  Papstes  stellte,  hatte  der  Gros&seneschall,  der 
seit  1358  Gastellan  von  Korinth  geworden  war,  seinen  Nepoten 
einzusetzen  gewusst.  Giovanni  AcciajoIi  starb  im  Jahre  1365. 
Sein  Nachfolger  in  Patras  wurde  ein  Seitenverwandter,  An- 
gelo  Sohn  des  Alemanno  AcciajoIi,  welchen  derselbe  allmäch- 
tige Grossseneschall  adoptirt  hatte,  und  auch  Giovanni's 
Bruder  Angelo  erlangte  später  die  Commende  desselben  Erz- 
bistums. ^) 

Das  Schreiben  Barba^s  ist  auch  deshalb  wertvoll,  weil 
es  bestätigt,  dass  der  Grossseneschall  vom  Papst  Innocens  VI 
zum  Grafen  der  Romagna  ernannt  und  zum  Senator  der  Stadt 
Rom  ausersehen  worden  war.  Dies  geschah  auf  das  persön- 
liche Gesuch  des  berühmten  Cardinallegaten  Gil  d*  Aibornoz, 
welcher,  in  dem  schwierigen  Kriege  mit  Bemabo  Visconti 
von  Mailand,  der  Dienste  des  Grossseneschalls  bedurfte  und 
daher  dem  Papst  den  Vorschlag  machte,  diesen  mächtigen 
Staatsmann  des  Hauses  Anjou  zum  Senator  der  Stadt  und 
Rector  des  Patrimoniums  und  Gampaniens  oder  einer  andern 
benachbarten  Provinz  zu  machen.  (Requisivisti  eum  per  nos 
...  de  aliquo  ex  regiminibus  ejusdem  ecclesie,  et  presertim 
de  senatoria  Urbis  et  Rectoria  Patrimonii  ac  Gampanie  vel 
alterius  ibi  vicine  provincie  honorare.  Breve  Innoc.  VI.  an 
Albomoz.*)     Innocenz  VI.  überliess  es  seinem  Legaten,    den 


1)  Jacopo  AcciajoIi 
verm.  mit  Bartolommea  Ricasoli. 

Angelo  geb.  1349,  Nerio  I  Herzog  Giovanni  Erzb.v.  Donato,  mächtig 
Enb.  V.  Florenz,  v.  Athen  1 1394.  Patrast  1866.  in  Florenz,  von 
Card.  1884,  Erzb.  zahlreicherNach- 

y.  Patras  1894  t  kommenschafb, 

1407.  die  meist  in  Grie- 

chenland   ver- 
sorgt wurde  t 
1400. 

2)  Das  Breve  des  Paostes  an  Albomoz,  den  Qrosssenetohal 
treffend,  Villanova  XII.   &al.  Julii,   pont.  nri.  anno   VIH,  um 

ao* 


296         Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  7,  Juni  1890. 

Grossseneschall  mit  derjenigen  Amtsgewalt  im  Kirchenstaate 
zu  bekleiden,  die  er  fQr  passend  erachten  wQrde.  In  Folge 
dieser  Befugniss  übertrug  Albomoz  dem  ihm  befreundeten 
Acciajoli  den  Rectorat  der  Provinz  Romagna  und  der  Stadt 
Bologna;  er  gab  dies  durch  ein  öffentliches  Schreiben  den 
Bewohnern  jener  Landschaften  kund.  In  diesem  Erlass  des 
Legaten  wird  übrigens  der  Senatorwürde  des  Grosseneschalls 
gar  nicht  erwähnt.  Wenn  derselbe,  wie  der  mitgeteilte  Brief 
Barba*s  bestätigt,  zum  Senator  Roms  , erwählt'  oder  aus- 
ersehen worden  war,  so  hat  er  dies  Amt  doch  nicht  that- 
sächlich  bekleidet.  Die  Fasten  des  römischen  Senats  nennen 
ihn  nicht.  Im  Jahre  1359  waren  Senatoren:  Ludovicus  de 
Rocca  von  Pisa,  welcher  die  Statuten  der  römischen  Gilde 
der  Eaufleute  am  6.  Mai  bestätigte,  und  für  das  zweite  Se- 
mester Ungarus  de  Saxo  Ferrato,  der  dasselbe  am  11.  No- 
vember that.  Im  Jahre  1360  war  in  der  ersten  Hälfte 
Senator:  Thomas  von  Spoleto,  in  der  zweiten  aber  regierten 
die  Stadt  wieder  die  sieben  Reformatoren.^) 

Ich  bemerke  flüchtig,  dass  für  das  Jahr  1392  Donato 
Acciajoli,  der  Bruder  Nerio's  L,  als  wirklicher  Senator  Roms 
angenommen  wird.  In  den  Fasten  ist  er  nicht  verzeichnet, 
und  Urkunden  darüber  kenne  ich  nicht.  Um  jene  Zeit  ist 
die  Liste  der  Senatoren  oder  der  capitolischen  Magistratur 
sehr  lückenhaft.  Allein  die  Thatsache  ist  immerhin  möglich, 
schon  deshalb,  weil  der  Papst  Bonifacius  IX.  (1389 — 1404), 
ein  Neapolitaner,  mit  den  Acciajoli  sehr  ))efreundet  war. 
Der  Cardinal  Angelo  dieses  Hauses  krönte  als  sein  Legat 
Ladislaus  von  Neapel  am  11.  August  1390,  und  der  dank- 
bare König  stattete  de&sen  Bruder,  den  Ritter  Donato,  mit 
Gütern  in  den  Abruzzen  aus.*) 

CardinulH  Albomoz  ötfentliche  KundgebuDg  der  Ernennung  des  Sene- 
schalls,  dat.  Bononie  XV.  kal.  Decembris,  Pont  Innoc.  P.  VI  anno 
ocUvo,  hat  Tanfani  abgedruckt,  a.  a.  0.  Docum.  XVII. 

1)  Statuti  dei  Mercanti  di  Roma  ed.  G.  Gatti,  1887. 

2)  Vitale  storia  Dipl.  dei  Senatori  di  Koma,  p.  349  f. 


mOfgorniHUn:  Briefe  ans  der  Ciirriipaadentn  Aceiiijoli,        297 

II.  A.  1385. 
v»"  in  Chr.  Putri  et  Uomino  dorn.  Angelo  de  Äcoia- 
Ed>v.  dem.  Card iniUi  Klo rentmo  digniaaimo  stit>  dommo  pradpao. 
I  BeTerandiasime  in  Christo  pnter  et  <loinine.  Devotissima 
iniiatione  preraiss»  scire  dignetur  V.  P.  prout  per  alias 
litww  V.  P.  signiticavi  ine  de  partibus  Romanie  die  XV 
8  nciveDibria  recesaiäse  de  ordinatJoue  et  mandato  domioi 
inci  d.  Nerii.  P.  V.  germaiii  qui  me  ad.  P.  V.  et  domiaum 
Donatum  de  «iia  intentione  informatum  destinabat.  Quam 
legatinnem  JibentisHime  acceptans  catisam  V.  dulctssittiani 
P.  mitandi  Venetiaa  cum  domino  Petro  Curiiario  domiiio 
patrie  Argolicensis*)  usque  perveni,  in  ciiius  civitatis  in- 
troito  graviter  ftii  infirmatus  decumbens  in  lecto  per  meiisetti 
et  ultra;  quo  tempore  atiditu  de  assiimptione  V.  P.  ad 
cappellnin  taliter  fiii  gavisus  qiiod  de  lecto  subbito  surresei 
aanos,  expectans  aiit«u  ut  viribus  aliqualiter  rectiperatis  qnas 
fcre  UtUs  atnmiHeram  ad  presentiam  V.  P.  valerem  accedere. 
Paxas  sum  recidiviiim  et  sie  usque  ad  presens  infirmus  non 
potui  gratiusimam  V.  P.  quod  mihi  foret  dulcissimum  viai- 
tare  nee  mihi  imposita  per  domiiium  Keriiim  oreteniis 
enarrare.  prapter  quod  triati  neceasitate  cogor  koe  per  litteras 
dUpplere.  commissa  igitur  mihi  Mngula  mitto  hiis  preäentibus 
interelasa  et  manu  ipaius  domini  Nerii  et  manu  mea  propria. 
Nunc  igitur  quod  me  amariua  torquet  est  quod  dominus 
patrie  ArgoHcensis  parat  se  ad  reditum  et  est  reces- 
I  iofailibiliter  die  XV  mensis  Martii  immedtate  futuri, 
ted  in  pactiti  factia  (ler  ipsum  cum  patrono  Cocche  conti- 
iwtar  quod  iiavigiuin  dictum  expeutabit  uaqtie  ad  diem  VIII 
I  predicti,  sed  dictua  dominus  aperat  posse  protongare 
tenninam  usque  ad  diem  XV.  aupradictam.  Qui  dominus 
nallo  modo  nie  vult  dimittere  sed  vult  omnino  quod  redeam 
u,  aic  ut  snm  icfirniua;  ego   autem   uon  audeu   sibi   de 

i  In  ScbriflutDckfln   dieter    Zeit    findet    iicb   Ii&uGk  '^"■^    Wort 
i  fitr  ciTita«  oder  terra  in  (lehranob. 


ä 


298  Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  7,  Juni  1890. 

commissis  mihi  per  dominum  Nerium  aliud  indicare  quia 
adhuc  non  sunt  usquam  coniuncti  amicitia  sed  nee  adhnc 
se  matuo  viderunt  quod  tamen  fieri  faciam  nt  spero  in  ipeo 
accessu.  Nunc  igitur  Reverendissime  domine  poetquam  huc 
perveni  yidentur  mihi  multa  mutata.  nam  V.  P.  assnmpta 
est  ad  Cardinalatum.  d.  autem  patracensis  non  sine 
maximo  comodo  relinquet  Ecclesiam  patracensem  propter 
dominium  et  tenetur  alio  amore.  Dominus  noster  odit  domi- 
num meum  Comitem  nolanum  usque  ad  mortem  in  tantum 
quod  privayit  eum  comitatu  suo  et  hoc  quia  amicatnr  dictos 
dominus  comes  regi  karolo.  itaque  dictus  dominus  Comes  non 
posset  prodesse  cum  domino  papa.  sed  potius  obesset.  rex 
vero  karolus  privatus  est  ab  utroque  papa  et  nescio 
si  foret  valoris  confirmatio  sua.  Jtaque  hiis  singulis  diligenter 
consideratis  videat  V.  pradentia  quid  mandet  circa  ista  fa- 
ciendi, nam  si  apparet  V.  P.  quod  ista  exequi  debeant  ad 
presens,  redibo  nunc  cum  isto  domino,  et  loquar  cum  do- 
mino Nerio  et  inmediate  revertar  ad  P.  V.  quia  tempus  a 
modo  est  bonum  nee  mihi  nocivura  sicut  usque  nunc  fuit. 
si  vero  videtur  V.  P.  quod  non  sit  adhuc  tempus  predicta 
negotia  pertractandi,  sed  quod  expectetur  quousque  negotia 
que  sunt  nunc  obscura  magis  elucescant  ego  ibo  et  expectabo 
mandatum  P.  V.  et  statim  quod  V.  P.  mandabit  veniam 
in  dilate  et  ero  magis  liber  ad  faciendum  servitia  V.  P. 
quando  non  ero  in  comitiva  domini  Argolicensis.  itaque 
dignetur  V.  P.  rescribere  de  hiis  tarn  domino  Nerio  quam 
etiam  mihi  si  placet,  quia  deus  novit  maximum  mihi  sola- 
tium  est  in  P.  V.  servitiis  occupari.  Quia  optat  V.  P.  nova 
veridica  scire  de  domino  Nerio,  scire  dignetur  V.  P.  eum 
Christi  gratia  cum  domina  sua  et  Bartholomea  despina 
et  Francisca  filiabus  et  pulcra  familia  bene  valere.  Na- 
varenses  ut  video  qui  sunt  in  Amorrea  non  diliguut  eum 
et  libenter  nocent  sibi  si  possent  in  aliquo  magno,  sed  non 
audent   se  discoperire.   in  parvis   ipsi   faciunt   guerram   cum 


Ortgnruvnu:  Bntfe 


t  Corrupondema  Aeciajali.        2?f* 


<tis|)oto.  cuiua  facta  mal*«  viiduiit  qiiiä  omnes  liarones  bui 
Bont  aibi  rebelies  et  sunt  cum  navareDsihus.  DoiniDUä  Neriiis 
iuvat  dispotiim  bM  non  multuiu  ferventer,  et  excusat  se  nava- 
rfneibns,  ({Uod  iion  invat  dispotnm  contra  nav&rensea,  sed 
contra  barone«  grecos  diejioti  qwi  sunt  rebellos  et  hoc  non 
wt  contra  eapitula  pacia.  Sed  ego  credo  quod  ista  palliatio 
modice  durabit,  et  nt  mihi  videtiir  credo  quod  erit  guerra 
mt«r  iiavarenseH  ex  una  parte  et  dominum  Nerium  (et)  dis- 
potum  ex  altera.  Cuius  signum  est,  quia  modo  venerunt  oora 
de  Argo  quod  Navarenses  ex  una  parte  parant  se  ad  faci- 
endam  t^erram  fortiorem  i{uam  poHsuut  dispoto  isto  novo 
tempore  et  dispotua  parat  se;  et  iilia,  quod  G,  equJtes  venerunt 
(dbi  de  civiUite  thesnlouice  ubi  dominatur  frater  §uu3,  et 
quod  dominus  Nerius  coliigit  undiqne  poteat  homines  urmornin, 
Jtaqne  dnbito  qnod  guerra  erit.  Dominus  Nerius  potest  habere 
lanceas  bene  LXX  et  AlbaueuNes  eqnites  VIII  et  peditea 
plnrimw.  dis|Hitns  vero  qui  est  seraper  una  cum  domino  Nerio, 
habebit  etiam  equjtea  ad  minus  ducentos  et  pedites  multos 
et  Tiircoe  etiam  in  copia.  Navarenses  autem  habent  uaqne 
ad  mille  et  trecentoa  equee.  De  omnibus  supradictis  poterit 
Testru  paternitaa  conimunicare  cum  domino  Donato  P.  V. 
geruinno,  preterquam  de  facto  patrasti,  quia  hoc  solnm 
P.  V.  secreto  imposuit  dominus  Nerius  fore  dicendum.  digne- 
tur  oro  V.  P.  alligatas  litteras  Jacobi  de  Prato  assignari 
f«cere  quibus  diriguntur,  et  ut  reapoiisaics  habere  valeam 
reportandas. 

Reverendissime  Pater,  Patriharcatus  Constantino- 
politaniis  vacat  ad  presenx,  et  si  quando  occurreret  V.  P. 
comnioditas  et  viduretur  P.  V.  gratiim  et  ipsum  per  me  im- 
IMrtmrtt  dignaremini,  cum  adiutorio  domini  Gardinutia  Mi- 
«chini,')  qui  eat  dominus  me(us)  pitssem  liberiorem  et 
nieliorem  societatem  facere   domino  Nerio   eique    utilius  ser- 


^  Hiccolu  Miiijui 


.■i'iolo,  Cariliniil  von    I 


.  t  1 


300  Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  7,  Juni  1890, 

yire.  ut  autem  habui  a  maioribus  civibus  Venetorum,  in  casa 
ubi  hoc  fieret  sine  contradictione  a  dominio  Venetornm  posses- 
sionem  haberem.  Hec  autem  prosequor  ex  maxima  confi- 
dentia  quam  habeo  de  paternitate  yestra  et  quia  forte  faci- 
litas  posset  accidere  hoc  impetrandi,  nam  non  modicam  in- 
famiam  in  hac  civitate  imponunt  isti  cives  domino  nostro 
pro  eo  quod  dictum  patriarchatum  quasi  avaritia  tenet  et 
alicui  non  concedit.  Dignetur  supplico  intimari  mihi  facere 
y.  P.  si  Vera  sunt  nova  de  tortura  cardinalium  et  etiam 
morte,  ut  hie  fuit  relatum,  et  si  qua  alia  nova  sunt  dignetur 
V.  P.  mihi  optanti  ea  scire  facere  intimari.  dignetur  etiam 
oro  mandare,  ut  littera  alligata  provinciali  predieatomm 
assignetur,  et  quod  possim  habere  responsales  si  placet. 
Altissimus  conservet  Vestram  Reverendissimam  patemitatem 
feliciter  et  longeve.  Saluto  Johannem  filium  Bindacci  cano- 
nicum meum  et  reliquos  P.  V.  servitores. 

Paternitatis  Vestre  Capellanus 
Frater  J.  Episcopus  Argolicensis. 

(Ich  verdanke  die  Abschrift  dieses  Briefes  der  Güte  des 
Herrn  Doctor  Frati  in  Florenz.) 

Der  vorstehende  Brief  des  Bischofs  J  (Jacobus)  von 
Argos  ist  undatirt.  Wie  es  sich  aus  einigen  in  ihm  be- 
merkten Thatsachen  ergibt,  ist  er  in  Venedig  nicht  zu  lange 
vor  dem  März  1385  geschrieben  worden.  Der  Bischof  war 
eine  Vertrauensperson  des  Nerio  Acciajoli.  Dieser,  damals 
Castellan  von  Korinth  und  Herr  von  Megara,  rüstete  sich, 
die  von  ihm  seit  längerer  Zeit  vorbereitete  Unternehmung 
gegen  die  Catalanen  und  Aragon en  in  Athen  auszuführen. 
Dies  Wagniss  gelang  ihm  bald,  im  Beginne  des  Sommers 
1385,  mit  überraschend  glücklichem  Erfolge.  Nerio  hatte 
vorher,  noch  im  Herbst  1384,  den  Bischof  von  Argos  als 
seinen  Bevollmächtigten   nach  Italien  geschickt,  wo  derselbe 


Oregoniciuii:  Brirfc  initi  der  C'/rTiapomte-nin  AclHiiJuU.       i}0| 

geheime  Anftriige  an  seine  Brilder,  «Jen  Bischof  Angelo  nnd 
don  Bitter  Donnt«)  Acciajoli,  in  Florenz  auarichtpu  sollte. 
Jacobus  veriieAs  Romanieu  am  15.  November  1384,  zugleich 
mit  dem  edetn  Venetianer  Pietro  Curnaro,  dem  damaligen 
Gebieter  von  Ärgos.  Dies  war  Cornaro  seit  1377  geworden, 
wo  er  eich  mit  Maria,  der  Krhtochter  des  bisher  in  Argos 
gebietenden  Haiues  Engbien  vermalt  und  dadurch  jene  Herr- 
schaft erlangt  hatte.  Beide  Münner  landeten  in  Venedig. 
Hier  erkrankt«  der  Bi»cbof;  seine  Krankheit  währte,  wie  er 
sollHt;  berichtet  bat,  länger  als  einen  Monat,  also  bis  zum 
Ende  des  December  1384.  Dadurch  verhindert,  sich  jiersön- 
lifJi  YM  Angeld  Acciajoli  zu  begeben,  welcher  seit  1383 
BiAcbof  von  Florenz  war,    übersandte  er  demselben   die  ihm 

SNerio  anvertrauten  Briefe  und  begleitete  sie  mit  dem 
«henden  Schreiben. 
Kr  vernahm  während  seines  Aufenthaltes  zu  Venedig, 
Angelo  Acciajoli  die  Cardinalswürde  erhalten  hatte.  Sie 
liewm  thatsächlich  erteilt  worden  in  der  vierten  Cardinals- 
kotion  ürbans  VI.,  und  diese  machte  der  Papst,  wie  be- 
it  ist,  unter  den  schrecklichsten  Verbältnisaeu  in  der 
[  Nocera  bei  Salemo.  Uiaceonius  hat  als  Promotions- 
iea  Angelo  Acciajoli  den  14.  December  1384,  Pauvinius 
den  7.  Januar  138.>  angenommen.  Welches  von  diesen 
beiden  Daten  das  richtige  sei,  wage  ich  nicht  zu  entscbei- 
dm.  Jene  Cardinalseniennung  durch  Urban  VI.,  der  das 
üiiti  futndhcb  gewordene  heilige  Collegium  durch  seine  ent- 
schiedenen Anhänger  erneuem  musste,  stand  durchaus  im 
Zwtammcnhnnge  mit  der  Verschworung  einer  Partei  unter 
den  Cardinälen  gegen  ihn,  den  verhassten  schrecklichen  Papst. 
Sechs  derselben  hatte  er  am  11.  Januar  1385  als  der  Re- 
^^^lion  Terdachtig  festnehmen  nnd  in  eineCisterne  verscbliessen 


Auf  dieses   lÜreiguiss  jener  ersten    furchtbaren   Zeit  des 
und   der   dynastischen  Umwälzung  Neaiiels  bezieht 


i 


302  Sitzung  der  historiMhen  Classe  vom  7.  Juni  1890. 

sich  die  Frage  in  dem  Briefe  des  Bischofs  von  Argos,  ob  es 
wahr  sei,  was  man  in  Venedig  höre,  dass  Gardinäle  die  Tortur 
erlitten  haben  und  sogar  getodtet  worden  seien.  Die  Zustande 
in  Neapel  waren  kurz  folgende.  Carl  III.  yon  Durazzo  hatte, 
vom  Papst  Urban  in  Rom  ausgerüstet,  mit  Neapel  investirt 
und  gekrönt,  dieses  Königreich  im  Sommer  1381  erobert, 
und  ein  Jahr  darauf  die  Königin  Johanna  von  Anjou  er- 
würgen lassen;  der  Papst  selbst  war  im  Jahre  1383  nach 
Neapel  gekommen,  wo  er  sich  mit  Carl  feindlich  überwarf; 
er  entsetzte  ihn  sogar  des  Thrones.  Wie  genugsam  bekannt 
ist,  Hess  ihn  der  König  in  Nocera  belagern ;  aus  der  dortigen 
Burg  befreite  ihn  im  Juli  1385  der  Sohn  des  Grafen  von 
Nola,  Raimondello  Orsini,  welcher  erst  eifriger  Parteimann 
des  Hauses  Durazzo  gewesen,  dann  aber  zu  den  Anjouinen 
übergegangen  war.  Im  Briefe  des  Bischofs  wird  der  Graf 
von  Nola  genannt,  und  von  ihm  gesagt,  dass  der  Papst 
(dominus  noster)  ihn  tödtlich  hasse  und  seiner  Grafschaft 
verlustig  erklärt  habe,  weil  er  mit  dem  Könige  Carl  ver- 
bunden sei. 

Der  Brief  wirft  ferner  ein  paar  Streiflichter  auf  die 
damaligen  Zustände  in  Griechenland,  wo  sich  die  Bande  der 
Navarresen  unter  ihren  Capitänen  Majotto  de  Coquerel  und 
Bordö  von  Sanct  Superan  in  Elis  (Morea)  festgesetzt  hatte, 
und  der  Despot  Theodor  Paläologus  von  Sparta  (Misithra) 
mit  ihnen  im  Kriege  lag.  Theodor  suchte  dafür  auch  die 
Unterstützung  des  Nerio  Acciajoli,  des  Herrn  von  Korinth, 
zu  gewinnen,  mit  welchem  er  freundliche  Verbindungen 
unterhielt. 

Nerio  hatte  zwei  Töchter,  Bartolomea  und  Francisca. 
Die  erste  vermählte  er  mit  jenem  Despoten  Theodor,  die 
andere  mit  Carlo  Tocco,  dem  Herzoge  von  Leucadia.  Hopf 
hat  in  seiner  Geschichte  Griechenlands  wie  in  der  genealogi- 
schen Tabelle  des  Hauses  Acciajoli  (in  den  Chroniques  Greco- 
Komanes)  die  Vermälung  beider   in   das  Jahr  1388    gesetzt, 


;  Briefe  . 


■itpondfin   Aeeiajnli. 


3o;5 


und  ich  bin  seiiier  Angabe  ^ufolgt.  Nuu  aber  widempricht 
dieser  oöeiibar  der  Titel  .DespinH".  welclien  der  Bischof 
TOM  Argiw  in  seinem  (1385  geschriebenen)  Briefe  der  Barto- 
lome«  gegeben  hat.  Ich  kuim  nicht  glauben,  dass  „Despina* 
hier  fOr  dame  oder  denioisetle  gebraucht  ist;  dies  Wort  tuiiHS 
vivlinithr  durchaus  den  fürstlichen  Rang  bezeichnen,  und 
diesen  hatte  Bnrtolomea  nicht  von  ihrem  Vater,  sondern  von 
ihrem  äemale,  dem  Despoten  Misithras  Theodor.  In  dein 
Briefe  n.  IIl,  welcher  im  Jahre  1388  gesehrieben  worden 
ist,  i«t  die  als  Despina  bezeichnete  Dame  ohne  Frage  die- 
selbe Bartolonieit.  Aus  dieaen  GrUnden  bezweifle  ich  jetzt 
die  Kichtigkeit  des  Jahres  1388  als  Datum  der  VermSlung 
Bartolumea'it.  Die  Familie  Nerioa  (pulcra  von  Jacobus  ge- 
nannt, wegen  der  nusgexei ebneten  Schönheit  seiner  Töchter) 
Iconnte  übrigens  immerhin  in  Knrinth  beisammen  gewesen 
senn,  bU  sich  der  Bischof  von  Argos  vor  seiner  Abreise  dort 
l>efand. 

Kr  selbst  bewarb  sich  ohne  Erfolg  nm  die  Wtirde  des 
(lateinixcheD)  Patriarchen  von  Constantinopei ,  welcher  da- 
mals in  Negroponte  residirte.  Er  Icehrte  nach  Argos  zurtlck. 
Hier  wird  er  noch  ein  paar  Mal  sichtbar.  Am  2,  .Inli  1394 
war  er  Bevollmächtigter  des  Herzogs  Nerio  nnd  empfing  in 
daiSen  Namen  das  Castell  Megara  von  den  Venetiiinern  zn- 
rtCfc.')  Am  2.  Nov.  1304  zeigte  er  dem  Cardinal  Angelu 
I  des  Herzogs  Nerio  an.*) 

in.  Ä.   1388. 
niuimeD:  Maf^ifico   viro  donimo  Donitto  de  Aci^yülin  cIl>  FIu- 
>   fratri    noatro  —  DuciasB  Lui^ate   et  comitiüRa 
Cepbtitonie  Paltttina- 
Uagnifice  miles  et  uobis  carissime,  tamquam  frater  post 
Eüt«   Kaliitis   alTectuin.     Statiim    nostnim   Caroli   dit$ä|  9t 
iflonftrdi  filionim  noatrorum  nmgnifici  domini  Neti| 


}  OoKb.  der  SUdt  Athun   11,  Z1&       1!|  e 


:  anibn. 


304  Sitzung  der  Mstorisd^en  Glosse  mm  7.  Juni  1890. 

Yestri  et  sue  tocius  familie  prout  per  suas  proprias  litteras 
certe  cognovimus  per  nostrum  ligium,  et  alios  familiäres 
nostros  qui  reyerendum  fratrem  Matheum  de  Empoli  Archi- 
episcopum  Corinthinum  nobis  per  tos  ultime  recomman- 
datum  sociaverunt  ad  honorem,  Christi  gratia  notificamos 
vobis  personaliter  fore  sanum.  De  Excellenti  despoto  Ysau 
germano  nostro  qui  fuit  versus  partes  Thesalonias  (!)  pro 
quibusdam  suis  arduis  negociis  et  agendis  habemus  per  lit- 
teras recentes  domine  despine  sororie  nostre  que  eadem 
Christi  gratia  bene  valet,  et  speramus  quod  nunc  sit  rever- 
sus  ad  civitatis  J alline  (sie!)  domum  suam.  Nos  autem 
de  vobis  et  singulis  nostris  consuangineis  affinibus  et  amicis 
nostris  affectamus  nova  prospera  sepe  sepias  persentire  pro 
consolatione  et  gratitudine  mentis  nostre  .  .  . 

Valete.  Scriptum  in  Castro  Sei.  Georgi  de  Insula 
nostra  Cephalonia  die  XIII.  mensis  martii  XL  Ind.  Si 
habetis  nova  de  reverendissimo  doraino  domino  Cardinali 
Florentino  fratre  vestro  nobis  illa  pro  cordis  consolacione 
scribatis. 

Der  Brief  ist  gesehrieben  am  13.  März  1388  von  Mad- 
dalena  de'  Buondelmonti,  Tochter  de^  Manente  Buondelmonti 
und  der  Lapa  Acciajoli.  Lapa  war  eine  in  ihrer  Zeit  durch 
Tugenden  hervorragende  Frau,  die  Freundin  der  heih'gen 
Brigitta.  Ihre  Tochter  Maddalena,  die  Schwester  des  be- 
rühmten Grossseneschalls  Niccolo,  war  vermalt  mit  dem  da- 
mals in  Griechenland  mächtigen  Dynasten  Leonardo  Tocco, 
dem  Pfalzgrafen  von  Kephalonia  und  Herzoge  von  Leucadia. 
Der  im  Briefe  Maddalena's  erwähnte  Isau,  ihr  Bruder,  be- 
herrschte Jannina.  Nach  dem  Tode  ihres  Gemales  Leonardo 
(um  1381),  war  Maddalena  bis  1388  Regentin  für  ihren 
Sohn  Carlo  I.  Tocco,  der  sich  mit  Francesca  Acciajoli,  der 
zweiten  Tochter  Nerio's  I.  von  Athen,  vermalte.  Maddalena 
selbst  starb  im  Jahre  1401.  Die  im  Brief  genannte  Despina 
ist  Bartolonmiea,  die  Tochter  Nerios  I.,  Gemalin  des  Despo- 
ten von  Sparta,  Theodor  Paläologus. 


Gre^OTorius:  Briefe  auf  lirr  CorrigpoudciiKi  AeciajoJi.       305 

IV.  A.  1389. 
Manitii^ho  rini    Donttto   de  Auci&iöli    luilea    hononibile  e 
charissinio  frate. 

Bonombile  e  churismmo  frut«    po  saliite.     focciam  aasa- 
Bcbome  e  stado   antiato   lo  si^or  me§ser  neri  alla  bo- 
na a  parlare  choIlD  vicliaria  della  luorea,  e  clio  gli  altri 
I  ooDipa^nia  per  ilur^  hordioe  at  liuono  statx>  dellu   paeae 
r  altri  loro  provigi,  lo  vichario   Ih  fatto  ritenere  e  por- 
Inelo   prigioue   o  (|ueätu   fue  venerdi   ad  X  settenb.     In 
mie   et   I   per  che   laimo  ritenuki  e  preso  aon  vi  posBo 
pmente  scriTere  per  che  io  Dollaao.    ma  lo  chaso  acfaono 
icio  »«sapere  cboiDo  quelln  che  mi  siete  frut«  lovedete  e 
meterci    nesuno  aiutw  e  remedio  alla  aua  liberaxiooe, 
t  Telo  facdo  a  sapere.     aparechiata   soiio  a  ogni  voatro 
e   ben«  Christo  vi  coiisoli.     scHtta   a  choranto   ad 
I  setteäb.     XIII.   indiüjon«!.     facciovi   assapere   chomo 
Mo  paesis  tnnto  dello  duchame  qnanto  della  cbastel- 
tutto  si    ttene   bene    alla    nostrn    t'edeilita   ed    ntistra 
u?)  «iio  provedera  alaTan»). 

Annessa  acciajoli. 

Ilorio  I.,  der  trügerischen  Einladung  Bordo's  von  Saiict  Su- 
t,  iee  Hfloptes  der  Navarresinchen  Suldband<>  in  Morea,  arg- 
llftend,  Um  mit  diexer  Companie  die  schwebenden  Zwisttig- 
dnrch  Unterhandlung  friedlich  beizulegen,  war  mit 
ksbriereii  nach  Votttizza  gegangen,  dort  verräterisch  ge- 
1  gcnoainien  und  von  Asan  Zaccaria,  dem  Grosaconne- 
PMorea's,  in  die  Burg  Li§trena  gebracht  worden.  Der 
r  txtiaer  liemaliu  bezeichnet  genau  da^  Datum  des  Er- 
nKni"»»i  den  10.  September  (1389),')  ßiichou  hat  oine 
Reibe  von  Äctenstücken  abgedruckt,  welche  hicIi  auf  die 
langwi  und  schwierigen  Unterhandlungen  der  Verwandteu 
Nerio'B  in   Italien    zum   Zweck   seiner    Befreiung    aus    dem 

j  (liwh.  ilpr  8tftiU  Alben  im   Mitl«lnlU'i   II.  235  f. 


306  Sitzung  der  histarisd^en  Clasae  rom  7.  Juni  1890, 

Kerker  beziehen.  Der  Brief  seiner  in  Korinth  zurückgebliebenen 
Gemalin  ist  wertvoll;  denn  andere  Briefe  von  ihrer  Hand 
sind,  soviel  ich  weiss,  nicht  erhalten. 

Diese  Dame  (sie  selbst  nennt  sich  Annessa,  ohne  sich 
irgend  einen  Titel  beizulegen)  war  eine  Eubootin,  Agnes 
Saracino ,  Tochter  eines  auf  jener  Insel  mächtigen  Signors, 
dessen  Familien herkunft  unbekannt  ist.  Die  Saraceni  finden 
sich  in  vielen  Städten  Italiens,  auch  in  Siena.  Da  der  Brief 
durchaus  den  Accent  und  die  Schreibweise  der  Toscaner 
jener  Zeit  hat,  so  bringt  mich  das  auf  die  Vermutung,  dass 
die  Saraceni  Euböa^s  eine  toscanische  Familie  gewesen  sind. 

V.  A.  1390. 
Draussen:    Egregio  militi   domino  Donato  de  yaczoli  amico  nostro 

carissimo. 

Egregie  amice  carissime.  Displicenter  audivimus  quod 
Egregius  miles  dominus  Reynerius  frater  vester  per  navar- 
renses  personaliter  detinetur  in  nostro  Achaye  principatu. 
Et  cum  jam  lapsis  multis  t.emporibus  disposueramus  dictum 
nostrum  principatuni  ad  manus  nostras  et  obedieutiam  redu- 
cere,  multo  niagis  de  presenti  etiam  contemplatione  dicti 
fratris  vestri  et  vestra  vacare  intendimus  ceteris  omnibus 
obmissis  ad  predicta  adimplenda  dei  et  amicorum  nostro- 
rum  auxilio  sufi'ragante,  cupientes  fratrem  vestrum  a  carce- 
ribus  totaliter  liberare.  Ita  tarnen  quod  in  transsitu  et  certis 
aliis  coutribuatis,  et  alia  faciatis,  prout  dilectus  servitor 
noster  lator  presentium  quem  ad  vos  pro  preniissis  duxinms 
specialiter  destinandum  vobis  plenius  declarabit.  Cui  in  re- 
ferendis  super  predictis  vestra  parte  fidem  velitis  indubiam 
adhibere  et  nobis  ipsis  per  eundem  rescribere  plenarie  vestre 
voluntatis  intentum,  et  si  qua  alia  possiiuus  vobis  gratia 
parati  pro  viribus  cordialiter  coniplacere.  Altissirnus  vos 
conservet  feliciter  et  longeve. 

Datum  querij  die  XXX  Marcii. 

Amedeus  de  Sabaudia 
Princeps  Achaye. 


fwTtffOrOpii 


Brieft  . 


((er  CorrUponflentit  AccinjoU.       -107 


Brief  int  von  Amadeua  VII.  von  Savoyeo  am  30.  März 
za  Chieri  geechrieben.  Dieser  Vürat  ging  in  jener 
it  mit  deru  Plane  um,  die  Ansprüche  meines  Hauses  auf 
das  FQrslentum  Aclii^a  durch  diplomatisclie  Mittel  imd  einen 
Kri^lBzug  zur  Geltung  zu  bringen.  Die  Gefangenschaft 
Kerio's  bcstiirVt£  ihn  ilariii.  Nachdt^m  dieser  in  Folge  eines 
Vertrag««  mit  der  navarresischen  Companie  seine  Freiheit  er- 
langt hatte  und  am  Ende  des  Jahres  l'SW  nach  Korinth  um- 
rDckgekehrt  war,  scblosa  Amadoo  mit  ihm,  zum  Zwecke  seines 
Planes,  durch  seiae  Abgesandten  ein  Btlndniss  zu  Athen,  am 
^^December  1391.') 

^^^^Plhmnasen :  Ca.ro  frate  meaaer  Donato  Acci^joli  in  Firenxe- 

Cnro  frate.  per  sismonda  avemo  voatra  lettera  la  quäle 
(aveoio)  bene  intesa  ed  apresso  da  essa  funio  pienainente  in- 
formato  dongui  cosa.  le  quali  cose  non  si  sonu  potuto  lare 
per  In  guerni.  Inpero  che  lo  gran  turcho  e  venuto  a  Salo- 
iiichi,  e  a  preso  per  moglie  !a  llglia  della  donna  della 
»ola,  et  apresso  a  pre«o  tutto  lo  sao  paese,  e  sperasi  lui 
venini  piü  inanzi.  II  perch^  tratianio  piü  tosto  la  guerra 
ohelU  paee.  lo  capellana  de  messer  lo  cardinale  viene  di 
cotte  iuformato  dauoi  dongni  cosa  siehe  dallui  apieno  sarete 
iufonoAto  . . .  data  in  corsnto  il  XX  di  Febraio  II.  Ind. 

^^^  NeriuB  acciolis  (hic). 

^^^K  jUs  Autograph  de^  ersten  Herzog»  von  Athen  aus  dem 
^^^^M  Aocii^oU  ist  dieser  Brief  (aus  Korinth  am  20.  Febr. 
18M)   beoonders   wertvoll. 

Die  darin  gununnte  Sismonda  war  die  Schwester  Nerio's 
iiDi)  Oonat'j'.s  und  die  Gemahn  des  Matten  d'Asuoü  Herrn 
Ton  CBst«Iarhauu.     Der  Sultan   Bajazet   hatte  daniaU  seinen 

J  8i»he  nlinr  Ai^^  VargA-nge  Geicfa.  il.  Stadt  Atb«n  i 
Eil,  Uü  r. 


308  Süeug  der  histarisehe  Glosse  vom  7.  Jfmt  1890, 

m 

grossen  Eriegszug  nach  Oriechenland  ausgeführt,  die  Lander 
Phokis  und  Lokris  besetzt,  Neopatra  eingenommen  und  der 
Unabhängigkeit  der  Grafschaft  Salona  ein  Ende  gemacht. 
Die  im  Briefe  genannte  Donna  della  Sola  war  Helena  Eanta- 
kuzena,  die  Wittwe  des  Don  Luis  Fadrique,  des  letzten 
Grafen  von  Salona.  Sie  hatte  dem  Sultan  ihr  Land  über- 
geben, und  ihre  viel  umworbene  Tochter  Maria  fand  ihren 
Platz  im  Harem  Bajazet^s.  Der  Brief  Nerio^s  ist  wichtig 
für  die  Feststellung  des  Datums  des  Unterganges  Salona*8, 
welcher  sich  vor  dem  20.  Febr.  1394  vollzogen  hatte. 

Vn.  A.  1394. 

Draussen:    Reyeren™^   in   Christo  Patri   et  Domino   dorn.   A.  divina 
prov.  cardinali  florentino  dignissimo  suo  domino  precipno. 

Reverendissime  in  Christo  pater  et  domine  devota  recom- 
mendatione  premissa.  reverend.  paternitati  vestre  cum  summa 
cordis  amaritudine  significho  qualiter  magnif.  dominus  rever. 
patemitatis  vest.  gernianus  die  XXV.  mensis  settembris  imme- 
diate  preteriti  diem  suum  clausit  extreraum.  post  cujus  obi- 
tuni  dispotus  cepit  omnia  chastra  Chastellaiiie  chorin- 
tiensis;  etiam  rocam  et  civitatem  cliorintim  tenet  obsessam, 
bastardus  autem  prefati  domini  nerei  et  beltranetus  fuit 
totis  viribus  con  dispoto  ac  secum  raanent  in  campo  pug- 
nantes  contra  chorinti  et  cetera  vestra  locha  et  nisi  per 
doniinationem  vestram  de  ceteri  provideatur  medio,  totam 
patriam  per  doniuni  vestram  atenus  aquisitam  dictns  despotus 
total iter  ochupabit.  altissimus  conservct  rever.  paternitatem 
vestram  feliciter  et  longieve.  Datum  Neapoli  romanie  die 
socundo  mensis  novembris. 

Reverend,  paternitatis  vestre 
orator  frater  J.  episcopus  argolicensis. 

Aus  diesem  Briefe  des  Bischofs  Jacobus  von  Argos  (ge- 
schrieben in  Nauplia  am  2.  Nov.  1394)  ergibt  sich  das  ge- 
naue Datum    dos  Todes  Nerios  I. :    der  25.  September   1394. 


\  fSrrgonimus:  Britft  • 


n  iler  (''irriKinnitniin  Acänjnti, 


30(1 


Icli  hebe  in  der  Gescliicfat«  Athetis  von  dessen  TeHtament 
lind  dem  Streite  der  Erben  und  Prätendenten  ausftihrUch  ge- 
redet, und  verweise  darauf  zurück.  Der  Brief  des  Bischofs 
zotgt.  dtuss  augenblicklich  nach  dem  Tode  I^erio'a,  der  nur 
zwei  TOchter  und  einen  illegitimen  Sohn  hinterliesa,  der 
Des|>ot  Theodor  Paläologiis,  vereinigt  mit  Antonio,  dem 
kShoen  Bastarde  des  Verstorbenen  und  mit  einem  (mir 
unbekannten)  Kriegshaupttnann  Beltranetus.  Korinth  über- 
fall«n  und  besetzt  hatte.  Der  Bischof  forderte  den  Bruder 
Nerio'a,  Donato  in  Florenz,  dringend  auf,  die  Ansprflohe 
im  HaUBee  Äcuiajoli  auf  die  Länder  Nerio's  geltend  -iv  machen, 
und  diese  Ansprüche  gründeten  sich  auf  die  Investitur-Ur- 
kunde dee  Königs  Ladislaua  für  Nerio  vom  11.  .Tannar  1394, 
wonach  das  Recht  der  Nachfolge  in  Athen  nach  Nerio's 
Tode  auf  den  Ritter  Donato  und  seine  männlichen  Nach- 
komineti  Übergehen  sollte. 

IVIIT.  A.  1394. 
I^en:  Strunuo  et  Egregio  viro  (locDino  Donalo  de  Acmiolid  militi 
y  nostro  cariMiiuo  fratri  masuua  SenesoilluB  J  eiJ^Je 
iStrenue  et  egregie  roilea  sc  nobis  tarnqnam  frater  ca- 
me.  Qnnmvia  que  ab  altissimo  permictuntur  nniversis 
grata  ese  debeant  pariter  et  accepta,  nee  in  occurrentibus 
divtnis  caaibua  nil  aliud  excogitari  debeat,  quam  attisaimi 
Imik  ezbibenda,  nichilomiuus  humane  camis  fragilitas  non 
sapportat  quia  in  casibus  uecis  proprie  caniis  attinentium  et 
omicoTum  dnloris  anc^ietas  non  revelletur.  Sane  per  literas 
magnifiee  niulieris  domine  ducisse  Luchate  carissime 
sororis  mee  Emigrationem  magnifici  fratris  mei  domini  Nerii 
de  Aczaroliti  Kerenitatis  ve»tre  germani  attenarum  dacis 
iltJentisnniis  et  lacrimantibus  occulis  intellexi.  De  quo  mens 
raea  inaioris  doloria  angiiutie  et  tribulntionts  gladium  nnn 
pohiit  reccpimc.  Uloricbutur  utque  animus  nieu>^  considerans 
«t  cognoecens,    nnum  de  prole  nostra  tante  probitatia  et  ex- 

ihUol.  B.  bIM,  Ol.  IL  1.  21 


1 


BIO  Sitzung  der  hintorisdien  Classe  vom  7.  Juni  ltt!K>, 

cellentie  nrum  ducis  attenarum  nomen  acquisisse.  Nee 
poterat  cor  meum  qualicunque  tristitia  ansium  esse  et  reple- 
tum,  quia  recordatus  ipsius  exeellentis  nominis  ducis  atte- 
narum gaudium  et  conforkamen  non  susciperet  excessivurn. 
Nunc  vero  ipsa  confortatio  mea  in  doloris  amaritudinem  est 
conversa.  De  quo  deo  et  fortune  queror,  et  non  Valens  tale 
perditum  rehabere  Landes  et  dignas  gratias  refero  meo  altis- 
simo  creatori,  sibi  devotissirae  supplicans,  ut  ipsius  anime  per 
sue  benignitatis  pietatem  misereri  dignetur  et  in  eterne  vite 
gloriam  requiescat.  Cumque  nulla  alia  certitudo  quam  mortis 
crudelitas  habeatur  et  sit  universis  destinata,  necessario  co- 
gimur  aliqualis  exhortationis  partem  recipere  et  habere.  Sic 
ego  quam  mich!  melius  possibile  fuerit,  quamvis  sine  magno 
dolore  essere  non  posset,  exhortabor  vestram  sapientissimam 
nobilitatem  deprecans  et  exbortans  ut  quamquam  hie  duris- 
siinus,  crudelissimus  et  insupportabilis  casus  advenerit,  ipsa 
vestra  fraternitas  debitum  confortationis  remedium  obtinere 
et  vos  ipsum  propriis  remediis  consolari,  quod  altissimo  gra- 
tum  erit  et  acceptuin,  et  raichi  ad  uiagnum  consolamen  ve- 
niet  et  succedet.  Unum  tainen  videre  voluissem  postquam 
talis  dolentissimus  casus  debuit  evenisse,  quod  alius  de  domo 
nostra  ad  gloriam  omnium  nostrorum  et  exhortationem  sue 
necis  in  dicto  titulo  et  ducamine  successisset.  Deus  nobi- 
lissimam  fraternitatem  vestram  consolari  dignetur  et  conser- 
vare  omnipotens  in  longevum. 

In  Castro  nostro  Melfie 
die  XXII.  Dec. 

Dies  Condolenzsch reiben  an  Donato  Acciajoli  verfasste 
lloberto,  Graf  von  Melfi  und  Malta  und  Grassseneschall  des 
Königreichs  Neapel.  Er  war  der  Enkel  des  Grossseneschalls 
Niccolo,  und  starb  uuvermält  und  kinderlos  als  Prior  in 
Florenz,  im  Jahre  1420.  Mit  ihm  erlosch  diese  Linie  der 
Acciajoli. 


Gregorovius:  Briefe  aus  der  Corrispondenza  Äcciajoli.       311 

Der  Brief  zeigt,  wie  sehr  sich  die  Äcciajoli  bewusst 
waren,  dass  der  Besitz  des  Herzogtums  Athen  ihrem  Hause 
einen  ausserordentlichen  Glanz  verleihe.  Der  letzte  Gross- 
seneschall  Roberto  sprach  deshalb  den  Wunsch  aus,  dass  ein 
Mitglied  ihrer  eigenen  Familie  der  Nachfolger  Nerio^s  werden 
möge,  aber  er  forderte  dessen  Bruder  Donato  nicht  auf, 
seine  Rechte  auf  die  Nachfolge  zu  behaupten.  Antonio,  der 
ehrgeizige  und  kluge  Bastard  Nerio^s,  gewann  das  Herzog- 
tum Athen,  und  erst  nach  seinem  kinderlosen  Tode  gelangten 
dort  die  Nachkommen  des  Donato  Äcciajoli  zur  Herrschaft. 


Sitzungsberichte 

der 

kOnigl.  bayer.  Akademie  der  WisseDschaften. 


Philosophisch-philologische  Glasse. 

Sitzung  vom  5.  Juli  1890. 

Herr  Keinz  hielt  einen  Vortrag: 

»lieber   Aventins   Tagebuch.     (Aventins    Haus- 
kalender). ** 

Den  Verehrern  des  Begründers  der  bayrischen  Geschichte 
konnte  ich  in  der  Münchener  Allgemeinen  Zeitung  vom 
16.  August  1888  die  nachfolgende  erfreuliche  Mittheilung 
machen : 

,(AYentin-Fund  an  der  k.  Staatsbibliothek.)^ 
Das  von  Aventin  in  den  Jahren  1499  bis  1531  geführte 
Tagebuch  gehört  zu  seinen  wichtigsten  Hinterlassenschaften, 
weniger  wegen  seiner  Aufzeichnungen  für  die  zeitgenös- 
sische Geschichte,  als  wegen  derjenigen  für  seine  Be- 
ziehungen zum  Herrscherhause  und  besonders  wegen  der 
wichtigen  Angaben  für  seine  Lebensgeschichte  und  seine 
Werke.  Selbstverständlich  wurde  diese  Arbeit  auch  in  die 
von  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  auf  Veranlassung 
Seiner  Majestät  des  Königs  von  Bayern  vor  einigen  Jahren 
herausgegebene  Sammlung  der  sämmtlichen  Werke  Aventins 
aufgenommen  und  befindet  sich  im  ersten  Bande  S.  G55 
bis  689.  Für  diese  VeröflFentlichung  hatte  man  aber  nur 
den  Abdruck,  welchen  M.  Gandershofer  in  den  Verhand- 
lungen des  historischen  Vereins  für  den  Regen-Kreis,  Bd.  III 

Uta  PhikMi-pUloL  u.  hisi.  Gl.  II.  S.  22 


314        Sitzung  der  phüosrpMol.  Classe  vom  5.  Juli  1890. 

(1835),  Heft  1,  SS.  1 — 65,  gegeben  hat,  und  zwar  nach 
einer  Abschrift,  welche  Westenrieder  dem  Pfarrer  Nagel  im 
Jahre  1797  zur  Vergleichung  mit  dem  Original  übergeben 
hatte.  Westenrieders  Abschrift  aber  und,  was  noch  schlimmer 
ist,  das  Original  derselben  war  nirgends  zu  finden.  Aventin 
selbst  hatte  seine  Aufzeichnungen  in  ein  gedrucktes  Kalender- 
werk, wie  sie  damals  üblich  waren:  Almanach  nova  (oder 
Ephemerides)  per  J.  Stoefflerinum  et  J.  Pflaumen  (Ulniae), 
das  für  die  Jahre  1499  —  1531  angelegt  war,  eingetragen. 
Als  ich  im  Auftrage  des  verstorbenen  Directors  der  Staats- 
bibliothek, Dr.  V.  Halm,  die  Vorarbeiten  für  die  Druck- 
legung des  Tagebuches  ausführte,  gab  ich  mir  viele  Mühe, 
dieses  Buch  in  verschiedenen  Bibliotheken  aufzuspüren;  es 
fand  sich  aber  kein  Exemplar  mit  Aventin'schen  Einträgen. 
Ueber  das  Exemplar  Aventins,  welches  Westenrieder  aus  der 
Bibliothek  des  Klosters  Neustift  bei  Freising  entlehnt  hatte, 
bemerkt  die  akademische  Ausgabe:  „Es  kam  im  Jahre  1803 
in  die  Ceiitralbibliothek  zu  München,  ist  aber  bald  spurlas 
verschwunden."  Bei  einer  Durchsicht  alter  Doubletten  der 
k.  Bibliothek  kam  mir  heute  (14.  Aug.)  ein  dickes  Buch 
zur  Hand ,  das  in  dem  Verzeichnisse  nur  mit  dem  Worte 
StoefFlerinus  aufgeführt  war.  Erregte  schon  dieser  Name 
meine  Neugierde,  so  war  ich  um  so  angenehmer  überrascht, 
als  mir  beim  Oelfnen  die  wohlbekannten  Schriftzüge  von 
Aventins  Hand  gegeiiübertraten :  das  war  sein  berühmter,  viel- 
gesuchter Hauskalender.  Offenbar  war  dieses  Buch  bei  dem 
massenhaften  Einlauf  von  Büchern  aus  den  Bibliotheken 
der  damals  eben  aufgehobenen  Klöster,  da  schon  zwei  schönere 
Exemplare  aufgestellt  waren,  sofort  zu  den  Doubletten  ein- 
g«*reiht  worden  und  ist  seitdem  keinem  Kenner  der  Aven- 
tin'schen  Hand  oder  des  Werthes  seiner  Einträge  zu  Gesicht 
gekommen.  Um  so  grässer  ist  meine  Freude,  dass  ich  den 
vielen  Freunden  d<»s  Vaters  der  bayerischen  (T«»schicht«  hie- 
mit  die  frohe  Nachricht  geben   kann,  dass  dieser  Schatz  nun- 


Keinz:  Ueber  AvenUns  Tagebuch.  315 

mehr  wieder  an  dem  Platze  zu  finden  ist,  wo  man  ihn  vor 
allem  suchen  muss  —  in  der  k.  Hof-  und  Staatsbibliothek 
zu  München.  Zu  Westenrieders  Abschrift  kann  ich  nach 
kurzer  Durchsicht  des  Originals  bemerken,  dass  sie  so  genau 
ist,  wie  man  sie  von  dem  berühmten  Manne  erwarten  kann, 
dass  aber  immerhin  eine  hübsche  Nachlese  von  kleineren 
Nachtragen  und  Berichtigungen  sich  ergeben  wird/ 

Durch  die  Auffindung  dieses  seit  achtzig  Jahren  ver- 
loren geglaubten  Werkes  war  nun  die  Möglichkeit  gegeben, 
die  Westenrieder'sche  Abschrift,  oder  vielmehr  den  Ganders- 
hofer 'sehen  Abdruck  derselben  auf  ihre  Richtigkeit  zu  prQfen, 
and  sowohl  manche  Stellen,  die  schon  bisher  Zweifel  erregt 
hatten,  als  andere,  die  man  bisher  auf  Treue  und  Glauben 
hingenommen  hatte,  nach  der  ursprünglichen  Aufzeichnung 
sicher  zu  stellen. 

Zunächst  fiel  diese  Aufgabe  mir  als  dem  Finder  zu  und 
wenn  ich  sie  bisher,  durch  andere  Arbeiten  abgehalten,  nicht 
erledigen  konnte,  so  will  ich  nun  in  den  nachfolgenden 
Zeilen  das  Wichtigste  in  aller  Kürze  mittheilen. 

Diese  Art  der  Darlegung  des  Sachverhaltes  aber  wähle 
ich,  weil  sie  mir  für  den  Augenblick  als  die  passendste  und 
mir  allein  mögliche  erscheint.  Es  boten  sich  -  nämlich  zur 
Ausführung  zweierlei  Wege  dar.  Der  eine  war,  alle  Ver- 
schiedenheiten, die  sich  bei  Vergleichung  des  Originals  und 
des  Abdruckes  ergaben,  aufzuführen.  Dabei  wären  aber 
eine  Unzahl  von  Kleinigkeiten  zu  erwähnen,  deren  Darlegung 
Niemandem  nützen,  keinem  Zwecke  förderlich  sein  würde, 
und  dessen  ungeachtet  manchmal  auch  noch  einen  erheb- 
lichen Wortaufwand  erfordern,  und  einen  unverdient  bedeu- 
tenden Raum  einnehmen  würde. 

Für  eine  so  genaue  Wiedergabe  des  Originals  wäre 
meines  Erachtens  der  einzig  richtige  Weg  die  Veranstaltung 
einer  neuen  Ausgabe;  hiezu  aber  scheint  mir  zur  Zeit  eine 
genügende  Veranlassung  nicht  vorzuliegen. 

22* 


31 C  Sitzung  der  phüosrphUoL  Ciasse  vom  5.  Juli  1890., 

Der  andere  Weg  ist  die  Aufzählung  aller  für  das  Ver- 
ständniss  des  Wortlautes  wichtigen  oder  sonst  erwähnens- 
werthen  Abweichungen  und  dieser  Weg  soll  hier  einge- 
halten werden.  ^' 

Die  Beschreibung  des  Druckwerkes,  welches  Aventin  zu 
seinen  Einträgen  verwendete,  ist  in  der  akademischen  Aus- 
gabe schon  mit  solcher  Genauigkeit  gegeben,  dass  derselben 
nur  wenig  beigefügt  werden  kann.  Es  ist  davon  besonders 
fest  zu  halten,  dass  jeder  Jahrgang  ein  Titelblatt  hatte, 
welches  nur  auf  der  ersten  Seite  die  Worte  ^Ephemerides 
a*"  virg.  partus^  auf  kleinem  Raum  enthielt  und  dass  auch 
die  letzte  Seite  leer  war,  so  dass  fast  drei  vollständige  Seiten 
für  die  grösseren  politischen  Berichte  zur  Verfügung  standen: 
für  die  kleineren  täglichen  Bemerkungen  war  durch  zwei 
schmälere  Seitenränder  und  einen  breiteren  unteren  Hand 
genügend  Platz  vorhanden.  Dass  die  32  Jahrgänge  in  einem 
Bande  hergestellt  und  verkauft  wurden,  ist  daraus  zu  schliessen, 
dass  nur  dem  ersten  Jahrgang  die  allgemeinen  calendarischen 
Einleitungen  vorausgeschickt  sind  und  zwei  andere  hier  vor- 
handene Exemplare  den  gleichen  Umfang  zeigen.  Im 
Widerspruch  damit  steht  nur,  dass  sieh  zweimal  die  Angabe 
über  Ankauf  des  Almanacli  findet,  nämlich  im  Eingang  zum 
J.  1504  in  sehr  abweichender  Schrift:  ,isto  anno  emi  alma- 
uach  pro  nno  fl.'  und  z.  J.  1509  ,illo  anno  emit  Aventinus 
almanach  in  Carroduno  h.  e.  Burghausen'. 

Da  die  erste  Angabe  noch  in  die  Zeit  seines  Pariser 
Aufenthaltes,  also  noch  in  die  Jahre  seiner  Studien  und  Studien- 
reisen fällt,  so  wird  sie  sich  wohl  auf  einen  Kalender  ge- 
ringeren Umfanges  beziehen,  da  man  nicht  annehmen  kann, 
djiss  er  ein  in  Ihnfang  und  Gewicht  so  bedeutendes  Buch 
auf  seine  sehr  ausgedehnten  Reisen  mitgenommen  hätte.  Da- 
gegen war  er  i.  J.  1509  schon  in  seiner  festen  Stellung  als 
IVinzenerzieher  und  es  steht  also  nichts  der  Annahme  ent- 
gegen, dass  das  in  diesem  Jahre  gekaufte  Exemplar  das  uns 


fCeitu:  äbtr  AurtiliiiA   Tafirharh.  ^17 

jetxt  nm:h  erhnlt^ne  sei.  Die  Notizen  d^  frQlie<ren  KalenilerN 
mt^  er  dann  wohl  in  den  neuen  Dbergescbriebeu  liftben. 
Sot  stimmt  eu  dieser  Annahme,  dass  die  vorausgehenden 
Jahre  znar  <Iie  politischen  JabrR''l>6n'chte  in  gr5s8erer  Aiis- 
delinimg  haben,  aber  die  zu  einzelnen  Tagen  gehörenden 
Mittlieiifjngen  in  ziemlich  j^erin^r  Zahl  zeigen.  Eine  Gattung 
der  EintrTige  —  die  meteorologischen  —  f^ngt  überhaupt  erst 
mit  il.  J.  1500  an.  Femer  erhellt  diesa  auch  aus  dem  In- 
halt einiger  Einträge,  wie  z.  B.  gleich  beim  ersten  Jahre 
geschieht  liebe  Notizen  mit  einer  späteren  Zeit  in  Bezug  ge- 
setzt sind. 

Da  indess  :«ämmtliche  Einträge  Avcntins  Hand  »eigen. 
«I  dürfte  die  Frage  nach  einem  oder  zwei  Exemplaren  des 
Kalendera  als  eine  mfissige  zu  betrachten  und  nicht  weiter 
KU  behandeln  sein. 

Die  verschiedenen  Arten  der  Einträge  sind  »chon  in  der 
akademischen  Ausgabe  aufgezählt.  Vier  davon  wurden  beim  Ab- 
druck übergangen,  nämlich  I )  diät«tt!üche  Flegeln  allgemeiner 
Art  mit  mediz.  Kecepten.    manchmal  ziemlich  umfangreich; 

2)  die  .Angabe  der  beweglichen  Fe^  (nur  beim  5.  Mai  1510 
nind  die  rogatioues  oder  snpplicationes ,  d.  h.  die  alljähr- 
lichen   Frlihlingsbittgänge    um   die    Felder,    aufgenommen; 

3)  die  gelegentlich  hii^eworfenen  etymologischen  Versuche 
mit  Personen-  und  Ortsnamen;  diese  finden  sich  nur  auf 
dem  ersten  und  letzten  Blatte  des  ganzen  Buches  und  sind 
in  genügender  Menge  in  der  Einleitung  mitgetheilt;  4)  die 
Wetterberichte.  Bei  diesen  waren  die  Ansichten  verschieden. 
Ich  hatte  sie  alle  in  die  für  den  Druck  gefertigte  Abschrift 
ftufgenommen;  Halm  aber  hat  bis  auf  wenige,  (z.  B.  Januar 
l'')23)  alle  gestrichen,  weil  sie  zu  bedeiitunga-  und  werthlos 
aei«n.  Mir  erschien  das  anders:  allerdings  hatten  sie,  nach- 
dem einmal  die  Zeit  ihre»  Eintrags  vorüber  war,  keinen 
Werth  mehr.  Das  wusste  aber  auch  Aventin  und  wenn  er 
dann  deasenungeacbtt^t   dit^e  Aufzeichnungen,  zeitweilig  mit 


318  Sitzung  der  phUoa.-phüol,  Glcusse  vom  ö.  Juli  1890, 

grosser  Uegelmässigkeit,  fortsetzte,  so  mossten  sie  ihm  doch 
nicht  bedeutungslos  erscheinen..  Man  kann  also  fQglich 
glauben,  dass  er  schon  eine  dunkle  Ahnung  von  der  Mög- 
lichkeit der  erst  in  unserer  Zeit  ausgebildeten  Wissenschaft 
der  Meteorologie  hatte  und  für  seinen  Theil  zu  den  Anföngen 
derselben  Beiträge  liefern  wollte,  aus  deren  fortgesetzter 
Aufnahme  sich  vielleicht  Kegeln  ergebem  könnten. 

Eine  künftige  Ausgabe  des  Tagebuches  wird  daher  auch 
diese  Eiuzeichnungen  unbedingt  aufnehmen  müssen,  weil  sie 
das  Bild  der  vielfaltigen  Thätigkeit  des  aussergewöhnlichen 
Mannes  um  einen  wesentlichen  Zug  bereichem  und  vervoll- 
ständigen. 

Die  wirklich  zum  Abdruck  gelangten  Einträge  sind  also 
nur  von  zweierlei  Art. 

Erstens  die  Berichte  über  die  politischen  Zeitereignisse, 
welche  aber  für  eine  Zeit,  die  wir  aus  den  archivaiischen 
Aktenbestünden  auf's  genaueste  erforschen  können,  nur  ein- 
zelne wichtige  Beiträge  liefern;  zweitens  die  Angaben  über 
seine  persönlichen  Erlebnisse  und  Erfahrungen.  Diese  sind 
selbstverständlich  von  der  höchsten  Wichtigkeit.  Sie  uni- 
fiissen  alles  dahin  gehörige,  seine  Gesundheitsverhältnisse, 
seine  materielle  Lage,  seine  Familie,  seine  Studien  und  Reisen, 
und  besonders  seine  Stellung  als  Prinzenerzieher  und  später  als 
Landeshistoriograph. 

In  der  Wiedergabe  der  Kalendereinträge  durch  den 
Druck  hatten  die  Herausgeber,  also  zunächst  und  ursprüng- 
lich Westenrieder,  zwei  Schwierigkeiten  zu  überwinden. 

Die  eine  lag,  bei  grösseren  Einträgen  auf  einer  Seite, 
also  besonders  bei  den  für  djis  ganze  Jahr,  meist  nach  Ab- 
lauf desselben,  gemachten  politischen  Berichten  iu  der  Qrup- 
]>irun^  der  einzelnen  Sätze.  Aventin  schrieb  die  erste  ihm 
in  die  Hund  kommende  Notiz  oft  mitten  in  die  Seite,  setzte 
rechts  und  links  andere  Sätze  an,  schob  auch  mitunter  zwischen 
zwei  Sätzen  auf  kleinem  freigebliebenen  Kaume  wieder  einen 


KVitii*   Ihbrr  Acentiit/i   Taf/eltuch.  319 

midrrn  8ntz  ^^nz  andern  Inhnlta  ein  ii.  dgl.  m^br.  Die  richtige 
AtuliS«unK  flolch«r  hie  uml  da.  scheinbar  ineiimiider  greifen- 
deu  Siitae  l>iet«t  mitunter  erhebliche  Schmeri^keiten ,  x.  B. 
in  (l«n  UvbtirMichten  der  Jahre  1504  oder  1511.  Atthuliohes 
findet  tich  iiuoh.  wenn  bei  «einzelnen  Monnten  mif  dem 
schmalen  Kande  §ich  viele  Einträge  Boden,  die  oft.  in  ein- 
Knder  gehen  und  häutig  dann  auch  zum  Zweck  der  Ranm- 
enpurutig  klein  nml  sehleuht  giwijhrielwn  sind,  wie  mimeiit- 
üch  die  vielen  ^tze  ilher  die  Belagerung  Wiens  beim  Oct  1529. 

Di«  zweite  Schwierigkeit  liegt  in  der  Schrift  Äventina. 
Diese  i»t  »ehr  verarhieden,  snwohl  in  der  'Grösse  äU  im  Zuge 
und  wechselt  von  der  grinsten  Deutlichkeit  bis  zur  vollstäu- 
(ligcD  Itnleserlichkeit  iu  ao  hohem  Cirade,  du^s  uian  manch- 
mal «ehr  XU  itweii'eln  ventucht  ist,  üb  man  es  mit  ÄuJ'iteich- 
nutigen  derselben  Uand  zu  thun  hat. 

AI»  rin  weiterer  misslicher  Umstand  nmas  erwähnt  werden, 
iam  Äventin  hie  und  da,  besoudem  in  den  letzten  Jahren 
aue  rotbe  Tinte  verwendete,  die  dem  Verblassen  sehr  untt'r- 
Hngt,  wobei  sich  noch  der  sonderbare  OmBtand  findet,  dass 
niBiivbe  Worte  und  »elbat  Sätze,  die  Westenrieder  ohne  alle 
Benierknng,  also  als  ganz  sicher,  wiedergibt,  jetzt  kaum 
Qiühr  in  einv^lnen  Strichen  oder  auch  gar  nicht  mehr  zu 
«r^enoen  «ind. 

Durch  blossen  Zufall  mag  es  veranlasst  sein,  das»  an 
anigiin  Stellen  kleine  Einträge  ganz  ßhemehen  waren  z.  B. 
die  in  ihrem  Wortlaut  eigentbümliclie  und  noch  der  Er- 
kÜrong  bedürftige  Notiz  zum  f!.  März  1821. 

Alle  erwähnten  Schwierigkeiten  lassen  es  als  «ehr  ver- 
sdfalich  «racheinen,  wenn  «ich  in  Westenrieder«  .\bschrift 
(and  OBcb  dieser  in  den  beiden  Drucken)  nicht  wenige  Stellen 
finden,  in  welchen  Abweichungen  vom  Originale  nochge- 
vrieseii  wnilun  köunKU.     Es  bleiben  sogar  nach  Heilung  zahl- 

Ki^cbäden  dieser  Art  noch  einige  zurfick.   an  welchen         ^^^fl 
(Vigcr  MeratLtgeber   seine  Augen   und   Meinen  Scharf-         ^^^^^ 


320  Sitzung  der  phOos.'phäol,  Glosse  vom  5.  Jtdi  1890, 

sinn  anstrengen  kann.  Der  Bericbierstatter  hat  in  allen 
diesen  Dingen  gethan,  was  ihm  in  der  fSr  diese  Arbeit  ver- 
fögbaren  beschränkten  Zeit  möglich  war  und  ist  zufrieden 
damit,  dass  er  dem  etwaigen  spateren  Bearbeiter  die  meisten 
Schwierigkeiten  aus  dem  Wege  geräumt  hat. 

In  der  nachfolgenden  Aufzäbhing  sind  die  Berichtungen, 
Nachträge  und  erklärenden  Bemerkungen  in  der  Reihe  der 
Jahre  sowie  der  Seiten  und  Steilen  der  akademischen  Aus- 
gabe aufgeföhrt. 

Ephemerides  anno 
1499. 
S.  658  Z.  3  nach  Caesaris  ist  einzusetzen  hoc  anno.  —  Z.  12 
st.  pt*fn'  dtirft«  zu  lesen  sein  partium  und  Z.  21  nostri 
statt  Herum.    Aus  Z.  13  ff.  ergibt  sich,  dass  dieser  ganze 
Bericht  erst  in  späterer  Zeit  eingetragen  wurde. 

1500. 
S.  659    Z.  1   nach  electus   ist    einzuschalten   postea.     Z.  9  I. 
vefii  st.  redii. 

1502. 
S.  659  Z.  1 1  Thurinonwrfis  ist  für  ausgestrichenes  tummaier 
eingesetzt.  —  Z.  13  1.  quondam  st.  qui.  —  Z.  28  I. 
Cametz  (d.  h.  Kamen z,  wie  in  der  Anmerkung  richtig 
verrauthet  ist)  st.  Camelorum.  Der  in  der  Anm.  erwähnte 
Eintrag  ist  nicht  vorhanden;  wohl  aber  stehen  beim 
9.  Mai  die  Silben  harcino  fii  rlie^  also  wohl  UarcifW' 
furdiae  =  Erfurt. 

S.  ()()()  Z.  1  st.  Heiohorgae  ist  wohl  zu  lesen  Nerobor gae 
(Nürnberg.)  —  Z.  4  rodem  mense  ist  vom  Abschreiber 
einj^esetzt.  Vindemia  Chclohemii  ist  wohl  der  Ort  Kehl- 
heirnwinzer. 

1502. 

S.  r)()0  Z.  5  l,  Modiusfscheff]  tritici  X  aureis  venditus  (statt: 
modius   11  flormis  aureis  ve^iditus  scheff  II  Tumisen). 


4 


Keinz:  Ueber  Äventins  Tagebuch,  321 

Z.  7  1.  OcL  Otingium  (fuit?);  Nov.  CivibtM  Apsibergami 
consiliatus. 

1503. 
Z.  12  vor  vi  einzusetzen:  Ferdinandus. —  Z.  15  1.  OaUiam. 
Z.  23  1.  Partum.  —  Z.  24  nach  dieser  Zeile  ist  zu  er- 
ganzen: Sept.  Francofori  (?)  fui^  inde  rursus  Lutetiam 
petivi.  —  Z.  25  1.  Nov.  st.  Dec.  1.  —  Die  Zeilen  25 
bis  30  (bis  aetas)  stehen  beim  November  (beim  De- 
zember steht  nur  1  obiü  dux  Oearyius);  alles  übrige 
bis  S.  661  Z.  6  ist  auf  der  leeren  Schlussseite  des  J.  1503 
eingetragen.  —  Z.  28  occupavit  steht  vor  Bain.  —  Z.  31 
hinter  fratres  steht  qui  obiit  1509. 

1504. 

S.  661  Z.  20  1.  superiarum  st.propwrum;  der  erste  et  ist  zu 
streichen.  —  Z.  28  1.  vi  st.  tarnen.  —  Z.  30  ist  der 
Schrift  nach  an  Z.  21  anzuschliessen. 

S.  662  Z.  20  1.  c%vÜ€Ues  st.  cives.  —  Z.  21  ist  wohl  zu  lesen: 
qui  mulctarunt  Bhenum  oppidum;  Hasse  etc.  —  Z.  32 
1.  Apr.  5  et  7  st.  Apr.  7;  vor  15  ist  einzusetzen  13  Slestad. 
—  Z.  24  Freistat  etc.  ist  unmittelbar  an  Z.  22  anzu- 
schliessen. 

1505. 

S.  663  Z.  1  I.  Gelrhia;  ebenso  steht  auch  Z.  23  Gelrhie 
(nicht  Gddrie).  —  Z.  7  auch  beim  Januar  steht  Straubing. 

1507. 

Z.  22—24  Cozyria  ist  Zusatz  des  Abschreibers;  ^et  Julius 
(papay  ist  ganz  zu  streichen;  Hn  fine  anni  et  pr.  sq.''  ist 
an  occupant  in  der  23.  Z.  anzuschliessen ;  und  oppugnat 
st.  appugnant  zu  lesen. 

1508. 
S.  663  Z.  37  1.  insipienter. 

S.  664  Z.  6  an  Stelle  des  eingesetzten  ßngens  steht  dicU. 


322  Sitzung  der  phüosrphüol,  Glasae  vom  5.  Jtdi  1890. 

1509. 
S.  665  Z.  5  1.  Aegrenses;  hinter  nobiles  scheint  nur  das  Wort 
vulgus  zu  stehen.  —  Z.  26  Eodem  anno   ist   vom  Ab- 
schreiber eingesetzt. 

1510. 
S.  666  Z.  4.  Remis  ist  eine  gewiss  fiaische  Lesung  eines  uu- 
deutlich  übergeschriebeuen  Wortes  (wahrscheinlich  rhetie). 
Z.  33  zu  Januar  und  zu  Februar  ist  er^nzend  einzu- 
setzen ^Burghausen-München^  —  Z.  35  zum  27.  März 
ist  zu  lesen :  venit  praefecius  praetorii  muckentfialer  (der 
Abschreiber  hat  die  Minuskel  m  für  in  und  ucken  für 
urbem  gelesen).  Die  Zahl  31  ist  zu  streichen;  der  da- 
bei stehende  Satz  steht  unten  am  Rande  als  zum  Monat 
überhaupt  gehörig. 

S.  667  Z.  3  die  Zahl  30  ist  zu  streichen ;  der  Satz  steht  am 
untern  Rande.  ^Bnrghamen*'  steht  bei  allen  Monaten 
vom  Mai  bis  zum  Oktober. 

1511. 

Z.  10  statt  quae  mit  ist  vielleicht  zu  lesen  qui  nimis 
s(a)evit.  —  Z.  111.  gefiiis  statt  gmionim.  —  Z.  14  ist  xd  zu 
streichen.  —  Z.  17  1.  quaesienint  st.  cofiservant.  — 
Z.  22  1.  in  römischer  Zahl  1520.  —  Z.  23  nach  astro- 
nomo  ist  Bononiae  einzusetzen  und  statt  ^L(eoniy  X. 
zu  lesen  ''ex\  (Der  Abschreiber  wollte  den  Namen  des 
Pabstes  haben  und  las  daher  L(eoni)  statt  e  und  X 
statt  X.  Leo  X.  wurde  Papst  i.  J.  1513).  —  In  Z.  24 
sollte  Timetur  &  den  neuen  Absatz  beginnen. 

S.  668  Z.  2  1.  sich  st.  des  ersten  dich.  —  Z.  10  sc  ist  zu 
streichen.  —  Z.  17  si  ist  vom  Abschreiber  eingesetzt. 
Z.  21  wohl  dbaci  st.  Abati,  —  Z.  29  1.  Visa^,  —  Z.  30. 
Die  ganze  Zeile  ist  so  zu  lesen  partis  pontificis  fuerat. 
Incolae  occisi  ad  tmum.  In  ultimo  Junio  <t.  Der 
Öchluss  des  Absatzes  (Z.  33)  ist  unsicher. 


Keing:  Ueber  Äventina  Tagebuch.  323 

1511. 
S.  669  Z.  6  Ser(enissimi)  ist  zu  streichen.  —  Z.  16  nach 
venu  ist  einzusetzen:  22,  discessit.  —  Z.  17  1.  Gesarem 
st.  Austriam.  —  Z.  21  1.  matertam  st.  refectorium;  die 
ganze  Stelle  ist  übrigens  sehr  schlecht  geschrieben  und 
zum  Theil  vergilbt,  so  dass  sie  kaum  mit  Sicherheit 
herzustellen  ist;  ebenso  der  folgende  Absatz,  der  —  von 
Veneti  an  —  am  unteren  Rande  steht,  und  in  welchem 
drciimgresii  C!onjectur  zu  sein  scheint. 

S.  670  Z.  2/3  der  ganze  Satz  von  Totus  bis  pluverat  steht 
beim  16.  Sept.;  das  übrige  ohne  Datum  beim  Oktober. 

—  Z.  4  hinter  Arragoniae  ist  einzusetzen  qui  a  Gaesare 
et  Gallis  defecercU.  —  Z.  7  1.  sed  statt  post;  in  der 
folgenden  Zeile  ist  quipiam  cum  fraude  jedenfalls  falsch, 
aber  die  richtige  Deutung  schwierig.  —  Z.  14  1.  pro- 
vincialium  st.  privatum. 

1512. 
S.  670  Z.  23  1.  concilia  st.  comitia,  —  Z.  29  1.  praesensere 
st.  pers  .  .  . 

S.  671  Z.  2  1.  mendici  st.  interdid^  ebenso  Z.  4  mendicos 
st.  mentitoa,  —  Z.  19  statt  ahihunt  steht  eine  Abkürz- 
ung {iurisconsvMus?)  und  darnach  profecti;  in  Z.  20 
ist  st.  München  zu  lesen  Landshut,  —  Z.  26  1.  eo  tem- 
pore st.  Lotharingiae, 

S.  672  Z.  8  das  in  der  Anmerkung  erwähnte  Sternchen  ist 
nur  Verweisungszeichen.  —  Z.  10  1.  iussu  und  st.  cum 
wohl  eum,  —  Z.  14  die  Punkte  sind  zu  tilgen.  —  Z.  22 
Hohen  creidum  (d  h.  Hohenkrähen.)  —  Z.  26  Vlsung, 

1513. 
S.  673  Z.  1  zum  1.  März  ist  bemerkt:  nan  ieiunare^  Gamedi.. . 

—  Z.  5  die  zwei  griechischen  Worte  sind  ausgestrichen; 
die  den  Leonardus  betreffenden  Worte  stehen  beim 
14.  April;    das  übrige  steht   am   unteren  Rande  ohne 


324  Sitzung  der  philos.'phüdl.  Classe  vom  5,  Juli  1890. 

Datum;  das  Wort  supplicatiofies  ^hört  zum  1.  Mai.  — 
Z.  9  die  Angaben  zum  8.  mid  18.  Mai  kaum  richtig 
und  jedenfalls  unvollständig ;  die  Schrift  hier  ganz  schlecht 
und  verblasst.  Beim  24.  Mai  steht:  nil  orare  post  pran- 
dium.  —  Z.  11  das  beim  10.  Juni  stehende  LandshU 
bezieht  sich  auf  den  ganzen  Monat;  die  Angaben  zum 
19.,  26.,  28.,  29.  Juni  finde  ich  nicht.  —  Z.  17  beim 
26.  Nov.  steht  dasselbe  wie  beim  24.  —  Bei  diesem 
Jahre  verschiedene  kleine  Angaben,  die  verblasst  oder 
wegen  schlechter  Schrift  nicht  lesbar  sind. 

1514. 

S.  673  Z.  26  1.  Wolfgangus  comes  de  Ort .  .  .;  am  Schlnss 
dieser  Notiz  noch  einige  unlesbare  Worte.  —  Z.  29 
scheint  Licatia  irrthümlich  eingesetzt  zu  sein.  —  Z.  J^O 
beim  9.  Februar  ist  einzusetzen  diu  dormire  post  jyran- 
dium,  somnium,  orare. 

S.  674  Tl.  5  die  Angabe    vom    7.  Juni    steht   auch    beim  9.; 

dazwischen  ein  paar  Worte.   —  Z.  8  zum  28.  Nov.  'post 

prandium  orar&. 

1515. 

S.  674  Z.  V'\  einzusetzen  8.  Jan.  hihUopola;  beim  27.  Jan. 
.steht  ein  (Jebet-Eintrag.  —  Z.  15  1.  Fehr.  1  dk  :>S  - 
Der  zum  25.  Febr.  gegebene  Eintrag  steht  beim  März 
am  oberen  Rande,  ist  aber  ganz  ausgestrichen.  —  Z.  24/26 
statt  Bemried  ist  zu  lesen  Lermos,  das  nachfolgende 
frcs  ist  zu  streichen.  München  steht  nicht  am  Schluss, 
sondern  als  für  den  Monat  fiberhaupt,  hier  für  den  An- 
fang desselben  geltend,  am  unteren  Rande.  Beim  Sep- 
tember und  Oktober  ist  unten  am  Rande  'ItaUa^  ein- 
getragen. Durch  die  Einstellung  von  Lernios  statt  des 
falschen  Bernried  ist,  da  auch  Verrcs  sich  leicht  als 
'Fernpass'  erklärt,  ein  richtiger  Reiseweg  —  Starnberg, 
Andeehs,  PoUing,  Raitenbuch,  Steingaden,  Füssen,  Leer- 
mos,   Fernpass,  Nassereit,  Landeck,  Imst    -    hergestellt. 


Keinz:  lieber  Äcentins  Tagebuch.  325 

Da,  wie  oben  erwähnt,  die  Ansetzang  Münchens  an  den 
Schluss  keine  Berechtigung  hat,  so  ist  es  zweifellos, 
dass  wir  in  diesen  Orten  schon  die  ersten  Stationen  der 
Reise  nach  Italien  haben.  Die  Reise  nahm  also  vom 
Anfang  Juli  bis  zum  Eintreffen  in  Ingolstadt  am  24.  No- 
vember nahezu  fünf  Monate  (nicht  wie  in  der  Anmerkung 
und  den  Biographien  bisher  angegeben  wurde:  nicht 
volle  vier  Monate)  in  Anspruch. 

1517. 
S.  675  Z.  1  pcUmarum  ist  richtig;  camer  entschieden  falsch, 
aber  nicht  lesbar.  —  Z.  6  ist  statt  der  Punkte  einzu- 
setzen: St.  Salvator.  --  Z.  12  statt  des  unmöglichen 
Aüerspach  wird  zu  lesen  sein :  Äbensperg^  wie  schon 
Nagel  vermuthete. 

1518. 

ä.  675  Z.  19  bei  5.  März  steht  ein  undeutlicher  Ortsname, 
vielleicht  Rocheling  an  der  Um.  —  Z.  20  zum  6.  Apr. 
Diessen  ist  gewiss  falsch ;  zum  9.  April  wird  Kipfen- 
berg  statt  der  Punkte  einzustellen  sein.  —  Z.  21  beim 
29./30.  April  zwei  Namen,  deren  erster  Thierhaupten 
sein  kann.  —  Z.  22  hier  scheint  Thierhaupten  ausge- 
strichen zu  sein.  —  Z.  23  zum  13.  Mai:  1.  Piburch.  — 
Z.  25  zum  28.  Juni  wohl  Wasserburg.  —  Z.  27  zum 
3.  Juli  wohl  Beiharting. 

S.  676  Z.  3  statt  Andechs  ist  zu  lesen  St.  Rasso^  d.  h.  Graf- 
rath  an  der  Amper. 

1519. 

S.  676  Z.  13  der  in  der  Anmerkung  zu  Z.  13  erwähnte  Ein- 
trag steht  nicht  am  Schluss  von  1518,  sondern  am  An- 
fang von  1519;  aber  ohne  das  fabche  Datum«  —  Z. 
statt  nocte  surgo  in  casto  ist  zu  lesen  tarde  awrf§ 
Aricnisto  forare  ?) ;  dabei  noch  ein  paar  unlesban  Y 
und  einzelne  griechische  Buchstaben.  —  Z.  17  dia 


326         Sitzung  der  phOos.-fMdl.  Clasw  vom  6.  Juli  1890. 

gaben  zum  4.  5.  und  8.  Mai  sind  sicher  falsch,  aber 
kaum  zu  lesen;  ebenso  eine  zum  2.  Juni.  —  Z.  21  st. 
vesperas  et  complet,  oblüus  ist  zu  lesen  vergessen  vesp. 
&  comple.   (wie  beim  18.  Juni  1520). 

1520. 
S.  676  Z  27  zu  ergänzen  Jan.  9.  nil  orare ...  —  Z.  29  beim 
4.  Febr.  ein  unlesbarer  Eintrag. 

1521. 
S.  677  Z.  12  anzufügen  Jan.  25  crap(ula)  vamiitis.  —  Z.  17 
statt  der  Punkte  einzusetzen  similis  iridi.  Beim  8.  März 
findet  sich  der  von  W.  übersehene  Eintrag:  ^auricularium 
sacrtim*^  in  deutlicher  Schrift.  —  Z.  22  1.  quarti  libri 
st.  qtuzrtum. 

1522. 

S.  G78  Z.  8/9  die  nach  ^gedrucM  stehenden  Worte  sehe  ich 
nicht.  —  Z.  13  1.  geschickt  st.  geschriebeti.  —  Z.  10  da- 
bei noch  der  undeutlich  geschriebene  Eintrag:  sie(?) 
nach  arcu^  lunae  sicut  (?)  1521  in  martio.  Am  unteren 
Rande  steht  vindeliciae.  Auf  der  letzten  Seite  steht 
ein  besonders  ausführlicher  Wetterbericht  über  die  Zeit 
von  Weihnachten   bis  hl.  3  Könige. 

1523. 

S.  078  Z.  20  st.  stielecht  ist  wohl  snebccht  (=  schneeig)  zu 
lesen.  —  Z.  23  beim  Februar,  März,  April,  Mai  gelten 
die  Angaben  des  Aufenthaltsortes  für  den  Monat  und 
sind  daher  die  einzelnen  Zahlen  zu  streichen.  Beim 
A])ril  steht  Lundshiit  auch  beim  13.  (also  wohl  Ankunft- 
Tag),  beim  13.  Mai  steht  die  Einzelaii^al)e  Ranslioven 
und  unten  noch  zwei  unverständliche  Worte.  —  Z.  28 
hinter  Ranshovcn  steht  noch  Otiny.  —  Z.  29  die  hier 
stehende  Angabe  findet  sich  auch  auf  der  ersten  Seite 
dieses  Jahres:  ''fui  apud  cardinalem  Saleburgefisetn* .  ~ 
Z.  30  st.  Salehury  steht  Lnndshut  (beiui    1.  Nov.) 


Keiru:  Ueher  Aventins  Te^bueh,  327 

1524. 
S.  679  Z.  6  am  nniern  Rande  zwei  Worte,  die,  wie  sie  aus- 
sehen, (matse  maratus)  hier  keinen  Sinn  geben.  —  Z.  8 
beim  23.  Juni  eine  unverständliche  Angabe.  Die  Worte 
von  Ahensperg  an  stehen  am  untern  Rande.  —  Z.  11 
statt  München  ist  wohl  zu  lesen  Schirling,  —  Z.  26/27 
Witeberg  und  Sueviam  sicher  falsch;  statt  des  ersteren 
scheint  riceburg  zu  stehen. 

1525. 
S.  081  Z.  1  abiit  ist  för  ein  unlesbares  Wort  eingesetzt.  — 
Z.  5   1.  capsularii.    —    Z.  12  1.  geben  st.  geborgen.  — 
Z.  17  die  ganze  Zeile  bis  zur   Zahl  21    werthlose  Con- 
jectur.  —  Z.  25  nach  III  einzusetzen  eüen. 

1526. 

S.  682  Z.  15  statt  Lirer  wohl  mylner  zu  lesen.  —  Z.  19  st. 
Sannsbach  ist  wohl  Zaunspeck  zu  lesen.  —  Z.  22  1. 
foedus  st.  pariibtis  (ohne  Punkt)  und  in  der  nächsten 
Zeile  wohl  niiUit  episcopo  st.  juvant  —  Z.  24  1.  bellum 
episcopi  SäUfburgensis  st.  b,  cun%  Saleb.  —  Z.  27  von 
diesem  Bericht  über  einen  Uagelschlag  steht,  da  hier 
der  Buchbinder  die  Blätter  falsch  eingereiht  hat,  die 
erste  Hälfte  beim  April,  die  zweite  beim  Juni. 

S.  683  Z.  1  und  2  stehen  beim  Juli  am  oberen  Rande.  — 
Z.  4  nach  Philippus  einzusetzen:  hie.  —  Z.  10  statt 
^SepL*  L:  J2  hol.  Septembribus  rex.  —  Z.  16  die  Zahl  15 
ist  zu  streichen.  — 

1527. 

S.  683  Z.  21  ivimtis  sicher  falsch,  aber  kaum  lesbar.  — 
Z.  23  der  Eintrag  zum  24.  Febr.  steht  ohne  Datum 
unten.  —  Z.  28  der  gleiche  Eintrag  steht  auch  beim  Juni. 

1528. 
S.  684  Z.  1  per  rusticos  ist  sehr  zweifelhaft;  aber  das  Wort 
zu  sehr  verblasst.  —  Z.  25  ibidem  bezeichnet  die  Wieder- 


328  Sitzung  der  pkOos.'phOol.  Clasäe  wm  5.  Jtdi  1890. 

holung  des  yorhergehenden  Eintrags.     Die  3  folgenden 
Worte  stehen  auf  dem  Titelblatt  des  Jahres  1529. 

1529. 

S.  684  Z.  31  die  Zahl  25  ist  zu  streichen. 

S.  685  Z.  12  der  falsche  Wortlaut  ist  hier  kaum  zu  ver- 
bessern; die  Zeilen  15 — 24  stehen  noch  beim  September. 
Von  den  Eintragen  zum  September  und  October,  die 
fast  ganz  mit  rother  Tinte  geschrieben  sind,  ist  vieles 
verblasst  und  desswegen,  sowie  wegen  schlechter  Schrei- 
bung und  Gruppirung  kaum  mehr  herzustellen. 

S.  687   Z.  4  1.  vüibtis  st.  urbibus.   —    Z.  14.    An    den  mit 

bestiis  abschliessenden  Ausruf  reiht  sich,    mit   ihm  auf 

der  leeren  letzten  Seite  des  Jahrgangs  eingetragen,  der  in 

der  Anmerkung  zu  S.  686  Z.  20  abgedruckte  Entwurf 

zu'  Aventins  Heiratspakt'.     Er  ist  theil weise  so  schlecht 

geschrieben,  dass  sich  nur  behaupten  lässt,  dass  manches 

vom  Abschreiber   falsch    gelesen    ist,    besonders    in   der 

auf  S.  687  stehenden  AbtheiUmg,  während  ich  die  sichere 

Herstellung    besseren    Augen    überlassen    muss.   —     Die 

Zeilen  14  (Anstria  d\)  —    19  stehen  auf  der  ersten  Seite 

des  Jahres  15IW. 

15:^0. 

S.  687  Z.  22  statt  Holeperc  scheint  zu  stehen  Sulzpek.  Vor 
Neumarkf  ist  das  "C"  su  streiclien.  —  Z.  23/24  statt 
proditiotws  versus  pactum.  Purchausefi  ist  zu  lesen  ;)ro- 
ditionis  reus  pcractus  Perathausen,  —  Z.  26  Pcrates- 
husm  gehört  hier  nicht  zur  Keiseroute,  sondern  erst  in 
der  folgenden  Zeile.  Die  Orte  sind  in  zwei  Gruppen 
eingetragen,  Trfar  bis  Parsberg  auf  der  einen,  die  von 
Ttaning  an  auf  der  andern  Seite,  also  wohl  Hin-  und 
und  Rückreise.  Dabei  ist  nach  Helfenberg  Veldorl\ 
nach  Teining  Sinj^enhof  einzusetzen,  nach  Taimburg 
stehen  zwei  kaum  lesbare  Nüinen.  —  Z.  .'U  1.  Aniberg 
st.  Amborus, 


Tafel  mm  Müitärdiplom  von  Eining. 

Innenseite. 


329 


Herr  y.  Christ  legte  einen  Au&ate  des  Herrn  Stadt- 
pfarrers Wolf  gang  Schreiner  in  Abensberg  vor: 

«Das  Militärdiplom  von  Eining*. 

(Mit  1  Tafel.) 

I. 

In  der  Sitznng  der  philos.-philol.  Klasse  der  königlichen 
Akademie  der  Wissenschaften  vom  5.  März  1887  berichtete 
der  gegenwärtige  Studienrektor  am  königl.  Gymnasium  zu 
Speier,  mein  verehrter  Freund  F.  Ohlenschlager:  «Ausser  den 
erwähnten  Fundstücken  von  Eining  haben  wir  der  Sorgfalt 
des  Herrn  Pfarrers  Schreiner  auch  ein  Militärdiplom  zu 
verdanken,  dessen  Bruchstücke  aber  dick  mit  Patina  bedeckt 
sind  und  erst  nach  völliger  Reinigung,  die  nur  mit  grösster 
Vorsicht  vorgenommen  werden  kann,  veröffentlicht  werden 
sollen-.^) 

Bei  der  Wichtigkeit  der  Herausgabe  eines  derartigen 
Denkmales,  bei  der  überaus  grossen  Schwierigkeit  einer 
vollständigen  Reinigung  desselben,  bei  der  Oewissenhaftig- 
keit  und  Genauigkeit,  die  mit  der  Veröffentlichung  einer 
solch  wertvollen  Geschichtsquelle  verbunden  sein  muss,  konnte 
ich  mich  bisher  nicht  entschliessen,  mit  der  Publikation  des 


1)  SitsuDgsberichte  der  kgl.  Akademie  der  Wissenschallei 
Seite  196-199. 

1890.  Phaoc-phUol.  n.  bist.  Gl.  U.  S.  38 


330         Süzung  der  philoarphäol,  Glosse  vom  5.  Juli  1890. 

Militärdiploms,  dessen  Vorhandensein  Rektor  Ohlenschlager 
als  der  erste  von  mir  erfahren  hatte,  vor  die  Oeffentlich- 
keit  zu  treten.  Dazu  kam  noch,  dass  ich  wohl  gleich  nach 
der  ersten  Reinigung  den  Namen  wenigstens  des  einen  Con- 
suis  erkannte,  aber  weder  bei  Idatius,  noch  bei  Sigonius, 
noch  bei  Noris^)  oder  einem  anderen  einen  Consul  dieses 
Namens  aufgeführt  fand.  Es  mussten  somit  für  die  Zeit- 
bestimmung des  Diploms  ganz  andere  Oründe  ins  Feld  ge- 
führt werden,  diese  aber  schienen  mir  eine  überaus  schwie- 
rige und  verwickelte  Untersuchung  zu  fordern,  zu  der  mir 
die  nötigen  literarischen  Hilfsmittel  nicht  zur  Hand  waren. 
Erst  der  am  29.  Juni  dieses  Jahres  erfolgte  hohe  Besuch  der 
Eininger  Ausgrabungen  von  Seite  mehrerer  Mitglieder  der 
königlichen  Akademie  der  Wissenschaften  sowie  der  anthro- 
pologischen und  historischen  Vereine  von  München,  Lands- 
hut, Regensburg,  Ingolstadt,  Neuburg  a/D.,  Eichstädt,  Dil- 
lingen und  die  ermunternden  Worte,  die  bei  jener  Gelegenheit 
die  berufenen  Meister  der  Altertumsforschung  an  mich  rich- 
teten, namentlich  aber  die  überaus  liebenswürdige  Zusage, 
mit  der  Herr  Professor  Dr.  v.  Christ  etwaige  Schwierig- 
keiten bei  Veröfifentlichung  des  Diploms  mir  überwinden 
zu  helfen  versprach ,  konnten  mich  bestimmen ,  mit  dem 
Nachfolgenden  vor  die  Oeffentlichkeit  zu  treten. 

1)  Noris  hat  zuerst  ein  Consulenverzeichnis  bis  854  n.  Chr.  (das 
um  854  selbst  verfasst  worden)  aufgefunden  und  herausgegeben,  nach 
ihm  andere,  zuletzt  1850  Mommsen  in  den  Abhandlungen  der  hist.- 
phil.  Kl.  der  sächs.  Geseilsch.  der  Wissenschaften.  Aber  es  finden 
sich  auch  hier  die  auf  unserem  Diplome  verzeichneten  Namen  nicht 
vor.  Auch  bei  Wilhelm  Henzen,  der  die  Inscriptionos  latinae  von 
Orelli  fortgesetzt  hat  (Zürich  1856),  habe  ich  vergeblich  nach  den 
Conauln  unseres  Diplomes  gesucht. 


Scfcfrtnfr.-  Da»  MiHtärdiplom  von  Eininy. 


tl. 

An  drei  Pankten  de§  langen  Laufes  der  Donitu  bilden 
sich  gmsäartige  Felseoeugen.  Die  längste  und  grci§sartägst« 
ist  das  sogenannte  .eiserne  Thor'  unterhalb  Gradista  in 
Serbien  bis  Orsova,  auch  die  .Klissur*  genannt.  Eine  ehen- 
fajla  sehr  schöne  Felsenenge  befindet  sieb  auf  österreicbiacbem 
Boden  unterhalb  Paseau.  Die  dritte,  die  einzige  auf  dem 
Boden  des  deutschen  Reiches,  erstreckt  sich  von  Eining  bis 
xur  Stftdt  Kelheini.  Da.  wo  diese  deutsche  Kli^ur  beginnt, 
nimmt  auch  der  Limex  transdanubianus  auf  dem  jeufieitigcn 
oder  nfttdlichen  Donauufer  seinen  Anfang. 

Vom  Beginne  des  römischen  Grenzwaües  drei  Viertel- 
stunden stromaufwärts  —  genauer  3800  und  4800  Meter  in 
der  Lufllinie  gemessen  ~  schützen  die  auf  dem  rechten  und 
linken  Donauufer  gelegenen  römischen  Sperrfort«  Irnsing 
nnd  Kiiiing  den  BrUckeii libergang  über  die  Donau.  Der 
Kindruck  der  Lage  dieser  beides  Lager  ist  ein  gewaltiger. 
Wie  die  in  die  Höhe  gestemmten  Schultern  eines  trut/Jgen 
Helden  drohen  sie  hinab  in  das  Dmiauthal  gegen  die  ger- 
manischen Wohnsitze  im  Korden  an  der  AltmiUil ,  Laber 
Dnd  Naab  und  hinauf  gegen  die  weitausgedebnte  Üonsu- 
ebene,  Am  xu  FUseen  liegende  breite  Thal  der  Douau  mit 
ihren  Ton  den  Wällen  herab  auf  ca.  800  Meter  wirkenden 
Geichossen  der  Katugiulten  und  üallisten  voll  beherrschend 
Und  b<)ch  nberragend.  Die  EntTernung  zwischen  beiden 
Kutellen  betrügt  in  der  Lufllinie  1200  Meter.  Der  Platz 
war  von  den  Riimern  sowohl  für  die  beiden  ijuer  gegontlber 
liegenden  Festen  »Is  auch  für  den  Beginn  des  Grenzwallee 
vurtrefflich  gewählt;  erhöht  wurde  noch  die  Vertbeidigunga- 
knft  der  Feste  von  Eining  dadurch,  das«  die  gemauerten 
THmu)  im  Lager,  die  man  als  Prätoriuui  zu  bezeichnen  pflcgtt| 
;_  mitten  im  Lager,  sondern  auf  der  aussersten  8&^ 
tuS^lichst  nahe  der  Douau  angebracht  waren. 


332         Sitzung  der  phÜ08,'phü6l.  Cltuse  wm  5.  Juli  1890. 

Speziell  das  Lager  von  Eining  zog  schon  frühe  durch 
seine  Wälle  die  Aufmerksamkeit  der  Altertumsforscher  auf 
sich,  man  hielt  es  aber  nicht  für  das  Abusina  des  Itinerars, 
so  namentlich  nicht  Apian,  Wesseling,  Simmler  und  Schott, 
Schönwiessner,  Gewold,  Lazius,  Gruter,  v.  Pallhausen,  v.  Lang, 
Eledenbacher,  y.  Stichaner,  Leichtlen,  Jaumann,  ebensowenig 
Reichart,  v.  Rudhart,  Buchner,  Mannert  auf  ihren  Karten. 
Büchner  erklärte  eine  ganze  Linie  von  Verschanzungen  an 
der  Abens  für  die  Castra  Abusina.  Ihm  folgte  Raiser  und 
Anton  Mayer.  Erst  Prugger  identificierte  Eining  mit  Abu- 
sina^), mit  ihm  v.  Hefner  ^).  Sichtlich  aus  Patriotismus  für 
seine  Vaterstadt  Abensberg  hielt  auch  Bayerns  grosser  Histo- 
riker Aventin  Abensberg  für  Abusina,  während  er  Eining 
Cenum  nannte.  Das  Wort  GEN.,  das  er  falschlich  auf  einer 
in  Eining  gefundenen  Altarinsehrift  für  CENO  statt  GENIO 
las,  mag  ihn  wohl  dazu  verführt  haben  ^). 

Erst  die  Neuzeit,  welche  die  Forschung  mit  Pickel  und 


1)  Historische  Verhandlungen  der  kgl.  bayer.  Akademie  der 
Wissenschaften,  Band  V,  Seite  33  sq. 

2)  Dr.  Joseph  v.  Heiner  ^.Das  römische  Bayern*.  8.  Auflage. 
München  1852. 

3)  In  seinen  Annalen  (Annalium  Boiorum  libri  septeni  Joanne 
Aventino  Autore,  Ingolstadii  per  AI.  et  Sam.  Weissenhornios.  A.  D. 
MDLlll)  schreibt  er  auf  Seite  28  und  29:  „Apsus  vero  Abusinam 
(alluit),  patriam  nieam,  cujus  meminit  Imperator  Antoninus  in  itine- 
rario",  und  im  zweiten  Buche  auf  Seite  111:  ,Artobriga  minor,  quae 
et  Cenum,  major  quae  et  Valentia,  duobus  millibus  passuum  distant, 
nomina  servant,  Artzberg  verniicula  lingua  in  instrumentis  Pontiti- 
cum  et  Principum  vorantur.  Absunt  ab  Kponu,  itidem  putria  mea 
Almsina,  quinque,  supra  Ueginoburgium  viginti  millium  passuum 
intervallo:  utraque  utranque  Danubii  ripam  contingit.  lila  juxta 
l)agum  Enning,  haec  juxta  Coenobium  Weltenburgium.  Extant  fossa, 
pars  moenium,  agger,  loco  edito,  et  natura  munitissimo :  extenduntur 
in  Peninsulam,  quam  Alemanus,  et  Danubius  efHciunt,  latitudine 
duo  fero  millia  passuum  patent,  in  longitudine  quatuor,  usqne  ad 
ripam  Alemani,   qui   non   longe  in  Danubium  evolvitur.     Praeniptae 


Sekrol 


r   ZAm  lUilUärdijil'm 


:133 


ächaufel  unfnahm,  bracht«  vollee  Liebt  in  die  Sfu-he,  iind 
wit  ächiiegruf  bat  tiicb  immer  mehr  die  LTeberzeu|;^ng  Bahn 
gebrochen,  dass  da»  Abuaiiia  des  Itiiierar«  uicht  stundenweit 
von  der  Donau,  sondern  in  der  Nähe  der  Müiulun^  der  Abens 
in  die  Donnii  kii  »liehen  sei.  Für  diese  Meinung  traten  neuer- 
dings ein  Ohl«nscblager ,  Arnold,  Dahlem,  Fei.  Dabo  u.  a,, 
wahrend  Planta  noch  1872  zur  Anweht  Bucbuers  sich  be- 
kannte'). Auch  Spiibnfehlner  erklärte  Eining  f(ir  den 
hanpisächlichuten,  noch  im  letueu  Jahrhunderte  der  Itömer- 
herntchaft  über  das  stidücbe  Bayern  fortbestehenden  tiarni- 
oonepiatz,  indem  er  zugleich  einen  grogsartigen  Strossenstem 
in  den  castris  Abusinis  tirideu  wollte*). 

Alu  ich  1879  auf  deu  Wunsch  meiner  Vorgesetzten  die 
Pastoriernng  der  Pfarrei  Eintng  Übernahm,  wo  ich  gerade 
ftuch  am  29.  Juni   meine  erste  seelsor^licbe  Funktion  voU- 

\\n  nip««,  utrinqne  Alemanum  et  Daniibiam  cohibent:  acooliie  Ro- 
niatiam  äalam  nuDcnpant.  l,ii])idem  reperi  ibidem  in  guo  sculpta 
(ul  Minerva,  et  altera  parte  nm,  obi  titu  aolenui  Taunw  Minerva» 
immolatur,   ea'i  tiiibjeetae  sunt  hae  literne  in  eodem  monumento  m- 


NVNC  HET  MINEH  SAG  CENO  COH  III  BRIT  ARAM  T  FL 
FEL  X  PHAEP  EX  VOTO  POSVIT  L  M  DEDICAVIT  KAL  DEC 
GENTIANO  ET  HASSO  GONS, 

L>ie  richtif^e  Leseart  dagegen  siebe  bei  llefner  .Dm  römische 
Elayem*  nod  Schreiner  .Rining  and  die  dortigen  RCmeraUBerabuDgeii 
im  dm  Jabritti  1879— 1S82*  in  den  Verhandlungen  des  bistoriscben 
TsrstDM  fhr  Niederbajem,  B&nd  XXIi,  Heft  3  luid  i',  ferner  Felii 
Dalin,  DrgMchichte  der  gennan.  a.  ronian.  Völker,  II.  Bd.  Seite  448 
K*  4S0.     Berlin  1B81. 

1)  Plant»  Dr.  P.  ü.  .Daa  alte  Rfttim,  staatlich  und  kultnr- 
hiatoriitcb  darjfentellf,  Berlin  1872.  Seite  110-111.  tJeber  diese  so 
rielfacfa  verbreitoto  Aniicht  and  über  den  Volksatamm  der  Abisuntes 
wird  wohl  noch  einmal  eioe  umfassendere  Erkl&rung  des  tropa«uin 
Alpinm  Auücbtuss  gel>en  mÜBsen. 

_  Sl  Vgl  8cefrieU  .Die  neuen  flegner  »on  Jovitara  und  Petren- 
'  >  Seil«  9  and  10. 


334  Sitzung  der  phüos.-pkäol,  Classe  tom  5,  JtiU  1890, 

zog,  nahm  ich  bei  Begehung  des  Pfarrwiddums  Tiele  sc^e- 
nannte  Hitzflecke  wahr,  auf  denen  das  Getreide  yiel  kfirzer 
stand  als  im  übrigen  Felde,  und  die  bei  genauerer  Be- 
obachtung wie  die  Grundplftne  von  Gebäuden  aussahen. 
Ich  versuchte  daher  auf  den  Steuerblättem  die  gemachten 
Wahrnehmungen  einzuzeichnen  und  konnte  schon  vierzehn 
Tage  nach  meinem  Antritte  der  Pfarrei  Eining  die  Aus- 
grabungen beginnen,  die  nun  schon  über  elf  Jahre  fortge- 
setzt den  unumstösslichen  Beweis  geliefert  haben,  dass  der 
grösste  Teil  der  Grundmauern  des  römischen  Abusina  auf 
den  Fluren  südlich  und  nördlich  vom  Dorfe  Eining  noch 
vorhanden  ist. 

Ausser  dem  erwähnten  Prätorium  im  Lager  sind  etwa 
80  Meter  vor  dem  nördlichen  Lagerwall  in  der  von  der 
Kreisgemeinde  Niederbayem  käuflich  erworbenen  sogenannten 
Falterbreite  die  Reste  von  vier  Gebäuden  blosgelegt  worden, 
die  zusammen  eine  grossartige  Badeanlage  (balnea)  mit  gut 
erhaltenem  Galdarium  und  ausgedehnten  Hypokausten  bilden. 
Um  vieles  höher  und  besser  erhalten  als  die  in  der  bekannten 
Nidda-Hauptstadt  der  Taunenser  bei  Heddernheim  (Frank- 
furt) stehen  dieselben  wegen  ihrer  Grossartigkeit  und  tech- 
nisch hohen  Bedeutung  einzig  in  Bayern,  ja,  abgesehen  von 
Trier,  in  Deutschland  da  und  erregen  mit  Recht  die  Be- 
wunderung aller  Altertumsforscher  und  Historiker.  Dem 
Mauerwerk  nach  zu  urteilen,  stammen  sie  aus  einer  ent- 
schieden älteren  Zeit  als  die  Türme  und  Gebäude  des  soge- 
nannten Prätoriums,  welch'  letztere  die  Römer  vermutlich 
erst  zur  Zeit,  als  sie  den  Grenzwall  und  das  ganze  jenseitige 
Donauufer  bereits  aufgegeben  hatten,  zum  Schutze  gegen 
etwaige  Versuche  der  Barbaren,  die  Donau  zu  überschreiten, 
errichteten  und  allmählich  erweiterten. 

In  einem  nun  der  drei  conservierten  Gebäude,  in  Nr.  3 
des  Planes,  den  ich  meinem  Büchlein  „Eining  und  die  dor- 
tigen   Römer- Ausgrabungen*     (Landshut    1886)    beigegeben 


;  Dil»  MüifJrdiplon 


335 


hahe.  fand  ich  im  August  1885  die  Ueberreste  eines  Bronw- 
blMibütilckea ,  Ana  mit  eitior  Qbcniiis  harten  Schutt-  und 
Mürtelschichte  vollsüiiidig  rerwmjhsen  und  so  oxydiert  war, 
dsKs  ich  dasselbe,  weil  es  einer  Heiuigimg  überhaupt  nicht 
fKhig  iEU  sein  schien,  anfAngs  nicht  einmal  recht  der  Beach- 
tung wert  hielt.  Zudem  hatte  der  Wickel  das  Stückchen  in 
18  kleinere  Teile  zerschlagen.  Welche  Freude  jedoch,  als 
bnm  Reinigen  mit  Hilt'e  des  ausgesuchtesten  englischen  Stahles 
diQ  entten  Buchstaben  sichtbar  wurden.  Leider  konnten  nicht 
silseits  mehr  auf  beiden  Seiten  die  Schriftzeichcn  zum  Vor- 
Hchein  gebracht  werden.  Wiu  alier  »um  Vorsclieine  ge- 
bracht werden  konnte,  das  soll  nun  im  Folgenden  besprochen 
werden. 


^Kb  I 


m. 


Die  erhaltenen  BnichstÜcke  unseres  Broncebleches  bilden 
nuteren  Teil  der  Vordertafel  eines  Militärdiploras.  Der- 
selbe ist  74  Millimeter  hoch  und  5+  Millimeter  breit,  hat  an 
der  rechten  Ecke  ein  Loch  für  den  Stiften,  mit  dem  das 
Diplom  an  eine  Wand  oder  ein  Brett  angenagelt  war,  und 
zeigt  oben  am  äuesersten  {{and  Spuren  des  Aufliegen«  jenes 
dreifachen  Bronzedrahtes  (triplex  Blum),  vermittels  dessen 
r^elrecht  die  l)eiden  ein  Diplom  bildenden  Tafeln  verschnürt 
waren.  Welchen  Teil  der  ganzen  Tnfel  das  uns  erhaltene 
Fragment  bildete,  lässt  sich  noch  mit  BeM.immtheit  feat- 
aetxen.  In  der  dritten  Zeile  von  unten  stand  auf  der  Aussen- 
seite  die  stets  wiederkehrende  Vidimierungst'ormel: 

DESCRIPT  ET  RECOQNIT  EX  TABULA  AENEA 

Von  den  31  Buchstaben  dieser  Zeile  sind  18  (durch 
Punkt«  von  mir  gekennzeichnet)  auf  unserem  Fr^nient  er- 
halten; 13  fallen  also  auf  das  fehlende  Stück,  und  es  fehlt 
detnnach  etwa  ein  Drittel  von  der  Sclinmlseite  der  Tafel. 
Bei^glicii  der  Lungseite  der  Tafel   gel>en   uns  die  eben  be- 


1 

1 


336         Sitzung  der  pkäosrphüol.  Glosse  eom  5.  Jtilf  1890, 

eben  besprochenen  Spuren  des  Bronzedrahtee  einen  äusseren 
Fingerzeig;  danach  ist  die  Tafel  etwas  unter  der  Mitte  oder 
etwas  unter  den  beiden  Löchern,  durch  welche  der  Draht 
ging,  abgebrochen.  Dazu  stimmt  auch  vollsi»ndig  der  In- 
halt der  Schrift  der  Aussenseite,  der  uns,  wie  wir  gleich 
nachher  sehen  werden,  deutlich  lehrt,  dass  von  den  28  Zeilen 
der  Aussenschrift  so  ziemlich  die  Hälfte  erhalten  ist. 

Die  römischen  Militärdiplome  waren  bekanntlich  so  ein- 
gerichtet, dass  auf  den  beiden  Innenseiten  die  mit  der  ehren- 
vollen Verabschiedung  verbundene  Bürgerrechtsurkunde  stund, 
von  der  sich  der  Inhaber  eine  Abschrift  unter  Hervorhebung 
des  ihn  persönUch  betreffenden  Abschnittes  hatte  anfertigen 
lassen.  Von  den  beiden  Aussenseiten  enthielt  die  der  zweiten 
Tafel  die  Namen  der  sieben  Zeugen,  welche  ihr  Siegel  auf 
das  über  dem  durchgezogenen  Bronzedraht  ausgebreitete  Wachs 
gedrückt  hatten;  auf  der  Aussenseite  der  Vordertafel  war 
nochmals  der  ganze  Inhalt  der  beiden  Innenseiten  in  kleinerer 
Schrift  wiederholt,  und  zwar  so,  dass,  während  im  Innern  die 
Schrift  der  Langseite  der  oblongen  Tafeln  folgte,  die  Zeilen 
aussen  parallel  der  Schmalseite  liefen.  Ein  glücklicher  Zu- 
fall hat  es  nun  in  unserem  Falle  gewollt,  dass  uns  drei 
Fünftel  nicht  der  Rücktafel,  sondern  der  Vordertafel  er* 
halten  sind.  Im  letzteren  Falle  hätten  wir  auf  der  Aussen- 
seite nur  die  Reste  der  Zeugennauien  und  wahrscheinlich 
nur  lauter  bekannte  Namen  gefunden ,  da  in  der  Regel, 
ähnlich  wie  bei  unseren  Notaren,  immer  dieselben  Leute 
der  Nachbarschaft  als  Zeugen  fungierten.  So  sind  von  dem 
Diplome  selbst  zwei  Teile,  einer  auf  der  Innenseite  und  einer 
auf  der  Aussenseite,  auf  uns  gekommen  und  lässt  sich  mit 
Hilfe  derselben,  da  sie  verschiedenen  Partien  der  Urkunde 
angehören,  fast  das  ganze  Diplom  rekonstruieren.  Die  Züge 
der  Schrift  sind  so  ziemlich  die  gleichen  auf  beiden  Seiten, 
während  auf  vielen  der  übrigen  erhaltenen  Militärdiplome 
oder  tabulae  honestae  missionis,  wie  man  sie  früher  nannte, 


Sehrtinrr:  Vau  MUilärdipU.m  wn  Binini/.  337 

die  BuebsUbeii  innen  gans  äOchtig,  kursiv  und  ofl  kaum 
lexbsr  K^^b"^''^»  siniP);  nur  flind,  Tras  die  Kaumverhält^ 
Disse  Toii  selber  geben ,  die  Buchstnben  auf  der  Innenseite 
uuseres  Diplomes  «twas  (^ösaer.  Die  geringere  Lesbarkeit 
der  inneren  Schritt  hat  wohl  mehr  in  der  schlechteren  Er- 
haltung als  in  der  seichteren  Einritzung  der  Schrift  ihren 
Cinind.  Im  Übrigen  hat  sich  der  Schreiber  weder  einer 
benonderen  Sorgfalt,  noch  einer  gleich tnässigen  Schrift  be- 
fliaaen;  namentlich  der  letztere  Umstand  bebindert  etwas  die 
Sicherheit  der  Ergänzung.  Auf  bewuaster  Absicht  beruht 
ea  wohl,  diiss  auf  der  Innenseite  der  Name  des  Statthnlters 
und  auf  der  Auosenseite  derjenige  des  Inhabers  der  Urkunde 
mit  griMtferen  und  schöneren  Buchstaben  geschrieben  sind. 
Wir  gehen  nun  zunächst  die  Inschrift  selbst,  zuerst  die 
der  Innenseit«,  da  diese  den  erst«n  Teil  der  Inschrift  und 
zwar   nach    der   verloren   gegangenen   Eingangsformel*)   die 

I)  Auf  iler  im  MDnchener  Antiquiiriiini  befindlicben  Tordertufel 
eine«  MiliUtrdiploms  de»  KaiHert  PtulippuH  (C.  J.  h.  III.  3.  n-  U)  nteht 
•OfnU"  ein  f^ns  undercr,  iLlt«rHr  Text,  «eloben  Betrat^  eich  der  Notar 
«riaoben  durale,  da  dem  BeBteUer  nur  die  verechnürte  und  versiegelte 
Doppeltufel  (Diplona)  Qberreiciit  warde,  bei  der  daajenigc,  was  im 
InDwn  (tiind.  nic!bt  sicbtbur  war. 

2}  Zur  Orten tit^ruD ff  der  Leser  netten  wir  Aas  g&me  Weisien- 
bnrg'T  Piptom.  wie  ea  iiuf  der  AnsBenieitc  deaselben  geachriebeD 
*tAly  bisher: 

,  IMP    CAESAR   DIVI    NKRVAE    F    NERVA    TRAIANVS 

AVGV8TVS   OERMANICVS    DACICVS    PONTIFEX    MA 

fXIMVS  TBIHVNIC   POTESTAT  XI    IMP  VI  COS  V  P  f 

QVITIBVS    ET    PBDITIBVS  QVI  MILITAVEBVNT  IN 

US  QVATVOR   ET  COHORTIBVS  DECEM  ET  UNAM 

(OVAE    APPELLANTVR     I     HISPANORVM     AVRIANA 

'  I  AVUV8TA  THRACVM   ET  I  SrNOVLARIVM   C   B 

P  F  ET  II  FLAVIA  P  F  co  ET  I  BREVCOBVM  ET  t  ET  U 

AETORVM     ET     III     BHACAKAVGVSTANORVM     ET 

THRACVM    ET    tll    THRACVM    C    R    ET    111    OKI 

&ANNOHVM    ET    III    BATAVORVM    cc    ET    im   GAL 

(fcOBVM     ET     V     BRACARAVGVSTANOBVM     ET     VI] 

a.VälTÄN(iKVM    ET    SVNT    IN    BAETU   SVB   T[    IV 


338         Sitzung  der  phüos.-pkäol,  Glosse  vom  5.  JuU  1890. 

Namen  der  Truppenteile  enthält,  dann  die  AnssenAeite,  welche 
den  Sehluss  der  Inschrift  iimfasst  und  ungefähr  gerade  da 
anfängt,  wo  die  Innenseite  aufhört.  Bezüglich  der  Ent- 
zifferung haben  wir  uns  mit  Professor  v.  Christ  yerstöndigt 
und  geben  dessen  Ansichten  in  den  beigefügten  Bemerkungen 
wieder. 

A.   Innenseite. 


• 


BT  II  FLAV 
TI  KT  I:  RäETORVM 
VG  ET  III  THRAC  ET  III 
BRITANN  ET  IUI  GALLÖR 

lynitän  et  SVNT 

PROVINCIäSYB     .     .     . 

NIN 


r»  ••   • 


LIO  AQVILINO  QVINIS  ET  VICENIS  PLVRIBVS 
VE  STIPENDIIS  EMERITIS  DIMISSIS  HONES 
TA  MISSIONE  QVOR\ntf  NOMINA  SVßSCRIPTA 
SVNT  IPSIÖ  LIBERIS  POSTERISQVE  EORVM 
CIVITATEM  DEDIT  ET  CONVBIVM  CVM  VXO 
RIBVS  QVAS  TVNC  HABVISSENT  CVM  EST  CI 
VITAS  IIS  DATA  AVT  SI  QVl  CAELIBES  ESSENT 
CVM  IIS  QVAS  POSTEA  DVXISSENT  DVMTA 
XAT  SINGVLI  SINGVLAÖ  FR  K  IVL 
C  MINVCIO  FVNDANO  C  VETENNIO  SEVERO  COS 
ALAE  I  HISPANORVM  AVRIANAE  CVI  PRAEST 
M  INSTEIVS       M       F     PAL  COELENVS 

EX  G REGALE 
MOGETISSAE      COMATVLLI  F        BOIO 

ET VERECVNDAE  CASATI  FILIAE  VXORI  EIVS  SEQVAN 

ET  MATRVLLAE  FILIAE  EIVS 
DESCRIPTVM    ET     RECOGNITVM    EX     TABVLA    AE 
NEA    QVAE    FIXA    EST    ROMAE    IN    MVRO     POST 

TEMPLVM  DIVI  AVG  AD  MINERVAM. 
(Vgl.  Oncken,    Allgem.  Geschichte  2.  Hauptabt.  2.  Teil  2.  Band 
S.  466,  67.     Berlin  1881.) 


SchmtifT:   Dan  Mditärdiplom  von   Eimng. 


3.10 


In   Zeile   1    ist   nur   noch   F   und    die   gerade  Richtung 

«icfast  vurausgefa enden  imd  des  nävhstfolKeiiden  Buch- 
2u  erkennen.  Darnach  vermute  ich  mit  Hilfe  deti 
WeiMeHburfrer  und  Regeiiaburi^er  Diploms  ET  U  f  LAV  PF  oo, 
juduch  so,  daas  die  letzten  drei  Zeichen  in  den  Änfan)^  der 
nSchaten  Zeile  zu  äteben  kommen.  Diese  Ala  II  Fla  via 
p.  f.  rti.  stand  der  Rangordnung  nach  am  Schlüsse  der  Alae, 
und  wir  habi^n  daher  in  den  nüchsten  Zeilen  die  Namen  der 
Uohorteti  zu  erwarten. 

Zeile  2.  Im  Anfanj^  fehlen  hier  wie  in  den  übrigen 
Zeilen  ca.  15  Buchstaben.  Die  reichen  gerade  zur  Ergän- 
zung P  K  00  ET  !  BREVTOK  ET  aus. 

Zeile  3.  Im  Anfang  passt,  in  den  Raum  genau  die  Er- 
gänzung ET  III  BRACARAVG.  dii-  dnrch  die  beiden  anderen 
Diplome  sicher  gestellt  ist. 

Zeile  4.  Da  am  Schlüge  der  dritten  Zeile  noch  die 
Nummer  III  erhalten  ist,  s»  ist  im  Anfang  der  vierten 
Zeile  mit  aller  .Sicherheit  zu  lesen  THUACVM  C  R  ET  III. 
Nach  BRITANN  ET  »ehe  ich  vier,  nicht  bloss  drei  Striche; 
danach  er^nze  ich  Hlr  den  nicht  lesbaren  SchUiss  der  Zeile 
OALLOR  und  nicht  BATAV. 

Zeile  5.  Ist  der  Schluss  der  vierten  Zeile  richtig  er- 
gänzt, so  ergibt  sich  für  den  fehlenden  Anfang  der  fünften 
Zeile  ET  V  BRACARAVll.  Der  Rest  der  Zeile  macht 
groate  Schwierigkeiteu.  Den  ersten  BuchHtal>en  am  linken 
ß«nde  des  Blüttchens  möchte  man  nämlich  beim  ersten  Blick 
als  E  leiwn.  Da  aber  der  nach  einem  Znirichenruunie  von 
c«.  fünf  Buchstaben  deutlich  erkennbare  Buchstabe  ein  N 
■t  und  dieser  auf  den  Namen  der  in  Ratieu  stationierten 
eoh.  Lnsitan-  hinweist,  so  düHle  doch  der  erste  Buchstabe 
der  Zeile  kein  E ,  sondern  ein  L ,  und  das  Zeichen  vor  N 
iceüi  1,  sondern  der  Kest  eines  A  sein. 

Zeile  6.  Die  Le«ung  PRUVlNcia  «teht  fest,  wiewohl 
deo  MUilärdiplomen  ein  solcher  Zusatc  zu  ( 


340  Sitzung  der  phüos.-phüol.  Classe  vom  5.  Juli  1890. 

vinznamen  sich  nicht  findet.  Der  Name  RA  ETI  A.  selbst 
muss  nach  stehendem  Sprachgebrauch  vor  PROVINGIA  und 
nicht  dahinter  gestanden  haben;  am  Schlüsse  der  Zeile  stand 
daher  jedenfalls  SVB,  vielleicht  auch  noch  das  Piimomen 
des  Procurators  der  Provinz. 

B.  Aussenseite. 

•  «     • 

CIVIT  DED  ET  CÖNVD  CVM  VXO 
VNC  NVPSIS  CVM  EST  CIVITAS 
S  QVAS  POSTEA  DVXIÄSENT  DVM 
SINGYLÄS  PR  K  lAN 
CINO  D  AEMlLlü  FRONTONE  COS 
BRITTONVM  CVI  PRAEEST 
NIVS  QF  IVNIANYS 
EXPEDITE 
SIMNIAE  CON  EIvS 
OGNIT  EX  TABVLA  AENEA 
ROMAE  IN  MVRO  POS  F  TEM 
AVG  AD  MINER  vA:=I 

In  Zeile  1  der  weit  besser  erhaltenen  Aussenseite  glaube 
ich  noch  NT  lesen  zu  können;  daraus  ergibt  sich  die  Er- 
gänzung  SVBSCRIPTA  SVNT  IPSIS  LIBERIS. 

In  Zeile  3  fällt  NVPS(issent)  auf,  da  sonst  die  Militär- 
diplome regelmässig  das  korrekte  HABVISSENT  bieten  und 
nubere,  d.  i.  den  Schleier  nehmen,  nur  von  der  Frau  ge- 
braucht zu  werden  pflegt.  Aber  die  Lesung  steht  ausser 
Zweifel;  auch  machen  es  die  Raumverhältnisse  wahrschein- 
lich, dass  trotzdem  im  Anfang  nach  uxoribus  QVAS  TVNC 
und  nicht  QVIBVS  TVNC  vorausging. 

Zeile  4  und  5  machen  keine  Schwierigkeiten. 

Zeile  6.  Vom  ersten  Consul  ist  nur  ein  Teil  des  Cog- 
nomen  erhalten,  ich  vermute  PLACIDO  o«ler  FLACCINO. 
,Der  letzteren  Vermutung",  schreibt  Professor  Dr.  v.  Christ, 


Sdirtiner:  Da»  Mttitärdiplmi 


341 


I  ich  jetzt  den  Vorzug,   da  der  Rest  des  A  Dfangsbiicli- 

!  Profesair  .Schnell   mir  bemerkt,   eher  auf  C  ds 

%'A  weist'.     Das  PräDomra   des   zweiten  Consula   ist  uo- 

ler:  ich  glaube  aber  doch  eher  \)  als  L  oder  Tl  zu  finden; 

dpD  verblichenen  Bwchstabeuspuren   ziehe  ich  hei  dem 

die    Lesung    FKONTONE    der    Lesung   FHON- 

110  vor. 

In  Zeile  8  ist  noch  der  Schiusa  des  Cognomen  des  Statt- 
halters erhalten;  denn  das  Pränomen  und  der  Gentilname 
fielen  in  die  Ldcke.  Deutlich  ist  noch  erkennbar  Nl.  Den 
folgenden  Bnchstubeii  mischte  man  um  ehesten  als  V  lesen, 
zumal  tUr  ein  N  der  Abstand  nach  I  zu  klein  ist.  Unter 
den  l)iä  Jetzt  bekannten  und  von  Oblenftchlager  in  dem  trelT- 
iichen  Bnohe  .Die  römischen  Truppen  im  rechtsrheinischen 
Bayern"  (München  1884)  auf  Seite  22  -29  zuaammenge- 
stelltmi  Htatthiiltern  Rätiena  kommt  aber  keiner  vor,  auf  den 
diu  (.'rlialtenen  Buchstabon  unseres  Diploms  gedeutet  werden 
konnten.  Auch  ist  mir  sonst  keiu  Cognomen  bekannt,  da« 
Ablativ  im  Innern  die  Buchstabengruppe  NIV  bietet; 
kbt  wird  e»  Kundigeren  gelingen,  einen  solchen  Namen 
bden.  Der  Vorname  des  Vaters  ist  nicht  mehr  sicher 
,  doch  glaube  ich  noch  die  verblassten  Spuren  eines 
[  sehen.  Koch  weniger  lesbar  sind  der  erste  oder  die 
I  ertden  Buchstaben,  weli'he  die  Tribus,  zu  der  derselbe 
te.  )>ezeichneten. 

^ile  9  8(1.  enthalten  die  stehenden  Formeln  der  Militär- 

von    denen   ein  weitere«  Beispiel   zu  erhalten  kein 

^r  Gewinn  ist. 

eile  10.     Der  Eigenname   des  Fusasoldaten   der  britto- 

Cuhort«   stand   am    Anfange   der   Zeile.     Vor  CON 

FnitUeicht  noch  die  Angabe  de»  Vaters. 

Eeile  II  — 1;)    enthalten    die   bukauuten   Schlussformeln 

biat«n  in   der  Lesuug  keine  Schwierigkeit. 


342         Sitzung  der  phüoBrphßM,  Glosse  wm  5.  Jvii  1890, 

Dass  nach  VICENIS  der  Innenseite  PLVRIBV8VE 
folgte,  yermnte  ich  nach  den  Raumverh&ltniasen.  Für  diese 
selbst  ist  massgebend,  dass  noch  von  jeder  Zeile  am  Anfange 
1  oder  2  Buchstaben,  welche  in  die  Formel  passen,  mit 
einiger  Sicherheit  gelesen  werden  können.  In  der  letzten 
Zeile  schwanke  ich,  ob  0  und  nicht  vielmehr  C  txx  lesen 
ist;  ich  entschied  mich  für  0,  da  ich  davor  noch  das  Ende 
der  Querstriche  eines  E  zu  erkennen  vermeine.  War  aber 
der  Buchstabe  ein  C,  so  erstreckte  sich  die  Schrift  der  Innen- 
seite bis  über  CIVITAT  oder  CONVB  hinauB,  was  an  und 
für  sich  leicht  möglich  ist,  da  wir  ja  nicht  wissen  können, 
wie  viele  Wörter  abgekürzt  und  bis  zu  welchem  Orade  ab- 
gekürzt geschrieben  waren. 

Ueber  die  Abfassungszeit  unseres  Militardiploms  schrieb 
mir  Herr  Professor  v.  Christ  Folgendes: 

, Zeile  6  der  Ausseuseite  verspricht  eine  bestimmte  Zeitan- 
gabe an  die  Hand  zu  geben.  Es  standen  nämlich  in  dieser 
Zeile  die  beiden  Konsuln,  unter  denen  der  kaiserliche  Erlass 
über  die  Verleihung  des  Bürgerrechtes  an  die  verabschiedeten 
Soldaten  der  rätischen  Hilfstruppen  erging.  Von  dem  zweiten 
derselben  ist  der  volle  Name  D.  Aemilius  Fronto  ^)  erhalten, 
von  dem  ersten  nur  der  Schluss  des  Cognonien,  das  ich  zu 
Flaccinus  ergänze*).  Aber  mit  diesen  Konsulnamen  ist  nichts 
anzufangen,  da  dieselben  in  unseren  Verzeichnissen  der  Con- 
sulea  ordinarii ,  nach  denen  bekanntlich  die  Jahre  benannt 
sind,  nicht  vorkommen  und  meines  Wissens  auch  unter  den 
ausserordentlichen  Konsuln,  von  denen  wir  freilich  nur  eine 
sehr  lückenhafte,  erst  allmählich  durch  neue  Inschriften  sich 


1)  Ein  Zweier  Frontonum  der  genn  Aemilia  war  bisher  nicht 
bekannt. 

2)  Es  existiert  inschrittlich  ein  T.  FLAVIVS  FLACCINVS  bei 
Gruter  1109.  10.  Gerade  dieser  Name  würde  sehr  gut  in  den  Baum 
passen,  besser  als  der  Name  P.  AELIVS  FLACCINVS  in  C.  J.  L.  11. 
2166. 


Schreiner:  Daf  Müüärdiplam  txm  Eining.  343 

erweiternde  Kenntnis  haben,  bisher  noch  nicht  nachgewiesen 
sind.  Aber  doch  eins  lehrt  nns  dieser  Umstand,  dass  wir 
nämlich  mit  unserem  Diplom  nicht  bis  ins  dritte  Jahrhun- 
dert herabgehen  dürfen;  denn  Ton  dem  dritten  Jahrhundert 
an  wäre  unsere  Urkunde,  wiewohl  sie  am  letzten  Tage  des 
Dezember  erlassen  wurde,  doch  nach  den  ordentlichen,  im 
Anfange  des  betreffenden  Jahres  fungierenden  Konsuln  sig- 
niert worden.*) 

In  das  zweite  Jahrhundert  und  zwar  in  die  Zeit  vor  166 
verweist  uns  auch  das  Verzeichnis  der  Gohorten  unseres  Di- 
ploms, verglichen  mit  denen  des  Weissenburger  Diploms  vom 
Jahre  107  (Christ,  Sitzungsber.  der  k.  bayer.  Akademie  der 
Wissensch.,  1868,  Bd.  II  S.  409—447;  Mommsen  C.  J.  L.  III, 
4.  n.  24;  Ohienschlager  «Die  römischen  Truppen  im  rechts- 
rheinischen Bayern*'  S.  9)  und  denen  des  Regensburger  Di- 
ploms vom  Jahre  166  (Ohienschlager,  Sitzungsber.  der  kgl. 
bayer.  Akademie  der  Wissenschaften,  1874,  S.  193—239; 
«Die  römischen  Truppen'  S.  12.) 

Das  zeigt  sofort  schon  die  blosse  Zusammenstellung  der 
Truppenkorper  unserer  drei  Urkunden: 

WeiMenbarfi^r  Diplom.    Eininger  Diplom^).    Regensbarger  Diplom. 

—  —  I.FlaviaCanathen. 
I.  Breucorum.            I.  Breucorum?           I.  Breucorum. 

I.  Raetorum.  I.  Raetorum.  I.  Raetorum. 

11.  Raetorum.  II.  Raetorum.  II.  Raetorum. 

—  —  II.  Aquitanorum. 
III.  Bracaraug.  III.  Bracaraug?  III.  Bracaraug. 


1)  Vergl.  Mommsen  C.  J.  L.  m.  2.  p.  918:  Consnles  nsqne  ad 
tempora  Marci  et  Veri  nalli  ponuntur  nisi  qai  eo  ipso  tempore 
fiftsces  gererent;  contra  saeculo  tertio  hae  quoqae  tabulae  consulum 
ordinariomm  nominibas  totum  annum  signant. 

2)  Mit   einem   Fragezeichen    versehe    ich    diejenigen  Cobor^^*"^ 
namen ,   die  auf  Ergänzung  beruhen ,   wenn  dieselbe  auch  aa 
Baume  und  den  Buchstabenresten  sicheren  Anhalt  hat. 


B44         Sitzung  der  phüosrphiM.  Classe  vom  5.  Jvii  1890. 

Weissenburger  Diplom.    Eininger  Diplom.  Begensbnrger  Diplom, 

in.  Thracum.  III.  Thracura.  III.  Thracum. 

III.  Thracum  er.  III.  Thracum c. r. ?  IIL  Thracum  er 

III.  Britannorum.  III.  Britannorum.  III.  Britannorum. 

III.  Batavorum.  —                              ■;— 

IUI.  Gallorum.  HIL  Gallorum?  IUI.  Gallorum. 

V.  Bracaraug.  V.  Bracaraug.  ?         V.  Bracaraug. 

VII.  Lusitanorum.  VII.  Lusitanorum?  VII.  Lusitanorum. 

-  -  IX.  Batavorum  m. 

Damach  hatte  Rätien  zur  Zeit  unseres  Diploms  wesent- 
lich noch  dieselbe  Garnison  wie  im  Jahre  107,  es  war  nur 
die  Cohors  III  Batayorum,  die  auch  auf  dem  Regensburger 
Diplom  nicht  vorkommt,  abgezogen;  es  standen  aber  noch 
nicht  in  Rätien  die  nach  der  letzteren  Urkunde  vor  dem 
Jahre  1G6,  wahrscheinUch  infolge  der  unter  Antoninus  Pius 
und  Marc  Aurel  erfolgten  Einfälle  der  Germanen,  in  unsere 
Provinz  gezogenen  Cohorten  I  Flavia  Canathenorum,  II  Aqui- 
tanorum  und  IX  Batavorum.  Es  fällt  demnach  unser  Di- 
plom zwischen  das  Weissenburger  und  das  Regensburger 
Diplom,  oder  zwischen  die  Jahre  107  und   166. 

Eine  noch  nähere  Abgrenzung  ermöglicht  die  Ver- 
gleichung  der  Form  unseres  Fragments  mit  der  der  übrigen 
Militärdiplome.  Eine  solche  Vergleichung  ist  uns  jetzt  leicht 
gemacht  durch  die  zwei  Zusammenstellungen  sämtlicher  Di- 
plome von  Leon  Renier  in  dem  noch  unvollständigen  Re- 
cueil  de  diploraes  militaires,  und  Theod.  Mom rasen  im  dritten 
Bande  des  Corpus  inscriptionum  latinarum  p.  843  —  910; 
namentlich  leistet  für  unsere  Zwecke  das  letztere  Werk  vor- 
zügliche Dienste,  da  in  demselben  die  Diplome  nach  der  Zeit, 
nicht  wie  bei  Renier  nach  den  Provinzen  geordnet  sind.  In 
Betracht  nun  kommt  in  unserer  Frage  die  Formel,  mit  der 
die  V^erleihung  des  Bürgerrechts  ausgedrückt  ist.  Dieselbe 
lautet  in  allen  uns  erhaltenen  Diplomen  bis  zum  Jahre  138: 
civitat^m  dedit  et  conubium  cum  uxoribuH  quas  tunc  habuissent 


Schrrintr:  Bai   Mililiirdiplnm 


uh 


tsaxa  est  civitax  üs  data  aut  si  qui  caetibe«  essent  cum  iia 
qau  postea  dnxisseDt.  Ganz  ao  st«lit  sie  noch  in  dein  Di- 
plom XXXVI  bei  Miimmsen  aiiä  dem  Juni  des  .)ahres  138; 
irbni«)  in  Nr.  X.XXIV  u.  XXXV  vom  Jabre  134;  Nr.  XXXU 
und  XXXIII  Tom  Jahre  129,  Nr.  XXXt  vom  Jahre  127,  in 
tiniterem  VVeissenbui^er  Diplnin  (Nr.  XXIV  bei  Momitiseu) 
«mi  Jalire  107.  In  den  Diplomen  nach  1:18  wird  regel- 
mSssiß  dit?  civitas  durch  den  Zusatz  KOM.AN  nüher  limtimmt, 
s.>  in  Nr.  XXXVIII  vom  Jahr«  li5.  Nr.  XL  vom  Juhre  U>7. 
Nr.  SLV  vom  Jahre  165.  Nr.  XLVI  vnm  Jahre  Iti",  in 
unserem  llegen^ibitr^er  Diplom  vom  Jahre  166.  Auf  der 
auderen  S«ite  »icbwiudet  um  dJetjelbe  Zeit  der  Ziisatx  xi  qui 
i:a4)libt?H  ofMeut.  Donelb«  findet  t^ich  noch  auf  dem  Di- 
plom XXXVIII  vom  Jahre  145,  wiewohl  auf  demselben 
Mho»  CIVITATEM  FKJMANAM  steht;  derselhe  ist  aber 
austjelassen  in  Nr.  XXXIX  vom  Jahre  154  und  in  allen  fol- 
(^enden  Diplomen,  auch  in  dem  Ke^^enahurger  vom  Jahre  lll6. 
Die  beiden  Aeiuierungeu  scheinen  al.-«)  mit  der  llegieruufp- 
zeit  de»  Kai»tent  AntoninuH  Fius  (138  —  161)  eingetreten  /.u 
sein  nnd  sn  ziemlich  zur  gleichen  Zeit.  Was  zu  denselben 
Anlaw  K'^b,  ob  die  Laune  der  Schreiber  oder  juristische 
Bedenken .  lässt  eich  nicht  ganz  sicher  entecheiJen.  Man 
konnte  ja  sagen .  dass  der  Zusatz  üi  qui  caelJbes  easent  zu 
jumtucben  Anntiissen  Anlass  geben  kimnte.  Denn  wenn 
d«r  Verabschiedete  zur  Zeit  der  Erteilung  Ans  jus  conubii 
tmr  nicht  Jungg&'«lle  war,  aber  spüter  durch  den  Tod 
«ein«  Frau  verloren  hatte,  sollte  dann  seine  zweite  t'rau, 
wenn  sie  eine  Fremde  (peregrina)  war.  der  mit  dem  jus 
connbii  verbundenen  Vorrechte  entbehren  P  Schwerlich  doch 
lag  dieses  in  der  Absicht  de«  Ge5et7,gebers;  man  mOsste  denn 
«nnehuien,  da-ss  der  Satji  dmutaxat  siugnli  singnlas  nicht 
gvgen  dii-  Vielwi-iherei  der  Orientalen  gerichtet  gewesen  W, 
sondern  die  Beschränkung  enthalten  habe,  daw  ^J 
nutü)»    der  Ehe    mit    einer  Fremden    immer    nor 


346  Sitzung  der  phüos.-phüol,  Glosse  vom  5.  Juli  1890. 

einzigen  Fall  gelten  sollte,  so  dass  also  der  yerfaeiratete 
Veteran,  wenn  er,  Witwer  geworden,  sich  noch  einmal  ver- 
heiraten wollte,  eine  Römerin  zur  Frau  zu  nehmen  genötigt 
worden  sei.  Möglich  wäre  es  also,  dass  die  Weglassung  des 
Zusatzes  si  qui  caelibes  essent  in  bestimmter  Abeicht  erfolgt 
sei.  Aber  abgesehen  von  der  anderen,  von  meinem  verehr- 
ten Kollegen  Bechmann  für  wahrscheinlicher  gehaltenen  Deu- 
tung der  Worte  dunitaxat  singuli  singulas  spricht  gegeu  eine 
solche  juristische  Absicht  auch  der  Umstand,  dass  in  Diplomen 
des  dritten  Jahrhunderts,  wie  in  Nr.  LIU  vom  Jahre  247 
und  Nr.  LVI  vom  Jahre  250,  die  früher  mit  si  qui  caelibes 
essent  gegebene  Beschräukung  wiederkehrt,  nur  in  der  ver- 
änderten, auch  Nichtlateinern  leichter  verständlichen,  vul- 
gären Form  si  qui  tum  non  haberent.  Noch  weniger  wahr- 
scheinlich ist  es,  dass  der  Zusatz  Romana  zu  civitas  erfolgt 
sei,  um  den  nodi  juris  zu  entgehen  oder  den  Ränken  der 
Advokaten  einen  Riegel  vorzuschieben.  Besterfahrene  Juristen 
nämlich ,  so  z.  B.  Professor  Dr.  Bechmann ,  erklären  aus- 
drücklich, dass  es  für  den  römischen  Kaiser  nur  eine  civitas 
gegeben  habe  und  dass  auch  der  Unterschied  des  jus  Itoma- 
nuni  und  jus  Latinum  bei  Verleihung  der  Civität  nicht  her- 
eingezogen werden  dürfe ^).  Aber  mögen  auch  die  zwei 
Punkte,  der  Zusatz  von  KOM^  und  die  Weglassung  von 
SI  QVl  CAELIBES  ESSENT,  'nicht  rechtliehen  Bedenken 
entsprungen ,  sondern  lediglich  in  den  Wandlungen  des 
Kanzleistils  begründet  gewesen  sein,  für  die  Zeiti)estininuing 
der  betreifenden  Urkunden  behalten  sie  immerhin  ihre  voll- 
wichtige Bedeutung. 

Nun  hat  unser  Eininger  Diplom  nicht  mehr  den  Satz 
SI  QVI  CAELIBES  ESSENT,  aber  auch  noch  nicht  den 
Zusatz  ROMAN  zu  CIVIT,  steht  also  der  Form  nach  zwischen 

1)  Cfr.  Adam  Alox.  Jisiinll».  d.  röm.  Altert.^  I.  Hd.  S.  101  sq. 
Krlan^'on  1818. 


Sfhrf 


:   Itßs  Mililär.lipl-x 


317 


deo  Diplomen  Nr.  XXXVI  vom  Juni  des  ,Ialire§  138,  in  dem 
ICOMAN  iiocli  fehlt,  »ber  mich  Sl  QVI  UAELIBES  KSSENT 
iincli  builiehalten  ist,  imiJ  Nr.  XXXIX  vom  November  dett 
Jahres  lfi-1,  in  dem  einerseit«  [{OMAN  schon  ziifje.ietat.  ist, 
.  ttlmr  SI  QVI  CAELIBBS  EH8KNT  fehlt.  Man 
k  demnach  unaer  Diplom  in  die  Zeit  nach  .Inni  13ä  und 
BoTember  145  aetzen,  mfiglichnt  niihe  dem  Diplome 
^XXVIII  vom  Jahre  154,  diu  Kiciohfiilli«,  nur  in  etwa» 
^iHener  Weise,  den  UeluTjfimg  vom  alten  Knii/Iti.stil 
i  neuen  bezcoj^. 

kommt  ftber  bei  nnserer  Frage  noch  ein  l'imkt  in 
^ht,  den  wir  nicht  mit  Stillschwei^n  übergehen  dllrfen. 
der  «ben  Regebenen  Darlegung  fiele  nämlich  unser 
in  die  Zeit  nach  dem  .Innt  ISH,  oder  genauer,  da 
nach  d«m  erhaltenen  Datum  die  Urkunde  am  :J0.  Dezember 
ausfcestellt  ist,  nicht  vor  den  'iO.  Dezember  1S8.  Du  mm 
:  der  Kaiser  Hadrian  am  10.  Jnli  KW  starb,  so  miia^tie 
ich  nn.s('r  Diplom  iMreits  nnter  Antoninus  l'itjs  au.v^e- 
Kfi  frag^  «ich,  ob  di^e  Annahme  durch  die 
tuniverhilltniHse  begünstigt  oder  überhaupt  nnr  zugelassen 
wird.  Den  Kopf  aller  Militürdiplomf  bildet«  nämlich  selliab- 
bfindlich  der  Name  des  Kaisers.  Nun  erforderte  aber, 
ühlreiche  Urkunden  «eigen,  die  Titulatur  des  Hadrian  3, 
I  Antoninns  Pius  4  Zeilen').  Wie  steht  e^  alno  mit 
ttm  Diplom?   entfallen    drei    oder   mehr  Zeilen   fllr  den 

1)  Die  Titulatur  dei  Antoniniix  riux  lautet  x,  It.  mif  >!eui  Militür- 

1  »r.  XXXIS  vom  Jahre  1S4; 

IM!'  CAES  DIVI  HAÜRIAN[  V  DIVI  TKAl 
ANl  l'ARTH  N  DIVI  NKItVAE  l'RON 
T    AKLIVS    UADBtANVS     ANTDNINVS    AVil 

i'ivs  r  M  TK  i'üT  xvu  iMi'  II  t:oa  IV  V  V 

I  d««  Hiulriiin  nxxf  arm  Diplom  XXXV   ¥um  Jahre   IM: 
IMP  CAKSA»  lilVI  HADRIANl  i'AKTHlCI  K  DIVI 
NKttVAK  NKP08  TRAIANVS  »ADKIANVS  AVU 
l'MNTIK  MAX  TIUI!  PuTr^ST  XVIII  ''iS  III  1'  I' 


348  Sitzung  der  phüosrphüol,  Classe  vom  5,  Juli  1890. 

Kopf  des  Erlassed?  Das  hängt  natürlich  von  der  Grosse  des 
leeren  Raumes  und  der  Grösse  der  notwendigen  Ergänzungen 
ab.  Erhalten  sind  uns  aber  von  der  Innenseite  11  Zeilen, 
und  der  erhaltene  Teil  yerhält  sich  zu  dem  verlorenen  nach 
der  oben  angegebenen  Berechnung  wie  18 :  13.  Demnach 
haben  wir  für  den  Anfang  des  Diploms  6  Zeilen  zu  er- 
warten. Nun  glaubten  wir  am  Schlüsse  der  11.  Zeile,  von 
unten  gezählt,  zu  lesen  II  FLAV.  Das  war  der  Name  der 
im  Ilang  zuunterst  stehenden  Ala;  ihr  gingen  jedenfalls 
die  zwei  in  den  Diplomen  von  107  und  166  erwähnten  Alae 
I  HISPANORVM  AVßlANA  und  1  SINGVLARIVM  C  R 
P  F  voraus^),  möglicher  Weise  auch  die  Ala  I  Augnsta 
Thracum,  die  allerdings  nur  auf  dem  Diplom  von  107  vor- 
kommt, aber  nicht  mehr  auch  auf  dem  von  166  aufgeführt 
ist  und  zwischen  140  und  144  in  Noricum  lag^).  Von  den 
diese  Alae  betreffenden  Buchstaben  standen  wahrscheinlich 
in  der  11.  Zeile  noch  ET  I  SINGVLARIVM  C  R  P  F  ET 
n  FLAV.  Die  Namen  der  1  oder  2  übrigen  Alae  und  die  Ein- 
gangsformel EQVITIBVS  ET  PEDITIBVS  QVI  MILITA- 
VERVNT  IN  ALIS  IUI  (oder  III)  ET  COHORTIBVS  X 
QVAE  APPELLANTVR  beanspruchen  für  sich  3  Zeilen,  und 
es  bleiben  somit  für  den  Kopf  des  Diploms  oder  die  kaiser- 
liche Titulatur  von  den  6  Zeilen  nur  noch  3.  Diese  äusseren 
Verhältnisse  scheinen  also  die  Annahme,  dass  unser  Diplom 
noch  unter  Kaiser  Hadrian,  etwa  im  Dezember  137,  ausge- 
stellt sei ,  zu  begünstigen ;  aber  dieselben  sind  doch  nicht 
derart,  dass  sie  die  Gründe,  welche  gegen  eine  Ausstellung 
vor  dem  Dezember  138  sprechen,  umzustossen  vermögen.  Denn 
einmal  kann  sehr  wohl  damals  schon  die  Ala  I  Augusta 
Thracum    nach  Noricum  verlegt   gewesen    sein,    so  dass  wir 

1)  Die  letztere  wird  auch  auf  einem  Gedenkstein  von  Kösching* 
(C.  .1.  L.  III.  5910)  aus  dem  Jahre  141  erwähnt. 

2)  C.  J.  L.  111.  5654.  Vgl.  Ohlenschlager  »Die  römischen  Truppen 
im  rechtsrheinischen  Bayern"  S.  47. 


untn*  Zuhilfeimhuie  einiger  gebräuchlichen  Abkflr/,iinRen  mit 
2  SCnlmi  für  rien  Anfang  dra  eigentUclien  ürkumlentextes  aus- 
reichen wtlrden 

fiQVJT.  ET  PEDIT.  QVI  MILITAVKRVNT  IN  ALIS  IUI 
^pOHOBT.  X  tiVAE  APPELL.  I  HISPAN.  AVIUANA. 
iodKDU  stand  in  dimi  erhaltenen  Teile  der  mit  grö.^se- 
KSuchstuben  ges(.'iiriebene  und  demnach  l*/a  Zeilen  he- 
HiiBpriicheade  Name  des  Statthalters,  und  lässt  die  letzte 
Zeile  am  unteren  Kande  noch  einen  un  verhältnismässig  grossen 
liniim ,  HO  dasa ,  wenn  vorn  etwtis  weiter  oben  angersngen 
war,  für  den  oberen  Teil  statt  6  auch  7  Zeilen  in  Anspruch 
genommen  werden  können.  Wir  sind  demnach  nicht  ge- 
n)}tjgt,  von  der  obigen  Annahme,  dui«>  unser  Militiirdiplom 
unter  Antoninu«;  Pius  nicht  vor  dem  SO.  Dezember  138  und 
nicht  nach  iri4  geschrieben  sei,  abzustehen.  Innerhalb  diese» 
Z«itmumeH  wuge  ich  nicht,  die  Grenze  genauer  abzustecken 
und  demnach  auch  nicht  mit  Zuversicht  zu  entscheiden,  ob 
damaU  noch  die  Ala  I  Augusta  Thracum  in  Rätien  gelegen 
«der  »chwn   nach  Nnricum  verlegt  gewesen  sei.* 

Von  den  Truppenteilen  hat  unser  besonderes  Interesse 
die  H.  Cohort«  der  Brittonen,  von  der  ein  ungenannter 
Veteran  Mich  daa  Diplom  hatte  ausstellen  lassen.  Die  von 
Ohienschlager  a.  a-  0.  3.  liO  und  61  geäusserte  Vornuttung, 
i»m  dieselbe  von  der  der  BritAnnen  nicht  verschieden  ge- 
wesen sei,  erhält  jetzt  durch  unser  TÜfelcben  eine  urkund- 
liche Bestätigung;  denn  dieselbe  Cohorte,  die  unten  als 
Cüh.  UI  BRITTONVM  bezeichnet  wird,  ist  oben  als  coh.  Ill 
BRITÄNN.  «ufgefnhrt.  Dieselbe  war  früher  schon  bekannt 
Lidiuch  den  oben  angeführten,  jetzt  im  kgl.  Nationalmnseum 
HOnchen   befindlichen   Altar   vom  Jahre  211'),    den  der 

B)  nypaati^Uai?  hievnn  nind  in  Lundiihnt  und  Eining.    Di«  9 
f  Tmnaueninit  "■n   <Ip.t  Kirchen  man  er   in  Eining  deckte  ji 
e  für  alle  ^eit«D  sichtbar  bei  Gelegenlieit  der  ä 


350  Sitzung  der  phüosrphilol.  Clause  vom  5.  JM  1890, 

Präfekt  I.  Flavius  Felix  dem  GEN.  COH.  III  BRIT.  seteen 
li^88,  ferner  durch  die  Stempelsteine  der  COH.  III  BR., 
welche  ich  in  den  Jahren  1880 — 83  in  den  Ausgrabangs- 
gebäuden  fand,  endlich  durch  einen  im  Hause  Nr.  1  in  der 
zweiten  Brandschicfate  gleichfalls  1883  gefundenen  kleinen 
Altarstein  vom  Jahre  219: 

I.     H.     D.     D. 
DEAE.  FORT VN 
AVG.SAd-FABIVS 
FAVSTINIäNVS 
PRAEFC-III  BE 

SACERr? 

Von  anderen  Truppenteilen  hat  sich  weiter  ein  Altar 
des  Mercurius  und  der  Fortuna,  gesetzt  von  dem  Decurio 
M.  Virius  Marcellus  der  AL«I«F'S- A«  =  ala  I.  F(lavia) 
S(ingularium)  A(ntoniniana),  in  dem  benachbarten  Untersaal 
erhalten  (C.  J.  L.  III.  5938;  Hefner,  Rom.  Bayern  n.  61). 

Im  übrigen  erregt  bei  der  Durchmusterung  der  Gami- 
soiistruppen  Kätiens  unser  besonderes  Interesse  die  Cohors 
I  Flavia  Canathenoriim  niiliaria,  die  zwar  auf  unserem  Diplom 
noch  nicht  aufgeführt  erscheint,  von  der  ich  aber  doch  in 
und  ausser  dem  Lager  überaus  zahlreiche  Stempelsteine  und 
im  Hause  Nr.  1  zwei  Reiterpanzer  fand.  Nach  unserem 
Diplom  zu  schliessen,  kam  die  Cohorte  nicht  vor  138  nach 
Rätien.  Die  aufgedeckten  Gebäude  von  Eining  waren  somit 
vor  138,  wohl  unter  Trajan,  auf  dessen  Zeit  der  Baustil  und 
die  massige  Anlage  hinweisen,  erbaut  worden,  scheinen  aber 
nach  138  vor  dem  Eintreffen  der  Cohors  I  Fl.  Canath.  ein- 
mal bei  den  unter  Antoninus  Pius  und  Marc  Aurel  erfolgten 
Einfällen    der  Germanen   zu  Grunde   gegangen   zu   sein,    so 

Kirchenrestaurierun^  1881  —  1882.  Merkwürdiger  WeiHe  befindet  sich 
im  dortigen  Friedhofe  an  derselben  Stelle  in  den  Gräbern  römisches 
Mauerwerk  und  selbst  ein  Inschriftstein  ANTONIN   P  .  .  . 


Schreiner:  Das  Müüärdiplom  i>on  Eining,  351 

dass  dann  Leute  der  Goh.  I  Fl.  Ganath.  und  der  LEG.  III 
ITAL.  (GONcordia)  dieselben  zum  zweiten  Male  wieder  auf- 
bauten. £ine  zweite  Zerstörung  £inings  und  einen  dritten 
Aufbau  weisen,  abgesehen  von  den  überall  sich  zeigenden 
dreifachen  Brandschichten,  die  in  den  Lagermauern  vermauer- 
ten und  heute  noch  sichtbaren  Altar-  und  Gedenksteinüber- 
reste unzweifelhaft  auf. 

Schliesslich  geben  wir  ausser  einer  Phototypie  der  beiden 
Inschrifbenseiten  den  vollständigen  Text  unseres  Diploms  nach 
den  oben  bereits  von  uns  begründeten  Ergänzungen,  indeni 
wir  die  noch  erhaltenen  Buchstaben   durch    liegende  Schrift 

hervorheben. 

Innenseite. 

Imp(erator)  Gaes(ar)   divi  Hadriani   f(ilius)   divi  Traiani 

Parth(ici)  nep(od)  divi  Nervae  pron(epos)* 

T.  Aelius  Hadrianus  Antoninus  Aug(ustus)  Pius 

p(ontifex)  m(aximus)  tr(ibunicia)  pot(estate)  .  ,  imp(erator)  .  . 

cos(ul)  .  .  p(ater)  p(atriae) 
equitibus  et  peditibus  qui  militaverunt  in 
alis  IUI  [III]  et  cohortibus  X  quae  appellantur 
I  Hispanorum  Auriana  [et  I  Aug(usta)  Thracum]^) 
et  ISingularium  G(ivium)  R(omanorum)  p(ia)  ^[idelis)  et //Fla  via 
p(ia)  f(idelis)  m(iliaria)  et  I  Breucorum  et  I  et  II  RaetoTum 
et  HI  Bracaraug(u8tanorum)  et  III  Thrac(um)  et  IJI 
Thracum    c(ivium)   K(omanorum)    et    III    -ßn7ann(orum)    et 

IUI  Gallorum 
et  V  Bracaraug(ustanorum)  et  VII  Lusitan(orum)  et  sunt 
in  Raetia  provincia  sub     .... 

nino  quinis  et 

vicenis  pluribusve  s/tpendiis  emeritis 
dimissis  hone^^a  missione  quorum 
nomina  subscripta  sunt  ipsis 
liberis  posterisque  eornm  civitatem 

1)  Ueber  diese  Variante  siehe  oben  S.  348« 


352  Sitzunq  der  philosrphüol,  Classe  vom  5.  Juli  189Q. 

Aussenseite. 

niina  subscripta  sunt  ipsis  liberis  post 

erisque  eorum  civit(ü.tem)  ded(it)  et  conub{ium)  cum  uxo 

ribus  quas  tunc  nupsis{aer\t)  cum  est  civitas 

is  data  aiit  cum  is  quas  postea  duxissetit  dum 

taxat  singuli  singidas  pr(idie)  -©[alendas)  Jan(uarias) 

Flavio  Flacctno  D.  Aemilio  Frontone  cos. 

cohortis  III  Brittonum  cui  praeest 

nius  C.  f.  Junianus 

expedite 
.     .     .     .     et  Stmntae  con(jugi)  eius 
descript(um)  et  reco^t/(um)  ex  tabula  aenea 
quae  fixa  est  Romae  in  muro  post  tem 
plum  divi  Aug{usti)  ad  MinerYhm. 

IV. 

Anhangsweise  möchte  ich  noch  mitteilen,  dass  auch  im 
Jahre  1890  die  Eininger  Ausgrabungen  am  Südcastrum  fort- 
gesetzt wurden  und  dabei  im  Prätorium  das  Bruchstück  einer 
Inschrift  gefunden  wurde. 

AFR  .  1 
OLEM 
PRAE 

Ich  möchte  diese  Inschrift  mit  ieuen  des  C.  J.  L.  III. 
5775,  577G  und  5777  in  Verbindung  bringen.  Vielleicht  ge- 
lingt es,  im  nächsten  Jahre  Ergänzungsstücke  hiezu  zu  finden. 

Eine  zweite  hochinteressante  Inschrift  wurde  bei  Auf- 
deckung des  Norddoppelthores  in  bisher  sechs  Bruchstücken 
gefunden,  von  denen  die  ersten  fünf  zusammen gepasvst,  das 
sechste  Stück  aber  mit  den  Buchstaben 

LICI 
ITAl 

n 


Schreiner:  Das  Müitärdiplom  von  Mning.  353 

noch  nicht  verbunden  werden  kann.  Hoffentlich  gelingt  bei 
weiteren  Grabungen  deren  vollständige  Auffindung,  worauf 
die  Inschrift  einer  eingehenderen  Erörterung  unterworfen 
werden  wird. 

• 

Die  fünf  zusammenhängenden  Stücke  aber  lauten: 

IMP  .  CAES  .  M  .  AV?: . 
ANTONINO  .  PIO  .  F£L  • 
AVG  .  PARTHICO  •  MAX  • 
BRIT  .  MAX .  PONT  •  MAX  • 
TRIB  .  PO  .  XV .  IMF  .  II .  COS  • 

iii.DES.iii.p.r.paocos. 

Die  Inschrift  ist  eine  wundervolle  Ergänzung  der  In- 
schrift auf  dem  Altare  vom  Jahre  211,  den  der  Präfekt 
T.  Fl.  Felix  in  Eining  setzen  Hess.  Sie  stimmt  in  der 
Kaisertitulatur  vollständig  zum  Stein  von  Garnuntum,  Nr.  3487 
bei  Orelli-Henzen ,  Inscr.  lat.  sei.,  und  gehört  an  das  Ende 
des  Jahres  212,  als  Kaiser  M.  Aurel.  Anton.  Pius  Garacalla 
für  das  nächste  Jahr  bereit«  zum  vierten  Mal  zum  Gonsul 
(consul  quartum)  designiert  war.  (üeber  den  Aufenthalt 
Caracallas  in  Deutschland  und  die  Errichtung  und  Neu- 
befestigung von  Lagerplätzen  {q>QOtQia)  daselbst  vergleiche 
Gassius  Dio  77,  13,  Wietersheim-Dahn  I,  156,  besonders 
aber  S.  553  f.  und  Brambach  inscr.  Rhen.  Nr.  1424.) 


364 


Historische  Classe, 

Sitzung  vom  5.  Juli  1890. 


Herr  Stieve  hielt  einen  Vortrag  über 

^Ernst  von  Mansfeld*". 

Derselbe    wird    am    Ende    dieses    Bandes    der    Sitzungs- 
berichte veröffentlicht  werden. 


Herr  von  Rockinger  hielt  einen  Vortrag: 

„Zur   Genealogie    der    Handschriften    des    so- 
genannten Schwabenspiegels". 

Derselbe    wird    in    den     „Abhandlungen"    veröffentlicht 
werden. 


355 


SitzunK  vom  8.  November  1890. 

Herr  v.  Christ  legte  einen  Aufsatz  des  Herrn  Wilhelm 
Meyer  vor: 

, Nachlese  zu  den  Spruchversen  des  Menander 
und  Anderer." 

Als  ich  eine  neue  Ausgabe  der  Spruchverse  ausarbeitete, 
welche  den  Namen  des  Menander  tragen,  ward  ich  aufmerk- 
sam auf  die  wichtige  Handschrift  in  Paris,  Nr.  690  des 
Supplement  Grec,  Pergament  XH.  Jahrh.  258  Blätter,  aus 
welcher  z.  B.  von  Minas  der  Philogelos  abgeschrieben  worden 
ist.  Omont  nennt  in  seiner  Beschreibung  dieser  Handschrift 
'Sententiae  versibus  iambicis,  alphabetice:  ^vrJQ  dUaiog 
nXovtov  .  .  .  Bl.  73b.'  Auf  meine  Bitte  um  nähere  Nach- 
richt erhielt  ich  durch  Omont *s  Qüte  die  Anfänge  der  Sprüche, 
die  mit  A  und  B  beginnen.  Sofort  erkannte  ich,  dass  diese 
beiden  Reihen  sich  nahezu  vollständig  decken  mit  der  Ur- 
binatischen  Spruchsammlung,  welche  ich  in  den  Abhand- 
lungen 1880  (I.  Cl.  XV.  Bd.  U.  Abth.  S.  398-449)  her- 
ausgegeben  habe.  Diese  Sammlung  hat  die  Aufmerksamkeit 
der  Fachgenossen  erregt,  aber  sie  bereitete  mir  jetst  •s'»^ 
bei  der  Sichtung  des  ganzen  handschriftlichen  SteA 
meisten  Schwierigkeiten.  Besonders  auffallend  ist  am 
die   grosse  Zahl    von   Sprüchen,    welche  in   keiner  a 


356     Sitzung  der  phüosrfhüol,  Glosse  vom  8,  November  1890, 

Sammlung  sich  finden.  Aber  die  Anfänge,  welche  Omont 
mir  aus  der  Handschrift  des  Minas  —  ich  bezeichne  sie 
fortan  mit  M  —  mitgetheilt  hatte,  deckten  sich  mit  den 
Versen  36—45  der  Reihe  A  in  meiner  Urbinatischen  Samm- 
lung (U)  und  mit  der  Reihe  B,  wo  nur  der  4.  und  8.  Vers 
der  Handschrift  U  in  H  fehlt.  In  beiden  Reihen  stehen 
die  Verse  genau  in  derselben  Folge.  Von  diesen  17  Versen 
sind  aber  15  allein  in  diesen  beiden  Handschriften  erhalten. 

Diese  Thatsachen  erregten  natürlich  sehr  meine  Begierde, 
von  der  Handschrift  M,  welche  ausser  den  mir  beschriebenen 
Reihen  A  und  B  noch  die  Reihen  F  bis  H  enthält,  genaue 
Kunde  zu  erhalten.  Ich  musste  hoffen,  für  die  schwierige 
Handschrift  U  manche  Verbesserung  nnd  ausserdem  manchen 
neuen  Vers  zu  finden.  Ich  theilte  Omont  die  Sachlage  mit 
und  erhielt  nach  längerer  Zeit  durch  die  Güte  des  Herrn 
Dr.  L.  Sternbach,  der  in  Paris  ebenfalls  an  dieser  Hand- 
schrift arbeitete,  eine  Abschrift  der  Sammlung. 

Gross,  wie  vorher  die  Erwartung,  war  jetzt  zunächst 
die  Enttäuschung.  Von  den  weiteren  119  Sprüchen,  welche 
diese  Sammlung  in  den  Reihen  F  bis  S  enthält,  kommt 
kein  einziger  in  einer  andern  Handschrift  der  Menander- 
sprüche  oder  bei  Stobaeus  oder  sonst  vor.  Folglich  haben 
diese  Sprüche  mit  den  Menandersprüchen  überhaupt  nichts 
zu  thun  und  sind  auch  nicht  irgendwie  ein  Erzengniss  des 
klassischen  Alterthuras.  Form  und  Inhalt  bezeugen  das. 
Jeder  Vers  hat  die  regelrechte  Caesur;  4  Verse  nach  der  7., 
alle  übrigen  nach  der  5.  Silbe.  Alle  Verse  bestehen  aus 
12  Silben;  also  sind  sie  nach  der  Zeit  des  Georgius  Pisida 
entstanden.  5  Trimeter  schliessen  mit  ßgotov^  ßQotolg  etc.; 
je  1  mit  (fQBvwv^  li€vr^v,  fiaxQav;  1  mit  /ragiaratai;  3  mit 
Enclitica,  wie  txei  noxL  Alle  übrigen  Schlüsse  haben  den 
Accent  auf  der  vorletzten  Silbe.  Anderseits  findet  sich  kein 
Hiatus;  sogar  an  die  Stelle  von  ovöe  elg  ist  ovde  zig  ge- 
treten.   Elisionen  sind  äusserst  selten ;  nur  d\  fjdovr^  'axi  und 


Meyer:  NoMeae  zu  den  Spruchveraen  des  Menander  u.  A,    357 


xoT*  aSiay.  Die  Quantität  wird  schon  ziemlich  oft  verletzt: 
q>iXogt  noXvy  aöUwvy  rig  mit  langem;  (laxvei^)  aiyav^  rchovatv 
mit  kurzem  i  oder  t;  finden  sich  hier  in  je  einem  Verse. 
Dies  war  der  Anfang  der  Missachtnng  der  Quantität.  Auf- 
fallender sind  die  Verse: 

10     iav  %ig  oxvq,  ^ri  ifLokäv  ilni^ivu). 

Im  letzten  Verse  hat  H  yafdereiv;  allein  es  ist  wohl 
nur  ya^etrlv  zu  schreiben;  denn  auch  in  dem  Verse 

10     äftBivoy  avöqi  /ui]  yafiezriv  ixTQiq>eiv 

hat  H  yafieteiv  geschrieben.  Den  metrischen  Fehler  in 
xaköv  und  yafietrjv  muss  man  wohl  hinnehmen.  Sehr  weit 
geht  der  Versmacher  in  der  Dehnung  kurzer  Endvokale  bei 
folgender  Muta  vor  Liquida;  Längen  wie  l^iiM  üquibIv^  drjy^ä 
nQoqmyei  sind  häufig,  so  dass  in  dem  elfsilbigen  Verse 

7     veliQidv  To  nävd'og  x^og  avXav  d^iXet 

als  3.  Länge  o  eingeschoben  werden  darf.  Dagegen  die 
Spondeen  in 

7     Xdfitov  yeiüQyog  Tr^v  ßkaGTtjv  noQccTQixei. 
3     ycatQog  iidaaxei  ti^v  q>OQdy  rtSv  andvTtov 

sind  Schreibfehler;  im  ersten  Verse  ist  ßXaßrpf  zu  bessern, 
im    zweiten   xaiQog  diddaxei   xüv  anavtiov  ir^v  q>o^v  oder 

Demnach  dürfen  wir  die  Zeit  des  Versmachers  nicht 
zu  früh  und  nicht  zu  spät  ansetzen;  am  besten  scheint  er 
um  das  9.  Jahrhundert  gesetzt  zu  werden.^) 


1)  Die  Verse  sind  in  der  Handschrift  M  durch  manche  Schreib- 
fehler entstellt;  z.  B. 

8  yv&'&i  TtQoaeXns  (jigoeinel)  aavxoy  tj  stagot/Ua, 

1  d^fia  TiQOipevye  (jiQOfpevYei'i)  ovxfxpdvrov  nag  (piXog. 

2  detvor  i6  vooeTr  {ßiiaeTv'^)  jovg  iXiyxoyrag  q>iXovg. 
1  iJHOvaas  ev^vg  {ei  ti'^'f)  fitf  XdXe^  Tiäv  aaxonwg. 


358     Sitzung  der  phüos.-phüol,  Glosse  vom  6.  November  1690. 

Auch  die  Sprache  zeigt,  dass  diese  Sprfiche  von  ein^n 
Manne  geschrieben  sind  und  das  in  spater  Zeit,  z.  B.: 

2  i/X££  Tcr  ndvra  ngog  ro  Tiqpia  toZ  ßlov, 
10     rjSfj  t6  rigua  tov  ßlov  naqiaxaxai, 

8     l'^£i  ro  ziqiJia  xov  xQOvov  ßqotüv  tdxog. 

Der  Inhalt  dieser  SprGche  ist  durchweg  sehr  gering; 
z.  B.  in  der  Reihe  I 

1     hrnov  Tiaxiatov  y.al  ßqoxov  cpevyeiv  ^aKQar. 

3  iarrjOi  vavv  1x9^9  r/g  log  dvfiov  Xoyog, 

4  iÖQüig  yaXrjvtjv  zcov  7r6viov  TrolXr^v  ayei. 
6     iOTav  XQonaiov  in  7i6vcjv  ßqoxov  x^ifug. 

8  i^ei  To  tiq^a  toi  xQovov  ßQOzwv  vdxog. 

9  ixei  ydq  ridt]  xov  d'iXyg  xov  ^ij  x^ikjjg. 

Diese  Probe  wird  kaum  Jemand  reizen,  mehr  von  dieser 
Weisheit  kennen  zu  lemeu.  Uns  geht  aber  zunächst  das 
Verhältniss  des  Mannes  zu  den  .sogenannten  Menander- 
spr liehen  an.  Der  Mann  hat.  sicher  diese  Sammlung  ge- 
kannt, hat  aber  im  Stolz  auf  sein  Können  sich  enischlassen, 
jener  Sammlung  eine  neue  gegenüber  zu  stellen.  Dabei  hat 
er  hie  und  da  Stichwörter  aus  jener  alten  Sammhmg  her- 
ü hergenommen.  Diese  Stellen,  welche  für  die  Frage  wichtig 
sind,  seien  hier  zusammengestellt. 

3     ^H^iüv  ajravtwv  r^  aweidr^aig  <Jix/;. 
597    Z^naaiv  Tqfilv  fj  aweldtjoig  (jjqioitj)  ^eog, 
(354     BQOTo7g  aicaaiv  if  övveiöi]Oig  V^eog, 

Der  Vers  597  (Meineke)  ist  in  den  Handschriften,  die 
ihn  überliefern,  der  letzte  der  Reihe  A,  also  wahrscheinlich 
eine  nachträgliche  Fälschung. 

4  fj  voüv  FX^tv  5  ^artTr  (xar^aretv?)  rajft»  jtosnet. 

9  i?a»'ü>v  xdxtaTog  elg  Ttovrovg  (ndvovi*^)  T^ei  viovs. 

10  fivOos  diuQxi^g  tcüv  yvvatxtjy  6  tf>&6vog  {ov  *n>h'Fs'i). 

2  voftots  tfjitjxtor  {vjTiixwy)  ov  rj>//4«»'  e$ovötap. 


*  f 


Meyer:  Nachlese  zu  den  Spruchversen  des  Menander  u.  A,    S59 

209     ijSei  z6  yfJQag  riaaav  alviav  (al'Kiav?)  (piffoy,^) 

7  0€ov  t6  äwQOv  ov  fABt^iarcerai  note, 
241     O'eov  niqwne  dtoQOv  eJyvci^cjy  TQonog» 

In  einer  andern  Sammlung  ist  der  Vers  des  Aeschylns 
(Sept.  625)  umgestaltet  zu  l^eov  t6  dÜQov  kaxiv  evtt'xeiv 
ßgoTOvg.  Ebenso  nahe  steht  das  Fragment  des  Sophocles 
(bei  Nauck  p.  335,  879  aus  Vita  Homeri  c.  158)  ^co?  to 
dwqov  tovto'  etc. 

2    "laov  liovtog  avuofpanrjg  kv  ßiip, 
267     Haov  Xealvfjg  xal  ywamog  (o^OTrjg. 
440     6  ovxoqxivTfjg  bojIv  iv  noXei  Xtnog, 

5    ^loov  novfjQog  xdxoQKnog  sv  ßti^f. 
456     jfOvrjQog  iar*  av^quinog  nag  (T/g)  dxaqiaxog. 

1  KaXov  TO  yriQagy  bI  xa^tjy  9>^iH^P^  ^X^'* 

2  xoTLOv  to  Y^Qagj  q>avXov  bI  q^iqBi  TQOirov, 
283     xaXov  t6  yrjQav  xai  to  fdt]  yrjQov  noXiv, 
608     KaXov,  to  ytjQov,  to  d*  vjiBQyi^Qov  xanov, 

9     KqIvbi  q>iXovg  mravtag  ImtBOiov  (piXog. 
276     xQivBi  q>iXovg  6  xaiQog  log  xqvaov  v6  nvq. 

2  Miyiozov  oirXov  ij  qiQOvrjaig  h  /?iy. 

Vgl.  433    ^'OjtXov  fityiatov  iaviv  oQBtrj  ßi^oig  oder 
619     o.  f4,  tolg  (iv)  ßqotolg  td  XQ^H^^^  oder 
0.  f4.  Bat IV  dv^Q(x)7Coig  Xoyog  (ü). 

5  Mifiov  td  OBfLivd  tiov  aoq>wv  ^'v^»/,  tixvov, 

6  fiaxqdv  dt  yivov  tüv  ytaxwv  ^^cSy  ndXiv. 
336     fitfdov  td  OBfivd,  fiiq  xcntwv  fiifiov  tQonovg, 

3  Sivoig  inaqxiov  rraaiv  aldolog  fdivBig, 
391     ^Bvotg  Bnaqxwv  tuiv  Xoutv  tBv£fj  7toti. 


1)  Der  verderbte  Vers  7  'H  ^ga  xdvttor  tjdw^  ^0U  m 
ist  Tielleicht  zu  ilndem  in  rj^  rä  ndvjcjy  r^dovri  aigiipu  jgin^ 
wäre  zu  vergleichen  573  >7^;  ta  ndvtwv  iy  XQ^V  yf^tQdCnmt* 


360     Sitzung  der  pKHosrphäol,  Glosse  vom  8,  November  1890, 

Dazu  kommen  noch  einige  zweifelhafte  Aehnlichkeiten, 
wie  5  KaXoy  to  nevS-elv  irijy  ya^etriv  iv  rafftif  vielleicht 
eine  Verbesserung  sein  soll  von  95  yvvaixa  x^anteiy  xQehioy 
tat IV  rj  yafdelv. 

Diese  Nachahmungen  beweisen,  dass  der  Verfasser  dieser 
Spruchsammlung  ein  Gegen-  und  Seitenstück  zu  der  in  den 
Schulen  gelesenen  Sammlung  der  Menander-SprQche  schaffen 
wollte.  Von  dem  Vorbilde  wich  er  nur  in  einer  Kleinigkeit 
ab.  In  jener  Sammlung  finden  sich  nur  sehr  selten  2  zu- 
sammengehörige Verse;  hier  aber  öfter.  So  ausser  den  oben 
S.  358  und  359  gedruckten  Paaren  1 8  und  9  i'^ei,  K  1  und 
2  ytaXov  und  M  5  und  6  fiifwv  noch 

9     Feiviüv  TvovrjQog  Tovg  JtiXag  namog  ^eXeiy 
yeiitjv  d*  aQiatog  ev  dia/cQaztei  ßQotoig, 

2    "Ei^i^e  ykiooaav  r^avxd^etv  Jiokldxtg' 

ev{)Oig  yoQ  oviw  ti]v  ö66v  twv  jiQuyfiaiwv, 

7     ^Hiüv  To  ;iivi>og  oXßov  fjL^fjoev^  lexug' 
i^k0^ev  CO  7tiv^og  i^  qöUiov  jcgay/naiiov. 

5     yti]DtfV  hxßovreg  rJJc;  xaxijg  o^agtiag 
kv7it]g  zu  TLtviqov  tSavaainoai  (pgevojv. 

Ja  sogar   3  und  4   Verse   scheinen    verbunden    zu   sein: 

5     Zrjzei  ^eQifivr^g  a^OQ/iioai  /toXv  ßoQog. 
Uioriv  yog  ovTw  rijV  oXvnov  av  tvxoig, 
^tjOeig  (r'V)  aitviwc:  zov  7iQoyLeif.ievo%'  ßtov. 

r»    *  Egwg  lagaoaei  nov  igvcfcuvKov  log  (pQ^vag 
tyiov  ßütjÜ^dv  ijdüvriv  ioiiXiöfAivi^v 
evQioy  yuQ  T]J/y  yovv  oQVjyia  /rgog  zoQoy 
i'yv^e  7Liy[(jtiJ  Kv/tQidog  jiayiykkytog,^) 

1)  jiny&ekyi  mit  i  ü!)er  €  und  von  ni.  rec.  ^  über  r;  vielleicht 
.ini'&eÄyhov.  Das  Wort  findet  Mich  freilich  Honst  nicht;  über  auch 
nicht  7  xtU.Aü^  avyaojtu  nby  uofXywr  ror  yoor. 


Meyer:  Nachlese  zu  den  Spruchversen  des  Menander  u,  Ä.    361 

Die  Thatsache,  dass  dieser  Mann  um  900  n.  Chr.  die 
Menahdeisprüche  nacbgeahmt  hat,  würde  eine  so  ausführliche 
Besprechung  dieser  Verse  nicht  rechtfertigen.  Denn  schon 
Gregor  von  Nazianz,  Palladas  und  Andere  haben  jener  Spruch- 
sammlung nachgeeifert  und  wahrlich  Besseres  geleistet  als 
dieser  Versmacher.  Den  Werth  dieser  Sammlung  lehrt  die 
Behandlung  des  Anfangs,  welcher  sich  auch  in  der  urbi- 
natischen  Sammlung  findet. 

Fviofiai  naza  axoixeiov  did  ia^ßtuv.  So  lautet  der 
Titel  in  der  Pariser  Handschrift  (M);  in  der  Urbinatischen 
(ü)  steht  natürlich    hier  mitten   in  der  Reihe  A  kein  Titel. 

1(36)     '^viiQ  aßovlog  elg  tcsvov  ^ox^bI  %Qi%oiv. 

dvifi  dixaiog  tvXovtov  ovtc  exßi  no%i,  ■ 
3(38)     ayei  novrjQci  nqa^ig  elg  xaxov  xliog, 

äygvnvov  Ofifia  zovg  koyiofiovg  eigßlinei, 
5(40)     dvriQ  dneix^fi  elg  ex^Qiov  nimei  öoXovg. 

avTog  (avtov  M)  yaQ  oldev  ovdiv  eig  (ovdi  elg  M) 

z6    <JVfig>€QOV. 

7(42)     dniild'ev  ovdeig  tcSv  ßQOTÜv  nXovzov  q>äQ(ov. 

öxove  ndrva  {navroiv  M)  mal  }AXei  xaiQffi  (pihx 

{fpiXog  ü). 
9(44)     aq)tXog  elyai  /u?)  xß^eX'^ajjg  iv  ßi(^. 

afie$vov  dvdql  /ut]  ya^e%r(v  (yafietelv  M)  ixtQiq>eiv. 

Darauf  folgt  unmittelbar   in  M  wie  in  U  die  Reihe  B: 

1     BovXijv  yegovtiüv  naaav  elg  nQa^Lv  Idße. 

ßovXrg  cifAeivov  ovdiv  iativ  iv  ßi(p, 
3     ßovXiqy  TtovfjQav  ^»j  d'iXe  XQccrelv  cXtog. 

ßiXziare^  /utJ  z6  niqdog  ev  naai  axonei.  fehlt  in  M. 
ßiog  novTjQog  elg  xaxov  (piqei  tiXog. 
5(6)    ßißaiog  ovdeig  affii  züv  q>iX(ov  /divei, 

ßaßai  TO  fdiytQov  Oftfia  nüg  TtoXXd  ßXirtei. 
7(8)    ßiov  xQOTvvei  fiv&og  ?/  XQ^'^^S  ßQOzov.    fehlt  in  M« 
ßaQog  fdoXißdov  {fdoXvßdav  M)  xai  xaxog  ßQOtüv  Jacv. 

1890.  PliUo0.-|»hilol.  u.  histCI.  II.  8.  25 


362     Sitzung  der  phüo8,-philol,  Classe  vom  8.  November  1890, 

Lassen  wir  von  diesen  Versen  zunächst  A  1  und  2  und 
B  4  ausser  Betracht,  so  sind  in  Form  und  Inhalt  diese  Reihen 
A  und  B  aus  demselben  Guss,  wie  die  Reihen  F  his  S  der 
Sammlung  M.  Alle  haben  12  Silben.  Alle  haben  den  Accent 
auf  der  11.  Silbe;  nur  A  2  schliesst  mit  e^ct  nori;  B  7 
mit  ßqotov.  Das  kommt  nachher  noch  öfter  vor;  doch,  da 
es  hier  zum  ersten  Male  vorkam,  so  veranlasste  dies  vielleicht 
den  Schreiber  von  M  diesen  Vers  wegzulassen.  Jeder  Vers 
hat  Caesur  nach  der  5.  Silbe;  kein  Hiatus,  keine  Elision 
findet  sich.  Die  Quantität  von  9  äq^iXog  und  a  10  yafiiTr^v 
findet  sich  ebenso  in  y  6  (fiXog  und  x  5  yafierrjv.  Ja  viel- 
leicht hat  dieser  Mann  auch  in  a  5  exi^Qiov  gekürzt.  Sprache 
und  Sinn  dieser  Verse  entspricht  durchaus  den  folgenden; 
so  ist  die  Lieblingsphrase  iv  ßi(^  hier  zwei  Mal  zu  finden. 
Diese  beiden  Reihen  sind  also  ebenfalls  von  demselben 
Manne  fabricirt,  wie  die  folgenden  Reihen,  und  haben  mit 
den  verschiedenartigen  Sammlungen  der  Menander- 
sprüche  nichts  zu  thun.  Dieses  Ergebniss  ist  wichtig. 
Ueberall  sonst  konnte  ich  die  Urbinatische  Sammlung  mit 
den  übrigen  Sammlungen  der  Klasse,  7x\  denen  sie  gehört, 
vereinigen.  Sie  bietet  allerdings  werthvoUe  neue  Verse,  allein 
dieselben  sind,  wie  natürlich,  zwischen  den  mit  andern  Samm- 
lungen gemeinsamen  zerstreut.  Nur  hier  diese  geschlossene 
Reihe  von  Versen  am  Schlüsse  des  Buchstabens  A  und  der 
ganze  Buchstabe  B  blieb  unnahbar;  weder  fand  ich  einen 
Vers  derselben  in  andern  neu  auftauchenden  Sammlungen  der 
Menandersprüche ,  noch  gehing  es  durch  gute  Besserungen 
diese  Verse  annehmlicher  zu  machen.  Jetzt  können  wir  diese 
Reihen  einfach  aus  den  Menandersanimlungen  streichen.  Denn 
es  ist  klar:  ein  Abschreiber  der  Urbinatischen  Sammlung  hatte 
zu  der  im  Ganzen  abgeschriebenen  echten  Sammlung  ein  Ex- 
emplar der  Sammlung  M  in  Händen.  Als  er  nun  den  Buch- 
staben A  aus  der  ihm  vorliegenden  Menandersammlung  in 
zwHuialiger  Auslese  zu  Ende  gt'bchrieben  (V.  1  — 1(),   17  —  27 


:  if/ichle»e  :u  dtn  Stiraehrersrit  <Vm  Menandrr  «.  A.     3t'3 

meiner  Auxgabe).  ac1iqI>  er  eunächst  Vetve  ans  einer  noch 
unbeknunten  Qnelle  an  {V.  28—35).  dann  aber  schrieb  er 
aus  der  i^Binmlunp  H  den  ganzen  Buchstaben  A  ab,  dem  er 
mtbrt  dt>n  BiitihKtJiben  B  aus  tieiselben  Sammlung  folgen 
lie*>;.  Duiin  kehrtet  er  wieder  au  seiner  eigentlichen  Vorlage 
RurUck,  in  welche  er  wenigstens  bia  nur  Reihe  B  ans  H 
keinen  einzigen  Spruch  mehr  aufnahm. 

Noch    zwei    Pnnkte    l>leiben    zu    erledigen.  In    d^r 

K«th(i  B  etehen  in  der  Urbinatischen  Sammlung  znei  Verse, 
weiche  in  der  Pariser  fehlen.  Da.HM  M  den  Vers  Btov  K^ati-vei 
5  Jtf^flög  iiefioi'  nicht  bat,  liegt  vielleicht  an  der 
I  des  Bchreiliera,  vielleicht  auch  daran,  daas  dieses  der 
VersHohluHs  ist,  welcher  die  byzantinische  Accentregel 
■  verletzte;  jedenfalls  ist  der  Vers  aus  derselben  Fabrik 
me  übrigen.  Wichtiger  ist,  daas  nach  B  3  der  Vers 
ir«  fi^  to  xfifdog  iv  nÖai  aviönet  in  U  steht,  aber  in 
nit.  Dieser  Vers  kommt  nahezu  in  allen  Menander- 
unngen  vor  und  wird  (aus  jenen '(*)  bei  mehreren  Ithe- 
cttirt,  hat  also  jedenfalls  mit  der  Haminliing  M 
I  zu  thun.  I^r  tst  rielmebr  von  dem  Abschreiber  der 
Urbinatischen  Sammlung  mitten  in  die  aus  H  abgeschriebene 
Beihe  eingeflickt.  So  hat  derselbe  ächreil>är  nachher  au» 
suner  guten  Vorlage  zwei  Sprüche  der  weggelassenen  Reihe  B 
zwischen  die  zwei  Aunleseu  eingeflickt,  aus  denen  seine  ICeihe  T 
bfKtohl  (V.   I-&.  S— 12). 

Wichtiger  ist  der  zweite  Punkt.  Die  beiden  ersten  Verse 
der  R«ihe  A:  ^cije  lißovXo^  tls  xtvöv  fioxt>ei  tpexw»-.  yif'ip 
iixatog  rikoviov  ovx  t'xti  Jioii  .scheinen  aus  derselben  Fabrik 
Sfl  stnmmen,  wie  die  übrigen.  Die  Anfange  finden  sich  auch 
«Miat  lA  yltii^  äßovi.oi;  •^iovau;  »tj^CtTOi  und  038  ^vi]^ 
iixaiög  tativ  oCx  ^  t"]  odixtUv  etc.;  der  eine  Scbluss  < 
xtföf  livxSti  t^ix'^^  i*t  unseres  Ver»emach«rs  würdig  u 
■■  andere  nKovto»  ovx  fjjei  ■'int  ist  (ibertrieben. 
kiimumn    in    •''i    bis   li    andern,    nieistena 


3(54     Sitzung  der  phHosrphüoL  Glosse  vom  8   November  1890. 

Sammlungen  der  Menandersprüche  vor  und  stehen  desshalb 
schon  bei  Meineke,  Nr.  51  und  52.  Sind  diese  Verse  doch 
altes  Gut  und  hat  vielleicht  der  Verfasser  der  Sammlung 
M  den  Anfang  seiner  Spruchdichtung  dadurch  zieren  wollen, 
dass  er  aus  den  Menandersammlungen  zwei  Verse  abschrieb, 
während  er  weiterhin  dies  durchaus  vermied?  Die  Frage 
wird  dadurch  fast  beantwortet,  dass  jene  zwei  Verse,  welche 
in  U  und  H  die  ersten  sind,  in  jenen  5  bis  6  andern  Hand- 
schriften die  letzten  der  R^ihe  A  sind.  Demnach  ist  es  in 
einer  alten  Menandersammlung  ebenso  zugegangen,  wie  in 
der  ürbinatischen.  Der,  welcher  jene  Sammlung  besass  oder 
abschrieb,  bekam  auch  unsere  Sammlung  M  in  die  Hände 
und  fing  an  in  seiner  Menandersammlung  am  Schlüsse  der 
Reihe  A  aus  der  Sammlung  M  die  Reihe  A  einzutragen. 
Doch  schon  beim  zweiten  Verse  hörte  er  auf  und  nahm 
auch  in  den  folgenden  Buchstabenreihen  keinen  Vers  mehr 
aus  jenem  Fabrikate  der  spätesten  Zeit  auf.  Es  bestätigt 
sich  also  auch  hier  der  Grundsatz,  dass  in  jeder  Menander- 
sammlung die  Verse  im  Anfang  und  noch  mehr  die  im 
Schlüsse  der  Reihen  verdächtig  sind.  Wichtiger  ist  die  Zeit- 
bestimmnng,  die  wir  gewinnen.  Die  sämmtlichen  Menander- 
sammlungen der  besseren  Klasse  haben  jene  zwei  unechten 
Verse  am  Schluss  der  Reihe  A;  also  müssen  sie  alle  auf  ein 
Exemplar  zurückgehen,  in  welches  nach  dem  Jahr  900  jene 
zwei  Verse  am  Schluss  der  Reihe  A  eingetragen  wurden. 

Neue  Spruchverse. 

Im  vorangehenden  Abschnitte  war  es  möglich,  von  der 
Ürbinatischen  Spruchsammlung  einen  hässlichen  Fleck  abzu- 
waschen. Im  Uebrigen  steht  sie  zusammen  mit  den  übrigen 
Sammlungen  dieser  Klasse,  der  Pariser  1168  (P),  welche 
Boissonade  Anecdota  I  p.  153—159  bespricht  und  der  Wiener 
(Nessel  128,  V),  welche  schon  J.  G.  Schneider  benützte.     Zu 


Meyer:  Nachlese  zu  den  Spruchversen  des  Menander  u,  Ä.     365 

diesen  drei  Genossen  kommt  eine  vierte  Handschrift/ welche 
mit  K  bezeichnet  sei.  Ich  hoffe  aus  derselben  Handschrift 
in  der  nächsten  Zeit  ein  anderes  werthvoUes  Schriftstück 
vorlegen  zu  können  und  verspare  die  genauere  Beschreibung 
derselben  auf  diese  Gelegenheit.  Diese  ganze  Klasse  von 
Sammlungen  ist  viel  kecker  überarbeitet  als  die  andere, 
welche  durch  die  Handschrift  A  (Wien  Nessel  277)  und 
ähnliche  erhalten  ist.  Wiederum  ist  von  den  vier  Genossen 
die  urbinatische  am  kecksten  behandelt,  was  sich  schon  daran 
zeigt,  dass  viele  Buchstabenreihen  in  ihr  eine  zweimalige, 
einige  sogar  eine  dreimalige  Auslese  aus  der  Vorlage  enthalten. 

Die  neue  Sammlung  (K)  bot  mir  35  Sprüche,  welche 
ich  noch  in  keiner  andern  Sammlung  geftmden  hatte.  Damit 
steht  es  hier,  wie  in  jeder  guten  Sammlung  dieser  Sprüche: 
eine  Anzahl  der  Verse  lassen  sich  auch  in  andern  Schrift;en  des 
Alterthums  nachweisen.  Es  sind  die  7,  welche  ich  zunächst 
besprechen  werde.  Daraus  erhellt,  dass  wir  auch  die  übrigen 
für  echtes,  altes  Gold  ansehen  dürfen.  Nur  der  Spruch 
Ilaviga  aißov  riy  di  ^Qeipafdivrp  ategye  ist  bedenklich. 
Er  Hesse  sich  zwar  (leichter  als  der  ähnliche  Spruch  in  U 
nariQa  rifta'  tiqv  de  Tenovaav  aißov)  in  einen  Vers  ver- 
wandeln, z.  B.  nccriQa  aißov  fASv^  xr^v  de  &qB\pafJiiyr}v  g)iXei; 
doch  seine  Stellung  —  er  ist  der  letzte  in  der  Reihe  n  — 
spricht  dafür,  dass  er  ein  späterer,  wohl  prosaischer  Zu- 
satz s^i. 

Dass  in  der  Klasse,  welche  durch  die  Handschriften  P  T 
und  U  gebildet  wird,  der  Text  sehr  oft  und  mitunter  stark 
entstellt  ist,  ist  vorhin  bemerkt.  Wie  es  damit  in  dem  neu 
gefundenen  Genossen  jener  Handschrift;en  steht,  lehrt  am 
sichersten  die  Prüfung  der  sieben  Verse,  welche  sich  f 
in  andern  Schriften  finden. 

0eov  to  dwQOv  iaxiv  bvtvxbIv  ßQotovg. 

Diesen  Vers  würde  gewiss  Mancher  für  christlich  hl 


36(5     Sitzung  der  phüosrphüol.  Classe  vom  8.  November  1890. 

doch  es  ist  Aeschylus  Sept.  625  d^eov   di  diOQov  iativ  eitV' 
XeTv  ßqotoig, 

Maiv6f4e&a  navteg  iav  OQyi^Ofie&a. 

Stob.  20,  4  0dr]f4ovog  (Mein.  4  p.  54,  Kock  2  p.  529) 
Maivc^ed'a  ndvieg^  OTtorav  OQyi^tifAS&a ;  ebenso  Maximiis  19, 
doch    hat   auch  Gessner  orav  und   (rait  1  Hft.)    o^yi^o^e^a. 

TleQi  xqri^axtjv  /iij  anovda^e  oßeßalov  fiQay^arog. 

Ein  warnendes  Beispiel !  Wer  würde  diesen  Spruch  nicht 
als  Prosa  und  als  christlich  streichen?  Allein  eine  treffliche 
Stelle  von  16  Versen  wird  bei  Stobaeus  16,  13  eröflfeet 
durch:  MeydvÖQOv  in  Jvaxokov  (Mein.  4  p.  107;  Kock  3 
p.  38):  TlßQi  xqtiiAaxwv  XaXelg  dßeßaiov  jrQdyfdavog. 

T6  fdrjdiva  adixtlv  %aXovg  fjfjiäg  noiei. 

Zur  Warnung  für  die,  welche  Parallelverse  gern  als 
Interpolation  tilgen,  seien  hier  folgende  Verse  ausgeschrieben: 

TO  fifjdiv  ddixetv  nai  y,ah)vg  rjfiag  7roiei. 
TO  firjdiv  ddixelv  %ai  cptixxvd-QiOTiovg  noiel. 
dvvatai  to  Trlovretv  xai  q^ikav&Qionovg  ttouXv, 
t6  fir]div  aäixeiv  naaiv  dvd^QW/totg  nQtnei, 
TO  ^rjdiv  ddixeiv  iiifAa^eiv  yog,  lo  ^dxrjg,  etc. 

Nr.  1)  Sextus  Empir. :  Ox^ev  xai  6  Mavavdgog  .  .  (Mein.  4 
p.  244;  Kock  3  p.  174).  2)  Stob.  9,20  MevdvÖQOu  Tqo- 

(fiovUi),  3)  Stob.  91,5  Mei'dvÖQOv  'AXiei.  4)  Stob.  9,10 

MevdvÖQot\  5)  Stob.  9,19  MevdvdQov  KtDaQtaxf^, 

Tov  ikev^cQOv  del  navraxoi  aiü(pQOveiy  fiäya. 
Stob.  89,7   MevdvÖQOv  "Hqwi 

kxQrjv  yoQ  eivai  ro  liaXov  evyeviatatov. 

TOV  iXevd-eQOv  öi  del  navraxov  q^qoveiv  fieya. 

Im  ersten  Vers  haben  geringe  Handschriften  des  Stobaeus 
ror  xakov.  Im  zweiten  Vers  ist  zu  schreiben :  tov  ilevd^eQOv  Sei 
navraxov  cpQovelv  fxiya.  Der  zweite  Vers  hat  mit  dem  ersten 
nichU  zu  thun.     Bisher  wollten  Alle  beide  Verse  verbinden; 


Pfryec;  NneJtlete  :ii  ihn  Sprwhrrt 


3(17 


ilh  interpoiirt«  der  Abschreiber  des  Stobneus  di.  schrieb 
iua  tÖ  d"  i^^iäeqov   dei^    Bentley   xovXev&tQov    de   nar- 
tvxov  q^oveiy  f^iya,  was  Meineke  Com.  4  p.  12?  und  Kouk  ;! 
{>.  (<0  Aufnahmen. 

XoiU/rGg  tfGatijt;  tat'  äaivstog  xa^/AEvog, 
Theopfailiis  ad  AutnI.  ij,  3S1J''  xa&änEf  xai  o  (J>ii.Tfi^MV 
(Mein.  4  p.  4ti;  Kock  2  p.  522)  XaXifröp  ÖKQOatijg  aaiv- 
etog  xaifi^fievos  'Ynö  yaq  övoiag  ovx  haviov  ftffiq<eiai,  aJUö 
x6v  -TOiijr^v.  Dem  ersten  Verse  suchte  Dobree  aufzuhelfen 
durch  XakeiTOV  y  ön^oatifi.  Doch  der  dramatische  Dichter 
schrieb  XaXsnöv  ^satt^s  öai'veiog  xaSijfievog,  was  ein  doci- 
render  Älöchreiber  oder  Theophilus   seibat  mit  der  Aender- 

IOK^ocnts  der  veränderten  Zeit  anpasste. 
'ßg  xpijoiä  jiqätJtiv  x^eirTov  eox'  eX^^i^iug. 
Kann  nichts  Anderes  sein  als  der  Vers  Tö  xQ'l"^^  nqäi- 
egyoy  eai'  iKeviUgov  (ilevifiqwv?)  bei  Stobaeus  37, ij 
l«r  2.  von  3  Spruchversen,  deren  erstem  beigeschrieben 
_  w  avtov  d.  h.  Meyävöeov;  Mein.  4  p.  288;  Kock  3  p.  217. 

Wir  befinden  uns  also  hier  in  guter  Gesellschaft:  von 
den  7  Versen  gehört  1  dem  Aeschylus,  2  dem  Philemon. 
4  dem  Menander.  Allein  die  lleberlieferung  des  Textes  ist 
Hchlimm;  kein  Vei's  ist  ohne  .Wanderung  gebheben,  ja  2 
dieser  Verse  sind  so  verderbt,  dasa  kein  Scharfsinn  sie  hatte 
heilen  können.  Nicht  anders  steht  es  mit  den  folgenden 
27  Sprüchen,  welche  ich  genau  nach  der  Handschrift  gebe, 
in  der  Reihenfolge,  in  welcher  sie  ewiachen  den  bekannten 
eenitreut  stehen.  Die  schönen  Gedanken  einiger  Verse  können 
wir  schon  jetzt  ohne  Mühe  geniessen.  Viele  sind  verderbt, 
io  dasH  selbst  diejenigen  ein  Genüge  tinden  können,  die 
denken,  wie  der  Meister  der  Kritilc,  unser  heimgegangener 
College  Konrad  Hufmann,  mitunter  im  Scherz  sagte:  .Was 
it  mich  ein  Text,  wenn  er  nicht  veniorben  ist'.  Ich  füge 
ich  bis  jetzt  gefunden  habe,  hoH'e  jedoch,  dass  mit 


368     Sitzung  der  phüos.'phüol,  Glosse  vom  S,  November  1890. 

der  Hilfe  der  Fachgenossen  in  der  kritischen  Ausgabe  dieser 
Spruch-Sammlungen  viele  Verse  ohne  die  jetzt  noch  an- 
haftenden Flecken  erscheinen  werden. 

l4ßißai6g  eati  nkotrog^  iav  rig  ev  ygoyj. 

Da  idv  tig  sv  g>QOvfj  nicht  heissen  kann  4n  den  Augen 
eines  richtig  Urtheilenden  ^  und  da  auch  die  Aenderung  von 
lißißaiog  zu  Bißaiog  höchst  unwahrscheinlich  ist,  so  bleibt 
wohl  nur:  !/ißißai6g  iari  nXovxog  i\v  xig  fxrj  g>QOv^, 

^l^QBGxe  7th^&ei  xa&iya  q)iXoTifjiovfjievog, 
'Eiaarog  rifiwv  laXivayiayov  exBi  öaipiova, 

XaXLvaYWYOv  ist  ein  sehr  seltenes  und  wohl  nur  spätes 
Wort.  Vielleicht  ist  zu  schreiben:  inaaiog  rjfiwv  ayad^ov 
eaxsv  daifxova  oder  der  Spruch  ist  nur  ausgeschnitten  aus 
Clemens  Alex.  Strom.  5,  14,  130  (vgl.  Eusebius,  Plutarch, 
Ammian  und  Andere) :  MivavÖQog  6  xiüfxixdg  (Mein.  4  p.  238, 
Kock  3  p.  167)  dya&ov  fQfitjveviov  tov  &edv,  cprjatv'  '!A7iavzi 
daifiiüv  dvÖQl  avpirtagioraTai  Evx^g  yevofiivip^  ^voTayioyog 
TOV  ßiov  läyad-og  etc.,  wobei  ;fa^ti/aycoyög  für  ^ivoraycoyog 
eingesetzt  wurde. 

^loxvQOV  TtQayfia  ioTiv  ^  dXi^deia  wg  fj  (pvoig. 

Zwischen   verschiedenen  Versuchen   schwanke  ich  nocli: 

loxVQOv  eoTi  T^g  dlrjd^tiag  (fvaig. 
laxvQOv  ioTi  nqayijC  dki^d-eiag  (fvoig. 
loxvQOv  iazi  nqayijC  dXrj^cug  i]  cpvoig. 

KaXrl  öiadoxrj  tov  yivovg  enl  zd  tixva. 

Statt  eni  zd  scheint  ein  Adjektiv  ( «  «  « )  im  Sinne  von 
ia^Xd  oder  einfach  eazlv  zu  schreiben  zu  sein. 

KaxoTtQayjnoveiv  fxovov  ov  nglrrei  %6v  ileid^egov. 

Ist  der  Vers  ironisch,  so  kann  durch  Streichung  von  ov 
ein  caesurloser,  aber  passender  Vers  gewonnen  werden;  ist 
er  ernst,    so  ist  wohl  ydg  statt  ^oVoi^  zu  schreiben. 


Meyer:  Nachlese  zu  den  Spruchversen  des  Menander  u.  A.    369 

Mrfiiv  Ttovr^QOv  nQayfiatevov  7[oieiv. 

Statt  noulv  scheint  f«v  noiüv  zu  schreiben:  bei  Wohl- 
thaten  verfolge  keine  unedlen  Nebenzwecke. 

Movog  devre^g  ßdöi^e  xqitoq  de  (ät^, 

Wohl  fiovog  f]  ßadiKe  öevteQog^  oder  /Aovog  ßddi^^  rj 
devzeQog^  xqitog  öi  ^ij.  Diese  rtodeme  Weisheit  ist  wohl 
sonst  noch  nicht  bei  den  Alten  gefunden. 

MetQionad'i^g  vnoQx^  zoig  avfjintiifiaaiv. 
Mtj  V7i€(fq^Qoyijar]g  rov  nivr(tog  fv\pv%av. 
/uij  %ai:a  —  oder  nBQL(f(fovriarjg  zov  nivtfcog  eitvxwv, 
Mij  aaeßwv  x^eolai  xhve'  noXkd  ö^evaeßwv  öidov. 

Dies  kann  nur  ein  trochaeischer  Septenar  sein.  Solche 
sind  in  der  Spruchsammlung  des  Publilius  nicht  selten,  da- 
gegen in  diesen  griechischen  Sammlungen  habe  ich  noch 
keinen  gefunden.  Der  Imperativ  dlöov  gibt  einen  matten 
Gedanken.  Ich  vermuthe :  fii^dib^  daeßuiv  &Bolai  ^e'  nolXd 
d^evaeßuiv  didwg^  mit  dem  gleichen  Sinn,  wie  ^aia  fiBylair] 
Ty  ^€ip  To  evaeßeiv  (Nauck  to  &eoaeßBiv ;  vielleicht  zolg  &eolai 
t^eiaeßBiv?) 

Niov  nvQ  ioTiv  rf^üv  zov  ßiov  za  yigripiata. 

Die  Verbesserung  des  Anfangs  ist  schwierig.  Es  stand 
wohl  ein  bildlicher  Ausdruck  hier,  wie  voaog  iaziv  riixüv 
zov  oder  vBvqov  yciq  iazi  zov  ß.  z,  xq, 

Nofxov  x^Q^  ovdiv  yivetai  iv  ßiw  xalov, 

vo^ov  ist  wohl  (nach  dem  Anfang  vofxog  des  folgenden  Verses) 
verschrieben  aus  vov. 

Noi^og  novrjQog  dvofiiav  naqefifpalvei. 

Vielleicht  naQeigg>iQei? 

niaag  yvvalnag  rcQOfjirj&evg  enlaae  xaxdg. 

Ttdaag  yvvainag  enXaaev  6  ÜQOfiri&evg  xoxcrg.    Vgl.  Lin 
Amor.   43,    wo   Prometheus   verflucht   wird,    weil   er   % 


370      Sitzung  der  jfhüosrphilol,  Clasae  vom  8,  November  1890, 

rijV  Mevarägeiov  q^n]v  (Mein.  4  p.  231;  Kock  3  p.  159) 
yvvalTiag  eTtXaaev  .  .  edyog  pnaqov, 

novrjQog  avrJQ  XQfiaxog  ovxh^  iatai  noti. 

mit  livfiq  TtovTjQog  ;f^»yardg  ovx  eatai  nozi  wäre  ein  richtiger 
Vers  gewonnen;  doch  die  Veränderung  des  Anfangsbuch- 
stabens ist  höchst  unwahrscheinh'ch.  So  ist  wohl  zu  schreiben: 
TtovrjQog  oV  ij^,  x^^'^^9  otJx  eciß  notL 

IloXXag  fisraßoldg  6  ßiog  rificiv  hx^ßavei. 

Der  Gedanke  mit  diesen  oder  mit  ähnlichen  Worten  ist 
nicht  selten;  auflFallend  ist  nur  die  Verbindung  fietaßoXag 
laftßdvei. 

TlQogixvjv  odeve  %i(v  ßiov  odov. 

Die  Lücke  ist  nach  ßiov;  vielleicht  ist  xoX^ftr]v  ausgefallen. 

Ugovoiav  dyaO-ov  navraxov  noiov  g)lXog, 

Mit  gutem  Klang  und  besserem  Sinn  wohl:  nQovoiav 
dyai^ov  navxaxf^  noiov  cpllov, 

riovrfiov  iati  y.ai  aäixov  yevog  o  q)i^6vog. 

Eine  Variation  des  Verses  ^el  novtiqov  eavi  T'dvÖ^QWJHov 
yivog  ist  kaum  anzunehmen;  7iovriQ6v  eori  xödmov  .  .  (o) 
(fd^ovog  ist  gut;  es  fehlt  nur  ein  Flickwort,  wie  q^ioei  oder 
7iQVTwg  oder,  wie  Christ  vermuthet,  XQVf^^  ^. 

nXovxov  yoLQ  OQeiinv  do^av  ff  avtrig  Ttoiei, 
nXovTog  ydq  ccQerrjg  do^av  f^avrr^g  7ioi€l? 

TlkovToi  7iXiov  Tiifpvxev  dgettj  ßgozolg. 

Kann  7iXiov  7ii(fVY.ev  bedeuten  fuel^cov^  fiel^ov  ri?  SoHvst 
wäre,  da  ttXoutov  TcXea  7ricfvy.Bv  aqeTr^  ßqoToig  kaum  gesagt 
werden  kann,  wohl  x6  7r'keov  zu  schreiben  entweder  ernst 
TiXovtov  TO  7iXlov  Tieqwxev  a^crij  oder  ironisch  .rXovtog  to 
TrXäov  7tiq)vxe  ifjg  OQezrig  ßgozolg, 

rigog  xrjv  dvdyar^v  ovöelg  ovo*  ovd^loiaxai. 

7üQ6g  ^r^l'  dvdy¥.i]v  ovdi  etg  dvö^iataxai. 


Meyer:  Nachlese  zu  den  Spruchcersen  des  Menander  u.  A,    37 1 

nevofievov  idv  Xöwai  xafimovaiv  ol  q)ih)i, 

ftevoi^evov  idv  Ydwai  xa^movraL  g>iXoi. 

2(o<pQiav  yvvri  nrjöaXiov  iari  xov  tloKov  ßiov. 

Allerdings  ist  dieser  Spruch  der  1 .  der  Reihe  -  und  es  wäre 
möglich,  dass  er  aus  dem  Verse  rvvt]  öi  XQV^^^  nrjddXiov 
iar^  oixiag  gemacht  und  hier  eingeflickt  worden  wäre;  allein 
der  Wortlaut  ist  doch  zu  verschieden.  Die  Herstellung  dieses 
Verses  ist  leicht:  aioq^wv  yivr^  TtTjöcXiov  eati  tov  ßiov, 

Td  ydq  gwaei  neq)vii6g  ov  fis&iaTaTai. 

Vgl.  Eur.  Bacch.  896  vofiifiov  dei  (pvati  xt  7ieqn;x6g,  Soph. 
Phil.  79  e^oida  .  .  qttaei  ae  fii^  TretpvKota  Toiavra  gnovelv 
und  ähnliche  Stellen. 

*£ig  ovdiv  oldev  avd-qionog  tov  uaiXei  Ttouiv, 

7touiv  gibt  schiefen  oder  matten  Sinn;  desshalb  wohl:  wg 
ovdiv  olö^  avx^qianog  wv  fxiXlei  na^eiv.  Vgl.  Miv€i  d'  lxa(7T</i 
rot'v^*  oneQ  fiOXsi  na^eiv;  Antiphanes  (Mein.  3  p.  133; 
Kock  2  p.  111)  bei  Athenaeus  II  60  c:  Tig  ydq  olö'  "^fiwv 
td  fiiXXov  0  TL  na^elv  ninqu}^^  kudarq)  twv  q>ihav. 

Dies  sind  die  neuen  Spruchverse,  welche  ich  nur  in  der 
neu  aufgetauchten  Handschrift  gefanden  habe.  Nun  stehen 
aber  in  den  verwandten  Handschriften  U  V  und  P  eine 
Reihe  von  Versen,  welche  schwer  verderbt  sind.  Etliche  von 
diesen  finden  sich  auch  in  der  neuen  Handschrift  K  mit 
mit  andern  Lesarten,  die  vielleicht  zur  glücklichen  Verbes- 
serung der  schweren  Schäden  helfen  können.^)  Insbesondere 
finden  sich  in  P  etliche  Sprüche,  welche  schwer  entstellt 
sind  und  welche  zwar  Boissonade  (Anecd.  I,  153)  mittheilte, 
Meineke   aber  als  Prosa  und  Schreiberweisheit  einfach  weg- 


1)  Der  Vers  von  U  (fji  \)  Mrjdiva  xqIvs  evtvz^  ^H^  9 
von  Prinz  und  Nauck  mit  Recht  als  Eurip.  Troad.  610  MiiSim 
evTvx^tv  xQtv  äv  ^dvfj  erklärt  worden.    K  hat  Mtjdira  v6f»iCk 


372     Sitzung  der  phüosrphüoh  Claane  vom  8.  November  1890. 

liess,  so  dass  die  neuem  Gelehrten  von  denselben  nichts  mehr 
wissen.  Es  ist  aber  wichtiger,  verkanntes  und  weggeworfenes 
Gute  wieder  zu  Ehren  zu  bringen.  Es  sind  natürlich  die 
am  stärksten  entstellten  Verse  und  ihre  Wiederherstellung 
wird  nur  theilweise  möglich  sein. 

l^vdQiZv  äixaiiüv  iao  elg  aioiijQiav, 

Steht  in  K  P.  Boissonade:  Forsan  lai^i  pro  eao  vel 
l'ao  Tig  *ut  salveris,  unus  sis  ex  iustis  hominibus*;  versus  est 
christianus.         Statt  eao  ist  wohl  a7Tevaov  zu  corrigiren. 

JUaiog  idv  iqg  nccvzaxov  XaXijd^rjarj. 

KP;  f/?  P,  el  K;  laXrj&^g  K  Boisssonade:  Clausula 
politica;  Forsan  d,  eav  jg  aov  koyog  eatai  navtaxov.  Der- 
selbe Anfang  findet  sich  in  JUaiog^  ov  pg  ry  %q6n({}  XQ^^V 
vciAiif.  Hier  steckt  wohl  ein  Adjectiv,  wie  navta  ydßXaßr^g  iatj, 

Elg  vag  fieraßoldg  öi  z^g  Tvx^jg  axonei. 

K  P.  Boissonade:    Forsan  elg  tag  öi  fievaßoldg  ai 

%rig  ttx^9  axonei.  Vielleicht:  elg  tag  ^etaßoXdg  del  ae 
tilg  tix^^g  oxonelv.  Vgl.  den  Vers  von  K  P  (Meineke  609) 
KaiQWv  fietaßoXriv  Ttavzoze  del  a'ÄOxeiv^  wo  Boissonade  nav- 
zaxov  ae  del  oxonelv  besserte. 

^Ev  navTi  TQonti)  del  zov  ixvöqa  ev  q^QOvelv, 

KP;  Qvdo'  K  Boissonade:  iv  navri  del  TQO/iifj,  Of- 
fendo  ad  hiatum.  Sed  sunt  et  alibi  hiatus  duri.  Vielleicht: 
iv  navri  del  zov  dya&ov  ev  (fQovelv  zoin^. 

^H  yXuiOoa  aov  x^Xivov  ixezio  ij  ev'KOJKog  kdXei. 

K  P  Boissonade:  Forsan  x^^^^'O»'  ^x^i^co  yXwaaa-  fit^ 
evxonwg  kdlei.  Dieser  Gedanke  ist  verwandt  mit  rj  del 
auonav  r/  Xiyetv  dfieivova  und  ähnlichen;  vielleicht  aber 
lautete   der  Schluss   hier   ursprünglich   tö  oder  z'ev  (pQOvelv, 

&avdTOv  ^ovov  ovx  tattv  inavoqd^iü^a. 

K  P.  Boissonade:    ^.    ydq   inavogi^waig   ovy,   iariv 

fiovov.         Eher  O^avdrov  /aovov  d'  ovx  tariv  i/favoQ&iüfÄa  tl 


Metier:  NniMcte  !u  'Itn  Siiruchfertit 

taog  io9l  lols  T^jioi^  nXovtÜ»  &ant^  tji;. 

K  P.  Boisaonade:  looc  ia!ti  riKoitwv  totg  tqÖhoii; 
toarrtfi  nivi^g.     Folsan   qnoijue    äantg    nä^os.  wg   iipd 

xoi    werden    oft    verwechselt;    also    iaog    ia!h    tnig  igöuotai 
irXovTwy  xal  Tiivijg. 

Kai^g  yoQ  deanottimv  xai  näai  övyaftiv  äidsi. 

K  P;  difoftiv  näai  K,  Boisaonade:  Porsan  xai^i; 
xt^ioa  (UV  X.  n.  ä.  dtdol  vel  xaigög  de  tiöai  xv^tog  Övvaftiy 
iidot,  Vielleicbt   Kai^ög   de   netiiav   xoi    ßiva^iv   iiäaiv 

iiöoi. 

Ulaxägiog  oatig  ;jjj  ämoieiv  iniatcnai. 

K  P.  Boissonade:  Forsait  ftax.  oatig  olde  ^r]  o^n- 
atetv  dei  vel  Xlav.  Das  Verderbniss  scheint  nur  in  fii] 
aniaxeiv  -/.u  stecken. 

Mr^dev  xoxöc  XoyitiW  itävta  yäg  xai^i  yivetai. 

K  P.  Boksonade:  firjäiv  v.ax6v  rjyoü-  navta  Kaiqip 
yiyyerai.  Vieiraehr:  Mtjdev  loyi^ov  fiövza  xai^  yly- 
reiai;  dazu  V(^l.  ^q6v<^  tä  jiövtit  yiyvetat  xai  xßi'vecai. 

Not-g  eajiv  6  ifeög  ■  roviov  tov  vovv  i'x^ty  xoAöy. 

K  P;  V.  i.  6  &.  tor  voiv  i'xB  Kalöf  K.  Vielleicht:  folg 
iattf  t  Iteog'  tovTOv  ovv  oqx^^''  xalöv. 

Zivunr  axoveii-  /iij  /(orgetiJezv^^g  ttots. 

K  V;   ^ivov  und  noii  Xöyor  K         Boissonade:    SensiiH 
postulare  videtur  If'vtuv  ßxcn;ei*'  lög  av  na^adex^'js  ^oje. 
Xoyov  ist  entbehrlich,   wenn  in  nagadexi^g  eine  Form,  wie 
(TOfatTijoj  verborgen  ist. 

'Opyi'iUK:  **  liifu  ovöüg  eüifvfirjoeiev. 

K  P.  Boissonade:  puUi  Menandrnm  .'^cripsisse  ö^yi^g 

Uv  oideig  ttxvxTjaiiev  /J/y. 

Hiersn  seien  noch  einige  Sprüche  gereiht,  die  Meineke 
/war  aul'genrimmcn  hnt,  dii.'  alier  noch  nicht  hergestellt  sind. 


374     Sitzung  der  phäos.-phüol.  Classe  vom  8,  November  1890. 

606  ^laxve  aoq)i(f  xoQ€tjj,  XQ^^V  ^^  f^V* 

KP;  nai  dgeri  K  P.  doXip  de  fir^  F.  W.  Schmidt. 
Aeusserlich  ist  der  Vers  verwandt  mit  (K  P)  604  "/axte 
^iivy  ^r^  XQV  ^^  ovvTovqt  ^Qaaei  (K  P  avvtopcjg  %w  aü  ^^., 
Boissonade  ovvtovwg  x^q,).  Unser  Vers  ist  wohl  zu  bessern: 
iaxve  aoq)i(f  xa^erg,  xav^c^  ü  f^^i. 

361  Mfjdäv  note  xoivov  t^  ywami  yj/fiai^ov.  K  Y  haben 
Mrjöiv  dvoTiOivov;  noze  ist  nur  ein  Fehler  der  Herausgeber. 

615   MeTQ^f  öi  ndvta  ixav^avfov  dintj]  noUi. 

K  P.  Die  Handschriften  haben  fxiTQw  novra  fiov- 
d^ctvwv  äixaiiog  noul  (noiu  K).  Wenn  fiav&dvtav  über- 
haupt passt,  so  ist  eher  zu  schreiben :  lÄh^i^  ömaiiDg  (dixa/«^) 
ndvxa  fiav&dvwv  Ttoiei, 

Zu  den  Spruchversen  der  sieben  Weisen. 

Die  Formen  des  griechischen  jambischen  Trimeters  haben 
viele  Gestaltungen  durchgemacht,  deren  Geschichte  ebenso 
schwierig,  wie  umfangreich  ist.  In  der  Abhandlung  über 
die  Beobachtung  des  Wortaccents  in  der  altlateinischen  Poesie 
(1884  Abh.  I.  Cl.  XVII.  Bd.  I.  S.  67.  111)  habe  ich  nachge- 
wiesen, wie  in  der  Kaiserzeit  der  zügellose  komische  Trimeter 
allmählich  den  strengen  tragischen  und  den  noch  strengem 
lyrischen  verdrängte  und  Alleinherrscher  wurde,  bis  im  7.  Jahr- 
hundert Georgios  Pisida  nach  Lykophi'on  den  strengen  lyr- 
ischen, zwölfsilbigeu  Trimeter  wieder  einführte,  welcher  dann 
ebenfalls  Alleinherrscher  wurde.  Leider  haben  wir  aus  dem 
2.-6.  Jahrhundert  nicht  viele  Dichter,  welche  Trimeter 
anwendeten.  Ein  interessantes  Denkmal  dieser  Art  sind  die 
^Sprüche  der  sieben  Weisen',  welche  WölflFlin  in  diesen 
Sitzungsberichten  (1886  S.  287—298)  aus  der  Pariser  Hand- 
schrift2720  herausgegeben  hat.  Dann  hatStudemund(Wochen- 
schriit   für   khussische   Philologie   1886  Nr.  50)  eine   genaue 


Meyer:  Nachlese  zu  den  Spruchversen  des  Menander  u.  A.     37o 

Collation  der  pariser  Handschrift  2720  gegeben  und  die  — . 
werthlosen  —  Lesarten  einer  andern  (Nr.  1773  in  Paris)  hin- 
zugefügt; besonders  hat  er  mit  genauer  Untersuchung  der 
metrischen  Formen  manche  Stellen  verbessert.  Anderes  fügten 
Erumbacher  und  Christ  (in  den  Blättern  f.  d.  bayer.  Gym- 
nasialschulwesen XXIII  S.  125 — 128)  hinzu.  Der  Text  dieser 
Sammlung  ist  ungemein  verderbt  und  auch  nach  den  Be- 
mühungen Wölfflins  und  der  übrigen  Gelehrten  bleiben  noch 
viele  und  natürlich  die  schwierigsten  Käthsel. 

Der  Dichter  hatte  eine  ähnliche  Sammlung  von  Sprüchen 
der  sieben  Weisen  vor  Augen,  wie  solche  bei  Stobaeus  Flor. 
3,  79;  Boissonade  Auecdota  I  135;  Meineke  zum  Stobaeus 
IV  296  und  sonst  bekannt  gegeben  sind ;  allein  die  von  dem 
Dichter  benützte  Sammlung  war  mit  keiner  der  bekannten 
identisch.^) 

Der  Dichter  nimmt  je  einen  Spruch  vor  und  fügt  daran, 
fast  stets  mit  ^^o^,  eine  geschwätzige  Exegese.  Er  war  eben 
kein  Dichter,  sondern  nur  ein  Versm acher. 

32     Ml]  g>iXoq>Q6vei  yvvaixl  fti^öi  fiijv  piaxov 
xivüjv  naqovxiov  xa  naqanaiquig:  yevo^eva 
TOVTiüv  oq^Qoavvr^v  fiaviav  e'xeiv  donel, 

(Cleob.  17)  rvvaixi  jujj  q)tXoq>Qovov  /uijd^  fidxov  dUko- 
tQiwv  naQCvxwv'   %6  fiiv  yag  avoiav,  vo  de  fiaviav  orj/aaivei, 

rotrwv  verstehe  ich  nicht;  vielleicht:  to  piiv  axalgiog 
yevofiBvov  lovTutv  dg)Qoatvr]v,  rd  fiaviccv  d^e'xBiv  donel. 

38     0iXrjii6ovg  öel  xvyxdveiv  vovg  a(6q)Qovag 
%al  fijj  noXvhih)vg'  x6  ydq  x^iyardy  naw 
eiwx^ev  iviovg  eig  xaroyvwaiv  g>€Qeiv» 
Vielleicht:  tovto  ydq  axQ^oxov  ndw  .  . 
50     Iloiiov  a  x^X^^^  ravxa  fiiq  fiilkiov  noiei. 
Doch  wohl  tloieiv  a  XQII^^^Q^  ^* 

1)  Ich  citire  die  Sprüche  nach  G.  Brunco*»  Arbeit  darüber  (Acta 
tfem.  philol.  Erlang.  III  299-397). 


37(5     Sitzung  der  phüos.'phüol.  Glosse  vom  8.  November  1890. 

52     Mt]  zaxv  q>ilovg  xrcü,  xozex^  d^ovg  av  doxifiaarjg. 
ßiwTixwv  yoQ  fieraßolüv  fÄvartj^iuv 
^xaatog  axndv  xai  atvyelod^ai  n((oadoifLwv 
ozav  anoßXri^^^  ÖBivog  ix^(^S  /iVercti. 

(Solon  9.)     Es  scheint  zu  schreiben: 
ßiwTixwv  yoQ  pi€TaXaß(dv  fivartjQiufv 
fxaavog  avtwv  %ai  (piXalad-ai  nqoadonwvy 
otav  d7CoßXri&^,  deivog  ix^Qog  yiverai. 

59    ^^Ttaai  av/jßovXeve  fiij  td  nQoag>iXij, 

dUd  Tcf  nqinovra,  xai  xQi&T^atj  vovv  t%u}v. 
Der  Mann    verbindet   sein  Lieblingswort   xqivea^ai  mit 
dem  Infinitiv;  also  TLQixhqafj  vovv  t^Biv, 

89     BQddiov  int  to  deinva  tüv  q)lhav  i&i, 

xaxiiüg  ö\  otav  avTolg  %l  avfißaivov  fid&rjg, 
(Chilon  5.)     Den  metrischen  Mangel  suchte  Studemund 
durch    tQx^ora   oder  xaxiiag  d^indv  zu  heben;   vielleicht  ist 
zu  schreiben  raxewg  &i\  ozav, 

107     ndvta  TteQieQyov  avÖQa  xal  (ftXon^y^ova 

OJcovdaCe  q>ety6iv'  vd  ydq  eavxov  xataXiTrwv 
Xvntjg  re  fcoXXd  xal  fteQifivrjg  ix^ia 
exeivog  elg  dXkoxqia  ntQinuiTBi  yicxad, 
^Üaov  ikiyxBiv  dtvxiciv  aiywfiivr^v, 
112     Tov  otv  TOiovTOv,  wg  i(priv^  (pevyeiv  oe  xQ^t 
ileyxov  ix^-gov  ixovxa  dvaoeßrjfidtiüv. 

Christ  nahm  des  Metrum»  halber  Anstoss  an  ix^Qov 
txovra  und  schrieb  oxovra;  Studemund  hielt  den  metrischen 
Fehler  für  möglich ;  ich  finde  weder  in  ixovxa  nocli  in 
oxovxa  genügenden  Sinn  und  vermuthe  ekeyxov  ixx^QOv  *6vTa 
dvaaeßrjfidTiüv,  In   109    ist    wohl    Xvnrjg   xd   nokld  oder 

kvnrjg  xe  TtoXXfig  zu  schreiben. 

139     To  nigdog  eaxi  x6  xaxoi^  aniaxov  jcdvv 

xaXov  di  xeQÖog  xo  fiiiQiov  vofii^exai. 
141     xot  xQeixxov  ioxi  C^v  dkvrrufg  yevofisvov 
tu  ydq  xQKioxov  xtQdog  dya&olg  dvöqdaiv 


r;  NitcMrM  m  ilen  Spruchverarn  iha  MenaiiiUr  u.  A.     377 

ovtt  nginov  iativ  ovte  ovfiyiigov  do^el. 

Ibvhtaoe  ntutir,  xog  äXi/deiag  aißov, 

jÖXij&ig  äei  yd(j  ig  enatvov  l^z^rai. 

N4  stellt  in  der  Handsclirift  a&ch  Ul:  WülfTHii 
mit  Kecht  tjtiif^stellt.  In  139  ist  xaxöv,  wie  in  141) 
xtiKdf  Prädikat.  h\m  tu  vor  xaxci>'  falwJi.  anktjaiov,  wie 
Urunca  nach  ilem  Sjpruche  (PitUuiis  13)  ZiftltjOtov  xi^dog 
Tinscfalug.  gehiirt,  wie  «ö  fiir^tov,  /,u  rö  xifdog.  V.  141 
){iebi  weder  an  und  für  sich  nocii  an  dieser  Stelle  Sinn. 
J^  ist  w»hl  üu  schreil>en: 

Tö  )U^og  iati  xanw  äiiXijazov  ov  nävv, 

üttiä»  dt  KfQdo^  tö  ftftfiov  vofiii^etai. 

OVIS  Ji^iiiov  iojtv  oiie  avfitff^v  doxel, 
Kai  Xfcinov  lati  ^ijv  dlvitoig  nevüftevoy. 
Ov  dti  Xiysiv  i'naivov  eig  äya^iovg 
i  yäg  i  ipaikov  Xlitov  ug  xalöv  Xiyiav 
^•ev  .  .  ijiatn.1  tö  itayrjQOv  x^ivetai. 
13.)  l^väitor  ävöga  iiij  enalvet  ätö  nlLoltov.         lit:j  Die 
Aenderung  Wülfflin'a  lö  tfaii.vy  Xtav  ist  unsicher,   ducli  der 
äinii  muas  ähnlich  sein.    Den  nächsten  Vers  ergänzen  Stiide- 
muiid  und  Knimbncher  /.ii  t/'socJwt,-  inatyth  td  itovtjguv  xpi- 
retai.     Dieser  Vere  ist  aietriscl]   lalscb   imd  sagt  genau  dw 
Mtlbe   wie   der    vorige.     Ich    vermuthe    tf/ndiäs  inaiveiy   xai 
itor^fos  xfiyetai.     Es  folgen  die  Verse: 

Iß5     //(xfiüg  niffwitv  i'fi  tikwe  toig  xpw^tVoifi  ■ 
tu  yäfi  xaxiög  xtgdijitiv  oUrioi  xanüig. 
Di«    bereit«   erkannte   Lücke  v»r  1(>5  war  wohl   gef&llt 
durch  eine  Versißcirung  des  Spruches  (Thaies  4)  Mij  nXovtti 
xaxijjs  oder  vielmelir  IDMitov  ödixov  tftvye  {dann  165  m 
ni^vxKv),  wtnu  der  Verseniacher  Anlas«»  halt«,    i 
dem  Torigen  Spruch  {yiyä^ioy  ä*6^  ftf,  hialvti  JSia  n, 
die  beiden  tet^t«»  Worte  weggela<>*en  hatte. 


378     Sitzung  der  phüosrphüol.  Glosse  vom  8.  November  1890. 

188     BaQvtatov  iaziv,  axS^og  anmdevaia  * 

ex  tov  Tta&eiv  yag  xal  fia&üv  eiwi^afitv  * 

tijv  afia&iav  ow  dg  avoiav  TVQogdoxa 

xat  &fjQicid€is  xovg  dnaidBvtovg  öokbi.  etc. 

(Thaies  13)  Baqv  anaidevala.  Den  Vers  189  ver- 
siehe ich  hier  nicht.  Auch  geändert,  z.  B.  ix  vov  fia&m 
yoQ  ev  na&eiv  eld&afiBv,  passt  er  nur  schlecht.  Seine  obige 
Fassung  gibt  einen  häufigen  Gedanken  und  so  ist  er  hier 
als  eine  Randbemerkung  oder  ein  versprengtes  Stück  zu 
streichen. 

206     riiOTOvg  QTtavrag  juij  vofjii^e  tvyxavBiv^ 

clXoL  xivag  alvai  xai  navovQyovg  TtQogöoxa^ 
wv  6  XQonog  dqnxvrig  ^^  iliyx^cci  .  . 

209     €x  xov  Xiyeiv  xi  xaxovaiv  wv  ov  n^Ttei 
ixnotvxag  xovg  novtjQovg  xvyxavuv, 

(Thaies  19)  Mij  naai  nlaxeve,  V.  208  hat  Wölfflin 
passend  noxe  ergänzt.  In  V.  209  u.^  210  hat  Wölfflin  xi 
xai  xaxovv  wv  ov  nqinBi'  \  nioxovg  anavxag^  Christ  Vi  xa- 
xovoovoiv  wv  jcQtTiei'  \  Tcioxotg^  geschrieben;  Beides  verstehe 
ich  nicht.  Zunächst  scheint  209  lauten  zu  müssen  ex  xov 
Xeyeiv  xi  xai  noielv  wv  ov  jrquiei.  Dieser  Vers  schliesst 
sich  an  den  folgenden,  wenn  wir  diesen  (mit  einer  allerdings 
späten  Construction  von  xvyxdvw)  schreiben  (,/AaO^eivy  anav- 
xag  xovg  7C0vt]Q0vg  xvyxdvei. 

229     OiXwv  TCQoarjvwv  xovg  anoQQXiXovg  Xoyovg 

TteiQw  g)vXdxxeiv '  x6  yoQ  aTthJjg  slnelv  xioiv 
avxov  navovqyov  öeiyfia  q)aivexai  xq67tov, 
oaov  yaQ  einei  xlg  dvanoQQrjXov  Xoyov 

233     xai  g)wxiaai  nqog  novxag  dveXixxov  koyov, 
xd  dvo  ydq  \xavwg  nXri^fieku  xig  elxoxwg 
xai  Xoyog  äßovXog  eXeyx^eig  xai  (piXog, 

(Periander  13)  Aoywv  drroQQi^xwv  exg)OQQv  fii^  7ioiov. 
\V(>lfflin  schrieb    232  eurj]^    235  e^eXeyx^^eig,         In    Gegen- 


Meyer:  NaMese  zu  den  Spruchversen  des  Menander  u.  A.    379 

satz  gebracht  ist  to  änXüg  bIttbIv  und  to  emeiv  dTtoQqrjrov 
Ijoyov.  Demnach  ist  234  zu  ändern,  und  zwar  etwa  nooov 
%6  /  eirreiv  naiv  oder  iot\  In  V.  235  kann  nur  1  Subjekt 
sein;  also  ta  ovo,,  nlri^ixelci . .  Xoyoii;  oßovkog  i^eleyx^^^S 
xaifiXog, 

236     OiqBiv  xo^  avfißalvovza  yevvaiwg  l/^y. 

6  yaq  v/rBQoyynog  hti  xaxtp  XvTtovfievog 
238     eavTOv  odvva  neQaivutv  fiTjdiv 

€i  yoQ  xctzd  %vxi]v  öel  naO'eiv  o  del  Jtad-ely 
240     /iQog(og>€Xrjaai  rl  övvatai  Xv/irj  nore 

otav  Tov  dvvatov  advvanov  6  /arj  yevofievov 
242     öiaaiq  tsXevtrl  ^rjfxiav  iQyd^etai 

tpvxrjg  dvoiav  xal  fiBQiafidv  aio^atog, 

236  hat  Nauck  ob  xon  (▼gl*  H^)  vorgeschlagen.  Weiterhin 
hat  Studemund  geholfen,  indem  er  schrieb  238  iavrov  oöwS 
IA\  neQaivwv  ixrfie  tv  und  242  iiaar^v  ze  XvTrri  £.  fi^y.  V-  ^'*'« 
xai  fiaQaajLidv  aiüfiazog.  Es  bleibt  noch  V.  241.  Die  über- 
mässige Trauer  wird  getadelt,  weil  sie  1)  nichts  nützt,  2)  viel 
schadet.  V.  241  muss  zum  vorangehenden  Verse  gehören 
Falls  das  Unglück  unvermeidlich  ist,  so  nützt  der  Schmerz 
darüber  nichts,  ozay  oder  ov  ov  odw^  to  y^dövvarov  ^ij  yevo^ 
fievov.  Ftvofievov  für  Verwirklicht*  ist  Lieblingswort  unseres 
Versemachers.  Dann  folgt  der  Gegensatz  *die  Trauer  nützt 
nichts,  aber  sie  bringt  zwiefachen  Schaden' ;  desshalb  steht  in 
V.  242  besser:  diaai]v  de  Xirnq  ^tjfuav  iQyd^etai, 

131      To  fiiXkov  (og  adrjkov  del  nqoadoxa ' 

ovx  daq>aXeig  ydq  7tQoag>eQei  rag  iußdaeig, 
aal  diaXoyl^ov  fiTjdeVf  ev  elötigf  oti 

134     ovx  tazlv  iv  f^filv  diX  iv  zf^  tvxs» 

(Pittakus  11.)    liaq^aiAg  %6  yevofievov^  dqfa»if 
Xov.         Studemund  schliesst  seine  Arbeit  mit  «uif 
Besprechung  dieser   Verse.     V.   134   will  &r  aol 
iazi  vovg  h  rjftiv^  diX  iv  tq  ztxf]  und  halt  es  fi 

% 


380     Sitzung  der  phüos.'phäol,  Clasae  vom  8.  November  1890, 

dass  dieser  Vers  von  Menander  herrühre,  bei  dem  dieser  Ge- 
danke sich  findet,  und  von  unserm  Dichterling  abgeschrieben 
sei.  Das  will  er  annehmlich  machen  mit  den  Worten  *Als 
aus  Menander  entlehnt  werden  endlich  die  Verse  159 
und  160  (ersterer  vom  unvollständig)  anderweitig  ausdrück- 
lich bezeugt;  vgl.  C.  Wachsmuth,  Studien  zu  den  griechischen 
Florilegien  S.  137  und  Brunco  S.  372.'  Studemund  hat 
hier  geirrt.  Wachsmuth  kannte  diese  Sprüche  der  sieben 
Weisen  noch  nicht;  Brunco,  der  sie  kannte,  hat  auch  S.  321 
den  richtigen  Sachverhalt  erkannt  Versus  illi,  quos  ab  auctore 
collectionis  Par.  II  (d.  h.  unserm  Versemacher),  non  a  Menandro 
compositos  esse  manifestum  est,  a  Byzantino  quodam  demum 
versibus  Menandri  Philistionisque  additi  videntur.'  Das  ist 
vollkommen  richtig.  Zwei  Versgruppen  unseres  Versemacheis 
(159  160  und  124-126)  sind  mit  anderen  fremden  Federn 
in  die  Comparatio  Menandri  et  Philistionis  eingeflickt  worden. 
(V.  90  und  163 — 165  in  Studemunds  Programm,  Breslau 
1887.)  Hier  mussten  sie  natürlich  den  Namen  entweder 
des  Menander  oder  des  Philistion  erhalten.  Aus  der  Com- 
paratio wurden,  wie  manche  andere  Verse,  so  auch  die 
Verse  159  und  160  mit  Menanders  Naraen  abgeschrieben  in 
jene  Sammlung,  aus  welcher  die  von  Wachsmuth  S.  137  ge- 
nannten Sammlungen  ausgezogen  sind.  Das  Lemma  ^Menander' 
ist  also  durchaus  werthlos;  die  Verse  sind  von  unserm 
Dichterling  gemacht,  folglich  aus  den  Ausgaben  der  Menander- 
fragmente  endlich  zu  streichen.  Also  bleibt  diesem  Manne 
wenigstens  der  Ruhm ,  dass  er  keine  fremden  Verse  abge- 
schrieben hat.  Da  V.  134  erst  im  4.  bis  6.  Jahrhundert 
nach  Chr.  entstanden  ist,  so  ist  die  Form  lyiWiv,  also  auch 
Studemunds  Vorschlag  durchaus  unwahrscheinlich.  Wölff- 
lins  *oi;x  iar'  h  fjixiv  oiöiv^  dW  iv  tj  tvxrj'  giebt  passenden 
Sinn;  doch  ist  die  Ergänzung  von  novra  bei  oiX  iy  rj 
Tvxj]  für  diesen  Dichter  kühn.  Leichter  geht  eine  Ergänzung, 
wie  ot'X  fcW  er  i^^lv  iövrafÄig  oder  to  x^ro(;>,  dW  iv  rrj  tvxjj. 


r  CkrrUr«  hielt  «inm  VortoifF: 

,Wie  kommen  wir  Kiim  Sitteugeset/.¥* 

Piaton  lässt  im  Phädoa  seinen  Sokratew  erzählen,  wie 
lioclierfreut  er  einat  vernommen,  duss  Anuxa^onu«  den  (ieist 
a|j«  den  Ordner  der  Welt  iKzeiclmet.  Nun  habe  er  f^hüßt, 
die  Uraachf  von  jeglichem  darin  zu  finden,  dass  ee  vernünftig, 
zweckniäseig  das  Beste  aei,  aher  er  aei  getÄuacht  worden: 
denn  nicht  im  Verattuid,  sondern  in  Luft,  Aether  und  Wasser 
habe  Änaicagoras  die  Gründe  der  Dinge  gesucht,  ,Dnd  mich 
dUnkt,  fahrt  Sokraten  zur  Krtäuteriing  fort,  es  aei  ilim  an 
ergangen,  als  wenn  Jemand  zuerst  sagte:  Sokrates  thut  alle», 
was  er  thiit,  mit  Vernunft,  —  dann  aber,  wenn  er  sich  daran 
machte,  die  (jrilnde  anzuführen  von  jeglichem  was  ich  thue, 
dann  sagen  wollte:  zu  erst  dass  ich  hier  jetzt  deswegen  sässe, 
weil  mein  Leih  aus  Knochen  und  Sehnen  besteht,  und  die 
Knochen  dicht  »ind  und  durch  Gelenke  von  einander  ge- 
schieden, die  lehnen  aber  so  eingerichtet,  dass  sie  anger^gen 
und  nachgelaaBen  werden  kouiien,  und  die  Knochen  umgeben 
Delwt  dem  Fleisch  und  der  Haut,  welche  sie  zusammenhält. 
Da  non  die  Knochen  in  ihren  Gelenken  achweben,  so 
machten  die  Sehnen,  wenn  ich  aie  nachlasse  und  an^^iebe, 
da«  ich  jetzt  im  Stande  sei,  meine  Glieder  zu  bewegen,  und 
aas  diesem  Grande  süsse  ich  jetzt  hier  mit  gebogenen  Knieeii, 
Geapräcb    andere   i 


.nftlhre 


'ullte,    die   Töne  nemlicb  und  i 


382     Sitzung  der  phüos.'phüol.  Classe  voin  8.  November  1890. 

und  das  Gehör,  und  tausenderlei  dergleichen  herbeibringen, 
ganz  vernachlässigend  den  wahren  Grund  anzuführen,  dass 
nemlich,  weil  es  den  Athenern  besser  gefallen  hat  mich  zu 
?erurtheilen,  deswegen  es  auch  mir  besser  geschienen  hat 
hier  sitzen  zu  bleiben,  und  gerechter  die  Strafe  geduldig  za 
ertragen,  die  sie  angeordnet  haben.  Denn  schon  lange,  beim 
Hunde,  glaube  ich  wenigstens  wären  diese  Sehnen  im  Megara 
oder  bei  den  Böotiem,  hätte  ich  es  nicht  für  gerechter  und 
schöner  gehalten,  lieber  als  dass  ich  fliehen  und  davon  gehen 
sollte,  dem  Staate  die  Strafe  zu  büssen,  die  er  verordnete. 
Wenn  aber  einer  sagte:  dass  ohne  Sehnen  und  Knochen  ich 
nicht  im  Stande  sein  würde  das  auszuführen,  was  mir  gefallt, 
der  würde  richtig  reden.  Dass  ich  aber  deshalb  thäte,  was 
ich  thue,  und  es  in  sofern  mit  Vernunft  thäte,  nicht  wegen 
der  Wahl  des  Besten,  das  wäre  doch  gar  eine  grosse  und 
breite  Untauglichkeit  der  Rede,  wenn  sie  nicht  im  Stande 
wäre  zu  unterscheiden,  dass  bei  einem  jeden  Ding  etwas 
anderes  ist  die  Ursache,  und  etwas  anderes  jenes,  ohne 
welches  die  Ursache  nicht  Ursache  sein  könne.* 

Piaton  unterscheidet  hier  den  Bestimm ungsgrund  des 
Thuns  und  die  Bedingungen  der  Ausführung,  ohne  dass  er 
die  wirkenden  Ursachen  und  die  Endursache  isolirt;  später 
sind  verschiedene  Weltanschauungen  daraus  hervorgekommen, 
dass  man  eines  oder  das  andere  einseitig  hervorhob  und  zum 
Princip  machte,  und  der  Gegensatz  des  Materialismus,  Na- 
turialismus,  Atheismus  ist  dem  Spiritualismus,  der  ganz  üusser- 
lichen  Teleologie,  die  alles  auf  den  Nutzen  des  Menschen 
bezieht,  und  einer  dogmatischen  Theologie  zur  Seite  getreten, 
deren  Wundermacht  sich  über  die  Naturgesetze  hinwegsetzt. 
Mir  scheint,  dass  eine  >vissenschaftliche  Philosophie  nur  in 
der  Beachtung  beider  Betrachtungsweisen  der  Dinge  möglich 
ist,  dass  der  Aufbau  einer  sittlichen  Welt  der  Freiheit,  des 
Guten,  Wahren,  Schönen  in  und  über  dem  Naturmechanismus 
uns   zu   dem    Einen    Princip   alles   Lebens    führt,    das   weder 


Carrihc:    Wi«  ku» 


I  SiUengrgttl? 


383 


n&biirloüer  (leiat,   noch  gcistloni;  Nuliir,  suixlerii   als    [Irkraft 
xuglttich  Vernunft  und   Wille  ist. 

Wir  haben  keinen  angeltorenen  Inhalt,  unsere  Gedanken- 
welt nilt8sen  wir  iiri  der  Hand  der  Erfuhrung  aim  unseren 
EmptiiidunK*^!)  in  uns  bilden ;  aber  wir  haben  Anlagen,  wir 
haben  in  unserem  Wesen  liejjende  Beziehungen  zu  andermi 
Dinge»,  wir  haben  Gesetze  unserer  ThilUgkeit,  die  uns  nicht 
von  au»«en  auferlegt  siml.  sondern  die  nothwendige  Wirkungs- 
weiae  des  GeiHtos  bezeichnen.  So  kommen  wir  zum  Bewusat- 
Min  d«r  Oausalitüt  aus  un--<erer  Erfahrung,  wcun  wir  unseren 
Wi]l«n  zur  Handlung  werden  I&äaen  und  dadurch  eine  Ver* 
äadüning  in  der  Welt  hervorbringen,  oder  wenn  wir  unnere 
VnrBt«Uaßgen  nach  Qrund  und  Folge  aufeinander  beziehen 
and  ordnen,  und  dadurch  das  zusammen  hängende  Denken 
giKtalten,  das  wir  von  bloä.ien  Träumen,  von  der  bloRsen 
Anociatiun  der  VoTstellimgen  unterscheiden.  Wenn  wir  aber 
in  unserem  WiUen  eine  Vorstellung  haben,  die  wir  zn  rer- 
wirklichen  streben,  so  ist  sie  das  Ziel  oder  der  Zweck  unserer 
Thädgkeit,  und  die  Bedingungen  der  Ausführung  sind  die 
Mittel  dazu. 

unmittelbar  und  unleugbar  gewiss  ist  uns  nur  unser 
BewiissUeinsinhalt,  unsere  Emptindungen,  Strebnngen,  Ge- 
danken, und  so  gellen  Cuu»ilität  und  Zweck  unmittelbar 
Hucb  nur  in  unserem  Innenleben;  wir  gewinnen  sie  durch 
die  Betmchtung  unserer  eigenen  Thatigkeit,  und  erfahren, 
ilt»  durch  sie  Ordnung  und  Zusammenhang  in  unserem 
Bewusstdein  ist.  In  unserem  WiUen  erfahren  wir  uns  .»ellist 
als  Ursache.  Indem  wir  aber  eine  Fülle  von  Empfindungen 
Itaben  ohne  oder  gegen  unseren  Willen,  so  schliessen  wir 
nach  dem  Kausalgesetz  uiif  Kräfte  ausser  uns,  die  im  Zu- 
nammenwirken  mit  der  Kraft  in  uns  A«&  Bild  der  Er- 
schein nngs  weit  bedingen,  das  wir  nun  objectiviren,  als  eine 
AnnoonTrlt  unRchuuen.  Cnd  indem  wir  ohne  sie  unser  ii 
xbt   erklüren    können   und  /mt  Attsurditäi 


384     Sitzutig  der  philosrphüöl.  Glosse  com  8,  November  1890. 

psismus  gefGbrt  wurden,  so  zweifeln  wir  um  so  weniger  an 
ihrer  Realität,  als  wir  sie  wiederum  nach  dem  Causalitits- 
gesetz  betrachten,  und  dadurch  ein  nothwendiger,  von  um 
nicht  gemachter,  sondern  erst  erforschter  Zusammenhang 
uns  zur  Erfahrung  kommt. 

Ist  es  aber  nun  nicht  eine  Einseitigkeit,  die  Causalitit 
auf  die  Welt  der  Dinge  zu  tibertragen  und  sie  gelten  zu 
lassen,  den  Zweck  aber  für  blos  subjectiy  zu  erklaren  und 
ihn  für  die  objective  Realität  zu  verwerfen?  Wir  würden 
dazu  berechtigt  sein,  wenn  seine  Leistungskraft  nichtig 
wäre.  Allein  das  Gegentheil  ist  der  Fall.  Wenn  schon 
jede  Bewegung  neben  ihrer  Geschwindigkeit  ihre  Richtung 
hat  und  diese  durch  ein  Ziel  bedingt  wird,  so  unterscheidet 
sich  das  Leben  von  blosser  Veränderung  durch  den  inneren 
Zusammenhang  seiner  Momente,  durch  eine  immanente  Ein- 
heit, welche  die  Mi^nnigfaltigkeit  durchdringt,  indem  auch 
die  Veränderungen  nicht  nur  an  ihr  geschehen,  sondern  auch 
von  ihr  bestimmt  werden.  Dadurch  ist  das  Leben  Ent- 
wicklung, und  diese  geht  stets  von  einem  Princip  aus  und 
auf  ein  Ziel  hin,  durch  welches  ihre  Richtung  bedingt  wird; 
erreicht  sie  es  regelmässig,  so  setzt  dies  eigenthümliche 
Bildungsgesetze  voraus,  und  das  Ziel  selbst  kann  als  der 
Zweck  des  ganzen  Processes  bezeichnet  werden,  sodass  es 
ihn  lenkt  und  das  am  Ende  Erreichte  auch  das  schon  am 
Anfang  Wirksame  war.  Stellen  wir  uns  an  den  Anfang, 
so  ist  es  die  Ursache,  sind  es  die  wirkenden  Kräfte,  welche 
alles  Folgende  bestimmen;  stellen  wir  uns  an  das  Ende,  so 
sehen  wir  sie  auf  das  Ziel  gerichtet  und  ist  dies  das  Mass- 
gebende für  sie.  Es  wird  ohne  sie  nicht  erreicht,  aber  sie 
würden  ohne  es  keine  Entwicklung,  sondern  blosse  Ver- 
änderungen darstellen.  So  ist  uns  der  ZweckbegriflP  unent- 
behrlich zum  BegriflF  der  Entwicklung,  und  steht  er  im  un- 
lösbaren Zusammenhang  mit  den  wirkenden  Ursachen.  In 
der  Natur  eine  aufsteigende  Entwicklungsreihe  der  Lebewesen 


U'.>  k<>,. 


n  SitUniJf»(lt? 


385 


uii*rkeiiDRn  und  den  Zweck  leugnen  ist  «in  offenbarer  Wider- 
•ipnieh;  nline  den  Zweckgedanken  ist  der  BegritT  der  Kni- 
wicklutiK  unm&glicb. 

Aristoteles,  Kant  und  He^el  haben  im  < )rf|amsuiuii  den 
rurwirk lichten  Zweck  gesehen;  er  war  ihnen  da»  Ziel  «II  der 
Vorgänge  und  Zustandaünderungen,  weicht*  vom  Ei  an  in 
ibreni  Caunaliueammenbang  das  Mannigfaltige  so  bildeteTi, 
dnas  »II«!  Glieder  einander  entspreelien,  ant'  einander  be- 
»ogen  »ind  und  /.U8amm«n wirken,  sodass  die  Moditication  den 
eine«  «ol'ort  auch  eine  ihr  ontaprechende  Umbildung  in 
anderen  Organen  bedingt.  Weiter  nocli  stehen  die  Organe 
nelbflt  in  gesetzlicher  Besiehung  Kur  AuHsenwell,  da»  Auge 
au  den  Aetlmr wellen,  die  Lunge,  das  Ohr  zur  Lufl,  und  durch 
die  den  Formen  des  Orgunixmus  entsprechenden  Schwingungen 
natl  Bewegungen  der  Kräfte  ausser  uns  bilden  wir  in  unserer 
Innerlichkeit  als  unsere  Lebenaaute  die  Eniplindungen  des 
Tons,  der  Farbe,  der  Wärme.  Da  sulches  nicht  einual  oder 
gelegentlich  dann  und  wann,  da  es  vielmehr  mit  gesetzlicher 
Regelmä«Mgkuit  geschieht,  so  kann  für  die  logisch  Denkenden 
von  keinem  Zufall  die  Rede  sein,  sondern  wir  fordern  nach 
der  Norm  der  Causalität  einen  Grund  für  diese  Wechsel- 
beziehung des  Innern  und  Aeu^isem,  fdr  dleice  sich  stet« 
wiederholenden  Vorgänge  der  Entwicklung,  und  werden  da- 
durch zur  Idee  einer  immanenten  Einheit  aller  wirkenden 
Kräfle  hingeführt;  das  All  erscheint  uns  nicht  wie  ein  iu- 
fSIIigW  Haufwerk  von  einander  unabhängiger  Stoffe,  sondern 
als  ein  System  von  Kräften,  die  in  ihrer  ursprünglichen 
Ordnung  und  in  ihrer  Bewegungsweise  auch  die  Ziele  der- 
selben in  sich  tragen. 

Von  Materiali.sten  ist  Darwin  geprie^ien  worden :  doM  ur 
(Un  Zweck  aus  der  Welt  geschaäi  habe,  indem  er  gexeigt, 
WM  di«  Organismen  auf  rein  mechanischem  Weg  r.u  Stwulft 
^t  und  umgebildet  wurden.  Diee  letztere  ist  nnn  ainlit 
hll.     Darwin  hat  nicht  gezeigt,    wie  die  Zelle  aus  an- 


386     Sitzung  der  jfhüosrphüoL  Classe  vom  8.  November  1890. 

organischen  Atomen  entstand  oder  entsteht,  er  hat  nur  aus 
einer  einfachen  Zelle  die  aufsteigende  Entwicklung  der  Lebe- 
wesen darzustellen  gesucht,  und  in  den  Mitteln  der  An- 
passung, der  Vererbung,  dem  Kampf  ums  Dasein  und  der 
natürlichen  Zuchtwahl  eine  Reihe  von  Bedingungen  auf- 
gestellt, durch  welche  der  Lebensprocess  sich  vollzieht;  der 
Organismus  wird  auch  bei  ihm  nicht  von  aussen  in  seine 
Form  zusammengepresst  oder  auseinander  gezerrt,  sondern 
durch  den  Bildungstrieb  von  innen  her  gestaltet.  Aber  wenn 
Darwin  wirklich  geleistet  hätte,  was  Strauss  im  neuen  Glauben 
recht  neugläubig  ihm  zuschrieb,  so  hätte  er  damit  den  Zweck- 
begriff gar  nicht  aus  der  Welt  geschafft,  denn  dieser  besteht 
fort  im  menschlichen  Denken  und  Wollen,  und  wäre  folge- 
richtig nach  materialistischer  Auffassung  das  nothwendige 
Ergebniss  der  blind  wirkenden  Naturkräfte,  die  ihn  durch 
den  Mechanismus  der  Gehirnschwingungen  in  uns  hervor- 
brächten, und  wir  können  hinzufügen:  auch  ein  Buch  ent- 
steht durch  lauter  Nothwendigkeiten  und  physikalische  oder 
chemische  Ursachen,  durch  den  Mechanismus  der  Presse  und 
Papiermühle,  durch  den  Druck  der  Lettern  und  die  Anstösse, 
welche  diesen  die  Muskelzuekungen  der  Setzerhände  gegeben 
haben;  aber  diese  Maschine,  diese  Metallstückchen,  diese 
materiellen  Bewegungen  haben  doch  den  Sinn  der  Worte 
nicht  gemacht,  nicht  die  Weisheit  oder  die  poetische  Schön- 
heit, nicht  den  Geist,  der  dem  Geist  im  Buche  sich  offenbart 
So  wird  wohl  auch  der  so  vielgliederige,  wunderbare,  mensch- 
liche Organismus  mit  seiner  idealen  Bethätigung  im  Denken 
und  Wollen  nicht  das  Ergebniss  eines  wähl-  und  ziellosen 
Stoffwechsels,  sondern  ein  zweckmässiges  Gebilde  sein,  in 
welchem  ein  Bildungsprincip  in  zusammenhängender  Ent- 
wicklung mittels  der  mannigfachen  Atome  sein  Ziel  erreicht 
hat,  und  as  werden  wohl  auch  die  Atome  keine  todte  Stoff- 
partikelchen, sondern  in  sich  lebendige,  aufeinander  ur- 
sprünglich bezogene  Monaden,  thätige  Kräfte  sein. 


Caerifft:  Wtt  kiii\ 


«87 


beuii  noch  «ii  amlpres  wetzt  der  OrganiaiuuH  und  seine 
SfllMbildiiiift  voraiw:  ein  Uijilunfisgiriiicip,  eine  reale  Organi- 
Katioii)tkriifl.  die  wir  ebenso  aiu^  ihren  Ln^tun^ei).  die  auswr- 
balb  ihrer  nicht   varkomiuen.    wie   die    Abimkräfle  der  aii- 
{'oqpuii^hen  Natnr  aiiü  ibrfn  Wirkimg^en  ersteh lit;w(tii.    Ohni' 
Ich  einheitlich  im  Wechsel    der   mannigfaltigen   Htoffe. 
Btend,    Behauptende,  det>  Ziisanimenliang  aller  Leben»- 
'  Hedingende,  duä  in  ihm  selber   Angelegte   Vt^rwirk- 
mend»  ist  der  Organismus,  ist  der  sittliche  Charakti.>r  uner- 
ktärbar;    m   ist   das   ihn    von    den   Veründorungeii    der    an- 
sehen Natur  Unterscheidende;  die  Erhaltung  des  einmal 
■ich   KrruogPDen  nt\d  der  dadurch    bedingte    Kurtschritt 
inzäloen,    wie   die   aufsteigende    t]nt.wickhingareihe    der 
L  fordert,  dass  wir  an  die  Stell«  einer  allgemeinen 
Tit^nskraft  die   mannigfaltigen   individuellen    OrganiHations* 
kr&iW   setzen.     Und   gilt   in    der    anorgnnisclien    Natur   die 
jkaltung   der    Energie,    so   linden    wir  in  der  organivchen, 
I  in  der  geistigen  Welt  die  Hteigerimg  derselben,  indem 
^ansteigende  Entwicklung  immer  Neues  zu  Tage  fördert, 
saa    der    eigenen    Innerlichkeit    xiir    Ausgestaltung  derselben 
hervorbringt.     Difrs    Behaltjjn  des  Gewonnenen  in  der  Fort- 
Iwldung  ist  ohne  das  eine  allen  Wechsel  dnrchdauernde.  sich 
ickelnde  I'riuci|J  nicht  verständlich.      lOs  ist  aber  dieselbe 
nheit,   die   tiU   Organ isutinnskrafi   den   Leib  und  die  in 
und    mittel«    de-^sen    den    geistigen    Organismus    im 
1  und  Wollen  gestaltet ;  so  erklärt  sich  der  Zusammen- 
f  des  Geistes  und  der  Natur. 

ist    also    die    Erfahrung,    welche    uns    eine    Iteihe 
wechselnder    Zuxtünde   in    unserem    Bewusstsein    bietet,    fllr 


welch«  wir  nach  dem  CauRalgeHetü   Bedingungen, 
'  uns  voraussetzen,    da  wir  ohne  sii-    i; 
i  niuht  erklären  kCnnen.     Den  ursächlicbci 
»der  AuKsenwelt  sehi*n  oder  hören  wirnii-tit 
He»    bringen    wir   &U   lügische   Nolbwemii 


Dinge 


388     Sitzung  der  phüos.-philoL  Clasne  www  8,  Nnvetfiber  1890. 

Wahrnehmungen  hinzu,  aber  wir  sehen,  dass  die  Natur  ihm 
entspricht,  wenn  der  Stand  der  Gestirne  erfolgt,  wie  der 
Astronom  ihn  berechnet  hat,  sodass  die  logische  Noth  wendig- 
keit nicht  blos  unsere  subjective  Vorstellung,  sondern  da^ 
Naturgesetz  selber  ist.  Und  wenn  wir  das  Leben  von  blosser 
Veränderung  durch  die  zusammenhängende  Entwicklung  der- 
selben unterscheiden,  die  Entwicklung  aber  das  innerlich 
Angelegte  als  Ziel  oder  Zweck  entfaltet,  gestaltet  und  erreicht, 
so  werden  wir  die  Bedeutung  des  Zweckbegrifib  sowohl  für 
unser  subjectives  Weltbild,  wie  für  die  Weltwirklichkeit 
behaupten  dürfen. 

Selbstgestaltung  gehört  zum  BegriJBT  des  Organismus, 
des  leiblichen  wie  des  geistigen.  Auch  im  Geistigen  zeigt 
sich  der  innerste  Zusammenhang  und  das  gemeinsame  Wachs- 
thum  unserer  Thätigkeitsweisen ,  wenn  wir  aus  unseren 
Empfindungen  die  Bilder  der  Welt  uns  veranschaulichen,  und 
im  Gefühl  des  eigenen  Zustandes  als  bedingt  durch  die  Ver- 
änderungen unserer  Erfahrungen  inne  werden,  wenn  unser 
Denken  ein  gewolltes  ist  und  unser  Wille  durch  Vorstellungen 
bestimmt  wird;  die  Harmonie  unseres  inneren  Lebens  ist 
unsere  Aufgabe,  ist  das  Ziel  unserer  Entwicklung.  Auch 
geistig  treten  wir  wie  leiblich  als  Keim,  als  Seelenkeim  in 
das  irdische  Dasein,  nicht,s  ist  fertig  für  uns,  wir  müssen 
alles  erwerben,  im  Zusammenwirken  mit  der  Welt  in  uns 
hervorbringen.  An  die  Stelle  der  angeborenen  Ideen  sind 
längst  die  Anlagen  und  die  Bildungsgesetze  getreten;  durch 
eigene  Willensthat  müssen  wir  zu  uns  selbst  kommen,  uns 
von  unseren  Empfindungen,  Trieben,  Vorstellungen  als  die 
in  ihnen  waltende  einige  Wesenheit  unterscheiden,  in  und 
über  ihnen  uns  als  Ich  erfassen,  selbstschöpferisch  uns  zur 
Geistigkeit  erheben.  Aber  wie  der  leibliche,  so  trägt  noth- 
wendig  auch  der  geistige  Organismus  sein  Ziel  und  seine 
Bildungsgesetze  in  sich,  da  ohne  sie  Leben  und  Entwicklung 
nicht  gedacht   werden    können.     Unsere   Bestimmung,    unser 


Ciirriere:   Wie  kumiHen  wir 


'<  Sinenilfsetii- 


389 


Leheuazweck  liegt  nicht  ausser  utts,  tfandern  in  iuih;  aber 
wir  knniien  ihn  mir  duri^h  8ell>ittheätiiiimuiig  erreichen  und 
Bo  unsor  Wesen  »u  unfforer  That  machen.  Wir  kOanen  Iwi 
unaerm  Denken  die  Nonnen  kennen  lernen,  nach  denen  wir 
es  üben,  die  K&tegorieeii,  die  wir  tinwendeu  um  die  Er- 
tahnint^en  nach  ihnen  m  i>rdnen,  und  »o  uns  den  Uegrilf 
der  Cnnsalität  nnd  der  Teleologie  /um  Bewusstsein  bringeu. 
Wir  erfassen  uns  Belljat  als  in  der  Kntwicklung  begriffene 
Wesen,  und  gewinnen  Ton  der  Gegenwurt  uns  vor-  und  rück- 
blickend die  Vorstellung  von  Ausgangs-  und  Zielpunkten  der 
Entwicklung,  und  unaer  Lebenszweck,  den  wir  in  uns  tragen, 
tw^nnt  damit  una  als  Lebensaufgabe  klar  zu  werden,  als 
nnäere  Bestimmung,  die  wir  durch  Selbtttbestimmung  zu  er- 
ntichen  haben:  er  ist  das  Seinsollende  im  Seienden. 

Freiheit  ist  Selbstbestimmung,  kein  fertiger  Zustand, 
vielmehr  ein  Ideal,  dessen  Verwirklichung  uns  erat  znr  Selbst- 
Iierrlichkeit  führt.  Wir  beginnen  al«  Naturwesen,  nicht  frei 
geschaffen,  weil  das  begrifttich  unmöglich  ist,  weit  Bewusat- 
win  und  Freiheit  als  8eibsterfassung  und  Selbstbestimmung 
niubt  verliehen  sein  können,  sondern  durch  eigene  Willens- 
that  verwirklicht  werden.  Freiheit  ist  fortwährende  Be- 
freiungsthat,  i^elbstbehauptimg  gegen  die  Einflüsse  der  Aussen- 
welt,  gegen  die  blinden  Triebe  der  Innenwelt.,  Selbsterfassung 
(to9  ganzen  Wesens  in  dem  Drängen  und  Wogen  der  mannig- 
faltigen Lehensregungen.  Selbsterhebung  Dber  sie,  Selbst- 
beherrschung. Selhstbildimg  nach  dem  selbsterschauten  selbst- 
geietzten  Lebenszweck,  damit  in  ihrer  Vollendung  durch 
Selbstgesetzgebung  verwirklichte  Selbstherrlichkeit.  Für  den 
freien  Geist  kann  das  Gesetz  keine  zwingende  Notbwendig- 
keit,  kein  Müssen,  sondern  nur  ein  Sollen  sein;  ee  kann  ihm 
nicht  von  aussen  auferlegt  sein,  da  er  dann  in  deinen  Er- 
füllung au  einen  fremden   Willen,   an   eine  andere  AatnrtUU 


Ware;  darum  tüii>s  er  sein  Lebensge«ety.  im 


I  lindei 


nd   I 


it  eigenem 


Willei 


*  sich  selber  H 


390     Sitzung  der  phüos.'phüol.  Clause  vom  8.  November  1890. 

und  so  in  der  Oesetzeserftillung  bei  sich  selbst  und  frei  sein; 
die  sittliche  Nothwendigkeit  ist  der  Freiheit  Werk. 

Blicken  wir  auf  die  Naturorganismen  zurück,  so  ent- 
falten sie  sich  durch  Selbstgestaltung  aus  der  Keimzelle;  so 
tritt  auch  der  geistige  Organismus  nur  als  Keim  in  das 
Leben  ein,  um  seine  Anlage  zu  entfalten,  zu  verwirklichen. 
Im  Pflanzenkeim  liegt  die  Rose,  die  Palme  nicht  mit  dem 
Mikroskop  erkennbar,  sondern  nur  als  Anlage,  als  Bildungs- 
trieb mit  eigenthümlichen  Bildungsgesetzen ;  der  fertige 
Organismus  ist  das  Ziel  derselljen,  der  Zweck  um  dessen 
willen,  für  und  durch  den  sie  bestimmt  sind.  Die  Blume 
und  in  ihr  der  Blüthenstaub,  die  Wiederherstellung  und  Ver- 
vielfältigung des  Ursprünglichen,  ist  das  Ziel  zu  dem  die 
Lilie  aus  der  Wurzel  hinstrebt;  hätte  sie  Bewusstsein,  so 
würde  sie  das  Kommende  ahnen,  so  würde  sie  aus  anderen 
älteren  Pflanzen,  die  bereits  in  Blüthe  stehen,  auch  ihre  Be- 
stimmung erschliessen,  ihren  Lebenszweck  sich  klar  machen. 
Die  Raupe  würde  den  Schmetterling,  den  sie  vorbereitet, 
auch  vorerapfinden,  und  im  frei  beschwingten  Falter  das  Ziel 
der  eigenen  Entwicklung  erkennen.  Der  Mensch  kommt 
zum  Bewusstsein,  das  Kind  sieht  im  Erwachsenen  die  Vor- 
bilder des  eigenen  Wesens;  indem  es  sich  selbst  als  in  der 
Entwicklung  begriflFeu  aufFasst,  fühlt  es,  dass  es  noch  nicht 
ist  was  und  wie  es  sein  soll,  und  die  Idee  der  Bestimmung 
des  eigenen  Seins  geht  als  das  Seinsollende  in  ihm  auf. 

Bildungsgesetze  für  ein  freies  Wesen  sind  die  Richt- 
und  Gesichtspunkte  seiner  Thätigkeit,  logische  Gesetze  für 
das  Denken,  Sittengesetze  für  das  Wollen.  Wie  wir  uns 
nur  als  endlich  erfassen  können  in  der  Unterscheidung  vom 
Unendlichen,  und  dies  damit  als  Unterscheidungsnorm  in  uns 
tragen,  indem  wir  ja  in  ihm  unser  Entstehen  und  Bestehen 
haben,  und  damit  bei  unserer  Selbsterfassung  seine  Idee 
mit  hervorbilden,  so  können  wir  uns  als  unvollkommene  und 
noch    in    der   Entwicklung  befindliehe   Wesen  nur  bejjjreifen, 


Carriere:  Wie  kommen  wir  zum  Sittetufesetz?  391 

indem  wir  das  VollkonimeDe  als  Unterscheidungsnorm  wie 
als  Zielpunkt  in  \xn^  tragen  und  seiner  inne  werden.  Das 
Vollkommene  ist  die  harmonische  Entfaltung  und  Gestaltung 
unserer  Seelenkräfte  nach  den  nothwendigen  Grundrichtungen 
der  Geistesthätigkeit:  erkennend  die  Welt  in  uns  aufzu- 
nehmen, wollend  uns  selbst  und  die  Welt  zu  bestimmen, 
phantasievoll  die  Welt  die  GefQhle  in  Formen  auszuprägen, 
dem  Denken  wie  dem  Wollen  ein  Bild  des  Werdensollenden 
zu  entwerfen.  Das  Wahre,  Gute,  Schöne  ergeben  sich  also 
als  die  drei  leitenden  Ideen  des  geistigen  Lebens,  und  als 
ethiacbe  Kategorieen  sind  die  ünterscheidungsnormen  zwischen 
Wahr  und  Falsch,  Gut  und  Böse,  Schön  und  Hässlich  die 
immanenten  Bildungsgesetze  des  Geistes.  Sie  liegen  nicht 
in  dem  Naturmechanismus  und  seiner  Nothwendigkeit,  wo 
alles  ist  wie  es  ist  und  nicht  anders  sein  kann,  sondern  sie 
gehören  dem  Reich  der  Freiheit  an,  wo  der  Subjectivität  es 
möglich  ist  sich  für  sich  auch  anders  zu  entscheiden,  als 
das  Gesetz  verlangt,  weil  nur  so  die  Selbstbestimmung  möglich 
ist.  Und  damit  sind  sie  nicht  so  sehr  ein  Seinmüssendes, 
als  vielmehr  das  Seinsollende,  das  erst  hier  seine  eigenthüm- 
liche  und  rechte  Stätte  hat.  Wir  haben  keine  angeborenen 
Ideen,  keinen  fertigen  Bewusstseinsinhalt,  wir  müssen  alles 
in  uns  hervorbilden;  wir  bedürfen  dazu  der  Welt,  der  Er- 
fahrung, aber  diese  wird  selbst  erst  möglich  durch  die  apri- 
orischen Bestimmungen  und  Gesetze  unserer  eigenen  Natur, 
und  so  wissen  wir  nicht  unmittelbar  was  wahr,  gut  und 
schön  ist;  aber  wir  tragen  die  Unterscheidungsnormen  von 
Falsch  und  Wahr,  von  Böse  und  Gut,  von  Hässlich  und 
Schön  als  Rieht-  und  Gesichtspunkte  unserer  Thätigkeit  in 
uns,  und  indem  wir  diese  auf  unseren  Bewusstseinsinbalt, 
auf  unsere  Empfindungen  und  Vorstellungen,  und  Ifonfi  ^'^ 
Cansalgesetzes  auf  die  sie  veranlassenden  Gegensü 
Aussenwelt  anwenden,  kommen  wir  zur  Er&hraii| 
was  gut,   wahr  und  schön  ist.     Dies  zu  bestimmaii 


1 


392     Sitzung  der  phüosrphUol,  Classe  vom  8.  November  1890, 

verwirklichen  ist  die  Lebensaufgabe  der  Menscbheit,  welche 
ja  ihre  Bestimmung  durch  Selbstbestimmung  erreichen  soll, 
wie  es  der  Begriff  des  Geistes  ist:  sein  Wesen  zn  seiner 
That  zu  machen.  Wahrheit  zu  finden  und  festzustellen  ist 
fortwährend  die  Sache  der  Wissenschaft,  Schönes  zn  bilden, 
die  Harmonie  des  Geistes  und  der  Natur,  der  Vernunft  und 
Sinnlichkeit,  des  Innern  und  Aeussem  zu  gestalten  und 
damit  das  volle  Lebensgeftihl  im  Einklang  des  Sinnlichen 
und  Geistigen  zu  erzeugen,  ist  Sache  der  Kunst,  und  die 
grossen  Meister  alter  und  neuer  Zeit  in  Ton  und  Wort, 
in  Stein  und  Farbe  gestalten  die  Ideale  der  Menschheit  fKr 
die  Anschauung,  für  die  Erhebung  des  Gemüths.  Und  so 
arbeiten  die  Religionstifber,  die  Gesetzgeber,  die  Weisen  des 
Alterthums  wie  der  Neuzeit  daran  das  Gute  zu  erkennen 
und  es  als  Gesetz  des  Willens  zu  begründen. 

Jedes  für  sich  seiende  Wesen  ist  seiner  selbst  inne,  und 
was  es  erlebt  wird  ihm  verinnerlicht  im  Selbstgefühl; 
Hemmendes,  Störendes  empfindet  es  damit  als  dem  Selbst 
widerstreitend,  als  Unlust,  —  Förderndes,  Naturgemässes  als 
Lust.  Das  Wahre,  Gute,  Schöne  beglückt  uns,  weil  wir 
ethische  Wesen  sind,  weil  es  unserer  Natur  entspricht,  und 
so  wird  unsere  logische  Thätigkeit  des  Unterscheidens  und 
Bestimmens  dessen  was  gut,  schön  und  wahr  ist,  unser  Ver- 
standesurtheil  wird  unterstützt  von  dem  Wohl-  oder  Miss- 
behagen unseres  Selbstgefühls,  und  die  Lebensaufgabe  der 
Selbstgestaltung,  Selbstvervollkommnung  wird  erleichtert,  ja 
geweckt  durch  die  Glückseligkeit,  die  sie  uns  bereitet,  durch 
das  Wohlgefühl,  das  dem  Guten,  Wahren,  Schönen  nicht 
als  äusserer  Lohn,  sondern  innerlich  einwohnt.  Dadurch 
sind  sie  werthvoU  für  uns,  wie  diese  Ideen  selbst  ihre  Ver- 
wirklichung im  fühlenden  Geiste  haben,  der  fühlende  Geist 
durch  sie  seine  Vervollkommnung,  sein  Lebensziel  findet. 

Wir  stehen  nicht  für  uns  allein,  wir  sind  Glieder  eines 
grossen  Organismus,  wir  erfahren  die  Einwirkungen  der  Mit- 


r  tum  SUUnijttf 


;iö3 


lebenden,  und  die.se  tclbst  hnhen  die  Errun^nschaft  der  Vor- 
üibreii  in  «cli  uiifi^-noramen.  und  so  nacli  dem  Trit-li  und 
DrnnK  der  eif^eneD  Weseubeit,  unter  dem  frziehenden  Eiiillii^^s. 
den  Geboten  wie  dem  Beispiel  der  Voranscbreitenden  ent- 
wickelt nifb  iitiser  sittliches  Leben.  Aber  Gebote  Ton  Anderen 
wären  ans  ein  Zwang,  der  die  Freiheit  aufhöbe,  nod  könnten 
nieroalH  uns  Am  (.ief(i)j|  der  Verpflichtung  erwecken,  wenn 
wir  me  nicht  als  unserer  Natur  gemäss  in  uns  empt^indeii. 
Das  Seinsotlende  also,  das  wir  in  uns  tragen,  bedingt  dies 
(jefQbl  der  Verpflichtung,  unser  eigenes  Leben^ideal  zw  ver- 
wirklichen, und  linaer  Heil  ist  daran  geknüpft..  Das  ün- 
genUgen .  Atu.  wir  spüren .  die  Selbstzerstürung  und  Zer- 
Tfittimg,  dor  wir  inne  werden,  wenn  wir  von  der  Bahn  des 
Kechtcn  ubweichen.  wie  der  Frieden  der  Seele,  wenn  wir 
innerhalb  derselben  wandeln,  da^  alles  weist  uns  auf  das 
Seinsollende  hin  und  ist  selbst  dessen  erfahrene  Bekräftigung, 
Und  indem  wir  das  Giite  aK  dai<  unserer  Geisteanatn r  (>e- 
BÜme,  unser  Wesen  Vollendende  erkennen,  wird  es  uns  mir 
Pflicht,  und  treibt  uns  die  innere  Htinime  des  eigenen  Wesens 
ilieieia  tu  genügen,  es  anszubilden.  Das  Lebensideal,  der 
ideale  Mensch  in  uns,  bezeugt  sich  im  Gewissen,  in  welchem 
wir  Gericht  Aber  uns  selltst  halten,  uns  die  Richtung  auf 
iltK  Ziel  unserer  Entwicklung  geben. 

Nicht  veriilinftig.  aber  vemunfiräfaig,  nicht  frei,  sondern 
als  unbewußtes  Triebweseii  treten  wir  in  da.«  iniische  Dasein, 
luini  Setlistbewussteein,  /.ur  Freiheit  berufen:  die  zu  sich  selbst- 
gekommene  Vernunft  will  das  Gute  als  das  ihr  Gemässe,  als 
das  Heilviille.  und  so  ist  das  Wollen  \\t^  Vernont'ttnenKcben 
Am  ^lleu  für  den  binnen  menschen.  Der  vernflnftige  Wille 
ig^üM^t  ilo«  rieinsullende  als  das  wahre  Wesen  seiner  selbst 
nnd  will  e^  verwirklichen,  weil  er  .sich  iielber  will;  er  gibt 
■ieh  Mellmt  sein  U-henKgesetz  und  ist  damit  frei  in  dwaen 
ErfDllong.  Kanis  kategorischer  Imperativ:  da«  Gute  ntU 
Achtung  vtir  dem  Sittengeset?.,    nicht  aus  Fnrelit  rnr  Stra^ 

iRk/phllul,  n.  liLil.  Cl.  [|.  i.  27 


304     Sitzung  der  phUosrphilol.  Clatffte  vom  8.  Notemher  ISiH). 

oder  HoflFniing  auf  Lohn,  sondern  um  des  Outen  willen  zu 
thun,  er  ist  kein  fremdes  Machtgebot,  sondern  er  drückt  die 
Autonomie  des  Willens  aus,  in  welcher  die  Freiheit  sich 
vollendet. 

Den  Geist  Kants  erfüllte  zweierlei  stets  mit  neuer  Be- 
wunderung: der  gestirnte  Himmel  über  uns  und  das  Sitten- 
gesetz in  uns.  Aber  dies  war  ihm  ein  nicht  weiter  ableit- 
bares Factum.  Ich  suche  zu  zeigen,  wie  wir  zum  Sittengesetz 
kommen.  Als  geistige  wie  als  leibliche  Organisationsprincipien, 
wie  wir  ins  Dasein  treten,  können  wir  die  eigene  Entwicklung, 
die  Selbstgestaltung  nur  vollziehen,  wenn  wir  das  Ziel  der- 
selben, unseren  Lebenszweck  als  Ideal,  als  das  Seinsollende 
in  uns  tragen;  durch  dasselbe  sind  die  Bildungsgesetze  be- 
dingt, und  als  Geist  bringen  wir  sie  uns  zum  Bewusstsein; 
indem  wir  ihnen  gemäss  verfahren,  erfahren  wir  sie  in  der 
Selbstbeobachtung,  und  gerade  ein  Gefühl  des  Ungeuügeus, 
dass  wir  noch  nicht  sind,  was  und  wie  wir  sein  sollen,  erregt 
uns  den  Gedanken  des  Seinsollenden,  des  Vollkommenen,  der 
Lebensvollendung,  unsere  eigene  Lebensidee  zu  denken ;  und 
der  vernünftige  Wille  will  ihre  Verwirklichung  und  gibt 
sich  selbst  das  Sittengesetz,  das  ihm  kein  zwingendes  Muss, 
sondern  ein  Sollen  ist,  zu  dem  er  sich  verpflichtet  fühlt, 
weil  es  das  Wesen  seiner  eigenen  ethischen  Natur  ausdrückt. 

SelbstvervoUkomninung  und  Liel)e,  diese  beiden  Urworte 
des  Sitten gesetzes,  sie  verlangen  ja  nichts  anderes  von  uns 
als  die  Entwicklung  unserer  eigenen  Natur  und  ihre  Voll- 
endung. Wir  sind  eigen thümliche  Wesen,  erfassen  uns  selbst 
im  Unterschied  von  allen  anderen,  um  uns  als  selbstbewusste 
Persönlichkeit  zur  in  sich  geschlossenen  Einheit  des  Charakters 
emporzuarbeiten,  unsere  Kräfte  harmonisch  auszubilden,  und 
so  im  vollen  Sinne  des  Wortes  wir  selbst  zu  sein.  Oder 
wie  Schiller  sagt: 

Was  da*<  Höchste,  das  (iröasteV     Die  Pflanze  kann  es  dich  lehren: 
Was  sie  willenlos  ist,  sei  du  es  wollend,  —  das  iHts. 


»1 1'_ 


Cirritre:   Wie  Ur. 


I  SiUen<)eiieliy 


W5 


Aller  wir  eutwickehi  unser  Seihst,  ja  wir  kommen  /n 
lins  ML'lbat  nur  im  Ziisainnien wirken  inü.  iler  Ans^eiiwelt:  wir 
sehen  uuh  eingeglieHort  in  den  Welixüsammeiihang.  Olieder 
«ineM  gruMsen  Uanxen,  eiaes,  höheren  Organismus,  wir  erfassen 
uns  aU  emllicli  nur  innerhalb  r]e»  einen  I unendlichen,  des 
gemeinsamen  Lebensgrundes  aller  Dinge,  und  werden  der 
We»en  gern  ein  iiicfaatl  mit  ihnen  und  ihm  inne  im  Ueffihl  der 
Liebe,  und  so  luiser  Sein  in  der  Lebens-  und  Willensgemein- 
achaft  mit  Gott  und  Welt  zu  betbatigen.  unser  Wohl  im 
Gemeinwohl  zu  suchen,  ist  der  Weg  nur  V^erwirklichuog 
de»  Lebenaidenl»  und  gibt  uns  die  Heseligung  der  Lebens- 
vidlendung.  Gesetzgeber  des  Alterthums.  Muses  und  die 
Fniplieten  bezeichneten  die  Sitten gesetze,  wie  sie  in  ihrer 
grossen  Seele  olTenbnr  geworden,  als  göttliche  Oifenbaruug; 
die  vollendende  Verkündigung  derselben  von  .lesua  wird 
gleichfalls  als  solche  anfgenommen.  Ich  glanbe  mit  KechL 
Denn  jede  unter  dem  Zweckbegriff  sich  vollziehende  urgan- 
iMche  Entwicklung  setzt  den  Zweckgedanken  voraus,  wodurch 
der  allgemeine  Lebensgrund  oder  das  Princip  der  Welt  als 
selbst bewusnter  Wille  der  Weisheit  bezeichnet  wird.  Seine 
Ur^edanken  sind  die  Weltgesetze,  sind  die  Ideale  des  Geistes, 
die  wir  nicht  erfinden,  die  wir  finden,  die  wir  krall  des  in 
uiia  waltenden  L'nendlichen  uns  zum  Bewusateein  bringen. 
Darum  gelten  sie  auch  nicht  blo»  fdr  den  Einzelnen,  sondern 
für  alle,  weil  sie  Ideen  des  allgemeinen,  de»  göttlichen 
Geisten  sind. 

Wir  sollen  vollkommen  werden  wie  unser  Vater  im 
Himmel  vollkommen  ist;  wir  sollen  Gott  über  alles  lieben 
nnd  unsere  Nächsten  wie  uns  selbst  —  mit  diesen  Worten 
sind  die  von  mir  philosophisch  erörterten  Grundsätze  der 
Ktliik  von  Jesus  mit  religiöser  Weihe  verkündiget.  Nicht 
weil  sie  (ins  Nutzen  bringen,  sondern  nm  ihrer  selbst  willen, 
nm  der  Verwirklitbung  unserer  BestimmuTig,  unseres  Lebens- 
idenl«  willen  «ind  sie  ausgesprochen.      Oii'    dmit.'fche  Wi-^seii- 


ä 


396     Sitzung  der  phHos.-phü^.  Classe  vöm  8.  November  1890. 

schafb  in  Kant  und  Fichte  hat  sie  mit  aller  Strenge  gegen- 
über dem  Egoismus  der  Franzosen,  dem  TJtilitarismus  der 
Engländer  festgehalten,  unter  ihrem  Banner  hat  der  deutsche 
Geist  auch  dem  nationalen  Leben  seine  Unabhängigkeit  von 
der  Fremdherrschaft  und  die  politische  Einigung  des  Vater- 
landes errungen;  —  sollen  wir  nun  geistig  uns  der  Fremd- 
herrschaft unterordnen?  Lieber  wollen  wir  der  deutschen 
Wissenschaft  ihre  eigenthümliche  Ehre  behaupten,  auf  dem 
gut  gelegten  Orunde  muthig  weiterbauen,  das  Sitthche  nicht 
zum  Mittel  herabwürdigen,  sondern  es  als  Zweck  des  Lebens 
bewahren. 


Philosophisch-philologische  Classe. 

Sitzung  vom  6.  Dezember  1890. 

Herr  v.  Christ  legte  einen  Aufsatz  des  Herrn  Wilhelm 
Meyer  vor: 

„Die  athenische  Spruchrede  des  Menander  und 
Philistion." 

Derselbe  wird  in  den  „Abhandlungen*  veröffentlicht  werden. 

Herr  Kuhn  hielt  einen  Vortrag: 

„Barlaam  und  Joasaph,  eine  bibliographisch- 
literargeschichtliche  Studie." 

Derselbe  wird  in  den  „Abhandlungen"  veröffentlicht  werden. 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom  8.  November  1890. 
Herr  v.  D  ruf  fei  hielt  einen  Vortrag: 

^Der  Bairische  Minorit  der  Observanz  Kaspar 
Schatzger  und  seine  Schriften/ 

Gleich  den  meisten  katholischen  Polemikern  der  Refor- 
mationszeit entbehrt  auch  der  Minorit  der  Observanz  (Johann) 
Kaspar  Schatzger,  welcher  zu  den  eifrigsten  Gegnern  Luthers 
gehörte,  eines  neueren  Biographen.  Nicht  viel  mehr,  als 
sein  Name  wird  von  den  Geschichtschreibern  erwähnt,  und 
zwar  erscheint  er  meistens  in  der  Form  Schatzgeier,  was 
Luther  thesaurivora  ^)  übersetzte.  Mit  ähnlichen  spöttischen 
Wendungen  wird  er  von  andern  Zeitgenossen  geschildert. 
Eberlin  von  Günzburg^)  will  wissen,  dass  Schatzger  davon 
gesprochen  habe,  die  Verdienste  der  Heiligen  würden  im 
Himmel  mit  600  Jochen  Landes  belohnt,   welche  Gott  dort 

1)  Joannis  Bri^ämanni  ad  Caaparis  Schatzgeyri  Minoritae  plica» 
responsio,  a  2:  Ta  ergo  prospere  procede  in  Christo,  nt  qui  mino- 
riticatn  sectam  egregie  callens  probe  intelligas,  qaot  locis  Thesauri- 
Tora  ille  indagator  et  conator  mentitur. 

2)  Eberlin  «Mich  wundert,  dass  kein  Geld  etc.",  d  1  fg.:   Auch 
finden  sie  in  yren  buchem,  wie  vil  stund  ein  seel  ybm  fegfeur  miist 
sein,  unn  haben  ein  sonder  buch  das  hat  ein  heiliger  man  geflchfü 
parfnsterordens  genannt  Caspar  Saszger,  darin  findt  man,  daü  m 
hergot  noch  sechshundert  iuchart  feldt  gefunden  hat  für  den  himiJ 


»308  Sitzung  der  historiscl^n  Glosse  com  8,  November  1890, 

noch  aufgefunden  habe,  Oslander^)  meint,  Schatzger  klage 
über  die  Unterdrückung  seiner  Schriften,  und  der  ülnier 
Arzt  W.  Richard*)  erzählt  uns,  dass  die  Anhänger  Schatzgers 
behaupteten,  der  hl.  Geist  sitze  auf  dem  Haupte  des  frommen 
Vaters,  während  er  gegen  Luther  schreibe.  Die  zahlreichen 
Werke,  welche  Schatzger  drucken  Hess,  blieben  unbeachtet. 
Und  dennoch  verdient  der  Bairische  Barfüssermönch  wohl, 
näher  gekannt  zu  werden;  man  wird  an  ihm  manche  selb- 
ständige Züge  wahrnehmen,  wodurch  er  sich  unter  seinen 
Ordensgenossen  bemerkbar  macht. 

In  der  Vorrede,  mit  welcher  der  Minorit,  Frater  Johann 
Bach  mann  —  Ripanus  —  von  Liech  aus  Prankfurt,  Prediger 
zu  Ingolstadt,  im  Januar  1543  die  gesammelten  Werke 
Schatzgers  einführte,  heisst  es,  dass  Schatzger  zu  Landshut 
geboren  wurde,  als  das  Kind  anständiger,  nicht  dem  alier- 
niedrigsten  Stande  angehöriger  Eltern.^)  In  dem  Franzis- 
kanerkloster seiner  Heimathsstadt  empfing  er  den  ersten 
Unterricht.  Dann  aber  schickten  ihn  seine  Eltern,  nicht  das 
Kloster,  auf  die  Universität  Ingolstadt,  um  sich  hier  mit 
philosophischen  Studien  zu  beschäftigen.  Er  erwarb  auch 
(Ion  ersten  akademischen  (irad ,  das  Baecalaureat ,  w^ie  sein 
Biograph  meint,  weil  dies  seine  Studien  erforderlich  machten, 

1)  Osiandcr  „Wider  Caspar  Schatz^eyer"*,  A  3:  wie  er  sich 
(los  selbs  aufs  höchst  bekhigt  und  sagt  man  wöll  nicht  leaen,  sondtT 
verhynder,  vertruck  und  verpiet  seine  und  seines  gleichen  büchlin 
untl  fürder  dargegen  der  Widersacher  schreiben.  Ich  habe  eine  Stelle, 
auf  welche  Osiander  anspielen  könnte,  nicht  gefunden. 

2)  Schelhorn  Amoen.  lit.  I.  306.  Vielleicht  gab  folgende  Stelle 
«1er  ^.Heplica"*,  s,  Anlass  zu  der  Aeusserung:  Opinor  scribentem 
iLutheruni)  inter  scribendum  non  sui  iuris  esse,  sed  geniuni  suum  aut 
nescio  quem  spiritum  suum  regere  calamam.  Det  nobis  omnibus 
Heus  o.  m.  spiritum  suum  sanctum  etc. 

3)  'ortus  ex  parentibus  non  infimae  conditionis  honestate  prae- 
<litis'  sagt  Hachmann,  was  Wiedemann  übersetzt:  'von  armen  al>er 
rechtschaffenen  Bürgersleuten.' 


.  llruffrh    Ktfpur  Srhaliiicr 


.SJtil 


i|.  li.  uiclit  aus  {{uhiuflucht  oder  aiiHfren  weltliclieti  Bi'wcj;- 
^rUiiil«n.  Em  wird  dies  eiitsr huldigend  hervorgehobeti,  weil 
lajimt  die  Obaervanteri  auf  ftkiidemische  Titel  verticliteU'ii. 
Wie  es  dann  kam,  dii^a  Schat/ger  die  bisher  eingetichUgene 
liant'buhn  verliess  und  in  das  Franziskanerkloster  seiner 
Hfinmth^tadt  eintrat,  wissen  wir  nicht.')  Die  im  Jahre  1497 
vun  ihm  verl'assten  Conimentare  zum  Buche  Judith  und  7.u 
Daniel  zeigen,  dass  er  ganz  erfüllt  war  von  der  Weissagung 
<!«:<  Abte^  Joachim  über  den  Antichrist,  auf  deren  Richtig- 
keit damals  die  Söhne  des  hl.  Franziskus  schwuren.  Die 
Ankunft  des  Anticlirists  schien  auf  Grund  untrüglicher  Rech- 
nung tiuniittelbnr  bevor  ku  stehen,  und  die  Kanzel  diente 
daen,  diese  Ansichten  im  Volke  nu  verbreiten.  Schatzger 
«rnrdc  um  diese  Zeit,  nach  Uiichmaun,  zum  Guardian  de^ 
Münchner  Franziskanerklosters  erwählt,  und  hielt  seinen 
Ordeuflbrildeni  thefilogische  Vorlesungen.  Das  Mflnchner 
Klimter  erfreute  sich  der  hesondem  Huld  des  Uofes  und  es 
kann  nicht  Wunder  nehmen,  dase  Schatzger  mit  den  Fürsten 
in  Berührung  kam.  im  Jahre  1512  wurde  Scliatzger,  ,der 
minduni  UrUder  sanct  Franziscusordens  von  der  Observanz 
bektor*.  nebst  Äventin  und  einem  Freisinger  Domherrn  llsung 
nach  lugolstadt*)  von  dem  Herzoge  abgeschickt,  um  Streitig- 
keiten in  der  Artistenfakultät  beizulegen  und  deren  Be- 
schwerden entgegen  zu  nehmen.  Dass  Ilsung  die  Haupt- 
l>Kr«on  war.  kann  man  aus  einer  späteren  Eingabe  der 
Artistenfakultät  schlie&sen,  welche  beklagt,  dass  man  ihnen 
iSr  das  FrOhjalir  eine  Antwort  versprochen  habe,  dass  dann 
alwr  llsungs  anderweitige  Verwendung  &h  Gesandter  Ver- 
zögerung gebracht  habe:*)  immerhin  aber  zeigt,  uns  die  7m- 

1)  'mundum  fnifieiw'  sagt  Bachinann. 

21  I'rantI  (ieacbiehte  der  rnivervität  I),  150.  .\\a  »ubiiUgun 
Vumums  i-t  in  dem  herrojfiichen  Eriw!»   ..loliunn*   angeloben. 

31  franll  I,  128  läwt  diese  Uahnunjt  er-t  ftm  ö.  Okt.  eriblKen: 
itie  Üi^hrül  IriKl  imie-Pn  .Jrw  Dal.um  'Montag  TOr  Viti",  gahflrl  also 
10  Jani  1& 


400      Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  8.  November  1890. 

xiehuug  Schatzgers,  dass  derselbe  bereits  damals  sich  eines 
gewissen  Ansehens  auch  ausserhalb  des  Klosters  erfreut  haben 
Qiuss.  Schatzger  blieb  mit  Ingolstadt  auch  weiter  in  Ver- 
bindung. J.  Eck  druckte  in  seiner  Schrift  Chrysopassus 
1514  einen  aus  Ingolstadt  an  ihn  gerichteten  Brief  Schatsgers 
ab,  worin  dieser  ihn  in  überschwänglicher  Weise  verh^rlichte. 

Aus  dem  Jahre  1514  besitzen  wir  ein  bemerkenswerthes 
Gutachten  Schatzgers  über  die  Frage  der  Immonitat  der 
Klöster.  Dasselbe  knüpfte  an  einen  in  München  toi^^ 
kommenen  Fall  an.  Ein  friedlich  auf  der  Strasse  gehender 
Bürger  war  ermordet  worden.  Der  Mörder  hatte  sich  in 
das  Kloster  geflöchtet  und  die  Mönche  verweigerten,  gestützt 
auf  in  ähnlichen  Fällen  erflossene  juristische  Gutachten  und 
auf  eine  mit  der  Exkommunikation  drohende  päpstliche  Bulle, 
die  Auslieferung,  welche  von  der  Stadtbehörde  gefordert  und 
trotz  des  Widerstrebens  der  Mönche  mit  Anwendung  von 
Gewalt  durchgesetzt  wurde.  Da  es  sich  um  die  Verletzung 
eines  allgemeinen  Privilegs  handelte,  wollten  die  meisten 
Ordensleute  den  Papst  um  Hilfe  angehen;  aber  Schatzger 
rieth  ab:  Das  Privileg  sei  den  Mönchen  nur  schädlich,  nicht 
nützlich.  Sie  kämen  in  den  Ruf,  die  Verbrecher  zu  schützen, 
würden  gehasst  von  der  weltliehen  Behörde,  die  durch  sie 
an  der  Bestrafung  der  Verbrecher  gehindert  werde.  Zu- 
weilen, wie  grade  in  diesem  Falle,  kämen  die  Mönche  so  in 
den  Mund  der  Leute  im  ganzen  Lande.  Dass  Schatzger  zu  dem 
Ergebniss  gelangte,  man  möge  dieses  Privileg  nicht  zu  ver- 
theidigen  suchen,  ist  jedenfalls  beachtenswerth ;  obschon  wir 
nicht  entscheiden  können,  ob  dieses  Ergebniss  der  Selb- 
ständigkeit seines  Geistes  oder  vielleicht  dem  Einflüsse  des 
Hofes  zuzuschreiben  ist. 

Bis  1514  hat  Schatzger  sich  vorzugsweise  dem  Unter- 
rieht  und    der  Predigt   gewidmet;    aus    dieser    früheren   Zeit 


1)  Das  Gutachten  steht  Chu.  18983  f.  137. 


V.  Druff el:  Kaspar  Schatzger,  401 

stammen  wohl  die  meisten  Predigten  für  die  Advents-  und 
Fastenzeit,  welche  uns  nur  handschriftlich  im  C.  Lat.  Monac. 
7803  aufbewahrt  sind.  Eine  andere  gleichfalls  der  älteren 
Zeit  angehörige  Schrift,  die  «Formula  —  auch  Normula  — 
perfectae  vitae*  schliesst  in  den  gesammten  Werken  den  Band 
ab.  Hier  wird  sie  für  bis  dahin  ungedruckt  ausgegeben, 
was  nicht  richtig  ist,  da  ein  Antwerpener  Druck  aus  dem 
Jahre  1534  vorhanden  ist.  Die  Abfassungszeit  ist  leider 
nicht  genau  festzustellen.  In  den  gesammelten  Werken  wird 
das  Jahr  1501  angegeben,  damals  habe  Schatiger  das  Werk 
herausgegeben  (primo  ab  eo  aeditus),  und  es  cuidam  Bene- 
dictini  ordinis  abbati  coenobii  Tegemseensis  dedicirt.  Der 
Name  dieses  Abtes  —  Heinrich  —  ist  in  der  Handschrift 
Clm.  18505  in  einer  Kandnotiz  angegeben,  hier  aber  fehlt 
die  Bezeichnung  des  Jahres.  Der  Abt  Heinrich  Kurzer 
resignirte  1512,  nachdem  er  vom  Jahre  1500  an  regiert 
hatte  und  übernahm  erst  nach  Schatzgers  Tode  1528  zum 
zweiten  Male  die  Abtwürde.  Der  Inhalt  zeichnet  sich  vor 
den  zahlreichen  ähnlichen  Werken,  welche  am  Schlüsse  des 
15.  Jahrhunderts  von  Franziskanern  herausgegeben,  nicht 
wesentlich  aus.  Vielleicht  könnte  die  14.  Regel  hervor- 
gehoben werden,  worin  äussere  Werkheiligkeit  als  bedenklich 
bezeichnet  und  stets  die  Unterwerfung  unter  des  Prälaten 
Meinung  als  das  l)este  empfohlen  wird,  und  Regel  20,  worin 
die  hl.  Schrift  der  Sonne,  das  kanonische  Recht  dem  Monde, 
die  übrigen  kirchlichen  Schriftsteller  den  Sternen  verschie- 
dener Leuchtkraft  verglichen  werden,  wobei  von  den  Neueren 
Bonaventura  begreiflicher  Weise  besonders  empfohlen  wird. 
Das  Jahr  1514  brachte  eine  wesentliche  Veränderung 
in  Schatzgers  Stellung.  Er  wurde  zum  Provincial  der  Ober- 
deutschen, der  Strassburger  Provinz  erwählt.  Es  war  seine 
Au%abe,  die  Klöster  der  Franziskaner  von  der  Observanz, 
und  auch  die  Klarissenklöster  in  seiner  ausgedehnten  Provinz 
zu   bereisen.     Als  Gehülfen    hiebei   erwählte   sich  Schatzger 


41)2 


.  N"---- 


i]i>ii  ilainiiligen  üimi-rlinn  von  Pforztieiiii  Konrud  Pellikmi. 
nelclier  in  »einer  Chronik  uns  über  diese  Rei^^ejahre  berichtet..') 

Bei  Uelfgentaeit  einer  dieser  Reisen  wnrde  der  Franzis- 
kaiierkonvcnt  zu  Freilnirg  i.  Br.  durch  Suhatzger  mit  einer 
päpatlichen  Bulle  flberrumpelt,*)  welche  die  Annuhme  der 
Obaervan/.  forderte;  in  den  vorhergehenden  Jahren  waren 
widersprerhende  Entscheid ungen  von  Koni  ergangen,  du» 
eine  Mal  die  Observan«  vorgeschrieben,  dann  nnter  Androh- 
ung des  Bannes  Rückgabe  des  Klosters  an  die  Konventnalen 
angeordnet  worden,  .letj-t  wurden  die  ^äiumtlichen  Bnlder 
auHgetrielien,  der  Convent  eintach  von  den  Ubserviint^n  in 
AHsfiihnmg  päpstlicher  und  kai-erlicher  Befehle  unter  Bei- 
hflife  der  Stadtbehörde  m   Besitz  genommen.*) 

■Schnt:qj;er  betheiligle  sich  •ainiit  persönlich  an  dem  Ver- 
nichtungskriege, welchen  die  einer  strengeren  Antfaaning 
des  Armnthf^elOhdes  huldigenden  Observanten  gegen  die 
Kunventualen  fßhrten,  welche  ihrerseits  Hieb  selbst  als  dis 
eigentlichen  Sohue  des  hl.  Franziskus  bezeichneten,  deetseii 
Regel  von  jenen  durch  erschlichene  p&pstliche  Bullen  gv- 
tUlscht  wurden  oei.  üiesem  Kampfe  widmete  Scbatzger  auch 
die  erste  Schrift,  welche  er  drucken  liesä.  Auf  der  ROck- 
reise  von  dem  tieneralkapitel  der  Observanten  diesseits  der 
Alpen,  welches  im  Jahre  ISlIi  zu  Ronen  abgehalten  wurde, 
erhielt  er  in  Pontoii<e  eine  ätreitschrift  de«  Ministerä  der 
Konventnalen  der  Französischen  Fnivinx  Bontfacins  de  Cava, 
eines  geborenen  Italieners,  zur  Hand,  welche  ihn  veranlasste, 
die  Fetier  zu  ergreifen.  In  äusserst  lebhaftem  Tone  bekämpft 
Hchatzger  die  Au^fiihrungen  des  Minonten,  der  in  üeinem  zu 


1)  B.  Hijtfienbui'h  Du«  Cliromhim  dt'«  Konriul  Ppiliktui. 
liiisel  1877. 

2)  Vgl.  KiggenbAi^li  S.  M  iini)  suili  Kvhe]  Gettbichte  da 
i>li«rileut*eheii  Mtnoritonproviiii  ij,  377,  der  leider  die  twi«ohea  den 
Parteien  KewecfaBelten  8treiUuhrifI«n  nichl  lienutst  W. 

8}  i.lirDnikfln  .-4.  hO. 


l'uris  löll  erachietmneti  Werke  'Kirmanieota  triiiiu  urdinuiii 
Krancwci"')  und  ueuenlings  in  iler  an  das  LaterAii™ncil  [ge- 
richteten Schrift  'Defense rill m')  cliicidativiini  Obäervantiai> 
reguliiriR  Iriitrutu  Minorum'  »einerseits  die  Ansprüche  der  Ob- 
Hervunü  auf  die  Unterwerfung  der  Konventuulenklöster  sübarf 
;(iirückgewiesen  hatte.  Ks  blieb  nicht  bei  dem  blossen  Streite 
der  veriichiedenen  Theorien.  Beide  Parteien  wandten  »ich 
an  den  jugendlichen  Erzherzog  Karl,  damit  dieser  «eitie  Hand 
biete  »ur  Unterdrückung  der  gegnerischen  Ansicht  mit  Hülfe 
de«  Papstes  und  des  Concils:  BonifaK  hatte  von  dem  Forsten 
die  Kllckgul>e  des  von  den  Observanten  ein  genommenen 
KonventA  zu  Brügge  erbeten,  und  wir  hören,  dass  Karl  die 
Obnervanten  hindert«,  gegen  demselben  die  Exkommunikation 
in  Anwendung  zu  bringen,  wenngleich  Bonifaz  andererseits 
klagt,  daa8  der  Kath  KarU  fllr  die  Betrügereien  der  Obser- 
vanten kein  Auge  zu  haben  scheine.  In  Karls  und  seineri 
UaUies  Gegenwart  fand  eine  Verhandhing  der  persönlich  er- 
nühii^ueiieii  Ordenwobern  lieider  Parteien  statt.  Es  war  fast 
das  erste  öffentliche  Auftreten  de^  eben  dem  Knabenalter 
entwachsenden  Fürsten.  Er  vermochte  eben  so  wenig  eine 
Verntändigiing  herbei/.ufflhren,  als  die  Befehle  Leo's  X.  nud 
seines  Lateran eoncils,  obgleich  vorher  dessen  Urtheü  von 
beiden  streitenden  Parteien  aU  verbindlieb  anerkannt  worden 
war.  Öcbatzgers  .Apologia  Status  fiatrum  ordinia  minorum 
de  ubservantia*   schliesst  denn  auch  mit  dem  Vorwurfe,  dass 


1)  In  <ien  mir  «ugäDglicbun  Exemplaren  iler  hieniitun  ätaaln- 
wie  der  tTuIvereitätetiibliothek  ist  Fol.  112  — 1.'')2  iiungesolinitten;  nun 
d«n  InbttlUrKneichnisit  ibI  r,u  fneljen,  daag  dort  ricie  Vertbeidigung 
WUhplniH  von  Ockatu  uod  seiner  (EenosBcn  gegrn  Johuin  \XI1.  ge- 
«tnndcn  bat.  Sehr  bouchlennwcrth  eind  auch  die  Scrmooes  ijuadra- 
geaiinale*  und  dos  Üpo»  de  perSwtioae  chriatiaaa,  welche*  L'«*» 
lierauagab. 

Ut  N'M-h  Hef«le->terttenrÖther  VIII.  7«7  wird  NivmnnrI  ..linrn, 
wie   die  l>ingi!    in   Wirkliihlieil    »erlielnn.     Uevu   •chri-il-l   im    llrfun- 


L 


404       Sitzung  der  historutchen  Classe  vom  8.  November  1890. 

seiu  Gegner  die  Autorität  des  Papstes  geringschätze.^)  Die 
beiden  Streitschriften  bieten  reiche  Belehrung  über  die  vor 
der  Reformation  in  den  Klöstern  herrschenden  Zustande. 
Man  könnte  auf  den  Gedanken  kommen,  für  die  schärfsten 
protestantischen  Angriffe  gegen  die  Mönche  hätten  die 
Schriften  jener  beiden  Ordensvorstände  als  Vorlage  gedient. 
Schatzger  vollendete  seine  Schrift  gegen  fionifaz  in 
Basel  im  August  1516.  In  dieser  Stadt  gab  er  seinem  Ge- 
nossen Pellikan  Erlaubniss,  noch  einige  Zeit  zu  verweilen, 
um  die  Drucklegung  der  Amorbachschen  Bibel  zu  beauf- 
sichtigen. Er  selbst  setzte  inzwischen  seine  Reise  durch 
Oberdeutschland  fort.  In  Ulm,  wo  Pellikan  wieder  zu  ihm 
stiess,  erreichte  ihn  ein  päpstlicher  Befehl,  welcher  für  das 
nächste  Pfingstfest  ein  Generalkapitel  sämmtlicher  Minoriten, 
der  Observanten  wie  der  Konventualen,  nach  Rom  berief. 
Nachdem  im  Januar  auf  einer  Versammlung  zu  Pfortzheim 
zum   Vertreter   der   Strassburger   Provinz   noch   der   frßhere 


8orium  a  2:  'Obtulerunt  itaque  principi  serenissimo  fortassis  praece- 
dentibus  inauditam  seculis  iniustissiinam  in  scriptis  petitioneiu,  vide- 
licet  ut  ad  sedandas  fratrum  discordias  peteret  ab  sanctissimo  domino 
noatro  cogi  fratres  regulam  aub  ministris  observantes  ad  obedientiam 
vicarionira  subeundam  dividique  provinciam  contra  morem  antiquum 
et  hactenus  observatura.  Post  haec  in  conspectu  illu8tris»imi  prin- 
cipis  convocati  adversa  pars  et  ego,  praeHentibus  illustrissimis  doroinis 
Philippe  de  Ravestain  in  patria  Clevensi  duce,  Carolo  de  Croy  prin- 
cipe Chimiacensi,  Guillermo  de  Croy  domino  de  Chievres,  aliisque 
plurimis  dominis  et  consiliariis  eiusdem  principis,  declarato  per  os 
honorandi  domini  Joannis  Silvestris  utriusque  juris  doctoris  et  prin- 
cipis ilhistrissimi  cuncellarii  eiusdem  principis  ad  noHtri  ordinis  unio* 
nem  et  paceni  desiderio*  habe  er  den  Observanten  ein  grosses  Blatt 
überreicht  mit  dem  Anerbieten  'obligent  se  ad  observantiam  regulae 
secundum  intentionem  expressani  beati  Francisci,  ubi  purius  ab  sacro 
concilio  fuerit  iudicata'  aber  die  Observanten  hätten  die  Reform  ihren 
Vikaren  vorbehalten  wollen. 

1)  Cum   enim    religiosus   obligatus    sit   secundum    regulam    suo 
regulari  obedire  praelato,   numquid  summus  pontifex   sibi  praelatum 


.   Jiruffrl:    Kanpar  SrhiH:!)/ 


405 


l'nivintial  und  joUige  QoaHian  2ii  NOrnberg,  Jahatin  Maohs- 
eisen,  erwählt  worfle«  war,  lieft"''  '^'ch  ^^chatzj^er  im  MUra 
1517  von  Bii«el  aus  nul'  die  Reise  iinch  H'.ni.  Bei  dein 
GeiM^ralkapite)  wurde  die  gf^wüu»<chte  t^iiuKung  nicht  erzielt, 
vielmehr  jetzt  die  Trennung  im  Orden,  wie  Tschaniser ') 
richtig  Lerv'>rlii*bt,  ili>ch  vpr.'scliiirft.  Ein  minister  (generalis, 
den  üW'rvunte»  nngeliörig.  sollte  an  der  Spitze  aller  Franzis- 
kaner stellen,  aber  den  Konventualen  blieb  die  Wahl  einm 
iiiagi«ter  generulis  venttnttet,  und  dem  von  ilies<!n  Erwilhlten 
gab  Leti  gleich  Diapeas  von  der  eben  neu  angeordneten  Ein- 
holnng  der  Bestätigung  durch  den  Minister  der  Observanten. 
Dtirlei  einander  widersprechende  Erlasse  waren  nnr  xn  oft 
das  Ergebnis»  gemeiner  Bestechnng:  auch  in  diesem  Falle 
nannte  man  hohe  Summen,  welche  die  Observanten  anf- 
gewHinlt  haben  sollten.^)  DasK  aber,  wenn  dies  nicht  bloM^ 
schnöde  Verleumdung  ist,  8chatzger  hierbei    nicht  betheiligt 


nMignare  poteHt,  iiDiii(|iiii1  papn  ministriini  poteitt  ile)ioiiere  et  uliuni 
caasülaer»,  i^uliditociu«  praecipere  ut  illl  qaem  coii»ti[nit  tamqaani 
Mtio  rvgulnri  obediat  praelato,  Si  hoii  nega^.  «icut.  »imilia  poaeti  de 
antnino  neftasli  ponliÜiM'.  ut  in  auperioribu»  profuBJUH  est  dednctam. 
□Dmum  Bii<'t«ritati.'m  super  nrilineni  fnitriim  niinorum  n  'tumnia  tollis 
pontificc.  nif  Si'hliiiitifol|{emnK  i^t  wohl  nkht  abmilebnen:  nber  Kur 
Xnit  ilei  LaUrnnkoni^iU  w»r  eben  die  Macht  des  Papi^les  noch  oichl 
■o  Ant  begründet,  daw  die  KoDventnalen  jjeiifithiKt  jfeweRen  wSren, 
aufa  Won  EU  gehorchen.  Ihnen  erschien  der  Anvpnioh  de« 
:  Venündigang  an  der  von  Oott  «elbtit  hcrrührRnden 
j  »\e  rechtfertigten  ihren  Wideretand  mit  dem  Rin- 
i;.  XII.  9.  1.  Die  von  Wadding  verzeichnete  Antwort 
mifiwiu«  aof  ScIintxgerH  Apologia  liegt  mir  nicht  vor. 
)  AanalB«  der  KaaifDaeren  zu  Thann  11,  3. 
I  Vergl.  OeTeiuorium  ttlDcidativDm:  Hü  nihilomiiiu!  aperte 
intur,  i]ui  pul>Iica  in  lermone  miilta  milia  nn  pro  noKtriir  con- 
veatibui  ctpcnauroi  ilixenitit.  c  S;  viilgarie  cnim  est  rumor,  ens  in- 
I  etfudinw  pei-nnium  pro  noitri  conventns  Urageiuiia  adeptione 
t  pro  nura«  buiiiii.  iiiam  [irtunt..  pmvinciiie  üonsecutinne,  li  2. 
1  8.  02. 


406      Sitzung  der  lUstonschen  (Ututae  wni  8.  Nncemher  1690. 

war,  darf  man  aus  Pellikans  Aufzeichnung  folgern,  wonach 
jedenfalls  aus  Deutsehland  bei  dieser  Gelegenheit  kein  Geld 
in  die  päpstlichen  Kassen  gelangt  ist. 

Mit  der  Rückkunft  in  die  Heimath  lief  das  Vikariat 
Schatzgers  ab  und  er  trat  für  die  nächsten  drei  Jahre  wieder 
in  die  bescheidenere  Stellung  eines  Guardians  des  Nfirn  berger 
Klasters  zurück. 

Während  dieser  Zeit  erfolgte  das  Auftreten  Luthers. 
Dass  Schatzger  sich  gleich  auf  die  Seite  der  Gegner  stellte, 
wird  man  vielleicht  daraus  schliessen  wollen,  dass  ihm  J.  Eck 
am  2.  September  1519  die  Streitschrift  gegen  Luther  widmete, 
welche  unter  dem  Titel  „Expurgatio**  erschien,  Thi  Wiede- 
mann,  Johann  Eck  Nr.  XXIV.  Leider  ist  diese  Schrift  mir 
unzugänglich,  schon  Löscher  war  nicht  im  Stande,  sie  auf- 
zutreiben. Wir  wissen  ferner,  dass  Schatzger  von  dieser 
Zeit  her  bei  den  Klarissen  und  ihrer  Oberin  Charitas  Pirk- 
heimer  in  gutem  Andenken  und  in  freundschaftlicher  Verbind- 
ung mit  ihnen  geblieben  ist.^)  Im  Jahre  1520  wurde  er  auf 
dem  Kapitel  zu  Amberg  von  etwa  120  anwesenden  Vertretern 
der  verschiedenen  Klöster  aufs  Neue  zum  Provincial  der 
oberdeutschen  Ordensprovinz  gewählt.  Schatzger  wollte  mit 
Pellikanus,  dem  gewählten  Vertreter,  an  dem  Generalkapitel 
zu  Carpi  theilnehmen,  aber  Pellikan  blieb  aus,  durch  Bau- 
sorgen in  dem  Basler  Konvent  gehindert,  an  seine  Stelle 
trat  Schatzgers  Sekretär.  Wir  hören,  dass  der  Spanische 
Provincial  Franziskas  de  Angelis  über  mancherlei  Aender- 
nngen  im  Orden  mit  Pellikan  verhandelt  hatte,  welche  er 
auf  dem  Kapitel  zu  Carpi  zur  Sprache  bringen  wollte; 
Pellikan  erzählt  uns  nichts  näheres,  sondern  nur,  däss  diese 
Dinge  auch  noch   das  folgende  Generalkapitel   beschäftigten. 


1)  Vgl.  Binder  Charitas  Pirkheimer  S.  40 fg.  Den  von  Binder 
angeführton  Ausspruch  Schatzgers  fU>er  Nürnberg  habe  ich  nicht 
j^efnnd»»n. 


,   l>,;i/r<l:    Ko.,, 


41»; 


ktire  IS22  wurde  An,nu  SchatÄiier  bei  einem  Fnmncinl- 
:1,   itaA   KU   Iieonberg   in   Schwaben    abgeb alten    wurde. 
infithiKt,   ^ch  niil    der  LuMiPrisuhen   AngeleKenhpit   ■/.»  Iw- 
.«ciiMftigen .      Ellen    Hein    Freund    Pellikaii,    der    Guardian    tu 
Ba««l,  wurde  aia  Anhänger  Luthers  verdächtigt  und  naancbe 
forderten,  da»!*  i-r.  weil  exkoiunitmicirt,  zu  den  Berathuugen  j 
nicht  zugelassen  werden  solle.     Unter  dem   Vorsitze  Schatz- 
gers  n«hni  man   indessen  die  Einrede  Pellikana  wohlwollend  ] 
entge^n.  daxs  er  von  einer  ExkunimunikatinQ  keiniv  Kennt- 
nis   liabp,    kein    (tUpatlicbBä   Dekret  ihm    je  zu  Ocu^ichtc  ge-  I 
k<»mmen  »ei,  und  er  auf  das  blosse  Oeriicht  bin  die  Fürder- 
uug  der  Luthunachen  Büi'lier  aufgegeben,  sich  nur  mehr  um   i 
die    nicht   verurtbeiltou,    wie  z.  B.  die  Paalmenausgabe,   be-  < 
Vßmmert  hiibi^.     Es  widerspricht    dies  nicht   einem  späteren 
Briete  Pellikang:    daa&ch    Üasserte   sich   aber   Pellikan    noch 
weiter   ober   den  Wertb    der  Lutherischen   Schriften   dahin, 
das»  er  darin  manches  nicht  verstehe,  einiges  billige,  anderes   ' 
aber   tadele;    rr   le>ie   auch    tleissig,    was   gegen   Lutlier   er-   < 
Ncbeine  nmi  habe  ein  Buch  deü  Schatzgers  zum  Drucke  he* 
ßirdurt,    damit   die  < )r(ten3geno.4fien    wUssten,    waa    man    von 
Luthers  Schriften  zu  halten  habe.    Pellikan  wurde  daraufhin 
laitsun    und   aetzte.    wie    er    erzählt,   mit   Schatzgjer   zu- 
i«D  durch,  iliv^  von  einem  allgemeinen  Verbot,  Luther-   | 
Schriften   zu  lesen,    abgesehen    wurde;    man   nahm  die 
irten  Brüder,  besonders  die  Prediger,  davon  aus,  mit  der   1 
Be|^[rtliulnng ,     du»    ilteaelhen    die    BUcher    vielmehr    eifrig  \ 
li«rep  mU^t^-'U,    um  die  darin  enthaltenen  Irrthdmer,    die  j 
iflV  gegen  die  kanonischen  Schriften  und  die  Wahrheit 
ikzuweisen. 

Oiese  Entscheidung    war   nicht    nach    dem    Sinne    der- 

welche   am    lietnten  den  ketzerischen  Wittenberger 

ler  den   [-'lanimen  überliefert  hätten.     Uaa  i 

RrgebnisH  war.  dnss  die  L»bre  Lutlier«.  ind«m  | 

nnd    Licht   gfwührtf,    sirh    in    Pulge   ilea 


Luthe 


408      Sitzung  der  KisttorMhen  CloMse  rom  8.  Noremher  1890, 

weiter  ausbreitete,  mochte  aneh  dem  Wortlaute  nach  eher  Kampi 
gegen  die  neue  Lehre  in  Aassicht  genommen  sein.  Es  entsprach 
ein  solches  Vorgehen  der  Art  Schatzgers,  der  uns  als  ein  ver- 
söhnlicher und  milder  Mann  selbst  von  seinen  G^^em  im 
Orden  geschildert  wird.  Auch  im  Jahre  1523,  als  die  Eiferer 
ihn  an&  neue  antrieben  gegen  Pellikan  und  seine  Ge- 
nossen einzuschreiten,  weil  diese  bei  der  Drucklegung  Luther- 
ischer Schriften  in  Basel  thätig  waren,  ging  Schatzger  nur 
vorsichtig  und  zögernd  ans  Werk.  Die  Angebereien  der 
Professoren  und  Kanoniker  zu  Basel  bestimmten  ihn  zwar, 
Pellikan  und  noch  zwei  andere  Brüder  zu  versetzen,  indessen, 
wie  Pellikan  sagt,  sollte  dieser  Ortswechsel  in  durchaus 
ehrenvoller  Weise  stattfinden.  Doch  auch  hiermit  drang  er 
nicht  durch.  Der  Elath  von  Basel  legte  sich  ins  Mittel, 
drohte  die  Verjagung  aller  Minoriten  an,  falls  jene  drei,  gut- 
willig oder  widerwillig,  Basel  verlassen  würden.  Schatzger 
wurde,  nachdem  er  vergeblich  vor  dem  versammelten  Rathe 
die  Versetzung  zu  rechtfertigen  versucht  hatte,  aufgefordert, 
die  Stadt  zu  verlassen. 

Nach  dem  RathsprotokoU  soll  Schatzger  vor  versam- 
meltem Rath  erklärt  haben,  es  sei  nicht  gut,  dass  ein  Pre- 
diger stets  die  Wahrheit  sage,  zuweilen  müsse  man  darin 
vorsichtig  sein,  damit  der  gemeine  Mann  im  Zaume  gehalten 
werden  könne.  Pellikan  in  seinem  ausführlichen  Bericht 
erzählt  davon  nichts.  Er  meldet  aber,  dass  nach  jener 
üflTentlichen  Verhandlung  Schatzger  sich  ihm  gegenüber 
unter  vier  Augen  über  die  geringschätzige  Behandlung  be- 
klagte, welche  ihm  von  dem  Rathe  sowohl  als  von  den  un- 
gehorsamen Mönchen  zu  Theil  geworden  sei;  Pellikan  selbst 
will  unter  Betheuerung  seines  Gehorsams  gegen  den  Pro- 
vincial  sich  nur  über  seine  Ankläger  abfallig  ausgesprochen 
haben,  denen  man  allzu  leicht  Glauben  geschenkt  habe.  Am 
folgenden  Tage  hielt  dann  Schatzger  eine  Ansprache  an  die 
versammelten    Brüder,    worin   er   zum   Frieden    mahnte,   auf 


.   Thuffel:    Katjirir  Schattger. 


409 


uiinmiaHe  hinwies,  welche  er  )>ei  Ansdbiing  setues  Amtes 
|Hen  habe  und  auf  das  künftige  ['roviDcialktipit«!  die 
-  Wrhandlung  verschob:  schliesslich  beim  Fortgehen 
nii)^  «r  zu  Pellikati:  Du  bist  iiichl,  uielir  mein,  sondern 
des  Rstha  Guardian,  woj^egen  dieser  ihm  in  Ffissen  fallend 
betheuerte,  er  wolle  f^ehorsam  sein,  wenb  der  Provincial  die 
Falgen  auf  »ich  nehmL-n  wolle.  Darauf  reiste  Schat^ger  ab, 
oUnt'  ein  entscheidendem  Wort  zu  sprechen. 

Hei  dem  im  August  1523  stattfindenden  Kapitel  wurde 
Scbatzger  von  der  Last  des  Provincialata  befreit  und  blieb 
die  ihm  noch  vergönnten  4  Jahre  seintfs  Lebens  meist  iu 
Manchen  als  Guardian  der^  Klosters:  die  Hufleute  jiäegteu 
ihn,  da  er  stets  um  h  Ohr  celebrirte,  den  FrUbmesaer  de» 
den  Franziskanern  überhaupt  geneigten  Herzog»  Wilhelm  zu 
nennen.  Er  wusste  diesen  zu  bestimmen,  den  König  Ferdi- 
nand nra  seine  Verwendung  im  Interesse  der  von  dem  Nilrn- 
Iterger  Itath  bedrängten  Barftis«ermönch«  und  der  Clorissinnen 
anzugehen.')  Ala  Schatzger  an  der  Wassersucht  erkrankte, 
verlangte  er  besonders  die  hJ,  Oelung  zu  empfangen  und 
xwAT,  wie  sein  Biograph  sagt,  aus  dem  Grunde,  damit  seine 
Gegner  nicht  ihm  nachsagen  könnten,  er  habe  nichts  davon 
gehalten,*)  eine  Besorgniss,  welche  nach  dem,  was  wir  Über 
Schatzge«  kircbliohe  Haltung  wissen,  Verwunderung  erregen 
Diuas.  Am  Schreibtisch  sitzend,  starb  Schatzger  am  IS.  Sep- 
tember, am  Tage  nach  dem  Feste  der  Stigmata  de«  hl.  Fran- 
Ki^ku»,  wie  der  Biograph  hervorhebt. 

I'ellikan   schildert   uns  Schatzger   als  einen  nicht    hIo«5 


1)  VkI.  Binder  S.  182.  (<reider>ir  ISjuiL  dün  Sthat/ger  auf  einom 
Kapitel  .Bqrjjtüisi*  (burKXu  odar  BrIlKI?<<'')  ^"i"  Inquisitor  gegen 
blllher«  Atilt&PKeT  .pneKirtim  ordiaü  noatri*  ernnnnt  werdea.  DJp 
Quelle  dieoer  NacUriclit  kenne  ich  nicht. 

'i)  obuiit  jieUin»  divina  lilti  udminiiitnu-i  nucnunentA,  ^raenertiui 
I  exiceniav.  dk  ea  n^glcclo  ftdtBrsurii  "ni  i]>»iini.  tmiiiiUciiii 
B  eü  ■nnaiiiict,  ioculiiaro  [waaenl.. 


■.•phlluL 


1  US. 


410      Sitzung  der  historisdten  Classe  rrm  8.  November  1890. 

gelehrten,  sondern  auch  aufgeklärten  —  minime  super- 
stitiosae  fidei  —  und  wohlwollenden  Mann,  welchem  er  selbst 
in  Liebe  und  Verehrung  anhing.  Und  nicht  allein  der 
frühere  Vertraute  urtheilt  in  dieser  Weise,  sondern  auch 
Eberlin  von  Günzburg  lobt  Schatzger  im  Gegensatz  zu  Eck, 
Faber  und  Mumer  als  einen  Mann,  der  ehrlich  nach  seiner 
Ueberzeugung  handle,  die  Pflichten,  welche  der  Ordensstand 
ihm  auflege,  gewissenhaft  selbst  erfülle.  Kilian  Leib  spricht 
sich  ebenfalls  lobend  über  Schatzger  aus  auf  Grund  persön- 
licher Bekanntschaft.^)  Eberlin  bezeichnet  ihn  als  ziemlich 
den  besten  unter  allen  Barfüssem  und  begegnet  sich  in 
diesem  Urtheil  mit  dem  Herausgeber  der  Schriften  Schatzgers 
Bachmann,  welcher  hervorhebt,  er  habe  nicht  jenen  Mönchen 
geglichen,  welche  äusserlich  wie  ein  Cato,  insgeheim  aber 
wie  ein  Sardanapal  lebten.^)  Aber  wenn  auch  aus  Eberlins 
Worten  deutlich  hervorgeht,  dass  der  Ruf  Schatzgers  als 
eines   gewissenhaften  Mönchs  nicht  anzutasten  war,   so  hin- 


1)  A  retin  Beyträge  zur  Geschichte  IX,  1026. 

2)  non,  inquam,  eorum  raore  faciebat  qui  foris  sunt  Cathones, 
intus  Sardanapali.  Es  ist  ein  Observant,  der  Schatzger  mit  diesen 
Worten  zu  den  andern  Mönchen  in  Gegensatz  stellt.  Der  Konventuale 
Uonifacius  de  Ceva  schreibt  über  die  Observanten: 

,Non  mihi  videntur  'observantes*  recte  dici  nonnulli  crapulosi 
et  idiotae  fratres,  nulla  spiritus  acutie,  nulla  scientia,  nulla  devotione 
praediti.  qui  solis  quaestibus  inhiant  ventrique  parent,  existimantes 
—  secundum  apostolum  —  questum  pietatem,  et  ventrem  connti- 
tuentes  Deum.  Orationi  nunquam  vel  raro,  coinessationi  vero  et 
hauriendis  calicibuH  crebro  instantes,  ecclesiam  niulto  minus  quam 
coquinam  et  oppidum  frequentantes  .  .  .  non  ultra  progrediendum 
puto  in  his  quae  veram  religionem  attingunt.  Decipimur  cultu: 
siquidem  ob  exteriorem  cultum  plurimi  fratres  a  secularibus  vene- 
rantur  ut  sancti,  qui  multo  plu?  vacant  ventri  quam  devotioni.  Non 
despicio  fratrum  simplicitatem,  sed  non  laudo  asinitateni.  Profeeto 
vilescit  religio  repleta  trutannis,  piures  ob  corporalem  aümoniam 
quam  propter  sanctimoniam  habitum  religionis  assumunt:**  Defen- 
sorium  b  2. 


e.   Ihu/ffl:   Ka*jmr  Sehitisiifr. 


4U 


aei^  dieser  Umstand  ihn  iloch  nicht,  scharfe  AnKriHe  genen 
ün  sta  richten.  Eberlin  macht  sich  (iber  den  Schriftsteller 
Schata^er  laatiu-  der  zwar  viel  gelesen  habe,  bei  dem  es 
»her  an  der  recht«ii  Grundlage  fehle;  ferner  schreibt  er  riem- 
aelben  ((rossen  biigeiisinn  zu,  der  keinen  Widerspruch  dulde, 
nnd  meint,  dasa  durch  listige  Mönche  und  Nonnen,  welche 
ihn  gelobt  hätten,  um  von  ihm  Vortheile  »u  erlangen, 
Sclint/ger  iu  Keiner  Eitelkeit  sich  habe  bestimmen  lassen,  ali^ 
theotof^ischcr  Schriftsteller  nufstu treten,') 

Elferlin  spricht  von  der  ersten  Schrift,  welche  Hchatzj{er 
seit  jener  Streitschrift  in  Ordenssachen  zu  Basel  1522  dem 
Druck  fibergab,  von  dpm  .Scrutinium."  Pellikan  habe  den 
:i?chat?4[er  dadurch  für  »ich  zu  gewinnen  gewiisst,  da«s  er 
den  Druck  bei  Adam  Petri  vermittelte,  also  in  der  OffiEin, 
welche  auch  Luthers  Werke  herausgab.  In  der  Vorrede 
weidet  sich  Pellikan  an  den  Leser,  um  Schatzger  zu  rühmen, 
der  mehr  anf  die  zuverlässigen  Zeugnisse  der  Schrift  «ich 
bei  seiner  BeweiafUhrnng  stütze,  als  auf  menschliche  Grflnde 
und  Spitalindigkeiten.  Obgleich  in  des  Duns  Scotus  Schule 
truinich  ausgebildet,  habe  er  doch  nach  des  b).  Augustinus 
Betspiel  sich  lieber  der  müden  Redeweise  bedient,  und  in 
chrii^tticher  Liebe  seine  Sprache  gemässigt.  Es  wird  Schatzger 
zu  besonderem  Vordienst  angerechnet,  dass  er  sich  den 
Hprachstudieu  und  der  humanistischen  Literatur  trotx  seines 
hohen  Altjjr:*  noch  zugewandt  habe.  Die  Vorrede  des  Scru- 
tininm  trägt  Pelükan's  Nnme,  nach  Elierlin  stammt  sie  von 
Enumuit.  Schatzger  selbst  aber  beklagt  in  seiner  Einleitung, 
diws  in  jetziger  Zeit  allzu  viel  Gewicht  auf  die  Sprache  ge- 
legt werde,  imd  die  Polemik  oft  sich  selbst  Zweck  sei;  er 
r])ricbt  den  Wunsch  aun,  dass  die  Liebe  st«ts  die  Richt- 
aeiji   möge.     Wenn   man    rüe  Schrift   durchgeht,   .so 


I  KborlJD  V    liiUuborfT  'Mkb  wunilerl.  etc.'  D  2.     Vgl.  Kudl- 


412      SUeung  der  historiscken  ClasH  vom  B,  November  i890. 

wird  man  finden,  dass  Schatzger  allerdings  einen  Ton  an- 
schlug, welcher  sich  yortheilhaft  von  dem  damals  üblichen 
unterscheidet,  dagegen  vermag  ich  nicht  recht  einzusehen, 
dass  Schatzgers  Darstellung  sich  von  der  früheren  scholas- 
tischen Methode  wesentlich  unterscheiden  soll.  Unter  dem 
üblichen  Citatenschwall  führt  er  in  seinen  Conatus  und  In- 
dagines  die  Lehre  von  der  Gnade  und  der  Willensfreiheit, 
über  die  Verdienstlichkeit  der  guten  Werke,  über  das  Mess- 
opfer, Priesterthum  und  Gelübde  in  der  herkömmlichen  Weise 
aus,  nicht  ohne  polemische  Ausführungen  gegen  die  Neuerer, 
aber  unter  scharfer  Betonung  der  Nothwendigkeit  katho- 
lischer Einheit  nicht  bloss  in  Bezug  auf  Luther,  sondern 
auch  gegenüber  den  Streitigkeiten  zwischen  Thomisten  und 
Sectisten,  den  Anhängern  des  hl.  Augustinus  und  des  hl. 
Hieronymus. 

Eberlin  sprach  1524  die  Ansicht  aus,  die  Gelehrten 
würden  dem  Schatzger  nicht  antworten,  sondern  ihn  in  seinem 
Narrensinn  bleiben  lassen;  er  wusste  also  nicht,  dass  schon 
im  Jahre  vorher  1523  Joh.  Briesmann  im  Auftrage  Luthers 
eine  von  diesem  mit  einem  einleitenden  Briefe  versehene 
Schrift^)  veröffentlicht  hatte,  welche  sich  gegen  eine  zweite 
Arbeit  Schatzgers  „Replica"  wandte,  worin  Schatzger  Luthers 
Ansichten  angegriffen  hatte,  die  in  den  Schriften  über  die 
Mönchsgelübde  und  die  babylonische  Gefangenschaft  ent- 
wickelt waren.  Eine  Erweiterung  der  in  der  Replica  ge» 
gebenen  Ausführungen  unter  Rücksichtnahme  auf  die  in- 
zwischen veröffentlichten  Schriften  liegt  in  dem  „Examen 
novarum  doctrinarum"  vor,  welches  Schatzger  1523  in  Ulm 
erscheinen  liess.  In  schärfster  Weise  fährt  Schatzger  hier 
gegen  seine  Widersacher  los.  Schatzj^^er  hatte  seinen  Gegner 
allerdings    nicht    mit    Namen    genannt,    aber    das    lässt    die 

1)  Joannis  Briesmanni  ad  Casparis  Sohatzfreyri  Minoritae  plicaH 
responsio. 


,  DraffrV.    K^iKpnr  SchaUgrr. 


4U( 


peil  MeiiiHr  l'ubinJk  iiuUlrlicb  nicht  im  »iilder»u  Lichte 

»nen:  mau  versteht  uicht,   wie  in  der  Vorrede  Amera- 

'  'mi  von  Scbalsi^er  rtilimen  kann,  derselbe  lasse  sich  durch 
BcleidifiimKi^n  nicht  reiiwn.  verstumme  bei  Beschimpfungen 
und  zeichne  sich  durch  Milde  und  S&nftmiith  aus;  »eine 
Oegner  dbertraten  ihn  duun  aber  noch  au  UnhÖflichkett,  wus 
eigentlich  nicht  zu  verwundürn  ist.  da  jeder  von  seinem 
nacber  voriius8et7,te,  daaa  der  Satan  dessen  Feder  ge- 
t  liMbe. 

her  erwähnten,  nur  iu  lateinischer  Sprache  er- 
Shenen  Schriften  Scbatzgers  fanden,  wie  ans  den  wieder- 
hri[t«n  Auflagen  hervorgeht,  vieiaeitige  Auerhennung  und  so 
kann  v»  nicht  Wunder  nehmen,  dass  Scbatzger  allmählich 
darauf  bedacht  war,  sich  iiuter  Anwendung  der  deutschen 
üprsche  auch  an  weitere  Kreide  zu  wenden.  Die  kleine 
Schrift  ,De  cultii  et  veneratione  Sanctorum,*  zuerst  wohl 
noch  1522  gedruckt,  erschien  deutsch  1523,  und  dann  wieder 
Ut«iniKch  1524  iu  einer  sehr  vergrösserten  Ausgabe.  Das 
gleiche  Verhältnitis  wallet  ob  bei  den  Schriften  .De  vita 
chriatiana  et  monastici  instituti  .  .  .  quadratura'  und  ,yoti 
dem  waren  christlichen  Leben,  1524."  In  beiden  Testen 
findet  sich  eine  hitzige  Polemik  gegen  drei  .alluphiU,* 
deatitcb  .Boten,*  von  denen  der  zweite  und  dritte  mit  Sicher- 
hut auf  die  Ordensgenoswu  Schatzgers  Lambert  von  Avignon 
und  Eberlin  von  Gttnzburg  zu  deuten  ist,  während  unt«r 
dem  errteu  vielleicht  Heinrich  von  Kettenbach  zu  verstehen 
iat.  Dem  Th.  Billicanus,  welcher  in  seiner  Apologie  gegen 
Marstaller  auch  einen  Ausfall  auf  Schatzger  macht,  hat 
dmer,  ao  viel  ich  weiss,  uicht  erwidert.')    Auch  die  Schrift 

1)  Advenu«  iinipiwitiones    Leonardi  Murataüen  IngolBtadiensis 

(^uufuLatio  ThenbiLldi  ttilliciLni,  eucleBiiutiie,  d  3 :    ((uaniquam   conatus 

C  lulaerer«  äa^tteron  libello  i|UO<laiii  longe  miaerrimo,   in  qno  neque 

I  r^ikndur   uIIqk    neque   »rtiliciiim  neqiie    Verität    ineat.     [Vr 

k.oluiB  Ort  »cheinl  »m  der  Werkatält*  l'lrich  Morhart»  in  Tob- 


414      Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  8,  November  1890, 

^Von  der  waren  christlichen  und  evangelischen  Freiheit" 
lateinisch:  ,De  vera  libertate  evangelica*  erweist  sich  als 
deutsche  Uebersetzung,  wenn  man  den  Stil  ins  Auge  fasst. 
Es  bleibt  dabei  auffallend,  dass  die  Vorrede  des  Tübinger 
Professors  Johann  Amersford,  eines  Minoriten,  welcher  früher 
auch  das  ^EJxamen*  mit  einem  Vorwort  versehen  hatte,  in 
der  deutschen  Ausgabe  fehlt.  Die  Lehre  von  den  guten 
Werken,  welche  in  dieser  Schrift  gegeben  war,  führte  dann 
Schatzger  in  demselben  Jahre  1524  noch  in  einem  besonderen 
Buche  „Von  christlichen  Satzungen  und  Lehren*  weiter  aus 
und  vertheidigte  sie  gegen  erfolgte  Angriffe.  Gegen  die  noch 
1530  in  der  Gonfutatio  bekämpfte  Schrift  des  Pfarrers  zu 
Teuchern  Anton  Zimmermann,  wonach  Christus  vor  der  Auf- 
erstehung in  der  Hölle  gelitten,  erhob  sich  Schatzger  1526. 
„Vom  Fegfeuer*  handelte  Schatzger  1525,  femer  schrieb  er 
1525  deutsch  und  lateinisch  über  das  Messopfer.  Diese  Arbeit 
muss  indessen  wohl  noch  im  Jahre  1524  verfasst  sein,  denn 
bereits  vom  10.  März  1524  ist  eine  Ergänzung  zu  derselben 
datirt,  worin  die  Schrift  der  beiden  Pröpste  zu  Nürnberg 
„Grund  und  Ursach*  bekämpft  wird,  während  auf  Osiander 
schon  in  der  Hauptschrift  Rücksicht  genommen  war.  Osiander 
liess  dann  ,  Wider  Caspar  Schatzgeyer  Barfüsser-Münchs 
unchristlichs  Schreiben*    in  scharfem  Angriffstone   ein    Heft 


injjfen  zu  stammen.  Es  würde  die  Feststellung  desshalb  von  Interesse 
sein,  weil  der  Brief  an  Leonhard  von  Eck,  welchen  Marstaller  drucken 
liess,  da  er  dem  Billican  zu  antworten  verschmähte,  in  genau  dem 
gleichen  Exemplar,  welches  Marstaller  dem  Freisinger  Kanonikus 
Joh.  Bai  eigenhändig  widmete,  auch  der  von  Billican  dann  ver- 
öffentlichten „Apologia  Theobaldi  Bil  licani  ad  excusato-  riam  epi- 
stolani  Leonardi  Marstal-  leri  ad  Leonard.  Eckium  Equi.  Germa. 
De  libero  arbi-''rio  quaedam.  Epistola  „Mar-  stallen  ad  finem  ex- 
cussa,  beigegeben  ist.  Die  Seitenzahl  der  Marstal  lerschen  Epistel  ist 
selbstständig  gezählt.  Man  wird  sonach  für  wahrscheinlich  halten 
müssen,  dass  der  Drucker  nach  Ablieferung  der  bestellten  Exemplare 
an  Marstaller  auch  dessen  Gegner  zur  Verfügung  stand. 


.   llniffel:   A'cw/kic  SehtiUijer. 


-IIG 


erscheinen,  welcheä  eine  ErwidiTun^  fiind:  , Abwaschung  des 
Unflate  BO  Andreas  Oslander  dem  Gaispar  Schatzger  in  äpin 
Antlitz  gespiben  hat'  Au  diese«  Büchlein  reihte  mh  dann 
ehiQ  anonyme  Flugschrift  eines  aus  Baiern  gebürtigen  Nfini- 
bergara,')  der,  wie  er  sagt,  nur  des  Schatxgera  letzte,  nicht 
die  früheren  Schriften  gelesen  hatt«,  und  sich  von  Schatzger 
Jetxt  Aufklärung  Ober  eine  Anzahl  von  Fragen  erbat. 
Schatzger  that  dies  in  der  Schrift  .Ein  gietlicbe  und  freunt- 
lichfi  Antwort,' 

Noch  eiu  »iweiter  Anonymus,  der  aber  »ein  Inkoguitti 
weniger  wahrte,  trat  gegen  ächatxger  auf.  Es  ist  .Johann 
vwi  Seil  Warzen berg.  Gegen  dietien  den  gleichfalls  anonymen 
Hcntut«geber  der  .BeächwOrung  der  ulteu  teuflischen  Schlange 
mit  dem  göttlichen  Wort'  richtete  Schatzger  1525  seine 
.Furbaltung  'M  Artikel,  so  in  gegenwärtiger  Ver- 
wirrung auf  die  Bahn  gt^bracht  und  durch  einen 
neuen  Beschwörer  der  alten  Schlange  gerechtfertigt 
werden.'  Scbwarzenberg  wurde  auch  von  Schatzger  nicht 
aU  der  Verfasser  ausdrücklich  genannt,  aber  doch  so  be> 
zeicfanüt,  daas  man  nicht  darüber  im  Zweifel  sein  konnte. 
Die  Persönlichkeit  des  Verfassern,  d«8  frühereu  Hofmeisters 
bei  dffni  Bischof  von  Bamberg  ver:icliatlle  dem  Buche  eine 
besondere  Bedeutung  grade  am  Milnchiier  Hofe,  wo  Schatzger 
wirkt«.  Dort  war  der  Herzog  Wilhelm  zwar  ein  gewaltiger 
Waidmann,  beaass  aber  für  geistige  und  geistliche  Dinge 
wenig  Ver^tändniss.  Christof  Freiherr  von  Schwarzen  berg, 
der  Sohn  .lohanns,  hatte  als  Landhofmeister  eine  einfluasreiche 
Stellung.  Schatiger  bemitleidet  den  Verfiu«er,  welchen  er 
vor  Jahren  wohl  gekannt  habe,  derselbe  habe  seines  ehr- 
wUnligen  Allen»  und  seinen  früheren  Ansehens  und  guten 
LHumund»  nicht  geachtet  und  klug  gethan,  ilen  Namen  nicht 
zu   nennen.     Schatzger   sagt,   er  habe  dessen  Sohu  —  eben 


416      Sütung  der  historischen  Classe  vom  8,  November  1890. 

den  Hofmeister  Christof  —  gefragt,  ob  dieser  nicht  gegen 
seinen  Vater  die  Feder  ergreifen  wolle,  wozu  derselbe,  wie 
Schatzger  naiv  hinzusetzt,  durchaus  das  Zeug  habe.  Auf 
die  ablehnende  Antwort  hin  habe  er  selbst  dann  dieser  Auf- 
gabe sich  unterzogen,  ohne  dass  er  Ton  jenem  aufgefordert 
worden  sei:  auch  habe  jener  die  Schrift  nicht  zu  sehen  be- 
kommen, damit  eben  jeder  Anlass  zu  Missstimmung  zwischen 
Vater  und  Sohn  vermieden  werde.  Diese  Bedenken  waren 
jedesfalls  nicht  sehr  ernster  Art.  Als  Johann  von  Schwarzen- 
berg  eine  mir  unbekannte  Schrift  ,,von  der  Kirchendiener 
und  geistlichen  Personen  Ehe"  veröffentlichte,  schrieb  Christof 
an  Schatzger  einen  Brief,  worin  er  die  Veröffentlichung  des 
väterlichen  Werkes  beklagte  und  Schatzger  ersuchte,  wo 
möglich  nichts  dagegen  zu  schreiben,  man  dürfe  vermuthen, 
dass  Andere  an  dem  Werke  Antheil  hätten;  sollte  aber 
Schatzger  sich  doch  für  schuldig  erkennen,  dies  zu  thun,  so 
möge  er  in  solcher  Weise  söhreiben,  dass  man  erkenne,  wie 
nicht  Rachsucht,  sondern  nur  der  Eifer  für  die  Ehre  Qottes 
ihm  die  Feder  geführt  habe;  Schatzger  druckt  diesen  Brief 
ab  und  seine  Antwort  darauf.  Er  erklärt,  Schwarzenberg 
bekämpfen  zu  müssen,  weil  derselbe  unchristliche  Dinge  be- 
haupte, die  römische  Kirche  und  ihn  selbst  schmähe,  ja  er 
versichert,  er  wolle  ihm  den  adeligen  Titel  vorenthalten, 
weil  das  in  Glaubenssachen  nichts  austrage.  Man  wird  dem 
demokratischen  Freimuth  des  Barfüssers,  welcher  auch  dem 
Herrn  Landhofnieister  mit  dieser  Bemerkung  gewiss  keinen 
Gefallen  that,  Anerkennung  zollen. 

In  dem  Buche  „Traductio  Satanae"  hat  Schatzger  unter- 
nommen, diejenigen  katholischen  Lehren,  welche  damals  am 
heftigsten  bestritten  wurden,  zu  vertheidigen ;  er  will  den 
Satan,  welcher  sich  als  Engel  des  Lichts  ausgiebt,  mit  dem 
Lichte  der  göttlichen  Schrift  beleuchten  und  so  entlarven. 
Erst  nach  seinem  Tode,  1530,  wurde  das  ganze  Werk  ge- 
druckt,   zu  Schatzgers  Lebzeiten    erschienen    schon    vor  Mai 


I'.   Uruffel:    hiispitr  Sckiüi'jci 

1526,  die  ( 


tl7 


IÖ2fi,  nicht  »rst  1526,  die  ersten  vier  Kapit«!,  nnter  dem 
Titel:  ,Ain  WHrhuftige  Erklärung,  wie  sieh  Satrinft»  .  .  . 
erzaigt  unter  der  Ueüitalt  ein^  Eiigds  dcüt  Liekteü, '  Im 
(iasMin  Millte  ik'i  Work  20  ICaftitel  enthalten,  iiideieeu  hat 
Scbatzger  da»  19.  Kapitel,  gt'geii  Luthers  Schrift  De  serTu 
arbitrio  gerichtet,  unvollständig  hint«rlatisen,  dos  20.  über 
di«  Prädestination  gar  nicht  begonnen.  Wir  emehen  dies 
■ti8  d(*r  Bandscfarift;  gedruckt  wurden  l.'iSO  die  ernten  |l> 
und  da«  18.  Kapitel,  ferner  die  Kapilel  U — 17  aU  besonderes 
Bucli  1530  mit  dem  Titel  .ecclesiasticomm  aacramentorum 
pi*  .  .  .  assertio,"  nnd  die  Kapitel  5 — 9  im  .Ishre  1520 
deubtch  als  .Fünf  Titel  von  den  dreien  Gotttförmigen 
Tugenden.' 

Biiie  angeblich  za  Strassbui^  1523  erwhieneiie  deutsche 
äcbritl  Sohatv.gers  .Drei  Predigten  Über  das  äalfe  Regina,* 
mtlclie  Kubolt  anfuhrt,  habe  ich  niclit  geaeheu.  .anfänglich 
dacht«  ich.  es  kOnne  eine  Verwechf>Iung  mit  Ueorg  Hauer's 
,[lrei  Predigten"  vorliegen;  aber  Sebald  Heiden  wendet  sich 
in  «einer  Schrift  fiber  das  Salve  uusdritcklich  gegen  8chatz- 
gers  gedrnckte  Predigten,  so  kann  Kobolt  doch  recht  haben, 
itbHchou  nach  Will  und  ?>eltner  die  tv^hrift  Schatzgere  nicht 
existirt  haben  soll  —  worauf  midi  Dr.  Schnize  vom  Germ. 
Miiaeum  aufmerksam  macht«,  als  ich  dort  der  Schrift  unseres 
äcbittxger  riuclif ragte.  Pälse blich  wird  Schatjtger  df^fegeu 
»on  Th.  Wiudemann  Nr.  2.3  ein  Werk  .Pia  .  .  dominicae 
oratinni^  enarratio'  zugeBchrieben,  welcbeö  ebeiu  jüngeren 
SMciiHi.tc)ieti  Minoriteo  Säger  angehört,  und  Nr.  II  eine 
, Oittptilatio  IngoUtadii  1524.*  Diene  i.'tt  nicht«  anderes  aU 
die  Schrift  der  Universität  Ingolstadt,  worin  sie  zur  R«cht- 
fortigung  wegen  Seehofer'*  Verurtheilung  zu  einer  Dispu- 
tatitiD  einlnd.  Schnizgers  Name  kommt  durin  nicht  vor. 
In  beiden  Fällen  haben  irrige,  jetzt  richtig  gestellt«  Hin- 
im   Katalog   der   Münchner  St«atabibliotbek 


418      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  8.  November  1890. 

Handschriftlich  findet  sich  auf  dieser  Bibliothek  noch 
ein  M  Remediarius  tentationum*  und  «Directio  salubris  pro 
monasticis  personis*  Clm.  18505  und  18204,  und  deutsch 
15  Ermahnungen,  wie  man  sich  vor  Irrlehren  schützen  könne, 
Clm.  27153,  femer  lateinische  Ck)ncepte  zu  Predigten  in 
der  Adventszeit  über  den  Glauben,  in  der  Fastenzeit  über 
die  zehn  Gebote. 

Ueberblicken  wir  die  gesammte  schriftstellerische  Thätig- 
keit  des  Münchner  Franziskaners,  so  wird  man  wohl  manche 
seiner  Schriften  ihrem  Hauptinhalte  nach  als  unselbständige 
Wiederholungen  älterer,  besonders  minoritischer  Schriftsteller 
bezeichnen  dürfen.  Indessen,  wie  auch  Luther  in  seinem 
Briefe  an  Briesmann  andeutet,  folgte  Schatzger  doch  nicht 
unbedingt  und  gedankenlos  dem  Wege  seiner  Vorgänger; 
er  vermeidet  die  Häufung  von  Citaten  aus  späteren  Kirchen- 
lehrern, zieht  es  vor  Stellen  aus  der  hl.  Schrift  anzuführen, 
wobei  dieselben  allerdings,  aus  dem  Zusammenhang  gerissen, 
oft  in  sonderbarer  Weise  ak  Belege  verwerthet  werden.  In 
dieser  Beziehung  leisten  ja  auch  die  protestantischen  Gegner 
mancherlei.  Aber  es  ist  zu  betonen,  dass  wir  fehlgreifen 
würden,  wenn  unser  Urtheil  über  den  Schriftsteller  Schatzger 
lediglich  jenen  Männern  folgte,  welche  sich  in  ihrer  Polemik 
über  den  dummen,  frechen,  unverschämten  Barfüsser  weg- 
werfend aussprachen.  Schatzger  steht  höher,  als  z.  B.  ein 
Cochleus,  welcher  im  römischen  Solde  stand,  und  auch^  von 
Alfeld,  Dietenberger,  Emser  und  Eck  unterschied  er  sich  zu 
seinem  Vortheil.  Die  Derbheit  seiner  Sprache  verletzt  ge- 
wiss häufig  unsern  Geschmack,  aber  man  wird  fordern  dürfen, 
dass  nitin  den  katholischen  Barfüsser  nicht  strenger  beur- 
theile,  als  seine  Gegner,  zugleich  aber  sich  davor  hüten, 
mit  Janssen  II,  194  Luther  für  den  Ton  der  Polemik  ver- 
antwortlich zu  machen,  während  dieser  in  Wirklichkeit 
doch  genügende  Auswahl  an  theologischen  Vorbildern  derber 
und  unwürdiger  Sprache  vorfand.     Fast  könnte  man  gegen- 


.   Illil/I'rl 


410 


nliur  <ltfr  -laiiswen 'sehen  üeb»rtmbung  die  Behäiiptun};  WKgen, 
dam  firmle  dii^  Sprach«:  Luthers  zeige,  wie  tief  bei  ihm  die 
ttiöncihiscbe  Erniphitn^  einRewiireelt  war.  .Wie  einer  /.ii 
M«rtit  kommt,  danaeh  findet  er  Kaufmannschaft*  saßt 
Sclist^cr  j^egenilher  SohwarK*nbei^,')  iim  i-s  iü  rechtfertigen, 
daa  er  ein  BGchlein  grachriehen  habe,  welcher«  jenem  /ii 
Kopf  Hteigen  werde.  Kr  meint,  das«  er  noch  bei  vreiteiu 
nicht  init  dem  gleiotieu  Masse  vorholten  hiibe,  welches  Jener 
gebraucht  habe,  wie  denn  Ltither  und  dessen  Schßler  alle 
.nicht  bloas  hitzig ,  sundem  auch  spötUich .  schmähend, 
Mrhüudeiid,  liiatomd,  mit  hHchRt«n  Lastern,  freventlich  ur- 
Uicilend.  nhiie  hIIu  christliohe  Zucht  nnd  Hihrsamlieit,  frecher 
uU  die  Hippenträger" '1  schrieben.  Man  wird  aber  wohl 
lUiiiehmeti  ddrf'eii,  daüi«  ^hatzger  nach  und  nach  wirklich 
dtsr  richtige  Mamsatnh  in  der  Beurtheilung  seioejs  eigenen  Ver- 
haltens verloren  gegangen  war  und  dass  er  wirklieh  glanbti^, 
ihn  selbst  zeichne  christliche  Milde  und  Sanftmuth  höchst 
vortheilhaft  vor  »einen  Gegnern  aus.  Besonders  in  den 
frnheren  Schriften  Schatzgers  finden  sich  wirklich  schöne 
Stellen,  in  denen  er  die  vet^iftet«  gehiUsige  Sprache,  welche 
flblitrh  geworden,  beklagt  und  vervirtheilt;  dann  aber  be- 
gegnen uns  wieder  unglaubliche  Ilohheiten. 

Der  Inhalt  der  Schriften  verdient  in  mehreren  Beaieh- 
ongen  Beachtung.  Schatxger  hatte  ein  ofTenes  Auge  l'llr  die 
MiHHstände,  weiche  in  der  damaligen  kirchlichen  Lehre  und 
in  dem  l>el>en  sich  feätgesM^tst  hatten.  Er  c^rkennt  und  be- 
kilmptl  die  in  die  Kirche  eingedrungenen  Miissbränohe, 
wendet  sich  mit  Entschiedenheit  gegen  diejenigen,  welche 
bestiuimU'  menschlich«  Vrirsuhriften  unter  .Androhung  des 
Buiiies  d.  h.  ewiger  Strafen  einschärflen.  Amersfurd  he)it 
in  (l«r  Vwrede  zur   .vera  llbertiw*   grade  diesen  Punkt  herror, 


>  rttrhaltung  30  Artikel  I'  1. 
)  t%'ha)tnng  O  2. 


420      Sitzuny  der  Hstorischen  Classe  vom  8,  November  1890. 

erklärt  sich  mit  Schatzger  durchaus  einverstanden,  f&gt  aber 
die  Warnung  bei,  der  Leser  möge  aus  dessen  Schrift  die 
Arznei  zur  Beruhigung  des  eigenen  Gewissens,  nicht  aber 
die  giftige  Auffassung  herausziehen,  als  ob  alles  menschliche 
Gesetz  nichts  zu  bedeuten  habe.  Schatzger-  versteht  unter 
diesen  , menschlichen*  Gesetzen  nicht  etwa  die  staatlichen 
und  bürgerlichen,  sondern  alle  diejenigen  zahlreichen  kirch- 
lichen Gebräuche,  welche,  ohne  in  der  hl.  Schrift  ausdrück- 
lich begründet  zu  sein,  doch  von  Seiten  der  Kirche  den 
Gläubigen  aufgelegt  werden.  Schon  in  dem  Scrutinium  hatte 
er  auf  die  Wallfahrtsgelübde  und  die  Dinge  ihres  gleichen 
hingewiesen,  wie  er  später  in  der  „de  vera  libertate  .  .  . 
lucubratio"  sagt,  allerdings  nur  mit  einem  Nadelstich.  In- 
dem er  jetzt  näher  auf  die  Frage  eingeht,  stellt  er  sich  in 
die  Mitte  zwischen  die  Partei,  welche  alle  Kirchengesetze  als 
der  Freiheit  widersprechend  verwarf,  und  deren  Gegner, 
welche  dieselben  für  verbindlich  erklärten  bei  Verlust  der 
ewigen  Seligkeit.  Schatzger  will,  dass  die  Kirche  das  Bei- 
spiel von  Eltern  nachahme,  welche  für  den  Leichtsinn  oder 
auch  den  Uebermuth  ihrer  Kinder  doch  nicht  Ertränken  oder 
Erdrosseln  als  Strafe  anwenden,  sondern  eine  leichte  Ruthe. 
Obgleich  Schatzger  seiner  Ausführung  einen  Theil  ihrer  Be- 
deutung dadurch  nimmt,  dass  er  z.  B.  das  Fastengebot 
wegen  des  durch  die  Verletzung  entstehenden  Aergemisses 
für  unter  Todsünde  verbindlich  erklärt,  und  dass  er  das  ab- 
sichtliche Verachten  der  Kirchen  Vorschriften  nicht  minder 
schroff  aufzufassen  gewillt  ist,  war  diese  Ansicht  doch  mit 
allen  den  zahlreichen  Anordnungen  des  kanonischen  Rechts 
in  Wider  pruch,  welche  das  Leben  der  Geistlichen  wie  der 
Laien  einengten.  Schatzger  rieth  den  Ordensleuten  ab,  sich 
selbst  bestinmite  Gebetsleistungen  oder  andere  sogenannte 
gute  Werke  aufzulegen,  auf  welche  man  nicht  vertrauen 
dürfe:  es  gelte  vielmehr  das  Reich  des  Geistes  d.  h.  der 
Freiheit    anzustreben.     Dieser    Gedankengang    führte    folge- 


I-,   Ttniffr-h   Kaipitr  MmUrifr.  42! 

rieht]');  zum  Preisgeben  Jer  »oga nannten  evangelischen  Rntlie 
um!  zu  dnftf  Brachntteriing  ier  Gniii«llagen  des  Ordenslebens 
selbst,  iitiil  wenn  Schatzger  auch  sellwt  diese  Folgerungen 
sich  nicht  aneignete,  Ja  sie  auch  nicht  als  solche  anerkannt«, 
■«  war  es  d^ch  nicht  zu  rerwundera,  dass  Schatxger  wegen 
iltaser  Aeui^eriingen  Anfeindungen  erlitt.  In  der  .gietlichen 
Antwort'  klagt  er,  man  werte  ihm  vor,  er  spiele  auf  Luthers 
Laut«:')  auch  von  Anfeindungen  Schatzgers  durch  die  Liiwener 
weil««  VVoIfgang  Richard  zu  erzählen:  wie  einst  den  voti 
Schittzger  bekämpften  Luther,  so  hätten  nie  jetzt  den  SchntKger 


1)  B»  lat  grosse  klag  in  der  ^iiÜDeo  kirchen  über  so  vil  be- 
«cbwürnuii  in  xeitlirhen  und  t;(^tetUchen  Hingea  und  tiendlen',  ich  liwu 
tkber  jetx  die  zuitlictien  furen.  Mild  Iclaf^  in  hendlen  den  ^lat  an- 
treffend über  HO  lil  kirchlich  penfell.  a!»  nemlich  sein  die  panDUDK, 
nher  »o  vil  kircbentiche  satKimg,  da  in  geistlichen  rechten  liegriffen 
Mnn,  Übel'  io  vil  ceremoni  and  kiKhlicbe  precbtikait.  Ober  mj  vil 
»ellätlUDK  in  emp&hung  cristeu lieber  recht,  auch  in  Bakrainenten. 
Aber  sn  vil  kirchenliche  gepot.  antreffend  auch  die 
KwiHiien.  in  welithen  man  vil  todsünt)  macht,  über  io  vi) 
|iueii  und  K''nDgthuuDg  umb  volpracht  aiind.  Ober  «o  vil  herttikait 
ta  TaiitJ^n  nod  luitiger  s|ieinz  abprechung  ond  ilergieiclien  andoni 
merr.  Wellirh  all  nach  meinem  gednnken  die  niftiat  nach  der  neuwen 
aofraer  »ein  und  b<?wegunR,  leicht  anzanemen  dfti  neu  evangeli.  unU>r 
der  [uuik  herfOrgeiogen.  ivann  man  vermeint,  ao  die  neuen  evan- 
gelikten  predigen  von  HvaDgeliscber  nnd  er ieten lieber  freihält,  mttn 
wftU  all  Bulicb  lieschwiLmuas  damit  ablegen  als  roenscblich  sflnd  und 
«nlivkt  b&odet.  tn  dem  ewangeti  nlt  gehörig,  sonder  meer  vnn  unnerni 
hemn  visqiotteo.  von  dem  ich  nachvolgend  weiter  wird  Rchreibeii. 
Ahtir  «*  wirt  nith  dermaisen  nil  Siiden,  wienol  nit  vemaint  mag 
weiden,  da»  in  obgeraeltun  »tucken  und  kirrhjichen  preuchen  vtl  un- 
bMchaidenlieit  tiud  mii<H|)reucbung  Heia  geieheben  und  mitgelolTcn. 
Ciul  nemlich  in  besehvänuigen  der  gewissen  mit  vi!  todsQnden.  dun 
idi  die  gr'lant  be«uhwärutig  revhen  in  cristenlicher  get«tlikait.  Daminli 
icb  in  vergangen  leiten  ein  pQchel  von  crütenlieber  IVeiliait  hal> 
liMven  aiugEen,  dan  nit  Jedermann  hat  gefallen,  und  ich  vil  geug«ji 
)  worden,  ich  «i'lilahi?  naf  [.iittm  lallten:  aber  f  hat.  inicli  »ii 
i  t  C  8. 


422      Sitzung  der  historischen  Classe  ww  8.  November  1890, 

selbst  verketzert.^)  Aber  Schatzger  erklärte,  daas  ee  um  nicht 
gereue,  seine  Ansichten  ausgesprochen  zu  haben,  die  Seele 
eines  Christen  sei  zu  kostbar,  als  dass  Grott  es  dem  Urtheil 
der  Menschen  überlasse,  sie  zu  verdammen  oder  selig  zu 
machen,  und  er  verwahrt  sich  aufs  Neue  gegen  das  «unbe- 
scheidene ungegründete  Urth  eilen  über  die  Gewissen,^)  gegen 
die  zu  hoch  gespannten  kirchlichen  Satzungen,  Gebrauche 
und  Ordnungen/  J.  Eck^)  sprach  sich  desshalb  dahin  aus, 
dass  Schatzger  an  die  Stelle   des  ängstlichen   ein   zu  weites 


1)  Vgl.  Th.  Wiedemann,  J.  Eck  S.  428,  der  die  bei  Schelhom 
Amoen.  I,  294  stehende  Stelle  abdruckt.  Ich  weiss  nicht,  was  Richard 
hier  im  Auge  hat. 

2)  Directio  salubria  Msc:  ,,6.  Monasticus  omnem  tolicitudinem 
apponere  debet,  ut  cor  iucundum  et  spiritum  in  Domino  semper  gan- 
dentem  habeat.  Ad  quod  obtinendum  ponere  debet  omnem  fiduoiam 
suam  in  Deum,  non  tristetur  plus  aequo  de  quotidianis  suis  defec- 
tibus,  non  edificet  super  opera  sua,  quin  ea  nihili  pendat  coram  ocalis 
Dei,  se  totum  fundet  in  misericordiam  Dei  et  in  merita  et  passionem 
Christi,  habeat  liberam  non  anxiam  conscientiam  super  agendis,  nam 
timens  Daum  debet  sibi  latam  formare  conscientiam. 

7.  Monasticus  non  gravet  se  ipsum  corporalibus  institutis,  ut- 
pote  ad  tot  orationes  persolvendum,  ieiunandum,  vigilandum  etc. 
praeter  comnmnia  monu^tica  instituta,  nee  sibi  ipsi  praefigat  certa^ 
regulan  inviolabiliter  observandas,  sed  ni  nonnulla  sibi  ipsi  assump- 
serit  instituta  servanda,  faciat  cum  consilio  sui  directoris,  nee  ea  uUo 
pacto  servet,  dum  a  spiritu  divino  ducitur  et  movetur  ad  salnbriora. 

8)  Clm.  18506  f.  77;  von  gleichzeitiger  Hand  findet  sich  am 
Schlüsse  der  Directio  salubris  pro  omnibus  monasticis  personis, 
welcher  die  obige  Stelle  entnommen  ist,  folgende  Bemerkung: 

„Doctor  Joannes  Eckius  theologun  de  predicta  directione  salutis 
dicit:  Est  —  inquit  —  utilis  et  pius  libellus  et  tangit  verum  scopum 
omnis  exercitii  monastici,  eo  dempto  quod  ab  anxia  conscientia  re- 
currit  ad  latam,  ubi  desideramus  rectam  et  mediocrem.  Item  fines 
exercitioi'um  non  plene  explicat,  cum  quis  possit  sibi  illa  sumere  ad 
honorem  Dei,  ad  Hcipsum  preservandum  a  peccato  vel  occtii^ione  pec- 
cati,  ad  cumulum  meritorum  suorum. 

Ihiec  ille  anno  doniini  1588  in  vigilia  S.  Jucobi  apost^li.* 


.  Dru/fel-  Knuiitir  Srhiilifin- 


423 

icbtiRen 


Oewiwaen  setxi',   während  r«  auf  diis  Kintialtei 
MittuU  unkomtiie. 

Dies  ist  nnaeres  Wisseus  der  piiiKi^H  l'iinkt,  um  de*ient- 
wUten  der  MUnchner  Franziskaner  von  katholiachen  Zeit- 
g«ii<iswii  uls  nicbt  rerhtglÜubig  verdächtigt  wurde,  wie  wir 
(Ken  am  Schlüsse  der  .RepUca'  bezllglicii  eines  nngenannti-n 
l>nient)geni>s3en  selten,  mit  welchem  sich  Schatzger  auseinander 
setzt,  iiii-bt  ohne  i-ine  gewisse  f^hürfe  und  Bitterkeit.')  Dos 
schlieast  aber  nicht  ans,  dasa  er  manche  Ansicht  vortrug, 
welrhK  den  blinden  AiihÜDgem  der  Pä))ste  nicht  bloss  als 
nach  Häresie  schmeckend,  sondeni  geradezu  als  häretisch 
TorkommeD  niusaten.  Man  muss  sich  gegenwärtig  halten. 
Aam  in  Deutschland  daniab«  die  Lehren  der  Reformconcilien 
fortwirkten  und  noch  nicht  durch  die  Päpste  beseitigt  worden 
waren.  Schatzßer  verwahrt  sich  gegen  diejenigen,  welche 
neue  Lehren  vortrügen;  ihm  ist  es  Orundlehre  des  Christen- 
thums,  das.*  neue  Dogmen  nicht  geschaffen  werden  könnten; 
wnh!  mSge  ein  neuer  Irrthom,  nicht  aber  eine  neue  Wahr- 
ht-it  au ftji liehen.  Er  nimmt  in  der  Regel  für  die  allgemeinen 
Concilien  in  Anspruch,   dass  man    ihren  ICntscheidungen  gv- 

1)  Ad  noDOulla  obieuta  reBponsio.  Caajiar  äti«(;eruH  dilecto  cou' 
fratri  8it]at«ui,  ßer  Gegner  hatt*  an  «einen  Provim'iiil  einen  Bri«l 
l^rlclitei.  der  von  dieriem  Schati)?er  mgeschitltl  wcirden  war.  Eine 
Stelle,  »elclie  Schatr^r  ans  dem  angreifenden  Briefe  nnttiieitl, 
lantd«:  .Ka«eni>  Liithem  acribenti  ad  Spalatinum  de  di^iputntinnf 
LilMico,  ponit  [lercatum  mortale  et  veniale  ex  intrinscca  nktione  non 
diSinre,  »ed  i>x  lioc  dumtaxat,  qnia  divina  voliinta«  bunc  vult  actum 
Dtenut  pena  diifDiim  ei««,  tllum  vero  non.'  Das  dann  angefU^tu  Vt- 
Üieil  .illud  dictnni.  i^noad  partera  primam,  contta  dicta  Joctoruin  et 
veritat«m  ccnBebitur  iure  rBfellendtmi"  veranirwst  Schätzer  tu  der 
SrkUlrung:  Noio  in  H-nbenlibija  e»w  pencinaruiu,  in  preiudieinni 
veritati«,  ai-ceptor.  vcrituti^ni  a  qiiövis  cxquiro,  sine  iiersonaruni  de- 
ledu.  Onde,  «i  dictum  meum  a  doctoram  dissidet  dictii,  non  *ati» 
ntovüor  ....  quid,  li  dicam  omoia  operu  noxtra  aei-mtdam  tBtiv> 
aooain  mlioninti  taue  niortifern.  atptite  a  radice  inrecta  Mt  a  dirfnft 
iaititia  dntnnal4i  ]trodi?iintin   iit  vliHiriiruin  ti 


424      Sitzung  der  historischen  Clcmse  vom  8.  November  1890, 

horche  und  sie  für  recht  halte;  aber  f(ir  den  Fall,  dass 
man  bestimmt  wisse,  ein  Concil  habe  nicht  ehrlich  und  auf- 
richtig verfahren,  falk  es  z.  B.  die  hl.  Schrift  zu  einem 
falschen  Sinne  verdrehe,  so  erklärt  Schatzger,  man  habe 
demselben  nicht  zu  glauben.  Aber  er  will,  dass  man  derlei 
Urtheile  über  ein  C!oncil  nicht  leichtfertig  ausspreche,  in 
zweifelhaften  Fällen  möge  man  sich  damit  beruhigen,  dass 
Gott  keinen  verdamme,  welcher  der  Kirche  folge. 

Die  Ausführungen  über  den  Primat  des  Papstes  beginnt 
Schatzger  in  der  «Replica*  mit  der  Erklärung,  dass  er  über 
die  «Monarchie  und  den  Papat*  keine  Ansichten  au&teUen 
werde;  in  der  «Traductio**  wird  dies  genauer  dahin  erläutert, 
dass  der  ganze  «primatus  honoris  et  dignitatis,*  weil  von 
dem  Evangelium  an  sich  nicht  einbegriffen,  bei  Seite  bleiben 
solle;  denn  dieses  lehre  menschlichen  Ruhm  gering  schätzen 
und  sich  selbst  verachten.  Er  will  den  Primat  nicht  soweit 
ausgedehnt  wissen,  wie  es  der  Ehrgeiz  des  Einzelnen 
wünschen  möchte,  sondern  nur  so  weit,  als  es  heilsam  ist 
für  die  gute  Regierung  der  Kirche.^)  Allen  Aposteln  ist 
die  gleiche  Machtvollkommenheit  verliehen,  aber  nur  die 
Nachfolger  Petri  haben  dieselbe  Gewalt  auch  bekommen, 
denn  hier  ist  noch  eine  sedes  apostolica,  während  die  Sitze 
der  übrigen  Apostel  sich  alle  nicht  erhalten  haben,  so  dass 
die  Frage,  welche  Ansprüche  deren  Nachfolger  zu  erheben 
hätten,  gegenstandslos   sei.      Dabei   findet    er    sich    mit    der 


1)  In  der  „Fürhaltung"  findet  sich  folgende  Stelle:  Es  war  dann 
dach,  dass  Christus  sunt  Peter  einen  merem  gewalt  hat  wollen  geben, 
dann  den  andern,  so  hat  er  nit  von  im  erfordert  ein  grössere  lieb; 
B  4.  Damit  ist  aber,  wie  sich  weiter  unten  ergibt,  el)enfall8  B  4, 
nur  gemeint,  dass  dem  Petrus  die  gleiche  Gewalt,  wie  die  andern  sie 
persönlich  erhielten,  als  ordinaria  ertheilt  worden  sei.  Hier  wird 
denn  auch  das  Argument:  „des  auch  urkund  ist,  das  kaines  andern 
zwelfi>oten  stuel  in  zwelfpotischem  gewalt  ist  pliben,  dann  allain 
Petri"  kühnlich  verwerthet. 


V.  Druff  et:  Kaspar  Schatzger.  425 

Schwierigkeit,  dass  Petrus  vielleicht  gar  nicht  in  Rom  ge- 
wesen sei,  in  merkwürdiger  Weise  ab  durch  einen  Hinweis 
auf  das  kaiserliche  Reichsregiment  zu  Nürnberg,  welches 
auch  in  des  Kaisers  Namen  dort  schalte  und  walte,  obgleich 
Karl  V.  Nürnberg  nie  gesehen  habe.^)    Schlimmer  als  dieser, 


1)  Eeplica,  r  S:  Queris  forte:  ubi  est  sedes  apostohca?  Num 
solus  Petrus  apostolus  est  aut  fuit,  aut  non  alii  quoque?  Cur  sola 
Petri  sedes  praedicatur,  cur  non  et  aliorura,  utpote  Thomae  in 
India,  Andreae  in  Achaia,  Jacobi  Hierosoljmis,  Mathei  in  Ethio- 
pia  etc.?  Verum  secundum  hanc  ar^umentationem,  quam  in  ecclesia 
occidentali  aliam  assignabis  alicuius  apostoli  sedem,  praeter  Roma- 
nam  sanctorum  Petri  et  Pauli,  signanter  Petri.  Objicis  forte,  Petrum 
nnnquam  venisse  Romam,  sicut  quidam  ex  apocriforum  somniis  nuper 
probare  conati  sunt,  ex  quo  seqnitur  episcopum  Romanum  non  esse 
Petri  successorem,  nee  per  consequens  Petri  ibidem  residet  auctoritas. 
Respondetur:  Posito  —  absque  veritatis  praeiuditio  —  quod  sie  sit, 
ut  tu  asseris,  nonne  praesente  nostro  evo  imperatoris  Caroli  auctoritas 
et  potestas  in  civitate  residet  Nürnbergensi,  apud  suum  imperiale  parla- 
mentum.  ut  omnia  imperatoria  agat  auctoritate,  cum  imperator  ipse 
Nfimbergam  viderit  nunquam.  Quare?  quia  sibi  et  imperio  ita  pla- 
cuit.  Sic  ecclesia  ab  apostolorum  tempore  iudicavit  et  tenuit  B.  Petri 
sedem  Romae  consistere,  et  episcopum  Romanum  Petii  esse  succes- 
sorem. Quoad  aliorum  apostolorum  successores  modo  non  discepto, 
utrnm  et  ipsi  apostolici  dicantur,  an  non;  quia  materiam  de  Petri 
primatu  implicat,  de  qua  supra  protestatus  sum,  non  hoc  in  loco 
disquirere.  Unde  quisquis  iudicas  apostolicum  et  episcopale  vel  arcbi- 
epi<icopale  regimen  esse  ecciesiae  catholicae  pestem  et  exterminandum 
censes,  non  de  potestate  sed  de  potestatis  abusu  deceme;  potestas 
non  est  Satbanae,  sed  Cbristi  sedes,  quicquid  sit  de  sedente. 

Traductio  D  8:  Prima  asserit,  omnibus  apostolis  aequalem  a 
Christo  esse  potestatem  donatam,  tamquam  legatis  a  sno  latere 
misflis.  Uaec  plenaria  coUatio  potestatis  in  primordio  necetsaria  fuit 
apostolis,  tamquam  primis  ecciesiae  fundatoribus  pro  stato  novi 
testamenti  ....  et  baec  commissio  duravit  per  totam  ecNroin  fitanDL 
Ex  boc  infertur:  1)  quod  in  potestate  ecciesiae  necesMUria  ei  pcofi- 
cna  omnes  erant  equales,  2)  quod  in  huius  potestatif  eieontilMM  ii 
administratione  nullus  dependebat  ab  alio,  unde  non  ftnt  ima&mb 
S.  Thomae  ex  India  ad  S.  Petrum  pro  cuiuspiam  fiacti  oonfimailiovA 
nuncium  mittere,  aut  Mattheo  ex  Aethiopia;  eorum  eqnidem  poiflilM 

1800.  Philo{i.-pbilol.  u.  bist.  GL  II.  8.  29 


426      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  8.  November  1890. 

hat  wohl  nie  ein  Vergleich  gehinkt;  man  wird  höchstens 
sagen  können,  dass  Schatzger  auf  diese  Weise  das  oberste 
Kirchehregiment  als  ziemlich  losgelöst  von  der  Person  des 
Trägers  hinstellen  wollte.*)  Der  aus  der  damaligen  Reichs- 
verfassung hergeholte  Vergleich  gewinnt  indessen  doch  ein 
gewisses  Interesse,  indem  Johann  Eck  in  seinem  1521  zu 
Paris  gedruckten  Buche  »De  priraatu  Petri"  bei  Besprechung 
der  Frage  nach  der  Stellung  Petri  über  oder  neben  den 
andern  Aposteln  die  Reichsverhältnisse  gleichfalls  heran- 
gezogen hatte.  Eck  meint,  der  Kaiser  verleihe  das  Reichs- 
vikariat  nur  dem  Kurfürsten  und  dessen  Nachfolgern  in  der 
Kur,*)  möchten  auch  andere  Glieder  desselben  Hauses,  die 
ebenfalls  Herzoge  von  Baiern  seien,  dabeistehen.  Dass  der 
Ingolstädter  Theologe  auf  diese  Frage  hinwies,  ist  wohl  nur 
dann  zu  begreifen,  wenn  man  bei  ihm  eine  völlige,  freilich 
kaum  wahrscheinliche  Unkenntniss  der  scharfen  Streitigkeiten 


sicut  immediate  a  Christo  eis  erat  collata,  sie  soli  Christo  suberat 
J.  Eck  dagegen  sagt,  III,  43:  apostoli  caeteri  Petniiu  agnoverunt 
eorum  principem  esse;  unus  apostolus  non  habebat  potestatem  supra 
alium,  dempto  Petro,  qui  erat  princeps  omnium. 

1)  In  der  ^Traductio/  E  7,  schreibt  Schatzger: 
,Auctoritas    papalis    est    in    ecclesia     immortalis.      Nee    enim 

Christus  eam  per  mortem  papae  aufert,  nam  8ine  penctencia  sunt 
dona  Dei,  sed  residet  in  ecclesia,  in  concilio,  si  pro  tunc  esset 
congregatum,  aut  in  eaetu  electorum  papae/ 

2)  Committit  imperator  aliquid  principi  electori  Bavariae,  ut  in 
interregno  sit  vicarius  imperii  per  Sueviam  Khcnuiu  Bavsiriam  Fran- 
ciam  orientalem ;  etiamsi  plures  alii  duces  Bavariae  sint  pniesentes, 
tarnen  potestas  illa  vicariatus  remanet  dumtaxat  apud  i>rincipem  elec- 
torem  et  successores  eius  in  electoratu  perpetuo,  non  in  aliis  ducibus 
qui  sunt  de  eadem  domo  Bavarica.     Lib.  I,  caj).  16. 

j.Examen''  P.  1 :  Exemplo  sunt  haeretici  qui  inter  errores  quos 
docent  et  quibus  alios  inficiunt  multa  vera  et  bona  scribunt  et  prae- 
dicant,  pro  quibus  et  persecutiones  patiuntur  et  nonnunquam  mortem 
nppetunt,  putantes  ingens  obsequium  se  probare  Deo.  (.^uia  tarnen 
vero  carent  fundamento  .  .  a  Deo  reprobabuntur. 


17.  Druffel:  Kaspar  Schatzger.  427 

« 

voraussetzt,  nnter  denen  eben  wegen  der  Nachfolge  in  der 
Kur  das  Wittelsbachische  Haus  gelitten  hatte,  und  welche 
zur  Zeit  als  Eck  schrieb,  noch  keineswegs  endgültig  be- 
graben waren.  Ein  Kenner  dieser  Verhältnisse  hätte  sie 
eigentlich  nicht  heranziehen  sollen  als  Beispiel  einer  treff- 
lichen Nachfolgeordnung. 

In  der  „Traductio*  bespricht  Schatzger  die  Frage  nach 
der  Gewalt  der  Nachfolger  Petri.  Er  sagt  hier,  die  Gewalt, 
welche  Christus  den  übrigen  Aposteln  verliehen  habe,  sei 
Petrus  allein  in  der  Weise  übertragen  worden,  dass  dieselbe 
auch  auf  die  Nachfolger  übergehe;  er  vermeidet^)  indessen, 
wie  mir  scheinen  will,  geflissentlich  ein  näheres  Eingehen 
auf  diesen  Punkt.  Er  verwendet  auch,  so  viel  ich  gesehen 
habe^  nirgends  die  Bulle  ^Exsurge  Domine",  mit  welcher 
durch  Papst  Leo  X.  Luther  verurtheilt  worden  war,  vielmehr 


1)  Traductio  Satanae  D  6:  Primum,  bonorin  et  digpiitatos  pri- 
matns  a  praesenti  est  scrotiDio  selegandos,  utpote  ab  evangelio  per 
ae  non  intentas.  Docet  quippe  humanae  gloriae  contemptum  et  sni 
ipsiua  yilipendium.  Unde  evangelicos  magister  ait:  Qoi  maior  est 
vestnim  fiat  sicut  minor,  et  qui  praecessor  est  sicut  ministrator. 
Quo  verbo  ambitionem  de  boc  primata  contendentium  repressit. 
Nihiiosetins  et  potentiae  ac  temporalis  dominationis  primatus,  quo 
ecclesiasticuB  status  nostra  tempentate  plurimum  est  oneratus,  est 
posthabendns ,  tamquara  eyangelico  tractatni  extrarius.  Verus  et 
indubitatus  beaii  Petri  saccessor  in  plenitudine  potestatis  a  Christo 
sibi  traditae  est  episcopus  Romanae  ecclesiae,  etiamsi  fingatur 
qnod  Petrus  nunquam  faerit  Romae.  Hanc  et  nonnullas  circum- 
stantias  superius  assignatas  et  substituendas  plerique  multis  venti- 
laverant  tractatibus,  ob  quod  hie  succinctus  pertranseo.  «Examen* 
0.  1. 

Selegabimas  autem,   chare  lector,  inpresentiamm   beati  Peiri 
primatnm^  vicariatum,  monarchiam  et  papatum  de  quo  nihil 
tialiter   me   locutunim   protestor,    in   neutram   partem   dMÜft^^ 
iadicinm.    Scrutabiraur  autem  de  ipsius  potettate  tikl 
stoiatns  cum  titulo  tum  officio,  quae  cum  apotiolil 
a  Christo  accepit  communia.     Replica,  9  2. 


428      Sitzung  der  historischen  Ctasse  tom  8.  Kocember  1690. 

bekämpft  er  seinen  Gegner  mit  wissenschaftlichen  Folger- 
ungen und  Citaten  aus  der  hl.  Schrift.  Es  lag  hier  eine 
Schwierigkeit.  Schatzger  stand  unbedingt  zu  den  Lehren 
des  Constanzer  Goncils;  demgemäss  war  seine  Meinung,  dass 
dem  Concil  der  Vorrang  vor  dem  Papst  gebühre.  Diese  An- 
sicht spricht  er  deutlich  und  oft  genug  aus.^)  Ihm  war  in- 
dessen gewiss  bekannt,  dass  Eck  in  seinem  Buche  ,De  pri- 
matu"    die   entgegenstehende    Ansicht    vertrat,*)   wenngleich 


1)  Es  genüge  die  Schlusssätze  in  der  „Traductio*  anznföhren,  G  5: 

1)  Supremum  in  ecclesia  iodicium,  inobliqoabile  quoad  neces- 
saria  salutis  animarum,  est  in  concilio  in  Spiritu  Sancto  legitime 
congregato  et  secundum  formam  evangelicam  procedente. 

2)  Suprema  potestas  divina  ecclesiae  aChriato  salo- 
briter  communicata  in  concilio  praefato  modo  congre- 
gato universalem  ecclesiam  repraeaen tante  residet,  cum 
et  papalem  et  quamlibet  aliam  complectatur. 

Traductio,  F  8:  Per  quem  concilium  est  convocandum?  Resp.: 
Cum  concilium  convocetur  ad  bonum  ecclesiae,  aequum  est  et  rationi 
consentaneum  ut  per  eum  fiat,  cui  generalis  cura  ecclesiae  eat  com- 
missa.  Hie  est  B.  Petri  succeHSor,  Romanus  pontifex  .  .  .  qui  et  in 
arduis  causis,  quae  alias  remediari  non  possunt,  tenetur  huiusmodi 
convocationem  facere  ....  Unde  si  pertinaciter  renueret  sine  legitima 
causa  in  gravem  ecclesiae  iacturam,  posset  concilium  per  alium  con- 
gregari  modum.  De  hoc  et  sequentibus  salubres  in  concilio  Constan- 
tiensi  factae  sunt  Ordinationen. 

2)  Dico  quando  papa  esset  indubitatus  et  non  subesset  haeresis 
aut  alia  causa  ob  quam  posset  deponi,  tunc  nee  concilium  nee  ali- 
quis  qui  vivit  posset  alteri  tantam  potestatem  dare,  quantam  habet 
papa.  p]ck  De  Primatu  III,  cap.  50.  Bemerkenswerth  ist,  dass  Eck 
von  dem  V.  Lateranconcil  schreibt:  Non  liquet  mihi  de  illo  decreto 
[er  meint  die  Constitution  Pastor  aeternu:«,  vgl.  Hefele-Hergenröther 
VIII,  710]  novissimi  concilii.  Vidi  enim  aliquas,  non  omnes  dit'fi- 
nitiones  illius  concilii,  dein,  dato  eo  quod  ita  sit  diffinitum  in  con- 
cilio Lateranensi,  quod  me  praeterit,  diluitur  sua  obiectio  facil- 
lime;  et  quia  in  manibus  est  solutio  D.  Thomae  de  Vio  Caietani, 
({uue  mihi  apparet  bona  esse  et  valida,  ideo  eam  renarrabo;  ib.  IIl, 
41),  vgl,  Hergenröther  VIII,  474.  Ein  Druck  der  Concilsakten  wurde 
allerdings  ernt  1520  veranstaltet,  vgl.  Hergenröther  VIII,  735. 


V,  Druff el:  Kaspar  Schatzger,  429 

unter  Festhaltung  der  Meinung,  dass  ein  Papst  in  Häresie 
verfallen  könne.  Gegen  den  befreundeten  berühmten  Ingol- 
städter  Theologen  ausdrücklich  aufzutreten,  schien  ihm  wohl 
nicht  erwünscht  zu  sein.  In  dem  4.  Kapitel  der  ^Traductio^ 
entwickelt  er  die  Lehre  von  dem  Vorrang  der  Concilien, 
auch  über  den  Papst,  mit  grosser  Ausführlichkeit  und  Deut- 
lichkeit. Ihm  bestehen  die  Bestimmungen  des  Concils  von 
Constanz  völlig  zu  Recht,  welche  anordnen,  dass  das  Beruf- 
ungsrecht des  Papstes  in  besonderer  Nothlage  verloren  gehen 
könne.  Und  er  lässt  seinen  Lesern  keinen  Zweifel  darüber, 
dass  er  selbst  die  Berufung  eines  Concils  für  dringend  noth- 
wendig  hielt.^)  Auf  die  Thätigkeit  des  Satans  führt  er  die 
damaligen  Bestrebungen,  ein  Concil  zu  hindern,  zurück: 
„Weil  die  Abhaltung  eines  allgemeinen  Concils  nach  mensch- 
lichem Ermessen  das  einzige  Mittel  ist,  um  Spaltungen,  Irr- 
lehren und  Aergernisse  aus  der  Kirche  zu  beseitigen,  be- 
sonders in  jetziger  Zeit,  wo  die  apostolische  und  kaiserliche 
Majestät  verachtet  und  geringgeschätzt  wird,  so  wagt  der 
Satan  die  Berufung  und  Abhaltung  eines  Concils  in  ver- 
schiedener Weise  zu  hintertreiben.**)  Er  hat  hiebei  nicht 
bloss  Jene  im  Auge,  welche  mit  dem  Hinweis  auf  die  Un- 
fähigkeit der  Prälaten  Sonder bestrebungen  förderten,  sondern 
auch  diejenigen,  welche  ein  Concil  für  überflüssig  erklärten, 
weil    der    hl.   Qeist    ohnedies    die   Kirche   lenke.     Früher^) 

1)  Exaraen  novarum  doctrinarum  Nr.  3.  Quam  necessaria  autem 
Sit  nostro  aevo  talis  concilii  generalis  celebratio,  nemo  est  qui  igno- 
rat,  cum  in  dies  errores  et  haereses  pullulent,  dormientibus  ecclesiae 
pastoribns.  Praeterea,  etsi  non  dormiunt,  vident  se  nihil  proficere. 
AatotiMimum  enim  daemoninm  meridiannm,  qaod  modo  potenter 
regnat,  banc  aubditis  persnasit  sospicionem,  qnod  praelati  ecclesiae 
non  regnent  ex  Deo,  non  sint  veri  pastores,  non  qnaerant  animas  s^ 
tint  Inpi  rapaces  perversi,  et  aliurum  perversores,  Teriftalit  et  liber- 
tatifl  eyangelicae  persecutores. 

2)  .Traductio*  G.  6. 

3)  , Examen'  N  3. 


430      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  8,  November  1800, 

hatte  er  mit  bitteren  Worten  sich  auch  gegen  diejenigen 
erklärt,  welche  von  einem  Concil  eine  noch  schlimmere 
Spaltung  erwarteten,  oder  eine  Reform  ihres  Standes  und' 
ihrer  Missbräuche  fürchteten,  oder  auch  die  voraussacht- 
lichen  Kosten  des  Concils  geltend,  und  damit  das  Wort  des 
Apostels  wahr  machten:  Alle  suchen,  was  ihrer,  nicht  was 
Jesu  Christi  ist. 

Wer,  wie  unser  Minorit,  dem  Standpunkt  des  Con- 
stanzer  Yerfassungsrechtes  huldigte  und  dabei  die  Vorgänge 
auf  der  5.  Lateransynode  in  sich  aufgenommen  hatte,  musste 
nothwendig  dahin  kommen,  bestimmte  Einschränkungen 
hinsichtlich  der  Gültigkeit  der  Concilsbeschlüsse  aufzustellen. 
Seine  Forderungen  in  dieser  Beziehung  sind:^)  Nach  dem 
apostolischen  d.  h.  nach  dem  evangelischen  Vorbild  des 
Concils  von  Jerusalem  muss  es  auf  dem  Concil  zugehen. 
Petrus,  obgleich  der  erste  der  Apostel,  habe  dort  doch  nicht 
das  Schlussurtheil  verkündet,  sich  auch  nicht  im  geringsten 
über  seine  Genossen  erhoben,  Jakobus  durch  Anführung  von 
Schriftstellen  seine  Ansicht  vertreten  dürfen,  man  habe  Nie- 
manden, der  Gehör  verlangt,  hochmüthig  zurückgewiesen 
und    nicht   durch    allzu   grosse   VVerthschätzung   der   persön- 


1)  , Examen*  Nr.  1:  Talia  fidelium  congregatio,  Kanctam  eccle- 
siam  catholicain  repraesentans,  debet  fieri  in  Spiritu  Sancto  et  in 
actibus  suis,    ne  erret  et  ad  hoc,   ut  firnia  sit  eius  sententia,    secun- 

dum   fomiam    apostolicam   procedere forma    autem   aj)Ostolica 

forma  est  evangelica  quam  in  suo  servaverunt  concilio  Hierosolymi- 
tano,  in  quo  non  quivis  sed  apostoli  et  presbyteri  sunt  convocati, 
nihilominuö  onines  ad  disceptandum  et  au  dien  dum  ad- 
missi  ....  Petrus  quo<jue  iudicium  suum  proponens,  quamvis  esset 
primus  inter  apostolos,  aent^ntiam  tarnen  diffinitivam  non  jiromul- 
f^avit,  nee  se  aliis  vel  in  minimo  praetulit,  Jacobus  sententiam  suara 
per  scripturaa  prol»avit.  Nulla  ibi  de  prioritate  aut  locatione  sive 
sessione  contentio,  nulla  oorrupta  intentio,  nullius  pie  audientiam 
petentis  superba  repulsio,  nulli  ob  personae  dignitatem  vel  autori- 
tatem  officii  delatum  est  in  derogationem  verit-atis. 


V.  Druffel:  Kaspar  Schatzger.  431 

liehen  Würde  oder  des  Amtes  eines  Einzelnen  die  Wahrheit 
geschädigt.  Die  Verbindlichkeit  der  Beschlüsse  allgemeiner 
Concilien  lässt  Schatzger  denn  auch  in  solchen  Fällen  nicht 
gelten,  wo  dieselben  augenscheinlich  mit  der  hl.  Schrift  im 
Widerspruch  stehen.^)  Aber  nur,  wenn  dies  völlig  augen- 
scheinlich ist,  gestattet  er  den  Widerstand,  im  Zweifel  ver- 
langt er  Gehorsam;  denn  ein  unverschuldeter  thatsächlicher 
Irrthum  werde  von  Gott  nicht  zur  Schuld  angerechnet  werden, 
falls  man  der  Kirche  gehorcht  habe. 

Schatzger  sucht  hier  die  nach  seiner  Meinung  allzu 
weit  gehenden  Folgerungen  aus  seinen  Lehren  abzuschwächen, 
wie  er  denn  in  ähnlicher  Weise  an  anderer  Stelle  die  Beob- 
achtung kirchlicher  im  göttlichen  Gesetze  nicht  genügend 
begründeter    Eirchenvorschriften     auch    denen     zur    Pflicht 


1)  Replica,  R.  4:  Asseritar  inter  alia  novella  dogmata,  magis 
credendnm  rurali  alleganti  divinam  scripturam,  secundum  verum  quem 
Spiritus  Sanctus  efflagitat  sensum,  quam  concilio  in  eadem  materia 
scnpturam  ad  sinistrum  detorquenti  sensum,  aut  sine  scriptura  con- 
trarium  decernenti ;  assentirer,  fatemur  ingenue,  uec  concilio  generali 
acquiescendum  aperte  contra  divinam  scripturam  decernenti,  sed  in 
dubio  decreto  concilii  standum. 

Examen,  N  2:  Objicis:  quis  me  certificabit  de  illis  circum- 
stantiis,  quae  in  concilii  determinatione  aliqua,  concemente  neces- 
saria  ad  salutem,  concurrerint  et  eint  observatae,  ut  sie  possim  fir- 
miter  absque  eunctatione  adbaerereV  Responsio:  Quamdiu  certitu- 
dinaliter  tibi  non  constat  contrarium,  debes  incunctanter  determina- 
tioni  concilii  adhaerere. 

In  der  ,Traductio*  G  5,  wird  dieser  Punkt  in  folgender  Weise 
erörtert: 

Quamdiu  cuivis  certitudinaliter  non  constat  contrarium,  debet 
incunctanter  concilii  decreto  adhaerere,  in  quo,  si  quis  intercessisset 
error,  obtemperant(i)  non  imputaretur  in  animae  pericolum,  tnm  quia 
habet  ignorantiam  facti  iustam,  quae  invincibilis  dicitur,  neqne  enim 
quis  tenetur  omnes  concilii  circumstantias  et  procesrai  wte.  tum  ob 
hnmilem  et  devotam  obedientiam,  quam  hoc  ipso  mftU 
hibet,  tum,  tertio,  quia  in  causa  ambigua  iadicaadiui 
cilii  sententia. 


432      Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  8.  November  1890. 

macht,  welche  davon  für  sich  keine  Erbauung  erwarten;  die 
Achtung  vor  der  Mutter,  die  Rücksicht  auf  den  Nächsten 
muss  hiebei  bestimmend  sein.  Er  schärft  auch  mit  Eifer  ein, 
dass  die  Fehlerhaftigkeit  der  Diener  der  Kirche  bedeutungs- 
los sei  für  die  Wirksamkeit  ihrer  Verrichtungen,  so  lange 
die  Kirche  sie  dulde.  Seine  Erörterungen  über  die  Mög- 
lichkeit eines  Irrthums  bei  den  Concilien  führen  ihn  nicht 
zu  dem  Urtheile,  dass  es  ein  Verbrechen  sei,  um  des 
Glaubens  willen  die  Todesstrafe  zu  verhängen,  vielmehr  tritt 
Schatzger  ausdrücklich  für  die  Ketzerverbrennung  ein.^)  Ob- 
schon  er  aber  so  vielfach  für  die  bestehenden  kirchlichen 
Einrichtungen  seine  Stimme  erhebt,  durchzieht  doch  alle 
seine  Schriften  der  Gedanke,  dass  es  in  der  bisherigen  Weise 
nicht  vorwärts  gehen  könne,  dass  eine  tiefgreifende  Besser- 
ung der  kirchlichen  Zustände  eintreten  müsse.  Er  will  das 
mannigfache  Wahre  und  Gute,  welches  sich  auch  in  den 
Schriften  der  falschen  Apostel  und  Prediger  vorfinde,  ver- 
werthet  wissen,  man  solle  es  den  ungerechten  Inhabern  fort- 
nehmen und  zu  eigenem  Nutzen  gebrauchen,  denn  —  so 
fügt  er  geschmacklos  hinzu  —  auch  im  Mist  finden  sich 
zuweilen  Perlen.  Schatzger  meint,  der  Hass  der  Laien  gegen 
die  Klosterleute  sei  erklärlich;  denn  stets  niüssten  jene  sieh 
den  Ausspruch  gegenwärtig  halten:  *Thue  nach  ihren 
Worten,  aber  nicht  nach  ihren  Werken/  Schatzger  ist  in 
heller  Verzweiflung  über  die  damaligen  kirchlichen  Zustände, 
er  meint,  der  Papst  mit  allen  seinen  Erzbischöfen,  Bischöfen 

1)  In  der  ^Replica,**  8  sagt  Schatzger  von  der  Bestimmung 
Deuteron.  17:  Haec,  inquam,  constitutio  iuste  vindicari  potest  et  in 
novo  testamento,  ut  haeretici  obstinati  igni  tradantur. 

^Examen,**  Q  3:  Sicut  defensanda  est  ecclesia  contra  tempo- 
rales vastatorefl,  aeque,  imnio  amplius,  contra  animaruni  trucidatores, 
cuiusmodi  sunt  haeretici,  non  censura  solum  ecclesiastica,  verum 
etiani  tcmporali  et  niateriali  ferro  et  igne,  decernente  domino  in 
Deuter. 


17.  Druff el:  Kaspar  Schatzger.  433 

und  dem  gesammten  Klerus  müssten  zu  Grunde  geben.  Seine 
einzige  Hofinung  ist  ein  Concil,  von  dem  er  erwartet,  dass 
es  in  der  Weise  vorgehen  werde,  wie  er  es  selbst  als  noth- 
wendig  bezeichnete.  Von  einem  solchen  erwartete  er  die 
Wiederherstellung  der  Kirche  in  ihrer  ursprünglichen  Rein- 
heit und  Einigkeit,  die  Beseitigung  aller  der  Missstände, 
welche  er  selbst  als  vorhanden  anerkannte.  In  dieser  HoflF- 
nung  berührte  er  sich  in  seinen  Gedanken  mit  den  trefiF- 
lichsten  seiner  Zeitgenossen  den  in  beiden  sich  so  schroff 
gegenüberstehenden  kirchlichen  Lagern. 


Nachtrag  zu  S.  414  Anm.  1: 

Während  alle  Exemplare  der  hiesigen  Staatsbibliothek  nur  den 
von  Marstaller  an  »eine  Freunde  vernchickten  Druck  als  Beilage  des 
Werkes  von  Billicanus  aufweisen,  ist  das  in  dem  Katalog  70  des 
Rosenthalschen  Antiquariats  unter  Nr.  8210  aufgeführte  Exemplar 
ein  solcbea,  in  welchem  Marstallers  Brief  im  Anschluss  an  des  Billi- 
canus Werk  und  unter  fortlaufender  Paginirung  (Bogen  e)  erscheint. 
Damit  föUt  die  ausgesprochene  Vermuthung.  Es  mag  noch  bemerkt 
werden,  dass  das  Exemplar  des  Marstallcrschen  Briefes  Polem.  818m 
die  eigenhändige  Notiz  von  J.  Eck  trSgt:  „D.  Mathiae  Kretz  [vgl. 
über  diesen  Prantl  I.  138]  —  Eck,*  und  dass  die  Confutatio  Billican's 
adversus  propositiones  Marstalleri  den  Vermerk  trägt:  ,Dono  celeber- 
rimi  viri  D.  Leonardi  Vuolfeck,  senatoris  ducalis,  domini  sui  et  patroni 
maximi.*  Leider  vermag  ich  die  Hand  nicht  festzustellen.  Aber 
könnte  man  nicht  daraufhin  vermuthen,  dass  Leonhard  von  Eck  es 
überhaupt  war,  der  die  Ingolstädter  auf  Billicans  Angritt'  erst  auf- 
merksam machte?  Dadurch  würde  sich  auch  sehr  natürlich  ergeben, 
wesshalb  Marstaller  sich  an  Leonhard  von  Eck  mit  seiner  Entgegnung 
wandte. 


434      Sitzung  der  historischen  Clcuise  vom  8.  November  1890. 


Herr  v.  Reber  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber     den     Karolingischen     Palastbau; 
I.  die  Vorbilder.* 

Derselbe     wird     in     den    Abhandlungen     veröfiFentlicht 
werden. 


435 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom  6.  Dezember  1890. 

Herr  Uiezler  hielt  einen  Vortrag: 

^Der  Hochverratsprozess  des  herzoglich  baye- 
rischen Hofmeisters  Hieronymus  von  Stauf, 
Reichsfreiherrn  zu  Ernfels.* 

Noch  schmachtete  ein  bayerischer  Staatsmann,  der  einst 
zu  den  mächtigsten  im  Reich  gezählt  hatte,  der  frühere 
Landshuter  Kanzler  Kolberger,  im  Kerker,  wo  ihn  vor  vier- 
zehn Jahren  ein  wahrscheinlich  unbegründeter  Argwohn 
seines  Landesherrn  eingeschlossen  hatte  und  nun  der  Hass 
der  Pfalzgrafen  festhielt  —  da  endete  am  8.  April  1516  zu 
Ingolstadt  unter  dem  Schwert  des  Henkers  der  glänzendste 
und  einflussreichste  aus  dem  bayerischen  Beamtenkreise,  der 
Hofmeister  Herzog  Wilhelms  IV.,  Hieronymus  von  Stauf, 
Reichsfreiherr  zu  Ernfels  —  ein  Drama,  das  an  grässlicher 
Tragik  noch  den  Sturz  des  Landshuter  Kanzlers  überbot  und 
dem  im  ganzen  Verlauf  der  bayerischen  Geschichte  kein 
ähnliches  an  die  Seite  gestellt  werden  kann.  Dass  es  allent- 
halben ungeheures  Aufsehen  erregte,  ist  selbstverständlich; 
seine  Bedeutsamkeit  steigert  sich,  je  mehr  man  in  die  Kennt- 
nis der  Zeit  eindringt,  wie  denn  der  tiefe  Eindruck,  den  es 
vor  allen  auf  die  Standesgenossen  des  Verurteilten  gM  1^ 
haben  muss,  wohl  nicht  unterschätzt  werden  darf,  wen 
nach  den  Gründen  forscht,   welche  unter  Wilhelm  ', 


436      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dezember  1890. 

Ludwig  X.  die  Haltung  der  Landschaft  von  dem  selbstbe- 
wussten  Eingreifen,  ja  der  üeberhebung  der  ersten  Jahre 
so  bald  7A\  unterwürfiger  Fügsamkeit  umschlagen  Hessen. 
Gewährte  das  mittelalterliche  Hofmeisteramt,  als  dessen 
letzter  Repräsentant  im  alten  Sinne  der  Staufer  in  Bayern 
betrachtet  werden  kann,  seinem  Inhaber  eine  Stellung,  welche 
—  soweit  ein  Vergleich  mit  der  Gegenwart  zu^ssig  ist  — 
Befugnisse"eiues  Ministers  des  Auswärtigen  und  des  herzog- 
lichen Hauses,  eines  Kabinetsvorstaudes  und  zugleich  person- 
lichen Adjutanten  des  Landesfürsten  vereinigte,  so  wirkte  in 
diesem  Falle  auch  die  Persönlichkeit  durch  sich  selbst,  über- 
dies kam  damals  die  Jugend  der  Herzoge  und  ihre  Zwie- 
tracht, kamen  die  Erschütterung  der  gesetzlichen  Erbfolge- 
ordnung im  Fürsten  hause  und  die  daran  anknüpfenden,  das 
Land  durchwühlenden  Parteiungen  hinzu,  um  diesem  ersten 
Hof-  und  Staatsbeamten  eine  ganz  ausserordentliche  Macht- 
stellung zu  schaffen.  Das  kann  man  nicht  leugnen,  sagt 
Aventin,  dass  Hieronymus,  wäre  er  nur  ehrlich  geblieben, 
im  ganzen  Bayerlande  keinem  Adeligen  nachstand,  mag  man 
nun  Geburt  oder  Reichtum,  Verstand  oder  Beredsamkeit  in 
Betracht  ziehen.  Hinzuzufügen  ist,  dass  an  politischem  Ein- 
fluss  der  Staufer  zweifellos  nicht  nur  keinem  nachstand, 
sondern  alle  überragte.  Es  soll  aber  hier  keine  Lebens- 
beschreibung des  Mannes  entworfen,  sondern  nur  so  viel  er- 
wähnt werden,  als  zum  Verständnis  seines  Prozesses  dienlich 
erscheint. 

Hieronymus  entstammte  einer  jener  bayerischen  Adels- 
familien, welche  von  Kaiser  Friedrich  HI.  mit  der  Reichs- 
frei Herrn  würde  ausgezeichnet,  dadurch  aber  einem  teilweise 
nicht  unberechtigten  Misstrauen  ihrer  Landesherrn  ausgesetzt 
worden  waren.  Bekannt  ist  der  Witz,  den  man  damals  am 
kaiserlichen  Hofe  aufgebracht  haben  soll:  dass  sich  drei 
grosse  Hansen  aus  Bayern  freien  Hessen.  Die  neuen  Frei- 
herren hiessen  nämlich  Hans  von  Degenberg,  Hans  von  Aich- 


Bietler:  Prozess  des  Hieronymus  v.  Stauf.  437 

berg  und  Hans  von  Stauf,  des  Hieronymus  Vater. ^)  Auch 
geistige  Interessen  scheinen  in  der  Staufisehen  Familie  nicht 
fremd  gewesen  zu  sein:  die  Namen  Farzival,  Gramoflanz, 
Feirafiss,  die  Söhnen  des  Hauses  beigelegt  wurden,  künden 
von  dem  Kultus,  den  man  hier  der  alten  Heldenpoesie 
widmete;  als  unerschrockene  Bibelforscherin  und  Vorkämpferin 
fQr  Luthers  Lehre  lebt  des  Hieronymus  Nichte,  Argula 
von  Grumbach,  die  Tochter  seines  Bruders  Bernhardin,  in  der 
Geschichte  fort.  Als  eines  der  Häupter  des  Löwenbundes 
hatte  Hieronymus  gegen  Herzog  Albrecht  IV.  in  offener 
Fehde  sich  aufgelehnt.  Er  und  sein  Bruder  Bemhardin 
waren  die  ersten  Verbündeten,  die  losschlugen,  aber  man 
darf  nicht  übersehen,  dass  Hieronymus  seinen  Bruder  an- 
fangs von  dem  Abschluss  des  Bundes  zurückzuhalten  und  die 
Zwistigkeiten  mit  Herzog  Albrecht  gütlich  beizulegen  ver- 
suchte.*) Schon  in  diesem  Kriege  hatte  Hieronymus  die 
mächtige  Hand  seines  Landesfürsten  zu  fühlen  bekommen; 
er  war  von  diesem  besiegt  und  zur  Haft  gesetzt  worden 
(1491).  Nachdem  aber  die  Staufer  im  August  1493  einen 
Sühnevertrag  mit  Herzog  Albrecht  geschlossen  hatten, 
scheint  es,  dass  sich  der  Fürst  edelmütig,  die  Unterthanen 
loyal  genug  erwiesen,  um  über  alles  Vorausgegangene  den 
Schleier  des  Vergessens  fallen  zu  lassen.  Dafür  sprechen 
wenigstens  die  wichtigen  Aemter,  die  den  Staufem  vom  Her- 
zoge nun  übertragen  wurden,  und  die  hervorragenden  Dienste, 
die  sie  darin  leisteten.  Als  herzoglicher  Hauptmann  zu 
Straubing*)   focht   Hieronymus,   sein    Leben   einsetzend,    für 

1)  Wiguleus  Hund,  der  dies  überliefert  (Stammenbuch  II,  307), 
erwähnt  aach  der  Weissagung,  dass  über  hundert  Jahre  von  diesen 
Geschlechtem  keiner  mehr  leben  werde.  ,Und  steht  nun  darauf,  dass 
diese  Prophezei  wahr  werde,  denn  Aichberg  ist  hindurch,  Stauf  und 
Degenberg,  deren  jedes  steht  nur  auf  zwei  Augen,  dieses  1586.  Jahrs. 
Gott  wolle  sie  noch  länger  erhalten!" 

2)  Vgl.  Erenner,  Landtagshandlungen  X,  167. 
8)  8.  Beilage  Nr.  8. 


438      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Deeember  1890, 

Albrecht  im  Erbfolgekriege,  in  der  Böhmenschlacht  und  vor 
Dingolfing  wurden  ihm  Pferde  erstochen,  sein  Bruder  Bem- 
hardin  ward  mit  der  wichtigen  Hauptmanns-  oder  Vitztums- 
stelle  in  dem  neugewonnenen  Landshut  betraut,  ja  noch  von 
Albrecht  selbst  als  einer  der  Vormünder  seines  Erstgeborenen 
und  Mitglied  des  Regen tschaftsrates  bestellt.  Laut  eines  nicht 
ganz  sicheren  Zeugnisses  soll  Albrecht  freilich  seinen  Nach- 
folgern die  Mahnung  hinterlassen  haben,  seine  Niederlage  im 
Rechtsstreit  mit  den  Löwenrittern  nicht  ungerächt  zu  lassen, 
aber  auch  wenn  dem  so  war  —  der  Gedanke,  dass  dreiund- 
zwanzig Jahre  später  beim  Prozess  der  »Söhne  gegen  Hiero- 
nymus,  nach  so  vielem,  was  dazwischen  lag,  diese  Mahnung 
noch  in  Erinnerung  geblieben  und  befolgt  worden  wäre,  ist 
zurückzuweisen.  Dagegen  liefen  allerdings  nach  einer  andern 
Richtung  noch  Fäden  von  dem  Prozess  bis  zu  jenen  Ereig- 
nissen zurück:  Ausdrücke  des  Hasses,  den  Hieronynius  da- 
mals gegen  seinen  Landesherrn  eingesogen,  ja  Mordgedanken 
gegen  denselben  bildeten  noch  jetzt,  ein  Vierteljahrhundert 
später,  einen  Gegenstand  der  Anklage. 

Im  Februar  1514  wurde  durch  einen  landständischen 
Ausschuss  der  herzogliche  Hofhalt  neu  geregelt,  Gregor  von 
Egloffstein,  der  bisher  Hofmeister  Herzog  Wilhelms  gewiesen, 
„ausgemustert"  und  als  Hofmeister  für  beide  Herzoge,  Wil- 
helm und  Ludwig,  Hieronynius  von  »Stauf  bestellt,^)  der  schon 

1)  S.  Landtag  v.  1514,  S.  178.  Ausser  ihm  erscheint  ein  ,,Land- 
hofnieister,"  Kitter  Wolf  von  Ahaini,  und  ein  besonderer  Hofmeister 
Herzog  Ernsts,  Heinrich  Muckenthaler.  Dass  der  Staufer  als  Hof- 
meister bei  den  beiden  zusammen  regierenden  Fürsten  bestellt  wurde, 
erhellt  aus  den  folgenden  Ereignissen,  v.  Lilien  nennt  H.  v.  St. 
„obersten  Hofmeister  Herzog  Ludwigs,  Kat  H.  Wilhelms  und  Landes- 
hauptmann in  Ingolstadt."  Kr  beruft  sich  hiefür  auf  Hund  II,  308, 
wo  jedoch  nur  steht :  „(er)  war  in  grosser  (inad  und  Thuon  bey 
Hertzog  Wilhelm,  und  Hertzog  Ludwig  oberster  Hotfmaister."  Kr- 
wägt  man,  das«  Ludwig  etwa  im  März  1512  erst  aus  der  Aufsicht 
seines  Lehrmeisters  Aventin  entlassen  wurde  und  dann   ,in  das  dritte 


Jtiezter:  Prozess  des  Hieronymus  v.  Stauf.  439 

• 
vorher  als  Wilhelms  Rat  und  Gesandter  eine  bedeutende  Rolle 

bei  Hof  gespielt  hatte.  Als  Hofmeister  gehörte  er  zu  den  »täg- 
lichen,* d.  h.  ständigen  Räten  in  München^")  und  hatte  im  her- 
zoglichen Schlosse  selbst  seine  Wohnung.*)  Wo  nur  ein  wich- 
tiger politischer  Vertrag  abzuschli  essen  ist,  treflfen  wir  ihn 
nun  unter  den  Vermittlern  oder  Zeugen,  wo  eine  vertrau- 
liche oder  schwierige  Botschaft,  sei  es  an  den  kaiserlichen 
Oheim,  die  Landstände  oder  andere  gerichtet  wird,  niemand 
wird  öfter  dazu  ausersehen  als  Hieronymus.  Er  ist  auch 
unter  den  vier  Beamten  und  Landständen,  die  (9.  Sept.  1515) 
allein  in  das  wichtigste  Geheimnis  der  herzoglichen  Politik, 
in  den  Plan,  die  verlorenen  Lande  wieder  beizubringen,  ein- 
geweiht wurden. 

Doch  wir  müssen  hier,  wenn  der  Prozess  verstanden 
werden  soll,  auch  die  politischen  Ereignisse  der  voraus- 
gehenden Jahre  ins  Auge  fassen.  Wilhelm  IV.  hatte  an 
dem  Tage,  da  er  sein  18.  Lebensjahr  erreichte,  13.  November 
1511,')  gemäss  der  Primogeniturordnung  seines  Vaters  die 
selbständige  Alleinregierung  angetreten,  bald  aber  durch 
eigenmächtiges   und   unreifes   Gebahren^)   den   heftigen  An- 


Jahr'  vom  Kaiser  «in  seine  Zucht  und  Regierung  genommen  war* 
(Landtag  v.  1514,  S.  306),  so  bleibt  für  einen  besonderen  Hofmeister 
Ludwigs  vor  dem  Eingreifen  der  Landschaft  im  Jahre  1514  kein  Raum. 
Hunds  Angabe  dürfte  (wenn  nicht  etwa  nur  falsche  Interpunktion 
im  Drucke  vorliegt)  auf  Verwechselung  mit  H.  Wilhelm  beruhen. 

1)  Landtag  v.  1514  a.  a.  0. 

2)  Landtage  v.  1515,  1516,  S.  588. 

3)  S.  Krenner,  Landtagshandlungen  XVIII,  374,  379,  wodurch 
Häutle's  (Qenealogie  des  Hauses  Witteisbach  S.  42)  Angabe  über  das 
Ende  der  Vormundschaft  (18.  März  1511)  als  irrig  erwiesen  wird. 

4)  Auch  der  Vorwurf  der  Verschwendung  ward  damals  gegen 
Wilhelm  erhoben.  Als  aber  1515  neuerdings  die  Klage  laut  wurde, 
•als  sollt  S.  Gnad  am  Kais.  Hofe  die  Zeit  her  abermals  viel  verthan 
haben,  verspielt  und  verschwendt/  erklärten  seine  Räte,  „daran  sei 
Sr.  Gnaden  hievor  wie  jetzt  grässlich  und  öffentlich  Unrecht  be- 
schehen.*     Landtage  v.  1515  u.  1516,  S.  31. 


440      Sitzung  der  historischen  Glosse  txm  6.  Dezember  1890. 

stürm  einer  in  der  Hauptsache  wohlbegründeten  ständischen 
Opposition   heraufbeschworen.     Als   der  Herzog  im  Oktober 
1512    den   Versuch    machte,    durch   Einberufung    des  Land- 
schaftsausschusses die  Landschaft  selbst  zu  umgehen,  welche 
gesetzlich    zur  Huldigung,   Bestätigung  der  Landesfreiheiten 
und  Erlassung   von  Landgeboten  berufen  war,    war   es  eben 
Hieronymus  von  Stauf,  durch  dessen  Mund  die  einberufenen 
Landschaftsglieder  sich  als  nicht  zuständig  erklärten.*)    Wie 
aber   die  Dinge   lagen,    äusserte   die  Missachtung   und  Ver- 
stimmung,   die    der   jugendliche  Herzog   gegen   sich  herauf- 
gerufen, eine  noch  schlimmere  Wirkung,  als  sie  unter  allen 
umständen   gehabt   haben  würden.     Nur  durch  sie  ward  es 
ermöglicht,   dass   das   von  64  Landständen,   von   den  Ersten 
des    Landes    besiegelte    Primogeniturgesetz,    diese    kostbare 
Hinterlassenschaft    Albrechts    des    Weisen,    gleich    die    erste 
Probe  seiner  Wirksamkeit    nicht   bestand    und    durch   dieses 
Versagen  dem  Lande  nochmal  die  Gefahr  eines  greuelvollen 
Bruderzwistes  erschreckend  nahe  trat.    Aufgestachelt  von  einer 
in  dieser  Hinsicht  unverständigen  Mutter  und  vom  kaiserlichen 
Oheim,  der    von   eigennützigen    Absichten  in  diesem  Handel 
kaum  freizusprechen  sein  dürfte,  leimte  sich  der  lebenslustige 
zweite  Bruder  Ludwig  gegen  die  für  ihn  allerdings  harten  Be- 
stimmungen der  väterlichen  Erbfolgeorduuiig  auf.    Gewichtige 
Unterstützung  fand  er  darin,   dass  die  Neuerung  des  Vaters 
gegen  das  allgemeine  Herkommen  und  gegen  die  Öifentliche 
Meinung  verstiess.     Die  Landschaft  aber  ward   durcii  diesen 
Streit  im  Hause  der  Landesfürsten  noch  einmal  zu  glänzender 
Machtstellung  empor  gehoben.    Ohne  Zögern,  teils  durch  den 
Anstoss,  den  des  jüngeren  Bruders  autfallende  Zurücksetzung 
weckte,    teils    durch    tiefen    Missmut    über    das    Treiben    des 
regierenden   Fürsten    bewogen,    ergriffen,    gleich   dem   Kaiser 
und    der    Herzoginwitwe,    auch    die    Landstände    Partei    für 


1)  Liindtaj^Hhandlungen  XVUI,   il*J. 


aVrfcr;  Proifi-i  ilt,  lliti 


'.  Stnvf. 


411 


Lndwig,  Sie  forderten  fllr  ihn  lüe  Mitrexiening,  schlössen 
(1.  h'fbniar  1514)  ein  Bdndiiis  zur  Handhabung  ihrer  Frei- 
hpiten  und  setzten  »us  ihrer  Mitte  einen  Viereraiisscbiifts 
nieder,  der  bedenklich  au  eine  (legcnregieninf^  erinnerte, 
'■«fuhrt  v'>n  dem  geistrollen  und  redegewandten  Humanisten 
Dietrich  von  Plieuingen  traten  sie  Wilhelm  mit  Freimut 
und  Kner^e  gej^etitlber.  Ae  setzten  durch,  diiss  Ludwig  in 
Avi  MitreKierung  iiufgenumnien,  Albrecbts  I^rbfolgegesetz  also 
Dai]^t(uwen  wnrde,  ja  sie  ernannten  selbst  die  neuen  Rute, 
tlie  Wilhelm,  bis  er  vierandzwaniig  Jahre  erreicht  haben 
;ine  Regentschail  zur  Seite  stehen  stillten,  l'nter 
,  HSten  befand  sich  —  man  möchte  sagen,  a!«  nnent- 
iobe  Persönlichkeit  —  wiederum  der  herzoglielie  Hof- 
^r  Hieronymiis  von  Staiif. 

JM»  Histracht  der  Brilder.  die  durch  dieees  Abkommen 
^ftthrt  Ward,  ging  so  weit,  ^oi»  sie  Tisch  und  Schlaf- 
bsh  teilten,  abor  sie  wührte  nur  wenige  Wochen.  Da 
[aiser  gegen  die  Landschaft  strengen  Tadel  wegen  ihrea 
reifena  aussprach  und  ihr  bei  Strafe  der  Aclit  alles 
I  Vorgehen  untersagte,  bot  dies  Wilhelm  Rückhalt  zu 
IVeranche,  die  Mitregierung  des  Bruders  abzuscLlitteln 
■ich  der  denidtigenden  Abhängigkeit  vom  Kegentscbufls- 
"nod  den  Stünden  xu  entwinden.  Gewisse  Massregetn 
pBersflgH  und  Drehworte,  die  er  gegen  einige  seiner  [tüte 
itieüs,  riefen  eine  neue  Verstimmung  der  Landschaft  gegen 
Wilhelm  hervor,  welche  an  Schärfe  die  zu  Anfang  seiner 
Regierung  zutage  getretene  noch  fiberbot.  Wilhelm  verlieas 
datnaU  München,  wo  sein  Bruder  und  die  Stände  nun  freie 
Huid  erhielten,  reiste  /.um  Kaiser,  der  ibti  in  seinem  Wider- 
iitand  gegen  die  Landschaft  bestärkte,  und  richtete  sieh  in 
Bnrghunäen  einen  bn^nderen  Hofhalt  ein,  wiewohl  der  dor- 
tige Uauiitmann  am  :t.  Aj>ril  nn  den  SUufer  berichtet  hatte: 
ilhülm  möge  eich  nicht  zu  sehr  niif  Avus  Niederlnud  ver- 
1  soweit  er  die  Stimmung  durchschaue,  sei  sie  fQr  die 
nii(ia.-i<i>iiui.  u.  iiut.  01.  II  n.  m 


442      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6:  t>ezember  1890. 

Landschaft.  Herzog  Ludwig  schrieb  am  4.  Jali  an  den 
Staufer,  der  Wilhelm  begleitet  hatte:  es  nehme  ihn  Wunder, 
dass  er  nach  seiner  vorher  gemachten  Zusage  ihm  nunmehr 
„so  gar  nichts*  schreibe  oder  entbiete;  er  möge  ihn  wissen 
lassen,  aus  welchen  Ursachen  Wilhelm  den  Kaiser  aufsuche, 
nachdem  doch  dieser  sie  geheissen  habe,  ihren  Wohnort 
nicht  zu  verlassen,  bis  er  in  die  Nähe  käme.  Eine  ständische 
Botschaft  wurde  vom  Herzog  in  Burghausen,  wie  sie  klagte, 
«grässlich  geschmäht  und  verachtet*.  Schon  erzählte  man 
sich,  ein  Diener  Wilhelms  habe  geäussert,  etliche  der  Land- 
schaft müssten  noch  ihre  Köpfe  verlieren,  schon  beschloss 
der  Landschaftsausschuss,  wenn  Wilhelm  noch  länger  in 
seinem  Widerstand  beharre,  nach  einem  geschickten  Feld- 
hauptmann sich  umzusehen. 

Schwer  belastende  Gerüchte  waren  damals  über  den 
Staufer  in  Umlauf.  Wiewohl  selbst  Mitglied  des  Landschafts- 
ausschusses, habe  er  Wilhelm  gegen  die  Landschaft  auf- 
gehetzt und  ihm  geraten,  den  brüderlichen  Vertrag  zu  um- 
gehen, habe  sogar  den  Ausschuss  grundlos  des  Planes  be- 
zichtigt den  Fürsten  aufzuheben.  Eifrig  habe  er  alle  Räte 
wider  die  Landschaft  aufzustiften  gesucht  und  in  aller  Form 
als  Hofmeister  den  brüderlichen  Vertrag  als  nicht  mehr  giltig 
behandelt,  wiewohl  er  vor  seiner  Abreise  mit  dem  Herzog 
sich  gegen  einige  Räte  äusserte:  sollte  Wilhelm  gegen  den 
Vertrag  etwas  vornehmen  wollen,  so  werde  er  das  wider- 
raten und  die  Landschaft  zu  rechter  Zeit  warnen.^) 

Infolge  dieser  Gerüchte  Hess  die  Stadt  München  Herzog 
Wilhelm  erklären,  er  könne  ohne  jeden  Argwohn  in  ihre 
Mitte  kommen ;  sie  verbürge  sich  mit  Leib  und  Gut  für 
seine  Sicherheit.  Im  August  entsandte  Wilhelm  seinen  Hof- 
meister und  den  Grafen  Christoph  von  Ortenburg  an  den 
Münchener    Rat,    um    demselben    verschiedene    Beschwerden 


1)  Landtag  v.  1514,  S.  549  f. 


liiezler:  Prozess  des  Sieronymus  v.  St  auf.  443 

vorzutragen,  und  bei  dieser  Gelegenheit  ward  der  Staufer  von 
Dietrich  von  Plieningeu  im  Auftrag  Herzog  Ludwigs  und 
des  Landschaftsausschusses  auf  dem  Rathause  zur  Rede  ge- 
stellt. Nachdem  er  von  der  Landschaft  als  Hofmeister  für 
beide  Fürsten  aufgestellt  worden  sei,  möge  er  nun  erklären, 
wie  sein  Verhalten  damit  in  Einklang  zu  bringen  sei.  Der 
Staufer  forderte  schriftliche  Zustellung  der  Anklage.  Da 
dies  verweigert  wurde,  ritt  er  trotzig  hinweg,  ohne  sich  zu 
verantworten,  und  sandte  von  Burghausen  aus  an  Herzog 
Ludwig  die  schriftliche  Aufkündigung  seiner  Rats-  und  Amts- 
pflicht, welchem  Beispiele  das  ganze  Burghauser  Hofgesinde 
folgte. 

Das  Verhalten  des  Staufers  in  dieser  Erisis  hat  später 
einen  der  Punkte  der  gegen  ihn  erhobenen  Anklage  ge- 
bildet, ja  man  geht  wohl  nicht  zu  weit,  wenn  man  annimmt, 
dass  in  der  Erbitterung,  welche  der  Hofmeister  damals  bei 
Herzog  Ludwig^)  und  der  Landschaft  gegen  sich  wach- 
rief, die  nach  anderthalb  Jahren  gegen  ihn  eingeleitete  Ver- 
folgung vornehmlich  wurzelte. 

Gegen  Ende  des  Sommers  war  es  so  weit  gekommen, 
dass  ein  Bruderkrieg  in  Sicht  schien.  Schon  rieten  kaiser- 
liche Räte  Wilhelm,  er  solle  München  und  Landshut  mit 
Gewalt  besetzen,  schon  warb  dieser  in  Böhmen  und  Franken, 
Salzburg  und  Passau  Söldner,  während  Ludwig,  der  über 
die  Kräfte  des  Landes  verfügte,  überall  Hauptleute  und  Kriegs- 
räte aufstellte.  Dann  kam  doch  (14.  Sept.)  am  kaiserlichen 
Hoflager  zu  Innsbruck  ein  von  beiden  Herzogen  und  dem 
Landschaftsausschusse  besuchter  Vergleichstag  und  dort  die 
Aussöhnung  der  Brüder  zustande.  Das  Ziel  ward  nicht 
durch  die  kaiserliche  Vermittlung  erreicht,   vielmehr  beför- 


1)  Ludwig  bezeichnete  in  seiner  Antwort  das  Schreiben  des 
Staufers  als  ,nngebührlich*  and  „^r  fremden  Inhalts/  Landtag  v. 
1514,  S.  569. 

30* 


444      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dezember  1890. 

derte  der  in  den  Herzen  der  Brüder  damals  rege  gewordene 
Argwohn  gegen  die  Ehrlichkeit  der  kaiserlichen  Absichten  die 
Annäherung  der  Fürsten.  Auf  Seite  Wilhelms  aber  wirkte 
wohl  auch  die  allmählich  durchgedrungene  Ueberzeugung 
mit,  dass  er  im  eigenen  Lande  so  gut  wie  keinen  Halt  habe. 
Die  Niederbayern,  in  deren  Mitte  er  Anhang  gesucht,  hatten 
unzweideutig  zu  verstehen  gegeben,  dass  sie  nicht  gesonnen 
seien,  den  Standpunkt  der  Landschaft  preiszugeben.^)  Briefe 
des  Burghauser  Hauptmanns  Thomas  von  Wallbrunn,  welche 
kurz  vor  dem  eingetretenen  Umschwung  (am  21.  Sept.  und 
1.  Oktober)*)  an  den  Staufer  gerichtet  wurden,  erwähnen  den 
Verdacht,  der  auf  ihnen  beiden  ruhe,  als  ob  sie  Wilhelm 
leiteten  und  beherrschten ,  und  mahnen  ,  der  Staufer  möge 
vor  allen  Dingen  die  (kaiserliche)  Bestätigung  ihrer  «Gab* 
zu  erlangen  streben. 

Von  dem  Abkonmien,  das  nun  zwischen  den  Brüdern 
geschlossen  wurde,  heisst  es:  es  sei  insgeheim  «durch  etliche 
treffliche  Personen*  vermittelt  worden.  Nichts  liegt  näher, 
als  diese  , trefflichen  Personen*  in  den  vier  fürstlichen 
Räten  zu  suchen ,  welche  als  Zeugen  des  Abkommens  ge- 
nannt werden.  Einer  von  diesen  aber  war  Wilhelms  Hof- 
meister Hieronymus  von  Stauf.^)  Der  brüderliche  Einungs- 
vortrag  ward  am  14.  Oktober  auf  der  Heimreise  vom  Inns- 
brucker Tage  zu  Rattenberg  beurkundet.  Er  besagte,  dass 
Ludwig  ein  Drittel  des  Landes  erhalten  sollte,  und  sicherte 
allen  an  den  vorausgegangenen  Streitigkeiten  Beteiligten 
Vergeben  und  Vergessen  zu.  Dass  nun  die  Landschaft, 
die  keine  neue  Landesteilung  wollte ,  der  Ausführung  des 
Vertrags  widerstrebte ,  auch  die  Brüder  selbst  über  die 
Art  der  Teilung  sich  nicht    einigen    konnten,    brachte  noch 


1)  Darüber  verbreiten  nun  die  Schreiben  Wallbrunns  Liebt;  Bei- 
lagen Nr.  7  und  11. 

2)  Beilagen  Nr.  10,  11. 

3)  Landtag  v.  1511,  S.  774. 


Riezler:  Prozess  des  Hieronymus  v.  Stauf,  445 

keinen  Riss  in  die  neugewonnene  Eintracht,  sondern  veran- 
lasste die  Herzoge  nar,  sich  nun  zu  gemeinsamer  Regierung 
zu  entschli essen.  Dahin  einigten  sie  sich  in  einem  am 
20.  November  1514  zu  München  beurkundeten  Vertrage  zu- 
nächst auf  drei  Jahre.  Die  Unterhändler  dieses  Abkommens 
waren  acht  fürstliche  Räte,  an  ihrer  Spitze  wiederum  Hier- 
onymus  von  Stauf.  Die  der  Landschaft  und  allen  Beamten 
hinsichtlich  der  jüngsten  Vorgänge  zugesicherte  Amnestie 
ward  neuerdings  ausgesprochen. 

Mehr  als  ein  Jahr  Hessen  jedoch  die  Herzoge  verstreichen, 
bis  sie  der  Landschaft  diesen  neuen  Vertrag  eröffiieten.  Die 
Unklarheit  in  der  wichtigen  Frage,  wie  es  mit  der  Regierung 
bestellt  sei,  dann  auch  der  Umstand ,  dass  Herzog  Wilhelm 
die  Stände  einige  Wochen  auf  sein  Erscheinen  warten  liess, 
riefen  auf  dem  Landshuter  Landtage,  der  auf  den  30.  No- 
vember 1515  einberufen  worden  war,  neuerdings  eine  ge- 
wisse Verstimmung  gegen  den  älteren  Herzog  hervor,  i) 
Wilhelm  entschuldigte  sein  Ausbleiben  mit  dringenden  Ge- 
schäften beim  Kaiser,  in  der  Versammlung  aber  herrschte 
die  Anschauung  vor,  dass  sein  Hofmeister  die  Schuld  daran 
trage.     Es  ist  ein  grosses  Geschrei   über  den  Hofmeister  — 


1)  Einen  interessanten  Stimmungsbericht  bietet  das  Schreiben 
des  Sekretärs  Kölner  an  Herzog  Wilhelm  y.  4.  Dez.  ans  Landshut 
(Landtage,  S.  270  f.,  gekürzt  bei  v.  Freyberg,  die  Staafer  II,  94  f.). 
Man  sieht  daraus,  dass  H.  Wilhelm  anfangs  diesem  Landtage  nicht 
recht  traute  und  unschlüssig  war,  ob  er  kommen  sollte.  Kölner 
sucht  ihm  sein  Misstrauen  auszureden,  zieht  aber  immerhin  den  Fall 
in  Erwägungi  ,ob  E.  G.  von  einer  Landschaft  oder  ihrem  Bruder 
ichts  beschwerlich  gleich  begegnet,  des  ich  mich  doch  nicht  versieh, 
sonder  zu  Gott  hoff,  es  werd  nicht  beschehen."  Er  empfiehlt  seinem 
Herrn  leutseligeres  Verhalten  nach  dem  Muster  seines  Bruders:  ,Item 
£.  G.  Bruder  hat  heut  gemeiner  Landschaft  mehrer  Theils  die  Hand 
gereckt,  ihnen  gnädiglich  zugesprochen,  das  müssen  E.  G.  auch  thun 
und  sich  freyes  Mund  gegen  den  Leuten  stellen,  je  zu  Zeiten  selb 
auch  ein  Red  mitlaufen  lassen,  thut  nicht  noth,  dass  die  all  weg  mit 
aerlichen  Worten  beschehe." 


440      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dezember  1890, 

bericbieien  am  10.  Dezember  Statthalter,  Hanptmann  und 
Räte  in  Landshut  an  Wilhelm  —  da  diesem  die  Schald  am 
Ausbleiben  Eurer  Gnaden  zugemessen  wird.  Dietrich  von 
Plieningen  sprach  die  Ansicht  aus,  dass  der  Stanfer,  der 
zum  Teil  die  Schuld  an  dem  Fembleiben  des  Herzogs  haben 
dürfte,  auch  für  sich  selbst  fürchte. 

Die  Stimmung  gegen  ihn  war  eine  derartige,  dass  er  wohl 
Grund  zur  Furcht  gehabt  hätte.  Seit  dem  Herbst  1514  war  zu 
den  früheren  Gründen  der  Unzufriedenheit  mit  dem  mächtigen 
Hofmeister  ein  sehr  wirksamer  neuer  hinzugetreten.  Herzog 
Wilhelm  hatte  ihm  nämlich  unter  dem  27.  September  1514  zu 
Innsbruck,  wie  er  ihm  schon  am  2.  Juni  dieses  Jahres  zur 
Belohnung  für  ^seine  redlichen  und  getreuen  Dienste*  urkund- 
lich zugesagt  hatte/)  Schloss  und  Herrschaft  Falkenstein 
nördlich  der  Donau  nicht  etwa  geliehen,  sondern  zu  eigen 
geschenkt*)  —  eine  der  Vergabungen,  auf  welche  Wallbrunn 
angespielt  hatte.  Am  10.  Januar  1515  waren  die  Einwohner 
und  Unterthanen  der  Herrschaft  davon  in  Kenntnis  gesetzt 
worden'.)  Die  Zulibsigkeit  einer  solchen  Schenkung  war 
zum  mindesten  zweifelhaft,  da  herzogliches  Gut  nicht  ohne  Zu- 
stimmung der  Lfindschaft  veräussert  werden  sollte,  und  unter 
den  Standesgenossen  des  Hofmeisters  fachte  diese  ungewöhn- 
liche Auszeichnung  Zorn  und  Neid  zu  hellen  Flammen  an. 
Man  verbreitete  das  allem  Anschein  nach  grundlose  Gerücht, 
der  Staufer  habe  die  neugewonnene  Herrschaft  überdies  dem 
Reich  zum  Lehen  aufgetragen.  Während  der  Landtag  zu 
Landshut  versammelt  war,  fand  man  dort  eines  Tags  an 
der  Kirchthür  von  St.  Martin  einen  Zettel  angeschlagen, 
auf  dem  ein  Anonymus  gegen  den  Staufer  aufhetzte.  Dass 
er  Falkenstein  ohne  der  Landschaft  Wissen  und  Willen  nur 


1)  Zu  München.    Abachrifl  Rieds   im  Reichsarchiv,  Adelsselekt: 
Staufer  v.  Ernfels,  2.  Faszikel. 

2)  Oefele,  Script.  II,  327. 
S)  Beilagen  Nr.  13,  14. 


Jtinler:  Pmieif  dr«  llirr 


:  Stniif. 


447 


i  Ffitst«Rv:iii>st  innehabe,  künn^  keinen  Bestand  Iinben: 

Piandschafl  MeinnnR  sei .   das    Schlosa   dCrfe   nicht  vom 

Bayern  kommen.     Stelle   es  der  Staufer  den  Landes- 

I  nicht  Burllck ,    s»   möge   er   wi.'^sen ,    da^L«  er  bei  der 

trhaft   fortan   nichts   zu    thun    und    zu    schaffen    habe. 

IJgenfalU  werde  man  ibm  das  Hatiä  altwerfen!     Herzog 

;  lies»  den  Zettel  von  der  Kin^hthüre  abreissen;  seinen 

^t  Über  diesen    Angriff  sollen    auch   einige    Herren  des 

Kbaftsauüsc hassen   geteilt  haben,    wenn    wir   anders   in 

I  Punkte  dem  Berichte  eines  staufischen  Beamten  trauen 

Am  8,  Dezeraiier   aber   entsandte   Herzog  Wilhelm  aus 
1  Hofmeister  an  den  Landtag,  um  die  Verzögerung 
Ankunft   zu   entschuldigen.     Zugleich    Qbernahro  der 
Slanfer  (neben  Sigmund  von    Herberstein)    eine    Mission  des 

Iiers  im  selben  Sinne.  In  dem  Cralenzbriefe  wird  er 
L  als  kaiserlicher  Hat  bezeichnet')  und  es  ist  sehr  wahr- 
lllieh,  du!«  diese  WUrde.  mag  sie  dem  Staufer  erst  da- 
I  oder  schon  frtiher  verliehen  worden  sein,  die  Missgunst 
er  Standesgenossen  gegen  ihn  steigerte,  tnüglich  auch, 
(  Misätrauen  hei  den  Herzogen  weckte.  Er  erstattete 
\  Ausschuss  mündlich  Bericht ,  bat  auf  den  Herzog  nur 
I  Tier  bifl  fünf  Tage  zu  wHiien ,  vertrat  zugleicii  aucli 
Angelegenheit  der  ihrem  Gemahl   aus  WUrtemberg  ent- 

p)  De*    Pfle^ra   Oiesser.     Beilagen    Nr.    18.     Heraoga    Ludwig« 

i  er«cbeint  pioiil  unglaubwürdig,  wenn  wir  die  Äusaage  dos 

I  Verhör  lArt.  16)  b^Bt'bten,  wonach  H.  Wilhelm  ihm  «u- 

[  liabn,  ihm  auch  die  EiDwilligung   Beines   Bruder»  lu  dieser 

a  vemchiiffon,  und  diese  homach  wirVlich  (fewOhrl  worden 

r  henogliche  Befehl  (Beilage  St.  13}  tur  Üeber^nbe  Falken- 

I   Stuufer   ifing   denn    auuh   von    littiden   Brndem    an». 

Mttäa  blieb  auch  nach  des  Kieronyinua  Verurteilung  im  Besiti 

mili^  bi*  «B  der  Sohn  Hans  Ruprecht.  1B36  (10.  Jonoar)  lun 

1.  ta  Bercoir  Ludwig  Tirrkaafl.c. 

)  Uadt%L>  8.  92. 


448       Sitzung  der  hisiorisdien  Classe  vom  6*.  Dezember  1890, 

flohenen  Herzogin  Sabine.  Bald  darauf  brachte  Wilhelms 
persönliches  Erscheinen  in  Landshut  und  die  Kundgebung 
des  brüderlichen  Vertrags  vom  20.  November  1514,  die  nun 
nicht  länger  verzögert  ward,  alles  wieder  ins  rechte  Geleise. 
^Mit  erhobenem  Gemüt"  empfingen  die  Stande  die  Nachricht 
von  dem  Entschluss  der  Herzoge  auf  gemeinsame  Regierung. 
Sie  bedauerten  nur,  dass  das  Abkommen  nur  auf  drei  Jahre 
lautete,  und  wünschten,  dass  es  für  und  für  gelten  sollte. 
Auch  in  dieser  Hinsicht  ward  ihr  Wunsch  wenigstens  teilweise 
erfüllt:  am  12.  Februar  1516  ward  der  Vertrag  auf  fünf  Jahre 
erstreckt.  Wenige  Wochen  später  aber,  am  7.  April,  erfreuten 
die  Fürsten  ihre  zu  Ingolstadt  versammelte  Landschaft  über- 
dies durch  die  hochwillkommene  Botschaft,  dass  sie  aus  Spar- 
samkeitsgründen auch  die  vorher  beschlossene  Trennung  der 
Verwaltung  aufgeben  und  auf  zehn  Jahre  gemeinsames  Re- 
giment und  gemeinsamen  Hofhalt  haben  wollten. 

Als  unmittelbare  Wirkung  der  Aussöhnung  und  des 
engen  Anschlusses  zwischen  den  lang  entzweiten  herzoglichen 
Brüdern  erscheint  nun  der  in  unserer  vaterländischen  Ge- 
schichte einzig  dastehende  Hochverratsprozess  gegen  den 
Staufer.  Bei  dem  Hasse,  den  der  Mächtige  gegen  sich  wach- 
gerufen hatte,  kann  sein  Sturz  nicht  überraschen;  merkwürdig 
ist  aber,  dass  derselbe  nicht  durch  Herzog  Ludwig  und  die 
Landschaft,  sondern  durch  die  beiden  Herzoge,  auch  durch 
den  bisher  so  eng  mit  ihm  verbundenen  Wilhelm  herbeige- 
führt wurde.  Was  dem  Staufer  bisher  so  viele  Feinde  zu- 
gezogen hatte ,  war  ja  zum  guten  Teil  eben  dies ,  dass  er 
Herzog  Wilhelms  Sache  gegen  den  Bruder  und  gegen  die 
Landschaft  bis  zum  äussersten  verfocht.  Nun  aber  muss 
Ludwig,  unterstützt  von  der  Mutter,  den  Bruder  tiberredet 
haben,  dass  unter  der  heuchlerischen  Maske  des  beflissenen 
Dieners  ihm  bisher  nur  ein  eigennütziger  Verräter  zur  Seite 
gestanden  sei.     Am   1.  April   l^liJ,  um  neun   Uhr  Nachts, ^) 

1)  S.  Beilage  Nr.  22. 


Riezler:  Prozess  der  Hieronymus  r.  Stauf,  449 

ward  der  Hofmeister  in  Ingolstadt,  wohin  er  kurz  zuvor  zur 
Landschaft  geritten  war^),  auf  Befehl  der  Herzoge  verhaftet. 
Gleichzeitig  erhielt  der  herzogliche  Schlosspfleger  zu  München, 
Ritter  Hieronymus  von  Seiboldsdorf  zu  Schenkenau,  den  Be- 
fehl ,  des  Staufers  Habe  und  Fahrniss ,  die  sich  in  seiner 
Wohnung  im  fürstlichen  Schlosse  fanden ,  zu  inventarisiren. 
Da  die  überschickten  Schlüssel  nicht  passten  ,  Hess  derselbe 
durch  den  Hofschlosser  alle  Schlösser  öffnen.  Dann  nahm 
er  ein  Inventar  auf  und  schickte  dasselbe  an  den  Herzog.*) 
Alle  in  der  Wohnung  vorhandenen  Briefe  und  Schriften 
wurden  ^pCrklaubt^  und  durchgesehen,  unter  dem  allen  aber 
, nichts  Namhaftes  oder  Besonderes,  das  wider  den  Staufer 
anzuziehen  sein  möchte^ ,  gefunden.  Seiboldsdorfer  hob  je- 
doch einige  Punkte  hervor,  über  die  der  Staufer  seines  Er- 


1)  Landt&ge  v.  1515,  1516.  Anhang,  S.  590.  In  diesem  Bande 
anch  die  Quellen  fQr  alles  folgende,  soweit  nicht  anderweitige  ge- 
nannt werden.  Dem  dort  (S.  880  fgd.)  veröffentlichten  Berichte  über 
die  Verhandlungen  bezüglich  des  Staufers  vor  dem  Landtage  liegt 
eine  gleichzeitige  Handschrift  des  Landschaftsarchivs  (jetzt  Reichs- 
archiv^  Altbayerische  Landschaft)  zugrunde,  betitelt:  , Landtage  v. 
1515  u.  1516.*  Der  Ingolstädter  Landtag  v.  1516  ist  in  diesem  Bande 
besonders  foliirt;  die  Stauferischen  Sachen  stehen  dort  f.  34  v.  — 
85  V.  und  (Hinrichtung)  f.  46  v.  Die  Urgicht  findet  sich  nicht  in 
dieser  Vorlage,  auch  die  im  Anhange  der  „Landt&ge  v.  1515,  1516,** 
S.  585  fgd.  auf  den  Staufer  bezüglichen  Dokumente  sind  nicht  hieraus 
entnommen. 

2)  S.  Beilage  Nr.  21  und  den  Bericht  Seiboldsdorfers  in  den 
«Landtagen*  S.  588  fgd.,  nach  dem  Druck  datiert  vom  5.  Tag  Martj 
1516,  was  nur  Schreibverstoss  oder  Bditionsfehler  statt  5.  April  sein 
kann.  Denn  der  Bericht  muss  an  einem  Samstag  geschrieben  sein, 
da  er  erwähnt  (S.  590),  dass  „auf  morgen,  Sonntag*  der  Casperl,  ein 
reitender  Bote  des  Herzogs,  mit  des  Staufers  Urgicht  zum  Kaiser 
reiten  werde.*  1516  fiel  der  5.  April  auf  Samstag,  der  5.  März  aber 
auf  Mittwoch.  Zum  5.  April  stimmt  auch  die  Erwähnung  der  be- 
reits vorliegenden  Urgicht  des  Staufers  sowie  das  Datum  (8.  April) 
des  in  München  aufgenommenen  Inventars;  s.  Beilage  Nr.  21. 


450      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dezember  1890. 

achten»  zu  befragen  wäre,  unter  anderm  sprach  er  die  Ver- 
mutung aus,  derselbe  werde  nicht  unterlassen  haben,  mit  den 
Böhmen^)  heimliche  Praktik  und  Verschworung  zu  machen. 

Am  2.  April  erschienen  beide  Herzoge  vor  der  in  Ingol- 
stadt versammelten  Landschaft,  Wilhelm  nahm  das  Wort 
und  eröffnete  den  Standen:  aus  dringenden  und  gerechten 
Ursachen,  weil  sonst  unter  ihnen ,  anderseits  auch  zwischen 
ihnen  und  der  Landschaft  bedenkliche  Uneinigkeit,  Schaden 
und  Nachteil  entstanden  wäre,  hätten  sie  seinen  Hofmeister, 
Hieronymus  von  Stauf,  gefangen  setzen  lassen.  Gern  hätten 
sie  vorher  die  Landschaft  darüber  zu  Rat  gezogen,  aber  die 
Besorgnis,  dass  dem  Angeklagten  eine  Warnung  zugehen 
möchte,  habe  dies  widerraten;  nunmehr  aber  sollten  alle 
weiteren  Massregeln  nur  nach  Rat  und  Gutdünken  der  Land- 
schaft erfolgen. 

Hierauf  liess  Graf  Wolfgang  vom  Haag  ein  an  ihn  ge- 
richtetes Schreiben  der  Herzoginwitwe  Kunigunde,  datiert 
vom  24.  März  d.  J.  aus  München  verlesen,  worin  die  Herzogin 
ihn  bat ,  bei  der  Landschaft  dahin  zu  wirken ,  dass  Herr 
Hieronymus  des  Hofmeisteramtes  entsetzt  und  an  seiner  Stelle 
ihrem  Sohne  Wilhelm  ein  frommer,  verständiger  und  gottes- 
fürchtiger  Mann  als  Hofmeister  bestellt  werde,  da  ja  ihm 
wie  jedermann  bekannt  sei ,  dass  der  Staufer  „für  ihren 
Sohn,  auch  Land  und  Leute  nicht  sei".  Welcher  Schaden 
aus  seiner  bösen  Handlung  ihren  Söhnen,  Land  und  Leuten 
entstanden ,  brauche  sie  ihm  nicht  zu  schreiben ,  er  habe 
davon  gute  Kenntnis  und  seine  wie  der  Landschaft  Pflicht 
sei  es  nun,  das  Beste  dagegen  anzuordnen.  Ein  Schreiben 
mit  gleichem  Inhalt  erklärte  dann  auch  Ludwigs  Hofmeister 
Christoph  von  Laiming  von  der  Herzogin  Kunigunde  er- 
halten   zu    haben.      Graf    Wolfgang    vom    Haag    aber    gab 


1)  Die  Unruhen  in  Böhmen  wirkten  seit  dem  Sommer  1615  im 
bayerischen  Nachbarlande  beängHtigend ;  vgl.  Landtage,  S.  253,  254. 


Biesler:  Prozess  des  Hieronymus  t?.  Stanf.  451 

dazu  mündlich  folgende  Erläuterung :  als  er  jüngst  auf  Drei- 
könig als  Verordneter  der  Landschaft  zu  München  gewesen, 
habe  ihm  die  Herzogin witwe  klagend  und  vertraulich  ent- 
deckt: als  ihr  Sohn  Wilhelm  vom  Kaiser  aus  Innsbruck 
zur  jüngsten  Landschaft  nach  Landshut  reiste  und  durch 
München  kam ,  sei  der  Staufer  zu  ihrer  Tochter ,  Herzogin 
Sabine  von  Würtemberg,  die  in  München  weilte,  gekommen 
und  habe  dieselbe  ganz  geheimnisvoll  und  vertraulich  ge- 
beten, sie  möchte  den  Herzog  Wilhelm  ersuchen,  einen  oder 
zwei  Tage  in  München  zu  verharren,  da  er  bestimmt  wisse, 
dass  die  Landschaft  in  grosser  Heimlichkeit  beschlossen  habe, 
des  Herzogs,  sowie  er  nach  Landshut  käme,  sich  zu  be- 
mächtigen. Ein  ein-  oder  zweitägiger  Aufenthalt  des  Her- 
zogs in  München  werde  ihm  Zeit  geben ,  sich  nach  Lands- 
hut zu  verfügen  und  bei  seinen  Freunden  in  der  Landschaft 
dahin  zu  wirken ,  dass  der  Plan  nicht  ausgeführt  werde. 
Voll  Schrecken  und  Betrübnis  habe  die  Herzogin  Sabine  die 
Sache  ihrer  Mutter  eröflPhet,  sei  aber  von  dieser  getröstet 
und  bedeutet  worden ,  sie  möge  der  Anzeige  des  Staufers 
keinen  Glauben  schenken;  sie  kenne  die  Landschaft  als 
fromm,  redlich  und  eines  solchen  Vorhabens  unfähig.  Nichts 
desto  weniger  solle  sie  dem  Staufer  (um  ihn  in  Sicherheit 
zu  wiegen)  antworten:  sie  wolle  seinem  Begehren  nach- 
kommen. 

Sogleich  in  der  folgenden  Nacht  (2.  April)  ward  Herr 
Hieronymus  unter  Anwendung  der  Folter  dem  Verhör  unter- 
worfen. Die  Tortur,  die  als  eine  , ziemliche*  bezeichnet 
wird,  bestand  nach  dem  Zeugnis  der  Herzoge^)  in  viermal 
wiederholtem  , leerem*  Aufziehen.  »Leer**  besagt,  dass  keine 
Gewichte  angehängt  wurden.  Räte  beider  Fürsten  und 
Herzog  Wilhelm  waren  anwesend,  der  Herzog  richtete  selbst 
einige  Fragen  an  den  Gefolterten. 


1)  In  ihrem  Bericht  an  den  Kaiser,  Beilage  Nr.  23. 


452      Sitzung  der  hiittorischen  Classe  vom  6,  Dezember  1890, 

War  aber  nicht  der  Reichsfreiherr  von  Ernfels  durch  Ge- 
burt und  hohes  Amt  vor  Anwendung  der  Folter  geschützt?  — 
Er  wäre  es  gewesen,  hätte  die  Anklage  nicht  auf  Hochverrat 
gelautet.  Wie  das  die  Praxis  längst  beherrschende  Beweis- 
mittel der  Folter,  das  weder  in  der  Lex  Baiuwarioruro  noch  in 
Kaiser  Ludwigs  Landrecht  noch  in  irgend  einem  bayerischen 
Gesetz  vor  der  Carolina  erwähnt  wird ,  aus  dem  römischen 
Rechte  herübergenommen  war  —  der  früheste  und  schlimmste 
Eindringling  aus  fremdem  Rechtsleben  —  ,  so  scheint  man 
sich  auch  bezüglich  seiner  Anwendung  im  einzelnen  schon 
damals  an  die  vom  römischen  Recht  aufgestellten  Grundsätze 
gehalten  zu  haben.  Die  Exemption  des  Adels  und  der  hohen 
Beamten  von  der  Folter  beruhte  auf  römischem  Recht,  aber 
dasselbe  Recht  bestimmte,  dass  für  Majestätsverbrecher  keiner- 
lei Ausnahme  in  Anwendung  der  Folter  gelten  sollte.^) 

Die  erpressten  Geständnisse  des  Gefolterten  wurden  in  einer 
Urgicht  zusam menge fasst,  welche  die  Fürsten  vor  der  Land- 
schaft verlesen  liessen,  und  wie  die  Herzoge  an  ihre  Mutter 
schrieben*):  die  Landschaft  trug  grosses  Gefallen  daran,  dass 
sie   80    rückhaltlos    in    den    Handel   eingeweiht  wurde.     Am 


1)  Die  unter  dem  Namen  des  italienischen  Juristen  Guido  von 
Suzaria  verbreitete  Abhandhing  ,in  materia  tormentorum*  besagt  in 
dieser  Hinsicht  unter  Anführung  der  Beweisstellen  aus  dem  Corpus 
iuris:  ^Flxcipiuntur  quaedam  liberae  personae,  quas  torqueri  ius  non 
sinit  ....  item  in  dignitate  positi  ut  eminentissimi  iudices  et  mili- 
tes  et  decuriones  et  filii  et  nepotes  praedictorum,  ne  in  eis  aliqua 
pudoris  macula  aspergatur  .  .  .  .  Sed  in  quibusdam  dignitas 
non  praebet  excusationem  nee  minor  aetas,  quin  torquea- 
tur,  ut  in  crimine  laesae  magiestatis  et  proditoribus  et 
in  quibusdam  aliis."  Guido's  Autorschaft  wird  übrigens  bestritten. 
Vgl.  V.  Savigny.  Gesch.  d.  römischen  Hechts  im  Mittelalter  ^  V,  3%. 
Ich  benütze  eine  Handschrift  des  15.  Jahrhunderts,  welche  ebenso 
wie  die  wiederholten  Drucke  zeigt,  dass  der  in  der  zweiten  Hälfte 
dos  13.  Jahrhunderts  entstandene  Traktat  noch  am  Ende  des  Mittel- 
alters benützt  wurde:  cod.  lat.  Monae.  28987  (f.  1). 

2)  Beilage  Nr.  22. 


Miezler:  Prozess  des  Hieronytnus  v.  Statt  f.  453 

4.  April  überreichten  die  Vettern  des  Angeklagten ,  die 
Herren  Joachim  und  Bernhard  von  Stauf,  den  Ständen  eine 
Bittschrift ,  worin  sie  nachsuchten ,  dass  ihr  Vetter  ihnen 
gegen  Bürgschaft  zu  ewiger  Haft  ausgeantwortet  werde. 
Die    Landschaft  lehnte    dies    ab.      Am    3.    und    wieder   am 

5.  April  wurden  dem  Staufer  seine  Bekenntnisse  im  Beisein 
von  Bäten  beider  Fürsten,  des  Oberrichters  und  des  inneren 
wie  äusseren  Ingolstädter  Stadtrates  nochmal  vorgehalten 
nnd  von  ihm  nunmehr  angeblich  ohne  Anwendung  der  Folter 
wiederholt.  Vergebens  hatten  die  Ingolstädter  über  ihre 
aussergewöhnliche^)  Beiziehung  zum  Hofgericht  sich  bei  Her- 
zog Wilhelm  beschwert  und  ihnen  diese  zu  erlassen  gebeten ; 
beide  Herzoge  befahlen  ihnen  ,bei  ihrer  landesfürstlichen 
Obrigkeit*  im  Gericht  zu  erscheinen.  Die  Massregel  sollte 
wohl  dazu  dienen,  die  Autorität  des  Gerichtshofes  als  eines 
unparteiischen  zu  verstärken  und  ihn  mit  einem  volkstüm- 
lichen Nimbus  zu  umgeben. 

Das  Gericht  aber  erkannte  zu  Recht,  man  solle  den 
Angeklagten  mit  dem  Schwert  richten,  so  lange,  bis  er  vom 
Leben  zum  Tode  gekommen  sei,  damit  hinfort  Land  und 
Leute  vor  ihm  beschirmt  und  versichert  würden.  Hierauf 
eröJBTnete  Herzog  Wilhelm  der  Landschaft,  er  sei  gesonnen, 
dem  Rechte  seinen  Lauf  zu  lassen ;  vermöge  jedoch  die  Land- 
schaft Besseres  und  Füglicheres  anzuzeigen,  so  werde  er  gern 
nach  ihrem  Rate  handeln.  Nach  dieser  Erklärung  verliessen 
beide  Fürsten  das  Haus.  Die  Stände  aber  beschlossen  nach 
langer  Umfrage  einstimmig,  sie  wüssten  nichts  an  dem  Urteil 
zu  verbessern ;  wo  einem  Recht  geschehe,  geschehe  ihm  nicht 
Unrecht. 

Am  8.  April,  in  der  neunten  Stunde  des  Tags,  fiel  auf 


1)  Denn  mit  dem  herzoglichen  Ratscollegium  zu  Ingolstadt, 
das  eine  eigenartige  Stellung  einnimmt  (vgl.  Rosenthal,  Gesch.  des 
Gerichtswesens  und  der  Behördenorganisation  in  Bayern  I,  414),  hat 
diese  Heranziehung  des  Stadtrates  nichts  gemein. 


454      Sitzung  der  historiacKen  Claase  vom  6,  bezenAer  1890. 

dein  Salzmarkt  zu  Ingolstadt  das  Haupt  des  herzoglieben 
Hofmeisters.  Fünfhundert  Ingolstädter  Bürger  im  Harnisch 
und  eine  von  weither  zusammengeströmte  Volksmenge  um- 
standen das  Schaffot.  Die  Leiche  ward  von  einer  Prozession 
abgeholt  und  nach  den  staufischen  Erbgütern,  nach  Emfels 
oder  Beratzhausen  geführt. 

Zu  spät  lief  nun  ein  Schreiben  des  Kardinals  Matthäus 
Lang  und  anderer  in  Augsburg  versammelter  kaiserlicher 
Räte  vom  7.  April  ein,  welche  betonten,  dass  der  B.eichs- 
freiherr  von  Emfels  ,  nicht  allein  den  Herzogen  zugehörig, 
sondern  auch  Glied  und  Verwandter  des  heiligen  Reiches' 
sei.  Im  Namen  des  Kaisers  befahlen  sie  daher  den  Herzogen, 
mit  dem  Prozess  innezuhalten,  widrigenfalls  sie  und  Bayern 
zweifellos  die  kaiserliche  Ungnade  treffen  würde.  Die  Fürsten 
aber  hatten  nicht  versäumt,  ihren  Oheim  in  diesem  Handel 
auf  ihre  Seite  zu  bringen.  Damit  derselbe  nicht  etwa  durch 
falsche  Nachrichten  irregeführt  „und  zu  ernstlichen  Man- 
daten veranlasst  werde  *',  hatten  sie  ihm  sogleich  durch  einen 
Eilboten  die  Geständnisse  des  Staufers  zugeschickt  und  gleich- 
zeitig ihrer  Mutter  geschrieben ,  sie  möge  in  ihrem  Sinne 
auf  den  Kaiser  einwirken  —  Bemühungen,  die  ihren  Zweck 
nicht  verfehlten:  am  20.  April  antwortete  Maximilian  aus 
Terzola  im  Sulzberg,  seine  Neffen  mögen  gegen  den  Staufer 
handeln,  was  Recht  sei.^) 

Treten  wir  nun  den  Quellen  für  Anklage,  Verhör  und  Ge- 
ständnisse näher,  so  ist  klar,  dass  die  Berichte  der  zeitge- 
nössischen Chronisten  neben  den  Prozessakten,  wenn  solche 
vorhanden  sind,  weit  im  Hintergrund  stehen.  Von  Akten- 
material lag  bisher  des  Staufers  Urgicht  vor ,  die  in  den 
^Landtagen  von  1515  und  1516\  S.  330—338  unter  den 
Landschaftsverhandlungen  gedruckt  ist,  ferner  eine  sogenannte 
, Anklageakte",   die   M.  v.  Freyberg  in  seinem  Buche:     Die 

1)  Beilagen  Nr.  22—25. 


Riezler:  Prozess  des  Hieronymus  v,  Stauf,  455 

StauflFer  von  Ehrenfek  (1827),  II,  100-104  ohne  Angabe 
des  Fundortes  und  der  Vorlage  veröffentlicht  hat.  Doch 
konnte  man  dem  letzteren  Stücke  nicht  ohne  weiteres  den 
Charakter  einer  Quelle  zuerkennen ,  wenn  auch  der  Inhalt 
eher  dafür  als  für  eine  Erfindung  zu  sprechen  schien.  Da 
Freyberg  seine  Darstellung  auf  dem  Titel  als  „teils  Ge- 
schichte, teils  Roman ^  bezeichnet^),  die  romanhaften,  frei 
erfundenen  Elemente  in  derselben  auch  unverkennbar  einen 
breiten    Raum    einnehmen ,    galt   es   vor  allem  des  Dichter- 

1)  Auch  dramatische  Behandlung  hat  der  Stoff  gefunden.    Der 
Baron  Friedrich  de  la  Motte-Fouqu^  beteiligte  sich  mit  einem  «Hiero- 
nymus von  Stauf*  an  der  1818  von  der  Münchener  Intendanz  ausge- 
flchriebenen  Preisbewerbung  für  Dramen  aus  der  bayerischen  Geschichte. 
»Nun  hab'  ich  keinen  Preis  darin  gewonnen, 
Doch  ist  mir  nicht  deshalb  die  Lust  zerronnen 
Am  Liede,  das  aus  meinen  Saiten  drang." 

Sein  Trauerspiel  H.  v.  St.  in  fünf  Aufzügen  ist  1819  in  Berlin  im 
Druck  erschienen.  Historisch  hat  CA.  v.  Lilien  in  den  Bayerischen 
Annalen  1834,  1.  Hälfte,  S.  25  f.,  68  f.,  94  f.  (Mspt.  dazu  in  der  Staats- 
bibliothek, cod.  germ.  5776  aus  Danners  Nachlass)  den  Stoff  behandelt 
in  seinem:  Hieronymus  v.  Stauff,  Freyherr  zu  Ernfels  und  Falken- 
stein; V.  1489 — 1516;  eine  biographische  Skizze  aus  archivalischen 
Quellen.  Rudharts  (Geschichte  der  b.  Landstände)  Darstellung  des 
Falls  wird,  wie  auch  sonst  sein  Werk,  dadurch  beeinträchtigt,  dass 
ihm,  abgesehen  von  dem  unedirten  Material,  auch  die  1804  erschie- 
nene wichtige  Publikation  «Die  Landtage  im  Herzogthum  Baiem  von 
den  Jahren  1515  und  1516*^  unbekannt  blieb.  Unter  dem  literari- 
schen Nachlass  des  P.  Joseph  Moritz  (Staatsbibliothek,  Moritziana 
Nr.  29)  finden  sich  Stammtafeln  der  Staufer  v.  Ernfels  und  Materialien 
za  einer  Geschichte  dieses  Geschlechtes  (für  den  Prozess  des  Hiero- 
nymus nichts  von  Belang),  zum  Teil  von  dem  Regensburger  Historiker 
Thomas  Ried  rührend.  Hier  meldet  ein  Schreiben  des  Pfarrers  Treu- 
tinger  aus  Berazhausen  an  Ried  v.  J.  1821:  „es  soll  im  hiesigen 
Pfarrarchiv  ein  kostbares  Manuscript  über  die  Herren  von  Stauf  vor- 
banden gewesen  sein,  welches  aber  vor  ein  paar  Dezennien  in  den 
Käseladen  gewandert  ist.*  Die  Hauptmasse  der  von  Ried  gefertigten 
Urkondenabschriften  und  Auszüge  über  die  Staufer  von  Ernfels, 
ebenfalls  aus  dem  Nachlass  des  P.  Moritz,  liegt  nunmehr  als  2.  Fas- 


456      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dexemher  1890, 

Historikers  etwaige  Vorlage  aufzusuchen  und  deren  Echtheit 
zu  prüfen. 

Diese  Vorlage  findet  sich  nun  in  einem  Sainmelbande 
des  Reichsarchivs,  der  betitelt  ist:  Stauflferisch ,  VVilden- 
felserisch  und  Liechtensteinerische  Sachen  de  annis  1505  — 
1517,  Nr.  lU.  auf  fol.  160  (nach  neuerer  Zählung  162) 
unter  dem  Titel:  ^ Fragstuck,  dorauff  der  frum  man  (ironisch 
zu  verstehen)  sol  gefragt  werden ''.  Das  Stock  ist  zweifellos 
echt,  es  ist  von  gleichzeitiger  Hand  geschrieben  und  zwar, 
wie  sich  aus  Vergleichung  mit  fol.  134  desselben  Bandes, 
einem  eigenhändigen  Berichte  des  Dr.  Augustin  Lösch  er- 
gibt, von  der  Hand  dieses  herzoglichen  Kanzlers.  Freyberg 
aber  hat  es  in  seinem  Abdruck  erheblich  gekürzt  und  ver- 
ändert; während  die  Vorlage  34  Artikel  enthält,  hat  Frey- 
berg nur  17  aufgenommen.  Die  Kenntnis  des  interessanten 
Dokumentes  nach  seinem  vollen  Wortlaut  bildet  aber  nicht 
nur  die  Vorbedingung  für  die  richtige  Würdigung  der  An- 
klageakte selbst,  sondern  auch  zum  Verständnis  der  Urgicht 
In  unseren  Beilagen  soll  das  Stück  daher  unverkürzt  mit- 
geteilt werden. 

Diese  Anklageakte  ist,  wie  sich  nun  deutlich  zeigt,  nach 
dem  Diktat  der  beiden  Herzoge  aufgezeichnet.  Im  Anfange 
tritt  der  Schreiber  als  redend  auf,  indem  er  erwähnt:  „meines 
gnädigen  Herrn,  Herzog  Wilhelms**,  von  dem  er  dann  weiter 
in  der  dritten  Person  als  Herzog  Wilhelm  und  Seiner  Gnaden 
spricht,  aber  schon  am  Schlüsse  des  ersten  Artikels  verfällt 
der  Schreiber  in  wörtliche  Wiedergabe  dessen ,  was  Herzog 
Wilhelm  diktierte  („uns  treulich  zu  helfen"),  ebenso  folgt 
in  Artikel  7:  „in  unserer,  Herzog  Wilhelms  Kammer;  wir, 
H.  Wilhelm".  Die  ersten  sieben  Artikel  sind  Anklagen, 
die  Herzog  Wilhelm  erhebt.  Die  folgenden  sind  durch  die 
einleitenden    Worte:    „VVir,    Herzog    Ludwig,    begehren  auf 

zikel  der  Abtlf^.:  Staufer  v.  Ernfels  im  Adelsselekt  des  Münchener 
Reichsarchivs. 


JtUiIer:  Proeet*  Jen  tlieronifmag  v.  Stauf. 


457 


nochfol^fnile  Artikel  die  Wtihrbeit  xu  wistieD*,  als  Anklagen 
lies  jüu};er<.'ii  Herzog  in^  kenn  zeichnet,  der  auch  im  folgenden 
in  der  ersten  Person  als  redend  eingeführt  wird.  Dieses  Ver- 
hältnis orstreokt  sil^h  Iüh  y.u  Artikel  25  eiuschliesslich,  während 
die  Anklagen  und  Fragen  der  letzten  Artikel  (26 — 34)  huld 
»fin  Wilhelm,  bald  von  Ludwig  oder  auch  von  beiden  Fürsten 
Kemeiiisani  gestellt  scheinen.  Herzog  Ludwig  erscheint  also 
ftU  ileijenige,  von  dem  der  weit  grössere  Teil  der  einzelnen 
Anklagen  ausging.  Da&s  dieser  Fürst  besonders  gegen  den 
ätaufer  gereizt  war,  liess  sich  ja  schon  ans  der  Vorgeschichte 
des  Proiesses  folgern;  es  findet  hier  seine  Bestätigung  in 
dem  Befehle  des  FUrstoD,  von  dem  Augekliigten  nicht  ab- 
:tulA«eeii,  bis  er  ,die  Wahrheit*  bekannt  habe,  und  du  diese 
Wahrheit  nur  zu  leicht  ab  gleichbedeutend  mit  der  von  der 
Anklage  behaupteten  Schuld  aufgefasst  werden  konnte,  liegt 
in  diesem  Befehle  Herzog  Ludwigs  auch  ein  gewisser  Beweis 
fUr  die  ijtrenge,  mit  der  die  Folter  ungewendet  wurde. 

Zu  überroschendeu  Ergebnissen  haben  mich  sodann  die 
Nach  forsch  ungen  über  die  handschriftliche  Vorlage  der  Ur- 
gicht  iteführt.  Der  nämliche  äamraetband  Stauferischer  Akten, 
der  die  FrsgestHcke  enthält,  bietet  sechs  gleichzeitige  Äiif- 
seichouDgen  der  Urgicht,  die  hier  als  Ä — F  bezeichnet  werden 
Milien.  Von  diesen  stimmen  0  (fol.  197—203)')  und  K 
(ful.  210  fgd.)  im  wesentlichen  mit  der  durch  den  Druck*) 
T««aentlic)iteD  Redaktion  überein.  F  (fol.  155—156)  er- 
wmA  sieh  als  ein  gedrängter  Auszug")  aus  dieser  Redaktion. 
Eia  ganz  neues  Bild  tritt  uns  dagegen  in  der  Aufzeichnung 
•af  fol.  168  fgd.  entgegen.  Das  Stück  ist  von  einer  Hand, 
Rber  s«hr  ungleich,   offenbar   nicht  in  einem  Zug,  sondern 


J  Meine  Citat«  beliehen  i 
Voliining  des  BaDdeK:  imi-'l 


ich   hie 


i   folKenilen  auf  die 
i  es  die  f.  199— 2U6. 


.  1616  u.  1516.  S.  1 


9  Auf  der  letiten  Seite  steht  dii^  llllclitige  Notix:  De»  SüiutTers 
t,  wi»  die  »tlicti  (c.lireiber  tu  Ingolxtat  hhiura  aiiegetiFiD.  1  male. 


458      Süsung  der  historischen  Ölasse  vom  6,  t)tzenAer  18^, 

stossweise  und  zum  Teil  hastig  geschrieben.  Eis  wimmelt 
von  Gorrekturen,  darunter  sind  solche,  welche  an  Stelle 
einer  bestimmten  Aussage  eine  abweichende,  zuweilen  auf 
das  Gegenteil  lautende  setzen.  Wiederholt  enthielt  die  erste 
Niederschrift  Verneinung  oder  Abschwächung  der  Anklage, 
dies  ist  dann  durchstrichen  und  daneben  oder  darüber  ein  Ge- 
ständnis aufgezeichnet.  Das  Rätselhafte  dieses  Verhältnisses 
verschwindet,  wenn  man  annimmt,  dass  die  erste  Aussage  eine 
unerzwungene,  die  zweite  durch  die  Folter  erpresst  war.  Kurz 
es  lässt  sich  nicht  daran  zweifeln,  dass  wir  in  A  nicht  nur  die 
Quelle  aller  abweichenden  Redaktionen,  sondern  geradezu  die 
in  der  Folterkammer  entstandene  Urschrift  des  Proto- 
kolls zu  erkennen  haben.  Diese  Aufzeichnung  zeigt,  dass 
wohl  auch  ohne  Anwendung  der  Folter  auf  zuerst  verneinte 
Fragen  nach  wiederholtem  Zusetzen  ein  Geständnis  erfolgte 
(so  bei  Artikel  1),  weit  häufiger  aber,  dass  trotz  der  Folter 
der  Angeklagte  auf  Versicherung  seiner  Schuldlosigkeit  ver- 
harrte. So  nicht  nur  beim  zweiten  Artikel,  im  B^nne  der 
Tortur,  wo  die  Kräfte  des  Gepeinigten  noch  frisch  waren, 
sondern  auch  bei  vielen  der  folgenden,  ja  noch  der  letzten 
Artikel.  Bei  der  Stellung  der  zweiten  Frage  hat,  wie  aus 
diesem  Aktenstück  hervorgeht,  die  Anwendung  der  Folter 
begonnen.  Sie  muss  aber  dem  Angeklagten  schon  gleich 
zu  Anfang  des  Verhörs  gedroht  oder  von  ihm  vorausgesehen 
worden  sein,  denn  er  schickt  schon  bei  der  Antwort  auf  die 
erste  Frage  die  Beteuerung  voraus:  sollte  er  den  einen  oder 
andern  Artikel  bekennen ,  so  wolle  er  doch  voraus  bezeugt 
haben,  dass  ihm  diese  Geständnisse  nur  durch  die  Folter  er- 
presst worden  seien. 

Auf  fol.  178  des  Sammelbandes  folgt  eine  Aufzeichnung 
(B)  der  ürgicht,  die  sich  als  eine  in  der  Hauptsache  formelle 
Redaktion  des  ursprünglichen  Protokolls  A  erweist.  Während 
in  A  nur  die  Antworten  des  Angeklagten  niedergeschrieben 
sind,  sind  hier  aus  dem  Text  der  »FragestOcke**  jeweils  auch 


Itialrr:  Pm:«if 


(  Ui<-i 


:  Sta„f. 


4Ö« 


die  Iwtrüireinleii  Fnigeii  duKu^escbrieben  und  biedurch  erst 
ein  für  jedermann  verständlitlier  Text  berKestellt.  B  ist  von 
derselben  üttud  geschrieben  wie  Ä,  ;tber  sgrjjfältiger,  leser- 
liofacr,  nicht  luebr  sbtasweise.  Man  sieht,  daas  d^r  Schreiber 
■in  dieser  Aufoeichnung  sich  mehr  Zeit  lassen  konnte.  Ich 
bezeichnet«  diese  Ked»ktion  als  eine  in  der  Hauptsache 
formell«;;  indessen  fehlt  es  (abgesehen  von  tünztiftigung  der 
Anklagepunkte)  nicht  ganz  an  inhaltlich  neuen  ZasStzen. 
UdiI  frir  deren  Würdigung  i^t  nun  die  Feststellung  sehr 
wichtig,  doRs  A  und  B  vuu  demselben  Schreiber  herrühren. 
Denn  es  ist  demnach  die  Möglichkeit  gegelien,  da»»  die 
lieaen  Zusätze  nicht  eigen  niÄchtig  vom  Schreiber  erfunden 
odor  ihm  von  einem  dritten  aufgezwungen  wurden.  Die 
Zosittze  können  Aeusserungen  des  Angeklagten  enthalten, 
di«  der  ProtokolIfQhrer  während  den  Verhörs  gehört  hat, 
die  er  daniuU  nur  aus  Mangel  an  Zeit  oder  weil  sie  ihm 
nach  dem  ersten  Eindruck  minder  wichtig  schienen ,  nicht 
niederschrieb,  die  er  aber  in  seiner  Erinnerung  behielt  und 
bei  Fertigung  der  Reiuscbrift  des  Protokolls  nachtrug. 

Als  derartige  Nochtr^e  aus  der  Erinnerung  dürften 
dnrcti  ihren  Inhalt  die  Zusätze  zu  den  Artikeln  li,  23,  26 
(.mit  Ausnahme  von  Esswoaren'),  31  (.denn  de  haben  Ihm 
nicht  HO  viel  Vertrauen  geschenkt*),  3'd  gekennzeichnet 
werden.  Einige  andere  Zusüt7,e  haben  nur  erläuternden  Cha- 
rdcter,  so  der  Käme  des  alten  Kanzlers  bei  Artikel  31.  Eine 
gfttu  (ügeiiartige  Stellung  nimmt  aber  der  wichtige  Zusatz 
xma  Q.  Artikel  ein ,  laut  dessen  der  Angeklagte  gestanden 
hat,   in   München    einst   gegenüber   dem  Mäleskircher')  bei 

1)  Der  Maler  Qabriel  Mäleskircher  (oder  MächlBekircher), 
MOschoer  ßOr^^er,  SchwAtfer  Ulridi  FQelrer«,  eritclieint  urkaudlicb 
TOD  14G6— 1603.  Vgl,  Spiller.  Stadien  über  Albrecht  tüh  Suhorfäif 
Iwr^  onil  L'Iricb  KQclrer.  Ü.  33,  87  T.  Es  ist  immerluD  inSt;bcii,  äa^ 
^0  noch  Iclitn.  Eiiit>  bajerische  Adeli^tuniilie  illeaeü  Numtrns  guli 
Diu  Ife/i  eil  Hilft  '*'■''  Nami-na  iitit'  den  l>ei  Hufe  vurkehrnndon 
81* 


460      Sitzung  der  historischen  Cltisse  vom  6,  Desember  1890, 

Tisch  geäussert  zu  haben ,  dass  er  unter  Herzog  Albrecht 
zweimal  zu  Hof  gekommen  sei,  in  der  Absicht,  den  Her- 
zog zu  erstechen.  In  der  Urschrift  des  Protokolls  findet 
sich  davon  nicht  das  geringste,  wiewohl  dieses  Geständnis 
unter  allen ,  die  erzielt  wurden ,  vielleicht  das  belastendste 
ist,  jedenfalls  schwerer  wiegt,  als  die  im  5.  Artikel  in  A 
verzeichnete  Aeusserung  des  Angeklagten:  wenn  der  Döse- 
wicht Herzog  Albrecht  im  Himmel  wäre,  wolle  er  nicht 
hinauf.  Die  Verschweigung  eines  so  wichtigen  Geständnisses 
in  A  wäre  ein  Rätsel,  wenn  das  Geständnis  im  ersten  Ver- 
hör erfolgt  wäre.  Es  kommt  in  Betracht,  dass  dieser  Punkt 
auch  in  der  Anklageakte  nicht  berührt  wird.  Als  die  wahr- 
scheinlichste Lösung  betrachte  ich  demnach,  dass  die  Anzeige 
von  der  zum  Mäleskircher  gemachten  Aeusserung  erst  nach 
dem  ersten  Verhör  erfolgte,  die  darauf  bezügliche  Frage 
dem  Angeklagten  erst  im  zweiten  oder  dritten  Verhör  vor- 
gelegt wurde,  in  das  Protokoll  daher  erst  bei  dessen  Rein- 
schrift aufgenommen  werden  konnte.  An  eine  Erfindung 
des  Schreibers  wird  auch  hier  nicht  zu  denken  sein. 

Da  ein  vollständiger  Abdruck  von  B  zum  grössten  Teil 
nur  wiederholen  würde,  was  in  den  Fragestücken  und  in  A 
steht,  schien  es  mir  angemessen,  aus  B  nur  jene  Stellen  mit- 
zuteilen, welche  gegenüber  A  Neues  enthalten  oder  den  Text 
von  A  verdeutlichend  umschreiben  oder  endlich  sich  auf 
Punkte  beziehen ,  wo  A  verschiedene  Fassungen  enthält,  da 
es  nicht  ohne  Interesse  ist  zu  ersehen,   welche  derselben  in 


Maler,  die  mir  als  sehr  wahrscheinlich  gilt,  ist  aber  nicht  an  die 
Voraussetzung  gebunden ,  dass  derselbe  1516  noch  am  Leben  war. 
Da  das  Gespräch  öifentlich  geführt  worden  war,  konnte  die  Anzeige 
auch  von  einem  Dritten  herrühren,  —  ich  halte  dies  sogar  für  wahr- 
scheinlicher in  Anbetracht  des  Umstandes,  dass  die  Anzeige,  wie  es 
scheint,  erst  nach  dem  ersten  Verhör  und  zu  Ingolstadt  erstattet 
wurde  —  auch  dürfte  der  Ausdruck  ,.auf  ein  zeit*  auf  «einst,  vor 
langer  Zeit"  zu  deuten  sein. 


Bicthr:  rrnzrut  ilrs   Uirrnnymu»  v.  Stiiuf. 


461 


di«  Reiusclirift  Jus  Protokolls  aufgenommen  wurde.  Die  nach 
dimer  Richt^clinur  aitagewälilten  I^t^Uen  aus  B  verbinde  ich 
ftU  All  merk  uiigeii  mit  den  corre&pundierenden  Stellen  von  A, 
welche  Anordnung  die  bequemste  Uebersicbt  des  Verhält- 
nisse« gewähren  dflrfte. 

Eiof  mit  ß  Uhereinstinnueiide  Kedaktion  (D)  der  ürgicht 
findet  sich  auf  fol.  204 — 209  unseres  Sauimelbandes.  Die- 
selbe beginnt  jedoch  erat  mit  dem  zweiten  Artikel  (Ein 
trcffeiiliche  IVrson)  und  hat  die  Artikel  nicht  numeriert, 
Daa  Stück  ist  als  Aljschritt  oder  irielleiclit  als  Conzept  zu 
B  TU  betrachten. 

H«-hr  abweichenden  Redaktionen  sowohl  gegenüber  Ä 
als  B  begegnen  wir  auf  fol.  197—203  (C)  und  fol.  210  — 
218  (E).  Beide  «nd  von  verschiedenen  Händen  des  16.  Jahr- 
haiiderte  (E  wohl  von  Älterer),  von  anderen  als  A  und  B 
geachri«b<9D.  Von  anderer  Hand  rühren  zwei  Nachträge  in 
C):  1.  die  Namen  der  beim  Verhör  anwesenden  Rät«,  welche 
eine  Abweichung  von  A  und  B  zeigen,  indem  am  Schlüsse 
anch  Herzog  Wilhelms  Sekretär  Äuguetin  Kölner,  der  be- 
kannte Geschichtschreiber  des  Erhfolgeknegx,  genannt  wird. 
2.  Am  SthliiÄse  des  ersten  Artikels  folgt:  und  des  triten 
taga  darna(^h  hat  er  zu  ferer  ercläruDg  des  artickls  nnbe- 
xwDngenlieh  bekent  u.  g.  w.  (was  in  A  und  B  am  Schlüsse 
dm  Protokolls  steht). 

Welcher  Absicht  die  unter  sich  übereinstimmenden  Re- 
daktionen 0  und  E  dienen  sollten,  ergibt  sich  unzweideutig 
»tu  der  gegen  den  Schluss  r.a  uiifgenouimenen  Bemerkung 
(C  fol.  203):  .Und  wiewol  der  von  Stauff  auf  vJl  mer  artigkl 
gegichtigt  und  di  bekennt  hat,  siudt  doch  dieselben  artigkl 
aiu  beweglichen  Ursachen  zu  eroltnen,  auub  irer  [eng  halb»tif 
damit  Kaiserlich  Mi^jestaet   nit  aufgehalten  werde'), 

1 1  Deren  ender  in  G  fehlt. 

3)  K  fol.  :iI8T*:  ttumit  geuiaine  landtchaft  Dit  aufgehalte 
(dttrcliatrichen ,  obnu  daai  ander««  un  die  Slellü  geselKt  w&re). 

I  gkichlADtend. 


462       Sitzung  der  htstorischen  Classe  vom  6,  Dezember  1890, 


lesen  underlassen."  Wir  haben  also  hier  die  zur  Mitteilang 
an  den  Kaiser  und  an  die  Landschaft  bestimmte  Redaktion 
vor  uns,  eben  jene,  welche  in  den  ,,Landtagen  von  1515 
und  1516",  S.  330  fgd.  gedruckt  ist  und  bisher  allein  be- 
kannt war. 

Diese  Redaktion  enthält  nur  11  (oder  nach  abweichender 
Zählung  13)  Artikel.  Nicht  aufgenommen  sind  die  Artikel 
2,  3,  8,  10-16,  18—21,  23,  25-27,  30—34.  Zur  üeber- 
sicht  diene  die  folgende  Tabelle: 


Artikel 


1    des  Druckes  (u.  C) 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 


R 


9 

m 
m 


m 

R 
R 

R 

R 
7» 

R 


R 
R 


Artikel     9    des  Druckes  (u.  C)  =  Art. 


Artikel  10    des  Druckes  (u.  C)  = 
Artikel  11    des  Druckes  (u.  C)  = 


=  Art.       1       in  A^)  u.  B 
=      R  4         ,  , 

w 

=  R  *^  R  R 

=     ,  6 

=     .  7 

9 
17 
22 

u.  Art.  19  in  B») 

24       in  A  u.  Art. 

22  in  B') 

Art.  28  u.  29  in  A  u.  Art. 

25  in  B 
Art.     32         in  A. 


R 

R 


R 
R 


1)  Die  ZilhluDg  in  A  correspondirt  mit  jener  der  Fragstücke. 

2)  Art.  18 — 21,  die  zusaramengehören ,  sind  dem  entsprechend 
in  B  zu  1  Artikel,  18,  zusammengezogen. 

3)  Art.  23  ist  in  B  in  2  Art.,  20  und  21,  auseinander,  dagegen 
Art.  28  und  29  in  B  zu  einem,  dem  25.  zusammengezogen.  Dem- 
nach sind: 


Art.  18 
.  19 
.  20 
.  21 
,      22 


in  A  =   Art.  18       in  B; 


19 


Biezler:  Prozess  des  Hieronymus  v.  Stauf, 


463 


Also  23  von  den  34  Anklagepunkten  sind  in  der  ver- 
öffentlichten Drgicht  {übergangen  worden ,  wie  es  in  dem 
Exemplar  für  den  Kaiser  heisst,  weil  man  die  kostbare  Zeit 
Seiner  Majestät  nicht  zu  sehr  in  Anspruch  nehmen  wolle, 
in  Wahrheit  aber  aus  ganz  anderen  Gründen.  In  moderne 
Begriffe  und  Worte  übersetzend,  würde  man  vielmehr  sagen : 
Der  Staatsanwalt  hat  die  Anklage  in  11  Punkten  aufrecht 
erhalten,  in  23  fallen  gelassen.  In  der  Urschrift  des  Proto- 
kolls steht  unten  am  Rande  die  Weisung  verzeichnet:  alle 
Berufungen  des  Angeklagten  auf  die  Fürsten  wegzulassen. 
Dies  ist  in  C  befolgt  (vgl.  u.  a.  Art.  24)  und  daraus  er- 
klärt sich  ein  Teil  der  Lücken  gegenüber  A  und  B,  die 
meisten  Punkte  sind  desshalb  übergangen,  weil  kein  Geständ- 
nis erfolgte  oder  das  Gericht  selbst  die  Anklage  als  grundlos 
befand,  einige  vielleicht  auch  desshalb,  weil  das  Geständnis 
des  Staufers  eindringlich  die  frühere  Entzweiung  der  An- 
kläger ,  der  herzoglichen  Brüder  und  hiemit  ein  sein  Ver- 
schulden milderndes  Moment  in  Erinnerung  brachte. 

Die  Angabe  von  C,  dass  der  Angeklagte  auch  die  hier 
nicht  aufgeführten  (23)  Artikel,  die  ihm  vorgehalten  worden 
waren,  gestanden  habe,  ist,  wie  wir  jetzt  aus  der  Urschrift 
des  Verhörprotokolls  erkennen,  eine  grobe  Fälschung.     Viel- 


Art.  23   in  A  =  Art. 


21  / 


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24 
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.     31       ,    . 

464      Sitzung  der  Jhistorischen  Glosse  vom  6.  Dezember  1890, 

mehr  hätte  bei  einer  auf  die  23  verschwiegenen  Artikel  aus- 
gedehnten Publizität  Anklägern  und  Richtern  die  Gefahr  ge- 
droht, dass  die  Grundlosigkeit  so  vieler  erhobenen  Anklagen 
in  Verbindung  mit  manchen  auf  die  Herzoge  zurückfallenden 
Aeusserungen  des  Staufers  die  Hörer  stutzig  machen  und 
auch  auf  die  eingestandenen  Vergebungen  ein  milderes  Licht 
werfen  könnte. 

An  der  XJrgicht  ist  also  eine  fortgesetzte  Entstellung  zu 
Ungunsten  des  Angeklagten  begangen  worden.  Schon  in 
ihrer  Urschrift  sind  Aeusserungen  des  Angeklagten,  die  den 
Hörer  allenfalls  milder  stimmen  konnten,  wie  die  Beteuerung 
seiner  Anhänglichkeit  an  Herzog  Wilhelm  (Art.  4),  nachdem 
sie  bereits  niedergeschrieben  waren,  getilgt  worden.  Manches 
der  Art  ward  wohl  gar  nicht  niedergeschrieben,  wie  der  An- 
satz mit  „aber''  in  Art.  5  vermuten  lässt.  Wie  weit  diese 
Fälschung  des  Verschweigens  ging,  ist  natürlich  nicht  an- 
nähernd festzustellen.  Die  Reinschrift  des  Protokolls  (B) 
gestaltet  dann  die  Sache  für  den  Angeklagten  erheblich 
schlimmer.  Sie  unterdrückt  dessen  Beteuerung,  alle  Geständ- 
nisse seien  durch  die  Folter  erpresst  und  der  Wahrheit  wider- 
sprechend, und  sie  lässt  nicht  mehr  erkennen,  dass  manchen 
Geständnissen  eine  Ableugung  vorausging.  Die  gröbste  Ent- 
stelhmg  fällt  der  für  die  Oeffentlichkeit  bestimmten  Redak- 
tion C  zur  Last,  indem  hier  nicht  nur  in  den  spezifizierten 
Artikeln  alle  einschränkenden  Zusätze,  alle  etwa  mildernden 
Umstände  verschwiegen ,  sondern  auch  wider  die  Wahrheit 
behauptet  wird,  dass  der  Staufer  auf  säramtliche  Anklage- 
punkte ein  Geständnis  abgelegt  habe^). 

1)  Fragwürdig  erscheint  auch  die  Angabe  in  C,  daaa  beim  zweiten 
und  dritten  Verhör  die  Folter  nicht  mehr  angewendet  wurde.  Dass 
in  A  und  B  nichts  davon  steht,  kann  diese  Behauptung  freilich  nicht 
widerlegen,  doch  bleibt  zweifelhaft,  ob  nicht  die  Bitte  des  Angeklagten 
^ihn  bei  seiner  gethanen  Urgicht  bleiben  zu  lassen"  durch  die  wieder- 
holte Anwendung  oder  doch   Androhung  der  Tortur   zu  erklären  ist. 


Jtitzler:  Vrotess  lU«  HieruHymnB  c.  Stau  f.  465 

Das  Urteil  des  Kaisers,  der  Landscbaft,  der  ^unveii  Welt 
wurde  aber  au%4chliesslicli  durch  die  aru  gröbsten  entstellte 
Form  der  Urgicht  bestimmt.  Auf  Gnind  dieser  Kenntnis, 
deren  Richtigkeit  nicht  bezweifelt  wurde,  hat  die  Landschaft 
das  Todesurteil  gegen  den  Staufer  gebilligt,  hat  der  Kaiser 
den  Protest,  den  seine  Räte  anfangs  einlegten,  nicht  aufrecht 
erhalten,  hat  der  Dichter  des  Volksliedes  .Ton  dem  Staufer") 
seinen  Helden  als  abschreckendes  Exempel  ftlr  ähnliche  Uebel- 
thäter  und  Zuträger  besungen,  hat  Aventin  das  Urteil  gefallt, 
man  traue  kaum  seinen  Augen  und  Ohren,  wenn  man  dieses 
(iewehe  ?<tn  Schlechtif^keiten  wahrnehme.*)  Fürwahr,  mit 
dem  sterbenden  Hamlet  konnte  auch  Herr  Hieronynius  von 
Staaf  ausrufen: 

.Welch  ein  verletzter  Name.  Freund, 

Bleibt  alles  so  verhflllt,  wird  nach  mir  leben!* 

1)  Bei  T.  Liliencron  III.  206.  Daae  der  Dichter  die  Drgicht  in 
der  Teröffentlichten  Form  kannte,  dQrfle  deren  VergleichaoR  (S.  338 
de«  Druckes)  mit  SIroplie  11  besonders  wahrBt^belnlicb  maehen.  Eine 
gewisse  Abschwäohang  der  Schuld  lleRt  nur  in  der  Aniicht  de»  Dich- 
ter«, das  der  Staufer  mit  Beinen  VerbreeJien  nicht  vereinselt  stand; 
k&me  es  auf,  dass  man  alle  derartigen  .Ohrenkräuer'  richtete,  dami 
würde  e»  noch  manchem  ^aner  werden,  der  jetzt  gewaltig  sei.  Diu 
Lied  wurde  Qbrigens  niich  der  Melodie  des  Pienzenauerliedes .  diu 
ein  schntdlnsea  Opfer  Terherrlichte,  gesunRen. 

3]  Werke  II.  G70.  Aventin  befand  sich,  wie  er  in  seinem  Tage- 
buch eingetragen,  daa  ganie  Jahr  1516  in  Ingolstadt-  —  Pemeder 
hegnDgt  sich  in  »einer  Chronik  Icod.  germ.  Monac.  IM4.  (.  7')  mit 
der  Bemerkung,  diis«  Herr  Eieronjniu»  .etlicher  hochen  Verprecbungen 
halber*  uiit  detn  Schwert  gerichtet  wurde.  Auch  der  unbekannte 
Verfiwser  der  Chronik  bei  Oefele  (Script,  I.  391)  behandelt  die  Schuld 
des  Hingerichteten  aU  zweifelloa.  Wiguleus  Hund  ist .  ao  viel  ich 
»che,  unter  den  älteren  Historikern  der  einzige,  dem  die  Schuld  des 
Staufera  möglicherweise  nicht  als  feststehend  galt,  da  er  an  seinen 
kursen  Bericht  (Stammenbucb  II.  306)  die  Lehre  knäpft:  .Aber  auf  die 
Bofgnad  ist  »ich  nit  gar  zu  verlausen,  viel  weniger  dieselb  zu  miss- 
hranchon,  denn  so  hoeli  dieser  Herr  Hieronymua  gestiegen,  so  hoch 
lieu  ihn  Gott  wieder  füllen.' 


466      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6,  Dezember  1890, 

In  dem  Sinne  aber,  wie  es  Hamlet  von  Horatio  erwartete, 
ist  es  dem  Historiker  nicht  vergönnt,  des  Staufers  Sache  «den 
unbefriedigten  zu  erklären.*  Unsere  Enthülhmgen  haben 
den  Nachweis  erbracht,  dass  der  Angeklagte  nicht  in  dem 
Masse  schuldig  war,  wie  er  den  Zeitgenossen  auf  Grund  des 
entstellten  Verhörprotokolls  erscheinen  musste.  Eis  hiesse 
aber  nun  weit  über  das  Ziel  hinausschiessen ,  wollte  man 
durch  die  Entrüstung  über  das  Unrecht,  das  Mit-  und  Nach- 
welt hier  begangen  haben,  sich  zu  der  Behauptung  fort- 
reissen  lassen,  dass  an  Hieronymus  von  Stauf  ein  Justizmord 
oder  ein  politischer  Mord  begangen  worden  sei.  Eine  ge- 
wissenhaft abwägende  Forschung  wird  vielmehr  trotz  des  ver- 
hältnismässig nicht  dürftigen  Materials  darauf  verzichten 
müssen,  ein  bestimmtes  Urteil  über  Schuld  oder  Unschuld  des 
Hofmeisters  auszusprechen.  Nur  einige  Momente,  die  in  beide 
Wagschalen  verteilt  werden  müssen ,  seien  hier  hervorge- 
hoben. Für  die  Schuld:  dass  die  Annahme  eines  Irrtums 
auf  Seite  der  Herzoge,  die  zweifellos  in  gutem  Glauben 
handelten ,  ein  starkes  Mass  von  Verblendung  oder  Leiden- 
schaft voraussetzen  würde ,  wofür  unsere  Kenntnis  von  den 
Charakteren  dieser  Fürsten  keinen  Anhalt  bietet.  Dass  Her- 
zog Wilhelm  selbst  der  Folterung  seines  vertrauten  Ministers 
beiwohnte ,  führt  uns  zum  Bewusstsein ,  dass  die  Menschen 
des  Reformationszeitalters  den  Söhnen  des  19.  Jahrhunderts 
an  moralischer  Feinfühligkeit  ebenso  nachstanden ,  wie  sie 
ihnen  an  Nervenstärke  überlegen  waren.  Ein  Greuel  aber, 
wie  ihn  um  dieselbe  Zeit  der  tyrannische  Herzog  Ulrich  von 
Würtemberg  durch  die  grausame  Marterung  und  ungerechte 
Hinrichtung  seines  Beamten  Konrad  Breuning  begingt),  war 
schon  durch  die  gutmütigeren  Naturen  der  beiden  Witteis- 
bacher ausgeschlossen. 

Sodann    lässt   sich    nicht   verkennen,    dass    der   Maugel 


1)  Vgl.  Hayd,  Ulrich  Herzog  zu  W.  I.,  476  fgd. 


HiriUr:  Vn 


den  lliertiitijmuii  v,  älauf. 


nv»  Gtwt&ndtiiM»«  in  der  Melirlieit  der  AnklaKejiiinkte  c 
Tert  der  Ijestandnisse,  welche  auf  die  Minderheit  der  Vragl 
'folgten,  erbiiht.  Als  enUcheidend  wird  man  gk-ichwd 
ich  diese  Erwägnng  nicht  heiruchton  können .   da  ja  nim 

len  ist,  oll  die  Fciller  in  jedem  Äugenblick  des  ^ 
in  mit  gleicher  Stärke  angewendet  wurde  und  gleich  i 
idcrstehlich  wirkte. 

Die  Vergehen ,  beztiglieh  deren  ein  Geständnis  siehe* 
ler  «ngohlioh  erfolgte,  eollen  gegen  den  vertturlienen  Her- 
ig  Älbrecht,  getjeii  jeden  der  regierenden  Lande^fürsten 
in^oln  und  gegen  beide  xusaiumen,  endlich  gegen  die  Lai 
;1iaft  gerichtet  gewesen  »lein. 

1.  Uegen    Herzog   Albrecht  soll   vorgelegen   sein: 
ordplan  und  nttch  seinem  Tode  beleidigende  Aeusserunra 
Irt.  »);>) 

2.  Gegf-n  Herzog  Wilhelm:  Untreue  und  Pflichtvergessd 
Btt  in  desson  Dienst,  einmal  thätlich  begangen  wfihrend  i 
[isaiun  nach  Worms  (Art.  1),  mehrnjals  angedroht  in  Wort 
Irt.  2  und  5); 

3.  Gegen    Herzog    Ludwig:    unberechtij^    und    eigi 
Btzig«   DienstaufkOndigung   gegen   denselben,    während 
ftMen  Forsten  verpHichtet  w»r  (Art.  6,  7);  Dn)hw»rte  g 
in  (Art,  7);  unter  einer  gewissen  Eventuatifät  der  Plan  i 
D  ermorden  (Art,  9); 

4.  Gegen  beide  Fürsten:  eigenniitzige  GeschSftsfßhr 
Kti.  4,  6.  1^),  sodäun  AufhetKung  derselben  gegen  einander 
iirch  das  trügerische  Vorgeben,  daas  einer  den  andern  ver- 
[tft*n  wolle  (Art.   10); 

5.  Gegen   die  Land^chuß:    Verleumdung    derselben 
Fürsten    imd    Aufhetzung    Herzog  Wilhelms  gegen  i 

Art.  II). 

Die  schwersten  Funkte  sind  die  Mordpläne  gegen  Herd 
idffig  ond   gegen   Albrecht  IV.     Aber   beim   ersten 


1}  Di«  ZAhloDg  der  Artikel  hier  uncb  dem  Drucke. 


468       Süzung  der  historischen  Glosse  vom  6,  Dezember  1690. 

nach  der  Urschrift  des  Protokolls  immerhin  etwas  zweifel- 
haft bleiben,  ob  ein  klares  Geständnis  erfolgte,  der  zweite, 
der  auf  einen  Vorgang  vor  etwa  einem  Vierteljahrhundert 
zurückgriff,  ward  im  ersten  Verhör  noch  nicht  berührt,  son- 
dern beruhte,  wie  es  scheint,  auf  der  nachträglichen  Denun- 
ziation einer  Persönlichkeit,  die  wir  nicht  kennen  und  deren 
Glaubwürdigkeit  zu  beurteilen  wir  kein  Mittel  haben. 

Ausser  der  Urgicht  kommen  als  Aktenstücke ,  welche 
etwa  geeignet  sind,  einiges  Licht  auf  die  Anklage  zu  werfen, 
besonders  das  Schreiben  des  Staufers  Tom  20.  April  1518 
an  Herzog  Ludwig,  die  Briefe  seines  Verbündeten  Kun  von 
Wallbrunn  von  April  bis  Oktober  1514  und  das  Schreiben 
der  Herzoginwitwe  vom  Dezember  1515  in  Betracht.  Aus 
dem  ersteren  lässt  sich  nichts  anderes  als  tadellose  Loyalität 
des  Staufers  gegen  sein  Fürstenhaus  herauslesen.  Damals 
wenigstens  hat  er  offenbar  nur  daran  gearbeitet,  den  im 
Aufkeimen  begriffenen  Bruderzwist  mit  der  Wurzel  auszu- 
rotten, zu  diesem  Zweck  schildert  er  Herzog  Wilhelm  dem 
jüngeren  Bruder  als  versöhnlich  und  empfiehlt  Ludwig  dringend 
nach  Augsburg  zu  kommen ,  einmal  um  dort  mit  Wilhelm 
persönlich  zusamraenzu treffen,  sodann  um  sich  dem  Kaiser  für 
den  italienischen  Feldzug  zur  Verfügung  zu  stellen.  Ohne 
zu  ahnen ,  dass  die  von  ihm  beklagte  Gesinnung  einst  ihm 
selbst  zur  Last  gelegt  werden  sollte,  bemerkt  er,  dass  es 
Leute  gebe,  welche  in  der  Hoffnung,  dass  dann  ihr  eigener 
Weizen  blühe,  die  Brüder  lieber  uneinig  sähen,  welche  , ihren 
eigenen  Nutz  mit  Ihrer  Gnaden  Schaden  zu  schaffen  ver- 
meinen." In  welches  peinliche  Gedränge  herzogliche  Beamte 
gegenüber  sich  widersprechenden  Anforderungen  der  ent- 
zweiten Landesfürsten  kommen  konnten,  schildert  eindrucks- 
voll des  Hauptmanns  Kun  von  Walibrunn  Rechtfertigungs- 
schreiben   an    Herzog   Ludwig    vom    12.  September   1514.^) 


1)  Landtag  v.  1614,  S.  628-682. 


Hifder:  Pntzrsa  dcx  Ihtnmgmuti  r.  Slauf. 


Am 


Üott*  —  schreibt  Wallbninn  Creiiuritig  —  .(Iftss  ich 
Guern  FUMlichiMi  (jntideii  zu  beiden  ilerge»tu1t  einge- 
.'  Und:  .Welches  E{«ich  zergehen  will,  «eratört  sich 
«ßlber/  Weniger  giinatig  für  lien  Stiiufer  klingen  die  in 
nnseren  Beilagen  veröffentlichten  Schreiben  Wallbrunns,  welche 
eigennützige  Ziele  der  beiden  HöHinge  verraten  und  an  die 
Vertrau ür.iiküit  heimlicher  Verschwörer  erinnern.  Geht  man 
aber  den  Dingen  anf  den  Grund  ,  so  bleibt  doch  nnch  hier 
nichts  eigentlich  Belastende»  zurück.  Wie  heutaiitage  be- 
aondere  Dienstleistungen  bei  Fürsten  iliirch  Ürden,  so  wurden 
sie  damals  durch  Schenkungen  von  Gütern,  baarein  (ield, 
Kleinoden,  Verleihung  von  einträglichen  Aemtern  oder  An- 
warbtchatlen  betuhtit.  Wenn  Her7/)g  Wilhelms  Hofmeister 
und  Hauptmann  darauf  ausgingen,  die  damals  erwarteten 
lind,  wenigstens  wns  den  Staufer  betrilTt,  bereits  zugesagten 
Schenkungen  sich  auch  von  Seite  des  Kaisers  sicher  stellen 
zu  lasiten, ')  so  liegt  darin  nichts  Strafbares,  nicht  einmal 
«twas  Tadelnswertes. 

An  der  Uebersiedelung  Herzog  Wilhelms  nach  Burg- 
bausim,  an  dessen  Anflehnimg  gegen  die  Landschaftäbe- 
KublRase  und  an  der  trotzig  isolierteu  Stellung,  die  er  da- 
mals eine  Zeit  lang  einnahm,  dürfte  der  Staufer  bei  seinem 
zweifellos  grossen  £infli])is  auf  den  jugendlichen  Fürsten,  wenn 
nicht  allein,  zum  mindesten  mitverantwortlich  gewesen  sein, 
aber  hier  kommt  in  Betracht,  dasa  mau  mit  diesen  Rchritt«n 
nnr  auf  den  ßoden  des  väterlichen  Testaments  und  der  Ue- 
itetKlicbkett  zurücktrat ,  dnss  das  Voi^ehen  der  Landschaft 
Tom  KsiM^r  verworfen,  weiteres  Verharren  auf  iliesen  Wegen 
sogar  mit  der  Acht  bedroht  war.  Die  Aera  der  Staatsstreiche 
war  nicht  von  Herzog  Wilhelm  und  seinem  vertrauten  Rate, 
sondem  von  der  Landschaft  durch  die  Preisgebung  der  Pri- 

I)  Ll^r  unbeKrDndeten  Anklugp,  iLua  iler  Stimfi^r  FalkeD«t«tn 
drin  Kauer  tn  bellen  auf^etruK^n  lialie,  X^^vn  viellpielit  unklare  U-.'- 
rOcbta  Dlier  üi^se  BemüliuoKen  cuftritndn. 


470      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dezewher  1890. 

iMOgeniturordDung,  welche  doch  ihre  Vertreter  beschworen 
und  besiegelt  hatten,  eröffnet  worden.  Einmal  auf  diese  ab- 
schüssige Bahn  geraten,  wurden  die  Führer  der  Landstände 
zu  weiteren  ungesetzlichen  Schritten  gedrängt.  Eine  merk- 
würdige Enthüllung  bringt  uns  nun  der  31.  Artikel  in  der 
echten  Urgicht  des  Staufers.  Hienach  haben  zu  einer  Zeit, 
da  beide  Fürsten  sich  einträchtig  vertragen  hatten  —  es  kann 
wohl  nur  die  Periode  nach  dem  Rattenberger  und  Münchner 
Vertrag,  etwa  November  1514  bis  Oktober  1515  in  Be- 
tracht kommen  -  Dietrich  von  Plieningen,  Wolf  von  Ahaim 
und  der  Kanzler  Neuhauser  mit  Wissen  Herzog  Wilhelms 
daran  gearbeitet,  dass  Wilhelm  wieder  alleinregierender  Fürst 
würde.  Man  darf  die  Glaubwürdigkeit  dieses  Zeugnisses  nicht 
darum  bezweifeln,  weil  ja  Plieningen  und  die  anderen  zwei 
Herren  an  der  Spitze  jener  Landschaftsmehrheit  standen, 
welche  den  Ansprüchen  des  jüngeren  Bruders  durch  ihre 
Unterstützung  Gewicht  und  Erfolg  geliehen  hatte;  denn  es 
ist  wohl  zu  beachten ,  dass  Plieningen  und  die  Landschaft 
immer  nur  für  Ludwigs  Mitregierung  waren,  einer  Landes- 
teilung aber,  wohl  auch  in  der  gemilderten  Form  einer  ge- 
trennten Verwaltung,  wie  sie  der  Vertrag  von  1514  fest- 
setzte, widerstrebten.  Innere  Unwahrscheinlichkeit  hat  also 
des  Staufers  Aassage  keineswegs,  und  erwägt  man  die  äusseren 
Umstände,  unter  denen  sie  erfolgte:  während  der  Angeklagte 
an  der  Folter  hing  oder  doch  von  ihr  bedroht  war,  in  Ge- 
genwart Herzog  Wilhelms,  den  er  durch  grundlase  Angaben 
und  Beschuldigungen  noch  weiter  zu  reizen  sich  wohl  ge- 
hütet haben  wird  —  so  kann  man  kaum  an  der  Wahrheit 
seiner  Aussage  zweifeln.  Einen  Umsturzplan  in  derselben 
Richtung,  wie  er  dem  Angeklagten  aus  dem  Jahr  1513  zur 
Last  gelegt  wurde,  haben  also  ein  bis  zwei  Jahre  später 
auch  seine  Gegner  geschmiedet.  Was  endlich  die  Anklage 
der  Herzoginwitwe  Kunigunde  betrifft,  so  wird  man  immer- 
hin die  Möglichkeit  gelten  lassen  müssen ,    dass   der  Staufer 


Siegler:  Prozess  des  Hieronymm  v.  Siauf.  471 

in  gutem  Glauben  handelte,  als  er  seinen  Herrn  vor  einem 
Besuche  des  Landshuter  Landtages  warnte.  Hielt  doch  auch 
der  Sekretär  Kölner  damals  nicht  für  ausgeschlossen ,  wenn 
auch  nicht  für  wahrscheinlich,  dass  dem  Herzoge  Wilhelm 
»von  der  Landschaft  oder  seinem  Bruder  etwas  Beschwerliches 
begegne.*  Und  in  anderen  Stadien  der  Ereignisse  erzählte 
Herzog  Wilhelm  selbst  dem  Staufer,  es  sei  ihm  geraten 
worden,  etliche  vom  Äusschuss  erschlagen  zu  lassen,^)  während 
anderseits  Herzog  Ludwig  Gerüchte  von  einem  Vergiftungs- 
anschlag glaubte  und  verbreitete,  der  gegen  ihn  wie  seinen 
Bruder  geschmiedet  worden  sei.^)  Manche  Änklagepunkte 
dürften,  auch  wenn  sie  begründet  waren,  in  milderem  Lichte 
erscheinen,  wenn  man  nach  Gebühr  berücksichtigt,  dass  es 
sich  um  eine  Epoche  der  inneren  Entzweiung  und  heftiger 
Parteikämpfe  handelt.  Endlich  darf  man  nicht  übersehen, 
dass  der  Staufer  durch  die  Sonderstellung  gegenüber  seinen 
Standesgenossen  im  Jahre  1513  deren  Hass  und  Widerwillen, 
dann  besonders  durch  den  Gewinn  von  Falkenstein  weitver- 
breiteten Neid  auf  sich  gelenkt  hatte.  Mehrere  der  Anklagen 
sind  auf  geschäftige  Denunziation  seiner  Widersacher  zurück- 
zuführen ;  unbedachte  Reden ,  Ausbrüche  augenblicklicher 
Aufwallung  oder  Verstimmung,  in  deren  Beurteilung  man 
den  Massstab  der  zeitgenössischen  Derbheit  anzulegen  hat, 
wurden  ihm  noch  nach  Jahren  zum  Verbrechen  gemacht. 
Die  meisten  Anklagepunkte  freilich  sind  von  den  Herzogen 
selbst  ausgegangen.  Die  Anklage  im  ganzen  aber  beruhte 
auf  einem  Compromiss  der  beiden  Fürsten,  wonach  —  dies 
erhellt  aus  Artikel  1,  6  und  7  (nach  C)  —  jeder  der  Brüder 
den  Staufer  auch  wegen  solcher  Schritte  zur  Verantwortung 
ziehen  durfte,  die  er  im  Interesse  des  einen  zum  Schaden 
des   andern    unternommen    haben    sollte!      Wenn    sich    der 


1)  Art  24  der  echten  Urgicht.    S.  Beilage  20. 

2)  Beilage  Nr.  12. 


472      Süzung  der  historisehen  Classe  vom  6,  Dezember  189Ö. 

Staufer  dagegen  auf  die  wiederholt  erlassene  Amnestie  berief, 
so  kann  man  dies  nur  begründet  finden  —  was  diesen  Teil 
der  Anklage  betrifft,  mag  es  manchem  scheinen,  dass  aus 
ihm  auf  die  Ankläger  ein  ungünstigeres  Licht  fallt  als  auf 
den  Beklagten. 

Zum  Schlüsse  aber  muss  noch  einer  Auffassung  gedacht 
werden,  weiche  die  Ursache  oder  doch  die  Hauptursache  vom 
Sturze  des  Staufers  ausserhalb  der  in  der  Anklageakte  und 
Urgicht  ausgesprochenen  Dinge  sucht.  Wie  erwähnt,  war  der 
Staufer  einer  der  vier  Herren,  welche  den  geheimen  brüder- 
lichen Vertrag  vom  9.  Septeniber  1515  besiegelten,  laut  dessen 
die  Herzoge  die  Terlorenen  bayerischen  Lande,  in  erster 
Reihe  also  das  sogenannte  habsburgische  Interesse,  zurück- 
gewinnen wollten.  Nun  hat  schon  Adlzreitter^),  dem  übri- 
gens die  Bekenntnisse  der  Urgicht  als  erwiesen  gelten,  aus- 
gesprochen, es  habe  sich  an  das  anfänglich  strengere,  spater 
aber  entgegenkommendere  Verhalten  des  Kaisers  g^en  seine 
Neffen  die  Meinung  geknüpft,  dass  der  Staufer  am  kaiser- 
lichen Hofe  seine  Herren  verraten  habe.  Stumpf*)  hat  dies 
dahin  gedeutet,  der  Staufer  möchte  etwa  den  geheimen 
brüderlichen  Vertrag  dem  Kaiser  mitgeteilt  haben,  und  was 
Stumpf  als  Vermutung  äusserte,  ward  von  Büchner^)  bereits 
als  Gewissheit  hingestellt,  wobei  dann  die  Folgerung  auf 
der  Hand  lag,  dass  diese  Verräterei  die  Hauptursache  vom 
Ende  des  Stau  fers  gewesen  sein  dürfte. 

Es  muss  festgestellt  werden,  dass  man  sich  hier  durch- 
aus auf  dem  Boden  von  nicht  nur  unsicheren,  sondern  sogar 
wenig  wahrscheinlichen  Vermutungen  bewegt.  Schon  dass 
der  Kaiser  Kenntnis  von  dem  geheimen  brüderlichen  Ab- 
kommen erhalten  habe,  ist  eine  leere  Vermutung.  Was  wir 
von  dem  Verhältnis   zwischen   Oheim   und   Neffen   aus   den 


1)  Annales  II  238. 

2)  Baiems  politische  Qeschichte  I,  17. 
8)  Geschichte  von  Bayern  VII,  25. 


Bit  zier:  Prozeas  des  Hieivfiymus  v.  St  au  f.  473 

Jahren  1516 — 1519  wissen,  deutet  eher  auf  das  Gegenteil 
und  die  Aufnahme  des  Staufers  unter  die  kaiserlichen  Räte 
genügt  nicht,  dieser  Hypothese  eine  sichere  Grundlage  zu 
verschaffen.  Das  Schweigen  der  Anklageakte  und  der  ür- 
gicht  über  diesen  Punkt  kann  allerdings  keinen  Gegenbeweis 
gegen  Buchners  AuiFassung  bilden ,  da  ja  der  Vertrag  vom 
9.  September  1515  ein  geheimer  war  und  geheim  bleiben 
sollte.  Ein  anderes  Dokument  aber,  das  Buchner  und  dessen 
Vorgängern  noch  nicht  bekannt  war,  spricht  stark  dagegen: 
Maximilians  zustimmende  Antwort  an  Herzog  Wilhelm  auf 
dessen  Mitteilung  über  den  Staufischen  Prozess.  Denn  wäre 
der  Kaiser  vom  Staufer  in  den  Inhalt  des  geheimen  Vertrags 
eingeweiht  worden,  so  hätte  er  ein  Viertel-  oder  ein  halbes 
Jahr  später  auf  die  Eröffnung  seiner  Neffen  hin  doch  wohl 
den  Zusammenhang  der  Dinge  durchschaut  oder  geahnt,  er 
hätte  in  der  Enthüllung  des  Staufers  die  eigentliche  Ursache 
seines  Prozesses  gesucht  und  hätte  seinen  Rat,  der  ihm  mehr 
Anhänglichkeit  bewies  als  seinen  Landesherrn,  nicht  den 
letzteren  preisgegeben. 


Urkundliche  Beilagen. 

(Sämmtliche  aus  dem  Münchener  Keichsarchiv.) 

1.  1509,  Nov.  12.  (Montag  nach  Martini).  Landshut.  ^)  (sie) 
Der  Rentmeister  zu  Straubing  an  Herzog  Wolfgang  und 
die  andern  verordneten  Vormünder.  „Gibt  Unterricht 
von  wegen  her  Iheronimen  von  Staufs  schuld f orderung 
vom  krieg  herrurend,  auch  als  ain  gerhab  seinz  bruders 
her  Bernhardin  von  Staufs  kinder  halb,  von  wegen  der 
pfleg  Kelhaym  umb  etlichen  draid.**  Lihaltsangabe 
von  gleichzeitiger  Hand  auf  der  allein  erhaltenen  Adresse. 
Stauferische  Sachen  III,  f.   112. 


1)  Datum  und  Ort  wohl  irrig  aus  der  Antwort  hiehergatsl 

1890.  PhUot.-phüol.  u.  bist.  Gl.  II.  3.  82 


474      Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  6,  Dezember  1890. 

2.  1509,  Nov.  12.    (Montag  nach  Martini).     Herzog  Wolf- 

gang sammt  andern  verordneten  Vormündern  an  den 
R(entmeister)  zu  Str(aubing).  Nachdem  der  Herzog 
Herrn  Iheron.  von  Stauf  die  1000  fl. ,  die  ihm  dieser 
hievor  zu  merkliclier  Notdurft  geliehen,  auf  diesen  Mar- 
tinitag nicht  bezahlen  konnte,  hat  er  ihm  bewilligt,  dem 
Mosse  Juden  von  Regensburg ,  dem  der  Staufer  200  fl. 
auf  Martini  zu  zahlen  schuldet,^)  diese  Summe  zu  ent- 
richten. Wird  dem  Juden  Zahlung  vor  Lichtmess  zu- 
gesagt, so  wird  derselbe  nach  Versicherung  des  Stau  fers 
solches  nicht  ungern  und  ^ohne  allen  Judenschaden ' 
zulassen.  Er  soll  diese  Summe  also  auszahlen  etc. 
Concept  a.  a.  0.  f.  114. 

3.  1509,  Nov.  (vor  Katherinentag).    lieronimuss  von  Stauff, 

Freiherr  zu  Ernfels,  an  Herzog  (Wolfgang)  und  dessen 
Mitvormünder.  Da  er  im  Krieg  Herzog  Albrechts  Haupt- 
mann zu  Straubing  gewesen,  ist  ihm  von  diesem  zuge- 
sagt worden,  dass  er  wie  andere  Seiner  F.  Gn.  Haupt- 
leute gehalten  werde.  Bittet  um  Entschädigung  aus 
den  Huldigungsgeldern,  die  er  „aus  den  Widerwärtigen* 
gebracht  und  dem  Rentmeister  zu  Straubing  abgeliefert 
hat.  Legt  auch  ein  Verzeichnis  (f.  110)  des  Schadens 
bei,  den  er  an  Pferden  im  Dienste  seines  gnädigen  Herrn 
löblicher  Gedächtnis  (H.  Albrecht  IV.)  jjjenornmen.  Da- 
runter:  „vor  Dingelfing,  als  wir  ettlich  Beheim  er- 
stochen haben,  ist  mir  ain  prauner  hengst  erstochen 
worden,  acht  ich  unib  ()5  fl.  rhein**  und  :  „ain  schimel 
mit  aineni  langen  schwantz,  ist  mir  in  der  behemischen 
Schlacht  erstochen  worden,  schlag  ich  an  umb38  fl.  rhein.* 
Verzeichnet  sind  sieben  Pferde,  zum  Teil  im  Stall  und 
an  Krankheiten  gestorben,  im  Werte  von  zusammen  300  fl. 
Or.  a.  a.  0.  f.  115,  110. 

4.  1511,  März  30.    (Sonntag  Letare),  Peretzhausen.    Iheron. 

v.  8t.  an  H.  Wilhelm.  Bittet  um  Auszahlung  seines 
auf  letzte  Lichtmess  fällig  gewesenen  Dienstgeldes  durch 
den  Rentmeister  zu  Straubing,  da  er  desselben  , grösslich " 
notdürftig  sei. 

1)  Diese  Schuld  wird  auch  in  einem  undatirten  Zettel  (f.  111), 
überHchrieben :  ^Dein  Stautfer  ain  abforderuu^  ze  geben  an  das  camer- 
gericht"  erwähnt. 


Riezler:  Prozess  des  Hieronymus  v,  Stauf,  475 

Or.  a.  a.  0.  f.  117.  unten  Concept  der  Antwort:  Das 
Geld  sei  nicht  bezahlt  worden,  weil  der  Herzog,  wie 
der  von  St.  wisse,  bisher  mit  merklichen  Ausgaben  be- 
laden gewesen  und  von  baarem  Geld  ganz  entblösst  sei. 
Es  soll  wegen  der  Schuld  mit  ihm  ,rechnung  und  verrer 
handlung  gehalten  werden. ** 

5.  1512,  Juli  17.    (Samstag  nach  Margrete),  Landshut.    H. 

Wilhelm  an  Iheron.  v.  St.  Er  soll  binnen  eines  Monats 
die  200  fl.  rhein.  zahlen ,  die  ihm  der  Herzog  wegen 
seines  Pflegsohns  geliehen  hat  und  die  nun  verfallen 
sind,  widrigenfalls  auf  den  Gütern  seiner  Pflegkinder 
mit  Pfändung  eingeschritten  wird.  Or.  a.  a.  0.  f.  119. 
F.  120  Concept  dieses  Schreibens  von  der  Hand  des 
Kanzlers  Lösch,  datirt:  Samstag  Allexi  (Juli  17.)  Caspar 
Morhart,  des  Herzogs  Rentmeister  zu  Straubing,  hat 
berichtet,  dass  er  sich  unterstehe  dagegen  Einrede  zu 
thun,  als  wäre  der  Herzog  ihm  oder  seinen  Pflegkindern 
auch  schuldig.  Das  Anlehen  ist  aber  sonderlich  „ge- 
freidt  auf  guten  trawen  und  gelawben  gesetzt"  und  darf 
billig  keiner  andern  Forderung  willen  vorbehalten  werden. 

6.  1513,  April  20.    (Mitichen  vor  st.  Jergeintag),  Augsburg. 

Jeronimus  von  Stauff,  Freiherr  zu  Ernfels,  (eigenhändig) 
an  Herzog  Ludwig  „in  sein  selb  haut*.  „Durch- 
leichtiger  hochgeporner  fürst!  E.  f.  g.  sein  mein  unter- 
tenig  dinst  mit  willen  zuvor.  Genediger  her,  als  ich 
mich  negst  zu  Wurms,  wie  e.  g.  wisen  haben,  anheims 
zu  reiten  erhebt,  hab  ich  die  Rom.  Kays.  Mt.,  meinen 
alergenedigisten  hern ,  auch  meinen  g.  hern ,  herzog 
Wilhalm  all  hie  zu  Auspurk  petreten.  Dar  auff  bin 
ich  aus  getreuer  guter  mainum^)  für  mich  selber  pebet*) 
(sie)  worden  e.  f.  g.  in  unterteikait  (sie)  zu  perichteu, 
das  mein  g.  h. ,  herzog  Wilhalm ,  bey  der  Kays.  Mt. 
in  handlura  (sie)  stet  e.  f.  g.  herauff*  zu  brinen*) ,  und 
wiewoll  ich  vast  besorg ,  etlich ,  die  baiden  e.  g.  nit 
gutes  gunen,  als  man  derselben  wol  am  hof  findet, 
werden  sich  understen  solihs  zu  verhindern  und  solihs 
nit  geschehen  lassen,  darumb  das  sy  eur  pede  gnad  nit 

1)  =  Meinung. 

2)  =  bewegt. 

3)  =   bringen. 

82» 


476      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6,  Dezember  1890, 

gern  ainich  sehen  und  fermainen  dardurch  iren  nutz 
mitt  e.  g.  schaden  zu  schaffen,  als  e.  g.  dan  selb  wol 
bedenken  kan.  Dieweil  dan  iezt  alhie  der  Venedier 
krigs  halben  alerlay  geschray  und  die  gemain  sag  ist, 
ir  Mt.  werde  sich  in  etlichen  tagen  dem  Welscheuland 
pas  neben,  so  verste  ich  auch ,  ir  Mt.  haben  iren  hof- 
maister,  den  vom  Rapoltstain  und  Gabriheln  Vogt  auch 
abgefordert  villeicht  in  das  Welschland  zu  geprauchen 
so  kun  ich  nit  fersten,  wo  e.  g.  noch  lener^)  zu  Wurmbs 
pelieben  sollte,  das  solihs  e.  g.  ere  noch  nuz  sein  wurde, 
sonder  wil  eurn  g.  aus  mir  selber,  der  e.  f.  g.  em  und 
guet  gunt,  raten,  das  e.  f.  g.  nit  pas  tun  kan ,  dan  e. 
g.  wele  sich  von  Wurms  erheben  alher  zu  Keys.  Mt. 
zu  reiten,  damit  e.  g.  und  mein  g.  h.,  herzog  Wilhalm, 
zusamen  kumt,  dan  e.  g.  wais,  das  ale  handlum,  dy  zu 
Wurms  geschehen  ist,  sich  nur  in  dy  her  zeucht,  so  ist 
ie  der  Verzug  in  der  pericht  e.  g.  ganz  nachtalich  und 
foraus,  dy  weil  das  geschrai  ist,  das  der  kaiser  sich  zum 
Welschland  nehent  und  e.  g.  ain  iuner  (sie)  fürst  ist, 
moch  (sie)  e.  g.  das  in  fil  weg  nachredlich  sein ,  das 
e.  g.  so  fer  von  der  sach  wer,  foraus  wen  man  etwas 
gegen  den  feind  solt  furnemen ,  dan  es  ist  wol  zu  ge- 
denken ,  moch  (?)  e.  g.  zu  nachteil  raichen ,  dan  dy 
kays.  Mt.  fint  wol  elter  und  dy  fileicht  nit  als  gern  als 
e.  g.  sich  zun  feinten  neherete,  dan  ich  hab  oft  selber 
gesehen  und  gehört:  wen  kays.  Mt,  sich  ie  zen  feinten 
genehet  hat,  was  man  rede  darzu  getriben  hat,  wen 
sich  etlich  von  ir  Mt.  schicken  haben  lasen  oder  in 
weite  geleger  sich  haben  legen  lasen.  Das  stet  e.  f.  g. 
auch  hoch  zu  ermesen  als  ainem  innen  fursten  und  ist 
in  all  weg  mein  rat ,  das  sich  e.  g.  her  ferfueg  und 
aufs  fudeligest'-^).  So  hab  ich  gut  hofnum,  so  e.  peder  g. 
zusamen  kumen ,  e.  g.  weren  (sie)  sich  ungezweifelt 
freintlich  mit  einander  fertragen ,  dan  ich  find  meinen 
g.  h.,  herzog  Wilhalm,  ie  nit  änderst,  dan  da.s  sich  sein 
g.  ganz  freintlich  und  pruderlicher  treu  gegen  e.  g. 
merken  lest,  und  acht  ganz  darfur,  das  sich  e.  peder 
g.  ganz  freintlich  mit  einander  fertragen  wurden.  Zu 
den  das  der  hofmaister   und    Gabriel  Vot    auch    an   der 

1)  --   länger.     2)  =  turderlichest. 


Riezler:  Prozess  des  Hieronymus  v,  Stauf.  477 

hant  werden,  so  kan  e.  g.  gegem  kays.  Mt.  kain  pesere 
ursach'  haben  e.  g.  anher  kumens,  dan  das  e.  g.  sage, 
ir  habt  feruomen,  wie  sich  sein  Mt.  gegen  den  feinten 
neben,  so  wers  e.  g.  als  ainem  innen  fursten  ganz  nach- 
redlich, das  ir  nit  pey  seiner  Mt.  sein  solt.  Das  zaig 
ich  eum  g.  in  guter  treuer  mainum  an  und  als  fer  e. 
f.  g.  ie  gern  pein  feinten  sein  wolt  und  dan  mit  meinem 
gnädigen  hem  fertragen  werden  wol,  so  kan  ich  e  g. 
kaine  andern  weg  anzaigen,  dan  e.  g.  ist  ie  nit  nuzer 
dan  ain  fraintlicher  vertrag  mit  ra.  g. ,  hern  prüder, 
und  ist  ain  Sprichwort:  dy  erst  pericht  ist  alpot  dy 
pest.  Wo  dan  e.  f.  g.  sich  erheben  wurdej  so  mag  mir 
e.  g.  ainen  e.  g.  pueben  oder  poten  gen  Emfels  schiken, 
so  wil  ich  mich  fon  stund  an  auch  her  ferfuegen  und 
dan  ganz  gern  und  treulich  das  pest,  so  zwischen  e.  f.  g. 
peden  zu  perich  (sie)  und  pruderlicher  fraintschaft  dyent, 
nach  meinem  besten  (sie)  fermugen  und  fleis  handeln,  dan 
ich  pin  ie  ganz  der  hofnum,  e.  peder  g.  werden  unge- 
richt  von  einander  nit  kumen.  Wil  soliche  handlum 
e.  f.  g.  in  untertenikait  und  in  sunder m  fertrauen  an- 
gezait  haben,  und  last  in  kainen  weg  unterwegen,  es 
stet  eurn  g.  iil  nacbtails  auf  dem  ferzug  der  pericht 
und  kert  euch  an  niemant,  ob  e.  g.  etlich  wolten  ab- 
schlahen,  dy  woltn  nit,  das  eur  peder  g.  mit  ainander 
fertragen  werden  und  ob  schon  e.  g.  nit  ales  eur  ge- 
sind mit  euch  nimt,  kumen  wol  hernach.  Wil  mich 
hiemit  e.  f.  g.  pefolhen  haben.  Datum  Auspurk  am 
mitichen  vor  sand  Jergein  tag  im  13.  iar.* 
Or.  mit  aufgedrücktem  Siegel.     A.  a.  0.  f.  123,  124. 

7.    1514,  April  3.    Chono  von  Walbrunn,  Hauptmann^)  etc. 
an  H.  V.  St.  (eigenhändig). 

„Wolgebomer  her,  myn  gantz  vertreulich  willig  dinst 
sint  e.  g.  mit  vleiß  brait.  Ich  hab  verlangen  zu  wiessen, 
wie  sich  all  Sachen  schicken  und  euch  die  zu  handt 
sten ,  bit  myr  daß ,  auch  wie  eß  unsrer  veschreibung 
(sie)  halber  stee,  so  vil  euch  genboren  (sie)  wil  bey 
nester  botschaft  zu  verkünden.     Und   wolt  euch  nit  zu 

1)  Vgl.  dessen  gedruckte  Correapondenzen ;  Landtag  v.  1514, 
S.  617  f.  Dort  wird  er  Cunz  von  Walpronn  zu  Neuen-Eglofaheim 
genannt. 


478      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dezember  1890. 

hoch  auf  die  Niderlender  deß  Dnnckawß  vertrösten,  ich 
vernymb,  daß  sie  sich  alhie  solten  haben  hom  lassen, 
daß  sie  nit  ewerß  willen  so  gantz  folgen,  sonder  faren 
mit  halben  winde,  dor  noch  wiest  euch  zu  zu  richten, 
daß  ir  euch  nit  verdiefft,  die  weit  ist  abentteuerlicb, 
hab  ich  euch  auf  unser  vertrawen  warnongßweiß  nit 
wellen  verhalten.  Man  sagt,  her  Seitz  von  Torring  und 
her  Hanß  Kloßner  schicken  ir  klainat  und  brieff  an 
ander  end  ir  gewarsam  und  ....  (unleserlich)  lassen 
sich  hörn,  ehe  sie  hertzog  Wilhalraen  wellen  unterteneg 
sein,  siQ  wellen  ehe  deß  lands  vertrieben  werden,  gent 
vil  seltzamer  red,  wist  ir  euch  zu  halten,  und  verbrent 
dissen  brief  auf  unser  vertrau  wen.  lUent  myn  hant- 
schrift  aus  Burghaussen  mentags  nach  sant  Ruprechts 
tag  anno  14.* 
Or.  a.  a.  0.  f.  128. 

8.  1514,  Juli  4.    Herzog  Ludwig  (eigenhändig)  an  H.  v.  St. 

„  Unsern  grues  zuvor,  lieber  her  Jeronimus  von  Stauf ! 
Uns  nimbt  wunder,  damit  yr  uns  so  gar  nichs  (sie) 
schreibt  oder  nichs  enbiett  auf  eur  zusagen,  das  yr  uns 
dan  gethan  habt,  wellet  uns  doch  wyssen  lassen,  aus 
was  ursach  unser  brueder  zu  kays.  Mt.  zeucht,  dan  kays. 
Mt.  uns  nit  verrücken  hat  haissen ,  bis  yr  Mt.  in  die 
nechent  kumbt,  auf  solchs  ich  hie  verhar.  Es  nimbd 
uns  auch  frenibd,  das  unser  brueder  derraas  dahin  zeucht, 
wellet  uns  aufs  furderlichist  wissen  lassen,  wo  sein  Lieb 
hin  wil  oder  was  seyner  Lieb  maynung  sey,  hin  zu 
ziechen,  auch  was  das  geschray  allenthalben  ist  etc. 
Datum  in  eyl  zu  Munichen  den  4.  tag  July  anno  14.* 
, Herzog  Ludwig  von  Beyren,  Pfalzgraf,  manu  propria.* 
Or.  mit  Siegelspur  a.  a.  0.  f.  125. 

9.  1514,  Sept.  9.    (Sambstag    nach  Uns.  1.  frawen  geburt). 

Hans  Pflug  Herr  vom  Rabenstein  auf  Peischaw  und  zu 
Konigswart,  an  seinen  Schwager^)  H.  v.  St. 

Herzog  Wilhelm  hat  ihm  wegen  der  unziemlichen 
Beschwerung  etlicher  seiner  (des  Herzogs)  Eigenleute 
geschrieben.      In    seiner    und    Herrn    Sebastian  Schlicks 

1)  H.  V.  8t.  hatte  eine  PHii^  von  Rabenstein  zur  Krau.    8.  Hund, 
bayrisch  8tammenbucli  11,  308. 


Riezler:  Prozess  des  Hieronymtts  v,  Stau  f.  479 

Angelegenheit  möge  sein  Schwager  bei  H.  Wilhelm  das 
Beste  fördern.  Hat  zu  seinem  Schrecken  von  seinem 
Bruder,  Herrn  Sebastian  Pflugk,  der  seine  Knaben  bei 
ihrer  Schwester,  Herrn  Hier.  Gemahlin  gehabt,  gehört, 
dass  dieselbe  schwer  krank  zu  Yngelstat  .unther  den 
ertzten*  liege,  worauf  er  zu  ihr  einen  Boten  mit  Ge- 
sundheitswünschen schickte. 
Or.  a.  a.  0.  f.  126. 

10.    1514,  Sept.  21. 

Chono  von  Walbrunn ,    Hauptmann ,    an   H.  v.  St.  .in 
sein  hant  und  sunst  niemant  aufzubrechen.** 

.Wolgeboruer  her,  mein  freuntlich  willig  dinst  sint 
euch  myt  allem  vleiß  brait  zuvor.  Gebiettender  her, 
wir  haben  unserm  gn.  hern  geschrieben  und  den  brief 
in  seiner  f.  g.  hant  zu  antworten  befollen  und  bietten 
den  noch  Verlesung  zu  stunt,  unß  vor  nochtail  zu 
bewarn ,  zu  verbrennen ,  aber  meinß  tailß  auf  unser 
vertrawen  sich  ich  gern ,  daß  ir  den  auch  lesset,  euch 
destar  baß  zu  richten  habt,  und  verkund  euch,  daß  mich 
itzunt  anlangt,  unßers  gn.  hern  sach  sey  nit  ainß  oder 
zwayer  menschen  geschicklichkait  noch  vermögen  ine 
und  sein  furstethum  zu  reigirn,  vermerck  in  Worten,  daß 
ir  und  ich  darin  verdacht  werden ,  als  weren  wir ,  die 
solichs  zu  thun  für  betten  etc.  Darbey  habt  abzunemen, 
daß  vil  leud  verhinderong  unß  baiden  zuzefuogen  sich 
fleissen  werden  und  darunter,  wo  sie  waß  wiesten,  dar 
myt  sie  unsern  fursten  bwewegen  (sie)  und  abwenden 
mochten,  wirt  warlich  nit  gespart  werden.  Nun  waiß 
sein  f.  g. ,  wer  ime  trewilich  beystendig  und  geratten 
hat  und  daß  noch  thut;  solt  sein  f.  g.  sich  widder  unß 
bewegen  laßen,  wer  zu  erbarmen,  ich  getrew  seinen  f. 
g.  auf  ir  zusagen  deß  ye  nit.  Darumb  so  last  sein  g. 
nit  onerynnert  deß  im  furgesagt  von  unß  ist.  Etz  get 
itzunt  darher,  so  man  siecht  und  hoflFong  (sie)  hat,  frids 
und  anigkait  (sie),  und  daß  unserß  gn.  hern  Sachen  recht 
Stent,  wil  ain  yeder  daß  best  getan  haben.  In  diessem 
wiesset  ir  euch  nun  wol  zu  richten.  Mich  langt  aach 
ane,  so  R.  K.  Mt.,  unser  allergn.  her,  die  bericht  mac^ 
so  well  er  unsern  gn.  hern  myt  raetten  besetzen  * 
seiner  Mt.   hoff,    darmyt   ain   lan tschaft  hien  färt,  ^ 


480      Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  6,  Dezember  1S90, 

gehandlt  wirt,  desta  wenger  clagen  und  wiedder  sein  f. 
g.  handln  mog.  Dissem  ich  auß  den  ansehen  liehen  Ur- 
sachen nit  klainen  glauben  gib,  darumb  rieht  unßre 
Sachen,  darmit  wir  nit  ins  nochtraben  komen,  und  fiir 
allen  dingen  so  erlangt  die  bstettung  über  unser  gab 
und  vergest  nit  daß  in  meiner  bstettung,  daß  Randeck^) 
in  die  pfantschaft  Abensperg  gehört  und,  wo  daß  lehen 
ist,  aigentlich  ausgedruckt  und  myr  daß  in  sunderhait 
geaigent  und  gegeben  werd  durch  die  K.  Mt.  in  dem 
bstet  brief ,  eß  wer  myr  sunst  nicht  nutz  und  all  gab 
het  kain  kraft,  wie  ir  selbst  wiesset.  Darin  wolt  thun, 
alß  unser  vertrawen  zusamen  stett,  dann  wirt  solichs 
itzt  nit  erlangt,  ist  zu  besorgen,  wyr  haben  zu  baiden 
tailen  an  den  gaben  smalen  notz,  dann  komen  die  kaiser- 
rischen  inß  thaem  (sie),  so  ist  unser  sach  auß.  sie  lassen 
niemant  hienzu,  wenden  ab,  waß  unß  gudß  gescheen 
mag,  und  furdem  sich  selber.  Darumb  seit  vleissig  und 
versumbt  unß  nit,  dan  es  ist  zeyt;  schneidt,  dwihl  es 
aern  ist,  daß  wir  nit  den  spot  sambt  dem  schaden  erben. 
Darniyt  seit  got  befollen  und  so  botschaft  alher  get, 
schreibt  unß,  wie  al  sach  stent,  und  verbrent  dissen 
brieff  von  stund  an  unß  baiden  zu  guot.  Erbeut  mich 
auf  unser  vertrawen  alzeit  zu  thun,  waß  euch  lieb  ist. 
Illent  myn  hantschrieft  auß  Burghaussen  an  st.  Matheus 
deß  heiigen  zwölf botten  und  ewangelisten  tag  anno  14.' 
Or.  a.  a.  0.  f.  127.  Hienach  gekürzt  und  nioderuisirt 
bei  V.  Freyberg,    Die  StaufFer  v.  Ehrenfels  IL  74  (2.). 

11.    1514,  Okt.   1. 

Chono  von  Walbrunn,  „reigementß  hauptuian  etc.*  an 
H.  V.  St. 

....  „Ich  hab  euch  nächst  in  ainer  meiner  schrieft*) 
angezaigt,  das  ir  euch  auf  die  Niederleuder  nit  zu  hoch 
verladen  solt,  dan  sie  sich  alhie  haben  niercken  lassen 
solt  ir  vermaint  sie  gewießen  zu  haben  es  sey  aber  weit 
f.  .  .  (?)  und  wolten  euch  nit  anseen,  suuder  waß  gemayne 
lantschaft  beschlossen ,  darin  sie  gelobt  und  gesworn 
haben,  auch  deß    ir  brief  geben ,    dem    wellen    sie    folg 

1)  Randork  an  der  Altmühl,  «las  später  Wilhehiis  Kanzler.    Dr. 
Leonhard  Eck  erhin^te. 

2)  S.  ol.en  Nr.  7. 


Riezler:  Prozess  des  Hieronymns  v,  Stau  f.  481 

than ,  kan  auch  nit  änderst  versten ,  daß  solichs  der 
merer  tail  des  larids  zu  thun  auch  bschlossen  und  zu 
volnziehen  genaigt  sint,  alß  sie  auch  in  irren  schriefften 
meinß  Verstands  zu  thun  lautter  anzaigen  und  waß  et- 
lichen hem  gemot,  so  bey  meinem  gn.  hern  itzt  sint, 
ist  (sie),  findet  sich  an  dem  bfelch,  den  sie  irren  dienern 
hinter  innen  alhie  verlassen  haben.  Darumb  seyt  weiß- 
lich furbetrachtlich ,  das  mit  euch  nit  guote  wort  mit 
weiten  hertzen  mytgedailt  werden,  dan  ir  secht,  daß 
diesse  weit  abenteurlich  ist,  und  auf  unser  vertrawen 
wolt  ich  ye  nit  gern,  das  ir  also  solt  in  guottem  glauben 
verfuort  werden.  In  diessem  wiest  ir  euch  alß  ain  ver- 
stendiger  baß,  dan  ich  gedencken  kan,  zu  richten.  Ver- 
gest  unser  nit  in  aigen  Sachen  und  schreibt  myr,  wie 
al  Sachen  sten  und  sich  zutraigen  (sie).  Ich  hab  ain 
bswerd  deß  verzogs  und  ain  wiessen  zu  entphaeen  ain 
großen  verlangen,  dan  mich  langt  so  vil  an,  daß  ich 
sorg  trag,  waß  ich  mynem  gn.  hern  und  euch  schreib, 
es  wiesse  der  gegen  tail  alleß,  zu  besorgen,  ob  euch  myn 
brief  all  worden  oder  durch  ewer  ghaymen  goffenbart, 
dan  es  ist  ye  etwaß  daran.  Wießet  euch  noch  zu 
richten  und  ir  findet  in  mynß  gn.  hern  brieff,  waß  unß 
begegne.  Darmyt  seit  got  bfollen  und  schribt  myr 
forderlich.  Mich  dunckt  und  ist  warlich  auf  meinß 
hern  tail  klainer  hauff  etc.  Illent  myn  hantschriefb  am 
suntag  noch  Michaheliß  archangeli  anno  14.* 
Or.  a.  a.  0.  f.  129.  Nicht  bei  Freyberg,  wo  jedoch 
(II,  73,  1)  nach  unbekannter  Vorlage  ein  weiteres 
Schreiben  Walbrunns  an  den  Staufer  gedruckt  ist. 

12.    (Undatirt.  c.  1515?)* 

H.  Wilhelm  an  den  Staufer  (wohl  eigenhändig). 

„Lieber  hofmaister,  als  ich  in  euerm  schrei[ben]  ver- 
standen hab  und  ir  mir  in  gehaim  zwschreibt,  was  mein 
prueder,  herczog  Ludwig,  mit  euch  und  graf  Kristof,^) 
uns  al  drei  betreflFendt,  geredt  hat,  wie  man  uns  in  ainer 
lang  zwrichten  solt,  damit  wir  unsinnig  würden,*)  das 
mich  warlich  nit  klainn  befrembt,  und  ist  mein  gnädigs 


1)  Graf  ChriBtoph  von  Ortenburg. 

2)  Kann  wohl  nur  auf  einen  Plan  gedeutet  werden,  den  Herzogen 
ein  auf  den  Verstand  wirkendes  Gift  beizubringen. 


482      Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  6,  Dezember  1890, 

beger,  ir  wellet  ench  der  Sachen  noch  paß  erfaren  und 
zuvoran,  ob  die  zewen  gefangen  etwas  darum b  westen, 
und  selb  bei  der  frag  sein,  darpei  mügt  ir  wol  versten, 
was  man  mir  und  meinem  pruedern  ern  und  guetz  gunt. 
Und  ob  ir  etwas  weiter  erfiert,  war  meiner  handlunj;^ 
nit  undienstlich  gegen  Kayserl.  Mt.,  und  wellet  in  dem 
und  allem  andern  gueten  vleiß  furkem,  wie  mein  gnädigs 
vertrawen  zw  euch  stet,  und  was  euch  begegnet,  wellet 
mich  wissen  lassen/ 

Ohne  Datum   und   Unterschrift.     Spuren   des   in    rotem 
Wachs  aufgedrückten    Siegels.     Von    der    Adresse  nur: 
Iheron  ....  hof  .  .  .  (das  andere  weggeschnitten). 
Stauferische  Sachen  III,  f.  130. 

13.  1515,  Januar  10.,  München. 

Die  Herzoge  Wilhelm  und  Ludwig  verkünden  allen 
Einwohnern  und  Gerichtsleuten  zu  Schloss  und  Herr- 
schaft Valkenstain  gehörig,  dass  sie  dieses  Schloss  und 
Herrschaft  dem  edlen,  ihrem  Hofmeister  Iheron.  v.  Stauf 
erblich  zugestellt  haben ,  und  befehlen  ihnen ,  diesem 
Pflicht  zu  thim.  Mitichen  nach  st.  Erhards  tag. 
Or.  und  Concept.     A.  a.  0.  f.  132,  133. 

14.  1515,  Januar  28.    Straubing. 

Dr.  Augustin  Lesch  an  H.  v  St.  Letzten  Freitag  ist 
er  auf  fürstlichen  Befehl  und  sein,  des  St.ers  Begehr 
mit  dem  Rentmeister  in  Valkenstain  angekommen.  Am 
Samstag  hat  er  die  Bewohner  des  Marktes  und  die  Ge- 
richtsleute ihrer  Eidespflicht  ledig  gesprochen  und  Herrn 
H.  V.  St.  saniiut  Giesser  und  Hinderniair^)  als  dessen 
Anwälten  Schloss,  Markt  u.  s.  w.  Valkenstain  zugestellt 
und  die  Unterthaneu  in  neue  Eidspflicht  genommen. 
Sonntag  nach  Conversionis  st.  Pauli. 
Or.  a.  a.  O.   f.  1:U. 

IT).    1515,  März   10.,   München. 

H.  Wilhelm  an  seinen  Hofmeister  und  Rat,  Iheronymus 
von  Stauf,  Freiherrn  zu  Ernfels  zum   Valkenstain. 

Entbietet  ihn  auf  nächsten  Eritag  (März  13.)  zu  sich 
nach  München.  Nachdem  er  mit  seinen  Räten  und  des- 
gleichen sein  Bruder  mit  seinen  Räten   im  Grund  einer 

li  üebjT (iies.spr  v^l.  unten  Nr.  Ib.  über  Uindermuir  .Die  Land- 
tüt'e  von   151ü  und  1516',  S.  595  und  unten  Nr.  27,  28. 


Rieeler:  Prozess  des  Hieronymm  v.  Staiif,  483 

Meinung  entschlossen  sei  wegen  der  Antwort,  die  sie 
dem  Kaiser  auf  die  Werbung  seiner  Räte  jüngst  in  des 
Staufers  Beisein  geschehen  geben  wollen,  haben  sie  auf 
sondern  Befehl  des  Kaisers  dieselben  Räte  auf  nächsten 
Mittwoch  hieher  beschieden  ,  um  ihre  Antwort  zu  em- 
pfangen. H.  Ludwig  wird  auch  kommen.  Sambstag 
nach  Sonntag  Reminiscere. 

Or.  mit  eigenhändiger  Unterschrift  H.  Wilhelms.  A.  a. 
0.  f.  135. 

16.  1515,  Mai  14.  (Montag  nach  Vocera  Jocunditatis)  Hans 
von  Törring  zu  Seefeld  hat  mit  Hieronyraus  v.  Stauf 
die  Abrede  getroffen,  dass  er  eine  von  dessen  eheleib- 
lichen Töchtern  zur  Ehe  nehmen  wird,  welche  1000  fl. 
Heiratgut  erhalten  soll,  wogegen  er  ihr  dieselbe  Summe 
Widerlage  und  500  fl.  Morgengabe  gibt.  Unter  den 
Zeugen:  Augustin  Lesch,  Doetor  und  Kanzler,  und  Cun 
von  Walbrun,  Hauptmann  zu  Burkhausen. 

Pap.  Or.  Adelsselekt,  Stanfer  v.  Ernfels,  1.  Faszikel. 

17.  1515,  Mai  28.    (Montag  in  Pfingstfeur). 

H.  V.  St.  eigenhändig  an  Pernhart  Waltkircher,  „Dom- 
herrn hier  und  Pfarrer  zu  Straubing*,  seinen  lieben 
Herrn  und  Freund.  Sein  gnädiger  Herr  hat  ihn  mit 
einem  Glaubsbrief  zu  Herzog  Albrecht  von  Mekelburk 
geschickt  auf  ein  Schreiben  hin,  das  der  von  Mekelburk 
an  seinen  Herrn  gerichtet  hat.  Sein  Herr  kann  den 
Anschlag  eines  Rittes,  den  er  mit  dem  von  Mekelburk 
gemacht  hat,  jetzt  nicht  ausführen  wegen  des  Rittes, 
den  er  mit  Kays.  Mt.  thun  wird.  Der  Herzog  möge 
das  nicht  anders  aufnehmen.  Sowie  der  Ritt  zum  Kaiser 
vollendet,  wird  sein  Herr  gewiss  zu  Herzog  Friederich 
von  Sagsen  reiten  und  auf  einer  Malstatt  mit  ihm  zu- 
sammenkommen. 
Or.  mit  Siegelspuren.     Stauferische  Sachen  III,  f.  140. 

18.  1515,  Dez.  11.  (Eritag  nach  unser  lieben  frauen  en- 
pfahung),  Landshut.  Seiner  Gnaden  Pfleger  C.  Giesser 
(an  H.  V.  St.) 

Letzten  Sonntag^)  hat  ein  Bösewicht,  der  seinen  Namen 
nicht  unterschrieb,  einen  Brief  an  St.  Martins  Kirchthttr 

1)  In  den  «Landtagen  von   1515   und  1516,  S.  585,  wo   dieser 
angeschlagene  Zettel  gedruckt  ist,  heisst  es:  Montag. 


484       Sitzung  der  historischen  Classe  wm  6,  Dezember  1890. 

zu  Landshut  angeschlagen,  ihn  betreffend.  Herzog  Lud- 
wig hat  ihn  von  der  Kirchthtir  abreissen  lassen  und 
ist  darüber  fast  zornig  gewesen,  der  Meinung,  wo  er 
den  Gesellen  erführe,  ihn  nach  Notdurft  zu  strafen. 
Auch  etliche  im  Ausschuss  sind  fast  zornig  darüber  und 
haben  solchen  Brief  noch  in  ihrer  Gewalt.  ,Auch  ist 
sunst  ein  zettl  gefunden  worden,  die  einer  fallen  hat 
lassen,  die  hat  man  untertruck  (sie),  aber  ich  kann  nit 
erfarn,  was  in  sich  gehalten  hat.*  , Jedoch  will  mich 
für  gut  nit  ansehen ,  das  ir  vergebenlich  herein  reitt 
dan  mit  gutem  vorwissen,  uff  das  seit  gedacht.  Ich  bet 
uch  mer  zu  berichten,  will  mir  zu  schreiben  nit  fuglich 
sein.  Nichtsweniger  wart  man  meines  gnedigen  hern, 
herzog  Wilhelmen,  und  eur  zu  kommen  all  tag.*  Er 
reitet  jetzt  heim  zum  Schloss. 
Or.  a.  a.  0.  f.  142. 

19.  1516  (c.  April  1.,  2.)  Anklageakte  gegen  Hieronymus 
von  Stauf.^) 

Fragstuck,  dorauff  der  frum  man  sol  gefragt  werden. 

Erstlich  sol  ime  furgehalten  werden:  wiewol  er  meines 
gn.  herren  herzog  Wilhelms  rat  und  diener,  verlübt  und 
verpflicht  gewest,  hatt  er  doch  die  selbige  aids  pflicht 
in  vilfeltig  weg,  wie  zum  tail  hernach  folgt,  geprochen 
und  der  nit  gehalten. 

1.  Als  herzog  Wilhelm  ine  mit  sanibt*)  Doctor  111- 
sungen  auf  den  reiehs  tag  gen  Wurmbs  von  Landshuet 
auß  verordnet  und  darneben  bevelch  gehabt,  bey  k.  Mt. 
umb  guetlichen  Vertrag  zwischen  seiner  gnaden  und 
derselbigen  bruder,  herzog  Ludwigen,^)  mit  vleis  zu 
handeln,  damit  ir  f.  gu.  als  gebrüder  nit  zu  fernerem 
umwillen  und  anfrur  verwüchßen  ,  landt  und  leutt  bey 
frid  und  aynikhait  behalten  wurden  etc.,  hatt  er  seiner 
pflicht  zuwider  dtis  widerwertig  seiner  instruction  be}' 
herzog  Ludwigen ,  wie  hernach  folgt ,  gehandelt  und 
.seinen  gnaden  da  selbs  trostliche  hilf  zuegesagt,  unß*) 
treulichen  in  ainer  landschaft    zu    helfen ,    als    er    dann 

1)  V^l.  oben  S.  456  f. 

2)  Ausgestrichen  folj?t:  herzog  Lud. 

Hl  Vor  Ludwigen:  VV'ilh.  durohatrichen. 

4)  Vor  unß  scheint  widor  oder  dergleichen  ausgehissi'n  zu  sein. 


Riezler:  Prozess  des  Hieronymus  v,  Stauf.  485 

mit  allem  vleiss  gethan  hatt,  das  herzog  Ludwig  selbs 
bekennt  und  ojBFenwar  ist. 

2.  Item  ain  trefienliche  person  hatt  in  auf  ain  zeit 
gefragt,  wie  ime  herzog  Albrechts  seligen  testament 
und  Ordnung  gefall,  darauf  er  geantwurdt,  sy  gefall  im 
gar  nichts  (sie),  er  wöll  seinen  khopf  nit  sampft  legen, 
er  weis  wider  zerprechen;  welches  der  pflicht  zuwider 
und  khainem  frumen  ratt  und  diener  gebürt. 

3.  Itera  er  hatt  sich  in  ainem  offnen  wirdtshaus  hören 
lassen ,  man  sey  doch  innen  worden,  was  die  herzöge 
haben  aufzuheben,  man  hab  gesagt,  sy  seien  gar  ver- 
dorben, aber  er  hab  erfaren,  das  sy  noch  wol  hundert- 
tausend gülden  ierlich  an  trucknem  gelt  haben  aufzu- 
heben, sy  weren  ime  noch  zu  reich,  man  solts  nit  zu 
reich  lassen  werden,  er  und  ander  khündten  sunst  nit 
vor  ine  pleiben  —  alles  wider  sein  pflicht,  die  er  ge- 
schworen, der  fursten  frummen  helfen  furdem  und  schaden 
zu  warnen. 

4.  Itera  er  hatt  zum  dickemmäl  vor  herzog  Wilhelms 
truchseßen^)  auch  vor  ettlichen*)  edlen  und  unedlen  ge- 
sagt: wann  herzog  Wilhelm  ainmal  wider  in  thette,  er 
wolt  seiner  gnaden  noch  ain  ander  spil  zuerichten,  dann 
das  gewest  sey ;  darumb  so  thue  er  nur  nit  wider  mich, 
das  mag  ich  im  rathen.  Darauf  wil  herzog  Wilhelm 
ain  wißen  haben,  was  er  im  herzen  und  willen  gehabt, 
wo  sein  gnaden  wider  in  gethan  hette,  für  ain  spil  an- 
zurichten. 

5.  Item  er  hatt  offen  lieh  in  beysein  ettlicher  person 
geredt:  wann  herzog  Albrecht  der  selbig  pöß wicht  im 
himel  wer,  er  wolt  nit  zu  ime  hinauff,  den  frummen 
löblichen  fursten  des  heiligen  reichs,  seines  aignen  herren 
leiplichen  vatter,  also  mit  der  unwarhayt  in  jhener  weit 
gescheut  und  geschmacht  wider  sein  aid  imd  pflicht. 

6.  Item  als  auf  jüngst  gehaltnem  tag,^)  so  er  und 
andern  ettlicher  seiner  aigen  irrung  halb  mit  herzog 
Fridrichs*)  etc.  rethen  gehabt,    hatt   er  sich  geübt  und 


1)  Nach:  truchseßen:  geredt  ausgestrichen. 

2)  Nach:  ettlichen:  gesagt  auägestrichen. 

3)  Zn  Regensburg,  wie  das  Verhörsprotokoll  B,  f.  181  hinzusetzt 

4)  Von  der  Pfalz. 


480       Sitzung  der  historittchen  Classe  vom  6,  Dezember  1890. 

practiciert,  das  dy  selbigen  bey  herzog  Pridrichen  han- 
deln sollen ,  dise  yrrung  ime  nachzugeben ,  so  wöll  er 
als  vil  verfuegen,  das  dy  statt  Wembding^)  herzog 
Fridrichen  durich  ine  zuegestelt  sol  werden.  In  dem 
hatt  er  seinen  aigen  nutz  betracht  und  gesucht,  seines 
aigen  herren  iand  und  leuten  zu  nachteil  und  schaden 
gehandelt. 

7.  Item  er  hatt  auf  ain  zeit  offenlich  in  unser,*)  herzog 
Wilhelms  khammer  in  beywesens  vil  personen  gesagt: 
wir  haben  frumm  rethe,  seien  gute,  frumme  mendlein; 
er  weit,  das  wir,  herzog  Wilhelm,  ein  ganz  iar  niehtz 
dann  lautter  pößwicht  zu  rethen  hetten.  Nu  wollen 
wir,  herzog  Wilhelm,  wissen  von  ime,  wie  er  diese  red 
gemaint  hab,  es  khau  auf  nichts  guts  verstanden  werden, 
dann  wir  seien  ain  frummer  fürst,  frummer  redte  und 
khaines  pößwichts  nottirftig. 

Wir  herzog  Ludwig  begeren  auf  nachfolgundt  artikel 
von  dem  mißhaudler  und  aidsprüchigen  dy  warhayt  zu 
wissen  und  khains  wegs,  bis  dy  warhait  bekhennt  wirdet, 
von  im  zu  lassen. 

8.  Im  ist  bewist,  das  er  von  ainem  ausschus  und  ge- 
mainer  landtschaft  unß  beden  brOdern  der  raitregierung 
verordnet  ist,  doranff  er  aidspflicht  mit  aufgehebten 
fingern  unß  beden  fürsten  und  geniainer  landtschaft  ge- 
thon.  Darübt^r  und  wider  dasselbig,  auch  dy  versigelt 
aynigung,  wider  sein  aidspflicht  und  insigel  gehandelt, 
trölich  in  vil  weg  sich  nierckhen  lassen,  hatt  unß  beid 
fürsten  aufgesehriben,  in  welcher  maß,  ist  noch  vor- 
handen. Solche  pflicht  hatt  er  mit  eren  zu  yglicher 
zeit  seines  gefallens,  dy  weil  er  so  khurz  in  der  pflicht 
gestanden  und  khain  iar  darin  pliben,  nit  aufschreiben 
mögen.  Dann  gleich  im  iar  aufzuschreiben  und  sich 
selbs  desselbigen  tags  des  aufschreibens  der  pflicht  zu 
entledigen  steet  in  seiner  noch  khiiines  dieners  macht 
nit,  sunder  dy  pflicht  sol  sich,  wiewol  sy  aufgesehriben 
ist,  zum  wenigisten  das  iar  hinauß  strecken,  wie  es  dann 


1)  Weiiidin^  gehörte  zu  den  in  der  Abgränzung  zwischen  Bayern 
und  der  jungen  Pfalz  «treiti^^en  Orten.  Vgl.  u.  a.  Baierische  Land- 
tagshandlungen X\\  2  45. 

2)  khammer  nach  un^er  iät  durchstrichen.  Im  folgenden  sind 
ähnliche  iSchreibverstösse,  die  mehrmals  wiederkehren,  nicht  mehr 
verzeii-hnnt. 


Rie2ler:  Prozess  des  Hieronymus  v.  St  auf.  487 

allenthalb  gewonhait  und  gepreuchlich  ist,  sunst  west 
khain  herr,  welche  stund  er  diener  hette  oder  nit. 
Sunderlich  so  er  durich  ain  landtschaft  unß  beiden 
forsten  zu  hoffmaister  geordnet,  das  aufschreiben  nit 
macht  gehabt  noch  mit  eren  thun  mügen.  Er  solt  das 
ainem  ausschus  und  landtschaft  sölich  aufschreiben  ge- 
thon  haben  und  darüber  nit  im  schlos  Burckhaußen 
pliben  sein,  ainem  forsten  wider  den  andern  nit  hilflich 
sein  gewest  und  wider  daß,  so  im  ain  landtschaft  ver- 
traut, darzue  er  geschworn  das  schloß  nit  helfen  inn- 
haben  und  zu  ver waren. 

Auf  disen  artikel  aigentlich  in  fragen,  auß  was  be- 
wegnuß  er  sein  pflicht  verprochen  und  das  aufschreiben 
gethon,  was  er  im  sinn  gehabt. 

9.  Ob  er  sich  dardurich  bey  herzog  Wilhelm  hatt 
wollen  reichen,^)  schloß  und  dorfer  zu  uberkhummen, 
als  sich  dann  in  der  thatt  befunden,  den  Valckenstain 
erobert  und  bey  ime  noch  khain  aufhörung  gewest,  wie- 
wol  er  oft  gesagt,  khain  fürst  hab  nichtz  macht  die  (?) 
landt  zu  begeben. 

10.  Er  hat  ein  Werbung  von  h.  Wilhelmen  ausser- 
halb des  ausschuß  und  landtschaft  auch  herzog  Ludwig 
wissen  bey  den  von  München  geübt,  das  seiner  pflicht, 
die  er  beden  fürsten  und  der  landschaft  ime  (?  zum?) 
hofmeisterambt  gethon,  nit  geburt  hat. 

11.  Er  hatt  auch  unsern  lieben  bruder  herzog  Wil- 
helmen mit  seinen  hinderlistigen  und  aigennützigen  fur- 
schlegen  beredt  und  dahin  gebracht  und  sein  lieb  aufs 
höchst  in  unß  versagt  und  bewegt,  ime  das  pösist  von 
unß,  des  wir  gegen  seiner  lieb  nie  zu  gemuett  und  synn 
genummen,  anzaigt,  khriegs  volk  wider  unß  und  unßer 
beder  landt  und  uuderthanen  zu  verderbung  der  selbigen 
annemen  laßen,  der  wir  fursten  noch  ettlich  zu  unserm 
mercklichen  schaden  besolden  mueßen. 

12.  Item  als  Römische  khays.  Mt.  zwischen  beden 
fursten  und  der  landtschaft  ainen  tag  zu  gütlicher  ver- 
hör  gen    Innspruck*)   angesetzt,    aber    er   auß   sundern 

1)  =  bereichem. 

2)  Auf  9.  August  1514.  S.  «Der  Landtag  im  Herzogthum  Baiern 
vom  Jahre  151 4"  \1804).  S.  495-497. 


488      Sitzung  der  historischen  Classe  vofn  6,  Dezember  1890. 

erdachten  listen  und  betrug  bey  kh.  Mt.  und  herzog 
Wilhelmen  mich,  herzog  Ludwigen,  angericht  und  prac- 
ticiert,  dy  frumnien  fursten  bewegt,  das  dy  sach,  wiewol 
sy  zu  beden  tailen  darzue  geschickt  waren,  nit  zu  ver- 
hör (was  allentall  (?)  gehandelt)  khumen  ließen,  sunder 
sich  allaiu  hin  und  wider  vast  bemuett,  wol  zu  achten, 
das  er  ims  selbs  zu  <^uet  abgewendet,  dann  es  sich  auß 
den  offen  liehen  geschieh  ten  erfunden  hette,  das  er  zwen 
prey  in  ainer  pfannen  gekocht  und  die  frumnien  iungen 
unschuldigen  fürsten  in  grosse  unainikhait  gepracht,  dar- 
durich  iren  f.  gn.  und  den  yeren  mordt  und  todtschleg 
leichtlich,  wo  es  gott  der  almechtig  mit  seiner  gnad  nit 
underkhummen,  erfolgt  hette. ^) 

13.  Item  ine  zu  fragen,  ob  er  das  schloß  und  herr- 
schafb  Valkenstain,  als  dy  gemain  sag  ist.  Römischer 
khays.  Mt.  und  dem  reich  zu  leben  gemacht  hab,  auß 
was  Ursachen  und  bewegnuß,  dy  weil  das  ain  ort  schloß*) 
sey  gegen  den  Behamen. 

14.  Item  auf  was  grundt  und  raaynung  er  geredt 
hab:  wir  mueßeu  und  wollen  den  waldt')  haben,  khunnen 
und  mögen  deß  nit  geraten ,  dy  weil  doch  wir,  herzog 
Ludwfg,  unß  zu  unserm  freuntlichen  lieben  bruder  alles 
guts  mit  haltung  des  Spruchs  versehen. 

15.  Item  er  hatt  unsern  bruder,  herzog  Wilhelmen, 
dahin  bewegt ,  das  sein  lieb  ettlich  ambtleutt  wider 
unsern  vertrag  und  unß,  herzog  Ludwigen,  von  neuem 
in  pflicht  hatt  genunimen  ,  unserm  bruder  anzaigt ,  als 
süln  wirs  dergleichen  auch  gethou  haben,  welches  wenig 
guten  brüderlichen  willen  zwischen  unß  brüdern  ge- 
macht hatt. 


1)  Der  tolgende  Artikel  ist  durchstrichen: 

13.  (•  rossen  vleis  und  niüe  gepniucht  kays.  Mt.  wider  dy 
frumnien  fursten  und  j^^cniaine  landtschuft  zu  ungnad  und  zu 
der  selbigen  verderben  gern,  so  vil  an  in»  gewest,  gepracht 
hette,  damit  er  bey  khays.  Mt.  auch  nutz  und  gnad  erlangen 
möcht,  des  abt»r  k.  Mt.  seinem  vertrag  zu  nachtail  nit  verhengen 
(V)  wollen. 

2)  Ort  —    Ecke.  Ortschloß  so  viel  wie  Gränzburg. 

3)  Den  bayerischen  Wald.  Der  brüderliche  Vertrag  hatte  da8 
KentmeiHteiamt  Straubing,  wozu  dieser  gehörte,  Ludwig  überwiesen. 
S.   Landtage  von   1515,   lölü,  8.  347. 


Riezler:  Prozess  des  Hieronymus  v,  Stauf,  489 

16.  Item  da  unser  bnider,  h.  Wilhelm,  und  wir  den 
vertrag  zu  Rotenburgk^)  aufgericht,  hatt  er  sein  prac- 
ticken  gemacht  und  rigel  undergeschossen ,  dardurich 
der  vertrag  lang  gesperdt  ist  worden,  zu  unß  gesagt, 
wir  muessen  im  auch  ainen  nebenbrieff  geben  umb  die 
herrschaft  Falkenstain.  So  pald  wir  dasselbig  gethan, 
ist  der  vertrag  von  staten  gangen  und  gefurdert  worden. 

17.  Item  wir,  herzog  Ludwig,  haben  in  vergangner 
vaßnacht  ainen  aufstoß  mit  im  gehebt  zu  München  auf 
dem  tantzhaus  im  schloß,  hatt  er  offenlich  unsernhalb 
unverursacht  zu  unß  gesagt,  wir  solten  uns  nichts  guts 
zu  im  versehen  und  wo  er  args  in  unser  sach  khündt 
reden,  wolt  er  thun,  wir  sollen  unß  auch  soliches  zu 
im  versehen. 

18.  Item  in  negst  verschiner  vasten  in  der  palraen- 
wochen,*)  als  unser  bruder,  h.  Wilhelm ,  zu  Landshuet 
ist  geweß,  und  am  montag  in  der  kharwuchen,  als  wir 
bede  wider  hinweck  geriten  sindt,  hatt  er  sich  mit  lugen- 
haftigen  erdichten  gemuet  understanden ,  villeicht  auß 
Ursachen,  so  er  verstanden,  das  mein  furgenumen  raiss 
ab  ist  gewest,  des  er  nit  wenig  erschrocken,  ist  er  zu 
unsem  rethen  khummen,  inen  anzaigt,  als  wie  sich 
unser  bruder,  herzog  Wilhelm,  beschwer,  und  ime  N. 
soliches  treulichen  (?)  geklagt,  als  ob  wir  an  sein  lieb 
mit  etwo  vil  hitzigen  wordten  khummen  sol  (sie)  sein 
und  mit  seiner  lieb  zumt  auf  meynung,  als  lig  uns 
nichts  doran,  wir  wolten  seiner  lieb  die  erstreckung 
des  Vertrags  gern  widergeben,  wir  muessen  dannoch  be- 
sehen, wie  wir  unsem  Sachen  thun.  Dorauf  hat  Staufer 
unser  rethe  gepeten  unß  dorumb  zu  straffen,  damit  wir 
firter  nymmer  mit  so  hitzigen  wordten  an  unsern  bruder 
khummen. 

19.  Und  auch  dameben  unsern  rethen  mer  gesagt: 
unser  bruder  und  ich  wollen  nur  selbs  mit  ainander 
handeln,  das  sey  nit  gutt,  wir  soltns  nit  also  allain  in 
den  winckeln  mit  ainander  handeln,  sunder  albeg  reth 
bey  uns  haben. 


1)  Vertraif  zu  Rattenberg  vom  14.  Okt.  1514. 

2)  16.-22.  März. 

1890.  Pliilo«.-phi]ol.  o.  bist  Cl.  II.  3.  33 


490      Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  6.  Dezember  1890, 

20.  Darzue  zu  unserra  hoffmaister^)  ferner  gesagt,  als 
ob  ers  unsernthalb  gutt  mainte :  wier  seien  ain  narr, 
versteen  es  nit,  wir  selten  unserm  bruder  die  erstreckhunj? 
nit  geben  haben,  wir  weren  sein  noch  wol  khummen, 
und*)  deß  von  uns,  h.  W.,  khainen  bevelch  gehabt. 

21.  Darnach  hatt  er  unserm  bruder,  herzog  Wilhelmen, 
eben  das  widerspil  gesagt,  deßbalben  er  khain  bruder- 
liche aynikhait  zwischen  uns  leiden  mag,  sunder  was 
er  khan  anrichten  mit  lugen  oder  practica,  damit  wir 
nit  ains  pleiben,  befleist  er  sich  treulich. 

22.  Er  hat  auch  unser  beder  bruder  erstreckung  füuf- 
ierigen  vertrag  nit  fertigen  wollen  laßen,  wir,  h.  Lud- 
wig, haben  ime  ain  hofiFmarckt  (sie)  mit  derselbigen 
oberkhait,    außgenummen  das  gericht,    geben   mueßen. 

23.  Item  er  hatt  unß  auch  zuegesagt ,  dy  weil  wir 
noch  die  Neu  vest  zu  München  in  unserm  gewalt  hetten, 
der  selbigen  abzutreten,  dagegen  sol  unß  unser  bruder 
Burckhausen  auch  abtreten,  dem  aber  auß  seiner  aigen 
und  nit  unsers  bruders,  herzog  Wilhelms  schuld  nit 
volg  geschehen.  Ine  darauff  zu  gichtigen ,  was  doch 
sein  furnemen  und  anschleg  mit  Burckhausen  gewest, 
dann  er  anfengklich  unserm  bruder  geraten,  Burckhausen 
einzunemen,  uns  bruder,  landt  und  leut  in  unfrid  und 
verderben  zu  pringen. 

24.  Weitter  hatt  er  zu  Riiidenbuchern^)  gesagt, 
do*)  ....  das  necher  nuii  zu  München  mit  im  auf- 
stieß, er  bette  übel  gethan,  djis  er  das  nit  hab  für  sicli 
gen  lassen,  er  west  wol,  das  wir  nu  lengst  faul  weren. 
Dorauff  sol  er  notturftcklioh  gichtiget  werden,  wie  und 
in  was  gestalt  er  das  genuiint  liab,  damit  es  zu  gutem 
verstandt  gepraclit  werde. 


1)  Zu  tlem  in  Art.  24  jrenannten  (Wilhelm)  Kaidenbucher.  Der- 
selbe wird  als  Hofinoister  H.  Ludwig,'-!  ii.  a.  im  Dezember  1515  er- 
wähnt; Landtage  v.  1515,  1516,  S.  2(>6,  271. 

2)  und  —  gehabt,  wie  es  sclieint,  von  gleicher  Hand  nach- 
getragen. 

3)  Vgl.  oben  die  Anmerkung  zu  Art.  20. 

4)  do  —  aut>itieß  mit  anderer  'J'int«*,  aber,  wie  es  scheint,  von 
derselben  Hand  nachgetragen.  Die  Punkte  bezeichnen  ein  unleser- 
liches Wort. 


Biezler:  Prozess  des  Hieronymus  v,  Stauf,  491 

25.  Er  hatt  mit  ettlichen  seinen  haimlichen  prack- 
tiken  und  anschleg  uns  nnib  den  stift  Saltzburgk  ge- 
pracht,^)  als  uns  durich  hoch  person  angezaigfc  ist. 
Inen  (sie)  auch  zu  fragen ,  mit  wem  er  und  auf  was 
verhaissen  er  soliche  anschleg  gemacht  hab. 

26.  Item  uns  ist  glaublich  angelangt  das  er  vil 
schenckh,  miet  und  gab  entpfangen  in  seinem  hoifmaister 
arabt.  In  zu  fragen,  was  er  alles  eingenummen  und 
von  wem  und  was  er  den  selbigen  darumb  procuriert 
und  zu  verhelfen  zuegesagt  hab.*) 

27.  Item  er  hatt  von  dem  prelaten  zu  Degernsee  acht- 
hundert gülden  zu  lehnen  begert,  dy  hatt  er  im  abge- 
schlagen,^) sich  entschuldiget,  er  hab  diser  zeit  nit  statt 
im  solche  summa  zu  leihen,  darumb  er  im  so  vest  mit 
Ungunst  zuegesetzt,  das  ers  nynimer  gedulden  mögen, 
StauflFern  vierhundert  gülden  geschenckt,  damit  er  ainen 
günstigen  hoffmaister  behalt.     Das*)  zu  befragen. 

28.  Item^)  er  hatt  herzog  Wilhelm  gesagt,  sein  gnad 
sol  sich  wol  hueten,  dann  h.  Ludwig  gee  darauf  unib 
ime  zu  vergeben. 

29.  Deßgleichen  hatt  er  zu  herzog  Ludwigen  auch 
gesagt,  herzog  Wilhelm  wöll  im  vergeben. 

30.  Item  als  Stauffer  auf  dem  iüngsten  pundtstag  mit 
herzog  Wilhelm    gewest,    hatt   er   mit  Jörgen  von  Aw 


1)  Genauer:  die  Salzburger  Coadjutorstelle ,  die  1514  Matthäus 
Lang  übertragen  worden  war.  Denn  Erzbischof  Leonhard  von  Keut- 
schach  regierte  von  1496  bis  zu  seinem  Tode,  8.  Juni  1519.  Bisher 
hatte  man  nur  von  Absichten  des  jüngeren  Bruders  Ernst  auf  Salz- 
burg Kenntnis.  Vergl.  v.  Druffel,  Die  bairiscbe  Pohtik  im  Beginne 
der  Keiormationszeit,  S.  603.  Herzog  Ludwig  war  übrigens  beim  Ein- 
stige des  Coadjutors,  Cardinais  Lang  in  Salzburg  im  Juni  1515  zu- 
gegen.    Zauner,  Chronik  von  Salzburg  IV,  294. 

2)  Durchstrichen  folgt: 

27.  Item  er  hatt  neulicher  zeit  zu  herzog  Ludwig  gesagt,  der 
gehaimsten  oder  maisten  rethe  ainer,  den  sein  gnad  hab,  sey  ain 
pößwicht;  wo  im  sein  gnad  ainen  hengst  schencken  wöll,  so  wöll 
ers  seinen  gnaden  sagen.  Darauff  hatt  im  herzog  Ludwig  ainen 
hengst  geschenckt.  In  zu  fragen,  wer  doch  der  selbig  poßwicht  sey 
und  was  er  übeU  oder  pöß  an  herzog  Ludwig  gehandelt  hab.  —  Andre 
fragstiick  seien  zu  ferner  handlung  vorbehalten.  —  Vgl.  oben  Art.  31. 

3)  Durchstrichen  folgt:  villeicht  der  nit  gehabt. 

4)  Da«  —  befragen  mit  anderer  Tinte  nai'h getragen. 

5)  Die  Artikel  28  u.  29  stehen  mit  diesen  Kümmern  vor  Nr.  27. 

33* 


492       Sitiuttff  der  Imlorüchen  Clniine 


.   Ihtemher  1S90. 


lang  in  gehaini  geredt.  Wollen  die  Fürsten  wissen,  wbb 
er  doch  in  solcher  gefanini  mit  im  ^Kredt.  ob  er  dem 
von  Wirtenberjfk  trost  meines  lierren,  herzog  Willielms 
halber  hab  zu  enpoten,  anf  mayunng,  er  wöll  diae  saclien 
wol  abringen  (?)  und  was  er  von  dem  Ton  \Virt«ij- 
ber^k  darumb  begert  hal». 

31.  K-em  er  hatt  zu  herzog  Ludwigen  gesagt,  dy 
mnisten  seiner  gnaden  rethe  seien  piißwitht,  denen  sein 
gnaden  am  niaie^ten  vertruiig,  und  sti  im  sein  gnaden 
den  weissen  hängst  göben  (sie),  wolle  er  dy  selbigvn 
anzeigen.  Ine  zu  fragen,  wer  doch  dy  selbigen  p5ß- 
wicht  seien  und  was  sy  wider  herzog  Ludwigen  gehRn- 
delt  haben.') 

(32.)*)  ItPin  er  hatt  zn  meiner  gnaden  l'ranen  von 
Wirtenbergk*)  gesagt  in  gröster  gehaim,  wie  er  gutt 
wisHfin  hab.  das  dy  landtschaFt,  so  zu  Landshutt  ver- 
samlet  gewest,*)  ainen  anscfalag  über  meinen  giiildigcn 
herrn,  herzog  Wilhelm  gemacht  und  im  willen  «ein 
gniulen  zu  fahen,  uu  wolt  er  ye  gern ,  du»  söüch»  ver- 
khiiniroen  wurde,  nnd  so  ferr  er  mÖcht  nur  lun  tag  vor 
bey  der  lundkchart  sein,  wolt  er  soliches  fumemeu  wol 
abpringeu  etc.  Damit  hatt  er  den  heritog  und  dy  Inndt- 
schaft  in  ain  ander  hetzen  wollen.  In  zu  tVag«n,  tuiß 
was  Ursachen  er  solielic  unwurhait  erdacht  und  der 
frummen  flirstin  vor  gesagt  hab. 

(33.)  Item  in  zu  fragen,  waß  zub  er  dy  steig  and 
fallKeug.  auch  den  daura^tock,  strick  und  dietrich  praucben 
wollen,  dann  ers  on  zweifei  auf  gutt  aacbeu  nit  xa  in 
gen nm inen  hutt.^) 


I)  Diese  etwai  verilnderto  FusMing  ist  im  SM\i<  dnr  o'j'O  dnivb- 
»triuhenen  getreten. 

3)  Von  hier  an  «inJ  dii«  Artikel  nicht  mehr  niimprirt. 

8)  Sabine,  üemaliiin  de«  HeraoRs  Ulrich  »on  Wirternborg, 
Scbweater  der  Wjerischen  Hertoge. 

41  PMember  1515.    Zu  diesem  Art.  vgl  ohen  8.  tm  t 

5)  Durchstrichen  fnigt:  lt«in  in  tu  t'rag«n,  auO  wan  nraachcn 
herr  Bernhardt  von  Stauff  «o  lang  nuQ).leihl.  nber  da»  er  hftnog 
Wilhetnira  geloht  niid  tnrgrsagl.,  an  montag  In  der  palmnuchcDbey 
■vincn  ftnndun  und  herzog  Ludwig  zu  [.andilint  in  Hiiin,  ob  er  nittbt 
anachleg  mit  im  gcmmlit,  woa  er  hnndcln  »ölt.  wo  im  ichU  wid«r- 
wertign  tuentnnd  flc.    iVgl.  dazu  Billigen  Kr.  '.^1!  und  flgd.  Nra.J 


mn 


Biezler:  Prozess  des  Hieronymus  v.  Stauf,  493 

(34.)  Wer  oder  welche   ime   zu  seiner   raißhandlung 
lautt  eiuer  bekhantnuß  verholfen  und  geraten.^) 
A.  a.  0.  f.  160—167. 

20.    1516,  April  2.     Des  Staufers  ürgicht  (A,  Urschrift 
des  Protokolls).*) 

Zu  wissen,  das  her  Iheronimus  von  StauflF,  hofmeister, 
in  beiwesen  graf  Wolfns  von  Hag,  her  CristofiFen  von 
Layniing,  ritter,^)  Sigmunden  vom  Swartznstain,  vitz- 
dum,*)  Gregorien  vom  EglofiFstein,*)  dr.  Augustin  Lesch^) 
und  Dietrich  Spät')  an  mitichn  zu  nacht  den  andern 
tag  Apprilis  anno  1516  gegichtigt®)  ist. 

Auf  den  ersten  artickel  sagt  er  in  der  gutigkeit,  im 
sei  swär  davon  wider  ainen  fürsten  ze  reden ,  dieweil 
herzog  Ludwig  den  selbs  bekennt,  aber  wie  dem,  er 
hab  zu  Wurmbs  von  herzog  Wilhelm  anfangs  keinen 
bevelch  zu  erst  gehebt  mit  herzog  Ludwigen  ichts  zu 
handeln,  bis  im  dr.  Ylsung  unser  alten  gnädigen  frauen 
bevelch  eröflFent  und  darnach  ine  (sie)  und  dr.  Pleninger 
bevelch  von  herzog  Wilhelmen  zuechomen  sei.  Hab 
der  kais.  Mt.  mittel  furgeslagen,  aber  das  er  herzog 
Ludwigen  hab  vertrost,  wie  der  artickel  vergreift,  sei 
nit  beschehen.      Wol®)   davor    zu    Regenspurg   hab    im 

1)  Auf  der  letzten  Seite  des  Heftes  steht  noch :  Peter  Gall  sol 
dy  knecht  herein  fordern  umb  6  ur.  Jej^ermaister  sol  gen  München 
reiten  mit  ainer  scbrift  an  raein  gnadigiste  frau. 

Femer:  Kayser:  1,  4,  6,  6,  7,  17,  19,  22,  26,  29.  Landtschaft: 
1,  4,  5,  6,  7,  8,  9,  10,  17,  19,  22,  25,  29.  (Die  Nummern  der  Artikel, 
die  Kaiser  und  Landschaft  berühren?) 

2)  Vgl.  die  Erörterungen  oben  S.  467  f. 

3)  In  Redaktion  B,  f.  178:  Ritter  und  Hofmeister. 

4)  Ebendort:  Vitzdom  zu  Straubing. 

6)  Herzog  Wilhelms  früherer  Hofmeister. 

6)  Ebendort:  cantzler. 

7)  Ein  Würtemberger,  herzoglich  würtembergischer,  aber  auch 
bayerischer  Rat,  der  die  Flucht  der  Herzogin  Sabine  gefördert  hatte 
und  nun  am  bayerischen  Hofe  lebte. 

8)  gichtigen,  zum  Geständnis  bringen,  überführen,  muss  schon 
damals  die  prägnante  Bedeutung  gehabt  haben,  durch  die  Folter 
zum  Geständnis  bringen  oder  auch  einfach:  foltern.  Schmeller- 
Frommann  I,  869  verweist  für  das  erstere  auf  die  offizielle  Redaktion 
eben  der  StauflFer'schen  ürgicht  (Die  Landtage  von  1615  und  1516, 
S.  386):  »Als  er  aber  auf  diesen  Artikel  gegichtigt  ist,  hat  er  be- 
kennt.** Für  die  zweite  vgl.  den  zweiten  Artikel  des  obigen  Textes, 
wo  auf  das  «Gichten*"  kein  Schuldbekenntnis  erfolgt. 

9)  An  Stelle  von  darchstrichenem:  allain. 


494      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dezember  1690, 

herzog  Ludwig  in  beiwesen  des  vom  Egloffstein  aiueii 
bevelch  geben  etwas  an  herzog  Wilhelm  zu  bringen, 
das  hab  er  gethan. 

Sagt  weiter,  ob  er  den  oder  andr  naehvolgend 
artickel  aus  marter  gleich  bekennen  wurd,  well 
er  doch  bezeugt  habn,  das  solhs  allain  aus 
marter  durch  in  bekennt  sei  worden.^) 

So  haben  die  fürsten  im  und  andm  landleuten  be- 
geben,^) was  wider  sy  in  ir  beder  widerwertigkeit  ver- 
handelt sei.     Bit  umb  gotzwillen  im  sölhs  zu  verzeihen. 

Und  hat  nach  vil  reden  beslossen ,  er  habs,  bit  im 
got  zu  helfen,  nit  gethan. 

Darnach  nach  vil  reden  hat  er  on  marter*)  bekennt, 
er  hab  herzog  Ludwigen  zu  Wurmbs  vertröst,  er  well 
seinen  gnaden  zu  seinem  geburendem  teil  helfen.*) 

Auf  den  andern  artickl  hat  er  in  der  gütigkeit  ge- 
sagt, er   hab  gleichwol   mer   dann    ainstmal  (?)  gesagt, 


1)  Vorher  stand  hier:  das  er  solhs  allain  aus  marter  hab  ge- 
than, dann  wurde:  ^.er*  und:  „hab  gethan*  durchstrichen  und  daför 
gesetzt:  sei  beschehen,  endhch  auch  dieß  durchstrichen  und  durch 
die  obige  Fansung  ersetzt.  Aenderungen  von  solcher  Art,  welche  un- 
zweideutig das  Originalconcept  verraten,  kehren  im  folgenden  häufig 
wieder.  Diese  rein  formellen  Aenderungen  abdrucken  zu  lassen,  wäre 
zwecklos.  Dagegen  wird  sorgsam  berücksichtigt  werden,  was  der 
Schreiber  als  erste  Aussage  des  In(]uisiten  niederzuschreiben  begonnen, 
dann  aber  nicht  vollendet  und  durchstrichen  hat.  Diese  Stellen 
deuten  darauf,  das«  das  erste  Geständnis  unter  dem  Einfluss  der  Folter 
geändert  wurde. 

2)  Bezieht  sich  auf  die  Amnestie,  die  von  den  Herzogen  in  den 
Verträgen  vom  14.  Okt.  und  20.  Nov.  1514,  dann  wiederholt  ausge- 
s])r()chen  wurde.  S.  u.  a.  Landtag  v.  1514,  8.774;  Landtage  v.  1515 
und  1516,  S.  5ö,  76. 

31  ,,<>n  marter'',  wie  es  seheint,  von  derselben  Hand  nach- 
getragen. 

4)  B  (nach  Wiederholung  des  1.  Fragstücks):  auf  disen  vorge- 
schriben  artickel  hat  herr  Iheronimus  in  seiner  urgicht  nach  vil  aus- 
tluchten  und  umbswaitfigen  reden,  die  er  zu  verplüemung  desselben 
artickls  gesucht  hat,  im  besluIS  bekennt:  es  sei  war,  (»r  hab  herzog 
Ludwigen  zu  Wurmbs  vertrüst ,  er  well  seinen  genaden  zu  seinem 
gebürenden  teil   helfen. 

Und  des  driten  tags  darnach  hat  er  verrer  zu  erclärung  des 
artikls  unbczwun<;enlich  bekennt,  das  er  damit  nit  allain  seinen  aigen 
herrn,  in  des  potschalt  er  gewest ,  sonder  sein  Vaterland  und  das 
fur.itenthumb  verraten  und  dawider  gehandlt  hab,  aus  poahaftigem 
gemuet  un<l  willen,  (hiese  Ph'klärung  findet  sich  in  A  aui  Schlüsse 
der  Urgicht;  s.  unten  S.  502). 


Riezler:  Prozess  des  Hieronymxis  v.  Stauf»  495 

im  gefall  herzog  Albrechts  seligen  Ordnung  gar  nichts, 
sy  chonn  und  werd  nit  beleiben,  oder  sei  nit  möglich, 
djis  sy  bleiben  oder  besteen  mög,  aber  die  nachvolgen- 
den  wort,  das  er  seinen  köpf  nit  sanft  well  legen ,  bis 
sölh  Ordnung  werd  zerbrochen  oder  da  leyts  mir  oder 
dergleichen  wort  hab  er  nit  geredt. 

Darnach  als  er  gegicht  ist,  hat  er  den  artickel  im 
beslus  auch  nit  änderst  bekennen  wellen. 

Den  dritten  artickel  wil  er  nit  wissen,  das  er  den 
dermassn,  wie  der  artickel  laut,  geredt  hab,  aber  die- 
weil  er  hofmeister  sei  gewest,  hab  er  geredt,  die  fürsten 
haben  noch  ob  hundert  tausent  gülden  ierlicher  güUt, 
aber  CvS  sei  nit  für  als  Unglück*)  guet,  das  dy  fürsten 
so  reich  seien. 

Auf  den  vierden  artickel  sagt  er,*)  die  red  hab  er 
mermals  gethan  laut  des  artickels.^) 

Und  dieweil  herzog  Wilhelm  wissen  wil,  was  er  dem- 
selben, h.  Wilhelmen,  für  ain  spil  wolt  zurichten,  wo 
sein  genad  wider  ine,  den  Stauffer  handlet,  darzu  sagt 
er,  das  solhs  das  spil  gewest  war,  das  er  sich  zu  herzog 
Ludwigen  wolt  gethan  haben  und  demselben  herzog 
Ludwigen  wider  herzog  Wilhelmen  das  besst  geholfen 
haben,  anders  hab  er  im  hertzen  und  willen  nit  gehebt. 

Den  fünften  artickel  hat  er  bekennt,*)  er  hab  den 
dermassen  geredt:  wann  herzog  Albrecht  derselb  pos- 
wicht im  himel  war,  er  wolt  nit  zu  im  hinauf.*) 


1)  B:  nit  für  allen  ungluck. 

2)  Durchätrichen  folgt:  das  er  im  hertzen  das  gehebt  hab,  die- 
weil er  sein  hofmeinter  sei  gewest. 

3)  Durchstrichen  folgt:  aber  sein  hertz  sei  gegen  hertzog  Wil- 
helmen, dieweil  er  sein  hofmeister  sei  gewest,  nit  anders  gestanden 
dann  als  gegen  seinem  aigen  leib,  hab  im  auch  nye  gedacht  noch  in 
seinem  gemyet  gehabt  seinen  gnaden  ain  spil  zuzerichten. 

4)  Nach  bekennt  folgt  durchstrichen:  ,.aber  wie*,  nach  der- 
mai<sen:  „hab.*  Das  „aber*  verrät,  dass  das  ursprüngliche  Geständ- 
nis ein  eingeschränktes  war. 

5)  B  (f.  180^)  hat  hier  don  wichtigen  Zusatz:  Weiter  hat  der 
Ton  Stauf  auf  ein  zeit  zum  Mäleskircher  zu  München  offenlich  ob 
dem  tisch  gercdt,  er  hab  bei  weiland  herzog  Albrechten  keina  han- 
dels  nie  fueg  können  haben  und  sei  zu  zwaien  malen  hinein 
gen  hof  gangen  und  sich  darnach  gericht  und  des  willens 
gewest  sein  genad  zu  erstechen.     Disen  artickel  hat  er  auch 


496      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dezeniber  1890, 

Auf  den  sexten  artickel  Wembding  betreffend  sagt  er, 
er  hab  7a\  her  Jörgen  Wispeken  und  her  Adamen  von 
Törring^)  auf  iüngsten  tag  zu  Regenspurg  gesagt,  das 
sy  in  seinem  handel  des  auswechseis  der  guter  und  giaid*) 
hilflich  sein,  so  well  er  in  der  furstn  hendJn  Wembding 
und  anders  betreffend  auch  das  best  thün.^) 


(Geänderte  Fassung)^) 

Den  sibenden  artickel  hat 
er  bekennt,  als  aber  unser 
gnädiger  hera,  herzog  Wil- 
helm ,  begert  von  dem  von 
Stauff  zu  wissen ,  wie  er  es 
geniaint  hab,  sagt  er,  er  hab 
es  in  ainer  hitz  geredt. 


(Ursprüngliche  Fassung) 

Zu  dem  sibenden  artickel 
sagt  er:  hab  er  die  red  der- 
massen  gethan ,  sei  er  doch 
der  red  nit  eingedenck.  Als 
aber  doctor  Augustin  Lesch 
ine  der  red  bericht ,  hat  er 
die  bekennt  und  sagt,  er  hab 
die  in  ainer  hitz  geredt. 

Auf  den  achten  artickel  mit  seinen  anhengen  hat  er 
gesagt,  er  verhoff,  er  hab  mit  dem  aufschreiben  und 
rat*)  nit  unbillichs  gehandelt,  habs  dermassen  bei  andern 
in  rat  gefunden,  er  hab  auch  das  aufschreiben  darumb 
gethan,  das  er  bei  h.  Wilhelmen  bleiben  well. 

Den  newnten  artickel,  sich  anfahend :  ob  er  sich  dar- 
(lurch  bei  herzog  Wilhelm  hab  wellen  reichen  etc.,  den 
hat  er  nit  widersprochen,  chan  den  nit  vernainen.^) 

Zu  dem  zehenden  artickel  ,  das  er  ainen  handel  hab 
geworben  an  die  von  München  etc.,  gesteet  er ,  das  er 
in  laut  h.  Wilhelms  instruction,  darein  er  geraten  hab, 
an  die  von  München  ain  Werbung  hab  gethan,  die  mit 
seiner  gnaden  band  sei  unterzaichent  gewest,  und  hab 
den  von  München  derselben  Werbung  ain  abschrift  davon 

bekennt,  das  der  war  sei,  doch  hab  er  des  nach  dem  vertrag,  so 
zwischen  herzog  Albrechtn  und  sein  (sie)  aufgerioht  ist  worden, 
(Sühnevertrag  v.  14.  Aug.  1493V  Krenner  XI.  434)  nit  nier  im  willen 
gehebt. 

1)  Pfalz- Neuburgische  Hüte. 

2)  B  setzt  hinzu:   ime  durch  weilend  lierzog  Albrechten  .«»eligen 
zugestelt. 

3)  B  setzt  hinzu:  und  weiter  gesagt :  schmierst  du,  so  fuerst  du. 

4)  In  B  nach  dieser  aufgenommen. 

5)  B  (f.  182^')  erläuternd:    mit   d(»m   aufschreiben  seiner  pflicht 
noch  mit  dem  rat  und  hilf  durch  ine  zu  Burckhausen  beschehen. 

G)  B  setzt  hinzu:  dann  die  tat  ist  vor  äugen. 


Riezler:  Prozess  des  Hieronymus  i\  St  an  f.  497 

geben ^)  und  ob  er  sein  pflicht  dannoch  nit  aufgeschriben 
noch  entledigt  sei  gewest,  das  wiß  er  nit.  Und  solhs 
alles  ausser  ains  ausschus  wissen  gebandelt  und  wiew  .  .  .*) 
Auf  den  aindliften  artickel  von  wegen  herzog  Lud- 
wigen fürbracht,  des  gesteet  er  dermassen  nit,  aber  aus 
den  warnungbriefen ,  die  h.  Wilhelmen  von  München 
aus  und  von  andern  sein  zuechomen,  hab  er  zu  herzog 
Wilhelmen  gleichwol  geredt,  er  süU  seinem  bruder  nit 
trauen  und  sein  sach  in  guter  warnung  haben. 

Hab  nit  mer  dann  den  Walraben  und  ContzF)  Arnolt 
bestellt.  Mit  herzog  Lorentzen  in  der  Slesy  sei  also 
ain  gschrai  chonien  herauf  in  das  land,  haben  sy  es 
zu  Burckhausen  dabei  beleiben  lassen,  aber  seins  wissens 
hab  h.  Wilhelm  mit  demselben  herzog  nichts  gehandelt. 

Auf  den  zwelften  artickel,  sich  anfahend:  als  Roem. 
keys.  Mt. ,  des  artickls  gesteet  er  nit,  zeucht  sich  des 
auf  bed  fursten,  das  es  durch  her  Caspar  Wintzrer  ge- 
handelt sei.^) 

Zu  dem  dreizehenteu  artickel  sagt  er,  er  hab  das  slos 
und  herrschaft  Valkenstein  keys.  Mt.  und  dem  reich  nit 
lehen  gemacht,  sol  sich  nit  erfinden,  sonder  er  hab  den 
pan  über  das  plut  von  herzog  Ludwigen^)  durch  seinen 
richter  empfangen. 

Auf  den  vierzehenden  artickel  sagt  er:  als  herzog 
Ludwig  den  wald  furgeslagen ,  hab  er  gesagt,  so 
man  h.  Wilhelmen  den  wald  geben  well ,  mneß  man 
Straubing  darzu  haben  und  man  chon  des  walds  von 
wegen  des  fleisch  im  Obrland  nit  wol  geraten.^) 


1)  Durchstrichen  folgt:  und  sei  seiner  pflicht  von  aincr  landt- 
schafl  dannoch  nit  entledigt  gewest. 

2)  Hier  bricht  dieser  Artikel  ab;  der  Schluss  desselben  von: 
,Dnd  ob*  an  ist  auf  der  vorausgehenden  Seite  mit  Verweisungszeichen 
nachgetragen.  B  (f.  188^)  fiillt  die  Lücke  folgendermassen  aus :  und 
obgleich  das  aufschreiben  seiner  pflicht  durch  ine  beschehen,  wiir  es 
dannoch  ain  unbilliche  händlung  gewest. 

_3)  In  A  ziemlich  unleserlicher  Name,   in   B   (f.  184)  deutlich: 

Contzl. 

4)  B :  zeucht  sich  des  auf  bed  fursten  und  her  Caspar  Wintzrer, 
so  dazemal  zwischen  der  (sie)  fursten  in  der  händlung  gewest. 

6)  üeber  durchstrichenem :  Wilhelmen. 

6)  B  (f.  185^)  deutlicher:  und  man  chonn  des  walda  zu  dem 
Oberland  von  wegen  des  fleisch  nit  wol  geraten. 


498      Sitzung  der  historischen  Classe  vwn  6.  Dezember  1890, 

Zum  fünfzeheiiden  zeucht  er  sich  auf  bed  fursten,*) 
das  er  zwischen  beden  fursten  der  ambtleut  pflicht  halben 
derselben  zeit  nichts  hab  gehandlt,  sonder  bed  fursten 
dazemal  ze  München  hetten*)  im  garten')  selbs  mit 
einander  davon  geredt.*) 

Auf  den  sechtzehenden  artickel  das  er  den  vertrag, 
davon  zu  Katemberg  zwischen  der  fursten  gehandlt 
sei,  hab  verzogen  ,  bis  er  die  verwilligung  von  herzog 
Ludwigen  heraus  bring, **)  des  gesteet  er  dennassen  nit, 
dann  h.  Wilhelm  hab  im  selbs  zugesagt,  sein  gnad 
well  im  die  verwilligung  von  h.  Ludwigen  selbs  heraus- 
bringen, habs  auch  gethan. 

Zum  sibenzeheuden  bekennt  er  des  artickek  des  auf- 
stoss  halben,  so  er  mit  h.  Ludwigen  gehebt,  hat  h.  Wil- 
helm seiner  gnaden  bruder,  h.  Ludwigen,  gepeten,  das 
sein  gnad  solh  Unwillen  laß  hin  sein ,  doch  das  er  es 
seiner  gnaden  furan  nit  mer  thue,  wo  er  es  aber  thät, 
als^)  er  dann  nachvolgend  wider  sein  gnad  gethan  hat, 
solt  im  h.  Ludwig  ains  zu  dem  andern  rechen. 

Des  achtzehenden  artickels  halben  zeucht  er  sich  in 
bed  fursten  und  in  her  Cristoffen  von  Layming,  das 
herzog  Ludwig  sich  ans  im  selbs  erboten  hab,  h.  Wil- 
helmen die  orstreckung  wider/egeben. 

Und  die  wort,  die  nachvolgend  im  newnzehenden  und 
zwaint/igisten  artickel  steen,  hab  er  keiner  argen  noch 
pi'xsen  nieynung  geredt. 

Das'')  er  aber  gegen  h.  Wilhelm  auf  obnermelte  niey- 
nung das  widerspil  geredt  und  gehandelt  hab,  des  gst^et 
er  nit,  bit  sein  gnad  des  zu  erinnern. 


1)  Zuerst  staml:  luif  b.   Wilhelm. 

2)  Nael)  betten  diirrbstriiben:  berzo^  Ludwig. 

3)  I)urcb8tricben  folgt:  b.  Wilbelmen  angezaigt,  wie  derselb  b. 
L.  die  ])tli«'bt  dermassen  nit  wie  die  scbuster  vergriffen  seien,  aiifge- 
nonien  liab. 

A)  (lauz  unten  am  Kan<le  dieser  Seite  stebt  mit  kleiner  Schrift : 
Nota  d y  artickel  darauf  er  sieb  au f  d y  fursten  z <> u c h t ,  nit 
a  n  zu  zeigen. 

.'S)  Hie  /u«;timniung  Herzog  Ludwigs  zur  Scbenkung  der  Herr- 
stbaft  Kalkenstein  an  ibn. 

{))  .als  —  bat**  aiu   Rande  narbgetragen. 

7)  Durcbstriibcn  stebt  vorn:  Auf  den  ainundzwaintzigisten 
artickel. 


Kie:ttr:  l'nntm  dt»  niemtgmit»  v.  Stttuf, 

Zu  dem  KwemindEwaintzigisteii')  artickpl  htit  er  ^^- 
I  »gt,  er  fiet-tee,  das  er  die  erstrecknng  dcw  ftinfüirideii 
f  Ter tragB  verzogen  Imb,  bis  im  dasdorfvon  h.  Ludwigen 
F  geifttben  sei. 

Zu  dein  dreiuiidzwaitibagisbrn*)  artickei  sap;!  er,*l  das 

I  er  h.  Willielmen  doriimb  graten  hnl)  Biircklmiisen  ein- 

I  KeDemcn,  damit  sein   genad    am-h    uiii  baymwesen   hiib, 

'  hab  auch  die  abtretiing   dpa   stoas    Burckhausen   gc- 

I  »erlith  nit  ventogen.*! 

7-»  dem   vierund/wiiintüigisteni   urtickel    sagt   er,'')  er 

*  hnb  gein  Rwidnbucber  aW  gcsugt:  dits  mir  gut  die  dniü 
t  gob,  wSr  ich  nit  gewesl,  vr  war  ISiigst  f'uul,  und  bnb 
I   ftollis  daninib  ^ethaa:  als  hentog  Ludwig  bcr  Jörg  von 

rupjwnperg  marxibalb  und  ine,  den  Staiiffer,  herj^ig 
'  WillieliinTi  zugeordnet,  liet  er  von  demselben  h,  Wilhelm 
[  Yerstwiiüen ,  wie  seinen  gnnden  geratn  wür  etlich  vom 
I  ftuischuss  erslahen  /.e  hissen,  war  er  des  willens  gewest, 
f  wo  es  für  sich  war  gongen  ,  b.  Ludwigen  auch  zu  er- 
es hab  in  aber  darnach  gemn^n.") 
fünfund/woinsiigisten    artickel    von    wegen    des 

Ziffern  am  Itandi':  19.     In  11  sind  dit^  Artikd  IS-21  za 
]  Artikel,  dvm  IS.  xtiBamnient;exogon. 
)  Hit  Kiffern  um  Ittuide:  20. 

1  Duiclisl rieben  folgt:  da«  lt  die  alitreUinu  den  »]o»8  Hurck- 
(»verUch  uil  hnl>  v«rxogen.  aacli  in  der  und  niuh  die  ("ic). 
.  In  B  (r  lB'J/191)  fol^:  dos  xol  «ich  bei  dea.  diu  dagelegen 
k  KrflBden. 

*  ti)  DuTchalricIieDO  erati-  Fussiiog  soweit  gloichlautci«!,  dann  folgt: 
tnb  benng  Imdwigen  in  der  red  nit  genaint,  sonder  gein  llftidn- 
her  alfc  gf»agt :  das  mir  gnt  die  drus  geh.  war  ich  nit  güwext,  ir 

'WBrel  Ivntfal  iiinl  und  diirinn  ir  aet  gemainl.  Wo  mun  us  nbcr  nndemt 
vi>n  Uli  viT^Undim  oder  er  nölha  biut  de»  articltls  gredt.  hett  er  es  doeh 
■lcriij»-'ien  nil  gnialnL  ~  In  der  «weiten  Fniuung  folgt  aur  nrtielcel 
dtirclwlnclieu:  hat  er  geiagt,  als  aina  h.  Inidwig  begert  tn  wisaen. 
w«  e«  gt'wvjidt  IV)  hab.  da«  er.  h.  Ludwig,  lengst  faul  war.  wa»  das 
•»i,  da". 

fi)  In  D  (f.  190/192)  ist  die  Aeus4enjng  gegen   Ituidnpnrher  fol- 


hermg  Ludwig  ine,  dpti  HtftnfFcr.  Keiner  genadi>n  bruder,  heniog  Wil- 
bültnen,  zugiKirdrnt  und  wdlctid  her  .Toi'g  von  (tumppnberg  dunfh 
ilnia«IWn  bettoK  Ludwigen  genomen  und  pr  von  seivBu  genuden  aua- 
veilMiien  war.  de*  er  dann  miUfnlln  gehebt,  hett  er  dnrnneh  von 
u«Ti<)g  Wilhelmen  verslanden  (u.  s.  w.  wie  oben,  diu  gnnte 
aneh  in  der  Vorlage  nnterittrivhen,  bis:  er   hab  in  aber  darnach 


500      Sitzung  der  Imtoriüchen  Clause  vom  6,  Dezember  1890, 

Stifts  Salzburg  sagt  er,  er  gstee  desselben  artickis  gar^) 
nit,  wie  er  gesetzt  ist.*) 

Auf  den  26.  artickel  sagt  er  der  schaukung  halben 
hat  er  erber^)  anzeug  und  Unterricht  geben  und*)  kein 
myet  noch  schanckung  genomen.*) 

Auf  den  27.  artickel  des  von  Tegernsee  schanckung 
halben  gsteet  er  desselben  artickels  nit,  zeucht  sich  des 
in  den  von  Tegrnsee. 

Zum  28.  und  29.  artickl  des  vergebens  halben  mit 
yedem  fursten  in  Sonderheit  geredt,  des  gsteet  er  und 
habs  gegen  herzog  Ludwigen  am  ersten  und  darnach 
gegen  herzog  Wilhelmen  solhs  mermals  gesagt,  alles 
aus  ainem  hitzigem  gemüet  und  aus  ainem  neid  gethan, 
die  fursten  damit  an  einander  ze  pynden  (?)®)  und  be- 
sorgt, die  herrn  wem  zu  ains  mit  einander,  auch  darumb 
gethan,  damit  die  herrn  dest  mynder  aneinander  trauen 
und  sein  sach  dest  bas  bey  herzog  Wilhelmen  stee,'^ 
aber  mit  keinem  gift  umbgangen  noch  solhs  zu  thun 
nye  in  willen  gehebt. 

,  Auf  den  dreissigistn  artickel ,  Jörgen  von  Aw  be- 
treffend, als  der  iungst  zu  Augspurg  bei  im  gewest  ist, 
sagt  er,  er  hab  nichts  sonders®)  mit  im  geredt,  das 
wider  unser  gnedig  herren  gewest  sei. 

f^ornwen).  Darauf  fol^^t,  wie  es  acheint,  etwas  später,  aber  von  der- 
selben Hand  geschrieben:  Und  wo  etlich  vom  ausschus  solten  er- 
schlagen sein  worden,  wolt  er  herzog  Ludwigen  auch  erslagen  haben. 
l>iese  Fassung  ist  in  C  übergegangen,  wo  die  Angabe,  dass  die  Kennt- 
nis des  Staufers  von  einem  Mordanschlag  gegen  Ausschusaglieder  auf 
Mitteilung  Herzog  Wilhehns  beruhte,  übergangen  ist. 

1)  Durchstrichen  folgt:  dermassen. 

2)  Durchstrichen  folgt:  hab  auch  kain  und  wiewol. 
8)  In  B:  guet  (zuerst:  erber  und  guet). 

4)  Durchstrichen  folgt:  ander. 

5)  In  B  folgt:  es  sei  dann  essend  ding  gewest. 

6)  Tn  B  (f.  191V /193V.)  ^ranz  deutlich:  ze  pynnden. 

1)  In  B  folgt:  hab  auch  allweg  besorgt,  die  fursten  werden  ze 
:iinig  mit  einander.  Durchstrichen  folgt  in  B  ferner:  Weiter  ist  er 
gefragt,  ob  er  für  sich  selbs  inen  nit  hab  vergeben  wellen.  Dazu 
sagt  (T  nain ,  er  sey  auch  nye  mit  gift  umbgangen  noch  solhs  zu 
thun  nye  im  willen  gehebt. 

8)  B:  nichts  sonders  noch  geheyms,  das  wider  unser  genedifjf 
herren  die  fursten  oder  irer  gnaden  swester,  die  von  Wirtenberg,  ge- 
west si'i ,  sonder  .lorg  von  Aw  hab  allein  mit  im  gredt  von  wegen 
der  al)tretung  «ler  pfl«'g  Ingolstadt. 


Rieeler:  Prozess  des  Hieronymus  r.  Stauf.  501 

Auf  den  ainunddreissigisten  artickel  sagt  er,  er  gstee 
des  artickels  derniassen  nit,  aber  herzog  Ludwigs  rät 
halben,  die  in  ainer  practiken  sein  snllen,^)  ist  nemlich 
Dietrich  Pleninger,  her  Wolf  von  Aheym  und  der  alt 
canzler*)  in  ainer  practik  gewest  wider  herzog  Lud- 
wigen, damit  herzog  Wilhelm  wider  ainiger  regirender 
fürst  werd,  aber  er,  StaufFer,  sei  mit  ine  in  der  prac- 
tiken nit  gewest,^)  sonder  herzog  Wilhelm  wiß  den- 
selben handel  bas  dann  er  seinem  bruder,  herzog  Lud- 
wigen, anzuzeigen. 

Zu  dem  zwenunddreissigistn  artickel*)  sagt  her  Iheroni- 
mus,  derselb  artickel  sei  war*),  und  hab  das  keiner  andern 
meynung  gethan,  dann  das  er  besorgt  hab,  die  weil  ain 
landschaft,  als  er  mit  der  keyerlichen  potschaft  zu  Lands- 
hut gewest,  ine  so  übel  angesehen ,  sy  möchten  etwas 
gegen  im  handeln. 

Zu  dem  lesten  artickel  des  daumenstocks®)  halben 
sagt  er,  er  hab  den  vil  iar  allweg  bei  im  gefürt,  und 
den  steigzeug  hab  im  Allexander  marschalh  negst  zu 
Mönchen  im  garten  geben ,  hab  im  sein  pueb  in  das 
falis  (?)')  vergebenlich  gelegt,  sei  also  dorin  beliben. 

Item  er  sagt,  im  hab  weiter  nyemands  darzu  geholfen, 
well  also  auf  diser  Urgicht  besteen ,  bit  darauf  umb 
genad  umb  gottes  willen. 

Actum  die  ut  supra. 

Und  als  im  solhs  alles  wider  furgehalten  ist,  an  pfintz- 
tag  darnach,®)   ob   er    das   alles   derniassen  gethan  und 


1)  Znerst  hiess  es:  die  mit  im  in  der  practiken  gelegen  sind. 

2)  ^Doctor  Newnhauser*,  setzt  ß  hinzu.  Neuhauser  war  erst 
vor  kurzem  (26.  Januar  1516)  gestorben. 

3)  «Dann  sy  haben  im  so  vil  nit  traut**,  setzt  B  hinzu. 

4)  Durchstrichen  folgt:  das  ain  landschaft  auf  dem  landtag 
iungst  zu  Landshut  h.  Wilhelmen  haben  vahen  wollen,  das  sol  er 
gegen  unser  gnädig  frauen,  der  von  Wirtenberg  auch  gegen  Diet- 
richen Späten  gredt  haben,  nemlich  die  wort. 

5)  Durchstrichen  folgt:  aus  was  Ursachen  er  das  gethan. 

6)  B:  Nachdem  in  seiner  truhn,  watzschko  (sie;  Redaktion  D 
f.  208^-  bietet  hiefür  den  deutlicheren  Ausdruck:  watsack)  und  fales 
(Verließ)  allhie  zu  Ingolstat  ain  dawrabstock,  strick  und  dietrich, 
auch  ain  steig  und  fallzeug  gefunden  sei. 

7)  In  B:  fales;  wohl  =  Verliess. 

8)  3.  April.  B  setzt  hinzu:  in  beiwesen  der  obnermelten  ver- 
ordenteo,  beder  fursten  rate. 


502      Sitzung  der  historischen  Glosse  vom  6,  Dezember  1890. 

darauf  besteen  well,  hat  er  gesagt^):    ia,  wie  er  es  he- 
kent  hab,  also  well  er  darauf  bleiben. 

An*)  freitag  ze  nacht^)  ist  er  fragt,  auf  was  end  er 
sein  mißhandlung  hab  gestelt,  was  entlichen  anslag  er 
darauf  gehebt  hab.  Sagt  aufsein  leste  hinfart  (?),  das 
er  zu  erst  mit  herzog  Ludwig  gehandelt,  hab  er  keinen 
gedanck  gehebt  weder  nach  slosser  oder  auderm*)  und 
allain  in  gebetn  seinen  iungen  vettern,  der  itz  zu  Saxen 
ist,  aufzenemen,  im  (V)  gantz  nichts  iurgesetzt,  weder 
myet  noch  gab,  sonder  aus  freiem  (?)  gemuet  gethan, 
keins  nutz  noch  Schadens  darauß  zu  erfolgen  bediicht, 
unser  herrgott  weit  von  im  und  der  teufel  uaheut. 

Mit  dem  vergeben  sagt  er,  in  keiner  andern  meynung 
gethan  hab  dann  das  er  es  darumb  gethan,  damit  die 
herrn  nit  ains  mit  einander  beleiben.  Bit,  man  laß  in 
bei  seiner  getaner  urgicht  bleiben. 

Hab  auch  mit  nyeraandt  anderm  gehandelt,  sonder 
aus  freiem  bösen  willen  durch  sich  selbs  allain  gehandelt. 

Zu^)  erclärung  des  ersten  artickels  hat  er  weiter  be- 
kennt, das  er  mit  dem  ersten  furnemen  nit  allain  seinen 
aignen  herrn,  in  des  potschaft  er  gewest  sonder  sein 
Vaterland  und  das  furstenthumb  verraten  und  darwider 
gehandelt.^) 
A.  a.  0.  f.   1G8— 174. 


1)  B:  bsit  er  ainon  yedn  artickol  von  neuem  wider  bekennt  und 
«gesagt  etc. 

Am  Schlüsse  in  H:   Actum  iit  supni. 

Da«  tigd.  (An  freitag  u.  s.  w.)  nicht  mehr  in  13. 

2)  I>a.s  llgd.  von  dersolljen  Hand  wie  das  obige,  ab«>.r  tlüchtigor 
geschrieben. 

3)  4.  April. 

-i)  Die  Hdsclir.  wiederholt  hier:  gehebt. 

f))  Diese  Faflsung  (zu  —  gehandelt)  sollte  augenscheinlich  an 
Stelb^  der  vorausgehenden  treten,  welche  so  lautet:  Item  die  handlung 
tzigt  (V)  auf  im  (anstelle  des  durchstrichenen:  bekennt),  das  er  mit 
dem  ersten  lürnemen  nit  allain  seinen  aignen  herrn,  in  des  potschaft 
er  gewest,  sonder  sein  vaterlanil  und  das  furstenthumb  verraten  und 
dawider  gehandelt.  Darauf  hat  er  gesagt:  er  hab  den  handel  so 
weit  nit  erine>^en  nn(  h  bedacht,  bekennt  al>er,  er  habs  laiiler  ge- 
than. —  Ks  lieruht  wohl  nur  auf  Versehen  des  Schreibers,  dass  «lies 
nicht  ausgestrichen   wunle. 

•     C)   L'nten  am  Iian<le:   Den  Stokbeimcr  (V)  /e  fragen  der  2-1  gülden 
halben,  hat  er  Tanhau>:<'rn  (V)  gelihen. 


Eiezler:  Prozess  des  Hieronymus  v.  St  au  f.  503 

21.  151G,  April  3.  Inventar  des  H.  v.  Stauf  im  Schloss 
zu  München,  aufgenommen  von  Herrn  Iheronimus  von 
Seiboltstorf.  Actum  an  pfintztag  nach  Quasimodogeniti 
anno  IG.^)     A.  a.  0.  f.  144. 

22.  1516,  April  3.  (Phintztag  nach  Quasimodogeniti),  In- 
golstadt. 

Die  Herzoge  Wilhelm  und  Ludwig  an  ihre  Mutter, 
H.  Kunigunde.  Letzten  Erichtag  (April  1.)  in  der  Nacht 
um  9  Uhr  haben  sie  H.  v.  St.  hier  in  ihrem  Schloss 
„fencklich  annemen*  und  gestern,  Mittwochs,  in  der 
Nacht  .peinlich  fragen  und  gichtigen  lassen*.  Aus  der 
beigeschlossenen  ürgicht  möge  sie  nun  ersehen ,  wie 
listig,  eigennützig  und  unehrlich  der  untreue  Mann  mit 
ihnen  beiden  gehandelt.  Die  Landschaft  trage  ein  großes 
Gefallen  daran,  dass  die  Herzoge  ihnen  die  Sache  so 
offen  mitgeteilt.  Nach  deren  Rat  und  Gutdünken  werden 
sie  gegen  den  v.  St.,  damit  das  Uebel  andern  zu  einem 
Ebenbild  getraft  werde,  auf  gemeldete  IJrgicht  nach 
Ordnung  peinlichen  Rechtes  handeln  lassen.  Damit  der 
Kaiser  nicht  durch  falsche  Nachrichten  irregeführt  und 
zu  ernstlichen  Mandaten  veranlasst  werde,  zeigen  sie 
ihm  gleichzeitig  die  Urgicht  an.  Bitten  ihre  Mutter, 
in  gleichen  Sinne  an  den  Kaiser  zu  schreiben. 
Or.  im  Adelsselekt,  Staufer  v.  Ernfels,  Fasz.  1.  Concept, 
Stauferische  Sachen  HI,  f.  154. 

23.  1510,  April  4.     Ingolstadt. 

Die  Herzoge  Wilhelm  und  Ludwig  an  den  Kaiser. 
Mit  Rat  und  Willen  ihrer  Mutter  und  ihrer  geheimsten 
Räte  haben  sie  den  Staufer  gefänglich  annehmen,  „nit 
mer  dann  viermal  1er  aufziehen  und  gichtigen  lassen"*, 
worauf  derselbe  seine  unehrliche,  schändliche  und  un- 
erhörte Mißhandlung  bekannt,  wie  der  Kaiser  aus  der 
zu  wahrhaftem  Grund  und  Bericht  hiemit  zugesendeten 
Urgicht  ersehen  möge.  Wiederholt  seien  sie  vor  seiner 
Missethat  gewarnt  worden,  überdies  haben  sie  beide  ihm 
Gnaden,  Gab  und  Schenkung  gethan.  Nachdem  durch 
die  Gnade  des  Allmächtigen    Mord    und    andere    Uebel, 


1)  Vgl.  den  Bericht  de«  Hrn.  v.  Seiboltstorf  v.  5.  April.    Tjaml- 
tüge  ▼.  1515,  1516,  S.  588  und  über  dessen  Datirung  oben  S.  449. 


504      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dezember  1890. 

die  aus  seinen  Missethaien  entspringen  konnten,  bisher 
verhütet  worden,  müssen  sie  die  Gerechtigkeit  walten 
lassen,  wiewohl  sie  das  viel  lieber  vermieden  hätten,  und 
bitten  den  Kaiser,  an  dieser  rechtmässigen  und  billigen 
Handlung  gnädiges  Oefallen  zu  tragen,  keinen  Glauben 
zu  schenken,  wenn  ihm  die  Sache  anders,  als  in  diesen 
wahrhaftigen  Schriften  angezeigt  wird ,  vorgetragen 
würde,  und  das  Recht,  das  sie  gegen  den  Staufer  er- 
gehen lassen  wollen,  ,auf  des  widerteils  ungestümes  an- 
rufen, wie  das  beschehe*,  mit  Mandat  oder  auf  anderem 
Weg  nicht  zu  sperren  oder  zu  verzögern. 
Concept  a.  a.  0.  f.  159. 

24.  1516,  April  6.     München. 

Herzogin  Kunigund  an  den  Kaiser.  Erzählt  den 
Handel  ähnlich  (ihre  Brüder  haben  den  St.  er  «zimlicher 
weis  gichtigen  lassen*).  Bittet  ihn  als  den  Brunnen 
aller  Gerechtigkeit,  an  dem  Vorgehen  ihrer  Brüder  kein 
Missfallen  zu  tragen  und  kein  Gehör  noch  Glauben  zu 
schenken ,  wenn  die  Sachen  von  des  Staufers  Freund- 
schaft oder  seinen  Günstigem  und  Fördrern  (,der  ich 
acht  wenig  gefunden  werden**)  anders  dargestellt  werden, 
als  in  dieser  ürgicht  begriffen.  Datum  Suntag  Miseri- 
cordia  domini. 
Concept  a.  a.  0.  f.  158. 

25.  151(),  April  20.     Tertzola  in  Sultz  am  Nons  (Sulzberg 
beim  Noiisberg,  Südtirol). 

Kaiser  Maximilian  an  die  Herzoge  Wilhelm  und  Lud- 
wig.    Hat    ihre    Schriften    berührend    Iher.    v.  St.    ver- 
nommen.    Sie  mögen   gegen  denselben  um    seiner  Ver- 
handlung willen  handeln,  was  Recht  ist. 
Or.  mit  aufgedrücktem  Siegel.     A.  a.  0.  f.  222. 

20.     151(),  Nov.   15.     (Samstag  nach   Martini). 

Bernliardin  v.  Stauflf,  Freiherr  '/u  Ernfels  an  Herzog 
Wilhelm,  tr^ein  Vetter  selig,  Herr  Iher.  v.  St.  hat  in 
seinem  Getanguis  ein  Sehuldenregister  „herrürende  von 
dem  vergangen  ])ayri.'Nchen  krieg,  das  mein  lieber  vater 
sei.  zu  Ing()l>tat  treulich  dargestnu-kt ,  daneben  ettlich 
])erganien  besigelt  briet!'  und  einen  brieft*  über  die  Juden 
zu  IJegensping  lauttrnd«***  aiig<v.eigt.  Diesen>en  sind 
jedoch  nicht  in  dem  ihm  und  anderen  Vormündern  zu- 


Biezler:  Prmess  des  Hieronymus  v,  Stauf.  505 

gestellten  Inventar  begriffen.  Bittet  ihm  einen  Tag  zu 
bestimmen ,  an  dem  er  um  diese  Stücke  schicken  darf. 
Or.  mit  aufgedrücktem  Siegel.     Ä.  a.  0.  f.  223. 

27.  1516,  Nov.   17.     (Montag  nach  Martini)  München. 

H.  Wilhelm  an  Bernhartiii  v.  Stauf.  Befiehlt  ihm 
nächsten  Sonntag  hier  an  der  Herberg  zu  sein  und 
Tags  darauf  vor  ihm  Erbhuldigung  zu  thun  und  Lehen, 
auch  die  angezeigten  Briefe  und  Register,  was  davon 
vorhanden  sei ,  zu  empfangen.  Im  Verhinderungsfall 
mag  er  einen  Stellvertreter  schicken. 
Concept  a.  a.  0.  f.  224. 

28.  1516,  Dez.  10.     (Mitichen  nach  Conceptionis  Marie). 

Der  verordnete  Obersteurer  an  des  Staufers  Vormünder. 
Sie  haben  sich  geweigert,  den  Steurern  des  Rentmeister- 
amtes Straubing  die  Register  der  Herrschaft  Valkenstain 
zu  schicken,  da  diese  Herrn  Iheron.  v.  St.  als  eine  freie 
Herrschaft  zugestellt  sei.  Er  muss  aber  darauf  bestehen, 
denn  diese  Herrschaft  ist  nicht  dermassen,  wie  sie  viel- 
leicht meinen,  gänzlich  vom  Fürstentum  Bayern  getrennt, 
sondern  mit  Steuer  und  anderem  demselben  zugehörig. 
Concept  a.  a.  0.  f,  229. 

29.  1516,  Dez.   13.     (Samstag  Lucie). 

Bernhardtin  v.  St.  an  H.  Wilhelm.  Hat  seinen  Diener 
Hans  Hindtermair  beauftragt  die  Briefe  und  Register 
vom  Herzog  zu  empfangen.  „Dann  der  erbhuldigung 
halb,  steend  ich  und  meine  brueder  in  ainem  vertrag, 
wo  sich  der  endet,  alßdann  mich  gegen  Eure  f.  g.  der- 
halb  gebürlich  halten  (sie).  Zum  andern,  das  ich  lehen 
enpfahen  soll,  ist  mir  nit  bewist  ainicherlay  lehen  von 
e.  f.  g.  zu  enpfahen  dann  allain  das  schlos  Schöneperg  .  ., 
ist  dem  Paungarter  aus  e.  f.  g.  zugebung  pfantschafl 
weis  eingeben  und  ime  solch  lehen  zu  enpfahen  ufferlegt, 
bis  widerumb  die  loßung  beschicht.* 
Or.  a.  a.  0.  f.  225. 

30.  1516,  Dez.  17.     (Mitichen  quatember  vor  Weihnachten) 
München. 

H.  Wilhelm  an  Bernhardin  v.  Stauf.  Die  Register 
und  Schriften  werden  seinem  Diener  Hintermair  aus- 
geantwortet werden.  Was  seines  Vetters  Sachen  be- 
rührt, ist   zusammengelegt   und    wird ,    wenn    auch    die 

1890.  PhUoA-phUoL  u.  bist.  Cl   II.  8.  34 


500      Sitzung  der  historischen  Classe  vom  6.  Dezember  1890. 

Mitgerhaben  sämmtlich  darum  ersuchen,  ihnen  zugestellt 
werden.  Bezüglich  der  Erbhuldigung,  für  die  er  Auf- 
schub begehrt,  versieht  er  sich,  dass  er  dieselbe,  wie 
sich  gebührt,  nicht  abschlagen  wird.  Wegen  Lehens- 
enipfang  von  Schloss  und  Herrschaft  Schonperg  war  er 
(der  Herzog)  vorher  nicht  gründlich  berichtet. 
Concept  a.  a.  0.  f.  226. 

31.  1516,  Dez.  17.     (Mittwoch  nach  Lucie)  Landshut. 

H.  Ludwig  an  Ulrich  Eck,   Pfleger  zu  Haidau.     Bern- 
hardin V.  Stauf  soll  Georigeu  Häblkofer  (von  dem  mehrere 
Klagschreiben  beiliegen)    endlich    die   verfallenen  Gilten 
und  Schulden  bezahlen. 
Or.  a.  a.  0.  f.  231. 

32.  1517,  Jan.   12.     (Montag  nach  Erhardi). 

Bernhardin  v.  St.  an  H.  Wilhelm.  Nachdem  weiland 
seinem  lieben  Vater  „in  dem  bairischen  krieg  zu  In- 
golstat,  nachmals  zu  Landßhut  und  zu  Kelheim  sein 
Besoldung  an  gelt  und  getraid  laut  und  vermöge  ettlicher 
register  und  bekentnus  noch  ausstendig  stet*,  er  und 
seine  Brüder  aber  dessen  ,fast  nottürftig*  sind,  bittet 
er  sie  gnädig  zu  bedenken  und  ihnen  diesen  Ausstand 
zu  verschaffen. 
Or.  a.  a.  0.  f.  258. 

33.  1517,  Jan.   17.     (Samstag  Anthony),  München. 

Antwort  H.  W^ilhelms.     Er  weiss  von  keinen  Schulden. 
Diese  Forderung  hat  ihn  daher  befremdet,  ist  auch  „ver- 
tunkelt  und  unlautter." 
Concept  a.  a.  0.  f.  259. 

34.  1517,  Febr.  4.     (Mitwoch  nach  Purificationis  Marie). 

H.  Ludwig  an  den  Pfleger  Ulrich  Eck.  Soll  dem 
Häbelkofer  in  der  (in  Nr.  31)  erwähnten  Sache  mit  Pfän- 
dung und  Gant  verhelfen. 

Or.  a.  a.  0.  f.  233.     Es  folgen  noch  mehrere  Schreiben, 
diesen    Handel   betrefl'end. 


507 


Historische  Classe. 

Nachtrag  zur  Sitzung  am  5.  Juli  1890. 

In  derselben  hielt  Herr  Stieve  den  folgenden  Vor- 
trag über: 

, Ernst  von  Mansfeld.* 

Die  Urteile  über  Mansfelds^)  Persönückeit  haben  sich 
lange  Zeit  in  schroffen  Gegensätzen  bewegt.  Wjährend  seines 
Lebens  betrachteten  ihn  allerdings  sogar  diejenigen,  welchen 
er  diente,  mit  Misstrauen  und  Abneigung  und  dauernd  fand 


1)  Ihm  den  Grafentite],  welchen  er  sich  anmasste,  zuzugestehen, 
ist  unberechtigt.  Dass  die  Legitimationsurkunde  von  1591  nicht 
rechtskräftig  wurde,  erhellt  unzweifelhaft  iius  dem  Testamente  seines 
Vaters  und  daraus,  dass  er  noch  kurz  vor  dessen  Tode  i.  J.  1604 
Howol  in  einem  Schreiben  des  Erzherzogs  Albrecht  an  den  Vater  wie 
auch  in  der  Antwort  desselben  als  «filz  naturel'  bezeichnet  wird. 
S.  Villermont  Ernest  de  Mansfeldt  I,  10  fg.  II,  366  fg.  Wenn 
ihn  die  üebernchrift  eines  amtlichen  Aktenstückes  vom  J.  1607,  das. 
II,  372  Graf  nennt,  so  ist  das  gewiss  nur  darauf  zurückzuführen,  dass 
er  sich,  wie  sein  Schreiben  das.  373  zeigt,  bereits  damals  den  Titel 
beilegte  und  der  Registrator  in  Folge  dessen  in  der  Ueberschreibung 
des  Entwurfes  —  denn  nur  ein  solcher  liegt  vor  —  einen  Irrtum 
beging.  In  zwei  Erlassen  des  Erzherzogs  aus  den  nächstfolgenden 
Monaten  heisst  er  nur  Ernent  de  Mansfeld  und  sogar  sein  Freund 
Baville  nennt  ihn  im  Dezember  1607  nur  „sieur  E.  de  Mansfeld." 
Ebenso  bezeichnet  ihn  dann  noch  IHIO  der  Statthalter  von  Luxemburg. 
A.  a.  0.  874,  377  und  878. 

34^ 


508     Nachtrag  z.  Sitzung  der  histor.  Classe  am  5.  Juli  1890. 

er  damals  aufrichtige  Bewunderer,  abgesehen  von  dem  kur- 
pfälzischen Diplomaten  Rusdorf,^)  nur  in  den  Kreisen  der 
in  die  politischen  Entwickelungen  nicht  Eingeweihten.  Ein 
Umschwung  erfolgte  jedoch  in  unserem  Jahrhundert.  Schillers 
Geschichte  des  dreissigj ährigen  Krieges,  welche  in  der  Dar- 
stellung der  Persönlichkeiten  ebenso  vorurteilsvoll  und  in 
Folge  der  Dürftigkeit  der  ihm  fliessenden  Quellen  oft  eben- 
so unzulänglich  wie  in  der  Auflfassung  der  allgemeinen  Ver- 
hältnisse unbefangen  und  eindringend  ist,  rückte  den  grossen 
deutschen  Krieg  aus  dem  Staube  enger  Gelehrtenstuben  in 
den  bewegten  Kreis  der  Teilnahme  aller  Gebildeten  und 
hauchte  den  Mumien  der  Vergangenheit  ein  frisch  pulsierendes 
Leben  ein,  welches  sie  befähigte,  in  den  Nachkommen  leiden- 
schaftliche Parteinahme  für  und  wider  sich  zu  erwecken, 
sobald  jenen  die  Kämpfe  des  17.  Jahrhunderts  als  Vorläufer 
ihres  eigenen  Ringens  erschienen.  Und  des  geschah,  als  die 
grossdeutschen  und  ultramontanen  Bestrebungen  einerseits, 
die  in  Preussens  Führung  das  Heil  Deutschlands  erbh'ckende 
und  kirchlich  freisinnige,  aber  zugleich  beschränkt  prote- 
stantische Bewegung  anderseits  Deutschland  in  zwei  feind- 
liche Lager  spaltete.  Nun  wurde  Mansfeld  von  den  An- 
hängern der  Oesterreich  und  dem  Tltramontanismus  abge- 
neigten Richtung  unter  die  ersten  Helden  und  Vorkämpfer 
der  nationalen  Entwickelung  Deutschlands  und  des  Prote- 
stantismus eingereiht  und  je  grimmiger  die  Gegner  ihn  eben 
deshalb  in  den  Schmutz  zu  ziehen  trachteten,  desto  eifriger 
suchten  ihn  seine  Bewunderer  auf  ihren  Schilden  zu  erhöhen. 
Um  das  Andenken    des    Mansfelders    entbrannte    ein    Kampf, 


1)  Ver^'l.  dessen  Epigranim  Ihm  .1.  (Jroäsniann.  Des  Grafen 
Ernst  von  Mansfeld  letzte  IMiine  und  Thaten  154,  worin  aber  auch 
gesagt  wird: 

Hostis  nie  timuit,  sed  non  dilexit  aiuicus 
Nee  nie,  quem  merui,  laudis  honore  tulit. 


Stieve:  Ernst  von  Mansfeld.  509 

wie  ihn  einst  Achäer  und  Trojaner  um  die  Leiche  des  Pa- 
troklus  geführt  hatten. 

Ihren  Gipfel  erreichten  die  Gegensätze  bezeichnender 
Weise  in  den  Werken  zweier  Dilettanten;  in  den  Biographien 
Mansfelds,  welche  Graf  Villermont  vom  trojanischen,  Ludwig 
Graf  Uetterodt  zu  ScharflFenberg  vom  achäischen  Standpunkte 
aus  verfassten.  Weder  das  erste  noch  das  zweite,  in  Forschung 
und  Kritik  höchst  dürftige  und  äusserst  parteiische  Buch 
war  jedoch  danach  angethan ,  den  erbitterten  Streit  ent- 
scheidend zu  beeinflussen. 

Da  wies  einer  der  eifrigsten  Achäer  selbst,  Ernst  Fischer, 
nach,  dass  Mansfeld  nie  Protestant  geworden  und  als  Katho- 
lik gestorben  sei,^)  und  Anton  Gindely ,  welcher  nicht  zu 
den  Trojanern  gerechnet  werden  konnte,  erbrachte  Belege 
dafür,  dass  Mansfeld  in  Pilsen  den  Winterkönig  und  die 
Böhmen  verraten  habe.*)  Obendrein  aber  zeigte  Julius  Opel 
in  seinem  unparteiiseheu  und  mit  musterhafter  Sorgfalt  ge- 
arbeiteten «Niedersächsisch- dänischen  Kriege",  dass  Mans- 
feld sich  auch  nach  dem  böhmischen  Feldzuge  der  pfälzisch- 
protestantischen  Sache  keineswegs  rückhaltlos  und  uneigen- 
nützig gewidmet  habe  und  dass  seine  letzten  Thaten  nicht 
aus  jenem  genialen  Plane  entsprungen  seien ,  auf  welchen 
hin  Julius  Grossmann^)  ihm  den  Anspruch  auf  unvergäng- 
lichen Ruhm  zugebilligt  hatte. 

Unter  diesen  Streichen  Hessen  die  Achäer  ihren  Pa- 
troklus  entsetzt  zu  Boden  sinken  und  einer  aus  ihnen,  Julius 
Krebs,  zieh  in  seiner  trefflichen  Abhandlung  über  die  Schlacht 
am  Weissen  Berge  (S.  49)    Mansfeld  ungescheut   «gemeiner 


1)  E.  Fischer,  Des  Mansfelders  Tod  1878. 

2)  Geschichte  de8  dreiHsigjährigen  Krieges  III,  315  fg. 

8)  In  der  oben,  Seite  508  Anmerkung  1,  erwähnten  geistreichen 
Schrift,  welche  nur  übersah,  dass  das  Vernunftgemässe  nicht  immer 
das  geschichtlich  Wahre  ist  und  nicht  jede  Handlung  um  der  Folgen 
willen,  welche  sie  hat  oder  haben  könnte,  unternommen  wird. 


510     Nachtrag  z,  Sitzung  der  histor,  Classe  am  5.  Juli  1890. 

Schlechtigkeit  des  Characters* ;  ja  sogar  Uetterodt  wagte  in 
einem  Aufsatze,  welchen  er  in  der  „  Allgemeinen  Deutschen 
Biographie"  Mansfeld  widmete,  seine  frühere  Lobpreisung 
desselben ,  obwol  er  Gindelys  und  Opels  Werke  unbeachtet 
liess,  nicht  zu  wiederholen  und  beschränkte  sich  darauf,  die 
dunkelsten  Punkte  im  Bilde  seines  Helden  durch  Verschweigen 
oder  durch  irreführende  Redensarten  zu  vertuschen. 

So  ist  denn  im  Wesentlichen  der  Kampf  um  Mansfelds 
Beurteilung  zwischen  Achäern  und  Trojanern  beendet. 

Jene  werden  nun  wol  auch  nicht  mehr  geneigt  sein,  die 
„Acta  Mansfeldica*^,  wie  sie  es  früher  gethan  haben,  ohne 
weiteres  als  eine  verlogene  Schniähschrifk  zu  verwerfen, 
sondern  beachten ,  dass  deren  Verfasser  allerdings  von  er- 
bitterter und  schmähsüchtiger  Feindseligkeit  gegen  den  Mans- 
felder  durchdrungen  ist,  dass  er  jedoch  manche  arge  Be- 
schuldigung, welche  von  Plugblättern  seiner  Partei  erhoben 
war,  nicht  wiederholt^)  und  dass  er  mehrfach  ,  wo  er  sich 
leicht  mit  Erfindungen  helfen  gekonnt  hätte,  offen  sein  Nicht- 
wissen eingesteht,  also  seine  thatsächlichen  Angaben  guten 
Anspruch  auf  Vertrauen  besitzen  und  nur  auf  Irrtum  und 
Uebertreibung  hin  zu  prüfen  sind.  Wirklich  hat  denn 
auch  bereits  Uetterodt  Angaben  der  Acta,  welche  er  früher 
als  „alberne  Anklage"  abwies,*)  nunmehr  ohne  Bedenken 
wiederholt.^) 

Ebenso  wird  man  vermutlieh  in  Bezug  auf  den  Abfall 
Mansfelds  von  Erzherzog  Leopold  i.  J.  1610  zu  einheitlicher 
Beurteilung  gelangen.  Die  Rechtfertigungen  desselben,  welche 
Reuss*)  und  Uetterodt  früher  gegeben    hatten,    beruhen    auf 

1)  Das  hat  sogar  Uetterodt  schon  in  seinem  Buche:  Erneut 
Graf  zu  Mansfeld  I,  189  Anm.  29  bemerkt,  ohne  sich  freilich  in  seiner 
Beurteilung  der  Acta  beirren  zu  lassen. 

2)  A.  a.  0.  I,  23. 

3)  Allg.  D.  Biographie  20,  222  fg. 

4)  Rudolf  Reuas,  (iraf  Ern«t  von  Mansfeld  im  Böhmischen 
Kriege,  1865,  JS.  8. 


Stieve:  Ernst  von  Mamfeld.  511 

irriger  Darstellung  des  Herganges.^)  üetterodt  hat  nun 
allerdings  auch  noch  in  seinem  mehrerwähnten ,  1884  ver- 
öffentlichten Aufsatze  Mansfelds  Verhalten  zu  verteidigen  ge- 
sucht, indem  er  sagte:   ^Mit  einem  Gesuch  um  Ueberweisung 


1)  BeuB8  sagt  a.  a.  0.,  nachdem  er  Mansfelds  Gefangennahme 
durch  Solms  erwähnt  hat:  «Erzherzog  Leopold  weigerte  sich  trotz 
froherer  Verpflichtungen  sowol  des  gefangenen  Obersten  Lösegeld  als 
seinen  Truppen  den  versprochenen  Sold  zu  zahlen.  Umsonst  ver- 
suchte Mansfeld,  auf  Ehrenwort  freigelassen«  am  Hofe  zu  Brüssel  Ge- 
rechtigkeit zu  erlangen;  zuerst  mit  leeren  Vertröstungen  hinge- 
halten, dann  sogar  mit  Gewalt  aus  den  Niederlanden  verwiegen, 
kehrte  er  ins  Elsass  zurück,  wo  er  zu  seinen  übrig  gebliebenen 
Truppen  mit  erborgtem  Gelde  neue  warb,  um  Leopold  weiter  zu 
dienen.  Als  er  aber  statt  Geld  und  Ehre  von  diesem  nur  Hohn  und 
Beleidigung  empfing,  und  schliesslich  seine  Truppen  durch  Gewalt 
gezwungen  wurden,  ohne  auch  nur  einen  Heller  Sold  zu  erhalten, 
dem  Erzherzog  Treue  zu  schwören,  trat  der  erbitterte  Mansfeld  mit 
den  Unirten  in  Verbindung  und  ging  ...  über."  Vergleicht  man 
diese  Erzählung  mit  Mansfelds  , Bericht  und  Ausführung*,  so  ergibt 
sich  Folgendes:  Erzherzog  Leopold  verweigerte  nicht  das  Lösegeld, 
sondern  er  versprach  die  Zahlung;  er  leistete  sie  nur  nicht,  weil  er 
kein  Geld  hatte.  Von  dem  Solde  der  Truppen  konnte  keine  Rede 
sein,  weil  dieselben  teils  gefallen,  teils  geflohen,  teils  von  Solms  ge- 
fangen genommen  waren ;  die  Letzteren  hatte  Solms  entlassen,  nach- 
dem sich  Mansfeld  dafür  verbürgt  hatte,  dass  für  Jeden  ein  Monats- 
sold als  Ranzion  gezahlt  werden  solle;  nur  diese  Summe  forderte 
Mansfeld  neben  seinem  Lösegelde  von  Leopold.  Entlassen,  suchte  er 
nicht  zu  Brüssel  Gerechtigkeit.  Er  kam  überhaupt  nicht  dorthin  und 
Leopold  war  ja  auch  nicht  dem  Erzherzog  Albrecht  untergeben,  viel- 
mehr lehnte  dieser  damals  aus  Furcht  vor  Frankreich  jede  Beziehung 
zu  ihm  ab.  Dann  wurde  Mansfeld  nicht  aus  den  Niederlanden  als 
Hülfeflehender  verwiesen,  sondern  seiner  eigenen  —  allerdings  durch 
Villermonts  Forschungen  als  unwahr  erwiesenen  —  Angabe  nach  mit 
den  teils  von  ihm  geworbenen,  teils  von  Leopold  ihm  zugeschickten 
Truppen  aus  dem  Trierschen  durch  die  Sorge  vor  Angriffen  von 
Solms  und  Erzherzog  Albrecht  vertrieben.  Selbstverständlich  kehrte 
er  auch  nicht  ins  Elsass  zurück,  da  er  dort  noch  nie  gewesen  war. 
Femer  warb  er  nicht  erst  dort  seine  Truppen.  Ueber  den  Hohn  und 
die  Beleidigung,   welche  er   von   Leopold  empfangen  habe,  wird  so- 


512^  Nachtrag  z.  Sitzung  der  histor,  Classe  am  5.  Juli  1890. 

einzelner  Besitzungen  aus  dem  reichen  väterlicfaen  Nachlass 
oder  überhaupt  der  Priedeburger  Linie  des  Mansfelder  Hauses 
schnöde  abgefertigt  und  ebenso  wegen  vorgeschossener  Werbe- 
gelder höhnisch  zurückgewiesen ,  trat  er  zur  Zeit ,  wo  die 
Union  i.  J.  1610  ihre  Streitkräfte  in  den  Elsass  rücken  Hess, 
rasch  entschlossen  zu  dieser  letzteren  über.*^)  Diese  Be- 
gründung ist  indes  wiederum  nicht  stichhaltig. 

Auf  das  Erbe  seines  —  übrigens  im  höchsten  Masse 
verschuldeten  —  Vaters  hatte  Mansfeld  nach  dessen  Testament 
und  als  nicht  legitimierter  Bastard  nicht  den  mindesten  An- 
spruch und  seine  Abweisung  war  also  keine  schnöde,  sondern 
eine  völlig  berechtigte.     Empfindlich  wird  sie  ihm  allerdings 


gleich  oben  zu  sprechen  sein ;  die  betreffenden  Ereignisse  trogen  sich 
aber  zu,  ehe  Mansfeld  nach  Zabem  kam.  Von  seinen  Truppen  er- 
hielten die  Gemeinen  nach  der  Vereidigung  einen  halben  Monatssold. 
Endlich  leistete  auch  Mansfeld  den  Treuschwur,  was  aus  Reuss  Worten 
wol  Niemand  entnehmen  wird.  In  dessen  Erzählung  ist  mithin  das 
Meiste  falsch.  Die  Mitteilungen  bei  üetterodt  I,  37  fg.  zeigen 
ebenfalls  eine  Reihe  von  Unrichtigkeiten.  Ich  hebe  nur  die  stärkste 
hervor.  S.  42  berichtet  üetterodt:  ^Ala  nun  unmittelbar  darauf  der 
Fahneneid  abgenommen  werden  sollte,  murrend  die  Seinigen  erst 
vollständige  Soldzahlung  forderten  und  Krichingen  den  Widerspän- 
stigen  mit  Gewalt  und  Standrecht  drohte,  zauderte  Mansfeld  nicht 
länger,"  überzugehen.  In  einer  Anmerkung  zu  dem  Satze:  „Als  .  .  .  . 
sollte/  Hagt  üetterodt  weiter:  ,Also  stellt  Mansfeld  den  Thatbestiind 
dar.  Im  Widerspruche  damit  behauptet  Villerniont,  der  Fahneneid 
sei  von  Mansfeld  und  seiner  ganzen  Mannschaft  geleistet  worden.* 
Nun  sagt  aber  Mansfeld  mit  gar  nicht  misszuverstehenden  Worten 
und  zwar  zweimal,  dass  er  und  seine  Truppen  gezwungen  worden 
seien,  sich  mustern  zu  lasssen  und  zu  schwören.  Der  Behauptung 
üetterodts  könnte  man  daher  mit  gutem  Rechte  die  Frage  entgegen- 
halten, welche  er  a.  a.  O.  Anni.  41  an  eine  andere  —  ebenfalls  dem 
Herichte  Mansfelds  entsprechende  —  Bemerkung  Villermonts  knüpft: 
„Erkennt  man  nicht  blindeste  Parteiwut,  ja  Mangel  an  Logik  in 
jenen  Worten?** 

1)  Allg.  D.  Biographie  20,  323. 


Stieve:  Ernst  vofi  Mansfeld,  513 

gewesen  ^ein ,  indes  in  dem  Bericht,*)  wodurch  er  seinen 
Abfall  zu  rechtfertigen  suchte,  versicherte  er,  dass  er  bereit 
sei,  für  Erzherzog  Albrecht  zu  sterben,  und  in  keinem  Falle 
konnte  er  für  eine  von  diasem  erfahrene  Abweisung  den 
Erzherzog  Leopold  verantwortlich  machen ,  welcher  nicht 
einmal  mit  Albrecht  im  Bundesverhältnisse  stand.  Er  redet 
denn  auch  in  dem  Bericht,  obwol  er  oflFenbar  mühsam  nach 
Gründen  für  seinen  Abfall  sucht,  von  der  Erbfrage  mit  keiner 
Silbe  und  auf  sie  darf  man  sich  also  zu  seiner  Rechtfertigung 
nicht  berufen. 

Was  sodann  den  zweiten  von  Uetterodt  berührten  Punkt 
betriflPb,  so  handelte  es  sich  nicht  um  vorgeschossene  Werbe- 
gelder, sondern  um  Erstattung  der  Kosten,  welche  Mansfeld 
auf  die  Werbung  eines  Teiles  seiner  Truppen  verwendet 
hatte,  um  Bezahlung  des  rückständigen  Soldes  für  ihn  und 
seine  Soldaten  und  um  Beschaffung  der  „Ranzion,*  zu  welcher 
er  sich  verpflichtet  hatte,  als  der  brandenburgische  Befehls- 
haber in  den  jülicher  Landen,  Graf  Solms,  ihn  aus  der  Ge- 
fangenschaft, worein  er  geraten  war,  entliess.  Die  Summe, 
welche  er  forderte,  war  also  jedenfalls  eine  sehr  beträchtliche. 
Das  ist  indes  von  untergeordneter  Bedeutung.  Uetterodt  legt 
ohne  Zweifel  das  Hauptgewicht,  wie  er  es  schon  in  seinem 
Buche  gethan  hat,^)  darauf,  dass  Mansfeld  höhnisch  abge- 
wiesen worden  sei,  und  denkt  dabei  daran,  dass  Erzherzog 
Leopold  Mansfeld  gefragt  hatte,  ob  er  schon  die  Ranzion 
an  Solms  bezahlt  habe,  da  dieser  sonst  seinen  Namen  an 
den  Galgen  schlagen  lassen  wolle. 

Das  nun  war  nach  Mansfelds  Bericht  viele  Wochen  vor 
seinem  Zuge  nach  dem  Elsass  bei  einer  Unterredung  mit 
dem  Erzherzog  geschehen  und  Mansfeld   erzählt  davon  ohne 


1)  Den  vollen  Titel  8.  bei   E.  Fischer:   De  Ernesti   coniitin  de 
Mansfeld  apolo^iis  et  de  Actis  Mansfeldicis.  2  fg. 

2)  Vgl.  daselbst  I,  42  Anni.  42. 


514     Kachtrag  z,  Sitzung  der  JUstor,  Glosse  am  5.  Juli  1890, 

iede  Gereiztheit,  bemerkt,  dass  er  den  Erzherzog  an  dessen 
frühere  Zusagen ,  die  Ranzion  zu  bezahlen,  erinnert  habe, 
und  schliesst  mit  dem  gleichmütigen  Satze:  ,Darbei  es  aber 
selbiger  Zeit  verblieben/  Offenbar  hatte  er  die  Frage  des 
Erzherzogs  nicht  als  Hohn  aufgefasst,  wie  denn  auch  dessen 
ganze  Lage  nicht  danach  angethan  war,  sich  solchen  Hohn 
gegen  einen  seiner  Truppenführer  zu  erlauben. 

Ebensowenig  sieht  Mansfeld  einen  Schimpf  darin ,  dass 
Leopold ,  als  er  auf  der  Reise  nach  Prag  in  seiner  Nähe 
vorbeizog,  einen  Furier  Mansfelds  zurückhalten  liess,  damit 
dieser  ihn  nicht  aufsuchen  und  sich  beklagen  könne.  Der 
Erzherzog  selbst  aber  liess  durch  den  Furier  Mansfeld  sagen, 
er  solle  binnen  vierzehn  Tagen  völlig  bezahlt  werden.  Er 
wollte  also  denselben  begütigen  und  Mansfeld  wartete,  wie 
er  sagt,    sechs  Wochen    lang  auf  die  Erfüllung  der  Zusage. 

Die  beiden  erwähnten  Vorgänge  können  mithin  un- 
möglich Mansfelds  Abfall  veranlasst  haben ,  weil  er  selbst 
sie  nicht  als  Ursachen  desselben  bezeichnet,  und  sie  können 
ihm  überhaupt  nicht  als  Beleidigungen  erschienen  sein,  weil 
er  das  sonst  mit  Nachdruck  hervorgehoben  haben  würde. 
Er  wirft  dem  Erzherzoge  nur  vor ,  dass  dieser  die  ver- 
sprochenen Zahlungen  nicht  geleistet  habe. 

Den  Gedanken  an  Abfall  lässt  er  erst  dadurch  ent- 
stehen, dass  ihm  in  Zabern,  nachdem  er  zunächst  freundlich 
aufgenommen  worden ,  die  Musterung  seiner  Truppen  von 
dem  Befehlshaber  der  erzherzoglichen  Truppen  im  Elsass, 
Kriechingen,  mit  verletzenden  Redensarten  verweigert  worden 
sei.  Die  Ausführung  des  Planes  aber  wurde  seiner  Angabe 
zufolge  dadurch  veranlasst,  dass  Kriechingen  ihn  zur  Musterung 
und  zum  Treueide  zwang,  die  von  ihm  zur  Bedingung  ge- 
machte Bezahlung  der  Soldrückstände  nur  in  ungenügendem 
Masse  leistete  und  die  Soldaten  zu  meutern  drohten. 

Nehmen  wir  nun  an .  dass  Mansfelds  Erzählung  der 
Wahrheit  völlig  entspreche,  so  erscheint  die  erste  Anknüpfung 


Stieve:  Ernst  von  Matisfeld.  515 

mit  den  linierten  durchaus  nicht  als  gerechtfertigt.  Maus- 
feld hatte,  wie  er  selbst  erzählt,  einen  Teil  seiner  Truppen 
von  Leopold  erhalten  und  die  anderen  hatte  er  nicht  als 
Privatmann  geworben,  sondern  auf  Grund  der  ihm  von  Leo- 
pold erteilten  Bestallung.  Er  stand  also  zu  dem  Erzherzog 
in  einem  regelrechten  Dienstverhältnisse  und  hatte  seiner 
eigenen  Erzählung  zufolge  nach  der  Bildung  seines  Heer- 
haufens Leopolds  Befehle  über  dessen  Verwendung  eingeholt 
und  befolgt.  Kriechingen  aber  verweigerte  die  Musterung, 
weil  er  zu  daren  Vornahme  von  Leopold  keinen  Auftrag 
habe.  Dass  nun  eine  solche  Erklärung  eines  Generals  Mans- 
feld  nicht  seiner  Dienstpflicht  gegen  den  obersten  Kriegs- 
herrn entband,  ist  doch  wol  unzweifelhaft.  Die  erste  An- 
knüpfung mit  den  linierten  bildete  mithin  auch  nach  seiner 
eigenen  Darstellung  einen  schnöden  Verrat. 

Den  Abfall  selbst  begründet  er  damit,  dass  er  den  Treu- 
eid nur  unter  der  Bedingung  völliger  Soldzahlung  geleistet 
und  sich  daher  an  denselben  nicht  gebunden  erachtet 
habe,  als  den  gemeinen  Soldaten  nur  der ^ halbe  Sold  und 
ihm  sowie  den  OflFizieren  gar  nichts  bezahlt  worden  sei. 
Diese  Auffassung  mag  vom  juristischen  Standpunkte  aus  viel- 
leicht gebilligt  werden  können.  Ob  sie  vor  dem  Gefühl  für 
Sittlichkeit,  Ehre  und  Wahrheit  bestehen  kann,  mag  Jeder 
nach  dem  Masse,  worin  er  mit  diesem  Gefühle  ausgestattet 
ist,  entscheiden.  Dem  Soldaten  brauche  der  Zeit  entsprach 
sie  schwerlich.  Mir  wenigstens  ist  vor  der  zweiten  Hälfte 
des  dreissigjährigen  Krieges  kein  Beispiel  bekannt,  dass  wegen 
nicht  geleisteter  Soldzahlung,  welche  so  überaus  häufig  und 
oft  in  ungleich  grösserem  Umfange,  als  es  hier  der  Fall  war, 
vorkam,  ein  Heerführer  mit  seinen  Truppen  im  oflFenen  Kriege 
zum  Feinde  übergegangen  wäre.  Die  Soldaten  und  zuweilen 
auch  die  niederen  Offiziere  meuterten  dann  wol ,  die  Ober- 
offiziere aber  bemühten  sich  stets  zu  beschwichtigen.  Nicht 
einmal  der  Fall  ist  meines  Wissens  vorgekommen ,    dass  ein 


."iU'     NncMmii  t.  tjiUun'j  ilrr  kUtiT.  flasfe  'im   5,  Jnli  (WO. 

Oberst  oder  Generul  seine  BestBlliing  aiifgepagt  liütte  und 
dann  abgezogen  wäre.  In  hohem  Masrte  erechwerend  ist 
obendrein  bei  Munsfeld  der  llmstaiid,  dais  er  er^^t  weiti^ 
Tttge  vorher  den  Eid  geleistet  und  Geld  für  seine  Soldul«n 
empfangen  hatte.  Wie  wenig  unter  solchen  Voraussetzungen 
ein  üebergang  tarn  Feinde  mit  den  gewöhnlichen  Anschau- 
ungen von  Soldtttenehre  vereinbar  war.  beweist  die  That- 
Rache,  dass  Krieehingen  jenen  nun  nicht  mehr  für  möglich 
hielt,  i'bwol  er  von  den  frliberrn  Verhandlungen  MansfMda 
mit  Ansbach  Kenntnis  besass.  Man^feld  «Ibst  vermeidet 
denn  anch  in  meinem  Berichte  sorgfältig,  zu  bekennen,  dass 
er  seine  Truppen  Kiini  Feinde  (lV>eriilbrte.') 

Das  abo  ist  das  Ergebnis,  wenn  wir  Mansfelds  Bericht 
als  völlig  glaubwürdig  betrachten.  Weit  schliitimer  noch 
erscheint  aber  sein  Verschulden .  wenn  der  üebcrgang  mri 
in  der  Weise  vollzog,  wie  ihn  eine  hei  Viüermont  I,  BS  aus- 
gezof^ene  brdsseler  Hand«chrift  schildert,  und  er  seine  Truppen 
ohne  ihr  Wissen  und  wider  ihren  Willen  hinterlistig  /.nm 
Treubruche  zwang.  Jene  Erzühlnng  aber  wird  in  hohem 
Grade  wahrscheinlich  gemacht  durch  einen  Bericht  der  Mark- 
grafen von  Ansbach  und  Baden  seibut,  welche  melden, 
dass  sie  auf  Mansfelds  AnüPige,  er  wolle  unter  dem  Vor- 
wande  eines  Handstreiches  gegen  Dachstein  zu  ihnen  flber- 
gehen,  einen  Hinterhalt  gelegt  hiitt-en  ,  um  ihn  alsbald  um- 
ringen zu  können,  und  daas  der  Rittmeister  Wnssenburg  am 
1.3.  August  mit  einem  Teil  seiner  CompE^^nie  zu  den  Ent- 
herBOgtichen  zurückgekehrt  sei. '"l    Ja,  wenn  die  Fflr»t,<Mi  utgiea, 


A 


II  Uati  iit  oline  Zwpird  die  Unu^b(^  ilervoc  KiacliFr  ApoUifT- " 
tferObmtan  .Miiavi^unit.*  Uer  ifiuae  IterJi'ht  Mnn«felU>  ilOrflv  dun 
lliilittfnnKeiien  ürn  Kindnick  machMi,  daat  er  aua  «chledit-em  UewiHoi 
KnUpiang. 

2)  Ritt.nr,  ßri^f'e  iin<)  Actim  xiir  Oitschiuhti?  dfj  dreiHiiKJIbrijreB 
Kriegr»  111.  890  U-  Matufcld  cernchweigt  in  »'innin  .B«-rii:lit*.  itm 
tuit  WoMenbnrK  <-')»  Teil  sainer  Soldaten  at>KOK- 


Stiere:  Ernst  von  Mansfeld.  517 

60^)  bei  Mansfeld  gewesene  Reiter  Krieehingens  seien  ohne 
Lösegeld  entlassen,  „dammb  das  sie  uf  gemelten  gravens  wort 
mitkommen/  so  lässt  sich  kaum  die  Annahme  ablehnen,  dass 
Mansfeld  vor  seinem  Aufbruche  sein  Wort  verpfändet  hatte, 
er  wolle  nicht  übergehen.  In  jedem  Falle  ist  es  gewiss,  dass 
er  seinen  Abfall  durch  trügerische  Vorspiegelungen  ermög- 
lichte. Liess  er  doch  nach  dem  Berichte  der  Markgrafen 
auch  sein  Gepäck  in  Zabern  zurück. 

Nach  den  Acta  Mansfeldica  S.  8  fg.  wurde  übrigens 
der  Abfall  Mansfelds  dadurch  veranlasst,  dass  man  ihm  von 
Seite  des  bei  Zabern  vereinigten  Heeres  nicht  die  von  ihm 
beanspruchte  Stellung  als  Oberst  zugestehen  wollte.  Wenn 
man  erwägt,  dass  ihm  1606  diese  Würde  wegen  des  verun- 
glückten Handstreiches  gegen  Sluys  durch  kriegsgerichtliches 
Urteil  abgesprochen  und  er  dann  nach  vorübergehender  Ver- 
wendung als  Capitän  ohne  Wartegeld  entlassen  worden  war,*) 
so  wird  man  eine  solche  Verwahrung  altgedienter  und  vor- 
nehmer Offiziere  gegen  seine  Ansprüche  nicht  unwahrscheinlich 
finden,  und  wenn  man  sich  vergegenwärtigt,  wie  ehrgeizig 
und  eitel  sich  Mansfeld  später  erweist,  so  wird  man  geneigt 
sein,  in  diesem  Zwiste  die  wahre  Ursache  seines  Abfalls  zu 
erblicken. 

Dass  er  denselben,  wie  die  vorhin  erwähnte  brüsseler 
Handschrift  und  die  Acta  Mansfeldica')  berichten,  bereits  in 
Düren  verabredet  habe,  erscheint  jedenfalls  nicht  glaub- 
würdig. Nach  seiner  Befreiung  liess  er  zu  Bastogne  An- 
fangs Mai  1610  auf  die  Nachricht,  ,dass  der  Feind  zwei 
französische    Soldaten    ausgeschickt   habe,    um    seine   Streit- 


1)  Mansfeld  spricht  in  seinem  , Bericht*  übertreibend  von  150. 
Nach  dem  Schreiben  der  Markgraten  war  sein  Volk  überhaupt  nicht 
so  stark,  wie  man  früher  annahm,  sondern  bestand  nur  aus  vier 
Compagnien  Reiter  und  ungefähr  400  Mann  z.  F. 

2)  Villermont  I,  22  fg.  66  und  II,  874. 

3)  Villermont  I,  60  und  Acta  8  fg. 


518     Nachtrag  z,  Sitzung  der  histor.  Classe  am  5.  Juli  1890. 

kräfte  und  seine  Pläne  zu  erforschen/  einen  durchreisenden 
Franzosen  verhaften.^)  Unter  dem  Feinde  können  nur  die 
linierten  oder  die  Franzosen  selbst  verstanden  sein;  wie  aber 
sollte  Mansfeld  zu  einer  Feindseligkeit  gegen  diese  veranlasst 
worden  sein,  wenn  er  sich  bereits  im  geheimen  Einverständ- 
nisse mit  Solms  befand?  Die  Absicht,  den  brüsseler  Hof 
über  seine  Pläne  zu  täuschen,  kann  nicht  vorausgesetzt  werden, 
denn  er  rausste  wissen,  wie  ängstlich  jener  damals  ein  Zer- 
wörfniss  mit  Frankreich  zu  vermeiden  suchte  und  welches 
Missfallen  daher  seine  Massregel  erregen  musste.  Er  wurde 
ja  auch  wegen  derselben  sogleich  von  dem  belgischen  Be- 
fehlshaber Bastognes  verhaftet  und  vom  brüsseler  Hofe  nur 
unter  der  Bedingung  sofortigen  Abzuges  freigegeben.  Ein 
zweiter  Umstand,  welcher  gegen  die  dörener  Verabredung 
spricht,  ist  ferner  der,  dass  Mansfeld  nicht  zu  den  Unierten 
überging,  als  er  aus  dem  Luxemburgischen  durch  belgische 
Truppen  vertrieben  wurde.  Daraals  hätte  er  den  Abfall 
leicht  und  sicher  vollziehen  können.  Was  sollte  ihn  be- 
wogen haben,  erst  nach  dem  Elsass  zu  ziehen?  Einen  Vor- 
teil für  sich  konnte  er  nicht  davon  erwarten  und  die  Ver- 
einigung mit  den  überlegenen  Streitkräften  Kriechingens 
musste  die  Ausführung  seines  Planes  erschweren.  Wäre 
jener  nicht  durch  Mansfelds  Eidesleistung  getäuscht  worden, 
so  hätte  er  in  der  That  dessen  Abfall  doch  ebenso  gut  mit 
Gewalt  hindern  gekonnt,  wie  er  den  Treuschwur  erzwang. 
Wenn  Villermont  I,  64  ohne  Quellenangabe  berichtet,  der 
Markgraf  von  Brandenburg  habe  Mansfeld  in  Zabern  an  das 
zu  Düren  gegebene  Versprechen  erinnert,  so  hat  er  das  wol 
der  mehrfach  erwähnten  brüsseler  Handschrift  entnommen, 
diese  aber  nur  ihre  früher  ausgesprochene  Vermutung  weiter 
ausgesponnen. 

Ich  gehe  auf  diese  Dinge  nicht  näher  ein,    da  bei  dem 

1)  Villermont  f,  (Jl. 


Stieve:  Ernst  von  Mansfeld.  519 

jetzigen  Stande  unserer  Kenntnisse  eine  sichere  Entscheidung 
doch  nicht  zu  erreichen  ist.  Meine  Absicht  ist  hier  über- 
haupt nicht  auf  eine  eindringende  und  erschöpfende  Be- 
trachtung der  Geschichte  Mansfelds,  sondern  nur  darauf  ge- 
richtet, die  Erörterung  einiger  auf  sie  bezüglichen,  noch 
ungelösten  oder  nicht  beachteten  Fragen  anzuregen. 

Zu  diesen  gehört  auch  folgende.  Im  August  1618  wird 
uns  mitgeteilt,  dass  Mansfeld  dem  Markgrafen  von  Ansbach 
50000  Gl.  geliehen  habe  und  für  100000  GL  Güter  kaufen 
woUe.^)  Woher  stammte  diesesfür  jene  Zeit  sehr  bedeutende 
Vermögen?  Es  ist  selbstverständlich,  dass  Mansfeld  es  nicht 
an  dem  kümmerlichen  Wartegelde,  welches  er  von  der  Union 
bezog,  oder  an  der  Besoldung,  welche  er  während  seiner 
Kriegsdienste  für  Herzog  Karl  Emmanuel  von  Savoyen 
empfing,  ersparte.  Nicht  wahrscheinlich  ist  es  ferner,  dass 
er  es  1010  im  elsässer  oder  dann  im  italienischen  Kriege 
erbeutete,  denn  wie  in  ersterem,  so  hatte  er  auch  wol  in 
letzterem,  wo  er  eine  höchst  unbedeutende  Rolle  gespielt 
haben  muss,  schwerlich  Gelegenheit,  so  grosse  Summen  zu 
erpressen  und  zu  rauben,  und  im  dreissigjährigen  Kriege 
zeigt  sich  nicht,  dass  er  es  verstand,  Beutegewinn  dauernd 
zu  behalten.  Endlich  ist  die  Summe  zu  gross,  um  daran  zu 
denken,  dass  er  sie  am  Solde  der  4000  Knechte,  die  er  seit 
1617  für  Karl  Emmanuel  in  Werbegeld  zu  halten  hatte, 
unterschlagen  hätte.  Könnte  sie  aber  nicht  der  Preis  und 
zugleich  das  Mittel  sein,  wofür  und  wodurch  Mansfeld  dem 
Herzoge  von  Savoyen  zur  böhmischen  und  zur  deutschen 
Krone  verhelfen  sollte?  Wir  wissen  ja,  dass  Mansfeld  die 
Verbindung  des  Herzogs  mit  der  Union  vermittelte  und  dass 
er  dabei  nicht  von  Eifer  für  diese  oder  gar  den  Kurfürsten 
von  der  Pfalz  geleitet  wurde,  sondern  den  Wünschen  Karl 
Emmanuels   zu   dienen   suchte.     Wir  wissen   ferner,    dass  er 

1)  Der  linierten  Protestierenden  Archif,  Appendix  282. 


."»20      Nnthlmii  t.  Sitiunij  ifcr   hiMor.  Ulaitae  am  ä.  Ju't  ISSfß. 

während  der  Verhandlungen  tou  dem  Herzoge  mit  Geld  uod 
Lehenagütern  begabt  wurde,  und  dasa  ihn  eine  besoniler« 
VerpSicbtuug  an  jenen  kiiQpfte.  sohHnl.  uns  der  ThutMielie 
zu  erhellen.  diu>s  Mansfeld  uach  dem  Scheitern  des  BündniMes 
7.wiachen  der  Union  und  tfavoyen  mit  zäher  Beharrlichkeit 
Karl  Emniuniiels  Wiihl  zum  bohinitu-ben  Könige  beffirwurlcto. 
Üie&  Unternehmen  war  von  vornherein  zu  Htie«icbtslos.  sl» 
duas  wir  annehmen  dürften,  Mausfeld  Hei  dazu  durch  die 
Berechnung  bewogen  worden,  dass  er  von  dem  Uunttigu 
grössere  Förderung  zn  envarten  habe  als  von  dem  ihm  ab- 
geneigten Kurttirsten  von  der  Pfalz.  Diesen  aber  gejjten  sich 
herauszufordern,  konnte  ihn  schwerlich  Ulm:'  die  Dankbarkeit 
dafür,  dass  Savnyen  einen  Tlieü  seiner  Trn]>peo  zu  bi-solden 
vereprochen  hatte,  veranlacuen.  War  doch  dieaem  Versprechen, 
wie  es  scheint,  nur  st-hr  nnvollkonimen  erfüllt  worden  linH 
lag  doch  flberschwänglicbe  Dankbarkeit  keineswegs  im  Wesen 
des  Mausfelders.  Es  drängt  sich  al^o  die  Vermutung  anf, 
dass  dessen  Verbalten  mit  jenem  Vermögen  xuäHmnienhüngt. 
in  dessen  Besitz  wir  ihn  bald  nach  dem  Beginne  der  Vr.t- 
handlungen  zwischen  ^^avoyen  und  der  Union  finden. 

Nehmen  wir  aber  einen  soli.'ben  Zusammenhang  an.  so 
bietet  sich  ein  neuer  Gesichtspunkt  Tür  die  ÄuS'aüsutig  der 
Stellung,  welche  Mnn«feld  in  jenen  Verhandlungen  einnahm. 
Sie  bedürfen  indes  Oberhaupt  einer  nochmaligen  eindringenden 
ErürterUQg  und  eine  solche  wCirde  hier  zu  weit  fuhren. 

Ich  wende  mich  daher  zu  der  Frage,  ob  Mun^ifeld  «iah 
in  den  Jahren  1020  bis  ll>22  wirklich  immer  wieder  kuib 
Abfall  von  der  die  HaUhurger  bekämpfenden  Partei  bereit 
erwiea,  wie  man  da«  seit  Gindelys  Mitteilung  über  ilie  pilsener 
Verhandtungen  mit  Herzog  Maximilian  von  Bayern  und 
Bucquoi  annimmt, 

Man  musa  zugeben,  da§B  sich  einem  oolchen  Verrat« 
in  Munst'eld  weder  Begeisterung  für  den  l^it&ttantUmus, 
zu    welchem    er    flii:b    nicht    bekiilinte,    noch    Eiffr    ftlr    i» 


Stkve:  Ernst  wm  Mansfeld,  521 

^deutsche  Freiheit*,  welche  ihm,  dem  Fremdlinge,  nicht 
am  Herzen  liegen  konnte,  entgegenzustellen  vermochten, 
und  ebensowenig  war  sein  Ehrgefühl  fähig,  ihn  zurückzu- 
halten, da  er  ja  i.  J.  1610  thatsächlich  unter  offenem  Eid- 
bruche abfiel,  1621  den  mit  Baiem  abgeschlossenen  Vertrag 
schmählich  brach  und  fort  und  fort  den  Schein  verräterischer 
Absichten  auf  sich  lud.  Idealismus  und  Edelsinn  wohnten 
überhaupt  nicht  in  seiner  Brust.  Sein  Lebensgang  hatte 
ganz  andere  Triebe  in  ihm  grossgezogen. 

Seine  Kindheit  hatte  er  am  Hofe  seines  Vaters  zuge- 
bracht. Dessen  lockeres  und  üppiges  Leben  und  das  Ver- 
hältnis seiner  Mutter  zu  dem  greisen  Vater,  bei  welchem 
sie  unverheiratet  weilte,  waren  nicht  geeignet,  sittliche  An- 
schauungen in  ihm  zu  pflanzen  und  zu  entwickeln.  Vor 
allem  aber  musste  seine  eigene  Stellung  schädlich  auf  ihn 
einwirken.  Das,  was  er  sah,  und  die  Kenntnis  seiner  Ab- 
stammung mussten  in  ihm  unablässig  lebhafte,  auf  Genuss, 
Glanz  und  Ehre  gerichtete  Wünsche  und  Ansprüche  erwecken; 
sein  Vater  aber  liess  ihn  unter  seinen  EMelknaben  wie  Einen 
aus  diesen  erziehen  und  als  er  einmal  den  Wappenspruch 
des  Fürsten  in  seine  Bücher  einschrieb,  wurde  ihm  mit  der 
Reitpeitsche  klar  gemacht,  dass  er  sich  nur  als  Bastard  zu 
betrachten  habe.  Schon  in  seinem  sechzehnten  Jahre  nahm 
ihn  dann  sein  Halbbruder,  Fürst  Karl  von  Mansfeld,  mit 
nach  Ungarn  in  den  Türkenkrieg.  Auch  da  musste  sich 
seine  Zwitterstellung  geltend  machen  und  dazu  gesellten 
sich  nun  die  Einflüsse  des  wüsten  Lagerlebens.  Nach  seiner 
Rückkehr  äusserten  sich  dieselben  in  übermütig-roher  Qewalt- 
thätigkeit  und  unanständigem  Schuldenmachen ,  und  als  er 
wieder  in  den  Türkenkrieg  zog,  wurde  ihm  zwar  —  ohne 
Zweifel  aus  Rücksicht  auf  seine  Abstammung  —  ehrende 
Bevorzugung  zuteil ,  aber  bald  nötigte  ihn  ein  für  ihn  sehr 
schimpflich  endender  Handel,  wieder  die  Heimat  aufzu- 
suchen.    Dort  wurde  er  auf  Fürsprache  seines  Vaters,   erst 

1800.  Philos.-philol.  u.  bist.  CI.  II.  3.  35 


522     Niiebtrag  t.  Süiung  J^r  hiuior.  Clasne  am  S.  Jaii  IStHK 

24  Jahre  alt  zum  Obersten  befördert,  indee  twach  wurde 
ihm  sein  Kegimeut  —  wie  es  scheint,  weil  er  nicht  Zucht 
zu  halten  wusstt^  —  wieder  entzogen  und  nach  neuer  Ver- 
leihung eines  solchen  wurde  ihm  die  Obersteiiwnrde  -lelbst 
abgesprochen  und  zwar  durch  ein  kriegNgerichtliches  Urteil. 
welche§  die  i^ffeiitliche  Meinung  aXn  ungerecht  beKeichnete 
und  wodurch  er  daher  um  »>  tiefer  verletzt  werden  musste. 
Nur  als  Hauptmann  wurde  er  später  wieder  Terweud«t,  doch 
auch  diesmal  rasch  entlassen,  konnte  er,  da  die  Verhand- 
lungen über  einen  Wafi'en  still  stand  zwi«chün  den  Spaniern 
und  den  Holländern  in  Fluss  kamen,  nicht  einmal  ein  Warte- 
geld erhalten,  während  sich  nirgends  sonst  mehr  iielcgenheit 
zu  Kriegsdiensten  bot.  Inzwischen  war  auch  sein  Vater  ge- 
storben und  hatte  ihm  nur  ein  gerinp^fs  Jahrgeld  vennacfat. 
Dürftig  stand  »Iso  Mansfeld  vor  einer  Zukunft,  welche  ihm  keine 
Änssichten  bot,  du  er  für  einen  anderen  Beruf  als  den  d« 
Soldaten  weder  Vorbildung  noch  Neignng  besass.  Wie  es 
scheint,  fand  er  am  Hofe  des  Nachfolgern  seines  Vaters  eine 
untergeordnete  Stellung  und  musste  also  dort  lüeneu.  wo  er 
täglich    an   die  Ansprüche  seines  Blutes  erinnert  wurde. 

Solche  Schicksale  waren  fUrwahr  geeignet ,  durch  den 
Wechsel  zwischen  Bevorzugimg  und  DeiuHtigung,  zwischen 
Verlangen  und  Erfüllung  in  einem  dazu  veranlagten  Charakter 
masslosen  Ehrgeiz  und  l)edenkenlose  SetbsUucht  zu  entwickeln, 
zumal  die  Leliensfiihrung ,  woran  Munsfeld  als  Knabe  und 
Jüngling  teilnahm,  sittlichen  Ernst  nicht  in  ihm  groaszieheu 
konnte.  Jene  Leidenschaften  riehen  wir  denn  auch  oht 
betitimmeude  Kräfte  im   Leben  Mansfeldi«  walten. 

Konnten  aber  nun  sie  ihn  zum  Abfall  von  der  Partei,  welefa« 
er,  vermutlich  durch  nie  getrieben,  i.  J.  Hilf'  ergritteii  hatte,  ho- 
stimmen?  Die  Antwort  muss,  glaube  ich,  verneinend  lauten. 
Allerdings  wurden  ihm  von  katfaolisch-halu<burgi»>cheräeit.e  für 
den  Pnll  seiner  Klickkehr  die  gliinzcnd«ten  Anerhir>tnngFfi 
gemacht.    Konnte  man  ihm  indes  in  jenem  Lager  wohl  nocli 


Stieve:  Ernst  von  Mansfeld.  523 

jemals  vertrauen?  Ihm,  welcher  als  Katholik  und  Offizier 
Leopolds  im  offenen  Kriege  zu  den  Protestanten  übergegangen 
war;  ihm,  welcher  jetzt  auch  diese  verraten  zu  wollen,  erklärte; 
ihm,  welcher  in  den  Verhandlungen  seit  1620  Täuschung  auf 
Täuschung  häufte!  Es  musste  unstreitig  den  Spaniern  und 
dem  Kaiser  geboten  erscheinen,  Mansfeld  nach  seiner  Rück- 
kehr stets  argwöhnisch  zu  überwachen  und  sich  bei  erster 
Gelegenheit  seiner  zu  entledigen.  Eine  solche  Gelegenheit 
aber  konnte  sich  bald  genug  bieten,  wenn  durch  seinen  Abfall 
der  Sieg  der  katholischen  Waffen  ein  vollständiger  wurde. 
Schlug  dagegen  das  Glück  zu  Gunsten  der  Protestanten  um, 
so  war  Mansfeld  ganz  sicher  verloren,  wenn  er  sie  vorher 
verraten  hatte.  Alles  das  war  dem  scharfsichtigen  Manne  ohne 
Zweifel  klar  und  durch  einen  Vertrag  konnte  er  sich  den  Habs- 
burgem  gegenüber  nicht  für  gesichert  halten,  denn,  wer  selbst 
keine  Treue  besitzt,  glaubt  auch  nicht  an  solche. 

Wir  dürfen  also  annehmen,  dass  alle  Verhandlungen 
Mansfelds  nur  bezweckten,  die  Gegner  zu  täuschen  und  sich 
aus  gefahrlichen  Lagen  zu  befreien.  Thatsache  ist,  dass  er 
sie  stets  in  dieser  Weise  ausnützte,  und  ein  Beweis,  dass  er 
sie  von  vornherein  in  solcher  Absicht  anknüpfte,  scheint 
mir  in  Bezug  auf  den  Vertrag,  welchen  er  Anfang  Oktober 
1621  mit  Baiern  abschloss,  also  in  Bezug  auf  den  einzigen 
Vertrag,  den  er  wirklich  zustande  kommen  Hess,  darin  vor- 
zuliegen, dass  er  schon  drei  Wochen  vorher  den  Strassburgern 
ankündigte,  er  werde  ins  Elsass  kommen,^)  und  dass  ihm  eben 
jener  Vertrag  die  Möglichkeit  zur  Verwirklichung  dieser  An- 
kündigung verschaffte.  Dass  die  späteren  Verhandlungen 
mit  belgischen  Abgeordneten  lediglich  Täuschung  bezweckten, 
hat  schon  Opel  vermutet  und  mit  guten  Gründen  unterstützt. 

Man  dürfte  mithin  dem  Mansfelder  doch  einigem] assen 
Unrecht  gethan  haben,   wenn   man  ihm   ernstliche  Verrais- 


1)  Opel  I,  285. 

86^ 


524     Nachtrag  z,  Sitzung  der  histor.  Classe  am  5.  Jttli  1890. 

gelüste  zuschrieb.  Anderseits  hat  man  meines  Erachtens, 
um  das  hier  einzuflechten ,  auch  dem  Pfalzgrafen  Friedrich 
ohne  Grund  einen  Vorwurf  daraus  gemacht,  dass  er  Mans- 
feld  und  den  Halberstädter  am  13.  Juli  1622  seiner  Dienste 
entliess.  Er  befand  sich  ja  ganz  in  der  Gewalt  der  beiden 
Heerführer  und  konnte  daher  gewiss  nicht  ohne  deren  Zu- 
stimmung den  angedeuteten  Schritt  ausführen.  Sie  aber 
bedurften  der  Entlassung,  um  zum  Zwecke  ihrer  Befreiung 
aus  einer  unhaltbaren  Stelhing  bei  Tilly  den  Täuschungs- 
versuch, welchen  Mansfeld  gleich  darauf  machte,  zu  unter- 
nehmen und  um,  wie  sie  wohl  schon  damals  beabsichtigten, 
Dienste  bei  Frankreich  oder  Anderen  zu  suchen. 

Wie  aber  ist  es  zu  erklären,  dass  Mansfeld  i.  J.  1620 
nach  der  Vereinigung  des  bairischen  und  kaiserlichen  Heeres 
den  Führern  Beider  seinen  Abfall  von  den  aufständischen 
Böhmen  und  ihrem  Könige  anbot?  Um  diese  Frage  zu 
beantworten ,  müssen  wir  zunächst  die  weitere  erörtern ,  ob 
Mansfeld  denn  nicht  in  seiner  Kriegsthätigkeit  seit  1618 
bestimmte  Absichten  zu   seinem  eigenen  Vorteile  verfolgte.^) 

Nachdem  er  Ende  1021  an  den  Oberrhein  gelangt  war,  be- 
setzte er  sehr  bald  Hagenau,  machte  dieses  zu  seinem  Haupt- 
waffenplatze, suchte  es  aufs  stärkste  zu  befestigen  und  war  be- 
müht, sich  auch  die  Nachbarschaft  zu  unterwerfen.  In  den 
Verhandlungen  mit  dem  brüsseler  Hofe  und  mit  England  ver- 
langte er  dann  für  sieh  die  Reiehsfürstenwürde  mit  einem 
Besitze,  de&sen  Mittelpunkt  Hagenau  bilden  sollte,  und  durch 
den  <i;evstürzten  Kurfürsten  von  der  Pfalz  Hess  er  sich  sogar 
mit  dem  von  ihm  erdachten  Reichsfürstentume  beiebnen. 
Monate  lang  blieb  Hagenau  der  feste  Punkt  in  all  seinen 
Kriegsunternehmungen  und  seine  Sorge,  dessen  Verlust  zu 
verhüten,  trug  wesentlich  dazu  bei,  dass  seine  Vereinigung 
mit  dem  Halberstädter  verzögert  wurde,  bis  dieser  von  Tilly 

1)  Die  Beiego  lür  das  Folgende  finden  sich  bei  Oj>el:  ich  halte 
es  daher  für  unnötig,  sie  dieser  Skizze  beizufügen. 


Stieve:  Ernst  von  Mansfeld.  525 

geschlagen  war,  und  dass  dann  das  Spiel  am  Oberrhein 
gänzlich  verloren  ging.  In  Ostfriesland  femer  verfolgte  Mans- 
feld den  Plan,  jene  Grafschaft  nach  Verdrängung  des  Erb- 
herren unter  seiner  Statthalterschaft  dem  Bunde  der  nieder- 
ländischen Freistaaten  einzufügen.  Hier  wie  im  Elsass  sehen 
wir  ihn  also  nach  einer  fürstlichen  Stellung  trachten. 

Später  tritt  er  mit  einem  solchen  Plane  nicht  mehr  oflFen 
hervor.  Höchst  auffallend  ist  es  jedoch,  dass  er  immer  be- 
strebt ist,  mit  Heeresmacht  nach  dem  Elsass  zurückzukehren. 
Bei  den  Verhandlungen ,  welche  er  1G24  mit  Frankreich 
wegen  eines  von  ihm  zu  leitenden  Angriffes  gegen  die  habs- 
burgisch-ligistische  Macht  pflog,  drang  er  immer  darauf, 
dass  das  Elsass  zum  Ausgangspunkte  des  Unternehmens  ge- 
macht werde.  Nachdem  er  dann  durch  Frankreich  genötigt 
worden  war,  seine  Trappen  nach  Holland  zu  führen,  rückte 
er  von  dort  an  den  Niederrhein  und  setzte  sich  an  diesem 
fest,  in  der  Absicht,  nach  Süden  vorzustossen.  Und  sogar 
als  er  gezwungen  worden  war,  an  die  Elbe  zu  ziehen,  machte 
er  wiederholt  den  Vorschlag,  dass  er  seine  Truppen  nach 
dem  Elsass  führen  wolle.  Nicht  aus  seinem  Entschlüsse, 
sondern  aus  den  Anordnungen  König  Kristians  IV.  von 
Dänemark  entsprang  der  Augriff  auf  die  dessauer  Brücke  und 
noch  wenige  Tage  vor  demselben  schwankte  er,  ob  er  den 
Zug  nach  Schlesien,  welcher  dem  Gelingen  des  Unternehmens 
folgen  sollte,  überhaupt  versuchen  solle.  Als  er  diesen  Zug 
dann  später  wirklich  antrat,  war  er  vielleicht  von  vornherein 
nicht  gesonnen,  das  von  Dänemark  vorgeschriebene  Ziel  zu  ver- 
folgen und  zur  Vereinigung  mit  Bethlen  Gabor  zu  ziehen, 
denn  bei  seinem  Aufbruche  hatte  man  noch  nicht  die  min- 
deste Gewissheit,  dass  sich  der  Siebenbürger  zum  Kriege 
gegen  den  Kaiser  verstehen  werde.  In  Schlesien  aus  seinem 
Lager  abgesandte  Briefe  (s.  Beilagen.  2)  bezeichneten  Böhmen 
als  sein  wahras  und  einziges  Ziel.  Thatsache  aber  ist,  dass 
er,  als  er  den  nach  Ungarn  führenden  Jablankapif 


52<)     Nachtrag  z,  Sitzung  der  histor,  Classe  am  5,  Jxdi  1890, 

hatte,  nach  Westen  abschwenkte  und  in  Leipnik  den 
Vorschlag  machte,  dass  man  durch  Böhmen,  Baiem  und 
Schwaben  nach  dem  Elsass  ziehen  solle.^)  und  dieser  An- 
trag ist  um  so  auffallender ,  als  damals  in  Oberrösterreich 
die  protestantischen  Bauern  in  hellem  Aufruhr  standen  und 
sich  ihm  also  dort,  wenn  er  einmal  nicht  nach  Ungarn 
gehen  wollte,  ein  weit  näherer  Schauplatz  der  Thätigkeit 
und  die  Möglichkeit,  sowohl  dem  Kaiser  wie  Baiern  die 
grösste  Gefahr  zu  bereiten ,  darbot.  Dürfen  wir  bei  dieser 
Sachlage  nicht  vermuten,  dass  Mansfeld  bei  dem  schlesischen 
Zuge  von  Anfang  an  die  Absicht  hegte,  nach  dem  Elsasse 
hin  durchzubrechen? 

Weshalb  aber  waren  seine  Gedanken  so  stetig  auf  jenes 
Gebiet  gerichtet?  Der  Widerspruch  seiner  Mitfeldherren  und 
die  Ueberflügelung  durch  Wallenstein*)  nötigten  den  Mans- 
felder,  nach  Ungarn  zu  rücken ,  und  dort  ereilte  ihn  der 
Tod.  So  konnte  er  seine  geheimen  Pläne  nicht  mehr  durch 
Thaten  kundgeben  und  Niemand  war,  so  viel  wir  wissen, 
von  dem  verschlossenen  Manne  in  dieselben  eingeweiht  worden. 
Indes  die  Vermutung  wird  nicht  allzu  verwegen  erscheinen, 
dass  der  ehrgeizige  und  selbstsüchtige  Söldnerführer  seinen 
einst  in  Hagenau  verfolgten  Plan  wieder  aufzunehmen  ge- 
dachte. Nirgends  konnte  er  sich  ja  leichter  und  mit  grösserer 
Aussicht  auf  Dauer  ein  Reichsfürsten  tum  zu  schaffen  hoffen 
als  in  dem  unter  so  viele  Herren  geteilten  und  Frankreich 
nahen  Elsass,  wo  sich  ihm  habsburgischer  und  reich &städtisc her, 
schlecht  beschützter  Besitz  in  enger  Verbindung  darbot. 


1)  Höchst  merkwürdig  ist  es,  dass  man  diesen  Plan  in  Wien 
schon  am  18.  August  abnte;  s.  Beilagen  n.  8. 

2)  Einige  auf  Mansfelds  Verfolgung  durch  Oberst  Pechmann, 
auf  Wallensteins  Zug  und  den  Krieg  von  1626  überhaupt  bezügliche 
Actenstücke,  welche  ich  an  Orten  fand,  wo  man  sie  nicht  leicht  suchen 
wird,  und  welche  meines  Wissens  noch  unbekannt  sind,  gebe  ich  in 
den  Beilagen. 


Stir^ee:  Krml  mu  Mamßld.  527 

Nehmen  wir  nun  an,  iJass  MansfelJ  bis  aii  sein  Lebens- 
Piide  den  seit  Ende  Ui21  eine  Zeit  lang  offen  verfolgten 
PInn,  sich  ein  eigene»  KUrstentiim  zu  erringen,  festhielt,  nnti 
blicken  wir  von  dieser  Auffassung  aus  auf  sein  Verhalten 
im  bQhni Ischen  Feldzuge,  so  ergibt  sich  in  Bezug  auf  dieses 
Hie  Möglichkeit  einer  neuen  Erklärung, 

Gleich  Anfangs  macht  sich  Mansfeld  an  Pilsen  und  nach- 
dem er  die  Stadt  erobert ,  dabei  aber  gegen  seinen  Brauch 
mit  der  t'liinderung  verschont  hat,  verfährt  er  dort  in  gaux 
ähnlicher  Weise  wie  später  zu  Hagenau,  indem  er  sie  aufis 
stärkste  befestigt  und  ausrüstet  und  weithin  die  Umgegend 
besetzt.  An  den  Kriegsunternehmungen  der  Böhmen  beteiligt 
er  sich  nur  widerstrebend  nnd  vorübergehend  und  stets  ist 
er  darauf  bedacht,  sich  eine  unabhängige  Stellung  zu  be- 
wahren. Stets  auch  kehrt  er  nach  Pilsen  zurück,  welches 
er  nach  dem  treffenden  Ausspruche  von  Krebs,  der  bereits  auf 
da»  eigentümliche  Verhalten  Mansfelda  hingewiei^en  hat,') 
.gleichsam  wie  sein  Eigentum  behandelt."  Nicht  einmal 
beim  Anrücken  des  Ligaheeres  versteht  er  sich  dazu ,  sich 
von  Pilsen  abz.ulösen  und  nach  Oberösterreich,  wohin  ihn  die 
dortigen  protestantischen  Stände  mfen,  zu  ziehen,  obwol  er 
unmöglich  verkennen  konnte,  dass  es  den  Böhmen  und  ihren 
Verbündeten  den  grössten  Vorteil  bringen  musste.  wenn  dem 
Liguheere  die  schwierigen  Pässe  des  Hausruckwaldes  gesperrt 
wurden,  und  das»  diese  Sperrung  erfolgen  konnte,  weil  dazu 
neben  seinen  Truppen  die  der  oberÖsterreic bischen  Stände 
nnd  Tausende  fanattsierter  Bauern*)  mitgewirkt  haben  würden. 

Zur  Erklärung  dieses  Verhaltens  scheinen  mir  Mansfelds 
Zerwürfnisse  mit  den  böhmischen  Generalen  und  Directoren 
und  mit  den  Heerführern  König  Friedrichs  nicht  genügend. 
Er  war  ja  nicht  eine  kleinlich  emptiiidliche  und  beschränkte 

1)  Scblacbt  am  Weiiaen  Berge  4. 

S)  Vgl.  ^tievi?,  Der  oberOHterreichUche  Baneniaufstaii<l  des 
Jahr««  I62G.  1,  53  ig. 


i 


528     Nachtrag  z.  Sitzung  der  fUstor,  Classe  am  5.  Juli  1800, 

Persönlichkeit,  sondern  berechnend  und  scharfsichtig.  Er 
konnte  sich  also  nicht  darüber  täuschen,  dass  sein  Verhalten 
dem  Siej^e  der  Böhmen  über  ihre  Gegner  durchaus  nicht 
förderlich  sei ,  und  konnte  es  nicht  einhalten ,  wenn  jener 
Sieg  sein  wahres  Ziel  bildete.  Begreiflich  wird  es  dagegen, 
wenn  wir  annehmen,  dass  er  bereits  in  Pilsen  den  Plan  ver- 
folgte, den  er  nachmals  in  Hagenau  und  unter  den  durch 
die  Verhältnisse  bedingten  Einschränkungen  in  Ostfriesland 
verfolgte.  Dass  er  von  den  gegen  alle  Ausländer  feindlich 
gesinnten  Böhmen  und  den  ihm  abgeneigten  Pfalzem  für 
sich  nichts  Grosses  zu  erwarten  hatte,  war  unzweifelhaft. 
Er  musste  also,  falls  er  den  angedeuteten  Plan  verfolgte, 
eine  feste  Stellung  zu  gewinnen  suchen  und  sich  im  Besitz 
des  gewünschten  Fürstentums  festsetzen.  Ebenso  musste  es 
ihm  alsdann  erwünscht  sein,  dass  der  Krieg  sich  unentschieden 
in  die  Länge  zog  und  die  kämpfenden  Gegner  erschr)pfte, 
weil  er  so  seine  Absicht  desto  weiter  vorbereiten  und  desto 
leichter  schliesslich  durchdrücken  konnte.  Dass  das  Ein- 
greifen des  Ligaheeres  der  Herrschaft  des  Böliinenkönigs  ein 
so  jähes  Ende  bereiten  werde,  vermochte  Mansfeld  ebenso- 
wenig vorauszusehen,  wie  es  die  Gegner  selbst  vor  der  Schlacht 
am  Weissen  Berge  zu  hoffen  wagten.  Es  ist  ja  bekannt, 
dass  das  ligistische  und  das  kaiserliche  Heer  in  sehr  üble 
\'erfassung  gerieten ,  dass  Buccpioi  Winterquartiere  zu  t)e- 
zielien  gedachte  und  sich  nur  schwer  zur  Schlacht  bewegen 
Hess  und  dass  deren  Ausgang  und  durchschlagende  Wirkung 
guten  Teils  nur  durch  die  Fehler  der  böhmischen  Heer- 
führer und  durch  die  feige  Kopflosigkeit  der  Pfälzer  er- 
niögliclit  wurde. 

Halten  wir  diese  Tliatsachen  im  Auge,  dann  wird  uns 
aber  unttT  der  Vorau>set/uiig ,  djuss  Mausfeld  nach  einem 
Fiirst(»iituni  trachtete,  auch  seine  Anknüpfung  mit  Bucquoi 
und  den  Baiern  und  sein  bei  den  folgenden  Verhandlungen 
beobachtetes  Verfahren   verständlich.     Nach  der  Vereinigung 


Stieve:  Ernst  von  Mansfeld.  529 

des  ligistischen  Heeres  mit  dem  kaiserlichen  erschien  die  Be- 
siegimg der  Böhmen  immerhin  möglich  und  Mansfeld  musste 
mit  dieser  Möglichkeit  rechnen.  Deshalb  bot  er  den  Gegnern 
seinen  Abfall  an.  Er  ging  jedoch  nicht  wirklich  über,  sondern 
schloss  nur  einen  Neutralitätsvertrag  und  forderte  zwar  seinen 
AIjschied  vom  Böhmenkönige,  suchte  denselben  aber  über 
seine  Beziehungen  zu  den  Gegnern  zii  täuschen  und  liess 
noch  in  der  Schlacht  am  Weissen  Berge  ein  Regiment  seiner 
Reiter  auf  Friedrichs  Seite  kämpfen.  Hätte  er  ernstlich  den 
Anschluss  an  die  Kaiserlichen  und  die  Ligisten  beabsichtigt 
und  hierdurch  sein  Glück  machen  gewollt,  so  hätte  er  sich 
den  Uebergang  vor  der  Schlacht  abkaufen  lassen  und  mit 
dem  Pfälzer  entschieden  brechen  müssen.  Wie  er  verfuhr, 
konnte  er,  glaube  ich,  nur  dann  mit  Ueberlegung  verfahren, 
wenn  er  unter  längerem  Ringen  beider  Teile  für  sich  mehr 
zu  erreichen  hoffte,  als  er  von  der  Gnade  des  Kaisers  oder 
des  Pfälzers  erhoflfen  durfte. 

Die  prager  Schlacht  und  ihre  Folgen  täuschten  seine 
Berechnung.  Auch  in  der  Folge  verständigte  er  sich  indes 
nicht  mit  den  Siegern.  Die  Verhandlungen  mit  diesen  dienten 
ihm  nur  dazu,  ihre  Rüstungen  und  ihr  Vorgehen  gegen  ihn 
zu  verzögern  und  sich  seinerseits  zu  verstärken  und  um  Geld 
zu  bewerben.  Er  liess  sich  aufs  neue  von  Friedrich  V.  zum 
General  bestellen ,  doch  wird  wol  Niemand  glauben ,  dass 
er  nun  plötzlich  von  Begeisterung  fiir  die  Sache  dieses  Fürsten, 
welchen  er  vor  der  prager  Schlacht  so  schmählich  verraten 
hatte,  erfüllt  worden  sei.  Vielmehr  wird  man  es  für  gewiss 
halten  dürfen,  dass  er  unter  der  Fahne  Friedrichs  nach  wie 
vor  nur  seine  selbstsüchtigen  Pläne  zu  verfolgen  gedachte. 
In  Schlesien  stritten  noch  Anhänger  des  Pfalzers  gegen  den 
Kaiser.  Friedrich  selbst  und  Mansfeld  bemühten  sich  bei 
allen  Gegnern  der  Habsburger  um  Hülfe.  Die  Aussicht  auf 
die  Fortdauer  des  Krieges  in  Böhmen  schwand  nicht.  Darum 
ist  es  denn  auch   keineswegs   ausgeschlossen,   dass   Mansfeld 


530     Nachtrag  z.  Sitzung  der  histor.  Classe  am  5.  Juli  1S90. 

jenen  Plan,  den  er  von  Anfang  an  in  Pilsen  verfolgt  zu 
haben  scheint,  festhielt.  AuflFallend  ist  es  in  jedem  Falle, 
dass  er  mit  den  grossen  Streitkräften,  welche  er  bald  vereint 
hatte,  weder  sogleich  an  den  Rhein ,  wo  es  den  Erbbesitz 
des  Pfölzers  zu  retten  galt  und  holländisch-englische  Hülfe 
ihm  weit  eher  als  in  und  für  Böhmen  zu  teil  werden  konnte, 
eilte  noch  über  die  wehrlosen  Ligisten  in  Oberdeutschland 
herfiel  noch  wenigstens  einen  kräftigen  Vorstoss  nach  Böhmen 
unternahm.  Er  haftete  immer  noch  an  seiner  pilsener  Stellung, 
suchte  nur  sie  auszubeuten  und  besetzte  auch  nur  ihretwegen 
die  Oberpfalz,  wenn  er  nicht  vielleicht  dort  ein  zweites  Ge- 
biet für  die  Verwirklichung  seines  Fürstentraums  zu  gewinnen 
gedachte. 

Lassen  wir  nun  alle  die  ausgesprochenen  Vermutungen, 
welche  ja  freilich  nur  solche  sind  und  unbezweifelbare  Ge- 
wissheit weder  beanspruchen  noch  auch  wol  jemals  acten- 
mässig  erhalten  werden,  als  annehmbar  gelten,  so  sehen  wir 
Mansfeld  vom  Jahre  1618  bis  zu  seinem  Tode  von  einem 
einheitlichen  Plane  geleitet  und  die  Rätsel  in  seinem  Ver- 
halten schwinden.  Zugleich  erscheint  er  uns  nicht  nur  darin, 
dass  er  den  Krieg  sicli  durch  den  Krieg  ernähren  Hess,  sondern 
auch  in  dem  Streben  seines  selbstsüchtigen  Ehrgeizes  als 
Vorläufer  Wallensteins. 

Die  Anregung  zu  seinem  Plane  kann  er  durch  die 
abenteuerlichen  Entwürfe  zur  Aufteilung  der  österreichischen 
Lande,  welche  unter  seiner  Teilnahme  zwischen  der  Union 
und  Savoyen  erörtert  wurden,  empfangen  haben.  Nicht 
unmöglich  ist  es  jedoch,  dass  der  Ursprung  viel  weiter  zurück- 
liegt und  in  Jugendträunien  zu  suchen  ist,  welche  des  Mans- 
felders  ehrgeizige  Seele  in  jenen  Jahren  trösteten  und  quälten, 
wo  er  in  Dürftigkeit  und  niederer  Stellung  jeder  thatsäch- 
lichen  Befriedigung  seiner  Wünsche  und  Hoffnungen  ent- 
behrte. Im  Jahre  1010  besetzte  er  mit  der  einen  Compagnie 
Reiter,  welche  er  damals  befehligte,  das  Städtchen  Schlejden. 


Stieoe:  Ernst  von  Mansfeld,  531 

Vom  militärischen  Standpunkte  aus  war  das,  wie  die  Acta 
Mansfeldica  S.  9  mit  Recht  ausführen,  ein  ungeheuerlicher 
Unsinn.  Aber  Mansfeld  war  durch  keine  Vorstellung  seiner 
OfiFiziere  zum  Weichen  zu  bewegen  und  geriet  in  Folge 
davon  in  brandenburgische  Gefangenschaft.^)  Was  kann  er 
nun  mit  der  Festsetzung  in  dem  Städtchen  bezweckt  haben? 
Erinnern  wir  uns,  wie  er  in  Hagenau  und  vermutlich  auch 
in  Pilsen  die  Ausführung  seines  Fürstenplanes  begann,  so 
werden  wir  versucht,  bereits  in  dem  schleydener  Streich  ^in 
Vorspiel  der  späteren  Unternehmungen  zu  wittern.  Derselbe 
erscheint  dann  freilich  als  Ausgeburt  einer  überreizten  Ein- 
bildungskraft, indes  etwas  Phantastisches  war  doch  überhaupt 
wie  in  Wallenstein  so  auch  in  Mansfeld  mit  aller  Berechnung 
und  Klugheit  verbunden  und  die  vorausgegangenen  Jahre 
konnten  den  Mansfelder  sehr  wohl  krankhaft  erregt  haben. 
Ueberdies  berechtigt  eben  die  Tollheit  der  That  zur  Annahme 
eines  durchaus  nicht  nüchtern  verständigen  Grundes.  Ander- 
seits lässt  sich  freilich  nicht  leugnen,  dass  Mansfeld  auch  im 
dreissigjährigen  Kriege  manchen  schweren  Fehler  in  seiner 
Heerführung  beging,  wie  denn  seine  Stärke  überhaupt  weniger 
in  der  Strategie  und  im  Angriff  als  in  der  Abwehr  und  in 
der  Auswahl  von   Verteidigungsstellungen  zu  liegen  scheint. 

Nach  dieser  Richtung  hin  wäre  die  Untersuchung  seines 
Wirkens  durch  einen  Fachmann  erwünscht,  denn  je  nach 
seiner  Begabung  wird  manches  als  Berechnung  oder  als  un- 
absichtliches Fehlen  zu  betrachten  sein. 

Mir  sei  hier  zum  Schlüsse  noch  eine  Bemerkung  über 
die  Bildnisse  Mansfelds  gestattet.  Ich  habe  die  Darstellungen 
vieler  Persönlichkeiten  aus  dem  Ende  des  16.  und  aus  dem 
17.  Jahrhundert   verglichen    und    dabei   gefunden,    dass   die 


1)  Dass  der  brandenburgiache  An^iff  schon  am  ersten  Tage 
nach  Mansfelds  Eindringen  erfolgte,  scheint  mir  durch  die  Erzählung 
der  Acta  au^eschlossen  zu  sein. 


532     Nachtrag  z.  Sitzung  der  histor,  Classe  am  5.  Juli  1890. 

Maler  es,  je  geschickter  sie  waren,  desto  weniger  streng  mit 
der  Wahrheit  nahmen  und  dass  ein  absichtliches,  um  nicht 
zu  sagen  gewerbsmässiges  „Idealisieren*  stattfand,  welches 
nicht  selten  zu  vollständiger  Unähnlichkeit  ftthrte.  Weit 
zuverlässiger  zeigen  sich  in  der  Regel  die  Medaillen  oder 
Münzen,  obwol  auch  hier  sehr  weitgehende  „Verschöne- 
rungen* vorkommen.  Es  wäre  der  Mühe  wert,  die  Sache 
systematisch  zu  verfolgen.  Viele  der  landläufigen  Bilder 
würden  sich  ohne  Zweifel  ebenso  als  Fälschungen  erweisen, 
wie  die  fort  und  fort  wiederholten  Maximilians  von  Baiem, 
Wallensteins ,  Gustav  Adolfs  und  Bernhards  von  Weimar 
sich  mir  als  solche  ergaben. 

Einer  der  verwegensten  „Idealisten*  ist  A.  van  Dijk, 
insbesondere  da ,  wo  er  Leute  darstellt ,  welche  er  nicht 
gesehen  hat.  So  ist  denn  auch  das  von  ihm  herrührende 
Bild  Mansfelds^)  freie  Dichtung,  in  welcher  wenigstens  ich 
nicht  einmal  mehr  eine  Erinnerung  an  andere  nach  dem 
Leben  gefertigte  Bilder  zu  entdecken  vermag.  Unter 
letzteren  steht  der  Kunst  nach  an  erster  Stelle  ein  von 
Wilhelm  Jakob  Delphius  in  Kupferstich  wiedergegebene« 
Bild,  welches  Michael  Johann  Miereveld  1624  schuf.  Der 
verschlossene  Ausdruck  der  Züge  und  der  lauernde  Blick  der 
Augen  machen  den  Eindruck  der  Naturwahrheit  und  es  fehlt 
auch  nicht  die  —  bei  seinem  Vater  und  Grossvater  ebenfalls 
vorhandene  —  Aehnlichkeit  mit  einem  Hasen,  welche  zu 
manchen  Karrikaturen  Mansfelds  Anlass  gab  und  später  aus 
dem  Missverständnis  einer  Quelle  die  Sage  von  seiner  Hasen- 
scharte erzeugte.  Indess  ist  das  Bild  doch  zu  glatt  und 
stilisirt ,  um  für  völlig  treu  gehalten  zu  werden ,  und  es 
stimmt  nicht  zu  dem  Zeugnisse  des  französischen  Gesandten 


1)  Vgl.  über  dieses  und  das  gleich  zu  erwähnende  Bild  Miere- 
velds,  sowie  andere  mir  unbekannte  Bilder:  E.  Fischer,  Des  Mans* 
felders  Tod  28. 


Stieve:  Ernst  von  Mansfeld,  533 

Maurier,    der  Mansfeld    Ende  1622    sah   und   ihn    als    „fort 
ride*  schilderte.^) 

Dieser  Ausdruck  bedeutet  gewöhnlich  »faltig,  runzelig*, 
er  dürfte  indes  hier  auf  eine  Eigenart  im  Gesichte  Mansfelds 
anspielen,  welche  uns  auf  zwei  anderen  Stichen  deutlich 
entgegentritt.  Von  diesen  ist  der  eine  1620  durch  Peter 
Isselburg,  der  andere  1621  durch  Wolfgang  Eilian  ange- 
fertigt. Beide  sind  von  einander  unabhängig,  stimmen  aber 
im  Wesentlichen  tiberein  und  wie  dieser  Umstand  so  spricht 
auch  die  geistlose  Rohheit  der  Mache  für  die  naturalistische 
Wahrheit  der  Darstellung,  üeberdies  haben  ja  beide  Künst- 
ler einen  nicht  schlechten  Namen  als  Abbildner  und  sind 
die  Eigentümlichkeiten,  welche  sie  zeichneten,  zu  ungewöhn- 
lich, als  dass  sie  für  Verzeichnungen  oder  Erfindungen  gehalten 
werden  könnten.  Von  grösstem  Gewichte  ist  jedoch,  dass  sie 
durch  eine  Medaille*)  bestätigt  werden,  welche  hohe,  künst- 
lerische Fertigkeit  bekundet  und  das  Mittelglied  zwischen 
ihnen  und  dem  Bilde  Mierevelds  liefert.  In  gewisser  Be- 
leuchtung entspricht  ihr  Profilbild  ganz  dem  Vollbilde 
Mierevelds.  In  richtiger  Beleuchtung  aber  treten  gemildert 
dieselben  Eigentümlichkeiten  wie  auf  den  beiden  Stichen 
hervor. 


1)  Villermont  II,  119. 

2)  Es  ist  die,  welche  Gerard  de  Loon  Histoire  metallique  des 
XII  provinces  des  Pajs-Bas  S.  148  beschreibt.  Wenn  dieser  meint, 
die  auf  der  Rückseite  befindlichen  Worte:  »Force  m'est  trop*,  deuteten 
auf  die  Niederlage,  welche  Mansfeld  bei  Fleurus  erlitten  habe,  und 
die  Medaille  gehöre  daher  ins  Jahr  1622,  so  ist  das  selbstverständlich 
hinfällig,  weil  Mansfeld  in  der  Schlacht  bei  Fleurus  siegte  und  die 
fraglichen  Worte  der  Wappenspruch  seines  Vaters  waren.  Ich  möchte 
die  Entstehung  der  Medaille  eher  gleichzeitig  mit  dem  Bilde  Miere- 
velds setzen.  Die  Umschrift  lautet:  „Emest.  Pr.  Et  Comes  Mans- 
feldiae,  Marchis  Castelli  Novi  Et  Butiglierae,  Baro  Heldrungae-*^  Das 
Pr[incep8]  bezieht  sich  auf  die  Belehnung  mit  dem  Reichsfürstentum 
Ilagenau  durch  Friedrich  V  von  der  Pfalz. 


534     Nachtrag  z,  Sitzung  der  histor.  Glosse  am  5.  Juli  1890, 

Sie  bestehen  darin,  dass  das  Auge  ungewöhnlich  nahe 
unter  dem  vorspringenden  oberen  Stirnknochen  liegt,  dass 
der  Backenknochen  unter  dem  Auge  ungemein  stark  vor- 
tritt und  dass  der  hintere  Teil  der  Kieferknochen  sich  in 
starker  Anschwellung  vordrängt.  Durch  die  letztere  Bildung 
wird  bewirkt,  dass  der  Kopf  eher  rautenförmig  als  rund 
oder  oval  erscheint  und  durch  sie  sowie  durch  das  Vortreten 
des  Backenknochen  entstehen  zwischen  ihnen  beiden  nnd 
dem  Munde  und  zwischen  dem  Backenknochen  und  der  Nase 
Gruben  und  ausserdem  Falten,  welche  Maurier  vermutlich 
mit  seinem  «fort  ride*'  bezeichnen  wollte.  Das  ganze  Gesicht 
aber  erhält  dadurch  und  durch  die  Stellung  des  Auges  etwas 
ungemein  Seltsames  und  Bizarres.  Auf  den  Stichen  herrscht 
das  vor,  ohne  einen  bestimmten  seelischen  Eindruck  zu  erzeugen. 
Auf  der  Medaille  erscheint  der  Kopf  in  der  ihre  Darstellung 
dem  Bilde  Miere velds  anpassenden  Beleuchtung  fein  und  schön. 
In  der  Beleuchtung  dagegen,  welche  die  Eigentümlichkeiten 
des  Baues  enthüllt,  tritt,  namentlich  wenn  man  den  Kopf 
von  unten  her  betrachtet,  nicht  nur  seine  Hasenähnlichkeit 
scharf  hervor,  sondern  das  Gesicht  wird  banditenhaft,  ja  ge- 
radezu grauenerregend. 

So  mag  denn  wohl  die  Medaille  das  wahrste  Bild  Mans- 
felds  bieten.  Ich  wage  indes  keine  Entscheidung  zu  treflfen, 
da  mir  die  anderen,  ausser  den  angeführten  Bildern  vor- 
handenen Darstellungen  Mansfelds  nicht  bekannt  sind.  Wie 
in  den  Fragen  über  Mansfelds  Handeln  und  Streben  muss  ich 
mich  auch  hier  bescheiden,  weitere  Untersuchungen  anzuregen. 


Stiere:  Ernst  von  Mansfeld,  535 


Beilagen. 

1.  Neumarkt,  31.  Jtdi  1626.  Oberst  Gabriel  Pech- 
mann an  Qnestenberg.  —  Im  FürstentDm  Sagan  habe  ich 
noch  Alles  dem  Kaiser  treu  gefunden,  dagegen  im  Fürsten- 
tum Glogau  den  Feind  und  grosse  Vertraulichkeit  zwischen 
ihm  und  den  Städten  sowie  einigen  Ädlichen.  Jene  haben 
ihn  aus-  und  eingelassen.  Ich  habe  sofort  auf  Mittel,  das 
abzustellen,  gedacht.  Darauf  hat  sich  der  Feind  jählings 
aufgemacht  und  eilt  nun  stark  an  der  polnischen  Grenze  hin 
auf  Wartenberg,  weil  ihm  der  Weg  schon  bis  nach  Oppeln 
und  Ratibor,  wohin  ich  heute  Nacht  Dragoner  voraiisgeschickt 
habe,  verlegt  ist.  Wäre  ich  zwei  Stunden  später  gekommen, 
so  hätte  der  Feind  Grossglogau  genommen,  dessen  Bürger 
bereits  erklärt  hatten,  sie  würden  sich  nicht  wehren.  Jetzt 
hört  die  Vertraulichkeit  mit  dem  Feinde  etwas  auf,  weil  man 
hört,  dass  Wallenstein  anrückt.  Beim  Abzüge  hat  der  Feind 
das  Städtchen  Gurau  geplündert  «und  stattliche  peiten  be- 
kommen ,  die  darin  versamblete  ritterschaft  demontiert  und 
auf  10000  reichstaller  rantioniert,  auch  alle  ire  roß  genommen, 
vill  adenliche  heuser  geplündert."  Darüber  klagt  Niemand, 
wenn  aber  mein  Volk  ein  Huhn  nimmt,  so  ist  ein  Mords- 
geschrei. Meine  ausländischen  Regimenter  haben  freilich 
nicht  zum  besten  gehaust;  «ich  laß  alle  tag  under  inen  auf- 
henken, doch  hilft  es,  soyil  es  kan;  ligt  an  dem  respect 
der  officier  allein.  Nunmehr  sehen  J.  Mt. ,  was  Si  an  den 
Schlesiern  haben  und  wie  weit  Sie  sich  auf  si  zu  verlassen 
haben.*  Man  wird  einige  Oerter  besetzen  und  befestigen 
müssen.  «Wan  die  ritterschaft  thuen  wolt,  was  si  schuldig, 
were  der  Mansfeld  schon  hin.  Er  ist  in  einem  solchen 
schrecken,  das  ich  mir  getraue,  allein  ohne  mehrere  assistenz 
ein   zimblich   rencontre   ime   zegeben;    ich   muß   mich   aber 


536     Nachtrag  z.  Sitzung  der  histor,  Classe  am  5.  Juli  1890, 

wegen  der  inwendigen  besen  affection  wol  in  acht  nemmen, 
dann,  wann  ich  100  pferd  vor  J.  fl.  Gn.  des  herrn  generals 
ankunft  verlure,  so  ging  das  land  zum  feind,  also  muß  ich 
nur  sehen,  ime  zu  wöhren,  das  er  keine  posto  nemen  kan.* 
Der  Feind  ist  14000  Mann,  darunter  4800  Reiterstark  und 
hat  20  Geschütze,  900  Centner  Pulver  und  für  24000  Mann 
ledig  Gewehr  bei  sich.  „Versucht  an  allen  orten  ein  rebellion 
zu  erwecken;  wo  er  anschlegt,  kome  ich  ime  alzeit  vor, 
verhüet  zum  teil  mit  muet,  das  mehrerste  aber  mit  schrecken. 
Wan  wir  in  nur  dißmal  mit  ehrn  aus  dem  land  haben  mögen, 
ein  andere  zeit  mueß  man  vorsichtig  gehn."  Uebermorgen 
hoffe  ich  meine  Reiter  bei  Oppeln  zu  sammeln.  Dieselbe 
Zeitung  von  Bethlen  vrie  in  Wien  hat  man  auch  hier.  Ver- 
einigt sich  jener  mit  Mansfeld,  so  werde  ich  eine  feste  Stellung 
einnehmen,  bis  Wallenstein  kommt;  „wo  nicht,  so  soll  der 
Mansfelder  ungeruebft  von  mir  nicht  kommen,  dan  ich  kenne 
sein  Volk  und  meines  auch.  Vom  könig  aus  Denemark  hat 
er  guet  volk,  2000  pferd  und  2  regiment  knecht;  das  Kbrig 
ist  lauter  canalla.* 

Reichsarehiv  München.    Dreissigjähr.  Kriegsacten  tom.  135,  150  Copie. 

2.  Mechiz  (!)  bei  Kosel,  11,  August  1626,  Pechmann 
an  Questenberg.  —  Der  Feind  drängt  nach  Mähren.  Ich 
halte  ihn  auf,  wie  ich  kann.  Jede  Nacht  muss  er  in  der 
Wagenburg  liegen;  allezeit  hat  er  Allarm;  wo  Feld  ist, 
marschiert  er  auch  in  der  Wagenburg.  Er  leidet  viel  Hunger. 
Viel  Volk  bleibt  zurück;  das  schicken  ich  und  Dohna  alles 
zum  hinmilischcn  Vater.  Wenn  in  Mähren  Volk  vorhanden 
ist,  will  ich  dem  Feind  den  Rest  wol  geben.  Geht  dieser 
nach  Mähren,  so  will  ich  nach  Olnuitz  eilen.  Hätte  ich 
2000  Musketiere,  so  hätte  ich  den  Feind  längst  bezwungen. 
Ich  hal)e  viele  Briefe  aufgefanji^en;  ^darin  befindt  sich,  daß 
ir  intent  allein  auf  Böhmen  ist  gewest.** 

A.  a.  ().  tom.  134,  G05  Auszuf^. 


Stieve:  Ernst  von  Mansfeld.  537 

3.  München,  12.  August  1626.  KurfQrst  Haximilian 
von  Baiem  an  seinen  Agenten  zu  Wien,  Dr.  Esaias  Lenker. 
—  Du  wirst  Dich  erinnern,  dass  wir  Dir  vor  wenigen  Tagen 
befolen  haben,  dem  Kaiser  vorzustellen,  dass  dem  oberöster- 
reichiscben  Bauernaufstände  unbedingt  ein  Ende  zu  machen 
sei,  und  was  wir  früher  deshalb  dem  Hegenmüller  vorge- 
halten haben. ^)  Nun  berichtet  uns  Tilly ,  dass  er  und  Al- 
dringer  wegen  Mangels  an  Kriegsvolk  in  höchster  Gefahr 
seien,  und  bittet  uns,  ihm  Verstärkungen  und  wenigstens 
unser  an  der  oberösterreichischen  Grenze  liegendes  Volk  zu 
senden.  Begehre  also  sofort  Audienz,  teile  dem  Kaiser  Tillys 
Schreiben  mit  und  stelle  ihm  vor,  dass  wir  kein  anderes  Volk 
als  das  gegen  Oberösterreich  aufgestellte  schnell  genug  auf- 
bringen können,  Friedland  kaum  solches  wird  entbehren 
wollen  und  auf  spanische  Hülfe  nicht  zu  rechnen  ist,  der 
Kaiser  also  dem  Bauernaufstände  ein  Ende  machen,  den  An- 
griff, falls  die  gütliche  Handlung  noch  keinen  Erfolg  gehabt 
hat,  befehlen  imd  uns  über  Zeit,  Ort  und  Art  desselben  zum 
Zweck  unserer  Mitwirkung  verständigen  möge.  Bei  längerem 
Zögern  müssten  wir  unser  Volk  zu  Tilly  schicken.  Wenn 
gleichzeitig  von  verschiedenen  Seiten  angegriffen  wird,  werden 
die  Bauern  leicht  zu  bezwingen  sein.  Dann  kann  auch  der 
Kaiser  sein  Volk  an  Aldringer  schicken  und  dieser  sowie 
Tilly  sich  Dänemark  gegenüber  halten.  Der  Kaiser  darf 
nicht  glauben,  dass  die  Gefahr  durch  den  Vorteil,  welchen 
Graf  Jakob  Ludwig  von  Fürstenberg  bei  Kallenberg  errungen 
hat,  beseitigt  sei:  das  Gegenteil  zeigen  jüngere  Briefe  Tillys 
und  Aldringers. 

Eigenhändige  Nachschrift.  „Wann  es  möglich 
were,  das  Ir.  Mt.  eben  dasjenige  stratagema  brauchten ,  so 
der  Dennemerker  gebraucht,  indem  er  Ir  Mt.  durch  den  ein- 

1)  Vgl.  Stieve:  Der  oberösterreichische  Bauernaufstand  des 
Jahres  1626.  I,  223,  253. 

189a  Pbiioa.-pbilol.  u.  hist.  Gl.  II.  ».  36 


538     Nachtrag  z.  Sitzung  der  histor.  Classe  am  5.  Juli  1890, 

fall  in  Schlesien  mit  Irer  armada  auß  dem  nidersäxischen 
craiß  gebracht,  und  das  Ir  Mt.  etlich  tausent  cosaken  sambt 
etlichem  teiitschen  volk  von  der  walnsteinischen  armee  den 
kürzesten  und  gradesten  weg  durch  die  mark  Brandeburg 
gegen  Holstein  einfallen  ließen,  wurde  Mansfelder  den  stil 
umbkeren  und  so  geschwind  er  gekommen,  so  halt  wurd  er 
wider  sich  auß  Ir.  Mt.  erblanden  machen ,  der  Gabor  auch 
allein  ohne  den  Mansfelder  ihme  gegen  Ir  Mt.  nichts  ge- 
trauen außzurichten,  der  dennisch  könig  auch,  wo  nit  alleß, 
doch  meistes  volk  vom  Tilly  zu  seiner  aigenen  defension 
fueren ,  deme  alßdann  mit  allerseits  armaden  nachzurücken 
und  also  sedem  belli  weit  von  Ir  Mt.  und  Dero  assistirenden 
landen  abzuwenden. 

Staatsarchiv  Mönchen,  Schw.  Abt.  486/21  Orig. 

4.  Wien  12.  August  1626.  Dr.  Esaias  Lenker  an  Kf. 
Haximilian.  —  Aus  Ungarn  wird  man  kein  Volk  gegen 
Oberösterreich  verwenden  können,  denn  man  ist  noch  nicht 
vor  Bethlen  sicher  und  muss  erst  den  Erfolg  der  Verhand- 
lungen des  Grafen  Altheim  mit  dem  Vezier  von  Buda  ab- 
warten. Der  Graf  ist  vorgestern  mit  dem  Geschenke,  welches 
dem  Vezier  vor  vier  Jahren  versprochen  worden  ist,  nach 
Komorn  abgereist.  Jener  hat  bereits  dem  sehr  ergrimmten 
Pascha  von  Bosnien  befohlen ,  nicht  weiter  gegen  Ungarn 
vorzurücken  und  die  Grenze  von  Kanisza  nicht  zu  entblössen, 
und  er  wird,  da  der  „Ciniiam*'  an  der  Pforte  erdrosselt 
worden  ist ,  wol  im  Stunde  sein ,  Gabor  am  Angriffe  auf 
Ungarn  zu  hindern.  Eggenberg  hat  das  Wesen  in  Steier- 
mark und  an  der  windischen  Grenze  so  „accommodiert,*  dtiss 
dort  nichts  zu  fürchten  ist.  Einige  tausend  Mann  sind  im 
Anzüge,  um  das  Vordringen  Bethlens  und  Mansfelds  zu  hindern. 
Nach  Pressburg  sind  Schiffe  gebracht,  um  diis  kaiserliche 
Volk  nötigenfalls  über  die  Donau  zu  setzen;  auch  wird  eine 
Brücke  geschlagen.  Man  fürchtet,  Mansfeld  werde,  wenn 
er  sieht,    dass   die    Verbindung    mit    Bethlen    unmöglich   ist, 


Stieve:  Ernst  von  Mansfeld.  539 

sich  durch  Mähren  nach  Oberösterreich  wenden;  dort  und 
in  Unterösterreich  sollen  einige  Herren  mit  ihm  in  Corre- 
spondenz  stehen.  Er  hat  einen  Anschlag  auf  Breslau,  wo 
er  sich  einige  Zeit  zu  halten  vermocht  hätte ,  gehabt;  da 
aber  die  Schlesier  hörten,  dass  Friedland  mit  einem  starken 
Heere  nahe,  haben  sie  erklärt,  beim  Kaiser  bleiben  zu  wollen. 
Einige  schlesische  Adliche  wollten  ihm  vorige  Woche  bei 
Oppeln  über  die  angeschwollene  Oder  helfen;  der  Tags  zuvor 
angelangte  Vortrab  Pechmanns  und  einiges  von  Dohna  ge- 
sammelte Volk  schlugen  ihn  jedoch  und  töteten  400  Mann. 
Er  verschanzt  sich  nun  in  einem  eine  Stunde  von  Oppeln 
jenseits  der  Oder  gelegenen  Kloster.  Man  meint,  er  werde 
bald  gegen  Ratibor  zu  über  die  Oder  gehen  und  dann  nach 
Teschen  und,  falls  keine  Hoffnung  auf  Verbindung  mit  Bethlen 
sich  zeigt,  über  Troppau,  Olmütz,  Brunn  und  Znaim  nach 
Ober-  und  Unter-Oesterreich  ziehen.  Man  verlässt  sich  in 
Wien  zumeist  auf  des  Herzogs  von  Sachsen-Lauenburg  und 
auf  das  bairische,  an  der  oberösterreichischen  Grenze  stehende 
Volk.  Gestern  hat  Wallenstein  Tillys  [!]  Sieg  bei  Kallen- 
berg  gemeldet.  Es  heisst,  auch  Göttingen  sei  genommen. 
Friedland  wirbt  einige  1000  Kosacken  in  Polen  sowie  Knechte 
und  Reiter  in  Schlesien.  Der  König  von  Polen  soll  selbst 
gegen  die  Schweden  nach  Preussen  gezogen  sein.  Wenn 
Friedland  einige  Regimenter  entbehren  kann,  will  er  sie  dem 
jungen  Könige  von  Ungarn  auf  dessen  Kosten  überlassen. 

Reichsarchiv  München,   Dreissigj.  Kriegsacten  tom.  134,  569  Auszug. 

5.  Hochwald  (bei  Olmütz)  14,  August  1626.  Der  Pfleger 
daselbst  an  den  Cardinal  von  Dietrichstein.  —  Feindliches 
Kriegsvolk  unter  dem  Herzoge  von  Weimar  ist  in  Polnisch- 
Ostrau  angekommen  und  liegt  in  Zabrzeg  und  überall  an 
der  Oder  bis  Fulnek.  Ich  fürchte,  dass  es  morgen,  wenn 
nicht  noch  heute  hier  einfällt.  Man  sagt,  es  wolle  über 
Holleschau  nach  Skalitz  ziehen,   um   sich   dort  mit  Bethlen 

86* 


540     Nachtrag  z.  Sitzung  der  histor.  Classe  am  5.  Juii  1890, 

zu  vereinigen.    Heute  hat  sich  der  Feind  in  der  Stadt  Rziborsze 

[!]  einquartiert. 

A.  a.  0.  606  b  Copie. 

• 

6.  Hof  in  Mähren  75.  August  1626.  Oberst  Pechmann 
au  Questenberg.  —  Der  Feind  ist  schon  in  Mähren  zu 
Polnisch-Ostrau  und  Freistadt.  Ich  habe  bereits  drei  Com- 
pagnien  Dragoner  nach  Olmütz  geschickt  und  hoffe  morgen 
mit  meiner  ganzen  Reiterei  dort  zu  sein.  Wallenstein  wird 
in  Liegniz  liegen  und  in  fünf  Tagen  in  Mähren  sein.  Falls 
Bethlen  nicht  kommt,  soll  Mansfeld  nicht  viel  weiter  mehr 
kommen.  Das  Heer  ist  sehr  müde;  von  Bauern  und  Krobaten 
bleiben  viele  im  Nachzuge.  In  Schlesien  habe  ich  bewirkt, 
dass  in  den  nächsten  Wochen  8000  Mann  beisammen  sein 
werden.  Der  „herr  Schaffgutsch*,  der  noch  mit  100  Pferden 
auf  seine  Kosten  bei  mir  ist,  will  auf  meinen  Vorschlag  noch 
1000  Pferde  und  100  Dragoner  auf  seine  Kosten  werben, 
, allein  die  bezallung  soll  wie  deß  herrn  von  Dona  auf  die 
schlösische  camer  gericht  werden.*  Das  Landaufgebot  in 
Mähreu  und  Oesterreich  ergehen  zu  lassen,  ist  nicht  rätlich: 
man  liiit  es  in  Schlesien  auch  nicht  wagen  dürfen.  „Alle 
kundschaften  lauten,  der  feintl  wöll  sich  mit  den  obderens- 
erischen  paurn  conjungiern."  Ich  bitte  um  einen  des  Landes 
Mähren  kundigen  Befehlshaber;  „daß  steinicht  ebne  land, 
wir  mechtens  leicht  versehen,  das  er  in  der  Wagenburg  wie 
bishero  nach  dem  land  ob  der  Enß  gienge,  dann  sie  freien 
sich  gwelt  auf  Bairn."  Für  diesen  bitte  ich  um  Erlaubnis, 
es  mit  dem  Feinde  wagen  zu  dürfen.  Wenn  ich  nur  etwas 
Fussvolk  hätte,  wollte  ich  ihn  schon  , schmeißen.  In  Schlösien 
ist  ein  große  vertraulicheit  gewest;  jezt  verachten  sie  schon 
einander  selbst ,  welcher  salva  quartia  von  ime  genomen 
hat/  —  Nschr.  Nach  (tlatz  habe  ich  400  Musketiere  von 
den  1000,  welche  der  Statthalter  zu  Neisse  geworben  hat, 
gelegt,  weil  der  Feind  verschiedene  Anschläge  darauf  gehabt 
haben  soll.     Mansfeld    hat    ein   Fähnlein  von   500  Mann  bei 


Stieve:  Ernst  van  Mansfeld.  541 

sich  «von  der  löblichen  behemischen  nation  allein  gericht; 
die  bemiehen  sich  gewaltig,  zu  corespondieren.  In  Schlösien 
versucht  dasselbe  ambt  der  aufwiglung  der  von  Kettern, 
welcher  sich  sehr  bemieht,  dann  inie  Friedt[land]  hat  zu- 
gehört/^) 

A.  a.  0.  613  Copie. 

7.  Wien,  18.  August  1626.  Dr.  Leuker  an  den 
Kf.  MazimiliaiL  —  Nschr.  Friedland  ist  am  8.  von  Zerbst 
aufgebrochen  und  in  Niederschlesien  angelangt.  Der  Kaiser 
hat  ihn  durch  Kurier  aufgefordert,  durch  das  Qlatzische  nach 
Leitomischl  und  Tglau  zu  s&iehen,  um  dem  Mansfelder  den 
Weg  nach  Oesterreich  zu  verlegen ;  es  ist  aber  nicht  zu  hofien, 
dass  er  diesen  Weg  nimmt  und  so  bald  fortzieht.  Man  hat 
ihm  schon  vier  Kuriere  geschickt,  er  aber  hat  seit  seinem 
Aufbruche  noch  nicht  geantwortet. 

A.  a.  0.  603  Or. 

8.  Wien  19.  August  1626.  Der  venezianische  Gesandte 
zu  Wien ,  Marc  Antonio  Padavin  an  den  Dogen.  —  Man 
sagt,  dass  Mansfeld,  wenn  er  sich  bei  der  Ankunft  Wallen- 
steins  allein  befinde  und  sich  nicht  vorher  ins  Herzogtum 
Krossen  zurückgezogen  habe,  nichts  Anderes  thun  könne, 
als  durch  Mähren  nach  Oberösterreich  zu  ziehen,  sich  mit  den 
anfstandischen  Bauern  zu  verbinden  und  in  Baiern  einzu- 
dringen,  um  sich  so  den  Weg  nach  dem  Elsass  zu  bahnen. 

Staatsarchiv  Wien,  Dispacci  Veneti  67,  220,  eigh.  Or. 

9.  Wiefij  20.  August  1626.  Bescheid  des  Kaisers 
für  Leuker.  —  Friedland  musste  „underschitlicherantrohenden 
grossen  gefahren  halber"  herausberufen  werden.  Soviel  aber 
der  Kaiser  weiss,  hat  derselbe  seine  Posten  besetzt  und  auch 
Tilly  Volk  hinterlassen,  wie  denn  74  Fähnchen  z.  F.  und 
5000  Pferde  zurückgeblieben  sind.     Auch  rückt  ja  jetzt  die 

1)  Ohne  Zweifel  ist  Kristof  von  Ködern  gemeint;  8.  Allgemeine 
Deutsche  Biographie  29,  25. 


542     Nachtrag  z,  Sitzung  der  histor,  Classe  am  5.  Juli  1890. 

spanische  Hülfe  an.  In  Polen  hat  der  Kaiser  sein  Aeusserstes 
gethan,  aber  nichts  erreicht,  weil  der  König  selbst  bedrangt 
ist;  er  will  indes  in  seinen  Bemühungen  fortfahren. 

Staatsarchiv  München,  schw.  Abt.  29/21,  199  Copie,  z.  Teil. 

10.  München,  27.  August  1626.  Memorial  des  Kf. 
Maximilian  an  seinen  Hofrat  Veit  Hans  von  Neuhaus.  — 
Da  Lenker  und  die  Schreiben  des  Obersten  Pechniann  an 
den  Kaiser  und  an  Questenberg  melden,  dass  Mansfeld  schon 
am  15.  in  Mähren  angekommen  war  und  sich  verlauten 
lässt,  er  wolle  sich  mit  den  oberösterreichischen  Bauern  ver- 
binden und  gegen  Baiem  vorbrechen,  wie  er  dessen  seine 
Soldaten  vertröstet  habe;  da  ferner  Wallenstein  an  Orte, 
wo  er  Mansfelds  Vorgehen  hindern  könnte,  wohl  zu  spät 
gelangen  wird  und  Pechmann,  weil  er  kein  Fussvolk  hat, 
zu  schwach  ist,  so  schicken  wir  Dich  zu  Wallenstein,  Herzog 
Franz  Albrecht  von  Sachsen-Lauenburg  und  Pechmann.  Du 
sollst  zuerst  zu  Sachsen  eilen,  ihm  Mitteilung  von  der  Sach- 
lage machen  und  ihn  ersuchen,  beim  Einmarsch  in  Böhmen, 
wohin  er  vom  Kaiser  befehligt  ist,  gute  Kundschaft,  wo 
Mansfeld  sich  aufhält,  einzuziehen,  die  Pässe  zu  versichern 
und  Pechmann  Fussvolk  zu  senden.  Dann  sollst  Du  zu  diesem 
und  ihn  auffordern,  gute  Aufsicht  zu  halten  und  sich  der 
sächsischen  Hilfe  zu  bedienen.  Ist  er  schon  mit  Wallenstein 
vereinigt,  so  sollst  Du  zuerst  bei  diesem  Deine  Werbung 
ablegen ,  andernfalls  aber  nachher  zu  Wallenstein  reisen 
und  ihm  vorstellen,  wenn  Mansfeld  nach  Böhmen,  Oesterreich 
oder  der  Oberpfalz  vorbreche,  was  er  mit  leichter  Reiterei, 
namentlich  nach  seiner  Vereinigung  mit  Bethlen  ohne 
Schwierigkeit  thun  könne,  so  werde  nicht  nur  dem  kaiser- 
lichen Heere  alles  schwerer  werden,  sondern  Mansfeld  sich 
auch  mit  Hülfe  der  übelgesinnten  Untertanen  der  festen 
Plätze  und  Pässe  bemächtigen  und  die  Lande  verheeren 
können;  auch  werde  man  dann  einen  Teil  der  Truppen 
Tillys    herbeirufen    und    so    die    unteren    Plätze    dem  Dänen 


Stieve:  Ernst  tan  Mansfeld.  543 

preisgeben  müssen.  Wallenstein  möge  also  das  Nötige  vor- 
kehren und  dem  Obersten  Pechmann  sowie  dem  Bezöge  von 
Sachsen  die  geeigneten  Weisungen  zugehen  lassen.  Du  sollst 
auch  selbst  fleissig  nach  dem  Feinde  forschen  und  wenn  Du 
merkst,  dass  dessen  Vorbrechen  und  damit  Gefahr  f(5r  uns 
droht,  schleunigst  durch  den  mitgegebenen  Kurier  Meldung 
erstatten  und  durch  ihn  im  Durchreiten  die  Beamten  zu 
Fürth  und  sonst  benachrichtigen  lassen. 

Reichsarchiv  München,  Dreissigj.  Kriegsacten  tom.  102,  176  Cpt. 

11.  Wien  31.  August  1626.  Dr.  Leuker  an  Kf.  Maxi- 
milian. —  Am  kaiserlichen  Hofe  hält  man  einen  allgemeinen 
Angriff  auf  die  Bauern  für  unerlässlich.^)  ,Dann  ainmahl 
noch  gestern  abents  zeittung  eingelangt ,  das  der  Gabor  an- 
fange ,  anzeziehen ,  und  hab  vor  drei  tagen  ainen  aignen 
curier  alher  geschickt,  bei  dem  er  an  I.  ksl.  Mt.  von  aignen 
banden  geschriben  und  seine  devotion  und  das  er  nichts 
feindliches  wider  der  ksl.  Mt.  zu  attentiem  begere,  versichert; 
meldet  dabei,  es  solle  I.  ksl.  Mt.  den  Ungarn,  sonderlich  dem 
Palatino  nit  trauen.  Zu  gleicher  zeit  kombt  gewisse  nach- 
richt  ein,  das  der  Mansfelder  anfangt,  herüber  aus  Schlesien 
in  Mähren  zu  setzen,  weil  er  sihet,  das  der  paß  von  Teschen 
gegen  der  Jablonka  in  Ungarn  aller  verhaut  und  von  den 
Ungarn  stark  besetzt,*)  der  ander  aber,  der  aus  Mähren  bei 
Scalitz  über  den  Weißen  Perg  geet,  den  auch  der  Gabor 
anno  1623  gebraucht,  vil  bequember  zu  der  coniunctur  mit 
dem  Gabor,  derwegen  er,  Mansfelder,  sich  gegen  denselben 
nähert.  Es  ist  zwar  den  28.  aug.  der  herzog  von  Friedland 
zu  Neuß  angelangt,  er  will  aber  daselbsten  ausruhen  und  auf 


1)  Vgl,  über  den   eisten  Teil    des   Briefes  Stieve,  Bauernauf- 
stand I,  240. 

2)  Int  dies   richtig,    so  kann   die  Schwenkung  Mansfelds  naoh 
Mähren   allerdings  an   und   für  sich   nicht  für  dessen  elnuwer 
zeugen. 


544     Nachtrag  z.  Sitzung  der  fUstor.  Classe  am  5.  Juli  1890. 

etlich  tansent  Cosaggen  warten ,  die  er  in  Poln  zu  werben 
ausgeschickt;*)  getrauet  ime  den  feind  mit  dem  volk,  so  er 
bei  sich  hat,  nit  anzugreifen.  Es  haben  Ir  Mt.  den  Monte- 
cucculi  ime  entgegen  geschickt  und  ermahnen  lassen,  das  er 
eilends  den  Mansfelder  angreifen  solle.  lj?tvder  Montecucculi 
gestern  abents  spat  wider  hie  ankommen.  Sovil  ich  vernimb, 
hat  er  ein  mehrers  nicht  ausgericht,  als  das  er  gedachten 
herzog  von  Friedland  bis  auf  Neuß  marchieren  machen  .  .  . 
....  Montecucculi  bringt  noch  ferner  zeitung,  das  der  feind 
die  eingenommene  ort  besetze  und  sich  auf  Krerabschier 
nähere.  Das  liegt  nicht  über  drei  meil  von  Olmütz  an  dem 
Wasser  die  Marck  genannt,  welches  Mähren  von  Ungarn 
scheidet,  abwerts  5  meil  von  Gotting,  welches  der  Gabor 
anno  623  belagert  gehabt.  Die  Ungarn  sein  zwar  in  einer 
Verfassung,  die  sein  aber  nicht  bastant,  da  ihnen  Fried  land 
nicht  etlich  regiment  zu  fueß  zu  hilf  schickt,  den  Gabor 
aufzuhalten,  vil  weniger  den  Tirken ,  so  sie  sich  moviem 
wollen,  widerstand  zu  thuen.  Sein  etlich  scorrerien  bei  Raab 
vorübergangen,  daran  die  kais.  den  anfang  gemacht;  haben 
den  Tirken  die  bezahlnng  abgenommen,  die  jezigem  Tirken 
hat  sollen  zuekommen;  entjjregen  die  Tirken  widerumb  ge- 
straift  und  denen  von  Kaab  all  ihr  viehe  sambt  etlich  100 
underthanen  weckgefürt.  Graf  von  Altheinib  hat  etlich  casti- 
giert  und  bemiehet  sich  stark ,  dasselb  wessen ,  damit  die 
Tirken  nit  ursach   nenimen,  den  frieden  zu  brechen,  zu  com- 

poniern 

Nschr.  Jetzt,  weil  ich  im  schreiben,  kombt  da^s  gesehrei 
aiKs,  Krenißier  hab  der  Man.<feld  einbekommen.  Setzt  er  da- 
sei bs  über  das  wasser,  so  ist  es  ein  anzaichen,  das  er  gegen 
Oesterreich  sich   wenden,    l)Ieibt    er  aber  jenseits  der  Marck, 


1)  Am  Hände  lu'inorkto  LcMiktT:  ,Man  hat  hio  irewiase  nach- 
richt,  <laß  (l«'r  zi'it  k<*in(»  ('osii«,'^n'n  \v(»r«l»'n  zu  bekommen  sein,  weil 
der  köni^r  aus  Polen  alles,  was  in  der  eil  zu  bekommen  gewesen,  in 
Preixsen  wider  die  Sehweden  'refihrt.* 


i 


Sluie:   Erml  ••<„,   »tnnxfeld.  ö4.i 

;uit  dem  Gabor  sich  conjungirn,  itißdftn  si  imget^iinitjt  ent- 
weder auf  NiklaQbur^.  Taha,  Znemb  oder  an  der  Taya  auf- 
werte K^gen  Böhemb  »ich  avuiKireii  luöuhteti.  Der  markt., 
meint  man,  wenl  sie  kramben  lelirnen.* 

StaatHfircliiv  Hünilien,  ächw.  AU.  29/21.  l'Jl  eijfh.  Or. 
12.  Prmj  2.  September  1636.  V.  H.  von  Neohaua  an 
(Jen  Kf,  Haximilian.  —  Inh  habe  den  Ht-  Ftmix  Albre^-bt 
von  Sachsen- Linien burn  am  31.  .Anfällst  /«  Beraun  (i;etroffen. 
Derselbe  ist.  iti  Folge  meiuer  Werbung,  zumal  ibui  von  den 
ksl.  KomniiääHreii  Befehl  zugekfimmen  war,  seine  25  Fähn- 
chen und  200  Pferde  mustern  in  lassen  .  noch  am  selben 
Abend  nach  Prag  gegangen  und  hat  auch  mich  dahin  be- 
schieden. Da  er  am  näehsten  Tage  mit  der  Musterung  viel 
tu  thuD  hatte,  habe  ich  erst  heute  den  lieiliegenden  Bescheid 
(fehlt)  erhulten,  Watlenfitein  soll  vor  Iturzeni  mit  aeinem 
Heere  bei  Neisse  und  noch  weiter  zurllck  gelegen  haben, 
vor  wenigen  Tagen  aber  gegen  Mansfeld.  der  sich  bei  Schweid- 
DÜK  befindet,  autgebrochen  sein  und  nun  nur  noch  vier  Meilen 
von  jenem  entfernt  stehen.  So  melden  Heißende,  die  aus 
Schlesien  kommen.  Genaues  weiss  weder  Fürst  LiediteUBtein 
noch  einer  der  hiesigen  Leute  Wallensteins.  Trof^dem  will 
Ich  mich  alsbald  —  indes  nicht  mit  der  Pust,  die  hier  nicht 
zu  Iwkommen  ist  —  nach  Schlesien  begeben.  Wo  Mansicld 
hinaus  will,  kann  man  nach  Liechtensteinii  und  des  Herzogs 
von  Sachsen  Meinung  nicht  wissen ,  doch  haben  ihm  die 
Ungarn  den  Pass  Kur  Vereinigung  mit  Bethlen  versperrt 
and  wird  er  seine  Absicht  wol  nicht  ausfuhren  können ,  da 
der  Palatin  viel  Volk  beisammen  hat.  Der  Hz.  von  Sachsen, 
Liechtenstein  und  Andere  haben  mir  wegen  der  durch  die 
Soldaten  und  Bauern  verursachten  I^nsicherheit  die  Keis«  zu 
Walleustein  widerraten,  doch  will  ich  nichts  versänmen.')  — 

1)  Ana  »inem  Bei^ldlurlii eitien  von  NeuhaUE  nn  deu  Bofkamnier- 
unii  KriiipiraWJirwlor  Wilhelm  Bisenreich  von  und  zu  iVurlumh  tiuf 
LkfiKenbettenbacb  and  Hof'lorr  erhellt,  da^B  jener  vor  der  Heise  grosse 
Anpt  bitUe.    A,  a.  0.  19ö  Or, 


546     Nachtrag  z,  Sitzung  der  histor.  Classe  am  5.  Juli  1890, 

Nschr.    Eben  ist  Nachricht  von   einem   grossen  Siege  TiUvs 
über  Dänemark  gekommen. 

Reichsarchiv  München,  Dreiasigj.  E^riegsacten  tom.  102,  191  Or. 

13.  Frey  Stadt  IL  September  1626,  Wallenstein  an 
den  Kf.  Maximilian.  —  E.  Dt.  haben  uns  am  26.  August 
geschrieben,  dass  Sie  den  Hz.  von  Holstein  und  Ihre  neu- 
geworbenen Reiter  nach  Oberösterreich  verordnet  hätten  und 
wir  das  Vorbrechen  Mansfelds  verhindern  möchten.  Sobald 
"Mansfeld  erfuhr,  dass  wir  ihm  mit  dein  kaiserlichen  Volke 
nachrückten,  hat  er  sich  nach  den  Bergstädten  und  dann 
nach  Oberungarn  zurückgezogen,  wo  er  sich  mit  Bethlen  und 
den  Türken  verbinden  will.  Wir  haben  deshalb  hier  Posto 
gefasst,  wollen  aber  bis  nach  Schmitta  vorrücken.  ^Verhoffen 
alsdann,  weilen  sich  die  Hungarn  auf  I.  ksl.  Mt.  seiten  sehr 
guet  erzaigen  und  dem  feind  neben  uns  zu  resistiren  sich 
entschlossen,  demselben  mit  göttlicher  hilf,  da  er  nur  an  uns 
kommen  wird,  woll  obzusiegen,  das  es  an  der  victori  nit  zu 
zweiflen  sein  wird,  inmassen  wir  dann  mit  im  zu  schlagen 
resolviert  sein,  dieweilen  sonst,  wann  wir  nur  defensiv  mit 
ime  kriegen  wollen,  er  mit  seiner  leichten  cavalleria  die 
fourage  uns  alle  abschneiden  und  dardurch  wie  an  vor  öfter 
beschehen,  die  arniada  consumiern  wurde.  Dannenhero  E.  Dt. 
sich  wegen  des  feinds  etwann  vornembenden  cavalcada  in 
Beheimb,  dardurch  er  dann  in  die  Oberpfalz  und  anderwerts 
weiter  einbröchen  möchte,  in  keinen  sorgen  stehen  wollen, 
weilen  wir  inie  also  vermittelst  göttlichen  beistands  wol 
ehender  zu  trennen  uns  getrauen  und  dardurch  diasem  hoch- 
schedlichen  niiheil  zeitlich  vorzukommen.'*  Mansfeld  hat 
allerdings  in  Jä^erndorf  und  Troppau  Besatzungen  hinter- 
lassen, welche  stark  werben,  aber  auch  die  Fürsten  und 
Stände  in  Schlesien  werben,  wir  haben  den  Obersten  Mörder 
mit  seiner  Reiterei  dort  hinterlassen  und  meinen,  Burggraf 
Karl    Hannibal    von    Dona    werde    in    kurzem    neben    dem 


Stieve:  Ernst  vofi  Mamsfeld,  54:7 

schlesischen  Volke   auch  eine  grosse  Anzahl  von   Polen  be- 
kommen. 

A.  a.  0.  203  Copie. 

14.  München  17,  Oktober  1626,  Kurfürst  Maximilian 
an  Wallenstein.  —  Aus  dem  uns  durch  Neuhaus  über- 
brachten  Schreiben  E.  L.  (vom  11.  September)  und  dessen 
mündlichem  Berichte  haben  wir  vernommen,  dass  E.  L.  sich 
getrauen ,  den  Mansf eider  von  seiner  Zurück wendung  abzu- 
halten und  gänzlich  zu  schlagen.  Da  noch  immer  verlautet, 
derselbe  wolle  sich  wieder  nach  Schlesien  und  dann  weiter 
begeben,  bitten  wir  dagegen  Vorkehrung  zu  treflFen.  Wir 
glauben  um  so  mehr  an  jenes  Vorhaben,  als  der  Bauernauf- 
stand in  Oberösterreich  und  namentlich  im  Hausruckviertel 
noch  stark  fortdauert,  da  die  Bauern  fest  auf  die  ihnen  durch 
einen  eigenen  Gesandten  versprochene  Hülfe  des  Königs  von 
Dänemark^)  rechnen.  Auch  andere  kaiserliche  Untertanen 
würden  sich  gewiss  Mansfeld  anschliessen  und  ein  nicht  leicht 
zu  löschendes  Feuer  anzünden.  Niederlage  des  Herzogs  von 
Holstein  und  der  bairischen  Truppen  gegenüber  den  Bauern 
in  Oberösterreich.*)  Wir  haben  nun  vorgehabt,  den  Herzog 
von  Holstein  mit  einem  Teile  unseres  Volkes  anf  der  Donau 
nach  Linz  zu  den  Kaiserlichen  zu  schicken,  damit  man  doch 
endlich  den  Aufstand  stillen  und  das  dazu  gebrauchte  Volk 
E.  L.  senden  könne.  Der  Kaiser  hat  sich  jedoch  unsere  Ab- 
sicht nicht  gefallen  lassen.  Deshalb  haben  wir  dem  Herzoge 
wegen  des  heurigen  Misswachses  anheimgestellt,  anderswohin 
zu  ziehen.  Wir  halten  indes,  wie  wol  auch  E.  L.  thun  wird, 
für  unerlässlich ,  dass  der  Aufstand  gründlich  unterdrückt 
werde,  und  stellen  das  auch  dem  Kaiser  eindringlich  vor. 
Die  Aufrührer  im  Hausruckviertel  sind  ja  trotz  fünfmonat- 
licher Bedenkzeit  und  obwol  sich  alle  anderen  Viertel  auf 
die  von  den  kaiserlichen  Kommissaren  gestellten  Bedingungen 

1)  Vgl.  Stieve,  Bauernaut'ätand  I,  167. 

2)  S.  a.  a.  0.  262  fg. 


548     Nachtrag  z,  Sitzung  der  histor.  Glosse  am  5.  Juli  1890. 

hin  unterworfen  haben,  in  ihrer  Halsstarrigkeit  mit  Kauben, 
Brennen  und  Plündern  unausgesetzt  verfahren  und  haben  die 
kaiserlichen  Truppen  feindlich  angefallen  und  die  anderen 
Untertanen  aufzuwiegeln  gesucht.  Es  kann  leicht  geschehen, 
dass  sich  diese  in  Folge  mangelnden  Schutzes  auf  die  steten 
Drohungen  der  Empörer  hin  und  weil  Manche  vielleicht 
selbst  noch  gute  Lust  dazu  tragen,  wieder  zu  den  Auf- 
ständischen schlagen  und  dann  die  Sachen  schwerer  als  zuvor 
werden.  Es  wäre  daher  sehr  gut,  wenn  E.  L.  einen  Teil 
ihres  Volkes  heraufschickten,  um  aus  dem  Grunde  zu  helfen, 
und  Sie  könnten  das  vielleicht  wol  bewilligen,  weil  Bethlen 
und  die  Türken  abgezogen  sein  sollen.  Zieht  sich  der  Auf- 
stand bis  in  den  Frühling  hin,  so  werden  E.  L.  viel  schwerer 
Hülfe  leisten  können,  weil  dann  Bethlen,  Mansfeld  und  die 
Türken  vermutlich  verstärkt  ins  Feld  rücken  und  wol  gar 
den  Bauern  Hülfe  schicken  oder  die  übelgesinnten  Unter- 
tanen in  Böhmen  und  anderen  Ländern  aufwiegeln  werden.  — 
Beiliegend  überschicken  wir  Nachrichten  über  des  alten  Mark- 
grafen von  Baden  ange^^tellte  und  wieder  abgeschaflfte  Rüst- 
ungen und  über  Werbungen ,  welche  noch  jetzt  zu  Basel 
stattfinden  sollen. 

A.  a.  ().  206  Cpt. 


Nachtrag  zu  S.  406  Anmerkung  1. 

Herr  Dr.  Franz  Binder  macht  mich  gütigst  aufmerksam,  dass 
er  die  folgende  Stelle  in  Schatzwerts  . Ahwa  Hchung"   im  Auge  hatte: 

,l>ass  du,  Osiander.  aher  wis8est  die  urnach  warum  ich  dich  und 
deinen  häufen  nit  genennet  hab,  sollt  du  wissen,  diiss  ich  der  herr- 
lichen und  in  vergangen  /eiten  hochhen*nu]>ten  liWdichen  stat  Nürm- 
herg  darin  verschont  hah.  in  der  mir  viel  gut"<.  lieh  und  freuntschaft 
ist  erzeigt  worden,  damit  sie  nit  gedächt,  ich  hätt  ein  lust  und  ge- 
fallen, dass  ihr  ehr  und   leyiuuet  sollt  gemindert  werden/ 


549 


Oeffentliche  Sitzung 

zu    Ehren    Seiner  Majestät    des    Königs    nnd    Seiner 
Königlichen  Hoheit  des  Prinzregenten 

am  15.  November  1890. 


Der  neu  ernannte  Präsident  Herr  von  Pettenkofer 
eröffnete  die  Sitzung  mit  einer  Ansprache:  „rerum  cog- 
noseere  causa.s*,  welche  als  besondere  Schrift  im  Verlage 
der  Akademie  veröffentlicht  worden  ist. 

Hierauf  erfolgte  die  Verkündigung  der  am  19.  Juli  lfd.  Js. 
von  der  Akademie  vollzogenen,  am  19.  Oktober  von  Sr.  Kgl. 
Hoheit  dem  Prinzregenten  bestätigten  Neuwahlen. 

Es  sind  gewählt  und  bestätigt: 

1.  für  die  philosophisch-philologische  Classe 

A.  als  ordentliche  Mitglieder: 

Herr  Dr.  Wilhelm  Hertz,  o.  Professor  für  deutsche 
Sprache  und  Literatur  an  der  technischen  Hochschule 
dahier,  bisher  ausserordentliches  Mitglied. 

Herr  Dr.  Karl  Stumpf,  o.  Professor  der  Philosophie  an 
der  Universität  München. 

B.  als  ausserordentliches  Mitglied: 

Herr  Dr.  Karl- Krumbacher,  Studienlehrer  am.Ludwigs- 
gymna-sium  und  Privatdocent  an  der  Universität  München. 


550  Oeffentliche  Sitzung  vom  15,  November  1890 

C.  als  auswärtige  Mitglieder: 
Herr  Dr.  Wilhelm  Ritter   von  Hartel,    o.  Professor   der 

Philologie   an   der  Universität  Wien,    bisher  correspon- 

direndes  Mitglied. 
Herr  Dr.  Berthold  Delbrück,   o.   Professor    für   Sanskrit 

und   vergleichende  Sprachforschung    an    der  Universität 

Jena. 
Herr  Dr.  Johannes  Schmidt,  o.  Professor  für  indogermanische 

Sprachen  an  der  Universität  Berlin. 

n.  für  die  historische  Classe 

A.  als  ordentliches  Mitglied: 

Herr  Dr.  Franz  von  Reber,  o.  Professor  der  Kunstge- 
schichte an  der  technischen  Hochschule  dahier,  Central- 
Gemälde  -  Gallerie  -  Direktor ,  bisher  ausserordentliches 
Mitglied. 

B.  als  auswärtiges  Mitglied: 

Herr  Dr.  Moriz  Ritter,  o.  Professor  der  Geschichte  an 
der  Universität  Bonn,  bisher  correspondirendes  Mitglied. 

C.  als  correspondirende  Mitglieder: 

Herr  L.  Duchesne,  Professor  an  der  Ecole  des  Hautes- 
Etiides  und  am  Institut  Catholique  in  Paris. 

Herr  Dr.  Max  Lenz,  o.  Professor  für  mittlere  und  neuere 
Geschichte  an  der  Universität  Berlin. 

Herr  Dr.  Gerold  Meyer  von  Knonau,  o.  Professor  der 
Geschichte  an  der  Universität  Zürich. 

Hieraufhielt  Herr  FerdinandGregoroviu8,o.  Mitglied 
der  historischen  Classe,  die  Festrede  über:  ^die  grossen 
Monarchien  oder  die  Weltreiche  in  der  Geschichte**, 
welche  als  b(\s()nclere  Schrift  im  Verhi»(e  der  Akademie  er- 
schienen ist. 


VerzeichniS8  der  eingelaufenen  Druckschriften 

Juli  bis  December  1890. 


Die  vorehrlichen  GesellsohAften  und  Inatitute,  mit  welchen  unsere  Akademi 
TauBcbverk  ehr  steht,  werden  gebeten,  nachstehendes  Yeneiehniaa  zugleich  als  Empfai 
beetätignng  zu  betrachten.  —  Die  zun&chst  fOr  die  math.-phys.  Glasse  bestimn 
Druckschriften  sind  in  deren  Sitzungsberichten  1890  Heft  IV  verzeichnet. 


Von  folgenden  Gesellschaften  nnd  Instituten: 

Geschichtsverein  in  Aachen: 
Zeitschrift.  Bd.  XII.     1890.    8®. 

Societe  d^ Emulation  in  Äbbeville: 

M^moires.  4«  Särie.  Tora.  I.  1.     1889.     8®. 
Bulletin.  1888.  Nr.  1—4.  1889.  Nr.  1-4.    8«. 

Südslavische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Agram: 

Rad.  Bd.  98—101.     1890.    S^. 
Starine.  Bd.  22.     1890.    8«. 
Lietopis.     1889.    8^. 
MoDumenta.     1889.    8<>. 

Archäologische  Gesellschaft  in  Agram: 

Viestnik.  Bd.  XU.  Heft  1—4.     1890.    8^. 

Papis  arkeol.  o(^je1a  nar.  zem  Muzeja.  Bd.  I.  1.  Bd.  II.  1.     1890. 

New- York  State  Library  in  Albany: 
72th  annual  Report.     1890.     8<>. 

ünicersity  of  the  State  of  New- York  in  Albany: 

43^  annual  Report  of  the  New- York  State  Museum  for  the  year  1^ 
1890.    8^ 


552  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

SociiU  des  Äntiquaires  de  Picardie  in  Amiens: 

Bulletin.  Annöe  1889  Nr.  2.  3.     1889.    8». 
Mämoires.  Documenta  inädits.  Tom.  X.     1883.    4**. 

K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Amsterdam: 

Versla^en  en  Mededeelingen.    Äfd.  Letterkunde.    III.  Reeks.    Deal  6. 

1889—90.     80. 
Jaarboek  voor  1889.    8«. 
Rud.  van  Oppernraaij.  Amor.  Carmen  elegiacum.     1890.     8^. 

Johns  Hopkifis  University  in  Baltimore: 

Circulai-8  Nr.  81—83.     1890.    4». 

The  American  Journal  of  Philology.  Vol.  X,  4.  XI,  1.     1889/90.     8®. 

Studie«  in  historical  and  political  Science.  Vol.  VIII,  1 — 4.    1890.    8®. 

Historische  und  antiquarische  Gesellschaft  in  Basel: 
Beiträge  zur  vaterländischen  Geschichte.  N.  F.  Bd.  III.  Heft  3.   1890.  8**. 

Gefiootschap  van  Künsten  en  Wetenschappen  in  Batavia: 

Dagh-Register  gehouden  int  Casteel   Batavia  Anno  1661.     1889.     4®. 
Tijdschrift.  XXXIII,  5.  6.  XXXIV.  aflev.  1.     1890.     S«. 
Notulen.  XXVII,  4.  XXVIII.  aüev.  1.     1890.    8^ 
Nederlandsch-Indisch  Plakaatboek.  Deel  VII.  1765—1764.     1890.    8^ 

Historischer  Verein  für  Oherfranken  in  Bayreuth: 

Archiv    für    Geschichte    und    Alterthumskunde.     Bd.  XVII.     Heft  3. 

1889.  8«. 

K.  Serbische  Akademie  der   Wissenschaften  in  Belgrad: 

Spomenik.  IL  VI.     1890.     4«. 
Glasnik.  Tom.  71.     1890.     8". 
Godischnjak  (Jahrbuch).  II.  1888.     1889.     8^. 
Glas  Nr.  21.  22.     1890.     8». 

2    P^'zählungen   in   .serbischer    Spriulie    von    L.  K.  La^are witsch    und 
Simc  Matawülja  von  der  k.  AkatUMiiie  in  Belgrad  preisgekrönt. 

A'.  Akademie  der   Wissenschaften  in  Berlin: 

Abhandlungen.  Jahrg.  1889.     1890.     4«. 

Politische  Korrespondenz  Friedrich's  des  Grossen.  Band  18,  1.  Hälfte. 

1890.  80. 
Sitzunj^hberirhte.   1890.  Nr.  XX— XL.     8«. 


•n" 


Kaiserlich  Deutsches  archäologisches  Institut  in  Berlin 

Jahrbuch.  Bd.  V.  lieft  2.  3.     1890.     4«. 

Jahresberiiht   ülicr  seine  Thiltigkeit  188*j/90.     1890.     8". 

50.  Programm  zum   \\'inckelmann>feste.     iJsUü.     4". 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften,  553 

Verein  für  Geschichte  der  Mark  Brandenburg  in  Berlin: 

Forschungen    zur   Brandenburgiachen    und    Preussischen   Oescbichte. 
3.  Band,  2.  Hälfte.     Leipzig  1890.     8«. 

Allgemeine  geschichts forschende  Gesellschaft  der  Schweiz  in  Bern: 

Jahrbuch  für  Schweizerische  Geschichte.    Bd.  XV.     Zürich  1890.    8^. 
Quellen  zur  Schweizer  Geschichte.  Bd.  IX.    Basel  1890.    8^. 

Historischer  Verein  des  Kantons  Bern  in  Bern: 

Archiv.  Bd.  XIII.  Heft  1.     1890.     8». 

Adrian  von  Bubenberg,  Charakterbild  von  Jakob  Sterchi.     1890.    8^. 

Verein  von  Alterthumsfreunden  in  Bonn: 
Jahrbücher.  Heft  89.     1890.    gr.  8^. 

Schlesische  Gesellscliaft  für  vaterländische  Cuitur  in  Breslau: 
67.  Jahresbericht  für  1889.     1890.    8«. 

Academie  Boyale  des  Sciences  in  Brüssel: 
Bulletin.  3«  Sdrie.  tom.  XIX.  Nr.  6.  tom.  XX.  Nr.  7—11.     1890.     8". 

Universiti  libre  in  Brüssel: 

Annales  de  la  facultä  de  philosophie  et  lettres.    Tom.  I.   fasc.  1.  2. 
1889/90.    8«. 

Ungarische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Budapest: 

Ungarische  Revue  1890.  Heft  7—10.  Juli— October.    8«. 

Almanach  1890.    8». 

ftvkönyo  (Jahrbuch).  Bd.  XVII.  7.     1889.     4«. 

ßrtesitö  (Sitzungsberichte).  1889,  2—5.  1890,  1—6.     1889-90.    8^. 

fiml^kbeszedek  (Gedenkreden).  Bd.  V,  9.  10.  VI,  1—7.    1889—90.    8**. 

Nyelotudomanyi  £rtekez^sek  (Sprachwissenschaftliche  Abhandlungen). 

Bd.  XIV,  11.  12.  XV,  1-5.     1890.     8« 
Sextus  Porapeius  Pestus  ed.  Aemilius  Thewrewk.  Pars  I.     1889.    8®. 
Simonyi   Zsigmond,    Amagyar  hatärozök   (Die  Bestimmungsworte  im 

Ungarischen).  Bd.  I,  2.     1890.    8». 
Nyelvtudomdnyi  KOzlem^nyek  (Philologische  Mittheilungen).  Bd.  XXI, 

3—6.     1889/90.    89. 
KünoH  Ignäcz,    Oazman-török  nepköltäsi  gyüjtt^m^ny    (Sammlung  os- 

mano-türkischer  Volksdichtungen).     1889.     8". 
Abel  Jenö,  Magyarorszdgi  tanulök  külfbldön  (Studierende  aus  Ungarn 

im  Auslande). 
Tört^netludomänyi  I^rtekezt^sek  (Historische  Abhandlungen).  Bd.  XIV, 

5—9. 
Tarsadalmi  £)rtekez^ek  (Socialwissenschaftliche  Abhandlungen).  Bd.  X, 

3—10. 
Bölcseszettudomanyi     6rtekezäsek     (Philosophische     Abhandlungen). 

Bd.  m,  2. 
Ballagi  Aladdr,  Colbert.  Bd.  II.     1890.    8*^. 

1890.  Philos.-pbilol.  a.  bist.  Cl.  II.  3.  37 


554  Verzeichnias  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Csänki  Dezsö,  Magyarorazäg  iörtänelmi  fSldrajza  a  Hunjadiak  Koraban 
(Geschichtliche  Geographie  Ungarns  im  XV.  Jahrhandert).  Bd.  I 
1890.    8®. 

Corpus  statutorum  Hungariae  mnnici^alium.    Tom.  IL  1.     1890.     8^ 

Demko  Kdlmön,   A  felsömagyarorszÄgi  v^rosok  ^letdröl  a  XV — XVII 
8z4zadban   (Da«  Leben  obeningarischer  Stä<lte  im  XV— XVII 
Jahrhundert).     1890.     8«. 

Ferdinandi  Koväcs,  Index  alphabeticus  Codicis  diplomatici  Arpadiani 
continuati.     1889.     8* 

Monumenta  comilialia  regni  Hungariae.  Tom.  10      1890.     8^. 

Monumenta  comitialia  regni  Transylvaniae.  Tom.  XIV.     1889.    8^. 

Archivum  Rakoczianum.  Sectio  I.  Tom.  10.     1889.    8®. 

Cvdry  Lipöt,  A  tört^nelmi  bizottsäg  o  klevdl-raäsolatai  (Abschriften 
der  Urkunden  der  historischen  Commission  der  Ungarischen 
Akademie).     1890.    8». 

Archaolog^ai  Ertesitö  (Archäologischer  Anzeiger).  Neue  Folge.  IX,  3—6. 
X,  1.  2.     1889-90.    gr.  8^. 

Register  zu  den  Schriften  der  Ungarischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften. 1830-1889.     1890.    8". 

Statistisches  Bureau  der  Hauptstadt  Budapest: 

Publikationen  Nr.  XXIII.  XXIV.     1889/90.     80. 

Bulletin  annuel  des  finances  des  grandes  villes.  IX^  annäe  1886. 
1890.    gr.  8». 

Rumänische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Bukarest: 

Eudoxiu  de   Hurmuzaki,    Documente  privitöre  la  istoria   Romänilor. 

Vol.  I.  part.  2.   1346—1450.     1890.     4». 
Anales.  Seccion  2»  Ano  1889.     1890.     fol. 

A-siatic  Society  of  Bengal  in  Calciitta: 

Journal.  New  Series  Nr.  296—301.     1890.     8». 
Proceedings.  1890.  1— lll.     8». 

Zeitschrift  „  The  Open  Court^  in  Chicago: 
The  Open  Court.  1890.  Nr.  146—173.     4^. 

Videnskabs  Selskab  in  Christiania : 
Forhandlinger.     1889.     8«. 

Universität  Czernowitz: 

Verzeiehnirts  der  Verleihungen  1890/91.     8^. 

Uebersicht  der  akiidemischen  Behörden  etc.  1890/91.     8®. 

Akademische  Lesehalle  in  Czernowitz: 
Jahres- Verwaltunga- Berieht.  29.  und  30.  Semester.     1890.    8°. 

Aca<lemie  des  sciences  in  Di  Jon: 
M^moires.  IV.  Serie.  Tom.  1.     Annees  1888—89.     8^ 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriftefh  555 

Gelehrte  estnische  Gesellschaft  in  Dorpat: 
Sitzungsberichte.  1889.     1890.    8^. 

Universität  in  Dorpat: 
Schriften  der  Universität  Dorpat  vom  Jahre  1889/90.    49  nnd  8®. 

K,  Sächsischer  AlterthuMscerein  in  Dresden: 

Neues  Archiv  für  sächsische  Geschichte.  Bd.  XI.     1890.     8^. 
Jahresbericht  1889—90.     1890.     8». 

K,  Gymnasium  zu  Eislehen: 

Das   Werder-  und    Acht- Buch   der   Stadt    Eisleben    von  H.  Grössler. 

1890.  8«. 

Verein  für  Geschichte  der  Chrafschaft  Mansfeld  in  Eislehen: 
Mansfelder  Blätter.  4.  Jahrg.     1890.    8<^. 

Universität  Erlangen: 
Schriften  der  Universität  Erlangen  vom  Jahre  1889/90.    4®  und  89. 

Universität  Freiburg  i,  Br.: 
Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1889—90.    4^  und  8". 

Universität  in  Freiburg  in  der  Schweiz: 

Index  lectionum  1890-91   mit   Programm  von  W.  Effmann,   Heilig- 
kreuz und  P&lzel.     1890.     4^. 

Universität  in  Genf: 
Schriften  der  Universität  Genf  vom  Jahre  1889/90.    4»  und  8®. 

Universität  in  Giessen: 
Schriften  der  Universität  Giessen  vom  Jahre  1889/90.    4^  und  8^. 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Ctottingen: 

Göttingische  Gelehrte  Anzeigen  1890  Nr.  9—19.    gr.  8^. 
Göttingische  Nachrichten  1890  Nr.  4—10.    gr.  8^, 

Rügisch'Pommerscher  Geschichtsverein  in  Greifstoald: 

Beiträge  zur   Pommerschen  Rechtsgescbichte,    von  Th.  Pyl.    Heft  2. 

1891.  8®. 

K,  Instituut  voor  de  Taal-,  Land-  und  Volkenkunde  van  Neder- 

landsdi-Indie  im  Haag: 

Bijdragen.  V.  Reeks.  Deel  V.  Aflev  3.  4.     1890.    8^. 

Deutsche  morgenländische  Gesellschaft  in  Halle: 

Zeitschrift.  Bd.  44.  Heft  2.  3.     Leipzig  1890.    8^. 

37* 


556  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Universität  in  Halle: 
Schriften  der  üniversitÄt  Halle  vom  Jahre  1889/90.    4«  und  8^. 

Stadtbibliothek  in  Hamburg: 

Jahrbuch  der  Hamburgischen  wipsenschafblichen  Anstalten.  VII.  Jahrg. 

1889.     1890.     gr.  8«. 
Schriften  der  Hamburger  wissenschaftlichen  Anstalten  aus  den  Jahren 

1889—90.    4*. 

Verein  für  Hamhurgische  Geschichte  in  Hamburg: 
Mittheilungen.  12.  Jahrgang  1889.     1890.    8^. 

Historischer  Verein  in  Hannover: 
Zeitschrift.  Jahrg.  1890.    &*, 

Teyler  godgeleerd  Genootschap  in  Harlem: 
Verhandelingen.  N.  F.  Deel  XII.     1890.    8^. 

Universität  in  Heidelberg: 

Schriften  der  Universität  Heidelberg  vom  Jahre  1889/90.     4®  und  8^. 
Vom  Vogel  Phönix.  Akademische  Rede  von  Fritz  Scholl.     1890.     4». 

FinJändische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Hei  sing  fors: 
Öfversigt.  XXXI.  1888—1889.     1889.    ^, 

Universität  in  Helsingfors. 
Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1889-90.     4»  und  8^. 

Verein  für  siehenhürgische  Landeskunde  in  Hermannstadt: 

Archiv.  N.  F.  Bd.  XXIII.  lieft  1.     1890.     8^ 

Progi-amm  des  evangelischen  Gymnasiums  für  d.  J.  1889/90.    1890.    4®. 

Historischer   Verein  in  Ingolstadt: 
Sammelblatt.  Heft  15.     1890.     ^, 

Ferdinandeum  in  Intisbriick: 
Zeitschrift.  3.  Folge.  Heft  34.     1890.     8^ 

Wissenschaftliche  und  liierarische  Gesellschaft  in  Jassy: 
Archiva.  Vol.  II.  Nr.  1—4.     1890.     8^ 

Verein  für  thüringische  Geschichte  in  Jena: 
Zeitschrift.  N.  F.  Bd.  Vll.  Heft  1.  2.     1890.     8^. 

Grossherzoglich  Badische  Staats- Alt erthüinersamwlung  in  Karlsruhe: 

VIII.  Publikation:  Besohroihung  der  Sammhing  antiker  Bronzen,  von 
Karl  Schumacher.     1890.     8^. 


!4.     18fl9-W»- 


VcrttichnU'  Her  ciiiyrlaufeiie-i   Uni: 

Verein  für  Hetfiichr  GeaehiehU  n 
Zcit-4c)iritt.  Kd.  24.  25  nebst  liid«i  zu  Bnnd  1- 
Mittbeilungen  1688.     1889.    6". 

Sehlemriii  Hiiliileinii^hris  Musfuni   nilertämli'ehfr  Allfrlhüm. 
S'X  Bericht.     1890.    8". 

UHtoenitäl  Kiel: 
Schriften  iler  UniveraiUt  aits  dem  Jahr  1669/!».     i"  und  i 

Universität  in  Kicv 
hwMtija.  Bd.  XXX.  Nr.  4-Iü,     1690.    8°. 

K.  Akademie  der   Wiaucnschaflen  in  Knpenknije» 
OTeraittt.  1890.  Nr.  2.     8". 

Skrifter.  6.  Serie,  pbilol.  Claase,  B.!.  I.  Nr,  1.     1890.    4». 
Aktstykfeer  of?   Oplisninger   til    Bigaraadels   Historie   Bii.  I 
1,  a.  111,  I.  2.     1863-90,     8". 

Gegtlhrhaft  für  nordische  Altenhumiikun 
Aarl«ger  1890.   11.  Kiiekke.    Bd.  4.   Beft  4, 


<f  in  Ko]i*nhagen: 
d.  6.   Heft  1-3.     1 


1889.    4". 

Akademie  der   Wissenst^afte«  i"  Krukau: 
Aiueii^er  1890.  Juni,  Juli.  Oktober.  November.    8°. 
RocKnik  (AIra»nttthl  Jahrg.  1888.     1889,     6". 
l'ainittiiit  (Arlieiten).  Philol.  Clanue.  Bd.  VII.     1869—90.     i". 
KOKpraw;  [ Sitzung» berichte).  Philologische  Clawe.  Bd.  13.  1669'941 

Bistorinehe  Classe.  Bd.  22-24.     1869—90.    8", 
ScriplorcH  rerum  Polonicarom.  Tom.  XIU.  XIV.     1889,     Sf. 
AcU  lii-torip«.  Tom-  XII.     1890,     i". 

StarodAWne  prawu  polsfaiefco  pomniki    Tom.  IX.  X,  1,    1688—89. 
Archiwum  do  dziejiSw  literaturv.  Tom.  VI.     1890.     8". 
!iprawcisidn,Die    kouiieyi    do    bftdiiDia   hSaior^i    SKluki.    Tom.  IV,  1 

1889,     fol. 
Biblijotekit  pisaridw  polakich.  Tom.  1—8,     1669.    8<*. 

K.  Bralsdiiile  in  Landtberg: 

Krullinger.    Wilh.  P 


L 


Hisloriiieher  Verein  in  Laiiilshut: 
Verbandiungen.  Bd.  36.  Heft  S.  4,     1690.    6°. 

MaatKhnppij  der  Ntderlandsehc  LetUrtundr 
TijdBclirift  voor  Nederlandsche  Taal-  t-n  LetU-rkao-le. 

Att.^»  3.  4.     1890.    8". 


N.  Ser.  IX.  I 


558  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Handelingen  over  het  jaar  1888—89.     1889.    8<>. 
r^evensberichten  der  atgestorvene  medeleden.     1889.    8®. 

Deutsche  Gesellschaft  zur  Erforschung  vaterländischer  Sprache   und 

Älterthümer  in  Leipzig: 

Mittheilungen.  Bd.  VlII.  Heft  3.     1890.    8». 

iL.  Sächsische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Leipzig: 

Abhandlungen  der  philol.-hist.  Classe.  Bd.  XI.  Nr.  7.     1890.     4^ 
Berichte.  Philol.-historische  Classe.  1890.  I.    8^. 

Fürstlich  JablonowsMsche  Gesellschaß  in  Leipzig: 
Jahresbericht  für  das  Jahr  1889.     1890.     S^. 

Akademie  der  Wissenschaften  in  Lissabon: 

Memorias.  Classe  de  sciencias  moraes,  politicas  etc.   N.  Ser.   Vol.  V. 

parte  2.  Vol.  VI.  parte  1.     1882—85.     4». 
Historia  dos  estabelecimentos  scientificos.  Tom.  10 — 16.    1882 — 89.    8®. 
DocumentoB  remettidos  da  India.  Tom.  2.  3.     1884—85.     4®. 
Cartas  de  AflFonso  de  Albuquerque.  Tom.  1.     1884.     4^. 
Jo^o  de   Andrade  Corvo,    Estodos  sobre  as  provincias  oltramarinas. 

Vol.  1-4.     1883-87.    8». 
Portogaliae    Monumenta   historica.   Inquisitiones.   Vol.  I.   fasc.  1.  2. 

1888.    fol. 
Elogio  de  D.  Fernando.     1886.    4». 

The  English  Historicäl  Review  in  London: 
Review.  Bd.  V.  Nr.  19.  20.     July  and  October.     1890.     8®. 

Universität  in  Lund: 
Acta  universitatis  Lundensis.  Tom.  XXV,  1 — 4.     1888/89.     4®. 

Historischer   Verein  der  fünf  Orte  in  Lnzern: 
Der  Geschichtsfreund.  Bd.  45.     Einsiedeln   1890.     S». 

Heal  Academia  de  la  historia  in  Madrid: 
Boletin.  Tom.  XVII.  cuad.  1—6.     1890.     B«. 

Bihlioteca  Nazionale  di  Brcra  in  Mailand: 

Archivio  storico  Lombardo.    Serie  II.  Anno  XVII.  fasc.  3.     1890.     8^. 
Catalogo  della  sala  Manzoniana.  Stampati.     1890.     8^. 

J?.  Istituto  Lombardo  in  Mailand: 

Uendiconti.   Serie  II.  Vol.  21.  22.     1888—89.     8®. 
Memorie.   Chisse  di  lettere.    Vol.  XVII.  fasc.  2.    Vol.  XVIII.  fasc.  2. 
1890.     4^ 

Societä  Storica  Lombarda  in  Mailand: 
Archivio  Storico  Loml»ardo.  Seriell,  anno  XVll.  Fasc.  2.  3.    1890.   8^. 


Verzei(^ni»8  der  eingelaufenen  Druckschriften,  559 

Universität  Marburg: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1889/90.    A^  und  8®. 

Historischer  Verein  für  den  Regierungsbezirk  Marienwerder  in 

Marienwerder: 

Zeitschrift.  26.  Heft.     1890.     8«. 

Hennebergischer  alterthumsforschender  Verein  in  Meiningen: 

Neue  Beiträge  zur  Geschichte  deutseben  Alterthums.  Lief.  7  mit  einem 
Urkundenbuche.     1890.    8®. 

Fürsten-  und  Landesschule  St.  Afra  in  Meissen: 
Jahresbericht  mit  Abhandlung  von  Reinhardt  über  Polyeder.    1890.  4*^. 

Äcademie  in  Metz: 
Mämoires.  3«  Sörie,  Ann^  68.  1886—87.     1890.    8^. 

Gesellschaft  für  Lothringische  Geschichte  in  Metz: 
Jahrbuch.  II.  Jahrg.     1890.    8^ 

Metropolitan-Capitel  Mündien-Freising  in  München: 
Amtsblatt  für  die  Erzdiözese  München  und  Freising.  1890.  Nr.  13--22.  8^. 

Universität  München: 
Schriften  der  Universität  München  vom  Jahre  1889/90.    4«  und  8*. 

Historischer  Verein  in  Neuburg: 
KollekUneenBlatt.  53.  Jahrg.     1889.    8^. 

American  Oriental  Society  in  New-Haven: 
Proceedings  at  Boston  Mai  7.     1890.    8^. 

MusSe  Guimet  in  Paris: 

Annales.  Vol.  XV.  XVI.  1.  2.  Vol.  XVII.     1889.    4^ 
Revue  de  Thistoire  des  religions.    Tom.  XX.    Nr.  1—3.    Tom.  XXI. 
Nr.  l.     1889-90.    8^. 

Revue  historique  in  Paris: 
Revue  historique.  Tom.  43.  Nr.  2.  Tom.  44.  Nr.  1.  2.     1890.    8^. 

SocietS  academique  Indo-chinoise  de  France  in  Paris: 
Mömoires.  Tom.  I.     1879.     4®. 

Äcadhnie  imperiale  des  sdences  in  Petersburg: 

Mämoires.  VII.  Sörie.  Tom.  XXXVII.  Nr.  8-13.     1890.    4«. 
Bulletin.  Nouv.  Serie.  Band  I.  Nr.  4.     1890.    4«. 


560  Verzeichniss  der  eingelaufetien  Druckschriften, 

Unicersüäts-Bibliothek  in  St.  Petersburg: 

Sapiski  etc.  (Schriften  der  historisch-philosophischen  Fakultät).  Tom. 

XVII.  XVIII.  XIX.  1.  XXII.  XXIII.     1888-90.     S^. 
Otschet  etc.  (Bericht  der  Petersburger  Universität).  1888.     1889.     8". 
Protokoly  (Protokolle  der  Kathssitzungen  der  Universität).  Nr.  38 — 41. 

1888-90.    8®. 
Obosrenije  etc.    (Uebersicht    der   Vorlesungen).    1889—90.     1890—91. 

1888—90.    8». 
Excerpta  e  libris  sacris  veterum  Aegyptiorura  ed.  0.  de  Lemm.  Fase.  I. 

1890.  IV. 
0.  V.  Lemm,  Sahidische  Bibelfragmente  I.  II.     1889—90.     4^. 
Girgas  und  Rosen,  Arabskaja  Ohres tomathia.     1890.    8^. 

Russische  archäologische  Gesellschaft  in  St,  Petersburg: 
Sapiski  (der  orientalischen  Abtheilung)  Bd.  V.  Heft.  1.     1890.     8®. 

Zeitschrift  „Wojenni  Sbornik"  in  St,  Petersburg: 
Wojenny  Sbomik.  1890.  Nr.  7.  8.     8®. 

Historical  Society  of  Pennsylvania  in  Philadelphia: 

The  Pennsylvania  Magazine  of  History   and  Biography.     Vol.  XIV. 
Nr.  1.  2.     1890.     8^. 

K,  böhmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Prag: 
V.  E.  Mourek,  Syntaxis  gotskych  predlozek.     1890.    8^. 

Deutsche   Universität  t'w  Prag: 

Ordnung  der  Vorlesungen.  WinterHcmester  1890/91.     8®. 
Personalstand.  Wintersemester  1890/91.     8^ 

Beale  Accademia  dei  Lincei  in  Rom: 

Atti.  Serie  IV.  Rendiconti.  Vol.  VI.  1.  Semestre.  fasc.  8—12.  Vol.  V'I. 
2.  Semestre.  fasc.  1—9.     1890.     4^ 

K.  deutsches  archäologisches  Institut  C Römische  AhtheilungJ   in  Rom: 
Mittheilungen.  Vol.  V.  Heft  2.     1890.    8®. 

R.  Societä  Romana  di  storia  patria  in  Rom: 
Archivio.  Vol.  XIII.  Fasc.  1.  2.     1890.     8^. 

Universität  in  Rostock: 
Schriften  der  Universität  Ptostock  vom  Jahre  1889/90.     4®  und  8°. 

Gesellschaft  für  Sahhurger  Landeskunde  in  Salzburg: 

Mittheilnngen.  30.  Vereinsjjihr  1890. 

(irsrhichte   <ler  Stadt  Salzburg   von  V.  F.  Zillner.    IL  Buch.    2  Bde. 
1890.     8» 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften.  561 

K.  K.  Staats-Ghfmnasium  in  Saieburg: 
Programm  für  das  Jahr  1889/90.     1890.    8^. 

Historischer  Verein  in  St.  Gallen: 
Mittheilungen  zur  vaterländischen  Geschichte.  Bd.  XXIV.     1890.    8^. 

Camite  zur  Feier  der  EnthiÜlung  des  Rückert-Denkmals  in  Schweinfurt: 
Fest-Zeitung  Nr.  1-4.     1890.    4®. 

Verein  für  Mecklenburgische  Geschichte  in  Schwerin: 

Meklenburgisches  Urkundenbuch.  Bd.  XV.     1890.    4®. 
Jahrbücher  und  Jahresberichte.  65.  Jahrg.     1890.    8^. 

China  Branch  of  the  Royal  Äsiatic  Society  in  Shanghai: 
Journal.  Vol.  XXIV.  Nr.  1.     1890.    8^. 

Archäologisches  Museum  in  Spdlato: 
Bollettino  di  archeologia.  Anno  Xlll.  Nr.  6-11.     1890.    S^, 

Verein  für  Geschichte  und  Älterthümer  in  Stade: 
Das  älteste  Stader  Stadtbuch  von  1286.  Heft  2.     1890.    89. 

Gesellschaft  für  Pommersche  Geschichte  und  Alterthumskunde  in 

Stettin: 

Baltische  Studien.  40.  Jahrg.     1890.    8<>. 

K.  Vitterhets  Historie  och  Äntiquitets  Äk<idemien  in  Stockholm: 

Antiqvarisk  Tidskrift.  XI.  Delen.  Haft  1.  2.     1890.    8®. 
Manadsblad.  17.  &  18.  Ärgäng.  1888.  1889.     1888-90.    8®. 

R.  statistisches  Landesamt  in  Stuttgart: 

Württembergische  Jahrbücher  für  Statistik  und  Landeskunde.  Jahrg. 

1889.  I.  Hälfte.  Heft  3.     1890.    4°. 

Württembergische  Vierteljahrshefte  für  Landesgeschichte.  Jahrg.  III. 

1890.  Heft  1  und  2.     1890.    4^. 

Imperial  üniversity  of  Japan  in  Tokyo: 
The  Kalendar  for  the  year  1889-90.     1889.    8®. 

Museo  comunale  in  Tric'^U: 
Archivio  Trentino.  Anno  IX.  fasc.  1.     1890.    8®. 

Universität  Tübingen: 
Schriften  der  Universität  Tübingen  vom  Jahre  1889/90.    4»  und  8^ 

R.  Äccademia  ddle  scienze  in  Turin: 
Atti.  VoL  XXV.  disp.  11—14.     1890.    Bf^. 


562  Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Verein  fikr  Kunst  und  Älterthum  in  Ulm: 

Urkunden  zur  Geschichte  der  Pfarrkirche  in  Ulm  von  H.  Bazin^  und 
ö.  Veesenmeyer.     1890.     8®. 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Upsala: 

Nova  Acta.  Ser.  III.  Vol.  XIV.  faac.  1.     1890.    4». 

Catalogue  mdthodique  des  Acta  et  Nova  Acta  1744—1889.    1890.    4®. 

Universität  in  Upsala: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1889/90.     4®  und  8®. 

Historisch  Genootschap  in  Utrecht: 

Werken.  Nr.  55.  56.     Haag  1890.     8°. 

Bijdragen  en  Mededeelingen.  Deel  XII.     Haag  1890.    8^. 

Bureau  of  Education  in  Washington: 
Circular  of  Information  1889  Nr.  3.  1890  Nr.  3.     1889-90.     8«. 

Smithsonian  Institution  in  Washington: 

Smithsonian  Contributions  to  knowledge.  Vol.  XXVI.     1890.    4**. 
Annual  Report.  1886.  part  II.  1887.  part  I.  H.     1889.    8®. 

Harzverein  für  Geschichte  in  Wernigerode: 
Zeitschrift.  Jahrg.  23.  1890.  1.  Hälfte.    8». 

K.  K,  Universität  in  Wien: 
Oeffentliche  Vorlesungen  im  Wintersemester  1890/91.     8®. 

Herzogliche  Bibliothek  in   Wolfenbüttel: 

Die  Handschriften  der  herzoglichen   Bibliothek  zu  Wolfenbüttel   von 
Otto  V.  Heinemann.  Bd.  IV.     1890.     8«. 

Historischer   Verein  in   Würzhurg: 

Archiv.  Bd.  XXXIII.     1890.     8». 
Jahresbericht  für  1889.     1890.     8^. 

Universität  in  Zürich: 
Schriften  der  Universität  von  1889—90.     8". 


Von  folgeDden  Privatpersonen: 

Mad'  c.  Chlingensperg-Bcrg  in  Beichenhall : 
Das  Gräberfeld  von  Reichenhall  in  Oberbayern.    Reichenhall  1890.    4®. 

Ernst  von  Dcstouches  in  München: 

Geschichte  des  Verbands-Hauses  des  Münchener  Akademischen  Gesang- 
vereins.    1890.     S». 


Verzeichniss  der  eingelaufenen  Druckschriften.  563 

Julius  Fürst  in  Mannheim: 

GloRsarium  graeco-hebraeum   oder  der  griechische  Wörterschatz  der 
jüdischen  Midraschwerke.  Lief.  I.    Strassburg  1890.    8^. 

Antan  Ganser  in  Graz: 

Die   Wahrheit.     Kurze    Darlegung    der    letzten    und    wahren    Welt- 
principien.     1890.    8^. 

F,  Smit  Kleine  in  Leiden: 
Friedrich  Uückert.  Gedenkschrift.     Amsterdam  1890.     4®. 

Josef  Körösi  in  Budapest: 
Bulletin  annual  des  fiuances  des  grandes  villes,  10®  annee  1886.  1890.  8^. 

J.   V.  Kidl  in  München: 

Studien    zur    Geschichte    der    oberpfalzischen     Münzen    des    Hauses 
Witteisbach.  1329—1794.     Stadtamhof  1890.    8«. 

Henry  Charles  Lea  in  Philadelphia: 

Chapters    from    the    religious    History    of  Spain  connected  with  the 
Inquisition.     1890.     8°. 

Franz  von  Löher  in  München: 
Archivlehre.     Paderborn  1890.    &^, 

Adolf  Römer  in  Kempten: 
Zur  Kritik  und  Exegese  des  Sophokles.    München  1890.    8^ 

Giovanni  Scardovelli  in  S,  Lazzaro  di  Savena,  Colunga: 

Penombre  medievali.  Conferenza.     Bologna  1890.    8®. 
Lucrezia  Beniamini.  Racconto.     Bologna  1890.     8®. 
Luigi,  Alfonso  e  Rodolfo  Gouzaga,  Marchesi  di  CastelgofTredo.     Con- 
ferenza.   Bologna  1890.     8^. 

Leonhard  Winkler  in  München: 

Der  Antheil  der  bayerischen   Armee  an   den   Feldzügen  in   Pieraont. 

1691-1696.  Theil  I.  II.     1886-87.     8*^. 
Dar   kurbayerische    Regiment  z.  F.    .Graf  Tattenbach*    in  Spanien. 

1695—1701.     1890.     8''. 


565 


Namen-Register, 


Amari  (Nekrolog)  2. 

Bechmann  149. 
Y.  Brunn  2. 

Carri^re  381. 
Cornelius   34.  42. 

Delbrück  (Wahl)   550. 
Delitzsch  (Nekrolog)  23. 
V.  DöUinger  33.  42. 
V.  Drutfel  397.  548. 
Duchesne  (Wahl)  550. 
Dudik  (Nekrolog)   37. 

Geiger  43. 
Y.  Giesebrechi  33. 
Golther  174. 
GregoroYius  285.  550. 

Y.  Hartel  (Wahl)   550. 
Heigel   109. 
Hertz  (Wahl)   549. 

Keinz  313. 

Krumbacher  (Wahl)  549. 

Kuhn  396. 

Lenz  (Wahl)  550. 
Lossen  85. 

Meyer  Yon  Knonau  (Wahl)  550. 
Meyer  W.  356.  396. 

Y.  Oefele   147. 


566  Namen- Register, 

V.  Pettenkofer  649. 

V.  Reber  434.  (Wahl)  550. 
Biezler  435. 
Ritter  (Wahl)  650. 
V.  Rockinger   354. 

Schmidt  J.  (Wahl)  550. 
Schreiner  329. 
Simonsfeld  218. 
Stieve  354.  507. 
Stumpf  (Wahl)  649. 

ünger  217. 

V.  ürlich«  (Nekrolog)  14. 

V.  Voit   1. 

Walther  v.  Walderstötten  (Nekrolog)  36. 
Weizaäcker  (Nekrolog)  34. 
de  Witte  (Nekrolog)  8. 
Würdinger  (Nekrolog)  36. 


567 


Sach-Eegister. 


Acciajoli,  corrispondenza  285. 
Ansprache:  rerura  cognoscere  causa-s  547. 
Aventina  Tagebuch  313. 

Barlaam  und  Joasaph  396. 
Bremen,  Erzbischof  Heinrich   85. 

ChreHtienB  conte  del  graal   174. 

Eining,  Militärdiplom   329. 

Festkalender,  aegyptischer  217. 

Judith,  Herzogin  von  Bayern   147. 

Kanzleiwesen,  päpstliches   218. 
Karolingischer  Palastbau  434. 

Leopold  I ,  Kaiser   109. 

Mansfeld,  Ernst  von   354.  507. 

Menander,  Spruchverse  355.   Spruchrede  396. 

Militärdiplom  von  Eining   329. 

Monarch ieen,  die  grossen  550. 

Palastbau,  karolingischer  434. 
Philistion,  Spruchrede   396. 
Pontifices,  richterliche  Thätigkeit  149. 

Savignj-Commission,  Preisaufgabe  41. 
Schatzger  Kaspar  397.  548. 
Schwabenspiegel,  Handschriften  354. 
Sittengesetz  381. 
Stauf,  Hieronymus  v.   435. 

Wahlen,  akademische  549. 

Yätkär-i  Zarirän  und  §äh-näme  43. 


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