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Sitzungsberichte
der
mathematisch- physikalischen Classe
der
k. b. Akademie der Wissenschaften
zu Mlünchen.
Band XXXU. Jahrgang 1902.
Hfinchen.
Verlag der k. Akademie.
1903.
Ib OoBUniMioit dM O. Fimiis*Bohen Yeiiags (J. Boih).
Uebersicht
des Inhaltes der Sitzungsberichte Bd. XXXII
Jahrgang 1902.
Die mit * bezeichneten Abhandlungen sind in den Sitzungsberichten nicht abgedruckt.
Sitzung vom 4. Janimr 1902, seite
A. Loewy: üeber Differentialgleichungen, die mit ihren adjungirten
zu derselben Art gehören 3
*H. Seeliger: üeber die Veränderungen in den Nebeln der Nova
Peraei 1
*A. V. Baejer: üeber die Vierwerthigkeit des Sauerstoffs 1
*P. Lindemann: Bemerkungen über Hypothesen, welche in der
mathematischen Physik in Bezug auf die Constitution der
Atome gemacht worden sind 1
Sitzung vom 1. Februar 1902.
*S. Finsterwalder: üeber die mechanische Nachbildung von
Minimalflächen 15
S. Günther: üeber gewisse hydrologisch- topographische Grund-
begriffe 17
*C. V. Kupffer: üeber die Commissura veli transversi des Hirns 15
A. Korn: üeber ein Verfahren der elektrischen Femphotographie 39
*G. Egger: Der Bau der Orbitolinen und verwandter Formen . 15
*F. Broili: üeber die Fauna der Orbitolinen führenden Schichten
der untersten Kreide in der Krim 15
N. Perry: Das Problem der conformen Abbildung für eine spezielle
Kurve von der Ordnung 3n 43
Sitzung vom 1. März 1902,
*K. Göbel: üeber Homologie in der Entwicklung weiblicher und
männlicher Geschlechtsorgane 55
R. Hertwig: üeber Wesen und Bedeutung der Befruchtung 57
*F. Doflein: üeber Decapoden Ostasiens 55
IV
Scito
*S. Uünther: Die Entwicklung des Winkelmessens mit dem
Jakobsstabe 55
A. Korn: üeber den einfachsten semidefiniten Fall in der eigent-
lichen Variationsrechnung 75
H. Brunn: Neue Mittelwerthssätze über bestimmte Integrale 91
*A. V. Baeyer: Ueber Abkömmlinge des Triphenylmethan's 55
Sitzung vom 3. Mai 1902.
K. T. Fischer und H. Alt: Siedepunkt, Gefrierj^unkt und Dampf-
spannung des reinen Stickstoflfs bei niedrigen Drucken (mit
Taf. I und II) 113
Sitzuyig vom 7. Juni 1902,
*C. V. Linde: Beobachtungen bei der fractionirten Destillation
und Rectification flüssiger Luft 152
F. Lindemann: üeber das PascaFsche Sechseck . . . .153
*J. G. Egger: Ergänzungen zum Studium der Foraminiferen-
Familie der Orbitoliniden 152
A. Pringsheim: Zur Theorie der ganzen transcendenten Functionen 163
A. Rothpletz: Ueber den Ursprung der Thermalquellen von
St. Moriz 193
Sitzung vom 5. Juli 1902.
*C. Göbol: üeber Regeneration bei Pflanzen .... 208
K. T. Fischer und H. Alt: Erstarrungs- und Schmelzdruck des
Stickstoffs 209
OejfentUchc Sitzung zur Feier des 143. Stiftungstages
am 13. März 1902.
K. A. V. Zittel: Ansprache 217
C. V. Voit: Nekrologe 232
Sitzung vom 8, November 1902.
A. Pringsheim: Zur Theorie der ganzen transcendenten Func-
tionen (Nachtrag) 295
0. Walkhoff: Die diluvialen menschlichen Knochenreste in Belgien
und Bonn in ihrer structurellen Anordnung und Bedeutung
für die Anthropologie 305
Soito
A. Rothpletz: Ueber die Möglichkeit den Gegensatz zwischen
der Contractions- und Expansionstheorie aufzuheben .311
A. Schmanss: Magnetische Drehung der Polarisationsebene des
Lichtes in selektiv absorbirenden Medien (mit Taf. III— VI) 327
E. Stromer von Reichenbach: Bericht über eine von den Privat-
dozenten Dr. Max Blanckenhom und Dr. Ernst Stromer von
Reichenbach ausgeführte Reise nach Aegjpten . . .341
M. Blanckenhom: Neue geologisch - stratigraphische Beobach-
tungen in Aegypten 353
P. Oppenheim: Ueber die Fossilien der Blättermergel von Theben
(mit Taf. VII) 435
Oeffentliche Sitzung zu Ehren Seiner Majestät des Königs und
Seiner Königl. Hoheit des Prinzregenten am 15. November 1902*
*K. A. V. Zittel: Ueber wissenschaftliche Wahrheit . . 457
Wahlen 457
Sitzung vom 6. Dezember 1902,
*A. V. ßaeyer: Ueber Triphenylmethan-Derivate .... 458
*R. Hertwig: Ueber Correlation von Kern- und Zellgrösse . 458
*M. Schlosser: Ueber die fossilen Säugethiere China's . . 458
S. Günther: Glaziale Denudationsgebilde im mittleren Eisackthale 459
J. Rückert: Ueber die Abstammung der bluthaltigen Gefässanlagen
beim Huhn und über die Entstehung des Randsinus beim
Huhn und bei Torpedo (mit Taf. VIII) 487
Einsendungen von Druckschriften 1*— 27*
Sitzungsberichte
der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.
Mathematisch-physikalische Classe.
Sitzung vom 4. Januar 1902.
1. Herr Ferd. Lindemann überreicht eine Abhandlung des
Herrn Privatdozenten Dr. Loewy in Freiburg: ^Ueber Dif-
ferentialgleichungen, die mit ihren adjungirten zu
derselben Art gehören."
2. Herr H. Seeliger spricht „über die Veränderungen
in den Nebeln der Nova Persei.** Diese vorläufige Mit-
theilung wird später zur VeröfiFentlichung kommen.
3. Herr A. v. Baeyer theilt die Resultate seiner neuesten
Arbeiten „über die Vierwerthigkeit des Sauerstoffs"
mit, welche anderwärts veröfiFentlicht werden sollen.
Hieran knüpft Herr Ffrd. Lindemann einige Bemerkungen
über die Hypothesen an, welche in der mathematischen Physik
in Bezug auf die Constitution der Atome gemacht worden sind.
190S. SitxnngBb. d. math.-phys. Ol.
Ueber Differentialgleichungen,
die mit ihren adjnngirten zu derselben Art gehören.
Von Alfred Loewy.
{Eingtlaufeu 4. Jamuir 1902.)
Herr Gino Fano*) hat sich mehrfach mit dem Satze be-
schäftigt:
Die nothwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass
die Integrale einer linearen homogenen Differentialgleichung
wter Ordnung:
(D) y(") + p, {x)y^^-'^ + p^ (a;) i/C»-2) + . . . + ^„ (a;)y = 0
durch eine Transformation:
z = %{x)y + a, {x)y' + a^{x)y" + . . . + an-i{x)y^*'-^\
wobei die ^{x), a^{x), . . . an-i{x) dem Rationalitätsbereiche,
för den die Rationalitätsgruppe betrachtet wird, angehören,
in diejenigen der adjungirten Diö'erentialgleichung :
(D,) -^^»•) — (i>i-^y"-^) + (Pi^y**-^^ —...(— lypn^ = 0
übergeführt werden können, dass also (D) und (DJ zu derselben
Art*) gehören, besteht darin, dass die Rationalitätsgruppe
*) G. Fano, Sülle equazioni differenziali lineari che appartengono
alla stessa specie delle loro aggiunte. (Atti della R. Acc. di Torino,
vol. 34, (1899).) Osservazioni sopra alcune equazioni differenziali lineari.
(Itend. della R. Acc. dei Lincei (1899).) Ueber lineare homogene Diffe-
rentialgleichungen mit algebraischen Relationen zwischen den Funda-
mentallösungen. Math. Ann. Bd. 53, p. 568.
2) Vgl. Ludwig Schlesinger, Handbuch der Theorie der linearen
Differentialgleichungen. Bd. II 1, p. 120 und 124.
1*
4 Sitzung der maih,-phys. Classe vom 4. Januar 1902.
von (D) aus lauter Transformationen gebildet ist, welche eine
bilineare Form: •=«*=»»
i=lk=l
von nicht verschwindender Determinante mit cogredienten
Variablenpaaren y,, ^i in sich überführen. Es möge mir
gestattet sein, dieses Resultat einerseits für die Theorie der
associirten Differentialgleichungen, andererseits für die DiflFeren-
tialgleichungen , denen die Producte der Integrale der vor-
gelegten Differentialgleichung zu je zweien genügen, zu ver-
werthen.
§ 1.
y„ ein Fundamentalsysteni von (D) dar.
Stellen y,, y,,
und bildet man:
y«i <»•■<„
y'ix
y\
y'h
vi
4/(»»»-l)|*(m-l) iA"*~^^
^•1 '^h ' ' ' ^*ni
wobei ij < ij . . . < im und ij, ij» •••*»» ^^^^ J^^^ Combination
der Zahlen 1, 2, ... n zu je m bedeuten, so genügen diese
V = (U;) Determinanten einer linearen homogenen Differential-
gleichung, die zuerst von Herrn L. Fuchs ^) untersucht wurde
und nach Herrn Ludwig Schlesinger*) die n-mte associirte
Differentialgleichung von D = 0 heisst ; diese Differential-
gleichung soll für das Folgende, wie es im allgemeinen der Fall
ist, von der Ordnung (^) angenommen werden. Ist A irgend
k-H
eine lineare Substitution, welche y, in ]Ca,kt/k (i = 1, 2, . . . w)
überführt, so erleiden die y,
•!•>•
die w-wite associirte Sub-
stitution .^••-"•^ nämlich die y,,,,...^^ gehen über in
kl**...*,,
1) L. Fuchs, Sitzungsberichte der Berliner Akademie (1888), p. 1115.
-) Ludw. Sohlesinger, Handbuch II 1, p. 125.
A, Loewy: Ueber Differentialgleichungen,
dabei ist:
^«i»2...«m*l*2...*„
j «12*1 «12*2 • • • ^«2frm
und Äj < ifcj . . . < jfc,n bedeutet eine jede Combination der
Zahlen 1, 2, ... w zu je m. Die Theorie der associirten
Differentialgleichungen beruht in ihren Grundlagen auf dem
Angegebenen und dem Satze, dass die n-mte associirte Sub-
stitution einer aus zwei Substitutionen componirten Substitution
aus den w-i»ten associirten Substitutionen der beiden Com-
ponenten in derselben Reihenfolge zusammengesetzt ist. Ist
Ä'B= Cj so ist:
Jin-m) . J5(n-m) _ (7(n-m) 1)
Nehmen wir nun an, dass eine DiflFerentialgleichung (D)
mit der ihr adjungirten DiflFerentialgleichung zu derselben Art
gehört, so führen alle Transformationen der Rationalitätsgruppe
von (D) eine und dieselbe bilineare Form q? mit cogredienten
Variablenpaaren von nicht verschwindender Determinante in
sich über. Die Rationalitätsgruppe der w-mten associirten
Differentialgleichung besteht aus den w-mten associirten Sub-
stitutionen der Rationalitätsgruppe von (D). Bedenkt man,
dass die transponirte Substitution von einer w-mten associirten
*) Die obige Formel war, wie ich bemerken möchte, schon Weier-
strass im Jahre 1868 bekannt. Vgl. die in Baltzers Theorie und An-
wendung der Determinanten (4. Aufl. (1875)) übergegangene briefliche
Mittheilung von Weierstrass, die W. an Baltzer aulässlich der Abhand-
lung über bilineare und quadratische Formen (Monatsberichte der Ber-
liner Akademie, (1868)) machte. Baltzer, a. a. 0., p. 55. Es sei noch
erwähnt, dass diese Untersuchungen über die associirten Differential-
gleichungen mit der Theorie der sogenannten Begleitformen, Concomi-
tanten (Smith) einer bilinearen Form in engstem Zusammenhang stehen.
Ich habe im Text statt Begleitform (Bachmann) associirte Form gesetzt.
Ueber die Theorie der Begleitformen vgl. man Bachmann's Arithmetik
der quadratischen Formen (Leipzig, 1898, p. 389).
6 Sitzung der math.'phys, Classc vom 4. Januar 1903.
Substitution die n-nite associirte Substitution der transponirten
Substitution ist, so folgt, dass, wenn:
ist, so ist auch:
piu-mY fpin-m) pin-m) __. (p{n-m)
Man erhält also den Satz:
I. Führt eine Substitution P eine bilineare Form qp mit
cogredienten Variablenpaaren in sich über, so transformirt die
n-m te associirte Substitution von P die n-tn te associirte Form
von (p cogredient in sich.
Wendet man dieses Ergebniss auf die w-mte associirte
Differentialgleichung einer Differentialgleichung, die mit ihrer
adjungirten zu derselben Art gehört, an, so ergiebt sich, dass
sämmtliche Transformationen der Ration alitätsgi'uppe der w-mten
associirten Differentialgleichung die bilineare Form (p^**-"*) in
sich überführen. Der Werth der Determinante der w-mten
associirten Form (^(»•-"') ist die (^l})te Potenz der Determinante
von (p, Falls (p eine nicht verschwindende Determinante hat, so
trifft dies auch für (^(♦*-"*) zu.
Hieraus folgt:
II. Gehört eine Diff'erentialgleichung mit ihrer adjungirten
zu derselben Art, so gehören auch alle associirten mit ihren
adjungirten zu derselben Art.^)
Wir betrachten nun den besonderen Fall n = 2 ni und
schreiben die Determinante:
!/i Vi
•
. ym
ym-fl .
. . yim
y\ y'i
•
. y'm
t/m+l .
• . y'im
y<— ■>!/<"■-
-1)
• • yl:'
-1) t/(m-I)
^2m
^j ^i
. . ^m
^mfl .
• . ^2m
4 zk
•
. . ^m
'2'm-fl .
. . ^'2m
•
-^>
. . ^r
-1)^.-1).
:
• ' ^2m
*) Vgl. auch Ludw. Schlesinger, Handbuch 11 1, p. 151.
A, Loewy: lieber Differentialgleichungen. 7
hin; transformii-t man in dieser Determinante die 2 m Variablen
einer jeden Zeile cogredient durch Substitutionen mit derselben
Matrix P, so multiplicirt sich diese Determinante nur mit der
Substitutionsdeterminante von P. Entwickelt man die obige
Determinante nach adjungirten Subdeterminanten, so findet man
die bilineare Form:
(0) 2'€,',<2 . . . ^m *1 *2 • • . *m y^h '"im ^*1*2 ••*».'
wobei ^11 »2 . . . ^m *i *2 • • • *m ^^® positive oder negative Einheit,
^, < ig . . . < i;„ und Äj < ÄJg . . . < Ä^m sämmtliche Zahlen
der Reihe 1, 2, ... 2 m bis auf die Reihenfolge darstellen.
'^*i*i . . • *m ^^^^ ^^^ ^1^ -^8» • • • '^2m in analoger Weise wie
y^ih-im ^^^ y\iy%i ' ' * y-im gebildet. Wendet man die w-mte
associirte Substitution P»»-»») auf die cogredienten Variablen -
paare der bilinearen Form Q an, so multiplicirt sich Q mit
der Determinante von P.
Wir denken uns die Rationalitätsgruppe von (D) auf ihre
grösste unimodulare Untergruppe reducirt; diese Reduction er-
reicht man offenbar durch Adjunction der Hauptdeterrainante:
^(^1^2 • • • Z/2m) =
zum Rationalitätsbereiche; denn damit ^ (^/i 2/2 • • • 2/22»») rational
bekannt ist, ist offenbar nothwendig und hinreichend, dass die
Determinanten sämmtlicher Transformationen der Rationalitäts-
gruppe den Werth + 1 haben. Nach Adjunction der Haupt-
determinante bleibt aber bei den Transformationen der Ratio-
nalitätsgruppe für den neuen Bereich die bilineare Form Q
ungeändert. Mit Hülfe des im Anfange citirten Satzes von
Herrn Fano ergiebt sich der von Herrn L. Fuchs ^) gefundene
und von ihm mehrfach behandelte Satz:
yx ^2
. . y2m
y'i y'2
. . y'2m
y{2m-l)y{2m-l)
y{2m~l)
*) L. Fuchs, Sitzungsber. der Berliner Akademie (1888), p. 1115 ff.,
sowie ebenda (1899), p. 182.
Die Bemerkung von Herrn Fano in den Atti dell. Acc. di Torino
8 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 4. Januar 1902.
III. Die mte associirte DiflFerentialgleichung irgend einer
Differentialgleichung 2mter Ordnung gehört mit ihrer adjun-
girten nach Adjunction der Hauptdeterrainante der ursprüng-
lichen Differentialgleichung zu derselben Art.
Nehmen wir nun an, dass schon die ursprüngliche Differen-
tialgleichung mit ihrer adjungirten zu derselben Art gehörte;
dann hat wegen:
die Determinante von P den Werth +1. In diesem Fall ist
schon das Quadrat von ^{y^y^ • • • ^21«) rational bekannt.
Um also die Rationalitätsgruppe einer Differentialgleichung,
die mit ihrer adjungirten zu derselben Art gehört, unimodular
zu machen, genügt schon die Adjunction einer Quadratwurzel
zum Rationalitätsbereiche. Nach Adjunction einer Quadrat-
wurzel lässt die Rationalitätsgruppe der m ten associirten
Differentialgleichung einer Differentialgleichung 2 m ter Ordnung
die zwei bilinearen Formen cp^*^^ und ^ invariant.
Es ist noch zu zeigen, dass sich 99^*") und Q nicht etwa
nur um eine multiplicative Constante unterscheiden. Hat man
eine bilineare Form
•=i k=i
so ist:
'i'a-
•»m*t*2-*»»<
wobei ij < f^ . . . < i^ und h^ < Ä'^ ... < Tc^n und sowohl
/j, ij, ... i« wie ATj, ^2' • • • *»» ^^^^ J^^® Combination der
Zahlen 1, 2, ... 2 m zu m bedeuten. Wäre nun (p^^'^ von Q
nur um eine multiplicative Constante verschieden, so müsste
unter anderem sein:
5l2...m*i*2...*„ = 0,
(1899), p. 396 Anmerkung, durch die er den Satz von Herrn Fuchs be-
weisen will, halte ich nicht für zutreffend ; denn die Gleichungen (21)
auf p. 142 des zweiten Bandes des Schlesinger'schen Werkes werden für
•• = 6 linker Hand Null ergeben; es wird also die quadratische Form,
die Herr Fano benützt, nicht stets existiren.
A, Loewy: lieber Differentialgleichungen, 9
falls Aj , ig, . . . Äot irgend m geordnete von m + 1 , w + 2, . . . 2 m
verschiedene Zahlen der Reihe 1, 2, ... 2m darstellen; hin-
gegen wäre «12 . . . m m+ 1 . . . 2 m von Null verschieden. Betrachtet
naan die m Determinanten :
5l2...mlm + 2m-f3 2m = 0
^12 . . . m 1 m + 1 m + 3 2 m = 0
5l2...mlm + lm + 2m + 4...2m = 0
Si2...mlwi + Im + 2 2m-l = 0
und entwickelt sie nach den Elementen der ersten Colonne, so
folgt, da 5j2...rom+i...2m Und mithin auch die aus den Unter-
determinanten von 5j2...mm+i...2m gebildete Determinante von
Null verschieden ist, dass:
5jj = Sjj = . . . = 5|||1 ^= V
wird. Analog braucht man nur für die m letzten Zeilen das
Verschwinden von 5m+ii, 5^+21» ... 52mi zu zeigen. Dann
wird gegen die Voraussetzung die Determinante von 9? Null;
mithin sind 9?^*"^ und Q wesentlich verschieden.
Wir haben also den Satz:
IV. Die Rationalitätsgruppe der mten associirten Differen-
tialgleichung einer Differentialgleichung der 2 mten Ordnung,
die mit ihrer adjungirten zu derselben Art gehört, führt nach
Adjunction einer Quadratwurzel eine Schaar bilinearer Formen
cogredient in sich über.
Eine jede Schaar bilinearer Formen enthält auch eine
bilineare Form von verschwindender Determinante; wird aber
eine bilineare Form verschwindender Determinante cogredient
in sich transformirt , so ist die Gruppe der überführenden
Substitutionen stets auf Substitutionen mit einer geringeren
Variablenzahl reducibel. Wendet man daher das Criterium
von Herrn Beke^) für die Irreducibilität einer linearen homo-
genen DiflFerentialgleichung an, so ergiebt sich:
^) Beke, Die Irreducibilität der linearen homogenen Differential-
gleichungen. Math. Annalen, Bd. 45, p. 289; vgl. auch L. Schlesinger,
Handbuch, II 1, p. 106.
10 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 4. Januar 1902.
V. Die mte associirte DiflFerentialgleichung einer DiflFerential-
gleichung 2mter Ordnung, die mit ihrer adjungirten zu der-
selben Art gehört, wird nach Adjunction einer Quadratwurzel
zum Rationalitätsbereiche reducibel.
Dieser Satz ist auch von Herrn Richard Fuchs ^) gefunden
worden; jedoch fehlt bei ihm die Bemerkung, dass die Ad-
junction einer Quadratwurzel zum Rationalitätsbereiche unter
Umständen nötig werden kann, damit die DiflFerentialgleichung
reducibel wird.
Die vorstehenden Betrachtungen lassen sich auch auf
Differentialgleichungen zweiter Ordnung anwenden. In diesem
Falle w = 2, m = 1 fällt die Differentialgleichung mit ihrer
associirten zusammen. Wir finden also: Jede lineare homogene
Differentialgleichung zweiter Ordnung, die mit ihrer adjungirten
zu derselben Art gehört, ist nach Adjunction einer Quadrat-
wurzel zum Rationalitätsbereich reducibel, so dass sie durch
die Integrale einer linearen homogenen Differentialgleichung
erster Ordnung befriedigt wird.*)
^) Richard Fuchs, Ueber lineare Differentialgleichungen, welche mit
ihrer Adjungirten zu derselben Art gehören. Journ. f. d. r. u. ang.
Math. Bd. 121, p. 205. Die Gleichung (5) des § 2 der Arbeit von Herrn
R. Fuchs zeigt übrigens, dass eine Adjunction nothwendig werden kann.
Die Bemerkung „Der auf der linken Seite auftretende Factor — beeinflusst,
wie leicht zu sehen, diesen Schluss nicht" (p. 207, Anmerkung) trifft
also nicht zu. Vgl. auch L. Fuchs, Sitzungsber. der Berliner Akademie
(1899), p. 190.
2) Dass die Adjunction einer Quadratwurzel nothwendig werden
kann, um die Differentialgleichung zweiter Ordnung, die mit ihrer ad-
jungirten zu derselben Art gehört, reducibel zu machen, ergiebt sich
auch aus Herrn Lindemann's Untersuchungen „Ueber die Differential-
gleichungen der Functionen des elliptischen Cylinders" (Math. Annalen,
Bd. 22). Herr Lindemann untersucht dort unter 5) Differentialgleichungen
zweiter Ordnung, die, wie man nach den Resultaten des folgenden
Paragraphen sagen kann, falls eine gewisse transcendente Function
F(x) als rational bekannt angesehen wird, mit ihren adjungirten
zu derselben Art gehören. Ist F[x) bekannt, - ich wende dieselben
Bezeichnungen wie Herr Lindemann an - , so bleibt die quadratische
Form yx Vi bei den Transformationen der Rationalitätsgiuppe in dem
Ä, Locioy: Ueher Differentialgleichungen, 11
§2.
Für das Folgende setze ich voraus, dass die vorgelegte
Differentialgleichung (D) ein derartiges Fundamentalsystem
yiiV^i-'-Vn von Integralen besitzt, dass zwischen den ge-
wählten Elementen t/j, J/2' • • • 2/» keine homogene quadratische
Kelation mit constanten Coefficienten stattfindet. Wir be-
trachten die n ( — ^ — j Producte ijiyk (i, Ä = 1, 2, . . . w), die
wir mit Yik bezeichnen; erfahren die yi eine lineare homogene
Substitution P, so transformiren sich auch die Yik linear; diese
Substitution der Y,*, soll anlehnend an Herrn Ad. Hurwitz*)
die zweite Potenz- oder Quadrattransformation von P genannt
und mit ^^^ bezeichnet werden.
Unter der gemachten Annahme genügen die n 1 — - — |
Producte Ya einer linearen homogenen DiflFerentialgleichung
genau von der n { - — - — j ten Ordnung; die Differentialgleichung
hat Coefficienten aus dem Rationalitätsbereiche, und die Grössen
Yik bilden ein Fundamentalsystem der DiflFerentialgleichung.
Die DiflFerentialgleichung wird erhalten, indem man die aus
Y, Yjj, I^j2 . . . Ynn und deren Abgeleiteten bis zur Ordnung
nl — — I gebildete Determinante durch die Wronskische Deter-
minante der n[ — - — J Grössen Yj,, Y,^ ... Y„„ dividirt und
Null setzt. Aus dem bekannten AppelPschen Satze (Annales de
Tecole normale, H, Bd. 10, p. 400) ergiebt sich nämlich, dass
Bereiche, der F{x) und daher auch die Ableitungen von F(x) ent-
hält, ungeändert. Adjungirt man yxy'i — ViV'-i, das abgesehen von einer
Constanten bei Herrn L. den Werth ,,- - — -^ hat, dem Rationalitäts-
Mz (l-z)
bereiche, so hat die DiflFerentialgleichung des elliptischen Cylinders mit
einer linearen homogenen DiflFerentialgleichung erster Ordnung mit Coef-
ficienten aus dem durch -7--^--^^ erweiterten Bereiche Integrale gemein.
^z{\-z)
*) A. Hurwitz, Zur Invariantentheorie. Math. Annalen, Bd. 45, p. 390,
12 Sitzung der mathrphys, Classe vom 4. Januar 1902.
die Coefficienten dieser DiflFerentialgleichung rational durch die
Coefficienten von Z) = 0 und deren Abgeleitete darstellbar sind.
Diese Differentialgleichung, die wir mit ^^g i) = 0 bezeichnen
wollen, findet man übrigens einfach, indem man y und dessen
Abgeleitete ausZ=y* und den hieraus durch DiflFerentiation
hergeleiteten Gleichungen vermöge Z) = 0 eliminirt, bis man
eine von y und dessen Abgeleiteten freie Gleichung erhält.*)
Man sieht unschwer ein, dass die Rationalitätsgruppe von
*^2 i) = 0 aus den Quadrattransformationen der Transforma-
tionen der ßationalitätsgruppe von i) = 0 besteht. Der Be-
weis kann etwa analog, wie ihn Herr L. Schlesinger im Hand-
buch Hl, p. 136 für die associirten DiflFerentialgleichungen
führt, erbracht werden.
Ich brauche jetzt einen Hülfssatz: Besitzt eine lineare
homogene Difi*erentialgleichung ein dem Rationalitätsbereiche
angehöriges Integral, so bleibt dieses bei allen Transformationen
der Rationalitätsgruppe nicht nur numerisch, sondern auch
formal ungeändert.
Angenommen, irgend eine lineare homogene DiflFerential-
gleichung D = 0 besitze ein dem Rationalitätsbereiche ange-
höriges Integral, so lässt sich dieses wie jedes Integral in der
Form:
(1) ^12/1 + ^2^2+ • • '^nVn
darstellen, wo Ißii y^^ - - - Vn ^in Fundamentalsjstem von (D),
c^, Cg, . . . Cn Constante bedeuten. Ersetzt eine Transformation
der Rationalitätsgruppe von (D) y,- durch ^PikVic so geht das
obige Integral (1) in *=^
k=n k=.n fc=n
k=l k=\ fc=l
über; da (1) rational bekannt sein soll, so muss (1) bei den
Transformationen der Rationalitätsgruppe numerisch ungeändert
bleiben; es muss also (1) und (2) denselben Werth haben.
Wären die zwei Ausdrücke nicht identisch dieselben, so hätte
») Vgl. L. Schlesinger, Handbuch II 1, p. 202.
A, Loewy: lieber Differentialgleichungen. 13
man eine homogene Relation mit constanten Coefficienten
zwischen einem Fundamentalsystem von Integralen von (D);
dies ist aber unmöglich. Hiermit ist der Hülfssatz erwiesen.
Angenommen die Gleichung ^^ 2) = 0 besitze ein dem
Rationalitätsbereiche angehöriges Integral, so ist dieses eine
lineare Function der Yit, und bleibt bei allen Transformationen
der Rationalitätsgruppe von ^^^ 2) = 0 formal ungeändert.
Die lineare Function der Ya ist aber eine quadratische Func-
tion der yijfki die bei allen Transformationen der Rationalitäts-
gruppe von 2) = 0 ungeändert bleibt, die quadratische Form
der f/iyk kann hierbei eine verschwindende oder nicht ver-
schwindende Determinante haben. Ist D = 0 irreducibel, so
muss die Determinante von NuU verschieden sein. Verschwindet
aber die Determinante der quadratischen Form, so kann man
nach den Resultaten von Herrn Fano ^) wenigstens sagen, dass eine
Differentialgleichung niedrigerer Ordnung, deren Coefficienten
dem Rationalitätsbereiche angehören und deren Integrale 2) = 0
genügen, mit der zu 2) = 0 adjungirten Differentialgleichung
von derselben Art ist. Mithin erhalten wir den Satz:
I. Besitzt die Differentialgleichung ^^ 2) = 0 ein dem
Rationalitätsbereiche angehöriges Integral, so bleibt bei sämmt-
lichen Transformationen der Rationalitätsgruppe von 2) = 0
eine quadratische Form invariant, und es gehört entweder
2> = 0 oder eine Differentialgleichung, deren sämmtliche In-
tegrale 2) = 0 befriedigen und die Coefficienten aus dem Ra-
tionalitätsbereiche hat, mit der adjungirten Differentialgleichung
von 2) = 0 zu derselben Art.
Existirt umgekehrt eine quadratische Form, die bei allen
Transformationen der Rationalitätsgruppe von 2) = 0 formal
ungeändert bleibt, so ist diese rational bekannt und ferner
auch Integral von *^2 -^ = ^- Mithin folgt:
U. Lassen alle Transformationen der Rationalitätsgruppe
von 2) = 0 eine quadratische Form invariant, so hat %^ D = 0
ein dem Rationalitätsbereiche angehöriges Integral.
») G. Fano, Math. Annalen, Bd. 53, p. 572.
14 Sitzung der mathrphys, Classe vom 4. Januar 1902.
Beachtet man schliesslich, dass, falls eine bilineare Form
cogredient in sich übergeführt wird und diese nicht sym-
metrisch oder alternirend ist, auch stets eine bilineare Form
verschwindender Determinante in sich übergeht, ferner dass
eine altemirende Form nur geraden Rang haben kann, so
sieht man, dass die Rationalitätsgruppe einer Differential-
gleichung ungerader Ordnung, die irreducibel ist und mit
ihrer adjungirten zu derselben Art gehört, nur aus Trans-
formationen, die eine symmetrische und mithin eine quadra-
tische Form in sich transformiren, bestehen kann. Hieraus folgt:
III. Erfüllen die Elemente eines Fundamentalsystemes einer
irreduciblen Differentialgleichung D = 0 von ungerader Ord-
nung keine quadratische homogene Relation mit constanten
Coefficienten, so ist noth wendig und hinreichend, damit die
Differentialgleichung 2) = 0 mit ihrer adjungirten zu derselben
Art gehört, dass die Differentialgleichung n 1 — ^ — j ter Ord-
nung, welcher die Integralproducte t/,y* genügen, ein dem
Rationalitätsbereiche angehöriges Integral besitzt.
Ist Z) = 0 irreducibel, so kann ^^ 2) = 0 niemals zwei
dem Rationalitätsbereiche angehörige Integrale, die sich nicht
um einen constanten Factor unterscheiden, besitzen; denn gäbe
es zwei solche Integrale, so bliebe bei den Transformationen
der Rationalitätsgruppe von D = 0 eine Schaar quadratischer
Formen und daher auch eine Form verschwindender Deter-
minante invai-iant; es müsste mithin D = 0 gegen die Vor-
aussetzung reducibel werden.
äüj:-...
15
Sitzung vom 1. Februar 1902.
1. Herr Seb. Finsterwalder macht eine Mittheilung: ^Ueber
die mechanische Nachbildung von Minimalflächen"
unter Vorzeigung von drei darauf bezüglichen Modellen. Die
Mittheilung wird anderweit veröflFentlicht werden.
2. Herr Sigmund Günther bringt einen Aufsatz: ^Ueber
gewisse hydrologisch-topographische Grundbegriffe"
in Vorlage.
3. Herr C. v. Kupffer spricht: „üeber die Commissura
veli transversi des Hirns." Die VeröflFentlichung findet
an einem andern Orte statt.
4. Herr Wilh. Conr. Rontgen legt eine Abhandlung des
Herrn Privatdozenten an der hiesigen Universität Arthur Korn:
^Ueber ein Verfahren der elektrischen Fernphoto-
graphie" vor.
5. Herr K. A. v. Zittel überreicht eine Studie des Herrn
Obermedizinalrathes Joseph Georg Egger dahier: „Der Bau
der Orbitolinen und verwandter Formen". Ferner als
Anhang dazu eine Arbeit des Herrn Dr. Ferd. Broili, Assistent
an der paläontologischen Sammlung : „Ueber die Fauna der
Orbitolinen führenden Schichten der untersten Kreide
in der Krim". Die beiden Abhandlungen sind für die Denk-
schriften der Akademie bestimmt.
6. Herr Ffrd. Lindemann theilt eine Notiz des Herrn Dr.
Newel Perry: „Das Problem der conformen Abbildung
für eine spezielle Curve von der Ordnung 3n" mit.
17
Ueber
gewisse hydrologisch -topographische Grundbegriffe.
Von S. Günther.
(Eingelaufen 1. Februar.)
Die Lehre von den fliessenden Gewässern erfordert zu
ihrem Ausbau eine stete Rücksichtnahme auf die Terrainkunde,
die wissenschaftliche Topographie. Denn ebenso, wie auf der
einen Seite das strömende Wasser — hier durch Erosion und
Denudation, dort durch Akkumulation des Detritus — die
Oberflächen gestalt wesentlich schaffen hilft, so hängt auch die
Art und Weise, in welcher sich diese Agentien bethätigen,
von der Struktur des Oberflächenmodelles ab, die sich zuvor
herausgebildet hatte. Insbesondere wählt rinnendes Wasser
stets den kürzesten unter den Wegen, welche es einem be-
stimmten tieferen Niveau zuführen, und es ist also von Wich-
tigkeit, sich über den Verlauf dieser Bahnen von vornherein
zu orientieren. Will man die Gesetzmässigkeiten kennen lernen,
die hier obwalten, so muss man natürlich von der so äusserst
unregelmässigen Gestalt der Landoberfläche absehen und sich
die Hohlräume, in denen sich die Wasserbewegung vollzieht,
als von geometrischen Flächen begrenzt vorstellen. Eine von
Boussinesq*) herrührende Definition entsprechend weiter-
bildend, stellen wir Folgendes fest:
Die Landoberfläche lässt sich betrachten als eine
Aufeinanderfolge von Flächenstücken, welche gegen
^) Boussinesq, Essai sur la theorie des eaux courantes, Memoires
presentes par divers savants a TAcadeniie Fran^aise, 23. Band, S. 1G5 ff.
1902. Siizangsb. d. matli.-pbys. Gl. 2
18 Sitzung der math.-phys. Clause vom 1. Februar 1902,
das Meeresniveau zum einen Teile konvex, zum at*-
deren Teile konkav gekrümmt sind.
Als X Y' Ebene denken wir uns stets eine horizontP'^^^
Ebene, die so gelegen sein soll, dass innerhalb des hier i^
betracht kommenden Bereiches die vertikal gerichteten OrJi
naten z positiv bleiben. Legen wir dann eine Vertikaleben. ^
von der Gleichung y = Konst. durch die Landoberfläche, so wir* ^^
aus dieser eine Kurve herausgeschnitten, die so beschaflfen ist^^
dass der zweite DifFerentialquotient -j-^ irgendwo auf ihr seio
Zeichen wechselt. So lange -^ -^ negativ ist, verläuft die Schnitt—
kurve konkav gegen die Horizontalebene; wenn dagegen -^-^
positiv wird, wendet die Kurve dieser Ebene ihre konvexe
Seite zu. Im allgemeinen wird also diese Grösse einmal ihr
Zeichen wechseln, und da dies für jede einzelne Schnittkurve
gilt, so hat man damit die Grenzlinie gefunden, welche jeweils
die konvex und konkav gekrümmten Flächenteile trennen.
Verfolgen wir die Schnittkurve weiter, so gelangen wir zu
einem Punkte, in dem die Berührungslinie zur X F- Ebene
parallel verläuft. Die Gesamtheit aller dieser Punkte ver-
bindend, erhalten wir eine Kurve, welche als Grenzlage für
diejenigen Flächenpunkte zu gelten hat, für welche die Tan-
gentialebene bezüglich spitze und stumpfe Winkel mit der
Horizontalebene bildet. Diese Grenzkurve ist, hydrologisch
gesprochen, die Wasserscheide^) der beiden in ihr zusam-
menstossenden teils konvexen, teils konkaven Flächen. Jeder
allseitig von wasserscheidenden Linien nach oben begrenzte
Hohlraum der Landoberfläche soll als Stromgebiet oder
Bassin bezeichnet werden. Wir setzen hier durchgehends die
sogenannte elliptische Krümmung voraus, deren Wesen darin
besteht, dass die Berührungsebene einer Fläche ganz und gar
^) Die von L. v. Buch gewählte Bezeichnung »Wasser teuer* (vgl.
Günther, Alexander v. Humboldt, Leopold v. Buch, Berlin 1900, S. 245)
hat sich nicht durchzusetzen vermocht.
8, GHlnther: Hydrologisch-topographische Grundbegriffe. 19
auf ein und derselben Seite der letzteren verbleibt. Es kom-
men ja in der Natur gewiss auch Flächen von hyperboli-
scher Krümmung, also Sattelflächen, vor, aber für unsere
Zwecke müssen solche als Ausnahmen gelten.
Damit haben wir für diesen Begriff sowohl, als auch für
den der Wasserscheide Bestimmungen erhalten, welche für ge-
wöhnlich, von Ausnahmefällen abgesehen, als eindeutig gelten
können. Dass ihre Festsetzung, wie sie vielfach gegeben wird,
mancherlei Bedenken unterliegt, ist von Philippson^) her-
vorgehoben worden. Letzterer gibt selbst die nachstehende
Definition: „Wasserscheide ist jede Linie, in der sich zwei Ge-
fällsrichtungen der Erdoberfläche nach oben zu schneiden.**
Dem Sinne nach ist dies völlig übereinstimmend. Nur wird
von uns der Uebergang zunächst als ein kontinuierlicher auf-
gefasst, obwohl selbstverständlich auch der Fall einer Kante
oder Schneide, die dann ohneweiters die Wasserscheide reprä-
sentiert, mit inbegriffen ist.
Von den Krümmungsverhältnissen eines solchen Hohl-
raumes, der alles in seinem Bereiche fallende meteorische
Wasser sammelt, hängt es ab, ob dasselbe in ihm verbleibt
oder aber den Zugang zu seinem natürlichen Bestimmungs-
orte, dem Meere, findet. Wir gelangen damit auf unsere Weise
zu jener Zweiteilung aller terrestrischen Einsenkungen, welche
zuerst V. ßichthofen*) durchgeführt hat, indem er den zen-
tralen oder abflusslosen Gebieten die peripherischen
Gebiete gegenüberstellte. Ist nämlich der Hohlraum eine
Wanne, mit Penck^) zu sprechen, deren Kennzeichen darin
besteht, dass eine der an die Grenzfläche gelegten Berührungs-
ebenen zur Horizontalebene parallel wird, so kann das Regen-
wasser -— wenigstens solange es nicht hoch genug steigt, um
über eine Randlinie überzulaufen — die Mulde nicht mehr
^) Philippson, Studien über Wasserscheiden, Leipzig 1886, S. 14 ff.
^ y. Richthofen, Führer für Forschiingsreisende, Berlin 188G,
S. 275 ff.
*) Penck, Morphologie der Erdoberfläche, 1. Band, Stuttgart 1894,
S. 158.
2*
20 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 1, Februar 1902.
verlassen. Von Flusssystemen innerhalb eines solchen Hohl-
raumes kann, obwohl man ja darauf selten zu achten pflegt,
nur bedingt die Rede sein; wenigstens wollen wir gleich jetzt
unsere Erklärung des Wortes Stromgebiet noch dahin er-
gänzen, dass dessen Begrenzungsfläche stets eine gleichsinnige
Krümmung aufweisen soll. Nur mit Gebilden dieser Art
wollen wir uns hier beschäftigen. Es wird angenommen, dass
die Tangentialebene der in frage stehenden Fläche, die zudem
als stetig gekrümmt vorausgesetzt wird, mithin aller
Ecken und Kanten entbehi*t, allenthalben nur Winkel mit der
Xr- Ebene bildet, die < 90« und > 0« sind.
Die französischen Mathematiker, welche sich der Begrün-
dung der topographischen Fundamentalbegrifife hauptsächlich
angenommen haben, während man anscheinend in Deutschland
diesen Untersuchungen ein geringeres Interesse entgegen-
brachte,*) haben gleichzeitig mit der Wasserscheide („ligne de
faite") auch noch eine andere ausgezeichnete Linie des Be-
wässerungssystemes eines Hohlraumes in betracht gezogen,
nämlich den Thal weg.*) Da durch Philippson die Moi*pho-
*) Von einschlägigen deutschen Originalarbeiten scheint nur eine
einzige anzuführen zu sein : Q u i d d e , Kurven gleicher Steilheit auf Flächen
zweiten Grades, Stargard i. P. 1879. Dieselbe verfolgt jedoch rein geo-
metrische Zwecke. Unter dem geographischen Gesichtspunkte hat der
Verf. den ganzen Komplex zusammengehöriger Studien schon früher
kurz abgehandelt (Günther, Topographische Studien über die Gestalt
der Flussbetten, Nachrichten über Geophysik, 1. Heft, S. 9 flf.).
2) Dieser Ausdruck wurde, nachdem ihn der deutsche Hydrotech-
niker Wiebeking dem Rastatter Kongresse mundgerecht gemacht
hatte — ,.der Thalweg des Rheins soll die Grenze zwischen Elsass und
Baden sein" — , auch von den französischen Fachmännern adoptiert,
und zwar so vollständig, dass dieselben ihn wörtlich, ohne üebertragung,
in die eigene wissenschaftliche Sprache herübemahmen. Näheres über
dieses Vorkommnis gibt eine Lebensbeschreibung Wiebekings (Voigts
Neuer Nekrolog der Deutschen, Weimar 1842). In Frankreich bedient
man sieh des Wortes Tbalweg auch in noch erweiterter Bedeutung,
ziemlich im gleichen Sinne, wie vallee; vgl. z. B. Marty, La Thalweg
gt^ologitiue de la nu\venne vallee de la Gere (Bull, de la Society Geo-
lugi«iue de France, {'^) 22. Band. S. ;U ff.).
*Si. Günther: Hydrologisch-tojyographische Grundbegriffe. 21
logie der Wasserscheiden zu einem einstweiligen Abschlüsse
gebracht worden ist, so haben wir es an diesem Orte wesent-
lich nur mit der zweiten topographischen Linie zu thun.
Eine ganz einwurfsfreie Definition derselben bereitet Schwierig-
keiten, und diese dehnen sich dann auch auf das Wort Ström-
st rieh aus, weil zwischen Thal weg und Stromstrich die engste
Beziehung obwaltet. Vielfach werden beide Begriffe sogar
identifiziert; hier aber soll der Stromstrich diejenige Ober-
flächenlinie eines fliessenden Gewässers sein, in welcher dessen
Fläche von einer vertikalen Zjlinderfläche geschnitten wird,
die den Thal weg zur Leitlinie hat.^) Wenn man, wie dies
ein neueres Werk thut,*) dessen eigentliche Tendenz in der
Klärung der topographischen Terminologie beruht, den Thal-
weg einfach als „die tiefste Linie des Thaies" hinstellt, so miiss
man auch angeben, wie man eine solche Linie mit Maximal-
eigenschaft konstruiert, und so lange dies nicht geschehen,
wird man mit der Definition nicht viel anfangen können.
Die erwähnten französischen Geometer, welche sich, wie
wir sehen werden, sehr ernsthaft um die exakte Begriffsbestim-
mung bemüht haben, stellen durchweg die Wasserscheide in
Parallele zum Thalwege, der die Gewässer seines Gebietes
sammelt. Indessen besteht doch ein gewisser Unterschied.
') Bei Penck (a.a.O., 2. Band, S. 73) lesen wir: ,Dic mittlere
Richtung auch der Mäanderthäler ist eine ziemlich konstante; sie be-
stimmt den Thal weg oder Stromstrich. " Supan (Grundztige der physi-
schen Erdkunde, Leipzig 1896, S. 261) charakterisiert den Stromstrich
als ,die Linie, welche die Punkte grösster Oberflächengeschwindigkeit
verbindet**. Bei Rein endlich (Bemerkungen über Veränderungen der
Flussläufe, Stromstrich und Begleiterscheinungen Peter m an n s Geograph.
Mitteil., 42. Band, S. 129 ff.) erreicht längs des Stromstriches die Wöl-
bung, welche bei genauem Zusehen der Spiegel eines Flusses erkennen
lässt, ihr Maximum ; der Stromstrich ist zugleich ein eigentlicher Strom-
faden im Sinne der neueren Hydrodynamik, während zu beiden Seiten
sich die Bewegung des Wassers in Spiralbahnen vollzieht (vgl. Moeller,
Studien über die Bewegung des Wassers in Flüssen, Zeitschr. f. Bau-
wesen, 1883, S. 193 ff.).
*) Neuber, Wissenschaftliche Charakteristik und Terminologie der
Bodengestalten der Erdoberfläche, Wien-Leipzig 1901, S. 398.
Sitzung der wathrphys. Clause vom 1. Februar 1902
Die Wasserscheide nämlich ist nicht nur im abstrakt-geometri-
schen Obei-flächenbilde, das uns hier zunächst vorliegt, sondern
auch in der Natur selbst etwas reell Vorhandenes, während
im ersteren Falle der Thalweg die von den Abhängen herab-
fliessenden Gewässer nicht thatsächlich aufnimmt. Angedeutet
wird der hier bestehende Gegensatz wohl zuerst von Breton
de Champ;*) auffallenderweise aber ist der den Sachverhalt
bestimmende einfache Lehrsatz nie als solcher beachtet und
bewiesen worden. Allgemein ausgesprochen, lautet er: Wenn
auf einer Fläche zwei Systeme sich rechtwinklig
schneidender Kurven bestehen, so kann durch einen
bestimmten Punkt nur immer je eine einzige Kurve
des nämlichen Systemes hindurchgehen.
Es seien durch I und II (Fig. 1) die Individuen je einer
solchen Kurvenschaar bestimmt. Wäre es möglich, dass durch
den Punkt A ausser der
ihm zugehörigen System-
kurve II noch eine andere
Linie AA* hindurchginge,
die ebenfalls auf der Kurve I
in A senkrecht stände, so
hätte man, da die beiden
Orthogonalkurven eine un-
endlich benachbarteKurvel,
nämlich i«m', in denPunkten
B und C schneiden müssen,
in dem unendlich kleinen
— also ebenen — Dreiecke
ABC < ABC = < AGB
= 90^, was nicht möglich ist. Uebrigens folgt die gleiche
Thatsache auch aus dem gleich nachher zu berührenden Um-
M Breton de Chainp, Note sur les caracteres geometriques des
lignes de faite oii de thalweg, Compt. Keiul. de TAcad. Fran9., ^3. Band,
S. 808 ff. Auf die oben genannte partielle Uifferentialgleiebung kam auch
unabhängig De JSaint Venant (Surfaces ä plus grande pente constituees
sur des lignes eourbe»«, Bulletin de la Societe Philomatique de Paris, 1852).
S. Günther: Hydrologisch-topographische Grundbegriffe. 23
stände, dass die Differentialgleichungen der orthogonalen Tra-
jektorien von der ersten Ordnung sind.
Dies trifft nun in unserem Falle zu. Identifizieren wir
die Kurven des Systemes I mit den Niveaulinien oder Iso-
hypsen der Fläche, so fallen diejenigen des Systemes II mit
den Linien des Wasserablaufes oder der kürzesten Verbindung
mit der Horizontalebene („lignes de la plus grande pente")
zusammen, welch letztere wir künftig kurz als Abflusslinien
bezeichnen werden. Dann steht also Folgendes fest:
Zwei Abflusslinien können sich niemals begegnen,
verlaufen vielmehr asymptotisch, so dass ihnen sämt-
lich der nämliche unendlich entfernte Punkt zugehört.
Nun erhebt sich sofort die weitere Frage:
Gibt es unter den unendlich vielen Abflusslinien
des nämlichen Gebietes eine, die man allen übrigen
gegenüber individuell auszeichnen kann, der also
eine Eigenschaft zukommt, die sich bei keiner Ge-
fährtin findet?
Wenn eine solche Kurve existiert, so müssen wir eben
ihr den Namen Thal weg zuerkennen, da die ihr gewöhnlich
zugeschriebene Eigenschaft, alle Gewässer zu sammeln, vor-
läufig, so lange wir nur flächentheoretisch urteilen, nicht vor-
handen ist. Und diese Frage ist es eben, welche eine kleine
Litteratur in das Leben gerufen hat.
Als erster, soweit wir die Angelegenheit rückwärts ver-
folgen konnten, ist derselben Breton de Champ (s. o.) näher
getreten, der in der erwähnten Abhandlung für Wasserscheide
und Thalweg eine gemeinsame Differentialgleichung herzuleiten
suchte. Die Gleichung der die Systeme I und II enthaltenden
Fläche ist z = f (x^ y), und wenn dann in bekannter Weise
a^ djs dp dq dp ^Q j. . L
—- =p, -— = g, -^ = r, -- = —- = 5, ^— = ^ gesetzt
dx dy dx dx dy dy '^
wird, ergibt sich für die beiden eine Ausnahmestellung ein-
nehmenden Linien die Gleichung p'^r -\- q^t = 2pqs^ aus der
jedoch Topographie und Erdkunde keine für sie brauchbaren
Folgerungen ziehen können. Nur kurz gibt nach dieser Seite
24
SiisHPtj der maih.'phys. ühimc ami 1. Fi-braar rj02.
hin Breton de Champ Leinen wirklich verwertbaren Anhalts-
punkt. Nimmt mau zwei Nachbarpunkte Ä^ nnd Ä^ und hßt
in jedem derselben eine Tangentialebene an die Flache, so
bildet die Schnittlinie dieser beiden Ebenen mit A^ A^ einen
Winkel, der alle möglichen Werte annehmen kann. Wenn
dieser Winkel gleich einem rechten geworden ist, so hat die
betreffende Linie die Thalweg-Ei genschaft. Das ist ganx zu-
treffend, aber es wird sich empfehlen, die entscheidende De-
finition nicht auf eine doch mehr nur nebensächliche Eigeü-
schaft zu begründen,
Boüssinesq nahm das Prubleni von neuem auf» und in
einer Reihe von Aufzufitzen,') die teilweise eine poleniisclie
Auseinandersetzung mit dem auf dem gleichen Arbeitsfelde
thiltigen (1 Jordan^) enthalten ♦ hat er es allseitig untersucht
und mannigfach geiordeiii. Er hielt sich, da ja die Abflus-s-
linien im allgetueinen Kurven doppelter Krümniung sind,
an deren Schraiegungsebene*) und fragte, wie eine solche
Kurve beschaffen sein mü^e, damit eben diese Ebene unter
allen umständen senkrecht auf der XF- Ebene stehe. Die
Gleichungen der Kunden, die man erhält, wenn man die Niveau-
linien und ihre orthogonalen Trajektorien auf jene Ebene pro-
jiziert, aind bezüglich diese:
päx -j- qdp ^ 0, pdy — qdx ^ 0. ^
^) Bou»sine»q, Sui- une propriete reniarqualilc den iiointw itn T^^^^
lignes de plus grantle pente d'nne antfare otit leius plani osculateura
verticftux, et sDr la djfference qui esi^te *:feneral erneut, k la surfaoe de
la terre, eEtre les lignes de faite ou de thalweg et eellee !es long iles-
quelle« la pente du m\ est ud miDimum; Compt Rend.» 73. Band. S, 13118 ff,r
Sur le» lignes de falte et de thalweg, ebenda, 75. Band, S. 198 ff., S. 836 ff.
2) C. Jordan, Sar les lignes de faite et de thalweg, ebeitda,
74. Band. S. 1457 ff.j Hur lea lignes de faite et de thalweo;, rcponae aux
olijecHona de M. Bonsainesq, ebenda, 75. Band, S. G25 ff.; Nouvelles
obtervatic^na sur les Hgnes de falte et de thalweg» ebenda, 75. Band,
8. 1023 ff.
*) Vgl. hieaut Joacbimstbal-NatÄni, Anwendung der Diffe-
rential- lind Integriilrechnung auf die allgemeine Theorie der Fltkhen
und der Linien doppelter Krümmung, Leipzig 1881.
J
S, Günther: Hydrologisch-topographische Grundbegn/fe. 25
Die Gleichung
<i) _ , <i)
dx ^ ^ dtj ^
stellt nach Boussinesq die Projektion des Thalweges dar.
Der Thalweg kann generell alle möglichen Gestalten an-
nehmen, je nachdem eben die Krümmungsverhältnisse der
Fläche, welcher er angehört, beschaffen sind. Für jene Flächen,
die uns hier ausschliesslich beschäftigen, vereinfacht sich die
von Boussinesq gegebene BegriflFsbestimmung erheblich. Hier
existiert nämlich eine Abflusslinie, deren Oskulationsebenen
nicht allein sämtlich senkrecht auf der X Y- Ebene stehen,
sondern in eine einzige zusammenfallen. Demgemäss ist diese
Linie eine ebene Kurve, ihre Vertikalprojektion gerade, und
unt^r der erwähnten Beschränkung gilt die nachstehende De-
finition :
Gibt es eine Kurve in der Schaar der als Abfluss-
linien gekennzeichneten Raumkurven, welche ihrem
ganzen Verlaufe nach in der nämlichen — vertikalen —
Ebene liegt, so hat diese ein Anrecht auf den Namen
Thalweg. Gegen ihn konvergiert jede einzelne Ab-
flusslinie asymptotisch.
Diese Auffassung deckt sich auch mit dem von Breton
de Champ (s. o.) angegebenen Merkmale, dass nämlich die
Schnittlinie zweier Berührungsebenen, die in den Endpunkten
einer unendlich kleinen Kurvensehne an die Fläche gelegt sind,
zu der Sehne selbst senkrecht stehen soll. Die Durchschnitts-
linie verläuft eben horizontal, während die Ebene der Kurve
vertikal steht.
C. Jordan hat (s. o.) sehr entschieden behauptet, dass
sich Wasserscheide und Thalweg in nichts von anderen Kurven
steilsten Abfalles unterschieden;^) ja es gäbe unter den letz-
*) Der Hinweis Jordans auf anomale Verhältnisse der Wasser-
scheide im Iserethale ist ohne Beweiskraft, denn jeder Geograph weiss,
wenn er sich blos der von Philippson und Supan untersuchten
26 Sitzung der math.-phys. Classe vom 1. Februar 1902.
teren überhaupt keine mit einer sie vor den anderen auszeich-
nenden Eigenschaft. Im vorliegenden Falle aber ist ein solches
Individuum unzweifelhaft vorhanden. Boussinesq bedient sich
in seiner Erwiderung eines ganz treffenden Bildes, indem er
an den menschlichen Körpers erinnert. Die gewöhnlichen Ab-
flusslinien seien den Venen, der Thalweg sei der Arterie ver-
gleichbar. Gleichwohl, und obwohl er nach unserer Ansicht
sich durchaus im Rechte befindet, hat sich Boussinesq zu-
letzt in ein Kompromiss mit Jordan eingelassen, welches aber
nach keiner Seite hin zu befriedigen imstande ist.
Zu bedauern ist, dass kein Versuch gemacht ward, die
allgemeinen Betrachtungen am speziellen Falle zu erläutern.
Diese Lücke füllen wir dadurch aus, dass wir eine Fläche ein-
fachster Natur in angriflF nehmen, nämlich die eines Kreis-
zjlinders, dessen Achse schief zur X F- Ebene liegt. Dass
alsdann der Thalweg eine Gerade sein muss, erhellt sofort. Die
Achse CA (Fig. 2) des Zylinders soll der XZ- Ebene ange-
hören und mit der X-Achse den Winkel a bilden, während
r = CD = CE den Radius des Grundkreises bedeutet. Durch
B, einen willkürlichen Punkt des Mantels mit den Koordinaten
BF=z, FG = y, CG = x sei ein Schnitt senkrecht zur
Achse gelegt, der den Zylinder im Kreise HJ mit dem Zen-
trum Ä schneidet. Wird dann noch AB == r gezogen und
BK senkrecht auf AL = AC sin a, so ergeben die beiden
resp. in A und K rechtwinkligen Dreiecke BAC und BKA
diese Beziehungen:
r* + ÄC^ = BC^ = x^ + 1/ + ^^ = r''+ u\
r* = (o; — u cos a)* + y^ + (t* sin a — z)^.
Die Hilfsgrösse u lässt sich leicht eliminieren, und es
resultiert als die gesuchte Gleichung der Zylinderfläche, wenn
Thalwasserncheiden erinnert, wie kompliziert und für die mathe-
matische Erörterung unzugänglich die Gestaltung solcher Oertlichkeiten
werden kann. Auf geometrische Singularitäten, die hier nicht berück-
sichtigt werden dürfen, macht auch aufmerksam Breton de Champ
(Note sur les lignes de faite et de thalweg, ebenda, 39. Band, S. 647 flf.).
S, Günther: Hydrologisch-topographische Grundbegriffe,
27
wir nur das positive Wurzel Vorzeichen berücksichtigen, die
folgende :
j = (x sin a -\- Yr^ — y*).
cos a
Daraus ergibt sich, wenn wir auf die früheren Bezeich-
nungen zurückgreifen,
y Q __ y
p = tang a, g = —
cos
aYr-^ — y-^' p
sin
a Yr"^ — y^
Fig. 2.
Die Gleichungen der Isohypsen sind:
^ = Konst.; x = X- Yr'^ — y^ + C.
sm a
Wie man sieht, ist dies, indem ein schiefer Zylinderschnitt
vorliegt, die Gleichung einer Ellipse, da man sie in die Form
x'^ sin' a — 2C:z; sin' a + y' = r' — C^ sin' a
28
Sitzimg tUr matK*pht/s, Ül(U»e mnt L Februar 190^,
bringen kann. Sucht man naeh Boussinesq tlie Gleichung
des Thalweges, so erhält man, da die Ableitung von f — j
nach iT gleich Null ist»
aa?
P +
^ =
1
J^U _
0.
a i^ ^ sin a cos a (r* — y*)*
Das kann nur eintreten, wenn y selbst Null wird, und
dio beiden Gleichungen des Thalweges sind i/ = 0, £ ^^ Q, In
der That lehrt ein Blick auf die Figur, dass diese Linie mit
der X-Achse zusanimenfiillt.
Um endlich auch noch den asjmptotisclien Verlauf der
Horizontal [irojektionen der AbHusslinien — uml daniit dieser
selber — nachzuweisen, gehen wir auf dieGleichung^ic?y- ^f^Jf = 0
zurück. Wir finden durch Einsetzung
dx sin a Yr* — y* , ^ CV^^ ~ .V* j . i n*
'^— s== , a? = — sin a I *^— an 4^ C
und, niit Anwendung der hier bequemen Hyperbelfunktiünen,
X ^
sm
a{Vr
r3lrc(£o^ j + Ü"X
Filr 1/^=0 wird der hyperbolische Arcus Cosinus, da iitf
rler Unendlichkeit zustrebt, selbst unendlich gross, d. h. säint-
licbe Kurven treffen die A"- Achse in ihrem unendlich ent-
fernten Punkte, Hiemit ist also die Gesamtheit der topo-
graphisch bedeutsamen Aufgahen, zu deren Stellung die Frage
nach der Nntur des Thalweges Veranlassung gibt an einer
Fläche erledigt, die allerdings besonders einfache Verlniltnisse
gewährt, aber schon darum vorzuziehen ist, weil bei Flachen
von nur etwas verwickelterer Gestalt die Sonderung der Va-
riahehl und die Integration weit mehr Schwierigkeiten bereiten
und auf völlig unübersichtliche Formeln fiihren.
Nunmehr handelt es aich darum, die mathematisch er-
zielten Ergebnisse in die Natur selbst zu übertragen, filso alle
die Vereinfachungen fallen zu lasseui welche notwendig waren.
S. Günther: Hydrologtsch-topographische Ghundbegtiffe. 29
um von den Hilfsmitteln der Mathematik Nutzen ziehen zu
können. Da gilt denn zuerst der Erfahrungssatz : ^) Was
theoretisch als asymptotische Näherung erscheint,
ist in der Natur gleichbedeutend mit der Thatsache,
dass zwei konvergierende Wasseradern ihren Ver-
einigungspunkt möglichst weit abwärts verlegen.
Zwei Flüsse, die sich vereinigen, laufen der Regel nach unter
sehr spitzem Winkel gegen einander, ja sogar längere Zeit
annähernd parallel, ehe die Vermischung ihrer Gewässer statt-
findet. Dafür, dass es sich so verhält, bedarf es offenbar keines
Beweises mehr; vielmehr liegt die unmittelbare Konsequenz
einer allgemein erhärteten Wahrheit vor. Der Thalweg ist
mithin jetzt ein wirklicher Wassersammler, und weil er
dies ist, so eröffnet sich uns zugleich die Möglichkeit, eine
alte und noch nicht ausgetragene geographische Streitfrage in
ein neues Licht zu stellen.
Zuvörderst indessen soll noch vom Schnittwinkel des Thal-
weges mit den ihm zugeteilten Abflusslinien die Rede sein.
Die Betrachtung eines beliebigen Flusssystemes, zumal in seinem
Oberlaufe, auf der Karte vergewissert über die Richtigkeit
und das generelle Vorkommen der Konvergenz unter kleinem
Winkel. Wissenschaftliche Ueberlegungen aber scheint daran
als der erste Peschel geknüpft zu haben,*) dem es bei seinen
') Vgl. hiezu CTÜnther, Handbuch der Geophysik, 2. Band, Stutt-
gart 1899, S. 813. Boussinesq drückt den Gegensatz in der zweiten
seiner oben genannten Abhandlungen mit folgenden Worten aus: „Le
thalweg est une ligne, ä laquelle, sur tous les points de son parcours,
Tiennent se reunir, en toute rigueur, ou de moins asymptotiquement,
des lignes de plus grande pente qui en etaient d'abord ä des distances
sensibles/
2) Peschel, Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde, Leipzig
1878, S. 141 ff.; Peschel - Leipoldt, Physische Erdkunde, 2. Band,
Leipzig 1883, S. 472 ff. Die von Peschel geltend gemachte Ursache
ist freilich nicht die wahre, und wenn er mit Reclus (LaTerre, 1. Band,
Paris 1874, S. 443) hervorhebt, dass die Geschiebeführung den spitzen
Winkel der Flussannäherung bedinge, so stellt er eine Behauptung auf,
von der gemeiniglich sogar, wie wir bald erfahren werden, das Gegen-
teil als zutreffend anerkannt werden muss.
30 Sitzung der mathrphys. Classe vom 1. Februar 1902,
vergleichenden Kartenstudien, die eben doch auch in diesem
Falle sich als nicht wertlos dokumentieren, auffiel, wie in
manchen Ländern der TreflFpunkt zusammengehöriger Flüsse
weit hinausgeschoben wird. Ein besonders drastisches Beispiel
bieten die Stromgebiete Nordamerikas zwischen AUeghanies
und Atlantischem Ozean; ferner sind sehr geeignete Demon-
strationsobjekte der Amazonenstrom und der Po. Man über-
zeuge sich nur auf der Karte, wie Tanaro, Ticino, Adda,
Parma, Oglio, Mincio, deren Lauf ursprünglich ein meridionaler
ist, allmählich gegen den Thalweg des grossen oberitalienischen
Bassins, gegen den Po, hin umbiegen, um sich förmlich seiner
Laufrichtung anzupassen. Gerade für die lombardisch-vene-
tianische Tiefebene trifft auch zu, was Wisotzki, dessen
Monographie uns noch weiterhin beschäftigen wird, über solche
seitliche Flüsse bemerkt,^) die den Hauptfluss nicht mehr selbst
treffen. „Auch selbständig das Meer erreichende Flüsse sind
als Nebenflüsse zu bezeichnen, sobald sie eine mit anderen
Nebenflüssen des betreffenden Systemes gleichartige Lage be-
sitzen." So sind Reno und Panaro auf der rechten, Brenta
und Piave auf der linken Seite des Po als Nebenflüsse dieses
letzteren anzusehen, und erst recht gilt ein Gleiches für die
Etsch, deren unterste Laufstrecke dem Po vollkommen parallel
gerichtet ist. In Hochwasserzeiten, wenn die Wasserläufe über
ihre nur schwach profilierten Betten übergreifen, bilden diese
zusammengehörigen und da und dort ohnehin durch Altwasser
und Kanäle Verbindung unterhaltenden Flüsse nur eine einzige,
zusammenhängende Wasserfläche, so wie dies auch Nissen*)
weiter oberhalb für die von Tanaro und Po gebildete Halb-
insel bezeugt. Oberitalien ist überhaupt das klassische Land
für die Erkenntnis hydrographischer Thatsachen, wie denn
auch die wissenschaftliche Wasserbaukunde daselbst ihren natür-
lichen Ursprung hatte. So wäre insbesondere auch auf den
Lago d'Orta zu verweisen, den einzigen unter den südalpinen
^) Wisotzki, Hauptfluss und Nebenfluss; Versuch einer begriff-
lichen Nachbildung derselben, Stettin 1889, S. 13G.
*) Nissen, Italische Landeskunde, I.Band. Berlin 1883, S. 180,
S. Günther: Hydrologisch-topographische Grundbegriffe.
31
Binnenseen, der sich gegen Norden entwässert.*) Sein Abfluss
geht der selbst von Norden kommenden Toce direkt entgegen
und erfahrt erst kurz vor der Vereinigung mit ihr eine Ab-
lenkung nach Osten, so dass er sie in der mehrerwähnten
Weise triflFt und kurz vor der Mündung in den Langen-See
verstärkt. In Fig. 3 kann man diesen abnormen entgegen-
gesetzten Parallelismus eines Hauptflusses und des ihm zu-
strebenden Nebenflusses konstatieren.
Mit der Sedimentablagerung, deren
Wirkung? esc hei als Ursache im Auge
hatte, steht die Abwärtsverlegung des
Einnoündungspunktes nicht in kausalem
Zusammenhange, wenngleich dieselbe
hie und da eingreifen mag.*) Dieses
Moment fällt sogar gemeiniglich im
entgegengesetzten Sinne in die Wag-
schale. Wenn manchmal der that-
sächlicheBefund hinsichtlich des
Einmündens eines Flusslaufes in
den Thalweg ein ganz anderer
ist, als nach der topographischen Regel erwartet
werden sollte, so ist daran in erster Linie schuld,
dass die Einmündungsstelle durch die Anhäufung von
Fig. 8.
M De Agoatini, II Lago d'Orta, Turin 1895.
^) Auf eine anderweite Möglichkeit, die jedoch wohl nicht allzu
häufig zu konstatieren sein wird, weist Henkel hin (üeber das Um-
biegen von Nebenflüssen in der Nähe der Mündung, Peterraanns
Geograph. Mitteil., 35. Band, S. 176 fF.). Es ereignet sich nämlich, dass
der Nebenfluss ein Rinnsal benützt, welches in geologischer oder prä-
historischer Vorzeit von dem Hauptstrome eingenommen war, der dann
aus irgend einem Grunde einer Laufönderung unterlag. So verhält es
sich bei der Vereinigung der Ohre mit der Elbe in der Nähe Magde-
burgs; ersteres Flüsschen strömt jetzt in einem Bette dahin, das einen
alten Elbearm darstellt, und dass dieser sich dem Hauptarme unter sehr
spitzem Winkel nähern musste, ist an und für sich einleuchtend, da ja
alle Strominseln von grösserer Ausdehnung eine längliche Gestalt be-
sitzen oder doch ursprünglich besassen.
32 Sitzung der mathrphys. Classe vom 1. Februar 1902.
Sinkstoffen stromaufwärts gedrängt wird. Es wird dies
besonders dann eintreten, wenn die Flussmündung den Charakter
eines Deltas an sich trägt, und wenn der sich in den grösseren
ergiessende kleinere Fluss reich an mitgeführten Feststoffen ist,
während der erstere, wie hier der regulierte Rhein, sich dieses
Ballastes zum grossen Teile bereits früher entledigt hat. So hat
Naeher^) für den Einlauf des Neckars in den Rhein eine
durch Geschiebeaufschüttung bedingte Verlegung dieser Oert-
lichkeit dargethan und für den Einlauf des Mains wenigstens
wahrscheinlich gemacht. Das Neckardelta bei Mannheim hat
sich noch in historischer Zeit beträchtlich vergrössert und die
Gewässer des Flusses südlich abgedrängt. Natürlich kommt,
da auf der konkaven Uferseite Sedimentation, auf der konvexen
dagegen Erosion stattfindet, sehr viel darauf an, welche dieser
Seiten in betracht fällt, und es ist nicht möglich, eine
allgemeine Norm aufzustellen. Soviel aber darf unter allen
Umständen als gesichert gelten, dass, wenn das durch das
geometrische Verhalten der Abflusslinien gegebene Naturgesetz
irgendwo eine Trübung oder totale Verwischung erfährt, in
der Geschiebe- und Schlammführung des jener Abflusslinie
folgenden Wasserlaufes die Hauptursache der anscheinenden
Anomalie zu suchen ist.
Nachdem diese bisher viel zu wenig beachtete geographi-
sche Frage ihre Erledigung gefunden hat, wenden wir uns
einer zweiten, mit ihr verwandten zu. Ohne Bedenken ver-
wendet man zumeist die schon aus dem ersten Unterrichte
geläufigen Begriffe Hauptfluss und Nebenfluss, ohne viel
danach zu fragen, ob dieselben auch eine Formulierung zu-
lassen, welche hinlänglich allgemein wäre, um dann, wenn
irgend ein besonderer' Fall der Klärung bedarf, diese herbei-
führen zu können. Die uns bereits (s. o.) bekannte Schrift
von Wisotzki leistet in dieser Hinsicht Alles, was mit den
gewöhnlichen, rein geographischen Mitteln geschehen konnte,
^) Naeher, Ueber den Kulturzustand des oberen Rheinthaies zur
Rönierzeit. Zeitschr. f. wissenschaftl. Geogr., 2. Jahrgang?, S. 170.
S, Günther: Hydrologisch-topographische Grundbegriffe, 33
und muss sich ebendeshalb mit einem Resultate bescheiden,
welches nicht als ein vollkommen befriedigendes erscheinen
kann, weil danach die Feststellung, ob ein gegebener Fluss
der einen oder anderen Kategorie zuzuordnen sei, von einer
ganzen Anzahl von Faktoren abhängen soll. Wisotzki durch-
mustert eine sehr stattliche Litteratur, welche bereits bei den
Schriftstellern des XVIII. Jahrhunderts beginnt. Es zeigt sich,
dass unter den Methodikern eine gewisse Verwirrung einge-
rissen ist, weil dieselben teilweise dem rein zufälligen Umstand
der einmal bestehenden Nomenklatur zu viel Rechnung ge-
tragen haben. Es ist ja freilich nicht daran zu denken, dass man
einer in die Denkweise der ganzen gebildeten Welt aufgenom-
menen Namengebung entgegentreten könnte; Roskoschny
betont dies ^) mit Recht anlässlich der von russischen Forschern
vertretenen Meinung, dass eigentlich die Oka und Wolga ihre
Kollen als Neben- und Hauptfluss zu tauschen hätten. Allein
diese Rücksicht auf das Herkommen, welches sich ohnehin
nicht mehr verändern Hesse, darf doch nicht verhindern, der
prinzipiellen Seite des Problemes gerecht zu werden, was denn
auch Wisotzki mit allem Ernste anstrebt. Allein seine all-
seitig ausgreifende Untersuchung wird zwar, soweit es sich
um die Bekämpfung unstichhaltiger Kriterien handelt, als
mustergiltig anerkannt werden müssen, nicht aber ebenso be-
züglich der von ihm am Schlüsse aufgestellten These:*) „Als
charakteristisches, unterscheidendes Merkmal erweist sich allein
die Lage, in ihrer vertikalen wie horizontalen Erscheinung,
unter steter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse des be-
treflPenden Gebietes." Dieses Merkmal ist, so wenig auch sach-
lich gegen die Einzelheiten des Satzes einzuwenden sein mag,
denn doch ein viel zu unbestimmtes.^) Wir halten dafür.
*) Roskoschny, Die Wolga und ihre Zuflüsse; Geschichte, Ethno-
graphie, Hydro- und Orographie, Leipzig 1887, S. 268.
2) Wisotzki, a.a.O., S. 136.
^) Auch die Bezeichnung Quell flüsse leidet unter dieser Un-
bestimmtheit. So ist ohne allen Zweifel der Hinterrhein ein Nebenfluss
des strenge den Thalweg einhaltenden Vorderrheins, und die Eigenschaft,
1902. Sitzungsb. d. matb.-phys. Cl. 3
34 Sitzung der mathrphys. Classe vom 1, Februar 1902,
dass unsere geometrischen Ergebnisse eine viel bestimmtere, ja
sogar eine ganz eindeutige Fassung gestatten; hat nämlich,
wie wir mit Boussinesq gegen Jordan es vertraten, der
Thalweg wirklich eine ihn vor allen Abflusslinien auszeich-
nende Eigenart, so dürfen wir behaupten:
Der Thalweg eines Stromgebietes ist immer mit
dem Hauptstrome desselben identisch, und die übrigen
Abflusslinien bezeichnen die Bahnen der Nebenflüsse.
Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass auch die Zu-
und Beiflüsse, überhaupt alle Wasserläufe, die irgendwie
einem grösseren Strome tributär sind, in dieser Definition mit
einbegriflfen werden können. Der Nebenfluss hat eben sein
besonderes Untersystem, für welches er selbst den Thalweg
abgibt, und in gleicher Weise zerfällt auch dieses sekundäre
Gebiet wieder in Teilgebiete.
Allein so klar das Wort Thalweg unseren Ermittelungen
zufolge ist, wenn eine geometrische Hohlfläche vorliegt, so
wenig scheint dasselbe Wort sich bestimmt fassen lassen zu
wollen, sobald man zu den Stromgebieten der Erdoberfläche
übergeht, die ja selbst wieder einen ganz ungeregelten Wechsel
von Erhöhungen und Vertiefungen wahrnehmen lassen. Sowie
wir jedoch die Eigenschaft des Thalweges zur Richtschnur
nehmen, dass seine Horizontalprojektion eine gerade
Linie ist, schwindet jene Schwierigkeit, und wir sehen uns
so ganz von selbst zu einer zumeist allen Zweifel ausschliessen-
den Definition geführt:
Als Hauptstrom oder Thalweg ist beim Zusam-
mentreffen zweier Flussrinnen diejenige anzusprechen,
welche am wenigsten von einer geraden Linie ab-
weicht und insbesondere auch an der Vereinigungs-
der eigentliche Rhein zu sein, kann dem sogenannten Vorden-hein auch
dadurch nicht genommen werden, dass, wie auch Rein (a. a. 0.) be-
merkt, der Hinterrhein, vermöge seines grösseren Gefälles, die Gewässer
des ersteren bei der Konfluenzstelle in Reichenau ganz und gar bei Seite
drängt und so den Eindruck erweckt, als stelle er das namhaftere Kon-
tingent zum Gesamtstrome.
S. Günther: Hydrologisch-topographische Grundbegriffe, 35
stelle die geringste Ablenkung von ihrer bisher ein-
gehaltenen Richtung erleidet.
Hiezu eine bestimmte Stellung zu nehmen, ist in der Regel
durchaus nicht schwierig, indem weiter nichts als eine gute
Karte erfordert wird. Die bisherige Lauf länge, deren genaue
Feststellung zu den schwierigsten Pflichten der Kartenkunde
gehört, tritt gegen das Moment einer möglichst wenig ge-
störten Geradlinigkeit ganz in den Hintergrund, und nicht
anders verhält es sich mit der WasserfQlle, die auch nicht zu
den leicht zu ermittelnden Grössen gehört. Wollte man auf
alle diese Dinge als auf massgebende Elemente bedacht nehmen,
so würde die Entscheidung darüber, ob ein Fluss den Haupt-
oder Nebenflüssen zuzuzählen sei, eine sehr verwickelte und
in unzählig vielen Fällen, wenn z. B. ferne und wenig erforschte
Länder in betracht kommen, so gut wie unlösbare Aufgabe
werden. An der Hand unseres obigen Kriteriums ist hingegen
diese Entscheidung unverhältnismässig leichter zu treflFen. Auf-
fallen kann es nicht, dass auch früher schon gelegentlich dieser
Punkt mehr oder weniger scharf betont worden ist, doch ver-
zichten wir auf die Häufung von Belegen, da doch zumeist der
Standpunkt, von dem aus man die Sache ansah, ein anderer war.
Wohl aber sei an zwei weitbekannten und viel erörterten
Beispielen erläutert, dass die Uebertragung des von hause aus
rein geometrischen Begriffes des Thalweges den Sachverhalt
zutreffend darstellt. Schon alt ist die Alternative: Soll von
Passau ab Donau oder Inn die Berechtigung erhalten, als
Hauptfluss respektiert zu werden? C. Grub er gedenkt^) ein-
lässlich früherer Meinungsäusserungen über diese strittige Frage
der bayerischen Hydrographie. Gegen Ende des XVUI. Jahr-
hunderts erschienen zwei Reisebeschreibungen,*) deren eine
*) C. Grub er, Die landeskundliche Erforschung Altbayerns im
XVI., XVII. und XVI II. Jahrhundert, Stuttgart 1894, S. 56 ff.
*) Gercken, Reise durch Schwaben und Bayern, I.Teil, Stendal
1783. S. 57 ; Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland an seinen
Bruder zu Paris, 1. Band, Zürich 1785, S. 171. Erstgenannter tritt für
den Inn ein; der Anonymus ist der Verteidiger des Vorranges der Donau.
3*
36 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 1. Februar 1902,
ebenso entschieden für das Recht des Inns eintrat, wie sich
die andere zu gunsten der Donau erklärte. Sehr eingehend,
und unter Anrechnung aller der Momente, die sich in das Ge-
fecht führen lassen, hat neuerdings Penck*) der herkömm-
lichen Anschauung ihre Begründung gegeben, indem er nament-
lich auch darauf Gewicht legte, dass das Entwässerungsgebiet
der oberen Donau, wenn wir diese bei ihrem Eintritte in öster-
reichisches Gebiet enden lassen, an Arealgrösse dasjenige des
Inns nicht unbeträchtlich übertrifft. An Wassermenge sind
die beiden Flüsse fast gleich, doch wiegt auch da die Donau
ein wenig vor. Jedenfalls behält letztere ihre Richtung, der
Hauptsache nach, wiewohl sie in Oberösterreich viele und
starke Krümmungen macht, ungleich entschiedener als der
Inn bei, der — kurz vor Passau allerdings in dem bekannten
spitzen Winkel scharf umbiegend — eine fast rechtwinklige
Knickung erleidet. Zum zweiten mögen Mississippi und
Missouri unserem Merkmale unterstellt werden. Hier kann
es nun gar keinem Zweifel unterliegen, dass dem ersteren,
dessen Quelle hart an der kanadischen Grenze zu suchen ist,
bis zum Zusammenflusse bei St. Louis eine weit geringere
Lauflänge eignet als dem Missouri zwischen den Black Hills
und jener Stadt; ebenso führt dieser letztere, durch den Yellow-
stone River und andere Seitenflüsse verstärkt, mehr Wasser
mit sich. Trotzdem hat die Volksstimme ganz recht gethan,
den Mississippi zum Hauptstrome zu erheben, dessen Lauf bis
zur Vereinigung und auch nachher strenge die meridionale
Richtung einhält, wogegen den Missouri das Schicksal des
Inns in noch erhöhtem Masse betrifft. So beurteilt den Sach-
verhalt auch Wisotzki, der nebenher auch noch mit der
Thatsache rechnet, dass die beiden geneigten Flächen, welche
von den Appalachon auf der einen Seite, von den Felsen-
gebirgen auf der anderen Seite ausgehen, sich im Mississippi-
thale begegnen.^) Damit ist der Fluss selbst eben wieder
recht ausgesprochen als ein Thal weg charakterisiert.
1) Penok, Die Donau. Wiou 1891, S. 12 ff.
2) Wisotzki, S. 110 ff.
S, Güntlher: Hydrologisch-topographische Grundhegriffe, ^^7
Ein drastischer Fall von Nichtübereinstimmung zwischen
unserer Begriflsfestsetzung und der landläufigen Geographie
tritt uns entgegen, wenn wir unser Augenmerk auf Rhone
und Saone lenken. Mit Bezug auf diese beiden Flüsse sucht
E. Reclus^) die Schwierigkeit einer bündigen Regel klar zu
machen; wäre, so meint er, die relative Geradlinigkeit ent-
scheidend, so wäre ebenso der Rhone ein Nebenfluss der Saone,
wie die Seine ein Nebenfluss der Yonne. Hätte man vor Zeiten
die Yonne als Hauptfluss anerkannt, so würde auch in der
That Jedermann damit zufrieden gewesen sein. Allein der
Sieg der an sich minder richtigen Namenzuteilung ist einmal
in diesem, wie auch in dem Falle Rhöne-Saone entschieden.
Dass übrigens auch erst in jüngerer historischer Zeit Ver-
änderungen in der Bezeichnung von Flussstrecken sich ergeben,
zeigt uns die Salzach in ihrem obersten Laufe.^) Hier hat sich
ganz von selbst im Verlaufe weniger Jahrzehnte die — im
Sinne der vorstehenden Darlegungen — richtigere Auffassung
zur Geltung gebracht, und man betrachtet jetzt als oberste
Salzach denjenigen der beiden sich nahe bei Kriniml ver-
einigenden Flussäste, welcher annähernd geradlinig dahinzieht,
mag auch sein Wasserreichtum der zweifellos geringere sein.
Diese Studie hat ausgesprochenermassen nicht den Zweck,
eine neue Inangriflfriahme strittiger Fragen, eine Revision des
onomatologischen Besitzstandes der Geographie in Anregung
») E. Reclus, La Terra, 1. Band, Paris 1874, S. 341. Wer hin-
wiederum die Lauflänge zum alleinigen Massstabe erheben wollte, der
müsste sowohl Saone als auch Rhone als Tributäre des Doubs erklären,
dessen sonderbare Krümmung ihm eine sehr ansehnliche Erstreckung
verleiht.
2) Vgl. Schjerning, Der Pinzgau; Physikalisches Bild eines Alpen-
gaues, Stuttgart 1897, S. 69. ^Fast alle Reiseberichte aus dem vorigen
Jahrhundert lassen die Salzach am Krimmler Tauern entspringen." Der
Autor ist geneigt, sich auf den gleichen Boden zu stellen, während doch
die von ihm als oberster Salzachlauf angesprochene Krimmler Ache
ganz offenkundig aus einem Seitenthale kommt. Ein Beleg mehr dafür,
wie notwendig eine erneute Prüfung dessen war, was man unter Thal-
weg und Hauptthal zu verstehen habe.
38 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 1. Februar 1902,
bringen zu wollen. Sie ging vielmehr lediglich darauf aus,
darzuthun, dass die zutreffende Fixierung gewisser Begriffe,
bezüglich deren sich ein Gebrauchsrecht herausgebildet hat,
schliesslich doch nur durch eine theoretische Behandlung, bei
welcher möglichst die geometrische Gesetzmässigkeit zur Norm
genommen wird, in einwurfsfreier Weise erzielt werden kann.
Hier also kam es darauf an, für die schwankende Bedeutung
des Wortes Thalweg eine ganz sichere Grundlage zu ge-
winnen und im Anschlüsse daran auch die Beziehungen
zwischen Haupt- und Nebenfluss derart festzulegen, dass
für dieselben nicht mehr eine Vielzahl sich häufig wider-
sprechender Faktoren, sondern nur ein einziges Kriterium
massgebend sein soll. Nebstdem erwies es sich als möglich,
für das hydrographische Gesetz der Konvergenz zweier
Wasserläufe eine ausschliesslich von topologischen Gesichts-
punkten ausgehende Begründung zu erhalten.
39
Ueber
ein Verfahren der elektrischen Fernphotographie.
(Vorläufige Mitteilung.)
Von Arthnr Korn.
{Sinfftlaufm 1. FOfmar.)
Bei Gelegenheit von Untersuchungen über Strahlungen,
welche von den Elektroden einer zu Drucken von 0,2 bis 2 mm
evakuierten Röhre ausgehen, wenn man den Elektroden Hertz'-
sche Schwingungen zuführt, legte mir die Beobachtung der
Empfindlichkeit,^) mit der diese Strahlungen auf kleine Ver-
änderungen in der Zuleitung reagieren, den Gedanken nahe,
diese photographisch ausserordentlich wirksamen Strahlungen
zu einer Methode der elektrischen Fernphotographie zu benützen.
Bei allen solchen Methoden handelt es sich darum, im
Geber Lichtintensitäten in Stromintensitäten und im Empfänger
umgekehrt Strom intensitäten in Lichtintensitäten umzusetzen
(oder in Strahlungen, welche photographisch wirksam sind).
Das Princip des Gebers beruht, wie bei allen in ähnlicher
Richtung bereits gemachten Versuchen,*) auf der Eigenschaft
des Selens, durch Belichtung seinen ausserordentlich grossen
elektrischen Widerstand teilweise zu verlieren; das Grund-
princip des von mir konstruierten Empfängers beruht auf
folgender Erscheinung:
'^) Annalen der Physik (4) 5 S. 136 , Ueber die helle J-Fläche Jau-
manns.
2) Eine gute historische üebersicht über solche Versuche findet
man in den Schriften von Liesegang (Ed. Liesegangs Verlag, Düsseldorf).
40 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 1. Februar 1902,
Schaltet man in die Leitung von einem Teslapole zu einer
Elektrode einer zu 0,2 bis 2 mm Druck evakuierten Röhre
(deren zweite Elektrode zur Erde abgeleitet ist) eine Funken-
strecke ein, so kann man durch Aenderung dieser Funken-
strecke die Intensität der in der Röhre auftretenden Strahlungen
regulieren. Bei zu tiefem Druck in der Röhre gehen die
Hertz'schen Schwingungen nicht mehr durch die Röhre (wenn
man die excitierenden Funken des Teslaapparates nicht sehr
gross macht), und bei zu hohen Drucken sind die Strahlungen
zu schwach, so dass für die hier angestrebten Verwendungen
ein Druck von 0,2 bis 2 mm am geeignetsten ist.
Um nun die Funkenstrecke durch die vom Geber kom-
menden elektrischen Ströme zu regulieren, wird ein astatisches
Multiplikator-Galvanometer benützt; der Coconfaden, an dem
das astatische Nadelpaar hängt, wird verkürzt und in dem-
selben ein kleines Kautschukstäbchen eingeschaltet, das in der
Mitte eine zu dem Stäbchen senkrechte Messingnadel mit um-
gebogener Spitze trägt; der Spitze gegenüber wird eine feste
Nadel aufgestellt, die bewegliche Nadel wird mit dem Teslapole,
die feste mit der Elektrode der Röhre verbunden. Je nach der
Intensität des vom Geber kommenden und durch den Multipli-
kator gehenden Stromes wird die Funkenstrecke zwischen der
festen und der beweglichen Nadel kleiner oder grösser und ent-
sprechend die Strahlung in der Röhre mehr oder weniger intensiv.
Wenn man im Geber zwischen einer Lichtquelle und einer
Selenzelle eine photographische Platte (oder Film) zeilenweise
vorbeizieht, so wird ein durch die Zelle und den Multiplikator
im Empfänger geleiteter Strom je nach den helleren und
dunkleren Stellen des Bildes abwechselnd grösser und kleiner
werden und in der Röhre des Empfängers abwechselnd mehr
oder weniger intensive Strahlungen erzeugen. Wenn man die
Röhre mit Staniol und schwarzem Papier überklebt und nur
ein kleines Fenster freilässt, können auf photographischem
Papier, das an dem Fenster ähnlich wie eine Phonographen-
walze an der Membran vorbeiläuft, jene Strahlungen das Bild
des Gebei*s reproducieren.
A. Korn: Ein Verfahren der elektrischen Fernphotographie. i 1
Eine eingehende Beschreibung eines nach diesen Principien
konstruierten Apparates werde ich demnächst an anderer Stelle
geben, es sei hier nur ein Punkt noch besonders hervorgehoben:
Zur Erzeugung der Strahlungen in der evakuierten Röhre
können nicht etwa Schwingungen gebraucht werden, welche
direkt z. B. von den Funken einer Influenzmaschine erzeugt
werden, weil in diesem Falle die bewegliche Nadel, durch
welche die Leitung zur Röhre geht, grösseren elektrostati-
schen Wirkungen ausgesetzt wäre und die von ihr verlangte
Funktion nicht erfüllen könnte; aus diesem Grunde sind grade
zur Erzeugung der Strahlungen die Hertz'schen Schwingungen
gewählt, wie sie durch die sog. Teslaströme geliefert werden.
43
Das Problem der conformen Abbildung für eine
specielle Kurve von der Ordnung 3n.
Von Newel Perrj.
{Singelaufen 1. Februar.)
§ 1-
Die Gleichung einer circularen Kurve dritter Ordnung in
der Ebene ^ = w -f- i t; ist:
tt,{at+ a,t, ^ß)J^y{^-Yy,n^dt+d,t,+E = {), (1)
wobei /j = M — iv gesetzt ist.
Macht man die Transformation
t = (p {i3\ wo
cp {z) = z-^^, ^-1 + . . . +^,,, (2)
so erhält man in der Ebene z=^x -\- iy^ z^=x — iy eine
,w-fach circulare* Kurve von der Ordnung 3w, nemlich:
r W • <Pi i^i) • [« (P (^) + «1 9^1 (^i) + ßli + y'<P^ (^)
+ y^ <pl i^i) + d<p(z) + d, <p, (^,) + 6 = 0. (3)
Im Anschlüsse an eine von Herrn Lindemann gegebene
Methode,*) nach der Herr Göttler die Kurve (1) behandelt
hat,*) habe ich in meiner Inaugural-Dissertation^) die Kurve (3)
*) Sitzungsberichte der k. bayer. Akademie d. Wiss. 1895 und 1896 ;
SchrifteD der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg i. Pr.,
Bd. 32, 1894.
2) Sitzungsberichte der k. bayer. Akademie d. Wiss. 1900.
') Das Problem der conformen Abbildung für eine specielle Kurve
von der Ordnung 3 n. München 1901,
41 Sitzung der math,-phys, Classc vom 1. Februar 1002.
nälier untersucht und gezeigt, dass das Problem der conformen
Abbildung für ein von einer derartigen Kurve begrenztes Flächen-
stück immer mit Hilfe einer integrierbaren Differentialgleich-
ung zweiter Ordnung gelöst werden kann, wenn bei Beibe-
haltung der früheren Bezeichnungsweise
2 + 2i:;^/ + S(A, — 2)-2s + i:(a,-l)
•=1 1=1 1=1
(4)
+ £ ^V ~ - a + ^ = 0 ist.^)
1=1 ^
Hierin sind die Constanten x,-, A,-, a,-, ^,-, 5, a, ti durch
folgende Festsetzungen erklärt.
Wenn die vier Brennpunkte der Kurve (1) ^ = a^, t = a^,
^ = ag, ^ = a^ von einander verschieden sind, so sei
li {2) = [99 {£) — a J \cp {z) — aj [99 {z) — a^~\ [<p {£) — «,]
=^'n{^-lh^'\ wo /'<4n, Ski=in.
1=1
Hat jene Kurve aber einen Doppelpunkt, so sei a^ = a^^= a\
und es wird:
It {^ = 77 (^ - A,/'-. n{z - ^,)'%
1=1 1=1
Avobei
/^ _<n; n''<2w; 2'>i,= 2w; 2!Ti = n.
Es ist w' = w, wenn alle t, gleich 1 sind, ebenso n' =■ 2 w,
wenn alle ^, gleich 1 sind. Die Constanten Xi sind durch die
Gleichung
V
(p' {^) = 77 (^ — qtT*, wo V <n — 1, üx, = n — 1
1=1
definirt, welche die Brennpunkte der Kurve 3 n^^ Ordnung (3)
bestimmt.
^) luaug.-Diss. Gleichung (22) pag. 23.
N, Terry: Specielle Kurve von der Ordnung 3n. 45
Die Zahl a gibt an, durch wie viele Windungspunkte
der /-Ebene (entstanden durch die Beziehung t = q?{^)) die
Kurve (1) hindurchgeht (a = 0, 1, 2, . . . oder n — 1), während
T solche Windungspunkte noch in den Brennpunkten a^, a^,
Oj, a^ liegen können. Die Kurve (3) hat dann o Doppel-
punkte, T andere zweifache Brennpunkte und in — 2t ein-
fache Brennpunkte.
Hat aber die Kurve (1) einen Doppelpunkt, so hat die
Kurve (3) o -\- n Doppelpunkte, t andere zweifache Brenn-
punkte und 2 w — 2 t einfache Brennpunkte.
Liegt der Doppelpunkt von (1) in einem Windungspunkte,
so hat die Kurve (3) n -\- o — 2 Doppelpunkte, und an einer
andern Stelle noch zwei zusammenfallende Doppelpunkte.
Die Zahlen a,-, ßi und n beziehen sich auf die Winkel,
welche in den Verzweigungspunkten bei der Abbildung auf
die Halbebene zu berücksichtigen sind.
Ist die Bedingung (4) nicht erfüllt, so führt folgender Weg
zum Ziel.
Die Gleichung (3) ergab durch DiflPerentiation
99' (^) • / __ (p'i (^,) • ^i
Hiebei ist:
B(z) = d* <p*{0) + <p^ (;^) ■[2aß — ia, y']
-\-<pi;,)-[2ßd,-'ia,e-iy,d]
-{-(dl+iy,e).
Setzt man
0 ds q) {£) s
so ist nach Gleichung (5)
s = — s[.
Man erhält leicht:
(JA
46 Sitzung der math.-phys. Classe vom 1. Februar 1902.
Setzt man noch:
{^1 ^} = J^ [log «'] — i ^ log 5'J ,
so ist {s, Z} die bekannte Schwarz'sche Funktion, die bei
der Abbildung eines Kreisbogenpolygons auftritt.
{s, Z} ist also eine Funktion, welche für reelle Werte von
Z reell ist, solange ^ einen Punkt der Kurve (3) bezeichnet.
d , d} ,
Berechnet man ^-y [log s] und -^^^ [log 5 ], so ergibt
sich leicht:
1 Kz'% + 8 ^ /» . 1 ^ . A
(C)
Hiebei ist 9? ^n — 3^ä~ u. s. w.; ^ ^^ ^"73' d'igpgen
Ji ZF^ ^ -^- U. S. W.
§ 2.
Die Pole der Funktion {s, Z) sind offenbar die Null-
punkte der Funktionen 99 und i?, d. h. die früher mit j^ = q^^
z = A,- und ^ = //, bezeichneten Punkte, welche im Innern oder
am Rande des betrachteten Flächenstückes liegen.
d / . . .
Die Funktion -,z [log 5 ] ist identisch mit der in der In-
d Z
augural-Dissertation in Gleichung (IIa) und (IIb) definierten
Funktionen F{z/Z\ Dort sind im zweiten Kapitel die Pole
von F{^^Z) in den Abschnitten I bis VIII untersucht, und
es ist die analytische Darstellung von F (r, Z) in der Nähe
der Pole bereits gegeben.
Es hat sich gezeigt, dass F{z,Z) nur Pole erster Ord-
nung besitzt und als Funktion von Z in der Nähe eines jeden
^ Poles Z = K somit die Darstellung hat
-^'^[log.'] = ~-^ + Ä, + *,(Z-^ + ... (7)
N. Perry: Specielle Kurve von der Ordnung 3n. 47
Hieraus folgt:
^|i [log s] = ^^Z\y + *. + ^hiZ-^ + • • •
und:
+ 2(i.*,+Jt,).(Z- £) + ....
folglich:
{s,Z} = --|(Ä + 2)-(-^^^^ + ^^ + ^(^-^). (8)
Hiebei ist yfc' = — fcÄ:^. Ist also das Residuum in irgend
einem Pol der Funktion -^ [log s~\ bekannt, so ist auch das
zweite Residuum der Funktion {5, Z} in diesem Pole gegeben,
dagegen ist das erste Residuum dieser letzteren Funktion eine
unbestimmte Constante Ic ,
I. Liegt ein Punkt z = g,-, welcher nicht mit einem Punkt
Oi oder ä,- zusammenfällt, im Innern des betrachteten Flächen-
stückes und ist die komplexe Zahl Z = Ai sein Bild, so haben
wir (nach Inaug.-Diss. 13 b) die Darstellung
,^[log.'] = ^^-^^+^(i^-^),
folglich ist nach Gleichung (8)
{., Z} = -^ (... + 2) . ^-^4^^-, + -/-tj^ + ^ (Z-^.). (9)
n. Liegt ein Punkt z = ä, im Innern des Flächenstückes
und ist die komplexe Zahl Z = Bi dessen Bild, so ist (nach
Inaug.-Diss. 14 b)
ÄDog.'] = 'v'z-i-^, + ^(^-^.)'
folglich nach Gleichung (8)
48 Sitzung der math,-phys, Classe vom 1, Februar 1902,
III. Liegt ein Punkt ^ ==^ Qi im Innern des Flächenstückes
und ist die komplexe Zahl Z= Ci dessen Bild, so ist in der
Nähe dieser Stelle (Inaug.-Diss. 15 b)
folglich nach Gleichung (8)
{s,Z\ =^.--]-^^^^+ ^-^^- + ^(Z-C.). (11)
IV. Liegt ein Punkt z = g,-, welcher nicht mit einem Ä,-
oder f/i zusammenfällt, am Rande des Flächenstückes und ist
die reelle Zahl Z = D^ sein Bild, so ist (Inaug.-Diss. 16 c)
folglich nach Gleichung (8)
V. Liegt ^ = hi am Rande des Flächenstückes und ist
Z=E, dessen Bild, so ist (Inaug.-Diss. 17 c)
und mithin nach Gleichung (8)
VI. Liegt z =gi am Rande des Flächenstückes mit dem
Bildpunkte Z = Fi, so ist (Inaug.-Diss. 18b)
mithin nach Gleichung (8)
N. Perry: Specielle Kurve von der Ordnung 3n. 49
VII. Liegt der Punkt ^ = oo im Innern des Flächenstückes
und ist Z= G das Bild dieses Punktes, so ist (Inaug.-Diss. 19b)
Gleichung (8) ergibt hieraus:
VIII. Liegt der Punkt ^ = oo v-mal am Rande des
Flächenstückes und sind die entsprechenden Bildpunkte Z=^ Gi,
so ist (Inaug.-Diss. 20 b)
mithin nach Gleichung (8)
Das abzubildende Flächenstück habe die folgenden Eigen-
schaften (vgl. Inaug.-Diss. pag. 19):
1. Die m Punkte j^ = qi, i == 1, 2 . . . . tw, welche nicht mit
einem A,- oder ^, zusammenfallen, liegen im Innern des Flächen-
stückes; das Bild des Punktes qt sei die komplexe Zahl Z = A,-,
2. Die r Punkte 12 = hi^ i = 1, 2 . . . . r liegen im Innern ;
das Bild des Punktes z = hi sei die komplexe Zahl Z = B^.
3. Die s Punkte ^ -= gt, i = 1, 2 .... 5 liegen im Innern;
das Bild des Punktes ^ = r/,- sei die komplexe Zahl Z = 6V
4. Die /Ä Punkte js = qi, i = 1, 2 . . . . // liegen am Rande
des Flächenstückes; der Winkel an der Ecke 0 = (7, sei — -r-r,
Xi-r 1
wo Qi eine der Zahlen 1, 2, 3 .... 2 • (x,- -|- 1) ist; das Bild
des Punktes 2 = qi sei die reelle Zahl Z = Di,
5. Die Q Punkte js = hi, i = 1, 2 . . . . ^ liegen am Rande
des Flächenstückes; der Winkel an der Ecke 0 = hi habe die
o
Grösse —. — , wo ßi eine der Zahlen 1, 2, 3 .... (2 • A,) ist; das
Bild des Punktes z = hi ist die reelle Zahl Z=Ei,
1901 SitznDgsb. d. mftth.-phys. Ol. 4
50 Sitzung da' mathrphys, Glosse vom 1. Februar 1902.
6. Die o Punkte ^ = gi^ i = 1, 2 . . . . a liegen am Rande;
der Winkel im Punkte ^ = gi habe die Grösse ; das Bild
des Punktes z=-gi sei die reelle Zahl Z == F^.
7. Wenn der Punkt z = co \m Innern des Flächenstückes
liegt, so sei die komplexe Zahl Z = G sein Bild.
8. Liegt j(f = CO V mal am Rande des Flächenstückes, so
ö ' * 71
seien die Winkel in diesen Punkten — — , i = 1, 2, 3 . . . . v,
n
wobei di eine der Zahlen 1, 2, 3 .... 2w ist. Das Bild der-
jenigen Ecke ^ = oo , die den Winkel -* — besitzt, sei die
reelle Zahl Z^G^,
Zur Abkürzung setzt man, wenn Ai und A!i ebenso a,- und
a'i u. s. w. konjugierte Zahlen sind,
T^., Z) ^ {s, Z) -h [- ^ (.,. + 2) ^L^ + ^^]
.^iL 8 ' iZ-B.)-'^ Z-B,\
i:\^-^f 1 , f>i 1
teil 8 ■ iz—B-y "^ z—b:}
.r,[ 2 ' {Z-I),)*^ Z-D,\
^r(i-/?,)(3+/^.) _A__ , __^
,^l 8 \Z-E,)^^ Z-E,
~ E [^ ' {z'- F:f + z^J
N, Perry: Spedelle Kurve von der Ordnung 3n, 51
Die Grösse S ist eingeführt, um die drei Fälle, wo der Punkt
^ = 00 im Innern, auf dem Rande oder ausserhalb des Flächen-
teiles liegt, zugleich behandeln zu können. Es ist nemlich:
a) wenn -s- = co weder im Innern noch am Rande liegt
5=0;
b) wenn z = cc im Innern liegt
2 ■ (Z— G)« "*" Z—G
'^ 2 ' (z—ay^ Z—G'
' ?
c) wenn s = cc v-mal am Rande liegt
^~txV 2 (^Z-G.f^Z-G^-
Diese Funktion ^{s, Z) hat im Endlichen keinen Pol und
ist reell, wenn Z reell und z ein Punkt der Kurve (3) ist.
§.3.
Um das Verhalten der Funktion W(^^ Z) in der Nähe des
Punktes Z= 00 zu studieren, setzen wir Z=-, und bilden
M)
fi
Es ist: df^ = _ i^i. n
dZ dC
{*. ^} = C* ^ (log <r') - K* ^ (log Ji)
- \ C* [^j (}og<p')J- y c* y^ (log R)J
+ if*~(log90-^(logiJ). (18)
so niuss
52 Sitzung der math.'phys, Classe vom 1, Februar 1902.
Durch die Substitution Z = — ist ferner
lZ~Kf + ~Z^-K = *'^'^^ -ifC)-» + K(1 -iTC)-^
= Ä'f»[l + 2^C + 3Jr*f» + ...] ^^^^
= Ä;C [1 + J^C + ^f* + JS?C^ + . . .].
Da {s, — I für C = 0 Null von der Ordnung vier wird,
^X^'T) ^^^^f^l^s N^^l ^^^ ^^^ Ordnung vier werden
für C = 0; d. h. in If'l^, yj muss der Faktor von C, f* und
von f^ einzeln Null ergeben. Hiernach haben wir für die
Constanten a,, hi, Ci u. s. w. die folgenden drei Bedingungs-
gleichungen.
m r s
I. i; («•• + «;) + £ (^ + i;) + s (c* + co
.=1 1=1 i=\
(20a)
+ f ^?.-i-i;e',-i-i/H-Ä, = o.
•=i 1=1 1=1
Hiebei ist:
a) wenn z =. ^ weder im Innern noch am Rande liegt,
5, = 0;
b) wenn ^ = oo im Innern liegt,
^x =^ ü + 9^
c) wenn ^ == cx) v-mal am Rande liegt,
1=1
N, Terry: Specielle Kurve von der Ordnung 3n, 53
m
II. S [— X, (x, + 2) + a.- Ai + a; Ai]
1=1
*■ ri ja
(20 b)
•=1 o
•=1 ^
Hiebei ist bez. in den drei obigen Fällen
a) 5^ = 0,
m r
lU. i; 1^- ^ (x, + 2) (^, + A-) + a, ^? + a; ^;»
+ L [i (C, + CO + c, c/ + cv c;-'!
1=1
'' n — a'' 1
(20 c)
1=1
54 SiUung der tnath.-phys. Clasae vom 1. Februar 1902.
Hiebei ist bez. in den drei obigen Fällen
a) S, = 0,
b) S, = ^-{G 4- G') ^gG-^+g'G'-
c)S3 = s[^^ö. + i/.<^j]
Da die Funktion !P(-e, Z) für keinen Wert von Z ui
lieh wird und überall in der Z- Ebene holomorph ist, s
sie nach den Lehren der Funktionentheorie eine Const
Für Z= 00 oder C = 0 ist aber !P= 0; und folglic
die Abbildung eines beliebigen Flächenstückes, das vor
Kurve (3) begrenzt wird, abhängig von der Differentialgleic
dritter Ordnung
!P(^, Z) = 0.
Für den Fall, dass die in obiger Gleichung (4) angegc
Bedingung für das abzubildende Flächenstück erfüllt ist
unsere Gleichung !f^(r, Z) = 0 zurückgeführt auf die ]
rentialgleichung zweiter Ordnung, welche in Gleichung
der Inaugural-Dissertation angegeben ist, und welche (
Quadraturen gelöst werden konnte.
55
Sitzung vom 1. März 1902.
1. Herr Karl Göbel hält einen Vortrag: „Ueber Homo-
logie in der Entwicklung weiblicher und männlicher
Geschlechtsorgane/ Derselbe wird anderweitig veröffent-
licht werden.
2. Herr Richard Hertwig spricht „über das Befruch-
tungsproblem**.
3. HeiT Richard Hertwig legt eine Abhandlung des Herrn
Dr. Franz Doflein, Gustos an der zoologisch -zootomischen
Sammlung ,über Decapoden Ostasiens** vor. Dieselbe ist
für die Denkschriften bestimmt.
4. Herr Siegmund Günther trägt über »die Entwicklung
des Winkelmessens mit dem Jakobsstabe** vor. Es wird
darüber an einer anderen Stelle eine Veröffentlichung erfolgen.
5. Herr Alfrfd Pringsheim überreicht einen Aufsatz des
Herrn Dr. Arthur Korn, Privatdozenten an der hiesigen Uni-
versität: „Ueber den einfachsten semidefiniten Fall in
der eigentlichen Variationsrechnung.**
6. Herr Gustav Bauer legt eine Abhandlung des Herrn
Dr. Hermann Brunn, Privatdozenten an der hiesigen Universität,
,ein Mittelwerthssatz über bestimmte Integrale** vor.
7. Herr Adolf v. Baeyer macht eine Mittheilung „über
Abkömmlinge des Triphenylmethan's". Dieselbe kommt
an einem andern Orte zur Veröffentlichung.
57
Ueber Wesen und Bedeutung der Befruchtung.
Von Richard Hertwig«
{Eingglaufen 26. Xärs.)
Als mein Bruder zum ersten Mal durch seine Unter-
suchungen an Seeigeleiern eine sichere Beobachtungsbasis für
die Lehre von der Befruchtung schuf, definirte er den Vor-
gang der Befruchtung als die Vereinigung geschlechtlich
(liiFerenzirter Kerne. Diese Auffassung wurde dann schärfer
ausgeprägt durch v. Beneden, welcher die beiden Geschlechts-
kerne, den ;,pronucleus male** und „pronucleus femel** für
Halbkerne erklärte, welche sich vereinigen müssten, um einen
mit allen Eigenschaften des Zellkerns ausgerüsteten, für die
Entwicklung noth wendigen Furchungskern zu liefern. Von
Anfang an geneigt den Grund zum sexuellen Dimorphismus
in den verschiedenen Eigenschaften der Geschlechtskerne zu
suchen, kam ich von dieser Auffassung bald zurück, als ich
an Eiern die völlige Gleichartigkeit von Samen- und Eikern
nachweisen konnte, wenn man durch geeignete Eingriffe ihre
Vereinigung verhindert, als ich ferner die Befruchtungsvorgänge
der Infusorien kennen lernte, bei denen die Unterschiede „männ-
lich* und „weiblich** meistentheils überhaupt nicht durchführbar
sind. Indem ich so die vollkommene Gleichwerthigkeit der
Geschlechtskerne erwies, musste aus der Definition meines
Bruders der Zusatz „geschlechtlich diflferenzirt** gestrichen
werden, so dass demnach die Befruchtung nur als die Ver-
einigung von Geschlechtskernen definirt werden konnte.
In eine neue Phase schien die Befruchtungslehre zu treten,
als V. Beneden und Boveri an den Eiern von Ascaris megalo-
58 Sitzung der viathrphys. Classe vom 1. März 1902,
cephala nach der Befruchtung ein besonderes Zelltheilungsorgan,
das Centrosoina, auffanden, welches letzterer unter Benutzung
correspondirender Vorgänge am Seeigelei als ein Derivat des
Spermatozoon hinstellte. Nach Boveri ist die Befruchtung die
Einführung eines dem Ei fehlenden Theilungsorgans, des Centro-
soma, in das Ei, welches seinerseits das dem Spermatozoon
fehlende, zur Theilung ebenfalls nöthige Archoplasma besitzt.
Die beiden soeben besprochenen Definitionen: „Die Be-
fruchtung ist die Vereinigung zweier Geschlechtskern e" und
„Die Befruchtung ist die Einführung eines Centrosoma in das
nur mit Archoplasma ausgerüstete Ei" sind von einander völlig
verschieden, weil sie zwei ganz verschiedene Vorgänge, welche
bei der Befruchtung vielzelliger Thiere und Pflanzen vereint
sind, ihrem Wesen nach aber nicht nothwendig zusammen-
gehören, ins Auge fassen. Die Befruchtung der vielzelligen
Thiere und Pflanzen ist einerseits „Entwicklungserregung", ein
Vorgang, welcher zur Fortpflanzung führt, welcher Ursache
ist, dass das bis dahin unthätige Ei durch das hinzutretende
Spermatozoon befähigt wird, einen neuen Organismus aus sich
heraus zu erzeugen. Andererseits ist aber auch die Befruch-
tung ein die Vererbung vermittelnder Vorgang. Bei der Be-
fruchtung werden zwei Individualitäten oder richtiger gesagt die
Anlagen dazu vereinigt zu einem neuen Gebilde, welches die Re-
sultante beider ist, wie denn das Entwicklungsproduct des be-
fruchteten Eies, der junge Organismus, im Allgemeinen gleich
viel väterliche und mütterliche Eigenschaften besitzt. Wir haben
alle Ursache anzunehmen, dass die beiden kurz charakterisirten
Vorgänge durch ganz verschiedene Substanzen vermittelt wer-
den; die Entwicklungserregung geht vom Centrosoma aus, die
Combination zweier Individualitäts-Anlagen ist an Ei- und
Samenkern geknüpft. „Entwicklungserlegung" und „Vereinigung
zweier Individualitäten" sind somit zwei ganz verschiedene Dinge.
Wenn wir den Begriff „Befruchtung" definiren wollen, können
wir somit nicht beide Erscheinungen in die Definition aufnehmen,
sondern müssen uns für eine von beiden entscheiden. Wir
werden uns dabei für den Vorgang zu entscheiden haben.
R. Hcrtwig: Wesen und Bedeutung der Befruchtung. ü9
welcher für die Befruchtung das Wesentliche und Charakte-
ristische'ausmacht, durch welchen sie sich von anderen Ent-
wicklungsvorgängen unterscheidet.
In den Augen des Laien erscheint als das Wichtige bei
der Befruchtung die Entwicklungserregung, die Erscheinung,
dass das Ei die Fähigkeit gewinnt einen neuen Organismus zu
bilden; und so war es auch lange bei den Vertretern der Wissen-
schaft. Trotzdem ist diese Auffassung unhaltbar. Sowohl die
Erfahrungen über die Fortpflanzung der vielzelligen Thiere als
auch der Nachweis von Befruch tun gs Vorgängen bei den Protozoen
fuhren übereinstimmend zu dem Resultat, dass das Charakte-
ristische der Befruchtung nur die Vereinigung zweier Kerne ist.
In dieser Hinsicht ist zuerst zu betonen, dass die Eientwick-
lung auch ohne Befruchtung, parthenogenetisch, vor sich gehen
kann. Man hat vorübergehend daran gedacht, dass auch bei
der Parthenogenesis eine Art Befruchtung vorkommt, dass der
im Ei verbleibende oder mit ihm wieder verschmelzende IL Rich-
tungskörper die Rolle des Spermatozoon spielt. Indessen giebt
es Fälle, in denen nach endgiltiger Eliminirung des zweiten
Kichtungskörpers gleichwohl Parthenogenesis noch möglich ist.
Die spontane Entwicklungsfähigkeit des völlig gereiften Eies
ist vor Allem durch die Versuche Loeb's bewiesen. Nachdem
ich selbst schon Theilungen unbefruchteter Eier durch Strychnin-
Ein Wirkung erzielt hatte, ist es ihm unter Anwendung 12 ^/o
Lösungen von Magnesiumchlorid gelungen, die Entwicklung
von Eiern, die unter gewöhnlichen Verhältnissen sich ohne
Samenzusatz nicht theilen würden, bis zur Bildung normaler
Larven zu fördern.
Giebt es somit Fälle von Entwicklungserregung, welche
sich ohne Befruchtung vollziehen, so giebt es andererseits ächte
Befruchtungsvorgänge, bei denen die Entwicklungserregung
fehlt, mit anderen Worten, bei denen die befruchtete Zelle sich
gar nicht theilt oder sich nicht anders theilt als es ohnedem
geschehen sein würde. Ein Fall der letzteren Art ist die Conjuga-
tion der Infusorien, ein ächter Befruchtungsvorgang, welclier
keinenfalls einen befördernden, eher einen hemmenden Einfluss
60 Sitzung der mathrphys. Glosse vorn 1. März 1902,
auf die Theilung ausübt. Wenn man conjugirende Infusorien
trennt, ehe die Befruchtung eingeleitet ist, so theiletf sie sich
rascher als wenn sie die Conjugation zu Ende geführt hätten.
Ich habe derartige „ entcopulirte ** Paramaecien Monate lang
gezüchtet. In vielen anderen Fällen tritt bei Protozoen und
einzelligen Pflanzen sogar das Entgegengesetzte von Entwick-
lungserregung ein. Nachdem ohne Befruchtung lebhafte Thei-
lungen vor sich gegangen sind, tritt Befruchtung ein; damit
hören die Theilungen auf; die Zelle geräth in einen Wochen
und Monate lang andauernden Ruhezustand.
Seitdem im Lauf des letzten Decenniums über die Be-
fruchtung der Protozoen reichliches Material bekannt geworden
ist, kennen wir alle nur denkbaren Beziehungen zwischen Fort-
pflanzung (Theilung und Knospung) und Befruchtung. Wir
haben soeben Fälle kennen gelernt, in denen die Befruchtung
keinen oder wenigstens keinen erheblichen Einfluss auf die
Fortpflanzungsfähigkeit der Thiere hat. Wir haben femer
gesehen, dass sie die Fortpflanzungsfähigkeit lähmen kann.
Ausserdem kommt es vor z. B. bei den Malariaparasiten, dass
der Lebenscyclus eines Protozoen sich aus Theilungen von
zweierlei Art zusammensetzt ; die gewöhnliche Vermehrung ist
von der Befruchtung unabhängig, ist, wie man sich ausdrückt,
eine ungeschlechtliche Fortpflanzung. Beim Malariaparasiten
sind es die im Blut des Menschen vor sich gehenden, die
Fieberparoxysmen verursachenden Theilungen. Zeitweilig tritt
dann Befruchtung auf und in ihrem Gefolge Theilungen einer
besonderen Art. Beim Malariaparasiten sind es die in der
Mücke sich abspielenden Theihmgen, vermöge deren die be-
fruchteten Ovocyten in die sichelförmigen Keime zerfallen.
Endlich scheint es bei Protozoen auch vorzukommen, dass die
ungeschlechtlichen Theilungen ganz fehlen und die Vermeh-
rung ausschliesslich im Gefolge der Befruchtung eintritt. Und
so ist die Befruchtung bei den Protozoen ein Vorgang für
sich, welcher in der Mehrzahl der Fälle mit der Fortpflanzung
nichts zu thun hat, aber schon die Tendenz erkennen lässt,
mit der Fortpflanzung in Verbindung zu treten, so dass man
R, Herttoig: Wesen und Bedeutung der Befruchtung, 61
dann von geschlechtlicher Fortpflanzung reden kann. Unver-
ändert kehrt dagegen überall der eine Process wieder, die
Vereinigung zweier Kerne, welche von verschiedenen Thieren
stammen, was nach unseren Auffassungen von der Wirkungs-
weise der Kerne die Aufgabe hat, die Individualitäten beider
Thiere zu einer einzigen zu verschmelzen.
Wie kommt es nun, dass die Befruchtungsvorgänge viel-
zelbger Thiere und Pflanzen stets mit der Fortpflanzung ver-
knüpft sind? Es lässt sich mit Leichtigkeit erweisen, dass
diese Verknüpfung eine nothwendige Consequenz der Viel-
zelligkeit ist. Soll bei vielzelligen Organismen eine Indivi-
dualitätenmischung, eine Amphimixis (Weis mann) eintreten,
so ist das nur zu der Zeit möglich, wo der Organismus auf
den Zustand einer einzigen Zelle reducirt ist, den Zustand der
Fortpflanzungszelle. Dauernde Vereinigung zweier vielzelliger
Organismen oder Organismenstücke ist zwar möglich. Das
zeigen die Ergebnisse des Pfropfverfahrens bei Pflanzen. In
ähnhcher Weise hat man auch niedere Thiere, selbst Thiere
verschiedener Art, zum Zusammenheilen gebracht. Allein bei
diesen Versuchen hat sich herausgestellt, dass jeder Theil seine
Eigenart beibehält und keine Vermischung der Eigenschaften
eintritt. Höchstens ist nur in sehr untergeordnetem Maasse eine
Beeinflussung des einen Organismus durch den anderen mög-
lich. Eine vollkommene Durchdringung von zweierlei Indivi-
dualitäten, eine Durchdringung, an welcher jede Zelle des
Organismus Antheil hat, wird dagegen erreicht, wenn die
Eizelle befruchtet wird und so eine Combinationszelle ge-
schaffen wird, aus welcher sämmtliche Zellen eines Thieres
oder einer Pflanze durch successive Theilung entstehen.
Aus den angestellten Erörterungen ergiebt sich mit Noth-
wendigkeit folgendes Problem. Wenn die Befruchtung ihrem
innersten Wesen nach nicht den Zweck hat, die Bildung eines
neuen Organismus einzuleiten, wenn diese Entwicklungserregung
nur etwas Accessorisches ist, welches sich secundär ihr bei-
gesellt hat, worin ist dann die Aufgabe der Befruchtung zu
suchen? Ihre Aufgabe muss von fundamentaler Bedeutung
62 Sitzung der mathrphys. Classe vom 1, Märe 1902,
sein. Denn seitdem wir aus allen Classen der Protozoen Be-
fruclitungsvorgänge kennen gelernt haben, gewinnt die An-
schauung immer mehr an Sicherheit, dass die Befruchtung
eine mit dem Wesen der lebenden organischen Substanz noth-
wendig verbundene Erscheinung ist.
Man kann die Lösung dieses Problems nach zwei ver-
schiedenen Richtungen suchen. In seiner Lehre von der Am-
phimixis hat Weis mann die Vermuthung ausgesprochen, die
Individualitätenmischung sei für die Fortbildung der Art von
Wichtigkeit, es würde damit eine Fülle von Eigenschafts-
Combinationen geschaffen, aus welcher die Natur durch Aus-
lese das Geeignetste festhalte. Viele Forscher, unter ihnen
Boveri, haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Ihr zu-
folge wäre die Amphimixis eine Erscheinung, die sich zwar
an dem einzelnen Individuum ausbilde, in ihrer Wirkungsweise
aber erst an dem gesammten Individuenbestand einer Art zum
Austrag käme; sie würde sich damit wie die ganze Lehre vom
Kampf um's Dasein der Controlle durch exacte Beobachtung
entziehen. Auch würde das Befruchtungsproblem dann kein
einheitliches mehr sein, es würde aus einer endlosen Summe
von Einzelproblemen bestehen. Für jeden einzelnen Fall wäre
zu entscheiden, welche Combination von Eigenschaften wohl
die zweckmässigste ist.
Man kann aber noch in einer anderen Richtung die Lösung
der Frage anstreben. Es wäre denkbar, dass die Befruchtungs-
bedürftigkeit eine nothwendige Consequenz des Leben sprocesses
ist, dass, wie eine Maschine sich allmählig verbraucht, so auch
die lebende Substanz eine Abnützung erleidet, wenn sie nicht
in grösseren oder geringeren Intervallen durch die Befruchtung
eine Kräftigung erfährt. Wir wissen nun zwar, dass zwischen
einer Maschinen und einem Organismus ein gewaltiger Unter-
schied gegeben ist, welcher darin besteht, dass der Organismus
die Fähigk(?it hat, die durch Function entstandenen Verluste
am Organ wiedtM- auszugh'iclien, ja sogar mehr als das; denn
ein Organ kriiltigt sich durch norniidc Function. Aber wir
wissen niclit, oh diese ('onipcnsationsfähigkeit in's Unbegrenzte
B. Hertwig: Wesen und Bedeutung der Befruchtung. 63
fortgeht, ob nicht vielmehr hiebei der Organismus doch mit
einer stets zunehmenden Unterbilanz arbeitet. Nehmen wir
diesen Gedankengang an, so würden im Lebensprocess als
solchem die Keime zu seiner Zerstörung enthalten sein, der
Tod würde dann nicht, wie Weismann will, eine im Kampf
um's Dasein erworbene Anpassung, sondern eine nothwendige
Consequenz des Lebensprocesses darstellen, die nur dadurch
vermieden werden kann, dass zeitweilig eine Reorganisation
der lebenden Substanz stattfindet. Eine solche Reorganisation
hätten wir in der Befruchtung zu erblicken; ob die einzig
mögliche? das sei zunächst dahin gestellt. Aber wenn auch
noch andere Möglichkeiten der Reorganisation gegeben sein
sollten, würde die Befruchtung, wie wir aus ihrer weiten
Verbreitung schliessen können, immer als die wichtigste an-
gesehen werden müssen.
Von vornherein sind nun zwei Möglichkeiten gegeben, in
denen man sich die reorganisirende Wirkungsweise der Be-
fruchtung vorstellen kann. Man könnte daran denken, dass
die Befruchtung die Aufgabe hat, eine Steigerung der Lebens-
energie herbeizuführen, einen Verjüngungsprocess der organi-
schen Substanz zu bewirken, sowie man durch das Aufziehen
eine Uhr in den Gang setzt. Diese Lehre wurde von Bütschli
für die Befruchtungsvorgänge der Infusorien aufgestellt: es
sei durch fortgesetzte Theilung die Fortpflanzungsfahigkeit
herabgesetzt und bedürfe einer Auffrischung; diese werde
durch die Befruchtung bewirkt. Die Verjüngungstheorie ist
schon für die Infusorien ganz unhaltbar. Denn wie ich durch
ein oben schon erwähntes Experiment nachgewiesen habe, ist
die Theilfiihigkeit entcopulirter Infusorien eher grösser als die
TheilfUhigkeit befruchteter Thiere. Die Verjüngungstheorie
lässt uns gänzlich im Stich bei den Vielzelligen. Denn die
Eizellen, welche befruchtet werden, sind im Vergleich zu den
übrigen Körperzellen jugendliche Zellen, die sich nicht durch
Antheilnahme an den Lebensprocessen erschöpft haben.
Und so wurde meine Auffassung bei meinen Infusorien-
untersuchungen nach der entgegengesetzten Richtung gelenkt.
64 Sitzung der mathrphys. Classe vom 1. März 1902.
Zur normalen Erledigung der Lebensprocesse bedarf es nicht
nur der treibenden Kräfte, sondern auch der regulirenden. Die
Befruchtung, die Vereinigung zweier verschiedenartiger Organi-
sationen in eine, hat den Zweck, diese regulirenden Einrich-
tungen zu verstärken; sie ist daher um so nothwendiger, je
lebhafter der Lebensprocess, je höher die Organisation ist,
was in Uebereinstimmung steht mit der relativen Häufigkeit
der Befruchtung bei den höheren Organisraengruppen.
Von diesen Gesichtspunkten aus habe ich schon seit einer
Reihe von Jahren Experimente an einzelligen Thieren unter-
nommen, zunächst an Infusorien, später aus Gründen, die ich
hier übergehe, an Actinosphärien, einem in unserem Süss-
wasser weit verbreiteten Rhizopoden. Da ich für dieses Thier
den Nachweis der Befruchtung erbracht hatte, legte ich mir
die Frage vor: unter welchen Bedingungen tritt Befruchtungs-
bedürftigkeit auf? und ferner: ist es möglich, die Cultur der
Actinosphärien so einzurichten, dass die Befruchtung ausbleibt
und dass die Thiere schliesslich aus eigenen inneren Ursachen
nur in Folge ihrer Lebensfunction zu Grunde gehen?
Ehe ich auf die Darstellung meiner Versuchsergebnisse
eingehe, muss ich Einiges vorausschicken. Die Function einer
Zelle beruht auf der Wechselwirkung von Kern und Proto-
plasma; wie diese Wechselwirkung vor sich geht, entzieht sich
noch unserer Kenntniss. Bei Actinosphärien findet sich eine
Einrichtung, welche es vielleicht erm(")glicht , der Prüfung
dieser Frage näher zu treten. Bei einem in Verdauung be-
griffenen Actinosphärium finden sich ausser den Kernen im
Protoplasma zerstreut noch kleine Körperchen, welche ich
„Chromidien" nennen will, weil ihre Substanz höchst wahr-
scheinlich mit dem an Nucleolarsubstanz gebundenen Chromatin
des Kerns identisch ist. Was ihre Entstehung anlangt, so
müssen wir zwei Möglichkeiten in Betracht ziehen: 1. sie
können vom Protoplasma abgespalten sein, 2. sie können
aus den Kernen ausgestossen sein. Dass letzteres vorkommt,
dafür habe ich Beobachtungen. Wenn man Actinosphärien
hungern lässt, so können drei Fälle eintreten. 1. die Thiere
R, Hertwig: Wesen und Bedeutung der Befruchtung, 65
verhungern allmählich, 2. sie encystiren sich, sie umgeben sich
mit einer festen Hülle, innerhalb deren die Befruchtung voll-
zogen wird, 3. sie lösen ihre Kerne auf. Im letzteren Fall
verwandeln sich unter Auflösung der Kemmembran die Kem-
substanzen — offenbar ziemlich rasch, da es schwer fallt, Um-
bildungsstadien zu finden — in Chromidien um. Das Thier zieht
seine Pseudopodien ein und wird eine Protoplasmakugel, deren
Inneres nach allen Richtungen von Chromidien durchsetzt ist.
Leider ist es mir bisher noch nicht geglückt, die besonderen
Bedingungen festzustellen, unter denen der sehr interessante
Vorgang eintritt, da die zu den Hungerculturen verwandten
Thiere frisch eingefangen worden waren.
Ich bemerke noch, dass die Chromidialmasse sich all-
mählich in eine bräunliche Substanz verwandelt, welche aus
dem Thier ausgestossen wird. Einen ganz analogen Vorgang
kenne ich von Infusorien.
Ich habe nun in folgender Weise experimentirt. In ühr-
gläschen wurden Actinosphärien mit blauen und grünen Sten-
toren gefüttert und immer Sorge getragen, dass ein Uebei*fluss
von Nahrung vorhanden war. Ferner wurde durch tägliches
Erneuern des Wassers die Ansammlung schädlicher Stoffe ver-
hütet. Da die Actinosphärien durchsichtig sind und das Futter
intensiv gefärbt, kann man den Grad der Fütterung und an
der eintretenden Verfärbung auch genau den Grad der Ver-
dauung feststellen. An circa 40 Culturen, die ich zum Theil
vor 2 Jahren, zum Theil in den letzten Monaten einrichtete
und von denen manche noch im Gang sind, konnte ich fest-
stellen, dass unter günstigen Verhältnissen ein Actinosphä-
rium etwa das 10 — 20 fache seiner Masse im Lauf eines Tags
frisst, was dann zu einer ganz colossalen Vermehrung führt,
so dass ich in der Lage bin, an einem enormen planmässig
eingelegten Material die Zellveränderungen genauer zu studiren,
wovon ich in Zukunft noch manche Aufklärung erwarte. Die
starke Fütterung hält nicht an; nach einigen Tagen wird sie
geringer und es treten Zeiten freiwilligen Hungers ein. Diese
Hungerperioden lehren, dass in der That ein fortgesetztes
im Sitsimgab. d. maib.-phjs. Cl. 5
66 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 1, März 1902.
Assimiliren und zur Vermehrung führendes Wachsthum nicht
möglich ist, dass vielmehr nach einiger Zeit eine Erschöpfung
des Organismus eintritt und dass eine erneute Aufnahme der
Function nur möglich ist, wenn eine Reorganisation der
lebenden Substanz stattgefunden hat. Mit dem Fortschreiten
der Cultur verschärfen sich die Constraste. Die Fütterung wird
enormer, andererseits wachsen die Zeiten freiwilligen Hungerns.
Es können Pausen von 3 — 5 Tagen eintreten. Diese Unföhig-
keit, Nahrung aufzunehmen, kann zu einem dauernden Zustand
werden. Es ist ein merkwürdiges Bild, Thiere trotz aller
Sorgfalt der Cultur inmitten einer Fülle von Nahrung ver-
hungern zu sehen; oder es werden wieder schwache Versuche
zu fressen gemacht; das Aufgenommene wird aber so langsam
verdaut, dass kein Wachsthum und keine Vermehrung eintritt.
Ab und zu encystiren sich im Stadium dieser Assimilations-
unfahigkeit die Actinosphärien; sie nehmen, um nicht zu
Orunde zu gehen, den Ausweg der Befruchtung.
Noch häufiger als Verhungern und Encystirung ist ein
dritter Ausgang meiner Culturen; er ist zugleich bei weitem
der interessanteste. Bei Actinosphärien, die wochenlang in
einer XJeberfülle von Nahrung cultivirt worden waren, kommt
es vor, dass sich nach mehrtägigem Fasten enorme Fütterung
einstellt und dass dann eine wahre Revolution im Eemapparat
beginnt. Ein Theil der Kerne wird aufgelöst, andere wachsen
dagegen heran. In letzteren sondert sich die Nucleolarsub-
stanz vom Chromatiu; sie ist es, die an Masse zunimmt, das
Ohromatill herausdrängt, welches sich im Protoplasma ver-
thoilt. Die Nucleolarmasse eines Kerns kann in solchen Fällen
so colossal zunehmen, dass, während alle übrigen Kerne auf-
gelöst wenlon, ein einziger Riesenkern übrig bleibt, welcher
etwa die tausendfache Masse eines gewöhnlichen Actinosphärien-
kenis besitzt. Gewöhnlich bleiben aber mehrere Kerne von
gleicher Gn^^sse orhalton. Die ihres Chn>matins beraubten
Kiesenkerno werden ausgostossen und das dadurch kernlos ge-
wonlene Thier gi^ht zu Grunde.
Es liegt nahe, bei den gt\^ohi Worten Vorkommnissen an
B, Hertwig: Wesen und Bedeutung der Befruchtung, 67
Folgen von Schädlichkeiten, sei es chemischer Substanzen, sei
es parasitärer Organismen, zu denken. Ich habe daher, um
diese Frage zu prüfen, eine Menge Versuche angestellt, über
die ich hier im Einzelnen nicht berichten kann. Nur um
eine Versuchsweise zu erwähnen, ich habe wiederholt Culturen,
in denen noch einige in Kemdegeneration begriflfene Actino-
sphärien enthalten waren, ohne Veränderung des Wassers
und des Futterbodens mit neuen Actinosphärien besiedelt und
stets feststellen können, dass dieselben sich bei massiger Er-
nährung viele Wochen lang gesund weiter entwickelten. Ausser
diesen Experimenten spricht gegen die Annahme einer infectiösen
Natur und lässt dieselbe geradezu ausgeschlossen erscheinen
die Art, mit welcher sich die Kerndegeneration entwickelt, und
die Häufigkeit, mit welcher ich sie durch lange zum Theil
Monate dauernde Cultur habe hervorrufen können. Von 40 Cul-
turen sind mehr als die Hälfte in dieser Weise zu Grunde
gegangen und zwar zu ganz verschiedenen Zeiten, was offenbar
mit der Verschiedenartigkeit des Ausgangsmaterials zusammen-
hängt, zum Theil auch wohl damit, dass es bei der grössten
Sorgfalt nicht möglich ist, völlig gleichartige Fütterungs-
hedingungen herzustellen, nicht einmal in dem Uhrgläschen
einer und derselben Cultur. Und so komme ich zu dem Schluss,
dass eine fiinctionelle Degeneration vorliegt; ich nehme an, dass
die in ganz ausserge wohnlich er Weise gesteigerten Lebens-
fiinctionen, welche in einer ganz enormen Vermehrung der Thiere
zum Ausdruck kommen, das Gleichgewicht der Zelltheile er-
schüttern, dass der Organismus Versuche macht, durch Hunger-
pausen dieses Gleichgewicht wieder herzustellen, dass im Ver-
lauf die Schädigungen immer intensiver, die regulatorischen
Vorgange immer unzureichender werden, bis schliesslich eine
letzte übermässige Functionsanstrengung den Zusammenbruch
der Zelle bedingt.
Es wäre nun wünschenswerth, die im Lauf der Cultur
eintretenden Veränderungen im Zellenleben nicht ausschliess-
lich nach den Erscheinungen der Nahrungsaufnahme zu be-
urtheilen, sondern noch nach anderweitigen Kriterien. Als
5*
68 Sitzung der math.-phys, Classe vom 1. März 1902.
ein solches Kriterium käme zunächst in Betracht die Fort-
pflanzungsenergie. Hierzu ist das Actinosphärium gänzlich un-
brauchbar, weil seine Grösse zu sehr variirt. Oft kommt es
vor, dass im Lauf eines Tages ein riesiges Actinosphärium sich
in 20, 30 selbst hundert kleinere Thiere auflöst, und dass
im weiteren Verlauf die Zahl durch partielle Verschmelzung
wieder eine bedeutende Keduction erfährt. Auch können Thiere
von gleicher Grösse ganz verschieden reich an Substanz sein,
je nachdem sie stärker oder weniger stark vacuolisirt sind.
Nur durch mühsames Zählen der Kerne, welches nur an con-
servirtem Material möglich ist, würde man die Zunahme an
lebender Substanz genauer bestimmen können. In dieser Hin-
sicht würden Infusorien viel günstigere Objecte sein, weil hier
die individuelle Grösse bei gleichartigen Fütterungsbedingungen
eine bestimmte ist. Bei analogen Fütterungsexperimenten mit
Paramaecium caudätum, bei dem man leider die Intensität
der Nahrungsaufnahme nicht in der Weise wie bei Actino-
sphärien bemessen kann, habe ich feststellen können, dass bei
lang fortgesetzten Culturen die Perioden der Vermehrung durch
Perioden unterbrochen werden, in denen Tage lang keine
Theilungen stattfinden, bis nach längerer Ruhe die Vermeh-
rung von Neuem beginnt. Hiermit ist auf einem anderen
Wege bewiesen, dass der Organismus zeitweiliger Reorganisa-
tion bedarf.
Eine Art Reagens auf den jeweiligen Organisationszustand
der Protozoen ist ferner in der Einrichtung von Hungerculturen
gegeben. Ich habe von diesem Verfahren bei meinen Actino-
sphärienzuchten ausgiebigen Gebrauch gemacht. Man be-
kommt dabei äusserst mannichfache Resultate. Es kann vor-
kommen, dass alle zur Hungercultur verwendeten Thiere sich
in den ersten 3 Tagen encystiren. Man kann dann, da die
Encystirung mit Befruchtungsvorgängen combinirt ist, von
einer Art geschlechtlichen Reife reden. Es kann aber auch
vorkommen, dass alle Thiere infolge lange fortgesetzten Hun-
gerns zu Grunde gehen, ohne sich zu encystiren. Dazwischen
giebt es mittlere Zustände. Klare übersichtliche Resultate
JB. Hertwig: Wesen und Bedeutung der Befruchtung. 69
habe ich bisher auf diesem Wege noch nicht gewinnen können
mit Ausnahme des einen, dass ungünstige Encystirungs-
bedingungen sowohl vor als nach dem Zeitpunkt geschlecht-
licher Keife eintreten. Jedenfalls hat dieses scheinbar gleich-
artige Verhalten vor und nach dem Encystirungsoptimum ganz
Terschiedene Bedeutung. Klarheit kann jedoch hierüber nur
gewonnen werden, wenn die Veränderungen, welche die Zell-
bestandtheile des Actinosphärium auf den verschiedenen Stadien
der Cultur erfahren, einer genauen Untersuchung unterworfen
worden sind. Ich komme hiermit auf einen Punkt, welcher
für die Verwerthung der durch Züchtung gewonnenen Resultate
unerlässlich ist.
Ich habe leider bisher noch nicht Zeit gehabt, das reiche
Material, welches ich von den verschiedenen Entwicklungs-
serien conservirt habe, genauer zu studiren. Um völlige Sicher-
heit zu erzielen, müssen von verschiedenen Stadien Querschnitte
angefertigt und diese in ganz übereinstimmender Weise gefärbt
werden. Gleichwohl stehen mir jetzt schon genügende Er-
fahrungen an gefärbten ganzen Thieren zu Gebote, um mit
Bestimmtheit sagen zu können, dass bei all den geschilderten
Vorgängen das Massenverhältniss von Protoplasma und Kern-
sabstanz eine Ausschlag gebende Rolle spielt. Nimmt die
Hasse an Kernmaterial rascher zu als die Masse des Proto-
plasma, so muss sie durch theilweise Auflösung eine Reduction
erfahren. Es mehren sich dann die Chromidien, sie werden
in die oben schon gelegentlich erwähnte bräunliche Masse
verwandelt, welche ausgestossen wird. Diese Verminderung der
Chromatinmasse habe ich oben für hungernde Actinosphärien
beschrieben, bei denen der Schwund von Körpermasse, zunächst
also von Protoplasma, stets auch einen Schwund von Kernen
zu folge hat. Analoge Verhältnisse treten bei stark fütternden
Actinosphärien ein: bei der Function nimmt das Kernmaterial
rascher zu als das Protoplasma und muss daher beständig durch
theilweise Auflösung und Ausstossung reducirt werden. Erreicht
diese Chromatin-Ausstossung eine grosse Energie, so verliert die
Zelle die Fähigkeit, zu assimiliren und Nahrung aufzunehmen.
70 Sitzung der math.-phys. Classe vom 1, März 1902.
Es treten Hungerperioden trotz reichlichen Nährmaterials ein.
Wie nun bei Hungerculturen unter bestimmten Verhältnissen
die kernauflösende Kraft des Protoplasma so gross werden
kann, dass alle Kerne in Chromidien verwandelt werden, so
kann auch bei fortgesetzter Ueberanstrengung der assimilirenden
Thätigkeit der Zelle schliesslich ein Zustand eintreten, der
nicht mehr durch die gewöhnlichen Mittel ausgeglichen werden
kann; es tritt dann die soeben besprochene Erscheinung ein:
ein grosser Theil der Kerne wird aufgelöst, ein Rest in die
Bahnen der Riesenkernbildung geleitet. Ich schliesse aus ge-
wissen Erscheinungen, dass man bei geeigneter Durchführung
des Experiments auch durch Futtercultur die nahezu gleich-
zeitige Auflösung sämmtlicher Kerne erzielen kann, die ich
durch Hungercultur bei Actinosphärien, die im Freien gesam-
melt worden waren, erzielt habe. Wir haben somit in den
besprochenen verschiedenen Formen der Kemreduction dieselbe
Grunderscheinung vor uns, nur in verschiedenen Graden dei
Intensität.
Starke Reduction des Kernmaterials geht nun auch den
Befruchtungsvorgängen voraus. Bei der Encystirung von Ac-
tinosphärien werden etwa 90 ^/o der Kerne aufgelöst und etwa
10 *^/o zur Befruchtung verwandt. Das befruchtete Actino-
sphärium repräsentirt den Zustand der Zelle, in welcher das
im normalen Leben vorkommende Mindestmaterial von Kern-
substanz erreicht ist. Das Gleiche gilt für Infusorien, bei
denen während der Conjugation der Chromat inreiche Hauptken
aufgelöst wird und die chromatinarmen Nebenkeme übrij
bleiben. Die aus den befruchteten Nebenkernen hervorgehen-
den „Placenten'*, die Anlagen der neuen Hauptkeme, sind ganj
ausserordentlich chromatinarm. Auch bei den vielzelligei
Thieren ist der Kern des befruchteten Eies, der Furchungskem
ganz unglaublich klein und chromatinarm. Die Reduction de]
Masse von Kemsubstanz bei Befruchtungsprocessen ist somii
für eine so grosse Zahl von Fällen beschrieben worden, dasi
wir in ihr eine allen Befruchtungsvorgängen zukommende Er-
scheinung zu erblicken haben.
B. Hertwig: Wesen und Bedeutung der Befruchtung, 71
Die Beduction der Kemmasse beim Befruchtungsprocess
wQrde sich somit den regulatorischen Vorgängen anschliessen,
welche während des Lebens der Protozoen zu beobachten sind;
sie ist aber nur eine Begleiterscheinung der Befruchtung, macht
dagegen nicht das Wesentliche derselben aus. Wie ich oben
durchgeführt habe, ist das Wesentliche der Befruchtung in
der Vereinigung zweier Kerne gegeben, welche von verschie-
denen Zellen stammen und daher individuelle Unterschiede er-
kennen lassen. Diese Unterschiede dürfen nicht zu gering
sein wie bei Inzucht, noch zu gross wie bei Bastardirung,
damit gute Resultate durch die Befruchtung erzielt werden.
Die Erfahrungen der Züchter machen es wahrscheinlich, dass
ein gewisses, im Einzelnen nicht genauer definirbares Optimum
der Unterschiede gegeben sein muss.
Ist es nun möglich, die bei der Befruchtung zu Stande
kommende Vereinigung verschieden gearteter Kerne als einen
Process sich vorzustellen, der in ähnlichem Sinne regulatorisch
wirkt, wie die besprochenen Vorgänge der Kernreduction? Ich
glaube, dass das in der That der Fall ist. Wenn es für die
Integrität des Zellenlebens von Wichtigkeit ist, ein bestimmtes
Wechselverhältniss von Kern und Protoplasma aufrecht zu er-
halten, so wird diese Aufgabe viel besser durch Einrichtungen ,
gelöst, welche Störungen verhindern, als durch Einrichtungen,
welche eingetretene Störungen ausgleichen. Es wäre aber sehr
gut denkbar, dass durch Einführen eines fremden Zellkerns in
das Protoplasma, wie es bei der Befruchtung geschieht, ein über-
mässiges Anwachsen der Wechselwirkungen zwischen Kern und
Protoplasma und damit eine übermässige Zunahme der Kern-
substanz auf längere Zeit hinaus verhindert wird.
Was durch Addiren eines fremden Kerns zu einer Zelle
erreicht wird, müsste, so sollte man meinen, auch durch
Mischung von Protoplasma zweier Zellen erreicht werden
können. Bezeichnen wir mit a und h Kern und Protoplasma
einer Zelle und mit a und /^ die entsprechenden Theile einer
zweiten Zelle, so würde durch Protoplasmamischung ein ahn-
72 Sitzung der mathrphys, Glosse vom J. März 1902,
liches Verhältniss der Zellbestandtheile ( — ^ : a j erreicht
werden, wie durch reine Kernbefruchtung Ib: — ^ — J. E?
würde nur der erstere Vorgang schwieriger zu bewerkstellige!
sein als der zweite.
In dieser Weise erklärt sich vielleicht die sogenannce
„Plasmogamie", die bei Rhizopoden weit verbreitete Erschei-
nung, dass Thiere nur mit ihren Plasmaleibern verschmelzen.
Von vielen Seiten werden Plasmogamien als Vorläufer ächter
Befruchtung (Kaiyogamie) aufgefasst. Nach meiner Auffassung
würde es sich vielmehr um ein Surrogat handeln, und zwar ein
minder wirksames, weil eine gleichmässige Durchmischung zweier
Zellplasmen nur durch völlige auch die Kerne betreffende Ver-
schmelzung herbeigeführt werden kann. Die gewöhnhchen
Verschmelzungen zweier Rhizopoden werden immer nur einen
geringfügigen Stoffaustausch herbeiführen.
Bei Actinosphärium ist Plasmogamie eine weit verbreitete
Erscheinung; man hat sich daher daran gewöhnt, ihr keine
grössere Bedeutung beizumessen und hat diese Auffassung auch
damit gestützt, dass keine besonderen Vorgänge in ihrem Ge-
folge auftreten. Ich habe lange Zeit auch dieser Auffassung
* gehuldigt, bin aber von ihr zurückgekommen, seitdem ich
durch intensives Studium eine intimere Kenntniss der Lebens-
vorgänge des Rhizopoden gewonnen habe. Ich habe fest-
stellen können, dass Plasmogamien immer nur unter bestimmten
Bedingungen auftreten. Man findet sie bei Culturen, wie ich
sie angestellt habe, in den ersten Zeiten so gut wie gar nicht;
nach wochenlanger Fütterung werden sie immer häufiger und
ausgiebiger, so dass man Plasmogamien findet, deren Producte
vielleicht aus 100 Actinosphürien von mittlerer Grösse bestehen
und mehrere Millimeter gross sind. Plasmogamien treten ein
am Ende gewaltiger Futterperioden oder auch in den Zeiten,
in denen die Assimilationsfilhigkeit aufgehört hat, d. h. zu
Zeiten, in denen Störungen im Wechselverhältniss von Kern
und Protoplasma eingetreten sind. Actinosphärien in Riesen-
B. Hertwig: Wesen und BedetUung der Befruchtung. 73
kernbildung sind sehr häufig plasraogamirt, was man, abge-
sehen von der Grösse, häufig auch darin erkennen kann, dass
die einzelnen Regionen des Riesenthiers sich auf verschiedenen
Entwicklungsstufen der Kernumwandlung befinden.
Ich habe in dieser Arbeit versucht, die zur Zeit noch
TöUig unbestimmten Anschauungen über das Wechselverhält-
niss, welches bei den Zellfunctionen zwischen Kern und Proto-
plasma besteht, wenigstens etwas bestimmter zu gestalten. Im
Anschluss hieran habe ich ferner versucht, für die physio-
logische Bedeutung des in seinen morphologischen Erscheinungen
so gut erforschten Befruchtungsprocesses eine einheitliche Auf-
zu gewinnen. Diese Auffassung führt, wie ich oben
andeutete, mit Noth wendigkeit zur Annahme, dass
zwischen dem Verlauf der Lebensfunctionen und dem natür-
lichen Tod, dem durch keine äusseren Schädlichkeiten bedingten
Lebensende, ein causaler Zusammenhang besteht. Im Gegen-
satz zu Weismann nehme ich an, dass schon im normalen
Lebensprocess die Keime des Todes enthalten sind, dass der
Tod keine zufällige Anpassung ist, sondern die nothwendige
Consequenz des Lebens selbst. Somit können auch die Proto-
zoen nicht unsterblich sein in dem Sinne wie Weis mann will;
sie würden ebenso zu Grunde gehen müssen wie die viel-
zelligen Thiere, wenn nicht Einrichtungen getroffen wären,
welche die schädlichen Wirkungen des Lebensprocesses com-
pensiren. Die wirksamste Einrichtung in dieser Hinsicht ist
die Befruchtung, ein Vorgang, bei dem aus dem Material zweier
allmählich zum Untergang hinneigender Individuen ein neues
lebenskräftigeres Thier geschaffen wird.
75
üeber den einfachsten semidefLniten Fall in der
eigentlichen Variationsrechnung.
Von Arthur Korn.
{Etngelaufen 1. Märe.)
Das einfachste Problem der eigentlichen Variationsrechnung
besteht darin, eine Funktion
so zu finden, dass das Integral zwischen zwei festen Grenzen
x^ und x^i
1) J^zjf{x,yfy)dx = ]iC (d. h. Maximum oder Miniraum)
wird, wenn f eine gegebene Funktion von x, y und der Ab-
leitung
vorstellt.
Wir setzen fest, dass wir nur solche Funktionen y in be-
tracht ziehen und nur mit solchen Funktionen y -{- dy ver-
gleichen wollen, die im Intervall x^ x^ eindeutig und stetig
sind und eindeutige und stetige erste und zweite Ableitungen
nach x besitzen, für welche ferner die Ableitungen:
d£ df^ ay ay ay
ay' ay" dydx' dydy'' dy'*
im Intervall x^ x^ eindeutig und stetig sind.
Das folgende Resultat ist durch die bisherigen Unter-
suchungen über den Gegenstand sichergestellt:
76 Sitzung der mathrphys. Glassc vom 1. März 1902.
Ist:
3) y = y{xc, c^
die Lösung der Diflferentialgleichung 2. 0.:
*) 2y dx \dy') "' .
und bezeichnen wir die Substitution 3) und die Substitution
der Auflösungen der Gleichungen:
5).) fM..,»»,,
nach Cj und c^ durch Einschliessung in [], so wird [y\ eine
Lösung des Problemes sein, wenn im ganzen Intervall x^x^
1) ^^-/^ ein festes Zeichen hat und i 0 ist,
und zwar ist (für x^ < x^) ein Maximum vorliegend, wenn — ~
stets < 0, ein Minimum, wenn diese Grösse stets > 0 ist.
Ein Ma ist nicht vorhanden, wenn der Ausdruck I) posi-
tive und negative, von Null verechiedene Werte besitzt, oder
wenn die oft mit
A(xx^)
bezeichnete Determinante II) für einen in strengem Sinne der
Ungleichung
x.^x^x,
genügenden Wert von x verschwindet.
Eine weitere Untersuchung durch Betrachtung höherer
Variationen als der zweiten ist notwendig, wenn
(1. semidefiniter Fall) der Ausdruck I) ein festes Zeichen
hat und ^ 0 ist, und wenn der Ausdruck II) zwar in dem
Intervall
') ^1 ^2 gegebene Eonstanten.
Ä. Korn: Ueher den einfachsten semidefiniten Fall etc, 77
^ 0 ist, aber für x = x^ verschwindet.
(2. semidefiniter Fall) der Ausdruck II) im ganzen Intervall
x.^x^x^
^ 0 ist, der Ausdruck I) ein festes Zeichen hat, aber auch
Tersch winden kann.^)
Die vorliegende Abhandlung wird sich mit dem 1. semi-
definiten Falle, dem einfachsten semidefiniten Fall der eigent-
lichen Variationsrechnung beschäftigen und für diesen Fall
die nächsten Kriterien des Ma geben.
Wir machen zur Vereinfachung der Ausdrucksweise etwas
weitere Stetigkeitsvoraussetzungen über y und /", als eigentlich
für das Endresultat erforderlich wäre, indem wir nicht nur
alle Ableitungen von /*, soweit dieselben in betracht kommen,
als eindeutig und stetig (im Intervalle x^ x^) annehmen, son-
dern auch dJ als der Taylor'schen Entwickelung fähig an-
nehmen : *)
oder bei Substitution der Funktion [y]
6) [d J] = [.5* J] + [dW] + ld*J] + ...
Hier ist:
oder:
70) [d*J]=^\f(f,,d!,' + 2f,,dydy-\-f,,dy^)dx,
^) Der allgemeine semidefinite Fall ist eine Mischung der beiden
genannten Fälle.
«) Sobald . . ^ ; A ' >
abs. oy<Z€, abs. oy <C^,
wo e eine positive, im übrigen beliebig kleine Konstante ist.
78
Sitzung der matK-phys. Classe vom 1, März 1902.
wenn wir:
8)
setzen; wir werden in ähnlicher Weise auch die höheren Ab-
leitungen von f abkürzen, so dass z. B.
t\n —
r]-
Wir führen jetzt — geleitet durch die Jacobi'schen und
Lipschitz'schen Transformationen der 2. Variation — an Stelle
von d y die Grösse d Z durch die Substitution :
9) öy'^dZ^^dy
ein, wobei wir ß und e durch die Gleichungen:
10)
de
dx
definieren.
IS verschwindet nach Voraussetzung nirgends im Intervalle
wohl aber für x ^= x^ und x = x^\ da aber gleichzeitig
auch dy an diesen Grenzen verschwindet und / wegen
der leicht aus 4) folgenden Identität
d
für X =^ x^ und x = x^ von null verschieden sein muss, so ist
d Z im ganzen Intervall x^ x^ eindeutig und stetig und kann
durch genügende Verkleinerung von e von der Art
endl. Konst. e
unter jeden beliebigen Kleinheitsgrad herabgedrückt werden.
Ä. Korn: Ueber den einfachsten semidefiniten Fall etc. 79
Durch die Substitution 9) wird:^)
oder
12) [s^r\ = \'lf„dz*dx.
Es wird femer:
'S
13)
i6J-] = kSfniy^-E)dZ^d
«1
->rfjD{f)dx
wenn wir unter D(f) und Dl — —\ die Ausdrücke [df] und
<Jr-V nach Substitution von
&y = —dy
verstehen, so dass:
^(/) = A{/'nn-H/;u4+6/".i«(i)+^^>«»(j)+^»»«(j)'l'
14«)
')Da:
— /M "i- T " — 1 — fi».
and
80 Sitzung der mathrphys, Clasae vom 1, März 1902.
und wo ferner E eine Grösse vorstellt, die ihrem absoluten
Werte nach _
< endl. Konst. e.
§ 2.
Wir können die Formel 13) auch folgendermassen schreiben :
15)
+ (1 +
Nennen wir £j den absolut grössten Wert von d Z^ e^ den
absolut grössten Wert von dy^ so werden oflPenbar die beiden
Fälle
i. £2<:^i,
II. £j < fg,
alle möglichen Fälle umfassen. In dem Falle I. muss nach
13) [5e7] das Zeichen von f^^ haben, so dass wir nur den
Fall U. noch zu untersuchen haben, in dem wir
16) abs. £ < endl. Konst. e^
haben.
Die Gleichung 15) zeigt, dass jedenfalls [dj] nur dann
ein anderes Zeichen als f^^ haben kann, wenn:
Ä, Korn: Üeber den einfachsten semidefiniten Fall etc. Sl
tu
wo:
0» < endl. Konst. j (l + iJ) D (/*) - | i -^-p-./l l
also mit Rücksicht auf 14«^), 14»>):
17**) abs.'o P endl. Konst. e^.
Es kann nach 17^^) und 17*») mit Rücksicht auf den Wert
14^) von -D{-^-^) dieser Fall jedenfalls nur eintreten, wenn:
18*) dZ=y.^i)
und:
IS**) abs. Y ^ endl. Konst. e].
Aus 18*) folgt nun weiter:*)
19») dy = a-;er.gj + r,
wo a eine bestimmte endliche Konstante ist und
19»>) abs. r^ endl. Konst. £*.
Da wir uns nur mit Funktionen y (resp. y {- dy) be-
schäftigen, welche mit ihren ersten und zweiten Ableitungen
eindeutig und stetig ist, so folgt aus 19^) auch:
20») dy =a'^'€^+ r\
wo auch:
20»>) abs. r" ^ endl. Konst. b\.
Nur diese Fälle 19), 20) bedürfen einer besonderen Unter-
suchung.
*) Man kann ^Z mit z proportional setzen, da beide an den Grenzen
verschwinden und im Intervall a*i Xj mit ihren ersten Ableitungen ein-
iieotig und stetig vorausgesetzt werden.
«) Da nach 18») und 9):
dx \z ) ^'
somit:
dy = const. z -\- F.
IMl Sitznngsb. d. nutth.-phys. Gl. 6
82 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 1, März 1902.
§ 3.
Bevor wir zu dieser Untersuchung übergehen, füge]
in der Formel 13) zu der rechten Seite noch den Aus
hinzu und subtrahieren denselben Ausdruck:
X\ ^^^\ ^ / I ^ \xz=ix^ L ^ Jx=zxi
wo Jpg eine eindeutige und stetige Funktion von
Intervall
sein soll, über die wir uns noch eine weitere Bestimmung
behalten.
Es folgt dann:
21)
z
« = X, Xi
+ ,
also;
Wir wählen jetzt F^ so, dass:
dx
oder:
dF
dann können wir 21) auch so schreiben (man vergl
Formel 15)):
Ä. Korn: üeber den einfachsten semidefiniten Fall etc, 83
An der Hand dieser Formel werden wir jetzt die Fälle
19) 20) diskutieren.
§4.
Wir folgern zunächst aus 23) die für ein festes Zeichen
von [d J] notwendige Bedingung, es muss
sein, also:
denn wäre dieser Ausdruck 4= 0, so folgte aus 23) nach den
Substitutionen 19) 20):
wo c eine von Null verschiedene Konstante und
84- i
abs. d < endl. Konst. e^ '
wenn wir nur F und F' so einrichten, dass
abs.
(1 +E)dZ+ — ^-^^^ 1 < endl. Konst e\,
was ja stets möglich ist.
Wir können sogleich aus 23) eine weitere notwendige
Bedingung ableiten. F^ ist nach 22) noch mit einer willkür-
lichen Konstanten behaftet, wir wählen dieselbe so, dass:
*) Das ist D (/") abgesehen von den Gliedern 3. Ordnung D* (f) d y^.
6*
84 Sitzung der mathrphys. Classe vom 1. März 1902,
25»)
somit nach 24) auch:
\^a\x=s,= ^'
25")
1^3'. = ^== 0,
dann folgt aus 23), dass [dJ] ein festes Zeichen nur dann
haben kann, wenn der Ausdruck:
das Zeichen von /"gg besitzt, denn nennen wir C den Wert
dieses Ausdruckes, so folgt aus 23) nach den Substitutionen
19), 20):
[dJ] = C.a*.£: + J,
wo
abs. A ^ endl. Konst. «* »
wenn wir nur F und F' so einrichten, dass:
was ja stets möglich ist.
Die Bedingung, dass der Ausdruck 26) das Zeichen von
f^^ hat und von Null verschieden ist, ergiebt sich auch sofort
als eine hinreichende Bedingung für das Eintreten eines Jf«,
da nach den Substitutionen 19) und 20) dann der Ausdruck
J'(l + ^)(i)*(/)3y* + ..)-i^ ^'''J '' ^Ux
das Zeichen von f^^ besitzt und somit auch der Ausdruck [<5e7J.
Wir erhalten so das folgende Endresultat:
In dem semidefiniten Falle, in welchem f^^ im
Intervalle x^x^ stets dasselbe Zeichen besitzt und
nirgends verschwindet, und in dem
A, Korn: üeber den einfachsten semidefinüen Fall etc. 85
nirgends innerhalb des Intervalles x^x^ verschwindet,
wohl aber an den beiden Grenzen a; = a;, und x ^= x^^
erhält man die folgenden nächsten Kriterien für das
Auftreten eines M^i
Es muss für ein Ma
sein. Es wird dann thatsächlich ein Ml stattfinden,
wenn der Ausdruck
in dem
X
30) j; = -iX{/;„ ^'+3/;„^»/+3/;,,^y >+/„,/'} dx,
Xi
das Zeichen von f^^ besitzt und von Null verschieden
ist; hat der Ausdruck ein von f^^ verschiedenes Zeichen,
ohne zu verschwinden, so wird ein J/« nicht vorhan-
den sein; verschwindet der Ausdruck, so ist eine wei-
tere Untersuchung erforderlich (semidefiniter Fall
höherer Ordnung).
§ 5-
Vor längerer Zeit hat bereits G. Erdmann*) Kriterien
für den hier behandelten semidefiniten Fall aufgestellt, und
^) G. Erdmann, Untersuchung der höheren Variationen einfacher
Integrale (Z.-S. f. Math. u. Phys. XXII, 1877, p. 324) ; ich verdanke einer
freundlichen, brieflichen Mitteilung von Herrn A. Mayer den Hinweis
auf diese Arbeit.
86
Sitzung der tnath.-phys. Classe vom 1. März 1902.
ich möchte hier zeigen, dass die Erd mann 'sehen Kriter
aus den obigen Kriterien einwandsfrei folgen, während i
der von Erdmann gegebene Beweis nur für die notwendig
Bedingungen streng erscheint. Zu diesem Zwecke werden ^
die Bezeichnungen von Erdmann einführen, durch welche
Kriterien in einer wesentlich eleganteren Form dargesfc
werden können.
Wir definieren die Operation — ~ — - durch die Forn
d c
33)
d(_) a(_)
9y
£c = a^
a(-)
dy
ac.
de.
3«. .=,,
dy
de
d*y
^= de*
w =
d»y
de»
de dc^
und setzen:
34)
dann verschwinden offenbar w, v, w für x = x^, und es
35) ^ = [-^] = M'
so dass [u] auch für x = x^ bei unseren Voraussetzungen \
schwindet:
Wir setzen femer:
36)
und:
37)
(^mu
— ^^""f m = 0,1,2..
dtf^dy*' ' n = 0, 1,2. . .
^2 = J («20 «^* + 2 a^i u II + a^j ii '^)dx,'^)
^3 = J («SO ^** + 3^21 2^* ^*' + 3a,2 u u^ + «03 f/») da;,
*2
52
*) Bei der Festsetzung u' r- -^ — , analog t?' ZI —^ — .
° dx' ^ dx
A. Korn: Ueber den einfachsten semidefinüen Fall etc, 87
Dann ist wegen der (aus 4) analog der Gleichung 11)
folgenden Relation:
38) a2oW + «nw'= "^ («n «^ + »oa «*')
zunächst:
oder:
39) ß, = I w (a,, u + a^, ti) |^^^.
Es ist weiter nach der zweiten und ersten Formel 37):
Q^ = — T-^ J(2ajo wt; + 2a^^ (uv + v u) + 2%^ uv) dx,
uC x^
oder mit Rücksicht auf 39):
oder schliesslich:
40) fis==|ao,(iev'-i;iOU=*2+hKSi^*'^+2ai2W?/+ao3w'*)|a:==xa-
Wegen der Identität:
f(/'.„ ^ + 3/;„ z* z + 3/„, ^/» + /,„ /') d^ = [ß,]
und der Relation 40) können wir jetzt die für ein ÜSf^I not-
wendige Bedingung 28) in der Form schreiben:
Wir können ferner — analog der Ableitung von 40) —
die durch 30) definierte Funktion F^ in der Form darstellen:
42) i^3= — iAsEtev — 1;?0 — \\.u{a^x ^**+ 2a,3 wn' + a^s y »)],
und wir gehen nun zur Vereinfachung des Ausdruckes 29) über.
88 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 1, März 1902,
Wir bedenken hier zunächst, dass nach der dritten
zweiten Formel 37):
ß* = -^-T— — 3 X (a j, tt» V + o„ u (2 te' v + u v)
+ «ij m' (m V + 2m' «') -\- o„j m'* v') I
+ ^21 w* + 2a,2 w w' + «03 1/*) } dx
?
somit mit Kücksicht auf 40) und 41):
+ sfl/i, K] + 2/;, [VV] + /,, [.'»] } dx,
und da nach 31) und 37)
'2
43) f.-* D'Q)dx A I /■« ^' [«'] U=«. + if { /■„ [«*]
Wir brauchen jetzt noch diesen Ausdruck und den A
druck:
44) * ^^ l^^j + —T^ - + t/^« ^—
in 29) einzusetzen, um für 29) den folgenden Wert zu
halten :
^) Mit Rücksicht auf die aus 38) folgende Relation:
«20 ^ 4- «11 V' + «80 "^ + 2 021 U U' + «12 ** *
= ^ («11 «^ + «02 1'' + «21 w^ + 2a,a fiu' + a^ u ^).
Ä. Korn: lieber den einfachsten semidefiniten Fall etc. 89
Nun ist leicht zu zeigen, dass das Integral in diesem
Ausdruck verschwindet, denn es ist:
f. iuv-vu\\ P.. J d fv\\*
i^T"«^-) ^"^ H^^" W [ü)i ^
«1 l
~~d^\f»''^+f2»~iri]'^'^^
== f {/■„»' + 2/;, W +/„ i;'» } <^^,
sobald ü = 0 {ixr X = x^ und x = x^.
Der Ausdruck 29) reduciert sich somit auf
Wir können hiernach jetzt den Kriterien S. 10 die elegante
Form der Erd mann 'sehen Kriterien geben:
Definiert man die Operation — j durch die
Formel:
47)
de ac,
iL
de.
Z=Xx
48)
SO ist in dem betrachteten semidefiniten Falle für ein
J/fl* notwendig, dass:
> =0;
es wird dann thatsächlich ein Ml stattfinden, wenn
90
Sitzung der math.-phys. Glosse vom 1, März 1902,
und von Null verschieden ist; ist der Ausdruck ^
positiv und von Null verschieden, so wird ein 1
nicht vorhanden sein; ist
^1 =0,
so ist eine w^eitere Untersuchung erforderlich (sen
definiter Fall höherer Ordnung).
91
Neue Mittelwerthssätze über bestimmte Integrale.
Von Hermann Brann.
iSingtlaufm 1. Mötm.)
Geometrische Einleitung.
1. In jeder unserer Figuren 1, 2 und 3 haben wir zwei
zu einander senkrechte Ebenen I und 11 und einen in ihrem
Winkel Hegenden Körper: K^ in Fig. 1, Z, in Fig. 2, Zg in
Fig. 3.
2. Jeder dieser Körper ist ausser durch I und 11 durch
zwei ebene und zwei cylindrische auf I oder II senkrechte
Flächen begrenzt, z.B. K^ durch die ebenen Flächen acyC,
bd5D und die cylindrischen CyöD und cydd,
3. Sämmtliche drei Körper werden von Ebenen, die senk-
recht zur Schnittlinie a b der Ebenen I und II sind, nach
Rechtecken geschnitten.
4. Die drei Figuren sind nur der Deutlichkeit wegen aus-
einander gezeichnet. Man soll sie sich eigentlich in einander
geschoben vorstellen, so dass man drei Körper zwischen einem
einzigen Paar von Ebenen hat.
5. Dann wird die ebene Grundfläche ahdec^ wie schon
durch die gleichbleibende Bezeichnung angedeutet in allen drei
Fällen identisch dieselbe. Die drei Flächen a 61) JE C, ahD'E'C\
ab D" E'' C" werden nicht identisch, sind aber als inhalts-
gleich vorausgesetzt.
92 Sitzung der math.-phys. Classe vom 1, März 1902,
6. Wichtig ist nun die Charakterisirung der in I und II
liegenden Leitlinien der verschiedenen Cylinderflächen. Die
Curven CED und ced, jene von C nach D, diese von c nach d
hin durchlaufen, sollen dabei beide entweder der Linie ab
niemals näher kommen, oder niemals von ihr sich entfernen.
Anders ausgedrückt, sie sollen durch monotone Funktionen
ij = f{x) und y = g{x) gleichen Charakters (durch „isomono-
tone**, kürzer „isotone** Funktionen) sich ausdrücken, wenn
man a b als Abscissenaxe, die Ordinaten in den zu ab senk-
rechten Richtungen a C, resp. a c nimmt.
7. C E" B" soll symmetrisch zu (7 iJD, das Flächenstück
a b C" E' D" eine einfache Umlegung von abC E D sein.
C" E" D" ist somit ebenfalls monoton, aber nicht gleichen
Charakters („anisoton**) mit CED, C' E' D' ist eine Parallele
zu ab,
8. Den nichtssagenden Fall, dass CED selbst parallel
zu a6 ist, und in Folge dessen (s. 5) mit C E' D' und C" E" D"
zusammenfällt, können wir als ausgeschlossen, bezw. von vorne-
herein erledigt betrachten.
9. Es gilt nun
und diese Beziehung, analytisch eingekleidet (s. VIII und XXII)
und bewiesen, sowie mehrfach verallgemeinert, bildet den In-
halt der folgenden Betrachtungen.*)
I. Capitel.
10. f(po) und (j{pc) seien in dem endlich begrenzten Inter-
vall a<^x^b endliche, eindeutige, monotone Funktionen,
somit auch integrabel im ganzen Intervall und über jede be-
liebige Theilstrecke desselben.
*) Herr Gust. Bauer macht mich aufmerksam, dass die nemliche
Art geometrischer Repräsentation für den Du Bois-Reymond 'sehen
Mittelwerthssatz angewendet wurde von C. Neu mann (Ueber die nach
Kugel- und Cylinder-Funktionen fortschreitenden Entwickelungen etc.
Leipzig 1881).
H, Brunn: Neue Mittelwerthssätze über bestimmte Integrale. 93
Fiff.Z
€1 C
y
, ; ; >,^ j-^i^H
' ;: :.'.':"■■•■ „^^F
1 if_.^ ^_.^,jf^^- -X
d
a €
94 Sitzung der mathrphys. Classe vom 1, März 1902,
11. Die Integrabilität des Produktes f(x)'g(x) im nera-
lichen Intervall ist für das Folgende ebenfalls nothwendig, sie
ergibt sich aber, wie man weiss, aus den gemachten Voraus-
setzungen bereits als nothwendige Folge.
12. Zunächst seien f (x) und g (x) nicht nur monoton,
sondern — um beim ersten Beweisschritt unseres bevorstehen-
den Satzes nicht gleich eine Menge verschiedener parallel
laufender Fälle zu gleicher Zeit im Auge behalten zu müssen, —
auch isoton, und zwar niemals abnehmend, dazu im ganzen
Intervall positiv. Schliesslich sei auch der Fall eines völligen
Gleichbleibens im ganzen Intervall für beide Funktionen vor-
läufig ausgeschlossen.
Dann ist
I) f{a)S dx<S f{x)dx<f{l,)S dx
an a
oder — es ist ja h — a positiv (s. 10) —
II) f(a)<-j^^}f(x)dx<f{h).
18. Es ist also
1 *
ein mittlerer Werth zwischen f(d) und f{h) und es lässt sich
auf alle Fälle ein zwischen a und h liegender Werth x,» be-
stimmen, für welchen gilt:
III) f{x„.-e)<U^f{x^i^d)
wobei
0 < f < Xn — a; 0 < d <^b — Xm
ist und die beiden Gleichheitszeichen in III) nach Absatz 12
nicht gleichzeitig für alle zugelassenen Werthe von e und d
gelten können.
14. Ob dabei fm mit f{Xm) zusammenfallt, bleibt unent-
schieden; die Voraussetzungen über die Funktion sind der-
artige, dass auch oiu Unstetigkeitssprung der Funktion bei
H. Brunn: Neue Mitteltoerthssätze über bestimmte Integrale, 95
x = Xm zulässig ist, der sie von einem Werthe unterhalb fm
nach einem solchen oberhalb fortreisst.^)
15. In Worten: Es existirt sicher eine Theilung des Inter-
valls von der Art, dass die zum einen Theil gehörigen a; -Werthe
die Funktion sämmtlich ^fmi die zum andern Theil gehörigen
siimmtlich sie > fm machen.
16. Dann gilt weiter:
Sf{oi^)g{x)dx ^Sfm' (/ (x) • dx
\Y)
(= nur, wenn f(x) von a bis Xm constant = fm ist)
S f(x) g (x) d X > S fm ' g (x) ' d X
(= nur, wenn f(x) von Xm bis b constant = fm ist)
oder — indem man die beiden vorstehenden Ungleichungen
leicht umformt und neue wichtige daran kettet:
0 <S(ffn'-m)g{^)dx<giXm)S(f„.-f{x))dx
TT o a
^')
fm{Xm — a) — ^f{x)dx
a
und
6 b
0 <X(/*(^)- fm)g{x)dx>g {Xm)S (f{x)—fm)dx
Ü
ca
>g{x,n)\S f{x)dx-fm(b-Xm)
Die zweiten Gleichheitszeichen in Va) resp. Vb) gelten
nur, wenn g{x) von a bis a;„,, resp. von Xm bis b constant
gleich g(Xm) ist oder wenn fm — f{x) im ganzen Intervall von
a bisar«, resp. von Xm bis b gleich Null ist.
') Möglicherweise existiren mehrere Werthe für x^^; sind .r^, und
x;^ zwei davon, so ist sicher /" (.1?^,) = /"(^rj = fm ""d auch fi-vj = /"„, für
jeden beliebigen Werth 0?,,^ = .tJ,^, der zwischen oc'^^^ und a?",, Hej^t.
96 Sitzung der mCUK-iihys. Classe tfom 1. Märe 1903.
17. Hier ist eine Erläuterung der Bedeutung von g(x,
erforderlich. Sobald g{x) bei Xm keine Unstetigkeit erleide
ist ein Zweifel darüber, was für g{Xm) zu setzen ist, au!
geschlossen. Sobald g(x) aber dort einen Sprung macht vc
g(x) = a bis g(x) = ß, so kann für g(Xm) jeder Werl
zwischen a und ß mit Einschluss dieser Grenzen gesetzt we
den, und man kann auch, um die Ungleichungen möglich
stringent zu machen, in Va) einen möglichst kleinen Wert'
also a, in Vb) einen möglichst grossen, also /? für ^ (Xm) einsetze
18. Wir kehren zur Entwickelung unseres Satzes zurüc
Die beiden eckigen Klammern in V») und Vb) erweisen si(
als gleich, wie man durch Subtraktion ersieht:
fm {x„, — a) - Sfi^)^^ — ifi^) dx -hfmih — x„,)
VI)
(i
= fm(b — a) — Sf{x)dx = 0 (nach 13).
a
Wenn also der mit g {x„) multiplicirte Werth der eckige
Klammern mit F bezeichnet wird, so ist
f'ifn.-f{x))g{x)dx^F^Sif{^)-fn)g{x)dx
VII)
S(fn.-f{x))g{x)dx £ X (fix) - U)g{x)dx,
wo das Gleichheitszeichen nur gelten könnte, wenn g{x) i
ganzen Intervall, mit Ausnahme etwa der Grenzen a und
selbst, constant gleich g{Xm) wäre, was wir ausgeschloss(
haben (s. 12).
Durch andere Vertheilung und Wiederzusammenfassur
der Theilintegrale auf die Seiten der Ungleichung ergibt sie
hieraus:
b b
fm X g {x)dx<S f {x) g {x) d x oder
VIII) „ " \ .
Sf{x)9{x) da: > j^^Sfi^) dx Snix) dx.
K Srunn: Neue MittelwertJissätze über hestimmte Integrale. 97
19. Wir wollen nun den Satz von allerhand Beschrän-
hngen befreien, welche ihm vorläufig noch anhaften.
Aus der erhaltenen Ungleichung ergibt sich auch die
Richtigkeit der folgenden, in der k, l beliebige constante
Grossen sind:
a ^~^ a a
und umgekehrt, aus dem Bestehen der letzteren für irgend
zwei Werthe i, l folgt VIE).
Denn durch Ausführung der Multiplikationen und Inte-
grationen ergibt sich für IX) eine Form, die sich von VIII)
nur durch die Hinzufügung gleicher Glieder
a a
rechts und links vom XJngleichheitszeichen unterscheidet.
20. Sind nun f(x), g (x) irgend zwei im Intervall a bis b
nirgends fallende endliche eindeutige Funktionen, deren Vor-
zeichen nicht oder nicht überall im Intervall positiv ist,
so lassen sich doch stets endliche Constante k^ l angeben,
welche f{x)-)rk und g{x) -\-l zu nirgends fallenden, im Inter-
vall stets positiven Funktionen machen, für welche IX) Geltung
hat. Dann gilt aber, wie eben ausgesprochen, auch VIII).
Also die das Vorzeichen von f{x) und g{x) beschränkende
Bedingung aus Abs. 12 können wir fallen lassen.
21. Femer: Sind f(x\ g (x) zwei im Intervall niemals
steigende, so sind — f{oo\ — g (x) zwei im Intervall niemals
fallende Funktionen, für welche gilt:
XI)
^ ^ a a
somit gilt auch
Sf(x)g{x)dx>-j-—Sfix) dx . Sg(x)dx
b—a
1902. Sitznogsb. d. matta.-ptayB. Gl.
98 Sitzung der math.'phys, Glosse vom 1, März 1902,
d. h. der Satz gilt auch für niemals steigende Functionen,
endlich und eindeutig sind.
22. Ist schliesslich f{x) eine im Intervall niemals faller
g{x) eine ebenda niemals steigende endliche eindeutige Fu
tion — oder umgekehrt — so ist nach dem Vorhergehen
der Satz sicher giltig für das Paar Funktionen f{x) und — g
und es kommt
XII)
h j 6 6
oder
6 j 6 6
Sf{x)g{x)dx<-r—-Sf{x)dxSo{x)dx,
Für „anisotone** Funktionen dreht sich also das Unglei
heitszeichen unseres Satzes um.
23. Sobald wir das von Kronecker eingeführte Zeic
sgn -l = + 1 (je nachdem A j
benutzen, ist
= sgii { U\b) - /•(«)] y (b) - 9 (o)] }
abgeküi^t = sgn ^ = + 1 (je nachdem f und g
isoton
anisoto]
Die bisherigen Resultate? lassen sich daher in der folg
den Form des Saty.es zusiunmen fassen:
XIV) sgn(i.X/\.r)(/(a')>sgnfi ' S fi-^)^ ^ Sffi^)^^
24. Um endlich auch noch die in 10. gemachte Vorn
Setzung fc > fi zu boscitigiMU sei /*<ci: dann gilt nach c
bishcrigiMi sicher
H, Brunn: Neue Mitteltoerthssätze über bestimmte Integrale, 99
sgaqSf(!>:)gix)dx > ~—jJ f(x)dx ^ g{x)dx
XV)
-K
oder
b
— sgn gX/"(a;)flf (a;) dx > —sgnqj-—Sf(x)dx^g{x)dx.
a O Ua a
Die beiden für die entgegengesetzten Annahmen b^ a und
h<a geltenden Formen der Ungleichung können wieder in
eine zusammengefasst werden, indem man in XIV) links wie
rechts noch den Factor sgn (6 — a) hinzufügt.
25. Setzt man schliesslich zur Abkürzung das Produkt
XVI) [nb)-f(a)] [g(b)-g(a)] [b-a]=p,
SO kommt als endgiltige Form des Satzes:
XVII) sgnpSnx)g(x) dx > f--^Sf(^)dxig{x)dx,
a ^ » a a
der nun für beliebige endliche, eindeutige monotone Funktionen
f{^\ 9{^) und beliebige endliche Grenzen a, h gilt mit Aus-
nahme des Falles a = b, bei dem die beiden Seiten der Un-
gleichung als verschwindend und so einander gleichwerdend zu
betrachten sind, und des Falles, wo eine der Funktionen /", g
oder auch beide im ganzen Intervall constant sind und wo
ebenfalls Gleichheit eintritt.
26. Eine Vervollständigung des Satzes kann gewonnen
werden, indem man der einen Funktion, etwa f{x), die Funk-
tion fifl-j-b — x) an die Seite stellt, welche im Intervall von
« bis 6 die nemlichen Werthe wie jene, aber in umgekehrter
Reihenfolge annimmt, somit ebenfalls endlich, eindeutig und
monoton ist, und der Ungleichung
XVIII) sgnpSf(a+b—x)g(x)dx> ,f -//"(a+Z^— ^) dxSg(x)dx
a ^ ^a a
Genüge thut.
Aber es ist, wie die Substitution x ^= a -{- h — y sofort
erweist
100 Sitzung der math,-phy 8, Glosse vom 1, Märe 1902.
b h
XIX) SfiP^ + ^ — ^)d^ = Sf{oc)dx
a a
und es ist femer
XX) Bgap'=sg^{\f{a)-m-\[ß{h)-g(a)-\\h-a\} = -s^p,
SO dass sich ergibt
5 orfr» Vi ^ ^
XXI) sgnjpX/'(a + 6— a;)5f(a;)da; < jr—zSf{^)dxSg(^)dx
und wir unserer Ungleichung XVII) noch ein Glied anfügen
können :
sgni)X/"(a;)5'(a;) äx>^ — -J'/"(a;) daij^f (a;) da;
a ^ ^a a
XXII)
>Sf{"' + i — a;) üf (a;) da;.
a
27. Die vollständig symmetrische Rolle, welche f{x) und
g{x) spielen, lässt erkennen, dass f{x) und g{x) im letzten
Integral auch vertauscht werden können.
II. Capitel.
28. Die im ersten Capitel entwickelte Ungleichung hat
in einer Beziehung etwas unbefriedigendes. Sie schliesst das
Produkt der beiden Integrale über die Factoren f(x) und g {x)
in Grenzen ein, für das Integral des Produktes gibt sie nur
eine einseitige Grenze. Meist wiegt aber der Wunsch vor,
gerade über das Integral des Produktes näher belehrt zu werden.
29. Versuchen wir zuerst, durch eine Transformation der
Ungleichung diesem Mangel abzuhelfen. Es sei jetzt eine
Funktion m (x) und ihr Produkt mit einer andern h (x) • m (x)
eindeutig, endlich und monoton. Dann wird auch — 7^- die
° m(x)
nemlichen Eigenschaften haben, wenn nur kein Werth des
ir-Intervalls, auf welches sich die Betrachtung beschränkt, m (x)
zu Null macht. Dies sei jetzt vorausgesetzt.
H, Brunn: Neue Mütelwerthssätze über bestimmte Integrale, 101
30. Wir wenden nununsern Satz srnt denFsLllf{x) = h(x)m(x)
\mig{x) = — ^r-T- an und erhalten, wenn der Abkürzung wegen
[b-amib)fnib)-Ha)m^a)][-J^-^]^p"
XXni) oder
- [6-a] [m(6)-m(a)] [Ai*) _ A^) 1 =y'
^ j L V / ^ ^-* lm(a) ni(b) j ^
gesetzt wird:
& b * ,
sgn/X A (x) dx > sgn/jA (x) • m(x) dx - f-y^v
a a %j Tn \X)
XXIV) 6
> sgnp J -i ^^ -L-.
a
h
/d X
— 7-r- vorzubereiten,
m(x)
b
dx
a
dann wird
^ h(x)dx b
^fSV^^ ^~b > sgn r j h (x) m(x) d X
XXVI) ,
Xb(a + b — x)m{a-\-b — x)(lx
m {x)
>sgnr^? ^-
n d X
m (x)
31. Unser Augenmerk richtet sich natürlich weniger auf
die zweite, als auf die erste in XXVI) enthaltene Ungleichung
und auf die Frage, ob vielleicht diese sich an die erste Un-
gleichung von XXBL), welche für die bei monotonem h(x) zu-
lässige Verfügung f{x) = h (x), g {x) = m (x) die Form
102 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 1. März 1902,
XXVII) sgnpSh{x)m{x) dx > r^ j A(a;) dx - /m(a;)e
a ^ ^a a
annimmt, — nach vorn angliedern lasse. Dies ist dann 6
Fall, wenn
sgn r = sgn p
oder wenn
XXVIU) _^^rdx \h(b) h(a)l ^ ^
" J m (x) i m (a) m{b) J
a
ist. Ist dagegen
sgn r = — sgn jp;
XXIX) _ r dx ^ r hQ)) _ h(ß)r\ ^ _
^^J m(x) ' im{a) m(6) J ~ '
a
so andre man die Vorzeichen der Glieder von XXVI), dn
dem gemäss die üngleichheitszeichen um, und man wird
kennen, dass das weniger willkommene Glied
nh{n + h~x)m{a + h — x) j^
J m{x)
sgn p ^—
n a X
J in(x)
a ^ '
sich vorn an XXII) anschliesst.
32. Nur die erste Ergänzung von XXII) scheint i
wichtig und wir wollen sie hier ausführlich anschreiben:
b
J h (x) d X j^
sgni>— ^ >s^np^h{x)m{x)dx
XXX) J
d X
m {x)
s^np
h
> iZl^j h{x) dx J m {x) dx,
a a
Wir sind ihrer Geltung auf Grund der bisherigen E
Wicklung nur sicher, wenn XXVIII) und die bei 29. gemach
Voraussetzungen gelten, dazu noch die in 25. für f\x) und g
H, Brunn: Neue Mittelwerthssätze über bestimmte Integrale. 103
gemachten und nun gemäss 31. auf h{x) und m(x) zu über-
tragenden , so dass nun also f (x), m(x) und h(x)'m (x)
monoton sein müssen. Diese Einschränkungen bilden die
Schwäche von XXX).
33. Unser erster Versuch der Vervollständigung unserer
Formel ist daher nur theilweise gelungen und lässt den Wunsch
rege, eine bessere Ergänzung ausfindig zu machen.
34. Man könnte auf den Gedanken kommen, Ungleich-
ungen wie
a
XXXI)
welche zunächst für positive f{x\ g(x), dx gelten, zu diesem
Zwecke heranzuziehen, aber dergleichen würde wenig Verdienst
haben, denn diese neuherangezogenen Ungleichungen gelten
schon für die Differentiale, stellen also keine den Integralen
eigenthümlichen Sätze vor, sondern sind einfache Integi-ationen
bekannter Sätze über integralfreie Funktionen.
Das Gute an unserer Ungleichung XXII) ist eben, dass
sie nicht für die Differentiale gilt, sondern den Integralen
eigenthümlich ist. WerthvoU wird also die Vervollständigung
nur sein, wenn sie gleichen Charakter hat.
III. Capitel.
35. Die im I. Capitel angestellten Betrachtungen sind
einer Verallgemeinerung fähig.
36. Es seien f{x) und F{x) für ein von a bis h laufendes x
endliche, eindeutige monotone und zwar zunächst nie abneh-
mende Funktionen, und es sei
h h
XXXII) Sf(^)^^ = SF{^)dx, dabei h> a.
104 Sitzung der mathrphys. Classe vom 1, März 1902.
Es sei ferner | ein Werth von x im Intervall und
F(x) <.f(x) für ledes x von a bis |,
xxxin) \ j =^i ^ j j *»
2^(0?) ^ /"(a;) für jedes a; von | bis 6,
wobei es für das Folgende ganz gleichgiltig ist, ob die Grei
werthe a; = a, x = b mit einbezogen werden oder nicht v
was man für a; = | festsetzt.
37. Wenn | in einem Intervall liegt, dessen sämmtli<
Werthe F(x) =f(x) machen, so kann jeder beliebige We:
dieses Intervalls die Stelle von | vertreten.
38. Das Bestehen der Gleichungen
Sfix)dx=SFix)dx und Sfi^)=^F(x),
a a SS
von denen (mittels XXXII) eine die andere nach sich zie
soll ausgeschlossen sein.
Das Bestehen dieser Gleichungen würde die Identität i
Funktionen an allen Stetigkeitsstellen nach sich zieh
39. Es werden also die Werthe der beiden Funktioi
sicher weder im Intervall von a bis |, noch in dem von f bi
überall gleich sein.
40. Denkt man sich die Integrale XXXII) in bekanii
Weise durch Flächenstücke repräsentirt, so ist der Inhalt
beiden gleich, beim Integral } F(x)dx aber mehr nach
a
einen Seite (b) verschoben.
41. Unter den gemachten Voraussetzungen ist nun:
6 b
^f{x)dx-SF{x)dx
a a
XXXIV)= / f^^*^ ~ ^^""^^ '^^ + / '^(''^ ~ ^^""^J '^'^ = ^
oder
X \f(x) - F(x)-] dx = S iF{x) - fi^x)-] d X,
H, Brunn: Neue Mittelwerthssätze über bestimmte Integrale. 105
wobei rechts und links unter dem Integralzeichen positive,
höchstens zu Null werdende Funktionen (in den eckigen Klam-
mern) stehen.
Weiter gilt:
S [fix) - F{x)-]g(x) > dx ^g(^) Slf(x) -^ F{xy]dx
XXXV)" ^ ^ "
^ff{S)SlFix)-ax)-]dx<SlF{x)-f{x)-]gix)dx.
42. Das erste Gleichheitszeichen gilt nur für den Fall,
dass g (x) im Intervall von a bis | constant gleich g (|), das
zweite nur, wenn es im Intervall von | bis b constant gleich
i7(l) ist.
43. Bezüglich der Bedeutung von g(S) vergleiche man
die Bemerkungen unter 17. Wird, um die Ungleichungen
stringenter zu machen, die gelegentlich sich bietende Möglich-
keit, für g{^) zwei verschiedene Werthe zu setzen, ergriffen,
so ist in der letzten Formel das mittlere Gleichheitszeichen
durch < zu ersetzen.
44. Durch Subtraktion des ersten Gliedes folgt aus unserer
Ungleichung — nach Weglassung der beiden Mittelglieder —
0 < J [Fix) - fix)] gix)dx- S\fi^) - Fix)-\ g ix) dx
« a
( b
XXXVI) Q^^SFix)gix)dx — Sfix)9ix)dx oder
a a
h h
^ F{x)g{x)dx'^Sfix)g{x)dx.
a a
Das Gleichheitszeichen kann nur gelten, wenn g (x) im
ganzen Intervall von a bis b constant gleich f ist.
45. Bei Umkehr der Grenzen dreht sich das IJngleich-
heitszeichen um; beide Formen der Ungleichung sind zusam-
mengefasst unter
XXXVn) sgn {b—a)fF(x)g{x)dx > sgn(b^a)if(x)g(x)dx.
106 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 1, März 1902.
46. Gilt der Satz für f{x) und F{x\ so gilt er auch für
f{x) — c und F{x) — c, wodurch die Beschränkung f{a)>0
wegfällt; gilt er für f{x\ g{x) und F{x\ so gilt er auch für
—'f{x% — g{x) und — F(x), d. h. auch für Funktionen, die
niemals zunehmen. Und: Wie F{x) eine Funktion war, welche
(mindestens stellenweise) grössere Werthe als f(x) aufweist in
jenem von f ausgehenden Intervall, in welchem f{x) selbst
grössere Werthe aufweist als im andern, so ist auch — F(x)
eine Funktion von analogem Verhalten gegenüber — f{^)i
oder, um zur Beförderung des Verständnisses den Sachverhalt
noch in einer andern Weise auszudrücken: Es ist die durch
b
— jF{x)dx ausgedrückte Fläche im Vergleich mit der durch
a
b
— jf(p^)dx! ausgedrückten etwas einseitiger massirt nach der
a
b
Seite, nach der schon die Fläche J*/'(a;)dx selbst stärker
a
massirt ist. Für den Fall negativer Ordinaten und Flächen
sind hier die Begriffe grösser — kleiner im algebraischen, nicht
im absoluten Sinne zu nehmen, wozu die geometrische An-
schauung verleiten könnte.
47. Der Fall f{x) = const., bei dem die Fläche, die zu
y -==: f(^x) gehört, nach keiner der beiden Seiten stärker massirt
ist als nach der andern, kann — als in früheren Entwicke-
lungen, des I. Capitels, bereits erledigt — hier ausgeschlossen
werden,
48. Wird nur an Stelle des g(x) die negative Funktion
— ^ (^) gesetzt, so dass es in eine niemals steigende Funktion
übergeht, so ist das IJngleichheitszeichen umzudrehen, oder,
um auch diesen Fall zu umfassen, ist unserer Ungleichung
noch der Factor sgnlg{b) — g (o,)] beizufügen; und ähnlich
ist, um auch noch die mögliche Umkehr des Charakters von
f{x) und F{x) zu berücksichtigen, der Factor sgn [f (p) — f (fl)]
hinzuzufügen, unter Berücksichtigung davon, dass
XXXVIII) sgn \f\b) - /•(«)] = sgn [F(6) - F(a)]
H, Brunn: Neue Mitteltoerthssätze über bestimmte Integrale. 107
ist. Letzteres erhellt daraus, dass nur folgende zwei Möglich-
keiten gegeben sind:
F(b)>nb)>f(a)^Fia) oder
^'''''^ Fib)^f{b)<f{a)^F(a).
49. Also schliesslich gilt, mittels einer früher (XVI) schon
eingeführten Abkürzung geschrieben:
b b
XL) sgn p J F(x) g{x)dx> sgnp^ f(x)g{x) d x
a a
eine Ungleichung, die sich der Ungleichung XXII), die wir
ergänzen wollen, vorne anschliessen lässt, und aus der nun
jeder sich selbst die weitere
b b
XLI) sgnp^f(a-\-b—x)g{x) dx > sgnp^F(a-\-b—x) g (x) dx
a a
ableiten mag, die sich an die nemliche Ungleichung hinten
anschliessen lässt.
Vollständig angeschrieben hat dann unser Satz die Gestalt:
b b
sgn p SF{x)g{x) dx > sgnp ^ f{x)g (x) dx
a a
XLII)
^ sgn^J /'(a -\- h — ^)g{x) dx
a
h
> Sgn p J F{a -{-b — x) g (x) d x,
50. Es seien hier, um von dem Charakter der Kurven
y = f{x) und y = F{x) keine zu engbegrenzte Vorstellung
aufkommen zu lassen, in Fig. 4 — 11 eine Anzahl Beispiels-
formen in Zeichnung vorgeführt. Die dünnere Linie reprä-
sentirt immer f{x\ die dickere F{x). Die Figuren dürften
natürb'ch statt rechts auch anders gegen die Ordinatenaxe liegen.
108 Sitzung der malh.-phys. Classe vom 1. März 1902.
Fi(j. 4
Fig. 5
Fig. G
Fig. 7
^
Fig. H
Fig. 9
K Brunn: Neue Mittelwerthssätze über bestimmte Integrale, 109
Fig. 11
Fif/. 12
51. Man kann nun versuchen, an Stelle von F{x) be-
sonders primitive Funktionen zu setzen. Z. B. man kann F{x)
auf der einen Seite von | constant gleich F{a)^ auf der andern
constant gleich F{b) sein lassen^) (s. Fig. 12). Die Forderung
XXXU) lautet dann geometrisch eingekleidet: Das Rechteck
mit Grundlinie | — a und Höhe a und das Rechteck mit Grund-
linie 6 — I und Höhe h müssen zusammen genommen den nem-
lichen Inhalt haben, wie das von der Kurve y = f{x) und
durch seitliche Ordinaten begrenzte Flächensttick mit der Grund-
linie h — a.
') Für den Fall, dass f (x) im Intervall das Vorzeichen nicht wech-
selt, läsat sich auch die zu besonders einfachen Formeln führende An-
nahme machen, dass F (x) auf der einen Seite von ^ constant gleich
Null, auf der andern etwa gleich dem äussersten Werthe von f (x) sei.
110 Sitzung der matK-phys, Glasse vom 1. März 1902.
52. Dass stets ein f zwischen a und b vorhanden ist, welches
unseren Anforderungen genügt, ergibt sich leicht. Denn für
eine monotone Funktion f(x\ a<b, f{a)<f{b) gilt offenbar:
b
XLIH) f(a) (b-^a)<Sf(x)dx<f(b) (b—a)
a
allgemeiner, wenn man
XLIV) sgn {[f(b) — f{a)] [b — a]} = sgn q setzt:
b
sgn q> f(a) (6 - a) < sgn q'Sf(^)dx < sgn qf(b) {b — a)
a
b
d. h. jf(x) dx liegt unter allen Umständen zwischen f{a) {b — a)
a
und f{b){b — a), sofern nicht in Folge von f(a) = f{b) oder
a = b alle drei Glieder gleiche Werthe bekommen.
53. Das Integral lässt sich daher — auch im Fall des
erwähnten Gleich werdens — stets mittels positiver echter
Brüche x und A, deren Summe gleich 1 ist, auf die Form
bringen
b
XLV) J= Sf(x)dx = f{a) (b — a) • k + f{b) {b - a) • x,
(A + « = 1)
oder mit Zuhilfenahme eines zwischen a und b liegenden
Werthes f , der
^ — a = {b — a)k, b — ^ = {b — a)x
macht, auf die Form:
XLVI) J=}f(x)dx^f (a) (f - a) + /- (/>) (b - f )
a
Aus XLVI) folgt
[f(b)b-f(a)a']-J
XLVII) «--^-"/V^'t^—
b
als vollständig bekannter Werth, wenn J=^}f(x)dx be-
kannt ist.
H, Brunn: Neue Mütelwerthssätze über hestimmte Integrale, Hl
54. Offenbar befriedigt das System der beiden geraden
Strecken
Fix) = fia)=^y, ia£x<i)
vollkommen die an eine Funktion F(x) zu stellenden An-
forderungen.
Es gilt daher:
^g^pSf(ci)9{^)dx+sgnp^f{h)g(x)(lx
IL)
>sgnp^f{x)g{x)dx
a
oder schliesslich, wenn alle nun erwiesenen Ungleichungen und
eine letzte leicht zu erweisende, hinten sich anschliessende in
eine Reihe gestellt werden:
r I ö -. b
sgnp \f{a)Sg(x)dx + f(h)^g(x)dx\>sgnp^f(x)p{x)dx
f(p) So (^) f?^ + f{<^)S9 {x)dx\,
wobei also /"(x), g{x) eindeutig, endlich und monoton im
Intervall a bis 6 sind, und
Sm dx-imb-fia) a] f(p)(b-a)-Snx) dx
^^~' flbY=7(äj ="*+ TW=W)
zu setzen ist.
55. Schlussbemerkungen. Wenn -F, /"und g „Stufen-
funktionen^ werden (in der Art, wie F in 51. eine „zwei-
stufige* Funktion wurde), so verwandeln sich unsere Ungleich-
112 Sitzung der mathrphys.Classe vom 1, März 1902.
ungen XLII) in die integralfreie Form : sgn P'^Fi^QiAxi
n-l 0
^^gap-^ftgiAxi etc.,^) für den Fall constanter AXi in:
0
sgn q 2 Fi (je ^ sgn g 2* d ^. etc.*) {2 Fi = 2fi; die Fi und /*.
monotone Grössenreihen, die Reihe Fi — (% nur einen Zeichen-
wechsel enthaltend etc.). Diese Summenformel entsteht hier
sozusagen als die Tochter der Integralformel; sie lässt sich
aber auch ohne den Umweg übers Integral beweisen und tritt
dann als Schwester ihr zur Seite; ja man könnte sie sogar
als die Mutter der Integralformel betrachten. (Vgl. A. Prings-
heim in diesen Berichten Bd. 30, S. 212.) Unser Beweis in
52. bleibt — was eine Art Güteprobe für ihn darstellt, — auch
für die Summenformel anwendbar, wenn in ihm ebenfalls alles
integralische ins summarische verwandelt wird.
56. Da die am häufigsten vorkommenden Funktionen sich
in Intervalle monotonen Charakters zerlegen lassen, so werden
mannichfaltige Anwendungen unsrer Sätze sich ergeben. Eine
Menge auch von integralfreien Ungleichheiten zwischen be-
kannteren Funktionen werden sich mit Leichtigkeit ableiten
lassen, welche auf anderem Wege kaum immer so rasch und
bequem gefunden werden. Man kann die Factoren f{x\ g(x)
einander gleich oder gleich Potenzen der nemlichen Function
setzen, es lassen sich gewisse Resultate auf Produkte von mehr
als zwei Faktoren verallgemeinern, und durch wiederholte An-
h
Wendung der Sätze Näherungsformeln für ^ f{x)g(x)dx geben
a
mit Hilfe von Integralen über die einzelnen Faktoren etc. Die
Bedingung der Endlichkeit der Funktionen wird bis zu einem
gewissen Grade fallen gelassen werden können.
^) Unter ^Tq, x^^ . . . ocn sind verstanden die der Grösse nach in eine
Reihe geordneten drei Reihen von Stufenendenabscissen ^o» ^i • • • ^^ä;
(po, fPi • ' ' (pft; Toj Yi ' ' ' Y^ von F, f, y resp. und zwar in steigender
oder fallender Anordnung, je nachdem Xq^^ a kleiner oder grösser als
XnZZh ist.
2) Ueber q vergl. 23.
Sitzungsberichte
der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.
Mathematisch-physikalische Classe.
Sitzung vom 3. Mai 1902.
Herr Hermann Ebebt legt eine Abhandlung des Privat-
dozenten an der technischen Hochschule Dr. Karl T. Fischer
und des Assistenten der technischen Hochschule Heinrich Alt
Ober: .Siedepunkt, Gefrierpunkt und Dampfspannung
des reinen Stickstoffs bei niedrigen Drucken** vor.
Siedepunkt, Gefrierpunkt und Dampfspannung des
reinen Stickstoffs bei niedrigen Drucken.
Von K. T. Fischer und H, Alt.
{Singilaufen 6. Juni.)
(Mit Taf. I u. II.)
1. Magnetische bezw. kalorische Untersuchungen bei tiefen
Temperaturen veranlassten uns, ein Verfahren zur Herstellung
grösserer Mengen (einige Hundert ccm) reinen verflüssigten
Stickstoffs auszuarbeiten. Nachdem jedoch bereits die ersten
Proben, welche wir zur Prüfung ihrer Reinheit zum Erstarren
brachten, zeigten, dass der Siedepunkt und Erstar-
rungspunkt des reinen flüssigen Stickstoffs sehr be-
stimmt definierte Aichpunkte für Tief-Temperatur-
19(B. SitzangBb. d. math.-phys. Cl. 8
IH Sitzung der matK-phys. Glosse vom 3, Mai 1902.
messungen liefern und Erstarrungsdruck und -Tem-
peratur nicht unwesentlich von den von Olszewski^) und
Wroblewski*) ermittelten Werten abweichen (anderweitige
Bestimmungen des Erstarrungspunktes von Stickstoff scheinen
nicht gemacht worden zu sein), führten wir eine Neubestim-
mung der letzteren beiden Konstanten aus und stellten bei
dieser Gelegenheit auch die Dampfspannungskurve gesättigten
Stickstoffs für Drucke zwischen einer Atmosphäre und dem
der Erstarrungstemi)eratur entsprechenden Dampfdrucke fest.
Da gerade die schwer verflüssigbaren Gase in theoretischer
Hinsicht ein besonderes Interesse bieten, wollen wir im fol-
genden Aufsatze nicht nur über die unmittelbaren Versuche
berichten, sondern auch einige mehr theoretische Betrach-
tungen an dieselben anschliessen.
2. Zur Herstellung des reinen gasförmigen Stick-
stoffs verwendeten wir eine von Herrn Prof. Mut h mann
eri)robte lleinigungsmethode: In der 5 Literflasche A wurden
in 3 Liter Wasser 600 g technisch reiner Salmiak und 300 g
Kaliumbichromat unter Erwärmen aufgelöst und nachdem die
Lösung bis zum Kochen erhitzt war, aus dem Tropftrichter li,
dessen Tropfröhre genügend lang ist, um den Druck in den
Waschflaschen zu überwinden, Natriumnitrit (technisch rein,
600 g in 800 ccm Wasser) zugeführt. Der sich entwickelnde
Stickstoff wurde nach dem l*assieren einer Vorlegeflasche C
durch eine grosse Flasche D, die mit einer Lösung von Eisen-
vitriol, mit Krystallen im Ueberschuss, gefüllt war, in die 22
und 26 Liter fassenden Gasometer E und F geleitet. Aus den
genannten Materialmengen können bis zu 200 1 gasfiirmigen
Stickstoffs erhalten werden; um jcmIocIi ohne Unterbrechung
der Entwickelung grössere Mengen zu gewinnen, Itihrten wir
durch den Gunnnistopfen der Flasche J noch 2 Glasröhren ein,
1) K. OlHzewHki, Compt. MornX. <M>, p. l-ÜJ-UJO, 1884 und 100,
p. 350— :m2, 18H5, IMiil. Ma^. V Dl), p. !>()() und 210, 1805, referiert in
Fortschr. (l. IMiys. 41. 2. S. 4.0;'), Iss.') u. Wio«l. H.Mhlätler 9, S. 247, 1885.
-) S. W roblewHki. Wiciior Akiiil(Mnieh(»ri(hte 1)0, 18«5; Landolt
und Hörnstein, i»hyMikiiliMih.<li«Miiisili(' Tabellen S. 120, 18D4.
Fisdier und Alt: Dampf npannung des reinen SHcksioffs, 115
116 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 3, Mai 1902,
die mit den Vorratsflaschen G und H in Verbindung stehen.
Nachdem zur erstmaligen Füllung von A die entsprechende
Menge Natriumnitrit zugeführt ist, werden ca. 1 */a 1 der ver-
brauchten Lösung in die eine der Flaschen G und H ab-
gelassen und dafür aus der anderen 1 */a 1 frische Lösung
zugeführt. Ist dieselbe gut vorgewärmt, so hält auch während
des Zuströmens in den grösseren Ballon die Gasentwickelung
an. Die Reinigung des Stickstoffgases erfolgt erst unmittelbar
vor der Verwendung desselben, und zwar wird zu diesem Zweck
der Stickstoff* aus dem einen der Gasometer entnommen, wäh-
rend der andere aus dem Entwicklungsapparat frisch gefüllt
wird. Es wird der Stickstoff* durch 3 Trockenflaschen mit
reiner konzentrierter Schwefelsäure und durch eine weitere
Flasche mit Phosphorpentoxyd in die Verbrennungsröhren J
und K geleitet, deren jede in der ersten Hälfte mit Kupfer
in der zweiten mit Klavierstahldrahtstückchen gefüllt ist, und
welche beide vor jedem Versuch unter Erhitzen bis zu heller
Rotglut mit gereinigtem Wasserstoff" einige Stunden lang redu-
ziert worden sind. Jede der Verbrennungsröhren ist 1 m lang
und hat 12 mm lichten Querschnitt ; das zweite Verbrennungsrohr
zeigte sich in der Regel fast gar nicht angegriffen ; namentlich
blieb das Kupfer sehr rein, während manchmal das Eisen auf
1 — 3 cm Länge auch in der zweiten Röhre angegriffen war.
Aus K wird der gereinigte Stickstoff durch eine Glasröhre
und über Phosphorpentoxyd (bei den ersten Versuchen war
noch eine Flasche mit pyrogallsaurem Kali zwischen Glasröhre
und dem P^ 0^ eingeschaltet) dem Verflüssigungsapparat V
zugeführt. Um den Zufluss des Wasserleitungswassers, das
für die Gasometer verwendet wurde, automatisch zu regu-
lieren, brachten wir die Heberverbindung L M an. Das Niveau
in den Gasometoraufsätzen wird durch die Höhe des in einen
Trichter eingehängten Beclier<rlases, ^velches von der Wasser-
leitung gespeist wird, geregelt.
3. Zur Verflüssigung wird der Stickstoff in das
unten auf 4 cm Durchmesser erweiterte ca. 130 ccm fassende
Hohr V eingeleit(^t, welches mittelst eines weichen Gummi-
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs, 117
rfens Q^ in die 2^/2! haltende Dewarflasche ^eingesetzt
ist; lässt man in dieser mit Hilfe einer Wasserluftpumpe W
unter vermindertem Druck flüssige Luft verdampfen, so kühlt
sie sich genügend stark ab, um den in V einströmenden Stick-
stoff zu kondensieren. Ist die Dewarflasche mit frisch her-
gestellter Luft beschickt, so genügt bereits ein Druck von
400—250 mm, um eine kräftige Kondensation in V herbei-
zuführen ; wenn die Luft infolge der Verdampfung bereits einen
grösseren Betrag ihres Stickstoffes, der bekanntlich zuerst ab-
destilliert, verloren hat, muss der Druck bis auf 150 oder sogar
70 mm reduziert werden. Da die Dichte des flüssigen Stick-
stoffes 0,791 g/ccm beträgt,^) lassen sich ungefähr 3—4 Gaso-
meterfQllungen in V kondensieren. Um V zu entleeren, ist
in V mittelst des luftdicht aufgesetzten Gummistopfens Q^
eine sehr dünnwandige ca. 5 mm weite Glasröhre eingeführt,
welche bis auf den Boden reicht, und während der Konden-
sation oben durch einen dünnen Gummischlauch mit Quetsch-
hahn verschlossen ist; hebt man nach Abstellung der Wasser-
luftpumpe und Herstellung von atmosphärischem Druck in N
das Kondensationsgefass V aus der Dewarflasche heraus, in-
dem der auch während der Kondensation ziemlich weich
bleibende Gummistopfen Q^ gelüftet und gehoben wird, so wird
durch den bei der Erwärmung von V entstehenden Ueber-
druck der flüssige Stickstoff aus V ausgetrieben; er wird sofort
in ein versilbertes ^/4 1 haltendes Dewargefäss (von Glasbläser
R. Ebermayer in München, Schillerstrasse, hergestellt) ein-
gefüllt, und dies dann mit einem Gummistopfen hermetisch
verschlossen. Der in demselben sich entwickelnde Stickstoff-
dampf wird mittels Gummischlauches in den gerade in Füllung
befindlichen Gasometer zurückgeleitet, damit er nicht verloren
geht. Wir haben auf verschiedene Weise versucht, den
flüssigen Stickstoff aus dem Gefäss V zu entnehmen, nament-
lich versuchten wir, durch Einpressen von Stickstoffgas oder
durch eine in V eingeführte elektrisch zu erhitzende Spirale
') Travers, Experim. Study of Gases, London 1901, S. 247.
L
118 Sitzung der math.-phys. Classe vom 3, Mai 1902,
den nötigen üeberdruck zu erzielen; wir hielten es aber
schliesslich für das bequemste, das ganze Gefäss V sammt den
Gummistopfen aus der De warflasche herauszuheben, um den
verflüssigten Stickstofi^ abzuzapfen. Wenn man den Gummi-
stopfen etwas mit Glycerin einfettet, ist es nicht schwierig,
ihn zu lösen; der Zeitverlust, der dadurch entsteht, beträgt
nur wenige Minuten. Mit Verwendung zweier parallel ge-
schalteter Wasserluftpumpen, welche einen Raum von 9 1 in
einer Minute auf 250 mm, in 7 Minuten auf 20 mm leer
pumpten, waren wir imstande, in 1 ^/i Stunden den für 100 ccm
Flüssigkeit nötigen Stickstoö" zu entwickeln und zu konden-
sieren. Trotz der grossen Geschwindigkeit, mit welcher in
diesem Falle das Gas durch die Waschflaschen und die Ver-
brennungsöfen circulierte, war es genügend trocken und frei
von Sauerstofi". Eine von Zeit zu Zeit gemachte Gasanalyse
auf Sauerstofi", welche wir mit Hilfe der Hempel'schen Ab-
sorptionspipette mit Kupfer in ammoniakalischer Lösung vor-
nahmen, zeigte jedenfalls nur Sauerstofigehalt von weniger als
0,2 ®/o an. Ausserdem spricht für die Reinheit des erhaltenen
Kondensationsproduktes die Konstanz des Siedepunktes der
wasserklaren Stickstoflflüssigkeit, die auch vor den Spektral-
apparat gebracht im sichtbaren Teil des Spektrunis keine be-
sonders bemerkenswerten Absorptionsstreifen zeigte; selbst ganz
geringe Beimengungen von Sauerstoff machten sich
sofort in der Erhöhung des Siedepunktes des Stickstoffes
bemerkbar, wie wir bei allen Versuchen konstatieren konnten.
4. Alle Temperaturmessungen wurden anfanglich mit
selbst angefertigten Thermoelementen aus Kupfer und Kon-
stantandraht ^) von 0,5 mm Dicke ausgeführt, die in der Stich-
flamme mit Silber gelötet waren; nachdem sich gezeigt hatte,
dass bei der grossen Reihe von Versuchen (es wurden über
10 einzelne Bestimmungen mit mindestens durchschnittlich
') Bezogen von der Firma Siemens und Halske, von der wir
auch vor einem Jahre ein von der phys. techn. Reichsansfcalt geaichtes
Thermoelement aus crleichem Material erhalten hatten.
Fisdier und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs. 119
40— 150ccm flüssigem Stickstoff gemacht) der Siedepunkt
nnd Gefrierpunkt konstant blieb, nahmen wir für die Be-
stimmung des Siedepunktes und Erstarrungspunktes Messungen
mit dem Wasserstoffthermometer vor. Die Verwendbar-
keit des Wasserstoffthermometers für diese niedrigen Tempera-
turen ist bereits von K. Olszewski^) und neuerdings von
J. De war*) durch Vergleich der Angaben von Wasserstoff-,
Sauerstoff- und Helium-Thermometern für den Siedepunkt des
Wasserstoffes — 252,5^ oder 20,5® der absoluten Temperatur
erwiesen worden. Namentlich wenn sich Wasserstoff bei der
Messung von tiefen Temperaturen unter geringem Druck be-
findet, dürfte gegen seine Verwendung für Temperaturen, die
oberhalb seines Kondensationspunktes liegen, nichts einzu-
wenden sein. Das Wasserstoffthermometer war ein Thermo-
meter für konstantes Volum von der JoUy'schen Form; für
die Messung tiefer Temperaturen verdient dieses Gasthermo-
meter vor dem Gasthermometer für konstanten Druck den
Vorzug, da nach der van der Waals'schen Gleichung der
Spannungscoefficient bei gleicher Dichte von der Temperatur
unabhängig ist, wenn auch sonst das Callendar'sche ') kom-
pensierte Gasthermometer für konstanten Druck seine Vorteile
haben mag. Die Ablesung erfolgte mittelst eines Kathetometers
an einem unmittelbar neben dem Thermometer aufgehängten
Normalmassstab aus Messing von Breithaupt in Kassel. Der
Massstab war mit einer von der physikalisch-technischen Reichs-
anstalt beglaubigten Normale verglichen worden. Neben dem
Thermometer befand sich auch das Barometer, ein neues Ballon-
instrument von Fuess in Berlin; die Ablesung erfolgte auf */io,
manchmal */ao mm genau. Es wurden 2 Thermometer (I und U)
hergesteDt, die aus Jenenser Glas IG III von Bender & Hobein
in München verfertigt waren. Ihre Gefässe hielten 12,90
bezw. 15,37 ccm bei 0^, die Röhren, in denen der Meniskus
^) K. Olszewski, Sitzungsberichte der Krakauer Akad. d. Wiss. 14,
p. 283-288, 1886.
*) J. Dewar, Proceed. of the Royal Society vol. 68 p. 64—54, 1901.
«j H. L. Callendar, Proc. Roy. Sog. 50, S. 247, 1891.
120 Sitzung der math-phys. Classe vom 3. Mai 1902.
stand, hatten 10 mm lichte Weite. Die Verbindung des G^-
fässes mit dem Manometer vermittelte eine Kapillare von 3C^ 1
bezw. 373 mm Länge und 0,6 mm Durchmesser. Es war dl ^ö
eine für den raschen Ausgleich des Druckes hinreichenÄr3.
Weite: ein Vorversuch hatte uns gezeigt, dass sich durch ei^Kra
solche Kapillare von 300 mm Länge bei Luftfüllung der Dru^^ '
in 10 Sekunden vollständig ausgleicht. Der schädliche Rau — ^
über dem Meniskus wurde so klein gewählt, als es mit Rüc^^*
sieht auf die ungestörte Ausbildung des Meniskus möglich e—
schien. Die Einstellung des Meniskus erfolgte auf die Spit!=— ^
eines Doms aus dunklem Glase. Der schädliche Raum dies^ ^
Erweiterung betrug nur 0,118 bezw. 0,131 ccm, der Inha^^
der Kapillaren 0,113 bezw. 0,159 ccm. Sämmtliche Volumir""^
wurden mit Quecksilber sorgfältig ausgewogen. Eine vc^^
aussen auf das Thermometergefäss I ausgeübte Compressio
von 700 mm H g bewirkte nur eine Volumveränderung vo ^
weniger als Visooo und blieb daher im folgenden ausser B^^
tracht. lieber die Verwendung des schädlichen Raumes zu ^
Korrektur s. u. Die Füllung der Thermometer erfolgte mi^
elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff. Derselbe wurde
in dem Apparate A bei einer Stromdichte von ca. 0,02 Ampere
pro qcm erzeugt. Durch einen Gummischlauch wurde er zu der
mit pyrogallussaurem Kali gefüllten Flasche B geleitet. Von
hier an bestanden alle Verbindungen aus Glasröhren und Glas-
federn, die mit Siegellack luftdicht in die Waschflaschen ein-
gekittet waren. ^) Auf die erste Waschflasche folgte eine
U-Röhre C mit Chlorcalcium, eine Flasche mit Phosphor-
pentoxyd D und endlich eine Glasspirale S, die in eine mit
flüssiger Luft gefüllte Dewar'schen Flasche gehängt werden
konnte, sodass jede Feuchtigkeit aus dem durchströmenden
Gase ausgefroren, bezw. leichter kondensierbare Gase abge-
schieden wurden. Nach nochmaligem Passieren eines an der
Sprengelpumpe P angebrachten Trockengefässes mit Phosphor-
pentoxyd gelangte das Gas in das mit Hilfe des Füllröhr-
i) Holborn und Wien. Wied. Ann. 59, 213. 1896.
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs. 121
ciens F an die Pumpe angeschmolzene Thermometer. Es
wurde das erste Thermometer dreimal, das zweite fünfmal mit
sammtlichen Trockengefassen bis zur Flasche B bis zum
isetallischen Anschlag des Quecksilbers leer gepumpt und
Jedesmal nach dem Evakuieren mit Wasserstoff durchgespült.
Dm die an der Wand des Gefasses adsorbierten Gase sicherer
auszutreiben, waren in dasselbe vor dem Anschlüsse an die
I^umpe ca. 15 g Quecksilber eingebracht worden, die nach dem
Fig. 2.
erstmaligen Evakuieren durch die Kapillare hindurch unter
kräftiger Erwärmung herausdestilliert wurden. Ausserdem
wurde auch die ganze Röhre E stark erwärmt. Um die
Wfa-kung der Sprengelpumpe zu erhöhen und namentlich das
Hängenbleiben von kleinen Luftbläschen am Fallrohr zu ver-
hindern, war die Wulff 'sehe Flasche W an eine Wasserluft-
pumpe angeschlossen. Das Gas strömte langsam (im Verlauf
einer Stunde und länger) in das Thermometer; dabei war
122 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 3, Mai 1902.
das letztere bis zur Stelle f mit Quecksilber gefüllt. Nach
der letzten Füllung wurde dann bei F abgeschraolzen. Die
Füllung war so bemessen, dass die Thermometer bei 0^ einen
Druck von 974 mm bezw. 955 mm zeigten. Die. Länge des
Rohres E war so gewählt, dass der Hahn H auch bei der
tiefsten gemessenen Temperatur noch unter Ueberdruck stand.
Um die Unsicherheit, die der schädliche Raum mit sich bringt,
möglichst zu verkleinern, erfolgte die Berechnung desselben
unter den folgenden Voraussetzungen: Das Thermometergefass
befinde sich bis zum Strich aa in der zu messenden Substanz.
Von dem Strich hh an befinde es sich in Luft. Für die
Strecke aa—hh wurde dann eine mittlere Temperatur zwischen
der der Luft und der zu messenden Substanz angenommen,
oder was dasselbe ist, es wurde die Hälfte von aa — 6i,
nämlich aa — cc zu dem Thermometergefass, hh — cc zum
schädlichen Räume gerechnet. Es ergaben sich dabei folgende
Verhältnisse :
p. , . Siedepunkt Schmelzpunkt
P des N.2, des ^2
Thermometer I cd = 95 mm cd = 95 mm . cd = 85 mm
II cd = 90 , cd = 90 „ cd = 80 „
Beachtet man in der von Kohlrausch in seinem Lehr-
buche S. 153 angegebenen Formel:
dass sich das Verhältnis der Volumina v — des Gefässes
und v' — des schädlichen Raumes gemäss obiger Voraus-
setzung ändert, dass ferner der schädliche Raum zur Zeit
der Bestimmung des Druckes H^ (Eispunkt) eine andere Tem-
peratur hatte als zur Zeit der Beobachtung, so ergibt sich
folgende Gleichung:
^»r^ fT«d" liTar +TT^j-
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs. 123
Dabei ist
17, = Volum des Gefasses für den Eispunkt ) , . , m
ü 1 w [ bei d. Tfemp. 0^
v,= « « . « « Punkte J ^
(wobei sich v^ nur durch die andere Länge des zum Öefass zu
rechnenden Kapillarenstückes von t;, unterscheidet, ohne Rück-
sicht auf die Wärmeausdehnung).
v'i = Volum des schädlichen Raumes beim Eispunkt! bei d.
t'2 = „ ^ „ y, „ Punkt t j iimraertemp.
k-^' Je -""^
t'i = Temperatur des schädlichen Raumes beim Eispunkt,
ti= ^ „ n « « Punkt t,
Hf^ = Druck beim Eispunkt,
5= , „ Punkte,
G = Spannungscoefficient desWasserstoflFs(= 0.0036625 ^)Dewar
Proc. Roy. Soc. 68, p. 47, 1901,
y = derAusdehnungscoefficient d. Glases (= 0.0000219) zwischen
0 und —180^ Baly, Phil. Mag. V, 49, ß. 518, 1900.
Zur Berechnung kann man die obige Gleichung um-
formen in:
H ^2 \ l + «^i/ l + a^2 l+at
und 1 — n 1 1 — n
na — y n y
a —
n
Gleichungen, die zur praktischen Berechnung bequemer sind.
Die Verhältnisse Jc^ und k^ waren bei unseren Thermometern
A-1
Eifl- bezw. Siedepunkt der Substanz | Schmelzpunkt der Substanz
Für Thermometer I 0.01510
II 0.01637
I
0.01537
0.01663
0 D.i. der Wert, den Chappuis bei seiner eingehenden Unter-
suchung des Constant-Volumthermometers ermittelte (Trav. et Mem. du
Bureau Internat. Tom. VI. S. 53, 1888).
124 Sitzung der math.-phys, Clasae vom 3. Mai 1902.
Setzt man in den von Kohlrausch 1. c. angegebenen
Formeln zur Berechnung der Fehler unsere Konstanten ein,
so erhält man als Fehler in der Temperaturbestimmung bei
— 200« die Fehler.
Unsicherheit Fehler in Graden Geis.
AH=OA mm 0.03
AH^ = OA , 0.02
Aa = 0.0^5 mm 0.025
Ay = 0,0,2 „ 0.06
(^A y = DifiPerenz zwischen 0.000024 nach Holbom u. Wien 1. c.)
und 0.000022 „ Baly 1. c.
JA = 0.0003 0.044
entsprechend 1 cm Unsicherheit in der Länge der Kapillaren
Jf = P O.Ol.
Dabei sind alle Unsicherheiten mit Ausnahme von AH
und AHf^ extrem hoch angenommen. Es wird sich also in
Wirklichkeit kaum ein Fehler > 0,1^ ergeben. In der That
zeigen die Angaben des WasserstoflFthermometers und des
Thermoelementes auf der beigegebenen Kurve eine weit grössere
Uebereinstimmung. Thermometer I brach schon bei der 4. Be-
stimmung infolge des auf die Kapillare durch den Gummi-
stopfen, der die Einführung in einen Recipienten vermittelte,
ausgeübten Biegungsdruckts. Von da ab wurde Thermometer II
verwandt. Der Nullpunkt wurde öfters kontrolliert und blieb
innerhalb der Ablesegenauigkeit konstant.
5. Zur Bestimmung des Siede- und Gefrierpunktes
des Stickstoffs wurde ein kugeliges un versilbertes Dewar-
fläschchen von 153 ccm Inhalt, bezw. ein zylindrisches von
4 cm innerer Weite und 12 cm Höhe (102 ccm Inhalt) ver-
wendet. Es stand dasselbe unter einem grossen Luftpumpen-
recipienten, dessen oberer Tubus genügend weit war, um das
WasserstoflFfchermometer W, das an einem längs Holzstatif
gleitenden Schlitten befestigt war, einsenken zu können. Um
luftdichten Abschluss zu erhalten, wurde ein Gummistopfen G
erst mit einer für die Thermometerkapillare passenden Bohrung
versehen, glatt in der Mitte auseinander geschnitten, und dann
Fisclier und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs. 125
zum Abschluss des Recipiententubus verwendet. Auch bei den
Bestimmungen des Siedepunktes wurde sorgfältig darauf ge-
achtet, dass der flüssige Stickstoff so rasch wie möglich unter
den Reeipienten gebracht und gegen die atmosphärische Luft
abgeschlossen wurde, damit der Sauerstoff der atmosphärischen
Fig. 3.
ztuftBaittmeler
I
Luft, der sehr rasch in den flüssigen Stickstoff hineinkonden-
siert, den Stickstoff nicht verunreinigen konnte. Jede solche
Verunreinigung macht sich in der Erhöhung der
Siedetemperatur bemerkbar. Für die Bestimmung
der Siedepunkte bei niedrigem Druck bot die in der Figur
angegebene Aufstellung des Dewar'fläschchens unter einem
126 Sitzung der mathrphys, Classe vom 3. Mai 1902.
Recipienten den Vorteil, dass die entweichenden StickstoflF-
dämpfe, welche ganz in der Nähe des Fläschchens nach der
BodenöfiFnung des letzteren hinströmen, zur Kühlung der Um-
gebung des Fläschchens ausgenützt werden konnten. Namentlich
bei künstlicher Beleuchtung konnte man deutlich die nur etwa
1 cm dicke Schicht des abziehenden Stickstoffdanipfes beob-
achten, da der Recipient sich nie so weit abkühlte, dass er
sich aussen beschlagen hätte. Durch die eine Hälfte des
Stopfens war ein 1 cm weites Rohr R eingeführt, welches zu
einem Heberbarometer führte; durch die andere ging ein dünn
ausgezogenes Glasröhrchen K^ mittelst dessen gereinigter und
getrockneter Wasserstoff (elektrolytisch oder zum Teil auch
aus Zink und Schwefelsäure hergestellt) in den flüssigen Stick-
stofi" eingeleitet werden konnte; diese Massregel, welche auch
von Est reich er ^) für die Bestimmung der Dampfspannungs-
kurve des Sauerstoffes angewendet worden ist, hatte den Zweck,
die Siedeverzüge hintan zu halten, welche sich sonst im
flüssigen Stickstoff" namentlich bei sehr geringen Drucken in
hohem Masse einstellen. Es meint zwar Baly,*) es genüge
zur Vermeidung der Siedeverzüge nur dann der Wassei-stofi"-
strom, wenn er sehr heftig gehe und vermied daher die Siede-
verzüge dadurch, dass er Kupferstückchen in die Flüssigkeit
warf. Allein wir fanden, dass dieser Kunstgrifi" nicht wesentlich
besser wirkt, als das Einführen von Wasserstoff und da letz-
teres Verfahren erheblich bequemer ist, so wandten wir bei
unseren Versuchen in der Regel nur dieses Hilfsmittel an.
Im Gegenteil fanden wir bei einigen Versuchen, welche wir
eigens anstellten, um den Einfluss der Stärke des hindurch-
geblasenen Wasserstoffstroms zu verfolgen, dass man gerade
einen zu heftigen Wasserstoffstrom vermeiden muss. Man
kann nämlich auf diese Weise leicht den Stickstoff unter seine
Siedetemperatur abkühlen. Vielleicht ist die Bemerkung Baly's
(1. c), dass die Est reiche raschen Werte für die Siedetempe-
i) Estreicher, Phil. Mag. V 40, p. 454. 1895.
2) E. C. C. Baly, Phil. Mag. 49, p. 52G, 1900.
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs, 127
ratur des Sauerstoffes niedriger sind als die Baly'schen, ein
Zeichen dafür, dass Estreicher eher zu viel als zu wenig
Wasserstoff hindurchgetrieben hatte. Das Einwerfen von Kupfer-
stückchen hat jedenfalls den Nachteil, dass die Wirkung der-
selben sofort verschwindet, wenn sie sich genügend abgekühlt
haben, was ziemlich rasch geschieht. Dass njan bei den Mes-
sungen der Siedetemperaturen des Stickstoffs nicht gut die
Temperatur des Dampfes bestimmen kann, weil seine Wärme-
leitungsfähigkeit offenbar sehr gering ist, und ausserdem die
dazu erforderlichen Mengen Flüssigkeit sehr erheblich wären,
bringt eine wohl zu beachtende Unsicherheit in die Dampf-
spannungsmessungen. Macht man, um von denselben ein un-
geföhres Bild zu erhalten, vergleichende Versuche mit Wasser,
indem man einerseits die Temperatur des siedenden Wassers,
anderereeits die des sich daraus entwickelnden Dampfes misst,
so ergibt sich eben die alte Erfahrung, dass die Temperatur
des Wassers stets etwas höher ist als die des Dampfes. Die
beiden Temperaturen werden aber einander um so näher gleich,
je kleiner die Dampfbläschen sind, die sich im Wasser
entwickeln, gleichgültig, welches Hilfsmittel man anwendet,
um solche kleine Bläschen zu erzielen. Durch Einbringen von
kleinen, sehr spitzen Karborundumstückchen von ^/eo — Ve ™i^
mittleren Durchmesser konnte in Wasser der geringste Sieder-
verzug erhalten werden (bis herab zu 0.2^), während ohne
dieselben die Wassertemperatur ohne weiteres mehr als 1^ zu
hoch war, und auch nach Einwerfen von roten Tariergranaten,
wie sie in dem Beckmann'schen Apparat verwendet werden,
noch ein Temperaturüberschuss von 0.6° vorhanden war. Da
man in allen diesen Fällen bemerkt, dass ein um so heftigeres
Stossen im Wasser eintritt, je grösser die Siederverzüge sind, so
gingen wir bei unseren Versuchen mit flüssigem Stickstoff darauf
aus, ein möglichst stossfreies und gleichmässiges
Sieden zu erzielen. Zum Teil trat dieses von selbst ein, indem
sich an den Rauhheiten des Dewarfläschchens zahlreiche winzige
Bläschen bildeten, und indem das Thermoelement als spitziger
Heizkörper wirkte, so dass wir sehr häufig, namentlich bei
128 Sitzung der viath.-phys. Classe vom 3, Mai 1902.
höherem Druck der WasserstofiFzufuhr gar nicht bedurften,
um gleichmässiges und doch lebhaftes Sieden zu erzielen ; zum
Teil unterstützten wir die Entstehung von kleinen Bläschen
durch eingelegte dünne Palladiumdrahtstückchen, die vorher
mit Wasserstoff frisch beladen waren und durch Einblasen von
Wasserstoff, der in kleinen Bläschen eintreten konnte. Die
wesentlichste Garantie dafür, dass nicht besonders störende
Siedeverzüge bei unseren Versuchen — namentlich bei den
späteren — vorhanden sein konnten, erblickten wir in dem
Ausbleiben von grösseren Stössen. Da das Thermoelement alle
diese Stösse sofort anzeigte, so konnten wir — hauptsächlich
durch Regulierung des Wasserstoffstromes — dafür sorgen, dass
diese Siedeverzüge jedenfalls nur sehr klein waren und dass
während der Versuche nur sehr geringe, aber sehr rasch sich
folgende Siedeverzüge auftraten. Da unmittelbar nach dem
Stossen eines mit Siedeverzug siedenden Wassers dessen Tem-
peratur sich der Siedetemperatur nähert, so glaubten wir durch
unsere Kriterien noch am sichersten die richtigste Siedetem-
peratur ermitteln zu können. Selbstverständlich wurde daraul
gesehen, dass jede Temperatur einige Minuten konstant hielt,
wenn der Druck konstant gehalten wurde. Die Schwankungen
des letzteren konnten ohne grosse Schwierigkeit auf weniger
als Va bis 1 mm gebracht werden. Unter Umständen könnte
der Wasserstoff als Störung auftreten, nämlich dann, wenn er
etwa in dem Stickstoff sich lösen und dadurch dessen Siede-
punkt und Gefrierpunkt verändern würde. Es sind indessen
die Mengen nur sehr gering (auf ca. 50 ccm flüssigen Stick-
stoff ca. 100 — 200 ccm Wasserstoff) und bei unseren ersten
Versuchen, in welchen wir Stickstoff ohne Durchleiten von
Wasserstoff zum Erstarren brachten, und in welchen wir mit
einem noch ^/loo Millivolt angebenden Voltmeter von Siemens
und Halske die Erstarrungstemperatur massen, haben wir auch
nie andere Erstarrungspunkte beobachtet, als bei den späteren
Versuchen, in welchen wir grösstenteils auch dieses Millivolt-
meter zur ungefähren Kontrolle mit angeschlossen hatten. Der
verdampfte Stickstoff wurde bis zu einem Druck von 150 uini
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs, 129
mittels einer Wasserluftpumpe fortgeschafift ; flir kleinere Drucke
wurde eine Bianchi'sche Pumpe mit oscillierendem Kolben ver-
wendet, die von einem einpferdigen Elektromotor angetrieben
wurde, und einen Raum von 9 Liter Inhalt in 2 Minuten auf
4 mm leer zu pumpen imstande war. Um den Druck im
Recipienten bequem regulieren und längere Zeit konstant halten
zu können, war an die Saugleitung ein mikrometrisch verstell-
barer Hahn angeschlossen, durch den Luft in die Pumpen-
leitung eingelassen werden konnte. Das Thermoelement T,
welches neben dem Wasserstoffthermometer eingefühlt war,
wurde einfach zwischen die beiden Gummistopfenhälften oder
zwischen Gummistopfen und Glastubus eingeklemmt. Der Er-
starrungspunkt des ganz reinen Stickstoffs ist ein sehr gut
definierter Punkt. Ist der Druck unter dem Recipienten, auf
ca. 90 mm vermindert, so bildet sich bei weiterer Druck-
emiedrigung an der Flüssigkeitsoberfläche Stickstoffeis, das zu-
nächst als trübe, schwach blassgraue Masse erscheint und zu Boden
sinkt. Gleichzeitig entwickelt sich an dem aus dem Kapillarrohre
austretenden Wasserstoffstrom ein dünnes rohrartiges Stück von
festem Stickstoff, das beim Erschüttern der Kapillare zu Boden
fallt und dann wieder schmilzt. Die Dichte des festen
Stickstoffs ist somit grösser als die des flüssigen,
das heisst grösser als 0.791 und zwar wahrscheinlich nicht
unerheblich grösser. Bei weiterer Abkühlung des Gemisches
aus flüssigem und festem Stickstoff tritt allmählich eine voll-
standige Erstarrung des ganzen Geraisches ein. Bei einem
Druck von 89 bis 77 mm ist die Füllung in Stickstoffeis ver-
wandelt, das weiss aussieht und einen ähnlichen Eindruck
macht, wie wässriger Schnee; flüssiger Stickstoff, welcher bis
zum Erstarrungspunkt hin leicht beweglich ist, geht in eine
etwas gallertartig aussehende Masse über, bevor er gefriert.
In der folgenden Tabelle sind die verschiedenen Werte für
den Siedepunkt und Erstarrungspunkt angegeben, welche das
Wasserstoffthermometer ergab.
1901 Sitnmgsb. d. math.-phys. Gl.
130
Sitzung der mathrphys. Glosse vom 3. Mai 1902.
Spannungs-
coefficient
für Wasserstoff
a - 0.0036625 =
1
Siedepunkt
Druck
mm
Erstarrungspunkt
Angabe
des
Wasser-
stoff.
E. M. K.
des
Thermo-
elements
Angabe
des
Wasser-
stoff-
thermom.
E. M. K.
des
Thermo-
elements
Druck
mm
273.04
thermom.
Thermometer II.
Thermometer I.
Thermometer II.
1»
- 195.75
- 195.98
- 196.03
- 196.08
- 196.14
- 196.17
- 196.21
5.029
5.033
5.033
5.037
5.035
5.036
5.036
711.1
7U.0
711.0
710.1
715.5
714.0
715.1
1 - 210.84
— 210.87
/ - 210.35
\ - 210.39
- 210.41
5.2364
5.2381
5.2342)
5.2351/
5.2351
77
75-76
89
81
Mittel
— 196.05
5.0341
i
~ 210.57
5.2356
Bei einer Messung kühlten wir den festen Stickstoff noch
weiter ab, indem wir den Druck bis auf 62 mm erniedrigten;
das WasserstoflFthermometer zeigte bei diesem Druck — 211.65^0.
an. Das Thermoelement lieferte in diesem Falle keine brauch-
bare Angabe mehr, da der feste Stickstoff ein sehr
schlechter Wärmeleiter ist, was schon Olszewski be-
tont. Der Anblick des Stickstoffs bei dieser Temperatur er-
innert an trockenen, weissen Schnee. Eine bestimmte Krystall-
struktur liess sich nicht ohne weiteres erkennen, wenn auch
das Aussehen auf krjstallinischen Zustand hinweist.
Der Siedepunkt für reinen Stickstoff ist bereits mehrmals
bestimmt worden.^) Es fand
Olszewski'^) — 195,6^0. d.i. 77,4^ abs. für atmosphärischen
(mit Constaiit-Volumthermometer) Stickstoff
Baly^) — 195,5^ C. d.i. 77,5^ abs. für chemischen
(mit Constant-Druckthermometer) Stickstoff.
M Travers. Plxperini. Stud}' of Gases S. 241.
2) K. Olszewski, Compt. Rend. 99, p. 134, 1884. Compt. Rend. UM),
p. 350, 1885; auch Phil. iMa<r. 39, p. 200 ii. 210, 1895.
») C. C. Haly, Phil. Macr. 49, S. 528, 1900.
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs, 131
Auf die Differenz zwischen unserem Wert und den Baly-
schen wird S. 151 näher eingegangen.
Mit Verwendung der Interpolationsformel von Baly, wo-
nach der Siedepunkt des chemischen Stickstoffs zwischen 760 mm
und 717 mm Druck um 0,5*^ sinkt, ergibt sich aus unseren
Werten, die mit dem Wasserstoffthermometer gewonnen sind
— 196.10 bei 714 mm, (Fehlerangaben S. 124)
also — 195.57 (77,43 abs.) bei 760 mm.
Als Erstarrungstemperatur liefern unsere Wasser-
stoffthermometer den Mittelwert —210,57^ d.i. 62.43^
abs. T. Für den Gefrierpunkt liegt nur eine Gasthermometer-
beobachtung vor, und zwar ist es die erste, die gemacht wurde,
nämlich die von Olszewski (1. c). Es erwähnt zwar J. De war*),
dass der Stickstoff bei der Temperatur des flüssigen Wasser-
stofiFes zu einem klaren farblosen Eis werde, allein wir fanden
nirgends, dass er die Erstarrungstemperatur gemessen hätte.
Olszewski hat sie zu — 214*^ C. gefunden und gibt den Er-
starrungsdruck zu 60 mm an. Da Olszewski, entsprechend
den Hilfsmitteln jener Zeit, nur mit den kleinen Mengen
von 5— 6ccm operieren konnte, dürfte der von ihm er-
mittelte Wert unserem gegenüber nicht ins Gewicht fallen.
Wroblewki's (1. c.) Werte, — 203<^ für die Erstarrungs-
temperatur bei einem Druck von 60 — 70 mm, und — 193°
als Siedetemperatur bei 740 mm, sind durch Extrapolation
mittelst Thermoelementes erhalten worden und haben deswegen
nur geringes Gewicht.
Wir fanden auch einen anderen Erstarrungsdr uck, nämlich
80—90 mm. Es ergab zwar jede einzelne Stickstoffprobe einen
sehr bestimmten während des Erstarrens kontanten Druck, aber
die Werte für verschiedene Versuche wichen nicht unerheblich
von einander ab. Es scheint, dass geringe Verunreinigungen
(Sauerstoff aus der Luft, der beim Abfüllen in den Stickstoff
^) Wenn man wie gewöhnlich, den absoluten Nullpunkt = - 273'' C.
setzt, statt des für unseren Wert von a folgenden = — 273.04*^.
«) J. Dawar, Proc. Roy. Inst. XVI 93, p. 214, 1900.
9*
132 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 3. Mai 1902.
kondensierte und eventuell auch durch Undichtigkeiten des
entzweigeschnittenen Gummistopfens (Fig. 3) in den Apparat
eindringt, vielleicht sogar im flüssigen Stickstoff sich lösender
Wasserstoff) den Erstarrungsdruck ziemlich merklich beein-
flussen; die Erstarr ungstemp er atur scheint davon weniger
getroffen zu werden. Wir konnten bei fast allen Versuchen
konstatieren, dass am Schluss einer Versuchsreihe der Siede-
punkt des Stickstoffs sich etwas, nämlich um 0.1 — 0.2° erhöht
hatte, auch in dem Falle, wo nur reiner Wasserstoff eingeleitet
war und Undichtigkeiten kaum vorhanden gewesen sein können,
ohne dass wir die Siedepunktserhöhung auf verschieden tiefes
Eintauchen des Thermoelementes zurückführen konnten. Da
während des Versuchs beigemischter Sauerstoff weniger ver-
dampft als der Stickstoff und da letzterer schliesslich auf einen
doch ziemlich kleinen Bruchteil der anfänglichen Menge ver-
braucht ist, so wird am Schlüsse einer Versuchsreihe eine
Verunreinigung durch Sauerstoff prozentual wesentlich grösser.
Als wir gelegentlich bei einem Versuch nur ca. 10 ^/o flüssigen
Sauerstoff zugeführt hatten, erhielten wir selbst bei einem Druck
von nur 48 mm noch keine Anzeichen der Erstarrung. Die Tem-
peratur war dabei nur unwesentlich geringer als die des Siede-
punktes des reinen Stickstoffs.
5. Die Dampfspannung des gesättigten Stickstoffs
bei niedrigen Drucken wurde gemessen, indem die zu den
einzelnen Drucken gehörigen Siedepunkte bestimmt wurden.
Die Anordnung blieb für diese Versuche die gleiche wie für
die Bestimmung des Erstarrungspunktes, nur wurde das Wasser-
stoffthermometer fortgelassen, ein ungespaltener Gummistopfen
verwendet, und nur das Thermoelement aus Kupfer-Konstantan-
draht, das durch den Stopfen geführt ist, zur Messung ver-
wendet; die eine Löthstelle des Thermoelements wurde stets
in Vaselinöl oder Petroleum auf Eisteraperatur gehalten. Als
Gefäss für den Stickstoff diente in diesem Falle bei einigen
Versuchen ein kleines unversilbertes cjlindrisches Dewar-
fläschchen von nur 52 ccm Inhalt, bei anderen das kugelige
von 153 ccm Inhalt. Die Resultate sind in der Tafell. graphisch
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs, 133
wiedergegeben und zwar geben die Abscissen die Drucke, die
Ordinaten die dazu gehörigen E. M. K. des Thermoelements in
MilliTolt. Die Spannungen wurden alle nach der Kompen-
sationsmethode durch Vergleich mit einem Weston-Normal-
Element erhalten. Die zu einem Versuch gehörigen Punkte
sind durch gleiche Bezeichnung gekennzeichnet; zum Teil sind
die Punkte einer Versuchsreihe durch gerade Linien verbunden,
um das Bild tibersichtlicher zu gestalten. Besonders hinzu-
weisen ist auf den Einfluss der Verunreinigungen, welcher
sich in den Dampfspannungskurven geltend macht. Die Kurven,
welche einen erhöhten Siedepunkt zeigen, lassen darauf
schhessen, dass die betreffende Stickstoffprobe nicht ganz rein
von Verunreinigungen war. Es zeigt sich, wie zu erwarten,
dass Proben, welche den höchsten Siedepunkt ergeben,
auch den tiefsten Gefrierpunkt liefern (Siedepunktserhöh-
ung und Gefrierpunktsemiedrigung). Aus diesen Kurven wurde
graphisch eine Kurve interpoliert, welche nach unserer An-
sicht die richtige Kurve der Siedepunkte des Stickstoffes bei
niedrigen Drucken darstellt. Wir geben statt ihrer die Zahlen
wieder. Um statt der elektromotorischen Kräfte die
ihnen entsprechenden Temperaturen angeben zu können,
haben wir stets bei den Bestimmungen des Siedepunktes und
Erstarrungspunktes mit dem Wasserstoffthermometer auch das
Thermoelement im Stickstoff gehabt und konnten so geeignete
Fiipunkte für dasselbe erhalten. Ausserdem bestimmten wir noch
filr eine grössere Menge (ca. ^U 1) flüssiger Luft die Temperatur
mit Wasserstoffthermometer und Thermoelement, sowie den
Siedepunkt des reinen Sauerstoffes mit dem Thermoelement
allein. Um letzteren herzustellen, versuchten wir verschiedene
Verfahren. Schliesslich erschien uns die Herstellung aus reinem
chlorsaurem Kali mit direkter Kondensation des aus der letzten
Waschflasche kommenden Og, also Vermeidung eines Gaso-
meters als das Zweckmässigste; mit der Hemperschen Sauer-
stoffanalyse mit Kupfer in ammoniakalischer Lösung konnten
wir konstatieren, dass der durch Kalilauge, Schwefelsäure und
Phosphorpentoxyd gereinigte Sauerstoff bis auf mehr als 0,6 ^lo
134 Sitzufig der mathrphys, Glosse vom 3. Mai 1902,
rein war, während die Erzeugung von Sauerstoff aus chlor-
saurem Kali und Braunstein, sowie diejenige aus einem Ge-
menge von chlorsaurem Kali und Eisenoxyd und selbst die
elektroljtische Erzeugung von Sauerstoff (Ozon !) weniger reine
Produkte ergaben. Die Kondensation wurde ähnlich bewerk-
stelligt wie die des Stickstoffes. Die in einer Glasretorte auf
einmal erhitzte Menge von chlorsaurem Kali war in keinem
Falle grösser als 250 g, was eine Ausbeute von ca. 50 ccm
flüssigen Sauerstoff gab. Nimmt man als Siedepunkt für
Sauerstoff die übereinstimmenden Werte von Olszewski und
Wroblewski, nämlich — 182,4*^ (90,6^ abs.) und interpoliert
nach den Messungen von Est reich er (1. c.) und Baly (1. c),
so ergibt sich daraus für einen Druck von 714,4 mm, bei
welchem unser Thermoelement für die Siedetemperatur des
flüssigen Sauerstoffes 4.845 Millivolt zeigte, die Temperatur
— 182,9® (90,1® abs.); trägt man diese Werte, den für die
Temperatur einer grösseren Menge flüssiger Luft gefundenen,
nämlich 4,971 Millivolt entsprechend — 191,60^ und die oben
gefundenen Werte für den Siedepunkt und Erstarrungspunkt
des Stickstoffes in ein Koordinatensystem ein, um die Aich-
kurve für das Thermoelement in dem Intervall von — 182,9^ bis
— 211^ zu erhalten, so ergibt sich der Linienzug der Tafel II.
Dieselbe zeigt deutlich, wie gut die Angaben des Wasser-
stoffthermometers mit jenen aus dem Thermoelement überein-
stimmen und rechtfertigt jedenfalls, dass wir die Temperaturen
für die Dampfspannungen nach dieser Kurve interpolieren.
Berechnet man die Parabel, welche durch den Sauerstoffpunkt
und den Siede- bezw. Gefrierpunkt des Stickstoffs bestimmt
ist, so fällt dieselbe fast mit der Geraden durch die letzteren
beiden Punkte zusammen; einige Punkte der Parabel sind mit
•^ in Fig. 5 eingetragen; da die mit dem Wasserstoffthermo-
meter von uns gemessenen Punkte «, 6, c genau in eine Ge-
rade fallen, und der Sauerstoflpunkt von den verschiedenen
Beobachtern um mehr als O.P verschieden angegeben wird,^)
^) Vergl. L. Holborn, Drudes Ann. ü. S. 254 f., 1901; die Diffe-
renzen rühren wohl zum Teil von dem Einfluss der sechsten Dezimale
von a her, das H o 1 b o r n zu 0.003GG5, wie zu Ü.Ü036G25 genommen haben.
Fischer und ÄU: Dampfspannung des reinen Stickstoffs, 135
so dass derselbe für unsere Untersuchung nicht das Gewicht
zu haben scheint wie die Punkte a, b, c, so haben wir in dem
Bereiche von — 196.05 bis - 210.57« für das Thermoelement
eine hneare Abhängigkeit der E. M. K. von der Temperatur
angenommen und also eine geradlinige Interpolation angewandt,
um die Dampfspannungskurve des Stickstoffs zu erhalten.
Der Temperatur —196.05« C. entspricht 5.0341 Millivolt
— 210.57« . , 5.2356
d. i. 14.52« „ , 0.2015
0.072«, , 0.001
Die mit dem Thermoelement gemachten Bestimmungen
des Siedepunktes bei mittlerem Druck und des Erstarrungs-
punktes ergaben folgende Werte:
Gefrierpunkte
^'"S"^'" Thermoelement
MilUvolt
Siedepunkte
l-arometer-
stand
Thermoelement
mm
710.1
711.7
711.7
711.9
713.0
7110
7U.8
715.1
715.1
715.1
715.5
715.7
716.4
716.4
717.2
719.0
Millivolt
Mittel: 7 14.6
4.560 X
4.5605
4.5605
4.5605
4561
4.5593
4.560
4.559
4.5605
4.5595
4.5585
4.559
4.559
4.5595
4.559
4.557
1.1045
4.5594 X 1.1045
= 5.0386 Millivolt
d.i.— 196.1760 Gels.
•Starrun j
druck
mm
86.5 - 87.0
86.5" 87.0
80-81
79.2
77
83
81.5
89-90
89
75-76
77
88
II
4.740 X 1.1045
4.741
4.7415
4.741
4.737
4.7395
4.739
4.739
4.739
4.741
4.741
4.7395
Mittel: 86 4.739Ü x 1.1045
- 5.23488 Millivolt
d.i. 210.620 Gels..!
wenn die Temperatur mit einem i
Wasserstoffthermometer mit
konstantem Volum gemessen
und a — 0.0036625 gesetzt wird
(vergl. oben).
*) Da aus dem G-ang der Versuche zu sehen war, dass der Erstar-
nugsdruck höher ist, wenn der Stickstoff reiner ist, werden die Einzel-
werte mit den nebenbezeichneten Gewichten in Rechnung gesetzt, um
den Mittelwert zu bilden.
136
Sitzung der math.-phys, Classe vom 3, Mai 1902.
Für die Dampfspannung bei niedrigen Drucken ergibt sich
durch graphische Interpolation aus den Werten der Tafel L
folgende Tabelle:
Dampfspannung des gesättigten Stickstoffdampfes.
Druck
E. M. K.
des
Thermo-
elementes
Temperatur
in
mm Hg
Celsiusgrade
für
Absoluter ^)
in Millivolt
a = 0.0036625
Wert
_^
760
exti-apoliert
— 195.67
77.33
714.5
5.03586
- 196.176
76.824
700
5.0382
- 196.345
76.655
650
5.0465
— 196.944
76.056
600
5.0553
-- 197.58
75.42
550
5.0647
- 198.25
74.75
500
5.0748
- 198.98
74.02
450
5.0857
- 199.77
73.23
400
5.0975
- 200.62
72.38
350
5.1105
- 201.554
71,446
300
5.1249
- 202.59
70.41
275
5.1332
-203.19
69.81
250
5.14145
— 203.79
69.21
225
5.1512
— 204.49
68.51
200
5.1611
- 205,20
67.80
180
5.1702
- 205.86
67.14
160
5.1801
— 206.57
66.43
140
5.1911
— 207.37
65.63
120
5.2033
- 208.245
64.755
100
5.219
- 209.38
63.62
86 + 4
5.23488
— 210.52
62.48
Erstarrungs-
punkt
6. Zur Prüfung der beobachteten Dampfspannungen
wurden die Werte dieser Tabelle zunächst in die Dühring'-
sche*) Siedepunktsformel eingesetzt, nach welcher
= a
= konstant sein soll, wenn (q und ^^ die Siedetemperaturen
*) Auch hier ist als absoluter Nullpunkt — 273® C. genommen, wie
gewöhnlich, statt —273.04 wie er nach den Chappuis'schen Unter-
suchungen sich ergibt und wie auch wir ihn bei unseren Untersuchungen
streng genommen zu Grunde legen müssten (vergl. oben S. 124 u. 131).
2) U. Dühring, Wied. Ann. 11 p. 163, 1880.
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs. 137
zweier Substanzen bei einem bestimmten, aber beliebig ge-
wählten Drucke Pq und t und t' die Siedetemperaturen der-
selben Substanzen bei einem beliebigen anderen Drucke p be-
deuten. Nimmt man als Bezugssubstanz Wasser und als 2>o ^^^
n , no^ TT . . ^0 = - löS.e?'^ C. für Stickstoff,
Druck von 760 mm Hg, so ist . , -, a^^ aao rt n*. ttt
^' ^0 = + 100.00® C. für Wasser,
und es ergibt sich unter Benützung der Dampfspannungs-
tabellen für Wasser von Wiebe und von Regnault-Broch:
At^(^ 200.62 - 195.67 . .. .
^ = *^*^ « = 373 -355.95 = ^"^^^
Qnn 202.59-195.67 . __.
^ = ^^^ « = 373 -348.97 = ^'^^^
onn 205.20 — 195.67 . „_ .
^ = 200 g = -373-^^39-48 = ^-2^^
,.- 209.38 — 195.67 _ „ .
1, = 100 g = -^73 -324.7-Ö = ^'^^^
_ 210.52-195.67 . __.
^ = 86 g = -^73^32X66 = ^-2^^'
also in der That eine solche Konstanz, wie sie nach dem Ver-
halten der bereits genauer untersuchten Flüssigkeiten bei der
Dühring'schen Formel nicht besser zu ervrarten ist.
Eine strengere Prüfung ermöglicht wohl die Ramsay-
Young'sche^) Beziehung zwischen den Siedepunkten
zweier Substanzen, da sich die Ramsaj- Young'sche
Formel in sehr vielen Fällen als zutreffend erwiesen hat, so
dass Baly*) sogar auf Grund derselben aus zwei beobachteten
Dampfspannungen des Stickstoffs die Siedetemperaturen für
Drucke zwischen 717.0 und 2812.0 mm Hg berechnet hat.
Bezeichnen Ta und Tl, die absoluten Siedetemperaturen zweier
>) W. Ramsay und S. Young, Phil. Mag. 21 S. :k3, 188G; vergl.
aach N ernst, theoretische Chemie, 2. Aufl., S. 315.
*) E. C. C. Baly; Phil. Mag. 49 S. 527, 1900.
138 Sitzung der mathrphys. Classe vom 3. Mai 1902.
Substanzen A und B bei ein und demselben Druck, Ta und Tb
die absoluten Siedetemperaturen der nämlichen Substanzen bei
einem anderen, aber wieder für die beiden gleichen Druck, so
ist nach Rarasay-Young:
T T'
wo c eine für A und B konstante Grösse bedeutet.
Trägt man also die absoluten Siedetemperaturen Ta als Or-
T
dinaten, die Verhältnisse ^ als Abszissen auf, so muss die
dadurch definierte Kurve eine gerade Linie sein. Wir nahmen
als Vergleichssubstanz (-4, Ta) wiederum Wasser und erhielten
in der That für das Druckintervall von 760 — 120 mm eine
überraschend gute Annäherung der Kurve an eine gerade"
Linie; von 120 mm ab bis zum Erstarrungsdruck jedoch nimmt
die Kurve plötzlich einen sehr stark gekrümmten Verlauf.
Für die Punkte, welche dem Druckintervall
von 760 — 300 mm angehören, wird die Konstante c = 0.000233
für die Punkte im Intervall
von 300—120 mm wird c = 0.000226.
Zieht man Gerade fcr, bezw. 6?^, welche sich an die Punkte
im ganzen Intervall von 760 — 120 mm möglichst gut anschliessen,
so wird c = c, = 0.0002282 bezw. c = c.^ = 0.000230^, je nach-
dem man die Gerade näher an die Punkte des Intervalles des
geringeren (250 — 120 mm) bezw. höheren Druckes (760 — 250 mm)
legt. Würde man den Siedepunkt und Erstarrungspunkt (Tab.
S. 135) durch eine Gerade G^ verbinden, die nun aber ausser-
halb aller Punkte zu liegen käme, so würde c^ = 0.0002556.
Das beste Bild von den Abweichungen, welche die be-
obachteten Werte gegenüber den aus der Ramsaj-Young'-
schen Formel sich ergebenden zeigen, erhält man, wenn man
die Beobachtungswerte jenen gegenüberstellt, welche sich aus
den Kamsay 'sehen Geraden 6rj, G^ und 6^3 ergeben, indem
T
man aus der Zeichnung die Verhältnisse ^- absticht und mit
den aus Tabellen entnehmbaren Werten Ta für Wasser multi-
pliziert. Die folgende Tabelle enthält diese Zahlen.
Fischer und ÄU: Dampfspannung des reinen Stickstoffs. 139
Dampfdrücke und ihre Aenderung mit der Temperatur.
1
Berechnet
Druck
Beobachiei;
Aus Raiusay-Geraden
Aus Ramsay-Geraden
AusRamsay-
Geraden
unH^
Oi
o^
^8
Ib\ueiB.^^ Grad
^Cels.lf.S«
Ib^eiB.^,^ Grad
n'Cels.JI
mmHg
Grad
0
(-195.67)
—195.673
—195.673
-195.652
0
(-195.78)
- 195.778
— 195.778
- 195.788
0
(-196.00)
.89.3
—195.999
.90.1
-195.999
89.35
- 195.990
M.75
46
-196.17«
-196.176
-196.176
-196.176
'
715
86.5
87.1
86.6
84.6
0
-196.345
—196.339
—196.345
- 196.345
675
83.5
84.6
84.6
82.0
0
-196.944
—196.930
—196.936
- 196.954
625
79.00
79.5
80.0
77.05
0
-197.58
—197.559
-197.561
- 197.604
575
74.1
74.36
73.56
71.7
0
—198.25
-198.232
-198.241
- 198.801
525
68.7
69.5
69.0
67.0
0
-198.98
—198.952
—198.966
- 199.047
475
63.1c
63.7
64.0
«1.«
0
—199.77
-199.737
—199.747
- 199.856
425
59.7
58.44
58.66
56.9
0
-200.62
—200.593
—200.600
- 200.785
375
53.16
52.9
52.7
50.9
0
-201.554
-201.538
—201.549
- 201.718
325
48.2
48.4
48.36
47.1
0
-202.59
—202.571
-202.583
- 202.779
275
41.7
40.80
40.75
39.6
i)
-203.786
—203.797
-203.811
- 204.040
225
35.3
35.24
35.00
84.1
10
-205.20
-205.223
—205.240
- 205.510
190
30.5
31.18
31.12
30.4
i)
—205.86
—205.865
—205.883
- 206.168
170
28.1
28.12
27.90
27.1
0
—206.57
-206.576
—206.600
- 206.906
150
25.1
25.3
25.28
24.5
0
-207.37
—207.367
—207.392
- 207.722
130
22.87
22.81
22.58
22.0
0
-208.245
-208.244
-208.278
- 208.632
110
17.6
19.67
19.63
19.13
0
- 208.765
—208.739
-208.770
- 209.137
0 1
-209.38^
-209.261)
-209.297)
- 209.677 >,
^
-209.69
1 1 fi i
—209.546
-209.581
- 210.042
93'
-Loci
(17.1)
(17.04)
(16.63)
^^ 1
-210.06
tb3.5/
-209.834
-209.873
- 210.270
+ 4 '
-210.521
—210.08 i
-210.12 J
-210.52 J
140 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 3, Mai 1902.
Ausser den Siedetemperaturen sind in derselben noch die
Ap
Verhältnisse —r^ für verschiedene Drucke eingetragen, da ge-
rade diese Grösse in der Clapeyron' sehen Formel eine ent-
scheidende Rolle spielt.
Man sieht aus diesen Zahlen, dass die beobachteten Siede-
temperaturen sich sehr gut in die Ramsay-Young'sche Formel
einfügen lassen. In dem Intervall von 760 bis 110 mm ist
für die Gerade G^ die Maximalabweichung zwischen beobachteten
und berechneten Werten nur 0.03^, für die Gerade G^ nur 0.04^.
Die Abweichungen, welche sich im Druck-Intervall von 110
bis 86 mm ergeben, erscheint uns darin begründet, dass die
Ramsay-Young'sche Formel nicht mehr zutriflft, wenn der
Siedepunkt eines Körpers sich seinem Erstarrungspunkt nähert.
Denn auch bei den anderen Substanzen zeigt sich, dass diese
empirisch festgestellte Formel nur eine Annäherung darstellt, wie
sich aus den zahlreichen Beispielen der Ramsay-Young'schen^)
Arbeit ergibt. Namentlich sei hier auf das Beispiel der Essig-
säure (1. c. S. 45) hingewiesen, deren Siedepunkt bei niedrigen
Drucken nach der Beobachtung um 0.3^ tiefer liegt als der
nach der Rarasay-Young'schen Formel aus dem Vergleich mit
Wasser ermittelte Wert (vergl. später S. 148). Der Siedepunkt
für Aethylalkohol weicht bei 10 mm Druck (1. c. S. 36) sogar
um 0.8° von den beobachteten ab. Uebrigens würde auch aus
der Annahme, dass in unseren Beobachtungen nur der Siede-
punkt und Gefrierpunkt des Stickstoffes richtig wäre, und die
Ramsay-Young'sche Formel in dem dazwischen liegenden
Intervall streng gültig bliebe, sich zwischen den aus ihr inter-
polierten und den beobachteten Werten nur eine Maximal-
abweichung von 0.6® ergeben.
Dass sich unsere beobachteten Werte zwischen 760 mm
und 110 mm sehr gut an die Dühring'sche und die Ram-
say'sche Siedepunktsformel anschliessen , erscheint uns eine
wesentliche Stütze für die Annahme, dass wir bei den Beob-
^) W. Ramsay u. S. Young, Phil. Mag. V. 21, S. 34-51 ff. 1886.
Fis(her und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs, 141
achtungen nicht erheblich durch Siedeverzüge gestört waren.
Ferner machen sie es wahrscheinlich, dass auch der aus unseren
Beobachtungen extrapolierte Wert für den Siedepunkt des
StickstoflEs bei 760 mm nämlich — 195.67^ C. richtig ist. Der
Nutzen, den wir aus der Ramsay'schen Formel ziehen zu können
glauben, besteht in einer Ausgleichung unserer Beobachtungs-
werte. Macht man von ihr Gebrauch, um Unregelmässigkeiten
in den ersten Differenzen der Siedetemperaturen auszugleichen,
so ergibt sich folgende Dampfspannungstabelle' des Stickstoffes,
welche wir auf grund unserer Beobachtungen als definitiv
betrachten. Die Temperaturen geben wir hier auf 3 Decimal-
stellen an, obwohl natürlich höchstens die zweite Decimale
absolut genommen richtig sein wird, weil für die Berechnung
dp
der Grösse -j-^ und ihrer Aenderung die dritte Decimale noch
d t)
von wesentlichem Einfluss ist. Neben den Werten von -/^
a 1
Ap
= -T-ff 1 welche sich durch Rechnung aus den benachbarten p
und t ergeben, sind jene Werte angegeben, welche aus der
Dampfspannungskurve mittels Tangentenkonstruktion erhalten
wurden, um die Genauigkeit beider Berechnungsarten zu ver-
anschaulichen.
Nach der Dampfspannungstabelle, welche Baly (1. c.) für
Stickstoff bei hohem Druck angegeben hat, wäre
ll ^ 86 -^"^-p? - bei 738 mm Druck,
d'T Grad Geis.
||= 92 , , 783 ,
^ = 100 , , 831 ,
Es würde also in der Nähe von 760 mm der Baly'sche
Wert um 5 ^/o von dem unseren abweichen. Da wir annehmen
Ap
zu können glauben, dass unsere Werte für ,^ zwischen 700
und 600 mm Druck auf 1 ^jo genau sind, so ist wohl der
Bai j'sche Wert zu klein ermittelt. Bildet man in der Baly'schen
142 SÜBung der mathrphys, Glosse vom 3, Mai 1902,
Definitive DampfspauouiigstabeUe des chemischen Sticksto:
Teuipe
•atur
Druck p
iß
(
T
ÄbBoluteri)
Wert
Ap
durch
mm H^
Celiiaegrade
für
AT
Tafigenteo-
kojistruktioo
« = 0,0036625,
— I95.67i
ennlttelt
760
77.33
91.0
89.8
750
— 195J78
77.23
9tJ,4
— ^
730
- 196.9^8
77.00
89.3
—
715
- 196.170
76,83
87.8
88,A
700
- 196.34a
7ö,655
86.4
84.5
eso
— 196.93a
76,064
82,3
83.a
600
— IÜ7.5ÖÖ
75.44
76.7
75.fl
550
— 198.241
74.76
IIA
69.a
500
- 198.970
74,03
66.3
64.a
450
- 199 J5ü
73,25
61. S
6Li
400
" 200,60s
72.39s
66.0
54.7
375
— 201.06a
71.93»
63,2
5L6
350
— 20L540
7L46
50,7
50.0
325
- 202,053
70,95
48,1
48,4
300
- 202,580
70,42
45.S
45,4
275
- 203.150
69.85
41.1
4Li
250
- 203J9t
69.20
3Ö,3
36.D
225
— 204,470
68,53
35.«
35.4
200
— 205.20
67,00
31.0
31,a
lao
" 205.865
67,133
29.1
—
leo
— 206.575
66,425
26.ti
—
IBO
— 206.94s
66.Ü5S
25.3
25.4
uo
- 207,367
05.63
23,0
23,3
130
- 207,79a
65.21
22,6
22,11
120
- 206,246
64,756
20.:»
20,1
110
- 206.77
04,23
18.1
I7,f
100
— 209.353
63.05
15.6
16,0
95
- 209,085
63.316
14,1
-^
m
— 210.06
62.94
^-.
111.8J
861-4
- 210.52
EratatTUrprs-
(Hinkt
62,48
1
(7.a)
^) Auch hier ist, weil üblich, als absoluter Nullpunkt einf
— 273® C. gesetzt statt des bei unseren Messungen sich ergeben«
Wertes — 273.010 C. (vorgl. oben S. 13G).
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs. 143
Danipfspannungstabelle das Danipfdruckgefälle auch für die
höheren Drucke, so zeigen sich in dessen Gang ziemliche
Unregelmässigkeiten (vergl. S. 37). Als definitive Siede-
punkte des auf mindestens 0.3 ^/o reinen Stickstoffs glauben
wir auf grund unserer zahlreichen Versuche
- 196.17<> C. (76.87" abs.) + 0.05 bei 715 mm Druck.
- 195.67« C. (77.37^ abs.) + 0.05 , 760 ,
und als definitiven Erstarrungspunkt
- 210.520 C. (62.52« abs.) ± 0.2 bei 86 ± 4 mm Druck
angeben zu können, wenn das Constant-Volum-WasserstofiF-
thermometer als Temperaturmesser dient (vergl. unten S. 150)
und als absoluter Nullpunkt — 273.04^0. angenommen wird
(vergl. S. 135).
7. Aus der allgemeinen van der Waals'schcn
Gleichung:
folgt, dass bei gleichen reduzierten Siedetemperaturen
/ j . . ^. - , . absolute Siedetemperatur \
reduzierte biedetemperatur = -,-.-.-, -^ -—
V kritische lemperatur /
für alle Substanzen die reduzierten Dampfdrucke
= -7-^-; — r^ :r- z—] bleich sein müssen. Nach der
V kritischen Druck / °
Prüfung dieser Folgerung durch van der Waals, Young^)
und anderen trifft dies Gesetz nicht in dieser Allgemeinheit
zu; da jedoch seine Gültigkeit nur bestehen kann, so lange
die van der Waals'sche Grundannahme zutrifft, dass Flüssig-
keit und Dampf stets dieselbe Molekular-Konstitution besitzen,
dass also nicht etwa bei einer Veränderung der Substanz Molekül-
assoziationen oder Dissoziationen eintreten, so sind die Ab-
weichungen, die man bemerkt hat, sehr verständlich, denn nur
wenige Substanzen werden während des Verdampfens ihren
Molekularzustand beibehalten. Am ehesten wäre von den
») S. Young, Phil. Mag. 33, S. 153, 1892; 34, 8. 505, 181)2. VoikI.
anoh W. N ernst, theoretische Chemie, II. Aufl. 8. 230.
144 Sitzung der mathrphys. Classe vom 3, Mai 1902,
schwercoerciblen Gasen ein Verhalten zu erwarten, wie es die
van der Waals'sche Gleichung angibt und namentlich Stick-
stoff und SauerstoJBF zeigen auch bei tiefen Temperaturen so
geringe Abweichungen vom Mariotte = Gay-Lussac'schen Gesetz,*)
dass die Frage sich aufdrängt, ob nicht für sie das van der
Waals'sche Gesetz zutriflFt. Wir berechneten daher für Wasser
und SauerstoJBF auf grund unserer Untersuchungen und der
Wiebe'schen und Broch'schen Tabellen für die Spannkraft
des Wasserdampfes und der Estreicher'schen*) Werte für die
Dampfspannung des Sauerstoffes zu bekannten Drucken^ die
reduzierten Siedetemperaturen ^ und ordneten die Dampfdrucke
nach den reduzierten Siedetemperaturen. Wenn nun auch die
Zahlen für korrespondierende reduzierte Dampfdrucke nicht
ihrem absoluten Betrage nach gleich sind, zumal die kritischen
Drucke nicht sehr genau ermittelt sind, so ist doch auf
grund der van der Waals'schen Gleichung zu erwarten, dass
bei gleichen reduzierten Siedetemperaturen zweier
Substanzen das Verhältnis der entsprechenden Dampf-
drücke eine konstante Grösse ist für beide Substanzen,
da ja bei gleichen reduzierten Siedetemperaturen für zwei Sub-
p p* . p Pk 1
stanzen — = — 7 , also -- = — r = konstant sein muss, wenn
Pk Pk p Pk
p und p' korrespondierende Drucke und pk und p'k die kritischen
Drucke für beide Substanzen sind. Das Resultat der Berech-
nung ist in der folgenden Tabelle dargestellt. Als kritische
Daten wurden angenommen
Für Stickstoff^) Tu = 127« abs. Temp.^* = 26600 mm Hg Druck,
, Sauerstoff*) rfe= 154« , , ^, = 44080 , , ,
„ Wasser'^) Tk=637« „ , i>fc = 200 Atmosphären.
») J. De war (1. c.) und Chemical News 85, S. 73—75, 14. Febr. 1902.
2) Est reicher (1. c.) und Travers, Experimental Study of Gases,
S, 240, 1902; wir bevorzugen die Estreich er'echen Werte, da er, wie
wir, zur Temperaturmessung das Konstant- Volum-Wasserstoffthermometer
benützte.
») Dressel, Lehrbuch der Physik 1, S. 314, 1900.
*) Travers, 1. c, S. 247.
^) Landolt und J3ürn stein, Tabellen II. Aufl.. S. 90.
Fisther und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs, l^^
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lyOL Sttznsgsb. d. niaili.-phy8. Gl.
10
146 Sitzung der math.-phys, Classe vom 3. Mai 1902,
Es lehrt die vorstehende Tabelle, dass für Sauerstoff und
StickstoflF bei gleichen reduzierten Siedetemperaturen das Ver-
hältnis der Drucke nahezu konstant ist, während sich zwischen
Wasser und Stickstoff erhebliche Differenzen ergeben. Aus dem
Gang der Konstanten würde zu schliessen sein, dass bei niedrigem
Druck die Dampfspannung des Stickstoffes im Verhältnis zu
der des Sauerstoffes etwas zu niedrig ist; es würden demnach
in Stickstoff allenfalls bei niedrigem Drucke Assoziationen von
Molekülen stattfinden können, wenn auch nur in unerheblichem
Masse. Die korrespondierenden reduzierten Drucke stimmen
für Stickstoff und Sauerstoff unvergleichlich besser überein als
die für Wasser und Stickstoff.
8. Berechnung der Verdampfungswärme des reinen
Stickstoffes. Nachdem in der jüngsten Zeit De war*) das
spezifische Volumen des gesättigten Stickstoffdampfes experi-
mentell bestimmt hat und durch unsere Versuche —^ bei
AT
760 mm auf ca. 1 °/o genau festgestellt ist, so lässt sich die
Verdampfungswärme des reinen Stickstoffs nach der Clapey-
ron'schen Formel j
berechnen. Es ist das spezifische Volumen^) des flüssigen
Stickstoffs 1 ^^_
^ =1.265^'=°'
* 0.791 — gr
das spezifische Volumen des gesättigten Stickstoffdampfes')
^^^•^^ X 77.33 = 219.5 ''"^
Drückt man
90.5 gr
Dyn
Ap^ . r
AT '"^ [cm»l
aus und nimmt
' Grad Celsius
man als Wärmeeinheit die 15 Grad -Grammkalorie, so wird
das mechanische Wärmeäquivalent')
A = 427 g gew. x m = 419 x 10* Erg
^) J. De war, Chemical News 85, S. 73—75, 1902.
2) Travers, 1. c, S. 247.
3) M. Planck, Thermodynamik. S. 133.
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs. 147
und es ergibt sich als Verdampf ungs wärme des reinen Stick-
stoffes bei seinem normalen Siedepunkt für ^ = 760 mm
f ^ 77.33(219.5 — 1.8) x 91 x 3.183 x 10"^ = 48.9 (IS^- Kai.).
Für sehr sauerstoJBFreiche Luft hat U. Behn*) 50.8 Kalorien
gefunden, es würde demnach die Verdampfungswärme des Stick-
stoffs etwas kleiner sein, als die des Sauerstoffs. Macht man
die Annahme, dass die spezifischen Volumen des gesättigten
Stickstoffdampfes in dem Intervall von 62® bis 77" abs. aus
dem von De war direkt gemessenen Wert von 256.83 bei 760 mm
Druck und 90.5® abs. nach dem Mariotte Gay-Lussac'schen
Gesetz berechnet werden können und setzt man für das spezi-
fische Volumen der Flüssigkeit den oben angegebenen Wert
ein, so lässt sich auf grund unserer Dampfspannungstabelle die
Verdampf ungs wärme des reinen Stickstoffs bis zu 150 mm
Druck mit einer Genauigkeit von ca. 1 bis 3 °/o berechnen.
Die Anwendung des Gasgesetzes dürfte kaum einen grösseren
Fehler hervorbringen, da sich durch die Dewar'schen Mes-
sungen (1. c. S. 119) ergeben hat, dass das Sauerstoff- und
Stickstoff-Gasthermometer bis zu ihren Siedetemperaturen hinab
die gleichen Werte wie das Helium- und Wasserstoffthermometer
liefern, und dass das spezifische Volumen des gesättigten Sauer-
stoffdampfes bei dessen normaler Siedetemperatur nur um
231.8-225.8 = 6.0 -^^, das ist nur 2.6 % kleiner ist als
gr
der nach dem Mariotte =Gay-Lussac'schen Gesetz aus der nor-
malen Gasdichte des Sauerstoffes bei 0" und 760 mm berechnete
Wert.*) Es ergibt sich nach der Clapeyron'schen Formel
für die Verdampfungswärme des reinen Stickstoffs bei niedrigen
Drucken p folgende Tabelle, wenn v^ durch die Formel
___ 256.83 X 760 T ccm
^^ "" 90.5 * p gr
berechnet wird.
») ü. Behn, Drude's Annalen 1, S. 274, 1900.
2) J. Dewar, Proc. Roy. Soc. Vol. 08, 1901; Chem. News. Vol. 83,
S. 97, 1900; 85, S. 74, 1902.
10*
148
Sitzung der mathrphys. Glosse vom 3, Mai 1902,
Verdampfungswärme des Stickstoffs.
Specifisches
Ver-
Für
Für
Druck
Temperatur
Volum
des Dampfes
dampfungs-
äussere
Arbeit
innere
Arbeit
mm Hg
absol.
r ccml
*L gr J
wärme
verbrauchte
verbrauchte
r[150Cal.]
Wärme
Wärme
760
77.33
219.5
48.9
5.27
43.6
730
77.00
227.4
49.51
—
—
600
75.44
271.1
49.7
5.15
44.5
500
74.03
319.3
49.7
5.06
44.6
400
72.40
390.3
50.2
4.95
45.2
300
70.42
506.2
51.5
4.82
46.7
250
69.2
596.9
50.1
4.74
45.4
225
67.80
656.8
50.9
—
—
180
67.13
804.2
49.9
4.60
45.3
170
66.78
847.1
50.5
—
—
150
66.45
949.6
50.45
4.53
45.9
120
64.75
1163.6
48.64
4.44
44.2
100
63.65
1372
43.1
4.37
38.7
90
62.94
1508
35.6
4.32
29.3
Es würde demnach die Verdampfungswärme des Stick-
stofiFes und zwar sowohl die gesamte als die innere latente
Darapfwärme mit sinkender Temperatur erst anwachsen, ein
Maximum zwischen 400 mm und 150 mm erreichen, um dann
sehr rasch abzunehmen. Die Schwankungen in den einzelnen
Werten sind durch den grossen Einfluss der nur schwer be-
stimmbaren Grösse
dp
TT
verursacht. Man sieht aber aus der
Tabelle, dass jedenfalls die Untersuchung der Verdampfungs-
wärme des StickstojBFs in der Nähe seines Erstarrungspunktes
besonderes Interesse verdient. Sie dürfte über die oben er-
wähnten (S. 140) Abweichungen bezüglich der Ramsay 'sehen
Formel näheren Aufschluss geben. Der eine von uns ist zur
Zeit damit beschäftigt, diese Grösse experimentell zu bestimmen.
Ein ähnliches Verhalten wie das des Stickstoffs wäre, ist bei
der Essigsäure bereits bekannt.*)
^) W. Ramsay und S. Young, Zeitschrift f. Physikal. Chem. 1,
S. 250, 1887.
Fischer und Alt: Dampfspannung des reinen Stickstoffs, 149
9. Die Kenntnis der Verdampfungswärme des reinen
Stickstoffes ermöglicht nun die bereits oben (S. 133) erwähnte
Bemerkung, dass bei verschiedenen Stickstoffproben Siedepunkts-
erhöhung und Qefrierpunktserniedrigung parallel auftreten,
quantitativ näher zu verfolgen. Fasst man nämlich flüssige
Luft als Lösung von Sauerstoff in Stickstoff auf, und
wendet man die allgemeine van t' Hoff 'sehe Formel für die
Siedepunktserhöhung,*) welche ein Molekül des gelösten Stoffes
(Sauerstoff) in 100 g des Lösungsmittels (Stickstoff) hervor-
bringt, auf unseren Fall an, so wird nach van t'Hoff
T-T = 0-0198 X T\
0 y '
4o.y
bei 760 mm Druck; das wäre also die Siedepunktserhöhung,
welche 32 g Sauerstoff in 100 g Stickstoff hervorbringen. Es
würde daraus
für 1 g Sauerstoff in 100 g Stickstoff 0,0768*^ Siedep.= Erhöhung
folgen. Nehmen wir an, wir hätten bei unseren Versuchen
Stickstoff gehabt, der im Maximum 0,5 ®/o Sauerstoff enthielt,
80 würde das eine Siedepunktserhöhung von 0,038® geben,
also eine Unsicherheit liefern, die*kleiner ist als die oben an-
gegebene Fehlergrenze, die wir bereits vor der Berechnung
der Siedepunktserhöhung angenommen hatten. Es lässt sich
diese Auffassung der flüssigen Luft als Lösung von Sauerstoff
in Stickstoff zahlenmässig prüfen durch die Beobachtungen
Baly's*) über die Aenderung der Siedetemperatur normal
*) M. Planck,' Thermodyn. S. 233, 1897 und Kohlrausch, Lehr-
buch der pr. Phys., 9. Aufl., S. 170, 1901. Der Dampf eines Gemisches
von Sauerstoff und Stickstoff enthält nach Baly Phil. Mag. 49, S. 519,
1900 einen sehr viel kleineren Procentgehalt an Sauerstoff als die Flüssig-
keit, 80 dass die Dampfspannung des Sauerstoffs im Dampfe angenähert
vernachlässigt werden kann, so lange die Flüssigkeit nicht mehr als
10 bis 20 ^lo Sauerstoff enthält.
2) E. C. C. Baly, Phil. Mag. 49, S. 521, 1900.
150
Sitzung der math.-phys. Clause vom 3. Mai 1902.
siedender Gemische von Sauerstoff und Stickstoff. In der
folgenden Tabelle enthält I und II die Beobachtungen Baly's,
III die dadurch bestimmten Siedepunktsdifferenzen ; in IV sind
die aus der allgemeinen van t' Hoff 'sehen Gleichung be-
rechneten Siedepunktserhöhungen eingetragen, und in V die
Siedepunktsdifferenzen, welche sich ergeben, wenn man als
Wert für den Siedepunkt des reinen Stickstoffs unseren
Wert 77,33" abs. annimmt, im übrigen aber die Baly 'sehen
Zahlen verwendet.
Siedepunktserhöhungen des Stickstoffs bei 760 mm Druck.
Baly's Beobachtungen
III.
Mit Baly's
Siedepunkt
77.54 abs.
erhalten
IV
Nach
van t' Hoff
berechnet
0.00
0.62
1.16
1.64
2.105
V
I
^}i) Sauerstoff
II
Absol. Siede-
temperatur
Mit unserem
Siedepunkt
77.33 ± 0.050
berechnet
0.00
8.10
15.25
21.60
27.67
77.54
78.0
78.5
79.0
79.5
0.00
0.46
0.96
1.46
1.96
0.67 + 0.05
1.17 + 0.05
1.67 + 0.05
2.17 + 0.05
Die Tabelle gibt eine Uebereinstimmung mit der van t 'Hoff-
sehen Formel, die überrasch^d gut ist. Der Unterschied zwi-
schen den mit Hilfe des Baly 'sehen Siedepunktes des reinen
Stickstoffes ermittelten Siedepunktserhöhungen und den nach
van t'Hoff berechneten legt den Schluss nahe, dass der
Baly 'sehe Stickstoff* nicht genügend rein war, da die Diffe-
renzen zwischen den entsprechenden Zahlen in Kolumne III
und IV konstant sind; der Unterschied von 0,18® würde einer
0 18
Verunreinigung von -FTryfw- = 2.4 ^fo Sauerstoff entsprechen,
d. i. eine Verunreinigung, die sehr leicht unterläuft, wenn
man sich nicht sehr in Acht nimmt, den Stickstoff mit Luft
nicht in Berührung zu bringen; schon wenn der Stickstoff vor
der Verflüssigung in einem Gasometer aufgefangen wird, erhält
man leicht 2 ®/o Sauerstoff beigemengt.
Fischer und Alt: Dampfspannuinj des reinen Stickstoffs. 151
Allein es kann die Differenz von 77.54 — 77.37 = 0.17^
zwischen unserem Werte für den Siedepunkt des reinen Stick-
stofls und dem Baly' sehen auch davon herrühren, dass Baly
erstens mit einem WasserstoflFthermometer für konstanten Druck,
wir mit einem solchen für konstantes Volum die Temperaturen
bestimmten und dass zweitens Baly wahrscheinlich einen an-
deren Temperaturkoeffizienten für Wasserstoff angenommen
hat als wir; Baly gibt leider in seiner Arbeit diesen nicht
an. Wahrscheinlich hat Baly den Wert a (für konstanten
Druck) = 0.0036600 verwendet, den Travers (Experimental
Study of Oases S. 151, 1901) angibt. Es würde in diesem
Falle als absoluter Nullpunkt — 273.22 zu nehmen sein d. h.
derselbe um 0.18® tiefer liegen als für das Konstant volum-
wässerstoflfthermometer, für das a (für konstantes Volum)
= 0.0036625 gesetzt wird; dann würde unsere Beobach-
tung des Siedepunktes des reinen Stickstoffs mit jener
ßaly's bis auf 0.17— 0.14 = 0.03** genau übereinstimmen.
Die experimentelle Feststellung der Gefrierpunkts-
erniedrigung des Stickstoffs, die sich ohne besondere
Schwierigkeit anstellen lässt, und die Beobachtungen der
Schmelzwärme des Stickstoffs würde die obige Ansicht über
die Natur der flüssigen Luft noch weiter zu prüfen gestatten;
nimmt man an, dass sie bereits durch Vergleich der theoretisch
und experimentell ermittelten Siedepunktserhöhungen genügend
begründet ist, so würde die experimentelle Ermittlung der
Gefrierpunktsemiedrigung allein zur Berechnung der Schmelz-
wärme nach der van t' Hoff 'sehen Formel dienen können.
Nach dem Verhalten der Lösungen zu schliessen,
würde Stickstoff bei genügend tiefer Temperatur aus
flüssiger Luft ausgefällt werden können und damit
ein sehr vollständiges Trennungsverfahren für Sauer-
stoff und Stickstoff erzielbar sein. Der eine von uns
ist nach dieser Richtung hin mit Versuchen beschäftigt.
152
Sitzung vom 7. Juni 1902.
1. Herr Carl v. Linde macht eine Mittheilung über:
^Beobachtungen bei der fractionirten Destillation
und Rectification flüssiger Luft**. Dieselbe wird ander-
weit zur VeröflFentlichung gelangen.
2. Herr Ferd. Lindemann legt eine Abhandlung: »Ueber
das Pascal'sche Sechseck** vor.
3. Herr K. A. v. Zitiel überreicht eine Arbeit des Ober-
medizinalrathes a. D. Dr. Joseph Georg Egger: „Ergänzungen
zum Studium der Foraminiferen-Familie der Orbito-
liniden* (mit 2 Tafeln). Dieselbe ist für die Denkschriften
bestimmt. '
4. Herr Alfr. Pringsheim macht eine Mittheilung: „Zur
Theorie der ganzen transcendenten Funktionen*.
5. Herr Aug. Rothpletz hält einen Vortrag: „üeber den
Ursprung der Thermalquellen zu St. Moritz**.
153
üeber das Fascarsche Sechseck.
Von F. Lindemann«
(Eifig0!aufen 7. Juni.)
Es gibt eine ausserordentlich grosse Zahl von Lagen-
beziehungen zwischen den Punkten und Linien der vollständigen
Figur des PascaPschen Sechsecks. Sie beziehen sich meistens
auf die Steiner'schen und Kirk man 'sehen Punkte, in denen
sich die Pascal'schen Linien zu dreien schneiden, und auf
die Gruppirung dieser Punkte auf gewissen anderen Geraden.
Im Folgenden soll eine Lagenbeziehung abgeleitet werden,
die sich auf einfache Schnittpunkte der Pascal'schen Linien
mit solchen Verbindungslinien PascaTscher Punkte bezieht,
die nicht selbst Pascal'sche Linien sind.
Wir bezeichnen die sechs Punkte des Kegelschnittes in
üblicher Weise mit den ZifiFern 1, 2, 3, 4, 5, 6, ferner die
Verbindungslinie der Punkte 1 und 2 z. B. durch das Symbol
1 — 2 und den Schnittpunkt der Linien 1 — 2 und 3 — 4 durch
das Symbol
(12—34).
Auf einer PascaPschen Linie befinden sich dann z. B.
die drei Pascal'schen Punkte
(12 — 34), (35 — 26), (46—15).
Nach dem Vorgange von Salmon bezeichnen wir diese
Linie durch das Symbol
12 . 35 . 46
34 . 26 . 15
154
Sitzung der math.-phya. Glosse vom 7. Juni 1902.
M
46 • 35
15-26
12
34
das mit den Symbolen
35 -46 -12
26 • 15 • 34
gleichbedeutend ist; in jeder der beiden Horizontalreihen dieses
Symbols muss jeder der sechs Punkte gerade einmal vorkom-
men. Diese 60 Pascal'schen Linien schneiden sich zu dreien
in den 45 Steiner 'sehen Punkten; z. B. die drei Linien
I 12.35-46) f 34 -26 -15) ] 56 - 14 • 23 )
I 34 - 26 - 15 I ' I 56 • 14 - 23 I ' | 12 • 35 - 46 |
gehen durch einen Stein er 'sehen Punkt, den wir mit Salmon
durch das Symbol
f 12-35
34 - 26
56.14
46
23
bezeichnen. Jede der Ziffern 1, .... 6 steht hier in jeder
Horizontal- und Vertical-Reihe je einmal; vertauscht man die
Horizontalreihen unter einander oder die Verticalreihen unter
einander, so bleibt der so bezeichnete Punkt ungeändert.
Ausserdem schneiden sich die 60 Pascal'schen Linien zu
je dreien in den 45 Kirkman'schen Punkten, z. B. die drei
Linien
112-35-46) I 34 -26 -15) (56-13-24)
( 34 - 26 - 15 J ' ( 56 ■ 13 • 24 ) ' ( 12 - 46 - 35 )
in einem Punkte, den wir (wieder mit Salmon) durch das Symbol
12-35-46
34-26-15
. 56 • 13 - 24
bezeichnen, wobei wieder die Anordnung der Verticalreihen
und der Iloiizontalreihen je unter sich gleichgültig ist. Der-
selbe Punkt würde überdies durch die Symbole
12 • 46 •
35
34
26
•15
56 • V?,.
24
oder .
56
13
24
34 - 26
15
12
46
35
F. Lindemann: Ueber das Pascal'sche Sediseck.
155
bezeichnet werden; denn die Linien
12 . 46 • 35 ) f 56 • 13 • 24
. 56 • 13 . 24 ( ' I 34 • 26
oder
34-26
56- 13
] f 56 -13 -24) I 34 -26 15)
( ' I 34-26 15 ) ' ( 12.35-46 J
•15 1 I 56 13 -24) (12-46 -35)
•24 j '[ 12-46-35 j ' 134-15-26 J
sind vor den zuerst gegebenen drei Linien nicht verschieden.
In dem Symbole des Kirk man 'sehen Punktes ist eine Vertical-
reihe vor den beiden anderen ausgezeichnet, indem nur diese
alle sechs Punkte ohne Auslassung und ohne Wiederholung
enthält; diese Verticalreihe ist durch einen darüber gesetzten
horizontalen Strich markirt.
Auf jeder Pascal'schen Linie gibt es drei solche Kirk-
man'sche Punkte, z. B. auf der Linie
die Punkte
12-34
45-16
•56)
-23|
12 - 34 • 56
45-16-23
36 - 24 - 15
12-34
■56'
45 16
23
» ■
13-25
■46
12 • 34 • 56
45-16-23
26 - 35 - 14
12
35 - 46 '
45
■26-13
' » •
36
15 • 24
15
34
■26'
24
16
35
^ 1 '
13
25
46
Ferner liegen zwanzigmal drei Kirkman'sche Punkte mit
einem Steiner'schen Punkte auf einer Cayley-Salmon'schen
Geraden, und zwar z. B. die drei Punkte
13-24-56
46 • 15 - 23
35-26-14
mit dem Steiner'schen Punkte
12 •34- 56)
45-16 23
36-25-14
Die Beweise für diese und viele andere Sätze werden be-
kanntlich am leichtesten mittelst des Dcsargu es' sehen Satzes
156 Sittung der math.'phy8. Gasse vom 7, Juni 1903,
über perspectiv isch liegende Dreiecke geführt,^) der auch die
Orundhige der folgenden Betrachtung bildet.
Ks seien zwei Dreiecke A^ und Jj, bezw. durch die fol-
geiulon Linien gebildet:
Ij : /, oder 1 — 2, l^ oder 3 — 4, l^ oder 5 — 6;
_ jl2.35.461 ^|16.35.42) ^|13. 56.24)
*~(45.16.23J' 2~\34.26.15J' ^~ \46. 23.15 J'
Die Seiten der Dreiecke mögen einander so zugeordnet
Wk'i'don, wie sie hier unter einander stehen.
Kntsprechende Seiten der Dreiecke A^ und A^ schneiden
«ich dann in den Pascal'schen Punkten
(12 — 45), (34 — 1 6), (23 — 56),
welche sich auf der Pascal'schen Linie
I, :>l
^ I 12 . 34 . 56 i
145.16.23 j
iM^liiulen, Diese beiden Dreiecke liegen also perspectivisch, und
VH mllss(»n auch die Verbindungslinien entsprechender Ecken
(luH'h (»inen Punkt gehen. Als Ecken von A^ haben wir die
Piisciirschen Punkte
(34 — 56), (56 - 12), (12 — 34),
und hIn zug(»()rdnete Ecken von A^ zwei mit P und Q be-
/i^itlinete Punkte und einen PascaTschen Punkt, ncmlich
(15-24), P, (3,
svolixi uImo /' den Schnittpunkt der Linien
( 13. 56 -24 1 ^ f 12 -35 -46]
l-J«. 23.15) ""^ 145.16.23}
') V^'l. «lio zahln»irhen Anwendungen dieser Beweismethode bei
r. VoroiifNi', Nuovi teoremi sull' Hexagnimmum mysticum, Atti della
|{. AirjuliMniii ilri Lincei; Ser III, classe di sc. fis., mat. e naturw. 1877
\\\\\\ WtMlokind, Lagcnbeziehungen bei ebenen, perspectivischen Drei-
m-kiMi, Math. AiinaltMi, Hd. 16, 1871).
F. Idndemann: Ueber das Pascal'iche Sechseck 157
oder kurz den Punkt
p _ rj 13 • 56 • 24 J _ I 12 • 35 • 46 1 1
[{46 -23 15) l45-16-23|J
bezeichnet, und ebenso Q den Punkt
O— rn^- 35-46 )_f 16.35-42 1]
^ Li 45 -16 -23 1 \ 34-26-15 iJ"
Die Verbindungslinie der Ecke (34 — 56) von ^J, mit der
zugeordneten Ecke (15 — 24) von zJ, ist die Pascal'sche Linie
_ I 34 - 15 • 26 1
~ I 56-24-13 J'
diese geht also durch den Schnittpunkt der Linien
[P— (56 — 12)] und [(3 — (12-34)],
den wir zur Abkürzung als Punkte bezeichnen.
Um zu einem solchen Punkt E zu gelangen, theilt man
die sechs gegebenen Punkte in drei Paare, etwa: 1 — 2, 3 — 4,
5 — 6 (was auf 15 Arten geschehen kann); dadurch ist die zu
benutzende und oben definierte Pascal'sche Linie L nicht ein-
deutig bestimmt, kann vielmehr durch eine der folgenden
ersetzt werden:
,^{12-56-34
I46-23-15
1 r"_/12-56-341 ,„_|12. 56-341
j' I35-2416)' 145-13-26/'
{12-56-341 i<,_(12-56-341
136-24 -15)' (46 -13 -25)'
12-56-34 12-56341
135 14- 26)' 1 36- 14-25 )•
Hat man L unter diesen acht Linien ausgewählt, so gibt
es zu jeder noch drei Linien A\ bei der oben gewählten war
das Paar 1 — 2 ausgezeichnet; mit ihr gleichberechtigt sind
die beiden:
12 • 53 - 64
34 - 62 - 51
I 12-35-461
»~1 56-42-31)' »~
158
Sitzung der mathrphys, Classe vom 7. Juni 1902,
Durch L und A ist dann Aj eindeutig bestimmt, ebenso
Ag und A3, denn die zu Aj in A^ gegenüber Hegende Ecke ist
durch die Schnittpunkte der Linien l^ und l^ mit L, d. h. durch
die Punkte (23 — 56) und (34 — 16) vollkommen bestimmt.
Im Ganzen gibt es hiernach
15 . 8 . 3 = 360
Punkte jB; auf jeder PascaPschen Linie befinden sich
also sechs solche Punkte.
Gehen wir z. B. von der Pascal'schen Linie A aus, wo
wieder
A
I 34.15-26 1
\ 56 . 24 . 13 1
gewählt wurde, so wird auf ihr ein Punkt E bestimmt sein,
sobald noch eine zugehörige Linie L passend gewählt ist; das
kann aber in der That auf sechs verschiedene Arten geschehen ;
und zwar findet man je zwei Linien L für jede der drei noch
möglichen Theilungen der sechs Punkte in drei Paare:
I 34, 56, 12,
II 15, 24, 36,
III 26, 13, 45.
Für I ergibt sich:
Li
ebenso :
=1
Lu =
Lm ^
12.34
45-16
36-15
45-32
45-26
12-35
56
23
24
61
13
46
Li =
!•
12
36
36
12
45
36
34-56
25-14
15-24
46-35
26-13
14-25
Je zwei zusammengehörige Linien schneiden sich in einem
Steinei'schen Punkte; diese Punkte nennen wir Sj, Su, Sm,
nemlich:
12 -34 -561
-S/ = ,'45-16-23'
=1:
36 -25 -14]
Sn
'36-15-24
45-32-61
.12-46-35
, Sm = \
45-26-13'
12-35-46
36-I4-25J
F. Lindemann: üeber das Pascal* sehe Sechseck. 159
Den drei Symbolen ist die erste Verticalreihe gemeinsam;
ihnen beigeordnet ist ein vierter Punkt
134 . 56 . 12 ]
15. 24. 36 [,
26 . 13 . 45 j
dessen Symbol dieselbe Verticalreihe enthält.
Vertauschen wir entweder 4 mit 5 oder 3 mit 6 oder 1
mit 2 und ersetzen dem entsprechend A bes. durch
.._f35.14.26l ,,_|46.15.23l ,_|34.25 16l
~J46.25.13J' ~|35. 24.161' J56.14.23J'
so werden statt der Punkte Sy, /S//, Sm bes. die Punkte
Sü, Si, Siv für A"'
Sjjij S/F, Sj j, A
Siv, Sin, Sii „ A
benutzt. Je vier Linien A führen also hierbei auf dieselbe
Gruppe von vier Steiner'schen Punkten, wie es sein muss, da;
es 60 Pascal'sche Linien und nur 15 solche Gruppen von
Steiner'schen Punkten gibt.
Zu jedem Steiner'schen Punkte gehört bekanntlich ein
conjugirter; er ist conjugirter Pol desselben sowohl in Bezug
auf den Kegelschnitt, der die Punkte 1, 2, 3, 4, 5, 6 enthält,
als in Bezug auf einen der zehn zugehörigen Bäuerischen
Kegelschnitte;*) man erhält ihn, indem man Horizontal- und
Verticalreihen im Symbole des gegebenen Steiner'schen Punktes
vertauscht. Zu Siy ist so der Stein er'sche Punkt
r 34 . 15 . 26 I
Sjv = { 56 . 24 . 13 [
l 12.36-45 J
conjugirt; er befindet sich auf der Linie yl, von der wir
ausgingen; ebenso liegen die zu Sm, Su, Si conjugirten Punkte
') Vgl. G.Bauer, Ueber das Pascarsche Theorem, Abhandlungen
d. k. bayer. Akademie, II. Chisse, Bd. 9, 1874.
160
SÜMung der wath^-phjfS. Ciaae vom 7, Juni 1902
bez. auf den Linien Ä'\ Ä"^ A\ Diese vier conjugirten Punkte
befinden sieb überdies auf einer sogenannten Steiner sehen
Geraden-
Bringt man die Linien L in anderer Anordnung zum
Schnitte, so ergeben sich drei Kirk manische Punkte» deren
Symbole eine gern einsame Verticalreihe haben, nemlich
\ 36 < 15 . 24 I
CXi-Zk) =
. f 12 ■ 46 • 35 I
I 45 » 13 > 26 I
45 ' 26 ■ 13
36 - 14 - 25
12 ' 56 ' 34
Diese einzelnen Bemerkungen sind Folgen der Thatsache,
von der wir ausgingen, und die wir dahin aussprechen künnen,
dass zu jedem Dreiecke, dessen Seiten die Ecken des
Sechsecks enthält, acht Gruppen von je drei Dreiecken
gehören, deren Seiten PascaPsche Linien sind, und
deren jedes zum ersten Dreiecke jjer.spectivisch liegt.
Gebt man andererseits von der Linie
H
_ j 12- 35. 46 1
' ~ I 45 • 16 . 23 I
BUS, SO künnen die zugehörigen Paare ^, und I, auf drei rer-
scbiedenc Weisen nach leicht erkennbarem Gesetze gewählt
werden, neoilicb
46
13
11 =
12
34
23-15
56.24
16-24
25-36
45-36
26-15
}•
_ f 35 16.24 i
»~ 126 • 34.15 j'
., ^ ( 12-45.36 I
"' 156 13 •24/'
.. _| 46.23-15 I
*~125 14.36J"
Diese Linien schneiden sich paarweise in Steiner'scben
Punkten, nenilich es ist
F. Lindtmann: üeber das Pascäl'sche Sechseck.
161
12-45
(>li>lj) = p4.26
56-13
46-23
(A2>15) =
ihXi) =
36^
15 =2-„
24 J
= 2-.
= ^,-
Den drei Symbolen ist die letzte Verticalreihe gemeinsam;
deia dazu gehörigen vierten Punkt mit gleicher Verticalreihe
erkennt man als identisch mit dem obigen Punkte Sjr, welcher
auf ii liegt. Die Punkte 2*^ und -Zj haben mit den Punkten
Si und Sjü die Horizontalreihe 36 — 14 — 25 gemeinsam; diese
vier Punkte befinden sich daher auf einer Steiner'schen Geraden.
Geht man von einer Pascal'schen Linie (Aj) aus, so
gibt es auf derselben hiernach drei Paare von Punkten
(P, Q), in denen sie von anderen Pascal'schen Linien
(^2 ^nd Aj) so geschnitten wird, dass die Verbindungs-
linien dieser Schnittpunkte mit gewissen Pascal'schen
Punkten (Schnitten von ?, mit l^ und l^) sich auf einer
Pascal'schen Linie treffen.
1902. Sitxungsb. d. math.-phys. CI.
11
163
Zur Theorie der ganzen transcendenten Functionen.
Von Alfred Fringsheim.
(Singtlaufm 80. Juni.)
Herr Poincar^ hat bereits im Jahre 1883 einen Satz
bewiesen,^) welcher eine Beziehung angiebt zwischen dem
infinitären Verhalten einer ganzen transcendenten Function
g{x) = ^Cya?" für |a?| ^ 00 und demjenigen der Coefficienten
Cr für V = 00. Damach hat man allemal:*)
j_
lim (v !) m • Cy = 0,
wenn für jedes beliebig kleine 6>0 die Bedingung er-
füllt ist:
limc"*'*! 'g{x)^0 (m eine natürliche Zahl),
anders ausgesprochen, wenn zu jedem e > 0 eine positive Zahl
-Rf existirt, sodass:
|^(a;)|<^-l*l'" für \x\> R,.
^) Bulletin de la sog. math. de France, T. 11 (1883), p. 142.
*) Aus dem von Herrn Poincare gegebenen Beweise folgt
sogar (ohne dass es a. a. 0. ausdrücklich erwähnt wird):
vH?L|/ (v!)--c, = 0.
11«
164
SiUung der maOu-phifs. Ülasse vom 7. Juni 19ÖJ^.
Späterhin hat Herr Hadamard^) gezeigt, dass der Satz
nicht nur merklich venillgenoeinert^ jq's besondere ohne weiteres
auf be Hob ige positive 7h übertragen werden kann,*) sondern
dass derartige Sätze bei geeigneter Fornmlirung auch um-
kehrbar sind»^)
Da die betreffenden Beweise durchweg ziemlich compli-
cirte Hülfstnittel verwenden*) nnd es mir andererseits wün-
scbenswerth erschien, jene Sätze in passendem Umfange für
die elementare Functionen-Theorie zu gewinnen, so habe ich
vei"sucht, dieselben in muglicbst elementarer Weise neu zu
begründen. Die im folgenden mitzutheilenden Beweise scheinen
mir, abgesehen von der Geringrügigkeit der hierzu aufgewen-
deten Hülfsmittel, auch grössere Präcision und einen tieferen
Einblick in Grundlage und Wesen der fraglichen Beziehungen
zu geben: diese gruppiren mch in sehr übersichtlicher Weise
um einen lediglich auf gewisse Reiben mit positiven Termen
bezüglichen Hauptsatz (§ 1 und, vermittelst eines elementaren
Hülfssatzes g 2, in verallgemeinerter Form § 8)i dessen dualisti-
sche Fassung unmittelbar auch das Maass ihrer Umkehr bar-
keit erkennen lässt (§ 4, § 5). Eine einfache üeberlegung
zeigt dann, wie die für jene Reihen mtt positiven Termen
gewonnenen Resultate für die Theorie der ganzen transcen-
denten Functionen nutzbar geraacht werden können (g 6),
*) :^tude 9ur lee proprietea doa fonctiona entieres ete.r
Joum. de Math, Serie IV, T,9 (1893), p. 171 ff,
3) a. a. 0, p, 183.
3) a. a. 0. p. 180.
*) Man vergleiche auch die DiBsertatioa von K. von Seh aper:
Ueher die Theorie der Hadamard^achen Functionen etc.
iGöttiugen, 1898) p, 15—23, — E, BorelT Le^ons sar les fonctiona
entierea (Fans 19ü0), jj» 53— 56. — Ernst Lindelöf, Memoire Bur
la theorie dea fünetiona entierea de genre fiüh Acta boc.
scieat. Fennieae. T. 31 (1902), p. 3B ff.
A. Pringsheim: Zur Theorie der ganzen transe. Functionen, 1 65
§ 1-
Es bedeute r eine reelle positive Veränderliche, S^^y^"
und SC'vr" je eine beständig convergirende Reihe mit re-
ellen, nicht-negativen Coefficienten.
Hauptsatz: Besteht von den beiden Begehungen:
00
(1*) Ü-Cvr-^^-C''
0
(1") S-Cvr-^^-C"-
(^ > 0, y > 0)
Äc erste für alle r, welche eine gewisse positive Zahl R über-
steigen, die zweite zum mindesten für unendlich viele r,
\irder denen auch beliebig grosse vorkommen, so ist:
(2*) li^ i?iT^, < y, (2^) ii^i?;Ta>y.
Beweis. Setzt man in (!■) r = Xq, so folgt:
R
S" Cy A" • ^^ ^ ^ • c^^^, falls A > — -»
und nach Multiplication mit dem Factor e"^:
00
0
Substituirt man A = m + 1» m -\- 2, . , , in inf. (wo:
'^J + 1 > — ), so ergiebt sich durch Addition der betreffenden
Relationen :
(2)
0 \m + l / m-l-1
Dabei ist die rechts, folglich auch die links auftretende
Reihe convergent, wenn 1 — yQ^O, also für ^ < — . Da
überdies:
166
SUisung der mathrphys, üla&se mom 7. Juni 1903.
m*
I , C 1
und somit die Reihe
0 V 1
gltnchzeitig mit ^c^Q" beständig convergirt, so folgt,
wenn man diese letztere Ileihß zu der linken Seite von (2)
adilirt, da^:
(3)
S-^ S, ' tv ' e% wo; S, = 1> i-^ * e-^
1
für p *C "~" Donvergirt*
Um zunächst das entsprechende Divergenz- Resultat
für den FaU der Voruussetzung (1'') abzuleiten, bedeute r^
(i = !» 2, 3t — 0 eine Folge positiver, in's Unendliche wach-
sender Zahlen von der Beschaffenheit, dass i'Ur r =^ r^ die
Beziehung (1^) besteht, also:
(4) i^C.-rl>e'\
0 ~
Da man die fi (wegen lim ri = oo) jedenfalls so auswählen
kanOf dass:
r{n^i — n)> h
so gehört dem Intervalle:
mindestens eine ganze Zahl an. Bezeichnet man dann mit
m;^ die kleinste ganze Zahl, welche nicht kleiner ist^ als
yrx^ also:
»*A-i ^ Ma — 1 <yn< fth < mx + u
so ergiebt sich aus Ungl. (4) a fortiori:
a.(!5)'>.-.-,
Ä, Pringaheim: Zur Theorie der ganzen transc. Functionen, 1 67
und, wenn man mit e""*"-^ multiplicirt:
woraus durch Substitution von A = 1, 2, 3, . . . (in inf.) und
Addition resultirt:
also um so mehr:
d. h. die Reihe
GO 1
(5) S" Sy'Cy' ^^ divergirt für Q>—.
0 y
Um das bisher gewonnene Doppel-Resultat im Sinne des
oben ausgesprochenen Satzes zu verwerthen, bedarf es schliesslich
nur noch des Nachweises, dass:
lim ^ = 1
ist. Zu diesem Behufe werde gesetzt:
(6) n^) = T&^-
Ist sodann |e*| < 1, also der reelle Theil von x wesent-
lich negativ, so hat man:
also:
1 1
1
und daher:
(7) f^{-l) = tn^'e'' = 8y,
1
168 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 7, Juni 1902,
Andererseits ergiebt sich:
f{x) =
e* 1 ■^■^Tr^"2!"'~
1 — e* X i4__5_i:?!.i
"^ 2! ' 3! ' * * '
sodass also f {x) H in der Umgebung von a: = 0 regu
X
ist. Da ferner f {x) H auch bei a; = —1 regulär ist i
X
als nächstgelegene singulare Stellen die Stellen x = +2
auftreten, so hat man:
(8) f(x) + — = f)" 6v(^ 4- 1)" für: |a: + 1 1 < 2^,
X 0
00
in's besondere also auch noch für x = 0, Die Reihe S
0
ist somit convergent, und daher:
(9) lim hy = 0.
V = (»
Man hat aber:
und somit nach Gl. (9) und (7):
(10) lim -^ = 1.
Daraus folgt dann schliesslich mit Berücksichtigung
Resultate (3) und (5), dass von den beiden Reihen:
00 00
0 0
Ä, Pringsheim: Zur Theorie der ganzen transc» Functionen. 169
die erste für o < — convergirt, die zweite für o > —
divergirt. Die erste besitzt also mindestens, die zweite
höchstens den Convergenz-Radius — , und es bestehen somit
nach dem bekannten Cauchy 'sehen Satze die Beziehungen:
(11») ii^vTiT. < y, (ip) li^i/iTc;; ^ y.
Zusatz. Die unter den gemachten Voraussetzungen gel-
tenden Relationen (11*), (11^) lassen sich unmittelbar auch
durch die folgenden, etwas einfacheren ersetzen:
(12*) h^v-i^^y^y^e, (12^) ÜmvV'C^^ y , e,
v = oo
wenn man v" an Stelle von v\ einführt, was sich durch Be-
nützung der Stirling'schen Formel, aber auch ohne dieses
relativ complicirte Hülfsmittel in folgender, äusserst elementaren
Weise bewerkstelligen lässt. Es ist identisch:
2» -3» •4»...»»-! 1 ^"+1/
2» . 3» • 4* . . . n» Y V»- + 1/
B — 1 1 «• — 1 1
(12) n- . fT' -r rr- = »! = w"+i • //.
Nun ist aber bekanntlich:
und daher:
E'(i+j-)'<»"-<B'(n-^r.
170 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 7. Juni 1902,
Multiplicirt man diese Ungleichung mit Gl. (12), so folgt
oder auch:
und daher:
n! ( — ) < cw,
(13) limfn! -—=1,
H=00 W
anders geschrieben:
(14) Vnl^ — (n = oo,
6
sodass also in der That die Beziehungen (11) und (12) durcl
einander ersetzt werden dürfen.
§2.
Um den soeben abgeleiteten Hauptsatz zu verallgemeinern
beweise ich zunächst den folgenden Hülfssatz:
Ist ;« > 0, S &v eine beliebig vorgelegte, S a,. eine gam
iviUkürlich angenommene convergente Reihe mit positiven Glie
dern, so hat man:
(n,<;::)}|..{i>(l-».)-.(|.»i-i.)-{-;.
Beweis zu (I). Ist 2? ^ 0, x > 1, so hat man:
(17) p**-^<{\'\-pY-^
und daher:
p—^ — \ <(1 +1?)— 1 — 1.
Da die rechte Seite dieser Ungleichung sicher positiv ist
so folgt durch Multiplication mit der Ungleichung:
Ä, Pfing^im: Zur Theorie der ganzen transc, Functionen. 171
i?<i+i?»
dass:
p^—p<(i +py — i —p,
also:
(18) i4.;^<(i^.^)..
Setzt man jetzt: p = y-, so folgt nach Multiplication
mit 60:
(19) K + b1< (b, + b,)" (« > 1).
Angenommen nun, man habe für irgend ein n ^ 1 :
(20*) £;. bt < (s- bX (x > 1),
0 \ 0 /
SO liefert die Addition von i^+i zunächst:
«+1
0 V 0 /
also, mit Benützung von Ungl. (19):
H + l /n + l \x
0 \ 0 /
d. h. üngl. (20*) gilt auch noch, wenn n durch (w + 1) ersetzt
wird. Sie gilt also allgemein, da nach (19) ihre Richtigkeit
für n = 1 erwiesen ist.
Schreibt man in (20*) «' statt x und substituirt j-p für fty,
so folgt weiter:
also:
(?"'")"'■
0 \ 0 /
s
und daher, wenn man noch -— = x setzt:
X
(20*)
L' *: > (h hX (y > 1).
0 \ 0 '' .
172 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 7. Juni 1902,
Da die grundliegende Beziehung (17) eine wirkliche Un-
gleichung ist (d. h. mit definitivem Anschlüsse der Gleichheit),
und die Abweichung zwischen den beiden Seiten, wie der
Schluss von n auf (w + 1) zeigt, bei dem Hinzutreten jedes
neuen Elementes noch verstärkt wird, so folgt schliesslich
für lim w = 00, wie behauptet:
Beweis zu II. Ist 0 < c^ < r < Cj und « > 1, so hat
man : ^)
(21) ^ w i
Multiplicirt man die erste dieser Ungleichungen mit (r— c^),
die zweite mit {c^—r), so folgt durch Subtraction:
{(fl-r^)'{r- c,) - (i- - (?S) . {c, - r) > 0,
anders geordnet:
(22) ^c,-r)^c^^ + {r-c,)'(f[>{c,-c,)^r^.
Der Bedingung: c^ < r < c, wird offenbar genügt, wenn
man setzt:
»0 + »1 '
unter a^,, aj beliebige positive Zahlen verstanden. Alsdann
geht aber Ungleichung (22) in die folgende über:
. '^0^+ -^— •ö^i^>(gi — O ^ . ' - ,
oder auch:
(23) a, cj + a, c;f > (a^ + a,)' ""^ ' K ^o + «i ^i)" (« > !)•
Da im übrigen diese zunächst unter der Voraussetzung
Cq < (?j abgeleitete Ungleichung in Bezug auf die Indices 0,1
') S. den Zusatz I.
Ä, Pringsheim: Zur Theorie der ganzen transc, Functionen, 173
symmetrisch sich verhält, so gilt sie unverändert auch für
Cj>c,; nur für Cq = c^ geht sie in eine Identität über.
Angenommen nun, man habe für irgend ein w > 1 :
(24'
N /n \1— x/n \x
') X3^ Oy cl > l S»' üy] • 1 £" a„ Cy 1 (« > 1).
Ersetzt man sodann:
a„ durch an + öt„-fi
ünCn + ««+1 ^M-fl
G^n + G^n + l
also: an Cn , »n ^n + «n+l ^n + l ,
SO geht Ungleichung (24*) zunächst in die folgende über:
£" ttyct + (an + an+iy-*" • (an Cn + a„+i (?„+l)''
/n-+-l \l-x /M-fl \x
und, wenn man auf das letzte Glied der linken Seite die Un-
gleichung (23) anwendet:
w+l /» + i \^-^ /n-fl Nx
^y ayCy> { ^^ ayj * l l^'' tty Cy] ,
d. h. üngl. (24*) gilt auch noch, wenn n durch n -\- l ersetzt
wird. Sie gilt also wiederum allgemein, da ihre Richtigkeit
nach (23) für n = 1 erwiesen ist.
Schreibt man in Ungl. (24*) x' statt x und substituirt
Cr"' für Cy, so wird:
N /n \1— x'/n 1 \ x^
£" ay Cy > ( L" ayj ' Hjy ay Cy'^'j ,
also:
h ay Cy~^ < (lv a.j' " ^ . (i ay c^j^ («' > 1),
174 Biteung der mathrphys. Glosse vom 7. Juni 1902.
und, wenn man — - = « setzt:
(24»>) S" a, c: < (i- üyj . [i:^ ay CyJ (x < 1).
Macht man noch in (23*), 23**) die Substitution:
üy Cy = 6y , alSO : Cv = Oy »< ' 6y ,
so ergiebt sich:
(25) S' K { ^ } (s' «,)"" . (s" «;- -^ • 6.)" { ;; < }.
Da die grundlegende Beziehung (22) wiederum eine wirk-
liche Ungleichung ist, sofern nicht gerade ^o ^^ ^i» ^^^ ^^®
Abweichung zwischen den beiden Seiten, wie der Schluss von
n auf (w +- 1) zeigt, bei dem Hinzutreten jedes neuen Elementes
Cy sich verstärkt, ausser wenn Cy = c?y_i, in welchem Falle
sie immerhin erhalten bleibt, so folgt für n=oo:
t'i^j^} (|'a,y"^ (l^a/'-^-ft.)"!;; < }, q. e. d.
Zusatz I. Die Ungleichungen (24) lassen sich auch aus
einem von Herrn Hoelder^) mit Hülfe des Mittelwerthsatzes
der Differential-Rechnung bewiesenen, allgemeineren Mittel-
werthsatze herleiten. Zur Vervollständigung der hier gegebenen,
elementareren Herleitung sei ausdrücklich bemerkt, dass man die
fundamentalen Ungleichungen (21) auch für ganz beliebige
positive x^ ohne den zumeist zu ihrer Herleitung verwendeten
Mittel werthsatz der Differential-Rechnung, völlig elementar
in folgender Weise gewinnt.
Aus der für jedes von 1 verschiedene A und ganzzahlige
w > 1 geltenden Identität:
i) Göttinger Nachr. 1889, p. 38 ff. ; vgl. in's besondere p. 44.
A. iVin^tlMm: Zw Theorie der ganten tränte. Functionen. 175
folgt für jedes positive ^ ^ 1:
(26) ^">l + n(^ — 1)
i_
und hieraus durch Substitution von Ä » für A:
A-^ >l + niA~-^ — l),
iiso:
1 ^ — 1
<1 -
n
ffobei die rechte Seite stets wesentlich positiv ist. In Folge
dessen hat man:
4->
1 A — 1
1 —
>! +
n A
l A — l
falls:
n
A — l
<1,
und, wenn man diese Ungleichung in die m** Potenz erhebt,
mit Benützung von üngl. (26):
(27)
Die hierbei gemachte Voraussetzung:
Ä
<1
ist offenbar immer erfüllt, wenn Ä> \, Ist dagegen A < 1,
\ ^ 1 1
80 wird — • -: — < 0, sodass also, falls —
Ä — l
>1
sein sollte, die rechte Seite von Ungl. (27) negativ ausfällt:
in diesem Falle sagt also diese Ungleichung etwas zwar tri-
viales, aber immerhin richtiges aus. Man hat somit für
jedes positive -4^1 und jedes rationale « > 0:
A — l
(28)
^" > 1 + «
Ist jetzt X irrational und etwa x = lim«„, wo Xn> 0
und rational, so folgt aus: **"*
176 Sitzung der mathrphys. Classe vom 7, Jum 1902,
^-«> ! + ;,„. Ar:i
auf Grund der Definition: -4" = lim -4 **, zunächst nur so-
viel, dass: **""*
— A
Man erkennt aber leicht, dass das Gleichheitszeichen
in Wahrheit ausgeschlossen erscheint. Dies ist ohne wei-
teres evident, falls die rechte Seite negativ ausfallen sollte.
Ist sie aber positiv, so gilt dies a fortiori, wenn man x
durch — ersetzt. Man hätte also zunächst:
und hieraus durch Erhebung in's Quadrat:
> \-\-x
A
A~\
A
Die Ungleichung (28) gilt somit für jedes beliebige
x>0.
Ist jetzt X > 1, so hat man auch:
A '
und, wenn man diese Ungleichung mit A multiplicirt:
Ä'> A-^{x — \)(^A — \)
d. h. schliesslich:
(29) Ä'>\-lx{A — \) für X > 1.
Substituirt man hier J. = — und A = -. , wo & > a > 0,
a 0
so ergeben sich die oben unter (21) benützten Ungleichungen:
Ä. Pringsheim: Zur Theorie der ganzen tramc. Functionen, 177
Zusatz IL Liest man die auf den Fall x> \ bezügliche
Ungleichung (16*) rückwärts, so gewinnt man den folgenden
Convergenz-Satz :
Gleichzeitig mit den beiden Reihen S ö^v , ^K (wo x> 1)
cmvergirt allemal auch die Reihe 5j «v ** • bv
Herr Ho eider hat diesen Satz nur für den speciellen
/ 1 \i+ff
Fall tty = l — j aus der Ungleichung (24*) in wesentlich
complicirterer Weise abgeleitet.^) Dazu will ich noch be-
merken, dass der obige Convergenz-Satz für den Fall eines
ganzzahligen x sich noch einfacher aus dem bekannten
Satze ergiebt,*) dass das geometrische Mittel niemals das arith-
metische übersteigt, also:
X
Setzt man hier p^^^ = . . . = i?^'*-^) = av, p^""^ = &v,
so folgt:
a;-4.j^<('L-J)j«rJl^
X
und daher:
00 j \_ ( 1 \ 00 1 00
0 ~\^/0 X si
woraus die Richtigkeit der ausgesprochenen Behauptung un-
mittelbar hervorgeht.
*) A. a. 0. p. 46.
^) Für den Fall x = 2 wurde diese Schlussweise schon bei früherer
Gelegenheit von mir benützt: Sitz.-Ber. Bd. 30 (1900), p. 63.
1902. Sitznngab. d. math.-phys. C). 12
178 Sitzung der niath.-phys. Classe vom 7. Juni 1902,
§3.
Verallgemeinerte Form des Hauptsatzes vc
Besteht von den beiden Beziehungen:
(31») ^-c,r ^^.ßy »"
^ (^ > 0, r > 0, a > o;
(3P) ii-Cyr^^A-er''^
0
die erste für alle r, ivelcJie eine gewisse positive Zahl .
steigen, die zweite für unendlich viele^ r, unter den
beliebig grosse vorkommen, so luit man:
(32*) iim|/ ('•!)» •<;„<(«,')%
(32'')
lim|/
{v\y'Cr>(ay)
odn- atich:
»' = 00
(33«)
1
lim v'*
y = 00
'Vcy<:(ayey^,
(33'')
1
lim V''
'Vc:>{ayey\
1
Beweis: Substituirt man in (31*) r'* für r, so w
00 ** 00 *■
(34) S'' c, r^ — £" {c^ ry < A - e>" (für r > R^).
0 0 ''
Man hat nun zunächst im Falle a > 1 nach § 2, Un^
(für >c = -^-< 1):
a
iJv (c;^ r)
also:
■■>(i„,.,,.)i.
(35*) £'■ c;! '•'■ < (£;• r,. r •' ") (.^ > 1 ).
A. Pringsheim: Zur Theorie der ganzen transc, Functionen, 179
Andererseits im Falle a < 1 nach Ungl. (16*) (für « = —>!),
wenn man noch setzt: a^ = ( j , wo d> 0:
=(^y~^-(i-:-((T+i)T-«)')^.
also:
Mit Benützung der Ungleichungen (35*), (35*) ergiebt
sich also aus (34):
(36») f)'' (?« . r" < ^« . e^y (a > 1)
0
oder, wenn man in der letzten Ungleichung . ■ c\i_a durch
r ersetzt:
(36») S^ c^ • ^^ < ( ~y" ) .^''•e«'/ ti+<5) r (a<l).
Nach dem Hauptsatze des § 1 ergibt sich also aus (36*),
dass:
V
(37 1) lim Yvl c^<i_ay (a > 1).
Ebenso aus (36*) zunächst:
Um V^i^ < a y (1 + dy-^ (a < 1).
y = 00
Da es aber freisteht, d unbegrenzt zu verkleinern, so
folgt, dass auch in diesem Falle (d. h. für a < 1):
12*
180 Sitzung der math.-phys, Classe vom 7, Juni 1902.
(37») lim |/y! c^-^ay
sein muss. Beachtet man noch, dass die Beziehung (37^),
bezw. (37*) für a = 1 mit der in § 1 unter (2*) bemerkten
zusammenfallt, so ergiebt sich schliesslich, wenn man noch in
die ( — 1 Potenz erhebt, in Uebereinstimmung mit der Be-
hauptung (32»):
ira y (»'O « • Cv ^ (a >') " für jedes a > 0.
In ganz analoger Weise findet man aus der Voraussetz-
j
ung (31^), wenn man dieselbe durch Substitution von r~a für r
zunächst wiederum auf die Form bringt:
0 0 *'
und sodann auf deren linke Seite die Ungleichungen (15*),
(16**) anwendet, übereinstimmend mit (32^):
i^|/(v!)«.a^(«y)«.
lim
r = 00
Mit Benützung der infinitären Beziehung (14) lassen sich
dann diese Relationen wiederum auch durch die etwas ein-
facheren (33»), (33^) ersetzen.
§4.
Der soeben bewiesene Hauptsatz ist in der gegebenen
Form nicht ohne weiteres umkehrbar. Dagegen lassen sich
die Voraussetzungen des Satzes noch in der Weise erweitern,
dass der folgende umkehrbare Satz resultirt:
Satz I. Besteht für jedes hell ein fj Je leine £ > 0 t)on
dim beiden Benehumjen :
Ä. Pringsheim: Zur Theorie der ganzen trausc Functionen. 181
(38») £;vc, r»'<e^i + ^)y'""
0
(38»>) i;var->eO-^) y'"
0
die erste für alle r, welche eine getvisse, im allgemeinen
von e abhängige positive Zahl R^ übersteigefi ; die js weite
für unendlich viele r, unter denen auch beliebig grosse
vorkommen, so hat man:
(39«)
lim 1/ (v!)«-c,<; (aj')"i
(39'') liml/(v!)°.C,>(ay)-
V =00 ^
oder auch:
J- ^— -1
(40*) lim V « • y (?K < (a y e) " ,
V = 00
-L V— J-
(40") lim»"" •l/a>(aye)«.
v = oo
Umgekehrt folgen aus den Voraussetzungen (30) oder
(40) auch allemal die Beziehungen (38) in dem ange-
gebenen Umfange. *)
^) Setzt man : ^
aye = x, also: v = — ,
ae
so nimmt die obige Umkehrung die folgende Form an:
Aus den Voraussetzungen
}_ y _ }_ i.v J_
lim V« • V^Cv < ;<« , lim V« • VC'v > ;<«
»>= 00 ^ I' = 00
» x(l-f-e) „ 00 X (1 — f ) ^
0 0
in dm oben näher bezeichneten Umfange.
Den ersten Theil dieses Satzes hat Herr Ernst Lindelöf (unter
1 v^__ 1
der etwas engeren Voraussetzung v« Vcv < x « für v > w) auf gänzlich
anderem Wege abgeleitet : a. a. 0. p. 39.
182 Siteunf/ der math.-phys. Glosse vom 7. Juni 1902.
Beweis. Aus (38") würde auf Grund des vorigen Haupt —
Satzes (Formel (32*), (33*)) zunächst folgen, dass für jede^s-
£>0:
lim 1/ (v!) <" • c. < ((1 + e) • a y) «
oder auch:
-i V- -
lim y « • VCy ^ ((1 + f) • a y e) « .
y = 00
Da aber e unbegrenzt verkleinert werden darf, so folgfc^
schliesslich, dass geradezu:
lim!/ (v!)°
>»:= OD '
lim 1/ (r!)« *Cy<,{ay)'
y= 00 r
oder auch:
lim r « • V^<^ {ay e)'' .
v = ao
Das analoge gilt bezüglich der Herleitung von Ungl.
(39»>), (40^).
Die Umkehrbarkeit dieser Resultate lässt sich dann in
folgender Weise indirect beweisen. Angenommen es bestehe
die Voraussetzung (39*), und es sei nicht möglich, jedem
beliebig kleinen e > 0 ein iJ^ so zuzuordnen, dass Ungl.
(38*) für r > Rg beständig erfüllt ist: alsdann müsste ein
bestimmtes e' > 0 existiren , derart dass unter beliebig
grossen r immer wieder solche vorkommen, für welche:
0
Daraus würde aber nach dem vorigen Hauptsatze (s. Ungl.
(31»>), (32»>)) folgen, dass:
V I —
iirnj/ (r!)"^
C.>((1 + £')•«}')",
was der Voraussetzung widerspricht.
A. Pfingsheiin: Zur Theorie der ganzen transc. Functionen, 183
Analog würde die Annahme, dass die Beziehung (38^)
nicht alleraal aus der Voraussetzung (39^) resultire, die Exi-
stenz einer Ungleichung von der Form:
f;''ar»'<e(i-^')>""" (r> R)
0
nach sich ziehen, und somit schliesslich im Widerspruche mit
der Voraussetzung auf die Relation:
führen.
lim 1/ (v!)« . a < ((1 — £') -ay)-
§ 5.
Ein weiterer ebenfalls umkehrbarer Satz ergiebt sich
aus dem Hauptsatze des § 3, wenn die Voraussetzung (31*)
für jedes beliebig kleine, die Voraussetzung (31^) für jedes
beliebig grosse y > 0 erfüllt ist, nämlich:
Satz U. Bestellt von den beiden Beziehungen :
(4P) f;-c,r''<e-'-"
0
(41b) i;var»'>e-»"
0
dk erste für jedes beliebig kleine f > 0 und alle r,
die eine gewisse positive Zahl R^ übersteigen; die zweite
für jedes beliebig grosse co > 0 und unendlich viele
Werthe von r, unter denen auch beliebig grosse vorhom-
mm,*) so hat man:
') Dieser Zusatz könnte hier wegbleiben, da bei hinlänglicher Ver-
j,n'Ö!<8erung von w die Beziehung (41^) überhaupt nur bei entsprechender
Vergrösserung von r bestehen kann.
184 Sitzung der math.-phys. Classe vom 7. Juni 1902.
(^^*) lim 1/ {v !)^ . c, = lim v^. "|/^ = 0
(^2'') Hm 1/ (v !)^- CV = ihn»'^ • l/a = 00 .
Umgekehrt resulüren aus den Voraussetzungen (42)
allemal die Beziehungen (41) in dem angegebenen Umfi
Beweis. Aus den Voraussetzungen (41) würde auf 6
des Hauptsatzes § 3 zunächst folgen, dass:
lim 1/ {v !) ^. Cy < (a f)"^, Ür^ 1/ (v !)"^. 6\ >: (a co)"
Da es aber freisteht, e unbegrenzt zu verkleinern, co
begrenzt zu vergrössern, so ergeben sich hieraus in der
die Beziehungen (42).
Die Urakehrbarkeit dieser Resultate erkennt man
wiederum unmittelbar auf indirectem Wege, ganz analog,
bei Satz I. —
Aus dem eben bewiesenen Satze ergiebt sich schlies
noch der folgende:
Satz III. Besteht für jedes beliebig Iclelne ö
von den beiden Beziehungen
(43») f:''c,r»'<(?'"+'^
0
(43»>) ti^Crr^>e^''~'
0
die erste für alle r, die eine gewisse j^osifive Zah
übersteigen; die zweite für unendlich viele r, j
denen aueh beliebig grosse vorkommen , so hat mar^
jedes beliebig kleine ^ > 0:
('^'^') lim 1/ (r!)^^+"^ . c. = lim v'^^' - Vc~ = 0
('^'^'') ii^ 1/ (i- !)^-~^ . a = liin" .'^-^ . l/CV = 00.
A. Fringsheim: Zur Theorie der ganzen transc. Functionen. 185
Umgekehrt resultiren aus den Voraussetzungen (44)
auch allemal die Begehungen (43) in dem, angegebenen
Umfange.
Beweis. Denkt man sich d beliebig klein fixirt, so be-
steht auf Grund der Voraussetzung (43*) für hinlänglich grosse r
(nämlich r>R^^ die Beziehung:
0
Wie klein jetzt auch e > 0 vorgeschrieben wird, so kann
man durch passende Vergrösserung von r stets erzielen, dass
\~\ < € wird. Dann ergiebt sich aber aus Satz II, dass
für dieses und somit schliesslich für jedes d > 0:
lim 1/ (r!)''+^ • c, = lim r« + '' • ^c, = 0.
Das analoge gilt dann bezüglich der Behauptung (44**).
Auch hier ergiebt sich die Unikehrbarkeit der betreffenden
Resultate mit Hülfe des in Satz I benützten indirecten Beweis-
verfahrens.
§ 6.
00
Es sei jetzt x eine complexe Veränderliche, g {x) = S»* hy x",
0
^0 die by ebenfalls beliebig complex zu denken sind, eine be-
ständig convergirende Reihe. Angenommen nun, es genüge
9{^)\ bei hinlänglich grossen Werthen von | x \ einer der
beiden Voraussetzungen, welche in dem Hauptsatze des § 3
filrLc^r*' bezw. SC^r" galten, also entweder:
(45») |^(.r)|^^.eJ'l*l"
für alle \x\> R; oder:
(45^) \g{x)\^A'ey\'\^
186 Sitzung der mathrphys, Classe vom 7, Juni 1902.
für unendlich viele x^ unter denen auch beliebig grosse
vorkommen. Es fragt sich nun: Bleibt auch unter diesen
Voraussetzungen der betreffende Hauptsatz gültig, d. h. ge-
nügen auf Grund der Voraussetzungen (45*), (45^0 die | hy \
denselben infinitären Relationen, welche sich in § 3 für die
Cv, Cy ergeben haben?
Man erkennt ohne weiteres, dass diese Frage in Bezug
auf die Voraussetzung (45*^) zu bejahen ist. Denn da:
(46) \g{x)\^h\lyx^\
0
so folgt aus (45^), dass auch:
(47) fy\hyX^\>A'cy\^\''
0
(in dem angegebenen Umfange) und man findet somit, wenn
man in § 3 r = | a; |, (7^ =- | M setzt, nach Ungl. (39^), (40^),
dass:
"/ i — V 1
(^^) ii^l/ (r !)^. I &, I = iliiT f— ) " . V\h\ > (a yy,
V=00^ V = 00 \ ß /
Um nun den entsprechenden Nachweis auch bezüglich der
Voraussetzung (45*) zu führen, bemerke man zunächst, dass
aus (45*), d. h. aus der Beziehung:
£»• hy x""
< ^.gy-I*! für \x\> B
0
nach dem Cauchy 'sehen Coefficienten-Satze sich ergiebt:
(49) \hyX^\< A'cy\''^' (v = 0, 1, 2, . . .; |:r| > IC),
Wird jetzt ^ > 0 beliebig angenommen, so hat man
identisch :
und daher, wenn man auf den zweiten Factor der rechten
Seite die Ungleichung (49) anwendet:
(50) ;i....- <(j-|-^y.^.c><'+^'""'\
Ä. Pringsheim: Zur Theorie der ganzen transc, Functionen. 187
TD
gültig für I a; I > ^ , also für alle möglichen ^ > 0 mit
Sicherheit für | rc | > iJ.
Substituirt man nun in (50) der Reihe nach v = 0. 1 , 2, . . .
in inf., so folgt durch Addition:
(51) SH ftv^;^ ! < 4^ • Ä . ey •a+^)"- l'l"
0 ' o
für jedes d > 0 und | j? | > i2. Hieraus ergiebt sich aber nach
dem Hauptsatze des § 3 (üngl. (39*), (40*)) zunächst, dass:
iiml/ (v!)^.|6,| =li^(— y .l/[6;^^(l+(J).(ay)'^
lind, da es thatsächlich freisteht, d unbegrenzt zu verkleinern,
schliesslich :
(52)
lim 1/ (v !) « . 1 6, 1 = lim (— y • l!^ < (a y) <■ ,
d. h. auch dieser Theil des Hauptsatzes von § 3 behält unter
der jetzigen Voraussetzung seine Gültigkeit, um das be-
treffende Resultat nochmals übersichtlich zu formuliren, kann
man also den folgenden Satz aussprechen:
Es ist:
limj/ (v!)«.
V=OD '
by\<,(ay)'', tvenn: |r/(a;)| <^-e>'l*l'"
für alle x, deren absoluter Betrag eine geivisse positive
Zahl B übersteigt.
Es ist:
lim}/ (v!)«.
»SS 00'
i*v| >(«>')'*, ivenn: \g{x)\>[Ä'ey^
für unendlich viele x, unter denen auch beliebig
grosse vorkommen.
Gleichzeitig mit dem Hauptsatze des § 3 behalten aber auch
die in §§ 4, 5 daraus abgeleiteten Folgesätze ihre Gültigkeit;
188 Sitzung der math.'phys. Classe vom 7. Juni 1902.
dieselben beruhten ja lediglich darauf, dass man die Constanten
y, a in passender Weise durch veränderliche Parameter er-
setzte. Man gewinnt auf diese Weise, entsprechend den Sätzen
I — III der beiden vorigen Paragraphen, noch die folgenden
Sätze :
Satz r. Ist für jedes beliebig kleine e > 0 und
alle X, deren absoluter Betrag eine gewisse Zahl Re über-
steigt:
(53») \g(x)\<ey^'-^^)'\-\\
so hat man:
(^^') lim:}/ (r !)^. i 6, I =z lii^f — ) " . VM < (a yY^
Ist für jedes beliebig kleine e > 0 und unendlich
viele X, unter denen auch beliebig grosse vorkommen:
(53'0 |^(a;)|>(?>'(i-^) •!*!",
so hat man:
(^^'') ihir]/ (v!)"^- \hy\— IhiTf— ) " . '\/\h^\ > (ayy.
Bestehen also die beiden Voraussetzungen (53*), (53^)
gleichzeitig, so uird geradezu:
y l
(^^) Iml/ (r !)~ . I &, I = iiiir (—] " • i/\K\ = (a y)^.
v=co' v = oo\ e J
Umgekehrt re^ultirt aus der Voraussetzung (54*) alle-
mal die Beziehung (53*), ebenso aus (54^) die Beziehung
(53^), tvährcnd die Voraussetzung (54) die gleichzeitige
Existenz von (53*) und (53^) nach sich zieht,
Satz II'. Ist für jedes beliebig kleine f > 0, und alle x,
deren absoluter Betrag eine gewisse positive Zahl B^ über-
steigt:
(55«) |i/(x)|<e-!-l",
so hat man:
Ä. Pringsheim: Zur Theorie der ganzen transc. Functwnen. 189
(^^*) Hml/ (v!)^- \br\ = lim v^. fm = 0.
Ist für jedes beliebig grosse co > 0 und unendlich
viele X, unter denen (dann eo ipso^)) auch beliebig
grosse vorkommen:
(55^) \g(x)\ >e- I*r,
so hat man:
(56^
') lim|/(r!)«.|&,| = limv«.V'|&,| =
v=: 00 ' v=zoo
Umgekehrt resultirt allemal die Bejdehung (55*) bezw.
(55^) aus der Voraussetzung (56*) benv. (56^).
Satz Iir. Ist für jedes beliebig kleine d> 0 tind alle x,
deren absoluter Betrag eine getvisse positive Zahl Bs übersteigt:
(57») \gix)\<e\-r+\
so hat man für jedes d> 0:
(58'
*) liml/(v!)«+'-|6,| =limV+^.V'|&,| = 0.
v:= 30 ^ v = oo
Ist für jedes beliebig kleine d> 0 und unendlich
viele Xf unter denen auch beliebig grosse vorkommen:
(57»>) \9{x)\>e\^r-\
so hat man für jedes (5 > 0:
V = 00 ^ »• = 00
Umgekehrt resultirt allemal die Beziehung (57*) beziv,
(57*») a«i5 der Voraussetzung (58*) fte-s^te;. (58**).
Anmerkung. Das zur Herleitung des eigentlichen Haupt-
satzes angewendete Verfahren, um aus einer oberen Schranke
^) 8. die Fussnote auf p. 183.
190
Sitzung der mathrphys. Classe vom 7. Juni 1902.
für
S'' K X^
eine solche für S*' i &v ^*' | abzuleiten, lässt sich
offenbar leicht verallgemeinern und dürfte sich auch für an-
dere Untersuchungen als nützlich erweisen. Hier möchte ich
nur noch die folgende Bemerkung daran knüpfen. Aus der
Voraussetzung
(59)
0
<ey\
für \x\>B,
folgt nach Ungl. (51), dass für jedes d > 0 und | :r | > i?:
0 ~ O
Wird jetzt £ > 0 beliebig klein vorgeschrieben, so kann
man zunächst d so klein fixiren, dass:
(1 + '5)''<1 + J,
also:
Sodann aber kann man eine positive Zahl R^ so grosi
annehmen, dass:
„(. + i)<£.,.K (a.h.Rä(A,g(i + |))^)
<-^'y'\x\- für |a;|>i?,.
Man findet also schliesslich:
(60) i;v|&,a;-|<e>'(i+^)l*" für 'x\>R,.
In Worten: Genügt
S^ hyX
0
für alle hinlänglich grossd
X der Benehmu) (59), so genügt ü»' | hyX' \ hei beliebig Ideinen
0
c > 0 für alle hinlänglich grossen x einer Beziehung von de
Form (()0).
A. Pfingsheim: Zur Theorie der ganzen transc. Functionen, 191
Ersetzt man die Voraussetzung (59) durch die folgende:
(61)
L^ft.
X"
<g>' 0+OI*r für jedes e'>0 und \x\>r,',
so folgt zunächst:
i;-|6va;-|<(?>'(i+'')(»+^)-i^l" für \x\>B,,,',
0
d.h. mit Rücksicht auf die Bedeutung von e,e\ schliesslich:
(62) f:v|6,a;-|<eyO+-')-kl« fiXr\x\>Be^.
0
00
Es genügt also in diesem Falle ^j*" | 6v ^*' | für hinlänglich
0
grosse x stets einer Beziehtmg von genau derselben Form, tme
1 0
Femer ergiebt sich aber auch folgendes: Besteht für jedes
f > 0 und unendlich viele [x], unter denen auch heliehig grosse
^kommen, eine Beziehung von der Form:
(63)
i:»'! J^a;»'|>eJ'('-^)•l*l^
5ö hat man gleichfalls für jedes c > 0 und für unendlich viele x,
wwfer denen au^h beliebig grosse vorkommen:
(64)
X)»' by X"
>^.y(i-oi«r.
Andernfalls müsste nämlich ein bestimmtes ^o '^ ^ existiren,
<Jerart dass:
S" by X'
<gy(i-.o)l«r
fär alle x, deren absoluter Betrag eine gewisse Zahl B über-
steigt. Dann hätte man aber auf Grund von Ungl. (59), (60),
wenn man der in (60) auftretenden willkürlichen Zahl e den
Werth €q beilegt:
192 Sitzung der matK-phys. Classe vom 7. Juni 1902,
S-|6,a:-|<e>'(^-^J)l-l« für \x\> B,^^
was der Voraussetzung widerspricht.
Ein analoger Zusammenhang besteht offenbar auch zwisch
Ungleichungen von der Form:
j:-\byX-\ < 6^1*1"+^ und
0
S^ by X*
0
|« + «5
S^ by a:"
0
> ey'\'
<ey\
"-' und: '^-\byX^\>cy\-r-\
193
üeber den Ursprung der Thermalquellen von St. Moriz.
Von A« Bothpletz.
{Singelauf m 18. Juni.)
Vor neun Jahren hat W. von Gümbel in diesen Sitzungs-
berichten eine Arbeit unter dem Titel „geologische Mitthei-
lungen über die Mineralquellen von St. Moriz im Oberengadin
und ihre Nachbarschaft" veröffentlicht, in der zum ersten Mal
die Frage nach dem Ursprung dieser so vielbesuchten und be-
rühmten Heilquellen auf Grund eingehender geologischer Unter-
suchungen beantwortet worden ist. Die Aufgabe war keines-
wegs leicht, und wenn auch ihre Lösung einen grossen Fort-
schritt bedeutete, so blieb doch mehreres und insbesondere der
grosse Gehalt der aus Granit entspringenden Quellen an Kalk-
und Magnesium-Carbonaten im Unklaren. Eigne Arbeiten mit
ganz anderen Zielen führten mich im vorigen Herbst in dieses
öehiet und machten mich mit einer bis dahin unbeachtet ge-
sehenen Thatsache bekannt, die auch auf die Entstehung
dieser Quellen ein neues Licht warf und just jene im Unklaren
gebliebenen Punkte erhellte. Ehe ich die dadurch gewonnene
Auffassung mittheile, will ich jedoch kurz die hauptsächlichsten
Ergebnisse hervorheben, zu denen Gümbel gekommen war.
Er hatte festgestellt, dass die fünf Mineralquellen, die bei
St. Moriz bekannt sind, alle auf einer schwach gebogenen,
^on SW nach NO gerichteten Linie, also wohl auf einer Ge-
l>irgsspalte liegen. Diese Spalte liegt im Gebiet des Uosatsch-
Granitstockes, der von Gneiss und anderen krystallinen Schiefern
umgeben ist. Sie ist aber in ihrem Verlaufe nicht an die
1902. Sitzungsb. cL math.-phys. Gl. 13
194 Sitzung der mathrphys. Glosse ^om 7. Juni 1902.
Grenzen des Granites gegen den Schiefer gebunden, senden
durchschneidet den tieferen Untergrund ohne Rücksicht au
die Gesteinsarten.
Der Granitstock besteht vorwiegend aus Hornblendegrani
und Diorit, welche stellenweise eckige Bruchstücke der si«
umgebenden Gneisse, Glimmer-Hornblende und Quarzitschiefe
einschliessen. Auch setzen pegmati tische Granitgänge ii
diesen Schiefem auf, deren höheres Alter gegenüber den
Granit somit erwiesen ist. Am Silvaplaner und Silser Se
gewinnen grüne chloritische Schiefer und Phyllite mit zahl
reichen Einlagerungen von Serpentin und Marmor eine aus
gedehnte Verbreitung. Diese Schiefer dienen in der weiterei
Umgebung den Sedimenten der Trias- und Liasperiode al
Unterlage.
Die Mineralquellen sind schwache Thermalquellen (5 — 7°C.)
deren Temperatur die mittlere Jahrestemperatur dieses Platze
(l.P C.) und die Temperatur der dortigen gewöhnlichen Trink
wasserquellen nur um einige Grade übertrifft.
Auf 1000 gr kommen an gelösten Bestandtheilen 1,2 bi
1,7 gr und zwar an
Sulphaten 0.3
Carbonaten 0.8 — 1.2
Kieselerde 0.04 — 0.06
Kochsalz 0 — 0.04.
Ausserdem sind geringe Mengen von Bor, Brom, Jod un<
Fluor nachgewiesen. Freie Kohlensäure ist reichlich vorhan
den, daneben auch Eisencarbonat (0.025 — 0.037), weshalb di
Quellen als „Eisensäuerlinge* bezeichnet werden, während di
freie Kohlensäure (2.5 — 2.7 *^/üü) als der eigentliche „Brunnen
geist" gilt. Auffällig ist der hohe Gehalt an Calciumcarbona
(0.7 — 0.9 ^/oü) und Magnesiumcarbonat, da die Quelle docl
aus Granit bez. Diorit entspringt. Der Betrag ist ungefiih
10 mal so gross wie in dem gewöhnlichen St. Morizer Trink
wasser (0.073), von dem Gümbel eine Analyse mittheilt
leider ohne Angabe, wo die Quelle liegt. Voraussichtlich ent
springt auch sie aus der Nähe, doch mag ihr an sich geringe;
A. Bothpletz: Ursprung der Thermalquellen von St Moriz. 195
Mineralgehalt mit Bezug auf die Carbonate etwas von den
kalkhaltigen Moränen beeinflusst sein. Von der Kohlensäure
nimmt er an, dass sie auf jener Gebirgsspalte aus der grössten
Tiefenregion der Erdrinde emporsteige, dabei von den im Ge-
birge circulirenden Gewässern aufgenommen werde und mit
diesen in den Nebengesteinen Zersetzungen bewirke, denen die
Quellen ihren Mineralgehalt verdanken. Letzterer kann aber
nach seiner chemischen Zusammensetzung nicht direct aus dem
Granit oder Gneiss herrühren. Ebensowenig will Gümbel ihn
mit dem Auftreten der benachbarten mesolithischen Kalk-
schichten in Zusammenhang gebracht wissen, weil diese Ge-
bilde zu entfernt von der Quellenspalte liegen, und nicht an-
zunehmen sei, dass eine Scholle derselben in der Tiefe eingekeilt
zwischen den krystallinen Gesteinen sich vorfinde. Unter diesen
»mesolithischen Gebilden" sind die nach meiner Bestimmung
als permisch anzusehenden Dolomite von Plaun da Statz und
der Alp Laret, sowie die gleichen Dolomite, Gypse, Rauhwacken
und die kössener und liasischen Kalksteine des Piz Padella und
▼on Samaden» gemeint. Der Ursprung der mineralischen Be-
standtheile der Quellen wird hingegen als „sehr wahrscheinlich"
auf das Vorkommen von Eisen-, Mangan- und Magnesium-
haltigen Kalksteineinlagerungen und von Schwefelkies in den
chloritisch-phyllitischen Schiefern zurückgeführt, von denen
fflan „nach den beobachteten geologischen Lagerungsverhält-
wssen mit Grund annehmen" könne, dass eine Scholle der-
selben längs der Quellenspalte von Surlej her in den Granit
eingeklemmt vorhanden sei. Diese Scholle würde also an
die durchziehenden kohlensäurehaltigen Wasser die Mineral-
bestandtheile und insbesondere den am reichlichsten vorhan-
denen Kalk abgeben. Dass die so aus der Tiefe aufsteigenden
Wasser gleichwohl eine verhilltnissmässig niedrige Temperatur
besitzen und dass sie im Winter sogar nicht oder doch nur
w sehr geringen Mengen bis zu Tage aufsteigen, wird ver-
muthungsweise so gedeutet, dass das Schmelzwasser des Som-
mers sich mit dem in der Tiefe circulirenden und ununter-
brochen fortarbeitenden Zersetz ungswasser nur in höheren
13*
196 Sitzung der tnathrphys. Glosse vom 7, Juni 1902.
Theilen der Quellenspalte vermischt, diesem die grössere Wasser-
raenge liefert, damit aber auch die niedrige Temperatur gibi
und zugleich die Quelle durch den Druck einer höheren Wasser-
säule zum Äusfliessen bringt.
Dies sind in kurzer Zusammenfassung die Ergebnisse de]
GümbeTschen Untersuchung, die sehr viel zur Klärung unsere]
Anschauungen über den Ursprung der St. Morizer Queller
beigetragen hat. Einige wichtige Punkte sind allerdings kann
berührt worden, wie z. B. die Herkunft der Chloride, dej
Broms, Jods und Bors und die grosse Menge von Natrium
und bei Erklärung des hohen Gehaltes an Kalk- und Mag-
nesiumcarbonaten vermisst wohl jeder Leser eine Begründung
jener Gebirgsscholle, welche auf der Quellenspalte zwischei
dem Granit eingeklemmt liegen soll. Die „beobachteter
geologischen Lagerungsverhältnisse**, welche Gümbel zur An-
nahme jener Scholle geführt haben, sind leider mit keinen
weiteren Worte erwähnt. Und doch ist das eigentlich di(
Hauptsache und der Kernpunkt der Gümbel'schen Auffassung
Nachdem er zwei andere Annahmen für die Herkunft dei
Mineralbestandtheile — nemlich aus dem Granitstock selbsl
oder aus dem allzu entfernt gelegenen jüngeren Kalkgebirge —
als unmöglich abgelehnt hat, und da wir die Richtigkeit seinei
Beweisführung voll anerkennen müssen, könnte es allerdings
so scheinen, als ob nur die Annahme jener eingeklemmter
kalkreichen Gebirgsscholle übrig bliebe. Deshalb werden wii
uns zunächst der Untersuchung nicht entziehen dürfen, ol
zwingende Gründe für diese Annahme vorliegen, ehe wir um
einem anderen Erklärungsversuche zuwenden.
Obwohl die Wahrscheinlichkeit zugegeben werden muss
dass die St. Morizer Mineralquellen, weil sie in einer be-
stinmiten linearen Anordnung zu Tage treten, auf ein unc
derselben Gebirgsspalte aufsteigen, so darf man doch nichi
vergessen, dass diese Spalte selbst noch nicht beobachtel
worden ist. Ausser jener linearen Quellenanordnung sind keine
weiteren directen oder indirecten Beweise für ihre Existenz
bisher bekannt geworden. Wir können also auch nicht wissen,
A. Bothpletz: Ursprung der Thermalquellen von St, Moriz. 107
ob dieser vermutheten Spalte der Charakter einer nur ein-
fachen Eluft oder der einer Verwerfungsspalte zugeschrieben
werden darf. Was die von Gümbel gemachten geologischen
Beobachtungen betrifiPb, die ihm eine Einkeilung von grünen
Schiefem und Phylliten wahrscheinlich erscheinen Hessen, so
sind uns dieselben zwar leider unbekannt geblieben, ich ver-
muthe aber, dass für ihn der winkelige Verlauf der Grenze
zwischen Granit und jenem Schiefer bei Surlej Ausschlag
gebend war. Nordöstlich der Ortschaft Surlej bilden diese
Schiefer einen bewaldeten Hügelvorsprung, hinter dem sich
die Granitwände von 1900 bez. 1950 m Meereshöhe an bis
zur Eammhöhe des Rosatschstockes erheben. Die Grenze gegen
den Schiefer ist scharf und deutlich, sie verläuft in nordwest-
licher Richtung gegen die Plaun della Turba. Dort aber biegt
sie um, wird in südwestlicher Richtung rückläufig und erreicht
so mit dem Südende des Crestaltahügels die Ufer des Sees von
Campfer. Die Granitgrenze hat somit einen winkeligen Verlauf
und in den nach Süden geöffneten Winkel dringt wenigstens
wf der Ostseite eine Partie jenes Schiefers ein. Ob dies auch
auf der Westseite der Fall ist, wissen wir nicht, da hier
alles durch Moränen und Seealluvionen verhüllt ist.
Denkbar ist es unter diesen Umständen ganz wohl, dass
jener nach Norden vorspringende Schieferkeil sich unterirdisch
noch weiter fortsetze, und wenn überhaupt jene Quellenspalte
als Verwerfungsspalte existirt, dass diese Fortsetzung als ein-
geklemmte Scholle in nordöstlicher Richtung sich verlängere
und so der aufsteigenden Kohlensäure den Kalk- und Magnesia-
gehalt liefere. Dieser sehr vagen Vermuthung Hesse sich je-
doch eine andere entgegensetzen, die Gümbel gar nicht in
Erwägung gezogen hat, dass nenilich die Granitmassen bei
ihrem Emporsteigen durch das schon gefaltete Schiefergebirge
einzelne Theile jener grünen Schiefer und kalkführenden
Phyllite eingeschlossen und umhüllt hätten, dass solche grössere
Einschlüsse gerade unter St. Moriz verborgen lägen und dem
Quellwasser den Mineralgehalt verliehen.
Wir können mithin gar nicht in Verlegenheit kommen,
los Sitzung der maihrphys. Classe vom 7. Juni 1902,
den seltsamen Mineralgehalt dieser dem Granit entspringendem.
(Quellen zu erklären, so lange wir in Annahmen Befriedigung"
linden, deren theoretische Möglichkeit nicht bestritten, dereiM.
Realität aber eben so wenig bewiesen werden kann.
Um uns jedoch in derartigen unfruchtbaren Speculationerm.
nicht zu verlieren, wollen wir diejenigen thatsäch liehen Ver —
hältnisse in Erörterung ziehen, welche geeignet sind, uns übexr
den Ursprung der St. Morizer Quellen aufzuklären.
1. Das Alter des Granites.
Wir fassen hier unter dem Namen Granit alle die vei-—
schiedenen granitischen Varietäten, Diorite und Syenite zii —
sammen, welche das Rosatsch-Massiv aufbauen, sich über da-s
Bernina-Massiv weiter ausdehnen und auf der anderen Seifen
des Innthales Gebirgsketten zusammensetzen, die im Piz Ot'fc»
Piz »Tulier und Piz d'Err allbekannte Bergspitzen besitzerm-
Nach Art ihrer petrographischen Ausbildung und ihres Vor —
kommens erweisen sie sich alle als Theile einer einheitlich^:*^
und gleichzeitigen Intrusion.
Gümbel hat sich darauf beschränkt festzustellen, da^^
dieser Granit jünger ist als die ihn umgebenden krystalline:^^
Schiefer und Gneisse, und da er diese als Glieder der archaei — '
sehen Formation ansah, so ergibt sich daraus nur, dass de^^
Granit jedenfalls nicht viel älter als palaeozoisch sein kann ^
Theobald (Beiträge zur geol. Karte der Schweiz, Lief. 3 -^
S. 228, 1866) hingegen hat sich dahin ausgesprochen, das^^
diese Granite jünger als die Liasformation seien, weil derf'
Lias das jüngste Sedimentgestein sei, das durch die granitisch—
syenitische Erhebung gehoben und verbogen wurde. Beson-
ders in der Nähe von St. Moriz bei Gravasalvas sah er den
Granit in mächtigen Massen über den Schichtköpfen der ge-
falteten Bündner- und Liasschiefer ausgebreitet und obwohl er
darüber schreibt (S. 123): „Entweder müssen wir eine Ueber-
schiobung der granitisclien Gesteine über diese Schiefer an-
nehmen, oder voraussetzen, dass erstore als ein feurig-flüssiger
A, Bothpletz: Ursprung der Thermalquellen von St, Moriz. 199
Teig sich über letztere ausgebreitet haben", so scheint ihm
doch nur die letztere Annahme eingeleuchtet zu haben, und
so wurde er um so mehr im Glauben an ein postliasisches
Alter des Granites bestärkt. Ein drittes Argument erwähnt
tr S. 87: „Es ist merkwürdig, dass sich weder im Verrucano
noch in dem liasischen Kalkconglomerat Trümmer von Julier-
granit oder Serpentin finden, was darauf hinzudeuten scheint,
dass diese Gesteine erst nach der Bildung dieser Conglomerato
an ihre jetzige Stelle gekommen sind".
Für den Serpentin ist dies richtig. Er ist in diesem
Theil der Alpen in Verbindung mit basaltartigen Eruptionen
erst nach der ersten Alpenfaltung also zur Tertiärzeit empor-
gedrungen (siehe: Meine Geolog. Alpenforschungen I, 1900).
Für den Engadiner Granit gilt das aber nicht, und es ist offenbar
Theobald entgangen, dass das mächtig entwickelte liasische
Conglomerat auf der Nordseite des Piz Julier am Suvretta Pass
stellenweise erfüllt ist von zum Theil recht grossen Brocken
von Porphyr, porphyrartigem Granit mit röthlichen Feldspathen
und granitischen Gesteinen mit weisslichen und grünlichen
Feldspathen. Ob letztere geradezu dem Juliergranit angehören,
muss erst durch eine genaue petrographische Untersuchung
festgestellt werden, aber jedenfalls beweisen sie, dass schon
vor dem Lias in Graubünden mächtige Granitintrusionen erfolgt
und auch in Folge von Dislocationen gehoben, entblösst und
zu Uferfelsen des Liasmeeres geworden waren.
Die Hebungen und Verbiegungen der liasischen oder älteren
Sedimente im Dache des Granites auf dessen Empordringen
zurückzuführen, wie es Theobald gethan hat, geht so lange
uicht an, als in diesen Schichten keinerlei Contactmetamor-
ptosen oder granitische Apophysen und Gänge nachgewiesen
werden können.
Was endlich die Lagerung grosser Granitmassen auf dem
Lias am Lunghino- und Gavasalvas-Pass betrifft, so ist das
keine ursprüngliche — denn auch hier fehlen alle Spuren von
Contactmetamorphosen — sondern Folge einer grossartigen
Ueberschiebung, von der nachher die Rede sein wird.
200 Sitzung der math.-phys, Classe vom 7, Juni 1902.
Wenn wir uns in der weiteren Umgebung von St. Moriz
umsehen, so finden wir im Hintergrund des Julierthales auf
dem Südgehänge des Piz Suvretta in den dort so mächtig
entwickelten Sernifitschiefern hellfarbige Granitgänge, die von
deutlichen Contacthöfen umgeben sind. In den auf dem Ser-
nifit ruhenden Dolomiten, Rauhwacken und Gypslagern, ebenso
in den höheren Liasschiefern und Flyschgesteinen sind hin-
gegen bisher nirgends granitische Gänge oder Contactmeta-
morphosen aufgefunden worden. Theobald und Gümbe!
haben die Dolomite in die Trias, den Sernifit in den Bunt-
sandstein gestellt, ich habe aber schon früher gezeigt, das$
diese Gebilde im nördlichen Graubünden von der Trias ein-
schliesslich des Buntsandsteines überlagert werden, also ältei
wie diese sind. Sie müssen als Vertreter der Permformatioi
aufgefasst werden, und somit ergibt sich für diese Granit
intrusionen als das wahrscheinlichste ein unterpermisches Alter
was allerdings nicht absolut für alle Granite dieser Gegenc
aber doch für einen Theil derselben ausgesprochen sein sol
und auch für diese nur unter dem Vorbehalt, dass weiten
Untersuchungen der in den Hochregionen der Gletscher unc
des ewigen Schnees gelegenen Ueberreste der jüngeren Sedi-
nientdecke nicht doch noch Apophysen oder ähnliche Bildungei
zur Kenntniss bringen.
Wir sind also dazu gekommen, in den grossen Granit
massen des Engadins Gesteine zu sehen, die sicher vorliasisch
wahrscheinlich jungpalaeozoisch, sind aber jedenfalls längs
erstarrt waren, als zur Tertiärzeit die alpinen Hebungen um
Faltungen begannen. Dabei wurde dieser Granit geradeso ge
hoben, geschoben und verworfen wie die Sedimentgesteine.
2. Der Gebirgsbau im Gebiet der Quellen.
An anderem Orte habe ich nachgewiesen, dass eine de
grossen rhätischen Ueberscliiebungen, durch welche fast di
ganze Masse der Ostalpeii viele Kilometer weit über diejenig
der Westalpen in westlicher Richtung auf verhältnissmässi^
Ä. Eothpletz: Ursprung der Thermalquellen von St. Moriz. 201
sehr flach gelagerten Schubflächen hinwegbewegt worden ist,
auch das Engadin quer durchschneidet. Die Schubfläche streicht
am Lunghinopass aus, senkt sich auf dem westlichen Thal-
gehänge des Engadines langsam nach Osten herab bis zum
Sihaplaner See und steigt am jenseitigen Gehänge gegen
Süden wieder herauf' bis zur Höhe des Capütschin, biegt dort
nach Osten um und umzieht das Berninamassiv auf dessen
Südseite. Das Gebirge unter dieser Schubfläche besteht aus
Gneissen mit Granitinjectionen, jenen Marmor- und Dolomit-
lagera, Kalkglimmerschiefern und grünen Bündnerschiefern,
die Gümbel als Phyllite bezeichnet hat, während ich darin
Vertreter der älteren palaeozoischen Schichten mit eingelagerten
Diabasen und DiabastufFen sehe. Sie werden discordant von
permischen Sernifit und Röthidolomit überlagert, auf denen
theilweise obertriasische Koessner Kalke, meist aber unmittelbar
liasische Kalksteine und Schiefer, mancherorts auch noch Flysch
ruhen. Alles dies ist stark gefaltet.
Ueber der Schubfläche trefi'en wir wiederum Granite und
fineiss, darüber Sernifit und Röthidolomit; ob stellenweise
vielleicht auch noch Liasablagerungen darüber erhalten sind,
muss erst festgestellt werden.
In Folge dieser Ueberschiebung ist der Granit der Schub-
masse bei Gravasalvas auf die gefalteten Schichten des Lias,
<ies Perms und der palaeozoischen Bündnerschiefer zu liegen
gekommen, was Theobald bereits erkannt und in der schon
erwähnten Weise sich zu erklären versucht hat. Ebenso liegt
aber auch der Granit des Piz Surlej bei Surlej über den palaeo-
zoischen Bündnerschiefern und man kann diese Ueberlagerungs-
fläche (siehe Fig. 1) am Gehänge herauf gegen den Crialetsch
am Pusse des Piz Corvatsch leicht verfolgen. Die Schubfläche
ist hier mit 10 — 12® gegen Norden geneigt, wird aber zwischen
der Alp Surlej und Mörtels von einer Querverwerfung getroffen,
jenseits welcher sie höher und fast horizontal liegt.
Bei Surlej senkt sich die Ueberschiebungsfläche unter den
Thalboden. Wenn man annimmt, dass sie sich gegen Norden
mit gleicher Neigung von 10® weiter senkt, so muss sie unter
202
Sitzung der math.-phys. Classe vom 7. Juni 1902,
Morizbad bereits etwa 300 Meter unter der Oberfläch
Aber selbst, wenn hierbei ihre Neigung stärker oder sc
wäre, immer müsste man annehmen, dass der Granit
dem überschobenen
gebirge liegt, dass
nicht in die „unendlicl
herabgeht. Die Wurs
Grjinitstockes ist W(
Osten zu suchen, hi<
wir nur einen ober
gewissermassen den B
selben.
Durch den sieben
weis dieser Uebers(
ist zugleich das Quelh
gelöst. Die Quellwa
Gase, die aus dem G
Tage treten , komr
grösserer Tiefe un<
aus einer Gebirgsmj
von Granit nur ober
bedeckt wird, selbst
verschiedenartigen
ablagerungen besteht
die Mineralbestandth
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Morizer Thermalquel
zeichnen.
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mit der Quellenspa
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wenn schon ein sicherer Beweis
noch nicht zu erbrin^^en war.
dass die westliche Gebirgsmasse auf dieser Spalte eine
Ä. Bothpletz: Ursprung der ThermalqueUen von St, Mariz. 203
erfahren habe, dann erklärt es sich, was sonst kaum verständ-
lich wäre, warum der Granit, der östlich von Surlej bei 1950 m
Meereshöhe über dem palaeozoischen Bündnerschiefer liegt, 1 km
weiter im Westen, wo er eigentlich in ebenso hoher Lage er-
wartet werden sollte, bereits über 150 m tiefer herabreicht, so
dass der unterliegende Schiefer am Ufer des Sees vom Campfer
gar nicht mehr sichtbar ist. Besser unterrichtet sind wir von
einer zweiten Verwerfung, welche mit dieser ungefähr parallel
verläuft und durch das ganze obere Engadin auf der west-
lichen Thalseite hinläuft. Auf ihr haben grosse Verschiebungen
nachweislich stattgefunden und es zustande gebracht, dass nir-
gends eine voUkommne Uebereinstimmung im geologischen Bau
der beiden Thalseiten besteht. (Näheres darüber werde ich in
NW.
Alp Giop
St. Moriz Bad
so.
Piz Rosatsch
t/oo nt.
Fig. 2. Schnitt qaer Ober das Innthal (1 : 75000) mit den muthmoss-
lichcn tcktonischen Verhältnissen unterhalb des 1700 Meter-Niveaus.
Alpenforschungen 11 später mittheilen.) So mag es denn ge-
stattet sein, die Quellenspalte als eine Begleiterscheinung jener
> erwerfungsspalte aufzufassen, und es ergibt dies dann für die
nähere Umgebung von St. Moriz das Bild eines Grabenbruches,
^e ihn Fig. 2 zur Darstellung bringt.
Was früher als etwas Seltsames und schwer zu Erklären-
des erschien, nemlich der Mineralgehalt der Morizer Thermen,
das ist für die nun gewonnene tektonische Auffassung etwas
ganz selbstverständliches, ja geradezu nothwendiges geworden.
Die Quellen müssen aus Kalkgebirg aufsteigen, weil sie Thermen
sind, also aus grösseren Tiefen kommen,
204 Sitzung der mcUh.-phys, Glosse vom 7. Juni 1902.
3. Woher stammt die viele freie Kohlensäure?
Diese Erscheinung ist nicht auf St. Moriz beschrän
sondern recht eigentlich eine besondere Eigen thümlichkeit Gn
bündens, wodurch sich dasselbe vor den meisten anderen Thei
der Alpen auszeichnet. Ebenso eigenthümlich ist aber die
Gegend das Vorhandensein zahlreicher tertiärer Basalt- i
Serpentingänge. Die Basalte sind allerdings in der Litera
hinter den Namen Melaphyr, Spilit, Diabas und Diorit zie
lieh gut versteckt, aber es sind jedenfalls basaltartige En
tionen, die abwechselnd alle alpinen Sedimentgesteine dur
setzten und zwar zu einer Zeit, als die alpine Faltung 1
schon vollendet war, also etwa in der mittleren Oligocänzeit o
später. Das Gleiche gilt für die Serpentine, die in wild v
bogenen Schichten aufsetzen und trotzdem oft kilometerlan
ganz geradlinige Gänge darin bilden. Freilich hat man v;
fach versucht, diese Serpentine in einen genetischen Zusamm
hang mit den sog. grünen Bündnerschiefern zu bringen, weL
nach meiner Auffassung palaeozoische Diabase und Diabasti
sind, und es ist ja auch die Möglichkeit keineswegs von
Hand zu weisen, dass in den Alpen auch Serpentinmas
vorkommen, die älter als tertiär sind. Dies ändert aber nie
an der Thatsache, dass Graubünden zur Tertiärzeit der Seh
platz stärkerer vulkanischer Thätigkeit war, die jetzt allerdii
ganz erloschen zu sein scheint, aber in den starken Kohl
säure-Exhalationen noch wenn auch schwache Nachwirkung
verräth. Als solche steigen also auch die Gase unter St. Mc
aus grösseren Tiefen und mit hohen Temperaturen auf.
werden von den kühleren unterirdischen Gewässern aufgenc
men und abgekühlt, erwärmen aber ihrerseits jene Gewäsi
die mit dieser Unterstützung lebhafter mineralische StoflRe
Lösung nehmen und mit ihnen in die Höhe steigen.
Ä, BothpleU: Ursprung der Thermalquellen von St. Moriz,- 205
4. Woher stammen die mineralischen Bestandtheile?
Das Vorhandensein des basalen Kalkgebirges erklärt uns
zu Genüge den Gehalt an Kalk-, Magnesium-, Eisen- und
Mangancarbonaten sowie an Kieselerde und Thonerde. Anders
liegt es mit den Sulphaten, Chloriden, dem Bor, Brom und
Jod. Das sind Stoffe, die das Meereswasser in Lösung ent-
hält und unter günstigen Verhältnissen auch in seinen Sedi-
menten ausscheidet. Aber wo wir ältere Meeresablagerungen
zu Tage gehen sehen, sind diese Bestandtheile gewöhnlich
nicht, oder doch nur theilweise und in verschwindenden Massen
Torhanden, so dass wir uns gewöhnt haben, sie nicht zu den
gewühnhchen Absatzproducten zu zählen. Gleichwohl dürften
sie viel häufiger zu Ablagerung gekommen sein, als sich be-
obachten lässt. Da aber, wo sie nicht in grösseren Mengen
in Form von Steinsalz- oder Sollagern auftreten, sondern nur
verhältnissmässig spärlich den Kalk-, Mergel- oder Thon-
schichten beigemengt waren, sind sie im Ausgehenden dieser
Gesteine längst durch die circulirenden Tageswässer ausgelaugt,
ond nur in grösseren Tiefen kann dieser Salzgehalt noch er-
halten geblieben sein, wo eben noch keine so kräftige Durch-
wässerung eingetreten ist. Wir können also erwarten, dass alle
Marinen Sedimente, die hier unter dem Schutze der darüber-
geschobenen Granitdecke liegen, noch jene leicht löslichen Salze,
soweit sie darin abgesetzt worden waren, aufgespeichert ent-
halten und nun an die aufsteigenden kohlensäurereichen Thermal-
wasser abgeben. Besonders jedoch steht zu erwarten, dass die
permischen Dolomite, die von Rauhwacken und Gypslagern
begleitet sind, reich an solchen Salzen gewesen sind und in
ihnen dürfen wir deshalb die Hauptlieferanten sehen.
Wir wissen aber, dass die palaeozoischen Bündner Schiefer
von Permablagerungen discordant überlagert werden, und es
hätte somit gar nichts auffallendes, wenn unter dem Boden
von St. Moriz und seiner Granitdecke solche permische Ab-
lagerungen in grösserer Mächtigkeit vorhanden wären, wie
dies in Fig. 1 und 2 dargestellt ist.
206 Sitzung der math.-phys. Classe vom 7, Juni 1902,
Für die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme lässt sich ai
führen, dass thatsächlich oberhalb Surlej zwischen dem Grar
bezw. Gneiss und den liegenden Bündner Schiefern die pe
mischen Sernifitschiefer ausstreichen, und wenn die Dolomi
darüber fehlen, so erklärt sich dies durch die Richtung d
Ueberschiebung, durch welche sie hier weggeschoben word-
sind, während sie auf der anderen Thalseite oberhalb Grav
salvas noch thatsächlich erhalten geblieben sind aus de
Grunde, weil sie da tiefer in die Bündner Schiefer eingefalt
waren. Aehnlich können aber auch die Verhältnisse unt
St. Moriz liegen.
5. Zusammenfassung der Ergebnisse.
Ein grosser Granitstock, der in Gneiss, kry stallinen Schiefe
und palaeozoischen Sedimenten aufsitzt und wahrscheinlich geg
Ende der palaeozoischen Zeit eingedrungen war, ist mit dies
Schiefern und den später über und neben ihm abgelagert
jüngeren Meeressedimenten in der Oligocänperiode von d
ersten alpinen Faltung ergriffen und dislocirt worden. Dara
wurde er von der rhätischen Ueberschiebungsspalte, welche
dem Alpenkörper entstand und denselben von Nord nach S
quer durchschnitt, in zwei übereinander liegende Theile zerlej
von denen der obere durch jene Ueberschiebung nach West
fortgeschoben, von seinem Sockel entfernt und auf bere
gefaltete palaeozoische und mesozoische Meeresablagerung
heraufgeschoben wurde. Der Piz liosatsch, sowie die gai
Bernina-Granitmasse, der Julier- und Albuhi-Granit gehöri
zu diesem jetzt wurzellosen nach Westen verschobenen Gran
stock, der nachträglich nochmals von Gebirgsspalten in v-
schiedenen Richtungen durchschnitten und in mehrere Scholl
zerlegt wurde, die ebenfalls durch vertikale und horizoiit
Bewegungen gegeneinander verschoben worden sind, so d;
deren ursprünglicher Zusammenhang auch in dieser obei
Hälfte des Granitstockes gründlich verloren ging.
Vielleicht gleichzeitig damit, jedenfalls aber zeitlich nie
I
Ä, Bothpletz: Ursprung der Thermalquellen von St. Moriz, 207
w-eit daTon entfernt, fanden im Gebiet dieser Ueberschiebung
Diirchbrüche von Basalt- und Serpentinmassen statt, die gang-
förmig aus der Tiefe emporstiegen. Obschon diese vulkanische
Thätigkeit längst erloschen ist, so erkennen wir ihre Nach-
i^irkungen doch noch an den starken Gasausströmungen,
Twdehe sich an vielen Orten und so auch bei St. Moriz in
Form von kohlensäurereichen Thermalquellen äussern.
Die in die Erde eindringenden Wasser der atmosphärischen
^N'iederschläge absorbiren in der Tiefe diese Gase und erhalten
dadurch einen Auftrieb, der sie auf vorhandenen Gebirgsspalten
a-ufeteigen macht. Sie steigen um so höher, je grösser der
hydrostatische Druck ist, d. h. je höher die Niveaufläche des
XTutergrundwasserstandes liegt. Da diese im Engadin im Winter
ihren tiefsten, im Sommer aber in Folge der Schneeschmelze
einen bedeutend höheren Stand hat, so begreift es sich leicht,
^^arum die im Sommer stark fliessenden St. Morizer Thermal-
em laellen im Winter sehr schwach sind oder auch ganz aus-
bleiben.
Der hohe Mineralgehalt dieser verhältnissmässig kalten
Quellen ist demnach dadurch bedingt, dass die Auflösung von
Salzen in grösseren Tiefen begünstigt durch die freie Kohlen-
saure und hohe Temperatur vor sich geht und dass das auf-
steigende Wasser erst in höheren Regionen durch das kältere
niedersinkende Tageswasser abgekühlt wird.
Der für die St. Morizer Quellen charakteristische Mineral-
gehalt besteht hauptsächlich aus Bestandtheilen, die im Meeres-
'«'asser gelöst vorkommen, mithin auch in Meeresablagerungen
2um Absatz kommen können und wahrscheinlich von dem
palaeozoischen Meere in seinen Sedimenten einstmals aufge-
speichert worden sind, aus denen sie jetzt die kohlensäure-
haltigen St. Morizer Quellen beziehen und wieder an die Erd-
oberfläche bringen.
208
Sitzung vom 5. Juli 1902.
1. Herr C. Göbel hält einen Vortrag: »üeber Regen«
tion bei Pflanzen*. Derselbe wird anderweit zur Veröff
lichung gelangen.
2. Herr Seb. Finsterwalder überreicht, auf Ersuchen
Herrn Herm. Ebert, zu der in der Maisitzung vorgelegten
in den Sitzungsberichten veröffentlichten Abhandlung der He
Karl Fischer und Heinrich Alt über Dampfspannung
reinen Stickstoffes einen Nachtrag: ,,Erstarrungs-
Schmelzdruck des Stickstoffes".
209
Erstarrungs- und Schmelzdruck des Stickstoffs.
Von K. T. Fischer und H. Alt.
(Eingaaufm 5. JtiU.)
1. In unserer Arbeit über die Dampfspannung des
^"eiiien Stickstoffs^) waren wir auf Grund der Clapeyron'-
schen Gleichung zum Schluss gekommen, dass die Verdampfungs-
^ärme des Stickstoffs mit abnehmender Temperatur erst steigt,
^1^ dann in der Nähe des Erstarrungspunktes wieder abzu-
^^hmen, wenn man die spezifischen Volumina des StickstoflF-
^Ämpfes aus dem von De war ermittelten Wert 256.83 ccm/gr
"«i 760 mm Druck und 90.5® absoluter Temperatur nach dem
-""f ariotte-Gay-Lussac'schen Gesetz extrapolieren darf (1. c.
S- 147). Die direkten Bestimmungen der Verdampfungs wärme,
^^elche Herr Alt inzwischen ausgeführt hat, haben diesen
Schluss nicht bestätigt, sondern eine stetige, wenn auch ge-
^^nge Zunahme der Verdampfungswänne des Stickstoffs bei ab-
nehmender Temperatur ergeben. Von 700 mm bis herab zu
-* 20 mm Druck stimmen die von uns berechneten Werte der
"erdampfungswärme mit den beobachteten so genau als zu
^^^varten war, überein, von da ab jedoch ergeben sich grosse
^-Differenzen. Sucht man den Grund für diese Abweichungen
^n den Beobachtungen der Dampfspannung, aus welchen wir
3^ die Aenderung der Dampfspannung mit der Tejnperatur
berechnen mussten, so wäre ein Fehler noch am ehesten in
^^r Druckbestimmung zu vermuten, da wir für den Erstarrungs-
^^uck des Stickstoffs stark von einander abweichende Werte
\
^) Sitzungsber. der bayer. Akad. d. Wissensch. S. 113—151, 1902.
1902. SitziiDgsb. d. iDath.-phy8. Cl. 1^
210 Sitzung der matK-phys, Glosse w>m 5. Juli 190S.
erhalten haben (1. c. S. 135); würde man aus den direkt e
mittelten Werten der Verdampfungswärmen auf den Erstarrung
druck extrapolieren, so würde sich, wenn die Temperatur s
richtig angenommen ist, ein Erstarrungsdruck von 78 mm e
geben. Da wir in der That einige Male so niedrige Wer
beobachtet hatten, so nahmen wir neuerdings eine eige:
Untersuchung über den Erstarrungs- und Schmelzdruc
des Stickstoffs vor.
2. Da wir früher zur Vermeidung von Siedeverzüg«
Wasserstoff in den Stickstoff eingeleitet hatten, und in diese
Falle den Druck sogar eher höher als niedriger wie 86 ra
anzunehmen uns veranlasst sahen, so glaubten wir, es könni
trotzdem wenig Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden war, d
Zufuhr von Wasserstoff eine wesentliche Fehlerquelle gebild
haben und vermieden bei den neuen Versuchen dieses Hilf
mittel vollständig. Da die Untersuchungen des Herrn A
zeigten, dass bei der Verdampfung des Stickstoffs durch elel
trische Heizung Siedestösse nicht auftraten, so führten wir i
die 1. c. S. 125 abgebildete Anordnung statt der Kapillaren 2
welche früher Wasserstoff zuleitete, eine Platinheizspirale eii
welche aus einem 2 m langen, 0,11 mm dicken Drahte he:
gestellt «war und mit 0,3 — 0,5 Amper Strom beschickt werde
konnte, wenn Siede Verzüge zu befürchten waren. Um auc
jedes andere Fremdgas so viel wie möglich vom Stiel
stoff fern zu halten, schlössen wir den llecipienten, unt<
dem sich der verdampfende Stickstoff befand, an 2 gros.«
eiserne Vacuumkessel von zusammen 700 Liter Inhalt ai
welche bis auf 40 — 50 ram Druck durch die schon früher b(
nützte Bianchi'sche Pumpe leer gepumpt werden konnten, un
in welchen sich also während der Versuche eine ziemlich reir
Stickstoflfatmospliäre ansammeln musste. Da der Druck durc
die elektrische Heizung und durch Feiiiverstellung eines zwische
Recipienten und Vacuumkessel angebrachten Hahnes gerege
und konstant gehalten werden konnte, so konnte auch de
Seitenhahn fortgelassen werden, durch welchen wir frühe
zeitweise Luft in die Pumpenleitung hatten eintreten lasse
Fischer u. ÄH: Erstarrungs- u. SchmeUdruck des Stickstoffs, 211
(1. c. S. 129). Die im Recipienten befindliche Luft wurde wohl
bald ziemlich vollständig ausgetrieben, da das Stickstoffgefäss
sofort nach der Füllung mit in Luft filtriertem Stickstoff unter
den Recipienten gesetzt wurde und zunächst der Stickstoff noch
äusserst lebhaft verdampfte, bis das Dewargefass genügend
abgekühlt war.
3. Wir führten im Ganzen 10 Versuchsreihen durch und
zwar benützten wir für den ersten Versuch ein kugeliges,
durchsichtiges Dewarfläschchen von 153 ccm Inhalt und für
die folgenden ein kleineres, cylindrisches, durchsichtiges Dewar-
fläschchen von 50 ccm Inhalt. Der eine von uns beobachtete
das Barometer, welches dasselbe war wie früher und regelte
den Druck, der andere beobachtete gleichzeitig mittelst Kom-
pensationsmethode die elektromotorische Kraft des Kupfer-
Konstantanelementes, welches wir auch schon früher benutzt
hatten. Es lieferte dieses Thermoelement dieselben elektro-
motorischen Kräfte für den Siedepunkt und Gefrierpunkt, die
wir schon früher erhalten hatten, sodass wir für diese die-
selben Temperaturen annehmen konnten, den Siedepunkt natür-
lich mit Rücksicht auf die Aenderung des Barometerstandes
entsprechend korrigiert, um festzustellen, inwieweit der
Sauerstoffgehalt den Gefrierdruck erniedrige, nahmen
wir eine bestimmte Menge flüssigen Stickstoff und brachten
sie wiederholt zum Erstarren und Schmelzen, indem wir gegen
geringen Druck verdampfen Hessen; da nach den Untersuch-
ungen Baly's^) aus einem sauerstoffarmen Gemisch von Stick-
stoff-Sauerstoff hauptsächlich Stickstoff verdampft, während der
Sauerstoff der Hauptsache nach in der Flüssigkeit zurückbleibt,
so musste schliesslich ein relativ sauerstoffreicher Flüssigkeits-
rest Übrig bleiben und sich zeigen, ob in der That, wie wir
schon früher vermutet, der Erstarrungsdruck hauptsächlich durch
Sauerstoffverunreinigung erniedrigt wird (1. c. S. 132). Wenn
der zur Verflüssigung gebrachte Stickstoff auch nur 0,02 ^/o
Sauerstoff enthielt, so konnte, wenn schliesslich ein Quantum
») E. C. C. Baly, Phil. Mag. 49. S. 521, 1900.
14*
212 Sitzung der math.-phys, Classe vom 5, JtUi 1902.
von 50 ccm auf 1 ccm eingedampft war, dieser Rest ca. l°/o
SauerstoflF enthalten. Um über diese im schliesslichen Stick-
stoflPrest verbleibende SauerstoflFmenge einen Anhaltspunkt zu
gewinnen, analysirten wir am Schluss einiger Versuche die
letzten im Dewargefäss verbleibenden Rückstände, indem wir
das Dewarfläschchen rasch aus dem Recipienten herausnahmen,
mit einem Gummistopfen und Gummischlauch verschlossen, erst
noch durch Schütteln kräftige Verdampfung stattfinden liessen
und dann den Gummischlauch an die Hempel'sche Bürette
ansetzten, um die SauerstofFanalyse mit Kupfer in ammoniakali-
scher Lösung vorzunehmen; auch während des Füllens der
Bürette, die 53,4 ccm hielt, wurde das Dewarfläschchen ge-
schüttelt, damit energische Verdampfung erfolgte. Um einen
Anhaltspunkt dafür zu gewinnen, wie viel von der Flüssigkeit
verdampft war, wenn dieselbe zum zweiten oder dritten Male
zum Erstarren gebracht wurde, hatten wir neben das cylindri-
sche Dewarfläschchen einen Millimetermassstab gestellt, um
aus der Höhe der Flüssigkeit auf das noch vorhandene Volumen
schliessen zu können. In der folgenden Tabelle S. 214 u. 215
sind die Vei'suchsresultate zusammengestellt. Die Horizontal-
reihen enthalten die bei wiederholtem Erstarren und Schmelzen
und dabei stattfindender Abnahme der Flüssigkeitsmengen beob-
achteten Erstarrungs- und Schmelzdrucke mit Angabe des Ver-
hältnisses des ursprünglichen Volumens zu dem jeweils noch
vorhandenen Volumen Flüssigkeit, und zwar sind die Versuche
so geordnet, dass die reinsten Proben in der ersten Reihe
stehen. Der Erstarrungs- und Schmelzdruck ist ausser-
ordentlich konstant und sicher zu beobachten; auch
wenn man die Verdampfung rasch erfolgen lässt, stellt sich
von dem Momente an, wo das Schmelzen oder Erstarren be-
ginnt, ein konstanter Druck ein, der bei einem genügend guten
Barometer auf einige zehntel Millimeter genau zu beobachten
ist. In unserem Falle gestattete das — selbsthergestellte —
Barometer mit verschiebbarer Skala nicht mehr als 2 zehntel
Millimeter Ablesegenauigkeit. Bei dem ersten Vei*such, in
dem das Volumen über 90 ccm betrug, blieb der Erstarrungs-
Fischer u. Alt: Erstarrung»- u, SchmeUdruck des Stickstoffs. 213
druck 10 Minuten hindurch konstant, in den anderen Ver-
suchen je nach der vorhandenen Menge Flüssigkeit eine halbe
bis mehrere Minuten, und ebenso der Schraelzdruck. Nach-
dem die ganze Masse erstarrt war, wurde noch weiter bis auf
ca. 20 mm unter den Erstarrungsdruck abgekühlt und ebenso
Hessen wir, nachdem die ganze Masse vollständig geschmolzen
war, jeweils den Druck bei abgeschlossenem Recipienten auf
ca. 150 mm ansteigen, ehe wir von neuem Erstarrung herbei-
führten.
4. Die Tabelle lehrt, dass in der That der Erstarrungs-
druck des Stickstoffs durch Sauerstoffbeimengung erheblich
erniedrigt wird, und zwar würde aus den Zahlen schätzungs-
weise folgen, dass 1 Gewichtsprozent Sauerstoff den Erstar-
rungsdruck des Stickstoffs um 8 — 10 mm erniedrigt. Ferner
dass nach unserer Beobachtungsmethode der Erstarrungsdruck
des reinen Stickstoffs um ca. 1.7 mm niedriger ist als der
Schmelzdruck, und dass diese Differenz zunimmt, wenn die
Sauerstoffverunreinigung zunimmt. Die angegebene Fehler-
grenze + 0,6 mm haben wir schätzungsweise eingesetzt; der
hierbei sich ergebende Wert steht mit dem in unserer früheren
Arbeit angegebenen Wert für den Erstarrungsdruck, nämlich
86 + 4 mm, in Einklang. Dass flüssige Luft durch das von
uns für Stickstoff angewandte Verfahren des Verdampfens
festgemacht werden kann, ist unwahrscheinlich, da der Er-
starrungsdruck mit dem Sauerstoffgehalt so stark abnimmt;
dagegen dürfte Abkühlung mit einer kälteren Flüssigkeit
(Sauerstoff oder am besten flüssigem Wasserstoff) diese Ver-
festigung leicht herbeiführen.
5. Da wir die Dampfspannungskurve durch den Punkt
i^ = 86mm, T = —210,52^ Geis, gelegt haben, müssen die
Werte für die Dampfspannung in der Nähe des Erstarrungs-
punktes etwas geändert werden. Gelegentlich der hier be-
schriebenen Versuche haben wir mit unserer neuen Anordnung
einige Punkte zwischen 150 und 90 mm neu bestimmt und
Wernach als Temperatur des gesättigten Stickstoffdampfes
214
Süzung der math.-phys. Classe vom 5. Juli 1902.
Für 120 mm Druck -208.46» C. gegenüber früher — 208.24» C
, 110 , , -209.15«, , , -208.77'»,
, 105 , , -209.44», —
, 100 , , -209.78», , , -209.35»,
, 95 , . -210.12», , , -209.68».
, 89.2, , -210.52», , , -210.1» .
gefunden, wobei wie früher als Temperaturskala die des Kon-
stantvolum-Wasserstoffthermometers gewählt und für den Span-
nungskoeffizienten des Wasserstoffs der Chappuis'sche Wert
a = 0.0036625 angenommen ist. ,
Diese neuen Werthe ändern die Grösse -r^ gegenüber
Aenderung des Erstarrungs- und Schmelzdruckes
Restvolume
t'o = ursprüngliches Volumen.
k =
^0
Nr.
des
Versuchs
«0
ccm
I
P P' ^
P
II
p' k
III
p p' k
IV
P P'
1.
150
89.2 90.2 \
9.
8.
50
50
89.2 91.2 i
89.2 91.2 \
88.2
90.7 ,15
fS7.2 90.7 i
\87.2 90.2 i
86.2 89.4
10.
50
—
88.5
90.2 i
87.2 89.2 i
—
4.
50
—
—
87.2 90.2 i
86.2 88.2
6.
50
-
-
—
—
7.
50
—
—
—
—
3.
50
—
—
—
—
5.
50
—
—
—
—
2.
50
—
--
~
—
Mitt(
Diflferen
5l der
zen p'—p
1.7 mm
2.25. mm
2.9 mm
2.6 mm
Mittel für den Erstarrungsdruck des reinen Sticka
„ „ Schmelzdruck
M »»
Fischer u. Alt: Erstarrungs- u. Schmelzdruck des Stickstoffs, 215
unseren früheren Zahlen nicht erheblich, und es kann daher
die Folgerung eines Maximums der Verdampfungswärme des
Stickstoffs, die wir aus der Clapeyron'schen Gleichung gezogen
haben, nicht deswegen unzutreffend sein, weil die von
uns früher angegebene Dampfspannungskurve in der Nähe des
Erstarrungspunktes wegen der Unsicherheit der dort beob-
achteten Erstarrungsdrucke zu ungenau bestimmt war; was
die Ursache der Abweichung ist, namentlich ob nicht die
specifischen Volumina thatsächlich andere sind als die nach
Dewar berechneten, kann nur durch eine weitere Unter-
suchung festgestellt werden.
Ustofb bei Verunreinigung durch Sauerstoff.
p = Eretamingsdruck in mm Hg. p' = Schmelzdruck in mm Hg.
Y
» / k
VI
P P'
k
VII
P P' k
VIII
P P' k
Analyse
des letzten Flüssigkeitsrestes
auf Sauerstoffgehalt
-
—
—
—
0.6— 0.8ccm 1.3«/oVol.Oa
-
—
—
—
0.5 ccm 2.4 o/o Vol. Oa
? 88.2 i
—
82.7 86.7 1^5
—
0.1-0.2 com 2.5 o/o Vol. Oa
—
84.2 88.7
l
82.2 86.7 i
80.2 87.7 i^
—
87.7 i
83.7 86.2
i
—
81.2 84.2 A
0.8 ccm 4.3 «/o Vol. 0,
87.7 i
—
83.0 85.7 i 79.2 83.2 tV
0.5 ccm 5.6 «/o Vol. Oa
88.1 1
—
- i77.8 ? ^
—
—
83.7 87
i
83.2 87.2 i
80.2 ? A
0.1—0.2 ccm 6—7 «/o Vol. Oa
—
—
—
81.5 85.5 tV
—
mm
3.4 mm
3.8 mm
4.6 mm
89.2 + 0.6 mm
90.9 + 0.6 mm
}M
ittel: 90.0 +0.3 mm.
217
Oeflfentliche Sitzung
zur Feier des 143. Stiftungstages
am 13. März 1902.
Die Sitzung eröflhet der Präsident der Akademie, Geheimrath
I^K. A. V. Zittel, mit folgender Ansprache:
Königliche Hoheiten!
Hochgeehrte Festversammlung!
Die festliche Sitzung der Königl. bayer. Akademie der
«nschaften im Monat März ist der Erinnerung an ihre
«ründung gewidmet. Fast einhundertzweiundvierzig Jahre sind
verflossen, seit ChurfQrst Maximilian Joseph am 28. März
"en Stiftungsbrief unterzeichnete, durch welchen die chur-
oayerische Akademie ins Leben trat. Ihre Aufgabe sollte sein,
*lle nützlichen Wissenschaften und freien Künste in Bayern
zu Terbreiten und insbesondere auch die philosophischen, mathe-
matischen und geschichtlichen Wissenschaften zu pflegen.
Gegenwärtig sind ihre Ziele allerdings nicht mehr auf die
Nützlichkeit und praktische Verwertung der Wissenschaften
gerichtet — diese Aufgabe hat sie an andere Anstalten abge-
lten; in ihr soll vielmehr die freie Forschung unbekümmert
^^ alle Nebenzwecke gepflegt werden. Dankbar wird das
bayerische Vaterland anerkennen, was unsere Vorgänger auf
dem Boden der praktischen Verwertung der Wissenschaft und
A BoihpleUs Ursprung der Thermulquellen von Si. Morisr 205
FC
4. Woher stammen die mineralischen BestandtheUe?
Das Vorhandensein d^ basalen Kalkgebirges erklärt uns
zu Gonüge dt*n Gehalt an Kalk-, Magnesium-, Eisen- und
Mangancarbotiaten sowie an Kieselerde und Thonerde. Anders
liegt es mit den Sulphaten, Chloriden, dem Bor, Brom und
Jod. Das sind Stoffe, die das Meereswasser in Lösung ent-
hrdt und unter günstigen Verhältnissen auch in seinen Sedi-
mentc*n ausscheidet. Aber wo wir ältere Meeresablagerungen
zu Tage gehen sehen, sind diese Bestand theüe gewöhnlich
nicht, oder doch nur theil weise und in verschwindenden Massen
vorhanden, so dass wir uns gewöhnt haben, nie nicht zu den
gewöhnlichen Absatzproducten zu zählen. Gleichwohl dürften
sie viel häufiger zu Ablagerung gekommen sein, als sich be-
obachten hisst. Da aber, wo sie nicht in grösseren Mengen
in Form von Steinsalz- oder Sollagern auftreten, sondern nur
verhältnissmässig spärlich den Kalk-, Mergel- oder Thon-
hichten beigemengt waren, sind sie im Ausgehenden dieser
©steine längst durch die circulirenden Tageswässer ausgelaugt,
imd nur in grösseren Tiefen kann dieser Salzgehalt noch er-
halten geblieben sein, wo eben noch keine so kräftige Durch-
Wiü^erung eingetreten ist. Wir können also erwarten, dass alle
marinen Sedimentet die hier unter dem Schutze der darüber-
«gescbobeuen Granttdecke Hegen, noch jene leicht löslichen Salze,
soweit sie darin abgesetzt worden waren, aufgespeichert ent-
halten und nun an die aufsteigenden kohlensäurereichen Thennal-
wasser abgeben. Besonders jedoch steht zu erwarten, dass die
permischen Dolomite, die von Kauhwacken und Gjpslagern
begleitet sind, reich an solchen Salzen gewesen sind und in
ihnen dürfen wir deshalb die Hauptlieferanten sehen.
Wir wissen aber, daaa die palaeozoischen Bündner Schiefer
von Permablagerungen discordant überlagert werden, und es
hätte somit gar nichts auffallendes, wenn unter dem Boden
von St. Moriz und seiner Granitdecke solche permische Ab-
lagerungen in grösserer Mächtigkeit vorhanden wären, wie
dies in Fig. 1 und 2 dargestellt ist.
217
Oeflfentliche Sitzung
zur Feier des 143. Stiftungstages
am 13. März 1902.
Die Sitzung eröfi&iet der Präsident der Akademie, Geheimrath
Dr. K. A. V. Zittel, mit folgender Ansprache:
Königliche Hoheiten!
Hochgeehrte Festversammlung!
Die festliche Sitzung der Königl. bayer. Akademie der
Wissenschaften im Monat März ist der Erinnerung an ihre
Gründung gewidmet. Fast einhundertzweiundvierzig Jahre sind
verflossen, seit ChurfÜrst Maximilian Joseph am 28. März
den Stiftungsbrief unterzeichnete, durch welchen die chur-
bayerische Akademie ins Leben trat. Ihre Aufgabe sollte sein,
alle nützlichen Wissenschafben und freien Künste in Bayern
zu verbreiten und insbesondere auch die philosophischen, mathe-
matischen und geschichtlichen Wissenschaften zu pflegen.
Gegenwärtig sind ihre 2iiele allerdings nicht mehr auf die
Nützlichkeit und praktische Verwertung der Wissenschaften
gerichtet — diese Aufgabe hat sie an andere Anstalten abge-
treten; in ihr soll yiehnehr die freie Forschung unbekümmert
um alle Nebenzwecke gepfl^t werden. Dankbar wird das
bayerische Yaterlmd aneikennen, was unsere Vorgänger auf
dem Boden der ptiküichai Verwertung der Wissenschaft und
217
Oeflfentliche Sitzung
zur Feier des 143. Stiftungstages
am 13. März 1902.
Sitzung eröffnet der Präsident der Akademie, Geheimrath
. V. Zittel, mit folgender Ansprache:
Königliche Hoheiten!
Hochgeehrte Festversammlung!
festliche Sitzung der Königl. bayer. Akademie der
haften im Monat März ist der Erinnerung an ihre
g gewidmet. Fast einhundertzweiundvierzig Jahre sind
1, seit Churfürst Maximilian Joseph am 28. März
bungsbrief unterzeichnete, durch welchen die chur-
le Akademie ins Leben trat. Ihre Aufgabe sollte sein,
'.liehen Wissenschaften und freien Künste in Bayern
dten und insbesondere auch die philosophischen, mathe-
a und geschichtlichen Wissenschaften zu pflegen.
enwärtig sind ihre Ziele allerdings nicht mehr auf die
ieit und praktische Verwertung der Wissenschaften
— diese Aufgabe hat sie an andere Anstalten abge-
n ihr soll vielmehr die freie Forschung unbekümmert
Nebenzwecke gepflegt werden. Dankbar wird das
le Vaterland anerkennen, was unsere Vorgänger auf
en der praktischen Verwertung der Wissenschaft und
210
Sit£unff der math,*pkifs, Clas^e is>m 5. Juli tBÖ$.
erhalten haben (l. c. S. 135); würde man aus den direkt er-
mittelten Werten der Verdampfung« wärmen auf den Erstarrungs-
druck extrapolieren t so würde sich, wenn die Temperatur als
richtig angenommen ist» ein Erstarr ungsdruck von 78 mm er-
geben. Da wir in der That einige Male so niedrige Werte
beobachtet hatten, so nahmen wir neuerdings eine eigene
Untersuchung über den Eratarrungs- und Schmelzdruck
des Stickstoffs vor,
2. Da wir früher zur Vermeidung von Siede Verzügen
Wasserstoff in den Stickstoff eingeleitet hatten» und in diesem
Falle den Druck sogar eher höher als niedriger wie 86 mm
anzunehmen uns veranlasst sahen» so glaubten wir» es könnte,
trotzdem wenig Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden war, die
Zufuhr von Wasserstoff eine wesentliche Fehlerquelle gebildet
haben und vermieden bei den neuen Versuchen dieses Hilfs-
mittel vollständig. Da die Untersuchungen des Herrn A 1 1
zeigten» dass bei der Verdampfung des Stickstoffs durch elek-
trische Heizung Siedestösse nicht auftraten» so führten wir in
die L c. S- 125 abgebildete Anordnung statt der Kapillaren K^
welche früher Wasserstoff zuleitete» eine Platinheizspirale ein,
welche aus einem 2 m langen» 0»11 mm dicken Drahte her-
gestellt »war und mit 0,3 — 0»5 Amper Strom beschickt werden
konnte» wenn Siede Verzüge zu befürchten waren. Um auch
jedes andere Fremdgas so viel wie möglich vom Stick-
stoff fern zu halten, schlössen wir den ilecipienten, unter
dem sich der verdampfende Stickstoff befand» an 2 grosse
eiserne Vacuumkessel von zusammen 700 Liter Inhalt an,
welche bis auf 40 — 50 mm Druck durch die schon früher be-
nützte Bianchi'scbe Pumpe leer gepumpt werden konnten, und
in welchen sich also während der Versuche eine ziemlich reine
Stickstoffatmosphäre ansammeln musste. Da der Druck durch
die elektrische Heizung und durch Fein Verstellung eines zwischen
Recipienten und Vacuumkessel angebrachten Hahnes geregelt
und konstant gehalten werden konnte» so konnte auch der
Seitenhahn fortgelassen werden» durch welchen wir früher
zeitweise Luft in die Pumpenleitung hatten eintreten lassen
A
V. Zütel: Ansprache, 219
1. an den Generalephor der Altertümer in Athen Kabba-
dias für sein im Jahre 1900 erschienenes Werk über das Heilig-
b^m des Asklepios in Epidaurus,
2. an Robert Pohl mann, Professor für alte Geschichte an
der Universität München, für die Geschichte des Kommunismus
Lxnd Sozialismus, von welcher der erste Band 1893, der zweite
1 SOI erschienen ist, wobei ausdrücklich betont wird, dass ein
ei nfacher Preis für dieses Werk nur deshalb beschlossen wurde,
weü für einen Doppelpreis bei den sonstigen Anforderungen
clie Mittel gefehlt haben,
3. an den Professor an der Universität Athen Po litis für
das grosse Unternehmen einer Sammlung griechischer Sprich-
wörter, von welcher 1899 und 1900 drei Bände erschienen sind.
Für wissenschaftliche Unternehmungen wurden bewilligt:
1500 M. für die Fortsetzung der Byzantinischen Zeitschrift,
1000 M. für die Abfassung eines die ersten 12 Bände der
Byzantinischen Zeitschrift umfassenden wissenschaftlichen Index,
womit der Lehramtskandidat P. Marc betraut worden ist,
2000 M. für die Fortsetzung des von Professor Furt-
wängler und Reichold herausgegebenen Werkes über
griechische Vasenmalerei.
Aus den Zinsen der Münchener Bürger- und Cramer-
Klett-Stiftung konnten mehrere wissenschaftliche Unter-
nehmungen unterstützt werden, von denen einige allgemeines
Interesse erwecken dürften. So wurde mit 3000 M. aus der
Bürgerstiftung eine Expedition nach der libyschen Wüste zum
Zweck geologischer und paläontologischer Forschungen ausge-
rüstet und von den Herren Dr. M. Blanckenhorn, Privat-
dozent in Erlangen und Dr. Stromer v. Reichenbach, Privat-
dozent in München mit erheblichem wissenschaftlichem Erfolge
durchgeführt.
Professor Dr. Hof er gelang es, den Erreger der Krebspest
zu ermitteln; er wird nun seine Untersuchungen mit einer
Unterstützung von 500 M. aus der Cramer-Klett-Stiftung in
Russland, wo gegenwärtig die Krebspest herrscht, fortsetzen.
Ke Ergebnisse dürften bei der bevorstehenden Wiederbesetzung
220 Oeffentliche Sitzung vom 13. März 1902.
unserer Flüsse mit Krebsen von Wichtigkeit werden. Mit eine]
kleineren Summe (119 M. 76 Pf.) sollen die bereits am Stam-
bergersee ausgeführten Untersuchungen über die periodischen
Schwankungen des Seespiegels nunmehr in diesem Sommer auch
am Chiemsee fortgesetzt werden.
Professor v. Groth erhielt für einen Hilfsarbeiter bei seinen
krystallographisch-chemischen Untersuchungen über die Be-
ziehungen zwischen der Krystallform und der chemischen Kon-
stitution der unorganischen und organischen Körper aus der
Cramer-Klett-Stiftung 1200 Mark.
Aus der Stiftung für chemische Forschungen wurden Herrn
Professor Hofmann 800 M. für Untersuchungen an seltenen
Mineralien bewilligt, Herr Professor Linde mann erhielt
200 M. für Berechnungen von Spectrallinien.
In der letzten Festsetzung habe ich versucht, ein Bild
von der wissenschaftlichen Thätigkeit unserer Akademie zu
geben, heute möge es mir gestattet sein, einige Mitteilungen
aus den Jahresberichten der Konservatoren über wichtigere Er-
werbungen und Vorgänge in den unter dem General-Konser-
vatorium vereinigten wissenschaftlichen Sammlungen und An-
stalten des Staates während der Jahre 1900 und 1901 zu machen.*]
Für das Antiquarlum wurden durch den in die antiken Aus-
grabungsgebiete beurlaubten Assistenten Dr. Hermann Thi er scb
u. a. griechische Marmorköpfe, Terrakotten, Bronzen und ein
ägyptisches Gewandstück erworben.
Aus dem Kunsthandel 10 neue Terrakotten, 5 Bronzen,
ein griechischer Spiegel, eine Thonlampe mit dem Töpfernamen
Philomusos und syrische Glasgefässe.
An Geschenken erhielt es: 1. vom Berliner Museum
12 Thonge fasse aus Kahun (Ende der 12. Dynastie), 2. von
einem ungenannten Geber die vollständige Sammlung der Geis-
linger galvanoplastischen Nachbildungen mykenischer Alter-
*) Aus diesem Bericht wurden nur einige der wichtigsten Erwerbungen
in der Festsitzung erwähnt.
V. Zitteh Ansprache. 221
tümer, 3. von Herrn Bassermann -Jordan in Deidesheim
Bronzespiegel mit Reliefzeichnungen, und eine Sammlung antiker
Messinstrumente u. a., 4. von Seton-Karr in London eine Kol-
lektion prähistorischer Steinwerkzeuge aus der östlich von
Aegypten gelegenen Wüste, 5. von Kunstmaler E. Platz eine
hölzerne Osirisstatue.
Unter Beihilfe von Hermann Thiersch, Karl DyroflF und
Ludwig Curtius gab der Konservator v. Christ einen neuen Führer
heraus, der den früheren um das Doppelte übertrifft und die
wissenschaftliche Benützung ermöglicht.
Münzkabinet : Aus den antiken Erwerbungen des Jahres 1900
sei hervorgehoben ein herrlicher Goldstater von Lampsakus von
wunderbarer Erhaltung und ein Tetradrachmon von Metapont mit
dem Kopf des Heros Leukippos, beide aus dem 4. Jahrhundert.
Die deutschen Kaisermünzen wurden bereichert durch An-
käufe aus dem Nachlass des Majors Schleiss, die Abteilung der
Witteisbacher Medaillen, welche im Kabinet einen hervor-
ngenden Platz einnimmt, durch zwei Porträtstücke (Anna
Maria Franziska von Lauenburg, in erster Ehe vermählt mit
Philipp Wilhelm von der Pfalz, und Anna Maria Louise von
Medicis, Gemahlin des Johann Wilhelm von der Pfalz).
Von Geschenken seien erwähnt jene des Königlich
siamesischen Hofarchitekten Sandrezky, des englischen Schrift-
stellers Sidney-Whitman, der Herren WillmersdörflFer (Vater
und Sohn) in München und des Kgl. Hauptmünzamtes. Ferner
vermachte Herr von Pettenkofer die ihm von gelehrten
Gesellschaften, Münchener Bürgern u. a. gestifteten fünf gol-
denen Ehrenmedaillen.
Das Kabinet wird nach Lage der Sache von Sammlern,
Privaten und Händlern stark in Anspruch genommen; daraus
ergeben sich ähnliche Vorteile wie beim Gipsmuseum.
Im Jahre 1901 waren es hauptsächlich eine Reihe mittel-
alterlicher Münzfunde, welche dem Kabinet zur wissen-
schaftlichen Aufnahme und teilweisen Erwerbung zugingen
(darunter die wichtigsten von Wiedermünchsdorf bei Vilshofen,
220 Oeffentliche Sitzung vom 13. März 1902.
unserer Flüsse mit Krebsen von Wichtigkeit werden. Mit ein
kleineren Summe (119 M. 76 Pf.) sollen die bereits am Star
bergersee ausgeführten Untersuchungen über die periodisch«
Schwankungen des Seespiegels nunmehr in diesem Sommer auc
am Chiemsee fortgesetzt werden.
Professor v. Groth erhielt für einen Hilfsarbeiter bei seine
krystallographisch-chemischen Untersuchungen über die B(
Ziehungen zwischen der Krystallform und der chemischen Kor
stitution der unorganischen und organischen Körper aus d(
Cramer-Klett-Stiftung 1200 Mark.
Aus der Stiftung für chemische Forschungen wurden Hen
Professor Hof mann 800 M. für Untersuchungen an seltene
Mineralien bewilligt, Herr Professor Lindemann erhie
200 M. für Berechnungen von Spectrallinien.
In der letzten Festsetzung habe ich versucht, ein Bil
von der wissenschaftlichen Thätigkeit unserer Akademie z
geben, heute möge es mir gestattet sein, einige Mitteilunge
aus den Jahresberichten der Konservatoren über wichtigere Ei
Werbungen und Vorgänge in den unter dem General-Konsei
vatorium vereinigten wissenschaftlichen Sammlungen und Ai
stalten des Staates während der Jahre 1900 und 1901 zu machen.'
Für das Antiquarlum wurden durch den in die antiken Auj
grabungsgebiete beurlaubten Assistenten Dr. Hermann Thierse
u. a. griechische Marmorköpfe, Terrakotten, Bronzen und ei
ägyptisches Gewandstück erworben.
Aus dem Kunsthandel 10 neue Terrakotten, 5 Bronzei
ein griechischer Spiegel, eine Thonlampe mit dem Töpfername
Philomusos und syrische Glasgefasse.
An Geschenken erhielt es: 1. vom Berliner Museui
12 Thonge fasse aus Kahun (Ende der 12. Dynastie), 2. vo
einem ungenannten Geber die vollständige Sammlung der Geif
linger galvanoplastischen Nachbildungen niykenischer Altei
*) Aus diesem Bericht wurden nur einige der wichtigsten Erwerbung€
in der Festsitzung erwähnt.
V. Zittel: Ansprache. 221
tümer, 3. von Herrn Bassermann-Jordan in Deidesheim
Bronzespiegel mit Reliefeeichnungen, und eine Sammlung antiker
Messinstrumente u. a., 4, von Se ton -Karr in London eine Kol-
lektion prähistorischer Steinwerkzeuge aus der östlich von
Aegypten gelegenen Wüste, 5. von Kunstmaler E. Platz eine
hölzerne Osirisstatue.
Unter Beihilfe von Hermann Thiersch, Karl DyroflF und
Ludwig Curtius gab der Konservator v. Christ einen neuen Führer
heraus, der den früheren um das Doppelte übertrifiFt und die
wissenschaftliche Benützung ermöglicht.
Miinzkabinet: Aus den antiken Erwerbungen des Jahres 1900
sei hervorgehoben ein herrlicher Goldstater von Lampsakus von
wunderbarer Erhaltung und ein Tetradrachmon von Metapont mit
dem Kopf des Heros Leukippos, beide aus dem 4. Jahrhundert.
Die deutschen Kaisermünzen wurden bereichert durch An-
käufe aus dem Nachlass des Majors Schleiss, die Abteilung der
Witteisbacher Medaillen, welche im Kabinet einen hervor-
ragenden Platz einnimmt, durch zwei Porträtstücke (Anna
^a Franziska von Lauenburg, in erster Ehe vermählt mit
Philipp Wilhelm von der Pfalz, und Anna Maria Louise von
Medicis, Gemahlin des Johann Wilhelm von der Pfalz).
Von Geschenken seien erwähnt jene des Königlich
siamesischen Hofarchitekten Sandrezky, des englischen Schrift-
stellers Sidney-Whitman, der Herren Willmersdörflfer (Vater
und Sohn) in München und des Kgl. Hauptmünzamtes. Femer
vermachte Herr von Pettenkofer die ihm von gelehrten
Gesellschaften, Münchener Bürgern u. a. gestifteten fünf gol-
<äenen Ehrenmedaillen.
Das Kabinet wird nach Lage der Sache von Sammlern,
"rivaten und Händlern stark in Anspruch genommen; daraus
^fgeben sich ähnliche Vorteile wie beim Gipsmuseum.
Im Jahre 1901 waren es hauptsächlich eine Reihe mittel-
alterlicher Münzfunde, welche dem Kabinet zur wissen-
^taftlichen Aufnahme und teilweisen Erwerbung zugingen
(darunter die wichtigsten von Wiedermünchsdorf bei Vilshofen,
222 Oeffentliche Sitzung vom 13, März 1902.
Seiboldsdorf bei Vilsbiburg aus dem 13. Jahrhundert, von
Dökingen bei Gunzenhausen ; unter den 2000 Schwarzpfennigen
des letzteren fand sich eine bisher unbekannte Münze des Grafen
Heinrich V. von Qörz).
Bestimmung und Einordnung der bereits erwähnten
und einiger neuerer Funde, sowie die Arbeiten für die Fertig-
stellung des IL Bandes der Witteisbacher Münzen und Medaillen
nahmen den grössten Teil des Jahres 1901 in Anspruch.
Dem Münzkabinet angegliedert ist das Gemmenkabine t.
Seit dem epochemachenden Werke Professor Furtwänglers
steigt das Interesse für diese reizenden kleinen antiken Kunst-
werke von Jahr zu Jahr. Das Münzkabinet war ausserdem in
der Lage, einige erlesene Stücke griechischen, ägyptischen und
orientalischen Ursprungs (besonders merkwürdige babylonische
Thonzylinder) zu erwerben.
Das Masenm für Abgüsse klassischer Bildwerke, dessen
lokale Vereinigung mit dem archäologischen Seminar sich
immer vorteilhafter erweist und dessen Besuch (im Jahre 1898
bereits 3500 Personen, Künstler und Gelehrte ungerechnet)
von Jahr zu Jahr zunimmt, widmet sich mit besonderem
Eifer und Erfolg der modernsten Aufgabe der Gipsmuseen,
der Rekonstruktion fragmentierter, antiker Statuen.
Im Jahre 1900 wurde die knidische Aphrodite des Praxi-
teles in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder hergestellt, eben-
so die Amazone des Phidias, im Jahre 1901 die Restitution
des Diskuswerfers von Myron vollendet. Es wurde nämlich
der Abguss des kopflosen Torso im Vatikan mit dem von
Professor Furtwängler im Louvre entdeckten, dort nicht er-
kannten Abguss des Kopfes des Diskobols vereinigt, dessen
Original sich im Palazzo Lancelotti befindet, aber seit 30 Jahren
absiolut unzugänglich ist. Zum erstenmal kann nun das be-
rühmteste Werk des Myron im vollkommenen Abguss studiert
werden.
Diese Rekonstruktion fand solchen Beifall, dass sie bereits
von 9 auswärtigen Sammlungen erworben wurde.
\
V, Zittel: Ansprache, 223
Die Negativ - Schwefelabdrücke von geschnittenen
Steinen wurden um 90 Stück vermehrt und durch eine Be-
irilligung aus dem Mannheimer Fond 1948 Glaspasten nach
.ntiken Gemmen erworben.
Auf spezielle Veranlassung des Konservators wurden in aus-
wärtigen Sammlungen (Hannover, Kopenhagen, Rom, Florenz,
Uexandrien) 17 Stücke neugeformt, darunter ein Portrait
Uexanders des Grossen; durch Kauf und Geschenke wurden
'3 grosse Abgüsse, 11 Guss- und 203 Gemmenformen erworben.
Da das Abgussmuseum in München mehr und mehr zu
dner Zentrale für alle die Antike betreffenden Ange-
egenheiten wird, so gelangen fortwährend aus Kunsthandel
md Privatbesitz antike Gegenstände zur Ansicht und Begut-
ichtung und unter ihnen somit manches wertvolle Stück in
tfarmor, Bronze, Terrakotta und Gold zur wissenschaftlichen
venntnis und Verwertung, das sonst im Privatbesitz ver-
ichwände. Diesem Vorteil verdankt das Museum einen Zuwachs
fon 78 wertvollen Plattennegativen.
Die Photographiensammlung hat sich im Jahre 1900
im 533 Stück, im Jahre 1901 um 407 Stück vermehrt, die
fanze Sammlung beträgt nunmehr 10000 Stück und wurde
lurch sorgfältige Ordnung im Jahre 1901 der allgemeinen Be-
lützung zugänglich gemacht.
Ethnographisches Museum: Die Mehrung des ethno-
graphischen Museums betrug im Jahre 1900 175 Nummern,
m Jahre 1901 136 Nummern, wobei die Zuwendung chi-
lesischer WafiFen von seite Seiner Kgl. Hoheit des Prinz-
"egenten zu erwähnen ist. Die wichtigste Arbeit des Jahres 1901
gestand in der Durcharbeitung der umfangreichen, zum Teil
sehr kostbaren japanischen Sammlung und der Anfertigung
eines Zettelkataloges für dieselbe durch den japanischen Ge-
lehrten Shinkiki Hara, wodurch für eine grosse Reihe unver-
ständlicher oder (von europäischen Verhältnissen aus) falsch
gedeuteter Darstellungen die richtigen Erklärungen ermög-
licht wurden.
\
224 Oeffentliche Sitzung vom 13. März 1902,
Die meisten Darstellungen auf den vielbewunderten kunst-
gewerblichen Gegenständen sind keine willkürlichen, phan-
tastischen, sondern grösstenteils der Mythologie, der Sage,
Geschichte u. s. w., oder auch moralischen Beispielen ent-
nommen.
Der anthropologisch-prähistorischen Sammlang gelang es ^
nach vielerlei Mühen mit Unterstützung des Mannheimer Fonds ^
die grossartige, steinzeitliche Sammlung des Bauers Lichten- —
eck er vom Auhügel bei Hammerau (B.-A. Laufen) anzukaufen. —
Neben dieser Erwerbung verdient der vom Museum selbst unter- —
nommene Abbau von 150 ßeihengräbern in Inzing bei Hart- —
kirchen (B.-A. Griesbach) hervorgehoben zu werden. Aus den m~i
mit Zuschüssen des Etats für Erforschung der Urgeschichte -^3
erfolgten Ausgrabungen flössen der Sammlung eine nicht un-
erhebliche Menge werthvoller Gegenstände zu: wichtige stein-
zeitliche Gefiissscherben und Knochen aus den Trichtergruben -^^■
bei Wenigumstadt durch Hauptmann a. D. von Haxt hausen, .«-
Gegenstände aus der La Tene-Periode , welche durch Herrn -ä:=^
Oberamtsrichter Weber bei Lenting (B.-A. Ingolstadt) ge-
funden wurden, endlich als das wertvollste etwa 100 Qefasse ^e^
der Hallstattzeit, welche Herr Bezirksarzt Dr. Thenn aus den -^^
Urnenfeldern bei Beilngries erhob und so vorzüglich bearbeitete ^^
und ergänzte, dass diese bedeutende Sammlung ohne weiteres ^^
der Schausammlung einverleibt werden kann. An den zahl- * — '
reichen Geschenken an dieses Museum hat sich Dr. Haberer ^^
in hervorragender Weise beteiligt; er widmete der Sammlung "3
u. a. 80 japanische Affenschädel (Innus speciosus), 45 Chinesen- ^
Schädel, ein vollständiges Chinesenskelett und einen künstlich
deformierten Chinesenfuss.
Aus München erhielt die Sammlung von Ingenieur Brug
ein Kupfergussstück, das dadurch merkwürdig ist, dass es im
alluvialen Kiesgerölle in der Pilgersheimerstrasse zwischen Eisen-
bahnbrüoko und Mariauum gefunden wurde, von Kechnungsrat
Uebelackor Knochen von Hirsch, Ziege u. s. w., welche 4 m
tief am Karlsthor gefunden wurden, sowie einen bronzezeit-
V, Zittel: Ansprache. 225
liehen Depotfund, welcher in der Widenmayerstrasse auf dem
Löss entdeckt wurde.
Botanischer Garten: Die ira Jahre 1900 begonnene Re-
organisation des botanischen Gartens wurde im Jahre 1901
durch Vergrösserung der Alpenpflanzenanlage, Einrichtung
eines besonderen Kulturhauses für Hymenophylleen und
eines Parnenhauses weiter fortgeführt.
Das im letzteren untergebrachte Vegetationsbild ist durch
die von Konservator Göbel aus Neuseeland und Australien
mitgebrachten, sowie durch die im Jahre 1901 aus Neu-Süd-
wales, Neuseeland und Nordamerika bezogene Farne eine
Sehenswürdigkeit Münchens geworden. Einige der hier ver-
tretenen Typen befinden sich überhaupt nirgends in Kultur.
Eine Ausstellung der Kalthauspflanzen im Sommer, sowie
eine Neuanlage für Freiland am Glaspalast macht den
botanischen Garten für die Besucher lehrreicher und an-
regender. Der Thätigkeit des Konservators gelang es, mehrere
Vereine und Private zu Beiträgen zu veranlassen, aus denen
unter einem Zuschuss der Akademie von 1000 M. die Er-
richtung des Alpengartens auf dem Schachen für wissen-
schaftliche und praktische Zwecke im Jahre 1900 in Angriff
genommen und im Jahre 1901 vollendet werden konnte.
Keinem anderen botanischen Garten Deutschlands steht nun-
mehr ein solches Hilfsmittel zur Verfügung.
Pflanzenphyslologisches Institut: Den Hauptzuwachs er-
hielten die Bestände durch die Sammlungen des Konservators
in Australien und Ceylon, ferner durch die von Kustos Pro-
fessor Giesenhagen im malaiischen Archipel gesammelten
Materialien. Beide Vermehrungen wurden zur Ausführung
einer Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen benutzt.
In seinem Berichte über die wissenschaftliche Thätigkeit
des Instituts, welche ihren gewohnten Gang nahm, hebt der
Konservator die geringe Beteiligung bayerischer Studieren-
der hervor, da die Prüfungsordnung die Lehramtskandidaten
zwingt, sich fast ausschliesslich der Chemie zu widmen. Die
1902. SiUangsb. d. math.-phys. Ol. 15
226 Oeff entliehe Sitzung vom 13. März 1902,
Folge ist, dass es schwierig ist, aus dem Kreise bayerischer
Studenten Institutsassistenten zu gewinnen, dann aber, dass
die Zahl der Lehrer an den Mittelschulen, welche sich an der
Erforschung der Pflanzenwelt Bayems in ihrem Berufe be-
teiligen, zum Nachteil der naturwissenschaftlichen Erkenntnis
Bayerns im Vergleich zu der Teilnahme dieser Stände in an-
deren deutschen Staaten verhältnismässig eine allzu geringe ist.
Die Kryptogamensammlung, ohnehin eine der wert-
vollsten der Welt, hat die auf 10000 M. geschätzte Sammlung
des Oberlandesgerichtsrates Arnold zum Geschenk erhalten,
und ebenso für das Herbarium boicum 800 Exemplare von
Moosen von dem Medizinal rate Dr. Holler in Memmingen.
Botanisches Museum: Im Jahre 1900 erwarb das botanische
Museum durch Kauf 1282, im Jahre 1901 1584 Arten, dar-
unter 133 aus Kamerun mit 55 Holzproben, durch Tausch
im Jahre 1900 250, im Jahre 1901 36 Arten, als Geschenk
im Jahre 1900 1518, und im Jahre 1901 2452. Behufs Ver-
wertung für die Wissenschaft wurden Materialien an verschiedene
Autoren in Deutschland, Dänemark, Schweiz, Belgien und
Russland leihweise abgegeben. Eingesendetes Material aus
Indien, Nordamerika, Costarica, Schweiz und Berlin wurde
bearbeitet.
Konservator Radlkofer bearbeitete selbst die brasili-
anischen Sapindaceen, von denen das Schlussheft (im Ganzen
55 Bogen mit 66 Tafeln) erschien, und veranlasste vier Ar-
beiten anatomisch- systematischer Richtung auf Grund des
Museumsmateriales. Die Bibliothek konnte durch besondere
Bewilligung des Landtages schwer empfundene Lücken aus-
füllen.
Mineralogische Sammlung: Die verfügbaren Mittel wurden
im Jahre 1900 auf Anschaffung einer Reihe von Schränken
verwendet, um die immer mehr anwachsenden Gesteinssamm-
lungen, hauptsächlich die Aufsammlungeu von Dr. Weber im
Monzonigebieto (Fassathal) und des Reallehrei-s Düll im Fichtel-
gebirge unterzubringen. Im Jahre 1901 wurden die Krystalle
V. Zittel: Ansprache, 227
neu aufgestellt und die Meteoritensammlung vermehrt. Von
Geschenken sind zu erwähnen: 1. von der Tamnau-Stiftung
in Berlin ein Teil der von Dr. Grünling in Ceylon zusammen-
gebrachten Sammlung, 2. von Felix Zeiska in Kissingen
Mineralien aus den norddeutschen Salzlagerstätten.
Geologisclie Sammlung: In den Jahren 1900 und 1901
fanden Aufsammlungen statt in den Bayerischen und Salzburger
Alpen, besonders am Fusse der Zugspitze, sodann im Gebiet
des Schiern und der Seiser Alp. Aus dem fränkischen Jura
wurden Versteinerungen, ferner eine Sammlung von Bernstein-
insekten, sowie eine geologisch kolorierte Reliefkarte des Kar-
wendel erworben. Frau Dr. Gordon-Ogilvie schenkte ihre
Ausbeute aus den tiefsten Triasschichten bei Campitello im
Fassathal.
Paläontologisclies Museum: Aus den Erwerbungen der
paläontologischen Sammlung sind hervorzuheben : 1 . Versteine-
rungen aus Trias, Kreide und Tertiär Nordwestdeutschlands von
Dr. Behrendsen in Göttingen, 2. einige Prachtstücke aus den
Solenhofer Schiefern (u. a. Fuss eines sehr grossen Pterodactylus,
Homoeosaurus) , 3. wertvolle Reste von Rhinoceros aus der
altberühmten Fundstätte bei Georgensgmünd in Mittelfranken,
4. eine sehr vollständige Sammlung Versteinerungen aus der
weissen Kreide Rügens.
Von Geschenken sind zu erwähnen: 1. ein schön er-
haltener Schädel von Aceratherium tetradactylum , gefunden
W Schönau (Niederbayern) von Expositus Paintner, 2. eine
von Dr. Hab er er noch vor Ausbruch des chinesischen Krieges
Jö China zusammengebrachte, höchst wertvolle Sammlung fos-
siler Säugetierreste, die zahlreiche, bis jetzt unbekannte Formen
enthält, femer devonische Brachiopoden und jungtertiäre
Brachyuren, 3. Säugetierrreste aus der Pampasformation in
Uniguay, worunter ein fast vollständiger Panzer des Riesen-
gürteltieres von Dr. Otto Günther in Fray Bentos, 4. Herr
Albert Hentschel schenkte die Ergebnisse seiner dreimonat-
lichen Forschungen auf der Insel Samos dem Museum, worin
15*
228 Oeffentliche Sitzung vom 13. März 1902,
sie eine höchst wertvolle Erweiterung der Stützel'schen Auf-
sammlungen bilden.
Der paläontologischen Sammlung steht ein Fond zur Ver-
fügung, den Herr Kommerzienrat Anton Sedlmayr von Mün-
chener Bürgern zusammengebracht hat. Aus ihm konnten
4 Expeditionen bestritten werden, welche alle von glänzendem
Erfolg begleitet waren: 1. Zwei Expeditionen nach Südpata-
gonien, die gemeinsam mit Professor Florentino Ameghino
ausgeführt wurden; durch diese erhielt unser Museum einmal
die merkwürdige Fauna der Santa Cruz-Schichten fast in gleicher
Vollständigkeit wie in den Museen von La Plata und Buenos
Aires, sodann eine hochinteressante Sammlung der von Carlos
Ameghino entdeckten und von Florentino Ameghino be-
schriebenen ältesten Säugetierreste aus angeblich obercretaci-
schen Ablagerungen. Von diesen merkwürdigen, zum Teil primi-
tiven, zum Teil aber auch schon ziemlich hoch differenzierten
Formen, unter denen sich auch die grosse Gattung Pyrrho-
therium befindet, deren systematische Stellung noch nicht mit
Sicherheit ermittelt werden konnte, ist bis jetzt noch kein Stück
in ein anderes ausseramerikanisches Museum gelangt. 2. Eine
Expedition unter Leitung des Professors John Merriam, eines
früheren Schülers unserer Universität, in Oregon, wodurch
unsere Sammlung alle wichtigeren Säugetierreste des John Day-
Horizontes und zwar in mehr oder minder vollständigen
Schädeln und Skeletteilen erhielt; 3. eine Expedition des
Sammlers Charles Sternberg im Sommer 1901 nach den per-
mischen Ablagerungen im nördlichen Texas. Die Akademie
entsandte zur Teilnahme, Kontrolle und geologischen Unter-
suchung Herrn Dr. Broili, Assistent am paläontolog. Museum.
Schon jetzt zeigt sich, dass die in Texas erworbene Sammlung
der besten ihrer Art, welche sich im American Museum in
New York befindet, nahezu gleichkommt, ja sie in mancher
Hinsicht sogar übertriffl. Vollständig auspräpariert wird sie
eine Zierde des Museums bilden.
19. ZUM: Amp räche.
223
Die Negativ- Seh wefe lab drücke von geschnittenen
Steinen wurden um 90 Stück vermehrt und durch eine Be-
willigung aus dem Maiinheinier Fond 1*)48 Glasp asten nach
' antiken Gemmen erworben.
Anf spezielle Veranlassung des Konservators wurden in aus-
wärtigen Sammlungen (Hannover, Kopenhagen, Rom, Florenz,
Alexandrien) 17 Stücke neugefornit, darunter ein Portrait
Alexanders des Grossen; durch Kauf und Geschenke wurden
73 grosse Abgüsse, 11 Guss- und 203 Gemmenformen erworben.
Da das Abgussmusenm in München mehr und mehr zu
einer Zentrale für alle die Antike betreffenden Ange-
legenheiten wird, so gelangen fortwährend aus Kunsthandel
und Privatbesitz antike Gegenstände zur Ansicht und Begut-
,^ftehtung und unter ihnen somit manches wertvolle Stück in
'^ffarmor, Bronze, Terrakotta und Gold zur wissenschaftlichen
Kenntnis und Verwertung* das sonst im Privatbesitz ver-
schwände. Diesem Vorteil verdankt das Museum einen Zuwachs
von 78 wertvollen Platten negativen*
Die Photographien Sammlung hat sich im Jahre 1900
um 533 Stück, im Jahre 1901 um 407 Stück vermehrt, die
ganze Sammlung beträgt nunmehr 10000 Stück und wurde
durch sorgfiLltige Ordnung im Jahre 1901 der allgemeinen Be-
QÜtzung zugänglich gemacht
Ethnographisches Museum: Die Mehrung des ethno-
graphischen Museums betrug im Jahre 1900 175 Nummern,
im Jahre 1901 136 Nummern, wobei die Zuwendung chi--
oesischer Waffen von seite Seiner KgL Hoheit des Prinz-
regenten zu erwähnen ist. Die wichtigste Arbeit des Jahres 1901
bestand in der Durcharbeitung der umfangreichen, zum Teil
sehr kostbaren japanischen Sammlung und der Anfertigung
einee Zettelkataloges für dieselbe durch den japanischen Ge-
lehrten Shinkiki Hara, wodurch für eine grosse Reihe unver-
ndl icher oder (von europäischen Verhältnissen aus) falsch
euteter Darstellungen die richtigen Erklärungen ermög-
licht wurden.
230 Oeffentliche Sitzung vom 13, März 1902.
Schutzgebieten, ein Wisent-Skelett und ein schön ausgestopfter
Transvaallüwe.
Anatomie: Die Sammlung der anatomischen Anstalt für
deskriptive und topographische Anatomie ist durch 9 Präparate
im Jahre 1900 und durch 11 Präparate im Jahre 1901 be-
reichert worden, worunter sich eine Serie von Modellen über
die Gehirn entwicklung nach His befindet; die Abteilung für
Histiologie und Embryologie wurde durch eine grosse Zahl von
Schnittserien zur vergleichenden Entwicklung der Wirbeltiere
vervollständigt.
Die übrigen, dem Generalkonservatorium unterstellten In-
stitute, das physiologische Institut, die Sternwarte, das chemische
Laboratorium und das physikalisch-metronomische Institut, sind
keine eigentlichen Sammlungen, oder es sind ihnen nur kleinere
Sammlungen, wie dem chemischen Laboratorium, beige-
geben. Sie dienen vorwiegend dem Unterricht oder wissenschaft-
lichen Untersuchungen und die hiefiir gebrauchten Apparate
bilden den Bestand dieser Konservatorien. Aus dem chemischen
Laboratorium gingen im Jahre 1900 67 Arbeiten, aus dem
physiologischen Institut im Jahre 1900 8, im Jahre 1901
10 grössere Abhandlungen hervor. Die Sternwarte setzte
ihre mit dem Meridiankreis seit Jahren angestellten Beobach-
tungen weiter fort, ebenso die photographischen Dauerauf-
nfihmen zur Untersuchung des Fixsternhimmels mit dem aus
Mitteln der Akademie Jin geschafften Doppelfernrohr, femer die
meteorologischen und erdmagnetischen Beobachtungen, wobei
freilich bei letzteren infolge der Einwirkung des elektrischen
Trambahnbetriebes, welcher die magnetischen Kurven aufs
empfindlichste stört, die Lloyd'sche Wage ausser Betrieb ge-
setzt werden musste.
Wie aus den angeführten Mitteilungen hervorgeht, haben
dio im Gonoralkonsorvatorium vereinicfton wissenschaftlichen
Sainmhin<r«^n und Attribute auch in den zwei vergangenen
Jahren recht ansehnliche Fortschritte gemacht. Ebenso herrschte
t». Zülüi Ansprache,
225
liehen Depotfund, welcher in der Widenmayerstrasse auf dem
Lioss entdeckt wurde.
BötaEischer Oarteu: Die im Jahre 1900 begonnene Re-
organisation des bottinischen Gartens wurde ira Jahre 1901
ilurch Vergrösserung der Alpenpflanzenanlage, Einrichtung
eines besonderen Kulturhauses für Hjmenophylleen und
eines Farnenhauses weiter fortgeführt*
Das im letzteren untergebrachte Vegetation sbild ist durch
<lie von Konservator Gobel ans Neuseeland und Australien
mitgebrachten, sowie durch die im Jahre 1901 aus Neu-Süd-
Wales, Neuseeland und Nordamerika bezogene Farne eine
Sehenswürdigkeit Münchens geworden. Einige der liier ver-
tretenen Typen befinden sich überhaupt nirgends in Kultur.
Eine Ausstellung der Kalthauspflauzen im Sommer, sowie
iine Neu an läge für Freiland am Glaspalast macht den
botanischen Garten flir die Besucher lehrreicher und an-
regender. Der Thätigkeit des Konservators gelang es, mehrere
Vereine und Privat© zu Beiträgen zu veranlassen, aus denen
antt*r einem Zuschuas der Akademie von 1000 M, die Er-
richtung des Alpen gartens auf dem Schachen für wissen-
schaftUche und praktische Zwecke im Jahre 1900 in Angriff
genommen und im Jahre 1901 vollendet werden konnte.
Keinem anderen botanischen Garten Deutschlands steht nun-
mehr ein solches Hilfsmittel zur Verfügung,
Pflanzenphyslologisohes Institut; Den Hauptzuwachs er-
hielten die Bestände durch die Sammlungen des Konservators
in Australien und Ceylon, ferner durch die von Kustos Pro-
fessor Giesenhagen im malaiischen Archipel gesammelten
Materialien* Beide Vermehrungen wurden zur Ausführung
einer Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen benutzt.
In seinem Berichte über die wissenschaftliche Thätigkeit
deg Instituts, welche ihren gewohnten Gang nahm, hebt der
Konservator die geringe Beteiligung bayerischer Studieren-
der hervor^ da die Prüfungsordnung die Lehramtskandidaten
zwingt, sich fast ausachliesslich der Chemie zu widmen. Die
lK>a. Sitiungsb. d. iiiaih*'phyt. Gl. 15
232 Oeffentliche Sitzung vom 13. Märe 1902.
mern des Landtags. Mit dem schon oft von dieser Stelle
wiederholten Wunsch nach einer baldigen Verbesserung unserer
jetzigen, wenig erfreulichen Verhältnisse und in der zuversicht-
lichen Erwartung, dass unsere Wünsche in absehbarer Zeit ir
Erfüllung gehen mögen, schliesse ich und erteile den Herrer
Classensekretären das Wort zur Verlesung der Nekrologe aui
unsere heimgegangenen Mitglieder.
Der Classensekretär der mathematisch-physikalischen Classe
Herr C. v. Voit theilt mit, dass die mathematisch-physikalischi
Classe in den beiden letzten Jahren 9 Mitglieder, drei ein-
heimische und sechs auswärtige durch den Tod verloren hat
Es sind gestorben:
1. am 10. Februar 1901 der frühere Präsident der Akademie
der Chemiker und Hygieniker Max v. Pettenkofer
ihm ist in der Festsitzung vom 16. November 1901 durcl
den Classensekretär C. v. Voit eine eigene Gedächtnissred
gewidmet worden;
2. am 9. Oktober 1901 der Botaniker Robert Hartig und
3. am 21. Januar 1902 der Zoologe Emil Selenka.
Ferner :
1. am 21. Februar 1900 der Astronom Charles Piazzi Smyt
in Edinburgh;
2. am 11. Juni 1900 der Physiologe Willy Kühne in Heidelberg
3. am 14. «Tanuar 1901 der Mathematiker Charles Hermit
in Paris;
4. am 12. Augustl901 der Geologe Nils Adolf Erik Norden
skjöld in Stockholm;
5. am 21. August 1901 der Physiologe Adolf F ick in Würzburg
6. am 22. November 1901 der Zoologe Alexander Kowalewsk
in St. Petersburg.
C. Voü: Nekrolog auf Böbert Hartig, 233
Robert Hartig.^)
Am 9. Oktober 1901 ist das ordentliche Mitglied der
mathematisch-physikalischen Classe der Akademie, der verdiente
Rotaniker Robert Hartig im 63. Lebensjahre nach kurzer
Kirankheit gestorben. Noch in voller Kraft, mitten aus dem
eifrigsten und fruchtbarsten Schaffen heraus, ist er aus dem
Leihen geschieden. Er war einer derjenigen Gelehrten, welche
die Forstwirthschaft auf naturgesetzliche Grundlagen zu stellen
suchte durch die naturwissenschaftliche Erforschung des Lebens
der Waldbäume; er hat dadurch nicht nur die praktische Forst-
w^^thschafl, sondern auch die Botanik in hohem Grade gefordert.
Robert Hartig wurde am 30. Mai 1839 zu Braunschweig
getoren als Sprosse einer Familie, die durch drei Generationen
dem Forstfache angesehene Vertreter geliefert hat: Der Gross-
vater Georg Ludwig Hartig that sich, nachdem er vorher als
Forstmeister des Fürsten von Solras-Braunfels eine Privatforst-
schule zu Hungen geleitet und ein treffliches Lehrbuch für
Förster geschrieben hatte, zuletzt als Oberlandforstmeister in
Berlin als Organisator der Forstverwaltung Preussens sowie
als einer der Begründer des rationellen Waldbaues hervor; der
Vater Theodor Hartig, Professor der Forstwissenschaft am
Collegium Carolinum in Braunschweig, war durch seine Kennt-
nisse in der Anatomie und Physiologie der Holzpflanzen einer
ier ersten Forstbotaniker und hatte sich unter Anderem durch
^e Auffindung der Kleberkörner oder des Aleurons in den
Zellen der • Pflanzensamen, den ersten Nachweis krjstallisirten
Eiweisses, sowie durch seine Ertragsuntersuchungen einen sehr
geachteten Namen gemacht; der aufgeweckte und wissens-
äurstige Sohn Robert trat, die Tradition der Familie fort-
setzend, in die Fusstapfen des Vaters, bei dem er sich von
früher Jugend an reiche botanische und forstliche Kenntnisse
*) Dr. A. Ciealar, Centralblatt für das gesammte Forstwesen, 1902.
^ri Wilhelm, Österreich. Vierteljahrschrift für Forstwesen, 1901.
Dr. Emil Meinecke, ein Nekrolog.
234 OeffentUche Sitzung vom 13, März 1902.
erwarb, die ihm als feste Grundlage für seine spätere Ent
Wicklung dienten.
Anfangs war er, in seiner Vorliebe für den Wald, geneigi
sich dem praktischen Forstdienste zu widmen. Er war sehe
so weit vorgebildet, dass er gleich nach Absolvirung des Gym
nasiums, in den Jahren 1859 — 1861 weite forstliche Reise
durch die Waldungen Deutschlands unternehmen konnte, wob(
er eigene Anschauungen und reiche Erfahrungen über die forsi
liehen Verhältnisse sammelte, die er später in seiner erste
Schrift verwerthete.
Er studirte dann an der forstlichen Abtheilung des Colk
gium Carolinum zu Braunschweig während zwei Jahren Forsi
Wissenschaft, vorzüglich bei seinem Vater. Nach der 186
bestandenen Prüfung für Forstbeamte hörte er noch an d(
Universität Berlin juristische und kameralistische Vorlesunge
und trat hierauf in den braunschweigischen Staatsforstdiens
wo er 1865 seine definitive Anstellung erhielt. Aber d<
gleichmässige Dienst im Bureau war seinem regsamen GeL
nicht zusagend; es war ihm unmöglich, sich dies als Lebern
beruf zu denken und als ihm die Beschäftigung mit wisset
schaftlichen Arbeiten untersagt wurde, nahm er nach füi
Vierteljahren den Abschied aus dem Staatsdienst.
So wurde der praktische Forstmann mehr und mehr d(
Wissenschaft zugeführt. Er erwarb sich (1866) an der Un
versität Marburg den Doktorgrad und begann zunächst eir
rege schriftstellerische Thätigkeit; schon bei seinen vorher ei
wähnten Wald Wanderungen hatte er umfassende Beobachtunge
über den Zuwachs der Bäume angestellt und darüber (186*
sein erstes Werk: „vergleichende Untersuchungen über de
Wachsthumsgang und Ertrag der ßothbuche und Eiche ii
Spessart, der Hothbuche im östlichen Wesergebirge, der Kieft
in Pommern und der Weisstanne im Schwarzwald" heraus
ausgegeben, die er als Doktordissertation benützte. Dan
sammelte er das Material für die Aufstellung der Ertragstafel
für die Fichte und Kothbuche, welches er (1868) in eine
grösseren Abhandlung: „Die Rentabilität der Fichtennutzhob
C. Voit: Nekrolog auf Eohert Hartig. 235
und Buchenbrennholzwirthschaft im Harz und im Wesergebirge*
verarbeitete.
Dadurch war der hannoverische Forstdirektor Burckhardt
auf den strebsamen jungen Forstmann aufmerksam geworden
und lud ihn ein, in die hannoverische Forsteinrichtungs-
Kommission als Forstgeometer einzutreten und die Vermessung
eines Waldcomplexes zu übernehmen. Da kam nach einer
m ehrmonatlichen Thätigkeit ein Ereigniss, das seinem Leben
eine andere, glückliche Wendung gab und ihn bleibend für
die Wissenschaft und die akademische Laufbahn gewann. Er
erliielt nämlich (1867) den Antrag, an Stelle des erkrankten
Professors Julius Theodor Ratzeburg, des ausgezeichneten
Kenners der Forstinsekten, die Vorlesungen über Zoologie und
Botanik an der preussischen Forstakademie Eberswalde zu
übernehmen; es ist ein Zeichen seiner Kenntnisse und seiner
Energie, dass er vier Tage später diese Vorlesungen begann.
Nach der Genesung Ratzeburg's wurden ihm die Vorlesungen
über Botanik (1869) unter Beförderung zum Dozenten definitiv
übertragen; 1871 erfolgte seine Anstellung als Professor der
ßotanik.
Als solcher beschäftigte er sich anfangs noch mit mehr
forstlichen Problemen z. B. mit dem Zuwachs und dem Dicken-
^achsthum der Waldbäume und mit Bestimmungen des speci-
fi^chen Frisch- und Trockengewichtes, des Wassergehaltes und
Schwindens des Kiefernholzes, aber bald wandte er sich rein
^botanischen Fragen zu, jedoch fast ausschliesslich solchen,
Welche sich an die Kultur der Waldbäume anschlössen; in
Polge seiner gründlichen Ausbildung in der Forstwirthschaft
^nd seiner reichen Kenntnisse in der Botanik bewegte er sich
^uf einem Grenzgebiete, welches die Botaniker wegen ihrer
hangelnden Erfahrung des Lebens der Waldbäume nicht be-
traten und von dem aus die Resultate der Wissenschaft als-
Wd für die Praxis die werth vollste Anwendung fanden.
In zwei Richtungen der Botanik hat er Hervorragendes
geleistet: in der Lehre von den Baumkrankheiten und in der
^on dem Bau der Bäume.
236 Oeffentliche Sitzung vom 13, Mär£ 1902,
Bei seinen Beobachtungen im Walde wurde er auf krank-
hafte Veränderungen der Holzgewächse, insbesondere durch
niedere pflanzliche Organismen, durch Pilze, aufmerksam, die
man vorher kaum beachtet hatte, da dazu eingehende mikro-
skopische Studien nöthig waren, welche der praktische Porst-
mann damals nicht anzustellen vermochte. Ueber die Krank-
heiten der Pflanzen überhaupt war nur wenig bekannt, wäh-
rend über die Erkrankungen des thierischen Organismus schon
seit längerer Zeit wichtige Kenntnisse vorlagen. Erst im
Jahre 1858 erschien Kühn's trefiFliche Schrift über die Krank-
heiten der Culturgewächse; darnach wurde durch die Arbeiten
von Tulasne in seiner Carpologie (1861) und von De Bary in
seinem epochemachenden Werke über die Morphologie und
Biologie der Pilze (1866) der exakte Nachweis erbracht, dass
eine Anzahl von Pflanzenkrankheiten auf dem Eindringen para-
sitischer Pilze in das Gewebe der Pflanzen beruht. Hartig
erkannte alsbald die Wichtigkeit der Sache und gieng mit
wahrem Feuereifer an die Erforschung der pathogenen Para-
siten der Bäume. Durch eine lange Reihe ausserordentlich er-
folgreicher Untersuchungen förderte er die Kenntniss der Lebens-
erscheinungen und der Entwicklungsgeschichte der Schmarotzer-
pilze in sehr erheblichem Maasse. Er hat dabei ein Paar
Dutzend neue Arten derselben entdeckt und ebenso viele schon
bekannte eingehend in anatomischer und physiologischer Rich-
tung untersucht. Es gelang ihm, den Bau des Myceliums der
Holzparasiten im Inneren des Baumes zu erkennen und das
Vordringen der Hyphen im Holz zu verfolgen; auch erweiterte
er wesentlich die Kenntnisse von dem Bau und der Entwick-
lungsgeschichte der Fruchtkorper, besonders der Hymenomy-
ceten. Indem er zusah, in welcher Weise die Pilze auf ihre
Nährpflanzen einwirken und wie schliesslich das abgetödtete
Holz zersetzt wird, fand er die merkwürdige Thatsache, dass
jeder Holzparasit eine ihm eigenthümliche Zerstörungsweise
ausübt, sein besonderes „Zerstörungsbild* erzeugt. Er legte
seine Erfahrungen in dem Buch: „Die wichtigen Krankheiten
der Waldbäume" (^1874) sowie in dem umfassenden Werk:
G. Voü: Nekrolog auf Bohert Hartig. 237
»Die Zersetzungserscheinungen des Holzes der Nadelholzbäume
und der Eiche in forstlicher, chemischer und botanischer Rich-
tung* (1878) nieder, wodurch er sich zum Begründer der
Lehre von den Baumkrankheiten und zu der unbestritten ersten
Autorität auf dem Gebiete der Pflanzenpathologie erhob.
Als die bayerische Staatsregierung (1878) die Ausbildung
der staatlichen Forstbeamten an die hiesige Universität ver-
legte, und in dankenswerthester Weise eine Stätte für die
Wissenschaft gründete, war sie mit weitem Blick bestrebt, die
bedeutendsten Fachmänner zu gewinnen ; mit Baur, Ebermayer,
Gfayer und Heyer wurde auch Hartig berufen und zwar als
Professor der Anatomie, Physiologie und Pathologie der Pflanzen
so 'wie als Vorstand der botanischen Abtheilung der forstlichen
V^ersuehsanstalt und des forstbotanischen Laboratoriums.
Hier bekam er nach Errichtung des mit allen Hilfsmitteln
avtsgerüsteten forstbotanischen Instituts das seinen Neigungen
\^T\d Talenten zusagende Feld für eine äusserst fruchtbare
Tliätigkeit als Lehrer und Forscher.
Er setzte darin anfangs seine Studien über Krankheiten
A^T Holzpflanzen fort. Im Jahre 1882 sammelte er die Er-
ff^lnisse derselben in einem viel benützten vortrefi'lichen Werke:
»Itehrbuch der Baumkrankheiten", in dem er fast ausschliess-
lich von seinen eigenen Untersuchungen berichten konnte und
^as drei Auflagen erlebte; in der dritten erweiterten Auflage
(1900) tritt der Titel: „Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten*
Äuf. — In dem ersten der drei Bände der von ihm heraus-
gegebenen a Untersuchungen aus dem forstbotanischen Institut*
(1880, 1882, 1883) sind grösstentheils noch neue, auf genaue
inikroskopische Beobachtungen gegründete mykologische Ar-
beiten und Beschreibungen der Krankheitserscheinungen ent-
halten. Hierher gehört auch sein Buch „über den echten
Hausschwamm* (1885), ein Muster sowohl in wissenschaft-
licher als auch in praktischer Hinsicht.
Hartig beschäftigte sich auch mit den Krankheiten der Ge-
wächse nicht parasitärer Natur; er unterschied scharf zwischen
Jen durch niedere Organismen und den durch andere Ursachen
240 OeffenÜkhe Sitzung ww 13. März 1902,
sames Arbeiten nach einem bestimmten gleichheitlichen Plane
befürwortete. Es ist ja wohl richtig, dass gewisse einzelne
Fragen durch gemeinsame Thätigkeit am besten gefÖrderit
Averden; jedoch wird im Allgemeinen der Wissenschaft sicher-
lich am meisten genützt durch freies selbständiges Schaffen
der Einzelnen.
Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass Hartig durch seine
wissenschaftliche Arbeit zwei wichtige Zweige der Pflanzen-
biologie in dankenswerther Weise ausgebildet hat und dass er
durch die Anwendung seiner Erkenntnisse auf die Forstwirth-
schaft zur wissenschaftlichen Entwicklung der letzteren sehr
viel beigetragen hat. Es war ihm dies, wie erwähnt, nur da-
durch möglich, dass er gelernter Forstmann und zugleich
gründlich durchgebildeter Botaniker war; weder ein praktischei
Forstmann noch ein theoretischer Botaniker hätte das von ihm
Geleistete vollbringen können. Es ist dies ein abermaliges
Beispiel dafür, dass bei einer gewissen Ausbildung der Wissen-
schaft die Praxis nur durch die Theorie auf sicherem Wege
zum Fortschritt geleitet wird.
Durch einen unausgesetzten Fleiss hatte er sich eine
reiche Erfahrung und ein umfassendes Wissen und Eönnei
erworben. Es beseelte ihn eine unauslöschliche Lust zur Arbeil
und zur Erkenntniss der Dinge; mit einer ungewöhnlicher
Energie und Arbeitskraft ausgerüstet war rastloses Schaffei
der Inhalt seines ausschliesslich der Wissenschaft geweihtei
Lebens.
Er war ausgezeichnet durch einen scharfen Blick zu sehen
wo eine neue Erscheinung vorlag, durch eine feine Beobach
tungsgabe und durch ein besonderes Geschick die Wege de:
Erforschung zu finden.
Durch diese Eigenschaften ist er einer der fruchtbarstei
Forscher auf seinem Gebiete geworden, der viele neue Beob-
achtungen, Versuche und Erklärungen von bisher dunkel ge-
bliebenen Vorgängen in der Pflanzenwelt geliefert hat.
Durch die Lebendigkeit und Frische seines Wesens war ei
auch ein vortrefi*iicher Lehrer; durch geschickte Experimente
C. Voit: Nekrolog auf Emü Selenka. 241
Demonstrationen und Zeichnungen, sowie namentlich durch
Praktika suchte er den Schülern richtige Anschauungen bei-
zubringen. Immer mehr kommt der denkende Lehrer in dem
Unterricht der Naturwissenschaften zu der Ueberzeugung, dass
die jetzige Art des Studiums eine veraltete und verfehlte ist,
welche umgeändert werden muss. Durch die vielen und ein-
gehenden Vorlesungen gelangt der Studirende niemals zu einem
wahren Verständniss der Vorgänge; das dabei Haftende ist
wahrhaft; kümmerlich und findet zumeist nur ein gedankenloses
Auswendiglernen, ein eigentliches Studiren so gut wie nicht
statt. Es muss mehr dem Privatstudium aus einfachen Lehr-
büchern überlassen werden; nur die Curse und üebungen, bei
denen der Lehrer dem Schüler nahe tritt und ihn im Beob-
achten der Erscheinungen unterrichtet und in Fertigkeiten
unterweist, werden dem Uebel abhelfen.
Wir bedauern tief den Verlust des ausgezeichneten For-
schers, welcher bei seiner grossen Erfahrung und seinem Ge-
schick die Wissenschaft noch mit vielen Errungenschaften
hätte bereichern können. Der Einfluss seines Eingreifens in dem
von ihm betretenen Gebiete wird noch lange fortwirken. —
Emil Selenka,
Die mathematisch -physikalische Classe beklagt den Ver-
lust noch eines weiteren Genossen, des ausserordentlichen Mit-
gliedes Emil Selenka, der nach ganz kurzem Krankenlager,
60 Jahre alt, am 21. Januar dieses Jahres aus dem Leben
geschieden ist. Er hat sich auf dem Gebiete der Zoologie
und der Entwicklungsgeschichte der Thiere namhafte Verdienste
erworben.
Ich verdanke die folgenden Angaben über seinen Lebens-
gang und seine wissenschaftlichen Arbeiten der Güte unseres
verehrten CoUegen Richard Hertwig.
Emil Selenka wurde am 27. Februar 1842 zu Braunschweig
geboren ; er genoss seine Ausbildung zunächst auf dem dortigen
1902. Sitzongsb. d. niath.-pbyB. Cl. IG
242 Oeffentliche Sitzung vom 13. März 1902.
Gymnasium und dann, nachdem er dasselbe nach Absolvirung
der Obersekunda verlassen hatte, auf dem CoUegium Carolinum.
von welchem er nach einer glänzend bestandenen Maturitäts-
prüfung im Jahre 1863 zur Universität entlassen wurde.
Schon frühzeitig wurde in ihm durch seinen Vater au:
gemeinsamen Spaziergängen der Sinn für die Schönheiten dei
Natur geweckt. Er gewann Interesse für Wolken und Sterne
sammelte Pflanzen, Schmetterlinge und Mineralien, und schmückte
mit ihnen sein Arbeitszimmer. Diese früh erwachte Neigunj
zu den Naturwissenschaften fand auf dem CoUegium Carolinun
weitere Nahrung, da auf dieser Anstalt ausser den Gymnasial-
fächern auch die Naturwissenschaften, besonders Chemie, eifrij
betrieben wurden.
Als daher Selenka im Jahre 1863 die Universität Göt-
tingen bezog, konnte es für ihn nicht zweifelhaft sein, das
er sich für das Studium der Naturwissenschaften entschied
Er trieb Zoologie bei Wilhelm Keferstein, Physik bei Wilheln
Weber, Geologie bei Karl v. Seebach, Mineralogie bei Wolf-
gang Sartorius v. Waltershausen. Anfangs war er geneigt
bei letzterem sich in Mineralogie und Geologie auszubilden
aber durch den Einfluss des anregenden Keferstein, zu dem ei
in besonders nahe Beziehung trat, wurde er veranlasst, siel
der Zoologie zu widmen. Unter seiner Leitung unternahm ei
eine umfassende Bearbeitung der Anatomie und Systematik de:
Seewalzen oder Holothurien, bei der er eine von AI. Agassi:
eingesandte grosse Sammlung dieser merkwürdigen wirbellosei
Thiere verwerthete; auf Grund dieser Arbeit wurde er 186(
zum Doktor promovirt und zugleich als Assistent am zoologisch
zootomisclien Institut angestellt. An demselben führte er nocl
mehrere Untersuchungen aus: Ueber die Entwicklungsgeschicht
der Luftsücko des Huhns, über die fossilen Crocodilinen de
Kimmoridge von Hannover, über die Stellung des fossilen Tra
gocerus amaltheus, über die Spongien aus der Südsee, übe
die Anatomie von Tritronia margaritacea. Auch wurde ihn
die Vergünstigung zu Tlieil, seim^n leider früh verstorbenei
Lehrer auf einer wissfuschaftlichen Heise nach dem an de
C. Voit: Kekrolog auf Emil Selenka, 243
Nordküste Prankreichs gelegenen Saint Malo zu begleiten, wo
er zum ersten Mal Gelegenheit fand, die reiche Fauna des
Meeres kennen zu lernen.
Dem Wunsche seines Vaters folgend machte Selenka im
Sommer 1868 das Oberlehrerexamen, um den Rückhalt einer
gesicherten Lebensstellung zu haben, falls seine Wünsche sich
der wissenschaftlichen Forschung zu widmen auf Schwierig-
keiten stossen sollten. Indessen hatte er kaum dieses Examen
bestanden, als er auf Empfehlung seines Lehrers Keferstein
hin als ordentlicher Professor der Zoologie und vergleichenden
Anatomie an die Stelle des verstorbenen Professors van derHoeven
nach der holländischen Universität Leiden berufen und so ihm
in aussergewöhnlich jugendlichem Alter ein selbständiger akade-
mischer Wirkungskreis gesichert wurde. Das Bedürfniss, seine
und seiner Schüler Arbeiten in den Niederlanden selbst ver-
öffentlichen zu können, veranlasste ihn, das Niederländische
Archiv für Zoologie zu begründen, eine Zeitschrift, welche
auch jetzt noch fortbesteht und die er mit zahlreichen eigenen
Arbeiten bedachte. Leider ertrug er das holländische Klima
sehr schlecht. Daher ergriff er mit Freuden die Gelegenheit,
welche ihm 1874 durch eine Berufung nach Erlangen als Nach-
folger von E. Ehlers geboten wurde, seinen Wirkungskreis in
Holland, so sehr er ihm auch lieb geworden war, aufzugeben
und gegen die Professur der Zoologie und vergleichenden
Anatomie in Erlangen einzutauschen. In Erlangen erwuchs
ihm die Aufgabe, die Pläne zum Neubau und zur Neueinrich-
tung eines zoologischen Instituts auszuarbeiten, welches er die
Freude hatte, im Jahre 1885 einzuweihen und zu beziehen.
Ferner fällt in die Zeit seines Erlanger Aufenthalts die Be-
gründung des angesehenen biologischen Centralblattes, bei
Welchem er gemeinsam mit seinem botanischen CoUegen M. Rees
uen Physiologen Rosenthal unterstützte. Vor Allem aber ver-
dienen hier seine zahlreichen wissenschaftlichen Reisen Er-
wähnung; wiederholt hat er in der zoologischen Station in
Neapel gearbeitet; sein Wandertrieb und die Lust, fremde
Länder und deren Thierwelt aus eigener Anschauung kennen
IG*
244 Oeffentliche Sitzung vom 13, Märe 1902.
zu lernen, führten ihn nach Brasilien und zwei Mal m
Ceylon, Indien, Japan und den Sundainseln.
Im Jahre 1895 legte Selenka aus freien Stücken se
Professur in Erlangen nieder, um ganz seinen Studien, name
lieh der Verwerthung der von seinen Reisen mitgebrach
Sammlungen, leben zu können ; er siedelte nach München ül
wo ihm auf den Vorschlag der philosophischen Fakultät
Gelegenheit geboten wurde, seine Lehrthätigkeit an der T]
versität als Honorarprofessor fortzusetzen. Unserer Akade;
gehört er seit 1896 an.
Selenka war eine vielseitig und reich begabte Persönli
keit, höchst lebendigen Geistes und voll Interesse für AI
Eine aussergewöhnliche Redegabe machte ihn zu einem l
vorragenden Lehrer der akademischen Jugend. Reges "
streben bekundete er für Vervollkommnung der Unterricl
mittel; er gehörte zu den ersten, welche das elektrische P
jektionsmikroskop und hektographirte Zeichnungen einführi
um den Unterricht anschaulicher zu gestalten. So gelang
ihm denn auch, zahlreiche Schüler an sich zu fesseln, ^
denen einige selbständige wissenschaftliche Stellungen e
nehmen, so Prof. Hubrecht in Utrecht, Prof. Lampert
Stuttgart, Prof. Fleischmann in Erlangen. In wissenschi
liehen Vereinen gab er lichtvolle Darstellungen aus seir
reichen Wissensschatze; die liebenswürdige und anschauli
Art seiner Darstellung sicherten ihm auch reichen Erf(
wenn sich seine Rede an weitere Kreise des Publikums wan^
wie er denn auch jeder Zeit bereit war, zu gemeinnützij
Zwecken öflFentliche Vorträge zu halten.
Seine wissenschaftliche Thätigkeit erstreckte sich nur sei
auf den anatomischen Bau und die Systematik der Thi<
Ausser der vorher erwähnten die Holothurien behandeln
Doktordissertation hat er in dieser Hinsicht nur noch die sc]
von seinem Lehrer Keferstein wiederholt studirte Gruppe
den Holothurien sich anschliessenden, das Meer bewohnen
Würmer oder Gepliyren bearbeitet, einmal in einer
Monographie und dann in den Reports der Challen
C, Voit: Nekrolog auf Emil SelenJca, 245
Bipedition. Selenka's Hauptinteresse wandte sich bald der
vergleichenden Entwicklungsgeschichte zu. Er war einer der
ersten, welcher die Untersuchungen von Oskar Hertwig über
die Befruchtung des Seeigeleies bestätigte, welcher ferner die
ersten genaueren Untersuchungen über die Keirablattbildung
ond die Larvenentwicklung der Strudelwürmer oder Turbellarien
machte, wobei er namentlich die an die Rippenquallen oder
Ctenophoren erinnernde vierstrahlige Anordnung der Mesoderm-
zellen bei den Embryonen erkannte. Er erweiterte die Ent-
deckungen MetschnikoflF's über die Entwicklung des Mesoderms,
der Leibeshöhle und des Wassergefässsystems bei den Stachel-
häutern oder Echinodermen, indem er mit grossem Eifer ins-
besondere die Entwicklung des Mensenchyms und der Coelom-
divertikel der Larven untersuchte und die Vertheilung der
mesodermalen Gewebe auf diese beiden Componenten des Meso-
derms aufisuklären versuchte.
In den letzten 20 Jahren seines Lebens concentrirte sich
Selenka auf die Erforschung der Entwicklungsgeschichte der
Wirbelthiere. Er begann mit dem Studium der Nagethiere.
unser verstorbenes Mitglied Th. BischofF hatte bei seinen
denkwürdigen Untersuchungen über die erste Entwicklung der
Säugethiereier (1852) die später von B. Reichert und V. Hensen
bestätigte, merkwürdige sogenannte „Umkehr der Keimblätter*
entdeckt; es sollte hier die Lage der Keimblätter die umge-
kehrte von der gewöhnlichen Lage bei allen anderen Eiern
sein d. h. das Darmdrüsenblatt in der Embryonalanlage nach
auswärts, das Ektoderm nach Innen gewandt sein. Gleich-
zeitig mit unserem Collegen Kupffer wies nun Selenka nach,
dass die Umkehr der Keimblätter nur scheinbar sei, dass die
Dierkwürdige Lage der beiden Keimblätter durch eine Ein-
stülpung der Erabryonalscheibe in das Innere der Keimblase
bedingt sei und BischofF sowie Reichert und Hensen den
richtigen Sachverhalt nicht zu erkennen vermochten, weil sie
^e Wand der Keimblase übersehen hatten.
An die Untersuchung der Nagethiere schloss sich die
Untersuchung der bis dahin vernachlässigten Embryonal-Ent-
246 Oeff entliche Sitzung vom 13. März 1902.
Wicklung der Beutelthiere an; sie war von besonderer B
deutung, da über diese nächst den Monotremen NeuhoUan
niederste Gruppe der Säugethiere noch keine zusammenhänge
den Untersuchungen vorlagen. Er machte dabei wichtige A
gaben über den äqualen Charakter des Furchungsprocess^
über die entodermale Entstehung der Chorda dorsalis und d
Mesoderms und über den rudimentären Charakter der Harnha
oder AUantois. Die Arbeiten Selenka's über die vergleichen
Entwicklungsgeschichte finden sich in seinen beiden Hauj
werken: Zoologische Studien (2 Theile, 1878 — 1881) u
Studien über die Entwicklungsgeschichte der Thiere (5 Thei
1883—1892).
Den Schluss dieser entwicklungsgeschichtlichen Studi
sollte die Bearbeitung der Primaten bilden, der Affen, beso
ders der Anthropoiden, weil zu hofi*en war, auf diesem We
weitere Aufschlüsse über die verwandtschaftlichen Beziehung
dieser höchst organisirten Säugethiere zu dem Menschen
gewinnen. Um sich das äusserst schwierig zu erhaltende M
terial zu beschaffen, reiste Selenka zweimal nach den Sund
Inseln, von seiner Frau bei dem mühsamen Unternehmen l:
gleitet und getreulichst unterstützt. Obwohl durch ein
unglücklichen Zufall, den Untergang eines Bootes, welcl
einen Theil der Sammlung trug, viel wichtiges Material v(
loren ging, wurden doch durch die beiden Expeditionen Er
Wicklungsreihen von verschiedenen Affenarten, sowie wert
volles Skelettmaterial des Orang-Utang und des Gibbc
zusammengebracht. Letzteres, aus 250 Orangschädeln v<
schiedenen Alters und Geschlechts, 200 Schädeln von ander
Affen, insbesondere vom Gibbon, und einem männlichen u
weiblichen Skelett vom Orang ohne Schädel bestehend, wui
von ihm in liberalster Weise der anthropologischen Sammln
des Staates zum Geschenk gemacht und zu einer Untersuchu
verwandt, welche die durch Alter und Kace bedingten Uni
schiede im Orangscliädel aufklärte, sowie die grosse Variabili
in der Zahl der ächten Backzähne nachwies. Von den Stud
zur Entwicklungsgeschichte der Affen sind nur die ei'sten d
C, Voit: Nekrolog auf Emü Selenka. 247
Lieferungen erschienen; die wichtigsten in ihnen enthaltenen
Ergebnisse sind die Nachweise, dass die bei den Nagethieren
falschlich als Blattumkehr bezeichnete Anordnung der Keim-
blätter auch bei den Primaten vorkommt und dass zwischen
Affen und Menschen in den jungen Entwicklungsstadien eine
ganz überraschende Uebereinstimmung existirt. Leider wurde
Selenka durch einen allzufrühen Tod verhindert, diese von
ihm begonnenen Untersuchungen zum Abschluss zu bringen.
Man würde der Eigenart Selenka's nicht gerecht werden,
wenn man schliesslich nicht auch seiner reichen künstlerischen
Begabung gedenken wollte. Er war ein vortreflFlicher Zeichner
und Maler, ausgerüstet mit feinem Verständniss für alles
Schöne und Wissenswerthe, mochte es ihm in der Natur oder
im Leben der Völker entgegentreten. Nächst dem Sinn des
Forschers war es diese Künstlernatur, welche ihn in die weite
Welt hinaustrieb. Er liebte es daher auch bei seinen Vor-
trägen allgemeineren Inhalts das Gebiet der Zoologie zu ver-
lassen und Kunst, Religion, Sagen und Gebräuche der Völker
in feinsinniger Weise zum Gegenstand seiner Betrachtungen
zu machen. In dieser Hinsicht brachten ihm besonders reiche
Ausbeute die beiden Reisen nach Japan und den malayischen
Inseln. Die allgemeinen Ergebnisse derselben über Land und
Leute legte er in einem mit seiner Gattin gemeinsam heraus-
gegebenen, höchst anziehend geschriebenenPrachtwerke: „Sonnige
Welten, ostasiatische Reiseskizzen, 1895" nieder, sowie in dem
Büchlein: »Der Schmuck des Menschen (1899)", in welchem
er, gestützt auf seine vielseitige Bekanntschaft mit Natur-
völkern, diesen Theil der Ethnographie besonders ausführlich
behandelte; er sucht darin nachzuweisen, dass in der Aus-
bildung des Schmuckes sich eine grosse Gesetzmässigkeit von
den primitivsten Völkern an aufwärts erkennen lässt, dadurch
bedingt, dass der Schmuck sich den Körperformen anpasst
und gleichzeitig ein Ausdrucksmittel einfachster Art ist, um
die Stellung seines Trägers und den Gebrauch des dazu ver-
wendeten Gegenstandes anzudeuten.
Es mögen wohl überaus sonnige Tage gewesen sein,
248 OeffentHche Sitzung vom 13, März 1902.
welche die beiden gleichgestimmten Gefährten in den fremdei
Ländern in Anschauung der Schönheiten der Natur und Be
obachtung der Kultur ihrer Bewohner genossen. Wahrlicl]
das Dasein Selenka's war ein beneidenswerth glückliches un-
sonniges. Wir werden des liebenswürdigen Mannes stets i
Ehren gedenken.
Charles Piazzi Smyth.
Der Astronom Charles Piazzi Smyth in Edinburgh gehört
unserer Akademie schon seit dem Jahre 1855 als correspoB
direndes Mitglied, zu dem er von J. Lamont vorgeschlage
worden war, an. Ich verdanke die folgenden Angaben ilhi
seinen Lebensgang dem verehrten CoUegen Hugo Seeliger.
Charles Piazzi Smyth ist geboren am 3. Januar 1819 i
Neapel, wo sich sein Vater, ein britischer Admiral, vorübei
gehend aufhielt. Den sonderbaren Vornamen erhielt er z
Ehren seines Taufpathen und Freundes seines Vaters, des b(
kannten italienischen Astronomen Guiseppe Piazzi, des Em
deckers der Ceres. Nachdem er in England den gewöhnliche
Schulunterricht genossen, finden wir ihn bereits mit 16 Jahre
als Assistent der Sternwarte am Kap der guten Hoffnung unt(
Maclear. Er betheiligte sich eifrig an den Arbeiten der Sten
warte, besonders aber an der südafrikanischen Gradmessunj
so dass für Manchen seine im Jahre 1840 erfolgte Berufun
zum Professor der Astronomie an der Universität Edinburg
und zum Director der dortigen Sternwarte mit dem Tit
„Astronomer Royal for Scotland" nicht auffallig war. Seil
Wirksamkeit in dieser Stellung, in welcher er durch Bearbe
tung und Herausgabe der Beobachtungen seines Vorgänge
Henderson der Astronomie nützlich war, wurde durch zahlreicl
grössere Reisen und Expeditionen unterbrochen, auf welch(
wir ihn namentlich hochgelegene Stationen aufsuchen sehe
um hier in reinerer und durchsichtigerer Luft meteorologiscl
und spectroskopische Untersuchungen auszuführen. Besonde
die letzteren sind der Wissenschaft von Nutzen gewesen. A
C, Voit: Nekrolog auf Willy KÜhtie. 249
\yekaiinte8ten ist Smyth durch seine Studien über die grosse
Pyramide bei Gizeh geworden. Er mass dieses Bauwerk nach
allea Richtungen, bestimmte seine Dimensionen und Orientirung
auf das genaueste und beschrieb es in mehreren Werken.
iUein die Folgerungen, die er aus seinen Studien zog und die
ganz neue Ansichten über die Entwicklung der Cultur be-
gründen sollten, haben niemals Anklang gefunden, und ver-
wickelten ihn in unangenehme Streitigkeiten, die 1874 seinen
Austritt aus der Royal Society in London zur Folge hatten.
1888 legte Smyth seine Aemter nieder und zog sich auf sein
Landgut in der Nähe von Ripon zurück, wo er am 21. Fe-
bruar 1900 starb.
Willy Kühne.
Am 10. Juni 1900 ist das correspondirende Mitglied unserer
Akademie, der Physiologe Willy Kühne zu Heidelberg nach
längerer Krankheit im Alter von 63 Jahren aus dem Leben
geschieden. Die grossen deutschen Physiologen, welche die
Erbschaft von Johannes Müller und der Brüder Weber an-
getreten hatten, Emil Du Bois Reymond, Ernst Brücke, Her-
üiann Helmholtz und Carl Ludwig, bedienten sich im Wesent-
lichen der physikalischen Hilfsmittel zur Aufhellung der Lebens-
erscheinungen; ihren Nachfolgern war die Aufgabe zugefallen,
<len von ihnen im Grossen errichteten Bau im Einzelnen aus-
zugestalten; sie hatten aber noch ein weiteres mächtiges Hilfs-
mittel dazu erhalten, denn die organische Chemie war mittler-
weile, vorzüglich durch den gewaltigen geistigen Anstoss von
Liebig, so weit entwickelt, um mit ihr die Vorgänge der StofiF-
veränderungen in den Organismen genauer zu verfolgen.
Kühne ist einer der verdientesten Physiologen dieser Zeit ge-
wesen; er hat auf den verschiedensten Gebieten die Physiologie
•^ik wichtigen Erkenntnissen bereichert und alle Hilfsmittel
^r Erforschung der Lebens Vorgänge beherrscht und ange-
blendet: Das Mikroscop, die Physik, die Chemie und das Ex-
periment an^ Thier ; er war namentlich einer der wenigen auch
\
250 Oeffentliche Sitzung vom 13, Mars 1902,
in der Chemie durchgebildeten Physiologen, der klar erkannt^^,
welche wichtige Bedeutung die letztere für die Erhellung d^^
Lebensprocesse besitzt. Dadurch stand er als einer der wenige :Ma
Physiologen unserer Zeit da, welche gleichmässig die gan:^«
physiologische Wissenschaft zu überblicken im Stande sind, vemr-
schieden von denen, welche in ganz einseitiger Weise nur
einen Bruchtheil derselben kennen.
Kühne wurde zu Hamburg am 28. März 1837 als der
Sohn vermögender Eltern geboren. In dieser unabhängigen
Lage hatte er das Glück, ganz seinen Neigungen folgen zu
können und sich nicht mit dem Brodstudium befassen zu
müssen. Frei wählte er sich die Stätten und die Männer, wo
er die beste Ausbildung für seine Lebensaufgabe empfangen
konnte. Nach Absolvirung des Gymnasiums zu Lüneburg bezog
er mit 17 Jahren die Universität Göttingen (1854). Man er-
kannte alsbald, dass aus dem geistesfrischen, glänzend veran-
lagten Jüngling sich etwas Bedeutendes entwickeln werde. Er
wollte Physiologe werden. Ich traf den 18 Jährigen, der sch-on
genau wusste, was er anzufangen habe, und ein auffallexid
reifes ürtheil besass, im Wintersemester 1855 bis 1856 i^
den Instituten Göttingens; er hörte damals bei Wilhelm Weto^r
Physik, bei Listing physiologische Optik, bei Wöhler Chenai^»
bei Ilenle Anatomie, arbeitete im chemischen Laboratorium^
und machte einen physiologischen Cursus mit uns bei Rudol*
Wagner mit. Wöhler hat wohl zu dieser Zeit den grössii^^
Einfluss auf ihn ausgeübt und ihn der chemischen Richtung
der Physiologie zugeführt. Man braucht sich nur zu erinnern»
dass es Wöhler in einer denkwürdigen Untersuchung zum ersi>^^
Male gelungen war, einen Stoff des Organismus, den Harnstoff»
künstlich darzustellen, auch hatte er mit Keller die Umwandlu^^Ä
der aufgenommenen Benzoesäure in die Hippursäure des HaX^^
«i^efunden, was Kühne mit Ilallwacbs weiter verfolgte. Küb^^
fühlte sich jedoch nicht als Chemiker, sondern stets als Phy^^"
löge, der sich der Chemie als unentbehrlichen Hilfsmittels, ^^
die chemischen Vorgänge des Lebens einzudringen, bedie^*'
Bald hörte man von seinen ersten wissenschaftlichen Erfolg^^ '
C. Voit: Nekrolog auf Wüly Kühne. 251
im Alter von 19 Jahren wurde er als Assistent Rudolf Wagner's
(1856) zum Doktor der Philosophie promovirt mit einer physio-
logischen Dissertation über künstlichen Diabetes bei Fröschen,
angeregt durch Claude Bernard's berühmten Zuckerstich bei
Warmblütern. Erst später (1862) erhielt er den Titel eines
Doktors der Medizin honoris causa, da er sich die klinisch-
medizinischen Studien und Prüfungen erspart hatte. In Göt-
tingen entstanden noch die erwähnten Untersuchungen mit Hall-
wachs über die Entstehung der Hippursäure nach dem Genuss
von Benzoesäure, welche merkwürdige Synthese er falschlich in
der Leber vor sich gehen liess, sowie die über die Umwandlung
der Bemsteinsäure im Organismus. Er war dann kurze Zeit
bei C. G. Lehmann in Jena, der damals einer der angesehen-
sten physiologischen Chemiker war, und zog hierauf (1858)
nach Berlin. Dorten wurde er zunächst durch Du Bois Rey-
mond, den Meister in der Untersuchung der elektrischen Er-
scheinungen und elektrischen Reizung der Muskeln und Nerven,
in die experimentelle Physiologie eingeführt und seine Auf-
merksamkeit auf die allgemeine Physiologie der Muskeln und
Nenen gelenkt; ausserdem arbeitete er bei Hoppe-Seyler, dem
Assistenten in der chemischen Abtheilung des pathologischen
Institutes unter Virchow, wo er seine Untersuchungen über
den Ikterus machte. Vor Allem aber war es der zweijährige
Aufenthalt in Paris bei dem grossen Experimentator Claude
Bernard, dessen Entdeckungen, besonders das Auffinden des
Glykogens in der Leber, die Physiologie in neue Bahnen
lenkten, der seinen Blick erweiterte; in dieser arbeitsfrohen
Zeit in der grossen Weltstadt entstanden wichtige Publika-
tionen, zumeist dem Gebiete der Muskelphysiologie angehörig;
auch erwarb er daselbst seine Virtuosität im Experiment am
Thier. Auf eine Reise nach England folgte noch ein Besuch
l^i Carl Ludwig und Ernst Brücke in Wien, womit seine
Lehr- und Wanderjahre abschlössen.
Als Hoppe-Seyler (1861) die Professur für physiologische
in Tübingen annahm, rief Virchow an seine Stelle
Kühne als Assistent des chemischen Laboratoriums im patho-
252 Oeff entliche Sitzung vom 13, März 1902.
logischen Institut. Die Berliner Jahre brachten ihm die Ge-
legenheit zu intensiver wissenschaftlicher Thätigkeit und zur
Schärfung des Geistes im anregenden Umgang mit talentvollen
strebsamen Genossen, welche mit ihm das über die Fortschritte
der medizinischen Wissenschaften referirende Centralblatt der
medizinischen Wissenschaften gründeten ; auch schaarte sich um
den jungen Lehrer eine Anzahl gleichalteriger Schüler und da
ihm Virchow mit grosser Liberalität freie Hand liess, bildete
sich ein kleines physiologisches Institut aus, aus dem manche
wichtige Arbeit ausging. Ausser zahlreichen kleineren Einzel-
untersuchungen entstand in dieser Zeit die Monographie über die
peripherischen Endorgane der motorischen Nerven (1862), dann
(1864) die grosse, an Beobachtungen und Gedanken reiche Mono-
graphie: „Untersuchungen über das Protoplasma" und das aus-
gezeichnete Lehrbuch der physiologischen Chemie (1868); in letz-
terer fasste er zum ersten Male die Aufgabe vom rein physio-
logischen Standpunkte aus auf und gab eine wahrhaft klassische,
höchst lebendige Darstellung der auf chemischen Wirkungen
beruhenden Vorgänge im Organismus mit einer Fülle neuer
Beobachtungen, so dass ein Chemiker mir sagte, es lese sich unter-
haltend wie ein Roman; leider ist von dem Buch keine weitere
Auflage erschienen, obwohl es in kurzer Zeit vergriflFen war.
Bald stand Kühne als fertiger Physiologe da, angesehen
durch bemerkenswerthe eigenartige Arbeiten, und man richtete
an mehreren Universitäten die Aufmerksamkeit auf den jungen
Forscher. Im Jahr 1868 folgte er einem Kufe als Professor
der Physiologie an die Universität Amsterdam; von dorten
wanderte er 1871 als Nachfolger von Helmholtz nach Heidel-
berg, wo er ein musterhaftes physiologisches Institut nach seinen
Ideen einrichtete und bis zu seinem Ende unter Ablehnung
mehrerer glänzender Kufe wirkte und viele Schüler erzog. In
der idyllischen Musenstadt hatte er das Glück ungestört durch
Zerstrouiingen und zeitraubende Geschäfte sich in die wissen-
schaftliche Arbeit vortiefen und sich ganz der Erforschung der
LebensvorjTäntre hingeben zu können, obwohl er manche Vor-
züge einer grossen Stadt sehr wohl zu schätzen und zu ge-
niessen wusste.
C. Vait: Nekrolog auf Wüly Kühne. 253
Ungemein lebendigen Geistes und von klarem selbständigem
ürtheil wusste er alsbald mit scharfem Blick das Wesentliche
einer Erscheinung herauszufinden; aber dann gelang es ihm
auch durch seine feine Beobachtungsgabe, die sinnreichsten
Versuchsanordnungen und seine Geschicklichkeit als Experi-
mentator die entgegenstehenden Schwierigkeiten wie spielend
zu überwinden und die Fragen ihrer Lösung entgegen zu führen.
Zumeist beschäftigten ihn Aufgaben von prinzipieller Bedeu-
tung. Ein Blick über seine grösseren Arbeiten soll uns den
Einfluss des Forschers auf die Entwicklung der Physiologie
ins Gedächtniss zurückrufen.
Es waren vorzüglich drei grosse Probleme, welche ihn
in Anspruch nahmen: die Physiologie des Muskels, die Physio-
logie der Netzhaut und die Chemie der Verdauung der Ei-
weissstoffe.
Die Vorgänge im Muskel suchte er in origineller Weise
mit Hilfe des Mikroscops, durch die chemische Untersuchung
und durch das physiologische Experiment zu erforschen.
Die früh begonnenen chemischen und experimentellen
Studien über den Muskel hatten ihn gelehrt, dass es zum Ver-
ständniss des üebergangs der Erregung von der Nervenfaser
auf die Muskelfaser zunächst nothwendig ist, das anatomische
Verhalten des Nerven im Muskel genau zu kennen und so fieng
er als 22 Jähriger an, durch mikroscopische Forschung, in der
w es zur Meisterschaft gebracht hatte, die schon von Anderen
verfolgte Endigungsweise der Nerven in den Muskeln zu unter-
suchen; er trug dadurch wesentlich zu der jetzigen Lehre bei,
iass das Ende der motorischen Nervenfaser mit der Muskel-
faser in direkte Berührung trete und dabei die Nervenendi-
pingen unter der Sarkolemmascheide des Muskelschlauchs in
einer End- oder Sohlenplatte sich hirschgeweihartig verbreite,
"ie von da die Erregung auf die Muskelfaser übergeht, ist
allerdings unbekannt geblieben, denn er war nicht der Ansicht,
^ass die leitende Nervensubstanz continuirlich in die contrtik-
We des Muskels übergehe. In ähnlicher Weise wurde von ilini
die Endigung der Nervenfaseräste in den Ausläufern der Hörn-
256 Oeffentliche Sitzung vom 13, März 1902,
das Muskelprotoplasma das Verhalten des Protoplasmas anderer
Gebilde gegen äussere Einwirkungen wie z. B. das der Amöben,
der Rhizopoden und Myxomyzeten, der Flimmerhaare, der Zellen
der Hornhaut und des Bindegewebes; auch das pflanzlicher
Zellen z. B. der Zellen der Staubfädenhaare von Tradescantia.
Es ergab sich daraus der ungemein wichtige Schluss, dass die
Substanz in allen contraktilen Gebilden die gleiche plasmatische
Flüssigkeit ist, oder die Einheit der contraktilen Substanz.
An dem für solche Versuche sich so sehr eignenden parallel-
fasrigen, an den Enden nervenfreien Musculus Sartorius des
Frosches wurden von ihm noch mancherlei schöne Beobach-
tungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik gemacht.
Hierher gehört der sogenannte Zweizipfelversuch, der die
doppelseitige Leitung der Erregung in den motorischen Nerven-
fasern mit Sicherheit bewies. Er zeigte femer die sekundäre
Erregung von Muskel zu Muskel ohne Vermittlung von Nerven
beim Zusammenschmiegen der Muskeln durch Pressen ; weiterhin
that er die Uebertragung der Erregung vom Muskel auf den
Nerven dar und bewies die Abhängigkeit dieser sekundären
Zuckung von den Aktionsströmen; er fand die interessante,
allerdings noch unerklärliche Thatsache, dass ein Muskel nicht
fähig ist, seinen eigenen Nervenstamm sekundär zu erregen.
Es gelang ihm dagegen nicht, die von ihm vorausgeset^^
elektrische Reizübertragung vom Nerven auf den Muskel durc^^
Versuche darzuthun. Sonderbarer Weise zeigte nach sein^^
Beobachtungen das Protoplasma der Protozoen bei elektrische^
Reizung beim Schluss des Stroms die Erregung an der Ano(^^
und nicht an der Kathode wie das Protoplasma der Muskelr^
was allerdings gegen die Einheit des Protoplasmas zu spreche?^
scheint.
Von hoher Bedeutung sind seine umfassenden Arbeiten üb^ ■
die Verdauung der Eiweissstoffe durch den Pankreassaft und di ^
dabei stattfindenden Veränderungen derselben, welche er scho:^
in Berlin (1867) begonnen hatte. Während man früher nur det»^
Magensaft die Fähigkeit zuschrieb Eiweiss zu verdauen, hatt^
man dies auch für den Saft der Bauchspeicheldrüsse nachge-*
a VoU: Nekrolog auf Willy Kühne, 257
esen, aber es blieb noch zweifelhaft, ob der Vorgang nicht
r eine Wirkung der Fäulniss durch niedere Organismen
Ire. Kühne that dar, dass das Eiweiss dabei, nach Ausschluss
r Fäulniss mittelst Salicylsäure, wirklich in kurzer Zeit ver-
ut wird. Es wird zunächst in Globulin verwandelt und
ises schliesslich in zwei Eiweissstoffe gespalten, die er Anti-
pton und Hemipepton nannte, welches letztere nach seiner
isicht noch weiter in einfache stickstoffhaltige Produkte
eucin, Tyrosin) und flüchtige Fettsäuren zersetzt wird; bei
r Fäulniss durch niedere Organismen treten daneben noch
el riechende Produkte auf, namentlich das den Kothgeruch
dingende Indol, welches er durch Schmelzen von Eiweiss
t Kali, wobei schon Liebig den Kothgeruch bemerkt hatte,
rstellen lehrte.
Kühne wurde dadurch zu dem näheren Studium der
trmentwirkungen geführt; er begnügte sich jedoch dabei
:ht mit wirksamen Auszügen, sondern suchte die wirksamen
ibstanzen, die Fermente, zu isoliren. So stellte er das Eiweiss
rdauende Ferment des Pankreas her, dem er den allgemein
genommenen Namen „Trypsin* gab, das durch Kochen in
agulirtes Eiweiss und in Pepton übergeht. Zur Unterschei-
mg von den sogenannten geformten Fermenten, niederen
rganismen, führte er für die löslichen ungeformten Fermente
tn Ausdruck „Enzyme" ein.
Man war uneinig darüber, welches der normale wirksame
ankreassaft wäre, der bei temporären Fisteln erhaltene dick-
;he Saft oder der bei permanenten Fisteln gewonnene dünn-
issige Saft. Kühne lehrte in Uebereinstimmung mit Claude
ernard den ersteren als den normalen näher kennen; es ist
n dickflüssiger Saft, der in der Kälte eine wahre Gerinnung
nes Eiweissstoffes zeigt und in Wasser geträufelt einen Nieder-
lilag giebt; letzterer verhält sich wie das im Muskelplasma
ii der Todtenstarre sich ausscheidende Myosin.
Nach der so folgenreichen Entdeckung von Carl Ludwig
851) vermag man bekanntlich von gewissen in die Mund-
>eicheldrüsen sich einsenkenden Nerven die Sekretion dieser
1902. SiUongsb. d. math.-phys. Cl. 17
258 Oeff entliche Sitzung vom 13. Märe 190!^,
Drüsen anzuregen; diese Nerven wirken also auf die Drüsen-
zellen ebenso erregend wie die MuskelneiTen auf die Muskeln.
Heidenhain gelang es später sogar mikroscopische Veränderungen
der Drüsenzellen bei der Absonderung nachzuweisen. Solche
Veränderungen beobachtete nun auch Kühne an den lebenden
Zellen des Pankreas des Kaninchens; dieselben sind im un-
thätigen Zustande anders geformt als im thätigen und sie
sondern nur an der freien, dem inneren Drüsenraum zugekehrten
Fläche das Sekret ab.
Aus den Verdauungsversuchen mit dem Pankreassafte ent-
wickelten sich seine weiteren wichtigen Untersuchungen über
die bei der Pepsin- und Trypsinwirkung entstehenden Modi-
fikationen der Eiweissstoflfe. Während man früher, um Auf-
schlüsse über den Bau des Ei weisses zu erhalten, das grosse
Eiweissmolekül durch die tief eingreifenden Säuren und Alkalien
zu spalten suchte, wendete Kühne die eiweissspaltenden hydro-
lytischen Enzyme des Organismus an, welche anfangs noch
hoch zusammengesetzte, vom gewöhnlichen Eiweiss nur wenig
verschiedene Produkte liefern. Man liess vordem das Eiweiss
bei der Verdauung in das leicht lösliche und leicht diffundir-
bare Pepton übergehen, das dann durch Wasserentziehung
im Körper wieder zu gewöhnlichem Eiweiss zurtickgebiU®^
werde. Kühne fand, wie schon früher 6. Meissner bei seine»
maassgebenden Versuchen, eine ganze Anzahl von Uebergäng^^
und von verschiedenen Produkten. Er bezeichnete die zuers»^
entstehenden, durch Salze, namentlich durch das von Heynsi^^
in die Eiweisschemie eingeführte Ammoniumsulfat, fallbat"^^
als Albumosen, die später sich bildenden, nicht mehr duf^
Salze fällbaren als echte Peptone; die verschiedenen natürli^^
vorkommenden Eiweissstoffe lieferten verschiedene Albumos^^
Diese Untersuchungen haben die Kenntniss der Eiweissar^^
sehr gefördert und werden später, wenn einmfil die Constituti^-^
des Ei weisses näher bekannt sein wird, noch weitere Bedeuttf.^
gewinnen.
Er wandte auch die Verdauung durch Fermente als elega:0^
histologische Methode an zur Isolirung des Neurokeratins i^
C. Voü: Nekrolog auf Wüly Kühne, 259
rvenmark, zur chemischen Darstellung des Axencylinders
i des charakteristischen Produktes der sogenannten amyloiden
tartung der Organe, mit dessen Untersuchung er sich früher
K^häftigt hatte. Die Anwendung der Dialysenschläuche zur
3hten Trennung der coUoidalen Stoffe, wodurch grössere
Issigkeitsvolumina der Dialyse zugänglich gemacht wurden,
ichte einen wesentlichen technischen Fortschritt.
Ein ganz besonderes Interesse nahm Kühne an der (1876)
rch den leider zu früh verstorbenen talentvollen Franz BoU
nachten Entdeckung, dass die Netzhaut des Auges im Leben
rpurroth gefärbt sei und zwar durch einen merkwürdigen
rbstoff in den Aussengliedern der Netzhautstäbchen, der
rch Licht fortwährend gebleicht wird und sich in der Dunkel-
it dann wieder regenerirt. Kühne erkannte alsbald die hohe
^deutung dieser Entdeckung und begann mit einer Energie
ne Gleichen die Sache näher zu verfolgen; er that dabei
ne ganze Meisterschaft in der experimentellen Forschung
id seine Beherrschung der chemischen und physikalischen
ethoden dar. In kurzer Zeit hatte er eine grosse Zahl der
Lchtigsten Thatsachen aufgefunden, wenn sich auch seine
ifängliche Erwartung, das Geheimniss der Erregung der Netz-
mt durch die Lichtstrahlen aufzuhellen, nicht erfüllte. Während
oll meinte, dass die rothe Färbung und die Bleichung durch
as Licht eine Lebenserscheinung wäre, that Kühne dar, dass
ie Stäbchenfarbe bei Lichtabschluss auch nach dem Tode und
^Ibst bei der Fäulniss erhalten bleibt und durch Licht noch
ebleicht wird, und dass sie von einer bestimmten chemischen
ubstanz herrührt, welche er aus dem Gewebe durch gallen-
aures Alkali auflöste und rein darstellte und deren physi-
alische Eigenschaften durch höchst sinnreiche Versuche
prüfte. Er ermittelte die Wirkung der verschiedenen Farben
les Spektrums auf den Sehpurpur, dann den Regenerations-
>rocess der gebleichten Netzhaut, woraus die sogenannte Opto-
'hemie entstand, und die Hervorbringung des weissen Bildes
-iües leuchtenden Gegenstandes auf der Netzhaut des ausge-
^knittenen Kalbsauges auf rosarothem Grunde, das Optogramm,
17*
260 Oeff entliche Sitzung vom 13, März 1902,
vergleichbar dem Bilde auf einer photographischen Platte.
Man hatte ja die kühnsten Hoffnungen daran geknüpft, wie
es häufig bei solchen unerwarteten Entdeckungen geschieht;
vermeinte man doch das Bild festhalten zu können von Dingen,
welche das Auge vor dem Tode zuletzt erblickt hatte. Abei
es sollte Kühne, wie gesagt, nicht beschieden sein in den Vor-
gang der Erregung der Stäbchen und Zapfen durch die Licht-
wellen tiefer einzudringen, denn das Sehen zeigte sich nictt
an den Sehpurpur gebunden, da gerade an der Stelle des
schärfsten Sehens, dem sogenannten gelben Fleck, der Seb-
purpur fehlt und Thiere mit ausgebleichter Netzhaut doeli
noch gut sehen, und viele gut sehende Thiere keinen Seh-
purpur besitzen. Aber doch war in der Bleichung des Seb-
purpurs durch das Licht ein Weg angedeutet, wie die Aether-
wellen die Netzhautelemente zu erregen vermögen; dieselben
können immerhin photochemisch wirken und die chemischen
Zersetzungsprodukte die Reize für die Nervenendigung abgebellt
wie Kühne annahm. In der von ihm entdeckten Wanderung
des Pigments in den Stäbchen erblickte er einen durch LicW
regulirbaren Lichtschirm.
Durch diese Erfahrungen an der Netzhaut wurde er an-
geregt, auch die elektrischen Eigenschaften derselben sowie des
Sehnerven, welche zuerst von dem Schweden Holmgren i^^
bahnbrechenden Untersuchungen studirt worden waren, no<^
weiter zu verfolgen. Es gelang ihm an der isolirten Netzh^"*^^
des Frosches einen Dunkelstrom nachzuweisen, womach A^^
äussere Stäbchenseite sich negativ elektrisch gegen die inn^^^
Nervenfaserseite verhält. Während der Belichtung der Ne'fc^'*
haut zeigt sich eine dauernde geringere Ablenkung, die ne^^**
tive Schwankung oder der Phototonus. Bei Lichtreiz ^^*
Netzhaut des mit dem Sehnerven verbundenen Augapfels erh^^^
man an dem Nerven die negative Schwankung wie bei je<i-^'
Erregung und Thätigkeit eines gewöhnlichen Nerven; bei EL^^^"
tritt der Dunkelheit durcheilt noch eine starke Erregung d^^
Sehnerven und dann tritt wieder der Ruhestrom auf. Die E3^^
regung des Protoplasmas der Innenglieder der Stäbchen dur^^^
C. Voit: Nekrolog auf Wüly Kühne, 261
5 Licht giebt sich also in dem Wandel der elektrischen
äfte zu erkennen als Vorläufer der Erregung in den zuge-
rigen Nervenfasern.
Die letzte grössere Arbeit Kühne's vom Jahre 1898 war
über die Bedeutung des Sauerstoffe für die vitale Bewegung
i Protoplasmas und zwar an pflanzlichen Organismen, bei
" er noch sein ganzes eigenartiges Geschick zeigte. Bei
tziehung des Sauerstofls hört die Bewegung der Staubfaden-
are der Tradescantien auf und erscheint wieder bei dem
iederzutritt des Gases. Ebenso untersuchte er durch äusserst
rgföltige, vielfach modificirte Versuche die Protoplasmabewe-
mg in chlorophyllhaltigen Pflanzenzellen ohne und mit Ein-
irkung des Lichts; letzteres führte zu innerer Sauerstofi"-
Qtwicklung durch das Chlorophyll. Lichtzutritt ruft die Be-
egung hervor; Sauerstofizutritt bewirkt sie, auch wenn der
Lchtzutritt schon unwirksam ist. Die Bewegung erlischt im
imkeln und wird durch Sauerstofizutritt und durch eigene
werstoflFentwicklung im Licht wieder hergestellt.
Kühne war noch arbeitsfreudig und er trug sich mit
lerlei Arbeitsplänen ; öfters äusserte er sich in seinen Briefen
i mich, er wünsche uns noch einige Jahre wissenschaftlicher
hätigkeit. Da befiel ihn am Ende des Sommersemesters 1899
Lch einer starken Erkältung eine Erkrankung, die seinem
?ben ein für die Wissenschaft zu frühes Ende bereitete.
Kühne war ein Naturforscher von hohen Gaben, der in
mkle und verwickelte Vorgänge des Lebens Licht gebracht
Lt, von grösster Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit in
inen Untersuchungen und Beobachtungen. Es war ihm ein
Ldenschaflliches Bedürfniss nach Erkenn tniss eigen und die
ine Freude an derselben; darum beseelte ihn auch eine wahre
:ist zu schaffen. Er arbeitete leicht, und wenn er einmal eine
Lche als bedeutungsvoll erkannt hatte, widmete er sich ihr
it aller Kraft und ruhte nicht eher als bis er sie so weit als
Oglich erschöpft hatte.
Er war einer der geistvollsten Menschen von sprudelnder
ebhaftigkeit, voller Interesse und von feinem Verständniss für
260 Oeff entliche Sitzung vom 13. Märe 1903.
vergleichbar dem Bilde auf einer photographischen Platte.
Man hatte ja die kühnsten Hoffnungen daran geknüpft, wie
es häufig bei solchen unerwarteten Entdeckungen geschieht;
vermeinte man doch das Bild festhalten zu können von Dingen,
welche das Auge vor dem Tode zuletzt erblickt hatte. Aber
es sollte Kühne, wie gesagt, nicht beschieden sein in den Vor-
gang der Erregung der Stäbchen und Zapfen durch die Licht-
wellen tiefer einzudringen, denn das Sehen zeigte sich nicht
an den Sehpurpur gebunden, da gerade an der Stelle des
schärfsten Sehens, dem sogenannten gelben Fleck, der Seb-
purpur fehlt und Thiere mit ausgebleichter Netzhaut doch
noch gut sehen, und viele gut sehende Thiere keinen Seh-
purpur besitzen. Aber doch war in der Bleichung des Seh-
purpurs durch das Licht ein Weg angedeutet, wie die Aether-
wellen die Netzhautelemente zu erregen vermögen; dieselben
können immerhin photochemisch wirken und die chemischen
Zersetzungsprodukte die Reize für die Nervenendigung abgeben,
wie Kühne annahm. In der von ihm entdeckten Wanderung
des Pigments in den Stäbchen erblickte er einen durch Licht
regulirbaren Lichtschirm.
Durch diese Erfahrungen an der Netzhaut wurde er aia-
geregt, auch die elektrischen Eigenschaften derselben sowie des
Sehnerven, welche zuerst von dem Schweden Holmgren ^^
bahnbrechenden Untersuchungen studirt worden waren, no^
weiter zu verfolgen. Es gelang ihm an der isolirten Netzh ^-^^
des Frosches einen Dunkelstrom nachzuweisen, womach ^®
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Nervenfaserseite verhält. Während der Belichtung der N^^'
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Erregung und Thätigkeit eines gewöhnlichen Nerven; bei E:^^'
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regung des Protoplasmas der Innenglieder der Stäbchen dur"^^
C. Vait: Nekrolog auf Wüly Kühne, 261
3 Licht giebt sich also in dem Wandel der elektrischen
äfte zu erkennen als Vorläufer der Erregung in den zuge-
rigen Nervenfasern.
Die letzte grössere Arbeit Kühne's vom Jahre 1898 war
\ über die Bedeutung des Sauerstoffe für die vitale Bewegung
5 Protoplasmas und zwar an pflanzlichen Organismen, bei
r er noch sein ganzes eigenartiges Geschick zeigte. Bei
itziehung des Sauerstoffs hört die Bewegung der Staubfaden-
lare der Tradescantien auf und erscheint wieder bei dem
''iederzutritt des Gases. Ebenso untersuchte er durch äusserst
Tgfaltige, vielfach modificirte Versuche die Protoplasmabewe-
mg in chlorophyllhaltigen Pflanzenzellen ohne und mit Ein-
irkung des Lichts; letzteres führte zu innerer Sauerstoff-
atwicklung durch das Chlorophyll. Lichtzutritt ruft die Be-
egung hervor; Sauerstoffzutritt bewirkt sie, auch wenn der
Lchtzutritt schon unwirksam ist. Die Bewegung erlischt im
unkeln und wird durch Sauei*stoffzutritt und durch eigene
Mierstoffentwicklung im Licht wieder hergestellt.
Kühne war noch arbeitsfreudig und er trug sich mit
lerlei Arbeitsplänen ; öfters äusserte er sich in seinen Briefen
a mich, er wünsche uns noch einige Jahre wissenschaftlicher
hätigkeit. Da befiel ihn am Ende des Sommersemesters 1899
ach einer starken Erkältung eine Erkrankung, die seinem
eben ein für die Wissenschaft zu frühes Ende bereitete.
Kühne war ein Naturforscher von hohen Gaben, der in
iinkle und verwickelte Vorgänge des Lebens Licht gebracht
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'inen Untersuchungen und Beobachtungen. Es war ihm ein
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ast zu schaffen. Er arbeitete leicht, und wenn er einmal eine
^he als bedeutungsvoll erkannt hatte, widmete er sich ihr
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260 Oeff entliche Sitzung vom 13, März 1903.
vergleichbar dem Bilde auf einer photographisclien Platte.
Man hatte ja die kühnsten Hoffnungen daran geknüpft, wie
es häufig bei solchen unerwarteten Entdeckungen geschielit;
vermeinte man doch das Bild festhalten zu können von Dingen,
welche das Auge vor dem Tode zuletzt erblickt hatte. Aber
es sollte Kühne, wie gesagt, nicht beschieden sein in den Vor-
gang der Erregung der Stäbchen und Zapfen durch die Licht-
wellen tiefer einzudringen, denn das Sehen zeigte sich nicht
an den Sehpurpur gebunden, da gerade an der Stelle des
schärfsten Sehens, dem sogenannten gelben Fleck, der Seh-
purpur fehlt und Thiere mit ausgebleichter Netzhaut doch
noch gut sehen, und viele gut sehende Thiere keinen Seh-
purpur besitzen. Aber doch war in der Bleichung des Seh-
purpurs durch das Licht ein Weg angedeutet, wie die Aether-
wellen die Netzhautelemente zu erregen vermögen; dieselb^^
können immerhin photochemisch wirken und die chemiscbe^^
Zersetzungsprodukte die Reize für die Nervenendigung abgebeHi
wie Kühne annahm. In der von ihm entdeckten Wanderung
des Pigments in den Stäbchen erblickte er einen durch LicW
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Durch diese Erfahrungen an der Netzhaut wurde er ^t^'
geregt, auch die elektrischen Eigenschaften derselben sowie d^^
Sehnerven, welche zuerst von dem Schweden Holmgren ^^
bahnbrechenden Untersuchungen studirt worden waren, n(w "*
weiter zu verfolgen. Es gelang ihm an der isolirten Netzh*'^^^
des Frosches einen Dunkelstrom nachzuweisen, womach
äussere Stäbchenseite sich negativ elektrisch gegen die inn^
Nervenfaserseite verhält. Während der Belichtung der Net:::^
haut zeigt sich eine dauernde geringere Ablenkung, die neg-^S
tive Schwankung oder der Phototonus. Bei Lichtreiz d» -^
Netzhaut des mit dem Sehnerven verbundenen Augapfels erhä^^
man an dem Nerven die negative Schwankung wie bei jed«^ ^
Erregung und Thätigkeit eines gewöhnlichen Nerven; bei Eiir:^
tritt der Dunkelheit durcheilt noch eine starke Erregung de^^
Sehnerven und dann tritt wieder der Ruhestrom auf. Die Ej^--
regung des Protoplasmas der Innenglieder der Stäbchen durc -^
0. Voit: Nekrolog auf Wüly Kühne. 2G1
das Licht giebt sich also in dem Wandel der elektrischen
Kräfte zu erkennen als Vorläufer der Erregung in den zuge-
hörigen Nervenfasern.
Die letzte grössere Arbeit Kühne's vom Jahre 1898 war
die über die Bedeutung des Sauerstoffs für die vitale Bewegung
des Protoplasmas und zwar an pflanzlichen Organismen, bei
der er noch sein ganzes eigenartiges Geschick zeigte. Bei
flntziehung des Sauerstofis hört die Bewegung der Staubfaden-
baare der Tradescantien auf und erscheint wieder bei dem
"W^iederzutritt des Gases. Ebenso untersuchte er durch äusserst
sorgfaltige, vielfach modificirte Versuche die Protoplasmabewe-
gung in chlorophyllhaltigen Pflanzenzellen ohne und mit Ein-
wirkung des Lichts; letzteres führte zu innerer Sauerstoff-
Entwicklung durch das Chlorophyll. Lichtzutritt ruft die Be-
wegung hervor; Sauerstoffzutritt bewirkt sie, auch wenn der
Lichtzutritt schon unwirksam ist. Die Bewegung erlischt im
Ehinkeln und wird durch Sauerstoffzutritt und durch eigene
Sauerstoffentwicklung im Licht wieder hergestellt.
Kühne war noch arbeitsfreudig und er trug sich mit
allerlei Arbeitsplänen ; öfters äusserte er sich in seinen Briefen
an mich, er wünsche uns noch einige Jahre wissenschaftlicher
Thätigkeit. Da befiel ihn am Ende des Sommersemesters 1899
öach einer starken Erkältung eine Erkrankung, die seinem
Leben ein für die Wissenschaft zu frühes Ende bereitete.
Kühne war ein Naturforscher von hohen Gaben, der in
dunkle und verwickelte Vorgänge des Lebens Licht gebracht
hat, von grösster Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit in
^inen Untersuchungen und Beobachtungen. Es war ihm ein
leidenschaftliches Bedürfniss nach Erkenntniss eigen und die
^ine Freude an derselben ; darum beseelte ihn auch eine wahre
Lust zu schaffen. Er arbeitete leicht, und wenn er einmal eine
Sache als bedeutungsvoll erkannt hatte, widmete er sich ihr
^t aller Kraft und ruhte nicht eher als bis er sie so weit als
Möglich erschöpft hatte.
Er war einer der geistvollsten Menschen von sprudelnder
^bhaftigkeit, voller Interesse und von feinem Verständniss für
256
ötffenüiche Siisung vom IS, Man t9ÖZ
das Muskelprotoplasiim das Verhalten des Pratoplasmas anderer
Gebilde gegen äussf*re Einwirkungen wie z* B* das der Amöben j
der Hhizopoden nnd Myxomyzeten, der Flimmer haare, der Zellen
der Hornhaut und des Bindegewebes; auch das pflanzlicher
Zellen z, B* der Zellen der Staubfadenhaare von Tradescantia,
Es ergab sich daraus der ungemein wichtige Sehluss, dass die
Substanz in allen contraktilen Gebilden die gleiche plasmatische
Flüssigkeit mt, oder die Einheit der contraktilen Substanz,
An dem ftlr solche Versuche sich so sehr eignenden parallel-
fasrigen, an den Enden nervenfreien Musculus Sartorius des
Frosches wurden von ihm noch mancherlei schone Beabach-
tungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik gemacht
Hierher gehört der sogenannte Zwei zip feiversuch, der die
doppelseitige Leitung der Erregung in den motorischen Nerven-
fasern mit Sicherheit bewies. Er zeigte ferner die sekundäre
Erregung von Muskel zu Muskel ohne Vermittlung von Nerven
beim ZusammenschmiegeR der Muskeln durch Pressen; weiterhin
that er die Uebertragung der Erregung vom Muskel auf den
Nerven dar und bewies die Abhängigkeit dieser sekundären
Zuckung von den Aktionsströmen; er fand die interessante,
allerdings noch unerklärliche Thatsache, das.s ein Muskel nicht
fähig ist, seinen eigenen Nervenstamra sekundär zu erregen.
Es gelang ihm dagegen nicht, die von ihm vorausgesetzte
elektrische Reiz üb er tragung vom Nerven auf den Muskel durch
Versuche darzuthun. Sonderbarer Weise zeigte nach seinen
Beobachtungen da^ Protoplasma der Protozoen bei elektrischer
Reizung beim Sehluss des Stroms die Erregung an der Anode
und nicht an der Kathode wie das Protoplasma der Muskeln,
was allerdings gegen die Einheit des IVotoplasmas zu sprechen
scheint
Von hoher Bedeutung sind seine umfassenden Arbeiten Über
die Verdauung der Eiweissstoife durch den Pankreassaft und die
dal>ei stattfindenden Veränderungen derselben, welche er «^chon
in Berlin (1867) begonnen hatte. Während man früher nur dem
Magensaft die Fähigkeit zuschrieb Eiwciss zu verdauen, hatte
man dies auch für den Salt der Bauchspeicheldriisse uachge-
C. Voü: Nekrolog auf Charles Hermite. 263
d ,Sulle frazioni continue* in der neu begründeten Zejt-
irift: Le Matematiche pure e applicate) das Datum vom
. December 1900, bezw. Januar 1901!
Hermite wurde am 24. December 1822 zu Dieuze in Loth-
igen geboren. Nachdem er das College zu Nancy, dann die
riser Colleges Henri IV und Louis le Grand besucht, bezog
1842 die Ecole Polytechnique. Das Interesse für die reine
kthematik, das schon auf der Schule mächtig in ihm erwacht
jc und namentlich durch die Lecture von Lagrange's ,Trait^
la resolution des ^quations numdriques" und Gauss' »Dis-
isitiones arithmeticae* reichliche Nahrung gefunden hatte,
rdrängte sehr bald seine ursi3rüngliche Absicht, Ingenieur
werden. Schon 1843 schickt er auf Lionville's Rath an
cobi eine briefliche Mittheilung seiner Untersuchungen über
perelliptische Functionen und „stellt sich mit einem Schlage,
rch einen Brief von wenigen Seiten, in die Reihe der besten
lalysten Europa's".*) Im Jahre 1848 wird er zunächst
jpetitor und Examinator an der Ecole Polytechnique, 1862
iitre de Conferences an der Ecole Normale, 1869 als Nach-
ger DuhamePs Professor der höheren Algebra an der Sorbonne
aculte des Sciences) und zugleich Professor der Analysis an
r Ecole Polytechnique. Wohl die gesammte, an hervor-
genden Talenten so reiche Generation der jüngeren fran-
sischen Mathematiker hat er seit jener Zeit zu begeisterten
hülem gehabt.
Von seinen überaus zahlreichen, über die verschiedensten
?biete der Analysis, Algebra und Zahlentheorie sich er-
reckenden Arbeiten hat P. Mansion in der „ Revue des questions
ientifiques** (T. 19) ein vorläufiges Verzeichniss zusammen-
ästellt.*) Ihre Anzahl beläuft sich auf mehr als 200, und
*) Darboux, Rede zur Feier von Hermite's 70. Geburtstage.
*) Eine kurze kritische Besprechung der wichtigsten Hermite'schen
•beiten giebt M. Krause in einem Vortrage, der in der naturwissen-
tiaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden gehalten wurde und in deren
g*n abgedruckt ist; eine ausführlichere, glänzende Würdigung von
niiite's wissenschaftlichen Verdiensten bietet Emile Picard's in der
264 Oeff entliche Sitzung vom 13, März 1902.
\
es verdient an dieser Stelle ausdrücklich hervorgehoben ä^
werden, dass mehr als der fünfte Theil in deutschen Zeit-
schriften publicirt wurde: liegt doch gerade hierin ein beredt^3S
Zeugniss, wie Hermite seit jener ersten Correspondenz n«.^t
Jacobi unablÜÄsig bemüht war, wissenschaftliche und persönlicfcme
Verbindungen mit deutschen Mathematikern anzuknüpfen uczmd
zu unterhalten. Und wie er selbst mit Vorliebe sich a^ls
Schüler von Gauss, Jacobi und Dirichlet zu bezeichnen pflegfci-^i
so gebührt ihm, wie keinem seiner Landsleute und Colleg^^^
das grosse Verdienst, eingehendes Studium und gerech- te
Würdigung der grossen deutschen Mathematiker von Gau
bis Weierstrass in Frankreich angeregt und gefordert zu habe
Eine einigermaassen ausreichende Classification der He
mite'schen Arbeiten bietet insofern grosse Schwierigkeit
als viele derselben, und darunter gerade solche von ganz b-
sonderer Tragweite nicht einer der oben genannten Discipline: ^°i
sondern auf gewissen Grenzgebieten sich bewegend mehrer^^"^^
zugleich angehören.
Ein nach Anzahl und Bedeutung besonders erhebliche -J^^*
Theil jener Arbeiten beschäftigt sich mit der Theorie d^ -^^r
elliptischen und hjperelliptischen Transcendenten und dert — ^°
Beziehungen zur Algebra und Zahlentheorie. Dem zuvor err er-
wähnten Briefe an Jacobi war bereits 1844 ein zweiter
über die Transformation der elliptischen Funktionen — gefolg
welcher von dem auf der Höhe seines Ruhmes stehenden König^^ss-
berger Mathematiker mit den schmeichelhaftesten Lobsprüche^^^
erwidert und für würdig erachtet wurde, mit jenem ersten zi^: — ^""
sammen in der Sammlung seiner „Mathematischen Werke*
abgedruckt zu werden. Das schon in jenem zweiten Brief
Facultc des Sciences gehaltener Vortrag: L'oeuvre scientifique
Charles Hermite (abgedruckt in den Annales de I'ficole Normal
3iemo Serie, T. 18). Ein weiteres eingehendes Referat über Hermii
wissenschaftliche Thiitigkeit hat M. Noether in den Mathematisch
Annalen publicirt.
') D. h. schon in der von Jacobi selbst veranstalteten AusgaV
Bd. I (I84G), p. 391 IF.
G. VoU: Nekrolog auf Charles Hermite. 265
gewendete, heutzutage meist schlechthin als ^Herniite'scher
tz* bezeichnete Fundamental-Princip, nämlich die Reduction
ler, gewissen Periodicitäts-Bedingungen genügenden Function
f eine lineare Verbindung bestimmter Elementarfunctionen,
t sich nicht nur für die Behandlung des Transform ations-
oblems, sondern für die gesammte Theorie der elliptischen
mctionen als äusserst fruchtbar erwiesen und wurde später-
1 (1855) in verallgemeinerter Form von Hermite auch für
j Transformation der Aberschen (genauer gesagt: hyper-
iptischen) Functionen nutzbar gemacht. Andere grundlegende
iwendungen giebt er in seiner „Uebersicht über die Theorie
r elliptischen Functionen" ^) und bei der Behandlung der
n ihm eingeführten doppelperiodischen Functionen 2. und
Art. Neben einer ganzen Reihe weiterer der Lehre von
n elliptischen Functionen angehöriger Arbeiten, welche theils
r Herleitung zahlreicher neuer analytischer Beziehungen
enen, theils Vereinfachungen in der Herleitung schon be-
•nnter liefern, verdienen diejenigen eine ganz besondere Er-
ähnung, in denen Hermite die Theorie der elliptischen Func-
)nen auf algebraische und zahlentheoretische Probleme an-
Bndet. Die Beschäftigung mit der Transformation der ellip-
tchen Functionen und der damit in engem Zusammenhange
ihenden, von Jacobi begründeten Theorie der Modular-
dchungen führt ihn zur Auflösung der Gleichung 5. Grades
$58) und weiterhin zu bemerkenswerthen Resultaten über ge-
;se Gleichungen beliebigen Grades, zugleich aber auch zur Her-
iung von Classenanzahl-Relationen für quadratische Formen.
endahin gelangt er andererseits auch durch Reihen-Ent-
ikelungen gewisser Theta-Quotienten, und die weitere Ver-
gung dieses Weges liefert ihm unter anderen zahlentheo-
liischen Ergebnissen die zum Theil von Gauss und Legendre
r anderen Wegen gefundenen Sätze über die Darstellung
*) Unter diesem Titel deutsch von L. Nataui, Berlin 18G3; ui'sprüng-
3. als Anhang zu Lacroix, Traite elementaire du calcul diflferential et
^gral, 6*^°^« ed., 1862*
266 Oeffentliche Sitzung vom 13, März 1902.
einer Zahl als Summe von drei oder fünf Quadraten. Weitere-
Anwendungen der elliptischen Functionen macht er auf di^
Integration der sog. Lamä'schen und anderer Differential
Gleichungen, sowie auch auf verschiedene mechanische Probleme
Unter den nicht auf die Theorie der elliptischen odcai" — ?x
hyperelliptischen Functionen sich beziehenden analytischeir n
Arbeiten gebührt zweifellos der erste Platz seiner vielgenannter -^sn
Abhandlung über die Transcendenz der Zahl e (1873). Wusstzz^Ke
man auch seit Lionville Zahlenreihen anzugeben, welche trani-— ^a-
cendente Irrationalitäten definiren, so wird hier zum erste -g^n
Male ein bindender Beweis dafür gegeben, dass eine von vortr wi-
herein definirte, für die gesammte Analysis so fundamentaCT -le
Zahl, wie jenes e, der Classe der algebraischen Zahlen nich^ri^t
angehört. Der von Hermite benützte Gedankengang darf zu
gleich für den späterhin (1882) von Lindemann gelieferten Be
weis der Transcendenz von tt, also für die Erledigung d«
naturgeraäss weit populärer gewordenen Kreis-Quadraturprc
blems als bahnbrechend und vorbildlich angesehen werdei
Die Theorie der algebraischen Kettenbrüche, welche HermiBi^^
als Grundlage bei jener Untersuchung über die Zahl e gedier:^^^^^^
hatte, verdankt ihm auch weiterhin erhebliche Bereicherungea^^^
und Verallgemeinerungen. Er wendet sie auf die Integratio '^^
gewisser linearer Differential-Gleichungen an und findet neu^^^
Beziehungen zur Theorie der Kugel-Funktionen. Aber hiei —
mit sind seine analytischen Leistungen noch keineswegs ei^
schöpft. Eine lange Reihe von Arbeiten behandelt analytisch
Einzelfnigen der mannigfachsten Art: solche aus dem Gebiet^^ "^^
der Infinitesimal-Kechnung, der Bernouilli'schen Zahlen, der
Gamma-Functionen und Euler'schen Integrale, der Fourier'scher
Reihen, der analytischen Functionen. Es giebt wohl kaun::-'-^
eine Frage des analytischen Calcüls, in die er nicht gelegen t—-"^'
lieh mit seiner schöpferischen Eigenart eingegriffen hätte.
Die Theorie der elliptischen und hyperelliptischen Func-
tionen ist zu eng mit derjenigen der quadratischen Former
vorknüpft, um es nicht geradezu als selbstverständlich er-
scheinen zu lassen, dass Ilermite seit Beginn seiner mathe
C. Voit: Nekrolog auf Charles Hermite. 267
tischen Untersuchungen der Formerr- Theorie besonderes
eresse und tiefstes Studium gewidmet hat. Hier setzt die
>sse Reihe seiner rein zahlentheoretischen und alge-
aischen Arbeiten ein, die im übrigen seinen analytischen
istungen an Bedeutung in keiner Weise nachstehen. Von
• arithmetischen Theorie der binären quadratischen Formen
igt er auf zu derjenigen der quadratischen Formen mit
iebig vielen Veränderlichen und der binären Formen be-
aigen Grades. Bald schafft er sich mit der Einführung
tiger Variablen in der Zahlentheorie ein neues mächtiges
ilfsmittel und eröfl&iet neue Perspectiven durch die Betrach-
ig von Formen mit conjugirt complexen Veränderlichen.
Zusammenhange mit der Theorie der quadratischen Formen
iwickelt er eine neue und verallgemeinerte arithmetische
eorie der Kettenbrüche und der damit zusammenhängenden
näherungs- Methoden. Durch rein arithmetische ebenfalls
' der Theorie der quadratischen Formen beruhende Betrach-
igen beweist er den Stürmischen Satz über die Anzahl der
Uen Wurzeln einer algebraischen Gleichung, wie auch den
liegen Cauchy 'sehen Satz über complexe Wurzeln, und wird
•ch die Beschäftigung mit diesem Gegenstande auf einen
iz neuen höchst merkwürdigen Satz geführt, wonach sich
Wurzeln gewisser Gleichungen allemal mit Hülfe einer
llichen Anzahl bestimmter Irrationalitäten ausdrücken lassen.
Aber auch die algebraische Theorie der Formen empfing
r bald durch Hermite's Arbeiten ausserordentliche Fördei'ung.
b Cayley und Sylvester darf er als gleich werthiger Be-
inder der Invarianten-Theorie angesehen werden. Viele der
1 jenen gewonnenen Resultate hat er gleichzeitig und unab-
ngig aufgefunden, andere sind im wissenschaftlichen Wechsel-
•kehr entstanden, so dass es kaum möglich erscheint, den
itheil jedes einzelnen mit absoluter Genauigkeit zu bestimmen.
Als Documente seiner Lehrthätigkeit hat uns Hermite
a (1873 gedruckten) ersten Theil seines „Cours d' Analyse
TEcole polytechnique" und den im Winter 1881/82 an der
.culte des Sciences vorgetragenen „Cours" (autographirt in
262
Oeffentliche SUmng vom IS. MärM 10Ö2,
die Bestrebiingen auf allen Gebieten menschlicher Thaiigkeit^
fUr die Fortschritte des Wissens und der Kunst, und von einer
seltenen allgemeinen Bildung. Es war ein wahrer Genuss eine
Kunstausstellung mit ihm zu durchwandern, wobei man erstaunt
war über seine eingehenden Kenntnisse, Für seinen inneren
Werth sprach es, daas er mit dem um 25 Jahre iiltereu Robert
Bunsen fs^st täglich freundschaftlich verkehrte und ihm die
Resultate der wissenschaftlichen Farüchung berichten durfte.
Seine edle und liebenswürdige Persönlichkeit nahm alsbald
fllr ihn ein. In der Wissenschaft war es ihm nur um die
Sache und um die Wahrheit zu thun, nie um persönliche In-
teressen; jedes unwahre, selbstsüchtige Treiben verachtete er.
Er konnte sich an jeder ernsten Leistung und an den Fori-
schritten des Wissens wahrhaft erfreuen. Er hielt sich frei
von vorgefassten Meinungen und war stets bereit rtls irrthüm-
lich erkannte Ansichten aufzugeben. Hj^jothesen und Theorien
galten ihm wie jedem echten Naturforscher nicht als Erkenntnis,
sondern nur als Mittel zur Erkenntniss.
Wir Zeitgenossen werden ihm stets dankbar für sein
Lebenswerk sein und seiner in Verehrung gedenken; aber auch
die spätere Zeit wird ihn stu den bedeutendsten Physiologen
zahlen.
Charles Hermite.
(Dieser Nachruf ßlammt aua der kuüdigcii Feder dea Uerm Collegeii
Alfred Pringsheim).
Am 14* Januar des Jahres 1901 starb zu Paris im 79. Lebens-
jahre der Nestor der französischen Mathematiker^ Charles Hermite.
Länger als ein halbes Jahrhundert hat er durch Schrift und
Wort den Ausbau und die Verbreitung mathematischen Wissens
in hervorragender Weise gefordert. Erst 1897, im Alter von
75 Jahren, hatte er seine Lehrthätigkeit, die er als Repetitor
für Analysis an der Ecole Polytechnique begonnen, als Professor
an der Sorbonne niedergelegt, seine Schaifenskraft aber endete
erst mit seinem Tode: tragen doch seine letzten Publicationen
(»tiur une equation transcenclante" im Archiv filr Mathematik
I
C. VoU: Nehrolog auf NÜs Adolf Enk t?. NordenshöU. 271
Nach der Bearbeitung seiner geologischen Funde und
äobachtungen folgte (1861) eine zweite mit grösseren Mitteln
id mit Unterstützung des Königs, der Regierung und der Aka-
mie angestellten Expedition unter ToreH's Führung zugleich
it zahlreichen schwedischen Forschern, welche aus zwei Segel-
hiffen und sechs Booten bestand. Auf dieser ersten grös-
ren schwedischen Expedition wurde Spitzbergen zuerst in
iturhistorischer Hinsicht näher kennen gelernt.
Bei einer weiteren Polarreise unter Nordenskiölds Leitung
ich Spitzbergen (1864) mit dem alten KriegsschiflFe „Axel
)rdsen* wurden durch den jungen Astronomen Duner aus
md Vorarbeiten für eine Gradmessung gemacht und vom
bissen Berge aus, nahe der Ostküste der Hauptinsel Spitz-
rgens, ein hohes Gebirgsland „Schwedisch Vorland" entdeckt.
In Folge dieser günstigen Aussichten nahm sich nun der
lat sowie die Akademie (1868) der Sache energisch an und
$s den stark gebauten Postdampfer „Sofia" für eine neue Reise
;h Spitzbergen ausrüsten. Er drang dabei bis 81^ 42' nörd-
ler Breite vor, weiter als vor ihm ein Forscher, aber das
; zeigte sich von da an unbezwingbar. Reiche Ausbeute
• Geologie, Physik und Biologie dieser arktischen Regionen
rde von ihm und seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern
^gebracht.
Von diesen drei Fahrten nach Spitzbergen stammt grössten-
(ils unsere gegenwärtige Kenntniss jenes Archipels: von
rdenskiöld rühren die Aufnahmen der geologischen und geo-
ysikalischen Verhebung, der Hebung und Senkung der Küsten,
i ein erster Versuch zur Begründung der Klimatologie der
reninseln her, während man seinen Begleitern die geographische
bsbestimmung, die Tiefseeerforschung und die Untersuchung
5 Thier- und Pflanzenlebens verdankt.
Sein Blick richtete sich nun (1870) auf ein neues und
heres Ziel, nämlich auf die Erschliessung von Grönland,
ises grössten Polarkontinents, wo die zweite deutsche Nord-
Ifahrt unter Drygalski und dänische Forscher schon vorge-
beitet hatten. Es lag die Frage vor, ob das Inlandseis von
272 Oeffentliche Sitzung vom 13. März 190^.
Grönland, von dem man nur einen schmalen Küstensaur
kannte und auf dem tiefer ins Innere zu dringen bis dahii
nicht gelungen war, passirbar sei. Nordenskiöld kam nach» —
sorgfältiger Vorbereitung mit Dr. Berggren und zwei Grön
ländern mittelst Schlitten auf dem Binneneise 45 Eilometei
weit. Auf der Insel Disko entdeckte er dabei die di-ei grösstenB= —
bis jetzt bekannten mächtigen Eisenmassen meteorischen Ur
Sprungs, deren grösste er auf 500 Zentner schätzte.
Bald darauf fasste er den Plan zu einer fünften mit alleuB —
Hilfsmitteln sorglich vorbereiteten Reise nach Spitzbergen; ei
wollte überwintern und dann mit Schlitten auf dem Eise nach^^
dem Pol zu gelangen suchen. Unter Beihilfe des Staates unS_
der Akademie, der Seehandelsstadt Gothenburg und des Gross —
kaufmanns 0. Dickson in Gothenburg erhielt er die Mittel, uns^
zwei Schiffe, den eisernen Postdampfer „Polhene" und diesr
Segelbrig „Gladan" mit zwei Dampfern für Kohle, Proviant^
das Ueberwinterungshaus und die Renthiere auszurüsten, lam.
Juli 1872 ging die Expedition von Tromsö ab und blieb den-
Winter über an der Mossel- oder Halbmondsbai; leider trat^
allerlei Missgeschick ein, wodurch der Plan nur unvollkommen,
zur Ausführung kam, es froren die TransportschiflFe vorzeitig*
ein, so dass der Proviant für 67 statt für 21 Personen aus-
reichen musste, auch liefen die Renthiere davon. Im Frühjahr
1873 ging es mit Leutnant Polander und 14 Mann über die
Parryinseln auf drei Schlitten und zwei Booten gegen Norden
nach den Siebeninseln. Von der Phippsinsel, der nördlichsten
der Siebeninseln, fand sich bei einer Umschau das Treibeis im
Norden der Art, dass es unmciglich erschien einen höheren
Breitegrad zu erreichen. Sie fuhren daher über Cap Plaien
längs der unvollständig bekannten Nordküste des Nordostlandes
und dann über das Binneneis des letzteren nach der Mosselbai
zurück. Es war ein kühner Zug, durch den man die Ueber-
zeugung gewann, dass sich der 90. Grad nicht mittelst Schiffen,
sondern nur mit Schlitten und Eskimohunden erreichen lasse,
wie es später durch Nansen und den Herzog der Abruzzen
durchgeführt worden ist.
0. Voü: Nekrolog auf Nüs Adolf Erik v. Nordenskiöld. 273
Die österreichisch-ungarische Expedition von 1872/74 unter
JPayer und Weyprecht sowie die Nachrichten der Walfisch-
fJinger, dass es möglich sei, zu bestimmten Jahreszeiten in das
k:a.rische Meer einzudringen, lenkten seine Aufmerksamkeit auf
die über drei Jahrhunderte alte Aufgabe, einen SchiflFfahrtsweg
im l^orden um Europa und Asien nach den ostasiatischen Ge-
'^viissem, die nordöstliche Durchfahrt, zu finden, welche seit der
Angabe K. E. v. Baer's, dass das karische Meer aus undurch-
dringlichem Eis bestehe, für unmöglich gehalten wurde. Norden-
skiöld prüfte auf zwei Fahrten diese Angabe; mit dem kleinen
Segler » Proeven * erreichte er (1875) an der nordsibirischen
Iv liste die Jenissei- Mündung und mit dem grösseren Fahr-
zeug ,Ymer' den Dickson's Hafen an der gleichen Fluss-
niundung, wodurch jene Angabe von Baer als irrthümlich
erwiesen war.
Diese vorläufige Erkenntniss liess ihn nicht ruhen, er
^^^ollte das wichtige Problem der nördlichen Umschiffbarkeit
Asiens lösen. Von König Oskar von Schweden, seinem alten
^■»onner Dickson in Gothenburg und dem sibirischen Bergwerks-
besitzer Sibirianoff bekam er die Mittel zur Ausführung des
S^ossen Unternehmens. Es standen der Dampfer „Vega*' und
zwei Transportdampfer zur Verfügung; die Vega leitete der
^*H.nnalige Kapitänleutnant Palander, den einen Transportdampfer
^er Kapitän Johannesen; zahlreiche Naturforscher begleiteten
^ie überaus glückliche Ffihrt, durch welche er sich den grössten
*'ulim erworben hat. Sie gieng am 8. Juli (1878) von Gothen-
«iirg aus; die Vega fror aber Ende September unter (37^ 5'
^^Wlicher Breite nahe ihrem Ziele in der Koljutscliinbai ein
^'^d konnte erst im Juli 1879 die Heise durch die Behrings-
'"^trasse fortsetzen; anfangs September war das so lange erstrebte
'^iel der Umseglung Europas und Asiens mit ihrer Ankunft in
*^^pan gelungen. Die Fahrt erregte überall das grösste Auf-
^^Vien; der König von Schweden ehrte Nordenskiöld durch die
^-•^•liebung in den Freiherrnstand und der Reichstag bewilligte
^*^Ui einen Ehrensold.
1902. Sitsongsb. d. math.-phys. Gl. 1B
\
274 Oe ff entliche Sitzung vom 13. März 1902.
Zuletzt trat er (1883), gestützt auf die Erfahrungen )
dem ersten Versuch von 1870, nochmals eine Grönlandfal
an, um die üurchquerung des Grönländischen Eises zu v«
suchen und zu entscheiden, ob diese Insel ganz vergletsch
sei oder eisfreie Bezirke berge. Auch zu dieser seiner sieben!
arktischen Reise erhielt er die Mittel von Dickson und (
SchiflF „Sofia" durch den König von Schweden; unter c
sechs wissenschaftlichen Begleitern befand sich der Botanil
und Paläontologe Professor Nathorst. Der Zug ging ül
Island nach dem Anleitsivikfjord, von wo die Wanderung ül
das Binneneis auf Schlitten und Schneeschuhen begann,
kamen 120 Kilometer weit in das Innere und fanden eine lar
sam ansteigende Eisfläche vor. Auf der Rückreise gelang
das die südliche Ostküste Grönlands umlagernde Treibeis
durchdringen und diese Ostküste südlich vom Polarkreis
erreichen, ein Ziel welches man schon seit Jahrhunderten v
geblich zu erreichen versucht hatte. Darnach stellte sich Gri
land als ein gewaltiger Eiscontinent dar, so wie ein gros
Theil der Erdoberfläche während der Eiszeit beschaffen w
was später von Nansen durch seine geglückte Durchquert
Grünlands bestätigt wurde.
Nach Abscliluss dieser seiner Entdeckungsfahi*ten widm
sich Nordenskiöld der Bearbeitung des davon mitgebrach
reichlichen wissenschaftlichen Materials, durch welches er
Geologie und die polare Länderkunde wesentlich bereicherte.
Resultate finden sich in grossen Werken zusammengest^
Die Vegafahrt ist in einer deutschen Schrift: „Die Umsegeli
Europas und Asiens auf der Vega" in zwei Bänden im All
meinen beschrieben ; das wissenschaftliche Detail in schwedisc
Sprache in fünf Bänden berichtet; die letzte Reise nach Gr
land in dem Buche: „Grönland, seine Eiswüsten im Inn
und seine Ostküste ".
Seine Beobachtungen über eine dereinstige höhere Tempe
tur in der kalten Zone führten ihn zu bestimmten Vorstellunj
über die Veränderinif^^en der AVärme in diesen Regionen
C. Voü: Nekrolog auf NUs Adolf Erik r. Nordenskiöld. 2i5
geologischer Vorzeit, sowie über die Eisbildung, welche dazu
beigetragen haben unsere Kenntnisse von der Entwicklung der
Erde und Ton der Abgrenzung der einzelnen tellurischen Zeit-
alter sicherer zu stellen.
Besonders nahmen sein Interesse in Anspruch die merk-
würdigen Ansammlungen des eisenhaltigen feinen grauschwarzen
Staubes, des Lehmschlammes oder Kryokonits, den man in
Spitzbergen antrifft, und den er sogar auf dem ewigen Eise
Grönlands in weiter Entfernung vom Strande vorfand: die
Staubdecke ist aus diesem Grunde und nach dem Kesultate
der von ihm gemachten chemischen Untersuchung nicht von
^verriebenem Gneis Grönlands abzuleiten ; er hält dieselbe viel-
niehr wie die Meteoriten für kosmischen Ui*sprungs, ent-
standen durch Verbrennung der Meteoriten in unserer Atnio-
spliäre.
Von grosser Bedeutung sind seine Studien über das Nord-
licht, welche er namentlich während des Winteraufenthaltes
im Nothhafen zu Pitlekay anstellte ; es bot dorten das Phänomen
ganz andere Erscheinungen dar wie in Skandinavien oder
Spitzbergen; .die geographische Lage des Beobachtungsortes
hedingt also eine Verschiedenheit des Anblicks. Er stellte
darnach eine besondere Theorie auf: er sagt, man müsse auf
^er Erde verschiedene concentrische Kreisringe unterscheiden,
^nd man nehme je nachdem man sich in dem einen oder
anderen dieser Ringe befinde, einen anderen Typus des Nord-
'^chts wahr, ein strahlen werfendes oder ein sogenanntes
^^"aperielicht oder nur ein diffus leuchtendes. Der Mittel-
punkt der Ringe fallt nach ihm nicht mit dem magnetischen
"^ Ordpol zusammen, sondern liegt etwas nördlich von letzterem.
Seine Ermittlungen über die Hebung des Landes in Skan-
dinavien ergaben, dass daselbst überall in der Tiefe von
^Oo Metern nach Durchdringung der archaeischen Formation
^imndwasser sich findet, so dass selbst auf kleinen sonst Wasser-
hosen Felseninseln der Küste Bohrungen zur grossen Wohlthat
*^r Bewohner mit Erfolg angestellt werden können.
18*
276 Oeff entliche Sitzung vom 13. März 1902,
In den letzten zwanzig Jahren seines Lebens Hf>scliäftigf
er sich eifrig mit der Geschichte der Erdkunde, namentlic=L U
durch Seefahrten und ihrer Darstellung durch Karten, i^ '^^
sind wahrhaft grossartige Leistungen an Fleiss und Gi^^ —
nauigkeit.
1883 gab er drei Karten zu den Reisen des Venetiane ^»rs
Zeno nach den Far-Üer, Island und Grönland heraus, woW -^i
es sich allerdings nach Storms um ein späteres Machwei^crlc
handelte; dann folgte eine neue Ausgabe einer Reisebeschreibur^mg
von Marco Polo. 1889 erschien der Facsimile- Atlas mit 4. ^r
Entwicklung der gedruckten Landkarten im 15. und 16. Jah». t-
hundert; 1892 zum 400jährigen Jubiläum der EntdeckuKT^g
Amerikas die Nachbildung der ältesten Karte von Ameril^ a--»
und 1897 der wunderbare Periplus mit der Geschichte A ^i"
Seekarten und Segelan Weisungen von ihren Anfangen bis L :äis
18. Jahrhundert. Diese Werke werden für lange Zeit c3.i^
Grundlage der Foi-schung auf dem Gebiete der KartograpL:» ie
und der geographischen Entdeckungen bilden.
Es war ein an Thaten reiches Leben, die ihm durch sei ^^^
umfangreichen Kenntnisse, seine unauslöschliche Liebe ac"*^^
Wissensehaft, durch besonnenes Abwägen dei? Erreichbar"^^
und sein entschlossenes kühnes Handeln gelangen. Er y^" ^^
weit davon entfernt durch seine Reisen und das Ueberstel»^ ^^
von Gefahren Aufsehen machen zu wollen; auch wollte er sm ^^
nicht durch die Polsucherei, die ihm von geringem wissenscha-^*^
liehen Werth zu sein schien, einen berühmten Namen maeh^^^'
ihm war es nur um die Wissenschaft zu thun, welche er ai^»-^"
als Mitglied des schwedischen Reichstages, dem er seit IS^ ^
angehörte, durch l^nterstützung ihrer Anforderungen zu ford^^^^
suchte. Darum blieb er auch trotz reicher Ehren und An -^^"■"^
kennungen der einfache, die lärmende OefFentlichkeit scheuer"^^^^^
Geleinte, der ob seiner Verdienste um die WissenschafI ^"
seinem Vaterlande und in der ganzen gebildeten Welt stets ^"
KInvn Lr»'halton werden wird.
C. V&Ü: Nekrdog auf Ms Adolf Mr^ v, NorätnsJddld. 269
der stiUen Gelehrtenstube gemachten Forschungen in der Minera-
logie« Geologie und Geographie dazu befähigt gewesen wäre.
Aus einer alten schwedischen Familie staniraend wurde er
am 18. November 1832 in Hetsingfors^ nach der EinverleibuDg
Finnlands in dm russische Reiche geboren, w^oselbst sein Vater
als tüchtiger Mineraloge der Direktor des Finnland ischen Berg-
and Hüttenwesens war. Voo früh an hatte er, oßenbar durch
die Thiitigkeit seines Vaters veranlasst^ eine Neigung zur
GeognoBie gefasst. Darum betrieb er auch an der Universität
Uelsingfors von 1849 an eifrig Studien in der Mathematik^
Physik und Chemie, besonders aber in der Mineralogie und
Geologie. Noch während seiner Studienzeit hatte er das Glück
seinen Vater auf Reisen in dem geologisch so merkwürdigen
Finnland und in den mineralreichen Ural zu hegleiten, wobei
seine mineralügiscben und gtiologischen Kenntnisse durch die
unmittelbare Anschauung der Natur sehr erweitert wurden;
die Ergebnisse dieser Reisen legte der junge Forscher schon
1857 in mehreren Abhandlungen in den Verhandlungen der
finnländisehen wissenschaftlichen Gesellschaft nieder.
Vor dem Abschluss seiner Studien zog er sich durch eine
freisinnige Rede das Missfallen des russischen Gouverneurs
V. Berg zu; er begab sich desshalb an die Universität Berlin,
wo er naturwissenschaftliche Vorlesungen hörte und namentlich
durch Gustav Rose, den ersten Analytiker seiner Zeit, in die
genaue Mineralanalyse eingeführt wurde.
Nach seiner Vaterstadt zurückgekehrt erwarb er (1857)
den Doktorgrad; jedoch kam es bald zum abermaligen Bruch
niit den russischen Behörden in Folge einer Rede, worauf er
für immer Finnland verliess und nach Stockholm ging; er fand
daselbst ein angeregtes wissenschaftliches Leben im Umgang
mit strebsamen jungen Gelehrten.
Es mögen hier seine mineralogischen Arbeiten, welche ihn
in der ersten Zeit seiner wissenschaftlichen Thätigkeit beschäf-
tigten, erwähnt werden, Er hat zahlreiche Mineralien Finn-
lands und Schwedens chemisch und krystallographisch unter-
sucht und dadurch wertb volle Beitrage zur Kenntniss der dort
270
OeffmÜiehe Siiäun^ mm 13. Man 1902.
vorkommen den seltenen Species geliefert und mehrere neue
Mineralien entdeckt; es gi^hören Uerlier die Be&chreibnngen
des aus kieselsaurer Yttererde bestehenden Gadolinits von
Ytt^^rbj, des Selenküpferthallium enthaltenden Cröokesit's, des
Laxitiannits, Demidowits, Therm ophjllits, des tantaU und miob-
saurc* Sake mit Uranoxjd fahrenden Nohlits, des Tautal und
Mangan haliigen Tantalits, des merkwürdigen Y ttro- Uran nie ta 11s
eil:' Veits» der Niobite, dann der seltene Erden wie Cerium,
Lanthan^ Didym, Zirkonium einschliessenden Mineralieo^ sowie
solche mit Wolfrainsäure, Molybdänsäure, Vanadinsäure und
Chromsäure* Eine ausführliche Arbeit ist den Kupferpbosp baten
von Nischno-Tagilsk gewidmet Er untersuchte femer die Be-
ziehungen zwischen Krystallw asser und Krystallgestalt und be-
theiligte sieh an der Losung der damals viel erörterten Fragen
Über Iso- und Dimorph isnuis; auch nahm er schon früh leb-
haftes Interesse au der Zusammensetzung der Meteorite, ange-
regt durch die in Hessk in Schweden und in Grönland go-
fußdenen Eisenmassen meteorischen Ursprungs. Diese werth-
vollen Mineraluntersuchungen bestimmten den Mineralogen
Franz V, Eobell ihn 1876 zur Aufnahme in unsere Akademie
vorzuschlagen.
In Stockholm wurde Nordenskiold von den letzteren Auf-
gaben bald auf eine ganz andere Bahn, die der naturwissen-
schaftlichen Erforschung der vereisten Gebiete des hohen Nor-
dens, der Spitzbergen-Inselgruppe und Grönlands, gelenkt. Er
war mit Otto Torell in Lund bekannt geworden, der in
Schweden das Interesse fUr die arktische Forschung erweckt
hatte; er durfte (1B58) Torell bei einer mit geringen Mitteln
ausgerüsteten dreimonatlichen Fahrt mit der kleinen norwegi-
schen Jacht ,, Fritjof* nach der Bäreninsel und der Westküste von
Spitzbergen als Geologe zugleich mit dem Zoologen (^^uennerstedt
bogleiten; er bewährte sich bei dieser orientirendcn ersten
Polarreis© der Ali, dass er alsbald nach der Rückkehr im
Alter von 25 Jahren zum Professor der Chemie und Minera-
logie am Carolinischen In-stitut und zum Vorstand der nnnera-
logischen Sammlung des Reichsmuseums ernannt wurde.
a Vöii: Keltro^og auf WÜs Äddf Erik t% NürdemBöhl 271
Nach der Bearbeitung seiner geologiscliea Funde und
Beobachtungen folgte (1861) eine zweite mit grösseren Mitteln
und mit Unterstützung des Königs, der Regierung und der Aka-
demie angestellten Expedition unter ToreU's Führung zugleich
mit zahlreichen schwedischen Forschern, welche aus zwei Segel-
schiften und sechs Booten bestand. Auf dieser ersten gröa-
sereti schwedischen Exiiedition wurde Spitzbergen zuerst in
natiirhistorischer Hinsicht näher kennen gelernt
Bei einer weiteren Polarreise unter Nordenskiölda Leitung
mach Spitzbergen (1864) nnt dem alten Kriegsschiffe ^Axel
Tordsen* wurden durch den jungen Astronomen Dun<5r aus
Lutid Vorarbeiten für eine Gradraessung gemacht und vom
weissen Berge aus, nahe der Ostküsie der Hauptinsel Spitz-
bergens, ein hohes Gebirgsland ^ Schwedisch Vorland* entdeckt.
In Folge dieser günstigen Aussichten nahm sich nun der
Staat sowie die Akademie (1868) der Sache energisch an und
liess den stark gelmuten Postdainpfer ^ Sofia" für eine neue Reise
nach Spitzbergen ausrüsten, Er drang dabei bis 81° 42' nörd-
licher Breite vor, weiter als vor ihm ein Forscher, aber das
Eis zeigte sich von da an unbezwingbar. Reiche Ausbeute
zur Geologie, Physik und Biologie dieser arktischen Regionen
wurde von ihm und seinen wissensehaftlichen Mitarbeitern
mitgebracht.
Von diesen drei Fahrten nach Spitzbergen stammt grössten-
theik unsere gegenwärtige Kenntniss jenes Archipels: von
Nordenskiöld rühren die Aufnahmen der geologischen und geo-
physikalischen Verhebung, der Hebung und Senkung der Küsten,
und ein erster Versuch zur Begründung der Klimatologie der
Bäreninseln her, während man seinen Begleitern die geographische
Ortsbestimmung, die Tiefseeerforschung und die Untersuchung
des Tbier- und PÜanzenlebens verdankt.
Sein Blick richtete sich nun (1870) auf ein neues und
höheres Ziel, niimlich auf die Erschliessung von Grönland,
dieses grössten Polarkontinents, wo die zweite deutsche Nord-
polfahrt unter Drygstlski und dünische Forscher schon vorge-
arbeitet hatten. Es lag die Frage vor, ob das Inlandseis von
276 Oe ff entliche Sitzung vom 13. März 1902,
In den letzten zwanzig Jahren seines Lebens beschäfti
er sich eifrig mit der Geschichte der Erdkunde, nament
durch Seefahrten und ihrer Darstellung durch Karten,
sind wahrhaft grossartige Leistungen an Fleiss und
nauigkeit.
1883 gab er drei Karten zu den Reisen des Venetiai
Zeno nach den Far-Öer, Island und Grönland heraus, wc
es sich allerdings nach Storms um ein späteres Machw
handelte; dann folgte eine neue Ausgabe einer Iteisebeschreibi
von Marco Polo. 1889 erschien der Facsimile- Atlas mit
Entwicklung der gedruckten Landkarten im 15. und 16. Ja
hundert; 1892 zum 400jährigen Jubiläum der Entdecki
Amerikas die Nachbildung der ältesten Karte von Amer
und 1897 der wunderbare Periplus mit der Geschichte
Seekarten und Segelanweisungen von ihren Anfängen bis
18. Jahrhundert. Diese Werke werden für lange Zeit
Grundlage der Forschung auf dem Gebiete der Kartogra]
und der geographischen Entdeckungen bilden.
Es war ein an Thaten reiches Leben, die ihm durch s<
umfangreichen Kenntnisse, seine unauslöschliche Liebe
Wissenschaft, durch besonnenes Abwägen des Erreichbj
und sein entschlossenes kühnes Handeln gelangen. Er
weit davon entfernt durch seine Reisen und das Ueberste
von Gefahren Aufsehen machen zu wollen; auch wollte er
nicht durch die Polsucherei, die ihm von geringem wissensch
liehen Werth zu sein schien, einen berühmten Namen macl
ihm war es nur um die Wissenschaft zu thun, welche er a
als Mitglied des schwedischen Reichstages, dem er seit 1
angehörte, durch Unterstützung ihrer Anforderungen zu forc
suchte. Darum blieb er auch trotz reicher Ehren und Ai
kennungen der einfache, die lärmende Oeffentlichkeit scheue
Gelelirte, der ob seiner Verdienste um die Wissenschaft
seinem Vaterlande und in der ganzen gebildeten Welt stet
Ehren gehalten werden wird.
C, VoU: Nekrolog auf Nüs Adolf Erik t?, NordenskiÖliL 273
Die österreichisch-ungarische Expedition von 1872/74 unter
Payer und Weyprecht sowie die Nachrichten der Walfisch-
fanger, dass es möglich sei, zu bestimmten Jahreszeiten in das
karische Meer einzudringen, lenkten seine Aufmerksamkeit auf
die über drei Jahrhunderte alte Aufgabe, einen SchiflTfahrtsweg
im Norden um Europa und Asien nach den ostasiatischen Ge-
wässern, die nordöstliche Durchfahrt, zu finden, welche seit der
Angabe K. E. v. Baer's, dass das karische Meer aus undurch-
dringlichem Eis bestehe, für unmöglich gehalten wurde. Norden-
skiöld prüfte auf zwei Fahrten diese Angabe; mit dem kleinen
Segler »Proeven* erreichte er (1875) an der nordsibirischen
Küste die Jenissei- Mündung und mit dem grösseren Fahr-
zeug »Ymer" den Dickson's Hafen an der gleichen Fluss-
niündung, wodurch jene Angabe von Baer als irrthümlich
erwiesen war.
Diese vorläufige Erkenntniss Hess ihn nicht ruhen, er
wollte das wichtige Problem der nördlichen Umschiffbarkeit
Asiens lösen. Von König Oskar von Schweden, seinem alten
Gönner Dickson in Gothenburg und dem sibirischen Bergwerks-
besitzer SibirianoiF bekam er die Mittel zur Ausführung des
grossen Unternehmens. Es standen der Dampfer „Vega* und
zwei Transportdampfer zur Verfügung; die Vega leitete der
damalige Kapitänleutnant Palander, den einen Transportdampfer
der Kapitän Johannesen; zahlreiche Naturforscher begleiteten
die überaus glückliche Fahrt, durch welche er sich den grössten
Kuhm erworben hat. Sic gieng am 8. Juli (1878) von Gothen-
burg aus; die Vega fror aber Ende September unter 67^ 5'
nördlicher Breite nahe ihrem Ziele in der Koljutschinbai ein
und konnte erst im Juli 1879 die Reise durch die Behrings-
strasse fortsetzen; anfangs September war das so lange erstrel>te
Ziel der ümseglung Europas und Asiens mit ihrer Ankunft in
Japan gelungen. Die Fahrt erregte überall das grösste Auf-
sehen; der König von Schweden ehrte Nordenskiöld durch die
Erhebung in den Freiherrnstand und der Reichstag bewilligte
ihm einen Ehrensold.
1902. 8iUang»b. d. math.-phys. Cl. 18
278 Oe/f entliche Sitzung vom 13. März 1902,
Ziehungen trat, während er von Johannes Müller, der damal-Äls
mit vergleichend anatomischen Studien beschäftigt war, kein .^cne
besondere Anregung empfing. Nach Marburg zurückgekehrr^tr rt
erwarb er 1851 den medizinischen Doktorgrad mit einer be^^e-
merkenswerthen Dissertation „tractatus de errore optico" un^^r^aa^
trat bei seinem Bruder, dem Anatomen, als Prosektor ein; ab^^-^®^
bahl (1852) forderte ihn Ludwig, der als Professor der Ana^^ -^^'
tomie und Physiologie nach Zürich berufen worden war, au: M--^
zu ihm als Prosektor zu kommen. Ludwig war damals mir mt^^^
seinen ersten bahnbrechenden Arbeiten beschäftigt, welche di-^^
Vorgänge im Organismus auf physikalische Wirkungen zurück^Ä^^*
zuführen suchten; von ihm wurde er vorzüglich bestimmt, sein^:^^ ^°
mathematischen und physikalischen Kenntnisse zur Erforschung, ^-^i
der Lebensvorgänge anzuwenden und erhielt er die Bichtun§^ ^^k
seiner wissenschaftlichen Forschung. Es erfolgte die HabilL9>^ '''
tation als Privatdozent in Zürich; als Ludwig an das JosefinuiK^=^^°
nach Wien gieng und Jacob Moleschott aus Heidelberg da— ^^
von der Anatomie abgetrennte Ordinariat für Physiologie erhielt^^--'»
bekam (1856) Fick den Titel eines ausserordentlichen Professoi^^"
für anatomische und i)hysiologische Hilfswissenschaften, un^^-
1862 nach der Uel)ersiedlung Moleschott's nach Turin übertru^^
man dem 33 jährigen Fick, der sich durch mehrere ausgezeich —
neto Arbeiten als vielversprechender Physiologe erwiesen hatte^
die Professur der Physiologie. Die 1 6 Jahre seiner Thätigkeit
in Zürich waren eine schaffensfrohe Zeit, in der er mit einer
Anzahl ausgezeichneter junger Naturforscher verbunden war
und an die er sich stets mit Vorliebe erinnerte.
Nach dem frühen Tode von Albert v. Bezold erhielt Fick
(1868) einen ehrenvollen Kuf nach Würzburg, wo er als ein
äusserst geschätzter Lehrer und angesehener Forscher 31 Jahre
lang segensreich wirkte ; eine Anzalil von Schülern hat er dorten
durch sein Beispiel zu wissenschaftlichem Schaffen angeregt.
Im Jahre 1899 trat er mit vollendetem 70. Lebensjahre noch
in vollster Kraft des Kör}>ers und Geistes von seinem Lehrami
/.urürk, da er die Anschauung hatte, dass eine Weiterführuug
d^^^sol^en über diese Zeit hinaus nicht mehr erspriesslich sei
und man jungen Kräften Platz machen müsse.
0, Foö: NtkroJog auf ^ils AMf Erik r. Nordemkiöld. 275
geologischer Vorzeit, sowie über die Eisbildung, welche daz.u
beige tragen haben unsere Kenntiiisso von der Entwicklung der
Erde und von der Abgrenzung der einzelnen tellurischeii Zeit-
alter sicherer zu stellen*
Besouders nahmen sein Interesse in Anspruch die merk-
würdigen Ansammlungen des eisenhaltigen feinen grauschwarzen
Staubes, des Lehmscblaiiimes oder Kryokonits, den man in
Spitzbergen antrifft, und den er sogar auf dem ewigen EiBO
Griinlnnds in weiter Entfernung irom Strande vorfand; die
Staubdecke ist aus diesem Grunde und naeh dem Resultate
der von ihm gemachten chemischen Untersuchung nicht von
i^erriebenem Gneis Gninlands abzuleiten; er hält dieselbe viel-
mehr wie die Meteoriten für kosmischen Ursprungs ^ ent-
standen durcli Verbrennung der Meteoriten in unserer Atmn-
^phfire.
Von grosser Bedeutung sind seine Studien über dos Nord-
licht, welche er namentlich während des \\ interaufenthultcs
im Nothhafen zu Fitlekaj anstellte; es bot dorten das Phänomen
ganz andere Erscheinungen dar wie in Skandinavien oder
Spitzbergen; .die geographisehü Lage des Beobachtuugsortes
bedingt also eine Vei-schiedeuheit des Anblicks. Er stellte
daroacli eine besondere Theorie auf: er sagt^ man müsse auf
der Erde verschiedene concentrische Kreisringe unterscheiden,
und man nehme je nachdem man sich in dem einen oder
anderen dieser Ringe betinde, einen anderen Typus des Nord-
lichts wahr, ein strahlen werfendes oder ein sogenanntes
Dra]ierielicht oder nur ein diffus leuchtendes. Der Mittel-
punkt der Hinge fällt nach ihm nicht mit dem magnetischen
Nordpol zusammen» sondern liegt etwas nördlich von letztereuL
Seine Ermittlungen Über die Hebung des Landes in Skan-
dinavien ergaben, dass daselbst Überall in der Tiefe von
lOü Metern nach Durchdringung der archiieischen Formation
Grundwasser sich findet, so dass selbst auf kleinen sonst wnsser-
losen Felseninseln der Küste Bohrungen zur grossen Wohlthat
der Bewohner mit Erfolg angestellt werden können,
18»
276
OtffeniUche Sitmnff vom 13* Man 1902,
In den letzteii zwanzig Jahren seines Lebens beschäftigte
er sich eifrig mit der Geschichte der Erdkunde, Hamen tlich
durch Seefahrten und ihrer Darstellung durch Karten, Es
sind wahrhaft grossartige Leistungen an Fleiss und Ge-
nauigkeit.
1883 gab er drei Karten %u den lleisen des Yenetianers
Zenu nach den Far-Oer, Island und Grünland heraus, wobei
es sicli allerdiugs nach Storms um ein spateres Machvrerk
handelte; dann folgte eine ueue Ausgabe einer Ueisebeschreibung
von Marco Polo. 1889 erschien der Facsimile-Äthis mit der
Entwicklung der gedruckten Landkarten im 15. und Ifi. Jahr-
hundert; 1892 zum 400jährigen Jubiläum der Entdeckung
Amerikas die Nachbildung der ältesten Karte von Amerika,
und 1897 der wunderbare Periplus mit der Geschichte der
Seekarten und Segelan Weisungen von ihren Anfängen bis ins
18. Jahrhundert. Diese Werke werden für lange Zeit die
Grundlage der Forschung auf dem Gebiete der Kartographie
und der geographischen Entdeckungen bilden.
Es war ein an Thatcn reiches Leben, die ihm durch seine
umfangreichen Kenntnisse, seine unauslöschliche Liebe zur
Wissensehaft, durch besonnenes AbwiLgen des' ErreJchbaren
und sein entschlossenes klihnes Handeln gelangen. Er war
weit davon entfernt durch seine Reisen und das üeben&tehen
von 6e fahren Aufsehen machen zu wollen; auch wollte ersieh
nicht durch die Polsuchereii die ihm von geringem wissenschaft-
lichen Werth zu sein schien, einen berühmten Namen machen t
ihm war es nur uni die Wissenschaft zu tliun, welche er auch
als Mitglied des schwedischen Ueichstages, dem er seit 1860
angehörte, durch Unterstützung ihrer Auforjeruiigen zu fiirdem
suchte. Darum blieb er auch trotz reicher Ehren und Aner-
kennungen der einfache* die liirniende Oeffentlichkeit scheuende
ßelehrte, der ob seiner Verdienste um die Wissenschaft in
seinem Vaterlande und in der ganzen gebildeten Welt sitets in^
Ehren gehalten werden wird.
I
C. Voit: Nekrolog auf Adolf Fiele, 281
der von den Muskeln bei der Zusammenziehung jeweils ent-
wickelten Spannungen doch noch sehr unvollkommen; Fick
griflP die Sache wieder auf und verfolgte die Abhängigkeit des
ContraktioDsverlaufes von der Spannung genauer, namentlich
in seinem Buche: ,, Mechanische Arbeit und Wärmeentwicklung
bei der Muskelarbeit '^ (1882); der jeweilige Zustand des Muskels
ist darnach nicht nur eine Funktion seiner Länge und der seit
der Erregung verstrichenen Zeit, sondern auch eine Funktion
der Spannungsänderung. Er prüfte auch die Verkürzung des
Muskels bei der Wärmestarre, welcher Vorgang in manchen
Stücken viele Aehnlichkeit mit der Contraktion besitzt. — Er
vervollkommnete ausserdem die Methode zum Aufzeichnen der
Muskelcontraktion, besonders durch sein Pendelmyographion;
auch gab er zur Messung der von dem Muskel in längerer
Zeit geleisteten Arbeit den Arbeitssammler an, der die Arbeit
einer Reihe von Zuckungen aufspeichert. — Viel beschäftigte
ilin die Frage nach der von Helmholtz zuerst nachgewiesenen
Wärmeentwicklung bei der Muskelcontraktion, aus der er die
Zersetzungsgrösse im arbeitenden Muskel zu entnehmen suchte.
Er erfand dafür neue, sehr feine thermoelektrische Vorrich-
t^ungen, mit denen es ihm gelang auch die absolute beim
l7etanus entwickelte Wärmemenge annähernd zu bestimmen.
las wurde die Wärmeentwicklung unter verschiedenen Einflüssen
v^ntersucht z. B. bei wechselnden Temperaturen des Muskels,
>JVobei sich zeigte, dass bei höherer Temperatur des Muskels
^ie Wärmebildung in ihm bei gleicher Zuckungshöhe eine
^grössere ist. Der ohne äusseren Nutzeffekt zuckende Muskel
^giebt, entsprechend dem Gesetz der Erhaltung der Energie,
K^nehr Wärme nach aussen ab als der arbeitende Muskel. Be-
sonders wichtig ist der Nachweis (1894), dass selbst der Stoff*-
x^nisatz im tetanisirten Muskel von seiner Spannung abhängig
ist; denn bei gehemmter Contraktion im isometrischen Zustand
^^v-iichst die Wärmeentwicklung mit wachsender Beizstärke rascher
sils die Spannung, so dass also zur Erhaltung einer grösseren
Spannung relativ mehr Kraft aufgewendet werden muss als zur
Erhaltung einer geringeren Spannung.
278
OeffaUHcha Sümmf pum 13. Mmrs 1902.
Ziehungen trat, währenrl er vt»n Johannes Müller, der dumals
mit vergleichend anatomischen Studien be^chtlftigt war, keine
bosondere Anregung empiing. Nach Marburg zu rück gekehrt
erwarb er 1851 den medizinischen Dfiktorgnid mit einer be-
iiierkL*nswertben Dissertation ^tractatus de errore optico* und
trat hei seinem Bruder, dem Anatomen, als Prosektor ein; aber
bidd (1852) forderte ihn Ludwig, der aU Professor der Ana-
tomie und Physiologie nach Ziirich beiiifen worden war, auf,
zu ihra als Prosektor zu kommen. Ludwig war damals mit
seinen ersten bahnbrechenden Arbeiten beschäftigt, welche tUe
Vorgange im Organismus auf physikaUsche Wirkungen zurück-
zuführen suchten; von ihm wurde er TorzÜglich bestimmt, seine
mathematischen und physikalischen Kenntnisse zur Erforschung
der Lebensvorgänge anzuwenden und erhielt er die Richtung
seiner wissenschaftlichen Forschung. Es erfolgte dia Habili-
tation als Privatdozent in Zürich; als Ludwig an das Josefinnm
nach Wien gieng und Jacob Moleschott aus Heidelberg das
von der Anatomie abgetrennte Ordinariat für Physiologie erhielt,
bekam (1856) Fick den Titel eines ausserordentlichen Professors
für anatomische und physiologische Hilfswissenschaften, und
1862 nach der Uebersiedluwg Moleschott 's nach Turin übertrug
man dem 33 jährigen Fick, der sieh durch mehrer© ausgezeich-
nete Arbeiten als vielversprechender Physiologe erwiesen hatte,
die Professur der Physiologie, Die 16 Jahre seiner Thatigkeit
in Zürich waren eine schaffensfrohe Zeit, in der er mit einer
Anzahl ausgezeichneter junger Naturforscher verbunden war
und an die er sich stets mit Vorliebe erinnerte*
Kach dem frühen Tode von Albert v. Bezold erhielt Fick
(1868) einen ehrenvollen Ruf nach Würzburg, wo er als ein
äusserst geschätzter Lehrer und angesehener Forscher 31 Jahre
lang segensreich wirkte; eine Anzahl von Schülern hat er dorten
durch sein Beispiel zu wissenschaftlichem Schauen angeregt,
Ln Jahre 1899 trat er mit vollendetem 70. Lebensjahre noch
in vollster Kraft des Körpers und Geistes von seinem Lehramt
zurück, da er die Anschauung hatte, dass eine "Weiterftlhrung
desselben über diese Zeit hinaus nicht mehr erspriesslicb sei
und man jungen Kräften Plat^ machen mllsse.
C. V&ii: Nfkrdoif auf AMf Fifjt.
279
Seim* Arbeiten zeichnen sich aus durch grosses Wissen
und einen scharfen kritischen Verstand, Schon als Student
ver51Tt.'ntl!chte Fick (1850) seine von ihm gleich bei Beginn
der Uöiversitätsstudien in Angriff' genonaniene wissenschaftliche
rntersuchiing: ^statische Betrachtungen der Muskulatur des
Oberschenkelb* (mit einem Vorwort von LI Ludwig), in der er
die mechanischen Verhrdtnisse der Huftgelenksniuskeln analy-
?iirte, indem er für jeden Muskel des Oberschenkels die ihm
ii«jtiivalente Hegiil taute suUstituirte und die Drehung^mumente
der ifi Betracht kommenden zwanzig Muskeln in Bezug auf
ei durch den llüftgelenksmittelpunkt gelegte Achsen be-
stimmte. Spater hat er sich noch mehrmals mit Problemen
4er Mechanik des menscblichen Körpers beschäftigt: in einer
Abhandlung über die Gelenke mit sattelförmigen Flächen (1854),
dann in einer grundlegenden Darstellung der Muskelstatik und
der Ueometrie der Gre lenke in seiuer raediziniselien Phjsik und
in den Studien über die complizirten Bewegungen des mensch-
lichen Augapfels durch seine sechs Muskeln, wobei er nach
Ermittlung der Drehungsachsen und der Momente der Muskeln
die Betheiligung der letzteren an der Ausführung bestimmter
Bewegungen darthat sowie dem Drehpunkt im Auge feststellte.
Zu seinen ersten Arbeiten gelioren die über die Hydro-
diffusion und Endosnose (185o)t welche im Anschluss an die
im Ludwig*schen Laboratorium zur Erklärung der Resorption
uud des Austauschs der Stotte im Körper angestellten Versuche
gemacht wurden. Er erfand dabei ein huchst sinnreiches Ver-
fahren, um den Ahlauf der Diffusion näher zu verfolgen, indem
er in die diffundirende Flüssigkeit verschieden schwere Glas-
kugeln einsenkte» welche je nach ilirem Gewicht in verschie-
denen Hohen schwammen, woraus er dann das specifisehe Ge-
wicht der Lösung von Schicht zu Schicht erhielt. Er stellte
dadurch sein Gesetz fest, da^s die aus einer Schicht in eine
andere in einem Zeitelemente übergehende Salzmenge dem
Flächeninhalt unddemConcentrationsunterschied proportional ist
Seine Kenntnisse in der Mechanik führten ihn naturgenifijss
zu dem Studium der einer mathematischen Behandlung am
284 Oeffentliche Sitzung vom 13. März 1902.
schiedene Erregbarkeit funktionell verschiedener Nerven ; femer-
dass die Fasern des Rückenmarks direkt erregbar sind, was ^
Manche geleugnet hatten.
Ueber die Physiologie des Sehens liegen von ihm wichtige
Beobachtungen vor. Er war es, der zuerst, schon in seiner "
erwähnten Dissertation Tractatus de errore optico, die ungleiche
Deutlichkeit vertikaler und horizontaler Linien erkannte und
von einer verschiedenen Krümmung der Hornhautmeridiane ab-
leitete; aus dieser seine feine Beobachtungsgabe dartbuenden
Erscheinung entwickelte sich namentlich durch Donders die für
die Augenheilkunde so bedeutungsvolle Lehre vom Astigmatis-
mus. — Indem er auf die Vorderfläche der Linse einer Camera
obscura Oeltropfen brachte, wodurch äussere leuchtende Punkte
oder Linien bei ungenauer Einstellung im Bilde doppelt und
vielfach erscheinen, erklärte er das bis dahin räthselhafte
Doppelt- und Mehrfachsehen mit einem Auge oder die Dis-
kontinuität der Zerstreuungsbilder durch Unregelmässigkeiten
in den brechenden Medien des Auges. — Er gab (1888) ein
brauchbares Instrument an, um den Druck im Auge des leben-
den Menschen zu bestimmen, das Ophthalmo-Tonometer. — .
Eine Scheibe mit einem weissen und schwarzen Sektor giebi
nach Fick bei rascher Drehung nicht eine mittlere Helligkeit,
wie Helmholtz glaubte, sie erscheint vielmehr heller durch das
Uebergewicht der intermittirenden Reize. — Sehr schön ist die
Beobachtung, dass wenn man einen einzelnen farbigen Punkt
in gewisser Entfernung nicht mehr als farbig erkennt, die
Farbe wieder erscheint, sobald mehrere farbige Punkte zu
gleicher Zeit dargeboten werden. — Seine Beiträge zum zeit-
lichen Verlauf der Netzliauterregung haben werthvoUe Auf-
klärung gebracht. — Die Erklärung der Farbenempfindungen
und die Theorie der Farbenblindheit haben ihn mehrmals zu
Untersuchun<jpn und Spekulationen angelockt; er war ein
eifriger Veit'ecliter der so einfachen Young'schen Farbentheorie
und er konnte sieh namentlich nicht mit der von Hering auf-
gestellten Anschauung von der Assimilation und Dissimilation
befreunden.
a Vüit: mjfcrfi% mtf Adolf Fick.
281
>n den Muskdn bei rier Zus^animen Ziehung jeweils ent-
wickelten Spannungen doch noch sehr unvollkommen: Fick
griff die Suche wieder auf und verfolgte die Abhängigkeit des
Contraktionsverlaufes Ton der Sjiannung genauer, namentlich
in seinem Buche: ^Mechanische Arbeit und Wärnieentwicklung
bei der Mugkolarbeit" (18B2); der jeweilige Zustand des Maskeis
ist darnach nicht nur eine Funktion seiner Länge und der seit
der Erregung verstrichenen Zeit, sondern auch eine Funktion
der SpÄUnungsänderung. Er prüfte auch die VerkUraung des
Muskels bei der Wärmestarre^ welcher Vorgang in manchen
Stücken viele Aehnlichkeit mit der Contraktion besitzt» — Er
vervollkoramnete ausserdem die Methode zum Aufzeichnen der
Muskel contraktion, besonders durch sein Pendehujographion;
auch gab er zur Messung der von dem Muskel in längerer
Zeit geleisteten Arbeit den Arbeitssamraler an, der die Arbeit
einer Reihe von Zuckungen aufspeichert* — Viel beschäftigte
ihn die Frage nach der von Ilelniholtz zuerst nachgewiesenen
Wärmeentwicklung bei der Muskekontraktion, aus der er die
Zersetz ungsgrosne im arbeitenden Musktd zu entnehmen suchte.
Er erfand daiür neue, sehr feine thermoelektrisclie Vorrich-
tungen, mit denen es ihm gelang auch die absolute beim
Tettinu^s entwickelte Wärmemenge annähernd zu bestimmen.
Es wurde die Wärmeentwicklung unter verschiedenen Einflüssen
uniersucht z. B. bei wechselnden Temperaturen des Muskels,
wobei sich zeigte, dass bei höherer Temperatur des Muskels
die Wärmebildung in ihm bei gleicher ZuckungshOhe eine
grössere isL Der ohne äusseren Nutzeffekt zuckende Muskel
giebt, entsprechend dem Gesetz der Erhaltung der Energie,
mehr Wärme nach aussen ab als der arbeitende MuskeL Be-
sonders wichtig ist der Nachweis (1894), diLss iselbst der Stotf-
Umsatz im tetanisirten Muskel von seiner Spannung abhängig
ist; denn bei gehemmter (Kontraktion im isometrischen Zustand
wächst die Wärmeentwicklung mit wachsender Keizstärke nxscliei'
als die Spannung, so flass also zur Erhaltung einer grösseren
Spannung relativ mehr Kraft aufgewendet werden muss als S5ur
Erhaltung einer geringeren Spannung,
282 OeffeiiiUdie Siiiupff wm 13. Man imz
Der Vorgknch der gebilileten Wärme mit der gelekteten
Arbeit stellt sich bt^riii Muskt?l günstiger als bei guttun Daiiipf-
mascbinen; wähipnj der Nutzetfukt dtjr letzteren 5 bis IiöcIh
steiis 12% beträgt, ist der des elfteren 20 bis 25 ^/t». Ficki
sprach darauf bin, ge^stti tzt auf den zweiten Hauptsatz, der
iiiechanisehen Wfirnietheorie, den prinzipiell ungemein wich-
tigen Satz aus, daÄ.s die durch die Stoflzersctzungen im MiDsktd
entstehende kinetische Energie nicht zuerst in Wünuebewegnng
umgewandelt wird und diese dann erst die Muskelcoiitraktion be-
dingt, sondern dnss vielmehr die bei der Zersetzung frei werden ilo
cbeTnische Energie direkt in niechauiscbe Übergebt oder mit an-
deren Worten, dass der Muskel keine thermodynamtsclie Ma^scliiue
ist wie eine Dampfmaschine. Er wendet sich dabei auch gegen
Engelmann's Erklärung des Contraktions Vorgangs als einer
Quellung der anisotropen Substanz und gegen andere mögliche
Erklärungsarten, weil sie un Widerspruch stehen mit dem
/^weiten Hauptsatz der mechanischen Warnietheorie. —
Weiterhin wurde von Fick die Lehre von der Herz- und
Blutbewegung durch viele bedeutsame Thatsachen bereicbert
Er war der Erste, welcher die Grösse der Herzarbeit aus dem
von ihm gemessenen Gewicht und der Hohe des bei jeder
Systole gehobenen Blutes berechnete. Ans der Beobachtung,
dass das in Ziekzackabschnitte getbeilte Proschherz noch ganz
normale Zusamujenziehungeii macht, erschloss er die Fort-
pflanzung der Erregungsleitung und Contraktion von Muskel-
zelle zu Muskelzelle. Die Kritik der gebräuchlichen Queek-
silbermanometer zur Aufzeichnung der Schwankungen des
Blutdrucks, welche durch die Triigheit der zu bewegenden
Masse mannigfache Fehler zeigen, führte ihn zur Krtiudung
anderer W^ellenmchnerT besonders der nur in geringem Grade
Eigenschwingungen zeigenden Membran-Manometer, welche jetzt
in verscbiedener Form zu wissenschaftlichen Zwecken fast aus-
schliesslich angewendet werden. Er beobachtete mit denselben
die Erscheinung des Dikrotismus» dann die Blutdruckscbwan-
kungen an mehreren Artenen zu gleicher Zeit, sowie in der
Aorta und in der Herzkammer, und zog wichtige Schlüsse
C, Voit: Nekrolog auf Adolf Fick, 287
n Zweigen menschlichen Wissens. Er suchte nicht nur
ch emsige Arbeit die Kenntnisse in der Naturwissenschaft
fördern, er war auch bestrebt das Errungene anzuwenden
i Wohle der Menschheit in körperlicher und sittlicher Be-
ung. Von wahrhaft idealer. Gesinnung und von reinster
Ittung und Lauterkeit des Charakters suchte er seinen
Jen nachzukommen und Opfer für sie zu bringen; stets
mnte er oflFen seine Ueberzeugung und trat furchtlos ein
das, was er für wahr und gut hielt, auch wenn es den
chauungen der Mehrheit widersprach.
Er betheiligte sich thatkräftig an den Fragen der Er-
ung in den Schulen und an den Angelegenheiten des Volks-
les. Durch seine Vorliebe für die Naturwissenschaften und
grossen Erfolge war er überzeugt, dass diese jüngste
bter menschlichen Wissens auch besonders geeignet sei den
t auszubilden; er schloss sich daher mit Feuereifer der
egung an, welche den Realgymnasien mit naturwissen-
tftlicher Vorbildung den Zutritt zu den Studien an der Uni-
itiit, namentlich der Medizin, gewähren sollte. Er war der
Qung, die humanistischen Gymnasien bereiteten ihre Zög-
e nicht so weit vor, um die Naturwissenschaften und die
lizin auf der Universität gehörig zu erfassen. Ob dies die
turienten des Realgymnasiums thun und besser denken ge-
t haben, das rauss die Zeit lehren.
Fick war bekanntlich einer der heftigsten Gegner des
ohols, der ihm kein Bedürfniss für den Menschen zu sein
ien und in dem er wie so viele andere eine grosse Gefahr
das Volkswohl erblickte; er bekämpfte daher die unsinnigen
nksitten in unserem Vaterlande und verpflichtete sich zu
liger Abstinenz.
Das was der edle Mann und bedeutende Gelehrte gesäet,
•d noch über sein Leben hinaus reiche Früchte tragen.
284
Oe/f^nllkhc Siiiumi mm 13. Mars 1902,
scliiedene Erregbarkeit funktionell verschiedener N^rY<?n ; ferner
dass die Fasern dea Rückenmarks direkt erregbar sind, was
Manche geleugnet hat tun.
Ueber die Physiologie des Sehens liegen von ihm wichtige
Beobachtungen vor* Er war es, der zuerst, schon in seiner
erwähnten Dissertation Tractatus de errore tiptico* die ungleiche
Deutlichkeit vertikaler nnd horizontaler Linien erkannte und
von einer verschiedenen Krümmung der Hurnbautnieridtane ab-
leitete; aus dieser seine feine Beobachtungsgabe darthuenden
Erscheinung entwickelte sich namentlich durch Donders die für
die Augenheilkunde so bedeutungsvolle Lehre vom Astigmatis-
mus. — Indem er auf die Vorderfläche der Linse einer Camera
obscura Oel tropfen brachte, Tvodurch fiussere leuchtende Punkte
oder Linien bei ungenauer Einstellung im Bilde doppelt und
vielfach erscheinen^ erklärte er das bis dahin Hithselhafte
Doppelt- und Mehrfachijehen mit einem Auge oder die Dis-
kontinuität der Zerstreuungsbilder durch Unregelmässigkeiten
in den brechenden Medien des Auges. — - Er gab (1RS8) ©in
branchbares Instrument an, um den Druck im Auge des leben-
den Menschen zu bestimmen, das Ophthalnio-Tonometen —
Eine Scheibe mit einem weissen und schw^arz^en Sektor giebt
nach Fick bei rascher Drehung nicht eine mittlere Helb"gkeit,
wie Helmhol tz glaubte, sie erscheint vielmehr heller durcli das
LTeberge wicht der in termittiren den Reize, — Sehr schön ist die
Beobachtung, duss wenn man einen einzelnen farbigen Punkt
in gewisser Entfernung nicht mehr als farbig erkennt, die
Farbe w^ieder erscheint, sobald mehrere farbige Punkte tu
gleicher Zeit dargeboten werden* — Seine Beiträge zum zeit-
lichen Verlauf der Netzhauterregung haben werth volle Auf-
klärung gebracht, — Die Erklärung der Farbenemplin düngen
nnd die Theorie der Farbenblindheit haben ihn mehrmals mu
Untersuchungen und Spekuhxtionen angelockt; er war ein
eifriger Verfechter der so einfachen Young\scben Farben theorie
nnd er konnte sich namentlich nicht mit der von Hering auf-
gestellten Anschauung von der Assimilation und Dissimilation
befreunden.
C, Voit: Nekrolog auf Adolf Fick. 287
n Zweigen menschlichen Wissens. Er suchte nicht nur
ch emsige Arbeit die Kenntnisse in der Naturwissenschaft
fordern, er war auch bestrebt das Errungene anzuwenden
1 Wohle der Menschheit in körperlicher und sittlicher Be-
lung. Von wahrhaft idealer. Gesinnung und von reinster
ittung und Lauterkeit des Charakters suchte er seinen
ilen nachzukommen und Opfer für sie zu bringen; stets
annte er oflFen seine Ueberzeugung und trat furchtlos ein
das, was er für wahr und gut hielt, auch wenn es den
»chauungen der Mehrheit widersprach.
Er betheiligte sich thatkräftig an den Fragen der Er-
Lung in den Schulen und an den Angelegenheiten des Volks-
iles. Durch seine Vorliebe für die Naturwissenschaften und
i grossen Erfolge war er überzeugt, dass diese jüngste
hier menschlichen Wissens auch besonders geeignet sei den
st auszubilden; er schloss sich daher mit Feuereifer der
regung an, welche den Realgymnasien mit naturwissen-
iftlicher Vorbildung den Zutritt zu den Studien an der üni-
sität, namentlich der Medizin, gewähren sollte. Er war der
nung, die humanistischen Gymnasien bereiteten ihre Zög-
re nicht so weit vor, um die Naturwissenschaften und die
Jizin auf der Universität gehörig zu erfassen. Ob dies die
iturienten des Realgymnasiums thun und besser denken ge-
it haben, das muss die Zeit lehren.
Fick war bekanntlich einer der heftigsten Gegner des
kohols, der ihm kein Bedürfniss für den Menschen zu sein
lien und in dem er wie so viele andere eine grosse Gefahr
r das Volkswohl erblickte; er bekämpfte daher die unsinnigen
inksitten in unserem Vaterlande und verpflichtete sich zu
lliger Abstinenz.
Das was der edle Mann und bedeutende Gelehrte gesäet,
ird noch über sein Leben hinaus reiche Früchte tragen.
Oeffenilkhe Siimng mm 1$^ Mars 1^02
Fick und WisUcemis wurde doch dieser Satz zuerst besiimmi
erwiesen und auj^gesprejchen. Spater wurde durch Versuche in
meinem Lalioratorium strengstens dargetlmn, dass sowohl das
Eiweiss nh auch die sticksti^^fffreien Stofle bei ihrer Zersetzung
im Körper di** Kraft zur Arla^it liefL*rn. Im Uebrigen wür-
digte Pick nicht gehörig die Errungenschaften in der I/ehre
Tom allgemtinen Stoffwechsel und der Ernährung, ilic^ses
grossen und wichtigen TheiU der Physiologie, wie auch so
manche andere Physiologen, welche keine Erfahrungen in dieser
Richtung gemacht haben. Seine Veröffentlichungen über daa
Pepton und seine Schicksale in der Blutbahn, über den Eiweiss-
Stoffwechsel, über die Bedeutung des Eiwei.sses und Fettes in
der Nalirung etc. etc. stützen sich grosst^ntheils nicht auf
eigene Arbeiten » sondern bringen nur gelegentliche Gedanken
über diese Vorgange.
Wir verdanken Fick auch eine Anzahl trefflicher Lehr-
bücher, die sich durch ungemein klare und fassliche Darstel-
lung aus?.eichnen; besonders ist hierzu nennen die medizinische
Physikt wtdche er (1850) in seinem 27, Lebensjahre schrieb
und die erste einheitliche Darstellung der Lehren der Physik
in ihrer Anwendung auf die Physiologie brachte, sowie das
Lehrbuch der Anatonue und Physiologie der Sinnesorgane {L^6ä).
Fick begnügte sich jedoch nicht mit rein physiologissiciieß
Aufgaben; seine Veranlagung und seine Kenntnisse in der
Mathematik und Physik führten ihn zur Betrachtting allge-
meiner Fragen der Mechanik und erkenntnisstheoretischer Pro-
bleme. Es gehören hierher seine Schriften: über die der
Mechanik zu Grunde liegenden Anschauungen, über das Prinzip
der Zerstreuung der Energie, der Versuch einer physischen Deu-
tung der kritischen Geschwindigkeit in Weber^s Gesetz, Über den
Druck im Innern von Flüssigkeiten, Ursache und Wirkung,
die Na turk täfle in ihrer Wechselwirkung, das Grössengebiet
der vier Rechnungsarten, das Weltall als Vorstellung, phil^
aophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeit, die stetige
IlaumerfTillung durch Masse.
In diesem Streben nahm er das lebhafteste Interesse an
C. Voit: Nekrolog auf Adolf Fiele, 287
m Zweigen menschlichen Wissens. Er suchte nicht nur
ch emsige Arbeit die Kenntnisse in der Naturwissenschaft
fordern, er war auch bestrebt das Errungene anzuwenden
1 Wohle der Menschheit in körperlicher und sittlicher Be-
lung. Von wahrhaft idealer. Gesinnung und von reinster
ittung und Lauterkeit des Charakters suchte er seinen
ilen nachzukommen und Opfer für sie zu bringen; stets
annte er offen seine Ueberzeugung und trat furchtlos ein
das, was er für wahr und gut hielt, auch wenn es den
>chauungen der Mehrheit widersprach.
Er betheiligte sich thatkräftig an den Fragen der Er-
lung in den Schulen und an den Angelegenheiten des Volks-
iles. Durch seine Vorliebe für die Naturwissenschaften und
3 grossen Erfolge war er überzeugt, dass diese jüngste
;hter menschlichen Wissens auch besonders geeignet sei den
st auszubilden; er schloss sich daher mit Feuereifer der
v^egung an, welche den Kealgjmnasien mit naturwissen-
aftlicher Vorbildung den Zutritt zu den Studien an der Uni-
sitiit, namentlich der Medizin, gewähren sollte. Er war der
inung, die humanistischen Gymnasien bereiteten ihre Zög-
^e nicht so weit vor, um die Naturwissenschaften und die
dizin auf der Universität gehörig zu erfassen. Ob dies die
iturienten des Realgymnasiums thun und besser denken ge-
nt haben, das muss die Zeit lehren.
Fick war bekanntlich einer der heftigsten Gegner des
kohols, der ihm kein Bedürfniss für den Menschen zu sein
[lien und in dem er wie so viele andere eine grosse Gefahr
r das Volkswohl erblickte; er bekämpfte daher die unsinnigen
"inksitten in unserem Vaterlande und verpflichtete sich zu
lliger Abstinenz.
Das was der edle Mann und bedeutende Gelehrte gesäet,
trd noch über sein Leben hinaus reiche Früchte tragen.
288 Oe/fentUche Sitzung vom 13, März 1902.
Alexander Eowalewski.
(Die Daten zu diesem Nekrologe habe ich von Herrn CoUegen
Richard Hertwig erhalten.)
Alexander Kowalewski wurde am 7./ 19. November 1840
auf dem Gute Workowo (Bezirk Dünaburg) geboren. Den
Elementarunterricht erhielt er in seinem Eltemhause, 1856 be-
suchte er die Ingenieurschule, 1859 die Universität in Petersburg,
wo er Naturwissenschaften studirte. Im Herbst 1860 setzte
er seine Studien in Heidelberg fort, wo er bei Bunsen, Carius
und Bronn arbeitete. Von Heidelberg ging er 1861 nach
Tübingen, um hier Leydig, Mohl, Luschka und Quenstedt zu
hören. 1862 nach Petersburg zurückgekehrt, bestand er sein
erstes Examen. Die zwei folgenden Jahre verlebte er mit
selbständigen zoologischen Arbeiten beschäftigt abermals im
Ausland, zum Theil an den Küsten des Mittelmeers. 1865 er-
langte er auf Grund seiner Arbeit über die Entwicklung des
Aiuphioxus lanceolatus die Würde eines Magisters der Zoologie,
zwei Jahre später auf Grund seiner Dissertation über die Ent-
wicklung von Phoronis die Doktorwürde. Im Jahre 1866 zum
('Ustos der zoologischen Sammlung und Privatdocenten an der
Universität Petersburg ernannt las er hauptsächlich über ver-
gleichende Anatomie; doch wurde er schon 1868 als ausser-
ordentlicher Professor der Zoologie nach Kasan, ein Jahr
später als ordentlicher Professor nach Kiew berufen. 1870
machte er behufs Untersuchungen über die Entwicklung der
Hrachiopoden und zum Zwecke von Sammlungen eine ßeise
an das rothe Meer und nach Algier. In den Jahren 1878 — 1887
war Kowalewski Professor der Zoologie in Odessa, von da ab
bis zu seinem Lebensende an der Akjidemie in St. Petersburg»
wo er am 22. November 1901 starb.
In Kowali^wski's wissenschaftlicher Thätigkeit kann man
zwei Perioden unterscheiden. In den ersten 20 Jahren be-
sihiiftititi' er sirli liaiipt^äelilieli mit Studien über vergleichende
Knt \\ iekhinüTsuiMhielite. Kr untersuchte zuerst die Entwicklung
dos inrrkwünlii^eii Ainplnoxus und der Tunicaten, dann die
C. Voit: Nekrolog auf Alexander Kotoalewski. 289
Phoronis, Sagitta, Balanoglossus, den Brachiopoden, Insecten
Ringelwürmern, den Korallen und Mollusken. Abgesehen
vielen einzelnen wichtigen Ergebnissen haben diese Unter-
lungen das bedeutungsvolle Gesammtresultat gefördert, dass
Keimblättertheorie und demgemäss die Unterscheidung von
»derm, Ektoderm und Mesoderm, welche viele Zoologen
1 Embryologen auf die Wirbelthiere beschränkt wissen wollten,
h für die wirbellosen Thiere Geltung besitze. Abgesehen
Baer's berühmter Entwicklungsgeschichte des Hühnchens
I von HaeckePs Gasträatheorie haben keine Arbeiten auf
Fortgang der vergleichenden Entwicklungsgeschichte einen
lachhaltigen Einfluss ausgeübt wie die Arbeiten Kowalewski's.
[her als die meisten anderen Zoologen bediente er sich dabei
Methode dünner Querschiiitte, Es ist ein Zeugniss seiner
sergewöhnlichen Beobachtungsgabe, dass trotzdem die Schnitt-
hoden damals noch sehr mangelhaft waren, er mit ihnen
gezeichnete Resultate zu erzielen wusste.
Von den genannten entwicklungsgeschichtlichen Unter-
bungen erregte (1866 — 1867) das grösste Aufsehen nicht
in den Kreisen der Zoologen, sondern bei allen, die sich
die damals in den Vordergrund gestellte Descendenztheorie
Tessirten, diejenigen welche die Entwicklung der Ascidien
des Amphioxus behandelten, indem sie zum ersten Male
überraschender Weise darthaten, dass unter allen wirbel-
n Thieren die Tunicaten den Wirbelthieren am nächsten
len. Kowalewski wies in ihnen nach, dass zwischen beiderlei
ihrer äusseren Erscheinungsweise so grundverschiedenen
ergruppen eine ganz überraschende Uebereinstimmung in
Entwicklungsgeschichte besteht, und er machte bei Aus-
nung seiner Untersuchungen auf die niedersten Fische, die
e, drei weitere fundamentale Entdeckungen: erstens dass
i bei den Ascidien in gleicher Weise wie beim Amphioxus
Nervensystem als Neuralrohr auf dem Wege der Faltung
iet und dieses Neuralrohr durch den Canalis neurentericus
übergehend mit dem Darmrohr communicirt, zweitens dass
h die Ascidien ein axiales Skelet in der Chorda dorsal is
)02. Sitznogsb. d. maÜL-pliys. OL 19
2dü
Öeffenitkhe SUiun(f vmn 18. Mars 1902.
besitzen» wt^lehe im Gingen satz 2:11 der htnrwch enden Ansc^liau-
ungs weise nicht aus Jom Mtjsuderm, sondern aus dem Eiitoderm
mch entwickelt, und drittens beim Ämphioxus die Lei bekohle
durch Divertikelbildung vom Urdarai entsteht, wobei zugleich
das Mesoderni oder mittlere Keimblatt als Abkömmling des
Entuderms gebildet wird, ein Vorgang der von ihm in gleicher
Weise für Sagitta und die Bracbiopode Argiope bewiesen wurde*
Den genannten Untersutdiungen über die Entwicklung aus
dem Ei schlosa Kowalewski weitere Arbeiten über die Knospungs-
Yorgänge der Tunicaten an. Dabei ergab sich das unerwartete,
inzwischen aber anderweitig bestätigte Resultat, dass die Or-
gane sich nicht nach gleicbem Princip wie bei der Entwick-
lung aus dem Ei anlegen ^ dass z* B. Organe, welche bei der
Embryonalen t Wicklung vom Ektoderm gebildet werden, bei der
Knaspung vom Entodorm aus entstehen.
In den letzten Jahrzehnten seines Lebens wandte sich
Kowalewski mehr physiologischen Fragen und der e^cperimeu-
tellen Zoologie zu. Die Erfahrung, dass gewisse Farbstoffe
wie Indigcarmin und carminsaures Annnoniak durch die Nieren
ausgeschieden werden, benutzte er um mit Hilfe derselben die
e:Ecretorischen Organe wirbelloser Thiere aufzufinden* Mittelst
Einspritzung von Tourne^ol-Blau ermittelte er die Acidität und
Alkalescenz der verschiedenen Darmabschnitte. Auch mit der
Verbreitung Ijrmphoider Organe bei Wirbellosen (Scorjjionen,
Muscidenlarven, Polychaeton) beschäftigte er sich eingehend-
Er henutaste liierbei die von Mecznikow zuerst beobachtete
Phagocytose der Leucocylen, indem er fein vert heilte Sepia
oder Bakterien dem Thiere einspritzte.
Mit der Anatomie der Thiere hat sich Kowalewski nur
wenig befasst* Immerbin bat er auch auf diesem Gebiet Vor-
treffliches geleistet. BesondeiB sind vier Arbeiten nach dieser
Richtung zu erwähnen. Am rothen Meer entdeckte nnd ana-
tomirte Kowalewski die Coeloplana Mecznikowi, welche von
vielen Forschern ak eine Mittel fonn zwischen Ctenophoren und
TurbellarieB gedeutet wird. Nachdem nuiü lange Zeit ver-
geblich das Männchen der Gi^hjl^e Booellia viridis gesucht
C. Voit: Nekrolog auf Alexander Koicalewski. 291
tte, fand er es endlich als einen wenige Millimeter grossen,
chgradig rückgebildeten, in seiner Erscheinung an Turbel-
ien erinnernden Wurm im Oesophagus des bis zu */a Meter
3ssen Weibchens. Grundlegend waren ferner seine ünter-
^hungen über den Balanoglossus. In der Neuzeit endlich
id Kowalewski wichtige Uebergangsformen zwischen Hiru-
leen und Oligochaeten in der auf Fischen schmarotzenden
anthobdella peledina, welche den hermaphroditen Geschlechts-
parat und die Saugnäpfe der Hirudineen besitzt, gleichzeitig
er auch die beiden Blutgefässe, die Borsten und die von
pten abgetheilte Leibeshöhle der Chaetopoden.
Die vielseitigen Verdienste, welche sich Kowalewski er-
erben hat, haben ihm rasche Anerkennung eingetragen. Nicht
r in seinem Vaterland, sondern auch ausserhalb Russlands
)lickte man in ihm den hervorragendsten der russischen Zoo-
jen. Er war Mitglied einer grossen Zahl wissenschaftlicher
[ademien. Unserer Akademie gehörte er seit dem Jahre
95 an.
Sitzungsberichte
der
königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.
Mathematisch-physikalische Classe.
Sitzung vom 8. November 1902.
1. Herr Alfred Peingshbim bringt als Nachtrag zu dem in
^^r Junisitzung d. Js. vorgelegten Aufsatze eine zweite Mit-
^*^eilung »Zur Theorie der ganzen transcendenten
Funktionen."
2. Herr Jon. ROckebt legt einen von dem Professor an
^^m hiesigen zahnärztlichen Institut Dr. Otto Walkhoff erstat-
teten Bericht über die Ergebnisse seiner mit Unterstützung der
Akademie gemachten Studienreise zur Untersuchung der
Struktur diluvialer menschlicher Skeletttheile vor und
^^^spricht dieselben.
3. Herr August Rothpletz hält einen Vortrag: „Ueber
^ie Möglichkeit den Gegensatz zwischen der Con-
^•^'aktions- und Expansions-Theorie aufzuheben.*"
4. Herr W. C. Röntgen überreicht eine Arbeit des Herrn
ör. August Schmaüss „Ueber die magnetische Drehung
^^r Polarisationsebene des Lichtes in selektiv ab-
^orbirenden Medien.**
IWl Sitsuigfa». d. math -pbys. GL 20
V
294
5. Herr K. A. v. Zittel legt vor:
a) den Bericht über eine von den Privatdozenten Dr. TVI
Blankenhokn und Dr. Ernst Stromer von Reichenbjl
mit Unterstützung der Akademie ausgeführten Rei
nach Aegypten; Einleitung von Emil Stromer v^
Reichenbach ;
b) Geologisch-stratigraphische Beobachtungen a
Aegypten von Dr. Max Blankenhorn.
iBV^oraus
A. Ihringsheim: Zur Theorie der ganzen transe, Functionen. 297
V
iders geschrieben:
(7)"-kv|^-4-(ay)%
durch Erhebung in die 1 — j Potenz und üebergang
zxmx Grenze v = oo unmittelbar die erste Form der Behaup-
tiang (a) resultirt.
Um die zweite zu gewinnen, braucht man nur auf die
lotzte Ungleichung die auf p. 170 angegebene Relation:
w!e*""^<n*+^, also: w!<( — j «ne
anzuwenden.^) Alsdann ergiebt sich die Beziehung:
^) Man kann sich, wie Herr Lüroth bemerkt hat, auch der Un-
gleicbong:
n!<(y)'*-(2n + l)
bedienen, welche aus der Reihe für «»• in folgender Weise resultirt.
^an hat:
V
0
= Sn + rn .
Da — >1 für v<n, so nehmen in Sn die Terme beständig zu,
^aas also:
*" ^ ^ * (n-D! ~ (n~^lV. •
Andererseits hat man nach bekannter Schlussweise:
wid somit
>l<o schliesslich:
«!<(y)"-(2n + l).
298 Sitzung der maih.'phys. Glosse vom 8, November 1902.
(v!) "* • I ^v I ^ ^ • (v e) ° • (a y) « ,
/l\te
welche, in die 1 — j Potenz erhoben, für v = oo die zw
Form der Behauptung (a) liefert.
§2.
Hauptsatz B. Ist für wiendlich viele x, unter d
auch beliebig grosse varJconimen:
(B) \f:yGyxA>A'cy'\'\'' (^>0, y>0, a>0),
0 ■
so hat man:
(b)
— *'/ i
ü^ (—) " .i/| c7\ = ü^ 1/ {riy- 1 C,\^(ayy.
y = » \ 6 / v=:oo '
Zum Beweise dieses Satzes dienen die folgenden
Hülfssätze :
Hülfssatz I. Bedeutet r eine positive Veränderl
00
S" üy r" eine beständig convergirende Beihe mit reellen Coefficii
0
und ist für 2inendUch viele r, unter denen auch beliebig g
vorJconinien :
Sv a, r»* > 0 ,
Ü
so giebt es unendlich viele Indices niy, für welche:
ausfüllt.
Beweis. Angenommen die Behauptung wäre unric
so müsste von einer bestimmten Stelle ab, etwa für v
beständig
üy < 0
sein. Sodann könnte man B so lixiren, dass für r> B:
Ä. Pringtheim: Zur Theorie der ganzen transe, Functionen. 299
0
und daher, wegen a^r^KO:
n
£''a,r''<0 (für r>E).
0
Da überdies filr jedes r
n-fl
wäre, so hätte man schliesslich:
L" a^ r" < 0 für jedes r> R,
0
was der Voraussetzung widerspricht. —
00
Hülfssatz n.*) J5^S»'6v, wo « > 0, an^ convergente
0
JR^ie wi^ nicht-negativen Gliedern, d eine beliebig anzunehmende
positive Zahl, so Juxt man:
(1) Für x>l: S-ftxfeftvY.
(2) Für X < 1 : h K < ^-^"^ ' (f ^ d + ^/^"^^- «^.)^
00
Beweis. Setzt man: ^^by = Bj so besteht für jedes v
die Beziehung:
B
und daher auch, falls x>l:
also:
^) Es ist dies der hier ausschliesslich in Betracht kommende Theil
des auf p. 179 von mir bewiesenen Hülfssatzes. Der hier gegebene, etwas
kürzere Beweis rührt in der Hauptsache von Herrn Lüroth her.
300 Sitzung der tnathrphys. Glosse vom 8. November 1902.
m < 'i-
Substituirt man hier r = 0, 1, 2, . . . in in f., so folgt
Summation:
also in der That, wie unter (1) behauptet:
hK<{t^h\ («>1).
Um die Richtigkeit von (2) zu beweisen, werde ge
00 00
Sj" «v = A^ £*' a^ Cr = S,
0 0
wobei £ «v, ^üy Cy irgend zwei convergente Reihen mit
negativen Gliedern bedeuten sollen. Ist sodann für x < 1
2övC^ convergent, so besteht die Identität:
Nun ist aber ^) für x <l:
woraus durch Multiplication mit av, Substitution von v = 0, !
in in f. und Summation sich ergiebt:
^) Die betreffende, für jedes a > 0, ?f < 1 geltende ünglei
nämlich :
a«<l + x(a- 1),
geht aus der auf p. 176 für ;« > 1 abgeleiteten Ungl. (29):
A">l+xU-l)
ohne weiteres hervor, wenn man Ä = a"* setzt und schliesslich -
X schreibt.
Ä. Pringsheim: Zur Theorie der ganzen transc. Functionen. 301
O\O/0 \a3 0 0/0
Mit Benützung dieser Ungleichung liefert die obige Iden-
t;ii^üt die Beziehung:
loch:
»V = l pTT^ ) 1 ayCy= byl
Setzt man noch:
also:
11« __ J_ y^
0
so folgt, wie unter (2) behauptet:
Beweis des Hauptsatzes B. Es werde zunächst a = l
Eingenommen. Setzt man sodann | a; | = r, so resultirt aus der
Voraussetzung (B) a fortiori die folgende:
j:-\Cy\r^^A'ey^==Ä''^-
yvr^
l
0
Sodass also für unendlich viele r, unter denen auch beliebig
S^^osse, die Beziehung besteht:
^y-(v\\Cy\-ÄY^).r^>0.
0 vi
Man hat somit nach Hülfssatz I für unendlich viele ntyi
mJ|6\|>;J..y'»v
^^d wegen:
/mA'"»' ^ 1
\e J niy
e ''•
300 Sitzung der mathrphys. Clcisse vom 8. November 1902.
(&)■<!•
Substituirt man hier v = 0, 1, 2, . . . in in f., so folgt durch
Summation :
also in der That, wie unter (1) behauptet:
Um die Richtigkeit von (2) zu beweisen, werde gesetzt:
00 00
ij" ay = J., £" ay Cy = S,
0 0
wobei S öty, £ a„ (?y irgend zwei convergente Reihen mit nicht-
negativen Gliedern bedeuten sollen. Ist sodann für x < 1 auch
S «v ^ convergent, so besteht die Identität:
Nun ist aber*) für x< 1:
(-^.c.)''<l + x(4-^^-l).
woraus durch Multiplication mit a^, Substitution von y = 0,l,2,...
in in f. und Summation sich ergiebt:
*) Die betreffende, für jedes a > 0, ?f < 1 geltende Ungleichung,
nämlich :
a«<l+x(a- 1),
geht aus der auf p. 176 für x > 1 abgeleiteten üngl. (29):
^'*>1+;.U-1)
ohne weiteres hervor, wenn man -4 = a** setzt und schliesslich "~~ statt
X schreibt.
A. Prifigsheim: Zur Theorie der ganzen transc, Functionen. 303
Im Falle a > 1 hat man analog nach Ungl. (2) des Hülfs-
»&tzes 11:
:s- (I a h • r^y<(^^) " • (f " (i + dy<^-^)^c: . r^) \
folglich, wenn man diese Ungleichung in die a*« Potenz erhebt,
^Dait Berücksichtigung von Ungl (C), zunächst:
S" (1 + a)(»-»' . I a 1- • r- > (y^ts)"' ' • (S' ( ! a I" • r')^y
Und, wenn man noch r durch (1 -}- <5)*~°- »* ersetzt:
Hieraus würde sich mit Hülfe von (b') zunächst ergeben:
im-- V'|'al"= lim V';^7p^(l + «5)'-"-aj',
^^d da i > 0 unbegrenzt verkleinert werden darf, schliesslich :
(l>.) ii^f .fK7^-=ih;^f,T]Cr|->ay (a>l).
Durch Erhebung der Relationen (bj), (b^) in die (— )
"<>tenz und Zusammenfassung mit Ungl. (b') findet man also,
^ie behauptet:
li^(— ) " -VTäl = li^l/ {viy'\C\\ > (a y) «
^ jedes positive a.
Die in den Hauptsätzen (A) und (B) enthaltenen Resul-
tate stimmen genau mit den früher auf p. 187 angegebenen
304 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 8 November 1902,
überein. Daraus folgen dann die auf pp. 188, 189 zusammetv-
gestellten umkehrbaren Sätze mit Hülfe der nämlichen Schlüsse,
welche a. a. 0. zum Beweise der analogen Sätze von §§ 4 und. *
angewendet wurden.
Die diluvialen menschlichen Enochenreste in Belgien
cLxid Bonn in ihrer strnctnrellen Anordnung und
Bedeutung für die Anthropologie.
(Vorläufige Mittheilung.)
Von Otto Walkhoff.
{SingelaH/en 13. November.)
Eine im letzten Jahre von mir mit Beihülfe der Kgl.
Bayerischen Akademie der Wissenschaften ausgeführte Unter-
suchung der in Bonn, Lüttich und Brüssel befindlichen mensch-
lichen Reste aus der Diluvialzeit erstreckte sich auf sämmt-
Uche Knochen der aus der Chell^en- und Mousterien-Periode
stammenden Funde. Das in den Belgischen Museen noch
lagernde, ungeheure Material von menschlichen Knochenresten
aus der Magdal^nien-Periode und dem Neolithicum konnte von
mir nur in Bezug auf Kiefer berücksichtigt werden. Meine
Arbeit wurde theils als Nachprüfung der bisher beschriebenen
äusseren Formen der Objecto, hauptsächlich jedoch mit Rück-
sicht auf die zu erwartenden Structurbilder nach der von mir
in die Anthropologie eingeführten üntersuchungsmethode ganzer
Knochen mittelst Röntgenstrahlen unternommen.
Auf Grund der Röntgenaufnahmen kann der in Bonn be-
findliche Neanderthal-Mensch nicht mehr als pathologi-
sches Individuum angesehen werden, wie es Virchow ge-
schildert hat. Die deutsche Anthropologie hielt seit jener
304
Sitzung der math.-phys. Glosse vom 8 November 1002,
überein. Daraus folgen dann die auf pp. 188, 189 zusammen-
gestellten umkehrbaren Sätze mit Hülfe der nämlichen Schlüsse,
welche a. a. 0. zum Beweise der analogen Sätze von §§ 4 und 5
angewendet wurden.
O. Wcäkhoff: Düuviäle menschliche Knochenreste in Belgien u, Bonn. 307
welche parallel der Längsachse angeordnet sind, verlaufen die
Enochenbalkenztige bei den Anthropomorphen vom äusseren
oder inneren Condylus nicht nur in dieser Richtung, sondern
auch in concaven Bogen zahlreich zur entgegengesetzten Seite.
Die starke Entwicklung je eines horizontalen Trajectoriums,
welches von der Fossa poplitaea zu der Tuberositas condyl.
ext. und int. verläuft, fehlt den Anthropomorphen nahezu
vollständig. Die Structur des unteren Endes des heutigen
menschlichen Femurs zeigt eine durchaus einseitige Be-
lastung durch den aufrechten Gang. Bei den Anthropomorphen
tritt die Vielseitigkeit der functionellen Beanspruchung
des unteren Femurendes deutlich zu Tage. Beim Neanderthal-
Menschen finden sich Anklänge der Structur an letztere: Es
überwiegt jedoch weitaus das Trajectorium der statischen
Belastung. Auch der vorhandene Rest des steilen Beckens
zeigt besondere Structureigenthümlichkeiten, welche noch ver-
gleichend bearbeitet werden müssen.
Der Spy-Fund in Lüttich erweist sich als ein höchst
'Werthvolles Gegenstück zum Neanderthal-Menschen. Nicht
TXMT die äusseren Formen schliessen sich dem letzteren an.
Sondern die Structur der einzelnen Knochen wiederholt sich
in derselben Anordnung und mit denselben Abweichungen
gegenüber dem heutigen Menschen. Ganz besonders trifft
dieses für die Femura zu. Die Tibia scheint die Annahme
von Fraipont zu bestätigen, dass der damalige Mensch mit
gebogenen Knieen aufrecht ging. Die Schädel der Spy-Menschen
folgen jedenfalls in Form und Structur dem Neanderthaler.
Die gewaltige Ausdehnung der Stirnhöhlen war durch
die Röntgenaufnahme gut zu constatiren. Höchst wichtig
sind die bei dem Spy-Funde erhaltenen Kieferreste. Diese
Kiefer waren ganz gewaltige Kauwerkzeuge und zeigen wie
die Zähne entschieden eine Reihe pithekoider Formen. Ich hebe
den Ansatz des genioglossus in einer Grube, den Mangel eines
Kinnes, die theilweise Grössenzunahme der Molaren nach hinten,
die Grösse des Zahnbogens durch eine mächtige Zahnent-
wickelung überhaupt, den Kiefer- und Zahnprognathismus
308 Sitzung der tnathrphys. Glosse vom 8, November 1902.
und die Rückwärtskrümmung der Schneidezahnwurzeln hervor •
Dennoch sind auch sänuntliche belgischen Reste unverkennbar"
menschlich. Die enorme Kaumuskulalur des diluvialen.
Menschen lässt sich theils durch die grossen Insertionsstellen
und Leistenbildungen theils durch die Wiedergabe der Tra-
jectorien mittelst Röntgenstrahlen nachweisen. Durch den
nachweisbaren Rückgang der Kaufunction und der damit
verbundenen Reduction der Zähne und Kiefer an Grosse beim
späteren Menschen ist meines Erachtens auch ein Einfluss
auf die Umgestaltung der Schädelkapsel anzunehmen.
Erst die veränderte Stärke der Kaumuskulatur ermöglichte
die Umgestaltung der vorderen Schädelkapsel. Aus der
fliehenden Stirn und der starken postorbitalen Einschnürung
der Schädelkapsel des Diluvial-Menschen hervorgehend, konnte
bei der immer geringer werdenden Thätigkeit des m. tem-
poralis der vordere Theil der Schädelkapsel durch das gleich-
zeitig sich stärker entwickelnde Gehirn sich erhöhen. In
Anbetracht der schon ziemlich grossen Capacität der dilu-
vialen Hirnkapsel und der später auftretenden Veränderung
der Occipitalpartie ist die Annahme einer Umformung der
Hiinkapsel durch Umlagerung und Umgestaltimg der einzelnen
Hirntheile in Folge der zurückgehenden Kaumuskulatur wohl
mindestens ebenso zu berücksichtigen, wie die Vergrösserung
der Frontallappen des Grosshims, welche bisher ziemlich all-
gemein als einziges Moment für die Entwickelung der hohen
Stirn angesehen wird.
Dass seit der Diluvialzeit eine Reduction der Kiefer
und alsdann der Zähne an Grösse beim Menschen eintrat,
ist nach den sich immer mehrenden Funden unzweifelhaft;.
Die belgischen diluvialen Kiefer (neben den Spykiefem ist
besonders der Kiefer von la Naulette als durchaus normal zu
bezeichnen) sind hervorragende Zeugen für jene Ansicht. Der
ursprüngliche Kiefer- und Zahnprognathismus, welcher durch
die Si)ykiefer und den berühmten Kiefer von la Naulette un-
zweifelhaft bewiesen wird, und worauf schon der Schipkakiefer
und die Funde von Krajiina hindeuteten, ging allmählig mit
0. Walkhoff: DÜMtriote mensckliehe Knoehenteste in Belgien u. Bonn. 309
dem vermmderten Gebrauch in eine Orthognathie über. Für
die diluvialen Kieferfunde sind eine Reihe von ganz bestimmten
Eigenschaften festgestellt, welche heutigen Schädeln durchaus
fehlen. Wir können deshalb von einem diluvialen Typus
menschlicher Kiefer sprechen. Das jüngste Diluvium zeitigte
aber schon Formen dieser Organe, welche üebergangsformen
zum Neolithicum sind. Die belgischen, mährischen und kroati-
schen Funde, welche eine ganze Anzahl von Kiefern und
Zähnen lieferten, femer die neolithischen Schädel, die Kiefer
der heutigen inferioren Rassen und endlich die Kauwerk-
zeuge der civilisirten Völker bilden eine ununterbrochene
Reihe von äusseren Formen, welche mit der allmählig ver-
änderten Function der Kiefer und Zähne sich äusserlich
und innerlich veränderten. Durch den Nachweis dieser neuen
functionellen Gestaltung auf 'Grund der üebergangsformen
kann wenigstens für diese Organe festgestellt werden, dass
der Mensch seit der Diluvialzeit sich in seiner Gestalt be-
deutend verändert hat, was bisher von den meisten Anthro-
pologen geleugnet wurde.
Meine Theorie über die Entstehung des Kinnes beim
M^enschen durch die vermehrte Thätigkeit der Sprachmuskeln
'^^i gleichzeitiger Reduction des Gebisses an Grösse in der
Sagittalebene wird durch die belgischen Funde sehr gestützt,
öie Reduction betraf besonders die Schneidezähne.
Der Annahme von King und Schwalbe, dass der dilu-
viale Mensch wohl eine besondere Art oder gar eine besondere
Gattung gewesen sei, kann ich in Folge der schon jetzt für
üe Kauwerkzeuge lückenlos nachweisbaren Uebergangs-
foxmen, welche sich sehr wohl durch die En t wickeln ngs-
^echanik erklären lassen, nicht zuneigen. Unter Berück-
sichtigung der letzteren erscheint der diluviale Mensch als
A^hne des heutigen, dessen Knochenformen durch eine ganz
allmählig veränderte Function der Organe auch eine all-
ttiUhlig veränderte Gestalt erhielten. Dann lässt sich das
sporadische Auftreten einzelner diluvialer Merkmale bei den
Knochen der Zwischenzeiten oder Anklänge der ersteren bei
1902. Siizangsb. d. maili.-phys. Gl. 21
L
308 Sitzung der math.-phys. Glosse txm 8, November 1902.
und die Rückwärtskrümmung der Schneidezahnwurzeln hervor .
Dennoch sind auch sämmtliche belgischen Reste unverkennbar—
menschlich. Die enorme Kaumuskulalur des diluvialeiK.
Menschen lässt sich theils durch die grossen Insertionsstellen
und Leistenbildungen theils durch die Wiedergabe der Tra-
jectorien mittelst Röntgenstrahlen nachweisen. Durch den
nachweisbaren Rückgang der Kaufunction und der damit
verbundenen Reduction der Zähne und Kiefer an Grösse beim
späteren Menschen ist meines Erachtens auch ein Einfluss
auf die Umgestaltung der Schädelkapsel anzunehmen.
Erst die veränderte Stärke der Kaumuskulatur ermöglichte
die Umgestaltung der vorderen Schädelkapsel. Aus der
fliehenden Stirn und der starken postorbitalen Einschnünmg
der Schädelkapsel des Diluvial-Menschen hervorgehend, konnte
bei der immer geringer werdenden Thätigkeit des m. tem-
poralis der vordere Theil der Schädelkapsel durch das gleich-
zeitig sich stärker entwickelnde -Gehirn sich erhöhen. In
Anbetracht der schon ziemlich grossen Capacität der dilu-
vialen Himkapsel und der später auftretenden Veränderung
der Occipitalpartie ist die Annahme einer Umformung der
Hirnkapsel durch Umlagerung und Umgestaltung der einzelnen
Hirntheile in Folge der zurückgehenden Kaumuskulatur wohl
mindestens ebenso zu berücksichtigen, wie die Vergrösserung
der Frontallappen des Grosshims, welche bisher ziemlich all-
gemein als einziges Moment für die Entwickelung der hohen
Stirn angesehen wird.
Dass seit der Diluvialzeit eine Reduction der Kiefer
und alsdann der Zähne an Grösse beim Menschen eintrat,
ist nach den sich immer mehrenden Funden unzweifelhafL
Die belgischen diluvialen Kiefer (neben den Spykiefem ist
besonders der Kiefer von la Naulette als durchaus normal zu
bezeichnen) sind hervorragende Zeugen für jene Ansicht. Der
ursprüngliche Kiefer- und Zahnprognathismus, welcher durch
die S})ykiefer und den berühmten Kiefer von la Naulette un-
zweifelhaft bewiesen wird, und worauf schon der Schipkakiefer
und die Funde von Krapina hindeuteten, ging allmählig mit
Walkhoff: DiUftvioie mensMxelie Knoehenreste in Belgien «, B,onn. 309
m verminderten Gebrauch in eine Orthognathie über. Für
i diluvialen Kieferfunde sind eine Reihe von ganz bestimmten
^enschaften festgestellt, welche heutigen Schädeln durchaus
ilen. Wir können deshalb von einem diluvialen Typus
nschlicher Kiefer sprechen. Das jüngste Diluvium zeitigte
3r schon Formen dieser Organe, welche üebergangsformen
XI Neolithicum sind. Die belgischen, mährischen und kroati-
len Funde, welche eine ganze Anzahl von Kiefern und
hnen lieferten, femer die neolithischen Schädel, die Kiefer
- heutigen inferioren Rassen und endlich die Kauwerk-
ige der civilisirten Völker bilden eine ununterbrochene
ihe von äusseren Formen, welche mit der allmählig ver-
derten Function der Kiefer und Zähne sich äusserlich
d innerlich veränderten. Durch den Nachweis dieser neuen
nction eilen Gestaltung auf 'Grund der üebergangsformen
nn wenigstens für diese Organe festgestellt werden, dass
r Mensch seit der Diluvialzeit sich in seiner Gestalt be-
utend verändert hat, was bisher von den meisten Anthro-
logen geleugnet wurde.
Meine Theorie über die Entstehung des Kinnes beim
ansehen durch die vermehrte Thätigkeit der Sprachmuskeln
i gleichzeitiger Reduction des Gebisses an Grösse in der
igittalebene wird durch die belgischen Funde sehr gestützt.
ie Rciduction betraf besonders die Schneidezähne.
Der Annahme von King und Schwalbe, dass der dilu-
ale Mensch wohl eine besondere Art oder gar eine besondere
attung gewesen sei, kann ich in Folge der schon jetzt für
e Kauwerkzeuge lückenlos nachweisbaren Uebergangs-
►rnien, welche sich sehr wohl durch die Entwickelungs-
ech anik erklären lassen, nicht zuneigen. Unter Berück-
chtigung der letzteren erscheint der diluviale Mensch als
hne des heutigen, dessen Knochenformen durch eine ganz
[Imählig veränderte Function der Organe auch eine all-
ulhlig veränderte Gestalt erhielten. Dann lässt sich das
[)oradische Auftreten einzelner diluvialer Merkmale bei den
wnochen der Zwischenzeiten oder Anklänge der ersteren bei
1002. Sitzungsb. d. maili.-phys. Gl. 21
310 Siteung der math.-phys, Classe vom 8, November 190Ü.
den heutigen Rassen leichter durch Vererbung erklären, als
durch Annahme eines besonderen genus für jene Diluvialfunde.
Diese sind nach der Untersuchung keinen falls patho-
logische Excessbildungen, sondern der Ausdruck der
damaligen normalen Formen des menschlichen Ge-
schlechtes.
311
lTe1)6r die Möglichkeit den Gegensatz zwischen der
Gontractions- und Expansionstheorie aufzuheben.
Von A. Rothpletz.
{Eingelaufen 18. November)
Diese beiden Theorien scheinen sich gegenseitig auszu-
schliessen und die Anhänger der einen sind gewöhnlich auch
Gegner der anderen. Gegenwärtig jedoch gibt es nur wenige
Anhänger der Expansionstheorie und um so mehr Gegner oder
doch Ungläubige. Das hat seinen Grund darin, dass die Ent-
stehung der Ketten- oder Faltengebirge im Vordergrund des
.allgemeinen Interesses steht und dass für sie die Contractions-
theorie entschieden die einfachste und am leichtesten verständ-
liche Erklärung liefert. Welcher vorsichtige Beobachter kann
sich der Ueberzeugung versch Hessen, dass Faltung und üeber-
schiebung — die charakteristischen tektonischen Formen der
Kettengebirge — mit Zusammenschub der festen Erdrinde ver-
knüpft sein und die vielen im Laufe der geologischen Perioden
eütstandenen Gebirge eine erhebliche Verkürzung oder Ver-
Heinemng dieser Rinde hervorgebracht haben müssen? Wie
aber könnte dies möglich sein, wenn das Erdinnere sein Volumen
ßiclit verringerte oder gar vergrösserte? Und wie vortrefflich
stimmt diese Forderung mit jener anderen überein, dass die
Erde durch Ausstrahlung von Wärme in das Weltall sich
'^gsam abkühlt, erstarrt und dabei sich zusammenzieht!
Nimmt man jedoch di.e vulkanischen Erscheinungen zum
Ausgangspunkt, dann treten diese Forderungen leicht in den
Hintergrund. Durch die feste und dicke Erdkruste dringen
21*
312 Sitzung der math.-phys, Classe vom 8. Kovemher 1902.
von unten herauf in cylinder- oder spaltenförmigen Kamine
überheisse und flüssige Scbmelzmassen, um entweder an de
Oberfläche überzufliessen und sich zn weiten Decken auszu
breiten oder um zu zerspritzen und in die Luft geschleuderi
zu werden, aus der sie als vulkanische Tuflfe wieder nieder-
fallen. Oder aber es dringen gewaltige plutonische Massen von
unten in die Erdrinde ein, ohne bis zu ihrer Oberfläche herauf-
zusteigen, aber sie verdrängen ausgedehnte Theile derselben
und krjstallisiren in den eroberten Gebieten zu granitischen
Gesteinsmassen aus. Zugleich pressen sie sich in die bereits
erhärteten Gesteinsschichten ihrer Umgebung hinein in Form
viel verzweigter Adern, Gänge und Apophysen, oder sie im-
prägniren diese Schichten formlich mit ihren Bestandtheilet
von Feldspath, Quarz etc. Ausserdem sind Erdbel)en und localc
Hebungen mit den vulkanischen Eruptionen häufig verknüpf!
und so scheint denn alles dies darauf hinzuweisen, dass ir
grösseren Tiefen eine Kraft thätig ist, welche die Massen ihrei
eigenen Schwere und der darauf lastenden Erdkruste zum Trot;
zwingt, diese zu durchbrechen oder zu heben. Solche Wir
kungen stehen so wenig mit einer Contraction des Erdkerne
im Einklang, dass ausschliessliche Betrachtung vulkanische
Vorgänge wohl niemals zur Contractionstheorie geführt hätte
Was sie zur Erklärung fordert, ist nicht Contraction, sonderi
Expansion des Erdinneren. Aber wie soll diese zu Stand
kommen, da doch die Erde Wärme abgibt, sich also abkühlei
muss? Ausgehend von der längst bekannten Thatsache, das
einige Stoff'e, wie das Wasser und Wismuth, beim Ueberganj
von dem flüssigen in den festen Zustand ein grösseres Volumei
einnehmen, so wie von einigen allerdings nicht ganz einwand
freien Experimenten mit geschmolzenen Erzen hat man di«
Mr)glichkeit in Erwägung gezogen, dass auch die anderei
Stofte im Innern der Erde, wo sie ungeheurem Druck und seh:
hohen Temperaturen ausgesetzt sind, sich vielleicht, entweder
beim Uebeigang in den festen J^ustand oder überhaupt be
V'orminderung der Temperatur, ausdehnen könnten. Mit diese]
experimentell allerdings auf ihre Richtigkeit nicht controllir-
baren Aiin*ijii* xt^sse ^rr^r eire Ij:.iT>::7.>kr.\:T rur Vrrtuc^'.v.ii.
Erdkrurt-e n: *^g- sir wird il>: i_s^:i:ar..;tr gtVv^iTir.» Kisso un»!
kljiffende Späh*!: iEÜsä*r2i riit^i'rhrL. auf Tu-non wio ihnvh
SkherheitSTeniü*- die St^rrhitzt-ei: Massen aus dor TiotV aut-
steigen, in die Krosi* in F'.'rxE vor. ^xrnnitisohon Stöokon \\\u\
Lagergängen eindringen wer dieüeibe durohbrivhon wud aiit"
der Aussenseit^ Ynltane aufbauen.
Die BefiiediaTing. welche diests Ergobniss v?t*>M"ilni. isi
aber von tnrzer I^ner, sobald wir uns wiodiM* don Ki^litMi-
gebirgen zuwenden, bei denen nicht Ausdohuung soiuIimii /n
sammenschub erklärt sein will. Versuche sind «jfcinaclii woidtn,
auch diesen als eine Folgewirkung der Expansion aur/urnsNtMi.
aber niemand wird sich verhehlen können, dass di(»sr \'rrsn«ln'
auf schwachen Füssen stehen, und jodonfalls hinj^r nicht r.n
einleuchtend und überzeugend sind wio die Erkliirun«^n'n dmcli
die Contractionstheorie.
Gegenüber solchem Misserfolg kininto nnr Ihrouli .«In i
Fanatismus seinen Trost darin finden, dass auch uni«j(«'Krhil du-
Jort siegreich gebliebene ContractionsUicoric liier nn dri Ki
Wlärung der vulkanischen Erscheinungen Schillhnuh hi.l. n
'Buss. Aber selbst diesen hat man von der nndeirii ;;.iii m
-Abrede zu stellen versucht und zu (innsien der (Nmlr ;ic li..ir
theorie die Meinung vertreten, dass die in Fol"«» S<huiiMhn'
des Erdkernes zusammenbrechende und einsinkniili l-ifdlful.
^uf die im geschmolzenen Zustande helJrMlIi« In-n M.i c n d. ■
Kernes einen solchen Druck ausühen werde, d;i di. « m
Wogende Bewegung kommen und an sohh< n Sf« II« n ^v«. du
Inikruste sich noch selber trägt, von uuh n ;.fi ;m Imi.m.
branden müssen und dabei in beinj l'ü/jlMueh ij« r |{ih<l< « ni
standene Spalten heraufgepresst werden. AI o im ^iiun«!. '>li
<^ie Gewalt der einsinkenden HindenUjeiJc <'||;j < :(ih •.-. j. I..
die geschmolzenen Massen aus der 'J'irfr < mportf* il,f
Was bisher zur Begründung y-olehr-r Ahtmlnm vwi/« \n.n hl
^urde, ist weit entfernt von einer '-x-a'-u f> ut,'i iih« r/« uj/« nd« n
314 Sitzung der math.'phya. Glosse vom 8. November 1902.
Beweisführung und es mögen hier nur vier Bedenken dagegen
geltend gemacht werden.
1 . Man hat die Vorstellung des vermutheten Vorganges durch
schematische Bilder zu unterstützen versucht, die aber wie z. B.
fig. 127 in dem sonst so vorzüglichen Traite de Geologie von
de Lapparant soweit von den thatsächlichen Verhältnissen ab-
weichen, dass sie entschieden abgelehnt werden müssen. Solche
profilmässige Darstellungen der Erdkruste, welche Continente und
Meeresbecken in ihrer gegenseitigen Beziehung zur Anschauung
bringen wollen, müssen im richtigen Verhältniss der Höhe
zur Länge entworfen werden, und es darf die Krümmung der
Erdoberfläche nicht unberücksichtigt bleiben. Es hat schon
vor mehr als 50 Jahren Elie de Beaumont hervorgehoben, dass
sowohl die Wasseroberfläche wie der Boden der Oceane in
diesem Falle nach oben convex gekrümmt erscheinen und dass
die Bodenlinie flacher gekrümmt und mithin kürzer ist als die
Wasseroberflächenlinie. Der muldenförmig eingebogene Theil
der Erdkruste erscheint auf einer richtigen Zeichnung mithin
nicht als ein concaver sondern als ein ebenfalls aber nur
weniger stark convexer Streifen, der somit auf seiner Unter-
seite keine Ausdehnung, sondern im Gegentheil Zusanimen-
pressung zeigt.
2. Wenn man als Ursache des Sinkens der Erdkruste den
Schwund des Erdkernes gelten lassen will, so darf man doch
nicht voraussetzen, die Kruste könne sich selbst auch nur für
kurze Zeit nach Art eines Kugelgewölbes frei tragen. Der
entstehende tangentiale Druck müsste sofort die Druckfestigkeit
der Krustengesteine um ein Vielfaches überschreiten und diese
zermalmen. Es kann aber auch kein Hohlraum zwischen Kern
und Kruste entstehen und weder von einem Niederstürzen
einzelner Kindentheile auf den schwindenden Kern noch von
lokaler Druckentlastung die Rede sein.
8. Da die Erdkruste specifisch leichter als der Kern ist,
so ruht sie gewissermassen schwimmend auf demselben. Wenn
die Oberfläche des Kernes aber durch Contraction kleiner
wird, so findet die Unterseite der Kruste nicht mehr Platz
A, Bolhfietz: ContractionS' und Escpansionatheorie. 315
genug auf ihr, es entsteht Spannung in der Kruste, die alsbald
die Druckfestigkeit der Gesteine überwindet und zu seitlichem
Zusammenschub führt, bis die Unterfläche sich wieder in das
richtige Verhältniss zur Oberfläche des Kernes gesetzt hat.
Dieser Zusammenschub muss aber etwa vorhandene klaffende
Spalten oder sonstige Hohlräume sofort fest schliessen, und er
versperrt somit den geschmolzenen Kemmassen alle Wege,
auf denen sie aufsteigen könnten.
4. Trotzdem haben thatsächlich ungeheure Massen von
unten herauf ihren Weg in die Erdkruste gefunden und sich
darin ausgebreitet, so dass sie jetzt in Gestalt granitischer Ge-
steine Räume von Hunderten von Kubik-Kilometern einnehmen
und entsprechende Massen der Kruste verdrängt zu haben
scheinen. Damit dieses Eindringen Folge des Druckes der
niedersinkenden Erdkruste sein, also entstehen könnte zu
einer Zeit, da in der Kruste starke tangentiale Spannung und
seitlicher Zusammenschub herrschen, müsste die aufsteigende
und noch nicht verfestigte Masse jedenfalls schon eine eben-
sogrosse Druckfestigkeit wie die festesten Gesteine der Erd-
kruste haben und ausserdem eine besondere Expansionskraft
besitzen, um sich den weiten Raum in der Kruste zu erobern.
£ls scheint aber unmöglich, solche Annahmen physikalisch zu
begründen.
So bleibt denn nichts anderes übrig als zu erklären, dass
<iie Contractionstheorie, obschon sie sehr geeignet ist die Ent-
mischung der Faltengebirge zu erklären, in Bezug auf die
Plutonischen und vulkanischen Vorgänge gänzlich versagt.
^^ir stehen also zwei sich gegenseitig ausschliessenden Theorien
8'egenüber, von denen keine ganz genügt. Eine dritte Theorie
^ber, zu der wir unsere Zuflucht nehmen könnten, gibt
^3 nicht.
In dieser Nothlage müssen wir nach allen Seiten Aus-
schau halten, wo der Fehler in unserer Argumentation liegen
V.ann. So fassen wir alles nochmals kurz zusammen: Vulka-
nismus ist in der Hauptsache eine centrifugale, die Faltung
der Kettengebirge eine tangentiale Bewegung. Beide Be-
316 Sitzung der matK-phys. Glosse vom 8. November 1902.
wegungsarten wollten wir unmittelbar aus der Wärmeabgabe
der Erde an das Weltall ableiten, indem wir das eine Mal
annahmen, dass diese Wärmeabgabe eine centripetale, das
andere Mal, dass sie eine centrifugale Bewegung im Erdkerne
erzeuge. Das ist aber ein Entweder-Oder, denn die zwei An-
nahmen schliessen sich anscheinend einander aus.
Zweierlei Vorgänge, die wir als gleichzeitige voraussetzten,
können natürlich nicht aus zwei sich ausschliessenden Ursachen
hervorgehen. Wäre es aber nicht vielleicht möglich, dass wir
gerade in jener Voraussetzung der Gleichzeitigkeit geirrt
hätten? Wir sind an dieselbe allerdings so sehr gewöhnt, dass
sie uns selbstverständlich erscheint. Dennoch müssen wir uns
entschliessen, sie auf ihre Berechtigung zu prüfen.
Die erste Lehrerin für den Geblogen ist die Gegenwart,
sie wollen wir also zuerst befragen. Wir sehen allenthalben
auf der Erde — wenn auch oft in weiten Abständen — Vulkane
in Thätigkeit. Sie liegen auf den Festländern und im Meere,
sie schleudern theils periodisch theils nur in unregelmässigen
Zeitabständen Asche und Bomben in die Luft oder ergiessen
Lavaströme über ihre Umgebung. In den Zwischenzeiten be-
schränken sie sich darauf, Gase auszuhauchen. Mag man viel-
leicht auch zur Meinung berechtigt sein, dass in manchen
früheren geologischen Perioden die vulkanische Thätigkeit viel
bedeutender war, so ändert das nichts an der Thatsache, dass
auch unsere Zeit eine Periode solcher Thätigkeit ist.
Ob in der Gegenwart auch Intrusionen von plutonischen
Gesteinen stattfinden, lässt sich nicht durch Beobachtung fest-
stellen, aber längst erloschene Vulkane älterer Perioden, deren
unterirdische Theile durch Dislocationen und Erosion blos
gelegt worden sind, lehren uns, dass häufig genug die ober-
irdische vulkanische Action von plutonischen Intrusionen be-
gleitet wurde. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass
solche auch heute noch sich bilden.
Erdbeben sind häufige Ereignisse. Die Ursachen der sog.
tektonischen Beben, die nicht unmittelbar mit vulkanischen
Ausbrüp.hftn in Verbindung stehen, kennen wir nicht, aber es
Ä. Böthpletz: Contractions- und JExpansionstheorie. 317
ist möglich, dass sie Begleiterscheinungen von vulkanischen
Ereignissen sind, die sich innerhalb der Erdkruste abspieler,
ohne die Oberfläche zu erreichen.
Mit vulkanischen Ausbrüchen und solchen Erdbeben kommen
zuweilen auch locale Hebungen der Erdkruste vor. Ausserdem
sind Hebungen grosser continentaler Gebiete sicher festgestellt,
die nicht mit solchen gewaltsamen Ereignissen in Beziehung
stehen und so langsam vor sich gehen, dass sie erst durch
Jahre lange genaue Messungen erkannt werden können.
Centrifugale Bewegungen sind somit in der Gegenwart
vorhanden, aber umsonst hat man bisher nach den Spuren
1;angentialer Bewegungen gesucht. Kettengebirge, Faltungen
im grossen Massstabe sind in historischer Zeit nicht entstanden,
denn die continentale Hebung, von welcher Skandinavien er-
l^riffen ist, kann nicht unter diese Art von tektonischen Vor-
gängen eingereiht werden.
Die Gegenwart zeigt sich somit unverkennbar als
^ine Periode vulkanischer Thätigkeit, centrifugaler
Sewegung, während die Wirkungen tangentialer Be-
^^vegung alle einer früheren Zeit angehören.
Beiderlei Bewegungen müssen also nicht gleich-
zeitige sein, das lehrt uns die Gegenwart mit Sicherheit.
Da liegt nun die Vermuthung nahe, dass sie sich viel-
Xeicht überhaupt ausschliessen ? Wenn wir darüber uns Klar-
Xieit verschaffen wollen, ist es nothwendig Perioden zu unter-
suchen, in denen Kettengebirge entstanden sind. Jedenfalls
Sim günstigsten dafür wird die Terti<ärzeit sein, weil in diese
^ie Entstehung unserer grössten Kettengebirge und ebenso
l>edeutende Vulkanausbrüche fallen.
Der Kaukasus ist ein typisches Faltengebirge, das vor-
legend aus Meeressedimenten aufgebaut wird, deren ursprüng-
lich horizontal gelagerten Schichten in zahlreiche Falten zu-
sammengeschoben worden sind. In dem entstehenden Gebirge
liaben sich tiefe Thäler eingeschnitten und, nachdem die
Faltung zum Stillstand gekommen war, immer weiter vertieft.
Dann erst öffneten sich die vulkanischen Kanäle und bauten
318 SUisung der mathrphys, Glosse vom 8. November 1902.
sich die Riesenvulkane des Elbrus, Kasbek u. s. w. auf, von
denen zahlreiche Lavaströme an den Thalgehängen zum Theil
bis auf die Thalsohlen herabliefen. Hier kann man darüber
nicht im Zweifel sein, dass einer Periode intensiver Faltung,
also tangentialer Bewegung, eine andere grosser vulkanischer
Thätigkeit gefolgt ist.
Im Kettenjura der Schweiz haben wir ebenfalls ein
tertiäres Faltengebirg, in dem aber weder plutonische noch
vulkanische Gesteine bekannt sind. Es beweist uns also, dass
hier jedenfalls in die Periode tangentialer Bewegungen keine
Vulkanausbrüche fielen.
Fassen wir nun die Alpen ins Auge, so muss zunächst
constatirt werden, dass die Faltungen dieses Gebirges sich auf
zwei Perioden vertheilen. Die erste Periode gehört der mitt-
leren Oligocän-, die zweite dem Ende der Miocän-Zeit an.
Von den vielen vulkanischen Gesteinen der Alpen sind weitaus
die meisten älter als diese mitteltertiären Faltungen (z. B. die
palaeoz. Diabase und Quarzporphyre, die Porphyrite und
Melaphyre der Trias und die eocänen Basalte). Für uns
kommen deshalb nur diejenigen Basalt-, Trachyt- und Serpentin-
durchbrüche in Betracht, welche oligocänen oder noch jüngeren
Alters sind. Da ergibt sich nun, dass die Trachyte bei Cilli
in der südlichen Steiermark erst in der oberoligocänen und
untermiocänen, die Basalte der östlichen Steiermark aber im
Pliocän, die ersteren also in der Zwischenzeit zwischen beiden
Faltungsperioden, die letzteren nach der letzten Faltungsperiode
erumpirt sind. Ebenso steht es fest, dass die Basalt- und
Serpentingänge in den rhätischen Alpen nicht während, son-
dern erst nach der ersten Faltungsperiode entstanden sind.
Also hier wie im Kaukasus schliessen sich die Perioden vul-
kanischer Thätigkeit und der Gebirgsfaltung gegenseitig aus.
Was hingegen die Granitstöcke betrifft, an denen die
Alpen so reicli sind, so eignen diese sich für unsere Unter-
suchung weniger, weil es meist nicht möglich ist, ihr genaues
Alter festzustellen. Darauf käme es aber vor allem an.
Wenn also z. B. in neuerer Zeit das tertiäre Alter der Tonalit-
A, Bothpletß: Contractions- und Expansionstheorie. 319
stocke Südtirols angenommen werden will, so muss dem gegen-
über festgestellt werden, dass wir in Wirklichkeit sicher nur
wissen, dass sie jünger als die Trias oder ein Theil der Trias
sind, weil sie die Gesteine dieser Periode metamorphosirt haben.
Sie können freilich noch erheblich jünger sein, aber wir haben
zu einer bestimmten Altersangabe keine zuverlässigen An-
haltspunkte. Es liesse sich noch eine Anzahl anderer tertiärer
Gebirgsketten anführen, für welche ein zeitliches Auseinander-
fallen der vulkanischen und der Faltungsvorgänge nachweisbar
ist. Doch will ich mich in dieser Beziehung auf die Erwäh-
nung beschränken, dass mir kein Gebirg bekannt ist, in dem
die beiderlei Vorgänge sich gleichzeitig abgespielt haben. Ob
suidere solche Gebiete kennen, weiss ich nicht, wenn es aber
der Fall sein sollte, wäre eine Mittheilung darüber sehr er-
^wünscfat, da bei der Weitläufigkeit des Beweismateriales nur
gemeinsame Arbeit Vieler gesicherte Ergebnisse verspricht.
Eine Entscheidung mit Bezug auf die vortertiären Gebirge
ist natürlich mit noch grösseren Schwierigkeiten verknüpft,
"weil die Altersbestimmung der einzelnen Vorgänge um so un-
sicherer wird, je weiter sie in der Vergangenheit liegen. Doch
ist es auffallig genug, dass, um nur dies eine Beispiel zu er-
wähnen, die gewaltigen Porphyr- und Melaphyreruptionen des
Hothliegenden erst nach den weitausgedehnten Faltungen ein-
getreten sind, welche die älteren Ablagerungen des rheinischen
Schiefergebirges, des Harzes, Thüringerwaldes und Erzgebirges
betroffen haben, und dass soweit das Rothliegende selbst von
Taltungen ergriffen worden ist, diese vulkanischen Gesteins-
massen geradeso wie die mit ihnen wechsellagernden Sandsteine,
Conglomerate, Kalksteine und Dolomite gefaltet wurden zu
einer Zeit, in der ihre Eruption längst in der Vergangen-
heit lag.
Ich schliesse daraus auf die Wahrscheinlichkeit,
dass nirgends und zu keiner Zeit Gebiete unserer Erd-
kruste gleichzeitig der Schauplatz vulkanischer Erup-
tionen und von Gebirgsfaltung gewesen sind. Dieses
Ergebniss stimmt aber mit demjenigen genau überein,
320 Sitzung der math.'phys. Glosse vom 8, November 1902,
zu dem wir bereits gelangt sind, dass nämlicli in der
Gegenwart die Erde nur der Schauplatz vulkanischer
Eruptionen, nicht aber auch von Gebirgsfaltungen ist.
Ich bore hier den Einwand machen, dass damit noch gar
nichts gegen den Synchronismus der vulkanischen und Faltungs-
vorgänge bewiesen sei, denn es sei leicht möglich und viel-
leicht sogar selbstverständlich, dass in Faltungsgebieten vul-
kanische Ausbrüche wegen des seitlichen Zusammenpressens
nicht eintreten können, dass sie dafür aber um so intensiver
an anderen Stellen zum Durchbruch gelangen. Die postalpinen
und postkaukasischen Eruptionen in den Alpen und dem Kau-
kasus brauchen in der That in keinen causalen Zusammenhang
mit der Faltung dieser Gebirge gesetzt zu werden, sie können
ja die Folge späterer anderweitiger Faltungsprocesse sein,
während deren jene Gebirge nicht mehr im Zustand der Zu-
sammenpressung sich befanden.
Wir müssen also nachforschen, ob ausserhalb der bekannten
Kettengebirge vulkanische Gesteine bekannt sind, deren Eruption
gleichzeitig mit dem Faltungsprocesse jener Gebirge stattge-
funden hat, mit anderen Worten, ob Beweise dafür existiren,
djiss die vulkanischen und Faltungsvorgänge zwar gleichzeitig
aber örtlich von einander getrennt auftreten.
Dagegen spricht allerdings von vornherein, worauf schon
früher hingewiesen worden ist, die Erfahrung aus historischer
Zeit, aber man könnte einwenden, dass diese doch im Ver-
hältniss zur Länge der geologischen Perioden zu kurz sei, um
daran eine für unsere theoretischen Anschauungen so bedeu-
tungsvolle Schlussfolgerung zu knüpfen.
Wenn man von allen vulkanischen Eruptionen und allen
Gebirgsfaltungen genaue Kenntniss ihres Alters und ihrer
Dauer hätte, so brauchte man sie nur alle aufzuzählen und
go^jcon einander zu stellen, um sofort die Frage nach dem
Fohlen eines Synchronismus beantworten zu können. Man
wage aber nur einen solchen Versuch, dann tritt die Unmög-
lichkeit einer derartigen Beweisfühnmg sofort zu Tage. Die
Mangelhaftigkeit unserer synchronistischen Formationstabellen
Ä Boihpletz: Cantractions- und Expansianstheorie, 321
ist jedem Geologen bekannt für alle die Fälle, wo es sich um
Vergleiche weit von einander abliegender oder in ihrer Facies
stark sich unterscheidender Ablagerungen handelt. Dazu kommt,
dass der Zeitpunkt für viele, insbesondere aber für die älteren
Gebirgsfaltungen, die vulkanischen und insbesondere die pluto-
nischen Bildungen nur innerhalb sehr weiter Grenzen festge-
legt werden kann, die zur Entscheidung der uns vorliegenden
Fragen oft viel zu unbestimmt sind.
Leichter könnten wir zu einem greifbaren Ergebniss
kommen, wenn wir nach Beweisen für den Synchronismus
suchen, denn dann brauchen wir nicht alle einschlägigen Fälle
zu untersuchen und es würde nur ein einziger genau geprüfter
Fall von Synchronismus genügen, um die Behauptung zu
widerlegen, dass vulkanische und Faltungsvorgänge in unserer
^Erdkruste sich einander zeitlich ausschliessen. Vielleicht ge-
lingt es anderen einen solchen Fall ausfindig zu machen, mir
ist dies bis jetzt nicht gelungen. Dahingegen haben sich gegen-
i;heilige Fälle in Menge ergeben, von denen ich diejenigen,
welche auf die Alpenfaltung Bezug haben, aufzählen will.
Das Alpengebirg hat, wie bereits erwähnt, zwei Faltungs-
perioden, die erste in der Zeit des mittleren Oligocäns, die
zweite am Ende der Miocänzeit erlebt. Im Norden der Alpen,
^ber nicht weit davon entfernt, liegen die zahlreichen Zeugen
wenn auch kleiner Vulkandurchbrüche auf der schwäbisch-baye-
rischen Juratafel. Soweit ihr Alter bestimmt werden konnte,
fallen sie in die mittlere Miocänzeit, wohin auch die viel um-
fangreicheren Basalteruptionen Hessens gestellt werden, wäh-
rend diejenigen des Siebengebirges dem üntermiocän angehören.
Viel jünger sind die wahrscheinlich diluvialen Vulkane der
Eifel. In Nordböhmen begannen die Basaltausbrüche erst mit
der oberoligocänen Periode und die zahlreichen Eruptionen
Ungarns scheinen sich, wenn schon ihre Altersbestimmungen in
vielen Fällen zweifelhaft sind, auf drei Perioden zu vertheilen,
nämlich auf das Obereocän und ünteroligocän, dann auf das
Oberoligocän und Miocän mit Trachyteruptionen und endlich
auf das Ende der Congerienstufe und den Anfang der Pliocän-
322 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 8, November 1902,
zeit mit Basalteniptionen. Mit Bezug auf die Alpenfaltungen
haben wir somit eine praealpine, eine interalpine Trachyt- und
eine postalpine Basalt-Eruptionsperiode, nur fallt es auf, dass der
Zwischenraum zwischen den beiden letzteren, geologisch ge-
sprochen, recht kurz war. Auch die vulkanischen Ausbrüche
des französischen Centralplateaus lassen sehr deutlich drei
Perioden erkennen, von denen die erste im mittleren Miocän
liegt und zu Ende der Miocänzeit erlischt, während die zweite
mit dem Pliocän anhebt, während die dritte dem Diluvium
angehört.
Alle diese Thatsachen deuten darauf hin, dass auch in der
weiteren Umgebung des Alpengebietes vulkanische und Fal-
tungsvorgänge sich zeitlich einander abgelöst haben. Wir
können also von einem periodischen Wechsel derselben so lange
sprechen, als keine vulkanische Eruptionen namhaft gemacht
werden, welche ohne Unterbrechung die mittlere Oligocän- oder
die jüngere Miocänzeit ausgefüllt haben. Angenommen jedoch
es hätten solche wirklich existirt, dann würde sich daraus in
Verbindung mit der Thatsache, dass auch während der Trias-
und Juraperiode, die wir für die Gebirgsfaltungen als Zeiten
der Ruhe zu betrachten gewöhnt sind, in den Südalpen, in
Amerika und Asien eine Menge von Eruptivgesteinen zu
Tage getreten sind, der Satz ableiten lassen, dass die vul-
kanischen Vorgänge zu den dauernden Begleiterschei-
nungen der erdgeschichtlichen Entwickelung gehören,
während Gebirgsfaltungen nur periodische Ereignisse
darstellen. Auch dieses Ergebniss stünde mit den Erfah-
rungen im Einklang, die wir aus der historischen Zeit ge-
wonnen haben. Beiden Möglichkeiten gemeinsam ist, dass sie
die Möglichkeit ausschliessen, die vulkanischen Vorgänge als
unmittelbare Folgen des Einsinkens einzelner Schollen der Erd-
kruste auf/Aifassen.
Damit sind wir jedoch unversehens vor ein neues Hemmniss
oijjfnor Art gelangt, ninnlioh unsere Abneigung periodische
Wiederholungen in der Entwickelungsgescliichte der Erde gelten
zu lassen, wenn sie uns ursäihlich nicht vei'ständlich sind.
A. MothpleU: C&nirüctiom- und Ewpanmmtheork.
323
Den Wechsel von Tag und Nachts Sommer und Winter,
Ebbe und Fluth anerkennen wir zwar unbedenklich i weil er
handgreiflich und leicht erklärbar ist. Aber welche Schwierig-
keiten waren zu überwinden , bis die Existenz einer grossen
Eiszeit, auf die wieder eine wärmere, die jetzige Periode folgte,
zugegeben wurde! War doch eine gleichmässig fortschreitende
Abkühlung der £rda und ihres Kliman viel einleuchtender. Die
Brutalität der Thatsachen hat uns nur allmählich gezwungen,
den Widerstand aufzugeben, und jetzt sind wir sogar bereit
an die mehrfache Wiederholung von glacialen und interglacialen
Perioden zu glauben, trotzdem für ihre Entstehung noch immer
keine genügende theoretische Begründung gefunden ist.
Der Widerstand, der sich voraussichtlich auch gegen die
hier ausgesprochene Wahrscheinlichkeit des periodischen Wech-
sels zwischen centripetalen und centrifugalen Bewegungen der
Erdkruste erheben wird, kann mit Erfolg natürlich nur über-
wunden werden, wenn Nachforschungen auf allen Theilen der
Erde, ähnlich wie für die Eiszeiten^ zu übereinstimmenden Er-
gebnissen führen. Selbstverständlich lässt sich heute der Er-
folg noch nicht mit Sicherheit voraussehen, den solche Unter-
suchungen zeitigen werden* Aber letztere fallen jedenfalls aus-
schliesslich in das Arbeitsgebiet des thätigen Feldgeologen und
bleiben unabhängig davon, ob eine Theorie ihre Ergebnisse er-
klären kann oder nicht. Gleichwohl mag es von Nutzen sein
darauf hinzu weissen, dass die theoretische Physik in neuerer
Zeit auf Bahnen wandelt, die der Annahme jener Periodicität
nicht ungünstig sind.
Man ist geneigt vorauszusetzen, dass die kiystalline Erd-
kruste einen gaslarmigen Erdkern unischliesst, der so hohe
Temperaturen besitzt, dass sich die Gase alle im überkritischen
Zustande befinden und in Folge des hohen Druckes thatsächlich
doch mit festen Massen grosse Aehnlichkeit besitzen* Die
Wärmeabgabe der Erde nach Aussen erzeugt in diesem Kerne
Contraction als eine centripetale beschleunigte Bewegung*
Nach den Berechnungen A. Ritters ist es denkbar, dass diese
Bewegung sich in Wärme umsetzt, die an Menge um ein
324 Sitzung der math.-phys, Classe vom 8. November 1902.
Vielfaches grösser ist als die Wärmemenge, aus deren Abgabe die
Contractionsbewegung hervorgegangen ist. Für die Erde wäre
demnach Wärmeabgabe nach aussen nicht gleichbedeutend mit
Wärme Verlust, sondern im Gegentheil von erheblicher Wärme-
zunahme in dem gasförmigen Kerne gefolgt. Es handelt sich
hierbei um allerdings sehr langsame Bewegungen, deren Be-
deutung jedoch in der Grösse der bewegten Massen liegt.
Geht man von einem Ruhezustände aus, in dem die centri-
petale Tendenz der Massen und die centrifugale Wirkung der
Wärme im Gleichgewicht sind, dann wird derselbe durch
Wärmeabgabe nach aussen gestört. Es entsteht im Kern Con-
traction und in der Erdkruste tangentiale Spannung, die zu
Gebirgsfaltungen führt. Nach einer gewissen Zeit erlangt aber
die Wärme die Ueberhand und erzeugt entgegengesetzte Be-
wegung. Die Erdkruste wird für den sich ausdehnenden Kern
zu eng, es entstehen Hebungen einzelner Theile (continentale
Hebungen), die Kruste wird stärker erwärmt (Steigen der
Geoisothermen), in der Kruste entsteht statt tangentialer Span-
nung Tendenz zum Zen-eissen und Auseinanderweichen (Spalten-
bildung), und die überheissen Massen des Kernes steigen in
die Region der Kruste empor (plutonische Injectionen und vul-
kanische Durchbrüche). Hierdurch wird der üeberschuss an
Wärme allmählich aufgebraucht und es muss schliesslich wieder
ein Zeitpunkt eintreten, in dem Druck und Wärme ins Gleich-
gewicht gekommen sind. Sogleich wird die fortgesetzte Wärme-
abgabe nach aussen nun wieder Contraction erzeugen und
damit eine Wiederholung der geschilderten Vorgänge einleiten.
So ist also immerhin schon ein Weg gegeben, auf dem
für jene Periodicität, falls sie den geologischen Thatsachen
gegenüber sich dauernd bewähren sollte, eine theoretische Be-
gründung gesucht werden kann. Freilich ist vieles noch un-
geklärt, insbesondere die Länge jener Perioden, welche vom
geologischen Standjiunkte aus als sehr bedeutend angenommen
werden muss. Denn die historische Zeit hätte als ein Theil
nur der letzton Expansionsperiode zu gelten. Ob es aber
möglich sein wird auf jenem theoretischen Weg zu ähnlich
Ä, ßothpletg: Contractions-' und Expansion stheorie. 325
langen Perioden der Contraction und Expansion zu gelangen^
kann erst die Zukunft lehren. Die geologischen Thatsachen
scheinen übrigens dafür zu sprechen, dass die Contractions-
perioden kürzer als die anderen sind.
Trotz aller Unsicherheit im Einzelnen und in den Voraus-
setzungen lässt sich soviel doch wohl mit einiger Berechtigung
behaupten, dass schwerwiegende theoretische Bedenken gegen
die Annahme jener Periodicität nicht bestehen, und wenn sich
auch der hier skizzirte Erklärungsversuch als unhaltbar er-
weisen sollte, so würde das noch nichts gegen die Richtigkeit
der Periodicität selbst beweisen.
I90S. Sitzangsb. d. matli.-phy8. Cl.
0^
327
magnetische Drehnng der Polarisationsebene des
Lichtes in selektiv absorbirenden Medien.
Von Angrost Schmanss.
{Eingelaufen 8. November.)
(Mit Tal m-VI.)
Den früheren Untersuchungen des Verfassers^) über den
in der Ueberschrift genannten Gegenstand, die sich bisher auf
diamagnetische Substanzen beschränkt hatten, mögen im folgen-
den Messungen angereiht werden, welche die Drehung der
Polarisationsebene des Lichtes unter dem Einflüsse des Magneten
ÄD magnetischen, absorbirenden Medien bestimmen sollten.
Betreffs der Versuchsanordnung, mit der die nachfolgenden
Resultate erhalten sind, darf auf die bereits erwähnten Mit-
teilungen verwiesen werden.
I.
Anomale Dispersion in flüssigem Sauerstoff.
Es schien von Interesse, zu untersuchen, ob dem flüssigen
Sauerstoff, der ein ausgezeichnetes Absorptionsspektrum besitzt,
^öomale Drehung der Polarisationsebene zukommt.
Zur Messung der Drehung befand sich der flüssige Sauer-
stoff in einem Dewar'schen Gefässe von 8 cm innerer Weite,
um Licht hindurchschicken zu können, war die Silberbelegung
an zwei diametralen Stellen weggenommen. Das Gefäss wurde
^) A. Schmauss, Ann. d. Phys. 2, p. 280, 1900; 8, p. 482, 1902.
22*
328 Sitzung der maih.-phys. Classe vom 8. November 1902.
zwischen die durchbrochenen Pole des Elektromagneten gestellt.
Die folgende Tabelle I gibt die erhaltenen Zahlenwerte der
Drehung, die für das Gebiet von drei Absorptionsstreifen be-
stimmt wurde.
Tabelle I.
x =
658
652
645
642
602
600
I. o =
0,340
0,36
0,40
0,45
0,87
0,41
\Lq =
0,65«
0,66
0,74
0,78
0.74
0,79
III. Q =
0,970
1,02
1,06
1,18
1,14
1,18
593
0,50
0,87
1,28
553
0,40
0,87
1,84
551
547
0,43
0,89
1,33
0,43
0,92
1,38
541
0,52
0,99
1,46
527
522
515
507
0,88
0,41
0,47
1
, 0,58
0,90
0,93
0,99
1,11
1,40
1,42
1,51
' 1,63
Die Zahlenwerte sind in die beigegebene Tafel HI einge
tragen. Die Messungen geschahen für drei verschiedene Feld
stärken. Um einen Anhalt über die Grösse derselben zu haben,^«
wurde die Drehung in Wasser bei denselben FeldstärkenK--
{l ius lin in demselben Getlisse bestimmt. Die in Tafel UET
punktirt eingetragenen Kurven erläutern die Dispersion iiB-
Ä.Sehmauss: Magnetische Drehung der Polarisation sebene. 329
''asser unter denselbeo Versuchsbedingungen und geben ein
Jd der relativen Drehung des flüssigen Sauerstoffs in Bezug
if Wasser.
Die Betrachtung der Tabelle — die entsprechenden Zahlen
n und nach einem Absorptionsstreifen sind durch stärkeren
ruck hervorgehoben — oder der beigegebenen Kurven zeigt
le anomale Drehung des flüssigen Sauerstoffs in demselben
nne, wie er bereits für diamagnetische absorbirende Medien
stgestellt ist.
Zugleich bestätigt sich auch hier das von Herrn Prof. Voigt
s der Theorie vorhergesehene Gesetz der Abnahme der
jgativen Drehung innerhalb eines Absorptionsstreifens mit
ichsender Feldstärke. Die bei niedriger Feldstärke negative
fferenz der Höhe der Fortsatzpunkte T, 2', 3' gegenüber
2, 3 (siehe Fig.) geht bei steigender Feldstärke durch Null
positiven Werten.
Anmerkung: Das Verhältnis der Drehung gasförmigen Sauer-
ffs zu der des Wassers unter gleichen Bedingungen wurde von A. Kundt
i W. C. Röntgen ') = 0,354. 10- » bestimmt.
Das Verhältnis der Dichte des flüssigen Sauerstoffs (1,24) zu der
j gasföi-migen (0,0014) beträgt etwa 900.
Unter der Annahme, dass die Drehung der Dichte proportional zu-
ame, ergibt sich für das Verhältnis der Drehung des flüssigen Sauer-
ffs zu der des Wassers 0,318.
Nach den vorliegenden Messungen bewegt sich das Verhältnis
ischen 0,5 upd 0,6, das heisst: Die Drehung nimmt beim üebergang
) dem gasförmigen in den flüssigen Zustand stärker zu als die Dichte.
1) A. Kundt und W. C. Röntgen, Wied. Ann. 10, p. 257, 1880.
330 Sitzung der math.-phys. Classe vom 8, November 1902,
IL
Anomale Dispersion der negativ-drehenden Losungen von
Neodym-Praseodym- und Erbium-Nitrat.
Einleitung: Herr Professor du Bois hatte auf dem inter-
nationalen Physikerkongress in Paris 1900 in seinem Referate
über die magnetischen Eigenschaften der Materie*) bei den Ele-
menten der Erbiumgruppe auf die Notwendigkeit hingewiesen,
ihr magnetooptisches Verhalten zu studiren. Da Herr Professor
du Bois zunächst nicht Gelegenheit hatte,*) selbst die Messung
der Drehung der Polarisationsebene in den Salzen der seltenen
Elemente durchzuführen, wurde dies mit seiner gütigen Erlaubnis
in das Programm der vorliegenden Arbeit aufgenommen.
Die Bestimmung der Drehung der Polarisationsebene in
den Salzen der Gruppe, welche eine negative Drehung auf-
weisen, ist schon vom rein physikalischen Gesichtspunkt aus
wegen der ausgezeichneten Absorptionsspektra interessant, die
wir hier finden.
Wie dürfte sich nach allgemeinen Ueberlegungen die Dreh
ung einer negativ drehenden selectiv absorbirenden Substanz=
gestalten ?
Es stelle in Fig. 1 die Kurve 1 die Kotationsdispersion des^
Lösungsmittels etwa des Wassers dar. Dann ist die Drehungs — •
kurve einer nicht absorbirenden Substanz, die in 1 gelöst wird !
gegeben durch 2, wenn die gelöste Substanz positives, durch 3,—
wenn ihr ein negatives Drehungsvermögen (etwa prop. -r^l
zukommt.
Besitzt die gelöste Substanz einen Absorptionsstreifen, dann
wird nach den früheren Erfahrungen der Verlauf der Dis- -
persion durch die Kurve 4 dargestellt, falls die Substanz selbst
M 11. du Hois: rro})riotös Magnetiques de la Matiere Ponderable^
Kapport proseilte au Conj:^res international de Physique, Paria 1900, 2,
p. 460.
-) H. du Bois: Ann. d. Phys. 7, p. 94 t, 1902.
Ä. ScJimauss: Magnetische Drehung der Polarisationsebene, 331
itives Drehungs vermögen besitzt. Dreht die gelöste Sub-
iz negativ, dann wird man innerhalb eines Absorptions-
ifens einen durch die Kurve 5 -dargestellten Gang der
ationsdispersion erwarten dürfen, falls man in einfacher
lerlegung die Konstante negativ nimmt, etwa in der Formel
Berechnung der Grösse des Drehungswinkels nach Maxwell
rend in positiv drehenden Medien c positiv ist.
Fig. 1.
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Mit der Annäherung von der roten Seite an den Absorp-
isstreifen wird also die Drehung abnehmen, von der blauen
te her zunehmen.
Diese Folgerung soll' an Neodym-Praseodym- und Erbium-
•atlösungen geprüft werden.
332 Sitzung der mathrphys. Classe vom 8, November 1902,
Die Messungen.
Der Güte des Herrn Prof. Muthmann verdanke ich di
Ueberlassung von Neodym- und Praseodymnitratlösungen, vo
Herrn Prof. Hofifmann erhielt ich Erbiumnitrat. Es sei m
gestattet, den beiden Herren auch an dieser Stelle für die AI
gäbe des seltenen Materiales zu danken.
Die Messungen wurden für drei verschiedene Feldstärke
— ca. 5500, 11000 und 16000 C. G. SE — und zwei ve
schiedenen Konzentrationen (Schichtdicke 0,25 cm) ausgefühi
Die erste Lösung (1) ist dreimal so konzentrirt als d
zweite (2).
Um eine etwaige Konzentrationsänderung im Magnetfeh
zu vermeiden, wurde die Glaskuvette, welche die Lösungf
aufnahm, nur so gross gewählt, dass sie eben dem Lichtbünd
den Durchgang gestattete. Uebrigens hat man noch keii
Konzentrationsänderung von Lösungen magnetischer Stoffe i
Magnetfelde beobachten können.*)
*) G. Wiedemann, Die Lehre von der Elektrizität, II. Band, § 12(
(3. Aufl. 1895.)
A. Sekmauss: Mechanische Drehung der Pölarisationsebene, 333
Tabelle 2 a (hierzu Tafel IV).
Dispersion in Neodymnitratlösung 1.
A =
658
641
627
612
599
586
I. e =
0,05 0
0,06
0,08
0,07
0,09
0,09
IL Q =
0,150
0,16
0.17
0,18
0,19
0,21
m. e =
0,28 0
0,28
0,32
0,32
0,34
0,36
573
566
561
551
541
0,16
0,15
0,17
0,18
0,20
0,27
0,27
0,30
0,31
0,32
0,40
0,40
0,43
0,45
0,46
632
528
517
512
499
0,20
0,24
0,14
0,31
0,81
0,33
0,87
0,28
0,43
0,38
0,60
0,52
0,45
0,60
0,57
491
483
474
0,28
468
462
0,27
0,27
0,30
0,35
0.41
0,41
0,45
0,47
0,50
0,62
0,62
0,63
0,66
0,70
334 Sitzung der math.-phys, Classe vom 8, November 1902.
Tabelle 2 b.
Dispersion in Neodymnitratlösung 2.
A =
658
641
627
612
599
586
I. e =
0,190
0,19
0,20
0,21
0,21
0,24
II. e = .
0,320
0,35
0,37
0,38
0,38
0,40
III. Q =
0,420
0,46
0,51
0,52
0,55
0,57
573
566
561
551
541
0,27
0,25
0,26
0,27
0,27
0,43
0,42
0,45
0,46
0,49
0,62
0,64
0,67
0,67
0,68
532
528
524
519
515
512
0,30
0,31
0,35
0,25
0,33
0,38
0,51
0,54
0,58
0,53
0,60
0,64
0,71
0,74
0,76
0,70
0,81
0,85
507
499
0,27
0,55
0,79
0,29
0,59
0,81
491
0,32
0,59
0,83
483
0,32
0,60
0,86
474
468
462
0,34 ; 0,36
0,61 0,63
0,87 I 0,91
0,40
0,69
0,97
A. Schmauss: Magnetische Drehung der Polarisaiionsebene, 335
Tabelle 8 a (hierzu Tafel V).
Dispersion in Praseodymnitratlösung 1.
x =
642
627
612
599
597
593
578
I. e =
0,11^
0,13
0,14
0,15
0,16
0,28
0,14
IL e =
0,220
0,23
0,24
0,27
0,29
0,87
0,81
IIL g =
0,31 0
0,32
0,36
0,41
0,45
0,51
0,50
573
561
551
541
532
525
515
511
0,19
0,22
0,21
0,22
0,24
0,29
0,11
0.19
0,32
0,37
0,36
0,38
0,41
0,46
0,81
0,40
0,53
0,56
0,56
0,57
0,62
0,68
0,60
0,66
507
499
491
487
483
474
472
0,24
0,26
0,26
0,27
0,81
0.16
0,19
0,44
0,46
0,49
0,50
0,52
0,89
0,41
0,70
0,72
0,74
0,76
0,81
0,71
0.73
469
458
455
450
444
0.25
0,12
0,24
0,30
0,37
0,47
0,38
0,50
0,56
0,64
0,78
0,74
0,83
0,90
0,96
336 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 8, November 1902,
Tabelle 8 b.
Dispersion in Praseodymnitratlösung 2.
X =
627
612
599
593
578
573
T. ^ =
0,160
0,17
0,18
0,26
0,15
0,17
II. Q==
0,34«
0,36
0,40
0,46
0,40
0,43
III. Q =
0,530
0,57
0,62
0,67
0,66
0,69
551
532
524
515
499
487
0,20
0,23
0,26
0,20
0,30
0,33
0,48
0,54
0,58
0,51
0,60
0,67
0,74
0,83
0,88
0.84
0,90
0,96
485
474
i
' 470
1
468 1
458
0,85
0,28
' 0,34
0,39
0,S2
0,70
0,68
i 0,70
0,74
0,71
0,08
0,90
1 0,95
1
0,99
0,99
455
450
444
0,37
0,41
0,48
0.75
0,79
0,85
1,06
1,12
1,19
A. Schmause: Magnetische Drehung der Pölarisationsebene. 337
Tabelle 4 a (hierzu Tafel VI).
Dispersion in Erbiumnitratlösung 1.
il=:
668
658
651
647
630
627
I. e =
0,030
0,08
0,07
0,10
0,01
0,03
II. e =
0,130
0,18
0,16
t),18
0,14
0,16
III. Q =
0,210
0,27
0,25
0,27
0,26
0,28
612
599
573
551
547
541
528
0,06
0,06
0,08
0,07
0,09
0,20
0,07
0,19
0,22
0,21
0,27
0,32
0,40
0,82
0,32
0,3 i
0,37
0,43
0,47
0,57
0,48
523
521
507
504
499
491
489
0,15
0,20
-0,10
0,00
0,07
0,12
0,18
0,40
0,44
0,21
0,29
0,32
0,36
0,41
0,60
0,66
0,48
0,50
0,57
0,64
0,66
470
468
455
446
428
423
-0,05
0,02
0,13
0,21
0,00
0,18
0,25
0,28
0,37
0,48
0,35
0.50
0,51
0,52
0,63
0,75
0,65
0,79
338 Sitzung der mathrphys. Classe vom 8, November 19012.
Tabelle 4 b.
Dispersion in Erbiumnitratlösung 2.
x =
668
658
651
647
630
627
599
I. e =
0,110
0,15
0,13
0,15
0,09
0,10
0,11
u.e =
0,27»
0,32
0,31
0,82
0,28
0,28
0,31
III. Q =
0,420
0,46
0,46
0,48
0,48
0,48
0,53
573
551
541
632
523
511
0,11
0,13
0,19
0,09
0,20
0,10
0,34
0,36
0,44
: 0,89
0,50
0,44
0,58
0,65
0,71
0,68
0,80
0.77
507
491
489
474
468
461
0,17
0,30
0,34
0,16
0,20
0,23
0,48
0,60
0,66
0,51
0,54
0,56
0,80
0,89
0,94
0,82
0,86
0,91
449
446
444
0,28
0,34
0,41
(),GiJ
0,G7
0,73
0,95
0,99
1,03
Ä. Schmauss: Magnetische Drehung der Polarisationsehene, 339
Betrachten wir die Tabellen oder die zu je einer Kon-
zentration beigegebenen Tafeln IV bis VI, dann sehen wir,
dass der Gang der anomalen Dispersion in diesen negativ
drehenden Losungen nicht die erwartete, in Fig. 1 durch
Kurve 5 dargestellte Form annimmt, sondern den in Fig. 2
durch Kurve 6 gegebenen Verlauf nimmt.
Fig. 2.
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Zur Fixirung der Vorstellung, ohne damit über den in
unseren Lösungen wirklich stattfindenden Vorgang eine Be-
hauptung aufzustellen, denken wir uns ein negativ drehendes
Salz (Kurve 3) in Wasser gelöst, dieser Lösung einen positiv
drehenden Farbstoff beigegeben, dann stellt Kurve 6 den
Verlauf der Drehung in einem Absorptionsstreifen des Farb-
stoffes dar.
Resultat :
Die vorliegenden Messungen haben folgendes Ergebnis:
In den negativ drehenden Lösungen von Neodym-
Praseodym- und Erbiumnitrat sind die Anomalien in der
340 Sitzung der math.-phys. Classe vom 8. Kavemher 1902,
Drehung infolge selectiver Absorption , positiv*, wenn mit
dem Prädikat „positiv" der anomale Gang der Drehung in
positiv drehenden absorbirenden Substanzen festgelegt ist.
Im Sinne der Elektronen theorie bedeutet dieses Resultat:
Das absorbirende Jon, das die Polarisationsebene des Lichtes
im Sinne der Molekularströme dreht, besitzt eine negative
elektrische Ladung.
341
Bericht über eine von den Frivatdozenten Dr. Max
Blanckenhom und Dr. Ernst Stromer von Reichenbach
ausgeführte Reise nach Aegypten.
Einleitang
von Ernst Stromer Ton Reichenbach.
{Eitigelaufen 8, Nowniber.)
Angeregt durch hochinteressante Fossilfunde, welche bei
der staatlichen Untersuchung der Geologie Aegyptens in dem
dortigen Tertiär gemacht wurden, stellten wir im November
vorigen Jahres an die k. bayerische Akademie der Wissen-
schaften das Ersuchen uns Mittel zu einer Reise nach Aegypten
zu gewähren um dort vor allem nach Fossilien speziell Wirbel-
tier-Resten zu suchen und wichtige geologische Fragen einer
Lösung entgegenzuführen.
Schon Anfang Dezember wurde unserem Antrage ent-
sprochen und noch am Ende desselben Monats begaben wir
uns nach Triest, um uns nach Alexandria einzuschiflTen. Am
6. Januar trafen wir in Kairo ein. Unsere dortigen Reise-
vorbereitungen wurden durch verschiedene Freunde meines
Reisegefährten besonders einen geborenen Münchner, Herrn
Stadler, Beamten der Survey, und Herrn Dr. Schmidt, Pro-
fessor an der medizinischen Schule, unterstützt und dadurch
vereinfacht, dass ein Zelt nebst wichtigen Einrichtungsgegen-
ständen von dessen früheren Reisen in Aegypten her in Kairo
aufbewahrt wurden und nun uns gleich zu Gebote standen;
1902. Sitzungsb. d. math.-phys. Cl. 23
342 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 8. November 1902,
sie erlitten aber durch das Beiramfest einige Verzögerung.
Wir benutzten diese freie Zeit zu kleinen geologisch-paläonto-
logischen Erkundungsausflügen in das Mokättam-Gebirge und
über die Gizeh-Pyramiden nach Abusir.
Am 14. Januar endlich reisten wir mit der Bahn nach
Medinet el Fajüm ab, um von da aus das Mitteleocän nördlich
der Fajüm-Oase zu untersuchen, das nach den Berichten von
Professor Schweinfurth und anderen besonders reich an Wirbel-
tier-Resten sein sollte. Wir mieteten in der Stadt und in einem
in der Nähe gelegenen Dorfe, Tobhär, mit der gütigen Hülfe
zweier Ungarn, der Brüder Fahn, sechs Kameele mit fünf Treibern,
einen Wächter und einen arabischen Diener. Dann zogen wir am
17. mit dieser Karawane über Näzleh Gebäli nach Westen zum
Wüstenrand und von da aus nach der im Westen der Birket
el Qerün gelegenen prächtigen Tempelruine Qasr Qerün und
von hier zunächst etwas nach Nordwesten.
Hierauf streiften wir die Gegend nördlich des genannten
Sees in der Nähe der Ruinen von Dlmeh und Qasr-es-Saga ab
und kamen zuletzt am 27. Januar im Nordosten des Fajüm
wieder in das Kulturland nach Tamieh, von wo aus wir mit
der Bahn nach Kairo zurückkehrten.
Unsere Ausrüstung mit in Kairo gekauften Konserven
sowie mit Wasser, das wir teils in Petroleumblechkisten, teils
in Leinwandsäcken, die bei der Firma Reichelt in Berlin ge-
kauft waren, mit uns führten, bewährte sich bei dieser Tour
sehr gut, Schwierigkeiten hatten wir aber, weil unsere Leute
vertragswidriger Weise nicht genug Kameelfutter mitgenommen
hatten. Eine Beschaffung desselben durch Vermittlung von
Fischern, die wir am See öfters antrafen, scheiterte an den zu
hohen Forderungen derselben, unsere Kameele mussten sich
deshalb mehrere Tage lang mit den am See wachsenden
Tamarisken und Schilf begnügen und wir unsere Route dar-
nach abändern.
Da wir auf dieser Tour in dem untersuchten Mitteleocän
(Oberniokattam) nicht genügende Funde gemacht hatten, be-
schlossen wir auf unser Risiko noclimals dorthin zu ziehen
J&. Stromer: Heber eine l^eise nach Äegypten. 343
id noch andere Touren zu unternehmen, um möglichst viel
aterial zu sammeln und um zugleich auch verschiedene be-
nders interessante stratigraphische Probleme in Angriff zu
hmen.
Nach neuen Vorbereitungen und Erkundigungen bei dem
lef der geologischen Landesuntersuchung, Captain Lyons,
«lang es uns durch Vermittlung eines deutschen Baumeisters,
rugger, bei den Gizeh-Pyramiden fünf Kameele nebst Treibern
i erhalten, auch mieteten wir einen französisch sprechenden
lener, der den bekannten Paläontologen Prof. Mayer Eymar
id meinen Kollegen schon öfters begleitet hatte. Mit diesen
juten brachen wir am 6. Februar auf und zogen durch die
ieswüste direkt nach Südwesten, bis wir nach drei Tagen den
)rdlichsten Punkt von Professor Schweinfurths Fajümreise von
J86 (Verh, Ges. f. Erdk. Berlin 1886 S. 21) erreichten.
Dieses Mal gelang es uns durch die Fischer frisches Futter
id Wasser über die Birket-el-Qerün holen zu lassen, auch
jwährten sich unsere Beduinen viel besser als die Fajüm-
3llachen der ersten Tour und so konnten wir unserer Absicht
itsprechend mehrere Tage lang die Plateauhöhen und Ränder
)rdlich des Sees absuchen und vor allem auch die auf der
sten Tour nicht erreichten knochenführenden Schichten des
bereocäns untersuchen.
Am 18. Februar verliess ich in Tamieh die Karawane um
1 Fajüm zoologische Objekte zu erwerben, meine Absicht
)er in der Birket-el-Qerün Plankton zu fischen, konnte ich
ider nicht durchführen, da es zu viel Zeit und Kosten bean-
irucht hätte und so kehrte ich nach Kairo zurück, wo auch
ein Kollege, der mit der Karawane auf dem direkten Wüsten-
ege zu den Gizeh-Pyramiden gezogen war, am 20. Februar
ilangte.
Um auch das Jungtertiär zu durchforschen, beschlossen
ir nun das Natronthal zu besuchen, wobei uns die Direktion der
)rtigen Salt and Soda Co. ihre Unterstützung zusagte. Wir
afen schon am 24. Februar abends bei der Fabrik dortselbst
lit Hilfe der von Katatbeh in das Thal führenden Kleinbahn
23*
344 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 8, November 1902.
der Gesellschaft ein und erfreuten uns dort der bereitwilligsten
Unterstützung der Angestellten der Compagnie, so dass wir in
mehreren Tagen unsere geologisch-paläontologischen Studien
durchzuführen im Stande waren und ich auch einige Plankton-
Fangzüge in den Salzseen machen konnte.
Nach Kairo zurückgekehrt fuhren wir dann am 4. März
von einem Diener begleitet mit der Bahn nach Wasta. Dort
mieteten wir drei Esel mit Treibern- und einen Wasserträger
und machten einen zweitägigen Ausflug in die östliche Wüste,
wo wir südlich des Uadi Ramlieh im unteren Mokättam nach
Fossilien suchten und zahlreiche schöne Fischzähne erbeuteten.
Direkt von Wasta aus fuhren wir endlich mit der Bahn
nach Luxor, wohin zu kommen uns Professor Schweinfurth
aufgefordert hatte. Mit ihm unternahmen wir dort einen Aus-
flug nach Qurna zur Untersuchung der dortigen Fundorte
prähistorischer Artefakte. Ich musste leider schon am 9. März
nach Kairo zurückkehren, um meine zoologischen Sammlungen
zu vervollständigen und am 15. nach Europa heimreisen.
Mein Reisegefährte machte jedoch bei Luxor mit Professor
Schweinfurth noch mehrere geologische Exkursionen und dann
auch einige bei Kairo und fuhr erst am 21. März nach
Triest ab.
Unsere Fossilfunde, die wir an die paläontologische Staats-
sammlung in München ablieferten, umfassen hauptsächlich der
Absicht unserer Reise entsprechend Wirbeltier- Reste und zwar
solche von Hai- und Knochenfischen aus dem Unter-Mokättam
des Uadi Ramlieh, dem Ober-Mokättam nördlich der Birket-
el-Qerün und dem Pliocän des Natronthaies, von Schildkröten
und Krokodilen aus den letzteren beiden Stufen sowie aus ober-
eocänen Schicliten nördlich von Qasr-es-Saga und endlich von
Sclilangen, Waltieren und Seekühen aus dem Ober-Mokattam
nördlich der Birket-el-l^erim und von Landsäugetieren von
ebenda sowie aus dem dortigen übereocän und dem Pliocän am
Fusse des Gart Muluk im Natronthale. Leider wurde unsere
pah'iontologische Ausbeute dadurch beeinträchtigt, dass die Haupt-
fund})lätze am Qeriin See und am Gart Muluk schon abgesucht
E, Stromer: (Jeher eine Reise nach Aegypten, 345
waren und dass die Stücke teils sehr verwittert teils recht zer-
brechlich waren, doch gelang es immerhin viele recht wertvolle
Reste zu bergen. Diese sind noch in Bearbeitung, im Folgen-
den will ich nur eine kurze Beschreibung eines der besten
Stücke, eines Zeuglodon-Schädels, geben. Ausserdem wurden
noch Conchilien und Gesteinsproben gesammelt und zahlreiche
Profile aufgenommen, die meinem Reisegefährten zur Vervoll-
ständigung seiner geologischen Beobachtungen dienen, deren
Resultate er im Folgenden bringen wird.
Es erübrigt mir nur noch auch im Namen meines Kol-
legen der hohen Akademie der Wissenschaften für die Be-
willigung von Mitteln, der Direktion des österreichischen Lloyd
für gewährte Fahrpreisermässigung, sowie all den Behörden
und Herren, die uns direkt oder indirekt unterstützt haben,
insbesondere Herrn Geheimrat v. Zittel, unseren Dank auszu-
sprechen.
Ein Schädel und Unterkiefer von Zeuglodon Osiris Dames.
Der Schädel, von welchem ich hier eine vorläufige Be-
schreibung und Abbildung gebe, wurde von mir am Westrande
der Plateaubucht nördlich von Dimeh gefunden. Er lag isoliert
und in mehrere Stücke zerbrochen auf einer Terrasse im unteren
Drittel des Plateauabfalles in grauem, z. Z. rotgelbem Mergel
(nach Dr. Blanckenhom unterer Knochenhorizont der Stufe II 5 a).
Infolge starken Gipsgehaltes desselben ist das Fossil leider
etwas verdrückt und die Oberfläche sowie der Zahnschmelz
speziell an den kegelförmigen Zähnen grossenteils zerstört.
Der Schädel ist von rechts oben her etwas schief ver-
drückt, die hinteren Backzähne sind beiderseits nach innen
gepresst und die Jochbogen sowie die Ohrregionen sind un-
vollständig. Ein sehr grosses linkes Paukenbein lag dicht bei
dem Schädel. Der rechte bis auf das Gelenkende vollständige
ünterkieferast war in seiner natürlichen Lage an den Schädel
346 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 8, November 1903.
E, Stromer: lieber eine Beiae nach Aegypten. 347
angepresst, er ist aber wie der linke hinter dem ersten Zacken-
zahn zerbrochen und etwas auseinander gezerrt. Von dem
anderen Ast, der etwas verschoben am Schädel lag, fand ich
auch das Gelenkende, während sein Symphysenteil oflFenbar
zerstört war, denn ich konnte davon nur drei isolierte Kegel-
zähne am Schädel liegend entdecken.
Wie die am Schlüsse angegebenen Maasse zeigen, ist der
Unterkiefer nur wenig grösser als der von Dames (Paläont.
Abb. Bd. V, Jena 1894, pag. 189 flf., Taf. 30) beschriebene
von Zeuglodon Osiris, der im gleichen Horizont einige Stunden
weiter westlich von Schweinfurth gefunden wurde. Ich habe
in BetreflF des Unterkiefers die Angaben von Dames nur in
wenigem zu ergänzen und zu berichtigen.
Das nur schlecht erkennbare Hinterende der sehr langen
Symphyse ist wohl unten durch ein kleines Eck unter der
Mitte des rechten ersten Zackenzahnes angedeutet. Die Ab-
stände der Kegelzähne sind nicht ganz gleich, diese sind alle
ein wenig nach hinten innen gekrümmt. An dem zweiten
Kegelzahn kann ich keine Kante hinten erkennen, der letzte
ist stärker als die anderen, etwas mehr oval im Querschnitt
und eine Teilung seiner Wurzel innen durch eine Furche nur
eben angedeutet. Die Grube hinter dem ersten Zackenzahn ist
deutlich länger als Dames fand, vielleicht vor allem, weil
Brüche hier durchgehen. An dem 2. linken Zackenzahn
und am 3. beiderseits fand ich hinten unten noch eine ganz
kleine 4. Zacke, die oberste hintere am 4. Zackenzahn ist
deutlich und am 5. hinten unten eine kleine 3. Zacke aus-
gebildet.
Die Vorderseite des 1. Zackenzahnes ist kaum sehr scharf,
die des vierten aber scharf statt gerundet. Am sechsten ist
die Rinne für den vorletzten Zahn buccal nur schlecht be-
grenzt, da hier eine Kante kaum ausgebildet ist, auch ein
Basalhöcker ist nicht vorhanden. Ei^ Cingulum endlich sehe
ich nur am dritten rechten Zackenzahn buccal hinten ange-
deutet und der Schmelz ist ganz fein senkrecht gestreift.
348 Sitzung der mathrphys, Classe vom 8. November 1902,
Der Processus coronoideus steigt direkt hinter dem letzten
Zahn jedoch nicht steil an und ist im Gegensatz zu dem der
typischen Zahnwale wohl entwickelt. Der Condylus ist nur
wenig höher als breit und nur etwas von oben nach unten
konvex, sein inneres oberes Eck springt deutlich vor.
Die oberen Kegelzähne entsprechen in Zahl und Form
den unteren, sie nehmen nach hinten an Stärke zu und am
fünften ist lingual auch eine Teilung der Wurzel eben ange-
deutet, die Wurzel aber thatsächlich einfach. Die ersten sind
nicht ganz vorn und nicht wie die unteren dicht aneinander
gerückt. Die Abstände der Zähne sind übrigens auch hier
nicht ganz gleich.
Die Kronen der meisten Zackenzähne sind leider etwas
lädiert oder abgebrochen, durch gegenseitige Ergänzung der
beiderseitigen Zähne lässt sich aber die Form fast stets fest-
stellen.
Der erste zweiwurzelige Zackenzahn bildet auch hier ein
ziemlich gleichschenkeliges Dreieck, an seiner scharfen Vorder-
kante sind wahrscheinlich 3 kleine, an seiner Rückkante 3
grössere und nach unten klein werdende Zacken ausgebildet.
Die Lücke zwischen ihm und dem nächsten Zahn ist links
sehr gering, rechts wohl infolge von Verdrückung überhaupt
nicht vorhanden, die weiteren Zähne stehen wie unten dicht
aneinander gedrängt. Der zweite nur links vorhandene Zacken-
zahn ist wohl nur durch Verdrückung ganz ungleichschenke-
lig, er besitzt vorn mindestens 3, hinten 2 deutliche und
unten eine ganz kleine Zacke und buccal vorn anscheinend
ein ganz schwaches Cingulum.
Der dritte Zackenzahn ist wieder ziemlich gleichschenkelig
und besitzt vorn 2, hinten 3 deutliche Zacken, welch letztere
nach unten zu kleiner werden. Die 2 letzten Zähne, nur links
erhalten, sind deutlich kleiner als die vorderen, fallen nach
vorn etwas steiler als nach hinten zu ab und besitzen vom
eine, hinten 2 deutlicher Zacken.
Was nun die Zahnfonnel anlangt, so lässt die deutliche
Naht zwischen Ober- und Zwischenkiefer erkennen, dass hier
E. Stromer: üeber eine Beige nach Äegypten, 349
wie bei den bisher beschriebenen Zeuglodon- Arten oben und
unten 3 Eckzahn-ähnliche Incisivi vorhanden sind, und dass
im Gegensatz zu fast allen Angaben der 1. Prämolar kegel-
förmig mit ungeteilter Wurzel ausgebildet ist. Ob man die
3 weiteren oben und unten ziemlich gleichschenkelig aus-
gebildeten Zackenzähne als Prämolaren und die letzten 3 Zähne
unten, resp. 2 oben, als Molaren betrachten darf, lässt sich
mit Sicherheit nicht angeben.
Wie. vorn am Unterkiefer, so finden sich auch oben
Gruben für die Spitzen der opponierten Zähne, die vorderste
liegt vor dem 1. Zahn, die weiteren bis zum 1. Zackenzahn
befinden sich buccal, die letzten aber lingual. Die Grenze
von Ober- und Zwischenkiefer am harten Gaumen lässt sich
leider nicht erkennen, dieser bildet zwischen den drittletzten
Backzähnen wie beim Delphin einen stumpfen Winkel, ^er ist
hier verdrückt, so dass sich nicht feststellen lässt, ob nicht
Lücken vorhanden waren. Da das Gaumendach noch min-
destens 0,05 m hinter die letzten Zähne reichte und die seit-
liche Begrenzung der Choanen als allerdings schwache Kanten
an der Schädelbasis fortgesetzt sind und auch der Seitenrand
des Basioccipitale ähnlich wie beim Delphin vorspringt, ist
die Schädelunterseite, soweit erkennbar, ziemlich Denticeten-
ähnlich ausgebildet.
Das isoliert bei dem Schädel gefundene Paukenbein ist
im Verhältnis zu diesem sehr gross, so dass nicht sicher ist,
ob es zu ihm gehört, es gleicht so ziemlich dem von Joh.
Müller in seiner Monographie über Zeuglodon Tafel II abge-
bildeten, lässt aber die beim Delphin deutliche Einkerbung
am Hinterende erkennen, während der zapfenformige Vorsprung
am freien Rande wohl abgebrochen ist.
Der Himschädel und die Schläfengruben haben gar nichts
Walfisch-ähnliches, sie gleichen vielmehr, speziell von oben ge-
sehen, im allgemeinen Habitus aufftillig denjenigen von Otaria.
Die Condyli occipitales sind viel deutlicher abgesetzt als beim
Delphin, stark konvex und laufen ventral gegen die Mediane spitz
zu. Die Crista occipitalis und sagittalis springt ähnlich wie
350 Sitzung der mathrphys, Classe vom 8, November 1902.
bei Otaria stark vor, das Hinterhaupt ist etwas konkav und
median kaum mit einer Kante versehen, rechts ist deutlich die
Naht des stark seitlich ausgedehnten Occipitale laterale mit
dem Squamosum zu sehen, oben wie an den Schläfengruben
sind aber leider keine Nähte erkennbar.
Letztere sind sehr weit und nicht von den Augenhohlen
abgegrenzt, diese aber sind vorn wie beim Delphin von seitlich
stark vorspringenden Fortsätzen der breiten Stirn überdacht
und hier ziemlich klein, ihr Vorderrand liegt ober dem des
letzten Backzahnes. Der die untere Begrenzung bildende Joch-
bogen war wohl wie beim Delphin ziemlich gerade, ist vom
stabförmig, hinten aber am Squamosum stark und seitlich
platt. Das nur zum kleinen Teil erhaltene Gelenk für den
Unterkiefer sah wahrscheinlich in der Hauptsache nach vom.
Die sehr gut sichtbare Umgrenzung der Nasenbeine zeigt,
dass deren Hinterende ungefähr ober dem Rostralrande der
Augenhöhle und das Vorderende ober dem des 1. Zackenzahnes
liegt. Die Prämaxillen reichen als schmale Streifen bis neben
die Mitte dieser Knochen, während die Naht zwischen den
Stirn- und Oberkieferbeinen wohl von deren Hinterende aus-
gehend zur Seite herabläuft. Die Prämaxillen begrenzen die
nach vorn in eine schmale Furche auslaufende Nasenöffhung
seitlich und besitzen an dieser Furche eine vom und hinten
verlaufende Längskante. Die Naht endlich zwischen ihnen
und den Oberkiefern lässt sich sehr deutlich bis zu der Grube
für die Spitze des unteren Eckzahns hinter dem 3. Kegelzahn ver-
folgen, wie sie auch bei Squalodon und manchmal auch bei
recenten Delphinen verläuft. Die scharfe lange Schnauze ist
also wieder etwas Zahnwal-ähnlich.
Maasse in Metern.
Unterkiefer.
Al.rtluiul der Spitze von dem Vorderrand des 1. Zackenzahnes 0,25
„ von dp ^'° zum Hinterrand des 6. „ 0,235
MliiK«' •'•''• • '^"i 2.- G. Zackenzalin . . . 0,178 (0,174)
hiiliM df« . 2. Kegelzahn .... 0,024
l. Zackenzahn . . 0,031 (0,03)
E, Stromer: lieber eine Reise nach Äegypten.
351
Höhe des Kiefers unter dem 2. Eegelzahn
, , , , « !• Zackenzahn
• s » » » O. ,
, , , am Proc. coronoideus
Abstand der 1. und 2. Zahnalveole
, . Alveolen bis zum 1. Zackenzahn
Grube hinter dem 1. Zackenzahn
Längsdurchmesser der Alveolen der Kegelzähne
Querdurchmesser , , » ,
Länge der Basis des 1. Zacken zahnes
, . . 2.
. , . 3.
. . . 4.
. . . 5.
. . . 6.
Öondylus
i sinister grösste Höhe
r
Breite
0,038
0,058
0,115 (0,116)
0,185 (0,18)
0,012
0,029-0,025
0,024 (0,022)
0,02-0,025
0,010-0,017
0,036 (0,038)
0,05 (0,049)
0,051
0,028 (0,027)
0,026
0,028
(0,033)
(0,032)
Schädel.
Länge von der Schnauze bis zum For. magnum . 0,68
, des harten Gaumens, mindestens .... 0,52
Breite des Gaumens am 5. Kegelzahn, ungefähr . . 0,038
, grösste am Proc. zyg. Squamosi „ . 0,28
, , der Stirn, ungefähr . 0,24
Entfernung der Schnauze vom hinteren Nasenlochende . 0,28
, von da bis zur Mitte der Crista occip. . 0,36
Länge der Nasenbeine 0,16
, des linken Zwischenkiefers, ungefähr . 0,345
Höhe des Hinterhauptes vom ObeiTand des For. magnum
zur Mitte der Crista occip., ungefähr .0,13
Längsdurchmesser der Basis des 2. Kegelzahnes 0,02
,5. „ ... 0,025 (0,022)
(juerdurchmesser , , ,5. „ . .0,016
Länge der Basis des 1. Zackenzahnes .... 0,043 (0,042)
. . . ,2. , 0,051 (0,042)
. , . ,3. , 0,039
. , , .4 (0,024)
. . . ,5. . (0,02)
Abstand des Vorderrandes des 1. und 6. Zahnes 0,265 (0,257)
, von da bis hinter den letzten Zahn . . (0,183)
Zahnreihe-Länge vom 2. bis letzten Zackenzahn . (0,127)
352 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 8, November 1902.
Linkes Paukenbein.
Grösate Länge (0,072)
Breite (0,05)
(Die links abgenommenen Maasse sind in lUammem angegeben,
wo sie von den anderen abweichen oder wo diese nicht abnehmbar sind.)
353
Neue geologisch-stratigraphische Beobachtungen
in Aegypten.
Von Max Blanckenhorn.
(Singtlaufen 8. Notember.)
Die bisherige geologische Erforschung Aegyptens hat,
trotzdem sie gerade im letzten Jahrzehnt durch die Studien-
reisen und Aufsammlungen Schweinfurths, Mayer-Eymars,
Sickenbergers, Fourtaus, HuUs, E. Fraas und anderer
Forscher und die Aufnahmsarbeiten der 1896 neu gegründeten
Geological Survey of Egypt unter Captain Lyons Direktion,
an denen ich selbst mich auch 2 Jahre beteiligte, ganz un-
geahnte Fortschritte gemacht hat, doch noch viele offene
Fragen und Lücken in der Erkenntnis der geologischen Ver-
gangenheit Aegyptens gelassen. Auf meiner diesjährigen, mit
wohlwollender Unterstützung der Königlich Bayerischen Aka-
demie der Wissenschaften gemeinsam mit Herrn Privatdozent
Dr. Stromer v. Reichenbach unternommenen Reise nach Aegypten
bemühte ich mich, einer Lösung wenigstens eines Teils dieser
Fragen nachzugehen und den Besuch solcher Punkte in das
Keiseprogramm aufzunehmen, die neue geologisch-stratigraphi-
sche Ergebnisse versprachen.
Schon die am besten bekannte, weil leicht erreichbare
Umgegend von Kairo, die einen der geologisch interessantesten,
paläontologisch reichsten Teile Aegyptens darstellt, bietet für
den Geologen eine Fülle von anregenden Fragen und Rätseln,
die noch nicht in vollkommen befriedigender Weise gelöst
sind. Von der östlichen Nilseite nenne ich hier nur folgende
Themata: das Schichtenprofil des Eocäns am Gebel el-Ahmar,
354 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 8. November 1902,
an den Mosesquellen, am Bir el-Fahme und am Gebel Turra
und Hof; die Veränderungen im Profil der Eocänschichien in
nordsüdlicher und westöstlicher Richtung; die nördliche Ver-
breitungsgrenze der eocänen Mokattamstufe; das genaue Alter des
Gebel Ahmar-Sandsteins und der Versteinerten Wälder; das even-
tuelle Vorkommen fossiler Knochen zwischen den Versteinerten
Wäldern ; das genaue Alter des Basalts von Abu Zabel und der
übrigen Basalteruptionen im N. der Arabischen Wüste, die gang-
formigen Sandsteinbildungen daselbst, das westlichste Vorkommen
des echt marinen Miocäns; das Alter der Dünen von Ehanka;
die tektonischen Verhältnisse im südlichen Mokattamgebirge.
Auf dem linken Nilufer tauchen wieder andere Fragen
auf: Gehören die tiefsten Kreideablagerungen unter der Ga*a-
Pyraniide dem Cenoman oder Turon an? Wie ist das Eocän
und Oligocän im NW. von Abu Roasch beschaffen? Welche
Schichten des Eocäns enthalten die von Fourtau, Cossroann
und Prien beschriebenen Seeigel, Konchylien und Fischreste
am Gebel Kibli el-Ahram? Gibt es marines Miocän im S. der
grossen Pyramiden? Bilden die Clypeastersandsteine am Gebel
Schellul eine besondere Pliocänstufe unter den Sauden mit
Ostrea cucullata?
In weiterer Entfernung von Kairo verdienten zunächst
die stratigraphischen und tektonischen Verhältnisse im Pliocän
des Wadi Ntitrün weitere Aufmerksamkeit. Seit Russeggers
Besuch im Jahre 1836 war dieses Thal nur höchst selten und
dann immer ganz flüchtig von Geologen besucht worden, so von
Sickenberger 1892, von Lyons 1894, von Beadnell 1897, von mir
1898 (auf nur 2 Nächte), von Barron und Andrews 1901.
Auch die übrigen nördlichen Teile der Libyschen Wüste
bedürfen noch sehr der geologischen Erforschung. Ganz be-
sonders gilt das für das Dreieck zwischen dem Wadi Natrün,
den Pyramiden von Gizeh, dem Nilthal und dem nördlichen
Fajümrtind, das auch von der Geological Survey of Egypt
noch nicht ernstlich in Angriff genommen worden ist, obwohl
es vor den Thoren Kairos gelegen ist. Im NW. der Birket
el-Qerün interessieren die dort durch ihren Fossilreichtum
M. Blanekenhom: Geologisch-stratigraphiache Beobachtungen, 355
geradezu berühmten Oberen Mokattamschichten, ebenso wie die
höheren fluviomarinen obereocänen und oligocänen Ablage-
rungen mit ihren Basalten und die tektonischen Verhältnisse.
Im südlichen Oberägypten bedarf die Konchylienfauna
der Grenzschichten zwischen Kreide und Eocän, der Kurkur-
stufe und der Esnehschiefer bei Theben, aus denen sich bisher
so gut wie nichts in Deutschen Sammlungen befand, noch
gründlicher Studien. Das Vorkommen und die Entstehung
der roten Breccien ist noch aufzuklären, weiterhin die Her-
kunft des Natrons im südlichen Natronthal bei el-Qab und
bei Bir Malha im S. der Selima-Oase in Oberägypten, ebenso
wie im Wadi Natrün und Wadi Tumilät. Die Diluvialterrassen
des Nilthals mit ihren eingeschlossenen Artefakten spielen für
die wichtige Frage nach dem relativen Alter und der Kultur
des paläolithischen Menschen in Aegypten eine ausschlag-
gebende Rolle.
Es könnten noch viel mehr derartige lösenswerte Fragen
der Geologie Aegyptens aufgezählt werden. Die angeführten
genügen, um zu zeigen, dass Aegypten, speziell die Umgebung
des Nilthals ausser rein paläontologischen auch zahlreiche
geologische Forschungsziele bot, die eine wissenschaftliche
Studienreise lohnend und interessant machen konnten. Es
versteht sich von selbst, dass wir während eines 2 */a monat-
lichen Aufenthaltes in Aegypten nur für einen Teil dieser
mannigfachen Themata die nötige Zeit zu Studien und Beob-
achtungen fanden.
Die geologischen Ergebnisse unserer Reise verteilen sich
sachlich geordnet in 7 Kapitel. Sie bringen Neues zur Kenntnis:
1. der Grenzschichten zwischen Kreide und Eocän im
Nilthal,
2. der Mokattamstufe oder des Mitteleocäns,
3. des Obereocäns und Oligocäns,
4. der Basalte der Libyschen Wüste,
5. des Neogens und Quartärs im Nilthal,
6. des Pliocäns im Wadi Natrün,
7. der tektonischen Verhältnisse.
356 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 8. November 1902.
1. Ueber die Grenzschichten zwischen Kreide und Eocftn
in Aegypten.
Im Jahre 1868 machten Delanotte und d'Archiac*) in
einer Beschreibung eines geologischen Profils der Gegend von
Theben auf eine paläontologisch besonders ausgezeichnete
Schicht von Blättermergeln aufmerksam, welche an der Basis
der dortigen Plateauabfälle in einer Mächtigkeit von 31 m
erscheint und eine Schicht weissen, fossilleeren Kreidekalks
zur Unterlage hat. Es sind aschgraue Mergel oder Papier-
schiefer, biegsam wie Papiermaschee mit vielen Konkretionen
und Muschelsteinkernen von Brauneisenstein. Die Fauna dieser
Schicht 5 des Delanoüe'schen Profils ist lokal, speziell bei
Theben ungewöhnlich reichhaltig. D'Archiac*) identifizirte
nach Delanoües Aufsammlungen mehr als 40 Formen von
kleinen Mollusken, Seeigeln, Crinoiden und Einzelkorallen mit
bekannten Arten des Londonthons der Themse, der sandigen
Thone von Bracklesham und der ältesten Nummulitenschichten
Europas. Diese Liste bedarf heute sicher einer Revision.
V. Zittel,^) der die in Paris aufbewahrten Originale
Delanoües und d'Archiacs einer flüchtigen Prüfung unterzog,
hielt jene Schichten für Aequivalente seiner obersenonen
Blättermergel der grossen Oasen, die ja ebenso wie die Fauna
der dortigen obersten weissen Kreide einen halbeocänen*)
Charakter besitzt. Doch machte er selbst keine Aufsamm-
lungen darin. Auch sonst ist seitdem von weiteren Funden
oder paläontologisclien Studien in diesen Schichten nichts be-
sonderes bekannt geworden. Wunderbarerweise scheint Mayer-
^) Note 8ur la Constitution geol. des environs de Thebes, presentee
par d'Archiac.
Compt. rend. hebd. des seances de l'acad. des sc. 1868. Paris.
2) Remarques ä propos de la communication de Delanoüe sur las
füss. den environs de Thebes. Ibidem p. 707.
^) Beiträt^e zAir Geologie der Lib. Wüste. Palaeontogr. XXX, Vorwort,
p. 78 und 103.
^) Wanner. Die Fauna d. oberst. weiss. Kreide d. libyschen Wüste.
Palaeont. XXX. 1902. S. Ü2.
M. Blanchenhom: Geölogisch-stratigraphische Beobachtungen. 357
Eymar, soweit mir bekannt, hier nicht zum Sammeln ge-
kommen zu sein. In seinem System des Tertiärs würde es
wohl, vermute ich, unter sein Suessonianum II fallen.
Fourtau*) sprach 1900 die Meinung aus, dass die Blätter-
mergel von Theben eine pelagische Facies der untersten
Suessonienstufe repräsentiren , welche weiter südlich in der
Oase Kurkur in litoraler Facies als Thon mit Bothriolampas
abundans, May.-Eym. sp., und anderen Fossilien entwickelt seien.
Diese charakteristische 5 m starke Schicht von gelbem
Mergelthon war zuerst von Willcocks und Sickenberger
zwischen der Oase Kurkur und dem Gebel Garra westlich
Assuan sowie auch an den Dunguiquellen elitdeckt und später
von Mayer -Eymar untersucht worden. Sie führt Seeigel,
Austern und andere Mollusken in Form von ockergelben,
kalkigen Steinkernen oder schlecht erhaltenen Schalen, sowie
das im Eocänkalk oder Mergel Aegyptens die Regel ist. Dabei
gehören die Formen mit Ausnahme des Bothriolampas alle
den im Eocän herrschenden Gattungen, zum Teil auch den-
selben Arten an. Dass es sich bei Theben und Kurkur um
2 ganz verschiedene Facies handelte, war klar.
In Ermangelung von prüf barem paläontologischem Material
von Theben schloss ich mich 1900 mit Vorbehalt vorläufig
Fourtaus Meinung an und betrachtete die Blättermergel des
Nilthals als heteropisches Aequivalent meiner „Kurkurstufe**.*)
Mit letzterer eröflEhete ich im Anschluss an Mayer-Eymar, der
die Kurkurstufe als Suessonianum I bezeichnet hatte, die Reihe
der Untereocänstufen, die so auf die Zahl drei (Kurkurstufe,
Untere und Obere Libysche Stufe) erhöht war.
Die engUsch-ägyptischen Geologen Beadnell, Barron und
Ball kamen bezüglich des Alters der Blättermergel im Nilthal,
die sie von Esneh bis Qeneh verfolgten, zu der nämlichen
Auffassung und einigten sich für dieselben nach einem typi-
') Observations sui* les terr. eocenea et oligocenes d'Egypte. Bull.
80C. geol. France. (3) XXVII, 1900, S. 481.
*) Zeitschr. d. Deutach. geol. Ges. 1900, p. 405.
1902. Sitemigsb. d. maih.-phys. Cl. 24
358 Sitzung der math^phys, Classe vom 8. November 1902.
sehen Vorkommen über den Namen „Esnehschiefer*, den sie
auf dem Pariser Internationalen Geologen -Congress 1900 in
Vorschlag brachten. Die eigentlichen Kurkurschichten blieben
ihnen hingegen unbekannt.^)
Ihre Esnehschiefer haben nun die genannten Geologen
auch in der Oase Chargeh (hier 80 m stark) und Farafra (hier
in der ungewöhnlichen Mächtigkeit von 150 m) wieder zu er-
kennen geglaubt. Diese Identificirung muss vor näherer paläonto-
logischer Begründung auf einige Zweifel stossen. Was die
dem Nil zunächst gelegene Oase Chargeh betrifft, so war auch
Mayer-Eymar auf Sickenbergers Beobachtungen hin geneigt
dortselbst ein Suessonianum II d. h. tiefes Untereocän speziell
im NNW der Oase am Gebel Kamlieh anzunehmen. Ball, der
die Oase am genauesten untersuchte, erklärt seine Esneh-
Schiefer, die nur am Ostrand der Oase Chargeh deutlich aus-
gebildet sein sollen, für versteinerungsleer, hat also jedenfalls
nichts darin gesammelt, so dass sich vorderhand nichts weiter
darüber sagen lässt.
In der Oase Farafra hatte v. Zittel den ganzen Abhang
des Plateaus von el-Guss Abu Said zum Typus seiner Libyschen
Stufe erhoben, deren grösster Theil von dunkelgrünen Mergeln
eingenommen war. Die von v. Zittel gegebene Faunenliste
dieser Schichten (darunter Operculinen, Nummuliten) schliesst
sich in vieler Beziehung aufs engste an die höheren Teile der
Libyschen Stufe und unterscheidet sich durchaus von der Liste
der Blätterthone von Theben bei d'Archiac, so dass diese beiden
jedenfalls gar nicht verwechselt werden können. Beadnell')
hat trotzdem diese 100 — 150 ra Schieferthone unter den eigent-
*) In einer soeben erschienenen Publikation des Survey Department:
On the topof^raphical and geological results of a reconnaissance-survey
of Jebel Garra and the Oasis of Kurkur. Cairo 1902 von J. Ball wird
auf die gelben Suessonienthone mit „Rhynopygus (!) abundans* von
Kurkur nur mit wenigen Worten negativen Inhalts eingegangen, indem
der Verf. diese goologisch zweifellos interessanteste Schicht der Kurkur-
(legend gar nicht gesehen hat.
2) Farafra Oasis: Its topography and geology. Geolog. Survej
Kijport 13DÜ. III. Cairo 1901, p. "20.
M, ilanckeväiom: Gealogisch-stratigraphische Beobachtungen. 359
liehen Alveolinenkalken oder dem Plateau Liruestone von der
Libyschen Stufe Zittels abgetrennt und ihr als (eocäne) Esneh-
Schiefer gegenübergestellt. Das widerspricht allen Regeln der
Nomenklatur und ist eine sträfliche Vernachlässigung des
paläontologischen Moments.
Nur an einigen Stellen, so 8 Kilometer westlich Farafra,
beobachtete Beadnell an der Basis des Thonkomplexes Blätter-
thone mit Brauneisenstein-Fossilien, die angeblich *) kretaceischen
Gattungen angehören. Es sind nach meinen eigenen früheren
Bestimmungen und Notizen dazu : Einzelkorallen neuer Gattung
der Familie der Eupsammiden (jetzt Palaeopsammia Wanner),
Trochocyathus sp., Macropneustes sp., Nucula (wohl chargensis
Quaas), Leda (leia Wann.), Axinus (cretaceus Wann.), Natica
(farafrensis Wann.?), Alaria (wohl Schweinfurthi Quaas?),
Cinulia (Ptahis Wann, sp.), Cassidaria sp., Trochus sp., Voluta sp.,
Pleurotoma (?) sp.: Das sind lauter Formen, wie sie die
tieferen obersenonen Blättermergel unter der weissen Kreide
charakterisiren .
Diese 3 — 5 Meter Blätterthon *) allein, welche Beadnell
der Kreide zurechnet, wäre er berechtigt gewesen als Esneh-
Schiefer zu bezeichnen, nicht aber die höheren 150 Meter.
Denn sowohl d'Archiacs Liste als Beadnells^) eigne kurze An-
gabe über die Fauna der Esnehschiefer („Nucula, Leda, Aturia,
Nautili*) passt auf diese kretaceischen Schichten, nicht auf die
höheren, sicher eocänen.
Legt man die bisherigen Kenntnisse, die wir von dem
stratigraphischen und paläontologischen Charakter der Blätter-
mergel der Gegend von Theben und Esneh haben, zu Grunde,
so kann man unter Esneh-Schiefer nur eine Stufe oder Schicht
in der Facies der Blättermergel verstehen, welche über dem
weissen Kreidekalk mit Ananchytes ovata, Schizorhabdus liby-
1) 1. c. p. 21.
') «green shaly clays with numerous fossils in ironstone."
^) Recent Geolog. Discoveries on the Nile Valley and Libyan Desert
1900, p. 5 und Compte Rendu du VIII Congres Geolog. International
1900. Paris. 2 fasc. p. 842.
24*
360
Sitzung der math.-phys, Glosse vom 8. November 1902.
cus etc. und unter der Libyschen Stufe Zittels mit Operculina
libyca, Alveolinen und Nummuliten liegt. Die Fauna wäre
nicht eocän, wie die der Libyschen Stufe, sondern vorwiegend
kretaceisch und schlösse sich aufs engste an diejenige der
Blättermergel des Oberdanien der Oasen an.
Nachdem letztere jetzt von Quaas genau untersucht und
beschrieben ist, erscheint nun ein Vergleich der Fauna der
wirklichen Esnehschiefer höchst wünschenswert.
Es gelang mir, während meines diesjährigen Aufenthaltes
in Luxor einen Fossilienfundort ausfindig zu machen. Er liegt
über dem Fuss des Gebirgs-Steilabfalls hinter dem Hügel von
Scheich Abd el-Qürna zwischen Der el-Bahri und Der el-
Medine etwa an der dortigen Wasserscheide. Dann machte
ich noch Herrn Professor Schweinfurth auf diesen Abhang
aufmerksam, der nachher noch mit viel Erfolg hier gesam-
melt hat.
Fig. 1.
\V
N.^
SA.
L.
^Sm
0 Petrefakten.
B. = Breccie.
L. = Knollenkalk der Libyschen Stufe.
E. = Esneh-Schiefer.
SA. = Hügel Scheich Abd el-Qttrna.
Diese zusammengebrachte Ausbeute übergab ich Herrn
Dr. Paul Oppenheim in Charlottenburg, der sie unter Be-
nützung der Monographieen von Wanner und Quaas einer
genauen Prüfung unterzog. Das Ergebnis derselben waren
die folgenden Bestimmungen : ^)
0 Die Beschreibung dieser Fauna folgt unten in besonderem Anhang.
M, Blancktnhom: Geologisch^stratigraphische Beobachtungen, 361
Palaeopsammia Zitteli Wann.
Pattalophyllia aegyptiaca Wann. sp.
Pentacrinus sp.
Terebratulina chrysalis Schloth.
Limea Delanoüei Opp. n. sp.
Leda leia Wann.
Leda cf. Zitteli J. Böhm.
Nucula sp. cf. chargensis Quaas.
Äxinus cretaceus Wann.
Neaera aegyptiaca Opp. n. sp.
Trochus sp. äff. margaritifer J. Böhm.
Natica farafrensis Wann.
Eulima Wanneri Opp. n. sp.
Cerithium abietiforrae Wann.
Alaria sp. Quaas.
Voluta (Scaphella) aegyptiaca Wann.
Cinulia Ptahis Wann. sp.
Aturia praeziczac Opp. n. sp.
Nautilus desertorum Zitt.
Lamroa? sp. äff. Vincenti Winkl.
Die Uebereinstimmung dieser Fauna mit derjenigen der
Danien-Blättermergel unter der weissen Kreide ist danach über-
raschend. 13 Arten sind identisch mit kretaceischen der Oasen,
darunter befinden sich ganz charakteristische Kreidetypen wie
besonders die Cinulien. Zwei Formen schliessen sich an Arten
der Siegsdorfer Kreide im südlichen Bayern an. Nur 4 Arten
^ind neu. Darunter würde allerdings Aturia auf die Eocän-
fbrmation verweisen. Aber eine genaue Prüfung ergab, dass
die vorliegende Art jedenfalls nicht unbedingt identisch ist mit
bekannten Eocänarten, im besonderen A. ziczac, wie d'Archiac
glaubte, sondern eine Art Vorläufer davon darstellt.
Auch südlich Qeneh hat Schweinfurth ebenso wie Beadnell
die Blätterschiefer beobachtet und ersterer daraus schon früher
am Nordabfall der Berge von Taramsah die nämlichen Früchte
von Diospyros gesammelt, welche so bezeichnend waren für die
Danienmergel der Chargehoase.
362 Sitzung der mcUh.-phys. Classe vom 8, November 1902,
Auf der Ostseite des Nil in der Arabischen Wüste, so
z. B. am Südende des Gebel Abu Had nordöstlich Qeneh, ent-
wickeln sich die Esnehschiefer nach Barron und Hume^) in
ganz bedeutender Mächtigkeit bis insgesammt 122 Meter. Eine
Bank von gelbem Kalk schaltet sich hier ein und ein ähn-
licher stärkerer gelber Kalk mit Mergeln erscheint an ihrer
Basis. Die Mergel dieser Basiskalke, welche Barron-Hume
gleichfalls noch zum eocänen Esnehschiefer rechnen, führen als
charakteristischste Leitform Pecten Mayer- Eymari Newton,')
welcher nach meinen Untersuchungen mit der Hauptleitform
der weissen Kreide von Farafra und Baharije, dem variablen
Pecten farafrensis Zitt. zusammenfällt. Von meinen früheren
kritischen Bemerkungen^) zu P. Mayer-Eymari habe ich nichts
zurückzunehmen, nachdem jetzt auch Wanner nach Bearbei-
tung der Zittelschen Sammlung meine Auffassung vollkommen
bestätigt hat. So gewinnt es den Anschein, als ob die Esneh-
schiefer und Kalke des Nilthals und besonders der
Arabischen Wüste das Danien, das bisher von dort nicht
recht bekannt war, überhaupt vertreten. Diese Vermutung
wird verstärkt durch das zuerst meines Wissens von Mayer-
Eymar beobachtete Vorkommen von Baculiten in den betref-
fenden Ablagerungen am Nil und in der Oase Chargeh. Wenn
Barron und Hume die von ihnen gesammelten Proben von
Esneh-Mergeln und Kalken der östlichen Wüste selbst paläonto-
logisch etwas genauer geprüft hätten, so würden ihnen auch
die darin vorkommenden Baculiten und Protocardien (neben
ihrem Pecten Mayer-Eymari) nicht entgangen sein, denen sich
vielleicht noch mehr unbez weifelbare Kreidetypen anreihen
lassen. Und bei einer genauen Verfolgung der vertikalen Ver-
breitung des Pecten farafrensis würden sie diesen auch schon
im Canipanien, ihren Phosphat-haltigen Bonebeds etc. wahr-
1) Compte rendu du VIII Gongres Geol. Internat. 1900, p. 882.
2) B. Newton. Notes on some Lower Tertiary Shells from Egypt.
Geol. Miig. Dec. IV, Vol. V, N 414. 1808, p. 535, pl. XIX, f. 9—11.
3) Geologie Aegvptens 1901. II, p. 411 und III, p. 66.
M. Blanckenhorn: Geölogisch-stratigraphische Beobachtungen. 363
genommen haben, dagegen wohl kaum irgendwo in der Liby-
schen Stufe oder dem typischen Untereocän.
Nach Barron, Beadnell und Hume ist nun an vielen Orten
eine deutliche Diskordanz zwischen ihren Kreideschichten und
dem (eocänen?) Esnehschiefer vorhanden und diese Beobachtung
grade mag wohl den Gedanken nahegelegt haben, die Grenze
zwischen Kreide und Eocän unter den Esnehschiefern zu
suchen. Eine glückliche Beobachtung im Felde muss aber von
Geologen auch in der richtigen Weise gedeutet werden. Jede
stratigraphische Einteilung ist auch paläontologisch zu be-
gründen, sonst steht sie nur auf einem Bein. Mit dem Beob-
achten allein ist die Aufgabe des Feldgeologen nicht erschöpft.
Ist die gesehene interessante Diskordanz der Esnehschiefer
richtig, woran ich selbst durchaus keinen Anlass habe zu
zweifeln, so föUt, nachdem die alte Zittel'sche Auffassung von
der Zugehörigkeit der Schichten 5 und 6 in Delanoües Profil,
d. h. der Esnehschiefer zur Kreide nunmehr bestätigt und er-
wiesen ist, die grosse Diskordanz noch innerhalb der
obersten Kreide mitten ins Danien oder stellenweise
d. h. im Osten gar an die Basis desselben, nicht aber
an seine obere Grenze.
Als älteste Eocänschicht kann man dann immer noch jene
Ablagerung mit Bothriolampas der Oasen Kurkur und Dungul,
den Typus der Kurkurstufe, zwischen die kretaceischen Esneh-
schiefer oder deren Vertreter, die Kreidekalke mit Pecten
farafrensis, Schizorhabdus libycus einerseits und die Libysche
Stufe andererseits einschalten. Doch bedarf auch diese Kurkur-
Fauna erst einer eingehenden paläontologischen Untersuchung,
ehe man sich nach der einen oder anderen Richtung definitiv
entscheidet.
304 Sitzung der math.-phys. Classe vom 8, November 1902,
2. Die Mokattamstufe.
Nach dem Vorgange von Orlebar teilt man bekanntlich
diese von Zittel so benannte Eocänstufe nach ihrer Ausbildung
am Mokattamgebirge bei Kairo in zwei Hauptteile, die Untere
und die Obere Mokattamstufe. Nach dem herrschenden Farben-
gegensatz könnte man auch von einem Weissen und einem Braun-
gelben Mokattam sprechen. Von grösster Wichtigkeit für die
Trennung der beiden Abteilungen igt die auffällige Plateau-
stufe an ihrer Grenze, welche sowohl am Mokattam, wie auch
sonst in Aegypten am schärfsten unter allen Plateaustufen
innerhalb des Mitteleocäns ausgeprägt ist. Nur Schweinfurth
zieht in seiner Gliederung des Mokattam den über dieser
Hauptplateaustufe folgenden Tafle (= Thon) mit Cölestin
noch zur Unteren Mokattamstufe.
Da die Facies in der Mokattamstufe horizontal ausser-
ordentlich wechselt und mit ihr der Fossiliengehalt, ist es
ausserordentlich schwer, eine weitere Gliederung auf grössere
Entfernungen mit Erfolg durchzuführen. Das gelingt nur der
systematischen Arbeit des kartirenden Geologen, der vor allem
auch orographisch die einzelnen Schichten verfolgen kann.
Im Winter 1897/98 hatte ich das Glück, im Auftrage
der Geological Survey of Egypt die Mokattamstufe auf dem
rechten Nilufer wenigstens von der Gegend von Heluan bis
Maghagha begehen und kartiren zu können. Bei dieser Ge-
legenheit kam ich zu dem Resultat, dass für die Untere
grössere Abteilung der Mokattamstufe (I) der klassische
Ausgangspunkt einer weiteren Gliederung am besten im Wadi
esch-Scheich-Gebiet zu nehmen sei. Dort baut sich die
Untere Mokattamstufe schon orographisch in 4 deutlichen
Terrassen auf, während das Mokattamgebirge bei Kairo hier
mehr einen einzigen Abfall darstellt. Dort herrscht auch eine
bedoiitendore Mächtigkeit und ein grösserer Fossilreichtum
als am Mokattam. Das Haui)tleitf()ssil Nummulites Gizehensis
geht von den untersten bis in die obersten Schichten hinauf.
Deshalb nannte ich die (^anzo Stufe I auch die Gizehensis-
M, Blanckenhom: Geologüch-stratigraphische Beobachtungen. 365
stufe, innerhalb welcher das eigentliche Hauptlager dieses
Nummuliten freilich die zweite Schichtenabteilung ist.
Die 5 hier wohl unterscheidbaren Glieder bezeichnete ich
kurz als
1. Erste Mitteleocänterrasse A,
2. Eigentliches Gizehensislager, Terrasse B,
3. Haupt- oder Feuersteinterrasse C mit Milioliden, Dic-
tyoconos Blanck. g. n. und Lobocarcinus,
4. Vorterrassen. Vorherrschend Mergel mit der „ersten
Mauer*,
5. , Zweite Mauer** mit Bryozoen, Terrasse D.
Ein übersichtliches Durchschnittsprofil der Unteren Mo-
kattamstufe am unteren Wadi esch-Scheich zwischen Gebel
Qarara gegenüber Maghagha und dem Dorfe Der el-Hadid
gegenüber Feschn gab ich bereits in Zeitschrift der Deutsch,
geol. Ges. 1900, S. 423—425. Weitere genauere Profile be-
absichtige ich meinem offiziellen Bericht^) über meine da-
maligen Aufnahmen des östlichen Nilgebiets beizugeben. Hier
kann ich daher nicht weiter darauf eingehen.
Im allgemeinen sucht sich diese Fünfteilung möglichst
an diejenige des Unteren Mokattam bei Mayer-Eymar anzu-
schliessen. Nur meine mächtige, meist aus fossilarmen Thonen
und Mergeln gebildete Abteilung 4 entspricht nicht ganz der
vierten Schicht I d bei Mayer-Eymar, einer 1 — 2 m starken
kieselreichen Kalkschicht mit viel Konchyliensteinkernen, welche
in dieser Ausbildung nur eine ganz beschränkte Verbreitung
am nördlichen Mokattam hat, daher für weitere Zwecke nicht
zu verwerten ist. Uebrigens begegnet überhaupt eine Be-
grenzung von Schichtengruppen innerhalb der oberen grösseren
Hälfte des Unteren Mokattam d. h. oberhalb der Nummulites
Qizehensisbank (2) ganz ausserordentlichen Schwierigkeiten,
wie das schon Schweinfurkh*) betonte. Man kann da in jedem
Profil schwanken, wo zwischen Abteilung 3, 4 und 5 die
Grenzen zu legen sind.
^) Geological Survey Report. Cairo 1903.
2) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1883. S. 723.
366 Sitzung der math.-phys, Classe vom 8, November 1902,
Die Obere Mokattamstufe lässt sich im Gegensatz
zur Unteren am Mokattam sehr gut gliedern, da sie petro-
grapliisch aus mehrfach wechselndem, verschieden hartem
Material aufgebaut ist und infolgedessen schon in den Bö-
schungsverhältnissen deutliche und glücklicherweise konstante
Unterschiede erkennen lässt. Schweinfurth teilte den Oberen
Mokattam wesentlich nach orographischen Gesichtspunkten in 5,
Mayer-Eymar ebenfalls nach paläontologischen in 5 Schichten-
stufen. Meine Gliederung in 8 Unterstufen berücksichtigt beide
Gesichtspunkte, schliesst sich aber mehr an die Schweinfurth'-
sche an. Eine vergleichende Tabelle dieser verschiedenen
Gliederungen findet sich in meiner „Geologie Aegyptens* II
Seite 440.
Eigentlich sollte das Mokattamgebirge ebenso wenig als
Typus für die Obere Mokattamstufe gelten wie für die Untere.
Denn nirgends ist die Obere Stufe so wenig mächtig ent-
wickelt als am Gebel Mokattam. Im Fajüm in der Libyschen
Wüste ist sie mindestens dreimal so stark und viel reicher an
Fossilien, die auch eine ungleich bessere Erhaltung mit der
Schale zeigen, während sie am Mokattam fast nur in Stein-
kernen erscheinen. Aber abgesehen davon, dass die Wüste
jenseits der Birket el-Qerün schwerer zu erreichen ist als der
Mokattam, ist dort auch das Profil der Oberen Mokattamstufe
infolge ihrer Mächtigkeit über grosse Entfernungen ausgezogen
und schwerer im ganzen zu übersehen. So bietet das Mokat-
tamgebirge doch noch die bequemste Gelegenheit zur Gliede-
rung der Oberen Mokattamstufe.
Die 8 Unterabteilungen des Oberen Mokattam (D.) habe
ich s. Z. folgendermassen charakterisirt:
1. Gypsthon und Tafle mit Cölestin,
2. Kegion der kleinen Nummulitenbänke und Gastro-
podenbänke,
3. Unterer CaroHahorizont mit Carolien und Ostrea Cloti,
seil wache Stufe Inldend,
4. Plicatulaschichton mit Ostrea Cloti und häufigen
Plicatulen,
M, Blanckenhom: Geologisch-stratigraphiache Beobachtungen, 367
5. Austern-, Turritellen- und Schieferkohlenhorizont,
6. Sandkalk mit Vulsella, Carolia, Turritellen; oberer
Caroliahorizont, ausgesprochene Stufe bildend,
7. Bunte Thone und Sande,
8. Deckkalk mit Echinolampas Crameri, Steinkernen von
Cardien, Turritellen, selten: Plicatula, Carolia, Vulsella.
Auf unserer letzten Reise nahm ich an folgenden Orten
Gelegenheit, stratigraphische Studien über die Mokattamstufe
zu machen:
Auf dem rechten Nilufer in beiden Stufen am Wadi
Ramlieh schräg gegenüber Wasta, am Mokattam und am
Gebel el-Ahmar bei Kairo; auf dem linken Ufer nur in der
Oberen Mokattamstufe im Umkreis des Fajüm und am Chet
el-Ghoräb oder Gebel Kibli el-Ahram gegenüber Kairo. Im
Folgenden sei es mir gestattet, diese neu aufgenommenen
Profile zusammenzustellen. Die vorn stehenden Zahlen be-
ziehen sich auf die 13 Glieder meines Systems.
A. Rechtes Nilufer. Isolirter Zwillingshügel auf dem linken
Ufer des Wadi Ramlieh. Station XXVIII meines Sheet 12.
11,2 Kilometer ostsüdöstlich Der el-Meimün und 13 km süd-
östlich Burumbul. Höchster Gipfel dieser Gegend.
Fig. 2.
Mas-sstab der Höhe 1 : 2000.
9^ ^^
k
> 1 '■"^"'\
fi =2 >^
3
U 00
oS
0,50 m bröckliger Kalk,
0,80 m fester Grobkalk, gelbbräunlich, erfüllt von Nummu-
lites discorbina, Carolia, Vulsella^ Ostrea, Pecten, Car-
dium, Lucina, Natica, Tudicla(?), Scaphander Fortisi,
368
Sitzung der math.'phys. Classe vom 8, November 1902,
d
o
9 m gelbliche Mergel mit kleinen Wülsten, kleine Num-
muliten^
6 m gelber Nummuliten-K^iW mit groben Wülsten, Num-
mulites Beaumonti, sub-Beaumonti und discorbina. «Dritte
Mauer*.
U oo
0)
O 1
3 m gelbe Mergel. Hier Plateaustufe.
S 5
.2
9
•4^
1,2 m gelber Nummulitenkalk,
3,9 m gelbe mürbe Mergel im Wechsel mit
Bänken von gelbem Kalk ohne Nummuliten,
Lucina pharaonis,
, Zweite
Mauer*.
O
S 4
a
6 m gelbe und weisse Mergel,
0,50—1 m weisser Kalk, \
2,50 m bröckliger Mergelkalk, [ " .
2,50 m 4 knollige Bänke Kalk, i "" *
4 m verschüttet, Mergel,
3 m gelbweisse, schiefrige Mergelkalke.
3
3 m verschüttet bis zum Fusse des Berges.
B. Doppelgipfel, Station XX meines Sheet 12 auf dem linken
Ufer des Hauptarms des Wadi Kamlieh, 10 km östlich von
Der el-Meimün und 10,8 km südöstlich Burumbul.
Fig. 3 (1 : 2000).
'J^
X = Fischzähne und Tnrri-
tellen.
■ü ^
\D
i m gelblicher, knotig wulstiger Kalk ohne Nummuliten;
„Zweite Mauer"*.
r» ui treibe und weisse Mergel. Hier Plateaustufe,
•1 m Steiliibfall aus mehreren knotig wulstigen Kalkbänken;
,. Erste Mauer",
7 m lockere Mergel mit Gips.
M, Blanckenham: Geölogisch-stratigraphische Beobachtungen. 369
0,05—0,10 m rotes Band aus Roteisenstein und Gips. Fisch-
zäbne (Myliobates).
1,50—2,50 m Mergel mit Fasergips, Leda, Turritella
Boghosi Cossm. (häufig), Zähne von Ginglymostoma
Blanckenhorni Stromer n. sp., Oxyrhina Desori Ag.,
Odontaspis verticalis Ag. und cf. elegans Ag., Lamna
macrota Ag. sp., Carcharodon, Galeocerdo latidens Ag.,
Aprionodon frequens Dam., Amblypristis cheops Dam.,
Myliobate8,Ganoidschuppen,Coelorhynchu88tacheln,Teleo-
stierknochen, Wirbel von Seesäugetieren.
0,10 — 20 m braunrote harte Kalkbank, senkrecht prisma-
tisch zerklüftet, deren Oberfläche prächtige Winderosions-
erscheinungen, Windkanten und Sandrieselflächen zeigt.
Die tieferen Mitteleocänschichten zeigen sich auf dem
Wege von obigen Hügeln zum Nil bei Karimat und Burumbul
in folgender Weise entwickelt : Die Abteilung I 3, etwa 20 m
stark, nimmt vom Fusse jener Hügel an weithin eine ausge-
dehnte Ebene oder Terrassenlandschaft ein, in der sich 2 — 3
niedrige Terrassen über einander markiren, gebildet aus je
0,25 — 50 m dicken, hellrötlichen oder schmutziggelben härteren
Bänken zwischen stärkeren, bröcklig schiefrigen Mergellagen.
Die härteren Bänke führen häufig Fischschuppen.
Tiefer erscheint die Abteilung I 2 (20—25 m) in Gestalt
von weisslich grauen oder gelb weissen Kalkschiefern, welche
Steinsalzadem in ihren Fugen führen. Südwärts gehen sie in
gelbe, harte, grobwulstige Kalke über, die eine scharf ausge-
prägte Plateau terrasse bilden, wobei die obersten Bänke am
Rande grottenformig überhängen. Fossilien wurden ausser
den gewöhnlichen Lucinen in diesen Schichten hier nicht
gesammelt. Erst viel weiter südwärts und ostwärts in der
Arabischen Wüste zeigt sich, wie frühere Untersuchungen
gelehrt haben, gerade dieser Horizont ganz erfüllt von Schalen
des grossen Nummulites Gizehensis zusammen mit Numm.
curvispira, Gryphaea cf. Gümbeli und Schizasterarten, so dass
an der Vertretung der Gizehensisbänke (2) durch die fossilfreien
gelben Kalke bezw. weisslichen Kalkschiefer hier nicht zu
zweifeln ist. Als Ursache des lokalen Fehlens dieser Fossilien
370 Sitzung der matK-phys. Glosse vom 8, November 1903.
darf der Umstand aufgefasst werden, dass dieselben echte
Küstenbewohner waren, hier aber die ganze Untere Mokattam-
stufe in pelagischer Facies, z. B. auch ohne eine einzige Auster,
entwickelt ist. An der Grenze der Unterstufe I 2 gegen die
tiefere, d. h. am Fusse der steilen Böschung, ist eine Bank
mit grossen Nautili und Lucina pharaonis beständig.
Die tiefste Stufe, I 1 (ca. 25 — 30 m mächtig), setzt sich
bei Burumbul ähnlich wie das ägyptische Danien (vergl. oben)
aus einem echt pelagischen Wechsel von blendendweissen
Schreibkreidebänken von 18 — 90 cm Dicke und weissen, gelb-
lichen, dunkelgrauen oder schwärzlichen gips- und salzreichen
Blättermergeln zusammen. Von Fossilien nenne ich: cylindri-
sche Spongien, Schizaster Mokattamensis, Lucina pharaonis
und bialata, Spondylus sp., Cardita Viquesneli, Leda, Nucula,
Neaera, Turritella Boghosi, Natica, Aporrhais, Nassa, Styliola.
Die winzigen Gastropoden und Nuculiden sitzen oft in Massen
zusammen auf der Schichtfläche.
Aus der Gegend von Kairo dienen folgende typische Pro-
file zum Vergleich:
C. Steiler Aufstieg aus den Steinbrüchen hinter der Citadelle
an den Pulverkammern vorbei über den Basishügel Schwein-
furths zur Stution des Venusdurchgangs.
Fig. 41) (1:2000).
I = Signal bei
195 m (0. M.)
0 = LokaUttt VII
auf Sch weinf arUis
gcol. Karte.
Stb. = Steinbruch an der
hinteren PnWer-
kammer.
^) Die Schichten sind hier richtiger nicht horizontal, sondern etwas
nach 0. einfullend zu denken, wie es in Schweinfurths Profil (Zeitschr. d. D.
geol. Ges. 1883, Taf. XX) in freilich verstärktem Masse zum Ausdruck kommt.
M. Slanckenhom: Geologisch-stratigraphische Beobachtungen, 371
II
8
4V2~5m gelblicher, feinkörniger Kalksandstein, kavernös
mit Calcitdrüsen. Echinolampas Crameri, Anisaster gib-
berulus, Abdrücke von grossen Vulsellen, Spondylus,
Cardium 2 sp., Cardita Mokattamensis Opp. sp. n.,i)
Lucina, Macrosolen uniradiatus Bell, sp., Mesalia Hofana
M.-E., Turritella pharaonica Cossm.
7
(c. 7 m)
0,20 m gelber Sand,
2 m bunte Thone mit Gips, gemischt mit Sand,
0,40 m gelber knolliger Kalksandstein mit Calcit- und
Gipskrystallen,
4—5 m gelbe und grüne Thone. Hier Plateaustufe.
6
(3 m)
0,50 m 2 Kalkbänke,
2,50 m gelbe, harte, sandige Bank mit Pseudobohrmuschel-
löchern.
5
(1,30 m)
0,50 m Blätterthon,
0,80 m Bank mit ungemein dickschaligen (5 cm) Austern,
Pecten, Plicatula polymorpha, Area, Cardium obliquum
Corbula cf. gallicula, Natica, Xenophora, Cassidaria nilo-
tica, Terebellum.
4
(2,50 m)
1 m überhängende Bank mit viel Steinkemen: Vulsella,
Ostrea, Plicatula polymorpha (gemein), Pecten, Spondylus,
Area, Cardium, Natica, Xenophora, Cassidaria, Terebellum.
1— 1,50 m braungelber und grüngrauer mürber weicher
Sandstein mit grossen Löchern.
3
(2,80 m)
2 m 2 Bänke gelben dichten Sandsteins,
0,80 m Lage mit zahlreichen Schalen von Carolia, Cardium
obliquum, Corbula cf. gallicula Desh., Teredo, Mesalia
Locardi, Knochen.
2
(7 m)
0,70 — 1 m sandige Bank mit Nummulites Beaumonti,
0,90 m braune und blaugrüne Sand- und Thonlage,
1,30—2 m mürber Sandstein,
2 m blauer Thon und braungelbe Mergel mit Gips, .
^) Diese neue Art wird neben zahlreichen andern neuen Mollusken-
formen von Herrn Dr. P. Oppenheim, der augenblicklich die ganze Fauna
des ägyptischen Eocäns nach Zittels, Schweinfurths und meinen Auf-
sammlungen monographisch beai'beitet, im nächsten Jahre in derPalaeonto-
graphica veröffentlicht werden.
372
SUzung der math.-phys. Clatse vom 8. November 1902.
2
(7 m)
1,50 m gelbweisser Kalk mit Nummtdites Beaumonti, sub-
Beaumonti, Anomia tenuistriata, Cardium obliquum,
Teilina, Lucina gibboaula, Cytberea, Cardita, Turritella,
Solarium, Bostellaria u. and. Gastropoden.
1
(9,30 m)
II
7 m gelbliche und grauweisse Gipsmergel,
0,50 m orangebrauner harter Thonkalk,
0,80 m bunter ockrig- und grüngebänderter Thon (Tafle)
mit Cölestin,
0,50 m weisser Mergelkalk mit senkrechten Gipsadem,
0,50 m Mergel. Hier Plateaustufe.
I
5
(c. 25 m)
c. 8 m 4 Bänke blendend weissen, weichen Kalksteins mit
kleinen Röhrchen, Num. Beaumonti, sub-Beaumonti, dis-
corbina und subdiscorbina, Amblypygus dilatatus, Ser-
pula, Eschara äff. Duvali, Vulsella, Spondylus radula,
Ostrea Reili, Lucina pharaonis und metableta, Teredo,
Cardium obliquum, Turbinella frequens, Terebellum,
8—9 m Steilabsturz, Kalk mit Echinolampas Fraasi, Cono-
clypeus conoideus, Vulsella. .Zweite Mauer",
0,40 m gelbe Mergel,
8 m Nummulitenkalk mit , Hörn er "-Wülsten, kleinen Num-
muliten, Schizaster.
4
(20,20 in)
4,70 m zerfressener, knolliger Kalk mit Schizaster,
2 m mergelige Zwischenlage,
llV2m Steilwand aus Kalk mit Schizaster foveatus, Afri-
canus und Mokattamensis, Echinolampas Fraasi, Toxo-
brissus Lorioli, Echinopsis lybicus, Ciavagella, Vulsella,
Natica. „Erste Mauer",
2 m verschüttet.
3
I
c. 17—20 m (?) weicher Baustein der Steinbrüche (im hin-
tersten Steinbruch am Fusse des Bergabfalls nur 8 m),
Natica hybrida (== N. Ammonis Blanck) '), Turbinella
frequens, Lobocarcinus Paulino-Württembergicus, Car-
charodon auriculatus u. and. Haifischzähne.
Summe 98,4 m.
^) Die echten Ammonshörner sensu stricto der Alten (vergl. Blancken-
horn: Das Urbild der Animonsbürner in Naturwiss. Wochenschr. XVI. 6.
1901. S. 57).
M, Blanckenhom: Geologiach-stratigraphische Beobachtungen, 373
Die Gesammtmächtigkeit der Oberen Mokattamstufe (II)
9trägt in diesem Profil in der Mitte des Mokattam 37,40 m;
)n der Unteren Mokattamstufe (I) sind hier nur ca. 35 m
iif geschlossen, seine Gesammtmächtigkeit (unter HinzufQgung
3r Schichtengruppen 3, 2 und 1) dürfte sicher 100 m über-
eigen.
Südwestseite des Gebe! el-Ahmar links vom Reitwege nach
Ajun Musa. (16. 3. 1902.)
Fig. 5 (1 : 1000).
^
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1
5
I
II
3 — 4 m Sandstein mit Vulsella, Carolia (?), Cardita Mokat-
tamensis, Cytherea.
7
. 6,20 m)
5(?)
c. 2 m)
3—3,50 m Schutt,
0,90 m gelber Kalksandstein mit Vulsella, Lucina pul-
cbella, Cardium, Teredo longissima,
3 m weisser und graugelber Sand, Thon und Gipsmergel.
2—5 m Kalksandstein mit Steinkernen: Spondylus, Cardita,
Cardium, Corbula.
1— 1,60 m gelbbrauner Sandkalk mit Steinkernen,
0,75 m bröckelige Zwischenlage.
4
1,40 m)
0,70—1,10 m gelbgrauer, harter, rauher Sandkalk,
0,50 m ockergelbe, bröckelige Zwischenlage.
3
1,40 m)
1,0 — 1,20 m gelber, fester Kalk mit Kalkspatdrusen und Bi-
valvenkernen,
0,30 m gelbe, bröckelige Lagen.
25
1902. SiiznDgsb. d. math.-phys. Cl.
374 Sitzung der math.-phys. Classe vom 8. November 1902,
2
(2,10 m)
1 m Tafle mit Cölestin,
1,10 m ockergelber Kalk mit strahligem Cölestin, Abdrücke
von Nummulites sub-Beaumonti , Spondylus, Cardium
obliquum, Cytherea parisiensis, Corbula gallica, Macro-
solen uniradiatua, Lucina pharaonia, Discohelix cf. Di-
xoni, Mesalia Hofana, Turritella pbaraonica Cassis ni-
loticua, Cypraea.
1
(3 m)
II
1,50 m gelber Tafle mit Cölestin,
0,80 m hellockerfarbener thoniger Kalk,
0,70 m schmutziger bröckeliger Kalk mit Steinkemen.
I
0,60 m grauweisse Kalkbank,
0,05 m Zwischen läge,
0,35 m weisser Kalk mit Vulsella, Teredo, Turritella,
0,10 m gelbe Mergel,
5 m weissgelber Kalk mit kleinen Nummuliten und Bryo-
zoen, „zweite Mauer**.
In diesem Profil D hat die Obere Mokattamstufe nur
eine Stärke von etwa 24,35 m, ist also um 13 m schwächer
als in dem 2,7 km südlich davon gemessenen Profil C
derselben Schichten. Der bedeutende Unterschied kann nur
auf die grössere Festlandnähe im S. zurückgeführt werden,
nach welcher Richtung hin alle Schichtengruppen anwachsen.
Eine ähnliche Ausbildung der Oberen Mokattamstufe wie
in C finden wir auf dem gegenüberliegenden Nilufer am Chet
el-Ghörab (= Krähennest) oder Gebel Kibli el-Ahram im S.
der Sphinx. Von diesem guten Aufschluss verdanken wir
bereits Fourtau*) ein Profil, das mit der folgenden Aufnahme
zu vergleichen ist.
') Siir \m noiivean fi^iseinent de poissons fossiles aux environs des
Pyraniidos de Ghizeh. Bull. Soc. Geol. France (3) XXVII 1899. p. 238. —
Notes siir les Echinides fossiles de TEgyte. Bull. Inst. Eg. Le Caire 1900,
p. -28, Fig. G.
M, Blaneketihorn: Geologisch-stratigraphische Beobachtungen, 375
1. Querprofil von 0. nach W. durch den Gebel Kibli el-Ahram
am Chet el-Ghoräb.
0.
Fig.
6a
(1
2000)
Jä
K
^
^=£
^«c»
J-TT
,r
1
r —
5 I?
w.
ipfel des HOgelB e. 64 m Aber dem Meeresspiegel.
= oberflächlich auf II 2 ansitzende Pliocänbreccie mit Ostrea cucullata (Meereshöhe 55 m).
= Schutt.
ig. 6 b. Blick auf den Gebel Kibli el-Ahram von N. von der Pyramide
des Tetf Re aus.
mi^-
>>-*iS^3£^ö£d$;^^^^s^
^^^^^^m
II
3 m harte helle Ealksandsteinfelsen des Gipfels mit Echino-
lampas Crameri und globulus, Steinkernen von Plicatula
polymorpha, Gryphaea, Ostrea Clot Beyi, Calianassa,
4 m weiche Mergel mit viel Schalen von Plicatula poly-
morpha, Pecten, Cytherea, Lucina pharaonis, Turritella
Locardi und dialyptospira.
1 m Caroliabank, grau,
tula, Anisaster.
Ostrea Clot Beyi, Carolia, Plica-
5 m brückelige Mergel mit Gips, lokal eine Kalkbank da-
zwischen, Echinolampas globulus, Natica, Turritella und
andere Gastropoden. Auf diesen Schichten sitzt am Ost-
abhange des Hügels die pliocäne Austern breccie mit
Ostrea cucullata auf.
8 m weissliche und blaugraue Thonmergel mit Fischresten
im Wechsel mit gelben Thoiikalkbänken. Lucina pha-
raonis Bell. (= libyca Cossm.).
25*
376 Sitzung der math.-phys. Classe vom 8, November 1902.
? Die verschüttete Basis des Hügels mögen weissliche
Kalke mit Nummulites Beaumonti und sub-Beaumonti,
Echinolampas Fraasi und africanus und anderen Seeigeln
einnehmen, welche man etwas nördlicher an der Pyra-
mide des Tetf Re zu Tage treten sieht.
Die von Fourtau gesammelten Seeigel stammen ebenso
wie seine von Cossmann beschriebenen Mollusken im wesent-
lichen aus den Schichten I 2 und 4. Zum Unterschied gegen
die Vorstellung in Fourtaus Profilen sei ausdrücklich betont,
dass das marine Pliocän keineswegs den Gipfel des Hügels
einnimmt, sondern in der halben Höhe des Gehänges auf der
Eocänschicht I 2 als Saumriff erscheint und zwar nur auf der
Nilseite. Es sieht fast so aus, als ob die Pliocänfluten die
Gipfelhöhe des Hügels nicht mehr erreicht hätten.
Im Fajüm erreicht die Mächtigkeit der Schichtengruppen
des Mitteleocäns die grössten Zahlen. Namentlich gilt das
für die Obere Mokattamstufe.
Die Untere Mokattamstufe ist nur auf der SSO.- Seite
der Birket el-Qerün unter dem Kulturland und an den Rändern
desselben sichtbar, so nordöstlich Tamieh auf dem halbinsel-
artigen Vorsprung der nördlichen Wüste, im Einschnitt des
Batsthales, unweit Ebschwai, im tiefen Einschnitt Bahr el-
Wadi bei Nazleh Schoketa und bei Harit zwischen Gebali und
Qasr Qerün. Es sind graue oder gelbliche Mergel oder Kalke
mit Nummulites Beaumonti und sub-Beaumonti, Abdrücken von
Leda, Cardita, Tollina und Fischschuppen. Sie vertreten die
Abteilungen 3 — 5 oder die obere Hälfte des Unteren Mokattam
über dem eigentlichen Gizehensislager.
Auf der N.- Seite der Birket el-Qerün müssen wir zwei
gröss(.*ro Soliichtenkoinplt'xe im Oberen Mokattam unterscheiden,
welche Beadnell M neuerdings auch mit besonderen Namen
belegt hat, die .Birket el-<)iiruii- Reihe" und die „Qasr es-
Saga - Reihe". Die erstere nimmt die Ufer des Sees und die
'.) The Kajüiii Doi.rossion. Geol. Mag. H.K)1, p. 542.
3f. Blanckenhorn: Geölogisch-stratigraphisehe Beobachtungen. 377
unterste der von Schweinfurth untei-schiedenen Plateaustufen
(„Fajumstufen") im N. des Sees (ca. 38—72 m über dem See-
spiegel), auf der sich auch die Ruinen von Dimeh befinden,
ein; die höhere, ungleich mächtigere den Abhang bei Qasr
es-Saga, d. h. die „zweite und dritte Fajümstufe** im Sinne
Schweinfiirths. Freilich besteht zwischen diesen beiden nur
topographisch geschiedenen Gruppen leider keine irgendwie
scharfe Grenze. Denn die tiefsten Lagen des Abhangs von
Qasr es-Saga erscheinen lokal auch auf der Terrasse von
Dlmeh.
Bei der unteren Birket- oder Dlmeh-Reihe ist die
genaue Feststellung der Schichtenfolge, welche für alle Punkte
gültig wäre, mit einigen Schwierigkeiten verbunden, weil die
Schichten nicht ganz horizontal lagern, sondern mehr der
etwas welligen Oberfläche sich anschmiegen und namentlich
am Ufer gewöhnlich mit der Böschung schwach gegen den
See zu einfallen, weil femer grössere Steilwände fehlen, auch
der Zusammenhang teilweise durch kleine Verwerfungen unter-
brochen ist, endlich horizontal Wechsel und vertikal mehrfache
Wiederholungen stattfinden. Namentlich der letztere Umstand ist
bisher von Schweinfurth, Mayer-Eymar, A. Kaiser*) und mir
zu wenig erkannt worden, wodurch irrige Auffassungen des
relativen Alters an einigen Lokalitäten entstanden, was nur
durch Aufnahme möglichst zahlreicher genauer Profile, die
miteinander verglichen werden können, sich vermeiden lässt.
So treten z. B. Mergel mit „Hörnern* nach meinen neuesten
Beobachtungen in mindestens drei Horizonten (I 5, H 1 und
n 3), rotbraune Thonbänke mit weissen Konchylienschalen
ebenfalls in dreien (U 2, 3 und 5 c), Bänke mit Stockkorallen
in vier Horizonten (U 1, 2, 3 und 5 c) auf.
Als älteste Schicht erscheinen an 5 Stellen des Ufers (im
NW. der Batsmündung, im 0. von Dimeh auf der Halbinsel
Qorn, auf der Insel Qorn und am Landungsplatz Mirsa im
NW. dieser Insel) graue thonige Mergel oder Mergelkalk ohne
0 Eine Reise um den Kurün-See und durch das Fajüm. Gera 1889.
378 Sitzung der math.-phys. Clasae vom 8. November 1903.
Petrefakten mit hufeisenförmigen Wülsten a la Rhizocorallium,
den „Hörnern" Schweinfurths. Analog den Bildungen am
Mokattamberge könnte man sie als Decke der Unteren Mo-
kattamstufe (I 5) auffassen, doch bin ich eher geneigt, sie
hier als Aequivalent der thonig mergeligen Abteilung II 1 an-
zusehen.
Es folgen dann graue, gelbe oder rötlichgelbe, sandig
mergelige Schichten, in welchen Schweinfurth auf der Insel
Geziret el-Qorn die früher von Mayer-Eymar und Dames be-
schriebenen Korallen, Ostrea gigantea, Turritella cf. turris,
transitoria und carinifera, zahlreiche Fischzähne und Reste
von Zeuglodon aufsammelte. Das ist der tiefere Zeuglodon-
horizont des Fajum, den ich noch zu meiner Abteilung 11 1
ziehen möchte.
Höher (II 2) gelangt man alsbald in einen äusserst petre-
faktenreichen, innigen Wechsel von dunkel rotbraunen, eisen-
schüssigen Thonmergeln, welche kleine, kugelige Eisenstein-
Konkretionen und weisse, wohlerhaltene Molluskenschalen ent-
halten, mit gelben und grauen sandigen Mergeln und Muschel-
kalken oder Lumachelle. In der Fauna fallen besonders die
Hydractinia (Qerunia) cornuta May.-Eym. sp. ^) und die Menge
herrlicher Gastropoden auf. Ich habe diese Schichten, die
mit der gleichen reichen Fauna in vortreflFlicher Schalener-
haltung auch auf dem rechten Nilufer, so am Gebel Abu
Rische*) und Wadi Sanür beobachtet werden, als »Gastropoden-
bänke** bezeichnet. Die roten eisenschüssigen Muschellagen
gehen auch horizontal in die graugelben, erdfarbenen Mergel
über, beziehungsweise sind ihnen nesterartig eingelagert.
Unmittelbar auf oder auch mitten zwischen diesen Schalen-
schichten liegt die auffallendste aller Bänke des Fajumer
Eocäns, welclie die Eigenschaft hat, an der Oberfläche bis
auf riesige kugelige Blöcke, ursprüngliche Konkretionen von
^) Vorf^l. Oppenheim: Uebor Kerunia cornuta Mayer-Eymar aus
dem Eocäii Aecryptens, Centralhl. f. Mineral.. Geol. u. Pal. 1902. 2. S. 44.
-j Blanckenhoru, Zeitscbr. d. Ueutsch. geol. Ges. 1900. S. 443.
M, Blanckenhom: Oeölogisch-stratigraphische Beobachtungen, 879
1 — 1*/» m Durchmesser, ganz zu zerfallen. Auch kleinere
Konkretionen und Wülste sind dieser Schicht eigen, sowie
Schalen von Ostrea Reili, Carolia und Cardita Viquesneli, Stein-
keme von Mactra Fourtaui, Cardium sp., die als Reste der
zerstörten weicheren Schichtteile zwischen den meist verstei-
nerungsleeren grossen Blöcken liegen bleiben. Letztere sind
im Horizontalschnitt durchweg kreisrund, ihre Gestalt ist aber
nicht immer kugelig, sondern auch ellipsoidisch vasenartig
oder schön cylindrisch säulenförmig. Sie zieren die meisten
Abhänge oder Kanten der „ersten Fajümstufe" oder nehmen
auch letztere selbst ein, wobei sie von weitem wie eine Heerde
Schafe aussehen. Deshalb nennt sie auch der Beduine 6ha-
nam el-maskhuta (zur Versteinerung bestimmte Schafe).
Ausser den genannten Schichten beteiligen sich noch
2 Gesteinsarten wesentlich am Aufbau der ersten Plateaustufe
von Dlmeh. Das erste ist grauer harter Kieselkalk, welcher
in senkrechten Klüften zu grossen Quadern zerspringt und
arm an Versteinerungen ist. Auf einem Hügel nahe dem
Berge U Schweinfurths sah ich eine solche Bank unmittelbar
im Liegenden der „Schaf heerde**, auf dem trigonometrischen
Signalhügel hinter der Halbinsel Qorn (ca. 35 m über dem
Seespiegel) als deren Hangendes. Eine zweite höhere Lage
von */a ni Dicke mit Schalen von Ostrea elegans, Plicatula
und Cardita krönt den tafelförmigen Hügel im S. von Dimeh,
den höchsten dieser Plateaustufe (ca. 74 m über dem See).
Diese obere Schicht leitet hier wohl schon die Abteilung H 3 ein.
Das letzte bemerkenswerte Gestein der Birketreihe ist ein
harter echter Kalksandstein oder Sandstein mit Kalkbinde-
mittel, der meist mit stark welliger Oberfläche herausragt, so
dass man liegende Baumstämme oder Walfisch rücken zu sehen
glaubt. Oft neigt dieser Sandstein zu Knotenbildung; dann
ist seine verwitterte Oberfläche mit zahlreichen, vom Winde
herausgeblasenen Höckern besetzt, die sich zuweilen regel-
mässig in Quincunxreihen gruppiren. Die betreffenden aufge-
wölbten elliptischen Platten sehen dann wie dornige Schild-
krötenpanzer aus. Dieser „Walfischsandstein** wurde ausnahms-
380 Sitzung der math.-phys, Classe vom 8. November 1902,
los oberhalb der Schafheerde beobachtet (südlich Dimeh in
ca. 48 m Höhe über dem Seespiegel).
Alle die 3 zuletzt beschriebenen harten Oesteinsarten sind
oberflächlich von den fingerdicken Bohrlöchern aus einer Zeit
späterer Meerestran sgression (im Pliocän) bedeckt.
Die Fauna der Abteilung II 2 der oberen zwei Drittel
der Birket el-Qerun-Reihe setzt sich wesentlich folgendermassen
zusammen :
Graphularia, Lovellia Schweinfurthi,
Goniaraea elegans, Mactra Fourtaui,
Astrohelia similis, Turritellapharaonica,Locardi,
Hydractinia cornuta, carinifera u. Hofana M.-E.,
Ostrea Reili und elegans, Natica Cleopatrae,
Cardita Viquesneli, Melongena indigena,
Cardium Schweinfurthi, Clavellites aegyptiacus u.Noae,
Lucina pharaonis, Turbinella arabica,
Cytherea Newboldi, Pleurotoma ingens,
Tellina, 3 sp., Nautilus.
Dagegen sind Ostrea Clot Beyi, Carolia placunoides und
Plicatula polymorpha noch verhältnissmässig selten.
Diese 3 wichtigen Leitformen erscheinen häufiger erst in
den Abteilungen II 3 und 4, welche stellenweise schon nördlich
Dimeh auf gleicher Höhe mit dessen Ruinen auftreten, sonst
aber erst am Fusse des zweiten Plateauabfalls.
Dieser Haupt-Plateauabfall wird in vertikalem Sinne
durch eine besonders scharf ausgeprägte, oft breit angelegte Ter-
rasse innerhalb seines oberen Drittels in zwei Teile zerlegt, die so-
genannte „zweite und dritte Fajümstufe** Schweinfurths, welche
nur im östlichen Gebiet bei Qasr es-Saga sich nahe aneinan-
der halten. Von dem Gebirgspass (Boghas) im W. des „Ko-
rallenhügels" an findet eine gänzliche Trennung statt; die
zweite Fajnmstufe rückt im Bogen über den Zeuglodonberg
zAini Ufer der Birket, welche sie am -Z Berge erreicht und
von da an begleitet, während die dritte höhere sich beständig
etwa 10 km nördlich vom See ihm ])arallel hält. Die zweite
M. Blanekenhom: Geologisch-stratigraphische Beobachtungen, 381
Fajümstufe wird aus den Abteilungen II 3—6, die dritte aus
7—8 gebildet (vergl. Fig. 7 und 11).
Der östliche Teil des Plateauabfalls, an dessen Aufbau
sich beide Fajumstufen in geringem Abstand von einander
beteiligen, zerfällt horizontal in 2 Abschnitte, die bei Qasr
es-Saga in stumpfem Winkel aufeinander stossen. Der erste der-
selben, welcher von hier parallel dem Birketufer bis zum Pass-
aufstieg in WSW.-Richtung verläuft, heisst Gebel el-Hameier;
der andere nach NNO. gerichtete Gebel el-Achdar. Letzterer
biegt ^/a Tagereise von Qasr es-Saga, wo eine wichtige Quer-
verwerfung in den Schichtenzusammenhang störend eingreift,
plötzlich nach Osten um und verliert sich dann nach und nach
in seiner auffalligen Gestalt.
Den besten Einblick in die Schichtenfolge und den hori-
zontalen Wechsel jenseits der Birket erlangen wir, indem wir
diese Hauptabhänge in der Richtung von NO. nach SW. bis
zum Westende des Sees verfolgen.
Das erste Profil entnehmen wir dem nordöstlichsten, namen-
losen Abschnitt des Plateauabfalls, nämlich dem W. — 0. ge-
richteten Theil nordöstlich Qasr es-Saga.
F. Profil, aufgenommen an einer durch Reichtum an Tama-
riskenholz ausgezeichneten Plateaubucht, ^j^ Tagereise ONO.
vom Südosteck des Schweinfurth-Plateaus und Va Tagereise
. NNO. Qasr es-Saga. (7.-8. 2. 1902.)
8
2V4— 4 m gelber Mergelkalk.
7
2 m Thon,
1- IV2 m gelber Mergelkalk mit Conchylienresten,
7 m graugrüner Thon mit Gips,
0,2 m rötlich ockergelber Kalk mit Austern, Mollusken-
steinkernen (Area),
3 — 5 m Gipsthon und grünlicher Sand.
6
1 V2 m Austernkalkbänke mit Ostrea elegans,
IV2 m gelbe Kalke mit Carolia, Vulsella.
5b
? 5— 10 m graue und grüne Thone und Mergel.
382
Sitzung der math.-phys, Classe vom 8, November 1902,
Bank mit Oatrea elegans, Terrasse.
^ Mergel mit Kieselhölzera.
Kalk mit Ostrea elegans und Cloti, Terrasse.
Mergel.
Kalk mit Ostrea Cloti und Carolia, Terrasse,
Weisser Sandstein und Schieferthon mit Pflanzen-
resten. Oberer (?) Knochenhorizont: Schade
von Welsen, Schildkröten- Ausguss , Krokodil-
skelet, Wirbel von Zeuglodon und Sirenen,
Terrasse mit Graphularia, Ostrea Cloti, Raeta
(Lovellia) Schweinfurthi M.-E., Turritella, Les-
sepsi M.-E , AmpuUaria (!) cf. ovata OL, Mjlio-
bates-Zähnen. Mittlere Turritellen-Bank,
ca. 5 m bis zur Ebene.
3-4m
4m
2-3m
ca. 3 m
6. Profil am Gebel Achdar, aufgenommen P/a Stunden nord-
nordöstlich von Qasr es-Saga im ONO. des basaltischen
„Schweinfurth-Plateaus\ (16.— 17. 2. 1902.)
Fig. 7 (1 : 2000).
X = Haiflschhorizont
-f- f- = 2 Knochenhorizonte.
Z = Zeltlager am 16^7. IL
0 = Braane Steinkeme und
Wirbel.
1 — 1 */2 m gelb weisser Kalk mit Echinolampas Crameri
u. a. Verst.
5b
13 m graugrüne Thone und weisse Sandschichten, Thon
mit bis 15 cm dicken, senkrechten Adern von Fasergips.
Weisse Caroliakalke.
Dunkle Thone. ein Knochen.
Weisser Sandstein.
Fischhorizont, Sandstein mit Pristis, Myliobates, Otodus.
M. Blanckenhom: Geölogischstratigraphisehe Beobachtungen, 383
5a
3 Terrassenabsätze mit Bänken von Ostrea elegans und
Turritellen,
Mergel, höherer Knochenhorizont, mit Schlangenwirbeln
(Moeriophis Schweinfurthi Andrews), Schildkrötenpanzer,
Krokodil,
Gelbrötliche bröckelige Mergelbank,
2 — 4 cm eine schwarze und weisse Sandlage,
5 cm gelbe Mergel mit Knochen,
1 m weisser Sandstein oder grauer Thon, tieferer Knochen-
horizont mit Knochen von Welsfischen, Schlangen (Moe-
riophis), Krokodil (Skelet), Walfisch (Gehörknochen),
Zeuglodon cf. Osiris Dames (Kiefer) und Moeritherium
Lyonsi Andr. (Unterkiefer).
. Profil Va Stunde nordnordöstlich von Qasr es-Saga an der
Ecke oder Umbiegungsstelle der Klippen. (23. 1. 1902.)
Fig. 8.
Tl^
., —
/=^
^ ^
zir
/-
5a
c3^-
••
r-5^
r^
^ ^
X = Steinkeme und Sftugethier-
wirbel.
G = Caroliascbichten.
Ti = I. Turritellonbank.
5a
1,05 m)
0,10 m Bank mit Ostrea Cloti und 0. sp.,
1,50 m Zwischenlage,
0,70 m gelbe Schicht,
1,50 m hellgelbe und graue Mergel,
3,50 m weisser Sand,
0,60 m gelbe Schicht mit Carolia und Cassidaria,
1 m grauer Schieferthon,
0,10 m violettbraune Knollen von Kalk mit viel braunen
Kernen von Macrosolen uniradiatus, Teredo longissima,
Solarium, Cassidaria, Gisortia gigantea, Lanistes (I) sub-
carinatus, Wirbeln von Sirenen und dürftigen Resten
von Myliobatiden und Krokodil ; zuweilen an Stelle dessen
Caroliaschicht mit Carolia und Ostrea Cloti,
1 m rötliche Mergel,
0,05 m Carolialage,
1 m gelbe Gipsmergel.
384 Sitzung der mathrphya. Claase vom 8. November 1902.
0,20 m Bank mit Turritella pseudoimbricata Opp. sp. n.
und 0. Cloti (untere Turritellenbank),
8 m Zwischenlage,
0,20 m Schicht mit Ostrea elegans.
I. Profil des Sagaberges unmittelbar hinter Qasr es-Saga.
(22.-23. 1. 1902.)
Fig. 9 (1 : 2000).
S = Qasr cs-Saga im Querdurchschnitt, -f '^ °^ über dem Birketspiegel, 85 m Ober
dem Mittelmeer.
A = Anachoretenhöhle. St = Braune Steinkeme. C = CaroliabSnke.
T 1-3 = 3 Turritellenbänke. 0 = Austornbanke.
P = Plicatula. H = Hydractinion.
Fig. 9 a.
-..ffjp^'^^ift -i^y^^-^^-^ > -^^
(12 m)
3 m Gipsmerge),
1 m harte gelbe Mergelbank,
8 m Gipsmergel mit Fischresten.
M, Blanckenhom: Oeoloffisch-strttHgraphische Beobcuhtungen. 385
6
6 m)
2 m Austembank,
1 m Mergel. Zahn von Myliobates,
3 m Caroliabank, Turritella pharaonica.
5b
-20 m)
10— 20 m Gelber Sand mit diskordanter Parallelstruktur,
Mergelsandstein, schwarze und graubraune sandige
Schieferthone mit Laubblattabdrücken und sonstigen
kohligen Resten. Selten Korallen, Fischzähne, Schild-
krötenreste.
oa
),25 m)
2,70 m
1 m Gelbe Austembank mit roten Flecken, Ostrea Reili,
Carolia, Turritella Lessepsi M. E. und fraudatrix Opp.
n. sp., Panzer einer Schildkröte (Podocnemis),
( Rote Lage mit Knochen (23. 1. II),
\ Blätterthon mit gelben Wülsten,
0,30 m Bank mit Ostrea elegans, Turritella Lessepsi M. E.,
pharaonica Cossm. und vinculata Zitt., Oberste Turri-
tellenbank,
1 m Mergel-Zwischenlage,
0,50 m Terrasse mit braunen Steinkernen und Austern,
Cardium, Cytherea Newboldi, Lucina, Macrosolen, Sola-
rium, Ficula, Turritella fraudatrix und pharaonica,
2—3 m Mergel,
0,30 m harte Austernbank, 0. Cloti,
2 m Gipsmergel,
0,35 m Mittlere Turritellenbank, oben mit T. Lessepsi und
pharaonica, unten mit Carolien,
2,50 m dunkle Mergel,
0,10 m rote Knollen,
0,05 -0,15 m weisse Bank aus feinzerriebenen Muschel-
trümmern, Fischotolithen und Zähnen,
6 m gelbe Mergel mit Seesäugethier- Wirbeln.
4
J,55 m)
0,20 m Untere Turritellenbank mit: Einzelkorallen, Anis-
aster gibberulus, Schizaster, Plicatula poljmorpha, Ostrea
Cloti und elegans, Anomia, Spondylus, Lucina, Cardium,
Carolia, Cardita, Area, Turritella vinculata und pseudo-
imbricata Opp. n. sp., Calianassa, Myliobates,
3 m gelbe Mergel,
7 m Mergel, oben lokal mit Carolia, unten mit riesigem
Gelenkknochen,
0,35 m Bank mit Hydractinia cornuta, Anisaster, Euspa-
tangus, Serpula, Ostrea Cloti, Reili und elegans, Plica-
tula, Carolia, Macrosolen, Turritella pharaonica, Boghosi,
Locardi, pseudoimbricata und Hofana,
388 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 8, November 190S.
3
(25,15 m)
0,15 m Terrasse mit Ostrea, Carolia, Turritella, Calianaasa,
5 m Graue und gelbe Mergel, Modiola,
Au8tenibankiiiitHydractiiiia,Macro8olen,Turritella,
Grauer Schief erthon mit Wülsten,
Schwarzer Schiefertbon mit RoteiaensteinknoUeD,
Weisse Schalenschicht mit roten Flecken,
20 m ^ Mergel,
Austemschicht. Hydractinia, Grosse Ostrea Praasi
und elegans,
Mergel,
Austemschicht mit kleinen Austern am Bergesfusse. *)
Summa c. 95—97 m.
L. Profil am „Korallenhügel", 2 Stunden nordwestlich Dimeh.
(13. 2. 1902.)
Fig. 11 (1:2000).
i I i i Ml 16
5b
5a
Z = Unser Zeltlager am 13.-15. II. 1902.
T = Turritellenbänke.
0 = Ostrea.
C = Carolia,
M = Mocrosolen.
H = Hydractinia.
K = Korallen am „Korallonlnigel".
^) Der Fuss des Bergabhantrs liegt c. 50 m über dem Spiegel der
Birket d. h. + 7 m über dem Meere.
M. Blanckenhom: Geologisch-atratigraphische Beobachtungen. 387
5a
(13,65 m)
0,50 m gelbe harte Bank mit Ostrea Cloti, Macrosolen,
Turritellen, Mittlere Turritellenbank,
2,50 m dunkle Schieferthone, oben zuweilen weisser Sand-
stein. Knochen von Welsen (Kopfpanzer und Wirbelsäule),
Sägefisch (Säge), Schlangen (Wirbel von Moeriophis
Schweinfurthi und Gigantophis Garstini Andr.), Krokodil
(2 Skelette), Schildkröten (Platten), Walfisch (Gehör-
knochen), Sirenen (Wirbel).*)
1 m gelbe Mergel,
0,10 m Schicht mit viel Ostrea Cloti,
2 m gelbe Mergel.
(30 -31m)
0,40 m gelbe, harte Bank mit Turritellen. Untere Turri-
tellenbank?
0,50 m weisser Sandstein,
4 m dunkelgrauer Schieferthon,
0,40 m harte Austernbank mit Ostrea Cloti, Macrosolen,
Lucina und zahlreichen Turritella fraudatrix Opp. n. sp.
1 m graue Mergelsteilwand,
5,75 m verschüttet, in der Mitte eine Austembank,
0,60 m gelbe, harte Bank,
0,40 m weisser Sand,
3 m schwärzlicher Schieferthon,
1 m gelber, harter Sandstein,
0,70 m gelber, fester Kp.lk mit Carolia, Macrosolen, Cjtherea,
Turbinella,
3 m schiefriger Mergel,
0,90 m eisenschüssiger Kalk mit Euspatangus, Ostrea Cloti,
Turritella, unten Carolialage,
0,50— 80 m weisser Sand,
0,10 m Roteisenstein,
1,55 m hellgrauer Mergel,
0,10 m weisse Schalenschicht,
7 m gelbgraue schiefrige Mergel mit kopfgrossen Kalkknollen.
') Va Stunde östlich von diesem Profil fand Dr. Stromer an einem
Vorberg mit Hjänenhöhlen in diesem Horizont einen chokoladenbraunen
Thon mit Blattabdrücken und Modiola cf. corrugata. Hier viele Wels-
achädel, Sägen von Pristis, Sirenenskelet, Scapula von Zeuglodon?, Pla-
stron einer Schildkröte.
*/2 Stunde westlich von hier zwischen Profil K und L wurde der
von Stromer beschriebene Schädel von Zeuglodon Osiris Dames in einer
Schicht von grauen und roten Mergeln ausgegraben.
390 Sitzung der meUK-phys, Clmae vom 8, November 1902.
4
(18,10 m)
9 m Mergel,
0,30 m Mergel mit Plicatula polymorpha, Ostrea Cloti und
Rdili, Spondylus, Carolia, Area und rundlichen Bivalven,
Turritella pharaonica und pseudoimbricata Opp.
8
(16 -17 m)
6 m Gelbe Mergel, in der obem Hälfte mit einer Caroliabank,
1 m Mergel, oben mit Ostrea Cloti, Area, Natica,
4 — 5 m gelbe und blaue Mergel, gekrönt von einer Bank
mit viel Hydractinia, Spondylus, Carolia, Cardium, Macro-
solen, Turritella pseudoimbricata.
1 m gelbe Mergel, oben mit Hydractinia, Ostrea Cloti und
kleinen Austern,
4 m Mergel mit Hömerwülsten ; am Korallenhügel mit
Riff aus Goniaraea elegans, Astrohelia similis, Ostrea
Fraasi.*)
Summa 99—100 m.
M. Profil des „Zeuglodonberges" (^ auf Schweinfurths Karte),
3 Stunden westsüdwestlich Qasr es-Saga. (24. 1. 1902.)
Fig. 12 (1 : 2000).
T. = TurritellenbEnke,
0. = Austernbänke,
£u. = EuspatangQs,
Z. = Knoch«ii von Zeoglodon,
P. = Plicatula.
M Diese untersten Schichten wurden, soweit sie an dem in der
El)«Mie vorlietrendon ^Koralleiihügel'* auftreten, früher von Majer-Eymar
uiul mir (Zeitscbr. d. Deutsch, geol. Ges. 1900. S. 44) als zu Abteilung II 1
und einer durrb Kand Verwerfung: vom Gebirgsabfall getrennten Scholle
<xehr)rior aufgesehen, was ich jetzt nach genauerer Nachprüfung berich-
tig:en möchte.
M, Blanckenham: Oeölogisch-straiigraphisehe Beobachtungen. 391
Fig. 12 a.
Zeuglodonberg vom Fusse aus gesehen.
Caroliabänke, weiss, Ostrea.
5b
z. 22 m)
Aschgraue Thone, brauner Sandstein mit Säuge-
thierwirbel,
schwache Austembank,
Gipsmergel mit violettbrauner eisenschüssiger
Lage.
5a
.6,90 m)
1 m Austembank, deutliche Terrasse bildend. Hydractinia
(selten), Ostrea, Cardium, Macrosolen, unten Carolia,
1 m rotgefleckte, harte Mergel,
0,10 m Kalk mit viel Turritellen. Obere Turr.-Bank.
0,80 m grauer Schieferthon mit Wülsten,
3 m hellgraue und gelbe Mergel mit weissen Gipsflecken,
5 m dunkler Schieferthon mit Gips. Sägefisch und andere
Fischreste, Schildkröten,
1 m mittlere Turritellenbank. Violetter, unten grauer Kalk
mit Euspatangus formosus, Carolia, Ostrea Cloti, Lucina,
Solarium, Turritella Lessepsi, Clavellites aegyptiacus,
Nautilus, Skelet-Unterkiefer von Zeuglodon Osiris Dam.*)
1 m Wechsel von Sand, Thon und Eisenstein,
31/2—41/2 m Mergel oder grauer Thon mit violettem Kalk-
stein. Fossiles Holz, Clavellites Noae, Turritella, Nau-
tilus Nubari. Viele Knochen von Fischen, Krokodil,
Schlangen (Moeriophis Schweinfurthi Andrews) Schild-
kröten.2)
') Original von Schweinfurth-Dames.
*) Etwas östlich von diesem Profil im gleichen Horizont Moeriophis
26*
392 Sitzung der matK-phy 8, Glosse vom 8. November 19Ö2,
4
(8,80 m)
0,60—1 m gelber und rötlicher Mergelkalk mit Carolia,
Ostrea, Mjliobates, Schädel von Eosiren libyca Andrews,
0,25 m weisser Sand mit falscher Schichtung,
1,50 m grauer Thon und Mergel mit Knochen,
0,25 m violetter Eisenstein,
1 m grauer Thon,
5 m verschüttet, darin eine rötliche Lage mit Euspatangus,
Plicatula und runden Bivalven.
Summa c. 53 m.
N. Profil ^/a Stunde nordwestlich vom Zeuglodonberg mit
einem Fischzahnlager. (14. 2. 1902.)
Fig. 13 (1 : 2000).
5c
(15 m)
3 m Caroliakalk.
4 m Steilwand, schwarze Schieferletten, weisser Sandstein
und Gipsthon,
7 m Thon, Kalk und gelbe Mergel,
1 V2 m gelbe Mergel, Stufe bildend,
V2 m grauer Thon,
2 m gelbe, rotgefleckte Mergel.
5b
(10,70 m)
1 m hellgelbe, sandige Mergel,
9 m Steilabsturz von grauem Thon im Wechsel mit weissem
Sand,
0,06 m weisse, plattige Sandsteine,
0,05 m Bonebed, eisenschüssige, sandige Breccie mit Zähnen
von Lamniden, Hemipristis curvatus Dames, Aprionodon
frequens Dam. (häufig), Mjliobates (häufig), Chrysophrys
sp., Platten, Wirbel und Flossenstacheln von Fischen,
Scbweinfurthi (Wirbel), Moeritherium Lyonsi Andr. (Oberkiefer), Moeri-
therium sp. (Uiit(?rkieferast).
M. Blanckenhorn: Oeologtsch-stratigraphische Beobachtungen. 393
5b
,70 m)
0,30 m plattiger Sandstein,
0,10-25 m Bonebed wie oben,
0,10 m Mergel.
5a
5 m)
1,20 m gelbe Mergel, Stufe.
0,20 m braune Bank mit Muschelkemen, Macrosolen,
Astarte, Ostrea, Turritella. Obere Turritellenbank.
2 - 3 V2 m schwarzer Thon,
2 V2 m gelbe, sandige Mergel, nach Osten dafür 5 m weisser
und rostiger Sandstein,
1 m Gipsthon,
0,20—40 m rote Zeuglodonschicht oder mittlere Turritellen-
bank, Stufe bildend; viel Carolia, Turritella,
0,50 m gelbe Mergel mit grauen Thonzellen, Carolia, Schild-
kröte,
0,30 m weisser Sandstein,
1 m gelbe, graue, harte Mergel mit Skelet einer Sirene.
4
10 m)
0,10 m rote Schicht mit Carolia und Turritella; untere
Turritellenschicht,
1 m graue Mergel,
1 m Gipsthon.
Summe 45,80 m.
Berg (^1^ auf Schweinfurths Karte) dic^; nördlich vom
stende der Birket el-Qerün, = Gebel d'Archiac Majer-
Eymars. (20. 1. 1902.)
Fig. 14 (1 : 2000).
s-y^Y<v>\^(-^^^^^^' .
pT— ='
^^ 5a
Caroliabänke. 0 x Austernbank. K = Schalenschicht mit Korallen and weissen
lylienschalen. S = Schwarzes Mergelband mit weissen Gipsadern. X Knochen
'ischen und Landsäugetieren.
394
Sitzung der math.-pT^s. Glosse vom 8, November 1902,
6
(c. 19 m)
2 — 3 m Caroliabank mit Carolia, Ostrea Reili, Mactra
Fourtaui, Cardita, Cardium, Area, Turritella pharaonica,
Mesalia Locardi,
0,50 m weisse Mergel mit Brauneisenstein,
0,50 m Caroliabank,
9 m grüne Thone,
1 m Bank voll Turritella carinifera, Myliobates,
0,15 m Caroliabank,
4 m grünlich sandige Mergel mit Gips,
0,20 m Bank mit Carolia und Ostrea,
1 m härterer Kalk.
5c
(18,30 m)
7 m graugrüne und schwärzliche Thone,
1 m Kalk mit Austern und Lucinaschalen,
1 m gelbliche Mergel mit rötlichen Wülsten und weissen
Schalen (ähnlich der roten Schalenschicht in II 2 bei
Dimeh), Astrohelia similis, Lucina pharaonis, Cardita
Viquesneli, Cjtherea Newboldi, Nautilus,
9 m schwärzlicher, sandiger Thon mit weissen Gipsadem,
0,30 m gelbgraue Mergel mit rotbraunen Wülsten und
weissen Konchylienschalen (Schalenschicht).
5b
(23 m)
5a
und
4
lim graubraune oder schwarze Mergel mit weissen Gips-
schnüren,
12 m steiler Absturz aus gelblichem Mergelsandstein.
c. 24 m Abhang verschüttet; stellenweise viele (eocäne)
Fiachknochen und subfossil ünterarmknochen von Camelo-
pardalis, oberflächlich diluviale Seeablagerungen.
Am Fusse Dünen.
Summe 84,3 m.
Aus den gegebenen, in ONO. — WSW. -Richtung an-
einander gereihten Profilen der Qasr es-Saga- Reihe geht die
ganze Art ihrer Ausbildung in ihren einzelnen Abteilungen
und Schichten nebst ihrer Fauna, die Art des horizontalen
Wechsels u. s. w. klarer hervor, als aus langen Auseinander-
setzungen. Doch sei es mir noch gestattet, in wenigen Worten
die allgemeinen stratigraphischen Ergebnisse dieser Aufnahmen
zusammenzufassen.
Die Schichten fallen durchweg mit geringer Neigung,
etwa 1 — 2^ ein und zwar im östlichen Teil der Plateauwüste
bis etwa ■^"'^ Profil K am Korallenhügel gegen NNW., von
M. Blanckenhom: GeologUch-stratigraphische Beobachtungen, 395
da an schlägt das Einfallen anscheinend mehr in WNW.-
Richtung um, so dass weiterhin in der Richtung nach WSW.
zum Westende des Sees allmählich jüngere Schichten an den
Fuss des Hauptabfalls und auch an das Ufer des Sees heran-
treten. Au dem von Schweinfurth mit dem Buchstaben 2*
bezeichneten Berge nimmt die Vorterrasse von Dimeh ihr Ende
und die zweite oder Hauptplateaustufe tritt direkt an den See.
Damit verschwindet auch die Abteilung 2 mit der roten Scbalen-
schicht und der charakteristischen ^ Schaf heerde", welche bis
dahin in ziemlich gleicher Höhe über dem Seespiegel zu ver-
folgen war, von der Oberfläche und taucht unter denselben
hinab.
Die Mächtigkeit der einzelnen Abteilungen nimmt nament-
lich durch Einschaltungen mächtiger Thon- und Mergellagen
in der Richtung nach WSW. zu. Im Durchschnitt sind sie
sechsmal so stark als am Mokattam z. B. in dessen Normal-
profil C und siebenmal so stark als am Gebel el-Ahmar bei
Profil D.
Die einzige Abteilung, welche am Mokattamgebirge (3 — 5 m)
speziell bei Ajun Musa (hier 14 m) stärker ist als im Fajüm
(hier P/a m)^), ist die alleroberste 8, der Deckkalk mit Echino-
lampas Crameri. Die darunter liegenden Abteilungen 7 und 6
sind auch nur 2 — 3 mal stärker als am Mokattam, nur im
westlichsten Profil N am Westende des Sees schwillt auch der
obere Caroliakalk 6 durch Einschaltung von Thonen zu 19 m an.
Den allergrössten Gegensatz gegen die Ausbildung am
Mokattam bekundet die mächtige Abteilung 5, welche bei
Kairo eigentlich nur mit Mühe überhaupt nachzuweisen ist
und allein im Fajüm ihre besondere Rolle spielt. Keine Ab-
teilung der Oberen Mokattanistufe zeigt hier in lithologischer
wie faunistischer Beziehung einen so ausgeprägten fluviomarinen
Charakter, keine weist so sehr auf die Nähe eines einmünden-
*) In der Mitte zwischen Fajüm und dem Mokattam (vergl. Profil F
und Figur 15 weiter unten) hält die Stärke dieser Abteilung (4—6 ^2 m)
die Mitte zwischen den im NO. und SW. zu beobachtenden Extremen.
'^96 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 8. November 1902.
den Flusses, des Umil, hin, als diese. Auch ihre Mächtigkeit
ihr Verschwinden am Mokattam hängt mit letzterem ümsiand
zusammen. In allen Profilen des Fajümgebiets schon tod F
an macht sich deutlich eine Zweiteilung der Etage 5 geltend.
Der höhere Komplex 5 b besteht aus den als mächtige Steil-
wand auffallenden aschgrauen, manchmal kohligen Schiefer-
thonen mit Pflanzenresten und Sauden oder Sandsteinen, tod
denen letztere in Profil G und N einen wichtigen marinen
Fischhorizont oder Bonebed reich an schonen Haifischzähnen
enthält.
Die tiefere Gruppe 5 a, welche oben mit einer wohlaus-
gebildeten Terrasse voller Austern abschliesst, setzt sich aus
Austembänken, Turritellenbänken und Carolialagen in wieder-
holtem Wechsel mit Mergeln, Thon und weissem Sand zu-
sammen. Häufig sind rotbraune bis violette Knollen oder ganze
Bänke von schwach eisenschüssigem Kalk mit Steinkemen von
Bivalven und Gastropoden, unter denen solche der fluviatilen
Süss Wassergattungen Lanistes und Ampullaria (cf. ovata) neben
echt marinen Formen (Gisortia, Cassidaria etc.) nicht selten
sind. Diese Knollenkalke sind neben den Mergeln und Thonen
das Hauptmuttergestein der Knochen und ganzer Skelette von
marinen und fluviatilen Reptilien und Wassersäugethieren,
denen sich leider nur sehr vereinzelt auch eingeschwemmte
Reste von Landsäugethieren (Barytherium, Moeritherium) zu-
gesellen. Der wichtigste derartige Horizont liegt ziemlich be-
ständig dicht über der Basis von 5 a zwischen der „ersten* und
„zweiten Haupt-Turritellenbank".
Nach Westen zu nimmt die fluviomarine Abteilung 5 derart
an Mächtigkeit zu, dass man eine Dreiteilung vornehmen, näm-
lich über 5 b (23 m Sandstein und Mergeln) noch 5 c unter-
scheiden könnte, worin 2 rotbraun gefleckte Schalenschichten
mit weissen Konchylienschalen (Cardita Viquesneli etc.) und
Korallen ganz ähnlich denen von Dimoli in Abteilung 2 und
eine Austornbank auffallen *) (siehe die Profile N, 0).
^) Vergl. aucb A. Kaiser. Heise um den Kurun-See. S. 20.
M. Blanckenhom: Geologisch-atratigraphische Beobachtungen, 397
Die Abteilung 4 hat als Decke eine ^untere Turritellen-
bank*, die zuweilen auch als Ostrea Clotibank erscheint; in
der Mitte liegt eine oft weithin auffallende Caroliabank mit
riesigen, glänzenden Schalen dieser schönen Muschel und an
der Basis folgt eine an Plicatula polymorpha sehr reiche, selten
zu übersehende Lage.
3 ist am wenigsten in den Fajüm-Profilen charakterisirt
und auch weniger wichtig. Wir lernten sie nur in Profil I,
K und L am Fusse des Gebirgsabfalls kennen; am stärksten
(16 — 17 m) erscheint sie am „Korallenhügel". Hier herrschen
Gipsmergel vor, denen sich Lagen mit grossen Austern (0. Fraasi
und Hydractinien) einschalten.
Die Fauna der Abteilung 3 — 8 ist ziemlich einheitlich.
Die meisten Arten gehen durch alle Abteilungen hindurch,
soweit solche nicht überhaupt fossilarm oder leer sind, wie
besonders 7. Daraus dürfte wohl hervorgehen, dass sämmt-
liche Abteilungen zusammen nur eine grosse Stufe bilden,
nämlich das Obere Mitteleocän.
Die Korallen der Gattungen Astrohelia und Goniaraea
wurden in 2, 3 und 5 c beobachtet, Hydractinia cornuta in
2 — 6 excl. 5 b (häufig nur in 2 — 3), die Seeigel Echinolampas
Crameri und Anisaster gibberulus in 4 und 8, Euspatangus
formosus in 4 und 5 a.
Carolien und Plicatula finden wir von 2 — 6, doch be-
schränkt sich das massenhafte Auftreten von Plicatula poly-
morpha unbedingt nur auf 4, die sogenannten Plicatulabänke.
Ostrea Cloti, Reili, Fraasi und elegans beobachteten wir in
2— 5 a.
Von der nach den Austern artenreichsten Gattung Turri-
tella ist die allerhäufigste Spezies: T. angulata, welche Coss-
mann jetzt als pharaonica unterschied, schon im Untern
Mokattam sehr verbreitet, dann im Obern in allen Turritellen-
lagen in 2, 4, 5 a, 6 und 8, ja sie geht noch viel höher mitten
ins Oligocän hinauf. Von den übrigen Arten aus der Untern
Mokattamstufe fand ich Turritella Boghosi Cossm. nur in II 4,
398 Sitzung der mcUhrphys. Classe vom 8. November 1902,
T. Hofana M.-E. (= Zitteli M.-E.) in II 2, 4 und 6. Charak-
teristische Arten der Obern Mokattamstufe sind T. Locardi
Cossm. in 2, 4 und 6, T. vinculata Zitt. in 2, 4 und 5 a,
pseudoimbricata Oppenh. n. sp. (= cf. Desmaresti bei Blancken-
hom, Geologie Aegyptens II) in 3 und 4 (d. h. der „Untern
Turritelienbank"), T. frandatrix Opp. n. sp. in 4 und 5 a. Als
Leitformen für bestimmte Abteilungen sind beachtenswert T.
carinifera *) in 2 und 6, noch mehr aber T. Lessepsi M.-E. für
5 a, d. h. die beiden oberen „Turritellenbänke'*, welche sie oft
allein erfüllt.
Fischreste fanden sich in allen Abteilungen der Untern und
Obern Mokattamstufe, die Sägefische bis jetzt nur in 13, 11 1,
5 a und 5 b. Flussfische (Schädel von Welsen) beschränken sich
auf die fluviomarinen Schichten 5 a, wo andererseits Haifisch-
zähne fehlen. Panzer von Schildkröten und unbestimmbaren
Knochen gibt es vielfach in 4, 5 a und 5 b, Zeuglodon in 1
und 5a, näher bestimmbare Reste von Schlangen,
Krokodilen, Sirenen und Landsäugethieren nur Inder
fluviomarinen Abteilung 5a.
3. Zur Eenntniss des fluviomarinen Obereocän-Oligoc&ns
der Libyschen Wüste.
Die auf das marine Mitteleocän in der Libyschen Wüste
zunächst folgende zusammenhängende Reihe von Sedimentär-
ablagerungen (von 125 — 250 m Mächtigkeit) gehört einer andern
Facies an, die wir vorher nur in der Abteilung 5 a der Obern
Mokattamstufe an der Birket el-Qerün wenigstens angedeutet
finden. Sie ist eine fluviomarine Aestuarienbildung des »Liby-
schen Urnil'', in welcher fluviatile, brackische und marine
Bildungen wechseln, wobei aber die erstgenannten überwiegen.
Das vorherrschende Gestein sind Sande und Sandstein, denen
sich Kiese und gipsführende Thone anschliessen, während
^) Am Mokattamgebirge bei Kairo auch in I 4.
M. Blanckehkorn: Geölogiach-stratigraphische Beohachtufigen, 899
Mergel und Kalke selten sind. Dieser Gegensatz spricht sich
an der Basis des Komplexes auch orographisch durch das
weite Zurücktreten der vierten, aus diesen Schichten aufge-
bauten „Fajumstufe** hinter dem scharfen Rand des mittel-
eocänen Plateauabfalls aus. Obwohl eine Diskordanz nicht
direkt zu beobachten ist, könnte man doch speziell im NO.
an eine Lücke oder Unterbrechung der Sedimentation zu Be-
ginn des Obereocäns (Bartonien) denken und geneigt sein, den
ganzen fluviomarinen Komplex ins Oligocän zu stellen. Mayer-
Eymar fasst letzteren thatsächlich als Ligurien (XJnteroligocän)
und Tongrien (Mitteloligocän) auf, und glaubt das Bartonien
hier nicht vertreten. Die ägyptischen Landesgeologen, Beadnell
und ich, haben in ihren Schriften trotzdem sich für Obereocän
und XJnteroligocän ausgesprochen.
Die Frage des Alters, speziell der Grenze zwischen Eocän
und Oligocän kann mit Sicherheit nur durch die paläontologi-
schen Befunde gelöst werden. Aber grade da liegt die Haupt-
schwierigkeit und erheben sich schwer lösbare Rätsel.
Sieht man von den überall mehr oder weniger verbreiteten
pflanzlichen Resten und vereinzelten Schildkrötenknochen ab,
so lassen sich meines Wissens 5 wichtige fossilführende Hori-
zonte (a — e) innerhalb des Komplexes unterscheiden:
Der tiefste, nahe der Basis gelegene, sandig-kiesige Horizont
(a) liefert neben unglaublichen Massen von verkieselten Bäumen
schwach verkieselte Knochen von Fluss und Land bewohnenden
Reptilien und Säugethieren, die wenigstens, was die Säugethiere
betrifft, wesentlich von der entsprechenden Fauna des ägypti-
schen Mitteleocäns abweichen, meist ganz neuen, noch unbe-
kannten Gattungen angehören und, soweit überhaupt vergleich-
bar, mehr oligocänen Habitus aufweisen. Die Reptilien scheinen
gleichen Gattungen, Toraistoma und Podocnemis, anzugehören,
wie wir sie schon im Mitteleocän Aegyptens kennen lernten.
Von Säugethieren hat man Wasserbewohner bis jetzt nicht
wahrgenommen. Dagegen sind die Landbewohner durch ein
merkwürdiges, nagethierartiges Raubthier (?) (Phiomia), das
400 Sitzung der math.-phys, Classe vom 8. November 1903,
nach Andrews^) zu den Creodontia oder Urfleischfressem ge-
hört, die Hyracoideen oder Klippschliefer (? !) nach demselben
Autor durch 2 Arten von Saghatherium Andr. gen. n., die
Proboscidier durch Palaeomastodon g. n., die Anthracotheriden
durch die sonst vorherrschend oligocäne Gattung Ancodus,
endlich eine unbekannte Hufthierfamilie durch das wunderbare
Arsinoitherium Zitteli Beadn. vertreten.^)
Der zweite Fossilhorizont (b) wird gebildet aus rotem
Sandstein mit Steinkernen fluviatiler Mollusken (Unio, Pseudo-
don, Mutela, Spatha, Lanistes), die den heutigen Formen des
Nil und des tropischen Afrika nahe stehen, was übrigens
ebenso für den oben erwähnten Lanistes subcarinatus und die
Ampullaria cf. ovata der Abteilung 5 a des Mitteleocäns gilt.
Dann folgt als Abschluss einer Plateaustufe ein in bracki-
schem Wasser gebildeter Kalk (c) mit Abdrücken von Cerithium
tiarella (bekannt aus Mittel- und Obereocän), Potamides tri-
striatus (des Mitteleocän), Potamides scalaroides (des Obereocän),
Potamides conjunctus (des Mitteloligocän) und Melania Nysti
(des Mitteloligocän). Diese Fauna ist sehr charakteristisch für
die ganzen in Rede stehenden Ablagerungen. Man sieht eocäne
und oligociine Faunen Europas in der nämlichen Schicht ge-
mischt und kann demnach schwanken, welchen von diesen
zwei Gruppen man das entscheidende Gewicht beilegen soll.
Ich selbst habe die unter dem Kalk liegende Gruppe von Sedi-
menten dem Obereocän zugerechnet und in diese brackische
Bank die Grenze gegen das anbrechende mehr marine Oligocän
gelegt.
Auf der Ten^asse der Melania-Potamides-Kalke erhebt sich
eine letzte fünfte Plateau stufe mit einem Basaltlager unterhalb
des Gipfels. Ungefähr in der Mitte des Abhangs unter der
Basaltdecke erscheint der vierte Fossilhorizont (d) in Gestalt
von Sandstein mit sehr schlecht erhaltenen Abdrücken mariner
1) Phiomia ist nach meiinT und Dr. Stromers Ansicht sicher kein
Croodonte, Saghathoriiim kaum ein Hyracoide, Arsinoitherium aber ist im
.aliuha\i Coryphodon ähnlich, al>o wohl ein Amblypode.
M, BlaneJcenhom: Oeölogisch-stratigraphisehe Beobachtungen, 401
Thiere, unter denen vom Schweinfurth-Plateau im NNW. der
Birket nur Membranipora sp., Turritella pharaonica und nach
Beadnell noch Pleurotoma ingens sicher bestimmt wurden. Die
beiden genannten Arten sind uns aus der Mokattamstufe wohl-
bekannt, speziell T. pharaonica als eine der allergemeinsten
Schnecken. Hierher gehört ferner die von Mayer-Eymar müh-
sam zusammengebrachte Suite von den Sandbergerhügeln im
W. der Pyramiden von Gizeh und dem Gebel Fuchs, wovon
ich nur folgende ziemlich sichere Arten erwähne: Lucina
pharaonis (der Mokattamstufe), Natica cf. crassatina (des Oligo-
cäns) und Turritella pharaonica. Also auch hier wieder eine
Mischung von echt eocänen und oligocänen Arten, unter denen
die ersteren diesmal überwiegen.
Aehnlich wie hier verhält es sich auch mit der fünften
Fossilschicht (e), die über dem Basaltlager liegt und auf dem
Gipfel des Kom el-Chaschab den obern Abschluss der ganzen
fluviomarinen Reihe bildet. In meinen früheren Ausführungen
über das Palaeogen in Aegypten^) hatte ich noch mit Mayer-
Eymar geglaubt, dass die Fossilschicht an genanntem Punkte
von genau gleichem relativem Alter sei wie diejenige der Sand-
bergerhügel und der Basis des Schweinfurth-Plateaus (d). Nach-
dem ich aber auf unserer diesjährigen Reise das durchgehende
Basaltlager am Ostfusse der Whitehouse-Hügel und des Kom
el-Chaschab sowie auch südwestlich davon in der Mitte der
sandigen Schichtenreihe vorgefunden und am letzten Ort hoch
über dem Basalt einen fossilführenden Kalksandstein, wie ihn
Mayer-Eymar vom Kom el-Chaschab beschreibt, als oberste
Lage entdeckt habe (vergl. die folgenden Profile), muss ich
nunmehr auch in der obersten Sandsteinschicht des Kom el-
Chaschab einen etwas höheren Fossilhorizont annehmen. Seh wein-
furth sammelte darin Tellina Bayani M.-E. (des Unteroligocäns),
Turritella terebralis v. sulcifera Desh. (des Obereocäns, direkter
Vorläufer der ähnlichen T. terebralis v. subgradata des Mio-
cäns), Ficula Mayer-Eymari Blanck. (der Mokattamstufe, ver-
>) Geologie Aegyptens II, p. 4G2— G4.
402 Sitzung der mcUK-phys. Glosse vom 8, November 1902,
wandt mit F. condita des Miocäns). Ich selbst habe dieser
Liste nur noch Lucina pharaonis (?) (der Mokattamstufe und
des vierten Fossilhorizonts d) von meinem neuen Fundpunkt
(in Profil Q) zuzufügen.
Nehmen wir nun für den ersten und zweiten (fluviatllen)
Fossilhorizont a und b ein obereocänes, für die beiden letzten
marinen ein unteroligocänes Alter an und legen die untere
Grenze des Oligocän in die brackische Schicht, dann müssen
wir die Folgerung ziehen, dass in Aegypten beziehungsweise
Nordafrika und an seiner Nordküste zur Zeit des Obereocan
oder Bartonien und gegen Ende desselben schon gewisse Thier-
typen existirten, welche wir in Europa erst später kennen
lernen (Ancodus, Melania Nysti, Cerithium conjunctum), also
das Festland Afrika für Landbewohnende Säugethiere und das
Aestuarium des Nil für öastropoden ein sogenanntes „Schöpf-
ungszentrum** bildeten, von dem diese Thiertypen ausgingen.
Ferner, dass viele echt eocäne Typen sich hier in Aegypten
(wohl infolge der Beständigkeit der Facies und äussern Lebens-
bedingungen) länger (noch bis mitten ins Oligocän) erhalten
haben, als wir das für Europa gewohnt sind. Bei dieser
Altershypothese gleichen sich aber jedenfalls die widersprechen-
den Momente der Mischfauna besser aus, als wenn wir ein-
seitig auf die jungen Säugethiertypen Ancodus und Palaeo-
mastodon und die oligocänen Gastropoden uns stützend, den
ganzen fluviomarinen Komplex als Oligocän, die tieferen Lagen
als Unteroligocän, die höheren marinen als Mitteloligocän oder
Ton grien auffassen.
Auf unserer zweimaligen Reise ins Fajüm hatten wir vier-
mal Gelegenheit, diese Schichten kennen zu lernen:
P. Ostabhang der Whitehousehügel ^) Schweinfurths, von den
Beduinen gewöhnlich auch Kom el-Chaschab genannt.
(7. 2. 1902.)
1) Vergl. Geol. topogr. Kurte der Kreide-Region bei den Pyramiden
von Schweinfurth. Peterm. Mitth. 1889. Taf. I.
M. Blanchenhom: Geologüch-stratigraphische Beobachtungen, 403
c.25-30m
Oben Grobes Geröll von Feuerstein, Kieselkalk, schwarzem Porphyr etc.
e. Violettbrauner, löchrig zerfressener Sandstein (darin an
dem isolirten Kegel im N. dieser Hügelgruppe, dem Kom
el-Chaschab im engeren Sinne, von Schweinfurth Petre-
fakten mit Schale gesammelt),
Weisser Knotensandstein, Sande und Kies mit verkieselten
Baumstämmen bis zu 14 m Länge.
In der Ebene, 25 Mi-
nuten vom Ostfuss ent-
fernt, anstehend Basalt-
lager mit Kieselsinter-
adern (letztere auch von
Schweinfurth beob-
achtet).
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404 Sitzung der matK-phys. Glosse vom 8. November 1902.
e)
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c)
O
a)
c. 1 m Grauer, grober Sandstein mit Abdrücken von Lu-
cina cf, pharaonis ?
c. 30— 35 m Knotensandatein, Sand und Kies mit vielen
fossilen Baumstämmen,
Im Basalt, oben plattig abgesondert und in Scherben
zerfallen, unten schlackig löchrig, aschgrau verwittert
mit runden Knollen dichteren Basalts und mit Drusen
von Prasem und Chalcedon, grünen Mandeln von De-
lessit, Adern von Kieselsinter,
0,70 m grüner und violetter, geschichteter Tuff,
0,45 m gelblicher, eisenschüssiger Mergelsandstein oder
rötlicher Knotensandstein, oben durch Kontakt ver-
ändert,
5 m Sand, violett oder weiss und Knotensandstein,
c. 16 m aschgrauer Thon, Sand und Sandstein.
Stufe aus:
1 m Thoneisensteinlagen (3) mit Thon und Sand da-
zwischen,
1 m grauem Thon mit Gips,
0,15 — 25 m ockergelber Mergelkalkbank, ähnlich dem Me-
lanien-Potamideskalk (c),
1,20 m grauem Thon,
0,25 m ockergelber Mergelbank,
3 m grauem Thon.
Tiefere Terrainstufe aus:
6 m oben hellrötlichem Kalk mit Kalkspathdrusen und
Adern, darunter feuerrotem Sand,
3m Sand, Sandstein und Kies mit versteinertem Holz (a).
(Die untere Fortsetzung dieses Profiles von dem unmittelbar
folgenden Steilabsturz des Mitteleocäns bis zur Ebene siehe
oben bei Profil F).
K. Südostecke des basaltischen „Schweinfurth-Plateaus**, der
höchsten Aufragung zwischen Wadi Natrun und Birket el-Qerün
und von dort hinab in OSO.-Richtung. (9.— 10. und 16. 2. 1902.)
M. Blanckenhom: Geoloffisdi-straHffraphiscke Beobachtungen. 405
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1902. Sitzungsb. d. math.-pliys. Gl.
27
406 Sitzung der malh.-phys. Glosse vom 8. November 1S03.
Fig. 17. Blick auf die SO.-Ecke des Schweinfurthplateaus von 80. am.
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(1)
c. 7 m Kies mit grünlichem Sand und Trümmern von verkie-
seltem Holz. Oberste Plateauschiclit,
1 — 2 m graugelber Sandstein,
G m grünlich aschgrauer, mürber schlackiger Basalt undToff,
3 m Decke aus feinkörnigem Feldspathbaaalt,
1,20 m grüner und violetter, tuffartiger, kalkiger Sandstein mit
braunen Thonpartikeln,
2 m gelber, roter und weisser Knotensandstein,
2 m rote Letten,
4,30 m grauer und rötlicher Sand,
1,30 m vorspringende Bank von grauem Knoten Sandstein,
9,30 m Sand und mürber Sandstein,
0,50 m Knotensandstein, vorspringende Kante,
0,40 m Mergelkalk,
0,10 m Knotensandstein,
1,50 m bunte Letten,
2 m Sandstein mit Abdrücken mariner Schalthiere,
5,80 m grüner und gelber Sand und Kies,
0.70—1 m Mergel kalk und Mergel,
12 m Sand und Thon,
c. 10— 12 m verschüttet. Plateaustufe.
(Summa c. 70 m).
8 10 m
c. 40 m
Gelber Kalk mit Melania Nysti und Cerühium conjunctum,
Weisser Kalk,
Weisser Sand,
Hüter Sand, Sandstein und Kies, unten mit vereinzelten
Knochen von Schildkröten.
Wiederholter Wechsel von kreidigem und ockergelbem
Mergelkalk mit Kalkspathdrusen, weissem und rotem
Sand, Knotensandstein, Kies und buntem Thon, in
mehreren Terassenstufen aufgebaut.
a)
M, Blanchenhom: Geöhgisch-stratigraphisdhe Beobachtungen, 407
Am Fuss dieser untersten Terrassen der , vierten Fajüm-
stufe* Schweinfurths ^) dehnt sich eine Hochfläche
aus, durchzogen von flachen Thälern mit niedrigen,
sanft abgerundeten, welligen Erhöhungen aus Kies,
grauem und rotem Sand, Knotensandstein, Eisenstein-
lagen und grünem Thon. Hier auffallend viel ver-
kieselte Baumstämme bis zu 23m Länge, teilweise
sich gabelnd oder in 3 Aeste geteilt. In der Um-
gebung dieser Baumstämme sind schwach verkie-
selte Knochen von Krokodil (Tomtsioma ?), Schild-
kröten {Podocnemis), Palaeomastodon, Äncodus Gor-
ringei Andr. u. ßeadn., Hyaenodon'? angehäuft.
c. 25 m
Summa c. 75 — 80 m.
Die direkte Fortsetzung dieses Profils nach unten bildet
das obige Profil ö mit Figur 7.
S. Aufstieg vom Rande der dritten Fajümstufe oberhalb des
„Korallenhügels** (vergl. Profil L. Fig. 11) zu meinem früheren
Lagerplatz im Jahre 1898^) (bei + 132 m Meereshöhe).
Der Fuss des durch seine rote Farbe auffallenden Berges „Station IV"
meiner ehemaligen Kartenaufnahme 2) besteht aus
1 m gelbem Sand und Knotensandstein mit weissen Knochen,
3 m roter Sand,
2 m bunte Letten.
Unterhalb des Fusses folgt eine Fläche mit einzelnen flachen Hügeln
mit Knotensandstein und Kies. Dort Knochen von Krokodil, Schildkröten
und grossen Landsäugethieren wie Arsinoitherium (Wirbelköi-per von
12 cm Durchmesser), eine glatte höckerlose Schädeldecke eines grossen
Hufthiers u. s. w.
') Reise in das Depressionsgebiet im Umkreise des Fajüm. S. 141,
*) Vergl. dazu das , Querprofil durch den Fajümgraben'* in meiner
, Geologie Aegyptens** II, Taf. XIV, Fig. 2 und S. 454.
27^
408 Sitzung der matK-phys, Glosse vom 8. November 1902,
4. Zur Kenntnis der Basalte Aegyptens.
An mehreren Punkten der Libyschen Wüste hatte ich
Gelegenheit, anstehende Basalte sowie auch GeröUe von Basalt
und anderen krystallinischen Felsarten anzutreflfen. Da bisher
nur eine einzige petrographische Beschreibung eines Basalt-
gesteins aus der Libyschen Wüste, nämlich der aus der Oase
Beharieh von Ascherson mitgebrachten Gesteinsstücke durch
Zirkel*) existirt, so erschien es mir von Bedeutung, Proben
weiterer Vorkommnisse behufs näherer Untersuchung zu
sammeln. Dies fand an folgenden Orten statt:
1. am Wege Menahaus-Qasr es-Saga 2 Tagereisen west-
südwestlich von ersterem, wo am S.Februar in dem Oligocän-
profil Q (Fig. 15)
a) ein feinkörniger dichter Basalt,
b) Basaltschlacke, stark verwittert,
c) lose liegende Mandeln von Chalcedon, sekundärem Quarz
und einem grünen delessitartigem Mineral
gesammelt wurden;
2. auf dem Gipfel des Schweinfurth- Plateaus (Profil R,
Fig. 16), von wo am 9. Februar Proben
a) der ausgedehnten oligocänen Basaltdecke,
b) der lokal an den höchsten Punkten noch darüber lie-
genden schlackigen kavernösen, bröckelig verwitterten
Basaltschicht von 6 m Stärke,
c) des unter a liegenden tuflfartigen Sandsteins entnommen
wurden ;
3. in der Ebene der Terrasse von Dimeh, ^\^ Stunden
westlich Qasr es-Saga, wo sich einige schwarze, breite, niedrige
Hügel aus lauter Basaltblöcken in gerader Richtung senkrecht
zum Fusse des Ilauptgebirgsabfalls aneinander reihen, augen-
scheinlich als Teile eines ehemaligen (pliocänen?) Lavastroms;
') Bei Zittel: Beiträge z. Geologie und Paläontologie d. Libyschen
Wüste. Paläont. XXX. S. 121.
M, Blanchenhom: Geologisch-stratigraphische Beobachtungen. 409
4. in der näheren Umgebung unterhalb Qasr es-Saga
zwischen den dortigen Schutthügeln
a) eckiges scharfkantiges Geröll eines dunkelgrüngrauen
krystallinischen Gesteins mit schwarzer glatter Oberfläche,
b) GeröUe von Basalt, entweder zu 2 a oder zu 3 gehörig;
5. neben der Cheopspyramide (IV. Dynastie), wo Trümmer
ihrer ehemaligen äusseren Basaltbekleidung herumliegen;
6. im Todtentempel der IV. Dynastie bei den Pyramiden
von Abusir, wo der Fussboden des Säulenhofs aus Basalt ge-
bildet ist.O
Diese verschiedenen Proben wurden an das Mineralogisch-
petrographische Institut im Königl. Museum für Naturkunde
zu Berlin, bezw. dessen Direktor, Herrn Geheimrat Professor
Dr. Klein zu näherer Prüfung übergeben. Die durch Herrn
Dr. Wolf daselbst freundlichst vorgenommene mikroskopische
Untersuchung führte zu folgenden Resultaten:
Das Gestein 4a ist ein Amphibolit von körniger Struktur,
zusammengesetzt aus Plagioklas und Hornblende.
„Der Kalknatronfeldspath ist nach Art der Gabbrofeld-
spathe tafelig entwickelt. Es ist ein basischer Feldspath mit
grösseren Schiefen der Albitlamellen. Auf M = ooP ob (010)
zeigt er eine Schiefe von — 20^, entspricht also dem Labrador.
Die Hornblende füllt entweder die Zwischenräume zwischen
dem Feldspath aus oder reichert sich nesterweis an. Man kann
2 Varietäten unterscheiden, eine grüne Hornblende und eine
lichtere Varietät, die der strahlsteinartigen Hornblende näher
steht und etwas stärkere Doppelbrechung aufweist. Die Horn-
blende dürfte aus Diallag durch Einwirkung des Gebirgsdrucks
entstanden sein. Man kann vereinzelte, noch nicht völlig um-
geänderte Diallage beobachten und die Stadien der Umwand-
lung zur Hornblende verfolgen. Ein geringer Erzgehalt ist
dem Gestein eigen.**
Das vorliegende Gestein ist anstehend aus der Libyschen
*) Diese Probe verdanke ich der Güte des Herrn Professor
Schweinfurth.
410 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 8, November 1902.
Wüste nicht bekannt. Dagegen gibt es Homblendegesteine und
Gabbros ähnlicher Art zusammen mit Gneiss in der Oegend
von Assuan^) und im krystallinischen Wasserscheidegebirge
zwischen Nil und Rotem Meer.^) Es ist daher entweder als
GeröUe des ehemaligen Libyschen Ur-Nil der Tertiärzeit in die
Gegend von Qasr es-Saga transportirt oder, wie mir bei seiner
Lage zwischen den Scherbenhügeln am Qasr es-Saga wahr-
scheinlicher wird, von Menschen verschleppt worden.
Das Gestein 2 a ist ein „grauer feinkörniger Feldspath-
basalt von diabasisch körniger Struktur.
Der Plagioklas ist leistenförmig entwickelt; der Augit
wird licht grünlich durchsichtig. Olivin ist nur spärlich ver-
treten, reichlicher dagegen leistenformiges Titaneisen.* Be-
sonders charakteristisch für dieses Gestein sind die mit blossem
Auge sichtbaren, grösseren, glänzenden Plagioklaseinsprenglinge
bis zu 0,5 cm Durchmesser, neben denen seltener auch grosse
Olivinkörner und Augitkrystalle wahrzunehmen sind.
An diesen Basalt schliessen sich die meisten anderen fein-
körnigen Basaltproben in ihrer BeschaflFenheit mehr oder weniger
an. Besonders gilt das für Nr. 3, 5 und 6.
Auch das früher von Arzruni ^) von Abu Zabel am Ismai-
lia-Kanal nördlich Kairo beschriebene olivinarme Gestein gehört
in dieselbe Gruppe, so dass man wohl berechtigt ist, für die
Gesteine aus den Ruinen von Abusir und des Mantels der
Cheopspyramide als Ursprungsort alte Steinbrüche der Gegend
von Abu Zabel anzunehmen, wo ja auch heute noch der ganze
Basaltbedarf von Kairo gedeckt wird. Beyrich*) bezeichnete
den Durchbruch der Basalte von Abu Zabel als Jungtertiär,
ohne freilich Beweise dafür vorzubringen, während Beadnell
^) Bonney: Notes on the Microscopic Structure of some Bocks from
the Noijxhbourbood of Assouan. Geol. Mag. 1886, p. 103.
2) E. Fraas: Geogn. Profil vom Nil zum Rothen Meer. 1900,
3) ^it/.b. a. K. Aka-l. (1. Wi>s.. Berlin 1882.
"*) Ueht'r gt'Oirnost. Beobachtungen Schweinfurths in der Wüste
zwischen Cairo und Sues 1882. 8. 17.
M, Blanckenhom: Oedogisch-stratigraphische Beobachtungen. 411
ihn für gleichalterig mit den angeblich oligocänen Basalten der
Oase Beharieh und des Schweinfurth-Plateaus hielt. Der Basalt
von Beharieh ist jedenfalls nach Zirkels Beschreibung von den
hier vorliegenden Basaltvarietäten ziemlich verschieden durch
das reichliche Auftreten des Olivins und Apatits und das Fehlen
der grossen Plagioklase.
Etwas reicher an Olivin als Nr. 2 a, 3, 5 und 6 sind 1 a,
anstehend im Oligocän der Wüste halbwegs zwischen Mena-
haus und Qasr es-Saga und das Geröll 4 b von Qasr es-Saga,
zwei Gesteine, die im übrigen, speziell in Bezug auf die
grossen auffalligen Feldspatheinsprenglinge sich ganz zu den
anderen halten. Trotzdem muss 1 a als altersgleich (oligocän)
mit 2 a angesehen werden, während 3 entschieden viel jünger
ist. Denn dieser Basaltstrom im W. von Qasr es-Saga kann
sich erst dann über die austernführenden Schichten des Mittel-
eocäns, die er bedeckt, ergossen und ausgebreitet haben,
nachdem der ganze, über 200 m mächtige Komplex von
Eocän- und Oligocänschichten, welcher zur Zeit der Bildung
der Basaltdecke des Schweinfurth-Plateaus (2 a) diese ganze
Gegend bedeckte, am heutigen Nordufer der Birket el-Qerun
wieder denudirt und die Austemschichten der Mokattam-
abteilung 113 blossgelegt waren. Das ist frühestens im Plio-
cän gewesen, in einer Zeit, in welcher auch die neuesten tek-
tonischen Störungen im Nilgebiet und in der Libyschen Wüste
vor sich gingen.
Das Gesagte bestätigt wieder die alte Erfahrung, dass be-
nachbarte Vorkommnisse von Eruptivgesteinen von sicher glei-
chem Alter ebenso verschieden von einander sein können, wie
solche von verschiedenem Alter einander gleichbeschaffen, so
dass hier jedenfalls zwischen oligocänen und jungtertiären
Basalten Aegyptens kein durchgreifender Unterschied in der
mikroskopischen Beschaffenheit besteht, der berechtigte, aus
letzterer allein Schlüsse auf das Alter zu ziehen.
Die schlackigen, stark verwitterten Gesteine Ib und 2 b
sind mehr glasig erstarrte, groblöcherige Basalte. „Die glasige
Grundmasse ist mit Eisenhydroxyd durchtränkt. Die Plagio-
412 Sitzung der math.-pliys. Classe vom 8. November 1902,
klane zeigen teilweise die für schnelle Erstammg charakte-
ristische sanduhrartige Skeletbildung. Der Augit ist schwach
jileochroitisch. Das Titaneisen bildet lange Leisten.*
Man könnte wenigstens bei der Gesteinsart 2bf die das
unmittelbare Hangende von 2 a einnimmt, meinen, es nur mit
einer oberflächlichen Erstarrungskruste des tieferen Basaltlagers
zu thun zu haben. Dem widerspricht aber der beobachtete
Wechsel mit TuflFen und die Mächtigkeit, die deijenigen der
tieferen, feinkörnigen, einförmigen Basaltmasse weit überlegen
ist. Am Schweinfurth-Plateau beträgt sie 6 m, die des dichteren
festen Basalts nur 8 m. Ausserdem ist die höhere Schlacken-
und TufTschicht beschränkt auf die allerhöchste tafelförmige
Erhebung über dem ausgedehnten Basaltplateau, wie obige
Fig. If) zeigt, wo noch Sandsteine und Kies darüber folgend
den Ab.schluss der oligocänen Sedimentreihe bilden. Hier glaube
ich die höheren Basaltschichten auf einen besonderen zweiten,
mit Tuifausbrüchen wechselnden Basalterguss zurückführen zu
niUsson.
In dem Oligocünprofil Q scheint der umgekehrte Fall vor-
zuliegen wie bei R, insofern die in lauter kleine Brocken zer-
fallende schlackige Varietät Ib den unteren Teil des Basalt-
lagtMs oinniuinit, wo sie aber auch einzelne rundliche echte
Hasnltknollen (l a) unischliesst. Scherben von echtem, plattig
abgesoiulertein Basalt nehmen hier das Hangende und ge-
scluchteto Tuilo das Liegende der schlackigen, mürben Lage ein.
Kin Delossit-artiges Zersetzungsprodukt (Ic), das oft alle
Poren in l h erfüllt und auch in grösseren Stücken herumliegt,
färbt das (lestein Ib wie auch die dortige Erdoberfläche hell-
grünlich.
Mehrfach liegen an beiden Orten, in Profil Q und R,
zwisohiMi den Hrooken von Ib und 2b Mandeln aus Chalcedon
luui sekundäroui Quarz vl«^^» welche peripherisch oft durch
Sorpontinsubstanz irrünireiarbt sind und dann wie Moosachat
oiU r Pnisoni aussehen. Da derartiire grüngestreifte Chalcedone
\uu\ k}\vm':v in don Kios\vü>ten des nördlichen Aegyptens eine
häutiv^e Vli^cht inung sind, ist es von Interesse, jetzt über ihre
M, Blanckenhom: Oeolofftach-stratigraphieche Beobachtungen. 413
Herkunft aus den oligocänen Basaltlagem der Libyschen Wüste
Näheres zu erfahren. Bemerkenswert ist noch die oft schön
gerunzelte wulstige Oberfläche dieser Mandeln, die den getreuen
Abdnick der Wände früherer Hohlräume in der Lavaschlacke
darstellt. Mandeln von milchweissem Chalcedon fanden sich
übrigens auch in der Umgebung des jüngeren Lavastromes im
W. von Qasr es-Saga vor.
Das früher als TuflF angesehene violette Gestein 2 c im
Liegenden der Basaltdecke am Schweinfurth-Plateau erwies sich
bei näherer Prüfung als Sandstein mit kalkigem Bindemittel
ohne basaltische Einschlüsse, aber mit braunvioletten eckigen
Thonpartikeln, die jedesmal von einer Kalksinterkruste um-
hüllt sind.
Im Gegensatz dazu scheint unter dem Basaltlager 1 (Profil Q)
wirklicher geschichteter Tuff von 0,70 m Mächtigkeit zu lagern,
oben von grünlicher, unten von violetter Farbe.
5. Zur Kenntnis des Neogens und der Diluvialbildungen
im Nilthal.
Schon in meiner Behandlung des Miocäns in Aegypten^)
hatte ich in einem besonderen Abschnitt unter dem Titel „An-
gebliches Miocän des Nilthak** den ausführlichen Nachweis zu
liefern gesucht, dass sich im eigentlichen Nilthal nirgends
marine Miocän ablagerungen vorfinden. Nach Fourtaus An-
gaben*) konnten 2 Punkte im S. der Pyramiden in dieser Be-
ziehung in Frage kommen, nämlich die Südseite des Gebel
Kibli el-Ahram, d. h. Schweinfurths^) Lokalität C und der
Gipfel des Kom esch-Schellul, Schweinfurths Lokalität D. Nach
dem a. a. 0. mehr kompilatorisch aus der Literatur und Schwein-
J) Geologie Aegyptena III. S. 88-96.
^) Sur les sablea ä Clypeastres des environs des Pjramides de Ghizeh.
Bull. Soc. geol. France (3), XXVI, 1898, S. 39. — Notes sur les Echinides
fossiles de l'Egypte, Le Caire 1900, S. 28, f. 6.
•) Geologisch-topogi-aphische Karte der Kreide-Region bei den Pyra-
miden. Petermanns Mitth. 1889. Taf. 1.
412 SÜBunff der wath.-l^iif«. Clas^e vom S. November IBÖ^,
klase zeig&n teilweise die für schnelle Erstaming charakte-
ristische sand uhrartige Skeletbiidung. Der Augit ist »chwach
pleüchroitisch. Das Tltatieisen bildet lange Leisten**
Maa könnte Tveiiigstens bei der Qesteinsart 2 b, die das
unraittelbare Hangende von 2 a einnimmt, meinen, es nur mit
einar oberilnchlicben Erstarrungskruste des tieferen Basal tlagers
zu thun zu haben. Dem widerKpricht aber der beobachtet«
Wechsel mit TuiFen und die Mächtigkeit, die derjenigen der
tieferen, feinkörnigen, einförmigen Basaltmasse weit überlegen
ist. Am Schweinfurth'PIateau beträgt sie ö ni, die des dichteren
festen Basalts nur *^ m* Ausserdem ist die höhere Schlacken»
und Tuffschicht beschränkt auf die allerhöchste tafelförmige
Erhebung Über dem ausgedehnten Basal tplateau , wie obige
Fig. 16 zeigt, wo noch Sandsteine und Kies darüber folgend
den Äbschluss der oligocänen Sedimentreihe bilden. Hier glaube
ich die höheren Basaltschichten auf einen besonderen zweiten,
mit Tuffaasbrüchen wechselnden Basal terguss zurückführen zu
müssen.
In dem OligocänproEl Q scheint der umgekehrte Fall vor-
znlit^gen wie bei B, insofern die in lauter kleine Brocken zer-
fallende schlackige Varietät Ib den unteren Teil de^ Basalt-
lagerH einnimmt, wo sie aber auch einzelne rundliche echte
BasaltknoUen (1 a) umschliesst« Scherben von echtem, plattig
abgesondertem Basalt nehmen hier das Hangende und ge-
schichtete Tufie das Liegende der schlackigen, mürben Lage ein.
Ein Delessit*artiges Zersetznug^prudukt (Ic), das oft alle
Poren in 1 b erfüllt und auch in grosseren Stücken herumliegt^
fiirbt das Gestein Ib wie auch die dortige Erdoberfläche hell-
grünlich.
Mehrfach liegen an beiden Orten, in Profil Q und R,
»wischen den Brocken von 1 b und 2 b Mandeln aus Chalcedon
und sekundärem Qtiarz (Ic), welche peripherisch oft durch
Serpentinsubstanz grüngefarbt sind und dann wie Moosachat
oder Prasenj aussehen. Da derartige grüngeistreifte Chalcedone
und Quarze in den KieswUsten des nördhchen Aegyptens eine
hüuiige Erscheinung sind, ist es von Interesse, jetzt über ihre
ncJieiikorn: Geologisch-stratigraphische Beobachtungen, 415
mehrerer anderer Seeigel am Kom esch-Schellul,
wiederholt, d. h. soweit man bis jetzt weiss.
-iBer lässt sich keine Zweiteilung des marinen
^ilthals aufbauen,
ajüm wurden auch von unserer Expedition keine
.nbestreitbaren Beweise der Existenz einer pliocänen
esbucht in Gestalt von Fossilien vorgefunden. Doch konn-
u wir das Vorhandensein der eigenartigen senkrechten finger-
dicken Löcher, die man auf die bohrende Thätigkeit von Meeres-
thieren zurückführt, rings um den See von Qasr el-Qerün über
Dimeh bis Kom Muschim feststellen. Ausser diesen gewöhn-
licheren Löchern von 2 - 3 cm Durchmesser beobachtete ich
auf dem Nordufer des Sees auf einer Felsplatte aus eocänem
Kieselkalk etwa 40 m über dem heutigen Seespiegel auch
schüsselförmige von bald rundlicher Gestalt, bald eiförmig oder
elliptisch buchtig etwa von der Form einer Unio oder andern
queroblongen Bivalve von 6 — 10 cm Länge und 5 — 6 cm Breite.
Diese Pfannen sehen gerade so aus, als seien sie von kugeligen
Bohrkörpem, wie Seeigeln, die ihren Platz nur wenig ver-
schoben, langsam eingegraben. Von Seeigeln selbst ist freilich
keine direkte Spur mehr da. Die Wogen der Brandung und
die spätere Deflation des Windes haben hier an den Ufern
der Birket alle organischen Reste aus jener pliocänen Zeit ver-
nichtet und auch die Eocänschichten in eigenartiger Weise
ausgewaschen, so dass von ihnen nur die härteren Partien
zurückblieben.
Ueber die Frage der Ausdehnung des Pliocänmeeres
nach S. wurden auf unserer Expedition weitere Daten negativer
Art gesammelt, welche meine frühere Annahme einer Nichtexi-
stenz von marinem Pliocän imThalbeckenvonTheben bestäti-
gen. Barrons und Beadnells angeblicher Foraminiferenkalk von
Erment oberhalb Theben mit echt pliocänen Foraminiferen
war von mir s. Z. als Süsswasserkalk des obersten Pliocäns
oder Diluviums mit Trümmern von Eocänforaminiferen auf
sekundärer Lagerstätte gedeutet worden. Ich hatte freilich
dieses Mal nicht das Glück, gegenüber Erment auf dem rechten
414 Sitzung der matK-phya, Classe vom 8. November 1902,
furths mündlichen Angaben und Sammlungsproben erbrachten
Nachweis, dass an jenen Stellen Miocän nicht existire, blieb
es mir übrig, persönlich noch einmal diese Lokalitäten genauer
zu prüfen.
An der Lokalität C am Südende des oben (Profil E, Fig. 6)
erwähnten Gebel Kibli el-Ahram fand ich mehrere Kuppen
von anstehendem Gestein aus dem allgemein verbreiteten
Wüstenkies und Schutt aufragend. Zwei davon waren aus
kalkigem Pliocänsandstein mit Ostrea cucuUata und der
flacheren Spielart von Pecten benedictus gebildet, während sich
die übrigen aus Eocänkalk, insbesondere einer Bank mit Carolia
aufgebaut zeigten.
An der Lokalität D, dem Clypeasterfundort Kom
esch-Schellul, ist die höchste Spitze von Kies und Geröll
bedeckt. Der NNO. und O.-Abhang, nicht der Ostfuss dieses
Hügels, ist von zahlreichen */» — 2 m tiefen künstlichen Löchern
durchwühlt, wo von den Beduinen nach Clypeasterschalen ge-
graben worden ist und so der Pliocänsandstein ganz gut auf-
geschlossen vorliegt. Hier findet man in den gleichen Hand-
stüoken von grobem Sandstein neben dem Clypeaster aegyptia-
cus Schalen von Pecten benedictus, speziell hier deren gewölbte
hochrippige Spielart, dann Ostrea cucullata, Baianus, Mem-
bnuiipora, Serpula und Abdrücke von Cytherea chione, Ranella
niarginata, Xenophora infundibulum, Strombus coronatus v.
Mayori, Fischzähne u. s. w. Diese Fauna entspricht in jeder
Hinsicht derjenigen der echten Cucullatasande.
Der kurze, aber erfolgreiche Besuch der Clypeasierfdnd-
stätte hat uns die schon früher ausgesprochene Vermutung
zur Gewissheit erhoben, dass der Clypeastersandstein nur eine
lokal beschränkte Facies — . keine besondere Stufe des marinen
M i t T r 1 p 1 i o 0 ä n s von Aeirypten darstellt, dass Clypeastersand-
>tiir. r.r.d (^:oiillata<tr.fo zeitlich zusammenfallen.
np.s Vorkon.men festor Sandsteine mit St^inkemen ira
äsry|t:>^'l.t V; Piiooilr. ist übrigens keineswegs auf jene Lokalitat
besot;:iir.kt: >»uhe ri:. ier. sich noch an vielen Stellen, besonders
aut dtir. ruhtvr. NilurVr. EinziiX ist nur das Auftreten des
M. Blanckehhom: Geologisch-strati graphische Beobachtungen, 415
Clypeaster und mehrerer anderer Seeigel am Kom escli-Schellul,
was sich nirgends wiederholt, d. h. soweit man bis jetzt weiss.
Darauf allein aber lässt sich keine Zweiteilung des marinen
Pliocäns des Nilthals aufbauen.
Im Fajüm wurden auch von unserer Expedition keine
ganz unbestreitbaren Beweise der Existenz einer pliocänen
Meeresbucht in Gestalt von Fossilien vorgefunden. Doch konn-
ten wir das Vorhandensein der eigenartigen senkrechten finger-
dicken Löcher, die man auf die bohrende Thätigkeit von Meeres-
thieren zurückführt, rings um den See von Qasr el-Qerün über
Dimeh bis Kom Muschim feststellen. Ausser diesen gewöhn-
licheren Löchern von 2 - 3 cm Durchmesser beobachtete ich
auf dem Nordufer des Sees auf einer Felsplatte aus eocänem
Kieselkalk etwa 40 m über dem heutigen Seespiegel auch
schüsselfbrmige von bald rundlicher Gestalt, bald eifürmig oder
elliptisch buchtig etwa von der Form einer Unio oder andern
queroblongen Bivalve von 6 — 10 cm Länge und 5 — 6 cm Breite.
Diese Pfannen sehen gerade so aus, als seien sie von kugeligen
Bohrkörpem, wie Seeigeln, die ihren Platz nur wenig ver-
schoben, langsam eingegraben. Von Seeigeln selbst ist freilich
keine direkte Spur mehr da. Die Wogen der Brandung und
die spätere Deflation des Windes haben hier an den Ufern
der Birket alle organischen Reste aus jener pliocänen Zeit ver-
nichtet und auch die Eocänschichten in eigenartiger Weise
ausgewaschen, so dass von ihnen nur die härteren Partien
zurückblieben.
Ueber die Frage der Ausdehnung des Pliocänmeeres
nach S. wurden auf unserer Expedition weitere Daten negativer
Art gesammelt, welche meine frühere Annahme einer Nichtexi-
stenz von marinem Pliocän imThalbecken vonTheben bestäti-
gen. Barrons und Beadnells angeblicher Foraminiferenkalk von
Erment oberhalb Theben mit echt pliocänen Foraminiferen
war von mir s. Z. als Süsswasserkalk des obersten Pliocäns
oder Diluviums mit Trümmern von Eocänforaminiferen auf
sekundärer Lagerstätte gedeutet worden. Ich hatte freilich
dieses Mal nicht das Glück, gegenüber Erment auf dem rechten
416 Sitzung der mcUh.-phys. Glosse vom 8, November 1902.
Nilufer das besagte Gestein mit vielen Operculinen etc., wie es
Chapman beschrieb, anstehend zu schlagen. Dagegen gelang
es mir, auf dem linken Nilufer hinter Qüma bei Theben mehr-
fach ganz entsprechende weisse Kalksteine zu beobachten, welche
in innigem Wechsel mit Nagelflue und Eonglomeratschichten
sowohl die dortige altdiluviale Melanopsisstufe als auch die
mitteldiluviale Nilterrasse zusammensetzen.
An dem „ Gesellschaffcsgrab " , genannt Saft el-baqara, im
NO. des Sethostempels, nimmt dieser Kalk die Basis der jungen
diluvialen Flussterrasse hart am Rande der Kulturebene ein.
Dieses Gestein enthält, wie DünnschliflFe lehren, zahlreiche, stark
verletzte, d. h. gerollte oder transportirte Schalen von winzigen
Foraminiferen: Globigerina cretacea d'Orb., sicher bestimmt,
6. cf. buUoides d'Orb., Textularia sp., Bolivina? sp., Pleca-
nium? sp., Discorbina sp., Pulvinulina? sp. Das ist eine Ge-
sellschaft von vorwiegend pelagisch lebenden Gattungen und
Arten, wie sie nach Schwager sich vor allem in den Schichten
der Libyschen Stufe speziell am Guss Abu Said bei der Oase
Farafra vorfindet. Leider sind nach den Dünnschliffen keine
genaueren Artbestimmungen möglich, da die Schalen nicht
isolirt, also ihre Oberflüchenformen nicht erkannt werden können.
Zudem liegen nur Bruchstücke vor. Kein einziges Individuum
ist unversehrt, von den meisten ist höchstens zwei Drittel der
Schale erhalten, deren innerste konsistentere Teile, das Gerippe.
Von den besonders häufigen Globigerinen sieht man viele ein-
zelne Kammern oder Paiire derselben. Im übrigen besteht das
Gestein aus klein geriebenen Schalentrümmem von Mollusken
und sonstigem Grus, der durch Kalkschlamm verkittet ist.
Makroskopisch wie mikroskopisch macht das Gestein durchaus
den Eindruck eines klastischen Haufwerks von kleinen zusammen-
gesolnvonimton Teilen von Kreide- und Eociinkalk. Als Mutter-
gostoin konuiu'n in Betracht: 1. der weisse Kreidekalk mit Anan-
ch\tos inul Sohizorhab^lus. Schicht 6 in Delanoües Profil von
Thtbon. 1. die noch krt-tact-ischen Blättermergel oder Esneh-
schirtVr. die wir anstehend vom benachbarten Der el-Bahri
kennen krnton und die sich nach d'Archiac durch grossen
3/. BlaneJcenhom: Oeologisch-airatigraphische Beohiichtungen, 417
Reichtum an Poraminiferen, insbesondere Qlobigerinen und Ro-
taliden, auszeichnen, 3. die Kalke der Libyschen Stufe in der
Umgebung der Wadijen. Brecciöse Lagen von Feuerstein- oder
Hornsteinstückchen, die dem Kalksteine eingelagert sind, leiten
in das Konglomerat oder in grobe Breccie mit Bindemittel aus
sandigem Kalk über.
Ganz dieselben Gesteinsarten begegnen uns 1,6 km ober-
halb des Sethostempels im rechten Seitenthal des Wadijen ober-
halb der Einmündung des Thals der Königsgräber. Ein alter
Steinbruch, an dessen Wänden noch die Kartusche des Pharao
Hophrah der 26. Dynastie zu lesen ist, erschliesst eine 6 m
mächtige Kalksteinschicht innerhalb der dortigen jungpliocän-
altdiluvialen Schotterterrasse. Dieser Kalk umgibt von hier
aus im Wechsel mit Konglomerat und Thonlagen die Gebirgs-
schluchten der unteren Wadijen und am Aufstieg zum Wege
nach Huh. Auch eine von letztgenanntem Punkt entnommene
Probe lieferte mir Poraminiferen (auf sekundärer Lagerstätte),
nämlich Nummulites sp., Virgulina aflF. Schreibersi Cziz.??
An dem diluvialen Alter und dem fluvio-lacustren Cha-
rakter dieser Kalke ist wohl kaum zu zweifeln. Beadnell selbst
hat sich neuerdings in einer Unterhaltung mit Herrn Professor
Schweinfurth in diesem Sinne auch betreflFs des Gesteins von
Erment ausgesprochen und damit seine frühere Hypothese einer
marinen Ueberflutung des oberen Nilthals bei Theben zur
Pliocänzeit berichtigt.
Die Diluvialbildungen bei Theben verdienen auch noch
in einer anderen Beziehung ein besonderes Interesse, nämlich
in anthropologischer. Die Plussterrassenschotter der Diluvial-
terrasse von Qüma an der Mündung der Wadijen ins Nilthal
zeichnen sich durch Führung von eingeschwemmten mensch-
lichen Kieselartefakten aus, wie das zuerst General Pitt
Rivers 1882 feststellte.
Der vertikale Aufbau dieser Terrasse wird uns in vor-
treflFlichster Weise durch einige grosse Grabanlagen, sogenannte
„Gesellschaftsgräber", erschlossen. So bietet sich uns an dem
schon oben erwähnten Saft el-baqara folgendes Profil:
418 Sitzung der math.-phyB. Classe vom 8. November 1902.
Oben 6-7 m Nagelflue mit festein gebackenen echten Artefakten
zwischen den wohlgerundeten Kieselgeröllen ;
darunter der oben beschriebene weisse Kalk mit Resten kleiner
Foraminiferen 0,70 m.
Etwas anders gestaltet sich das Profil an der NO.- Wand
eines zweiten, Saft el-Diaba genannten Gesellschaftsgrabes:
U.
Oben 0,50 -75 m weisser, tuflFig poröser Kalk, äosserlich schmutzig
rötlich.
2 m grobes Konglomerat.
IJO m kalkiger, schwach kiesiger Nilschlamm, in den hier die
einzelnen Orabkammem eingeschnitten sind.
Unsere prahistorisch-anthropt>logi.schen Studien an diesen
Lokalitäten hatten wir das seltene Glück, unter der sachkun-
digen Führung des Herrn Professor Dr. Schweinfurth anzu-
stellen. Ueber die Ergebnisse derselben habe ich bereits an
anderer Stellet austührlicher berichtet, ebenso auch Schwein-
furth.^) Indem ich auf diese Veri*)flEentlichungen des Näheren
verweise, ttihre ich hier nur die wichtigsten Punkte an.
Die Schot tenn;uv<e von Qürua scheint mir der älteren von
zwei diluvialen, in Aegvpten beobachteten Flussterrassen zu
entsprechen, welche ich vorläufig geneigt bin der ^Hochierrasse*
der vorletzten oder Hauptt•i^zeit (^Eun^pa^) parallel za stellen.
In dem festen Ki>uglomerat diest-r Terrasse tinden sich nun
zweifelK>se Artefakte verschiedener Art, welche der ersten und
zweiten palä«^lithischen Periode, dem Acheuleen und beson-
dtn> dem M«>i;sttTien in Frankreich und Belgien eigentümlich
sind. Die ur^j^rüngliche Lusrerstatte dieser Artefakte sind die
ar. FtUvr^ieiiilagen rficlivii li-cliplateaus der Libyschen Wüste
■ !■.-: «.•'.?.'•:::':::',» d-.i N:!s:r.-^ ir. dor Tertilricit nud «Ll» Alter
vi:> ]:.■-.; !•:^:^.ll^:: Mt^jl-:: :*: Arjvpr-r. Zc::?.:lir- I. »Jl^s. f. Eniknnde.
- K..<:l-Ar:rjt*.i t-^ :-j : r ■■ :t:.\'-'. ^ "z :':cr-T^rrxÄ?e in-i aaf «ir?!!
itf. BlaneJcenhom: Oeologiseh-stratigraphische Beobachtungen. 417
Reichtum an Poraminiferen, insbesondere Qlobigerinen und Ro-
taliden, auszeichnen, 3. die Kalke der Libyschen Stufe in der
Umgebung der Wadijen. Brecciöse Lagen von Feuerstein- oder
Hornsteinstückchen, die dem Kalksteine eingelagert sind, leiten
in das Konglomerat oder in grobe Breccie mit Bindemittel aus
sandigem Kalk über.
Ganz dieselben Gesteinsarten begegnen uns 1,6 km ober-
halb des Sethostempels im rechten Seitenthal des Wadijen ober-
halb der Einmündung des Thals der Königsgräber. Ein alter
Steinbruch, an dessen Wänden noch die Kartusche des Pharao
Hophrah der 26. Dynastie zu lesen ist, erschliesst eine 6 m
mächtige Kalksteinschicht innerhalb der dortigen jungpliocän-
altdiluvialen Schotterterrasse. Dieser Kalk umgibt von hier
aus im Wechsel mit Konglomerat und Thonlagen die Gebirgs-
schluchten der unteren Wadijen und am Aufstieg zum Wege
nach Huh. Auch eine von letztgenanntem Punkt entnommene
Probe lieferte mir Poraminiferen (auf sekundärer Lagerstätte),
nämlich Nummulites sp., Virgulina aflF. Schreibersi Cziz.??
An dem diluvialen Alter und dem fluvio-lacustren Cha-
rakter dieser Kalke ist wohl kaum zu zweifeln. Beadnell selbst
hat sich neuerdings in einer Unterhaltung mit Herrn Professor
Schweinfurth in diesem Sinne auch betreflFs des Gesteins von
Erment ausgesprochen und damit seine frühere Hypothese einer
marinen Ueberflutung des oberen Nilthals bei Theben zur
Pliocänzeit berichtigt.
Die Diluvialbildungen bei Theben verdienen auch noch
in einer anderen Beziehung ein besonderes Interesse, nämlich
in anthropologischer. Die Plussterrassenschotter der Diluvial-
terrasse von Qüma an der Mündung der Wadijen ins Nilthal
zeichnen sich durch Pührung von eingeschwemmten mensch-
lichen Kieselartefakten aus, wie das zuerst General Pitt
Rivers 1882 feststellte.
Der vertikale Aufbau dieser Terrasse wird uns in vor-
treflFlichster Weise durch einige grosse Grabanlagen, sogenannte
„Gesellschaftsgräber", erschlossen. So bietet sich uns an dem
schon oben erwähnten Saft el-baqara folgendes Profil:
418 Sitzung der math.-phys. dasse vom 8. Noeember 1902.
T.
Oben 5—7 m Nagelflue mit feateio gebacken en echten Artefakten
zwischen den wohlgerundeten Kieselgeröllen ;
darunter der oben beschriebene weisse Kalk mit Resten kleiner
Foraminiferen 0,70 m.
Etwas anders gestaltet sich das Profil an der NO.- Wand
eines zweiten, Saft el-Diaba genannten öesellschaftsgrabes :
U.
Oben 0,50 -75 m weisser, tuffig poröser Kalk, äusserlich schmutzig
rötlich.
2 m grobes Konglomerat.
1,70 m kalkiger, schwach kiesiger Nilschlamm, in den hier die
einzelnen Grabkamraem eingeschnitten sind.
Unsere prähistorisch-anthropologischen Studien an diesen
Lokalitäten hatten wir das seltene Glück, unter der sachkun-
digen Führung des Herrn Professor Dr. Schweinfurth anzu-
stellen. Ueber die Ergebnisse derselben habe ich bereits an
anderer Stelle*) ausführlicher berichtet, ebenso auch Schwein-
furth.*) Indem ich auf diese VeröflFentlichungen des Näheren
verweise, führe ich hier nur die wichtigsten Punkte an.
Die Schotterniasse von Qürna scheint mir der älteren von
zwei diluvialen, in Aegypten beobachteten Flussterrassen zu
entsprechen, welche ich vorläufig geneigt bin der , Hochterrasse*
der vorletzten oder Haupteiszeit (Europas) parallel zu stellen.
In dem festen Konglomerat dieser Terrasse finden sich nun
zweifellose Artefakte verschiedener Art, welche der ersten und
zweiten paläolithischen Periode, dem Acheuleen und beson-
ders dem Mousterien in Frankreich und Belgien eigentümlich
sind. Die ursprüngliche Lagerstätte dieser Artefakte sind die
an Feuersteinlagen reichen Hochplateaus der Libyschen Wüste
^) Die Gescbiohte des Nilstroms in der Tertiärzeit und das Alter
des ]>;iläolithisclien Menschen in Aogypten. Zeitschr. d. Ges. f. Erdkunde,
IVrlin VM)2.
-) Kiesel- Artefiirte in der diluvialen Sehotter-Terrasse und auf den
riateiui-Höhen von Theben. Verb. d. Berliner anthropol. Ges. Juli 1902.
M, Blanckenhom: Oeologisch-str atigraphische Beöbachtufigen, 419
im Umkreise des Circus der Königsgräber, wo die menschlichen
Uranwohner vermutlich während der Interglacialzeit vor der
Bildung obiger Terrasse die Moustier-Artefakte schlugen. Ist
meine Hypothese des Alters der Terrasse von Qüma richtig,
dann ginge daraus hervor, dass die Kultur der Moustier-
epoche in Aegypten schon vor der vorletzten Eiszeit
existirte, d. h. etwas früher als in Europa.
6. Das Pliocän des Wadi Natrün.
Von grösstem Erfolge in geologisch-stratigraphischer Be-
ziehung war unser Ausflug nach dem Wadi Natrün. Die bis-
herige Auffassung des Alters der dortigen Pliocäuschichten ist
danach wesentlich zu verbessern.
In meiner „Geologie Aegyptens IV" hatte ich seit Russ-
egger (1841) zum ersten Male die geologisch-stratigraphischen
Verhältnisse des Wadi Natrün einer ausführlichen Erörterung
unterzogen; aber das mir damals zur Verfügung stehende
Material war bei einem nur kurzen, anderthalbtägigen Besuche
von mir gewonnen und deshalb zu unvollständig.
In diesem Jahre verweilte ich (teilweise wider Willen,
nämlich wegen Verkehrsunterbrechung infolge heftiger Gewitter-
regen) vom 24. Februar bis zum 2. März, d. h. 7 Tage daselbst
und hatte das Glück, viele neue Fossilienfunde zu machen.
Bei diesen Studien fand ich die liebenswürdigste Unter-
stützung bei den Herren Generaldirektor Hooker in Kairo,
Direktor Lübhy und v. Tschudi in Alexandria und sämmtlicheii
Beamten der Egyptian Salt and Soda Company in Bir Hooker,
insbesondere Herrn Chemiker Dr. Werdenberg, denen ich nicht
verfehlen möchte, hierdurch meinen wärmsten Dank auszusprechen.
Früher hatte ich geglaubt, 2 verschiedene Pliocänhorizonte
auseinanderhalten zu müssen: ich hatte die Hauptmasse der
Schichten des Wadi dem Unterpliocän zugerechnet, dagegen
einen mir nicht anstehend bekannten Sandstein mit vielen
marinen Conchylienresten als mittelpliocän aufgefasst. Meine
neuen Untersuchungen bewiesen mir, dass dieser fossil reiche
420
Sitzung der matK-phya. Glosse vorn 8, November 1902.
Sandstein der Hauptgruppe einzureihen ist und das Ganze
dem Mittelpliocän (Astien) des Nilthals zeitlich genau
entspricht. Allerdings ist die Facies durchaus verschieden,
nämlich fluviomarin. Der Komplex ist ein Wechsel von fluvia-
tilen, brackischen und marinen Schichten. Im ganzen herrscht
der brackische Charakter wie an der Mündung eines grossen
Flusses vor.
Den Ausgangspunkt unserer Betrachtung bildet das Normal-
profil am Gart Muluk, von dem aus wir das ganze Thal ent-
lang nach OSO. wandern wollen.
Fig. 18. Blick auf das Westende des Gart Muluk von SW. aus.
V.
' Profil vom Gipfel des Hügels zur Basis:
0,60 m Gipsbreccie,
1 m grünlicher, gipsiger Sand mit KiesgeröUe, oberflächlich in
Kiesbreccie übergehend,
2 m dunkler Schieferthon,
0,10 m Kalkbank, auf der Südseite ganz zusammengesetzt, aus
Schalen von Cytheridea Mulukensis Schack., auch Fischknochen,
( grüner Sand,
10 m l grüner Thon. (Hier soll angeblich am Ostende des
' Hügels ein fossiler Krokodilschädel ausgegraben sein.)
M. Blanckenhorn: Geologiscfhstratigraphische Beohachiungen, 421
0,30 m kalkiger Sandstein mit zahlreichen Abdrücken von kleinen
Hydrobien, Cerithium conicum v. Caillaudi, Melania tuber-
culata? und Lucina ap. cf. leucoma, Schalen von Cytheridea.
Vorspringende Stufe.
0,20 m Thon mit einer Steinmergellage,
0,08 m Kalkbank mit senkrechten Höhlungen.
f Grüner und schmutzig-grauer, thoniger Sand,
\ weisser, grober Sand,
0,03 m weisser Sandstein,
0,20 m grüner Thon.
0,15 m Grüner, sandiger Thon mit Marienglas. Auf der SW.-
Ecke des Hügels Schalen von Ostrea cucullata und seltene
Fischknochen, 12 Schritt weit zu verfolgen, sonst ohne Fos-
silien.
2,60 m graue, sandige Gipsletten mit Knochen,
0,50 m grauer Schieferthon.
1 m Schwarzer, kohliger Schieferthon mit Pflanzenresten,
0,20 m dunkler Schieferthon mit roten Flecken,
0,65 m Sand.
Hier wurde also jetzt in der harten Schicht d, die, wie
die Abbildung zeigt, am meisten stufenbildend am Abhang
vorspringt, eine früher unbemerkt gebliebene brackische Fauna
entdeckt, wodurch die Schicht erhöhte Bedeutung erlangt.
Aber auch im übrigen ist diese Lage von grösster Wichtigkeit,
insofern sie überall im Wadi Natrün wiedergefunden wird und
auch technisch ihren doppelten Wert als einziger Baustein und
als Kohlensäure-Lieferant besitzt, daher abgebaut wird. Es ist
der Horizont, den ich früher *) als mittelpliocänen Sandstein mit
Lucinen und Cerithien, dessen Anstehendes nicht bekannt sei, dem
unterpliocänen Komplex vom Gart Muluk gegenübergestellt hatte.
Der Gart Muluk bietet das einzige vollständige Profil mit
Schichten jünger als d. Alle übrigen besseren Profile des
Wadi Natrün schliessen mit dieser widerstandsfähigsten Schicht e
nach oben ab, welche mithin die Oberfläche einnimmt. Das
gilt zunächst für die Vorhügel dicht östlich vom Gart Muluk,
welche die Ruinen eines Hauses tragen. Hier beobachtet man
an deren steilem Südabfall:
1) Geologie Aegyptens IV. S. 318.
1902. SiiznogBb. d. math.-phys. Gl. 28
422 Sitzung der malK-phys. Glosse vom 8. November 19(tö.
w.
0,15 m schiefrige Sandsteinlagen mit Thon und Gips dazwiacben,
0,10 m grünen Thon,
0,08 m weissen , kreidigen Kalk mit seltenen Schalen von
Cytheridea Mulukensis,
0,12 m Sandstein, eine vorspringende Kante bildend,
0,10 m grünen Thon,
1 m schmutzfarbenen, thonigen Sand,
1,50 m grünen Sand,
0,50 m Sand und Eies,
0,50 m feinen, bunten Sand mit Thonlagen,
0,50 m grünen Thon,
1 m grünen, geschichteten Sand, Sand, Kies und Gips.
Die unter c zusammengefassten, hier tiefsten Lagen von
Sand, Kies und grünen Letten sind der Hauptknocheuhorizont,
welcher namentlich an der westlichen Umrandung des betref-
fenden Hügels und zwischen ihm und dem Gart Muluk in
grosser Ausdehnung an die Oberfläche tritt und die meisten*)
der im Wadi Natrün gesammelten fossilen Fisch-, Reptilien-
und Säugethierreste geliefert hat.*) Von wichtigeren Fund-
objekten nenne ich hier den 1898 von mir gefundenen, von
Andrews^) abgebildeten Molar von Hippotragus? Cordieri de
Christol, desgleichen Hornzapfen und Extremitätenknochen von
Antilopen, Skeletteile eines Hipparion, Rhinoceros, Elephas,
eines Suiden, Cameliden, Wirbel von Struthio und Pythoniden,
Knochen und Zähne von Krokodil, Trionyx, einer andern
Schildkröte mit glattem Panzer, Flossenstacheln von Tele-
ostiern etc. Auch verkieseltes Palmen- und Dicotyledonen-
Holz kommt neben den Knochen vor.
*) Die von Lyons gesammelten Zähne von Hipparion sp. und Hippo-
potamiis hipponensis Gaudr., welche Andrews soeben beschrieben hat,
stauimon, soweit ich gehört habe, vom Gart Muluk selbst aus einer etwas
höheren Laj^e, des«(leichen ein Krokodilschädel.
^) Diese Knochen befinden sich jetzt teils im British Museum, teils
Münchner pahiontologischen Sammlung, teils im Museum Sencken-
1 zu Frankfurt a. M.
»te on a Pliocene Vertebrate Fauna from the Wadi Natrun.
1902, pl. XXI, f. 7-8.
M. BlanchtfAarn: Oeölogisch-stratigraphisehe Beobachtungen, 423
Im OSO. des Gart Muluk und seiner Vorhügel ist über
r Schicht d als Boden das neue Arbeiterdorf der Sodafabrik
3aut, in dessen Umgebung zahlreiche Bausteinbrüche den
itergrund biosiegen. Dicht ostsüdöstlich des Dorfes im SSW.
r Sodafabrik lässt sich diese Schichtenfolge beobachten:
X.
Kiesdecke.
0,20 m weisser Sand mit Salzeffloeescenzen,
0,10 m weisser Sandstein,
0,30 m grüner, salzhaltiger Thon,
? plattiger, schiefriger Kalk, teilweise sandig, in Kalksand-
stein übergehend. Abdrücke von Cerithiura conicum v. Caillaudi,
Lucina leucoma, Mactra subtruncata, Cytherea subundata,
lokal Platten mit viel Ostracoden, an andern Stellen Fisch-
schuppen und Gräten.
Von speziellem Interesse ist hier in der Kalkbank das verein-
te Auftreten von sogenannten „sechstheiligen'* pyramiden-
rmigen*) Steinsalzpseudomorphosen,^) wie sie gewissen
lomitischen Kalken oder Steinmergeln (niemals Mergeln oder
larzitbänken) des mittleren Muschelkalks, Trochitenkalks,
•enzdolomits und Steinmergelkeupers in Deutschland (z. B.
2tra in Hessen, Eiksermühle-Schwerfen bei Zülpich) eigen sind.
200 Schritt südlich von diesen Steinbrüchen erschien die
itere, bis hierher vorherrschend kalkige Lage des Horizonts d
llständig als Sandstein von 12 cm Dicke mit Gastrana fragilis,
icina leucoma, Tapes cf. geographicus, Cerithium vulgatum,
)tamides conicus v. Caillaudi und mamillatus, Nassa reticu-
ta. Hier war die Herkunftsstelle des früher von mir a. a. 0.
318 besprochenen, aber damals nicht anstehend beobachteten
isteins mit Lucinen und Cerithien. Eine 30 cm dicke Lage
les grünen, gipsigen Thons mit einem Zahn von Carcharias
rionodon) nimmt über ihm die Oberfläche ein und ebenso
scheint grüner, sandiger Thon als seine Unterlage.
^) Blanckenhorn, Die Trias am Nordrande der Eifel zwischen Com-
jm, Zölpich und dem Roerthale. p. 69 und 127.
') Nicht zu verwechseln mit den bekannten würfelförmigen Stein-
zpseudomorphosen auf der ünterfläche von Mergel- und Quarzitplatten.
28*
424 Sitzung der mathrphys, Ctasse tom 8. November 190^.
Auch im NO. des Arbeiterdorfes und an der Sodafabrik
treten die Kalksteine des d-Horizontes bei gleicher Höhenlage
unter dem Meeresspiegel unter dem Sand, Kies, Schutt, der
Gipsbreccie oder der Natronkruste der Oberfläche im Boden
auf, sind aber hier, von vereinzelten Ostracoden abgesehen,
versteinerungsleer. —
Im übrigen sollen nach Aussage des Werkführers der
Fabrik Oesterle früher in 7 Meter Tiefe bei Drain agearbeiten
rings um die Sodafabrik rundliche Austern von 12 cm Durch-
messer zwischen hellem Sand gefunden sein. Vielleicht waren
dieselben identisch mit den von Mayer-Eymar am Mokattam,
von mir nördlich Moghara in der Cucullatastufe gefundenen
Ostrea plicatula Gmel. oder mit der 0. lamellosa Brocc.
Die höheren Sand- und grünen Thonlagen, die wir von
der Spitze des Gart Muluk kennen lernten, erscheinen erst
wieder oberhalb nordöstlich von der Fabrik in schlechten
Aufschlüssen.
In der Richtung nach OSO. von Bir Hooker schwillt nun
die kalkige Abteilung d innerhalb des Pliocäns mächtig an.
Am Ostende des Wadi Natrün bei dem Dorf Beni Salameh hat
die Egyptian Salt and Soda Company ausgedehnte Steinbrüche
in diesem Kalk angelegt, welche durch eine schmalspurige
Eisenbahn mit der Fabrik in Verbindung stehen. Der hier als
Kreide mit Feuersteinlagen entwickelte Kalk wird nicht als
Baustein, sondern zur Gewinnung von Kohlensäure (bei Ver-
brennung mit Coaks) zum Zwecke der Ueberführung der auf-
gelösten Natronsalze in schwerlösliches Bikarbonat gewonnen.
Der Kreidekalkschiefer erscheint dort, unterbrochen von 6 dünnen
Feuersteinlagen, in einer Mächtigkeit von 1 m über grünen
San den. Die untersten Bänke enthalten viele Abdrücke von
Potamides conicus v. mamillatus, v. typus und v. Salameh-
eiisis n.,^) Melunia tuberculata, Hydrobia sp. und Cytheridea
Mulukensi.s.
'^ Corithium (Potaraides) conicum v. Salamehense n. hat nur eine
ere Knotenreihe nnd darunter 2 gleiche knotenlose Spiral-
M. Blanckerüwrn: Geolog isch-str atigraphische Beobachtungen. 425
Fig. 19. Ostende des Wadi Natrun.
W
UR = See Umm Risrha.
F = See Fasda.
5 = Dorf Beni Salameh.
St = Kreidesteinbrücho und alte Gräber.
6 = Schlackenbalden einer alten Glasfabrik.
R = Ruinen eines alten Dorfs oder Stadt.
---- Schmalspur. Eisenbahn von Bir Hooker.
- - - Hypoth. Verlauf einer Längaverworfurg.
Südlich von den Steinbrüchen und den Halden einer alten
Glasfabrik setzt sich eine ebenso hohe TeiTasse, auf der die
Ruinen einer alten Stadt liegen, zusammen aus
Y.
oben 2 m Kalkplatten mit Bythinia sp ,^) Hydrobia sp , Cytheridea
Mulukensis,
1 m Sand,
0,35 m Kalkbank,
1,50 — 3 m grünem Sand.
Aus der Flugsand-bedeckten Ebene im S. dieser Terrasse
erheben sich einzelne isolirte Plateauhügel bis zu 14 m relativer
*) Newton (Egyptian Lower Tertiary Shells. Geolog. Mag. 1898,
p. 533) erwähnt numerous casts of Limnea, Melanopsis, Potamaclis,
Bithynia, etc. obaervable in a highly saliferous white, chalky limestone
of variable hardness aus dem Wadi Natrun, die er, obwohl sie nicht
näher bestimmt werden konnten, mit Vorbehalt dem „Oligocene ?"* zu-
rechnet. Möglicherweise handelt es sich hier um die in Rede stehende
Pliocän Schicht aus Beni Salamehs Umgegend.
426 Sitzung der mathrphys. Classe vom 8, November t902.
Höhe, d. h. c. 4—7 m über dem Meeresspiegel. Der charak-
teristischste wurde von mir bestiegen und zeigte folgendes Profil:
Z.
1,20 m Kalk mit Flint von Gips überkrustet. Darin viele Ostra-
coden, Cerithium conicum v. Salamehense n. und Hydrobien,
11 m grüner Sand,
2 m bunter Thon bis zum Fusse.
7. Zur Tektonik des Sedimentargebirges.
Die landläufige, noch in den neuesten Lehrbüchern^) aus-
gesprochene Meinung, dass die grösseren Oasen-Depressionen
der Libyschen Wüste einfach auf Grabenbrüche oder Kessel-
brüche zurückzuführen seien, hat schon lange ihre allgemeine
Berechtigung eingebüsst. Viele bei flüchtigem Besuch zuerst
angenommenen Verwerfungen erweisen sich bei fortschreitender
genauerer Prüfung als zweifelhaft. Auch unsere Reise brachte
derartige negative Resultate:
L Im Wadi-Natrün*) wurde der auffalligste, auch durch
Fossilien geh alt ausgezeichnete, kalkig-sandige Schichtenhorizont
„d'* über grosse Strecken verfolgt und so zur Beurteilung der
Lagerungsverhältnisse eine schwache Grundlage gewonnen.
Dabei ergaben sich keine besonders grossen Gegensätze in
ihrer Höhenlage. Längs der Hauptkette von Salzseen, welche
') In Hahn, Afrika, 2. Aufl. Allg. Länderkunde von W. Sievers 1901,
lesen wir S. 49t von der nordafrikanischen Wüstentafel: «Die Höhen-
differenzen des Bodens entstehen meist durch Einbrüche, die sowohl in
der Form der Grabenbrüche, als auch in der der Eesselbrüche vor-
kommen/ — Ferner bei Ratzel, Die Erde und das Leben 1901, S. 574,
„Die Oasen im N. der Libyschen Wüste sind durchaus vereinzelte Ein- ■
bruchsjTebiete."
^ Nach Hutzel a. a. 0. S. 245 läge hier ein typischer , Graben*
vor: ^Kino iinst^ezeiohiiete Bildung dieser Art ist das Natronthal, ein von
O^^O. nach WNW. gerichteter, lOü km langer Grabenbruch westlieh vom
Nil. der von mehreren Parallelbrüchen begleitet wird.* Worauf sich
Ratzel bei dieser so bestimmt ausgesprochenen Auffassung stützt, ist
mir unklar, (leologen drücken sich gewöhnlich bei tektonischen Fragen
laltender aus.
M. Blanckenhorn: Geologisch-stratigraphische Beobachtungen, 427
in der Richtung WNW.-OSO. aneinandergereiht die tiefsten
Teile der Depression einnehmen, liegt die Schicht d relativ
am tiefsten. Von da steigt sie anscheinend gegen die Aussen-
ränder d. h. gegen NNO. und SSW. an. Die gradlinige
Hauptseenkette, d. h. exclusive des Muluk-Sees und seines
Nachbarn im Osten, scheint einer Mulde zu entsprechen,
an deren Axe stellenweise auch ein geringer Verwurf
stattfand.
In der Umgegend von Bir Hooker rechnete ich für die
Schicht d am Gart Muluk die Meereshöhe — 8 m, an den
östlichen Vorhügeln des letzteren — 10 bis — lim, am
neuen Arbeiterdorf — 18 bis — 19 m, dann auf der N.-Seite
des Muldentiefsten am Skull Point im 0. des Gebara-Sees
— 18 m aus. Am O.-Ende des Wadi Natrün liegt der höchste
gemessene Punkt der Schicht d ebenfalls im SSW. des gedach-
ten Längsbruchs, nämlich im SO. vom spitzen Ende des letzten
Sees Fasda (vergl. die Skizze Fig. 19). Hier steigt die Schicht
in den aus der Thalebene (in der Verlängerung der Seeenkette)
aufragenden Temoins zu + 7 m Höhe empor. Nördlich wird
diese — 6 bis — 8 m tiefe Ebene geradlinig in O.-W.- Rich-
tung von einer Terrasse begrenzt, welche die Ruinen einer
alten Stadt trägt und oben in — 2 bis — 3 m Höhe von der
harten Kalkschicht d bedeckt wird. Weiter nordwärts steigt
diese Terrasse gleichmässig an, so dass die Kreidesteinbrüche
bei Beni Salameh die gleiche Schicht bereits in — 1 bis 0 m
Meereshöhe aufweisen. Zwischen dem + 7 m hohen Hügel
und der „Alten Stadt -Terrasse" in — 2 m bis — 3 m Höhe
ist also der grösste beobachtete Höhenunterschied. Hier dürfte
eine streichende Verwerfung vorliegen, die bei Bir Hooker
weniger zum Ausdruck kommt.
Ob das gegen NNO. gerichtete Einfallen des Südflügels
sich auch noch über die südwestliche Paralleldepression des
Muluk-Sees hinaus bis zum SSW.-Rand des Wadi Natrün, den
Klöstern Der Baramus und Suriani fortsetzt oder hier von einer
Parallel Verwerfung oder einem Bogenbruch abgeschnitten wird,
bleibt noch festzustellen.
428 Sitzung der matK-phys, Classe vom 8. November 1902.
Das Vorhandensein einer gebrochenen Mulde längs des
Wadi Natrün, deren Mittellinie in spitzem Winkel gegen das
Nilthal verläuft, würde auch in einfacher Weise den bedeuten-
den unterirdischen Wasserzufluss des Wadi erklären.
In der Zeit der Entstehung unterscheidet sich diese Dis-
lokation von den meisten übrigen Aegyptens, besonders des
Nilthals. Sie muss jünger, nämlich spätpliocän, wenn nicht
gar diluvial sein, da sie noch Mittelpliocänablagerungen ver-
worfen hat. Sie hat dann einem alten diluvialen Nilarm den
Weg gewiesen, aber derart, dass er vorzugsweise wohl über
den flachen und nur schwach ansteigenden NNO. -Flügel der
Mulde hinströmte und hier seine mächtigen Schottermassen
absetzte. Der steiler einfallende SW.- Muldenflügel bildete wohl
eine Zeit lang die SW.- Grenze des Diluvialen Nildeltas und
wurde dann später nach Eintritt des Wüstenklimas durch die
NW. -Winde eingetieft, welche die wenig widerstandsfähigen
Pliocänthone und Sande leichter zerstören konnten als die di-
luvialen Kiese und Geröllmassen.
11. Die Depression des Fajüm hat tektonisch eine gewisse
Aehnlichkeit mit dem Wadi Natrün. Auch dort scheint nicht,
wie ich früher annahm, eine Grabenversenkung oder ein Kessel-
bruch vorzuliegen, sondern im wesentlichen eine einfache Längs-
verwerfung, die schräg zum Nilthal gerichtet ist, aber kaum
sich mit diesem schaart. Längs dieser Linie ist das Eocän-
und Oligocängebirge auf der NNW. -Seite eingesunken. Auf
dieser Libyschen Seite bei Dimeh und Qasr es-Saga und auf
den Inseln im See herrscht heute allein die Obere Mokattam-
stufe des Mitteleocäns, dann das Obereocän und Oligocän,
während das Kulturland des Fajüm die Untere Mokattamstufe
zum Untergrund hat, die in den tiefen Schluchten unter dem
Alluvialboden zu Tage tritt.
Auf der Nordsoite des Fajüm hatte ich mich früher,^)
beointlusst von meinem damaligen hochverehrten Reisegenossen
l^rof. Mayer- Evniar, verleiten lassen, noch eine Anzahl von
statVt'lfthinigen Parallelhrüchen längs des Ufers und ausserdem
') Geolo^jrie von Aegypten IV, S. 340 und Taf. XIV, Fig. 2.
M, Blanckenharn: Gedogisch-stratigraphisehe Beobachtungen. 429
zwischen Dimeh und dem Hauptgebirgsabfall am sogenannten
Korallenhügel (am Fusse meines obigen Profils L Fig. 11) das
grabenförmige Einsinken einer Scholle anzunehmen. Unsere jetzige
Begehung des Gebietes führte mich zu folgenden Schlüssen: In
dem untersten Lager des Oberen Mokattam bei Dimeh wiederholt
sich die faunistische und lithologische Facies mehrfach. Dieser
Umstand und die der jeweiligen Bodenoberfläche mehr oder weniger
entsprechende Neigung der Schichten, besonders am Abfall zum
See, erklären in den meisten Fällen das auffallende Wieder-
erscheinen gleicher Schichten und machen die Annahme meh-
rerer Stafl*elbrüche unnötig. Die früher der Basis des Oberen
Mokattam, Abteilung I, zugerechneten Gypsmergel mit „Hörner-
wülsten" und die Korallenlagen mit Astrohelia und Goniaraea
finden sich thatsächlich auch in der an Hydractinien reichen
Schichtengruppe 3 unter der Plicatulabank (4) sowie in der
Gruppe 5 c, so dass sie nicht als leitend angesehen werden
können. Der sogenannte Korallenhügel (K in obiger Fig. 11)
meines Profils a. a. 0., Taf. XIV, Fig. 2, gehört meiner Abtei-
lung 3, nicht 1, an. Die betreffende Scholle am Fusse des
Hauptsteilabfalls besteht demnach aus jüngeren Schichten, als
ich früher glaubte, und der Schichtenzusammenhang zwischen
diesen Hügeln und dem Abfall ist im Profil L, Fig. 11 nicht
durch eine streichende Verwerfung unterbrochen.^) Der Steil-
abfall ist jedenfalls nicht an dieser Stelle, sondern
höchstens mehr östlich bei Qasr es-Saga von einem
Bruch begleitet, der aber keinen auffallenden Sprung be-
zeichnet.
Diese letztere hypothetische Spalte dürfte auch dem Basalt-
erguss den Austritt vermittelt haben, dessen Spuren wir jetzt ca.
^/i Stunden westlich Qasr es-Saga in der Ebene nahe an deren
Innenrand in Form eines 60 Schritt breiten Rückens aus wirr
gehäuften Basaltblöcken erkennen. Die nordnordwestliche Längs-
erstreckung des Rückens senkrecht gegen den Steilabfall könnte
*) Die in Fig. 11 eingezeichnete kleine Verwerfung in der Mitte
des Abhangs ist nur von lokaler Bedeutung und hat mit der früher am
Fusse angenommenen nichts zu thun.
430 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 8. November 1902.
freilich auch den Gedanken an eine Querspalte in dieser Rich-
tung naheliegen, aus welcher der Basalt emporquoll, um an
der Oberfläche sich längs dieser Ausbruchslinie in elliptischer
Form auszubreiten. Andererseits würde aber auch die vor-
handene sanfte, früher wohl noch stärkere Neigung der Ebene
gegen S. zur Genüge einen Abfluss eines an einem Punkte des
Längsbruchs austretenden Stroms gegen Dimeh zu erklären.
Ein für das Oberflächenrelief äusserst wichtiger Quer-
bruch, verbunden mit Verwurf, konnte etwa eine Tagereise
nordnordöstlich Dimeh wahrgenommen werden. Diese Dis-
lokation bildet die NO. -Grenze der im ganzen ungestörten
eocän-oHgocänen Plateaulandschaft im NNW. der Birket el-
Qerün, deren Gipfel das basaltische oligocäne Schweinfurth-
Plateau einnimmt. Jenseits derselben folgt dann bis zur Kara-
wanenstrasse Kairo -Wadi Natrün die relativ niedrige, meist
einförmige, wellige Kieswüste, in der nur wenige sanftere
Plateau abfalle und Zeugen einige Abwechslung bringen. In
diesem nordöstlichen Gebiet sind die Obereocän- und Oligocän-
schichten eingesunken. Das dem Oligocän hier wie dort ein-
geschaltete Basaltlager erscheint im NO. (vergl. die Höhenzahl
c. 150 m in Profil Q Fig. 15) um über 100 m tiefer als am
Schweinfurth-Plateau (c. 250 m in Profil R Fig. 16), wobei aller-
dings zu berücksichtigen ist, dass sowohl das marine Mittel-
eocän als der folgende fluvio-marine Komplex gegen NO. schnell
an Mächtigkeit abnimmt. An der in O.-W. bis OSO.-WNW.-
Richtung streichenden Verwerfung selbst grenzen Obereocän-
schichten der S.-Seite direkt an gestörte, steilaufgerichtete
Schollen des Mitteleocäns der N.-Seite, das erst entfernter von
der Hauptkluft am Profil F horizontale Lagerung annimmt.
Die Bruchlinie ist durch eine deutliche tiefe Depression oder
Boden furche charakterisirt, in der der wenig begangene Kara-
wanenweg von Tamije nach dem Wadi Natrün führt.
IIL Von der Nekropole von Theben verdanken wir
E. Fraas*) ein „Profil bei Medinet Häbu" mit 4 Brüchen imd
Geognostisches Profil vom Nil zum Rothen Meer. Zeitschr. d.
jQo\. Ges. 1900, S. ü, Fig. 2.
M, BlancJcenhom: Geologisch-stratigraphische Beobachtungen, 431
breiten Massen von Verwerfungsbreccie. Wie aus seinem kolo-
rirten Profil auf Taf. XXIII hervorgeht, fasst Fraas diese Brüche
als wirkliche, in die Tiefe gehende Verwerfungen mit Senkung
der Libyschen Plateaumasse auf. Nach meinen Beobachtungen
an dem Wege von Medinet Häbu über Der el-Medinet nach Biban
Muluk und vom Hügel Scheich Abd el-Qürna aus ist dieses
Profil etwas zu modifiziren, wie nebenstehende Fig. 20 zeigt.
Fig. 20.
D. e. M. = Der ol Medinet.
Q M = Qarnet Murrai.
£ = Kretacoische Esnehschiefer
L = Libysche Stufe.
Es handelt sich nur um Plateaurandbrüche infolge von
unterirdischem Materialschwund, bei welchem in der Regel,
wie ich bei meinen früheren Aufnahmen in der Arabischen
Wüste unzählige Male beobachten konnte, die abgesunkenen
Schollen gegen den stehengebliebenen Horst sich geneigt zeigen,
oft rings um eine horizontal gebliebene Plateaumasse herum.
Auch in dem Profil Schweinfurths: , Schichtenaufbau im SW.
von Esna** ') und meiner obigen Fig. 1 von Scheich Abd el-
Qürna kommt diese Art Lagerung zum Ausdruck.
Was die Breccien betrifft, so handelt es sich hier wenigstens
teilweise um geschichtete, helle, bröckelig knollige Eocänkalke,
die in ihrer unregelmässig knolligen Beschafi^enheit von Natur
zur Breccienbildung neigen und besonders in den abgestürzten
Schollen in sich noch etwas zertrümmert sind. Speziell an
der jedesmaligen unteren Grenze der Kalkbänke, wo sie weichen
Schiefern oder Mergeln aufliegen, entstehen in den bewegten
1) Petennanns Mitth. X, 1901, Taf. I,
432 Sitzung der math-phys. Glosse vom 8, November 1902.
Schollen typische Breccienmassen durch Zwischenpressung der
grünlichen Mergel zwischen die aufliegenden halbzertrümmerten
Kalke. Die rotbraune Breccie oder Brocatelle der Wadijen
und anderer Lokalitäten Aegyptens hingegen, womit Fraas die
^Verwerfungsbreccie bei Medinet Häbu vergleicht, scheint eine
ganz andere Bildung zu sein, deren Entstehungsart noch be-
sonderer Studien bedarf.
IV. Wie im Fajüm wurden auch auf dem rechten Nilufer
bei Kairo Anzeichen für Existenz noch unbekannter Querver-
werfungen gewonnen. Schon 1898 hatte ich eine wichtige
Verwerfung festgestellt, welche das Mokattamgebirge quer
durchzieht. ') Sie verläuft von den Pulverkammern hinter der
Citadelle hinauf südlich an der Station des Venusdurchgangs
vorbei nach W. längs des Thaies, das auf Schweinfurths geo-
logisch-topographischer Karte des Westabhangs des Mokattam
angedeutet ist.*)
Ein Blick auf diese letzte Karte lehrt nun, dass ganz
ähnliche orographische und geologische Verhältnisse wie hier,
der plötzliche Gegensatz zwischen einer aufgesetzten Hügelreihe
und einförmigem Hochplateau und der geradlinige Verlauf der
Grenze zwischen beiden noch einmal genau parallel zu obiger
Bruchlinie wiederkehren, nämlich ungefähr 1230 m weiter süd-
lich am südlichen Reitwege „zum Mosesbrunnen". So wird
man leicht auf die Vermutung geführt, dass dieser Erscheinung
die nämliche tektonische Ursache zu Grunde liegt. An dem
Schaq el-Taban (Schlangenloch) genannten Aufstiege dieses
Reitweges, d. h. am Westrand des Mokattam, ist von einer
Verwerfung freilich noch nichts wahrzunehmen. (Auch die
ersterwähnte nördliche, zweifellose Querverwerfung scheint sich
nach W. hin in den Steinbrüchen zwischen den Pulverkammern
und der Citadelle auszukeilen.) Erst an der Lokalität XXII
Schweinfurths könnte allenfalls von einem beginnenden Verwurf
die Rede sein. Leider fand ich am Schlüsse unseres Aufent-
M Siehe Fig. 2 auf S. 333 in meiner ^Geologie Aegyptens IV.*
br. d. Deutsch, geol. Ges. 1883, Taf. XX.
M, Blancicenhorn: Geotogisch-stratigraphische Beobachtungen, 433
haltes in Aegypten nicht mehr die Zeit zu einer gründlichen
Begehung der Südseite des Mokattam und sicherer Beantwor-
tung dieser Frage. Auf einem flüchtigen, mit Herrn Archi-
tekten Rennebaum zusammen unternommenen Spaziergang über
den Mokattam von N. nach S. bis Heluän gewann ich die in
der beifolgenden Figur wiedergegebene Auffassung der strati-
graphischen und tektonischen Verhältnisse.
Fig. 21. Maassstab der Länge = 1 : 50000, der Höhe = 1 : 5000.
Gebel Mokattam. W. Dugla. G. Turra.
R. y. = ^Rennebaums Vulkan," HOgcI aus Gebel Ahmar-Sandstein.
-.r' r^v. i Mokattamstufe.
II. Obere /
Danach hätte das Mokattamgebirge einen staflFelförmigen
Aufbau in N.-S.- Richtung und seinen Hauptabbruch im S.
am Nordrand der grossen breiten Depression, die bald Wadi
Dugla, bald Wadi Tih genannt wird. Die.se Depression, an der
die StaflFeleinbrüche endigen, stellt ähnlich dem Jordanthal
einen einseitigen Graben dar, indem das südlich folgende Hoch-
plateau von Turra (wie das Plateau des Ostjordanlands) als un-
gebrochener Horst erscheint, an dessen Nordrand (auf dem
Südufer der Dugladepression) sich ein einziger Einbruch, aber
mit der bedeutendsten Sprunghöhe vollzog. Diese Sprunghöhe
ist thatsächlich noch beträchtlicher, als sie in obiger Fig. 21
erscheint. Durch ein Versehen ist nämlich hier der geologi-
sche Aufbau des Plateaus von Turra nicht ganz richtig ge-
zeichnet. Dasselbe besteht bis zu seinen 240 — 350 m hohen
Gipfeln nur aus schwach nordwärts geneigten Schichten der
Unteren Mokattamstufe (I); die Obere Mokattamstufe fehlt
wenigstens in seinen westlichen Teilen ganz.
435
Ueber die Fossilien der Blättermergel von Theben.
Von Paul Oppenheim.
(Eingriau/tn 15. Deßembtr.)
(Mit Tat VII.)
Herr Dr. Blanckenhorn, der in Gemeinschaft mit Herrn
Prof. Schweinfurth im Anfange dieses Jahres Aufsammlungen
in den Blättermergeln von Theben, dem „Cinquieme Etage"
bei Delanoüe, vorgenommen hatte, hat mich seiner Zeit ge-
beten, diese Reste einer paläontologischen Bearbeitung zu
unterwerfen. Delanotie und d'Archiac^) hatten, wie im Vorher-
gehenden bereits auseinandergesetzt wurde,*) in dieser fünften
Abtheilung ihres Profiles noch typisches Untereocän erkennen
zu können geglaubt; v. Zittel hatte seinerseits später den
cretacischen Charakter der Faunula kurz betont und sie in
Verbindung gesetzt mit den gleichartigen Kreideablagerungen
der libyschen Wüste. Eine bis in die Einzelheiten gehende
Bearbeitung der Reste von Theben selbst lag aber bisher nicht
vor; sie zu geben, war ungemein erleichtert durch die beiden
letzten Publikationen der Münchener Schule, in welchen unter
ständiger Anregung und Mitarbeit ihres Oberhauptes durch die
Herren Wanner und Quaas^) der ganze paläontologische Inhalt
des libyschen Dauien in so erschöpfender Weise der Kenntnis
weiterer Kreise übermittelt worden ist. Durch eine nach dieser
') Comptes rendus des Seances de l'Acadämie des Sciences. 67.
p. 701 (Seance du 5 oct. 1868).
2) Vergl. den Aufsatz Blanckenhoms im laufenden Jahrgange dieser
Zeitschrift.
8) Palaeontographica. XXX 2. Stuttgart 1902.
436 Sitzung der math.-phys, Ctasse vom 8. November 190^.
Richtung hin sehr günstige Verzögerung des gesammten hier
vorgelegten Berichtes ist es mir ermöglicht gewesen, auch
von der grösseren und, wenigstens für mein Thema, wegen
der gleichartigen Facies auch wichtigeren Monographie des
Herrn Dr. A. Quaas nicht nur die mir durch die Freundlichkeit
des Autors schon früher zugehenden Tafeln, sondern auch noch
den Text benutzen zu können. Dagegen haben leider statu-
tarische Bestimmungen des Museum d'histoire naturelle in
Paris, welche nach freundlichen Mittheilungen und Beantwor-
tung meiner Anfrage Seitens des Herrn Marcellin Boule eine
Versendung von Originalexemplaren in das Ausland formell
untersagen, es mir vorläufig wenigstens unmöglich gemacht,
die d'Archiac'schen Bestimmungen an der Hand der Typen
näher zu prüfen.
Allzugross dürfte indess der Schaden hier nicht sein, da
eine Reihe, und gerade die wichtigsten der Citate d'Archiac's
durch die mir vorliegenden Materiaben so erläutert werden,
dass kaum ein Irrthum möglich sein dürfte; was noch an
Zweifeln etwa übrig bleibt, dürfte sich in absehbarer Zeit durch
eine Autopsie der Originale in Paris selbst aufklären lassen.
Ich gehe nunmehr sogleich in medias res über und werde
einer specielleren Betrachtung der einzelnen Typen, die ich
vorwegnehme, zum Schlüsse eine Zusammenfassung der Ergeb-
nisse von allgemeineren Gesichtspunkten aus folgen lassen.
Die mir aus den Blättermergeln von Theben etc. über-
gebenen Fossilien sind:
P. Aturia praeziczac n. sp. T. VH, f . 1 — 3. Die Form,
welche in einer sehr grossen Anzahl wohlerhaltener Steinkerne
anliegt, ist eine echte Aturia, also Angehörige eines bisher
ausschliesslich tertiären Geschlechtes. Sie theilt mit diesem
alle generischon Charaktere, auch den Besitz von Siphonalduten.
Ich luibe lange gezögert, sie von A. ziczac Sow.,^) mit w^elcher
1) Vercrl. F. Yj. Edwards: A Monot^raph of the Eocene Cephalopoda
■DÄCnivalves (»f ^«'rland. Palaeontogniphical Society, London 1849-77.
ji.fili'tT. r - de Grej^orio: Fauna di S. Giovanni Ilanone.
P. Oppenheim: Fossilien der Btättermergel von Theben. 437
sie d'Archiac ursprünglich vereinigt hat und die mir in specimine
vom Kressenberge und vom Mt. Postale vorliegt, specifisch zu
trennen, doch ist ihr Laterallobus gleichmässig breit und relativ
kurz und verjüngt sich nach hinten nicht zu der Spitze, in
welche er sowohl bei den mir zur Verfügung stehenden Exem-
plaren als auf sämtlichen von mir consultierten Figuren^) bei
der typischen Eocänart ausläuft. Ich halte darum, bei der
zweifellos vorliegenden DiflFerenz im Niveau, es für angemessen,
die Form der Blättermergel, die anscheinend stets kleiner bleibt
und bei der vielleicht auch die Ohren an der Mündung mehr
herausquellen, auch specifisch zu trennen unter Betonung des
Umstandes, dass uns trotzdem hier eine ausgesprochen ter-
tiäre Form vorliegt. Die Lage des Siphos ist, wie hinzu-
gefügt sein mag, genau die gleiche wie bei der eocänen Art.*)
Sie wie die grössere Tiefe des Lateralsattels schliessen jede
Möglichkeit einer Vereinigung mit dem Nautilus danicus v.
Schloth. der Faxoe-Kreide unbedingt aus, wie ich mich an gut
erhaltenen Stücken des k. Mus. für Naturkunde (darunter das
Original v. Schlotheims) zu überzeugen vermochte. Das von
Quaas dieser Art zugerechnete Stück aus den cretacischen
Blätterthonen zwischen Farafrah und Dachel scheint sich, so-
weit ich aus den leider nur von oben abgebildeten Typen
schliessen kann (T. XXXIII, f. 31), schon durch grössere Breite
Palermo 1880, p. 3 II, f. 2, 3, 5. — H. B. Geinitz: Ueber Nautilus
Alabamensis Morton etc. N. Jahrb. für Mineralogie etc. 1887. II, p. 53 ff.
T. 111. — Oppenheim: Die Eocänfauna des Mt. Postale etc. Palaeonto-
graphica. 43. Stuttgart 1896, p. 208-9.
1) Besonders ähnlich ist Fig. 1 g u h bei Edwards 1. c.
2) Wie ähnlich ein so ausgezeichneter Kenner der Eocänfaunen wie
der Vicomte d'Archiac die Vorkommnisse von Theben und die nordischen
Specimina fand, geht aus seinen hier wiedergegebenen Worten hervor
(a. a. 0. bei Delanoüe p. 11 — 12): „Parmi les mollusques, l'Aturia ziczac,
cette forme de cephalopode si particuliere, est representee dans la col-
lection de M. Delanoüe par un nombre d'echantillons plus consid^rable
que tous ceux qu'on a recueillis depuis cinquante ans dans les argiles
de Londres et de Bracklesham, et surtout plus complets que ceux qui ont
ete decrits et figures jusqu'ä present." —
1902. Sitzangsb. d. math.-pliys. Ol. 29
438 Sitzung der math.-phys. Classe tw» 8, November lOOJ^.
und Flachheit des Laterallobus zu unterscheiden. Herr Quaas
betont L c. p. 302 ausdrücklich, dass er sich von der Lage des
Sipho überzeugt habe und dass er ^über die Zuverlässigkeit
der Bestimmung keine Zweifel hege.*" Nach diesen so posi-
tiven Angaben muss man wohl an der Verschiedenheit der
in beiden Fällen vorliegenden Typen festhalten.
2^. Nautilus desertorum Zitt. (wohl = N. centralis
Sow. bei d'Archiac-Delanoüe). Die 4 mir vorgelegten Exem-
plare dieser kugeligen, breitrückigen, schmalmündigen Form
besitzen ganz einfache, nicht wellig gebogene, unten gerad-
linige Scheidewände und einen der gerundeten Aussenseite etwas
genäherten Sipho. Die Seitenohren springen nach aussen hervor,
der schmale, tiefe Nabel bleibt aber frei. Von tertiären Arten
steht sehr nahe N. centralis Sow., welcher nur durch die
ganz centrale Lage des Siphos unterschieden werden kann,
während N. imperialis mit leicht gebogenen Scheidewänden
und nach innen gerücktem Sipho schon weit leichter zu
trennen ist. Wie N. centralis, von dem dies Edwards*) bereits
betont, steht diese Form den recenten Nautilen sehr nahe,
doch setzt sie bereits in typischer Kreide ein. Sehr ähnlich,
aber anscheinend enger genabelt, mit flacherem Septum und
mehr centralem Siphonalkanal versehen ist auch der mir im
Ciipsabgusse aus der Sammlung des k. Museums vorliegende
N. fricutor Beck der Faxoe-Kreide von Seeland. Noch näher
steht der auch in der Siegsdorfer Kreide von J. Boehm an-
gogi'bene^) N. depressus v. d. Binkhorst^) aus Maastricht, der
sowohl dieselbe, dem Aussenrande genäherte Lage des Sipho
besitzt als das gefaltete Septum und der nach den Abbildungen
zu urtheilen überhaupt kaum von der libyschen Art zu trennen
M Kawanls 1. o. p. -15. T. III. f. la-c, T. VIII, f. 2.
■-) Pahiooiitographioa o8. p. '»1. T. I. f. IG und 16a. — Die pflock-
artiuv Kalknra<so /.wiscluMi Müiulunjj und Schaale, welche auf Fig. 16
aborobiKlt't i>t, sihoint wohl sfkundiiivr Entstehunjf.
^1 Monographie dos (lastropodes et des Cephalopodes de la craie
superieure du lamhourg. Hriixelles 1661. Cephalopodes, p. 12, T. V,
d.
P, Oppenheim: Fossilien der Blättermergel von Theben, 439
ist. Die Unterschiede zu anderen ebenfalls nahe verwandten
Typen der obersten Kreide, wie N. Dekayi, sublaevigatus,
Heberti und Bouchardianus hat bereits Quaas a. a. 0. erörtert.*)
3. Limea Delanoüei n. sp. T. VII, f. 9~9b. Schale sehr
klein, dünn, stark gewölbt, nach hinten stark verbreitert und
schief ausgezogen. Wirbel dem nach innen gebogenen Vorder-
rande genähert, von einander so entfernt, dass eine Art drei-
eckiger Area entsteht. Eine stumpfe Hervorwölbung zieht sich
von ihnen zum Unterrande. Der Hinterrand ist flacher als
der übrige Theil der Schaale. Diese trägt zumal gegen den
Unterrand hin stark hervortretende, etwas geschlängelte Längs-
rippen, welche schmäler sind als die Zwischenräume. — Das
vordere Ohr ist klein, dreieckig, das hintere nicht deutlich ab-
gesetzt. Höhe 5^2, Breite 4, Dicke der Doppelklappe 4 mm.
4 Exempl.
Diese Type ist kleiner, gewölbter und schmäler als L. nux
Gümb. aus dem Senon von Siegsdorf, von der sie sich auch
durch die geringere Anzahl der stärkeren Längsrippen unter-
scheidet. Weder Wanner nach Quaas geben Aehnliches an;
auch d'Archiac betont ausdrücklich die Abwesenheit aller
Monomyarier in den Blättermergeln.*)
4. Leda leia Wanner (1. c. p. 120, T. XVII, f. 16-17).
Die Steinkeme von Theben entsprechen den Abbildungen; es
lagen aber auch besch aalte Stücke vor. Der löffelartige Fort-
satz, den Wanner am Schlosse angiebt und der zu einer Leda
wohl kaum passen würde, scheint eine Zufälligkeit, anschein-
lich durch einen Gesteinsrest hervorgehoben. Ich kann auch
an dem Schlosse nichts Aehnliches entdecken.
5. Leda Zitteli, J. Böhm^) (? = L. striata Desh. var. bei
d'Archiac-Delanoüe) T. VII, f. 7 — 7 a. Ich sehe keinen wesent-
lichen Unterschied mit der Art der Siegsdorfer Kreide. L. striata
Dech. aus dem pariser Grobkalke ist in der Form ähnlich, aber
>) p. 300, T. XXIX, f. 1, XXXIII, f. 29-30.
*) Bei Delanoüe a. a. 0. p. 13.
») 1. c. p. 77, T. III, f. 15.
29*
440 HUiMng der mathrphy$. Gasse vom 8. Kcvember 1902.
wcM hraiiar gerippt. Die Herren Wanner und Quaas führen
uU'MiH KntHprecbendes auf.
fi, Nucula Hp. cf. chargensis Quaas (T. XXXI, F. 34
— '5fi. p. 195). d'Archiac giebt bei Delanoüe eine ganze Reihe von
(umitu'Ai Nucula- Arien aus den Blätterthonen von Theben an.
Ich tuiU'Mtit vcrniuthen, dass sein Material nicht besser erhalten
war (iIh daH mir vorliegende; und dann schweben aUe diese
H(<Niiiiiinutig<m in der Luft, da es sich nicht nur um Steinkeme
liiindclio, N(>nd(Tn diese dazu mehr oder weniger starken Yer-
drllckiuigen ausgesetzt gewesen sind. Eine sichere Artbe-
Ntiniinung halte ich mit solchen Materialien für unmöglich,
ViUw Niiirko Acdinlichkeit besteht mit den von Quaas abgebil-
d(»i<'n Stücken, und bei der sonstigen Analogie der Faunen ist
auch oino spocitische Uebereinstimmung sehr wahrscheinlich,
oh 110 duss indosson für sie der Beweis geliefert zu werden
vonuug.
7. Axinus cretaceus Wanner (1. c. p. 122, T. XVffl,
r. r>, (iuims p. 212, T. XXXII, f. 10-11) = Lucina Goodhalli
.1. do (\ Sow. hei d'Archiac- Delanoüe. Diese hochinteressante
Korni liegt in li Stücken vor, von denen 2 die Grosse der Ori-
^inide Wanuers besitzen, das Eine indessen über doppelt so
gr\>ss ist. W ie der Autor bereits betont, handelt es sich um
eine ganz nuulerne Sippe, welche in thonigen Ablagerungen
lies Tertiärs und der (.legenwart fast überall eine grosse Rolle
spielt. Die Arten sind schwer zu unterscheiden, doch scheinen
die alteren V'ornien ^ioh vor den jüngeren durch ein starkes
Uerausipiolleu dos inneren Theiles der Area auszuzeichnen.
Dieses Merkmal untersoheidet denn auch die cretacische Form
\v>r. A. unicarinatus Nvst, einem der Leitfossilien des oligo-
c.ir.er» Septarieuthvnus. Kiue ir. dir Mokattamstufe stellenweis
>. /v :,..u!:ct crv^>>- Kor:::, dit M:»Ytr a;i! seinen Etiquetten im
N ^^,>;v.•v. 'V.* N.itv.rx. :::.::. vv;- -.ir scttint irrthümlich, mit
,L .^\ "s":::." V vv ; l-^"': S;w. -^s L:::L-ntlion5 iientidciert
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v.\/ ' '■ ./ .--..l: .:.vl: :--r::c :i;i:i kius: teklirT^ifen.
^^ .•->.: V»-. : .:r '-v-v..^ iv. >iiicicrt* Kreide-
P. Oppenheim: Fossilien der Blättermergel von Theben. 443
sehen Danien werden Pleurotomarien überhaupt merkwürdiger
Weise nicht angegeben.
11. Trochus sp. äff. T. margaritifer J. Böhm.*)
T. VII, f. 22—22 a. Diese kleine Trochide ist mit Cerithium
abietiforme Wann, die häufigste Schnecke in den Blättermergeln
von Theben. Leider ist sie ausschUesslich in Sculptursteinkernen
erhalten. Man erkennt im Verhältnisse mit der Siegsdorfer
Kreideart, dass sie dieser wohl ähnlich ist, sich aber durch
grössere Schlankheit und stärker vertiefte Nähte sicher speci-
fisch unterscheidet. Die Sculptur hingegen dürfte eine ganz
ähnliche gewesen sein und aus 3 — 4 Spiralen auf jeder Windung
bestehen, welche von erhabenen Längsrippen geschnitten und
gekerbt werden. Die Basis ist schwach durchbohrt und nur
sehr massig gewölbt.
Weder Wanner noch Quaas geben Aehnliches an. Ange-
sichts der ungünstigen Erhaltung verzichte ich auf specifische
Fixierung in dieser schwierigen Gruppe zumal bei einer Type,
welche für eine Altersbestimmung so indifferent ist.
12. Natica farafrensis Wann. (p. 125, T. 18, f. 12,
Quaas p. 239, T. 32, f. 26—27, wohl = N. brevispira Leym.
bei d'Archiac-Delanoüe). T.VII, f. 20— 20a. Die Beschreibung
bei Wanner ist in Anbetracht, dass es sich hier um eine in
ihrer artlichen Gliederung so schwierige Gruppe handelt, nicht
recht scharf und steht mit der Abbildung nicht recht im Ein-
klänge. Die mir vorliegenden Stücke haben nun neben den
von Wanner wohl im Texte angegebenen, aber auf der Zeich-
nung nicht deutlich wiedergegebenen rinnenförmig vertieften
Nähten fast stets eine sehr deutliche, den Nabel fast voll-
ständig ausfüllende Nabelschwiele wie die N. Noae des Grob-
kalkes. Sie sind also typische Naticiden, an Vanikoro (cf.
Quaas a. a. 0.) ist nicht zu denken. Auch Wanner giebt an,
dass „die Innen type oben zuweilen schwielig sei**, womit er
vielleicht das gleiche Organ ins Auge fasst. Ich glaube nicht,
1) Siegadorf. Palaeontographica. 38. p. 67, T. II, f. 30 a, b.
444 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 8, November 1902.
dass die mir vorliegende Type von der Wanner'schen Art ge-
trennt werden kann.
d'Archiac dürfte diese Form als die eocäne N. brevispira
Leym.') der Montagne noire bestimmt haben; die Gestalt des
Gewindes, zumal die rinnenförmig vertieften Nähte, würden
stimmen, aber ganz abgesehen von den Grössen Verhältnissen
sind die Einzelheiten der Nabelregion ganz verschieden. Denn
N. brevispira Leym. ist nach diesen eine echte Ampullina,
N. farafrensis Wann, eine typische Natica s. strict.
13. Eulima Wanneri n. sp. T. VII, f. 19— 19a. Zwar
fehlt das Embryonalende, doch zeigt der theil weise noch von
der Schaale umhüllte Kern von 8 Windungen habituell einen
so ausgesprochenen Pyramidellen-Habitus, dass ich an der gene-
rischen Bestimmung nicht zweifele. Was die specifische anlangt,
so besteht grosse Aehnlichkeit mit der E. puncturata Job.
Böhm*) von Siegsdorf, doch ist die Form weit schlanker und
der letzte Umgang niedriger, indem er etwa ^/a der Gesamt-
höhe misst. Die Mündung ist ganzrandig, die Columella leicht
verdickt, Falten sind an ihr nicht wahrzunehmen. Die Nähte
liegen ganz oberflächlich, die letzte verläuft etwas schräger
als die vorhergehenden, der Endumgang ist vom an der Mün-
dung deutlich verschmälert, die Anwachsstreifen annähernd
geradlinig, Höhe 12, Breite kaum 3 mm.
14. Cerithium abietiforme Wanner (p. 133, T. XVIÜ,
f. 37—38, Quaas p. 259, T. XXXU, f. 30-31). T. VU, f. 21.
Ziemlich häufig in grösseren und kleineren, mit Schaale ver-
sebenen Exemplaren, welche in Gestalt und Sculptur gänzhch
übereinstimmen mit der Type der Bir-el-Jasmund-Kreide. Der
Columellarkanal ist an dem dargestellten Exemplare sehr wohl
erhalten.
15. Alaria sp., Quaas T. XXXII, f. 38—40, p. 265. Ein
Stoinkern von Theben, der auf jedem Umgange 2 Kiele auf-
^) Vertrl. Loymerie in Mom, Soc. geol. de France. (II) 1. T. XVI,
f. 4-4 b.
2) Sieixsdorf a. a. 0. Talaeontographica. XXXVIII, p. 64, T. II, f. 36a.
P. Oppenheim: Fosaüien der Blättermergel von Theben, 445
weist, dürfte hierher gehören. In Grösse und Gestalt stimmt
er am besten zu Fig. 40 bei Quaas. Sollte es sich hier, wie
auch ich glauben möchte, um eine neue Art handeln, so würde
ich vorschlagen, sie mit dem Namen ihres Beschreibers zu be-
zeichnen. — Ich möchte fast annehmen, dass es diese Form
ist, welche in der Aufzählung d'Archiacs (a. a. 0. p. 5) als
Pleurotoma terebralis F. Edw. non Lam. figuriert.
16. Voluta (Scaphella) aegyptiaca Wanner (1. c.
p. 139, T. 19, f. 11). T. VII, f. 12. Ich rechne hierher einen
13 mm langen und 7 mm breiten Steinkern aus den Esneh-
schiefem von Theben, welcher die Embronyal blase der Sca-
phellen*) besitzt und auch in der Gestalt durchaus überein-
stimmt. Wenn die Nähte etwas tiefer eingeschnitten sind, so
scheint dies durch den Erhaltungszustand als Steinkern be-
dingt. Es handelt sich auch hier wieder um eine durchaus
moderne Gattung, deren alttertiäre Vertreter, zumal die V. We-
therelli*) Sow. des London thon es viel schlanker sind und sich
mehr an den oligocänen und neogenen Typus der V. Siemsseni
BoU.*) und V. Lamberti Sow. anlehnen. Die Formengruppe
scheint übrigens bereits in dem zwischen Kreide und Eocän
eingeschobenen, also im Alter nicht allzu verschiedenen Kalke
von Mons aufzutreten, doch ist diese Sc. inaequiplicata Briart et
Comet*) zwar in der Gestalt recht übereinstimmend, aber durch
Form und Zahl ihrer Falten sicher specifisch verschieden. Was
diese Gebilde anlangt, so zeichnet Wanner von der ägyptischen
Art deren nur zwei, giebt aber im Texte 3 — 4 an. Dieser
Widerspruch bleibt noch aufzuklären.
*) Cossmann: Esaais de Paleoanchologie comparee. III. Paris 1899.
p. 126.
2) Cf. F. Edwards: The eocene Cephalopoda and ünivalves of Eng-
land. London (Palaeontographical society) 1849—77, p. 179, T. XXIII,
f. 4a-d.
8) Beyrich: Norddeutsches Tertiärgebirge, p. 81, T. V, f. 2-5.
*) Fossiles du Calcaire grossier de Mons. Mem. de TAcad. roy. de
Bruxelles. 38. T. V, f. 3 -3c.
446 Sitzung der math.-phys. Glosse vom 8, November 1902.
Die V. pyriformis Kaunhow.*) von Maastricht erinnert in
der Gestalt an die ägyptische Art, hat aber stärkere Spiral-
und schwächere Anwachsstreifung. Sie dürfte indessen in die
gleiche Gruppe gehören.
17. Cinulia Ptahis Wanner (1. c. p. 141, T. XIX,
f. 19.) Die Steinkerne aus den Esnehschiefem entsprechen durch-
aus der cretacischen Form und zeigen an halbbeschaalten
Stücken auch noch die starken Columellarfalten. Die Art hat
aber einen holostomen Charakter und besitzt nicht die Spur
eines vorderen Kanals. Sie ist daher eine Cinulia, keine Rin-
gicula, wie Wanner meinte, und weit entfernt, Beziehungen
zu Neogenformen, die der in meiner Sammlung befindlichen
Ringicula Bonellii Desh. zu besitzen, gehört sie umgekehrt
einem bisher ausschliesslich cretacischen Genus an, welches
z. B. in der obersten Kreide von Siegsdorf sehr zahlreiche und
stellen weis recht ähnliche Vertreter besitzt! Allzuweit dürfte
jedenfalls C. serrata Gümb. sp.*) nicht entfernt sein, wie ein
Vergleich der fast vollständig übereinstimmenden Abbildungen
erkennen lässt. Ich würde beide Formen direkt identificieren,
wenn Wanner nicht abweichende Angaben über die Sculptur
machen würde; allerdings spricht auch er von „schrägen Zick-
zacklinien" der Längsfurchenränder, während für die Gümbel'-
sche Art durch J. Böhm eine , sägezahn artige Kerbung" diag-
nosticiert wird. Vielleicht spielt hier aber auch der Erhaltungs-
zustand eine Rolle.
18. Cinulia cretacea Quaas (p. 298, T. XXXIU, f. 26
bis 28). T. VII, f. 5. Herr Quaas giebt die Wanner'sche
Ringicula Ptahis nicht aus den Blätterthonen an, beschreibt
aber als neu eine Cinulia (= Avellana), welche zu der Wanner'-
schen Art jedenfalls in innigsten Beziehungen stehen muss.
Das hier abgebildete Mündungsbruchstück entspricht in Zahl,
^) Die Gastropoden der Maastriohter Kreide. Palaeontol. Abhand-
lungren von Dames und Kayser. 4. Jena 1898-1902.
^) Vercrl. Job. Boehm: Die Kreidebildungen des Fürbergs und Sulz-
berges bei Siegsdorf in Oberbavern, Palaeontographica. 38. 1891. p. 54,
T. I, f. i>3a-d.
P. Oppenheim: Fossilien der Blättermergel von Theben, 447
Form und Lage der Falten wie in der Ornamentik des doppel-
ten Mundsaumes durchaus der Quaas'schen Art, allerdings
scheint die Spiralsculptur etwas zarter und die Längsstreifung
zwischen ihr ist nicht zu erkennen, Momente, die indessen mög-
licher Weise auf den Erhaltungszustand zurückzuführen sind.
Sehr ähnlich scheint zumal das auf Fig. 26 bei Quaas darge-
stellte Exemplar, von welchem sich Fig. 27 und 28 immerhin
nicht ganz unwesentlich unterscheiden.
Ich möchte annehmen, dass auch Actaeon (Tomatella)
chargensis Quaas (p. 296, T. XXXIII, f. 23 — 25) unserer fau-
nula angehört, da diese in erster Linie mit Recht von dem
Autor mit T. simulata Sol. verglichen wird und d'Archiac
diese (a. a. 0. p. 5) aus den Blätterthonen von Theben angiebt.
19. Terebratulina chrysalis v. Schloth.^) (Vergl.
Wanner, p. 113, Quaas p. 167, T. XX, f. 4—5.) Es ist wohl
diese in den Esnehschiefern nicht seltene Art, welche d'Archiac
bei Delanoüe als T. tenuistriata Leym. bestimmt hat. Diese
Eocänart, welche mir in meiner Sammlung von mehreren
typischen Fundpunkten des südöstlichen Frankreichs vorliegt,
hat aber wohl in der Gestalt, nicht aber in der viel zarteren
Sculptur und den weit zahlreicheren Längsrippen Aehnlich-
keit. In Frage kommen überhaupt nur die eocäne T. stria-
tuala Sow.*) und die v. Schlotheim 'sehe Kreideart. Die
Form ist aber viel zu schmal, um mit der eocänen Type
identificiert werden zu können. Von der Mehrzahl der Vor-
kommnisse der vielgestaltigen T. chrysalis trennt sie allerdings
die mediane Einbuchtung, welche an beiden Klappen gegen
*) ü. Schloenbach: Beiträge zur Paläontologie der Jura- und
Kreideformation im nordwestlichen Deutschland. II. Kritische Studien
über Kreidebrachiopoden, Palaeontographica XIII, 1866. p. 11 ff., T. I,
f. 3-4. — Davidson: A. monograph of British Cretacons Brachiopoda.
II. London (Palaeontographical society) 1852, p. 35, T. II, f. 18— Ü8 (T.
striata Wahlenberg).
2) Cf. Davidson: British tertiary Brachiopoda. Ibidem p. 14, T. I,
• f. 16-16b.
448 Sitzung der mathrphys, Classe vom 8, November 1902.
den Stirnrand zu beobachten ist, doch giebt Davidson*) auch
durchaus entsprechende Typen an und zieht diese anstands-
los zu der Kreideart, welche ihrerseits mit der recenten T. caput-
serpentis L. in den innigsten Beziehungen steht.
20. Palaeopsammia Zitteli Wanner (p. 104, T. XV,
f. 1-4, Quaas p. 161, T. XXXI, f. 8—11) = StephanophyUia
discoides M. Edw. und H. bei d'Archiac-Delanoüe). T. VII,
f. 17 — 18 a. Man kann zur Noth den neuen generischen Schnitt
acceptieren, obgleich schliesslich die Septa nicht freier sind
als bei manchen Balanophyllien. Was die Artabgrenzung an-
langt, so kann ich mir kaum vorstellen, dass ein so wichtiger
und mit der ganzen Organisation des Thieres in so innigem
Zusammenhange stehender Charakter wie die Entwicklung der
Ausfüllungsgebilde bei zwei nahe verwandten und generisch
untrennbaren Formen so schwanken kann, wie dies Wanner
angiebt. Die mehr oder weniger beträchtliche Entwicklung der
Epithek ist, selbst wenn sie sich bestätigt, gewiss kein Tren-
nungsgrund; denn ganz epithekfrei soll ja nach dem Autor
doch keine der beiden ^ Arten" sein. Wenn hier specifisch zu
gliedern wäre, so konnte dies wohl im Wesentlichen nur auf
Grund der mehr oder weniger breiten, krugförmigen oder lang-
gestreckten bis gerundeten Allgemeingestalt. Vor der Hand
ziehe ich beide Typen zusammen und wähle als Bezeichnung
für sie statt des indifferenten ^multiformis" den Namen ihres
Entdeckers. Dies vorausgeschickt, so liegen mir nur die Formen
vor, welche Wanner 1. c. auf Fig. 3 — 4 abbildet; kleine, krug-
förmige Gestalten mit oder ohne Epithekalwulst und fast glei-
chen, aus zahlreichen Trabekeln zusammengesetzten, vielfach
durchlöcherten, breiten Rippen. Die Anheftungsstelle ist, zu-
mal bei jungen Individuen, sehr breit, seltener, und dann mit
zunehmendem Alter verschmälert. Die Columella ist sehr deut-
lich, breit, mit warzenförmiger Oberfläche aus zahlreichen Bälk-
chen gebildet. Der Unterschied in der Septalstärke ist sehr
1) „valves .... 'times presentin^ a slight longitudinal de-
pression on each vah 36, vergl. auch T. II, f. 21 aus dem Chalk
von Kent.
P, Oppenheim: Possitien der Blättermerget von Theben. 449
gering. Bei Theben ist die Type besonders häufig, wenn auch
nicht immer glänzend erhalten. Der trabekuläre Charakter
der Septocostalien ist an den mir vorliegenden Exemplaren
äusserst deutlich, er wird auch von Wanner im Texte erwähnt,
ohne indessen auf den Figuren bisher deutlich zum Ausdrucke
zu gelangen; hoffentlich vermögen die hier gegebenen Abbil-
dungen ihn kenntlich wiederzugeben.
21. Pattalophyllia aegyptiaca Wanner sp. (Theco-
cyathusp. 99, T. XIV, f. 1 und 1 a). T. VII, f. 10— 10b. Diese
KoraUe ist häufig in wohlerhaltenen Stücken. Dieselben zeigen
sehr schön und weit besser als die von Wanner gegebene
Figur die länglich elliptische, warzige, aus etwa 40 dicken
Bälkchen zusammengesetzte Axe, den Pfählchenkranz von
24 Pali und die 4 Cyclen von sehr regelmässig in Länge und
Stärke abnehmenden Septen. Dass die Oberfläche dieser letz-
teren allem Anschein nach gezähnelt ist, scheint Wanner selbst
bemerkt zu haben, da er sie „gekörnt" nennt; sie gehört daher
nicht zu den Turbinoliden, nicht zu Trochocyathus und noch
weniger zu Thecocyathus, ') sondern unter die Litrophylliaceen
und zwar in die bisher ausschliesslich tertiäre Gattung Pattolo-
phyllia d' Archiardi, ^) unter der ihr die schon von d'Archiac
bei Delanoüe 1. c. erwähnte P. cyclolitoides Boll. sehr nahe
steht, sich aber durch stärker verbreiterte Gestalt, schwächere
Septocortalien und mehr zurücktretende Columella specifisch
unterscheidet. Die Septa jüngerer Ordnung schliessen sich
innig an die älteren an und scheinen in ihren distanten Endi-
gungen, wie abgeriebene Stücke an der Aussenseite des Kelches
zeigen (Fig. 10 b), zumal nach der Tiefe des Kelches hin mit
diesen zu verschmelzen; an P. cyclolitoides ist das Gleiche zu
beobachten. Auch Wanner spricht bei der Kreideform von
einer „Verwachsung der Septa in der Tiefe".
*) Für Thecocyathus E. H. spricht nichts. Man vergleiche die
Gattungsdiagnose bei Zittel: Palaeozoologie p. 268. Weder überragt bei
der ägyptischen Type die überhaupt sehr rudimentäre Epithek den Kelch-
rand, noch ist der Kelch kreisförmig und flach.
') Vergl. Priabonaschichten : Palaeontogi-aphica. 47. 1901. p. GOflF.
T. II, f. 1-7.
450 Sitzung der mathrphys, Clasae vom Ö. November 1902,
Die Form, von welcher Trochocyathus epicharis Wanner
(p. 99, T. XIV, f. 5 — 7) vielleicht nur ein Jugendstadium dar-
stellt, hat entschiedenen Tertiärtypus, doch tritt sie, wie wir
sehen, in Aegypten bereits in der typischen obersten Kreide
von Bäb-el-Jasmund etc. auf. Sehr weit dürfte sich übrigens
auch Trochocyathus? mammillatus Gümb. *) aus der Siegsdorfer
Kreide nicht entfernen, dessen Zugehörigkeit zu Trochocyathus
mir ebenfalls zweifelhaft ist.
22. Pentacrinus (Balanocrinus) africanus P. de Loriol.
(In Peron: Description des moUusques fossiles des terrains cre-
taces de la region sud des Hauts-Plateaux de la Tunisie
Paris 1889—90, p. 391, T. XXXI, f. 39—53, vergl. besonders
Fig. 52—53) T. VII, f. 13— 13 a. 2 Stiele, 11 mm lang, 3 mm
breit, aus 5 relativ sehr hohen Gliedern zusammengesetzt.
Aussenwand stark abgerundet, daher auch der Querschnitt nur
wenig eckig und am Rande nicht eingebuchtet. Nahrungskanal
klein, Gelenkflächen rhombisch, wie die randlichen Leistchen
stark hervortretend. Nähte schwach gezackt; an dem einen
Stücke die Spuren der Cirrhen als schwache Vertiefungen an
der Aussenwand sichtbar.
Diese sehr schmale, aus verhältnismässig hohen Gliedern
zusammengesetzte Form ist von den durch Wanner und Quaas
besprochenen ächten Pentacrinus -Formen anscheinend ver-
schieden. Die Form der Overwegi-Schichten*) ist grösser und
hat dabei niedrigere und breitere Elemente, diejenige der Blätter-
thone'^) ist nach aussen viel zu kantig, um überhaupt ver-
glichen werden zu können; die nicht abgebildete Type der
oberen weissen Kreide hat nach den von Wanner 1. c. p. 106
gegebenen Dimensionen ungefähr den Charakter der Form aus
dem Overwegi-Niveau. Aber auch die Arten des älteren Tertiär
wie P. subbasaltiformis Forbes,^) P. didactylus d*Arch. und P.
J) J. Boehm in Palaeontograpbica. 38. p. 102, T. IV, f. 19 a, b.
2) Qiiaas T. XX, f. 1.
3) Ibidem T. XXXI, f. IG.
*) Edwards Forbes: Echinodermata of tbe British Tertiaries. London
(Palaoontograpbical society) 1852, T. IV, f. 8-10.
P. Oppenheim: Fossilien der Blättermerget von Theben. 451
diaboli Bay. weichen sowohl in der Gestalt ab wie in der ge-
ringen Höhe der Stielglieder. Durch den Hinweis bei Wanner
(a. a. 0. p. 106) bin ich endlich auf die tunesische Kreideart
gestossen, und es scheint mir, als ob mit dieser die unserige
restlos vereinigt werden darf. Jedenfalls dürfte sie kaum einer
bekannten Type näherstehen.
23. Porocidaris prior, n. sp. T. VH, f. 8— 8a. Das
flache, seitlich zusammengedrückte, am Rande deutlich scharf
gesägte Stachelfragment kann nur mit Angehörigen der bisher
ausschliesslich tertiären Gattung Porocidaris Des. verglichen
werden. Schon der bekannte F. Schmideli Des. des mittleren
Eocän steht nahe, noch ähnlicher sind zwei einer anscheinend
neuen Type angehörige Stacheln, welche Sckweinfurth in Kal-
ken der Libyschen Stufe im Wadi Aschar sammelte, „in weissen,
mergelartigen sandigen Kalksteinen mit Lucina, Cardita, Poro-
cidaris 25 m über der Kreidebasis ** . Mein Porocidaris ruinae*)
aus der Spileccostufe des Vicentino gehört demselben Typus
an, steht aber ferner.
24. Lamna? sp. aflF. Vincenti Winkler, vielleicht Oxyrhina
angustidens Reuss, T. VII, f. 15 — 15 b. Ein kleiner Selachier-
Zahn von 11 mm Länge, einigermassen entsprechend der alt-
tertiären Art, zumal den von Leriche*) neuerdings gegebenen
Figuren, aber an der Basis noch stärker verschmälert; mit
leicht nach aussen gebogener Spitze und schwacher Einbiegung
nach innen an der rechten Flanke. Die Mitte der Innenseite
unten nur sehr schwach eingebuchtet. Nebenzähne sind nicht
sichtbar, doch ist die Wurzel an beiden Endigungen beschä-
digt. Jedenfalls entspricht die Art keiner der von Wanner
und Quaas aus der Kreide angegebenen Typen. Eine gewisse
Aehnlichkeit besteht auch mit den als Carcharias(Aprionodon)^)
1) Z. d. d. g. G. 1902, p. 173, T. VIII, f. 7.
*) Sur quelques elementa nouveaux pour la faune ichthyologique du
Montien inferieur du bassin de Paris. Annales de la soc. g^ologique du
Nord. XXX. Lille 1901. p. 159, T. V, f. 16.
8) Vergl. F. Priem in B. d. G. F. (III) 27. Paris 1899, p. 243-4,
T. II, f. 8-15.
452 Sitzung der wuUh.'pkifi, Clasu tom 8. Kortmher t90iS.
fr(:i{u«^nH Dames bekannten Formen der Mokattamstufe; doch
H«:]u:\nt mir der Zahn selbst im Verhältnisse zur Wurzel zu
lang, und von der tiefen medianen Furche finde ich an der
letzteren keine Spur. Wenn es sich mit Sicherheit heraus-
stellen stillte, dass keine Nebenzähne vorhanden aind, so dOrfte
die Form wohl mit allergrösster Wahrscheinlichkeit zu Oiy-
rhinji angustidens Keuss gehören, von der Herr Leriche*) neuer-
dingH wthr ähnliche Abbildungen nach Formen der nordfranzo-
HJHchen Kreide gegeben hat. Die sigmoidale Krümmung des
Zahnes, welche der Autor angiebt, würde trefflich stimmen.
Aueh diese Form würde dann rein cretacisch sein.
Scblussfolgerungen.
Es ergiebt sich aus dem Vorhergehenden, dass die Blätter-
niergel von Theben eine Faunula enthalten, deren grdsster
Theil bereits in den typischen Kreideabsätzen der libyschen
Wüste auftritt; so:
Balanocrinus africanus P. de Lor.
Palaeopsammia Zitteli Wann.
Pattalophyllia aegyptiaca Wann. sp.
Terebratulina chrysalis v. Schloth.
Nautilus centralis Zitt.
Natica farafrensis Wann.
Cerithium abietiforme Wann.
Vüluta aegyptiaca Wann.
Alaria sp.
('inulia Ptahis Wann. sp.
Cinulia cretacea Quaas
Leda leia Wann.
Axinus crotaceus Wann.
l)aiH'l)(Mi li(»j^on einige wenige Arten vor, welche im ägypti-
srlien Danien bisher fehlen:
') lu'vision iW hl launo irlithyologique des terrains cretaces du Nord
•a FiaiHf. AiinaU's iK» la Sor. i^coloj:. du Nord. XXXI. Lille 1902,
V. vt'ijri. p. 117. T. lll. t\ r>o o:..
P. Oppenheim: Fossilien der Blättermergel von Theben. 4:53
Pleurotomaria thebensis n. sp.
Trochus sp. aflF. margaritifer J. Boehm
Eulima Wanneri n. sp.
Neaera aegyptiaca n. sp.
Limea Delanoüei n. sp.
Diese Faunen haben aber sämtlich eher mit Kreide- als
mit Eocänarten verglichen werden können.
Als echt tertiäres Element besitzt die Fauna nur
Aturia praeziczac n. sp. und
Porocidaris prior n. sp.
welche allem Anscheine nach bisher in der typischen Kreide
Aegyptens nicht aufgefunden worden sind.
Dass es sich in den Blättermergeln von Theben demnach
nicht um typisches Eocän handeln kann, wie d'Archiac meinte,
scheint mir ausgemacht. Die Bestimmungen d'Archiac's sind
allem Anscheine nach grösstentheils irrthümlich. Vermuth-
lich hat der sehr moderne Totaleindruck der Faunula im
Verein mit dem reichen Auftreten der Aturia diesen erst-
klassigen Forscher, der gerade in den beiden hier in Betracht
kommenden Erdperioden so gründliche Specialkenntnisse besass,
veranlasst, nun auch z. B. die so überaus ungünstig erhaltenen
Nucula- und Leda-Formen auf bekannte Eocänarten zurückzu-
führen. Und mit Materialien wie diese letzteren lässt sich mit
Leichtigkeit alles beweisen!
Der moderne Habitus der Fauna steht fest, aber, was
d'Archiac noch nicht wissen konnte, auch das Danien Aegyptens
besitzt ihn, und zwar in noch höherem Maasse als die Herren
Wanner und Quaas angenommen haben. Ohne das Vorhanden-
sein der Ammoniten, Exogyren, Ananchyten und einiger creta-
cischer Haifischformen würde man sehr in Verlegenheit kommen,
diese Faunen durchgreifend von denen des Eocän zu unter-
scheiden, und es sind unter den Crassatellen, Carditen, Cucullaeen,
Axinus, Turritellen etc.*) so manche Typen, welche mir in
^) Crassatella chargensis Quaas, C. Zitteli Wann., Cardita libyca
1902. Sitximgsb. d. math.-ph78. Ol. 80
454 SitMun^ der maih,-jA^s. Ülasie mm 8. Koüemher 1902.
überaus ähnlichen Gestaltan noch am dem Mokattam vorliegen.
Andrerseits haben z* B. die von Wanner aus der obersten
Kreide mitgetbeilten Rift'korallen ^) einen durchaus tertiären
Habitus. Wenn je so drangt sich hier die Ueberzeugung auf
einer continuierlichen, endogenen» nicht durch fremde Einwan-
derung stark beeinJSussten Entwicklung und naturgemuss ist
die Schwierigkeit einer festen Grenzniarkierung auf Grund
Paläontologie eher Momente hier eine uti gell eure.
Für mein systematisches Empfinden scheint es, als ob eine
Faunat von der die überwiegende Mehrzahl ihrer Bestandtheile
schon in der typischen Kreide auftritt, noch nicht als Tertiär
bezeichnet werden kann. Selbst fdr diejenigen, welche in
solchen Fällen zu dem Verlegen hei tsaus weg einer Zwischenstufe
zu greifen pflegen, würde es schwer sein, in dem sog, Paleocän
Analoga zu finden. Denn die Sande von Kopenhagen und der
Kalk von Mons, die hier in Frage kommen^ haben durchaus
eocänen Charakter; ebenso ausgesprochen ist der cretackche
Habitus bei den Garumnien -Bildungen Südfrankreichs und Nord-
spaniens. So modern auch die senone und zumal die dänische
Kreide au zahlreichen Funkten wird, sie steht dem sie über- ■
lagernden Tortiär denuoch stets fremd und unvermittelt gegen-
über. Transgressionen und wohl stets durch sie bedingter
Wechsel der Facies thun das ihrige dazu, die gesponnenen
Fäden abzuschneiden und fremde für sie einzuwirken. Anders
liegt, wie V. Zittel seiner Zeit sofort hervorgehoben hat, die
Sache für Aegypten, und in die Reihe allmäliger Uebergänge
zwischen sonst scharf und präcis getrennten Formationen
scheint sich auch der Esnehschiefer von Theben einzuschieben.
Andrerseits scheint es mir wohl kaum bestreitbar, dass dieses
Gebilde mit seinen zahlreichen Kreideelementen älter sein muss
Ziti., CucDllaea Schweinfurthi, ^siinui eupracretaceua, Ttirntella (Meaalii
non Torcula) Overwegi, Meaalia Jovia-AmmoBis Quaaa etc»
1) Z, B. ist Orofleris undata Wann. (p. Iü4, T. 14, f. 13), bei der leider
eine Vergrösteniitg des Detaüa vennisst wird, sehr schwer von der
eocänen Pachjeeris Murchiaoni d*Ärch- zu unteracheiden. VergT. Über
diese letztere meine Bemerkangen und Figuren in Beiträge zur Palae-
ontologie Oesterr.-Ungams 190L p. 20T. T, 13, f. l—la.
P. Oppenheim: Fossilien der Blättermergel von Theben, 455
als alles, was sonst selbst als Paleocän bezeichnet worden ist.
Diese Anschauung kann aber, bei aller Anerkennung des
modernen Charakters dieser Fauna, nur dadurch ihren syste-
matischen Ausdruck finden, dass man diese noch zur Kreide
zieht, und erst über dem Niveau der Blättermergel mit der
libyschen Stufe das Tertiär, des Untereocän, beginnen lässt.
Anmerkung. Herr Dr. Quaas, welcher mein Material inzwischen
bei mir eingesehen hat, ermächtigt mich zu der Erklärung, dass er voll-
ständig einverstanden ist mit den von mir vorgenommenen Identifikationen
mit den von ihm beschriebenen Arten aus den cretacischen Blätter-
thonen, und dass fiir ihn anderseits die Verschiedenheit meiner Aturia
praeziezac von dem bei ihm abgebildeten Nautilus danicus ganz un-
zweifelhaft sichergestellt ist.
30*
456
Tafelerklärnng.
T. yii.
Fig. 1 — 8. Atoria praeziczac n. sp. nach verschiedenen Individaen nnd
in verschiedenen Stellungen. Fig. 2 a ein aufgebrochenes Exemplar
von zwei Seiten, p. 436.
^ 4— 4 a. Cypricardia? sp. p. 441.
^ 5. Cinulia cretacea Quaas. Mündungsansicht mit doppeltem ftusserem
Mundsaum und den Falten, p. 446.
j, 6— 6 a. Neaera aegyptiaca n. sp. Fig. 6 a vergr(y88ert. p. 441.
j, 7— 7 a. Leda Zitteli J. Boehm. Fig. 7 a vergrössert. p. 439.
y, 8— 8 a. Porocidaris prior n. sp. p. 451.
„ 9— 9a. Limea Delanoüei n. sp. Fig. 9— 9a vergrössert. p. 439.
„ 10— 10 b. Pattalophyllia aegyptiaca Wann. Fig. 10 Eelchbild mit
der grossen warzigen Axe, den Pali und den anscheinend gez&hnten
Septen vergrössert. Fig. 10 b Rippen der Aussen wand, die am
Grunde verschmelzen, p. 449.
„ 11. Cypricardia? sp. zeigt die diagonalen Furchen der Analseite.
p. 441.
y, 12. Voluta (Scaphella) aegyptiaca Wann. p. 445.
j. 13 — 13 a. Balanocrinus africanus P. de Lor. Fig. 13 a vergrössert.
p. 450.
, 14 — 14a. Lucina? sp. p. 441.
, 15— 15b. Oxyrhina angustidens Reuss? p. 451.
„ 16 -16 a. Pleurotomaria thebensis n. sp. Fig. 16 a halb schematiBch.
p. 442.
„ 17— 18a. Palaeopsammia Zitteli Wann. — Man achte auf den
trabekulären Charakter der Rippen auf Fig. 17. p. 448.
„ 19 -19 a. Eulima Wanneri n. sp. p. 444.
y, 20— 20a. Natica farafrensis Wann. Blick auf die Basis und den
Columellarpflock. p. 443.
y, 21. Cerithium abietiforme Wann. p. 444.
, 22 — 22 a. Trochus sp. äff. T. margaritifer J. Boehm. p. 443.
Die Ori^nnale zu sämtlichen Figuren dieser Tafel, mit Ausnahme
von Fi^. 10, deren Typus aus Faiafrah stammen soll, wurden in den
Hlättermergeln von Thel»en gesammelt und in der paläontologisehen
JSammlunp^ des ))ayens('lien Staates zu München niedergelegt.
457
OefiFentliche Sitzung
zu Ehren Seiner Majestät des Königs und Seiner
Königlichen Hoheit des Prinz-Regenten
am 15. November 1902.
Der Präsident der Akademie, Herr K. A. v. Zittel,
eröflftiet die Pestsitzung mit einer Rede: „Ueber wissen-
schaftliche Wahrheit**, welche für sich in den Schriften
der Akademie veröffentlicht wird.
Sodann verkündigten die Classensekretäre die Wahlen und
zwar der Sekretär der H. Classe, Herr C. v. Voit, die der
mathematisch-physikalischen Classe.
Es wurden von der mathematisch -physikalischen Classe
gewählt und von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz-
Regenten bestätigt:
I. zum ordentlichen Mitgliede:
Das bisherige ausserordentliche Mitglied Dr. Johannes
Ranke, ordentl. Professor für Anthropologie und allgemeine
Naturgeschichte an der hiesigen Universität.
U. zu correspondirenden Mitgliedern:
1. Dr. W. C. Brögger, Professor der Mineralogie und
Geologie an der Universität in Christiania;
2. Dr. Wilhelm Engelmann, Professor der Physiologie
an der Universität in Berlin;
3. Dr. Adolf Engler, Professor der Botanik an der
Universität in Berlin;
4. Dr. J. Willard Gibbs, Professor der mathematischen
Physik an der Yale-Universität in New-Haven;
5. Jacobus Hendricus van t'Hoff, Professor der Chemie
an der Universität in Berlin;
6. Karl Harry Rosenbusch, Professor der Mineralogie
und Geologie an der Universität in Heidelberg.
458
Sitzung vom 6. Dezember 1902.
1. Herr Ad. v. Baeyer spricht: »Ueber Triphenyl-
methan-Derivate/ Die Veröffentlichung findet anderwärts
statt.
2. Herr Rich. Heetwig hält einen Vortrag: «Ueber Cor-
relation von Kern- und Zellgrösse.* Die Veröffentlichimg
findet ebenfalls anderwärts statt.
3. Herr K. A. v. Zettel legt eine für die Denkschriftoi
bestimmte Abhandlung des Herrn Dr. Max Schlosseb, H. Con-
servators der geologischen Sammlung dahier: «üeber die
fossilen Säugethiere China's" vor, in welcher die too
Herrn Habebek mitgebrachten, namentlich aus Zähnen be-
stehenden Fossilien bearbeitet sind.
4. Herr Siegmund Günther hält einen Vortrag: »Ueber
glaciale Denudationsgebiete im mittleren Eisack-
thale.*
5. Herr Joe. Rcckert spricht: ,üeber Entstehung des
Blutes im Hühnerei.*
J
459
Glaziale DenndationsgeMde im mittleren Eisackthale.
Von Siegrmand Gflnther.
(BingOau/en 22. DeMtmber.)
Jedermann weiss, welch unermessliche Arbeit daran gesetzt
worden ist, über die eiszeitlichen Residuen an der Nordseite
der Alpen vollkommene Aufklärung zu schafiFen,^) und auch
im Bereiche der lombardisch-venetianischen Tiefebene, sowie
in den Westalpen hat diese Untersuchung beträchtliche Fort-
schritte gemacht. Umso auffallender muss es erscheinen, dass
der Südabhang der Zentralalpen nach dieser Seite hin noch
verhältnismässig wenig durchforscht worden ist; abgesehen
allerdings von der Umgebung Bozens und Merans, der sich
schon frühzeitig vielseitige Teilnahme zugewendet hat.*) Zu
') Pen ck -Brückner, Die Alpen im Eiszeitalter, Leipzig 1901 ff.
Dieses im grössten Stile angelegte Werk, welches jedoch zur Zeit bis
zu den hier in betracht gezogenen Gegenden einstweilen noch nicht fort-
geschritten ist, wird unser gesamtes Wissen von diesen Dingen derart
abgeschlossen darstellen, dass es für jede einschlägige Forschung normativ
wirkt (Günther, Pencks neue Glazialstudien, Jahresber. d. Geogr.
Gesellsch. zu München für 1901/02, S. 41 ff.).
*) Dieses Thal gehört sogar zu den in der Geschichte der Glazial-
geologie besonders bemerkenswerten Oertlichkeiten, die zuerst als Zeugen
für eine dereinstige weitere Ausdehnung der alpinen Gletscher in an-
spnich genommen wurden (Gr edler. Die ürgletschermoränen aus dem
Eggenthaie, Bozen 1868). Bald nachher erschienen zahlreiche Beiträge
zur weiteren Klärung der hiemit angeregten Fragen (Goetsch, der alte
Etschgletscher, Zeitschr. d. deutschen u. österr. Alpenver., 1. Band, S. 583 ff.;
Gümbel, Gletschererscheinungen aus der Eiszeit, Sitzungsber. d. k.
bayer. Akad. d. Wissensch., Math.-Phys. Kl., 1872, S. 223 ff.).
4^0 Sitzung *Ur math.-phyi. Oa$$€ roa 6. Deiewhtr 1S02.
Ahn am .stiefriiQtt^rlich.sten bedachten Gebieten gebort dagegen
dan mittlere Eisackthal. dessen Abgrenzung leicht so durch-
geführt werden kann, dass es sich gerade mit der Thal-
weiturig von Brixen deckt.^) Obwohl man scbon seit ge-
raumer Zeit sehr wohl wusste. dass glaziale Schotterbildungen
gerade hier kräftig entwickelt sind, wurde docb noch kein
ernster Ansatz zu deren näherer Bestimmung und Gliederung
gemacht. Wenigstens spricht sich in diesem Sinne Blaas
auHf^j dessen Streben doch sonst dahin geht, die gesamte Lit-
teratur über die geologischen Verhältnisse Tirols für seine
Zwecke heranzuziehen. Eine abschliessende Erörterung liegt
auch nicht in der Absicht dieser Studie, die vielmehr nur ein
ziemlich beschränktes Territorium aus dem Gesamtbereiche der
Brirener Olazialformation herausgreifen, dieses jedoch nach Ter-
«chiedenen Seiten einlässlich schildern möchte. Es tritt hier
nämlich nicht nur das im engeren Sinne glazialgeologische
Moment stark in den Vordergrund, sondern es hat in die
dortigen Ablagerungen die Erosion zahlreiche Eingriffe gemacht,
M Die nördliche Grenze des mittleren Eisackthalea föllt natargemäss
zuHainnuin mit der tiefen Klamm, in welcher sich der Fluss, und zwar
innorhall) (lr*r Mauern von Franzensfeste, seinen Austritt aus dem engen
Thal«» crkilmpft, innerhalb dessen er vom Sterzinger Moos aus dahinge-
Hirömt, war. Das untere Thal würde in der Hauptsache mit dem soge-
naniit<'n „KunterHweg" zusammenfallen, und man könnte als dessen Be-
rnau <lio Hc.hon durch ihren Namen gekennzeichnete Stadt Klausen oder
auch, mit, violleictht noch mehr Recht, die etwa eine Stunde oberhalb
von ihr j^clegene „Sternklamm" ^'elten lassen, weil von da ab der Thal-
einHchiiitt die Eigenschaft eines Engpasses annimmt, deren er vor dem
„Pozener Hoden * nicht mehr verlustig wird.
'^) Blaas, (geologischer Führer durch die Tiroler und Vorarlberger
Alpen, \, Händchen (Mitteltirol), Innsbruck 1902, S. 460flf. .Bedeutsam.
aber noch wenig studiert, sind die mächtigen glazialen Ablagerungen in
der Tingebung von Jtrixen, besonders nördlich der Stadt, bei Neustift,
Schubs und Fnm/.ensfcste. Die Sedimente bestehen aus Konglomeraten
im liic^'cndjMi (Neustift), geschichteten, stark gestörten Schottern und
i^andcll (Neustift. Scluibs) und Moränen (Franzens feste). "Wahrscheinlich
lieircn l»»'»»' Stauscliotter vor, veranlasst durch Absperrung des Elisack-
thab "e Gletscher der Dolomiten zu der Zeit, als jene aus den
Zei ^en noch nicht eiTcicht hatten."*
S. Günther: Olcieiäle Denudationsgehüde, 461
welche zur Herausbildung höchst merkwürdiger Formen führten.
Man darf es wohl aussprechen, dass sich hier auf verhält-
nismässig sehr kleinem Räume Paradigmen aller der
verschiedenen Denudationsgebilde zusammenfinden,
welche unter der Einwirkung fliessenden und meteori-
schen Wassers zustande kommen können.
Um zunächst die topographischen Verhältnisse zu erledigen,
sei daran erinnert, dass das Eisackthal zwischen Franzensfeste
und Brixen durch die beiden Wasserläufe, welchen dasselbe
angewiesen ist, in drei untergeordnete, durch niedrige Er-
hebungen von einander geschiedene Längsthäler zerlegt wird.
In Fig. 1, der die österreichische Generalstabskarte (Blätter
Klausen und Franzensfeste) zu gründe liegt, sind das westliche
und das mittlere dieser drei Parallelthäler veranschaulicht. Das
erstere wäre an und für sich ein Trockenthal, wenn nicht durch
Aufstauung ein fast 1 km langer See (auf der Karte, aber
nicht im Volksmunde „Oberer See* genannt) entstanden wäre,
der die spärlichen Zuflüsse von den Bergen herab in sich auf-
nimmt und, als abflusslos, grossenteils versumpft ist. Ein
länglich-schmaler Rücken von geringer Höhe, der künftig kurz
den Namen »Höhe A* führen soll, trennt diese Senkung vom
eigentlichen Eisackthale, und dieses wieder wird auf seiner
östlichen Seite durch einen weit kräftiger modellierten Höhen-
zug — von nun an „Höhe B" — begleitet, den die offizielle
Karte als „Schabser Plateau' kennt. Zwischen diesem und
den ziemlich steil ansteigenden Vorbergen der Plose fliesst in
tief eingeschnittenem Thale die von Osten kommende Rienz
dahin, die sich unmittelbar bei Brixen unter einem scharf aus-
geprägten spitzen Winkel mit dem Eisack vereinigt. Das an-
stehende Gestein aller dieser Hügel verbirgt sich fast durch-
gehends unter den diluvialen Auflagerungen, und nur bei dem
Durchbruch des Eisacks zwischen den beiden Höhen A und B,
an dessen unterem Ende das alte Kloster Neustift gelegen ist,
kann man deutlich erkennen, dass den Kern derselben archae-
ische Schiefer bilden.
Das „Schabser Plateau" fallt steil gegen die Eisack-Thal-
462
Sitzung der math.-phys, Glosse vom 6. Dezember 1902,
iiiederung ab. Gegen Nordwesten ist eine ausgesprochene
Terrassenbildung wahrnehmbar, indem eine fast ebene Fläche,
auf welcher das Dörfchen Aicba liegt, sich bis an den Fuss
des Berges von Spinges hinzieht. Die Generalstabskarte kennt
diese Terrasse als „Ochsenbichl" — eine Bezeichnung, die
jedenfalls auch den gegenwärtigen Umwohnern nicht mehr
Fig. 1.
fEfc^act
StfciWX^t. %s^^;a^'L>OL-HSst^m.$st
recht geläufig ist. Schon die oberflächlichste Begehung*) der
Thalleiste vergewissert darüber, dass man es hier mit Glazial-
*) Verf. hat den Ocbsonbiohl samt der angrenzenden Thallandschaft
nii'ht nur zu wiederholten malen allein, sondern zuletzt auch mit einem
besonders gründlichen Kenner des Olazialphanomenes. Prof. Ed. Richter
lliraz\ durchwandert, und es ergab sich hiebei in allen wichtigeren
Punkten eine durchgangige Uebereinstimmuug der Ansichten.
S. Günther: Glaziale Denudationsgebilde.
463
schottern zu thun habe, wobei allerdings zunächst noch die
Frage eine offene bleibt, ob jene vom Gletscher selbst oder
von den sich ihm entringenden Wassermassen an ihrem nun-
mehrigen Orte deponiert worden seien, ob also an Moränen
oder an fluvioglaziale Ablagerungen zu denken sei. Auch
eine relative Altersbestimmung einzelner Teile wird erst dann
möglich, wenn man die Gesamtheit der den Höhen A und B
angehörigen Schichten ins Auge fasst.
Nicht unerheblich erleichtert wird diese letztere Aufgabe
durch einen Strassenbau, welcher einige höchst belehrende Auf-
schlüsse in dem sonst allenthalben durch eine reiche Vegetation
unübersichtlich gemachten Terrain zuwege gebracht hat. Es
Fig. 2.
kam darauf an, den das rechtseitige Ufer des Eisacks bildenden
Wiesengrund, in dem die beiden Weingüter ,Vorder-Igger**
und „Hinter-Igger" kleine wirtschaftliche Zentren ausmachen,
durch einen fahrbaren Weg mit der Reichsstrasse Brixen-
Vahrn-Franzensfeste zu verbinden ; die beiden Punkte, in denen
diese Strasse von dem neu angelegten Wege getroffen wird,
haben in Fig. 1 die Signaturen A| und A^. Unmittelbar bei
A, ist deshalb ein Durchschnitt durch den oberen Teil der
Höhe A hergestellt worden, und hier zeigt sich ganz ungesucht
dem Auge Folgendes: Eine vollkommen horizontal ver-
laufende Linie scheidet die durch den Einschluss
vieler und mächtiger Gesteinstrümmer charakteri-
sierten hangenden Schichten von den stark verwit-
464 Sitzung der mathrphys, Classe vom 6. Bexember 1902,
terten liegenden, die nur sehr wenig Schottermaterial,
und dieses in weit feiner verteiltem Zustande, ent-
halten. Fig. 2 sucht von dem hier angedeuteten Gegensatze
eine ungefähre Vorstellung zu geben. Die Blöcke sind durchweg
Granit und Gneiss und entstammen ersichtlich dem Urgebirge
des oberen Eisack- und Wippthaies; der sandige Lehm der
Unterlage ist aus Gestein von derselben Beschaffenheit hervor-
gegangen, gehört aber unzweifelhaft einer älteren Epoche
an. Die erwähnte Trennungsfläche lässt sich, wenn man ein-
mal an der erwähnten, besonders dazu geeigneten Stelle ihre
Eigenart kennen gelernt hat, auch noch anderwärts leicht
herausfinden, so beispielsweise im Pusterthale zwischen Mühl-
bach und Schabs. Vor allem durchzieht sie auch die denu-
dierten Abhänge des Ochsenbiehls, und hier begegnen wir auch
einem Vorkommnis, welches besonders beachtenswert erscheint.
Durch eine jener Erdpyramiden nämlich, mit denen wir uns
gleich nachher zu beschäftigen haben werden, zieht sich der
Trennungshorizont derart hindurch, dass ihre Spitze sich aus
lauter kleinen, fest verkitteten Schottersteinen zusammensetzt,
während der eigentliche Körper der Säule aus gleichmässigem
Verwitterungsstoffe von Massengesteinen besteht.*) Es wird wahr-
scheinlich nicht viele zusammenhängende Bezirke in Moranen-
landschaften*) geben, welche die Trennungsfläche zwischen
Ablagerungen verschiedener zeitlicher Entstehungen so präzis
auf immerhin weitere Entfernung zu verfolgen gestatten, wie
dies hier der Fall ist.
Dass alle diese Ablagerungen den glazialen Typus an sich
tragen, kann vonvornherein nicht zweifelhaft sein. Insbesondere
*^ Es ist vlies vielleicht Jer einzige bekannte Fall heterogener
Z u < .\ \x\ \\\ en < et zu n ff eines Enipfeüers. Man nimmt diese Gebilde ge-
wöhnlich a's av.s viner ininz irleichfc-riiiiiTon Zersetzunirsmasse gebildet an.
.^eno r>:iT:.ivrv.r.^. oi^- .-HordiT^trs via v.r..i -.-v-^rt beobachtet wird, ist mit der
hier in betr.»/:.: k n.ir.enien Zv.iTeh.'nirkrit zu zwei ganz verschiedenen
Svhi.htfoliTei; keirir-wrcs :viv::::sch.
• Diesrf W .rt s:-''^rA'i her. wir :•.: -.ir:/. erweiterten Sinne, den ihm
A. V. Roehm Grs- hichte der M r.ir.enk-.mie. Wien U\>2. S. 1'24» unterlesft.
S. Günther: Glausiäle Dentidationsgebüde. 465
weisen einzelne der von der oberen Schicht umschlossenen Blöcke
prächtige Schliffe auf. Weit schwieriger ist es selbstverständ-
lich, die beiden Depositen mit solchen zu identifizieren, welche
man in anderen, weit entfernten Gegenden genau gegliedert
und zur Grundlage einer zunächst eben doch dem örtlichen Auf-
treten angepassten Nomenklatur gemacht hat. Dafür, dass eine
Gliederung auch für die südlich vom Brenner auftretenden
Glazialgebilde möglich ist, hat vor längerer Zeit bereits Penck^)
den Nachweis erbracht, indem er wenigstens für die Seiten-
moräne des grossen Gletschers, der damals von der anders ge-
legenen Wasserscheide*) des Uralpenzuges sich herabsenkte,
feststellte, dass sie dem letzten Eiszeitstadium angehört haben
müsse. Die genauen chronologischen Parallelen zwischen den
an den Höhen A und B wahrnehmbaren Formationen und
denen, die den Nordrand der Alpen einsäumen, wird man heute
noch nicht ziehen können; verbürgt ist anscheinend nur das,
dass die beiden Ablagerungen, die der mehrerwähnte
Trennungshorizont zu unterscheiden gestattet, zwei
verschiedenen Uebereisungsperioden zuzurechnen sind.
Die obere Schichtenreihe dürfte mutmasslich als fluvioglazial
anzusprechen sein, weil eben in ihr vielfach eine so regelrechte
Schichtung der derberen Einschlüsse zu tage tritt, wie sie nur
von fliessendem Wasser bewirkt zu werden pflegt. Die glaziale
Schrammung und Schleifung der Gesteinstrümmer mag über
dieselben zu einer Zeit ergangen sein, als sie sich noch in
ihrer ursprünglichen Verbindung mit dem anstehenden Fels
befanden. Alles in allem weisen die äusseren Kennzeichen
auf den Niederterrassenschotter*) des bayerischen Alpen-
0 Penck, Der Brenner, Zeitschr. d. deutschen u. österr. Alpenver.,
18. Band, S. 11.
2) Was Penck nach dem damaligen Befunde nur ahnen konnte,
hat F. Kerner v. Marilaun (Die Verschiebungen der Wasserscheiden
im Wippthale während der Eiszeit, Sitzungsber. d. k. k. Akademie d.
Wissensch. zu Wien, Math.-Naturw. Kl., 1. Dezember 1891) mit neuen
Argumenten erhärtet.
8) Nach der neuerdings von Penck gewählten und in dem jüngsten
466 Sitzung der mathrphys, Classe vom 6. Dezember 1902,
Vorlandes hin, der, rein morphographisch betrachtet, eine ganz
analoge BeschaflFenheit besitzt.
Was dieser Nebeneinanderstellung noch eine gewisse Stütze
verleiht, ist die Thatsache, dass an einzelnen Stellen dieser
Terrassenschotter sich in höchst eigenartiger Weise mit einer
ganz unregelmässig gelagerten Schicht durchdringt, die unse-
rem Deckenschotter zum mindesten ausserordentlich ähnlich
ist. Da und dort begegnet man Konglomeraten, die von der
nordalpinen Nagelfluh kaum zu trennen sind; ein Irrblock
dieser Art liegt z. B. hart an dem Wege, der von der Brixener
Vorstadt Stufls nach Neustift führt. Ganz besonders bezeich-
nend sind ferner die Zustände am nördlichen Ende der Ochsen-
bichl-Terrasse. Wie aus Fig. 1 zu ersehen, schmiegt sich diese
letztere ganz und gar dem gewundenen Laufe des Flusses an,
so dass zwischen ihr und dem Eisack nur ein ganz schmaler
Ufersaum übrig blieb. Da, wo dieser sich südlich etwas er-
weitert, liegen die beiden Einöden „Ober-" und „Unter-Pauck-
ner**, und von hier an, von C bis D, besitzt die glaziale Flanke
der Höhe B (s. o.) den uns bekannten Charakter. Dieser ver-
liert sich von D an nach und nach, und gegen E hin machen
sich mehr und mehr grobe, durch ein lössartiges Bindemittel
zementierte Blöcke geltend, die eben unwillkürlich den Eindruck
des Decken Schotters hervorrufen. Indessen wäre es gewagt, be-
stimmt von einem solchen zu sprechen, solange nicht auch
anderswo das Vorkommen solcher Gebilde, und zwar unter
dem vermeintlichen Niederterrassenschotter,^) zuverlässig er-
mittelt ist.
Werke konsequent zur Anwendung gebrachten Bezeichnungsweise läge
das System W (Wurm) vor.
*) Trotzdem von hause aus der Deckenschotter unter der Hoch-
ternisse liegt, die ihrerseits wieder die Niederterrasse unterteuft, bringt
es doch die Fhisserosion mit sich, dass man in der Nähe des vom Flusse
gebihloten Kinschnittes den Deckenschotter in höheren Horizonten als
die später abgesetzton Schotter antrifft (Penck-Rrückner-Du Pasquier,
Le jiystonie gh\ciaire des Alpes. Neuchatol 1894). Wie eigentümlich hie
und da eine Grundmoräne siih in die Nietlerterrasse hineinzuschieben
vermaii. beweist di»^ Rändorung der Innleite bei Wasserburg in Ober-
S, Günther: Glaziale Denudatiansgebilde. 467
Dieser letztere ruht also , wie wir sahen , der Regel
nach auf einer mutmasslich ziemlich mächtigen Schicht, die
gar nichts mit Nagelfluh zu thun hat. Man möchte wohl ge-
neigt sein, in ihr eine echte Moräne und zwar, angesichts
der feinen Aufbereitung ihres Materiales, eine Grundmoräne
zu erblicken. Andererseits will auch jene Anschauung, auf
welche Blaas (s. o.) anspielt, beachtet sein. An und für sich
hindert nichts, sich den Sachverhalt in der Weise zurechtzu-
legen, dass von Osten her ein gewaltiger Gletscher den Aus-
gang des Eisackthales versperrt und die nach Süden abfliessen-
den Gewässer aufgestaut habe; wenn dann der Eisackgletscher
in den so entstandenen See hineinrückte, konnten seine Mo-
ränen sehr wohl jene Konfiguration annehmen, welche die
untere Schicht erwähntermassen auszeichnet. Auf ein Zu-
sammenwirken flüssigen und gefrorenen Wassers wird
man somit bei der Erklärung der Glazialdepositen nördlich von
Brixen unter allen Umständen Bedacht nehmen müssen, indem
nur bei den oben aufliegenden Schottermassen der fluvio-
glaziale, bei den fast homogenen Straten der tieferen Horizonte
mehr der im engeren Sinne glaziale Ursprung zu betonen wäre.
Als ein weiterer Faktor könnte auch noch die Gestalt der
Höhe A eine gewisse Rolle spielen, welche unverkennbar die
eines Drumlins ist. „Die Drumlins sind*, so lesen wir in
der massgebenden Darstellung,^) „gestreckt und schwarmförmig
in der Richtung der Eisbewegung angeordnet; in der Mittel-
linie der alten Gletscherzunge stehen sie daher senkrecht zur
Richtung der Endmoränen, an den Flanken laufen sie unter
bayem, auf welche von Penck (Penck-Brückner, S. 131 ff.) als auf
eine seltenere Modalität der Verknüpfung von Schotter und Moränen,
die zumeist eine , Verzahnung* oder .Verkeilung" zu sein pflegt, hinge-
wiesen worden ist.
^) Penck-Brückner, a. a. 0., S. 16. Als Ort der Drumlins, wie
der verschiedenen Gattungen glazialer Absätze werden hier die „Zungen-
becken" definiert, ringsum geschlossene, tiefe Wannen, häufig von Seen
erfiillt. Die Merkmale eines solchen Beckens treffen teilweise für die
hier behandelte Thalung zu, welcher der Fluss freilich eine Oeffnung
nach abwärts verschaffte.
468 Sitzung der math.-phys, Classe vom 6. Dezember 1902,
spitzem Winkel auf letztere zu**. Dass ein normaler Endmo-
riinenwall heutzutage nicht mehr existiert, kann mit Rücksicht
auf die zerstörenden Wirkungen, welche die verbundenen Flüsse
Eisack und Rienz bei ihren häufigen Ueberschwemmungen aus-
geübt haben, nicht befremden; im übrigen dagegen ordnet
sich die Höhe A völlig der Penck'schen Begriffsbestimmung
unter. Die verlängerte Achse der einer langgestreckten Ellipse
im Horizontalprofile vergleichbaren Erhebung mochte einstens
gerade mit der Mittellinie der Stirnmoränen zusammenfallen.^)
Soviel über die hypothetische Entstehung der Schotter-
massen, welche den Abhang des Ochsenbichls bilden. Wir gehen
jetzt zu den merkwürdigen Oberflächen formen über, welche
diesem abgelegenen und — wie es wenigstens den Anschein
hat — noch nirgendwo beschriebenen Erden winkel *) auch
unter dem landschaftlichen Gesichtspunkte ein ganz eigenarti-
ges, pittoreskes Gepräge verleihen. Auf der Strecke C D (Fig. 1),
deren Richtung eine angenähert meridionale ist, hat sich eine
fonnenreiche Kolonie von Erdpyramiden angesiedelt; die
Steilwand D E hingegen, welche unter stumpfem Winkel von
C D abgeht, zeigt sich durchsetzt von gigantischen geologi-
schen Orgeln. Es ist bekannt genug, dass diese beiden
Gruppen von Naturerscheinungen auf Erosion und Denudation
^) Auch die Besohreilninsr, welche Nansen (Auf Schneeschuhen
durch GrC^nhinvi. J. Haiui. Hamburg: 1S97. S. 451 ff.) von den Dromlins
ilibt. p.^;*$t sich volUtändig unserem Falle an. Sie überdecken die Grund-
nu^ränon. und da er\vähnterma>son die clazialen Unterschichten der Höhe
A von uns mit oinor orundmoräno identitiziert worden sind, so würde
auch dieses Kenuieichen /.utretifen.
- Unmitiell>ar fuhrt keine Chäv.!<*<re dorthin, und eine genauere
IWkai iiti^chai'^ mit der Oertlichkeit l:i<st siih ledisrlioh durch eine etwa«
..: stTtriTc: >: Wai:,:t ru: c trrti-.ht:.. Fir.rii Ue'erllick gewährt freilich
S.V.:: c:r. T..: k:, .;- v r vi- r Kt i:V.><:r.;s<r l>r:xer.-ru*terthal nur wenige
^.^ r::::^ ^:.:f ::;: :<:. l:. .^Ver t"::: r:r vltr Ei::i:eweihte sofort nndet.
•>'.;., ..V. :.'. 'x.i"v. :...%:. .. /r. '..::: rV-soi-l ;/.::. w.»^-- au>. >-aId nachdem man
-iuf ,1:: :\:>:;r:ValVA>- i- M:l::..r2.ü:t>:^llv Fräiizviisfeste Terlassen hat,
.i;:> ;::;: :':::f: :: ;:vx % : . ^i: .;:t^ k.;!:::^:: y.r:::^:: irutlkb genug bevb-
S. Günther: Glaziale Denudatiansgehüde.
469
zurückzuführen sind; sehr belehrend sind aber im vorliegenden
Falle die lokalen Verhältnisse, welche mehr als sonst eine
tiefere Einsicht in den Hergang zu gewinnen erlauben. Fürs
erste soll den Erdpfeilern, deren Beschränkung auf einen völlig
abgeschlossenen Raum*) jedermann auffallen muss, eine ein-
gehendere Betrachtung zu teil werden.
Obwohl es Erdpyraraiden und Bodenprotuberanzen, deren
Herauspräparierung aus einer zuvor ziemlich gleichmässig ver-
*) Auch gegenüber von CD (Fig. 1), bei F, scheint beim ersten Be-
schauen eine Erdpyramide sich abgelöst zu haben ; sieht man aber näher
zu, 80 überzeugt man sich, dass das losgetrennte Erdstück nicht durch
eine von oben nach unten, sondern durch eine von unten nach oben
wirkende Kraftwirkung des Zusammenhanges mit dem Hauptkörper be-
raubt worden ist. Die Bewaldung des Abhanges ist der Ermittlung des
Sachverhaltes wenig günstig, allein die uns bekannte, auch an dieser
Stelle hervortretende Trennungslinie hilft aus der Verlegenheit. Von A
bis B (Fig. 8 a) klafiFt eine halbkreisförmige Unterbrechung in dem fast
lotrecht abstürzenden Schotterwalle, und gerade vor ihr erhebt sich aus
Bäumen der vorbezeichnete Obelisk C, der sich, als die Unterwaschung
durch die Eisackfluten ihn abtrennte, zugleich nach Süden drehte, so
dass nunmehr der fragliche Horizont den Verlauf MNPQRS erkennen
lässt, indem das Stück PQ flussaufwärts ansteigt. Der Bildungsakt ist
völlig derselbe wie bei den südrussischen Obruiven (Küstenabrutschungen),
mit denen uns Kohl (Reisen in Südrussland, 2. Band, Dresden 1841,
S. 63 ff.) bekannt gemacht hat. Das strömende Wasser grub sich, gerade
so wie es am Steilrande der pon tischen Steppe die Wellen des Schwarzen
Meeres thun, in die Basis des Abhanges ein und lockerte dessen Kon-
Histenz so lange, bis eine Höhle entstanden war; deren Decke brach ein,
1902. Siiziingsb. d. math.-phys. CK
31
470
Sitzung der mcUh.-phys. Glosse vom 6, Dezember 1902.
teilten Masse leicht angreifbaren und zerstörbaren Stoffes sich in
einer wesentlich ähnlichen Weise erklären lässt,^) allenthalben
und das darüber stehende Erdprisma sackte nach, so dass jene zirkosartige
Ausbuchtung entstand (Fig. 3 b). Es liegt folglich ebenfalU ein erofiiver
Vorgang in mitte, aber derselbe ist, wie bemerkt, gnindyerscbieden tob
demjenigen, dem die Ausgestaltung des gegenüberliegenden Abhanges
der Höhe B auf Rechnung zu setzen ist.
^) Es ist nicht ohne Interesse, alle die türm artigen Ober-
flächengebilde zusammenfassend zu behandeln, von denen in der
physischen Erdkunde gesprochen wird. Abgesehen von den dnrcfa di-
rekten Aufbau entstandenen Stalagmiten, von den denndatorisch
bloagelegten, aber doch längst zuvor vorhanden gewesenen Batholithen
und unwesentlichen anderen Gelegenheitsbildungen kann man stets das
gleiche Grundprinzip konstatieren: Die Erosion greift modellierend
in eine vorher ziemlich einförmige, tiefer gehender Diffe-
Fig. 3 b.
S. Günther: Glaziale Denudatiansgehüde, 471
auf der Erde gibt, so kann man trotzdem den Satz aufstellen:
Tirol ist das klassische Land der Erdpyramiden. Die
rentierung entbehrende Masse ein. Dieselbe kann aus festem
Gestein, aus lockeren Stoffen oder aus Eis bestehen — was aus ihr unter
dem stetig wirkenden Einflüsse auch ganz schwacher Kräfte 'wird, er-
mangelt nicht gewisser gemeinsamer Familienzüge, die sich beim Be-
schauen der entsprechenden Landschaftsbilder ungezwungen dem Auge
einprägen. Bilderwerke, in denen die wichtigsten Oberflächenformen
anschaulich zusammengestellt sind, können nach dieser Seite hin der
Forschung wirklichen Vorschub leisten; dahin gehört vorzugsweise das
monumentale Werk von Robin (La terre; ses aspects, sa structure, son
Evolution, Paris 1902). Nur in gedrängter Kürze seien die wichtigsten
Modalitäten hier aufgeführt. In die erste Gruppe gehören säulenartige
Felsbildungen des Canons von Colorado; die »Aiguilles* des Montblanc-
gebietes, welche dessen Südseite, gegen Courmajeur, als in ein schon von
Saussure bewundertes Meer spitz ansteigender Protoginpjramiden auf-
gelöst erscheinen lassen (Petersen, Erinnerungen an den Col du Geant,
Z. d. d. u. Ost. Alpenver., 17. Band, S. 357); die kretazischen Felszerklüf-
tungen des Mittelgebirges (Labyrinthe von Adersbach und Weckelsdorf,
Sächsische Schweiz, Wittower Klint auf Rügen mit geradezu überraschen-
den Anklängen an die Erdpyramiden, „Rochers de Valliere'' im Departe-
ment Charente Införieure); dolomitische Nadelbildungen (Südtirol, Frän-
kische Schweiz, Umgebung von Montpellier, „Nadel' im krainischen
Sannthale); die durch Deflation erzeugten Restberge („Zeugen* in den
afrikanischen und asiatischen Wüsten, „Mesas*^ im südlichen Nordamerika,
.Teufelstisch* bei St. Mihiel an der Maas, „Monument-Park in Colorado);
Brandungsresiduen am Meeresgestade („Needle-Rock* in New- Jersey,
„Demoiselle deFontenailles* im Departement Calvados, , Aiguilled'fitretat*
im Departement Seine Inf^rieure, „Mönch" auf Helgoland). Die zweite
Formenklasse bietet uns im folgenden Stoff zu besonderer Erörterung.
Was endlich die dritte anlangt, so ziehen zwei Erscheinungen unsere
Aufmerksamkeit auf sich, die der Seracs und des Büsserschnees,
über deren gegenseitige Beziehungen noch keine volle Klarheit geschaffen
ist. Wenn man mit Sieger (Die Karstformen der Gletscher, Geogr.
Zeitschr., 1. Band, S. 182 ff.) die Mannigfaltigkeit der Gebilde, welche
durch Insolation, Ablation und Zusammensturz an der Oberfläche eines
Gletschers hervorgebracht werden können, mit derjenigen verkarsteter
Kalkgebirge vergleicht, wird man sich dem Gefühle nicht zu entziehen
vermögen, dass das einigende Band, welches sogar Eis und Stein verknüpft,
auch im Bereiche des festen Wassers allein diese seine Kraft bethätigen
werde. Hau th als Entdeckung (Gletscherbildung aus der argentinischen
Cordillere, Globus, 67. Band, S. 37 ff.), dass Säulen aus „Nieve penitente*
31*
472 Sitzung der m<Uh,'phy8, Classe vom 6. Dezember 1902.
erste Erwähnung derselben im wissenschaftlichen Schrifttum^)
datiert von einem Tiroler, dem Innsbrucker Mathematiker
F. Zallinger, der auf sie anlässlich der Besprechung der
Muhrbrüche hingewiesen hat.*) Es dauerte längere Zeit, bis
sich auch mit wirklichen Gletschern zusammenfinden, spricht freilich
einigermassen gegen die von Brackebusch (Die Penitentesfelder der
argentinischen Kordilleren, Globus, 63. Band, S. 1 ff.) vertretene Anschau-
ung, der zufolge diese Eispilaster als ein unmittelbares Seitenstäck zu
den Erdpyramiden zu gelten hätten.
*) Unser ganzes Wissen von der Sache, wie es vor einigen Jahren
beschaffen war, kennzeichnet sehr übersichtlich eine Schrift von C. Kittler
(lieber die geographische Verbreitung und Natur der Erdpyramiden,
München 1897; M. Geogr. Studien, herausgeg. von S. Günther, 3. Stück).
Einige Ergänzungen zu den hierin niedergelegten Angaben über das
Vorkommen dieser „Lehmtürme*, wie man in Tirol sagt, werden weiter
unten gegeben werden.
^) F. S. Zallinger zum Thurn, Von den üeberschwemmnngen
in Tirol. Innsbruck 1779, S. 63 ff. Wenn wir die betreffende Stelle wört-
lich wiedergeben, erreichen wir zugleich, dass Zallinger als der eigent-
liche Begründer der Ly elTschen Theorie, von der nachher die Rede sein
winl. hervortritt. „Was das Regen wasser in einem lockeren Boden ver-
mag, zeigen auch jene Säulen und Pyramiden, die ich nicht weit von
Untorinn und Lengmoos niemals ohne Vergnügen ansah. Sie stehen fast
senkrecht : bei einigen gehen aus dem nämlichen Stamme zwei oder drei
hervor: die meisten ziehen sich oben in eine Spitze zosammen und, was
rocht wuiulorlich scheint, ist die Spitze bei allen mit einem grossen
Steine bedeckt. Als ich. die Sache genauer zu beobachten, hinzntet,
fand ich augenscheinlich, dass die Pyramiden nur von dem Regen ent-
stehen können: denn dieser spült nach und nach die lockere rote Erde
an der Seite herum so ab. dass nur jene Stücke noch übrig blieben, die
wider den Regen noch von jenen Steinen sind geschützt worden, so man
itzt auf jenen Spitzen beobachtet.* Was Lyell rar Erklärung bei-
bringt, ist nur eine Umschreibung des hier kurz und bündig skinierten
iinin.iceilankens: Zallinger möchte die Priorität des Hinweises auf
s.lvh ur.gowrhr.liohe BcHienfonnen einem Buche von Mitterpacher
KurrgetVis^to Naturgeschichte der Erdkugel, Wien 1774. S. 43 ff.) zner-
tv:': V.. i'-. : r..jhe!tr.: Zusehen luuss luan es jedoch mindestens als sehr
:wv.:V".haf: tT.i/r.tor.. ob jer.e S:iulen. die Houguer in den Cordilleren,
P: :.: y : : :;\:: :r. Nv rvroger.. Gnielin in Sibirien gesehen in haben
ctr.iTf'tr.. w::k*:.ho Krtii'yrar.-.i.ivv. u:..'; :-i.r.: vielmehr Denudationsfiguren
8, Günther: Glaziale Denudationsgebüde. 473
zu den stets in erster Linie genannten Erdpfeilem am Bozener
Ritten, deren die älteren Schriften ausschliesslich gedenken,^)
auch andere Gebilde von verwandtem Charakter hinzukamen.
Nur eine einzige Ervirähnung, und zwar aus dem Gebiete der
Westalpen, ist fast gleichaltrig, steht jedoch ganz isoliert da.*)
Jedenfalls wird man, sobald von Erdpyramiden die Rede ist,
sofort an Tirol denken, und diesem Lande werden am zweck-
mässigsten etwaige Typen zu entnehmen sein,' nach denen sich
eine Klassifikation derartiger Bodenformen bewerkstelligen lässt.
Eine solche anzuregen, wäre schon längst am Platze gewesen,
um, wenn es sich um die Schilderung irgend eines konkreten
Vorkommens handelt, sich in der oft abenteuerlichen Formen-
fülle leichter zurechtzufinden. Der nachstehende Vorschlag will
nur als ein solches Hilfsmittel bequemer Orientierung betrachtet
werden; er sieht von allen eigentlich morphologischenEr-
wägungen ab und hält sich ausschliesslich an äusserlich in die
Augen fallende, rein morphographische Momente. Als Süd-
tiroler Typus bezeichnen wir den von einem Felsblock, einem
Rasenstücke oder einem Baume gekrönten Obelisk ; ^) das Wort
Nordtiroler Typus ist von den besonders schönen, jedem
Brennerfahrer wohlbekannten Spitzsäulen bei Patsch herge-
*) Die gesamte hierher gehörige Litteratur berücksichtigen ausser
Kittler auch noch nach Möglichkeit Penck (Die Morphologie der Erd-
oberfläche, 1. Band, Stuttgart 1894, S. 234 ff.) und der Verf. (Handbuch
der Geophysik, 2. Band, Stuttgart 1899, S. 885 ff.). Einige Nachträge hin-
wiederum sind in gegenwärtiger Abhandlung enthalten.
^) Saussure, Voyages dans les Alpes, 8. Band, Neuchatel 1796,
S. 11 ff.; er spricht da von den »monticules de formes souvent coniques*
im Kanton Wallis.
3) Trotz dieser gemeinschaftlichen Eigenschaft können selbst inner-
halb eines und desselben Formenbereiches noch die schärfsten Gegensätze
platzgreifen; man vergleiche beispielsweise die eleganten, himmelan-
strebendcn Obelisken vom Ritten mit den täuschend einem grossen Pilze
gleichenden Zwergformen des Jenesien-Berges bei Bozen, die ihrerseits
wieder in allen Stücken erinnern an die von F. Simony (Das Dachstein-
gebiet, 1. Band, Wien 1889, S. 107; Tafel XCII) beschriebenen .Hutpilze*
aus Breccienmaterial.
474 Sitzung der matK-phys, Glosse vom 6, Dezember 1902,
nommen; der Osttiroler Typus endlich soll gewisse scharf-
schneidig auslaufende, aber auf langgestreckter Basis sich er-
hebende Denudationsreste in sich begreifen.^) Wenn wir uns
dieser Sammelnamen bedienen, so können wir mit Bezug auf
die Erdsäulenkolonie des mittleren Eisackthales als deren
hervorstechendste Eigenschaft die hinstellen, dass in ihr alle
drei Typen, wenn auch durchaus nicht gleichmässig,
vertreten sind.
Auf die Entfernung eines starken Kilometers ist der ganze
Steilhang C D (Fig. 1) des Schabser Plateaus (Höhe B) zer-
fasert in ein Aggregat von Erdsäulen, die im denkbarst ab-
wechsclungsreichen Bilde aus ziemlich dichtem Walde empor-
ragen.*) Abgesehen von kleineren, da und dort eingestreuten
Exemplaren sind es wesentlich drei in sich geschlossene
Familien, die den Beschauer fesseln. In dem Pbotogramme
(Fig. 4) ist das ganze Gebiet, dessen Schilderung hier gegeben
wird, zur Anschauung gebracht worden. Die drei zusanunen-
pehörigen Gruppen lassen sich darin, wenn man von rechts
gegen links fortschreitet, unschwer erkennen. Die Photographien
wurden dem Verf. in allen Fällen von seinen Söhnen geliefert
Bei den beiden ersten — von Süden aus gezählt G und H in
Fig. 1 — ist der Auflösungsprozess bereits weiter fortge-
M Riibl. Die Eiiipyramiden von Goednacb-Goertschach, Der (toter-
roiohisoho Tourist. 1S84. S. 149 fF. Diese sonderbaren Gebilde sind nicht
aiiü diluvialei« Schotter, sondern aus tertiären Eonglomeraten henuuge-
iirbeitot. was wohl zum teile die Verschiedenheit der Sachlage begreiflich
niaoht. Wahrscheinlich ist aber gleichwohl die Abweichung nnr eine
scheinbare, indem nfimlich bei stetigem Fortschreiten der £ron<msaibeit
die Eni Pyramiden vom Osttiroler Typus in solche der beiden mndercn
Typen zerlegt werden wünien.
'^^ Die Basistlache der Pyramiden ist so zerrissen und das Unterholz
so dioht, dass sioh Versuche, die Höhe der einzelnen Objekte, vielleicht
r.\.;h dem für H.'iir.r.e von Stützer Die grössten. ältesten oder sonst
:i.crkw:;raigO!^. Biiv.ir.e Bayorns in Wort und Bild. München 1900, S. 16 ff.^
crrrobter. pV. ^togr:»::: in rtrisolun Verfahren, bestimmen zu wollen. Ton
srlVs: vt rViotor.. Dor SvV..*!.',:r.g .ufolge darf r/.an jedoch einzelne dieser
S.iu'.ey. ier. '::::hs:er. bisher in Eur.^ra Vekar.r.trn znre«?hnen: die eigent-
lich;:: Kie>;:: ':ehrrltr*:: N:r.:.i:::rr:k.i, wie ii: aiidcren Fällen anch.
S. Günther: Glaziale Denudationsgehüde. 475
schritten, so dass die einzelnen Aufragungen fast ganz isoliert
erscheinen und nur noch in ganz geringer Höhe über dem
Boden mit einander verbunden sind. Fig. 4 (rechts) gibt einige
markante Erscheinungen wieder; es herrscht hier hauptsächlich
der Südtiroler Typus vor, doch ist auch derjenige Osttirols
nicht un vertreten.
Weitaus am fesselndsten gestaltet sich in landschaftlicher,
wie in wissenschaftlich - geographischer Hinsicht die dritte
Kolonie (K in Fig. 1); sie gewährt uns eine vortreffliche Ge-
legenheit, die Bildung der Erdpyramiden genetisch zu ver-
folgen. Durch Erdrutsche, als deren Ursache hier, wie am
jenseitigen Ufer, die Untei-spülung durch den über seine ge-
wöhnlichen Grenzen getretenen Eisack anzusehen ist, wurden
zu beiden Seiten der schmalen Wand, welche an diesem Orte
allein von der glazialen Schottermasse stehen blieb, sehr an-
sehnliche Bestandteile dieser letzteren fortgeschafft, so dass die
Abrissstellen in ihrer ganzen Eigenart erkennbar sind.')
^) Bezeiclmend ist für die Abrisszirken die vollkommene Glätte
der Wandungen, und auch da ist es einerlei, ob aus einer festen, aus
einer lockeren oder aus einer Eis-Masse sich der halbzylindrisch begrenzte
Rutschkörper losgelöst hat, dessen Trümmer den unteren Teil der Rutsch-
bahn, die angrenzende Thalsohle und die sogenannte , Spritzzone* —
nach A. Heim — bedecken. Vielfach sieht sich dieser Hohlraum so an,
als wäre das fehlende Stück geradezu mit dem Messer herausgeschnitten
worden. Sehr belehrend sind nach dieser Seite hin die Photogramme,
welche A. Heim (Die Gletscherlawine an der Alteis, Zürich 1895) und
L. Du Pasquier (L'Avalanche de 1' 11 septembre 1895, Neuchatel 1896)
von dem Eisabbruche des Altelsgletschers mitgeteilt haben. Die Ab-
bildungen der Ursprungsstellen von Erdschlipfen und Bergstürzen sind
bis jetzt wenig zahlreich. So gibt es von dem tragischen Ereignis,
welches am 2. September 1806 das Gelände zwischen Zuger- und Lowerzer-
See betraf, zwar eine für jene Zeit vortreffliche und auch der karto-
graphischen Beigaben nicht entbehrende Monographie (Zay, Goldau und
seine Gegend, Zürich 1807), aber die interessante Abrissstelle scheint
auch später nicht viel beachtet worden zu sein, und es mag sich des-
halb empfehlen, ein photographisches Originalbild (Fig. 5) hier einzufügen,
aus dem sofort erhellt, dass eine glatt verlaufende Vertikalfläche die
stehen gebliebenen Teile der den Rossberg bei Goldau bildenden Nagel-
■I7S Sitznntj der mathrphys. Classe vom G. Dezember 1002.
nie ZwisrluMiwand al)cM- ist von den erosiven Agentien derart
hoarbi'itot worden, dass. wovon Fig. 4 ein Bild zu liefern sucht,
die Konturen eines Jliniaturgebirges entstanden.^) Ausser-
jj:ewölinlioli kühne Zacken, Säulen, Pfeiler, Türme ragen in die
Luft: hie und da wird ein höherer Turm von einer Anzahl
kleinerer TUrinohen nnigeben, die sich wie Strebepfeiler an ihn
anlehnen. Von den zahlreichen Erdstellen, welche dem Verf.
unter dem gleichen Gesichtspunkte bekannt geworden sind,
kann keine an malerischer Grossartigkeit den Vergleich mit
der (iruppe K aushalten. Decksteine fehlen durchgängig; Dur
anscheinend ein einziges mal trägt ein kleinerer Erdpfeiler
einen kleinen Kasenhut. ein Bruchstück des abgerutschten
Plateaus.
^Ver noch von der Unvollständigkeit der LjelTschen
Theorie.^'^ die noch immer durch die Lehrbücher geht, und an
deren iirundgedanken aiich nicht gerüttelt werden soll, über-
.euiTt :\\ werden braucV.io. der müsste sich an den Platz K
l^ec^^ben, Hekar.r.tlich legt der bi-rühmte Geologe, der sich ja
i??5 ch äl t en . abgerat^cbten
:■> >!•->.:. :■ .1 : v. r 1 : : r. :\ V er Sr hen von den darch
•. \" ■.ic-.V.v.rj-r.. ,:.i5 A * rissirebiet der Erd-
;.i> *..:■': -:r. I. Bari, L-eipzie- Wien 1901
vrr S: ..: A:-* ::-ir= Ufera der Phmefr
.::.■; j.A./: :..\r. ->;:f ein Gf^biresrelief nit
--..■...> '. ...v ■ ". :ff Trifi aiack in andcfn
. - . :-. y.f-ir «:rr:fade nicht toM
> ":^ ": - -t-'-jT: I't Msrcfci iTntteto £
. *. • ". > :-.- f ; ..r Ar.ji.häuang. Wireav
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:■> s/rrr. S:iii Bri. g^ita
• • -T. V-:-- einf fev£4inlicbe
. : A:ir*:;■::ke:Tde^^mIi»■
- -.^r rv":ir;rT De Mtrchi
•"-r rj-r&i^idenbiMiig«
- ': fn K-:ler* ach diHff
S. Cfünther: &l<maie Venudationsgebilde.
477
Fig. 4.
478 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 6. Dezember 1902,
Die Zwischenwand aber ist von den erosiven Agentien derart
bearbeitet worden, dass, wovon Fig. 4 ein Bild zu liefern sucht,
die Konturen eines Miniaturgebirges entstanden.*) Ausser-
gewühnlich kühne Zacken, Säulen, Pfeiler, Türme ragen in die
Luft; hie und da wird ein höherer Turm von einer Anzahl
kleinerer Türmchen umgeben, die sich wie Strebepfeiler an ihn
anlehnen. Von den zahlreichen Erdstellen, welche dem Verf.
unter dem gleichen Gesichtspunkte bekannt geworden sind,
kann keine an malerischer Grossartigkeit den Vergleich mit
der Gruppe K aushalten. Decksteine fehlen durchgängig; nur
anscheinend ein einziges mal trägt ein kleinerer Erdpfeiler
einen kleinen Rasenhut, ein Bruchstück des abgerutschten
Plateaus.
Wer noch von der Unvollständigkeit der LyelPschen
Theorie,*) die noch immer durch die Lehrbücher geht, und an
deren Grundgedanken auch nicht gerüttelt werden soll, über-
zeugt zu werden brauchte, der müsste sich an den Platz E
begeben. Bekanntlich legt der berühmte Geologe, der sich ja
fluhbäiikc von dcu aus ihnen gleichsam herausgeschälten, abgerat8cht€n
Teilen trennt. Nicht anders sieht, natürlich abgesehen von den durch
die Schotternatur bedingten Abweichungen, das Abrissgebiet der Erd-
pyramidenwand K aus.
*) Ratzel (Die Erde und das Leben, 1. Band, Leipzig- Wien 1901,
S. 551) bemerkt hiezu: „An einer Stelle des linken Ufers der Flansee-
Aaehe unterhalb der Stuibenfälle glaubt man auf ein GebirgBrelief mit
st»hr scharfen Kämmen herabzuschauen. ** Dies trifft auch in andoen
Fällen zu, unter denen eben der hier in Rede stehende nicht mlebi
kommt. Ein merkwürdiges Exemplar bringt De Marchi (Tratiato di
geografia iisica, Mailand etc. 1901. S. 242 ff.) zur Anschauung. Wäre mn
im un gewissen über den Massstab, in welchem die Zeichnung des kliki
protilierten Erdobelisken, nächst der piemontesischen Stadt Bri, gehaltea
ist, so könnte man ebensowohl das Matterhorn wie eine gewöhnliche
Lohmpynuiiide vor sich zu haben «rlauben. Die Aehnlichkeit der ümriBS-
formeii ist eine üborrasehende. Eigentümlicherweise rechnet De Marchi
«.lio IVH'kbI<"Kke zu den notwendigen Requisiten der Pvramidenbildong,
obwohl »rerado die von ihm angeführten italienischen Belege sich dieser
Ani;ab«> nii-ht unter« »rdnon.
- Lyell, rriii.ipl.- of «;.-.l..-y. 1. Hand, London 1S72. S. 329 ff.
S. GütUher: Gltmale Denuddtionsgehüde,
Fig. 5.
479
C3
o
CO
00
Ca
480 Sitzung der math.-phys, Glosse vom 6. Dezember 1902.
um die richtige Bewertung der der Wasserwirkung bei der
Gestaltung des Erdbildes zuzuteilenden Rolle unvergängliche
Verdienste erworben hat, den Steineinschlüssen der verwitterten
Masse, aus der sich die Erdpyramiden absondern, eine viel zu
hohe Bedeutung bei. Es war Ratzel, der sich zuerst*) mit
Entschiedenheit gegen diese TIeberschätzung erklärte und be-
tonte, dass, wie er sich neuerdings ausdrückt, in jedem Fels-
blocke allerdings ein Element zugleich der Konzentration und
des Schutzes gegeben sei,^) dass aber auch ohne diese doch
rocht oft fehlenden Zugaben die Bildung ihren ruhigen Ver-
lauf nehmen könne. In der That ist ja der Südtiroler Typus
nicht entfernt die Norm. Man könnte z. B. in unserem Falle
sehr wohl fragen, weshalb dieser Typus so gar wenig ausge-
prägt sei, da es doch an Blockeinschlüssen nicht mangelt.^)
Weit wichtiger noch ist eine andere Frage, deren Wesen von
Ratzel gleichfalls berührt wird, auf deren Tragweite aber
noch mehr von Kittler*) aufmerksam gemacht wurde. Schon
früher hatte sich der Verf. von der Notwendigkeit durch-
dringen lassen, dass, ehe das Regen wasser die Modellierung
der einzelnen Protuberanzen in angriff nimmt, ihm die Zer-
klüftung der ganzen Masse bis zu einem gewissen Grade vor-
gearbeitet haben muss. In Kürze lässt sich das Prinzip, auf
') Ratzel, lieber die Entstehung der Erdpyramiden, Jabresber. d.
(leojrr. Gesellsch. zu München, 1884, S. 77 ff.
*'^) Es wird (Die Erde und das Leben, S. 556 ff.) daran erinnert, dass
es an minder steil gehuschten Abhängen auch liegende Erdpyramiden
gi))t, an denen der Beruf der Steinkrönung, wenn dieser Ausdruck ge-
stattet ist, sehr deutlich hervortrete. Unter allen Umständen begünstigen
die Blöcke das Eindringen des Wassers in grössere Tiefe und damit
auch die Abtrennung von der Hauptmasse.
^) Die Mehrzahl der Pyramiden besteht, wie oben bereits festge-
stellt ward, aus feinem Moränenlehm und kommt demnach ohnehin für
Denksteine nicht in betracht. Einige freilich ragen auch über den
St'hotterhorizont empor, allein die Blöcke sind durchweg nicht gross und
noch dazu sehr glatt vom Wassertransporte, so dass sie auch nicht be-
sonders dazu geeignet waren, auf einer schmalen Unterlage dauernd
liegen zu bleiben.
*) Kittler, a. a. 0., 8. 45.
S, Cfünther: Glaziale Denudationsgebüde. 481
welches es hauptsächlich ankommt, folgendermassen formulieren :
Jene Detailarbeit, als deren Ergebnis die Herausbil-
dung der einzelnen Erdpyramiden zu betrachten ist,
beginnt erst dann energisch einzusetzen, wenn der
Schutt-, Lehm- oder Lösskörper, der einstweilen noch
als kompakt vorausgesetzt wird, irgendwie in lang-
gestreckte Kämme von sehr geringer Breite zerfällt
worden war. Ehe es soweit gekommen ist, entstehen Aus-
höhlungen, Regenrinnen und allenfalls embryonale, fast ganz
mit der Hinterwand verwachsene Auszackungen, nicht aber
selbständige Pyramiden und Obelisken.
Massgebend ist mithin für diese letztere eine lineare
Anordnung. Da, wo die Anzahl der Einzelgebilde eine ver-
wirrend grosse ist, scheint sich ja eine solche nicht nachweisen
zu lassen, indem man zuerst blos ein Durcheinander wahllos
neben einander gestellter Aufragungen wahrzunehmen glaubt.
Richtet man aber das Augenmerk konsequent auf ein noch so
kraus angeordnetes Aggregat, also gleich auf die berühmten
Rittengebilde im Thale des oberen Finsterbaches, so findet man
allgemach Reihen von schlanken Säulen heraus, die aus einer
gemeinsamen Basismauer, dem Reste jenes früheren Kammes,
förmlich herausgewachsen sind.*) Bei aufmerksamer Durch-
musterung guter Abbildungen kann man feststellen, dass ein
einzelnes Individuum stets eine Reihe anderer Individuen ver-
deckt. Auf diese Eigentümlichkeit muss besonderer Nachdruck
gelegt werden; sie liefert den Schlüssel für das Verständnis
der Bildungsgeschichte, und es würde nicht schwer halten,
durch eingehende Prüfung einer grösseren Menge von bekann-
teren Vorkommnissen jenen Satz, der übrigens auch für sich
selbst spricht, erfahrungsgemäss zu belegen.*) Die Art und
*) Weiter unterhalb, gegen Atzwang zu, gelingt die Beobachtung
leichter, weil dort nur einzelne Reihen zierlicher, minder hoher Säulchen
stehen, über deren jeweiligen Zusammenhang schon der blosse Anblick
vergewissert.
*) Von alpinen Plätzen, die minder bekannt sind, seien besonders
erwähnt Berghalden bei Bolladore im oberen Veltlin und bei dem
482 Sitzung der matK-phya, Glosse vom 6, Dezember 1902.
Weise, wie sich die Kämme bilden, braucht keine einheitliche
zu sein. In dem uns beschäftigenden Falle hat gewiss der unten
vorbeifliessende Gebirgsstrom mit seinen jähen Anschwellungen
das Seinige dazu beigetragen, und es ist insofern ganz zu-
treffend,^) dass nicht nur die vertikal nach unten ge-
richtete Steilerosion, sondern auch Kräfte von entgegen-
gesetzter Richtung mitgewirkt haben. So sind Pyramiden-
nester, die den Lauf eines Flusses begleiten, sehr häufig auch
Zeugen kräftiger Aktion der lateralen Erosion.*) Damit
ist nun wohl die Frage nicht beantwortet, weshalb doch nicht
immer dann, wenn eine locker gefügte Wand, die stetig bespült
und unterwaschen wird, vorteilhafte Vorbedingungen darzu-
bieten scheint, die Auflösung des Abhanges in ein Aggregat
von Erdpfeilem erfolgt.^) Neben dem einen Faktor, der uns
Dörfchen Stilfs, zwischen Prad und Gomagoi. Namentlich bei diesen
letztgenannten Pyramiden, die sich dem zum Stilfserjocbe Hinanschreiten-
den vortrefiFlich von verschiedenen Seiten darstellen, zeigt sich recht
augenfällig die Zusammengehörigkeit je einer aus der nämlichen Schntt-
mauer hervorgegangenen Serie. Ein gutes äusseren ropäisches Beispiel
liefern die südamerikanischen Erdsäulen, welche Mosbach (Streifzfige
in den bolivianischen Anden, Globus, 72. Band, S. 26) abbildet, und die
eine so reguläre Anordnung bekunden, als habe man es mit den Ruinen
teilweise eingestürzter Portiken zu thun. Auch für die grossartigen
Wälder von Erdpjramiden, die in dem kleinasiatischen Reisewerke von
R. Oberhummer und H. Zimmerer (Durch Syrien und Kleinasien,
Berlin 1899, S. 120 fiF.) beschrieben und abgebildet sind, dürfte ein
gleiches gelten,
^) Dass auch solche Kräfte in Thätigkeit treten können, bemerkte
Pechuel-Loesche (Westafrikanische Laterite, Ausland, 57. Band,
S. 401 ff.).
2) Wie kräftig die morphologische Leistung der seitlichen Aus-
nagung eines nicht ruhig, sondern häufig in wilden Paroxjsmen dahin-
fluteiulen Wassers werden kann, bewiüst u. a. der Trümmerwall, der
südlich von München auf eine ziemliche Entfernung hin das linksseitige
Ufer der Isar bei^leitet. Er wurde einlässlich gewürdigt von Penck
(Morphül. d. Erdoberfl., 1. Hand. S. l'lb\ Die Alpen im Eiszeitalter, S. 60).
Die früher weiter naeh Osten reichende Steilwand ist infolge der unab-
lässifjen Unterspülunf^en des Flusses jiro^^senteils zusammengebrochen.
^) Dass dies durrhaus nicht immer eintritt, ist bekannt genug. Man
8, Günther: Glaziale Denadationsgebüde, 483
hier am meisten beschäftigte, weil über ihn noch nicht genug
Klarheit besteht, wirkt eben doch noch gar mancher an-
derer mit.^)
Damit verlassen wir einen Gegenstand, der, so gering er
auch quantitativ das „Antlitz der Erde^ beeinflusst, trotzdem
in seiner Art des morphologischen Interesses sicherlich nicht
entbehrt. Gerade der Umstand, dass in nächster Nähe der
Planke CD (Fig. 1) sich die Flanke DE hinzieht, die einen
durchaus verschiedenen Anblick gewährt, gibt uns den Anlass,
auf die Probe das Exempel zu machen. Wie weiter oben dar-
gelegt ward, ist die Beschaffenheit des Schotters nunmehr eine
andere geworden; derselbe ist der Hauptsache nach ein weit
festeres, breccienartiges Konglomerat, dessen einzelne Stücke
oft eine ganz respektable Grösse erreichen. Erdpyramiden gibt
es auch hier, aber nur spärlich, und ihr Aussehen ist ein
anderes — wenn man so sagen will, minder elegantes. Da
nicht anzunehmen ist, dass die Erosion und Denudation für DE
irgendwie anders als für CD gewirkt haben könnten, und da
auch sonst die Verhältnisse sich gar nicht von einander unter-
scheiden, so kann einzig und allein die stoffliche Nichtüber-
denke z. B. nur an die vorhin erwähnte Innleite bei Wasserburg. Die-
selbe iat von Runsen und Regenrinnen, wohin man blickt, arg durch-
furcht, und einzelne Erdschneiden, die keck vorspringen, sehen gerade so
aus, als müsste sich aus ihnen in Bälde eine gezackte Eammlinie ent-
wickeln. Allein trotz des ungeheuren Zeitraumes, der dafür zur Ver-
fugung stand, ist es nicht geschehen. So sieht man auch im Ratzei-
schen Werke (S. 543) den Granit der Seychellen bedeckt mit einer Fülle
karrenartiger Regenrisse, aber die Zerlegung des Gesteines in selbständig
aufragende Pyramiden, wie (s. o.) beim Montblanc, ist ausgeblieben.
*) Einflussreiche Momente, von deren Ineinandergreifen die Pjra-
midenbildung abhängt, sind vor allem die jahreszeitliche Verteilung der
Niederschläge, auf welche Kittler und De Marchi mit Recht grosses
Gewicht legen, femer die Bestrahlung und Exposition der Schuttmasse,
deren Färbung und petrographisch-geognostische Zusammensetzung. Diese
ist dann wieder bestimmend für die chemische Konstitution der der
Wasserwirkung ausgesetzten Materie; erstere sollte nach Philippson
(Besprechung der Kitt 1er 'sehen Schrift, Geogi*. Zeitschr., 3. Band, S. 650)
auch nicht ausser acht gelassen werden.
484 Sitzung der mathrphys, Glosse vom 6. Dezember 1902,
einstimmung beider Abhänge die Schuld an ihrem gegen-
wärtigen, ungleichartigen Ansehen tragen. Längs DE war die
Konsistenz des Materiales eine weitaus stärkere, und es kam
wohl zur Höhlen bildung in grossem Umfange, nicht aber
zur Auswaschung und Fortspülung ganzer Gebirgsglieder. Jene
Höhlen entstanden aber nicht da und dort nach einer launen-
haften Willkür der Natur, sondern auch sie fügen sich einer
gewissen Norm, wie man dies eben bei den geologischen Orgeln
(s. o.) gewohnt ist.
Mit diesen Namen — auch Erdorgeln, Erdpfeifen,
Naturbrunnen sind geläufige Bezeichnungen — belegt die
terrestrische Morphologie seit Brongniart^) und Matthieu*)
schmale Vertiefungen,^) die sich angenähert lotrecht durch eine
selber steil abfallende Gesteinswand hindurchziehen und dieser
letzteren das Aussehen einer Eannelierung aufprägen. Sehr
häufig wird ein solcher hohler Halbzylinder durch einen Letien-
zapfen ganz oder teilweise ausgefüllt, der sich aus dem Hangen-
den herabsenkte. In unserem Falle ist eine solche Lehmdecke
nicht oder nicht mehr vorhanden, und infolge dessen fehlen
auch die Lehmeinschlüsse. Im übrigen ähneln unsere Orgeln
wesentlich denjenigen, die man aus der Umgegend Münchens
kennt,*) obwohl es kaum statthaft wäre, ihr Vorhandensein zu
einem Zeugnis für den glazialen Charakter der Ablagerungen,
in denen sie sich zeigen, stempeln zu wollen. Denn darin hat
^) Brongniart, Essai sur la geographie mineralogique des environs
de Paris, Paris 1811, S. 87 ff.
2) Matthieu, Note sur les orgues geologiques, Journal des Mine«,
1813, S. 197 ff.
3) Das Wort „schmal" ist hier cum grano salis zu nehmen; es
treten einfach gegenüber der namhaften Höhendimension die beiden
anderen Abmessungen sehr zurück.
*) V. Ammon, Die Gegend von München, geologisch geschildert,
München 1891, S. llGff.; Penck-Brückner, a.a.O., S. 60ff. Die Höhe
der Orgeln des .sogenannten Dietfenbach-Steinbruches erreicht nachPenck
^—6 Meter. Die Wah' „dass die hangende Nagelfluh sich in
t» bmtesten Schlötr g wenige Dezimeter weit hinein er-
K.* lässt sich iP Falle machen.
8, Günther: Glaziale Demidationsgehüde, 485
Prestwich^) unbedingt recht, dass die Tagewasser in jeder
nicht sehr widerstandsfiihigen — oder besser, verschiedene Grade
von Widerstandsfähigkeit aufweisenden — Gesteinsmasse solche
Spuren ihres Eindringens zurücklassen können. Ob hier, am
nordwestlichen Plateauabfalle des Ochsenbichls, wirklich blos
die Niederschläge gewirkt haben, möchte allerdings in Zweifel
zu ziehen sein. Wenn, wie wir glauben, die Zerstörungsarbeit,
welche der Eisack weiter abwärts leistete, indem er die Schotter
teilweise denudierte, ziemlich deutlich in die Erscheinung tritt,
so wird man ihm auch bei der Ausführung jener vertikalen
Hohlkehlen von DE eine gewisse Mitwirkung zuzuschreiben
geneigt sein. Alles in allem : Die Orgeln sind wahrschein-
lich durch eine kombinierte Wirkung der Erosion des
atmosphärischen Wassers und der lateralen Erosion
des strömenden Wassers ausgehöhlt worden. An eine
Auswirbelung, wie etwa in manchen nordischen Kalk- und
Gipsgebieten, zu denken, verbietet die Struktur der Röhren, da
bei Evorsionsaushöhlungen eine ziemlich rasch von oben nach
unten fortschreitende Verjüngung des Hohlraumes zu kon-
statieren ist.
Unsere Darlegung dürfte gezeigt haben, dass auf einer
kleinen Strecke am mittleren Eisack, in unmittelbarster Nähe
des Schienenweges und zweier belebter Landstrassen, ein welt-
abgeschiedenes Thal Gebilde birgt, deren Studium in verschie-
denen Beziehungen die physikalische Geographie zu befruchten
geeignet ist. Die Frage der Glazialablagerungen unter ver-
schiedenen äusseren Bedingungen, und damit auch die Frage
einer mehrfach sich wiederholenden Eiszeit steht an der Spitze;
es folgt eine ganze Reihe von Erosions- und Denudations-
phänomenen, die zusammenwirkten, um diesem merkwürdigen
Fleckchen Erde den eigenartigen Charakter zu verleihen, der
ihn auszeichnet. Selbst mitten in einem Gebiete, das seit Jahr-
zehnten eifriger Durchforschung unterzogen worden ist, hat
*)Pre8twich, On the Origin of the Sand- and Gravel-Pipes,
Quarterly Journal of the Geological Society, 11. Band, S. 64 ff.
1902. SitzQDgsb. d. maih.-phys. Gl. 32
486 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 6, Dezember 1902.
sich oft hie und da ein kleiner Bezirk der näheren Kenntnis-
nahme entzogen; ein Beweis dafür, dass die Gelegenheit zu
lohnenden Studien nicht blos beim Bereisen entlegener Länder,
sondern auch noch im Bereiche der Heimatgrenzen dem da-
nach Suchenden sich reichlich genug eröflFnet.')
*) Nachträglich wurde dem Verf. noch eine Bemerkung bekannt, die
sich an einem Orte befindet, an dem man sie nicht suchen würde, die
aber auffallend richtig, direkt aus der Beobachtung heraus, das Haupt-
moment betont, auf welches es bei der Entstehung der Erdpyramiden
ankommt. Wir meinen einen touristischen Aufsatz von A. Ludwig
(Drei Wochen im Clubgebiet, Jahrb. d. Schweizer Alpenclubs, 27. Jahr-
gang. S. IG ff.). „Diese Griestürme kann man immer da antreffen, wo
sich zwischen zwei benachbarten Rutschgebieten eine schmale Mittelwand
vorfindet. Dieselbe ist vielleicht zuerst fast horizontal oder achwach
geneigt; durch Ursachen verschiedener Art, z. B. durch Bildung kleiner
Seitenrinnen, wird der stehen gebliebene Mittelgrat geschartet; der Ein-
schnitt wird immer grösser und tiefer, bis der Turm isoliert dasteht'
Diese in den Bergen des Prätigaus gemachte Wahrnehmung gestattet die
weitest gehende Generalisierung.
487
Ueber die Abstammung der bluthaltigen Gefäss-
anlagen beim Huhn und über die Entstehung des
Randsinus beim Huhn und bei Torpedo.
Von J. Rttckert.
{Ehigelan/en 89. Januar.)
(Mit Tafel VIII.)
Bei der Bearbeitung der ersten Entwicklung des Gefass-
systeros, die ich mit Herrn Kollegen Mollier für das neue
Handbuch der Entwicklungsgeschichte von 0. Hertwig aus-
führe, habe ich unter Anderem auch über die Gefäss- und
Blutbildung in der Area vasculosa des Hühnchens eigene
Untersuchungen angestellt, von denen ich hier Einiges mit-
theilen will. Was zunächst die viel ventilirte Frage nach der
Abstammung dieser Anlagen anlangt, so bin ich trotz der
augenscheinlichen, später zu besprechenden Beziehungen, welche
dieselben mit dem unterliegenden Entoblast eingehen, zu der
schon von Remak und Kölliker vertretenen Ansicht gelangt,
dass ihr Zellenmaterial aus dem mittleren Keimblatt stammt.
Diese Abkunft ist leichter an jenen zellenreichen Gefässanlagen
festzustellen, welche ausser der Gefasswand zugleich Blutzellen
liefern und von den neueren Autoren deshalb gewöhnlich
„Blutinseln" genannt werden. Ich bezeichne sie, da dieser
Name historisch nicht gerechtfertigt ist, im Folgenden als
„Gefässanschwellungen". Sie sind bekanntlich vornehmlich
in der hinteren Hälfte der Gefiisszone entwickelt, besonders
stark in derem Randtheil, und nehmen nach vome an Stärke
und Zahl ab, so dass sie im vorderen Abschnitt der Area gegen-
488 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 6, Dezember 1902.
f
über den zellenarraen Anlagen der blutleeren Gefasse ganz in
den Hintergrund treten. Von diesen Qefässanschwellungen
lassen sich wiederum diejenigen am besten genetisch verfolgen,
welche im hintersten Theil der Area vasculosa, also in
der Umgebung des caudalen Primitivstreifenendes liegen, denn
man findet sie hier vielfach ganz im Innern des daselbst
dickeren und mehrschichtigeren Mesoblast eingeschlossen. In
ihrem Bau unterscheiden sie sich vor allem durch die sehr dichte,
lückenlose Aneinanderfügung ihrer Zellen von dem umgebenden
lockerer und eher mesenchymatös gebauten Mesoblast.
Indess lässt ihr Vorkommen im Innern, des Mesoblast noch
keinen Schluss auf ihre Abstammung von diesem Keimblatt zu,
wenigstens werden die Anhänger der rein entoblastischen Ab-
stammung der Gefasse den Einwand machen, dass sich die An-
schwellungen vom Keimwall abgelöst haben und nachträglich
in das Mittelblatt eingedrungen seien. Deshalb möchte ich auf
die geschilderte Lage der Anschwellungen an sich weniger
Werth legen als vielmehr auf den Umstand, dass man auch
die Vorstufen derselben im Mesoblast findet in Form von
geringgradiger verdichteten Stellen. Ein Theil dieser Zellen-
gruppen steht hinsichtlich seines Gefüges dem umgebenden
Mesoblast so nahe, dass man schwankt, ob man sie überhaupt
als besondere Bildungen innerhalb dieses Blattes betrachten
soll, andere wieder nähern sich in ihrer Struktur den charak-
teristischen Anschwellungen soweit, dass man sie unbedenklich
als Vorläufer derselben bezeichnen wird. Die geschilderten
Gefässanlagen sind im Bereich des das Primitivstreifen ende um-
gebenden Mesoblastes im Allgemeinen derartig vertheilt, dass
die Anfangsstadien derselben w^eiter nach innen gegen den
Primitivstreifen zu liegen, sich also in einem Mesoblastmaterial
befinden, das .seinem Ursprung aus dem Primitivstreifen nach
als jüngeres bezeichnet werden darf.
A nch die F 1 ä c h e n b i 1 d e r gut gefärbter Keimscheiben lassen
ein l)isher nicht beachtetes Verhalten erkennen, welches auf
die Abstammung der caudalen Gefässanlagen aus dem hinteren
Ende des Prinütivstreifens hinweist. Von der Zeit ab, in
J. Rackert: Abstammung der hluthältigen Gefässahlagen etc, 489
welcher die ersten GefässanschwelluDgen im Flächenbild sichtbar
werden, als farbbare Streifen und Flecken im Caudaltheil der
Area opaca, bemerkt man, dass schwächer gefärbte Stränge
von dem verbreiterten Primitivstreifenende durch den Caudal-
theil der Area pellucida zu ihnen hin verlaufen. An den ein-
zelnen Keimscheiben ist dies Verhalten ein sehr wechselndes:
manchmal kaum kenntlich sind diese Züge an anderen Keim-
scheiben wieder so deutlich, dass es den Anschein gewinnt, als
ob die Gefässanlagen aus dem hinteren Ende des Primitiv-
streifen hervorsprossten. Das Letztere finde ich namentlich
dann, wenn in den betreffenden Stadien der Primitivstreif caudal
in die Area opaca hineinragt, eine Anordnung, die ab und zu
angetroffen wird. Fig. 1 der beigegebenen Tafel zeigt dies
Verhalten an einer Keimscheibe, in welcher schon die Medullar-
platten des Kopfes sichtbar sind und die Gefässanschwellungen
in der hinteren Hälfte der Area opaca bereits sehr deutlich im
Flächenbild hervortreten.
An manchen Keimscheiben zieht sich das verbreiterte
Caudalende des Primitivstreifens zu einer Platte von Sichelform
aus. Schon Kupffer hat diese „Sichel** am Blastoderm des
Huhns und namentlich des Sperlings beobachtet und sie mit
der von ihm entdeckten Reptiliensichel homologisirt. Wie von
einem solchen sichelförmigen Felde aus die Mesoblaststränge
zu dem Oefassnetz der Area opaca hinziehen, zeigt Fig. 2 von
einem noch etwas älteren Blastoderm mit bereits abgegrenztem
ersten XJrwirbelpaar. Die Peripherie der dreieckigen Platte ist
hier völlig in jene Züge aufgelöst, daher denn auch ihre
Sichelform nicht ganz so scharf hervortritt, wie an einzelnen
anderen Keimscheiben.
Das besprochene Verhalten ermöglicht vielleicht einen
Anschluss an die Blutbildung bei Reptilien. Bekanntlich leitet
Mehnert*) die Gefässe der Area vasculosa bei Emys lut.
0 Mehnert, Ueber Ursprung und Entwicklung des Hämovasal-
gewebes (Geßlsshofsichel) bei Emys lutaria taurica und Struthio camelus.
Morphol. Arbeiten VI.
488 Süsung der wudh.-pkj^s. ClasH wr /Dezember 1902.
über den zellenamen Anlager ./^'^^ seiner Schilderung bei
den Hintergrund treten /.'hnten, die Embrjonalanlage
bxssen sich wiederum ' > Pulste anschwillt und sich
welche im hintf '^^'' ^^* vasculosa umbildet. Er
der UmgebunfT . i/' geradezu mit der gesammten eben-
man findet '^ '/> ^'«sculosa des Vogels. Ich war nicht
dickeren '" •...- ^V^'^'^^^^g ^^^ Schildkröte selbst zu untor-
ihremB' - ^ •■' %i^^^ ^^ dieser Angabe des leider kürzlich
lücke' .'. M ^."^-/iers nur schwer Stellung nehmen. Es will
loci ■ .V- '^'/ scheinen, als ob seine Sichel auf dem Höhe-
' "v/"'' Tf üintwicklung (1. c. Taf. I Fig. 4) gegenüber den
■' lv>'' l^fioten Reptiliensicheln auffallend gross und weit
..'"■'' rti reichend sei. Aber auch wenn sich bei Nachunter-
„.*r^ * lierausstellen sollte, dass dieser Wulst nicht mehr als
•cf'**'".' ym Sinne Kupffers bezeichnet werden darf, sondern
^^ j,yr j^"^ jüngere Anlage, wie sie in Fig. 2 1. c. abgebildet
!^ diesen Namen verdient, so wäre doch damit Mehnert's
' ipdanschanung von der gefässbildenden Eigenschaft der
i{(»i)tilicn«i<^hel nicht erschüttert, denn es ist nach seiner Dar-
stellten ^^^^^ ^^""^ mindesten wahrscheinlich, dass die Kupffer-
sche Sicliel Material für die Gefässe der Area vasculosa
liefert. Die von mir beim Huhn gemachten Beobachtungen
würden zu dieser Auffassung sehr gut stimmen.
Die von dem verdickten Caudalende des Primitivstreifens
ausgehenden ifesoblaststränge der Hühnerkeimscheibe sind noch
in Vfrhiiltnissinässig s])äton Stadien, bei 15 und 20 Urwirbeln,
sichtbar in Form von intensiver färbbaren und schärfer um-
schriebenen Streifen, die sich nun als ausgebildete Gefiissan-
higen des hintersten Abschnittes der Area ])ellucida erweisen.
Die angefülirten Beobachtungen weisen darauf hin, dass
zur Zeit der Ausbreitung der Getassanschwellungen in der
Area nj)a('n aus dein cau<lalen verbreiterten Ende des Primitiv-
st tri iriis Mes()l)lnst/ü^e .sieh ablcVseu oder hervorsi)rossen, dit-
in ladiiinr lliclituuii: den hinteren Theil der Area pellucida
durelisrt/.i-nd in die Area opaca gelangen und sich daselbst in
'■lerii.>>aus< Invelhingeii umwandeln. i{este dieser Stränge bleiben
\
/. Bückert: Abstammung der bluthaltigen Gefässanlagen etc. 491
Wer Nähe ihres Mutterbodens, nämlich im caudalen Ab-
\itt der Area pellucida erhalten und bilden sich hier in
^u Gefässen um.
^ie gross der Antheil ist, welchen das Hinterende des
.imitivstreifens an der Entstehung der Gesammtheit der blut-
haltigen Gefasse, gegenüber etwaigen vom übrigen Primitiv-
streifen abstammenden Gefassanlagen, nimmt, entzieht sich vor-
erst der Abschätzung. Aber es spricht Manches dafür, dass
es ein zum Mindesten nicht unerheblicher Bruchtheil ist. So
mag hier daran erinnert werden, dass die Blutanlagen gerade
in jenem Abschnitt der Gefässzone, welcher das hintere
Primitivstreifenende umgiebt, zur mächtigsten Entwicklung
gelangen, während sie von da in der Richtung nach vorn
zu allmählich an Stärke abnehmen. Ferner, dass sie zeit-
lich im hinteren Abschnitt der Gefässzone zuerst auftreten,
um von da nach vom zu sich auszubreiten. Auch soll hier
auf die schon von fiüheren Forschern hervorgehobene That-
sache hingewiesen werden, dass in späteren Stadien, wenn
die Gefasse der Area vasculosa schon längst gehöhlt sind,
nur ein in der Umgebung des Primitivstreifenendes gelegener
Theil derselben hiervon eine Ausnahme macht. An den in-
jicirien Keimscheiben des schönen Popoff 'sehen ^) Atlas
(1. c. Fig. 1—3 und Fig. 5) sind diese undurchgängig geblie-
benen Züge des Gefassnetzes gut zu übersehen. Sie stellen,
wie sich auch an jedem uninjicirten Blastoderm leicht ermitteln
lässty solide d. h. in der Entwicklung zurückgebliebene Gefäss-
anlagen dar« Man könnte diese Thatsache zunächst damit zu
erklären versuchen, dass man sagt: die Anschwellungen differen-
ziren sich in der Umgebung des hinteren Primitivstreifenendes
nur deshalb später, weil sie daselbst zellenreicher sind als
sonstwo. Kann man sich doch bei Untersuchung der Gefäss-
entwicklung allerorts davon überzeugen, dass zellenarrae An-
lagen sich schneller höhlen als zellenreichere. Die wenigste
Zeit erfordert der Vorgang bei den blutleeren, die längste im
*) Pop off, Die Dottersackgefässe des Huhnes. Wiesbaden 1894.
492 Sitzung der math.'phys, Classe vom 6, Dezember 1902,
Allgemeinen bei jenen bluth altigen Qefässen, welche grosse
Mengen von Blutzellen enthalten. Aber diese Erklärung reicht
für die angeführte Beobachtung nicht aus, denn jene Stränge
des Hinterendes der Gefasszone, welche notorisch am längsten
solid bleiben, sind gar nicht die mächtigsten. Die stärksten
Anlagen befinden sich, ebenso wie weiter vorn, so auch
im Caudaltheil der Area vasculosa stets mehr an derem
peripheren Rand dicht neben der Randvenenanlage. Die von
Pop off abgebildeten undurchgängigen Qefössanlagen hingegen
liegen hauptsächlich im inneren Theil der Area, gegen ihre
Ursprungsstätte, den Primitivstreifen, zu und stellen dement-
sprechend auch verhältnissmässig dünne Stränge und Zellen vor.
Es ist daher anzunehmen, dass sie deshalb eine solide Be-
schaffenheit zeigen, weil sie später aus dem Mesoblast sich
herausdifPerenzirt haben. So führt uns auch diese Beobachtung
zu der Anschauung, dass der hintere Theil des Primitivstreifens
ein Proliferationsgebiet für Blutanlagen darstellt, und dass seine
produktive Thätigkeit noch andauert, nachdem solche Anlagen
in der Area vasculosa schon erschienen sind.
Eine Entscheidung darüber, ob der Caudaltheil des Primi-
tivstreifens als Bildungsstätte für den grösseren Theil, wie ich
vermuthen möchte, oder eventuell sogar für die Gesammtheit der
Blutanlagen der Area opaca, dem übrigen Primitivstreifen gegen-
über eine Sonderstellung einnimmt, können nur Experimente
liefern, wie solche namentlich von Kopsch^) in neuerer Zeit mit
Erfolg angestellt worden sind. Ich habe hierbei speciell den Ver-
such im Auge, bei welchem an einer 12 Stunden alten Keimscheibe
ein vom hinteren Ende des Primitivstreifens ausgehender sichel-
förmiger Streif*) auf der linken Seite durch Ansetzen der
^) Kopsch, Experimentelle Untersuchungen am Primi tivstreifen
des Hühnchens und an Scjlliura- Embryonen. Verh. der Anat. Ges.
Kiel 1880. Derselbe, Ueber die Bedeutung des Primitivstreifens beim
liühnerembrjü. Leipzig 1*JÜ2.
^) Diese Sichel, die nach den Abbildungen von Kopsch an der
Grenze der Area opaca zu liegen scheint, stimmt am meisten mit dem
Koller dargestellten Gebilde überein. Ich bin ihr an den von mir
J. Rückert: Abstammung der bluthaltigen Gefässahlagen etc. 493
Elektrode in seiner Entwicklung gehemmt wurde. Das Resuljbat
war bei Abtödtung der 60 Stunden alten Keimscheibe: keine
wesentliche Schädigung des Embryo, aber Fehlen des linken
Stammes der Dottersackarterie und Einziehung des hinteren
Abschnittes des Gefässhofes gegen die Operationsstelle hin,
durch welch' letztere die Vena terminalis unterbrochen ist.
Die Operation lehrt, wie Kopsch hervorhebt, dass die Sichel
bei Embryonen von 12 Stunden keine Anlagen für den Embryo,
sondern ausschliesslich solche für den Gefässhof enthält. Speciell
müsse der Vorderrand derselben die Anlage der Dottersack-
arterie, ihr Hinten-and eine Strecke der Randvene enthalten.
Das sind nun beide blutleer sich anlegende Gefasse (vergl. über
die Randvene weiter unten). Wie sich aber die Blutanlagen
verhalten, ob sie in der linken Hälfte der Area vasculosa ganz
ausgefallen sind, oder ob dies nur im hinteren Tbeil derselben
der Fall war oder ob sie daselbst vielleicht nur schwächer
entwickelt waren, ist nicht angegeben, offenbar deshalb nicht,
weil in dem Stadium von 60 Stunden das Blut schon verflüssigt
und in Circulation war, wenn anders der Embryo in dieser
Hinsicht normal entwickelt gewesen.
Drei weitere Embryonen, die auf etwas älterer Entwick-
lungsstufe nämlich mit 24 und 16Va Stunden am hinteren
Ende des Primitivstreifens von Kopsch operirt worden sind,
wurden nach 48 und 40 Stunden konservirt also in einem
Stadium, in welchem noch „Blutinseln** vorhanden waren. Der
Gefässhof ist nach der Angabe von Kopsch bei zweien derselben
(Embryo IV und VI) dem Stadium des Embryos entsprechend
ausgebildet, bei dem 3ten (Embryo V) in der Ausbreitung „etwas*
zurückgeblieben. Die in Fig. 14 1. c. abgebildeten Blutan-
lagen dieses Gefässhofes scheinen mir für das Stadium schwach
und wenig weit nach vorne reichend. Im Ganzen sind aber,
untersuchten jungen Stadien bis jetzt nicht begegnet und weiss daher
nicht, in welcher Beziehung sie zu der von mir in etwas älteren Keim-
scheiben gesehenen, oft sichelförmigen Verbreiterung des Primitivstreifen-
endes steht, ob sie eine jüngere Entwicklungsstufe der letzteren ist
oder nicht.
494 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 6. Dezember 1902.
namentlich mit Rücksicht auf die Embryonen IV und VI die
Ergebnisse nicht gerade der Annahme günstig, dass das Caudal-
ende des Primitivstreifens von der 16ten Stunde ab noch be-
merkenswerthes Material an die Blutanlagen abgiebt. Indessen
darf man nicht ausser Acht lassen, dass die betreffende Stelle des
Priraitivstreifens durch den operativen Eingriff, bei welchem es in
erster Linie darauf ankam, brauchbare Marken am Blastoderm zu
setzen, nicht völlig zerstört worden ist, wie die Figuren 13, 14 und
16 1. c. beweisen. Um Missverständnissen vorzubeugen, hebe
ich ausdrücklich hervor, dass ich damit nicht die interessanten
Experimente und die wie mir scheint sehr werthvolle Methode
von Kopsch, deren genauere Beschreibung er in Aussicht ge-
stellt hat, bemängeln will. Die Versuche sind ja zu einem
ganz anderen Zweck ausgeführt worden, als dem, der Quelle
der Blutanlagen nachzugehen. Es wäre aber vielleicht lohnend,
Experimente eigens in dieser Richtung anzustellen. Diese
müssten selbstverständlich von der Entwicklung und Ausbrei-
tungsweise des extraembryonalen Mesoblast ausgehen. In
letzterer Hinsicht sind 2 Hauptmöglichkeiten gegeben: ent-
weder wächst dieser Theil des Mittelblattes von der ganzen
Länge des Primitivstreifen aus einheitlich
y in seitlicher Richtung bis zum Rande
^ der späteren Area vasculosa hin (vergl. bei-
stehendes Schema a.) und liefert mit seinem
medialen Abschnitt die Gefasse der Area
pellucida mit seinem lateralen diejenigen der
^ Area opaca, also auch die Blutanlagen oder
I ein solcher flügelförmig nach der Seite hin
sich ausbreitender Mesoblast trifft, indem er
^ die Area pellucida durchsetzt und ihr, even-
y^ tuoll auch noch der Area opaca, leere Gefasse
-> I liefert, peripher mit einem vom Caudalabschnitt
_„ des Priniitivstreifens in der Area opaca nach
I vorne jjjehenden Zug zusammen, welcher (even-
tuell neben Anlagen leerer Gefiisse) das ge-
samnite ]\[aterial für die ]>luthaltigen Gefasse
der Area opaca führt. (^S. Schema b.)
a)
b)
J. JRticfcert: Abstammung der bluthcUtigen Oefässatüagen etc, 495
Die von mir an den beschriebenen älteren und an einigen
jüngeren Hühnerkeimscheiben gemachten Beobachtungen spre-
chen eher zu Gunsten der letzteren Auffassung.
Wenn ich im Vorstehenden die mesoblastische Abkunft
der Gefassanschwellungen vertreten habe, kann ich deshalb
doch van der Stricht,^) dessen Standpunkt der gleiche ist,
nicht zustimmen, vs^enn er sagt (1. c. p. 212) „ces ilöts sont
toujours nettement distincts du rempart vitellin sous-jacent*.
Ich finde im Gegentheil die Gefässanlagen in der Area opaca
oft dem Keimwall innig anliegend, sich in ihn einsenkend
und förmlich einbohrend, so dass man stellenweise nicht im
Stande ist, eine scharfe Grenze zwischen ihren Zellen und
denen des Eeimwalls zu ziehen. Solche Gefässanlagen machen
den Eindruck, als ob sie zum Keim wall gehörten. Aber anderer-
seits habe ich beim Hühnchen doch nie Bilder gesehen, welche
in unzweideutiger Weise eine Entstehung von Blutzellen aus
dem Keimwall zeigen. Ich kann daher nicht behaupten, dass
beim Huhn das mesoblastische Blutmaterial sich auf dem Dotter
durch Hinzutreten entoblastischer Elemente ergänze, wie ich^)
dies früher für Selachier angegeben. Trotzdem kann ich jene
vorübergehende Verbindung weder für ein Artefakt noch für
etwas Zufälliges halten, um so weniger als sie sich in noch
ausgesprochenerer Weise bei den Selachiern findet. Ich darf
hier mittheilen, dass sie nach den Untersuchungen von Herrn
Kollegen Mol Her auch bei den Amphibien vorhanden ist.
Sie stellt also auch mit Rücksicht auf ihr verbreitetes Vor-
kommen eine auffallende Erscheinung dar, über die man nicht
ohne Weiteres hinweggehen kann. Kann sie nicht durch die
*) van der Stricht, Nouvelles recherches sur la genese des
globules roiiges et des globulea blancs du sang. Arch. de Biologie
T. XII, 1892.
2) Rück er t, Ueber die Anlage des mittleren Keimblattes und die
erste Blutbildung bei Torpedo. Anat. Anz. II, 1887.
496 Sitzung der math.-phys, Clasae vom 6. Dezember 1902.
Annahme einer Neubildung von Blut- und Qefasszellen aus
dem Entoblast erklärt werden, so muss man nach einer anderen
Deutung suchen. So möchte ich denn die Vermuthung aus-
sprechen, dass sie vielleicht der Ausdruck ist für die Einver-
leibung einer Eisenverbindung in die Blutzellen aus dem Dotter.
Diese Annahme liegt nahe, nachdem Smiechowsky^) durch
microchemische Untersuchung gezeigt hat, dass das gesammte
eisenhaltige Material des weissen Dotters beim Huhn in den
„Megasphären" enthalten ist und von da in die Blutkörper
gelangt. Von dem Zeitpunkt an, in welchem die Eisenreaktion
in den Blutzellen deutlich wird (Stadium mit 12 Urwirbeln),
nimmt sie in den Megasphären bedeutend an Intensität ab.
Auf welchem Wege die üebertragung geschieht, konnte der
Autor nicht feststellen. Er tritt aber auf Grund seiner Beob-
achtungen der Ansicht bei, dass die Megasphären von den
Entoblastzellen aufgenommen werden und denkt auch an eine
Vermittlung der Endothelzellen,
Zum Schluss soll noch die Entstehung des Randgefässes
der Area vasculosa besprochen werden. Die herrschende An-
sicht, dass dieses Gefäss aus den peripheren Blutanlagen durch
Confluiren derselben sich bilde, ist nicht richtig. Schon der
Umstand, dass ein Sinus terminalis auch im vordersten Theil
des Blastoderms auftritt, wo die Blutanlagen sehr spärlich
sind und auf ausgedehnten Strecken des Randes ganz fehlen,
weist auf einen anderen Entstehungsmodus hin. Die Unter-
suchung ergiebt denn auch, dass der Sinus peripher von den
randständigen grossen Blutanlagen sich anlegt und zwar nach
dem Typus der blutleeren Gefässe, wie solche bekanntlich
innerhalb des Embryo und ausserhalb desselben in der Area
pellucida sich bilden. Auch in der Area opaca treten sie wie
bekannt neben den blutleeren Gefässen auf, besonders in einer
'^ Smiechowsky, Uebcr die Bedeutung der Megasphären in der
«^ des Hühnchens. Anat. Hefte 1892.
J, tLüLckert: Abstammung der hluthaltigen Gefäasardagen etc. 497
inneren gegen die A. pellucida zu gelegenen Zone, die nach
vorn zu an Ausdehnung zunimmt in dem Masse, dass im vorder-
sten Theil der Area die Blutanlagen fast gänzlich durch die
der leeren Gefässe ersetzt werden. Nach Art dieser leeren
Endothelröhren entsteht der Randsinus, nämlich aus einer
dünnen, verhältnissmässig spät erscheinenden Zellschicht, die
peripher von der jeweilig randständigen Blutanlage sich be-
findet. Wie die Gefassanlagen der Area vasculosa in ihrer
Gesammtheit, seien sie bluthaltig oder leer, untereinander in
Zusammenhang stehen, so ist auch die erste noch nicht ge-
höhlte Anlage des Randgefässes mit dem übrigen Netz ver-
bunden. Im vordersten Theil der Area hängt sie vielfach mit
den leeren Gefässen des Netzes zusammen, weiter hinten aus-
schliesslich mit den grossen hluthaltigen Anlagen. Bei der
Eröffnung zum Rohr zeigt sie sich zusammengesetzt aus einer
Reihe hintereinander gelegener Abtheilungen, die unter sich
zusammenhängen und schliesslich völlig confluiren. Diese Hohl-
räume communiciren mit den inzwischen ebenfalls eröflneten
Räumen des übrigen Gefassnetzes, im grösseren hinteren Theil
der Area opaca also ausschliesslich mit den eröffneten hlut-
haltigen Gefässen. Die in letzteren befindlichen Haufen von
Blutzellen, die unter sich und mit bestimmten Stellen der Ge-
fässwand noch zusammenhängen — es sind das die echten
Blutinseln der älteren Autoren — ragen nun frei gegen
das Innere des Randgefässes vor, und ihre sich ablösenden
Zellen gelangen in dieses hinein. Das Gefass stellt jetzt das
Sammelrohr für das verflüssigte Blut dar.
Bei Torpedo bildet sich der Randsinus noch weiter
peripher von den hluthaltigen Anlagen und ebenfalls als leeres
Gefäss. Seine erste Anlage erscheint sehr frühzeitig und zwar
dann dicht neben der Gefässanschwellung in Gestalt von an-
fanglich sehr seichten Gruben, die am Rand der Keimscheibe
durch Einsenkung des Dotters nebst des ihn überkleidenden
Do tteren toblas tes sich bilden und vom peripheren an dieser
Stelle oft unterbrochenem Mesoblast überspaont werden. Später
mit dem Auswachsen des Randes rücken diese Randgruben
498 Sitzung der mathrphys. Glosse vom 6. Degemher 1902.
von der Blutanlage mehr ab und werden tiefer. Man er-
kennt sie dann stets deutlich auch im Oberflächenbild, wo sie
das Ansehen von runden durchscheinenden Vacuolen haben.
H. Virchow hat sie eingehend geschildert, kann sich aber
nicht zu der Annahme entschliessen , dass sie Vorstufen
von Gefassen seien. Sie sehen in der That auch gar nicht
wie solche aus, und habe ich lange Zeit gebraucht, bis ich
mich davon überzeugt habe, dass sie wirklich durch Confluiren
den Randsinus, der bei seinem ersten Auftreten, den Vacuolen
entsprechend, stark wellig gebuchtet ist, bilden. Der Rand-
sinüs von Torpedo ist also anfänglich ein wandungsloser
d. h. nicht mit Endothelzellen ausgekleideter Raum und erhält
seinen endothelialen Zellenbelag erst spät und ganz allmäh-
lich durch vereinzelte, sehr lang ausgezogene Gefösszellen.
Er steht aber in dieser Hinsicht nicht isolirt, denn ein Theil der
übrigen blutleeren Gefässe des Torpedo blastoderms ist ebenfalls in
Form von wandungslosen Dellen und Rinnen vorgebildet,') deren
Auskleidung zur Zeit der auftretenden Endothelröhren aber
rascher vor sich geht als beim Randsinus. Der Unterschied ist
dadurch bedingt, dass in diese letzteren Einsenkungen die Gefass-
zellen meist mehr in gruppenweiser Anordnung gelangen. Sie
wandeln sich hier in Endothelröhren um, die, sich rasch aus-
dehnend, die Wand des Raumes austapeziren. Auch diese
weiter innen gelegenen Einsenkungen sieht man im Oberflächen-
bild.*) Der geschilderte primitive wandungslose Zustand bei
einem Theil der Dottergefässe von Torpedo stimmt gut zu
den bekannten Angaben, welche über das Verhalten der ersten
Gefassräume auf dem Dotter der Knochenfische vorliegen.
*) H. Virchow, Ueber Blutinseln und GefUssbezirk von Torpedo
ocellata. Sitzber. d. Ges. naturf. Freunde zu Berlin. 1898.
'^) Vergl. auch hierüber H. Virchow 1. c. und die von ihm citirte
Schrift Ko 11 man n's „Gemeinsame Entwicklungsbahnen der Wirbel thiere*.
Gedenkschrift zur Eröffnung des Vesalianum, Leipzig 1885.
499
Namen -Register.
Alt Heinrich 113. 209.
V. Baeyer Adolf 1. 55. 458.
Blanckenhorn Max 341. 353.
Brögger W. C. (Wahl) 457.
Broili Ferdinand 15.
Brunn Hermann 91.
Doflein Franz 55.
Egger Joseph Georg 15. 152.
Engelmann Wilhelm (Wahl) 457.
Engler Adolf (Wahl) 457.
Fick Adolf (Neki-olog) 277.
Finsterwalder Sebastian 15.
Fischer K. T. 113. 209.
Gibbs J. Willard (Wahl) 457.
Göbel Karl 55. 208.
Günther Sigmund 17. 55. 459.
Hartig Robert (Nekrolog) 233.
Hermite Charles (Nekrolog) 262.
Hoff van t' Jacobus Hendricus (Wahl)
457.
Hertwig Richard 57. 458.
Korn Arthur 39. 75.
Kowalewski Alexander (Nekrolog)
288.
Kühne Willy (Nekrolog) 247.
V. Kupffer Carl 15.
V. Linde Carl 152.
Lindemann Ferdinand 1. 153.
Löwy A. 3.
Nordenskiöld Nils Adolf Erik
(Nekrolog) 268.
Oppenheim Paul 435.
Perry Newel 43.
Pringsheim Alfred 163. 295.
Ranke Johannes (Wahl) 457.
Rothpletz August 193. 311.
Rosenbusch Harry (Wahl) 457.
Rückert Johannes 487.
Schlosser Max 458.
Schmauss August 327.
Seeliger Hugo 1.
Selenka Emil (Nekrolog) 241.
Smyth Charles Piazzi (Nekrolog) 243.
Stromer v. Reichenbach Ernst 341.
V. Voit Carl 232.
Walkhoff Otto 305.
V. Zittel Karl Alfred 217. 457.
500
Sach- Register.
Aegypten, Reise dahin 341.
Ansprache des Präsidenten in der öffentlichen Sitzung 217.
Befruchtung, Wesen und Bedeutung derselben 57.
Blut, Entstehung desselben im Hühnerei 487.
Tommissura veli transversi des Hirns 15.
Constitution der Atome 1.
Contractions- und Expansions-Theorie 311.
Decapoden Ostasiens 55.
Denudationsgebiete, glaciale im mittleren Eisackthale 459.
Differentialgleichungen 3.
Drehung, magnetische der Polarisationsebene des Lichtes 327.
Druckschriften, eingelaufene 1*— 25*. 27*— 53*.
Fernphotographie elektrische 39.
Foraminiferen 152.
Fossile Säugethiere Chinas 458.
Fossilien aus dem Blättermergel von Theben 433.
Functionen, transcendente 163. 295.
Geologisch-stratigraphische Beobachtungen aus Aegypten 353.
Grundbegriffe, hydrologisch-topographische 17.
Homologie in der Entwicklung weiblicher und männlicher Geschlechts-
organe 55.
Kern- und Zellgrösse 458.
Luft, flüssige, Destillation und Rectification derselben 152.
Mittelwerthsätze über bestimmte Integrale 91.
Nachbildung, mechanische von Minimalflächen 15.
Nebel der Nova Persei 1.
Orbitolinen, Bau derselben 15.
Orbitolinen der untersten Kreide in der Krim 15.
Problem der conformen Abbildung für eine specielle Kurve 43.
Kegeneration bei Pflanzen 208.
Sauerstoff, Vierwerthigkeit desselben 1.
Sceletttheile, diluviale menschliche 305.
Sechseck, PascaFsches 153.
Stickstoff, Erstarrungs- und Schmelzdruck desselben 209.
Stickstoff, Siedepunkt, Gefrierpunkt und Dampfspannung desselben 113.
Thermalquellen von St. Moriz 193.
Tripbenylmethan, Abkömmlinge desselben 55. 458.
Variatiunsrechnung, einfachster semiJefiniter Fall in derselben 75.
Winci ' '«sen mit dem Jakobsstabe 55.
1*
Terzeiehnis der eingelanfenen Draekschriften
Januar bis Jani 1902.
Die verehrlichen Gesellschaften and Institute, mit welchen unsere Akademie in
Tmusehverkehr steht, werden gebeten, nachstehendes Verzeichnis zugleich als Empfangs-
bestätigung zu betrachten.
Von folgenden Gesellschaften nnd Instituten:
University of Äberdeen:
Studies. No. 4. 5. 1901. 4»
Eoydl Society of South-Australia in Adelaide:
Traneactions and Proceedings. Vol. 25, pari 2. 1901. 8^
Südslavische Akademie der Wissenschaften in Agram:
Rad. Vol. 146. 147. 8^.
Monumenta spectantia historiam Slavorum merid. Vol. XXX. 1. 1901. 8^.
Ant. Radic, Zbornik za narodni zivot. Bd. VI, 2. 1901. Q^,
Milivoj Srepel, Grata za povjest Knizevnosti hrvatske. Bd. 8. 1901. 8®.
P. Budmani, Rjeönik hrvatskoga ili srpskoga jezika. Heft 21. 1901. 4^.
K. kroat.'slavon. 'dalmatinisches Landesarchiv in Agram:
Vjestnik. Bd. 4, Heft 1—3. 1902. 4".
GeschichtS' und Alt erthums forschende Gesellschaft des Osterlandes
in Altenburg:
Mittbeilnngen. Bd. 1. Ergänzungsbeft. 1901. S^.
Expedition antarctique beige in Antwerpen:
Note rel. aox rapports scientifiques pablies aux frais du gouvernement
beige 80US la Direction de la Commission de la Belgica. 1902. 4^.
Resultats du Voyage du S.Y.Belgicaen 1897— 99. (10 Hefte). 1901-02. 4».
Observatoire national d^ Äthanes:
Annales. Tom. 3. 1901. 4».
Redaktion der Zeitschrift „Athena":
Atbena. Tom. 14, fasc. 1—3. 1902. 8».
2* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
Johns Hopkins University in Baltimore:
Studies in historical and political Science. Ser.XIX, No. 10 — 12; Ser.XX,
No. 1. 1901-02. 80.
Circulars. Vol. 21, No. 155-158. 1902. 4«.
American Journal of Mathematics. Vol. 24, No. 1. 1902. 4P.
The American Journal of Philology. Vol. 22, No. 2. 3. 1901. 8».
American Chemical Journal. Vol. 26, No. 4—6; Vol. 27, No. 1—3.
1901/02. 8».
Bulletin of the Johne Hopkins Hospital. Vol. XII, No. 129; Vol. XIII,
130—133, 135. 1901/02. 49,
Naturforschende Gesellschaft in Basel:
Verhandlungen. Bd. XIII, 2. 3. XIV, und Index zu Bd. 6— 12. 1901/02. 8^.
Fr. Burckhardt, Zur Erinnerung an Tycho Brahe. 1546—1601. 1901. 8^.
Historisch-antiquarische Gesellschaft in Basel:
Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde. Bd. 1, Heft 2.
1902. 8«.
Bataviaasch Genootschap van Künsten en Wetenschappen in Baiavia:
Tijdschrift. Deel 44, afl. 5 en 6. 1901. Deel 45, afl. 1. 1902. S».
Notulen. Deel 39, afl. 2. 3. 1901. S^.
K. Serbische Akademie der Wissenschaften in Belgrad:
Glas. No. 63. 64. 1901—02. S«.
Godischniak. XIV. 1900. 1901. 8».
Sbornik. Bd. I. 1902. 8.
Museum in Bergen (Norwegen):
An Account of the Crustacea. Vol. IV, part 5. 6. 1902. 4^.
Aarbog für 1901. 1902. 8°.
Aarsberetning for 1901. 1902. 8<>.
University of California in Berkeley:
Schriften aus dem Jahre 1901.
K. preiiss. Akademie der Wissenschaften in Berlin:
Abhandlungen aus dem Jahre 1901. 1901. 4®.
Sitzungsberichte. 1901 No. 39-53; 1902 No. 1— 22. QP. '
Politische Korrespondenz Friedrichs des Grossen. Bd. XXVII. 1902. 8®.
Corpus inscriptionum graecarum Peloponnesi et insularum vicinamm.
Vol. I. 1902. fol.
Corpus Inscriptionum Orientis. Supplementum. Pars posterior. 1902. fol.
K. geolog. Landesanstalt und Bergakademie in Berlin:
Abhandlungen. N. F. Heft 31 mit Atlas. 1900. Heft 35. 36. 1901. 4^.
Zcntralhurcau der internationalen Erdmessung in Berlin:
Beriebt üher die Thätigkeit des Centralbureaus i. J. 1901. 1902. 4®.
Deutsche chemische Gesellschaft in Berlin:
Berichte. 34. .lahrg., No. 18 und 35. Jahrg., No. 1—12. 1902. 8<>.
Deutsche geologische Gesellschaft in Berlin:
Zeit. schritt. Bd. 53, Heft 4. 1902. 8«.
E ' Die deutsche ^geologische Gesellschaft 1848—1898. 1901. 8^.
Vereeichnia der eingelaufenen Drucicschriften. 3*
Medicinische Gesellschaft in Berlin:
VerhandluDKen. Bd. 82. 1902. S».
Physiologisclie Gesellschaft in Berlin:
Literatur. 1901. Bd. XV, No. 20-26 und Register. 1902. Bd. XVI,
No. 1-6. 80.
K. technische Hochschule in Berlin:
Die Grenzen der Seeschiffahrt. Rede von Rektor Budendey. 1902. 4^.
Kaiserlich deutsches archäologisches Institut in Berlin:
Jahrbuch. Bd. XVI, Heft 4; Bd. XVII, Heft 1. 1902. 4^.
K. preuss. geodätisches Institut in Berlin:
Astronomisch- geodätische Arbeiten I. Ordnung. Bestimmung der Längen-
differenz Potsdam—Pulkowa im Jahre 1901. 1902. 4^.
K. preuss, meteorologisches Institut in Berlin:
Regenkarte der Provinz Sachsen, von G. Hellmann. 1902. 8^.
Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen in Potsdam im Jahre
1899. 1901. 40.
Ergebnisse der Niederschlagsbeobachtungen in den Jahren 1897 u. 1898.
1901. 40.
Abhandlungen. Bd. II, No. 1. 1901. 49.
Ergebnisse der Beobachtungen an den Stationen II. und III. Ordnung im
Jahre 1897. 1902. 4».
Deutsches Meteorologisches Jahrbuch für 1901. Heft 1. 1902. 4^.
Reichs- Marineamt in Berlin:
Bestimmung der Intensität der Schwerkraft auf 20 Stationen der west-
africanischen Küste, von M. Loesch. 1902. 4^.
K, Sternwarte in Berlin:
Beobachtungs-Ergebnisse. Hefb 10 u. 11. 1902. 4^.
Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den preuss. Staaten
in Berlin:
Gartenflora. 51. Jahrg. 1902, No. 1—13. 8».
Verein für Geschichte der Mark Brandenburg in Berlin:
Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte. Bd. XV,
I.Hälfte. 1902. 8».
Zeitschrift für Instrumentenkunde in Berlin:
Zeitschrift. 22. Jahrg. 1902, Heft 1-6. 1902. 4«
Allgemeine geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz in Bern:
Quellen zur Schweizer Geschichte, Bd. XV, 1; XVI— XX. Basel 1899
bis 1901. 80.
Naturforschende Gesellschaft in Bern:
Neue Denkschriften. Bd. 38. Zürich 1901. 4.
Geolog. Kommission der Schweiz, naturforsch. Gesellschaft in Bern:
Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz. N. F. Liefg. XI. 1901. 49.
1*
4: Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
Historischer Verein in Bern:
Archiv. Bd. 16, Heft 2. 1901. S».
JR. Deputazione di storia patria per le Provincie di Bomagna
in Bologna:
Atti e Memorie. III. Serie. Vol. XIX, fasc. 4—6. 1901. 8®
Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn:
Sitzungsberichte 1901. I. und II. Hälfte. 1901—02. 8°.
Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlande in Bonn:
Verhandlungen. 58. Jahrg. I. und IL Hälfte. 1901-02. 8».
Sociite de geographie commerciale in Bordeaux:
Bulletin. 1902. No. 1—12. S».
American Academy of Arts and Sciences in Boston:
Proeeedings. Vol. 87, No. 4—14. 1901—02. S\
American Phüological Association in Boston:
Transactions and Proeeedings. Vol. 32. 1901. 8®.
Boston Society of natural History in Boston:
Proceedingfl. Vol. 29, No. 16—18; Vol. 30, No. 1. 2. 1901. S».
Occasional Papers. VI. 1901. 8».
Magistrat der Stadt Braunschweig:
Abt Berthold Meiers Legenden und Geschichten des Klosters Set Aegidien.
Wolfenbüttel 1900. gr. 8».
Geschichtsverein in Braunschweig:
Braunschweigisches Magazin. Jahrg. 1901. 4°.
Verein für Naturicissenschaft in Braunschweig:
12. Jahresbericht über die Jahre 1899/1900 und 1900/1901. 1902. 8«.
Technische Hochschule in Braunschweig:
Programm für die Jahre 1901-02. 1901. 8^.
Vorschriften über die Diplomprüfungen. 1901. 8®.
3Iährisches Landesmuseum in Brunn:
Zeitschrift. Bd. 1, Heft 1 u. 2. 1901. gr. 8».
Casopsis. Bd. I, Cislo 1 u. 2. 1901. gr. 8^.
Deutscher Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens
in Brunn:
Karl Lechner, Die ältesten Belehnunga- und Lehensgeschichte böcher des
Bisthums Olmütz. 1902. 8«.
Zeitschrift. 6. Jahrg., Heft 1-3. 1902. gr. 8^.
Natur forschender Verein in Brunn:
Vorharullunpron. M. 39. 1901. 8^
XIX. Bericht der meteorol. Kommission im Jahre 1899. 1901. S'*.
Äcademic Ixoyale de mcdecine in Brüssel:
M«'moires couronne^? in S^. Tom. 50. 1890—1902. 8^
IJuUetin. IV. Serie. Tom. XV No. 10. 11. Tom. XVI No. 1— 5. 1901/02. Bf*.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 5*
Äcademie Eoycde des sciences in Brüssel:
Memoires des membres in 4<^. Tom. 5i, faac. 1—4. 1900 — Ol. 49,
Me'moires couronnäs in 4^. Tom. 59, fasc. 1. 2. 1901. 4^
Mämoires couronn^s in 8^ Tom. 61. 1901. 8®.
Biographie nationale. Tom. XVI, faac. 2. 1901. 8^.
Annuaire 1902. 68« ann^e. 8°.
Bulletin, a) Classe des lettres 1901, No. 11. 12; 1902, No. 1—8'. 80.
b) Classe des sciences 1901, No. 11. 12; 1902, No. 1—3. 8».
Charles de TAbbaye de Saint-Martin de Tournai. Tom. 2. 1901. 4^.
Societe des Bollandistes in Brüssel:
Analecta Bollandiana. Tom. 21, fasc. 1. 2. 1902. 8®.
Societe entomölogique de Belgique in Brüssel:
Annales. Tom. 46. 1901. 8^.
Sociite beige de gSologie in Brüssel:
Bulletin. Tom. 12, fasc. 4; Tom. 16, fasc. 6; Tom. 16, fasc. 1. 1902. 8^.
K. Ungar, geologische Anstalt in Budapest:
Mittheilungen aus dem Jahrbuche. Bd. 13, Heft 4. 5. 1902. 8®.
Földtani Közlönv. Bd. 81, Heft 6— 12; Bd. 32, Heft 1—4. 1901/02. 8«.
Jahresbericht für 1897. 1901. 8».
A Magyar kir. földtani int^zet ävkönyve. Bd. 18, Heft 5. 6. 1901. 4^.
Statistisches Bureau der Haupt- und Residenzstadt Budapest:
Publikationen. No. XXIX, 2. Berlin 1901. 4».
Museo national in Buenos Aires:
Comunicaciones. Tom. I, No. 10. 1901. 8^.
Botanischer Garten in Buitenzorg (Java):
Mededeelingen. No. LH— LV. Batavia 1902. 4».
Bulletin. No. IX— XI. 1901. 4»
Botanisches Institut in Bukarest:
Bulletin de THerbier. No. 1. 1901 Sept.— Dec. 1901. 8^.
Rumänisches meteorologisches Institut in Bukarest:
Analele. Tom. XV, anul 1899. 1901. fol.
Meteorological Department of the Government of India in Calcutta:
Monthly Weather Review. Aug.— Dec. 1901, Januar 1902. 1901/02. fol.
Indian Meteorological Memoirs. Vol. XII, part 2. 1902. fol.
Kainfall of India. 10*^ year 1900. 1901. fol.
Asiatic Society of Bengal in Calcutta:
Bibliotheca Indica. New Ser. No. 999. 1001—1004. 1901/02. 8^
Geölogicdl Survey of India in Calcutta:
Records. Vol. 30, part 3. 4; Vol, 31, part 2. 3; Vol. 32, part 1. 1901. 4^.
Institut jßgyptien in Cairo:
Bulletin. 1896—1901. 8».,
Livre d'or jde Tlnstitut ßgyptien 1859—1899. Texte et planches. Le
Mans 1899. 8^.
6* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften^
Museum of comparative Zoölogy at Harvard College in Cambridge^ Mass.:
Bulletin. Vol. 39, No. 2. 3; Vol. 40, No. 1. 1902. 80.
Memoire. Vol. XXVI, No. 1—8; Vol. XXVII, No. 1. 1902. 40.
Ästronomical Ohservatory of Harvard College in Cambridge, Mass.:
66^^ Annual Report. 1901. 8».
Annais. Vol. 48, part 2; Vol. 48, pari 1. 1901/02. 40.
Philosophical Society in Cambridge:
Proceedings. Vol. XI, part 4. 6. 1902. 8°.
Geological Commission^ Cdlony of the Cape of Good Hope
in Cape Town:
Annual Report for 1898 and 1899. 1900. 4«.
Geodetic Survey of South Äfrica in Capctown:
Geodetic Survey. Vol. II. 1901. fol.
Äccademia Gioenia dt sdenze naturali in Catania:
Atti. Serie IV, Vol. 14. 1901. 4^.
Bullettino mensile. Nuova Ser., fasc. 71 (Nov. 1901); fasc. 72 (Febr. 1902).
1902. 80.
Physikalisch-technische Beichsanstalt in Charlottenburg:
Die Thätigkeit der physikalisch-technischen Reicfasanstalt im Jahre 1901.
Berlin 1902. 4».
K. sächsisches meteorologisches Institut in Chemnitz :
Decaden-Monatsberichte. Jahrg. IV. 1902. fol.
Jahrbuch. Jahrg. XVI, Abtlg. 111. 1902. 4^
John Crerar Library in Chicago:
Vll"» annual Report for the year 1901. 1902. 8».
Field Columhian Museum in Chicago:
Publications. No. 60. G2. 63. 1901. 8».
Zeitschrift „Aslrophysical Journal^' in Cht<:ago:
Vol. XIV, No. 5; Vol. XV, No. 1-4. 1901/02. gr. 8^.
Committee of the Nonvegiiut North- Atlantic Expedition in Christiania:
Den Norske Nordhavs-Expedition. No. XXVIII. 1901. fol.
Nors Fotlemuseiim in Christiania:
Aarsberetniug 1901. 1902. 4».
Fridtjof Nansen Fund for the advancement of science in Christiania:
The Norwogian North Polar-Expedition 1893 — 1896. Vol. III. 1902. 4^.
K. Nonrc()isclic Universität in Christiania:
Nyt Ma<,'azin lor Naturvidenskaberie. Bd. 39. Heft 1—4. 1901. 8^.
Jlisforisch-antiijiKirif-cJic Gesellschaft für Grauhünden in Chur:
XXXI. Jabresberie-ht. Jahr- 1901. 1902. 8^.
T^^oyd Museum and JAbrary in Cincinnati:
Uullelin. ^al Series, No. 5 -8. 1900—1901. 1900/02. S«.
Verzeidinis der eingelaufenen Druckschriften, 7*
Ohio State üniversity in Cölumhus:
31. annual Report 1900—01. 1901. 8».
WestpreiMsischer Geschichtsverein in Danzig:
Zeitschnft. Heft 44. 1902. gr. 8^.
Kais, Gouvernement von Deutsch-Ostafrica in Dar-es-Salam:
Berichte über Land- und Forstwirtschaft in Deutsch- Ostafrika. ■ Bd. 1,
Heft 1. 2. Heidelberg 1902. 8«.
Historischer Verein für das Grossherzogtum Ilessen in Darmstadt:
Archiv. N. F. Erg.-Bd. I, lieft 2. 1902. 8°.
Quartalblatter. Bd. II, No. 17— 20; Bd. III, No. 1-4. 1900-01. 8^.
Verein für Änhaltische Geschichte in Dessau:
Mittheilungen. Bd. IX, 3. 1902. 8».
Union geographique du Nord de la France in Douai:
Bulletin. Tom. 23, trimestre 1. 1902. 8».
Verein für Erdkunde in Dresden:
XXVII. Jahresbericht. 1901. 8°.
Royal Irish Academy in Dublin:
Transactions. Vol. 31, Part 12—14; Vol. 32, Section and Part 1. 2.
1901/02. 4«.
Royal Society in Dublin:
The economic Proceedings. Vol. I, part 2. 1899. 8^.
The scientific Proceedings. Vol. IX, parta 2-4. 1900—01. 8^.
Transactions. Vol. VII, parts 8—13. 1900-01. 4^.
American Chemical Society in Boston, Fa.:
The Journal. Vol. XXIII, No. 12; Vol. XXIV, No. 1-6. 1901/02. 8».
Roy cd Society in Edinburgh:
Proceedings. Vol. 23, p. 429—510; Vol. 24, p. 1—192. 1902. 4^.
Scottish Microscopical Society in Edinburgh:
Proceedings. Vol. III, No. 2. 1901. 8^.
Gesellschaft f. bildende Kunst u. vaterländische Altertümer in Emden:
Jahrbuch. Bd. XIV, Heft 1 u. 2. 1902. 8°.
K Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt:
Jahrbücher. N. F. Heft 28. 1902. 8».
Reale Accademia dei Georgofili in Florenz:
Atti. IV. Ser. Vol. 24, disp. 3. 4; Vol. 25, disp. 1. 1901/02. 8^
Senckenbergische natur forschende Gesellschaft in Frankfurt a/M.:
Abhandlungen. Bd. XX, 3; Bd. XXVI, 4. 1902. 4«.
Naturwissenschaftlicher Verein in Frankfurt afO,:
Helios. Bd. XIX. Berlin 1902. 80.
Naturforschende Gesellschaft in Freiburg i, Br.:
Berichte. Bd. XU. 1902. 8^.
8* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
BreisgaU' Verein Schau-ins-Land in Freiburg t. Br.:
,Schau-in8-Land.* Jahrg. 28, IL Halbband. 1901. fol.
Universität Freiburg in der Schweiz:
Collectanea Friburgeneia. Nouv. Sär. Fase. 12 (= N. F. fasc. 8). 1902. 8^.
Verein für Naturkunde in Fulda:
2. Ergänzungsheft. 1901. 4».
Observatoire in Genf:
Resumö m^tdorologique de Tann^e 1900 pour Genbve et le Grand Saini-
Bernard. 1902. S».
Observations met^orologiques faites auz fortifications de Saint-Maorice
pour Tannäe 1900. 1901. 8®.
SocietS d'histoire et d'archiologie in Genf:
Memoires et Documents. Nouv. S^r. Tom. 5, livre 2. 1901. 8^.
Bulletin. Tom. 2, livre 5. 1901. S^.
SociSte de physique et d'histoire naturelle in Genf:
Memoires. Vol. 84, fasc. 1. 1902. 4».
Vlaamsch natuur-, en geneeskundig Congres in Gent:
Handelingen van het Congres gehouden te Brügge 28. — 29. Sept. 1901.
1901. 40.
Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Giessen:
33. Bericht. 1899-1902. 8».
Oberhessischer Geschichtsverein in Giessen:
Mittbeilungen. N. F. Bd. 10 und Ergänzung hiezu. 1901/02. 8®.
Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenscliaften in Görlitz:
Neues Lausitzisches Magazin. Bd. VII. 1901. 8®.
Codex diplomaticus Lusatiae superioris. II. Bd. 2, Heft 2. 1901. 8*.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen:
Göttincrische gelehrte Anzeigen. 1901, No. XII; 1902, No. I— V. Berlin
1901/02. 40.
Abhandlungen. N. F.
a) Philol.-hist. Classe. Bd. IV, No. 6. Berlin 1901. 4^.
b) Mathem.-physikal. Classe. Bd. II, No. 2. Berlin 1902. 4».
Nachrichten, a) Philol.-hist. Classe. 1901, Heft 3. 4; 1902, Heft 1. 2. 4».
b) Math.-phys. Classe. 1901, Heft 2. 5; 1902, Heft 1—8. 4«.
c) Geschäftliche Mitteilungen. 1901, Heft 2.
Universität in Graz:
Verzeichnis der akademischen Behörden etc. 1901/02. 1901. 49.
K. I)istitunt voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch Indie
im Haag:
Bijdragen. VI. Reeks. Deel IX. afl. 3 en 4; Deel X, afl. 1 en 2. 1901/02. 8*.
Sociiie HnUandaise des Sciences in Haarlem:
Archives N^orlandaises des sciences exactes. S^rie IL Tom. 7, liir. L
1902. S».
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 9*
Kaiserl, Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturforscher
in Halle:
Leopoldina. Heft 37, No. 12; Heft 88, No. 1—6. 1901/02. A9.
Abhandlungen. Bd. 79. 1901. 4^.
Deutsche morgenländische Gesellschaft in Halle:
Zeitschrift. Bd. 66, Heft 1. 2. Leipzig 1902. 8®.
Naturwissenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle:
Zeitschrift für Naturwissenschaften. Band 74, Heft 3—6. Stuttgart
1901/02. ^.
Verein für Hamhurgische Geschichte in Hamburg:
Mitteilungen. 21. Jahrg., 1901. 1902. 8».
Naturwissenschaftlicher Verein in Hamburg:
Verhandlungen. III. Folge. IX, 1901. 1902. S^,
Historischer Verein für Niedersachsen in Hannover:
Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen. Heft VII.
1902. fol.
Zeitschrift. Jahrg. 1901. Jahrg. 1902, Heft 1. 1901/02. 8^
Historisch-philosophischer Verein in Heidelberg:
Neue Heidelberger Jahrbücher. Jahrg. XI, Heft 1. 1901. 8*.
Naturhistorisch-niedizinischer Verein zu Heidelberg:
Verhandlungen. N. F. Bd. VII, Heft 1. 1902. 8®.
Geschäftsführender Ausschuss der Reichslimeskommission in Heidelberg:
Der Obergermanisch -Raetische Limes des Römerreiches. Liefg. XVI.
1902. 40.
Grossherzogl. Sternwarte in Heidelberg:
Mitteilungen. L Karlsruhe 1901. 8«.
Finländische Gesellschaft der Wissenschaften in Helsingfors:
Öfversigt. XLIII, 1900—01. 1901. 8^.
Societas pro Fauna et Flora Fennica in Helsingfors:
Acta. Vol. XVL XVIII. XIX. XX. 1897—1901. S^.
Meddelanden. Heft 24— 27. 1900/01. 8».
Society de geographie de Finlande in Helsingsfors:
Fennia. Vol. 10. 16. 18. 1894—1901. 8».
Verein für siebenbürgische Landeskunde in Hermannstadt:
Archiv. N. F. Bd. XXX, Heft 2. 1902. 8^.
Jahresbericht für das Jahr 1901. 1902. 8®.
Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen. Bd. III.
1902. 40.
Verein für Meiningische Geschichte und Landeskunde
in Hildburghausen:
Schriften. 40. Heft. 1902. 8«.
Ungarischer Kar pathen- Verein in Iglö:
10* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Journal of Physical Chemistry in Ithaca, N,Y.:
The Journal. Vol. 5, No. 9; Vol. 6, No. 1—3. 1901/02. S^.
üniversite de Jassy:
Annales scientifiques. Tom. 2, fasc. 1. 1902. 8^.
Verein für Thüringische Geschichte und Älterthumskunde in Jena:
Zeitschrift. N. F. Bd. XII, Heft 2— 4. 1901—02. S®.
Natur forschende Gesellschaft bei der Universität Jtirjew fDorpat):
Schriften. No. X. Moskau 1902. 8».
Universität Jurjew (Dorpat):
Schriften aus dem Jahre 1901 in 4° und 8®.
Pfälzisches Museum in Kaiserslautern:
Pfälzisches Museum. XIX. Jahrg., No. 4 (April 1902). 8®.
Badische Historische Kommission in Karlsruhe:
Aloys Schulte, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden. 2 Bde. Heidel-
berg 1901. 8«.
Politische Correspondenz Karl Friedrichs von Baden, herausgegeben von
Erdmannsdörffer. 5 Bde. Heidelberg 1888—1901. 8^
Aloys Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels. 2 Bde. Leipzig
1900. 8».
Oberrheinische Stadtrechte. L Abthlg., Heft 1—5. Heidelberg 1895 bis
1900. 8*.
Zur Vorgeschichte des Orleans'schen Krieges, bearb. von Karl Immich.
Heidelberg 1898. 8».
Siegel der Badischen Städte. Heft 1. Heidelberg 1899. 8^
Die Konstanzer Hatslisten des Mittelalters, bearb. von Konrad Beyerle.
Heidelberg 1898. S^,
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. Bd. VI— XVII, 2. Frei-
burg 1891—1902. 8^.
Neujahrsblätter 1898-1902. Heidelberg. 8».
Wirtschaftsgeschicbte des Schwarz waldes v. Eberhard Gothein. Bd. I.
Strassburg 1892. 8».
Universität Kasan:
Schriften aus Bd. 67, No. 9. 10. 1900. 8^
Utschenia Sapiski. Bd. 68, No. 12; Bd. 69, No. 1-4. 1901/02. S^,
1 Medicinische Dissertation. 1900. 8^.
Godischnij Akt. 1901. 8^
Socicte de mcdedne in KharJcou}:
Travaux. 1900. 1901. 8«.
Üniversite Imperiale in Kharkow:
Annales 1002. Fasc. 1. 1902. S^,
K()mmissio)i zur wissoischdftl.UntersucJnmg der deutschen Meere in Kiel:
WisHenscbat'tliche Meeresuntersuchungen. N. F. Bd. V, Abteilung Helgo-
Lind, Heft 1. 1902. 4^.
Universität in Kiew:
. 41, No. 10. 12; Bd. 42, No. 1. 2. 1901/02. gr. 8«.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 11*
MedizrncUunvissenschaftl, Sektion des Museumsvereins in Klausenburg:
Sitzungsberichte. 26. Jahrg. 23. Bd., 1. Abthlg., Heft 8. 1902. 8®.
Physikalisch-ökonomische Gesellschaft in Königsberg:
Schriften. 42. Jahrg. 1901. 49,
K. Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen:
Overaigt. 1901, No. 6; 1902, No. 1. 1902. 8».
Memoires. Section des Lettres. Tom. 5, No. 2.
Section des Sciences. Tora. 9, No.8; tom.lO, No.3. 1901/02. 4«.
Gesellschaft für nordische Älterthumskunde in Kopenhagen:
Nordiske Fortidsminder. Heft 4. 1901. 4«.
Aarböger, H. Raekke. Bd. 16. 1901. 8°.
Memoires. Nouv. Sär. 1900—1901. 8°.
Akademie der Wissenschaften in Krakau:
Anzeiger. 1901, No. 8—10; 1902, No. 1—5. 8».
Biblioteka pisarzow polskich. No. 41. 1902. 8^.
Kocznik. Rok 1900/01. 1901. 8^.
Materyaly antropolog.-archeolog. Tom. V. 1901. 8®.
Bibliografia historyi Polskiej. Bd. II, 4. 1901. 8«.
Atlas geologiczny Galicyi. Liefrg. XIII (mit Atlas in fol.). 1901. 8^.
Rozprawy. a) filolog. Ser. II, tom. 18.
b) histor. Ser. II, tom. 17.
c) matemat. Ser. II, tom. 18. 19; Ser. III, tom. 1 A u. B.
1901. 8».
Sprawozdania komisyi do badania historyi sztuki. Tom. VII, 1. 2 und
Index zu I— VI.
Script ores rerum Polonicarum. Tom. 18. 1901. 8®.
Lud biaforuski II. 1902. 8°.
Slownictwo chemiczne. 1902. 8°.
Katalog literatury nankowej polskiej. Tom. I, 4. 1902. 8^.
Societe Vaudolse des sciences naturelles in Lausanne:
Bulletin. 4« Särie. Vol. 87, No. 142; Vol. 38, No. 143. 1901/02. 8«.
Observations mdteorologiques du Champ de TAir. Annee XV, 1901.
1902. 80.
Schweizerisch-geodätische Kommission in Lausanne:
Das Schweizerische Dreiecksnetz. Bd. IX. Zürich 1901. 4®.
Kansas University in Lawrence, Kansas:
The Kansas University Quarterly. Vol. X, No. 3. 1901. 8°.
Archiv der Mathematik und Physik in Leipzig:
Archiv. II. Reihe. Bd. III, Heft 1. 2. 1902. 8^,
K, Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:
Abhandlungen der pbilol.-hist. Classe. Bd. XXI, No. 2-5. 1901/03. 4«.
Abhandlungen der mathemat.-physikal. Classe. Bd. XXVII, No. 1 — 6.
1901/02. 40.
Berichte der philol.-hist. Classe. Bd. 53, No. II— IV. 1901/02. d9,
Berichte der mathemat.-physikal. Classe. Bd. 53, No. V — VII; Bd. 54,
No. I. IL 1901/02. 80.
lii* Verzeichnia der eingelaufenen Druckschriften.
Fürstlich Jablonowski^sche Gesellschaft in Leipzig:
JahreHbericht. März 1902. 8».
Journal für praktische Chemie in Leipzig:
Journal. N. F. Bd. 64, Heft 11. 12; Bd. 65, Heft 1—10. 12. 1901. 8».
K. Sachs. Kommission für Geschichte in Leipzig:
Diu DrcHdoner Bilderfaandschrift des Sachsenspiegels, herausgegeben von
Karl V. Amira. Facsimile-Band, I. Hälfte. 1902. fol.
Verein für Erdkunde in Leipzig:
Mitteilungen 1001. 1902. 8».
UniversitS de Lille:
TaMeaux des cours et confe'rences. Annee 1902—1908. 1902. 8*.
Universitt Catholique in Loewen:
Sohrifton der Universisftt aus dem Jahre 1900/01.
Zeitschrift „La Cellüle*' in Loewen:
La Vv\Mt\ Tom. XVIII, 2; XIX, 1. 1901. 4».
The English Huitorical Review in London:
Historical Keview. Vol. XVII. No. 65, 66. 1902. 8*.
Royal Society in London:
Hoport« to the Malaria Committee. 6^^^ Series. 1902. S^.
PivotH^ding«, Vol. 69, No. 464-462. 1902. 8<».
KoiH^rUi of tho Kvolution Committee. Report I. 1902. SP,
Oatülogue of sciontitic Papers. Vol. XII. 1902. 4*.
i»\ Astronomical Society in London:
Monthlv Notict!«. Vol. 62, No. 2-7 und Api^>endix No. I. 1901/02. 8».
("VmiCtW 8(X*i>/y in London:
Journal. No. 471 — 476 und Supplomontarv Number. 1902. 80.
l.iM of \h^ VVllows ;\nd v>:tic^rs- 1902, S*
lVvtH\\n\jjtt. VoU IS, No, 24,N-254. 1902. S^.
(»r,wji<M4 ^viVfy tw London:
Th^ .|nÄ»tor;v Jowi^al. Vol. ,^7. part 1-4 v= No. 2i5— 228). 1901 02. ^.
Th<^ Jown>.U. A^ .\s\vvcv. Vo. .i^. No 154; b BotJUBT. Vol. 35, No.24i
MA.v..vv>i;;r.TV>*: Trar.*Ä.*i^onj^. V.«: S4 ii*.n. S*.
\
♦ -. i>**'7f*^ :
\. % \,
^
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 13*
Museums-Verein für das Fürstentum Lüneburg in Lüneburg:
Jahresberichte 1899/01. 1901. 8<>.
Societe gkilogique de Belgique in Lüttich:
Annales. Tom. 28, livr. 3; Tom. 29, livr. 1. 2. 1900/02. 80.
Universität in Lund:
Acta üniversitatis Lundensia. Tom. XXXVI, 1. 2. 1900. 4^.
Sveriges offentlicha Bibliotek. 1899. 1900. Stockholm 1901/02. 8»
Section historique de V Institut Boy dl Grand-Ducal in Luxemburg:
Publications. Vol. 48. 49. 51. 1900/01. 8«.
Universite in Lyon:
Annales. Se'r. I, fasc. 5—7; S^r. II, fasc. 7. 8. Paris 1901. 8».
Washburn Observatory in Madison:
Publications. Vol. X, part 2. 1901. 4«.
Government Museum in Madras:
Bulletin. Vol. IV, No. 2. 1901. 8^.
Kodaikänal and Madras Observatories in Madras:
Report for the period l^t April to 31»* Dec. 1901. 1902. fol.
U. Academia de ciencias exactas in Madrid:
Memorias. Tom. XIV, Atlas fasc. 1. 1891—1900. 4P,
R. Academia de la historia in Madrid:
Boletin. Tom. 40, cuad. 1—6. 1902. 8^.
Ministerio de Instruccion publica in Madrid:
Discursos leidos el dia de 24 de Mayo de 1902 en el solemne festival
acaddmico con motivo de la entrada en la major edad de S. M. el
Rey D. Alfonso XIII. 1902. 4».
Societä Italiana di scienze naturaJi in Mailand:
Atti. Vol. 40, fasc. 4; Vol. 41, fasc. 1. 1902. 8».
Societä Storica Lombarda in Mailand:
Archivio Storico Lombardo. Serie 111. Anno XXVIII, fasc. 31 und 32;
anno XXIX, fasc. 33. 1901/02. 8«.
Liter ary and phüosophical Society in Manchester:
Memoirs and Proceedings. Vol. 46, part II— VI. 1901/02. 8«.
Schwäbischer Schillerverein in Marbach:
6. Rechenschaftsbericht 1901/02. 1902. 8«.
Fürsten- und Landesschule St. Afra in Meissen:
Jahresbericht für das Jahr 1901—02. 1902. 4».
Verein für Geschichte der Stadt Meissen in Meissen:
Mittheilungen. Bd. 6, Heft 1. 1901. 8».
Royal Society of Victoria in Melbourne:
Proceedings. Vol. XIV, 2. 1902. 8°.
14* Vergeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
Oeselhchaft für lothringische Geschichte in Metz:
Jahrbuch. XIII. Jahrg. 1901. gr. 8«.
Instituto geoJögico in Mexico:
Boletfn. No. 15. Las rhyolitas de Mexico. Parte 2. 1901. 4<».
Observatorio meteorolögico-magnitico central in Mexico:
Boletin mensaal. Julio 1901. fol.
Sociedad cientifica „AfUonio Älzate" in Mexico:
Memorias y revista. Tom. XIII, No. 3. 4; Tom. XVI, No. 2. 3. 1901. ^.
Bureau d'echanges internationauo' de puhUcaiion de la Bepublique
de V Uruguay in Montevideo:
Anuario eetadistico de TCruguay. Anos 1899—1900, 2 voll. 1901. 4».
Colon Guia. 1900. 4».
Museo nacional in Montevideo:
Annales. Tomo IV, entr. 22. 1901. 4».
Numismatic aud Antiquarian Society of Montreal:
The Canadian Antit]aarian and Namismatic Journal. III. Series. Vol. IV,
No, 1. 1902. 80.
Oe ff ertliches Museum in Moskau:
OtUchet. Jahrg. 1901. 1002. 8^.
Lazarev^sches Institut für Orientalische Spradten in Moskau:
Trudy. No. 4. 7. 9. 1901. 6*
Socifte Imjh'riaiC des XtUuralistes in Moskau:
Bulletin. Annoe 1902, No. 1. 2. S«
Lick ObsfrcKitory in M^'unt IlamiltOH, California:
rublicativ^ns. Vol. 5. Sacramonto 1901. 4^.
l^ullotin. No. 12-U\ 1901/02. 4'>.
/V:<f>vV i9f<^y*>\.'h.i''i für An:hroy<^<>iie in Berlin und München:
Korr^?p.r..Uii:bl.i::. 32. Jabr^. 1901. No. 11. 12; 33. Jahrg. 1902. No. 1
b> 3. -l".
Ii. i ' :€:\' i>:\^< B'.t^tju in MüHiAfn:
■..hrbucb. VA. JAtr^^, H-:: IV. Thl. 1 uni Anharg: IV. Jahrg., Heft L
IAH 02. 4^\
•:.'■ :""•.".; i-:l:.. "^'i .::" *. :. i\ >:f »; w:.i T^Tf j'-.ijAf«« in München:
10 Na. "tr.'ice :u irn l'f::ui:c>vrei5ver:t:vb^if>e=. fol.
:1 • - V - " '.' -?'- <■':■ t- .Vv'.-^n:
A":^,:.:: ^:: :>-:.« :•..::; c' vr : ^'r-* r^. :>>i No. 1— 16. ?••
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 15*
UniAoersität in München:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4<> und S^'.
Amtliches Verzeichnis des Personals. Sommer-Semester 1902. 8°.
Verzeichnis der Vorlesungen im Sommer-Semester 1902. 4°.
Historischer Verein in München:
Oberbayerisches Archiv. Jahrg. 3, Heft 1—6. 1901/02. 4^.
Verlag der HochschtU-Nachrichten in München:
Hochschul-Nachrichten. 1902. XII. Jahrg., No. 3—8. 4°.
Verein für Geschichte und ÄlterthumsJcunde Westfalens in Münster:
Zeitschrift. Bd. 69. 1901. 8^
Accademia delle scienze fisiche e matematiche in Neapel:
Rendiconto. Ser. III. Vol. VII, fasc. 12; Vol. VIII, fasc. 1—6. 1901/02. S».
Zoologische Station in Neapel:
Mittheilungen. Bd. XV, 3. 1901. 8«
Societt des sciences naturelles in Neuchatel:
Bulletin. Tom. 27. Ann^o 1898—97. 1899, 8».
Institute of Engineers in New- Castle (upon-Tyne):
Transactions. Vol. 61, part 2. 1902. gr. 8<*.
Indices. Vol. 1-88 (1852-1889). 1902. S^.
Subject-Matter Index for the year 1900. 1902. 8<>.
The American Journal of Science in New-Haven:
Journal. IV. Series, Vol. XIII, No. 73—79. 1902. 8».
American Oriental Society in New-Haven:
Journal. Vol. XXI, 1. Vol. XXII, 2. 1901/02. S«.
Academy of Sciences in New -York:
Memoirs. Vol. XIV, part 1. 2. 1901/02. 8«.
American Jewish Historical Society in New -York:
Publications. No. 9. 1901. 8».
American Musemn of Natural History in Neio-York:
Bulletin. Vol. XI, 4. XIV, XV, 1. 1901. 8«.
American Geographical Society in New -York:
Bulletin. Vol. 33, No. 6; Vol. 34, No. 1. 2. 1901/02. 8^.
Archaeological Institut of America in Noncood, Mass.:
American Journal of Archaeology. 11^ Seriea, Vol. 6, No. 1. 1902. 8^.
Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg:
Anzeiger. Jahrg. 1901, Heft 1-4. 4».
Katalog der Gewebesammlung, Teil II. 1901. 4®.
Neurussische naturforschende Gesellschaft in Odessa:
Sapiski. Bd. XXIV, 1. 1901. S«.
16* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
Geological Survey of Canada in Ottawa:
Contributions to Canadian Palaeontology. Vol. II, 2; Vol. IV, 2. 1900-01. 8«.
General Index to the Reports of ProRress 1863—1884. 1900. 8°.
Catalogue of marine Invertebrata of Eastern Canada. 1901. 8^.
jß. Äccademia di scienze in Padua:
Atti e Memorie. Nuova Serie. Vol. 17. 1901. 8«.
Eedaction der Zeitschrift „Rivista di storica antica** in Padua:
N. S. Anno VI, fasc. 2. 1902. 8»
Circolo tnatematico in Palermo:
Rendiconti. Tom. XVI, fasc. 1. 2. 1902. gr. S^.
Collegio degli Ingegneri in Palermo:
Atti. 1901. gr. 80.
Bollettino. Anno I, No. 6—8. 1901. fol.
Societa di scienze naturali ed economüli in Palermo:
Giomale. Vol. XXIII. Anno 1901. 4».
Academie de midecine in Paris:
Jubile de M. Albert Gaudry. 1902. 8»
Bulletin. 1901, No. 44; 1902, No. 1—26. 8«.
Academie des sciences in Paris:
Comptes rendus. Tome 133, No. 27; Tome 134, No. 1—26. 1901/02. 4«.
Moniteur Scientifique in Paris:
Moniteur. Livre 722—727 (Fevrier-Juillet 1902). 4«.
Societe de geographie in Paris:
La Gt^ograpbie. Annee 1902, No. 1—6. 4^.
Societe mathematique de France in Paris:
Bulletin. Tom. 29, No. 4; Tom. 30, No. 1. 1901/02. S».
Societe zoologique de France in Paris:
Bulletin. Tome XXVI. 1901. &>.
Memoires. Tome XIV. 1901. S^.
Academie Imperiale des sciences in St. Petersburg:
Annuaire du Mus^e zoologique. Tome VI, No. 2—4. 1901. 8^.
Comitc peologique in St. Petersburg:
Eiplorations geologiquea dans las regions auriferes de la Siberie.
a) Region aurifere d'Jonissei. Livr. 1. 2.
b) , , de Lena. Llvr. 1.
c) , , de l'Amour. Livr. 1. 2. 1900-01. 89.
Kaiserl. Bota>iischrr Garten in St. Petersburg :
Acta. VoLXIX. fasc. 1. 2: Vol. XX. 1901. 8«.
^Scripta Hotanica. Faso. XVII. 1901. S«.
Phusil'iiL-cht}}ii.<c]if: (ir<elL<chaft an der lais. Universität St. Petersburg'.
Schurnal. 1901, Tom. 33. Litf. 9; 1902, Tom. 34, Lief 1—4. 8^
Verzeichnia der eingelaufenen Druckschriften. 17*
NüxdairHauptstermoarte in 8t. Petersburg :
ihreabericht 1900—1901. 1901. 8*
Kaiser!. Universität in St. Petersburg:
^hrifien aus dem Jahre 1901/02.
American phamiaceutical Association in Philadelphia:
)tb annual Meeting at Sb. Louis 1901. 1901. 8^.
Historical Society of Pennsylvania in Philadelphia:
he Pennsylvania Magazine of History. Vol. XXV, No. 100—102. 1902. 4®.
Alumni Association of the College of Pharmacy in Philadelphia:
lunmi Report. Vol. 37, No. 12; Vol. 38, No. 1—6. 1901/02. 8^.
American Phüosophical Society in Philadelphia:
roceedings. Vol. 40, No. 167. 1901. 8^
Societä Toscana di scieme naturdli in Pisa:
tti. Processi verbali. Vol. XII, pag. 231—266; Vol. XIII, pag. 1—39.
1901/02. 40.
Societä Italiana di fisica in Pisa:
nuoYO Gimento. Serie V, Tom. II, Nov.-Dic. 1901; Tom. III, Gennaio-
Maggio 1902. 8«.
Historische Gesellschaft in Posen:
eitschrift. Jahrg. XVI, 1. 2. Halbbd.; XVII, 1. Halbbd. 1901/02. 80
istorische Monatsblätter. Jahrg. II, No. 4—12; Jahrg. III, No. 1—5.
1901/02. 8«.
Centralbureau der internationalen Erdmessung in Potsdam:
erhandlungen der XIII. allgemeinen Konferenz der internationalen Erd-
mesdung. Berlin 1901. 4^.
Astrophysikalisches Observatorium in Potsdam:
ablikationen. Band XII. 1902. 4.
Böhmische Kaiser Franz Josef- Akademie in Prag:
am4tky archaeologicke. Bd. XIX, Heft 6—8 und Register; Bd. XX,
Heftl. 1901—02. 40.
barozitnosti zem^e ceskd. Dil II, svaz. 1. 1901. 4^.
ozprawy. THda I, Roönik IX; Th'da II, Rocnik X. 1901. S«.
istoricky Archiv. Öislo 20. 21. 1901/02. 8«.
^stnfk. Roönik X, öislo 1—9. 1901. 8».
ulletin international. VIe annee, 2 Voll. 1901. 8^.
Imanach. Ro6nik XII. 1902. 8».
tt, Soustavny üvod. Ddl III. 1901. 8«
avh'cek, Chek 1902. 8^.
ovdk, Maudrost st. ö. 1901. 8».
artos, Moravske närodni pfsne IL 1901. 8^.
Ott, Archiv pro lexikografii III. 1901. 8^.
ibliothek deutscher Schriftsteller aus Böhmen. Bd. 12. 1901. 8^.
2
18* Verzeichnis der eingelaufer^en Druckschriften,
Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur
in Frag:
Urkunden-Regesten aus den Archiven der aufgehobenen Klöster Böhmens
V. Ant. Schubert. Innsbruck 1901. 4®.
Beitrage zur deutsch-böhmischen Volkskunde. Bd. IV, Heft 1. 1901. 8*.
Rudolf Spitaler, Die period. Luftmasaen Verschiebungen. Gotha 1901. 4*.
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1901. 1902. 80.
K, höhmische Gesellschaft der Wissenschaften in Trag:
3 Schriften über Tycho Brahe. 1901—02. 8^
Spisuv poctenijch jubilejni. Öislo XII. XIII. 1901. 8«.
Jahresbericht für das Jahr 1901. 1902. S».
Sitzungsberichte 1901. a) Classe für Philosophie. 1901.
b) Mathem.-naturw. Classe. 1901. 1902. 8».
Mathematisch-physikalische Gesellschaft in Prag:
Sbomik Jednoty Öeskych Mathematicu, No. V. 1902. 8°.
Öasopis. Bd. XXXI, No. 1—6 und Index. 1901/02. 8«.
Lese- und Bedehalle der deutschen Studenten in Prag:
53. Bericht über das Jahr 1901. 1902. 8«.
Museum des Königreichs Böhmen in Prag:
Casopis. Bd. 75, Heft 5. 6; Bd. 76, Heft 1. 1901/02. S»
K. K. Sternwarte in Prag:
Magnetische und Meteorologische Beobachtungen im Jahre 1901. 1902. 4®.
Deutsche Karl Ferdinands- Universität in Prag:
Die feierliche Installation des Rektors für das Jahr 1901/02. 1901. 8°.
Deutscher naturwissenschaftlich-medizinischer Verein für Böhmen „Lotos'^
in Prag:
Sitzungsberichte. Jahrg. 1901. N. F. Bd. 21 (ganze Folge Bd. 49). 1901. ^^
Historischer Verein in Begensburg:
Verhandlungen. Bd. 53. 1901. 8«
Observatorio in Bio de Janeiro:
Boletim mensual. Jan.-Junho 1901. 4®.
Geological Society of America in Bochester:
Bulletin. Vol. 12. 1901. S^.
Beale Äccademia dei Lincei in Born:
Annuario 1902. 8^.
Atti. Serie V. Classe di scienze morali. Vol. IX, parte 2. Notizie degli
scavi (Nov. 1901 — Marzo 11)02). 1901/02. 4».
Atti. Serie V. Rendiconti. Classe cli scienze fisiche. Vol. X, fasc. 12.
2. seniestre, Vol. XI, fasc. 1 — 11; 1. seniestre, 1901/02. 4P.
luTidiconti. Classe di scieoze morali e filologiche. Serie V, Vol. X,
fasc. 1) 12; Vol. XI, fasc. 1—4. 1901/02. 8».
Ji. Comilalo gcologico d'Italia in Born:
HolU'ttino. Anno 1901, No. 3. 4. lUOl. 8^.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 19*
Kaiserl, deutsches archäologisches Institut (röm, Abtlg.J in Rom:
Mitteilungen. Bd. XVI, fasc. 4. 1901. S».
i2. Societä Romana di storia patria in Rom:
Archivio. Vol. 24, fasc. 3. 4. 1901. 8^.
R. Äccademia di scienze degli Ägiati in Rovereto:
Atti. Serie III. Vol. VII, fasc. 3; Vol. VIIT, fasc. 1. 1902. 8^.
£cole franqaise d^ Extreme-Orient in Saigon:
Atlas arcbdologique de rindo-Chine. Monuments du Ghampa et du Com-
bodge, par E. Lunet de Lajonqui^re. Paris 1901. fol.
Nouvelles Recherches sur les Chams par Antoine Cabaton. Paris 1901. 49,
Bulletin. Tom. I, No. 4; Tom. II, No. 1. Hanoi 1901. 4».
L. Cadibre, Phon^tique annamite (dialecte du Haut-Annam). Paris 1902. 4^.
äldment de sanscrit classique par Victor Henry. Paris 1902. 8®.
Gesellschaft für Salzburger Landeskunde in Salzburg:
Mitteilungen. 41. Vereinsjahr 1901. 8^.
Naturwissenschaftliche Gesellschaft in St, GdUen:
Bericht 1899—1900. 1901. 8».
Academy of Science in St, Louis:
Transactions. Vol. X, No. 9— 11; Vol. XI, No. 1— 6. 1900—01. 8».
Instituto y Observatorio de marina de San Fernando (Cadiz):
Anales. Seccion II. Obseryaciones meteorolog. Ano 1899. 1900. fol.
Universität in Sassari (Sardinien) :
Studi Sassaresi. Anno I, fasc. 2. 1901. S^.
R, Äccademia dei fisiocritid in Siena:
Atti. Serie IV, Vol. 13, No. 1—10. 1901. 8».
K. K, archäologisches Museum in Spalato:
Bullettino di Archeologia. Anno XXIV, No. 12; Anno XXV, No. 1—5.
1901/02. 8».
Historischer Verein der Pfalz in Speyer:
Mitteilungen. XXV. 1901. 8^.
Geologiska Förening in Stockholm:
Förhandlingar. Bd. XXIII, Heft 7; Bd. XXIV, Heft 1-4. 1901/02. 8».
Nordiska Museet in Stockholm:
Meddelanden 1899 och 1900. 1902. 8«.
Bidrag tili vär odlings häfder, No. 8. 1901. 4».
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Strassburg:
Monatsbericht. Bd. 35, Heft 10; Bd. 36, Heft 1—5. 1901/02. 8«.
ÄustraJasian Ässociatian for the advancement of sdcnce in Sydney:
Report of the Melbourne Session. Vol. VÜI, 1900. 1901. 8^,
Department of Mines and AgricuUure of New-South- Wales in Sydney:
Annual Report for the year 1900. 1901. fol.
Mineral Resources. No. 9. 10. 1901, 8^.
20"*^ Verzeichnis der eingelaufeneu Druckschriften.
Observatorio astronömico nacionai in Tacuhaya:
Anuario. Aiio XXII, 1902. Mexico 1901. 8®.
Observatoire astronomique et physique in Taschkent:
Publications, No. 3. Texte und Atlaa. 1901. fol.
Physikalisches Observatorium in Tiflis:
Beobachtungen im Jahre 1898. 1901. fol.
Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokyo:
Mitteilungen. Bd. VIII, Teil 3. 1902. 8».
Kaiserl. Universität Tokyo (Japan):
Calendar 1901—02. 8^.
The Journal of the College of Science. Vol. XVI, part 1; Vol. XVII,
partl. 1901. 40.
Mitteilungen aus der medizinischen Fakultät. Bd. V, No. 2. 1901. 4®.
The Bulletin of the College of Agriculture. Vol. IV, No. 5. 1902. 8«.
üniversity of Toronto:
Studies. Physiological Series, No. 3. 1901. S^.
Biblioteca e Museo comunale in Trient:
Archivio Trentino. Anno XVI, fasc. 2. 1901. 8».
Universität Tübingen:
The Kashmirian Atharva-Veda. 3 Voll. Baltimore 1901. fol.
R, Äccademia delle scienze in Turin:
Osservazioni meteorologiche fatte nell* anno 1901. 1902. 8^.
Atti. Vol. 37, disp. 1 — 10. 1902. 8».
Memorie. Serie II, Tom. 51. 1902. 2<>.
B. Deputazione sopra gli studi di storia patria in Turin:
Historiae patriae monumenta. Tom. 18. 1901. fol.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Upsala:
Nova Acta. Ser. III, Vol. XX, fasc. 1. 1901. 8«.
Humanistika Vetenkaposamfund in UpsaJa:
Skrifter. Bd. IV. 1895-1901. 8«.
Meteorolog, Observatorium der Universität Upsala:
Bulletin mensuel. Vol. 33, 1901. 1901—02. fol.
Historisch Genootschap in Utrecht:
Bijdragen en Mededeelingen. Deal XXII. Amsterdam 1901. 8®.
J. Prinsen, Collectanea van Gerardus Geldenhauer. Amsterdam 1901. 8®.
Gedenkschriften van Gij^bert Jan van Hardenbroek. Deel I. Amsterdam
1901. 80.
Institut Boyal Meteorologique des Pays-Bas in Utrecht:
Nederlandsch Meteorologisch Jaarboek voor 1899. 1902. fol.
Physiologisch Lahoratorium der Hoogesclwol in Utrecht:
Onderzoekingen. V. Reeks. III, 2. 1902. fol.
VergeiehnU der eingelaufenen Druckaekriften, 21'*'
Dutsch EcUpee-Commütee in Utrecht:
reliminary Report of the Dutsch ezpedition to Karang Sago (Sumatra).
Amsterdam 1902. 4^.
eport of the Dutsch Observations, No. IL Batavia 1901. i».
National Äeademy of Sciences in Washington:
[emoirs. Vol. VUI. 1898. i».
Bureau of American EthnoHogy in Washington:
8tt annual Report 1896-97. Part 2. 1899. 4».
Bureau of Education in Washington:
leport of the Commisaioner of Education for the year 1899—1900.
Vol. 2. 1901. 80.
ü, S. Departement of Agriculture in Washington:
kreau of Plant Industry. Bulletin, No. 1. 1901. 8<^.
Smithsonian Institution in Washington:
nnual Report for the year (ending June 30, 1900). 1901. 8®.
mithsonian Miscellaneous Collections. Vol. 42. 43. 1901. 8®.
mithsonian Contributions to knowledge, No. 1809. 1901. 4^.
U, S. Naväl Ohservatory in Washington:
leport for the year 1900/01. 1901. 8^.
Phüosophical Society in Washington:
Inlletin. Vol. 14, p. 179—204. 1902. S».
United States Oeological Survey in Washington:
:XI»t. annual Report 1899—1900. Parts 2—4. 1900-01. 4».
Orossherzogliche Bibliothek in Weimar:
.uwachs in den Jahren 1899—1901. 1902. 8^.
Harzverein für Geschichte in Wernigerode:
leitschrifk. 34. Jahrg., Heft 1. 2. 1901. S».
Kaiserh Akademie der Wissenschaften in Wien:
itzungsberichte. Philos.-hist. Classe. Bd. 143. 1901. 8^.
Mathem.-naturwissensch. Classe. 1900/01. 8^.
Abtlg. I, Bd. 109, Heft 8-10; Bd. HO, Heft 1—4.
, IIa, . 109, , 10; , 110, , 1-7.
. IIb, , 110, , 1-7;
. III, . 109, . 8-10.
Denkschriften. Mathem.naturwissenschaftl. Classe. Bd. 69. 78. 1901. 4^.
irchiv für österreichische Geschichte. Bd. 89, 2. Hälfte; Bd. 90, 1. und
2. Hälfte. 1901. 8<>.
'ontes rerum Austriacarum. II. Abtlg., Bd. 52—54. 1901. 8®.
K. K. geologische Beichsanstalt in Wien:
ahrbuch. Jahrg. 1901, Bd. 51, Heft 5; Jahrg. 1902, Bd. 52, Heft 1. 4P,
''erhandlungen 1901, No. 15—18; 1902, No. 1—6. 4<>.
Abhandlungen. Bd. XVII, Heft 5; Bd. XIX, Heft 1. 1901/02. fol.
litteilungen der Erdbebenkommission. N. F., No. 1—6. 1901. 8^
22* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
K. K. Central anstält für Meteorologie und Erdmagnetismus in Wien:
Jahrbücher. Jahrg. 1899 und 1900, N. F., Bd. 36. 37. 1900/02. 4®.
K, K. Gesellschaft der Aerzte in Wien:
Wiener klinische Wochenschrift. 1902, No. 2—28. 4®.
Anthropologische Gesellschaft in Wien:
Mitteilungen. Bd. 31, Heft 6. 1901. 49,
Zoologisch-botanische Gesellschaft in Wien:
Verhandlungen. Bd. 61 (Jahrg. 1901), No. 9. 10; Bd. 52 (Jahrg. 1902),
Heft 1—6. 8«.
Abhandlungen. Bd. I, Heft 3. 4. 1902. 4®.
K, K. Hofbibliothek in Wien:
Tabulae codicum manuscriptorum. Vol. 10. 1899. 8®.
K. K. naturhistorisches Hofmuseum in Wien:
Annalen. Bd. XVI. No. 1-4. 1901. 4».
p. Kuffner'sche Sternwarte in Wien:
Publikationen. Bd. VI, Teil 1. 1902. 40.
Verein für Nassauische Altertumskunde in Wiesbaden:
Annalen. 32. Bd. 1901. 1902. 40.
Mitteilungen 1901/02, No. 1—4. 1902. 4^.
Physikalisch-mediziniscTie Gesellschaft in Würzburg:
Verhandlungen. N. F.. Bd. 34, No. 7-11; Bd. 35, No. 1. 1901/02. ^.
Sitzungsberichte. Jahrg. 1900, No. 5; Jahrg. 1901, No. 1—4. 1901. 6«.
Schweizerische meteorologische CentraHanstalt in Zürich:
Annalen 1899. 36. Jahrg. 1901. 40.
Antiquarische Gesellschaft in Zürich:
Mitteilungen. Bd. XXV, Heft 2. 3. 1901/02. 4».
Naturforschende Gesellschaft in Zürich:
Neujahrsblatt auf da« Jahr 1902. 104. Stuck. 40.
Vierteljahrsschrift. 46. Jahrg. 1901, Heft 3 und 4. 1902. 8".
Sternwarte in Zürich:
Astronomische Mitteilungen, No. 93. 1902. S®.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. ^S*
Von folgenden Privatpersonen:
Vincenzo Alhanese di Boterno in Modica:
Discorso sul divorzio Modica. 1902. 8^.
Prince Albert I de Monaco:
Rdsaltats des campaji^es seien tifiques. Fase. XXI. 1902. fol.
St, d'Äristarchi in Constantinopel:
Photii Patriarchae Gonstantinopeleos Orationes et homiliae. 2 Voll.
1900. 4P.
Verlag von Joh. Amhrosius Barth in Leipzig:
Beiblatter zu den Annalen der Physik. Bd. 26. 1902, No. 1—7. 1902. 8<>.
Cl. Freiherr v. Bechtohheint in Münclien:
Die primären Naturkräfte. Berlin 1902. 4<>.
Hugo Bermühler^s Verlag in Berlin:
Forschungen zur Geschichte Bayerns. Bd. IX. 1901. 8^.
Lorenzo Michelangelo Bülia in Turin:
Difendiamo la famiglia, saggio eontro 11 divorzio. 1902. 8^.
Th. Bredikhine in St. Petersburg:
Snr la comete. 1901, I. 1901. 4».
Rud. Burckhardt in Basel:
Die Einheit des Sinnesorgansystems bei den Wirbelthieren. Jena 1902. 8^.
E. Dütnmler in Berlin:
Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica.
1902. 4«.
Arthur J. Evans in London:
The Palace of Enossos. Athens 1901. 4^.
Beginald Fessenden in Washington:
ßecent Progress in practical and experimental Electrieity. 1901. 8®.
Verlag von Gustav Fischer in Jena:
Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Bd. 17. 1902, No. 15—39. 4^
Paul Fournier in Crrenohle:
Observations sur diverses recensions de la collection canonique d'Anselme
de Lucqnes. 1901. 8^
fitudes sur les Penitentiels. I. IL III. Macon 1901-02. 8«.
Leon Fredericq in Liege:
Travanx da Laboratoire de Leon Fredericq. Tom. VI. 1900. 8^.
H. FritscJie in St. Petersburg:
Die tätliche Periode der erdmagnetischen Elemente. 1902. 8^.
24* FmWefcm« der erngdaufenen Drucludmften.
Adolf OarbeU in Berlin:
Langenscheidt's Briefe für das Selbststudiam der Russischen Sprache.
No. 1—12. 1902. 80.
Albert Oaudry in Paris:
Snr la Similitade des dents de rhomme et de quelques animauz. (Dea-
xifeme Note.) 1901. S».
Madame V^ Godin in Paris:
Le Devoir. Tom. 26. Janvier— Juin 1902. Guise. 8®.
Philipp Holitscher in Budapest:
Märchendichtungen Breslau 1902. ^.
A, V, Koelliker in Würzburg:
Weitere Beobachtungen über die Hofmann'schen Kerne am Mark der
Vögel. (Sep.-Abdr.) Jena 1902. 8«.
Karl Krumbacher in München:
Byzantinische Zeitschrift. Bd. XI, Heft 1 und 2. Leipzig 1902. 09,
Imprimerie Albert Lanier in Auxerre:
La Chronique de France- 2® annde 1901. 8^.
Ernst Leyst in Moskau:
Ueber den Regenbogen in Russland. 1901. 8^.
Lucy A. Mallory in Portland:
The Worid*8 Advance-Thought and the Universal Republic. 1902. 8*».
F. J, Modestov in St, Petersburg:
Vvedenie v rimskuju istoriju. Gast pervaja. 1902. 8®.
Gabriel Monod in Versailles:
Revue historique. Ann^e XXVII. Tom. 78, No. L II et Table gdn^ral«
1896—1900; Tom. 79, No. I. II (Janvier— Aoüt 1902). 8«.
Fridtjof Nansen in Christiania:
Some Oceanographical Resultats. Preliminary Report. 1901. 8®.
Friedrich Ohlenschlager in München:
Römische üeberreste in Bayern. Heft 1. 1902. 8^.
G. Omboni in Padua:
Appendice alla nota sui denti di Lophiodon del Bolca. Veneiia 1903. 8*.
Michele Rajna in Mailand:
Süll' escurzione diurna della dechinazione magnetica a Milano. 1902. 8*.
Comte Camillo Eazoumovsky in Troppau:
Comte Grccroire Razoumovsky (1759—1837). Oeuvres scientifiques post-
humes. 1902.
Verlag voyi Dietrich Reimer in Berlin:
Zeitschrift für afrikanische, oceanische und ostasiatische Sprachen.
VI. Jahrg., Heft 1. 1902. S».
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 25*
S. Riefler in München:
Das Nickelstahl-Compensations-Pendel D.K.P. No. 100870. 1902. 8<>.
Dr. Fritz Sano in Antwerpen:
Handelingen yan het IV^« Vlaamsch Natuur- en Geneeskundig Congres
te Brüssel. SO. Sept. 1900. Gent 1900. 49,
L, Scher man in München:
Orientalische Bibliographie. XIV. Jahrg. II. Halbjahreshefb. Berlin 1901. B^.
Heinrich von Segesser in Luzern:
Die Quadratur des Kreises. 1902. 8<>.
Verlag von Seitz & Schauer in München:
Deutsche Praxis. 11. Jahrg. 1902. No. 1—13. 8».
Verlag von B. G. Teubner in Leipzig:
Archiv der Mathematik und Physik. III. Reihe, Bd. 2, Heft 1—4.
1901/02. 80.
Thesaurus linguae latinae. Vol. I, fasc. 4; Vol. II, fasc. 8. 1901. 4<>.
Ä, Thieuilen in Paris:
Technologie ndfaste, industrie de la pierre tailläe aux temps pr^sto-
riques. 1902. 4®.
Varia. Os travailläs ä Täpoque de Chelles. 1901. 4^.
B. Virchoto in Berlin:
Portrait-Münzen und Grafs hellenistische Porträt-Gallerie. 1902. 49.
N. Wecklein in München:
Duripidis fabulae ed. R. Prinz und N. Wecklein. Vol. 8, pars 6, Rhesus.
1902. 80.
E. V. Wölfflin in München:
Archiv für lateinische Lexikographie. Bd. XII, 4. 1902. 9fi.
27*
Yerzeichnis der eingelaufenen Drackseliriften
Juli bis Dezember 1902.
Die yorehrliehen GeaellsehAften und Insütote, mit welchen unsere Akademie in
Tauschverkehr steht, werden gebeten, nachstehendes Verzeichnis zugleich als Empfkngs-
bestätigung zu betrachten.
Von folgenden Gesellsohaften und Instituten:
Südslavische Akademie der Wissenschaften in Ägram:
Ljetopis. XVL 1901. 1902. S^.
Rad. Vol. U8. 149. 1902. 8».
Scriptorea. Vol. 4. 1902. 8^
Zbornik za narodni iivot. Bd. VII, 1. 1902. 8^.
K. hroat'slavon.-dälmatinisches Landesarchiv in Ägram:
Vjestnik. Bd. 4, Heft 2. 1902. 4«.
KroatiscTie archäologische Gesellschaft in Agram:
Vjestnik. N. Ser. Sveska 6. 1902. 40.
New- York State Library in Alhany:
New- York State Library. Annual Report Vol. 82. 83 (1899. 1900). 1901. 8».
University of the State of New- York in Alhany:
New- York State Museum. Report Vol. 52, 1898, part 1. 2; Vol. 53, 1899,
part 1. 2. 1900—1901. 8«.
3^ Annual Report of the College Department 1900. 1901. 8».
Bulletin of the New- York State Museum. Vol. VII, No. 33—36; Vol. VIII,
No. 37-43; Vol. IX, Nr. 45-51. 1900. 4».
Allegheny Ohservatory in Allegheny:
Miscellaneous scientific Papers No. 4 — 7. 1902. 8^.
Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes in Altenburg:
Mitteilungen aas dem Osterlande. N. F. Bd. X. 1902. 8».
Society des Antiquaires de Picardie in Amiens:
La Picardie historique et monumentale. Tom. II, No. 1. 1901. fol.
Monographie de Teglise Notre-Dame, Cathddrale d* Amiens Tom. I. 1901. fol.
Bulletin. Annäe 1900, trim. 1—4; 1901, trim. 1—3. 8^.
3
28* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
K. Akademie der Wissenschaften in Amsterdam:
Verhandelingen. Afd. Natuurkande I. Sectie. üeel IV u. VIII, No. 1. 2;
II. Sectie. Deel VIII, No. 1-6; Deel IX, No. 1—3. 1902. 4®.
Zittingsverslagen. Afd. Natuurkunde. Jaar 1901/02. Deel X. 1902. 4«.
Verslagen. Afd. Letterkunde. 4^ Reks, Deel IV. 1901. 8».
Jaarboek voor 1901. 1902. 8^.
Prysvers Centurio. 1902. &<>.
Historischer Verein in Ansbach:
49. Jahresbericht. 1902. 4P.
Historischer Verein für Schwaben und Neuburg in Augsburg:
Zeitschrift. 28. Jahrg. 1901. 8«.
Naturwissenschaftlicher Verein in Augsburg:
35. Bericht. 1902. 8».
Johns Hophins üniversity in Baltimore:
Circulars. Vol. XXI, No. 169. 160. 1902. 4».
Bulletin ofthe Johns Hopkins Hospital. Vol. XIII, No. 136-141. 1902. 4«
Peapody Institute in Baltimore:
35th Report 1901/02. 1902. 8«.
Maryland Geological Survey in Baltimore:
Maryland Geological Survey. Vol. IV. 1902. 8^.
Historisch-antiquarische Gesellschaft in Basel:
Basler Chroniken. Bd. VI. Leipzig 1902. S^,
Basler Zeitschrift für Geschichte. Bd. 2, Heft 1. 1902. &>.
Universitätsbibliothek in Basel:
Schriften der Universität aus dem Jahre 1901/02 in 4» u. 8®.
Bataviaasch Genootschap van Künsten en Wetenschappen in Batavia:
Tijdschrift. Deel 46, afl. 3. 4. 1902. 8«.
Notulen. Deel 39, afl. 4, 1901; Deel 40, afl. 1. 1902. S^.
Verhandelingen. Deel 52, stuk 1. 2, 1901 ; Deel 54, stuk 1 ; Deel 55, stuk 1.
1902. 40.
Anno 1674. 1902. 4^.
Observatory in Batavia:
Observations. Vol. 23. 1900. 1902. fol.
Regenwaarnemingen. 23. Jaarg. 1901. 1902. 4^.
K. natuurkundige Vereenigung in Nederlandsch Indie zu Batavia:
Natuurkundig Tijdschrift. Deel 61. Weltevreden 1902. 8».
K. Serbische Akademie der Wissenschaften in Belgrad:
Glas. No. 63. 64. 1901 — 1902. 8«.
Godischniak. XIV. 1900. 1901. S^.
Sbornik. Bd. I. 1902. 8^.
Srpski etnografski Sbornik. Bd. III. IV und Atlas. 1902. 8^. (Atlas in fol.)
Museum in Bergen (Norwegen):
Aarbog für 1902. Heft 1 und 2. 8^
G.O.Sars, Anacroant on thol.'rustaceaofNorway. Vol.4, ]>art7 — 10. 1902. 4*.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 29*
K. preuss. Akademie der Wissenschaften in Berlin:
Sitzungsberichte. 1902, No. 23—40. 1902. 8®.
Das prenssische Münzwesen im 18. Jahrhundert. Beschreibender Teil. Heft I.
1902. 40.
K, geolog. Landesanstalt und Bergakademie in Berlin:
Jahrbuch für 1900. 1901. 8«.
Zenträlbureau der internationalen Erdmessung in Berlin:
Ergebnisse der Polhöhenbeatimmungen in Berlin in den Jahren 1889—1891.
Von A. Marcuse. 1902. 4<^.
Deutsche chemische Gesellschaft in Berlin:
Berichte. 36. Jahrg., No. 13-20. 1902. 8».
Deutsche geologische Gesellschaft in Berlin:
Zeitschrift. Bd. 54, Heft 1. 2. 1902. 8^.
Deutsche physikalische Gesellschaft in Berlin:
Die Fortschritte der Physik im Jahre 1901. 3 Bde. Braunschweig 1902. 8^.
Verhandlungen. Jahrg. 3, No. 11— 14, 1901; Jahrg. 4, No. 1-18, 1902.
Leipzig. 8®.
Physiologische Gesellschaft in Berlin:
Zentralblatt für Physiologie. Bd. XVI, No.8-20. Leipzig 1902. 8«
Verhandlungen. Jahrg. 1901—1902, No. 5-16. 8».
Kaiserlich deutsches archäologisches Institut in Berlin:
Jahresbericht über das Jahr 1901. 1902. gr. 8^
Jahrbuch. Bd. XVII, Heft 2. 3. 1902. 4«.
K. preuss. geodätisches Institut in Berlin:
Jahresbericht für das Jahr 1901/02. 1902. S».
Veröffentlichung. N. F. No. 9. 1902. 40.
Lotabweichungen. Heft 2. 1902. 4».
K, preuss, meteorologisches Institut in Berlin:
Bericht über das Jahr 1901. 1902. 8».
Ergebnisse der magnetischen Beobachtungen in Potsdam im Jahre 1900.
1902. 40.
Ergebnisse der Arbeiten am Aeronautischen Observatorium in den Jahren
1900 und 1901. 1902. 4^
Deutsches meteorologisches Jahrbuch für 1901. Heft 2. 1902. 4^.
Kegenkarte der Provinzen Schleswig-Holstein und Hannover von G. Hell-
mann. 1902. 8^.
Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik in Berlin:
Jahrbuch. Bd. 31, Heft 1-3. 1902. 8^
Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den preuss. Staaten
in Berlin:
Gartenflora. Jahrg. 1902, Heft 14-24. 8^.
Verein für Geschichte der Mark Brandenburg in Berlin:
Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte. Bd. XIII,
1. und 2. Hälfte. Leipzig 1900. 1902. 8«.
3*
30* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Zeitschrift für Instrumentenkunde in Berlin:
Zeitschrift. XXII. Jahrg., Heft 7— 12. 1902. 4«.
Allgemeine geschichtsfarschende Gesellschaft der Schweiz in Bern:
Jahrbuch für Schweizerische Geschichte. 27. Bd. Zürich 1902. 8®.
Sociite d' Emulation du Doübs in Besangon:
M^moires. VII« Särie. Vol. 6. 1900. 1901. 80.
Ohservatorio astronomico nacional in Bogota:
El Cometa de 1901. 1901. 4».
R. Deputazione di storia patria per le Provincie di Romagna
in Bologna:
Atti e Memorie. Serie III. Vol. XX, fasc. 1—3. 1902. 8<>.
Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn:
SitzuDgsberichte 1902. S^.
Universität in Bonn:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4^ u. 8^.
Verein von Altertumsfreunden im Rheinlande in Bonn:
Bonner Jahrbücher. Heft 108. 109. 1902. 4».
Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlande in Bonn:
Verhandlungen. 59. Jahrg., I. Hälfte. 1902. Q^.
Sociite des sciences physiques et naturelles in Bordeaux:
Procbs-verbaux des sdancea. Annde 1900—1901. Paris 1901. 8®.
Memoires. VIe Sdrie. Tom. 1. 1901. 8^.
Observations pluviomdtriques 1900—1901. 1901. 8®.
Societe Linnienne in Bordeaux:
Actes. Vol. 56. 1901. 8^.
Societe de geographie commerciäle in Bordeaux:
Bulletin. 1902. No. 15—24. S«.
American Academy of Arts and Sciences in Boston:
Proeeedings. Vol. 87, No. 15—23. 1902. 8».
Memoirs. Vol. XII, 5. Cambridge 1902. 4P.
Meteorologisches Observatorium in Bremen:
Meteorologisches Jahrbuch. XII. Jahrg. 1901. 1902. 4^.
Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur in Breslau:
70. Jahresbericht. 1901. 1902. S^.
Landesmuseum in Brunn:
Zeitschrift. Bd. 2, Heft 1. 2. 1902. gr. B«.
Casopsis. Bd. II, Heft 1. 2. 1902. gr. 8«.
Deutscher Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens
in Brunn:
Zeitschrift. Jahrg. G, Heft i. 1902. 8®.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 31*
Äcadimie Boyale de midecine in Brüssel:
Memoires couronnäs. Tom. XV, fasc. 9. 1902. 8®.
Bulletin. V« S^rie. Tom. 16, No. 6—9. 1902. 8^.
ÄcadSmie Boyale des sciences in Brüssel:
Memoires des membres in 4®. Tom. 64, fasc. 6. 1902. 4^.
Memoires couronn^s in 4^. Tom. 59, fasc. 3. 1902. 49,
Memoires couronnds in S^. Tom. 62, fasc. 1—3. 1902. 8®.
Bulletin, a) Classe des lettres 1902, No. 4—8. 8«.
b) Classe des sciences 1902, No. 4—8. S^.
Documents pour servir k Thistoire des prix par H. van Hontte. 1902. 4''.
Le Register de Franciscus Lixaldius pub. par Rachfahl. 1902. 8^.
Jardin hotanique de Vetat in Brüssel:
Bulletin. Vol. 1, No. 1—8. 1902. ^. 8».
SociHe des Bollandistes in Brüssel:
\nalecta Bollandiana. Tom. XXI, 3—4. 1902. 8«.
SociHi beige de gSologie in Brüssel:
Bulletin. Tom. XVI ann^e; Tom. XIII, fasc. 3; Tom. XVI, fasc. 2. 3.
1902. 8«
K, ungarische Akademie der Wissenschaften in Budapest:
^Imanach. 1902. 8^.
^yelytndom^nji Közlem^nyek. (Sprachwissenschaftliche Mitteilungen.)
Bd. XXXI, 3. 4; Bd. X'XXII, 1. 1901—1902. 8«.
Tört^nettud. Ertekezösek. (Hiator. Abhandlungen.) XIX, 6— 9. 1901/02. 8».
^.rchaeologiai Ertesitö. Üj folyam. (Archäolog. Anzeiger.) XXI, 3—5;
XXII. 1-8. 49.
I^jelvtudomän. firtekezdsek. (Sprachwissenschaftliche Abhandlungen.)
XVII 9. 10. 1902 8^
5röf Eszterhdzy von Thaly K4lmä,n. 1901. 8^.
Achmed Dzsevdet Evlija Czelebi. Sziacbat Nameszi (in türk. Sprache);
Kar4csonyi J.: A magyar nemzets^gek. Bd. IL 1901. 8^
tfargalits E.: Repertorium Croaticum. Vol. II. 1902. 8^
tfathematikai Ertesitö. (Mathemat. Anzeiger.) XIX, 3—5; XX, 1. 2. S^.
^athematikai Közlemenyek. (Mathem. Mitteilungen.) XXVIU, 1. 1902. 8<>.
il athematische und naturwissensch. Berichte aus Ungarn. XVII. Bd. 1899.
Leipzig 1901. 8^
lapport. 1901. 1902. 8«.
K. Ungar, geologische Änstcdt in Budapest:
Mitteilungen aus dem Jahrbuche. Bd. XIV, Heft 1. 2. 1902. 8®.
i^öldteni Közlöny. Bd. 32, Heft 5-9. 1902. 8».
i Magyar Kir. földtani intt^zet ävkönyve. Bd. XII, Heft 1. 1902. 8^
Officina meteorologica Argentina in Buenos Aires:
Inalef. Tom. 14. 1901. fol.
Deutsche akademische Vereinigung in Buenos Aires:
Teröffentlichungen. Bd. I, Heft 6. 1902. 8".
32* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
Botanischer Garten in Buitenzorg (Java):
Verslag over het jaar 1901. Batavia 1902. 4».
Mededeelingen. No. LVI-LVIII. 1902. 4«.
Bulletin. No. XII-XV. 1902. 4«.
Academia Romana in Bukarest:
Analele. a) Partea administrativa. Serie U. Tom. 24. 1901—1902.
b) Memoriile sec^iunic sciin^ifice. Serie IL Tom. 23. 1900—1901.
c) Memoriile sec^iunic istorice. Serie II. Tom. 23. 1900—1901.
d) Memoriile 8ec|iunic literare. Serie II. Tom. 23. 1900—1901.
Discursurc de recepjiune. XXIV. 1902. 49.
Monumentele epigrafice §i sculpturali. Part I. 1902. fol.
Dim. Cantemir, Operele. Tom. 8. 1901. 8^.
Acte §i Documente rel. la istoria renascerei Romaniei. Tom. IX. 1901. 8®.
Memoriu despre Starea Moldovei la 1787 de Comitele d'fianterive. 1902. 4'.
Istoria Romana de Titua Livius. Tom. II, cartile 7 — 10. 1901. gr. 8®.
Rumänisches meteorologisches Institut in Bukarest:
Analele XV anul 1899. 1901. fol.
Meteorölogical Department of the Government of India in CalctUta:
Handbook of Cyclonic Storms. Text and Plates. 2 Vola. 1901. 8®.
Monthly Weather Review 1902. Febr.— June. fol.
Indian Meteorölogical Memoirs. Vol. XII, part 3. 4. 1902. fol.
Memorandum on the meteorölogical Conditions prevailing in the Indian
Monsoon Region. Simla 1902. fol.
Report on the Administration in 1901/02. 1902. fol.
Äsiatic Society of Bengal in Calcutta:
Bibliotheca Indica. New Ser. No. 1006—1014 1902. 8®.
Journal. No. 891; 392; 395—899 und Plates. 1902. 8®.
Proceedings. 1901, No. IX— XI; 1902, No. I-V. 8®.
Museum of comparative Zoology at Harvard College in Cambridge^ Miiss.:
Bulletin. Vol. 88; Vol. 39, No. 4. 5; Vol. 40, No. 2. 3; Vol. 41, No. 1.
1902. 80.
Annual Report for 1901/02. 1902. 8»
Memoirs. Vol. XXVII, 2. 1902. 4».
Ästronomical Ohservatory of Harvard College in Cambridge, Mass.:
Annais. Vol. 37, No. 2; Vol. 38 und 39, No. 8. 9. 1902. 4«.
Philosophical Society in Cambridge:
Proceedings. Vol. XI, part 6. 1902. S^.
Transactions. Vol. XIX, 2. 1902. 4®.
Geological Commission, Colony of the Cape of Good Hope
in Cape Town:
Annual Report for 1900. 1901. 4".
Accademia Gioenia di scienze naturali in Catania:
BuUettino mensile. Nuova Ser., fasc. 78. 1902. 8^.
K. sächsisches 7veteorologisches lustitut in Chemnitz:
Dekaden-Monatsberichte. 1901. Jahrg. IV. 1902. 4».
Jahrbuch 1899. Jahrg. XVII, Abtlg. 111. 1902. 4^.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 33*
Sociite des sciences naturelles in Cherbourg:
M^moires. Tom. 82. Paris 1901—1902. 8».
Academy of sciences in Chicago:
Bulletin. Vol. II, No. III, No. IV, part. 1. 1900. S«.
Field Columbian Museum in Chicago:
Publications. No. 61, 1901 ; No. 64. 65. 1902. S^.
Zeitschrift „Ästrophysical Journal^ in Chicago:
Vol. XV, No. 6; Vol. XVI, No. 1—6. 1902. ^r. 8«.
Fridtjof Nansen Fund for the advancement of science in Christiania:
The Norwegian North Polar-Expedition 1893—1896. Scientific Reaulta.
Vol. III. 1902. 40.
Gesellschaft der Wissenschaften in Christiania:
Forhandlingar, aar 1901. 1902. 8«.
Skrifter. I. Mathem.-naturwisg. Classe 1901, No. 1 — 5. II. Histor.-filos.
Claase 1901, No. 1—6. 1901. 8«.
Naturforschende Gesellschaft Grauhündens in Chur:
Jahresbericht. N. F. Bd. 45. 1901/02. 1902. 8°.
Lloyd Museum and Library in Cincinnati:
Bulletin. No. 4. 5. 1902. 8«.
Mycological Notes No. 9. 1902. 8<>.
Naturhistorische Gesellschaft in Colmar:
Mitteilungen. N. F. Band. VI. Jahrg. 1901 und 1902. 1902. 8«.
Westpreussischer Geschichtsverein in Danzig:
Mitteilungen. Jahrg. 1. 1902. No. 1-4. 8«.
Academy of natural sciences in Davenport:
Proceedings. Vol. VIII. 1901. 8».
Colorado Scientific Society in Denver, Colorado:
The Proceedings. Vol. VI. 1897—1900. 1901. 8°.
Verein für Änhaltische Geschichte in Dessau:
MitteUungen. Bd. IX, 4. 1902. 8».
Union geographique du Nord de la France in Doiiai:
Bulletin. Vol. 23, trimestre 2. 1902. 8^.
K, sächsischer Altertumsverein in Dresden:
Neues Archiv für sachsische Geschichte. Bd. XXIII. 1902. 8«.
Verein für Erdkunde in Dresden:
F. V. Bellingshausens Forechungsfahrten im Südlichen Eismeer 1819—1821.
Leipzig 1902. 8^.
Boy dl Irish Academy in Dublin:
Proceedings. III^ Series. Vol. VI, part 4; Proceedings. Vol. 24, Section A,
part 1; Section B, part. 1. 2. 1902. S®.
Transactions. Vol. 32, Section A, parte 3-5; Section B, part 1. 1902. 4».
84* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Pollichia in Dürkheitn:
Mitteilungen. Jahrg. 1902, No. 15—17. 1902. 89.
American Chemicdl Society in Easton, Pa.:
The Journal. Vol. XXIV, No. 7—12. 1902. 8».
26*1» Anniversary. 1902. S^.
Eoyal Observatory in Edinburgh:
Annais. Vol. I. 1902. 40.
Royal Society in Edinburgh:
Proceedings. Vol. XXIV, No. 3. 1902. 8».
Eoyal Physical Society in Edinburgh:
Proceedings. Session 1900—1901. 1902. 8^
Verein für Geschichte der Grafschaft Mansfeld in Eisleben:
Mansfelder Blätter. 16. Jahrg. 1902. 8^.
Naturforschende Gesellschaft in Emden:
86. Jahresbericht für 1900/01. 1902. 8<\
K, Universitätsbibliothek in Erlangen:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4<^ u. 8^.
Bedle Accademia dei Georgoßi in Florenz:
Atti. IV. Serie. Vol. 25, disp. 2. 1902. 80.
Societä Asiatica Itdliana in Florenz:
Giomale 1902. Vol. XV. 8^
Senckenbergische naturforschende Gesellschaft in Frankfurt ajM.:
Abhandlungen. Bd. XXV, 3; Bd. XX VIT, 1. 1902. 4P.
Bericht. 1902. 8».
Physikalische Gesellschaft in Frankfurt alM.:
Jahresbericht für 1900—1901. 1902. 8^.
Breisgau- Verein Schau-ins-Land in Freiburg t. Br.:
Schau-ins-Land 1902. 29. Jahrg. Halbband I. 1902. fol.
Kirchengeschichtlicher Verein in Freiburg i. Br.:
Freiburger Diözesan- Archiv. Register zu Bd. I— XXVII. 1902. 8®.
Universität in Freiburg i. Br,:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4<* u. 8<>.
Universität Freiburg in der Schweiz:
Collectanea Friburgensia. Fase. XIII. 1902. 8^.
Universität in Genf:
Schriften aus dem Jahre 1901/02.
Sociale de physique et d^histoire naturelle in Genf:
Memoires. Vol. 34, fasc. 2. 1902. 4«
Universität iyi Giessen:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4« u. 8^.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 35*
Oberhessischer Geschichtsverein in Giessen:
Mitteilangen. N. F. Bd. XI. 1902. Q^.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen:
Göttingische gelehrte Anzeigen. 1902, No. 6—12. Berlin, gr. 8.
Abhandlungen. N. F.
a) Philol.-hist. Classe. Bd. V, No. 3. 4; Bd. VI, No. 1—3.
b) Math.-phya. Classe. Bd. II, No. 3. Berlin 1902. 4<>.
Nachrichten, a) Philol.-hist. Classe. 1902, Heft 3. 4 und Beiheft. 4^.
b) Math.-phy8. Classe. 1902, Heft 4. 5. 4».
c) Geschäftliche Mitteilungen. 1902, Heft 1. 4^.
K. Gesellschaft der Wissenschaften in Grothemburg:
Göteborgs Högskolas Arsskrift. Bd. YII. 1901. 1901. 8<>.
Handlingar. 4. Folge. Bd. 4. 1902. S^.
Scientific Laboratories of Bension üniversity in Granvüle^ Ohio:
Bulletin. Vol. XI, 11; Vol. XII, 1. 1902. 8^.
Universität in Graz:
Die feierliche Inauguration des Rektors für das Jahr 1901/02. 1902. S^.
Natunoissenschaftlicher Verein für Steiermark in Graz:
Mitteilungen. Jahrg. 1901, Heft 38. 1902. S^.
Eügisch'Pommerscher Geschichtsverein in Greifswald:
Pommerische Jahrbücher. Bd. 3. 1902. 89,
Naturwissenschaftlicher Verein für Neu- Vorpommern in Greif swdld:
Mitteilungen. 88. Jahrg. 1901. Berlin 1902. S^.
K, Instituut voor de TaaU, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch Indie
im Haag:
Bijdragen. VI. Reeks. Deel X, afl. 3. 4. 1902. 8^.
Naamlijst der leden. 1902. 8^.
Teyler^s Genootschap in Haarlem:
Archiveg du Musde Teyler. Sdr. II. Vol. 8, partie 1. 1902. 4°.
Sociiti Hollandaise des Sciences in Haarlem:
Archives N^erlandaises des sciences exactes. S^rie II. Tom. 7, livr. 2—5.
1902. 80.
Herdenking van het 150jarig bestaan. 1902. 8^.
Kaiseri. Leopcldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturforscher
in Halle:
Leopoldina. Heft 38, No. 6— 11. 1902. 40
Deutsche morgenländische Gesellschaft in Halle:
Zeitschrift. Bd. 66, Heft 3. Leipzig 1902. 8<>.
Abhandlungen fQr die Kunde des Morgenlandes. Bd. XI, 4. Leipzig
1902. 8*>.
Universität Halle:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 49 u. 8^^.
86* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
Thüringisch-sächsischer Verein zur Erforschung des vaterländischen
Altertums in Halle:
Neue Mitteilungen. Bd. XXI, 2. 1902. 8«.
Stadtbibliothek in Hamburg:
Veröffentlichungen aus dem Jahre 1901 in 4^ u. 8^.
Verein für Hamburgische Geschichte in Hamburg:
Zeitschrift. Bd. XI, 2. 1902. 8^.
Naturwissenschaftlicher Verein in Hamburg:
Abhandlungen. Bd. XVII. 1902. 4^.
Historischer Verein für Niedersachsen in Hannover:
Zeitachrift. Jahrg. 1902. Heft 1—3. S».
Universit ät Heidelberg :
Schriften der Universität aus dem Jahre 1901/02 in 4'^ u. 8®.
Historisch-philosophischer Verein in Heidelberg:
Neue Heidelberger Jahrbücher. Jahrg. XI, Heft 2. 1902. 8^
Naturhistorisch-medizinischer Verein zu Heidelberg:
Verhandlungen. N. F. Bd. VII, 2. 1902. 8«.
Geschäftsführender Ausschuss der Rcichslimeskommission in Heidelberg:
Üer Obergermanisch-Raetische Limes des Römerreiches. Liefg. XVII.
1902. 40.
Commission giologique de Finlande in Helsingfors:
Bulletin. No. 12. 13. 1902. 8».
Carte geologique ä 1:400,000. Section C 2. St. Michel 1902. 8^
Meddelanden fran Industristyrelsen Finland. No. 32. 33. 1902. 8®.
Universität Helsingfors:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4<^ u. 8®.
Siebenhürgischer Verein für Naturwissenschafteyi in Hermannstadt:
Verhandlungen und Mitteilungen. 61. Jahrg. 1901. 1902. 8^.
Verein für Sachsen-Meiningische Geschichte in Hildburghausen:
Schriften. Heft 41 und 42. 1902. 8«.
Ferdinandeum in Innsbruck:
Zeitschrift. 3. Folge. Bd. 46. 1902. 8».
NaturtvissenschaftUch-medizinischcr Verein in Innsbruck:
Horichte. XXVII. Jahrg. 1901/02. 1902. S».
JoHrnal of Phgsical Chemistnj in Ithaca, N.Y.:
Tho Journiil. Vol. 6, No. 4—9. 1902. gr. S«.
Mcdizinisch-naturwisse7ischaftUche Gesellschaft in Jena:
Denkschriffon. Bd. IX, Liefg. 1. Text und Atlas. 1902. fol.
JenaiHche Zeitschrift für Naturwissenschaft. Hd. 30, Hett 3. 4; Bd. 37,
Heft 1. 1902. 8^
VereeichfUs der eingelaufenen Druckschriften. 37*
Gelehrte Estnische Gesellschaft in Jurjew CDorpat):
Sitzungsberichte 1901. 1902. 8».
Naturforschende Gesellschaft bei der Universität Jurjew (Dorpat):
Archiv fttr die Naturkunde Liv-, Ebst- und Kurlands. II. Serie. Bio-
logische Naturkunde. Bd. XII, 1. 1902. ^\
Badische Historische Kommission in Karlsruhe:
Oberrheinische Stadtrechte. I. Abt., Heft 6. Heidelberg 1902. 8^.
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. N. F. Bd. XVII, 3. 4.
Heidelberg 1902. 8^.
Neujahrsblätter 1903. Heidelberg. 8».
Bericht Über die 21. Plenarversammlung. Heidelberg 1902. 8^.
Zentralbureau für Meteorologie etc. in Karlsruhe:
Jahresbericht für das Jahr 1901. 1902. 4<).
Crrossherzoglich technische Hochschule in Karlsruhe:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4« u. S^.
Grossh. badische Staats- Altertümer Sammlung in Karlsruhe:
Veröffentlichungen. 3. Heft. 1002. 4».
Naturwissenschaftlicher Verein in Karlsruhe:
Verhandlungen. XV. Band. 1901-1902. 1902. 8«.
Sociite physico-matMmatique in Kasan:
Bulletin. 11« S^rie. Tom. XI, No. 1— 4; Tom. XII, No. 1. 1901—1902. 8«.
Universität Kasan:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4<> u. 8^.
ütachenia Sapiski. Bd. 69, Heft 5-8. 11. 1902. 8^.
Verein für Naturkunde in Kassel:
Abhandlungen und Bericht XLVII. 1902. 8».
Societc mathematique in Kharkow:
Communications. 2« Serie. Tom. VII, No. 6. 1902. gr. 8^
Universite Imperiale in Kharkow:
Annales 1902. Vol. 2—4. 8».
Gesellschaft für Schleswig- Holsteinische Geschichte in Kiel:
Zeitschrift. Bd. XXXII. 1902. 80.
Kommission zur wissenschaftl. Untersuchung der deutschen Meere in Kiel:
Wissenschaftliche Meereauntersuchungen. N. F. Bd. VI. Abteilung Kiel.
1902. fol.
K Universität in Kiel:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4^ u. 8^.
Naturwissenschaftliche Gesellschaft in Kiew:
Sapiski. Bd. XVII, 1. 1901. 8«.
Botanischer Garten in Kiew:
Index Kewensis. Fase. II. Bruzelles 1902. 4^.
38* Verzeichnis der eingelaufenen Dmckschriffen,
Universität in Kiew:
Iswestija. Vol. 42, No. 3. 6-10. 1902. 8».
Oeschichtsverein für Kärnten in Klagenfurt:
Jahresbericht über 1901. 1902. 8».
Carinthial. 92. Jahrg. No. 1-6. 1902. S^.
Siehenbürgischer Museumsverein in Klausenhurg :
Sitzungsberichte der medizlD.-naturwissenschaftl. Sektion. 27. Jahrg.
Bd. XXIV, Abt. I, Heft 1. 2. 1902. B^.
Stadtarchiv in Köln:
Mitteilungen. Heft 31. 1902. S».
Universität in Königsberg:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4^ u. 8^.
K, Akademie der Wissenschaften in Kopenhagen:
Oversigt. 1902. No. 2— 5. 8^.
M^moires. Section des sciences. Sörie VI®. Tom. X, 4; Tom. XI, 2—4;
Tom. XII, 1. 2. 1902. 4».
Akademie der Wissenschaften in Krakau:
Anzeiger. Juni und Juli 1902, 4 Hefte. 8®.
a) histor.-filoz. Serie II. Tom. 16. 18.
b) matemat. Serie II. Tom. 19. 1902. 8«.
Sprawozdanie. Vol. VII, 7. 1902. 8».
Katalog literatury naukowej polskiej. Tom. II, 1. 2. 1902. 8^.
Historischer Verein in Landshut:
Verhandlungen. 38. Bd. 1902. 8^
Societe Vaudoise des sciences naturelles in Lausanne:
Bulletin. 4« S^rie. Vol. 38, No. 144. 1902. 8».
Societe d^histoire de la Suisse romande in Lausanne:
M^moires et Documents. II. Serie. Tom. 4, livr. 2; Tom 5. 1902. S«.
Kansas University in Lawrence, Kansas:
Bulletin. Vol. 2, No. 8. 1902. 8^.
Maatschappij van Nederlandsche Letterkunde in Leiden:
Tijdschrift. N. S. Deel XX, 3. 4; Deel XXI, 1. 2. 1901-1902. 8^.
Handelingen en Mededeelingen, jaar 1901 — 1902. 1902. S«.
Levensberichten 1901-1902. 1902. 8^
Sternwarte in Leiden:
Annalen. Bd. VIII. Haag 1902. 4».
Unterauchunp^en über den Lichtwechsel Algols von Anton Pannekoek.
1902. 40.
Catalogus der Bibliothek. s'Gravenhage 1902. 8®.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 39*
K, Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:
Abhandlangen der math.-phys. Claase. Bd. XXVII, No. 7—9. 1902. 4^.
Berichte der philol.-hist. Claase. Bd. 64, No. 1. 2. 1902. 8°.
Bericht© der math.-phys. Clasae. Bd. 64, No. 3— 5 und Sonderheft. 1902. 8®.
üniversity of Nebraska in Lincoln:
15tb annual Report. 1902. 8^.
Bulletin. No. 69. 70; 72—74. 1901-1902. 8».
Verein für Geschichte des Bodensees in Lindau:
Bodensee-Forschungen. IX. Abschnitt (die Vegetation des Bodensees).
II. Teil. Lindau 1902. 8°.
Museum Frandsco-Carolinum in Linz:
60. Jahresbericht. 1902. 8^.
Boyal Institution of Great Britain in London:
Proceedings. Vol. XVI, 3. 1902. 8«.
The English Historical Review in London:
Historical Review. No. 67 und 68; Vol. XVII. 1902. 8".
Boyal Society in London:
Report to the Malaria Gommittee. 7^ Series. 1902. 8^.
Proceedings. Vol. 70, No. 463—469. 1902. S».
Philosophical Transactions. Series A. Vol. 197. 198; Series B. Vol. 174.
1901. 40.
B. Ästronomicdl Society in London:
Monthly Notices. Vol. 62, No. 8. 9; Vol. 63, No. 2. 1902. 8».
Chemical Society in London:
Journal. No. 477 (August 1902) bis No. 482 (Jan. 1903). 8<>.
Proceedings. Vol. 18, No. 255-257. 1902. 8«.
Linnean Society in London:
Proceedings. IW^ Session November 1901 to June 1902. London. 8®.
TheJoumaL a) Botany. Vol. 35, No. 245; b) Zoology. Vol. 28, No. 179
bis 180. London 1902. 8».
The Transactions. 2od Series. Zoology. Vol. VIII, part 6 — 8; Botany.
Vol. VI, part 2. 3. 1902. 4«.
B, Microscopical Society in London:
Journal 1902. Part 4—6. 8».
Zoological Society in London:
Proceedings. 1902. Vol. I, part 1. 2; Vol. II, part 1 und Index. 1891—1900.
1902. 8^.
Transactions.' Vol. XVI, 6. 7. 1902. 8».
Zeitschrift „Nature" in London:
Nature. No. 1705—1730. 4».
Societe geologique de Belgique in Lüttich:
Annales. Tom. 29, livr. 3. 1902 8«.
40* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
Societe Boy die des Sciences in Lüttich:
M^moires. .111« Serie. Tom. 4. Bruxelles 1902. 8«.
Universität in Lund:
Acta üniversitatia Lundensia. Tom. XXXVII, Abt. I. II. 1901. 40.
Historischer Verein der fünf Orte in Luzern:
Der Geschichtsfreund. Bd. 57. Stane 1902. 8^.
Äcademie des sciences in Lyon:
Le deuxidme Centenaire de TAcadämie des sciences de Lyon. 2 Yols.
1900—1901. 8^.
Memoires. Sciences et Lettres. III« Sörie. Tom. 6. Paris 1901. S^.
Societe d'agriculture, science et industrie in Lyon:
Annales. VII« S^r. Tom. 7, 1899; Tom. 8, 1900. 1901. 8«.
Societe Linneenne in Lyon:
Annales. Tom. 47. 48 (1900. 1901). 1901. S«.
Universite in Lyon:
Annales. I. Sciences. Fase. 8. 9. 1902. 8^.
B. Äcademia de la historia in Madrid:
Boletin. Tom. 41, cuad. 1—6. 1902. 8».
Naturwissenschaftlicher Verein in Magdeburg:
Jahresbericht und Abhandlungen 1900—1902. 1902. 8®.
B. Istituto Lombardo di scienze in Mailand:
Rendiconti. Serie. II. Vol. 34. 1901. 8«.
Memorie. Classe di scienze matematiche. Vol. 19, fasc. 5 — 8. 1902. 4®.
Comitato per le Onoranze a Francesco Brioschi in Mailand:
Opere matematiche di Francesco Brioschi. Tom. II. 1902. 4®.
Societä Italiana di scienze naturdli in Maüand:
Atti. Vol. 41, fasc. 2. 3. 1902. 6^.
Societä Storica Lombarda in Mailand:
Archivio Storico Lombardo. Serie III, fasc. 34. 35. Anno 29. 1902. 6®.
Liter ary and philosophical Society in Manchester:
Memoirs and Proceedings. Vol. 47, part 1. 1902. 8^.
Universität in Marburg:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4^ u. 8«.
Facultc des sciences in Marseille:
Annales. Tom. XII. Paris 1902. 40.
JTennehergischer altertums forschender Verein in Meiniyigen:
Neue Beiträge zur Geschichte deutschen Altertums. Heft 16 und 17.
1902. 8^
Boyal Society of Victoria in Melbourne:
Proceedings. Vol. XV. (New Series.) Part 1. 1902. BP.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 41*
Observatorio meteorolögico-magnUico central in Mexico:
Boletin mensual. 1901. Agosto— Octobre. 4P,
Observatorio astronömico nacional de Tacubaya in Mexico:
Informes presentados a la Secretaria de fomento. 8 voll. 1902. 8^.
Sociedad cientifica „Antonio Alzate^ in Mexico:
Memoria« y revista. Tomo XVI, No. 4—6. 1902. 8®.
University of Missouri:
Studies. Vol. I, No. 2. Columbia 1902. 8«
Internationales Tausch-Bureau der Bepublik Uruguay in Montevideo:
Propiedad j tesoro de la Re'publica Oriental del Uruguay deade 187G
ä 1881. 1886. 40.
Academie de sciences et lettres in Montpellier:
Me'moircB. Section des sciences. 2® S^rie. Tom. III, No. 1. 1901. 8®.
Catalogue de la Bibliotbbque. 1901. 8®.
Lazarev'sches Institut für Orientalische Sprachen in Moskau:
Arbeiten zur Kunde des Ostens (in russ. Sprache). Bd. XI. 1902. 8®.
Sociite Imperiale des Naturalistes in Moskau:
Bulletin. Ann^e 1901, No. 3. 4. 1902. gr. 8«.
Mathematische Gesellschaft in Moskau:
Matematitscbeskij Sbornik. Bd. XXII, 2—4; Bd. XXIII, 1. 2. 1901 bis
1902. 80.
Lick Observatory in Mount Hamilton, California:
Bulletin. No. 20-26. 1902. 4«.
Statistisches Amt der Stadt München:
Münchener Jahresübersichten für 1901. 1902. 4<>.
Die Volk- und Wohnung-Zählung. Teil III. 1902. 40.
Hydrotechnisches Bureau in München:
Jahrbuch 1901. Teil II, Heft 4; 1902, Heft 1—3. 4«.
Generaldirektion der k. b. Posten und Telegraphen in München:
Preisverzeichnis der Zeitungen. I. Abt. und 7 Nachträge. 1902. fol.
K. bayer. technische Hochschule in München:
Personalstand. Winter- Semester 1902/03. 1902. 8^.
Metropolitan- Kapitel München-Freising in München:
Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising. 1902, No. 17—30. 8®.
Universität in München:
Schriften aus dem Jahre 1902 in 4^ u. 8^.
Amtliches Verzeichnis des Personals. Winter-Semester 1902/03. 1902. 8®.
Aerztlicher Verein in München:
Sitzungsberichte. Bd. XI, 1901. 1902. 8^.
Bayer, Dampf kesselrevisions' Verein in München:
Jahresbericht für das Jahr 1901. 1902. gr. 8^.
^ä.>
42* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Historischer Verein in München:
Oberbayerisches Archiv. Bd. 51, Heft 2. 1902. S^,
Altbayeriache Monatsschrift. Jahrg. III, Heft 6. 1902. 4<>.
Verlag der Hochschtd-Nachrichten in München:
Hochschul-Nachrichten. No. 142—144. 146. 147. 1902. 4P.
Äcademie de Stanislas in Nancy:
M^moires. Ann^e 151. 6« S^rie. Tom. 18. 1901. 8®.
SocUte des sciences in Nancy:
Bulletin. S^rie III, tom. 2, fasc. 3. 4; tom. 8, fasc. 1. 1901—1902. 8<>.
Accademia delle scienze fisiche e matematiche in Neapel:
Rendiconto. Serie III. Vol. VII, fasc. 6. 7. 1902. Q^.
Historischer Verein in Neuburg a/D.:
Neuburger Eollektaneen-BIatt. 64. Jahrg. 1902. 8^.
Institute of Engineers in New-Castle (upon-TyneJ:
Transactions. Vol. 51, part 3. 4; Vol. 62, part 1. 1902. 8<>.
Annual Report for the jear 1901/02. 1902. S^.
The American Journal of Science in New-Haven:
Journal. IV. Ser. Vol. 14, No. 80-84. 1902. 8».
American Oriental Society in New-Haven:
Journal. Vol. XXII, 1. 1902. 8«.
American Museum of Natural History in New -York:
Bulletin. Vol. XVII, 1 und 2. 1902. 80
Annual Report for the year 1901. 8®.
American Geographical Society in New -York:
Bulletin. Vol. 34, No. 3. 4. 1902. 8«.
Nederlandsche botanische Vereeniging in Nijmegen:
Prodromus Florae Batavae. Vol. I, pars 2. 1902. 8«.
Nederlandsch kruidkundig Archief. III. Serie. Deel 2, stuk 3. 1902. 8«.
Archaeological Institut of America in Norwood, Mass.:
American Journal of Archaeology. II. Series. Vol. VI, 2 — 4 und Suppl.
zu Vol. VI. 1902. 80.
Naturhistorische Gesellschaft in Nürnberg:
Abhandlungen. Bd. IV. 1902. S«.
Jahresbericht für 1900. 1901. 8«.
Verein für Geschichte und Landeskunde in Osnabrück:
Mitteilungen. 26. Bd., 1901. 1902. 8^.
Geological Survey of Canada in Ottawa:
Catalogue of Canadian Plauts. Part VII. 1902. 8^.
The Dominion of Canada Western Sheet No. 733. 1902.
Royal Society of Canada in Ottawa:
Proceedinga and Transactions. 11'^ Series. Vol. VIT. 1901. 8^.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften. 43*
B. Äccademia dt seiende in Padua:
Riviata periodica. No. 86-66 (1870-1884). 8^
Indice generale zu 1779—1899/1900. 1901. 8^.
Elenco delle Poblicazioni periodiche dal 1779 al presente. 1902. 8^.
Atti e Memorie. Anno 269 (1893—1894). Naova Serie. Vol. 10. 1894. 8°.
Bedaction der Zeitschrift „Bivista di starica antica" in Padua:
N. S. Anno VI, fasc. 3. 4. 1902. 80.
Beäle Äccademia di scienze, lettere e belle arti in Palermo:
Atti. Serie III. Vol. 6. Anno 1900—1901. 1902. 4«.
Circolo matematico in Palermo:
Rendiconti. Tomo XVI, 3-6. 1902. 8«.
Collegio degli Ingegneri in Palermo:
Atti 1902. (Genaaio- Luglio.) 1902. 4P,
Äcadimie de midecine in Paris:
Bapporii annuel de la commission de Thygidne pour l'annäe. 1900 et
1901. 8®.
RappoHi Bur les Taccinations pour Tannäe 1899 et 1900. Melun 1900 bis
1901. 8^.
Bulletin 1902. No. 27—43. S^.
Äcadimie des sciences in Paris:
Comptes renduB. Tom. 136, No. 1—26. 1902. 4^.
jßcole polytechnique in Paris:
Journal. 2« Sörie. Cahier 7. 1902. 4«
Comiti international des poids et mesures in Paris:
Trayanx et Mömoires. Tom. XII. 1902. 4».
Procfes-verbaux des s^ances. II« Serie. Tom. 1. Session de 1901. 1902. 8®.
Institut de France in Paris:
Annuaire pour 1902. 8^.
Comiti du Cinquantenaire scientifique de M. Berthelot ä Paris:
Cinquantenaire scientific de M. Bertbelot. 24. Novembre 1901. 1902. AP.
Moniteur Scientifique in Paris:
Moniteur. Livr. 728-732. 1902. 4©.
Musee Guimet in Paris:
Annalea in 4« Tom. XXX, 1. 2. 1902. 40.
Annales. Biblioth^ue d'ätudes. Tom. 10. 13. 1901. 8^.
Revue de Thistoire des r^ligions. Tom. 43, No. 3; Tom. 44, No. 1 — 3;
Tom. 46, No. 1. 3. 1901—1902. B».
Musium d'histoire naturelle in Paris:
Bulletin. Annde 1901, No. 4— 8; 1902, No. 1— 4. 1901-1902. 8°.
Nouvelles Archives. IV« Särie. Tom. 2 und 3; Tom. 4, fasc. 1. 1900 bis
1902. 49.
Sociite d'anthropologie in Paris:
Bulletins. 5« S^rie. Tom. 2, 1901, fasc. 2—6; 1902, fasc. 1. 2. 8^.
4
44* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschrißen,
SociSti de giographie in Paris:
La Geographie. Annde 1902, No. 7. Jaillet. 4^
SociiU mathimatique de France in Paris:
Bulletin. Tom. 30, fasc. 2. 3. 1902. S«.
Äcadimie Imperiale des sciences in St. Petersburg:
Comptes rendus des sdances de la Commission Sismiqaae. Aniii^e 1902.
Livr. 1. 1902. 4P.
Catalogue de rAcad^mie Imp. des sciences I. 1902. 8^.
Annuaire du Musde zoologique. 1902. Tom. VIT, No. l — 2. 8^.
Iswestija. Tom. 13, No. 4. 6; Tom. 14, No. 1-5; Tom. 15, No. 1-5;
Tom. 16, No. 1—3. 1900-1902. 4«.
Comite geologique in St. Petersburg:
Bulletins. Vol. XX, No. 7-10; Vol. XXI, No. 1—4. 1901-1902. 8^
Memoires. Vol. XV, 4; Vol. XVII, 1. 2; Vol. XVIII, 3; Vol. XIX, 1 et
XX, 2. 1902. 40.
Kaiserl. Botanischer Garten in St. Petersburg:
Acta. Vol. XIX, fasc. 3. 1902. gr. 8«.
Kaiserl. mineralogische Gesellschaft in St. Petersburg:
Verhandlungen. II. Serie. Bd. 39, Liefg. 2. 1902. 8^.
Physika!. -chemische Gesellschaft an der kais. Universität St. Petersburg:
Schurnal. Tom. XXXIV, Heft 5-8. 1902. 8^
Physikalisches Zentral-Observatorium in St, Petersburg:
Annalen 1900. Teil I. II. 1902. 4».
Historisch-philologische Falkultät der kaiserlichen Universität
St. Petersburg:
Sapiski. Bd. L, No. 3; Bd. LIV, No. 2. 3; Bd. LXIV; Bd. LXV, No. 1-3;
Bd. LXVl. 1902. 40.
Academy of natural Sciences in Philadelphia:
Proeeedings. Vol. 53, part 3; Vol. 54, part 1. 1902. 8«
Histoncal Society of Pennsylvayiia tn Philadelphia:
The Pennsylvania Magazine of History. Vol. 26, No. 103. 1902. 8°.
Alumni Association of the College of Pharmacy in Philadelphia:
Alumni Report. Vol. 38, No. 7—12. 1902. S».
American PhilosophicaL Society in Philadelphia:
Proeeedings. Vol. 41, No. 168. 169. 1902. S^.
1\. ScHola normale superiore di Pisa:
Annali. Filosona e filologia. Vol. XV. 1902. S«.
Socictn Toscana di scienze naturali in Pisa:
Atti. Memorie. Vol. XVIII. 1902. 40.
Socicta Jfahaua di fisica in Pisa:
II nnovo Cimento. Serio V. Tom. 3 (Juni); Tom. 4 (Juli— Nov.). 1902. 8«.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschrißen, 45*
Ältertumsverein in Plauen:
Mitteilungen. 16. Jahresschrift für 1901—1902. 1902. 8^.
Das Amt Plauen von C. v. Raab. 1902. 8®.
Maharaja Takhtasingji Observatory in Poona:
Poblications. Vol. I. Bombay 1902. 4«.
Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur
in Prag:
Czapek, Untersuchungen Über die Stickstoffgewinnung der Pflanzen.
Braunschweig 1902. 8^.
Czapek, Zur Kenntnis der Stickstoffversorgung bei Aspergillus niger.
Berlin 1902. 8».
Bibliothek deutscher Schriftsteller aus Böhmen. Bd. 13. 1902. 8^.
Museum des Königreichs Böhmen in Prag:
Bericht för das Jahr 1901. 1902. 80.
Öasopis. Bd. 76 (1902), Heft 2-4. 8».
Societe des amis des antiquites bohemes in Prag:
Jan Herain et J. Matiegka, Tycho Brahe. 1902. 8®.
Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen in Prag:
Mitteilungen. Bd. 40, Heft 1—4 und Festschrift zum 40jährigen Bestände.
1902. 80.
Verein für Natur- und Heilkunde in Pressburg:
Verhandlungen. Bd XXXII. Jahrg. 1901. 1902. 8«.
Naturforscher- Verein in Biga:
Korrespondenzblatt. No. XLV. 1902. S^.
Museu nacional in Bio de Janeiro:
Archivos. Vol. X. XI. 1899—1901. 4«.
Bibliotheca nacional in Bio de Janeiro:
Magalhäes, A Confedera9uo dos Tamoyos. Poema 1856. 4^.
Relatorio apresentado pelo Director da Bibliotheca Nacional em 1901.
1901. 40.
Observatorio in Bio de Janeiro:
Annuario 1902, Anno XVII. 8«.
Boletim mensal. Julho-Dez. 1901; Janeiro— Junho 1902. 1902. 4®.
Beaie Accademia dei Lincei in Born:
Atti. Serie V. Classe di scienze morali. Vol. X, parte 2, fasc. 4—9. Notizie
degli scavi. 1902. 4^.
Rendiconti. Classe di scienze morali. Serie V, Vol. XI, fasc. 5 — 10.
1902. 80.
Atti. Serie V, Rendiconti. Classe di scienze fisiche. Vol. 40, 1^ semestre,
fasc. 12; 2® semestre, fasc. 1—11. 1902. 40.
Rendiconto deir adunauza solenne del 1. Giugno 1902. Vol. II. 1902. 4^.
Accademia Pontificia de' Nuovi Lincei in Born:
Atti. Anno 55. 1901—1902. Sessione 1— VII. 1902. 4«.
46* Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften,
B. Comitato geologico d'Italia in Born:
ßollettino. Vol. 33, No. 1—8. 1902. 8».
Kaiserl, deutsches archäologisches Institut (röm, Abt) in Born:
Mitteilungen. Bd. XVII, Heft 1. 2 und Register zu Bd. I— X. 1902. 8°.
Ufficio centrale meteorologico itäliano in Born:
Annali. Seriell. Vol. XIII, 1; Vol. XVIH, 1. 1901—1902. 40.
K, itcUienische Begierung in Born:
Le Opere di Galilei. Vol. XII. Firenze 1902. 4®.
B, Societä Bomana di storia patria in Born:
Archivio. Vol. XXV, fasc 1. 2. 1902. 8».
Universität Bostock:
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4^ u. 8®.
Äcademie des sciences in Bouen:
Trdcis des travaux. Annöe 1900-1901. 1902. 8^.
B. Accademia di scienze degli Agiati in Bovereto:
Atti. Serie III. Vol. 8, fasc. 2. 1902. 8^.
£cole frangaise d' Extreme-Orient in Saigon:
Bulletin. Tom. IV, No. 2. 3. Hanoi 1902. gr. Q^.
Gesellschaft für Salzburger Landeskunde in Salzburg:
Mitteilungen. 42. Vereinsjahr. 1902. 8«.
Historischer Verein in St. Oallen:
Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte. Bd. XXVIII. 3. Folge.
1902. 8®.
Neujahrsblatt 1902. 4».
Missouri Botanical Garden in St, Louis:
13th annual report. 1902. 8^
Institute y Observatorio de marina de San Fernando (Cadiz):
Almanaque nautico para el ano 1904. 1902. 4®.
Californio Academy of Sciences in San Francisco:
Occasional Papera. Vol. VIII. 1901. 8^.
Proceedings. Zoology, Vol. II, No. 9—11; Vol. III, No. 1—4; Botany,
Vol. II, No. 3—9. 1902. 8«.
Verein für mecklefthurgische Geschichte in Schwerin:
Jahrbücher und Jahresberichte. 67. Jahrg. 1902. 8®.
K. K. archäologisches Museum in Spalato:
Bullettino di Archeologia. Anno XXV, 1902, No. 6— 11. ^.
K. Vitterhets Historie och Äntiquitets Alademie in Stockholm:
Mc\nad8blad. 26. Jahrg. 1897. 1902. 09.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 47*
K. Akademie der Wissenschaften in Stockholm:
kc. Benelins-Själfbiografiska Anteckningar. 1902. 8®.
innefesten öfver Berzelius. 1901. 8^.
. C. Dunör, Tal . . Tycho ßrahe. 1901. S».
eteorologiska Jakttagelser i Sverige. 1897, Bd. 89. 1902. 49.
Fversigt. Vol. 58 (1901). 1901—1902. 8».
andlingar. N. F. Bd. 85. 1901—1902. 8».
hang til Handlingar. Vol. 27. 1901—1902. 8».
Geologiska Förening in Stockholm:
Srhandlingar. Bd. 24, Heft 5—6. 1902. 8».
Institut Boyäl geölogique in Stockholm:
reriges geologiska nndersOckning. Sär. Aa, No. 115. 117; Ser. Ac, No. 1
bis 4. 6; S^r. Ba, No. 6; Sär. Bb, No. 9; Ser. C, No. 172. 180. 183
bis 192; Sär. Ca, No. 1. 2. 1902. 8«.
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Strasshurg:
onatsbericbt. Tom. 86, 1902, No. 6—9. 8^.
Kaiserl. Universität in Strasshurg:
^hriften ans dem Jahre 1901/02 in 4^ u. 8^.
JT. toürttemberg, Kommission für die internationale Erdmessuug
in Stuttgart:
elative Schweremessungen II. von K. R. Eoch. 1902. 8^.
Württemhergische Kommission für Landesgeschichte in Stuttgart:
ierteljahreshefte für Landesgeschichte. N. F. XI. Jahrg., 1902, Heft 1
bis 4. 8<>.
K, württemh, statistisches Landesamt in Stuttgart:
Türttembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde. 1902. 4^.
tatistisches Handbuch für das Königreich Württemberg. 1902. 8^.
West Hendon House Ohservatory in Sunderland:
ablications No. IL 1902. 4^.
Department of Mines and Agriculture of New-South- Wales in Sydney:
nnnal Report for the year 1901. 1902. fol.
andbook to the Mining and Geological Museum, by George W. Card.
1902. 80.
Geological Survey of New-South- Wales in Sydney:
ecords. Vol. VII, 2. 1902. 49.
Boyal Society of New-South- Wales in Sydney:
)umal and Proceedings. Vol. 85. 1901. 8®.
Linnean Society of New-South- Wales in Sydney:
he Proceedings. Vol. XXV, 1—4; Vol. XXVI, 1—4; Vol. XXVII, 1. 1900
bis 1902. 80.
Earthqudke Investigation Committee in Tokyo:
ablications Nq. 8. 9. 1902. 4^,
48* Verzeichnis der eingelaufenen Dmckschriften,
Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokyo:
Geschichte des Christentums in Japan von Hans Haas. Teil 1. 1992. 8®.
Mitteilungen. Bd. IX, Teil 1. 1902. 80
Festschrift zur Erinnerung an das 25jährige Stiftungsfest. 1902. 8^.
Kaiserl. Universität Tokyo (Japan):
The Journal of the College of Science. Vol. XVF, 2—14; Vol. XVII, 8
und No. 7— 10; Vol. XVII, part II. 1902. 4<>.
The Bulletin of the College of Agriculture. Vol. 5, No. 1. 2. 4. 1902. 40.
üniversity of Toronto:
Studies. Biological, Series No. 2. 1901. 4®.
Review of Historical Publications rel. to Canada. Vol. VI. 1901. 4®.
üniversite in Toulouse:
Annales du Midi. XI V® Ann^e, No. 51—54. 1902. 4^.
Annales de la faculte des sciences. II® S^rie. Tom. 3; Tom. 4, fasc. 1. 2.
Paris 1901—1902. 4».
Bibliotheque m^ridionale. 2® Sörie. Tom. 7.
Biblioteca e Museo coniunale in Trient:
Archivio Trentino. Anno XVII, fasc. und Indice zu I— XVI. 1902. 8^
Kaiser Franz Josef-Museum in Troppau:
Jahresbericht 1901. 1902. 8^.
Universität Tübingen:
Wilh. Schmid, Verzeichnis der griech. Handschriften der üniveraitäts-
bibliothek Tübingen. 1902. 49,
Christian Seybold, die Drusenschrift Kitkb alnoqat. Kirchheim 1902. 4'.
Tufts College Library in Tufts Coli. Mass,:
Studies. No. 7. 1902. S».
B. Äccademia delle scienze in Turin:
Atti. Tom. 37, disp. 11—15. 1902. S»
K. Universität in Upsala:
Bidrag tili Sveriges Medeltidshistoria, tillegnade. C. G. Malmström.
1902. 80.
Eranos. Acta philologica suecanea. Vol. 4, fasc. 2—4. 1902. 8®.
Urkunder och Töfattningar angaende Donationer vid Upsala K. UniFeraitet.
1902. 8».
Schriften aus dem Jahre 1901/02 in 4^ u. 8^.
Provincial Utrechtsch Genootschap in Utrecht:
Aanteekeningen 1902. 8^.
Verslag 1902. S».
Physiologisch Laboratorium der Hoogeschool in Utrecht:
Onderzoekingen. V. Reeks. IV, 1. 1902. 8^.
Ätcneo Veneto in Venedig:
L'Ateneo Veneto. Anno XXI, Vol. 1, fasc. 3; Vol. 2, fasc. 1—3; Anno XXII,
"'ol. 1, fasc. 1-3; Vol. 2, fasc. 1-3. 1898—1899. 8«.
Verzeichnia der eingelaufenen Druckschriften, 49*
JR, latituto Veneto di scienze in Venedig:
Atti. Tom. 56, disp. 8—10; Tom. 58, disp. 1—5; Tom. 69, diep. 1. 2 und
Suppl. al Tom. 57. 1897-- 1898. 8».
Memorie. Vol. XXVI, No. 3—5. 1899. 4»
Accademia di Scienze in Verona:
Atti e Memorie. Serie IV. Vol. II. 1901-- 1902. gr. 80.
Mathematisch-physikalische Gesellschaft in Warschau:
Prace Matematyczno-fizycne. Tom. 13. 1902. 8^
National Academy of Sciences in Washington:
Memoirs. Vol. VIII, 6*1» Memoir. 1902. 4^
Bureau of Ämerica/n Ethnology in Washington:
Bulletin. No. 26. 1902. 4«.
ü, S, Departement of Ägriculture in Washington:
North American Fauna. No. 22. 1902. 8®.
Yearbook 1901. 1902. 8«.
Smithsoman Institution in Washington:
Annual Report of the ü. S. National Museum. 1899—1900. 1902. 8".
SmithsonianMiscellaneousCollections. No. 1174. 1259. 1312— 1314. 1902. 8<^.
ü. S, Naval Observatory in Washington:
Publications. Vol. II. 1902. 4«.
Ü.S.Coast and Geodetic Survey in Washington:
Report 1899/1900. 1901. 4°.
Annual Report for 1901. 1902. 4^.
The Eastern oblique Are of the United State«^. 1902. 4^.
United States Geölogical Survey in Washington:
Bulletins. No. 177—190; No. 192—194. 1901—1902. 8».
21«> Annual Report 1899—1900. Part 5 und 7. 1900. 4«.
The Geology and Mineral Resources of the Copper River District, Alaska.
1901. 40.
Reconnaissances in the Cape Nome and Nordon Bay Regions, Alaska,
in 1900. 1901. 4«.
Mineral Resources of the United States 1900. 1901. 8^.
K. Akademie für Landwirtschaft und Brauerei in Weihenstephayi:
Bericht für das Jahr 1901/02. Freising 1902. 8^.
Savigny-Stiftung in Weimar:
Zeitschrift für Rechtsgeschichte. 23. Bd. der romanistischen und der
germanistischen Abteilung. Weimar 1902. 8^.
Kaiserh Akademie der Wissenschaften in Wien:
Sndarabische Expedition. Bd. III. IV. 1901. 4^.
Sitzungsberichte. Mathem.-naturwissensch. Classe.
Abt. I, Bd. 110, Heft 5— 7.
, IIa, , 110, , 8-10.
, IIb, , HO, , 8. 9.
, III, .110, , 1-10. 1901. 80.
Denkschriften. Philos.-hist. Classe. Bd. 47.
Denkschriften. Mathem.-naturwissensch. Classe. Bd. 70. 1902. 4^.
Archiv fTir österreichische Geschichte. Bd. 91, 1. Hälfte. 1902. 8^.
50* Verzeichnis der eingelaufenen Dmeksehriflen.
K, K, geologische Reichsanstalt in Wien:
Verhandlungen 1902. No. 7—10. 4^
Abhandlungen. Bd. VI, Abt. 1, Suppl.-Heft. 1902. fol.
Mitteilungen der Erdbebenkommission. N. F. No. 7. 8. 1902. 8^.
K. K. Zentralanstalt für Meteorologie in Wien:
Jahrbücher. Bd. 47. Jahrg. 1902. (N. F. Bd. 89.) 1902. 40
K, K. Gesellschaft der Aerete in Wien:
Wiener klinische Wochenschrift. 1902, No. 29—62. 4^.
Zoologisch-botanische Gesellschaft in Wien:
Verhandlungen. Bd. 62, Heft 6—10. 1902. 8«.
Abhandlungen. Bd. II, Heft 1. 1902. 4®.
K. K. Oesterr, archäologisches Institut in Wien:
Sonderschriften. Bd. IIJ. Eleinasiatische Münzen von F. Imhoof-Blamer.
1902. 40.
K. K. müitär-geographisches Institut in Wien:
Astronomisch-geodatische Arbeiten. Bd. XVIII. Wien 1902. 4**.
K, K, naturhistorisches Hofmuseum in Wien:
Annalen. Bd. XVII, 1. 2. 1902. gr. 8^.
K, K, Universität in Wien:
Schriften aus dem Jahre 1901/02.
K, K. Sternwarte in Wien:
Annalen. Bd. XIV. XVII. 1900-1902. 4».
Nassauischer Verein für Naturkunde in Wiesbaden:
Jahrbücher. Jahrg. 55. 1902. 8».
Physikalisch-medizinische Gesellschaft in Würzburg:
Verhandlungen. N. F. Bd. XXXV, No. 2. 3. 1902. ^.
Sitzungsberichte. Jahrg. 1901, No. 5-7; 1902, No. 1. 2. 1901—1902. 8*.
Schweizerische meteorologische Zentralanstalt in Zürich:
Annalen 35. Jahrg. 1900. 4^
Naturforschende Gesellschaft in Zürich:
Vierteljahrsschrift. 47. Jahrg., Heft 1. 2. 1902. 8<».
Schweizerische geologische Kommission in Zürich:
Materiaux pour la carte g^ologique de la Suisse. N. S^r. Livr. XIII. Bernd
1902. 4".
Schweizerisches Landesmuseum in Zürich:
Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde. N. F. Bd. IV, No. !•
1902. gr. 8«.
J.R.Rahn, Zur Statistik Schweiz. Kunstdenkmäler. Bogen XV. 1902. gr-Ö**.
10. Jahresbericht 1901. 1902. 8»
Sternwarte des eidgenössischeyi Polytechnikums in Zürich:
Publikationen. Bd. III. 1902. 4».
Universität ifi Zürich:
•iften aus dem Jahre 1901/02 in 4^ u. 8^.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, bV
Von folgenden Privatpersonen:
Henrik Afzelius in Stockholm:
rik Benzelius II. Stockholm 1902. 8^.
Buchhandlung Joh, Ämbrosius Barth in Leipzig:
eiblätter"zu den Annalen der Phyaik. 1902, No. 8 — 12. Leipzig 1902. 8^,
mrnal für praktische Chemie. N. F. Bd. 65, Heft 11; Bd. 66, Heft 1-10.
Leipzig 1902. 8^.
Franz Bayherger in München:
eographische Studien über das nordwestpfalzische LauterthaL Dürk-
heim 1902. S«.
Verlagsbuchhandlung Gustav Fischer in Jena:
aturwisaenscliaftliche Wochenschrift. 1902, Bd. 17, No. 41—52; Bd. 18,
No. 1— 13. Jena. 4».
W. Oallenkamp in München:
ine neue Bestimmung von Eapillaritätskonstanten mit Adhäsionsplatten
Leipzig 1902. 80.
P. J, M, van Güs in Herzogenroth fEheinprovinz) :
uaestiones Euhemereae. Amsterdam 1902. 8^.
M*^ Godin in Guise (Aisne):
3 Devoir. Tom. 26 (Juli— Dec). 1902. 8°.
Ernst Haeckel in Jena:
unstformen der Nator. Liefg. VII. Leipzig 1902. fol.
Adolf Harnack in Berlin:
ie Mission nnd Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahr-
hunderten. Leipzig 1902. 8^.
G. N, Hatzidakis in Athen:
xadtjfieixa avayvwaiJiaxa, Tom. 1. 1902. 8^.
Lachiche Hugues in Fort-Louis, Maurice:
n seul Champignon sur le globel (sur les maladies des plantes). Port
Louis. 1902. 80.
Charles Janet in Paris:
otes sur les fourmis et les guepes. Extraits des Comptes rendus des
S^ances de TAcad^mie des Sciences. Paris 1894—1900. 4P.
0, Kienitz und K. Wagner in Karlsruhe:
iteratur der Landes- und Volkskunde des Grossherzogtums Baden.
Karlsruhe 1901. 8^.
A, Kölliker in Würzburg:
eher die oberflächlichen Nervenkerne im Marke der Vögel und Rep-
tilien. Leipzig 1902. 8<>.
52* Verzeichnia der eingelaufenen Druekschriften,
Karl Krumhacher in München:
ByzanÜDische Zeitschrift. Bd. XI, Heft 8. 4. Leipzig 1902. 8^.
Byzantinisches Archiv. Heft 3. 1903. 8^.
Langenscheidi'aehe VerleigshueiMiandlung in Berlin:
Brieflicher Sprach- und Sprechunterricht für das Selbststudium der
Russischen Sprache. Liefg. 1—28. Berlin. S^.
0, Loeto in Tokyo:
4 Separatabdrücke (zur Landwirtschaftskunde). 1902. 4®.
Paul Maas in München:
Studien zum poetischen Plural bei den Römern. Leipzig 1902. 8^.
Arthur Macdonald in Washington:
A Plan for the Study of Man. 1902. 8».
Gabriel Monod in Versaiües:
Revue historique. Annäe XXVH, Tom. 80, 1902, 1., Sept.— Oct; IL, No?.
— Däc. Paris. 8».
Ghistav Niederlein in Philadelphia:
Resources väg^tales des Colonies Fran9ai8e8. Paris 1902. fol,
Eugen Oberhummer in München:
Konstantinopel unter Suleiman dem Grossen. München 1902. fol.
Die Insel Cypem. München 1903. 8^.
Friedr, Attg. Otto in Düsseldorf:
Ein Problem der Rechenkunst. Düsseldorf 1902. 8®.
Carlo Pascal in Catania:
1. De Metamorphoseon locis quisbusdam. 2. Osservazioni sul primo libro
di Lucrezio Puntata I. 8. Di una fönte greca del Somnium Scipionis
di Cicerone. 1902. 8^.
Verlagsbuchhandlung Dietrich Beimer in Berlin:
Zeitschrift für afrikanische, ozeanische und ostasiatische Sprachen. Jahr-
gang VI, Heft 2. 3. Berlin 1902. 8».
Gustav Betifius in Stockholm:
Anthropologia Suecica. Stockholm 1902. fol.
Saint'Lager in Lyon:
Histoire de TAbrotonum. Paris 1900. 8^.
La Perfidie des Synonymes ddvoilde ä. propos d'un Astragale. Lyon 1901. 8*^.
Lucian Scherman in München:
Orientalische Bibliographie. Jahrg. XV, Heft 1—3. Berlin 1902. 8®.
Verlag der vereinigten Druckereien u. Kunstanstalten, vorm. Schön dt Maison
in München:
Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel. Jahrg. % Heft 4
bis 12. 40
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften, 53*
Bichard Schröder in Heidelberg:
Lehrbach der deutschen Rechtsgeschichte. 4. verbesserte Auflage. Leipzig
1902. 8«.
Franz Eühard Schulze in Berlin:
An Account of the ludian Triazonia. Galcutta 1902. 4^.
Verlag von Seitz dt Schauer in München:
Deutsche Praxis. 1902, No. 14—24. München. &>,
B. G. Teubner in Leipzig:
Encjklopädie der mathematischen Wissenschaften. Bd. III, Heft I; Bd. IV, 1 ,
Heft 2; Bd. I, Heft 7. Leipzig 1902. 8».
Archiv der Mathematik und Physik. III. Reihe, 3. Bd., Heft 3. 4; Bd. 4,
Heft 1. 2. Leipzig 1902. gr. ^,
Thesaurus linguae latinae. Vol. I, fasc. 6 und Vol. II, fasc. 4. Lipsiae
1902. 4«.
E, V. WÖlfflin in München:
Archiv für lateinische Lexikographie. Bd. XIII, 1. Leipzig 1902. 8^.
A. Wolfer in Zürich:
Revision of Wolts Sun-Spot relative numbers (Sep.-Abdr.). 1902. 4^.
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