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Full text of "Sitzungsberichte der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München"

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Sitzungsberichte 

der 

mathematisch- physikalischen  Classe 

der 

k.  b.  Akademie  der  Wissenschaften 

zu  Mlünchen. 


Band  XXXU.    Jahrgang  1902. 


Hfinchen. 

Verlag  der  k.  Akademie. 
1903. 

Ib  OoBUniMioit  dM  O.  Fimiis*Bohen  Yeiiags  (J.  Boih). 


Uebersicht 

des  Inhaltes  der  Sitzungsberichte  Bd.  XXXII 
Jahrgang  1902. 

Die  mit  *  bezeichneten  Abhandlungen  sind  in  den  Sitzungsberichten  nicht  abgedruckt. 

Sitzung  vom  4.  Janimr  1902,  seite 

A.  Loewy:  üeber  Differentialgleichungen,  die  mit  ihren  adjungirten 

zu  derselben  Art  gehören 3 

*H.  Seeliger:  üeber  die  Veränderungen  in  den  Nebeln  der  Nova 

Peraei 1 

*A.  V.  Baejer:   üeber  die  Vierwerthigkeit  des  Sauerstoffs  1 

*P.  Lindemann:  Bemerkungen  über  Hypothesen,  welche  in  der 
mathematischen  Physik  in  Bezug  auf  die  Constitution  der 
Atome  gemacht  worden  sind  1 

Sitzung  vom  1.  Februar  1902. 

*S.  Finsterwalder:    üeber    die    mechanische    Nachbildung    von 

Minimalflächen 15 

S.  Günther:  üeber  gewisse  hydrologisch- topographische  Grund- 
begriffe       17 

*C.  V.  Kupffer:  üeber  die  Commissura  veli  transversi  des  Hirns  15 
A.  Korn:  üeber  ein  Verfahren  der  elektrischen  Femphotographie  39 
*G.  Egger:  Der  Bau  der  Orbitolinen  und  verwandter  Formen  .  15 
*F.  Broili:  üeber  die  Fauna  der  Orbitolinen  führenden  Schichten 

der  untersten  Kreide  in  der  Krim 15 

N.  Perry:   Das  Problem  der  conformen  Abbildung  für  eine  spezielle 

Kurve  von  der  Ordnung  3n 43 

Sitzung  vom  1.  März  1902, 

*K.  Göbel:   üeber  Homologie  in  der  Entwicklung  weiblicher  und 

männlicher  Geschlechtsorgane 55 

R.  Hertwig:   üeber  Wesen  und  Bedeutung  der  Befruchtung  57 

*F.  Doflein:  üeber  Decapoden  Ostasiens 55 


IV 


Scito 


*S.   Uünther:     Die    Entwicklung    des    Winkelmessens    mit    dem 

Jakobsstabe 55 

A.  Korn:  üeber  den  einfachsten  semidefiniten  Fall  in  der  eigent- 
lichen Variationsrechnung 75 

H.  Brunn:   Neue  Mittelwerthssätze  über  bestimmte  Integrale  91 

*A.  V.  Baeyer:   Ueber  Abkömmlinge  des  Triphenylmethan's  55 


Sitzung  vom  3.  Mai  1902. 

K.  T.  Fischer  und  H.  Alt:  Siedepunkt,  Gefrierj^unkt  und  Dampf- 
spannung des  reinen  Stickstoflfs  bei  niedrigen  Drucken  (mit 
Taf.  I  und  II) 113 

Sitzuyig  vom  7.  Juni  1902, 

*C.  V.  Linde:    Beobachtungen    bei    der   fractionirten    Destillation 

und  Rectification  flüssiger  Luft 152 

F.  Lindemann:    üeber  das  PascaFsche  Sechseck    .         .         .         .153 
*J.  G.  Egger:    Ergänzungen    zum    Studium    der    Foraminiferen- 

Familie  der  Orbitoliniden 152 

A.  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transcendenten  Functionen     163 
A.  Rothpletz:    Ueber    den    Ursprung    der    Thermalquellen    von 

St.  Moriz 193 

Sitzung  vom  5.  Juli  1902. 

*C.  Göbol:    üeber  Regeneration  bei  Pflanzen  ....     208 

K.  T.  Fischer  und  H.  Alt:    Erstarrungs-   und   Schmelzdruck   des 

Stickstoffs 209 

OejfentUchc  Sitzung  zur  Feier  des  143.  Stiftungstages 
am  13.  März  1902. 

K.  A.  V.  Zittel:    Ansprache 217 

C.  V.  Voit:   Nekrologe 232 

Sitzung  vom  8,  November  1902. 

A.  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transcendenten  Func- 
tionen (Nachtrag) 295 

0.  Walkhoff:  Die  diluvialen  menschlichen  Knochenreste  in  Belgien 
und  Bonn  in  ihrer  structurellen  Anordnung  und  Bedeutung 
für  die  Anthropologie 305 


Soito 

A.  Rothpletz:    Ueber  die   Möglichkeit  den   Gegensatz  zwischen 

der  Contractions-  und  Expansionstheorie  aufzuheben  .311 

A.  Schmanss:    Magnetische  Drehung  der  Polarisationsebene  des 

Lichtes  in  selektiv  absorbirenden  Medien    (mit  Taf.  III— VI)    327 

E.  Stromer  von  Reichenbach:  Bericht  über  eine  von  den  Privat- 
dozenten Dr.  Max  Blanckenhom  und  Dr.  Ernst  Stromer  von 
Reichenbach  ausgeführte  Reise  nach  Aegjpten      .        .        .341 

M.  Blanckenhom:  Neue  geologisch  -  stratigraphische  Beobach- 
tungen in  Aegypten 353 

P.  Oppenheim:  Ueber  die  Fossilien  der  Blättermergel  von  Theben 

(mit  Taf.  VII)  435 


Oeffentliche  Sitzung  zu  Ehren  Seiner  Majestät  des  Königs  und 
Seiner  Königl.  Hoheit  des  Prinzregenten  am  15.  November  1902* 

*K.  A.  V.  Zittel:   Ueber  wissenschaftliche  Wahrheit                .        .    457 
Wahlen 457 


Sitzung  vom  6.  Dezember  1902, 

*A.  V.  ßaeyer:  Ueber  Triphenylmethan-Derivate    ....  458 

*R.  Hertwig:   Ueber  Correlation  von  Kern-  und  Zellgrösse  .  458 

*M.  Schlosser:  Ueber  die  fossilen  Säugethiere  China's         .         .  458 

S.  Günther:  Glaziale  Denudationsgebilde  im  mittleren  Eisackthale  459 
J.  Rückert:  Ueber  die  Abstammung  der  bluthaltigen  Gefässanlagen 
beim  Huhn   und  über  die  Entstehung  des  Randsinus  beim 

Huhn  und  bei  Torpedo  (mit  Taf.  VIII) 487 


Einsendungen  von  Druckschriften 1*— 27* 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Mathematisch-physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  4.  Januar  1902. 

1.  Herr  Ferd.  Lindemann  überreicht  eine  Abhandlung  des 
Herrn  Privatdozenten  Dr.  Loewy  in  Freiburg:  ^Ueber  Dif- 
ferentialgleichungen, die  mit  ihren  adjungirten  zu 
derselben   Art   gehören." 

2.  Herr  H.  Seeliger  spricht  „über  die  Veränderungen 
in  den  Nebeln  der  Nova  Persei.**  Diese  vorläufige  Mit- 
theilung wird  später  zur  VeröfiFentlichung  kommen. 

3.  Herr  A.  v.  Baeyer  theilt  die  Resultate  seiner  neuesten 
Arbeiten  „über  die  Vierwerthigkeit  des  Sauerstoffs" 
mit,  welche  anderwärts  veröfiFentlicht  werden  sollen. 

Hieran  knüpft  Herr  Ffrd.  Lindemann  einige  Bemerkungen 
über  die  Hypothesen  an,  welche  in  der  mathematischen  Physik 
in  Bezug  auf  die  Constitution  der  Atome  gemacht  worden  sind. 


190S.  SitxnngBb.  d.  math.-phys.  Ol. 


Ueber  Differentialgleichungen, 
die  mit  ihren  adjnngirten  zu  derselben  Art  gehören. 

Von  Alfred  Loewy. 

{Eingtlaufeu  4.  Jamuir  1902.) 

Herr  Gino  Fano*)  hat  sich  mehrfach  mit  dem  Satze  be- 
schäftigt: 

Die  nothwendige  und  hinreichende  Bedingung  dafür,  dass 
die  Integrale  einer  linearen  homogenen  Differentialgleichung 
wter  Ordnung: 

(D)    y(")  +  p,  {x)y^^-'^  +  p^ (a;) i/C»-2)  +  . .  .  +  ^„ (a;)y  =  0 

durch  eine  Transformation: 

z  =  %{x)y  +  a, {x)y'  +  a^{x)y"  +  .  . .  +  an-i{x)y^*'-^\ 

wobei  die  ^{x),  a^{x),  .  .  .  an-i{x)  dem  Rationalitätsbereiche, 
för  den  die  Rationalitätsgruppe  betrachtet  wird,  angehören, 
in  diejenigen  der  adjungirten  Diö'erentialgleichung : 

(D,)   -^^»•)  —  (i>i-^y"-^)  +  (Pi^y**-^^  —...(—  lypn^  =  0 

übergeführt  werden  können,  dass  also  (D)  und  (DJ  zu  derselben 
Art*)    gehören,    besteht    darin,    dass    die    Rationalitätsgruppe 

*)  G.  Fano,  Sülle  equazioni  differenziali  lineari  che  appartengono 
alla  stessa  specie  delle  loro  aggiunte.  (Atti  della  R.  Acc.  di  Torino, 
vol.  34,  (1899).)  Osservazioni  sopra  alcune  equazioni  differenziali  lineari. 
(Itend.  della  R.  Acc.  dei  Lincei  (1899).)  Ueber  lineare  homogene  Diffe- 
rentialgleichungen mit  algebraischen  Relationen  zwischen  den  Funda- 
mentallösungen.    Math.  Ann.  Bd.  53,  p.  568. 

2)  Vgl.  Ludwig  Schlesinger,  Handbuch  der  Theorie  der  linearen 
Differentialgleichungen.     Bd.  II  1,  p.  120  und  124. 

1* 


4  Sitzung  der  maih,-phys.  Classe  vom  4.  Januar  1902. 

von  (D)  aus  lauter  Transformationen  gebildet  ist,   welche  eine 
bilineare  Form:  •=«*=»» 

i=lk=l 

von  nicht  verschwindender  Determinante  mit  cogredienten 
Variablenpaaren  y,,  ^i  in  sich  überführen.  Es  möge  mir 
gestattet  sein,  dieses  Resultat  einerseits  für  die  Theorie  der 
associirten  Differentialgleichungen,  andererseits  für  die  DiflFeren- 
tialgleichungen ,  denen  die  Producte  der  Integrale  der  vor- 
gelegten Differentialgleichung  zu  je  zweien  genügen,  zu  ver- 
werthen. 

§  1. 

y„  ein  Fundamentalsysteni  von  (D)  dar. 


Stellen  y,,  y,, 
und  bildet  man: 


y«i  <»•■<„ 


y'ix 

y\ 


y'h 


vi 


4/(»»»-l)|*(m-l)  iA"*~^^ 

^•1  '^h  '   '   '    ^*ni 

wobei  ij  <  ij  .  .  .  <  im  und  ij,  ij»  •••*»»  ^^^^  J^^^  Combination 
der  Zahlen  1,  2,  ...  n  zu  je  m  bedeuten,  so  genügen  diese 
V  =  (U;)  Determinanten  einer  linearen  homogenen  Differential- 
gleichung, die  zuerst  von  Herrn  L.  Fuchs  ^)  untersucht  wurde 
und  nach  Herrn  Ludwig  Schlesinger*)  die  n-mte  associirte 
Differentialgleichung  von  D  =  0  heisst ;  diese  Differential- 
gleichung soll  für  das  Folgende,  wie  es  im  allgemeinen  der  Fall 
ist,  von  der  Ordnung  (^)  angenommen  werden.     Ist   A  irgend 

k-H 

eine  lineare  Substitution,  welche  y,  in  ]Ca,kt/k  (i  =  1,  2,  . .  .  w) 


überführt,    so  erleiden  die  y, 


•!•>• 


die  w-wite   associirte  Sub- 


stitution .^••-"•^  nämlich  die  y,,,,...^^  gehen  über  in 
kl**...*,, 


1)  L.  Fuchs,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  (1888),  p.  1115. 
-)  Ludw.  Sohlesinger,  Handbuch  II 1,  p.  125. 


A,  Loewy:  Ueber  Differentialgleichungen, 
dabei  ist: 


^«i»2...«m*l*2...*„ 


j  «12*1   «12*2     •   •    •    ^«2frm 


und  Äj  <  ifcj  .  .  .  <  jfc,n  bedeutet  eine  jede  Combination  der 
Zahlen  1,  2,  ...  w  zu  je  m.  Die  Theorie  der  associirten 
Differentialgleichungen  beruht  in  ihren  Grundlagen  auf  dem 
Angegebenen  und  dem  Satze,  dass  die  n-mte  associirte  Sub- 
stitution einer  aus  zwei  Substitutionen  componirten  Substitution 
aus  den  w-i»ten  associirten  Substitutionen  der  beiden  Com- 
ponenten  in  derselben  Reihenfolge  zusammengesetzt  ist.  Ist 
Ä'B=  Cj  so  ist: 

Jin-m)  .  J5(n-m)  _  (7(n-m)  1) 

Nehmen  wir  nun  an,  dass  eine  DiflFerentialgleichung  (D) 
mit  der  ihr  adjungirten  DiflFerentialgleichung  zu  derselben  Art 
gehört,  so  führen  alle  Transformationen  der  Rationalitätsgruppe 
von  (D)  eine  und  dieselbe  bilineare  Form  q?  mit  cogredienten 
Variablenpaaren  von  nicht  verschwindender  Determinante  in 
sich  über.  Die  Rationalitätsgruppe  der  w-mten  associirten 
Differentialgleichung  besteht  aus  den  w-mten  associirten  Sub- 
stitutionen der  Rationalitätsgruppe  von  (D).  Bedenkt  man, 
dass  die  transponirte  Substitution  von  einer  w-mten  associirten 

*)  Die  obige  Formel  war,  wie  ich  bemerken  möchte,  schon  Weier- 
strass  im  Jahre  1868  bekannt.  Vgl.  die  in  Baltzers  Theorie  und  An- 
wendung der  Determinanten  (4.  Aufl.  (1875))  übergegangene  briefliche 
Mittheilung  von  Weierstrass,  die  W.  an  Baltzer  aulässlich  der  Abhand- 
lung über  bilineare  und  quadratische  Formen  (Monatsberichte  der  Ber- 
liner Akademie,  (1868))  machte.  Baltzer,  a.  a.  0.,  p.  55.  Es  sei  noch 
erwähnt,  dass  diese  Untersuchungen  über  die  associirten  Differential- 
gleichungen mit  der  Theorie  der  sogenannten  Begleitformen,  Concomi- 
tanten  (Smith)  einer  bilinearen  Form  in  engstem  Zusammenhang  stehen. 
Ich  habe  im  Text  statt  Begleitform  (Bachmann)  associirte  Form  gesetzt. 
Ueber  die  Theorie  der  Begleitformen  vgl.  man  Bachmann's  Arithmetik 
der  quadratischen  Formen  (Leipzig,  1898,  p.  389). 


6  Sitzung  der  math.'phys,  Classc  vom  4.  Januar  1903. 

Substitution  die  n-nite  associirte  Substitution  der  transponirten 
Substitution  ist,  so  folgt,  dass,  wenn: 

ist,  so  ist  auch: 

piu-mY  fpin-m)  pin-m)  __.  (p{n-m) 

Man  erhält  also  den  Satz: 

I.  Führt  eine  Substitution  P  eine  bilineare  Form  qp  mit 
cogredienten  Variablenpaaren  in  sich  über,  so  transformirt  die 
n-m  te  associirte  Substitution  von  P  die  n-tn  te  associirte  Form 
von  (p  cogredient  in  sich. 

Wendet  man  dieses  Ergebniss  auf  die  w-mte  associirte 
Differentialgleichung  einer  Differentialgleichung,  die  mit  ihrer 
adjungirten  zu  derselben  Art  gehört,  an,  so  ergiebt  sich,  dass 
sämmtliche  Transformationen  der  Ration alitätsgi'uppe  der  w-mten 
associirten  Differentialgleichung  die  bilineare  Form  (p^**-"*)  in 
sich  überführen.  Der  Werth  der  Determinante  der  w-mten 
associirten  Form  (^(»•-"')  ist  die  (^l})te  Potenz  der  Determinante 
von  (p,  Falls  (p  eine  nicht  verschwindende  Determinante  hat,  so 
trifft  dies  auch  für  (^(♦*-"*)  zu. 

Hieraus  folgt: 

II.  Gehört  eine  Diff'erentialgleichung  mit  ihrer  adjungirten 
zu  derselben  Art,  so  gehören  auch  alle  associirten  mit  ihren 
adjungirten  zu  derselben  Art.^) 

Wir  betrachten  nun  den  besonderen  Fall  n  =  2  ni  und 
schreiben  die  Determinante: 


!/i       Vi 

• 

.  ym 

ym-fl       . 

. .  yim 

y\     y'i 

• 

.  y'm 

t/m+l       . 

• .  y'im 

y<— ■>!/<"■- 

-1) 

•  •  yl:' 

-1)  t/(m-I) 

^2m 

^j        ^i 

.   .    ^m 

^mfl        . 

•  .    ^2m 

4       zk 

• 

.   .    ^m 

'2'm-fl       . 

.   .    ^'2m 

• 

-^> 

. .  ^r 

-1)^.-1). 

: 

•  '    ^2m 

*)  Vgl.  auch  Ludw.  Schlesinger,  Handbuch  11  1,  p.  151. 


A,  Loewy:  lieber  Differentialgleichungen.  7 

hin;  transformii-t  man  in  dieser  Determinante  die  2  m  Variablen 
einer  jeden  Zeile  cogredient  durch  Substitutionen  mit  derselben 
Matrix  P,  so  multiplicirt  sich  diese  Determinante  nur  mit  der 
Substitutionsdeterminante  von  P.  Entwickelt  man  die  obige 
Determinante  nach  adjungirten  Subdeterminanten,  so  findet  man 
die  bilineare  Form: 

(0)  2'€,',<2  . . .  ^m  *1  *2  •  • .  *m  y^h  '"im  ^*1*2  ••*».' 

wobei  ^11  »2 . . .  ^m  *i  *2  •  •  •  *m  ^^®  positive  oder  negative  Einheit, 
^,  <  ig  .  .  .  <  i;„  und  Äj  <  ÄJg  .  .  .  <  Ä^m  sämmtliche  Zahlen 
der  Reihe  1,  2,  ...  2  m  bis  auf  die  Reihenfolge  darstellen. 
'^*i*i . .  •  *m  ^^^^  ^^^  ^1^  -^8»  •  •  •  '^2m  in  analoger  Weise  wie 
y^ih-im  ^^^  y\iy%i  '  '  *  y-im  gebildet.  Wendet  man  die  w-mte 
associirte  Substitution  P»»-»»)  auf  die  cogredienten  Variablen - 
paare  der  bilinearen  Form  Q  an,  so  multiplicirt  sich  Q  mit 
der  Determinante  von  P. 

Wir  denken  uns  die  Rationalitätsgruppe  von  (D)  auf  ihre 
grösste  unimodulare  Untergruppe  reducirt;  diese  Reduction  er- 
reicht man  offenbar  durch  Adjunction  der  Hauptdeterrainante: 


^(^1^2    •  •  •   Z/2m)  = 


zum  Rationalitätsbereiche;  denn  damit  ^  (^/i  2/2  •  •  •  2/22»»)  rational 
bekannt  ist,  ist  offenbar  nothwendig  und  hinreichend,  dass  die 
Determinanten  sämmtlicher  Transformationen  der  Rationalitäts- 
gruppe den  Werth  +  1  haben.  Nach  Adjunction  der  Haupt- 
determinante bleibt  aber  bei  den  Transformationen  der  Ratio- 
nalitätsgruppe für  den  neuen  Bereich  die  bilineare  Form  Q 
ungeändert.  Mit  Hülfe  des  im  Anfange  citirten  Satzes  von 
Herrn  Fano  ergiebt  sich  der  von  Herrn  L.  Fuchs  ^)  gefundene 
und  von  ihm  mehrfach  behandelte  Satz: 


yx      ^2 

.   .    y2m 

y'i      y'2 

.   .    y'2m 

y{2m-l)y{2m-l) 

y{2m~l) 

*)  L.  Fuchs,   Sitzungsber.  der  Berliner  Akademie  (1888),  p.  1115  ff., 
sowie  ebenda  (1899),  p.  182. 

Die  Bemerkung  von  Herrn  Fano  in   den  Atti  dell.  Acc.  di  Torino 


8  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  4.  Januar  1902. 

III.  Die  mte  associirte  DiflFerentialgleichung  irgend  einer 
Differentialgleichung  2mter  Ordnung  gehört  mit  ihrer  adjun- 
girten  nach  Adjunction  der  Hauptdeterrainante  der  ursprüng- 
lichen Differentialgleichung  zu  derselben  Art. 

Nehmen  wir  nun  an,  dass  schon  die  ursprüngliche  Differen- 
tialgleichung mit  ihrer  adjungirten  zu  derselben  Art  gehörte; 
dann   hat  wegen: 

die  Determinante  von  P  den  Werth  +1.  In  diesem  Fall  ist 
schon  das  Quadrat  von  ^{y^y^  •  •  •  ^21«)  rational  bekannt. 
Um  also  die  Rationalitätsgruppe  einer  Differentialgleichung, 
die  mit  ihrer  adjungirten  zu  derselben  Art  gehört,  unimodular 
zu  machen,  genügt  schon  die  Adjunction  einer  Quadratwurzel 
zum  Rationalitätsbereiche.  Nach  Adjunction  einer  Quadrat- 
wurzel lässt  die  Rationalitätsgruppe  der  m  ten  associirten 
Differentialgleichung  einer  Differentialgleichung  2  m  ter  Ordnung 
die  zwei  bilinearen  Formen  cp^*^^  und  ^  invariant. 

Es  ist  noch  zu  zeigen,  dass  sich  99^*")  und  Q  nicht  etwa 
nur  um  eine  multiplicative  Constante  unterscheiden.  Hat  man 
eine  bilineare  Form 

•=i  k=i 
so  ist: 


'i'a- 


•»m*t*2-*»»< 


wobei  ij  <  f^  .  .  .  <  i^  und  h^  <  Ä'^  ...  <  Tc^n  und  sowohl 
/j,  ij,  ...  i«  wie  ATj,  ^2'  •  •  •  *»»  ^^^^  J^^®  Combination  der 
Zahlen  1,  2,  ...  2  m  zu  m  bedeuten.  Wäre  nun  (p^^'^  von  Q 
nur  um  eine  multiplicative  Constante  verschieden,  so  müsste 
unter  anderem  sein: 

5l2...m*i*2...*„  =  0, 

(1899),  p.  396  Anmerkung,  durch  die  er  den  Satz  von  Herrn  Fuchs  be- 
weisen will,  halte  ich  nicht  für  zutreffend ;  denn  die  Gleichungen  (21) 
auf  p.  142  des  zweiten  Bandes  des  Schlesinger'schen  Werkes  werden  für 
••  =  6  linker  Hand  Null  ergeben;  es  wird  also  die  quadratische  Form, 
die  Herr  Fano  benützt,  nicht  stets  existiren. 


A,  Loewy:  lieber  Differentialgleichungen,  9 

falls  Aj ,  ig, . . .  Äot  irgend  m  geordnete  von  m  +  1 ,  w  +  2, . . .  2  m 
verschiedene  Zahlen  der  Reihe  1,  2,  ...  2m  darstellen;  hin- 
gegen wäre  «12 . . .  m  m+ 1 . . .  2  m  von  Null  verschieden.  Betrachtet 
naan  die  m  Determinanten : 

5l2...mlm  +  2m-f3 2m  =  0 

^12  .  . .  m  1  m  +  1  m  +  3 2  m  =  0 

5l2...mlm  +  lm  +  2m  +  4...2m  =  0 

Si2...mlwi  +  Im  +  2 2m-l  =  0 

und  entwickelt  sie  nach  den  Elementen  der  ersten  Colonne,  so 
folgt,  da  5j2...rom+i...2m  Und  mithin  auch  die  aus  den  Unter- 
determinanten von  5j2...mm+i...2m  gebildete  Determinante  von 
Null  verschieden  ist,  dass: 

5jj  =  Sjj  =  .  .  .  =  5|||1  ^=  V 

wird.  Analog  braucht  man  nur  für  die  m  letzten  Zeilen  das 
Verschwinden  von  5m+ii,  5^+21»  ...  52mi  zu  zeigen.  Dann 
wird  gegen  die  Voraussetzung  die  Determinante  von  9?  Null; 
mithin  sind  9?^*"^  und  Q  wesentlich  verschieden. 

Wir  haben  also  den  Satz: 

IV.  Die  Rationalitätsgruppe  der  mten  associirten  Differen- 
tialgleichung einer  Differentialgleichung  der  2 mten  Ordnung, 
die  mit  ihrer  adjungirten  zu  derselben  Art  gehört,  führt  nach 
Adjunction  einer  Quadratwurzel  eine  Schaar  bilinearer  Formen 
cogredient  in  sich  über. 

Eine  jede  Schaar  bilinearer  Formen  enthält  auch  eine 
bilineare  Form  von  verschwindender  Determinante;  wird  aber 
eine  bilineare  Form  verschwindender  Determinante  cogredient 
in  sich  transformirt ,  so  ist  die  Gruppe  der  überführenden 
Substitutionen  stets  auf  Substitutionen  mit  einer  geringeren 
Variablenzahl  reducibel.  Wendet  man  daher  das  Criterium 
von  Herrn  Beke^)  für  die  Irreducibilität  einer  linearen  homo- 
genen DiflFerentialgleichung  an,  so  ergiebt  sich: 

^)  Beke,  Die  Irreducibilität  der  linearen  homogenen  Differential- 
gleichungen. Math.  Annalen,  Bd.  45,  p.  289;  vgl.  auch  L.  Schlesinger, 
Handbuch,  II 1,  p.  106. 


10  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  4.  Januar  1902. 

V.  Die  mte  associirte  DiflFerentialgleichung  einer DiflFerential- 
gleichung  2mter  Ordnung,  die  mit  ihrer  adjungirten  zu  der- 
selben Art  gehört,  wird  nach  Adjunction  einer  Quadratwurzel 
zum  Rationalitätsbereiche  reducibel. 

Dieser  Satz  ist  auch  von  Herrn  Richard  Fuchs  ^)  gefunden 
worden;  jedoch  fehlt  bei  ihm  die  Bemerkung,  dass  die  Ad- 
junction einer  Quadratwurzel  zum  Rationalitätsbereiche  unter 
Umständen  nötig  werden  kann,  damit  die  DiflFerentialgleichung 
reducibel  wird. 

Die  vorstehenden  Betrachtungen  lassen  sich  auch  auf 
Differentialgleichungen  zweiter  Ordnung  anwenden.  In  diesem 
Falle  w  =  2,  m  =  1  fällt  die  Differentialgleichung  mit  ihrer 
associirten  zusammen.  Wir  finden  also:  Jede  lineare  homogene 
Differentialgleichung  zweiter  Ordnung,  die  mit  ihrer  adjungirten 
zu  derselben  Art  gehört,  ist  nach  Adjunction  einer  Quadrat- 
wurzel zum  Rationalitätsbereich  reducibel,  so  dass  sie  durch 
die  Integrale  einer  linearen  homogenen  Differentialgleichung 
erster  Ordnung  befriedigt  wird.*) 

^)  Richard  Fuchs,  Ueber  lineare  Differentialgleichungen,  welche  mit 
ihrer  Adjungirten  zu  derselben  Art  gehören.  Journ.  f.  d.  r.  u.  ang. 
Math.  Bd.  121,  p.  205.  Die  Gleichung  (5)  des  §  2  der  Arbeit  von  Herrn 
R.  Fuchs  zeigt  übrigens,  dass  eine  Adjunction  nothwendig  werden  kann. 

Die  Bemerkung  „Der  auf  der  linken  Seite  auftretende  Factor  —  beeinflusst, 

wie  leicht  zu  sehen,  diesen  Schluss  nicht"  (p.  207,  Anmerkung)  trifft 
also  nicht  zu.  Vgl.  auch  L.  Fuchs,  Sitzungsber.  der  Berliner  Akademie 
(1899),  p.  190. 

2)  Dass  die  Adjunction  einer  Quadratwurzel  nothwendig  werden 
kann,  um  die  Differentialgleichung  zweiter  Ordnung,  die  mit  ihrer  ad- 
jungirten zu  derselben  Art  gehört,  reducibel  zu  machen,  ergiebt  sich 
auch  aus  Herrn  Lindemann's  Untersuchungen  „Ueber  die  Differential- 
gleichungen der  Functionen  des  elliptischen  Cylinders"  (Math.  Annalen, 
Bd.  22).  Herr  Lindemann  untersucht  dort  unter  5)  Differentialgleichungen 
zweiter  Ordnung,  die,  wie  man  nach  den  Resultaten  des  folgenden 
Paragraphen  sagen  kann,  falls  eine  gewisse  transcendente  Function 
F(x)  als  rational  bekannt  angesehen  wird,  mit  ihren  adjungirten 
zu  derselben  Art  gehören.  Ist  F[x)  bekannt,  -  ich  wende  dieselben 
Bezeichnungen  wie  Herr  Lindemann  an  -  ,  so  bleibt  die  quadratische 
Form  yx  Vi  bei   den  Transformationen   der  Rationalitätsgiuppe  in  dem 


Ä,  Locioy:  Ueher  Differentialgleichungen,  11 

§2. 
Für  das  Folgende  setze  ich  voraus,  dass  die  vorgelegte 
Differentialgleichung  (D)  ein  derartiges  Fundamentalsystem 
yiiV^i-'-Vn  von  Integralen  besitzt,  dass  zwischen  den  ge- 
wählten Elementen  t/j,  J/2'  •  •  •  2/»  keine  homogene  quadratische 
Kelation  mit  constanten  Coefficienten  stattfindet.  Wir  be- 
trachten die  n  (  — ^ —  j  Producte  ijiyk  (i,  Ä  =  1,  2,  .  .  .  w),    die 

wir  mit  Yik  bezeichnen;  erfahren  die  yi  eine  lineare  homogene 
Substitution  P,  so  transformiren  sich  auch  die  Yik  linear;  diese 
Substitution  der  Y,*,  soll  anlehnend  an  Herrn  Ad.  Hurwitz*) 
die  zweite  Potenz-  oder  Quadrattransformation  von  P  genannt 
und  mit  ^^^  bezeichnet  werden. 

Unter  der  gemachten  Annahme  genügen  die  n  1  — - —  | 
Producte  Ya  einer  linearen  homogenen  DiflFerentialgleichung 
genau  von  der  n  { - — - —  j  ten  Ordnung;  die  Differentialgleichung 

hat  Coefficienten  aus  dem  Rationalitätsbereiche,  und  die  Grössen 
Yik    bilden    ein  Fundamentalsystem    der   DiflFerentialgleichung. 

Die  DiflFerentialgleichung  wird  erhalten,  indem  man  die  aus 
Y,  Yjj,  I^j2  .  .  .  Ynn  und  deren  Abgeleiteten    bis  zur  Ordnung 

nl  — —  I  gebildete  Determinante  durch  die  Wronskische  Deter- 
minante der  n[ — - — J  Grössen    Yj,,  Y,^  ...  Y„„  dividirt   und 

Null  setzt.  Aus  dem  bekannten  AppelPschen  Satze  (Annales  de 
Tecole  normale,  H,  Bd.  10,  p.  400)  ergiebt  sich  nämlich,   dass 


Bereiche,    der   F{x)   und    daher  auch   die   Ableitungen    von    F(x)   ent- 
hält, ungeändert.     Adjungirt  man  yxy'i  —  ViV'-i,  das  abgesehen  von  einer 

Constanten   bei   Herrn  L.   den  Werth  ,,-  -  — -^   hat,  dem  Rationalitäts- 

Mz  (l-z) 

bereiche,  so  hat  die  DiflFerentialgleichung  des  elliptischen  Cylinders  mit 
einer  linearen  homogenen  DiflFerentialgleichung  erster  Ordnung  mit  Coef- 
ficienten aus  dem  durch  -7--^--^^  erweiterten  Bereiche  Integrale  gemein. 
^z{\-z) 

*)  A.  Hurwitz,  Zur  Invariantentheorie.  Math.  Annalen,  Bd.  45,  p.  390, 


12  Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  4.  Januar  1902. 

die  Coefficienten  dieser  DiflFerentialgleichung  rational  durch  die 
Coefficienten  von  Z)  =  0  und  deren  Abgeleitete  darstellbar  sind. 
Diese  Differentialgleichung,  die  wir  mit  ^^g  i)  =  0  bezeichnen 
wollen,  findet  man  übrigens  einfach,  indem  man  y  und  dessen 
Abgeleitete  ausZ=y*  und  den  hieraus  durch  DiflFerentiation 
hergeleiteten  Gleichungen  vermöge  Z)  =  0  eliminirt,  bis  man 
eine  von  y  und  dessen  Abgeleiteten   freie  Gleichung  erhält.*) 

Man  sieht  unschwer  ein,  dass  die  Rationalitätsgruppe  von 
*^2  i)  =  0  aus  den  Quadrattransformationen  der  Transforma- 
tionen der  ßationalitätsgruppe  von  i)  =  0  besteht.  Der  Be- 
weis kann  etwa  analog,  wie  ihn  Herr  L.  Schlesinger  im  Hand- 
buch Hl,  p.  136  für  die  associirten  DiflFerentialgleichungen 
führt,  erbracht  werden. 

Ich  brauche  jetzt  einen  Hülfssatz:  Besitzt  eine  lineare 
homogene  Difi*erentialgleichung  ein  dem  Rationalitätsbereiche 
angehöriges  Integral,  so  bleibt  dieses  bei  allen  Transformationen 
der  Rationalitätsgruppe  nicht  nur  numerisch,  sondern  auch 
formal  ungeändert. 

Angenommen,  irgend  eine  lineare  homogene  DiflFerential- 
gleichung D  =  0  besitze  ein  dem  Rationalitätsbereiche  ange- 
höriges Integral,  so  lässt  sich  dieses  wie  jedes  Integral  in  der 
Form: 

(1)  ^12/1  +  ^2^2+    •  •   '^nVn 

darstellen,  wo  Ißii  y^^  -  -  -  Vn  ^in  Fundamentalsjstem  von  (D), 
c^,  Cg,  .  .  .  Cn  Constante  bedeuten.     Ersetzt  eine  Transformation 

der  Rationalitätsgruppe  von  (D)  y,-  durch  ^PikVic  so  geht  das 
obige  Integral  (1)  in  *=^ 

k=n  k=.n  fc=n 

k=l  k=\  fc=l 

über;  da  (1)  rational  bekannt  sein  soll,  so  muss  (1)  bei  den 
Transformationen  der  Rationalitätsgruppe  numerisch  ungeändert 
bleiben;  es  muss  also  (1)  und  (2)  denselben  Werth  haben. 
Wären  die  zwei  Ausdrücke  nicht  identisch  dieselben,   so  hätte 

»)  Vgl.  L.  Schlesinger,  Handbuch  II  1,  p.  202. 


A,  Loewy:  lieber  Differentialgleichungen.  13 

man  eine  homogene  Relation  mit  constanten  Coefficienten 
zwischen  einem  Fundamentalsystem  von  Integralen  von  (D); 
dies  ist  aber  unmöglich.     Hiermit  ist  der  Hülfssatz  erwiesen. 

Angenommen  die  Gleichung  ^^  2)  =  0  besitze  ein  dem 
Rationalitätsbereiche  angehöriges  Integral,  so  ist  dieses  eine 
lineare  Function  der  Yit,  und  bleibt  bei  allen  Transformationen 
der  Rationalitätsgruppe  von  ^^^  2)  =  0  formal  ungeändert. 
Die  lineare  Function  der  Ya  ist  aber  eine  quadratische  Func- 
tion der  yijfki  die  bei  allen  Transformationen  der  Rationalitäts- 
gruppe von  2)  =  0  ungeändert  bleibt,  die  quadratische  Form 
der  f/iyk  kann  hierbei  eine  verschwindende  oder  nicht  ver- 
schwindende Determinante  haben.  Ist  D  =  0  irreducibel,  so 
muss  die  Determinante  von  NuU  verschieden  sein.  Verschwindet 
aber  die  Determinante  der  quadratischen  Form,  so  kann  man 
nach  den  Resultaten  von  Herrn  Fano  ^)  wenigstens  sagen,  dass  eine 
Differentialgleichung  niedrigerer  Ordnung,  deren  Coefficienten 
dem  Rationalitätsbereiche  angehören  und  deren  Integrale  2)  =  0 
genügen,  mit  der  zu  2)  =  0  adjungirten  Differentialgleichung 
von  derselben  Art  ist.     Mithin  erhalten  wir  den  Satz: 

I.  Besitzt  die  Differentialgleichung  ^^  2)  =  0  ein  dem 
Rationalitätsbereiche  angehöriges  Integral,  so  bleibt  bei  sämmt- 
lichen  Transformationen  der  Rationalitätsgruppe  von  2)  =  0 
eine  quadratische  Form  invariant,  und  es  gehört  entweder 
2>  =  0  oder  eine  Differentialgleichung,  deren  sämmtliche  In- 
tegrale 2)  =  0  befriedigen  und  die  Coefficienten  aus  dem  Ra- 
tionalitätsbereiche hat,  mit  der  adjungirten  Differentialgleichung 
von  2)  =  0  zu  derselben  Art. 

Existirt  umgekehrt  eine  quadratische  Form,  die  bei  allen 
Transformationen  der  Rationalitätsgruppe  von  2)  =  0  formal 
ungeändert  bleibt,  so  ist  diese  rational  bekannt  und  ferner 
auch  Integral  von  *^2 -^  =  ^-     Mithin  folgt: 

U.  Lassen  alle  Transformationen  der  Rationalitätsgruppe 
von  2)  =  0  eine  quadratische  Form  invariant,  so  hat  %^  D  =  0 
ein  dem  Rationalitätsbereiche  angehöriges  Integral. 

»)  G.  Fano,  Math.  Annalen,  Bd.  53,  p.  572. 


14  Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  4.  Januar  1902. 

Beachtet  man  schliesslich,  dass,  falls  eine  bilineare  Form 
cogredient  in  sich  übergeführt  wird  und  diese  nicht  sym- 
metrisch oder  alternirend  ist,  auch  stets  eine  bilineare  Form 
verschwindender  Determinante  in  sich  übergeht,  ferner  dass 
eine  altemirende  Form  nur  geraden  Rang  haben  kann,  so 
sieht  man,  dass  die  Rationalitätsgruppe  einer  Differential- 
gleichung ungerader  Ordnung,  die  irreducibel  ist  und  mit 
ihrer  adjungirten  zu  derselben  Art  gehört,  nur  aus  Trans- 
formationen, die  eine  symmetrische  und  mithin  eine  quadra- 
tische Form  in  sich  transformiren,  bestehen  kann.  Hieraus  folgt: 

III.  Erfüllen  die  Elemente  eines  Fundamentalsystemes  einer 
irreduciblen  Differentialgleichung  D  =  0  von  ungerader  Ord- 
nung keine  quadratische  homogene  Relation  mit  constanten 
Coefficienten,  so  ist  noth wendig  und  hinreichend,  damit  die 
Differentialgleichung  2)  =  0  mit  ihrer  adjungirten  zu  derselben 

Art  gehört,  dass  die  Differentialgleichung  n  1  — ^ —  j  ter  Ord- 
nung, welcher  die  Integralproducte  t/,y*  genügen,  ein  dem 
Rationalitätsbereiche  angehöriges  Integral  besitzt. 

Ist  Z)  =  0  irreducibel,  so  kann  ^^  2)  =  0  niemals  zwei 
dem  Rationalitätsbereiche  angehörige  Integrale,  die  sich  nicht 
um  einen  constanten  Factor  unterscheiden,  besitzen;  denn  gäbe 
es  zwei  solche  Integrale,  so  bliebe  bei  den  Transformationen 
der  Rationalitätsgruppe  von  D  =  0  eine  Schaar  quadratischer 
Formen  und  daher  auch  eine  Form  verschwindender  Deter- 
minante invai-iant;  es  müsste  mithin  D  =  0  gegen  die  Vor- 
aussetzung reducibel  werden. 


äüj:-... 


15 


Sitzung  vom  1.  Februar  1902. 

1.  Herr  Seb.  Finsterwalder  macht  eine  Mittheilung:  ^Ueber 
die  mechanische  Nachbildung  von  Minimalflächen" 
unter  Vorzeigung  von  drei  darauf  bezüglichen  Modellen.  Die 
Mittheilung  wird  anderweit  veröflFentlicht  werden. 

2.  Herr  Sigmund  Günther  bringt  einen  Aufsatz:  ^Ueber 
gewisse  hydrologisch-topographische  Grundbegriffe" 
in  Vorlage. 

3.  Herr  C.  v.  Kupffer  spricht:  „üeber  die  Commissura 
veli  transversi  des  Hirns."  Die  VeröflFentlichung  findet 
an   einem  andern  Orte  statt. 

4.  Herr  Wilh.  Conr.  Rontgen  legt  eine  Abhandlung  des 
Herrn  Privatdozenten  an  der  hiesigen  Universität  Arthur  Korn: 
^Ueber  ein  Verfahren  der  elektrischen  Fernphoto- 
graphie"  vor. 

5.  Herr  K.  A.  v.  Zittel  überreicht  eine  Studie  des  Herrn 
Obermedizinalrathes  Joseph  Georg  Egger  dahier:  „Der  Bau 
der  Orbitolinen  und  verwandter  Formen".  Ferner  als 
Anhang  dazu  eine  Arbeit  des  Herrn  Dr.  Ferd.  Broili,  Assistent 
an  der  paläontologischen  Sammlung :  „Ueber  die  Fauna  der 
Orbitolinen  führenden  Schichten  der  untersten  Kreide 
in  der  Krim".  Die  beiden  Abhandlungen  sind  für  die  Denk- 
schriften der  Akademie  bestimmt. 

6.  Herr  Ffrd.  Lindemann  theilt  eine  Notiz  des  Herrn  Dr. 
Newel  Perry:  „Das  Problem  der  conformen  Abbildung 
für  eine  spezielle  Curve  von  der  Ordnung  3n"  mit. 


17 


Ueber 
gewisse  hydrologisch -topographische  Grundbegriffe. 

Von  S.  Günther. 

(Eingelaufen    1.  Februar.) 

Die  Lehre  von  den  fliessenden  Gewässern  erfordert  zu 
ihrem  Ausbau  eine  stete  Rücksichtnahme  auf  die  Terrainkunde, 
die  wissenschaftliche  Topographie.  Denn  ebenso,  wie  auf  der 
einen  Seite  das  strömende  Wasser  —  hier  durch  Erosion  und 
Denudation,  dort  durch  Akkumulation  des  Detritus  —  die 
Oberflächen gestalt  wesentlich  schaffen  hilft,  so  hängt  auch  die 
Art  und  Weise,  in  welcher  sich  diese  Agentien  bethätigen, 
von  der  Struktur  des  Oberflächenmodelles  ab,  die  sich  zuvor 
herausgebildet  hatte.  Insbesondere  wählt  rinnendes  Wasser 
stets  den  kürzesten  unter  den  Wegen,  welche  es  einem  be- 
stimmten tieferen  Niveau  zuführen,  und  es  ist  also  von  Wich- 
tigkeit, sich  über  den  Verlauf  dieser  Bahnen  von  vornherein 
zu  orientieren.  Will  man  die  Gesetzmässigkeiten  kennen  lernen, 
die  hier  obwalten,  so  muss  man  natürlich  von  der  so  äusserst 
unregelmässigen  Gestalt  der  Landoberfläche  absehen  und  sich 
die  Hohlräume,  in  denen  sich  die  Wasserbewegung  vollzieht, 
als  von  geometrischen  Flächen  begrenzt  vorstellen.  Eine  von 
Boussinesq*)  herrührende  Definition  entsprechend  weiter- 
bildend, stellen  wir  Folgendes  fest: 

Die  Landoberfläche  lässt  sich  betrachten  als  eine 
Aufeinanderfolge  von  Flächenstücken,    welche   gegen 


^)  Boussinesq,   Essai  sur  la  theorie  des  eaux  courantes,  Memoires 
presentes  par  divers  savants  a  TAcadeniie  Fran^aise,  23.  Band,  S.  1G5  ff. 
1902.  Siizangsb.  d.  matli.-pbys.  Gl.  2 


18  Sitzung  der  math.-phys.  Clause  vom  1.  Februar  1902, 

das  Meeresniveau  zum  einen  Teile  konvex,  zum  at*- 
deren  Teile  konkav  gekrümmt  sind. 

Als  X  Y'  Ebene  denken  wir  uns  stets  eine  horizontP'^^^ 
Ebene,  die  so  gelegen  sein  soll,  dass  innerhalb  des  hier  i^ 
betracht  kommenden  Bereiches  die  vertikal  gerichteten  OrJi 
naten  z  positiv  bleiben.  Legen  wir  dann  eine  Vertikaleben. ^ 
von  der  Gleichung  y  =  Konst.  durch  die  Landoberfläche,  so  wir* ^^ 
aus  dieser  eine  Kurve  herausgeschnitten,  die  so  beschaflfen  ist^^ 

dass  der  zweite  DifFerentialquotient  -j-^  irgendwo  auf  ihr  seio 
Zeichen  wechselt.  So  lange  -^  -^   negativ  ist,  verläuft  die  Schnitt— 

kurve  konkav  gegen  die  Horizontalebene;   wenn   dagegen  -^-^ 

positiv  wird,  wendet  die  Kurve  dieser  Ebene  ihre  konvexe 
Seite  zu.  Im  allgemeinen  wird  also  diese  Grösse  einmal  ihr 
Zeichen  wechseln,  und  da  dies  für  jede  einzelne  Schnittkurve 
gilt,  so  hat  man  damit  die  Grenzlinie  gefunden,  welche  jeweils 
die  konvex  und  konkav  gekrümmten  Flächenteile  trennen. 
Verfolgen  wir  die  Schnittkurve  weiter,  so  gelangen  wir  zu 
einem  Punkte,  in  dem  die  Berührungslinie  zur  X  F-  Ebene 
parallel  verläuft.  Die  Gesamtheit  aller  dieser  Punkte  ver- 
bindend, erhalten  wir  eine  Kurve,  welche  als  Grenzlage  für 
diejenigen  Flächenpunkte  zu  gelten  hat,  für  welche  die  Tan- 
gentialebene bezüglich  spitze  und  stumpfe  Winkel  mit  der 
Horizontalebene  bildet.  Diese  Grenzkurve  ist,  hydrologisch 
gesprochen,  die  Wasserscheide^)  der  beiden  in  ihr  zusam- 
menstossenden  teils  konvexen,  teils  konkaven  Flächen.  Jeder 
allseitig  von  wasserscheidenden  Linien  nach  oben  begrenzte 
Hohlraum  der  Landoberfläche  soll  als  Stromgebiet  oder 
Bassin  bezeichnet  werden.  Wir  setzen  hier  durchgehends  die 
sogenannte  elliptische  Krümmung  voraus,  deren  Wesen  darin 
besteht,  dass  die  Berührungsebene  einer  Fläche  ganz  und  gar 

^)  Die  von  L.  v.  Buch  gewählte  Bezeichnung  »Wasser teuer*  (vgl. 
Günther,  Alexander  v.  Humboldt,  Leopold  v.  Buch,  Berlin  1900,  S.  245) 
hat  sich  nicht  durchzusetzen  vermocht. 


8,  GHlnther:  Hydrologisch-topographische  Grundbegriffe.  19 

auf  ein  und  derselben  Seite  der  letzteren  verbleibt.  Es  kom- 
men ja  in  der  Natur  gewiss  auch  Flächen  von  hyperboli- 
scher Krümmung,  also  Sattelflächen,  vor,  aber  für  unsere 
Zwecke  müssen  solche  als  Ausnahmen  gelten. 

Damit  haben  wir  für  diesen  Begriff  sowohl,  als  auch  für 
den  der  Wasserscheide  Bestimmungen  erhalten,  welche  für  ge- 
wöhnlich, von  Ausnahmefällen  abgesehen,  als  eindeutig  gelten 
können.  Dass  ihre  Festsetzung,  wie  sie  vielfach  gegeben  wird, 
mancherlei  Bedenken  unterliegt,  ist  von  Philippson^)  her- 
vorgehoben worden.  Letzterer  gibt  selbst  die  nachstehende 
Definition:  „Wasserscheide  ist  jede  Linie,  in  der  sich  zwei  Ge- 
fällsrichtungen der  Erdoberfläche  nach  oben  zu  schneiden.** 
Dem  Sinne  nach  ist  dies  völlig  übereinstimmend.  Nur  wird 
von  uns  der  Uebergang  zunächst  als  ein  kontinuierlicher  auf- 
gefasst,  obwohl  selbstverständlich  auch  der  Fall  einer  Kante 
oder  Schneide,  die  dann  ohneweiters  die  Wasserscheide  reprä- 
sentiert, mit  inbegriffen  ist. 

Von  den  Krümmungsverhältnissen  eines  solchen  Hohl- 
raumes, der  alles  in  seinem  Bereiche  fallende  meteorische 
Wasser  sammelt,  hängt  es  ab,  ob  dasselbe  in  ihm  verbleibt 
oder  aber  den  Zugang  zu  seinem  natürlichen  Bestimmungs- 
orte, dem  Meere,  findet.  Wir  gelangen  damit  auf  unsere  Weise 
zu  jener  Zweiteilung  aller  terrestrischen  Einsenkungen,  welche 
zuerst  V.  ßichthofen*)  durchgeführt  hat,  indem  er  den  zen- 
tralen oder  abflusslosen  Gebieten  die  peripherischen 
Gebiete  gegenüberstellte.  Ist  nämlich  der  Hohlraum  eine 
Wanne,  mit  Penck^)  zu  sprechen,  deren  Kennzeichen  darin 
besteht,  dass  eine  der  an  die  Grenzfläche  gelegten  Berührungs- 
ebenen zur  Horizontalebene  parallel  wird,  so  kann  das  Regen- 
wasser -—  wenigstens  solange  es  nicht  hoch  genug  steigt,  um 
über    eine    Randlinie    überzulaufen  —  die   Mulde   nicht    mehr 


^)  Philippson,  Studien  über  Wasserscheiden,  Leipzig  1886,  S.  14  ff. 

^  y.  Richthofen,    Führer    für    Forschiingsreisende,    Berlin    188G, 
S.  275  ff. 

*)  Penck,  Morphologie  der  Erdoberfläche,  1.  Band,  Stuttgart  1894, 
S.  158. 

2* 


20  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  1,  Februar  1902. 

verlassen.  Von  Flusssystemen  innerhalb  eines  solchen  Hohl- 
raumes kann,  obwohl  man  ja  darauf  selten  zu  achten  pflegt, 
nur  bedingt  die  Rede  sein;  wenigstens  wollen  wir  gleich  jetzt 
unsere  Erklärung  des  Wortes  Stromgebiet  noch  dahin  er- 
gänzen, dass  dessen  Begrenzungsfläche  stets  eine  gleichsinnige 
Krümmung  aufweisen  soll.  Nur  mit  Gebilden  dieser  Art 
wollen  wir  uns  hier  beschäftigen.  Es  wird  angenommen,  dass 
die  Tangentialebene  der  in  frage  stehenden  Fläche,  die  zudem 
als  stetig  gekrümmt  vorausgesetzt  wird,  mithin  aller 
Ecken  und  Kanten  entbehi*t,  allenthalben  nur  Winkel  mit  der 
Xr- Ebene  bildet,  die  <  90«  und  >  0«  sind. 

Die  französischen  Mathematiker,  welche  sich  der  Begrün- 
dung der  topographischen  Fundamentalbegrifife  hauptsächlich 
angenommen  haben,  während  man  anscheinend  in  Deutschland 
diesen  Untersuchungen  ein  geringeres  Interesse  entgegen- 
brachte,*) haben  gleichzeitig  mit  der  Wasserscheide  („ligne  de 
faite")  auch  noch  eine  andere  ausgezeichnete  Linie  des  Be- 
wässerungssystemes  eines  Hohlraumes  in  betracht  gezogen, 
nämlich  den  Thal  weg.*)     Da  durch  Philippson  die  Moi*pho- 


*)  Von  einschlägigen  deutschen  Originalarbeiten  scheint  nur  eine 
einzige  anzuführen  zu  sein :  Q  u  i  d  d  e ,  Kurven  gleicher  Steilheit  auf  Flächen 
zweiten  Grades,  Stargard  i.  P.  1879.  Dieselbe  verfolgt  jedoch  rein  geo- 
metrische Zwecke.  Unter  dem  geographischen  Gesichtspunkte  hat  der 
Verf.  den  ganzen  Komplex  zusammengehöriger  Studien  schon  früher 
kurz  abgehandelt  (Günther,  Topographische  Studien  über  die  Gestalt 
der  Flussbetten,  Nachrichten  über  Geophysik,  1.  Heft,  S.  9  flf.). 

2)  Dieser  Ausdruck  wurde,  nachdem  ihn  der  deutsche  Hydrotech- 
niker Wiebeking  dem  Rastatter  Kongresse  mundgerecht  gemacht 
hatte  —  ,.der  Thalweg  des  Rheins  soll  die  Grenze  zwischen  Elsass  und 
Baden  sein"  — ,  auch  von  den  französischen  Fachmännern  adoptiert, 
und  zwar  so  vollständig,  dass  dieselben  ihn  wörtlich,  ohne  üebertragung, 
in  die  eigene  wissenschaftliche  Sprache  herübemahmen.  Näheres  über 
dieses  Vorkommnis  gibt  eine  Lebensbeschreibung  Wiebekings  (Voigts 
Neuer  Nekrolog  der  Deutschen,  Weimar  1842).  In  Frankreich  bedient 
man  sieh  des  Wortes  Tbalweg  auch  in  noch  erweiterter  Bedeutung, 
ziemlich  im  gleichen  Sinne,  wie  vallee;  vgl.  z.  B.  Marty,  La  Thalweg 
gt^ologitiue  de  la  nu\venne  vallee  de  la  Gere  (Bull,  de  la  Society  Geo- 
lugi«iue  de  France,  {'^)  22.  Band.  S.  ;U  ff.). 


*Si.  Günther:  Hydrologisch-tojyographische  Grundbegriffe.  21 

logie  der  Wasserscheiden  zu  einem  einstweiligen  Abschlüsse 
gebracht  worden  ist,  so  haben  wir  es  an  diesem  Orte  wesent- 
lich nur  mit  der  zweiten  topographischen  Linie  zu  thun. 
Eine  ganz  einwurfsfreie  Definition  derselben  bereitet  Schwierig- 
keiten, und  diese  dehnen  sich  dann  auch  auf  das  Wort  Ström- 
st rieh  aus,  weil  zwischen  Thal  weg  und  Stromstrich  die  engste 
Beziehung  obwaltet.  Vielfach  werden  beide  Begriffe  sogar 
identifiziert;  hier  aber  soll  der  Stromstrich  diejenige  Ober- 
flächenlinie eines  fliessenden  Gewässers  sein,  in  welcher  dessen 
Fläche  von  einer  vertikalen  Zjlinderfläche  geschnitten  wird, 
die  den  Thal  weg  zur  Leitlinie  hat.^)  Wenn  man,  wie  dies 
ein  neueres  Werk  thut,*)  dessen  eigentliche  Tendenz  in  der 
Klärung  der  topographischen  Terminologie  beruht,  den  Thal- 
weg einfach  als  „die  tiefste  Linie  des  Thaies"  hinstellt,  so  miiss 
man  auch  angeben,  wie  man  eine  solche  Linie  mit  Maximal- 
eigenschaft konstruiert,  und  so  lange  dies  nicht  geschehen, 
wird  man  mit  der  Definition  nicht  viel  anfangen  können. 

Die  erwähnten  französischen  Geometer,    welche   sich,    wie 
wir  sehen  werden,  sehr  ernsthaft  um  die  exakte  Begriffsbestim- 
mung bemüht    haben,    stellen   durchweg  die  Wasserscheide  in 
Parallele  zum  Thalwege,  der  die  Gewässer  seines  Gebietes 
sammelt.     Indessen   besteht    doch   ein   gewisser   Unterschied. 


')  Bei  Penck  (a.a.O.,  2.  Band,  S.  73)  lesen  wir:  ,Dic  mittlere 
Richtung  auch  der  Mäanderthäler  ist  eine  ziemlich  konstante;  sie  be- 
stimmt den  Thal  weg  oder  Stromstrich. "  Supan  (Grundztige  der  physi- 
schen Erdkunde,  Leipzig  1896,  S.  261)  charakterisiert  den  Stromstrich 
als  ,die  Linie,  welche  die  Punkte  grösster  Oberflächengeschwindigkeit 
verbindet**.  Bei  Rein  endlich  (Bemerkungen  über  Veränderungen  der 
Flussläufe,  Stromstrich  und  Begleiterscheinungen  Peter m  an  n  s  Geograph. 
Mitteil.,  42.  Band,  S.  129  ff.)  erreicht  längs  des  Stromstriches  die  Wöl- 
bung, welche  bei  genauem  Zusehen  der  Spiegel  eines  Flusses  erkennen 
lässt,  ihr  Maximum ;  der  Stromstrich  ist  zugleich  ein  eigentlicher  Strom- 
faden im  Sinne  der  neueren  Hydrodynamik,  während  zu  beiden  Seiten 
sich  die  Bewegung  des  Wassers  in  Spiralbahnen  vollzieht  (vgl.  Moeller, 
Studien  über  die  Bewegung  des  Wassers  in  Flüssen,  Zeitschr.  f.  Bau- 
wesen, 1883,  S.  193  ff.). 

*)  Neuber,  Wissenschaftliche  Charakteristik  und  Terminologie  der 
Bodengestalten  der  Erdoberfläche,  Wien-Leipzig  1901,  S.  398. 


Sitzung  der  wathrphys.  Clause  vom  1.  Februar  1902 


Die  Wasserscheide  nämlich  ist  nicht  nur  im  abstrakt-geometri- 
schen Obei-flächenbilde,  das  uns  hier  zunächst  vorliegt,  sondern 
auch  in  der  Natur  selbst  etwas  reell  Vorhandenes,  während 
im  ersteren  Falle  der  Thalweg  die  von  den  Abhängen  herab- 
fliessenden  Gewässer  nicht  thatsächlich  aufnimmt.  Angedeutet 
wird  der  hier  bestehende  Gegensatz  wohl  zuerst  von  Breton 
de  Champ;*)  auffallenderweise  aber  ist  der  den  Sachverhalt 
bestimmende  einfache  Lehrsatz  nie  als  solcher  beachtet  und 
bewiesen  worden.  Allgemein  ausgesprochen,  lautet  er:  Wenn 
auf  einer  Fläche  zwei  Systeme  sich  rechtwinklig 
schneidender  Kurven  bestehen,  so  kann  durch  einen 
bestimmten  Punkt  nur  immer  je  eine  einzige  Kurve 
des  nämlichen  Systemes  hindurchgehen. 

Es  seien  durch  I  und  II  (Fig.  1)   die  Individuen  je    einer 
solchen  Kurvenschaar  bestimmt.     Wäre  es  möglich,  dass  durch 

den  Punkt  A  ausser  der 
ihm  zugehörigen  System- 
kurve II  noch  eine  andere 
Linie  AA*  hindurchginge, 
die  ebenfalls  auf  der  Kurve  I 
in  A  senkrecht  stände,  so 
hätte  man,  da  die  beiden 
Orthogonalkurven  eine  un- 
endlich benachbarteKurvel, 
nämlich  i«m',  in  denPunkten 
B  und  C  schneiden  müssen, 
in  dem  unendlich  kleinen 
—  also  ebenen  —  Dreiecke 
ABC  <  ABC  =  <  AGB 
=  90^,  was  nicht  möglich  ist.  Uebrigens  folgt  die  gleiche 
Thatsache    auch  aus  dem  gleich  nachher  zu  berührenden  Um- 


M  Breton  de  Chainp,  Note  sur  les  caracteres  geometriques  des 
lignes  de  faite  oii  de  thalweg,  Compt.  Keiul.  de  TAcad.  Fran9.,  ^3.  Band, 
S.  808  ff.  Auf  die  oben  genannte  partielle  Uifferentialgleiebung  kam  auch 
unabhängig  De  JSaint  Venant  (Surfaces  ä  plus  grande  pente  constituees 
sur  des  lignes  eourbe»«,  Bulletin  de  la  Societe  Philomatique  de  Paris,  1852). 


S.  Günther:  Hydrologisch-topographische  Grundbegriffe.  23 

stände,  dass  die  Differentialgleichungen  der  orthogonalen  Tra- 
jektorien  von  der  ersten  Ordnung  sind. 

Dies  trifft  nun  in  unserem  Falle  zu.  Identifizieren  wir 
die  Kurven  des  Systemes  I  mit  den  Niveaulinien  oder  Iso- 
hypsen der  Fläche,  so  fallen  diejenigen  des  Systemes  II  mit 
den  Linien  des  Wasserablaufes  oder  der  kürzesten  Verbindung 
mit  der  Horizontalebene  („lignes  de  la  plus  grande  pente") 
zusammen,  welch  letztere  wir  künftig  kurz  als  Abflusslinien 
bezeichnen  werden.     Dann  steht  also  Folgendes  fest: 

Zwei  Abflusslinien  können  sich  niemals  begegnen, 
verlaufen  vielmehr  asymptotisch,  so  dass  ihnen  sämt- 
lich der  nämliche  unendlich  entfernte  Punkt  zugehört. 
Nun  erhebt  sich  sofort  die  weitere  Frage: 
Gibt  es  unter  den  unendlich  vielen  Abflusslinien 
des  nämlichen  Gebietes  eine,  die  man  allen  übrigen 
gegenüber  individuell  auszeichnen  kann,  der  also 
eine  Eigenschaft  zukommt,  die  sich  bei  keiner  Ge- 
fährtin findet? 

Wenn  eine  solche  Kurve  existiert,  so  müssen  wir  eben 
ihr  den  Namen  Thal  weg  zuerkennen,  da  die  ihr  gewöhnlich 
zugeschriebene  Eigenschaft,  alle  Gewässer  zu  sammeln,  vor- 
läufig, so  lange  wir  nur  flächentheoretisch  urteilen,  nicht  vor- 
handen ist.  Und  diese  Frage  ist  es  eben,  welche  eine  kleine 
Litteratur  in  das  Leben  gerufen  hat. 

Als  erster,  soweit  wir  die  Angelegenheit  rückwärts  ver- 
folgen konnten,  ist  derselben  Breton  de  Champ  (s.  o.)  näher 
getreten,  der  in  der  erwähnten  Abhandlung  für  Wasserscheide 
und  Thalweg  eine  gemeinsame  Differentialgleichung  herzuleiten 
suchte.  Die  Gleichung  der  die  Systeme  I  und  II  enthaltenden 
Fläche  ist  z  =  f  (x^  y),    und    wenn    dann    in  bekannter  Weise 

a^  djs  dp  dq         dp  ^Q        j.         .  L 

—-  =p,  -—  =  g,  -^  =  r,  --  =  —-  =  5,  ^—  =  ^  gesetzt 
dx  dy  dx  dx         dy  dy  '^ 

wird,  ergibt  sich  für  die  beiden  eine  Ausnahmestellung  ein- 
nehmenden Linien  die  Gleichung  p'^r  -\-  q^t  =  2pqs^  aus  der 
jedoch  Topographie  und  Erdkunde  keine  für  sie  brauchbaren 
Folgerungen  ziehen  können.     Nur  kurz  gibt  nach  dieser  Seite 


24 


SiisHPtj  der  maih.'phys.  ühimc  ami  1.  Fi-braar  rj02. 


hin  Breton  de  Champ  Leinen  wirklich  verwertbaren  Anhalts- 
punkt. Nimmt  mau  zwei  Nachbarpunkte  Ä^  nnd  Ä^  und  hßt 
in  jedem  derselben  eine  Tangentialebene  an  die  Flache,  so 
bildet  die  Schnittlinie  dieser  beiden  Ebenen  mit  A^  A^  einen 
Winkel,  der  alle  möglichen  Werte  annehmen  kann.  Wenn 
dieser  Winkel  gleich  einem  rechten  geworden  ist,  so  hat  die 
betreffende  Linie  die  Thalweg-Ei genschaft.  Das  ist  ganx  zu- 
treffend,  aber  es  wird  sich  empfehlen,  die  entscheidende  De- 
finition nicht  auf  eine  doch  mehr  nur  nebensächliche  Eigeü- 
schaft  zu  begründen, 

Boüssinesq  nahm  das  Prubleni  von  neuem  auf»  und  in 
einer  Reihe  von  Aufzufitzen,')  die  teilweise  eine  poleniisclie 
Auseinandersetzung  mit  dem  auf  dem  gleichen  Arbeitsfelde 
thiltigen  (1  Jordan^)  enthalten ♦  hat  er  es  allseitig  untersucht 
und  mannigfach  geiordeiii.  Er  hielt  sich,  da  ja  die  Abflus-s- 
linien  im  allgetueinen  Kurven  doppelter  Krümniung  sind, 
an  deren  Schraiegungsebene*)  und  fragte,  wie  eine  solche 
Kurve  beschaffen  sein  mü^e,  damit  eben  diese  Ebene  unter 
allen  umständen  senkrecht  auf  der  XF- Ebene  stehe.  Die 
Gleichungen  der  Kunden,  die  man  erhält,  wenn  man  die  Niveau- 
linien und  ihre  orthogonalen  Trajektorien  auf  jene  Ebene  pro- 
jiziert, aind  bezüglich  diese: 

päx  -j-  qdp  ^  0,    pdy  —  qdx  ^  0.  ^ 

^)  Bou»sine»q,  Sui-  une  propriete  reniarqualilc  den  iiointw  itn  T^^^^ 
lignes  de  plus  grantle  pente  d'nne  antfare  otit  leius  plani  osculateura 
verticftux,  et  sDr  la  djfference  qui  esi^te  *:feneral erneut,  k  la  surfaoe  de 
la  terre,  eEtre  les  lignes  de  faite  ou  de  thalweg  et  eellee  !es  long  iles- 
quelle«  la  pente  du  m\  est  ud  miDimum;  Compt  Rend.»  73.  Band.  S,  13118  ff,r 
Sur  le»  lignes  de  falte  et  de  thalweg,  ebenda,  75.  Band,  S.  198  ff.,  S.  836  ff. 

2)  C.  Jordan,  Sar  les  lignes  de  faite  et  de  thalweg,  ebeitda, 
74.  Band.  S.  1457  ff.j  Hur  lea  lignes  de  faite  et  de  thalweo;,  rcponae  aux 
olijecHona  de  M.  Bonsainesq,  ebenda,  75.  Band,  S.  G25  ff.;  Nouvelles 
obtervatic^na  sur  les  Hgnes  de  falte  et  de  thalweg»  ebenda,  75.  Band, 
8.  1023  ff. 

*)  Vgl.  hieaut  Joacbimstbal-NatÄni,  Anwendung  der  Diffe- 
rential- lind  Integriilrechnung  auf  die  allgemeine  Theorie  der  Fltkhen 
und  der  Linien  doppelter  Krümmung,    Leipzig  1881. 


J 


S,  Günther:  Hydrologisch-topographische  Grundbegn/fe.  25 

Die  Gleichung 


<i)  _ ,  <i) 


dx         ^      ^         dtj         ^ 

stellt  nach  Boussinesq  die  Projektion  des  Thalweges  dar. 
Der  Thalweg  kann  generell  alle  möglichen  Gestalten  an- 
nehmen, je  nachdem  eben  die  Krümmungsverhältnisse  der 
Fläche,  welcher  er  angehört,  beschaffen  sind.  Für  jene  Flächen, 
die  uns  hier  ausschliesslich  beschäftigen,  vereinfacht  sich  die 
von  Boussinesq  gegebene  BegriflFsbestimmung  erheblich.  Hier 
existiert  nämlich  eine  Abflusslinie,  deren  Oskulationsebenen 
nicht  allein  sämtlich  senkrecht  auf  der  X  Y-  Ebene  stehen, 
sondern  in  eine  einzige  zusammenfallen.  Demgemäss  ist  diese 
Linie  eine  ebene  Kurve,  ihre  Vertikalprojektion  gerade,  und 
unt^r  der  erwähnten  Beschränkung  gilt  die  nachstehende  De- 
finition : 

Gibt  es  eine  Kurve  in  der  Schaar  der  als  Abfluss- 
linien gekennzeichneten  Raumkurven,  welche  ihrem 
ganzen  Verlaufe  nach  in  der  nämlichen  — vertikalen  — 
Ebene  liegt,  so  hat  diese  ein  Anrecht  auf  den  Namen 
Thalweg.  Gegen  ihn  konvergiert  jede  einzelne  Ab- 
flusslinie asymptotisch. 

Diese  Auffassung  deckt  sich  auch  mit  dem  von  Breton 
de  Champ  (s.  o.)  angegebenen  Merkmale,  dass  nämlich  die 
Schnittlinie  zweier  Berührungsebenen,  die  in  den  Endpunkten 
einer  unendlich  kleinen  Kurvensehne  an  die  Fläche  gelegt  sind, 
zu  der  Sehne  selbst  senkrecht  stehen  soll.  Die  Durchschnitts- 
linie verläuft  eben  horizontal,  während  die  Ebene  der  Kurve 
vertikal  steht. 

C.  Jordan  hat  (s.  o.)  sehr  entschieden  behauptet,  dass 
sich  Wasserscheide  und  Thalweg  in  nichts  von  anderen  Kurven 
steilsten  Abfalles  unterschieden;^)  ja   es   gäbe  unter  den  letz- 

*)  Der  Hinweis  Jordans  auf  anomale  Verhältnisse  der  Wasser- 
scheide im  Iserethale  ist  ohne  Beweiskraft,  denn  jeder  Geograph  weiss, 
wenn   er   sich    blos    der    von    Philippson   und   Supan    untersuchten 


26  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  1.  Februar  1902. 

teren  überhaupt  keine  mit  einer  sie  vor  den  anderen  auszeich- 
nenden Eigenschaft.  Im  vorliegenden  Falle  aber  ist  ein  solches 
Individuum  unzweifelhaft  vorhanden.  Boussinesq  bedient  sich 
in  seiner  Erwiderung  eines  ganz  treffenden  Bildes,  indem  er 
an  den  menschlichen  Körpers  erinnert.  Die  gewöhnlichen  Ab- 
flusslinien seien  den  Venen,  der  Thalweg  sei  der  Arterie  ver- 
gleichbar. Gleichwohl,  und  obwohl  er  nach  unserer  Ansicht 
sich  durchaus  im  Rechte  befindet,  hat  sich  Boussinesq  zu- 
letzt in  ein  Kompromiss  mit  Jordan  eingelassen,  welches  aber 
nach  keiner  Seite  hin  zu  befriedigen  imstande  ist. 

Zu  bedauern  ist,  dass  kein  Versuch  gemacht  ward,  die 
allgemeinen  Betrachtungen  am  speziellen  Falle  zu  erläutern. 
Diese  Lücke  füllen  wir  dadurch  aus,  dass  wir  eine  Fläche  ein- 
fachster Natur  in  angriflF  nehmen,  nämlich  die  eines  Kreis- 
zjlinders,  dessen  Achse  schief  zur  X  F-  Ebene  liegt.  Dass 
alsdann  der  Thalweg  eine  Gerade  sein  muss,  erhellt  sofort.  Die 
Achse  CA  (Fig.  2)  des  Zylinders  soll  der  XZ- Ebene  ange- 
hören und  mit  der  X-Achse  den  Winkel  a  bilden,  während 
r  =  CD  =  CE  den  Radius  des  Grundkreises  bedeutet.  Durch 
B,  einen  willkürlichen  Punkt  des  Mantels  mit  den  Koordinaten 
BF=z,  FG  =  y,  CG  =  x  sei  ein  Schnitt  senkrecht  zur 
Achse  gelegt,  der  den  Zylinder  im  Kreise  HJ  mit  dem  Zen- 
trum Ä  schneidet.  Wird  dann  noch  AB  ==  r  gezogen  und 
BK  senkrecht  auf  AL  =  AC  sin  a,  so  ergeben  die  beiden 
resp.  in  A  und  K  rechtwinkligen  Dreiecke  BAC  und  BKA 
diese  Beziehungen: 

r*  +  ÄC^  =  BC^  =  x^  +  1/  +  ^^  =  r''+  u\ 
r*  =  (o;  —  u  cos  a)*  +  y^  +  (t*  sin  a  —  z)^. 

Die  Hilfsgrösse  u  lässt  sich  leicht  eliminieren,  und  es 
resultiert  als  die  gesuchte  Gleichung  der  Zylinderfläche,   wenn 


Thalwasserncheiden  erinnert,  wie  kompliziert  und  für  die  mathe- 
matische Erörterung  unzugänglich  die  Gestaltung  solcher  Oertlichkeiten 
werden  kann.  Auf  geometrische  Singularitäten,  die  hier  nicht  berück- 
sichtigt werden  dürfen,  macht  auch  aufmerksam  Breton  de  Champ 
(Note  sur  les  lignes  de  faite  et  de  thalweg,  ebenda,  39.  Band,  S.  647  flf.). 


S,  Günther:  Hydrologisch-topographische  Grundbegriffe, 


27 


wir  nur   das    positive    Wurzel  Vorzeichen   berücksichtigen,    die 
folgende : 

j  =  (x  sin  a  -\-  Yr^  —  y*). 


cos  a 


Daraus    ergibt   sich,    wenn  wir  auf  die  früheren  Bezeich- 
nungen zurückgreifen, 

y  Q  __  y 


p  =  tang  a,  g  =  — 


cos 


aYr-^  —  y-^'    p 


sin 


a  Yr"^  —  y^ 


Fig.  2. 


Die  Gleichungen  der  Isohypsen  sind: 

^  =  Konst.;  x  = X-  Yr'^  —  y^  +  C. 


sm  a 


Wie  man  sieht,  ist  dies,  indem  ein  schiefer  Zylinderschnitt 
vorliegt,  die  Gleichung  einer  Ellipse,  da  man  sie  in  die  Form 

x'^  sin'  a  —  2C:z;  sin'  a  +  y'  =  r'  —  C^  sin'  a 


28 


Sitzimg  tUr  matK*pht/s,  Ül(U»e  mnt  L  Februar  190^, 


bringen  kann.  Sucht  man  naeh  Boussinesq  tlie  Gleichung 
des  Thalweges,  so  erhält  man,  da  die  Ableitung  von  f  —  j 
nach  iT  gleich  Null  ist» 


aa? 


P  + 


^  = 


1 


J^U       _ 


0. 


a  i^         ^        sin  a  cos  a      (r*  —  y*)* 

Das  kann  nur  eintreten,  wenn  y  selbst  Null  wird,  und 
dio  beiden  Gleichungen  des  Thalweges  sind  i/  =  0,  £  ^^  Q,  In 
der  That  lehrt  ein  Blick  auf  die  Figur,  dass  diese  Linie  mit 
der  X-Achse  zusanimenfiillt. 

Um  endlich  auch  noch  den  asjmptotisclien  Verlauf  der 
Horizontal [irojektionen  der  AbHusslinien  —  uml  daniit  dieser 
selber  —  nachzuweisen,  gehen  wir  auf  dieGleichung^ic?y-  ^f^Jf  =  0 
zurück.    Wir  finden  durch  Einsetzung 

dx  sin  a  Yr*  —  y*      ,  ^       CV^^  ~  .V*  j  .  i   n* 

'^—  s== ,  a?  =  —  sin  a  I *^—  an  4^  C 

und,  niit  Anwendung  der  hier  bequemen  Hyperbelfunktiünen, 


X  ^ 


sm 


a{Vr 


r3lrc(£o^  j    +  Ü"X 


Filr  1/^=0  wird  der  hyperbolische  Arcus  Cosinus,  da  iitf 
rler  Unendlichkeit  zustrebt,  selbst  unendlich  gross,  d.  h.  säint- 
licbe  Kurven  treffen  die  A"- Achse  in  ihrem  unendlich  ent- 
fernten Punkte,  Hiemit  ist  also  die  Gesamtheit  der  topo- 
graphisch bedeutsamen  Aufgahen,  zu  deren  Stellung  die  Frage 
nach  der  Nntur  des  Thalweges  Veranlassung  gibt  an  einer 
Fläche  erledigt,  die  allerdings  besonders  einfache  Verlniltnisse 
gewährt,  aber  schon  darum  vorzuziehen  ist,  weil  bei  Flachen 
von  nur  etwas  verwickelterer  Gestalt  die  Sonderung  der  Va- 
riahehl  und  die  Integration  weit  mehr  Schwierigkeiten  bereiten 
und  auf  völlig  unübersichtliche  Formeln  fiihren. 

Nunmehr  handelt  es  aich  darum,  die  mathematisch  er- 
zielten Ergebnisse  in  die  Natur  selbst  zu  übertragen,  filso  alle 
die  Vereinfachungen  fallen  zu  lasseui  welche  notwendig  waren. 


S.  Günther:  Hydrologtsch-topographische  Ghundbegtiffe.  29 

um  von  den  Hilfsmitteln  der  Mathematik  Nutzen  ziehen  zu 
können.  Da  gilt  denn  zuerst  der  Erfahrungssatz : ^)  Was 
theoretisch  als  asymptotische  Näherung  erscheint, 
ist  in  der  Natur  gleichbedeutend  mit  der  Thatsache, 
dass  zwei  konvergierende  Wasseradern  ihren  Ver- 
einigungspunkt möglichst  weit  abwärts  verlegen. 
Zwei  Flüsse,  die  sich  vereinigen,  laufen  der  Regel  nach  unter 
sehr  spitzem  Winkel  gegen  einander,  ja  sogar  längere  Zeit 
annähernd  parallel,  ehe  die  Vermischung  ihrer  Gewässer  statt- 
findet. Dafür,  dass  es  sich  so  verhält,  bedarf  es  offenbar  keines 
Beweises  mehr;  vielmehr  liegt  die  unmittelbare  Konsequenz 
einer  allgemein  erhärteten  Wahrheit  vor.  Der  Thalweg  ist 
mithin  jetzt  ein  wirklicher  Wassersammler,  und  weil  er 
dies  ist,  so  eröffnet  sich  uns  zugleich  die  Möglichkeit,  eine 
alte  und  noch  nicht  ausgetragene  geographische  Streitfrage  in 
ein  neues  Licht  zu  stellen. 

Zuvörderst  indessen  soll  noch  vom  Schnittwinkel  des  Thal- 
weges mit  den  ihm  zugeteilten  Abflusslinien  die  Rede  sein. 
Die  Betrachtung  eines  beliebigen  Flusssystemes,  zumal  in  seinem 
Oberlaufe,  auf  der  Karte  vergewissert  über  die  Richtigkeit 
und  das  generelle  Vorkommen  der  Konvergenz  unter  kleinem 
Winkel.  Wissenschaftliche  Ueberlegungen  aber  scheint  daran 
als  der  erste  Peschel  geknüpft  zu  haben,*)  dem  es  bei  seinen 

')  Vgl.  hiezu  CTÜnther,  Handbuch  der  Geophysik,  2.  Band,  Stutt- 
gart 1899,  S.  813.  Boussinesq  drückt  den  Gegensatz  in  der  zweiten 
seiner  oben  genannten  Abhandlungen  mit  folgenden  Worten  aus:  „Le 
thalweg  est  une  ligne,  ä  laquelle,  sur  tous  les  points  de  son  parcours, 
Tiennent  se  reunir,  en  toute  rigueur,  ou  de  moins  asymptotiquement, 
des  lignes  de  plus  grande  pente  qui  en  etaient  d'abord  ä  des  distances 
sensibles/ 

2)  Peschel,  Neue  Probleme  der  vergleichenden  Erdkunde,  Leipzig 
1878,  S.  141  ff.;  Peschel  -  Leipoldt,  Physische  Erdkunde,  2.  Band, 
Leipzig  1883,  S.  472  ff.  Die  von  Peschel  geltend  gemachte  Ursache 
ist  freilich  nicht  die  wahre,  und  wenn  er  mit  Reclus  (LaTerre,  1.  Band, 
Paris  1874,  S.  443)  hervorhebt,  dass  die  Geschiebeführung  den  spitzen 
Winkel  der  Flussannäherung  bedinge,  so  stellt  er  eine  Behauptung  auf, 
von  der  gemeiniglich  sogar,  wie  wir  bald  erfahren  werden,  das  Gegen- 
teil als  zutreffend  anerkannt  werden  muss. 


30  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  1.  Februar  1902, 

vergleichenden  Kartenstudien,  die  eben  doch  auch  in  diesem 
Falle  sich  als  nicht  wertlos  dokumentieren,  auffiel,  wie  in 
manchen  Ländern  der  TreflFpunkt  zusammengehöriger  Flüsse 
weit  hinausgeschoben  wird.  Ein  besonders  drastisches  Beispiel 
bieten  die  Stromgebiete  Nordamerikas  zwischen  AUeghanies 
und  Atlantischem  Ozean;  ferner  sind  sehr  geeignete  Demon- 
strationsobjekte der  Amazonenstrom  und  der  Po.  Man  über- 
zeuge sich  nur  auf  der  Karte,  wie  Tanaro,  Ticino,  Adda, 
Parma,  Oglio,  Mincio,  deren  Lauf  ursprünglich  ein  meridionaler 
ist,  allmählich  gegen  den  Thalweg  des  grossen  oberitalienischen 
Bassins,  gegen  den  Po,  hin  umbiegen,  um  sich  förmlich  seiner 
Laufrichtung  anzupassen.  Gerade  für  die  lombardisch-vene- 
tianische  Tiefebene  trifft  auch  zu,  was  Wisotzki,  dessen 
Monographie  uns  noch  weiterhin  beschäftigen  wird,  über  solche 
seitliche  Flüsse  bemerkt,^)  die  den  Hauptfluss  nicht  mehr  selbst 
treffen.  „Auch  selbständig  das  Meer  erreichende  Flüsse  sind 
als  Nebenflüsse  zu  bezeichnen,  sobald  sie  eine  mit  anderen 
Nebenflüssen  des  betreffenden  Systemes  gleichartige  Lage  be- 
sitzen." So  sind  Reno  und  Panaro  auf  der  rechten,  Brenta 
und  Piave  auf  der  linken  Seite  des  Po  als  Nebenflüsse  dieses 
letzteren  anzusehen,  und  erst  recht  gilt  ein  Gleiches  für  die 
Etsch,  deren  unterste  Laufstrecke  dem  Po  vollkommen  parallel 
gerichtet  ist.  In  Hochwasserzeiten,  wenn  die  Wasserläufe  über 
ihre  nur  schwach  profilierten  Betten  übergreifen,  bilden  diese 
zusammengehörigen  und  da  und  dort  ohnehin  durch  Altwasser 
und  Kanäle  Verbindung  unterhaltenden  Flüsse  nur  eine  einzige, 
zusammenhängende  Wasserfläche,  so  wie  dies  auch  Nissen*) 
weiter  oberhalb  für  die  von  Tanaro  und  Po  gebildete  Halb- 
insel bezeugt.  Oberitalien  ist  überhaupt  das  klassische  Land 
für  die  Erkenntnis  hydrographischer  Thatsachen,  wie  denn 
auch  die  wissenschaftliche  Wasserbaukunde  daselbst  ihren  natür- 
lichen Ursprung  hatte.  So  wäre  insbesondere  auch  auf  den 
Lago  d'Orta  zu  verweisen,    den  einzigen  unter  den  südalpinen 


^)  Wisotzki,    Hauptfluss  und  Nebenfluss;    Versuch   einer  begriff- 
lichen Nachbildung  derselben,  Stettin  1889,  S.  13G. 

*)  Nissen,    Italische   Landeskunde,    I.Band.    Berlin  1883,    S.  180, 


S.  Günther:  Hydrologisch-topographische  Grundbegriffe. 


31 


Binnenseen,  der  sich  gegen  Norden  entwässert.*)    Sein  Abfluss 
geht  der  selbst  von  Norden  kommenden  Toce  direkt  entgegen 
und  erfahrt   erst  kurz  vor  der  Vereinigung  mit  ihr  eine  Ab- 
lenkung  nach   Osten,    so   dass   er    sie   in   der   mehrerwähnten 
Weise  triflFt   und    kurz   vor  der  Mündung  in  den  Langen-See 
verstärkt.     In    Fig.  3    kann    man    diesen   abnormen   entgegen- 
gesetzten   Parallelismus   eines  Hauptflusses    und    des   ihm    zu- 
strebenden Nebenflusses  konstatieren. 
Mit  der  Sedimentablagerung,  deren 
Wirkung?  esc  hei  als  Ursache  im  Auge 
hatte,  steht  die  Abwärtsverlegung  des 
Einnoündungspunktes  nicht  in  kausalem 
Zusammenhange,  wenngleich  dieselbe 
hie  und  da  eingreifen  mag.*)    Dieses 
Moment  fällt   sogar  gemeiniglich   im 
entgegengesetzten  Sinne  in  die  Wag- 
schale. Wenn  manchmal  der  that- 
sächlicheBefund  hinsichtlich  des 
Einmündens  eines  Flusslaufes  in 
den  Thalweg   ein    ganz    anderer 

ist,  als  nach  der  topographischen  Regel  erwartet 
werden  sollte,  so  ist  daran  in  erster  Linie  schuld, 
dass  die  Einmündungsstelle  durch  die  Anhäufung  von 


Fig.  8. 


M  De  Agoatini,  II  Lago  d'Orta,   Turin  1895. 

^)  Auf  eine  anderweite  Möglichkeit,  die  jedoch  wohl  nicht  allzu 
häufig  zu  konstatieren  sein  wird,  weist  Henkel  hin  (üeber  das  Um- 
biegen von  Nebenflüssen  in  der  Nähe  der  Mündung,  Peterraanns 
Geograph.  Mitteil.,  35.  Band,  S.  176  fF.).  Es  ereignet  sich  nämlich,  dass 
der  Nebenfluss  ein  Rinnsal  benützt,  welches  in  geologischer  oder  prä- 
historischer Vorzeit  von  dem  Hauptstrome  eingenommen  war,  der  dann 
aus  irgend  einem  Grunde  einer  Laufönderung  unterlag.  So  verhält  es 
sich  bei  der  Vereinigung  der  Ohre  mit  der  Elbe  in  der  Nähe  Magde- 
burgs; ersteres  Flüsschen  strömt  jetzt  in  einem  Bette  dahin,  das  einen 
alten  Elbearm  darstellt,  und  dass  dieser  sich  dem  Hauptarme  unter  sehr 
spitzem  Winkel  nähern  musste,  ist  an  und  für  sich  einleuchtend,  da  ja 
alle  Strominseln  von  grösserer  Ausdehnung  eine  längliche  Gestalt  be- 
sitzen oder  doch  ursprünglich  besassen. 


32  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  1.  Februar  1902. 

Sinkstoffen  stromaufwärts  gedrängt  wird.  Es  wird  dies 
besonders  dann  eintreten,  wenn  die  Flussmündung  den  Charakter 
eines  Deltas  an  sich  trägt,  und  wenn  der  sich  in  den  grösseren 
ergiessende  kleinere  Fluss  reich  an  mitgeführten  Feststoffen  ist, 
während  der  erstere,  wie  hier  der  regulierte  Rhein,  sich  dieses 
Ballastes  zum  grossen  Teile  bereits  früher  entledigt  hat.  So  hat 
Naeher^)  für  den  Einlauf  des  Neckars  in  den  Rhein  eine 
durch  Geschiebeaufschüttung  bedingte  Verlegung  dieser  Oert- 
lichkeit  dargethan  und  für  den  Einlauf  des  Mains  wenigstens 
wahrscheinlich  gemacht.  Das  Neckardelta  bei  Mannheim  hat 
sich  noch  in  historischer  Zeit  beträchtlich  vergrössert  und  die 
Gewässer  des  Flusses  südlich  abgedrängt.  Natürlich  kommt, 
da  auf  der  konkaven  Uferseite  Sedimentation,  auf  der  konvexen 
dagegen  Erosion  stattfindet,  sehr  viel  darauf  an,  welche  dieser 
Seiten  in  betracht  fällt,  und  es  ist  nicht  möglich,  eine 
allgemeine  Norm  aufzustellen.  Soviel  aber  darf  unter  allen 
Umständen  als  gesichert  gelten,  dass,  wenn  das  durch  das 
geometrische  Verhalten  der  Abflusslinien  gegebene  Naturgesetz 
irgendwo  eine  Trübung  oder  totale  Verwischung  erfährt,  in 
der  Geschiebe-  und  Schlammführung  des  jener  Abflusslinie 
folgenden  Wasserlaufes  die  Hauptursache  der  anscheinenden 
Anomalie  zu  suchen  ist. 

Nachdem  diese  bisher  viel  zu  wenig  beachtete  geographi- 
sche Frage  ihre  Erledigung  gefunden  hat,  wenden  wir  uns 
einer  zweiten,  mit  ihr  verwandten  zu.  Ohne  Bedenken  ver- 
wendet man  zumeist  die  schon  aus  dem  ersten  Unterrichte 
geläufigen  Begriffe  Hauptfluss  und  Nebenfluss,  ohne  viel 
danach  zu  fragen,  ob  dieselben  auch  eine  Formulierung  zu- 
lassen, welche  hinlänglich  allgemein  wäre,  um  dann,  wenn 
irgend  ein  besonderer'  Fall  der  Klärung  bedarf,  diese  herbei- 
führen zu  können.  Die  uns  bereits  (s.  o.)  bekannte  Schrift 
von  Wisotzki  leistet  in  dieser  Hinsicht  Alles,  was  mit  den 
gewöhnlichen,  rein  geographischen  Mitteln  geschehen  konnte, 


^)  Naeher,   Ueber  den  Kulturzustand  des  oberen  Rheinthaies   zur 
Rönierzeit.  Zeitschr.  f.  wissenschaftl.  Geogr.,  2.  Jahrgang?,  S.  170. 


S,  Günther:  Hydrologisch-topographische  Grundbegriffe,  33 

und  muss   sich   ebendeshalb    mit   einem  Resultate   bescheiden, 
welches   nicht   als   ein   vollkommen    befriedigendes    erscheinen 
kann,    weil  danach  die  Feststellung,    ob   ein    gegebener  Fluss 
der  einen  oder  anderen  Kategorie    zuzuordnen    sei,    von   einer 
ganzen  Anzahl  von  Faktoren  abhängen  soll.    Wisotzki  durch- 
mustert eine  sehr  stattliche  Litteratur,   welche  bereits  bei  den 
Schriftstellern  des  XVIII.  Jahrhunderts  beginnt.     Es  zeigt  sich, 
dass  unter  den  Methodikern    eine  gewisse  Verwirrung  einge- 
rissen ist,  weil  dieselben  teilweise  dem  rein  zufälligen  Umstand 
der  einmal   bestehenden   Nomenklatur    zu   viel  Rechnung   ge- 
tragen haben.  Es  ist  ja  freilich  nicht  daran  zu  denken,  dass  man 
einer  in  die  Denkweise  der  ganzen  gebildeten  Welt  aufgenom- 
menen  Namengebung    entgegentreten    könnte;    Roskoschny 
betont  dies  ^)  mit  Recht  anlässlich  der  von  russischen  Forschern 
vertretenen  Meinung,  dass  eigentlich  die  Oka  und  Wolga  ihre 
Kollen  als  Neben-  und  Hauptfluss  zu  tauschen  hätten.     Allein 
diese  Rücksicht    auf   das    Herkommen,    welches    sich  ohnehin 
nicht  mehr  verändern   Hesse,    darf  doch  nicht  verhindern,    der 
prinzipiellen  Seite  des  Problemes  gerecht  zu  werden,  was  denn 
auch  Wisotzki   mit  allem  Ernste  anstrebt.     Allein  seine  all- 
seitig  ausgreifende  Untersuchung    wird   zwar,    soweit    es    sich 
um    die    Bekämpfung    unstichhaltiger    Kriterien    handelt,    als 
mustergiltig  anerkannt  werden  müssen,   nicht  aber  ebenso  be- 
züglich der  von  ihm  am  Schlüsse  aufgestellten  These:*)    „Als 
charakteristisches,  unterscheidendes  Merkmal  erweist  sich  allein 
die  Lage,    in    ihrer   vertikalen    wie    horizontalen  Erscheinung, 
unter   steter  Berücksichtigung  der  Gesamtverhältnisse  des  be- 
treflPenden  Gebietes."     Dieses  Merkmal  ist,  so  wenig  auch  sach- 
lich gegen  die  Einzelheiten  des  Satzes  einzuwenden  sein  mag, 
denn  doch  ein  viel  zu  unbestimmtes.^)    Wir  halten  dafür. 


*)  Roskoschny,  Die  Wolga  und  ihre  Zuflüsse;  Geschichte,  Ethno- 
graphie, Hydro-  und  Orographie,  Leipzig  1887,  S.  268. 
2)  Wisotzki,  a.a.O.,  S.  136. 

^)  Auch   die   Bezeichnung   Quell flüsse  leidet    unter   dieser  Un- 
bestimmtheit.    So  ist  ohne  allen  Zweifel  der  Hinterrhein  ein  Nebenfluss 
des  strenge  den  Thalweg  einhaltenden  Vorderrheins,  und  die  Eigenschaft, 
1902.  Sitzungsb.  d.  matb.-phys.  Cl.  3 


34  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  1,  Februar  1902, 

dass  unsere  geometrischen  Ergebnisse  eine  viel  bestimmtere,  ja 
sogar  eine  ganz  eindeutige  Fassung  gestatten;  hat  nämlich, 
wie  wir  mit  Boussinesq  gegen  Jordan  es  vertraten,  der 
Thalweg  wirklich  eine  ihn  vor  allen  Abflusslinien  auszeich- 
nende Eigenart,  so  dürfen  wir  behaupten: 

Der  Thalweg  eines  Stromgebietes  ist  immer  mit 
dem  Hauptstrome  desselben  identisch,  und  die  übrigen 
Abflusslinien  bezeichnen  die  Bahnen  der  Nebenflüsse. 

Es  braucht  kaum  erwähnt  zu  werden,  dass  auch  die  Zu- 
und  Beiflüsse,  überhaupt  alle  Wasserläufe,  die  irgendwie 
einem  grösseren  Strome  tributär  sind,  in  dieser  Definition  mit 
einbegriflfen  werden  können.  Der  Nebenfluss  hat  eben  sein 
besonderes  Untersystem,  für  welches  er  selbst  den  Thalweg 
abgibt,  und  in  gleicher  Weise  zerfällt  auch  dieses  sekundäre 
Gebiet  wieder  in  Teilgebiete. 

Allein  so  klar  das  Wort  Thalweg  unseren  Ermittelungen 
zufolge  ist,  wenn  eine  geometrische  Hohlfläche  vorliegt,  so 
wenig  scheint  dasselbe  Wort  sich  bestimmt  fassen  lassen  zu 
wollen,  sobald  man  zu  den  Stromgebieten  der  Erdoberfläche 
übergeht,  die  ja  selbst  wieder  einen  ganz  ungeregelten  Wechsel 
von  Erhöhungen  und  Vertiefungen  wahrnehmen  lassen.  Sowie 
wir  jedoch  die  Eigenschaft  des  Thalweges  zur  Richtschnur 
nehmen,  dass  seine  Horizontalprojektion  eine  gerade 
Linie  ist,  schwindet  jene  Schwierigkeit,  und  wir  sehen  uns 
so  ganz  von  selbst  zu  einer  zumeist  allen  Zweifel  ausschliessen- 
den  Definition  geführt: 

Als  Hauptstrom  oder  Thalweg  ist  beim  Zusam- 
mentreffen zweier  Flussrinnen  diejenige  anzusprechen, 
welche  am  wenigsten  von  einer  geraden  Linie  ab- 
weicht  und    insbesondere    auch   an   der  Vereinigungs- 


der  eigentliche  Rhein  zu  sein,  kann  dem  sogenannten  Vorden-hein  auch 
dadurch  nicht  genommen  werden,  dass,  wie  auch  Rein  (a.  a.  0.)  be- 
merkt, der  Hinterrhein,  vermöge  seines  grösseren  Gefälles,  die  Gewässer 
des  ersteren  bei  der  Konfluenzstelle  in  Reichenau  ganz  und  gar  bei  Seite 
drängt  und  so  den  Eindruck  erweckt,  als  stelle  er  das  namhaftere  Kon- 
tingent zum  Gesamtstrome. 


S.  Günther:  Hydrologisch-topographische  Grundbegriffe,  35 

stelle  die  geringste  Ablenkung  von  ihrer  bisher  ein- 
gehaltenen Richtung  erleidet. 

Hiezu  eine  bestimmte  Stellung  zu  nehmen,  ist  in  der  Regel 
durchaus  nicht  schwierig,    indem  weiter   nichts   als    eine    gute 
Karte  erfordert  wird.     Die  bisherige  Lauf  länge,  deren  genaue 
Feststellung    zu    den   schwierigsten  Pflichten    der  Kartenkunde 
gehört,  tritt  gegen  das  Moment  einer  möglichst  wenig  ge- 
störten Geradlinigkeit  ganz  in  den  Hintergrund,  und  nicht 
anders  verhält  es  sich  mit  der  WasserfQlle,  die  auch  nicht  zu 
den  leicht   zu   ermittelnden  Grössen  gehört.     Wollte  man  auf 
alle  diese  Dinge  als  auf  massgebende  Elemente  bedacht  nehmen, 
so  würde  die  Entscheidung  darüber,  ob  ein  Fluss  den  Haupt- 
oder Nebenflüssen   zuzuzählen   sei,    eine   sehr  verwickelte   und 
in  unzählig  vielen  Fällen,  wenn  z.  B.  ferne  und  wenig  erforschte 
Länder   in  betracht  kommen,    so   gut   wie   unlösbare  Aufgabe 
werden.     An  der  Hand  unseres  obigen  Kriteriums  ist  hingegen 
diese  Entscheidung  unverhältnismässig  leichter  zu  treflFen.    Auf- 
fallen kann  es  nicht,  dass  auch  früher  schon  gelegentlich  dieser 
Punkt  mehr  oder  weniger  scharf  betont  worden  ist,  doch  ver- 
zichten wir  auf  die  Häufung  von  Belegen,  da  doch  zumeist  der 
Standpunkt,  von  dem  aus  man  die  Sache  ansah,  ein  anderer  war. 
Wohl  aber  sei  an  zwei  weitbekannten  und  viel  erörterten 
Beispielen  erläutert,  dass  die  Uebertragung  des  von  hause  aus 
rein   geometrischen  Begriffes   des  Thalweges    den   Sachverhalt 
zutreffend   darstellt.     Schon    alt   ist  die  Alternative:    Soll  von 
Passau    ab  Donau   oder  Inn    die  Berechtigung    erhalten,    als 
Hauptfluss  respektiert  zu  werden?    C.  Grub  er  gedenkt^)  ein- 
lässlich  früherer  Meinungsäusserungen  über  diese  strittige  Frage 
der  bayerischen  Hydrographie.     Gegen  Ende  des  XVUI.  Jahr- 
hunderts   erschienen    zwei    Reisebeschreibungen,*)    deren    eine 


*)  C.  Grub  er,  Die  landeskundliche  Erforschung  Altbayerns  im 
XVI.,  XVII.  und  XVI II.  Jahrhundert,  Stuttgart  1894,  S.  56  ff. 

*)  Gercken,  Reise  durch  Schwaben  und  Bayern,  I.Teil,  Stendal 
1783.  S.  57 ;  Briefe  eines  reisenden  Franzosen  über  Deutschland  an  seinen 
Bruder  zu  Paris,  1.  Band,  Zürich  1785,  S.  171.  Erstgenannter  tritt  für 
den  Inn  ein;  der  Anonymus  ist  der  Verteidiger  des  Vorranges  der  Donau. 

3* 


36  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  1.  Februar  1902, 

ebenso  entschieden  für  das  Recht  des  Inns  eintrat,  wie  sich 
die  andere  zu  gunsten  der  Donau  erklärte.  Sehr  eingehend, 
und  unter  Anrechnung  aller  der  Momente,  die  sich  in  das  Ge- 
fecht führen  lassen,  hat  neuerdings  Penck*)  der  herkömm- 
lichen Anschauung  ihre  Begründung  gegeben,  indem  er  nament- 
lich auch  darauf  Gewicht  legte,  dass  das  Entwässerungsgebiet 
der  oberen  Donau,  wenn  wir  diese  bei  ihrem  Eintritte  in  öster- 
reichisches Gebiet  enden  lassen,  an  Arealgrösse  dasjenige  des 
Inns  nicht  unbeträchtlich  übertrifft.  An  Wassermenge  sind 
die  beiden  Flüsse  fast  gleich,  doch  wiegt  auch  da  die  Donau 
ein  wenig  vor.  Jedenfalls  behält  letztere  ihre  Richtung,  der 
Hauptsache  nach,  wiewohl  sie  in  Oberösterreich  viele  und 
starke  Krümmungen  macht,  ungleich  entschiedener  als  der 
Inn  bei,  der  —  kurz  vor  Passau  allerdings  in  dem  bekannten 
spitzen  Winkel  scharf  umbiegend  —  eine  fast  rechtwinklige 
Knickung  erleidet.  Zum  zweiten  mögen  Mississippi  und 
Missouri  unserem  Merkmale  unterstellt  werden.  Hier  kann 
es  nun  gar  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  dem  ersteren, 
dessen  Quelle  hart  an  der  kanadischen  Grenze  zu  suchen  ist, 
bis  zum  Zusammenflusse  bei  St.  Louis  eine  weit  geringere 
Lauflänge  eignet  als  dem  Missouri  zwischen  den  Black  Hills 
und  jener  Stadt;  ebenso  führt  dieser  letztere,  durch  den  Yellow- 
stone  River  und  andere  Seitenflüsse  verstärkt,  mehr  Wasser 
mit  sich.  Trotzdem  hat  die  Volksstimme  ganz  recht  gethan, 
den  Mississippi  zum  Hauptstrome  zu  erheben,  dessen  Lauf  bis 
zur  Vereinigung  und  auch  nachher  strenge  die  meridionale 
Richtung  einhält,  wogegen  den  Missouri  das  Schicksal  des 
Inns  in  noch  erhöhtem  Masse  betrifft.  So  beurteilt  den  Sach- 
verhalt auch  Wisotzki,  der  nebenher  auch  noch  mit  der 
Thatsache  rechnet,  dass  die  beiden  geneigten  Flächen,  welche 
von  den  Appalachon  auf  der  einen  Seite,  von  den  Felsen- 
gebirgen auf  der  anderen  Seite  ausgehen,  sich  im  Mississippi- 
thale  begegnen.^)  Damit  ist  der  Fluss  selbst  eben  wieder 
recht  ausgesprochen  als  ein  Thal  weg  charakterisiert. 

1)  Penok,  Die  Donau.     Wiou  1891,  S.  12  ff. 

2)  Wisotzki,  S.  110  ff. 


S,  Güntlher:  Hydrologisch-topographische  Grundhegriffe,  ^^7 

Ein  drastischer  Fall  von  Nichtübereinstimmung   zwischen 
unserer   Begriflsfestsetzung   und    der    landläufigen    Geographie 
tritt  uns   entgegen,    wenn   wir   unser  Augenmerk  auf  Rhone 
und  Saone  lenken.     Mit  Bezug  auf  diese  beiden  Flüsse  sucht 
E.  Reclus^)    die  Schwierigkeit  einer  bündigen  Regel  klar   zu 
machen;    wäre,    so   meint   er,    die   relative  Geradlinigkeit  ent- 
scheidend, so  wäre  ebenso  der  Rhone  ein  Nebenfluss  der  Saone, 
wie  die  Seine  ein  Nebenfluss  der  Yonne.     Hätte  man  vor  Zeiten 
die  Yonne  als  Hauptfluss  anerkannt,    so    würde    auch    in    der 
That  Jedermann    damit    zufrieden    gewesen    sein.     Allein   der 
Sieg  der   an  sich  minder  richtigen  Namenzuteilung  ist  einmal 
in  diesem,   wie    auch   in    dem  Falle  Rhöne-Saone   entschieden. 
Dass  übrigens   auch    erst   in  jüngerer   historischer   Zeit   Ver- 
änderungen in  der  Bezeichnung  von  Flussstrecken  sich  ergeben, 
zeigt  uns  die  Salzach  in  ihrem  obersten  Laufe.^)     Hier  hat  sich 
ganz  von   selbst   im   Verlaufe    weniger  Jahrzehnte   die  —  im 
Sinne  der  vorstehenden  Darlegungen  —  richtigere  Auffassung 
zur  Geltung  gebracht,    und    man   betrachtet  jetzt   als   oberste 
Salzach   denjenigen    der    beiden    sich    nahe    bei   Kriniml    ver- 
einigenden Flussäste,  welcher  annähernd  geradlinig  dahinzieht, 
mag  auch  sein  Wasserreichtum  der   zweifellos  geringere   sein. 
Diese  Studie  hat  ausgesprochenermassen  nicht  den  Zweck, 
eine  neue  Inangriflfriahme  strittiger  Fragen,    eine  Revision  des 
onomatologischen  Besitzstandes    der  Geographie    in   Anregung 


»)  E.  Reclus,  La  Terra,  1.  Band,  Paris  1874,  S.  341.  Wer  hin- 
wiederum die  Lauflänge  zum  alleinigen  Massstabe  erheben  wollte,  der 
müsste  sowohl  Saone  als  auch  Rhone  als  Tributäre  des  Doubs  erklären, 
dessen  sonderbare  Krümmung  ihm  eine  sehr  ansehnliche  Erstreckung 
verleiht. 

2)  Vgl.  Schjerning,  Der  Pinzgau;  Physikalisches  Bild  eines  Alpen- 
gaues,  Stuttgart  1897,  S.  69.  ^Fast  alle  Reiseberichte  aus  dem  vorigen 
Jahrhundert  lassen  die  Salzach  am  Krimmler  Tauern  entspringen."  Der 
Autor  ist  geneigt,  sich  auf  den  gleichen  Boden  zu  stellen,  während  doch 
die  von  ihm  als  oberster  Salzachlauf  angesprochene  Krimmler  Ache 
ganz  offenkundig  aus  einem  Seitenthale  kommt.  Ein  Beleg  mehr  dafür, 
wie  notwendig  eine  erneute  Prüfung  dessen  war,  was  man  unter  Thal- 
weg und  Hauptthal  zu  verstehen  habe. 


38  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  1.  Februar  1902, 

bringen  zu  wollen.  Sie  ging  vielmehr  lediglich  darauf  aus, 
darzuthun,  dass  die  zutreffende  Fixierung  gewisser  Begriffe, 
bezüglich  deren  sich  ein  Gebrauchsrecht  herausgebildet  hat, 
schliesslich  doch  nur  durch  eine  theoretische  Behandlung,  bei 
welcher  möglichst  die  geometrische  Gesetzmässigkeit  zur  Norm 
genommen  wird,  in  einwurfsfreier  Weise  erzielt  werden  kann. 
Hier  also  kam  es  darauf  an,  für  die  schwankende  Bedeutung 
des  Wortes  Thalweg  eine  ganz  sichere  Grundlage  zu  ge- 
winnen und  im  Anschlüsse  daran  auch  die  Beziehungen 
zwischen  Haupt-  und  Nebenfluss  derart  festzulegen,  dass 
für  dieselben  nicht  mehr  eine  Vielzahl  sich  häufig  wider- 
sprechender Faktoren,  sondern  nur  ein  einziges  Kriterium 
massgebend  sein  soll.  Nebstdem  erwies  es  sich  als  möglich, 
für  das  hydrographische  Gesetz  der  Konvergenz  zweier 
Wasserläufe  eine  ausschliesslich  von  topologischen  Gesichts- 
punkten ausgehende  Begründung  zu  erhalten. 


39 


Ueber 

ein  Verfahren  der  elektrischen  Fernphotographie. 

(Vorläufige  Mitteilung.) 
Von  Arthnr  Korn. 

{Sinfftlaufm  1.  FOfmar.) 

Bei  Gelegenheit   von    Untersuchungen   über  Strahlungen, 
welche  von  den  Elektroden  einer  zu  Drucken  von  0,2  bis  2  mm 
evakuierten  Röhre  ausgehen,  wenn  man  den  Elektroden  Hertz'- 
sche  Schwingungen   zuführt,    legte  mir  die  Beobachtung    der 
Empfindlichkeit,^)   mit  der  diese  Strahlungen  auf  kleine  Ver- 
änderungen in  der  Zuleitung  reagieren,    den  Gedanken   nahe, 
diese  photographisch  ausserordentlich  wirksamen  Strahlungen 
zu  einer  Methode  der  elektrischen  Fernphotographie  zu  benützen. 
Bei   allen   solchen  Methoden   handelt   es  sich    darum,    im 
Geber  Lichtintensitäten  in  Stromintensitäten  und  im  Empfänger 
umgekehrt  Strom intensitäten   in   Lichtintensitäten   umzusetzen 
(oder  in   Strahlungen,    welche  photographisch  wirksam  sind). 
Das  Princip  des  Gebers  beruht,  wie  bei  allen  in  ähnlicher 
Richtung  bereits  gemachten  Versuchen,*)   auf  der  Eigenschaft 
des  Selens,    durch  Belichtung   seinen    ausserordentlich  grossen 
elektrischen    Widerstand    teilweise    zu    verlieren;    das    Grund- 
princip   des   von   mir  konstruierten  Empfängers   beruht  auf 
folgender  Erscheinung: 


'^)  Annalen  der  Physik  (4)  5  S.  136  , Ueber  die  helle  J-Fläche  Jau- 
manns. 

2)  Eine  gute  historische  üebersicht  über  solche  Versuche  findet 
man  in  den  Schriften  von  Liesegang  (Ed.  Liesegangs  Verlag,  Düsseldorf). 


40  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  1.  Februar  1902, 

Schaltet  man  in  die  Leitung  von  einem  Teslapole  zu  einer 
Elektrode  einer  zu  0,2  bis  2  mm  Druck  evakuierten  Röhre 
(deren  zweite  Elektrode  zur  Erde  abgeleitet  ist)  eine  Funken- 
strecke ein,  so  kann  man  durch  Aenderung  dieser  Funken- 
strecke die  Intensität  der  in  der  Röhre  auftretenden  Strahlungen 
regulieren.  Bei  zu  tiefem  Druck  in  der  Röhre  gehen  die 
Hertz'schen  Schwingungen  nicht  mehr  durch  die  Röhre  (wenn 
man  die  excitierenden  Funken  des  Teslaapparates  nicht  sehr 
gross  macht),  und  bei  zu  hohen  Drucken  sind  die  Strahlungen 
zu  schwach,  so  dass  für  die  hier  angestrebten  Verwendungen 
ein  Druck  von  0,2  bis  2  mm  am  geeignetsten  ist. 

Um  nun  die  Funkenstrecke  durch  die  vom  Geber  kom- 
menden elektrischen  Ströme  zu  regulieren,  wird  ein  astatisches 
Multiplikator-Galvanometer  benützt;  der  Coconfaden,  an  dem 
das  astatische  Nadelpaar  hängt,  wird  verkürzt  und  in  dem- 
selben ein  kleines  Kautschukstäbchen  eingeschaltet,  das  in  der 
Mitte  eine  zu  dem  Stäbchen  senkrechte  Messingnadel  mit  um- 
gebogener Spitze  trägt;  der  Spitze  gegenüber  wird  eine  feste 
Nadel  aufgestellt,  die  bewegliche  Nadel  wird  mit  dem  Teslapole, 
die  feste  mit  der  Elektrode  der  Röhre  verbunden.  Je  nach  der 
Intensität  des  vom  Geber  kommenden  und  durch  den  Multipli- 
kator gehenden  Stromes  wird  die  Funkenstrecke  zwischen  der 
festen  und  der  beweglichen  Nadel  kleiner  oder  grösser  und  ent- 
sprechend die  Strahlung  in  der  Röhre  mehr  oder  weniger  intensiv. 

Wenn  man  im  Geber  zwischen  einer  Lichtquelle  und  einer 
Selenzelle  eine  photographische  Platte  (oder  Film)  zeilenweise 
vorbeizieht,  so  wird  ein  durch  die  Zelle  und  den  Multiplikator 
im  Empfänger  geleiteter  Strom  je  nach  den  helleren  und 
dunkleren  Stellen  des  Bildes  abwechselnd  grösser  und  kleiner 
werden  und  in  der  Röhre  des  Empfängers  abwechselnd  mehr 
oder  weniger  intensive  Strahlungen  erzeugen.  Wenn  man  die 
Röhre  mit  Staniol  und  schwarzem  Papier  überklebt  und  nur 
ein  kleines  Fenster  freilässt,  können  auf  photographischem 
Papier,  das  an  dem  Fenster  ähnlich  wie  eine  Phonographen- 
walze an  der  Membran  vorbeiläuft,  jene  Strahlungen  das  Bild 
des  Gebei*s  reproducieren. 


A.  Korn:  Ein  Verfahren  der  elektrischen  Fernphotographie.        i  1 

Eine  eingehende  Beschreibung  eines  nach  diesen  Principien 
konstruierten  Apparates  werde  ich  demnächst  an  anderer  Stelle 
geben,  es  sei  hier  nur  ein  Punkt  noch  besonders  hervorgehoben: 
Zur  Erzeugung  der  Strahlungen  in  der  evakuierten  Röhre 
können  nicht  etwa  Schwingungen  gebraucht  werden,  welche 
direkt  z.  B.  von  den  Funken  einer  Influenzmaschine  erzeugt 
werden,  weil  in  diesem  Falle  die  bewegliche  Nadel,  durch 
welche  die  Leitung  zur  Röhre  geht,  grösseren  elektrostati- 
schen Wirkungen  ausgesetzt  wäre  und  die  von  ihr  verlangte 
Funktion  nicht  erfüllen  könnte;  aus  diesem  Grunde  sind  grade 
zur  Erzeugung  der  Strahlungen  die  Hertz'schen  Schwingungen 
gewählt,  wie  sie  durch  die  sog.  Teslaströme  geliefert  werden. 


43 


Das  Problem  der  conformen  Abbildung  für  eine 
specielle  Kurve  von  der  Ordnung  3n. 

Von  Newel  Perrj. 

{Singelaufen  1.  Februar.) 

§  1- 

Die  Gleichung  einer  circularen  Kurve  dritter  Ordnung  in 
der  Ebene  ^  =  w  -f-  i  t;  ist: 

tt,{at+  a,t,  ^ß)J^y{^-Yy,n^dt+d,t,+E  =  {),    (1) 
wobei  /j  =  M  —  iv  gesetzt  ist. 

Macht  man  die  Transformation 

t  =  (p  {i3\   wo 
cp  {z)  =  z-^^,  ^-1  +  .  .  .  +^,,,  (2) 

so  erhält   man   in   der   Ebene   z=^x  -\-  iy^  z^=x  —  iy   eine 
,w-fach  circulare*  Kurve  von  der  Ordnung  3w,  nemlich: 

r  W  •  <Pi  i^i)  •  [«  (P  (^)  +  «1  9^1  (^i)  +  ßli  +  y'<P^  (^) 

+  y^  <pl  i^i)  +  d<p(z)  +  d,  <p,  (^,)  +  6  =  0.  (3) 

Im  Anschlüsse  an  eine  von  Herrn  Lindemann  gegebene 
Methode,*)  nach  der  Herr  Göttler  die  Kurve  (1)  behandelt 
hat,*)  habe  ich  in  meiner  Inaugural-Dissertation^)  die  Kurve  (3) 

*)  Sitzungsberichte  der  k.  bayer.  Akademie  d.  Wiss.  1895  und  1896 ; 
SchrifteD  der  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  zu  Königsberg  i.  Pr., 
Bd.  32,  1894. 

2)  Sitzungsberichte  der  k.  bayer.  Akademie  d.  Wiss.  1900. 

')  Das  Problem  der  conformen  Abbildung  für  eine  specielle  Kurve 
von  der  Ordnung  3  n.     München  1901, 


41  Sitzung  der  math,-phys,  Classc  vom  1.  Februar  1002. 

nälier  untersucht  und  gezeigt,  dass  das  Problem  der  conformen 
Abbildung  für  ein  von  einer  derartigen  Kurve  begrenztes  Flächen- 
stück immer  mit  Hilfe  einer  integrierbaren  Differentialgleich- 
ung zweiter  Ordnung  gelöst  werden  kann,  wenn  bei  Beibe- 
haltung der  früheren  Bezeichnungsweise 

2  +  2i:;^/  +  S(A,  — 2)-2s  +  i:(a,-l) 
•=1  1=1  1=1 

(4) 

+  £  ^V  ~  -  a  +  ^  =  0  ist.^) 
1=1      ^ 

Hierin  sind  die  Constanten  x,-,  A,-,  a,-,  ^,-,  5,  a,  ti  durch 
folgende  Festsetzungen  erklärt. 

Wenn  die  vier  Brennpunkte  der  Kurve  (1)  ^  =  a^,  t  =  a^, 
^  =  ag,  ^  =  a^  von  einander  verschieden  sind,  so  sei 

li  {2)  =  [99  {£)  —  a J  \cp  {z)  —  aj  [99  {z)  —  a^~\  [<p  {£)  —  «,] 

=^'n{^-lh^'\  wo  /'<4n,  Ski=in. 

1=1 

Hat  jene  Kurve  aber  einen  Doppelpunkt,  so  sei  a^  =  a^^=  a\ 
und  es  wird: 


It  {^  =  77 (^  -  A,/'-.  n{z  -  ^,)'% 
1=1  1=1 

Avobei 

/^  _<n;  n''<2w;  2'>i,=  2w;  2!Ti  =  n. 

Es  ist  w'  =  w,  wenn  alle  t,  gleich  1  sind,  ebenso  n'  =■  2  w, 
wenn  alle  ^,  gleich  1  sind.  Die  Constanten  Xi  sind  durch  die 
Gleichung 

V 

(p' {^)  =  77 (^  —  qtT*,  wo  V  <n  —  1,  üx,  =  n  —  1 

1=1 

definirt,  welche  die  Brennpunkte  der  Kurve  3  n^^  Ordnung  (3) 
bestimmt. 

^)  luaug.-Diss.  Gleichung  (22)  pag.  23. 


N,  Terry:  Specielle  Kurve  von  der  Ordnung  3n.  45 

Die  Zahl  a  gibt  an,  durch  wie  viele  Windungspunkte 
der  /-Ebene  (entstanden  durch  die  Beziehung  t  =  q?{^))  die 
Kurve  (1)  hindurchgeht  (a  =  0,  1,  2,  .  .  .  oder  n  —  1),  während 
T  solche  Windungspunkte  noch  in  den  Brennpunkten  a^,  a^, 
Oj,  a^  liegen  können.  Die  Kurve  (3)  hat  dann  o  Doppel- 
punkte, T  andere  zweifache  Brennpunkte  und  in  —  2t  ein- 
fache Brennpunkte. 

Hat  aber  die  Kurve  (1)  einen  Doppelpunkt,  so  hat  die 
Kurve  (3)  o  -\-  n  Doppelpunkte,  t  andere  zweifache  Brenn- 
punkte und  2  w  —  2  t  einfache  Brennpunkte. 

Liegt  der  Doppelpunkt  von  (1)  in  einem  Windungspunkte, 
so  hat  die  Kurve  (3)  n  -\-  o  —  2  Doppelpunkte,  und  an  einer 
andern  Stelle  noch  zwei  zusammenfallende  Doppelpunkte. 

Die  Zahlen  a,-,  ßi  und  n  beziehen  sich  auf  die  Winkel, 
welche  in  den  Verzweigungspunkten  bei  der  Abbildung  auf 
die  Halbebene  zu  berücksichtigen  sind. 

Ist  die  Bedingung  (4)  nicht  erfüllt,  so  führt  folgender  Weg 
zum  Ziel. 

Die  Gleichung  (3)  ergab  durch  DiflPerentiation 

99'  (^)  •  /  __         (p'i  (^,)  •  ^i 


Hiebei  ist: 

B(z)  =  d*  <p*{0)  +  <p^  (;^)  ■[2aß  —  ia,  y'] 

-\-<pi;,)-[2ßd,-'ia,e-iy,d] 
-{-(dl+iy,e). 

Setzt  man 

0         ds  q)  {£)  s 

so  ist  nach  Gleichung  (5) 

s  =  —  s[. 
Man  erhält  leicht: 


(JA 


46  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  1.  Februar  1902. 

Setzt  man  noch: 

{^1  ^}  =  J^  [log  «']  —  i   ^  log  5'J  , 

so  ist  {s,  Z}    die    bekannte   Schwarz'sche  Funktion,    die   bei 

der  Abbildung  eines  Kreisbogenpolygons  auftritt. 

{s,  Z}  ist  also  eine  Funktion,  welche  für  reelle  Werte  von 

Z  reell  ist,   solange  ^  einen  Punkt  der  Kurve  (3)  bezeichnet. 

d  ,  d}  , 

Berechnet  man    ^-y  [log  s]    und   -^^^  [log  5  ],    so    ergibt 

sich  leicht: 


1    Kz'%  +   8  ^  /»     .      1   ^  .  A 


(C) 


Hiebei  ist   9?    ^n  — 3^ä~   u.  s.  w.;     ^    ^^  ^"73'  d'igpgen 

Ji     ZF^       ^    -^-    U.  S.  W. 

§  2. 

Die  Pole  der  Funktion  {s,  Z)  sind  offenbar  die  Null- 
punkte der  Funktionen  99  und  i?,  d.  h.  die  früher  mit  j^  =  q^^ 
z  =  A,-  und  ^  =  //,  bezeichneten  Punkte,  welche  im  Innern  oder 
am  Rande  des  betrachteten  Flächenstückes  liegen. 

d  /    .      .        . 

Die  Funktion     -,z  [log  5  ]  ist  identisch  mit  der  in  der  In- 
d  Z 

augural-Dissertation  in  Gleichung  (IIa)  und  (IIb)  definierten 
Funktionen  F{z/Z\  Dort  sind  im  zweiten  Kapitel  die  Pole 
von  F{^^Z)  in  den  Abschnitten  I  bis  VIII  untersucht,  und 
es  ist  die  analytische  Darstellung  von  F  (r,  Z)  in  der  Nähe 
der  Pole  bereits  gegeben. 

Es  hat  sich  gezeigt,    dass  F{z,Z)  nur  Pole   erster   Ord- 
nung besitzt  und  als  Funktion  von  Z  in  der  Nähe  eines  jeden 
^  Poles  Z  =  K  somit  die  Darstellung  hat 

-^'^[log.']  =  ~-^  +  Ä,  +  *,(Z-^  +  ...  (7) 


N.  Perry:  Specielle  Kurve  von  der  Ordnung  3n.  47 

Hieraus  folgt: 

^|i  [log s]  =  ^^Z\y  +  *.  +  ^hiZ-^  +  •  •  • 

und: 

+  2(i.*,+Jt,).(Z- £)  +  .... 

folglich: 

{s,Z}  =  --|(Ä  +  2)-(-^^^^  +  ^^  +  ^(^-^).    (8) 

Hiebei  ist  yfc'  =  —  fcÄ:^.  Ist  also  das  Residuum  in  irgend 
einem  Pol  der  Funktion   -^  [log s~\  bekannt,  so  ist  auch  das 

zweite  Residuum  der  Funktion  {5,  Z}  in  diesem  Pole  gegeben, 
dagegen  ist  das  erste  Residuum  dieser  letzteren  Funktion  eine 
unbestimmte  Constante  Ic , 

I.  Liegt  ein  Punkt  z  =  g,-,  welcher  nicht  mit  einem  Punkt 
Oi  oder  ä,-  zusammenfällt,  im  Innern  des  betrachteten  Flächen- 
stückes und  ist  die  komplexe  Zahl  Z  =  Ai  sein  Bild,  so  haben 
wir  (nach  Inaug.-Diss.   13  b)  die  Darstellung 

,^[log.']  =  ^^-^^+^(i^-^), 

folglich  ist  nach  Gleichung  (8) 

{.,  Z}  =  -^  (...  +  2)  .  ^-^4^^-,  +  -/-tj^  +  ^  (Z-^.).    (9) 

n.  Liegt  ein  Punkt  z  =  ä,  im  Innern  des  Flächenstückes 
und  ist  die  komplexe  Zahl  Z  =  Bi  dessen  Bild,  so  ist  (nach 
Inaug.-Diss.  14  b) 

ÄDog.']  =  'v'z-i-^,  +  ^(^-^.)' 

folglich  nach  Gleichung  (8) 


48  Sitzung  der  math,-phys,  Classe  vom  1,  Februar  1902, 

III.  Liegt  ein  Punkt  ^  ==^  Qi  im  Innern  des  Flächenstückes 
und  ist  die  komplexe  Zahl  Z=  Ci  dessen  Bild,  so  ist  in  der 
Nähe  dieser  Stelle  (Inaug.-Diss.  15  b) 

folglich  nach  Gleichung  (8) 

{s,Z\  =^.--]-^^^^+  ^-^^-  +  ^(Z-C.).        (11) 

IV.  Liegt  ein  Punkt  z  =  g,-,  welcher  nicht  mit  einem  Ä,- 
oder  f/i  zusammenfällt,  am  Rande  des  Flächenstückes  und  ist 
die  reelle  Zahl  Z  =  D^  sein  Bild,  so  ist  (Inaug.-Diss.  16  c) 

folglich  nach  Gleichung  (8) 

V.  Liegt  ^  =  hi  am  Rande  des  Flächenstückes  und  ist 
Z=E,  dessen  Bild,  so  ist  (Inaug.-Diss.  17  c) 

und  mithin  nach  Gleichung  (8) 

VI.  Liegt  z  =gi  am  Rande  des  Flächenstückes  mit  dem 
Bildpunkte  Z  =  Fi,  so  ist  (Inaug.-Diss.  18b) 

mithin  nach  Gleichung  (8) 


N.  Perry:  Specielle  Kurve  von  der  Ordnung  3n.  49 

VII.  Liegt  der  Punkt  ^  =  oo  im  Innern  des  Flächenstückes 
und  ist  Z=  G  das  Bild  dieses  Punktes,  so  ist  (Inaug.-Diss.  19b) 

Gleichung  (8)  ergibt  hieraus: 

VIII.  Liegt  der  Punkt  ^  =  oo  v-mal  am  Rande  des 
Flächenstückes  und  sind  die  entsprechenden  Bildpunkte  Z=^  Gi, 
so  ist  (Inaug.-Diss.  20  b) 

mithin  nach  Gleichung  (8) 

Das  abzubildende  Flächenstück  habe  die  folgenden  Eigen- 
schaften (vgl.  Inaug.-Diss.  pag.  19): 

1.  Die  m  Punkte  j^  =  qi,  i  ==  1,  2  .  . .  .  tw,  welche  nicht  mit 
einem  A,-  oder  ^,  zusammenfallen,  liegen  im  Innern  des  Flächen- 
stückes; das  Bild  des  Punktes  qt  sei  die  komplexe  Zahl  Z  =  A,-, 

2.  Die  r  Punkte  12  =  hi^  i  =  1,  2  .  . . .  r  liegen  im  Innern ; 
das  Bild  des  Punktes  z  =  hi   sei    die   komplexe  Zahl   Z  =  B^. 

3.  Die  s Punkte  ^  -=  gt,  i  =  1,  2  ....  5  liegen  im  Innern; 
das  Bild  des  Punktes  ^  =  r/,-   sei    die   komplexe  Zahl    Z  =  6V 

4.  Die  /Ä  Punkte  js  =  qi,  i  =  1,  2  . .  . .  //  liegen  am  Rande 

des  Flächenstückes;  der  Winkel  an  der  Ecke  0  =  (7,  sei    — -r-r, 

Xi-r  1 

wo  Qi   eine   der   Zahlen    1,  2,  3  ....  2  •  (x,-  -|-  1)    ist;    das  Bild 
des  Punktes  2  =  qi  sei  die  reelle  Zahl  Z  =  Di, 

5.  Die  Q  Punkte  js  =  hi,  i  =  1,  2  .  . . .  ^  liegen  am  Rande 
des  Flächenstückes;   der  Winkel  an  der  Ecke  0  =  hi  habe  die 

o 

Grösse  —. — ,  wo  ßi  eine  der  Zahlen  1,  2,  3  ....  (2  •  A,)  ist;  das 
Bild  des  Punktes  z  =  hi  ist  die  reelle  Zahl  Z=Ei, 

1901  SitznDgsb.  d.  mftth.-phys.  Ol.  4 


50  Sitzung  da'  mathrphys,  Glosse  vom  1.  Februar  1902. 

6.  Die  o  Punkte  ^  =  gi^  i  =  1,  2  .  . .  .  a  liegen  am  Rande; 
der  Winkel  im  Punkte  ^  =  gi  habe  die  Grösse ;  das  Bild 

des  Punktes  z=-gi  sei  die  reelle  Zahl  Z  ==  F^. 

7.  Wenn  der  Punkt  z  =  co  \m  Innern  des  Flächenstückes 
liegt,  so  sei  die  komplexe  Zahl  Z  =  G  sein  Bild. 

8.  Liegt  j(f  =  CO    V  mal  am  Rande  des  Flächenstückes,  so 

ö '  *  71 

seien  die  Winkel  in  diesen  Punkten   — — ,   i  =  1,  2,  3  . . . .  v, 

n 

wobei   di  eine   der  Zahlen  1,  2,  3  ....  2w   ist.     Das  Bild  der- 

jenigen  Ecke   ^  =  oo ,    die  den  Winkel   -* —   besitzt,    sei    die 

reelle  Zahl  Z^G^, 

Zur  Abkürzung  setzt  man,  wenn  Ai  und  A!i  ebenso  a,-  und 
a'i  u.  s.  w.  konjugierte  Zahlen  sind, 

T^.,  Z) ^  {s,  Z)  -h  [-  ^  (.,.  +  2) ^L^  +  ^^] 
.^iL      8       '  iZ-B.)-'^  Z-B,\ 

i:\^-^f   1 ,      f>i    1 

teil    8     ■  iz—B-y  "^  z—b:} 

.r,[     2       '  {Z-I),)*^  Z-D,\ 

^r(i-/?,)(3+/^.)  _A__  ,  __^ 

,^l  8  \Z-E,)^^  Z-E, 

~ E  [^ '  {z'- F:f  +  z^J 


N,  Perry:  Spedelle  Kurve  von  der  Ordnung  3n,  51 

Die  Grösse  S  ist  eingeführt,  um  die  drei  Fälle,  wo  der  Punkt 
^  =  00  im  Innern,  auf  dem  Rande  oder  ausserhalb  des  Flächen- 
teiles liegt,    zugleich  behandeln    zu  können.     Es  ist  nemlich: 

a)  wenn  -s-  =  co  weder   im  Innern   noch   am  Rande   liegt 

5=0; 

b)  wenn  z  =  cc  im  Innern  liegt 

2      ■  (Z— G)«  "*"  Z—G 


'^    2    '  (z—ay^  Z—G' 


'  ? 


c)  wenn  s  =  cc  v-mal  am  Rande  liegt 

^~txV     2         (^Z-G.f^Z-G^- 
Diese  Funktion  ^{s,  Z)  hat  im  Endlichen  keinen  Pol  und 
ist  reell,  wenn  Z  reell  und  z  ein  Punkt  der  Kurve  (3)  ist. 

§.3. 
Um  das  Verhalten  der  Funktion  W(^^  Z)  in  der  Nähe  des 
Punktes  Z=  00  zu   studieren,   setzen   wir   Z=-,     und    bilden 


M) 


fi 


Es  ist:  df^  =  _  i^i.    n 

dZ  dC 

{*.  ^}  =  C*  ^  (log  <r')  -  K*  ^  (log  Ji) 
-  \  C*  [^j  (}og<p')J-  y  c*  y^  (log  R)J 

+  if*~(log90-^(logiJ).  (18) 


so  niuss 


52  Sitzung  der  math.'phys,  Classe  vom  1,  Februar  1902. 

Durch  die  Substitution  Z  =  —  ist  ferner 

lZ~Kf  +  ~Z^-K  =  *'^'^^  -ifC)-»  +  K(1  -iTC)-^ 

=  Ä'f»[l  +  2^C  +  3Jr*f»  +  ...]    ^^^^ 

=  Ä;C  [1  +  J^C  +  ^f*  +  JS?C^  +  . . .]. 
Da  {s,  —  I  für  C  =  0  Null    von    der  Ordnung   vier    wird, 
^X^'T)  ^^^^f^l^s  N^^l  ^^^  ^^^  Ordnung  vier  werden 

für  C  =  0;  d.  h.  in  If'l^,  yj  muss  der  Faktor  von  C,  f*  und 

von  f^  einzeln  Null  ergeben.  Hiernach  haben  wir  für  die 
Constanten  a,,  hi,  Ci  u.  s.  w.  die  folgenden  drei  Bedingungs- 
gleichungen. 

m  r  s 

I.     i;  («••  + «;)  +  £  (^  +  i;)  +  s  (c*  +  co 
.=1  1=1  i=\ 

(20a) 

+  f  ^?.-i-i;e',-i-i/H-Ä,  =  o. 

•=i  1=1         1=1 

Hiebei  ist: 

a)  wenn  z  =.  ^  weder  im  Innern   noch  am  Rande  liegt, 

5,  =  0; 

b)  wenn  ^  =  oo  im  Innern  liegt, 

^x  =^  ü  +  9^ 

c)  wenn  ^  ==  cx)  v-mal  am  Rande  liegt, 

1=1 


N,  Terry:  Specielle  Kurve  von  der  Ordnung  3n,  53 

m 

II.        S  [—  X,  (x,  +  2)  +  a.-  Ai  +  a;  Ai] 
1=1 

*■  ri ja 


(20  b) 


•=1  o 


•=1  ^ 

Hiebei  ist  bez.  in  den  drei  obigen  Fällen 
a)  5^  =  0, 

m    r 

lU.       i;  1^-  ^  (x,  +  2)  (^,  +  A-)  +  a,  ^?  +  a;  ^;» 

+  L  [i  (C,  +  CO  +  c,  c/  +  cv  c;-'! 
1=1 

''  n  —  a''  1 


(20  c) 


1=1 


54  SiUung  der  tnath.-phys.  Clasae  vom  1.  Februar  1902. 

Hiebei  ist  bez.  in  den  drei  obigen  Fällen 

a)  S,  =  0, 

b)  S,  =  ^-{G  4-  G')  ^gG-^+g'G'- 


c)S3  =  s[^^ö.  +  i/.<^j] 


Da  die  Funktion  !P(-e,  Z)  für  keinen  Wert  von  Z  ui 
lieh  wird  und  überall  in  der  Z- Ebene  holomorph  ist,  s 
sie    nach   den   Lehren    der    Funktionentheorie    eine    Const 

Für  Z=  00  oder  C  =  0  ist  aber  !P=  0;  und  folglic 
die  Abbildung  eines  beliebigen  Flächenstückes,  das  vor 
Kurve  (3)  begrenzt  wird,  abhängig  von  der  Differentialgleic 
dritter  Ordnung 

!P(^,  Z)  =  0. 

Für  den  Fall,  dass  die  in  obiger  Gleichung  (4)  angegc 
Bedingung  für  das  abzubildende  Flächenstück  erfüllt  ist 
unsere  Gleichung  !f^(r,  Z)  =  0  zurückgeführt  auf  die  ] 
rentialgleichung  zweiter  Ordnung,  welche  in  Gleichung 
der  Inaugural-Dissertation  angegeben  ist,  und  welche  ( 
Quadraturen  gelöst  werden  konnte. 


55 


Sitzung  vom  1.  März  1902. 

1.  Herr  Karl  Göbel  hält  einen  Vortrag:  „Ueber  Homo- 
logie in  der  Entwicklung  weiblicher  und  männlicher 
Geschlechtsorgane/  Derselbe  wird  anderweitig  veröffent- 
licht werden. 

2.  Herr  Richard  Hertwig  spricht  „über  das  Befruch- 
tungsproblem**. 

3.  HeiT  Richard  Hertwig  legt  eine  Abhandlung  des  Herrn 
Dr.  Franz  Doflein,  Gustos  an  der  zoologisch -zootomischen 
Sammlung  ,über  Decapoden  Ostasiens**  vor.  Dieselbe  ist 
für  die  Denkschriften  bestimmt. 

4.  Herr  Siegmund  Günther  trägt  über  »die  Entwicklung 
des  Winkelmessens  mit  dem  Jakobsstabe**  vor.  Es  wird 
darüber  an  einer  anderen  Stelle  eine  Veröffentlichung  erfolgen. 

5.  Herr  Alfrfd  Pringsheim  überreicht  einen  Aufsatz  des 
Herrn  Dr.  Arthur  Korn,  Privatdozenten  an  der  hiesigen  Uni- 
versität: „Ueber  den  einfachsten  semidefiniten  Fall  in 
der  eigentlichen  Variationsrechnung.** 

6.  Herr  Gustav  Bauer  legt  eine  Abhandlung  des  Herrn 
Dr.  Hermann  Brunn,  Privatdozenten  an  der  hiesigen  Universität, 
,ein  Mittelwerthssatz  über  bestimmte  Integrale**    vor. 

7.  Herr  Adolf  v.  Baeyer  macht  eine  Mittheilung  „über 
Abkömmlinge  des  Triphenylmethan's".  Dieselbe  kommt 
an  einem  andern  Orte  zur  Veröffentlichung. 


57 


Ueber  Wesen  und  Bedeutung  der  Befruchtung. 

Von  Richard  Hertwig« 

{Eingglaufen  26.  Xärs.) 

Als    mein    Bruder    zum   ersten   Mal   durch    seine    Unter- 
suchungen an  Seeigeleiern  eine  sichere  Beobachtungsbasis  für 
die  Lehre   von   der  Befruchtung  schuf,    definirte   er  den  Vor- 
gang  der    Befruchtung    als    die    Vereinigung    geschlechtlich 
(liiFerenzirter  Kerne.     Diese   Auffassung   wurde   dann   schärfer 
ausgeprägt  durch  v.  Beneden,  welcher  die  beiden  Geschlechts- 
kerne,   den    ;,pronucleus   male**    und    „pronucleus   femel**    für 
Halbkerne  erklärte,  welche  sich  vereinigen  müssten,  um  einen 
mit  allen  Eigenschaften   des  Zellkerns   ausgerüsteten,   für   die 
Entwicklung    noth wendigen    Furchungskern    zu    liefern.     Von 
Anfang   an   geneigt  den   Grund   zum   sexuellen  Dimorphismus 
in  den   verschiedenen  Eigenschaften    der  Geschlechtskerne   zu 
suchen,   kam    ich  von  dieser  Auffassung  bald  zurück,   als  ich 
an  Eiern    die  völlige   Gleichartigkeit  von   Samen-  und  Eikern 
nachweisen  konnte,   wenn   man   durch  geeignete  Eingriffe  ihre 
Vereinigung  verhindert,  als  ich  ferner  die  Befruchtungsvorgänge 
der  Infusorien  kennen  lernte,  bei  denen  die  Unterschiede  „männ- 
lich* und  „weiblich**  meistentheils  überhaupt  nicht  durchführbar 
sind.     Indem   ich    so   die   vollkommene   Gleichwerthigkeit   der 
Geschlechtskerne    erwies,    musste    aus    der    Definition    meines 
Bruders    der    Zusatz     „geschlechtlich    diflferenzirt**     gestrichen 
werden,    so  dass   demnach   die  Befruchtung  nur   als   die  Ver- 
einigung von  Geschlechtskernen  definirt  werden  konnte. 

In  eine  neue  Phase  schien  die  Befruchtungslehre  zu  treten, 
als  V.  Beneden  und  Boveri  an  den  Eiern  von  Ascaris  megalo- 


58  Sitzung  der  viathrphys.  Classe  vom  1.  März  1902, 

cephala  nach  der  Befruchtung  ein  besonderes  Zelltheilungsorgan, 
das  Centrosoina,  auffanden,  welches  letzterer  unter  Benutzung 
correspondirender  Vorgänge  am  Seeigelei  als  ein  Derivat  des 
Spermatozoon  hinstellte.  Nach  Boveri  ist  die  Befruchtung  die 
Einführung  eines  dem  Ei  fehlenden  Theilungsorgans,  des  Centro- 
soma, in  das  Ei,  welches  seinerseits  das  dem  Spermatozoon 
fehlende,  zur  Theilung  ebenfalls  nöthige  Archoplasma  besitzt. 
Die  beiden  soeben  besprochenen  Definitionen:  „Die  Be- 
fruchtung ist  die  Vereinigung  zweier  Geschlechtskern e"  und 
„Die  Befruchtung  ist  die  Einführung  eines  Centrosoma  in  das 
nur  mit  Archoplasma  ausgerüstete  Ei"  sind  von  einander  völlig 
verschieden,  weil  sie  zwei  ganz  verschiedene  Vorgänge,  welche 
bei  der  Befruchtung  vielzelliger  Thiere  und  Pflanzen  vereint 
sind,  ihrem  Wesen  nach  aber  nicht  nothwendig  zusammen- 
gehören, ins  Auge  fassen.  Die  Befruchtung  der  vielzelligen 
Thiere  und  Pflanzen  ist  einerseits  „Entwicklungserregung",  ein 
Vorgang,  welcher  zur  Fortpflanzung  führt,  welcher  Ursache 
ist,  dass  das  bis  dahin  unthätige  Ei  durch  das  hinzutretende 
Spermatozoon  befähigt  wird,  einen  neuen  Organismus  aus  sich 
heraus  zu  erzeugen.  Andererseits  ist  aber  auch  die  Befruch- 
tung ein  die  Vererbung  vermittelnder  Vorgang.  Bei  der  Be- 
fruchtung werden  zwei  Individualitäten  oder  richtiger  gesagt  die 
Anlagen  dazu  vereinigt  zu  einem  neuen  Gebilde,  welches  die  Re- 
sultante beider  ist,  wie  denn  das  Entwicklungsproduct  des  be- 
fruchteten Eies,  der  junge  Organismus,  im  Allgemeinen  gleich 
viel  väterliche  und  mütterliche  Eigenschaften  besitzt.  Wir  haben 
alle  Ursache  anzunehmen,  dass  die  beiden  kurz  charakterisirten 
Vorgänge  durch  ganz  verschiedene  Substanzen  vermittelt  wer- 
den; die  Entwicklungserregung  geht  vom  Centrosoma  aus,  die 
Combination  zweier  Individualitäts-Anlagen  ist  an  Ei-  und 
Samenkern  geknüpft.  „Entwicklungserlegung"  und  „Vereinigung 
zweier  Individualitäten"  sind  somit  zwei  ganz  verschiedene  Dinge. 
Wenn  wir  den  Begriff  „Befruchtung"  definiren  wollen,  können 
wir  somit  nicht  beide  Erscheinungen  in  die  Definition  aufnehmen, 
sondern  müssen  uns  für  eine  von  beiden  entscheiden.  Wir 
werden    uns    dabei    für   den    Vorgang    zu   entscheiden    haben. 


R.  Hcrtwig:  Wesen  und  Bedeutung  der  Befruchtung.  ü9 

welcher  für  die  Befruchtung  das  Wesentliche  und  Charakte- 
ristische'ausmacht,  durch  welchen  sie  sich  von  anderen  Ent- 
wicklungsvorgängen unterscheidet. 

In  den  Augen  des  Laien  erscheint  als  das  Wichtige  bei 
der  Befruchtung  die  Entwicklungserregung,  die  Erscheinung, 
dass  das  Ei  die  Fähigkeit  gewinnt  einen  neuen  Organismus  zu 
bilden;  und  so  war  es  auch  lange  bei  den  Vertretern  der  Wissen- 
schaft. Trotzdem  ist  diese  Auffassung  unhaltbar.  Sowohl  die 
Erfahrungen  über  die  Fortpflanzung  der  vielzelligen  Thiere  als 
auch  der  Nachweis  von  Befruch tun gs Vorgängen  bei  den  Protozoen 
fuhren  übereinstimmend  zu  dem  Resultat,  dass  das  Charakte- 
ristische der  Befruchtung  nur  die  Vereinigung  zweier  Kerne  ist. 

In  dieser  Hinsicht  ist  zuerst  zu  betonen,  dass  die  Eientwick- 
lung  auch  ohne  Befruchtung,  parthenogenetisch,  vor  sich  gehen 
kann.  Man  hat  vorübergehend  daran  gedacht,  dass  auch  bei 
der  Parthenogenesis  eine  Art  Befruchtung  vorkommt,  dass  der 
im  Ei  verbleibende  oder  mit  ihm  wieder  verschmelzende  IL  Rich- 
tungskörper die  Rolle  des  Spermatozoon  spielt.  Indessen  giebt 
es  Fälle,  in  denen  nach  endgiltiger  Eliminirung  des  zweiten 
Kichtungskörpers  gleichwohl  Parthenogenesis  noch  möglich  ist. 
Die  spontane  Entwicklungsfähigkeit  des  völlig  gereiften  Eies 
ist  vor  Allem  durch  die  Versuche  Loeb's  bewiesen.  Nachdem 
ich  selbst  schon  Theilungen  unbefruchteter  Eier  durch  Strychnin- 
Ein Wirkung  erzielt  hatte,  ist  es  ihm  unter  Anwendung  12  ^/o 
Lösungen  von  Magnesiumchlorid  gelungen,  die  Entwicklung 
von  Eiern,  die  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  sich  ohne 
Samenzusatz  nicht  theilen  würden,  bis  zur  Bildung  normaler 
Larven  zu  fördern. 

Giebt  es  somit  Fälle  von  Entwicklungserregung,  welche 
sich  ohne  Befruchtung  vollziehen,  so  giebt  es  andererseits  ächte 
Befruchtungsvorgänge,  bei  denen  die  Entwicklungserregung 
fehlt,  mit  anderen  Worten,  bei  denen  die  befruchtete  Zelle  sich 
gar  nicht  theilt  oder  sich  nicht  anders  theilt  als  es  ohnedem 
geschehen  sein  würde.  Ein  Fall  der  letzteren  Art  ist  die  Conjuga- 
tion  der  Infusorien,  ein  ächter  Befruchtungsvorgang,  welclier 
keinenfalls  einen  befördernden,  eher  einen  hemmenden  Einfluss 


60  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vorn  1.  März  1902, 

auf  die  Theilung  ausübt.  Wenn  man  conjugirende  Infusorien 
trennt,  ehe  die  Befruchtung  eingeleitet  ist,  so  theiletf  sie  sich 
rascher  als  wenn  sie  die  Conjugation  zu  Ende  geführt  hätten. 
Ich  habe  derartige  „  entcopulirte  **  Paramaecien  Monate  lang 
gezüchtet.  In  vielen  anderen  Fällen  tritt  bei  Protozoen  und 
einzelligen  Pflanzen  sogar  das  Entgegengesetzte  von  Entwick- 
lungserregung ein.  Nachdem  ohne  Befruchtung  lebhafte  Thei- 
lungen  vor  sich  gegangen  sind,  tritt  Befruchtung  ein;  damit 
hören  die  Theilungen  auf;  die  Zelle  geräth  in  einen  Wochen 
und  Monate  lang  andauernden  Ruhezustand. 

Seitdem  im  Lauf  des  letzten  Decenniums  über  die  Be- 
fruchtung der  Protozoen  reichliches  Material  bekannt  geworden 
ist,  kennen  wir  alle  nur  denkbaren  Beziehungen  zwischen  Fort- 
pflanzung (Theilung  und  Knospung)  und  Befruchtung.  Wir 
haben  soeben  Fälle  kennen  gelernt,  in  denen  die  Befruchtung 
keinen  oder  wenigstens  keinen  erheblichen  Einfluss  auf  die 
Fortpflanzungsfähigkeit  der  Thiere  hat.  Wir  haben  femer 
gesehen,  dass  sie  die  Fortpflanzungsfähigkeit  lähmen  kann. 
Ausserdem  kommt  es  vor  z.  B.  bei  den  Malariaparasiten,  dass 
der  Lebenscyclus  eines  Protozoen  sich  aus  Theilungen  von 
zweierlei  Art  zusammensetzt ;  die  gewöhnliche  Vermehrung  ist 
von  der  Befruchtung  unabhängig,  ist,  wie  man  sich  ausdrückt, 
eine  ungeschlechtliche  Fortpflanzung.  Beim  Malariaparasiten 
sind  es  die  im  Blut  des  Menschen  vor  sich  gehenden,  die 
Fieberparoxysmen  verursachenden  Theilungen.  Zeitweilig  tritt 
dann  Befruchtung  auf  und  in  ihrem  Gefolge  Theilungen  einer 
besonderen  Art.  Beim  Malariaparasiten  sind  es  die  in  der 
Mücke  sich  abspielenden  Theihmgen,  vermöge  deren  die  be- 
fruchteten Ovocyten  in  die  sichelförmigen  Keime  zerfallen. 
Endlich  scheint  es  bei  Protozoen  auch  vorzukommen,  dass  die 
ungeschlechtlichen  Theilungen  ganz  fehlen  und  die  Vermeh- 
rung ausschliesslich  im  Gefolge  der  Befruchtung  eintritt.  Und 
so  ist  die  Befruchtung  bei  den  Protozoen  ein  Vorgang  für 
sich,  welcher  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  mit  der  Fortpflanzung 
nichts  zu  thun  hat,  aber  schon  die  Tendenz  erkennen  lässt, 
mit  der  Fortpflanzung  in  Verbindung  zu  treten,    so  dass  man 


R,  Herttoig:  Wesen  und  Bedeutung  der  Befruchtung,  61 

dann  von  geschlechtlicher  Fortpflanzung  reden  kann.  Unver- 
ändert kehrt  dagegen  überall  der  eine  Process  wieder,  die 
Vereinigung  zweier  Kerne,  welche  von  verschiedenen  Thieren 
stammen,  was  nach  unseren  Auffassungen  von  der  Wirkungs- 
weise der  Kerne  die  Aufgabe  hat,  die  Individualitäten  beider 
Thiere  zu  einer  einzigen  zu  verschmelzen. 

Wie  kommt  es  nun,    dass  die  Befruchtungsvorgänge  viel- 
zelbger  Thiere  und  Pflanzen  stets  mit  der  Fortpflanzung  ver- 
knüpft sind?     Es  lässt   sich    mit   Leichtigkeit   erweisen,    dass 
diese    Verknüpfung    eine    nothwendige    Consequenz    der   Viel- 
zelligkeit   ist.     Soll    bei   vielzelligen   Organismen   eine   Indivi- 
dualitätenmischung,   eine  Amphimixis  (Weis mann)  eintreten, 
so  ist  das  nur   zu   der  Zeit   möglich,    wo  der  Organismus  auf 
den  Zustand  einer  einzigen  Zelle  reducirt  ist,  den  Zustand  der 
Fortpflanzungszelle.     Dauernde  Vereinigung  zweier  vielzelliger 
Organismen    oder   Organismenstücke    ist    zwar    möglich.     Das 
zeigen   die  Ergebnisse   des  Pfropfverfahrens   bei  Pflanzen.     In 
ähnhcher  Weise   hat   man   auch  niedere  Thiere,   selbst  Thiere 
verschiedener  Art,  zum  Zusammenheilen  gebracht.     Allein  bei 
diesen  Versuchen  hat  sich  herausgestellt,  dass  jeder  Theil  seine 
Eigenart  beibehält  und  keine  Vermischung  der  Eigenschaften 
eintritt.    Höchstens  ist  nur  in  sehr  untergeordnetem  Maasse  eine 
Beeinflussung  des  einen  Organismus  durch  den    anderen    mög- 
lich.    Eine  vollkommene  Durchdringung  von  zweierlei  Indivi- 
dualitäten,   eine    Durchdringung,    an    welcher   jede    Zelle    des 
Organismus    Antheil    hat,    wird    dagegen    erreicht,    wenn    die 
Eizelle    befruchtet    wird    und    so    eine    Combinationszelle    ge- 
schaffen   wird,    aus    welcher   sämmtliche    Zellen    eines  Thieres 
oder  einer  Pflanze  durch  successive  Theilung  entstehen. 

Aus  den  angestellten  Erörterungen  ergiebt  sich  mit  Noth- 
wendigkeit  folgendes  Problem.  Wenn  die  Befruchtung  ihrem 
innersten  Wesen  nach  nicht  den  Zweck  hat,  die  Bildung  eines 
neuen  Organismus  einzuleiten,  wenn  diese  Entwicklungserregung 
nur  etwas  Accessorisches  ist,  welches  sich  secundär  ihr  bei- 
gesellt hat,  worin  ist  dann  die  Aufgabe  der  Befruchtung  zu 
suchen?     Ihre  Aufgabe    muss    von    fundamentaler   Bedeutung 


62  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  1,  Märe  1902, 

sein.  Denn  seitdem  wir  aus  allen  Classen  der  Protozoen  Be- 
fruclitungsvorgänge  kennen  gelernt  haben,  gewinnt  die  An- 
schauung immer  mehr  an  Sicherheit,  dass  die  Befruchtung 
eine  mit  dem  Wesen  der  lebenden  organischen  Substanz  noth- 
wendig  verbundene  Erscheinung  ist. 

Man  kann  die  Lösung  dieses  Problems  nach  zwei  ver- 
schiedenen Richtungen  suchen.  In  seiner  Lehre  von  der  Am- 
phimixis  hat  Weis  mann  die  Vermuthung  ausgesprochen,  die 
Individualitätenmischung  sei  für  die  Fortbildung  der  Art  von 
Wichtigkeit,  es  würde  damit  eine  Fülle  von  Eigenschafts- 
Combinationen  geschaffen,  aus  welcher  die  Natur  durch  Aus- 
lese das  Geeignetste  festhalte.  Viele  Forscher,  unter  ihnen 
Boveri,  haben  sich  dieser  Auffassung  angeschlossen.  Ihr  zu- 
folge wäre  die  Amphimixis  eine  Erscheinung,  die  sich  zwar 
an  dem  einzelnen  Individuum  ausbilde,  in  ihrer  Wirkungsweise 
aber  erst  an  dem  gesammten  Individuenbestand  einer  Art  zum 
Austrag  käme;  sie  würde  sich  damit  wie  die  ganze  Lehre  vom 
Kampf  um's  Dasein  der  Controlle  durch  exacte  Beobachtung 
entziehen.  Auch  würde  das  Befruchtungsproblem  dann  kein 
einheitliches  mehr  sein,  es  würde  aus  einer  endlosen  Summe 
von  Einzelproblemen  bestehen.  Für  jeden  einzelnen  Fall  wäre 
zu  entscheiden,  welche  Combination  von  Eigenschaften  wohl 
die  zweckmässigste  ist. 

Man  kann  aber  noch  in  einer  anderen  Richtung  die  Lösung 
der  Frage  anstreben.  Es  wäre  denkbar,  dass  die  Befruchtungs- 
bedürftigkeit eine  nothwendige  Consequenz  des  Leben sprocesses 
ist,  dass,  wie  eine  Maschine  sich  allmählig  verbraucht,  so  auch 
die  lebende  Substanz  eine  Abnützung  erleidet,  wenn  sie  nicht 
in  grösseren  oder  geringeren  Intervallen  durch  die  Befruchtung 
eine  Kräftigung  erfährt.  Wir  wissen  nun  zwar,  dass  zwischen 
einer  Maschinen  und  einem  Organismus  ein  gewaltiger  Unter- 
schied gegeben  ist,  welcher  darin  besteht,  dass  der  Organismus 
die  Fähigk(?it  hat,  die  durch  Function  entstandenen  Verluste 
am  Organ  wiedtM-  auszugh'iclien,  ja  sogar  mehr  als  das;  denn 
ein  Organ  kriiltigt  sich  durch  norniidc  Function.  Aber  wir 
wissen  niclit,  oh  diese  ('onipcnsationsfähigkeit  in's  Unbegrenzte 


B.  Hertwig:  Wesen  und  Bedeutung  der  Befruchtung.  63 

fortgeht,  ob  nicht  vielmehr  hiebei  der  Organismus  doch  mit 
einer  stets  zunehmenden  Unterbilanz  arbeitet.  Nehmen  wir 
diesen  Gedankengang  an,  so  würden  im  Lebensprocess  als 
solchem  die  Keime  zu  seiner  Zerstörung  enthalten  sein,  der 
Tod  würde  dann  nicht,  wie  Weismann  will,  eine  im  Kampf 
um's  Dasein  erworbene  Anpassung,  sondern  eine  nothwendige 
Consequenz  des  Lebensprocesses  darstellen,  die  nur  dadurch 
vermieden  werden  kann,  dass  zeitweilig  eine  Reorganisation 
der  lebenden  Substanz  stattfindet.  Eine  solche  Reorganisation 
hätten  wir  in  der  Befruchtung  zu  erblicken;  ob  die  einzig 
mögliche?  das  sei  zunächst  dahin  gestellt.  Aber  wenn  auch 
noch  andere  Möglichkeiten  der  Reorganisation  gegeben  sein 
sollten,  würde  die  Befruchtung,  wie  wir  aus  ihrer  weiten 
Verbreitung  schliessen  können,  immer  als  die  wichtigste  an- 
gesehen werden  müssen. 

Von  vornherein  sind  nun  zwei  Möglichkeiten  gegeben,  in 
denen    man    sich    die   reorganisirende  Wirkungsweise  der  Be- 
fruchtung vorstellen   kann.     Man    könnte  daran    denken,    dass 
die  Befruchtung  die  Aufgabe  hat,  eine  Steigerung  der  Lebens- 
energie herbeizuführen,    einen  Verjüngungsprocess  der  organi- 
schen Substanz  zu  bewirken,    sowie  man  durch  das  Aufziehen 
eine  Uhr  in  den  Gang  setzt.     Diese  Lehre  wurde  von  Bütschli 
für  die   Befruchtungsvorgänge    der   Infusorien    aufgestellt:    es 
sei    durch    fortgesetzte    Theilung    die    Fortpflanzungsfahigkeit 
herabgesetzt    und    bedürfe    einer    Auffrischung;    diese    werde 
durch    die   Befruchtung    bewirkt.     Die  Verjüngungstheorie   ist 
schon  für  die  Infusorien  ganz  unhaltbar.     Denn  wie  ich  durch 
ein  oben  schon  erwähntes  Experiment  nachgewiesen  habe,    ist 
die  Theilfiihigkeit  entcopulirter  Infusorien  eher  grösser  als  die 
TheilfUhigkeit    befruchteter    Thiere.      Die    Verjüngungstheorie 
lässt  uns   gänzlich  im  Stich   bei    den   Vielzelligen.     Denn    die 
Eizellen,  welche  befruchtet  werden,  sind  im  Vergleich  zu  den 
übrigen  Körperzellen  jugendliche  Zellen,   die  sich  nicht  durch 
Antheilnahme  an  den  Lebensprocessen  erschöpft  haben. 

Und  so  wurde    meine  Auffassung  bei   meinen   Infusorien- 
untersuchungen nach  der  entgegengesetzten  Richtung  gelenkt. 


64  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  1.  März  1902. 

Zur  normalen  Erledigung  der  Lebensprocesse  bedarf  es  nicht 
nur  der  treibenden  Kräfte,  sondern  auch  der  regulirenden.  Die 
Befruchtung,  die  Vereinigung  zweier  verschiedenartiger  Organi- 
sationen in  eine,  hat  den  Zweck,  diese  regulirenden  Einrich- 
tungen zu  verstärken;  sie  ist  daher  um  so  nothwendiger,  je 
lebhafter  der  Lebensprocess,  je  höher  die  Organisation  ist, 
was  in  Uebereinstimmung  steht  mit  der  relativen  Häufigkeit 
der  Befruchtung  bei  den  höheren  Organisraengruppen. 

Von  diesen  Gesichtspunkten  aus  habe  ich  schon  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  Experimente  an  einzelligen  Thieren  unter- 
nommen, zunächst  an  Infusorien,  später  aus  Gründen,  die  ich 
hier  übergehe,  an  Actinosphärien,  einem  in  unserem  Süss- 
wasser  weit  verbreiteten  Rhizopoden.  Da  ich  für  dieses  Thier 
den  Nachweis  der  Befruchtung  erbracht  hatte,  legte  ich  mir 
die  Frage  vor:  unter  welchen  Bedingungen  tritt  Befruchtungs- 
bedürftigkeit auf?  und  ferner:  ist  es  möglich,  die  Cultur  der 
Actinosphärien  so  einzurichten,  dass  die  Befruchtung  ausbleibt 
und  dass  die  Thiere  schliesslich  aus  eigenen  inneren  Ursachen 
nur  in  Folge  ihrer  Lebensfunction  zu  Grunde  gehen? 

Ehe  ich  auf  die  Darstellung  meiner  Versuchsergebnisse 
eingehe,  muss  ich  Einiges  vorausschicken.  Die  Function  einer 
Zelle  beruht  auf  der  Wechselwirkung  von  Kern  und  Proto- 
plasma; wie  diese  Wechselwirkung  vor  sich  geht,  entzieht  sich 
noch  unserer  Kenntniss.  Bei  Actinosphärien  findet  sich  eine 
Einrichtung,  welche  es  vielleicht  erm(")glicht ,  der  Prüfung 
dieser  Frage  näher  zu  treten.  Bei  einem  in  Verdauung  be- 
griffenen Actinosphärium  finden  sich  ausser  den  Kernen  im 
Protoplasma  zerstreut  noch  kleine  Körperchen,  welche  ich 
„Chromidien"  nennen  will,  weil  ihre  Substanz  höchst  wahr- 
scheinlich mit  dem  an  Nucleolarsubstanz  gebundenen  Chromatin 
des  Kerns  identisch  ist.  Was  ihre  Entstehung  anlangt,  so 
müssen  wir  zwei  Möglichkeiten  in  Betracht  ziehen:  1.  sie 
können  vom  Protoplasma  abgespalten  sein,  2.  sie  können 
aus  den  Kernen  ausgestossen  sein.  Dass  letzteres  vorkommt, 
dafür  habe  ich  Beobachtungen.  Wenn  man  Actinosphärien 
hungern  lässt,    so  können  drei  Fälle  eintreten.     1.    die  Thiere 


R,  Hertwig:  Wesen  und  Bedeutung  der  Befruchtung,  65 

verhungern  allmählich,  2.  sie  encystiren  sich,  sie  umgeben  sich 
mit  einer  festen  Hülle,  innerhalb  deren  die  Befruchtung  voll- 
zogen wird,  3.  sie  lösen  ihre  Kerne  auf.  Im  letzteren  Fall 
verwandeln  sich  unter  Auflösung  der  Kemmembran  die  Kem- 
substanzen  —  offenbar  ziemlich  rasch,  da  es  schwer  fallt,  Um- 
bildungsstadien zu  finden  —  in  Chromidien  um.  Das  Thier  zieht 
seine  Pseudopodien  ein  und  wird  eine  Protoplasmakugel,  deren 
Inneres  nach  allen  Richtungen  von  Chromidien  durchsetzt  ist. 
Leider  ist  es  mir  bisher  noch  nicht  geglückt,  die  besonderen 
Bedingungen  festzustellen,  unter  denen  der  sehr  interessante 
Vorgang  eintritt,  da  die  zu  den  Hungerculturen  verwandten 
Thiere  frisch  eingefangen  worden  waren. 

Ich  bemerke  noch,  dass  die  Chromidialmasse  sich  all- 
mählich in  eine  bräunliche  Substanz  verwandelt,  welche  aus 
dem  Thier  ausgestossen  wird.  Einen  ganz  analogen  Vorgang 
kenne  ich  von  Infusorien. 

Ich  habe  nun  in  folgender  Weise  experimentirt.     In  ühr- 
gläschen  wurden  Actinosphärien  mit  blauen  und  grünen  Sten- 
toren  gefüttert  und  immer  Sorge  getragen,  dass  ein  Uebei*fluss 
von  Nahrung  vorhanden  war.     Ferner  wurde  durch    tägliches 
Erneuern  des  Wassers  die  Ansammlung  schädlicher  Stoffe  ver- 
hütet.    Da  die  Actinosphärien  durchsichtig  sind  und  das  Futter 
intensiv  gefärbt,   kann    man  den  Grad  der  Fütterung   und   an 
der  eintretenden  Verfärbung    auch   genau   den  Grad   der  Ver- 
dauung feststellen.     An  circa  40  Culturen,    die   ich  zum  Theil 
vor  2  Jahren,    zum  Theil   in   den   letzten  Monaten  einrichtete 
und  von  denen  manche  noch  im  Gang  sind,    konnte   ich  fest- 
stellen,   dass   unter   günstigen    Verhältnissen    ein    Actinosphä- 
rium  etwa  das  10 — 20  fache  seiner  Masse  im  Lauf  eines  Tags 
frisst,    was  dann  zu  einer  ganz  colossalen  Vermehrung  führt, 
so  dass   ich   in  der  Lage  bin,    an    einem   enormen   planmässig 
eingelegten  Material  die  Zellveränderungen  genauer  zu  studiren, 
wovon  ich  in  Zukunft  noch  manche  Aufklärung  erwarte.     Die 
starke  Fütterung  hält  nicht  an;    nach  einigen  Tagen  wird  sie 
geringer  und  es  treten  Zeiten  freiwilligen  Hungers  ein.    Diese 
Hungerperioden    lehren,    dass    in    der   That    ein    fortgesetztes 

im  Sitsimgab.  d.  maib.-phjs.  Cl.  5 


66  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  1,  März  1902. 

Assimiliren  und  zur  Vermehrung  führendes  Wachsthum  nicht 
möglich  ist,  dass  vielmehr  nach  einiger  Zeit  eine  Erschöpfung 
des  Organismus  eintritt  und  dass  eine  erneute  Aufnahme  der 
Function  nur  möglich  ist,  wenn  eine  Reorganisation  der 
lebenden  Substanz  stattgefunden  hat.  Mit  dem  Fortschreiten 
der  Cultur  verschärfen  sich  die  Constraste.  Die  Fütterung  wird 
enormer,  andererseits  wachsen  die  Zeiten  freiwilligen  Hungerns. 
Es  können  Pausen  von  3 — 5  Tagen  eintreten.  Diese  Unföhig- 
keit,  Nahrung  aufzunehmen,  kann  zu  einem  dauernden  Zustand 
werden.  Es  ist  ein  merkwürdiges  Bild,  Thiere  trotz  aller 
Sorgfalt  der  Cultur  inmitten  einer  Fülle  von  Nahrung  ver- 
hungern zu  sehen;  oder  es  werden  wieder  schwache  Versuche 
zu  fressen  gemacht;  das  Aufgenommene  wird  aber  so  langsam 
verdaut,  dass  kein  Wachsthum  und  keine  Vermehrung  eintritt. 
Ab  und  zu  encystiren  sich  im  Stadium  dieser  Assimilations- 
unfahigkeit  die  Actinosphärien;  sie  nehmen,  um  nicht  zu 
Orunde  zu  gehen,  den  Ausweg  der  Befruchtung. 

Noch  häufiger  als  Verhungern  und  Encystirung  ist  ein 
dritter  Ausgang  meiner  Culturen;  er  ist  zugleich  bei  weitem 
der  interessanteste.  Bei  Actinosphärien,  die  wochenlang  in 
einer  XJeberfülle  von  Nahrung  cultivirt  worden  waren,  kommt 
es  vor,  dass  sich  nach  mehrtägigem  Fasten  enorme  Fütterung 
einstellt  und  dass  dann  eine  wahre  Revolution  im  Eemapparat 
beginnt.  Ein  Theil  der  Kerne  wird  aufgelöst,  andere  wachsen 
dagegen  heran.  In  letzteren  sondert  sich  die  Nucleolarsub- 
stanz  vom  Chromatiu;  sie  ist  es,  die  an  Masse  zunimmt,  das 
Ohromatill  herausdrängt,  welches  sich  im  Protoplasma  ver- 
thoilt.  Die  Nucleolarmasse  eines  Kerns  kann  in  solchen  Fällen 
so  colossal  zunehmen,  dass,  während  alle  übrigen  Kerne  auf- 
gelöst wenlon,  ein  einziger  Riesenkern  übrig  bleibt,  welcher 
etwa  die  tausendfache  Masse  eines  gewöhnlichen  Actinosphärien- 
kenis  besitzt.  Gewöhnlich  bleiben  aber  mehrere  Kerne  von 
gleicher  Gn^^sse  orhalton.  Die  ihres  Chn>matins  beraubten 
Kiesenkerno  werden  ausgostossen  und  das  dadurch  kernlos  ge- 
wonlene  Thier  gi^ht  zu  Grunde. 

Es  liegt    nahe,    bei   den    gt\^ohi Worten  Vorkommnissen  an 


B,  Hertwig:  Wesen  und  Bedeutung  der  Befruchtung,  67 

Folgen  von  Schädlichkeiten,   sei  es  chemischer  Substanzen,  sei 
es  parasitärer  Organismen,    zu  denken.     Ich   habe    daher,   um 
diese  Frage  zu  prüfen,    eine  Menge  Versuche  angestellt,   über 
die  ich  hier   im   Einzelnen    nicht   berichten   kann.     Nur    um 
eine  Versuchsweise  zu  erwähnen,  ich  habe  wiederholt  Culturen, 
in  denen   noch  einige   in  Kemdegeneration  begriflfene  Actino- 
sphärien    enthalten    waren,     ohne    Veränderung    des    Wassers 
und  des  Futterbodens  mit  neuen  Actinosphärien  besiedelt  und 
stets  feststellen  können,    dass   dieselben   sich  bei  massiger  Er- 
nährung viele  Wochen  lang  gesund  weiter  entwickelten.    Ausser 
diesen  Experimenten  spricht  gegen  die  Annahme  einer  infectiösen 
Natur  und   lässt   dieselbe   geradezu   ausgeschlossen  erscheinen 
die  Art,  mit  welcher  sich  die  Kerndegeneration  entwickelt,  und 
die  Häufigkeit,   mit    welcher  ich   sie    durch   lange   zum   Theil 
Monate  dauernde  Cultur  habe  hervorrufen  können.    Von  40  Cul- 
turen  sind    mehr  als   die  Hälfte   in   dieser  Weise   zu  Grunde 
gegangen  und  zwar  zu  ganz  verschiedenen  Zeiten,  was  offenbar 
mit  der  Verschiedenartigkeit  des  Ausgangsmaterials  zusammen- 
hängt,  zum  Theil  auch  wohl  damit,   dass  es  bei   der  grössten 
Sorgfalt    nicht    möglich    ist,    völlig    gleichartige    Fütterungs- 
hedingungen   herzustellen,    nicht   einmal   in    dem  Uhrgläschen 
einer  und  derselben  Cultur.     Und  so  komme  ich  zu  dem  Schluss, 
dass  eine  fiinctionelle  Degeneration  vorliegt;  ich  nehme  an,  dass 
die  in    ganz    ausserge  wohnlich  er   Weise    gesteigerten    Lebens- 
fiinctionen,  welche  in  einer  ganz  enormen  Vermehrung  der  Thiere 
zum  Ausdruck  kommen,    das  Gleichgewicht  der  Zelltheile  er- 
schüttern, dass  der  Organismus  Versuche  macht,  durch  Hunger- 
pausen dieses  Gleichgewicht  wieder  herzustellen,  dass  im  Ver- 
lauf die   Schädigungen   immer    intensiver,    die    regulatorischen 
Vorgange  immer  unzureichender  werden,   bis   schliesslich  eine 
letzte   übermässige  Functionsanstrengung   den  Zusammenbruch 
der  Zelle  bedingt. 

Es  wäre  nun  wünschenswerth,  die  im  Lauf  der  Cultur 
eintretenden  Veränderungen  im  Zellenleben  nicht  ausschliess- 
lich nach  den  Erscheinungen  der  Nahrungsaufnahme  zu  be- 
urtheilen,    sondern   noch   nach    anderweitigen    Kriterien.     Als 

5* 


68  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  1.  März  1902. 

ein  solches  Kriterium  käme  zunächst  in  Betracht  die  Fort- 
pflanzungsenergie. Hierzu  ist  das  Actinosphärium  gänzlich  un- 
brauchbar, weil  seine  Grösse  zu  sehr  variirt.  Oft  kommt  es 
vor,  dass  im  Lauf  eines  Tages  ein  riesiges  Actinosphärium  sich 
in  20,  30  selbst  hundert  kleinere  Thiere  auflöst,  und  dass 
im  weiteren  Verlauf  die  Zahl  durch  partielle  Verschmelzung 
wieder  eine  bedeutende  Keduction  erfährt.  Auch  können  Thiere 
von  gleicher  Grösse  ganz  verschieden  reich  an  Substanz  sein, 
je  nachdem  sie  stärker  oder  weniger  stark  vacuolisirt  sind. 
Nur  durch  mühsames  Zählen  der  Kerne,  welches  nur  an  con- 
servirtem  Material  möglich  ist,  würde  man  die  Zunahme  an 
lebender  Substanz  genauer  bestimmen  können.  In  dieser  Hin- 
sicht würden  Infusorien  viel  günstigere  Objecte  sein,  weil  hier 
die  individuelle  Grösse  bei  gleichartigen  Fütterungsbedingungen 
eine  bestimmte  ist.  Bei  analogen  Fütterungsexperimenten  mit 
Paramaecium  caudätum,  bei  dem  man  leider  die  Intensität 
der  Nahrungsaufnahme  nicht  in  der  Weise  wie  bei  Actino- 
sphärien  bemessen  kann,  habe  ich  feststellen  können,  dass  bei 
lang  fortgesetzten  Culturen  die  Perioden  der  Vermehrung  durch 
Perioden  unterbrochen  werden,  in  denen  Tage  lang  keine 
Theilungen  stattfinden,  bis  nach  längerer  Ruhe  die  Vermeh- 
rung von  Neuem  beginnt.  Hiermit  ist  auf  einem  anderen 
Wege  bewiesen,  dass  der  Organismus  zeitweiliger  Reorganisa- 
tion bedarf. 

Eine  Art  Reagens  auf  den  jeweiligen  Organisationszustand 
der  Protozoen  ist  ferner  in  der  Einrichtung  von  Hungerculturen 
gegeben.  Ich  habe  von  diesem  Verfahren  bei  meinen  Actino- 
sphärienzuchten  ausgiebigen  Gebrauch  gemacht.  Man  be- 
kommt dabei  äusserst  mannichfache  Resultate.  Es  kann  vor- 
kommen, dass  alle  zur  Hungercultur  verwendeten  Thiere  sich 
in  den  ersten  3  Tagen  encystiren.  Man  kann  dann,  da  die 
Encystirung  mit  Befruchtungsvorgängen  combinirt  ist,  von 
einer  Art  geschlechtlichen  Reife  reden.  Es  kann  aber  auch 
vorkommen,  dass  alle  Thiere  infolge  lange  fortgesetzten  Hun- 
gerns  zu  Grunde  gehen,  ohne  sich  zu  encystiren.  Dazwischen 
giebt    es    mittlere    Zustände.     Klare    übersichtliche    Resultate 


JB.  Hertwig:  Wesen  und  Bedeutung  der  Befruchtung.  69 

habe  ich  bisher  auf  diesem  Wege  noch  nicht  gewinnen  können 
mit  Ausnahme  des  einen,  dass  ungünstige  Encystirungs- 
bedingungen  sowohl  vor  als  nach  dem  Zeitpunkt  geschlecht- 
licher Keife  eintreten.  Jedenfalls  hat  dieses  scheinbar  gleich- 
artige Verhalten  vor  und  nach  dem  Encystirungsoptimum  ganz 
Terschiedene  Bedeutung.  Klarheit  kann  jedoch  hierüber  nur 
gewonnen  werden,  wenn  die  Veränderungen,  welche  die  Zell- 
bestandtheile  des  Actinosphärium  auf  den  verschiedenen  Stadien 
der  Cultur  erfahren,  einer  genauen  Untersuchung  unterworfen 
worden  sind.  Ich  komme  hiermit  auf  einen  Punkt,  welcher 
für  die  Verwerthung  der  durch  Züchtung  gewonnenen  Resultate 
unerlässlich  ist. 

Ich  habe  leider  bisher  noch  nicht  Zeit  gehabt,  das  reiche 
Material,    welches   ich   von    den    verschiedenen   Entwicklungs- 
serien conservirt  habe,  genauer  zu  studiren.    Um  völlige  Sicher- 
heit zu  erzielen,  müssen  von  verschiedenen  Stadien  Querschnitte 
angefertigt  und  diese  in  ganz  übereinstimmender  Weise  gefärbt 
werden.     Gleichwohl   stehen   mir   jetzt    schon   genügende   Er- 
fahrungen  an   gefärbten   ganzen  Thieren   zu  Gebote,  um  mit 
Bestimmtheit  sagen  zu  können,    dass  bei  all  den  geschilderten 
Vorgängen  das  Massenverhältniss  von  Protoplasma  und  Kern- 
sabstanz   eine   Ausschlag    gebende    Rolle    spielt.     Nimmt    die 
Hasse  an  Kernmaterial   rascher   zu    als   die  Masse  des  Proto- 
plasma, so  muss  sie  durch  theilweise  Auflösung  eine  Reduction 
erfahren.     Es   mehren  sich  dann   die  Chromidien,   sie  werden 
in   die    oben    schon    gelegentlich    erwähnte    bräunliche    Masse 
verwandelt,  welche  ausgestossen  wird.    Diese  Verminderung  der 
Chromatinmasse   habe  ich  oben   für  hungernde  Actinosphärien 
beschrieben,  bei  denen  der  Schwund  von  Körpermasse,  zunächst 
also  von  Protoplasma,    stets  auch  einen  Schwund  von  Kernen 
zu  folge  hat.    Analoge  Verhältnisse  treten  bei  stark  fütternden 
Actinosphärien  ein:  bei  der  Function  nimmt  das  Kernmaterial 
rascher  zu  als  das  Protoplasma  und  muss  daher  beständig  durch 
theilweise  Auflösung  und  Ausstossung  reducirt  werden.  Erreicht 
diese  Chromatin-Ausstossung  eine  grosse  Energie,  so  verliert  die 
Zelle  die  Fähigkeit,  zu  assimiliren  und  Nahrung  aufzunehmen. 


70  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  1,  März  1902. 

Es  treten  Hungerperioden  trotz  reichlichen  Nährmaterials  ein. 
Wie  nun  bei  Hungerculturen  unter  bestimmten  Verhältnissen 
die  kernauflösende  Kraft  des  Protoplasma  so  gross  werden 
kann,  dass  alle  Kerne  in  Chromidien  verwandelt  werden,  so 
kann  auch  bei  fortgesetzter  Ueberanstrengung  der  assimilirenden 
Thätigkeit  der  Zelle  schliesslich  ein  Zustand  eintreten,  der 
nicht  mehr  durch  die  gewöhnlichen  Mittel  ausgeglichen  werden 
kann;  es  tritt  dann  die  soeben  besprochene  Erscheinung  ein: 
ein  grosser  Theil  der  Kerne  wird  aufgelöst,  ein  Rest  in  die 
Bahnen  der  Riesenkernbildung  geleitet.  Ich  schliesse  aus  ge- 
wissen Erscheinungen,  dass  man  bei  geeigneter  Durchführung 
des  Experiments  auch  durch  Futtercultur  die  nahezu  gleich- 
zeitige Auflösung  sämmtlicher  Kerne  erzielen  kann,  die  ich 
durch  Hungercultur  bei  Actinosphärien,  die  im  Freien  gesam- 
melt worden  waren,  erzielt  habe.  Wir  haben  somit  in  den 
besprochenen  verschiedenen  Formen  der  Kemreduction  dieselbe 
Grunderscheinung  vor  uns,  nur  in  verschiedenen  Graden  dei 
Intensität. 

Starke  Reduction  des  Kernmaterials  geht  nun  auch  den 
Befruchtungsvorgängen  voraus.  Bei  der  Encystirung  von  Ac- 
tinosphärien werden  etwa  90  ^/o  der  Kerne  aufgelöst  und  etwa 
10  *^/o  zur  Befruchtung  verwandt.  Das  befruchtete  Actino- 
sphärium  repräsentirt  den  Zustand  der  Zelle,  in  welcher  das 
im  normalen  Leben  vorkommende  Mindestmaterial  von  Kern- 
substanz erreicht  ist.  Das  Gleiche  gilt  für  Infusorien,  bei 
denen  während  der  Conjugation  der  Chromat  inreiche  Hauptken 
aufgelöst  wird  und  die  chromatinarmen  Nebenkeme  übrij 
bleiben.  Die  aus  den  befruchteten  Nebenkernen  hervorgehen- 
den „Placenten'*,  die  Anlagen  der  neuen  Hauptkeme,  sind  ganj 
ausserordentlich  chromatinarm.  Auch  bei  den  vielzelligei 
Thieren  ist  der  Kern  des  befruchteten  Eies,  der  Furchungskem 
ganz  unglaublich  klein  und  chromatinarm.  Die  Reduction  de] 
Masse  von  Kemsubstanz  bei  Befruchtungsprocessen  ist  somii 
für  eine  so  grosse  Zahl  von  Fällen  beschrieben  worden,  dasi 
wir  in  ihr  eine  allen  Befruchtungsvorgängen  zukommende  Er- 
scheinung zu  erblicken  haben. 


B.  Hertwig:  Wesen  und  Bedeutung  der  Befruchtung,  71 

Die  Beduction  der  Kemmasse  beim  Befruchtungsprocess 
wQrde  sich  somit  den  regulatorischen  Vorgängen  anschliessen, 
welche  während  des  Lebens  der  Protozoen  zu  beobachten  sind; 
sie  ist  aber  nur  eine  Begleiterscheinung  der  Befruchtung,  macht 
dagegen  nicht  das  Wesentliche  derselben  aus.  Wie  ich  oben 
durchgeführt  habe,  ist  das  Wesentliche  der  Befruchtung  in 
der  Vereinigung  zweier  Kerne  gegeben,  welche  von  verschie- 
denen Zellen  stammen  und  daher  individuelle  Unterschiede  er- 
kennen lassen.  Diese  Unterschiede  dürfen  nicht  zu  gering 
sein  wie  bei  Inzucht,  noch  zu  gross  wie  bei  Bastardirung, 
damit  gute  Resultate  durch  die  Befruchtung  erzielt  werden. 
Die  Erfahrungen  der  Züchter  machen  es  wahrscheinlich,  dass 
ein  gewisses,  im  Einzelnen  nicht  genauer  definirbares  Optimum 
der  Unterschiede  gegeben  sein  muss. 

Ist  es  nun  möglich,  die  bei  der  Befruchtung  zu  Stande 
kommende  Vereinigung  verschieden  gearteter  Kerne  als  einen 
Process  sich  vorzustellen,  der  in  ähnlichem  Sinne  regulatorisch 
wirkt,  wie  die  besprochenen  Vorgänge  der  Kernreduction?  Ich 
glaube,  dass  das  in  der  That  der  Fall  ist.  Wenn  es  für  die 
Integrität  des  Zellenlebens  von  Wichtigkeit  ist,  ein  bestimmtes 
Wechselverhältniss  von  Kern  und  Protoplasma  aufrecht  zu  er- 
halten, so  wird  diese  Aufgabe  viel  besser  durch  Einrichtungen  , 
gelöst,  welche  Störungen  verhindern,  als  durch  Einrichtungen, 
welche  eingetretene  Störungen  ausgleichen.  Es  wäre  aber  sehr 
gut  denkbar,  dass  durch  Einführen  eines  fremden  Zellkerns  in 
das  Protoplasma,  wie  es  bei  der  Befruchtung  geschieht,  ein  über- 
mässiges Anwachsen  der  Wechselwirkungen  zwischen  Kern  und 
Protoplasma  und  damit  eine  übermässige  Zunahme  der  Kern- 
substanz auf  längere  Zeit  hinaus  verhindert  wird. 

Was  durch  Addiren  eines  fremden  Kerns  zu  einer  Zelle 
erreicht  wird,  müsste,  so  sollte  man  meinen,  auch  durch 
Mischung  von  Protoplasma  zweier  Zellen  erreicht  werden 
können.  Bezeichnen  wir  mit  a  und  h  Kern  und  Protoplasma 
einer  Zelle  und  mit  a  und  /^  die  entsprechenden  Theile  einer 
zweiten  Zelle,  so  würde  durch  Protoplasmamischung  ein  ahn- 


72  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  J.  März  1902, 

liches   Verhältniss    der   Zellbestandtheile    (  — ^  :  a  j    erreicht 

werden,    wie    durch    reine   Kernbefruchtung    Ib: — ^ — J.     E? 

würde  nur  der  erstere  Vorgang  schwieriger  zu  bewerkstellige! 
sein  als  der  zweite. 

In  dieser  Weise  erklärt  sich  vielleicht  die  sogenannce 
„Plasmogamie",  die  bei  Rhizopoden  weit  verbreitete  Erschei- 
nung, dass  Thiere  nur  mit  ihren  Plasmaleibern  verschmelzen. 
Von  vielen  Seiten  werden  Plasmogamien  als  Vorläufer  ächter 
Befruchtung  (Kaiyogamie)  aufgefasst.  Nach  meiner  Auffassung 
würde  es  sich  vielmehr  um  ein  Surrogat  handeln,  und  zwar  ein 
minder  wirksames,  weil  eine  gleichmässige  Durchmischung  zweier 
Zellplasmen  nur  durch  völlige  auch  die  Kerne  betreffende  Ver- 
schmelzung herbeigeführt  werden  kann.  Die  gewöhnhchen 
Verschmelzungen  zweier  Rhizopoden  werden  immer  nur  einen 
geringfügigen  Stoffaustausch  herbeiführen. 

Bei  Actinosphärium  ist  Plasmogamie  eine  weit  verbreitete 
Erscheinung;  man  hat  sich  daher  daran  gewöhnt,  ihr  keine 
grössere  Bedeutung  beizumessen  und  hat  diese  Auffassung  auch 
damit  gestützt,  dass  keine  besonderen  Vorgänge  in  ihrem  Ge- 
folge auftreten.  Ich  habe  lange  Zeit  auch  dieser  Auffassung 
*  gehuldigt,  bin  aber  von  ihr  zurückgekommen,  seitdem  ich 
durch  intensives  Studium  eine  intimere  Kenntniss  der  Lebens- 
vorgänge des  Rhizopoden  gewonnen  habe.  Ich  habe  fest- 
stellen können,  dass  Plasmogamien  immer  nur  unter  bestimmten 
Bedingungen  auftreten.  Man  findet  sie  bei  Culturen,  wie  ich 
sie  angestellt  habe,  in  den  ersten  Zeiten  so  gut  wie  gar  nicht; 
nach  wochenlanger  Fütterung  werden  sie  immer  häufiger  und 
ausgiebiger,  so  dass  man  Plasmogamien  findet,  deren  Producte 
vielleicht  aus  100  Actinosphürien  von  mittlerer  Grösse  bestehen 
und  mehrere  Millimeter  gross  sind.  Plasmogamien  treten  ein 
am  Ende  gewaltiger  Futterperioden  oder  auch  in  den  Zeiten, 
in  denen  die  Assimilationsfilhigkeit  aufgehört  hat,  d.  h.  zu 
Zeiten,  in  denen  Störungen  im  Wechselverhältniss  von  Kern 
und  Protoplasma  eingetreten  sind.     Actinosphärien   in  Riesen- 


B.  Hertwig:  Wesen  und  BedetUung  der  Befruchtung.  73 

kernbildung  sind  sehr  häufig  plasraogamirt,  was  man,  abge- 
sehen von  der  Grösse,  häufig  auch  darin  erkennen  kann,  dass 
die  einzelnen  Regionen  des  Riesenthiers  sich  auf  verschiedenen 
Entwicklungsstufen  der  Kernumwandlung  befinden. 

Ich   habe   in    dieser   Arbeit   versucht,    die   zur   Zeit   noch 
TöUig  unbestimmten  Anschauungen   über  das  Wechselverhält- 
niss,  welches  bei  den  Zellfunctionen  zwischen  Kern  und  Proto- 
plasma besteht,  wenigstens  etwas  bestimmter  zu  gestalten.     Im 
Anschluss   hieran    habe    ich   ferner   versucht,   für    die   physio- 
logische Bedeutung  des  in  seinen  morphologischen  Erscheinungen 
so  gut  erforschten  Befruchtungsprocesses  eine  einheitliche  Auf- 
zu  gewinnen.     Diese  Auffassung  führt,   wie  ich   oben 
andeutete,    mit    Noth wendigkeit    zur    Annahme,    dass 
zwischen   dem  Verlauf  der  Lebensfunctionen   und    dem    natür- 
lichen Tod,  dem  durch  keine  äusseren  Schädlichkeiten  bedingten 
Lebensende,   ein  causaler  Zusammenhang  besteht.     Im  Gegen- 
satz zu  Weismann   nehme   ich   an,    dass   schon  im    normalen 
Lebensprocess    die  Keime    des  Todes    enthalten  sind,   dass  der 
Tod  keine  zufällige  Anpassung   ist,    sondern    die   nothwendige 
Consequenz  des  Lebens  selbst.    Somit  können  auch  die  Proto- 
zoen nicht  unsterblich  sein  in  dem  Sinne  wie  Weis  mann  will; 
sie  würden   ebenso    zu    Grunde    gehen    müssen    wie   die   viel- 
zelligen  Thiere,    wenn    nicht   Einrichtungen    getroffen    wären, 
welche  die   schädlichen  Wirkungen   des  Lebensprocesses   com- 
pensiren.     Die   wirksamste  Einrichtung  in   dieser  Hinsicht  ist 
die  Befruchtung,  ein  Vorgang,  bei  dem  aus  dem  Material  zweier 
allmählich  zum  Untergang  hinneigender  Individuen   ein   neues 
lebenskräftigeres  Thier  geschaffen  wird. 


75 


üeber  den  einfachsten  semidefLniten  Fall  in  der 
eigentlichen  Variationsrechnung. 

Von  Arthur  Korn. 

{Etngelaufen  1.  Märe.) 

Das  einfachste  Problem  der  eigentlichen  Variationsrechnung 
besteht  darin,  eine  Funktion 

so  zu  finden,    dass  das  Integral  zwischen  zwei  festen  Grenzen 
x^  und  x^i 

1)     J^zjf{x,yfy)dx  =  ]iC  (d.  h.  Maximum  oder  Miniraum) 

wird,  wenn  f  eine  gegebene  Funktion   von  x,  y  und  der  Ab- 
leitung 

vorstellt. 

Wir  setzen  fest,  dass  wir  nur  solche  Funktionen  y  in  be- 
tracht  ziehen  und  nur  mit  solchen  Funktionen  y  -{-  dy  ver- 
gleichen wollen,  die  im  Intervall  x^  x^  eindeutig  und  stetig 
sind  und  eindeutige  und  stetige  erste  und  zweite  Ableitungen 
nach  x  besitzen,  für  welche  ferner  die  Ableitungen: 

d£     df^      ay        ay       ay 

ay'     ay"     dydx'    dydy''    dy'* 

im  Intervall  x^  x^  eindeutig  und  stetig  sind. 

Das  folgende  Resultat  ist  durch  die  bisherigen  Unter- 
suchungen über  den  Gegenstand  sichergestellt: 


76  Sitzung  der  mathrphys.  Glassc  vom  1.  März  1902. 

Ist: 
3)  y  =  y{xc,  c^ 

die  Lösung  der  Diflferentialgleichung  2.  0.: 

*)  2y       dx  \dy')       "'      . 

und   bezeichnen  wir  die  Substitution    3)    und    die  Substitution 
der  Auflösungen  der  Gleichungen: 

5).)  fM..,»»,, 

nach  Cj  und  c^  durch  Einschliessung  in  [],    so  wird   [y\   eine 
Lösung  des  Problemes  sein,    wenn   im   ganzen  Intervall   x^x^ 

1)  ^^-/^     ein  festes  Zeichen  hat  und  i    0  ist, 

und  zwar  ist  (für  x^  <  x^)  ein  Maximum  vorliegend,  wenn    — ~ 

stets  <  0,  ein  Minimum,  wenn  diese  Grösse  stets  >  0  ist. 

Ein  Ma  ist  nicht  vorhanden,  wenn  der  Ausdruck  I)  posi- 
tive und  negative,  von  Null  verechiedene  Werte  besitzt,  oder 
wenn  die  oft  mit 

A(xx^) 

bezeichnete  Determinante  II)  für  einen  in  strengem  Sinne  der 
Ungleichung 

x.^x^x, 

genügenden  Wert  von  x  verschwindet. 

Eine  weitere  Untersuchung  durch  Betrachtung  höherer 
Variationen  als  der  zweiten  ist  notwendig,  wenn 

(1.  semidefiniter  Fall)  der  Ausdruck  I)  ein  festes  Zeichen 
hat  und  ^  0  ist,  und  wenn  der  Ausdruck  II)  zwar  in  dem 
Intervall 


')  ^1  ^2  gegebene  Eonstanten. 


Ä.  Korn:  Ueher  den  einfachsten  semidefiniten  Fall  etc,  77 


^  0  ist,  aber  für  x  =  x^  verschwindet. 

(2.  semidefiniter  Fall)  der  Ausdruck  II)  im  ganzen  Intervall 

x.^x^x^ 

^  0  ist,   der  Ausdruck  I)   ein    festes  Zeichen  hat,    aber  auch 
Tersch winden  kann.^) 

Die  vorliegende  Abhandlung  wird  sich  mit  dem  1.  semi- 
definiten Falle,  dem  einfachsten  semidefiniten  Fall  der  eigent- 
lichen Variationsrechnung  beschäftigen  und  für  diesen  Fall 
die  nächsten  Kriterien  des  Ma  geben. 


Wir  machen  zur  Vereinfachung  der  Ausdrucksweise  etwas 
weitere  Stetigkeitsvoraussetzungen  über  y  und  /",  als  eigentlich 
für  das  Endresultat  erforderlich  wäre,  indem  wir  nicht  nur 
alle  Ableitungen  von  /*,  soweit  dieselben  in  betracht  kommen, 
als  eindeutig  und  stetig  (im  Intervalle  x^  x^)  annehmen,  son- 
dern auch  dJ  als  der  Taylor'schen  Entwickelung  fähig  an- 
nehmen :  *) 

oder  bei  Substitution  der  Funktion  [y] 
6)  [d  J]  =  [.5*  J]  +  [dW]  +  ld*J]  +  ... 

Hier  ist: 

oder: 

70)    [d*J]=^\f(f,,d!,'  +  2f,,dydy-\-f,,dy^)dx, 


^)  Der  allgemeine  semidefinite  Fall  ist   eine  Mischung  der  beiden 
genannten  Fälle. 

«)  Sobald  .      .     ^  ;      A   '  > 

abs.  oy<Z€,    abs.  oy  <C^, 

wo  e  eine  positive,  im  übrigen  beliebig  kleine  Konstante  ist. 


78 


Sitzung  der  matK-phys.  Classe  vom  1,  März  1902. 


wenn  wir: 


8) 


setzen;  wir  werden  in  ähnlicher  Weise  auch  die  höheren  Ab- 
leitungen von  f  abkürzen,  so  dass  z.  B. 


t\n  — 


r]- 


Wir  führen  jetzt  —  geleitet  durch  die  Jacobi'schen  und 
Lipschitz'schen  Transformationen  der  2.  Variation  —  an  Stelle 
von  d  y   die  Grösse  d  Z  durch  die  Substitution : 

9)  öy'^dZ^^dy 

ein,  wobei  wir  ß  und  e   durch  die  Gleichungen: 


10) 


de 
dx 


definieren. 

IS  verschwindet  nach  Voraussetzung  nirgends  im  Intervalle 

wohl  aber  für  x  ^=  x^  und  x  =  x^\  da  aber  gleichzeitig 
auch  dy  an  diesen  Grenzen  verschwindet  und  /  wegen 
der  leicht  aus  4)  folgenden  Identität 

d 

für  X  =^  x^  und  x  =  x^  von  null  verschieden  sein  muss,  so  ist 
d  Z  im  ganzen  Intervall  x^  x^  eindeutig  und  stetig  und  kann 
durch  genügende  Verkleinerung  von  e  von  der  Art 

endl.  Konst.  e 
unter  jeden    beliebigen   Kleinheitsgrad   herabgedrückt  werden. 


Ä.  Korn:  Ueber  den  einfachsten  semidefiniten  Fall  etc.  79 

Durch  die  Substitution  9)  wird:^) 


oder 

12)  [s^r\  =  \'lf„dz*dx. 

Es  wird  femer: 

'S 


13) 


i6J-]  =  kSfniy^-E)dZ^d 

«1 

->rfjD{f)dx 


wenn  wir  unter  D(f)  und  Dl — —\  die  Ausdrücke  [df]  und 
<Jr-V    nach  Substitution  von 


&y  =  —dy 


verstehen,  so  dass: 

^(/)  =  A{/'nn-H/;u4+6/".i«(i)+^^>«»(j)+^»»«(j)'l' 


14«) 


')Da: 
— /M  "i-  T " — 1 —  fi». 


and 


80  Sitzung  der  mathrphys,  Clasae  vom  1,  März  1902. 

und   wo   ferner  E  eine  Grösse  vorstellt,    die   ihrem    absoluten 

Werte  nach  _ 

<  endl.  Konst.  e. 

§  2. 

Wir  können  die  Formel  13)  auch  folgendermassen  schreiben : 


15) 


+  (1  + 


Nennen  wir  £j  den  absolut  grössten  Wert  von  d  Z^  e^  den 
absolut  grössten  Wert  von  dy^  so  werden  oflPenbar  die  beiden 
Fälle 

i.   £2<:^i, 

II.       £j  <  fg, 

alle  möglichen  Fälle  umfassen.  In  dem  Falle  I.  muss  nach 
13)  [5e7]  das  Zeichen  von  f^^  haben,  so  dass  wir  nur  den 
Fall  U.  noch  zu  untersuchen  haben,  in  dem  wir 

16)  abs.  £  <  endl.  Konst.  e^ 

haben. 

Die  Gleichung  15)  zeigt,  dass  jedenfalls  [dj]  nur  dann 
ein  anderes  Zeichen  als  f^^  haben  kann,  wenn: 


Ä,  Korn:  Üeber  den  einfachsten  semidefiniten  Fall  etc.  Sl 

tu 

wo: 

0»  <  endl.  Konst.  j  (l  +  iJ)  D  (/*)  -  |  i  -^-p-./l  l 

also  mit  Rücksicht  auf  14«^),  14»>): 

17**)  abs.'o  P  endl.  Konst.  e^. 

Es  kann  nach  17^^)  und  17*»)  mit  Rücksicht  auf  den  Wert 
14^)  von  -D{-^-^)  dieser  Fall  jedenfalls  nur  eintreten,  wenn: 
18*)  dZ=y.^i) 

und: 
IS**)  abs.  Y  ^  endl.  Konst.  e]. 

Aus  18*)  folgt  nun  weiter:*) 
19»)  dy  =  a-;er.gj  +  r, 

wo  a  eine  bestimmte  endliche  Konstante  ist  und 
19»>)  abs.  r^  endl.  Konst.  £*. 

Da  wir   uns   nur   mit   Funktionen  y   (resp.  y  {-  dy)  be- 
schäftigen,   welche  mit  ihren   ersten  und  zweiten  Ableitungen 
eindeutig  und  stetig  ist,  so  folgt  aus  19^)  auch: 
20»)  dy  =a'^'€^+  r\ 

wo  auch: 
20»>)  abs.  r"  ^  endl.  Konst.  b\. 

Nur  diese  Fälle  19),  20)  bedürfen  einer  besonderen  Unter- 
suchung. 

*)  Man  kann  ^Z  mit  z  proportional  setzen,  da  beide  an  den  Grenzen 
verschwinden  und  im  Intervall  a*i  Xj  mit  ihren  ersten  Ableitungen  ein- 
iieotig  und  stetig  vorausgesetzt  werden. 

«)  Da  nach  18»)  und  9): 

dx  \z  )       ^' 

somit: 

dy  =  const.  z  -\-  F. 

IMl  Sitznngsb.  d.  nutth.-phys.  Gl.  6 


82  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  1,  März  1902. 

§  3. 
Bevor  wir  zu  dieser  Untersuchung  übergehen,    füge] 
in  der  Formel  13)  zu   der   rechten  Seite   noch   den  Aus 

hinzu  und  subtrahieren  denselben  Ausdruck: 

X\  ^^^\      ^         /  I         ^  \xz=ix^  L       ^  Jx=zxi 

wo  Jpg   eine   eindeutige   und   stetige   Funktion   von 
Intervall 

sein  soll,  über  die  wir  uns  noch  eine  weitere  Bestimmung 
behalten. 

Es  folgt  dann: 


21) 


z 


«  =  X,  Xi 


+  , 


also; 


Wir  wählen  jetzt  F^  so,  dass: 


dx 
oder: 


dF 


dann    können    wir    21)    auch    so    schreiben    (man    vergl 
Formel  15)): 


Ä.  Korn:  üeber  den  einfachsten  semidefiniten  Fall  etc,  83 

An   der  Hand  dieser  Formel  werden    wir  jetzt    die  Fälle 
19)  20)  diskutieren. 

§4. 

Wir  folgern  zunächst  aus  23)   die  für  ein  festes  Zeichen 
von  [d  J]  notwendige  Bedingung,  es  muss 

sein,  also: 

denn  wäre  dieser  Ausdruck  4=  0,    so   folgte   aus  23)   nach  den 
Substitutionen  19)  20): 

wo  c  eine  von  Null  verschiedene  Konstante  und 

84-  i 

abs.  d  <  endl.  Konst.  e^      ' 
wenn  wir  nur  F  und  F'  so  einrichten,  dass 


abs. 


(1  +E)dZ+  — ^-^^^ 1  <  endl.  Konst  e\, 

was  ja  stets  möglich  ist. 

Wir  können  sogleich  aus  23)  eine  weitere  notwendige 
Bedingung  ableiten.  F^  ist  nach  22)  noch  mit  einer  willkür- 
lichen Konstanten  behaftet,  wir  wählen  dieselbe  so,  dass: 


*)  Das  ist  D  (/")  abgesehen  von  den  Gliedern  3.  Ordnung  D*  (f)  d  y^. 

6* 


84  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  1.  März  1902, 


25») 

somit  nach  24)  auch: 

\^a\x=s,=  ^' 

25") 

1^3'.  =  ^==  0, 

dann  folgt  aus  23),    dass    [dJ]    ein   festes  Zeichen    nur   dann 
haben  kann,  wenn  der  Ausdruck: 

das  Zeichen    von   /"gg    besitzt,    denn    nennen    wir   C   den  Wert 
dieses  Ausdruckes,    so   folgt   aus   23)   nach  den  Substitutionen 

19),  20): 

[dJ]  =  C.a*.£:  + J, 
wo 

abs.  A  ^  endl.  Konst.  «*      » 
wenn  wir  nur  F  und  F'  so  einrichten,   dass: 

was  ja  stets  möglich  ist. 

Die  Bedingung,  dass  der  Ausdruck  26)  das  Zeichen  von 
f^^  hat  und  von  Null  verschieden  ist,  ergiebt  sich  auch  sofort 
als  eine  hinreichende  Bedingung  für  das  Eintreten  eines  Jf«, 
da    nach  den  Substitutionen  19)  und  20)   dann    der   Ausdruck 

J'(l  +  ^)(i)*(/)3y*  +  ..)-i^      ^'''J    ''      ^Ux 

das  Zeichen  von  f^^  besitzt  und  somit  auch  der  Ausdruck  [<5e7J. 
Wir  erhalten  so  das  folgende  Endresultat: 
In    dem    semidefiniten    Falle,    in    welchem    f^^    im 

Intervalle    x^x^    stets    dasselbe    Zeichen    besitzt    und 

nirgends  verschwindet,  und  in  dem 


A,  Korn:  üeber  den  einfachsten  semidefinüen  Fall  etc.  85 

nirgends   innerhalb  des  Intervalles  x^x^  verschwindet, 
wohl  aber   an   den  beiden  Grenzen   a;  =  a;,  und  x  ^=  x^^ 
erhält  man  die  folgenden  nächsten  Kriterien  für  das 
Auftreten  eines  M^i 
Es  muss  für  ein  Ma 

sein.    Es  wird  dann   thatsächlich   ein  Ml  stattfinden, 
wenn  der  Ausdruck 

in  dem 

X 

30)         j;  =  -iX{/;„  ^'+3/;„^»/+3/;,,^y  >+/„,/'}  dx, 

Xi 

das  Zeichen  von  f^^  besitzt  und  von  Null  verschieden 
ist;  hat  der  Ausdruck  ein  von  f^^  verschiedenes  Zeichen, 
ohne  zu  verschwinden,  so  wird  ein  J/«  nicht  vorhan- 
den sein;  verschwindet  der  Ausdruck,  so  ist  eine  wei- 
tere Untersuchung  erforderlich  (semidefiniter  Fall 
höherer  Ordnung). 

§  5- 
Vor  längerer  Zeit   hat   bereits  G.  Erdmann*)  Kriterien 
für  den   hier   behandelten    semidefiniten   Fall  aufgestellt,    und 


^)  G.  Erdmann,  Untersuchung  der  höheren  Variationen  einfacher 
Integrale  (Z.-S.  f.  Math.  u.  Phys.  XXII,  1877,  p.  324) ;  ich  verdanke  einer 
freundlichen,  brieflichen  Mitteilung  von  Herrn  A.  Mayer  den  Hinweis 
auf  diese  Arbeit. 


86 


Sitzung  der  tnath.-phys.  Classe  vom  1.  März  1902. 


ich  möchte  hier  zeigen,  dass  die  Erd  mann 'sehen  Kriter 
aus  den  obigen  Kriterien  einwandsfrei  folgen,  während  i 
der  von  Erdmann  gegebene  Beweis  nur  für  die  notwendig 
Bedingungen  streng  erscheint.  Zu  diesem  Zwecke  werden  ^ 
die  Bezeichnungen  von  Erdmann  einführen,  durch  welche 
Kriterien  in  einer  wesentlich  eleganteren  Form  dargesfc 
werden  können. 


Wir  definieren   die   Operation  — ~ — -  durch    die   Forn 

d  c 


33) 


d(_)       a(_) 


9y 

£c  =  a^ 

a(-) 

dy 

ac. 

de. 

3«.  .=,, 

dy 
de 

d*y 

^=   de* 

w  = 

d»y 
de» 

de  dc^ 

und  setzen: 

34) 


dann  verschwinden   offenbar  w,  v,  w  für  x  =  x^,   und    es 

35)  ^  =  [-^]  =  M' 

so  dass  [u]  auch  für  x  =  x^  bei  unseren  Voraussetzungen  \ 
schwindet: 

Wir  setzen  femer: 


36) 
und: 


37) 


(^mu  


—     ^^""f        m  =  0,1,2.. 


dtf^dy*'  '     n  =  0,  1,2. .  . 
^2  =  J («20  «^*  +  2 a^i  u II  +  a^j  ii  '^)dx,'^) 
^3  =  J  («SO  ^**  +  3^21 2^* ^*'  +  3a,2  u  u^  +  «03  f/») da;, 

*2 


52 


*)  Bei  der  Festsetzung  u'  r-  -^ — ,  analog  t?'  ZI  —^ — . 
°  dx'  ^  dx 


A.  Korn:  Ueber  den  einfachsten  semidefinüen  Fall  etc,  87 

Dann   ist  wegen  der   (aus   4)  analog   der  Gleichung   11) 
folgenden  Relation: 

38)  a2oW  +  «nw'=  "^  («n  «^  +  »oa  «*') 
zunächst: 

oder: 

39)  ß,  =  I  w  (a,,  u  +  a^,  ti)  |^^^. 

Es  ist  weiter  nach  der  zweiten  und  ersten  Formel  37): 

Q^  =  — T-^ J(2ajo  wt;  +  2a^^  (uv  +  v  u)  +  2%^  uv)  dx, 

uC  x^ 

oder  mit  Rücksicht  auf  39): 

oder  schliesslich: 

40)  fis==|ao,(iev'-i;iOU=*2+hKSi^*'^+2ai2W?/+ao3w'*)|a:==xa- 
Wegen  der  Identität: 

f(/'.„  ^  +  3/;„  z* z  +  3/„,  ^/»  +  /,„  /')  d^  =  [ß,] 

und  der  Relation  40)  können   wir  jetzt  die   für   ein   ÜSf^I  not- 
wendige Bedingung  28)  in  der  Form  schreiben: 

Wir   können  ferner  —  analog  der  Ableitung  von  40)  — 
die  durch  30)  definierte  Funktion  F^  in  der  Form  darstellen: 

42)    i^3=  —  iAsEtev  — 1;?0  —  \\.u{a^x  ^**+  2a,3  wn'  +  a^s  y  »)], 

und  wir  gehen  nun  zur  Vereinfachung  des  Ausdruckes  29)  über. 


88  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  1,  März  1902, 

Wir  bedenken  hier  zunächst,    dass   nach  der   dritten 
zweiten  Formel  37): 

ß*  =  -^-T—  —  3  X  (a  j,  tt»  V  +  o„  u  (2  te'  v  +  u  v) 

+  «ij  m'  (m  V  +  2m'  «')  -\-  o„j  m'*  v')  I 

+  ^21  w*  +  2a,2 w w'  +  «03 1/*) }  dx 
? 

somit  mit  Kücksicht  auf  40)  und  41): 

+  sfl/i,  K]  +  2/;,  [VV]  +  /,,  [.'»]  }  dx, 
und  da  nach  31)  und  37) 


'2 


43)  f.-*  D'Q)dx A I  /■«  ^'  [«']  U=«.  +  if  { /■„  [«*] 

Wir  brauchen  jetzt  noch  diesen  Ausdruck  und  den  A 
druck: 

44)  *   ^^  l^^j  +  —T^  -  +  t/^«  ^— 

in  29)  einzusetzen,    um    für    29)    den   folgenden  Wert   zu 
halten : 


^)  Mit  Rücksicht  auf  die  aus  38)  folgende  Relation: 

«20  ^  4-  «11  V'  +  «80  "^  +  2  021  U  U'  +  «12  **  * 

=  ^  («11  «^  +  «02 1''  +  «21  w^  +  2a,a  fiu'  +  a^  u ^). 


Ä.  Korn:  lieber  den  einfachsten  semidefiniten  Fall  etc.  89 

Nun  ist   leicht  zu   zeigen,    dass   das  Integral   in   diesem 
Ausdruck  verschwindet,  denn  es  ist: 


f.  iuv-vu\\         P..     J  d    fv\\* 

i^T"«^-) ^"^ H^^"  W  [ü)i  ^ 


«1  l 

~~d^\f»''^+f2»~iri]'^'^^ 

==  f  {/■„»'  + 2/;,  W +/„  i;'» }  <^^, 

sobald  ü  =  0  {ixr  X  =  x^  und  x  =  x^. 

Der  Ausdruck  29)  reduciert  sich  somit  auf 

Wir  können  hiernach  jetzt  den  Kriterien  S.  10  die  elegante 
Form  der  Erd  mann 'sehen  Kriterien  geben: 

Definiert    man    die    Operation    — j         durch    die 
Formel: 


47) 


de  ac, 


iL 

de. 


Z=Xx 


48) 


SO  ist  in  dem  betrachteten  semidefiniten  Falle  für  ein 
J/fl*  notwendig,  dass: 

>  =0; 

es  wird  dann  thatsächlich  ein   Ml  stattfinden,    wenn 


90 


Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  1,  März  1902, 


und  von  Null  verschieden  ist;  ist  der  Ausdruck  ^ 
positiv  und  von  Null  verschieden,  so  wird  ein  1 
nicht  vorhanden  sein;  ist 


^1       =0, 


so   ist  eine  w^eitere  Untersuchung  erforderlich   (sen 
definiter  Fall  höherer  Ordnung). 


91 


Neue  Mittelwerthssätze  über  bestimmte  Integrale. 

Von  Hermann  Brann. 

iSingtlaufm  1.  Mötm.) 


Geometrische  Einleitung. 

1.  In  jeder  unserer  Figuren  1,  2  und  3  haben  wir  zwei 
zu  einander  senkrechte  Ebenen  I  und  11  und  einen  in  ihrem 
Winkel  Hegenden  Körper:  K^  in  Fig.  1,  Z,  in  Fig.  2,  Zg  in 
Fig.  3. 

2.  Jeder  dieser  Körper  ist  ausser  durch  I  und  11  durch 
zwei  ebene  und  zwei  cylindrische  auf  I  oder  II  senkrechte 
Flächen  begrenzt,  z.B.  K^  durch  die  ebenen  Flächen  acyC, 
bd5D  und  die  cylindrischen  CyöD  und  cydd, 

3.  Sämmtliche  drei  Körper  werden  von  Ebenen,  die  senk- 
recht zur  Schnittlinie  a  b  der  Ebenen  I  und  II  sind,  nach 
Rechtecken  geschnitten. 

4.  Die  drei  Figuren  sind  nur  der  Deutlichkeit  wegen  aus- 
einander gezeichnet.  Man  soll  sie  sich  eigentlich  in  einander 
geschoben  vorstellen,  so  dass  man  drei  Körper  zwischen  einem 
einzigen  Paar  von  Ebenen  hat. 

5.  Dann  wird  die  ebene  Grundfläche  ahdec^  wie  schon 
durch  die  gleichbleibende  Bezeichnung  angedeutet  in  allen  drei 
Fällen  identisch  dieselbe.  Die  drei  Flächen  a 61) JE C,  ahD'E'C\ 
ab D"  E''  C"  werden  nicht  identisch,  sind  aber  als  inhalts- 
gleich vorausgesetzt. 


92  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  1,  März  1902, 

6.  Wichtig  ist  nun  die  Charakterisirung  der  in  I  und  II 
liegenden  Leitlinien  der  verschiedenen  Cylinderflächen.  Die 
Curven  CED  und  ced,  jene  von  C  nach  D,  diese  von  c  nach  d 
hin  durchlaufen,  sollen  dabei  beide  entweder  der  Linie  ab 
niemals  näher  kommen,  oder  niemals  von  ihr  sich  entfernen. 
Anders  ausgedrückt,  sie  sollen  durch  monotone  Funktionen 
ij  =  f{x)  und  y  =  g{x)  gleichen  Charakters  (durch  „isomono- 
tone**, kürzer  „isotone**  Funktionen)  sich  ausdrücken,  wenn 
man  a b  als  Abscissenaxe,  die  Ordinaten  in  den  zu  ab  senk- 
rechten Richtungen  a  C,   resp.  a  c  nimmt. 

7.  C  E"  B"  soll  symmetrisch  zu  (7 iJD,  das  Flächenstück 
a b  C"  E' D"  eine  einfache  Umlegung  von  abC E D  sein. 
C"  E"  D"  ist  somit  ebenfalls  monoton,  aber  nicht  gleichen 
Charakters  („anisoton**)  mit  CED,  C' E'  D'  ist  eine  Parallele 
zu  ab, 

8.  Den  nichtssagenden  Fall,  dass  CED  selbst  parallel 
zu  a6  ist,  und  in  Folge  dessen  (s.  5)  mit  C  E'  D'  und  C"  E"  D" 
zusammenfällt,  können  wir  als  ausgeschlossen,  bezw.  von  vorne- 
herein erledigt  betrachten. 

9.  Es  gilt  nun 

und  diese  Beziehung,  analytisch  eingekleidet  (s.  VIII  und  XXII) 
und  bewiesen,  sowie  mehrfach  verallgemeinert,  bildet  den  In- 
halt der  folgenden  Betrachtungen.*) 

I.   Capitel. 

10.  f(po)  und  (j{pc)  seien  in  dem  endlich  begrenzten  Inter- 
vall a<^x^b  endliche,  eindeutige,  monotone  Funktionen, 
somit  auch  integrabel  im  ganzen  Intervall  und  über  jede  be- 
liebige Theilstrecke  desselben. 


*)  Herr  Gust.  Bauer  macht  mich  aufmerksam,  dass  die  nemliche 
Art  geometrischer  Repräsentation  für  den  Du  Bois-Reymond 'sehen 
Mittelwerthssatz  angewendet  wurde  von  C.  Neu  mann  (Ueber  die  nach 
Kugel-  und  Cylinder-Funktionen  fortschreitenden  Entwickelungen  etc. 
Leipzig  1881). 


H,  Brunn:  Neue  Mittelwerthssätze  über  bestimmte  Integrale.      93 


Fiff.Z 


€1         C 


y 


,  ;  ;      >,^ j-^i^H 

' ;:  :.'.':"■■•■ „^^F 

1  if_.^ ^_.^,jf^^-        -X 


d 


a       € 


94  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  1,  März  1902, 

11.  Die  Integrabilität  des  Produktes  f(x)'g(x)  im  nera- 
lichen  Intervall  ist  für  das  Folgende  ebenfalls  nothwendig,  sie 
ergibt  sich  aber,  wie  man  weiss,  aus  den  gemachten  Voraus- 
setzungen bereits  als  nothwendige  Folge. 

12.  Zunächst  seien  f  (x)  und  g  (x)  nicht  nur  monoton, 
sondern  —  um  beim  ersten  Beweisschritt  unseres  bevorstehen- 
den Satzes  nicht  gleich  eine  Menge  verschiedener  parallel 
laufender  Fälle  zu  gleicher  Zeit  im  Auge  behalten  zu  müssen,  — 
auch  isoton,  und  zwar  niemals  abnehmend,  dazu  im  ganzen 
Intervall  positiv.  Schliesslich  sei  auch  der  Fall  eines  völligen 
Gleichbleibens  im  ganzen  Intervall  für  beide  Funktionen  vor- 
läufig ausgeschlossen. 

Dann  ist 

I)  f{a)S  dx<S  f{x)dx<f{l,)S  dx 

an  a 

oder  —  es  ist  ja  h  —  a  positiv  (s.  10)  — 

II)  f(a)<-j^^}f(x)dx<f{h). 

18.   Es  ist  also 

1        * 

ein  mittlerer  Werth  zwischen  f(d)  und  f{h)  und  es  lässt  sich 
auf  alle  Fälle  ein  zwischen  a  und  h  liegender  Werth  x,»  be- 
stimmen, für  welchen  gilt: 

III)  f{x„.-e)<U^f{x^i^d) 

wobei 

0  <  f  <  Xn  —  a;    0  <  d  <^b  —  Xm 

ist  und  die  beiden  Gleichheitszeichen  in  III)  nach  Absatz  12 
nicht  gleichzeitig  für  alle  zugelassenen  Werthe  von  e  und  d 
gelten  können. 

14.  Ob  dabei  fm  mit  f{Xm)  zusammenfallt,  bleibt  unent- 
schieden; die  Voraussetzungen  über  die  Funktion  sind  der- 
artige,   dass    auch    oiu    Unstetigkeitssprung   der   Funktion    bei 


H.  Brunn:  Neue  Mitteltoerthssätze  über  bestimmte  Integrale,      95 

x  =  Xm  zulässig  ist,    der  sie  von   einem  Werthe  unterhalb  fm 
nach  einem  solchen  oberhalb  fortreisst.^) 

15.  In  Worten:  Es  existirt  sicher  eine  Theilung  des  Inter- 
valls von  der  Art,  dass  die  zum  einen  Theil  gehörigen  a; -Werthe 
die  Funktion  sämmtlich  ^fmi  die  zum  andern  Theil  gehörigen 
siimmtlich  sie  >  fm  machen. 

16.  Dann  gilt  weiter: 

Sf{oi^)g{x)dx  ^Sfm'  (/ (x)  •  dx 


\Y) 


(=  nur,  wenn  f(x)  von  a  bis  Xm  constant  =  fm  ist) 


S  f(x)  g  (x)  d  X  >  S  fm '  g  (x) '  d  X 

(=  nur,  wenn  f(x)  von  Xm  bis  b  constant  =  fm  ist) 

oder  —   indem   man    die    beiden   vorstehenden  Ungleichungen 
leicht  umformt  und  neue  wichtige  daran  kettet: 

0  <S(ffn'-m)g{^)dx<giXm)S(f„.-f{x))dx 

TT  o  a 

^') 

fm{Xm  —  a)  —  ^f{x)dx 
a 

und 

6  b 

0  <X(/*(^)-  fm)g{x)dx>g  {Xm)S (f{x)—fm)dx 


Ü 

ca 


>g{x,n)\S  f{x)dx-fm(b-Xm) 

Die  zweiten  Gleichheitszeichen  in  Va)  resp.  Vb)  gelten 
nur,  wenn  g{x)  von  a  bis  a;„,,  resp.  von  Xm  bis  b  constant 
gleich  g(Xm)  ist  oder  wenn  fm  —  f{x)  im  ganzen  Intervall  von 
a  bisar«,  resp.  von  Xm  bis  b  gleich  Null  ist. 


')  Möglicherweise  existiren  mehrere  Werthe  für  x^^;  sind  .r^,  und 
x;^  zwei  davon,  so  ist  sicher /" (.1?^,)  =  /"(^rj  =  fm  ""d  auch  fi-vj  =  /"„,  für 
jeden   beliebigen  Werth  0?,,^  =  .tJ,^,  der  zwischen  oc'^^^  und  a?",,  Hej^t. 


96  Sitzung  der  mCUK-iihys.  Classe  tfom  1.  Märe  1903. 

17.  Hier  ist  eine  Erläuterung  der  Bedeutung  von  g(x, 
erforderlich.  Sobald  g{x)  bei  Xm  keine  Unstetigkeit  erleide 
ist  ein  Zweifel  darüber,  was  für  g{Xm)  zu  setzen  ist,  au! 
geschlossen.  Sobald  g(x)  aber  dort  einen  Sprung  macht  vc 
g(x)  =  a  bis  g(x)  =  ß,  so  kann  für  g(Xm)  jeder  Werl 
zwischen  a  und  ß  mit  Einschluss  dieser  Grenzen  gesetzt  we 
den,  und  man  kann  auch,  um  die  Ungleichungen  möglich 
stringent  zu  machen,  in  Va)  einen  möglichst  kleinen  Wert' 
also  a,  in  Vb)  einen  möglichst  grossen,  also  /?  für  ^  (Xm)  einsetze 

18.  Wir  kehren  zur  Entwickelung  unseres  Satzes  zurüc 
Die  beiden  eckigen  Klammern  in  V»)  und  Vb)  erweisen  si( 
als  gleich,  wie  man  durch  Subtraktion  ersieht: 

fm {x„,  —  a)  -  Sfi^)^^  —  ifi^)  dx  -hfmih  —  x„,) 
VI) 

(i 

=  fm(b  —  a)  —  Sf{x)dx  =  0   (nach  13). 

a 

Wenn  also  der  mit  g  {x„)  multiplicirte  Werth  der  eckige 
Klammern  mit  F  bezeichnet  wird,  so  ist 

f'ifn.-f{x))g{x)dx^F^Sif{^)-fn)g{x)dx 

VII) 

S(fn.-f{x))g{x)dx  £  X  (fix)  -  U)g{x)dx, 

wo  das  Gleichheitszeichen  nur  gelten  könnte,  wenn  g{x)  i 
ganzen  Intervall,  mit  Ausnahme  etwa  der  Grenzen  a  und 
selbst,  constant  gleich  g{Xm)  wäre,  was  wir  ausgeschloss( 
haben  (s.  12). 

Durch  andere  Vertheilung  und  Wiederzusammenfassur 
der  Theilintegrale  auf  die  Seiten  der  Ungleichung  ergibt  sie 
hieraus: 

b  b 

fm  X g  {x)dx<S  f  {x)  g  {x)  d x  oder 

VIII)  „      "  \      . 

Sf{x)9{x)  da:  >  j^^Sfi^)  dx  Snix)  dx. 


K  Srunn:  Neue  MittelwertJissätze  über  hestimmte  Integrale.      97 

19.  Wir  wollen  nun  den  Satz  von  allerhand  Beschrän- 
hngen  befreien,  welche  ihm  vorläufig  noch  anhaften. 

Aus  der  erhaltenen  Ungleichung  ergibt  sich  auch  die 
Richtigkeit  der  folgenden,  in  der  k,  l  beliebige  constante 
Grossen  sind: 

a  ^~^  a  a 

und  umgekehrt,    aus   dem  Bestehen    der  letzteren   für   irgend 
zwei  Werthe  i,  l  folgt  VIE). 

Denn  durch  Ausführung  der  Multiplikationen  und  Inte- 
grationen ergibt  sich  für  IX)  eine  Form,  die  sich  von  VIII) 
nur  durch  die  Hinzufügung  gleicher  Glieder 

a  a 

rechts  und  links  vom  XJngleichheitszeichen  unterscheidet. 

20.  Sind  nun  f(x),  g  (x)  irgend  zwei  im  Intervall  a  bis  b 
nirgends  fallende  endliche  eindeutige  Funktionen,  deren  Vor- 
zeichen nicht  oder  nicht  überall  im  Intervall  positiv  ist, 
so  lassen  sich  doch  stets  endliche  Constante  k^  l  angeben, 
welche  f{x)-)rk  und  g{x)  -\-l  zu  nirgends  fallenden,  im  Inter- 
vall stets  positiven  Funktionen  machen,  für  welche  IX)  Geltung 
hat.    Dann  gilt  aber,  wie  eben  ausgesprochen,  auch  VIII). 

Also  die  das  Vorzeichen  von  f{x)  und  g{x)  beschränkende 
Bedingung  aus  Abs.  12  können  wir  fallen  lassen. 

21.  Femer:  Sind  f(x\  g  (x)  zwei  im  Intervall  niemals 
steigende,  so  sind  —  f{oo\  —  g  (x)  zwei  im  Intervall  niemals 
fallende  Funktionen,  für  welche  gilt: 


XI) 


^      ^  a  a 

somit  gilt  auch 
Sf(x)g{x)dx>-j-—Sfix)  dx .  Sg(x)dx 


b—a 

1902.  Sitznogsb.  d.  matta.-ptayB.  Gl. 


98  Sitzung  der  math.'phys,  Glosse  vom  1,  März  1902, 

d.  h.  der  Satz  gilt  auch  für  niemals  steigende  Functionen, 
endlich  und  eindeutig  sind. 

22.  Ist  schliesslich  f{x)  eine  im  Intervall  niemals  faller 
g{x)  eine  ebenda  niemals  steigende  endliche  eindeutige  Fu 
tion  —  oder  umgekehrt  —  so  ist  nach  dem  Vorhergehen 
der  Satz  sicher  giltig  für  das  Paar  Funktionen  f{x)  und  —  g 
und  es  kommt 


XII) 


h  j         6  6 


oder 


6  j         6  6 

Sf{x)g{x)dx<-r—-Sf{x)dxSo{x)dx, 


Für  „anisotone**  Funktionen  dreht  sich  also  das  Unglei 
heitszeichen  unseres  Satzes  um. 

23.    Sobald  wir  das  von  Kronecker  eingeführte  Zeic 

sgn  -l  =  +  1   (je  nachdem   A  j 

benutzen,  ist 

=  sgii  {  U\b)  -  /•(«)]  y  (b)  -  9  (o)] } 


abgeküi^t  =  sgn  ^  =  +  1  (je  nachdem  f  und  g 


isoton 
anisoto] 


Die  bisherigen  Resultate?  lassen  sich  daher  in  der  folg 
den  Form  des  Saty.es  zusiunmen fassen: 

XIV)      sgn(i.X/\.r)(/(a')>sgnfi  '  S  fi-^)^  ^  Sffi^)^^ 

24.  Um  endlich  auch  noch  die  in  10.  gemachte  Vorn 
Setzung  fc  >  fi  zu  boscitigiMU  sei  /*<ci:  dann  gilt  nach  c 
bishcrigiMi  sicher 


H,  Brunn:  Neue  Mitteltoerthssätze  über  bestimmte  Integrale,      99 
sgaqSf(!>:)gix)dx  >  ~—jJ f(x)dx ^ g{x)dx 


XV) 


-K 


oder 

b 


—  sgn  gX/"(a;)flf  (a;)  dx  > —sgnqj-—Sf(x)dx^g{x)dx. 

a  O      Ua  a 


Die  beiden  für  die  entgegengesetzten  Annahmen  b^  a  und 
h<a  geltenden  Formen  der  Ungleichung  können  wieder  in 
eine  zusammengefasst  werden,  indem  man  in  XIV)  links  wie 
rechts  noch  den  Factor  sgn  (6  —  a)  hinzufügt. 

25.  Setzt   man  schliesslich   zur  Abkürzung   das   Produkt 

XVI)  [nb)-f(a)]  [g(b)-g(a)]  [b-a]=p, 
SO  kommt  als  endgiltige  Form  des  Satzes: 

XVII)  sgnpSnx)g(x) dx >  f--^Sf(^)dxig{x)dx, 

a  ^        »  a  a 

der  nun  für  beliebige  endliche,  eindeutige  monotone  Funktionen 
f{^\  9{^)  und  beliebige  endliche  Grenzen  a,  h  gilt  mit  Aus- 
nahme des  Falles  a  =  b,  bei  dem  die  beiden  Seiten  der  Un- 
gleichung als  verschwindend  und  so  einander  gleichwerdend  zu 
betrachten  sind,  und  des  Falles,  wo  eine  der  Funktionen  /",  g 
oder  auch  beide  im  ganzen  Intervall  constant  sind  und  wo 
ebenfalls  Gleichheit  eintritt. 

26.  Eine  Vervollständigung  des  Satzes  kann  gewonnen 
werden,  indem  man  der  einen  Funktion,  etwa  f{x),  die  Funk- 
tion fifl-j-b  —  x)  an  die  Seite  stellt,  welche  im  Intervall  von 
«  bis  6  die  nemlichen  Werthe  wie  jene,  aber  in  umgekehrter 
Reihenfolge  annimmt,  somit  ebenfalls  endlich,  eindeutig  und 
monoton  ist,  und  der  Ungleichung 

XVIII)    sgnpSf(a+b—x)g(x)dx>  ,f  -//"(a+Z^— ^)  dxSg(x)dx 

a  ^      ^a  a 

Genüge  thut. 

Aber  es  ist,  wie  die  Substitution  x  ^=  a  -{-  h  —  y  sofort 
erweist 


100  Sitzung  der  math,-phy 8,  Glosse  vom  1,  Märe  1902. 

b  h 

XIX)  SfiP^  +  ^  —  ^)d^  =  Sf{oc)dx 

a  a 

und  es  ist  femer 

XX)  Bgap'=sg^{\f{a)-m-\[ß{h)-g(a)-\\h-a\}  =  -s^p, 
SO  dass  sich  ergibt 

5  orfr»  Vi    ^  ^ 

XXI)  sgnjpX/'(a  +  6— a;)5f(a;)da;  <  jr—zSf{^)dxSg(^)dx 

und  wir  unserer  Ungleichung  XVII)   noch   ein  Glied   anfügen 
können : 

sgni)X/"(a;)5'(a;)  äx>^ — -J'/"(a;)  daij^f  (a;)  da; 

a  ^        ^a  a 

XXII) 

>Sf{"'  +  i  —  a;)  üf  (a;)  da;. 

a 

27.  Die  vollständig  symmetrische  Rolle,  welche  f{x)  und 
g{x)  spielen,  lässt  erkennen,  dass  f{x)  und  g{x)  im  letzten 
Integral  auch  vertauscht  werden  können. 

II.  Capitel. 

28.  Die  im  ersten  Capitel  entwickelte  Ungleichung  hat 
in  einer  Beziehung  etwas  unbefriedigendes.  Sie  schliesst  das 
Produkt  der  beiden  Integrale  über  die  Factoren  f(x)  und  g  {x) 
in  Grenzen  ein,  für  das  Integral  des  Produktes  gibt  sie  nur 
eine  einseitige  Grenze.  Meist  wiegt  aber  der  Wunsch  vor, 
gerade  über  das  Integral  des  Produktes  näher  belehrt  zu  werden. 

29.  Versuchen  wir  zuerst,  durch  eine  Transformation  der 
Ungleichung  diesem  Mangel  abzuhelfen.  Es  sei  jetzt  eine 
Funktion  m  (x)  und  ihr  Produkt  mit  einer  andern  h  (x)  •  m  (x) 

eindeutig,    endlich  und  monoton.     Dann  wird  auch  — 7^-  die 
°  m(x) 

nemlichen    Eigenschaften    haben,    wenn    nur   kein   Werth    des 

ir-Intervalls,  auf  welches  sich  die  Betrachtung  beschränkt,  m  (x) 

zu  Null  macht.     Dies  sei  jetzt  vorausgesetzt. 


H,  Brunn:  Neue  Mütelwerthssätze  über  bestimmte  Integrale,    101 

30.  Wir  wenden  nununsern  Satz  srnt  denFsLllf{x)  =  h(x)m(x) 

\mig{x)  =  — ^r-T-  an  und  erhalten,  wenn  der  Abkürzung  wegen 

[b-amib)fnib)-Ha)m^a)][-J^-^]^p" 
XXni)   oder 

-  [6-a]  [m(6)-m(a)]  [Ai*)  _  A^)  1  =y' 
^         j  L    V  /  ^  ^-*  lm(a)        ni(b)  j      ^ 

gesetzt  wird: 

&  b  *    , 

sgn/X A  (x)  dx  >  sgn/jA  (x)  •  m(x)  dx  -  f-y^v 

a  a  %j  Tn  \X) 

XXIV)  6 

>  sgnp  J  -i ^^ -L-. 

a 

h 

/d  X 
— 7-r-  vorzubereiten, 
m(x) 


b 

dx 


a 

dann  wird 

^  h(x)dx  b 

^fSV^^  ^~b >  sgn  r  j h  (x)  m(x)  d X 

XXVI)  , 

Xb(a  +  b  —  x)m{a-\-b  —  x)(lx 
m  {x) 
>sgnr^? ^- 

n  d  X 


m  (x) 


31.  Unser  Augenmerk  richtet  sich  natürlich  weniger  auf 
die  zweite,  als  auf  die  erste  in  XXVI)  enthaltene  Ungleichung 
und  auf  die  Frage,  ob  vielleicht  diese  sich  an  die  erste  Un- 
gleichung von  XXBL),  welche  für  die  bei  monotonem  h(x)  zu- 
lässige Verfügung  f{x)  =  h  (x),  g  {x)  =  m  (x)  die  Form 


102  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  1.  März  1902, 

XXVII)      sgnpSh{x)m{x)  dx  >  r^  j  A(a;)  dx  -  /m(a;)e 

a  ^         ^a  a 

annimmt,  —  nach   vorn    angliedern    lasse.     Dies  ist  dann  6 

Fall,  wenn 

sgn  r  =  sgn  p 

oder  wenn 

XXVIU)       _^^rdx       \h(b)         h(a)l  ^  ^ 
"  J  m  (x)     i  m  (a)        m{b)  J 

a 

ist.     Ist  dagegen 

sgn  r  =  —  sgn  jp; 

XXIX)  _         r  dx     ^  r  hQ))  _  h(ß)r\  ^  _ 

^^J  m(x)  '  im{a)        m(6)  J  ~         ' 

a 

so   andre   man   die  Vorzeichen   der  Glieder  von  XXVI),    dn 
dem  gemäss  die  üngleichheitszeichen  um,    und    man   wird 
kennen,   dass  das  weniger  willkommene  Glied 

nh{n  +  h~x)m{a  +  h  —  x)  j^ 
J                      m{x) 
sgn  p ^— 

n  a  X 

J  in(x) 

a        ^   ' 

sich  vorn  an  XXII)  anschliesst. 

32.    Nur    die    erste   Ergänzung    von    XXII)    scheint    i 
wichtig  und  wir  wollen  sie  hier  ausführlich  anschreiben: 

b 

J  h  (x)  d  X  j^ 

sgni>— ^ >s^np^h{x)m{x)dx 


XXX)  J 


d  X 
m  {x) 


s^np 


h 


>  iZl^j  h{x)  dx  J  m  {x)  dx, 

a  a 

Wir  sind  ihrer  Geltung  auf  Grund  der  bisherigen  E 
Wicklung  nur  sicher,  wenn  XXVIII)  und  die  bei  29.  gemach 
Voraussetzungen  gelten,  dazu  noch  die  in  25.  für  f\x)  und  g 


H,  Brunn:  Neue  Mittelwerthssätze  über  bestimmte  Integrale.    103 

gemachten  und  nun  gemäss  31.  auf  h{x)  und  m(x)  zu  über- 
tragenden ,  so  dass  nun  also  f  (x),  m(x)  und  h(x)'m  (x) 
monoton  sein  müssen.  Diese  Einschränkungen  bilden  die 
Schwäche  von  XXX). 

33.  Unser  erster  Versuch  der  Vervollständigung  unserer 
Formel  ist  daher  nur  theilweise  gelungen  und  lässt  den  Wunsch 
rege,  eine  bessere  Ergänzung  ausfindig  zu  machen. 

34.  Man  könnte  auf  den  Gedanken  kommen,  Ungleich- 
ungen wie 

a 


XXXI) 


welche  zunächst  für  positive  f{x\  g(x),  dx  gelten,  zu  diesem 
Zwecke  heranzuziehen,  aber  dergleichen  würde  wenig  Verdienst 
haben,  denn  diese  neuherangezogenen  Ungleichungen  gelten 
schon  für  die  Differentiale,  stellen  also  keine  den  Integralen 
eigenthümlichen  Sätze  vor,  sondern  sind  einfache  Integi-ationen 
bekannter  Sätze  über  integralfreie  Funktionen. 

Das  Gute  an  unserer  Ungleichung  XXII)  ist  eben,  dass 
sie  nicht  für  die  Differentiale  gilt,  sondern  den  Integralen 
eigenthümlich  ist.  WerthvoU  wird  also  die  Vervollständigung 
nur  sein,  wenn  sie  gleichen  Charakter  hat. 

III.  Capitel. 

35.  Die  im  I.  Capitel  angestellten  Betrachtungen  sind 
einer  Verallgemeinerung  fähig. 

36.  Es  seien  f{x)  und  F{x)  für  ein  von  a  bis  h  laufendes  x 
endliche,  eindeutige  monotone  und  zwar  zunächst  nie  abneh- 
mende Funktionen,  und  es  sei 

h  h 

XXXII)       Sf(^)^^  =  SF{^)dx,       dabei  h>  a. 


104  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  1,  März  1902. 

Es  sei  ferner  |  ein  Werth  von  x  im  Intervall  und 
F(x)  <.f(x)       für  ledes  x  von  a  bis  |, 

xxxin)      \  j  =^i  ^  j         j  *» 

2^(0?)  ^  /"(a;)       für  jedes  a;  von  |  bis  6, 

wobei  es  für  das  Folgende  ganz  gleichgiltig  ist,  ob  die  Grei 
werthe  a;  =  a,  x  =  b  mit  einbezogen  werden  oder  nicht  v 
was  man  für  a;  =  |  festsetzt. 

37.  Wenn  |  in  einem  Intervall  liegt,  dessen  sämmtli< 
Werthe  F(x)  =f(x)  machen,  so  kann  jeder  beliebige  We: 
dieses  Intervalls  die  Stelle  von  |  vertreten. 

38.  Das  Bestehen  der  Gleichungen 

Sfix)dx=SFix)dx     und     Sfi^)=^F(x), 

a  a  SS 

von  denen  (mittels  XXXII)  eine  die  andere  nach  sich  zie 
soll  ausgeschlossen  sein. 

Das  Bestehen  dieser  Gleichungen  würde  die  Identität  i 
Funktionen   an   allen   Stetigkeitsstellen   nach   sich    zieh 

39.  Es  werden  also  die  Werthe  der  beiden  Funktioi 
sicher  weder  im  Intervall  von  a  bis  |,  noch  in  dem  von  f  bi 
überall  gleich  sein. 

40.  Denkt  man  sich  die  Integrale  XXXII)  in  bekanii 
Weise  durch  Flächenstücke  repräsentirt,    so  ist  der  Inhalt 

beiden  gleich,   beim  Integral  }  F(x)dx   aber  mehr  nach 

a 

einen  Seite  (b)  verschoben. 

41.  Unter  den  gemachten  Voraussetzungen  ist  nun: 

6  b 

^f{x)dx-SF{x)dx 

a  a 

XXXIV)=  /  f^^*^  ~  ^^""^^  '^^  +  /  '^(''^  ~  ^^""^J  '^'^  =  ^ 

oder 

X  \f(x)  -  F(x)-]  dx  =  S  iF{x)  -  fi^x)-]  d  X, 


H,  Brunn:  Neue  Mittelwerthssätze  über  bestimmte  Integrale.    105 

wobei  rechts  und  links   unter  dem  Integralzeichen  positive, 
höchstens  zu  Null  werdende  Funktionen  (in  den  eckigen  Klam- 
mern) stehen. 
Weiter  gilt: 

S  [fix)  -  F{x)-]g(x)  >  dx  ^g(^)  Slf(x)  -^  F{xy]dx 
XXXV)"  ^  ^     " 

^ff{S)SlFix)-ax)-]dx<SlF{x)-f{x)-]gix)dx. 

42.  Das  erste  Gleichheitszeichen  gilt  nur  für  den  Fall, 
dass  g  (x)  im  Intervall  von  a  bis  |  constant  gleich  g  (|),  das 
zweite  nur,  wenn  es  im  Intervall  von  |  bis  b  constant  gleich 
i7(l)  ist. 

43.  Bezüglich  der  Bedeutung  von  g(S)  vergleiche  man 
die  Bemerkungen  unter  17.  Wird,  um  die  Ungleichungen 
stringenter  zu  machen,  die  gelegentlich  sich  bietende  Möglich- 
keit, für  g{^)  zwei  verschiedene  Werthe  zu  setzen,  ergriffen, 
so  ist  in  der  letzten  Formel  das  mittlere  Gleichheitszeichen 
durch  <  zu  ersetzen. 

44.  Durch  Subtraktion  des  ersten  Gliedes  folgt  aus  unserer 
Ungleichung  —  nach  Weglassung  der  beiden  Mittelglieder  — 

0  <  J  [Fix)  -  fix)] gix)dx-  S\fi^) - Fix)-\ g ix) dx 

«  a 

(  b 

XXXVI)  Q^^SFix)gix)dx  —  Sfix)9ix)dx         oder 

a  a 

h  h 

^  F{x)g{x)dx'^Sfix)g{x)dx. 

a  a 

Das  Gleichheitszeichen  kann  nur  gelten,  wenn  g  (x)  im 
ganzen  Intervall  von  a  bis  b  constant  gleich  f  ist. 

45.  Bei  Umkehr  der  Grenzen  dreht  sich  das  IJngleich- 
heitszeichen  um;  beide  Formen  der  Ungleichung  sind  zusam- 
mengefasst  unter 

XXXVn)    sgn  {b—a)fF(x)g{x)dx  >  sgn(b^a)if(x)g(x)dx. 


106  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  1,  März  1902. 

46.  Gilt  der  Satz  für  f{x)  und  F{x\  so  gilt  er  auch  für 
f{x)  —  c  und  F{x)  —  c,  wodurch  die  Beschränkung  f{a)>0 
wegfällt;  gilt  er  für  f{x\  g{x)  und  F{x\  so  gilt  er  auch  für 
—'f{x%  — g{x)  und  — F(x),  d.  h.  auch  für  Funktionen,  die 
niemals  zunehmen.  Und:  Wie  F{x)  eine  Funktion  war,  welche 
(mindestens  stellenweise)  grössere  Werthe  als  f(x)  aufweist  in 
jenem  von  f  ausgehenden  Intervall,  in  welchem  f{x)  selbst 
grössere  Werthe  aufweist  als  im  andern,  so  ist  auch  —  F(x) 
eine  Funktion  von  analogem  Verhalten  gegenüber  — f{^)i 
oder,  um  zur  Beförderung  des  Verständnisses  den  Sachverhalt 
noch  in  einer  andern  Weise   auszudrücken:   Es   ist   die   durch 

b 

—  jF{x)dx  ausgedrückte  Fläche  im  Vergleich  mit  der  durch 

a 
b 

—  jf(p^)dx!  ausgedrückten  etwas  einseitiger  massirt  nach  der 

a 

b 

Seite,    nach    der    schon    die   Fläche   J*/'(a;)dx    selbst    stärker 

a 

massirt  ist.  Für  den  Fall  negativer  Ordinaten  und  Flächen 
sind  hier  die  Begriffe  grösser  —  kleiner  im  algebraischen,  nicht 
im  absoluten  Sinne  zu  nehmen,  wozu  die  geometrische  An- 
schauung verleiten  könnte. 

47.  Der  Fall  f{x)  =  const.,  bei  dem  die  Fläche,  die  zu 
y  -==:  f(^x)  gehört,  nach  keiner  der  beiden  Seiten  stärker  massirt 
ist  als  nach  der  andern,  kann  —  als  in  früheren  Entwicke- 
lungen,  des  I.  Capitels,  bereits  erledigt  —  hier  ausgeschlossen 
werden, 

48.  Wird  nur   an  Stelle  des  g(x)  die  negative  Funktion 

—  ^  (^)  gesetzt,  so  dass  es  in  eine  niemals  steigende  Funktion 
übergeht,  so  ist  das  IJngleichheitszeichen  umzudrehen,  oder, 
um  auch  diesen  Fall  zu  umfassen,  ist  unserer  Ungleichung 
noch  der  Factor  sgnlg{b)  —  g  (o,)]  beizufügen;  und  ähnlich 
ist,  um  auch  noch  die  mögliche  Umkehr  des  Charakters  von 
f{x)  und  F{x)  zu  berücksichtigen,  der  Factor  sgn  [f  (p)  —  f  (fl)] 
hinzuzufügen,  unter  Berücksichtigung  davon,  dass 

XXXVIII)    sgn  \f\b)  -  /•(«)]  =  sgn  [F(6)  -  F(a)] 


H,  Brunn:  Neue  Mitteltoerthssätze  über  bestimmte  Integrale.    107 

ist.  Letzteres  erhellt  daraus,  dass  nur  folgende  zwei  Möglich- 
keiten gegeben  sind: 

F(b)>nb)>f(a)^Fia)  oder 

^'''''^  Fib)^f{b)<f{a)^F(a). 

49.  Also  schliesslich  gilt,  mittels  einer  früher  (XVI)  schon 
eingeführten  Abkürzung  geschrieben: 

b  b 

XL)         sgn  p  J  F(x)  g{x)dx>  sgnp^  f(x)g{x)  d  x 

a  a 

eine  Ungleichung,  die  sich  der  Ungleichung  XXII),  die  wir 
ergänzen  wollen,  vorne  anschliessen  lässt,  und  aus  der  nun 
jeder  sich  selbst  die  weitere 

b  b 

XLI)  sgnp^f(a-\-b—x)g{x) dx > sgnp^F(a-\-b—x) g (x) dx 

a  a 

ableiten  mag,  die  sich  an  die  nemliche  Ungleichung  hinten 
anschliessen  lässt. 

Vollständig  angeschrieben  hat  dann  unser  Satz  die  Gestalt: 

b  b 

sgn  p  SF{x)g{x)  dx  >  sgnp  ^  f{x)g  (x)  dx 

a  a 

XLII) 

^  sgn^J /'(a  -\-  h  —  ^)g{x)  dx 

a 

h 

>  Sgn  p  J  F{a  -{-b  —  x)  g  (x)  d  x, 

50.  Es  seien  hier,  um  von  dem  Charakter  der  Kurven 
y  =  f{x)  und  y  =  F{x)  keine  zu  engbegrenzte  Vorstellung 
aufkommen  zu  lassen,  in  Fig.  4  —  11  eine  Anzahl  Beispiels- 
formen in  Zeichnung  vorgeführt.  Die  dünnere  Linie  reprä- 
sentirt  immer  f{x\  die  dickere  F{x).  Die  Figuren  dürften 
natürb'ch  statt  rechts  auch  anders  gegen  die  Ordinatenaxe  liegen. 


108  Sitzung  der  malh.-phys.  Classe  vom  1.  März  1902. 


Fi(j.  4 


Fig.  5 


Fig.  G 


Fig.  7 


^ 


Fig.  H 


Fig.  9 


K  Brunn:  Neue  Mittelwerthssätze  über  bestimmte  Integrale,    109 


Fig.  11 


Fif/.  12 


51.  Man  kann  nun  versuchen,  an  Stelle  von  F{x)  be- 
sonders primitive  Funktionen  zu  setzen.  Z.  B.  man  kann  F{x) 
auf  der  einen  Seite  von  |  constant  gleich  F{a)^  auf  der  andern 
constant  gleich  F{b)  sein  lassen^)  (s.  Fig.  12).  Die  Forderung 
XXXU)  lautet  dann  geometrisch  eingekleidet:  Das  Rechteck 
mit  Grundlinie  |  —  a  und  Höhe  a  und  das  Rechteck  mit  Grund- 
linie 6  —  I  und  Höhe  h  müssen  zusammen  genommen  den  nem- 
lichen  Inhalt  haben,  wie  das  von  der  Kurve  y  =  f{x)  und 
durch  seitliche  Ordinaten  begrenzte  Flächensttick  mit  der  Grund- 
linie h  —  a. 


')  Für  den  Fall,  dass  f  (x)  im  Intervall  das  Vorzeichen  nicht  wech- 
selt, läsat  sich  auch  die  zu  besonders  einfachen  Formeln  führende  An- 
nahme machen,  dass  F  (x)  auf  der  einen  Seite  von  ^  constant  gleich 
Null,  auf  der  andern  etwa  gleich  dem  äussersten  Werthe  von  f  (x)  sei. 


110  Sitzung  der  matK-phys,  Glasse  vom  1.  März  1902. 

52.  Dass  stets  ein  f  zwischen  a  und  b  vorhanden  ist,  welches 
unseren  Anforderungen  genügt,  ergibt  sich  leicht.  Denn  für 
eine  monotone  Funktion  f(x\  a<b,  f{a)<f{b)  gilt  offenbar: 

b 
XLIH)  f(a)  (b-^a)<Sf(x)dx<f(b)  (b—a) 

a 

allgemeiner,  wenn  man 

XLIV)       sgn  {[f(b)  —  f{a)]  [b  —  a]}  =  sgn  q   setzt: 

b 
sgn  q>  f(a)  (6  -  a)  <  sgn  q'Sf(^)dx  <  sgn  qf(b)  {b  —  a) 

a 
b 

d.  h.  jf(x)  dx  liegt  unter  allen  Umständen  zwischen  f{a)  {b  —  a) 

a 

und  f{b){b  —  a),   sofern   nicht  in  Folge  von  f(a)  =  f{b)  oder 
a  =  b  alle  drei  Glieder  gleiche  Werthe  bekommen. 

53.  Das  Integral  lässt  sich  daher  —  auch  im  Fall  des 
erwähnten  Gleich werdens  —  stets  mittels  positiver  echter 
Brüche  x  und  A,  deren  Summe  gleich  1  ist,  auf  die  Form 
bringen 

b 

XLV)  J=  Sf(x)dx  =  f{a)  (b  —  a)  •  k  +  f{b)  {b  -  a)  •  x, 

(A  +  «  =  1) 

oder    mit    Zuhilfenahme    eines    zwischen    a   und   b    liegenden 
Werthes  f ,    der 

^  —  a  =  {b  —  a)k,        b  —  ^  =  {b  —  a)x 

macht,  auf  die  Form: 

XLVI)      J=}f(x)dx^f  (a)  (f  -  a)  +  /-  (/>)  (b  -  f ) 

a 

Aus  XLVI)  folgt 

[f(b)b-f(a)a']-J 
XLVII)  «--^-"/V^'t^— 

b 

als    vollständig    bekannter    Werth,     wenn    J=^}f(x)dx    be- 
kannt ist. 


H,  Brunn:  Neue  Mütelwerthssätze  über  hestimmte  Integrale,    Hl 

54.  Offenbar  befriedigt  das  System  der  beiden  geraden 
Strecken 

Fix)  =  fia)=^y,     ia£x<i) 

vollkommen  die  an  eine  Funktion  F(x)  zu  stellenden  An- 
forderungen. 

Es  gilt  daher: 

^g^pSf(ci)9{^)dx+sgnp^f{h)g(x)(lx 

IL) 

>sgnp^f{x)g{x)dx 

a 

oder  schliesslich,  wenn  alle  nun  erwiesenen  Ungleichungen  und 
eine  letzte  leicht  zu  erweisende,  hinten  sich  anschliessende  in 
eine  Reihe  gestellt  werden: 

r  I  ö  -.  b 

sgnp  \f{a)Sg(x)dx  +  f(h)^g(x)dx\>sgnp^f(x)p{x)dx 

f(p)  So  (^)  f?^  +  f{<^)S9  {x)dx\, 

wobei  also  /"(x),  g{x)  eindeutig,  endlich  und  monoton  im 
Intervall  a  bis  6  sind,  und 

Sm  dx-imb-fia)  a]  f(p)(b-a)-Snx)  dx 

^^~'  flbY=7(äj  ="*+  TW=W) 

zu  setzen  ist. 

55.  Schlussbemerkungen.  Wenn  -F,  /"und  g  „Stufen- 
funktionen^  werden  (in  der  Art,  wie  F  in  51.  eine  „zwei- 
stufige* Funktion  wurde),  so  verwandeln  sich  unsere  Ungleich- 


112  Sitzung  der  mathrphys.Classe  vom  1,  März  1902. 

ungen   XLII)   in   die   integralfreie   Form :    sgn  P'^Fi^QiAxi 

n-l  0 

^^gap-^ftgiAxi  etc.,^)   für  den  Fall   constanter   AXi  in: 

0 

sgn  q  2  Fi  (je  ^  sgn  g  2* d ^.  etc.*)  {2  Fi  =  2fi;  die  Fi  und  /*. 
monotone  Grössenreihen,  die  Reihe  Fi  —  (%  nur  einen  Zeichen- 
wechsel enthaltend  etc.).  Diese  Summenformel  entsteht  hier 
sozusagen  als  die  Tochter  der  Integralformel;  sie  lässt  sich 
aber  auch  ohne  den  Umweg  übers  Integral  beweisen  und  tritt 
dann  als  Schwester  ihr  zur  Seite;  ja  man  könnte  sie  sogar 
als  die  Mutter  der  Integralformel  betrachten.  (Vgl.  A.  Prings- 
heim  in  diesen  Berichten  Bd.  30,  S.  212.)  Unser  Beweis  in 
52.  bleibt  —  was  eine  Art  Güteprobe  für  ihn  darstellt,  —  auch 
für  die  Summenformel  anwendbar,  wenn  in  ihm  ebenfalls  alles 
integralische  ins  summarische  verwandelt  wird. 

56.  Da  die  am  häufigsten  vorkommenden  Funktionen  sich 
in  Intervalle  monotonen  Charakters  zerlegen  lassen,  so  werden 
mannichfaltige  Anwendungen  unsrer  Sätze  sich  ergeben.  Eine 
Menge  auch  von  integralfreien  Ungleichheiten  zwischen  be- 
kannteren Funktionen  werden  sich  mit  Leichtigkeit  ableiten 
lassen,  welche  auf  anderem  Wege  kaum  immer  so  rasch  und 
bequem  gefunden  werden.  Man  kann  die  Factoren  f{x\  g(x) 
einander  gleich  oder  gleich  Potenzen  der  nemlichen  Function 
setzen,  es  lassen  sich  gewisse  Resultate  auf  Produkte  von  mehr 

als  zwei  Faktoren  verallgemeinern,  und  durch  wiederholte  An- 

h 

Wendung  der  Sätze  Näherungsformeln  für  ^  f{x)g(x)dx  geben 

a 

mit  Hilfe  von  Integralen  über  die  einzelnen  Faktoren  etc.  Die 
Bedingung  der  Endlichkeit  der  Funktionen  wird  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  fallen  gelassen  werden  können. 


^)  Unter  ^Tq,  x^^  .  .  .  ocn  sind  verstanden  die  der  Grösse  nach  in  eine 
Reihe  geordneten  drei  Reihen  von  Stufenendenabscissen  ^o»  ^i  •  •  •  ^^ä; 
(po,  fPi  •  '  '  (pft;  Toj  Yi  '  '  '  Y^  von  F,  f,  y  resp.  und  zwar  in  steigender 
oder  fallender  Anordnung,  je  nachdem  Xq^^  a  kleiner  oder  grösser  als 
XnZZh  ist. 

2)  Ueber  q  vergl.  23. 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Mathematisch-physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  3.  Mai  1902. 

Herr  Hermann  Ebebt  legt  eine  Abhandlung  des  Privat- 
dozenten an  der  technischen  Hochschule  Dr.  Karl  T.  Fischer 
und  des  Assistenten  der  technischen  Hochschule  Heinrich  Alt 
Ober:  .Siedepunkt,  Gefrierpunkt  und  Dampfspannung 
des  reinen  Stickstoffs  bei  niedrigen  Drucken**  vor. 


Siedepunkt,  Gefrierpunkt  und  Dampfspannung  des 
reinen  Stickstoffs  bei  niedrigen  Drucken. 

Von  K.  T.  Fischer  und  H,  Alt. 

{Singilaufen  6.  Juni.) 
(Mit  Taf.  I  u.  II.) 

1.  Magnetische  bezw.  kalorische  Untersuchungen  bei  tiefen 
Temperaturen  veranlassten  uns,  ein  Verfahren  zur  Herstellung 
grösserer  Mengen  (einige  Hundert  ccm)  reinen  verflüssigten 
Stickstoffs  auszuarbeiten.  Nachdem  jedoch  bereits  die  ersten 
Proben,  welche  wir  zur  Prüfung  ihrer  Reinheit  zum  Erstarren 
brachten,  zeigten,  dass  der  Siedepunkt  und  Erstar- 
rungspunkt des  reinen  flüssigen  Stickstoffs  sehr  be- 
stimmt  definierte   Aichpunkte   für    Tief-Temperatur- 

19(B.    SitzangBb.  d.  math.-phys.  Cl.  8 


IH  Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vom  3,  Mai  1902. 

messungen  liefern  und  Erstarrungsdruck  und  -Tem- 
peratur nicht  unwesentlich  von  den  von  Olszewski^)  und 
Wroblewski*)  ermittelten  Werten  abweichen  (anderweitige 
Bestimmungen  des  Erstarrungspunktes  von  Stickstoff  scheinen 
nicht  gemacht  worden  zu  sein),  führten  wir  eine  Neubestim- 
mung der  letzteren  beiden  Konstanten  aus  und  stellten  bei 
dieser  Gelegenheit  auch  die  Dampfspannungskurve  gesättigten 
Stickstoffs  für  Drucke  zwischen  einer  Atmosphäre  und  dem 
der  Erstarrungstemi)eratur  entsprechenden  Dampfdrucke  fest. 
Da  gerade  die  schwer  verflüssigbaren  Gase  in  theoretischer 
Hinsicht  ein  besonderes  Interesse  bieten,  wollen  wir  im  fol- 
genden Aufsatze  nicht  nur  über  die  unmittelbaren  Versuche 
berichten,  sondern  auch  einige  mehr  theoretische  Betrach- 
tungen an  dieselben  anschliessen. 

2.  Zur  Herstellung  des  reinen  gasförmigen  Stick- 
stoffs verwendeten  wir  eine  von  Herrn  Prof.  Mut h mann 
eri)robte  lleinigungsmethode:  In  der  5  Literflasche  A  wurden 
in  3  Liter  Wasser  600  g  technisch  reiner  Salmiak  und  300  g 
Kaliumbichromat  unter  Erwärmen  aufgelöst  und  nachdem  die 
Lösung  bis  zum  Kochen  erhitzt  war,  aus  dem  Tropftrichter  li, 
dessen  Tropfröhre  genügend  lang  ist,  um  den  Druck  in  den 
Waschflaschen  zu  überwinden,  Natriumnitrit  (technisch  rein, 
600  g  in  800  ccm  Wasser)  zugeführt.  Der  sich  entwickelnde 
Stickstoff  wurde  nach  dem  l*assieren  einer  Vorlegeflasche  C 
durch  eine  grosse  Flasche  D,  die  mit  einer  Lösung  von  Eisen- 
vitriol, mit  Krystallen  im  Ueberschuss,  gefüllt  war,  in  die  22 
und  26  Liter  fassenden  Gasometer  E  und  F  geleitet.  Aus  den 
genannten  Materialmengen  können  bis  zu  200  1  gasfiirmigen 
Stickstoffs  erhalten  werden;  um  jcmIocIi  ohne  Unterbrechung 
der  Entwickelung  grössere  Mengen  zu  gewinnen,  Itihrten  wir 
durch  den  Gunnnistopfen  der  Flasche  J  noch  2  Glasröhren  ein, 

1)  K.  OlHzewHki,  Compt.  MornX.  <M>,  p.  l-ÜJ-UJO,  1884  und  100, 
p.  350— :m2,  18H5,  IMiil.  Ma^.  V  Dl),  p.  !>()()  und  210,  1805,  referiert  in 
Fortschr.  (l.  IMiys.  41.  2.  S.  4.0;'),   Iss.')  u.  Wio«l.  H.Mhlätler  9,  S.  247,   1885. 

-)  S.  W  roblewHki.  Wiciior  Akiiil(Mnieh(»ri(hte  1)0,  18«5;  Landolt 
und  Hörnstein,  i»hyMikiiliMih.<li«Miiisili('  Tabellen   S.  120,   18D4. 


Fisdier  und  Alt:  Dampf npannung  des  reinen  SHcksioffs,       115 


116  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  3,  Mai  1902, 

die  mit   den  Vorratsflaschen  G  und  H  in  Verbindung  stehen. 
Nachdem    zur  erstmaligen   Füllung   von   A    die    entsprechende 
Menge  Natriumnitrit  zugeführt  ist,  werden  ca.  1  */a  1  der  ver- 
brauchten  Lösung    in   die   eine   der   Flaschen   G   und  H  ab- 
gelassen   und    dafür    aus    der    anderen    1  */a  1    frische    Lösung 
zugeführt.     Ist  dieselbe  gut  vorgewärmt,  so  hält  auch  während 
des  Zuströmens   in  den   grösseren  Ballon  die  Gasentwickelung 
an.     Die  Reinigung  des  Stickstoffgases  erfolgt  erst  unmittelbar 
vor  der  Verwendung  desselben,  und  zwar  wird  zu  diesem  Zweck 
der  Stickstoff*  aus  dem  einen  der  Gasometer  entnommen,  wäh- 
rend  der   andere  aus   dem  Entwicklungsapparat   frisch   gefüllt 
wird.     Es   wird    der   Stickstoff*  durch    3    Trockenflaschen    mit 
reiner    konzentrierter    Schwefelsäure    und    durch    eine    weitere 
Flasche   mit  Phosphorpentoxyd   in    die  Verbrennungsröhren  J 
und  K  geleitet,    deren  jede   in   der   ersten   Hälfte   mit  Kupfer 
in  der  zweiten  mit  Klavierstahldrahtstückchen  gefüllt  ist,  und 
welche  beide  vor  jedem  Versuch  unter  Erhitzen    bis  zu  heller 
Rotglut  mit  gereinigtem  Wasserstoff"  einige  Stunden  lang  redu- 
ziert worden  sind.    Jede  der  Verbrennungsröhren  ist  1  m  lang 
und  hat  12  mm  lichten  Querschnitt ;  das  zweite  Verbrennungsrohr 
zeigte  sich  in  der  Regel  fast  gar  nicht  angegriffen ;  namentlich 
blieb  das  Kupfer  sehr  rein,  während  manchmal  das  Eisen  auf 
1 — 3  cm  Länge   auch    in    der   zweiten  Röhre   angegriffen  war. 
Aus  K  wird    der    gereinigte   Stickstoff  durch    eine    Glasröhre 
und   über  Phosphorpentoxyd    (bei   den    ersten   Versuchen    war 
noch  eine  Flasche  mit  pyrogallsaurem  Kali  zwischen  Glasröhre 
und    dem    P^  0^    eingeschaltet)    dem    Verflüssigungsapparat   V 
zugeführt.     Um    den    Zufluss    des    Wasserleitungswassers,    das 
für   die  Gasometer  verwendet   wurde,    automatisch  zu  regu- 
lieren, brachten  wir  die  Heberverbindung  L  M  an.     Das  Niveau 
in  den  Gasometoraufsätzen  wird  durch  die  Höhe  des   in   einen 
Trichter  eingehängten  Beclier<rlases,   ^velches  von  der  Wasser- 
leitung gespeist  wird,   geregelt. 

3.  Zur  Verflüssigung  wird  der  Stickstoff  in  das 
unten  auf  4  cm  Durchmesser  erweiterte  ca.  130  ccm  fassende 
Hohr    V  eingeleit(^t,    welches    mittelst    eines    weichen    Gummi- 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs,        117 

rfens  Q^  in  die  2^/2!  haltende  Dewarflasche  ^eingesetzt 
ist;  lässt  man    in  dieser  mit  Hilfe  einer  Wasserluftpumpe    W 
unter  vermindertem  Druck  flüssige  Luft  verdampfen,   so  kühlt 
sie  sich  genügend  stark  ab,  um  den  in  V  einströmenden  Stick- 
stoff zu  kondensieren.     Ist  die  Dewarflasche  mit   frisch    her- 
gestellter  Luft   beschickt,    so    genügt   bereits   ein   Druck    von 
400—250  mm,    um    eine   kräftige   Kondensation   in   V  herbei- 
zuführen ;  wenn  die  Luft  infolge  der  Verdampfung  bereits  einen 
grösseren  Betrag  ihres  Stickstoffes,  der  bekanntlich  zuerst  ab- 
destilliert, verloren  hat,  muss  der  Druck  bis  auf  150  oder  sogar 
70  mm  reduziert  werden.     Da  die  Dichte  des  flüssigen  Stick- 
stoffes 0,791  g/ccm  beträgt,^)  lassen  sich  ungefähr  3—4  Gaso- 
meterfQllungen  in   V  kondensieren.     Um    V  zu  entleeren,    ist 
in    V  mittelst    des    luftdicht    aufgesetzten    Gummistopfens    Q^ 
eine  sehr  dünnwandige  ca.  5  mm  weite  Glasröhre    eingeführt, 
welche  bis  auf  den  Boden  reicht,    und    während    der  Konden- 
sation oben  durch  einen  dünnen  Gummischlauch  mit  Quetsch- 
hahn verschlossen  ist;  hebt  man  nach  Abstellung  der  Wasser- 
luftpumpe  und  Herstellung  von  atmosphärischem  Druck  in  N 
das  Kondensationsgefass   V  aus  der  Dewarflasche  heraus,    in- 
dem   der    auch    während    der    Kondensation    ziemlich    weich 
bleibende  Gummistopfen  Q^  gelüftet  und  gehoben  wird,  so  wird 
durch    den   bei   der  Erwärmung   von    V  entstehenden    Ueber- 
druck  der  flüssige  Stickstoff  aus  V  ausgetrieben;  er  wird  sofort 
in  ein  versilbertes  ^/4  1  haltendes  Dewargefäss  (von  Glasbläser 
R.   Ebermayer    in   München,    Schillerstrasse,    hergestellt)    ein- 
gefüllt,   und    dies    dann    mit   einem   Gummistopfen   hermetisch 
verschlossen.     Der  in   demselben   sich   entwickelnde  Stickstoff- 
dampf wird  mittels  Gummischlauches  in  den  gerade  in  Füllung 
befindlichen  Gasometer  zurückgeleitet,  damit  er  nicht  verloren 
geht.      Wir     haben    auf    verschiedene    Weise    versucht,     den 
flüssigen  Stickstoff  aus  dem  Gefäss    V  zu  entnehmen,   nament- 
lich  versuchten   wir,    durch  Einpressen  von  Stickstoffgas   oder 
durch  eine  in    V   eingeführte    elektrisch   zu   erhitzende  Spirale 


')  Travers,  Experim.  Study  of  Gases,  London  1901,  S.  247. 


L 


118  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  3,  Mai  1902, 

den  nötigen  üeberdruck  zu  erzielen;  wir  hielten  es  aber 
schliesslich  für  das  bequemste,  das  ganze  Gefäss  V  sammt  den 
Gummistopfen  aus  der  De  warflasche  herauszuheben,  um  den 
verflüssigten  Stickstofi^  abzuzapfen.  Wenn  man  den  Gummi- 
stopfen etwas  mit  Glycerin  einfettet,  ist  es  nicht  schwierig, 
ihn  zu  lösen;  der  Zeitverlust,  der  dadurch  entsteht,  beträgt 
nur  wenige  Minuten.  Mit  Verwendung  zweier  parallel  ge- 
schalteter Wasserluftpumpen,  welche  einen  Raum  von  9  1  in 
einer  Minute  auf  250  mm,  in  7  Minuten  auf  20  mm  leer 
pumpten,  waren  wir  imstande,  in  1  ^/i  Stunden  den  für  100  ccm 
Flüssigkeit  nötigen  Stickstoö"  zu  entwickeln  und  zu  konden- 
sieren. Trotz  der  grossen  Geschwindigkeit,  mit  welcher  in 
diesem  Falle  das  Gas  durch  die  Waschflaschen  und  die  Ver- 
brennungsöfen circulierte,  war  es  genügend  trocken  und  frei 
von  Sauerstofi".  Eine  von  Zeit  zu  Zeit  gemachte  Gasanalyse 
auf  Sauerstofi",  welche  wir  mit  Hilfe  der  Hempel'schen  Ab- 
sorptionspipette mit  Kupfer  in  ammoniakalischer  Lösung  vor- 
nahmen, zeigte  jedenfalls  nur  Sauerstofigehalt  von  weniger  als 
0,2  ®/o  an.  Ausserdem  spricht  für  die  Reinheit  des  erhaltenen 
Kondensationsproduktes  die  Konstanz  des  Siedepunktes  der 
wasserklaren  Stickstoflflüssigkeit,  die  auch  vor  den  Spektral- 
apparat gebracht  im  sichtbaren  Teil  des  Spektrunis  keine  be- 
sonders bemerkenswerten  Absorptionsstreifen  zeigte;  selbst  ganz 
geringe  Beimengungen  von  Sauerstoff  machten  sich 
sofort  in  der  Erhöhung  des  Siedepunktes  des  Stickstoffes 
bemerkbar,  wie  wir  bei  allen  Versuchen  konstatieren  konnten. 

4.  Alle  Temperaturmessungen  wurden  anfanglich  mit 
selbst  angefertigten  Thermoelementen  aus  Kupfer  und  Kon- 
stantandraht  ^)  von  0,5  mm  Dicke  ausgeführt,  die  in  der  Stich- 
flamme mit  Silber  gelötet  waren;  nachdem  sich  gezeigt  hatte, 
dass  bei  der  grossen  Reihe  von  Versuchen  (es  wurden  über 
10   einzelne    Bestimmungen    mit    mindestens    durchschnittlich 


')  Bezogen  von  der  Firma  Siemens  und  Halske,  von  der  wir 
auch  vor  einem  Jahre  ein  von  der  phys.  techn.  Reichsansfcalt  geaichtes 
Thermoelement  aus  crleichem  Material  erhalten  hatten. 


Fisdier  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs.        119 

40— 150ccm  flüssigem  Stickstoff  gemacht)  der  Siedepunkt 
nnd  Gefrierpunkt  konstant  blieb,  nahmen  wir  für  die  Be- 
stimmung des  Siedepunktes  und  Erstarrungspunktes  Messungen 
mit  dem  Wasserstoffthermometer  vor.  Die  Verwendbar- 
keit des  Wasserstoffthermometers  für  diese  niedrigen  Tempera- 
turen ist  bereits  von  K.  Olszewski^)  und  neuerdings  von 
J.  De  war*)  durch  Vergleich  der  Angaben  von  Wasserstoff-, 
Sauerstoff-  und  Helium-Thermometern  für  den  Siedepunkt  des 
Wasserstoffes  — 252,5^  oder  20,5®  der  absoluten  Temperatur 
erwiesen  worden.  Namentlich  wenn  sich  Wasserstoff  bei  der 
Messung  von  tiefen  Temperaturen  unter  geringem  Druck  be- 
findet, dürfte  gegen  seine  Verwendung  für  Temperaturen,  die 
oberhalb  seines  Kondensationspunktes  liegen,  nichts  einzu- 
wenden sein.  Das  Wasserstoffthermometer  war  ein  Thermo- 
meter für  konstantes  Volum  von  der  JoUy'schen  Form;  für 
die  Messung  tiefer  Temperaturen  verdient  dieses  Gasthermo- 
meter vor  dem  Gasthermometer  für  konstanten  Druck  den 
Vorzug,  da  nach  der  van  der  Waals'schen  Gleichung  der 
Spannungscoefficient  bei  gleicher  Dichte  von  der  Temperatur 
unabhängig  ist,  wenn  auch  sonst  das  Callendar'sche ')  kom- 
pensierte Gasthermometer  für  konstanten  Druck  seine  Vorteile 
haben  mag.  Die  Ablesung  erfolgte  mittelst  eines  Kathetometers 
an  einem  unmittelbar  neben  dem  Thermometer  aufgehängten 
Normalmassstab  aus  Messing  von  Breithaupt  in  Kassel.  Der 
Massstab  war  mit  einer  von  der  physikalisch-technischen  Reichs- 
anstalt beglaubigten  Normale  verglichen  worden.  Neben  dem 
Thermometer  befand  sich  auch  das  Barometer,  ein  neues  Ballon- 
instrument von  Fuess  in  Berlin;  die  Ablesung  erfolgte  auf  */io, 
manchmal  */ao  mm  genau.  Es  wurden  2  Thermometer  (I  und  U) 
hergesteDt,  die  aus  Jenenser  Glas  IG  III  von  Bender  &  Hobein 
in  München  verfertigt  waren.  Ihre  Gefässe  hielten  12,90 
bezw.  15,37  ccm  bei  0^,    die  Röhren,    in   denen   der  Meniskus 


^)  K.  Olszewski,  Sitzungsberichte  der  Krakauer  Akad.  d.  Wiss.  14, 
p.  283-288,  1886. 

*)  J.  Dewar,  Proceed.  of  the  Royal  Society  vol.  68  p.  64—54,  1901. 
«j  H.  L.  Callendar,  Proc.  Roy.  Sog.  50,  S.  247,  1891. 


120  Sitzung  der  math-phys.  Classe  vom  3.  Mai  1902. 

stand,    hatten  10  mm    lichte  Weite.     Die  Verbindung  des  G^- 
fässes  mit  dem  Manometer  vermittelte  eine  Kapillare  von  3C^  1 
bezw.  373  mm  Länge  und  0,6  mm  Durchmesser.    Es  war  dl  ^ö 
eine    für    den    raschen    Ausgleich    des    Druckes    hinreichenÄr3. 
Weite:  ein  Vorversuch  hatte  uns  gezeigt,  dass  sich  durch  ei^Kra 
solche  Kapillare  von  300  mm  Länge  bei  Luftfüllung  der  Dru^^     ' 
in  10  Sekunden  vollständig  ausgleicht.     Der   schädliche  Rau —  ^ 
über  dem  Meniskus  wurde  so  klein  gewählt,  als  es  mit  Rüc^^* 
sieht  auf  die  ungestörte  Ausbildung  des  Meniskus  möglich  e— 
schien.     Die  Einstellung  des  Meniskus  erfolgte  auf  die  Spit!=— ^ 
eines  Doms  aus  dunklem  Glase.     Der  schädliche  Raum  dies^  ^ 
Erweiterung    betrug  nur   0,118   bezw.   0,131  ccm,    der  Inha^^ 
der  Kapillaren  0,113  bezw.  0,159  ccm.    Sämmtliche  Volumir""^ 
wurden    mit    Quecksilber    sorgfältig    ausgewogen.      Eine    vc^^ 
aussen   auf  das  Thermometergefäss  I  ausgeübte  Compressio 
von    700  mm  H  g   bewirkte    nur   eine  Volumveränderung    vo  ^ 
weniger  als  Visooo   und   blieb  daher   im    folgenden    ausser  B^^ 
tracht.     lieber    die   Verwendung   des    schädlichen  Raumes  zu  ^ 
Korrektur  s.  u.     Die   Füllung    der   Thermometer   erfolgte    mi^ 
elektrolytisch  erzeugtem  Wasserstoff.     Derselbe   wurde 
in  dem  Apparate  A  bei  einer  Stromdichte  von  ca.  0,02  Ampere 
pro  qcm  erzeugt.    Durch  einen  Gummischlauch  wurde  er  zu  der 
mit  pyrogallussaurem  Kali  gefüllten  Flasche  B  geleitet.     Von 
hier  an  bestanden  alle  Verbindungen  aus  Glasröhren  und  Glas- 
federn,   die  mit  Siegellack  luftdicht  in  die  Waschflaschen  ein- 
gekittet   waren.  ^)      Auf    die    erste    Waschflasche    folgte    eine 
U-Röhre    C   mit    Chlorcalcium,    eine    Flasche    mit    Phosphor- 
pentoxyd  D   und   endlich   eine  Glasspirale  S,    die  in  eine  mit 
flüssiger   Luft   gefüllte   Dewar'schen   Flasche    gehängt   werden 
konnte,    sodass   jede    Feuchtigkeit    aus    dem    durchströmenden 
Gase    ausgefroren,    bezw.    leichter    kondensierbare   Gase    abge- 
schieden wurden.     Nach   nochmaligem  Passieren   eines  an   der 
Sprengelpumpe  P  angebrachten  Trockengefässes  mit  Phosphor- 
pentoxyd   gelangte    das    Gas    in    das   mit   Hilfe   des   Füllröhr- 


i)  Holborn  und  Wien.   Wied.  Ann.  59,  213.   1896. 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs.       121 

ciens  F   an    die   Pumpe    angeschmolzene    Thermometer.     Es 

wurde  das  erste  Thermometer  dreimal,  das  zweite  fünfmal  mit 

sammtlichen    Trockengefassen    bis    zur    Flasche    B    bis    zum 

isetallischen    Anschlag    des    Quecksilbers    leer    gepumpt    und 

Jedesmal   nach   dem  Evakuieren  mit  Wasserstoff  durchgespült. 

Dm  die  an  der  Wand  des  Gefasses  adsorbierten  Gase  sicherer 

auszutreiben,    waren   in    dasselbe    vor   dem   Anschlüsse   an   die 

I^umpe  ca.  15  g  Quecksilber  eingebracht  worden,  die  nach  dem 


Fig.  2. 


erstmaligen  Evakuieren  durch  die  Kapillare  hindurch  unter 
kräftiger  Erwärmung  herausdestilliert  wurden.  Ausserdem 
wurde  auch  die  ganze  Röhre  E  stark  erwärmt.  Um  die 
Wfa-kung  der  Sprengelpumpe  zu  erhöhen  und  namentlich  das 
Hängenbleiben  von  kleinen  Luftbläschen  am  Fallrohr  zu  ver- 
hindern, war  die  Wulff 'sehe  Flasche  W  an  eine  Wasserluft- 
pumpe angeschlossen.  Das  Gas  strömte  langsam  (im  Verlauf 
einer    Stunde   und    länger)    in    das    Thermometer;    dabei    war 


122  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  3,  Mai  1902. 

das  letztere   bis  zur  Stelle  f  mit  Quecksilber   gefüllt.     Nach 

der  letzten  Füllung  wurde   dann    bei   F  abgeschraolzen.     Die 

Füllung  war  so  bemessen,   dass  die  Thermometer  bei  0^  einen 

Druck   von   974  mm   bezw.    955  mm   zeigten.     Die. Länge  des 

Rohres  E  war  so  gewählt,    dass   der  Hahn  H  auch   bei   der 

tiefsten  gemessenen  Temperatur  noch  unter  Ueberdruck  stand. 

Um  die  Unsicherheit,  die  der  schädliche  Raum  mit  sich  bringt, 

möglichst   zu    verkleinern,    erfolgte   die  Berechnung   desselben 

unter  den  folgenden  Voraussetzungen:  Das  Thermometergefass 

befinde  sich  bis  zum  Strich  aa  in  der  zu  messenden  Substanz. 

Von    dem    Strich    hh   an    befinde    es    sich    in   Luft.     Für    die 

Strecke  aa—hh  wurde  dann  eine  mittlere  Temperatur  zwischen 

der  der  Luft   und    der   zu  messenden  Substanz    angenommen, 

oder   was   dasselbe    ist,    es    wurde    die    Hälfte    von    aa — 6i, 

nämlich    aa — cc    zu    dem    Thermometergefass,    hh — cc    zum 

schädlichen  Räume  gerechnet.     Es  ergaben  sich  dabei  folgende 

Verhältnisse : 

p.         ,  .  Siedepunkt  Schmelzpunkt 

P  des  N.2,  des  ^2 

Thermometer  I       cd  =  95  mm       cd  =  95  mm  .     cd  =  85  mm 

II      cd  =  90   ,  cd  =  90    „         cd  =  80   „ 

Beachtet   man   in    der   von  Kohlrausch   in    seinem   Lehr- 
buche S.  153  angegebenen  Formel: 

dass  sich  das  Verhältnis  der  Volumina  v  —  des  Gefässes 
und  v'  —  des  schädlichen  Raumes  gemäss  obiger  Voraus- 
setzung ändert,  dass  ferner  der  schädliche  Raum  zur  Zeit 
der  Bestimmung  des  Druckes  H^  (Eispunkt)  eine  andere  Tem- 
peratur hatte  als  zur  Zeit  der  Beobachtung,  so  ergibt  sich 
folgende  Gleichung: 

^»r^  fT«d"     liTar  +TT^j- 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs.       123 

Dabei  ist 

17,  =  Volum  des  Gefasses  für  den  Eispunkt  )   ,    .    ,   m 

ü     1  w     [  bei  d.  Tfemp.  0^ 
v,=      «  «  .  «       «    Punkte     J  ^ 

(wobei  sich  v^  nur  durch  die  andere  Länge  des  zum  Öefass  zu 
rechnenden  Kapillarenstückes  von  t;,  unterscheidet,  ohne  Rück- 
sicht auf  die  Wärmeausdehnung). 

v'i  =  Volum  des  schädlichen  Raumes  beim  Eispunkt!       bei  d. 

t'2  =       „  ^  „  y,  „     Punkt  t    j  iimraertemp. 

k-^'  Je   -""^ 

t'i  =  Temperatur  des  schädlichen  Raumes  beim  Eispunkt, 
ti=  ^  „  n  «  «      Punkt  t, 

Hf^  =  Druck  beim  Eispunkt, 
5=      ,  „      Punkte, 

G  =  Spannungscoefficient  desWasserstoflFs(=  0.0036625  ^)Dewar 

Proc.  Roy.  Soc.  68,  p.  47,  1901, 
y  =  derAusdehnungscoefficient  d.  Glases  (=  0.0000219)  zwischen 

0  und  —180^  Baly,  Phil.  Mag.  V,  49,  ß.  518,  1900. 

Zur    Berechnung    kann    man    die    obige    Gleichung    um- 
formen in: 

H      ^2  \           l  +  «^i/         l  +  a^2  l+at 

und  1  —  n  1       1  —  n 


na  —  y         n         y 


a  — 

n 


Gleichungen,   die   zur  praktischen  Berechnung   bequemer  sind. 
Die  Verhältnisse  Jc^  und  k^   waren    bei   unseren  Thermometern 


A-1 


Eifl-  bezw.  Siedepunkt  der  Substanz    |     Schmelzpunkt  der  Substanz 


Für  Thermometer    I   0.01510 
II   0.01637 


I 

0.01537 

0.01663 


0  D.i.  der  Wert,  den  Chappuis  bei  seiner  eingehenden  Unter- 
suchung des  Constant-Volumthermometers  ermittelte  (Trav.  et  Mem.  du 
Bureau  Internat.    Tom.  VI.  S.  53,  1888). 


124  Sitzung  der  math.-phys,  Clasae  vom  3.  Mai  1902. 

Setzt  man  in  den  von  Kohlrausch  1.  c.  angegebenen 
Formeln  zur  Berechnung  der  Fehler  unsere  Konstanten  ein, 
so  erhält  man  als  Fehler  in  der  Temperaturbestimmung  bei 
—  200«  die  Fehler. 

Unsicherheit  Fehler  in  Graden  Geis. 

AH=OA  mm  0.03 

AH^  =  OA    ,  0.02 

Aa  =  0.0^5  mm  0.025 

Ay  =  0,0,2    „  0.06 

(^A  y  =  DifiPerenz  zwischen  0.000024  nach  Holbom  u.  Wien  1.  c.) 
und  0.000022       „     Baly   1.  c. 

JA  =  0.0003  0.044 

entsprechend   1  cm  Unsicherheit  in  der  Länge   der  Kapillaren 

Jf  =  P  O.Ol. 

Dabei  sind  alle  Unsicherheiten  mit  Ausnahme  von  AH 
und  AHf^  extrem  hoch  angenommen.  Es  wird  sich  also  in 
Wirklichkeit  kaum  ein  Fehler  >  0,1^  ergeben.  In  der  That 
zeigen  die  Angaben  des  WasserstoflFthermometers  und  des 
Thermoelementes  auf  der  beigegebenen  Kurve  eine  weit  grössere 
Uebereinstimmung.  Thermometer  I  brach  schon  bei  der  4.  Be- 
stimmung infolge  des  auf  die  Kapillare  durch  den  Gummi- 
stopfen, der  die  Einführung  in  einen  Recipienten  vermittelte, 
ausgeübten  Biegungsdruckts.  Von  da  ab  wurde  Thermometer  II 
verwandt.  Der  Nullpunkt  wurde  öfters  kontrolliert  und  blieb 
innerhalb  der  Ablesegenauigkeit  konstant. 

5.  Zur  Bestimmung  des  Siede-  und  Gefrierpunktes 
des  Stickstoffs  wurde  ein  kugeliges  un versilbertes  Dewar- 
fläschchen  von  153  ccm  Inhalt,  bezw.  ein  zylindrisches  von 
4  cm  innerer  Weite  und  12  cm  Höhe  (102  ccm  Inhalt)  ver- 
wendet. Es  stand  dasselbe  unter  einem  grossen  Luftpumpen- 
recipienten,  dessen  oberer  Tubus  genügend  weit  war,  um  das 
WasserstoflFfchermometer  W,  das  an  einem  längs  Holzstatif 
gleitenden  Schlitten  befestigt  war,  einsenken  zu  können.  Um 
luftdichten  Abschluss  zu  erhalten,  wurde  ein  Gummistopfen  G 
erst  mit  einer  für  die  Thermometerkapillare  passenden  Bohrung 
versehen,  glatt  in  der  Mitte  auseinander  geschnitten,  und  dann 


Fisclier  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs.        125 


zum  Abschluss  des  Recipiententubus  verwendet.  Auch  bei  den 
Bestimmungen  des  Siedepunktes  wurde  sorgfältig  darauf  ge- 
achtet, dass  der  flüssige  Stickstoff  so  rasch  wie  möglich  unter 
den  Reeipienten  gebracht  und  gegen  die  atmosphärische  Luft 
abgeschlossen  wurde,  damit  der  Sauerstoff  der  atmosphärischen 


Fig.  3. 


ztuftBaittmeler 


I 


Luft,  der  sehr  rasch  in  den  flüssigen  Stickstoff  hineinkonden- 
siert, den  Stickstoff  nicht  verunreinigen  konnte.  Jede  solche 
Verunreinigung  macht  sich  in  der  Erhöhung  der 
Siedetemperatur  bemerkbar.  Für  die  Bestimmung 
der  Siedepunkte  bei  niedrigem  Druck  bot  die  in  der  Figur 
angegebene  Aufstellung    des   Dewar'fläschchens   unter    einem 


126  Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  3.  Mai  1902. 

Recipienten  den  Vorteil,  dass  die  entweichenden  StickstoflF- 
dämpfe,  welche  ganz  in  der  Nähe  des  Fläschchens  nach  der 
BodenöfiFnung  des  letzteren  hinströmen,  zur  Kühlung  der  Um- 
gebung des  Fläschchens  ausgenützt  werden  konnten.  Namentlich 
bei  künstlicher  Beleuchtung  konnte  man  deutlich  die  nur  etwa 
1  cm  dicke  Schicht  des  abziehenden  Stickstoffdanipfes  beob- 
achten, da  der  Recipient  sich  nie  so  weit  abkühlte,  dass  er 
sich  aussen  beschlagen  hätte.  Durch  die  eine  Hälfte  des 
Stopfens  war  ein  1  cm  weites  Rohr  R  eingeführt,  welches  zu 
einem  Heberbarometer  führte;  durch  die  andere  ging  ein  dünn 
ausgezogenes  Glasröhrchen  K^  mittelst  dessen  gereinigter  und 
getrockneter  Wasserstoff  (elektrolytisch  oder  zum  Teil  auch 
aus  Zink  und  Schwefelsäure  hergestellt)  in  den  flüssigen  Stick- 
stofi"  eingeleitet  werden  konnte;  diese  Massregel,  welche  auch 
von  Est  reich  er  ^)  für  die  Bestimmung  der  Dampfspannungs- 
kurve des  Sauerstoffes  angewendet  worden  ist,  hatte  den  Zweck, 
die  Siedeverzüge  hintan  zu  halten,  welche  sich  sonst  im 
flüssigen  Stickstoff"  namentlich  bei  sehr  geringen  Drucken  in 
hohem  Masse  einstellen.  Es  meint  zwar  Baly,*)  es  genüge 
zur  Vermeidung  der  Siedeverzüge  nur  dann  der  Wassei-stofi"- 
strom,  wenn  er  sehr  heftig  gehe  und  vermied  daher  die  Siede- 
verzüge dadurch,  dass  er  Kupferstückchen  in  die  Flüssigkeit 
warf.  Allein  wir  fanden,  dass  dieser  Kunstgrifi"  nicht  wesentlich 
besser  wirkt,  als  das  Einführen  von  Wasserstoff  und  da  letz- 
teres Verfahren  erheblich  bequemer  ist,  so  wandten  wir  bei 
unseren  Versuchen  in  der  Regel  nur  dieses  Hilfsmittel  an. 
Im  Gegenteil  fanden  wir  bei  einigen  Versuchen,  welche  wir 
eigens  anstellten,  um  den  Einfluss  der  Stärke  des  hindurch- 
geblasenen Wasserstoffstroms  zu  verfolgen,  dass  man  gerade 
einen  zu  heftigen  Wasserstoffstrom  vermeiden  muss.  Man 
kann  nämlich  auf  diese  Weise  leicht  den  Stickstoff  unter  seine 
Siedetemperatur  abkühlen.  Vielleicht  ist  die  Bemerkung  Baly's 
(1.  c),   dass   die  Est  reiche  raschen  Werte   für  die  Siedetempe- 


i)  Estreicher,  Phil.  Mag.  V  40,  p.  454.  1895. 
2)  E.  C.  C.  Baly,  Phil.  Mag.  49,  p.  52G,  1900. 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs,       127 

ratur  des  Sauerstoffes  niedriger  sind  als  die  Baly'schen,  ein 
Zeichen  dafür,  dass  Estreicher  eher  zu  viel  als  zu  wenig 
Wasserstoff  hindurchgetrieben  hatte.  Das  Einwerfen  von  Kupfer- 
stückchen hat  jedenfalls  den  Nachteil,  dass  die  Wirkung  der- 
selben sofort  verschwindet,  wenn  sie  sich  genügend  abgekühlt 
haben,  was  ziemlich  rasch  geschieht.  Dass  njan  bei  den  Mes- 
sungen der  Siedetemperaturen  des  Stickstoffs  nicht  gut  die 
Temperatur  des  Dampfes  bestimmen  kann,  weil  seine  Wärme- 
leitungsfähigkeit offenbar  sehr  gering  ist,  und  ausserdem  die 
dazu  erforderlichen  Mengen  Flüssigkeit  sehr  erheblich  wären, 
bringt  eine  wohl  zu  beachtende  Unsicherheit  in  die  Dampf- 
spannungsmessungen. Macht  man,  um  von  denselben  ein  un- 
geföhres  Bild  zu  erhalten,  vergleichende  Versuche  mit  Wasser, 
indem  man  einerseits  die  Temperatur  des  siedenden  Wassers, 
anderereeits  die  des  sich  daraus  entwickelnden  Dampfes  misst, 
so  ergibt  sich  eben  die  alte  Erfahrung,  dass  die  Temperatur 
des  Wassers  stets  etwas  höher  ist  als  die  des  Dampfes.  Die 
beiden  Temperaturen  werden  aber  einander  um  so  näher  gleich, 
je  kleiner  die  Dampfbläschen  sind,  die  sich  im  Wasser 
entwickeln,  gleichgültig,  welches  Hilfsmittel  man  anwendet, 
um  solche  kleine  Bläschen  zu  erzielen.  Durch  Einbringen  von 
kleinen,  sehr  spitzen  Karborundumstückchen  von  ^/eo — Ve  ™i^ 
mittleren  Durchmesser  konnte  in  Wasser  der  geringste  Sieder- 
verzug erhalten  werden  (bis  herab  zu  0.2^),  während  ohne 
dieselben  die  Wassertemperatur  ohne  weiteres  mehr  als  1^  zu 
hoch  war,  und  auch  nach  Einwerfen  von  roten  Tariergranaten, 
wie  sie  in  dem  Beckmann'schen  Apparat  verwendet  werden, 
noch  ein  Temperaturüberschuss  von  0.6°  vorhanden  war.  Da 
man  in  allen  diesen  Fällen  bemerkt,  dass  ein  um  so  heftigeres 
Stossen  im  Wasser  eintritt,  je  grösser  die  Siederverzüge  sind,  so 
gingen  wir  bei  unseren  Versuchen  mit  flüssigem  Stickstoff  darauf 
aus,  ein  möglichst  stossfreies  und  gleichmässiges 
Sieden  zu  erzielen.  Zum  Teil  trat  dieses  von  selbst  ein,  indem 
sich  an  den  Rauhheiten  des  Dewarfläschchens  zahlreiche  winzige 
Bläschen  bildeten,  und  indem  das  Thermoelement  als  spitziger 
Heizkörper   wirkte,    so   dass    wir   sehr   häufig,    namentlich    bei 


128  Sitzung  der  viath.-phys.  Classe  vom  3,  Mai  1902. 

höherem  Druck  der  WasserstofiFzufuhr  gar  nicht  bedurften, 
um  gleichmässiges  und  doch  lebhaftes  Sieden  zu  erzielen ;  zum 
Teil  unterstützten  wir  die  Entstehung  von  kleinen  Bläschen 
durch  eingelegte  dünne  Palladiumdrahtstückchen,  die  vorher 
mit  Wasserstoff  frisch  beladen  waren  und  durch  Einblasen  von 
Wasserstoff,  der  in  kleinen  Bläschen  eintreten  konnte.  Die 
wesentlichste  Garantie  dafür,  dass  nicht  besonders  störende 
Siedeverzüge  bei  unseren  Versuchen  —  namentlich  bei  den 
späteren  —  vorhanden  sein  konnten,  erblickten  wir  in  dem 
Ausbleiben  von  grösseren  Stössen.  Da  das  Thermoelement  alle 
diese  Stösse  sofort  anzeigte,  so  konnten  wir  —  hauptsächlich 
durch  Regulierung  des  Wasserstoffstromes  —  dafür  sorgen,  dass 
diese  Siedeverzüge  jedenfalls  nur  sehr  klein  waren  und  dass 
während  der  Versuche  nur  sehr  geringe,  aber  sehr  rasch  sich 
folgende  Siedeverzüge  auftraten.  Da  unmittelbar  nach  dem 
Stossen  eines  mit  Siedeverzug  siedenden  Wassers  dessen  Tem- 
peratur sich  der  Siedetemperatur  nähert,  so  glaubten  wir  durch 
unsere  Kriterien  noch  am  sichersten  die  richtigste  Siedetem- 
peratur ermitteln  zu  können.  Selbstverständlich  wurde  daraul 
gesehen,  dass  jede  Temperatur  einige  Minuten  konstant  hielt, 
wenn  der  Druck  konstant  gehalten  wurde.  Die  Schwankungen 
des  letzteren  konnten  ohne  grosse  Schwierigkeit  auf  weniger 
als  Va  bis  1  mm  gebracht  werden.  Unter  Umständen  könnte 
der  Wasserstoff  als  Störung  auftreten,  nämlich  dann,  wenn  er 
etwa  in  dem  Stickstoff  sich  lösen  und  dadurch  dessen  Siede- 
punkt und  Gefrierpunkt  verändern  würde.  Es  sind  indessen 
die  Mengen  nur  sehr  gering  (auf  ca.  50  ccm  flüssigen  Stick- 
stoff ca.  100 — 200  ccm  Wasserstoff)  und  bei  unseren  ersten 
Versuchen,  in  welchen  wir  Stickstoff  ohne  Durchleiten  von 
Wasserstoff  zum  Erstarren  brachten,  und  in  welchen  wir  mit 
einem  noch  ^/loo  Millivolt  angebenden  Voltmeter  von  Siemens 
und  Halske  die  Erstarrungstemperatur  massen,  haben  wir  auch 
nie  andere  Erstarrungspunkte  beobachtet,  als  bei  den  späteren 
Versuchen,  in  welchen  wir  grösstenteils  auch  dieses  Millivolt- 
meter zur  ungefähren  Kontrolle  mit  angeschlossen  hatten.  Der 
verdampfte  Stickstoff  wurde  bis  zu  einem  Druck  von   150  uini 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs,       129 

mittels  einer  Wasserluftpumpe  fortgeschafift ;  flir  kleinere  Drucke 
wurde  eine  Bianchi'sche  Pumpe  mit  oscillierendem  Kolben  ver- 
wendet, die  von  einem  einpferdigen  Elektromotor  angetrieben 
wurde,  und  einen  Raum  von  9  Liter  Inhalt  in  2  Minuten  auf 
4  mm  leer  zu  pumpen  imstande  war.  Um  den  Druck  im 
Recipienten  bequem  regulieren  und  längere  Zeit  konstant  halten 
zu  können,  war  an  die  Saugleitung  ein  mikrometrisch  verstell- 
barer Hahn  angeschlossen,  durch  den  Luft  in  die  Pumpen- 
leitung eingelassen  werden  konnte.  Das  Thermoelement  T, 
welches  neben  dem  Wasserstoffthermometer  eingefühlt  war, 
wurde  einfach  zwischen  die  beiden  Gummistopfenhälften  oder 
zwischen  Gummistopfen  und  Glastubus  eingeklemmt.  Der  Er- 
starrungspunkt des  ganz  reinen  Stickstoffs  ist  ein  sehr  gut 
definierter  Punkt.  Ist  der  Druck  unter  dem  Recipienten,  auf 
ca.  90  mm  vermindert,  so  bildet  sich  bei  weiterer  Druck- 
emiedrigung  an  der  Flüssigkeitsoberfläche  Stickstoffeis,  das  zu- 
nächst als  trübe,  schwach  blassgraue  Masse  erscheint  und  zu  Boden 
sinkt.  Gleichzeitig  entwickelt  sich  an  dem  aus  dem  Kapillarrohre 
austretenden  Wasserstoffstrom  ein  dünnes  rohrartiges  Stück  von 
festem  Stickstoff,  das  beim  Erschüttern  der  Kapillare  zu  Boden 
fallt  und  dann  wieder  schmilzt.  Die  Dichte  des  festen 
Stickstoffs  ist  somit  grösser  als  die  des  flüssigen, 
das  heisst  grösser  als  0.791  und  zwar  wahrscheinlich  nicht 
unerheblich  grösser.  Bei  weiterer  Abkühlung  des  Gemisches 
aus  flüssigem  und  festem  Stickstoff  tritt  allmählich  eine  voll- 
standige  Erstarrung  des  ganzen  Geraisches  ein.  Bei  einem 
Druck  von  89  bis  77  mm  ist  die  Füllung  in  Stickstoffeis  ver- 
wandelt, das  weiss  aussieht  und  einen  ähnlichen  Eindruck 
macht,  wie  wässriger  Schnee;  flüssiger  Stickstoff,  welcher  bis 
zum  Erstarrungspunkt  hin  leicht  beweglich  ist,  geht  in  eine 
etwas  gallertartig  aussehende  Masse  über,  bevor  er  gefriert. 
In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  verschiedenen  Werte  für 
den  Siedepunkt  und  Erstarrungspunkt  angegeben,  welche  das 
Wasserstoffthermometer  ergab. 


1901  Sitnmgsb.  d.  math.-phys.  Gl. 


130 


Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  3.  Mai  1902. 


Spannungs- 

coefficient 

für  Wasserstoff 

a  -  0.0036625  = 

1 

Siedepunkt 

Druck 
mm 

Erstarrungspunkt 

Angabe 

des 
Wasser- 
stoff. 

E.  M.  K. 

des 
Thermo- 
elements 

Angabe 

des 
Wasser- 

stoff- 
thermom. 

E.  M.  K. 

des 
Thermo- 
elements 

Druck 
mm 

273.04 

thermom. 

Thermometer  II. 

Thermometer  I. 

Thermometer  II. 

1» 

-  195.75 

-  195.98 

-  196.03 

-  196.08 

-  196.14 

-  196.17 

-  196.21 

5.029 
5.033 
5.033 
5.037 
5.035 

5.036 

5.036 

711.1 
7U.0 
711.0 
710.1 
715.5 

714.0 

715.1 

1  -  210.84 

—  210.87 
/  -  210.35 
\  -  210.39 

-  210.41 

5.2364 

5.2381 
5.2342) 
5.2351/ 
5.2351 

77 

75-76 
89 
81 

Mittel 

—  196.05 

5.0341 

i 

~  210.57 

5.2356 

Bei  einer  Messung  kühlten  wir  den  festen  Stickstoff  noch 
weiter  ab,  indem  wir  den  Druck  bis  auf  62  mm  erniedrigten; 
das  WasserstoflFthermometer  zeigte  bei  diesem  Druck  —  211.65^0. 
an.  Das  Thermoelement  lieferte  in  diesem  Falle  keine  brauch- 
bare Angabe  mehr,  da  der  feste  Stickstoff  ein  sehr 
schlechter  Wärmeleiter  ist,  was  schon  Olszewski  be- 
tont. Der  Anblick  des  Stickstoffs  bei  dieser  Temperatur  er- 
innert an  trockenen,  weissen  Schnee.  Eine  bestimmte  Krystall- 
struktur  liess  sich  nicht  ohne  weiteres  erkennen,  wenn  auch 
das  Aussehen  auf  krjstallinischen  Zustand  hinweist. 

Der  Siedepunkt  für  reinen  Stickstoff  ist  bereits  mehrmals 
bestimmt  worden.^)     Es  fand 

Olszewski'^)  — 195,6^0.  d.i.  77,4^  abs.  für  atmosphärischen 

(mit  Constaiit-Volumthermometer)  Stickstoff 

Baly^)  —  195,5^  C.  d.i.  77,5^  abs.  für  chemischen 

(mit  Constant-Druckthermometer)  Stickstoff. 


M  Travers.  Plxperini.  Stud}'  of  Gases  S.  241. 

2)  K.  Olszewski,  Compt.  Rend.  99,  p.  134,  1884.  Compt.  Rend.  UM), 
p.  350,  1885;  auch  Phil.  iMa<r.  39,  p.  200  ii.  210,  1895. 
»)  C.  C.   Haly,  Phil.  Macr.  49,  S.  528,   1900. 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs,       131 

Auf  die  Differenz  zwischen  unserem  Wert  und  den  Baly- 
schen  wird  S.  151  näher  eingegangen. 

Mit  Verwendung  der  Interpolationsformel  von  Baly,  wo- 
nach der  Siedepunkt  des  chemischen  Stickstoffs  zwischen  760  mm 
und  717  mm  Druck  um  0,5*^  sinkt,  ergibt  sich  aus  unseren 
Werten,  die  mit  dem  Wasserstoffthermometer  gewonnen  sind 

—  196.10  bei  714  mm,     (Fehlerangaben  S.  124) 
also  —  195.57  (77,43  abs.)  bei  760  mm. 

Als  Erstarrungstemperatur  liefern  unsere  Wasser- 
stoffthermometer den  Mittelwert  —210,57^  d.i.  62.43^ 
abs.  T.  Für  den  Gefrierpunkt  liegt  nur  eine  Gasthermometer- 
beobachtung vor,  und  zwar  ist  es  die  erste,  die  gemacht  wurde, 
nämlich  die  von  Olszewski  (1.  c).  Es  erwähnt  zwar  J.  De  war*), 
dass  der  Stickstoff  bei  der  Temperatur  des  flüssigen  Wasser- 
stofiFes  zu  einem  klaren  farblosen  Eis  werde,  allein  wir  fanden 
nirgends,  dass  er  die  Erstarrungstemperatur  gemessen  hätte. 
Olszewski  hat  sie  zu  —  214*^  C.  gefunden  und  gibt  den  Er- 
starrungsdruck zu  60  mm  an.  Da  Olszewski,  entsprechend 
den  Hilfsmitteln  jener  Zeit,  nur  mit  den  kleinen  Mengen 
von  5— 6ccm  operieren  konnte,  dürfte  der  von  ihm  er- 
mittelte Wert  unserem  gegenüber  nicht  ins  Gewicht  fallen. 
Wroblewki's  (1.  c.)  Werte,  —  203<^  für  die  Erstarrungs- 
temperatur bei  einem  Druck  von  60 — 70  mm,  und  —  193° 
als  Siedetemperatur  bei  740  mm,  sind  durch  Extrapolation 
mittelst  Thermoelementes  erhalten  worden  und  haben  deswegen 
nur  geringes  Gewicht. 

Wir  fanden  auch  einen  anderen  Erstarrungsdr uck,  nämlich 
80—90  mm.  Es  ergab  zwar  jede  einzelne  Stickstoffprobe  einen 
sehr  bestimmten  während  des  Erstarrens  kontanten  Druck,  aber 
die  Werte  für  verschiedene  Versuche  wichen  nicht  unerheblich 
von  einander  ab.  Es  scheint,  dass  geringe  Verunreinigungen 
(Sauerstoff  aus  der  Luft,    der   beim   Abfüllen  in  den  Stickstoff 


^)  Wenn  man  wie  gewöhnlich,  den  absoluten  Nullpunkt  =    -  273''  C. 
setzt,  statt  des  für  unseren  Wert  von  a  folgenden  =  —  273.04*^. 
«)  J.  Dawar,  Proc.  Roy.  Inst.  XVI  93,  p.  214,  1900. 

9* 


132  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  3.  Mai  1902. 

kondensierte  und  eventuell  auch  durch  Undichtigkeiten  des 
entzweigeschnittenen  Gummistopfens  (Fig.  3)  in  den  Apparat 
eindringt,  vielleicht  sogar  im  flüssigen  Stickstoff  sich  lösender 
Wasserstoff)  den  Erstarrungsdruck  ziemlich  merklich  beein- 
flussen; die  Erstarr ungstemp er atur  scheint  davon  weniger 
getroffen  zu  werden.  Wir  konnten  bei  fast  allen  Versuchen 
konstatieren,  dass  am  Schluss  einer  Versuchsreihe  der  Siede- 
punkt des  Stickstoffs  sich  etwas,  nämlich  um  0.1  —  0.2°  erhöht 
hatte,  auch  in  dem  Falle,  wo  nur  reiner  Wasserstoff  eingeleitet 
war  und  Undichtigkeiten  kaum  vorhanden  gewesen  sein  können, 
ohne  dass  wir  die  Siedepunktserhöhung  auf  verschieden  tiefes 
Eintauchen  des  Thermoelementes  zurückführen  konnten.  Da 
während  des  Versuchs  beigemischter  Sauerstoff  weniger  ver- 
dampft als  der  Stickstoff  und  da  letzterer  schliesslich  auf  einen 
doch  ziemlich  kleinen  Bruchteil  der  anfänglichen  Menge  ver- 
braucht ist,  so  wird  am  Schlüsse  einer  Versuchsreihe  eine 
Verunreinigung  durch  Sauerstoff  prozentual  wesentlich  grösser. 
Als  wir  gelegentlich  bei  einem  Versuch  nur  ca.  10  ^/o  flüssigen 
Sauerstoff  zugeführt  hatten,  erhielten  wir  selbst  bei  einem  Druck 
von  nur  48  mm  noch  keine  Anzeichen  der  Erstarrung.  Die  Tem- 
peratur war  dabei  nur  unwesentlich  geringer  als  die  des  Siede- 
punktes des  reinen  Stickstoffs. 

5.  Die  Dampfspannung  des  gesättigten  Stickstoffs 
bei  niedrigen  Drucken  wurde  gemessen,  indem  die  zu  den 
einzelnen  Drucken  gehörigen  Siedepunkte  bestimmt  wurden. 
Die  Anordnung  blieb  für  diese  Versuche  die  gleiche  wie  für 
die  Bestimmung  des  Erstarrungspunktes,  nur  wurde  das  Wasser- 
stoffthermometer fortgelassen,  ein  ungespaltener  Gummistopfen 
verwendet,  und  nur  das  Thermoelement  aus  Kupfer-Konstantan- 
draht,  das  durch  den  Stopfen  geführt  ist,  zur  Messung  ver- 
wendet; die  eine  Löthstelle  des  Thermoelements  wurde  stets 
in  Vaselinöl  oder  Petroleum  auf  Eisteraperatur  gehalten.  Als 
Gefäss  für  den  Stickstoff  diente  in  diesem  Falle  bei  einigen 
Versuchen  ein  kleines  unversilbertes  cjlindrisches  Dewar- 
fläschchen  von  nur  52  ccm  Inhalt,  bei  anderen  das  kugelige 
von  153  ccm  Inhalt.    Die  Resultate  sind  in  der  Tafell.  graphisch 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs,        133 

wiedergegeben  und  zwar  geben  die  Abscissen  die  Drucke,    die 
Ordinaten  die  dazu  gehörigen  E.  M.  K.  des  Thermoelements  in 
MilliTolt.     Die   Spannungen    wurden   alle   nach   der   Kompen- 
sationsmethode   durch   Vergleich    mit    einem   Weston-Normal- 
Element   erhalten.     Die   zu   einem  Versuch   gehörigen  Punkte 
sind  durch  gleiche  Bezeichnung  gekennzeichnet;  zum  Teil  sind 
die  Punkte  einer  Versuchsreihe  durch  gerade  Linien  verbunden, 
um  das  Bild  tibersichtlicher    zu    gestalten.     Besonders    hinzu- 
weisen   ist   auf   den   Einfluss    der   Verunreinigungen,    welcher 
sich  in  den  Dampfspannungskurven  geltend  macht.   Die  Kurven, 
welche    einen     erhöhten     Siedepunkt    zeigen,     lassen     darauf 
schhessen,  dass  die  betreffende  Stickstoffprobe  nicht  ganz  rein 
von  Verunreinigungen  war.     Es  zeigt  sich,    wie   zu   erwarten, 
dass  Proben,    welche    den    höchsten    Siedepunkt    ergeben, 
auch  den  tiefsten  Gefrierpunkt  liefern   (Siedepunktserhöh- 
ung und  Gefrierpunktsemiedrigung).     Aus  diesen  Kurven  wurde 
graphisch   eine  Kurve   interpoliert,    welche   nach    unserer  An- 
sicht die   richtige  Kurve  der  Siedepunkte  des  Stickstoffes   bei 
niedrigen  Drucken  darstellt.    Wir  geben  statt  ihrer  die  Zahlen 
wieder.     Um   statt   der    elektromotorischen    Kräfte    die 
ihnen  entsprechenden  Temperaturen  angeben  zu  können, 
haben  wir  stets   bei   den  Bestimmungen   des  Siedepunktes  und 
Erstarrungspunktes  mit  dem  Wasserstoffthermometer  auch  das 
Thermoelement  im  Stickstoff  gehabt  und  konnten  so  geeignete 
Fiipunkte  für  dasselbe  erhalten.  Ausserdem  bestimmten  wir  noch 
filr  eine  grössere  Menge  (ca.  ^U  1)  flüssiger  Luft  die  Temperatur 
mit  Wasserstoffthermometer    und    Thermoelement,    sowie    den 
Siedepunkt    des    reinen   Sauerstoffes    mit    dem    Thermoelement 
allein.     Um  letzteren  herzustellen,  versuchten  wir  verschiedene 
Verfahren.    Schliesslich  erschien  uns  die  Herstellung  aus  reinem 
chlorsaurem  Kali  mit  direkter  Kondensation  des  aus  der  letzten 
Waschflasche  kommenden  Og,  also  Vermeidung  eines  Gaso- 
meters als  das  Zweckmässigste;  mit  der  Hemperschen  Sauer- 
stoffanalyse mit  Kupfer    in   ammoniakalischer  Lösung  konnten 
wir  konstatieren,  dass  der  durch  Kalilauge,  Schwefelsäure  und 
Phosphorpentoxyd  gereinigte  Sauerstoff  bis  auf  mehr  als  0,6  ^lo 


134  Sitzufig  der  mathrphys,  Glosse  vom  3.  Mai  1902, 

rein  war,  während  die  Erzeugung  von  Sauerstoff  aus  chlor- 
saurem Kali  und  Braunstein,  sowie  diejenige  aus  einem  Ge- 
menge von  chlorsaurem  Kali  und  Eisenoxyd  und  selbst  die 
elektroljtische  Erzeugung  von  Sauerstoff  (Ozon !)  weniger  reine 
Produkte  ergaben.  Die  Kondensation  wurde  ähnlich  bewerk- 
stelligt wie  die  des  Stickstoffes.  Die  in  einer  Glasretorte  auf 
einmal  erhitzte  Menge  von  chlorsaurem  Kali  war  in  keinem 
Falle  grösser  als  250  g,  was  eine  Ausbeute  von  ca.  50  ccm 
flüssigen  Sauerstoff  gab.  Nimmt  man  als  Siedepunkt  für 
Sauerstoff  die  übereinstimmenden  Werte  von  Olszewski  und 
Wroblewski,  nämlich  —  182,4*^  (90,6^  abs.)  und  interpoliert 
nach  den  Messungen  von  Est  reich  er  (1.  c.)  und  Baly  (1.  c), 
so  ergibt  sich  daraus  für  einen  Druck  von  714,4  mm,  bei 
welchem  unser  Thermoelement  für  die  Siedetemperatur  des 
flüssigen   Sauerstoffes    4.845  Millivolt    zeigte,    die    Temperatur 

—  182,9®  (90,1®  abs.);  trägt  man  diese  Werte,  den  für  die 
Temperatur  einer  grösseren  Menge  flüssiger  Luft  gefundenen, 
nämlich  4,971  Millivolt  entsprechend  —  191,60^  und  die  oben 
gefundenen  Werte  für  den  Siedepunkt  und  Erstarrungspunkt 
des  Stickstoffes  in  ein  Koordinatensystem  ein,  um  die  Aich- 
kurve  für  das  Thermoelement  in  dem  Intervall  von  —  182,9^  bis 

—  211^  zu  erhalten,  so  ergibt  sich  der  Linienzug  der  Tafel  II. 

Dieselbe  zeigt  deutlich,  wie  gut  die  Angaben  des  Wasser- 
stoffthermometers mit  jenen  aus  dem  Thermoelement  überein- 
stimmen und  rechtfertigt  jedenfalls,  dass  wir  die  Temperaturen 
für  die  Dampfspannungen  nach  dieser  Kurve  interpolieren. 
Berechnet  man  die  Parabel,  welche  durch  den  Sauerstoffpunkt 
und  den  Siede-  bezw.  Gefrierpunkt  des  Stickstoffs  bestimmt 
ist,  so  fällt  dieselbe  fast  mit  der  Geraden  durch  die  letzteren 
beiden  Punkte  zusammen;  einige  Punkte  der  Parabel  sind  mit 
•^  in  Fig.  5  eingetragen;  da  die  mit  dem  Wasserstoffthermo- 
meter von  uns  gemessenen  Punkte  «,  6,  c  genau  in  eine  Ge- 
rade fallen,  und  der  Sauerstoflpunkt  von  den  verschiedenen 
Beobachtern    um   mehr  als  O.P  verschieden  angegeben  wird,^) 

^)  Vergl.  L.  Holborn,  Drudes  Ann.  ü.  S.  254  f.,  1901;  die  Diffe- 
renzen rühren  wohl  zum  Teil  von  dem  Einfluss  der  sechsten  Dezimale 
von  a  her,  das  H  o  1  b  o  r  n  zu  0.003GG5,  wie  zu  Ü.Ü036G25  genommen  haben. 


Fischer  und  ÄU:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs,       135 


so  dass  derselbe  für  unsere  Untersuchung  nicht  das  Gewicht 
zu  haben  scheint  wie  die  Punkte  a,  b,  c,  so  haben  wir  in  dem 
Bereiche  von  —  196.05  bis  -  210.57«  für  das  Thermoelement 
eine  hneare  Abhängigkeit  der  E.  M.  K.  von  der  Temperatur 
angenommen  und  also  eine  geradlinige  Interpolation  angewandt, 
um  die  Dampfspannungskurve  des  Stickstoffs  zu  erhalten. 

Der  Temperatur  —196.05«  C.  entspricht  5.0341  Millivolt 
—  210.57«    .  ,  5.2356 

d.  i.  14.52«   „  ,  0.2015 

0.072«,  ,  0.001 

Die  mit  dem  Thermoelement  gemachten  Bestimmungen 
des  Siedepunktes  bei  mittlerem  Druck  und  des  Erstarrungs- 
punktes ergaben  folgende  Werte: 


Gefrierpunkte 
^'"S"^'"     Thermoelement 
MilUvolt 


Siedepunkte 


l-arometer- 
stand 


Thermoelement 


mm 
710.1 
711.7 
711.7 
711.9 
713.0 
7110 
7U.8 
715.1 
715.1 
715.1 
715.5 
715.7 
716.4 
716.4 
717.2 
719.0 


Millivolt 


Mittel:  7 14.6 


4.560  X 

4.5605 

4.5605 

4.5605 

4561 

4.5593 

4.560 

4.559 

4.5605 

4.5595 

4.5585 

4.559 

4.559 

4.5595 

4.559 

4.557 


1.1045 


4.5594  X  1.1045 
=  5.0386  Millivolt 
d.i.— 196.1760  Gels. 


•Starrun  j 
druck 

mm 

86.5  -  87.0 

86.5"  87.0 

80-81 

79.2 

77 

83 

81.5 

89-90 

89 

75-76 

77 

88 


II 


4.740  X  1.1045 

4.741 

4.7415 

4.741 

4.737 

4.7395 

4.739 

4.739 

4.739 

4.741 

4.741 

4.7395 


Mittel:  86       4.739Ü  x  1.1045 
-  5.23488  Millivolt 
d.i.     210.620  Gels..! 
wenn  die  Temperatur  mit  einem  i 
Wasserstoffthermometer    mit 
konstantem    Volum    gemessen 
und  a  —  0.0036625  gesetzt  wird 
(vergl.  oben). 


*)  Da  aus  dem  G-ang  der  Versuche  zu  sehen  war,  dass  der  Erstar- 
nugsdruck  höher  ist,  wenn  der  Stickstoff  reiner  ist,  werden  die  Einzel- 
werte mit  den  nebenbezeichneten  Gewichten  in  Rechnung  gesetzt,  um 
den  Mittelwert  zu  bilden. 


136 


Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  3,  Mai  1902. 


Für  die  Dampfspannung  bei  niedrigen  Drucken  ergibt  sich 
durch  graphische  Interpolation  aus  den  Werten  der  Tafel  L 
folgende  Tabelle: 

Dampfspannung  des  gesättigten  Stickstoffdampfes. 


Druck 

E.  M.  K. 

des 
Thermo- 
elementes 

Temperatur 

in 
mm  Hg 

Celsiusgrade 
für 

Absoluter  ^) 

in  Millivolt 

a  =  0.0036625 

Wert 

_^ 

760 

exti-apoliert 

—  195.67 

77.33 

714.5 

5.03586 

-  196.176 

76.824 

700 

5.0382 

-  196.345 

76.655 

650 

5.0465 

—  196.944 

76.056 

600 

5.0553 

--  197.58 

75.42 

550 

5.0647 

-  198.25 

74.75 

500 

5.0748 

-  198.98 

74.02 

450 

5.0857 

-  199.77 

73.23 

400 

5.0975 

-  200.62 

72.38 

350 

5.1105 

-  201.554 

71,446 

300 

5.1249 

-  202.59 

70.41 

275 

5.1332 

-203.19 

69.81 

250 

5.14145 

—  203.79 

69.21 

225 

5.1512 

—  204.49 

68.51 

200 

5.1611 

-  205,20 

67.80 

180 

5.1702 

-    205.86 

67.14 

160 

5.1801 

—  206.57 

66.43 

140 

5.1911 

—  207.37 

65.63 

120 

5.2033 

-  208.245 

64.755 

100 

5.219 

-  209.38 

63.62 

86  +  4 

5.23488 

—  210.52 

62.48 

Erstarrungs- 

punkt 

6.  Zur  Prüfung  der  beobachteten  Dampfspannungen 
wurden  die  Werte  dieser  Tabelle  zunächst  in   die  Dühring'- 

sche*)  Siedepunktsformel  eingesetzt,   nach  welcher 


=  a 


=  konstant   sein   soll,    wenn  (q  und  ^^   die  Siedetemperaturen 

*)  Auch  hier  ist  als  absoluter  Nullpunkt  —  273®  C.  genommen,  wie 
gewöhnlich,  statt  —273.04  wie  er  nach  den  Chappuis'schen  Unter- 
suchungen sich  ergibt  und  wie  auch  wir  ihn  bei  unseren  Untersuchungen 
streng  genommen  zu  Grunde  legen  müssten  (vergl.  oben  S.  124  u.  131). 

2)  U.  Dühring,  Wied.  Ann.  11  p.  163,  1880. 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs.       137 

zweier  Substanzen  bei  einem  bestimmten,  aber  beliebig  ge- 
wählten Drucke  Pq  und  t  und  t'  die  Siedetemperaturen  der- 
selben Substanzen  bei  einem  beliebigen  anderen  Drucke  p  be- 
deuten.   Nimmt  man  als  Bezugssubstanz  Wasser  und  als  2>o  ^^^ 

n     ,         no^         TT  .  .  ^0  =  -  löS.e?'^  C.  für  Stickstoff, 

Druck  von  760  mm  Hg,  so  ist  .  ,    -,  a^^  aao  rt  n*.   ttt 

^'  ^0  =  +  100.00®  C.  für  Wasser, 

und  es  ergibt  sich  unter  Benützung  der  Dampfspannungs- 
tabellen für  Wasser  von  Wiebe  und  von  Regnault-Broch: 

At^(^  200.62  - 195.67  .  .. . 

^  =  *^*^         «  =      373    -355.95    =  ^"^^^ 
Qnn  202.59-195.67  .  __. 

^  =  ^^^         «  =      373    -348.97    =  ^'^^^ 
onn  205.20  —  195.67  .  „_ . 

^  =  200         g  =  -373-^^39-48    =  ^-2^^ 
,.-  209.38  —  195.67  _  „ . 

1,  =  100         g  =  -^73    -324.7-Ö  =  ^'^^^ 
_  210.52-195.67  .  __. 

^  =  86  g  =  -^73^32X66   =  ^-2^^' 

also  in  der  That  eine  solche  Konstanz,  wie  sie  nach  dem  Ver- 
halten der  bereits  genauer  untersuchten  Flüssigkeiten  bei  der 
Dühring'schen  Formel  nicht  besser  zu  ervrarten  ist. 

Eine  strengere  Prüfung  ermöglicht  wohl  die  Ramsay- 
Young'sche^)  Beziehung  zwischen  den  Siedepunkten 
zweier  Substanzen,  da  sich  die  Ramsaj- Young'sche 
Formel  in  sehr  vielen  Fällen  als  zutreffend  erwiesen  hat,  so 
dass  Baly*)  sogar  auf  Grund  derselben  aus  zwei  beobachteten 
Dampfspannungen  des  Stickstoffs  die  Siedetemperaturen  für 
Drucke  zwischen  717.0  und  2812.0  mm  Hg  berechnet  hat. 
Bezeichnen  Ta  und  Tl,  die  absoluten  Siedetemperaturen  zweier 

>)  W.  Ramsay  und  S.  Young,  Phil.  Mag.  21  S.  :k3,  188G;  vergl. 
aach  N ernst,  theoretische  Chemie,  2.  Aufl.,  S.  315. 
*)  E.  C.  C.  Baly;  Phil.  Mag.  49  S.  527,  1900. 


138  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  3.  Mai  1902. 

Substanzen  A  und  B  bei  ein  und  demselben  Druck,  Ta  und  Tb 
die  absoluten  Siedetemperaturen  der  nämlichen  Substanzen  bei 
einem  anderen,  aber  wieder  für  die  beiden  gleichen  Druck,  so 
ist  nach  Rarasay-Young: 
T  T' 

wo  c  eine  für  A  und  B  konstante  Grösse  bedeutet. 

Trägt  man  also  die  absoluten  Siedetemperaturen  Ta  als  Or- 

T 

dinaten,    die  Verhältnisse   ^     als  Abszissen   auf,    so   muss  die 

dadurch  definierte  Kurve  eine  gerade  Linie  sein.  Wir  nahmen 
als  Vergleichssubstanz  (-4,  Ta)  wiederum  Wasser  und  erhielten 
in  der  That  für  das  Druckintervall  von  760 — 120  mm  eine 
überraschend  gute  Annäherung  der  Kurve  an  eine  gerade" 
Linie;  von  120  mm  ab  bis  zum  Erstarrungsdruck  jedoch  nimmt 
die   Kurve    plötzlich    einen    sehr    stark    gekrümmten    Verlauf. 

Für  die  Punkte,  welche  dem  Druckintervall 
von  760 — 300  mm  angehören,  wird  die  Konstante  c  =  0.000233 

für  die  Punkte  im  Intervall 
von  300—120  mm  wird  c  =  0.000226. 

Zieht  man  Gerade  fcr,  bezw.  6?^,  welche  sich  an  die  Punkte 
im  ganzen  Intervall  von  760  — 120  mm  möglichst  gut  anschliessen, 
so  wird  c  =  c,  =  0.0002282  bezw.  c  =  c.^  =  0.000230^,  je  nach- 
dem man  die  Gerade  näher  an  die  Punkte  des  Intervalles  des 
geringeren  (250 — 120  mm)  bezw.  höheren  Druckes  (760 — 250  mm) 
legt.  Würde  man  den  Siedepunkt  und  Erstarrungspunkt  (Tab. 
S.  135)  durch  eine  Gerade  G^  verbinden,  die  nun  aber  ausser- 
halb aller  Punkte  zu  liegen  käme,  so  würde  c^  =  0.0002556. 

Das  beste  Bild  von  den  Abweichungen,  welche  die  be- 
obachteten Werte  gegenüber  den  aus  der  Ramsaj-Young'- 
schen  Formel  sich  ergebenden  zeigen,  erhält  man,  wenn  man 
die  Beobachtungswerte  jenen  gegenüberstellt,  welche  sich  aus 
den  Kamsay 'sehen  Geraden    6rj,    G^  und  6^3    ergeben,    indem 

T 

man  aus  der  Zeichnung  die  Verhältnisse    ^-  absticht  und  mit 

den  aus  Tabellen  entnehmbaren  Werten  Ta  für  Wasser  multi- 
pliziert.    Die  folgende  Tabelle  enthält  diese  Zahlen. 


Fischer  und  ÄU:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs.       139 
Dampfdrücke  und  ihre  Aenderung  mit  der  Temperatur. 


1 

Berechnet 

Druck 

Beobachiei; 

Aus  Raiusay-Geraden 

Aus  Ramsay-Geraden 

AusRamsay- 

Geraden 

unH^ 

Oi 

o^ 

^8 

Ib\ueiB.^^   Grad 

^Cels.lf.S« 

Ib^eiB.^,^    Grad 

n'Cels.JI 

mmHg 
Grad 

0 

(-195.67) 

—195.673 

—195.673 

-195.652 

0 

(-195.78) 

- 195.778 

—  195.778 

-  195.788 

0 

(-196.00) 

.89.3 

—195.999 

.90.1 

-195.999 

89.35 

-  195.990 

M.75 

46 

-196.17« 

-196.176 

-196.176 

-196.176 

' 

715 

86.5 

87.1 

86.6 

84.6 

0 

-196.345 

—196.339 

—196.345 

-  196.345 

675 

83.5 

84.6 

84.6 

82.0 

0 

-196.944 

—196.930 

—196.936 

-  196.954 

625 

79.00 

79.5 

80.0 

77.05 

0 

-197.58 

—197.559 

-197.561 

-  197.604 

575 

74.1 

74.36 

73.56 

71.7 

0 

—198.25 

-198.232 

-198.241 

-  198.801 

525 

68.7 

69.5 

69.0 

67.0 

0 

-198.98 

—198.952 

—198.966 

-  199.047 

475 

63.1c 

63.7 

64.0 

«1.« 

0 

—199.77 

-199.737 

—199.747 

-  199.856 

425 

59.7 

58.44 

58.66 

56.9 

0 

-200.62 

—200.593 

—200.600 

-  200.785 

375 

53.16 

52.9 

52.7 

50.9 

0 

-201.554 

-201.538 

—201.549 

-  201.718 

325 

48.2 

48.4 

48.36 

47.1 

0 

-202.59 

—202.571 

-202.583 

-  202.779 

275 

41.7 

40.80 

40.75 

39.6 

i) 

-203.786 

—203.797 

-203.811 

-  204.040 

225 

35.3 

35.24 

35.00 

84.1 

10 

-205.20 

-205.223 

—205.240 

-  205.510 

190 

30.5 

31.18 

31.12 

30.4 

i) 

—205.86 

—205.865 

—205.883 

-  206.168 

170 

28.1 

28.12 

27.90 

27.1 

0 

—206.57 

-206.576 

—206.600 

-  206.906 

150 

25.1 

25.3 

25.28 

24.5 

0 

-207.37 

—207.367 

—207.392 

-  207.722 

130 

22.87 

22.81 

22.58 

22.0 

0 

-208.245 

-208.244 

-208.278 

-  208.632 

110 

17.6 

19.67 

19.63 

19.13 

0 

-  208.765 

—208.739 

-208.770 

-  209.137 

0        1 

-209.38^ 

-209.261) 

-209.297) 

-  209.677     >, 

^ 

-209.69 

1 1  fi  i 

—209.546 

-209.581 

-  210.042 

93' 

-Loci 

(17.1) 

(17.04) 

(16.63) 

^^         1 

-210.06 

tb3.5/ 

-209.834 

-209.873 

-  210.270 

+  4      ' 

-210.521 

—210.08  i 

-210.12  J 

-210.52  J 

140  Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  3,  Mai  1902. 

Ausser  den  Siedetemperaturen  sind  in  derselben  noch  die 

Ap 

Verhältnisse  —r^  für  verschiedene  Drucke  eingetragen,  da  ge- 
rade diese  Grösse  in  der  Clapeyron' sehen  Formel  eine  ent- 
scheidende Rolle  spielt. 

Man  sieht  aus  diesen  Zahlen,  dass  die  beobachteten  Siede- 
temperaturen sich  sehr  gut  in  die  Ramsay-Young'sche  Formel 
einfügen  lassen.  In  dem  Intervall  von  760  bis  110  mm  ist 
für  die  Gerade  G^  die  Maximalabweichung  zwischen  beobachteten 
und  berechneten  Werten  nur  0.03^,  für  die  Gerade  G^  nur  0.04^. 
Die  Abweichungen,  welche  sich  im  Druck-Intervall  von  110 
bis  86  mm  ergeben,  erscheint  uns  darin  begründet,  dass  die 
Ramsay-Young'sche  Formel  nicht  mehr  zutriflft,  wenn  der 
Siedepunkt  eines  Körpers  sich  seinem  Erstarrungspunkt  nähert. 
Denn  auch  bei  den  anderen  Substanzen  zeigt  sich,  dass  diese 
empirisch  festgestellte  Formel  nur  eine  Annäherung  darstellt,  wie 
sich  aus  den  zahlreichen  Beispielen  der  Ramsay-Young'schen^) 
Arbeit  ergibt.  Namentlich  sei  hier  auf  das  Beispiel  der  Essig- 
säure (1.  c.  S.  45)  hingewiesen,  deren  Siedepunkt  bei  niedrigen 
Drucken  nach  der  Beobachtung  um  0.3^  tiefer  liegt  als  der 
nach  der  Rarasay-Young'schen  Formel  aus  dem  Vergleich  mit 
Wasser  ermittelte  Wert  (vergl.  später  S.  148).  Der  Siedepunkt 
für  Aethylalkohol  weicht  bei  10  mm  Druck  (1.  c.  S.  36)  sogar 
um  0.8°  von  den  beobachteten  ab.  Uebrigens  würde  auch  aus 
der  Annahme,  dass  in  unseren  Beobachtungen  nur  der  Siede- 
punkt und  Gefrierpunkt  des  Stickstoffes  richtig  wäre,  und  die 
Ramsay-Young'sche  Formel  in  dem  dazwischen  liegenden 
Intervall  streng  gültig  bliebe,  sich  zwischen  den  aus  ihr  inter- 
polierten und  den  beobachteten  Werten  nur  eine  Maximal- 
abweichung von  0.6®  ergeben. 

Dass  sich  unsere  beobachteten  Werte  zwischen  760  mm 
und  110  mm  sehr  gut  an  die  Dühring'sche  und  die  Ram- 
say'sche  Siedepunktsformel  anschliessen ,  erscheint  uns  eine 
wesentliche  Stütze   für  die  Annahme,   dass   wir  bei  den  Beob- 

^)  W.  Ramsay  u.  S.  Young,  Phil.  Mag.  V.  21,  S.  34-51  ff.  1886. 


Fis(her  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs,       141 

achtungen  nicht  erheblich  durch  Siedeverzüge  gestört  waren. 
Ferner  machen  sie  es  wahrscheinlich,  dass  auch  der  aus  unseren 
Beobachtungen  extrapolierte  Wert  für  den  Siedepunkt  des 
StickstoflEs  bei  760  mm  nämlich  —  195.67^  C.  richtig  ist.  Der 
Nutzen,  den  wir  aus  der  Ramsay'schen  Formel  ziehen  zu  können 
glauben,  besteht  in  einer  Ausgleichung  unserer  Beobachtungs- 
werte. Macht  man  von  ihr  Gebrauch,  um  Unregelmässigkeiten 
in  den  ersten  Differenzen  der  Siedetemperaturen  auszugleichen, 
so  ergibt  sich  folgende  Dampfspannungstabelle'  des  Stickstoffes, 
welche  wir  auf  grund  unserer  Beobachtungen  als  definitiv 
betrachten.  Die  Temperaturen  geben  wir  hier  auf  3  Decimal- 
stellen  an,  obwohl  natürlich  höchstens  die  zweite  Decimale 
absolut  genommen  richtig  sein  wird,   weil  für  die  Berechnung 

dp 
der  Grösse  -j-^  und  ihrer  Aenderung  die  dritte  Decimale  noch 

d  t) 
von  wesentlichem   Einfluss   ist.     Neben   den  Werten   von  -/^ 

a  1 

Ap 
=  -T-ff  1  welche  sich  durch  Rechnung  aus  den  benachbarten  p 

und  t  ergeben,  sind  jene  Werte  angegeben,  welche  aus  der 
Dampfspannungskurve  mittels  Tangentenkonstruktion  erhalten 
wurden,  um  die  Genauigkeit  beider  Berechnungsarten  zu  ver- 
anschaulichen. 

Nach  der  Dampfspannungstabelle,  welche  Baly  (1.  c.)  für 
Stickstoff  bei  hohem  Druck  angegeben  hat,  wäre 

ll  ^    86  -^"^-p?  -   bei  738  mm  Druck, 
d'T  Grad  Geis. 

||=    92  ,  ,     783    , 

^  =  100  ,  ,    831    , 

Es   würde   also    in   der  Nähe   von    760  mm   der  Baly'sche 
Wert  um  5  ^/o  von  dem  unseren  abweichen.    Da  wir  annehmen 

Ap 
zu  können  glauben,  dass  unsere  Werte  für     ,^  zwischen  700 

und  600  mm  Druck  auf  1  ^jo  genau  sind,  so  ist  wohl  der 
Bai  j'sche  Wert  zu  klein  ermittelt.    Bildet  man  in  der  Baly'schen 


142  SÜBung  der  mathrphys,  Glosse  vom  3,  Mai  1902, 


Definitive  DampfspauouiigstabeUe  des  chemischen  Sticksto: 


Teuipe 

•atur 

Druck  p 

iß 

( 

T 

ÄbBoluteri) 
Wert 

Ap 

durch 

mm  H^ 

Celiiaegrade 
für 

AT 

Tafigenteo- 
kojistruktioo 

«  =  0,0036625, 
—  I95.67i 

ennlttelt 

760 

77.33 

91.0 

89.8 

750 

—  195J78 

77.23 

9tJ,4 

— ^ 

730 

-  196.9^8 

77.00 

89.3 

— 

715 

-  196.170 

76,83 

87.8 

88,A 

700 

-  196.34a 

7ö,655 

86.4 

84.5 

eso 

—  196.93a 

76,064 

82,3 

83.a 

600 

—  IÜ7.5ÖÖ 

75.44 

76.7 

75.fl 

550 

—  198.241 

74.76 

IIA 

69.a 

500 

-  198.970 

74,03 

66.3 

64.a 

450 

-  199  J5ü 

73,25 

61. S 

6Li 

400 

"  200,60s 

72.39s 

66.0 

54.7 

375 

—  201.06a 

71.93» 

63,2 

5L6 

350 

—  20L540 

7L46 

50,7 

50.0 

325 

-  202,053 

70,95 

48,1 

48,4 

300 

-  202,580 

70,42 

45.S 

45,4 

275 

-  203.150 

69.85 

41.1 

4Li 

250 

-  203J9t 

69.20 

3Ö,3 

36.D 

225 

—  204,470 

68,53 

35.« 

35.4 

200 

—  205.20 

67,00 

31.0 

31,a 

lao 

"  205.865 

67,133 

29.1 

— 

leo 

—  206.575 

66,425 

26.ti 

— 

IBO 

—  206.94s 

66.Ü5S 

25.3 

25.4 

uo 

-  207,367 

05.63 

23,0 

23,3 

130 

-  207,79a 

65.21 

22,6 

22,11 

120 

-  206,246 

64,756 

20.:» 

20,1 

110 

-  206.77 

04,23 

18.1 

I7,f 

100 

—  209.353 

63.05 

15.6 

16,0 

95 

-  209,085 

63.316 

14,1 

-^ 

m 

—  210.06 

62.94 

^-. 

111.8J 

861-4 

-  210.52 

EratatTUrprs- 

(Hinkt 

62,48 

1 

(7.a) 

^)  Auch  hier  ist,  weil  üblich,  als  absoluter  Nullpunkt  einf 
—  273®  C.  gesetzt  statt  des  bei  unseren  Messungen  sich  ergeben« 
Wertes  —  273.010  C.  (vorgl.  oben  S.  13G). 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs.       143 

Danipfspannungstabelle  das  Danipfdruckgefälle  auch  für  die 
höheren  Drucke,  so  zeigen  sich  in  dessen  Gang  ziemliche 
Unregelmässigkeiten  (vergl.  S.  37).  Als  definitive  Siede- 
punkte des  auf  mindestens  0.3  ^/o  reinen  Stickstoffs  glauben 
wir  auf  grund  unserer  zahlreichen  Versuche 

-  196.17<>  C.  (76.87"  abs.)  +  0.05  bei  715  mm  Druck. 

-  195.67«  C.  (77.37^  abs.)  +  0.05     ,    760    , 
und  als  definitiven  Erstarrungspunkt 

-  210.520  C.  (62.52«  abs.)  ±  0.2  bei  86  ±  4  mm  Druck 
angeben    zu    können,    wenn    das   Constant-Volum-WasserstofiF- 
thermometer  als  Temperaturmesser  dient  (vergl.  unten  S.  150) 
und  als  absoluter  Nullpunkt   —  273.04^0.    angenommen   wird 
(vergl.  S.  135). 

7.   Aus   der    allgemeinen    van    der   Waals'schcn 
Gleichung: 

folgt,  dass  bei  gleichen  reduzierten  Siedetemperaturen 

/    j    .    .     ^.   -  ,  .  absolute  Siedetemperatur  \ 

reduzierte  biedetemperatur  =    -,-.-.-,    -^ -— 

V  kritische   lemperatur      / 

für  alle  Substanzen   die   reduzierten  Dampfdrucke 

=  -7-^-; — r^ :r- z—]    bleich    sein    müssen.     Nach   der 

V      kritischen  Druck  /    ° 

Prüfung  dieser  Folgerung  durch  van  der  Waals,  Young^) 
und  anderen  trifft  dies  Gesetz  nicht  in  dieser  Allgemeinheit 
zu;  da  jedoch  seine  Gültigkeit  nur  bestehen  kann,  so  lange 
die  van  der  Waals'sche  Grundannahme  zutrifft,  dass  Flüssig- 
keit und  Dampf  stets  dieselbe  Molekular-Konstitution  besitzen, 
dass  also  nicht  etwa  bei  einer  Veränderung  der  Substanz  Molekül- 
assoziationen oder  Dissoziationen  eintreten,  so  sind  die  Ab- 
weichungen, die  man  bemerkt  hat,  sehr  verständlich,  denn  nur 
wenige  Substanzen  werden  während  des  Verdampfens  ihren 
Molekularzustand    beibehalten.      Am    ehesten    wäre    von    den 

»)  S.  Young,  Phil.  Mag.  33,  S.  153,  1892;  34,  8.  505,  181)2.    VoikI. 
anoh  W.  N ernst,  theoretische  Chemie,  II.  Aufl.  8.  230. 


144  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  3,  Mai  1902, 

schwercoerciblen  Gasen  ein  Verhalten  zu  erwarten,  wie  es  die 
van  der  Waals'sche  Gleichung  angibt  und  namentlich  Stick- 
stoff und  SauerstoJBF  zeigen  auch  bei  tiefen  Temperaturen  so 
geringe  Abweichungen  vom  Mariotte  =  Gay-Lussac'schen  Gesetz,*) 
dass  die  Frage  sich  aufdrängt,  ob  nicht  für  sie  das  van  der 
Waals'sche  Gesetz  zutriflFt.  Wir  berechneten  daher  für  Wasser 
und  SauerstoJBF  auf  grund  unserer  Untersuchungen  und  der 
Wiebe'schen  und  Broch'schen  Tabellen  für  die  Spannkraft 
des  Wasserdampfes  und  der  Estreicher'schen*)  Werte  für  die 
Dampfspannung  des  Sauerstoffes  zu  bekannten  Drucken^  die 
reduzierten  Siedetemperaturen  ^  und  ordneten  die  Dampfdrucke 
nach  den  reduzierten  Siedetemperaturen.  Wenn  nun  auch  die 
Zahlen  für  korrespondierende  reduzierte  Dampfdrucke  nicht 
ihrem  absoluten  Betrage  nach  gleich  sind,  zumal  die  kritischen 
Drucke  nicht  sehr  genau  ermittelt  sind,  so  ist  doch  auf 
grund  der  van  der  Waals'schen  Gleichung  zu  erwarten,  dass 
bei  gleichen  reduzierten  Siedetemperaturen  zweier 
Substanzen  das  Verhältnis  der  entsprechenden  Dampf- 
drücke eine  konstante  Grösse  ist  für  beide  Substanzen, 
da  ja  bei  gleichen  reduzierten  Siedetemperaturen  für  zwei  Sub- 

p         p*       .       p         Pk        1 
stanzen  —  =  — 7 ,   also  --  =  — r  =  konstant  sein  muss,   wenn 

Pk        Pk  p         Pk 

p  und  p'  korrespondierende  Drucke  und  pk  und  p'k  die  kritischen 

Drucke  für  beide  Substanzen  sind.  Das  Resultat  der  Berech- 
nung ist  in  der  folgenden  Tabelle  dargestellt.  Als  kritische 
Daten  wurden  angenommen 

Für  Stickstoff^)  Tu  =  127«  abs.  Temp.^*  =  26600  mm  Hg  Druck, 
,    Sauerstoff*)  rfe=  154«    ,        ,      ^,  =  44080    ,      ,        , 
„    Wasser'^)      Tk=637«    „        ,      i>fc  =  200  Atmosphären. 

»)  J.  De  war  (1.  c.)  und  Chemical  News  85,  S.  73—75,  14.  Febr.  1902. 

2)  Est  reicher  (1.  c.)  und  Travers,  Experimental  Study  of  Gases, 
S,  240,  1902;  wir  bevorzugen  die  Estreich er'echen  Werte,  da  er,  wie 
wir,  zur  Temperaturmessung  das  Konstant- Volum-Wasserstoffthermometer 
benützte. 

»)  Dressel,  Lehrbuch  der  Physik  1,  S.  314,  1900. 

*)  Travers,  1.  c,  S.  247. 

^)  Landolt  und  J3ürn  stein,  Tabellen  II.  Aufl..  S.  90. 


Fisther  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs,       l^^ 


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1 

1  SjSS  Ig  igSSSSS  ISf2p:§  1  1  1 

1  1 

.-1  ,H  f-H           rH           ÖÖÖÖÖÖ           ÖÖÖÖ 

■^      \a      wi 

l*          CO          0          -^  ^  -*  0  00  r-l  1^  00  CO  O"* 

X    a)i5  ^  <^ 

,;5         CO         Ä         (MCOOO-iCOt-O'^J^Csilfo 

jö 'S  S      i2 

1 

^iQlQl— '•"•— 'Oic^<McoeocO'<*<'^l     1     1 

1     1 

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1 

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1    1 

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|<Mi§r-«||^|-i<^0500(N'MC005I^OO.      ,      . 

1 

ll^OOOlcoloO'fl-^CO-iCO(NOCoio 

1    1 

1     Q.s^ 

r-l          ,-1          ^(NOlCOCO'^'^lOlOCOl^'       '       ' 

1      1 

---_- 

---. ---..- ■   ^^    -_ --^      ._.-_- 

5       S 

lOioioio           lo      \o      iQ      la      \o      \o 

^ 

0 

'tS  »9o*^o*^So'^'^5"^o''^S*^o"^S^S 

.  0 

0^ 

OSOr-lOOlÖCO-fÖiOÖCOÖl-ÖoDÖCiÖO 

0-^ 

5  «    R           1 

"^ 

\a      lOtoio  lOio      \o      lo      to      \a      CO 

CO 

el 

< 

^ 

ö 

0        Ö        Ö        öö        ÖÖÖÖÖÖ 

ö 

lyOL  Sttznsgsb.  d.  niaili.-phy8.  Gl. 


10 


146  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  3.  Mai  1902, 

Es  lehrt  die  vorstehende  Tabelle,  dass  für  Sauerstoff  und 
StickstoflF  bei  gleichen  reduzierten  Siedetemperaturen  das  Ver- 
hältnis der  Drucke  nahezu  konstant  ist,  während  sich  zwischen 
Wasser  und  Stickstoff  erhebliche  Differenzen  ergeben.  Aus  dem 
Gang  der  Konstanten  würde  zu  schliessen  sein,  dass  bei  niedrigem 
Druck  die  Dampfspannung  des  Stickstoffes  im  Verhältnis  zu 
der  des  Sauerstoffes  etwas  zu  niedrig  ist;  es  würden  demnach 
in  Stickstoff  allenfalls  bei  niedrigem  Drucke  Assoziationen  von 
Molekülen  stattfinden  können,  wenn  auch  nur  in  unerheblichem 
Masse.  Die  korrespondierenden  reduzierten  Drucke  stimmen 
für  Stickstoff  und  Sauerstoff  unvergleichlich  besser  überein  als 
die  für  Wasser  und  Stickstoff. 

8.  Berechnung  der  Verdampfungswärme  des  reinen 
Stickstoffes.  Nachdem  in  der  jüngsten  Zeit  De  war*)  das 
spezifische  Volumen   des   gesättigten  Stickstoffdampfes   experi- 

mentell    bestimmt    hat    und    durch    unsere  Versuche   —^   bei 

AT 

760  mm  auf  ca.  1  °/o  genau  festgestellt  ist,  so  lässt  sich  die 
Verdampfungswärme  des  reinen  Stickstoffs  nach  der  Clapey- 
ron'schen  Formel  j 

berechnen.  Es  ist  das  spezifische  Volumen^)  des  flüssigen 
Stickstoffs  1  ^^_ 

^      =1.265^'=°' 


*        0.791  —      gr 

das  spezifische  Volumen  des  gesättigten  Stickstoffdampfes') 


^^^•^^  X  77.33  =  219.5  ''"^ 


Drückt  man 


90.5  gr 

Dyn 


Ap^  .   r 

AT  '"^  [cm»l 


aus   und   nimmt 


'  Grad  Celsius 

man    als   Wärmeeinheit    die    15  Grad -Grammkalorie,    so    wird 
das  mechanische  Wärmeäquivalent') 

A  =  427  g  gew.  x  m  =  419  x  10*  Erg 

^)  J.  De  war,  Chemical  News  85,  S.  73—75,  1902. 

2)  Travers,  1.  c,  S.  247. 

3)  M.  Planck,  Thermodynamik.  S.  133. 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs.       147 

und  es  ergibt  sich  als  Verdampf ungs wärme  des  reinen  Stick- 
stoffes bei  seinem  normalen  Siedepunkt  für  ^  =  760  mm 

f  ^ 77.33(219.5  — 1.8)  x  91  x  3.183  x  10"^  =  48.9 (IS^-  Kai.). 

Für  sehr  sauerstoJBFreiche  Luft  hat  U.  Behn*)  50.8  Kalorien 
gefunden,  es  würde  demnach  die  Verdampfungswärme  des  Stick- 
stoffs etwas  kleiner  sein,  als  die  des  Sauerstoffs.  Macht  man 
die  Annahme,  dass  die  spezifischen  Volumen  des  gesättigten 
Stickstoffdampfes  in  dem  Intervall  von  62®  bis  77"  abs.  aus 
dem  von  De  war  direkt  gemessenen  Wert  von  256.83  bei  760  mm 
Druck  und  90.5®  abs.  nach  dem  Mariotte  Gay-Lussac'schen 
Gesetz  berechnet  werden  können  und  setzt  man  für  das  spezi- 
fische Volumen  der  Flüssigkeit  den  oben  angegebenen  Wert 
ein,  so  lässt  sich  auf  grund  unserer  Dampfspannungstabelle  die 
Verdampf  ungs  wärme  des  reinen  Stickstoffs  bis  zu  150  mm 
Druck  mit  einer  Genauigkeit  von  ca.  1  bis  3  °/o  berechnen. 
Die  Anwendung  des  Gasgesetzes  dürfte  kaum  einen  grösseren 
Fehler  hervorbringen,  da  sich  durch  die  Dewar'schen  Mes- 
sungen (1.  c.  S.  119)  ergeben  hat,  dass  das  Sauerstoff-  und 
Stickstoff-Gasthermometer  bis  zu  ihren  Siedetemperaturen  hinab 
die  gleichen  Werte  wie  das  Helium-  und  Wasserstoffthermometer 
liefern,  und  dass  das  spezifische  Volumen  des  gesättigten  Sauer- 
stoffdampfes   bei    dessen    normaler    Siedetemperatur    nur    um 

231.8-225.8  =  6.0  -^^,   das  ist  nur  2.6  %  kleiner  ist  als 
gr 

der  nach  dem  Mariotte =Gay-Lussac'schen  Gesetz  aus  der  nor- 
malen Gasdichte  des  Sauerstoffes  bei  0"  und  760  mm  berechnete 
Wert.*)  Es  ergibt  sich  nach  der  Clapeyron'schen  Formel 
für  die  Verdampfungswärme  des  reinen  Stickstoffs  bei  niedrigen 
Drucken  p  folgende  Tabelle,  wenn  v^  durch  die  Formel 

___  256.83  X  760      T   ccm 
^^  ""  90.5  *   p     gr 

berechnet  wird. 

»)  ü.  Behn,  Drude's  Annalen  1,  S.  274,  1900. 
2)  J.  Dewar,  Proc.  Roy.  Soc.   Vol.  08,  1901;  Chem.  News.  Vol.  83, 
S.  97,  1900;   85,  S.  74,  1902. 

10* 


148 


Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  3,  Mai  1902, 
Verdampfungswärme  des  Stickstoffs. 


Specifisches 

Ver- 

Für 

Für 

Druck 

Temperatur 

Volum 
des  Dampfes 

dampfungs- 

äussere 
Arbeit 

innere 
Arbeit 

mm  Hg 

absol. 

r  ccml 
*L  gr  J 

wärme 

verbrauchte 

verbrauchte 

r[150Cal.] 

Wärme 

Wärme 

760 

77.33 

219.5 

48.9 

5.27 

43.6 

730 

77.00 

227.4 

49.51 

— 

— 

600 

75.44 

271.1 

49.7 

5.15 

44.5 

500 

74.03 

319.3 

49.7 

5.06 

44.6 

400 

72.40 

390.3 

50.2 

4.95 

45.2 

300 

70.42 

506.2 

51.5 

4.82 

46.7 

250 

69.2 

596.9 

50.1 

4.74 

45.4 

225 

67.80 

656.8 

50.9 

— 

— 

180 

67.13 

804.2 

49.9 

4.60 

45.3 

170 

66.78 

847.1 

50.5 

— 

— 

150 

66.45 

949.6 

50.45 

4.53 

45.9 

120 

64.75 

1163.6 

48.64 

4.44 

44.2 

100 

63.65 

1372 

43.1 

4.37 

38.7 

90 

62.94 

1508 

35.6 

4.32 

29.3 

Es  würde  demnach  die  Verdampfungswärme  des  Stick- 
stofiFes  und  zwar  sowohl  die  gesamte  als  die  innere  latente 
Darapfwärme  mit  sinkender  Temperatur  erst  anwachsen,  ein 
Maximum  zwischen  400  mm  und  150  mm  erreichen,  um  dann 
sehr  rasch  abzunehmen.  Die  Schwankungen  in  den  einzelnen 
Werten  sind   durch    den    grossen  Einfluss  der  nur  schwer  be- 


stimmbaren Grösse 


dp 
TT 


verursacht.    Man  sieht  aber  aus    der 


Tabelle,  dass  jedenfalls  die  Untersuchung  der  Verdampfungs- 
wärme des  StickstojBFs  in  der  Nähe  seines  Erstarrungspunktes 
besonderes  Interesse  verdient.  Sie  dürfte  über  die  oben  er- 
wähnten (S.  140)  Abweichungen  bezüglich  der  Ramsay 'sehen 
Formel  näheren  Aufschluss  geben.  Der  eine  von  uns  ist  zur 
Zeit  damit  beschäftigt,  diese  Grösse  experimentell  zu  bestimmen. 
Ein  ähnliches  Verhalten  wie  das  des  Stickstoffs  wäre,  ist  bei 
der  Essigsäure  bereits  bekannt.*) 


^)  W.  Ramsay  und  S.  Young,   Zeitschrift  f.  Physikal.  Chem.  1, 
S.  250,  1887. 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannung  des  reinen  Stickstoffs,       149 

9.  Die  Kenntnis  der  Verdampfungswärme  des  reinen 
Stickstoffes  ermöglicht  nun  die  bereits  oben  (S.  133)  erwähnte 
Bemerkung,  dass  bei  verschiedenen  Stickstoffproben  Siedepunkts- 
erhöhung  und  Qefrierpunktserniedrigung  parallel  auftreten, 
quantitativ  näher  zu  verfolgen.  Fasst  man  nämlich  flüssige 
Luft  als  Lösung  von  Sauerstoff  in  Stickstoff  auf,  und 
wendet  man  die  allgemeine  van  t' Hoff 'sehe  Formel  für  die 
Siedepunktserhöhung,*)  welche  ein  Molekül  des  gelösten  Stoffes 
(Sauerstoff)  in  100  g  des  Lösungsmittels  (Stickstoff)  hervor- 
bringt, auf  unseren  Fall  an,  so  wird  nach  van  t'Hoff 


T-T   =    0-0198  X  T\ 

0  y  ' 


4o.y 

bei  760  mm  Druck;  das  wäre  also  die  Siedepunktserhöhung, 
welche  32  g  Sauerstoff  in  100  g  Stickstoff  hervorbringen.  Es 
würde  daraus 

für  1  g  Sauerstoff  in  100  g  Stickstoff  0,0768*^  Siedep.= Erhöhung 

folgen.  Nehmen  wir  an,  wir  hätten  bei  unseren  Versuchen 
Stickstoff  gehabt,  der  im  Maximum  0,5  ®/o  Sauerstoff  enthielt, 
80  würde  das  eine  Siedepunktserhöhung  von  0,038®  geben, 
also  eine  Unsicherheit  liefern,  die*kleiner  ist  als  die  oben  an- 
gegebene Fehlergrenze,  die  wir  bereits  vor  der  Berechnung 
der  Siedepunktserhöhung  angenommen  hatten.  Es  lässt  sich 
diese  Auffassung  der  flüssigen  Luft  als  Lösung  von  Sauerstoff 
in  Stickstoff  zahlenmässig  prüfen  durch  die  Beobachtungen 
Baly's*)    über    die    Aenderung    der    Siedetemperatur    normal 


*)  M.  Planck,' Thermodyn.  S.  233,  1897  und  Kohlrausch,  Lehr- 
buch der  pr.  Phys.,  9.  Aufl.,  S.  170,  1901.  Der  Dampf  eines  Gemisches 
von  Sauerstoff  und  Stickstoff  enthält  nach  Baly  Phil.  Mag.  49,  S.  519, 
1900  einen  sehr  viel  kleineren  Procentgehalt  an  Sauerstoff  als  die  Flüssig- 
keit, 80  dass  die  Dampfspannung  des  Sauerstoffs  im  Dampfe  angenähert 
vernachlässigt  werden  kann,  so  lange  die  Flüssigkeit  nicht  mehr  als 
10  bis  20  ^lo  Sauerstoff  enthält. 

2)  E.  C.  C.  Baly,  Phil.  Mag.  49,  S.  521,  1900. 


150 


Sitzung  der  math.-phys.  Clause  vom  3.  Mai  1902. 


siedender  Gemische  von  Sauerstoff  und  Stickstoff.  In  der 
folgenden  Tabelle  enthält  I  und  II  die  Beobachtungen  Baly's, 
III  die  dadurch  bestimmten  Siedepunktsdifferenzen ;  in  IV  sind 
die  aus  der  allgemeinen  van  t' Hoff 'sehen  Gleichung  be- 
rechneten Siedepunktserhöhungen  eingetragen,  und  in  V  die 
Siedepunktsdifferenzen,  welche  sich  ergeben,  wenn  man  als 
Wert  für  den  Siedepunkt  des  reinen  Stickstoffs  unseren 
Wert  77,33"  abs.  annimmt,  im  übrigen  aber  die  Baly 'sehen 
Zahlen  verwendet. 

Siedepunktserhöhungen  des  Stickstoffs  bei  760  mm  Druck. 


Baly's  Beobachtungen 

III. 

Mit  Baly's 

Siedepunkt 

77.54  abs. 

erhalten 

IV 

Nach 

van  t' Hoff 

berechnet 

0.00 
0.62 
1.16 
1.64 
2.105 

V 

I 

^}i)  Sauerstoff 

II 

Absol.  Siede- 
temperatur 

Mit  unserem 

Siedepunkt 

77.33  ±  0.050 

berechnet 

0.00 

8.10 

15.25 

21.60 

27.67 

77.54 

78.0 

78.5 

79.0 

79.5 

0.00 
0.46 
0.96 
1.46 
1.96 

0.67  +  0.05 
1.17  +  0.05 
1.67  +  0.05 
2.17  +  0.05 

Die  Tabelle  gibt  eine  Uebereinstimmung  mit  der  van  t 'Hoff- 
sehen  Formel,  die  überrasch^d  gut  ist.  Der  Unterschied  zwi- 
schen den  mit  Hilfe  des  Baly 'sehen  Siedepunktes  des  reinen 
Stickstoffes  ermittelten  Siedepunktserhöhungen  und  den  nach 
van  t'Hoff  berechneten  legt  den  Schluss  nahe,  dass  der 
Baly 'sehe  Stickstoff*  nicht  genügend  rein  war,  da  die  Diffe- 
renzen zwischen  den  entsprechenden  Zahlen  in  Kolumne  III 
und  IV  konstant  sind;  der  Unterschied  von  0,18®  würde  einer 

0  18 
Verunreinigung  von   -FTryfw-  =  2.4  ^fo  Sauerstoff  entsprechen, 

d.  i.  eine  Verunreinigung,  die  sehr  leicht  unterläuft,  wenn 
man  sich  nicht  sehr  in  Acht  nimmt,  den  Stickstoff  mit  Luft 
nicht  in  Berührung  zu  bringen;  schon  wenn  der  Stickstoff  vor 
der  Verflüssigung  in  einem  Gasometer  aufgefangen  wird,  erhält 
man  leicht  2  ®/o  Sauerstoff  beigemengt. 


Fischer  und  Alt:  Dampfspannuinj  des  reinen  Stickstoffs.       151 

Allein  es  kann   die  Differenz  von  77.54  —  77.37  =  0.17^ 
zwischen  unserem  Werte  für  den  Siedepunkt  des  reinen  Stick- 
stofls  und  dem  Baly' sehen  auch  davon  herrühren,  dass  Baly 
erstens  mit  einem  WasserstoflFthermometer  für  konstanten  Druck, 
wir  mit  einem  solchen  für  konstantes  Volum  die  Temperaturen 
bestimmten   und  dass  zweitens  Baly  wahrscheinlich  einen  an- 
deren   Temperaturkoeffizienten    für    Wasserstoff    angenommen 
hat  als  wir;   Baly    gibt    leider   in  seiner  Arbeit  diesen    nicht 
an.     Wahrscheinlich  hat  Baly    den  Wert  a   (für  konstanten 
Druck)  =  0.0036600  verwendet,  den  Travers  (Experimental 
Study  of  Oases  S.  151,    1901)    angibt.     Es    würde    in    diesem 
Falle  als  absoluter  Nullpunkt  —  273.22  zu  nehmen  sein  d.  h. 
derselbe  um  0.18®   tiefer   liegen    als   für   das  Konstant volum- 
wässerstoflfthermometer,    für    das    a    (für    konstantes    Volum) 
=  0.0036625  gesetzt  wird;  dann  würde  unsere  Beobach- 
tung des  Siedepunktes  des  reinen  Stickstoffs  mit  jener 
ßaly's  bis  auf  0.17— 0.14  =  0.03**  genau  übereinstimmen. 
Die    experimentelle    Feststellung    der    Gefrierpunkts- 
erniedrigung   des    Stickstoffs,    die    sich    ohne    besondere 
Schwierigkeit    anstellen    lässt,     und    die    Beobachtungen    der 
Schmelzwärme   des  Stickstoffs  würde    die    obige    Ansicht   über 
die  Natur  der  flüssigen  Luft  noch  weiter  zu  prüfen  gestatten; 
nimmt  man  an,  dass  sie  bereits  durch  Vergleich  der  theoretisch 
und  experimentell  ermittelten  Siedepunktserhöhungen  genügend 
begründet    ist,    so   würde    die    experimentelle    Ermittlung    der 
Gefrierpunktsemiedrigung  allein  zur  Berechnung  der  Schmelz- 
wärme   nach    der    van  t' Hoff 'sehen    Formel    dienen    können. 
Nach    dem    Verhalten    der    Lösungen    zu    schliessen, 
würde  Stickstoff  bei  genügend  tiefer  Temperatur  aus 
flüssiger  Luft   ausgefällt   werden   können    und    damit 
ein  sehr  vollständiges  Trennungsverfahren  für  Sauer- 
stoff und    Stickstoff  erzielbar    sein.     Der  eine  von    uns 
ist  nach  dieser  Richtung  hin  mit  Versuchen  beschäftigt. 


152 


Sitzung  vom  7.  Juni  1902. 

1.  Herr  Carl  v.  Linde  macht  eine  Mittheilung  über: 
^Beobachtungen  bei  der  fractionirten  Destillation 
und  Rectification  flüssiger  Luft**.  Dieselbe  wird  ander- 
weit zur  VeröflFentlichung  gelangen. 

2.  Herr  Ferd.  Lindemann  legt  eine  Abhandlung:  »Ueber 
das  Pascal'sche  Sechseck**  vor. 

3.  Herr  K.  A.  v.  Zitiel  überreicht  eine  Arbeit  des  Ober- 
medizinalrathes  a.  D.  Dr.  Joseph  Georg  Egger:  „Ergänzungen 
zum  Studium  der  Foraminiferen-Familie  der  Orbito- 
liniden*  (mit  2  Tafeln).  Dieselbe  ist  für  die  Denkschriften 
bestimmt.  ' 

4.  Herr  Alfr.  Pringsheim  macht  eine  Mittheilung:  „Zur 
Theorie  der  ganzen  transcendenten  Funktionen*. 

5.  Herr  Aug.  Rothpletz  hält  einen  Vortrag:  „üeber  den 
Ursprung  der  Thermalquellen  zu  St.  Moritz**. 


153 


üeber  das  Fascarsche  Sechseck. 

Von  F.  Lindemann« 

(Eifig0!aufen  7.  Juni.) 

Es  gibt  eine  ausserordentlich  grosse  Zahl  von  Lagen- 
beziehungen zwischen  den  Punkten  und  Linien  der  vollständigen 
Figur  des  PascaPschen  Sechsecks.  Sie  beziehen  sich  meistens 
auf  die  Steiner'schen  und  Kirk  man 'sehen  Punkte,  in  denen 
sich  die  Pascal'schen  Linien  zu  dreien  schneiden,  und  auf 
die  Gruppirung  dieser  Punkte  auf  gewissen  anderen  Geraden. 
Im  Folgenden  soll  eine  Lagenbeziehung  abgeleitet  werden, 
die  sich  auf  einfache  Schnittpunkte  der  Pascal'schen  Linien 
mit  solchen  Verbindungslinien  PascaTscher  Punkte  bezieht, 
die  nicht  selbst  Pascal'sche  Linien  sind. 

Wir  bezeichnen  die  sechs  Punkte  des  Kegelschnittes  in 
üblicher  Weise  mit  den  ZifiFern  1,  2,  3,  4,  5,  6,  ferner  die 
Verbindungslinie  der  Punkte  1  und  2  z.  B.  durch  das  Symbol 
1  —  2  und  den  Schnittpunkt  der  Linien  1  —  2  und  3  —  4  durch 

das  Symbol 

(12—34). 

Auf  einer  PascaPschen  Linie  befinden  sich  dann  z.  B. 
die  drei  Pascal'schen  Punkte 

(12  —  34),   (35  —  26),   (46—15). 

Nach  dem  Vorgange  von  Salmon  bezeichnen  wir  diese 
Linie  durch  das  Symbol 

12  .  35  .  46 
34  .  26  .  15 


154 


Sitzung  der  math.-phya.  Glosse  vom  7.  Juni  1902. 


M 


46  •  35 
15-26 


12 
34 


das  mit  den  Symbolen 

35 -46 -12 
26  •  15  •  34 

gleichbedeutend  ist;  in  jeder  der  beiden  Horizontalreihen  dieses 
Symbols  muss  jeder  der  sechs  Punkte  gerade  einmal  vorkom- 
men. Diese  60  Pascal'schen  Linien  schneiden  sich  zu  dreien 
in  den  45  Steiner 'sehen  Punkten;   z.  B.  die  drei  Linien 

I  12.35-46)       f  34 -26 -15)      ]  56  -  14  •  23  ) 
I  34  -  26  -  15  I  '   I  56  •  14  -  23  I  '  |  12  •  35  -  46  | 


gehen  durch  einen  Stein  er 'sehen  Punkt,  den  wir  mit  Salmon 
durch  das  Symbol 


f 12-35 
34  -  26 
56.14 


46 


23 


bezeichnen.  Jede  der  Ziffern  1,  ....  6  steht  hier  in  jeder 
Horizontal-  und  Vertical-Reihe  je  einmal;  vertauscht  man  die 
Horizontalreihen  unter  einander  oder  die  Verticalreihen  unter 
einander,  so  bleibt  der  so  bezeichnete  Punkt  ungeändert. 

Ausserdem  schneiden  sich  die  60  Pascal'schen  Linien  zu 
je  dreien  in  den  45  Kirkman'schen  Punkten,  z.  B.  die  drei 
Linien 


112-35-46)      I  34 -26 -15)       (56-13-24) 
(  34  -  26  -  15  J  '  (  56  ■  13  •  24  )  '  (  12  -  46  -  35  ) 

in  einem  Punkte,  den  wir  (wieder  mit  Salmon)  durch  das  Symbol 


12-35-46 

34-26-15 

.  56  •  13  -  24 

bezeichnen,  wobei  wieder  die  Anordnung  der  Verticalreihen 
und  der  Iloiizontalreihen  je  unter  sich  gleichgültig  ist.  Der- 
selbe Punkt  würde  überdies  durch  die  Symbole 


12  •  46  • 

35 

34 

26 

•15 

56  •  V?,. 

24 

oder  . 

56 

13 

24 

34  -  26 

15 

12 

46 

35 

F.  Lindemann:  Ueber  das  Pascal'sche  Sediseck. 


155 


bezeichnet  werden;  denn  die  Linien 

12  .  46  •  35  )      f  56  •  13  •  24 
.  56  •  13  .  24  (  '   I  34  •  26 
oder 

34-26 
56-  13 


]      f  56 -13 -24)  I  34 -26    15) 

(  '   I  34-26    15  )  '  (  12.35-46  J 

•15  1      I  56    13 -24)  (12-46 -35) 

•24  j  '[  12-46-35  j  '  134-15-26  J 


sind  vor  den  zuerst  gegebenen  drei  Linien  nicht  verschieden. 
In  dem  Symbole  des  Kirk  man 'sehen  Punktes  ist  eine  Vertical- 
reihe  vor  den  beiden  anderen  ausgezeichnet,  indem  nur  diese 
alle  sechs  Punkte  ohne  Auslassung  und  ohne  Wiederholung 
enthält;  diese  Verticalreihe  ist  durch  einen  darüber  gesetzten 
horizontalen  Strich  markirt. 

Auf  jeder  Pascal'schen  Linie   gibt  es  drei  solche  Kirk- 
man'sche  Punkte,  z.  B.  auf  der  Linie 


die  Punkte 


12-34 
45-16 


•56) 
-23| 


12  -  34  •  56 
45-16-23 
36  -  24  - 15 


12-34 

■56' 

45  16 

23 

»  ■ 

13-25 

■46 

12  •  34  •  56 
45-16-23 
26  -  35  -  14 


12 

35  -  46  ' 

45 

■26-13 

'  »  • 

36 

15  •  24 

15 

34 

■26' 

24 

16 

35 

^  1     ' 

13 

25 

46 

Ferner  liegen  zwanzigmal  drei  Kirkman'sche  Punkte  mit 
einem  Steiner'schen  Punkte  auf  einer  Cayley-Salmon'schen 
Geraden,  und  zwar  z.  B.  die  drei  Punkte 

13-24-56 
46 •  15  -  23 
35-26-14 

mit  dem  Steiner'schen  Punkte 

12  •34- 56) 
45-16    23 
36-25-14 

Die  Beweise  für  diese  und  viele  andere  Sätze  werden  be- 
kanntlich am  leichtesten  mittelst  des  Dcsargu es' sehen  Satzes 


156  Sittung  der  math.'phy8.  Gasse  vom  7,  Juni  1903, 

über  perspectiv isch   liegende  Dreiecke  geführt,^)  der  auch   die 
Orundhige  der  folgenden  Betrachtung  bildet. 

Ks  seien  zwei  Dreiecke  A^  und  Jj,  bezw.  durch  die  fol- 
geiulon  Linien  gebildet: 

Ij  : /,  oder  1  —  2,  l^  oder  3  —  4,  l^  oder  5  —  6; 

_  jl2.35.461  ^|16.35.42)  ^|13. 56.24) 

*~(45.16.23J'      2~\34.26.15J'      ^~  \46. 23.15  J' 

Die  Seiten  der  Dreiecke  mögen  einander  so  zugeordnet 
Wk'i'don,  wie  sie  hier  unter  einander  stehen. 

Kntsprechende  Seiten  der  Dreiecke  A^  und  A^  schneiden 
«ich  dann  in  den  Pascal'schen  Punkten 

(12  —  45),     (34  —  1 6),     (23  —  56), 

welche  sich  auf  der  Pascal'schen  Linie 


I,  :>l 


^  I  12  .  34  .  56  i 
145.16.23  j 


iM^liiulen,  Diese  beiden  Dreiecke  liegen  also  perspectivisch,  und 
VH  mllss(»n  auch  die  Verbindungslinien  entsprechender  Ecken 
(luH'h  (»inen  Punkt  gehen.  Als  Ecken  von  A^  haben  wir  die 
Piisciirschen  Punkte 

(34  —  56),     (56  -  12),     (12  —  34), 

und  hIn  zug(»()rdnete  Ecken  von  A^  zwei  mit  P  und  Q  be- 
/i^itlinete  Punkte  und  einen  PascaTschen  Punkt,  ncmlich 

(15-24),         P,         (3, 

svolixi  uImo  /'  den  Schnittpunkt  der  Linien 

(  13.  56 -24  1        ^    f  12 -35 -46] 
l-J«. 23.15)  ""^  145.16.23} 

')  V^'l.  «lio  zahln»irhen  Anwendungen  dieser  Beweismethode  bei 
r.  VoroiifNi',  Nuovi  teoremi  sull'  Hexagnimmum  mysticum,  Atti  della 
|{.  AirjuliMniii  ilri  Lincei;  Ser  III,  classe  di  sc.  fis.,  mat.  e  naturw.  1877 
\\\\\\  WtMlokind,  Lagcnbeziehungen  bei  ebenen,  perspectivischen  Drei- 
m-kiMi,  Math.  AiinaltMi,  Hd.  16,  1871). 


F.  Idndemann:  Ueber  das  Pascal'iche  Sechseck  157 

oder  kurz  den  Punkt 

p  _  rj  13  •  56  •  24  J  _  I  12  •  35  •  46  1 1 
[{46 -23    15)      l45-16-23|J 

bezeichnet,  und  ebenso  Q  den  Punkt 

O— rn^- 35-46  )_f  16.35-42  1] 
^       Li  45 -16 -23  1       \  34-26-15  iJ" 

Die  Verbindungslinie  der  Ecke  (34  —  56)  von  ^J,  mit  der 
zugeordneten  Ecke  (15  —  24)  von  zJ,  ist  die  Pascal'sche  Linie 


_  I  34  - 15  •  26  1 
~  I  56-24-13  J' 


diese  geht  also  durch  den  Schnittpunkt  der  Linien 

[P— (56  — 12)]  und  [(3  — (12-34)], 

den  wir  zur  Abkürzung  als  Punkte  bezeichnen. 

Um  zu  einem  solchen  Punkt  E  zu  gelangen,  theilt  man 
die  sechs  gegebenen  Punkte  in  drei  Paare,  etwa:  1  —  2,  3  —  4, 
5  —  6  (was  auf  15  Arten  geschehen  kann);  dadurch  ist  die  zu 
benutzende  und  oben  definierte  Pascal'sche  Linie  L  nicht  ein- 
deutig bestimmt,  kann  vielmehr  durch  eine  der  folgenden 
ersetzt  werden: 

,^{12-56-34 
I46-23-15 


1       r"_/12-56-341         ,„_|12. 56-341 
j'  I35-2416)'  145-13-26/' 

{12-56-341       i<,_(12-56-341 
136-24 -15)'  (46 -13 -25)' 

12-56-34  12-56341 

135    14- 26)'  1  36- 14-25  )• 


Hat  man  L  unter  diesen  acht  Linien  ausgewählt,  so  gibt 
es  zu  jeder  noch  drei  Linien  A\  bei  der  oben  gewählten  war 
das  Paar  1 — 2  ausgezeichnet;  mit  ihr  gleichberechtigt  sind 
die  beiden: 

12  •  53  -  64 
34  -  62  -  51 


I  12-35-461 
»~1  56-42-31)'        »~ 


158 


Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  7.  Juni  1902, 


Durch  L  und  A  ist  dann  Aj  eindeutig  bestimmt,  ebenso 
Ag  und  A3,  denn  die  zu  Aj  in  A^  gegenüber  Hegende  Ecke  ist 
durch  die  Schnittpunkte  der  Linien  l^  und  l^  mit  L,  d.  h.  durch 
die  Punkte  (23  —  56)  und  (34  — 16)  vollkommen  bestimmt. 
Im  Ganzen  gibt  es  hiernach 

15  .  8  .  3  =  360 

Punkte  jB;   auf  jeder  PascaPschen  Linie  befinden  sich 
also  sechs  solche  Punkte. 

Gehen  wir  z.  B.  von  der  Pascal'schen  Linie  A  aus,  wo 
wieder 

A 


I  34.15-26  1 
\  56  .  24  .  13  1 


gewählt  wurde,  so  wird  auf  ihr  ein  Punkt  E  bestimmt  sein, 
sobald  noch  eine  zugehörige  Linie  L  passend  gewählt  ist;  das 
kann  aber  in  der  That  auf  sechs  verschiedene  Arten  geschehen ; 
und  zwar  findet  man  je  zwei  Linien  L  für  jede  der  drei  noch 
möglichen  Theilungen  der  sechs  Punkte  in  drei  Paare: 

I    34,   56,   12, 

II    15,  24,  36, 

III    26,   13,  45. 

Für  I  ergibt  sich: 


Li 


ebenso : 


=1 


Lu  = 


Lm  ^ 


12.34 
45-16 

36-15 
45-32 

45-26 
12-35 


56 
23 

24 
61 

13 
46 


Li  = 


!• 


12 

36 

36 
12 

45 
36 


34-56 
25-14 

15-24 
46-35 

26-13 
14-25 


Je  zwei  zusammengehörige  Linien  schneiden  sich  in  einem 
Steinei'schen  Punkte;  diese  Punkte  nennen  wir  Sj,  Su,  Sm, 
nemlich: 


12 -34 -561 
-S/  =  ,'45-16-23' 


=1: 


36 -25 -14] 


Sn 


'36-15-24 

45-32-61 

.12-46-35 


,    Sm  =  \ 


45-26-13' 

12-35-46 

36-I4-25J 


F.  Lindemann:  üeber  das  Pascal* sehe  Sechseck.  159 

Den  drei  Symbolen  ist  die  erste  Verticalreihe  gemeinsam; 
ihnen  beigeordnet  ist  ein  vierter  Punkt 

134  .  56  .  12  ] 
15.  24.  36  [, 
26  .  13  .  45  j 

dessen  Symbol  dieselbe  Verticalreihe  enthält. 

Vertauschen   wir  entweder  4  mit  5  oder  3  mit  6  oder  1 
mit  2  und  ersetzen  dem  entsprechend  A  bes.  durch 

.._f35.14.26l        ,,_|46.15.23l        ,_|34.25   16l 
~J46.25.13J'         ~|35. 24.161'  J56.14.23J' 

so  werden  statt  der  Punkte  Sy,  /S//,  Sm  bes.  die  Punkte 

Sü,       Si,         Siv       für  A"' 
Sjjij      S/F,       Sj  j,    A 

Siv,       Sin,       Sii         „    A 

benutzt.  Je  vier  Linien  A  führen  also  hierbei  auf  dieselbe 
Gruppe  von  vier  Steiner'schen  Punkten,  wie  es  sein  muss,  da; 
es  60  Pascal'sche  Linien  und  nur  15  solche  Gruppen  von 
Steiner'schen  Punkten  gibt. 

Zu  jedem  Steiner'schen  Punkte  gehört  bekanntlich  ein 
conjugirter;  er  ist  conjugirter  Pol  desselben  sowohl  in  Bezug 
auf  den  Kegelschnitt,  der  die  Punkte  1,  2,  3,  4,  5,  6  enthält, 
als  in  Bezug  auf  einen  der  zehn  zugehörigen  Bäuerischen 
Kegelschnitte;*)  man  erhält  ihn,  indem  man  Horizontal-  und 
Verticalreihen  im  Symbole  des  gegebenen  Steiner'schen  Punktes 
vertauscht.     Zu  Siy  ist  so  der  Stein er'sche  Punkt 

r  34  .  15  .  26  I 

Sjv  =  {  56  .  24  .  13  [ 

l  12.36-45  J 

conjugirt;    er  befindet  sich  auf  der  Linie  yl,   von  der  wir 
ausgingen;  ebenso  liegen  die  zu  Sm,  Su,  Si  conjugirten  Punkte 

')  Vgl.  G.Bauer,  Ueber  das  Pascarsche  Theorem,  Abhandlungen 
d.  k.  bayer.  Akademie,  II.  Chisse,  Bd.  9,  1874. 


160 


SÜMung  der  wath^-phjfS.  Ciaae  vom  7,  Juni  1902 


bez.  auf  den  Linien  Ä'\  Ä"^  A\  Diese  vier  conjugirten  Punkte 
befinden  sieb  überdies  auf  einer  sogenannten  Steiner  sehen 
Geraden- 

Bringt  man  die  Linien  L  in  anderer  Anordnung  zum 
Schnitte,  so  ergeben  sich  drei  Kirk manische  Punkte»  deren 
Symbole  eine  gern  einsame  Verticalreihe  haben,  nemlich 


\  36  <  15  .  24  I 


CXi-Zk)  = 


.  f  12  ■  46  •  35  I 
I  45  » 13  >  26  I 


45  '  26  ■  13 
36  -  14  -  25 
12  '  56  '  34 


Diese  einzelnen  Bemerkungen  sind  Folgen  der  Thatsache, 
von  der  wir  ausgingen,  und  die  wir  dahin  aussprechen  künnen, 
dass  zu  jedem  Dreiecke,  dessen  Seiten  die  Ecken  des 
Sechsecks  enthält,  acht  Gruppen  von  je  drei  Dreiecken 
gehören,  deren  Seiten  PascaPsche  Linien  sind,  und 
deren  jedes  zum  ersten  Dreiecke  jjer.spectivisch   liegt. 

Gebt  man  andererseits  von  der  Linie 


H 


_  j  12- 35. 46  1 
'  ~  I  45  •  16 .  23  I 


BUS,  SO  künnen  die  zugehörigen  Paare  ^,  und  I,  auf  drei  rer- 
scbiedenc  Weisen  nach  leicht  erkennbarem  Gesetze  gewählt 
werden,  neoilicb 


46 
13 


11  = 


12 
34 


23-15 
56.24 

16-24 
25-36 

45-36 
26-15 


}• 


_  f  35    16.24  i 
»~  126  •  34.15  j' 

.,  ^  (  12-45.36  I 
"'        156    13  •24/' 

..  _|  46.23-15  I 
*~125    14.36J" 


Diese  Linien   schneiden   sich  paarweise   in  Steiner'scben 
Punkten,  nenilich  es  ist 


F.  Lindtmann:  üeber  das  Pascäl'sche  Sechseck. 


161 


12-45 

(>li>lj)  =  p4.26 

56-13 

46-23 


(A2>15)  = 


ihXi)  = 


36^ 

15     =2-„ 

24  J 


=  2-. 


=  ^,- 


Den  drei  Symbolen  ist  die  letzte  Verticalreihe  gemeinsam; 
deia    dazu   gehörigen   vierten  Punkt  mit  gleicher  Verticalreihe 
erkennt  man  als  identisch  mit  dem  obigen  Punkte  Sjr,  welcher 
auf  ii  liegt.     Die  Punkte  2*^  und  -Zj  haben  mit  den  Punkten 
Si  und  Sjü  die  Horizontalreihe  36  — 14  —  25  gemeinsam;  diese 
vier  Punkte  befinden  sich  daher  auf  einer  Steiner'schen  Geraden. 
Geht  man  von  einer  Pascal'schen  Linie  (Aj)  aus,  so 
gibt  es  auf  derselben  hiernach  drei  Paare  von  Punkten 
(P,  Q),  in  denen   sie  von   anderen  Pascal'schen  Linien 
(^2  ^nd  Aj)  so  geschnitten  wird,  dass  die  Verbindungs- 
linien dieser  Schnittpunkte  mit  gewissen  Pascal'schen 
Punkten  (Schnitten  von  ?,  mit  l^  und  l^)  sich  auf  einer 
Pascal'schen  Linie  treffen. 


1902.  Sitxungsb.  d.  math.-phys.  CI. 


11 


163 


Zur  Theorie  der  ganzen  transcendenten  Functionen. 

Von  Alfred  Fringsheim. 

(Singtlaufm  80.  Juni.) 

Herr   Poincar^   hat   bereits   im  Jahre   1883    einen   Satz 

bewiesen,^)    welcher    eine    Beziehung    angiebt    zwischen    dem 

infinitären    Verhalten    einer    ganzen    transcendenten    Function 

g{x)  =  ^Cya?"  für  |a?|  ^  00  und  demjenigen  der  Coefficienten 

Cr  für  V  =  00.     Damach  hat  man  allemal:*) 

j_ 
lim  (v !)  m  •  Cy  =  0, 

wenn  für  jedes   beliebig   kleine    6>0   die   Bedingung   er- 
füllt ist: 

limc"*'*!    'g{x)^0      (m  eine  natürliche  Zahl), 

anders  ausgesprochen,  wenn  zu  jedem  e  >  0  eine  positive  Zahl 
-Rf  existirt,  sodass: 

|^(a;)|<^-l*l'"       für  \x\>  R,. 


^)  Bulletin  de  la  sog.  math.  de  France,  T.  11  (1883),  p.  142. 
*)  Aus   dem   von  Herrn  Poincare   gegebenen  Beweise   folgt 
sogar  (ohne  dass  es  a.  a.  0.  ausdrücklich  erwähnt  wird): 


vH?L|/  (v!)--c,  =  0. 


11« 


164 


SiUung  der  maOu-phifs.  Ülasse  vom  7.  Juni  19ÖJ^. 


Späterhin  hat  Herr  Hadamard^)  gezeigt,  dass  der  Satz 
nicht  nur  merklich  venillgenoeinert^  jq's  besondere  ohne  weiteres 
auf  be  Hob  ige  positive  7h  übertragen  werden  kann,*)  sondern 
dass  derartige  Sätze  bei  geeigneter  Fornmlirung  auch  um- 
kehrbar sind»^) 

Da  die  betreffenden  Beweise  durchweg  ziemlich  compli- 
cirte  Hülfstnittel  verwenden*)  nnd  es  mir  andererseits  wün- 
scbenswerth  erschien,  jene  Sätze  in  passendem  Umfange  für 
die  elementare  Functionen-Theorie  zu  gewinnen,  so  habe  ich 
vei"sucht,  dieselben  in  muglicbst  elementarer  Weise  neu  zu 
begründen.  Die  im  folgenden  mitzutheilenden  Beweise  scheinen 
mir,  abgesehen  von  der  Geringrügigkeit  der  hierzu  aufgewen- 
deten Hülfsmittel,  auch  grössere  Präcision  und  einen  tieferen 
Einblick  in  Grundlage  und  Wesen  der  fraglichen  Beziehungen 
zu  geben:  diese  gruppiren  mch  in  sehr  übersichtlicher  Weise 
um  einen  lediglich  auf  gewisse  Reiben  mit  positiven  Termen 
bezüglichen  Hauptsatz  (§  1  und,  vermittelst  eines  elementaren 
Hülfssatzes  g  2,  in  verallgemeinerter  Form  §  8)i  dessen  dualisti- 
sche Fassung  unmittelbar  auch  das  Maass  ihrer  Umkehr  bar- 
keit erkennen  lässt  (§  4,  §  5).  Eine  einfache  üeberlegung 
zeigt  dann,  wie  die  für  jene  Reihen  mtt  positiven  Termen 
gewonnenen  Resultate  für  die  Theorie  der  ganzen  transcen- 
denten  Functionen  nutzbar  geraacht  werden  können  (g  6), 


*)  :^tude  9ur  lee  proprietea  doa  fonctiona  entieres  ete.r 

Joum.  de  Math,  Serie  IV,  T,9  (1893),  p.  171  ff, 

3)  a.  a.  0,  p,  183. 

3)  a.  a.  0.  p.  180. 

*)  Man  vergleiche  auch  die  DiBsertatioa  von  K.  von  Seh  aper: 
Ueher  die  Theorie  der  Hadamard^achen  Functionen  etc. 
iGöttiugen,  1898)  p,  15—23,  —  E,  BorelT  Le^ons  sar  les  fonctiona 
entierea  (Fans  19ü0),  jj»  53— 56.  —  Ernst  Lindelöf,  Memoire  Bur 
la  theorie  dea  fünetiona  entierea  de  genre  fiüh  Acta  boc. 
scieat.  Fennieae.  T.  31  (1902),  p.  3B  ff. 


A.  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transe.  Functionen,     1 65 

§  1- 

Es  bedeute  r  eine  reelle  positive  Veränderliche,  S^^y^" 
und  SC'vr"  je  eine  beständig  convergirende  Reihe  mit  re- 
ellen, nicht-negativen  Coefficienten. 

Hauptsatz:    Besteht  von  den  beiden  Begehungen: 

00 

(1*)  Ü-Cvr-^^-C'' 

0 

(1")  S-Cvr-^^-C"- 


(^  >  0,  y  >  0) 


Äc  erste  für  alle  r,  welche  eine  gewisse  positive  Zahl  R  über- 
steigen, die  zweite  zum  mindesten  für  unendlich  viele  r, 
\irder  denen  auch  beliebig  grosse  vorkommen,  so  ist: 

(2*)     li^  i?iT^,  <  y,        (2^)  ii^i?;Ta>y. 

Beweis.     Setzt  man  in  (!■)  r  =  Xq,  so  folgt: 

R 

S"  Cy  A"  •  ^^  ^  ^  •  c^^^,   falls  A  >  — -» 

und  nach  Multiplication  mit  dem  Factor  e"^: 

00 

0 

Substituirt  man  A  =  m  +  1»  m  -\-  2,  .  ,  ,  in  inf.  (wo: 
'^J  + 1  >  — ),  so  ergiebt  sich  durch  Addition  der  betreffenden 
Relationen : 


(2) 


0  \m  +  l  /  m-l-1 


Dabei  ist  die  rechts,  folglich  auch  die  links  auftretende 
Reihe  convergent,  wenn  1  — yQ^O,  also  für  ^  <  — .  Da 
überdies: 


166 


SUisung  der  mathrphys,  üla&se  mom  7.  Juni  1903. 


m* 


I  ,  C         1 


und  somit  die  Reihe 


0  V 1 

gltnchzeitig  mit  ^c^Q"  beständig  convergirt,  so  folgt, 
wenn  man  diese  letztere  Ileihß  zu  der  linken  Seite  von  (2) 
adilirt,  da^: 


(3) 


S-^  S, '  tv '  e%  wo;  S,  =  1>  i-^  *  e-^ 


1 


für  p  *C  "~"  Donvergirt* 

Um    zunächst    das    entsprechende    Divergenz- Resultat 

für  den  FaU  der  Voruussetzung  (1'')  abzuleiten,  bedeute  r^ 
(i  =  !»  2,  3t  —  0  eine  Folge  positiver,  in's  Unendliche  wach- 
sender Zahlen  von  der  Beschaffenheit,  dass  i'Ur  r  =^  r^  die 
Beziehung  (1^)  besteht,  also: 

(4)  i^C.-rl>e'\ 

0  ~ 

Da  man  die  fi  (wegen  lim  ri  =  oo)  jedenfalls  so  auswählen 
kanOf  dass: 

r{n^i  —  n)>  h 

so  gehört  dem  Intervalle: 

mindestens  eine  ganze  Zahl  an.  Bezeichnet  man  dann  mit 
m;^  die  kleinste  ganze  Zahl,  welche  nicht  kleiner  ist^  als 
yrx^  also: 

»*A-i  ^  Ma  —  1  <yn<  fth  <  mx  +  u 
so  ergiebt  sich  aus  Ungl.  (4)  a  fortiori: 


a.(!5)'>.-.-, 


Ä,  Pringaheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc.  Functionen,     1 67 
und,  wenn  man  mit  e""*"-^  multiplicirt: 

woraus  durch  Substitution  von  A  =  1,  2,  3,  .  .  .  (in  inf.)  und 
Addition  resultirt: 

also  um  so  mehr: 

d.  h.  die  Reihe 

GO  1 

(5)  S"  Sy'Cy'  ^^     divergirt  für  Q>—. 

0  y 

Um  das  bisher  gewonnene  Doppel-Resultat  im  Sinne  des 
oben  ausgesprochenen  Satzes  zu  verwerthen,  bedarf  es  schliesslich 
nur  noch  des  Nachweises,  dass: 

lim  ^  =  1 

ist.    Zu  diesem  Behufe  werde  gesetzt: 

(6)  n^)  =  T&^- 

Ist  sodann  |e*|  <  1,  also  der  reelle  Theil  von  x  wesent- 
lich negativ,  so  hat  man: 

also: 

1  1 

1 
und  daher: 

(7)  f^{-l)  =  tn^'e''  =  8y, 

1 


168  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  7,  Juni  1902, 

Andererseits  ergiebt  sich: 

f{x)  = 


e*  1       ■^■^Tr^"2!"'~ 


1  —  e*  X      i4__5_i:?!.i 

"^   2!     '     3!      '     *  *  ' 

sodass  also  f  {x)  H in  der  Umgebung  von  a:  =  0   regu 

X 

ist.     Da  ferner  f  {x)  H auch  bei  a;  =  —1  regulär  ist  i 

X 

als  nächstgelegene  singulare  Stellen  die  Stellen  x  =  +2 
auftreten,  so  hat  man: 

(8)  f(x)  +  —  =  f)"  6v(^  4-  1)"    für:  |a:  +  1 1  <  2^, 

X  0 

00 

in's  besondere   also   auch  noch  für  x  =  0,     Die  Reihe   S 

0 

ist  somit  convergent,  und  daher: 

(9)  lim  hy  =  0. 

V  =  (» 

Man  hat  aber: 

und  somit  nach  Gl.  (9)  und  (7): 

(10)  lim  -^  =  1. 

Daraus  folgt  dann   schliesslich   mit  Berücksichtigung 
Resultate  (3)  und  (5),  dass  von  den  beiden  Reihen: 

00  00 

0  0 


Ä,  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc»  Functionen.     169 

die  erste  für  o  <  —  convergirt,  die  zweite  für  o  >  — 
divergirt.  Die  erste  besitzt  also  mindestens,  die  zweite 
höchstens  den  Convergenz-Radius  — ,  und  es  bestehen  somit 
nach  dem    bekannten   Cauchy 'sehen   Satze  die  Beziehungen: 

(11»)       ii^vTiT.  <  y,     (ip)  li^i/iTc;;  ^  y. 

Zusatz.  Die  unter  den  gemachten  Voraussetzungen  gel- 
tenden Relationen  (11*),  (11^)  lassen  sich  unmittelbar  auch 
durch  die  folgenden,  etwas  einfacheren  ersetzen: 

(12*)       h^v-i^^y^y^e,  (12^)  ÜmvV'C^^  y ,  e, 


v  =  oo 


wenn  man  v"  an  Stelle  von  v\  einführt,  was  sich  durch  Be- 
nützung der  Stirling'schen  Formel,  aber  auch  ohne  dieses 
relativ  complicirte  Hülfsmittel  in  folgender,  äusserst  elementaren 
Weise  bewerkstelligen  lässt.     Es  ist  identisch: 

2» -3»  •4»...»»-!  1     ^"+1/ 

2»  .  3»  •  4* .  . .  n»  Y   V»-  +  1/ 


B  — 1  1  «•  — 1  1 

(12)     n-  .  fT'  -r rr-  =  »!  =  w"+i  •  //. 


Nun  ist  aber  bekanntlich: 
und  daher: 

E'(i+j-)'<»"-<B'(n-^r. 


170  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  7.  Juni  1902, 

Multiplicirt  man  diese  Ungleichung  mit  Gl.  (12),  so  folgt 

oder  auch: 


und  daher: 


n!  ( — )  <  cw, 


(13)  limfn!  -—=1, 

H=00  W 

anders  geschrieben: 

(14)  Vnl^ —       (n  =  oo, 

6 

sodass  also  in  der  That  die  Beziehungen  (11)  und  (12)  durcl 
einander  ersetzt  werden  dürfen. 


§2. 

Um  den  soeben  abgeleiteten  Hauptsatz  zu  verallgemeinern 
beweise  ich  zunächst  den  folgenden  Hülfssatz: 

Ist  ;«  >  0,  S  &v  eine  beliebig  vorgelegte,  S  a,.  eine  gam 
iviUkürlich  angenommene  convergente  Reihe  mit  positiven  Glie 
dern,  so  hat  man: 

(n,<;::)}|..{i>(l-».)-.(|.»i-i.)-{-;. 

Beweis  zu  (I).     Ist  2?  ^  0,  x  >  1,  so  hat  man: 

(17)  p**-^<{\'\-pY-^ 

und  daher: 

p—^  —  \  <(1  +1?)— 1  — 1. 

Da  die  rechte  Seite  dieser  Ungleichung  sicher  positiv  ist 
so  folgt  durch  Multiplication  mit  der  Ungleichung: 


Ä,  Pfing^im:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc,  Functionen.     171 

i?<i+i?» 

dass: 

p^—p<(i  +py  —  i  —p, 

also: 

(18)  i4.;^<(i^.^).. 

Setzt   man  jetzt:   p  =  y-,    so    folgt   nach  Multiplication 
mit  60: 

(19)  K  +  b1<  (b,  +  b,)"        («  >  1). 
Angenommen  nun,  man  habe  für  irgend  ein  n  ^  1 : 

(20*)  £;.  bt  <  (s-  bX      (x  >  1), 

0  \  0         / 

SO  liefert  die  Addition  von  i^+i    zunächst: 
«+1 


0  V  0  / 


also,  mit  Benützung  von  Ungl.  (19): 

H  +  l  /n  +  l      \x 

0  \  0       / 

d.  h.  üngl.  (20*)  gilt  auch  noch,  wenn  n  durch  (w  +  1)  ersetzt 
wird.  Sie  gilt  also  allgemein,  da  nach  (19)  ihre  Richtigkeit 
für  n  =  1  erwiesen  ist. 

Schreibt  man  in  (20*)  «'  statt  x  und  substituirt  j-p  für  fty, 
so  folgt  weiter: 


also: 


(?"'")"'■ 


0         \  0    / 


s 


und  daher,  wenn  man  noch  -—  =  x  setzt: 

X 


(20*) 


L'  *:  >  (h  hX        (y  >  1). 
0  \  0      ''       . 


172  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  7.  Juni  1902, 

Da  die  grundliegende  Beziehung  (17)  eine  wirkliche  Un- 
gleichung ist  (d.  h.  mit  definitivem  Anschlüsse  der  Gleichheit), 
und  die  Abweichung  zwischen  den  beiden  Seiten,  wie  der 
Schluss  von  n  auf  (w  +  1)  zeigt,  bei  dem  Hinzutreten  jedes 
neuen  Elementes  noch  verstärkt  wird,  so  folgt  schliesslich 
für  lim  w  =  00,  wie  behauptet: 

Beweis  zu  II.  Ist  0  <  c^  <  r  <  Cj  und  «  >  1,  so  hat 
man :  ^) 

(21)  ^  w  i 

Multiplicirt  man  die  erste  dieser  Ungleichungen  mit  (r— c^), 
die  zweite  mit  {c^—r),  so  folgt  durch  Subtraction: 

{(fl-r^)'{r-  c,)  -  (i-  -  (?S)  .  {c,  -  r)  >  0, 

anders  geordnet: 

(22)  ^c,-r)^c^^  +  {r-c,)'(f[>{c,-c,)^r^. 

Der  Bedingung:  c^  <  r  <  c,  wird  offenbar  genügt,  wenn 
man  setzt: 

»0  +  »1        ' 

unter  a^,,  aj  beliebige  positive  Zahlen  verstanden.    Alsdann 
geht  aber  Ungleichung  (22)  in  die  folgende  über: 

.  '^0^+    -^— •ö^i^>(gi  — O        ^        .      '    -     , 

oder  auch: 

(23)  a,  cj  +  a,  c;f  >  (a^  +  a,)'  ""^  '  K  ^o  +  «i  ^i)"        («  >  !)• 

Da  im  übrigen  diese  zunächst  unter  der  Voraussetzung 
Cq  <  (?j  abgeleitete  Ungleichung  in  Bezug  auf  die  Indices  0,1 

')  S.  den  Zusatz  I. 


Ä,  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc,  Functionen,     173 

symmetrisch  sich  verhält,    so   gilt  sie  unverändert  auch  für 
Cj>c,;  nur  für  Cq  =  c^  geht  sie  in  eine  Identität  über. 
Angenommen  nun,  man  habe  für  irgend  ein  w  >  1 : 


(24' 


N  /n  \1— x/n  \x 

')    X3^  Oy  cl  >  l  S»'  üy]       •  1  £"  a„  Cy  1  («  >  1). 

Ersetzt  man  sodann: 

a„  durch  an  +  öt„-fi 

ünCn  +   ««+1  ^M-fl 


G^n  +  G^n  +  l 
also:  an  Cn         ,  »n  ^n  +  «n+l  ^n  +  l , 

SO  geht  Ungleichung  (24*)  zunächst  in  die  folgende  über: 
£"  ttyct  +  (an  +  an+iy-*"  •  (an  Cn  +  a„+i  (?„+l)'' 


/n-+-l       \l-x     /M-fl  \x 


und,  wenn  man  auf  das  letzte  Glied  der  linken  Seite  die  Un- 
gleichung (23)  anwendet: 

w+l  /»  +  i      \^-^     /n-fl  Nx 

^y    ayCy>      {      ^^    ayj  *     l      l^''    tty   Cy]      , 

d.  h.  üngl.  (24*)  gilt  auch  noch,  wenn  n  durch  n  -\-  l  ersetzt 
wird.  Sie  gilt  also  wiederum  allgemein,  da  ihre  Richtigkeit 
nach  (23)  für  n  =  1  erwiesen  ist. 

Schreibt   man    in    Ungl.   (24*)   x'  statt  x    und   substituirt 

Cr"'  für  Cy,  so  wird: 

N  /n  \1— x'/n  1  \  x^ 

£"  ay  Cy  >  (  L"  ayj         '  Hjy  ay  Cy'^'j    , 
also: 

h  ay  Cy~^  <  (lv  a.j' "  ^  .  (i  ay  c^j^        («'  >  1), 


174  Biteung  der  mathrphys.  Glosse  vom  7.  Juni  1902. 

und,   wenn  man  — -  =  «  setzt: 

(24»>)  S"  a,  c:  <  (i-  üyj       .  [i:^  ay  CyJ  (x  <  1). 

Macht  man  noch  in  (23*),  23**)  die  Substitution: 

üy  Cy    =    6y  ,         alSO  :       Cv    =   Oy  »<     '  6y , 

so  ergiebt  sich: 

(25)  S'  K  { ^ }  (s' «,)"" .  (s" «;-  -^  •  6.)"  { ;;  < }. 

Da  die  grundlegende  Beziehung  (22)  wiederum  eine  wirk- 
liche Ungleichung  ist,  sofern  nicht  gerade  ^o  ^^  ^i»  ^^^  ^^® 
Abweichung  zwischen  den  beiden  Seiten,  wie  der  Schluss  von 
n  auf  (w  +-  1)  zeigt,  bei  dem  Hinzutreten  jedes  neuen  Elementes 
Cy  sich  verstärkt,  ausser  wenn  Cy  =  c?y_i,  in  welchem  Falle 
sie  immerhin  erhalten  bleibt,  so  folgt  für  n=oo: 

t'i^j^}  (|'a,y"^  (l^a/'-^-ft.)"!;;  <  },  q.  e.  d. 

Zusatz  I.  Die  Ungleichungen  (24)  lassen  sich  auch  aus 
einem  von  Herrn  Hoelder^)  mit  Hülfe  des  Mittelwerthsatzes 
der  Differential-Rechnung  bewiesenen,  allgemeineren  Mittel- 
werthsatze  herleiten.  Zur  Vervollständigung  der  hier  gegebenen, 
elementareren  Herleitung  sei  ausdrücklich  bemerkt,  dass  man  die 
fundamentalen  Ungleichungen  (21)  auch  für  ganz  beliebige 
positive  x^  ohne  den  zumeist  zu  ihrer  Herleitung  verwendeten 
Mittel werthsatz  der  Differential-Rechnung,  völlig  elementar 
in  folgender  Weise  gewinnt. 

Aus  der  für  jedes  von  1  verschiedene  A  und  ganzzahlige 
w  >  1  geltenden  Identität: 


i)  Göttinger  Nachr.  1889,  p.  38  ff. ;  vgl.  in's  besondere  p.  44. 


A.  iVin^tlMm:  Zw  Theorie  der  ganten  tränte.  Functionen.    175 

folgt  für  jedes  positive  ^  ^  1: 

(26)  ^">l  +  n(^  — 1) 

i_ 

und  hieraus  durch  Substitution  von  Ä     »   für  A: 

A-^  >l  +  niA~-^  —  l), 
iiso: 

1      ^  —  1 


<1  - 


n 


ffobei  die  rechte  Seite  stets  wesentlich  positiv  ist.    In  Folge 
dessen  hat  man: 


4-> 


1     A  —  1 


1  — 


>!  + 


n         A 
l    A  —  l 


falls: 


n 


A  —  l 


<1, 


und,  wenn  man  diese  Ungleichung  in  die  m**  Potenz  erhebt, 
mit  Benützung  von  üngl.  (26): 


(27) 


Die   hierbei   gemachte   Voraussetzung: 


Ä 


<1 


ist  offenbar  immer  erfüllt,  wenn  Ä>  \,     Ist  dagegen  A  <  1, 


\      ^ 1  1 

80  wird  —  • -: —  <  0,    sodass  also,    falls  — 


Ä  —  l 


>1 


sein  sollte,  die  rechte  Seite  von  Ungl.  (27)  negativ  ausfällt: 
in  diesem  Falle  sagt  also  diese  Ungleichung  etwas  zwar  tri- 
viales, aber  immerhin  richtiges  aus.  Man  hat  somit  für 
jedes  positive  -4^1  und  jedes  rationale  «  >  0: 

A  —  l 


(28) 


^"  >  1  +  « 


Ist  jetzt  X  irrational  und  etwa  x  =  lim«„,  wo  Xn>  0 
und  rational,  so  folgt  aus:  **"* 


176  Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  7,  Jum  1902, 

^-«>  !  +  ;,„.  Ar:i 

auf  Grund   der   Definition:    -4"  =  lim -4  **,    zunächst   nur   so- 
viel, dass:  **""* 

—  A 

Man  erkennt  aber  leicht,  dass  das  Gleichheitszeichen 
in  Wahrheit  ausgeschlossen  erscheint.  Dies  ist  ohne  wei- 
teres evident,  falls  die  rechte  Seite  negativ  ausfallen  sollte. 
Ist  sie  aber  positiv,    so   gilt  dies    a  fortiori,    wenn    man  x 

durch  —  ersetzt.     Man  hätte  also  zunächst: 
und  hieraus  durch  Erhebung  in's  Quadrat: 


>  \-\-x 


A 
A~\ 


A 


Die   Ungleichung   (28)   gilt  somit    für   jedes    beliebige 
x>0. 

Ist  jetzt  X  >  1,  so  hat  man  auch: 


A     ' 
und,  wenn  man  diese  Ungleichung  mit  A  multiplicirt: 

Ä'>  A-^{x  —  \)(^A  —  \) 
d.  h.  schliesslich: 
(29)  Ä'>\-lx{A  —  \)     für  X  >  1. 

Substituirt  man  hier  J.  =  —  und  A  =  -.  ,  wo  &  >  a  >  0, 

a  0 

so  ergeben  sich  die  oben  unter  (21)  benützten  Ungleichungen: 


Ä.  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  tramc.  Functionen,     177 

Zusatz  IL  Liest  man  die  auf  den  Fall  x>  \  bezügliche 
Ungleichung  (16*)  rückwärts,  so  gewinnt  man  den  folgenden 
Convergenz-Satz : 

Gleichzeitig  mit  den  beiden  Reihen  S  ö^v  ,  ^K  (wo  x>  1) 
cmvergirt  allemal  auch  die  Reihe  5j  «v       **  •  bv 

Herr   Ho  eider   hat   diesen   Satz    nur    für   den   speciellen 

/  1  \i+ff 
Fall  tty  =  l  —  j  aus  der  Ungleichung  (24*)  in  wesentlich 

complicirterer  Weise  abgeleitet.^)  Dazu  will  ich  noch  be- 
merken, dass  der  obige  Convergenz-Satz  für  den  Fall  eines 
ganzzahligen  x  sich  noch  einfacher  aus  dem  bekannten 
Satze  ergiebt,*)  dass  das  geometrische  Mittel  niemals  das  arith- 
metische übersteigt,  also: 


X 


Setzt  man  hier  p^^^  =  .  . .  =  i?^'*-^)  =  av,  p^""^  =  &v, 
so  folgt: 

a;-4.j^<('L-J)j«rJl^ 

X 

und  daher: 

00  j \_  (  1    \  00  1  00 

0  ~\^/0  X         si 

woraus  die  Richtigkeit  der  ausgesprochenen   Behauptung  un- 
mittelbar hervorgeht. 


*)  A.  a.  0.  p.  46. 

^)  Für  den  Fall  x  =  2  wurde  diese  Schlussweise  schon  bei  früherer 
Gelegenheit  von  mir  benützt:  Sitz.-Ber.  Bd.  30  (1900),  p.  63. 


1902.    Sitznngab.  d.  math.-phys.  C).  12 


178  Sitzung  der  niath.-phys.  Classe  vom  7.  Juni  1902, 

§3. 

Verallgemeinerte  Form  des  Hauptsatzes  vc 
Besteht  von  den  beiden  Beziehungen: 

(31»)  ^-c,r  ^^.ßy  »" 

^  (^  >  0,  r  >  0,  a  >  o; 

(3P)  ii-Cyr^^A-er''^ 

0 

die  erste  für  alle  r,  ivelcJie  eine  gewisse  positive  Zahl  . 
steigen,  die  zweite  für  unendlich  viele^  r,  unter  den 
beliebig  grosse  vorkommen,  so  luit  man: 

(32*)  iim|/ ('•!)»  •<;„<(«,')% 


(32'') 

lim|/ 

{v\y'Cr>(ay) 

odn-  atich: 

»'  =  00 

(33«) 

1 

lim  v'* 

y  =  00 

'Vcy<:(ayey^, 

(33'') 

1 

lim  V'' 

'Vc:>{ayey\ 

1 
Beweis:    Substituirt  man  in  (31*)  r'*  für  r,  so  w 

00  **  00  *■ 

(34)       S''  c,  r^  —  £"  {c^  ry  <  A  -  e>"     (für  r  >  R^). 

0  0  '' 

Man  hat  nun  zunächst  im  Falle  a  >  1  nach  §  2,  Un^ 

(für  >c  =  -^-<  1): 
a 


iJv  (c;^  r) 


also: 


■■>(i„,.,,.)i. 


(35*)  £'■  c;!  '•'■  <  (£;•  r,.  r  •' ")  (.^  >  1 ). 


A.  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc,  Functionen,     179 

Andererseits  im  Falle  a  <  1  nach  Ungl.  (16*)  (für  «  =  —>!), 
wenn  man  noch  setzt:    a^  =  (  j  ,  wo  d>  0: 

=(^y~^-(i-:-((T+i)T-«)')^. 

also: 

Mit    Benützung    der    Ungleichungen    (35*),    (35*)    ergiebt 
sich  also  aus  (34): 

(36»)      f)''  (?«  .  r"  <  ^«  .  e^y  (a  >  1) 

0 

oder,    wenn  man  in  der  letzten  Ungleichung   .     ■   c\i_a   durch 
r  ersetzt: 

(36»)       S^  c^  •  ^^  <  ( ~y" )        .^''•e«'/  ti+<5)  r       (a<l). 

Nach  dem  Hauptsatze  des  §  1  ergibt  sich  also  aus  (36*), 
dass: 

V   

(37 1)  lim  Yvl  c^<i_ay  (a  >  1). 

Ebenso  aus  (36*)  zunächst: 

Um  V^i^  <  a  y  (1  +  dy-^         (a  <  1). 

y  =  00 

Da   es    aber   freisteht,    d   unbegrenzt    zu    verkleinern,    so 
folgt,  dass  auch  in  diesem  Falle  (d.  h.  für  a  <  1): 

12* 


180  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  7,  Juni  1902. 


(37»)  lim  |/y!  c^-^ay 

sein  muss.  Beachtet  man  noch,  dass  die  Beziehung  (37^), 
bezw.  (37*)  für  a  =  1  mit  der  in  §  1  unter  (2*)  bemerkten 
zusammenfallt,  so  ergiebt  sich  schliesslich,  wenn  man  noch  in 
die  (  —  1  Potenz  erhebt,  in  Uebereinstimmung  mit  der  Be- 
hauptung (32»): 

ira  y   (»'O  «  •  Cv  ^  (a  >')  "        für  jedes  a  >  0. 

In  ganz  analoger  Weise  findet  man   aus  der  Voraussetz- 

j 
ung  (31^),  wenn  man  dieselbe  durch  Substitution  von  r~a    für  r 

zunächst  wiederum  auf  die  Form  bringt: 

0  0  *' 

und  sodann  auf  deren  linke  Seite  die  Ungleichungen  (15*), 
(16**)  anwendet,  übereinstimmend  mit  (32^): 


i^|/(v!)«.a^(«y)«. 


lim 

r  =  00 


Mit  Benützung  der  infinitären  Beziehung  (14)  lassen  sich 
dann  diese  Relationen  wiederum  auch  durch  die  etwas  ein- 
facheren (33»),  (33^)  ersetzen. 


§4. 

Der  soeben  bewiesene  Hauptsatz  ist  in  der  gegebenen 
Form  nicht  ohne  weiteres  umkehrbar.  Dagegen  lassen  sich 
die  Voraussetzungen  des  Satzes  noch  in  der  Weise  erweitern, 
dass  der  folgende  umkehrbare  Satz  resultirt: 

Satz  I.    Besteht  für  jedes  hell  ein  fj  Je  leine  £  >  0  t)on 
dim  beiden  Benehumjen : 


Ä.  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  trausc   Functionen.     181 

(38»)  £;vc,  r»'<e^i  +  ^)y'"" 

0 

(38»>)  i;var->eO-^)  y'" 

0 

die  erste  für  alle  r,  welche  eine  getvisse,  im  allgemeinen 
von  e  abhängige  positive  Zahl  R^  übersteigefi ;  die  js  weite 
für  unendlich  viele  r,  unter  denen  auch  beliebig  grosse 
vorkommen,  so  hat  man: 


(39«) 


lim  1/    (v!)«-c,<;  (aj')"i 


(39'')  liml/(v!)°.C,>(ay)- 

V  =00    ^ 

oder  auch: 

J-     ^—  -1 

(40*)  lim  V  «  •  y  (?K  <  (a  y  e)  "  , 

V  =  00 

-L    V—  J- 

(40")  lim»""  •l/a>(aye)«. 

v  =  oo 

Umgekehrt  folgen  aus  den  Voraussetzungen  (30)  oder 
(40)  auch  allemal  die  Beziehungen  (38)  in  dem  ange- 
gebenen Umfange.  *) 


^)  Setzt  man :  ^ 

aye  =  x,  also:  v  =  — , 
ae 

so  nimmt  die  obige  Umkehrung  die  folgende  Form  an: 

Aus  den    Voraussetzungen 

}_    y  _  }_  i.v J_ 

lim  V«  •  V^Cv  <  ;<«  ,  lim  V«  •  VC'v  >  ;<« 

»>=  00  ^  I'  =  00 

»  x(l-f-e)        „  00  X  (1  —  f )        ^ 

0  0 

in  dm  oben  näher  bezeichneten  Umfange. 

Den  ersten  Theil  dieses  Satzes  hat  Herr  Ernst  Lindelöf  (unter 

1    v^__         1 
der  etwas  engeren  Voraussetzung  v«     Vcv  <  x  «  für  v  >  w)  auf  gänzlich 
anderem  Wege  abgeleitet :  a.  a.  0.  p.  39. 


182  Siteunf/  der  math.-phys.  Glosse  vom  7.  Juni  1902. 

Beweis.     Aus  (38")  würde  auf  Grund  des  vorigen  Haupt — 
Satzes  (Formel  (32*),  (33*))    zunächst   folgen,    dass   für  jede^s- 
£>0: 

lim  1/   (v!)  <"  •  c.  <  ((1  +  e)  •  a  y) « 

oder  auch: 

-i      V-  - 

lim  y  «  •  VCy  ^  ((1  +  f)  •  a  y  e)  « . 

y  =  00 

Da  aber  e   unbegrenzt   verkleinert   werden   darf,    so  folgfc^ 
schliesslich,  dass  geradezu: 


lim!/   (v!)° 

>»:=  OD  ' 


lim  1/    (r!)«  *Cy<,{ay)' 

y=  00  r 

oder  auch: 


lim  r  «  •  V^<^  {ay  e)'' . 

v  =  ao 

Das  analoge  gilt  bezüglich  der  Herleitung  von  Ungl. 
(39»>),  (40^). 

Die  Umkehrbarkeit  dieser  Resultate  lässt  sich  dann  in 
folgender  Weise  indirect  beweisen.  Angenommen  es  bestehe 
die  Voraussetzung  (39*),  und  es  sei  nicht  möglich,  jedem 
beliebig  kleinen  e  >  0  ein  iJ^  so  zuzuordnen,  dass  Ungl. 
(38*)  für  r  >  Rg  beständig  erfüllt  ist:  alsdann  müsste  ein 
bestimmtes  e'  >  0  existiren ,  derart  dass  unter  beliebig 
grossen  r   immer   wieder   solche   vorkommen,    für   welche: 

0 

Daraus  würde  aber  nach  dem  vorigen  Hauptsatze  (s.  Ungl. 
(31»>),  (32»>))  folgen,  dass: 


V    I — 

iirnj/  (r!)"^ 


C.>((1  +  £')•«}')", 


was  der  Voraussetzung  widerspricht. 


A.  Pfingsheiin:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc.  Functionen,     183 

Analog  würde  die  Annahme,  dass  die  Beziehung  (38^) 
nicht  alleraal  aus  der  Voraussetzung  (39^)  resultire,  die  Exi- 
stenz einer  Ungleichung  von  der  Form: 

f;''ar»'<e(i-^')>"""  (r>  R) 

0 

nach  sich  ziehen,  und  somit  schliesslich  im  Widerspruche  mit 
der  Voraussetzung  auf  die  Relation: 


führen. 


lim  1/  (v!)«  .  a  <  ((1  — £')  -ay)- 


§  5. 

Ein  weiterer  ebenfalls  umkehrbarer  Satz  ergiebt  sich 
aus  dem  Hauptsatze  des  §  3,  wenn  die  Voraussetzung  (31*) 
für  jedes  beliebig  kleine,  die  Voraussetzung  (31^)  für  jedes 
beliebig  grosse  y  >  0  erfüllt  ist,  nämlich: 

Satz  U.     Bestellt  von  den  beiden  Beziehungen : 

(4P)  f;-c,r''<e-'-" 

0 

(41b)  i;var»'>e-»" 

0 

dk  erste  für  jedes  beliebig  kleine  f  >  0  und  alle  r, 
die  eine  gewisse  positive  Zahl  R^  übersteigen;  die  zweite 
für  jedes  beliebig  grosse  co  >  0  und  unendlich  viele 
Werthe  von  r,  unter  denen  auch  beliebig  grosse  vorhom- 
mm,*)  so  hat  man: 

')  Dieser  Zusatz  könnte  hier  wegbleiben,  da  bei  hinlänglicher  Ver- 
j,n'Ö!<8erung  von  w  die  Beziehung  (41^)  überhaupt  nur  bei  entsprechender 
Vergrösserung  von  r  bestehen  kann. 


184  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  7.  Juni  1902. 

(^^*)  lim  1/  {v !)^ .  c,  =  lim  v^.  "|/^  =  0 

(^2'')  Hm  1/  (v !)^- CV  =  ihn»'^ •  l/a  =  00 . 

Umgekehrt  resulüren  aus  den  Voraussetzungen  (42) 
allemal  die  Beziehungen  (41)  in  dem  angegebenen  Umfi 
Beweis.     Aus  den  Voraussetzungen  (41)  würde  auf  6 
des  Hauptsatzes  §  3  zunächst  folgen,  dass: 

lim  1/  {v !)  ^.  Cy  <  (a  f)"^,         Ür^  1/  (v  !)"^.  6\  >:  (a  co)" 

Da  es  aber  freisteht,  e  unbegrenzt  zu  verkleinern,  co 
begrenzt  zu  vergrössern,    so  ergeben  sich  hieraus  in  der 
die  Beziehungen  (42). 

Die  Urakehrbarkeit  dieser  Resultate   erkennt    man 
wiederum  unmittelbar  auf  indirectem  Wege,  ganz  analog, 
bei  Satz  I.  — 

Aus  dem  eben  bewiesenen  Satze   ergiebt  sich   schlies 
noch  der  folgende: 

Satz   III.     Besteht  für  jedes    beliebig   Iclelne   ö 
von  den  beiden  Beziehungen 

(43»)  f:''c,r»'<(?'"+'^ 

0 

(43»>)  ti^Crr^>e^''~' 

0 

die  erste  für  alle  r,  die  eine  gewisse  j^osifive  Zah 
übersteigen;  die  zweite  für  unendlich  viele  r,  j 
denen  aueh  beliebig  grosse  vorkommen ,  so  hat  mar^ 
jedes  beliebig  kleine  ^  >  0: 

('^'^')        lim  1/  (r!)^^+"^ .  c.  =  lim  v'^^'  -  Vc~  =  0 
('^'^'')        ii^  1/  (i-  !)^-~^ .  a  =   liin"  .'^-^  .  l/CV  =  00. 


A.  Fringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc.  Functionen.     185 

Umgekehrt  resultiren  aus  den  Voraussetzungen  (44) 
auch  allemal  die  Begehungen  (43)  in  dem,  angegebenen 
Umfange. 

Beweis.  Denkt  man  sich  d  beliebig  klein  fixirt,  so  be- 
steht auf  Grund  der  Voraussetzung  (43*)  für  hinlänglich  grosse  r 
(nämlich  r>R^^  die  Beziehung: 

0 

Wie  klein  jetzt  auch  e  >  0  vorgeschrieben  wird,  so  kann 
man  durch  passende  Vergrösserung  von  r  stets  erzielen,    dass 

\~\    <  €  wird.     Dann    ergiebt   sich   aber    aus  Satz  II,   dass 
für  dieses  und  somit  schliesslich  für  jedes  d  >  0: 

lim  1/   (r!)''+^  •  c,  =  lim  r«  +  ''  •  ^c,  =  0. 

Das  analoge   gilt  dann    bezüglich   der  Behauptung  (44**). 

Auch  hier  ergiebt  sich  die  Unikehrbarkeit  der  betreffenden 
Resultate  mit  Hülfe  des  in  Satz  I  benützten  indirecten  Beweis- 
verfahrens. 


§  6. 

00 

Es  sei  jetzt  x  eine  complexe  Veränderliche,  g  {x)  =  S»*  hy  x", 

0 

^0  die  by  ebenfalls  beliebig  complex  zu  denken  sind,  eine  be- 
ständig convergirende  Reihe.  Angenommen  nun,  es  genüge 
9{^)\  bei  hinlänglich  grossen  Werthen  von  |  x  \  einer  der 
beiden  Voraussetzungen,  welche  in  dem  Hauptsatze  des  §  3 
filrLc^r*'  bezw.  SC^r"  galten,  also  entweder: 

(45»)  |^(.r)|^^.eJ'l*l" 

für  alle  \x\>  R;  oder: 

(45^)  \g{x)\^A'ey\'\^ 


186  Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  7,  Juni  1902. 

für  unendlich  viele  x^  unter  denen  auch  beliebig  grosse 
vorkommen.  Es  fragt  sich  nun:  Bleibt  auch  unter  diesen 
Voraussetzungen  der  betreffende  Hauptsatz  gültig,  d.  h.  ge- 
nügen auf  Grund  der  Voraussetzungen  (45*),  (45^0  die  |  hy  \ 
denselben  infinitären  Relationen,  welche  sich  in  §  3  für  die 
Cv,  Cy  ergeben  haben? 

Man  erkennt  ohne  weiteres,  dass  diese  Frage  in  Bezug 
auf  die  Voraussetzung  (45*^)  zu  bejahen  ist.     Denn  da: 

(46)  \g{x)\^h\lyx^\ 

0 

so  folgt  aus  (45^),  dass  auch: 

(47)  fy\hyX^\>A'cy\^\'' 

0 

(in  dem  angegebenen  Umfange)   und  man  findet  somit,    wenn 

man  in  §  3  r  =  |  a;  |,  (7^  =-  |  M  setzt,  nach  Ungl.  (39^),  (40^), 
dass: 

"/ i —     V  1 

(^^)       ii^l/  (r  !)^.  I  &,  I  =  iliiT  f— )  "  .  V\h\  >  (a  yy, 

V=00^  V  =  00     \    ß    / 

Um  nun  den  entsprechenden  Nachweis  auch  bezüglich  der 
Voraussetzung  (45*)  zu  führen,  bemerke  man  zunächst,  dass 
aus  (45*),  d.  h.  aus  der  Beziehung: 


£»•  hy  x"" 


<  ^.gy-I*!  für  \x\>  B 


0 

nach  dem  Cauchy 'sehen  Coefficienten-Satze  sich  ergiebt: 

(49)  \hyX^\<  A'cy\''^'     (v  =  0,  1,  2,  .  .  .;  |:r|  >  IC), 

Wird   jetzt    ^  >  0    beliebig    angenommen,    so    hat    man 
identisch : 

und    daher,    wenn    man    auf   den    zweiten  Factor    der  rechten 
Seite  die  Ungleichung  (49)  anwendet: 

(50)  ;i....-    <(j-|-^y.^.c><'+^'""'\ 


Ä.  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc,  Functionen.     187 

TD 

gültig  für  I  a;  I  >  ^  ,  also  für  alle  möglichen  ^  >  0  mit 

Sicherheit  für  |  rc  |  >  iJ. 

Substituirt  man  nun  in  (50)  der  Reihe  nach  v  =  0. 1 , 2,  . . . 
in  inf.,  so  folgt  durch  Addition: 

(51)  SH  ftv^;^ !  <  4^  •  Ä .  ey  •a+^)"-  l'l" 

0  '  o 

für  jedes  d  >  0  und  |  j?  |  >  i2.     Hieraus  ergiebt  sich  aber  nach 
dem  Hauptsatze  des  §  3  (üngl.  (39*),   (40*))  zunächst,    dass: 

iiml/ (v!)^.|6,|  =li^(— y  .l/[6;^^(l+(J).(ay)'^ 

lind,  da  es  thatsächlich  freisteht,  d  unbegrenzt  zu  verkleinern, 
schliesslich : 


(52) 


lim  1/ (v !)  « .  1 6, 1  =  lim  (— y  •  l!^  <  (a  y)  <■ , 


d.  h.  auch  dieser  Theil  des  Hauptsatzes  von  §  3  behält  unter 
der  jetzigen    Voraussetzung    seine    Gültigkeit,      um    das    be- 
treffende Resultat  nochmals  übersichtlich  zu  formuliren,   kann 
man  also  den  folgenden  Satz  aussprechen: 
Es  ist: 


limj/  (v!)«. 

V=OD  ' 


by\<,(ay)'',    tvenn:   |r/(a;)|  <^-e>'l*l'" 


für  alle  x,   deren  absoluter  Betrag  eine  geivisse  positive 
Zahl  B  übersteigt. 
Es  ist: 


lim}/  (v!)«. 

»SS  00' 


i*v|  >(«>')'*,    ivenn:   \g{x)\>[Ä'ey^ 


für   unendlich  viele   x,    unter   denen   auch   beliebig 
grosse  vorkommen. 

Gleichzeitig  mit  dem  Hauptsatze  des  §  3  behalten  aber  auch 
die  in  §§  4,  5  daraus  abgeleiteten  Folgesätze  ihre  Gültigkeit; 


188  Sitzung  der  math.'phys.  Classe  vom  7.  Juni  1902. 

dieselben  beruhten  ja  lediglich  darauf,  dass  man  die  Constanten 
y,  a  in  passender  Weise  durch  veränderliche  Parameter  er- 
setzte. Man  gewinnt  auf  diese  Weise,  entsprechend  den  Sätzen 
I — III  der  beiden  vorigen  Paragraphen,  noch  die  folgenden 
Sätze : 

Satz  r.  Ist  für  jedes  beliebig  kleine  e  >  0  und 
alle  X,  deren  absoluter  Betrag  eine  gewisse  Zahl  Re  über- 
steigt: 

(53»)  \g(x)\<ey^'-^^)'\-\\ 

so  hat  man: 

(^^')        lim:}/  (r  !)^.  i  6,  I  =z  lii^f  — )  "  .  VM  <  (a  yY^ 

Ist  für  jedes  beliebig  kleine  e  >  0  und  unendlich 
viele  X,    unter  denen  auch  beliebig  grosse  vorkommen: 

(53'0  |^(a;)|>(?>'(i-^)  •!*!", 

so  hat  man: 


(^^'')       ihir]/  (v!)"^-  \hy\—  IhiTf— )  "  .  '\/\h^\  >  (ayy. 

Bestehen  also   die  beiden  Voraussetzungen  (53*),   (53^) 
gleichzeitig,  so  uird  geradezu: 

y  l 

(^^)         Iml/  (r !)~ .  I  &,  I  =  iiiir (—]  "  •  i/\K\  =  (a y)^. 

v=co'  v  =  oo\  e  J 

Umgekehrt  re^ultirt  aus  der  Voraussetzung  (54*)  alle- 
mal die  Beziehung  (53*),  ebenso  aus  (54^)  die  Beziehung 
(53^),  tvährcnd  die  Voraussetzung  (54)  die  gleichzeitige 
Existenz  von  (53*)  und  (53^)  nach  sich  zieht, 
Satz  II'.  Ist  für  jedes  beliebig  kleine  f  >  0,  und  alle  x, 
deren  absoluter  Betrag  eine  gewisse  positive  Zahl  B^  über- 
steigt: 

(55«)  |i/(x)|<e-!-l", 

so  hat  man: 


Ä.  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc.  Functwnen.     189 

(^^*)       Hml/  (v!)^-  \br\  =  lim  v^.  fm  =  0. 

Ist  für  jedes  beliebig  grosse  co  >  0  und  unendlich 
viele  X,  unter  denen  (dann  eo  ipso^))  auch  beliebig 
grosse  vorkommen: 

(55^)  \g(x)\  >e-  I*r, 

so  hat  man: 


(56^ 


')       lim|/(r!)«.|&,|  =  limv«.V'|&,|  = 

v=:  00  '  v=zoo 


Umgekehrt  resultirt  allemal  die  Bejdehung  (55*)  bezw. 
(55^)  aus  der  Voraussetzung  (56*)  benv.  (56^). 

Satz  Iir.     Ist  für  jedes  beliebig  kleine  d>  0  tind  alle  x, 
deren  absoluter  Betrag  eine  getvisse  positive  Zahl  Bs  übersteigt: 

(57»)  \gix)\<e\-r+\ 

so  hat  man  für  jedes  d>  0: 


(58' 


*)       liml/(v!)«+'-|6,|  =limV+^.V'|&,|  =  0. 

v:=  30  ^  v  =  oo 


Ist  für  jedes   beliebig   kleine    d>  0    und   unendlich 
viele  Xf   unter  denen  auch  beliebig  grosse  vorkommen: 

(57»>)  \9{x)\>e\^r-\ 

so  hat  man  für  jedes  (5  >  0: 

V  =  00  ^  »•  =  00 

Umgekehrt  resultirt  allemal  die  Beziehung  (57*)  beziv, 
(57*»)  a«i5  der  Voraussetzung  (58*)  fte-s^te;.  (58**). 

Anmerkung.    Das  zur  Herleitung  des  eigentlichen  Haupt- 
satzes angewendete  Verfahren,    um  aus  einer  oberen  Schranke 


^)  8.  die  Fussnote  auf  p.  183. 


190 


Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  7.  Juni  1902. 


für 


S''  K  X^ 


eine  solche  für  S*'  i  &v  ^*'  |  abzuleiten,  lässt  sich 


offenbar  leicht  verallgemeinern  und  dürfte  sich  auch  für  an- 
dere Untersuchungen  als  nützlich  erweisen.  Hier  möchte  ich 
nur  noch  die  folgende  Bemerkung  daran  knüpfen.  Aus  der 
Voraussetzung 


(59) 


0 


<ey\ 


für  \x\>B, 


folgt  nach  Ungl.  (51),  dass  für  jedes  d  >  0  und  |  :r  |  >  i?: 

0  ~         O 

Wird  jetzt   £  >  0  beliebig  klein   vorgeschrieben,   so   kann 
man  zunächst  d  so  klein  fixiren,  dass: 


(1  +  '5)''<1  +  J, 


also: 


Sodann   aber   kann   man   eine   positive  Zahl  R^   so   grosi 
annehmen,  dass: 

„(.  +  i)<£.,.K    (a.h.Rä(A,g(i  +  |))^) 

<-^'y'\x\-     für  |a;|>i?,. 
Man  findet  also  schliesslich: 
(60)  i;v|&,a;-|<e>'(i+^)l*"     für  'x\>R,. 


In  Worten:    Genügt 


S^  hyX 

0 


für  alle  hinlänglich  grossd 


X  der  Benehmu)  (59),  so  genügt  ü»'  |  hyX'  \  hei  beliebig  Ideinen 

0 

c  >  0   für  alle  hinlänglich  grossen  x   einer  Beziehung  von    de 
Form  (()0). 


A.  Pfingsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc.  Functionen,     191 
Ersetzt  man   die  Voraussetzung  (59)  durch  die  folgende: 


(61) 


L^ft. 


X" 


<g>'  0+OI*r    für  jedes  e'>0  und  \x\>r,', 


so  folgt  zunächst: 

i;-|6va;-|<(?>'(i+'')(»+^)-i^l"    für  \x\>B,,,', 

0 

d.h.  mit  Rücksicht  auf  die  Bedeutung  von  e,e\  schliesslich: 

(62)  f:v|6,a;-|<eyO+-')-kl«    fiXr\x\>Be^. 

0 

00 

Es  genügt  also  in  diesem  Falle  ^j*"  |  6v  ^*'  |  für  hinlänglich 

0 

grosse  x  stets  einer  Beziehtmg  von  genau  derselben  Form,  tme 


1 0 


Femer  ergiebt  sich  aber  auch  folgendes:  Besteht  für  jedes 
f > 0  und  unendlich  viele  [x],  unter  denen  auch  heliehig  grosse 
^kommen,  eine  Beziehung  von  der  Form: 


(63) 


i:»'!  J^a;»'|>eJ'('-^)•l*l^ 


5ö  hat  man  gleichfalls  für  jedes  c  >  0  und  für  unendlich  viele  x, 
wwfer  denen  au^h  beliebig  grosse  vorkommen: 


(64) 


X)»'    by  X" 


>^.y(i-oi«r. 


Andernfalls  müsste  nämlich  ein  bestimmtes  ^o  '^  ^  existiren, 
<Jerart  dass: 


S"  by  X' 


<gy(i-.o)l«r 


fär  alle  x,  deren  absoluter  Betrag  eine  gewisse  Zahl  B  über- 
steigt. Dann  hätte  man  aber  auf  Grund  von  Ungl.  (59),  (60), 
wenn  man  der  in  (60)  auftretenden  willkürlichen  Zahl  e  den 
Werth  €q  beilegt: 


192  Sitzung  der  matK-phys.  Classe  vom  7.  Juni  1902, 


S-|6,a:-|<e>'(^-^J)l-l«         für  \x\>  B,^^ 

was  der  Voraussetzung  widerspricht. 

Ein  analoger  Zusammenhang  besteht  offenbar  auch  zwisch 
Ungleichungen  von  der  Form: 


j:-\byX-\  <  6^1*1"+^     und 

0 


S^    by  X* 

0 


|«  +  «5 


S^  by  a:" 

0 


>  ey'\' 


<ey\ 
"-'     und:       '^-\byX^\>cy\-r-\ 


193 


üeber  den  Ursprung  der  Thermalquellen  von  St.  Moriz. 

Von  A«  Bothpletz. 

{Singelauf m  18.  Juni.) 

Vor  neun  Jahren  hat  W.  von  Gümbel  in  diesen  Sitzungs- 
berichten eine  Arbeit  unter  dem  Titel  „geologische  Mitthei- 
lungen über  die  Mineralquellen  von  St.  Moriz  im  Oberengadin 
und  ihre  Nachbarschaft"  veröffentlicht,  in  der  zum  ersten  Mal 
die  Frage  nach  dem  Ursprung  dieser  so  vielbesuchten  und  be- 
rühmten Heilquellen  auf  Grund  eingehender  geologischer  Unter- 
suchungen beantwortet  worden  ist.  Die  Aufgabe  war  keines- 
wegs leicht,  und  wenn  auch  ihre  Lösung  einen  grossen  Fort- 
schritt bedeutete,  so  blieb  doch  mehreres  und  insbesondere  der 
grosse  Gehalt  der  aus  Granit  entspringenden  Quellen  an  Kalk- 
und  Magnesium-Carbonaten  im  Unklaren.  Eigne  Arbeiten  mit 
ganz  anderen  Zielen  führten  mich  im  vorigen  Herbst  in  dieses 
öehiet  und  machten  mich  mit  einer  bis  dahin  unbeachtet  ge- 
sehenen Thatsache  bekannt,  die  auch  auf  die  Entstehung 
dieser  Quellen  ein  neues  Licht  warf  und  just  jene  im  Unklaren 
gebliebenen  Punkte  erhellte.  Ehe  ich  die  dadurch  gewonnene 
Auffassung  mittheile,  will  ich  jedoch  kurz  die  hauptsächlichsten 
Ergebnisse   hervorheben,    zu   denen   Gümbel   gekommen    war. 

Er  hatte  festgestellt,  dass  die  fünf  Mineralquellen,  die  bei 
St.  Moriz  bekannt  sind,  alle  auf  einer  schwach  gebogenen, 
^on  SW  nach  NO  gerichteten  Linie,  also  wohl  auf  einer  Ge- 
l>irgsspalte  liegen.  Diese  Spalte  liegt  im  Gebiet  des  Uosatsch- 
Granitstockes,  der  von  Gneiss  und  anderen  krystallinen  Schiefern 
umgeben  ist.     Sie   ist  aber   in    ihrem   Verlaufe    nicht    an   die 

1902.  Sitzungsb.  cL  math.-phys.  Gl.  13 


194  Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  ^om  7.  Juni  1902. 

Grenzen  des  Granites  gegen  den  Schiefer  gebunden,  senden 
durchschneidet  den  tieferen  Untergrund  ohne  Rücksicht  au 
die  Gesteinsarten. 

Der  Granitstock  besteht  vorwiegend  aus  Hornblendegrani 
und  Diorit,  welche  stellenweise  eckige  Bruchstücke  der  si« 
umgebenden  Gneisse,  Glimmer-Hornblende  und  Quarzitschiefe 
einschliessen.  Auch  setzen  pegmati  tische  Granitgänge  ii 
diesen  Schiefem  auf,  deren  höheres  Alter  gegenüber  den 
Granit  somit  erwiesen  ist.  Am  Silvaplaner  und  Silser  Se 
gewinnen  grüne  chloritische  Schiefer  und  Phyllite  mit  zahl 
reichen  Einlagerungen  von  Serpentin  und  Marmor  eine  aus 
gedehnte  Verbreitung.  Diese  Schiefer  dienen  in  der  weiterei 
Umgebung  den  Sedimenten  der  Trias-  und  Liasperiode  al 
Unterlage. 

Die  Mineralquellen  sind  schwache  Thermalquellen  (5 — 7°C.) 
deren  Temperatur  die  mittlere  Jahrestemperatur  dieses  Platze 
(l.P  C.)  und  die  Temperatur  der  dortigen  gewöhnlichen  Trink 
wasserquellen  nur  um  einige  Grade  übertrifft. 

Auf  1000  gr  kommen  an  gelösten  Bestandtheilen  1,2  bi 
1,7  gr  und  zwar  an 

Sulphaten     0.3 

Carbonaten  0.8  —  1.2 

Kieselerde     0.04  —  0.06 

Kochsalz  0  —  0.04. 
Ausserdem  sind  geringe  Mengen  von  Bor,  Brom,  Jod  un< 
Fluor  nachgewiesen.  Freie  Kohlensäure  ist  reichlich  vorhan 
den,  daneben  auch  Eisencarbonat  (0.025  —  0.037),  weshalb  di 
Quellen  als  „Eisensäuerlinge*  bezeichnet  werden,  während  di 
freie  Kohlensäure  (2.5  —  2.7  *^/üü)  als  der  eigentliche  „Brunnen 
geist"  gilt.  Auffällig  ist  der  hohe  Gehalt  an  Calciumcarbona 
(0.7  —  0.9  ^/oü)  und  Magnesiumcarbonat,  da  die  Quelle  docl 
aus  Granit  bez.  Diorit  entspringt.  Der  Betrag  ist  ungefiih 
10  mal  so  gross  wie  in  dem  gewöhnlichen  St.  Morizer  Trink 
wasser  (0.073),  von  dem  Gümbel  eine  Analyse  mittheilt 
leider  ohne  Angabe,  wo  die  Quelle  liegt.  Voraussichtlich  ent 
springt  auch  sie  aus  der  Nähe,  doch  mag  ihr  an  sich  geringe; 


A.  Bothpletz:  Ursprung  der  Thermalquellen  von  St  Moriz.     195 

Mineralgehalt  mit  Bezug  auf  die  Carbonate  etwas  von  den 
kalkhaltigen  Moränen  beeinflusst  sein.  Von  der  Kohlensäure 
nimmt  er  an,  dass  sie  auf  jener  Gebirgsspalte  aus  der  grössten 
Tiefenregion  der  Erdrinde  emporsteige,  dabei  von  den  im  Ge- 
birge circulirenden  Gewässern  aufgenommen  werde  und  mit 
diesen  in  den  Nebengesteinen  Zersetzungen  bewirke,  denen  die 
Quellen  ihren  Mineralgehalt  verdanken.  Letzterer  kann  aber 
nach  seiner  chemischen  Zusammensetzung  nicht  direct  aus  dem 
Granit  oder  Gneiss  herrühren.  Ebensowenig  will  Gümbel  ihn 
mit  dem  Auftreten  der  benachbarten  mesolithischen  Kalk- 
schichten in  Zusammenhang  gebracht  wissen,  weil  diese  Ge- 
bilde zu  entfernt  von  der  Quellenspalte  liegen,  und  nicht  an- 
zunehmen sei,  dass  eine  Scholle  derselben  in  der  Tiefe  eingekeilt 
zwischen  den  krystallinen  Gesteinen  sich  vorfinde.  Unter  diesen 
»mesolithischen  Gebilden"  sind  die  nach  meiner  Bestimmung 
als  permisch  anzusehenden  Dolomite  von  Plaun  da  Statz  und 
der  Alp  Laret,  sowie  die  gleichen  Dolomite,  Gypse,  Rauhwacken 
und  die  kössener  und  liasischen  Kalksteine  des  Piz  Padella  und 
▼on  Samaden»  gemeint.  Der  Ursprung  der  mineralischen  Be- 
standtheile  der  Quellen  wird  hingegen  als  „sehr  wahrscheinlich" 
auf  das  Vorkommen  von  Eisen-,  Mangan-  und  Magnesium- 
haltigen  Kalksteineinlagerungen  und  von  Schwefelkies  in  den 
chloritisch-phyllitischen  Schiefern  zurückgeführt,  von  denen 
fflan  „nach  den  beobachteten  geologischen  Lagerungsverhält- 
wssen  mit  Grund  annehmen"  könne,  dass  eine  Scholle  der- 
selben längs  der  Quellenspalte  von  Surlej  her  in  den  Granit 
eingeklemmt  vorhanden  sei.  Diese  Scholle  würde  also  an 
die  durchziehenden  kohlensäurehaltigen  Wasser  die  Mineral- 
bestandtheile  und  insbesondere  den  am  reichlichsten  vorhan- 
denen Kalk  abgeben.  Dass  die  so  aus  der  Tiefe  aufsteigenden 
Wasser  gleichwohl  eine  verhilltnissmässig  niedrige  Temperatur 
besitzen  und  dass  sie  im  Winter  sogar  nicht  oder  doch  nur 
w  sehr  geringen  Mengen  bis  zu  Tage  aufsteigen,  wird  ver- 
muthungsweise  so  gedeutet,  dass  das  Schmelzwasser  des  Som- 
mers sich  mit  dem  in  der  Tiefe  circulirenden  und  ununter- 
brochen   fortarbeitenden    Zersetz ungswasser    nur    in    höheren 

13* 


196  Sitzung  der  tnathrphys.  Glosse  vom  7,  Juni  1902. 

Theilen  der  Quellenspalte  vermischt,  diesem  die  grössere  Wasser- 
raenge  liefert,  damit  aber  auch  die  niedrige  Temperatur  gibi 
und  zugleich  die  Quelle  durch  den  Druck  einer  höheren  Wasser- 
säule zum  Äusfliessen  bringt. 

Dies  sind  in  kurzer  Zusammenfassung  die  Ergebnisse  de] 
GümbeTschen  Untersuchung,  die  sehr  viel  zur  Klärung  unsere] 
Anschauungen  über  den  Ursprung  der  St.  Morizer  Queller 
beigetragen  hat.  Einige  wichtige  Punkte  sind  allerdings  kann 
berührt  worden,  wie  z.  B.  die  Herkunft  der  Chloride,  dej 
Broms,  Jods  und  Bors  und  die  grosse  Menge  von  Natrium 
und  bei  Erklärung  des  hohen  Gehaltes  an  Kalk-  und  Mag- 
nesiumcarbonaten  vermisst  wohl  jeder  Leser  eine  Begründung 
jener  Gebirgsscholle,  welche  auf  der  Quellenspalte  zwischei 
dem  Granit  eingeklemmt  liegen  soll.  Die  „beobachteter 
geologischen  Lagerungsverhältnisse**,  welche  Gümbel  zur  An- 
nahme jener  Scholle  geführt  haben,  sind  leider  mit  keinen 
weiteren  Worte  erwähnt.  Und  doch  ist  das  eigentlich  di( 
Hauptsache  und  der  Kernpunkt  der  Gümbel'schen  Auffassung 
Nachdem  er  zwei  andere  Annahmen  für  die  Herkunft  dei 
Mineralbestandtheile  —  nemlich  aus  dem  Granitstock  selbsl 
oder  aus  dem  allzu  entfernt  gelegenen  jüngeren  Kalkgebirge  — 
als  unmöglich  abgelehnt  hat,  und  da  wir  die  Richtigkeit  seinei 
Beweisführung  voll  anerkennen  müssen,  könnte  es  allerdings 
so  scheinen,  als  ob  nur  die  Annahme  jener  eingeklemmter 
kalkreichen  Gebirgsscholle  übrig  bliebe.  Deshalb  werden  wii 
uns  zunächst  der  Untersuchung  nicht  entziehen  dürfen,  ol 
zwingende  Gründe  für  diese  Annahme  vorliegen,  ehe  wir  um 
einem  anderen  Erklärungsversuche  zuwenden. 

Obwohl  die  Wahrscheinlichkeit  zugegeben  werden  muss 
dass  die  St.  Morizer  Mineralquellen,  weil  sie  in  einer  be- 
stinmiten  linearen  Anordnung  zu  Tage  treten,  auf  ein  unc 
derselben  Gebirgsspalte  aufsteigen,  so  darf  man  doch  nichi 
vergessen,  dass  diese  Spalte  selbst  noch  nicht  beobachtel 
worden  ist.  Ausser  jener  linearen  Quellenanordnung  sind  keine 
weiteren  directen  oder  indirecten  Beweise  für  ihre  Existenz 
bisher  bekannt  geworden.     Wir  können  also  auch  nicht  wissen, 


A.  Bothpletz:  Ursprung  der  Thermalquellen  von  St,  Moriz.     107 

ob  dieser  vermutheten  Spalte  der  Charakter  einer  nur  ein- 
fachen Eluft  oder  der  einer  Verwerfungsspalte  zugeschrieben 
werden  darf.  Was  die  von  Gümbel  gemachten  geologischen 
Beobachtungen  betrifiPb,  die  ihm  eine  Einkeilung  von  grünen 
Schiefem  und  Phylliten  wahrscheinlich  erscheinen  Hessen,  so 
sind  uns  dieselben  zwar  leider  unbekannt  geblieben,  ich  ver- 
muthe  aber,  dass  für  ihn  der  winkelige  Verlauf  der  Grenze 
zwischen  Granit  und  jenem  Schiefer  bei  Surlej  Ausschlag 
gebend  war.  Nordöstlich  der  Ortschaft  Surlej  bilden  diese 
Schiefer  einen  bewaldeten  Hügelvorsprung,  hinter  dem  sich 
die  Granitwände  von  1900  bez.  1950  m  Meereshöhe  an  bis 
zur  Eammhöhe  des  Rosatschstockes  erheben.  Die  Grenze  gegen 
den  Schiefer  ist  scharf  und  deutlich,  sie  verläuft  in  nordwest- 
licher Richtung  gegen  die  Plaun  della  Turba.  Dort  aber  biegt 
sie  um,  wird  in  südwestlicher  Richtung  rückläufig  und  erreicht 
so  mit  dem  Südende  des  Crestaltahügels  die  Ufer  des  Sees  von 
Campfer.  Die  Granitgrenze  hat  somit  einen  winkeligen  Verlauf 
und  in  den  nach  Süden  geöffneten  Winkel  dringt  wenigstens 
wf  der  Ostseite  eine  Partie  jenes  Schiefers  ein.  Ob  dies  auch 
auf  der  Westseite  der  Fall  ist,  wissen  wir  nicht,  da  hier 
alles  durch  Moränen  und  Seealluvionen  verhüllt  ist. 

Denkbar  ist  es  unter  diesen  Umständen  ganz  wohl,  dass 
jener  nach  Norden  vorspringende  Schieferkeil  sich  unterirdisch 
noch  weiter  fortsetze,  und  wenn  überhaupt  jene  Quellenspalte 
als  Verwerfungsspalte  existirt,  dass  diese  Fortsetzung  als  ein- 
geklemmte Scholle  in  nordöstlicher  Richtung  sich  verlängere 
und  so  der  aufsteigenden  Kohlensäure  den  Kalk-  und  Magnesia- 
gehalt liefere.  Dieser  sehr  vagen  Vermuthung  Hesse  sich  je- 
doch eine  andere  entgegensetzen,  die  Gümbel  gar  nicht  in 
Erwägung  gezogen  hat,  dass  nenilich  die  Granitmassen  bei 
ihrem  Emporsteigen  durch  das  schon  gefaltete  Schiefergebirge 
einzelne  Theile  jener  grünen  Schiefer  und  kalkführenden 
Phyllite  eingeschlossen  und  umhüllt  hätten,  dass  solche  grössere 
Einschlüsse  gerade  unter  St.  Moriz  verborgen  lägen  und  dem 
Quellwasser  den  Mineralgehalt  verliehen. 

Wir  können    mithin   gar   nicht  in  Verlegenheit  kommen, 


los  Sitzung  der  maihrphys.  Classe  vom  7.  Juni  1902, 

den  seltsamen  Mineralgehalt  dieser  dem  Granit  entspringendem. 
(Quellen  zu  erklären,  so  lange  wir  in  Annahmen  Befriedigung" 
linden,  deren  theoretische  Möglichkeit  nicht  bestritten,  dereiM. 
Realität  aber  eben  so  wenig  bewiesen  werden  kann. 

Um  uns  jedoch  in  derartigen  unfruchtbaren  Speculationerm. 
nicht  zu  verlieren,  wollen  wir  diejenigen  thatsäch liehen  Ver — 
hältnisse  in  Erörterung  ziehen,  welche  geeignet  sind,  uns  übexr 
den  Ursprung  der  St.  Morizer  Quellen  aufzuklären. 

1.   Das  Alter  des  Granites. 

Wir  fassen  hier  unter  dem  Namen  Granit  alle  die  vei-— 
schiedenen  granitischen  Varietäten,  Diorite  und  Syenite  zii  — 
sammen,  welche  das  Rosatsch-Massiv  aufbauen,  sich  über  da-s 
Bernina-Massiv  weiter  ausdehnen  und  auf  der  anderen  Seifen 
des  Innthales  Gebirgsketten  zusammensetzen,  die  im  Piz  Ot'fc» 
Piz  »Tulier  und  Piz  d'Err  allbekannte  Bergspitzen  besitzerm- 
Nach  Art  ihrer  petrographischen  Ausbildung  und  ihres  Vor — 
kommens  erweisen  sie  sich  alle  als  Theile  einer  einheitlich^:*^ 
und  gleichzeitigen  Intrusion. 

Gümbel  hat  sich  darauf  beschränkt  festzustellen,  da^^ 
dieser  Granit  jünger  ist  als  die  ihn  umgebenden  krystalline:^^ 
Schiefer  und  Gneisse,  und  da  er  diese  als  Glieder  der  archaei  — ' 
sehen  Formation  ansah,  so  ergibt  sich  daraus  nur,  dass  de^^ 
Granit  jedenfalls    nicht  viel    älter    als  palaeozoisch  sein  kann  ^ 

Theobald  (Beiträge  zur  geol.  Karte  der  Schweiz,  Lief.  3  -^ 
S.  228,  1866)    hingegen   hat   sich   dahin    ausgesprochen,    das^^ 
diese    Granite  jünger   als    die   Liasformation   seien,    weil    derf' 
Lias  das  jüngste  Sedimentgestein  sei,  das  durch  die  granitisch— 
syenitische  Erhebung   gehoben    und  verbogen  wurde.     Beson- 
ders  in    der  Nähe  von  St.  Moriz  bei  Gravasalvas   sah    er   den 
Granit  in   mächtigen  Massen    über  den  Schichtköpfen  der  ge- 
falteten Bündner-  und  Liasschiefer  ausgebreitet  und  obwohl  er 
darüber  schreibt  (S.  123):    „Entweder  müssen  wir  eine  Ueber- 
schiobung   der  granitisclien   Gesteine    über    diese   Schiefer    an- 
nehmen, oder  voraussetzen,  dass  erstore  als  ein  feurig-flüssiger 


A,  Bothpletz:  Ursprung  der  Thermalquellen  von  St,  Moriz.     199 

Teig  sich  über  letztere  ausgebreitet  haben",  so  scheint  ihm 
doch  nur  die  letztere  Annahme  eingeleuchtet  zu  haben,  und 
so  wurde  er  um  so  mehr  im  Glauben  an  ein  postliasisches 
Alter  des  Granites  bestärkt.  Ein  drittes  Argument  erwähnt 
tr  S.  87:  „Es  ist  merkwürdig,  dass  sich  weder  im  Verrucano 
noch  in  dem  liasischen  Kalkconglomerat  Trümmer  von  Julier- 
granit  oder  Serpentin  finden,  was  darauf  hinzudeuten  scheint, 
dass  diese  Gesteine  erst  nach  der  Bildung  dieser  Conglomerato 
an  ihre  jetzige  Stelle  gekommen  sind". 

Für  den  Serpentin  ist  dies  richtig.  Er  ist  in  diesem 
Theil  der  Alpen  in  Verbindung  mit  basaltartigen  Eruptionen 
erst  nach  der  ersten  Alpenfaltung  also  zur  Tertiärzeit  empor- 
gedrungen (siehe:  Meine  Geolog.  Alpenforschungen  I,  1900). 
Für  den  Engadiner  Granit  gilt  das  aber  nicht,  und  es  ist  offenbar 
Theobald  entgangen,  dass  das  mächtig  entwickelte  liasische 
Conglomerat  auf  der  Nordseite  des  Piz  Julier  am  Suvretta  Pass 
stellenweise  erfüllt  ist  von  zum  Theil  recht  grossen  Brocken 
von  Porphyr,  porphyrartigem  Granit  mit  röthlichen  Feldspathen 
und  granitischen  Gesteinen  mit  weisslichen  und  grünlichen 
Feldspathen.  Ob  letztere  geradezu  dem  Juliergranit  angehören, 
muss  erst  durch  eine  genaue  petrographische  Untersuchung 
festgestellt  werden,  aber  jedenfalls  beweisen  sie,  dass  schon 
vor  dem  Lias  in  Graubünden  mächtige  Granitintrusionen  erfolgt 
und  auch  in  Folge  von  Dislocationen  gehoben,  entblösst  und 
zu  Uferfelsen  des  Liasmeeres  geworden  waren. 

Die  Hebungen  und  Verbiegungen  der  liasischen  oder  älteren 
Sedimente  im  Dache  des  Granites  auf  dessen  Empordringen 
zurückzuführen,  wie  es  Theobald  gethan  hat,  geht  so  lange 
uicht  an,  als  in  diesen  Schichten  keinerlei  Contactmetamor- 
ptosen  oder  granitische  Apophysen  und  Gänge  nachgewiesen 
werden  können. 

Was  endlich  die  Lagerung  grosser  Granitmassen  auf  dem 
Lias  am  Lunghino-  und  Gavasalvas-Pass  betrifft,  so  ist  das 
keine  ursprüngliche  —  denn  auch  hier  fehlen  alle  Spuren  von 
Contactmetamorphosen  —  sondern  Folge  einer  grossartigen 
Ueberschiebung,  von  der  nachher  die  Rede  sein  wird. 


200  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  7,  Juni  1902. 

Wenn  wir  uns  in  der  weiteren  Umgebung  von  St.  Moriz 
umsehen,  so  finden  wir  im  Hintergrund  des  Julierthales  auf 
dem  Südgehänge  des  Piz  Suvretta  in  den  dort  so  mächtig 
entwickelten  Sernifitschiefern  hellfarbige  Granitgänge,  die  von 
deutlichen  Contacthöfen  umgeben  sind.  In  den  auf  dem  Ser- 
nifit  ruhenden  Dolomiten,  Rauhwacken  und  Gypslagern,  ebenso 
in  den  höheren  Liasschiefern  und  Flyschgesteinen  sind  hin- 
gegen bisher  nirgends  granitische  Gänge  oder  Contactmeta- 
morphosen  aufgefunden  worden.  Theobald  und  Gümbe! 
haben  die  Dolomite  in  die  Trias,  den  Sernifit  in  den  Bunt- 
sandstein gestellt,  ich  habe  aber  schon  früher  gezeigt,  das$ 
diese  Gebilde  im  nördlichen  Graubünden  von  der  Trias  ein- 
schliesslich des  Buntsandsteines  überlagert  werden,  also  ältei 
wie  diese  sind.  Sie  müssen  als  Vertreter  der  Permformatioi 
aufgefasst  werden,  und  somit  ergibt  sich  für  diese  Granit 
intrusionen  als  das  wahrscheinlichste  ein  unterpermisches  Alter 
was  allerdings  nicht  absolut  für  alle  Granite  dieser  Gegenc 
aber  doch  für  einen  Theil  derselben  ausgesprochen  sein  sol 
und  auch  für  diese  nur  unter  dem  Vorbehalt,  dass  weiten 
Untersuchungen  der  in  den  Hochregionen  der  Gletscher  unc 
des  ewigen  Schnees  gelegenen  Ueberreste  der  jüngeren  Sedi- 
nientdecke  nicht  doch  noch  Apophysen  oder  ähnliche  Bildungei 
zur  Kenntniss  bringen. 

Wir  sind  also  dazu  gekommen,  in  den  grossen  Granit 
massen  des  Engadins  Gesteine  zu  sehen,  die  sicher  vorliasisch 
wahrscheinlich  jungpalaeozoisch,  sind  aber  jedenfalls  längs 
erstarrt  waren,  als  zur  Tertiärzeit  die  alpinen  Hebungen  um 
Faltungen  begannen.  Dabei  wurde  dieser  Granit  geradeso  ge 
hoben,  geschoben  und  verworfen  wie  die  Sedimentgesteine. 

2.    Der  Gebirgsbau  im  Gebiet  der  Quellen. 

An  anderem  Orte  habe  ich  nachgewiesen,  dass  eine  de 
grossen  rhätischen  Ueberscliiebungen,  durch  welche  fast  di 
ganze  Masse  der  Ostalpeii  viele  Kilometer  weit  über  diejenig 
der   Westalpen    in    westlicher    Richtung   auf  verhältnissmässi^ 


Ä.  Eothpletz:  Ursprung  der  Thermalquellen  von  St.  Moriz.     201 

sehr  flach  gelagerten  Schubflächen  hinwegbewegt  worden  ist, 
auch  das  Engadin  quer  durchschneidet.  Die  Schubfläche  streicht 
am  Lunghinopass  aus,  senkt  sich  auf  dem  westlichen  Thal- 
gehänge des  Engadines  langsam  nach  Osten  herab  bis  zum 
Sihaplaner  See  und  steigt  am  jenseitigen  Gehänge  gegen 
Süden  wieder  herauf' bis  zur  Höhe  des  Capütschin,  biegt  dort 
nach  Osten  um  und  umzieht  das  Berninamassiv  auf  dessen 
Südseite.  Das  Gebirge  unter  dieser  Schubfläche  besteht  aus 
Gneissen  mit  Granitinjectionen,  jenen  Marmor-  und  Dolomit- 
lagera,  Kalkglimmerschiefern  und  grünen  Bündnerschiefern, 
die  Gümbel  als  Phyllite  bezeichnet  hat,  während  ich  darin 
Vertreter  der  älteren  palaeozoischen  Schichten  mit  eingelagerten 
Diabasen  und  DiabastufFen  sehe.  Sie  werden  discordant  von 
permischen  Sernifit  und  Röthidolomit  überlagert,  auf  denen 
theilweise  obertriasische  Koessner  Kalke,  meist  aber  unmittelbar 
liasische  Kalksteine  und  Schiefer,  mancherorts  auch  noch  Flysch 
ruhen.    Alles  dies  ist  stark  gefaltet. 

Ueber  der  Schubfläche  trefi'en  wir  wiederum  Granite  und 
fineiss,  darüber  Sernifit  und  Röthidolomit;  ob  stellenweise 
vielleicht  auch  noch  Liasablagerungen  darüber  erhalten  sind, 
muss  erst  festgestellt  werden. 

In  Folge  dieser  Ueberschiebung  ist  der  Granit  der  Schub- 
masse  bei  Gravasalvas  auf  die  gefalteten  Schichten  des  Lias, 
<ies  Perms  und  der  palaeozoischen  Bündnerschiefer  zu  liegen 
gekommen,  was  Theobald  bereits  erkannt  und  in  der  schon 
erwähnten  Weise  sich  zu  erklären  versucht  hat.  Ebenso  liegt 
aber  auch  der  Granit  des  Piz  Surlej  bei  Surlej  über  den  palaeo- 
zoischen Bündnerschiefern  und  man  kann  diese  Ueberlagerungs- 
fläche  (siehe  Fig.  1)  am  Gehänge  herauf  gegen  den  Crialetsch 
am  Pusse  des  Piz  Corvatsch  leicht  verfolgen.  Die  Schubfläche 
ist  hier  mit  10  — 12®  gegen  Norden  geneigt,  wird  aber  zwischen 
der  Alp  Surlej  und  Mörtels  von  einer  Querverwerfung  getroffen, 
jenseits  welcher  sie  höher  und  fast  horizontal  liegt. 

Bei  Surlej  senkt  sich  die  Ueberschiebungsfläche  unter  den 
Thalboden.  Wenn  man  annimmt,  dass  sie  sich  gegen  Norden 
mit  gleicher  Neigung  von  10®  weiter  senkt,  so  muss  sie  unter 


202 


Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  7.  Juni  1902, 


Morizbad  bereits  etwa  300  Meter  unter  der  Oberfläch 
Aber  selbst,  wenn  hierbei  ihre  Neigung  stärker  oder  sc 
wäre,  immer  müsste  man  annehmen,  dass  der  Granit 

dem  überschobenen 
gebirge  liegt,  dass 
nicht  in  die  „unendlicl 
herabgeht.  Die  Wurs 
Grjinitstockes  ist  W( 
Osten  zu  suchen,  hi< 
wir  nur  einen  ober 
gewissermassen  den  B 
selben. 

Durch  den  sieben 
weis  dieser  Uebers( 
ist  zugleich  das  Quelh 
gelöst.  Die  Quellwa 
Gase,  die  aus  dem  G 
Tage  treten ,  komr 
grösserer  Tiefe  un< 
aus  einer  Gebirgsmj 
von  Granit  nur  ober 
bedeckt  wird,  selbst 
verschiedenartigen 
ablagerungen  besteht 
die  Mineralbestandth 
halten  können,  wel 
Morizer  Thermalquel 
zeichnen. 

Wie  steht  es  n 
mit  der  Quellenspa 
welche  G lim  bei  auf] 
gemacht  hat?  Aui 
hal)e  ich  sie  einge 
für  sie,  wie  schon  < 
Wenn    man    iedoch    a 


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wenn  schon  ein  sicherer  Beweis 
noch    nicht    zu    erbrin^^en  war. 


dass  die  westliche  Gebirgsmasse  auf  dieser  Spalte  eine 


Ä.  Bothpletz:  Ursprung  der  ThermalqueUen  von  St,  Mariz.     203 

erfahren  habe,  dann  erklärt  es  sich,  was  sonst  kaum  verständ- 
lich wäre,  warum  der  Granit,  der  östlich  von  Surlej  bei  1950  m 
Meereshöhe  über  dem  palaeozoischen  Bündnerschiefer  liegt,  1  km 
weiter  im  Westen,  wo  er  eigentlich  in  ebenso  hoher  Lage  er- 
wartet werden  sollte,  bereits  über  150  m  tiefer  herabreicht,  so 
dass  der  unterliegende  Schiefer  am  Ufer  des  Sees  vom  Campfer 
gar  nicht  mehr  sichtbar  ist.  Besser  unterrichtet  sind  wir  von 
einer  zweiten  Verwerfung,  welche  mit  dieser  ungefähr  parallel 
verläuft  und  durch  das  ganze  obere  Engadin  auf  der  west- 
lichen Thalseite  hinläuft.  Auf  ihr  haben  grosse  Verschiebungen 
nachweislich  stattgefunden  und  es  zustande  gebracht,  dass  nir- 
gends eine  voUkommne  Uebereinstimmung  im  geologischen  Bau 
der  beiden  Thalseiten  besteht.     (Näheres  darüber  werde  ich  in 


NW. 

Alp  Giop 


St.  Moriz  Bad 


so. 

Piz  Rosatsch 


t/oo  nt. 


Fig.  2.    Schnitt  qaer  Ober  das  Innthal   (1 :  75000)  mit  den  muthmoss- 
lichcn  tcktonischen  Verhältnissen   unterhalb  des   1700  Meter-Niveaus. 


Alpenforschungen  11  später  mittheilen.)  So  mag  es  denn  ge- 
stattet sein,  die  Quellenspalte  als  eine  Begleiterscheinung  jener 
>  erwerfungsspalte  aufzufassen,  und  es  ergibt  dies  dann  für  die 
nähere  Umgebung  von  St.  Moriz  das  Bild  eines  Grabenbruches, 
^e  ihn  Fig.  2  zur  Darstellung  bringt. 

Was  früher  als  etwas  Seltsames  und  schwer  zu  Erklären- 
des erschien,  nemlich  der  Mineralgehalt  der  Morizer  Thermen, 
das  ist  für  die  nun  gewonnene  tektonische  Auffassung  etwas 
ganz  selbstverständliches,  ja  geradezu  nothwendiges  geworden. 
Die  Quellen  müssen  aus  Kalkgebirg  aufsteigen,  weil  sie  Thermen 
sind,  also  aus  grösseren  Tiefen  kommen, 


204  Sitzung  der  mcUh.-phys,  Glosse  vom  7.  Juni  1902. 

3.   Woher  stammt  die  viele  freie  Kohlensäure? 

Diese  Erscheinung  ist  nicht  auf  St.  Moriz  beschrän 
sondern  recht  eigentlich  eine  besondere  Eigen thümlichkeit  Gn 
bündens,  wodurch  sich  dasselbe  vor  den  meisten  anderen  Thei 
der  Alpen  auszeichnet.  Ebenso  eigenthümlich  ist  aber  die 
Gegend  das  Vorhandensein  zahlreicher  tertiärer  Basalt-  i 
Serpentingänge.  Die  Basalte  sind  allerdings  in  der  Litera 
hinter  den  Namen  Melaphyr,  Spilit,  Diabas  und  Diorit  zie 
lieh  gut  versteckt,  aber  es  sind  jedenfalls  basaltartige  En 
tionen,  die  abwechselnd  alle  alpinen  Sedimentgesteine  dur 
setzten  und  zwar  zu  einer  Zeit,  als  die  alpine  Faltung  1 
schon  vollendet  war,  also  etwa  in  der  mittleren  Oligocänzeit  o 
später.  Das  Gleiche  gilt  für  die  Serpentine,  die  in  wild  v 
bogenen  Schichten  aufsetzen  und  trotzdem  oft  kilometerlan 
ganz  geradlinige  Gänge  darin  bilden.  Freilich  hat  man  v; 
fach  versucht,  diese  Serpentine  in  einen  genetischen  Zusamm 
hang  mit  den  sog.  grünen  Bündnerschiefern  zu  bringen,  weL 
nach  meiner  Auffassung  palaeozoische  Diabase  und  Diabasti 
sind,  und  es  ist  ja  auch  die  Möglichkeit  keineswegs  von 
Hand  zu  weisen,  dass  in  den  Alpen  auch  Serpentinmas 
vorkommen,  die  älter  als  tertiär  sind.  Dies  ändert  aber  nie 
an  der  Thatsache,  dass  Graubünden  zur  Tertiärzeit  der  Seh 
platz  stärkerer  vulkanischer  Thätigkeit  war,  die  jetzt  allerdii 
ganz  erloschen  zu  sein  scheint,  aber  in  den  starken  Kohl 
säure-Exhalationen  noch  wenn  auch  schwache  Nachwirkung 
verräth.  Als  solche  steigen  also  auch  die  Gase  unter  St.  Mc 
aus  grösseren  Tiefen  und  mit  hohen  Temperaturen  auf. 
werden  von  den  kühleren  unterirdischen  Gewässern  aufgenc 
men  und  abgekühlt,  erwärmen  aber  ihrerseits  jene  Gewäsi 
die  mit  dieser  Unterstützung  lebhafter  mineralische  StoflRe 
Lösung  nehmen  und  mit  ihnen  in  die  Höhe  steigen. 


Ä,  BothpleU:  Ursprung  der  Thermalquellen  von  St.  Moriz,-  205 

4.  Woher  stammen  die  mineralischen  Bestandtheile? 

Das  Vorhandensein  des  basalen  Kalkgebirges  erklärt  uns 
zu  Genüge  den  Gehalt  an  Kalk-,  Magnesium-,  Eisen-  und 
Mangancarbonaten  sowie  an  Kieselerde  und  Thonerde.  Anders 
liegt  es  mit  den  Sulphaten,  Chloriden,  dem  Bor,  Brom  und 
Jod.  Das  sind  Stoffe,  die  das  Meereswasser  in  Lösung  ent- 
hält und  unter  günstigen  Verhältnissen  auch  in  seinen  Sedi- 
menten ausscheidet.  Aber  wo  wir  ältere  Meeresablagerungen 
zu  Tage  gehen  sehen,  sind  diese  Bestandtheile  gewöhnlich 
nicht,  oder  doch  nur  theilweise  und  in  verschwindenden  Massen 
Torhanden,  so  dass  wir  uns  gewöhnt  haben,  sie  nicht  zu  den 
gewühnhchen  Absatzproducten  zu  zählen.  Gleichwohl  dürften 
sie  viel  häufiger  zu  Ablagerung  gekommen  sein,  als  sich  be- 
obachten lässt.  Da  aber,  wo  sie  nicht  in  grösseren  Mengen 
in  Form  von  Steinsalz-  oder  Sollagern  auftreten,  sondern  nur 
verhältnissmässig  spärlich  den  Kalk-,  Mergel-  oder  Thon- 
schichten  beigemengt  waren,  sind  sie  im  Ausgehenden  dieser 
Gesteine  längst  durch  die  circulirenden  Tageswässer  ausgelaugt, 
ond  nur  in  grösseren  Tiefen  kann  dieser  Salzgehalt  noch  er- 
halten geblieben  sein,  wo  eben  noch  keine  so  kräftige  Durch- 
wässerung eingetreten  ist.  Wir  können  also  erwarten,  dass  alle 
Marinen  Sedimente,  die  hier  unter  dem  Schutze  der  darüber- 
geschobenen  Granitdecke  liegen,  noch  jene  leicht  löslichen  Salze, 
soweit  sie  darin  abgesetzt  worden  waren,  aufgespeichert  ent- 
halten und  nun  an  die  aufsteigenden  kohlensäurereichen  Thermal- 
wasser  abgeben.  Besonders  jedoch  steht  zu  erwarten,  dass  die 
permischen  Dolomite,  die  von  Rauhwacken  und  Gypslagern 
begleitet  sind,  reich  an  solchen  Salzen  gewesen  sind  und  in 
ihnen  dürfen  wir  deshalb  die  Hauptlieferanten  sehen. 

Wir  wissen  aber,  dass  die  palaeozoischen  Bündner  Schiefer 
von  Permablagerungen  discordant  überlagert  werden,  und  es 
hätte  somit  gar  nichts  auffallendes,  wenn  unter  dem  Boden 
von  St.  Moriz  und  seiner  Granitdecke  solche  permische  Ab- 
lagerungen in  grösserer  Mächtigkeit  vorhanden  wären,  wie 
dies  in  Fig.  1  und  2  dargestellt  ist. 


206  Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  7,  Juni  1902, 

Für  die  Wahrscheinlichkeit  dieser  Annahme  lässt  sich  ai 
führen,  dass  thatsächlich  oberhalb  Surlej  zwischen  dem  Grar 
bezw.  Gneiss  und  den  liegenden  Bündner  Schiefern  die  pe 
mischen  Sernifitschiefer  ausstreichen,  und  wenn  die  Dolomi 
darüber  fehlen,  so  erklärt  sich  dies  durch  die  Richtung  d 
Ueberschiebung,  durch  welche  sie  hier  weggeschoben  word- 
sind,  während  sie  auf  der  anderen  Thalseite  oberhalb  Grav 
salvas  noch  thatsächlich  erhalten  geblieben  sind  aus  de 
Grunde,  weil  sie  da  tiefer  in  die  Bündner  Schiefer  eingefalt 
waren.  Aehnlich  können  aber  auch  die  Verhältnisse  unt 
St.  Moriz  liegen. 

5.    Zusammenfassung  der  Ergebnisse. 

Ein  grosser  Granitstock,  der  in  Gneiss,  kry  stallinen  Schiefe 
und  palaeozoischen  Sedimenten  aufsitzt  und  wahrscheinlich  geg 
Ende  der  palaeozoischen  Zeit  eingedrungen  war,  ist  mit  dies 
Schiefern  und  den  später  über  und  neben  ihm  abgelagert 
jüngeren  Meeressedimenten  in  der  Oligocänperiode  von  d 
ersten  alpinen  Faltung  ergriffen  und  dislocirt  worden.  Dara 
wurde  er  von  der  rhätischen  Ueberschiebungsspalte,  welche 
dem  Alpenkörper  entstand  und  denselben  von  Nord  nach  S 
quer  durchschnitt,  in  zwei  übereinander  liegende  Theile  zerlej 
von  denen  der  obere  durch  jene  Ueberschiebung  nach  West 
fortgeschoben,  von  seinem  Sockel  entfernt  und  auf  bere 
gefaltete  palaeozoische  und  mesozoische  Meeresablagerung 
heraufgeschoben  wurde.  Der  Piz  liosatsch,  sowie  die  gai 
Bernina-Granitmasse,  der  Julier-  und  Albuhi-Granit  gehöri 
zu  diesem  jetzt  wurzellosen  nach  Westen  verschobenen  Gran 
stock,  der  nachträglich  nochmals  von  Gebirgsspalten  in  v- 
schiedenen  Richtungen  durchschnitten  und  in  mehrere  Scholl 
zerlegt  wurde,  die  ebenfalls  durch  vertikale  und  horizoiit 
Bewegungen  gegeneinander  verschoben  worden  sind,  so  d; 
deren  ursprünglicher  Zusammenhang  auch  in  dieser  obei 
Hälfte  des  Granitstockes  gründlich  verloren  ging. 

Vielleicht  gleichzeitig  damit,  jedenfalls  aber  zeitlich  nie 


I 


Ä,  Bothpletz:  Ursprung  der  Thermalquellen  von  St.  Moriz,     207 

w-eit  daTon  entfernt,   fanden   im  Gebiet  dieser  Ueberschiebung 
Diirchbrüche  von  Basalt-  und  Serpentinmassen  statt,  die  gang- 
förmig aus  der  Tiefe  emporstiegen.     Obschon  diese  vulkanische 
Thätigkeit  längst  erloschen  ist,    so    erkennen   wir   ihre  Nach- 
i^irkungen     doch    noch     an    den    starken    Gasausströmungen, 
Twdehe   sich    an   vielen   Orten    und    so   auch   bei   St.  Moriz   in 
Form  von  kohlensäurereichen  Thermalquellen  äussern. 

Die  in  die  Erde  eindringenden  Wasser  der  atmosphärischen 
^N'iederschläge  absorbiren  in  der  Tiefe  diese  Gase  und  erhalten 
dadurch  einen  Auftrieb,  der  sie  auf  vorhandenen  Gebirgsspalten 
a-ufeteigen  macht.  Sie  steigen  um  so  höher,  je  grösser  der 
hydrostatische  Druck  ist,  d.  h.  je  höher  die  Niveaufläche  des 
XTutergrundwasserstandes  liegt.  Da  diese  im  Engadin  im  Winter 
ihren  tiefsten,  im  Sommer  aber  in  Folge  der  Schneeschmelze 
einen  bedeutend  höheren  Stand  hat,  so  begreift  es  sich  leicht, 
^^arum  die  im  Sommer  stark  fliessenden  St.  Morizer  Thermal- 
em laellen  im  Winter  sehr  schwach  sind  oder  auch  ganz  aus- 
bleiben. 

Der  hohe  Mineralgehalt  dieser  verhältnissmässig  kalten 
Quellen  ist  demnach  dadurch  bedingt,  dass  die  Auflösung  von 
Salzen  in  grösseren  Tiefen  begünstigt  durch  die  freie  Kohlen- 
saure und  hohe  Temperatur  vor  sich  geht  und  dass  das  auf- 
steigende Wasser  erst  in  höheren  Regionen  durch  das  kältere 
niedersinkende  Tageswasser  abgekühlt  wird. 

Der  für  die  St.  Morizer  Quellen  charakteristische  Mineral- 
gehalt besteht  hauptsächlich  aus  Bestandtheilen,  die  im  Meeres- 
'«'asser  gelöst  vorkommen,  mithin  auch  in  Meeresablagerungen 
2um  Absatz  kommen  können  und  wahrscheinlich  von  dem 
palaeozoischen  Meere  in  seinen  Sedimenten  einstmals  aufge- 
speichert worden  sind,  aus  denen  sie  jetzt  die  kohlensäure- 
haltigen St.  Morizer  Quellen  beziehen  und  wieder  an  die  Erd- 
oberfläche bringen. 


208 


Sitzung  vom  5.  Juli  1902. 

1.  Herr  C.  Göbel  hält  einen  Vortrag:  »üeber  Regen« 
tion  bei  Pflanzen*.  Derselbe  wird  anderweit  zur  Veröff 
lichung  gelangen. 

2.  Herr  Seb.  Finsterwalder  überreicht,    auf  Ersuchen 
Herrn  Herm.  Ebert,  zu  der  in  der  Maisitzung  vorgelegten 
in  den  Sitzungsberichten  veröffentlichten  Abhandlung  der  He 
Karl  Fischer  und  Heinrich  Alt   über   Dampfspannung 
reinen  Stickstoffes   einen  Nachtrag:    ,,Erstarrungs- 
Schmelzdruck  des  Stickstoffes". 


209 


Erstarrungs-  und  Schmelzdruck  des  Stickstoffs. 

Von  K.  T.  Fischer  und  H.  Alt. 

(Eingaaufm  5.  JtiU.) 

1.    In   unserer   Arbeit    über    die   Dampfspannung    des 
^"eiiien  Stickstoffs^)  waren  wir  auf  Grund  der  Clapeyron'- 
schen  Gleichung  zum  Schluss  gekommen,  dass  die  Verdampfungs- 
^ärme  des  Stickstoffs  mit  abnehmender  Temperatur  erst  steigt, 
^1^    dann   in   der  Nähe  des  Erstarrungspunktes  wieder   abzu- 
^^hmen,    wenn   man   die  spezifischen  Volumina   des  StickstoflF- 
^Ämpfes  aus  dem  von  De  war  ermittelten  Wert  256.83  ccm/gr 
"«i   760  mm  Druck  und  90.5®  absoluter  Temperatur  nach  dem 
-""f  ariotte-Gay-Lussac'schen  Gesetz  extrapolieren  darf   (1.  c. 
S-  147).     Die  direkten  Bestimmungen  der  Verdampfungs wärme, 
^^elche    Herr   Alt    inzwischen    ausgeführt    hat,    haben    diesen 
Schluss  nicht  bestätigt,    sondern   eine  stetige,    wenn  auch  ge- 
^^nge  Zunahme  der  Verdampfungswänne  des  Stickstoffs  bei  ab- 
nehmender Temperatur  ergeben.     Von   700  mm    bis   herab   zu 
-*  20  mm  Druck   stimmen   die   von   uns    berechneten  Werte  der 
"erdampfungswärme   mit    den    beobachteten    so   genau   als    zu 
^^^varten  war,    überein,   von  da  ab  jedoch  ergeben  sich  grosse 
^-Differenzen.     Sucht    man   den  Grund    für   diese  Abweichungen 
^n    den  Beobachtungen   der  Dampfspannung,    aus   welchen   wir 
3^     die    Aenderung    der   Dampfspannung    mit   der    Tejnperatur 
berechnen  mussten,    so   wäre    ein  Fehler   noch   am    ehesten  in 
^^r  Druckbestimmung  zu  vermuten,  da  wir  für  den  Erstarrungs- 
^^uck  des  Stickstoffs    stark   von   einander    abweichende  Werte 


\ 


^)  Sitzungsber.  der  bayer.  Akad.  d.  Wissensch.    S.  113—151,    1902. 
1902.  SitziiDgsb.  d.  iDath.-phy8.  Cl.  1^ 


210  Sitzung  der  matK-phys,  Glosse  w>m  5.  Juli  190S. 

erhalten  haben  (1.  c.  S.  135);  würde  man  aus  den  direkt  e 
mittelten  Werten  der  Verdampfungswärmen  auf  den  Erstarrung 
druck  extrapolieren,  so  würde  sich,  wenn  die  Temperatur  s 
richtig  angenommen  ist,  ein  Erstarrungsdruck  von  78  mm  e 
geben.  Da  wir  in  der  That  einige  Male  so  niedrige  Wer 
beobachtet  hatten,  so  nahmen  wir  neuerdings  eine  eige: 
Untersuchung  über  den  Erstarrungs-  und  Schmelzdruc 
des  Stickstoffs  vor. 

2.  Da  wir  früher  zur  Vermeidung  von  Siedeverzüg« 
Wasserstoff  in  den  Stickstoff  eingeleitet  hatten,  und  in  diese 
Falle  den  Druck  sogar  eher  höher  als  niedriger  wie  86  ra 
anzunehmen  uns  veranlasst  sahen,  so  glaubten  wir,  es  könni 
trotzdem  wenig  Wahrscheinlichkeit  dafür  vorhanden  war,  d 
Zufuhr  von  Wasserstoff  eine  wesentliche  Fehlerquelle  gebild 
haben  und  vermieden  bei  den  neuen  Versuchen  dieses  Hilf 
mittel  vollständig.  Da  die  Untersuchungen  des  Herrn  A 
zeigten,  dass  bei  der  Verdampfung  des  Stickstoffs  durch  elel 
trische  Heizung  Siedestösse  nicht  auftraten,  so  führten  wir  i 
die  1.  c.  S.  125  abgebildete  Anordnung  statt  der  Kapillaren  2 
welche  früher  Wasserstoff  zuleitete,  eine  Platinheizspirale  eii 
welche  aus  einem  2  m  langen,  0,11  mm  dicken  Drahte  he: 
gestellt  «war  und  mit  0,3  —  0,5  Amper  Strom  beschickt  werde 
konnte,  wenn  Siede  Verzüge  zu  befürchten  waren.  Um  auc 
jedes  andere  Fremdgas  so  viel  wie  möglich  vom  Stiel 
stoff  fern  zu  halten,  schlössen  wir  den  llecipienten,  unt< 
dem  sich  der  verdampfende  Stickstoff  befand,  an  2  gros.« 
eiserne  Vacuumkessel  von  zusammen  700  Liter  Inhalt  ai 
welche  bis  auf  40  —  50  ram  Druck  durch  die  schon  früher  b( 
nützte  Bianchi'sche  Pumpe  leer  gepumpt  werden  konnten,  un 
in  welchen  sich  also  während  der  Versuche  eine  ziemlich  reir 
Stickstoflfatmospliäre  ansammeln  musste.  Da  der  Druck  durc 
die  elektrische  Heizung  und  durch  Feiiiverstellung  eines  zwische 
Recipienten  und  Vacuumkessel  angebrachten  Hahnes  gerege 
und  konstant  gehalten  werden  konnte,  so  konnte  auch  de 
Seitenhahn  fortgelassen  werden,  durch  welchen  wir  frühe 
zeitweise  Luft    in   die   Pumpenleitung    hatten    eintreten   lasse 


Fischer  u.  ÄH:  Erstarrungs-  u.  SchmeUdruck  des  Stickstoffs,      211 

(1.  c.  S.  129).  Die  im  Recipienten  befindliche  Luft  wurde  wohl 
bald  ziemlich  vollständig  ausgetrieben,  da  das  Stickstoffgefäss 
sofort  nach  der  Füllung  mit  in  Luft  filtriertem  Stickstoff  unter 
den  Recipienten  gesetzt  wurde  und  zunächst  der  Stickstoff  noch 
äusserst  lebhaft  verdampfte,  bis  das  Dewargefass  genügend 
abgekühlt  war. 

3.  Wir  führten  im  Ganzen  10  Versuchsreihen  durch  und 
zwar  benützten  wir  für  den  ersten  Versuch  ein  kugeliges, 
durchsichtiges  Dewarfläschchen  von  153  ccm  Inhalt  und  für 
die  folgenden  ein  kleineres,  cylindrisches,  durchsichtiges  Dewar- 
fläschchen von  50  ccm  Inhalt.  Der  eine  von  uns  beobachtete 
das  Barometer,  welches  dasselbe  war  wie  früher  und  regelte 
den  Druck,  der  andere  beobachtete  gleichzeitig  mittelst  Kom- 
pensationsmethode die  elektromotorische  Kraft  des  Kupfer- 
Konstantanelementes,  welches  wir  auch  schon  früher  benutzt 
hatten.  Es  lieferte  dieses  Thermoelement  dieselben  elektro- 
motorischen Kräfte  für  den  Siedepunkt  und  Gefrierpunkt,  die 
wir  schon  früher  erhalten  hatten,  sodass  wir  für  diese  die- 
selben Temperaturen  annehmen  konnten,  den  Siedepunkt  natür- 
lich mit  Rücksicht  auf  die  Aenderung  des  Barometerstandes 
entsprechend  korrigiert,  um  festzustellen,  inwieweit  der 
Sauerstoffgehalt  den  Gefrierdruck  erniedrige,  nahmen 
wir  eine  bestimmte  Menge  flüssigen  Stickstoff  und  brachten 
sie  wiederholt  zum  Erstarren  und  Schmelzen,  indem  wir  gegen 
geringen  Druck  verdampfen  Hessen;  da  nach  den  Untersuch- 
ungen Baly's^)  aus  einem  sauerstoffarmen  Gemisch  von  Stick- 
stoff-Sauerstoff hauptsächlich  Stickstoff  verdampft,  während  der 
Sauerstoff  der  Hauptsache  nach  in  der  Flüssigkeit  zurückbleibt, 
so  musste  schliesslich  ein  relativ  sauerstoffreicher  Flüssigkeits- 
rest Übrig  bleiben  und  sich  zeigen,  ob  in  der  That,  wie  wir 
schon  früher  vermutet,  der  Erstarrungsdruck  hauptsächlich  durch 
Sauerstoffverunreinigung  erniedrigt  wird  (1.  c.  S.  132).  Wenn 
der  zur  Verflüssigung  gebrachte  Stickstoff  auch  nur  0,02  ^/o 
Sauerstoff  enthielt,   so  konnte,    wenn  schliesslich  ein  Quantum 


»)  E.  C.  C.  Baly,  Phil.  Mag.  49.   S.  521,  1900. 

14* 


212  Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  5,  JtUi  1902. 

von  50  ccm  auf  1  ccm  eingedampft  war,  dieser  Rest  ca.  l°/o 
SauerstoflF  enthalten.  Um  über  diese  im  schliesslichen  Stick- 
stoflPrest  verbleibende  SauerstoflFmenge  einen  Anhaltspunkt  zu 
gewinnen,  analysirten  wir  am  Schluss  einiger  Versuche  die 
letzten  im  Dewargefäss  verbleibenden  Rückstände,  indem  wir 
das  Dewarfläschchen  rasch  aus  dem  Recipienten  herausnahmen, 
mit  einem  Gummistopfen  und  Gummischlauch  verschlossen,  erst 
noch  durch  Schütteln  kräftige  Verdampfung  stattfinden  liessen 
und  dann  den  Gummischlauch  an  die  Hempel'sche  Bürette 
ansetzten,  um  die  SauerstofFanalyse  mit  Kupfer  in  ammoniakali- 
scher  Lösung  vorzunehmen;  auch  während  des  Füllens  der 
Bürette,  die  53,4  ccm  hielt,  wurde  das  Dewarfläschchen  ge- 
schüttelt, damit  energische  Verdampfung  erfolgte.  Um  einen 
Anhaltspunkt  dafür  zu  gewinnen,  wie  viel  von  der  Flüssigkeit 
verdampft  war,  wenn  dieselbe  zum  zweiten  oder  dritten  Male 
zum  Erstarren  gebracht  wurde,  hatten  wir  neben  das  cylindri- 
sche  Dewarfläschchen  einen  Millimetermassstab  gestellt,  um 
aus  der  Höhe  der  Flüssigkeit  auf  das  noch  vorhandene  Volumen 
schliessen  zu  können.  In  der  folgenden  Tabelle  S.  214  u.  215 
sind  die  Vei'suchsresultate  zusammengestellt.  Die  Horizontal- 
reihen enthalten  die  bei  wiederholtem  Erstarren  und  Schmelzen 
und  dabei  stattfindender  Abnahme  der  Flüssigkeitsmengen  beob- 
achteten Erstarrungs-  und  Schmelzdrucke  mit  Angabe  des  Ver- 
hältnisses des  ursprünglichen  Volumens  zu  dem  jeweils  noch 
vorhandenen  Volumen  Flüssigkeit,  und  zwar  sind  die  Versuche 
so  geordnet,  dass  die  reinsten  Proben  in  der  ersten  Reihe 
stehen.  Der  Erstarrungs-  und  Schmelzdruck  ist  ausser- 
ordentlich konstant  und  sicher  zu  beobachten;  auch 
wenn  man  die  Verdampfung  rasch  erfolgen  lässt,  stellt  sich 
von  dem  Momente  an,  wo  das  Schmelzen  oder  Erstarren  be- 
ginnt, ein  konstanter  Druck  ein,  der  bei  einem  genügend  guten 
Barometer  auf  einige  zehntel  Millimeter  genau  zu  beobachten 
ist.  In  unserem  Falle  gestattete  das  —  selbsthergestellte  — 
Barometer  mit  verschiebbarer  Skala  nicht  mehr  als  2  zehntel 
Millimeter  Ablesegenauigkeit.  Bei  dem  ersten  Vei*such,  in 
dem  das  Volumen  über  90  ccm  betrug,  blieb  der  Erstarrungs- 


Fischer  u.  Alt:  Erstarrung»-  u,  SchmeUdruck  des  Stickstoffs.     213 

druck  10  Minuten  hindurch  konstant,  in  den  anderen  Ver- 
suchen je  nach  der  vorhandenen  Menge  Flüssigkeit  eine  halbe 
bis  mehrere  Minuten,  und  ebenso  der  Schraelzdruck.  Nach- 
dem die  ganze  Masse  erstarrt  war,  wurde  noch  weiter  bis  auf 
ca.  20  mm  unter  den  Erstarrungsdruck  abgekühlt  und  ebenso 
Hessen  wir,  nachdem  die  ganze  Masse  vollständig  geschmolzen 
war,  jeweils  den  Druck  bei  abgeschlossenem  Recipienten  auf 
ca.  150  mm  ansteigen,  ehe  wir  von  neuem  Erstarrung  herbei- 
führten. 

4.  Die  Tabelle  lehrt,  dass  in  der  That  der  Erstarrungs- 
druck des  Stickstoffs  durch  Sauerstoffbeimengung  erheblich 
erniedrigt  wird,  und  zwar  würde  aus  den  Zahlen  schätzungs- 
weise folgen,  dass  1  Gewichtsprozent  Sauerstoff  den  Erstar- 
rungsdruck des  Stickstoffs  um  8  —  10  mm  erniedrigt.  Ferner 
dass  nach  unserer  Beobachtungsmethode  der  Erstarrungsdruck 
des  reinen  Stickstoffs  um  ca.  1.7  mm  niedriger  ist  als  der 
Schmelzdruck,  und  dass  diese  Differenz  zunimmt,  wenn  die 
Sauerstoffverunreinigung  zunimmt.  Die  angegebene  Fehler- 
grenze +  0,6  mm  haben  wir  schätzungsweise  eingesetzt;  der 
hierbei  sich  ergebende  Wert  steht  mit  dem  in  unserer  früheren 
Arbeit  angegebenen  Wert  für  den  Erstarrungsdruck,  nämlich 
86  +  4  mm,  in  Einklang.  Dass  flüssige  Luft  durch  das  von 
uns  für  Stickstoff  angewandte  Verfahren  des  Verdampfens 
festgemacht  werden  kann,  ist  unwahrscheinlich,  da  der  Er- 
starrungsdruck mit  dem  Sauerstoffgehalt  so  stark  abnimmt; 
dagegen  dürfte  Abkühlung  mit  einer  kälteren  Flüssigkeit 
(Sauerstoff  oder  am  besten  flüssigem  Wasserstoff)  diese  Ver- 
festigung leicht  herbeiführen. 

5.  Da  wir  die  Dampfspannungskurve  durch  den  Punkt 
i^  =  86mm,  T  =  —210,52^  Geis,  gelegt  haben,  müssen  die 
Werte  für  die  Dampfspannung  in  der  Nähe  des  Erstarrungs- 
punktes etwas  geändert  werden.  Gelegentlich  der  hier  be- 
schriebenen Versuche  haben  wir  mit  unserer  neuen  Anordnung 
einige  Punkte  zwischen  150  und  90  mm  neu  bestimmt  und 
Wernach  als  Temperatur  des  gesättigten  Stickstoffdampfes 


214 


Süzung  der  math.-phys.  Classe  vom  5.  Juli  1902. 


Für  120  mm  Druck  -208.46»  C.  gegenüber  früher  — 208.24»  C 
,    110    ,        ,      -209.15«,  ,  ,       -208.77'», 

,    105    ,        ,      -209.44»,  — 

,    100    ,        ,      -209.78»,  ,  ,       -209.35», 

,      95    ,        .      -210.12»,  ,  ,       -209.68». 

,      89.2,        ,      -210.52»,  ,  ,       -210.1»    . 

gefunden,  wobei  wie  früher  als  Temperaturskala  die  des  Kon- 
stantvolum-Wasserstoffthermometers gewählt  und  für  den  Span- 
nungskoeffizienten  des  Wasserstoffs  der  Chappuis'sche  Wert 
a  =  0.0036625  angenommen  ist.  , 

Diese   neuen   Werthe   ändern    die   Grösse  -r^  gegenüber 


Aenderung  des  Erstarrungs-  und  Schmelzdruckes 

Restvolume 


t'o  =  ursprüngliches  Volumen. 


k  = 


^0 


Nr. 

des 

Versuchs 

«0 

ccm 

I 
P        P'       ^ 

P 

II 
p'       k 

III 
p        p'       k 

IV 
P        P' 

1. 

150 

89.2     90.2     \ 





9. 

8. 

50 
50 

89.2     91.2     i 
89.2     91.2     \ 

88.2 

90.7  ,15 

fS7.2     90.7     i 
\87.2     90.2     i 

86.2     89.4 

10. 

50 

— 

88.5 

90.2     i 

87.2     89.2     i 

— 

4. 

50 

— 

— 

87.2     90.2     i 

86.2     88.2 

6. 

50 

- 

- 

— 

— 

7. 

50 

— 

— 

— 

— 

3. 

50 

— 

— 

— 

— 

5. 

50 

— 

— 

— 

— 

2. 

50 

— 

-- 

~ 

— 

Mitt( 
Diflferen 

5l  der 
zen  p'—p 

1.7  mm 

2.25.  mm 

2.9  mm 

2.6  mm 

Mittel  für  den  Erstarrungsdruck  des  reinen  Sticka 
„      „    Schmelzdruck 


M  »» 


Fischer  u.  Alt:  Erstarrungs-  u.  Schmelzdruck  des  Stickstoffs,      215 

unseren  früheren  Zahlen  nicht  erheblich,  und  es  kann  daher 
die  Folgerung  eines  Maximums  der  Verdampfungswärme  des 
Stickstoffs,  die  wir  aus  der  Clapeyron'schen  Gleichung  gezogen 
haben,  nicht  deswegen  unzutreffend  sein,  weil  die  von 
uns  früher  angegebene  Dampfspannungskurve  in  der  Nähe  des 
Erstarrungspunktes  wegen  der  Unsicherheit  der  dort  beob- 
achteten Erstarrungsdrucke  zu  ungenau  bestimmt  war;  was 
die  Ursache  der  Abweichung  ist,  namentlich  ob  nicht  die 
specifischen  Volumina  thatsächlich  andere  sind  als  die  nach 
Dewar  berechneten,  kann  nur  durch  eine  weitere  Unter- 
suchung festgestellt  werden. 


Ustofb  bei  Verunreinigung  durch  Sauerstoff. 

p  =  Eretamingsdruck  in  mm  Hg.        p'  =  Schmelzdruck  in  mm  Hg. 


Y 
»    /     k 

VI 
P       P' 

k 

VII 
P       P'      k 

VIII 
P       P'       k 

Analyse 

des  letzten  Flüssigkeitsrestes 

auf  Sauerstoffgehalt 

- 

— 

— 

— 

0.6— 0.8ccm     1.3«/oVol.Oa 

- 

— 

— 

— 

0.5  ccm              2.4  o/o  Vol.  Oa 

?  88.2    i 

— 

82.7    86.7  1^5 

— 

0.1-0.2  com     2.5  o/o  Vol.  Oa 

— 

84.2   88.7 

l 

82.2    86.7    i 

80.2    87.7   i^ 

— 

87.7    i 

83.7    86.2 

i 

— 

81.2    84.2  A 

0.8  ccm             4.3  «/o  Vol.  0, 

87.7    i 

— 

83.0    85.7    i    79.2    83.2  tV 

0.5  ccm             5.6  «/o  Vol.  Oa 

88.1    1 

— 

-           i77.8      ?      ^ 

— 

— 

83.7   87 

i 

83.2    87.2    i 

80.2      ?      A 

0.1—0.2  ccm     6—7  «/o  Vol.  Oa 

— 

— 

— 

81.5    85.5  tV 

— 

mm 

3.4  mm 

3.8  mm 

4.6  mm 

89.2  +  0.6  mm 
90.9  +  0.6  mm 


}M 


ittel:  90.0  +0.3  mm. 


217 


Oeflfentliche  Sitzung 

zur  Feier  des  143.  Stiftungstages 

am  13.  März  1902. 

Die  Sitzung  eröflhet  der  Präsident  der  Akademie,  Geheimrath 
I^K.  A.  V.  Zittel,  mit  folgender  Ansprache: 

Königliche  Hoheiten! 
Hochgeehrte  Festversammlung! 

Die  festliche  Sitzung  der  Königl.  bayer.  Akademie  der 
«nschaften  im  Monat  März  ist  der  Erinnerung  an  ihre 
«ründung  gewidmet.  Fast  einhundertzweiundvierzig  Jahre  sind 
verflossen,  seit  ChurfQrst  Maximilian  Joseph  am  28.  März 
"en  Stiftungsbrief  unterzeichnete,  durch  welchen  die  chur- 
oayerische  Akademie  ins  Leben  trat.  Ihre  Aufgabe  sollte  sein, 
*lle  nützlichen  Wissenschaften  und  freien  Künste  in  Bayern 
zu  Terbreiten  und  insbesondere  auch  die  philosophischen,  mathe- 
matischen und  geschichtlichen  Wissenschaften  zu  pflegen. 

Gegenwärtig  sind  ihre  Ziele  allerdings  nicht  mehr  auf  die 
Nützlichkeit  und  praktische  Verwertung  der  Wissenschaften 
gerichtet  —  diese  Aufgabe  hat  sie  an  andere  Anstalten  abge- 
lten; in  ihr  soll  vielmehr  die  freie  Forschung  unbekümmert 
^^  alle  Nebenzwecke  gepflegt  werden.  Dankbar  wird  das 
bayerische  Vaterland  anerkennen,  was  unsere  Vorgänger  auf 
dem  Boden  der  praktischen  Verwertung  der  Wissenschaft  und 


A  BoihpleUs  Ursprung  der  Thermulquellen  von  Si.  Morisr   205 


FC 


4.  Woher  stammen  die  mineralischen  BestandtheUe? 

Das  Vorhandensein  d^  basalen  Kalkgebirges  erklärt  uns 
zu  Gonüge   dt*n    Gehalt    an   Kalk-,    Magnesium-,    Eisen-    und 

Mangancarbotiaten  sowie  an  Kieselerde  und  Thonerde.  Anders 
liegt  es  mit  den  Sulphaten,  Chloriden,  dem  Bor,  Brom  und 
Jod.  Das  sind  Stoffe,  die  das  Meereswasser  in  Lösung  ent- 
hrdt  und  unter  günstigen  Verhältnissen  auch  in  seinen  Sedi- 
mentc*n  ausscheidet.  Aber  wo  wir  ältere  Meeresablagerungen 
zu  Tage  gehen  sehen,  sind  diese  Bestand theüe  gewöhnlich 
nicht,  oder  doch  nur  theil weise  und  in  verschwindenden  Massen 
vorhanden,  so  dass  wir  uns  gewöhnt  haben,  nie  nicht  zu  den 
gewöhnlichen  Absatzproducten  zu  zählen.  Gleichwohl  dürften 
sie  viel  häufiger  zu  Ablagerung  gekommen  sein,  als  sich  be- 
obachten hisst.  Da  aber,  wo  sie  nicht  in  grösseren  Mengen 
in  Form  von  Steinsalz-  oder  Sollagern  auftreten,  sondern  nur 
verhältnissmässig  spärlich  den  Kalk-,  Mergel-  oder  Thon- 
hichten  beigemengt  waren,  sind  sie  im  Ausgehenden  dieser 
©steine  längst  durch  die  circulirenden  Tageswässer  ausgelaugt, 
imd  nur  in  grösseren  Tiefen  kann  dieser  Salzgehalt  noch  er- 
halten geblieben  sein,  wo  eben  noch  keine  so  kräftige  Durch- 
Wiü^erung  eingetreten  ist.  Wir  können  also  erwarten,  dass  alle 
marinen  Sedimentet  die  hier  unter  dem  Schutze  der  darüber- 
«gescbobeuen  Granttdecke  Hegen,  noch  jene  leicht  löslichen  Salze, 
soweit  sie  darin  abgesetzt  worden  waren,  aufgespeichert  ent- 
halten und  nun  an  die  aufsteigenden  kohlensäurereichen  Thennal- 
wasser  abgeben.  Besonders  jedoch  steht  zu  erwarten,  dass  die 
permischen  Dolomite,  die  von  Kauhwacken  und  Gjpslagern 
begleitet  sind,  reich  an  solchen  Salzen  gewesen  sind  und  in 
ihnen  dürfen  wir  deshalb  die  Hauptlieferanten  sehen. 

Wir  wissen  aber,  daaa  die  palaeozoischen  Bündner  Schiefer 
von  Permablagerungen  discordant  überlagert  werden,  und  es 
hätte  somit  gar  nichts  auffallendes,  wenn  unter  dem  Boden 
von  St.  Moriz  und  seiner  Granitdecke  solche  permische  Ab- 
lagerungen in  grösserer  Mächtigkeit  vorhanden  wären,  wie 
dies  in  Fig.   1  und  2  dargestellt  ist. 


217 


Oeflfentliche  Sitzung 

zur  Feier  des  143.  Stiftungstages 

am  13.  März  1902. 

Die  Sitzung  eröfi&iet  der  Präsident  der  Akademie,  Geheimrath 
Dr.  K.  A.  V.  Zittel,  mit  folgender  Ansprache: 

Königliche  Hoheiten! 
Hochgeehrte  Festversammlung! 

Die  festliche  Sitzung  der  Königl.  bayer.  Akademie  der 
Wissenschaften  im  Monat  März  ist  der  Erinnerung  an  ihre 
Gründung  gewidmet.  Fast  einhundertzweiundvierzig  Jahre  sind 
verflossen,  seit  ChurfÜrst  Maximilian  Joseph  am  28.  März 
den  Stiftungsbrief  unterzeichnete,  durch  welchen  die  chur- 
bayerische  Akademie  ins  Leben  trat.  Ihre  Aufgabe  sollte  sein, 
alle  nützlichen  Wissenschafben  und  freien  Künste  in  Bayern 
zu  verbreiten  und  insbesondere  auch  die  philosophischen,  mathe- 
matischen und  geschichtlichen  Wissenschaften  zu  pflegen. 

Gegenwärtig  sind  ihre  2iiele  allerdings  nicht  mehr  auf  die 
Nützlichkeit  und  praktische  Verwertung  der  Wissenschaften 
gerichtet  —  diese  Aufgabe  hat  sie  an  andere  Anstalten  abge- 
treten; in  ihr  soll  yiehnehr  die  freie  Forschung  unbekümmert 
um  alle  Nebenzwecke  gepfl^t  werden.  Dankbar  wird  das 
bayerische  Yaterlmd  aneikennen,  was  unsere  Vorgänger  auf 
dem  Boden  der  ptiküichai  Verwertung  der  Wissenschaft  und 


217 


Oeflfentliche  Sitzung 

zur  Feier  des  143.  Stiftungstages 

am  13.  März  1902. 

Sitzung  eröffnet  der  Präsident  der  Akademie,  Geheimrath 
.  V.  Zittel,  mit  folgender  Ansprache: 

Königliche  Hoheiten! 
Hochgeehrte  Festversammlung! 

festliche  Sitzung  der  Königl.  bayer.  Akademie  der 
haften  im  Monat  März  ist  der  Erinnerung  an  ihre 
g  gewidmet.  Fast  einhundertzweiundvierzig  Jahre  sind 
1,  seit  Churfürst  Maximilian  Joseph  am  28.  März 
bungsbrief  unterzeichnete,  durch  welchen  die  chur- 
le  Akademie  ins  Leben  trat.  Ihre  Aufgabe  sollte  sein, 
'.liehen  Wissenschaften  und  freien  Künste  in  Bayern 
dten  und  insbesondere  auch  die  philosophischen,  mathe- 
a  und  geschichtlichen  Wissenschaften  zu  pflegen. 

enwärtig  sind  ihre  Ziele  allerdings  nicht  mehr  auf  die 
ieit   und   praktische   Verwertung   der   Wissenschaften 

—  diese  Aufgabe  hat  sie  an  andere  Anstalten  abge- 
n  ihr  soll  vielmehr  die  freie  Forschung  unbekümmert 

Nebenzwecke  gepflegt  werden.  Dankbar  wird  das 
le  Vaterland  anerkennen,  was  unsere  Vorgänger  auf 
en  der  praktischen  Verwertung  der  Wissenschaft  und 


210 


Sit£unff  der  math,*pkifs,  Clas^e  is>m  5.  Juli  tBÖ$. 


erhalten  haben  (l.  c.  S.  135);  würde  man  aus  den  direkt  er- 
mittelten Werten  der  Verdampfung« wärmen  auf  den  Erstarrungs- 
druck extrapolieren t  so  würde  sich,  wenn  die  Temperatur  als 
richtig  angenommen  ist»  ein  Erstarr ungsdruck  von  78  mm  er- 
geben. Da  wir  in  der  That  einige  Male  so  niedrige  Werte 
beobachtet  hatten,  so  nahmen  wir  neuerdings  eine  eigene 
Untersuchung  über  den  Eratarrungs-  und  Schmelzdruck 
des  Stickstoffs  vor, 

2.  Da  wir  früher  zur  Vermeidung  von  Siede  Verzügen 
Wasserstoff  in  den  Stickstoff  eingeleitet  hatten»  und  in  diesem 
Falle  den  Druck  sogar  eher  höher  als  niedriger  wie  86  mm 
anzunehmen  uns  veranlasst  sahen»  so  glaubten  wir»  es  könnte, 
trotzdem  wenig  Wahrscheinlichkeit  dafür  vorhanden  war,  die 
Zufuhr  von  Wasserstoff  eine  wesentliche  Fehlerquelle  gebildet 
haben  und  vermieden  bei  den  neuen  Versuchen  dieses  Hilfs- 
mittel vollständig.  Da  die  Untersuchungen  des  Herrn  A 1 1 
zeigten»  dass  bei  der  Verdampfung  des  Stickstoffs  durch  elek- 
trische Heizung  Siedestösse  nicht  auftraten»  so  führten  wir  in 
die  L  c.  S-  125  abgebildete  Anordnung  statt  der  Kapillaren  K^ 
welche  früher  Wasserstoff  zuleitete»  eine  Platinheizspirale  ein, 
welche  aus  einem  2  m  langen»  0»11  mm  dicken  Drahte  her- 
gestellt »war  und  mit  0,3  — 0»5  Amper  Strom  beschickt  werden 
konnte»  wenn  Siede  Verzüge  zu  befürchten  waren.  Um  auch 
jedes  andere  Fremdgas  so  viel  wie  möglich  vom  Stick- 
stoff fern  zu  halten,  schlössen  wir  den  ilecipienten,  unter 
dem  sich  der  verdampfende  Stickstoff  befand»  an  2  grosse 
eiserne  Vacuumkessel  von  zusammen  700  Liter  Inhalt  an, 
welche  bis  auf  40  —  50  mm  Druck  durch  die  schon  früher  be- 
nützte Bianchi'scbe  Pumpe  leer  gepumpt  werden  konnten,  und 
in  welchen  sich  also  während  der  Versuche  eine  ziemlich  reine 
Stickstoffatmosphäre  ansammeln  musste.  Da  der  Druck  durch 
die  elektrische  Heizung  und  durch  Fein  Verstellung  eines  zwischen 
Recipienten  und  Vacuumkessel  angebrachten  Hahnes  geregelt 
und  konstant  gehalten  werden  konnte»  so  konnte  auch  der 
Seitenhahn  fortgelassen  werden»  durch  welchen  wir  früher 
zeitweise  Luft    in  die   Pumpenleitung   hatten    eintreten   lassen 


A 


V.  Zütel:  Ansprache,  219 

1.  an  den  Generalephor  der  Altertümer  in  Athen  Kabba- 
dias  für  sein  im  Jahre  1900  erschienenes  Werk  über  das  Heilig- 
b^m  des  Asklepios  in  Epidaurus, 

2.  an  Robert  Pohl  mann,  Professor  für  alte  Geschichte  an 
der  Universität  München,  für  die  Geschichte  des  Kommunismus 
Lxnd  Sozialismus,  von  welcher  der  erste  Band  1893,  der  zweite 
1  SOI  erschienen  ist,  wobei  ausdrücklich  betont  wird,  dass  ein 
ei  nfacher  Preis  für  dieses  Werk  nur  deshalb  beschlossen  wurde, 
weü  für  einen  Doppelpreis  bei  den  sonstigen  Anforderungen 
clie  Mittel  gefehlt  haben, 

3.  an  den  Professor  an  der  Universität  Athen  Po  litis  für 
das  grosse  Unternehmen  einer  Sammlung  griechischer  Sprich- 
wörter, von  welcher  1899  und  1900  drei  Bände  erschienen  sind. 

Für  wissenschaftliche  Unternehmungen  wurden    bewilligt: 

1500  M.  für  die  Fortsetzung  der  Byzantinischen  Zeitschrift, 

1000  M.  für  die  Abfassung  eines  die  ersten  12  Bände  der 

Byzantinischen  Zeitschrift  umfassenden  wissenschaftlichen  Index, 

womit  der  Lehramtskandidat  P.  Marc  betraut  worden  ist, 

2000  M.  für  die  Fortsetzung  des  von  Professor  Furt- 
wängler  und  Reichold  herausgegebenen  Werkes  über 
griechische  Vasenmalerei. 

Aus  den  Zinsen  der  Münchener  Bürger-  und  Cramer- 
Klett-Stiftung  konnten  mehrere  wissenschaftliche  Unter- 
nehmungen unterstützt  werden,  von  denen  einige  allgemeines 
Interesse  erwecken  dürften.  So  wurde  mit  3000  M.  aus  der 
Bürgerstiftung  eine  Expedition  nach  der  libyschen  Wüste  zum 
Zweck  geologischer  und  paläontologischer  Forschungen  ausge- 
rüstet und  von  den  Herren  Dr.  M.  Blanckenhorn,  Privat- 
dozent in  Erlangen  und  Dr.  Stromer  v.  Reichenbach,  Privat- 
dozent in  München  mit  erheblichem  wissenschaftlichem  Erfolge 
durchgeführt. 

Professor  Dr.  Hof  er  gelang  es,  den  Erreger  der  Krebspest 
zu  ermitteln;  er  wird  nun  seine  Untersuchungen  mit  einer 
Unterstützung  von  500  M.  aus  der  Cramer-Klett-Stiftung  in 
Russland,  wo  gegenwärtig  die  Krebspest  herrscht,  fortsetzen. 
Ke  Ergebnisse  dürften  bei  der  bevorstehenden  Wiederbesetzung 


220  Oeffentliche  Sitzung  vom  13.  März  1902. 

unserer  Flüsse  mit  Krebsen  von  Wichtigkeit  werden.  Mit  eine] 
kleineren  Summe  (119  M.  76  Pf.)  sollen  die  bereits  am  Stam- 
bergersee  ausgeführten  Untersuchungen  über  die  periodischen 
Schwankungen  des  Seespiegels  nunmehr  in  diesem  Sommer  auch 
am  Chiemsee  fortgesetzt  werden. 

Professor  v.  Groth  erhielt  für  einen  Hilfsarbeiter  bei  seinen 
krystallographisch-chemischen  Untersuchungen  über  die  Be- 
ziehungen zwischen  der  Krystallform  und  der  chemischen  Kon- 
stitution der  unorganischen  und  organischen  Körper  aus  der 
Cramer-Klett-Stiftung  1200  Mark. 

Aus  der  Stiftung  für  chemische  Forschungen  wurden  Herrn 
Professor  Hofmann  800  M.  für  Untersuchungen  an  seltenen 
Mineralien  bewilligt,  Herr  Professor  Linde  mann  erhielt 
200  M.  für  Berechnungen  von  Spectrallinien. 

In  der  letzten  Festsetzung  habe  ich  versucht,  ein  Bild 
von  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit  unserer  Akademie  zu 
geben,  heute  möge  es  mir  gestattet  sein,  einige  Mitteilungen 
aus  den  Jahresberichten  der  Konservatoren  über  wichtigere  Er- 
werbungen und  Vorgänge  in  den  unter  dem  General-Konser- 
vatorium vereinigten  wissenschaftlichen  Sammlungen  und  An- 
stalten des  Staates  während  der  Jahre  1900  und  1901  zu  machen.*] 

Für  das  Antiquarlum  wurden  durch  den  in  die  antiken  Aus- 
grabungsgebiete beurlaubten  Assistenten  Dr.  Hermann  Thi  er scb 
u.  a.  griechische  Marmorköpfe,  Terrakotten,  Bronzen  und  ein 
ägyptisches  Gewandstück  erworben. 

Aus  dem  Kunsthandel  10  neue  Terrakotten,  5  Bronzen, 
ein  griechischer  Spiegel,  eine  Thonlampe  mit  dem  Töpfernamen 
Philomusos  und  syrische  Glasgefässe. 

An  Geschenken  erhielt  es:  1.  vom  Berliner  Museum 
12  Thonge fasse  aus  Kahun  (Ende  der  12.  Dynastie),  2.  von 
einem  ungenannten  Geber  die  vollständige  Sammlung  der  Geis- 
linger    galvanoplastischen    Nachbildungen    mykenischer   Alter- 

*)  Aus  diesem  Bericht  wurden  nur  einige  der  wichtigsten  Erwerbungen 
in  der  Festsitzung  erwähnt. 


V.  Zitteh  Ansprache.  221 

tümer,  3.  von  Herrn  Bassermann -Jordan  in  Deidesheim 
Bronzespiegel  mit  Reliefzeichnungen,  und  eine  Sammlung  antiker 
Messinstrumente  u.  a.,  4.  von  Seton-Karr  in  London  eine  Kol- 
lektion prähistorischer  Steinwerkzeuge  aus  der  östlich  von 
Aegypten  gelegenen  Wüste,  5.  von  Kunstmaler  E.  Platz  eine 
hölzerne  Osirisstatue. 

Unter  Beihilfe  von  Hermann  Thiersch,  Karl  DyroflF  und 
Ludwig  Curtius  gab  der  Konservator  v.  Christ  einen  neuen  Führer 
heraus,  der  den  früheren  um  das  Doppelte  übertrifft  und  die 
wissenschaftliche  Benützung  ermöglicht. 

Münzkabinet :  Aus  den  antiken  Erwerbungen  des  Jahres  1900 
sei  hervorgehoben  ein  herrlicher  Goldstater  von  Lampsakus  von 
wunderbarer  Erhaltung  und  ein  Tetradrachmon  von  Metapont  mit 
dem  Kopf  des  Heros  Leukippos,  beide  aus  dem  4.  Jahrhundert. 
Die  deutschen  Kaisermünzen  wurden  bereichert  durch  An- 
käufe aus  dem  Nachlass  des  Majors  Schleiss,  die  Abteilung  der 
Witteisbacher  Medaillen,  welche  im  Kabinet  einen  hervor- 
ngenden  Platz  einnimmt,  durch  zwei  Porträtstücke  (Anna 
Maria  Franziska  von  Lauenburg,  in  erster  Ehe  vermählt  mit 
Philipp  Wilhelm  von  der  Pfalz,  und  Anna  Maria  Louise  von 
Medicis,  Gemahlin  des  Johann  Wilhelm  von  der  Pfalz). 

Von  Geschenken  seien  erwähnt  jene  des  Königlich 
siamesischen  Hofarchitekten  Sandrezky,  des  englischen  Schrift- 
stellers Sidney-Whitman,  der  Herren  WillmersdörflFer  (Vater 
und  Sohn)  in  München  und  des  Kgl.  Hauptmünzamtes.  Ferner 
vermachte  Herr  von  Pettenkofer  die  ihm  von  gelehrten 
Gesellschaften,  Münchener  Bürgern  u.  a.  gestifteten  fünf  gol- 
denen Ehrenmedaillen. 

Das  Kabinet  wird  nach  Lage  der  Sache  von  Sammlern, 
Privaten  und  Händlern  stark  in  Anspruch  genommen;  daraus 
ergeben  sich  ähnliche  Vorteile  wie  beim  Gipsmuseum. 

Im  Jahre  1901  waren  es  hauptsächlich  eine  Reihe  mittel- 
alterlicher Münzfunde,  welche  dem  Kabinet  zur  wissen- 
schaftlichen Aufnahme  und  teilweisen  Erwerbung  zugingen 
(darunter  die  wichtigsten  von  Wiedermünchsdorf  bei  Vilshofen, 


220  Oeffentliche  Sitzung  vom  13.  März  1902. 

unserer  Flüsse  mit  Krebsen  von  Wichtigkeit  werden.  Mit  ein 
kleineren  Summe  (119  M.  76  Pf.)  sollen  die  bereits  am  Star 
bergersee  ausgeführten  Untersuchungen  über  die  periodisch« 
Schwankungen  des  Seespiegels  nunmehr  in  diesem  Sommer  auc 
am  Chiemsee  fortgesetzt  werden. 

Professor  v.  Groth  erhielt  für  einen  Hilfsarbeiter  bei  seine 
krystallographisch-chemischen  Untersuchungen  über  die  B( 
Ziehungen  zwischen  der  Krystallform  und  der  chemischen  Kor 
stitution  der  unorganischen  und  organischen  Körper  aus  d( 
Cramer-Klett-Stiftung  1200  Mark. 

Aus  der  Stiftung  für  chemische  Forschungen  wurden  Hen 
Professor  Hof  mann  800  M.  für  Untersuchungen  an  seltene 
Mineralien  bewilligt,  Herr  Professor  Lindemann  erhie 
200  M.  für  Berechnungen  von  Spectrallinien. 

In  der  letzten  Festsetzung  habe  ich  versucht,  ein  Bil 
von  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit  unserer  Akademie  z 
geben,  heute  möge  es  mir  gestattet  sein,  einige  Mitteilunge 
aus  den  Jahresberichten  der  Konservatoren  über  wichtigere  Ei 
Werbungen  und  Vorgänge  in  den  unter  dem  General-Konsei 
vatorium  vereinigten  wissenschaftlichen  Sammlungen  und  Ai 
stalten  des  Staates  während  der  Jahre  1900  und  1901  zu  machen.' 

Für  das  Antiquarlum  wurden  durch  den  in  die  antiken  Auj 
grabungsgebiete  beurlaubten  Assistenten  Dr.  Hermann  Thierse 
u.  a.  griechische  Marmorköpfe,  Terrakotten,  Bronzen  und  ei 
ägyptisches  Gewandstück  erworben. 

Aus  dem  Kunsthandel  10  neue  Terrakotten,  5  Bronzei 
ein  griechischer  Spiegel,  eine  Thonlampe  mit  dem  Töpfername 
Philomusos  und  syrische  Glasgefasse. 

An  Geschenken  erhielt  es:  1.  vom  Berliner  Museui 
12  Thonge fasse  aus  Kahun  (Ende  der  12.  Dynastie),  2.  vo 
einem  ungenannten  Geber  die  vollständige  Sammlung  der  Geif 
linger    galvanoplastischen    Nachbildungen    niykenischer  Altei 

*)  Aus  diesem  Bericht  wurden  nur  einige  der  wichtigsten  Erwerbung€ 
in  der  Festsitzung  erwähnt. 


V.  Zittel:  Ansprache.  221 

tümer,  3.  von  Herrn  Bassermann-Jordan  in  Deidesheim 
Bronzespiegel  mit  Reliefeeichnungen,  und  eine  Sammlung  antiker 
Messinstrumente  u.  a.,  4,  von  Se  ton -Karr  in  London  eine  Kol- 
lektion prähistorischer  Steinwerkzeuge  aus  der  östlich  von 
Aegypten  gelegenen  Wüste,  5.  von  Kunstmaler  E.  Platz  eine 
hölzerne  Osirisstatue. 

Unter  Beihilfe  von  Hermann  Thiersch,  Karl  DyroflF  und 
Ludwig  Curtius  gab  der  Konservator  v.  Christ  einen  neuen  Führer 
heraus,  der  den  früheren  um  das  Doppelte  übertrifiFt  und  die 
wissenschaftliche  Benützung  ermöglicht. 

Miinzkabinet:  Aus  den  antiken  Erwerbungen  des  Jahres  1900 
sei  hervorgehoben  ein  herrlicher  Goldstater  von  Lampsakus  von 
wunderbarer  Erhaltung  und  ein  Tetradrachmon  von  Metapont  mit 
dem  Kopf  des  Heros  Leukippos,  beide  aus  dem  4.  Jahrhundert. 
Die  deutschen  Kaisermünzen  wurden  bereichert  durch  An- 
käufe aus  dem  Nachlass  des  Majors  Schleiss,  die  Abteilung  der 
Witteisbacher  Medaillen,  welche  im  Kabinet  einen  hervor- 
ragenden Platz  einnimmt,  durch  zwei  Porträtstücke  (Anna 
^a  Franziska  von  Lauenburg,  in  erster  Ehe  vermählt  mit 
Philipp  Wilhelm  von  der  Pfalz,  und  Anna  Maria  Louise  von 
Medicis,  Gemahlin  des  Johann  Wilhelm  von  der  Pfalz). 

Von  Geschenken  seien  erwähnt  jene  des  Königlich 
siamesischen  Hofarchitekten  Sandrezky,  des  englischen  Schrift- 
stellers Sidney-Whitman,  der  Herren  Willmersdörflfer  (Vater 
und  Sohn)  in  München  und  des  Kgl.  Hauptmünzamtes.  Femer 
vermachte  Herr  von  Pettenkofer  die  ihm  von  gelehrten 
Gesellschaften,  Münchener  Bürgern  u.  a.  gestifteten  fünf  gol- 
<äenen  Ehrenmedaillen. 

Das  Kabinet  wird  nach  Lage  der  Sache  von  Sammlern, 
"rivaten  und  Händlern  stark  in  Anspruch  genommen;  daraus 
^fgeben  sich  ähnliche  Vorteile  wie  beim  Gipsmuseum. 

Im  Jahre  1901  waren  es  hauptsächlich  eine  Reihe  mittel- 
alterlicher Münzfunde,  welche  dem  Kabinet  zur  wissen- 
^taftlichen  Aufnahme  und  teilweisen  Erwerbung  zugingen 
(darunter  die  wichtigsten  von  Wiedermünchsdorf  bei  Vilshofen, 


222  Oeffentliche  Sitzung  vom  13,  März  1902. 

Seiboldsdorf  bei  Vilsbiburg  aus  dem  13.  Jahrhundert,  von 
Dökingen  bei  Gunzenhausen ;  unter  den  2000  Schwarzpfennigen 
des  letzteren  fand  sich  eine  bisher  unbekannte  Münze  des  Grafen 
Heinrich  V.  von  Qörz). 

Bestimmung  und  Einordnung  der  bereits  erwähnten 
und  einiger  neuerer  Funde,  sowie  die  Arbeiten  für  die  Fertig- 
stellung des  IL  Bandes  der  Witteisbacher  Münzen  und  Medaillen 
nahmen  den  grössten  Teil  des  Jahres  1901  in  Anspruch. 

Dem  Münzkabinet  angegliedert  ist  das  Gemmenkabine t. 
Seit  dem  epochemachenden  Werke  Professor  Furtwänglers 
steigt  das  Interesse  für  diese  reizenden  kleinen  antiken  Kunst- 
werke von  Jahr  zu  Jahr.  Das  Münzkabinet  war  ausserdem  in 
der  Lage,  einige  erlesene  Stücke  griechischen,  ägyptischen  und 
orientalischen  Ursprungs  (besonders  merkwürdige  babylonische 
Thonzylinder)  zu  erwerben. 

Das  Masenm  für  Abgüsse  klassischer  Bildwerke,  dessen 
lokale  Vereinigung  mit  dem  archäologischen  Seminar  sich 
immer  vorteilhafter  erweist  und  dessen  Besuch  (im  Jahre  1898 
bereits  3500  Personen,  Künstler  und  Gelehrte  ungerechnet) 
von  Jahr  zu  Jahr  zunimmt,  widmet  sich  mit  besonderem 
Eifer  und  Erfolg  der  modernsten  Aufgabe  der  Gipsmuseen, 
der  Rekonstruktion    fragmentierter,    antiker  Statuen. 

Im  Jahre  1900  wurde  die  knidische  Aphrodite  des  Praxi- 
teles in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  wieder  hergestellt,  eben- 
so die  Amazone  des  Phidias,  im  Jahre  1901  die  Restitution 
des  Diskuswerfers  von  Myron  vollendet.  Es  wurde  nämlich 
der  Abguss  des  kopflosen  Torso  im  Vatikan  mit  dem  von 
Professor  Furtwängler  im  Louvre  entdeckten,  dort  nicht  er- 
kannten Abguss  des  Kopfes  des  Diskobols  vereinigt,  dessen 
Original  sich  im  Palazzo  Lancelotti  befindet,  aber  seit  30  Jahren 
absiolut  unzugänglich  ist.  Zum  erstenmal  kann  nun  das  be- 
rühmteste Werk  des  Myron  im  vollkommenen  Abguss  studiert 
werden. 

Diese  Rekonstruktion  fand  solchen  Beifall,  dass  sie  bereits 
von  9  auswärtigen  Sammlungen  erworben  wurde. 


\ 


V,  Zittel:  Ansprache,  223 

Die  Negativ  -  Schwefelabdrücke  von  geschnittenen 
Steinen  wurden  um  90  Stück  vermehrt  und  durch  eine  Be- 
irilligung  aus  dem  Mannheimer  Fond  1948  Glaspasten  nach 
.ntiken  Gemmen  erworben. 

Auf  spezielle  Veranlassung  des  Konservators  wurden  in  aus- 
wärtigen Sammlungen  (Hannover,  Kopenhagen,  Rom,  Florenz, 
Uexandrien)  17  Stücke  neugeformt,  darunter  ein  Portrait 
Uexanders  des  Grossen;  durch  Kauf  und  Geschenke  wurden 
'3  grosse  Abgüsse,  11  Guss-  und  203  Gemmenformen  erworben. 

Da  das  Abgussmuseum  in  München  mehr  und  mehr  zu 
dner  Zentrale  für  alle  die  Antike  betreffenden  Ange- 
egenheiten  wird,  so  gelangen  fortwährend  aus  Kunsthandel 
md  Privatbesitz  antike  Gegenstände  zur  Ansicht  und  Begut- 
ichtung  und  unter  ihnen  somit  manches  wertvolle  Stück  in 
tfarmor,  Bronze,  Terrakotta  und  Gold  zur  wissenschaftlichen 
venntnis  und  Verwertung,  das  sonst  im  Privatbesitz  ver- 
ichwände.  Diesem  Vorteil  verdankt  das  Museum  einen  Zuwachs 
fon  78  wertvollen  Plattennegativen. 

Die  Photographiensammlung  hat  sich  im  Jahre  1900 
im  533  Stück,  im  Jahre  1901  um  407  Stück  vermehrt,  die 
fanze  Sammlung  beträgt  nunmehr  10000  Stück  und  wurde 
lurch  sorgfältige  Ordnung  im  Jahre  1901  der  allgemeinen  Be- 
lützung  zugänglich  gemacht. 

Ethnographisches  Museum:  Die  Mehrung  des  ethno- 
graphischen Museums  betrug  im  Jahre  1900  175  Nummern, 
m  Jahre  1901  136  Nummern,  wobei  die  Zuwendung  chi- 
lesischer  WafiFen  von  seite  Seiner  Kgl.  Hoheit  des  Prinz- 
"egenten  zu  erwähnen  ist.  Die  wichtigste  Arbeit  des  Jahres  1901 
gestand  in  der  Durcharbeitung  der  umfangreichen,  zum  Teil 
sehr  kostbaren  japanischen  Sammlung  und  der  Anfertigung 
eines  Zettelkataloges  für  dieselbe  durch  den  japanischen  Ge- 
lehrten Shinkiki  Hara,  wodurch  für  eine  grosse  Reihe  unver- 
ständlicher oder  (von  europäischen  Verhältnissen  aus)  falsch 
gedeuteter  Darstellungen  die  richtigen  Erklärungen  ermög- 
licht wurden. 


\ 


224  Oeffentliche  Sitzung  vom  13.  März  1902, 

Die  meisten  Darstellungen  auf  den  vielbewunderten  kunst- 
gewerblichen Gegenständen  sind  keine  willkürlichen,  phan- 
tastischen, sondern  grösstenteils  der  Mythologie,  der  Sage, 
Geschichte  u.  s.  w.,  oder  auch  moralischen  Beispielen  ent- 
nommen. 

Der  anthropologisch-prähistorischen  Sammlang  gelang  es  ^ 
nach  vielerlei  Mühen  mit  Unterstützung  des  Mannheimer  Fonds  ^ 
die  grossartige,  steinzeitliche  Sammlung  des  Bauers  Lichten-  — 
eck  er  vom  Auhügel  bei  Hammerau  (B.-A.  Laufen)  anzukaufen.  — 
Neben  dieser  Erwerbung  verdient  der  vom  Museum  selbst  unter-  — 
nommene  Abbau  von  150  ßeihengräbern  in  Inzing  bei  Hart-  — 
kirchen  (B.-A.  Griesbach)  hervorgehoben  zu  werden.  Aus  den  m~i 
mit  Zuschüssen  des  Etats  für  Erforschung  der  Urgeschichte    -^3 

erfolgten  Ausgrabungen  flössen  der  Sammlung  eine   nicht  un-    

erhebliche  Menge  werthvoller  Gegenstände  zu:  wichtige  stein-  

zeitliche  Gefiissscherben  und  Knochen  aus  den  Trichtergruben    -^^■ 
bei  Wenigumstadt  durch  Hauptmann  a.  D.  von  Haxt hausen,  .«- 
Gegenstände   aus   der   La  Tene-Periode ,   welche   durch    Herrn  -ä:=^ 

Oberamtsrichter   Weber   bei   Lenting  (B.-A.   Ingolstadt)   ge- 

funden  wurden,  endlich  als  das  wertvollste  etwa  100  Qefasse  ^e^ 
der  Hallstattzeit,  welche  Herr  Bezirksarzt  Dr.  Thenn  aus  den  -^^ 
Urnenfeldern  bei  Beilngries  erhob  und  so  vorzüglich  bearbeitete  ^^ 
und  ergänzte,  dass  diese  bedeutende  Sammlung  ohne  weiteres  ^^ 
der  Schausammlung  einverleibt  werden  kann.  An  den  zahl-  * — ' 
reichen  Geschenken  an  dieses  Museum  hat  sich  Dr.  Haberer  ^^ 
in  hervorragender  Weise  beteiligt;  er  widmete  der  Sammlung  "3 
u.  a.  80  japanische  Affenschädel  (Innus  speciosus),  45  Chinesen-  ^ 
Schädel,  ein  vollständiges  Chinesenskelett  und  einen  künstlich 
deformierten  Chinesenfuss. 

Aus  München  erhielt  die  Sammlung  von  Ingenieur  Brug 
ein  Kupfergussstück,  das  dadurch  merkwürdig  ist,  dass  es  im 
alluvialen  Kiesgerölle  in  der  Pilgersheimerstrasse  zwischen  Eisen- 
bahnbrüoko  und  Mariauum  gefunden  wurde,  von  Kechnungsrat 
Uebelackor  Knochen  von  Hirsch,  Ziege  u.  s.  w.,  welche  4  m 
tief  am  Karlsthor    gefunden    wurden,    sowie   einen    bronzezeit- 


V,  Zittel:  Ansprache.  225 

liehen  Depotfund,  welcher  in  der  Widenmayerstrasse  auf  dem 
Löss  entdeckt  wurde. 

Botanischer  Garten:  Die  ira  Jahre  1900  begonnene  Re- 
organisation des  botanischen  Gartens  wurde  im  Jahre  1901 
durch  Vergrösserung  der  Alpenpflanzenanlage,  Einrichtung 
eines  besonderen  Kulturhauses  für  Hymenophylleen  und 
eines  Parnenhauses  weiter  fortgeführt. 

Das  im  letzteren  untergebrachte  Vegetationsbild  ist  durch 
die  von  Konservator  Göbel  aus  Neuseeland  und  Australien 
mitgebrachten,  sowie  durch  die  im  Jahre  1901  aus  Neu-Süd- 
wales,  Neuseeland  und  Nordamerika  bezogene  Farne  eine 
Sehenswürdigkeit  Münchens  geworden.  Einige  der  hier  ver- 
tretenen Typen  befinden  sich  überhaupt  nirgends  in  Kultur. 
Eine  Ausstellung  der  Kalthauspflanzen  im  Sommer,  sowie 
eine  Neuanlage  für  Freiland  am  Glaspalast  macht  den 
botanischen  Garten  für  die  Besucher  lehrreicher  und  an- 
regender. Der  Thätigkeit  des  Konservators  gelang  es,  mehrere 
Vereine  und  Private  zu  Beiträgen  zu  veranlassen,  aus  denen 
unter  einem  Zuschuss  der  Akademie  von  1000  M.  die  Er- 
richtung des  Alpengartens  auf  dem  Schachen  für  wissen- 
schaftliche und  praktische  Zwecke  im  Jahre  1900  in  Angriff 
genommen  und  im  Jahre  1901  vollendet  werden  konnte. 
Keinem  anderen  botanischen  Garten  Deutschlands  steht  nun- 
mehr ein  solches  Hilfsmittel  zur  Verfügung. 

Pflanzenphyslologisches  Institut:  Den  Hauptzuwachs  er- 
hielten die  Bestände  durch  die  Sammlungen  des  Konservators 
in  Australien  und  Ceylon,  ferner  durch  die  von  Kustos  Pro- 
fessor Giesenhagen  im  malaiischen  Archipel  gesammelten 
Materialien.  Beide  Vermehrungen  wurden  zur  Ausführung 
einer  Reihe  wissenschaftlicher  Untersuchungen  benutzt. 

In  seinem  Berichte  über  die  wissenschaftliche  Thätigkeit 
des  Instituts,  welche  ihren  gewohnten  Gang  nahm,  hebt  der 
Konservator  die  geringe  Beteiligung  bayerischer  Studieren- 
der hervor,  da  die  Prüfungsordnung  die  Lehramtskandidaten 
zwingt,   sich   fast  ausschliesslich  der  Chemie  zu  widmen.     Die 

1902.    SiUangsb.  d.  math.-phys.  Ol.  15 


226  Oeff entliehe  Sitzung  vom  13.  März  1902, 

Folge  ist,  dass  es  schwierig  ist,  aus  dem  Kreise  bayerischer 
Studenten  Institutsassistenten  zu  gewinnen,  dann  aber,  dass 
die  Zahl  der  Lehrer  an  den  Mittelschulen,  welche  sich  an  der 
Erforschung  der  Pflanzenwelt  Bayems  in  ihrem  Berufe  be- 
teiligen, zum  Nachteil  der  naturwissenschaftlichen  Erkenntnis 
Bayerns  im  Vergleich  zu  der  Teilnahme  dieser  Stände  in  an- 
deren deutschen  Staaten  verhältnismässig  eine  allzu  geringe  ist. 
Die  Kryptogamensammlung,  ohnehin  eine  der  wert- 
vollsten der  Welt,  hat  die  auf  10000  M.  geschätzte  Sammlung 
des  Oberlandesgerichtsrates  Arnold  zum  Geschenk  erhalten, 
und  ebenso  für  das  Herbarium  boicum  800  Exemplare  von 
Moosen  von  dem  Medizinal  rate  Dr.  Holler  in  Memmingen. 

Botanisches  Museum:  Im  Jahre  1900  erwarb  das  botanische 
Museum  durch  Kauf  1282,  im  Jahre  1901  1584  Arten,  dar- 
unter 133  aus  Kamerun  mit  55  Holzproben,  durch  Tausch 
im  Jahre  1900  250,  im  Jahre  1901  36  Arten,  als  Geschenk 
im  Jahre  1900  1518,  und  im  Jahre  1901  2452.  Behufs  Ver- 
wertung für  die  Wissenschaft  wurden  Materialien  an  verschiedene 
Autoren  in  Deutschland,  Dänemark,  Schweiz,  Belgien  und 
Russland  leihweise  abgegeben.  Eingesendetes  Material  aus 
Indien,  Nordamerika,  Costarica,  Schweiz  und  Berlin  wurde 
bearbeitet. 

Konservator  Radlkofer  bearbeitete  selbst  die  brasili- 
anischen Sapindaceen,  von  denen  das  Schlussheft  (im  Ganzen 
55  Bogen  mit  66  Tafeln)  erschien,  und  veranlasste  vier  Ar- 
beiten anatomisch- systematischer  Richtung  auf  Grund  des 
Museumsmateriales.  Die  Bibliothek  konnte  durch  besondere 
Bewilligung  des  Landtages  schwer  empfundene  Lücken  aus- 
füllen. 

Mineralogische  Sammlung:  Die  verfügbaren  Mittel  wurden 
im  Jahre  1900  auf  Anschaffung  einer  Reihe  von  Schränken 
verwendet,  um  die  immer  mehr  anwachsenden  Gesteinssamm- 
lungen, hauptsächlich  die  Aufsammlungeu  von  Dr.  Weber  im 
Monzonigebieto  (Fassathal)  und  des  Reallehrei-s  Düll  im  Fichtel- 
gebirge unterzubringen.     Im  Jahre  1901   wurden  die  Krystalle 


V.  Zittel:  Ansprache,  227 

neu  aufgestellt  und  die  Meteoritensammlung  vermehrt.  Von 
Geschenken  sind  zu  erwähnen:  1.  von  der  Tamnau-Stiftung 
in  Berlin  ein  Teil  der  von  Dr.  Grünling  in  Ceylon  zusammen- 
gebrachten Sammlung,  2.  von  Felix  Zeiska  in  Kissingen 
Mineralien  aus  den  norddeutschen  Salzlagerstätten. 

Geologisclie  Sammlung:  In  den  Jahren  1900  und  1901 
fanden  Aufsammlungen  statt  in  den  Bayerischen  und  Salzburger 
Alpen,  besonders  am  Fusse  der  Zugspitze,  sodann  im  Gebiet 
des  Schiern  und  der  Seiser  Alp.  Aus  dem  fränkischen  Jura 
wurden  Versteinerungen,  ferner  eine  Sammlung  von  Bernstein- 
insekten, sowie  eine  geologisch  kolorierte  Reliefkarte  des  Kar- 
wendel  erworben.  Frau  Dr.  Gordon-Ogilvie  schenkte  ihre 
Ausbeute  aus  den  tiefsten  Triasschichten  bei  Campitello  im 
Fassathal. 

Paläontologisclies  Museum:    Aus   den  Erwerbungen    der 
paläontologischen  Sammlung  sind  hervorzuheben :  1 .  Versteine- 
rungen aus  Trias,  Kreide  und  Tertiär  Nordwestdeutschlands  von 
Dr. Behrendsen  in  Göttingen,  2.  einige  Prachtstücke  aus  den 
Solenhofer  Schiefern  (u.  a.  Fuss  eines  sehr  grossen  Pterodactylus, 
Homoeosaurus) ,    3.    wertvolle   Reste    von   Rhinoceros    aus    der 
altberühmten  Fundstätte  bei  Georgensgmünd  in  Mittelfranken, 
4.    eine  sehr  vollständige  Sammlung  Versteinerungen    aus    der 
weissen  Kreide  Rügens. 

Von  Geschenken  sind  zu  erwähnen:  1.  ein  schön  er- 
haltener Schädel  von  Aceratherium  tetradactylum ,  gefunden 
W  Schönau  (Niederbayern)  von  Expositus  Paintner,  2.  eine 
von  Dr.  Hab  er  er  noch  vor  Ausbruch  des  chinesischen  Krieges 
Jö  China  zusammengebrachte,  höchst  wertvolle  Sammlung  fos- 
siler Säugetierreste,  die  zahlreiche,  bis  jetzt  unbekannte  Formen 
enthält,  femer  devonische  Brachiopoden  und  jungtertiäre 
Brachyuren,  3.  Säugetierrreste  aus  der  Pampasformation  in 
Uniguay,  worunter  ein  fast  vollständiger  Panzer  des  Riesen- 
gürteltieres von  Dr.  Otto  Günther  in  Fray  Bentos,  4.  Herr 
Albert  Hentschel  schenkte  die  Ergebnisse  seiner  dreimonat- 
lichen Forschungen  auf   der  Insel  Samos   dem  Museum,  worin 

15* 


228  Oeffentliche  Sitzung  vom  13.  März  1902, 

sie   eine  höchst  wertvolle  Erweiterung  der  Stützel'schen  Auf- 
sammlungen bilden. 

Der  paläontologischen  Sammlung  steht  ein  Fond  zur  Ver- 
fügung, den  Herr  Kommerzienrat  Anton  Sedlmayr  von  Mün- 
chener Bürgern  zusammengebracht  hat.  Aus  ihm  konnten 
4  Expeditionen  bestritten  werden,  welche  alle  von  glänzendem 
Erfolg  begleitet  waren:  1.  Zwei  Expeditionen  nach  Südpata- 
gonien, die  gemeinsam  mit  Professor  Florentino  Ameghino 
ausgeführt  wurden;  durch  diese  erhielt  unser  Museum  einmal 
die  merkwürdige  Fauna  der  Santa  Cruz-Schichten  fast  in  gleicher 
Vollständigkeit  wie  in  den  Museen  von  La  Plata  und  Buenos 
Aires,  sodann  eine  hochinteressante  Sammlung  der  von  Carlos 
Ameghino  entdeckten  und  von  Florentino  Ameghino  be- 
schriebenen ältesten  Säugetierreste  aus  angeblich  obercretaci- 
schen  Ablagerungen.  Von  diesen  merkwürdigen,  zum  Teil  primi- 
tiven, zum  Teil  aber  auch  schon  ziemlich  hoch  differenzierten 
Formen,  unter  denen  sich  auch  die  grosse  Gattung  Pyrrho- 
therium  befindet,  deren  systematische  Stellung  noch  nicht  mit 
Sicherheit  ermittelt  werden  konnte,  ist  bis  jetzt  noch  kein  Stück 
in  ein  anderes  ausseramerikanisches  Museum  gelangt.  2.  Eine 
Expedition  unter  Leitung  des  Professors  John  Merriam,  eines 
früheren  Schülers  unserer  Universität,  in  Oregon,  wodurch 
unsere  Sammlung  alle  wichtigeren  Säugetierreste  des  John  Day- 
Horizontes  und  zwar  in  mehr  oder  minder  vollständigen 
Schädeln  und  Skeletteilen  erhielt;  3.  eine  Expedition  des 
Sammlers  Charles  Sternberg  im  Sommer  1901  nach  den  per- 
mischen Ablagerungen  im  nördlichen  Texas.  Die  Akademie 
entsandte  zur  Teilnahme,  Kontrolle  und  geologischen  Unter- 
suchung Herrn  Dr.  Broili,  Assistent  am  paläontolog.  Museum. 
Schon  jetzt  zeigt  sich,  dass  die  in  Texas  erworbene  Sammlung 
der  besten  ihrer  Art,  welche  sich  im  American  Museum  in 
New  York  befindet,  nahezu  gleichkommt,  ja  sie  in  mancher 
Hinsicht  sogar  übertriffl.  Vollständig  auspräpariert  wird  sie 
eine  Zierde  des  Museums  bilden. 


19.  ZUM:  Amp räche. 


223 


Die  Negativ- Seh  wefe  lab  drücke  von  geschnittenen 
Steinen  wurden  um  90  Stück  vermehrt  und  durch  eine  Be- 
willigung aus  dem  Maiinheinier  Fond  1*)48  Glasp asten  nach 
'  antiken  Gemmen  erworben. 

Anf  spezielle  Veranlassung  des  Konservators  wurden  in  aus- 
wärtigen Sammlungen  (Hannover,  Kopenhagen,  Rom,  Florenz, 
Alexandrien)  17  Stücke  neugefornit,  darunter  ein  Portrait 
Alexanders  des  Grossen;  durch  Kauf  und  Geschenke  wurden 
73  grosse  Abgüsse,  11  Guss-  und  203  Gemmenformen  erworben. 

Da  das  Abgussmusenm  in  München  mehr  und  mehr  zu 
einer  Zentrale  für  alle  die  Antike  betreffenden  Ange- 
legenheiten wird,  so  gelangen  fortwährend  aus  Kunsthandel 
und  Privatbesitz  antike  Gegenstände  zur  Ansicht  und  Begut- 
,^ftehtung  und  unter  ihnen  somit  manches  wertvolle  Stück  in 
'^ffarmor,  Bronze,  Terrakotta  und  Gold  zur  wissenschaftlichen 
Kenntnis  und  Verwertung*  das  sonst  im  Privatbesitz  ver- 
schwände. Diesem  Vorteil  verdankt  das  Museum  einen  Zuwachs 
von  78  wertvollen   Platten  negativen* 

Die  Photographien  Sammlung  hat  sich  im  Jahre  1900 
um  533  Stück,  im  Jahre  1901  um  407  Stück  vermehrt,  die 
ganze  Sammlung  beträgt  nunmehr  10000  Stück  und  wurde 
durch  sorgfiLltige  Ordnung  im  Jahre  1901  der  allgemeinen  Be- 
QÜtzung  zugänglich  gemacht 

Ethnographisches  Museum:  Die  Mehrung  des  ethno- 
graphischen Museums  betrug  im  Jahre  1900  175  Nummern, 
im  Jahre  1901  136  Nummern,  wobei  die  Zuwendung  chi-- 
oesischer  Waffen  von  seite  Seiner  KgL  Hoheit  des  Prinz- 
regenten zu  erwähnen  ist.  Die  wichtigste  Arbeit  des  Jahres  1901 
bestand  in  der  Durcharbeitung  der  umfangreichen,  zum  Teil 
sehr  kostbaren  japanischen  Sammlung  und  der  Anfertigung 
einee  Zettelkataloges  für  dieselbe  durch  den  japanischen  Ge- 
lehrten Shinkiki  Hara,  wodurch  für  eine  grosse  Reihe  unver- 
ndl icher  oder  (von  europäischen  Verhältnissen  aus)  falsch 
euteter  Darstellungen  die  richtigen  Erklärungen  ermög- 
licht wurden. 


230  Oeffentliche  Sitzung  vom  13,  März  1902. 

Schutzgebieten,  ein  Wisent-Skelett  und  ein  schön  ausgestopfter 
Transvaallüwe. 

Anatomie:  Die  Sammlung  der  anatomischen  Anstalt  für 
deskriptive  und  topographische  Anatomie  ist  durch  9  Präparate 
im  Jahre  1900  und  durch  11  Präparate  im  Jahre  1901  be- 
reichert worden,  worunter  sich  eine  Serie  von  Modellen  über 
die  Gehirn entwicklung  nach  His  befindet;  die  Abteilung  für 
Histiologie  und  Embryologie  wurde  durch  eine  grosse  Zahl  von 
Schnittserien  zur  vergleichenden  Entwicklung  der  Wirbeltiere 
vervollständigt. 

Die  übrigen,  dem  Generalkonservatorium  unterstellten  In- 
stitute, das  physiologische  Institut,  die  Sternwarte,  das  chemische 
Laboratorium  und  das  physikalisch-metronomische  Institut,  sind 
keine  eigentlichen  Sammlungen,  oder  es  sind  ihnen  nur  kleinere 
Sammlungen,  wie  dem  chemischen  Laboratorium,  beige- 
geben. Sie  dienen  vorwiegend  dem  Unterricht  oder  wissenschaft- 
lichen Untersuchungen  und  die  hiefiir  gebrauchten  Apparate 
bilden  den  Bestand  dieser  Konservatorien.  Aus  dem  chemischen 
Laboratorium  gingen  im  Jahre  1900  67  Arbeiten,  aus  dem 
physiologischen  Institut  im  Jahre  1900  8,  im  Jahre  1901 
10  grössere  Abhandlungen  hervor.  Die  Sternwarte  setzte 
ihre  mit  dem  Meridiankreis  seit  Jahren  angestellten  Beobach- 
tungen weiter  fort,  ebenso  die  photographischen  Dauerauf- 
nfihmen  zur  Untersuchung  des  Fixsternhimmels  mit  dem  aus 
Mitteln  der  Akademie  Jin geschafften  Doppelfernrohr,  femer  die 
meteorologischen  und  erdmagnetischen  Beobachtungen,  wobei 
freilich  bei  letzteren  infolge  der  Einwirkung  des  elektrischen 
Trambahnbetriebes,  welcher  die  magnetischen  Kurven  aufs 
empfindlichste  stört,  die  Lloyd'sche  Wage  ausser  Betrieb  ge- 
setzt werden  musste. 

Wie  aus  den  angeführten  Mitteilungen  hervorgeht,  haben 
dio  im  Gonoralkonsorvatorium  vereinicfton  wissenschaftlichen 
Sainmhin<r«^n  und  Attribute  auch  in  den  zwei  vergangenen 
Jahren  recht  ansehnliche  Fortschritte  gemacht.   Ebenso  herrschte 


t».  Zülüi  Ansprache, 


225 


liehen  Depotfund,   welcher  in  der  Widenmayerstrasse  auf  dem 
Lioss  entdeckt  wurde. 

BötaEischer  Oarteu:  Die  im  Jahre  1900  begonnene  Re- 
organisation des  bottinischen  Gartens  wurde  ira  Jahre  1901 
ilurch  Vergrösserung  der  Alpenpflanzenanlage,  Einrichtung 
eines  besonderen  Kulturhauses  für  Hjmenophylleen  und 
eines  Farnenhauses  weiter  fortgeführt* 

Das  im  letzteren  untergebrachte  Vegetation sbild  ist  durch 
<lie  von  Konservator  Gobel  ans  Neuseeland  und  Australien 
mitgebrachten,  sowie  durch  die  im  Jahre  1901  aus  Neu-Süd- 
Wales,  Neuseeland  und  Nordamerika  bezogene  Farne  eine 
Sehenswürdigkeit  Münchens  geworden.  Einige  der  liier  ver- 
tretenen Typen  befinden  sich  überhaupt  nirgends  in  Kultur. 
Eine  Ausstellung  der  Kalthauspflauzen  im  Sommer,  sowie 
iine  Neu  an  läge  für  Freiland  am  Glaspalast  macht  den 
botanischen  Garten  flir  die  Besucher  lehrreicher  und  an- 
regender. Der  Thätigkeit  des  Konservators  gelang  es,  mehrere 
Vereine  und  Privat©  zu  Beiträgen  zu  veranlassen,  aus  denen 
antt*r  einem  Zuschuas  der  Akademie  von  1000  M,  die  Er- 
richtung des  Alpen gartens  auf  dem  Schachen  für  wissen- 
schaftUche  und  praktische  Zwecke  im  Jahre  1900  in  Angriff 
genommen  und  im  Jahre  1901  vollendet  werden  konnte. 
Keinem  anderen  botanischen  Garten  Deutschlands  steht  nun- 
mehr ein  solches  Hilfsmittel  zur  Verfügung, 

Pflanzenphyslologisohes  Institut;  Den  Hauptzuwachs  er- 
hielten die  Bestände  durch  die  Sammlungen  des  Konservators 
in  Australien  und  Ceylon,  ferner  durch  die  von  Kustos  Pro- 
fessor Giesenhagen  im  malaiischen  Archipel  gesammelten 
Materialien*  Beide  Vermehrungen  wurden  zur  Ausführung 
einer  Reihe  wissenschaftlicher  Untersuchungen  benutzt. 

In  seinem  Berichte  über  die  wissenschaftliche  Thätigkeit 
deg  Instituts,  welche  ihren  gewohnten  Gang  nahm,  hebt  der 
Konservator  die  geringe  Beteiligung  bayerischer  Studieren- 
der hervor^  da  die  Prüfungsordnung  die  Lehramtskandidaten 
zwingt,   sich   fast  ausachliesslich  der  Chemie  zu  widmen.     Die 

lK>a.   Sitiungsb.  d.  iiiaih*'phyt.  Gl.  15 


232  Oeffentliche  Sitzung  vom  13.  Märe  1902. 

mern  des  Landtags.  Mit  dem  schon  oft  von  dieser  Stelle 
wiederholten  Wunsch  nach  einer  baldigen  Verbesserung  unserer 
jetzigen,  wenig  erfreulichen  Verhältnisse  und  in  der  zuversicht- 
lichen Erwartung,  dass  unsere  Wünsche  in  absehbarer  Zeit  ir 
Erfüllung  gehen  mögen,  schliesse  ich  und  erteile  den  Herrer 
Classensekretären  das  Wort  zur  Verlesung  der  Nekrologe  aui 
unsere  heimgegangenen  Mitglieder. 


Der  Classensekretär  der  mathematisch-physikalischen  Classe 
Herr  C.  v.  Voit  theilt  mit,  dass  die  mathematisch-physikalischi 
Classe  in  den  beiden  letzten  Jahren  9  Mitglieder,  drei  ein- 
heimische und  sechs  auswärtige  durch  den  Tod   verloren   hat 

Es  sind  gestorben: 

1.  am  10.  Februar  1901  der  frühere  Präsident  der  Akademie 

der  Chemiker  und  Hygieniker  Max  v.  Pettenkofer 
ihm  ist  in  der  Festsitzung  vom  16.  November  1901  durcl 
den  Classensekretär  C.  v.  Voit  eine  eigene  Gedächtnissred 
gewidmet  worden; 

2.  am  9.  Oktober  1901  der  Botaniker  Robert  Hartig  und 

3.  am  21.  Januar  1902  der  Zoologe  Emil  Selenka. 

Ferner : 

1.  am  21.  Februar  1900   der  Astronom  Charles  Piazzi  Smyt 

in  Edinburgh; 

2.  am  11.  Juni  1900  der  Physiologe  Willy  Kühne  in  Heidelberg 

3.  am  14.  «Tanuar   1901    der  Mathematiker   Charles   Hermit 

in  Paris; 

4.  am  12.  Augustl901  der  Geologe  Nils  Adolf  Erik  Norden 

skjöld  in  Stockholm; 

5.  am  21.  August  1901  der  Physiologe  Adolf  F ick  in  Würzburg 

6.  am  22.  November  1901  der  Zoologe  Alexander  Kowalewsk 

in  St.  Petersburg. 


C.  Voü:  Nekrolog  auf  Böbert  Hartig,  233 

Robert  Hartig.^) 

Am    9.  Oktober  1901    ist    das    ordentliche    Mitglied    der 
mathematisch-physikalischen  Classe  der  Akademie,  der  verdiente 
Rotaniker   Robert  Hartig   im    63.   Lebensjahre   nach   kurzer 
Kirankheit  gestorben.     Noch  in  voller  Kraft,    mitten   aus   dem 
eifrigsten  und  fruchtbarsten  Schaffen   heraus,    ist    er  aus  dem 
Leihen  geschieden.     Er  war  einer  derjenigen  Gelehrten,  welche 
die  Forstwirthschaft  auf  naturgesetzliche  Grundlagen  zu  stellen 
suchte  durch  die  naturwissenschaftliche  Erforschung  des  Lebens 
der  Waldbäume;  er  hat  dadurch  nicht  nur  die  praktische  Forst- 
w^^thschafl,  sondern  auch  die  Botanik  in  hohem  Grade  gefordert. 
Robert  Hartig  wurde  am  30.  Mai  1839   zu  Braunschweig 
getoren  als  Sprosse  einer  Familie,  die  durch  drei  Generationen 
dem  Forstfache  angesehene  Vertreter  geliefert  hat:  Der  Gross- 
vater Georg  Ludwig  Hartig  that  sich,   nachdem  er  vorher  als 
Forstmeister  des  Fürsten  von  Solras-Braunfels  eine  Privatforst- 
schule zu  Hungen   geleitet   und   ein   treffliches  Lehrbuch   für 
Förster  geschrieben   hatte,    zuletzt  als  Oberlandforstmeister  in 
Berlin   als   Organisator   der  Forstverwaltung    Preussens    sowie 
als  einer  der  Begründer  des  rationellen  Waldbaues  hervor;  der 
Vater   Theodor   Hartig,    Professor    der    Forstwissenschaft    am 
Collegium  Carolinum  in  Braunschweig,  war  durch  seine  Kennt- 
nisse in  der  Anatomie  und  Physiologie  der  Holzpflanzen  einer 
ier  ersten  Forstbotaniker  und  hatte  sich  unter  Anderem  durch 
^e  Auffindung   der    Kleberkörner   oder   des  Aleurons    in    den 
Zellen  der  •  Pflanzensamen,    den  ersten  Nachweis  krjstallisirten 
Eiweisses,  sowie  durch  seine  Ertragsuntersuchungen  einen  sehr 
geachteten   Namen    gemacht;    der    aufgeweckte    und    wissens- 
äurstige   Sohn   Robert    trat,    die    Tradition   der   Familie    fort- 
setzend,  in  die  Fusstapfen   des  Vaters,    bei  dem   er    sich    von 
früher  Jugend   an  reiche  botanische  und  forstliche  Kenntnisse 

*)  Dr.  A.  Ciealar,  Centralblatt  für  das  gesammte  Forstwesen,  1902. 
^ri  Wilhelm,  Österreich.  Vierteljahrschrift  für  Forstwesen,  1901. 
Dr.  Emil  Meinecke,  ein  Nekrolog. 


234  OeffentUche  Sitzung  vom  13,  März  1902. 

erwarb,  die  ihm  als  feste  Grundlage  für  seine  spätere  Ent 
Wicklung  dienten. 

Anfangs  war  er,  in  seiner  Vorliebe  für  den  Wald,  geneigi 
sich  dem  praktischen  Forstdienste  zu  widmen.  Er  war  sehe 
so  weit  vorgebildet,  dass  er  gleich  nach  Absolvirung  des  Gym 
nasiums,  in  den  Jahren  1859 — 1861  weite  forstliche  Reise 
durch  die  Waldungen  Deutschlands  unternehmen  konnte,  wob( 
er  eigene  Anschauungen  und  reiche  Erfahrungen  über  die  forsi 
liehen  Verhältnisse  sammelte,  die  er  später  in  seiner  erste 
Schrift  verwerthete. 

Er  studirte  dann  an  der  forstlichen  Abtheilung  des  Colk 
gium  Carolinum  zu  Braunschweig  während  zwei  Jahren  Forsi 
Wissenschaft,  vorzüglich  bei  seinem  Vater.  Nach  der  186 
bestandenen  Prüfung  für  Forstbeamte  hörte  er  noch  an  d( 
Universität  Berlin  juristische  und  kameralistische  Vorlesunge 
und  trat  hierauf  in  den  braunschweigischen  Staatsforstdiens 
wo  er  1865  seine  definitive  Anstellung  erhielt.  Aber  d< 
gleichmässige  Dienst  im  Bureau  war  seinem  regsamen  GeL 
nicht  zusagend;  es  war  ihm  unmöglich,  sich  dies  als  Lebern 
beruf  zu  denken  und  als  ihm  die  Beschäftigung  mit  wisset 
schaftlichen  Arbeiten  untersagt  wurde,  nahm  er  nach  füi 
Vierteljahren  den  Abschied  aus  dem  Staatsdienst. 

So  wurde  der  praktische  Forstmann  mehr  und  mehr  d( 
Wissenschaft  zugeführt.  Er  erwarb  sich  (1866)  an  der  Un 
versität  Marburg  den  Doktorgrad  und  begann  zunächst  eir 
rege  schriftstellerische  Thätigkeit;  schon  bei  seinen  vorher  ei 
wähnten  Wald  Wanderungen  hatte  er  umfassende  Beobachtunge 
über  den  Zuwachs  der  Bäume  angestellt  und  darüber  (186* 
sein  erstes  Werk:  „vergleichende  Untersuchungen  über  de 
Wachsthumsgang  und  Ertrag  der  ßothbuche  und  Eiche  ii 
Spessart,  der  Hothbuche  im  östlichen  Wesergebirge,  der  Kieft 
in  Pommern  und  der  Weisstanne  im  Schwarzwald"  heraus 
ausgegeben,  die  er  als  Doktordissertation  benützte.  Dan 
sammelte  er  das  Material  für  die  Aufstellung  der  Ertragstafel 
für  die  Fichte  und  Kothbuche,  welches  er  (1868)  in  eine 
grösseren  Abhandlung:   „Die  Rentabilität  der  Fichtennutzhob 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Eohert  Hartig.  235 

und  Buchenbrennholzwirthschaft  im  Harz  und  im  Wesergebirge* 
verarbeitete. 

Dadurch  war  der  hannoverische  Forstdirektor  Burckhardt 
auf  den  strebsamen  jungen  Forstmann  aufmerksam  geworden 
und  lud  ihn  ein,  in  die  hannoverische  Forsteinrichtungs- 
Kommission  als  Forstgeometer  einzutreten  und  die  Vermessung 
eines  Waldcomplexes  zu  übernehmen.  Da  kam  nach  einer 
m ehrmonatlichen  Thätigkeit  ein  Ereigniss,  das  seinem  Leben 
eine  andere,  glückliche  Wendung  gab  und  ihn  bleibend  für 
die  Wissenschaft  und  die  akademische  Laufbahn  gewann.  Er 
erliielt  nämlich  (1867)  den  Antrag,  an  Stelle  des  erkrankten 
Professors  Julius  Theodor  Ratzeburg,  des  ausgezeichneten 
Kenners  der  Forstinsekten,  die  Vorlesungen  über  Zoologie  und 
Botanik  an  der  preussischen  Forstakademie  Eberswalde  zu 
übernehmen;  es  ist  ein  Zeichen  seiner  Kenntnisse  und  seiner 
Energie,  dass  er  vier  Tage  später  diese  Vorlesungen  begann. 
Nach  der  Genesung  Ratzeburg's  wurden  ihm  die  Vorlesungen 
über  Botanik  (1869)  unter  Beförderung  zum  Dozenten  definitiv 
übertragen;  1871  erfolgte  seine  Anstellung  als  Professor  der 
ßotanik. 

Als  solcher  beschäftigte  er  sich   anfangs  noch  mit  mehr 
forstlichen  Problemen  z.  B.  mit  dem  Zuwachs  und  dem  Dicken- 
^achsthum  der  Waldbäume  und  mit  Bestimmungen  des  speci- 
fi^chen  Frisch-  und  Trockengewichtes,  des  Wassergehaltes  und 
Schwindens  des  Kiefernholzes,    aber  bald  wandte  er  sich  rein 
^botanischen    Fragen    zu,    jedoch    fast    ausschliesslich    solchen, 
Welche   sich   an    die   Kultur   der  Waldbäume   anschlössen;    in 
Polge  seiner  gründlichen  Ausbildung   in    der  Forstwirthschaft 
^nd  seiner  reichen  Kenntnisse  in  der  Botanik  bewegte  er  sich 
^uf  einem  Grenzgebiete,    welches   die  Botaniker  wegen    ihrer 
hangelnden  Erfahrung  des  Lebens  der  Waldbäume    nicht  be- 
traten  und  von  dem   aus  die  Resultate  der  Wissenschaft  als- 
Wd  für  die  Praxis  die  werth vollste  Anwendung  fanden. 

In  zwei  Richtungen  der  Botanik  hat  er  Hervorragendes 
geleistet:  in  der  Lehre  von  den  Baumkrankheiten  und  in  der 
^on  dem  Bau  der  Bäume. 


236  Oeffentliche  Sitzung  vom  13,  Mär£  1902, 

Bei  seinen  Beobachtungen  im  Walde  wurde  er  auf  krank- 
hafte Veränderungen  der  Holzgewächse,  insbesondere  durch 
niedere  pflanzliche  Organismen,  durch  Pilze,  aufmerksam,  die 
man  vorher  kaum  beachtet  hatte,  da  dazu  eingehende  mikro- 
skopische Studien  nöthig  waren,  welche  der  praktische  Porst- 
mann damals  nicht  anzustellen  vermochte.  Ueber  die  Krank- 
heiten der  Pflanzen  überhaupt  war  nur  wenig  bekannt,  wäh- 
rend über  die  Erkrankungen  des  thierischen  Organismus  schon 
seit  längerer  Zeit  wichtige  Kenntnisse  vorlagen.  Erst  im 
Jahre  1858  erschien  Kühn's  trefiFliche  Schrift  über  die  Krank- 
heiten der  Culturgewächse;  darnach  wurde  durch  die  Arbeiten 
von  Tulasne  in  seiner  Carpologie  (1861)  und  von  De  Bary  in 
seinem  epochemachenden  Werke  über  die  Morphologie  und 
Biologie  der  Pilze  (1866)  der  exakte  Nachweis  erbracht,  dass 
eine  Anzahl  von  Pflanzenkrankheiten  auf  dem  Eindringen  para- 
sitischer Pilze  in  das  Gewebe  der  Pflanzen  beruht.  Hartig 
erkannte  alsbald  die  Wichtigkeit  der  Sache  und  gieng  mit 
wahrem  Feuereifer  an  die  Erforschung  der  pathogenen  Para- 
siten der  Bäume.  Durch  eine  lange  Reihe  ausserordentlich  er- 
folgreicher Untersuchungen  förderte  er  die  Kenntniss  der  Lebens- 
erscheinungen und  der  Entwicklungsgeschichte  der  Schmarotzer- 
pilze in  sehr  erheblichem  Maasse.  Er  hat  dabei  ein  Paar 
Dutzend  neue  Arten  derselben  entdeckt  und  ebenso  viele  schon 
bekannte  eingehend  in  anatomischer  und  physiologischer  Rich- 
tung untersucht.  Es  gelang  ihm,  den  Bau  des  Myceliums  der 
Holzparasiten  im  Inneren  des  Baumes  zu  erkennen  und  das 
Vordringen  der  Hyphen  im  Holz  zu  verfolgen;  auch  erweiterte 
er  wesentlich  die  Kenntnisse  von  dem  Bau  und  der  Entwick- 
lungsgeschichte der  Fruchtkorper,  besonders  der  Hymenomy- 
ceten.  Indem  er  zusah,  in  welcher  Weise  die  Pilze  auf  ihre 
Nährpflanzen  einwirken  und  wie  schliesslich  das  abgetödtete 
Holz  zersetzt  wird,  fand  er  die  merkwürdige  Thatsache,  dass 
jeder  Holzparasit  eine  ihm  eigenthümliche  Zerstörungsweise 
ausübt,  sein  besonderes  „Zerstörungsbild*  erzeugt.  Er  legte 
seine  Erfahrungen  in  dem  Buch:  „Die  wichtigen  Krankheiten 
der   Waldbäume"    (^1874)    sowie    in   dem    umfassenden    Werk: 


G.  Voü:  Nekrolog  auf  Bohert  Hartig.  237 

»Die  Zersetzungserscheinungen  des  Holzes  der  Nadelholzbäume 
und  der  Eiche  in  forstlicher,  chemischer  und  botanischer  Rich- 
tung* (1878)  nieder,  wodurch  er  sich  zum  Begründer  der 
Lehre  von  den  Baumkrankheiten  und  zu  der  unbestritten  ersten 
Autorität  auf  dem  Gebiete  der  Pflanzenpathologie  erhob. 

Als  die  bayerische  Staatsregierung  (1878)  die  Ausbildung 
der  staatlichen  Forstbeamten    an   die   hiesige  Universität   ver- 
legte,   und   in    dankenswerthester    Weise    eine   Stätte    für   die 
Wissenschaft  gründete,  war  sie  mit  weitem  Blick  bestrebt,  die 
bedeutendsten  Fachmänner  zu  gewinnen ;  mit  Baur,  Ebermayer, 
Gfayer  und  Heyer  wurde   auch   Hartig   berufen    und    zwar   als 
Professor  der  Anatomie,  Physiologie  und  Pathologie  der  Pflanzen 
so 'wie  als  Vorstand  der  botanischen  Abtheilung  der  forstlichen 
V^ersuehsanstalt  und  des  forstbotanischen  Laboratoriums. 

Hier  bekam  er  nach  Errichtung  des  mit  allen  Hilfsmitteln 
avtsgerüsteten  forstbotanischen  Instituts  das  seinen  Neigungen 
\^T\d  Talenten  zusagende  Feld  für  eine  äusserst  fruchtbare 
Tliätigkeit  als  Lehrer  und  Forscher. 

Er   setzte  darin   anfangs  seine  Studien  über  Krankheiten 
A^T  Holzpflanzen  fort.     Im  Jahre  1882    sammelte    er  die   Er- 
ff^lnisse  derselben  in  einem  viel  benützten  vortrefi'lichen  Werke: 
»Itehrbuch  der  Baumkrankheiten",  in  dem  er  fast  ausschliess- 
lich von  seinen  eigenen  Untersuchungen  berichten  konnte  und 
^as  drei  Auflagen  erlebte;  in  der  dritten  erweiterten  Auflage 
(1900)    tritt   der  Titel:    „Lehrbuch    der   Pflanzenkrankheiten* 
Äuf.  —  In  dem  ersten  der  drei  Bände   der   von    ihm   heraus- 
gegebenen a Untersuchungen  aus  dem  forstbotanischen  Institut* 
(1880,  1882,  1883)  sind  grösstentheils  noch  neue,  auf  genaue 
inikroskopische  Beobachtungen   gegründete   mykologische   Ar- 
beiten und  Beschreibungen    der   Krankheitserscheinungen   ent- 
halten.    Hierher    gehört   auch    sein    Buch    „über    den    echten 
Hausschwamm*    (1885),    ein   Muster   sowohl   in    wissenschaft- 
licher als  auch  in  praktischer  Hinsicht. 

Hartig  beschäftigte  sich  auch  mit  den  Krankheiten  der  Ge- 
wächse nicht  parasitärer  Natur;  er  unterschied  scharf  zwischen 
Jen  durch  niedere  Organismen  und  den  durch  andere  Ursachen 


240  OeffenÜkhe  Sitzung  ww  13.  März  1902, 

sames  Arbeiten  nach  einem  bestimmten  gleichheitlichen  Plane 
befürwortete.  Es  ist  ja  wohl  richtig,  dass  gewisse  einzelne 
Fragen  durch  gemeinsame  Thätigkeit  am  besten  gefÖrderit 
Averden;  jedoch  wird  im  Allgemeinen  der  Wissenschaft  sicher- 
lich am  meisten  genützt  durch  freies  selbständiges  Schaffen 
der  Einzelnen. 

Aus  dem  Gesagten  ergiebt  sich,  dass  Hartig  durch  seine 
wissenschaftliche  Arbeit  zwei  wichtige  Zweige  der  Pflanzen- 
biologie in  dankenswerther  Weise  ausgebildet  hat  und  dass  er 
durch  die  Anwendung  seiner  Erkenntnisse  auf  die  Forstwirth- 
schaft  zur  wissenschaftlichen  Entwicklung  der  letzteren  sehr 
viel  beigetragen  hat.  Es  war  ihm  dies,  wie  erwähnt,  nur  da- 
durch möglich,  dass  er  gelernter  Forstmann  und  zugleich 
gründlich  durchgebildeter  Botaniker  war;  weder  ein  praktischei 
Forstmann  noch  ein  theoretischer  Botaniker  hätte  das  von  ihm 
Geleistete  vollbringen  können.  Es  ist  dies  ein  abermaliges 
Beispiel  dafür,  dass  bei  einer  gewissen  Ausbildung  der  Wissen- 
schaft die  Praxis  nur  durch  die  Theorie  auf  sicherem  Wege 
zum  Fortschritt  geleitet  wird. 

Durch  einen  unausgesetzten  Fleiss  hatte  er  sich  eine 
reiche  Erfahrung  und  ein  umfassendes  Wissen  und  Eönnei 
erworben.  Es  beseelte  ihn  eine  unauslöschliche  Lust  zur  Arbeil 
und  zur  Erkenntniss  der  Dinge;  mit  einer  ungewöhnlicher 
Energie  und  Arbeitskraft  ausgerüstet  war  rastloses  Schaffei 
der  Inhalt  seines  ausschliesslich  der  Wissenschaft  geweihtei 
Lebens. 

Er  war  ausgezeichnet  durch  einen  scharfen  Blick  zu  sehen 
wo  eine  neue  Erscheinung  vorlag,  durch  eine  feine  Beobach 
tungsgabe  und  durch  ein  besonderes  Geschick  die  Wege  de: 
Erforschung  zu  finden. 

Durch  diese  Eigenschaften  ist  er  einer  der  fruchtbarstei 
Forscher  auf  seinem  Gebiete  geworden,  der  viele  neue  Beob- 
achtungen, Versuche  und  Erklärungen  von  bisher  dunkel  ge- 
bliebenen Vorgängen  in  der  Pflanzenwelt  geliefert  hat. 

Durch  die  Lebendigkeit  und  Frische  seines  Wesens  war  ei 
auch  ein  vortrefi*iicher  Lehrer;   durch  geschickte  Experimente 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Emü  Selenka.  241 

Demonstrationen  und  Zeichnungen,  sowie  namentlich  durch 
Praktika  suchte  er  den  Schülern  richtige  Anschauungen  bei- 
zubringen. Immer  mehr  kommt  der  denkende  Lehrer  in  dem 
Unterricht  der  Naturwissenschaften  zu  der  Ueberzeugung,  dass 
die  jetzige  Art  des  Studiums  eine  veraltete  und  verfehlte  ist, 
welche  umgeändert  werden  muss.  Durch  die  vielen  und  ein- 
gehenden Vorlesungen  gelangt  der  Studirende  niemals  zu  einem 
wahren  Verständniss  der  Vorgänge;  das  dabei  Haftende  ist 
wahrhaft;  kümmerlich  und  findet  zumeist  nur  ein  gedankenloses 
Auswendiglernen,  ein  eigentliches  Studiren  so  gut  wie  nicht 
statt.  Es  muss  mehr  dem  Privatstudium  aus  einfachen  Lehr- 
büchern überlassen  werden;  nur  die  Curse  und  üebungen,  bei 
denen  der  Lehrer  dem  Schüler  nahe  tritt  und  ihn  im  Beob- 
achten der  Erscheinungen  unterrichtet  und  in  Fertigkeiten 
unterweist,  werden  dem  Uebel  abhelfen. 

Wir  bedauern  tief  den  Verlust  des  ausgezeichneten  For- 
schers, welcher  bei  seiner  grossen  Erfahrung  und  seinem  Ge- 
schick die  Wissenschaft  noch  mit  vielen  Errungenschaften 
hätte  bereichern  können.  Der  Einfluss  seines  Eingreifens  in  dem 
von  ihm  betretenen   Gebiete  wird  noch   lange   fortwirken.  — 

Emil  Selenka, 

Die  mathematisch -physikalische  Classe  beklagt  den  Ver- 
lust noch  eines  weiteren  Genossen,  des  ausserordentlichen  Mit- 
gliedes Emil  Selenka,  der  nach  ganz  kurzem  Krankenlager, 
60  Jahre  alt,  am  21.  Januar  dieses  Jahres  aus  dem  Leben 
geschieden  ist.  Er  hat  sich  auf  dem  Gebiete  der  Zoologie 
und  der  Entwicklungsgeschichte  der  Thiere  namhafte  Verdienste 
erworben. 

Ich  verdanke  die  folgenden  Angaben  über  seinen  Lebens- 
gang und  seine  wissenschaftlichen  Arbeiten  der  Güte  unseres 
verehrten  CoUegen  Richard  Hertwig. 

Emil  Selenka  wurde  am  27.  Februar  1842  zu  Braunschweig 
geboren ;  er  genoss  seine  Ausbildung  zunächst  auf  dem  dortigen 

1902.  Sitzongsb.  d.  niath.-pbyB.  Cl.  IG 


242  Oeffentliche  Sitzung  vom  13.  März  1902. 

Gymnasium  und  dann,  nachdem  er  dasselbe  nach  Absolvirung 
der  Obersekunda  verlassen  hatte,  auf  dem  CoUegium  Carolinum. 
von  welchem  er  nach  einer  glänzend  bestandenen  Maturitäts- 
prüfung im  Jahre  1863  zur  Universität  entlassen  wurde. 

Schon  frühzeitig  wurde  in  ihm  durch  seinen  Vater  au: 
gemeinsamen  Spaziergängen  der  Sinn  für  die  Schönheiten  dei 
Natur  geweckt.  Er  gewann  Interesse  für  Wolken  und  Sterne 
sammelte  Pflanzen,  Schmetterlinge  und  Mineralien,  und  schmückte 
mit  ihnen  sein  Arbeitszimmer.  Diese  früh  erwachte  Neigunj 
zu  den  Naturwissenschaften  fand  auf  dem  CoUegium  Carolinun 
weitere  Nahrung,  da  auf  dieser  Anstalt  ausser  den  Gymnasial- 
fächern  auch  die  Naturwissenschaften,  besonders  Chemie,  eifrij 
betrieben  wurden. 

Als  daher  Selenka  im  Jahre  1863  die  Universität  Göt- 
tingen bezog,  konnte  es  für  ihn  nicht  zweifelhaft  sein,  das 
er  sich  für  das  Studium  der  Naturwissenschaften  entschied 
Er  trieb  Zoologie  bei  Wilhelm  Keferstein,  Physik  bei  Wilheln 
Weber,  Geologie  bei  Karl  v.  Seebach,  Mineralogie  bei  Wolf- 
gang Sartorius  v.  Waltershausen.  Anfangs  war  er  geneigt 
bei  letzterem  sich  in  Mineralogie  und  Geologie  auszubilden 
aber  durch  den  Einfluss  des  anregenden  Keferstein,  zu  dem  ei 
in  besonders  nahe  Beziehung  trat,  wurde  er  veranlasst,  siel 
der  Zoologie  zu  widmen.  Unter  seiner  Leitung  unternahm  ei 
eine  umfassende  Bearbeitung  der  Anatomie  und  Systematik  de: 
Seewalzen  oder  Holothurien,  bei  der  er  eine  von  AI.  Agassi: 
eingesandte  grosse  Sammlung  dieser  merkwürdigen  wirbellosei 
Thiere  verwerthete;  auf  Grund  dieser  Arbeit  wurde  er  186( 
zum  Doktor  promovirt  und  zugleich  als  Assistent  am  zoologisch 
zootomisclien  Institut  angestellt.  An  demselben  führte  er  nocl 
mehrere  Untersuchungen  aus:  Ueber  die  Entwicklungsgeschicht 
der  Luftsücko  des  Huhns,  über  die  fossilen  Crocodilinen  de 
Kimmoridge  von  Hannover,  über  die  Stellung  des  fossilen  Tra 
gocerus  amaltheus,  über  die  Spongien  aus  der  Südsee,  übe 
die  Anatomie  von  Tritronia  margaritacea.  Auch  wurde  ihn 
die  Vergünstigung  zu  Tlieil,  seim^n  leider  früh  verstorbenei 
Lehrer    auf  einer   wissfuschaftlichen   Heise    nach    dem    an    de 


C.  Voit:  Kekrolog  auf  Emil  Selenka,  243 

Nordküste  Prankreichs  gelegenen  Saint  Malo  zu  begleiten,  wo 
er  zum  ersten  Mal  Gelegenheit  fand,  die  reiche  Fauna  des 
Meeres  kennen  zu  lernen. 

Dem  Wunsche  seines  Vaters  folgend  machte  Selenka  im 
Sommer  1868  das  Oberlehrerexamen,  um  den  Rückhalt  einer 
gesicherten  Lebensstellung  zu  haben,  falls  seine  Wünsche  sich 
der  wissenschaftlichen  Forschung  zu  widmen  auf  Schwierig- 
keiten stossen  sollten.  Indessen  hatte  er  kaum  dieses  Examen 
bestanden,  als  er  auf  Empfehlung  seines  Lehrers  Keferstein 
hin  als  ordentlicher  Professor  der  Zoologie  und  vergleichenden 
Anatomie  an  die  Stelle  des  verstorbenen  Professors  van  derHoeven 
nach  der  holländischen  Universität  Leiden  berufen  und  so  ihm 
in  aussergewöhnlich  jugendlichem  Alter  ein  selbständiger  akade- 
mischer Wirkungskreis  gesichert  wurde.  Das  Bedürfniss,  seine 
und  seiner  Schüler  Arbeiten  in  den  Niederlanden  selbst  ver- 
öffentlichen zu  können,  veranlasste  ihn,  das  Niederländische 
Archiv  für  Zoologie  zu  begründen,  eine  Zeitschrift,  welche 
auch  jetzt  noch  fortbesteht  und  die  er  mit  zahlreichen  eigenen 
Arbeiten  bedachte.  Leider  ertrug  er  das  holländische  Klima 
sehr  schlecht.  Daher  ergriff  er  mit  Freuden  die  Gelegenheit, 
welche  ihm  1874  durch  eine  Berufung  nach  Erlangen  als  Nach- 
folger von  E.  Ehlers  geboten  wurde,  seinen  Wirkungskreis  in 
Holland,  so  sehr  er  ihm  auch  lieb  geworden  war,  aufzugeben 
und  gegen  die  Professur  der  Zoologie  und  vergleichenden 
Anatomie  in  Erlangen  einzutauschen.  In  Erlangen  erwuchs 
ihm  die  Aufgabe,  die  Pläne  zum  Neubau  und  zur  Neueinrich- 
tung eines  zoologischen  Instituts  auszuarbeiten,  welches  er  die 
Freude  hatte,  im  Jahre  1885  einzuweihen  und  zu  beziehen. 
Ferner  fällt  in  die  Zeit  seines  Erlanger  Aufenthalts  die  Be- 
gründung des  angesehenen  biologischen  Centralblattes,  bei 
Welchem  er  gemeinsam  mit  seinem  botanischen  CoUegen  M.  Rees 
uen  Physiologen  Rosenthal  unterstützte.  Vor  Allem  aber  ver- 
dienen hier  seine  zahlreichen  wissenschaftlichen  Reisen  Er- 
wähnung; wiederholt  hat  er  in  der  zoologischen  Station  in 
Neapel  gearbeitet;  sein  Wandertrieb  und  die  Lust,  fremde 
Länder  und  deren  Thierwelt   aus   eigener  Anschauung  kennen 

IG* 


244  Oeffentliche  Sitzung  vom  13,  Märe  1902. 

zu    lernen,    führten    ihn    nach   Brasilien    und   zwei  Mal   m 
Ceylon,  Indien,  Japan  und  den  Sundainseln. 

Im  Jahre  1895  legte  Selenka  aus  freien  Stücken  se 
Professur  in  Erlangen  nieder,  um  ganz  seinen  Studien,  name 
lieh  der  Verwerthung  der  von  seinen  Reisen  mitgebrach 
Sammlungen,  leben  zu  können ;  er  siedelte  nach  München  ül 
wo  ihm  auf  den  Vorschlag  der  philosophischen  Fakultät 
Gelegenheit  geboten  wurde,  seine  Lehrthätigkeit  an  der  T] 
versität  als  Honorarprofessor  fortzusetzen.  Unserer  Akade; 
gehört  er  seit  1896  an. 

Selenka  war  eine  vielseitig  und  reich  begabte  Persönli 
keit,  höchst  lebendigen  Geistes  und  voll  Interesse  für  AI 
Eine  aussergewöhnliche  Redegabe  machte  ihn  zu  einem  l 
vorragenden  Lehrer  der  akademischen  Jugend.  Reges  " 
streben  bekundete  er  für  Vervollkommnung  der  Unterricl 
mittel;  er  gehörte  zu  den  ersten,  welche  das  elektrische  P 
jektionsmikroskop  und  hektographirte  Zeichnungen  einführi 
um  den  Unterricht  anschaulicher  zu  gestalten.  So  gelang 
ihm  denn  auch,  zahlreiche  Schüler  an  sich  zu  fesseln,  ^ 
denen  einige  selbständige  wissenschaftliche  Stellungen  e 
nehmen,  so  Prof.  Hubrecht  in  Utrecht,  Prof.  Lampert 
Stuttgart,  Prof.  Fleischmann  in  Erlangen.  In  wissenschi 
liehen  Vereinen  gab  er  lichtvolle  Darstellungen  aus  seir 
reichen  Wissensschatze;  die  liebenswürdige  und  anschauli 
Art  seiner  Darstellung  sicherten  ihm  auch  reichen  Erf( 
wenn  sich  seine  Rede  an  weitere  Kreise  des  Publikums  wan^ 
wie  er  denn  auch  jeder  Zeit  bereit  war,  zu  gemeinnützij 
Zwecken  öflFentliche  Vorträge  zu  halten. 

Seine  wissenschaftliche  Thätigkeit  erstreckte  sich  nur  sei 
auf  den  anatomischen  Bau  und  die  Systematik  der  Thi< 
Ausser  der  vorher  erwähnten  die  Holothurien  behandeln 
Doktordissertation  hat  er  in  dieser  Hinsicht  nur  noch  die  sc] 
von  seinem  Lehrer  Keferstein  wiederholt  studirte  Gruppe 
den  Holothurien   sich   anschliessenden,   das  Meer  bewohnen 

Würmer   oder  Gepliyren    bearbeitet,    einmal    in    einer 
Monographie  und  dann  in  den  Reports  der  Challen 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Emil  SelenJca,  245 

Bipedition.  Selenka's  Hauptinteresse  wandte  sich  bald  der 
vergleichenden  Entwicklungsgeschichte  zu.  Er  war  einer  der 
ersten,  welcher  die  Untersuchungen  von  Oskar  Hertwig  über 
die  Befruchtung  des  Seeigeleies  bestätigte,  welcher  ferner  die 
ersten  genaueren  Untersuchungen  über  die  Keirablattbildung 
ond  die  Larvenentwicklung  der  Strudelwürmer  oder  Turbellarien 
machte,  wobei  er  namentlich  die  an  die  Rippenquallen  oder 
Ctenophoren  erinnernde  vierstrahlige  Anordnung  der  Mesoderm- 
zellen  bei  den  Embryonen  erkannte.  Er  erweiterte  die  Ent- 
deckungen MetschnikoflF's  über  die  Entwicklung  des  Mesoderms, 
der  Leibeshöhle  und  des  Wassergefässsystems  bei  den  Stachel- 
häutern oder  Echinodermen,  indem  er  mit  grossem  Eifer  ins- 
besondere die  Entwicklung  des  Mensenchyms  und  der  Coelom- 
divertikel  der  Larven  untersuchte  und  die  Vertheilung  der 
mesodermalen  Gewebe  auf  diese  beiden  Componenten  des  Meso- 
derms aufisuklären  versuchte. 

In  den  letzten  20  Jahren  seines  Lebens  concentrirte  sich 
Selenka  auf  die  Erforschung  der  Entwicklungsgeschichte  der 
Wirbelthiere.  Er  begann  mit  dem  Studium  der  Nagethiere. 
unser  verstorbenes  Mitglied  Th.  BischofF  hatte  bei  seinen 
denkwürdigen  Untersuchungen  über  die  erste  Entwicklung  der 
Säugethiereier  (1852)  die  später  von  B.  Reichert  und  V.  Hensen 
bestätigte,  merkwürdige  sogenannte  „Umkehr  der  Keimblätter* 
entdeckt;  es  sollte  hier  die  Lage  der  Keimblätter  die  umge- 
kehrte von  der  gewöhnlichen  Lage  bei  allen  anderen  Eiern 
sein  d.  h.  das  Darmdrüsenblatt  in  der  Embryonalanlage  nach 
auswärts,  das  Ektoderm  nach  Innen  gewandt  sein.  Gleich- 
zeitig mit  unserem  Collegen  Kupffer  wies  nun  Selenka  nach, 
dass  die  Umkehr  der  Keimblätter  nur  scheinbar  sei,  dass  die 
Dierkwürdige  Lage  der  beiden  Keimblätter  durch  eine  Ein- 
stülpung der  Erabryonalscheibe  in  das  Innere  der  Keimblase 
bedingt  sei  und  BischofF  sowie  Reichert  und  Hensen  den 
richtigen  Sachverhalt  nicht  zu  erkennen  vermochten,  weil  sie 
^e  Wand  der  Keimblase  übersehen  hatten. 

An  die  Untersuchung  der  Nagethiere  schloss  sich  die 
Untersuchung  der  bis  dahin  vernachlässigten  Embryonal-Ent- 


246  Oeff entliche  Sitzung  vom  13.  März  1902. 

Wicklung  der  Beutelthiere  an;  sie  war  von  besonderer  B 
deutung,  da  über  diese  nächst  den  Monotremen  NeuhoUan 
niederste  Gruppe  der  Säugethiere  noch  keine  zusammenhänge 
den  Untersuchungen  vorlagen.  Er  machte  dabei  wichtige  A 
gaben  über  den  äqualen  Charakter  des  Furchungsprocess^ 
über  die  entodermale  Entstehung  der  Chorda  dorsalis  und  d 
Mesoderms  und  über  den  rudimentären  Charakter  der  Harnha 
oder  AUantois.  Die  Arbeiten  Selenka's  über  die  vergleichen 
Entwicklungsgeschichte  finden  sich  in  seinen  beiden  Hauj 
werken:  Zoologische  Studien  (2  Theile,  1878  —  1881)  u 
Studien  über  die  Entwicklungsgeschichte  der  Thiere  (5  Thei 
1883—1892). 

Den  Schluss  dieser  entwicklungsgeschichtlichen  Studi 
sollte  die  Bearbeitung  der  Primaten  bilden,  der  Affen,  beso 
ders  der  Anthropoiden,  weil  zu  hofi*en  war,  auf  diesem  We 
weitere  Aufschlüsse  über  die  verwandtschaftlichen  Beziehung 
dieser  höchst  organisirten  Säugethiere  zu  dem  Menschen 
gewinnen.  Um  sich  das  äusserst  schwierig  zu  erhaltende  M 
terial  zu  beschaffen,  reiste  Selenka  zweimal  nach  den  Sund 
Inseln,  von  seiner  Frau  bei  dem  mühsamen  Unternehmen  l: 
gleitet  und  getreulichst  unterstützt.  Obwohl  durch  ein 
unglücklichen  Zufall,  den  Untergang  eines  Bootes,  welcl 
einen  Theil  der  Sammlung  trug,  viel  wichtiges  Material  v( 
loren  ging,  wurden  doch  durch  die  beiden  Expeditionen  Er 
Wicklungsreihen  von  verschiedenen  Affenarten,  sowie  wert 
volles  Skelettmaterial  des  Orang-Utang  und  des  Gibbc 
zusammengebracht.  Letzteres,  aus  250  Orangschädeln  v< 
schiedenen  Alters  und  Geschlechts,  200  Schädeln  von  ander 
Affen,  insbesondere  vom  Gibbon,  und  einem  männlichen  u 
weiblichen  Skelett  vom  Orang  ohne  Schädel  bestehend,  wui 
von  ihm  in  liberalster  Weise  der  anthropologischen  Sammln 
des  Staates  zum  Geschenk  gemacht  und  zu  einer  Untersuchu 
verwandt,  welche  die  durch  Alter  und  Kace  bedingten  Uni 
schiede  im  Orangscliädel  aufklärte,  sowie  die  grosse  Variabili 
in  der  Zahl  der  ächten  Backzähne  nachwies.  Von  den  Stud 
zur  Entwicklungsgeschichte  der  Affen  sind  nur  die  ei'sten  d 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Emü  Selenka.  247 

Lieferungen  erschienen;  die  wichtigsten  in  ihnen  enthaltenen 
Ergebnisse  sind  die  Nachweise,  dass  die  bei  den  Nagethieren 
falschlich  als  Blattumkehr  bezeichnete  Anordnung  der  Keim- 
blätter auch  bei  den  Primaten  vorkommt  und  dass  zwischen 
Affen  und  Menschen  in  den  jungen  Entwicklungsstadien  eine 
ganz  überraschende  Uebereinstimmung  existirt.  Leider  wurde 
Selenka  durch  einen  allzufrühen  Tod  verhindert,  diese  von 
ihm  begonnenen  Untersuchungen    zum   Abschluss   zu   bringen. 

Man  würde  der  Eigenart  Selenka's  nicht  gerecht  werden, 
wenn  man  schliesslich  nicht  auch  seiner  reichen  künstlerischen 
Begabung  gedenken  wollte.  Er  war  ein  vortreflFlicher  Zeichner 
und  Maler,  ausgerüstet  mit  feinem  Verständniss  für  alles 
Schöne  und  Wissenswerthe,  mochte  es  ihm  in  der  Natur  oder 
im  Leben  der  Völker  entgegentreten.  Nächst  dem  Sinn  des 
Forschers  war  es  diese  Künstlernatur,  welche  ihn  in  die  weite 
Welt  hinaustrieb.  Er  liebte  es  daher  auch  bei  seinen  Vor- 
trägen allgemeineren  Inhalts  das  Gebiet  der  Zoologie  zu  ver- 
lassen und  Kunst,  Religion,  Sagen  und  Gebräuche  der  Völker 
in  feinsinniger  Weise  zum  Gegenstand  seiner  Betrachtungen 
zu  machen.  In  dieser  Hinsicht  brachten  ihm  besonders  reiche 
Ausbeute  die  beiden  Reisen  nach  Japan  und  den  malayischen 
Inseln.  Die  allgemeinen  Ergebnisse  derselben  über  Land  und 
Leute  legte  er  in  einem  mit  seiner  Gattin  gemeinsam  heraus- 
gegebenen, höchst  anziehend  geschriebenenPrachtwerke:  „Sonnige 
Welten,  ostasiatische  Reiseskizzen,  1895"  nieder,  sowie  in  dem 
Büchlein:  »Der  Schmuck  des  Menschen  (1899)",  in  welchem 
er,  gestützt  auf  seine  vielseitige  Bekanntschaft  mit  Natur- 
völkern, diesen  Theil  der  Ethnographie  besonders  ausführlich 
behandelte;  er  sucht  darin  nachzuweisen,  dass  in  der  Aus- 
bildung des  Schmuckes  sich  eine  grosse  Gesetzmässigkeit  von 
den  primitivsten  Völkern  an  aufwärts  erkennen  lässt,  dadurch 
bedingt,  dass  der  Schmuck  sich  den  Körperformen  anpasst 
und  gleichzeitig  ein  Ausdrucksmittel  einfachster  Art  ist,  um 
die  Stellung  seines  Trägers  und  den  Gebrauch  des  dazu  ver- 
wendeten Gegenstandes  anzudeuten. 

Es    mögen    wohl    überaus    sonnige    Tage    gewesen    sein, 


248  OeffentHche  Sitzung  vom  13,  März  1902. 

welche  die  beiden  gleichgestimmten  Gefährten  in  den  fremdei 
Ländern  in  Anschauung  der  Schönheiten  der  Natur  und  Be 
obachtung  der  Kultur  ihrer  Bewohner  genossen.  Wahrlicl] 
das  Dasein  Selenka's  war  ein  beneidenswerth  glückliches  un- 
sonniges.  Wir  werden  des  liebenswürdigen  Mannes  stets  i 
Ehren  gedenken. 


Charles  Piazzi  Smyth. 

Der  Astronom  Charles  Piazzi  Smyth  in  Edinburgh  gehört 
unserer  Akademie  schon  seit  dem  Jahre  1855  als  correspoB 
direndes  Mitglied,  zu  dem  er  von  J.  Lamont  vorgeschlage 
worden  war,  an.  Ich  verdanke  die  folgenden  Angaben  ilhi 
seinen  Lebensgang  dem  verehrten  CoUegen  Hugo  Seeliger. 

Charles  Piazzi  Smyth  ist  geboren  am  3.  Januar  1819  i 
Neapel,  wo  sich  sein  Vater,  ein  britischer  Admiral,  vorübei 
gehend  aufhielt.  Den  sonderbaren  Vornamen  erhielt  er  z 
Ehren  seines  Taufpathen  und  Freundes  seines  Vaters,  des  b( 
kannten  italienischen  Astronomen  Guiseppe  Piazzi,  des  Em 
deckers  der  Ceres.  Nachdem  er  in  England  den  gewöhnliche 
Schulunterricht  genossen,  finden  wir  ihn  bereits  mit  16  Jahre 
als  Assistent  der  Sternwarte  am  Kap  der  guten  Hoffnung  unt( 
Maclear.  Er  betheiligte  sich  eifrig  an  den  Arbeiten  der  Sten 
warte,  besonders  aber  an  der  südafrikanischen  Gradmessunj 
so  dass  für  Manchen  seine  im  Jahre  1840  erfolgte  Berufun 
zum  Professor  der  Astronomie  an  der  Universität  Edinburg 
und  zum  Director  der  dortigen  Sternwarte  mit  dem  Tit 
„Astronomer  Royal  for  Scotland"  nicht  auffallig  war.  Seil 
Wirksamkeit  in  dieser  Stellung,  in  welcher  er  durch  Bearbe 
tung  und  Herausgabe  der  Beobachtungen  seines  Vorgänge 
Henderson  der  Astronomie  nützlich  war,  wurde  durch  zahlreicl 
grössere  Reisen  und  Expeditionen  unterbrochen,  auf  welch( 
wir  ihn  namentlich  hochgelegene  Stationen  aufsuchen  sehe 
um  hier  in  reinerer  und  durchsichtigerer  Luft  meteorologiscl 
und  spectroskopische  Untersuchungen  auszuführen.  Besonde 
die  letzteren  sind  der  Wissenschaft  von  Nutzen  gewesen.     A 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Willy  KÜhtie.  249 

\yekaiinte8ten  ist  Smyth  durch  seine  Studien  über  die  grosse 
Pyramide  bei  Gizeh  geworden.  Er  mass  dieses  Bauwerk  nach 
allea  Richtungen,  bestimmte  seine  Dimensionen  und  Orientirung 
auf  das  genaueste  und  beschrieb  es  in  mehreren  Werken. 
iUein  die  Folgerungen,  die  er  aus  seinen  Studien  zog  und  die 
ganz  neue  Ansichten  über  die  Entwicklung  der  Cultur  be- 
gründen sollten,  haben  niemals  Anklang  gefunden,  und  ver- 
wickelten ihn  in  unangenehme  Streitigkeiten,  die  1874  seinen 
Austritt  aus  der  Royal  Society  in  London  zur  Folge  hatten. 
1888  legte  Smyth  seine  Aemter  nieder  und  zog  sich  auf  sein 
Landgut  in  der  Nähe  von  Ripon  zurück,  wo  er  am  21.  Fe- 
bruar 1900  starb. 


Willy  Kühne. 

Am  10.  Juni  1900  ist  das  correspondirende  Mitglied  unserer 
Akademie,    der  Physiologe  Willy  Kühne   zu  Heidelberg   nach 
längerer  Krankheit   im  Alter  von    63  Jahren   aus   dem  Leben 
geschieden.     Die   grossen    deutschen    Physiologen,    welche    die 
Erbschaft   von  Johannes  Müller  und    der  Brüder  Weber   an- 
getreten hatten,  Emil  Du  Bois  Reymond,  Ernst  Brücke,  Her- 
üiann  Helmholtz  und  Carl  Ludwig,  bedienten  sich  im  Wesent- 
lichen der  physikalischen  Hilfsmittel  zur  Aufhellung  der  Lebens- 
erscheinungen;  ihren  Nachfolgern  war  die  Aufgabe  zugefallen, 
<len  von  ihnen  im  Grossen  errichteten  Bau  im  Einzelnen  aus- 
zugestalten; sie  hatten  aber  noch  ein  weiteres  mächtiges  Hilfs- 
mittel dazu  erhalten,  denn  die  organische  Chemie  war  mittler- 
weile, vorzüglich  durch  den  gewaltigen  geistigen  Anstoss  von 
Liebig,  so  weit  entwickelt,  um  mit  ihr  die  Vorgänge  der  StofiF- 
veränderungen     in    den    Organismen     genauer    zu    verfolgen. 
Kühne  ist  einer  der  verdientesten  Physiologen  dieser  Zeit  ge- 
wesen; er  hat  auf  den  verschiedensten  Gebieten  die  Physiologie 
•^ik  wichtigen   Erkenntnissen    bereichert    und    alle    Hilfsmittel 
^r  Erforschung    der    Lebens  Vorgänge    beherrscht    und    ange- 
blendet:  Das  Mikroscop,  die  Physik,  die  Chemie  und  das  Ex- 
periment an^  Thier ;  er  war  namentlich  einer  der  wenigen  auch 


\ 


250  Oeffentliche  Sitzung  vom  13,  Mars  1902, 


in  der  Chemie  durchgebildeten  Physiologen,  der  klar  erkannt^^, 
welche  wichtige  Bedeutung  die  letztere  für  die  Erhellung  d^^ 
Lebensprocesse  besitzt.  Dadurch  stand  er  als  einer  der  wenige  :Ma 
Physiologen  unserer  Zeit  da,  welche  gleichmässig  die  gan:^« 
physiologische  Wissenschaft  zu  überblicken  im  Stande  sind,  vemr- 
schieden  von  denen,  welche  in  ganz  einseitiger  Weise  nur 
einen  Bruchtheil  derselben  kennen. 

Kühne   wurde   zu    Hamburg   am    28.  März   1837    als  der 
Sohn   vermögender   Eltern   geboren.     In   dieser   unabhängigen 
Lage   hatte  er   das  Glück,    ganz  seinen  Neigungen   folgen  zu 
können    und    sich    nicht   mit    dem    Brodstudium    befassen   zu 
müssen.     Frei  wählte  er  sich  die  Stätten  und  die  Männer,  wo 
er  die   beste  Ausbildung   für   seine   Lebensaufgabe   empfangen 
konnte.    Nach  Absolvirung  des  Gymnasiums  zu  Lüneburg  bezog 
er  mit  17  Jahren  die  Universität  Göttingen  (1854).     Man  er- 
kannte alsbald,    dass  aus  dem  geistesfrischen,    glänzend  veran- 
lagten Jüngling  sich  etwas  Bedeutendes  entwickeln  werde.    Er 
wollte  Physiologe  werden.     Ich  traf  den  18  Jährigen,  der  sch-on 
genau   wusste,    was   er    anzufangen   habe,    und    ein    auffallexid 
reifes   ürtheil   besass,    im    Wintersemester    1855  bis  1856     i^ 
den  Instituten  Göttingens;  er  hörte  damals  bei  Wilhelm  Weto^r 
Physik,  bei  Listing  physiologische  Optik,  bei  Wöhler  Chenai^» 
bei    Ilenle   Anatomie,    arbeitete    im    chemischen   Laboratorium^ 
und  machte  einen  physiologischen  Cursus  mit   uns   bei  Rudol* 
Wagner  mit.     Wöhler    hat   wohl   zu   dieser  Zeit  den  grössii^^ 
Einfluss  auf  ihn   ausgeübt   und   ihn   der    chemischen  Richtung 
der  Physiologie  zugeführt.     Man  braucht  sich  nur  zu  erinnern» 
dass  es  Wöhler  in  einer  denkwürdigen  Untersuchung  zum  ersi>^^ 
Male  gelungen  war,  einen  Stoff  des  Organismus,  den  Harnstoff» 
künstlich  darzustellen,  auch  hatte  er  mit  Keller  die  Umwandlu^^Ä 
der  aufgenommenen  Benzoesäure  in  die  Hippursäure  des  HaX^^ 
«i^efunden,  was  Kühne  mit  Ilallwacbs  weiter  verfolgte.    Küb^^ 
fühlte  sich  jedoch  nicht  als  Chemiker,  sondern  stets  als  Phy^^" 
löge,  der  sich  der  Chemie  als  unentbehrlichen  Hilfsmittels,      ^^ 
die    chemischen    Vorgänge    des    Lebens    einzudringen,    bedie^*' 
Bald  hörte  man  von  seinen  ersten  wissenschaftlichen  Erfolg^^ ' 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Wüly  Kühne.  251 

im  Alter  von  19  Jahren  wurde  er  als  Assistent  Rudolf  Wagner's 
(1856)  zum  Doktor  der  Philosophie  promovirt  mit  einer  physio- 
logischen Dissertation  über  künstlichen  Diabetes  bei  Fröschen, 
angeregt   durch   Claude  Bernard's   berühmten   Zuckerstich  bei 
Warmblütern.     Erst  später  (1862)   erhielt   er  den  Titel  eines 
Doktors  der  Medizin  honoris  causa,    da   er   sich   die   klinisch- 
medizinischen  Studien  und  Prüfungen  erspart  hatte.     In  Göt- 
tingen entstanden  noch  die  erwähnten  Untersuchungen  mit  Hall- 
wachs über  die  Entstehung  der  Hippursäure  nach  dem  Genuss 
von  Benzoesäure,  welche  merkwürdige  Synthese  er  falschlich  in 
der  Leber  vor  sich  gehen  liess,  sowie  die  über  die  Umwandlung 
der  Bemsteinsäure   im  Organismus.     Er   war  dann  kurze  Zeit 
bei  C.  G.  Lehmann  in  Jena,   der  damals  einer  der  angesehen- 
sten physiologischen  Chemiker   war,    und    zog   hierauf  (1858) 
nach  Berlin.     Dorten  wurde  er  zunächst  durch  Du  Bois  Rey- 
mond,  den  Meister  in  der  Untersuchung  der  elektrischen  Er- 
scheinungen und  elektrischen  Reizung  der  Muskeln  und  Nerven, 
in  die  experimentelle  Physiologie    eingeführt  und   seine  Auf- 
merksamkeit auf  die  allgemeine  Physiologie  der  Muskeln  und 
Nenen  gelenkt;  ausserdem  arbeitete  er  bei  Hoppe-Seyler,  dem 
Assistenten   in   der   chemischen  Abtheilung  des  pathologischen 
Institutes   unter  Virchow,    wo   er  seine   Untersuchungen    über 
den  Ikterus  machte.     Vor  Allem   aber  war  es  der  zweijährige 
Aufenthalt   in   Paris   bei   dem   grossen  Experimentator  Claude 
Bernard,    dessen  Entdeckungen,    besonders   das  Auffinden    des 
Glykogens    in    der    Leber,    die    Physiologie    in    neue    Bahnen 
lenkten,    der   seinen  Blick    erweiterte;    in   dieser   arbeitsfrohen 
Zeit  in   der   grossen  Weltstadt    entstanden    wichtige  Publika- 
tionen, zumeist  dem  Gebiete  der  Muskelphysiologie  angehörig; 
auch  erwarb   er  daselbst    seine  Virtuosität  im  Experiment  am 
Thier.     Auf  eine  Reise  nach  England  folgte  noch  ein  Besuch 
l^i  Carl  Ludwig    und    Ernst   Brücke    in   Wien,    womit    seine 
Lehr-  und  Wanderjahre  abschlössen. 

Als  Hoppe-Seyler  (1861)  die  Professur  für  physiologische 

in   Tübingen    annahm,    rief  Virchow   an    seine    Stelle 

Kühne  als  Assistent  des  chemischen  Laboratoriums  im  patho- 


252  Oeff entliche  Sitzung  vom  13,  März  1902. 

logischen  Institut.  Die  Berliner  Jahre  brachten  ihm  die  Ge- 
legenheit zu  intensiver  wissenschaftlicher  Thätigkeit  und  zur 
Schärfung  des  Geistes  im  anregenden  Umgang  mit  talentvollen 
strebsamen  Genossen,  welche  mit  ihm  das  über  die  Fortschritte 
der  medizinischen  Wissenschaften  referirende  Centralblatt  der 
medizinischen  Wissenschaften  gründeten ;  auch  schaarte  sich  um 
den  jungen  Lehrer  eine  Anzahl  gleichalteriger  Schüler  und  da 
ihm  Virchow  mit  grosser  Liberalität  freie  Hand  liess,  bildete 
sich  ein  kleines  physiologisches  Institut  aus,  aus  dem  manche 
wichtige  Arbeit  ausging.  Ausser  zahlreichen  kleineren  Einzel- 
untersuchungen entstand  in  dieser  Zeit  die  Monographie  über  die 
peripherischen  Endorgane  der  motorischen  Nerven  (1862),  dann 
(1864)  die  grosse,  an  Beobachtungen  und  Gedanken  reiche  Mono- 
graphie: „Untersuchungen  über  das  Protoplasma"  und  das  aus- 
gezeichnete Lehrbuch  der  physiologischen  Chemie  (1868);  in  letz- 
terer fasste  er  zum  ersten  Male  die  Aufgabe  vom  rein  physio- 
logischen Standpunkte  aus  auf  und  gab  eine  wahrhaft  klassische, 
höchst  lebendige  Darstellung  der  auf  chemischen  Wirkungen 
beruhenden  Vorgänge  im  Organismus  mit  einer  Fülle  neuer 
Beobachtungen,  so  dass  ein  Chemiker  mir  sagte,  es  lese  sich  unter- 
haltend wie  ein  Roman;  leider  ist  von  dem  Buch  keine  weitere 
Auflage  erschienen,  obwohl  es  in  kurzer  Zeit  vergriflFen  war. 
Bald  stand  Kühne  als  fertiger  Physiologe  da,  angesehen 
durch  bemerkenswerthe  eigenartige  Arbeiten,  und  man  richtete 
an  mehreren  Universitäten  die  Aufmerksamkeit  auf  den  jungen 
Forscher.  Im  Jahr  1868  folgte  er  einem  Kufe  als  Professor 
der  Physiologie  an  die  Universität  Amsterdam;  von  dorten 
wanderte  er  1871  als  Nachfolger  von  Helmholtz  nach  Heidel- 
berg, wo  er  ein  musterhaftes  physiologisches  Institut  nach  seinen 
Ideen  einrichtete  und  bis  zu  seinem  Ende  unter  Ablehnung 
mehrerer  glänzender  Kufe  wirkte  und  viele  Schüler  erzog.  In 
der  idyllischen  Musenstadt  hatte  er  das  Glück  ungestört  durch 
Zerstrouiingen  und  zeitraubende  Geschäfte  sich  in  die  wissen- 
schaftliche Arbeit  vortiefen  und  sich  ganz  der  Erforschung  der 
LebensvorjTäntre  hingeben  zu  können,  obwohl  er  manche  Vor- 
züge einer  grossen  Stadt  sehr  wohl  zu  schätzen  und  zu  ge- 
niessen  wusste. 


C.  Vait:  Nekrolog  auf  Wüly  Kühne.  253 

Ungemein  lebendigen  Geistes  und  von  klarem  selbständigem 
ürtheil  wusste  er  alsbald  mit  scharfem  Blick  das  Wesentliche 
einer  Erscheinung  herauszufinden;  aber  dann  gelang  es  ihm 
auch  durch  seine  feine  Beobachtungsgabe,  die  sinnreichsten 
Versuchsanordnungen  und  seine  Geschicklichkeit  als  Experi- 
mentator die  entgegenstehenden  Schwierigkeiten  wie  spielend 
zu  überwinden  und  die  Fragen  ihrer  Lösung  entgegen  zu  führen. 
Zumeist  beschäftigten  ihn  Aufgaben  von  prinzipieller  Bedeu- 
tung. Ein  Blick  über  seine  grösseren  Arbeiten  soll  uns  den 
Einfluss  des  Forschers  auf  die  Entwicklung  der  Physiologie 
ins  Gedächtniss  zurückrufen. 

Es  waren  vorzüglich  drei  grosse  Probleme,  welche  ihn 
in  Anspruch  nahmen:  die  Physiologie  des  Muskels,  die  Physio- 
logie der  Netzhaut  und  die  Chemie  der  Verdauung  der  Ei- 
weissstoffe. 

Die  Vorgänge  im  Muskel  suchte  er  in  origineller  Weise 
mit  Hilfe  des  Mikroscops,  durch  die  chemische  Untersuchung 
und  durch  das  physiologische  Experiment  zu  erforschen. 

Die  früh  begonnenen  chemischen  und  experimentellen 
Studien  über  den  Muskel  hatten  ihn  gelehrt,  dass  es  zum  Ver- 
ständniss  des  üebergangs  der  Erregung  von  der  Nervenfaser 
auf  die  Muskelfaser  zunächst  nothwendig  ist,  das  anatomische 
Verhalten  des  Nerven  im  Muskel  genau  zu  kennen  und  so  fieng 
er  als  22  Jähriger  an,  durch  mikroscopische  Forschung,  in  der 
w  es  zur  Meisterschaft  gebracht  hatte,  die  schon  von  Anderen 
verfolgte  Endigungsweise  der  Nerven  in  den  Muskeln  zu  unter- 
suchen; er  trug  dadurch  wesentlich  zu  der  jetzigen  Lehre  bei, 
iass  das  Ende  der  motorischen  Nervenfaser  mit  der  Muskel- 
faser in  direkte  Berührung  trete  und  dabei  die  Nervenendi- 
pingen  unter  der  Sarkolemmascheide  des  Muskelschlauchs  in 
einer  End-  oder  Sohlenplatte  sich  hirschgeweihartig  verbreite, 
"ie  von  da  die  Erregung  auf  die  Muskelfaser  übergeht,  ist 
allerdings  unbekannt  geblieben,  denn  er  war  nicht  der  Ansicht, 
^ass  die  leitende  Nervensubstanz  continuirlich  in  die  contrtik- 
We  des  Muskels  übergehe.  In  ähnlicher  Weise  wurde  von  ilini 
die  Endigung  der  Nervenfaseräste  in  den  Ausläufern  der  Hörn- 


256  Oeffentliche  Sitzung  vom  13,  März  1902, 

das  Muskelprotoplasma  das  Verhalten  des  Protoplasmas  anderer 
Gebilde  gegen  äussere  Einwirkungen  wie  z.  B.  das  der  Amöben, 
der  Rhizopoden  und  Myxomyzeten,  der  Flimmerhaare,  der  Zellen 
der  Hornhaut  und  des  Bindegewebes;  auch  das  pflanzlicher 
Zellen  z.  B.  der  Zellen  der  Staubfädenhaare  von  Tradescantia. 
Es  ergab  sich  daraus  der  ungemein  wichtige  Schluss,  dass  die 
Substanz  in  allen  contraktilen  Gebilden  die  gleiche  plasmatische 
Flüssigkeit    ist,    oder   die   Einheit   der   contraktilen   Substanz. 

An  dem  für  solche  Versuche  sich  so  sehr  eignenden  parallel- 
fasrigen,    an   den  Enden   nervenfreien  Musculus  Sartorius  des 
Frosches   wurden   von    ihm  noch  mancherlei   schöne  Beobach- 
tungen zur  allgemeinen  Muskel-   und  Nervenphysik  gemacht. 
Hierher    gehört    der    sogenannte    Zweizipfelversuch,    der   die 
doppelseitige  Leitung  der  Erregung  in  den  motorischen  Nerven- 
fasern mit  Sicherheit  bewies.     Er  zeigte  femer  die  sekundäre 
Erregung  von  Muskel  zu  Muskel  ohne  Vermittlung  von  Nerven 
beim  Zusammenschmiegen  der  Muskeln  durch  Pressen ;  weiterhin 
that   er  die  Uebertragung  der  Erregung  vom  Muskel  auf  den 
Nerven  dar   und    bewies   die  Abhängigkeit    dieser   sekundären 
Zuckung    von    den  Aktionsströmen;    er   fand   die   interessante, 
allerdings  noch  unerklärliche  Thatsache,  dass  ein  Muskel  nicht 
fähig  ist,    seinen  eigenen  Nervenstamm   sekundär   zu   erregen. 
Es   gelang    ihm    dagegen    nicht,    die   von   ihm  vorausgeset^^ 
elektrische  Reizübertragung  vom  Nerven  auf  den  Muskel  durc^^ 
Versuche    darzuthun.     Sonderbarer  Weise   zeigte    nach    sein^^ 
Beobachtungen  das  Protoplasma  der  Protozoen  bei  elektrische^ 
Reizung  beim  Schluss  des  Stroms  die  Erregung  an  der  Ano(^^ 
und  nicht  an  der  Kathode   wie  das  Protoplasma  der  Muskelr^ 
was  allerdings  gegen  die  Einheit  des  Protoplasmas  zu  spreche?^ 
scheint. 

Von  hoher  Bedeutung  sind  seine  umfassenden  Arbeiten  üb^  ■ 
die  Verdauung  der  Eiweissstoffe  durch  den  Pankreassaft  und  di  ^ 
dabei  stattfindenden  Veränderungen  derselben,  welche  er  scho:^ 
in  Berlin  (1867)  begonnen  hatte.  Während  man  früher  nur  det»^ 
Magensaft  die  Fähigkeit  zuschrieb  Eiweiss  zu  verdauen,  hatt^ 
man    dies  auch  für  den  Saft    der  Bauchspeicheldrüsse  nachge-* 


a  VoU:  Nekrolog  auf  Willy  Kühne,  257 

esen,  aber  es  blieb  noch  zweifelhaft,  ob  der  Vorgang  nicht 
r  eine  Wirkung  der  Fäulniss  durch  niedere  Organismen 
Ire.  Kühne  that  dar,  dass  das  Eiweiss  dabei,  nach  Ausschluss 
r  Fäulniss  mittelst  Salicylsäure,  wirklich  in  kurzer  Zeit  ver- 
ut  wird.  Es  wird  zunächst  in  Globulin  verwandelt  und 
ises  schliesslich  in  zwei  Eiweissstoffe  gespalten,  die  er  Anti- 
pton  und  Hemipepton  nannte,  welches  letztere  nach  seiner 
isicht  noch  weiter  in  einfache  stickstoffhaltige  Produkte 
eucin,  Tyrosin)  und  flüchtige  Fettsäuren  zersetzt  wird;  bei 
r  Fäulniss  durch  niedere  Organismen  treten  daneben  noch 
el  riechende  Produkte  auf,  namentlich  das  den  Kothgeruch 
dingende  Indol,  welches  er  durch  Schmelzen  von  Eiweiss 
t  Kali,  wobei  schon  Liebig  den  Kothgeruch  bemerkt  hatte, 
rstellen  lehrte. 

Kühne  wurde  dadurch  zu  dem  näheren  Studium  der 
trmentwirkungen  geführt;  er  begnügte  sich  jedoch  dabei 
:ht  mit  wirksamen  Auszügen,  sondern  suchte  die  wirksamen 
ibstanzen,  die  Fermente,  zu  isoliren.  So  stellte  er  das  Eiweiss 
rdauende  Ferment  des  Pankreas  her,  dem  er  den  allgemein 
genommenen  Namen  „Trypsin*  gab,  das  durch  Kochen  in 
agulirtes  Eiweiss  und  in  Pepton  übergeht.  Zur  Unterschei- 
mg  von  den  sogenannten  geformten  Fermenten,  niederen 
rganismen,  führte  er  für  die  löslichen  ungeformten  Fermente 
tn  Ausdruck  „Enzyme"  ein. 

Man  war  uneinig  darüber,  welches  der  normale  wirksame 
ankreassaft  wäre,  der  bei  temporären  Fisteln  erhaltene  dick- 
;he  Saft  oder  der  bei  permanenten  Fisteln  gewonnene  dünn- 
issige Saft.  Kühne  lehrte  in  Uebereinstimmung  mit  Claude 
ernard  den  ersteren  als  den  normalen  näher  kennen;  es  ist 
n  dickflüssiger  Saft,  der  in  der  Kälte  eine  wahre  Gerinnung 
nes  Eiweissstoffes  zeigt  und  in  Wasser  geträufelt  einen  Nieder- 
lilag  giebt;  letzterer  verhält  sich  wie  das  im  Muskelplasma 
ii  der  Todtenstarre  sich  ausscheidende  Myosin. 

Nach  der  so  folgenreichen  Entdeckung  von  Carl  Ludwig 
851)  vermag  man  bekanntlich  von  gewissen  in  die  Mund- 
>eicheldrüsen    sich  einsenkenden  Nerven    die  Sekretion   dieser 

1902.  SiUongsb.  d.  math.-phys.  Cl.  17 


258  Oeff entliche  Sitzung  vom  13.  Märe  190!^, 

Drüsen  anzuregen;  diese  Nerven  wirken  also  auf  die  Drüsen- 
zellen ebenso  erregend  wie  die  MuskelneiTen  auf  die  Muskeln. 
Heidenhain  gelang  es  später  sogar  mikroscopische  Veränderungen 
der  Drüsenzellen  bei  der  Absonderung  nachzuweisen.  Solche 
Veränderungen  beobachtete  nun  auch  Kühne  an  den  lebenden 
Zellen  des  Pankreas  des  Kaninchens;  dieselben  sind  im  un- 
thätigen  Zustande  anders  geformt  als  im  thätigen  und  sie 
sondern  nur  an  der  freien,  dem  inneren  Drüsenraum  zugekehrten 
Fläche  das  Sekret  ab. 

Aus  den  Verdauungsversuchen  mit  dem  Pankreassafte  ent- 
wickelten  sich  seine  weiteren  wichtigen  Untersuchungen  über 
die   bei   der  Pepsin-    und  Trypsinwirkung  entstehenden  Modi- 
fikationen  der  Eiweissstoflfe.     Während  man  früher,    um  Auf- 
schlüsse  über  den  Bau    des  Ei  weisses   zu  erhalten,    das  grosse 
Eiweissmolekül  durch  die  tief  eingreifenden  Säuren  und  Alkalien 
zu  spalten  suchte,  wendete  Kühne  die  eiweissspaltenden  hydro- 
lytischen  Enzyme    des  Organismus    an,    welche   anfangs  noch 
hoch  zusammengesetzte,  vom  gewöhnlichen  Eiweiss  nur  wenig 
verschiedene  Produkte   liefern.     Man  liess  vordem  das  Eiweiss 
bei  der  Verdauung  in  das  leicht  lösliche  und  leicht  diffundir- 
bare    Pepton    übergehen,    das    dann    durch  Wasserentziehung 
im   Körper    wieder    zu    gewöhnlichem    Eiweiss    zurtickgebiU®^ 
werde.     Kühne  fand,   wie  schon  früher  6.  Meissner  bei  seine» 
maassgebenden  Versuchen,  eine  ganze  Anzahl  von  Uebergäng^^ 
und   von   verschiedenen  Produkten.     Er  bezeichnete  die  zuers»^ 
entstehenden,  durch  Salze,  namentlich  durch  das  von  Heynsi^^ 
in    die   Eiweisschemie   eingeführte  Ammoniumsulfat,    fallbat"^^ 
als  Albumosen,    die  später   sich  bildenden,    nicht    mehr  duf^ 
Salze  fällbaren  als  echte  Peptone;  die  verschiedenen  natürli^^ 
vorkommenden  Eiweissstoffe  lieferten  verschiedene  Albumos^^ 
Diese    Untersuchungen    haben    die  Kenntniss    der  Eiweissar^^ 
sehr  gefördert  und  werden  später,  wenn  einmfil  die  Constituti^-^ 
des  Ei  weisses  näher  bekannt  sein  wird,  noch  weitere  Bedeuttf.^ 
gewinnen. 

Er  wandte  auch  die  Verdauung  durch  Fermente  als  elega:0^ 
histologische  Methode    an  zur  Isolirung  des   Neurokeratins    i^ 


C.  Voü:  Nekrolog  auf  Wüly  Kühne,  259 

rvenmark,  zur  chemischen  Darstellung  des  Axencylinders 
i  des  charakteristischen  Produktes  der  sogenannten  amyloiden 
tartung  der  Organe,  mit  dessen  Untersuchung  er  sich  früher 
K^häftigt  hatte.  Die  Anwendung  der  Dialysenschläuche  zur 
3hten  Trennung  der  coUoidalen  Stoffe,  wodurch  grössere 
Issigkeitsvolumina  der  Dialyse  zugänglich  gemacht  wurden, 
ichte  einen  wesentlichen  technischen  Fortschritt. 

Ein  ganz  besonderes  Interesse  nahm  Kühne  an  der  (1876) 
rch  den  leider  zu  früh  verstorbenen  talentvollen  Franz  BoU 
nachten  Entdeckung,  dass  die  Netzhaut  des  Auges  im  Leben 
rpurroth  gefärbt  sei  und  zwar  durch  einen  merkwürdigen 
rbstoff  in  den  Aussengliedern  der  Netzhautstäbchen,  der 
rch  Licht  fortwährend  gebleicht  wird  und  sich  in  der  Dunkel- 
it  dann  wieder  regenerirt.  Kühne  erkannte  alsbald  die  hohe 
^deutung  dieser  Entdeckung  und  begann  mit  einer  Energie 
ne  Gleichen  die  Sache  näher  zu  verfolgen;  er  that  dabei 
ne  ganze  Meisterschaft  in  der  experimentellen  Forschung 
id  seine  Beherrschung  der  chemischen  und  physikalischen 
ethoden  dar.  In  kurzer  Zeit  hatte  er  eine  grosse  Zahl  der 
Lchtigsten  Thatsachen  aufgefunden,  wenn  sich  auch  seine 
ifängliche  Erwartung,  das  Geheimniss  der  Erregung  der  Netz- 
mt  durch  die  Lichtstrahlen  aufzuhellen,  nicht  erfüllte.  Während 
oll  meinte,  dass  die  rothe  Färbung  und  die  Bleichung  durch 
as  Licht  eine  Lebenserscheinung  wäre,  that  Kühne  dar,  dass 
ie  Stäbchenfarbe  bei  Lichtabschluss  auch  nach  dem  Tode  und 
^Ibst  bei  der  Fäulniss  erhalten  bleibt  und  durch  Licht  noch 
ebleicht  wird,  und  dass  sie  von  einer  bestimmten  chemischen 
ubstanz  herrührt,  welche  er  aus  dem  Gewebe  durch  gallen- 
aures  Alkali  auflöste  und  rein  darstellte  und  deren  physi- 
alische  Eigenschaften  durch  höchst  sinnreiche  Versuche 
prüfte.  Er  ermittelte  die  Wirkung  der  verschiedenen  Farben 
les  Spektrums  auf  den  Sehpurpur,  dann  den  Regenerations- 
>rocess  der  gebleichten  Netzhaut,  woraus  die  sogenannte  Opto- 
'hemie  entstand,  und  die  Hervorbringung  des  weissen  Bildes 
-iües  leuchtenden  Gegenstandes  auf  der  Netzhaut  des  ausge- 
^knittenen  Kalbsauges  auf  rosarothem  Grunde,  das  Optogramm, 

17* 


260  Oeff entliche  Sitzung  vom  13,  März  1902, 

vergleichbar    dem    Bilde    auf   einer    photographischen   Platte. 
Man    hatte  ja   die  kühnsten  Hoffnungen    daran  geknüpft,  wie 
es   häufig   bei   solchen  unerwarteten  Entdeckungen    geschieht; 
vermeinte  man  doch  das  Bild  festhalten  zu  können  von  Dingen, 
welche  das  Auge  vor  dem  Tode    zuletzt  erblickt  hatte.    Abei 
es  sollte  Kühne,  wie  gesagt,  nicht  beschieden  sein  in  den  Vor- 
gang der  Erregung  der  Stäbchen  und  Zapfen  durch  die  Licht- 
wellen  tiefer  einzudringen,    denn   das  Sehen  zeigte  sich  nictt 
an   den   Sehpurpur   gebunden,    da   gerade    an    der   Stelle  des 
schärfsten  Sehens,    dem   sogenannten   gelben  Fleck,    der  Seb- 
purpur   fehlt    und    Thiere   mit    ausgebleichter   Netzhaut   doeli 
noch   gut   sehen,   und   viele   gut   sehende  Thiere  keinen  Seh- 
purpur  besitzen.     Aber   doch  war   in  der  Bleichung   des  Seb- 
purpurs  durch  das  Licht  ein  Weg  angedeutet,  wie  die  Aether- 
wellen  die  Netzhautelemente  zu  erregen  vermögen;    dieselben 
können   immerhin  photochemisch   wirken    und  die   chemischen 
Zersetzungsprodukte  die  Reize  für  die  Nervenendigung  abgebellt 
wie  Kühne  annahm.     In  der  von  ihm  entdeckten  Wanderung 
des  Pigments  in  den  Stäbchen   erblickte  er  einen  durch  LicW 
regulirbaren  Lichtschirm. 

Durch  diese  Erfahrungen   an  der  Netzhaut  wurde  er  an- 
geregt, auch  die  elektrischen  Eigenschaften  derselben  sowie  des 
Sehnerven,    welche    zuerst    von    dem   Schweden   Holmgren     i^^ 
bahnbrechenden  Untersuchungen   studirt  worden  waren,    no<^ 
weiter  zu  verfolgen.    Es  gelang  ihm  an  der  isolirten  Netzh^"*^^ 
des  Frosches    einen   Dunkelstrom   nachzuweisen,    womach   A^^ 
äussere  Stäbchenseite  sich  negativ  elektrisch   gegen  die  inn^^^ 
Nervenfaserseite   verhält.     Während  der  Belichtung  der  Ne'fc^'* 
haut  zeigt  sich  eine  dauernde  geringere  Ablenkung,  die  ne^^** 
tive    Schwankung    oder    der    Phototonus.     Bei    Lichtreiz    ^^* 
Netzhaut  des  mit  dem  Sehnerven  verbundenen  Augapfels  erh^^^ 
man    an  dem  Nerven  die    negative  Schwankung   wie  bei  je<i-^' 
Erregung  und  Thätigkeit  eines  gewöhnlichen  Nerven;  bei  EL^^^" 
tritt  der  Dunkelheit  durcheilt   noch  eine  starke  Erregung  d^^ 
Sehnerven  und  dann  tritt  wieder  der  Ruhestrom  auf.     Die  E3^^ 
regung  des  Protoplasmas  der  Innenglieder  der  Stäbchen  dur^^^ 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Wüly  Kühne,  261 

5  Licht  giebt  sich  also  in  dem  Wandel  der  elektrischen 
äfte  zu  erkennen  als  Vorläufer  der  Erregung  in  den  zuge- 
rigen  Nervenfasern. 

Die  letzte  grössere  Arbeit  Kühne's  vom  Jahre  1898  war 
über  die  Bedeutung  des  Sauerstoffe  für  die  vitale  Bewegung 
i  Protoplasmas  und  zwar  an  pflanzlichen  Organismen,  bei 
"  er  noch  sein  ganzes  eigenartiges  Geschick  zeigte.  Bei 
tziehung  des  Sauerstofls  hört  die  Bewegung  der  Staubfaden- 
are der  Tradescantien  auf  und  erscheint  wieder  bei  dem 
iederzutritt  des  Gases.  Ebenso  untersuchte  er  durch  äusserst 
rgföltige,  vielfach  modificirte  Versuche  die  Protoplasmabewe- 
mg  in  chlorophyllhaltigen  Pflanzenzellen  ohne  und  mit  Ein- 
irkung  des  Lichts;  letzteres  führte  zu  innerer  Sauerstofi"- 
Qtwicklung  durch  das  Chlorophyll.  Lichtzutritt  ruft  die  Be- 
egung  hervor;  Sauerstofizutritt  bewirkt  sie,  auch  wenn  der 
Lchtzutritt  schon  unwirksam  ist.  Die  Bewegung  erlischt  im 
imkeln  und  wird  durch  Sauerstofizutritt  und  durch  eigene 
werstoflFentwicklung  im  Licht  wieder  hergestellt. 

Kühne  war  noch  arbeitsfreudig  und  er  trug  sich  mit 
lerlei  Arbeitsplänen ;  öfters  äusserte  er  sich  in  seinen  Briefen 
i  mich,  er  wünsche  uns  noch  einige  Jahre  wissenschaftlicher 
hätigkeit.  Da  befiel  ihn  am  Ende  des  Sommersemesters  1899 
Lch  einer  starken  Erkältung  eine  Erkrankung,  die  seinem 
?ben  ein  für  die  Wissenschaft  zu  frühes  Ende  bereitete. 

Kühne  war  ein  Naturforscher  von  hohen  Gaben,  der  in 
mkle  und  verwickelte  Vorgänge  des  Lebens  Licht  gebracht 
Lt,  von  grösster  Gewissenhaftigkeit  und  Zuverlässigkeit  in 
inen  Untersuchungen  und  Beobachtungen.  Es  war  ihm  ein 
Ldenschaflliches  Bedürfniss  nach  Erkenn tniss  eigen  und  die 
ine  Freude  an  derselben;  darum  beseelte  ihn  auch  eine  wahre 
:ist  zu  schaffen.  Er  arbeitete  leicht,  und  wenn  er  einmal  eine 
Lche  als  bedeutungsvoll  erkannt  hatte,  widmete  er  sich  ihr 
it  aller  Kraft  und  ruhte  nicht  eher  als  bis  er  sie  so  weit  als 
Oglich  erschöpft  hatte. 

Er  war  einer  der  geistvollsten  Menschen  von  sprudelnder 
ebhaftigkeit,  voller  Interesse  und  von  feinem  Verständniss  für 


260  Oeff entliche  Sitzung  vom  13.  Märe  1903. 

vergleichbar  dem  Bilde  auf  einer  photographischen  Platte. 
Man  hatte  ja  die  kühnsten  Hoffnungen  daran  geknüpft,  wie 
es  häufig  bei  solchen  unerwarteten  Entdeckungen  geschieht; 
vermeinte  man  doch  das  Bild  festhalten  zu  können  von  Dingen, 
welche  das  Auge  vor  dem  Tode  zuletzt  erblickt  hatte.  Aber 
es  sollte  Kühne,  wie  gesagt,  nicht  beschieden  sein  in  den  Vor- 
gang der  Erregung  der  Stäbchen  und  Zapfen  durch  die  Licht- 
wellen tiefer  einzudringen,  denn  das  Sehen  zeigte  sich  nicht 
an  den  Sehpurpur  gebunden,  da  gerade  an  der  Stelle  des 
schärfsten  Sehens,  dem  sogenannten  gelben  Fleck,  der  Seb- 
purpur  fehlt  und  Thiere  mit  ausgebleichter  Netzhaut  doch 
noch  gut  sehen,  und  viele  gut  sehende  Thiere  keinen  Seh- 
purpur besitzen.  Aber  doch  war  in  der  Bleichung  des  Seh- 
purpurs durch  das  Licht  ein  Weg  angedeutet,  wie  die  Aether- 
wellen  die  Netzhautelemente  zu  erregen  vermögen;  dieselben 
können  immerhin  photochemisch  wirken  und  die  chemischen 
Zersetzungsprodukte  die  Reize  für  die  Nervenendigung  abgeben, 
wie  Kühne  annahm.  In  der  von  ihm  entdeckten  Wanderung 
des  Pigments  in  den  Stäbchen  erblickte  er  einen  durch  Licht 
regulirbaren  Lichtschirm. 

Durch  diese  Erfahrungen  an  der  Netzhaut  wurde  er  aia- 
geregt,  auch  die  elektrischen  Eigenschaften  derselben  sowie  des 
Sehnerven,    welche    zuerst    von    dem   Schweden   Holmgren     ^^ 
bahnbrechenden  Untersuchungen   studirt  worden  waren,    no^ 
weiter  zu  verfolgen.    Es  gelang  ihm  an  der  isolirten  Netzh  ^-^^ 
des  Frosches    einen   Dunkelstrom   nachzuweisen,    womach    ^® 
äussere  Stäbchenseite  sich  negativ  elektrisch   gegen  die  ina^^^ 
Nervenfaserseite  verhält.     Während  der  Belichtung  der  N^^' 
haut  zeigt  sich  eine  dauernde  geringere  Ablenkung,  die  ne^^' 
tive    Schwankung    oder    der    Phototonus.     Bei    Lichtreiz    ^^^^ 
Netzhaut  des  mit  dem  Sehnerven  verbundenen  Augapfels  erhu  ^ 
man    an  dem  Nerven  die    negative  Schwankung  wie  bei  je^^^^ 
Erregung  und  Thätigkeit  eines  gewöhnlichen  Nerven;  bei  E:^^' 
tritt  der  Dunkelheit  durcheilt   noch  eine  starke  Erregung  ^^^ 
Sehnerven  und  dann  tritt  wieder  der  Ruhestrom  auf.     Die  ^^^^ 
regung  des  Protoplasmas  der  Innenglieder  der  Stäbchen  dur"^^ 


C.  Vait:  Nekrolog  auf  Wüly  Kühne,  261 

3  Licht  giebt  sich  also  in  dem  Wandel  der  elektrischen 
äfte  zu  erkennen  als  Vorläufer  der  Erregung  in  den  zuge- 
rigen  Nervenfasern. 

Die  letzte  grössere  Arbeit  Kühne's  vom  Jahre  1898  war 
\  über  die  Bedeutung  des  Sauerstoffe  für  die  vitale  Bewegung 
5  Protoplasmas  und  zwar  an  pflanzlichen  Organismen,  bei 
r  er  noch  sein  ganzes  eigenartiges  Geschick  zeigte.  Bei 
itziehung  des  Sauerstoffs  hört  die  Bewegung  der  Staubfaden- 
lare  der  Tradescantien  auf  und  erscheint  wieder  bei  dem 
''iederzutritt  des  Gases.  Ebenso  untersuchte  er  durch  äusserst 
Tgfaltige,  vielfach  modificirte  Versuche  die  Protoplasmabewe- 
mg  in  chlorophyllhaltigen  Pflanzenzellen  ohne  und  mit  Ein- 
irkung  des  Lichts;  letzteres  führte  zu  innerer  Sauerstoff- 
atwicklung  durch  das  Chlorophyll.  Lichtzutritt  ruft  die  Be- 
egung  hervor;  Sauerstoffzutritt  bewirkt  sie,  auch  wenn  der 
Lchtzutritt  schon  unwirksam  ist.  Die  Bewegung  erlischt  im 
unkeln  und  wird  durch  Sauei*stoffzutritt  und  durch  eigene 
Mierstoffentwicklung  im  Licht  wieder  hergestellt. 

Kühne  war  noch  arbeitsfreudig  und  er  trug  sich  mit 
lerlei  Arbeitsplänen ;  öfters  äusserte  er  sich  in  seinen  Briefen 
a  mich,  er  wünsche  uns  noch  einige  Jahre  wissenschaftlicher 
hätigkeit.  Da  befiel  ihn  am  Ende  des  Sommersemesters  1899 
ach  einer  starken  Erkältung  eine  Erkrankung,  die  seinem 
eben  ein  für  die  Wissenschaft  zu  frühes  Ende  bereitete. 

Kühne  war  ein  Naturforscher  von  hohen  Gaben,  der  in 
iinkle  und  verwickelte  Vorgänge  des  Lebens  Licht  gebracht 
at,  von  grösster  Gewissenhaftigkeit  und  Zuverlässigkeit  in 
'inen  Untersuchungen  und  Beobachtungen.  Es  war  ihm  ein 
idenschaflliches  Bedürfniss  nach  Erkenntniss  eigen  und  die 
ine  Freude  an  derselben ;  darum  beseelte  ihn  auch  eine  wahre 
ast  zu  schaffen.  Er  arbeitete  leicht,  und  wenn  er  einmal  eine 
^he  als  bedeutungsvoll  erkannt  hatte,  widmete  er  sich  ihr 
it  aller  Kraft  und  ruhte  nicht  eher  als  bis  er  sie  so  weit  als 
'^glich  erschöpft  hatte. 

Er  war  einer  der  geistvollsten  Menschen  von  sprudelnder 
-thaftigkeit,  voller  Interesse  und  von  feinem  Verständniss  für 


260  Oeff entliche  Sitzung  vom  13,  März  1903. 

vergleichbar    dem    Bilde    auf   einer    photographisclien   Platte. 
Man   hatte  ja   die  kühnsten  Hoffnungen    daran  geknüpft,  wie 
es   häufig   bei   solchen  unerwarteten  Entdeckungen   geschielit; 
vermeinte  man  doch  das  Bild  festhalten  zu  können  von  Dingen, 
welche  das  Auge  vor  dem  Tode    zuletzt  erblickt  hatte.    Aber 
es  sollte  Kühne,  wie  gesagt,  nicht  beschieden  sein  in  den  Vor- 
gang der  Erregung  der  Stäbchen  und  Zapfen  durch  die  Licht- 
wellen    tiefer  einzudringen,    denn    das  Sehen  zeigte  sich  nicht 
an   den   Sehpurpur   gebunden,    da   gerade    an    der   Stelle  des 
schärfsten  Sehens,    dem   sogenannten   gelben  Fleck,    der  Seh- 
purpur  fehlt    und   Thiere   mit   ausgebleichter   Netzhaut  doch 
noch   gut   sehen,   und   viele   gut   sehende  Thiere  keinen  Seh- 
purpur besitzen.     Aber   doch  war   in  der  Bleichung  des  Seh- 
purpurs durch  das  Licht  ein  Weg  angedeutet,  wie  die  Aether- 
wellen   die  Netzhautelemente  zu  erregen  vermögen;   dieselb^^ 
können   immerhin  photochemisch   wirken   und  die   chemiscbe^^ 
Zersetzungsprodukte  die  Reize  für  die  Nervenendigung  abgebeHi 
wie  Kühne  annahm.     In  der  von  ihm  entdeckten  Wanderung 
des  Pigments  in  den  Stäbchen   erblickte  er  einen  durch  LicW 
regulirbaren  Lichtschirm. 

Durch  diese  Erfahrungen   an  der  Netzhaut  wurde  er  ^t^' 
geregt,  auch  die  elektrischen  Eigenschaften  derselben  sowie  d^^ 
Sehnerven,    welche    zuerst    von    dem   Schweden   Holmgren        ^^ 
bahnbrechenden  Untersuchungen   studirt  worden  waren,    n(w  "* 
weiter  zu  verfolgen.    Es  gelang  ihm  an  der  isolirten  Netzh*'^^^ 
des  Frosches    einen   Dunkelstrom   nachzuweisen,    womach 
äussere  Stäbchenseite  sich  negativ  elektrisch   gegen  die  inn^ 
Nervenfaserseite  verhält.     Während  der  Belichtung  der  Net:::^ 
haut  zeigt  sich  eine  dauernde  geringere  Ablenkung,  die  neg-^S 
tive    Schwankung    oder    der    Phototonus.     Bei    Lichtreiz    d»  -^ 
Netzhaut  des  mit  dem  Sehnerven  verbundenen  Augapfels  erhä^^ 
man    an  dem  Nerven  die    negative  Schwankung   wie  bei  jed«^  ^ 
Erregung  und  Thätigkeit  eines  gewöhnlichen  Nerven;  bei  Eiir:^ 
tritt  der  Dunkelheit  durcheilt  noch  eine  starke  Erregung  de^^ 
Sehnerven  und  dann  tritt  wieder  der  Ruhestrom  auf.     Die  Ej^-- 
regung  des  Protoplasmas  der  Innenglieder  der  Stäbchen  durc    -^ 


0.  Voit:  Nekrolog  auf  Wüly  Kühne.  2G1 

das  Licht  giebt  sich  also  in  dem  Wandel  der  elektrischen 
Kräfte  zu  erkennen  als  Vorläufer  der  Erregung  in  den  zuge- 
hörigen Nervenfasern. 

Die  letzte  grössere  Arbeit  Kühne's  vom  Jahre  1898  war 
die  über  die  Bedeutung  des  Sauerstoffs  für  die  vitale  Bewegung 
des  Protoplasmas   und   zwar   an    pflanzlichen  Organismen,   bei 
der    er   noch   sein    ganzes    eigenartiges   Geschick   zeigte.     Bei 
flntziehung  des  Sauerstofis  hört  die  Bewegung  der  Staubfaden- 
baare   der   Tradescantien    auf   und    erscheint    wieder   bei    dem 
"W^iederzutritt  des  Gases.    Ebenso  untersuchte  er  durch  äusserst 
sorgfaltige,  vielfach  modificirte  Versuche  die  Protoplasmabewe- 
gung  in  chlorophyllhaltigen  Pflanzenzellen  ohne  und  mit  Ein- 
wirkung   des  Lichts;    letzteres    führte    zu    innerer   Sauerstoff- 
Entwicklung  durch  das  Chlorophyll.     Lichtzutritt  ruft  die  Be- 
wegung hervor;   Sauerstoffzutritt  bewirkt   sie,    auch  wenn  der 
Lichtzutritt   schon  unwirksam   ist.     Die  Bewegung  erlischt  im 
Ehinkeln   und   wird   durch  Sauerstoffzutritt   und   durch    eigene 
Sauerstoffentwicklung  im  Licht  wieder  hergestellt. 

Kühne  war  noch  arbeitsfreudig  und  er  trug  sich  mit 
allerlei  Arbeitsplänen ;  öfters  äusserte  er  sich  in  seinen  Briefen 
an  mich,  er  wünsche  uns  noch  einige  Jahre  wissenschaftlicher 
Thätigkeit.  Da  befiel  ihn  am  Ende  des  Sommersemesters  1899 
öach  einer  starken  Erkältung  eine  Erkrankung,  die  seinem 
Leben  ein  für  die  Wissenschaft  zu  frühes  Ende  bereitete. 

Kühne  war  ein  Naturforscher  von  hohen  Gaben,  der  in 
dunkle  und  verwickelte  Vorgänge  des  Lebens  Licht  gebracht 
hat,  von  grösster  Gewissenhaftigkeit  und  Zuverlässigkeit  in 
^inen  Untersuchungen  und  Beobachtungen.  Es  war  ihm  ein 
leidenschaftliches  Bedürfniss  nach  Erkenntniss  eigen  und  die 
^ine  Freude  an  derselben ;  darum  beseelte  ihn  auch  eine  wahre 
Lust  zu  schaffen.  Er  arbeitete  leicht,  und  wenn  er  einmal  eine 
Sache  als  bedeutungsvoll  erkannt  hatte,  widmete  er  sich  ihr 
^t  aller  Kraft  und  ruhte  nicht  eher  als  bis  er  sie  so  weit  als 
Möglich  erschöpft  hatte. 

Er  war  einer  der  geistvollsten  Menschen   von  sprudelnder 
^bhaftigkeit,  voller  Interesse  und  von  feinem  Verständniss  für 


256 


ötffenüiche  Siisung  vom  IS,  Man  t9ÖZ 


das  Muskelprotoplasiim  das  Verhalten  des  Pratoplasmas  anderer 
Gebilde  gegen  äussf*re  Einwirkungen  wie  z*  B*  das  der  Amöben  j 
der  Hhizopoden  nnd  Myxomyzeten,  der  Flimmer  haare,  der  Zellen 
der  Hornhaut  und  des  Bindegewebes;  auch  das  pflanzlicher 
Zellen  z,  B*  der  Zellen  der  Staubfadenhaare  von  Tradescantia, 
Es  ergab  sich  daraus  der  ungemein  wichtige  Sehluss,  dass  die 
Substanz  in  allen  contraktilen  Gebilden  die  gleiche  plasmatische 
Flüssigkeit    mt,    oder   die    Einheit   der   contraktilen   Substanz, 

An  dem  ftlr  solche  Versuche  sich  so  sehr  eignenden  parallel- 
fasrigen,  an  den  Enden  nervenfreien  Musculus  Sartorius  des 
Frosches  wurden  von  ihm  noch  mancherlei  schone  Beabach- 
tungen  zur  allgemeinen  Muskel-  und  Nervenphysik  gemacht 
Hierher  gehört  der  sogenannte  Zwei  zip  feiversuch,  der  die 
doppelseitige  Leitung  der  Erregung  in  den  motorischen  Nerven- 
fasern mit  Sicherheit  bewies.  Er  zeigte  ferner  die  sekundäre 
Erregung  von  Muskel  zu  Muskel  ohne  Vermittlung  von  Nerven 
beim  ZusammenschmiegeR  der  Muskeln  durch  Pressen;  weiterhin 
that  er  die  Uebertragung  der  Erregung  vom  Muskel  auf  den 
Nerven  dar  und  bewies  die  Abhängigkeit  dieser  sekundären 
Zuckung  von  den  Aktionsströmen;  er  fand  die  interessante, 
allerdings  noch  unerklärliche  Thatsache,  das.s  ein  Muskel  nicht 
fähig  ist,  seinen  eigenen  Nervenstamra  sekundär  zu  erregen. 
Es  gelang  ihm  dagegen  nicht,  die  von  ihm  vorausgesetzte 
elektrische  Reiz  üb  er  tragung  vom  Nerven  auf  den  Muskel  durch 
Versuche  darzuthun.  Sonderbarer  Weise  zeigte  nach  seinen 
Beobachtungen  da^  Protoplasma  der  Protozoen  bei  elektrischer 
Reizung  beim  Sehluss  des  Stroms  die  Erregung  an  der  Anode 
und  nicht  an  der  Kathode  wie  das  Protoplasma  der  Muskeln, 
was  allerdings  gegen  die  Einheit  des  IVotoplasmas  zu  sprechen 
scheint 

Von  hoher  Bedeutung  sind  seine  umfassenden  Arbeiten  Über 
die  Verdauung  der  Eiweissstoife  durch  den  Pankreassaft  und  die 
dal>ei  stattfindenden  Veränderungen  derselben,  welche  er  «^chon 
in  Berlin  (1867)  begonnen  hatte.  Während  man  früher  nur  dem 
Magensaft  die  Fähigkeit  zuschrieb  Eiwciss  zu  verdauen,  hatte 
man    dies  auch  für  den  Salt    der  Bauchspeicheldriisse  uachge- 


C.  Voü:  Nekrolog  auf  Charles  Hermite.  263 

d  ,Sulle  frazioni  continue*  in  der  neu  begründeten  Zejt- 
irift:  Le  Matematiche  pure  e  applicate)  das  Datum  vom 
.  December  1900,  bezw.  Januar  1901! 

Hermite  wurde  am  24.  December  1822  zu  Dieuze  in  Loth- 
igen  geboren.  Nachdem  er  das  College  zu  Nancy,  dann  die 
riser  Colleges  Henri  IV  und  Louis  le  Grand  besucht,  bezog 
1842  die  Ecole  Polytechnique.  Das  Interesse  für  die  reine 
kthematik,  das  schon  auf  der  Schule  mächtig  in  ihm  erwacht 
jc  und  namentlich  durch  die  Lecture  von  Lagrange's  ,Trait^ 
la  resolution  des  ^quations  numdriques"  und  Gauss'  »Dis- 
isitiones  arithmeticae*  reichliche  Nahrung  gefunden  hatte, 
rdrängte  sehr  bald  seine  ursi3rüngliche  Absicht,  Ingenieur 
werden.  Schon  1843  schickt  er  auf  Lionville's  Rath  an 
cobi  eine  briefliche  Mittheilung  seiner  Untersuchungen  über 
perelliptische  Functionen  und  „stellt  sich  mit  einem  Schlage, 
rch  einen  Brief  von  wenigen  Seiten,  in  die  Reihe  der  besten 
lalysten  Europa's".*)  Im  Jahre  1848  wird  er  zunächst 
jpetitor  und  Examinator  an  der  Ecole  Polytechnique,  1862 
iitre  de  Conferences  an  der  Ecole  Normale,  1869  als  Nach- 
ger DuhamePs  Professor  der  höheren  Algebra  an  der  Sorbonne 
aculte  des  Sciences)  und  zugleich  Professor  der  Analysis  an 
r  Ecole  Polytechnique.  Wohl  die  gesammte,  an  hervor- 
genden  Talenten  so  reiche  Generation  der  jüngeren  fran- 
sischen Mathematiker  hat  er  seit  jener  Zeit  zu  begeisterten 
hülem  gehabt. 

Von  seinen  überaus  zahlreichen,  über  die  verschiedensten 
?biete  der  Analysis,  Algebra  und  Zahlentheorie  sich  er- 
reckenden Arbeiten  hat  P.  Mansion  in  der  „  Revue  des  questions 
ientifiques**  (T.  19)  ein  vorläufiges  Verzeichniss  zusammen- 
ästellt.*)     Ihre  Anzahl    beläuft   sich    auf  mehr  als  200,    und 

*)  Darboux,  Rede  zur  Feier  von  Hermite's  70.  Geburtstage. 

*)  Eine  kurze  kritische  Besprechung  der  wichtigsten  Hermite'schen 
•beiten  giebt  M.  Krause  in  einem  Vortrage,  der  in  der  naturwissen- 
tiaftlichen  Gesellschaft  Isis  in  Dresden  gehalten  wurde  und  in  deren 
g*n  abgedruckt  ist;  eine  ausführlichere,  glänzende  Würdigung  von 
niiite's   wissenschaftlichen  Verdiensten   bietet  Emile  Picard's   in   der 


264  Oeff entliche  Sitzung  vom  13,  März  1902. 


\ 


es   verdient   an    dieser   Stelle    ausdrücklich    hervorgehoben  ä^ 
werden,    dass  mehr   als  der  fünfte  Theil   in  deutschen  Zeit- 
schriften publicirt  wurde:  liegt  doch  gerade  hierin  ein  beredt^3S 
Zeugniss,    wie   Hermite   seit  jener    ersten   Correspondenz  n«.^t 
Jacobi  unablÜÄsig  bemüht  war,  wissenschaftliche  und  persönlicfcme 
Verbindungen  mit  deutschen  Mathematikern  anzuknüpfen  uczmd 
zu    unterhalten.      Und    wie    er    selbst    mit  Vorliebe    sich    a^ls 
Schüler  von  Gauss,  Jacobi  und  Dirichlet  zu  bezeichnen  pflegfci-^i 
so  gebührt  ihm,    wie  keinem    seiner  Landsleute   und  Colleg^^^ 
das    grosse    Verdienst,     eingehendes    Studium    und    gerech-     te 
Würdigung   der   grossen    deutschen   Mathematiker   von   Gau 
bis  Weierstrass  in  Frankreich  angeregt  und  gefordert  zu  habe 

Eine  einigermaassen  ausreichende  Classification  der  He 
mite'schen  Arbeiten  bietet  insofern  grosse  Schwierigkeit 
als  viele  derselben,  und  darunter  gerade  solche  von  ganz  b- 
sonderer  Tragweite  nicht  einer  der  oben  genannten  Discipline:  ^°i 
sondern  auf  gewissen  Grenzgebieten  sich  bewegend  mehrer^^"^^ 
zugleich  angehören. 

Ein  nach  Anzahl  und  Bedeutung  besonders  erhebliche  -J^^* 
Theil  jener  Arbeiten  beschäftigt  sich  mit  der  Theorie  d^  -^^r 
elliptischen  und  hjperelliptischen  Transcendenten  und  dert — ^° 
Beziehungen  zur  Algebra  und  Zahlentheorie.  Dem  zuvor  err  er- 
wähnten Briefe  an  Jacobi  war  bereits  1844  ein  zweiter 
über  die  Transformation  der  elliptischen  Funktionen  —  gefolg 
welcher  von  dem  auf  der  Höhe  seines  Ruhmes  stehenden  König^^ss- 
berger  Mathematiker  mit  den  schmeichelhaftesten  Lobsprüche^^^ 
erwidert  und  für  würdig  erachtet  wurde,  mit  jenem  ersten  zi^: — ^"" 
sammen  in  der  Sammlung  seiner  „Mathematischen  Werke* 
abgedruckt   zu  werden.     Das   schon    in  jenem    zweiten    Brief 


Facultc   des  Sciences  gehaltener  Vortrag:    L'oeuvre  scientifique 
Charles   Hermite    (abgedruckt   in   den   Annales   de   I'ficole   Normal 
3iemo  Serie,   T.  18).     Ein   weiteres   eingehendes   Referat   über  Hermii 
wissenschaftliche    Thiitigkeit    hat    M.   Noether    in    den    Mathematisch 
Annalen  publicirt. 

')  D.  h.  schon    in   der   von   Jacobi   selbst   veranstalteten   AusgaV 
Bd.  I  (I84G),  p.  391 IF. 


G.  VoU:  Nekrolog  auf  Charles  Hermite.  265 

gewendete,  heutzutage  meist  schlechthin  als  ^Herniite'scher 
tz*  bezeichnete  Fundamental-Princip,  nämlich  die  Reduction 
ler,  gewissen  Periodicitäts-Bedingungen  genügenden  Function 
f  eine  lineare  Verbindung  bestimmter  Elementarfunctionen, 
t  sich  nicht  nur  für  die  Behandlung  des  Transform ations- 
oblems,  sondern  für  die  gesammte  Theorie  der  elliptischen 
mctionen  als  äusserst  fruchtbar  erwiesen  und  wurde  später- 
1  (1855)  in  verallgemeinerter  Form  von  Hermite  auch  für 
j  Transformation  der  Aberschen  (genauer  gesagt:  hyper- 
iptischen)  Functionen  nutzbar  gemacht.  Andere  grundlegende 
iwendungen  giebt  er  in  seiner  „Uebersicht  über  die  Theorie 
r  elliptischen  Functionen"  ^)  und  bei  der  Behandlung  der 
n  ihm  eingeführten  doppelperiodischen  Functionen  2.  und 
Art.  Neben  einer  ganzen  Reihe  weiterer  der  Lehre  von 
n  elliptischen  Functionen  angehöriger  Arbeiten,  welche  theils 
r  Herleitung  zahlreicher  neuer  analytischer  Beziehungen 
enen,  theils  Vereinfachungen  in  der  Herleitung  schon  be- 
•nnter  liefern,  verdienen  diejenigen  eine  ganz  besondere  Er- 
ähnung,  in  denen  Hermite  die  Theorie  der  elliptischen  Func- 
)nen  auf  algebraische  und  zahlentheoretische  Probleme  an- 
Bndet.  Die  Beschäftigung  mit  der  Transformation  der  ellip- 
tchen  Functionen  und  der  damit  in  engem  Zusammenhange 
ihenden,  von  Jacobi  begründeten  Theorie  der  Modular- 
dchungen  führt  ihn  zur  Auflösung  der  Gleichung  5.  Grades 
$58)  und  weiterhin  zu  bemerkenswerthen  Resultaten  über  ge- 
;se  Gleichungen  beliebigen  Grades,  zugleich  aber  auch  zur  Her- 
iung  von  Classenanzahl-Relationen  für  quadratische  Formen. 
endahin  gelangt  er  andererseits  auch  durch  Reihen-Ent- 
ikelungen  gewisser  Theta-Quotienten,  und  die  weitere  Ver- 
gung  dieses  Weges  liefert  ihm  unter  anderen  zahlentheo- 
liischen  Ergebnissen  die  zum  Theil  von  Gauss  und  Legendre 
r    anderen  Wegen    gefundenen    Sätze    über   die    Darstellung 


*)  Unter  diesem  Titel  deutsch  von  L.  Nataui,  Berlin  18G3;  ui'sprüng- 
3.  als  Anhang  zu  Lacroix,  Traite  elementaire  du  calcul  diflferential  et 
^gral,  6*^°^«  ed.,  1862* 


266  Oeffentliche  Sitzung  vom  13,  März  1902. 

einer  Zahl  als  Summe  von  drei  oder  fünf  Quadraten.    Weitere- 
Anwendungen   der   elliptischen   Functionen  macht  er   auf  di^ 
Integration    der    sog.    Lamä'schen    und    anderer    Differential 
Gleichungen,  sowie  auch  auf  verschiedene  mechanische  Probleme 

Unter   den  nicht   auf  die  Theorie    der   elliptischen    odcai" — ?x 
hyperelliptischen  Functionen    sich  beziehenden    analytischeir       n 
Arbeiten  gebührt  zweifellos  der  erste  Platz  seiner  vielgenannter  -^sn 
Abhandlung  über  die  Transcendenz  der  Zahl  e  (1873).    Wusstzz^Ke 
man  auch  seit  Lionville  Zahlenreihen  anzugeben,  welche  trani-— ^a- 
cendente  Irrationalitäten    definiren,    so   wird   hier   zum  erste -g^n 
Male  ein  bindender  Beweis  dafür  gegeben,  dass  eine  von  vortr     wi- 
herein  definirte,    für   die    gesammte  Analysis   so  fundamentaCT  -le 
Zahl,  wie  jenes  e,   der  Classe  der  algebraischen  Zahlen  nich^ri^t 
angehört.     Der  von  Hermite  benützte  Gedankengang  darf  zu 
gleich  für  den  späterhin  (1882)  von  Lindemann  gelieferten  Be 
weis   der   Transcendenz    von  tt,    also   für   die   Erledigung   d« 
naturgeraäss    weit   populärer   gewordenen  Kreis-Quadraturprc 
blems    als   bahnbrechend    und    vorbildlich    angesehen    werdei 
Die  Theorie   der  algebraischen  Kettenbrüche,    welche  HermiBi^^ 
als  Grundlage  bei  jener  Untersuchung  über  die  Zahl  e  gedier:^^^^^^ 
hatte,  verdankt  ihm  auch  weiterhin  erhebliche  Bereicherungea^^^ 
und  Verallgemeinerungen.     Er  wendet  sie  auf  die  Integratio     '^^ 
gewisser   linearer  Differential-Gleichungen    an   und  findet  neu^^^ 
Beziehungen    zur  Theorie    der  Kugel-Funktionen.     Aber  hiei — 
mit   sind    seine   analytischen  Leistungen    noch   keineswegs    ei^ 
schöpft.     Eine  lange  Reihe  von  Arbeiten  behandelt  analytisch 
Einzelfnigen  der  mannigfachsten  Art:  solche  aus  dem  Gebiet^^  "^^ 
der  Infinitesimal-Kechnung,    der   Bernouilli'schen   Zahlen,    der 
Gamma-Functionen  und  Euler'schen  Integrale,  der  Fourier'scher 
Reihen,    der   analytischen   Functionen.     Es    giebt   wohl   kaun::-'-^ 
eine  Frage  des  analytischen  Calcüls,  in  die  er  nicht  gelegen t—-"^' 
lieh  mit  seiner  schöpferischen  Eigenart  eingegriffen  hätte. 

Die  Theorie  der  elliptischen  und  hyperelliptischen  Func- 
tionen ist  zu  eng  mit  derjenigen  der  quadratischen  Former 
vorknüpft,  um  es  nicht  geradezu  als  selbstverständlich  er- 
scheinen   zu   lassen,    dass  Ilermite    seit  Beginn   seiner    mathe 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Charles  Hermite.  267 

tischen  Untersuchungen  der  Formerr- Theorie  besonderes 
eresse  und  tiefstes  Studium  gewidmet  hat.  Hier  setzt  die 
>sse  Reihe  seiner  rein  zahlentheoretischen  und  alge- 
aischen  Arbeiten  ein,  die  im  übrigen  seinen  analytischen 
istungen  an  Bedeutung  in  keiner  Weise  nachstehen.  Von 
•  arithmetischen  Theorie  der  binären  quadratischen  Formen 
igt  er  auf  zu  derjenigen  der  quadratischen  Formen  mit 
iebig  vielen  Veränderlichen  und  der  binären  Formen  be- 
aigen  Grades.  Bald  schafft  er  sich  mit  der  Einführung 
tiger  Variablen  in  der  Zahlentheorie  ein  neues  mächtiges 
ilfsmittel  und  eröfl&iet  neue  Perspectiven  durch  die  Betrach- 
ig    von   Formen    mit    conjugirt    complexen    Veränderlichen. 

Zusammenhange  mit  der  Theorie  der  quadratischen  Formen 
iwickelt  er  eine  neue  und  verallgemeinerte  arithmetische 
eorie  der  Kettenbrüche  und  der  damit  zusammenhängenden 
näherungs- Methoden.  Durch  rein  arithmetische  ebenfalls 
'  der  Theorie  der  quadratischen  Formen  beruhende  Betrach- 
igen  beweist  er  den  Stürmischen  Satz  über  die  Anzahl  der 
Uen  Wurzeln  einer  algebraischen  Gleichung,  wie  auch  den 
liegen  Cauchy 'sehen  Satz  über  complexe  Wurzeln,  und  wird 
•ch  die  Beschäftigung  mit  diesem  Gegenstande  auf  einen 
iz    neuen   höchst    merkwürdigen  Satz  geführt,   wonach  sich 

Wurzeln  gewisser  Gleichungen  allemal  mit  Hülfe  einer 
llichen  Anzahl  bestimmter  Irrationalitäten  ausdrücken  lassen. 
Aber  auch  die  algebraische  Theorie  der  Formen  empfing 
r  bald  durch  Hermite's  Arbeiten  ausserordentliche  Fördei'ung. 
b  Cayley  und  Sylvester  darf  er  als  gleich werthiger  Be- 
inder  der  Invarianten-Theorie  angesehen  werden.  Viele  der 
1  jenen  gewonnenen  Resultate  hat  er  gleichzeitig  und  unab- 
ngig  aufgefunden,  andere  sind  im  wissenschaftlichen  Wechsel- 
•kehr  entstanden,  so  dass  es  kaum  möglich  erscheint,  den 
itheil  jedes  einzelnen  mit  absoluter  Genauigkeit  zu  bestimmen. 
Als  Documente  seiner  Lehrthätigkeit  hat  uns  Hermite 
a   (1873    gedruckten)   ersten   Theil    seines    „Cours  d' Analyse 

TEcole  polytechnique"  und  den  im  Winter  1881/82  an  der 
.culte    des  Sciences  vorgetragenen   „Cours"    (autographirt  in 


262 


Oeffentliche  SUmng  vom  IS.  MärM  10Ö2, 


die  Bestrebiingen  auf  allen  Gebieten   menschlicher  Thaiigkeit^ 

fUr  die  Fortschritte  des  Wissens  und  der  Kunst,  und  von  einer 
seltenen  allgemeinen  Bildung.  Es  war  ein  wahrer  Genuss  eine 
Kunstausstellung  mit  ihm  zu  durchwandern,  wobei  man  erstaunt 
war  über  seine  eingehenden  Kenntnisse,  Für  seinen  inneren 
Werth  sprach  es,  daas  er  mit  dem  um  25  Jahre  iiltereu  Robert 
Bunsen  fs^st  täglich  freundschaftlich  verkehrte  und  ihm  die 
Resultate  der  wissenschaftlichen  Farüchung  berichten  durfte. 

Seine  edle  und  liebenswürdige  Persönlichkeit  nahm  alsbald 
fllr  ihn  ein.  In  der  Wissenschaft  war  es  ihm  nur  um  die 
Sache  und  um  die  Wahrheit  zu  thun,  nie  um  persönliche  In- 
teressen; jedes  unwahre,  selbstsüchtige  Treiben  verachtete  er. 
Er  konnte  sich  an  jeder  ernsten  Leistung  und  an  den  Fori- 
schritten  des  Wissens  wahrhaft  erfreuen.  Er  hielt  sich  frei 
von  vorgefassten  Meinungen  und  war  stets  bereit  rtls  irrthüm- 
lich  erkannte  Ansichten  aufzugeben.  Hj^jothesen  und  Theorien 
galten  ihm  wie  jedem  echten  Naturforscher  nicht  als  Erkenntnis, 
sondern  nur  als  Mittel  zur  Erkenntniss. 

Wir  Zeitgenossen  werden  ihm  stets  dankbar  für  sein 
Lebenswerk  sein  und  seiner  in  Verehrung  gedenken;  aber  auch 
die  spätere  Zeit  wird  ihn  stu  den  bedeutendsten  Physiologen 
zahlen. 

Charles  Hermite. 

(Dieser  Nachruf  ßlammt   aua    der   kuüdigcii   Feder  dea   Uerm  Collegeii 
Alfred  Pringsheim). 

Am  14*  Januar  des  Jahres  1901  starb  zu  Paris  im  79.  Lebens- 
jahre der  Nestor  der  französischen  Mathematiker^  Charles  Hermite. 
Länger  als  ein  halbes  Jahrhundert  hat  er  durch  Schrift  und 
Wort  den  Ausbau  und  die  Verbreitung  mathematischen  Wissens 
in  hervorragender  Weise  gefordert.  Erst  1897,  im  Alter  von 
75  Jahren,  hatte  er  seine  Lehrthätigkeit,  die  er  als  Repetitor 
für  Analysis  an  der  Ecole  Polytechnique  begonnen,  als  Professor 
an  der  Sorbonne  niedergelegt,  seine  Schaifenskraft  aber  endete 
erst  mit  seinem  Tode:  tragen  doch  seine  letzten  Publicationen 
(»tiur  une  equation  transcenclante"  im  Archiv  filr  Mathematik 


I 


C.  VoU:  Nehrolog  auf  NÜs  Adolf  Enk  t?.  NordenshöU.        271 

Nach  der  Bearbeitung  seiner  geologischen  Funde  und 
äobachtungen  folgte  (1861)  eine  zweite  mit  grösseren  Mitteln 
id  mit  Unterstützung  des  Königs,  der  Regierung  und  der  Aka- 
mie  angestellten  Expedition  unter  ToreH's  Führung  zugleich 
it  zahlreichen  schwedischen  Forschern,  welche  aus  zwei  Segel- 
hiffen  und  sechs  Booten  bestand.  Auf  dieser  ersten  grös- 
ren  schwedischen  Expedition  wurde  Spitzbergen  zuerst  in 
iturhistorischer  Hinsicht  näher  kennen  gelernt. 

Bei  einer  weiteren  Polarreise  unter  Nordenskiölds  Leitung 
ich  Spitzbergen  (1864)  mit  dem  alten  KriegsschiflFe  „Axel 
)rdsen*  wurden  durch  den  jungen  Astronomen  Duner  aus 
md  Vorarbeiten  für  eine  Gradmessung  gemacht  und  vom 
bissen  Berge  aus,  nahe  der  Ostküste  der  Hauptinsel  Spitz- 
rgens,  ein  hohes  Gebirgsland  „Schwedisch  Vorland"  entdeckt. 

In  Folge  dieser  günstigen  Aussichten  nahm  sich  nun  der 
lat  sowie  die  Akademie  (1868)  der  Sache  energisch  an  und 
$s  den  stark  gebauten  Postdampfer  „Sofia"  für  eine  neue  Reise 
;h  Spitzbergen  ausrüsten.  Er  drang  dabei  bis  81^  42'  nörd- 
ler  Breite  vor,  weiter  als  vor  ihm  ein  Forscher,  aber  das 
;  zeigte  sich  von  da  an  unbezwingbar.  Reiche  Ausbeute 
•  Geologie,  Physik  und  Biologie  dieser  arktischen  Regionen 
rde  von  ihm  und  seinen  wissenschaftlichen  Mitarbeitern 
^gebracht. 

Von  diesen  drei  Fahrten  nach  Spitzbergen  stammt  grössten- 
(ils  unsere  gegenwärtige  Kenntniss  jenes  Archipels:  von 
rdenskiöld  rühren  die  Aufnahmen  der  geologischen  und  geo- 
ysikalischen  Verhebung,  der  Hebung  und  Senkung  der  Küsten, 
i  ein  erster  Versuch  zur  Begründung  der  Klimatologie  der 
reninseln  her,  während  man  seinen  Begleitern  die  geographische 
bsbestimmung,  die  Tiefseeerforschung  und  die  Untersuchung 
5  Thier-  und  Pflanzenlebens  verdankt. 

Sein  Blick  richtete  sich  nun  (1870)  auf  ein  neues  und 
heres  Ziel,  nämlich  auf  die  Erschliessung  von  Grönland, 
ises  grössten  Polarkontinents,  wo  die  zweite  deutsche  Nord- 
Ifahrt  unter  Drygalski  und  dänische  Forscher  schon  vorge- 
beitet  hatten.     Es  lag  die  Frage  vor,  ob  das  Inlandseis  von 


272  Oeffentliche  Sitzung  vom  13.  März  190^. 

Grönland,  von  dem  man  nur  einen  schmalen  Küstensaur 
kannte  und  auf  dem  tiefer  ins  Innere  zu  dringen  bis  dahii 
nicht   gelungen   war,    passirbar   sei.     Nordenskiöld   kam   nach» — 

sorgfältiger  Vorbereitung  mit   Dr.  Berggren   und   zwei  Grön 

ländern   mittelst   Schlitten   auf  dem   Binneneise   45  Eilometei 

weit.    Auf  der  Insel  Disko  entdeckte  er  dabei  die  di-ei  grösstenB= — 

bis  jetzt  bekannten   mächtigen  Eisenmassen   meteorischen  Ur 

Sprungs,  deren  grösste  er  auf  500  Zentner  schätzte. 

Bald  darauf  fasste  er  den  Plan  zu  einer  fünften  mit  alleuB — 

Hilfsmitteln  sorglich  vorbereiteten  Reise  nach  Spitzbergen;   ei 

wollte  überwintern  und  dann  mit  Schlitten  auf  dem  Eise  nach^^ 
dem  Pol  zu  gelangen  suchen.     Unter  Beihilfe  des  Staates  unS_ 
der  Akademie,  der  Seehandelsstadt  Gothenburg  und  des  Gross — 
kaufmanns  0.  Dickson  in  Gothenburg  erhielt  er  die  Mittel,  uns^ 
zwei    Schiffe,    den    eisernen    Postdampfer    „Polhene"    und    diesr 
Segelbrig  „Gladan"    mit   zwei  Dampfern   für  Kohle,  Proviant^ 
das  Ueberwinterungshaus  und  die  Renthiere  auszurüsten,     lam. 
Juli  1872  ging  die  Expedition  von  Tromsö  ab  und  blieb  den- 
Winter   über   an   der  Mossel-  oder  Halbmondsbai;   leider   trat^ 
allerlei  Missgeschick  ein,  wodurch  der  Plan  nur  unvollkommen, 
zur  Ausführung  kam,   es  froren  die  TransportschiflFe   vorzeitig* 
ein,   so  dass  der  Proviant   für  67    statt   für  21  Personen  aus- 
reichen musste,  auch  liefen  die  Renthiere  davon.    Im  Frühjahr 
1873  ging  es   mit  Leutnant  Polander   und  14  Mann  über  die 
Parryinseln  auf  drei  Schlitten  und  zwei  Booten  gegen  Norden 
nach  den  Siebeninseln.    Von  der  Phippsinsel,  der  nördlichsten 
der  Siebeninseln,  fand  sich  bei  einer  Umschau  das  Treibeis  im 
Norden   der  Art,    dass   es  unmciglich    erschien    einen   höheren 
Breitegrad   zu   erreichen.     Sie    fuhren   daher   über  Cap  Plaien 
längs  der  unvollständig  bekannten  Nordküste  des  Nordostlandes 
und  dann  über  das  Binneneis  des  letzteren  nach  der  Mosselbai 
zurück.     Es  war  ein  kühner  Zug,    durch  den  man  die  Ueber- 
zeugung  gewann,  dass  sich  der  90.  Grad  nicht  mittelst  Schiffen, 
sondern  nur  mit  Schlitten   und  Eskimohunden    erreichen  lasse, 
wie    es    später   durch   Nansen    und   den   Herzog   der  Abruzzen 
durchgeführt  worden  ist. 


0.  Voü:  Nekrolog  auf  Nüs  Adolf  Erik  v.  Nordenskiöld.        273 

Die  österreichisch-ungarische  Expedition  von  1872/74  unter 
JPayer  und  Weyprecht  sowie  die  Nachrichten  der  Walfisch- 
fJinger,  dass  es  möglich  sei,  zu  bestimmten  Jahreszeiten  in  das 
k:a.rische  Meer  einzudringen,  lenkten  seine  Aufmerksamkeit  auf 
die  über  drei  Jahrhunderte  alte  Aufgabe,  einen  SchiflFfahrtsweg 
im  l^orden  um  Europa  und  Asien  nach  den  ostasiatischen  Ge- 
'^viissem,  die  nordöstliche  Durchfahrt,  zu  finden,  welche  seit  der 
Angabe  K.  E.  v.  Baer's,  dass  das  karische  Meer  aus  undurch- 
dringlichem Eis  bestehe,  für  unmöglich  gehalten  wurde.  Norden- 
skiöld prüfte  auf  zwei  Fahrten  diese  Angabe;  mit  dem  kleinen 
Segler  » Proeven  *  erreichte  er  (1875)  an  der  nordsibirischen 
Iv  liste  die  Jenissei- Mündung  und  mit  dem  grösseren  Fahr- 
zeug ,Ymer'  den  Dickson's  Hafen  an  der  gleichen  Fluss- 
niundung,  wodurch  jene  Angabe  von  Baer  als  irrthümlich 
erwiesen  war. 

Diese  vorläufige  Erkenntniss  liess  ihn  nicht  ruhen,  er 
^^^ollte  das  wichtige  Problem  der  nördlichen  Umschiffbarkeit 
Asiens  lösen.  Von  König  Oskar  von  Schweden,  seinem  alten 
^■»onner  Dickson  in  Gothenburg  und  dem  sibirischen  Bergwerks- 
besitzer  Sibirianoff  bekam  er  die  Mittel  zur  Ausführung  des 
S^ossen  Unternehmens.  Es  standen  der  Dampfer  „Vega*'  und 
zwei  Transportdampfer  zur  Verfügung;  die  Vega  leitete  der 
^*H.nnalige  Kapitänleutnant  Palander,  den  einen  Transportdampfer 
^er  Kapitän  Johannesen;  zahlreiche  Naturforscher  begleiteten 
^ie  überaus  glückliche  Ffihrt,  durch  welche  er  sich  den  grössten 
*'ulim  erworben  hat.  Sie  gieng  am  8.  Juli  (1878)  von  Gothen- 
«iirg  aus;  die  Vega  fror  aber  Ende  September  unter  (37^  5' 
^^Wlicher  Breite  nahe  ihrem  Ziele  in  der  Koljutscliinbai  ein 
^'^d  konnte  erst  im  Juli  1879  die  Heise  durch  die  Behrings- 
'"^trasse  fortsetzen;  anfangs  September  war  das  so  lange  erstrebte 
'^iel  der  Umseglung  Europas  und  Asiens  mit  ihrer  Ankunft  in 
*^^pan  gelungen.  Die  Fahrt  erregte  überall  das  grösste  Auf- 
^^Vien;  der  König  von  Schweden  ehrte  Nordenskiöld  durch  die 
^-•^•liebung  in  den  Freiherrnstand  und  der  Reichstag  bewilligte 
^*^Ui  einen  Ehrensold. 

1902.    Sitsongsb.  d.  math.-phys.  Gl.  1B 


\ 


274  Oe  ff  entliche  Sitzung  vom  13.  März  1902. 

Zuletzt  trat  er  (1883),  gestützt  auf  die  Erfahrungen  ) 
dem  ersten  Versuch  von  1870,  nochmals  eine  Grönlandfal 
an,  um  die  üurchquerung  des  Grönländischen  Eises  zu  v« 
suchen  und  zu  entscheiden,  ob  diese  Insel  ganz  vergletsch 
sei  oder  eisfreie  Bezirke  berge.  Auch  zu  dieser  seiner  sieben! 
arktischen  Reise  erhielt  er  die  Mittel  von  Dickson  und  ( 
SchiflF  „Sofia"  durch  den  König  von  Schweden;  unter  c 
sechs  wissenschaftlichen  Begleitern  befand  sich  der  Botanil 
und  Paläontologe  Professor  Nathorst.  Der  Zug  ging  ül 
Island  nach  dem  Anleitsivikfjord,  von  wo  die  Wanderung  ül 
das  Binneneis  auf  Schlitten  und  Schneeschuhen  begann, 
kamen  120  Kilometer  weit  in  das  Innere  und  fanden  eine  lar 
sam  ansteigende  Eisfläche  vor.  Auf  der  Rückreise  gelang 
das  die  südliche  Ostküste  Grönlands  umlagernde  Treibeis 
durchdringen  und  diese  Ostküste  südlich  vom  Polarkreis 
erreichen,  ein  Ziel  welches  man  schon  seit  Jahrhunderten  v 
geblich  zu  erreichen  versucht  hatte.  Darnach  stellte  sich  Gri 
land  als  ein  gewaltiger  Eiscontinent  dar,  so  wie  ein  gros 
Theil  der  Erdoberfläche  während  der  Eiszeit  beschaffen  w 
was  später  von  Nansen  durch  seine  geglückte  Durchquert 
Grünlands  bestätigt  wurde. 

Nach  Abscliluss  dieser  seiner  Entdeckungsfahi*ten  widm 
sich  Nordenskiöld  der  Bearbeitung  des  davon  mitgebrach 
reichlichen  wissenschaftlichen  Materials,  durch  welches  er 
Geologie  und  die  polare  Länderkunde  wesentlich  bereicherte. 
Resultate  finden  sich  in  grossen  Werken  zusammengest^ 
Die  Vegafahrt  ist  in  einer  deutschen  Schrift:  „Die  Umsegeli 
Europas  und  Asiens  auf  der  Vega"  in  zwei  Bänden  im  All 
meinen  beschrieben ;  das  wissenschaftliche  Detail  in  schwedisc 
Sprache  in  fünf  Bänden  berichtet;  die  letzte  Reise  nach  Gr 
land  in  dem  Buche:  „Grönland,  seine  Eiswüsten  im  Inn 
und  seine  Ostküste ". 

Seine  Beobachtungen  über  eine  dereinstige  höhere  Tempe 
tur  in  der  kalten  Zone  führten  ihn  zu  bestimmten  Vorstellunj 
über    die    Veränderinif^^en    der   AVärme    in    diesen   Regionen 


C.  Voü:  Nekrolog  auf  NUs  Adolf  Erik  r.  Nordenskiöld.         2i5 

geologischer  Vorzeit,  sowie  über  die  Eisbildung,  welche  dazu 
beigetragen  haben  unsere  Kenntnisse  von  der  Entwicklung  der 
Erde  und  Ton  der  Abgrenzung  der  einzelnen  tellurischen  Zeit- 
alter sicherer  zu  stellen. 

Besonders  nahmen  sein  Interesse  in  Anspruch  die  merk- 
würdigen Ansammlungen  des  eisenhaltigen  feinen  grauschwarzen 
Staubes,  des  Lehmschlammes  oder  Kryokonits,  den  man  in 
Spitzbergen  antrifft,  und  den  er  sogar  auf  dem  ewigen  Eise 
Grönlands  in  weiter  Entfernung  vom  Strande  vorfand:  die 
Staubdecke  ist  aus  diesem  Grunde  und  nach  dem  Kesultate 
der  von  ihm  gemachten  chemischen  Untersuchung  nicht  von 
^verriebenem  Gneis  Grönlands  abzuleiten ;  er  hält  dieselbe  viel- 
niehr  wie  die  Meteoriten  für  kosmischen  Ui*sprungs,  ent- 
standen durch  Verbrennung  der  Meteoriten  in  unserer  Atnio- 
spliäre. 

Von  grosser  Bedeutung  sind  seine  Studien  über  das  Nord- 
licht, welche  er  namentlich  während  des  Winteraufenthaltes 
im  Nothhafen  zu  Pitlekay  anstellte ;  es  bot  dorten  das  Phänomen 
ganz  andere  Erscheinungen  dar  wie  in  Skandinavien  oder 
Spitzbergen;  .die  geographische  Lage  des  Beobachtungsortes 
hedingt  also  eine  Verschiedenheit  des  Anblicks.  Er  stellte 
darnach  eine  besondere  Theorie  auf:  er  sagt,  man  müsse  auf 
^er  Erde  verschiedene  concentrische  Kreisringe  unterscheiden, 
^nd  man  nehme  je  nachdem  man  sich  in  dem  einen  oder 
anderen  dieser  Ringe  befinde,  einen  anderen  Typus  des  Nord- 
'^chts  wahr,  ein  strahlen  werfendes  oder  ein  sogenanntes 
^^"aperielicht  oder  nur  ein  diffus  leuchtendes.  Der  Mittel- 
punkt der  Ringe  fallt  nach  ihm  nicht  mit  dem  magnetischen 
"^  Ordpol  zusammen,  sondern  liegt  etwas  nördlich  von  letzterem. 

Seine  Ermittlungen  über  die  Hebung  des  Landes  in  Skan- 
dinavien ergaben,  dass  daselbst  überall  in  der  Tiefe  von 
^Oo  Metern  nach  Durchdringung  der  archaeischen  Formation 
^imndwasser  sich  findet,  so  dass  selbst  auf  kleinen  sonst  Wasser- 
hosen Felseninseln  der  Küste  Bohrungen  zur  grossen  Wohlthat 
*^r  Bewohner  mit  Erfolg  angestellt  werden  können. 

18* 


276  Oeff entliche  Sitzung  vom  13.  März  1902, 

In  den  letzten  zwanzig  Jahren  seines  Lebens  Hf>scliäftigf 
er   sich   eifrig   mit   der   Geschichte   der  Erdkunde,    namentlic=L  U 
durch    Seefahrten    und    ihrer   Darstellung    durch    Karten,     i^    '^^ 
sind    wahrhaft    grossartige    Leistungen    an    Fleiss    und    Gi^^  — 
nauigkeit. 

1883  gab  er  drei  Karten  zu  den  Reisen  des  Venetiane  ^»rs 
Zeno  nach  den  Far-Üer,  Island  und  Grönland  heraus,  woW  -^i 
es  sich  allerdings  nach  Storms  um  ein  späteres  Machwei^crlc 
handelte;  dann  folgte  eine  neue  Ausgabe  einer  Reisebeschreibur^mg 
von  Marco  Polo.  1889  erschien  der  Facsimile- Atlas  mit  4.  ^r 
Entwicklung  der  gedruckten  Landkarten  im  15.  und  16.  Jah».  t- 
hundert;  1892  zum  400jährigen  Jubiläum  der  EntdeckuKT^g 
Amerikas  die  Nachbildung  der  ältesten  Karte  von  Ameril^  a--» 
und  1897  der  wunderbare  Periplus  mit  der  Geschichte  A  ^i" 
Seekarten  und  Segelan  Weisungen  von  ihren  Anfangen  bis  L  :äis 
18.  Jahrhundert.  Diese  Werke  werden  für  lange  Zeit  c3.i^ 
Grundlage  der  Foi-schung  auf  dem  Gebiete  der  KartograpL:»  ie 
und  der  geographischen  Entdeckungen  bilden. 

Es  war  ein  an  Thaten  reiches  Leben,  die  ihm  durch  sei  ^^^ 
umfangreichen    Kenntnisse,    seine    unauslöschliche    Liebe    ac"*^^ 
Wissensehaft,    durch    besonnenes    Abwägen    dei?  Erreichbar"^^ 
und    sein   entschlossenes    kühnes  Handeln    gelangen.     Er   y^"  ^^ 
weit    davon  entfernt   durch    seine  Reisen  und  das  Ueberstel»^  ^^ 
von  Gefahren  Aufsehen  machen  zu  wollen;  auch  wollte  er  sm  ^^ 
nicht  durch  die  Polsucherei,  die  ihm  von  geringem  wissenscha-^*^ 
liehen  Werth  zu  sein  schien,  einen  berühmten  Namen  maeh^^^' 
ihm  war  es  nur  um  die  Wissenschaft  zu  thun,  welche  er  ai^»-^" 
als  Mitglied    des  schwedischen  Reichstages,    dem  er   seit  IS^  ^ 
angehörte,  durch  l^nterstützung  ihrer  Anforderungen  zu  ford^^^^ 
suchte.     Darum  blieb   er  auch  trotz  reicher  Ehren  und  An  -^^"■"^ 
kennungen  der  einfache,  die  lärmende  OefFentlichkeit  scheuer"^^^^^ 
Geleinte,    der    ob    seiner   Verdienste    um    die  WissenschafI  ^" 

seinem  Vaterlande  und  in  der  ganzen  gebildeten  Welt  stets  ^" 

KInvn   Lr»'halton   werden   wird. 


C.  V&Ü:  Nekrdog  auf  Ms  Adolf  Mr^  v,  NorätnsJddld.        269 

der  stiUen  Gelehrtenstube  gemachten  Forschungen  in  der  Minera- 
logie« Geologie    und  Geographie   dazu   befähigt   gewesen   wäre. 

Aus  einer  alten  schwedischen  Familie  staniraend  wurde  er 
am  18.  November  1832  in  Hetsingfors^  nach  der  EinverleibuDg 
Finnlands  in  dm  russische  Reiche  geboren,  w^oselbst  sein  Vater 
als  tüchtiger  Mineraloge  der  Direktor  des  Finnland ischen  Berg- 
and  Hüttenwesens  war.  Voo  früh  an  hatte  er,  oßenbar  durch 
die  Thiitigkeit  seines  Vaters  veranlasst^  eine  Neigung  zur 
GeognoBie  gefasst.  Darum  betrieb  er  auch  an  der  Universität 
Uelsingfors  von  1849  an  eifrig  Studien  in  der  Mathematik^ 
Physik  und  Chemie,  besonders  aber  in  der  Mineralogie  und 
Geologie.  Noch  während  seiner  Studienzeit  hatte  er  das  Glück 
seinen  Vater  auf  Reisen  in  dem  geologisch  so  merkwürdigen 
Finnland  und  in  den  mineralreichen  Ural  zu  hegleiten,  wobei 
seine  mineralügiscben  und  gtiologischen  Kenntnisse  durch  die 
unmittelbare  Anschauung  der  Natur  sehr  erweitert  wurden; 
die  Ergebnisse  dieser  Reisen  legte  der  junge  Forscher  schon 
1857  in  mehreren  Abhandlungen  in  den  Verhandlungen  der 
finnländisehen  wissenschaftlichen  Gesellschaft  nieder. 

Vor  dem  Abschluss  seiner  Studien  zog  er  sich  durch  eine 
freisinnige  Rede  das  Missfallen  des  russischen  Gouverneurs 
V.  Berg  zu;  er  begab  sich  desshalb  an  die  Universität  Berlin, 
wo  er  naturwissenschaftliche  Vorlesungen  hörte  und  namentlich 
durch  Gustav  Rose,  den  ersten  Analytiker  seiner  Zeit,  in  die 
genaue  Mineralanalyse  eingeführt  wurde. 

Nach  seiner  Vaterstadt  zurückgekehrt  erwarb  er  (1857) 
den  Doktorgrad;  jedoch  kam  es  bald  zum  abermaligen  Bruch 
niit  den  russischen  Behörden  in  Folge  einer  Rede,  worauf  er 
für  immer  Finnland  verliess  und  nach  Stockholm  ging;  er  fand 
daselbst  ein  angeregtes  wissenschaftliches  Leben  im  Umgang 
mit  strebsamen  jungen  Gelehrten. 

Es  mögen  hier  seine  mineralogischen  Arbeiten,  welche  ihn 
in  der  ersten  Zeit  seiner  wissenschaftlichen  Thätigkeit  beschäf- 
tigten, erwähnt  werden,  Er  hat  zahlreiche  Mineralien  Finn- 
lands und  Schwedens  chemisch  und  krystallographisch  unter- 
sucht und  dadurch  wertb volle  Beitrage  zur  Kenntniss  der  dort 


270 


OeffmÜiehe  Siiäun^  mm  13.  Man  1902. 


vorkommen  den  seltenen  Species  geliefert  und  mehrere  neue 
Mineralien  entdeckt;  es  gi^hören  Uerlier  die  Be&chreibnngen 
des  aus  kieselsaurer  Yttererde  bestehenden  Gadolinits  von 
Ytt^^rbj,  des  Selenküpferthallium  enthaltenden  Cröokesit's,  des 
Laxitiannits,  Demidowits,  Therm ophjllits,  des  tantaU  und  miob- 
saurc*  Sake  mit  Uranoxjd  fahrenden  Nohlits,  des  Tautal  und 
Mangan  haliigen  Tantalits,  des  merkwürdigen  Y  ttro- Uran  nie  ta  11s 
eil:' Veits»  der  Niobite,  dann  der  seltene  Erden  wie  Cerium, 
Lanthan^  Didym,  Zirkonium  einschliessenden  Mineralieo^  sowie 
solche  mit  Wolfrainsäure,  Molybdänsäure,  Vanadinsäure  und 
Chromsäure*  Eine  ausführliche  Arbeit  ist  den  Kupferpbosp baten 
von  Nischno-Tagilsk  gewidmet  Er  untersuchte  femer  die  Be- 
ziehungen zwischen  Krystallw  asser  und  Krystallgestalt  und  be- 
theiligte sieh  an  der  Losung  der  damals  viel  erörterten  Fragen 
Über  Iso-  und  Dimorph isnuis;  auch  nahm  er  schon  früh  leb- 
haftes Interesse  au  der  Zusammensetzung  der  Meteorite,  ange- 
regt durch  die  in  Hessk  in  Schweden  und  in  Grönland  go- 
fußdenen  Eisenmassen  meteorischen  Ursprungs.  Diese  werth- 
vollen  Mineraluntersuchungen  bestimmten  den  Mineralogen 
Franz  V,  Eobell  ihn  1876  zur  Aufnahme  in  unsere  Akademie 
vorzuschlagen. 

In  Stockholm  wurde  Nordenskiold  von  den  letzteren  Auf- 
gaben bald  auf  eine  ganz  andere  Bahn,  die  der  naturwissen- 
schaftlichen Erforschung  der  vereisten  Gebiete  des  hohen  Nor- 
dens, der  Spitzbergen-Inselgruppe  und  Grönlands,  gelenkt.  Er 
war  mit  Otto  Torell  in  Lund  bekannt  geworden,  der  in 
Schweden  das  Interesse  fUr  die  arktische  Forschung  erweckt 
hatte;  er  durfte  (1B58)  Torell  bei  einer  mit  geringen  Mitteln 
ausgerüsteten  dreimonatlichen  Fahrt  mit  der  kleinen  norwegi- 
schen Jacht ,,  Fritjof*  nach  der  Bäreninsel  und  der  Westküste  von 
Spitzbergen  als  Geologe  zugleich  mit  dem  Zoologen  (^^uennerstedt 
bogleiten;  er  bewährte  sich  bei  dieser  orientirendcn  ersten 
Polarreis©  der  Ali,  dass  er  alsbald  nach  der  Rückkehr  im 
Alter  von  25  Jahren  zum  Professor  der  Chemie  und  Minera- 
logie am  Carolinischen  In-stitut  und  zum  Vorstand  der  nnnera- 
logischen  Sammlung  des  Reichsmuseums  ernannt  wurde. 


a  Vöii:  Keltro^og  auf  WÜs  Äddf  Erik  t%  NürdemBöhl        271 

Nach  der  Bearbeitung  seiner  geologiscliea  Funde  und 
Beobachtungen  folgte  (1861)  eine  zweite  mit  grösseren  Mitteln 
und  mit  Unterstützung  des  Königs,  der  Regierung  und  der  Aka- 
demie angestellten  Expedition  unter  ToreU's  Führung  zugleich 
mit  zahlreichen  schwedischen  Forschern,  welche  aus  zwei  Segel- 
schiften  und  sechs  Booten  bestand.  Auf  dieser  ersten  gröa- 
sereti  schwedischen  Exiiedition  wurde  Spitzbergen  zuerst  in 
natiirhistorischer  Hinsicht  näher  kennen  gelernt 

Bei  einer  weiteren  Polarreise  unter  Nordenskiölda  Leitung 
mach  Spitzbergen  (1864)  nnt  dem  alten  Kriegsschiffe  ^Axel 
Tordsen*  wurden  durch  den  jungen  Astronomen  Dun<5r  aus 
Lutid  Vorarbeiten  für  eine  Gradraessung  gemacht  und  vom 
weissen  Berge  aus,  nahe  der  Ostküsie  der  Hauptinsel  Spitz- 
bergens, ein  hohes  Gebirgsland  ^ Schwedisch  Vorland*  entdeckt. 

In  Folge  dieser  günstigen  Aussichten  nahm  sich  nun  der 
Staat  sowie  die  Akademie  (1868)  der  Sache  energisch  an  und 
liess  den  stark  gelmuten  Postdainpfer  ^ Sofia"  für  eine  neue  Reise 
nach  Spitzbergen  ausrüsten,  Er  drang  dabei  bis  81°  42'  nörd- 
licher Breite  vor,  weiter  als  vor  ihm  ein  Forscher,  aber  das 
Eis  zeigte  sich  von  da  an  unbezwingbar.  Reiche  Ausbeute 
zur  Geologie,  Physik  und  Biologie  dieser  arktischen  Regionen 
wurde  von  ihm  und  seinen  wissensehaftlichen  Mitarbeitern 
mitgebracht. 

Von  diesen  drei  Fahrten  nach  Spitzbergen  stammt  grössten- 
theik  unsere  gegenwärtige  Kenntniss  jenes  Archipels:  von 
Nordenskiöld  rühren  die  Aufnahmen  der  geologischen  und  geo- 
physikalischen Verhebung,  der  Hebung  und  Senkung  der  Küsten, 
und  ein  erster  Versuch  zur  Begründung  der  Klimatologie  der 
Bäreninseln  her,  während  man  seinen  Begleitern  die  geographische 
Ortsbestimmung,  die  Tiefseeerforschung  und  die  Untersuchung 
des  Tbier-  und  PÜanzenlebens  verdankt. 

Sein  Blick  richtete  sich  nun  (1870)  auf  ein  neues  und 
höheres  Ziel,  niimlich  auf  die  Erschliessung  von  Grönland, 
dieses  grössten  Polarkontinents,  wo  die  zweite  deutsche  Nord- 
polfahrt unter  Drygstlski  und  dünische  Forscher  schon  vorge- 
arbeitet hatten.     Es  lag  die  Frage  vor,  ob  das  Inlandseis  von 


276  Oe  ff  entliche  Sitzung  vom  13.  März  1902, 

In  den  letzten  zwanzig  Jahren  seines  Lebens  beschäfti 
er   sich   eifrig   mit   der   Geschichte   der  Erdkunde,    nament 
durch   Seefahrten   und    ihrer   Darstellung    durch   Karten, 
sind    wahrhaft    grossartige    Leistungen    an    Fleiss    und 
nauigkeit. 

1883  gab  er  drei  Karten    zu  den  Reisen    des  Venetiai 
Zeno   nach  den  Far-Öer,    Island   und  Grönland   heraus,   wc 
es   sich   allerdings    nach   Storms   um    ein    späteres   Machw 
handelte;  dann  folgte  eine  neue  Ausgabe  einer  Iteisebeschreibi 
von  Marco  Polo.     1889    erschien  der  Facsimile- Atlas   mit 
Entwicklung  der  gedruckten  Landkarten  im  15.  und  16.  Ja 
hundert;    1892    zum    400jährigen   Jubiläum    der    Entdecki 
Amerikas   die  Nachbildung   der   ältesten  Karte    von  Amer 
und    1897    der   wunderbare   Periplus    mit   der   Geschichte 
Seekarten   und  Segelanweisungen   von  ihren  Anfängen   bis 
18.  Jahrhundert.     Diese  Werke    werden    für    lange    Zeit 
Grundlage  der  Forschung   auf   dem  Gebiete   der  Kartogra] 
und  der  geographischen  Entdeckungen  bilden. 

Es  war  ein  an  Thaten  reiches  Leben,  die  ihm  durch  s< 
umfangreichen  Kenntnisse,  seine  unauslöschliche  Liebe 
Wissenschaft,  durch  besonnenes  Abwägen  des  Erreichbj 
und  sein  entschlossenes  kühnes  Handeln  gelangen.  Er 
weit  davon  entfernt  durch  seine  Reisen  und  das  Ueberste 
von  Gefahren  Aufsehen  machen  zu  wollen;  auch  wollte  er 
nicht  durch  die  Polsucherei,  die  ihm  von  geringem  wissensch 
liehen  Werth  zu  sein  schien,  einen  berühmten  Namen  macl 
ihm  war  es  nur  um  die  Wissenschaft  zu  thun,  welche  er  a 
als  Mitglied  des  schwedischen  Reichstages,  dem  er  seit  1 
angehörte,  durch  Unterstützung  ihrer  Anforderungen  zu  forc 
suchte.  Darum  blieb  er  auch  trotz  reicher  Ehren  und  Ai 
kennungen  der  einfache,  die  lärmende  Oeffentlichkeit  scheue 
Gelelirte,  der  ob  seiner  Verdienste  um  die  Wissenschaft 
seinem  Vaterlande  und  in  der  ganzen  gebildeten  Welt  stet 
Ehren   gehalten   werden  wird. 


C,  VoU:  Nekrolog  auf  Nüs  Adolf  Erik  t?,  NordenskiÖliL        273 

Die  österreichisch-ungarische  Expedition  von  1872/74  unter 
Payer  und  Weyprecht  sowie  die  Nachrichten  der  Walfisch- 
fanger, dass  es  möglich  sei,  zu  bestimmten  Jahreszeiten  in  das 
karische  Meer  einzudringen,  lenkten  seine  Aufmerksamkeit  auf 
die  über  drei  Jahrhunderte  alte  Aufgabe,  einen  SchiflTfahrtsweg 
im  Norden  um  Europa  und  Asien  nach  den  ostasiatischen  Ge- 
wässern, die  nordöstliche  Durchfahrt,  zu  finden,  welche  seit  der 
Angabe  K.  E.  v.  Baer's,  dass  das  karische  Meer  aus  undurch- 
dringlichem Eis  bestehe,  für  unmöglich  gehalten  wurde.  Norden- 
skiöld  prüfte  auf  zwei  Fahrten  diese  Angabe;  mit  dem  kleinen 
Segler  »Proeven*  erreichte  er  (1875)  an  der  nordsibirischen 
Küste  die  Jenissei- Mündung  und  mit  dem  grösseren  Fahr- 
zeug »Ymer"  den  Dickson's  Hafen  an  der  gleichen  Fluss- 
niündung,  wodurch  jene  Angabe  von  Baer  als  irrthümlich 
erwiesen  war. 

Diese  vorläufige  Erkenntniss  Hess  ihn  nicht  ruhen,  er 
wollte  das  wichtige  Problem  der  nördlichen  Umschiffbarkeit 
Asiens  lösen.  Von  König  Oskar  von  Schweden,  seinem  alten 
Gönner  Dickson  in  Gothenburg  und  dem  sibirischen  Bergwerks- 
besitzer SibirianoiF  bekam  er  die  Mittel  zur  Ausführung  des 
grossen  Unternehmens.  Es  standen  der  Dampfer  „Vega*  und 
zwei  Transportdampfer  zur  Verfügung;  die  Vega  leitete  der 
damalige  Kapitänleutnant  Palander,  den  einen  Transportdampfer 
der  Kapitän  Johannesen;  zahlreiche  Naturforscher  begleiteten 
die  überaus  glückliche  Fahrt,  durch  welche  er  sich  den  grössten 
Kuhm  erworben  hat.  Sic  gieng  am  8.  Juli  (1878)  von  Gothen- 
burg aus;  die  Vega  fror  aber  Ende  September  unter  67^  5' 
nördlicher  Breite  nahe  ihrem  Ziele  in  der  Koljutschinbai  ein 
und  konnte  erst  im  Juli  1879  die  Reise  durch  die  Behrings- 
strasse  fortsetzen;  anfangs  September  war  das  so  lange  erstrel>te 
Ziel  der  ümseglung  Europas  und  Asiens  mit  ihrer  Ankunft  in 
Japan  gelungen.  Die  Fahrt  erregte  überall  das  grösste  Auf- 
sehen; der  König  von  Schweden  ehrte  Nordenskiöld  durch  die 
Erhebung  in  den  Freiherrnstand  und  der  Reichstag  bewilligte 
ihm  einen  Ehrensold. 

1902.    8iUang»b.  d.  math.-phys.  Cl.  18 


278  Oe/f entliche  Sitzung  vom  13.  März  1902, 

Ziehungen  trat,   während  er  von  Johannes  Müller,   der  damal-Äls 
mit  vergleichend  anatomischen  Studien  beschäftigt  war,  kein  .^cne 
besondere  Anregung   empfing.     Nach   Marburg   zurückgekehrr^tr  rt 
erwarb    er  1851  den   medizinischen  Doktorgrad   mit  einer  be^^e- 
merkenswerthen  Dissertation    „tractatus  de  errore  optico"    un^^r^aa^ 
trat  bei  seinem  Bruder,  dem  Anatomen,  als  Prosektor  ein;  ab^^-^®^ 
bahl  (1852)  forderte  ihn  Ludwig,    der   als  Professor  der  Ana^^  -^^' 
tomie  und  Physiologie  nach  Zürich  berufen  worden  war,    au:  M--^ 
zu    ihm    als  Prosektor   zu  kommen.     Ludwig   war  damals  mir  mt^^^ 
seinen  ersten  bahnbrechenden  Arbeiten  beschäftigt,  welche  di-^^ 
Vorgänge  im  Organismus  auf  physikalische  Wirkungen  zurück^Ä^^* 
zuführen  suchten;  von  ihm  wurde  er  vorzüglich  bestimmt,  sein^:^^  ^° 
mathematischen  und  physikalischen  Kenntnisse  zur  Erforschung,  ^-^i 
der  Lebensvorgänge   anzuwenden    und   erhielt  er  die  Bichtun§^  ^^k 
seiner   wissenschaftlichen  Forschung.     Es   erfolgte  die  HabilL9>^   ''' 
tation  als  Privatdozent  in  Zürich;  als  Ludwig  an  das  JosefinuiK^=^^° 
nach  Wien   gieng   und   Jacob  Moleschott  aus  Heidelberg   da— ^^ 
von  der  Anatomie  abgetrennte  Ordinariat  für  Physiologie  erhielt^^--'» 
bekam  (1856)  Fick  den  Titel  eines  ausserordentlichen  Professoi^^" 
für    anatomische    und    i)hysiologische    Hilfswissenschaften,    un^^- 
1862  nach  der  Uel)ersiedlung  Moleschott's  nach  Turin  übertru^^ 
man  dem  33  jährigen  Fick,  der  sich  durch  mehrere  ausgezeich — 
neto  Arbeiten  als  vielversprechender  Physiologe  erwiesen  hatte^ 
die  Professur  der  Physiologie.    Die  1 6  Jahre  seiner  Thätigkeit 
in  Zürich  waren  eine  schaffensfrohe  Zeit,    in  der  er  mit  einer 
Anzahl    ausgezeichneter  junger  Naturforscher   verbunden    war 
und  an  die  er  sich  stets  mit  Vorliebe  erinnerte. 

Nach  dem  frühen  Tode  von  Albert  v.  Bezold  erhielt  Fick 
(1868)  einen  ehrenvollen  Kuf  nach  Würzburg,  wo  er  als  ein 
äusserst  geschätzter  Lehrer  und  angesehener  Forscher  31  Jahre 
lang  segensreich  wirkte ;  eine  Anzalil  von  Schülern  hat  er  dorten 
durch  sein  Beispiel  zu  wissenschaftlichem  Schaffen  angeregt. 
Im  Jahre  1899  trat  er  mit  vollendetem  70.  Lebensjahre  noch 
in  vollster  Kraft  des  Kör}>ers  und  Geistes  von  seinem  Lehrami 
/.urürk,  da  er  die  Anschauung  hatte,  dass  eine  Weiterführuug 
d^^^sol^en  über  diese  Zeit  hinaus  nicht  mehr  erspriesslich  sei 
und  man  jungen  Kräften  Platz  machen  müsse. 


0,  Foö:  NtkroJog  auf  ^ils  AMf  Erik  r.  Nordemkiöld.         275 

geologischer  Vorzeit,  sowie  über  die  Eisbildung,  welche  daz.u 
beige  tragen  haben  unsere  Kenntiiisso  von  der  Entwicklung  der 
Erde  und  von  der  Abgrenzung  der  einzelnen  tellurischeii  Zeit- 
alter sicherer  zu  stellen* 

Besouders  nahmen  sein  Interesse  in  Anspruch  die  merk- 
würdigen Ansammlungen  des  eisenhaltigen  feinen  grauschwarzen 
Staubes,  des  Lehmscblaiiimes  oder  Kryokonits,  den  man  in 
Spitzbergen  antrifft,  und  den  er  sogar  auf  dem  ewigen  EiBO 
Griinlnnds  in  weiter  Entfernung  irom  Strande  vorfand;  die 
Staubdecke  ist  aus  diesem  Grunde  und  naeh  dem  Resultate 
der  von  ihm  gemachten  chemischen  Untersuchung  nicht  von 
i^erriebenem  Gneis  Gninlands  abzuleiten;  er  hält  dieselbe  viel- 
mehr wie  die  Meteoriten  für  kosmischen  Ursprungs ^  ent- 
standen durcli  Verbrennung  der  Meteoriten  in  unserer  Atmn- 
^phfire. 

Von  grosser  Bedeutung  sind  seine  Studien  über  dos  Nord- 
licht, welche  er  namentlich  während  des  \\  interaufenthultcs 
im  Nothhafen  zu  Fitlekaj  anstellte;  es  bot  dorten  das  Phänomen 
ganz  andere  Erscheinungen  dar  wie  in  Skandinavien  oder 
Spitzbergen;  .die  geographisehü  Lage  des  Beobachtuugsortes 
bedingt  also  eine  Vei-schiedeuheit  des  Anblicks.  Er  stellte 
daroacli  eine  besondere  Theorie  auf:  er  sagt^  man  müsse  auf 
der  Erde  verschiedene  concentrische  Kreisringe  unterscheiden, 
und  man  nehme  je  nachdem  man  sich  in  dem  einen  oder 
anderen  dieser  Ringe  betinde,  einen  anderen  Typus  des  Nord- 
lichts wahr,  ein  strahlen  werfendes  oder  ein  sogenanntes 
Dra]ierielicht  oder  nur  ein  diffus  leuchtendes.  Der  Mittel- 
punkt der  Hinge  fällt  nach  ihm  nicht  mit  dem  magnetischen 
Nordpol  zusammen»  sondern  liegt  etwas  nördlich  von  letztereuL 

Seine  Ermittlungen  Über  die  Hebung  des  Landes  in  Skan- 
dinavien ergaben,  dass  daselbst  Überall  in  der  Tiefe  von 
lOü  Metern  nach  Durchdringung  der  archiieischen  Formation 
Grundwasser  sich  findet,  so  dass  selbst  auf  kleinen  sonst  wnsser- 
losen  Felseninseln  der  Küste  Bohrungen  zur  grossen  Wohlthat 
der  Bewohner  mit  Erfolg  angestellt  werden  können, 

18» 


276 


OtffeniUche  Sitmnff  vom  13*  Man  1902, 


In  den  letzteii  zwanzig  Jahren  seines  Lebens  beschäftigte 
er  sich  eifrig  mit  der  Geschichte  der  Erdkunde,  Hamen tlich 
durch  Seefahrten  und  ihrer  Darstellung  durch  Karten,  Es 
sind  wahrhaft  grossartige  Leistungen  an  Fleiss  und  Ge- 
nauigkeit. 

1883  gab  er  drei  Karten  %u  den  lleisen  des  Yenetianers 
Zenu  nach  den  Far-Oer,  Island  und  Grünland  heraus,  wobei 
es  sicli  allerdiugs  nach  Storms  um  ein  spateres  Machvrerk 
handelte;  dann  folgte  eine  ueue  Ausgabe  einer  Ueisebeschreibung 
von  Marco  Polo.  1889  erschien  der  Facsimile-Äthis  mit  der 
Entwicklung  der  gedruckten  Landkarten  im  15.  und  Ifi.  Jahr- 
hundert; 1892  zum  400jährigen  Jubiläum  der  Entdeckung 
Amerikas  die  Nachbildung  der  ältesten  Karte  von  Amerika, 
und  1897  der  wunderbare  Periplus  mit  der  Geschichte  der 
Seekarten  und  Segelan  Weisungen  von  ihren  Anfängen  bis  ins 
18.  Jahrhundert.  Diese  Werke  werden  für  lange  Zeit  die 
Grundlage  der  Forschung  auf  dem  Gebiete  der  Kartographie 
und  der  geographischen  Entdeckungen  bilden. 

Es  war  ein  an  Thatcn  reiches  Leben,  die  ihm  durch  seine 
umfangreichen  Kenntnisse,  seine  unauslöschliche  Liebe  zur 
Wissensehaft,  durch  besonnenes  AbwiLgen  des'  ErreJchbaren 
und  sein  entschlossenes  klihnes  Handeln  gelangen.  Er  war 
weit  davon  entfernt  durch  seine  Reisen  und  das  üeben&tehen 
von  6e fahren  Aufsehen  machen  zu  wollen;  auch  wollte  ersieh 
nicht  durch  die  Polsuchereii  die  ihm  von  geringem  wissenschaft- 
lichen Werth  zu  sein  schien,  einen  berühmten  Namen  machen t 
ihm  war  es  nur  uni  die  Wissenschaft  zu  tliun,  welche  er  auch 
als  Mitglied  des  schwedischen  Ueichstages,  dem  er  seit  1860 
angehörte,  durch  Unterstützung  ihrer  Auforjeruiigen  zu  fiirdem 
suchte.  Darum  blieb  er  auch  trotz  reicher  Ehren  und  Aner- 
kennungen der  einfache*  die  liirniende  Oeffentlichkeit  scheuende 
ßelehrte,  der  ob  seiner  Verdienste  um  die  Wissenschaft  in 
seinem  Vaterlande  und  in  der  ganzen  gebildeten  Welt  sitets  in^ 
Ehren  gehalten  werden   wird. 


I 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Adolf  Fiele,  281 

der    von  den  Muskeln  bei  der  Zusammenziehung  jeweils   ent- 
wickelten  Spannungen   doch   noch    sehr  unvollkommen;    Fick 
griflP  die  Sache  wieder  auf  und  verfolgte  die  Abhängigkeit  des 
ContraktioDsverlaufes   von  der  Spannung  genauer,   namentlich 
in    seinem  Buche:  ,, Mechanische  Arbeit  und  Wärmeentwicklung 
bei  der  Muskelarbeit '^  (1882);  der  jeweilige  Zustand  des  Muskels 
ist    darnach  nicht  nur  eine  Funktion  seiner  Länge  und  der  seit 
der   Erregung  verstrichenen  Zeit,  sondern  auch  eine  Funktion 
der   Spannungsänderung.     Er  prüfte  auch  die  Verkürzung  des 
Muskels  bei  der  Wärmestarre,    welcher  Vorgang   in    manchen 
Stücken  viele  Aehnlichkeit  mit  der  Contraktion  besitzt.  —  Er 
vervollkommnete  ausserdem  die  Methode  zum  Aufzeichnen  der 
Muskelcontraktion,    besonders    durch   sein   Pendelmyographion; 
auch    gab    er   zur  Messung   der   von  dem  Muskel   in   längerer 
Zeit   geleisteten  Arbeit  den  Arbeitssammler  an,  der  die  Arbeit 
einer  Reihe  von  Zuckungen  aufspeichert.  —  Viel  beschäftigte 
ilin    die  Frage  nach  der  von  Helmholtz  zuerst  nachgewiesenen 
Wärmeentwicklung  bei  der  Muskelcontraktion,    aus  der  er  die 
Zersetzungsgrösse  im  arbeitenden  Muskel  zu  entnehmen  suchte. 
Er    erfand  dafür   neue,    sehr   feine    thermoelektrische  Vorrich- 
t^ungen,    mit   denen    es    ihm   gelang    auch   die    absolute   beim 
l7etanus    entwickelte  Wärmemenge    annähernd    zu   bestimmen. 
las  wurde  die  Wärmeentwicklung  unter  verschiedenen  Einflüssen 
v^ntersucht    z.  B.  bei    wechselnden  Temperaturen    des  Muskels, 
>JVobei    sich    zeigte,    dass   bei   höherer  Temperatur  des  Muskels 
^ie    Wärmebildung    in    ihm    bei    gleicher    Zuckungshöhe    eine 
^grössere    ist.     Der   ohne  äusseren  Nutzeffekt   zuckende  Muskel 
^giebt,    entsprechend  dem   Gesetz    der  Erhaltung    der   Energie, 
K^nehr  Wärme  nach  aussen  ab  als  der  arbeitende  Muskel.     Be- 
sonders wichtig  ist  der  Nachweis  (1894),  dass  selbst  der  Stoff*- 
x^nisatz  im  tetanisirten  Muskel   von  seiner  Spannung  abhängig 
ist;   denn  bei  gehemmter  Contraktion  im  isometrischen  Zustand 
^^v-iichst  die  Wärmeentwicklung  mit  wachsender  Beizstärke  rascher 
sils  die  Spannung,   so  dass  also  zur  Erhaltung  einer  grösseren 
Spannung  relativ  mehr  Kraft  aufgewendet  werden  muss  als  zur 
Erhaltung  einer  geringeren  Spannung. 


278 


OeffaUHcha  Sümmf  pum  13.  Mmrs  1902. 


Ziehungen  trat,  währenrl  er  vt»n  Johannes  Müller,  der  dumals 
mit  vergleichend  anatomischen  Studien  be^chtlftigt  war,  keine 
bosondere  Anregung  empiing.  Nach  Marburg  zu  rück  gekehrt 
erwarb  er  1851  den  medizinischen  Dfiktorgnid  mit  einer  be- 
iiierkL*nswertben  Dissertation  ^tractatus  de  errore  optico*  und 
trat  hei  seinem  Bruder,  dem  Anatomen,  als  Prosektor  ein;  aber 
bidd  (1852)  forderte  ihn  Ludwig,  der  aU  Professor  der  Ana- 
tomie und  Physiologie  nach  Ziirich  beiiifen  worden  war,  auf, 
zu  ihra  als  Prosektor  zu  kommen.  Ludwig  war  damals  mit 
seinen  ersten  bahnbrechenden  Arbeiten  beschäftigt,  welche  tUe 
Vorgange  im  Organismus  auf  physikaUsche  Wirkungen  zurück- 
zuführen suchten;  von  ihm  wurde  er  TorzÜglich  bestimmt,  seine 
mathematischen  und  physikalischen  Kenntnisse  zur  Erforschung 
der  Lebensvorgänge  anzuwenden  und  erhielt  er  die  Richtung 
seiner  wissenschaftlichen  Forschung.  Es  erfolgte  dia  Habili- 
tation als  Privatdozent  in  Zürich;  als  Ludwig  an  das  Josefinnm 
nach  Wien  gieng  und  Jacob  Moleschott  aus  Heidelberg  das 
von  der  Anatomie  abgetrennte  Ordinariat  für  Physiologie  erhielt, 
bekam  (1856)  Fick  den  Titel  eines  ausserordentlichen  Professors 
für  anatomische  und  physiologische  Hilfswissenschaften,  und 
1862  nach  der  Uebersiedluwg  Moleschott 's  nach  Turin  übertrug 
man  dem  33  jährigen  Fick,  der  sieh  durch  mehrer©  ausgezeich- 
nete Arbeiten  als  vielversprechender  Physiologe  erwiesen  hatte, 
die  Professur  der  Physiologie,  Die  16  Jahre  seiner  Thatigkeit 
in  Zürich  waren  eine  schaffensfrohe  Zeit,  in  der  er  mit  einer 
Anzahl  ausgezeichneter  junger  Naturforscher  verbunden  war 
und  an  die  er  sich  stets  mit  Vorliebe  erinnerte* 

Kach  dem  frühen  Tode  von  Albert  v.  Bezold  erhielt  Fick 
(1868)  einen  ehrenvollen  Ruf  nach  Würzburg,  wo  er  als  ein 
äusserst  geschätzter  Lehrer  und  angesehener  Forscher  31  Jahre 
lang  segensreich  wirkte;  eine  Anzahl  von  Schülern  hat  er  dorten 
durch  sein  Beispiel  zu  wissenschaftlichem  Schauen  angeregt, 
Ln  Jahre  1899  trat  er  mit  vollendetem  70.  Lebensjahre  noch 
in  vollster  Kraft  des  Körpers  und  Geistes  von  seinem  Lehramt 
zurück,  da  er  die  Anschauung  hatte,  dass  eine  "Weiterftlhrung 
desselben  über  diese  Zeit  hinaus  nicht  mehr  erspriesslicb  sei 
und  man  jungen  Kräften  Plat^  machen  mllsse. 


C.  V&ii:  Nfkrdoif  auf  AMf  Fifjt. 


279 


Seim*  Arbeiten  zeichnen  sich  aus  durch  grosses  Wissen 
und  einen  scharfen  kritischen  Verstand,  Schon  als  Student 
ver51Tt.'ntl!chte  Fick  (1850)  seine  von  ihm  gleich  bei  Beginn 
der  Uöiversitätsstudien  in  Angriff'  genonaniene  wissenschaftliche 
rntersuchiing:  ^statische  Betrachtungen  der  Muskulatur  des 
Oberschenkelb*  (mit  einem  Vorwort  von  LI  Ludwig),  in  der  er 
die  mechanischen  Verhrdtnisse  der  Huftgelenksniuskeln  analy- 
?iirte,  indem  er  für  jeden  Muskel  des  Oberschenkels  die  ihm 
ii«jtiivalente  Hegiil taute  suUstituirte  und  die  Drehung^mumente 
der  ifi  Betracht  kommenden  zwanzig  Muskeln  in  Bezug  auf 
ei  durch  den  llüftgelenksmittelpunkt  gelegte  Achsen  be- 
stimmte. Spater  hat  er  sich  noch  mehrmals  mit  Problemen 
4er  Mechanik  des  menscblichen  Körpers  beschäftigt:  in  einer 
Abhandlung  über  die  Gelenke  mit  sattelförmigen  Flächen  (1854), 
dann  in  einer  grundlegenden  Darstellung  der  Muskelstatik  und 
der  Ueometrie  der  Gre lenke  in  seiuer  raediziniselien  Phjsik  und 
in  den  Studien  über  die  complizirten  Bewegungen  des  mensch- 
lichen Augapfels  durch  seine  sechs  Muskeln,  wobei  er  nach 
Ermittlung  der  Drehungsachsen  und  der  Momente  der  Muskeln 
die  Betheiligung  der  letzteren  an  der  Ausführung  bestimmter 
Bewegungen  darthat  sowie  dem  Drehpunkt  im  Auge  feststellte. 

Zu  seinen  ersten  Arbeiten  gelioren  die  über  die  Hydro- 
diffusion  und  Endosnose  (185o)t  welche  im  Anschluss  an  die 
im  Ludwig*schen  Laboratorium  zur  Erklärung  der  Resorption 
uud  des  Austauschs  der  Stotte  im  Körper  angestellten  Versuche 
gemacht  wurden.  Er  erfand  dabei  ein  huchst  sinnreiches  Ver- 
fahren, um  den  Ahlauf  der  Diffusion  näher  zu  verfolgen,  indem 
er  in  die  diffundirende  Flüssigkeit  verschieden  schwere  Glas- 
kugeln einsenkte»  welche  je  nach  ilirem  Gewicht  in  verschie- 
denen Hohen  schwammen,  woraus  er  dann  das  specifisehe  Ge- 
wicht der  Lösung  von  Schicht  zu  Schicht  erhielt.  Er  stellte 
dadurch  sein  Gesetz  fest,  da^s  die  aus  einer  Schicht  in  eine 
andere  in  einem  Zeitelemente  übergehende  Salzmenge  dem 
Flächeninhalt  unddemConcentrationsunterschied  proportional  ist 

Seine  Kenntnisse  in  der  Mechanik  führten  ihn  naturgenifijss 
zu    dem   Studium   der    einer   mathematischen  Behandlung   am 


284  Oeffentliche  Sitzung  vom  13.  März  1902. 

schiedene  Erregbarkeit  funktionell  verschiedener  Nerven ;  femer- 
dass  die  Fasern  des  Rückenmarks  direkt  erregbar  sind,  was  ^ 
Manche  geleugnet  hatten. 

Ueber  die  Physiologie  des  Sehens  liegen  von  ihm  wichtige 
Beobachtungen  vor.  Er  war  es,  der  zuerst,  schon  in  seiner " 
erwähnten  Dissertation  Tractatus  de  errore  optico,  die  ungleiche 
Deutlichkeit  vertikaler  und  horizontaler  Linien  erkannte  und 
von  einer  verschiedenen  Krümmung  der  Hornhautmeridiane  ab- 
leitete; aus  dieser  seine  feine  Beobachtungsgabe  dartbuenden 
Erscheinung  entwickelte  sich  namentlich  durch  Donders  die  für 
die  Augenheilkunde  so  bedeutungsvolle  Lehre  vom  Astigmatis- 
mus. —  Indem  er  auf  die  Vorderfläche  der  Linse  einer  Camera 
obscura  Oeltropfen  brachte,  wodurch  äussere  leuchtende  Punkte 
oder  Linien  bei  ungenauer  Einstellung  im  Bilde  doppelt  und 
vielfach  erscheinen,  erklärte  er  das  bis  dahin  räthselhafte 
Doppelt-  und  Mehrfachsehen  mit  einem  Auge  oder  die  Dis- 
kontinuität der  Zerstreuungsbilder  durch  Unregelmässigkeiten 
in  den  brechenden  Medien  des  Auges.  —  Er  gab  (1888)  ein 
brauchbares  Instrument  an,  um  den  Druck  im  Auge  des  leben- 
den Menschen  zu  bestimmen,  das  Ophthalmo-Tonometer.  — . 
Eine  Scheibe  mit  einem  weissen  und  schwarzen  Sektor  giebi 
nach  Fick  bei  rascher  Drehung  nicht  eine  mittlere  Helligkeit, 
wie  Helmholtz  glaubte,  sie  erscheint  vielmehr  heller  durch  das 
Uebergewicht  der  intermittirenden  Reize.  —  Sehr  schön  ist  die 
Beobachtung,  dass  wenn  man  einen  einzelnen  farbigen  Punkt 
in  gewisser  Entfernung  nicht  mehr  als  farbig  erkennt,  die 
Farbe  wieder  erscheint,  sobald  mehrere  farbige  Punkte  zu 
gleicher  Zeit  dargeboten  werden.  —  Seine  Beiträge  zum  zeit- 
lichen Verlauf  der  Netzliauterregung  haben  werthvoUe  Auf- 
klärung gebracht.  —  Die  Erklärung  der  Farbenempfindungen 
und  die  Theorie  der  Farbenblindheit  haben  ihn  mehrmals  zu 
Untersuchun<jpn  und  Spekulationen  angelockt;  er  war  ein 
eifriger  Veit'ecliter  der  so  einfachen  Young'schen  Farbentheorie 
und  er  konnte  sieh  namentlich  nicht  mit  der  von  Hering  auf- 
gestellten Anschauung  von  der  Assimilation  und  Dissimilation 
befreunden. 


a  Vüit:  mjfcrfi%  mtf  Adolf  Fick. 


281 


>n  den  Muskdn  bei  rier  Zus^animen Ziehung  jeweils  ent- 
wickelten Spannungen  doch  noch  sehr  unvollkommen:  Fick 
griff  die  Suche  wieder  auf  und  verfolgte  die  Abhängigkeit  des 
Contraktionsverlaufes  Ton  der  Sjiannung  genauer,  namentlich 
in  seinem  Buche:  ^Mechanische  Arbeit  und  Wärnieentwicklung 
bei  der  Mugkolarbeit"  (18B2);  der  jeweilige  Zustand  des  Maskeis 
ist  darnach  nicht  nur  eine  Funktion  seiner  Länge  und  der  seit 
der  Erregung  verstrichenen  Zeit,  sondern  auch  eine  Funktion 
der  SpÄUnungsänderung.  Er  prüfte  auch  die  VerkUraung  des 
Muskels  bei  der  Wärmestarre^  welcher  Vorgang  in  manchen 
Stücken  viele  Aehnlichkeit  mit  der  Contraktion  besitzt»  —  Er 
vervollkoramnete  ausserdem  die  Methode  zum  Aufzeichnen  der 
Muskel  contraktion,  besonders  durch  sein  Pendehujographion; 
auch  gab  er  zur  Messung  der  von  dem  Muskel  in  längerer 
Zeit  geleisteten  Arbeit  den  Arbeitssamraler  an,  der  die  Arbeit 
einer  Reihe  von  Zuckungen  aufspeichert*  —  Viel  beschäftigte 
ihn  die  Frage  nach  der  von  Ilelniholtz  zuerst  nachgewiesenen 
Wärmeentwicklung  bei  der  Muskekontraktion,  aus  der  er  die 
Zersetz ungsgrosne  im  arbeitenden  Musktd  zu  entnehmen  suchte. 
Er  erfand  daiür  neue,  sehr  feine  thermoelektrisclie  Vorrich- 
tungen, mit  denen  es  ihm  gelang  auch  die  absolute  beim 
Tettinu^s  entwickelte  Wärmemenge  annähernd  zu  bestimmen. 
Es  wurde  die  Wärmeentwicklung  unter  verschiedenen  Einflüssen 
uniersucht  z.  B.  bei  wechselnden  Temperaturen  des  Muskels, 
wobei  sich  zeigte,  dass  bei  höherer  Temperatur  des  Muskels 
die  Wärmebildung  in  ihm  bei  gleicher  ZuckungshOhe  eine 
grössere  isL  Der  ohne  äusseren  Nutzeffekt  zuckende  Muskel 
giebt,  entsprechend  dem  Gesetz  der  Erhaltung  der  Energie, 
mehr  Wärme  nach  aussen  ab  als  der  arbeitende  MuskeL  Be- 
sonders wichtig  ist  der  Nachweis  (1894),  diLss  iselbst  der  Stotf- 
Umsatz  im  tetanisirten  Muskel  von  seiner  Spannung  abhängig 
ist;  denn  bei  gehemmter  (Kontraktion  im  isometrischen  Zustand 
wächst  die  Wärmeentwicklung  mit  wachsender  Keizstärke  nxscliei' 
als  die  Spannung,  so  flass  also  zur  Erhaltung  einer  grösseren 
Spannung  relativ  mehr  Kraft  aufgewendet  werden  muss  als  S5ur 
Erhaltung  einer  geringeren  Spannung, 


282  OeffeiiiUdie  Siiiupff  wm  13.  Man  imz 

Der  Vorgknch  der  gebilileten  Wärme  mit  der  gelekteten 
Arbeit  stellt  sich  bt^riii  Muskt?l  günstiger  als  bei  guttun  Daiiipf- 
mascbinen;  wähipnj  der  Nutzetfukt  dtjr  letzteren  5  bis  IiöcIh 
steiis  12%  beträgt,  ist  der  des  elfteren  20  bis  25  ^/t».  Ficki 
sprach  darauf  bin,  ge^stti tzt  auf  den  zweiten  Hauptsatz,  der 
iiiechanisehen  Wfirnietheorie,  den  prinzipiell  ungemein  wich- 
tigen Satz  aus,  daÄ.s  die  durch  die  Stoflzersctzungen  im  MiDsktd 
entstehende  kinetische  Energie  nicht  zuerst  in  Wünuebewegnng 
umgewandelt  wird  und  diese  dann  erst  die  Muskelcoiitraktion  be- 
dingt, sondern  dnss  vielmehr  die  bei  der  Zersetzung  frei  werden ilo 
cbeTnische  Energie  direkt  in  niechauiscbe  Übergebt  oder  mit  an- 
deren Worten,  dass  der  Muskel  keine  thermodynamtsclie  Ma^scliiue 
ist  wie  eine  Dampfmaschine.  Er  wendet  sich  dabei  auch  gegen 
Engelmann's  Erklärung  des  Contraktions Vorgangs  als  einer 
Quellung  der  anisotropen  Substanz  und  gegen  andere  mögliche 
Erklärungsarten,  weil  sie  un  Widerspruch  stehen  mit  dem 
/^weiten  Hauptsatz  der  mechanischen   Warnietheorie.   — 

Weiterhin  wurde  von  Fick  die  Lehre  von  der  Herz-  und 
Blutbewegung  durch  viele  bedeutsame  Thatsachen  bereicbert 
Er  war  der  Erste,  welcher  die  Grösse  der  Herzarbeit  aus  dem 
von  ihm  gemessenen  Gewicht  und  der  Hohe  des  bei  jeder 
Systole  gehobenen  Blutes  berechnete.  Ans  der  Beobachtung, 
dass  das  in  Ziekzackabschnitte  getbeilte  Proschherz  noch  ganz 
normale  Zusamujenziehungeii  macht,  erschloss  er  die  Fort- 
pflanzung der  Erregungsleitung  und  Contraktion  von  Muskel- 
zelle zu  Muskelzelle.  Die  Kritik  der  gebräuchlichen  Queek- 
silbermanometer  zur  Aufzeichnung  der  Schwankungen  des 
Blutdrucks,  welche  durch  die  Triigheit  der  zu  bewegenden 
Masse  mannigfache  Fehler  zeigen,  führte  ihn  zur  Krtiudung 
anderer  W^ellenmchnerT  besonders  der  nur  in  geringem  Grade 
Eigenschwingungen  zeigenden  Membran-Manometer,  welche  jetzt 
in  verscbiedener  Form  zu  wissenschaftlichen  Zwecken  fast  aus- 
schliesslich angewendet  werden.  Er  beobachtete  mit  denselben 
die  Erscheinung  des  Dikrotismus»  dann  die  Blutdruckscbwan- 
kungen  an  mehreren  Artenen  zu  gleicher  Zeit,  sowie  in  der 
Aorta   und   in   der   Herzkammer,    und  zog    wichtige  Schlüsse 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Adolf  Fick,  287 

n  Zweigen  menschlichen  Wissens.  Er  suchte  nicht  nur 
ch  emsige  Arbeit  die  Kenntnisse  in  der  Naturwissenschaft 
fördern,  er  war  auch  bestrebt  das  Errungene  anzuwenden 
i  Wohle  der  Menschheit  in  körperlicher  und  sittlicher  Be- 
ung.  Von  wahrhaft  idealer.  Gesinnung  und  von  reinster 
Ittung  und  Lauterkeit  des  Charakters  suchte  er  seinen 
Jen  nachzukommen  und  Opfer  für  sie  zu  bringen;  stets 
mnte  er  oflFen  seine  Ueberzeugung  und  trat  furchtlos  ein 
das,  was  er  für  wahr  und  gut  hielt,  auch  wenn  es  den 
chauungen  der  Mehrheit  widersprach. 

Er  betheiligte  sich  thatkräftig  an  den  Fragen  der  Er- 
ung  in  den  Schulen  und  an  den  Angelegenheiten  des  Volks- 
les.     Durch  seine  Vorliebe  für  die  Naturwissenschaften  und 

grossen  Erfolge  war  er  überzeugt,  dass  diese  jüngste 
bter  menschlichen  Wissens  auch  besonders  geeignet  sei  den 
t  auszubilden;  er  schloss  sich  daher  mit  Feuereifer  der 
egung  an,  welche  den  Realgymnasien  mit  naturwissen- 
tftlicher  Vorbildung  den  Zutritt  zu  den  Studien  an  der  Uni- 
itiit,  namentlich  der  Medizin,  gewähren  sollte.  Er  war  der 
Qung,  die  humanistischen  Gymnasien  bereiteten  ihre  Zög- 
e  nicht  so  weit  vor,  um  die  Naturwissenschaften  und  die 
lizin  auf  der  Universität  gehörig  zu  erfassen.  Ob  dies  die 
turienten  des  Realgymnasiums  thun  und  besser  denken  ge- 
t  haben,  das  rauss  die  Zeit  lehren. 

Fick  war  bekanntlich  einer  der  heftigsten  Gegner  des 
ohols,  der  ihm  kein  Bedürfniss  für  den  Menschen  zu  sein 
ien  und  in  dem  er  wie  so  viele  andere  eine  grosse  Gefahr 
das  Volkswohl  erblickte;  er  bekämpfte  daher  die  unsinnigen 
nksitten  in  unserem  Vaterlande  und  verpflichtete  sich  zu 
liger  Abstinenz. 

Das  was  der  edle  Mann  und  bedeutende  Gelehrte  gesäet, 
•d  noch  über  sein  Leben  hinaus  reiche  Früchte  tragen. 


284 


Oe/f^nllkhc  Siiiumi  mm  13.  Mars  1902, 


scliiedene  Erregbarkeit  funktionell  verschiedener  N^rY<?n ;  ferner 
dass  die  Fasern  dea  Rückenmarks  direkt  erregbar  sind,  was 
Manche  geleugnet  hat  tun. 

Ueber  die  Physiologie  des  Sehens  liegen  von  ihm  wichtige 
Beobachtungen  vor*  Er  war  es,  der  zuerst,  schon  in  seiner 
erwähnten  Dissertation  Tractatus  de  errore  tiptico*  die  ungleiche 
Deutlichkeit  vertikaler  nnd  horizontaler  Linien  erkannte  und 
von  einer  verschiedenen  Krümmung  der  Hurnbautnieridtane  ab- 
leitete; aus  dieser  seine  feine  Beobachtungsgabe  darthuenden 
Erscheinung  entwickelte  sich  namentlich  durch  Donders  die  für 
die  Augenheilkunde  so  bedeutungsvolle  Lehre  vom  Astigmatis- 
mus. —  Indem  er  auf  die  Vorderfläche  der  Linse  einer  Camera 
obscura  Oel tropfen  brachte,  Tvodurch  fiussere  leuchtende  Punkte 
oder  Linien  bei  ungenauer  Einstellung  im  Bilde  doppelt  und 
vielfach  erscheinen^  erklärte  er  das  bis  dahin  Hithselhafte 
Doppelt-  und  Mehrfachijehen  mit  einem  Auge  oder  die  Dis- 
kontinuität der  Zerstreuungsbilder  durch  Unregelmässigkeiten 
in  den  brechenden  Medien  des  Auges.  — -  Er  gab  (1RS8)  ©in 
branchbares  Instrument  an,  um  den  Druck  im  Auge  des  leben- 
den Menschen  zu  bestimmen,  das  Ophthalnio-Tonometen  — 
Eine  Scheibe  mit  einem  weissen  und  schw^arz^en  Sektor  giebt 
nach  Fick  bei  rascher  Drehung  nicht  eine  mittlere  Helb"gkeit, 
wie  Helmhol tz  glaubte,  sie  erscheint  vielmehr  heller  durcli  das 
LTeberge wicht  der  in termittiren den  Reize,  —  Sehr  schön  ist  die 
Beobachtung,  duss  wenn  man  einen  einzelnen  farbigen  Punkt 
in  gewisser  Entfernung  nicht  mehr  als  farbig  erkennt,  die 
Farbe  w^ieder  erscheint,  sobald  mehrere  farbige  Punkte  tu 
gleicher  Zeit  dargeboten  werden*  —  Seine  Beiträge  zum  zeit- 
lichen Verlauf  der  Netzhauterregung  haben  werth volle  Auf- 
klärung gebracht,  —  Die  Erklärung  der  Farbenemplin düngen 
nnd  die  Theorie  der  Farbenblindheit  haben  ihn  mehrmals  mu 
Untersuchungen  und  Spekuhxtionen  angelockt;  er  war  ein 
eifriger  Verfechter  der  so  einfachen  Young\scben  Farben theorie 
nnd  er  konnte  sich  namentlich  nicht  mit  der  von  Hering  auf- 
gestellten Anschauung  von  der  Assimilation  und  Dissimilation 
befreunden. 


C,  Voit:  Nekrolog  auf  Adolf  Fick.  287 

n  Zweigen  menschlichen  Wissens.  Er  suchte  nicht  nur 
ch  emsige  Arbeit  die  Kenntnisse  in  der  Naturwissenschaft 
fordern,  er  war  auch  bestrebt  das  Errungene  anzuwenden 
1  Wohle  der  Menschheit  in  körperlicher  und  sittlicher  Be- 
lung.  Von  wahrhaft  idealer.  Gesinnung  und  von  reinster 
ittung  und  Lauterkeit  des  Charakters  suchte  er  seinen 
ilen  nachzukommen  und  Opfer  für  sie  zu  bringen;  stets 
annte  er  oflFen  seine  Ueberzeugung  und  trat  furchtlos  ein 
das,  was  er  für  wahr  und  gut  hielt,  auch  wenn  es  den 
»chauungen  der  Mehrheit  widersprach. 

Er  betheiligte  sich  thatkräftig  an  den  Fragen  der  Er- 
Lung  in  den  Schulen  und  an  den  Angelegenheiten  des  Volks- 
iles.  Durch  seine  Vorliebe  für  die  Naturwissenschaften  und 
i  grossen  Erfolge  war  er  überzeugt,  dass  diese  jüngste 
hier  menschlichen  Wissens  auch  besonders  geeignet  sei  den 
st  auszubilden;  er  schloss  sich  daher  mit  Feuereifer  der 
regung  an,  welche  den  Realgymnasien  mit  naturwissen- 
iftlicher  Vorbildung  den  Zutritt  zu  den  Studien  an  der  üni- 
sität,  namentlich  der  Medizin,  gewähren  sollte.  Er  war  der 
nung,  die  humanistischen  Gymnasien  bereiteten  ihre  Zög- 
re  nicht  so  weit  vor,  um  die  Naturwissenschaften  und  die 
Jizin  auf  der  Universität  gehörig  zu  erfassen.  Ob  dies  die 
iturienten  des  Realgymnasiums  thun  und  besser  denken  ge- 
it  haben,  das  muss  die  Zeit  lehren. 

Fick  war  bekanntlich  einer  der  heftigsten  Gegner  des 
kohols,  der  ihm  kein  Bedürfniss  für  den  Menschen  zu  sein 
lien  und  in  dem  er  wie  so  viele  andere  eine  grosse  Gefahr 
r  das  Volkswohl  erblickte;  er  bekämpfte  daher  die  unsinnigen 
inksitten  in  unserem  Vaterlande  und  verpflichtete  sich  zu 
lliger  Abstinenz. 

Das  was  der  edle  Mann  und  bedeutende  Gelehrte  gesäet, 
ird  noch  über  sein  Leben  hinaus  reiche  Früchte  tragen. 


Oeffenilkhe  Siimng  mm  1$^  Mars  1^02 


Fick  und  WisUcemis  wurde  doch  dieser  Satz  zuerst  besiimmi 
erwiesen  und  auj^gesprejchen.  Spater  wurde  durch  Versuche  in 
meinem  Lalioratorium  strengstens  dargetlmn,  dass  sowohl  das 
Eiweiss  nh  auch  die  sticksti^^fffreien  Stofle  bei  ihrer  Zersetzung 
im  Körper  di**  Kraft  zur  Arla^it  liefL*rn.  Im  Uebrigen  wür- 
digte Pick  nicht  gehörig  die  Errungenschaften  in  der  I/ehre 
Tom  allgemtinen  Stoffwechsel  und  der  Ernährung,  ilic^ses 
grossen  und  wichtigen  TheiU  der  Physiologie,  wie  auch  so 
manche  andere  Physiologen,  welche  keine  Erfahrungen  in  dieser 
Richtung  gemacht  haben.  Seine  Veröffentlichungen  über  daa 
Pepton  und  seine  Schicksale  in  der  Blutbahn,  über  den  Eiweiss- 
Stoffwechsel,  über  die  Bedeutung  des  Eiwei.sses  und  Fettes  in 
der  Nalirung  etc.  etc.  stützen  sich  grosst^ntheils  nicht  auf 
eigene  Arbeiten »  sondern  bringen  nur  gelegentliche  Gedanken 
über  diese  Vorgange. 

Wir  verdanken  Fick  auch  eine  Anzahl  trefflicher  Lehr- 
bücher, die  sich  durch  ungemein  klare  und  fassliche  Darstel- 
lung aus?.eichnen;  besonders  ist  hierzu  nennen  die  medizinische 
Physikt  wtdche  er  (1850)  in  seinem  27,  Lebensjahre  schrieb 
und  die  erste  einheitliche  Darstellung  der  Lehren  der  Physik 
in  ihrer  Anwendung  auf  die  Physiologie  brachte,  sowie  das 
Lehrbuch  der  Anatonue  und  Physiologie  der  Sinnesorgane  {L^6ä). 

Fick  begnügte  sich  jedoch  nicht  mit  rein  physiologissiciieß 
Aufgaben;  seine  Veranlagung  und  seine  Kenntnisse  in  der 
Mathematik  und  Physik  führten  ihn  zur  Betrachtting  allge- 
meiner Fragen  der  Mechanik  und  erkenntnisstheoretischer  Pro- 
bleme. Es  gehören  hierher  seine  Schriften:  über  die  der 
Mechanik  zu  Grunde  liegenden  Anschauungen,  über  das  Prinzip 
der  Zerstreuung  der  Energie,  der  Versuch  einer  physischen  Deu- 
tung der  kritischen  Geschwindigkeit  in  Weber^s  Gesetz,  Über  den 
Druck  im  Innern  von  Flüssigkeiten,  Ursache  und  Wirkung, 
die  Na turk täfle  in  ihrer  Wechselwirkung,  das  Grössengebiet 
der  vier  Rechnungsarten,  das  Weltall  als  Vorstellung,  phil^ 
aophischer  Versuch  über  die  Wahrscheinlichkeit,  die  stetige 
IlaumerfTillung  durch  Masse. 

In  diesem  Streben   nahm   er  das   lebhafteste  Interesse  an 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Adolf  Fiele,  287 

m  Zweigen  menschlichen  Wissens.  Er  suchte  nicht  nur 
ch  emsige  Arbeit  die  Kenntnisse  in  der  Naturwissenschaft 
fordern,  er  war  auch  bestrebt  das  Errungene  anzuwenden 
1  Wohle  der  Menschheit  in  körperlicher  und  sittlicher  Be- 
lung.  Von  wahrhaft  idealer.  Gesinnung  und  von  reinster 
ittung  und  Lauterkeit  des  Charakters  suchte  er  seinen 
ilen  nachzukommen  und  Opfer  für  sie  zu  bringen;  stets 
annte  er  offen  seine  Ueberzeugung  und  trat  furchtlos  ein 
das,  was  er  für  wahr  und  gut  hielt,  auch  wenn  es  den 
>chauungen  der  Mehrheit  widersprach. 

Er  betheiligte  sich  thatkräftig  an  den  Fragen  der  Er- 
lung  in  den  Schulen  und  an  den  Angelegenheiten  des  Volks- 
iles.  Durch  seine  Vorliebe  für  die  Naturwissenschaften  und 
3  grossen  Erfolge  war  er  überzeugt,  dass  diese  jüngste 
;hter  menschlichen  Wissens  auch  besonders  geeignet  sei  den 
st  auszubilden;  er  schloss  sich  daher  mit  Feuereifer  der 
v^egung  an,  welche  den  Kealgjmnasien  mit  naturwissen- 
aftlicher  Vorbildung  den  Zutritt  zu  den  Studien  an  der  Uni- 
sitiit,  namentlich  der  Medizin,  gewähren  sollte.  Er  war  der 
inung,  die  humanistischen  Gymnasien  bereiteten  ihre  Zög- 
^e  nicht  so  weit  vor,  um  die  Naturwissenschaften  und  die 
dizin  auf  der  Universität  gehörig  zu  erfassen.  Ob  dies  die 
iturienten  des  Realgymnasiums  thun  und  besser  denken  ge- 
nt  haben,  das  muss  die  Zeit  lehren. 

Fick  war  bekanntlich  einer  der  heftigsten  Gegner  des 
kohols,  der  ihm  kein  Bedürfniss  für  den  Menschen  zu  sein 
[lien  und  in  dem  er  wie  so  viele  andere  eine  grosse  Gefahr 
r  das  Volkswohl  erblickte;  er  bekämpfte  daher  die  unsinnigen 
"inksitten  in  unserem  Vaterlande  und  verpflichtete  sich  zu 
lliger  Abstinenz. 

Das  was  der  edle  Mann  und  bedeutende  Gelehrte  gesäet, 
trd  noch   über  sein  Leben  hinaus  reiche  Früchte  tragen. 


288  Oe/fentUche  Sitzung  vom  13,  März  1902. 

Alexander  Eowalewski. 

(Die  Daten  zu  diesem  Nekrologe  habe  ich  von  Herrn  CoUegen 
Richard  Hertwig  erhalten.) 

Alexander  Kowalewski  wurde  am  7./ 19.  November  1840 
auf  dem  Gute  Workowo  (Bezirk  Dünaburg)  geboren.  Den 
Elementarunterricht  erhielt  er  in  seinem  Eltemhause,  1856  be- 
suchte er  die  Ingenieurschule,  1859  die  Universität  in  Petersburg, 
wo  er  Naturwissenschaften  studirte.  Im  Herbst  1860  setzte 
er  seine  Studien  in  Heidelberg  fort,  wo  er  bei  Bunsen,  Carius 
und  Bronn  arbeitete.  Von  Heidelberg  ging  er  1861  nach 
Tübingen,  um  hier  Leydig,  Mohl,  Luschka  und  Quenstedt  zu 
hören.  1862  nach  Petersburg  zurückgekehrt,  bestand  er  sein 
erstes  Examen.  Die  zwei  folgenden  Jahre  verlebte  er  mit 
selbständigen  zoologischen  Arbeiten  beschäftigt  abermals  im 
Ausland,  zum  Theil  an  den  Küsten  des  Mittelmeers.  1865  er- 
langte er  auf  Grund  seiner  Arbeit  über  die  Entwicklung  des 
Aiuphioxus  lanceolatus  die  Würde  eines  Magisters  der  Zoologie, 
zwei  Jahre  später  auf  Grund  seiner  Dissertation  über  die  Ent- 
wicklung von  Phoronis  die  Doktorwürde.  Im  Jahre  1866  zum 
('Ustos  der  zoologischen  Sammlung  und  Privatdocenten  an  der 
Universität  Petersburg  ernannt  las  er  hauptsächlich  über  ver- 
gleichende Anatomie;  doch  wurde  er  schon  1868  als  ausser- 
ordentlicher Professor  der  Zoologie  nach  Kasan,  ein  Jahr 
später  als  ordentlicher  Professor  nach  Kiew  berufen.  1870 
machte  er  behufs  Untersuchungen  über  die  Entwicklung  der 
Hrachiopoden  und  zum  Zwecke  von  Sammlungen  eine  ßeise 
an  das  rothe  Meer  und  nach  Algier.  In  den  Jahren  1878  —  1887 
war  Kowalewski  Professor  der  Zoologie  in  Odessa,  von  da  ab 
bis  zu  seinem  Lebensende  an  der  Akjidemie  in  St.  Petersburg» 
wo  er  am  22.  November  1901   starb. 

In  Kowali^wski's  wissenschaftlicher  Thätigkeit  kann  man 
zwei  Perioden  unterscheiden.  In  den  ersten  20  Jahren  be- 
sihiiftititi'  er  sirli  liaiipt^äelilieli  mit  Studien  über  vergleichende 
Knt  \\  iekhinüTsuiMhielite.  Kr  untersuchte  zuerst  die  Entwicklung 
dos    inrrkwünlii^eii    Ainplnoxus    und    der  Tunicaten,    dann   die 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Alexander  Kotoalewski.  289 

Phoronis,  Sagitta,  Balanoglossus,  den  Brachiopoden,  Insecten 

Ringelwürmern,  den  Korallen  und  Mollusken.     Abgesehen 

vielen  einzelnen  wichtigen  Ergebnissen  haben  diese  Unter- 
lungen  das  bedeutungsvolle  Gesammtresultat  gefördert,  dass 
Keimblättertheorie  und  demgemäss  die  Unterscheidung  von 
»derm,  Ektoderm  und  Mesoderm,  welche  viele  Zoologen 
1  Embryologen  auf  die  Wirbelthiere  beschränkt  wissen  wollten, 
h  für   die   wirbellosen  Thiere  Geltung  besitze.     Abgesehen 

Baer's  berühmter  Entwicklungsgeschichte  des  Hühnchens 
I   von   HaeckePs  Gasträatheorie   haben    keine  Arbeiten   auf 

Fortgang  der  vergleichenden  Entwicklungsgeschichte  einen 
lachhaltigen  Einfluss  ausgeübt  wie  die  Arbeiten  Kowalewski's. 
[her  als  die  meisten  anderen  Zoologen  bediente  er  sich  dabei 

Methode  dünner  Querschiiitte,  Es  ist  ein  Zeugniss  seiner 
sergewöhnlichen  Beobachtungsgabe,  dass  trotzdem  die  Schnitt- 
hoden damals  noch  sehr  mangelhaft  waren,  er  mit  ihnen 
gezeichnete  Resultate  zu  erzielen  wusste. 

Von  den  genannten  entwicklungsgeschichtlichen  Unter- 
bungen   erregte   (1866 — 1867)  das   grösste  Aufsehen   nicht 

in  den  Kreisen  der  Zoologen,  sondern  bei  allen,    die  sich 

die  damals  in  den  Vordergrund  gestellte  Descendenztheorie 
Tessirten,  diejenigen  welche  die  Entwicklung  der  Ascidien 
des  Amphioxus  behandelten,  indem  sie  zum  ersten  Male 
überraschender  Weise  darthaten,  dass  unter  allen  wirbel- 
n  Thieren  die  Tunicaten  den  Wirbelthieren  am  nächsten 
len.  Kowalewski  wies  in  ihnen  nach,  dass  zwischen  beiderlei 
ihrer  äusseren  Erscheinungsweise  so  grundverschiedenen 
ergruppen    eine   ganz    überraschende  Uebereinstimmung   in 

Entwicklungsgeschichte  besteht,  und  er  machte  bei  Aus- 
nung  seiner  Untersuchungen  auf  die  niedersten  Fische,  die 
e,  drei  weitere  fundamentale  Entdeckungen:  erstens  dass 
i  bei  den  Ascidien  in  gleicher  Weise    wie  beim  Amphioxus 

Nervensystem  als  Neuralrohr  auf  dem  Wege  der  Faltung 
iet  und  dieses  Neuralrohr  durch  den  Canalis  neurentericus 
übergehend  mit  dem  Darmrohr  communicirt,  zweitens  dass 
h  die  Ascidien   ein    axiales  Skelet   in    der  Chorda   dorsal is 

)02.  Sitznogsb.  d.  maÜL-pliys.  OL  19 


2dü 


Öeffenitkhe  SUiun(f  vmn  18.  Mars  1902. 


besitzen»  wt^lehe  im  Gingen satz  2:11  der  htnrwch enden  Ansc^liau- 
ungs weise  nicht  aus  Jom  Mtjsuderm,  sondern  aus  dem  Eiitoderm 
mch  entwickelt,  und  drittens  beim  Ämphioxus  die  Lei  bekohle 
durch  Divertikelbildung  vom  Urdarai  entsteht,  wobei  zugleich 
das  Mesoderni  oder  mittlere  Keimblatt  als  Abkömmling  des 
Entuderms  gebildet  wird,  ein  Vorgang  der  von  ihm  in  gleicher 
Weise  für  Sagitta  und  die  Bracbiopode  Argiope  bewiesen  wurde* 

Den  genannten  Untersutdiungen  über  die  Entwicklung  aus 
dem  Ei  schlosa  Kowalewski  weitere  Arbeiten  über  die  Knospungs- 
Yorgänge  der  Tunicaten  an.  Dabei  ergab  sich  das  unerwartete, 
inzwischen  aber  anderweitig  bestätigte  Resultat,  dass  die  Or- 
gane sich  nicht  nach  gleicbem  Princip  wie  bei  der  Entwick- 
lung aus  dem  Ei  anlegen  ^  dass  z*  B.  Organe,  welche  bei  der 
Embryonalen t Wicklung  vom  Ektoderm  gebildet  werden,  bei  der 
Knaspung  vom  Entodorm  aus  entstehen. 

In  den  letzten  Jahrzehnten  seines  Lebens  wandte  sich 
Kowalewski  mehr  physiologischen  Fragen  und  der  e^cperimeu- 
tellen  Zoologie  zu.  Die  Erfahrung,  dass  gewisse  Farbstoffe 
wie  Indigcarmin  und  carminsaures  Annnoniak  durch  die  Nieren 
ausgeschieden  werden,  benutzte  er  um  mit  Hilfe  derselben  die 
e:Ecretorischen  Organe  wirbelloser  Thiere  aufzufinden*  Mittelst 
Einspritzung  von  Tourne^ol-Blau  ermittelte  er  die  Acidität  und 
Alkalescenz  der  verschiedenen  Darmabschnitte.  Auch  mit  der 
Verbreitung  Ijrmphoider  Organe  bei  Wirbellosen  (Scorjjionen, 
Muscidenlarven,  Polychaeton)  beschäftigte  er  sich  eingehend- 
Er  henutaste  liierbei  die  von  Mecznikow  zuerst  beobachtete 
Phagocytose  der  Leucocylen,  indem  er  fein  vert heilte  Sepia 
oder  Bakterien  dem  Thiere  einspritzte. 

Mit  der  Anatomie  der  Thiere  hat  sich  Kowalewski  nur 
wenig  befasst*  Immerbin  bat  er  auch  auf  diesem  Gebiet  Vor- 
treffliches geleistet.  BesondeiB  sind  vier  Arbeiten  nach  dieser 
Richtung  zu  erwähnen.  Am  rothen  Meer  entdeckte  nnd  ana- 
tomirte  Kowalewski  die  Coeloplana  Mecznikowi,  welche  von 
vielen  Forschern  ak  eine  Mittel fonn  zwischen  Ctenophoren  und 
TurbellarieB  gedeutet  wird.  Nachdem  nuiü  lange  Zeit  ver- 
geblich  das  Männchen   der  Gi^hjl^e  Booellia  viridis  gesucht 


C.  Voit:  Nekrolog  auf  Alexander  Koicalewski.  291 

tte,  fand  er  es  endlich  als  einen  wenige  Millimeter  grossen, 
chgradig  rückgebildeten,  in  seiner  Erscheinung  an  Turbel- 
ien  erinnernden  Wurm  im  Oesophagus  des  bis  zu  */a  Meter 
3ssen  Weibchens.  Grundlegend  waren  ferner  seine  ünter- 
^hungen  über  den  Balanoglossus.  In  der  Neuzeit  endlich 
id  Kowalewski  wichtige  Uebergangsformen  zwischen  Hiru- 
leen  und  Oligochaeten  in  der  auf  Fischen  schmarotzenden 
anthobdella  peledina,  welche  den  hermaphroditen  Geschlechts- 
parat und  die  Saugnäpfe  der  Hirudineen  besitzt,  gleichzeitig 
er  auch  die  beiden  Blutgefässe,  die  Borsten  und  die  von 
pten  abgetheilte  Leibeshöhle  der  Chaetopoden. 

Die  vielseitigen  Verdienste,  welche  sich  Kowalewski  er- 
erben hat,  haben  ihm  rasche  Anerkennung  eingetragen.  Nicht 
r  in  seinem  Vaterland,  sondern  auch  ausserhalb  Russlands 
)lickte  man  in  ihm  den  hervorragendsten  der  russischen  Zoo- 
jen. Er  war  Mitglied  einer  grossen  Zahl  wissenschaftlicher 
[ademien.  Unserer  Akademie  gehörte  er  seit  dem  Jahre 
95  an. 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Mathematisch-physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  8.  November  1902. 

1.  Herr  Alfred  Peingshbim  bringt  als  Nachtrag  zu  dem  in 
^^r  Junisitzung  d.  Js.  vorgelegten  Aufsatze  eine  zweite  Mit- 
^*^eilung  »Zur  Theorie  der  ganzen  transcendenten 
Funktionen." 

2.  Herr  Jon.  ROckebt  legt  einen  von  dem  Professor  an 
^^m  hiesigen  zahnärztlichen  Institut  Dr.  Otto  Walkhoff  erstat- 
teten Bericht  über  die  Ergebnisse  seiner  mit  Unterstützung  der 
Akademie  gemachten  Studienreise  zur  Untersuchung  der 
Struktur  diluvialer  menschlicher  Skeletttheile  vor  und 
^^^spricht  dieselben. 

3.  Herr  August  Rothpletz  hält  einen  Vortrag:  „Ueber 
^ie  Möglichkeit  den  Gegensatz  zwischen  der  Con- 
^•^'aktions-  und  Expansions-Theorie  aufzuheben.*" 

4.  Herr  W.  C.  Röntgen  überreicht  eine  Arbeit  des  Herrn 
ör.  August  Schmaüss    „Ueber    die    magnetische   Drehung 
^^r  Polarisationsebene    des    Lichtes    in    selektiv    ab- 
^orbirenden  Medien.** 

IWl  Sitsuigfa».  d.  math  -pbys.  GL  20 


V 


294 


5.  Herr  K.  A.  v.  Zittel  legt  vor: 


a)  den  Bericht  über  eine  von  den  Privatdozenten  Dr.  TVI 
Blankenhokn    und    Dr.    Ernst   Stromer    von   Reichenbjl 
mit   Unterstützung   der  Akademie  ausgeführten  Rei 
nach   Aegypten;    Einleitung   von   Emil   Stromer   v^ 
Reichenbach  ; 

b)  Geologisch-stratigraphische Beobachtungen  a 
Aegypten  von  Dr.  Max  Blankenhorn. 


iBV^oraus 


A.  Ihringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transe,  Functionen.     297 

V 

iders  geschrieben: 

(7)"-kv|^-4-(ay)% 

durch  Erhebung  in  die  1  —  j     Potenz   und  üebergang 

zxmx  Grenze  v  =  oo  unmittelbar   die   erste  Form   der  Behaup- 
tiang  (a)  resultirt. 

Um  die   zweite   zu  gewinnen,   braucht  man  nur  auf  die 
lotzte  Ungleichung  die  auf  p.  170  angegebene  Relation: 

w!e*""^<n*+^,    also:  w!<(  —  j  «ne 

anzuwenden.^)    Alsdann  ergiebt  sich  die  Beziehung: 

^)  Man  kann  sich,  wie  Herr  Lüroth   bemerkt  hat,  auch  der  Un- 
gleicbong: 

n!<(y)'*-(2n  +  l) 

bedienen,  welche  aus  der  Reihe  für  «»•   in  folgender  Weise   resultirt. 
^an  hat: 


V 

0 
=  Sn  +  rn  . 


Da — >1  für  v<n,  so  nehmen  in   Sn  die  Terme  beständig  zu, 
^aas  also: 

*"  ^  ^  *  (n-D!  ~  (n~^lV.  • 
Andererseits  hat  man  nach  bekannter  Schlussweise: 

wid  somit 

>l<o  schliesslich: 


«!<(y)"-(2n  +  l). 


298         Sitzung  der  maih.'phys.  Glosse  vom  8,  November  1902. 

(v!)  "*  •  I  ^v  I  ^  ^  •  (v  e)  °  •  (a  y)  «  , 

/l\te 
welche,  in  die  1  — j     Potenz  erhoben,  für  v  =  oo  die   zw 

Form  der  Behauptung  (a)  liefert. 


§2. 

Hauptsatz   B.     Ist  für  wiendlich  viele  x,   unter  d 
auch  beliebig  grosse  varJconimen: 

(B)         \f:yGyxA>A'cy'\'\''      (^>0,  y>0,  a>0), 

0  ■ 


so  hat  man: 
(b) 


—  *'/ i 

ü^  (—) "  .i/|  c7\  =  ü^  1/  {riy- 1  C,\^(ayy. 

y  =  »   \  6  /  v=:oo  ' 

Zum    Beweise    dieses    Satzes    dienen    die    folgenden 
Hülfssätze : 

Hülfssatz    I.     Bedeutet    r    eine   positive    Veränderl 

00 

S"  üy  r"  eine  beständig  convergirende  Beihe  mit  reellen  Coefficii 

0 

und  ist  für  2inendUch  viele  r,   unter  denen  auch  beliebig  g 

vorJconinien : 

Sv  a,  r»*  >  0 , 

Ü 

so  giebt  es  unendlich  viele  Indices  niy,  für  welche: 

ausfüllt. 

Beweis.     Angenommen   die   Behauptung  wäre  unric 
so   müsste    von    einer   bestimmten   Stelle    ab,   etwa   für   v 
beständig 

üy  <  0 

sein.     Sodann  könnte  man  B  so  lixiren,  dass  für  r>  B: 


Ä.  Pringtheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transe,  Functionen.     299 

0 

und  daher,  wegen  a^r^KO: 

n 

£''a,r''<0     (für  r>E). 

0 

Da  überdies  filr  jedes  r 

n-fl 

wäre,    so  hätte  man  schliesslich: 

L"  a^  r"  <  0     für  jedes  r>  R, 

0 

was   der  Voraussetzung  widerspricht.  — 

00 

Hülfssatz  n.*)    J5^S»'6v,    wo   «  >  0,    an^  convergente 

0 

JR^ie  wi^  nicht-negativen  Gliedern,  d  eine  beliebig  anzunehmende 
positive  Zahl,  so  Juxt  man: 

(1)  Für  x>l:  S-ftxfeftvY. 

(2)  Für  X  <  1 :  h  K <  ^-^"^ '  (f  ^  d  +  ^/^"^^-  «^.)^ 

00 

Beweis.     Setzt  man:  ^^by  =  Bj   so  besteht  für  jedes  v 
die  Beziehung: 

B 


und  daher  auch,  falls  x>l: 


also: 


^)  Es  ist  dies  der  hier  ausschliesslich  in  Betracht  kommende  Theil 
des  auf  p.  179  von  mir  bewiesenen  Hülfssatzes.  Der  hier  gegebene,  etwas 
kürzere  Beweis  rührt  in  der  Hauptsache  von  Herrn  Lüroth  her. 


300         Sitzung  der  tnathrphys.  Glosse  vom  8.  November  1902. 


m  <  'i- 


Substituirt  man  hier  r  =  0,  1,  2,  . . .  in  in  f.,  so  folgt 
Summation: 

also  in  der  That,  wie  unter  (1)  behauptet: 
hK<{t^h\     («>1). 
Um  die  Richtigkeit  von  (2)  zu   beweisen,   werde  ge 

00  00 

Sj"  «v  =  A^      £*'  a^  Cr  =  S, 

0  0 

wobei  £  «v,  ^üy  Cy  irgend  zwei  convergente  Reihen  mit 
negativen  Gliedern  bedeuten  sollen.    Ist  sodann  für  x  <  1 
2övC^  convergent,  so  besteht  die  Identität: 

Nun  ist  aber ^)  für  x  <l: 

woraus  durch  Multiplication  mit  av,  Substitution  von  v  =  0, ! 
in  in  f.  und  Summation  sich  ergiebt: 


^)  Die  betreffende,  für  jedes  a  >  0,  ?f  <  1  geltende  ünglei 
nämlich : 

a«<l  +  x(a-  1), 

geht  aus  der  auf  p.  176  für  ;«  >  1  abgeleiteten  Ungl.  (29): 

A">l+xU-l) 

ohne  weiteres  hervor,  wenn  man  Ä  =  a"*  setzt  und  schliesslich  - 
X  schreibt. 


Ä.  Pringsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc.  Functionen.     301 

O\O/0  \a3       0  0/0 

Mit  Benützung  dieser  Ungleichung  liefert  die  obige  Iden- 
t;ii^üt  die  Beziehung: 

loch: 

»V    =     l    pTT^    )       1  ayCy=    byl 


Setzt  man  noch: 


also: 


11«  __  J_  y^ 


0 

so  folgt,  wie  unter  (2)  behauptet: 


Beweis  des  Hauptsatzes  B.  Es  werde  zunächst  a  =  l 
Eingenommen.  Setzt  man  sodann  |  a;  |  =  r,  so  resultirt  aus  der 
Voraussetzung  (B)  a  fortiori  die  folgende: 


j:-\Cy\r^^A'ey^==Ä''^- 


yvr^ 


l 


0 

Sodass  also  für   unendlich   viele  r,   unter  denen  auch  beliebig 
S^^osse,  die  Beziehung  besteht: 

^y-(v\\Cy\-ÄY^).r^>0. 
0    vi 

Man  hat  somit  nach  Hülfssatz  I  für  unendlich  viele  ntyi 

mJ|6\|>;J..y'»v 
^^d  wegen: 

/mA'"»'  ^      1 


\e  J         niy 


e      ''• 


300         Sitzung  der  mathrphys.  Clcisse  vom  8.  November  1902. 


(&)■<!• 


Substituirt  man  hier  v  =  0,  1,  2, . . .  in  in  f.,  so  folgt  durch 
Summation : 

also  in  der  That,  wie  unter  (1)  behauptet: 

Um  die  Richtigkeit  von  (2)  zu   beweisen,   werde  gesetzt: 

00  00 

ij"  ay  =  J.,      £"  ay  Cy  =  S, 

0  0 

wobei  S  öty,  £  a„  (?y  irgend  zwei  convergente  Reihen  mit  nicht- 
negativen Gliedern  bedeuten  sollen.  Ist  sodann  für  x  <  1  auch 
S  «v  ^  convergent,  so  besteht  die  Identität: 

Nun  ist  aber*)  für  x<  1: 

(-^.c.)''<l  +  x(4-^^-l). 

woraus  durch  Multiplication  mit  a^,  Substitution  von  y  =  0,l,2,... 
in  in  f.  und  Summation  sich  ergiebt: 


*)  Die  betreffende,  für  jedes  a  >  0,  ?f  <  1  geltende  Ungleichung, 

nämlich : 

a«<l+x(a-  1), 

geht  aus  der  auf  p.  176  für  x  >  1  abgeleiteten  üngl.  (29): 

^'*>1+;.U-1) 

ohne  weiteres  hervor,  wenn  man  -4  =  a**  setzt  und  schliesslich  "~~  statt 
X  schreibt. 


A.  Prifigsheim:  Zur  Theorie  der  ganzen  transc,  Functionen.     303 

Im  Falle  a  >  1  hat  man  analog  nach  Ungl.  (2)  des  Hülfs- 
»&tzes  11: 

:s- (I a h •  r^y<(^^)    " •  (f " (i  +  dy<^-^)^c: . r^) \ 

folglich,  wenn  man  diese  Ungleichung  in  die  a*«  Potenz  erhebt, 
^Dait  Berücksichtigung  von  Ungl    (C),  zunächst: 

S"  (1 + a)(»-»' .  I  a  1-  •  r-  >  (y^ts)"'  '  •  (S'  ( !  a  I"  •  r')^y 

Und,  wenn  man  noch  r  durch  (1  -}-  <5)*~°- »*  ersetzt: 

Hieraus  würde  sich  mit  Hülfe  von  (b')  zunächst  ergeben: 
im-- V'|'al"=  lim  V';^7p^(l  +  «5)'-"-aj', 
^^d  da  i  >  0  unbegrenzt  verkleinert  werden  darf,  schliesslich : 
(l>.)  ii^f  .fK7^-=ih;^f,T]Cr|->ay     (a>l). 

Durch   Erhebung   der   Relationen  (bj),  (b^)   in   die  (— ) 

"<>tenz  und  Zusammenfassung  mit  Ungl.  (b')  findet  man  also, 
^ie  behauptet: 

li^(— )  "  -VTäl  =  li^l/  {viy'\C\\  >  (a  y)  « 
^  jedes  positive  a. 


Die  in   den  Hauptsätzen  (A)  und  (B)   enthaltenen  Resul- 
tate stimmen  genau   mit  den  früher   auf  p.  187   angegebenen 


304         Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  8  November  1902, 

überein.    Daraus  folgen  dann  die  auf  pp.  188,  189  zusammetv- 
gestellten  umkehrbaren  Sätze  mit  Hülfe  der  nämlichen  Schlüsse, 
welche  a.  a.  0.  zum  Beweise  der  analogen  Sätze  von  §§  4  und.    * 
angewendet  wurden. 


Die  diluvialen  menschlichen  Enochenreste  in  Belgien 
cLxid  Bonn  in  ihrer   strnctnrellen  Anordnung  und 
Bedeutung  für  die  Anthropologie. 

(Vorläufige  Mittheilung.) 
Von  Otto  Walkhoff. 

{SingelaH/en  13.  November.) 

Eine  im  letzten  Jahre  von  mir  mit  Beihülfe  der  Kgl. 
Bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  ausgeführte  Unter- 
suchung der  in  Bonn,  Lüttich  und  Brüssel  befindlichen  mensch- 
lichen Reste  aus  der  Diluvialzeit  erstreckte  sich  auf  sämmt- 
Uche  Knochen  der  aus  der  Chell^en-  und  Mousterien-Periode 
stammenden  Funde.  Das  in  den  Belgischen  Museen  noch 
lagernde,  ungeheure  Material  von  menschlichen  Knochenresten 
aus  der  Magdal^nien-Periode  und  dem  Neolithicum  konnte  von 
mir  nur  in  Bezug  auf  Kiefer  berücksichtigt  werden.  Meine 
Arbeit  wurde  theils  als  Nachprüfung  der  bisher  beschriebenen 
äusseren  Formen  der  Objecto,  hauptsächlich  jedoch  mit  Rück- 
sicht auf  die  zu  erwartenden  Structurbilder  nach  der  von  mir 
in  die  Anthropologie  eingeführten  üntersuchungsmethode  ganzer 
Knochen  mittelst  Röntgenstrahlen  unternommen. 

Auf  Grund  der  Röntgenaufnahmen  kann  der  in  Bonn  be- 
findliche Neanderthal-Mensch  nicht  mehr  als  pathologi- 
sches Individuum  angesehen  werden,  wie  es  Virchow  ge- 
schildert   hat.     Die    deutsche    Anthropologie    hielt    seit  jener 


304 


Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  8  November  1002, 


überein.  Daraus  folgen  dann  die  auf  pp.  188,  189  zusammen- 
gestellten umkehrbaren  Sätze  mit  Hülfe  der  nämlichen  Schlüsse, 
welche  a.  a.  0.  zum  Beweise  der  analogen  Sätze  von  §§  4  und  5 
angewendet  wurden. 


O.  Wcäkhoff:  Düuviäle  menschliche  Knochenreste  in  Belgien  u,  Bonn.     307 

welche  parallel  der  Längsachse  angeordnet  sind,  verlaufen  die 
Enochenbalkenztige  bei  den  Anthropomorphen  vom  äusseren 
oder  inneren  Condylus  nicht  nur  in  dieser  Richtung,  sondern 
auch  in  concaven  Bogen  zahlreich  zur  entgegengesetzten  Seite. 
Die  starke  Entwicklung  je  eines  horizontalen  Trajectoriums, 
welches  von  der  Fossa  poplitaea  zu  der  Tuberositas  condyl. 
ext.  und  int.  verläuft,  fehlt  den  Anthropomorphen  nahezu 
vollständig.  Die  Structur  des  unteren  Endes  des  heutigen 
menschlichen  Femurs  zeigt  eine  durchaus  einseitige  Be- 
lastung durch  den  aufrechten  Gang.  Bei  den  Anthropomorphen 
tritt  die  Vielseitigkeit  der  functionellen  Beanspruchung 
des  unteren  Femurendes  deutlich  zu  Tage.  Beim  Neanderthal- 
Menschen  finden  sich  Anklänge  der  Structur  an  letztere:  Es 
überwiegt  jedoch  weitaus  das  Trajectorium  der  statischen 
Belastung.  Auch  der  vorhandene  Rest  des  steilen  Beckens 
zeigt  besondere  Structureigenthümlichkeiten,  welche  noch  ver- 
gleichend bearbeitet  werden  müssen. 

Der  Spy-Fund  in  Lüttich  erweist  sich  als  ein  höchst 
'Werthvolles  Gegenstück  zum  Neanderthal-Menschen.  Nicht 
TXMT  die  äusseren  Formen  schliessen  sich  dem  letzteren  an. 
Sondern  die  Structur  der  einzelnen  Knochen  wiederholt  sich 
in  derselben  Anordnung  und  mit  denselben  Abweichungen 
gegenüber  dem  heutigen  Menschen.  Ganz  besonders  trifft 
dieses  für  die  Femura  zu.  Die  Tibia  scheint  die  Annahme 
von  Fraipont  zu  bestätigen,  dass  der  damalige  Mensch  mit 
gebogenen  Knieen  aufrecht  ging.  Die  Schädel  der  Spy-Menschen 
folgen  jedenfalls  in  Form  und  Structur  dem  Neanderthaler. 

Die  gewaltige  Ausdehnung  der  Stirnhöhlen  war  durch 
die  Röntgenaufnahme  gut  zu  constatiren.  Höchst  wichtig 
sind  die  bei  dem  Spy-Funde  erhaltenen  Kieferreste.  Diese 
Kiefer  waren  ganz  gewaltige  Kauwerkzeuge  und  zeigen  wie 
die  Zähne  entschieden  eine  Reihe  pithekoider  Formen.  Ich  hebe 
den  Ansatz  des  genioglossus  in  einer  Grube,  den  Mangel  eines 
Kinnes,  die  theilweise  Grössenzunahme  der  Molaren  nach  hinten, 
die  Grösse  des  Zahnbogens  durch  eine  mächtige  Zahnent- 
wickelung   überhaupt,     den    Kiefer-    und    Zahnprognathismus 


308         Sitzung  der  tnathrphys.  Glosse  vom  8,  November  1902. 

und  die  Rückwärtskrümmung  der  Schneidezahnwurzeln  hervor  • 
Dennoch  sind  auch  sänuntliche  belgischen  Reste  unverkennbar" 
menschlich.  Die  enorme  Kaumuskulalur  des  diluvialen. 
Menschen  lässt  sich  theils  durch  die  grossen  Insertionsstellen 
und  Leistenbildungen  theils  durch  die  Wiedergabe  der  Tra- 
jectorien  mittelst  Röntgenstrahlen  nachweisen.  Durch  den 
nachweisbaren  Rückgang  der  Kaufunction  und  der  damit 
verbundenen  Reduction  der  Zähne  und  Kiefer  an  Grosse  beim 
späteren  Menschen  ist  meines  Erachtens  auch  ein  Einfluss 
auf  die  Umgestaltung  der  Schädelkapsel  anzunehmen. 
Erst  die  veränderte  Stärke  der  Kaumuskulatur  ermöglichte 
die  Umgestaltung  der  vorderen  Schädelkapsel.  Aus  der 
fliehenden  Stirn  und  der  starken  postorbitalen  Einschnürung 
der  Schädelkapsel  des  Diluvial-Menschen  hervorgehend,  konnte 
bei  der  immer  geringer  werdenden  Thätigkeit  des  m.  tem- 
poralis  der  vordere  Theil  der  Schädelkapsel  durch  das  gleich- 
zeitig sich  stärker  entwickelnde  Gehirn  sich  erhöhen.  In 
Anbetracht  der  schon  ziemlich  grossen  Capacität  der  dilu- 
vialen Hirnkapsel  und  der  später  auftretenden  Veränderung 
der  Occipitalpartie  ist  die  Annahme  einer  Umformung  der 
Hiinkapsel  durch  Umlagerung  und  Umgestaltimg  der  einzelnen 
Hirntheile  in  Folge  der  zurückgehenden  Kaumuskulatur  wohl 
mindestens  ebenso  zu  berücksichtigen,  wie  die  Vergrösserung 
der  Frontallappen  des  Grosshims,  welche  bisher  ziemlich  all- 
gemein als  einziges  Moment  für  die  Entwickelung  der  hohen 
Stirn  angesehen  wird. 

Dass  seit  der  Diluvialzeit  eine  Reduction  der  Kiefer 
und  alsdann  der  Zähne  an  Grösse  beim  Menschen  eintrat, 
ist  nach  den  sich  immer  mehrenden  Funden  unzweifelhaft;. 
Die  belgischen  diluvialen  Kiefer  (neben  den  Spykiefem  ist 
besonders  der  Kiefer  von  la  Naulette  als  durchaus  normal  zu 
bezeichnen)  sind  hervorragende  Zeugen  für  jene  Ansicht.  Der 
ursprüngliche  Kiefer-  und  Zahnprognathismus,  welcher  durch 
die  Si)ykiefer  und  den  berühmten  Kiefer  von  la  Naulette  un- 
zweifelhaft bewiesen  wird,  und  worauf  schon  der  Schipkakiefer 
und  die  Funde    von  Krajiina  hindeuteten,    ging  allmählig  mit 


0.  Walkhoff:  DÜMtriote  mensckliehe  Knoehenteste  in  Belgien  u.  Bonn.     309 

dem  vermmderten  Gebrauch   in  eine  Orthognathie  über.     Für 
die  diluvialen  Kieferfunde  sind  eine  Reihe  von  ganz  bestimmten 
Eigenschaften  festgestellt,  welche  heutigen  Schädeln  durchaus 
fehlen.     Wir   können    deshalb  von  einem  diluvialen  Typus 
menschlicher  Kiefer   sprechen.     Das  jüngste  Diluvium  zeitigte 
aber  schon  Formen  dieser  Organe,  welche  üebergangsformen 
zum  Neolithicum  sind.    Die  belgischen,  mährischen  und  kroati- 
schen   Funde,    welche    eine    ganze    Anzahl    von   Kiefern   und 
Zähnen    lieferten,   femer  die  neolithischen  Schädel,  die  Kiefer 
der   heutigen    inferioren    Rassen    und    endlich    die    Kauwerk- 
zeuge  der  civilisirten  Völker   bilden    eine  ununterbrochene 
Reihe  von  äusseren  Formen,  welche  mit  der  allmählig  ver- 
änderten   Function    der  Kiefer   und    Zähne   sich   äusserlich 
und  innerlich  veränderten.     Durch  den  Nachweis  dieser  neuen 
functionellen  Gestaltung   auf 'Grund    der  üebergangsformen 
kann   wenigstens  für  diese  Organe    festgestellt   werden,    dass 
der  Mensch   seit    der  Diluvialzeit   sich  in  seiner  Gestalt  be- 
deutend verändert  hat,  was  bisher  von  den  meisten  Anthro- 
pologen geleugnet  wurde. 

Meine  Theorie  über  die  Entstehung  des  Kinnes  beim 
M^enschen  durch  die  vermehrte  Thätigkeit  der  Sprachmuskeln 
'^^i  gleichzeitiger  Reduction  des  Gebisses  an  Grösse  in  der 
Sagittalebene  wird  durch  die  belgischen  Funde  sehr  gestützt, 
öie  Reduction  betraf  besonders  die  Schneidezähne. 

Der  Annahme  von  King  und  Schwalbe,  dass  der  dilu- 
viale Mensch  wohl  eine  besondere  Art  oder  gar  eine  besondere 
Gattung  gewesen   sei,    kann  ich  in  Folge    der  schon  jetzt  für 
üe  Kauwerkzeuge    lückenlos   nachweisbaren    Uebergangs- 
foxmen,    welche    sich   sehr   wohl  durch  die  En t wickeln ngs- 
^echanik    erklären    lassen,    nicht  zuneigen.     Unter    Berück- 
sichtigung   der   letzteren    erscheint    der    diluviale    Mensch    als 
A^hne    des   heutigen,    dessen  Knochenformen    durch  eine  ganz 
allmählig   veränderte    Function     der   Organe   auch    eine    all- 
ttiUhlig   veränderte    Gestalt    erhielten.     Dann    lässt   sich    das 
sporadische  Auftreten    einzelner   diluvialer  Merkmale   bei    den 
Knochen   der   Zwischenzeiten    oder    Anklänge  der  ersteren  bei 

1902.  Siizangsb.  d.  maili.-phys.  Gl.  21 


L 


308         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  txm  8,  November  1902. 

und  die  Rückwärtskrümmung  der  Schneidezahnwurzeln  hervor . 

Dennoch  sind  auch  sämmtliche  belgischen  Reste  unverkennbar— 
menschlich.  Die  enorme  Kaumuskulalur  des  diluvialeiK. 
Menschen  lässt  sich  theils  durch  die  grossen  Insertionsstellen 
und  Leistenbildungen  theils  durch  die  Wiedergabe  der  Tra- 
jectorien  mittelst  Röntgenstrahlen  nachweisen.  Durch  den 
nachweisbaren  Rückgang  der  Kaufunction  und  der  damit 
verbundenen  Reduction  der  Zähne  und  Kiefer  an  Grösse  beim 
späteren  Menschen  ist  meines  Erachtens  auch  ein  Einfluss 
auf  die  Umgestaltung  der  Schädelkapsel  anzunehmen. 
Erst  die  veränderte  Stärke  der  Kaumuskulatur  ermöglichte 
die  Umgestaltung  der  vorderen  Schädelkapsel.  Aus  der 
fliehenden  Stirn  und  der  starken  postorbitalen  Einschnünmg 
der  Schädelkapsel  des  Diluvial-Menschen  hervorgehend,  konnte 
bei  der  immer  geringer  werdenden  Thätigkeit  des  m.  tem- 
poralis  der  vordere  Theil  der  Schädelkapsel  durch  das  gleich- 
zeitig sich  stärker  entwickelnde  -Gehirn  sich  erhöhen.  In 
Anbetracht  der  schon  ziemlich  grossen  Capacität  der  dilu- 
vialen Himkapsel  und  der  später  auftretenden  Veränderung 
der  Occipitalpartie  ist  die  Annahme  einer  Umformung  der 
Hirnkapsel  durch  Umlagerung  und  Umgestaltung  der  einzelnen 
Hirntheile  in  Folge  der  zurückgehenden  Kaumuskulatur  wohl 
mindestens  ebenso  zu  berücksichtigen,  wie  die  Vergrösserung 
der  Frontallappen  des  Grosshims,  welche  bisher  ziemlich  all- 
gemein als  einziges  Moment  für  die  Entwickelung  der  hohen 
Stirn  angesehen  wird. 

Dass  seit  der  Diluvialzeit  eine  Reduction  der  Kiefer 
und  alsdann  der  Zähne  an  Grösse  beim  Menschen  eintrat, 
ist  nach  den  sich  immer  mehrenden  Funden  unzweifelhafL 
Die  belgischen  diluvialen  Kiefer  (neben  den  Spykiefem  ist 
besonders  der  Kiefer  von  la  Naulette  als  durchaus  normal  zu 
bezeichnen)  sind  hervorragende  Zeugen  für  jene  Ansicht.  Der 
ursprüngliche  Kiefer-  und  Zahnprognathismus,  welcher  durch 
die  S})ykiefer  und  den  berühmten  Kiefer  von  la  Naulette  un- 
zweifelhaft bewiesen  wird,  und  worauf  schon  der  Schipkakiefer 
und  die  Funde    von  Krapina  hindeuteten,    ging  allmählig  mit 


Walkhoff:  DiUftvioie  mensMxelie  Knoehenreste  in  Belgien  «,  B,onn.     309 

m  verminderten  Gebrauch  in  eine  Orthognathie  über.  Für 
i  diluvialen  Kieferfunde  sind  eine  Reihe  von  ganz  bestimmten 
^enschaften  festgestellt,  welche  heutigen  Schädeln  durchaus 
ilen.  Wir  können  deshalb  von  einem  diluvialen  Typus 
nschlicher  Kiefer  sprechen.  Das  jüngste  Diluvium  zeitigte 
3r  schon  Formen  dieser  Organe,  welche  üebergangsformen 
XI  Neolithicum  sind.  Die  belgischen,  mährischen  und  kroati- 
len  Funde,  welche  eine  ganze  Anzahl  von  Kiefern  und 
hnen  lieferten,  femer  die  neolithischen  Schädel,  die  Kiefer 
-  heutigen  inferioren  Rassen  und  endlich  die  Kauwerk- 
ige  der  civilisirten  Völker  bilden  eine  ununterbrochene 
ihe  von  äusseren  Formen,  welche  mit  der  allmählig  ver- 
derten  Function  der  Kiefer  und  Zähne  sich  äusserlich 
d  innerlich  veränderten.  Durch  den  Nachweis  dieser  neuen 
nction eilen  Gestaltung  auf 'Grund  der  üebergangsformen 
nn  wenigstens  für  diese  Organe  festgestellt  werden,  dass 
r  Mensch  seit  der  Diluvialzeit  sich  in  seiner  Gestalt  be- 
utend verändert  hat,  was  bisher  von  den  meisten  Anthro- 
logen  geleugnet  wurde. 

Meine  Theorie  über  die  Entstehung  des  Kinnes  beim 
ansehen  durch  die  vermehrte  Thätigkeit  der  Sprachmuskeln 
i  gleichzeitiger  Reduction  des  Gebisses  an  Grösse  in  der 
igittalebene  wird  durch  die  belgischen  Funde  sehr  gestützt. 
ie    Rciduction  betraf  besonders  die  Schneidezähne. 

Der  Annahme  von  King  und  Schwalbe,  dass  der  dilu- 
ale  Mensch  wohl  eine  besondere  Art  oder  gar  eine  besondere 
attung  gewesen  sei,  kann  ich  in  Folge  der  schon  jetzt  für 
e  Kauwerkzeuge  lückenlos  nachweisbaren  Uebergangs- 
►rnien,  welche  sich  sehr  wohl  durch  die  Entwickelungs- 
ech anik  erklären  lassen,  nicht  zuneigen.  Unter  Berück- 
chtigung  der  letzteren  erscheint  der  diluviale  Mensch  als 
hne  des  heutigen,  dessen  Knochenformen  durch  eine  ganz 
[Imählig  veränderte  Function  der  Organe  auch  eine  all- 
ulhlig  veränderte  Gestalt  erhielten.  Dann  lässt  sich  das 
[)oradische  Auftreten  einzelner  diluvialer  Merkmale  bei  den 
wnochen   der   Zwischenzeiten    oder   Anklänge  der  ersteren  bei 

1002.  Sitzungsb.  d.  maili.-phys.  Gl.  21 


310         Siteung  der  math.-phys,  Classe  vom  8,  November  190Ü. 

den  heutigen  Rassen  leichter  durch  Vererbung  erklären,  als 
durch  Annahme  eines  besonderen  genus  für  jene  Diluvialfunde. 
Diese  sind  nach  der  Untersuchung  keinen  falls  patho- 
logische Excessbildungen,  sondern  der  Ausdruck  der 
damaligen  normalen  Formen  des  menschlichen  Ge- 
schlechtes. 


311 


lTe1)6r  die  Möglichkeit  den  Gegensatz  zwischen  der 
Gontractions-  und  Expansionstheorie  aufzuheben. 

Von  A.  Rothpletz. 

{Eingelaufen  18.  November) 

Diese   beiden   Theorien   scheinen   sich    gegenseitig   auszu- 
schliessen   und  die  Anhänger  der   einen   sind  gewöhnlich  auch 
Gegner  der  anderen.     Gegenwärtig  jedoch  gibt  es  nur  wenige 
Anhänger  der  Expansionstheorie  und  um  so  mehr  Gegner  oder 
doch  Ungläubige.     Das  hat  seinen  Grund  darin,  dass  die  Ent- 
stehung der  Ketten-   oder  Faltengebirge    im  Vordergrund   des 
.allgemeinen  Interesses  steht  und  dass  für  sie  die  Contractions- 
theorie  entschieden  die  einfachste  und  am  leichtesten  verständ- 
liche Erklärung  liefert.    Welcher  vorsichtige  Beobachter  kann 
sich  der  Ueberzeugung  versch Hessen,  dass  Faltung  und  üeber- 
schiebung  —  die   charakteristischen    tektonischen  Formen    der 
Kettengebirge  —  mit  Zusammenschub  der  festen  Erdrinde  ver- 
knüpft sein  und  die  vielen  im  Laufe  der  geologischen  Perioden 
eütstandenen    Gebirge    eine    erhebliche  Verkürzung    oder  Ver- 
Heinemng   dieser  Rinde   hervorgebracht  haben    müssen?    Wie 
aber  könnte  dies  möglich  sein,  wenn  das  Erdinnere  sein  Volumen 
ßiclit  verringerte  oder  gar  vergrösserte?     Und  wie  vortrefflich 
stimmt   diese  Forderung   mit  jener   anderen    überein,    dass  die 
Erde   durch   Ausstrahlung    von   Wärme    in    das    Weltall    sich 
'^gsam  abkühlt,  erstarrt  und  dabei  sich  zusammenzieht! 

Nimmt  man  jedoch  di.e  vulkanischen  Erscheinungen  zum 
Ausgangspunkt,  dann  treten  diese  Forderungen  leicht  in  den 
Hintergrund.     Durch    die    feste    und    dicke   Erdkruste    dringen 

21* 


312         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  8.  Kovemher  1902. 

von  unten  herauf  in  cylinder-  oder  spaltenförmigen  Kamine 
überheisse  und  flüssige  Scbmelzmassen,  um  entweder  an  de 
Oberfläche  überzufliessen  und  sich  zn  weiten  Decken  auszu 
breiten  oder  um  zu  zerspritzen  und  in  die  Luft  geschleuderi 
zu  werden,  aus  der  sie  als  vulkanische  Tuflfe  wieder  nieder- 
fallen. Oder  aber  es  dringen  gewaltige  plutonische  Massen  von 
unten  in  die  Erdrinde  ein,  ohne  bis  zu  ihrer  Oberfläche  herauf- 
zusteigen, aber  sie  verdrängen  ausgedehnte  Theile  derselben 
und  krjstallisiren  in  den  eroberten  Gebieten  zu  granitischen 
Gesteinsmassen  aus.  Zugleich  pressen  sie  sich  in  die  bereits 
erhärteten  Gesteinsschichten  ihrer  Umgebung  hinein  in  Form 
viel  verzweigter  Adern,  Gänge  und  Apophysen,  oder  sie  im- 
prägniren  diese  Schichten  formlich  mit  ihren  Bestandtheilet 
von  Feldspath,  Quarz  etc.  Ausserdem  sind  Erdbel)en  und  localc 
Hebungen  mit  den  vulkanischen  Eruptionen  häufig  verknüpf! 
und  so  scheint  denn  alles  dies  darauf  hinzuweisen,  dass  ir 
grösseren  Tiefen  eine  Kraft  thätig  ist,  welche  die  Massen  ihrei 
eigenen  Schwere  und  der  darauf  lastenden  Erdkruste  zum  Trot; 
zwingt,  diese  zu  durchbrechen  oder  zu  heben.  Solche  Wir 
kungen  stehen  so  wenig  mit  einer  Contraction  des  Erdkerne 
im  Einklang,  dass  ausschliessliche  Betrachtung  vulkanische 
Vorgänge  wohl  niemals  zur  Contractionstheorie  geführt  hätte 
Was  sie  zur  Erklärung  fordert,  ist  nicht  Contraction,  sonderi 
Expansion  des  Erdinneren.  Aber  wie  soll  diese  zu  Stand 
kommen,  da  doch  die  Erde  Wärme  abgibt,  sich  also  abkühlei 
muss?  Ausgehend  von  der  längst  bekannten  Thatsache,  das 
einige  Stoff'e,  wie  das  Wasser  und  Wismuth,  beim  Ueberganj 
von  dem  flüssigen  in  den  festen  Zustand  ein  grösseres  Volumei 
einnehmen,  so  wie  von  einigen  allerdings  nicht  ganz  einwand 
freien  Experimenten  mit  geschmolzenen  Erzen  hat  man  di« 
Mr)glichkeit  in  Erwägung  gezogen,  dass  auch  die  anderei 
Stofte  im  Innern  der  Erde,  wo  sie  ungeheurem  Druck  und  seh: 
hohen  Temperaturen  ausgesetzt  sind,  sich  vielleicht,  entweder 
beim  Uebeigang  in  den  festen  J^ustand  oder  überhaupt  be 
V'orminderung  der  Temperatur,  ausdehnen  könnten.  Mit  diese] 
experimentell  allerdings    auf  ihre  Richtigkeit  nicht  controllir- 


baren  Aiin*ijii*  xt^sse  ^rr^r  eire  Ij:.iT>::7.>kr.\:T  rur  Vrrtuc^'.v.ii. 

Erdkrurt-e  n:  *^g-  sir  wird  il>:  i_s^:i:ar..;tr  gtVv^iTir.»  Kisso  un»! 
kljiffende  Späh*!:  iEÜsä*r2i  riit^i'rhrL.  auf  Tu-non  wio  ihnvh 
SkherheitSTeniü*-  die  St^rrhitzt-ei:  Massen  aus  dor  TiotV  aut- 
steigen,  in  die  Krosi*  in  F'.'rxE  vor.  ^xrnnitisohon  Stöokon  \\\u\ 
Lagergängen  eindringen  wer  dieüeibe  durohbrivhon  wud  aiit" 
der  Aussenseit^  Ynltane  aufbauen. 

Die  BefiiediaTing.  welche  diests  Ergobniss  v?t*>M"ilni.  isi 
aber  von  tnrzer  I^ner,  sobald  wir  uns  wiodiM*  don  Ki^litMi- 
gebirgen  zuwenden,  bei  denen  nicht  Ausdohuung  soiuIimii  /n 
sammenschub  erklärt  sein  will.  Versuche  sind  «jfcinaclii  woidtn, 
auch  diesen  als  eine  Folgewirkung  der  Expansion  aur/urnsNtMi. 
aber  niemand  wird  sich  verhehlen  können,  dass  di(»sr  \'rrsn«ln' 
auf  schwachen  Füssen  stehen,  und  jodonfalls  hinj^r  nicht  r.n 
einleuchtend  und  überzeugend  sind  wio  die  Erkliirun«^n'n  dmcli 
die  Contractionstheorie. 

Gegenüber    solchem   Misserfolg   kininto    nnr    Ihrouli  .«In  i 
Fanatismus  seinen  Trost  darin  finden,  dass  auch   uni«j(«'Krhil  du- 
Jort  siegreich    gebliebene  ContractionsUicoric  liier   nn   dri    Ki 
Wlärung    der    vulkanischen    Erscheinungen    Schillhnuh     hi.l.  n 
'Buss.     Aber   selbst  diesen  hat    man  von  der   nndeirii   ;;.iii    m 
-Abrede  zu  stellen   versucht   und  zu  (innsien  der  (Nmlr  ;ic  li..ir 
theorie  die  Meinung   vertreten,    dass  die    in   Fol"«»  S<huiiMhn' 
des  Erdkernes  zusammenbrechende   und  einsinkniili     l-ifdlful. 
^uf  die    im    geschmolzenen   Zustande    helJrMlIi«  In-n    M.i    c  n    d.  ■ 
Kernes    einen    solchen    Druck    ausühen     werde,    d;i       di.   «     m 
Wogende  Bewegung  kommen    und    an   sohh<  n  Sf«  II«  n     ^v«.    du 
Inikruste   sich   noch    selber   trägt,    von    uuh  n    ;.fi    ;m     Imi.m. 
branden  müssen  und   dabei    in    beinj   l'ü/jlMueh  ij«  r    |{ih<l<    «  ni 
standene  Spalten  heraufgepresst  werden.     AI  o  im  ^iiun«!.      '>li 
<^ie  Gewalt  der  einsinkenden  HindenUjeiJc    <'||;j   <     :(ih     •.-.  j.  I.. 
die  geschmolzenen  Massen  aus  der  'J'irfr    <  mportf*  il,f 

Was  bisher  zur  Begründung  y-olehr-r  Ahtmlnm   vwi/«  \n.n  hl 
^urde,  ist  weit  entfernt  von  einer  '-x-a'-u  f>   ut,'i  iih«  r/«  uj/«  nd«  n 


314         Sitzung  der  math.'phya.  Glosse  vom  8.  November  1902. 

Beweisführung  und  es  mögen  hier  nur  vier  Bedenken  dagegen 
geltend  gemacht  werden. 

1 .  Man  hat  die  Vorstellung  des  vermutheten  Vorganges  durch 
schematische  Bilder  zu  unterstützen  versucht,  die  aber  wie  z.  B. 
fig.  127  in  dem  sonst  so  vorzüglichen  Traite  de  Geologie  von 
de  Lapparant  soweit  von  den  thatsächlichen  Verhältnissen  ab- 
weichen, dass  sie  entschieden  abgelehnt  werden  müssen.  Solche 
profilmässige  Darstellungen  der  Erdkruste,  welche  Continente  und 
Meeresbecken  in  ihrer  gegenseitigen  Beziehung  zur  Anschauung 
bringen  wollen,  müssen  im  richtigen  Verhältniss  der  Höhe 
zur  Länge  entworfen  werden,  und  es  darf  die  Krümmung  der 
Erdoberfläche  nicht  unberücksichtigt  bleiben.  Es  hat  schon 
vor  mehr  als  50  Jahren  Elie  de  Beaumont  hervorgehoben,  dass 
sowohl  die  Wasseroberfläche  wie  der  Boden  der  Oceane  in 
diesem  Falle  nach  oben  convex  gekrümmt  erscheinen  und  dass 
die  Bodenlinie  flacher  gekrümmt  und  mithin  kürzer  ist  als  die 
Wasseroberflächenlinie.  Der  muldenförmig  eingebogene  Theil 
der  Erdkruste  erscheint  auf  einer  richtigen  Zeichnung  mithin 
nicht  als  ein  concaver  sondern  als  ein  ebenfalls  aber  nur 
weniger  stark  convexer  Streifen,  der  somit  auf  seiner  Unter- 
seite keine  Ausdehnung,  sondern  im  Gegentheil  Zusanimen- 
pressung  zeigt. 

2.  Wenn  man  als  Ursache  des  Sinkens  der  Erdkruste  den 
Schwund  des  Erdkernes  gelten  lassen  will,  so  darf  man  doch 
nicht  voraussetzen,  die  Kruste  könne  sich  selbst  auch  nur  für 
kurze  Zeit  nach  Art  eines  Kugelgewölbes  frei  tragen.  Der 
entstehende  tangentiale  Druck  müsste  sofort  die  Druckfestigkeit 
der  Krustengesteine  um  ein  Vielfaches  überschreiten  und  diese 
zermalmen.  Es  kann  aber  auch  kein  Hohlraum  zwischen  Kern 
und  Kruste  entstehen  und  weder  von  einem  Niederstürzen 
einzelner  Kindentheile  auf  den  schwindenden  Kern  noch  von 
lokaler  Druckentlastung  die  Rede  sein. 

8.  Da  die  Erdkruste  specifisch  leichter  als  der  Kern  ist, 
so  ruht  sie  gewissermassen  schwimmend  auf  demselben.  Wenn 
die  Oberfläche  des  Kernes  aber  durch  Contraction  kleiner 
wird,    so    findet    die  Unterseite   der   Kruste    nicht   mehr    Platz 


A,  Bolhfietz:  ContractionS'  und  Escpansionatheorie.  315 

genug  auf  ihr,  es  entsteht  Spannung  in  der  Kruste,  die  alsbald 
die  Druckfestigkeit  der  Gesteine  überwindet  und  zu  seitlichem 
Zusammenschub  führt,  bis  die  Unterfläche  sich  wieder  in  das 
richtige  Verhältniss  zur  Oberfläche  des  Kernes  gesetzt  hat. 
Dieser  Zusammenschub  muss  aber  etwa  vorhandene  klaffende 
Spalten  oder  sonstige  Hohlräume  sofort  fest  schliessen,  und  er 
versperrt  somit  den  geschmolzenen  Kemmassen  alle  Wege, 
auf  denen  sie  aufsteigen  könnten. 

4.  Trotzdem   haben   thatsächlich   ungeheure   Massen    von 
unten  herauf  ihren  Weg   in  die  Erdkruste  gefunden  und  sich 
darin  ausgebreitet,  so  dass  sie  jetzt  in  Gestalt  granitischer  Ge- 
steine Räume  von  Hunderten  von  Kubik-Kilometern  einnehmen 
und    entsprechende    Massen    der   Kruste    verdrängt    zu    haben 
scheinen.     Damit    dieses   Eindringen   Folge    des    Druckes    der 
niedersinkenden    Erdkruste    sein,     also    entstehen    könnte    zu 
einer  Zeit,  da  in  der  Kruste  starke  tangentiale  Spannung  und 
seitlicher  Zusammenschub   herrschen,   müsste   die   aufsteigende 
und  noch  nicht  verfestigte  Masse  jedenfalls   schon    eine  eben- 
sogrosse   Druckfestigkeit  wie   die   festesten  Gesteine   der  Erd- 
kruste  haben    und  ausserdem   eine   besondere  Expansionskraft 
besitzen,  um  sich  den  weiten  Raum  in  der  Kruste  zu  erobern. 
£ls  scheint  aber  unmöglich,   solche  Annahmen  physikalisch   zu 
begründen. 

So  bleibt  denn  nichts  anderes  übrig  als  zu  erklären,  dass 
<iie  Contractionstheorie,  obschon  sie  sehr  geeignet  ist  die  Ent- 
mischung der  Faltengebirge  zu  erklären,  in  Bezug  auf  die 
Plutonischen  und  vulkanischen  Vorgänge  gänzlich  versagt. 
^^ir  stehen  also  zwei  sich  gegenseitig  ausschliessenden  Theorien 
8'egenüber,  von  denen  keine  ganz  genügt.  Eine  dritte  Theorie 
^ber,  zu  der  wir  unsere  Zuflucht  nehmen  könnten,  gibt 
^3  nicht. 

In   dieser  Nothlage   müssen   wir   nach   allen   Seiten   Aus- 
schau halten,  wo  der  Fehler  in   unserer  Argumentation  liegen 
V.ann.     So  fassen  wir  alles  nochmals  kurz  zusammen:    Vulka- 
nismus  ist  in   der  Hauptsache    eine  centrifugale,    die  Faltung 
der    Kettengebirge    eine    tangentiale    Bewegung.     Beide    Be- 


316         Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vom  8.  November  1902. 

wegungsarten  wollten  wir  unmittelbar  aus  der  Wärmeabgabe 
der  Erde  an  das  Weltall  ableiten,  indem  wir  das  eine  Mal 
annahmen,  dass  diese  Wärmeabgabe  eine  centripetale,  das 
andere  Mal,  dass  sie  eine  centrifugale  Bewegung  im  Erdkerne 
erzeuge.  Das  ist  aber  ein  Entweder-Oder,  denn  die  zwei  An- 
nahmen schliessen  sich  anscheinend  einander  aus. 

Zweierlei  Vorgänge,  die  wir  als  gleichzeitige  voraussetzten, 
können  natürlich  nicht  aus  zwei  sich  ausschliessenden  Ursachen 
hervorgehen.  Wäre  es  aber  nicht  vielleicht  möglich,  dass  wir 
gerade  in  jener  Voraussetzung  der  Gleichzeitigkeit  geirrt 
hätten?  Wir  sind  an  dieselbe  allerdings  so  sehr  gewöhnt,  dass 
sie  uns  selbstverständlich  erscheint.  Dennoch  müssen  wir  uns 
entschliessen,  sie  auf  ihre  Berechtigung  zu  prüfen. 

Die  erste  Lehrerin  für  den  Geblogen  ist  die  Gegenwart, 
sie  wollen  wir  also  zuerst  befragen.  Wir  sehen  allenthalben 
auf  der  Erde  —  wenn  auch  oft  in  weiten  Abständen  —  Vulkane 
in  Thätigkeit.  Sie  liegen  auf  den  Festländern  und  im  Meere, 
sie  schleudern  theils  periodisch  theils  nur  in  unregelmässigen 
Zeitabständen  Asche  und  Bomben  in  die  Luft  oder  ergiessen 
Lavaströme  über  ihre  Umgebung.  In  den  Zwischenzeiten  be- 
schränken sie  sich  darauf,  Gase  auszuhauchen.  Mag  man  viel- 
leicht auch  zur  Meinung  berechtigt  sein,  dass  in  manchen 
früheren  geologischen  Perioden  die  vulkanische  Thätigkeit  viel 
bedeutender  war,  so  ändert  das  nichts  an  der  Thatsache,  dass 
auch  unsere  Zeit  eine  Periode  solcher  Thätigkeit  ist. 

Ob  in  der  Gegenwart  auch  Intrusionen  von  plutonischen 
Gesteinen  stattfinden,  lässt  sich  nicht  durch  Beobachtung  fest- 
stellen, aber  längst  erloschene  Vulkane  älterer  Perioden,  deren 
unterirdische  Theile  durch  Dislocationen  und  Erosion  blos 
gelegt  worden  sind,  lehren  uns,  dass  häufig  genug  die  ober- 
irdische vulkanische  Action  von  plutonischen  Intrusionen  be- 
gleitet wurde.  Es  ist  deshalb  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
solche  auch  heute  noch  sich   bilden. 

Erdbeben  sind  häufige  Ereignisse.  Die  Ursachen  der  sog. 
tektonischen  Beben,  die  nicht  unmittelbar  mit  vulkanischen 
Ausbrüp.hftn  in  Verbindung  stehen,    kennen  wir  nicht,   aber  es 


Ä.  Böthpletz:  Contractions-  und  JExpansionstheorie.  317 

ist  möglich,  dass  sie  Begleiterscheinungen  von  vulkanischen 
Ereignissen  sind,  die  sich  innerhalb  der  Erdkruste  abspieler, 
ohne  die  Oberfläche  zu  erreichen. 

Mit  vulkanischen  Ausbrüchen  und  solchen  Erdbeben  kommen 
zuweilen  auch  locale  Hebungen  der  Erdkruste  vor.  Ausserdem 
sind  Hebungen  grosser  continentaler  Gebiete  sicher  festgestellt, 
die  nicht  mit  solchen  gewaltsamen  Ereignissen  in  Beziehung 
stehen  und  so  langsam  vor  sich  gehen,  dass  sie  erst  durch 
Jahre  lange  genaue  Messungen  erkannt  werden  können. 

Centrifugale  Bewegungen  sind  somit  in  der  Gegenwart 
vorhanden,  aber  umsonst  hat  man  bisher  nach  den  Spuren 
1;angentialer  Bewegungen  gesucht.  Kettengebirge,  Faltungen 
im  grossen  Massstabe  sind  in  historischer  Zeit  nicht  entstanden, 
denn  die  continentale  Hebung,  von  welcher  Skandinavien  er- 
l^riffen  ist,  kann  nicht  unter  diese  Art  von  tektonischen  Vor- 
gängen eingereiht  werden. 

Die  Gegenwart  zeigt  sich  somit  unverkennbar  als 
^ine  Periode  vulkanischer  Thätigkeit,  centrifugaler 
Sewegung,  während  die  Wirkungen  tangentialer  Be- 
^^vegung  alle  einer  früheren  Zeit  angehören. 

Beiderlei  Bewegungen  müssen   also   nicht  gleich- 
zeitige sein,  das  lehrt  uns  die  Gegenwart  mit  Sicherheit. 
Da  liegt  nun    die  Vermuthung  nahe,    dass   sie   sich  viel- 
Xeicht  überhaupt  ausschliessen  ?    Wenn   wir  darüber  uns  Klar- 
Xieit  verschaffen  wollen,   ist  es  nothwendig  Perioden  zu  unter- 
suchen,  in    denen   Kettengebirge    entstanden    sind.     Jedenfalls 
Sim  günstigsten  dafür   wird  die  Terti<ärzeit   sein,    weil   in  diese 
^ie    Entstehung    unserer    grössten    Kettengebirge    und    ebenso 
l>edeutende  Vulkanausbrüche  fallen. 

Der  Kaukasus  ist  ein  typisches  Faltengebirge,  das  vor- 
legend aus  Meeressedimenten  aufgebaut  wird,  deren  ursprüng- 
lich horizontal  gelagerten  Schichten  in  zahlreiche  Falten  zu- 
sammengeschoben worden  sind.  In  dem  entstehenden  Gebirge 
liaben  sich  tiefe  Thäler  eingeschnitten  und,  nachdem  die 
Faltung  zum  Stillstand  gekommen  war,  immer  weiter  vertieft. 
Dann    erst   öffneten  sich  die    vulkanischen  Kanäle  und  bauten 


318         SUisung  der  mathrphys,  Glosse  vom  8.  November  1902. 

sich  die  Riesenvulkane  des  Elbrus,  Kasbek  u.  s.  w.  auf,  von 
denen  zahlreiche  Lavaströme  an  den  Thalgehängen  zum  Theil 
bis  auf  die  Thalsohlen  herabliefen.  Hier  kann  man  darüber 
nicht  im  Zweifel  sein,  dass  einer  Periode  intensiver  Faltung, 
also  tangentialer  Bewegung,  eine  andere  grosser  vulkanischer 
Thätigkeit  gefolgt  ist. 

Im  Kettenjura  der  Schweiz  haben  wir  ebenfalls  ein 
tertiäres  Faltengebirg,  in  dem  aber  weder  plutonische  noch 
vulkanische  Gesteine  bekannt  sind.  Es  beweist  uns  also,  dass 
hier  jedenfalls  in  die  Periode  tangentialer  Bewegungen  keine 
Vulkanausbrüche  fielen. 

Fassen  wir  nun  die  Alpen  ins  Auge,  so  muss  zunächst 
constatirt  werden,  dass  die  Faltungen  dieses  Gebirges  sich  auf 
zwei  Perioden  vertheilen.  Die  erste  Periode  gehört  der  mitt- 
leren Oligocän-,  die  zweite  dem  Ende  der  Miocän-Zeit  an. 
Von  den  vielen  vulkanischen  Gesteinen  der  Alpen  sind  weitaus 
die  meisten  älter  als  diese  mitteltertiären  Faltungen  (z.  B.  die 
palaeoz.  Diabase  und  Quarzporphyre,  die  Porphyrite  und 
Melaphyre  der  Trias  und  die  eocänen  Basalte).  Für  uns 
kommen  deshalb  nur  diejenigen  Basalt-,  Trachyt-  und  Serpentin- 
durchbrüche in  Betracht,  welche  oligocänen  oder  noch  jüngeren 
Alters  sind.  Da  ergibt  sich  nun,  dass  die  Trachyte  bei  Cilli 
in  der  südlichen  Steiermark  erst  in  der  oberoligocänen  und 
untermiocänen,  die  Basalte  der  östlichen  Steiermark  aber  im 
Pliocän,  die  ersteren  also  in  der  Zwischenzeit  zwischen  beiden 
Faltungsperioden,  die  letzteren  nach  der  letzten  Faltungsperiode 
erumpirt  sind.  Ebenso  steht  es  fest,  dass  die  Basalt-  und 
Serpentingänge  in  den  rhätischen  Alpen  nicht  während,  son- 
dern erst  nach  der  ersten  Faltungsperiode  entstanden  sind. 
Also  hier  wie  im  Kaukasus  schliessen  sich  die  Perioden  vul- 
kanischer Thätigkeit   und  der  Gebirgsfaltung   gegenseitig  aus. 

Was  hingegen  die  Granitstöcke  betrifft,  an  denen  die 
Alpen  so  reicli  sind,  so  eignen  diese  sich  für  unsere  Unter- 
suchung weniger,  weil  es  meist  nicht  möglich  ist,  ihr  genaues 
Alter  festzustellen.  Darauf  käme  es  aber  vor  allem  an. 
Wenn  also  z.  B.  in  neuerer  Zeit  das  tertiäre  Alter  der  Tonalit- 


A,  Bothpletß:  Contractions-  und  Expansionstheorie.  319 

stocke  Südtirols  angenommen  werden  will,  so  muss  dem  gegen- 
über festgestellt  werden,    dass  wir   in  Wirklichkeit  sicher  nur 
wissen,  dass  sie  jünger  als  die  Trias  oder  ein  Theil  der  Trias 
sind,  weil  sie  die  Gesteine  dieser  Periode  metamorphosirt  haben. 
Sie  können  freilich  noch  erheblich  jünger  sein,  aber  wir  haben 
zu    einer    bestimmten    Altersangabe    keine    zuverlässigen    An- 
haltspunkte.   Es  liesse  sich  noch  eine  Anzahl  anderer  tertiärer 
Gebirgsketten  anführen,  für  welche  ein  zeitliches  Auseinander- 
fallen der  vulkanischen  und  der  Faltungsvorgänge  nachweisbar 
ist.      Doch  will  ich  mich   in  dieser  Beziehung  auf  die  Erwäh- 
nung beschränken,    dass  mir  kein  Gebirg  bekannt  ist,    in  dem 
die   beiderlei  Vorgänge  sich  gleichzeitig  abgespielt  haben.    Ob 
suidere  solche  Gebiete  kennen,    weiss  ich  nicht,    wenn   es  aber 
der  Fall   sein   sollte,    wäre   eine  Mittheilung  darüber    sehr  er- 
^wünscfat,    da  bei  der  Weitläufigkeit   des  Beweismateriales  nur 
gemeinsame  Arbeit  Vieler  gesicherte  Ergebnisse  verspricht. 

Eine  Entscheidung  mit  Bezug  auf  die  vortertiären  Gebirge 
ist    natürlich   mit   noch   grösseren    Schwierigkeiten    verknüpft, 
"weil  die  Altersbestimmung  der  einzelnen  Vorgänge  um  so  un- 
sicherer wird,  je  weiter  sie  in  der  Vergangenheit  liegen.    Doch 
ist  es  auffallig  genug,   dass,   um  nur  dies  eine  Beispiel  zu  er- 
wähnen, die  gewaltigen  Porphyr-  und  Melaphyreruptionen  des 
Hothliegenden  erst  nach  den  weitausgedehnten  Faltungen  ein- 
getreten sind,  welche  die  älteren  Ablagerungen  des  rheinischen 
Schiefergebirges,  des  Harzes,  Thüringerwaldes  und  Erzgebirges 
betroffen  haben,   und  dass  soweit  das  Rothliegende  selbst  von 
Taltungen   ergriffen    worden   ist,    diese   vulkanischen   Gesteins- 
massen  geradeso  wie  die  mit  ihnen  wechsellagernden  Sandsteine, 
Conglomerate,    Kalksteine    und   Dolomite    gefaltet    wurden    zu 
einer   Zeit,    in   der   ihre   Eruption   längst   in    der   Vergangen- 
heit lag. 

Ich  schliesse  daraus  auf  die  Wahrscheinlichkeit, 
dass  nirgends  und  zu  keiner  Zeit  Gebiete  unserer  Erd- 
kruste gleichzeitig  der  Schauplatz  vulkanischer  Erup- 
tionen und  von  Gebirgsfaltung  gewesen  sind.  Dieses 
Ergebniss  stimmt  aber  mit  demjenigen  genau  überein, 


320         Sitzung  der  math.'phys.  Glosse  vom  8,  November  1902, 

zu  dem  wir  bereits  gelangt  sind,  dass  nämlicli  in  der 
Gegenwart  die  Erde  nur  der  Schauplatz  vulkanischer 
Eruptionen,  nicht  aber  auch  von  Gebirgsfaltungen  ist. 

Ich  bore  hier  den  Einwand  machen,  dass  damit  noch  gar 
nichts  gegen  den  Synchronismus  der  vulkanischen  und  Faltungs- 
vorgänge bewiesen  sei,  denn  es  sei  leicht  möglich  und  viel- 
leicht sogar  selbstverständlich,  dass  in  Faltungsgebieten  vul- 
kanische Ausbrüche  wegen  des  seitlichen  Zusammenpressens 
nicht  eintreten  können,  dass  sie  dafür  aber  um  so  intensiver 
an  anderen  Stellen  zum  Durchbruch  gelangen.  Die  postalpinen 
und  postkaukasischen  Eruptionen  in  den  Alpen  und  dem  Kau- 
kasus brauchen  in  der  That  in  keinen  causalen  Zusammenhang 
mit  der  Faltung  dieser  Gebirge  gesetzt  zu  werden,  sie  können 
ja  die  Folge  späterer  anderweitiger  Faltungsprocesse  sein, 
während  deren  jene  Gebirge  nicht  mehr  im  Zustand  der  Zu- 
sammenpressung  sich  befanden. 

Wir  müssen  also  nachforschen,  ob  ausserhalb  der  bekannten 
Kettengebirge  vulkanische  Gesteine  bekannt  sind,  deren  Eruption 
gleichzeitig  mit  dem  Faltungsprocesse  jener  Gebirge  stattge- 
funden hat,  mit  anderen  Worten,  ob  Beweise  dafür  existiren, 
djiss  die  vulkanischen  und  Faltungsvorgänge  zwar  gleichzeitig 
aber  örtlich  von  einander  getrennt  auftreten. 

Dagegen  spricht  allerdings  von  vornherein,  worauf  schon 
früher  hingewiesen  worden  ist,  die  Erfahrung  aus  historischer 
Zeit,  aber  man  könnte  einwenden,  dass  diese  doch  im  Ver- 
hältniss  zur  Länge  der  geologischen  Perioden  zu  kurz  sei,  um 
daran  eine  für  unsere  theoretischen  Anschauungen  so  bedeu- 
tungsvolle Schlussfolgerung  zu  knüpfen. 

Wenn  man  von  allen  vulkanischen  Eruptionen  und  allen 
Gebirgsfaltungen  genaue  Kenntniss  ihres  Alters  und  ihrer 
Dauer  hätte,  so  brauchte  man  sie  nur  alle  aufzuzählen  und 
go^jcon  einander  zu  stellen,  um  sofort  die  Frage  nach  dem 
Fohlen  eines  Synchronismus  beantworten  zu  können.  Man 
wage  aber  nur  einen  solchen  Versuch,  dann  tritt  die  Unmög- 
lichkeit einer  derartigen  Beweisfühnmg  sofort  zu  Tage.  Die 
Mangelhaftigkeit   unserer  synchronistischen  Formationstabellen 


Ä  Boihpletz:  Cantractions-  und  Expansianstheorie,  321 

ist  jedem  Geologen  bekannt  für  alle  die  Fälle,  wo  es  sich  um 
Vergleiche  weit  von  einander  abliegender  oder  in  ihrer  Facies 
stark  sich  unterscheidender  Ablagerungen  handelt.  Dazu  kommt, 
dass  der  Zeitpunkt  für  viele,  insbesondere  aber  für  die  älteren 
Gebirgsfaltungen,  die  vulkanischen  und  insbesondere  die  pluto- 
nischen  Bildungen  nur  innerhalb  sehr  weiter  Grenzen  festge- 
legt werden  kann,  die  zur  Entscheidung  der  uns  vorliegenden 
Fragen  oft  viel  zu  unbestimmt  sind. 

Leichter  könnten  wir  zu  einem  greifbaren  Ergebniss 
kommen,  wenn  wir  nach  Beweisen  für  den  Synchronismus 
suchen,  denn  dann  brauchen  wir  nicht  alle  einschlägigen  Fälle 
zu  untersuchen  und  es  würde  nur  ein  einziger  genau  geprüfter 
Fall  von  Synchronismus  genügen,  um  die  Behauptung  zu 
widerlegen,  dass  vulkanische  und  Faltungsvorgänge  in  unserer 
^Erdkruste  sich  einander  zeitlich  ausschliessen.  Vielleicht  ge- 
lingt es  anderen  einen  solchen  Fall  ausfindig  zu  machen,  mir 
ist  dies  bis  jetzt  nicht  gelungen.  Dahingegen  haben  sich  gegen- 
i;heilige  Fälle  in  Menge  ergeben,  von  denen  ich  diejenigen, 
welche  auf  die  Alpenfaltung  Bezug  haben,  aufzählen  will. 

Das  Alpengebirg  hat,  wie  bereits  erwähnt,  zwei  Faltungs- 
perioden, die  erste  in  der  Zeit  des  mittleren  Oligocäns,  die 
zweite  am  Ende  der  Miocänzeit  erlebt.  Im  Norden  der  Alpen, 
^ber  nicht  weit  davon  entfernt,  liegen  die  zahlreichen  Zeugen 
wenn  auch  kleiner  Vulkandurchbrüche  auf  der  schwäbisch-baye- 
rischen Juratafel.  Soweit  ihr  Alter  bestimmt  werden  konnte, 
fallen  sie  in  die  mittlere  Miocänzeit,  wohin  auch  die  viel  um- 
fangreicheren Basalteruptionen  Hessens  gestellt  werden,  wäh- 
rend diejenigen  des  Siebengebirges  dem  üntermiocän  angehören. 
Viel  jünger  sind  die  wahrscheinlich  diluvialen  Vulkane  der 
Eifel.  In  Nordböhmen  begannen  die  Basaltausbrüche  erst  mit 
der  oberoligocänen  Periode  und  die  zahlreichen  Eruptionen 
Ungarns  scheinen  sich,  wenn  schon  ihre  Altersbestimmungen  in 
vielen  Fällen  zweifelhaft  sind,  auf  drei  Perioden  zu  vertheilen, 
nämlich  auf  das  Obereocän  und  ünteroligocän,  dann  auf  das 
Oberoligocän  und  Miocän  mit  Trachyteruptionen  und  endlich 
auf  das  Ende  der  Congerienstufe  und  den  Anfang  der  Pliocän- 


322         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  8,  November  1902, 

zeit  mit  Basalteniptionen.  Mit  Bezug  auf  die  Alpenfaltungen 
haben  wir  somit  eine  praealpine,  eine  interalpine  Trachyt-  und 
eine  postalpine  Basalt-Eruptionsperiode,  nur  fallt  es  auf,  dass  der 
Zwischenraum  zwischen  den  beiden  letzteren,  geologisch  ge- 
sprochen, recht  kurz  war.  Auch  die  vulkanischen  Ausbrüche 
des  französischen  Centralplateaus  lassen  sehr  deutlich  drei 
Perioden  erkennen,  von  denen  die  erste  im  mittleren  Miocän 
liegt  und  zu  Ende  der  Miocänzeit  erlischt,  während  die  zweite 
mit  dem  Pliocän  anhebt,  während  die  dritte  dem  Diluvium 
angehört. 

Alle  diese  Thatsachen  deuten  darauf  hin,  dass  auch  in  der 
weiteren  Umgebung  des  Alpengebietes  vulkanische  und  Fal- 
tungsvorgänge sich  zeitlich  einander  abgelöst  haben.  Wir 
können  also  von  einem  periodischen  Wechsel  derselben  so  lange 
sprechen,  als  keine  vulkanische  Eruptionen  namhaft  gemacht 
werden,  welche  ohne  Unterbrechung  die  mittlere  Oligocän-  oder 
die  jüngere  Miocänzeit  ausgefüllt  haben.  Angenommen  jedoch 
es  hätten  solche  wirklich  existirt,  dann  würde  sich  daraus  in 
Verbindung  mit  der  Thatsache,  dass  auch  während  der  Trias- 
und  Juraperiode,  die  wir  für  die  Gebirgsfaltungen  als  Zeiten 
der  Ruhe  zu  betrachten  gewöhnt  sind,  in  den  Südalpen,  in 
Amerika  und  Asien  eine  Menge  von  Eruptivgesteinen  zu 
Tage  getreten  sind,  der  Satz  ableiten  lassen,  dass  die  vul- 
kanischen Vorgänge  zu  den  dauernden  Begleiterschei- 
nungen der  erdgeschichtlichen  Entwickelung  gehören, 
während  Gebirgsfaltungen  nur  periodische  Ereignisse 
darstellen.  Auch  dieses  Ergebniss  stünde  mit  den  Erfah- 
rungen im  Einklang,  die  wir  aus  der  historischen  Zeit  ge- 
wonnen haben.  Beiden  Möglichkeiten  gemeinsam  ist,  dass  sie 
die  Möglichkeit  ausschliessen,  die  vulkanischen  Vorgänge  als 
unmittelbare  Folgen  des  Einsinkens  einzelner  Schollen  der  Erd- 
kruste auf/Aifassen. 

Damit  sind  wir  jedoch  unversehens  vor  ein  neues  Hemmniss 
oijjfnor  Art  gelangt,  ninnlioh  unsere  Abneigung  periodische 
Wiederholungen  in  der  Entwickelungsgescliichte  der  Erde  gelten 
zu  lassen,   wenn  sie  uns  ursäihlich  nicht  vei'ständlich  sind. 


A.  MothpleU:  C&nirüctiom-  und  Ewpanmmtheork. 


323 


Den  Wechsel  von  Tag  und  Nachts  Sommer  und  Winter, 
Ebbe  und  Fluth  anerkennen  wir  zwar  unbedenklich i  weil  er 
handgreiflich  und  leicht  erklärbar  ist.  Aber  welche  Schwierig- 
keiten waren  zu  überwinden ,  bis  die  Existenz  einer  grossen 
Eiszeit,  auf  die  wieder  eine  wärmere,  die  jetzige  Periode  folgte, 
zugegeben  wurde!  War  doch  eine  gleichmässig  fortschreitende 
Abkühlung  der  £rda  und  ihres  Kliman  viel  einleuchtender.  Die 
Brutalität  der  Thatsachen  hat  uns  nur  allmählich  gezwungen, 
den  Widerstand  aufzugeben,  und  jetzt  sind  wir  sogar  bereit 
an  die  mehrfache  Wiederholung  von  glacialen  und  interglacialen 
Perioden  zu  glauben,  trotzdem  für  ihre  Entstehung  noch  immer 
keine  genügende  theoretische  Begründung  gefunden  ist. 

Der  Widerstand,  der  sich  voraussichtlich  auch  gegen  die 
hier  ausgesprochene  Wahrscheinlichkeit  des  periodischen  Wech- 
sels zwischen  centripetalen  und  centrifugalen  Bewegungen  der 
Erdkruste  erheben  wird,  kann  mit  Erfolg  natürlich  nur  über- 
wunden werden,  wenn  Nachforschungen  auf  allen  Theilen  der 
Erde,  ähnlich  wie  für  die  Eiszeiten^  zu  übereinstimmenden  Er- 
gebnissen führen.  Selbstverständlich  lässt  sich  heute  der  Er- 
folg noch  nicht  mit  Sicherheit  voraussehen,  den  solche  Unter- 
suchungen zeitigen  werden*  Aber  letztere  fallen  jedenfalls  aus- 
schliesslich in  das  Arbeitsgebiet  des  thätigen  Feldgeologen  und 
bleiben  unabhängig  davon,  ob  eine  Theorie  ihre  Ergebnisse  er- 
klären kann  oder  nicht.  Gleichwohl  mag  es  von  Nutzen  sein 
darauf  hinzu  weissen,  dass  die  theoretische  Physik  in  neuerer 
Zeit  auf  Bahnen  wandelt,  die  der  Annahme  jener  Periodicität 
nicht  ungünstig  sind. 

Man  ist  geneigt  vorauszusetzen,  dass  die  kiystalline  Erd- 
kruste einen  gaslarmigen  Erdkern  unischliesst,  der  so  hohe 
Temperaturen  besitzt,  dass  sich  die  Gase  alle  im  überkritischen 
Zustande  befinden  und  in  Folge  des  hohen  Druckes  thatsächlich 
doch  mit  festen  Massen  grosse  Aehnlichkeit  besitzen*  Die 
Wärmeabgabe  der  Erde  nach  Aussen  erzeugt  in  diesem  Kerne 
Contraction  als  eine  centripetale  beschleunigte  Bewegung* 
Nach  den  Berechnungen  A.  Ritters  ist  es  denkbar,  dass  diese 
Bewegung   sich    in    Wärme   umsetzt,    die    an   Menge    um    ein 


324         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  8.  November  1902. 

Vielfaches  grösser  ist  als  die  Wärmemenge,  aus  deren  Abgabe  die 
Contractionsbewegung  hervorgegangen  ist.  Für  die  Erde  wäre 
demnach  Wärmeabgabe  nach  aussen  nicht  gleichbedeutend  mit 
Wärme  Verlust,  sondern  im  Gegentheil  von  erheblicher  Wärme- 
zunahme in  dem  gasförmigen  Kerne  gefolgt.  Es  handelt  sich 
hierbei  um  allerdings  sehr  langsame  Bewegungen,  deren  Be- 
deutung jedoch  in  der  Grösse  der  bewegten  Massen  liegt. 

Geht  man  von  einem  Ruhezustände  aus,  in  dem  die  centri- 
petale  Tendenz  der  Massen  und  die  centrifugale  Wirkung  der 
Wärme  im  Gleichgewicht  sind,  dann  wird  derselbe  durch 
Wärmeabgabe  nach  aussen  gestört.  Es  entsteht  im  Kern  Con- 
traction  und  in  der  Erdkruste  tangentiale  Spannung,  die  zu 
Gebirgsfaltungen  führt.  Nach  einer  gewissen  Zeit  erlangt  aber 
die  Wärme  die  Ueberhand  und  erzeugt  entgegengesetzte  Be- 
wegung. Die  Erdkruste  wird  für  den  sich  ausdehnenden  Kern 
zu  eng,  es  entstehen  Hebungen  einzelner  Theile  (continentale 
Hebungen),  die  Kruste  wird  stärker  erwärmt  (Steigen  der 
Geoisothermen),  in  der  Kruste  entsteht  statt  tangentialer  Span- 
nung Tendenz  zum  Zen-eissen  und  Auseinanderweichen  (Spalten- 
bildung), und  die  überheissen  Massen  des  Kernes  steigen  in 
die  Region  der  Kruste  empor  (plutonische  Injectionen  und  vul- 
kanische Durchbrüche).  Hierdurch  wird  der  üeberschuss  an 
Wärme  allmählich  aufgebraucht  und  es  muss  schliesslich  wieder 
ein  Zeitpunkt  eintreten,  in  dem  Druck  und  Wärme  ins  Gleich- 
gewicht gekommen  sind.  Sogleich  wird  die  fortgesetzte  Wärme- 
abgabe nach  aussen  nun  wieder  Contraction  erzeugen  und 
damit  eine  Wiederholung  der  geschilderten  Vorgänge  einleiten. 

So  ist  also  immerhin  schon  ein  Weg  gegeben,  auf  dem 
für  jene  Periodicität,  falls  sie  den  geologischen  Thatsachen 
gegenüber  sich  dauernd  bewähren  sollte,  eine  theoretische  Be- 
gründung gesucht  werden  kann.  Freilich  ist  vieles  noch  un- 
geklärt, insbesondere  die  Länge  jener  Perioden,  welche  vom 
geologischen  Standjiunkte  aus  als  sehr  bedeutend  angenommen 
werden  muss.  Denn  die  historische  Zeit  hätte  als  ein  Theil 
nur  der  letzton  Expansionsperiode  zu  gelten.  Ob  es  aber 
möglich    sein    wird    auf  jenem    theoretischen  Weg    zu    ähnlich 


Ä,  ßothpletg:  Contractions-'  und  Expansion stheorie.  325 

langen  Perioden  der  Contraction  und  Expansion  zu  gelangen^ 
kann  erst  die  Zukunft  lehren.  Die  geologischen  Thatsachen 
scheinen  übrigens  dafür  zu  sprechen,  dass  die  Contractions- 
perioden  kürzer  als  die  anderen  sind. 

Trotz  aller  Unsicherheit  im  Einzelnen  und  in  den  Voraus- 
setzungen lässt  sich  soviel  doch  wohl  mit  einiger  Berechtigung 
behaupten,  dass  schwerwiegende  theoretische  Bedenken  gegen 
die  Annahme  jener  Periodicität  nicht  bestehen,  und  wenn  sich 
auch  der  hier  skizzirte  Erklärungsversuch  als  unhaltbar  er- 
weisen sollte,  so  würde  das  noch  nichts  gegen  die  Richtigkeit 
der  Periodicität  selbst  beweisen. 


I90S.  Sitzangsb.  d.  matli.-phy8.  Cl. 


0^ 


327 


magnetische  Drehnng  der  Polarisationsebene  des 
Lichtes  in  selektiv  absorbirenden  Medien. 

Von  Angrost  Schmanss. 

{Eingelaufen  8.  November.) 
(Mit  Tal  m-VI.) 

Den   früheren  Untersuchungen  des  Verfassers^)  über  den 
in   der  Ueberschrift  genannten  Gegenstand,  die  sich  bisher  auf 
diamagnetische  Substanzen  beschränkt  hatten,  mögen  im  folgen- 
den Messungen    angereiht    werden,    welche    die   Drehung    der 
Polarisationsebene  des  Lichtes  unter  dem  Einflüsse  des  Magneten 
ÄD  magnetischen,  absorbirenden  Medien  bestimmen  sollten. 

Betreffs  der  Versuchsanordnung,  mit  der  die  nachfolgenden 
Resultate  erhalten  sind,  darf  auf  die  bereits  erwähnten  Mit- 
teilungen verwiesen  werden. 

I. 
Anomale  Dispersion  in  flüssigem  Sauerstoff. 

Es  schien  von  Interesse,  zu  untersuchen,  ob  dem  flüssigen 
Sauerstoff,  der  ein  ausgezeichnetes  Absorptionsspektrum  besitzt, 
^öomale  Drehung  der  Polarisationsebene  zukommt. 

Zur  Messung  der  Drehung  befand  sich  der  flüssige  Sauer- 
stoff in  einem  Dewar'schen  Gefässe  von  8  cm  innerer  Weite, 
um  Licht  hindurchschicken  zu  können,  war  die  Silberbelegung 
an  zwei  diametralen  Stellen  weggenommen.     Das  Gefäss  wurde 


^)  A.  Schmauss,  Ann.  d.  Phys.  2,  p.  280,  1900;  8,  p.  482,  1902. 

22* 


328         Sitzung  der  maih.-phys.  Classe  vom  8.  November  1902. 


zwischen  die  durchbrochenen  Pole  des  Elektromagneten  gestellt. 
Die  folgende  Tabelle  I  gibt  die  erhaltenen  Zahlenwerte  der 
Drehung,  die  für  das  Gebiet  von  drei  Absorptionsstreifen  be- 
stimmt wurde. 

Tabelle  I. 


x  = 

658 

652 

645 

642 

602 

600 

I.  o  = 

0,340 

0,36 

0,40 

0,45 

0,87 

0,41 

\Lq  = 

0,65« 

0,66 

0,74 

0,78 

0.74 

0,79 

III.    Q  = 

0,970 

1,02 

1,06 

1,18 

1,14 

1,18 

593 

0,50 

0,87 
1,28 


553 


0,40 
0,87 
1,84 


551 


547 


0,43 
0,89 
1,33 


0,43 
0,92 
1,38 


541 


0,52 
0,99 
1,46 


527 


522 


515 


507 


0,88 

0,41 

0,47 

1 

,    0,58 

0,90 

0,93 

0,99 

1,11 

1,40 

1,42 

1,51 

'    1,63 

Die  Zahlenwerte  sind  in  die  beigegebene  Tafel  HI  einge 

tragen.     Die  Messungen  geschahen  für  drei  verschiedene  Feld 

stärken.  Um  einen  Anhalt  über  die  Grösse  derselben  zu  haben,^« 
wurde  die  Drehung  in  Wasser  bei  denselben  FeldstärkenK-- 
{l  ius  lin  in  demselben  Getlisse  bestimmt.  Die  in  Tafel  UET 
punktirt    eingetragenen    Kurven    erläutern    die    Dispersion    iiB- 


Ä.Sehmauss:  Magnetische  Drehung  der  Polarisation sebene.      329 

''asser  unter  denselbeo  Versuchsbedingungen  und  geben  ein 
Jd  der  relativen  Drehung  des  flüssigen  Sauerstoffs  in  Bezug 
if  Wasser. 

Die  Betrachtung  der  Tabelle  —  die  entsprechenden  Zahlen 
n  und  nach  einem  Absorptionsstreifen  sind  durch  stärkeren 
ruck  hervorgehoben  —  oder  der  beigegebenen  Kurven  zeigt 
le  anomale  Drehung  des  flüssigen  Sauerstoffs  in  demselben 
nne,  wie  er  bereits  für  diamagnetische  absorbirende  Medien 
stgestellt  ist. 

Zugleich  bestätigt  sich  auch  hier  das  von  Herrn  Prof.  Voigt 
s  der  Theorie  vorhergesehene  Gesetz  der  Abnahme  der 
jgativen  Drehung  innerhalb  eines  Absorptionsstreifens  mit 
ichsender  Feldstärke.  Die  bei  niedriger  Feldstärke  negative 
fferenz   der   Höhe    der   Fortsatzpunkte    T,  2',  3'   gegenüber 

2,  3  (siehe  Fig.)  geht  bei  steigender  Feldstärke  durch  Null 

positiven  Werten. 

Anmerkung:  Das  Verhältnis  der  Drehung  gasförmigen  Sauer- 
ffs  zu  der  des  Wassers  unter  gleichen  Bedingungen  wurde  von  A.  Kundt 
i  W.  C.  Röntgen ')  =  0,354.  10- »  bestimmt. 

Das  Verhältnis  der  Dichte  des  flüssigen  Sauerstoffs  (1,24)  zu  der 
j  gasföi-migen  (0,0014)  beträgt  etwa  900. 

Unter  der  Annahme,  dass  die  Drehung  der  Dichte  proportional  zu- 
ame,  ergibt  sich  für  das  Verhältnis  der  Drehung  des  flüssigen  Sauer- 
ffs  zu  der  des  Wassers  0,318. 

Nach  den  vorliegenden  Messungen  bewegt  sich  das  Verhältnis 
ischen  0,5  upd  0,6,  das  heisst:  Die  Drehung  nimmt  beim  üebergang 
)  dem  gasförmigen  in  den  flüssigen  Zustand  stärker  zu  als  die  Dichte. 


1)  A.  Kundt  und  W.  C.  Röntgen,  Wied.  Ann.  10,  p.  257,  1880. 


330         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  8,  November  1902, 


IL 

Anomale  Dispersion  der  negativ-drehenden  Losungen  von 
Neodym-Praseodym-  und  Erbium-Nitrat. 

Einleitung:  Herr  Professor  du  Bois  hatte  auf  dem  inter- 
nationalen Physikerkongress  in  Paris  1900  in  seinem  Referate 
über  die  magnetischen  Eigenschaften  der  Materie*)  bei  den  Ele- 
menten der  Erbiumgruppe  auf  die  Notwendigkeit  hingewiesen, 
ihr  magnetooptisches  Verhalten  zu  studiren.  Da  Herr  Professor 
du  Bois  zunächst  nicht  Gelegenheit  hatte,*)  selbst  die  Messung 
der  Drehung  der  Polarisationsebene  in  den  Salzen  der  seltenen 
Elemente  durchzuführen,  wurde  dies  mit  seiner  gütigen  Erlaubnis 
in  das  Programm  der  vorliegenden  Arbeit  aufgenommen. 

Die  Bestimmung  der  Drehung  der  Polarisationsebene  in 
den  Salzen  der  Gruppe,  welche  eine  negative  Drehung  auf- 
weisen, ist  schon  vom  rein  physikalischen  Gesichtspunkt  aus 
wegen  der  ausgezeichneten  Absorptionsspektra  interessant,  die 
wir  hier  finden. 

Wie  dürfte  sich  nach  allgemeinen  Ueberlegungen  die  Dreh 

ung   einer   negativ   drehenden   selectiv   absorbirenden  Substanz= 
gestalten  ? 

Es  stelle  in  Fig.  1  die  Kurve  1  die  Kotationsdispersion  des^ 
Lösungsmittels  etwa  des  Wassers  dar.    Dann  ist  die  Drehungs — • 

kurve  einer  nicht  absorbirenden  Substanz,  die  in  1  gelöst  wird ! 

gegeben  durch  2,  wenn  die  gelöste  Substanz  positives,  durch  3,— 

wenn  ihr  ein  negatives  Drehungsvermögen  (etwa  prop.  -r^l 

zukommt. 

Besitzt  die  gelöste  Substanz  einen  Absorptionsstreifen,  dann 
wird    nach    den    früheren    Erfahrungen    der   Verlauf  der   Dis-  - 
persion  durch  die  Kurve  4  dargestellt,  falls  die  Substanz  selbst 


M  11.  du  Hois:  rro})riotös  Magnetiques  de  la  Matiere  Ponderable^ 
Kapport  proseilte  au  Conj:^res  international  de  Physique,  Paria  1900,  2, 
p.  460. 

-)  H.  du  Bois:  Ann.  d.  Phys.  7,  p.  94  t,  1902. 


Ä.  ScJimauss:  Magnetische  Drehung  der  Polarisationsebene,      331 

itives  Drehungs vermögen  besitzt.  Dreht  die  gelöste  Sub- 
iz  negativ,  dann  wird  man  innerhalb  eines  Absorptions- 
ifens  einen  durch  die  Kurve  5  -dargestellten  Gang  der 
ationsdispersion  erwarten  dürfen,  falls  man  in  einfacher 
lerlegung  die  Konstante  negativ  nimmt,  etwa  in  der  Formel 
Berechnung  der  Grösse  des  Drehungswinkels  nach  Maxwell 

rend  in  positiv  drehenden  Medien  c  positiv  ist. 


Fig.  1. 

^^^ 

P^^^ 

■^ 

ü       "^ 

4\ 

7'''<^    \ 

\ 

N.*,r^ 

^'^           1 

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^     1 

^^_— '[ '  '^-J 

ii___ 

\  / 

— '^ 

-iÄ-^- 

Mit  der  Annäherung  von  der  roten  Seite  an  den  Absorp- 
isstreifen  wird  also  die  Drehung  abnehmen,  von  der  blauen 
te  her  zunehmen. 

Diese  Folgerung  soll' an  Neodym-Praseodym-  und  Erbium- 
•atlösungen  geprüft  werden. 


332         Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  8,  November  1902, 

Die  Messungen. 

Der  Güte  des  Herrn  Prof.  Muthmann  verdanke  ich  di 
Ueberlassung  von  Neodym-  und  Praseodymnitratlösungen,  vo 
Herrn  Prof.  Hofifmann  erhielt  ich  Erbiumnitrat.  Es  sei  m 
gestattet,  den  beiden  Herren  auch  an  dieser  Stelle  für  die  AI 
gäbe  des  seltenen  Materiales  zu  danken. 

Die  Messungen  wurden  für  drei  verschiedene  Feldstärke 
—  ca.  5500,  11000  und  16000  C.  G.  SE  —  und  zwei  ve 
schiedenen  Konzentrationen  (Schichtdicke  0,25  cm)  ausgefühi 
Die  erste  Lösung  (1)  ist  dreimal  so  konzentrirt  als  d 
zweite  (2). 

Um  eine  etwaige  Konzentrationsänderung  im  Magnetfeh 
zu  vermeiden,  wurde  die  Glaskuvette,  welche  die  Lösungf 
aufnahm,  nur  so  gross  gewählt,  dass  sie  eben  dem  Lichtbünd 
den  Durchgang  gestattete.  Uebrigens  hat  man  noch  keii 
Konzentrationsänderung  von  Lösungen  magnetischer  Stoffe  i 
Magnetfelde  beobachten  können.*) 


*)  G.  Wiedemann,  Die  Lehre  von  der  Elektrizität,  II.  Band,  §  12( 

(3.  Aufl.   1895.) 


A.  Sekmauss:  Mechanische  Drehung  der  Pölarisationsebene,     333 

Tabelle  2  a  (hierzu  Tafel  IV). 
Dispersion  in  Neodymnitratlösung  1. 


A  = 

658 

641 

627 

612 

599 

586 

I.  e  = 

0,05  0 

0,06 

0,08 

0,07 

0,09 

0,09 

IL  Q  = 

0,150 

0,16 

0.17 

0,18 

0,19 

0,21 

m.  e  = 

0,28  0 

0,28 

0,32 

0,32 

0,34 

0,36 

573 

566 

561 

551 

541 

0,16 

0,15 

0,17 

0,18 

0,20 

0,27 

0,27 

0,30 

0,31 

0,32 

0,40 

0,40 

0,43 

0,45 

0,46 

632 

528 

517 

512 

499 

0,20 

0,24 

0,14 

0,31 

0,81 

0,33 

0,87 

0,28 

0,43 

0,38 

0,60 

0,52 

0,45 

0,60 

0,57 

491 

483 

474 
0,28 

468 

462 

0,27 

0,27 

0,30 

0,35 

0.41 

0,41 

0,45 

0,47 

0,50 

0,62 

0,62 

0,63 

0,66 

0,70 

334         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  8,  November  1902. 


Tabelle  2  b. 

Dispersion  in  Neodymnitratlösung  2. 


A  = 

658 

641 

627 

612 

599 

586 

I.  e  = 

0,190 

0,19 

0,20 

0,21 

0,21 

0,24 

II.  e  =  . 

0,320 

0,35 

0,37 

0,38 

0,38 

0,40 

III.  Q   = 

0,420 

0,46 

0,51 

0,52 

0,55 

0,57 

573 

566 

561 

551 

541 

0,27 

0,25 

0,26 

0,27 

0,27 

0,43 

0,42 

0,45 

0,46 

0,49 

0,62 

0,64 

0,67 

0,67 

0,68 

532 

528 

524 

519 

515 

512 

0,30 

0,31 

0,35 

0,25 

0,33 

0,38 

0,51 

0,54 

0,58 

0,53 

0,60 

0,64 

0,71 

0,74 

0,76 

0,70 

0,81 

0,85 

507 


499 


0,27 
0,55 
0,79 


0,29 
0,59 
0,81 


491 


0,32 
0,59 
0,83 


483 

0,32 
0,60 
0,86 


474 


468 


462 


0,34  ;  0,36 
0,61  0,63 
0,87     I    0,91 


0,40 
0,69 
0,97 


A.  Schmauss:  Magnetische  Drehung  der  Polarisaiionsebene,      335 


Tabelle  8  a  (hierzu  Tafel  V). 
Dispersion  in  Praseodymnitratlösung  1. 


x  = 

642 

627 

612 

599 

597 

593 

578 

I.  e  = 

0,11^ 

0,13 

0,14 

0,15 

0,16 

0,28 

0,14 

IL  e  = 

0,220 

0,23 

0,24 

0,27 

0,29 

0,87 

0,81 

IIL  g  = 

0,31 0 

0,32 

0,36 

0,41 

0,45 

0,51 

0,50 

573 

561 

551 

541 

532 

525 

515 

511 

0,19 

0,22 

0,21 

0,22 

0,24 

0,29 

0,11 

0.19 

0,32 

0,37 

0,36 

0,38 

0,41 

0,46 

0,81 

0,40 

0,53 

0,56 

0,56 

0,57 

0,62 

0,68 

0,60 

0,66 

507 

499 

491 

487 

483    

474 

472 

0,24 

0,26 

0,26 

0,27 

0,81 

0.16 

0,19 

0,44 

0,46 

0,49 

0,50 

0,52 

0,89 

0,41 

0,70 

0,72 

0,74 

0,76 

0,81 

0,71 

0.73 

469 

458 

455 

450 

444 

0.25 

0,12 

0,24 

0,30 

0,37 

0,47 

0,38 

0,50 

0,56 

0,64 

0,78 

0,74 

0,83 

0,90 

0,96 

336         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  8,  November  1902, 


Tabelle  8  b. 

Dispersion  in  Praseodymnitratlösung  2. 


X  = 

627 

612 

599 

593 

578 

573 

T.  ^  = 

0,160 

0,17 

0,18 

0,26 

0,15 

0,17 

II.  Q== 

0,34« 

0,36 

0,40 

0,46 

0,40 

0,43 

III.  Q   = 

0,530 

0,57 

0,62 

0,67 

0,66 

0,69 

551 

532 

524 

515 

499 

487 

0,20 

0,23 

0,26 

0,20 

0,30 

0,33 

0,48 

0,54 

0,58 

0,51 

0,60 

0,67 

0,74 

0,83 

0,88 

0.84 

0,90 

0,96 

485 

474 

i 

'  470 

1 

468   1  

458 

0,85 

0,28 

'  0,34 

0,39 

0,S2 

0,70 

0,68 

i  0,70 

0,74 

0,71 

0,08 

0,90 

1  0,95 

1 

0,99 

0,99 

455 

450 

444 

0,37 

0,41 

0,48 

0.75 

0,79 

0,85 

1,06 

1,12 

1,19 

A.  Schmause:  Magnetische  Drehung  der  Pölarisationsebene.     337 


Tabelle  4  a  (hierzu  Tafel  VI). 
Dispersion  in  Erbiumnitratlösung  1. 


il=: 

668 

658 

651 

647 

630 

627 

I.  e  = 

0,030 

0,08 

0,07 

0,10 

0,01 

0,03 

II.  e  = 

0,130 

0,18 

0,16 

t),18 

0,14 

0,16 

III.  Q   = 

0,210 

0,27 

0,25 

0,27 

0,26 

0,28 

612 

599 

573 

551 

547 

541 

528 

0,06 

0,06 

0,08 

0,07 

0,09 

0,20 

0,07 

0,19 

0,22 

0,21 

0,27 

0,32 

0,40 

0,82 

0,32 

0,3  i 

0,37 

0,43 

0,47 

0,57 

0,48 

523 

521 

507 

504 

499 

491 

489 

0,15 

0,20 

-0,10 

0,00 

0,07 

0,12 

0,18 

0,40 

0,44 

0,21 

0,29 

0,32 

0,36 

0,41 

0,60 

0,66 

0,48 

0,50 

0,57 

0,64 

0,66 



470 

468 

455 

446 

428 

423 

-0,05 

0,02 

0,13 

0,21 

0,00 

0,18 

0,25 

0,28 

0,37 

0,48 

0,35 

0.50 

0,51 

0,52 

0,63 

0,75 

0,65 

0,79 

338         Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  8,  November  19012. 


Tabelle  4  b. 

Dispersion  in  Erbiumnitratlösung  2. 


x  = 

668 

658 

651 

647 

630 

627 

599 

I.  e  = 

0,110 

0,15 

0,13 

0,15 

0,09 

0,10 

0,11 

u.e  = 

0,27» 

0,32 

0,31 

0,82 

0,28 

0,28 

0,31 

III.  Q   = 

0,420 

0,46 

0,46 

0,48 

0,48 

0,48 

0,53 

573 

551 

541 

632 

523 

511 

0,11 

0,13 

0,19 

0,09 

0,20 

0,10 

0,34 

0,36 

0,44 

:  0,89 

0,50 

0,44 

0,58 

0,65 

0,71 

0,68 

0,80 

0.77 

507 

491 

489 

474 

468 

461 

0,17 

0,30 

0,34 

0,16 

0,20 

0,23 

0,48 

0,60 

0,66 

0,51 

0,54 

0,56 

0,80 

0,89 

0,94 

0,82 

0,86 

0,91 

449 

446 

444 

0,28 

0,34 

0,41 

(),GiJ 

0,G7 

0,73 

0,95 

0,99 

1,03 

Ä.  Schmauss:  Magnetische  Drehung  der  Polarisationsehene,      339 

Betrachten  wir  die  Tabellen  oder  die  zu  je  einer  Kon- 
zentration beigegebenen  Tafeln  IV  bis  VI,  dann  sehen  wir, 
dass  der  Gang  der  anomalen  Dispersion  in  diesen  negativ 
drehenden  Losungen  nicht  die  erwartete,  in  Fig.  1  durch 
Kurve  5  dargestellte  Form  annimmt,  sondern  den  in  Fig.  2 
durch  Kurve  6  gegebenen  Verlauf  nimmt. 

Fig.  2. 


^^ 

, 

1 

— 

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■^ 

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'"i-^ 

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' 

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'^— 1 

H 

--•— 

*-'^ 

b* 













Zur  Fixirung  der  Vorstellung,  ohne  damit  über  den  in 
unseren  Lösungen  wirklich  stattfindenden  Vorgang  eine  Be- 
hauptung aufzustellen,  denken  wir  uns  ein  negativ  drehendes 
Salz  (Kurve  3)  in  Wasser  gelöst,  dieser  Lösung  einen  positiv 
drehenden  Farbstoff  beigegeben,  dann  stellt  Kurve  6  den 
Verlauf  der  Drehung  in  einem  Absorptionsstreifen  des  Farb- 
stoffes dar. 


Resultat : 

Die  vorliegenden  Messungen  haben  folgendes  Ergebnis: 
In    den    negativ    drehenden    Lösungen    von    Neodym- 
Praseodym-    und    Erbiumnitrat    sind    die    Anomalien    in    der 


340         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  8.  Kavemher  1902, 

Drehung  infolge  selectiver  Absorption  , positiv*,  wenn  mit 
dem  Prädikat  „positiv"  der  anomale  Gang  der  Drehung  in 
positiv  drehenden  absorbirenden  Substanzen  festgelegt  ist. 

Im  Sinne  der  Elektronen theorie  bedeutet  dieses  Resultat: 
Das  absorbirende  Jon,  das  die  Polarisationsebene  des  Lichtes 
im  Sinne  der  Molekularströme  dreht,  besitzt  eine  negative 
elektrische  Ladung. 


341 


Bericht  über  eine  von  den  Frivatdozenten  Dr.  Max 

Blanckenhom  und  Dr.  Ernst  Stromer  von  Reichenbach 

ausgeführte  Reise  nach  Aegypten. 

Einleitang 
von  Ernst  Stromer  Ton  Reichenbach. 

{Eitigelaufen  8,  Nowniber.) 

Angeregt  durch  hochinteressante  Fossilfunde,  welche  bei 
der  staatlichen  Untersuchung  der  Geologie  Aegyptens  in  dem 
dortigen  Tertiär  gemacht  wurden,  stellten  wir  im  November 
vorigen  Jahres  an  die  k.  bayerische  Akademie  der  Wissen- 
schaften das  Ersuchen  uns  Mittel  zu  einer  Reise  nach  Aegypten 
zu  gewähren  um  dort  vor  allem  nach  Fossilien  speziell  Wirbel- 
tier-Resten zu  suchen  und  wichtige  geologische  Fragen  einer 
Lösung  entgegenzuführen. 

Schon  Anfang  Dezember  wurde  unserem  Antrage  ent- 
sprochen und  noch  am  Ende  desselben  Monats  begaben  wir 
uns  nach  Triest,  um  uns  nach  Alexandria  einzuschiflTen.  Am 
6.  Januar  trafen  wir  in  Kairo  ein.  Unsere  dortigen  Reise- 
vorbereitungen wurden  durch  verschiedene  Freunde  meines 
Reisegefährten  besonders  einen  geborenen  Münchner,  Herrn 
Stadler,  Beamten  der  Survey,  und  Herrn  Dr.  Schmidt,  Pro- 
fessor an  der  medizinischen  Schule,  unterstützt  und  dadurch 
vereinfacht,  dass  ein  Zelt  nebst  wichtigen  Einrichtungsgegen- 
ständen von  dessen  früheren  Reisen  in  Aegypten  her  in  Kairo 
aufbewahrt  wurden   und   nun    uns   gleich   zu  Gebote  standen; 

1902.   Sitzungsb.  d.  math.-phys.  Cl.  23 


342         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  8.  November  1902, 

sie  erlitten  aber  durch  das  Beiramfest  einige  Verzögerung. 
Wir  benutzten  diese  freie  Zeit  zu  kleinen  geologisch-paläonto- 
logischen Erkundungsausflügen  in  das  Mokättam-Gebirge  und 
über  die  Gizeh-Pyramiden  nach  Abusir. 

Am  14.  Januar  endlich  reisten  wir  mit  der  Bahn  nach 
Medinet  el  Fajüm  ab,  um  von  da  aus  das  Mitteleocän  nördlich 
der  Fajüm-Oase  zu  untersuchen,  das  nach  den  Berichten  von 
Professor  Schweinfurth  und  anderen  besonders  reich  an  Wirbel- 
tier-Resten sein  sollte.  Wir  mieteten  in  der  Stadt  und  in  einem 
in  der  Nähe  gelegenen  Dorfe,  Tobhär,  mit  der  gütigen  Hülfe 
zweier  Ungarn,  der  Brüder  Fahn,  sechs  Kameele  mit  fünf  Treibern, 
einen  Wächter  und  einen  arabischen  Diener.  Dann  zogen  wir  am 
17.  mit  dieser  Karawane  über  Näzleh  Gebäli  nach  Westen  zum 
Wüstenrand  und  von  da  aus  nach  der  im  Westen  der  Birket 
el  Qerün  gelegenen  prächtigen  Tempelruine  Qasr  Qerün  und 
von  hier  zunächst  etwas  nach  Nordwesten. 

Hierauf  streiften  wir  die  Gegend  nördlich  des  genannten 
Sees  in  der  Nähe  der  Ruinen  von  Dlmeh  und  Qasr-es-Saga  ab 
und  kamen  zuletzt  am  27.  Januar  im  Nordosten  des  Fajüm 
wieder  in  das  Kulturland  nach  Tamieh,  von  wo  aus  wir  mit 
der  Bahn  nach  Kairo  zurückkehrten. 

Unsere  Ausrüstung  mit  in  Kairo  gekauften  Konserven 
sowie  mit  Wasser,  das  wir  teils  in  Petroleumblechkisten,  teils 
in  Leinwandsäcken,  die  bei  der  Firma  Reichelt  in  Berlin  ge- 
kauft waren,  mit  uns  führten,  bewährte  sich  bei  dieser  Tour 
sehr  gut,  Schwierigkeiten  hatten  wir  aber,  weil  unsere  Leute 
vertragswidriger  Weise  nicht  genug  Kameelfutter  mitgenommen 
hatten.  Eine  Beschaffung  desselben  durch  Vermittlung  von 
Fischern,  die  wir  am  See  öfters  antrafen,  scheiterte  an  den  zu 
hohen  Forderungen  derselben,  unsere  Kameele  mussten  sich 
deshalb  mehrere  Tage  lang  mit  den  am  See  wachsenden 
Tamarisken  und  Schilf  begnügen  und  wir  unsere  Route  dar- 
nach abändern. 

Da  wir  auf  dieser  Tour  in  dem  untersuchten  Mitteleocän 
(Oberniokattam)  nicht  genügende  Funde  gemacht  hatten,  be- 
schlossen   wir   auf  unser   Risiko    noclimals    dorthin    zu    ziehen 


J&.  Stromer:  Heber  eine  l^eise  nach  Äegypten.  343 

id  noch  andere  Touren  zu  unternehmen,  um  möglichst  viel 
aterial  zu  sammeln  und  um  zugleich  auch  verschiedene  be- 
nders  interessante  stratigraphische  Probleme  in  Angriff  zu 
hmen. 

Nach  neuen  Vorbereitungen  und  Erkundigungen  bei  dem 
lef  der  geologischen  Landesuntersuchung,  Captain  Lyons, 
«lang  es  uns  durch  Vermittlung  eines  deutschen  Baumeisters, 
rugger,  bei  den  Gizeh-Pyramiden  fünf  Kameele  nebst  Treibern 
i  erhalten,  auch  mieteten  wir  einen  französisch  sprechenden 
lener,  der  den  bekannten  Paläontologen  Prof.  Mayer  Eymar 
id  meinen  Kollegen  schon  öfters  begleitet  hatte.  Mit  diesen 
juten  brachen  wir  am  6.  Februar  auf  und  zogen  durch  die 
ieswüste  direkt  nach  Südwesten,  bis  wir  nach  drei  Tagen  den 
)rdlichsten  Punkt  von  Professor  Schweinfurths  Fajümreise  von 
J86  (Verh,  Ges.  f.  Erdk.  Berlin  1886  S.  21)  erreichten. 

Dieses  Mal  gelang  es  uns  durch  die  Fischer  frisches  Futter 
id  Wasser  über  die  Birket-el-Qerün  holen  zu  lassen,  auch 
jwährten  sich  unsere  Beduinen  viel  besser  als  die  Fajüm- 
3llachen  der  ersten  Tour  und  so  konnten  wir  unserer  Absicht 
itsprechend  mehrere  Tage  lang  die  Plateauhöhen  und  Ränder 
)rdlich  des  Sees  absuchen  und  vor  allem  auch  die  auf  der 
sten  Tour  nicht  erreichten  knochenführenden  Schichten  des 
bereocäns  untersuchen. 

Am  18.  Februar  verliess  ich  in  Tamieh  die  Karawane  um 
1  Fajüm  zoologische  Objekte  zu  erwerben,  meine  Absicht 
)er  in  der  Birket-el-Qerün  Plankton  zu  fischen,  konnte  ich 
ider  nicht  durchführen,  da  es  zu  viel  Zeit  und  Kosten  bean- 
irucht  hätte  und  so  kehrte  ich  nach  Kairo  zurück,  wo  auch 
ein  Kollege,  der  mit  der  Karawane  auf  dem  direkten  Wüsten- 
ege  zu  den  Gizeh-Pyramiden  gezogen  war,  am  20.  Februar 
ilangte. 

Um  auch  das  Jungtertiär  zu  durchforschen,  beschlossen 
ir  nun  das  Natronthal  zu  besuchen,  wobei  uns  die  Direktion  der 
)rtigen  Salt  and  Soda  Co.  ihre  Unterstützung  zusagte.  Wir 
afen  schon  am  24.  Februar  abends  bei  der  Fabrik  dortselbst 
lit  Hilfe  der  von  Katatbeh  in  das  Thal  führenden  Kleinbahn 

23* 


344         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  8,  November  1902. 

der  Gesellschaft  ein  und  erfreuten  uns  dort  der  bereitwilligsten 
Unterstützung  der  Angestellten  der  Compagnie,  so  dass  wir  in 
mehreren  Tagen  unsere  geologisch-paläontologischen  Studien 
durchzuführen  im  Stande  waren  und  ich  auch  einige  Plankton- 
Fangzüge  in  den  Salzseen  machen  konnte. 

Nach  Kairo  zurückgekehrt  fuhren  wir  dann  am  4.  März 
von  einem  Diener  begleitet  mit  der  Bahn  nach  Wasta.  Dort 
mieteten  wir  drei  Esel  mit  Treibern-  und  einen  Wasserträger 
und  machten  einen  zweitägigen  Ausflug  in  die  östliche  Wüste, 
wo  wir  südlich  des  Uadi  Ramlieh  im  unteren  Mokättam  nach 
Fossilien  suchten  und  zahlreiche  schöne  Fischzähne  erbeuteten. 
Direkt  von  Wasta  aus  fuhren  wir  endlich  mit  der  Bahn 
nach  Luxor,  wohin  zu  kommen  uns  Professor  Schweinfurth 
aufgefordert  hatte.  Mit  ihm  unternahmen  wir  dort  einen  Aus- 
flug nach  Qurna  zur  Untersuchung  der  dortigen  Fundorte 
prähistorischer  Artefakte.  Ich  musste  leider  schon  am  9.  März 
nach  Kairo  zurückkehren,  um  meine  zoologischen  Sammlungen 
zu  vervollständigen  und  am  15.  nach  Europa  heimreisen. 
Mein  Reisegefährte  machte  jedoch  bei  Luxor  mit  Professor 
Schweinfurth  noch  mehrere  geologische  Exkursionen  und  dann 
auch  einige  bei  Kairo  und  fuhr  erst  am  21.  März  nach 
Triest  ab. 

Unsere  Fossilfunde,  die  wir  an  die  paläontologische  Staats- 
sammlung in  München  ablieferten,  umfassen  hauptsächlich  der 
Absicht  unserer  Reise  entsprechend  Wirbeltier- Reste  und  zwar 
solche  von  Hai-  und  Knochenfischen  aus  dem  Unter-Mokättam 
des  Uadi  Ramlieh,  dem  Ober-Mokättam  nördlich  der  Birket- 
el-Qerün  und  dem  Pliocän  des  Natronthaies,  von  Schildkröten 
und  Krokodilen  aus  den  letzteren  beiden  Stufen  sowie  aus  ober- 
eocänen  Schicliten  nördlich  von  Qasr-es-Saga  und  endlich  von 
Sclilangen,  Waltieren  und  Seekühen  aus  dem  Ober-Mokattam 
nördlich  der  Birket-el-l^erim  und  von  Landsäugetieren  von 
ebenda  sowie  aus  dem  dortigen  übereocän  und  dem  Pliocän  am 
Fusse  des  Gart  Muluk  im  Natronthale.  Leider  wurde  unsere 
pah'iontologische  Ausbeute  dadurch  beeinträchtigt,  dass  die  Haupt- 
fund})lätze  am  Qeriin  See  und  am  Gart  Muluk  schon  abgesucht 


E,  Stromer:  (Jeher  eine  Reise  nach  Aegypten,  345 

waren  und  dass  die  Stücke  teils  sehr  verwittert  teils  recht  zer- 
brechlich waren,  doch  gelang  es  immerhin  viele  recht  wertvolle 
Reste  zu  bergen.  Diese  sind  noch  in  Bearbeitung,  im  Folgen- 
den will  ich  nur  eine  kurze  Beschreibung  eines  der  besten 
Stücke,  eines  Zeuglodon-Schädels,  geben.  Ausserdem  wurden 
noch  Conchilien  und  Gesteinsproben  gesammelt  und  zahlreiche 
Profile  aufgenommen,  die  meinem  Reisegefährten  zur  Vervoll- 
ständigung seiner  geologischen  Beobachtungen  dienen,  deren 
Resultate  er  im  Folgenden  bringen  wird. 

Es  erübrigt  mir  nur  noch  auch  im  Namen  meines  Kol- 
legen der  hohen  Akademie  der  Wissenschaften  für  die  Be- 
willigung von  Mitteln,  der  Direktion  des  österreichischen  Lloyd 
für  gewährte  Fahrpreisermässigung,  sowie  all  den  Behörden 
und  Herren,  die  uns  direkt  oder  indirekt  unterstützt  haben, 
insbesondere  Herrn  Geheimrat  v.  Zittel,  unseren  Dank  auszu- 
sprechen. 


Ein  Schädel  und  Unterkiefer  von  Zeuglodon  Osiris  Dames. 

Der  Schädel,  von  welchem  ich  hier  eine  vorläufige  Be- 
schreibung und  Abbildung  gebe,  wurde  von  mir  am  Westrande 
der  Plateaubucht  nördlich  von  Dimeh  gefunden.  Er  lag  isoliert 
und  in  mehrere  Stücke  zerbrochen  auf  einer  Terrasse  im  unteren 
Drittel  des  Plateauabfalles  in  grauem,  z.  Z.  rotgelbem  Mergel 
(nach  Dr.  Blanckenhom  unterer  Knochenhorizont  der  Stufe  II  5  a). 
Infolge  starken  Gipsgehaltes  desselben  ist  das  Fossil  leider 
etwas  verdrückt  und  die  Oberfläche  sowie  der  Zahnschmelz 
speziell  an  den  kegelförmigen  Zähnen  grossenteils  zerstört. 

Der  Schädel  ist  von  rechts  oben  her  etwas  schief  ver- 
drückt, die  hinteren  Backzähne  sind  beiderseits  nach  innen 
gepresst  und  die  Jochbogen  sowie  die  Ohrregionen  sind  un- 
vollständig. Ein  sehr  grosses  linkes  Paukenbein  lag  dicht  bei 
dem  Schädel.  Der  rechte  bis  auf  das  Gelenkende  vollständige 
ünterkieferast  war  in  seiner  natürlichen  Lage  an  den  Schädel 


346         Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  8,  November  1903. 


E,  Stromer:  lieber  eine  Beiae  nach  Aegypten.  347 

angepresst,  er  ist  aber  wie  der  linke  hinter  dem  ersten  Zacken- 
zahn zerbrochen  und  etwas  auseinander  gezerrt.  Von  dem 
anderen  Ast,  der  etwas  verschoben  am  Schädel  lag,  fand  ich 
auch  das  Gelenkende,  während  sein  Symphysenteil  oflFenbar 
zerstört  war,  denn  ich  konnte  davon  nur  drei  isolierte  Kegel- 
zähne am  Schädel  liegend  entdecken. 

Wie  die  am  Schlüsse  angegebenen  Maasse  zeigen,  ist  der 
Unterkiefer  nur  wenig  grösser  als  der  von  Dames  (Paläont. 
Abb.  Bd.  V,  Jena  1894,  pag.  189  flf.,  Taf.  30)  beschriebene 
von  Zeuglodon  Osiris,  der  im  gleichen  Horizont  einige  Stunden 
weiter  westlich  von  Schweinfurth  gefunden  wurde.  Ich  habe 
in  BetreflF  des  Unterkiefers  die  Angaben  von  Dames  nur  in 
wenigem  zu  ergänzen  und  zu  berichtigen. 

Das  nur  schlecht  erkennbare  Hinterende  der  sehr  langen 
Symphyse  ist  wohl  unten  durch  ein  kleines  Eck  unter  der 
Mitte  des  rechten  ersten  Zackenzahnes  angedeutet.  Die  Ab- 
stände der  Kegelzähne  sind  nicht  ganz  gleich,  diese  sind  alle 
ein  wenig  nach  hinten  innen  gekrümmt.  An  dem  zweiten 
Kegelzahn  kann  ich  keine  Kante  hinten  erkennen,  der  letzte 
ist  stärker  als  die  anderen,  etwas  mehr  oval  im  Querschnitt 
und  eine  Teilung  seiner  Wurzel  innen  durch  eine  Furche  nur 
eben  angedeutet.  Die  Grube  hinter  dem  ersten  Zackenzahn  ist 
deutlich  länger  als  Dames  fand,  vielleicht  vor  allem,  weil 
Brüche  hier  durchgehen.  An  dem  2.  linken  Zackenzahn 
und  am  3.  beiderseits  fand  ich  hinten  unten  noch  eine  ganz 
kleine  4.  Zacke,  die  oberste  hintere  am  4.  Zackenzahn  ist 
deutlich  und  am  5.  hinten  unten  eine  kleine  3.  Zacke  aus- 
gebildet. 

Die  Vorderseite  des  1.  Zackenzahnes  ist  kaum  sehr  scharf, 
die  des  vierten  aber  scharf  statt  gerundet.  Am  sechsten  ist 
die  Rinne  für  den  vorletzten  Zahn  buccal  nur  schlecht  be- 
grenzt, da  hier  eine  Kante  kaum  ausgebildet  ist,  auch  ein 
Basalhöcker  ist  nicht  vorhanden.  Ei^  Cingulum  endlich  sehe 
ich  nur  am  dritten  rechten  Zackenzahn  buccal  hinten  ange- 
deutet und  der  Schmelz  ist  ganz  fein  senkrecht  gestreift. 


348         Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  8.  November  1902, 

Der  Processus  coronoideus  steigt  direkt  hinter  dem  letzten 
Zahn  jedoch  nicht  steil  an  und  ist  im  Gegensatz  zu  dem  der 
typischen  Zahnwale  wohl  entwickelt.  Der  Condylus  ist  nur 
wenig  höher  als  breit  und  nur  etwas  von  oben  nach  unten 
konvex,  sein  inneres  oberes  Eck  springt  deutlich  vor. 

Die  oberen  Kegelzähne  entsprechen  in  Zahl  und  Form 
den  unteren,  sie  nehmen  nach  hinten  an  Stärke  zu  und  am 
fünften  ist  lingual  auch  eine  Teilung  der  Wurzel  eben  ange- 
deutet, die  Wurzel  aber  thatsächlich  einfach.  Die  ersten  sind 
nicht  ganz  vorn  und  nicht  wie  die  unteren  dicht  aneinander 
gerückt.  Die  Abstände  der  Zähne  sind  übrigens  auch  hier 
nicht  ganz  gleich. 

Die  Kronen  der  meisten  Zackenzähne  sind  leider  etwas 
lädiert  oder  abgebrochen,  durch  gegenseitige  Ergänzung  der 
beiderseitigen  Zähne  lässt  sich  aber  die  Form  fast  stets  fest- 
stellen. 

Der  erste  zweiwurzelige  Zackenzahn  bildet  auch  hier  ein 
ziemlich  gleichschenkeliges  Dreieck,  an  seiner  scharfen  Vorder- 
kante sind  wahrscheinlich  3  kleine,  an  seiner  Rückkante  3 
grössere  und  nach  unten  klein  werdende  Zacken  ausgebildet. 
Die  Lücke  zwischen  ihm  und  dem  nächsten  Zahn  ist  links 
sehr  gering,  rechts  wohl  infolge  von  Verdrückung  überhaupt 
nicht  vorhanden,  die  weiteren  Zähne  stehen  wie  unten  dicht 
aneinander  gedrängt.  Der  zweite  nur  links  vorhandene  Zacken- 
zahn  ist  wohl  nur  durch  Verdrückung  ganz  ungleichschenke- 
lig,  er  besitzt  vorn  mindestens  3,  hinten  2  deutliche  und 
unten  eine  ganz  kleine  Zacke  und  buccal  vorn  anscheinend 
ein  ganz  schwaches  Cingulum. 

Der  dritte  Zackenzahn  ist  wieder  ziemlich  gleichschenkelig 
und  besitzt  vorn  2,  hinten  3  deutliche  Zacken,  welch  letztere 
nach  unten  zu  kleiner  werden.  Die  2  letzten  Zähne,  nur  links 
erhalten,  sind  deutlich  kleiner  als  die  vorderen,  fallen  nach 
vorn  etwas  steiler  als  nach  hinten  zu  ab  und  besitzen  vom 
eine,  hinten  2  deutlicher  Zacken. 

Was  nun  die  Zahnfonnel  anlangt,  so  lässt  die  deutliche 
Naht  zwischen  Ober-  und  Zwischenkiefer  erkennen,    dass  hier 


E.  Stromer:  üeber  eine  Beige  nach  Äegypten,  349 

wie  bei  den  bisher  beschriebenen  Zeuglodon- Arten  oben  und 
unten  3  Eckzahn-ähnliche  Incisivi  vorhanden  sind,  und  dass 
im  Gegensatz  zu  fast  allen  Angaben  der  1.  Prämolar  kegel- 
förmig mit  ungeteilter  Wurzel  ausgebildet  ist.  Ob  man  die 
3  weiteren  oben  und  unten  ziemlich  gleichschenkelig  aus- 
gebildeten Zackenzähne  als  Prämolaren  und  die  letzten  3  Zähne 
unten,  resp.  2  oben,  als  Molaren  betrachten  darf,  lässt  sich 
mit  Sicherheit  nicht  angeben. 

Wie.  vorn  am  Unterkiefer,  so  finden  sich  auch  oben 
Gruben  für  die  Spitzen  der  opponierten  Zähne,  die  vorderste 
liegt  vor  dem  1.  Zahn,  die  weiteren  bis  zum  1.  Zackenzahn 
befinden  sich  buccal,  die  letzten  aber  lingual.  Die  Grenze 
von  Ober-  und  Zwischenkiefer  am  harten  Gaumen  lässt  sich 
leider  nicht  erkennen,  dieser  bildet  zwischen  den  drittletzten 
Backzähnen  wie  beim  Delphin  einen  stumpfen  Winkel,  ^er  ist 
hier  verdrückt,  so  dass  sich  nicht  feststellen  lässt,  ob  nicht 
Lücken  vorhanden  waren.  Da  das  Gaumendach  noch  min- 
destens 0,05  m  hinter  die  letzten  Zähne  reichte  und  die  seit- 
liche Begrenzung  der  Choanen  als  allerdings  schwache  Kanten 
an  der  Schädelbasis  fortgesetzt  sind  und  auch  der  Seitenrand 
des  Basioccipitale  ähnlich  wie  beim  Delphin  vorspringt,  ist 
die  Schädelunterseite,  soweit  erkennbar,  ziemlich  Denticeten- 
ähnlich  ausgebildet. 

Das  isoliert  bei  dem  Schädel  gefundene  Paukenbein  ist 
im  Verhältnis  zu  diesem  sehr  gross,  so  dass  nicht  sicher  ist, 
ob  es  zu  ihm  gehört,  es  gleicht  so  ziemlich  dem  von  Joh. 
Müller  in  seiner  Monographie  über  Zeuglodon  Tafel  II  abge- 
bildeten, lässt  aber  die  beim  Delphin  deutliche  Einkerbung 
am  Hinterende  erkennen,  während  der  zapfenformige  Vorsprung 
am  freien  Rande  wohl  abgebrochen  ist. 

Der  Himschädel  und  die  Schläfengruben  haben  gar  nichts 
Walfisch-ähnliches,  sie  gleichen  vielmehr,  speziell  von  oben  ge- 
sehen, im  allgemeinen  Habitus  aufftillig  denjenigen  von  Otaria. 
Die  Condyli  occipitales  sind  viel  deutlicher  abgesetzt  als  beim 
Delphin,  stark  konvex  und  laufen  ventral  gegen  die  Mediane  spitz 
zu.     Die  Crista  occipitalis  und  sagittalis  springt  ähnlich  wie 


350         Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  8,  November  1902. 

bei  Otaria  stark  vor,  das  Hinterhaupt  ist  etwas  konkav  und 
median  kaum  mit  einer  Kante  versehen,  rechts  ist  deutlich  die 
Naht  des  stark  seitlich  ausgedehnten  Occipitale  laterale  mit 
dem  Squamosum  zu  sehen,  oben  wie  an  den  Schläfengruben 
sind  aber  leider  keine  Nähte  erkennbar. 

Letztere  sind  sehr  weit  und  nicht  von  den  Augenhohlen 
abgegrenzt,  diese  aber  sind  vorn  wie  beim  Delphin  von  seitlich 
stark  vorspringenden  Fortsätzen  der  breiten  Stirn  überdacht 
und  hier  ziemlich  klein,  ihr  Vorderrand  liegt  ober  dem  des 
letzten  Backzahnes.  Der  die  untere  Begrenzung  bildende  Joch- 
bogen war  wohl  wie  beim  Delphin  ziemlich  gerade,  ist  vom 
stabförmig,  hinten  aber  am  Squamosum  stark  und  seitlich 
platt.  Das  nur  zum  kleinen  Teil  erhaltene  Gelenk  für  den 
Unterkiefer  sah  wahrscheinlich  in  der  Hauptsache   nach  vom. 

Die  sehr  gut  sichtbare  Umgrenzung  der  Nasenbeine  zeigt, 
dass  deren  Hinterende  ungefähr  ober  dem  Rostralrande  der 
Augenhöhle  und  das  Vorderende  ober  dem  des  1.  Zackenzahnes 
liegt.  Die  Prämaxillen  reichen  als  schmale  Streifen  bis  neben 
die  Mitte  dieser  Knochen,  während  die  Naht  zwischen  den 
Stirn-  und  Oberkieferbeinen  wohl  von  deren  Hinterende  aus- 
gehend zur  Seite  herabläuft.  Die  Prämaxillen  begrenzen  die 
nach  vorn  in  eine  schmale  Furche  auslaufende  Nasenöffhung 
seitlich  und  besitzen  an  dieser  Furche  eine  vom  und  hinten 
verlaufende  Längskante.  Die  Naht  endlich  zwischen  ihnen 
und  den  Oberkiefern  lässt  sich  sehr  deutlich  bis  zu  der  Grube 
für  die  Spitze  des  unteren  Eckzahns  hinter  dem  3.  Kegelzahn  ver- 
folgen, wie  sie  auch  bei  Squalodon  und  manchmal  auch  bei 
recenten  Delphinen  verläuft.  Die  scharfe  lange  Schnauze  ist 
also  wieder  etwas  Zahnwal-ähnlich. 

Maasse  in  Metern. 

Unterkiefer. 

Al.rtluiul  der  Spitze  von  dem  Vorderrand  des  1.  Zackenzahnes  0,25 

„        von  dp  ^'°  zum  Hinterrand  des  6.  „  0,235 

MliiK«'  •'•''•  •  '^"i  2.- G.  Zackenzalin      .         .         .  0,178  (0,174) 

hiiliM  df«  .  2.  Kegelzahn     ....  0,024 

l.  Zackenzahn  .        .  0,031  (0,03) 


E,  Stromer:  lieber  eine  Reise  nach  Äegypten. 


351 


Höhe  des  Kiefers  unter  dem  2.  Eegelzahn 
,        ,  ,  ,         «     !•  Zackenzahn 

•  s  »  »  »        O.  , 

,        ,  ,       am  Proc.  coronoideus 

Abstand  der  1.  und  2.  Zahnalveole 

,  .     Alveolen  bis  zum  1.  Zackenzahn 

Grube  hinter  dem  1.  Zackenzahn 
Längsdurchmesser  der  Alveolen  der  Kegelzähne 
Querdurchmesser       ,  ,  »  , 

Länge  der  Basis  des  1.  Zacken  zahnes 


,        .       .    2. 

.        ,        .    3. 

.        .        .    4. 

.         .        .     5. 

.        .        .    6. 

Öondylus 

i  sinister  grösste  Höhe 

r 

Breite 

0,038 

0,058 

0,115  (0,116) 

0,185  (0,18) 

0,012 

0,029-0,025 

0,024  (0,022) 

0,02-0,025 

0,010-0,017 

0,036  (0,038) 

0,05  (0,049) 

0,051 

0,028  (0,027) 

0,026 

0,028 

(0,033) 

(0,032) 


Schädel. 


Länge  von  der  Schnauze  bis  zum  For.  magnum  .  0,68 

,       des  harten  Gaumens,  mindestens      ....  0,52 

Breite  des  Gaumens  am  5.  Kegelzahn,  ungefähr         .         .  0,038 

,      grösste  am  Proc.  zyg.  Squamosi  „  .  0,28 

,  ,        der  Stirn,  ungefähr  .  0,24 

Entfernung  der  Schnauze  vom  hinteren  Nasenlochende      .  0,28 

,  von  da  bis  zur  Mitte  der  Crista  occip.    .  0,36 

Länge  der  Nasenbeine 0,16 

,       des  linken  Zwischenkiefers,  ungefähr  .  0,345 

Höhe  des  Hinterhauptes  vom  ObeiTand  des  For.  magnum 

zur  Mitte  der  Crista  occip.,  ungefähr  .0,13 

Längsdurchmesser  der  Basis  des  2.  Kegelzahnes  0,02 

,5.  „  ...  0,025  (0,022) 

(juerdurchmesser       ,        ,        ,5.  „  .  .0,016 

Länge  der  Basis  des  1.  Zackenzahnes  ....  0,043  (0,042) 

.         .        .        ,2.  ,  0,051  (0,042) 

.         ,         .         ,3.  ,  0,039 

.         ,         ,         .4 (0,024) 

.         .         .         ,5.  .  (0,02) 

Abstand  des  Vorderrandes  des  1.  und  6.  Zahnes  0,265  (0,257) 

,        von  da  bis  hinter  den  letzten  Zahn      .  .  (0,183) 

Zahnreihe-Länge  vom  2.  bis  letzten  Zackenzahn  .  (0,127) 


352         Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  8,  November  1902. 


Linkes  Paukenbein. 

Grösate  Länge (0,072) 

Breite (0,05) 

(Die  links   abgenommenen  Maasse  sind  in  lUammem  angegeben, 
wo  sie  von  den  anderen  abweichen  oder  wo  diese  nicht  abnehmbar  sind.) 


353 


Neue  geologisch-stratigraphische  Beobachtungen 
in  Aegypten. 

Von  Max  Blanckenhorn. 

(Singtlaufen  8.  Notember.) 

Die  bisherige  geologische  Erforschung  Aegyptens  hat, 
trotzdem  sie  gerade  im  letzten  Jahrzehnt  durch  die  Studien- 
reisen und  Aufsammlungen  Schweinfurths,  Mayer-Eymars, 
Sickenbergers,  Fourtaus,  HuUs,  E.  Fraas  und  anderer 
Forscher  und  die  Aufnahmsarbeiten  der  1896  neu  gegründeten 
Geological  Survey  of  Egypt  unter  Captain  Lyons  Direktion, 
an  denen  ich  selbst  mich  auch  2  Jahre  beteiligte,  ganz  un- 
geahnte Fortschritte  gemacht  hat,  doch  noch  viele  offene 
Fragen  und  Lücken  in  der  Erkenntnis  der  geologischen  Ver- 
gangenheit Aegyptens  gelassen.  Auf  meiner  diesjährigen,  mit 
wohlwollender  Unterstützung  der  Königlich  Bayerischen  Aka- 
demie der  Wissenschaften  gemeinsam  mit  Herrn  Privatdozent 
Dr.  Stromer  v.  Reichenbach  unternommenen  Reise  nach  Aegypten 
bemühte  ich  mich,  einer  Lösung  wenigstens  eines  Teils  dieser 
Fragen  nachzugehen  und  den  Besuch  solcher  Punkte  in  das 
Keiseprogramm  aufzunehmen,  die  neue  geologisch-stratigraphi- 
sche Ergebnisse  versprachen. 

Schon  die  am  besten  bekannte,  weil  leicht  erreichbare 
Umgegend  von  Kairo,  die  einen  der  geologisch  interessantesten, 
paläontologisch  reichsten  Teile  Aegyptens  darstellt,  bietet  für 
den  Geologen  eine  Fülle  von  anregenden  Fragen  und  Rätseln, 
die  noch  nicht  in  vollkommen  befriedigender  Weise  gelöst 
sind.  Von  der  östlichen  Nilseite  nenne  ich  hier  nur  folgende 
Themata:  das  Schichtenprofil  des  Eocäns  am  Gebel  el-Ahmar, 


354         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  8.  November  1902, 

an  den  Mosesquellen,  am  Bir  el-Fahme  und  am  Gebel  Turra 
und  Hof;  die  Veränderungen  im  Profil  der  Eocänschichien  in 
nordsüdlicher  und  westöstlicher  Richtung;  die  nördliche  Ver- 
breitungsgrenze der  eocänen  Mokattamstufe;  das  genaue  Alter  des 
Gebel  Ahmar-Sandsteins  und  der  Versteinerten  Wälder;  das  even- 
tuelle Vorkommen  fossiler  Knochen  zwischen  den  Versteinerten 
Wäldern ;  das  genaue  Alter  des  Basalts  von  Abu  Zabel  und  der 
übrigen  Basalteruptionen  im  N.  der  Arabischen  Wüste,  die  gang- 
formigen  Sandsteinbildungen  daselbst,  das  westlichste  Vorkommen 
des  echt  marinen  Miocäns;  das  Alter  der  Dünen  von  Ehanka; 
die   tektonischen  Verhältnisse  im  südlichen   Mokattamgebirge. 

Auf  dem  linken  Nilufer  tauchen  wieder  andere  Fragen 
auf:  Gehören  die  tiefsten  Kreideablagerungen  unter  der  Ga*a- 
Pyraniide  dem  Cenoman  oder  Turon  an?  Wie  ist  das  Eocän 
und  Oligocän  im  NW.  von  Abu  Roasch  beschaffen?  Welche 
Schichten  des  Eocäns  enthalten  die  von  Fourtau,  Cossroann 
und  Prien  beschriebenen  Seeigel,  Konchylien  und  Fischreste 
am  Gebel  Kibli  el-Ahram?  Gibt  es  marines  Miocän  im  S.  der 
grossen  Pyramiden?  Bilden  die  Clypeastersandsteine  am  Gebel 
Schellul  eine  besondere  Pliocänstufe  unter  den  Sauden  mit 
Ostrea  cucullata? 

In  weiterer  Entfernung  von  Kairo  verdienten  zunächst 
die  stratigraphischen  und  tektonischen  Verhältnisse  im  Pliocän 
des  Wadi  Ntitrün  weitere  Aufmerksamkeit.  Seit  Russeggers 
Besuch  im  Jahre  1836  war  dieses  Thal  nur  höchst  selten  und 
dann  immer  ganz  flüchtig  von  Geologen  besucht  worden,  so  von 
Sickenberger  1892,  von  Lyons  1894,  von  Beadnell  1897,  von  mir 
1898  (auf  nur  2  Nächte),  von  Barron  und  Andrews  1901. 

Auch  die  übrigen  nördlichen  Teile  der  Libyschen  Wüste 
bedürfen  noch  sehr  der  geologischen  Erforschung.  Ganz  be- 
sonders gilt  das  für  das  Dreieck  zwischen  dem  Wadi  Natrün, 
den  Pyramiden  von  Gizeh,  dem  Nilthal  und  dem  nördlichen 
Fajümrtind,  das  auch  von  der  Geological  Survey  of  Egypt 
noch  nicht  ernstlich  in  Angriff  genommen  worden  ist,  obwohl 
es  vor  den  Thoren  Kairos  gelegen  ist.  Im  NW.  der  Birket 
el-Qerün    interessieren    die    dort    durch    ihren    Fossilreichtum 


M.  Blanekenhom:  Geologisch-stratigraphiache  Beobachtungen,     355 

geradezu  berühmten  Oberen  Mokattamschichten,  ebenso  wie  die 
höheren  fluviomarinen  obereocänen  und  oligocänen  Ablage- 
rungen mit  ihren  Basalten   und  die  tektonischen  Verhältnisse. 

Im  südlichen  Oberägypten  bedarf  die  Konchylienfauna 
der  Grenzschichten  zwischen  Kreide  und  Eocän,  der  Kurkur- 
stufe und  der  Esnehschiefer  bei  Theben,  aus  denen  sich  bisher 
so  gut  wie  nichts  in  Deutschen  Sammlungen  befand,  noch 
gründlicher  Studien.  Das  Vorkommen  und  die  Entstehung 
der  roten  Breccien  ist  noch  aufzuklären,  weiterhin  die  Her- 
kunft des  Natrons  im  südlichen  Natronthal  bei  el-Qab  und 
bei  Bir  Malha  im  S.  der  Selima-Oase  in  Oberägypten,  ebenso 
wie  im  Wadi  Natrün  und  Wadi  Tumilät.  Die  Diluvialterrassen 
des  Nilthals  mit  ihren  eingeschlossenen  Artefakten  spielen  für 
die  wichtige  Frage  nach  dem  relativen  Alter  und  der  Kultur 
des  paläolithischen  Menschen  in  Aegypten  eine  ausschlag- 
gebende Rolle. 

Es  könnten  noch  viel  mehr  derartige  lösenswerte  Fragen 
der  Geologie  Aegyptens  aufgezählt  werden.  Die  angeführten 
genügen,  um  zu  zeigen,  dass  Aegypten,  speziell  die  Umgebung 
des  Nilthals  ausser  rein  paläontologischen  auch  zahlreiche 
geologische  Forschungsziele  bot,  die  eine  wissenschaftliche 
Studienreise  lohnend  und  interessant  machen  konnten.  Es 
versteht  sich  von  selbst,  dass  wir  während  eines  2  */a  monat- 
lichen Aufenthaltes  in  Aegypten  nur  für  einen  Teil  dieser 
mannigfachen  Themata  die  nötige  Zeit  zu  Studien  und  Beob- 
achtungen fanden. 

Die  geologischen  Ergebnisse  unserer  Reise  verteilen  sich 
sachlich  geordnet  in  7  Kapitel.  Sie  bringen  Neues  zur  Kenntnis: 

1.  der  Grenzschichten  zwischen  Kreide  und  Eocän  im 
Nilthal, 

2.  der  Mokattamstufe  oder  des  Mitteleocäns, 

3.  des  Obereocäns  und  Oligocäns, 

4.  der  Basalte  der  Libyschen  Wüste, 

5.  des  Neogens  und  Quartärs  im  Nilthal, 

6.  des  Pliocäns  im  Wadi  Natrün, 

7.  der  tektonischen  Verhältnisse. 


356        Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  8.  November  1902. 

1.  Ueber  die  Grenzschichten  zwischen  Kreide  und  Eocftn 
in  Aegypten. 

Im  Jahre  1868  machten  Delanotte  und  d'Archiac*)  in 
einer  Beschreibung  eines  geologischen  Profils  der  Gegend  von 
Theben  auf  eine  paläontologisch  besonders  ausgezeichnete 
Schicht  von  Blättermergeln  aufmerksam,  welche  an  der  Basis 
der  dortigen  Plateauabfälle  in  einer  Mächtigkeit  von  31  m 
erscheint  und  eine  Schicht  weissen,  fossilleeren  Kreidekalks 
zur  Unterlage  hat.  Es  sind  aschgraue  Mergel  oder  Papier- 
schiefer, biegsam  wie  Papiermaschee  mit  vielen  Konkretionen 
und  Muschelsteinkernen  von  Brauneisenstein.  Die  Fauna  dieser 
Schicht  5  des  Delanoüe'schen  Profils  ist  lokal,  speziell  bei 
Theben  ungewöhnlich  reichhaltig.  D'Archiac*)  identifizirte 
nach  Delanoües  Aufsammlungen  mehr  als  40  Formen  von 
kleinen  Mollusken,  Seeigeln,  Crinoiden  und  Einzelkorallen  mit 
bekannten  Arten  des  Londonthons  der  Themse,  der  sandigen 
Thone  von  Bracklesham  und  der  ältesten  Nummulitenschichten 
Europas.     Diese  Liste  bedarf  heute  sicher  einer  Revision. 

V.  Zittel,^)  der  die  in  Paris  aufbewahrten  Originale 
Delanoües  und  d'Archiacs  einer  flüchtigen  Prüfung  unterzog, 
hielt  jene  Schichten  für  Aequivalente  seiner  obersenonen 
Blättermergel  der  grossen  Oasen,  die  ja  ebenso  wie  die  Fauna 
der  dortigen  obersten  weissen  Kreide  einen  halbeocänen*) 
Charakter  besitzt.  Doch  machte  er  selbst  keine  Aufsamm- 
lungen darin.  Auch  sonst  ist  seitdem  von  weiteren  Funden 
oder  paläontologisclien  Studien  in  diesen  Schichten  nichts  be- 
sonderes bekannt  geworden.    Wunderbarerweise  scheint  Mayer- 


^)  Note  8ur  la  Constitution  geol.  des  environs  de  Thebes,  presentee 
par  d'Archiac. 

Compt.  rend.  hebd.  des  seances  de  l'acad.  des  sc.  1868.     Paris. 

2)  Remarques  ä  propos  de  la  communication  de  Delanoüe  sur  las 
füss.  den  environs  de  Thebes.     Ibidem  p.  707. 

^)  Beiträt^e  zAir  Geologie  der  Lib.  Wüste.  Palaeontogr.  XXX,  Vorwort, 
p.  78  und  103. 

^)  Wanner.  Die  Fauna  d.  oberst.  weiss.  Kreide  d.  libyschen  Wüste. 
Palaeont.  XXX.    1902.    S.  Ü2. 


M.  Blanchenhom:  Geölogisch-stratigraphische  Beobachtungen.     357 

Eymar,  soweit  mir  bekannt,  hier  nicht  zum  Sammeln  ge- 
kommen zu  sein.  In  seinem  System  des  Tertiärs  würde  es 
wohl,  vermute  ich,  unter  sein  Suessonianum  II  fallen. 

Fourtau*)  sprach  1900  die  Meinung  aus,  dass  die  Blätter- 
mergel von  Theben  eine  pelagische  Facies  der  untersten 
Suessonienstufe  repräsentiren ,  welche  weiter  südlich  in  der 
Oase  Kurkur  in  litoraler  Facies  als  Thon  mit  Bothriolampas 
abundans,  May.-Eym.  sp.,  und  anderen  Fossilien  entwickelt  seien. 

Diese  charakteristische  5  m  starke  Schicht  von  gelbem 
Mergelthon  war  zuerst  von  Willcocks  und  Sickenberger 
zwischen  der  Oase  Kurkur  und  dem  Gebel  Garra  westlich 
Assuan  sowie  auch  an  den  Dunguiquellen  elitdeckt  und  später 
von  Mayer -Eymar  untersucht  worden.  Sie  führt  Seeigel, 
Austern  und  andere  Mollusken  in  Form  von  ockergelben, 
kalkigen  Steinkernen  oder  schlecht  erhaltenen  Schalen,  sowie 
das  im  Eocänkalk  oder  Mergel  Aegyptens  die  Regel  ist.  Dabei 
gehören  die  Formen  mit  Ausnahme  des  Bothriolampas  alle 
den  im  Eocän  herrschenden  Gattungen,  zum  Teil  auch  den- 
selben Arten  an.  Dass  es  sich  bei  Theben  und  Kurkur  um 
2  ganz  verschiedene  Facies  handelte,  war  klar. 

In  Ermangelung  von  prüf  barem  paläontologischem  Material 
von  Theben  schloss  ich  mich  1900  mit  Vorbehalt  vorläufig 
Fourtaus  Meinung  an  und  betrachtete  die  Blättermergel  des 
Nilthals  als  heteropisches  Aequivalent  meiner  „Kurkurstufe**.*) 
Mit  letzterer  eröflEhete  ich  im  Anschluss  an  Mayer-Eymar,  der 
die  Kurkurstufe  als  Suessonianum  I  bezeichnet  hatte,  die  Reihe 
der  Untereocänstufen,  die  so  auf  die  Zahl  drei  (Kurkurstufe, 
Untere  und  Obere  Libysche  Stufe)  erhöht  war. 

Die  engUsch-ägyptischen  Geologen  Beadnell,  Barron  und 
Ball  kamen  bezüglich  des  Alters  der  Blättermergel  im  Nilthal, 
die  sie  von  Esneh  bis  Qeneh  verfolgten,  zu  der  nämlichen 
Auffassung   und   einigten  sich  für  dieselben  nach  einem  typi- 


')  Observations  sui*  les  terr.  eocenea  et  oligocenes  d'Egypte.    Bull. 
80C.  geol.  France.  (3)  XXVII,  1900,  S.  481. 

*)  Zeitschr.  d.  Deutach.  geol.  Ges.  1900,  p.  405. 
1902.  Sitemigsb.  d.  maih.-phys.  Cl.  24 


358         Sitzung  der  math^phys,  Classe  vom  8.  November  1902. 

sehen  Vorkommen  über  den  Namen  „Esnehschiefer*,  den  sie 
auf  dem  Pariser  Internationalen  Geologen -Congress  1900  in 
Vorschlag  brachten.  Die  eigentlichen  Kurkurschichten  blieben 
ihnen  hingegen  unbekannt.^) 

Ihre  Esnehschiefer  haben  nun  die  genannten  Geologen 
auch  in  der  Oase  Chargeh  (hier  80  m  stark)  und  Farafra  (hier 
in  der  ungewöhnlichen  Mächtigkeit  von  150  m)  wieder  zu  er- 
kennen geglaubt.  Diese  Identificirung  muss  vor  näherer  paläonto- 
logischer Begründung  auf  einige  Zweifel  stossen.  Was  die 
dem  Nil  zunächst  gelegene  Oase  Chargeh  betrifft,  so  war  auch 
Mayer-Eymar  auf  Sickenbergers  Beobachtungen  hin  geneigt 
dortselbst  ein  Suessonianum  II  d.  h.  tiefes  Untereocän  speziell 
im  NNW  der  Oase  am  Gebel  Kamlieh  anzunehmen.  Ball,  der 
die  Oase  am  genauesten  untersuchte,  erklärt  seine  Esneh- 
Schiefer,  die  nur  am  Ostrand  der  Oase  Chargeh  deutlich  aus- 
gebildet sein  sollen,  für  versteinerungsleer,  hat  also  jedenfalls 
nichts  darin  gesammelt,  so  dass  sich  vorderhand  nichts  weiter 
darüber  sagen  lässt. 

In  der  Oase  Farafra  hatte  v.  Zittel  den  ganzen  Abhang 
des  Plateaus  von  el-Guss  Abu  Said  zum  Typus  seiner  Libyschen 
Stufe  erhoben,  deren  grösster  Theil  von  dunkelgrünen  Mergeln 
eingenommen  war.  Die  von  v.  Zittel  gegebene  Faunenliste 
dieser  Schichten  (darunter  Operculinen,  Nummuliten)  schliesst 
sich  in  vieler  Beziehung  aufs  engste  an  die  höheren  Teile  der 
Libyschen  Stufe  und  unterscheidet  sich  durchaus  von  der  Liste 
der  Blätterthone  von  Theben  bei  d'Archiac,  so  dass  diese  beiden 
jedenfalls  gar  nicht  verwechselt  werden  können.  Beadnell') 
hat  trotzdem  diese  100 — 150  ra  Schieferthone  unter  den  eigent- 


*)  In  einer  soeben  erschienenen  Publikation  des  Survey  Department: 
On  the  topof^raphical  and  geological  results  of  a  reconnaissance-survey 
of  Jebel  Garra  and  the  Oasis  of  Kurkur.  Cairo  1902  von  J.  Ball  wird 
auf  die  gelben  Suessonienthone  mit  „Rhynopygus  (!)  abundans*  von 
Kurkur  nur  mit  wenigen  Worten  negativen  Inhalts  eingegangen,  indem 
der  Verf.  diese  goologisch  zweifellos  interessanteste  Schicht  der  Kurkur- 
(legend  gar  nicht  gesehen  hat. 

2)  Farafra  Oasis:  Its  topography  and  geology.  Geolog.  Survej 
Kijport  13DÜ.     III.     Cairo  1901,  p.  "20. 


M,  ilanckeväiom:  Gealogisch-stratigraphische  Beobachtungen.     359 

liehen  Alveolinenkalken  oder  dem  Plateau  Liruestone  von  der 
Libyschen  Stufe  Zittels  abgetrennt  und  ihr  als  (eocäne)  Esneh- 
Schiefer  gegenübergestellt.  Das  widerspricht  allen  Regeln  der 
Nomenklatur  und  ist  eine  sträfliche  Vernachlässigung  des 
paläontologischen  Moments. 

Nur  an  einigen  Stellen,  so  8  Kilometer  westlich  Farafra, 
beobachtete  Beadnell  an  der  Basis  des  Thonkomplexes  Blätter- 
thone  mit  Brauneisenstein-Fossilien,  die  angeblich  *)  kretaceischen 
Gattungen  angehören.  Es  sind  nach  meinen  eigenen  früheren 
Bestimmungen  und  Notizen  dazu :  Einzelkorallen  neuer  Gattung 
der  Familie  der  Eupsammiden  (jetzt  Palaeopsammia  Wanner), 
Trochocyathus  sp.,  Macropneustes  sp.,  Nucula  (wohl  chargensis 
Quaas),  Leda  (leia  Wann.),  Axinus  (cretaceus  Wann.),  Natica 
(farafrensis  Wann.?),  Alaria  (wohl  Schweinfurthi  Quaas?), 
Cinulia  (Ptahis  Wann,  sp.),  Cassidaria  sp.,  Trochus  sp.,  Voluta  sp., 
Pleurotoma  (?)  sp.:  Das  sind  lauter  Formen,  wie  sie  die 
tieferen  obersenonen  Blättermergel  unter  der  weissen  Kreide 
charakterisiren . 

Diese  3 — 5  Meter  Blätterthon  *)  allein,  welche  Beadnell 
der  Kreide  zurechnet,  wäre  er  berechtigt  gewesen  als  Esneh- 
Schiefer  zu  bezeichnen,  nicht  aber  die  höheren  150  Meter. 
Denn  sowohl  d'Archiacs  Liste  als  Beadnells^)  eigne  kurze  An- 
gabe über  die  Fauna  der  Esnehschiefer  („Nucula,  Leda,  Aturia, 
Nautili*)  passt  auf  diese  kretaceischen  Schichten,  nicht  auf  die 
höheren,  sicher  eocänen. 

Legt  man  die  bisherigen  Kenntnisse,  die  wir  von  dem 
stratigraphischen  und  paläontologischen  Charakter  der  Blätter- 
mergel der  Gegend  von  Theben  und  Esneh  haben,  zu  Grunde, 
so  kann  man  unter  Esneh-Schiefer  nur  eine  Stufe  oder  Schicht 
in  der  Facies  der  Blättermergel  verstehen,  welche  über  dem 
weissen  Kreidekalk  mit  Ananchytes  ovata,  Schizorhabdus  liby- 


1)  1.  c.  p.  21. 

')  «green  shaly  clays  with  numerous  fossils  in  ironstone." 

^)  Recent  Geolog.  Discoveries  on  the  Nile  Valley  and  Libyan  Desert 

1900,  p.  5  und   Compte   Rendu   du  VIII   Congres   Geolog.   International 

1900.    Paris.    2  fasc.  p.  842. 

24* 


360 


Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  8.  November  1902. 


cus  etc.  und  unter  der  Libyschen  Stufe  Zittels  mit  Operculina 
libyca,  Alveolinen  und  Nummuliten  liegt.  Die  Fauna  wäre 
nicht  eocän,  wie  die  der  Libyschen  Stufe,  sondern  vorwiegend 
kretaceisch  und  schlösse  sich  aufs  engste  an  diejenige  der 
Blättermergel  des  Oberdanien  der  Oasen  an. 

Nachdem  letztere  jetzt  von  Quaas  genau  untersucht  und 
beschrieben  ist,  erscheint  nun  ein  Vergleich  der  Fauna  der 
wirklichen  Esnehschiefer  höchst  wünschenswert. 

Es  gelang  mir,  während  meines  diesjährigen  Aufenthaltes 
in  Luxor  einen  Fossilienfundort  ausfindig  zu  machen.  Er  liegt 
über  dem  Fuss  des  Gebirgs-Steilabfalls  hinter  dem  Hügel  von 
Scheich  Abd  el-Qürna  zwischen  Der  el-Bahri  und  Der  el- 
Medine  etwa  an  der  dortigen  Wasserscheide.  Dann  machte 
ich  noch  Herrn  Professor  Schweinfurth  auf  diesen  Abhang 
aufmerksam,  der  nachher  noch  mit  viel  Erfolg  hier  gesam- 
melt hat. 

Fig.  1. 


\V 


N.^ 

SA. 

L. 

^Sm 

0        Petrefakten. 
B.  =  Breccie. 

L.  =  Knollenkalk  der  Libyschen  Stufe. 
E.  =  Esneh-Schiefer. 
SA.  =  Hügel  Scheich  Abd  el-Qttrna. 

Diese  zusammengebrachte  Ausbeute  übergab  ich  Herrn 
Dr.  Paul  Oppenheim  in  Charlottenburg,  der  sie  unter  Be- 
nützung der  Monographieen  von  Wanner  und  Quaas  einer 
genauen    Prüfung    unterzog.     Das    Ergebnis    derselben    waren 

die  folgenden  Bestimmungen  :  ^) 


0  Die  Beschreibung  dieser  Fauna  folgt  unten  in  besonderem  Anhang. 


M,  Blancktnhom:  Geologisch^stratigraphische  Beobachtungen,     361 

Palaeopsammia  Zitteli  Wann. 

Pattalophyllia  aegyptiaca  Wann.  sp. 

Pentacrinus  sp. 

Terebratulina  chrysalis  Schloth. 

Limea  Delanoüei  Opp.  n.  sp. 

Leda  leia  Wann. 

Leda  cf.  Zitteli  J.  Böhm. 

Nucula  sp.  cf.  chargensis  Quaas. 

Äxinus  cretaceus  Wann. 

Neaera  aegyptiaca  Opp.  n.  sp. 

Trochus  sp.  äff.  margaritifer  J.  Böhm. 

Natica  farafrensis  Wann. 

Eulima  Wanneri  Opp.  n.  sp. 

Cerithium  abietiforrae  Wann. 

Alaria  sp.  Quaas. 

Voluta  (Scaphella)  aegyptiaca  Wann. 

Cinulia  Ptahis  Wann.  sp. 

Aturia  praeziczac  Opp.  n.  sp. 

Nautilus  desertorum  Zitt. 

Lamroa?  sp.  äff.  Vincenti  Winkl. 

Die  Uebereinstimmung  dieser  Fauna  mit  derjenigen  der 
Danien-Blättermergel  unter  der  weissen  Kreide  ist  danach  über- 
raschend. 13  Arten  sind  identisch  mit  kretaceischen  der  Oasen, 
darunter  befinden  sich  ganz  charakteristische  Kreidetypen  wie 
besonders  die  Cinulien.  Zwei  Formen  schliessen  sich  an  Arten 
der  Siegsdorfer  Kreide  im  südlichen  Bayern  an.  Nur  4  Arten 
^ind  neu.  Darunter  würde  allerdings  Aturia  auf  die  Eocän- 
fbrmation  verweisen.  Aber  eine  genaue  Prüfung  ergab,  dass 
die  vorliegende  Art  jedenfalls  nicht  unbedingt  identisch  ist  mit 
bekannten  Eocänarten,  im  besonderen  A.  ziczac,  wie  d'Archiac 
glaubte,  sondern  eine  Art  Vorläufer  davon  darstellt. 

Auch  südlich  Qeneh  hat  Schweinfurth  ebenso  wie  Beadnell 
die  Blätterschiefer  beobachtet  und  ersterer  daraus  schon  früher 
am  Nordabfall  der  Berge  von  Taramsah  die  nämlichen  Früchte 
von  Diospyros  gesammelt,  welche  so  bezeichnend  waren  für  die 
Danienmergel  der  Chargehoase. 


362         Sitzung  der  mcUh.-phys.  Classe  vom  8,  November  1902, 

Auf  der  Ostseite  des  Nil  in  der  Arabischen  Wüste,  so 
z.  B.  am  Südende  des  Gebel  Abu  Had  nordöstlich  Qeneh,  ent- 
wickeln sich  die  Esnehschiefer  nach  Barron  und  Hume^)  in 
ganz  bedeutender  Mächtigkeit  bis  insgesammt  122  Meter.  Eine 
Bank  von  gelbem  Kalk  schaltet  sich  hier  ein  und  ein  ähn- 
licher stärkerer  gelber  Kalk  mit  Mergeln  erscheint  an  ihrer 
Basis.  Die  Mergel  dieser  Basiskalke,  welche  Barron-Hume 
gleichfalls  noch  zum  eocänen  Esnehschiefer  rechnen,  führen  als 
charakteristischste  Leitform  Pecten  Mayer- Eymari  Newton,') 
welcher  nach  meinen  Untersuchungen  mit  der  Hauptleitform 
der  weissen  Kreide  von  Farafra  und  Baharije,  dem  variablen 
Pecten  farafrensis  Zitt.  zusammenfällt.  Von  meinen  früheren 
kritischen  Bemerkungen^)  zu  P.  Mayer-Eymari  habe  ich  nichts 
zurückzunehmen,  nachdem  jetzt  auch  Wanner  nach  Bearbei- 
tung der  Zittelschen  Sammlung  meine  Auffassung  vollkommen 
bestätigt  hat.  So  gewinnt  es  den  Anschein,  als  ob  die  Esneh- 
schiefer und  Kalke  des  Nilthals  und  besonders  der 
Arabischen  Wüste  das  Danien,  das  bisher  von  dort  nicht 
recht  bekannt  war,  überhaupt  vertreten.  Diese  Vermutung 
wird  verstärkt  durch  das  zuerst  meines  Wissens  von  Mayer- 
Eymar  beobachtete  Vorkommen  von  Baculiten  in  den  betref- 
fenden Ablagerungen  am  Nil  und  in  der  Oase  Chargeh.  Wenn 
Barron  und  Hume  die  von  ihnen  gesammelten  Proben  von 
Esneh-Mergeln  und  Kalken  der  östlichen  Wüste  selbst  paläonto- 
logisch etwas  genauer  geprüft  hätten,  so  würden  ihnen  auch 
die  darin  vorkommenden  Baculiten  und  Protocardien  (neben 
ihrem  Pecten  Mayer-Eymari)  nicht  entgangen  sein,  denen  sich 
vielleicht  noch  mehr  unbez weifelbare  Kreidetypen  anreihen 
lassen.  Und  bei  einer  genauen  Verfolgung  der  vertikalen  Ver- 
breitung des  Pecten  farafrensis  würden  sie  diesen  auch  schon 
im   Canipanien,    ihren  Phosphat-haltigen   Bonebeds  etc.   wahr- 


1)  Compte  rendu  du  VIII  Gongres  Geol.  Internat.  1900,  p.  882. 

2)  B.  Newton.     Notes  on  some  Lower  Tertiary  Shells  from  Egypt. 
Geol.  Miig.  Dec.  IV,  Vol.  V,  N  414.   1808,  p.  535,  pl.  XIX,  f.  9—11. 

3)  Geologie  Aegvptens  1901.  II,  p.  411  und  III,  p.  66. 


M.  Blanckenhorn:  Geölogisch-stratigraphische  Beobachtungen.     363 

genommen  haben,  dagegen  wohl  kaum  irgendwo  in  der  Liby- 
schen Stufe  oder  dem  typischen  Untereocän. 

Nach  Barron,  Beadnell  und  Hume  ist  nun  an  vielen  Orten 
eine  deutliche  Diskordanz  zwischen  ihren  Kreideschichten  und 
dem  (eocänen?)  Esnehschiefer  vorhanden  und  diese  Beobachtung 
grade  mag  wohl  den  Gedanken  nahegelegt  haben,  die  Grenze 
zwischen  Kreide  und  Eocän  unter  den  Esnehschiefern  zu 
suchen.  Eine  glückliche  Beobachtung  im  Felde  muss  aber  von 
Geologen  auch  in  der  richtigen  Weise  gedeutet  werden.  Jede 
stratigraphische  Einteilung  ist  auch  paläontologisch  zu  be- 
gründen, sonst  steht  sie  nur  auf  einem  Bein.  Mit  dem  Beob- 
achten allein  ist  die  Aufgabe  des  Feldgeologen  nicht  erschöpft. 
Ist  die  gesehene  interessante  Diskordanz  der  Esnehschiefer 
richtig,  woran  ich  selbst  durchaus  keinen  Anlass  habe  zu 
zweifeln,  so  föUt,  nachdem  die  alte  Zittel'sche  Auffassung  von 
der  Zugehörigkeit  der  Schichten  5  und  6  in  Delanoües  Profil, 
d.  h.  der  Esnehschiefer  zur  Kreide  nunmehr  bestätigt  und  er- 
wiesen ist,  die  grosse  Diskordanz  noch  innerhalb  der 
obersten  Kreide  mitten  ins  Danien  oder  stellenweise 
d.  h.  im  Osten  gar  an  die  Basis  desselben,  nicht  aber 
an  seine  obere  Grenze. 

Als  älteste  Eocänschicht  kann  man  dann  immer  noch  jene 
Ablagerung  mit  Bothriolampas  der  Oasen  Kurkur  und  Dungul, 
den  Typus  der  Kurkurstufe,  zwischen  die  kretaceischen  Esneh- 
schiefer oder  deren  Vertreter,  die  Kreidekalke  mit  Pecten 
farafrensis,  Schizorhabdus  libycus  einerseits  und  die  Libysche 
Stufe  andererseits  einschalten.  Doch  bedarf  auch  diese  Kurkur- 
Fauna  erst  einer  eingehenden  paläontologischen  Untersuchung, 
ehe  man  sich  nach  der  einen  oder  anderen  Richtung  definitiv 
entscheidet. 


304         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  8,  November  1902, 

2.  Die  Mokattamstufe. 

Nach  dem  Vorgange  von  Orlebar  teilt  man  bekanntlich 
diese  von  Zittel  so  benannte  Eocänstufe  nach  ihrer  Ausbildung 
am  Mokattamgebirge  bei  Kairo  in  zwei  Hauptteile,  die  Untere 
und  die  Obere  Mokattamstufe.  Nach  dem  herrschenden  Farben- 
gegensatz könnte  man  auch  von  einem  Weissen  und  einem  Braun- 
gelben Mokattam  sprechen.  Von  grösster  Wichtigkeit  für  die 
Trennung  der  beiden  Abteilungen  igt  die  auffällige  Plateau- 
stufe an  ihrer  Grenze,  welche  sowohl  am  Mokattam,  wie  auch 
sonst  in  Aegypten  am  schärfsten  unter  allen  Plateaustufen 
innerhalb  des  Mitteleocäns  ausgeprägt  ist.  Nur  Schweinfurth 
zieht  in  seiner  Gliederung  des  Mokattam  den  über  dieser 
Hauptplateaustufe  folgenden  Tafle  (=  Thon)  mit  Cölestin 
noch  zur  Unteren  Mokattamstufe. 

Da  die  Facies  in  der  Mokattamstufe  horizontal  ausser- 
ordentlich wechselt  und  mit  ihr  der  Fossiliengehalt,  ist  es 
ausserordentlich  schwer,  eine  weitere  Gliederung  auf  grössere 
Entfernungen  mit  Erfolg  durchzuführen.  Das  gelingt  nur  der 
systematischen  Arbeit  des  kartirenden  Geologen,  der  vor  allem 
auch  orographisch  die  einzelnen  Schichten  verfolgen  kann. 

Im  Winter  1897/98  hatte  ich  das  Glück,  im  Auftrage 
der  Geological  Survey  of  Egypt  die  Mokattamstufe  auf  dem 
rechten  Nilufer  wenigstens  von  der  Gegend  von  Heluan  bis 
Maghagha  begehen  und  kartiren  zu  können.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit kam  ich  zu  dem  Resultat,  dass  für  die  Untere 
grössere  Abteilung  der  Mokattamstufe  (I)  der  klassische 
Ausgangspunkt  einer  weiteren  Gliederung  am  besten  im  Wadi 
esch-Scheich-Gebiet  zu  nehmen  sei.  Dort  baut  sich  die 
Untere  Mokattamstufe  schon  orographisch  in  4  deutlichen 
Terrassen  auf,  während  das  Mokattamgebirge  bei  Kairo  hier 
mehr  einen  einzigen  Abfall  darstellt.  Dort  herrscht  auch  eine 
bedoiitendore  Mächtigkeit  und  ein  grösserer  Fossilreichtum 
als  am  Mokattam.  Das  Haui)tleitf()ssil  Nummulites  Gizehensis 
geht  von  den  untersten  bis  in  die  obersten  Schichten  hinauf. 
Deshalb  nannte  ich  die  (^anzo  Stufe  I   auch  die  Gizehensis- 


M,  Blanckenhom:  Geologüch-stratigraphische  Beobachtungen.     365 

stufe,    innerhalb   welcher   das   eigentliche   Hauptlager   dieses 
Nummuliten  freilich  die  zweite  Schichtenabteilung  ist. 

Die  5  hier  wohl  unterscheidbaren  Glieder  bezeichnete  ich 
kurz  als 

1.  Erste  Mitteleocänterrasse  A, 

2.  Eigentliches  Gizehensislager,  Terrasse  B, 

3.  Haupt-  oder  Feuersteinterrasse  C  mit  Milioliden,  Dic- 
tyoconos  Blanck.  g.  n.  und  Lobocarcinus, 

4.  Vorterrassen.  Vorherrschend  Mergel  mit  der  „ersten 
Mauer*, 

5.  , Zweite  Mauer**  mit  Bryozoen,  Terrasse  D. 

Ein  übersichtliches  Durchschnittsprofil  der  Unteren  Mo- 
kattamstufe  am  unteren  Wadi  esch-Scheich  zwischen  Gebel 
Qarara  gegenüber  Maghagha  und  dem  Dorfe  Der  el-Hadid 
gegenüber  Feschn  gab  ich  bereits  in  Zeitschrift  der  Deutsch, 
geol.  Ges.  1900,  S.  423—425.  Weitere  genauere  Profile  be- 
absichtige ich  meinem  offiziellen  Bericht^)  über  meine  da- 
maligen Aufnahmen  des  östlichen  Nilgebiets  beizugeben.  Hier 
kann  ich  daher  nicht  weiter  darauf  eingehen. 

Im  allgemeinen  sucht  sich  diese  Fünfteilung  möglichst 
an  diejenige  des  Unteren  Mokattam  bei  Mayer-Eymar  anzu- 
schliessen.  Nur  meine  mächtige,  meist  aus  fossilarmen  Thonen 
und  Mergeln  gebildete  Abteilung  4  entspricht  nicht  ganz  der 
vierten  Schicht  I  d  bei  Mayer-Eymar,  einer  1 — 2  m  starken 
kieselreichen  Kalkschicht  mit  viel  Konchyliensteinkernen,  welche 
in  dieser  Ausbildung  nur  eine  ganz  beschränkte  Verbreitung 
am  nördlichen  Mokattam  hat,  daher  für  weitere  Zwecke  nicht 
zu  verwerten  ist.  Uebrigens  begegnet  überhaupt  eine  Be- 
grenzung von  Schichtengruppen  innerhalb  der  oberen  grösseren 
Hälfte  des  Unteren  Mokattam  d.  h.  oberhalb  der  Nummulites 
Qizehensisbank  (2)  ganz  ausserordentlichen  Schwierigkeiten, 
wie  das  schon  Schweinfurkh*)  betonte.  Man  kann  da  in  jedem 
Profil  schwanken,  wo  zwischen  Abteilung  3,  4  und  5  die 
Grenzen  zu  legen  sind. 


^)  Geological  Survey  Report.    Cairo  1903. 

2)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  1883.   S.  723. 


366         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  8,  November  1902, 

Die  Obere  Mokattamstufe  lässt  sich  im  Gegensatz 
zur  Unteren  am  Mokattam  sehr  gut  gliedern,  da  sie  petro- 
grapliisch  aus  mehrfach  wechselndem,  verschieden  hartem 
Material  aufgebaut  ist  und  infolgedessen  schon  in  den  Bö- 
schungsverhältnissen deutliche  und  glücklicherweise  konstante 
Unterschiede  erkennen  lässt.  Schweinfurth  teilte  den  Oberen 
Mokattam  wesentlich  nach  orographischen  Gesichtspunkten  in  5, 
Mayer-Eymar  ebenfalls  nach  paläontologischen  in  5  Schichten- 
stufen. Meine  Gliederung  in  8  Unterstufen  berücksichtigt  beide 
Gesichtspunkte,  schliesst  sich  aber  mehr  an  die  Schweinfurth'- 
sche  an.  Eine  vergleichende  Tabelle  dieser  verschiedenen 
Gliederungen  findet  sich  in  meiner  „Geologie  Aegyptens*  II 
Seite  440. 

Eigentlich  sollte  das  Mokattamgebirge  ebenso  wenig  als 
Typus  für  die  Obere  Mokattamstufe  gelten  wie  für  die  Untere. 
Denn  nirgends  ist  die  Obere  Stufe  so  wenig  mächtig  ent- 
wickelt als  am  Gebel  Mokattam.  Im  Fajüm  in  der  Libyschen 
Wüste  ist  sie  mindestens  dreimal  so  stark  und  viel  reicher  an 
Fossilien,  die  auch  eine  ungleich  bessere  Erhaltung  mit  der 
Schale  zeigen,  während  sie  am  Mokattam  fast  nur  in  Stein- 
kernen erscheinen.  Aber  abgesehen  davon,  dass  die  Wüste 
jenseits  der  Birket  el-Qerün  schwerer  zu  erreichen  ist  als  der 
Mokattam,  ist  dort  auch  das  Profil  der  Oberen  Mokattamstufe 
infolge  ihrer  Mächtigkeit  über  grosse  Entfernungen  ausgezogen 
und  schwerer  im  ganzen  zu  übersehen.  So  bietet  das  Mokat- 
tamgebirge doch  noch  die  bequemste  Gelegenheit  zur  Gliede- 
rung der  Oberen  Mokattamstufe. 

Die  8  Unterabteilungen  des  Oberen  Mokattam  (D.)  habe 
ich  s.  Z.  folgendermassen  charakterisirt: 

1.  Gypsthon  und  Tafle  mit  Cölestin, 

2.  Kegion  der  kleinen  Nummulitenbänke  und  Gastro- 
podenbänke, 

3.  Unterer  CaroHahorizont  mit  Carolien  und  Ostrea  Cloti, 
seil  wache  Stufe  Inldend, 

4.  Plicatulaschichton  mit  Ostrea  Cloti  und  häufigen 
Plicatulen, 


M,  Blanckenhom:  Geologisch-stratigraphiache  Beobachtungen,     367 

5.  Austern-,  Turritellen-  und  Schieferkohlenhorizont, 

6.  Sandkalk  mit  Vulsella,  Carolia,  Turritellen;  oberer 
Caroliahorizont,  ausgesprochene  Stufe  bildend, 

7.  Bunte  Thone  und  Sande, 

8.  Deckkalk  mit  Echinolampas  Crameri,  Steinkernen  von 
Cardien,  Turritellen,  selten:  Plicatula,  Carolia,  Vulsella. 

Auf  unserer  letzten  Reise  nahm  ich  an  folgenden  Orten 
Gelegenheit,  stratigraphische  Studien  über  die  Mokattamstufe 
zu  machen: 

Auf  dem  rechten  Nilufer  in  beiden  Stufen  am  Wadi 
Ramlieh  schräg  gegenüber  Wasta,  am  Mokattam  und  am 
Gebel  el-Ahmar  bei  Kairo;  auf  dem  linken  Ufer  nur  in  der 
Oberen  Mokattamstufe  im  Umkreis  des  Fajüm  und  am  Chet 
el-Ghoräb  oder  Gebel  Kibli  el-Ahram  gegenüber  Kairo.  Im 
Folgenden  sei  es  mir  gestattet,  diese  neu  aufgenommenen 
Profile  zusammenzustellen.  Die  vorn  stehenden  Zahlen  be- 
ziehen sich  auf  die  13  Glieder  meines  Systems. 

A.   Rechtes  Nilufer.     Isolirter  Zwillingshügel  auf  dem  linken 
Ufer   des  Wadi   Ramlieh.     Station  XXVIII  meines   Sheet  12. 
11,2  Kilometer  ostsüdöstlich  Der  el-Meimün  und   13  km   süd- 
östlich Burumbul.     Höchster  Gipfel  dieser  Gegend. 


Fig.  2. 

Mas-sstab  der  Höhe  1 :  2000. 


9^     ^^ 

k 

>              1    '■"^"'\ 

fi         =2 >^ 

3 

U     00 

oS 


0,50  m  bröckliger  Kalk, 

0,80  m  fester  Grobkalk,  gelbbräunlich,  erfüllt  von  Nummu- 
lites  discorbina,  Carolia,  Vulsella^  Ostrea,  Pecten,  Car- 
dium,  Lucina,  Natica,  Tudicla(?),  Scaphander  Fortisi, 


368 


Sitzung  der  math.'phys.  Classe  vom  8,  November  1902, 


d 
o 


9  m  gelbliche  Mergel  mit  kleinen  Wülsten,   kleine  Num- 

muliten^ 
6  m  gelber  Nummuliten-K^iW  mit   groben  Wülsten,  Num- 

mulites  Beaumonti,  sub-Beaumonti  und  discorbina.  «Dritte 

Mauer*. 


U    oo 
0) 

O             1 

3  m  gelbe  Mergel.    Hier  Plateaustufe. 

S        5 

.2 

9 

•4^ 

1,2  m  gelber  Nummulitenkalk, 

3,9  m  gelbe   mürbe  Mergel  im  Wechsel  mit 

Bänken  von  gelbem  Kalk  ohne  Nummuliten, 

Lucina  pharaonis, 

,  Zweite 
Mauer*. 

O 

S          4 

a 

6  m  gelbe  und  weisse  Mergel, 

0,50—1  m  weisser  Kalk,                                         \ 

2,50  m  bröckliger  Mergelkalk,                              [     "        . 

2,50  m  4  knollige  Bänke  Kalk,                           i             ""  * 

4  m  verschüttet,  Mergel, 

3  m  gelbweisse,  schiefrige  Mergelkalke. 

3 

3  m  verschüttet  bis  zum  Fusse  des  Berges. 

B.  Doppelgipfel,  Station  XX  meines  Sheet  12  auf  dem  linken 

Ufer   des   Hauptarms   des  Wadi   Kamlieh,    10  km   östlich   von 

Der  el-Meimün  und  10,8  km  südöstlich  Burumbul. 


Fig.  3  (1 :  2000). 


'J^ 


X  =  Fischzähne  und  Tnrri- 
tellen. 


■ü  ^ 


\D 


i  m  gelblicher,  knotig  wulstiger  Kalk  ohne  Nummuliten; 
„Zweite  Mauer"*. 


r»  ui  treibe  und  weisse  Mergel.     Hier  Plateaustufe, 

•1  m  Steiliibfall  aus  mehreren  knotig  wulstigen  Kalkbänken; 

,. Erste  Mauer", 
7  m  lockere  Mergel  mit  Gips. 


M,  Blanckenham:  Geölogisch-stratigraphische  Beobachtungen.     369 


0,05—0,10  m  rotes  Band  aus  Roteisenstein  und  Gips.  Fisch- 
zäbne  (Myliobates). 

1,50—2,50  m  Mergel  mit  Fasergips,  Leda,  Turritella 
Boghosi  Cossm.  (häufig),  Zähne  von  Ginglymostoma 
Blanckenhorni  Stromer  n.  sp.,  Oxyrhina  Desori  Ag., 
Odontaspis  verticalis  Ag.  und  cf.  elegans  Ag.,  Lamna 
macrota  Ag.  sp.,  Carcharodon,  Galeocerdo  latidens  Ag., 
Aprionodon  frequens  Dam.,  Amblypristis  cheops  Dam., 
Myliobate8,Ganoidschuppen,Coelorhynchu88tacheln,Teleo- 
stierknochen,  Wirbel  von  Seesäugetieren. 

0,10 — 20  m  braunrote  harte  Kalkbank,  senkrecht  prisma- 
tisch zerklüftet,  deren  Oberfläche  prächtige  Winderosions- 
erscheinungen, Windkanten  und  Sandrieselflächen  zeigt. 

Die  tieferen  Mitteleocänschichten  zeigen  sich  auf  dem 
Wege  von  obigen  Hügeln  zum  Nil  bei  Karimat  und  Burumbul 
in  folgender  Weise  entwickelt :  Die  Abteilung  I  3,  etwa  20  m 
stark,  nimmt  vom  Fusse  jener  Hügel  an  weithin  eine  ausge- 
dehnte Ebene  oder  Terrassenlandschaft  ein,  in  der  sich  2 — 3 
niedrige  Terrassen  über  einander  markiren,  gebildet  aus  je 
0,25  —  50  m  dicken,  hellrötlichen  oder  schmutziggelben  härteren 
Bänken  zwischen  stärkeren,  bröcklig  schiefrigen  Mergellagen. 
Die  härteren  Bänke  führen  häufig  Fischschuppen. 

Tiefer  erscheint  die  Abteilung  I  2  (20—25  m)  in  Gestalt 
von  weisslich  grauen  oder  gelb  weissen  Kalkschiefern,  welche 
Steinsalzadem  in  ihren  Fugen  führen.  Südwärts  gehen  sie  in 
gelbe,  harte,  grobwulstige  Kalke  über,  die  eine  scharf  ausge- 
prägte Plateau terrasse  bilden,  wobei  die  obersten  Bänke  am 
Rande  grottenformig  überhängen.  Fossilien  wurden  ausser 
den  gewöhnlichen  Lucinen  in  diesen  Schichten  hier  nicht 
gesammelt.  Erst  viel  weiter  südwärts  und  ostwärts  in  der 
Arabischen  Wüste  zeigt  sich,  wie  frühere  Untersuchungen 
gelehrt  haben,  gerade  dieser  Horizont  ganz  erfüllt  von  Schalen 
des  grossen  Nummulites  Gizehensis  zusammen  mit  Numm. 
curvispira,  Gryphaea  cf.  Gümbeli  und  Schizasterarten,  so  dass 
an  der  Vertretung  der  Gizehensisbänke  (2)  durch  die  fossilfreien 
gelben  Kalke  bezw.  weisslichen  Kalkschiefer  hier  nicht  zu 
zweifeln  ist.    Als  Ursache  des  lokalen  Fehlens  dieser  Fossilien 


370         Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vom  8,  November  1903. 


darf  der  Umstand  aufgefasst  werden,  dass  dieselben  echte 
Küstenbewohner  waren,  hier  aber  die  ganze  Untere  Mokattam- 
stufe  in  pelagischer  Facies,  z.  B.  auch  ohne  eine  einzige  Auster, 
entwickelt  ist.  An  der  Grenze  der  Unterstufe  I  2  gegen  die 
tiefere,  d.  h.  am  Fusse  der  steilen  Böschung,  ist  eine  Bank 
mit  grossen  Nautili  und  Lucina  pharaonis  beständig. 

Die  tiefste  Stufe,  I  1  (ca.  25 — 30  m  mächtig),  setzt  sich 
bei  Burumbul  ähnlich  wie  das  ägyptische  Danien  (vergl.  oben) 
aus  einem  echt  pelagischen  Wechsel  von  blendendweissen 
Schreibkreidebänken  von  18 — 90  cm  Dicke  und  weissen,  gelb- 
lichen, dunkelgrauen  oder  schwärzlichen  gips-  und  salzreichen 
Blättermergeln  zusammen.  Von  Fossilien  nenne  ich:  cylindri- 
sche  Spongien,  Schizaster  Mokattamensis,  Lucina  pharaonis 
und  bialata,  Spondylus  sp.,  Cardita  Viquesneli,  Leda,  Nucula, 
Neaera,  Turritella  Boghosi,  Natica,  Aporrhais,  Nassa,  Styliola. 
Die  winzigen  Gastropoden  und  Nuculiden  sitzen  oft  in  Massen 
zusammen  auf  der  Schichtfläche. 

Aus  der  Gegend  von  Kairo  dienen  folgende  typische  Pro- 
file zum  Vergleich: 

C.   Steiler  Aufstieg  aus  den  Steinbrüchen   hinter  der  Citadelle 

an   den  Pulverkammern   vorbei  über  den  Basishügel  Schwein- 

furths  zur  Stution  des  Venusdurchgangs. 

Fig.  41)  (1:2000). 


I    =  Signal  bei 

195  m  (0.  M.) 
0   =  LokaUttt  VII 

auf  Sch  weinf arUis 
gcol.  Karte. 
Stb.  =  Steinbruch  an  der 
hinteren  PnWer- 
kammer. 


^)  Die  Schichten  sind  hier  richtiger  nicht  horizontal,  sondern  etwas 
nach  0.  einfullend  zu  denken,  wie  es  in  Schweinfurths  Profil  (Zeitschr. d.  D. 
geol.  Ges.  1883,  Taf.  XX)  in  freilich  verstärktem  Masse  zum  Ausdruck  kommt. 


M.  Slanckenhom:  Geologisch-stratigraphische  Beobachtungen,     371 


II 

8 

4V2~5m  gelblicher,  feinkörniger  Kalksandstein,  kavernös 
mit  Calcitdrüsen.    Echinolampas  Crameri,  Anisaster  gib- 
berulus,    Abdrücke    von    grossen   Vulsellen,    Spondylus, 
Cardium  2   sp.,    Cardita    Mokattamensis   Opp.    sp.  n.,i) 
Lucina,  Macrosolen  uniradiatus  Bell,  sp.,  Mesalia  Hofana 
M.-E.,  Turritella  pharaonica  Cossm. 

7 

(c.  7  m) 

0,20  m  gelber  Sand, 

2  m  bunte  Thone  mit  Gips,  gemischt  mit  Sand, 

0,40  m    gelber    knolliger   Kalksandstein    mit    Calcit-    und 

Gipskrystallen, 
4—5  m  gelbe  und  grüne  Thone.     Hier  Plateaustufe. 

6 
(3  m) 

0,50  m  2  Kalkbänke, 

2,50  m  gelbe,  harte,  sandige  Bank  mit  Pseudobohrmuschel- 
löchern. 

5 

(1,30  m) 

0,50  m  Blätterthon, 

0,80  m  Bank  mit  ungemein  dickschaligen  (5  cm)  Austern, 
Pecten,  Plicatula  polymorpha,  Area,  Cardium  obliquum 
Corbula  cf.  gallicula,  Natica,  Xenophora,  Cassidaria  nilo- 
tica,  Terebellum. 

4 
(2,50  m) 

1  m  überhängende  Bank  mit  viel  Steinkemen:  Vulsella, 
Ostrea,  Plicatula  polymorpha  (gemein),  Pecten,  Spondylus, 
Area,  Cardium,  Natica,  Xenophora,  Cassidaria,  Terebellum. 

1— 1,50  m  braungelber  und  grüngrauer  mürber  weicher 
Sandstein  mit  grossen  Löchern. 

3 

(2,80  m) 

2  m  2  Bänke  gelben  dichten  Sandsteins, 

0,80  m  Lage  mit  zahlreichen  Schalen  von  Carolia,  Cardium 

obliquum,   Corbula   cf.  gallicula  Desh.,   Teredo,  Mesalia 

Locardi,  Knochen. 

2 

(7  m) 


0,70  —  1  m  sandige  Bank  mit  Nummulites  Beaumonti, 
0,90  m  braune  und  blaugrüne  Sand-  und  Thonlage, 
1,30—2  m  mürber  Sandstein, 
2  m  blauer  Thon  und  braungelbe  Mergel  mit  Gips, . 


^)  Diese  neue  Art  wird  neben  zahlreichen  andern  neuen  Mollusken- 
formen von  Herrn  Dr.  P.  Oppenheim,  der  augenblicklich  die  ganze  Fauna 
des  ägyptischen  Eocäns  nach  Zittels,  Schweinfurths  und  meinen  Auf- 
sammlungen monographisch  beai'beitet,  im  nächsten  Jahre  in  derPalaeonto- 
graphica  veröffentlicht  werden. 


372 


SUzung  der  math.-phys.  Clatse  vom  8.  November  1902. 


2 

(7  m) 

1,50  m  gelbweisser  Kalk  mit  Nummtdites  Beaumonti,  sub- 
Beaumonti,    Anomia    tenuistriata,    Cardium    obliquum, 
Teilina,  Lucina  gibboaula,  Cytberea,  Cardita,  Turritella, 
Solarium,  Bostellaria  u.  and.  Gastropoden. 

1 
(9,30  m) 

II 

7  m  gelbliche  und  grauweisse  Gipsmergel, 

0,50  m  orangebrauner  harter  Thonkalk, 

0,80  m   bunter  ockrig-  und  grüngebänderter   Thon  (Tafle) 

mit  Cölestin, 
0,50  m  weisser  Mergelkalk  mit  senkrechten  Gipsadem, 
0,50  m  Mergel.    Hier  Plateaustufe. 

I 

5 
(c.  25  m) 

c.  8  m  4  Bänke  blendend  weissen,  weichen  Kalksteins  mit 
kleinen  Röhrchen,  Num.  Beaumonti,  sub-Beaumonti,  dis- 
corbina  und  subdiscorbina,  Amblypygus  dilatatus,  Ser- 
pula,  Eschara  äff.  Duvali,  Vulsella,  Spondylus  radula, 
Ostrea  Reili,  Lucina  pharaonis  und  metableta,  Teredo, 
Cardium  obliquum,  Turbinella  frequens,  Terebellum, 

8—9  m  Steilabsturz,  Kalk  mit  Echinolampas  Fraasi,  Cono- 
clypeus  conoideus,  Vulsella.     .Zweite  Mauer", 

0,40  m  gelbe  Mergel, 

8  m  Nummulitenkalk  mit  ,  Hörn  er  "-Wülsten,  kleinen  Num- 
muliten,  Schizaster. 

4 
(20,20  in) 

4,70  m  zerfressener,  knolliger  Kalk  mit  Schizaster, 

2  m  mergelige  Zwischenlage, 

llV2m  Steilwand  aus  Kalk  mit  Schizaster  foveatus,  Afri- 
canus  und  Mokattamensis,  Echinolampas  Fraasi,  Toxo- 
brissus  Lorioli,  Echinopsis  lybicus,  Ciavagella,  Vulsella, 
Natica.     „Erste  Mauer", 

2  m  verschüttet. 

3 

I 

c.  17—20  m  (?)  weicher  Baustein  der  Steinbrüche  (im  hin- 
tersten Steinbruch   am  Fusse  des  Bergabfalls  nur  8  m), 
Natica   hybrida    (==  N.  Ammonis  Blanck) '),    Turbinella 
frequens,    Lobocarcinus    Paulino-Württembergicus,    Car- 
charodon  auriculatus  u.  and.  Haifischzähne. 

Summe  98,4  m. 


^)  Die  echten  Ammonshörner  sensu  stricto  der  Alten  (vergl.  Blancken- 
horn:  Das  Urbild  der  Animonsbürner  in  Naturwiss.  Wochenschr.  XVI.  6. 
1901.  S.  57). 


M,  Blanckenhom:  Geologiach-stratigraphische  Beobachtungen,     373 

Die  Gesammtmächtigkeit  der  Oberen  Mokattamstufe  (II) 
9trägt  in  diesem  Profil  in  der  Mitte  des  Mokattam  37,40  m; 
)n  der  Unteren  Mokattamstufe  (I)  sind  hier  nur  ca.  35  m 
iif geschlossen,  seine  Gesammtmächtigkeit  (unter  HinzufQgung 
3r  Schichtengruppen  3,  2  und  1)  dürfte  sicher  100  m  über- 
eigen. 


Südwestseite  des  Gebe!  el-Ahmar  links  vom  Reitwege  nach 
Ajun  Musa.     (16.  3.  1902.) 

Fig.  5   (1 :  1000). 


^ 

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I'I'- 

5 

2 

1 

\   '^  1  •*- 

1 

5 

I 

II 


3 — 4  m  Sandstein  mit  Vulsella,  Carolia  (?),  Cardita  Mokat- 
tamensis,  Cytherea. 


7 
.  6,20  m) 


5(?) 
c.  2  m) 


3—3,50  m  Schutt, 

0,90  m    gelber   Kalksandstein    mit   Vulsella,    Lucina    pul- 

cbella,  Cardium,  Teredo  longissima, 
3  m  weisser  und  graugelber  Sand,    Thon  und  Gipsmergel. 


2—5  m  Kalksandstein  mit  Steinkernen:  Spondylus,  Cardita, 
Cardium,  Corbula. 


1— 1,60  m  gelbbrauner  Sandkalk  mit  Steinkernen, 
0,75  m  bröckelige  Zwischenlage. 


4 
1,40  m) 


0,70—1,10  m  gelbgrauer,  harter,  rauher  Sandkalk, 
0,50  m  ockergelbe,  bröckelige  Zwischenlage. 


3 
1,40  m) 


1,0  —  1,20  m  gelber,  fester  Kalk  mit  Kalkspatdrusen  und  Bi- 

valvenkernen, 
0,30  m  gelbe,  bröckelige  Lagen. 

25 


1902.  SiiznDgsb.  d.  math.-phys.  Cl. 


374         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  8.  November  1902, 


2 
(2,10  m) 


1  m  Tafle  mit  Cölestin, 

1,10  m  ockergelber  Kalk  mit  strahligem  Cölestin,  Abdrücke 
von  Nummulites  sub-Beaumonti ,  Spondylus,  Cardium 
obliquum,  Cytherea  parisiensis,  Corbula  gallica,  Macro- 
solen  uniradiatua,  Lucina  pharaonia,  Discohelix  cf.  Di- 
xoni,  Mesalia  Hofana,  Turritella  pbaraonica  Cassis  ni- 
loticua,  Cypraea. 


1 
(3  m) 
II 


1,50  m  gelber  Tafle  mit  Cölestin, 

0,80  m  hellockerfarbener  thoniger  Kalk, 

0,70  m  schmutziger  bröckeliger  Kalk  mit  Steinkemen. 


I 


0,60  m  grauweisse  Kalkbank, 
0,05  m  Zwischen  läge, 

0,35  m  weisser  Kalk  mit  Vulsella,  Teredo,  Turritella, 
0,10  m  gelbe  Mergel, 

5  m  weissgelber  Kalk  mit  kleinen  Nummuliten  und  Bryo- 
zoen,  „zweite  Mauer**. 


In  diesem  Profil  D  hat  die  Obere  Mokattamstufe  nur 
eine  Stärke  von  etwa  24,35  m,  ist  also  um  13  m  schwächer 
als  in  dem  2,7  km  südlich  davon  gemessenen  Profil  C 
derselben  Schichten.  Der  bedeutende  Unterschied  kann  nur 
auf  die  grössere  Festlandnähe  im  S.  zurückgeführt  werden, 
nach  welcher  Richtung  hin  alle  Schichtengruppen  anwachsen. 

Eine  ähnliche  Ausbildung  der  Oberen  Mokattamstufe  wie 
in  C  finden  wir  auf  dem  gegenüberliegenden  Nilufer  am  Chet 
el-Ghörab  (=  Krähennest)  oder  Gebel  Kibli  el-Ahram  im  S. 
der  Sphinx.  Von  diesem  guten  Aufschluss  verdanken  wir 
bereits  Fourtau*)  ein  Profil,  das  mit  der  folgenden  Aufnahme 
zu  vergleichen  ist. 


')  Siir  \m  noiivean  fi^iseinent  de  poissons  fossiles  aux  environs  des 
Pyraniidos  de  Ghizeh.  Bull.  Soc.  Geol.  France  (3)  XXVII  1899.  p.  238.  — 
Notes  siir  les  Echinides  fossiles  de  TEgyte.  Bull.  Inst.  Eg.   Le  Caire  1900, 

p.  -28,  Fig.  G. 


M,  Blaneketihorn:  Geologisch-stratigraphische  Beobachtungen,     375 

1.  Querprofil  von  0.  nach  W.  durch  den  Gebel  Kibli  el-Ahram 
am  Chet  el-Ghoräb. 


0. 


Fig. 

6a 

(1 

2000) 

Jä 

K 

^ 

^=£ 

^«c» 

J-TT 

,r 

1 

r — 

5  I? 

w. 


ipfel  des  HOgelB  e.  64  m  Aber  dem  Meeresspiegel. 

=  oberflächlich  auf  II 2  ansitzende  Pliocänbreccie  mit  Ostrea  cucullata  (Meereshöhe  55  m). 

=  Schutt. 

ig.  6  b.    Blick  auf  den  Gebel  Kibli  el-Ahram  von  N.  von  der  Pyramide 
des  Tetf  Re  aus. 


mi^- 


>>-*iS^3£^ö£d$;^^^^s^ 


^^^^^^m 


II 


3  m  harte  helle  Ealksandsteinfelsen  des  Gipfels  mit  Echino- 
lampas  Crameri  und  globulus,  Steinkernen  von  Plicatula 
polymorpha,  Gryphaea,  Ostrea  Clot  Beyi,  Calianassa, 

4  m  weiche  Mergel  mit  viel  Schalen  von  Plicatula  poly- 
morpha, Pecten,  Cytherea,  Lucina  pharaonis,  Turritella 
Locardi  und  dialyptospira. 


1  m  Caroliabank,  grau, 
tula,  Anisaster. 


Ostrea  Clot  Beyi,  Carolia,  Plica- 


5  m  brückelige  Mergel  mit  Gips,  lokal  eine  Kalkbank  da- 
zwischen, Echinolampas  globulus,  Natica,  Turritella  und 
andere  Gastropoden.  Auf  diesen  Schichten  sitzt  am  Ost- 
abhange  des  Hügels  die  pliocäne  Austern breccie  mit 
Ostrea  cucullata  auf. 


8  m  weissliche  und  blaugraue  Thonmergel  mit  Fischresten 
im  Wechsel  mit  gelben  Thoiikalkbänken.  Lucina  pha- 
raonis Bell.  (=  libyca  Cossm.). 

25* 


376         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  vom  8,  November  1902. 


?  Die  verschüttete  Basis  des  Hügels  mögen  weissliche 
Kalke  mit  Nummulites  Beaumonti  und  sub-Beaumonti, 
Echinolampas  Fraasi  und  africanus  und  anderen  Seeigeln 
einnehmen,  welche  man  etwas  nördlicher  an  der  Pyra- 
mide des  Tetf  Re  zu  Tage  treten  sieht. 

Die  von  Fourtau  gesammelten  Seeigel  stammen  ebenso 
wie  seine  von  Cossmann  beschriebenen  Mollusken  im  wesent- 
lichen aus  den  Schichten  I  2  und  4.  Zum  Unterschied  gegen 
die  Vorstellung  in  Fourtaus  Profilen  sei  ausdrücklich  betont, 
dass  das  marine  Pliocän  keineswegs  den  Gipfel  des  Hügels 
einnimmt,  sondern  in  der  halben  Höhe  des  Gehänges  auf  der 
Eocänschicht  I  2  als  Saumriff  erscheint  und  zwar  nur  auf  der 
Nilseite.  Es  sieht  fast  so  aus,  als  ob  die  Pliocänfluten  die 
Gipfelhöhe  des  Hügels  nicht  mehr  erreicht  hätten. 

Im  Fajüm  erreicht  die  Mächtigkeit  der  Schichtengruppen 
des  Mitteleocäns  die  grössten  Zahlen.  Namentlich  gilt  das 
für  die  Obere  Mokattamstufe. 

Die  Untere  Mokattamstufe  ist  nur  auf  der  SSO.- Seite 
der  Birket  el-Qerün  unter  dem  Kulturland  und  an  den  Rändern 
desselben  sichtbar,  so  nordöstlich  Tamieh  auf  dem  halbinsel- 
artigen Vorsprung  der  nördlichen  Wüste,  im  Einschnitt  des 
Batsthales,  unweit  Ebschwai,  im  tiefen  Einschnitt  Bahr  el- 
Wadi  bei  Nazleh  Schoketa  und  bei  Harit  zwischen  Gebali  und 
Qasr  Qerün.  Es  sind  graue  oder  gelbliche  Mergel  oder  Kalke 
mit  Nummulites  Beaumonti  und  sub-Beaumonti,  Abdrücken  von 
Leda,  Cardita,  Tollina  und  Fischschuppen.  Sie  vertreten  die 
Abteilungen  3 — 5  oder  die  obere  Hälfte  des  Unteren  Mokattam 
über  dem  eigentlichen  Gizehensislager. 

Auf  der  N.- Seite  der  Birket  el-Qerün  müssen  wir  zwei 
gröss(.*ro  Soliichtenkoinplt'xe  im  Oberen  Mokattam  unterscheiden, 
welche  Beadnell  M  neuerdings  auch  mit  besonderen  Namen 
belegt  hat,  die  .Birket  el-<)iiruii- Reihe"  und  die  „Qasr  es- 
Saga  -  Reihe".     Die    erstere    nimmt  die  Ufer  des  Sees   und  die 

'.)  The  Kajüiii   Doi.rossion.     Geol.  Mag.  H.K)1,  p.  542. 


3f.  Blanckenhorn:  Geölogisch-stratigraphisehe  Beobachtungen.     377 

unterste  der  von  Schweinfurth  untei-schiedenen  Plateaustufen 
(„Fajumstufen")  im  N.  des  Sees  (ca.  38—72  m  über  dem  See- 
spiegel), auf  der  sich  auch  die  Ruinen  von  Dimeh  befinden, 
ein;  die  höhere,  ungleich  mächtigere  den  Abhang  bei  Qasr 
es-Saga,  d.  h.  die  „zweite  und  dritte  Fajümstufe**  im  Sinne 
Schweinfiirths.  Freilich  besteht  zwischen  diesen  beiden  nur 
topographisch  geschiedenen  Gruppen  leider  keine  irgendwie 
scharfe  Grenze.  Denn  die  tiefsten  Lagen  des  Abhangs  von 
Qasr  es-Saga  erscheinen  lokal  auch  auf  der  Terrasse  von 
Dlmeh. 

Bei  der  unteren  Birket-  oder  Dlmeh-Reihe  ist  die 
genaue  Feststellung  der  Schichtenfolge,  welche  für  alle  Punkte 
gültig  wäre,  mit  einigen  Schwierigkeiten  verbunden,  weil  die 
Schichten  nicht  ganz  horizontal  lagern,  sondern  mehr  der 
etwas  welligen  Oberfläche  sich  anschmiegen  und  namentlich 
am  Ufer  gewöhnlich  mit  der  Böschung  schwach  gegen  den 
See  zu  einfallen,  weil  femer  grössere  Steilwände  fehlen,  auch 
der  Zusammenhang  teilweise  durch  kleine  Verwerfungen  unter- 
brochen ist,  endlich  horizontal  Wechsel  und  vertikal  mehrfache 
Wiederholungen  stattfinden.  Namentlich  der  letztere  Umstand  ist 
bisher  von  Schweinfurth,  Mayer-Eymar,  A.  Kaiser*)  und  mir 
zu  wenig  erkannt  worden,  wodurch  irrige  Auffassungen  des 
relativen  Alters  an  einigen  Lokalitäten  entstanden,  was  nur 
durch  Aufnahme  möglichst  zahlreicher  genauer  Profile,  die 
miteinander  verglichen  werden  können,  sich  vermeiden  lässt. 
So  treten  z.  B.  Mergel  mit  „Hörnern*  nach  meinen  neuesten 
Beobachtungen  in  mindestens  drei  Horizonten  (I  5,  H  1  und 
n  3),  rotbraune  Thonbänke  mit  weissen  Konchylienschalen 
ebenfalls  in  dreien  (U  2,  3  und  5  c),  Bänke  mit  Stockkorallen 
in  vier  Horizonten  (U  1,  2,  3  und  5  c)  auf. 

Als  älteste  Schicht  erscheinen  an  5  Stellen  des  Ufers  (im 
NW.  der  Batsmündung,  im  0.  von  Dimeh  auf  der  Halbinsel 
Qorn,  auf  der  Insel  Qorn  und  am  Landungsplatz  Mirsa  im 
NW.  dieser  Insel)  graue  thonige  Mergel  oder  Mergelkalk  ohne 


0  Eine  Reise  um  den  Kurün-See  und  durch  das  Fajüm.    Gera  1889. 


378         Sitzung  der  math.-phys.  Clasae  vom  8.  November  1903. 

Petrefakten  mit  hufeisenförmigen  Wülsten  a  la  Rhizocorallium, 
den  „Hörnern"  Schweinfurths.  Analog  den  Bildungen  am 
Mokattamberge  könnte  man  sie  als  Decke  der  Unteren  Mo- 
kattamstufe  (I  5)  auffassen,  doch  bin  ich  eher  geneigt,  sie 
hier  als  Aequivalent  der  thonig  mergeligen  Abteilung  II  1  an- 
zusehen. 

Es  folgen  dann  graue,  gelbe  oder  rötlichgelbe,  sandig 
mergelige  Schichten,  in  welchen  Schweinfurth  auf  der  Insel 
Geziret  el-Qorn  die  früher  von  Mayer-Eymar  und  Dames  be- 
schriebenen Korallen,  Ostrea  gigantea,  Turritella  cf.  turris, 
transitoria  und  carinifera,  zahlreiche  Fischzähne  und  Reste 
von  Zeuglodon  aufsammelte.  Das  ist  der  tiefere  Zeuglodon- 
horizont  des  Fajum,  den  ich  noch  zu  meiner  Abteilung  11  1 
ziehen  möchte. 

Höher  (II  2)  gelangt  man  alsbald  in  einen  äusserst  petre- 
faktenreichen,  innigen  Wechsel  von  dunkel  rotbraunen,  eisen- 
schüssigen Thonmergeln,  welche  kleine,  kugelige  Eisenstein- 
Konkretionen  und  weisse,  wohlerhaltene  Molluskenschalen  ent- 
halten, mit  gelben  und  grauen  sandigen  Mergeln  und  Muschel- 
kalken oder  Lumachelle.  In  der  Fauna  fallen  besonders  die 
Hydractinia  (Qerunia)  cornuta  May.-Eym.  sp.  ^)  und  die  Menge 
herrlicher  Gastropoden  auf.  Ich  habe  diese  Schichten,  die 
mit  der  gleichen  reichen  Fauna  in  vortreflFlicher  Schalener- 
haltung auch  auf  dem  rechten  Nilufer,  so  am  Gebel  Abu 
Rische*)  und  Wadi  Sanür  beobachtet  werden,  als  »Gastropoden- 
bänke**  bezeichnet.  Die  roten  eisenschüssigen  Muschellagen 
gehen  auch  horizontal  in  die  graugelben,  erdfarbenen  Mergel 
über,  beziehungsweise  sind  ihnen  nesterartig  eingelagert. 

Unmittelbar  auf  oder  auch  mitten  zwischen  diesen  Schalen- 
schichten liegt  die  auffallendste  aller  Bänke  des  Fajumer 
Eocäns,  welclie  die  Eigenschaft  hat,  an  der  Oberfläche  bis 
auf  riesige  kugelige  Blöcke,    ursprüngliche    Konkretionen    von 

^)  Vorf^l.    Oppenheim:     Uebor   Kerunia    cornuta   Mayer-Eymar  aus 
dem  Eocäii  Aecryptens,  Centralhl.  f.  Mineral..  Geol.  u.  Pal.  1902.  2.  S.  44. 
-j  Blanckenhoru,  Zeitscbr.  d.  Ueutsch.  geol.  Ges.  1900.  S.  443. 


M,  Blanckenhom:  Oeölogisch-stratigraphische  Beobachtungen,     879 

1 — 1*/»  m  Durchmesser,  ganz  zu  zerfallen.  Auch  kleinere 
Konkretionen  und  Wülste  sind  dieser  Schicht  eigen,  sowie 
Schalen  von  Ostrea  Reili,  Carolia  und  Cardita  Viquesneli,  Stein- 
keme  von  Mactra  Fourtaui,  Cardium  sp.,  die  als  Reste  der 
zerstörten  weicheren  Schichtteile  zwischen  den  meist  verstei- 
nerungsleeren grossen  Blöcken  liegen  bleiben.  Letztere  sind 
im  Horizontalschnitt  durchweg  kreisrund,  ihre  Gestalt  ist  aber 
nicht  immer  kugelig,  sondern  auch  ellipsoidisch  vasenartig 
oder  schön  cylindrisch  säulenförmig.  Sie  zieren  die  meisten 
Abhänge  oder  Kanten  der  „ersten  Fajümstufe"  oder  nehmen 
auch  letztere  selbst  ein,  wobei  sie  von  weitem  wie  eine  Heerde 
Schafe  aussehen.  Deshalb  nennt  sie  auch  der  Beduine  6ha- 
nam  el-maskhuta  (zur  Versteinerung  bestimmte  Schafe). 

Ausser  den  genannten  Schichten  beteiligen  sich  noch 
2  Gesteinsarten  wesentlich  am  Aufbau  der  ersten  Plateaustufe 
von  Dlmeh.  Das  erste  ist  grauer  harter  Kieselkalk,  welcher 
in  senkrechten  Klüften  zu  grossen  Quadern  zerspringt  und 
arm  an  Versteinerungen  ist.  Auf  einem  Hügel  nahe  dem 
Berge  U  Schweinfurths  sah  ich  eine  solche  Bank  unmittelbar 
im  Liegenden  der  „Schaf heerde**,  auf  dem  trigonometrischen 
Signalhügel  hinter  der  Halbinsel  Qorn  (ca.  35  m  über  dem 
Seespiegel)  als  deren  Hangendes.  Eine  zweite  höhere  Lage 
von  */a  ni  Dicke  mit  Schalen  von  Ostrea  elegans,  Plicatula 
und  Cardita  krönt  den  tafelförmigen  Hügel  im  S.  von  Dimeh, 
den  höchsten  dieser  Plateaustufe  (ca.  74  m  über  dem  See). 
Diese  obere  Schicht  leitet  hier  wohl  schon  die  Abteilung  H  3  ein. 

Das  letzte  bemerkenswerte  Gestein  der  Birketreihe  ist  ein 
harter  echter  Kalksandstein  oder  Sandstein  mit  Kalkbinde- 
mittel, der  meist  mit  stark  welliger  Oberfläche  herausragt,  so 
dass  man  liegende  Baumstämme  oder  Walfisch  rücken  zu  sehen 
glaubt.  Oft  neigt  dieser  Sandstein  zu  Knotenbildung;  dann 
ist  seine  verwitterte  Oberfläche  mit  zahlreichen,  vom  Winde 
herausgeblasenen  Höckern  besetzt,  die  sich  zuweilen  regel- 
mässig in  Quincunxreihen  gruppiren.  Die  betreffenden  aufge- 
wölbten elliptischen  Platten  sehen  dann  wie  dornige  Schild- 
krötenpanzer aus.    Dieser  „Walfischsandstein**  wurde  ausnahms- 


380         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  8.  November  1902, 

los    oberhalb    der    Schafheerde   beobachtet  (südlich    Dimeh  in 
ca.  48  m  Höhe  über  dem  Seespiegel). 

Alle  die  3  zuletzt  beschriebenen  harten  Oesteinsarten  sind 
oberflächlich  von  den  fingerdicken  Bohrlöchern  aus  einer  Zeit 
späterer  Meerestran sgression  (im  Pliocän)  bedeckt. 

Die  Fauna  der  Abteilung  II  2  der  oberen  zwei  Drittel 
der  Birket  el-Qerun-Reihe  setzt  sich  wesentlich  folgendermassen 
zusammen : 

Graphularia,  Lovellia  Schweinfurthi, 

Goniaraea  elegans,  Mactra  Fourtaui, 

Astrohelia  similis,  Turritellapharaonica,Locardi, 

Hydractinia  cornuta,  carinifera  u.  Hofana  M.-E., 

Ostrea  Reili  und  elegans,       Natica  Cleopatrae, 
Cardita  Viquesneli,  Melongena  indigena, 

Cardium  Schweinfurthi,  Clavellites  aegyptiacus  u.Noae, 

Lucina  pharaonis,  Turbinella  arabica, 

Cytherea  Newboldi,  Pleurotoma  ingens, 

Tellina,  3  sp.,  Nautilus. 

Dagegen  sind  Ostrea  Clot  Beyi,  Carolia  placunoides  und 
Plicatula  polymorpha  noch  verhältnissmässig  selten. 

Diese  3  wichtigen  Leitformen  erscheinen  häufiger  erst  in 
den  Abteilungen  II  3  und  4,  welche  stellenweise  schon  nördlich 
Dimeh  auf  gleicher  Höhe  mit  dessen  Ruinen  auftreten,  sonst 
aber  erst  am  Fusse  des  zweiten  Plateauabfalls. 

Dieser  Haupt-Plateauabfall  wird  in  vertikalem  Sinne 
durch  eine  besonders  scharf  ausgeprägte,  oft  breit  angelegte  Ter- 
rasse innerhalb  seines  oberen  Drittels  in  zwei  Teile  zerlegt,  die  so- 
genannte „zweite  und  dritte  Fajümstufe**  Schweinfurths,  welche 
nur  im  östlichen  Gebiet  bei  Qasr  es-Saga  sich  nahe  aneinan- 
der halten.  Von  dem  Gebirgspass  (Boghas)  im  W.  des  „Ko- 
rallenhügels" an  findet  eine  gänzliche  Trennung  statt;  die 
zweite  Fajnmstufe  rückt  im  Bogen  über  den  Zeuglodonberg 
zAini  Ufer  der  Birket,  welche  sie  am  -Z  Berge  erreicht  und 
von  da  an  begleitet,  während  die  dritte  höhere  sich  beständig 
etwa   10  km  nördlich  vom  See    ihm  ])arallel  hält.     Die  zweite 


M.  Blanekenhom:  Geologisch-stratigraphische  Beobachtungen,     381 

Fajümstufe  wird  aus  den  Abteilungen  II  3—6,  die  dritte  aus 
7—8  gebildet  (vergl.  Fig.  7  und  11). 

Der  östliche  Teil  des  Plateauabfalls,  an  dessen  Aufbau 
sich  beide  Fajumstufen  in  geringem  Abstand  von  einander 
beteiligen,  zerfällt  horizontal  in  2  Abschnitte,  die  bei  Qasr 
es-Saga  in  stumpfem  Winkel  aufeinander  stossen.  Der  erste  der- 
selben, welcher  von  hier  parallel  dem  Birketufer  bis  zum  Pass- 
aufstieg in  WSW.-Richtung  verläuft,  heisst  Gebel  el-Hameier; 
der  andere  nach  NNO.  gerichtete  Gebel  el-Achdar.  Letzterer 
biegt  ^/a  Tagereise  von  Qasr  es-Saga,  wo  eine  wichtige  Quer- 
verwerfung in  den  Schichtenzusammenhang  störend  eingreift, 
plötzlich  nach  Osten  um  und  verliert  sich  dann  nach  und  nach 
in  seiner  auffalligen  Gestalt. 

Den  besten  Einblick  in  die  Schichtenfolge  und  den  hori- 
zontalen Wechsel  jenseits  der  Birket  erlangen  wir,  indem  wir 
diese  Hauptabhänge  in  der  Richtung  von  NO.  nach  SW.  bis 
zum  Westende  des  Sees  verfolgen. 

Das  erste  Profil  entnehmen  wir  dem  nordöstlichsten,  namen- 
losen Abschnitt  des  Plateauabfalls,  nämlich  dem  W. — 0.  ge- 
richteten Theil  nordöstlich  Qasr  es-Saga. 

F.   Profil,    aufgenommen   an   einer  durch  Reichtum  an  Tama- 
riskenholz  ausgezeichneten   Plateaubucht,    ^j^  Tagereise   ONO. 
vom   Südosteck    des    Schweinfurth-Plateaus    und    Va  Tagereise 
.   NNO.  Qasr  es-Saga.     (7.-8.  2.  1902.) 


8 

2V4— 4  m  gelber  Mergelkalk. 

7 

2  m  Thon, 

1-  IV2  m  gelber  Mergelkalk  mit  Conchylienresten, 

7  m  graugrüner  Thon  mit  Gips, 

0,2  m  rötlich  ockergelber   Kalk  mit  Austern,    Mollusken- 

steinkernen  (Area), 
3 — 5  m  Gipsthon  und  grünlicher  Sand. 

6 

1 V2  m  Austernkalkbänke  mit  Ostrea  elegans, 
IV2  m  gelbe  Kalke  mit  Carolia,  Vulsella. 

5b 

?  5— 10  m  graue  und  grüne  Thone  und  Mergel. 

382 


Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  8,  November  1902, 


Bank  mit  Oatrea  elegans,  Terrasse. 
^  Mergel  mit  Kieselhölzera. 

Kalk  mit  Ostrea  elegans  und  Cloti,  Terrasse. 

Mergel. 

Kalk  mit  Ostrea  Cloti  und  Carolia,  Terrasse, 

Weisser  Sandstein  und  Schieferthon  mit  Pflanzen- 
resten. Oberer  (?)  Knochenhorizont:  Schade 
von  Welsen,  Schildkröten- Ausguss ,  Krokodil- 
skelet,  Wirbel  von  Zeuglodon  und  Sirenen, 

Terrasse  mit  Graphularia,    Ostrea  Cloti,    Raeta 
(Lovellia)  Schweinfurthi  M.-E.,  Turritella,  Les- 
sepsi  M.-E  ,  AmpuUaria  (!)  cf.  ovata  OL,  Mjlio- 
bates-Zähnen.    Mittlere  Turritellen-Bank, 
ca.  5  m  bis  zur  Ebene. 


3-4m 


4m 


2-3m 


ca.  3  m 


6.  Profil  am  Gebel  Achdar,   aufgenommen  P/a  Stunden  nord- 
nordöstlich von  Qasr  es-Saga  im  ONO.  des  basaltischen 
„Schweinfurth-Plateaus\     (16.— 17.  2.  1902.) 


Fig.  7  (1 :  2000). 


X     =  Haiflschhorizont 
-f- f-  =  2  Knochenhorizonte. 
Z     =  Zeltlager  am  16^7.  IL 
0    =  Braane   Steinkeme   und 
Wirbel. 


1  —  1  */2  m    gelb  weisser    Kalk   mit    Echinolampas    Crameri 
u.  a.  Verst. 


5b 


13  m  graugrüne   Thone   und    weisse   Sandschichten,  Thon 
mit  bis  15  cm  dicken,  senkrechten  Adern  von  Fasergips. 


Weisse  Caroliakalke. 


Dunkle  Thone.  ein  Knochen. 

Weisser  Sandstein. 

Fischhorizont,  Sandstein  mit  Pristis,  Myliobates,  Otodus. 


M.  Blanckenhom:  Geölogischstratigraphisehe  Beobachtungen,    383 


5a 


3  Terrassenabsätze  mit  Bänken  von  Ostrea  elegans  und 
Turritellen, 

Mergel,  höherer  Knochenhorizont,  mit  Schlangenwirbeln 
(Moeriophis  Schweinfurthi  Andrews),  Schildkrötenpanzer, 
Krokodil, 

Gelbrötliche  bröckelige  Mergelbank, 

2 — 4  cm  eine  schwarze  und  weisse  Sandlage, 

5  cm  gelbe  Mergel  mit  Knochen, 

1  m  weisser  Sandstein  oder  grauer  Thon,  tieferer  Knochen- 
horizont mit  Knochen  von  Welsfischen,  Schlangen  (Moe- 
riophis), Krokodil  (Skelet),  Walfisch  (Gehörknochen), 
Zeuglodon  cf.  Osiris  Dames  (Kiefer)  und  Moeritherium 
Lyonsi  Andr.  (Unterkiefer). 


.  Profil  Va  Stunde  nordnordöstlich  von  Qasr  es-Saga  an  der 
Ecke  oder  Umbiegungsstelle  der  Klippen.     (23.  1.  1902.) 

Fig.  8. 


Tl^ 

., — 

/=^ 

^  ^ 

zir 

/- 

5a 

c3^- 

•• 

r-5^ 

r^ 

^  ^ 

X  =  Steinkeme  und  Sftugethier- 

wirbel. 
G  =  Caroliascbichten. 
Ti  =  I.  Turritellonbank. 


5a 
1,05  m) 


0,10  m  Bank  mit  Ostrea  Cloti  und  0.  sp., 

1,50  m  Zwischenlage, 

0,70  m  gelbe  Schicht, 

1,50  m  hellgelbe  und  graue  Mergel, 

3,50  m  weisser  Sand, 

0,60  m  gelbe  Schicht  mit  Carolia  und  Cassidaria, 

1  m  grauer  Schieferthon, 

0,10  m  violettbraune  Knollen  von  Kalk  mit  viel  braunen 
Kernen  von  Macrosolen  uniradiatus,  Teredo  longissima, 
Solarium,  Cassidaria,  Gisortia  gigantea,  Lanistes  (I)  sub- 
carinatus,  Wirbeln  von  Sirenen  und  dürftigen  Resten 
von  Myliobatiden  und  Krokodil ;  zuweilen  an  Stelle  dessen 
Caroliaschicht  mit  Carolia  und  Ostrea  Cloti, 

1  m  rötliche  Mergel, 

0,05  m  Carolialage, 

1  m  gelbe  Gipsmergel. 


384         Sitzung  der  mathrphya.  Claase  vom  8.  November  1902. 


0,20  m  Bank   mit   Turritella  pseudoimbricata   Opp.  sp.  n. 

und  0.  Cloti  (untere  Turritellenbank), 
8  m  Zwischenlage, 
0,20  m  Schicht  mit  Ostrea  elegans. 


I.  Profil  des  Sagaberges  unmittelbar  hinter  Qasr  es-Saga. 
(22.-23.  1.  1902.) 

Fig.  9  (1 :  2000). 


S      =  Qasr  cs-Saga  im  Querdurchschnitt,  -f  '^  °^  über  dem  Birketspiegel,  85  m  Ober 

dem  Mittelmeer. 
A      =  Anachoretenhöhle.  St  =  Braune  Steinkeme.  C  =  CaroliabSnke. 

T  1-3  =  3  Turritellenbänke.  0  =  Austornbanke. 

P       =  Plicatula.  H  =  Hydractinion. 


Fig.  9  a. 


-..ffjp^'^^ift -i^y^^-^^-^  >  -^^ 


(12  m) 


3  m  Gipsmerge), 

1  m  harte  gelbe  Mergelbank, 

8  m  Gipsmergel  mit  Fischresten. 


M,  Blanckenhom:  Oeoloffisch-strttHgraphische  Beobcuhtungen.     385 


6 

6  m) 


2  m  Austembank, 

1  m  Mergel.    Zahn  von  Myliobates, 

3  m  Caroliabank,  Turritella  pharaonica. 


5b 
-20  m) 


10— 20  m  Gelber  Sand  mit  diskordanter  Parallelstruktur, 
Mergelsandstein,  schwarze  und  graubraune  sandige 
Schieferthone  mit  Laubblattabdrücken  und  sonstigen 
kohligen  Resten.  Selten  Korallen,  Fischzähne,  Schild- 
krötenreste. 


oa 
),25  m) 


2,70  m 


1  m  Gelbe  Austembank  mit  roten  Flecken,   Ostrea  Reili, 
Carolia,   Turritella  Lessepsi  M.  E.   und  fraudatrix  Opp. 
n.  sp.,  Panzer  einer  Schildkröte  (Podocnemis), 
(  Rote  Lage  mit  Knochen  (23.  1.  II), 
\  Blätterthon  mit  gelben  Wülsten, 
0,30  m  Bank  mit  Ostrea  elegans,  Turritella  Lessepsi  M.  E., 
pharaonica   Cossm.   und  vinculata   Zitt.,   Oberste   Turri- 
tellenbank, 

1  m  Mergel-Zwischenlage, 

0,50  m  Terrasse  mit  braunen  Steinkernen  und  Austern, 
Cardium,  Cytherea  Newboldi,  Lucina,  Macrosolen,  Sola- 
rium, Ficula,  Turritella  fraudatrix  und  pharaonica, 

2—3  m  Mergel, 

0,30  m  harte  Austernbank,  0.  Cloti, 

2  m  Gipsmergel, 

0,35  m  Mittlere  Turritellenbank,  oben  mit  T.  Lessepsi  und 
pharaonica,  unten  mit  Carolien, 

2,50  m  dunkle  Mergel, 

0,10  m  rote  Knollen, 

0,05 -0,15  m  weisse  Bank  aus  feinzerriebenen  Muschel- 
trümmern, Fischotolithen  und  Zähnen, 

6  m  gelbe  Mergel  mit  Seesäugethier- Wirbeln. 


4 
J,55  m) 


0,20  m  Untere  Turritellenbank  mit:  Einzelkorallen,  Anis- 
aster gibberulus,  Schizaster,  Plicatula  poljmorpha,  Ostrea 
Cloti  und  elegans,  Anomia,  Spondylus,  Lucina,  Cardium, 
Carolia,  Cardita,  Area,  Turritella  vinculata  und  pseudo- 
imbricata  Opp.  n.  sp.,  Calianassa,  Myliobates, 

3  m  gelbe  Mergel, 

7  m  Mergel,  oben  lokal  mit  Carolia,  unten  mit  riesigem 
Gelenkknochen, 

0,35  m  Bank  mit  Hydractinia  cornuta,  Anisaster,  Euspa- 
tangus,  Serpula,  Ostrea  Cloti,  Reili  und  elegans,  Plica- 
tula, Carolia,  Macrosolen,  Turritella  pharaonica,  Boghosi, 
Locardi,  pseudoimbricata  und  Hofana, 


388         Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  8,  November  190S. 


3 
(25,15  m) 


0,15  m  Terrasse  mit  Ostrea,  Carolia,  Turritella,  Calianaasa, 
5  m  Graue  und  gelbe  Mergel,  Modiola, 

Au8tenibankiiiitHydractiiiia,Macro8olen,Turritella, 

Grauer  Schief erthon  mit  Wülsten, 

Schwarzer  Schiefertbon  mit  RoteiaensteinknoUeD, 

Weisse  Schalenschicht  mit  roten  Flecken, 
20  m  ^    Mergel, 

Austemschicht.  Hydractinia,  Grosse  Ostrea  Praasi 
und  elegans, 

Mergel, 

Austemschicht  mit  kleinen  Austern  am  Bergesfusse.  *) 


Summa  c.  95—97  m. 


L.  Profil  am  „Korallenhügel",  2  Stunden  nordwestlich  Dimeh. 

(13.  2.  1902.) 


Fig.  11  (1:2000). 


i  I  i  i  Ml  16 
5b 


5a 


Z  =  Unser  Zeltlager  am  13.-15.  II.  1902. 

T  =  Turritellenbänke. 

0  =  Ostrea. 

C  =  Carolia, 

M  =  Mocrosolen. 

H  =  Hydractinia. 

K  =  Korallen  am  „Korallonlnigel". 


^)  Der  Fuss  des  Bergabhantrs   liegt   c.  50  m   über  dem  Spiegel  der 
Birket  d.  h.  +  7  m  über  dem  Meere. 


M.  Blanckenhom:  Geologisch-atratigraphische  Beobachtungen.     387 


5a 
(13,65  m) 


0,50  m  gelbe  harte  Bank  mit  Ostrea  Cloti,  Macrosolen, 
Turritellen,  Mittlere  Turritellenbank, 

2,50  m  dunkle  Schieferthone,  oben  zuweilen  weisser  Sand- 
stein. Knochen  von  Welsen  (Kopfpanzer  und  Wirbelsäule), 
Sägefisch  (Säge),  Schlangen  (Wirbel  von  Moeriophis 
Schweinfurthi  und  Gigantophis  Garstini  Andr.),  Krokodil 
(2  Skelette),  Schildkröten  (Platten),  Walfisch  (Gehör- 
knochen), Sirenen  (Wirbel).*) 

1  m  gelbe  Mergel, 

0,10  m  Schicht  mit  viel  Ostrea  Cloti, 

2  m  gelbe  Mergel. 


(30 -31m) 


0,40  m  gelbe,  harte  Bank  mit  Turritellen.  Untere  Turri- 
tellenbank? 

0,50  m  weisser  Sandstein, 

4  m  dunkelgrauer  Schieferthon, 

0,40  m  harte  Austernbank  mit  Ostrea  Cloti,  Macrosolen, 
Lucina  und  zahlreichen  Turritella  fraudatrix  Opp.  n.  sp. 

1  m  graue  Mergelsteilwand, 

5,75  m  verschüttet,  in  der  Mitte  eine  Austembank, 

0,60  m  gelbe,  harte  Bank, 

0,40  m  weisser  Sand, 

3  m  schwärzlicher  Schieferthon, 

1  m  gelber,  harter  Sandstein, 

0,70  m  gelber,  fester  Kp.lk  mit  Carolia,  Macrosolen,  Cjtherea, 
Turbinella, 

3  m  schiefriger  Mergel, 

0,90  m  eisenschüssiger  Kalk  mit  Euspatangus,  Ostrea  Cloti, 
Turritella,  unten  Carolialage, 

0,50— 80  m  weisser  Sand, 

0,10  m  Roteisenstein, 

1,55  m  hellgrauer  Mergel, 

0,10  m  weisse  Schalenschicht, 

7  m  gelbgraue  schiefrige  Mergel  mit  kopfgrossen  Kalkknollen. 


')  Va  Stunde  östlich  von  diesem  Profil  fand  Dr.  Stromer  an  einem 
Vorberg  mit  Hjänenhöhlen  in  diesem  Horizont  einen  chokoladenbraunen 
Thon  mit  Blattabdrücken  und  Modiola  cf.  corrugata.  Hier  viele  Wels- 
achädel,  Sägen  von  Pristis,  Sirenenskelet,  Scapula  von  Zeuglodon?,  Pla- 
stron einer  Schildkröte. 

*/2  Stunde  westlich  von  hier  zwischen  Profil  K  und  L  wurde  der 
von  Stromer  beschriebene  Schädel  von  Zeuglodon  Osiris  Dames  in  einer 
Schicht  von  grauen  und  roten  Mergeln  ausgegraben. 


390         Sitzung  der  meUK-phys,  Clmae  vom  8,  November  1902. 


4 
(18,10  m) 


9  m  Mergel, 

0,30  m  Mergel  mit  Plicatula  polymorpha,  Ostrea  Cloti  und 
Rdili,  Spondylus,  Carolia,  Area  und  rundlichen  Bivalven, 
Turritella  pharaonica  und  pseudoimbricata  Opp. 


8 
(16 -17  m) 


6  m  Gelbe  Mergel,  in  der  obem  Hälfte  mit  einer  Caroliabank, 

1  m  Mergel,  oben  mit  Ostrea  Cloti,  Area,  Natica, 

4 — 5  m  gelbe  und  blaue  Mergel,  gekrönt  von  einer  Bank 

mit  viel  Hydractinia,  Spondylus,  Carolia,  Cardium,  Macro- 

solen,  Turritella  pseudoimbricata. 
1  m  gelbe  Mergel,  oben  mit  Hydractinia,  Ostrea  Cloti  und 

kleinen  Austern, 
4  m    Mergel    mit  Hömerwülsten ;    am   Korallenhügel   mit 

Riff  aus   Goniaraea   elegans,   Astrohelia  similis,    Ostrea 

Fraasi.*) 


Summa  99—100  m. 


M.  Profil  des  „Zeuglodonberges"  (^  auf  Schweinfurths  Karte), 
3  Stunden  westsüdwestlich  Qasr  es-Saga.     (24.  1.  1902.) 


Fig.  12  (1 :  2000). 


T.  =  TurritellenbEnke, 
0.  =  Austernbänke, 
£u.   =  EuspatangQs, 
Z.  =  Knoch«ii  von  Zeoglodon, 
P.  =  Plicatula. 


M  Diese  untersten  Schichten  wurden,  soweit  sie  an  dem  in  der 
El)«Mie  vorlietrendon  ^Koralleiihügel'*  auftreten,  früher  von  Majer-Eymar 
uiul  mir  (Zeitscbr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  1900.  S.  44)  als  zu  Abteilung  II  1 
und  einer  durrb  Kand Verwerfung:  vom  Gebirgsabfall  getrennten  Scholle 
<xehr)rior  aufgesehen,  was  ich  jetzt  nach  genauerer  Nachprüfung  berich- 
tig:en  möchte. 


M,  Blanckenham:  Oeölogisch-straiigraphisehe  Beobachtungen.     391 
Fig.  12  a. 


Zeuglodonberg  vom  Fusse  aus  gesehen. 


Caroliabänke,  weiss,  Ostrea. 


5b 
z.  22  m) 


Aschgraue  Thone,  brauner  Sandstein  mit  Säuge- 
thierwirbel, 

schwache  Austembank, 

Gipsmergel    mit    violettbrauner    eisenschüssiger 
Lage. 


5a 
.6,90  m) 


1  m  Austembank,  deutliche  Terrasse  bildend.  Hydractinia 
(selten),  Ostrea,  Cardium,  Macrosolen,  unten  Carolia, 

1  m  rotgefleckte,  harte  Mergel, 

0,10  m  Kalk  mit  viel  Turritellen.     Obere  Turr.-Bank. 

0,80  m  grauer  Schieferthon  mit  Wülsten, 

3  m  hellgraue  und  gelbe  Mergel  mit  weissen  Gipsflecken, 

5  m  dunkler  Schieferthon  mit  Gips.  Sägefisch  und  andere 
Fischreste,  Schildkröten, 

1  m  mittlere  Turritellenbank.  Violetter,  unten  grauer  Kalk 
mit  Euspatangus  formosus,  Carolia,  Ostrea  Cloti,  Lucina, 
Solarium,  Turritella  Lessepsi,  Clavellites  aegyptiacus, 
Nautilus,  Skelet-Unterkiefer  von  Zeuglodon  Osiris  Dam.*) 

1  m  Wechsel  von  Sand,  Thon  und  Eisenstein, 

31/2—41/2  m  Mergel  oder  grauer  Thon  mit  violettem  Kalk- 
stein. Fossiles  Holz,  Clavellites  Noae,  Turritella,  Nau- 
tilus Nubari.  Viele  Knochen  von  Fischen,  Krokodil, 
Schlangen  (Moeriophis  Schweinfurthi  Andrews)  Schild- 
kröten.2) 


')  Original  von  Schweinfurth-Dames. 

*)  Etwas  östlich  von  diesem  Profil  im  gleichen  Horizont  Moeriophis 

26* 


392         Sitzung  der  matK-phy 8,  Glosse  vom  8.  November  19Ö2, 


4 
(8,80  m) 


0,60—1  m  gelber  und  rötlicher  Mergelkalk  mit  Carolia, 
Ostrea,  Mjliobates,  Schädel  von  Eosiren  libyca  Andrews, 

0,25  m  weisser  Sand  mit  falscher  Schichtung, 

1,50  m  grauer  Thon  und  Mergel  mit  Knochen, 

0,25  m  violetter  Eisenstein, 

1  m  grauer  Thon, 

5  m  verschüttet,  darin  eine  rötliche  Lage  mit  Euspatangus, 
Plicatula  und  runden  Bivalven. 


Summa  c.  53  m. 


N.    Profil    ^/a    Stunde    nordwestlich    vom    Zeuglodonberg   mit 
einem  Fischzahnlager.     (14.  2.  1902.) 

Fig.  13  (1 :  2000). 


5c 

(15  m) 


3  m  Caroliakalk. 


4  m  Steilwand,  schwarze  Schieferletten,  weisser  Sandstein 

und  Gipsthon, 
7  m  Thon,  Kalk  und  gelbe  Mergel, 

1  V2  m  gelbe  Mergel,  Stufe  bildend, 
V2  m  grauer  Thon, 

2  m  gelbe,  rotgefleckte  Mergel. 


5b 
(10,70  m) 


1  m  hellgelbe,  sandige  Mergel, 

9  m  Steilabsturz  von  grauem  Thon  im  Wechsel  mit  weissem 
Sand, 

0,06  m  weisse,  plattige  Sandsteine, 

0,05  m  Bonebed,  eisenschüssige,  sandige  Breccie  mit  Zähnen 
von  Lamniden,  Hemipristis  curvatus  Dames,  Aprionodon 
frequens  Dam.  (häufig),  Mjliobates  (häufig),  Chrysophrys 
sp.,  Platten,  Wirbel  und  Flossenstacheln  von  Fischen, 


Scbweinfurthi  (Wirbel),   Moeritherium   Lyonsi  Andr.  (Oberkiefer),   Moeri- 
therium  sp.  (Uiit(?rkieferast). 


M.  Blanckenhorn:  Oeologtsch-stratigraphische  Beobachtungen.     393 


5b 

,70  m) 


0,30  m  plattiger  Sandstein, 
0,10-25  m  Bonebed  wie  oben, 
0,10  m  Mergel. 


5a 

5  m) 


1,20  m  gelbe  Mergel,  Stufe. 

0,20  m  braune  Bank  mit  Muschelkemen,  Macrosolen, 
Astarte,  Ostrea,  Turritella.    Obere  Turritellenbank. 

2  -  3  V2  m  schwarzer  Thon, 

2  V2  m  gelbe,  sandige  Mergel,  nach  Osten  dafür  5  m  weisser 
und  rostiger  Sandstein, 

1  m  Gipsthon, 

0,20—40  m  rote  Zeuglodonschicht  oder  mittlere  Turritellen- 
bank, Stufe  bildend;  viel  Carolia,  Turritella, 

0,50  m  gelbe  Mergel  mit  grauen  Thonzellen,  Carolia,  Schild- 
kröte, 

0,30  m  weisser  Sandstein, 

1  m  gelbe,  graue,  harte  Mergel  mit  Skelet  einer  Sirene. 


4 
10  m) 


0,10  m   rote  Schicht   mit  Carolia   und   Turritella;    untere 

Turritellenschicht, 
1  m  graue  Mergel, 
1  m  Gipsthon. 


Summe  45,80  m. 

Berg   (^1^   auf  Schweinfurths  Karte)  dic^;  nördlich   vom 
stende    der    Birket    el-Qerün,  =  Gebel    d'Archiac   Majer- 
Eymars.     (20.  1.  1902.) 

Fig.  14  (1 :  2000). 


s-y^Y<v>\^(-^^^^^^'  . 

pT—          =' 

^^                                     5a 

Caroliabänke.  0  x  Austernbank.  K  =  Schalenschicht  mit  Korallen  and  weissen 
lylienschalen.  S  =  Schwarzes  Mergelband  mit  weissen  Gipsadern.  X  Knochen 
'ischen  und  Landsäugetieren. 


394 


Sitzung  der  math.-pT^s.  Glosse  vom  8,  November  1902, 


6 
(c.  19  m) 


2 — 3  m  Caroliabank  mit  Carolia,  Ostrea  Reili,  Mactra 
Fourtaui,  Cardita,  Cardium,  Area,  Turritella  pharaonica, 
Mesalia  Locardi, 

0,50  m  weisse  Mergel  mit  Brauneisenstein, 

0,50  m  Caroliabank, 

9  m  grüne  Thone, 

1  m  Bank  voll  Turritella  carinifera,  Myliobates, 

0,15  m  Caroliabank, 

4  m  grünlich  sandige  Mergel  mit  Gips, 

0,20  m  Bank  mit  Carolia  und  Ostrea, 

1  m  härterer  Kalk. 


5c 
(18,30  m) 


7  m  graugrüne  und  schwärzliche  Thone, 

1  m  Kalk  mit  Austern  und  Lucinaschalen, 

1  m  gelbliche  Mergel  mit  rötlichen  Wülsten  und  weissen 

Schalen   (ähnlich  der   roten  Schalenschicht  in  II  2  bei 

Dimeh),    Astrohelia   similis,    Lucina    pharaonis,    Cardita 

Viquesneli,  Cjtherea  Newboldi,  Nautilus, 
9  m  schwärzlicher,  sandiger  Thon  mit  weissen  Gipsadem, 
0,30  m    gelbgraue    Mergel    mit   rotbraunen  Wülsten   und 

weissen  Konchylienschalen  (Schalenschicht). 


5b 
(23  m) 


5a 

und 

4 


lim  graubraune  oder  schwarze  Mergel  mit  weissen  Gips- 
schnüren, 
12  m  steiler  Absturz  aus  gelblichem  Mergelsandstein. 

c.  24  m  Abhang  verschüttet;  stellenweise  viele  (eocäne) 
Fiachknochen  und  subfossil  ünterarmknochen  von  Camelo- 
pardalis,  oberflächlich  diluviale  Seeablagerungen. 

Am  Fusse  Dünen. 


Summe  84,3  m. 

Aus  den  gegebenen,  in  ONO. — WSW. -Richtung  an- 
einander gereihten  Profilen  der  Qasr  es-Saga- Reihe  geht  die 
ganze  Art  ihrer  Ausbildung  in  ihren  einzelnen  Abteilungen 
und  Schichten  nebst  ihrer  Fauna,  die  Art  des  horizontalen 
Wechsels  u.  s.  w.  klarer  hervor,  als  aus  langen  Auseinander- 
setzungen. Doch  sei  es  mir  noch  gestattet,  in  wenigen  Worten 
die  allgemeinen  stratigraphischen  Ergebnisse  dieser  Aufnahmen 
zusammenzufassen. 

Die  Schichten  fallen  durchweg  mit  geringer  Neigung, 
etwa  1  — 2^  ein  und  zwar  im  östlichen  Teil  der  Plateauwüste 
bis  etwa  ■^"'^  Profil  K    am   Korallenhügel  gegen  NNW.,  von 


M.  Blanckenhom:  GeologUch-stratigraphische  Beobachtungen,     395 

da  an  schlägt  das  Einfallen  anscheinend  mehr  in  WNW.- 
Richtung  um,  so  dass  weiterhin  in  der  Richtung  nach  WSW. 
zum  Westende  des  Sees  allmählich  jüngere  Schichten  an  den 
Fuss  des  Hauptabfalls  und  auch  an  das  Ufer  des  Sees  heran- 
treten. Au  dem  von  Schweinfurth  mit  dem  Buchstaben  2* 
bezeichneten  Berge  nimmt  die  Vorterrasse  von  Dimeh  ihr  Ende 
und  die  zweite  oder  Hauptplateaustufe  tritt  direkt  an  den  See. 
Damit  verschwindet  auch  die  Abteilung  2  mit  der  roten  Scbalen- 
schicht  und  der  charakteristischen  ^  Schaf heerde",  welche  bis 
dahin  in  ziemlich  gleicher  Höhe  über  dem  Seespiegel  zu  ver- 
folgen war,  von  der  Oberfläche  und  taucht  unter  denselben 
hinab. 

Die  Mächtigkeit  der  einzelnen  Abteilungen  nimmt  nament- 
lich durch  Einschaltungen  mächtiger  Thon-  und  Mergellagen 
in  der  Richtung  nach  WSW.  zu.  Im  Durchschnitt  sind  sie 
sechsmal  so  stark  als  am  Mokattam  z.  B.  in  dessen  Normal- 
profil C  und  siebenmal  so  stark  als  am  Gebel  el-Ahmar  bei 
Profil  D. 

Die  einzige  Abteilung,  welche  am  Mokattamgebirge  (3 — 5  m) 
speziell  bei  Ajun  Musa  (hier  14  m)  stärker  ist  als  im  Fajüm 
(hier  P/a  m)^),  ist  die  alleroberste  8,  der  Deckkalk  mit  Echino- 
lampas  Crameri.  Die  darunter  liegenden  Abteilungen  7  und  6 
sind  auch  nur  2 — 3  mal  stärker  als  am  Mokattam,  nur  im 
westlichsten  Profil  N  am  Westende  des  Sees  schwillt  auch  der 
obere  Caroliakalk  6  durch  Einschaltung  von  Thonen  zu  19  m  an. 

Den  allergrössten  Gegensatz  gegen  die  Ausbildung  am 
Mokattam  bekundet  die  mächtige  Abteilung  5,  welche  bei 
Kairo  eigentlich  nur  mit  Mühe  überhaupt  nachzuweisen  ist 
und  allein  im  Fajüm  ihre  besondere  Rolle  spielt.  Keine  Ab- 
teilung der  Oberen  Mokattanistufe  zeigt  hier  in  lithologischer 
wie  faunistischer  Beziehung  einen  so  ausgeprägten  fluviomarinen 
Charakter,  keine  weist  so  sehr  auf  die  Nähe  eines  einmünden- 


*)  In  der  Mitte  zwischen  Fajüm  und  dem  Mokattam  (vergl.  Profil  F 
und  Figur  15  weiter  unten)  hält  die  Stärke  dieser  Abteilung  (4—6  ^2  m) 
die  Mitte  zwischen  den  im  NO.  und  SW.  zu  beobachtenden  Extremen. 


'^96         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  8.  November  1902. 

den  Flusses,  des  Umil,  hin,  als  diese.  Auch  ihre  Mächtigkeit 
ihr  Verschwinden  am  Mokattam  hängt  mit  letzterem  ümsiand 
zusammen.  In  allen  Profilen  des  Fajümgebiets  schon  tod  F 
an  macht  sich  deutlich  eine  Zweiteilung  der  Etage  5  geltend. 

Der  höhere  Komplex  5  b  besteht  aus  den  als  mächtige  Steil- 
wand auffallenden  aschgrauen,  manchmal  kohligen  Schiefer- 
thonen  mit  Pflanzenresten  und  Sauden  oder  Sandsteinen,  tod 
denen  letztere  in  Profil  G  und  N  einen  wichtigen  marinen 
Fischhorizont  oder  Bonebed  reich  an  schonen  Haifischzähnen 
enthält. 

Die  tiefere  Gruppe  5  a,  welche  oben  mit  einer  wohlaus- 
gebildeten Terrasse  voller  Austern  abschliesst,  setzt  sich  aus 
Austembänken,  Turritellenbänken  und  Carolialagen  in  wieder- 
holtem Wechsel  mit  Mergeln,  Thon  und  weissem  Sand  zu- 
sammen. Häufig  sind  rotbraune  bis  violette  Knollen  oder  ganze 
Bänke  von  schwach  eisenschüssigem  Kalk  mit  Steinkemen  von 
Bivalven  und  Gastropoden,  unter  denen  solche  der  fluviatilen 
Süss  Wassergattungen  Lanistes  und  Ampullaria  (cf.  ovata)  neben 
echt  marinen  Formen  (Gisortia,  Cassidaria  etc.)  nicht  selten 
sind.  Diese  Knollenkalke  sind  neben  den  Mergeln  und  Thonen 
das  Hauptmuttergestein  der  Knochen  und  ganzer  Skelette  von 
marinen  und  fluviatilen  Reptilien  und  Wassersäugethieren, 
denen  sich  leider  nur  sehr  vereinzelt  auch  eingeschwemmte 
Reste  von  Landsäugethieren  (Barytherium,  Moeritherium)  zu- 
gesellen. Der  wichtigste  derartige  Horizont  liegt  ziemlich  be- 
ständig dicht  über  der  Basis  von  5  a  zwischen  der  „ersten*  und 
„zweiten  Haupt-Turritellenbank". 

Nach  Westen  zu  nimmt  die  fluviomarine  Abteilung  5  derart 
an  Mächtigkeit  zu,  dass  man  eine  Dreiteilung  vornehmen,  näm- 
lich über  5  b  (23  m  Sandstein  und  Mergeln)  noch  5  c  unter- 
scheiden könnte,  worin  2  rotbraun  gefleckte  Schalenschichten 
mit  weissen  Konchylienschalen  (Cardita  Viquesneli  etc.)  und 
Korallen  ganz  ähnlich  denen  von  Dimoli  in  Abteilung  2  und 
eine  Austornbank  auffallen  *)  (siehe  die  Profile  N,  0). 


^)  Vergl.  aucb  A.  Kaiser.  Heise  um  den  Kurun-See.     S.  20. 


M.  Blanckenhom:  Geologisch-atratigraphische  Beobachtungen,     397 

Die  Abteilung  4  hat  als  Decke  eine  ^untere  Turritellen- 
bank*,  die  zuweilen  auch  als  Ostrea  Clotibank  erscheint;  in 
der  Mitte  liegt  eine  oft  weithin  auffallende  Caroliabank  mit 
riesigen,  glänzenden  Schalen  dieser  schönen  Muschel  und  an 
der  Basis  folgt  eine  an  Plicatula  polymorpha  sehr  reiche,  selten 
zu  übersehende  Lage. 

3  ist  am  wenigsten  in  den  Fajüm-Profilen  charakterisirt 
und  auch  weniger  wichtig.  Wir  lernten  sie  nur  in  Profil  I, 
K  und  L  am  Fusse  des  Gebirgsabfalls  kennen;  am  stärksten 
(16 — 17  m)  erscheint  sie  am  „Korallenhügel".  Hier  herrschen 
Gipsmergel  vor,  denen  sich  Lagen  mit  grossen  Austern  (0.  Fraasi 
und  Hydractinien)  einschalten. 

Die  Fauna  der  Abteilung  3 — 8  ist  ziemlich  einheitlich. 
Die  meisten  Arten  gehen  durch  alle  Abteilungen  hindurch, 
soweit  solche  nicht  überhaupt  fossilarm  oder  leer  sind,  wie 
besonders  7.  Daraus  dürfte  wohl  hervorgehen,  dass  sämmt- 
liche  Abteilungen  zusammen  nur  eine  grosse  Stufe  bilden, 
nämlich  das  Obere  Mitteleocän. 

Die  Korallen  der  Gattungen  Astrohelia  und  Goniaraea 
wurden  in  2,  3  und  5  c  beobachtet,  Hydractinia  cornuta  in 
2 — 6  excl.  5  b  (häufig  nur  in  2 — 3),  die  Seeigel  Echinolampas 
Crameri  und  Anisaster  gibberulus  in  4  und  8,  Euspatangus 
formosus  in  4  und  5  a. 

Carolien  und  Plicatula  finden  wir  von  2 — 6,  doch  be- 
schränkt sich  das  massenhafte  Auftreten  von  Plicatula  poly- 
morpha unbedingt  nur  auf  4,  die  sogenannten  Plicatulabänke. 
Ostrea  Cloti,  Reili,  Fraasi  und  elegans  beobachteten  wir  in 
2— 5  a. 

Von  der  nach  den  Austern  artenreichsten  Gattung  Turri- 
tella  ist  die  allerhäufigste  Spezies:  T.  angulata,  welche  Coss- 
mann  jetzt  als  pharaonica  unterschied,  schon  im  Untern 
Mokattam  sehr  verbreitet,  dann  im  Obern  in  allen  Turritellen- 
lagen  in  2,  4,  5  a,  6  und  8,  ja  sie  geht  noch  viel  höher  mitten 
ins  Oligocän  hinauf.  Von  den  übrigen  Arten  aus  der  Untern 
Mokattamstufe  fand  ich  Turritella  Boghosi  Cossm.  nur  in  II  4, 


398         Sitzung  der  mcUhrphys.  Classe  vom  8.  November  1902, 

T.  Hofana  M.-E.  (=  Zitteli  M.-E.)  in  II  2,  4  und  6.  Charak- 
teristische  Arten  der  Obern  Mokattamstufe  sind  T.  Locardi 
Cossm.  in  2,  4  und  6,  T.  vinculata  Zitt.  in  2,  4  und  5  a, 
pseudoimbricata  Oppenh.  n.  sp.  (=  cf.  Desmaresti  bei  Blancken- 
hom,  Geologie  Aegyptens  II)  in  3  und  4  (d.  h.  der  „Untern 
Turritelienbank"),  T.  frandatrix  Opp.  n.  sp.  in  4  und  5  a.  Als 
Leitformen  für  bestimmte  Abteilungen  sind  beachtenswert  T. 
carinifera  *)  in  2  und  6,  noch  mehr  aber  T.  Lessepsi  M.-E.  für 
5  a,  d.  h.  die  beiden  oberen  „Turritellenbänke'*,  welche  sie  oft 
allein  erfüllt. 

Fischreste  fanden  sich  in  allen  Abteilungen  der  Untern  und 
Obern  Mokattamstufe,  die  Sägefische  bis  jetzt  nur  in  13,  11  1, 
5  a  und  5  b.  Flussfische  (Schädel  von  Welsen)  beschränken  sich 
auf  die  fluviomarinen  Schichten  5  a,  wo  andererseits  Haifisch- 
zähne fehlen.  Panzer  von  Schildkröten  und  unbestimmbaren 
Knochen  gibt  es  vielfach  in  4,  5  a  und  5  b,  Zeuglodon  in  1 
und  5a,  näher  bestimmbare  Reste  von  Schlangen, 
Krokodilen,  Sirenen  und  Landsäugethieren  nur  Inder 
fluviomarinen  Abteilung  5a. 


3.  Zur  Eenntniss  des  fluviomarinen  Obereocän-Oligoc&ns 
der  Libyschen  Wüste. 

Die  auf  das  marine  Mitteleocän  in  der  Libyschen  Wüste 
zunächst  folgende  zusammenhängende  Reihe  von  Sedimentär- 
ablagerungen (von  125 — 250  m  Mächtigkeit)  gehört  einer  andern 
Facies  an,  die  wir  vorher  nur  in  der  Abteilung  5  a  der  Obern 
Mokattamstufe  an  der  Birket  el-Qerün  wenigstens  angedeutet 
finden.  Sie  ist  eine  fluviomarine  Aestuarienbildung  des  »Liby- 
schen Urnil'',  in  welcher  fluviatile,  brackische  und  marine 
Bildungen  wechseln,  wobei  aber  die  erstgenannten  überwiegen. 
Das  vorherrschende  Gestein  sind  Sande  und  Sandstein,  denen 
sich    Kiese    und    gipsführende    Thone    anschliessen,     während 

^)  Am  Mokattamgebirge  bei  Kairo  auch  in  I  4. 


M.  Blanckehkorn:  Geölogiach-stratigraphische  Beohachtufigen,     899 

Mergel  und  Kalke  selten  sind.  Dieser  Gegensatz  spricht  sich 
an  der  Basis  des  Komplexes  auch  orographisch  durch  das 
weite  Zurücktreten  der  vierten,  aus  diesen  Schichten  aufge- 
bauten „Fajumstufe**  hinter  dem  scharfen  Rand  des  mittel- 
eocänen  Plateauabfalls  aus.  Obwohl  eine  Diskordanz  nicht 
direkt  zu  beobachten  ist,  könnte  man  doch  speziell  im  NO. 
an  eine  Lücke  oder  Unterbrechung  der  Sedimentation  zu  Be- 
ginn des  Obereocäns  (Bartonien)  denken  und  geneigt  sein,  den 
ganzen  fluviomarinen  Komplex  ins  Oligocän  zu  stellen.  Mayer- 
Eymar  fasst  letzteren  thatsächlich  als  Ligurien  (XJnteroligocän) 
und  Tongrien  (Mitteloligocän)  auf,  und  glaubt  das  Bartonien 
hier  nicht  vertreten.  Die  ägyptischen  Landesgeologen,  Beadnell 
und  ich,  haben  in  ihren  Schriften  trotzdem  sich  für  Obereocän 
und  XJnteroligocän  ausgesprochen. 

Die  Frage  des  Alters,  speziell  der  Grenze  zwischen  Eocän 
und  Oligocän  kann  mit  Sicherheit  nur  durch  die  paläontologi- 
schen Befunde  gelöst  werden.  Aber  grade  da  liegt  die  Haupt- 
schwierigkeit und  erheben  sich  schwer  lösbare  Rätsel. 

Sieht  man  von  den  überall  mehr  oder  weniger  verbreiteten 
pflanzlichen  Resten  und  vereinzelten  Schildkrötenknochen  ab, 
so  lassen  sich  meines  Wissens  5  wichtige  fossilführende  Hori- 
zonte (a — e)  innerhalb  des  Komplexes  unterscheiden: 

Der  tiefste,  nahe  der  Basis  gelegene,  sandig-kiesige  Horizont 
(a)  liefert  neben  unglaublichen  Massen  von  verkieselten  Bäumen 
schwach  verkieselte  Knochen  von  Fluss  und  Land  bewohnenden 
Reptilien  und  Säugethieren,  die  wenigstens,  was  die  Säugethiere 
betrifft,  wesentlich  von  der  entsprechenden  Fauna  des  ägypti- 
schen Mitteleocäns  abweichen,  meist  ganz  neuen,  noch  unbe- 
kannten Gattungen  angehören  und,  soweit  überhaupt  vergleich- 
bar, mehr  oligocänen  Habitus  aufweisen.  Die  Reptilien  scheinen 
gleichen  Gattungen,  Toraistoma  und  Podocnemis,  anzugehören, 
wie  wir  sie  schon  im  Mitteleocän  Aegyptens  kennen  lernten. 
Von  Säugethieren  hat  man  Wasserbewohner  bis  jetzt  nicht 
wahrgenommen.  Dagegen  sind  die  Landbewohner  durch  ein 
merkwürdiges,    nagethierartiges   Raubthier   (?)   (Phiomia),    das 


400         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  8.  November  1903, 

nach  Andrews^)  zu  den  Creodontia  oder  Urfleischfressem  ge- 
hört, die  Hyracoideen  oder  Klippschliefer  (?  !)  nach  demselben 
Autor  durch  2  Arten  von  Saghatherium  Andr.  gen.  n.,  die 
Proboscidier  durch  Palaeomastodon  g.  n.,  die  Anthracotheriden 
durch  die  sonst  vorherrschend  oligocäne  Gattung  Ancodus, 
endlich  eine  unbekannte  Hufthierfamilie  durch  das  wunderbare 
Arsinoitherium  Zitteli  Beadn.  vertreten.^) 

Der  zweite  Fossilhorizont  (b)  wird  gebildet  aus  rotem 
Sandstein  mit  Steinkernen  fluviatiler  Mollusken  (Unio,  Pseudo- 
don,  Mutela,  Spatha,  Lanistes),  die  den  heutigen  Formen  des 
Nil  und  des  tropischen  Afrika  nahe  stehen,  was  übrigens 
ebenso  für  den  oben  erwähnten  Lanistes  subcarinatus  und  die 
Ampullaria  cf.  ovata  der  Abteilung  5  a  des  Mitteleocäns  gilt. 

Dann  folgt  als  Abschluss  einer  Plateaustufe  ein  in  bracki- 
schem Wasser  gebildeter  Kalk  (c)  mit  Abdrücken  von  Cerithium 
tiarella  (bekannt  aus  Mittel-  und  Obereocän),  Potamides  tri- 
striatus  (des  Mitteleocän),  Potamides  scalaroides  (des  Obereocän), 
Potamides  conjunctus  (des  Mitteloligocän)  und  Melania  Nysti 
(des  Mitteloligocän).  Diese  Fauna  ist  sehr  charakteristisch  für 
die  ganzen  in  Rede  stehenden  Ablagerungen.  Man  sieht  eocäne 
und  oligociine  Faunen  Europas  in  der  nämlichen  Schicht  ge- 
mischt und  kann  demnach  schwanken,  welchen  von  diesen 
zwei  Gruppen  man  das  entscheidende  Gewicht  beilegen  soll. 
Ich  selbst  habe  die  unter  dem  Kalk  liegende  Gruppe  von  Sedi- 
menten dem  Obereocän  zugerechnet  und  in  diese  brackische 
Bank  die  Grenze  gegen  das  anbrechende  mehr  marine  Oligocän 
gelegt. 

Auf  der  Ten^asse  der  Melania-Potamides-Kalke  erhebt  sich 
eine  letzte  fünfte  Plateau  stufe  mit  einem  Basaltlager  unterhalb 
des  Gipfels.  Ungefähr  in  der  Mitte  des  Abhangs  unter  der 
Basaltdecke  erscheint  der  vierte  Fossilhorizont  (d)  in  Gestalt 
von  Sandstein  mit  sehr  schlecht  erhaltenen  Abdrücken  mariner 


1)  Phiomia  ist  nach  meiinT  und  Dr.  Stromers  Ansicht  sicher  kein 
Croodonte,  Saghathoriiim  kaum  ein  Hyracoide,  Arsinoitherium  aber  ist  im 
.aliuha\i  Coryphodon  ähnlich,  al>o  wohl  ein  Amblypode. 


M,  BlaneJcenhom:  Oeölogisch-stratigraphisehe  Beobachtungen,     401 

Thiere,  unter  denen  vom  Schweinfurth-Plateau  im  NNW.  der 
Birket  nur  Membranipora  sp.,  Turritella  pharaonica  und  nach 
Beadnell  noch  Pleurotoma  ingens  sicher  bestimmt  wurden.  Die 
beiden  genannten  Arten  sind  uns  aus  der  Mokattamstufe  wohl- 
bekannt, speziell  T.  pharaonica  als  eine  der  allergemeinsten 
Schnecken.  Hierher  gehört  ferner  die  von  Mayer-Eymar  müh- 
sam zusammengebrachte  Suite  von  den  Sandbergerhügeln  im 
W.  der  Pyramiden  von  Gizeh  und  dem  Gebel  Fuchs,  wovon 
ich  nur  folgende  ziemlich  sichere  Arten  erwähne:  Lucina 
pharaonis  (der  Mokattamstufe),  Natica  cf.  crassatina  (des  Oligo- 
cäns)  und  Turritella  pharaonica.  Also  auch  hier  wieder  eine 
Mischung  von  echt  eocänen  und  oligocänen  Arten,  unter  denen 
die  ersteren  diesmal  überwiegen. 

Aehnlich  wie  hier  verhält  es  sich  auch  mit  der  fünften 
Fossilschicht  (e),  die  über  dem  Basaltlager  liegt  und  auf  dem 
Gipfel  des  Kom  el-Chaschab  den  obern  Abschluss  der  ganzen 
fluviomarinen  Reihe  bildet.  In  meinen  früheren  Ausführungen 
über  das  Palaeogen  in  Aegypten^)  hatte  ich  noch  mit  Mayer- 
Eymar  geglaubt,  dass  die  Fossilschicht  an  genanntem  Punkte 
von  genau  gleichem  relativem  Alter  sei  wie  diejenige  der  Sand- 
bergerhügel  und  der  Basis  des  Schweinfurth-Plateaus  (d).  Nach- 
dem ich  aber  auf  unserer  diesjährigen  Reise  das  durchgehende 
Basaltlager  am  Ostfusse  der  Whitehouse-Hügel  und  des  Kom 
el-Chaschab  sowie  auch  südwestlich  davon  in  der  Mitte  der 
sandigen  Schichtenreihe  vorgefunden  und  am  letzten  Ort  hoch 
über  dem  Basalt  einen  fossilführenden  Kalksandstein,  wie  ihn 
Mayer-Eymar  vom  Kom  el-Chaschab  beschreibt,  als  oberste 
Lage  entdeckt  habe  (vergl.  die  folgenden  Profile),  muss  ich 
nunmehr  auch  in  der  obersten  Sandsteinschicht  des  Kom  el- 
Chaschab  einen  etwas  höheren  Fossilhorizont  annehmen.  Seh  wein- 
furth  sammelte  darin  Tellina  Bayani  M.-E.  (des  Unteroligocäns), 
Turritella  terebralis  v.  sulcifera  Desh.  (des  Obereocäns,  direkter 
Vorläufer  der  ähnlichen  T.  terebralis  v.  subgradata  des  Mio- 
cäns),  Ficula  Mayer-Eymari  Blanck.    (der  Mokattamstufe,  ver- 


>)  Geologie  Aegyptens  II,  p.  4G2— G4. 


402         Sitzung  der  mcUK-phys.  Glosse  vom  8,  November  1902, 

wandt  mit  F.  condita  des  Miocäns).  Ich  selbst  habe  dieser 
Liste  nur  noch  Lucina  pharaonis  (?)  (der  Mokattamstufe  und 
des  vierten  Fossilhorizonts  d)  von  meinem  neuen  Fundpunkt 
(in  Profil  Q)  zuzufügen. 

Nehmen  wir  nun  für  den  ersten  und  zweiten  (fluviatllen) 
Fossilhorizont  a  und  b  ein  obereocänes,  für  die  beiden  letzten 
marinen  ein  unteroligocänes  Alter  an  und  legen  die  untere 
Grenze  des  Oligocän  in  die  brackische  Schicht,  dann  müssen 
wir  die  Folgerung  ziehen,  dass  in  Aegypten  beziehungsweise 
Nordafrika  und  an  seiner  Nordküste  zur  Zeit  des  Obereocan 
oder  Bartonien  und  gegen  Ende  desselben  schon  gewisse  Thier- 
typen  existirten,  welche  wir  in  Europa  erst  später  kennen 
lernen  (Ancodus,  Melania  Nysti,  Cerithium  conjunctum),  also 
das  Festland  Afrika  für  Landbewohnende  Säugethiere  und  das 
Aestuarium  des  Nil  für  öastropoden  ein  sogenanntes  „Schöpf- 
ungszentrum** bildeten,  von  dem  diese  Thiertypen  ausgingen. 
Ferner,  dass  viele  echt  eocäne  Typen  sich  hier  in  Aegypten 
(wohl  infolge  der  Beständigkeit  der  Facies  und  äussern  Lebens- 
bedingungen) länger  (noch  bis  mitten  ins  Oligocän)  erhalten 
haben,  als  wir  das  für  Europa  gewohnt  sind.  Bei  dieser 
Altershypothese  gleichen  sich  aber  jedenfalls  die  widersprechen- 
den Momente  der  Mischfauna  besser  aus,  als  wenn  wir  ein- 
seitig auf  die  jungen  Säugethiertypen  Ancodus  und  Palaeo- 
mastodon  und  die  oligocänen  Gastropoden  uns  stützend,  den 
ganzen  fluviomarinen  Komplex  als  Oligocän,  die  tieferen  Lagen 
als  Unteroligocän,  die  höheren  marinen  als  Mitteloligocän  oder 
Ton  grien  auffassen. 

Auf  unserer  zweimaligen  Reise  ins  Fajüm  hatten  wir  vier- 
mal Gelegenheit,  diese  Schichten  kennen  zu  lernen: 

P.    Ostabhang   der  Whitehousehügel  ^)  Schweinfurths,   von  den 

Beduinen  gewöhnlich  auch  Kom  el-Chaschab  genannt. 

(7.  2.  1902.) 

1)  Vergl.  Geol.  topogr.  Kurte  der  Kreide-Region  bei  den  Pyramiden 
von  Schweinfurth.     Peterm.  Mitth.  1889.    Taf.  I. 


M.  Blanchenhom:  Geologüch-stratigraphische  Beobachtungen,     403 


c.25-30m 


Oben  Grobes  Geröll  von  Feuerstein,  Kieselkalk,  schwarzem  Porphyr  etc. 
e.  Violettbrauner,  löchrig  zerfressener  Sandstein  (darin  an 

dem  isolirten  Kegel  im  N.  dieser  Hügelgruppe,  dem  Kom 

el-Chaschab  im  engeren  Sinne,  von  Schweinfurth  Petre- 

fakten  mit  Schale  gesammelt), 
Weisser  Knotensandstein,  Sande  und  Kies  mit  verkieselten 

Baumstämmen  bis  zu  14  m  Länge. 


In  der  Ebene,  25  Mi- 
nuten  vom  Ostfuss  ent- 
fernt, anstehend  Basalt- 
lager mit  Kieselsinter- 
adern (letztere  auch  von 
Schweinfurth  beob- 
achtet). 


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404         Sitzung  der  matK-phys.  Glosse  vom  8.  November  1902. 


e) 


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c) 


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a) 


c.  1  m  Grauer,  grober  Sandstein  mit  Abdrücken  von  Lu- 
cina cf,  pharaonis  ? 

c.  30— 35  m  Knotensandatein,  Sand  und  Kies  mit  vielen 
fossilen  Baumstämmen, 

Im  Basalt,  oben  plattig  abgesondert  und  in  Scherben 
zerfallen,  unten  schlackig  löchrig,  aschgrau  verwittert 
mit  runden  Knollen  dichteren  Basalts  und  mit  Drusen 
von  Prasem  und  Chalcedon,  grünen  Mandeln  von  De- 
lessit,  Adern  von  Kieselsinter, 

0,70  m  grüner  und  violetter,  geschichteter  Tuff, 

0,45  m  gelblicher,  eisenschüssiger  Mergelsandstein  oder 
rötlicher  Knotensandstein,  oben  durch  Kontakt  ver- 
ändert, 

5  m  Sand,  violett  oder  weiss  und  Knotensandstein, 

c.  16  m  aschgrauer  Thon,  Sand  und  Sandstein. 


Stufe  aus: 

1  m    Thoneisensteinlagen    (3)    mit    Thon    und    Sand    da- 
zwischen, 

1  m  grauem  Thon  mit  Gips, 

0,15  — 25  m  ockergelber  Mergelkalkbank,  ähnlich  dem  Me- 
lanien-Potamideskalk  (c), 

1,20  m  grauem  Thon, 

0,25  m  ockergelber  Mergelbank, 

3  m  grauem  Thon. 
Tiefere  Terrainstufe  aus: 

6  m    oben    hellrötlichem  Kalk    mit  Kalkspathdrusen    und 
Adern,  darunter  feuerrotem  Sand, 

3m  Sand,  Sandstein  und  Kies  mit  versteinertem  Holz  (a). 


(Die  untere  Fortsetzung  dieses  Profiles  von  dem  unmittelbar 
folgenden  Steilabsturz  des  Mitteleocäns  bis  zur  Ebene  siehe 
oben  bei  Profil  F). 


K.  Südostecke  des  basaltischen  „Schweinfurth-Plateaus**,  der 
höchsten  Aufragung  zwischen  Wadi  Natrun  und  Birket  el-Qerün 
und  von  dort  hinab  in  OSO.-Richtung.  (9.— 10.  und  16.  2. 1902.) 


M.  Blanckenhom:  Geoloffisdi-straHffraphiscke  Beobachtungen.     405 


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1902.   Sitzungsb.  d.  math.-pliys.  Gl. 


27 


406         Sitzung  der  malh.-phys.  Glosse  vom  8.  November  1S03. 

Fig.  17.    Blick  auf  die  SO.-Ecke  des  Schweinfurthplateaus  von  80.  am. 


^3rm^^-^,^^:^i^i^-^S^ 


(1) 


c.  7  m  Kies  mit  grünlichem  Sand  und  Trümmern  von  verkie- 

seltem  Holz.    Oberste  Plateauschiclit, 
1 — 2  m  graugelber  Sandstein, 

G  m  grünlich  aschgrauer,  mürber  schlackiger  Basalt  undToff, 
3  m  Decke  aus  feinkörnigem  Feldspathbaaalt, 
1,20  m  grüner  und  violetter,  tuffartiger,  kalkiger  Sandstein  mit 

braunen  Thonpartikeln, 
2  m  gelber,  roter  und  weisser  Knotensandstein, 
2  m  rote  Letten, 

4,30  m  grauer  und  rötlicher  Sand, 

1,30  m  vorspringende  Bank  von  grauem  Knoten  Sandstein, 
9,30  m  Sand  und  mürber  Sandstein, 
0,50  m  Knotensandstein,  vorspringende  Kante, 
0,40  m  Mergelkalk, 
0,10  m  Knotensandstein, 
1,50  m  bunte  Letten, 

2  m  Sandstein  mit  Abdrücken  mariner  Schalthiere, 
5,80  m  grüner  und  gelber  Sand  und  Kies, 
0.70—1  m  Mergel  kalk  und  Mergel, 
12  m  Sand  und  Thon, 
c.  10— 12  m  verschüttet.    Plateaustufe. 


(Summa  c.  70  m). 


8  10  m 


c.  40  m 


Gelber  Kalk  mit  Melania  Nysti  und  Cerühium  conjunctum, 

Weisser  Kalk, 

Weisser  Sand, 

Hüter  Sand,  Sandstein  und  Kies,  unten  mit  vereinzelten 

Knochen  von  Schildkröten. 
Wiederholter  Wechsel  von  kreidigem  und  ockergelbem 

Mergelkalk  mit  Kalkspathdrusen,  weissem  und  rotem 

Sand,   Knotensandstein,   Kies   und  buntem  Thon,   in 

mehreren  Terassenstufen  aufgebaut. 


a) 


M,  Blanchenhom:  Geöhgisch-stratigraphisdhe  Beobachtungen,     407 

Am  Fuss  dieser  untersten  Terrassen  der  , vierten  Fajüm- 
stufe*  Schweinfurths  ^)  dehnt  sich  eine  Hochfläche 
aus,  durchzogen  von  flachen  Thälern  mit  niedrigen, 
sanft  abgerundeten,  welligen  Erhöhungen  aus  Kies, 
grauem  und  rotem  Sand,  Knotensandstein,  Eisenstein- 
lagen und  grünem  Thon.  Hier  auffallend  viel  ver- 
kieselte  Baumstämme  bis  zu  23m  Länge,  teilweise 
sich  gabelnd  oder  in  3  Aeste  geteilt.  In  der  Um- 
gebung dieser  Baumstämme  sind  schwach  verkie- 
selte  Knochen  von  Krokodil  (Tomtsioma ?),  Schild- 
kröten {Podocnemis),  Palaeomastodon,  Äncodus  Gor- 
ringei  Andr.  u.  ßeadn.,  Hyaenodon'?  angehäuft. 


c.  25  m 


Summa  c.  75 — 80  m. 

Die  direkte  Fortsetzung  dieses  Profils  nach  unten  bildet 
das  obige  Profil  ö  mit  Figur  7. 

S.    Aufstieg   vom  Rande  der   dritten  Fajümstufe  oberhalb   des 

„Korallenhügels**  (vergl.  Profil  L.  Fig.  11)  zu  meinem  früheren 

Lagerplatz  im  Jahre  1898^)  (bei  +  132  m  Meereshöhe). 

Der  Fuss  des  durch  seine  rote  Farbe  auffallenden  Berges  „Station  IV" 
meiner  ehemaligen  Kartenaufnahme  2)  besteht  aus 

1  m  gelbem  Sand  und  Knotensandstein  mit  weissen  Knochen, 
3  m  roter  Sand, 

2  m  bunte  Letten. 

Unterhalb  des  Fusses  folgt  eine  Fläche  mit  einzelnen  flachen  Hügeln 
mit  Knotensandstein  und  Kies.  Dort  Knochen  von  Krokodil,  Schildkröten 
und  grossen  Landsäugethieren  wie  Arsinoitherium  (Wirbelköi-per  von 
12  cm  Durchmesser),  eine  glatte  höckerlose  Schädeldecke  eines  grossen 
Hufthiers  u.  s.  w. 


')  Reise  in  das  Depressionsgebiet  im  Umkreise  des  Fajüm.    S.  141, 
*)  Vergl.  dazu  das  ,  Querprofil  durch  den  Fajümgraben'*  in  meiner 
, Geologie  Aegyptens**  II,  Taf.  XIV,  Fig.  2  und  S.  454. 


27^ 


408         Sitzung  der  matK-phys,  Glosse  vom  8.  November  1902, 

4.  Zur  Kenntnis  der  Basalte  Aegyptens. 

An  mehreren  Punkten  der  Libyschen  Wüste  hatte  ich 
Gelegenheit,  anstehende  Basalte  sowie  auch  GeröUe  von  Basalt 
und  anderen  krystallinischen  Felsarten  anzutreflfen.  Da  bisher 
nur  eine  einzige  petrographische  Beschreibung  eines  Basalt- 
gesteins aus  der  Libyschen  Wüste,  nämlich  der  aus  der  Oase 
Beharieh  von  Ascherson  mitgebrachten  Gesteinsstücke  durch 
Zirkel*)  existirt,  so  erschien  es  mir  von  Bedeutung,  Proben 
weiterer  Vorkommnisse  behufs  näherer  Untersuchung  zu 
sammeln.     Dies  fand  an  folgenden  Orten  statt: 

1.  am  Wege  Menahaus-Qasr  es-Saga  2  Tagereisen  west- 
südwestlich von  ersterem,  wo  am  S.Februar  in  dem  Oligocän- 
profil  Q  (Fig.  15) 

a)  ein  feinkörniger  dichter  Basalt, 

b)  Basaltschlacke,  stark  verwittert, 

c)  lose  liegende  Mandeln  von  Chalcedon,  sekundärem  Quarz 
und  einem  grünen  delessitartigem  Mineral 

gesammelt  wurden; 

2.  auf  dem  Gipfel  des  Schweinfurth- Plateaus  (Profil  R, 
Fig.  16),  von  wo  am  9.  Februar  Proben 

a)  der  ausgedehnten  oligocänen  Basaltdecke, 

b)  der  lokal  an  den  höchsten  Punkten  noch  darüber  lie- 
genden schlackigen  kavernösen,  bröckelig  verwitterten 
Basaltschicht  von  6  m  Stärke, 

c)  des  unter  a  liegenden  tuflfartigen  Sandsteins  entnommen 
wurden ; 

3.  in  der  Ebene  der  Terrasse  von  Dimeh,  ^\^  Stunden 
westlich  Qasr  es-Saga,  wo  sich  einige  schwarze,  breite,  niedrige 
Hügel  aus  lauter  Basaltblöcken  in  gerader  Richtung  senkrecht 
zum  Fusse  des  Ilauptgebirgsabfalls  aneinander  reihen,  augen- 
scheinlich als  Teile  eines  ehemaligen  (pliocänen?)  Lavastroms; 

')  Bei  Zittel:  Beiträge  z.  Geologie  und  Paläontologie  d.  Libyschen 
Wüste.     Paläont.  XXX.    S.  121. 


M,  Blanchenhom:  Geologisch-stratigraphische  Beobachtungen.     409 

4.  in  der  näheren  Umgebung  unterhalb  Qasr  es-Saga 
zwischen  den  dortigen  Schutthügeln 

a)  eckiges  scharfkantiges   Geröll   eines    dunkelgrüngrauen 
krystallinischen  Gesteins  mit  schwarzer  glatter  Oberfläche, 

b)  GeröUe  von  Basalt,  entweder  zu  2  a  oder  zu  3  gehörig; 

5.  neben  der  Cheopspyramide  (IV.  Dynastie),  wo  Trümmer 
ihrer  ehemaligen  äusseren  Basaltbekleidung  herumliegen; 

6.  im  Todtentempel  der  IV.  Dynastie  bei  den  Pyramiden 
von  Abusir,  wo  der  Fussboden  des  Säulenhofs  aus  Basalt  ge- 
bildet ist.O 

Diese  verschiedenen  Proben  wurden  an  das  Mineralogisch- 
petrographische  Institut  im  Königl.  Museum  für  Naturkunde 
zu  Berlin,  bezw.  dessen  Direktor,  Herrn  Geheimrat  Professor 
Dr.  Klein  zu  näherer  Prüfung  übergeben.  Die  durch  Herrn 
Dr.  Wolf  daselbst  freundlichst  vorgenommene  mikroskopische 
Untersuchung  führte  zu  folgenden  Resultaten: 

Das  Gestein  4a  ist  ein  Amphibolit  von  körniger  Struktur, 
zusammengesetzt  aus  Plagioklas  und  Hornblende. 

„Der  Kalknatronfeldspath  ist  nach  Art  der  Gabbrofeld- 
spathe  tafelig  entwickelt.  Es  ist  ein  basischer  Feldspath  mit 
grösseren  Schiefen  der  Albitlamellen.  Auf  M  =  ooP  ob  (010) 
zeigt  er  eine  Schiefe  von  —  20^,  entspricht  also  dem  Labrador. 

Die  Hornblende  füllt  entweder  die  Zwischenräume  zwischen 
dem  Feldspath  aus  oder  reichert  sich  nesterweis  an.  Man  kann 
2  Varietäten  unterscheiden,  eine  grüne  Hornblende  und  eine 
lichtere  Varietät,  die  der  strahlsteinartigen  Hornblende  näher 
steht  und  etwas  stärkere  Doppelbrechung  aufweist.  Die  Horn- 
blende dürfte  aus  Diallag  durch  Einwirkung  des  Gebirgsdrucks 
entstanden  sein.  Man  kann  vereinzelte,  noch  nicht  völlig  um- 
geänderte Diallage  beobachten  und  die  Stadien  der  Umwand- 
lung zur  Hornblende  verfolgen.  Ein  geringer  Erzgehalt  ist 
dem  Gestein  eigen.** 

Das  vorliegende  Gestein   ist  anstehend  aus  der  Libyschen 


*)  Diese    Probe    verdanke    ich    der    Güte    des    Herrn    Professor 
Schweinfurth. 


410         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  8,  November  1902. 

Wüste  nicht  bekannt.  Dagegen  gibt  es  Homblendegesteine  und 
Gabbros  ähnlicher  Art  zusammen  mit  Gneiss  in  der  Oegend 
von  Assuan^)  und  im  krystallinischen  Wasserscheidegebirge 
zwischen  Nil  und  Rotem  Meer.^)  Es  ist  daher  entweder  als 
GeröUe  des  ehemaligen  Libyschen  Ur-Nil  der  Tertiärzeit  in  die 
Gegend  von  Qasr  es-Saga  transportirt  oder,  wie  mir  bei  seiner 
Lage  zwischen  den  Scherbenhügeln  am  Qasr  es-Saga  wahr- 
scheinlicher wird,  von  Menschen  verschleppt  worden. 

Das  Gestein  2  a  ist  ein  „grauer  feinkörniger  Feldspath- 
basalt  von  diabasisch  körniger  Struktur. 

Der  Plagioklas  ist  leistenförmig  entwickelt;  der  Augit 
wird  licht  grünlich  durchsichtig.  Olivin  ist  nur  spärlich  ver- 
treten, reichlicher  dagegen  leistenformiges  Titaneisen.*  Be- 
sonders charakteristisch  für  dieses  Gestein  sind  die  mit  blossem 
Auge  sichtbaren,  grösseren,  glänzenden  Plagioklaseinsprenglinge 
bis  zu  0,5  cm  Durchmesser,  neben  denen  seltener  auch  grosse 
Olivinkörner  und  Augitkrystalle  wahrzunehmen  sind. 

An  diesen  Basalt  schliessen  sich  die  meisten  anderen  fein- 
körnigen Basaltproben  in  ihrer  BeschaflFenheit  mehr  oder  weniger 
an.    Besonders  gilt  das  für  Nr.  3,  5  und  6. 

Auch  das  früher  von  Arzruni  ^)  von  Abu  Zabel  am  Ismai- 
lia-Kanal  nördlich  Kairo  beschriebene  olivinarme  Gestein  gehört 
in  dieselbe  Gruppe,  so  dass  man  wohl  berechtigt  ist,  für  die 
Gesteine  aus  den  Ruinen  von  Abusir  und  des  Mantels  der 
Cheopspyramide  als  Ursprungsort  alte  Steinbrüche  der  Gegend 
von  Abu  Zabel  anzunehmen,  wo  ja  auch  heute  noch  der  ganze 
Basaltbedarf  von  Kairo  gedeckt  wird.  Beyrich*)  bezeichnete 
den  Durchbruch  der  Basalte  von  Abu  Zabel  als  Jungtertiär, 
ohne   freilich    Beweise    dafür  vorzubringen,    während  Beadnell 


^)  Bonney:  Notes  on  the  Microscopic  Structure  of  some  Bocks  from 
the  Noijxhbourbood  of  Assouan.     Geol.  Mag.  1886,  p.  103. 

2)  E.    Fraas:    Geogn.    Profil    vom    Nil    zum    Rothen    Meer.     1900, 

3)  ^it/.b.  a.  K.  Aka-l.  (1.  Wi>s..  Berlin  1882. 

"*)   Ueht'r    gt'Oirnost.    Beobachtungen    Schweinfurths    in    der   Wüste 

zwischen  Cairo  und  Sues  1882.     8.  17. 


M,  Blanckenhom:  Oedogisch-stratigraphische  Beobachtungen.     411 

ihn  für  gleichalterig  mit  den  angeblich  oligocänen  Basalten  der 
Oase  Beharieh  und  des  Schweinfurth-Plateaus  hielt.  Der  Basalt 
von  Beharieh  ist  jedenfalls  nach  Zirkels  Beschreibung  von  den 
hier  vorliegenden  Basaltvarietäten  ziemlich  verschieden  durch 
das  reichliche  Auftreten  des  Olivins  und  Apatits  und  das  Fehlen 
der  grossen  Plagioklase. 

Etwas  reicher  an  Olivin  als  Nr.  2  a,  3,  5  und  6  sind  1  a, 
anstehend  im  Oligocän  der  Wüste  halbwegs  zwischen  Mena- 
haus  und  Qasr  es-Saga  und  das  Geröll  4  b  von  Qasr  es-Saga, 
zwei  Gesteine,  die  im  übrigen,  speziell  in  Bezug  auf  die 
grossen  auffalligen  Feldspatheinsprenglinge  sich  ganz  zu  den 
anderen  halten.  Trotzdem  muss  1  a  als  altersgleich  (oligocän) 
mit  2  a  angesehen  werden,  während  3  entschieden  viel  jünger 
ist.  Denn  dieser  Basaltstrom  im  W.  von  Qasr  es-Saga  kann 
sich  erst  dann  über  die  austernführenden  Schichten  des  Mittel- 
eocäns,  die  er  bedeckt,  ergossen  und  ausgebreitet  haben, 
nachdem  der  ganze,  über  200  m  mächtige  Komplex  von 
Eocän-  und  Oligocänschichten,  welcher  zur  Zeit  der  Bildung 
der  Basaltdecke  des  Schweinfurth-Plateaus  (2  a)  diese  ganze 
Gegend  bedeckte,  am  heutigen  Nordufer  der  Birket  el-Qerun 
wieder  denudirt  und  die  Austemschichten  der  Mokattam- 
abteilung  113  blossgelegt  waren.  Das  ist  frühestens  im  Plio- 
cän  gewesen,  in  einer  Zeit,  in  welcher  auch  die  neuesten  tek- 
tonischen  Störungen  im  Nilgebiet  und  in  der  Libyschen  Wüste 
vor  sich  gingen. 

Das  Gesagte  bestätigt  wieder  die  alte  Erfahrung,  dass  be- 
nachbarte Vorkommnisse  von  Eruptivgesteinen  von  sicher  glei- 
chem Alter  ebenso  verschieden  von  einander  sein  können,  wie 
solche  von  verschiedenem  Alter  einander  gleichbeschaffen,  so 
dass  hier  jedenfalls  zwischen  oligocänen  und  jungtertiären 
Basalten  Aegyptens  kein  durchgreifender  Unterschied  in  der 
mikroskopischen  Beschaffenheit  besteht,  der  berechtigte,  aus 
letzterer  allein  Schlüsse  auf  das  Alter  zu  ziehen. 

Die  schlackigen,  stark  verwitterten  Gesteine  Ib  und  2  b 
sind  mehr  glasig  erstarrte,  groblöcherige  Basalte.  „Die  glasige 
Grundmasse  ist  mit  Eisenhydroxyd   durchtränkt.     Die  Plagio- 


412         Sitzung  der  math.-pliys.  Classe  vom  8.  November  1902, 

klane  zeigen  teilweise  die  für  schnelle  Erstammg  charakte- 
ristische sanduhrartige  Skeletbildung.  Der  Augit  ist  schwach 
jileochroitisch.     Das  Titaneisen  bildet  lange  Leisten.* 

Man  könnte  wenigstens  bei  der  Gesteinsart  2bf  die  das 
unmittelbare  Hangende  von  2  a  einnimmt,  meinen,  es  nur  mit 
einer  oberflächlichen  Erstarrungskruste  des  tieferen  Basaltlagers 
zu  thun  zu  haben.  Dem  widerspricht  aber  der  beobachtete 
Wechsel  mit  TuflFen  und  die  Mächtigkeit,  die  deijenigen  der 
tieferen,  feinkörnigen,  einförmigen  Basaltmasse  weit  überlegen 
ist.  Am  Schweinfurth-Plateau  beträgt  sie  6  m,  die  des  dichteren 
festen  Basalts  nur  8  m.  Ausserdem  ist  die  höhere  Schlacken- 
und  TufTschicht  beschränkt  auf  die  allerhöchste  tafelförmige 
Erhebung  über  dem  ausgedehnten  Basaltplateau,  wie  obige 
Fig.  If)  zeigt,  wo  noch  Sandsteine  und  Kies  darüber  folgend 
den  Ab.schluss  der  oligocänen  Sedimentreihe  bilden.  Hier  glaube 
ich  die  höheren  Basaltschichten  auf  einen  besonderen  zweiten, 
mit  Tuifausbrüchen  wechselnden  Basalterguss  zurückführen  zu 
niUsson. 

In  dem  Oligocünprofil  Q  scheint  der  umgekehrte  Fall  vor- 
zuliegen wie  bei  R,  insofern  die  in  lauter  kleine  Brocken  zer- 
fallende schlackige  Varietät  Ib  den  unteren  Teil  des  Basalt- 
lagtMs  oinniuinit,  wo  sie  aber  auch  einzelne  rundliche  echte 
Hasnltknollen  (l  a)  unischliesst.  Scherben  von  echtem,  plattig 
abgesoiulertein  Basalt  nehmen  hier  das  Hangende  und  ge- 
scluchteto  Tuilo  das  Liegende  der  schlackigen,  mürben  Lage  ein. 

Kin  Delossit-artiges  Zersetzungsprodukt  (Ic),  das  oft  alle 
Poren  in  l  h  erfüllt  und  auch  in  grösseren  Stücken  herumliegt, 
färbt  das  (lestein  Ib  wie  auch  die  dortige  Erdoberfläche  hell- 
grünlich. 

Mehrfach  liegen  an  beiden  Orten,  in  Profil  Q  und  R, 
zwisohiMi  den  Hrooken  von  Ib  und  2b  Mandeln  aus  Chalcedon 
luui  sekundäroui  Quarz  vl«^^»  welche  peripherisch  oft  durch 
Sorpontinsubstanz  irrünireiarbt  sind  und  dann  wie  Moosachat 
oiU  r  Pnisoni  aussehen.  Da  derartiire  grüngestreifte  Chalcedone 
\uu\  k}\vm':v  in  don  Kios\vü>ten  des  nördlichen  Aegyptens  eine 
häutiv^e  Vli^cht  inung  sind,  ist  es  von  Interesse,  jetzt  über  ihre 


M,  Blanckenhom:  Oeolofftach-stratigraphieche  Beobachtungen.    413 

Herkunft  aus  den  oligocänen  Basaltlagem  der  Libyschen  Wüste 
Näheres  zu  erfahren.  Bemerkenswert  ist  noch  die  oft  schön 
gerunzelte  wulstige  Oberfläche  dieser  Mandeln,  die  den  getreuen 
Abdnick  der  Wände  früherer  Hohlräume  in  der  Lavaschlacke 
darstellt.  Mandeln  von  milchweissem  Chalcedon  fanden  sich 
übrigens  auch  in  der  Umgebung  des  jüngeren  Lavastromes  im 
W.  von  Qasr  es-Saga  vor. 

Das  früher  als  TuflF  angesehene  violette  Gestein  2  c  im 
Liegenden  der  Basaltdecke  am  Schweinfurth-Plateau  erwies  sich 
bei  näherer  Prüfung  als  Sandstein  mit  kalkigem  Bindemittel 
ohne  basaltische  Einschlüsse,  aber  mit  braunvioletten  eckigen 
Thonpartikeln,  die  jedesmal  von  einer  Kalksinterkruste  um- 
hüllt sind. 

Im  Gegensatz  dazu  scheint  unter  dem  Basaltlager  1  (Profil  Q) 
wirklicher  geschichteter  Tuff  von  0,70  m  Mächtigkeit  zu  lagern, 
oben  von  grünlicher,  unten  von  violetter  Farbe. 

5.  Zur  Kenntnis  des  Neogens  und  der  Diluvialbildungen 

im  Nilthal. 

Schon  in  meiner  Behandlung  des  Miocäns  in  Aegypten^) 
hatte  ich  in  einem  besonderen  Abschnitt  unter  dem  Titel  „An- 
gebliches Miocän  des  Nilthak**  den  ausführlichen  Nachweis  zu 
liefern  gesucht,  dass  sich  im  eigentlichen  Nilthal  nirgends 
marine  Miocän ablagerungen  vorfinden.  Nach  Fourtaus  An- 
gaben*) konnten  2  Punkte  im  S.  der  Pyramiden  in  dieser  Be- 
ziehung in  Frage  kommen,  nämlich  die  Südseite  des  Gebel 
Kibli  el-Ahram,  d.  h.  Schweinfurths^)  Lokalität  C  und  der 
Gipfel  des  Kom  esch-Schellul,  Schweinfurths  Lokalität  D.  Nach 
dem  a.  a.  0.  mehr  kompilatorisch  aus  der  Literatur  und  Schwein- 


J)  Geologie  Aegyptena  III.    S.  88-96. 

^)  Sur  les  sablea  ä  Clypeastres  des  environs  des  Pjramides  de  Ghizeh. 
Bull.  Soc.  geol.  France  (3),  XXVI,  1898,  S.  39.  —  Notes  sur  les  Echinides 
fossiles  de  l'Egypte,  Le  Caire  1900,  S.  28,  f.  6. 

•)  Geologisch-topogi-aphische  Karte  der  Kreide-Region  bei  den  Pyra- 
miden.   Petermanns  Mitth.  1889.    Taf.  1. 


412  SÜBunff  der  wath.-l^iif«.  Clas^e  vom  S.  November  IBÖ^, 

klase  zeig&n  teilweise  die  für  schnelle  Erstaming  charakte- 
ristische sand uhrartige  Skeletbiidung.  Der  Augit  ist  »chwach 
pleüchroitisch.     Das  Tltatieisen  bildet  lange  Leisten** 

Maa  könnte  Tveiiigstens  bei  der  Qesteinsart  2  b,  die  das 
unraittelbare  Hangende  von  2  a  einnimmt,  meinen,  es  nur  mit 
einar  oberilnchlicben  Erstarrungskruste  des  tieferen  Basal tlagers 
zu  thun  zu  haben.  Dem  widerKpricht  aber  der  beobachtet« 
Wechsel  mit  TuiFen  und  die  Mächtigkeit,  die  derjenigen  der 
tieferen,  feinkörnigen,  einförmigen  Basaltmasse  weit  überlegen 
ist.  Am  Schweinfurth'PIateau  beträgt  sie  ö  ni,  die  des  dichteren 
festen  Basalts  nur  *^  m*  Ausserdem  ist  die  höhere  Schlacken» 
und  Tuffschicht  beschränkt  auf  die  allerhöchste  tafelförmige 
Erhebung  Über  dem  ausgedehnten  Basal tplateau ,  wie  obige 
Fig.  16  zeigt,  wo  noch  Sandsteine  und  Kies  darüber  folgend 
den  Äbschluss  der  oligocänen  Sedimentreihe  bilden.  Hier  glaube 
ich  die  höheren  Basaltschichten  auf  einen  besonderen  zweiten, 
mit  Tuffaasbrüchen  wechselnden  Basal terguss  zurückführen  zu 
müssen. 

In  dem  OligocänproEl  Q  scheint  der  umgekehrte  Fall  vor- 
znlit^gen  wie  bei  B,  insofern  die  in  lauter  kleine  Brocken  zer- 
fallende schlackige  Varietät  Ib  den  unteren  Teil  de^  Basalt- 
lagerH  einnimmt,  wo  sie  aber  auch  einzelne  rundliche  echte 
BasaltknoUen  (1  a)  umschliesst«  Scherben  von  echtem,  plattig 
abgesondertem  Basalt  nehmen  hier  das  Hangende  und  ge- 
schichtete Tufie  das  Liegende  der  schlackigen,  mürben  Lage  ein. 

Ein  Delessit*artiges  Zersetznug^prudukt  (Ic),  das  oft  alle 
Poren  in  1  b  erfüllt  und  auch  in  grosseren  Stücken  herumliegt^ 
fiirbt  das  Gestein  Ib  wie  auch  die  dortige  Erdoberfläche  hell- 
grünlich. 

Mehrfach  liegen  an  beiden  Orten,  in  Profil  Q  und  R, 
»wischen  den  Brocken  von  1  b  und  2  b  Mandeln  aus  Chalcedon 
und  sekundärem  Qtiarz  (Ic),  welche  peripherisch  oft  durch 
Serpentinsubstanz  grüngefarbt  sind  und  dann  wie  Moosachat 
oder  Prasenj  aussehen.  Da  derartige  grüngeistreifte  Chalcedone 
und  Quarze  in  den  KieswUsten  des  nördhchen  Aegyptens  eine 
hüuiige  Erscheinung  sind,  ist  es  von  Interesse,  jetzt  über  ihre 


ncJieiikorn:  Geologisch-stratigraphische  Beobachtungen,     415 


mehrerer  anderer  Seeigel  am  Kom  esch-Schellul, 
wiederholt,  d.  h.  soweit  man  bis  jetzt  weiss. 
-iBer  lässt  sich  keine  Zweiteilung  des  marinen 
^ilthals  aufbauen, 
ajüm  wurden  auch  von  unserer  Expedition  keine 
.nbestreitbaren  Beweise  der  Existenz  einer  pliocänen 
esbucht  in  Gestalt  von  Fossilien  vorgefunden.  Doch  konn- 
u  wir  das  Vorhandensein  der  eigenartigen  senkrechten  finger- 
dicken Löcher,  die  man  auf  die  bohrende  Thätigkeit  von  Meeres- 
thieren  zurückführt,  rings  um  den  See  von  Qasr  el-Qerün  über 
Dimeh  bis  Kom  Muschim  feststellen.  Ausser  diesen  gewöhn- 
licheren Löchern  von  2  -  3  cm  Durchmesser  beobachtete  ich 
auf  dem  Nordufer  des  Sees  auf  einer  Felsplatte  aus  eocänem 
Kieselkalk  etwa  40  m  über  dem  heutigen  Seespiegel  auch 
schüsselförmige  von  bald  rundlicher  Gestalt,  bald  eiförmig  oder 
elliptisch  buchtig  etwa  von  der  Form  einer  Unio  oder  andern 
queroblongen  Bivalve  von  6  — 10  cm  Länge  und  5 — 6  cm  Breite. 
Diese  Pfannen  sehen  gerade  so  aus,  als  seien  sie  von  kugeligen 
Bohrkörpem,  wie  Seeigeln,  die  ihren  Platz  nur  wenig  ver- 
schoben, langsam  eingegraben.  Von  Seeigeln  selbst  ist  freilich 
keine  direkte  Spur  mehr  da.  Die  Wogen  der  Brandung  und 
die  spätere  Deflation  des  Windes  haben  hier  an  den  Ufern 
der  Birket  alle  organischen  Reste  aus  jener  pliocänen  Zeit  ver- 
nichtet und  auch  die  Eocänschichten  in  eigenartiger  Weise 
ausgewaschen,  so  dass  von  ihnen  nur  die  härteren  Partien 
zurückblieben. 

Ueber  die  Frage  der  Ausdehnung  des  Pliocänmeeres 
nach  S.  wurden  auf  unserer  Expedition  weitere  Daten  negativer 
Art  gesammelt,  welche  meine  frühere  Annahme  einer  Nichtexi- 
stenz  von  marinem  Pliocän  imThalbeckenvonTheben  bestäti- 
gen. Barrons  und  Beadnells  angeblicher  Foraminiferenkalk  von 
Erment  oberhalb  Theben  mit  echt  pliocänen  Foraminiferen 
war  von  mir  s.  Z.  als  Süsswasserkalk  des  obersten  Pliocäns 
oder  Diluviums  mit  Trümmern  von  Eocänforaminiferen  auf 
sekundärer  Lagerstätte  gedeutet  worden.  Ich  hatte  freilich 
dieses  Mal  nicht  das  Glück,  gegenüber  Erment  auf  dem  rechten 


414         Sitzung  der  matK-phya,  Classe  vom  8.  November  1902, 

furths  mündlichen  Angaben  und  Sammlungsproben  erbrachten 
Nachweis,  dass  an  jenen  Stellen  Miocän  nicht  existire,  blieb 
es  mir  übrig,  persönlich  noch  einmal  diese  Lokalitäten  genauer 
zu  prüfen. 

An  der  Lokalität  C  am  Südende  des  oben  (Profil  E,  Fig.  6) 
erwähnten  Gebel  Kibli  el-Ahram  fand  ich  mehrere  Kuppen 
von  anstehendem  Gestein  aus  dem  allgemein  verbreiteten 
Wüstenkies  und  Schutt  aufragend.  Zwei  davon  waren  aus 
kalkigem  Pliocänsandstein  mit  Ostrea  cucuUata  und  der 
flacheren  Spielart  von  Pecten  benedictus  gebildet,  während  sich 
die  übrigen  aus  Eocänkalk,  insbesondere  einer  Bank  mit  Carolia 
aufgebaut  zeigten. 

An  der  Lokalität  D,  dem  Clypeasterfundort  Kom 
esch-Schellul,  ist  die  höchste  Spitze  von  Kies  und  Geröll 
bedeckt.  Der  NNO.  und  O.-Abhang,  nicht  der  Ostfuss  dieses 
Hügels,  ist  von  zahlreichen  */» — 2  m  tiefen  künstlichen  Löchern 
durchwühlt,  wo  von  den  Beduinen  nach  Clypeasterschalen  ge- 
graben worden  ist  und  so  der  Pliocänsandstein  ganz  gut  auf- 
geschlossen vorliegt.  Hier  findet  man  in  den  gleichen  Hand- 
stüoken  von  grobem  Sandstein  neben  dem  Clypeaster  aegyptia- 
cus  Schalen  von  Pecten  benedictus,  speziell  hier  deren  gewölbte 
hochrippige  Spielart,  dann  Ostrea  cucullata,  Baianus,  Mem- 
bnuiipora,  Serpula  und  Abdrücke  von  Cytherea  chione,  Ranella 
niarginata,  Xenophora  infundibulum,  Strombus  coronatus  v. 
Mayori,  Fischzähne  u.  s.  w.  Diese  Fauna  entspricht  in  jeder 
Hinsicht  derjenigen  der  echten  Cucullatasande. 

Der  kurze,  aber  erfolgreiche  Besuch  der  Clypeasierfdnd- 
stätte  hat  uns  die  schon  früher  ausgesprochene  Vermutung 
zur  Gewissheit  erhoben,  dass  der  Clypeastersandstein  nur  eine 
lokal  beschränkte  Facies  — .  keine  besondere  Stufe  des  marinen 
M  i  t  T  r  1  p  1  i  o  0  ä  n  s  von  Aeirypten  darstellt,  dass  Clypeastersand- 
>tiir.   r.r.d  (^:oiillata<tr.fo  zeitlich  zusammenfallen. 

np.s  Vorkon.men  festor  Sandsteine  mit  St^inkemen  ira 
äsry|t:>^'l.t  V;  Piiooilr.  ist  übrigens  keineswegs  auf  jene  Lokalitat 
besot;:iir.kt:  >»uhe  ri:.  ier.  sich  noch  an  vielen  Stellen,  besonders 
aut    dtir.    ruhtvr.    NilurVr.     EinziiX   ist    nur  das  Auftreten  des 


M.  Blanckehhom:  Geologisch-strati graphische  Beobachtungen,     415 

Clypeaster  und  mehrerer  anderer  Seeigel  am  Kom  escli-Schellul, 
was  sich  nirgends  wiederholt,  d.  h.  soweit  man  bis  jetzt  weiss. 
Darauf  allein  aber  lässt  sich  keine  Zweiteilung  des  marinen 
Pliocäns  des  Nilthals  aufbauen. 

Im  Fajüm  wurden  auch  von  unserer  Expedition  keine 
ganz  unbestreitbaren  Beweise  der  Existenz  einer  pliocänen 
Meeresbucht  in  Gestalt  von  Fossilien  vorgefunden.  Doch  konn- 
ten wir  das  Vorhandensein  der  eigenartigen  senkrechten  finger- 
dicken Löcher,  die  man  auf  die  bohrende  Thätigkeit  von  Meeres- 
thieren  zurückführt,  rings  um  den  See  von  Qasr  el-Qerün  über 
Dimeh  bis  Kom  Muschim  feststellen.  Ausser  diesen  gewöhn- 
licheren Löchern  von  2  -  3  cm  Durchmesser  beobachtete  ich 
auf  dem  Nordufer  des  Sees  auf  einer  Felsplatte  aus  eocänem 
Kieselkalk  etwa  40  m  über  dem  heutigen  Seespiegel  auch 
schüsselfbrmige  von  bald  rundlicher  Gestalt,  bald  eifürmig  oder 
elliptisch  buchtig  etwa  von  der  Form  einer  Unio  oder  andern 
queroblongen  Bivalve  von  6  —  10  cm  Länge  und  5 — 6  cm  Breite. 
Diese  Pfannen  sehen  gerade  so  aus,  als  seien  sie  von  kugeligen 
Bohrkörpem,  wie  Seeigeln,  die  ihren  Platz  nur  wenig  ver- 
schoben, langsam  eingegraben.  Von  Seeigeln  selbst  ist  freilich 
keine  direkte  Spur  mehr  da.  Die  Wogen  der  Brandung  und 
die  spätere  Deflation  des  Windes  haben  hier  an  den  Ufern 
der  Birket  alle  organischen  Reste  aus  jener  pliocänen  Zeit  ver- 
nichtet und  auch  die  Eocänschichten  in  eigenartiger  Weise 
ausgewaschen,  so  dass  von  ihnen  nur  die  härteren  Partien 
zurückblieben. 

Ueber  die  Frage  der  Ausdehnung  des  Pliocänmeeres 
nach  S.  wurden  auf  unserer  Expedition  weitere  Daten  negativer 
Art  gesammelt,  welche  meine  frühere  Annahme  einer  Nichtexi- 
stenz  von  marinem  Pliocän  imThalbecken  vonTheben  bestäti- 
gen. Barrons  und  Beadnells  angeblicher  Foraminiferenkalk  von 
Erment  oberhalb  Theben  mit  echt  pliocänen  Foraminiferen 
war  von  mir  s.  Z.  als  Süsswasserkalk  des  obersten  Pliocäns 
oder  Diluviums  mit  Trümmern  von  Eocänforaminiferen  auf 
sekundärer  Lagerstätte  gedeutet  worden.  Ich  hatte  freilich 
dieses  Mal  nicht  das  Glück,  gegenüber  Erment  auf  dem  rechten 


416         Sitzung  der  mcUh.-phys.  Glosse  vom  8,  November  1902. 

Nilufer  das  besagte  Gestein  mit  vielen  Operculinen  etc.,  wie  es 
Chapman  beschrieb,  anstehend  zu  schlagen.  Dagegen  gelang 
es  mir,  auf  dem  linken  Nilufer  hinter  Qüma  bei  Theben  mehr- 
fach ganz  entsprechende  weisse  Kalksteine  zu  beobachten,  welche 
in  innigem  Wechsel  mit  Nagelflue  und  Eonglomeratschichten 
sowohl  die  dortige  altdiluviale  Melanopsisstufe  als  auch  die 
mitteldiluviale  Nilterrasse  zusammensetzen. 

An  dem  „  Gesellschaffcsgrab " ,  genannt  Saft  el-baqara,  im 
NO.  des  Sethostempels,  nimmt  dieser  Kalk  die  Basis  der  jungen 
diluvialen  Flussterrasse  hart  am  Rande  der  Kulturebene  ein. 
Dieses  Gestein  enthält,  wie  DünnschliflFe  lehren,  zahlreiche,  stark 
verletzte,  d.  h.  gerollte  oder  transportirte  Schalen  von  winzigen 
Foraminiferen:  Globigerina  cretacea  d'Orb.,  sicher  bestimmt, 
6.  cf.  buUoides  d'Orb.,  Textularia  sp.,  Bolivina?  sp.,  Pleca- 
nium?  sp.,  Discorbina  sp.,  Pulvinulina?  sp.  Das  ist  eine  Ge- 
sellschaft von  vorwiegend  pelagisch  lebenden  Gattungen  und 
Arten,  wie  sie  nach  Schwager  sich  vor  allem  in  den  Schichten 
der  Libyschen  Stufe  speziell  am  Guss  Abu  Said  bei  der  Oase 
Farafra  vorfindet.  Leider  sind  nach  den  Dünnschliffen  keine 
genaueren  Artbestimmungen  möglich,  da  die  Schalen  nicht 
isolirt,  also  ihre  Oberflüchenformen  nicht  erkannt  werden  können. 
Zudem  liegen  nur  Bruchstücke  vor.  Kein  einziges  Individuum 
ist  unversehrt,  von  den  meisten  ist  höchstens  zwei  Drittel  der 
Schale  erhalten,  deren  innerste  konsistentere  Teile,  das  Gerippe. 
Von  den  besonders  häufigen  Globigerinen  sieht  man  viele  ein- 
zelne Kammern  oder  Paiire  derselben.  Im  übrigen  besteht  das 
Gestein  aus  klein  geriebenen  Schalentrümmem  von  Mollusken 
und  sonstigem  Grus,  der  durch  Kalkschlamm  verkittet  ist. 
Makroskopisch  wie  mikroskopisch  macht  das  Gestein  durchaus 
den  Eindruck  eines  klastischen  Haufwerks  von  kleinen  zusammen- 
gesolnvonimton  Teilen  von  Kreide-  und  Eociinkalk.  Als  Mutter- 
gostoin  konuiu'n  in  Betracht:  1.  der  weisse  Kreidekalk  mit  Anan- 
ch\tos  inul  Sohizorhab^lus.  Schicht  6  in  Delanoües  Profil  von 
Thtbon.  1.  die  noch  krt-tact-ischen  Blättermergel  oder  Esneh- 
schirtVr.  die  wir  anstehend  vom  benachbarten  Der  el-Bahri 
kennen    krnton    und    die    sich    nach    d'Archiac    durch  grossen 


3/.  BlaneJcenhom:  Oeologisch-airatigraphische  Beohiichtungen,     417 

Reichtum  an  Poraminiferen,  insbesondere  Qlobigerinen  und  Ro- 
taliden,  auszeichnen,  3.  die  Kalke  der  Libyschen  Stufe  in  der 
Umgebung  der  Wadijen.  Brecciöse  Lagen  von  Feuerstein-  oder 
Hornsteinstückchen,  die  dem  Kalksteine  eingelagert  sind,  leiten 
in  das  Konglomerat  oder  in  grobe  Breccie  mit  Bindemittel  aus 
sandigem  Kalk  über. 

Ganz  dieselben  Gesteinsarten  begegnen  uns  1,6  km  ober- 
halb des  Sethostempels  im  rechten  Seitenthal  des  Wadijen  ober- 
halb der  Einmündung  des  Thals  der  Königsgräber.  Ein  alter 
Steinbruch,  an  dessen  Wänden  noch  die  Kartusche  des  Pharao 
Hophrah  der  26.  Dynastie  zu  lesen  ist,  erschliesst  eine  6  m 
mächtige  Kalksteinschicht  innerhalb  der  dortigen  jungpliocän- 
altdiluvialen  Schotterterrasse.  Dieser  Kalk  umgibt  von  hier 
aus  im  Wechsel  mit  Konglomerat  und  Thonlagen  die  Gebirgs- 
schluchten der  unteren  Wadijen  und  am  Aufstieg  zum  Wege 
nach  Huh.  Auch  eine  von  letztgenanntem  Punkt  entnommene 
Probe  lieferte  mir  Poraminiferen  (auf  sekundärer  Lagerstätte), 
nämlich  Nummulites  sp.,  Virgulina  aflF.  Schreibersi  Cziz.?? 

An  dem  diluvialen  Alter  und  dem  fluvio-lacustren  Cha- 
rakter dieser  Kalke  ist  wohl  kaum  zu  zweifeln.  Beadnell  selbst 
hat  sich  neuerdings  in  einer  Unterhaltung  mit  Herrn  Professor 
Schweinfurth  in  diesem  Sinne  auch  betreflFs  des  Gesteins  von 
Erment  ausgesprochen  und  damit  seine  frühere  Hypothese  einer 
marinen  Ueberflutung  des  oberen  Nilthals  bei  Theben  zur 
Pliocänzeit  berichtigt. 

Die  Diluvialbildungen  bei  Theben  verdienen  auch  noch 
in  einer  anderen  Beziehung  ein  besonderes  Interesse,  nämlich 
in  anthropologischer.  Die  Plussterrassenschotter  der  Diluvial- 
terrasse von  Qüma  an  der  Mündung  der  Wadijen  ins  Nilthal 
zeichnen  sich  durch  Führung  von  eingeschwemmten  mensch- 
lichen Kieselartefakten  aus,  wie  das  zuerst  General  Pitt 
Rivers  1882  feststellte. 

Der  vertikale  Aufbau  dieser  Terrasse  wird  uns  in  vor- 
treflFlichster  Weise  durch  einige  grosse  Grabanlagen,  sogenannte 
„Gesellschaftsgräber",  erschlossen.  So  bietet  sich  uns  an  dem 
schon  oben  erwähnten  Saft  el-baqara  folgendes  Profil: 


418         Sitzung  der  math.-phyB.  Classe  vom  8.  November  1902. 


Oben  6-7  m  Nagelflue  mit  festein gebackenen  echten  Artefakten 
zwischen  den  wohlgerundeten  Kieselgeröllen ; 

darunter  der  oben  beschriebene  weisse  Kalk  mit  Resten  kleiner 
Foraminiferen  0,70  m. 

Etwas  anders  gestaltet  sich  das  Profil  an  der  NO.- Wand 
eines  zweiten,  Saft  el-Diaba  genannten  Gesellschaftsgrabes: 

U. 

Oben  0,50  -75  m  weisser,  tuflFig  poröser  Kalk,  äosserlich  schmutzig 
rötlich. 

2  m  grobes  Konglomerat. 

IJO  m  kalkiger,  schwach  kiesiger  Nilschlamm,  in  den  hier  die 
einzelnen  Orabkammem  eingeschnitten  sind. 

Unsere  prahistorisch-anthropt>logi.schen  Studien  an  diesen 
Lokalitäten  hatten  wir  das  seltene  Glück,  unter  der  sachkun- 
digen Führung  des  Herrn  Professor  Dr.  Schweinfurth  anzu- 
stellen. Ueber  die  Ergebnisse  derselben  habe  ich  bereits  an 
anderer  Stellet  austührlicher  berichtet,  ebenso  auch  Schwein- 
furth.^) Indem  ich  auf  diese  Veri*)flEentlichungen  des  Näheren 
verweise,  ttihre  ich  hier  nur  die  wichtigsten  Punkte  an. 

Die  Schot tenn;uv<e  von  Qürua  scheint  mir  der  älteren  von 
zwei  diluvialen,  in  Aegvpten  beobachteten  Flussterrassen  zu 
entsprechen,  welche  ich  vorläufig  geneigt  bin  der  ^Hochierrasse* 
der  vorletzten  oder  Hauptt•i^zeit  (^Eun^pa^)  parallel  za  stellen. 
In  dem  festen  Ki>uglomerat  diest-r  Terrasse  tinden  sich  nun 
zweifelK>se  Artefakte  verschiedener  Art,  welche  der  ersten  und 
zweiten  palä«^lithischen  Periode,  dem  Acheuleen  und  beson- 
dtn>  dem  M«>i;sttTien  in  Frankreich  und  Belgien  eigentümlich 
sind.  Die  ur^j^rüngliche  Lusrerstatte  dieser  Artefakte  sind  die 
ar.  FtUvr^ieiiilagen  rficlivii  li-cliplateaus  der  Libyschen  Wüste 

■    !■.-:  «.•'.?.'•:::':::',»   d-.i  N:!s:r.-^    ir.  dor  Tertilricit    nud  «Ll»  Alter 

vi:>  ]:.■-.;   !•:^:^.ll^::  Mt^jl-::  :*:  Arjvpr-r.    Zc::?.:lir-  I.  »Jl^s.  f.  Eniknnde. 

-    K..<:l-Ar:rjt*.i  t-^  :-j    :  r    ■■  :t:.\'-'.  ^  "z  :':cr-T^rrxÄ?e   in-i  aaf  «ir?!! 


itf.  BlaneJcenhom:  Oeologiseh-stratigraphische  Beobachtungen.     417 

Reichtum  an  Poraminiferen,  insbesondere  Qlobigerinen  und  Ro- 
taliden,  auszeichnen,  3.  die  Kalke  der  Libyschen  Stufe  in  der 
Umgebung  der  Wadijen.  Brecciöse  Lagen  von  Feuerstein-  oder 
Hornsteinstückchen,  die  dem  Kalksteine  eingelagert  sind,  leiten 
in  das  Konglomerat  oder  in  grobe  Breccie  mit  Bindemittel  aus 
sandigem  Kalk  über. 

Ganz  dieselben  Gesteinsarten  begegnen  uns  1,6  km  ober- 
halb des  Sethostempels  im  rechten  Seitenthal  des  Wadijen  ober- 
halb der  Einmündung  des  Thals  der  Königsgräber.  Ein  alter 
Steinbruch,  an  dessen  Wänden  noch  die  Kartusche  des  Pharao 
Hophrah  der  26.  Dynastie  zu  lesen  ist,  erschliesst  eine  6  m 
mächtige  Kalksteinschicht  innerhalb  der  dortigen  jungpliocän- 
altdiluvialen  Schotterterrasse.  Dieser  Kalk  umgibt  von  hier 
aus  im  Wechsel  mit  Konglomerat  und  Thonlagen  die  Gebirgs- 
schluchten der  unteren  Wadijen  und  am  Aufstieg  zum  Wege 
nach  Huh.  Auch  eine  von  letztgenanntem  Punkt  entnommene 
Probe  lieferte  mir  Poraminiferen  (auf  sekundärer  Lagerstätte), 
nämlich  Nummulites  sp.,  Virgulina  aflF.  Schreibersi  Cziz.?? 

An  dem  diluvialen  Alter  und  dem  fluvio-lacustren  Cha- 
rakter dieser  Kalke  ist  wohl  kaum  zu  zweifeln.  Beadnell  selbst 
hat  sich  neuerdings  in  einer  Unterhaltung  mit  Herrn  Professor 
Schweinfurth  in  diesem  Sinne  auch  betreflFs  des  Gesteins  von 
Erment  ausgesprochen  und  damit  seine  frühere  Hypothese  einer 
marinen  Ueberflutung  des  oberen  Nilthals  bei  Theben  zur 
Pliocänzeit  berichtigt. 

Die  Diluvialbildungen  bei  Theben  verdienen  auch  noch 
in  einer  anderen  Beziehung  ein  besonderes  Interesse,  nämlich 
in  anthropologischer.  Die  Plussterrassenschotter  der  Diluvial- 
terrasse von  Qüma  an  der  Mündung  der  Wadijen  ins  Nilthal 
zeichnen  sich  durch  Pührung  von  eingeschwemmten  mensch- 
lichen Kieselartefakten  aus,  wie  das  zuerst  General  Pitt 
Rivers  1882  feststellte. 

Der  vertikale  Aufbau  dieser  Terrasse  wird  uns  in  vor- 
treflFlichster  Weise  durch  einige  grosse  Grabanlagen,  sogenannte 
„Gesellschaftsgräber",  erschlossen.  So  bietet  sich  uns  an  dem 
schon  oben  erwähnten  Saft  el-baqara  folgendes  Profil: 


418         Sitzung  der  math.-phys.  dasse  vom  8.  Noeember  1902. 

T. 

Oben  5—7  m  Nagelflue  mit  feateio gebacken en  echten  Artefakten 
zwischen  den  wohlgerundeten  Kieselgeröllen ; 

darunter  der  oben  beschriebene  weisse  Kalk  mit  Resten  kleiner 
Foraminiferen  0,70  m. 

Etwas  anders  gestaltet  sich  das  Profil  an  der  NO.- Wand 
eines  zweiten,  Saft  el-Diaba  genannten  öesellschaftsgrabes : 

U. 

Oben  0,50 -75  m  weisser,  tuffig  poröser  Kalk,  äusserlich  schmutzig 
rötlich. 

2  m  grobes  Konglomerat. 

1,70  m  kalkiger,  schwach  kiesiger  Nilschlamm,  in  den  hier  die 
einzelnen  Grabkamraem  eingeschnitten  sind. 

Unsere  prähistorisch-anthropologischen  Studien  an  diesen 
Lokalitäten  hatten  wir  das  seltene  Glück,  unter  der  sachkun- 
digen Führung  des  Herrn  Professor  Dr.  Schweinfurth  anzu- 
stellen. Ueber  die  Ergebnisse  derselben  habe  ich  bereits  an 
anderer  Stelle*)  ausführlicher  berichtet,  ebenso  auch  Schwein- 
furth.*) Indem  ich  auf  diese  VeröflFentlichungen  des  Näheren 
verweise,  führe  ich  hier  nur  die  wichtigsten  Punkte  an. 

Die  Schotterniasse  von  Qürna  scheint  mir  der  älteren  von 
zwei  diluvialen,  in  Aegypten  beobachteten  Flussterrassen  zu 
entsprechen,  welche  ich  vorläufig  geneigt  bin  der  , Hochterrasse* 
der  vorletzten  oder  Haupteiszeit  (Europas)  parallel  zu  stellen. 
In  dem  festen  Konglomerat  dieser  Terrasse  finden  sich  nun 
zweifellose  Artefakte  verschiedener  Art,  welche  der  ersten  und 
zweiten  paläolithischen  Periode,  dem  Acheuleen  und  beson- 
ders dem  Mousterien  in  Frankreich  und  Belgien  eigentümlich 
sind.  Die  ursprüngliche  Lagerstätte  dieser  Artefakte  sind  die 
an  Feuersteinlagen  reichen  Hochplateaus  der  Libyschen  Wüste 

^)  Die  Gescbiohte  des  Nilstroms  in  der  Tertiärzeit  und  das  Alter 
des  ]>;iläolithisclien  Menschen  in  Aogypten.  Zeitschr.  d.  Ges.  f.  Erdkunde, 
IVrlin   VM)2. 

-)  Kiesel- Artefiirte  in  der  diluvialen  Sehotter-Terrasse  und  auf  den 
riateiui-Höhen  von  Theben.    Verb.  d.  Berliner  anthropol.  Ges.    Juli  1902. 


M,  Blanckenhom:  Oeologisch-str atigraphische  Beöbachtufigen,     419 

im  Umkreise  des  Circus  der  Königsgräber,  wo  die  menschlichen 
Uranwohner  vermutlich  während  der  Interglacialzeit  vor  der 
Bildung  obiger  Terrasse  die  Moustier-Artefakte  schlugen.  Ist 
meine  Hypothese  des  Alters  der  Terrasse  von  Qüma  richtig, 
dann  ginge  daraus  hervor,  dass  die  Kultur  der  Moustier- 
epoche  in  Aegypten  schon  vor  der  vorletzten  Eiszeit 
existirte,  d.  h.  etwas  früher  als  in  Europa. 

6.  Das  Pliocän  des  Wadi  Natrün. 

Von  grösstem  Erfolge  in  geologisch-stratigraphischer  Be- 
ziehung war  unser  Ausflug  nach  dem  Wadi  Natrün.  Die  bis- 
herige Auffassung  des  Alters  der  dortigen  Pliocäuschichten  ist 
danach  wesentlich  zu  verbessern. 

In  meiner  „Geologie  Aegyptens  IV"  hatte  ich  seit  Russ- 
egger  (1841)  zum  ersten  Male  die  geologisch-stratigraphischen 
Verhältnisse  des  Wadi  Natrün  einer  ausführlichen  Erörterung 
unterzogen;  aber  das  mir  damals  zur  Verfügung  stehende 
Material  war  bei  einem  nur  kurzen,  anderthalbtägigen  Besuche 
von  mir  gewonnen  und  deshalb  zu  unvollständig. 

In  diesem  Jahre  verweilte  ich  (teilweise  wider  Willen, 
nämlich  wegen  Verkehrsunterbrechung  infolge  heftiger  Gewitter- 
regen) vom  24.  Februar  bis  zum  2.  März,  d.  h.  7  Tage  daselbst 
und  hatte  das  Glück,  viele  neue  Fossilienfunde  zu  machen. 

Bei  diesen  Studien  fand  ich  die  liebenswürdigste  Unter- 
stützung bei  den  Herren  Generaldirektor  Hooker  in  Kairo, 
Direktor  Lübhy  und  v.  Tschudi  in  Alexandria  und  sämmtlicheii 
Beamten  der  Egyptian  Salt  and  Soda  Company  in  Bir  Hooker, 
insbesondere  Herrn  Chemiker  Dr.  Werdenberg,  denen  ich  nicht 
verfehlen  möchte,  hierdurch  meinen  wärmsten  Dank  auszusprechen. 

Früher  hatte  ich  geglaubt,  2  verschiedene  Pliocänhorizonte 
auseinanderhalten  zu  müssen:  ich  hatte  die  Hauptmasse  der 
Schichten  des  Wadi  dem  Unterpliocän  zugerechnet,  dagegen 
einen  mir  nicht  anstehend  bekannten  Sandstein  mit  vielen 
marinen  Conchylienresten  als  mittelpliocän  aufgefasst.  Meine 
neuen  Untersuchungen   bewiesen   mir,    dass  dieser  fossil  reiche 


420 


Sitzung  der  matK-phya.  Glosse  vorn  8,  November  1902. 


Sandstein  der  Hauptgruppe  einzureihen  ist  und  das  Ganze 
dem  Mittelpliocän  (Astien)  des  Nilthals  zeitlich  genau 
entspricht.  Allerdings  ist  die  Facies  durchaus  verschieden, 
nämlich  fluviomarin.  Der  Komplex  ist  ein  Wechsel  von  fluvia- 
tilen,  brackischen  und  marinen  Schichten.  Im  ganzen  herrscht 
der  brackische  Charakter  wie  an  der  Mündung  eines  grossen 
Flusses  vor. 

Den  Ausgangspunkt  unserer  Betrachtung  bildet  das  Normal- 
profil am  Gart  Muluk,  von  dem  aus  wir  das  ganze  Thal  ent- 
lang nach  OSO.  wandern  wollen. 

Fig.  18.    Blick  auf  das  Westende  des  Gart  Muluk  von  SW.  aus. 


V. 


'         Profil  vom  Gipfel  des  Hügels  zur  Basis: 
0,60  m  Gipsbreccie, 

1  m  grünlicher,   gipsiger  Sand  mit  KiesgeröUe,  oberflächlich  in 
Kiesbreccie  übergehend, 

2  m  dunkler  Schieferthon, 

0,10  m   Kalkbank,   auf  der  Südseite   ganz  zusammengesetzt,  aus 
Schalen  von  Cytheridea  Mulukensis  Schack.,  auch  Fischknochen, 

(  grüner  Sand, 
10  m    l  grüner    Thon.     (Hier   soll   angeblich   am    Ostende   des 

'       Hügels  ein  fossiler  Krokodilschädel  ausgegraben  sein.) 


M.  Blanckenhorn:  Geologiscfhstratigraphische  Beohachiungen,     421 

0,30  m  kalkiger  Sandstein  mit  zahlreichen  Abdrücken  von  kleinen 
Hydrobien,  Cerithium  conicum  v.  Caillaudi,  Melania  tuber- 
culata?  und  Lucina  ap.  cf.  leucoma,  Schalen  von  Cytheridea. 
Vorspringende  Stufe. 

0,20  m  Thon  mit  einer  Steinmergellage, 

0,08  m  Kalkbank  mit  senkrechten  Höhlungen. 

f  Grüner  und  schmutzig-grauer,  thoniger  Sand, 
\  weisser,  grober  Sand, 

0,03  m  weisser  Sandstein, 

0,20  m  grüner  Thon. 

0,15  m  Grüner,  sandiger  Thon  mit  Marienglas.  Auf  der  SW.- 
Ecke  des  Hügels  Schalen  von  Ostrea  cucullata  und  seltene 
Fischknochen,  12  Schritt  weit  zu  verfolgen,  sonst  ohne  Fos- 
silien. 

2,60  m  graue,  sandige  Gipsletten  mit  Knochen, 

0,50  m  grauer  Schieferthon. 

1  m  Schwarzer,  kohliger  Schieferthon  mit  Pflanzenresten, 

0,20  m  dunkler  Schieferthon  mit  roten  Flecken, 

0,65  m  Sand. 

Hier  wurde  also  jetzt  in  der  harten  Schicht  d,  die,  wie 
die  Abbildung  zeigt,  am  meisten  stufenbildend  am  Abhang 
vorspringt,  eine  früher  unbemerkt  gebliebene  brackische  Fauna 
entdeckt,  wodurch  die  Schicht  erhöhte  Bedeutung  erlangt. 
Aber  auch  im  übrigen  ist  diese  Lage  von  grösster  Wichtigkeit, 
insofern  sie  überall  im  Wadi  Natrün  wiedergefunden  wird  und 
auch  technisch  ihren  doppelten  Wert  als  einziger  Baustein  und 
als  Kohlensäure-Lieferant  besitzt,  daher  abgebaut  wird.  Es  ist 
der  Horizont,  den  ich  früher  *)  als  mittelpliocänen  Sandstein  mit 
Lucinen  und  Cerithien,  dessen  Anstehendes  nicht  bekannt  sei,  dem 
unterpliocänen  Komplex  vom  Gart  Muluk  gegenübergestellt  hatte. 

Der  Gart  Muluk  bietet  das  einzige  vollständige  Profil  mit 
Schichten  jünger  als  d.  Alle  übrigen  besseren  Profile  des 
Wadi  Natrün  schliessen  mit  dieser  widerstandsfähigsten  Schicht  e 
nach  oben  ab,  welche  mithin  die  Oberfläche  einnimmt.  Das 
gilt  zunächst  für  die  Vorhügel  dicht  östlich  vom  Gart  Muluk, 
welche  die  Ruinen  eines  Hauses  tragen.  Hier  beobachtet  man 
an  deren  steilem  Südabfall: 


1)  Geologie  Aegyptens  IV.     S.  318. 
1902.  SiiznogBb.  d.  math.-phys.  Gl.  28 


422         Sitzung  der  malK-phys.  Glosse  vom  8.  November  19(tö. 

w. 

0,15  m  schiefrige  Sandsteinlagen  mit  Thon  und  Gips  dazwiacben, 

0,10  m  grünen  Thon, 

0,08  m    weissen ,    kreidigen    Kalk    mit    seltenen    Schalen   von 

Cytheridea  Mulukensis, 
0,12  m  Sandstein,  eine  vorspringende  Kante  bildend, 
0,10  m  grünen  Thon, 
1  m  schmutzfarbenen,  thonigen  Sand, 
1,50  m  grünen  Sand, 
0,50  m  Sand  und  Eies, 
0,50  m  feinen,  bunten  Sand  mit  Thonlagen, 
0,50  m  grünen  Thon, 
1  m  grünen,  geschichteten  Sand,  Sand,  Kies  und  Gips. 

Die  unter  c  zusammengefassten,  hier  tiefsten  Lagen  von 
Sand,  Kies  und  grünen  Letten  sind  der  Hauptknocheuhorizont, 
welcher  namentlich  an  der  westlichen  Umrandung  des  betref- 
fenden Hügels  und  zwischen  ihm  und  dem  Gart  Muluk  in 
grosser  Ausdehnung  an  die  Oberfläche  tritt  und  die  meisten*) 
der  im  Wadi  Natrün  gesammelten  fossilen  Fisch-,  Reptilien- 
und  Säugethierreste  geliefert  hat.*)  Von  wichtigeren  Fund- 
objekten nenne  ich  hier  den  1898  von  mir  gefundenen,  von 
Andrews^)  abgebildeten  Molar  von  Hippotragus?  Cordieri  de 
Christol,  desgleichen  Hornzapfen  und  Extremitätenknochen  von 
Antilopen,  Skeletteile  eines  Hipparion,  Rhinoceros,  Elephas, 
eines  Suiden,  Cameliden,  Wirbel  von  Struthio  und  Pythoniden, 
Knochen  und  Zähne  von  Krokodil,  Trionyx,  einer  andern 
Schildkröte  mit  glattem  Panzer,  Flossenstacheln  von  Tele- 
ostiern  etc.  Auch  verkieseltes  Palmen-  und  Dicotyledonen- 
Holz  kommt  neben  den  Knochen  vor. 


*)  Die  von  Lyons  gesammelten  Zähne  von  Hipparion  sp.  und  Hippo- 
potamiis  hipponensis  Gaudr.,  welche  Andrews  soeben  beschrieben  hat, 
stauimon,  soweit  ich  gehört  habe,  vom  Gart  Muluk  selbst  aus  einer  etwas 
höheren  Laj^e,  des«(leichen  ein  Krokodilschädel. 

^)  Diese  Knochen  befinden  sich  jetzt  teils  im  British  Museum,  teils 
Münchner  pahiontologischen  Sammlung,  teils  im  Museum  Sencken- 
1  zu  Frankfurt  a.  M. 

»te   on   a  Pliocene  Vertebrate  Fauna  from   the  Wadi  Natrun. 
1902,  pl.  XXI,  f.  7-8. 


M.  BlanchtfAarn:  Oeölogisch-stratigraphisehe  Beobachtungen,     423 

Im  OSO.  des  Gart  Muluk  und  seiner  Vorhügel  ist  über 
r  Schicht  d  als  Boden  das  neue  Arbeiterdorf  der  Sodafabrik 
3aut,  in  dessen  Umgebung  zahlreiche  Bausteinbrüche  den 
itergrund  biosiegen.  Dicht  ostsüdöstlich  des  Dorfes  im  SSW. 
r  Sodafabrik  lässt  sich  diese  Schichtenfolge  beobachten: 

X. 

Kiesdecke. 

0,20  m  weisser  Sand  mit  Salzeffloeescenzen, 

0,10  m  weisser  Sandstein, 

0,30  m  grüner,  salzhaltiger  Thon, 
?  plattiger,  schiefriger  Kalk,  teilweise  sandig,  in  Kalksand- 
stein übergehend.  Abdrücke  von  Cerithiura  conicum  v.  Caillaudi, 
Lucina  leucoma,  Mactra  subtruncata,  Cytherea  subundata, 
lokal  Platten  mit  viel  Ostracoden,  an  andern  Stellen  Fisch- 
schuppen und  Gräten. 

Von  speziellem  Interesse  ist  hier  in  der  Kalkbank  das  verein- 
te Auftreten  von  sogenannten  „sechstheiligen'*  pyramiden- 
rmigen*)  Steinsalzpseudomorphosen,^)  wie  sie  gewissen 
lomitischen  Kalken  oder  Steinmergeln  (niemals  Mergeln  oder 
larzitbänken)  des  mittleren  Muschelkalks,  Trochitenkalks, 
•enzdolomits  und  Steinmergelkeupers  in  Deutschland  (z.  B. 
2tra  in  Hessen,  Eiksermühle-Schwerfen  bei  Zülpich)  eigen  sind. 

200  Schritt  südlich  von  diesen  Steinbrüchen  erschien  die 
itere,  bis  hierher  vorherrschend  kalkige  Lage  des  Horizonts  d 
llständig  als  Sandstein  von  12  cm  Dicke  mit  Gastrana  fragilis, 
icina  leucoma,  Tapes  cf.  geographicus,  Cerithium  vulgatum, 
)tamides  conicus  v.  Caillaudi  und  mamillatus,  Nassa  reticu- 
ta.  Hier  war  die  Herkunftsstelle  des  früher  von  mir  a.  a.  0. 
318  besprochenen,  aber  damals  nicht  anstehend  beobachteten 
isteins  mit  Lucinen  und  Cerithien.  Eine  30  cm  dicke  Lage 
les  grünen,  gipsigen  Thons  mit  einem  Zahn  von  Carcharias 
rionodon)  nimmt  über  ihm  die  Oberfläche  ein  und  ebenso 
scheint  grüner,  sandiger  Thon  als  seine  Unterlage. 


^)  Blanckenhorn,  Die  Trias  am  Nordrande  der  Eifel  zwischen  Com- 
jm,  Zölpich  und  dem  Roerthale.     p.  69  und  127. 

')  Nicht  zu  verwechseln  mit  den  bekannten  würfelförmigen  Stein- 
zpseudomorphosen  auf  der  ünterfläche  von  Mergel-  und  Quarzitplatten. 

28* 


424  Sitzung  der  mathrphys,  Ctasse  tom  8.  November  190^. 

Auch  im  NO.  des  Arbeiterdorfes  und  an  der  Sodafabrik 
treten  die  Kalksteine  des  d-Horizontes  bei  gleicher  Höhenlage 
unter  dem  Meeresspiegel  unter  dem  Sand,  Kies,  Schutt,  der 
Gipsbreccie  oder  der  Natronkruste  der  Oberfläche  im  Boden 
auf,  sind  aber  hier,  von  vereinzelten  Ostracoden  abgesehen, 
versteinerungsleer.  — 

Im  übrigen  sollen  nach  Aussage  des  Werkführers  der 
Fabrik  Oesterle  früher  in  7  Meter  Tiefe  bei  Drain agearbeiten 
rings  um  die  Sodafabrik  rundliche  Austern  von  12  cm  Durch- 
messer zwischen  hellem  Sand  gefunden  sein.  Vielleicht  waren 
dieselben  identisch  mit  den  von  Mayer-Eymar  am  Mokattam, 
von  mir  nördlich  Moghara  in  der  Cucullatastufe  gefundenen 
Ostrea  plicatula  Gmel.  oder  mit  der  0.  lamellosa  Brocc. 

Die  höheren  Sand-  und  grünen  Thonlagen,  die  wir  von 
der  Spitze  des  Gart  Muluk  kennen  lernten,  erscheinen  erst 
wieder  oberhalb  nordöstlich  von  der  Fabrik  in  schlechten 
Aufschlüssen. 

In  der  Richtung  nach  OSO.  von  Bir  Hooker  schwillt  nun 
die  kalkige  Abteilung  d  innerhalb  des  Pliocäns  mächtig  an. 
Am  Ostende  des  Wadi  Natrün  bei  dem  Dorf  Beni  Salameh  hat 
die  Egyptian  Salt  and  Soda  Company  ausgedehnte  Steinbrüche 
in  diesem  Kalk  angelegt,  welche  durch  eine  schmalspurige 
Eisenbahn  mit  der  Fabrik  in  Verbindung  stehen.  Der  hier  als 
Kreide  mit  Feuersteinlagen  entwickelte  Kalk  wird  nicht  als 
Baustein,  sondern  zur  Gewinnung  von  Kohlensäure  (bei  Ver- 
brennung mit  Coaks)  zum  Zwecke  der  Ueberführung  der  auf- 
gelösten Natronsalze  in  schwerlösliches  Bikarbonat  gewonnen. 
Der  Kreidekalkschiefer  erscheint  dort,  unterbrochen  von  6  dünnen 
Feuersteinlagen,  in  einer  Mächtigkeit  von  1  m  über  grünen 
San  den.  Die  untersten  Bänke  enthalten  viele  Abdrücke  von 
Potamides  conicus  v.  mamillatus,  v.  typus  und  v.  Salameh- 
eiisis  n.,^)  Melunia  tuberculata,  Hydrobia  sp.  und  Cytheridea 
Mulukensi.s. 


'^  Corithium  (Potaraides)  conicum  v.  Salamehense  n.  hat   nur   eine 
ere  Knotenreihe    nnd    darunter   2  gleiche   knotenlose   Spiral- 


M.  Blanckerüwrn:  Geolog isch-str atigraphische  Beobachtungen.     425 
Fig.  19.    Ostende  des  Wadi  Natrun. 

W 


UR  =  See  Umm  Risrha. 
F    =  See  Fasda. 

5  =  Dorf  Beni  Salameh. 

St   =  Kreidesteinbrücho  und  alte  Gräber. 

6  =  Schlackenbalden  einer  alten  Glasfabrik. 
R    =  Ruinen  eines  alten  Dorfs  oder  Stadt. 

----  Schmalspur.  Eisenbahn  von  Bir  Hooker. 
-  -  -  Hypoth.  Verlauf  einer  Längaverworfurg. 

Südlich  von  den  Steinbrüchen  und  den  Halden  einer  alten 
Glasfabrik  setzt  sich  eine  ebenso  hohe  TeiTasse,  auf  der  die 
Ruinen  einer  alten  Stadt  liegen,  zusammen  aus 

Y. 

oben  2  m  Kalkplatten  mit  Bythinia  sp  ,^)  Hydrobia  sp  ,  Cytheridea 

Mulukensis, 
1  m  Sand, 
0,35  m  Kalkbank, 
1,50  — 3  m  grünem  Sand. 

Aus  der  Flugsand-bedeckten  Ebene  im  S.  dieser  Terrasse 
erheben  sich  einzelne  isolirte  Plateauhügel  bis  zu  14  m  relativer 


*)  Newton  (Egyptian  Lower  Tertiary  Shells.  Geolog.  Mag.  1898, 
p.  533)  erwähnt  numerous  casts  of  Limnea,  Melanopsis,  Potamaclis, 
Bithynia,  etc.  obaervable  in  a  highly  saliferous  white,  chalky  limestone 
of  variable  hardness  aus  dem  Wadi  Natrun,  die  er,  obwohl  sie  nicht 
näher  bestimmt  werden  konnten,  mit  Vorbehalt  dem  „Oligocene  ?"*  zu- 
rechnet. Möglicherweise  handelt  es  sich  hier  um  die  in  Rede  stehende 
Pliocän Schicht  aus  Beni  Salamehs  Umgegend. 


426         Sitzung  der  mathrphys.  Classe  vom  8,  November  t902. 

Höhe,   d.  h.  c.  4—7  m  über  dem  Meeresspiegel.     Der  charak- 
teristischste wurde  von  mir  bestiegen  und  zeigte  folgendes  Profil: 

Z. 

1,20  m  Kalk  mit  Flint  von  Gips  überkrustet.    Darin  viele  Ostra- 
coden,  Cerithium  conicum  v.  Salamehense  n.  und  Hydrobien, 
11  m  grüner  Sand, 
2  m  bunter  Thon  bis  zum  Fusse. 


7.  Zur  Tektonik  des  Sedimentargebirges. 

Die  landläufige,  noch  in  den  neuesten  Lehrbüchern^)  aus- 
gesprochene Meinung,  dass  die  grösseren  Oasen-Depressionen 
der  Libyschen  Wüste  einfach  auf  Grabenbrüche  oder  Kessel- 
brüche zurückzuführen  seien,  hat  schon  lange  ihre  allgemeine 
Berechtigung  eingebüsst.  Viele  bei  flüchtigem  Besuch  zuerst 
angenommenen  Verwerfungen  erweisen  sich  bei  fortschreitender 
genauerer  Prüfung  als  zweifelhaft.  Auch  unsere  Reise  brachte 
derartige  negative  Resultate: 

L  Im  Wadi-Natrün*)  wurde  der  auffalligste,  auch  durch 
Fossilien  geh  alt  ausgezeichnete,  kalkig-sandige  Schichtenhorizont 
„d'*  über  grosse  Strecken  verfolgt  und  so  zur  Beurteilung  der 
Lagerungsverhältnisse  eine  schwache  Grundlage  gewonnen. 
Dabei  ergaben  sich  keine  besonders  grossen  Gegensätze  in 
ihrer  Höhenlage.     Längs  der  Hauptkette  von  Salzseen,  welche 

')  In  Hahn,  Afrika,  2.  Aufl.  Allg.  Länderkunde  von  W.  Sievers  1901, 
lesen  wir  S.  49t  von  der  nordafrikanischen  Wüstentafel:  «Die  Höhen- 
differenzen des  Bodens  entstehen  meist  durch  Einbrüche,  die  sowohl  in 
der  Form  der  Grabenbrüche,  als  auch  in  der  der  Eesselbrüche  vor- 
kommen/ —  Ferner  bei  Ratzel,  Die  Erde  und  das  Leben  1901,  S.  574, 
„Die  Oasen  im  N.  der  Libyschen  Wüste  sind  durchaus  vereinzelte  Ein-  ■ 
bruchsjTebiete." 

^  Nach  Hutzel  a.  a.  0.  S.  245  läge  hier  ein  typischer  , Graben* 
vor:  ^Kino  iinst^ezeiohiiete  Bildung  dieser  Art  ist  das  Natronthal,  ein  von 
O^^O.  nach  WNW.  gerichteter,  lOü  km  langer  Grabenbruch  westlieh  vom 
Nil.  der  von  mehreren  Parallelbrüchen  begleitet  wird.*  Worauf  sich 
Ratzel  bei  dieser  so  bestimmt  ausgesprochenen  Auffassung  stützt,  ist 
mir  unklar,  (leologen  drücken  sich  gewöhnlich  bei  tektonischen  Fragen 
laltender  aus. 


M.  Blanckenhorn:  Geologisch-stratigraphische  Beobachtungen,     427 

in  der  Richtung  WNW.-OSO.  aneinandergereiht  die  tiefsten 
Teile  der  Depression  einnehmen,  liegt  die  Schicht  d  relativ 
am  tiefsten.  Von  da  steigt  sie  anscheinend  gegen  die  Aussen- 
ränder  d.  h.  gegen  NNO.  und  SSW.  an.  Die  gradlinige 
Hauptseenkette,  d.  h.  exclusive  des  Muluk-Sees  und  seines 
Nachbarn  im  Osten,  scheint  einer  Mulde  zu  entsprechen, 
an  deren  Axe  stellenweise  auch  ein  geringer  Verwurf 
stattfand. 

In  der  Umgegend  von  Bir  Hooker  rechnete  ich  für  die 
Schicht  d  am  Gart  Muluk  die  Meereshöhe  —  8  m,  an  den 
östlichen  Vorhügeln  des  letzteren  —  10  bis  —  lim,  am 
neuen  Arbeiterdorf  —  18  bis  —  19  m,  dann  auf  der  N.-Seite 
des  Muldentiefsten  am  Skull  Point  im  0.  des  Gebara-Sees 
—  18  m  aus.  Am  O.-Ende  des  Wadi  Natrün  liegt  der  höchste 
gemessene  Punkt  der  Schicht  d  ebenfalls  im  SSW.  des  gedach- 
ten Längsbruchs,  nämlich  im  SO.  vom  spitzen  Ende  des  letzten 
Sees  Fasda  (vergl.  die  Skizze  Fig.  19).  Hier  steigt  die  Schicht 
in  den  aus  der  Thalebene  (in  der  Verlängerung  der  Seeenkette) 
aufragenden  Temoins  zu  +  7  m  Höhe  empor.  Nördlich  wird 
diese  —  6  bis  —  8  m  tiefe  Ebene  geradlinig  in  O.-W.- Rich- 
tung von  einer  Terrasse  begrenzt,  welche  die  Ruinen  einer 
alten  Stadt  trägt  und  oben  in  —  2  bis  —  3  m  Höhe  von  der 
harten  Kalkschicht  d  bedeckt  wird.  Weiter  nordwärts  steigt 
diese  Terrasse  gleichmässig  an,  so  dass  die  Kreidesteinbrüche 
bei  Beni  Salameh  die  gleiche  Schicht  bereits  in  —  1  bis  0  m 
Meereshöhe  aufweisen.  Zwischen  dem  +  7  m  hohen  Hügel 
und  der  „Alten  Stadt -Terrasse"  in  —  2  m  bis  —  3  m  Höhe 
ist  also  der  grösste  beobachtete  Höhenunterschied.  Hier  dürfte 
eine  streichende  Verwerfung  vorliegen,  die  bei  Bir  Hooker 
weniger  zum  Ausdruck  kommt. 

Ob  das  gegen  NNO.  gerichtete  Einfallen  des  Südflügels 
sich  auch  noch  über  die  südwestliche  Paralleldepression  des 
Muluk-Sees  hinaus  bis  zum  SSW.-Rand  des  Wadi  Natrün,  den 
Klöstern  Der  Baramus  und  Suriani  fortsetzt  oder  hier  von  einer 
Parallel  Verwerfung  oder  einem  Bogenbruch  abgeschnitten  wird, 
bleibt  noch  festzustellen. 


428         Sitzung  der  matK-phys,  Classe  vom  8.  November  1902. 

Das  Vorhandensein  einer  gebrochenen  Mulde  längs  des 
Wadi  Natrün,  deren  Mittellinie  in  spitzem  Winkel  gegen  das 
Nilthal  verläuft,  würde  auch  in  einfacher  Weise  den  bedeuten- 
den unterirdischen  Wasserzufluss  des  Wadi  erklären. 

In  der  Zeit  der  Entstehung  unterscheidet  sich  diese  Dis- 
lokation von  den  meisten  übrigen  Aegyptens,  besonders  des 
Nilthals.  Sie  muss  jünger,  nämlich  spätpliocän,  wenn  nicht 
gar  diluvial  sein,  da  sie  noch  Mittelpliocänablagerungen  ver- 
worfen hat.  Sie  hat  dann  einem  alten  diluvialen  Nilarm  den 
Weg  gewiesen,  aber  derart,  dass  er  vorzugsweise  wohl  über 
den  flachen  und  nur  schwach  ansteigenden  NNO. -Flügel  der 
Mulde  hinströmte  und  hier  seine  mächtigen  Schottermassen 
absetzte.  Der  steiler  einfallende  SW.- Muldenflügel  bildete  wohl 
eine  Zeit  lang  die  SW.- Grenze  des  Diluvialen  Nildeltas  und 
wurde  dann  später  nach  Eintritt  des  Wüstenklimas  durch  die 
NW. -Winde  eingetieft,  welche  die  wenig  widerstandsfähigen 
Pliocänthone  und  Sande  leichter  zerstören  konnten  als  die  di- 
luvialen Kiese  und  Geröllmassen. 

11.  Die  Depression  des  Fajüm  hat  tektonisch  eine  gewisse 
Aehnlichkeit  mit  dem  Wadi  Natrün.  Auch  dort  scheint  nicht, 
wie  ich  früher  annahm,  eine  Grabenversenkung  oder  ein  Kessel- 
bruch vorzuliegen,  sondern  im  wesentlichen  eine  einfache  Längs- 
verwerfung, die  schräg  zum  Nilthal  gerichtet  ist,  aber  kaum 
sich  mit  diesem  schaart.  Längs  dieser  Linie  ist  das  Eocän- 
und  Oligocängebirge  auf  der  NNW. -Seite  eingesunken.  Auf 
dieser  Libyschen  Seite  bei  Dimeh  und  Qasr  es-Saga  und  auf 
den  Inseln  im  See  herrscht  heute  allein  die  Obere  Mokattam- 
stufe  des  Mitteleocäns,  dann  das  Obereocän  und  Oligocän, 
während  das  Kulturland  des  Fajüm  die  Untere  Mokattamstufe 
zum  Untergrund  hat,  die  in  den  tiefen  Schluchten  unter  dem 
Alluvialboden  zu  Tage  tritt. 

Auf  der  Nordsoite  des  Fajüm  hatte  ich  mich  früher,^) 
beointlusst  von  meinem  damaligen  hochverehrten  Reisegenossen 
l^rof.  Mayer- Evniar,  verleiten  lassen,  noch  eine  Anzahl  von 
statVt'lfthinigen   Parallelhrüchen  längs  des  Ufers  und  ausserdem 

')  Geolo^jrie  von  Aegypten  IV,  S.  340  und  Taf.  XIV,  Fig.  2. 


M,  Blanckenharn:  Gedogisch-stratigraphisehe  Beobachtungen.     429 

zwischen  Dimeh  und  dem  Hauptgebirgsabfall  am  sogenannten 
Korallenhügel  (am  Fusse  meines  obigen  Profils  L  Fig.  11)  das 
grabenförmige  Einsinken  einer  Scholle  anzunehmen.  Unsere  jetzige 
Begehung  des  Gebietes  führte  mich  zu  folgenden  Schlüssen:  In 
dem  untersten  Lager  des  Oberen  Mokattam  bei  Dimeh  wiederholt 
sich  die  faunistische  und  lithologische  Facies  mehrfach.  Dieser 
Umstand  und  die  der  jeweiligen  Bodenoberfläche  mehr  oder  weniger 
entsprechende  Neigung  der  Schichten,  besonders  am  Abfall  zum 
See,  erklären  in  den  meisten  Fällen  das  auffallende  Wieder- 
erscheinen gleicher  Schichten  und  machen  die  Annahme  meh- 
rerer Stafl*elbrüche  unnötig.  Die  früher  der  Basis  des  Oberen 
Mokattam,  Abteilung  I,  zugerechneten  Gypsmergel  mit  „Hörner- 
wülsten" und  die  Korallenlagen  mit  Astrohelia  und  Goniaraea 
finden  sich  thatsächlich  auch  in  der  an  Hydractinien  reichen 
Schichtengruppe  3  unter  der  Plicatulabank  (4)  sowie  in  der 
Gruppe  5  c,  so  dass  sie  nicht  als  leitend  angesehen  werden 
können.  Der  sogenannte  Korallenhügel  (K  in  obiger  Fig.  11) 
meines  Profils  a.  a.  0.,  Taf.  XIV,  Fig.  2,  gehört  meiner  Abtei- 
lung 3,  nicht  1,  an.  Die  betreffende  Scholle  am  Fusse  des 
Hauptsteilabfalls  besteht  demnach  aus  jüngeren  Schichten,  als 
ich  früher  glaubte,  und  der  Schichtenzusammenhang  zwischen 
diesen  Hügeln  und  dem  Abfall  ist  im  Profil  L,  Fig.  11  nicht 
durch  eine  streichende  Verwerfung  unterbrochen.^)  Der  Steil- 
abfall ist  jedenfalls  nicht  an  dieser  Stelle,  sondern 
höchstens  mehr  östlich  bei  Qasr  es-Saga  von  einem 
Bruch  begleitet,  der  aber  keinen  auffallenden  Sprung  be- 
zeichnet. 

Diese  letztere  hypothetische  Spalte  dürfte  auch  dem  Basalt- 
erguss  den  Austritt  vermittelt  haben,  dessen  Spuren  wir  jetzt  ca. 
^/i  Stunden  westlich  Qasr  es-Saga  in  der  Ebene  nahe  an  deren 
Innenrand  in  Form  eines  60  Schritt  breiten  Rückens  aus  wirr 
gehäuften  Basaltblöcken  erkennen.  Die  nordnordwestliche  Längs- 
erstreckung des  Rückens  senkrecht  gegen  den  Steilabfall  könnte 


*)  Die  in  Fig.  11  eingezeichnete  kleine  Verwerfung  in  der  Mitte 
des  Abhangs  ist  nur  von  lokaler  Bedeutung  und  hat  mit  der  früher  am 
Fusse  angenommenen  nichts  zu  thun. 


430         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  8.  November  1902. 

freilich  auch  den  Gedanken  an  eine  Querspalte  in  dieser  Rich- 
tung naheliegen,  aus  welcher  der  Basalt  emporquoll,  um  an 
der  Oberfläche  sich  längs  dieser  Ausbruchslinie  in  elliptischer 
Form  auszubreiten.  Andererseits  würde  aber  auch  die  vor- 
handene sanfte,  früher  wohl  noch  stärkere  Neigung  der  Ebene 
gegen  S.  zur  Genüge  einen  Abfluss  eines  an  einem  Punkte  des 
Längsbruchs  austretenden  Stroms  gegen  Dimeh  zu  erklären. 

Ein  für  das  Oberflächenrelief  äusserst  wichtiger  Quer- 
bruch, verbunden  mit  Verwurf,  konnte  etwa  eine  Tagereise 
nordnordöstlich  Dimeh  wahrgenommen  werden.  Diese  Dis- 
lokation bildet  die  NO. -Grenze  der  im  ganzen  ungestörten 
eocän-oHgocänen  Plateaulandschaft  im  NNW.  der  Birket  el- 
Qerün,  deren  Gipfel  das  basaltische  oligocäne  Schweinfurth- 
Plateau  einnimmt.  Jenseits  derselben  folgt  dann  bis  zur  Kara- 
wanenstrasse  Kairo -Wadi  Natrün  die  relativ  niedrige,  meist 
einförmige,  wellige  Kieswüste,  in  der  nur  wenige  sanftere 
Plateau  abfalle  und  Zeugen  einige  Abwechslung  bringen.  In 
diesem  nordöstlichen  Gebiet  sind  die  Obereocän-  und  Oligocän- 
schichten  eingesunken.  Das  dem  Oligocän  hier  wie  dort  ein- 
geschaltete Basaltlager  erscheint  im  NO.  (vergl.  die  Höhenzahl 
c.  150  m  in  Profil  Q  Fig.  15)  um  über  100  m  tiefer  als  am 
Schweinfurth-Plateau  (c.  250  m  in  Profil  R  Fig.  16),  wobei  aller- 
dings zu  berücksichtigen  ist,  dass  sowohl  das  marine  Mittel- 
eocän  als  der  folgende  fluvio-marine  Komplex  gegen  NO.  schnell 
an  Mächtigkeit  abnimmt.  An  der  in  O.-W.  bis  OSO.-WNW.- 
Richtung  streichenden  Verwerfung  selbst  grenzen  Obereocän- 
schichten  der  S.-Seite  direkt  an  gestörte,  steilaufgerichtete 
Schollen  des  Mitteleocäns  der  N.-Seite,  das  erst  entfernter  von 
der  Hauptkluft  am  Profil  F  horizontale  Lagerung  annimmt. 
Die  Bruchlinie  ist  durch  eine  deutliche  tiefe  Depression  oder 
Boden  furche  charakterisirt,  in  der  der  wenig  begangene  Kara- 
wanenweg von  Tamije  nach  dem  Wadi  Natrün  führt. 

IIL  Von  der  Nekropole  von  Theben  verdanken  wir 
E.  Fraas*)  ein   „Profil  bei  Medinet  Häbu"   mit  4  Brüchen  imd 

Geognostisches   Profil   vom   Nil   zum  Rothen  Meer.     Zeitschr.  d. 
jQo\.  Ges.  1900,  S.  ü,  Fig.  2. 


M,  BlancJcenhom:  Geologisch-stratigraphische  Beobachtungen,     431 

breiten  Massen  von  Verwerfungsbreccie.  Wie  aus  seinem  kolo- 
rirten  Profil  auf  Taf.  XXIII  hervorgeht,  fasst  Fraas  diese  Brüche 
als  wirkliche,  in  die  Tiefe  gehende  Verwerfungen  mit  Senkung 
der  Libyschen  Plateaumasse  auf.  Nach  meinen  Beobachtungen 
an  dem  Wege  von  Medinet  Häbu  über  Der  el-Medinet  nach  Biban 
Muluk  und  vom  Hügel  Scheich  Abd  el-Qürna  aus  ist  dieses 
Profil   etwas  zu  modifiziren,   wie  nebenstehende  Fig.  20  zeigt. 

Fig.  20. 


D.  e.  M.  =  Der  ol  Medinet. 
Q  M     =  Qarnet  Murrai. 
£       =  Kretacoische  Esnehschiefer 
L       =  Libysche  Stufe. 

Es  handelt  sich  nur  um  Plateaurandbrüche  infolge  von 
unterirdischem  Materialschwund,  bei  welchem  in  der  Regel, 
wie  ich  bei  meinen  früheren  Aufnahmen  in  der  Arabischen 
Wüste  unzählige  Male  beobachten  konnte,  die  abgesunkenen 
Schollen  gegen  den  stehengebliebenen  Horst  sich  geneigt  zeigen, 
oft  rings  um  eine  horizontal  gebliebene  Plateaumasse  herum. 
Auch  in  dem  Profil  Schweinfurths:  ,  Schichtenaufbau  im  SW. 
von  Esna** ')  und  meiner  obigen  Fig.  1  von  Scheich  Abd  el- 
Qürna  kommt  diese  Art  Lagerung  zum  Ausdruck. 

Was  die  Breccien  betrifft,  so  handelt  es  sich  hier  wenigstens 
teilweise  um  geschichtete,  helle,  bröckelig  knollige  Eocänkalke, 
die  in  ihrer  unregelmässig  knolligen  Beschafi^enheit  von  Natur 
zur  Breccienbildung  neigen  und  besonders  in  den  abgestürzten 
Schollen  in  sich  noch  etwas  zertrümmert  sind.  Speziell  an 
der  jedesmaligen  unteren  Grenze  der  Kalkbänke,  wo  sie  weichen 
Schiefern  oder  Mergeln   aufliegen,   entstehen  in  den  bewegten 


1)  Petennanns  Mitth.  X,  1901,  Taf.  I, 


432         Sitzung  der  math-phys.  Glosse  vom  8,  November  1902. 

Schollen  typische  Breccienmassen  durch  Zwischenpressung  der 
grünlichen  Mergel  zwischen  die  aufliegenden  halbzertrümmerten 
Kalke.  Die  rotbraune  Breccie  oder  Brocatelle  der  Wadijen 
und  anderer  Lokalitäten  Aegyptens  hingegen,  womit  Fraas  die 
^Verwerfungsbreccie  bei  Medinet  Häbu  vergleicht,  scheint  eine 
ganz  andere  Bildung  zu  sein,  deren  Entstehungsart  noch  be- 
sonderer Studien  bedarf. 

IV.  Wie  im  Fajüm  wurden  auch  auf  dem  rechten  Nilufer 
bei  Kairo  Anzeichen  für  Existenz  noch  unbekannter  Querver- 
werfungen gewonnen.  Schon  1898  hatte  ich  eine  wichtige 
Verwerfung  festgestellt,  welche  das  Mokattamgebirge  quer 
durchzieht. ')  Sie  verläuft  von  den  Pulverkammern  hinter  der 
Citadelle  hinauf  südlich  an  der  Station  des  Venusdurchgangs 
vorbei  nach  W.  längs  des  Thaies,  das  auf  Schweinfurths  geo- 
logisch-topographischer Karte  des  Westabhangs  des  Mokattam 
angedeutet  ist.*) 

Ein  Blick  auf  diese  letzte  Karte  lehrt  nun,  dass  ganz 
ähnliche  orographische  und  geologische  Verhältnisse  wie  hier, 
der  plötzliche  Gegensatz  zwischen  einer  aufgesetzten  Hügelreihe 
und  einförmigem  Hochplateau  und  der  geradlinige  Verlauf  der 
Grenze  zwischen  beiden  noch  einmal  genau  parallel  zu  obiger 
Bruchlinie  wiederkehren,  nämlich  ungefähr  1230  m  weiter  süd- 
lich am  südlichen  Reitwege  „zum  Mosesbrunnen".  So  wird 
man  leicht  auf  die  Vermutung  geführt,  dass  dieser  Erscheinung 
die  nämliche  tektonische  Ursache  zu  Grunde  liegt.  An  dem 
Schaq  el-Taban  (Schlangenloch)  genannten  Aufstiege  dieses 
Reitweges,  d.  h.  am  Westrand  des  Mokattam,  ist  von  einer 
Verwerfung  freilich  noch  nichts  wahrzunehmen.  (Auch  die 
ersterwähnte  nördliche,  zweifellose  Querverwerfung  scheint  sich 
nach  W.  hin  in  den  Steinbrüchen  zwischen  den  Pulverkammern 
und  der  Citadelle  auszukeilen.)  Erst  an  der  Lokalität  XXII 
Schweinfurths  könnte  allenfalls  von  einem  beginnenden  Verwurf 
die  Rede   sein.     Leider  fand  ich  am  Schlüsse   unseres  Aufent- 

M  Siehe  Fig.  2  auf  S.  333  in  meiner  ^Geologie  Aegyptens  IV.* 
br.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  1883,  Taf.  XX. 


M,  Blancicenhorn:  Geotogisch-stratigraphische  Beobachtungen,     433 

haltes  in  Aegypten  nicht  mehr  die  Zeit  zu  einer  gründlichen 
Begehung  der  Südseite  des  Mokattam  und  sicherer  Beantwor- 
tung dieser  Frage.  Auf  einem  flüchtigen,  mit  Herrn  Archi- 
tekten Rennebaum  zusammen  unternommenen  Spaziergang  über 
den  Mokattam  von  N.  nach  S.  bis  Heluän  gewann  ich  die  in 
der  beifolgenden  Figur  wiedergegebene  Auffassung  der  strati- 
graphischen  und  tektonischen  Verhältnisse. 

Fig.  21.     Maassstab  der  Länge  =  1 :  50000,  der  Höhe  =  1 :  5000. 

Gebel  Mokattam.  W.  Dugla.  G.  Turra. 


R.  y.  =  ^Rennebaums  Vulkan,"  HOgcI  aus  Gebel  Ahmar-Sandstein. 

-.r'  r^v.  i  Mokattamstufe. 

II.  Obere    / 


Danach  hätte  das  Mokattamgebirge  einen  staflFelförmigen 
Aufbau  in  N.-S.- Richtung  und  seinen  Hauptabbruch  im  S. 
am  Nordrand  der  grossen  breiten  Depression,  die  bald  Wadi 
Dugla,  bald  Wadi  Tih  genannt  wird.  Die.se  Depression,  an  der 
die  StaflFeleinbrüche  endigen,  stellt  ähnlich  dem  Jordanthal 
einen  einseitigen  Graben  dar,  indem  das  südlich  folgende  Hoch- 
plateau von  Turra  (wie  das  Plateau  des  Ostjordanlands)  als  un- 
gebrochener Horst  erscheint,  an  dessen  Nordrand  (auf  dem 
Südufer  der  Dugladepression)  sich  ein  einziger  Einbruch,  aber 
mit  der  bedeutendsten  Sprunghöhe  vollzog.  Diese  Sprunghöhe 
ist  thatsächlich  noch  beträchtlicher,  als  sie  in  obiger  Fig.  21 
erscheint.  Durch  ein  Versehen  ist  nämlich  hier  der  geologi- 
sche Aufbau  des  Plateaus  von  Turra  nicht  ganz  richtig  ge- 
zeichnet. Dasselbe  besteht  bis  zu  seinen  240 — 350  m  hohen 
Gipfeln  nur  aus  schwach  nordwärts  geneigten  Schichten  der 
Unteren  Mokattamstufe  (I);  die  Obere  Mokattamstufe  fehlt 
wenigstens  in  seinen  westlichen  Teilen  ganz. 


435 


Ueber  die  Fossilien  der  Blättermergel  von  Theben. 

Von  Paul  Oppenheim. 

(Eingriau/tn  15.  Deßembtr.) 
(Mit  Tat  VII.) 

Herr  Dr.  Blanckenhorn,  der  in  Gemeinschaft  mit  Herrn 
Prof.  Schweinfurth  im  Anfange  dieses  Jahres  Aufsammlungen 
in  den  Blättermergeln  von  Theben,  dem  „Cinquieme  Etage" 
bei  Delanoüe,  vorgenommen  hatte,  hat  mich  seiner  Zeit  ge- 
beten, diese  Reste  einer  paläontologischen  Bearbeitung  zu 
unterwerfen.  Delanotie  und  d'Archiac^)  hatten,  wie  im  Vorher- 
gehenden bereits  auseinandergesetzt  wurde,*)  in  dieser  fünften 
Abtheilung  ihres  Profiles  noch  typisches  Untereocän  erkennen 
zu  können  geglaubt;  v.  Zittel  hatte  seinerseits  später  den 
cretacischen  Charakter  der  Faunula  kurz  betont  und  sie  in 
Verbindung  gesetzt  mit  den  gleichartigen  Kreideablagerungen 
der  libyschen  Wüste.  Eine  bis  in  die  Einzelheiten  gehende 
Bearbeitung  der  Reste  von  Theben  selbst  lag  aber  bisher  nicht 
vor;  sie  zu  geben,  war  ungemein  erleichtert  durch  die  beiden 
letzten  Publikationen  der  Münchener  Schule,  in  welchen  unter 
ständiger  Anregung  und  Mitarbeit  ihres  Oberhauptes  durch  die 
Herren  Wanner  und  Quaas^)  der  ganze  paläontologische  Inhalt 
des  libyschen  Dauien  in  so  erschöpfender  Weise  der  Kenntnis 
weiterer  Kreise  übermittelt  worden  ist.    Durch  eine  nach  dieser 


')  Comptes  rendus  des  Seances  de  l'Acadämie  des  Sciences.  67. 
p.  701  (Seance  du  5  oct.  1868). 

2)  Vergl.  den  Aufsatz  Blanckenhoms  im  laufenden  Jahrgange  dieser 
Zeitschrift. 

8)  Palaeontographica.    XXX  2.     Stuttgart  1902. 


436         Sitzung  der  math.-phys,  Ctasse  vom  8.  November  190^. 

Richtung  hin  sehr  günstige  Verzögerung  des  gesammten  hier 
vorgelegten  Berichtes  ist  es  mir  ermöglicht  gewesen,  auch 
von  der  grösseren  und,  wenigstens  für  mein  Thema,  wegen 
der  gleichartigen  Facies  auch  wichtigeren  Monographie  des 
Herrn  Dr.  A.  Quaas  nicht  nur  die  mir  durch  die  Freundlichkeit 
des  Autors  schon  früher  zugehenden  Tafeln,  sondern  auch  noch 
den  Text  benutzen  zu  können.  Dagegen  haben  leider  statu- 
tarische Bestimmungen  des  Museum  d'histoire  naturelle  in 
Paris,  welche  nach  freundlichen  Mittheilungen  und  Beantwor- 
tung meiner  Anfrage  Seitens  des  Herrn  Marcellin  Boule  eine 
Versendung  von  Originalexemplaren  in  das  Ausland  formell 
untersagen,  es  mir  vorläufig  wenigstens  unmöglich  gemacht, 
die  d'Archiac'schen  Bestimmungen  an  der  Hand  der  Typen 
näher  zu  prüfen. 

Allzugross  dürfte  indess  der  Schaden  hier  nicht  sein,  da 
eine  Reihe,  und  gerade  die  wichtigsten  der  Citate  d'Archiac's 
durch  die  mir  vorliegenden  Materiaben  so  erläutert  werden, 
dass  kaum  ein  Irrthum  möglich  sein  dürfte;  was  noch  an 
Zweifeln  etwa  übrig  bleibt,  dürfte  sich  in  absehbarer  Zeit  durch 
eine  Autopsie    der  Originale   in  Paris   selbst   aufklären  lassen. 

Ich  gehe  nunmehr  sogleich  in  medias  res  über  und  werde 
einer  specielleren  Betrachtung  der  einzelnen  Typen,  die  ich 
vorwegnehme,  zum  Schlüsse  eine  Zusammenfassung  der  Ergeb- 
nisse von  allgemeineren  Gesichtspunkten  aus  folgen  lassen. 

Die  mir  aus  den  Blättermergeln  von  Theben  etc.  über- 
gebenen  Fossilien  sind: 

P.  Aturia  praeziczac  n.  sp.  T.  VH,  f .  1 — 3.  Die  Form, 
welche  in  einer  sehr  grossen  Anzahl  wohlerhaltener  Steinkerne 
anliegt,  ist  eine  echte  Aturia,  also  Angehörige  eines  bisher 
ausschliesslich  tertiären  Geschlechtes.  Sie  theilt  mit  diesem 
alle  generischon  Charaktere,  auch  den  Besitz  von  Siphonalduten. 
Ich  luibe  lange  gezögert,  sie  von  A.  ziczac  Sow.,^)  mit  w^elcher 

1)  Vercrl.  F.  Yj.  Edwards:  A  Monot^raph  of  the  Eocene  Cephalopoda 
■DÄCnivalves  (»f  ^«'rland.  Palaeontogniphical  Society,  London  1849-77. 
ji.fili'tT.  r  -  de  Grej^orio:  Fauna  di  S.  Giovanni  Ilanone. 


P.  Oppenheim:  Fossilien  der  Btättermergel  von  Theben.        437 

sie  d'Archiac  ursprünglich  vereinigt  hat  und  die  mir  in  specimine 
vom  Kressenberge  und  vom  Mt.  Postale  vorliegt,  specifisch  zu 
trennen,  doch  ist  ihr  Laterallobus  gleichmässig  breit  und  relativ 
kurz  und  verjüngt  sich  nach  hinten  nicht  zu  der  Spitze,  in 
welche  er  sowohl  bei  den  mir  zur  Verfügung  stehenden  Exem- 
plaren als  auf  sämtlichen  von  mir  consultierten  Figuren^)  bei 
der  typischen  Eocänart  ausläuft.  Ich  halte  darum,  bei  der 
zweifellos  vorliegenden  DiflFerenz  im  Niveau,  es  für  angemessen, 
die  Form  der  Blättermergel,  die  anscheinend  stets  kleiner  bleibt 
und  bei  der  vielleicht  auch  die  Ohren  an  der  Mündung  mehr 
herausquellen,  auch  specifisch  zu  trennen  unter  Betonung  des 
Umstandes,  dass  uns  trotzdem  hier  eine  ausgesprochen  ter- 
tiäre Form  vorliegt.  Die  Lage  des  Siphos  ist,  wie  hinzu- 
gefügt sein  mag,  genau  die  gleiche  wie  bei  der  eocänen  Art.*) 
Sie  wie  die  grössere  Tiefe  des  Lateralsattels  schliessen  jede 
Möglichkeit  einer  Vereinigung  mit  dem  Nautilus  danicus  v. 
Schloth.  der  Faxoe-Kreide  unbedingt  aus,  wie  ich  mich  an  gut 
erhaltenen  Stücken  des  k.  Mus.  für  Naturkunde  (darunter  das 
Original  v.  Schlotheims)  zu  überzeugen  vermochte.  Das  von 
Quaas  dieser  Art  zugerechnete  Stück  aus  den  cretacischen 
Blätterthonen  zwischen  Farafrah  und  Dachel  scheint  sich,  so- 
weit ich  aus  den  leider  nur  von  oben  abgebildeten  Typen 
schliessen  kann  (T.  XXXIII,  f.  31),  schon  durch  grössere  Breite 


Palermo  1880,  p.  3  II,  f.  2,  3,  5.  —  H.  B.  Geinitz:  Ueber  Nautilus 
Alabamensis  Morton  etc.  N.  Jahrb.  für  Mineralogie  etc.  1887.  II,  p.  53  ff. 
T.  111.  —  Oppenheim:  Die  Eocänfauna  des  Mt.  Postale  etc.  Palaeonto- 
graphica.  43.  Stuttgart  1896,  p.  208-9. 

1)  Besonders  ähnlich  ist  Fig.  1  g  u  h  bei  Edwards  1.  c. 

2)  Wie  ähnlich  ein  so  ausgezeichneter  Kenner  der  Eocänfaunen  wie 
der  Vicomte  d'Archiac  die  Vorkommnisse  von  Theben  und  die  nordischen 
Specimina  fand,  geht  aus  seinen  hier  wiedergegebenen  Worten  hervor 
(a.  a.  0.  bei  Delanoüe  p.  11  —  12):  „Parmi  les  mollusques,  l'Aturia  ziczac, 
cette  forme  de  cephalopode  si  particuliere,  est  representee  dans  la  col- 
lection  de  M.  Delanoüe  par  un  nombre  d'echantillons  plus  consid^rable 
que  tous  ceux  qu'on  a  recueillis  depuis  cinquante  ans  dans  les  argiles 
de  Londres  et  de  Bracklesham,  et  surtout  plus  complets  que  ceux  qui  ont 
ete  decrits  et  figures  jusqu'ä  present."  — 

1902.  Sitzangsb.  d.  math.-pliys.  Ol.  29 


438         Sitzung  der  math.-phys.  Classe  tw»  8,  November  lOOJ^. 

und  Flachheit  des  Laterallobus  zu  unterscheiden.  Herr  Quaas 
betont  L  c.  p.  302  ausdrücklich,  dass  er  sich  von  der  Lage  des 
Sipho  überzeugt  habe  und  dass  er  ^über  die  Zuverlässigkeit 
der  Bestimmung  keine  Zweifel  hege.*"  Nach  diesen  so  posi- 
tiven Angaben  muss  man  wohl  an  der  Verschiedenheit  der 
in  beiden  Fällen  vorliegenden  Typen  festhalten. 

2^.  Nautilus  desertorum  Zitt.  (wohl  =  N.  centralis 
Sow.  bei  d'Archiac-Delanoüe).  Die  4  mir  vorgelegten  Exem- 
plare dieser  kugeligen,  breitrückigen,  schmalmündigen  Form 
besitzen  ganz  einfache,  nicht  wellig  gebogene,  unten  gerad- 
linige Scheidewände  und  einen  der  gerundeten  Aussenseite  etwas 
genäherten  Sipho.  Die  Seitenohren  springen  nach  aussen  hervor, 
der  schmale,  tiefe  Nabel  bleibt  aber  frei.  Von  tertiären  Arten 
steht  sehr  nahe  N.  centralis  Sow.,  welcher  nur  durch  die 
ganz  centrale  Lage  des  Siphos  unterschieden  werden  kann, 
während  N.  imperialis  mit  leicht  gebogenen  Scheidewänden 
und  nach  innen  gerücktem  Sipho  schon  weit  leichter  zu 
trennen  ist.  Wie  N.  centralis,  von  dem  dies  Edwards*)  bereits 
betont,  steht  diese  Form  den  recenten  Nautilen  sehr  nahe, 
doch  setzt  sie  bereits  in  typischer  Kreide  ein.  Sehr  ähnlich, 
aber  anscheinend  enger  genabelt,  mit  flacherem  Septum  und 
mehr  centralem  Siphonalkanal  versehen  ist  auch  der  mir  im 
Ciipsabgusse  aus  der  Sammlung  des  k.  Museums  vorliegende 
N.  fricutor  Beck  der  Faxoe-Kreide  von  Seeland.  Noch  näher 
steht  der  auch  in  der  Siegsdorfer  Kreide  von  J.  Boehm  an- 
gogi'bene^)  N.  depressus  v.  d.  Binkhorst^)  aus  Maastricht,  der 
sowohl  dieselbe,  dem  Aussenrande  genäherte  Lage  des  Sipho 
besitzt  als  das  gefaltete  Septum  und  der  nach  den  Abbildungen 
zu  urtheilen  überhaupt  kaum  von  der  libyschen  Art  zu  trennen 

M  Kawanls  1.  o.  p.  -15.  T.  III.  f.  la-c,  T.  VIII,  f.  2. 

■-)  Pahiooiitographioa  o8.  p.  '»1.  T.  I.  f.  IG  und  16a.  —  Die  pflock- 
artiuv  Kalknra<so  /.wiscluMi  Müiulunjj  und  Schaale,  welche  auf  Fig.  16 
aborobiKlt't   i>t,  sihoint   wohl  sfkundiiivr  Entstehunjf. 

^1  Monographie  dos  (lastropodes  et  des  Cephalopodes  de  la  craie 
superieure  du  lamhourg.  Hriixelles  1661.  Cephalopodes,  p.  12,  T.  V, 
d. 


P,  Oppenheim:  Fossilien  der  Blättermergel  von  Theben,       439 

ist.  Die  Unterschiede  zu  anderen  ebenfalls  nahe  verwandten 
Typen  der  obersten  Kreide,  wie  N.  Dekayi,  sublaevigatus, 
Heberti  und  Bouchardianus  hat  bereits  Quaas  a.  a.  0.  erörtert.*) 

3.  Limea  Delanoüei  n.  sp.  T.  VII,  f.  9~9b.  Schale  sehr 
klein,  dünn,  stark  gewölbt,  nach  hinten  stark  verbreitert  und 
schief  ausgezogen.  Wirbel  dem  nach  innen  gebogenen  Vorder- 
rande genähert,  von  einander  so  entfernt,  dass  eine  Art  drei- 
eckiger Area  entsteht.  Eine  stumpfe  Hervorwölbung  zieht  sich 
von  ihnen  zum  Unterrande.  Der  Hinterrand  ist  flacher  als 
der  übrige  Theil  der  Schaale.  Diese  trägt  zumal  gegen  den 
Unterrand  hin  stark  hervortretende,  etwas  geschlängelte  Längs- 
rippen, welche  schmäler  sind  als  die  Zwischenräume.  —  Das 
vordere  Ohr  ist  klein,  dreieckig,  das  hintere  nicht  deutlich  ab- 
gesetzt. Höhe  5^2,  Breite  4,  Dicke  der  Doppelklappe  4  mm. 
4  Exempl. 

Diese  Type  ist  kleiner,  gewölbter  und  schmäler  als  L.  nux 
Gümb.  aus  dem  Senon  von  Siegsdorf,  von  der  sie  sich  auch 
durch  die  geringere  Anzahl  der  stärkeren  Längsrippen  unter- 
scheidet. Weder  Wanner  nach  Quaas  geben  Aehnliches  an; 
auch  d'Archiac  betont  ausdrücklich  die  Abwesenheit  aller 
Monomyarier  in  den  Blättermergeln.*) 

4.  Leda  leia  Wanner  (1.  c.  p.  120,  T.  XVII,  f.  16-17). 
Die  Steinkeme  von  Theben  entsprechen  den  Abbildungen;  es 
lagen  aber  auch  besch  aalte  Stücke  vor.  Der  löffelartige  Fort- 
satz, den  Wanner  am  Schlosse  angiebt  und  der  zu  einer  Leda 
wohl  kaum  passen  würde,  scheint  eine  Zufälligkeit,  anschein- 
lich durch  einen  Gesteinsrest  hervorgehoben.  Ich  kann  auch 
an  dem  Schlosse  nichts  Aehnliches  entdecken. 

5.  Leda  Zitteli,  J.  Böhm^)  (?  =  L.  striata  Desh.  var.  bei 
d'Archiac-Delanoüe)  T.  VII,  f.  7 — 7  a.  Ich  sehe  keinen  wesent- 
lichen Unterschied  mit  der  Art  der  Siegsdorfer  Kreide.  L.  striata 
Dech.  aus  dem  pariser  Grobkalke  ist  in  der  Form  ähnlich,  aber 


>)  p.  300,  T.  XXIX,  f.  1,  XXXIII,  f.  29-30. 
*)  Bei  Delanoüe  a.  a.  0.  p.  13. 
»)  1.  c.  p.  77,  T.  III,  f.  15. 

29* 


440         HUiMng  der  mathrphy$.  Gasse  vom  8.  Kcvember  1902. 

wcM  hraiiar  gerippt.  Die  Herren  Wanner  und  Quaas  führen 
uU'MiH  KntHprecbendes  auf. 

fi,  Nucula  Hp.  cf.  chargensis  Quaas  (T.  XXXI,  F.  34 
— '5fi.  p.  195).  d'Archiac  giebt  bei  Delanoüe  eine  ganze  Reihe  von 
(umitu'Ai  Nucula- Arien  aus  den  Blätterthonen  von  Theben  an. 
Ich  tuiU'Mtit  vcrniuthen,  dass  sein  Material  nicht  besser  erhalten 
war  (iIh  daH  mir  vorliegende;  und  dann  schweben  aUe  diese 
H(<Niiiiiinutig<m  in  der  Luft,  da  es  sich  nicht  nur  um  Steinkeme 
liiindclio,  N(>nd(Tn  diese  dazu  mehr  oder  weniger  starken  Yer- 
drllckiuigen  ausgesetzt  gewesen  sind.  Eine  sichere  Artbe- 
Ntiniinung  halte  ich  mit  solchen  Materialien  für  unmöglich, 
ViUw  Niiirko  Acdinlichkeit  besteht  mit  den  von  Quaas  abgebil- 
d(»i<'n  Stücken,  und  bei  der  sonstigen  Analogie  der  Faunen  ist 
auch  oino  spocitische  Uebereinstimmung  sehr  wahrscheinlich, 
oh  110  duss  indosson  für  sie  der  Beweis  geliefert  zu  werden 
vonuug. 

7.  Axinus  cretaceus  Wanner  (1.  c.  p.  122,  T.  XVffl, 
r.  r>,  (iuims  p.  212,  T.  XXXII,  f.  10-11)  =  Lucina  Goodhalli 
.1.  do  (\  Sow.  hei  d'Archiac- Delanoüe.  Diese  hochinteressante 
Korni  liegt  in  li  Stücken  vor,  von  denen  2  die  Grosse  der  Ori- 
^inide  Wanuers  besitzen,  das  Eine  indessen  über  doppelt  so 
gr\>ss  ist.  W  ie  der  Autor  bereits  betont,  handelt  es  sich  um 
eine  ganz  nuulerne  Sippe,  welche  in  thonigen  Ablagerungen 
lies  Tertiärs  und  der  (.legenwart  fast  überall  eine  grosse  Rolle 
spielt.  Die  Arten  sind  schwer  zu  unterscheiden,  doch  scheinen 
die  alteren  V'ornien  ^ioh  vor  den  jüngeren  durch  ein  starkes 
Uerausipiolleu  dos  inneren  Theiles  der  Area  auszuzeichnen. 
Dieses  Merkmal  untersoheidet  denn  auch  die  cretacische  Form 
\v>r.  A.  unicarinatus  Nvst,  einem  der  Leitfossilien  des  oligo- 
c.ir.er»  Septarieuthvnus.  Kiue  ir.  dir  Mokattamstufe  stellenweis 
>.  /v  :,..u!:ct  crv^>>-  Kor:::,  dit  M:»Ytr  a;i!  seinen  Etiquetten  im 
N  ^^,>;v.•v.  'V.*  N.itv.rx. :::.::.  vv;-  -.ir  scttint  irrthümlich,  mit 
,L  .^\  "s":::."  V  vv  ;  l-^"':  S;w.  -^s  L:::L-ntlion5  iientidciert 
'.:  ..:  /;  /..  A  S.  ^■'•^ :  ■;:-:r:li.:  ::t:-.::-i.  leig^  dies«:  Zug 
v.\/    '    '■  ./  .--..l:     .:.vl:   :--r::c  :i;i:i  kius:  teklirT^ifen. 

^^ .•->.:    V»-.  :  .:r  '-v-v..^  iv. >iiicicrt*  Kreide- 


P.  Oppenheim:  Fossilien  der  Blättermergel  von  Theben.        443 

sehen  Danien  werden  Pleurotomarien  überhaupt  merkwürdiger 
Weise  nicht  angegeben. 

11.  Trochus  sp.  äff.  T.  margaritifer  J.  Böhm.*) 
T.  VII,  f.  22—22  a.  Diese  kleine  Trochide  ist  mit  Cerithium 
abietiforme  Wann,  die  häufigste  Schnecke  in  den  Blättermergeln 
von  Theben.  Leider  ist  sie  ausschUesslich  in  Sculptursteinkernen 
erhalten.  Man  erkennt  im  Verhältnisse  mit  der  Siegsdorfer 
Kreideart,  dass  sie  dieser  wohl  ähnlich  ist,  sich  aber  durch 
grössere  Schlankheit  und  stärker  vertiefte  Nähte  sicher  speci- 
fisch  unterscheidet.  Die  Sculptur  hingegen  dürfte  eine  ganz 
ähnliche  gewesen  sein  und  aus  3 — 4  Spiralen  auf  jeder  Windung 
bestehen,  welche  von  erhabenen  Längsrippen  geschnitten  und 
gekerbt  werden.  Die  Basis  ist  schwach  durchbohrt  und  nur 
sehr  massig  gewölbt. 

Weder  Wanner  noch  Quaas  geben  Aehnliches  an.  Ange- 
sichts der  ungünstigen  Erhaltung  verzichte  ich  auf  specifische 
Fixierung  in  dieser  schwierigen  Gruppe  zumal  bei  einer  Type, 
welche  für  eine  Altersbestimmung  so  indifferent  ist. 

12.  Natica  farafrensis  Wann.  (p.  125,  T.  18,  f.  12, 
Quaas  p.  239,  T.  32,  f.  26—27,  wohl  =  N.  brevispira  Leym. 
bei  d'Archiac-Delanoüe).  T.VII,  f.  20— 20a.  Die  Beschreibung 
bei  Wanner  ist  in  Anbetracht,  dass  es  sich  hier  um  eine  in 
ihrer  artlichen  Gliederung  so  schwierige  Gruppe  handelt,  nicht 
recht  scharf  und  steht  mit  der  Abbildung  nicht  recht  im  Ein- 
klänge. Die  mir  vorliegenden  Stücke  haben  nun  neben  den 
von  Wanner  wohl  im  Texte  angegebenen,  aber  auf  der  Zeich- 
nung nicht  deutlich  wiedergegebenen  rinnenförmig  vertieften 
Nähten  fast  stets  eine  sehr  deutliche,  den  Nabel  fast  voll- 
ständig ausfüllende  Nabelschwiele  wie  die  N.  Noae  des  Grob- 
kalkes. Sie  sind  also  typische  Naticiden,  an  Vanikoro  (cf. 
Quaas  a.  a.  0.)  ist  nicht  zu  denken.  Auch  Wanner  giebt  an, 
dass  „die  Innen  type  oben  zuweilen  schwielig  sei**,  womit  er 
vielleicht  das  gleiche  Organ  ins  Auge  fasst.    Ich  glaube  nicht, 

1)  Siegadorf.  Palaeontographica.  38.  p.  67,  T.  II,  f.  30  a,  b. 


444         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  8,  November  1902. 

dass  die  mir  vorliegende  Type  von  der  Wanner'schen  Art  ge- 
trennt werden  kann. 

d'Archiac  dürfte  diese  Form  als  die  eocäne  N.  brevispira 
Leym.')  der  Montagne  noire  bestimmt  haben;  die  Gestalt  des 
Gewindes,  zumal  die  rinnenförmig  vertieften  Nähte,  würden 
stimmen,  aber  ganz  abgesehen  von  den  Grössen  Verhältnissen 
sind  die  Einzelheiten  der  Nabelregion  ganz  verschieden.  Denn 
N.  brevispira  Leym.  ist  nach  diesen  eine  echte  Ampullina, 
N.  farafrensis  Wann,  eine  typische  Natica  s.  strict. 

13.  Eulima  Wanneri  n.  sp.  T.  VII,  f.  19— 19a.  Zwar 
fehlt  das  Embryonalende,  doch  zeigt  der  theil weise  noch  von 
der  Schaale  umhüllte  Kern  von  8  Windungen  habituell  einen 
so  ausgesprochenen  Pyramidellen-Habitus,  dass  ich  an  der  gene- 
rischen  Bestimmung  nicht  zweifele.  Was  die  specifische  anlangt, 
so  besteht  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  E.  puncturata  Job. 
Böhm*)  von  Siegsdorf,  doch  ist  die  Form  weit  schlanker  und 
der  letzte  Umgang  niedriger,  indem  er  etwa  ^/a  der  Gesamt- 
höhe misst.  Die  Mündung  ist  ganzrandig,  die  Columella  leicht 
verdickt,  Falten  sind  an  ihr  nicht  wahrzunehmen.  Die  Nähte 
liegen  ganz  oberflächlich,  die  letzte  verläuft  etwas  schräger 
als  die  vorhergehenden,  der  Endumgang  ist  vom  an  der  Mün- 
dung deutlich  verschmälert,  die  Anwachsstreifen  annähernd 
geradlinig,  Höhe  12,  Breite  kaum  3  mm. 

14.  Cerithium  abietiforme  Wanner  (p.  133,  T.  XVIÜ, 
f.  37—38,  Quaas  p.  259,  T.  XXXU,  f.  30-31).  T.  VU,  f.  21. 
Ziemlich  häufig  in  grösseren  und  kleineren,  mit  Schaale  ver- 
sebenen Exemplaren,  welche  in  Gestalt  und  Sculptur  gänzhch 
übereinstimmen  mit  der  Type  der  Bir-el-Jasmund-Kreide.  Der 
Columellarkanal  ist  an  dem  dargestellten  Exemplare  sehr  wohl 
erhalten. 

15.  Alaria  sp.,  Quaas  T.  XXXII,  f.  38—40,  p.  265.  Ein 
Stoinkern    von    Theben,    der  auf  jedem  Umgange  2  Kiele  auf- 

^)  Vertrl.  Loymerie  in  Mom,  Soc.  geol.  de  France.  (II)  1.  T.  XVI, 
f.  4-4  b. 

2)  Sieixsdorf  a.  a.  0.  Talaeontographica.  XXXVIII,  p.  64,  T.  II,  f.  36a. 


P.  Oppenheim:  Fosaüien  der  Blättermergel  von  Theben,        445 

weist,  dürfte  hierher  gehören.  In  Grösse  und  Gestalt  stimmt 
er  am  besten  zu  Fig.  40  bei  Quaas.  Sollte  es  sich  hier,  wie 
auch  ich  glauben  möchte,  um  eine  neue  Art  handeln,  so  würde 
ich  vorschlagen,  sie  mit  dem  Namen  ihres  Beschreibers  zu  be- 
zeichnen. —  Ich  möchte  fast  annehmen,  dass  es  diese  Form 
ist,  welche  in  der  Aufzählung  d'Archiacs  (a.  a.  0.  p.  5)  als 
Pleurotoma  terebralis  F.  Edw.  non  Lam.  figuriert. 

16.  Voluta  (Scaphella)  aegyptiaca  Wanner  (1.  c. 
p.  139,  T.  19,  f.  11).  T.  VII,  f.  12.  Ich  rechne  hierher  einen 
13  mm  langen  und  7  mm  breiten  Steinkern  aus  den  Esneh- 
schiefem  von  Theben,  welcher  die  Embronyal blase  der  Sca- 
phellen*)  besitzt  und  auch  in  der  Gestalt  durchaus  überein- 
stimmt. Wenn  die  Nähte  etwas  tiefer  eingeschnitten  sind,  so 
scheint  dies  durch  den  Erhaltungszustand  als  Steinkern  be- 
dingt. Es  handelt  sich  auch  hier  wieder  um  eine  durchaus 
moderne  Gattung,  deren  alttertiäre  Vertreter,  zumal  die  V.  We- 
therelli*)  Sow.  des  London thon es  viel  schlanker  sind  und  sich 
mehr  an  den  oligocänen  und  neogenen  Typus  der  V.  Siemsseni 
BoU.*)  und  V.  Lamberti  Sow.  anlehnen.  Die  Formengruppe 
scheint  übrigens  bereits  in  dem  zwischen  Kreide  und  Eocän 
eingeschobenen,  also  im  Alter  nicht  allzu  verschiedenen  Kalke 
von  Mons  aufzutreten,  doch  ist  diese  Sc.  inaequiplicata  Briart  et 
Comet*)  zwar  in  der  Gestalt  recht  übereinstimmend,  aber  durch 
Form  und  Zahl  ihrer  Falten  sicher  specifisch  verschieden.  Was 
diese  Gebilde  anlangt,  so  zeichnet  Wanner  von  der  ägyptischen 
Art  deren  nur  zwei,  giebt  aber  im  Texte  3 — 4  an.  Dieser 
Widerspruch  bleibt  noch  aufzuklären. 


*)  Cossmann:  Esaais  de  Paleoanchologie  comparee.  III.  Paris  1899. 
p.  126. 

2)  Cf.  F.  Edwards:  The  eocene  Cephalopoda  and  ünivalves  of  Eng- 
land. London  (Palaeontographical  society)  1849—77,  p.  179,  T.  XXIII, 
f.  4a-d. 

8)  Beyrich:  Norddeutsches  Tertiärgebirge,  p.  81,  T.  V,  f.  2-5. 

*)  Fossiles  du  Calcaire  grossier  de  Mons.  Mem.  de  TAcad.  roy.  de 
Bruxelles.  38.  T.  V,  f.  3 -3c. 


446         Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  8,  November  1902. 

Die  V.  pyriformis  Kaunhow.*)  von  Maastricht  erinnert  in 
der  Gestalt  an  die  ägyptische  Art,  hat  aber  stärkere  Spiral- 
und  schwächere  Anwachsstreifung.  Sie  dürfte  indessen  in  die 
gleiche  Gruppe  gehören. 

17.  Cinulia  Ptahis  Wanner  (1.  c.  p.  141,  T.  XIX, 
f.  19.)  Die  Steinkerne  aus  den  Esnehschiefem  entsprechen  durch- 
aus der  cretacischen  Form  und  zeigen  an  halbbeschaalten 
Stücken  auch  noch  die  starken  Columellarfalten.  Die  Art  hat 
aber  einen  holostomen  Charakter  und  besitzt  nicht  die  Spur 
eines  vorderen  Kanals.  Sie  ist  daher  eine  Cinulia,  keine  Rin- 
gicula,  wie  Wanner  meinte,  und  weit  entfernt,  Beziehungen 
zu  Neogenformen,  die  der  in  meiner  Sammlung  befindlichen 
Ringicula  Bonellii  Desh.  zu  besitzen,  gehört  sie  umgekehrt 
einem  bisher  ausschliesslich  cretacischen  Genus  an,  welches 
z.  B.  in  der  obersten  Kreide  von  Siegsdorf  sehr  zahlreiche  und 
stellen  weis  recht  ähnliche  Vertreter  besitzt!  Allzuweit  dürfte 
jedenfalls  C.  serrata  Gümb.  sp.*)  nicht  entfernt  sein,  wie  ein 
Vergleich  der  fast  vollständig  übereinstimmenden  Abbildungen 
erkennen  lässt.  Ich  würde  beide  Formen  direkt  identificieren, 
wenn  Wanner  nicht  abweichende  Angaben  über  die  Sculptur 
machen  würde;  allerdings  spricht  auch  er  von  „schrägen  Zick- 
zacklinien" der  Längsfurchenränder,  während  für  die  Gümbel'- 
sche  Art  durch  J.  Böhm  eine  ,  sägezahn  artige  Kerbung"  diag- 
nosticiert  wird.  Vielleicht  spielt  hier  aber  auch  der  Erhaltungs- 
zustand eine  Rolle. 

18.  Cinulia  cretacea  Quaas  (p.  298,  T.  XXXIU,  f.  26 
bis  28).  T.  VII,  f.  5.  Herr  Quaas  giebt  die  Wanner'sche 
Ringicula  Ptahis  nicht  aus  den  Blätterthonen  an,  beschreibt 
aber  als  neu  eine  Cinulia  (=  Avellana),  welche  zu  der  Wanner'- 
schen  Art  jedenfalls  in  innigsten  Beziehungen  stehen  muss. 
Das  hier  abgebildete  Mündungsbruchstück    entspricht  in  Zahl, 

^)  Die  Gastropoden  der  Maastriohter  Kreide.  Palaeontol.  Abhand- 
lungren  von  Dames  und  Kayser.     4.     Jena  1898-1902. 

^)  Vercrl.  Job.  Boehm:  Die  Kreidebildungen  des  Fürbergs  und  Sulz- 
berges bei  Siegsdorf  in  Oberbavern,  Palaeontographica.  38.  1891.  p.  54, 
T.  I,  f.  i>3a-d. 


P.  Oppenheim:  Fossilien  der  Blättermergel  von  Theben,        447 

Form  und  Lage  der  Falten  wie  in  der  Ornamentik  des  doppel- 
ten Mundsaumes  durchaus  der  Quaas'schen  Art,  allerdings 
scheint  die  Spiralsculptur  etwas  zarter  und  die  Längsstreifung 
zwischen  ihr  ist  nicht  zu  erkennen,  Momente,  die  indessen  mög- 
licher Weise  auf  den  Erhaltungszustand  zurückzuführen  sind. 
Sehr  ähnlich  scheint  zumal  das  auf  Fig.  26  bei  Quaas  darge- 
stellte Exemplar,  von  welchem  sich  Fig.  27  und  28  immerhin 
nicht   ganz  unwesentlich  unterscheiden. 

Ich  möchte  annehmen,  dass  auch  Actaeon  (Tomatella) 
chargensis  Quaas  (p.  296,  T.  XXXIII,  f.  23 — 25)  unserer  fau- 
nula  angehört,  da  diese  in  erster  Linie  mit  Recht  von  dem 
Autor  mit  T.  simulata  Sol.  verglichen  wird  und  d'Archiac 
diese  (a.  a.  0.  p.  5)  aus  den  Blätterthonen  von  Theben  angiebt. 

19.  Terebratulina  chrysalis  v.  Schloth.^)  (Vergl. 
Wanner,  p.  113,  Quaas  p.  167,  T.  XX,  f.  4—5.)  Es  ist  wohl 
diese  in  den  Esnehschiefern  nicht  seltene  Art,  welche  d'Archiac 
bei  Delanoüe  als  T.  tenuistriata  Leym.  bestimmt  hat.  Diese 
Eocänart,  welche  mir  in  meiner  Sammlung  von  mehreren 
typischen  Fundpunkten  des  südöstlichen  Frankreichs  vorliegt, 
hat  aber  wohl  in  der  Gestalt,  nicht  aber  in  der  viel  zarteren 
Sculptur  und  den  weit  zahlreicheren  Längsrippen  Aehnlich- 
keit.  In  Frage  kommen  überhaupt  nur  die  eocäne  T.  stria- 
tuala  Sow.*)  und  die  v.  Schlotheim 'sehe  Kreideart.  Die 
Form  ist  aber  viel  zu  schmal,  um  mit  der  eocänen  Type 
identificiert  werden  zu  können.  Von  der  Mehrzahl  der  Vor- 
kommnisse der  vielgestaltigen  T.  chrysalis  trennt  sie  allerdings 
die   mediane   Einbuchtung,    welche    an  beiden  Klappen   gegen 


*)  ü.  Schloenbach:  Beiträge  zur  Paläontologie  der  Jura-  und 
Kreideformation  im  nordwestlichen  Deutschland.  II.  Kritische  Studien 
über  Kreidebrachiopoden,  Palaeontographica  XIII,  1866.  p.  11  ff.,  T.  I, 
f.  3-4.  —  Davidson:  A.  monograph  of  British  Cretacons  Brachiopoda. 
II.  London  (Palaeontographical  society)  1852,  p.  35,  T.  II,  f.  18— Ü8  (T. 
striata  Wahlenberg). 

2)  Cf.  Davidson:  British  tertiary  Brachiopoda.     Ibidem  p.  14,  T.  I, 
•  f.  16-16b. 


448         Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  8,  November  1902. 

den  Stirnrand  zu  beobachten  ist,  doch  giebt  Davidson*)  auch 
durchaus  entsprechende  Typen  an  und  zieht  diese  anstands- 
los zu  der  Kreideart,  welche  ihrerseits  mit  der  recenten  T.  caput- 
serpentis  L.  in  den  innigsten  Beziehungen  steht. 

20.  Palaeopsammia  Zitteli  Wanner  (p.  104,  T.  XV, 
f.  1-4,  Quaas  p.  161,  T.  XXXI,  f.  8—11)  =  StephanophyUia 
discoides  M.  Edw.  und  H.  bei  d'Archiac-Delanoüe).  T.  VII, 
f.  17 — 18  a.  Man  kann  zur  Noth  den  neuen  generischen  Schnitt 
acceptieren,  obgleich  schliesslich  die  Septa  nicht  freier  sind 
als  bei  manchen  Balanophyllien.  Was  die  Artabgrenzung  an- 
langt, so  kann  ich  mir  kaum  vorstellen,  dass  ein  so  wichtiger 
und  mit  der  ganzen  Organisation  des  Thieres  in  so  innigem 
Zusammenhange  stehender  Charakter  wie  die  Entwicklung  der 
Ausfüllungsgebilde  bei  zwei  nahe  verwandten  und  generisch 
untrennbaren  Formen  so  schwanken  kann,  wie  dies  Wanner 
angiebt.  Die  mehr  oder  weniger  beträchtliche  Entwicklung  der 
Epithek  ist,  selbst  wenn  sie  sich  bestätigt,  gewiss  kein  Tren- 
nungsgrund; denn  ganz  epithekfrei  soll  ja  nach  dem  Autor 
doch  keine  der  beiden  ^ Arten"  sein.  Wenn  hier  specifisch  zu 
gliedern  wäre,  so  konnte  dies  wohl  im  Wesentlichen  nur  auf 
Grund  der  mehr  oder  weniger  breiten,  krugförmigen  oder  lang- 
gestreckten bis  gerundeten  Allgemeingestalt.  Vor  der  Hand 
ziehe  ich  beide  Typen  zusammen  und  wähle  als  Bezeichnung 
für  sie  statt  des  indifferenten  ^multiformis"  den  Namen  ihres 
Entdeckers.  Dies  vorausgeschickt,  so  liegen  mir  nur  die  Formen 
vor,  welche  Wanner  1.  c.  auf  Fig.  3 — 4  abbildet;  kleine,  krug- 
förmige  Gestalten  mit  oder  ohne  Epithekalwulst  und  fast  glei- 
chen, aus  zahlreichen  Trabekeln  zusammengesetzten,  vielfach 
durchlöcherten,  breiten  Rippen.  Die  Anheftungsstelle  ist,  zu- 
mal bei  jungen  Individuen,  sehr  breit,  seltener,  und  dann  mit 
zunehmendem  Alter  verschmälert.  Die  Columella  ist  sehr  deut- 
lich, breit,  mit  warzenförmiger  Oberfläche  aus  zahlreichen  Bälk- 
chen  gebildet.     Der  Unterschied    in    der   Septalstärke    ist  sehr 


1)  „valves  ....  'times  presentin^   a   slight  longitudinal  de- 

pression  on  each  vah  36,  vergl.  auch  T.  II,  f.  21  aus  dem  Chalk 

von  Kent. 


P,  Oppenheim:  Possitien  der  Blättermerget  von  Theben.        449 

gering.  Bei  Theben  ist  die  Type  besonders  häufig,  wenn  auch 
nicht  immer  glänzend  erhalten.  Der  trabekuläre  Charakter 
der  Septocostalien  ist  an  den  mir  vorliegenden  Exemplaren 
äusserst  deutlich,  er  wird  auch  von  Wanner  im  Texte  erwähnt, 
ohne  indessen  auf  den  Figuren  bisher  deutlich  zum  Ausdrucke 
zu  gelangen;  hoffentlich  vermögen  die  hier  gegebenen  Abbil- 
dungen ihn  kenntlich  wiederzugeben. 

21.  Pattalophyllia  aegyptiaca  Wanner  sp.  (Theco- 
cyathusp.  99,  T.  XIV,  f.  1  und  1  a).  T.  VII,  f.  10— 10b.  Diese 
KoraUe  ist  häufig  in  wohlerhaltenen  Stücken.  Dieselben  zeigen 
sehr  schön  und  weit  besser  als  die  von  Wanner  gegebene 
Figur  die  länglich  elliptische,  warzige,  aus  etwa  40  dicken 
Bälkchen  zusammengesetzte  Axe,  den  Pfählchenkranz  von 
24  Pali  und  die  4  Cyclen  von  sehr  regelmässig  in  Länge  und 
Stärke  abnehmenden  Septen.  Dass  die  Oberfläche  dieser  letz- 
teren allem  Anschein  nach  gezähnelt  ist,  scheint  Wanner  selbst 
bemerkt  zu  haben,  da  er  sie  „gekörnt"  nennt;  sie  gehört  daher 
nicht  zu  den  Turbinoliden,  nicht  zu  Trochocyathus  und  noch 
weniger  zu  Thecocyathus, ')  sondern  unter  die  Litrophylliaceen 
und  zwar  in  die  bisher  ausschliesslich  tertiäre  Gattung  Pattolo- 
phyllia  d' Archiardi, ^)  unter  der  ihr  die  schon  von  d'Archiac 
bei  Delanoüe  1.  c.  erwähnte  P.  cyclolitoides  Boll.  sehr  nahe 
steht,  sich  aber  durch  stärker  verbreiterte  Gestalt,  schwächere 
Septocortalien  und  mehr  zurücktretende  Columella  specifisch 
unterscheidet.  Die  Septa  jüngerer  Ordnung  schliessen  sich 
innig  an  die  älteren  an  und  scheinen  in  ihren  distanten  Endi- 
gungen, wie  abgeriebene  Stücke  an  der  Aussenseite  des  Kelches 
zeigen  (Fig.  10  b),  zumal  nach  der  Tiefe  des  Kelches  hin  mit 
diesen  zu  verschmelzen;  an  P.  cyclolitoides  ist  das  Gleiche  zu 
beobachten.  Auch  Wanner  spricht  bei  der  Kreideform  von 
einer  „Verwachsung  der  Septa  in  der  Tiefe". 

*)  Für  Thecocyathus  E.  H.  spricht  nichts.  Man  vergleiche  die 
Gattungsdiagnose  bei  Zittel:  Palaeozoologie  p.  268.  Weder  überragt  bei 
der  ägyptischen  Type  die  überhaupt  sehr  rudimentäre  Epithek  den  Kelch- 
rand, noch  ist  der  Kelch  kreisförmig  und  flach. 

')  Vergl.  Priabonaschichten :  Palaeontogi-aphica.  47.  1901.  p.  GOflF. 
T.  II,  f.  1-7. 


450         Sitzung  der  mathrphys,  Clasae  vom  Ö.  November  1902, 

Die  Form,  von  welcher  Trochocyathus  epicharis  Wanner 
(p.  99,  T.  XIV,  f.  5 — 7)  vielleicht  nur  ein  Jugendstadium  dar- 
stellt, hat  entschiedenen  Tertiärtypus,  doch  tritt  sie,  wie  wir 
sehen,  in  Aegypten  bereits  in  der  typischen  obersten  Kreide 
von  Bäb-el-Jasmund  etc.  auf.  Sehr  weit  dürfte  sich  übrigens 
auch  Trochocyathus?  mammillatus  Gümb.  *)  aus  der  Siegsdorfer 
Kreide  nicht  entfernen,  dessen  Zugehörigkeit  zu  Trochocyathus 
mir  ebenfalls  zweifelhaft  ist. 

22.  Pentacrinus  (Balanocrinus)  africanus  P.  de  Loriol. 
(In  Peron:  Description  des  moUusques  fossiles  des  terrains  cre- 
taces  de  la  region  sud  des  Hauts-Plateaux  de  la  Tunisie 
Paris  1889—90,  p.  391,  T.  XXXI,  f.  39—53,  vergl.  besonders 
Fig.  52—53)  T.  VII,  f.  13— 13  a.  2  Stiele,  11  mm  lang,  3  mm 
breit,  aus  5  relativ  sehr  hohen  Gliedern  zusammengesetzt. 
Aussenwand  stark  abgerundet,  daher  auch  der  Querschnitt  nur 
wenig  eckig  und  am  Rande  nicht  eingebuchtet.  Nahrungskanal 
klein,  Gelenkflächen  rhombisch,  wie  die  randlichen  Leistchen 
stark  hervortretend.  Nähte  schwach  gezackt;  an  dem  einen 
Stücke  die  Spuren  der  Cirrhen  als  schwache  Vertiefungen  an 
der  Aussenwand  sichtbar. 

Diese  sehr  schmale,  aus  verhältnismässig  hohen  Gliedern 
zusammengesetzte  Form  ist  von  den  durch  Wanner  und  Quaas 
besprochenen  ächten  Pentacrinus -Formen  anscheinend  ver- 
schieden. Die  Form  der  Overwegi-Schichten*)  ist  grösser  und 
hat  dabei  niedrigere  und  breitere  Elemente,  diejenige  der  Blätter- 
thone'^)  ist  nach  aussen  viel  zu  kantig,  um  überhaupt  ver- 
glichen werden  zu  können;  die  nicht  abgebildete  Type  der 
oberen  weissen  Kreide  hat  nach  den  von  Wanner  1.  c.  p.  106 
gegebenen  Dimensionen  ungefähr  den  Charakter  der  Form  aus 
dem  Overwegi-Niveau.  Aber  auch  die  Arten  des  älteren  Tertiär 
wie  P.  subbasaltiformis  Forbes,^)  P.  didactylus  d*Arch.  und  P. 

J)  J.  Boehm  in  Palaeontograpbica.  38.  p.  102,  T.  IV,  f.  19  a,  b. 

2)  Qiiaas  T.  XX,  f.  1. 

3)  Ibidem  T.  XXXI,  f.  IG. 

*)  Edwards  Forbes:  Echinodermata  of  tbe  British  Tertiaries.  London 
(Palaoontograpbical  society)  1852,  T.  IV,  f.  8-10. 


P.  Oppenheim:  Fossilien  der  Blättermerget  von  Theben.        451 

diaboli  Bay.  weichen  sowohl  in  der  Gestalt  ab  wie  in  der  ge- 
ringen Höhe  der  Stielglieder.  Durch  den  Hinweis  bei  Wanner 
(a.  a.  0.  p.  106)  bin  ich  endlich  auf  die  tunesische  Kreideart 
gestossen,  und  es  scheint  mir,  als  ob  mit  dieser  die  unserige 
restlos  vereinigt  werden  darf.  Jedenfalls  dürfte  sie  kaum  einer 
bekannten  Type  näherstehen. 

23.  Porocidaris  prior,  n.  sp.  T.  VH,  f.  8— 8a.  Das 
flache,  seitlich  zusammengedrückte,  am  Rande  deutlich  scharf 
gesägte  Stachelfragment  kann  nur  mit  Angehörigen  der  bisher 
ausschliesslich  tertiären  Gattung  Porocidaris  Des.  verglichen 
werden.  Schon  der  bekannte  F.  Schmideli  Des.  des  mittleren 
Eocän  steht  nahe,  noch  ähnlicher  sind  zwei  einer  anscheinend 
neuen  Type  angehörige  Stacheln,  welche  Sckweinfurth  in  Kal- 
ken der  Libyschen  Stufe  im  Wadi  Aschar  sammelte,  „in  weissen, 
mergelartigen  sandigen  Kalksteinen  mit  Lucina,  Cardita,  Poro- 
cidaris 25  m  über  der  Kreidebasis  ** .  Mein  Porocidaris  ruinae*) 
aus  der  Spileccostufe  des  Vicentino  gehört  demselben  Typus 
an,  steht  aber  ferner. 

24.  Lamna?  sp.  aflF.  Vincenti  Winkler,  vielleicht  Oxyrhina 
angustidens  Reuss,  T.  VII,  f.  15 — 15  b.  Ein  kleiner  Selachier- 
Zahn  von  11  mm  Länge,  einigermassen  entsprechend  der  alt- 
tertiären Art,  zumal  den  von  Leriche*)  neuerdings  gegebenen 
Figuren,  aber  an  der  Basis  noch  stärker  verschmälert;  mit 
leicht  nach  aussen  gebogener  Spitze  und  schwacher  Einbiegung 
nach  innen  an  der  rechten  Flanke.  Die  Mitte  der  Innenseite 
unten  nur  sehr  schwach  eingebuchtet.  Nebenzähne  sind  nicht 
sichtbar,  doch  ist  die  Wurzel  an  beiden  Endigungen  beschä- 
digt. Jedenfalls  entspricht  die  Art  keiner  der  von  Wanner 
und  Quaas  aus  der  Kreide  angegebenen  Typen.  Eine  gewisse 
Aehnlichkeit  besteht  auch  mit  den  als  Carcharias(Aprionodon)^) 

1)  Z.  d.  d.  g.  G.  1902,  p.  173,  T.  VIII,  f.  7. 

*)  Sur  quelques  elementa  nouveaux  pour  la  faune  ichthyologique  du 
Montien  inferieur  du  bassin  de  Paris.  Annales  de  la  soc.  g^ologique  du 
Nord.   XXX.    Lille  1901.   p.  159,  T.  V,  f.  16. 

8)  Vergl.  F.  Priem  in  B.  d.  G.  F.  (III)  27.  Paris  1899,  p.  243-4, 
T.  II,  f.  8-15. 


452         Sitzung  der  wuUh.'pkifi,  Clasu  tom  8.  Kortmher  t90iS. 

fr(:i{u«^nH  Dames  bekannten  Formen  der  Mokattamstufe;  doch 
H«:]u:\nt  mir  der  Zahn  selbst  im  Verhältnisse  zur  Wurzel  zu 
lang,  und  von  der  tiefen  medianen  Furche  finde  ich  an  der 
letzteren  keine  Spur.  Wenn  es  sich  mit  Sicherheit  heraus- 
stellen stillte,  dass  keine  Nebenzähne  vorhanden  aind,  so  dOrfte 
die  Form  wohl  mit  allergrösster  Wahrscheinlichkeit  zu  Oiy- 
rhinji  angustidens  Keuss  gehören,  von  der  Herr  Leriche*)  neuer- 
dingH  wthr  ähnliche  Abbildungen  nach  Formen  der  nordfranzo- 
HJHchen  Kreide  gegeben  hat.  Die  sigmoidale  Krümmung  des 
Zahnes,  welche  der  Autor  angiebt,  würde  trefflich  stimmen. 
Aueh  diese  Form  würde  dann  rein  cretacisch  sein. 

Scblussfolgerungen. 

Es  ergiebt  sich  aus  dem  Vorhergehenden,  dass  die  Blätter- 
niergel von  Theben  eine  Faunula  enthalten,  deren  grdsster 
Theil  bereits  in  den  typischen  Kreideabsätzen  der  libyschen 
Wüste  auftritt;  so: 

Balanocrinus  africanus  P.  de  Lor. 

Palaeopsammia  Zitteli  Wann. 

Pattalophyllia  aegyptiaca  Wann.  sp. 

Terebratulina  chrysalis  v.  Schloth. 

Nautilus  centralis  Zitt. 

Natica  farafrensis  Wann. 

Cerithium  abietiforme  Wann. 

Vüluta  aegyptiaca  Wann. 

Alaria  sp. 

('inulia  Ptahis  Wann.  sp. 

Cinulia  cretacea  Quaas 

Leda  leia  Wann. 

Axinus  crotaceus  Wann. 
l)aiH'l)(Mi  li(»j^on  einige  wenige  Arten  vor,  welche  im  ägypti- 
srlien    Danien   bisher  fehlen: 

')  lu'vision  iW  hl  launo  irlithyologique  des  terrains  cretaces  du  Nord 
•a  FiaiHf.     AiinaU's  iK»   la  Sor.  i^coloj:.  du  Nord.    XXXI.    Lille  1902, 

V.  vt'ijri.  p.  117.  T.  lll.  t\  r>o    o:.. 


P.  Oppenheim:  Fossilien  der  Blättermergel  von  Theben.        4:53 

Pleurotomaria  thebensis  n.  sp. 

Trochus  sp.  aflF.  margaritifer  J.  Boehm 

Eulima  Wanneri  n.  sp. 

Neaera  aegyptiaca  n.  sp. 

Limea  Delanoüei  n.  sp. 
Diese  Faunen   haben    aber   sämtlich   eher  mit  Kreide-  als 
mit  Eocänarten  verglichen  werden  können. 

Als  echt  tertiäres  Element  besitzt  die  Fauna  nur 

Aturia  praeziczac  n.  sp.  und 

Porocidaris  prior  n.  sp. 
welche    allem  Anscheine   nach  bisher   in  der  typischen  Kreide 
Aegyptens  nicht  aufgefunden  worden  sind. 

Dass  es  sich  in  den  Blättermergeln  von  Theben  demnach 
nicht  um  typisches  Eocän  handeln  kann,  wie  d'Archiac  meinte, 
scheint  mir  ausgemacht.  Die  Bestimmungen  d'Archiac's  sind 
allem  Anscheine  nach  grösstentheils  irrthümlich.  Vermuth- 
lich  hat  der  sehr  moderne  Totaleindruck  der  Faunula  im 
Verein  mit  dem  reichen  Auftreten  der  Aturia  diesen  erst- 
klassigen Forscher,  der  gerade  in  den  beiden  hier  in  Betracht 
kommenden  Erdperioden  so  gründliche  Specialkenntnisse  besass, 
veranlasst,  nun  auch  z.  B.  die  so  überaus  ungünstig  erhaltenen 
Nucula-  und  Leda-Formen  auf  bekannte  Eocänarten  zurückzu- 
führen. Und  mit  Materialien  wie  diese  letzteren  lässt  sich  mit 
Leichtigkeit  alles  beweisen! 

Der  moderne  Habitus  der  Fauna  steht  fest,  aber,  was 
d'Archiac  noch  nicht  wissen  konnte,  auch  das  Danien  Aegyptens 
besitzt  ihn,  und  zwar  in  noch  höherem  Maasse  als  die  Herren 
Wanner  und  Quaas  angenommen  haben.  Ohne  das  Vorhanden- 
sein der  Ammoniten,  Exogyren,  Ananchyten  und  einiger  creta- 
cischer  Haifischformen  würde  man  sehr  in  Verlegenheit  kommen, 
diese  Faunen  durchgreifend  von  denen  des  Eocän  zu  unter- 
scheiden, und  es  sind  unter  den  Crassatellen,  Carditen,  Cucullaeen, 
Axinus,    Turritellen    etc.*)   so   manche   Typen,    welche   mir   in 


^)  Crassatella  chargensis  Quaas,   C.   Zitteli  Wann.,   Cardita  libyca 
1902.    Sitximgsb.  d.  math.-ph78.  Ol.  80 


454         SitMun^  der  maih,-jA^s.  Ülasie  mm  8.  Koüemher  1902. 

überaus  ähnlichen  Gestaltan  noch  am  dem  Mokattam  vorliegen. 
Andrerseits  haben  z*  B.  die  von  Wanner  aus  der  obersten 
Kreide  mitgetbeilten  Rift'korallen  ^)  einen  durchaus  tertiären 
Habitus.  Wenn  je  so  drangt  sich  hier  die  Ueberzeugung  auf 
einer  continuierlichen,  endogenen»  nicht  durch  fremde  Einwan- 
derung stark  beeinJSussten  Entwicklung  und  naturgemuss  ist 
die  Schwierigkeit  einer  festen  Grenzniarkierung  auf  Grund 
Paläontologie  eher  Momente  hier  eine  uti  gell  eure. 

Für  mein  systematisches  Empfinden  scheint  es,  als  ob  eine 
Faunat  von  der  die  überwiegende  Mehrzahl  ihrer  Bestandtheile 
schon  in  der  typischen  Kreide  auftritt,  noch  nicht  als  Tertiär 
bezeichnet  werden  kann.  Selbst  fdr  diejenigen,  welche  in 
solchen  Fällen  zu  dem  Verlegen  hei  tsaus  weg  einer  Zwischenstufe 
zu  greifen  pflegen,  würde  es  schwer  sein,  in  dem  sog,  Paleocän 
Analoga  zu  finden.  Denn  die  Sande  von  Kopenhagen  und  der 
Kalk  von  Mons,  die  hier  in  Frage  kommen^  haben  durchaus 
eocänen  Charakter;  ebenso  ausgesprochen  ist  der  cretackche 
Habitus  bei  den  Garumnien -Bildungen  Südfrankreichs  und  Nord- 
spaniens. So  modern  auch  die  senone  und  zumal  die  dänische 
Kreide  au  zahlreichen  Funkten  wird,  sie  steht  dem  sie  über-  ■ 
lagernden  Tortiär  denuoch  stets  fremd  und  unvermittelt  gegen- 
über. Transgressionen  und  wohl  stets  durch  sie  bedingter 
Wechsel  der  Facies  thun  das  ihrige  dazu,  die  gesponnenen 
Fäden  abzuschneiden  und  fremde  für  sie  einzuwirken.  Anders 
liegt,  wie  V.  Zittel  seiner  Zeit  sofort  hervorgehoben  hat,  die 
Sache  für  Aegypten,  und  in  die  Reihe  allmäliger  Uebergänge 
zwischen  sonst  scharf  und  präcis  getrennten  Formationen 
scheint  sich  auch  der  Esnehschiefer  von  Theben  einzuschieben. 
Andrerseits  scheint  es  mir  wohl  kaum  bestreitbar,  dass  dieses 
Gebilde  mit  seinen  zahlreichen  Kreideelementen  älter  sein  muss 


Ziti.,  CucDllaea  Schweinfurthi,  ^siinui  eupracretaceua,  Ttirntella  (Meaalii 
non  Torcula)  Overwegi,  Meaalia  Jovia-AmmoBis  Quaaa  etc» 

1)  Z,  B.  ist  Orofleris  undata  Wann.  (p.  Iü4,  T.  14,  f.  13),  bei  der  leider 
eine  Vergrösteniitg  des  Detaüa  vennisst  wird,  sehr  schwer  von  der 
eocänen  Pachjeeris  Murchiaoni  d*Ärch-  zu  unteracheiden.  VergT.  Über 
diese  letztere  meine  Bemerkangen  und  Figuren  in  Beiträge  zur  Palae- 
ontologie  Oesterr.-Ungams  190L  p.  20T.  T,  13,  f.  l—la. 


P.  Oppenheim:  Fossilien  der  Blättermergel  von  Theben,        455 

als  alles,  was  sonst  selbst  als  Paleocän  bezeichnet  worden  ist. 
Diese  Anschauung  kann  aber,  bei  aller  Anerkennung  des 
modernen  Charakters  dieser  Fauna,  nur  dadurch  ihren  syste- 
matischen Ausdruck  finden,  dass  man  diese  noch  zur  Kreide 
zieht,  und  erst  über  dem  Niveau  der  Blättermergel  mit  der 
libyschen  Stufe  das  Tertiär,  des  Untereocän,  beginnen  lässt. 


Anmerkung.  Herr  Dr.  Quaas,  welcher  mein  Material  inzwischen 
bei  mir  eingesehen  hat,  ermächtigt  mich  zu  der  Erklärung,  dass  er  voll- 
ständig einverstanden  ist  mit  den  von  mir  vorgenommenen  Identifikationen 
mit  den  von  ihm  beschriebenen  Arten  aus  den  cretacischen  Blätter- 
thonen,  und  dass  fiir  ihn  anderseits  die  Verschiedenheit  meiner  Aturia 
praeziezac  von  dem  bei  ihm  abgebildeten  Nautilus  danicus  ganz  un- 
zweifelhaft sichergestellt  ist. 


30* 


456 


Tafelerklärnng. 
T.  yii. 

Fig.  1  —  8.    Atoria  praeziczac  n.  sp.  nach  verschiedenen  Individaen  nnd 

in  verschiedenen  Stellungen.    Fig.  2  a  ein  aufgebrochenes  Exemplar 

von  zwei  Seiten,    p.  436. 
^     4— 4  a.     Cypricardia?  sp.     p.  441. 
^     5.    Cinulia  cretacea  Quaas.  Mündungsansicht  mit  doppeltem  ftusserem 

Mundsaum  und  den  Falten,    p.  446. 
j,     6— 6  a.    Neaera  aegyptiaca  n.  sp.    Fig.  6  a  vergr(y88ert.     p.  441. 
j,     7— 7  a.    Leda  Zitteli  J.  Boehm.    Fig.  7  a  vergrössert.    p.  439. 
y,     8— 8  a.     Porocidaris  prior  n.  sp.    p.  451. 

„     9— 9a.    Limea  Delanoüei  n.  sp.    Fig.  9— 9a  vergrössert.    p.  439. 
„     10— 10  b.    Pattalophyllia  aegyptiaca  Wann.    Fig.  10  Eelchbild  mit 

der  grossen  warzigen  Axe,  den  Pali  und  den  anscheinend  gez&hnten 

Septen    vergrössert.     Fig.  10  b    Rippen    der   Aussen  wand,    die  am 

Grunde  verschmelzen,     p.  449. 
„     11.    Cypricardia?  sp.   zeigt  die  diagonalen  Furchen  der  Analseite. 

p.  441. 
y,     12.     Voluta  (Scaphella)  aegyptiaca  Wann.    p.  445. 
j.     13  — 13  a.     Balanocrinus  africanus  P.  de  Lor.    Fig.  13  a  vergrössert. 

p.  450. 
,     14  — 14a.     Lucina?  sp.     p.  441. 
,      15— 15b.     Oxyrhina  angustidens  Reuss?     p.  451. 
„     16 -16  a.    Pleurotomaria  thebensis  n.  sp.   Fig.  16  a  halb  schematiBch. 

p.  442. 
„     17— 18a.    Palaeopsammia    Zitteli  Wann.  —  Man    achte    auf  den 

trabekulären  Charakter  der  Rippen  auf  Fig.  17.     p.  448. 
„      19 -19  a.     Eulima  Wanneri  n.  sp.     p.  444. 
y,     20— 20a.     Natica  farafrensis  Wann.     Blick  auf  die  Basis  und  den 

Columellarpflock.     p.  443. 
y,     21.     Cerithium  abietiforme  Wann.     p.  444. 
,     22  — 22  a.     Trochus  sp.  äff.  T.  margaritifer  J.  Boehm.     p.  443. 

Die  Ori^nnale  zu  sämtlichen  Figuren  dieser  Tafel,  mit  Ausnahme 
von  Fi^.  10,  deren  Typus  aus  Faiafrah  stammen  soll,  wurden  in  den 
Hlättermergeln  von  Thel»en  gesammelt  und  in  der  paläontologisehen 
JSammlunp^  des  ))ayens('lien  Staates  zu  München  niedergelegt. 


457 


OefiFentliche  Sitzung 

zu  Ehren  Seiner  Majestät  des  Königs  und  Seiner 
Königlichen  Hoheit  des  Prinz-Regenten 

am  15.  November  1902. 


Der  Präsident  der  Akademie,  Herr  K.  A.  v.  Zittel, 
eröflftiet  die  Pestsitzung  mit  einer  Rede:  „Ueber  wissen- 
schaftliche Wahrheit**,  welche  für  sich  in  den  Schriften 
der  Akademie  veröffentlicht  wird. 

Sodann  verkündigten  die  Classensekretäre  die  Wahlen  und 
zwar  der  Sekretär  der  H.  Classe,  Herr  C.  v.  Voit,  die  der 
mathematisch-physikalischen  Classe. 

Es  wurden  von  der  mathematisch -physikalischen  Classe 
gewählt  und  von  Seiner  Königlichen  Hoheit  dem  Prinz- 
Regenten  bestätigt: 

I.  zum  ordentlichen  Mitgliede: 
Das   bisherige    ausserordentliche   Mitglied   Dr.  Johannes 
Ranke,   ordentl.  Professor  für  Anthropologie   und  allgemeine 
Naturgeschichte  an  der  hiesigen  Universität. 

U.  zu  correspondirenden  Mitgliedern: 

1.  Dr.   W.    C.   Brögger,    Professor    der   Mineralogie    und 
Geologie  an  der  Universität  in  Christiania; 

2.  Dr.  Wilhelm   Engelmann,    Professor   der  Physiologie 
an  der  Universität  in  Berlin; 

3.  Dr.    Adolf    Engler,     Professor    der    Botanik    an    der 
Universität  in  Berlin; 

4.  Dr.   J.  Willard   Gibbs,    Professor  der  mathematischen 
Physik  an  der  Yale-Universität  in  New-Haven; 

5.  Jacobus  Hendricus  van  t'Hoff,  Professor  der  Chemie 
an  der  Universität  in  Berlin; 

6.  Karl   Harry   Rosenbusch,    Professor   der  Mineralogie 
und  Geologie  an  der  Universität  in  Heidelberg. 


458 


Sitzung  vom  6.  Dezember  1902. 

1.  Herr  Ad.  v.  Baeyer  spricht:  »Ueber  Triphenyl- 
methan-Derivate/  Die  Veröffentlichung  findet  anderwärts 
statt. 

2.  Herr  Rich.  Heetwig  hält  einen  Vortrag:  «Ueber  Cor- 
relation  von  Kern-  und  Zellgrösse.*  Die  Veröffentlichimg 
findet  ebenfalls  anderwärts  statt. 

3.  Herr  K.  A.  v.  Zettel  legt  eine  für  die  Denkschriftoi 
bestimmte  Abhandlung  des  Herrn  Dr.  Max  Schlosseb,  H.  Con- 
servators  der  geologischen  Sammlung  dahier:  «üeber  die 
fossilen  Säugethiere  China's"  vor,  in  welcher  die  too 
Herrn  Habebek  mitgebrachten,  namentlich  aus  Zähnen  be- 
stehenden Fossilien  bearbeitet  sind. 

4.  Herr  Siegmund  Günther  hält  einen  Vortrag:  »Ueber 
glaciale  Denudationsgebiete  im  mittleren  Eisack- 
thale.* 

5.  Herr  Joe.  Rcckert  spricht:  ,üeber  Entstehung  des 
Blutes  im  Hühnerei.* 


J 


459 


Glaziale  DenndationsgeMde  im  mittleren  Eisackthale. 

Von  Siegrmand  Gflnther. 

(BingOau/en  22.  DeMtmber.) 

Jedermann  weiss,  welch  unermessliche  Arbeit  daran  gesetzt 
worden  ist,  über  die  eiszeitlichen  Residuen  an  der  Nordseite 
der  Alpen  vollkommene  Aufklärung  zu  schafiFen,^)  und  auch 
im  Bereiche  der  lombardisch-venetianischen  Tiefebene,  sowie 
in  den  Westalpen  hat  diese  Untersuchung  beträchtliche  Fort- 
schritte gemacht.  Umso  auffallender  muss  es  erscheinen,  dass 
der  Südabhang  der  Zentralalpen  nach  dieser  Seite  hin  noch 
verhältnismässig  wenig  durchforscht  worden  ist;  abgesehen 
allerdings  von  der  Umgebung  Bozens  und  Merans,  der  sich 
schon  frühzeitig   vielseitige  Teilnahme   zugewendet  hat.*)     Zu 


')  Pen ck -Brückner,  Die  Alpen  im  Eiszeitalter,  Leipzig  1901  ff. 
Dieses  im  grössten  Stile  angelegte  Werk,  welches  jedoch  zur  Zeit  bis 
zu  den  hier  in  betracht  gezogenen  Gegenden  einstweilen  noch  nicht  fort- 
geschritten ist,  wird  unser  gesamtes  Wissen  von  diesen  Dingen  derart 
abgeschlossen  darstellen,  dass  es  für  jede  einschlägige  Forschung  normativ 
wirkt  (Günther,  Pencks  neue  Glazialstudien,  Jahresber.  d.  Geogr. 
Gesellsch.  zu  München  für  1901/02,  S.  41  ff.). 

*)  Dieses  Thal  gehört  sogar  zu  den  in  der  Geschichte  der  Glazial- 
geologie besonders  bemerkenswerten  Oertlichkeiten,  die  zuerst  als  Zeugen 
für  eine  dereinstige  weitere  Ausdehnung  der  alpinen  Gletscher  in  an- 
spnich  genommen  wurden  (Gr edler.  Die  ürgletschermoränen  aus  dem 
Eggenthaie,  Bozen  1868).  Bald  nachher  erschienen  zahlreiche  Beiträge 
zur  weiteren  Klärung  der  hiemit  angeregten  Fragen  (Goetsch,  der  alte 
Etschgletscher,  Zeitschr.  d.  deutschen  u.  österr.  Alpenver.,  1.  Band,  S.  583 ff.; 
Gümbel,  Gletschererscheinungen  aus  der  Eiszeit,  Sitzungsber.  d.  k. 
bayer.  Akad.  d.  Wissensch.,  Math.-Phys.  Kl.,  1872,  S.  223  ff.). 


4^0  Sitzung  *Ur  math.-phyi.  Oa$$€  roa  6.  Deiewhtr  1S02. 

Ahn  am  .stiefriiQtt^rlich.sten  bedachten  Gebieten  gebort  dagegen 
dan  mittlere  Eisackthal.  dessen  Abgrenzung  leicht  so  durch- 
geführt werden  kann,  dass  es  sich  gerade  mit  der  Thal- 
weiturig  von  Brixen  deckt.^)  Obwohl  man  scbon  seit  ge- 
raumer Zeit  sehr  wohl  wusste.  dass  glaziale  Schotterbildungen 
gerade  hier  kräftig  entwickelt  sind,  wurde  docb  noch  kein 
ernster  Ansatz  zu  deren  näherer  Bestimmung  und  Gliederung 
gemacht.  Wenigstens  spricht  sich  in  diesem  Sinne  Blaas 
auHf^j  dessen  Streben  doch  sonst  dahin  geht,  die  gesamte  Lit- 
teratur  über  die  geologischen  Verhältnisse  Tirols  für  seine 
Zwecke  heranzuziehen.  Eine  abschliessende  Erörterung  liegt 
auch  nicht  in  der  Absicht  dieser  Studie,  die  vielmehr  nur  ein 
ziemlich  beschränktes  Territorium  aus  dem  Gesamtbereiche  der 
Brirener  Olazialformation  herausgreifen,  dieses  jedoch  nach  Ter- 
«chiedenen  Seiten  einlässlich  schildern  möchte.  Es  tritt  hier 
nämlich  nicht  nur  das  im  engeren  Sinne  glazialgeologische 
Moment  stark  in  den  Vordergrund,  sondern  es  hat  in  die 
dortigen  Ablagerungen  die  Erosion  zahlreiche  Eingriffe  gemacht, 

M  Die  nördliche  Grenze  des  mittleren  Eisackthalea  föllt  natargemäss 
zuHainnuin  mit  der  tiefen  Klamm,  in  welcher  sich  der  Fluss,  und  zwar 
innorhall)  (lr*r  Mauern  von  Franzensfeste,  seinen  Austritt  aus  dem  engen 
Thal«»  crkilmpft,  innerhalb  dessen  er  vom  Sterzinger  Moos  aus  dahinge- 
Hirömt,  war.  Das  untere  Thal  würde  in  der  Hauptsache  mit  dem  soge- 
naniit<'n  „KunterHweg"  zusammenfallen,  und  man  könnte  als  dessen  Be- 
rnau <lio  Hc.hon  durch  ihren  Namen  gekennzeichnete  Stadt  Klausen  oder 
auch,  mit,  violleictht  noch  mehr  Recht,  die  etwa  eine  Stunde  oberhalb 
von  ihr  j^clegene  „Sternklamm"  ^'elten  lassen,  weil  von  da  ab  der  Thal- 
einHchiiitt  die  Eigenschaft  eines  Engpasses  annimmt,  deren  er  vor  dem 
„Pozener  Hoden  *   nicht  mehr  verlustig  wird. 

'^)  Blaas,  (geologischer  Führer  durch  die  Tiroler  und  Vorarlberger 
Alpen,  \,  Händchen  (Mitteltirol),  Innsbruck  1902,  S.  460flf.  .Bedeutsam. 
aber  noch  wenig  studiert,  sind  die  mächtigen  glazialen  Ablagerungen  in 
der  Tingebung  von  Jtrixen,  besonders  nördlich  der  Stadt,  bei  Neustift, 
Schubs  und  Fnm/.ensfcste.  Die  Sedimente  bestehen  aus  Konglomeraten 
im  liic^'cndjMi  (Neustift),  geschichteten,  stark  gestörten  Schottern  und 
i^andcll  (Neustift.  Scluibs)  und  Moränen  (Franzens feste).  "Wahrscheinlich 
lieircn  l»»'»»'  Stauscliotter  vor,  veranlasst  durch  Absperrung  des  Elisack- 
thab  "e  Gletscher  der  Dolomiten  zu  der  Zeit,   als  jene  aus  den 

Zei  ^en  noch  nicht  eiTcicht  hatten."* 


S.  Günther:  Olcieiäle  Denudationsgehüde,  461 

welche  zur  Herausbildung  höchst  merkwürdiger  Formen  führten. 
Man  darf  es  wohl  aussprechen,  dass  sich  hier  auf  verhält- 
nismässig sehr  kleinem  Räume  Paradigmen  aller  der 
verschiedenen  Denudationsgebilde  zusammenfinden, 
welche  unter  der  Einwirkung  fliessenden  und  meteori- 
schen Wassers  zustande  kommen  können. 

Um  zunächst  die  topographischen  Verhältnisse  zu  erledigen, 
sei  daran  erinnert,  dass  das  Eisackthal  zwischen  Franzensfeste 
und  Brixen  durch  die  beiden  Wasserläufe,  welchen  dasselbe 
angewiesen  ist,  in  drei  untergeordnete,  durch  niedrige  Er- 
hebungen von  einander  geschiedene  Längsthäler  zerlegt  wird. 
In  Fig.  1,  der  die  österreichische  Generalstabskarte  (Blätter 
Klausen  und  Franzensfeste)  zu  gründe  liegt,  sind  das  westliche 
und  das  mittlere  dieser  drei  Parallelthäler  veranschaulicht.  Das 
erstere  wäre  an  und  für  sich  ein  Trockenthal,  wenn  nicht  durch 
Aufstauung  ein  fast  1  km  langer  See  (auf  der  Karte,  aber 
nicht  im  Volksmunde  „Oberer  See*  genannt)  entstanden  wäre, 
der  die  spärlichen  Zuflüsse  von  den  Bergen  herab  in  sich  auf- 
nimmt und,  als  abflusslos,  grossenteils  versumpft  ist.  Ein 
länglich-schmaler  Rücken  von  geringer  Höhe,  der  künftig  kurz 
den  Namen  »Höhe  A*  führen  soll,  trennt  diese  Senkung  vom 
eigentlichen  Eisackthale,  und  dieses  wieder  wird  auf  seiner 
östlichen  Seite  durch  einen  weit  kräftiger  modellierten  Höhen- 
zug —  von  nun  an  „Höhe  B"  —  begleitet,  den  die  offizielle 
Karte  als  „Schabser  Plateau'  kennt.  Zwischen  diesem  und 
den  ziemlich  steil  ansteigenden  Vorbergen  der  Plose  fliesst  in 
tief  eingeschnittenem  Thale  die  von  Osten  kommende  Rienz 
dahin,  die  sich  unmittelbar  bei  Brixen  unter  einem  scharf  aus- 
geprägten spitzen  Winkel  mit  dem  Eisack  vereinigt.  Das  an- 
stehende Gestein  aller  dieser  Hügel  verbirgt  sich  fast  durch- 
gehends  unter  den  diluvialen  Auflagerungen,  und  nur  bei  dem 
Durchbruch  des  Eisacks  zwischen  den  beiden  Höhen  A  und  B, 
an  dessen  unterem  Ende  das  alte  Kloster  Neustift  gelegen  ist, 
kann  man  deutlich  erkennen,  dass  den  Kern  derselben  archae- 
ische  Schiefer  bilden. 

Das  „Schabser  Plateau"  fallt  steil  gegen  die  Eisack-Thal- 


462 


Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  6.  Dezember  1902, 


iiiederung  ab.  Gegen  Nordwesten  ist  eine  ausgesprochene 
Terrassenbildung  wahrnehmbar,  indem  eine  fast  ebene  Fläche, 
auf  welcher  das  Dörfchen  Aicba  liegt,  sich  bis  an  den  Fuss 
des  Berges  von  Spinges  hinzieht.  Die  Generalstabskarte  kennt 
diese  Terrasse  als  „Ochsenbichl"  —  eine  Bezeichnung,  die 
jedenfalls    auch    den    gegenwärtigen   Umwohnern    nicht    mehr 

Fig.  1. 


fEfc^act 


StfciWX^t.  %s^^;a^'L>OL-HSst^m.$st 


recht  geläufig  ist.     Schon  die  oberflächlichste  Begehung*)  der 
Thalleiste  vergewissert  darüber,  dass  man  es  hier  mit  Glazial- 


*)  Verf.  hat  den  Ocbsonbiohl  samt  der  angrenzenden  Thallandschaft 
nii'ht  nur  zu  wiederholten  malen  allein,  sondern  zuletzt  auch  mit  einem 
besonders  gründlichen  Kenner  des  Olazialphanomenes.  Prof.  Ed.  Richter 
lliraz\  durchwandert,  und  es  ergab  sich  hiebei  in  allen  wichtigeren 
Punkten  eine  durchgangige  Uebereinstimmuug  der  Ansichten. 


S.  Günther:  Glaziale  Denudationsgebilde. 


463 


schottern  zu  thun  habe,  wobei  allerdings  zunächst  noch  die 
Frage  eine  offene  bleibt,  ob  jene  vom  Gletscher  selbst  oder 
von  den  sich  ihm  entringenden  Wassermassen  an  ihrem  nun- 
mehrigen Orte  deponiert  worden  seien,  ob  also  an  Moränen 
oder  an  fluvioglaziale  Ablagerungen  zu  denken  sei.  Auch 
eine  relative  Altersbestimmung  einzelner  Teile  wird  erst  dann 
möglich,  wenn  man  die  Gesamtheit  der  den  Höhen  A  und  B 
angehörigen  Schichten  ins  Auge  fasst. 

Nicht  unerheblich  erleichtert  wird  diese  letztere  Aufgabe 
durch  einen  Strassenbau,  welcher  einige  höchst  belehrende  Auf- 
schlüsse in  dem  sonst  allenthalben  durch  eine  reiche  Vegetation 
unübersichtlich  gemachten  Terrain   zuwege  gebracht  hat.     Es 

Fig.  2. 


kam  darauf  an,  den  das  rechtseitige  Ufer  des  Eisacks  bildenden 
Wiesengrund,  in  dem  die  beiden  Weingüter  ,Vorder-Igger** 
und  „Hinter-Igger"  kleine  wirtschaftliche  Zentren  ausmachen, 
durch  einen  fahrbaren  Weg  mit  der  Reichsstrasse  Brixen- 
Vahrn-Franzensfeste  zu  verbinden ;  die  beiden  Punkte,  in  denen 
diese  Strasse  von  dem  neu  angelegten  Wege  getroffen  wird, 
haben  in  Fig.  1  die  Signaturen  A|  und  A^.  Unmittelbar  bei 
A,  ist  deshalb  ein  Durchschnitt  durch  den  oberen  Teil  der 
Höhe  A  hergestellt  worden,  und  hier  zeigt  sich  ganz  ungesucht 
dem  Auge  Folgendes:  Eine  vollkommen  horizontal  ver- 
laufende Linie  scheidet  die  durch  den  Einschluss 
vieler  und  mächtiger  Gesteinstrümmer  charakteri- 
sierten  hangenden   Schichten   von    den   stark   verwit- 


464         Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  6.  Bexember  1902, 

terten  liegenden,  die  nur  sehr  wenig  Schottermaterial, 
und  dieses  in  weit  feiner  verteiltem  Zustande,  ent- 
halten. Fig.  2  sucht  von  dem  hier  angedeuteten  Gegensatze 
eine  ungefähre  Vorstellung  zu  geben.  Die  Blöcke  sind  durchweg 
Granit  und  Gneiss  und  entstammen  ersichtlich  dem  Urgebirge 
des  oberen  Eisack-  und  Wippthaies;  der  sandige  Lehm  der 
Unterlage  ist  aus  Gestein  von  derselben  Beschaffenheit  hervor- 
gegangen, gehört  aber  unzweifelhaft  einer  älteren  Epoche 
an.  Die  erwähnte  Trennungsfläche  lässt  sich,  wenn  man  ein- 
mal an  der  erwähnten,  besonders  dazu  geeigneten  Stelle  ihre 
Eigenart  kennen  gelernt  hat,  auch  noch  anderwärts  leicht 
herausfinden,  so  beispielsweise  im  Pusterthale  zwischen  Mühl- 
bach und  Schabs.  Vor  allem  durchzieht  sie  auch  die  denu- 
dierten  Abhänge  des  Ochsenbiehls,  und  hier  begegnen  wir  auch 
einem  Vorkommnis,  welches  besonders  beachtenswert  erscheint. 
Durch  eine  jener  Erdpyramiden  nämlich,  mit  denen  wir  uns 
gleich  nachher  zu  beschäftigen  haben  werden,  zieht  sich  der 
Trennungshorizont  derart  hindurch,  dass  ihre  Spitze  sich  aus 
lauter  kleinen,  fest  verkitteten  Schottersteinen  zusammensetzt, 
während  der  eigentliche  Körper  der  Säule  aus  gleichmässigem 
Verwitterungsstoffe  von  Massengesteinen  besteht.*)  Es  wird  wahr- 
scheinlich nicht  viele  zusammenhängende  Bezirke  in  Moranen- 
landschaften*)  geben,  welche  die  Trennungsfläche  zwischen 
Ablagerungen  verschiedener  zeitlicher  Entstehungen  so  präzis 
auf  immerhin  weitere  Entfernung  zu  verfolgen  gestatten,  wie 
dies  hier  der  Fall  ist. 

Dass  alle  diese  Ablagerungen  den  glazialen  Typus  an  sich 
tragen,  kann  vonvornherein  nicht  zweifelhaft  sein.  Insbesondere 


*^  Es  ist  vlies  vielleicht  Jer  einzige  bekannte  Fall  heterogener 
Z  u  <  .\  \x\  \\\  en  <  et  zu  n  ff  eines  Enipfeüers.  Man  nimmt  diese  Gebilde  ge- 
wöhnlich a's  av.s  viner  ininz  irleichfc-riiiiiTon  Zersetzunirsmasse  gebildet  an. 
.^eno  r>:iT:.ivrv.r.^.  oi^-  .-HordiT^trs  via  v.r..i  -.-v-^rt  beobachtet  wird,  ist  mit  der 
hier  in  betr.»/:.:  k  n.ir.enien  Zv.iTeh.'nirkrit  zu  zwei  ganz  verschiedenen 
Svhi.htfoliTei;  keirir-wrcs  :viv::::sch. 

•  Diesrf  W .rt  s:-''^rA'i  her.  wir  :•.:  -.ir:/.  erweiterten  Sinne,  den  ihm 
A.  V.  Roehm   Grs-  hichte  der  M  r.ir.enk-.mie.  Wien  U\>2.  S.  1'24»  unterlesft. 


S.  Günther:  Glausiäle  Dentidationsgebüde.  465 

weisen  einzelne  der  von  der  oberen  Schicht  umschlossenen  Blöcke 
prächtige  Schliffe  auf.  Weit  schwieriger  ist  es  selbstverständ- 
lich, die  beiden  Depositen  mit  solchen  zu  identifizieren,  welche 
man  in  anderen,  weit  entfernten  Gegenden  genau  gegliedert 
und  zur  Grundlage  einer  zunächst  eben  doch  dem  örtlichen  Auf- 
treten angepassten  Nomenklatur  gemacht  hat.  Dafür,  dass  eine 
Gliederung  auch  für  die  südlich  vom  Brenner  auftretenden 
Glazialgebilde  möglich  ist,  hat  vor  längerer  Zeit  bereits  Penck^) 
den  Nachweis  erbracht,  indem  er  wenigstens  für  die  Seiten- 
moräne des  grossen  Gletschers,  der  damals  von  der  anders  ge- 
legenen Wasserscheide*)  des  Uralpenzuges  sich  herabsenkte, 
feststellte,  dass  sie  dem  letzten  Eiszeitstadium  angehört  haben 
müsse.  Die  genauen  chronologischen  Parallelen  zwischen  den 
an  den  Höhen  A  und  B  wahrnehmbaren  Formationen  und 
denen,  die  den  Nordrand  der  Alpen  einsäumen,  wird  man  heute 
noch  nicht  ziehen  können;  verbürgt  ist  anscheinend  nur  das, 
dass  die  beiden  Ablagerungen,  die  der  mehrerwähnte 
Trennungshorizont  zu  unterscheiden  gestattet,  zwei 
verschiedenen  Uebereisungsperioden  zuzurechnen  sind. 
Die  obere  Schichtenreihe  dürfte  mutmasslich  als  fluvioglazial 
anzusprechen  sein,  weil  eben  in  ihr  vielfach  eine  so  regelrechte 
Schichtung  der  derberen  Einschlüsse  zu  tage  tritt,  wie  sie  nur 
von  fliessendem  Wasser  bewirkt  zu  werden  pflegt.  Die  glaziale 
Schrammung  und  Schleifung  der  Gesteinstrümmer  mag  über 
dieselben  zu  einer  Zeit  ergangen  sein,  als  sie  sich  noch  in 
ihrer  ursprünglichen  Verbindung  mit  dem  anstehenden  Fels 
befanden.  Alles  in  allem  weisen  die  äusseren  Kennzeichen 
auf  den  Niederterrassenschotter*)  des  bayerischen  Alpen- 


0  Penck,  Der  Brenner,  Zeitschr.  d.  deutschen  u.  österr.  Alpenver., 
18.  Band,  S.  11. 

2)  Was  Penck  nach  dem  damaligen  Befunde  nur  ahnen  konnte, 
hat  F.  Kerner  v.  Marilaun  (Die  Verschiebungen  der  Wasserscheiden 
im  Wippthale  während  der  Eiszeit,  Sitzungsber.  d.  k.  k.  Akademie  d. 
Wissensch.  zu  Wien,  Math.-Naturw.  Kl.,  1.  Dezember  1891)  mit  neuen 
Argumenten  erhärtet. 

8)  Nach  der  neuerdings  von  Penck  gewählten  und  in  dem  jüngsten 


466         Sitzung  der  mathrphys,  Classe  vom  6.  Dezember  1902, 

Vorlandes  hin,  der,  rein  morphographisch  betrachtet,  eine  ganz 
analoge  BeschaflFenheit  besitzt. 

Was  dieser  Nebeneinanderstellung  noch  eine  gewisse  Stütze 
verleiht,  ist  die  Thatsache,  dass  an  einzelnen  Stellen  dieser 
Terrassenschotter  sich  in  höchst  eigenartiger  Weise  mit  einer 
ganz  unregelmässig  gelagerten  Schicht  durchdringt,  die  unse- 
rem Deckenschotter  zum  mindesten  ausserordentlich  ähnlich 
ist.  Da  und  dort  begegnet  man  Konglomeraten,  die  von  der 
nordalpinen  Nagelfluh  kaum  zu  trennen  sind;  ein  Irrblock 
dieser  Art  liegt  z.  B.  hart  an  dem  Wege,  der  von  der  Brixener 
Vorstadt  Stufls  nach  Neustift  führt.  Ganz  besonders  bezeich- 
nend sind  ferner  die  Zustände  am  nördlichen  Ende  der  Ochsen- 
bichl-Terrasse.  Wie  aus  Fig.  1  zu  ersehen,  schmiegt  sich  diese 
letztere  ganz  und  gar  dem  gewundenen  Laufe  des  Flusses  an, 
so  dass  zwischen  ihr  und  dem  Eisack  nur  ein  ganz  schmaler 
Ufersaum  übrig  blieb.  Da,  wo  dieser  sich  südlich  etwas  er- 
weitert, liegen  die  beiden  Einöden  „Ober-"  und  „Unter-Pauck- 
ner**,  und  von  hier  an,  von  C  bis  D,  besitzt  die  glaziale  Flanke 
der  Höhe  B  (s.  o.)  den  uns  bekannten  Charakter.  Dieser  ver- 
liert sich  von  D  an  nach  und  nach,  und  gegen  E  hin  machen 
sich  mehr  und  mehr  grobe,  durch  ein  lössartiges  Bindemittel 
zementierte  Blöcke  geltend,  die  eben  unwillkürlich  den  Eindruck 
des  Decken  Schotters  hervorrufen.  Indessen  wäre  es  gewagt,  be- 
stimmt von  einem  solchen  zu  sprechen,  solange  nicht  auch 
anderswo  das  Vorkommen  solcher  Gebilde,  und  zwar  unter 
dem  vermeintlichen  Niederterrassenschotter,^)  zuverlässig  er- 
mittelt ist. 


Werke  konsequent   zur  Anwendung   gebrachten  Bezeichnungsweise   läge 
das  System  W  (Wurm)  vor. 

*)  Trotzdem  von  hause  aus  der  Deckenschotter  unter  der  Hoch- 
ternisse  liegt,  die  ihrerseits  wieder  die  Niederterrasse  unterteuft,  bringt 
es  doch  die  Fhisserosion  mit  sich,  dass  man  in  der  Nähe  des  vom  Flusse 
gebihloten  Kinschnittes  den  Deckenschotter  in  höheren  Horizonten  als 
die  später  abgesetzton  Schotter  antrifft  (Penck-Rrückner-Du  Pasquier, 
Le  jiystonie  gh\ciaire  des  Alpes.  Neuchatol  1894).  Wie  eigentümlich  hie 
und  da  eine  Grundmoräne  siih  in  die  Nietlerterrasse  hineinzuschieben 
vermaii.    beweist    di»^  Rändorung   der    Innleite   bei  Wasserburg   in  Ober- 


S,  Günther:  Glaziale  Denudatiansgebilde.  467 

Dieser  letztere  ruht  also ,  wie  wir  sahen ,  der  Regel 
nach  auf  einer  mutmasslich  ziemlich  mächtigen  Schicht,  die 
gar  nichts  mit  Nagelfluh  zu  thun  hat.  Man  möchte  wohl  ge- 
neigt sein,  in  ihr  eine  echte  Moräne  und  zwar,  angesichts 
der  feinen  Aufbereitung  ihres  Materiales,  eine  Grundmoräne 
zu  erblicken.  Andererseits  will  auch  jene  Anschauung,  auf 
welche  Blaas  (s.  o.)  anspielt,  beachtet  sein.  An  und  für  sich 
hindert  nichts,  sich  den  Sachverhalt  in  der  Weise  zurechtzu- 
legen, dass  von  Osten  her  ein  gewaltiger  Gletscher  den  Aus- 
gang des  Eisackthales  versperrt  und  die  nach  Süden  abfliessen- 
den  Gewässer  aufgestaut  habe;  wenn  dann  der  Eisackgletscher 
in  den  so  entstandenen  See  hineinrückte,  konnten  seine  Mo- 
ränen sehr  wohl  jene  Konfiguration  annehmen,  welche  die 
untere  Schicht  erwähntermassen  auszeichnet.  Auf  ein  Zu- 
sammenwirken flüssigen  und  gefrorenen  Wassers  wird 
man  somit  bei  der  Erklärung  der  Glazialdepositen  nördlich  von 
Brixen  unter  allen  Umständen  Bedacht  nehmen  müssen,  indem 
nur  bei  den  oben  aufliegenden  Schottermassen  der  fluvio- 
glaziale,  bei  den  fast  homogenen  Straten  der  tieferen  Horizonte 
mehr  der  im  engeren  Sinne  glaziale  Ursprung  zu  betonen  wäre. 
Als  ein  weiterer  Faktor  könnte  auch  noch  die  Gestalt  der 
Höhe  A  eine  gewisse  Rolle  spielen,  welche  unverkennbar  die 
eines  Drumlins  ist.  „Die  Drumlins  sind*,  so  lesen  wir  in 
der  massgebenden  Darstellung,^)  „gestreckt  und  schwarmförmig 
in  der  Richtung  der  Eisbewegung  angeordnet;  in  der  Mittel- 
linie der  alten  Gletscherzunge  stehen  sie  daher  senkrecht  zur 
Richtung   der   Endmoränen,    an  den  Flanken    laufen  sie  unter 


bayem,  auf  welche  von  Penck  (Penck-Brückner,  S.  131  ff.)  als  auf 
eine  seltenere  Modalität  der  Verknüpfung  von  Schotter  und  Moränen, 
die  zumeist  eine  , Verzahnung*  oder  .Verkeilung"  zu  sein  pflegt,  hinge- 
wiesen worden  ist. 

^)  Penck-Brückner,  a.  a.  0.,  S.  16.  Als  Ort  der  Drumlins,  wie 
der  verschiedenen  Gattungen  glazialer  Absätze  werden  hier  die  „Zungen- 
becken" definiert,  ringsum  geschlossene,  tiefe  Wannen,  häufig  von  Seen 
erfiillt.  Die  Merkmale  eines  solchen  Beckens  treffen  teilweise  für  die 
hier  behandelte  Thalung  zu,  welcher  der  Fluss  freilich  eine  Oeffnung 
nach  abwärts  verschaffte. 


468         Sitzung  der  math.-phys,  Classe  vom  6.  Dezember  1902, 

spitzem  Winkel  auf  letztere  zu**.  Dass  ein  normaler  Endmo- 
riinenwall  heutzutage  nicht  mehr  existiert,  kann  mit  Rücksicht 
auf  die  zerstörenden  Wirkungen,  welche  die  verbundenen  Flüsse 
Eisack  und  Rienz  bei  ihren  häufigen  Ueberschwemmungen  aus- 
geübt haben,  nicht  befremden;  im  übrigen  dagegen  ordnet 
sich  die  Höhe  A  völlig  der  Penck'schen  Begriffsbestimmung 
unter.  Die  verlängerte  Achse  der  einer  langgestreckten  Ellipse 
im  Horizontalprofile  vergleichbaren  Erhebung  mochte  einstens 
gerade  mit  der  Mittellinie  der  Stirnmoränen  zusammenfallen.^) 
Soviel  über  die  hypothetische  Entstehung  der  Schotter- 
massen, welche  den  Abhang  des  Ochsenbichls  bilden.  Wir  gehen 
jetzt  zu  den  merkwürdigen  Oberflächen  formen  über,  welche 
diesem  abgelegenen  und  —  wie  es  wenigstens  den  Anschein 
hat  —  noch  nirgendwo  beschriebenen  Erden winkel  *)  auch 
unter  dem  landschaftlichen  Gesichtspunkte  ein  ganz  eigenarti- 
ges, pittoreskes  Gepräge  verleihen.  Auf  der  Strecke  C  D  (Fig.  1), 
deren  Richtung  eine  angenähert  meridionale  ist,  hat  sich  eine 
fonnenreiche  Kolonie  von  Erdpyramiden  angesiedelt;  die 
Steilwand  D  E  hingegen,  welche  unter  stumpfem  Winkel  von 
C  D  abgeht,  zeigt  sich  durchsetzt  von  gigantischen  geologi- 
schen Orgeln.  Es  ist  bekannt  genug,  dass  diese  beiden 
Gruppen  von  Naturerscheinungen  auf  Erosion  und  Denudation 

^)  Auch  die  Besohreilninsr,  welche  Nansen  (Auf  Schneeschuhen 
durch  GrC^nhinvi.  J.  Haiui.  Hamburg:  1S97.  S.  451  ff.)  von  den  Dromlins 
ilibt.  p.^;*$t  sich  volUtändig  unserem  Falle  an.  Sie  überdecken  die  Grund- 
nu^ränon.  und  da  er\vähnterma>son  die  clazialen  Unterschichten  der  Höhe 
A  von  uns  mit  oinor  orundmoräno  identitiziert  worden  sind,  so  würde 
auch  dieses  Kenuieichen  /.utretifen. 

-  Unmitiell>ar  fuhrt  keine  Chäv.!<*<re  dorthin,  und  eine  genauere 
IWkai  iiti^chai'^  mit  der  Oertlichkeit  l:i<st  siih  ledisrlioh  durch  eine  etwa« 
..:  stTtriTc:  >:  Wai:,:t ru:  c  trrti-.ht:..  Fir.rii  Ue'erllick  gewährt  freilich 
S.V.::  c:r.  T..:  k:,  .;-  v  r  vi- r  Kt  i:V.><:r.;s<r  l>r:xer.-ru*terthal  nur  wenige 
^.^  r::::^  ^:.:f  ::;:  :<:.  l:.  .^Ver  t":::  r:r  vltr  Ei::i:eweihte  sofort  nndet. 
•>'.;.,  ..V. :.'.  'x.i"v.  :...%:.  ..  /r.  '..:::  rV-soi-l ;/.::.  w.»^--  au>.  >-aId  nachdem  man 
-iuf  ,1::  :\:>:;r:ValVA>-  i-  M:l::..r2.ü:t>:^llv  Fräiizviisfeste  Terlassen  hat, 
.i;:>  ;::;:  :':::f: ::  ;:vx   %    :    .  ^i:     .;:t^  k.;!:::^::  y.r:::^::  irutlkb  genug  bevb- 


S.  Günther:  Glaziale  Denudatiansgehüde. 


469 


zurückzuführen  sind;  sehr  belehrend  sind  aber  im  vorliegenden 
Falle  die  lokalen  Verhältnisse,  welche  mehr  als  sonst  eine 
tiefere  Einsicht  in  den  Hergang  zu  gewinnen  erlauben.  Fürs 
erste  soll  den  Erdpfeilern,  deren  Beschränkung  auf  einen  völlig 
abgeschlossenen  Raum*)  jedermann  auffallen  muss,  eine  ein- 
gehendere Betrachtung  zu  teil  werden. 

Obwohl  es  Erdpyraraiden  und  Bodenprotuberanzen,  deren 
Herauspräparierung  aus  einer  zuvor  ziemlich  gleichmässig  ver- 


*)  Auch  gegenüber  von  CD  (Fig.  1),  bei  F,  scheint  beim  ersten  Be- 
schauen eine  Erdpyramide  sich  abgelöst  zu  haben ;  sieht  man  aber  näher 
zu,  80  überzeugt  man  sich,  dass  das  losgetrennte  Erdstück  nicht  durch 
eine  von  oben  nach  unten,  sondern  durch  eine  von  unten  nach  oben 
wirkende  Kraftwirkung  des  Zusammenhanges  mit  dem  Hauptkörper  be- 
raubt worden  ist.  Die  Bewaldung  des  Abhanges  ist  der  Ermittlung  des 
Sachverhaltes  wenig  günstig,  allein  die  uns  bekannte,  auch  an  dieser 
Stelle  hervortretende  Trennungslinie  hilft  aus  der  Verlegenheit.  Von  A 
bis  B  (Fig.  8  a)  klafiFt  eine  halbkreisförmige  Unterbrechung  in  dem  fast 
lotrecht  abstürzenden  Schotterwalle,  und  gerade  vor  ihr  erhebt  sich  aus 
Bäumen  der  vorbezeichnete  Obelisk  C,  der  sich,  als  die  Unterwaschung 
durch  die  Eisackfluten  ihn  abtrennte,  zugleich  nach  Süden  drehte,  so 
dass  nunmehr  der  fragliche  Horizont  den  Verlauf  MNPQRS  erkennen 
lässt,  indem  das  Stück  PQ  flussaufwärts  ansteigt.  Der  Bildungsakt  ist 
völlig  derselbe  wie  bei  den  südrussischen  Obruiven  (Küstenabrutschungen), 
mit  denen  uns  Kohl  (Reisen  in  Südrussland,  2.  Band,  Dresden  1841, 
S.  63  ff.)  bekannt  gemacht  hat.  Das  strömende  Wasser  grub  sich,  gerade 
so  wie  es  am  Steilrande  der  pon tischen  Steppe  die  Wellen  des  Schwarzen 
Meeres  thun,  in  die  Basis  des  Abhanges  ein  und  lockerte  dessen  Kon- 
Histenz  so  lange,  bis  eine  Höhle  entstanden  war;  deren  Decke  brach  ein, 


1902.   Siiziingsb.  d.  math.-phys.  CK 


31 


470 


Sitzung  der  mcUh.-phys.  Glosse  vom  6,  Dezember  1902. 


teilten  Masse  leicht  angreifbaren  und  zerstörbaren  Stoffes  sich  in 
einer  wesentlich  ähnlichen  Weise  erklären  lässt,^)  allenthalben 


und  das  darüber  stehende  Erdprisma  sackte  nach,  so  dass  jene  zirkosartige 
Ausbuchtung  entstand  (Fig.  3  b).  Es  liegt  folglich  ebenfalU  ein  erofiiver 
Vorgang  in  mitte,  aber  derselbe  ist,  wie  bemerkt,  gnindyerscbieden  tob 
demjenigen,  dem  die  Ausgestaltung  des  gegenüberliegenden  Abhanges 
der  Höhe  B  auf  Rechnung  zu  setzen  ist. 

^)  Es  ist  nicht  ohne  Interesse,  alle  die  türm  artigen  Ober- 
flächengebilde zusammenfassend  zu  behandeln,  von  denen  in  der 
physischen  Erdkunde  gesprochen  wird.  Abgesehen  von  den  dnrcfa  di- 
rekten Aufbau  entstandenen  Stalagmiten,  von  den  denndatorisch 
bloagelegten,  aber  doch  längst  zuvor  vorhanden  gewesenen  Batholithen 
und  unwesentlichen  anderen  Gelegenheitsbildungen  kann  man  stets  das 
gleiche  Grundprinzip  konstatieren:  Die  Erosion  greift  modellierend 
in   eine   vorher  ziemlich  einförmige,  tiefer  gehender  Diffe- 

Fig.  3  b. 


S.  Günther:  Glaziale  Denudatiansgehüde,  471 

auf  der  Erde  gibt,   so  kann  man  trotzdem  den  Satz  aufstellen: 
Tirol  ist  das  klassische  Land  der  Erdpyramiden.    Die 


rentierung  entbehrende  Masse  ein.  Dieselbe  kann  aus  festem 
Gestein,  aus  lockeren  Stoffen  oder  aus  Eis  bestehen  —  was  aus  ihr  unter 
dem  stetig  wirkenden  Einflüsse  auch  ganz  schwacher  Kräfte  'wird,  er- 
mangelt nicht  gewisser  gemeinsamer  Familienzüge,  die  sich  beim  Be- 
schauen der  entsprechenden  Landschaftsbilder  ungezwungen  dem  Auge 
einprägen.  Bilderwerke,  in  denen  die  wichtigsten  Oberflächenformen 
anschaulich  zusammengestellt  sind,  können  nach  dieser  Seite  hin  der 
Forschung  wirklichen  Vorschub  leisten;  dahin  gehört  vorzugsweise  das 
monumentale  Werk  von  Robin  (La  terre;  ses  aspects,  sa  structure,  son 
Evolution,  Paris  1902).  Nur  in  gedrängter  Kürze  seien  die  wichtigsten 
Modalitäten  hier  aufgeführt.  In  die  erste  Gruppe  gehören  säulenartige 
Felsbildungen  des  Canons  von  Colorado;  die  »Aiguilles*  des  Montblanc- 
gebietes, welche  dessen  Südseite,  gegen  Courmajeur,  als  in  ein  schon  von 
Saussure  bewundertes  Meer  spitz  ansteigender  Protoginpjramiden  auf- 
gelöst erscheinen  lassen  (Petersen,  Erinnerungen  an  den  Col  du  Geant, 
Z.  d.  d.  u.  Ost.  Alpenver.,  17.  Band,  S.  357);  die  kretazischen  Felszerklüf- 
tungen des  Mittelgebirges  (Labyrinthe  von  Adersbach  und  Weckelsdorf, 
Sächsische  Schweiz,  Wittower  Klint  auf  Rügen  mit  geradezu  überraschen- 
den Anklängen  an  die  Erdpyramiden,  „Rochers  de  Valliere''  im  Departe- 
ment Charente  Införieure);  dolomitische  Nadelbildungen  (Südtirol,  Frän- 
kische Schweiz,  Umgebung  von  Montpellier,  „Nadel'  im  krainischen 
Sannthale);  die  durch  Deflation  erzeugten  Restberge  („Zeugen*  in  den 
afrikanischen  und  asiatischen  Wüsten,  „Mesas*^  im  südlichen  Nordamerika, 
.Teufelstisch*  bei  St.  Mihiel  an  der  Maas,  „Monument-Park  in  Colorado); 
Brandungsresiduen  am  Meeresgestade  („Needle-Rock*  in  New- Jersey, 
„Demoiselle  deFontenailles*  im  Departement  Calvados, ,  Aiguilled'fitretat* 
im  Departement  Seine  Inf^rieure,  „Mönch"  auf  Helgoland).  Die  zweite 
Formenklasse  bietet  uns  im  folgenden  Stoff  zu  besonderer  Erörterung. 
Was  endlich  die  dritte  anlangt,  so  ziehen  zwei  Erscheinungen  unsere 
Aufmerksamkeit  auf  sich,  die  der  Seracs  und  des  Büsserschnees, 
über  deren  gegenseitige  Beziehungen  noch  keine  volle  Klarheit  geschaffen 
ist.  Wenn  man  mit  Sieger  (Die  Karstformen  der  Gletscher,  Geogr. 
Zeitschr.,  1.  Band,  S.  182  ff.)  die  Mannigfaltigkeit  der  Gebilde,  welche 
durch  Insolation,  Ablation  und  Zusammensturz  an  der  Oberfläche  eines 
Gletschers  hervorgebracht  werden  können,  mit  derjenigen  verkarsteter 
Kalkgebirge  vergleicht,  wird  man  sich  dem  Gefühle  nicht  zu  entziehen 
vermögen,  dass  das  einigende  Band,  welches  sogar  Eis  und  Stein  verknüpft, 
auch  im  Bereiche  des  festen  Wassers  allein  diese  seine  Kraft  bethätigen 
werde.  Hau th als  Entdeckung  (Gletscherbildung  aus  der  argentinischen 
Cordillere,  Globus,  67.  Band,  S.  37  ff.),  dass  Säulen  aus  „Nieve  penitente* 

31* 


472  Sitzung  der  m<Uh,'phy8,  Classe  vom  6.  Dezember  1902. 

erste  Erwähnung  derselben  im  wissenschaftlichen  Schrifttum^) 
datiert  von  einem  Tiroler,  dem  Innsbrucker  Mathematiker 
F.  Zallinger,  der  auf  sie  anlässlich  der  Besprechung  der 
Muhrbrüche    hingewiesen  hat.*)     Es  dauerte  längere  Zeit,   bis 

sich  auch  mit  wirklichen  Gletschern  zusammenfinden,  spricht  freilich 
einigermassen  gegen  die  von  Brackebusch  (Die  Penitentesfelder  der 
argentinischen  Kordilleren,  Globus,  63.  Band,  S.  1  ff.)  vertretene  Anschau- 
ung, der  zufolge  diese  Eispilaster  als  ein  unmittelbares  Seitenstäck  zu 
den  Erdpyramiden  zu  gelten  hätten. 

*)  Unser  ganzes  Wissen  von  der  Sache,  wie  es  vor  einigen  Jahren 
beschaffen  war,  kennzeichnet  sehr  übersichtlich  eine  Schrift  von  C.  Kittler 
(lieber  die  geographische  Verbreitung  und  Natur  der  Erdpyramiden, 
München  1897;  M.  Geogr.  Studien,  herausgeg.  von  S.  Günther,  3.  Stück). 
Einige  Ergänzungen  zu  den  hierin  niedergelegten  Angaben  über  das 
Vorkommen  dieser  „Lehmtürme*,  wie  man  in  Tirol  sagt,  werden  weiter 
unten  gegeben  werden. 

^)  F.  S.  Zallinger  zum  Thurn,  Von  den  üeberschwemmnngen 
in  Tirol.  Innsbruck  1779,  S.  63  ff.  Wenn  wir  die  betreffende  Stelle  wört- 
lich wiedergeben,  erreichen  wir  zugleich,  dass  Zallinger  als  der  eigent- 
liche Begründer  der  Ly  elTschen  Theorie,  von  der  nachher  die  Rede  sein 
winl.  hervortritt.  „Was  das  Regen wasser  in  einem  lockeren  Boden  ver- 
mag, zeigen  auch  jene  Säulen  und  Pyramiden,  die  ich  nicht  weit  von 
Untorinn  und  Lengmoos  niemals  ohne  Vergnügen  ansah.  Sie  stehen  fast 
senkrecht :  bei  einigen  gehen  aus  dem  nämlichen  Stamme  zwei  oder  drei 
hervor:  die  meisten  ziehen  sich  oben  in  eine  Spitze  zosammen  und,  was 
rocht  wuiulorlich  scheint,  ist  die  Spitze  bei  allen  mit  einem  grossen 
Steine  bedeckt.  Als  ich.  die  Sache  genauer  zu  beobachten,  hinzntet, 
fand  ich  augenscheinlich,  dass  die  Pyramiden  nur  von  dem  Regen  ent- 
stehen können:  denn  dieser  spült  nach  und  nach  die  lockere  rote  Erde 
an  der  Seite  herum  so  ab.  dass  nur  jene  Stücke  noch  übrig  blieben,  die 
wider  den  Regen  noch  von  jenen  Steinen  sind  geschützt  worden,  so  man 
itzt  auf  jenen  Spitzen  beobachtet.*  Was  Lyell  rar  Erklärung  bei- 
bringt, ist  nur  eine  Umschreibung  des  hier  kurz  und  bündig  skinierten 
iinin.iceilankens:  Zallinger  möchte  die  Priorität  des  Hinweises  auf 
s.lvh  ur.gowrhr.liohe  BcHienfonnen  einem  Buche  von  Mitterpacher 
KurrgetVis^to  Naturgeschichte  der  Erdkugel,  Wien  1774.  S.  43  ff.)  zner- 
tv:':  V..  i'-. :  r..jhe!tr.:  Zusehen  luuss  luan  es  jedoch  mindestens  als  sehr 
:wv.:V".haf:  tT.i/r.tor..  ob  jer.e  S:iulen.  die  Houguer  in  den  Cordilleren, 
P: :.:  y :  :  :;\::  :r.  Nv  rvroger..  Gnielin  in  Sibirien  gesehen  in  haben 
ctr.iTf'tr..  w::k*:.ho  Krtii'yrar.-.i.ivv.  u:..';  :-i.r.:  vielmehr  Denudationsfiguren 


8,  Günther:  Glaziale  Denudationsgebüde.  473 

zu  den  stets  in  erster  Linie  genannten  Erdpfeilem  am  Bozener 
Ritten,  deren  die  älteren  Schriften  ausschliesslich  gedenken,^) 
auch  andere  Gebilde  von  verwandtem  Charakter  hinzukamen. 
Nur  eine  einzige  Ervirähnung,  und  zwar  aus  dem  Gebiete  der 
Westalpen,  ist  fast  gleichaltrig,  steht  jedoch  ganz  isoliert  da.*) 
Jedenfalls  wird  man,  sobald  von  Erdpyramiden  die  Rede  ist, 
sofort  an  Tirol  denken,  und  diesem  Lande  werden  am  zweck- 
mässigsten  etwaige  Typen  zu  entnehmen  sein,'  nach  denen  sich 
eine  Klassifikation  derartiger  Bodenformen  bewerkstelligen  lässt. 
Eine  solche  anzuregen,  wäre  schon  längst  am  Platze  gewesen, 
um,  wenn  es  sich  um  die  Schilderung  irgend  eines  konkreten 
Vorkommens  handelt,  sich  in  der  oft  abenteuerlichen  Formen- 
fülle leichter  zurechtzufinden.  Der  nachstehende  Vorschlag  will 
nur  als  ein  solches  Hilfsmittel  bequemer  Orientierung  betrachtet 
werden;  er  sieht  von  allen  eigentlich  morphologischenEr- 
wägungen  ab  und  hält  sich  ausschliesslich  an  äusserlich  in  die 
Augen  fallende,  rein  morphographische  Momente.  Als  Süd- 
tiroler Typus  bezeichnen  wir  den  von  einem  Felsblock,  einem 
Rasenstücke  oder  einem  Baume  gekrönten  Obelisk ;  ^)  das  Wort 
Nordtiroler  Typus  ist  von  den  besonders  schönen,  jedem 
Brennerfahrer   wohlbekannten    Spitzsäulen    bei   Patsch    herge- 


*)  Die  gesamte  hierher  gehörige  Litteratur  berücksichtigen  ausser 
Kittler  auch  noch  nach  Möglichkeit  Penck  (Die  Morphologie  der  Erd- 
oberfläche, 1.  Band,  Stuttgart  1894,  S.  234  ff.)  und  der  Verf.  (Handbuch 
der  Geophysik,  2.  Band,  Stuttgart  1899,  S.  885  ff.).  Einige  Nachträge  hin- 
wiederum sind  in  gegenwärtiger  Abhandlung  enthalten. 

^)  Saussure,  Voyages  dans  les  Alpes,  8.  Band,  Neuchatel  1796, 
S.  11  ff.;  er  spricht  da  von  den  »monticules  de  formes  souvent  coniques* 
im  Kanton  Wallis. 

3)  Trotz  dieser  gemeinschaftlichen  Eigenschaft  können  selbst  inner- 
halb eines  und  desselben  Formenbereiches  noch  die  schärfsten  Gegensätze 
platzgreifen;  man  vergleiche  beispielsweise  die  eleganten,  himmelan- 
strebendcn  Obelisken  vom  Ritten  mit  den  täuschend  einem  grossen  Pilze 
gleichenden  Zwergformen  des  Jenesien-Berges  bei  Bozen,  die  ihrerseits 
wieder  in  allen  Stücken  erinnern  an  die  von  F.  Simony  (Das  Dachstein- 
gebiet, 1.  Band,  Wien  1889,  S.  107;  Tafel  XCII)  beschriebenen  .Hutpilze* 
aus  Breccienmaterial. 


474         Sitzung  der  matK-phys,  Glosse  vom  6,  Dezember  1902, 

nommen;  der  Osttiroler  Typus  endlich  soll  gewisse  scharf- 
schneidig  auslaufende,  aber  auf  langgestreckter  Basis  sich  er- 
hebende Denudationsreste  in  sich  begreifen.^)  Wenn  wir  uns 
dieser  Sammelnamen  bedienen,  so  können  wir  mit  Bezug  auf 
die  Erdsäulenkolonie  des  mittleren  Eisackthales  als  deren 
hervorstechendste  Eigenschaft  die  hinstellen,  dass  in  ihr  alle 
drei  Typen,  wenn  auch  durchaus  nicht  gleichmässig, 
vertreten  sind. 

Auf  die  Entfernung  eines  starken  Kilometers  ist  der  ganze 
Steilhang  C  D  (Fig.  1)  des  Schabser  Plateaus  (Höhe  B)  zer- 
fasert in  ein  Aggregat  von  Erdsäulen,  die  im  denkbarst  ab- 
wechsclungsreichen  Bilde  aus  ziemlich  dichtem  Walde  empor- 
ragen.*) Abgesehen  von  kleineren,  da  und  dort  eingestreuten 
Exemplaren  sind  es  wesentlich  drei  in  sich  geschlossene 
Familien,  die  den  Beschauer  fesseln.  In  dem  Pbotogramme 
(Fig.  4)  ist  das  ganze  Gebiet,  dessen  Schilderung  hier  gegeben 
wird,  zur  Anschauung  gebracht  worden.  Die  drei  zusanunen- 
pehörigen  Gruppen  lassen  sich  darin,  wenn  man  von  rechts 
gegen  links  fortschreitet,  unschwer  erkennen.  Die  Photographien 
wurden  dem  Verf.  in  allen  Fällen  von  seinen  Söhnen  geliefert 
Bei  den  beiden  ersten  —  von  Süden  aus  gezählt  G  und  H  in 
Fig.   1    —    ist   der   Auflösungsprozess    bereits    weiter    fortge- 

M  Riibl.  Die  Eiiipyramiden  von  Goednacb-Goertschach,  Der  (toter- 
roiohisoho  Tourist.  1S84.  S.  149  fF.  Diese  sonderbaren  Gebilde  sind  nicht 
aiiü  diluvialei«  Schotter,  sondern  aus  tertiären  Eonglomeraten  henuuge- 
iirbeitot.  was  wohl  zum  teile  die  Verschiedenheit  der  Sachlage  begreiflich 
niaoht.  Wahrscheinlich  ist  aber  gleichwohl  die  Abweichung  nnr  eine 
scheinbare,  indem  nfimlich  bei  stetigem  Fortschreiten  der  £ron<msaibeit 
die  Eni  Pyramiden  vom  Osttiroler  Typus  in  solche  der  beiden  mndercn 
Typen  zerlegt  werden  wünien. 

'^^  Die  Basistlache  der  Pyramiden  ist  so  zerrissen  und  das  Unterholz 
so  dioht,  dass  sioh  Versuche,  die  Höhe  der  einzelnen  Objekte,  vielleicht 
r.\.;h  dem  für  H.'iir.r.e  von  Stützer  Die  grössten.  ältesten  oder  sonst 
:i.crkw:;raigO!^.  Biiv.ir.e  Bayorns  in  Wort  und  Bild.  München  1900,  S.  16  ff.^ 
crrrobter.  pV.  ^togr:»::: in rtrisolun  Verfahren,  bestimmen  zu  wollen.  Ton 
srlVs:  vt  rViotor..  Dor  SvV..*!.',:r.g  .ufolge  darf  r/.an  jedoch  einzelne  dieser 
S.iu'.ey.  ier.  '::::hs:er.  bisher  in  Eur.^ra  Vekar.r.trn  znre«?hnen:  die  eigent- 
lich;:: Kie>;::  ':ehrrltr*::  N:r.:.i:::rr:k.i,  wie  ii:  aiidcren  Fällen  anch. 


S.  Günther:  Glaziale  Denudationsgehüde.  475 

schritten,  so  dass  die  einzelnen  Aufragungen  fast  ganz  isoliert 
erscheinen  und  nur  noch  in  ganz  geringer  Höhe  über  dem 
Boden  mit  einander  verbunden  sind.  Fig.  4  (rechts)  gibt  einige 
markante  Erscheinungen  wieder;  es  herrscht  hier  hauptsächlich 
der  Südtiroler  Typus  vor,  doch  ist  auch  derjenige  Osttirols 
nicht  un vertreten. 

Weitaus  am  fesselndsten  gestaltet  sich  in  landschaftlicher, 
wie  in  wissenschaftlich  -  geographischer  Hinsicht  die  dritte 
Kolonie  (K  in  Fig.  1);  sie  gewährt  uns  eine  vortreffliche  Ge- 
legenheit, die  Bildung  der  Erdpyramiden  genetisch  zu  ver- 
folgen. Durch  Erdrutsche,  als  deren  Ursache  hier,  wie  am 
jenseitigen  Ufer,  die  Untei-spülung  durch  den  über  seine  ge- 
wöhnlichen Grenzen  getretenen  Eisack  anzusehen  ist,  wurden 
zu  beiden  Seiten  der  schmalen  Wand,  welche  an  diesem  Orte 
allein  von  der  glazialen  Schottermasse  stehen  blieb,  sehr  an- 
sehnliche Bestandteile  dieser  letzteren  fortgeschafft,  so  dass  die 
Abrissstellen    in    ihrer   ganzen   Eigenart    erkennbar    sind.') 


^)  Bezeiclmend  ist  für  die  Abrisszirken  die  vollkommene  Glätte 
der  Wandungen,  und  auch  da  ist  es  einerlei,  ob  aus  einer  festen,  aus 
einer  lockeren  oder  aus  einer  Eis-Masse  sich  der  halbzylindrisch  begrenzte 
Rutschkörper  losgelöst  hat,  dessen  Trümmer  den  unteren  Teil  der  Rutsch- 
bahn, die  angrenzende  Thalsohle  und  die  sogenannte  , Spritzzone*  — 
nach  A.  Heim  —  bedecken.  Vielfach  sieht  sich  dieser  Hohlraum  so  an, 
als  wäre  das  fehlende  Stück  geradezu  mit  dem  Messer  herausgeschnitten 
worden.  Sehr  belehrend  sind  nach  dieser  Seite  hin  die  Photogramme, 
welche  A.  Heim  (Die  Gletscherlawine  an  der  Alteis,  Zürich  1895)  und 
L.  Du  Pasquier  (L'Avalanche  de  1'  11  septembre  1895,  Neuchatel  1896) 
von  dem  Eisabbruche  des  Altelsgletschers  mitgeteilt  haben.  Die  Ab- 
bildungen der  Ursprungsstellen  von  Erdschlipfen  und  Bergstürzen  sind 
bis  jetzt  wenig  zahlreich.  So  gibt  es  von  dem  tragischen  Ereignis, 
welches  am  2.  September  1806  das  Gelände  zwischen  Zuger-  und  Lowerzer- 
See  betraf,  zwar  eine  für  jene  Zeit  vortreffliche  und  auch  der  karto- 
graphischen Beigaben  nicht  entbehrende  Monographie  (Zay,  Goldau  und 
seine  Gegend,  Zürich  1807),  aber  die  interessante  Abrissstelle  scheint 
auch  später  nicht  viel  beachtet  worden  zu  sein,  und  es  mag  sich  des- 
halb empfehlen,  ein  photographisches  Originalbild  (Fig.  5)  hier  einzufügen, 
aus  dem  sofort  erhellt,  dass  eine  glatt  verlaufende  Vertikalfläche  die 
stehen  gebliebenen  Teile  der  den  Rossberg  bei  Goldau  bildenden  Nagel- 


■I7S         Sitznntj  der  mathrphys.  Classe  vom  G.  Dezember  1002. 

nie  ZwisrluMiwand  al)cM-  ist  von  den  erosiven  Agentien  derart 
hoarbi'itot  worden,  dass.  wovon  Fig.  4  ein  Bild  zu  liefern  sucht, 
die  Konturen  eines  Jliniaturgebirges  entstanden.^)  Ausser- 
jj:ewölinlioli  kühne  Zacken,  Säulen,  Pfeiler,  Türme  ragen  in  die 
Luft:  hie  und  da  wird  ein  höherer  Turm  von  einer  Anzahl 
kleinerer  TUrinohen  nnigeben,  die  sich  wie  Strebepfeiler  an  ihn 
anlehnen.  Von  den  zahlreichen  Erdstellen,  welche  dem  Verf. 
unter  dem  gleichen  Gesichtspunkte  bekannt  geworden  sind, 
kann  keine  an  malerischer  Grossartigkeit  den  Vergleich  mit 
der  (iruppe  K  aushalten.  Decksteine  fehlen  durchgängig;  Dur 
anscheinend  ein  einziges  mal  trägt  ein  kleinerer  Erdpfeiler 
einen  kleinen  Kasenhut.  ein  Bruchstück  des  abgerutschten 
Plateaus. 

^Ver  noch  von  der  Unvollständigkeit  der  LjelTschen 
Theorie.^'^  die  noch  immer  durch  die  Lehrbücher  geht,  und  an 
deren  iirundgedanken  aiich  nicht  gerüttelt  werden  soll,  über- 
.euiTt  :\\  werden  braucV.io.  der  müsste  sich  an  den  Platz  K 
l^ec^^ben,     Hekar.r.tlich  legt  der  bi-rühmte  Geologe,  der  sich  ja 


i??5 ch äl t en .  abgerat^cbten 
:■>  >!•->.:.  :■  .1 :  v.  r  1 : :  r.  :\ V er Sr hen  von  den  darch 
•.    \"  ■.ic-.V.v.rj-r..   ,:.i5  A *  rissirebiet  der  Erd- 

;.i>  *..:■': -:r.   I.  Bari,  L-eipzie- Wien  1901 
vrr  S:  ..:   A:-*  ::-ir=  Ufera  der  Phmefr 
.::.■;   j.A./:  :..\r.  ->;:f  ein  Gf^biresrelief nit 
--..■...>  '.    ...v  ■     ".  :ff   Trifi   aiack  in  andcfn 
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-  ':  fn  K-:ler*  ach  diHff 


S.  Cfünther:  &l<maie  Venudationsgebilde. 


477 


Fig.  4. 


478  Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  6.  Dezember  1902, 

Die  Zwischenwand  aber  ist  von  den  erosiven  Agentien  derart 
bearbeitet  worden,  dass,  wovon  Fig.  4  ein  Bild  zu  liefern  sucht, 
die  Konturen  eines  Miniaturgebirges  entstanden.*)  Ausser- 
gewühnlich  kühne  Zacken,  Säulen,  Pfeiler,  Türme  ragen  in  die 
Luft;  hie  und  da  wird  ein  höherer  Turm  von  einer  Anzahl 
kleinerer  Türmchen  umgeben,  die  sich  wie  Strebepfeiler  an  ihn 
anlehnen.  Von  den  zahlreichen  Erdstellen,  welche  dem  Verf. 
unter  dem  gleichen  Gesichtspunkte  bekannt  geworden  sind, 
kann  keine  an  malerischer  Grossartigkeit  den  Vergleich  mit 
der  Gruppe  K  aushalten.  Decksteine  fehlen  durchgängig;  nur 
anscheinend  ein  einziges  mal  trägt  ein  kleinerer  Erdpfeiler 
einen  kleinen  Rasenhut,  ein  Bruchstück  des  abgerutschten 
Plateaus. 

Wer  noch  von  der  Unvollständigkeit  der  LyelPschen 
Theorie,*)  die  noch  immer  durch  die  Lehrbücher  geht,  und  an 
deren  Grundgedanken  auch  nicht  gerüttelt  werden  soll,  über- 
zeugt zu  werden  brauchte,  der  müsste  sich  an  den  Platz  E 
begeben.    Bekanntlich  legt  der  berühmte  Geologe,  der  sich  ja 


fluhbäiikc  von  dcu  aus  ihnen  gleichsam  herausgeschälten,  abgerat8cht€n 
Teilen  trennt.  Nicht  anders  sieht,  natürlich  abgesehen  von  den  durch 
die  Schotternatur  bedingten  Abweichungen,  das  Abrissgebiet  der  Erd- 
pyramidenwand K  aus. 

*)  Ratzel  (Die  Erde  und  das  Leben,  1.  Band,  Leipzig- Wien  1901, 
S.  551)  bemerkt  hiezu:  „An  einer  Stelle  des  linken  Ufers  der  Flansee- 
Aaehe  unterhalb  der  Stuibenfälle  glaubt  man  auf  ein  GebirgBrelief  mit 
st»hr  scharfen  Kämmen  herabzuschauen. **  Dies  trifft  auch  in  andoen 
Fällen  zu,  unter  denen  eben  der  hier  in  Rede  stehende  nicht  mlebi 
kommt.  Ein  merkwürdiges  Exemplar  bringt  De  Marchi  (Tratiato  di 
geografia  iisica,  Mailand  etc.  1901.  S.  242  ff.)  zur  Anschauung.  Wäre  mn 
im  un gewissen  über  den  Massstab,  in  welchem  die  Zeichnung  des  kliki 
protilierten  Erdobelisken,  nächst  der  piemontesischen  Stadt  Bri,  gehaltea 
ist,  so  könnte  man  ebensowohl  das  Matterhorn  wie  eine  gewöhnliche 
Lohmpynuiiide  vor  sich  zu  haben  «rlauben.  Die  Aehnlichkeit  der  ümriBS- 
formeii  ist  eine  üborrasehende.  Eigentümlicherweise  rechnet  De  Marchi 
«.lio  IVH'kbI<"Kke  zu  den  notwendigen  Requisiten  der  Pvramidenbildong, 
obwohl  »rerado  die  von  ihm  angeführten  italienischen  Belege  sich  dieser 
Ani;ab«>  nii-ht   unter« »rdnon. 

-    Lyell,  rriii.ipl.-  of  «;.-.l..-y.    1.  Hand,   London  1S72.   S.  329  ff. 


S.  GütUher:  Gltmale  Denuddtionsgehüde, 
Fig.  5. 


479 


C3 

o 


CO 
00 

Ca 


480         Sitzung  der  math.-phys,  Glosse  vom  6.  Dezember  1902. 

um  die  richtige  Bewertung  der  der  Wasserwirkung  bei  der 
Gestaltung  des  Erdbildes  zuzuteilenden  Rolle  unvergängliche 
Verdienste  erworben  hat,  den  Steineinschlüssen  der  verwitterten 
Masse,  aus  der  sich  die  Erdpyramiden  absondern,  eine  viel  zu 
hohe  Bedeutung  bei.  Es  war  Ratzel,  der  sich  zuerst*)  mit 
Entschiedenheit  gegen  diese  TIeberschätzung  erklärte  und  be- 
tonte, dass,  wie  er  sich  neuerdings  ausdrückt,  in  jedem  Fels- 
blocke allerdings  ein  Element  zugleich  der  Konzentration  und 
des  Schutzes  gegeben  sei,^)  dass  aber  auch  ohne  diese  doch 
rocht  oft  fehlenden  Zugaben  die  Bildung  ihren  ruhigen  Ver- 
lauf nehmen  könne.  In  der  That  ist  ja  der  Südtiroler  Typus 
nicht  entfernt  die  Norm.  Man  könnte  z.  B.  in  unserem  Falle 
sehr  wohl  fragen,  weshalb  dieser  Typus  so  gar  wenig  ausge- 
prägt sei,  da  es  doch  an  Blockeinschlüssen  nicht  mangelt.^) 
Weit  wichtiger  noch  ist  eine  andere  Frage,  deren  Wesen  von 
Ratzel  gleichfalls  berührt  wird,  auf  deren  Tragweite  aber 
noch  mehr  von  Kittler*)  aufmerksam  gemacht  wurde.  Schon 
früher  hatte  sich  der  Verf.  von  der  Notwendigkeit  durch- 
dringen lassen,  dass,  ehe  das  Regen  wasser  die  Modellierung 
der  einzelnen  Protuberanzen  in  angriff  nimmt,  ihm  die  Zer- 
klüftung der  ganzen  Masse  bis  zu  einem  gewissen  Grade  vor- 
gearbeitet haben  muss.     In  Kürze  lässt  sich  das  Prinzip,   auf 

')  Ratzel,  lieber  die  Entstehung  der  Erdpyramiden,  Jabresber.  d. 
(leojrr.  Gesellsch.  zu  München,  1884,  S.  77  ff. 

*'^)  Es  wird  (Die  Erde  und  das  Leben,  S.  556  ff.)  daran  erinnert,  dass 
es  an  minder  steil  gehuschten  Abhängen  auch  liegende  Erdpyramiden 
gi))t,  an  denen  der  Beruf  der  Steinkrönung,  wenn  dieser  Ausdruck  ge- 
stattet ist,  sehr  deutlich  hervortrete.  Unter  allen  Umständen  begünstigen 
die  Blöcke  das  Eindringen  des  Wassers  in  grössere  Tiefe  und  damit 
auch  die  Abtrennung  von  der  Hauptmasse. 

^)  Die  Mehrzahl  der  Pyramiden  besteht,  wie  oben  bereits  festge- 
stellt ward,  aus  feinem  Moränenlehm  und  kommt  demnach  ohnehin  für 
Denksteine  nicht  in  betracht.  Einige  freilich  ragen  auch  über  den 
St'hotterhorizont  empor,  allein  die  Blöcke  sind  durchweg  nicht  gross  und 
noch  dazu  sehr  glatt  vom  Wassertransporte,  so  dass  sie  auch  nicht  be- 
sonders dazu  geeignet  waren,  auf  einer  schmalen  Unterlage  dauernd 
liegen  zu  bleiben. 

*)  Kittler,  a.  a.  0.,  8.  45. 


S,  Cfünther:  Glaziale  Denudationsgebüde.  481 

welches  es  hauptsächlich  ankommt,  folgendermassen  formulieren : 
Jene  Detailarbeit,  als  deren  Ergebnis  die  Herausbil- 
dung der  einzelnen  Erdpyramiden  zu  betrachten  ist, 
beginnt  erst  dann  energisch  einzusetzen,  wenn  der 
Schutt-,  Lehm-  oder  Lösskörper,  der  einstweilen  noch 
als  kompakt  vorausgesetzt  wird,  irgendwie  in  lang- 
gestreckte Kämme  von  sehr  geringer  Breite  zerfällt 
worden  war.  Ehe  es  soweit  gekommen  ist,  entstehen  Aus- 
höhlungen, Regenrinnen  und  allenfalls  embryonale,  fast  ganz 
mit  der  Hinterwand  verwachsene  Auszackungen,  nicht  aber 
selbständige  Pyramiden  und  Obelisken. 

Massgebend  ist  mithin  für  diese  letztere  eine  lineare 
Anordnung.  Da,  wo  die  Anzahl  der  Einzelgebilde  eine  ver- 
wirrend grosse  ist,  scheint  sich  ja  eine  solche  nicht  nachweisen 
zu  lassen,  indem  man  zuerst  blos  ein  Durcheinander  wahllos 
neben  einander  gestellter  Aufragungen  wahrzunehmen  glaubt. 
Richtet  man  aber  das  Augenmerk  konsequent  auf  ein  noch  so 
kraus  angeordnetes  Aggregat,  also  gleich  auf  die  berühmten 
Rittengebilde  im  Thale  des  oberen  Finsterbaches,  so  findet  man 
allgemach  Reihen  von  schlanken  Säulen  heraus,  die  aus  einer 
gemeinsamen  Basismauer,  dem  Reste  jenes  früheren  Kammes, 
förmlich  herausgewachsen  sind.*)  Bei  aufmerksamer  Durch- 
musterung guter  Abbildungen  kann  man  feststellen,  dass  ein 
einzelnes  Individuum  stets  eine  Reihe  anderer  Individuen  ver- 
deckt. Auf  diese  Eigentümlichkeit  muss  besonderer  Nachdruck 
gelegt  werden;  sie  liefert  den  Schlüssel  für  das  Verständnis 
der  Bildungsgeschichte,  und  es  würde  nicht  schwer  halten, 
durch  eingehende  Prüfung  einer  grösseren  Menge  von  bekann- 
teren Vorkommnissen  jenen  Satz,  der  übrigens  auch  für  sich 
selbst  spricht,    erfahrungsgemäss   zu   belegen.*)     Die  Art   und 


*)  Weiter  unterhalb,  gegen  Atzwang  zu,  gelingt  die  Beobachtung 
leichter,  weil  dort  nur  einzelne  Reihen  zierlicher,  minder  hoher  Säulchen 
stehen,  über  deren  jeweiligen  Zusammenhang  schon  der  blosse  Anblick 
vergewissert. 

*)  Von  alpinen  Plätzen,  die  minder  bekannt  sind,  seien  besonders 
erwähnt    Berghalden    bei    Bolladore    im    oberen  Veltlin    und    bei    dem 


482         Sitzung  der  matK-phya,  Glosse  vom  6,  Dezember  1902. 

Weise,  wie  sich  die  Kämme  bilden,  braucht  keine  einheitliche 
zu  sein.  In  dem  uns  beschäftigenden  Falle  hat  gewiss  der  unten 
vorbeifliessende  Gebirgsstrom  mit  seinen  jähen  Anschwellungen 
das  Seinige  dazu  beigetragen,  und  es  ist  insofern  ganz  zu- 
treffend,^) dass  nicht  nur  die  vertikal  nach  unten  ge- 
richtete Steilerosion,  sondern  auch  Kräfte  von  entgegen- 
gesetzter Richtung  mitgewirkt  haben.  So  sind  Pyramiden- 
nester, die  den  Lauf  eines  Flusses  begleiten,  sehr  häufig  auch 
Zeugen  kräftiger  Aktion  der  lateralen  Erosion.*)  Damit 
ist  nun  wohl  die  Frage  nicht  beantwortet,  weshalb  doch  nicht 
immer  dann,  wenn  eine  locker  gefügte  Wand,  die  stetig  bespült 
und  unterwaschen  wird,  vorteilhafte  Vorbedingungen  darzu- 
bieten scheint,  die  Auflösung  des  Abhanges  in  ein  Aggregat 
von  Erdpfeilem  erfolgt.^)     Neben  dem  einen  Faktor,   der  uns 


Dörfchen  Stilfs,  zwischen  Prad  und  Gomagoi.  Namentlich  bei  diesen 
letztgenannten  Pyramiden,  die  sich  dem  zum  Stilfserjocbe  Hinanschreiten- 
den  vortrefiFlich  von  verschiedenen  Seiten  darstellen,  zeigt  sich  recht 
augenfällig  die  Zusammengehörigkeit  je  einer  aus  der  nämlichen  Schntt- 
mauer  hervorgegangenen  Serie.  Ein  gutes  äusseren ropäisches  Beispiel 
liefern  die  südamerikanischen  Erdsäulen,  welche  Mosbach  (Streifzfige 
in  den  bolivianischen  Anden,  Globus,  72.  Band,  S.  26)  abbildet,  und  die 
eine  so  reguläre  Anordnung  bekunden,  als  habe  man  es  mit  den  Ruinen 
teilweise  eingestürzter  Portiken  zu  thun.  Auch  für  die  grossartigen 
Wälder  von  Erdpjramiden,  die  in  dem  kleinasiatischen  Reisewerke  von 
R.  Oberhummer  und  H.  Zimmerer  (Durch  Syrien  und  Kleinasien, 
Berlin  1899,  S.  120  fiF.)  beschrieben  und  abgebildet  sind,  dürfte  ein 
gleiches  gelten, 

^)  Dass  auch  solche  Kräfte  in  Thätigkeit  treten  können,  bemerkte 
Pechuel-Loesche  (Westafrikanische  Laterite,  Ausland,  57.  Band, 
S.  401  ff.). 

2)  Wie  kräftig  die  morphologische  Leistung  der  seitlichen  Aus- 
nagung  eines  nicht  ruhig,  sondern  häufig  in  wilden  Paroxjsmen  dahin- 
fluteiulen  Wassers  werden  kann,  bewiüst  u.  a.  der  Trümmerwall,  der 
südlich  von  München  auf  eine  ziemliche  Entfernung  hin  das  linksseitige 
Ufer  der  Isar  bei^leitet.  Er  wurde  einlässlich  gewürdigt  von  Penck 
(Morphül.  d.  Erdoberfl.,  1.  Hand.  S.  l'lb\  Die  Alpen  im  Eiszeitalter,  S.  60). 
Die  früher  weiter  naeh  Osten  reichende  Steilwand  ist  infolge  der  unab- 
lässifjen  Unterspülunf^en  des  Flusses  jiro^^senteils  zusammengebrochen. 

^)  Dass  dies  durrhaus  nicht  immer  eintritt,  ist  bekannt  genug.    Man 


8,  Günther:  Glaziale  Denadationsgebüde,  483 

hier  am  meisten  beschäftigte,  weil  über  ihn  noch  nicht  genug 
Klarheit  besteht,  wirkt  eben  doch  noch  gar  mancher  an- 
derer mit.^) 

Damit  verlassen  wir  einen  Gegenstand,  der,  so  gering  er 
auch  quantitativ  das  „Antlitz  der  Erde^  beeinflusst,  trotzdem 
in  seiner  Art  des  morphologischen  Interesses  sicherlich  nicht 
entbehrt.  Gerade  der  Umstand,  dass  in  nächster  Nähe  der 
Planke  CD  (Fig.  1)  sich  die  Flanke  DE  hinzieht,  die  einen 
durchaus  verschiedenen  Anblick  gewährt,  gibt  uns  den  Anlass, 
auf  die  Probe  das  Exempel  zu  machen.  Wie  weiter  oben  dar- 
gelegt ward,  ist  die  Beschaffenheit  des  Schotters  nunmehr  eine 
andere  geworden;  derselbe  ist  der  Hauptsache  nach  ein  weit 
festeres,  breccienartiges  Konglomerat,  dessen  einzelne  Stücke 
oft  eine  ganz  respektable  Grösse  erreichen.  Erdpyramiden  gibt 
es  auch  hier,  aber  nur  spärlich,  und  ihr  Aussehen  ist  ein 
anderes  —  wenn  man  so  sagen  will,  minder  elegantes.  Da 
nicht  anzunehmen  ist,  dass  die  Erosion  und  Denudation  für  DE 
irgendwie  anders  als  für  CD  gewirkt  haben  könnten,  und  da 
auch  sonst  die  Verhältnisse  sich  gar  nicht  von  einander  unter- 
scheiden,  so  kann   einzig   und   allein  die  stoffliche  Nichtüber- 


denke  z.  B.  nur  an  die  vorhin  erwähnte  Innleite  bei  Wasserburg.  Die- 
selbe iat  von  Runsen  und  Regenrinnen,  wohin  man  blickt,  arg  durch- 
furcht, und  einzelne  Erdschneiden,  die  keck  vorspringen,  sehen  gerade  so 
aus,  als  müsste  sich  aus  ihnen  in  Bälde  eine  gezackte  Eammlinie  ent- 
wickeln. Allein  trotz  des  ungeheuren  Zeitraumes,  der  dafür  zur  Ver- 
fugung stand,  ist  es  nicht  geschehen.  So  sieht  man  auch  im  Ratzei- 
schen Werke  (S.  543)  den  Granit  der  Seychellen  bedeckt  mit  einer  Fülle 
karrenartiger  Regenrisse,  aber  die  Zerlegung  des  Gesteines  in  selbständig 
aufragende  Pyramiden,  wie  (s.  o.)  beim  Montblanc,  ist  ausgeblieben. 

*)  Einflussreiche  Momente,  von  deren  Ineinandergreifen  die  Pjra- 
midenbildung  abhängt,  sind  vor  allem  die  jahreszeitliche  Verteilung  der 
Niederschläge,  auf  welche  Kittler  und  De  Marchi  mit  Recht  grosses 
Gewicht  legen,  femer  die  Bestrahlung  und  Exposition  der  Schuttmasse, 
deren  Färbung  und  petrographisch-geognostische  Zusammensetzung.  Diese 
ist  dann  wieder  bestimmend  für  die  chemische  Konstitution  der  der 
Wasserwirkung  ausgesetzten  Materie;  erstere  sollte  nach  Philippson 
(Besprechung  der  Kitt  1er 'sehen  Schrift,  Geogi*.  Zeitschr.,  3.  Band,  S.  650) 
auch  nicht  ausser  acht  gelassen  werden. 


484         Sitzung  der  mathrphys,  Glosse  vom  6.  Dezember  1902, 

einstimmung  beider  Abhänge  die  Schuld  an  ihrem  gegen- 
wärtigen, ungleichartigen  Ansehen  tragen.  Längs  DE  war  die 
Konsistenz  des  Materiales  eine  weitaus  stärkere,  und  es  kam 
wohl  zur  Höhlen bildung  in  grossem  Umfange,  nicht  aber 
zur  Auswaschung  und  Fortspülung  ganzer  Gebirgsglieder.  Jene 
Höhlen  entstanden  aber  nicht  da  und  dort  nach  einer  launen- 
haften Willkür  der  Natur,  sondern  auch  sie  fügen  sich  einer 
gewissen  Norm,  wie  man  dies  eben  bei  den  geologischen  Orgeln 
(s.  o.)  gewohnt  ist. 

Mit  diesen  Namen  —  auch  Erdorgeln,  Erdpfeifen, 
Naturbrunnen  sind  geläufige  Bezeichnungen  —  belegt  die 
terrestrische  Morphologie  seit  Brongniart^)  und  Matthieu*) 
schmale  Vertiefungen,^)  die  sich  angenähert  lotrecht  durch  eine 
selber  steil  abfallende  Gesteinswand  hindurchziehen  und  dieser 
letzteren  das  Aussehen  einer  Eannelierung  aufprägen.  Sehr 
häufig  wird  ein  solcher  hohler  Halbzylinder  durch  einen  Letien- 
zapfen  ganz  oder  teilweise  ausgefüllt,  der  sich  aus  dem  Hangen- 
den herabsenkte.  In  unserem  Falle  ist  eine  solche  Lehmdecke 
nicht  oder  nicht  mehr  vorhanden,  und  infolge  dessen  fehlen 
auch  die  Lehmeinschlüsse.  Im  übrigen  ähneln  unsere  Orgeln 
wesentlich  denjenigen,  die  man  aus  der  Umgegend  Münchens 
kennt,*)  obwohl  es  kaum  statthaft  wäre,  ihr  Vorhandensein  zu 
einem  Zeugnis  für  den  glazialen  Charakter  der  Ablagerungen, 
in  denen  sie  sich  zeigen,  stempeln  zu  wollen.    Denn  darin  hat 

^)  Brongniart,  Essai  sur  la  geographie  mineralogique  des  environs 
de  Paris,  Paris  1811,  S.  87  ff. 

2)  Matthieu,  Note  sur  les  orgues  geologiques,  Journal  des  Mine«, 
1813,  S.  197  ff. 

3)  Das  Wort  „schmal"  ist  hier  cum  grano  salis  zu  nehmen;  es 
treten  einfach  gegenüber  der  namhaften  Höhendimension  die  beiden 
anderen  Abmessungen  sehr  zurück. 

*)  V.  Ammon,  Die  Gegend  von  München,  geologisch  geschildert, 
München  1891,  S.  llGff.;  Penck-Brückner,  a.a.O.,  S.  60ff.  Die  Höhe 
der  Orgeln  des  .sogenannten  Dietfenbach-Steinbruches  erreicht  nachPenck 
^—6  Meter.     Die  Wah'  „dass  die  hangende  Nagelfluh  sich  in 

t»  bmtesten  Schlötr  g  wenige  Dezimeter  weit  hinein   er- 

K.*  lässt  sich  iP  Falle  machen. 


8,  Günther:  Glaziale  Demidationsgehüde,  485 

Prestwich^)  unbedingt  recht,  dass  die  Tagewasser  in  jeder 
nicht  sehr  widerstandsfiihigen  —  oder  besser,  verschiedene  Grade 
von  Widerstandsfähigkeit  aufweisenden  —  Gesteinsmasse  solche 
Spuren  ihres  Eindringens  zurücklassen  können.  Ob  hier,  am 
nordwestlichen  Plateauabfalle  des  Ochsenbichls,  wirklich  blos 
die  Niederschläge  gewirkt  haben,  möchte  allerdings  in  Zweifel 
zu  ziehen  sein.  Wenn,  wie  wir  glauben,  die  Zerstörungsarbeit, 
welche  der  Eisack  weiter  abwärts  leistete,  indem  er  die  Schotter 
teilweise  denudierte,  ziemlich  deutlich  in  die  Erscheinung  tritt, 
so  wird  man  ihm  auch  bei  der  Ausführung  jener  vertikalen 
Hohlkehlen  von  DE  eine  gewisse  Mitwirkung  zuzuschreiben 
geneigt  sein.  Alles  in  allem :  Die  Orgeln  sind  wahrschein- 
lich durch  eine  kombinierte  Wirkung  der  Erosion  des 
atmosphärischen  Wassers  und  der  lateralen  Erosion 
des  strömenden  Wassers  ausgehöhlt  worden.  An  eine 
Auswirbelung,  wie  etwa  in  manchen  nordischen  Kalk-  und 
Gipsgebieten,  zu  denken,  verbietet  die  Struktur  der  Röhren,  da 
bei  Evorsionsaushöhlungen  eine  ziemlich  rasch  von  oben  nach 
unten  fortschreitende  Verjüngung  des  Hohlraumes  zu  kon- 
statieren ist. 

Unsere  Darlegung  dürfte  gezeigt  haben,  dass  auf  einer 
kleinen  Strecke  am  mittleren  Eisack,  in  unmittelbarster  Nähe 
des  Schienenweges  und  zweier  belebter  Landstrassen,  ein  welt- 
abgeschiedenes Thal  Gebilde  birgt,  deren  Studium  in  verschie- 
denen Beziehungen  die  physikalische  Geographie  zu  befruchten 
geeignet  ist.  Die  Frage  der  Glazialablagerungen  unter  ver- 
schiedenen äusseren  Bedingungen,  und  damit  auch  die  Frage 
einer  mehrfach  sich  wiederholenden  Eiszeit  steht  an  der  Spitze; 
es  folgt  eine  ganze  Reihe  von  Erosions-  und  Denudations- 
phänomenen, die  zusammenwirkten,  um  diesem  merkwürdigen 
Fleckchen  Erde  den  eigenartigen  Charakter  zu  verleihen,  der 
ihn  auszeichnet.  Selbst  mitten  in  einem  Gebiete,  das  seit  Jahr- 
zehnten  eifriger   Durchforschung   unterzogen    worden   ist,    hat 


*)Pre8twich,    On    the   Origin    of   the    Sand-    and   Gravel-Pipes, 
Quarterly  Journal  of  the  Geological  Society,  11.  Band,  S.  64  ff. 
1902.  SitzQDgsb.  d.  maih.-phys.  Gl.  32 


486         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  6,  Dezember  1902. 

sich  oft  hie  und  da  ein  kleiner  Bezirk  der  näheren  Kenntnis- 
nahme entzogen;  ein  Beweis  dafür,  dass  die  Gelegenheit  zu 
lohnenden  Studien  nicht  blos  beim  Bereisen  entlegener  Länder, 
sondern  auch  noch  im  Bereiche  der  Heimatgrenzen  dem  da- 
nach Suchenden  sich  reichlich  genug  eröflFnet.') 


*)  Nachträglich  wurde  dem  Verf.  noch  eine  Bemerkung  bekannt,  die 
sich  an  einem  Orte  befindet,  an  dem  man  sie  nicht  suchen  würde,  die 
aber  auffallend  richtig,  direkt  aus  der  Beobachtung  heraus,  das  Haupt- 
moment betont,  auf  welches  es  bei  der  Entstehung  der  Erdpyramiden 
ankommt.  Wir  meinen  einen  touristischen  Aufsatz  von  A.  Ludwig 
(Drei  Wochen  im  Clubgebiet,  Jahrb.  d.  Schweizer  Alpenclubs,  27.  Jahr- 
gang. S.  IG  ff.).  „Diese  Griestürme  kann  man  immer  da  antreffen,  wo 
sich  zwischen  zwei  benachbarten  Rutschgebieten  eine  schmale  Mittelwand 
vorfindet.  Dieselbe  ist  vielleicht  zuerst  fast  horizontal  oder  achwach 
geneigt;  durch  Ursachen  verschiedener  Art,  z.  B.  durch  Bildung  kleiner 
Seitenrinnen,  wird  der  stehen  gebliebene  Mittelgrat  geschartet;  der  Ein- 
schnitt wird  immer  grösser  und  tiefer,  bis  der  Turm  isoliert  dasteht' 
Diese  in  den  Bergen  des  Prätigaus  gemachte  Wahrnehmung  gestattet  die 
weitest  gehende  Generalisierung. 


487 


Ueber  die  Abstammung   der   bluthaltigen  Gefäss- 

anlagen  beim  Huhn  und  über  die  Entstehung  des 

Randsinus  beim  Huhn  und  bei  Torpedo. 

Von  J.  Rttckert. 

{Ehigelan/en  89.  Januar.) 
(Mit  Tafel  VIII.) 

Bei  der  Bearbeitung  der  ersten  Entwicklung  des  Gefass- 
systeros,  die  ich  mit  Herrn  Kollegen  Mollier  für  das  neue 
Handbuch  der  Entwicklungsgeschichte  von  0.  Hertwig  aus- 
führe, habe  ich  unter  Anderem  auch  über  die  Gefäss-  und 
Blutbildung  in  der  Area  vasculosa  des  Hühnchens  eigene 
Untersuchungen  angestellt,  von  denen  ich  hier  Einiges  mit- 
theilen  will.  Was  zunächst  die  viel  ventilirte  Frage  nach  der 
Abstammung  dieser  Anlagen  anlangt,  so  bin  ich  trotz  der 
augenscheinlichen,  später  zu  besprechenden  Beziehungen,  welche 
dieselben  mit  dem  unterliegenden  Entoblast  eingehen,  zu  der 
schon  von  Remak  und  Kölliker  vertretenen  Ansicht  gelangt, 
dass  ihr  Zellenmaterial  aus  dem  mittleren  Keimblatt  stammt. 
Diese  Abkunft  ist  leichter  an  jenen  zellenreichen  Gefässanlagen 
festzustellen,  welche  ausser  der  Gefasswand  zugleich  Blutzellen 
liefern  und  von  den  neueren  Autoren  deshalb  gewöhnlich 
„Blutinseln"  genannt  werden.  Ich  bezeichne  sie,  da  dieser 
Name  historisch  nicht  gerechtfertigt  ist,  im  Folgenden  als 
„Gefässanschwellungen".  Sie  sind  bekanntlich  vornehmlich 
in  der  hinteren  Hälfte  der  Gefiisszone  entwickelt,  besonders 
stark  in  derem  Randtheil,  und  nehmen  nach  vome  an  Stärke 
und  Zahl  ab,  so  dass  sie  im  vorderen  Abschnitt  der  Area  gegen- 


488         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  6,  Dezember  1902. 

f 
über  den  zellenarraen  Anlagen  der  blutleeren  Gefasse   ganz  in 

den  Hintergrund  treten.  Von  diesen  Qefässanschwellungen 
lassen  sich  wiederum  diejenigen  am  besten  genetisch  verfolgen, 
welche  im  hintersten  Theil  der  Area  vasculosa,  also  in 
der  Umgebung  des  caudalen  Primitivstreifenendes  liegen,  denn 
man  findet  sie  hier  vielfach  ganz  im  Innern  des  daselbst 
dickeren  und  mehrschichtigeren  Mesoblast  eingeschlossen.  In 
ihrem  Bau  unterscheiden  sie  sich  vor  allem  durch  die  sehr  dichte, 
lückenlose  Aneinanderfügung  ihrer  Zellen  von  dem  umgebenden 
lockerer  und  eher  mesenchymatös  gebauten  Mesoblast. 

Indess  lässt  ihr  Vorkommen  im  Innern,  des  Mesoblast  noch 
keinen  Schluss  auf  ihre  Abstammung  von  diesem  Keimblatt  zu, 
wenigstens  werden  die  Anhänger  der  rein  entoblastischen  Ab- 
stammung der  Gefasse  den  Einwand  machen,  dass  sich  die  An- 
schwellungen vom  Keimwall  abgelöst  haben  und  nachträglich 
in  das  Mittelblatt  eingedrungen  seien.  Deshalb  möchte  ich  auf 
die  geschilderte  Lage  der  Anschwellungen  an  sich  weniger 
Werth  legen  als  vielmehr  auf  den  Umstand,  dass  man  auch 
die  Vorstufen  derselben  im  Mesoblast  findet  in  Form  von 
geringgradiger  verdichteten  Stellen.  Ein  Theil  dieser  Zellen- 
gruppen steht  hinsichtlich  seines  Gefüges  dem  umgebenden 
Mesoblast  so  nahe,  dass  man  schwankt,  ob  man  sie  überhaupt 
als  besondere  Bildungen  innerhalb  dieses  Blattes  betrachten 
soll,  andere  wieder  nähern  sich  in  ihrer  Struktur  den  charak- 
teristischen Anschwellungen  soweit,  dass  man  sie  unbedenklich 
als  Vorläufer  derselben  bezeichnen  wird.  Die  geschilderten 
Gefässanlagen  sind  im  Bereich  des  das  Primitivstreifen  ende  um- 
gebenden Mesoblastes  im  Allgemeinen  derartig  vertheilt,  dass 
die  Anfangsstadien  derselben  w^eiter  nach  innen  gegen  den 
Primitivstreifen  zu  liegen,  sich  also  in  einem  Mesoblastmaterial 
befinden,  das  .seinem  Ursprung  aus  dem  Primitivstreifen  nach 
als  jüngeres  bezeichnet  werden  darf. 

A  nch  die  F 1  ä  c h  e  n  b  i  1  d  e  r  gut  gefärbter  Keimscheiben  lassen 
ein  l)isher  nicht  beachtetes  Verhalten  erkennen,  welches  auf 
die  Abstammung  der  caudalen  Gefässanlagen  aus  dem  hinteren 
Ende    des    Prinütivstreifens    hinweist.     Von    der    Zeit    ab,    in 


J.  Rackert:  Abstammung  der  hluthältigen  Gefässahlagen  etc,     489 

welcher  die  ersten  GefässanschwelluDgen  im  Flächenbild  sichtbar 
werden,  als  farbbare  Streifen  und  Flecken  im  Caudaltheil  der 
Area  opaca,  bemerkt  man,  dass  schwächer  gefärbte  Stränge 
von  dem  verbreiterten  Primitivstreifenende  durch  den  Caudal- 
theil der  Area  pellucida  zu  ihnen  hin  verlaufen.  An  den  ein- 
zelnen Keimscheiben  ist  dies  Verhalten  ein  sehr  wechselndes: 
manchmal  kaum  kenntlich  sind  diese  Züge  an  anderen  Keim- 
scheiben wieder  so  deutlich,  dass  es  den  Anschein  gewinnt,  als 
ob  die  Gefässanlagen  aus  dem  hinteren  Ende  des  Primitiv- 
streifen hervorsprossten.  Das  Letztere  finde  ich  namentlich 
dann,  wenn  in  den  betreffenden  Stadien  der  Primitivstreif  caudal 
in  die  Area  opaca  hineinragt,  eine  Anordnung,  die  ab  und  zu 
angetroffen  wird.  Fig.  1  der  beigegebenen  Tafel  zeigt  dies 
Verhalten  an  einer  Keimscheibe,  in  welcher  schon  die  Medullar- 
platten  des  Kopfes  sichtbar  sind  und  die  Gefässanschwellungen 
in  der  hinteren  Hälfte  der  Area  opaca  bereits  sehr  deutlich  im 
Flächenbild  hervortreten. 

An  manchen  Keimscheiben  zieht  sich  das  verbreiterte 
Caudalende  des  Primitivstreifens  zu  einer  Platte  von  Sichelform 
aus.  Schon  Kupffer  hat  diese  „Sichel**  am  Blastoderm  des 
Huhns  und  namentlich  des  Sperlings  beobachtet  und  sie  mit 
der  von  ihm  entdeckten  Reptiliensichel  homologisirt.  Wie  von 
einem  solchen  sichelförmigen  Felde  aus  die  Mesoblaststränge 
zu  dem  Oefassnetz  der  Area  opaca  hinziehen,  zeigt  Fig.  2  von 
einem  noch  etwas  älteren  Blastoderm  mit  bereits  abgegrenztem 
ersten  XJrwirbelpaar.  Die  Peripherie  der  dreieckigen  Platte  ist 
hier  völlig  in  jene  Züge  aufgelöst,  daher  denn  auch  ihre 
Sichelform  nicht  ganz  so  scharf  hervortritt,  wie  an  einzelnen 
anderen  Keimscheiben. 

Das  besprochene  Verhalten  ermöglicht  vielleicht  einen 
Anschluss  an  die  Blutbildung  bei  Reptilien.  Bekanntlich  leitet 
Mehnert*)    die    Gefässe    der   Area    vasculosa    bei    Emys    lut. 


0  Mehnert,  Ueber  Ursprung  und  Entwicklung  des  Hämovasal- 
gewebes  (Geßlsshofsichel)  bei  Emys  lutaria  taurica  und  Struthio  camelus. 
Morphol.  Arbeiten  VI. 


488         Süsung  der  wudh.-pkj^s.  ClasH  wr        /Dezember  1902. 

über  den  zellenamen  Anlager  ./^'^^  seiner   Schilderung  bei 

den    Hintergrund    treten  /.'hnten,   die   Embrjonalanlage 

bxssen  sich  wiederum  '  >  Pulste  anschwillt   und  sich 

welche  im  hintf  '^^''  ^^*  vasculosa  umbildet.     Er 

der  UmgebunfT  .   i/'  geradezu  mit  der  gesammten  eben- 

man   findet  '^  '/>  ^'«sculosa  des  Vogels.     Ich  war  nicht 

dickeren  '"  •...-  ^V^'^'^^^^g  ^^^  Schildkröte  selbst  zu  untor- 

ihremB'  -  ^  •■' %i^^^   ^^  dieser  Angabe  des  leider  kürzlich 

lücke'  .'. M  ^."^-/iers  nur  schwer  Stellung  nehmen.     Es  will 

loci  ■  .V- '^'/  scheinen,    als   ob   seine  Sichel   auf  dem  Höhe- 

'  "v/"''  Tf  üintwicklung  (1.  c.  Taf.  I  Fig.  4)  gegenüber  den 
■'  lv>'' l^fioten    Reptiliensicheln    auffallend    gross    und    weit 
..'"■''  rti  reichend  sei.    Aber  auch  wenn  sich  bei  Nachunter- 
„.*r^  *  lierausstellen  sollte,  dass  dieser  Wulst  nicht  mehr  als 
•cf'**'".'  ym  Sinne  Kupffers   bezeichnet    werden    darf,    sondern 
^^  j,yr  j^"^  jüngere  Anlage,  wie  sie  in  Fig.  2  1.  c.  abgebildet 
!^  diesen    Namen    verdient,   so    wäre   doch  damit  Mehnert's 
'  ipdanschanung    von    der    gefässbildenden    Eigenschaft    der 
i{(»i)tilicn«i<^hel  nicht  erschüttert,   denn  es  ist  nach  seiner  Dar- 
stellten ^^^^^  ^^""^  mindesten  wahrscheinlich,  dass  die  Kupffer- 
sche    Sicliel    Material    für    die    Gefässe    der    Area    vasculosa 
liefert.     Die    von    mir  beim    Huhn  gemachten    Beobachtungen 
würden  zu  dieser  Auffassung  sehr  gut  stimmen. 

Die  von  dem  verdickten  Caudalende  des  Primitivstreifens 
ausgehenden  ifesoblaststränge  der  Hühnerkeimscheibe  sind  noch 
in  Vfrhiiltnissinässig  s])äton  Stadien,  bei  15  und  20  Urwirbeln, 
sichtbar  in  Form  von  intensiver  färbbaren  und  schärfer  um- 
schriebenen Streifen,  die  sich  nun  als  ausgebildete  Gefiissan- 
higen  des  hintersten  Abschnittes  der  Area  ])ellucida  erweisen. 
Die  angefülirten  Beobachtungen  weisen  darauf  hin,  dass 
zur  Zeit  der  Ausbreitung  der  Getassanschwellungen  in  der 
Area  nj)a('n  aus  dein  cau<lalen  verbreiterten  Ende  des  Primitiv- 
st tri  iriis  Mes()l)lnst/ü^e  .sieh  ablcVseu  oder  hervorsi)rossen,  dit- 
in  ladiiinr  lliclituuii:  den  hinteren  Theil  der  Area  pellucida 
durelisrt/.i-nd  in  die  Area  opaca  gelangen  und  sich  daselbst  in 
'■lerii.>>aus<  Invelhingeii  umwandeln.     i{este  dieser  Stränge  bleiben 


\ 


/.  Bückert:  Abstammung  der  bluthaltigen  Gefässanlagen  etc.     491 

Wer  Nähe  ihres  Mutterbodens,  nämlich  im  caudalen  Ab- 
\itt  der  Area  pellucida  erhalten  und  bilden  sich  hier  in 
^u  Gefässen  um. 

^ie  gross  der  Antheil  ist,  welchen  das  Hinterende  des 
.imitivstreifens  an  der  Entstehung  der  Gesammtheit  der  blut- 
haltigen Gefasse,  gegenüber  etwaigen  vom  übrigen  Primitiv- 
streifen abstammenden  Gefassanlagen,  nimmt,  entzieht  sich  vor- 
erst der  Abschätzung.  Aber  es  spricht  Manches  dafür,  dass 
es  ein  zum  Mindesten  nicht  unerheblicher  Bruchtheil  ist.  So 
mag  hier  daran  erinnert  werden,  dass  die  Blutanlagen  gerade 
in  jenem  Abschnitt  der  Gefässzone,  welcher  das  hintere 
Primitivstreifenende  umgiebt,  zur  mächtigsten  Entwicklung 
gelangen,  während  sie  von  da  in  der  Richtung  nach  vorn 
zu  allmählich  an  Stärke  abnehmen.  Ferner,  dass  sie  zeit- 
lich im  hinteren  Abschnitt  der  Gefässzone  zuerst  auftreten, 
um  von  da  nach  vom  zu  sich  auszubreiten.  Auch  soll  hier 
auf  die  schon  von  fiüheren  Forschern  hervorgehobene  That- 
sache  hingewiesen  werden,  dass  in  späteren  Stadien,  wenn 
die  Gefasse  der  Area  vasculosa  schon  längst  gehöhlt  sind, 
nur  ein  in  der  Umgebung  des  Primitivstreifenendes  gelegener 
Theil  derselben  hiervon  eine  Ausnahme  macht.  An  den  in- 
jicirien  Keimscheiben  des  schönen  Popoff 'sehen  ^)  Atlas 
(1.  c.  Fig.  1—3  und  Fig.  5)  sind  diese  undurchgängig  geblie- 
benen Züge  des  Gefassnetzes  gut  zu  übersehen.  Sie  stellen, 
wie  sich  auch  an  jedem  uninjicirten  Blastoderm  leicht  ermitteln 
lässty  solide  d.  h.  in  der  Entwicklung  zurückgebliebene  Gefäss- 
anlagen dar«  Man  könnte  diese  Thatsache  zunächst  damit  zu 
erklären  versuchen,  dass  man  sagt:  die  Anschwellungen  differen- 
ziren  sich  in  der  Umgebung  des  hinteren  Primitivstreifenendes 
nur  deshalb  später,  weil  sie  daselbst  zellenreicher  sind  als 
sonstwo.  Kann  man  sich  doch  bei  Untersuchung  der  Gefäss- 
entwicklung  allerorts  davon  überzeugen,  dass  zellenarrae  An- 
lagen sich  schneller  höhlen  als  zellenreichere.  Die  wenigste 
Zeit  erfordert  der  Vorgang  bei  den  blutleeren,  die  längste  im 


*)  Pop  off,   Die  Dottersackgefässe  des  Huhnes.     Wiesbaden   1894. 


492         Sitzung  der  math.'phys,  Classe  vom  6,  Dezember  1902, 

Allgemeinen  bei  jenen  bluth altigen  Qefässen,  welche  grosse 
Mengen  von  Blutzellen  enthalten.  Aber  diese  Erklärung  reicht 
für  die  angeführte  Beobachtung  nicht  aus,  denn  jene  Stränge 
des  Hinterendes  der  Gefasszone,  welche  notorisch  am  längsten 
solid  bleiben,  sind  gar  nicht  die  mächtigsten.  Die  stärksten 
Anlagen  befinden  sich,  ebenso  wie  weiter  vorn,  so  auch 
im  Caudaltheil  der  Area  vasculosa  stets  mehr  an  derem 
peripheren  Rand  dicht  neben  der  Randvenenanlage.  Die  von 
Pop  off  abgebildeten  undurchgängigen  Qefössanlagen  hingegen 
liegen  hauptsächlich  im  inneren  Theil  der  Area,  gegen  ihre 
Ursprungsstätte,  den  Primitivstreifen,  zu  und  stellen  dement- 
sprechend auch  verhältnissmässig  dünne  Stränge  und  Zellen  vor. 
Es  ist  daher  anzunehmen,  dass  sie  deshalb  eine  solide  Be- 
schaffenheit zeigen,  weil  sie  später  aus  dem  Mesoblast  sich 
herausdifPerenzirt  haben.  So  führt  uns  auch  diese  Beobachtung 
zu  der  Anschauung,  dass  der  hintere  Theil  des  Primitivstreifens 
ein  Proliferationsgebiet  für  Blutanlagen  darstellt,  und  dass  seine 
produktive  Thätigkeit  noch  andauert,  nachdem  solche  Anlagen 
in  der  Area  vasculosa  schon  erschienen  sind. 

Eine  Entscheidung  darüber,  ob  der  Caudaltheil  des  Primi- 
tivstreifens als  Bildungsstätte  für  den  grösseren  Theil,  wie  ich 
vermuthen  möchte,  oder  eventuell  sogar  für  die  Gesammtheit  der 
Blutanlagen  der  Area  opaca,  dem  übrigen  Primitivstreifen  gegen- 
über eine  Sonderstellung  einnimmt,  können  nur  Experimente 
liefern,  wie  solche  namentlich  von  Kopsch^)  in  neuerer  Zeit  mit 
Erfolg  angestellt  worden  sind.  Ich  habe  hierbei  speciell  den  Ver- 
such im  Auge,  bei  welchem  an  einer  12  Stunden  alten  Keimscheibe 
ein  vom  hinteren  Ende  des  Primitivstreifens  ausgehender  sichel- 
förmiger  Streif*)    auf   der    linken    Seite    durch    Ansetzen    der 

^)  Kopsch,  Experimentelle  Untersuchungen  am  Primi tivstreifen 
des  Hühnchens  und  an  Scjlliura- Embryonen.  Verh.  der  Anat.  Ges. 
Kiel  1880.  Derselbe,  Ueber  die  Bedeutung  des  Primitivstreifens  beim 
liühnerembrjü.     Leipzig  1*JÜ2. 

^)  Diese   Sichel,   die   nach   den  Abbildungen    von  Kopsch   an   der 

Grenze  der  Area  opaca   zu  liegen  scheint,   stimmt  am  meisten  mit  dem 

Koller  dargestellten  Gebilde  überein.    Ich  bin  ihr  an  den  von  mir 


J.  Rückert:  Abstammung  der  bluthaltigen  Gefässahlagen  etc.     493 

Elektrode  in  seiner  Entwicklung  gehemmt  wurde.  Das  Resuljbat 
war  bei  Abtödtung  der  60  Stunden  alten  Keimscheibe:  keine 
wesentliche  Schädigung  des  Embryo,  aber  Fehlen  des  linken 
Stammes  der  Dottersackarterie  und  Einziehung  des  hinteren 
Abschnittes  des  Gefässhofes  gegen  die  Operationsstelle  hin, 
durch  welch'  letztere  die  Vena  terminalis  unterbrochen  ist. 
Die  Operation  lehrt,  wie  Kopsch  hervorhebt,  dass  die  Sichel 
bei  Embryonen  von  12  Stunden  keine  Anlagen  für  den  Embryo, 
sondern  ausschliesslich  solche  für  den  Gefässhof  enthält.  Speciell 
müsse  der  Vorderrand  derselben  die  Anlage  der  Dottersack- 
arterie, ihr  Hinten-and  eine  Strecke  der  Randvene  enthalten. 
Das  sind  nun  beide  blutleer  sich  anlegende  Gefasse  (vergl.  über 
die  Randvene  weiter  unten).  Wie  sich  aber  die  Blutanlagen 
verhalten,  ob  sie  in  der  linken  Hälfte  der  Area  vasculosa  ganz 
ausgefallen  sind,  oder  ob  dies  nur  im  hinteren  Tbeil  derselben 
der  Fall  war  oder  ob  sie  daselbst  vielleicht  nur  schwächer 
entwickelt  waren,  ist  nicht  angegeben,  offenbar  deshalb  nicht, 
weil  in  dem  Stadium  von  60  Stunden  das  Blut  schon  verflüssigt 
und  in  Circulation  war,  wenn  anders  der  Embryo  in  dieser 
Hinsicht  normal  entwickelt  gewesen. 

Drei  weitere  Embryonen,  die  auf  etwas  älterer  Entwick- 
lungsstufe nämlich  mit  24  und  16Va  Stunden  am  hinteren 
Ende  des  Primitivstreifens  von  Kopsch  operirt  worden  sind, 
wurden  nach  48  und  40  Stunden  konservirt  also  in  einem 
Stadium,  in  welchem  noch  „Blutinseln**  vorhanden  waren.  Der 
Gefässhof  ist  nach  der  Angabe  von  Kopsch  bei  zweien  derselben 
(Embryo  IV  und  VI)  dem  Stadium  des  Embryos  entsprechend 
ausgebildet,  bei  dem  3ten  (Embryo  V)  in  der  Ausbreitung  „etwas* 
zurückgeblieben.  Die  in  Fig.  14  1.  c.  abgebildeten  Blutan- 
lagen dieses  Gefässhofes  scheinen  mir  für  das  Stadium  schwach 
und  wenig  weit   nach   vorne  reichend.     Im  Ganzen   sind  aber, 


untersuchten  jungen  Stadien  bis  jetzt  nicht  begegnet  und  weiss  daher 
nicht,  in  welcher  Beziehung  sie  zu  der  von  mir  in  etwas  älteren  Keim- 
scheiben gesehenen,  oft  sichelförmigen  Verbreiterung  des  Primitivstreifen- 
endes steht,  ob  sie  eine  jüngere  Entwicklungsstufe  der  letzteren  ist 
oder  nicht. 


494         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  6.  Dezember  1902. 

namentlich  mit  Rücksicht  auf  die  Embryonen  IV  und  VI  die 
Ergebnisse  nicht  gerade  der  Annahme  günstig,  dass  das  Caudal- 
ende  des  Primitivstreifens  von  der  16ten  Stunde  ab  noch  be- 
merkenswerthes  Material  an  die  Blutanlagen  abgiebt.  Indessen 
darf  man  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  die  betreffende  Stelle  des 
Priraitivstreifens  durch  den  operativen  Eingriff,  bei  welchem  es  in 
erster  Linie  darauf  ankam,  brauchbare  Marken  am  Blastoderm  zu 
setzen,  nicht  völlig  zerstört  worden  ist,  wie  die  Figuren  13, 14  und 
16  1.  c.  beweisen.  Um  Missverständnissen  vorzubeugen,  hebe 
ich  ausdrücklich  hervor,  dass  ich  damit  nicht  die  interessanten 
Experimente  und  die  wie  mir  scheint  sehr  werthvolle  Methode 
von  Kopsch,  deren  genauere  Beschreibung  er  in  Aussicht  ge- 
stellt hat,  bemängeln  will.  Die  Versuche  sind  ja  zu  einem 
ganz  anderen  Zweck  ausgeführt  worden,  als  dem,  der  Quelle 
der  Blutanlagen  nachzugehen.  Es  wäre  aber  vielleicht  lohnend, 
Experimente  eigens  in  dieser  Richtung  anzustellen.  Diese 
müssten  selbstverständlich  von  der  Entwicklung  und  Ausbrei- 
tungsweise des  extraembryonalen  Mesoblast  ausgehen.  In 
letzterer  Hinsicht  sind  2  Hauptmöglichkeiten  gegeben:  ent- 
weder wächst  dieser  Theil  des  Mittelblattes  von  der  ganzen 
Länge  des  Primitivstreifen  aus  einheitlich 
y  in     seitlicher     Richtung     bis    zum    Rande 

^  der   späteren   Area  vasculosa  hin   (vergl.  bei- 

stehendes Schema  a.)    und  liefert  mit  seinem 
medialen    Abschnitt    die    Gefasse     der    Area 
pellucida  mit  seinem  lateralen  diejenigen  der 
^  Area  opaca,    also    auch    die  Blutanlagen  oder 

I  ein    solcher   flügelförmig   nach    der  Seite    hin 

sich  ausbreitender  Mesoblast    trifft,    indem  er 
^         die  Area  pellucida  durchsetzt   und  ihr,    even- 
y^  tuoll  auch  noch  der  Area  opaca,  leere  Gefasse 

->   I        liefert,  peripher  mit  einem  vom  Caudalabschnitt 
_„  des  Priniitivstreifens  in  der  Area  opaca  nach 

I  vorne  jjjehenden  Zug  zusammen,  welcher  (even- 
tuell neben  Anlagen  leerer  Gefiisse)  das  ge- 
samnite  ]\[aterial  für  die  ]>luthaltigen  Gefasse 
der  Area  opaca  führt.     (^S.  Schema  b.) 


a) 


b) 


J.  JRticfcert:  Abstammung  der  bluthcUtigen  Oefässatüagen  etc,     495 

Die  von  mir  an  den  beschriebenen  älteren  und  an  einigen 
jüngeren  Hühnerkeimscheiben  gemachten  Beobachtungen  spre- 
chen eher  zu  Gunsten  der  letzteren  Auffassung. 


Wenn  ich  im  Vorstehenden  die  mesoblastische  Abkunft 
der  Gefassanschwellungen  vertreten  habe,  kann  ich  deshalb 
doch  van  der  Stricht,^)  dessen  Standpunkt  der  gleiche  ist, 
nicht  zustimmen,  vs^enn  er  sagt  (1.  c.  p.  212)  „ces  ilöts  sont 
toujours  nettement  distincts  du  rempart  vitellin  sous-jacent*. 
Ich  finde  im  Gegentheil  die  Gefässanlagen  in  der  Area  opaca 
oft  dem  Keimwall  innig  anliegend,  sich  in  ihn  einsenkend 
und  förmlich  einbohrend,  so  dass  man  stellenweise  nicht  im 
Stande  ist,  eine  scharfe  Grenze  zwischen  ihren  Zellen  und 
denen  des  Eeimwalls  zu  ziehen.  Solche  Gefässanlagen  machen 
den  Eindruck,  als  ob  sie  zum  Keim  wall  gehörten.  Aber  anderer- 
seits habe  ich  beim  Hühnchen  doch  nie  Bilder  gesehen,  welche 
in  unzweideutiger  Weise  eine  Entstehung  von  Blutzellen  aus 
dem  Keimwall  zeigen.  Ich  kann  daher  nicht  behaupten,  dass 
beim  Huhn  das  mesoblastische  Blutmaterial  sich  auf  dem  Dotter 
durch  Hinzutreten  entoblastischer  Elemente  ergänze,  wie  ich^) 
dies  früher  für  Selachier  angegeben.  Trotzdem  kann  ich  jene 
vorübergehende  Verbindung  weder  für  ein  Artefakt  noch  für 
etwas  Zufälliges  halten,  um  so  weniger  als  sie  sich  in  noch 
ausgesprochenerer  Weise  bei  den  Selachiern  findet.  Ich  darf 
hier  mittheilen,  dass  sie  nach  den  Untersuchungen  von  Herrn 
Kollegen  Mol  Her  auch  bei  den  Amphibien  vorhanden  ist. 
Sie  stellt  also  auch  mit  Rücksicht  auf  ihr  verbreitetes  Vor- 
kommen eine  auffallende  Erscheinung  dar,  über  die  man  nicht 
ohne  Weiteres  hinweggehen  kann.     Kann  sie  nicht  durch  die 


*)  van  der  Stricht,  Nouvelles  recherches  sur  la  genese  des 
globules  roiiges  et  des  globulea  blancs  du  sang.  Arch.  de  Biologie 
T.  XII,  1892. 

2)  Rück  er  t,  Ueber  die  Anlage  des  mittleren  Keimblattes  und  die 
erste  Blutbildung  bei  Torpedo.    Anat.  Anz.  II,  1887. 


496         Sitzung  der  math.-phys,  Clasae  vom  6.  Dezember  1902. 

Annahme  einer  Neubildung  von  Blut-  und  Qefasszellen  aus 
dem  Entoblast  erklärt  werden,  so  muss  man  nach  einer  anderen 
Deutung  suchen.  So  möchte  ich  denn  die  Vermuthung  aus- 
sprechen, dass  sie  vielleicht  der  Ausdruck  ist  für  die  Einver- 
leibung einer  Eisenverbindung  in  die  Blutzellen  aus  dem  Dotter. 
Diese  Annahme  liegt  nahe,  nachdem  Smiechowsky^)  durch 
microchemische  Untersuchung  gezeigt  hat,  dass  das  gesammte 
eisenhaltige  Material  des  weissen  Dotters  beim  Huhn  in  den 
„Megasphären"  enthalten  ist  und  von  da  in  die  Blutkörper 
gelangt.  Von  dem  Zeitpunkt  an,  in  welchem  die  Eisenreaktion 
in  den  Blutzellen  deutlich  wird  (Stadium  mit  12  Urwirbeln), 
nimmt  sie  in  den  Megasphären  bedeutend  an  Intensität  ab. 
Auf  welchem  Wege  die  üebertragung  geschieht,  konnte  der 
Autor  nicht  feststellen.  Er  tritt  aber  auf  Grund  seiner  Beob- 
achtungen der  Ansicht  bei,  dass  die  Megasphären  von  den 
Entoblastzellen  aufgenommen  werden  und  denkt  auch  an  eine 
Vermittlung  der  Endothelzellen, 


Zum  Schluss  soll  noch  die  Entstehung  des  Randgefässes 
der  Area  vasculosa  besprochen  werden.  Die  herrschende  An- 
sicht, dass  dieses  Gefäss  aus  den  peripheren  Blutanlagen  durch 
Confluiren  derselben  sich  bilde,  ist  nicht  richtig.  Schon  der 
Umstand,  dass  ein  Sinus  terminalis  auch  im  vordersten  Theil 
des  Blastoderms  auftritt,  wo  die  Blutanlagen  sehr  spärlich 
sind  und  auf  ausgedehnten  Strecken  des  Randes  ganz  fehlen, 
weist  auf  einen  anderen  Entstehungsmodus  hin.  Die  Unter- 
suchung ergiebt  denn  auch,  dass  der  Sinus  peripher  von  den 
randständigen  grossen  Blutanlagen  sich  anlegt  und  zwar  nach 
dem  Typus  der  blutleeren  Gefässe,  wie  solche  bekanntlich 
innerhalb  des  Embryo  und  ausserhalb  desselben  in  der  Area 
pellucida  sich  bilden.  Auch  in  der  Area  opaca  treten  sie  wie 
bekannt  neben  den  blutleeren  Gefässen  auf,  besonders  in  einer 


'^  Smiechowsky,   Uebcr  die  Bedeutung  der  Megasphären   in  der 
«^  des  Hühnchens.     Anat.  Hefte  1892. 


J,  tLüLckert:  Abstammung  der  hluthaltigen  Gefäasardagen  etc.    497 

inneren  gegen  die  A.  pellucida  zu  gelegenen  Zone,  die  nach 
vorn  zu  an  Ausdehnung  zunimmt  in  dem  Masse,  dass  im  vorder- 
sten Theil  der  Area  die  Blutanlagen  fast  gänzlich  durch  die 
der  leeren  Gefässe  ersetzt  werden.  Nach  Art  dieser  leeren 
Endothelröhren  entsteht  der  Randsinus,  nämlich  aus  einer 
dünnen,  verhältnissmässig  spät  erscheinenden  Zellschicht,  die 
peripher  von  der  jeweilig  randständigen  Blutanlage  sich  be- 
findet. Wie  die  Gefassanlagen  der  Area  vasculosa  in  ihrer 
Gesammtheit,  seien  sie  bluthaltig  oder  leer,  untereinander  in 
Zusammenhang  stehen,  so  ist  auch  die  erste  noch  nicht  ge- 
höhlte Anlage  des  Randgefässes  mit  dem  übrigen  Netz  ver- 
bunden. Im  vordersten  Theil  der  Area  hängt  sie  vielfach  mit 
den  leeren  Gefässen  des  Netzes  zusammen,  weiter  hinten  aus- 
schliesslich mit  den  grossen  hluthaltigen  Anlagen.  Bei  der 
Eröffnung  zum  Rohr  zeigt  sie  sich  zusammengesetzt  aus  einer 
Reihe  hintereinander  gelegener  Abtheilungen,  die  unter  sich 
zusammenhängen  und  schliesslich  völlig  confluiren.  Diese  Hohl- 
räume communiciren  mit  den  inzwischen  ebenfalls  eröflneten 
Räumen  des  übrigen  Gefassnetzes,  im  grösseren  hinteren  Theil 
der  Area  opaca  also  ausschliesslich  mit  den  eröffneten  hlut- 
haltigen Gefässen.  Die  in  letzteren  befindlichen  Haufen  von 
Blutzellen,  die  unter  sich  und  mit  bestimmten  Stellen  der  Ge- 
fässwand  noch  zusammenhängen  —  es  sind  das  die  echten 
Blutinseln  der  älteren  Autoren  —  ragen  nun  frei  gegen 
das  Innere  des  Randgefässes  vor,  und  ihre  sich  ablösenden 
Zellen  gelangen  in  dieses  hinein.  Das  Gefass  stellt  jetzt  das 
Sammelrohr  für  das  verflüssigte  Blut  dar. 

Bei  Torpedo  bildet  sich  der  Randsinus  noch  weiter 
peripher  von  den  hluthaltigen  Anlagen  und  ebenfalls  als  leeres 
Gefäss.  Seine  erste  Anlage  erscheint  sehr  frühzeitig  und  zwar 
dann  dicht  neben  der  Gefässanschwellung  in  Gestalt  von  an- 
fanglich sehr  seichten  Gruben,  die  am  Rand  der  Keimscheibe 
durch  Einsenkung  des  Dotters  nebst  des  ihn  überkleidenden 
Do tteren toblas tes  sich  bilden  und  vom  peripheren  an  dieser 
Stelle  oft  unterbrochenem  Mesoblast  überspaont  werden.  Später 
mit   dem   Auswachsen    des   Randes    rücken    diese   Randgruben 


498         Sitzung  der  mathrphys.  Glosse  vom  6.  Degemher  1902. 

von  der  Blutanlage  mehr  ab  und  werden  tiefer.  Man  er- 
kennt sie  dann  stets  deutlich  auch  im  Oberflächenbild,  wo  sie 
das  Ansehen  von  runden  durchscheinenden  Vacuolen  haben. 
H.  Virchow  hat  sie  eingehend  geschildert,  kann  sich  aber 
nicht  zu  der  Annahme  entschliessen ,  dass  sie  Vorstufen 
von  Gefassen  seien.  Sie  sehen  in  der  That  auch  gar  nicht 
wie  solche  aus,  und  habe  ich  lange  Zeit  gebraucht,  bis  ich 
mich  davon  überzeugt  habe,  dass  sie  wirklich  durch  Confluiren 
den  Randsinus,  der  bei  seinem  ersten  Auftreten,  den  Vacuolen 
entsprechend,  stark  wellig  gebuchtet  ist,  bilden.  Der  Rand- 
sinüs  von  Torpedo  ist  also  anfänglich  ein  wandungsloser 
d.  h.  nicht  mit  Endothelzellen  ausgekleideter  Raum  und  erhält 
seinen  endothelialen  Zellenbelag  erst  spät  und  ganz  allmäh- 
lich durch  vereinzelte,  sehr  lang  ausgezogene  Gefösszellen. 
Er  steht  aber  in  dieser  Hinsicht  nicht  isolirt,  denn  ein  Theil  der 
übrigen  blutleeren  Gefässe  des  Torpedo  blastoderms  ist  ebenfalls  in 
Form  von  wandungslosen  Dellen  und  Rinnen  vorgebildet,')  deren 
Auskleidung  zur  Zeit  der  auftretenden  Endothelröhren  aber 
rascher  vor  sich  geht  als  beim  Randsinus.  Der  Unterschied  ist 
dadurch  bedingt,  dass  in  diese  letzteren  Einsenkungen  die  Gefass- 
zellen  meist  mehr  in  gruppenweiser  Anordnung  gelangen.  Sie 
wandeln  sich  hier  in  Endothelröhren  um,  die,  sich  rasch  aus- 
dehnend, die  Wand  des  Raumes  austapeziren.  Auch  diese 
weiter  innen  gelegenen  Einsenkungen  sieht  man  im  Oberflächen- 
bild.*) Der  geschilderte  primitive  wandungslose  Zustand  bei 
einem  Theil  der  Dottergefässe  von  Torpedo  stimmt  gut  zu 
den  bekannten  Angaben,  welche  über  das  Verhalten  der  ersten 
Gefassräume  auf  dem  Dotter  der  Knochenfische  vorliegen. 


*)  H.  Virchow,  Ueber  Blutinseln  und  GefUssbezirk  von  Torpedo 
ocellata.     Sitzber.  d.  Ges.  naturf.  Freunde  zu  Berlin.     1898. 

'^)  Vergl.  auch  hierüber  H.  Virchow  1.  c.  und  die  von  ihm  citirte 
Schrift  Ko  11  man n's  „Gemeinsame  Entwicklungsbahnen  der  Wirbel thiere*. 
Gedenkschrift  zur  Eröffnung  des  Vesalianum,  Leipzig  1885. 


499 


Namen -Register. 


Alt  Heinrich    113.  209. 

V.  Baeyer  Adolf   1.  55.  458. 
Blanckenhorn  Max    341.  353. 
Brögger  W.  C.  (Wahl)    457. 
Broili  Ferdinand    15. 
Brunn  Hermann    91. 

Doflein  Franz   55. 

Egger  Joseph  Georg    15.  152. 
Engelmann  Wilhelm  (Wahl)    457. 
Engler  Adolf  (Wahl)   457. 

Fick  Adolf  (Neki-olog)  277. 
Finsterwalder  Sebastian  15. 
Fischer  K.  T.    113.  209. 

Gibbs  J.  Willard  (Wahl)   457. 

Göbel  Karl    55.  208. 

Günther  Sigmund    17.  55.  459. 

Hartig  Robert  (Nekrolog)   233. 
Hermite  Charles  (Nekrolog)    262. 
Hoff  van  t' Jacobus  Hendricus  (Wahl) 

457. 
Hertwig  Richard    57.  458. 

Korn  Arthur    39.  75. 
Kowalewski  Alexander   (Nekrolog) 
288. 


Kühne  Willy  (Nekrolog)    247. 
V.  Kupffer  Carl    15. 

V.  Linde  Carl    152. 
Lindemann  Ferdinand    1.  153. 
Löwy  A.    3. 

Nordenskiöld    Nils    Adolf   Erik 
(Nekrolog)    268. 

Oppenheim  Paul    435. 

Perry  Newel    43. 
Pringsheim  Alfred    163.  295. 

Ranke  Johannes  (Wahl)    457. 
Rothpletz  August    193.  311. 
Rosenbusch  Harry  (Wahl)    457. 
Rückert  Johannes    487. 

Schlosser  Max    458. 

Schmauss  August    327. 

Seeliger  Hugo    1. 

Selenka  Emil  (Nekrolog)    241. 

Smyth  Charles  Piazzi  (Nekrolog)  243. 

Stromer  v.  Reichenbach  Ernst  341. 

V.  Voit  Carl    232. 

Walkhoff  Otto    305. 

V.  Zittel  Karl  Alfred    217.  457. 


500 


Sach- Register. 


Aegypten,  Reise  dahin    341. 

Ansprache  des  Präsidenten  in  der  öffentlichen  Sitzung    217. 

Befruchtung,  Wesen  und  Bedeutung  derselben    57. 

Blut,  Entstehung  desselben  im  Hühnerei    487. 

Tommissura  veli  transversi  des  Hirns    15. 

Constitution  der  Atome    1. 

Contractions-  und  Expansions-Theorie    311. 

Decapoden  Ostasiens   55. 

Denudationsgebiete,  glaciale  im  mittleren  Eisackthale    459. 

Differentialgleichungen    3. 

Drehung,  magnetische  der  Polarisationsebene  des  Lichtes    327. 

Druckschriften,  eingelaufene    1*— 25*.  27*— 53*. 

Fernphotographie  elektrische    39. 
Foraminiferen    152. 
Fossile  Säugethiere  Chinas   458. 
Fossilien  aus  dem  Blättermergel  von  Theben    433. 
Functionen,  transcendente    163.  295. 

Geologisch-stratigraphische  Beobachtungen  aus  Aegypten    353. 
Grundbegriffe,  hydrologisch-topographische    17. 

Homologie  in  der  Entwicklung  weiblicher  und  männlicher  Geschlechts- 
organe   55. 
Kern-  und  Zellgrösse    458. 

Luft,  flüssige,  Destillation  und  Rectification  derselben    152. 
Mittelwerthsätze  über  bestimmte  Integrale    91. 
Nachbildung,  mechanische  von  Minimalflächen    15. 
Nebel  der  Nova  Persei    1. 
Orbitolinen,   Bau  derselben    15. 
Orbitolinen  der  untersten  Kreide  in  der  Krim    15. 
Problem  der  conformen  Abbildung  für  eine  specielle  Kurve    43. 
Kegeneration  bei  Pflanzen    208. 
Sauerstoff,  Vierwerthigkeit  desselben    1. 
Sceletttheile,  diluviale  menschliche    305. 
Sechseck,  PascaFsches    153. 

Stickstoff,  Erstarrungs-  und  Schmelzdruck  desselben    209. 
Stickstoff,  Siedepunkt,  Gefrierpunkt  und  Dampfspannung  desselben  113. 
Thermalquellen  von  St.  Moriz    193. 
Tripbenylmethan,  Abkömmlinge  desselben    55.  458. 
Variatiunsrechnung,  einfachster  semiJefiniter  Fall  in  derselben    75. 
Winci    '     '«sen  mit  dem  Jakobsstabe    55. 


1* 


Terzeiehnis  der  eingelanfenen  Draekschriften 

Januar  bis  Jani  1902. 


Die  verehrlichen  Gesellschaften  and  Institute,  mit  welchen  unsere  Akademie  in 
Tmusehverkehr  steht,  werden  gebeten,  nachstehendes  Verzeichnis  zugleich  als  Empfangs- 
bestätigung zu  betrachten. 


Von  folgenden  Gesellschaften  nnd  Instituten: 

University  of  Äberdeen: 
Studies.    No.  4.  5.   1901.   4» 

Eoydl  Society  of  South-Australia  in  Adelaide: 
Traneactions  and  Proceedings.  Vol.  25,  pari  2.    1901.    8^ 

Südslavische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Agram: 
Rad.    Vol.  146.  147.    8^. 

Monumenta  spectantia  historiam  Slavorum  merid.  Vol.  XXX.  1.   1901.  8^. 
Ant.  Radic,  Zbornik  za  narodni  zivot.    Bd.  VI,  2.    1901.    Q^, 
Milivoj  Srepel,  Grata  za  povjest  Knizevnosti  hrvatske.    Bd.  8.    1901.   8®. 
P.  Budmani,  Rjeönik  hrvatskoga  ili  srpskoga  jezika.   Heft  21.    1901.    4^. 

K.  kroat.'slavon. 'dalmatinisches  Landesarchiv  in  Agram: 
Vjestnik.   Bd.  4,  Heft  1—3.    1902.    4". 

GeschichtS'  und  Alt erthums forschende  Gesellschaft  des  Osterlandes 
in  Altenburg: 

Mittbeilnngen.    Bd.  1.    Ergänzungsbeft.    1901.    S^. 

Expedition  antarctique  beige  in  Antwerpen: 
Note  rel.  aox  rapports  scientifiques   pablies  aux  frais  du  gouvernement 
beige  80US  la  Direction   de  la  Commission  de  la  Belgica.    1902.    4^. 
Resultats  du  Voyage  du  S.Y.Belgicaen  1897— 99.  (10  Hefte).  1901-02.  4». 

Observatoire  national  d^ Äthanes: 
Annales.    Tom.  3.    1901.   4». 

Redaktion  der  Zeitschrift  „Athena": 
Atbena.    Tom.  14,  fasc.  1—3.    1902.    8». 


2*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Johns  Hopkins  University  in  Baltimore: 
Studies  in  historical  and  political  Science.    Ser.XIX,  No.  10 — 12;  Ser.XX, 

No.  1.    1901-02.   80. 
Circulars.   Vol.  21,  No.  155-158.    1902.    4«. 
American  Journal  of  Mathematics.    Vol.  24,  No.  1.    1902.    4P. 
The  American  Journal  of  Philology.    Vol.  22,  No.  2.  3.    1901.    8». 
American    Chemical   Journal.     Vol.  26,    No.  4—6;    Vol.  27,    No.  1—3. 

1901/02.    8». 
Bulletin  of  the  Johne  Hopkins  Hospital.    Vol.  XII,  No.  129;  Vol.  XIII, 

130—133,  135.    1901/02.    49, 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Basel: 
Verhandlungen.    Bd.  XIII,  2.  3.  XIV,  und  Index  zu  Bd.  6— 12.  1901/02.  8^. 
Fr.  Burckhardt,  Zur  Erinnerung  an  Tycho  Brahe.    1546—1601.    1901.  8^. 

Historisch-antiquarische  Gesellschaft  in  Basel: 
Basler  Zeitschrift  für   Geschichte  und  Altertumskunde.    Bd.  1,    Heft  2. 
1902.   8«. 

Bataviaasch  Genootschap  van  Künsten  en  Wetenschappen  in  Baiavia: 
Tijdschrift.    Deel  44,  afl.  5  en  6.    1901.    Deel  45,  afl.  1.    1902.    S». 
Notulen.    Deel  39,  afl.  2.  3.    1901.   S^. 

K.  Serbische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Belgrad: 
Glas.    No.  63.  64.    1901—02.    S«. 
Godischniak.    XIV.    1900.    1901.    8». 
Sbornik.    Bd.  I.    1902.    8. 

Museum  in  Bergen  (Norwegen): 

An  Account  of  the  Crustacea.    Vol.  IV,  part  5.  6.    1902.    4^. 
Aarbog  für  1901.     1902.    8°. 
Aarsberetning  for  1901.     1902.    8<>. 

University  of  California  in  Berkeley: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901. 

K.  preiiss.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin: 
Abhandlungen  aus  dem  Jahre  1901.    1901.    4®. 
Sitzungsberichte.    1901  No.  39-53;  1902  No.  1— 22.    QP.     ' 
Politische  Korrespondenz  Friedrichs  des  Grossen.    Bd.  XXVII.    1902.   8®. 
Corpus    inscriptionum    graecarum   Peloponnesi   et   insularum   vicinamm. 

Vol.  I.    1902.    fol. 
Corpus  Inscriptionum  Orientis.   Supplementum.   Pars  posterior.   1902.   fol. 

K.  geolog.  Landesanstalt  und  Bergakademie  in  Berlin: 
Abhandlungen.    N.  F.    Heft  31  mit  Atlas.    1900.     Heft  35.  36.    1901.   4^. 

Zcntralhurcau  der  internationalen  Erdmessung  in  Berlin: 
Beriebt  üher  die  Thätigkeit  des  Centralbureaus  i.  J.  1901.    1902.    4®. 

Deutsche  chemische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Berichte.    34.  .lahrg.,  No.  18  und  35.  Jahrg.,  No.  1—12.    1902.    8<>. 

Deutsche  geologische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Zeit. schritt.    Bd.  53,  Heft  4.    1902.    8«. 
E    '  Die  deutsche  ^geologische  Gesellschaft  1848—1898.    1901.   8^. 


Vereeichnia  der  eingelaufenen  Drucicschriften.  3* 

Medicinische  Gesellschaft  in  Berlin: 
VerhandluDKen.    Bd.  82.    1902.   S». 

Physiologisclie  Gesellschaft  in  Berlin: 
Literatur.     1901.     Bd.  XV,   No.  20-26   und   Register.    1902.    Bd.  XVI, 
No.  1-6.   80. 

K.  technische  Hochschule  in  Berlin: 
Die  Grenzen   der  Seeschiffahrt.    Rede  von  Rektor  Budendey.    1902.    4^. 

Kaiserlich  deutsches  archäologisches  Institut  in  Berlin: 
Jahrbuch.    Bd.  XVI,  Heft  4;  Bd.  XVII,  Heft  1.    1902.    4^. 

K.  preuss.  geodätisches  Institut  in  Berlin: 
Astronomisch- geodätische  Arbeiten  I.  Ordnung.    Bestimmung  der  Längen- 
differenz Potsdam—Pulkowa  im  Jahre  1901.    1902.   4^. 

K.  preuss,  meteorologisches  Institut  in  Berlin: 

Regenkarte  der  Provinz  Sachsen,  von  G.  Hellmann.    1902.   8^. 
Ergebnisse   der   meteorologischen  Beobachtungen    in  Potsdam  im  Jahre 

1899.    1901.    40. 
Ergebnisse  der  Niederschlagsbeobachtungen  in  den  Jahren  1897  u.  1898. 

1901.    40. 
Abhandlungen.    Bd.  II,  No.  1.    1901.    49. 
Ergebnisse  der  Beobachtungen  an  den  Stationen  II.  und  III.  Ordnung  im 

Jahre  1897.    1902.    4». 
Deutsches  Meteorologisches  Jahrbuch  für  1901.    Heft  1.    1902.   4^. 

Reichs- Marineamt  in  Berlin: 
Bestimmung   der  Intensität  der  Schwerkraft  auf  20  Stationen  der  west- 
africanischen  Küste,  von  M.  Loesch.    1902.    4^. 

K,  Sternwarte  in  Berlin: 
Beobachtungs-Ergebnisse.   Hefb  10  u.  11.    1902.    4^. 

Verein  zur  Beförderung  des  Gartenbaues  in  den  preuss.  Staaten 
in  Berlin: 
Gartenflora.    51.  Jahrg.  1902,  No.  1—13.    8». 

Verein  für  Geschichte  der  Mark  Brandenburg  in  Berlin: 

Forschungen  zur  Brandenburgischen  und  Preussischen  Geschichte.  Bd.  XV, 
I.Hälfte.    1902.    8». 

Zeitschrift  für  Instrumentenkunde  in  Berlin: 
Zeitschrift.   22.  Jahrg.  1902,  Heft  1-6.    1902.    4« 

Allgemeine  geschichtsforschende  Gesellschaft  der  Schweiz  in  Bern: 

Quellen  zur  Schweizer  Geschichte,    Bd.  XV,  1;    XVI— XX.     Basel  1899 
bis  1901.    80. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Bern: 
Neue  Denkschriften.    Bd.  38.    Zürich  1901.    4. 

Geolog.  Kommission  der  Schweiz,  naturforsch.  Gesellschaft  in  Bern: 
Beiträge  zur  geologischen  Karte  der  Schweiz.    N.  F.    Liefg.  XI.    1901.  49. 

1* 


4:  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Historischer  Verein  in  Bern: 
Archiv.   Bd.  16,  Heft  2.    1901.   S». 

JR.  Deputazione  di  storia  patria  per  le  Provincie  di  Bomagna 
in  Bologna: 
Atti  e  Memorie.   III.  Serie.   Vol.  XIX,  fasc.  4—6.    1901.   8® 

Niederrheinische  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  in  Bonn: 
Sitzungsberichte  1901.    I.  und  II.  Hälfte.    1901—02.    8°. 

Naturhistorischer  Verein  der  preussischen  Rheinlande  in  Bonn: 
Verhandlungen.    58.  Jahrg.  I.  und  IL  Hälfte.    1901-02.    8». 
Sociite  de  geographie  commerciale  in  Bordeaux: 
Bulletin.    1902.    No.  1—12.   S». 

American  Academy  of  Arts  and  Sciences  in  Boston: 
Proeeedings.    Vol.  87,  No.  4—14.    1901—02.    S\ 

American  Phüological  Association  in  Boston: 
Transactions  and  Proeeedings.    Vol.  32.    1901.    8®. 

Boston  Society  of  natural  History  in  Boston: 
Proceedingfl.    Vol.  29,  No.  16—18;  Vol.  30,  No.  1.  2.    1901.    S». 
Occasional  Papers.    VI.    1901.    8». 

Magistrat  der  Stadt  Braunschweig: 

Abt  Berthold  Meiers  Legenden  und  Geschichten  des  Klosters  Set  Aegidien. 
Wolfenbüttel  1900.    gr.  8». 

Geschichtsverein  in  Braunschweig: 
Braunschweigisches  Magazin.    Jahrg.  1901.    4°. 

Verein  für  Naturicissenschaft  in  Braunschweig: 
12.  Jahresbericht  über  die  Jahre  1899/1900  und  1900/1901.    1902.    8«. 
Technische  Hochschule  in  Braunschweig: 

Programm  für  die  Jahre  1901-02.    1901.    8^. 
Vorschriften  über  die  Diplomprüfungen.    1901.    8®. 

3Iährisches  Landesmuseum  in  Brunn: 

Zeitschrift.    Bd.  1,  Heft  1  u.  2.    1901.    gr.  8». 
Casopsis.    Bd.  I,  Cislo  1  u.  2.    1901.    gr.  8^. 

Deutscher  Verein  für  die   Geschichte  Mährens   und  Schlesiens 
in  Brunn: 

Karl  Lechner,  Die  ältesten  Belehnunga-  und  Lehensgeschichte böcher  des 

Bisthums  Olmütz.    1902.    8«. 
Zeitschrift.    6.  Jahrg.,  Heft  1-3.    1902.   gr.  8^. 

Natur  forschender  Verein  in  Brunn: 
Vorharullunpron.    M.  39.    1901.    8^ 
XIX.  Bericht  der  meteorol.  Kommission  im  Jahre  1899.    1901.    S'*. 

Äcademic  Ixoyale  de  mcdecine  in  Brüssel: 
M«'moires  couronne^?  in  S^.    Tom.  50.    1890—1902.    8^ 
IJuUetin.  IV.  Serie.  Tom.  XV  No.  10.  11.  Tom.  XVI  No.  1— 5.  1901/02.  Bf*. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  5* 

Äcademie  Eoycde  des  sciences  in  Brüssel: 
Memoires  des  membres  in  4<^.    Tom.  5i,  faac.  1—4.    1900 — Ol.    49, 
Me'moires  couronnäs  in  4^.    Tom.  59,  fasc.  1.  2.    1901.    4^ 
Mämoires  couronn^s  in  8^    Tom.  61.    1901.    8®. 
Biographie  nationale.    Tom.  XVI,  faac.  2.    1901.    8^. 
Annuaire  1902.    68«  ann^e.    8°. 
Bulletin,    a)  Classe  des  lettres  1901,  No.  11.  12;  1902,  No.  1—8'.   80. 

b)  Classe  des  sciences  1901,  No.  11.  12;  1902,  No.  1—3.   8». 
Charles  de  TAbbaye  de  Saint-Martin  de  Tournai.    Tom.  2.    1901.   4^. 

Societe  des  Bollandistes  in  Brüssel: 
Analecta  Bollandiana.    Tom.  21,  fasc.  1.  2.    1902.   8®. 

Societe  entomölogique  de  Belgique  in  Brüssel: 
Annales.   Tom.  46.    1901.    8^. 

Sociite  beige  de  gSologie  in  Brüssel: 
Bulletin.    Tom.  12,  fasc.  4;   Tom.  16,  fasc.  6;   Tom.  16,  fasc.  1.    1902.   8^. 

K.  Ungar,  geologische  Anstalt  in  Budapest: 
Mittheilungen  aus  dem  Jahrbuche.    Bd.  13,  Heft  4.  5.    1902.   8®. 
Földtani  Közlönv.    Bd.  81,  Heft  6— 12;  Bd.  32,  Heft  1—4.  1901/02.   8«. 
Jahresbericht  für  1897.    1901.    8». 
A  Magyar  kir.  földtani  int^zet  ävkönyve.    Bd.  18,  Heft  5.  6.    1901.  4^. 

Statistisches  Bureau  der  Haupt-  und  Residenzstadt  Budapest: 
Publikationen.    No.  XXIX,  2.    Berlin  1901.   4». 

Museo  national  in  Buenos  Aires: 
Comunicaciones.   Tom.  I,  No.  10.    1901.   8^. 

Botanischer  Garten  in  Buitenzorg  (Java): 

Mededeelingen.    No.  LH— LV.    Batavia  1902.    4». 
Bulletin.   No.  IX— XI.    1901.   4» 

Botanisches  Institut  in  Bukarest: 

Bulletin  de  THerbier.    No.  1.    1901  Sept.— Dec.    1901.   8^. 

Rumänisches  meteorologisches  Institut  in  Bukarest: 

Analele.    Tom.  XV,  anul  1899.    1901.    fol. 

Meteorological  Department  of  the  Government  of  India  in  Calcutta: 
Monthly  Weather  Review.    Aug.— Dec.  1901,   Januar  1902.    1901/02.    fol. 
Indian  Meteorological  Memoirs.    Vol.  XII,  part  2.    1902.   fol. 
Kainfall  of  India.    10*^  year  1900.    1901.    fol. 

Asiatic  Society  of  Bengal  in  Calcutta: 
Bibliotheca  Indica.    New  Ser.    No.  999.  1001—1004.    1901/02.   8^ 

Geölogicdl  Survey  of  India  in  Calcutta: 

Records.    Vol.  30,  part  3.  4;  Vol,  31,  part  2.  3;  Vol.  32,  part  1.   1901.   4^. 

Institut  jßgyptien  in  Cairo: 

Bulletin.    1896—1901.   8»., 

Livre  d'or  jde  Tlnstitut  ßgyptien   1859—1899.    Texte   et  planches.    Le 
Mans  1899.   8^. 


6*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften^ 

Museum  of  comparative  Zoölogy  at  Harvard  College  in  Cambridge^  Mass.: 
Bulletin.    Vol.  39,  No.  2.  3;  Vol.  40,  No.  1.    1902.    80. 
Memoire.    Vol.  XXVI,  No.  1—8;  Vol.  XXVII,  No.  1.    1902.    40. 

Ästronomical  Ohservatory  of  Harvard  College  in  Cambridge,  Mass.: 
66^^  Annual  Report.    1901.   8». 
Annais.    Vol.  48,  part  2;  Vol.  48,  pari  1.    1901/02.    40. 

Philosophical  Society  in  Cambridge: 
Proceedings.    Vol.  XI,  part  4.  6.    1902.    8°. 

Geological  Commission^  Cdlony  of  the  Cape  of  Good  Hope 
in  Cape  Town: 

Annual  Report  for  1898  and  1899.    1900.    4«. 

Geodetic  Survey  of  South  Äfrica  in  Capctown: 
Geodetic  Survey.    Vol.  II.    1901.    fol. 

Äccademia  Gioenia  dt  sdenze  naturali  in  Catania: 
Atti.    Serie  IV,  Vol.  14.    1901.    4^. 

Bullettino  mensile.   Nuova  Ser.,  fasc.  71  (Nov.  1901);  fasc.  72  (Febr.  1902). 
1902.    80. 

Physikalisch-technische  Beichsanstalt  in  Charlottenburg: 

Die  Thätigkeit  der  physikalisch-technischen  Reicfasanstalt  im  Jahre  1901. 
Berlin  1902.    4». 

K.  sächsisches  meteorologisches  Institut  in  Chemnitz : 
Decaden-Monatsberichte.    Jahrg.  IV.    1902.    fol. 
Jahrbuch.    Jahrg.  XVI,  Abtlg.  111.    1902.    4^ 

John  Crerar  Library  in  Chicago: 
Vll"»  annual  Report  for  the  year  1901.     1902.    8». 

Field  Columhian  Museum  in  Chicago: 
Publications.    No.  60.  G2.  63.    1901.    8». 

Zeitschrift  „Aslrophysical  Journal^'  in  Cht<:ago: 
Vol.  XIV,  No.  5;  Vol.  XV,  No.  1-4.    1901/02.    gr.  8^. 
Committee  of  the  Nonvegiiut  North- Atlantic  Expedition  in  Christiania: 
Den  Norske  Nordhavs-Expedition.    No.  XXVIII.    1901.    fol. 

Nors  Fotlemuseiim  in  Christiania: 
Aarsberetniug  1901.    1902.    4». 

Fridtjof  Nansen  Fund  for  the  advancement  of  science  in  Christiania: 
The  Norwogian  North  Polar-Expedition  1893  —  1896.    Vol.  III.    1902.   4^. 

K.  Nonrc()isclic    Universität  in  Christiania: 
Nyt  Ma<,'azin  lor  Naturvidenskaberie.    Bd.  39.    Heft  1—4.    1901.    8^. 

Jlisforisch-antiijiKirif-cJic  Gesellschaft  für  Grauhünden  in  Chur: 
XXXI.  Jabresberie-ht.    Jahr-   1901.    1902.    8^. 

T^^oyd  Museum  and  JAbrary  in  Cincinnati: 
Uullelin.  ^al  Series,  No.  5  -8.    1900—1901.    1900/02.    S«. 


Verzeidinis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  7* 

Ohio  State  üniversity  in  Cölumhus: 

31.  annual  Report  1900—01.    1901.   8». 

WestpreiMsischer  Geschichtsverein  in  Danzig: 

Zeitschnft.    Heft  44.    1902.    gr.  8^. 

Kais,  Gouvernement  von  Deutsch-Ostafrica  in  Dar-es-Salam: 

Berichte  über  Land-  und   Forstwirtschaft  in  Deutsch- Ostafrika.  ■  Bd.  1, 
Heft  1.  2.    Heidelberg  1902.    8«. 

Historischer  Verein  für  das  Grossherzogtum  Ilessen  in  Darmstadt: 
Archiv.    N.  F.    Erg.-Bd.  I,  lieft  2.    1902.    8°. 
Quartalblatter.    Bd.  II,  No.  17— 20;  Bd.  III,  No.  1-4.    1900-01.   8^. 

Verein  für  Änhaltische  Geschichte  in  Dessau: 
Mittheilungen.   Bd.  IX,  3.    1902.   8». 

Union  geographique  du  Nord  de  la  France  in  Douai: 
Bulletin.    Tom.  23,  trimestre  1.    1902.   8». 

Verein  für  Erdkunde  in  Dresden: 
XXVII.  Jahresbericht.    1901.   8°. 

Royal  Irish  Academy  in  Dublin: 

Transactions.     Vol.  31,    Part  12—14;    Vol.  32,    Section    and  Part  1.  2. 
1901/02.    4«. 

Royal  Society  in  Dublin: 
The  economic  Proceedings.    Vol.  I,  part  2.    1899.   8^. 
The  scientific  Proceedings.    Vol.  IX,  parta  2-4.    1900—01.   8^. 
Transactions.    Vol.  VII,  parts  8—13.    1900-01.    4^. 

American  Chemical  Society  in  Boston,  Fa.: 
The  Journal.   Vol.  XXIII,  No.  12;  Vol.  XXIV,  No.  1-6.    1901/02.    8». 

Roy  cd  Society  in  Edinburgh: 
Proceedings.  Vol.  23,  p.  429—510;  Vol.  24,  p.  1—192.    1902.    4^. 

Scottish  Microscopical  Society  in  Edinburgh: 
Proceedings.    Vol.  III,  No.  2.    1901.    8^. 

Gesellschaft  f.  bildende  Kunst  u.  vaterländische  Altertümer  in  Emden: 
Jahrbuch.    Bd.  XIV,  Heft  1  u.  2.    1902.    8°. 

K  Akademie  gemeinnütziger  Wissenschaften  in  Erfurt: 
Jahrbücher.    N.  F.    Heft  28.    1902.    8». 

Reale  Accademia  dei  Georgofili  in  Florenz: 
Atti.    IV.  Ser.   Vol.  24,  disp.  3.  4;  Vol.  25,  disp.  1.    1901/02.   8^ 

Senckenbergische  natur forschende  Gesellschaft  in  Frankfurt  a/M.: 
Abhandlungen.    Bd.  XX,  3;  Bd.  XXVI,  4.    1902.    4«. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Frankfurt  afO,: 
Helios.    Bd.  XIX.    Berlin  1902.    80. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Freiburg  i,  Br.: 
Berichte.   Bd.  XU.    1902.   8^. 


8*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

BreisgaU' Verein  Schau-ins-Land  in  Freiburg  t.  Br.: 
,Schau-in8-Land.*    Jahrg.  28,  IL  Halbband.    1901.   fol. 

Universität  Freiburg  in  der  Schweiz: 
Collectanea  Friburgeneia.   Nouv.  Sär.  Fase.  12  (=  N.  F.  fasc.  8).    1902.  8^. 

Verein  für  Naturkunde  in  Fulda: 
2.  Ergänzungsheft.    1901.    4». 

Observatoire  in  Genf: 
Resumö  m^tdorologique  de  Tann^e  1900  pour  Genbve  et  le  Grand  Saini- 

Bernard.    1902.   S». 
Observations   met^orologiques  faites  auz  fortifications  de  Saint-Maorice 
pour  Tannäe  1900.    1901.   8®. 

SocietS  d'histoire  et  d'archiologie  in  Genf: 

Memoires  et  Documents.    Nouv.  S^r.    Tom.  5,  livre  2.    1901.   8^. 
Bulletin.    Tom.  2,  livre  5.    1901.    S^. 

SociSte  de  physique  et  d'histoire  naturelle  in  Genf: 

Memoires.   Vol.  84,  fasc.  1.    1902.    4». 

Vlaamsch  natuur-,  en  geneeskundig  Congres  in  Gent: 

Handelingen  van  het  Congres   gehouden  te  Brügge  28. — 29.  Sept.  1901. 

1901.  40. 

Oberhessische  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  in  Giessen: 
33.  Bericht.    1899-1902.    8». 

Oberhessischer  Geschichtsverein  in  Giessen: 
Mittbeilungen.    N.  F.    Bd.  10  und  Ergänzung  hiezu.    1901/02.    8®. 
Oberlausitzische  Gesellschaft  der  Wissenscliaften  in  Görlitz: 
Neues  Lausitzisches  Magazin.    Bd.  VII.    1901.   8®. 
Codex  diplomaticus  Lusatiae  superioris.    II.    Bd.  2,  Heft  2.    1901.    8*. 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Göttingen: 

Göttincrische  gelehrte   Anzeigen.    1901,  No.  XII;   1902,  No.  I— V.   Berlin 

1901/02.    40. 
Abhandlungen.   N.  F. 

a)  Philol.-hist.  Classe.    Bd.  IV,  No.  6.    Berlin  1901.    4^. 

b)  Mathem.-physikal.  Classe.    Bd.  II,  No.  2.   Berlin  1902.  4». 
Nachrichten,    a)  Philol.-hist.  Classe.    1901,  Heft  3.  4;  1902,  Heft  1.  2.   4». 

b)  Math.-phys.  Classe.    1901,  Heft  2.  5;  1902,  Heft  1—8.  4«. 

c)  Geschäftliche  Mitteilungen.    1901,  Heft  2. 

Universität  in  Graz: 
Verzeichnis  der  akademischen  Behörden  etc.  1901/02.    1901.    49. 

K.  I)istitunt  voor  de  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlandsch  Indie 

im  Haag: 

Bijdragen.  VI.  Reeks.  Deel  IX.  afl.  3  en  4;  Deel  X,  afl.  1  en  2.  1901/02.  8*. 

Sociiie  HnUandaise  des  Sciences  in  Haarlem: 

Archives  N^orlandaises  des  sciences  exactes.    S^rie  IL     Tom.  7,  liir.  L 

1902.  S». 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  9* 

Kaiserl,  Leopoldinisch-Carolinische  Deutsche  Akademie  der  Naturforscher 

in  Halle: 
Leopoldina.   Heft  37,  No.  12;  Heft  88,  No.  1—6.    1901/02.   A9. 
Abhandlungen.    Bd.  79.    1901.   4^. 

Deutsche  morgenländische  Gesellschaft  in  Halle: 
Zeitschrift.   Bd.  66,  Heft  1.  2.    Leipzig  1902.   8®. 
Naturwissenschaftlicher  Verein  für  Sachsen  und  Thüringen  in  Halle: 

Zeitschrift  für   Naturwissenschaften.     Band   74,    Heft  3—6.     Stuttgart 
1901/02.   ^. 

Verein  für  Hamhurgische  Geschichte  in  Hamburg: 
Mitteilungen.    21.  Jahrg.,  1901.    1902.    8». 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Hamburg: 
Verhandlungen.    III.  Folge.   IX,  1901.    1902.   S^, 

Historischer  Verein  für  Niedersachsen  in  Hannover: 

Atlas    vorgeschichtlicher    Befestigungen    in   Niedersachsen.     Heft    VII. 

1902.   fol. 
Zeitschrift.   Jahrg.  1901.   Jahrg.  1902,  Heft  1.    1901/02.   8^ 

Historisch-philosophischer  Verein  in  Heidelberg: 

Neue  Heidelberger  Jahrbücher.   Jahrg.  XI,  Heft  1.    1901.   8*. 

Naturhistorisch-niedizinischer  Verein  zu  Heidelberg: 

Verhandlungen.   N.  F.    Bd.  VII,  Heft  1.    1902.   8®. 

Geschäftsführender  Ausschuss  der  Reichslimeskommission  in  Heidelberg: 

Der    Obergermanisch -Raetische   Limes   des   Römerreiches.     Liefg.  XVI. 
1902.   40. 

Grossherzogl.  Sternwarte  in  Heidelberg: 

Mitteilungen.    L    Karlsruhe  1901.    8«. 

Finländische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Helsingfors: 
Öfversigt.    XLIII,  1900—01.    1901.    8^. 

Societas  pro  Fauna  et  Flora  Fennica  in  Helsingfors: 
Acta.    Vol.  XVL  XVIII.  XIX.  XX.    1897—1901.    S^. 
Meddelanden.    Heft  24— 27.    1900/01.   8». 

Society  de  geographie  de  Finlande  in  Helsingsfors: 
Fennia.   Vol.  10.  16.  18.    1894—1901.   8». 

Verein  für  siebenbürgische  Landeskunde  in  Hermannstadt: 
Archiv.    N.  F.    Bd.  XXX,  Heft  2.    1902.    8^. 
Jahresbericht  für  das  Jahr  1901.    1902.   8®. 

Urkundenbuch   zur  Geschichte  der  Deutschen  in  Siebenbürgen.    Bd.  III. 
1902.   40. 

Verein  für  Meiningische  Geschichte  und  Landeskunde 
in  Hildburghausen: 

Schriften.  40.  Heft.    1902.   8«. 

Ungarischer  Kar pathen- Verein  in  Iglö: 


10*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Journal  of  Physical  Chemistry  in  Ithaca,  N,Y.: 
The  Journal.     Vol.  5,  No.  9;  Vol.  6,  No.  1—3.    1901/02.   S^. 

üniversite  de  Jassy: 
Annales  scientifiques.    Tom.  2,  fasc.  1.    1902.   8^. 

Verein  für  Thüringische  Geschichte  und  Älterthumskunde  in  Jena: 
Zeitschrift.  N.  F.    Bd.  XII,  Heft  2— 4.    1901—02.    S®. 

Natur  forschende  Gesellschaft  bei  der  Universität  Jtirjew  fDorpat): 
Schriften.    No.  X.    Moskau  1902.    8». 

Universität  Jurjew  (Dorpat): 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901  in  4°  und  8®. 

Pfälzisches  Museum  in  Kaiserslautern: 
Pfälzisches  Museum.    XIX.  Jahrg.,  No.  4  (April  1902).    8®. 

Badische  Historische  Kommission  in  Karlsruhe: 

Aloys  Schulte,  Markgraf  Ludwig  Wilhelm  von  Baden.  2  Bde.  Heidel- 
berg 1901.    8«. 

Politische  Correspondenz  Karl  Friedrichs  von  Baden,  herausgegeben  von 
Erdmannsdörffer.    5  Bde.    Heidelberg  1888—1901.    8^ 

Aloys  Schulte,  Geschichte  des  mittelalterlichen  Handels.  2  Bde.  Leipzig 
1900.   8». 

Oberrheinische  Stadtrechte.  L  Abthlg.,  Heft  1—5.  Heidelberg  1895  bis 
1900.    8*. 

Zur  Vorgeschichte  des  Orleans'schen  Krieges,  bearb.  von  Karl  Immich. 
Heidelberg  1898.    8». 

Siegel  der  Badischen  Städte.    Heft  1.    Heidelberg  1899.    8^ 

Die  Konstanzer  Hatslisten  des  Mittelalters,  bearb.  von  Konrad  Beyerle. 
Heidelberg  1898.    S^, 

Zeitschrift  für  die  Geschichte  des  Oberrheins.  Bd.  VI— XVII,  2.  Frei- 
burg 1891—1902.    8^. 

Neujahrsblätter  1898-1902.    Heidelberg.    8». 

Wirtschaftsgeschicbte  des  Schwarz waldes  v.  Eberhard  Gothein.  Bd.  I. 
Strassburg  1892.    8». 

Universität  Kasan: 
Schriften  aus  Bd.  67,  No.  9.  10.    1900.    8^ 

Utschenia  Sapiski.    Bd.  68,  No.  12;  Bd.  69,  No.  1-4.    1901/02.    S^, 
1  Medicinische  Dissertation.    1900.    8^. 
Godischnij  Akt.    1901.    8^ 

Socicte  de  mcdedne  in  KharJcou}: 
Travaux.    1900.    1901.    8«. 

Üniversite  Imperiale  in  Kharkow: 
Annales  1002.    Fasc.  1.    1902.    S^, 

K()mmissio)i  zur  wissoischdftl.UntersucJnmg  der  deutschen  Meere  in  Kiel: 
WisHenscbat'tliche  Meeresuntersuchungen.    N.  F.    Bd.  V,  Abteilung  Helgo- 
Lind,  Heft  1.    1902.    4^. 

Universität  in  Kiew: 
.  41,  No.  10.  12;  Bd.  42,  No.  1.  2.    1901/02.    gr.  8«. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  11* 

MedizrncUunvissenschaftl,  Sektion  des  Museumsvereins  in  Klausenburg: 
Sitzungsberichte.    26.  Jahrg.    23.  Bd.,  1.  Abthlg.,  Heft  8.    1902.   8®. 

Physikalisch-ökonomische  Gesellschaft  in  Königsberg: 
Schriften.   42.  Jahrg.    1901.    49, 

K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Kopenhagen: 
Overaigt.    1901,  No.  6;  1902,  No.  1.    1902.    8». 
Memoires.    Section  des  Lettres.    Tom.  5,  No.  2. 

Section  des  Sciences.  Tora.  9,  No.8;  tom.lO,  No.3.  1901/02.  4«. 

Gesellschaft  für  nordische  Älterthumskunde  in  Kopenhagen: 
Nordiske  Fortidsminder.    Heft  4.    1901.    4«. 
Aarböger,  H.  Raekke.    Bd.  16.    1901.    8°. 
Memoires.    Nouv.  Sär.    1900—1901.    8°. 

Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau: 
Anzeiger.    1901,  No.  8—10;  1902,  No.  1—5.    8». 
Biblioteka  pisarzow  polskich.    No.  41.    1902.   8^. 
Kocznik.    Rok  1900/01.    1901.   8^. 
Materyaly  antropolog.-archeolog.    Tom.  V.    1901.   8®. 
Bibliografia  historyi  Polskiej.  Bd.  II,  4.    1901.    8«. 
Atlas  geologiczny  Galicyi.    Liefrg.  XIII  (mit  Atlas  in  fol.).    1901.    8^. 
Rozprawy.    a)  filolog.    Ser.  II,  tom.  18. 

b)  histor.    Ser.  II,  tom.  17. 

c)  matemat.    Ser.  II,   tom.  18.  19;    Ser.  III,   tom.  1  A  u.  B. 
1901.   8». 

Sprawozdania  komisyi   do  badania   historyi  sztuki.    Tom.  VII,  1.  2  und 

Index  zu  I— VI. 
Script ores  rerum  Polonicarum.    Tom.  18.    1901.    8®. 
Lud  biaforuski  II.    1902.    8°. 
Slownictwo  chemiczne.    1902.    8°. 
Katalog  literatury  nankowej  polskiej.    Tom.  I,  4.    1902.    8^. 

Societe  Vaudolse  des  sciences  naturelles  in  Lausanne: 
Bulletin.    4«  Särie.    Vol.  87,  No.  142;  Vol.  38,  No.  143.    1901/02.    8«. 
Observations    mdteorologiques    du    Champ    de    TAir.     Annee  XV,    1901. 
1902.    80. 

Schweizerisch-geodätische  Kommission  in  Lausanne: 
Das  Schweizerische  Dreiecksnetz.    Bd.  IX.    Zürich  1901.    4®. 

Kansas   University  in  Lawrence,  Kansas: 
The  Kansas  University  Quarterly.    Vol.  X,  No.  3.    1901.    8°. 
Archiv  der  Mathematik  und  Physik  in  Leipzig: 
Archiv.    II.  Reihe.    Bd.  III,  Heft  1.  2.    1902.    8^, 

K,  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Leipzig: 
Abhandlungen  der  pbilol.-hist.  Classe.    Bd.  XXI,  No.  2-5.    1901/03.    4«. 
Abhandlungen  der  mathemat.-physikal.  Classe.     Bd.  XXVII,    No.  1  —  6. 

1901/02.   40. 
Berichte  der  philol.-hist.  Classe.    Bd.  53,  No.  II— IV.    1901/02.   d9, 
Berichte  der  mathemat.-physikal.  Classe.     Bd.  53,   No.  V — VII;   Bd.  54, 
No.  I.  IL    1901/02.   80. 


lii*  Verzeichnia  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Fürstlich  Jablonowski^sche  Gesellschaft  in  Leipzig: 
JahreHbericht.    März  1902.   8». 

Journal  für  praktische  Chemie  in  Leipzig: 
Journal.    N.  F.    Bd.  64,  Heft  11.  12;  Bd.  65,  Heft  1—10.  12.    1901.   8». 

K.  Sachs.  Kommission  für  Geschichte  in  Leipzig: 
Diu  DrcHdoner  Bilderfaandschrift  des  Sachsenspiegels,  herausgegeben  von 
Karl  V.  Amira.    Facsimile-Band,  I.  Hälfte.    1902.   fol. 

Verein  für  Erdkunde  in  Leipzig: 
Mitteilungen  1001.    1902.   8». 

UniversitS  de  Lille: 
TaMeaux  des  cours  et  confe'rences.    Annee  1902—1908.    1902.   8*. 

Universitt  Catholique  in  Loewen: 
Sohrifton  der  Universisftt  aus  dem  Jahre  1900/01. 

Zeitschrift  „La  Cellüle*'  in  Loewen: 
La  Vv\Mt\    Tom.  XVIII,  2;  XIX,  1.    1901.    4». 

The  English  Huitorical  Review  in  London: 
Historical  Keview.    Vol.  XVII.  No.  65,  66.    1902.   8*. 
Royal  Society  in  London: 

Hoport«  to  the  Malaria  Committee.   6^^^  Series.  1902.   S^. 
PivotH^ding«,    Vol.  69,  No.  464-462.    1902.    8<». 

KoiH^rUi  of  tho  Kvolution  Committee.    Report  I.  1902.   SP, 

Oatülogue  of  sciontitic  Papers.    Vol.  XII.    1902.  4*. 

i»\  Astronomical  Society  in  London: 
Monthlv  Notict!«.    Vol.  62,  No.  2-7  und  Api^>endix  No.  I.    1901/02.  8». 

("VmiCtW  8(X*i>/y  in  London: 
Journal.    No.  471  —  476  und  Supplomontarv  Number.    1902.   80. 
l.iM  of  \h^  VVllows  ;\nd  v>:tic^rs-    1902,   S* 
lVvtH\\n\jjtt.    VoU  IS,  No,  24,N-254.    1902.   S^. 

(»r,wji<M4  ^viVfy  tw  London: 
Th^  .|nÄ»tor;v  Jowi^al.  Vol.  ,^7.  part  1-4  v=  No.  2i5— 228).   1901  02.  ^. 

Th<^  Jown>.U.    A^  .\s\vvcv.  Vo.  .i^.  No  154;  b    BotJUBT.  Vol.  35,  No.24i 
MA.v..vv>i;;r.TV>*:  Trar.*Ä.*i^onj^.    V.«:  S4     ii*.n.    S*. 


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Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  13* 

Museums-Verein  für  das  Fürstentum  Lüneburg  in  Lüneburg: 
Jahresberichte  1899/01.    1901.   8<>. 

Societe  gkilogique  de  Belgique  in  Lüttich: 
Annales.    Tom.  28,  livr.  3;  Tom.  29,  livr.  1.  2.    1900/02.   80. 

Universität  in  Lund: 
Acta  üniversitatis  Lundensia.    Tom.  XXXVI,  1.  2.    1900.    4^. 
Sveriges  offentlicha  Bibliotek.    1899.  1900.    Stockholm  1901/02.    8» 

Section  historique  de  V  Institut  Boy  dl  Grand-Ducal  in  Luxemburg: 
Publications.   Vol.  48.  49.  51.    1900/01.    8«. 

Universite  in  Lyon: 
Annales.    Se'r.  I,  fasc.  5—7;  S^r.  II,  fasc.  7.  8.    Paris  1901.   8». 

Washburn  Observatory  in  Madison: 
Publications.    Vol.  X,  part  2.    1901.    4«. 

Government  Museum  in  Madras: 
Bulletin.   Vol.  IV,  No.  2.    1901.   8^. 

Kodaikänal  and  Madras  Observatories  in  Madras: 
Report  for  the  period  l^t  April  to  31»*  Dec.  1901.    1902.   fol. 

U.  Academia  de  ciencias  exactas  in  Madrid: 
Memorias.   Tom.  XIV,  Atlas  fasc.  1.    1891—1900.   4P, 

R.  Academia  de  la  historia  in  Madrid: 
Boletin.   Tom.  40,  cuad.  1—6.    1902.   8^. 

Ministerio  de  Instruccion  publica  in  Madrid: 
Discursos  leidos   el   dia  de  24  de  Mayo  de  1902  en  el  solemne  festival 
acaddmico  con  motivo  de  la  entrada  en  la  major  edad  de  S.  M.  el 
Rey  D.  Alfonso  XIII.    1902.    4». 

Societä  Italiana  di  scienze  naturaJi  in  Mailand: 
Atti.    Vol.  40,  fasc.  4;  Vol.  41,  fasc.  1.    1902.    8». 

Societä  Storica  Lombarda  in  Mailand: 
Archivio  Storico  Lombardo.    Serie  111.    Anno  XXVIII,   fasc.  31  und  32; 
anno  XXIX,  fasc.  33.    1901/02.    8«. 

Liter ary  and  phüosophical  Society  in  Manchester: 
Memoirs  and  Proceedings.    Vol.  46,  part  II— VI.    1901/02.    8«. 

Schwäbischer  Schillerverein  in  Marbach: 
6.  Rechenschaftsbericht  1901/02.    1902.    8«. 

Fürsten-  und  Landesschule  St.  Afra  in  Meissen: 
Jahresbericht  für  das  Jahr  1901—02.    1902.    4». 

Verein  für  Geschichte  der  Stadt  Meissen  in  Meissen: 
Mittheilungen.    Bd.  6,  Heft  1.    1901.   8». 

Royal  Society  of  Victoria  in  Melbourne: 
Proceedings.    Vol.  XIV,  2.    1902.    8°. 


14*  Vergeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Oeselhchaft  für  lothringische  Geschichte  in  Metz: 
Jahrbuch.    XIII.  Jahrg.    1901.    gr.  8«. 

Instituto  geoJögico  in  Mexico: 
Boletfn.    No.  15.    Las  rhyolitas  de  Mexico.    Parte  2.    1901.   4<». 

Observatorio  meteorolögico-magnitico  central  in  Mexico: 
Boletin  mensaal.   Julio  1901.   fol. 

Sociedad  cientifica  „AfUonio  Älzate"  in  Mexico: 
Memorias  y  revista.   Tom.  XIII,  No.  3.  4;  Tom.  XVI,  No.  2.  3.    1901.  ^. 

Bureau  d'echanges  internationauo'  de  puhUcaiion  de  la  Bepublique 
de  V  Uruguay  in  Montevideo: 
Anuario  eetadistico  de  TCruguay.    Anos  1899—1900,  2  voll.    1901.   4». 
Colon  Guia.    1900.   4». 

Museo  nacional  in  Montevideo: 
Annales.   Tomo  IV,  entr.  22.    1901.   4». 

Numismatic  aud  Antiquarian  Society  of  Montreal: 
The  Canadian  Antit]aarian  and  Namismatic  Journal.    III.  Series.    Vol.  IV, 
No,  1.    1902.   80. 

Oe  ff  ertliches  Museum  in  Moskau: 
OtUchet.   Jahrg.  1901.    1002.   8^. 

Lazarev^sches  Institut  für  Orientalische  Spradten  in  Moskau: 
Trudy.    No.  4.  7.  9.    1901.   6* 

Socifte  Imjh'riaiC  des  XtUuralistes  in  Moskau: 
Bulletin.    Annoe  1902,  No.  1.  2.   S« 

Lick  ObsfrcKitory  in  M^'unt  IlamiltOH,  California: 
rublicativ^ns.    Vol.  5.    Sacramonto  1901.    4^. 
l^ullotin.    No.  12-U\    1901/02.    4'>. 

/V:<f>vV  i9f<^y*>\.'h.i''i  für  An:hroy<^<>iie  in  Berlin  und  München: 
Korr^?p.r..Uii:bl.i::.    32.  Jabr^.  1901.  No.  11.  12;    33.  Jahrg.  1902.  No.  1 
b>  3.    -l". 

Ii.  i  '  :€:\'  i>:\^<  B'.t^tju  in  MüHiAfn: 
■..hrbucb.    VA.  JAtr^^,  H-::  IV.  Thl.  1    uni  Anharg:   IV.  Jahrg.,  Heft  L 
IAH  02.    4^\ 

•:.'■  :""•.".; i-:l:.. "^'i   .::"  *.    :.  i\  >:f »;  w:.i  T^Tf  j'-.ijAf««  in  München: 

10  Na.  "tr.'ice  :u  irn  l'f::ui:c>vrei5ver:t:vb^if>e=.    fol. 

:1  •  -  V  -        "    '.'  -?'-    <■':■   t-    .Vv'.-^n: 

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Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  15* 

UniAoersität  in  München: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4<>  und  S^'. 
Amtliches  Verzeichnis  des  Personals.    Sommer-Semester  1902.   8°. 
Verzeichnis  der  Vorlesungen  im  Sommer-Semester  1902.   4°. 

Historischer  Verein  in  München: 
Oberbayerisches  Archiv.   Jahrg.  3,  Heft  1—6.    1901/02.   4^. 

Verlag  der  HochschtU-Nachrichten  in  München: 
Hochschul-Nachrichten.    1902.   XII.  Jahrg.,  No.  3—8.   4°. 

Verein  für  Geschichte  und  ÄlterthumsJcunde  Westfalens  in  Münster: 
Zeitschrift.    Bd.  69.    1901.   8^ 

Accademia  delle  scienze  fisiche  e  matematiche  in  Neapel: 
Rendiconto.    Ser.  III.  Vol.  VII,  fasc.  12;  Vol.  VIII,  fasc.  1—6.    1901/02.   S». 

Zoologische  Station  in  Neapel: 
Mittheilungen.    Bd.  XV,  3.    1901.   8« 

Societt  des  sciences  naturelles  in  Neuchatel: 
Bulletin.   Tom.  27.    Ann^o  1898—97.    1899,   8». 

Institute  of  Engineers  in  New- Castle  (upon-Tyne): 

Transactions.  Vol.  61,  part  2.  1902.  gr.  8<*. 
Indices.  Vol.  1-88  (1852-1889).  1902.  S^. 
Subject-Matter  Index  for  the  year  1900.    1902.   8<>. 

The  American  Journal  of  Science  in  New-Haven: 
Journal.   IV.  Series,  Vol.  XIII,  No.  73—79.    1902.   8». 

American  Oriental  Society  in  New-Haven: 
Journal.    Vol.  XXI,  1.   Vol.  XXII,  2.    1901/02.   S«. 

Academy  of  Sciences  in  New -York: 
Memoirs.    Vol.  XIV,  part  1.  2.    1901/02.   8«. 

American  Jewish  Historical  Society  in  New -York: 
Publications.    No.  9.    1901.    8». 

American  Musemn  of  Natural  History  in  Neio-York: 
Bulletin.   Vol.  XI,  4.  XIV,  XV,  1.    1901.    8«. 

American  Geographical  Society  in  New -York: 
Bulletin.    Vol.  33,  No.  6;  Vol.  34,  No.  1.  2.    1901/02.   8^. 

Archaeological  Institut  of  America  in  Noncood,  Mass.: 
American  Journal  of  Archaeology.   11^  Seriea,  Vol.  6,  No.  1.    1902.   8^. 

Germanisches  Nationalmuseum  in  Nürnberg: 
Anzeiger.    Jahrg.  1901,  Heft  1-4.    4». 
Katalog  der  Gewebesammlung,  Teil  II.    1901.    4®. 

Neurussische  naturforschende  Gesellschaft  in  Odessa: 
Sapiski.    Bd.  XXIV,  1.    1901.    S«. 


16*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Geological  Survey  of  Canada  in  Ottawa: 
Contributions  to  Canadian  Palaeontology.  Vol.  II,  2;  Vol.  IV,  2.  1900-01.  8«. 
General  Index  to  the  Reports  of  ProRress  1863—1884.    1900.   8°. 
Catalogue  of  marine  Invertebrata  of  Eastern  Canada.    1901.   8^. 

jß.  Äccademia  di  scienze  in  Padua: 
Atti  e  Memorie.    Nuova  Serie.    Vol.  17.    1901.   8«. 

Eedaction  der  Zeitschrift  „Rivista  di  storica  antica**  in  Padua: 
N.  S.   Anno  VI,  fasc.  2.    1902.    8» 

Circolo  tnatematico  in  Palermo: 
Rendiconti.   Tom.  XVI,  fasc.  1.  2.    1902.   gr.  S^. 

Collegio  degli  Ingegneri  in  Palermo: 

Atti.    1901.   gr.  80. 

Bollettino.   Anno  I,  No.  6—8.    1901.    fol. 

Societa  di  scienze  naturali  ed  economüli  in  Palermo: 

Giomale.   Vol.  XXIII.    Anno  1901.   4». 

Academie  de  midecine  in  Paris: 

Jubile  de  M.  Albert  Gaudry.    1902.   8» 
Bulletin.    1901,  No.  44;  1902,  No.  1—26.   8«. 

Academie  des  sciences  in  Paris: 
Comptes  rendus.   Tome  133,  No.  27;  Tome  134,  No.  1—26.    1901/02.  4«. 

Moniteur  Scientifique  in  Paris: 
Moniteur.    Livre  722—727  (Fevrier-Juillet  1902).    4«. 

Societe  de  geographie  in  Paris: 
La  Gt^ograpbie.    Annee  1902,  No.  1—6.    4^. 

Societe  mathematique  de  France  in  Paris: 
Bulletin.    Tom.  29,  No.  4;  Tom.  30,  No.  1.    1901/02.   S». 
Societe  zoologique  de  France  in  Paris: 
Bulletin.   Tome  XXVI.    1901.   &>. 
Memoires.    Tome  XIV.    1901.    S^. 

Academie  Imperiale  des  sciences  in  St.  Petersburg: 
Annuaire  du  Mus^e  zoologique.    Tome  VI,  No.  2—4.    1901.   8^. 

Comitc  peologique  in  St.  Petersburg: 
Eiplorations  geologiquea  dans  las  regions  auriferes  de  la  Siberie. 

a)  Region  aurifere  d'Jonissei.    Livr.  1.  2. 

b)  ,  ,         de  Lena.    Llvr.  1. 

c)  ,  ,         de  l'Amour.    Livr.  1.  2.    1900-01.    89. 

Kaiserl.  Bota>iischrr  Garten  in  St.  Petersburg : 

Acta.    VoLXIX.  fasc.  1.  2:  Vol.  XX.    1901.    8«. 
^Scripta  Hotanica.    Faso.  XVII.    1901.    S«. 

Phusil'iiL-cht}}ii.<c]if:  (ir<elL<chaft   an   der  lais.  Universität  St.  Petersburg'. 
Schurnal.    1901,  Tom.  33.  Litf.  9;   1902,  Tom.  34,  Lief  1—4.    8^ 


Verzeichnia  der  eingelaufenen  Druckschriften.  17* 

NüxdairHauptstermoarte  in  8t.  Petersburg : 
ihreabericht  1900—1901.    1901.   8* 

Kaiser!.  Universität  in  St.  Petersburg: 
^hrifien  aus  dem  Jahre  1901/02. 

American  phamiaceutical  Association  in  Philadelphia: 

)tb  annual  Meeting  at  Sb.  Louis  1901.    1901.   8^. 

Historical  Society  of  Pennsylvania  in  Philadelphia: 

he  Pennsylvania  Magazine  of  History.  Vol.  XXV,  No.  100—102.   1902.   4®. 

Alumni  Association  of  the  College  of  Pharmacy  in  Philadelphia: 

lunmi  Report.   Vol.  37,  No.  12;  Vol.  38,  No.  1—6.    1901/02.   8^. 

American  Phüosophical  Society  in  Philadelphia: 

roceedings.   Vol.  40,  No.  167.    1901.    8^ 

Societä  Toscana  di  scieme  naturdli  in  Pisa: 

tti.    Processi  verbali.    Vol.  XII,  pag.  231—266;  Vol.  XIII,  pag.  1—39. 
1901/02.    40. 

Societä  Italiana  di  fisica  in  Pisa: 

nuoYO  Gimento.   Serie  V,  Tom.  II,   Nov.-Dic.  1901;   Tom.  III,  Gennaio- 
Maggio  1902.   8«. 

Historische  Gesellschaft  in  Posen: 

eitschrift.   Jahrg.  XVI,  1.  2.  Halbbd.;  XVII,  1.  Halbbd.    1901/02.    80 
istorische  Monatsblätter.    Jahrg.  II,    No.  4—12;    Jahrg.  III,    No.  1—5. 
1901/02.    8«. 

Centralbureau  der  internationalen  Erdmessung  in  Potsdam: 

erhandlungen  der  XIII.  allgemeinen  Konferenz  der  internationalen  Erd- 
mesdung.    Berlin  1901.    4^. 

Astrophysikalisches  Observatorium  in  Potsdam: 

ablikationen.    Band  XII.    1902.   4. 

Böhmische  Kaiser  Franz  Josef- Akademie  in  Prag: 

am4tky   archaeologicke.    Bd.  XIX,    Heft  6—8   und   Register;    Bd.  XX, 

Heftl.    1901—02.   40. 
barozitnosti  zem^e  ceskd.    Dil  II,  svaz.  1.    1901.    4^. 
ozprawy.    THda  I,  Roönik  IX;  Th'da  II,  Rocnik  X.    1901.    S«. 
istoricky  Archiv.    Öislo  20.  21.    1901/02.    8«. 
^stnfk.    Roönik  X,  öislo  1—9.    1901.    8». 
ulletin  international.    VIe  annee,  2  Voll.    1901.    8^. 
Imanach.   Ro6nik  XII.    1902.    8». 
tt,  Soustavny  üvod.    Ddl  III.    1901.   8« 
avh'cek,  Chek  1902.    8^. 
ovdk,  Maudrost  st.  ö.    1901.   8». 
artos,  Moravske  närodni  pfsne  IL    1901.    8^. 
Ott,  Archiv  pro  lexikografii  III.    1901.    8^. 
ibliothek  deutscher  Schriftsteller  aus  Böhmen.    Bd.  12.    1901.   8^. 

2 


18*  Verzeichnis  der  eingelaufer^en  Druckschriften, 

Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  Kunst  und  Literatur 

in  Frag: 
Urkunden-Regesten  aus  den  Archiven  der  aufgehobenen  Klöster  Böhmens 

V.  Ant.  Schubert.    Innsbruck  1901.    4®. 
Beitrage  zur  deutsch-böhmischen  Volkskunde.    Bd.  IV,  Heft  1.    1901.  8*. 
Rudolf  Spitaler,  Die  period.  Luftmasaen Verschiebungen.    Gotha  1901.  4*. 
Rechenschaftsbericht  für  das  Jahr  1901.    1902.    80. 

K,  höhmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Trag: 
3  Schriften  über  Tycho  Brahe.    1901—02.    8^ 
Spisuv  poctenijch  jubilejni.    Öislo  XII.  XIII.    1901.    8«. 
Jahresbericht  für  das  Jahr  1901.    1902.    S». 
Sitzungsberichte  1901.    a)  Classe  für  Philosophie.    1901. 

b)  Mathem.-naturw.  Classe.    1901.    1902.    8». 

Mathematisch-physikalische  Gesellschaft  in  Prag: 
Sbomik  Jednoty  Öeskych  Mathematicu,  No.  V.    1902.    8°. 
Öasopis.    Bd.  XXXI,  No.  1—6  und  Index.    1901/02.    8«. 

Lese-  und  Bedehalle  der  deutschen  Studenten  in  Prag: 
53.  Bericht  über  das  Jahr  1901.    1902.    8«. 

Museum  des  Königreichs  Böhmen  in  Prag: 
Casopis.    Bd.  75,  Heft  5.  6;  Bd.  76,  Heft  1.    1901/02.    S» 

K.  K.  Sternwarte  in  Prag: 
Magnetische  und  Meteorologische  Beobachtungen  im  Jahre  1901.    1902.  4®. 

Deutsche  Karl  Ferdinands- Universität  in  Prag: 
Die  feierliche  Installation  des  Rektors  für  das  Jahr  1901/02.    1901.   8°. 

Deutscher  naturwissenschaftlich-medizinischer  Verein  für  Böhmen  „Lotos'^ 

in  Prag: 
Sitzungsberichte.  Jahrg.  1901.  N.  F.  Bd.  21  (ganze  Folge  Bd.  49).   1901.  ^^ 

Historischer  Verein  in  Begensburg: 
Verhandlungen.    Bd.  53.    1901.    8« 

Observatorio  in  Bio  de  Janeiro: 
Boletim  mensual.    Jan.-Junho  1901.    4®. 

Geological  Society  of  America  in  Bochester: 
Bulletin.    Vol.  12.    1901.    S^. 

Beale  Äccademia  dei  Lincei  in  Born: 
Annuario  1902.    8^. 
Atti.    Serie  V.    Classe  di  scienze  morali.    Vol.  IX,  parte  2.    Notizie  degli 

scavi  (Nov.  1901  — Marzo  11)02).    1901/02.    4». 
Atti.    Serie  V.    Rendiconti.    Classe    cli    scienze    fisiche.    Vol.  X,    fasc.  12. 

2.  seniestre,   Vol.  XI,  fasc.  1  —  11;  1.  seniestre,  1901/02.    4P. 
luTidiconti.     Classe    di    scieoze    morali    e    filologiche.     Serie  V,    Vol.  X, 

fasc.  1)     12;  Vol.  XI,  fasc.  1—4.    1901/02.    8». 

Ji.  Comilalo  gcologico  d'Italia  in  Born: 
HolU'ttino.    Anno  1901,  No.  3.  4.    lUOl.    8^. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  19* 

Kaiserl,  deutsches  archäologisches  Institut  (röm,  Abtlg.J  in  Rom: 
Mitteilungen.    Bd.  XVI,  fasc.  4.    1901.   S». 

i2.  Societä  Romana  di  storia  patria  in  Rom: 
Archivio.    Vol.  24,  fasc.  3.  4.    1901.    8^. 

R.  Äccademia  di  scienze  degli  Ägiati  in  Rovereto: 
Atti.    Serie  III.  Vol.  VII,  fasc.  3;  Vol.  VIIT,  fasc.  1.    1902.   8^. 

£cole  franqaise  d^ Extreme-Orient  in  Saigon: 
Atlas  arcbdologique  de  rindo-Chine.    Monuments  du  Ghampa  et  du  Com- 

bodge,  par  E.  Lunet  de  Lajonqui^re.    Paris  1901.    fol. 
Nouvelles  Recherches  sur  les  Chams  par  Antoine  Cabaton.    Paris  1901.    49, 
Bulletin.    Tom.  I,  No.  4;  Tom.  II,  No.  1.    Hanoi  1901.    4». 
L.  Cadibre,  Phon^tique  annamite  (dialecte  du  Haut-Annam).   Paris  1902.  4^. 
äldment  de  sanscrit  classique  par  Victor  Henry.    Paris  1902.    8®. 

Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde  in  Salzburg: 
Mitteilungen.    41.  Vereinsjahr  1901.   8^. 

Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  in  St,  GdUen: 
Bericht  1899—1900.    1901.   8». 

Academy  of  Science  in  St,  Louis: 
Transactions.   Vol.  X,  No.  9— 11;  Vol.  XI,  No.  1— 6.    1900—01.   8». 
Instituto  y  Observatorio  de  marina  de  San  Fernando  (Cadiz): 
Anales.    Seccion  II.    Obseryaciones  meteorolog.    Ano  1899.    1900.   fol. 

Universität  in  Sassari  (Sardinien) : 
Studi  Sassaresi.    Anno  I,  fasc.  2.    1901.    S^. 

R,  Äccademia  dei  fisiocritid  in  Siena: 
Atti.    Serie  IV,  Vol.  13,  No.  1—10.    1901.    8». 

K.  K,  archäologisches  Museum  in  Spalato: 
Bullettino   di  Archeologia.    Anno  XXIV,   No.  12;    Anno  XXV,   No.  1—5. 
1901/02.    8». 

Historischer  Verein  der  Pfalz  in  Speyer: 
Mitteilungen.    XXV.    1901.   8^. 

Geologiska  Förening  in  Stockholm: 
Förhandlingar.    Bd.  XXIII,  Heft  7;  Bd.  XXIV,  Heft  1-4.    1901/02.   8». 

Nordiska  Museet  in  Stockholm: 
Meddelanden  1899  och  1900.    1902.    8«. 
Bidrag  tili  vär  odlings  häfder,  No.  8.    1901.    4». 

Gesellschaft  zur  Förderung  der  Wissenschaften  in  Strassburg: 
Monatsbericht.   Bd.  35,  Heft  10;  Bd.  36,  Heft  1—5.    1901/02.   8«. 

ÄustraJasian  Ässociatian  for  the  advancement  of  sdcnce  in  Sydney: 
Report  of  the  Melbourne  Session.    Vol.  VÜI,  1900.    1901.    8^, 
Department  of  Mines  and  AgricuUure  of  New-South- Wales  in  Sydney: 
Annual  Report  for  the  year  1900.    1901.    fol. 
Mineral  Resources.   No.  9.  10.    1901,   8^. 


20"*^  Verzeichnis  der  eingelaufeneu  Druckschriften. 

Observatorio  astronömico  nacionai  in  Tacuhaya: 
Anuario.    Aiio  XXII,  1902.    Mexico  1901.   8®. 

Observatoire  astronomique  et  physique  in  Taschkent: 
Publications,  No.  3.    Texte  und  Atlaa.    1901.   fol. 

Physikalisches  Observatorium  in  Tiflis: 
Beobachtungen  im  Jahre  1898.    1901.   fol. 

Deutsche  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens  in  Tokyo: 
Mitteilungen.    Bd.  VIII,  Teil  3.    1902.   8». 

Kaiserl.  Universität  Tokyo  (Japan): 
Calendar  1901—02.    8^. 
The  Journal  of  the  College  of  Science.   Vol.  XVI,  part  1;  Vol.  XVII, 

partl.    1901.   40. 
Mitteilungen  aus  der  medizinischen  Fakultät.   Bd.  V,  No.  2.    1901.   4®. 
The  Bulletin  of  the  College  of  Agriculture.   Vol.  IV,  No.  5.    1902.   8«. 

üniversity  of  Toronto: 
Studies.    Physiological  Series,  No.  3.    1901.   S^. 

Biblioteca  e  Museo  comunale  in  Trient: 
Archivio  Trentino.    Anno  XVI,  fasc.  2.    1901.   8». 

Universität  Tübingen: 
The  Kashmirian  Atharva-Veda.  3  Voll.    Baltimore  1901.   fol. 

R,  Äccademia  delle  scienze  in  Turin: 
Osservazioni  meteorologiche  fatte  nell*  anno  1901.    1902.   8^. 
Atti.    Vol.  37,  disp.  1  —  10.    1902.    8». 
Memorie.    Serie  II,  Tom.  51.    1902.    2<>. 

B.  Deputazione  sopra  gli  studi  di  storia  patria  in  Turin: 
Historiae  patriae  monumenta.    Tom.  18.    1901.    fol. 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Upsala: 
Nova  Acta.    Ser.  III,  Vol.  XX,  fasc.  1.    1901.    8«. 

Humanistika  Vetenkaposamfund  in  UpsaJa: 
Skrifter.    Bd.  IV.    1895-1901.    8«. 

Meteorolog,  Observatorium  der  Universität  Upsala: 
Bulletin  mensuel.    Vol.  33,  1901.    1901—02.    fol. 

Historisch  Genootschap  in  Utrecht: 
Bijdragen  en  Mededeelingen.    Deal  XXII.    Amsterdam  1901.    8®. 
J.  Prinsen,  Collectanea  van  Gerardus  Geldenhauer.    Amsterdam  1901.  8®. 
Gedenkschriften  van  Gij^bert  Jan  van  Hardenbroek.    Deel  I.    Amsterdam 
1901.    80. 

Institut  Boyal  Meteorologique  des  Pays-Bas  in  Utrecht: 
Nederlandsch  Meteorologisch  Jaarboek  voor  1899.    1902.    fol. 

Physiologisch  Lahoratorium  der  Hoogesclwol  in  Utrecht: 
Onderzoekingen.    V.  Reeks.    III,  2.    1902.     fol. 


VergeiehnU  der  eingelaufenen  Druckaekriften,  21'*' 

Dutsch  EcUpee-Commütee  in  Utrecht: 
reliminary  Report  of  the  Dutsch  ezpedition  to  Karang  Sago  (Sumatra). 

Amsterdam  1902.   4^. 
eport  of  the  Dutsch  Observations,  No.  IL   Batavia  1901.   i». 

National  Äeademy  of  Sciences  in  Washington: 
[emoirs.   Vol.  VUI.    1898.   i». 

Bureau  of  American  EthnoHogy  in  Washington: 
8tt  annual  Report  1896-97.   Part  2.    1899.   4». 

Bureau  of  Education  in  Washington: 
leport   of   the   Commisaioner   of  Education    for   the   year    1899—1900. 
Vol.  2.    1901.   80. 

ü,  S.  Departement  of  Agriculture  in  Washington: 
kreau  of  Plant  Industry.   Bulletin,  No.  1.    1901.   8<^. 

Smithsonian  Institution  in  Washington: 

nnual  Report  for  the  year  (ending  June  30,  1900).  1901.  8®. 
mithsonian  Miscellaneous  Collections.  Vol.  42.  43.  1901.  8®. 
mithsonian  Contributions  to  knowledge,  No.  1809.    1901.   4^. 

U,  S.  Naväl  Ohservatory  in  Washington: 
leport  for  the  year  1900/01.   1901.    8^. 

Phüosophical  Society  in  Washington: 
Inlletin.   Vol.  14,  p.  179—204.    1902.   S». 

United  States  Oeological  Survey  in  Washington: 
:XI»t.  annual  Report  1899—1900.    Parts  2—4.    1900-01.   4». 

Orossherzogliche  Bibliothek  in  Weimar: 
.uwachs  in  den  Jahren  1899—1901.    1902.   8^. 

Harzverein  für  Geschichte  in  Wernigerode: 
leitschrifk.   34.  Jahrg.,  Heft  1.  2.    1901.    S». 

Kaiserh  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien: 
itzungsberichte.    Philos.-hist.  Classe.    Bd.  143.    1901.   8^. 

Mathem.-naturwissensch.  Classe.    1900/01.    8^. 

Abtlg.  I,     Bd.  109,  Heft  8-10;  Bd.  HO,  Heft  1—4. 

,     IIa,    .    109,      ,     10;  ,    110,      ,     1-7. 

.      IIb,     ,    110,      ,     1-7; 

.    III,       .    109,      .     8-10. 

Denkschriften.   Mathem.naturwissenschaftl.  Classe.    Bd.  69.  78.    1901.   4^. 

irchiv  für  österreichische  Geschichte.    Bd.  89,  2.  Hälfte;  Bd.  90,  1.  und 

2.  Hälfte.    1901.   8<>. 
'ontes  rerum  Austriacarum.    II.  Abtlg.,  Bd.  52—54.    1901.    8®. 

K.  K.  geologische  Beichsanstalt  in  Wien: 

ahrbuch.   Jahrg.  1901,  Bd.  51,  Heft  5;  Jahrg.  1902,  Bd.  52,  Heft  1.    4P, 
''erhandlungen  1901,  No.  15—18;  1902,  No.  1—6.    4<>. 
Abhandlungen.    Bd.  XVII,  Heft  5;  Bd.  XIX,  Heft  1.    1901/02.    fol. 
litteilungen  der  Erdbebenkommission.   N.  F.,  No.  1—6.    1901.   8^ 


22*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

K.  K.  Central anstält  für  Meteorologie  und  Erdmagnetismus  in  Wien: 
Jahrbücher.   Jahrg.  1899  und  1900,  N.  F.,  Bd.  36.  37.    1900/02.   4®. 

K,  K.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien: 
Wiener  klinische  Wochenschrift.    1902,  No.  2—28.    4®. 

Anthropologische  Gesellschaft  in  Wien: 
Mitteilungen.    Bd.  31,  Heft  6.    1901.    49, 

Zoologisch-botanische  Gesellschaft  in  Wien: 

Verhandlungen.    Bd.  61   (Jahrg.  1901),    No.  9.  10;   Bd.  52   (Jahrg.  1902), 

Heft  1—6.   8«. 
Abhandlungen.    Bd.  I,  Heft  3.  4.    1902.   4®. 

K,  K.  Hofbibliothek  in  Wien: 
Tabulae  codicum  manuscriptorum.    Vol.  10.    1899.   8®. 

K.  K.  naturhistorisches  Hofmuseum  in  Wien: 
Annalen.    Bd.  XVI.  No.  1-4.    1901.   4». 

p.  Kuffner'sche  Sternwarte  in  Wien: 
Publikationen.    Bd.  VI,  Teil  1.    1902.   40. 

Verein  für  Nassauische  Altertumskunde  in  Wiesbaden: 

Annalen.   32.  Bd.    1901.    1902.    40. 
Mitteilungen  1901/02,  No.  1—4.    1902.   4^. 

Physikalisch-mediziniscTie  Gesellschaft  in  Würzburg: 

Verhandlungen.    N.  F..  Bd.  34,  No.  7-11;  Bd.  35,  No.  1.    1901/02.   ^. 
Sitzungsberichte.    Jahrg.  1900,  No.  5;  Jahrg.  1901,  No.  1—4.    1901.  6«. 

Schweizerische  meteorologische  CentraHanstalt  in  Zürich: 
Annalen  1899.    36.  Jahrg.    1901.    40. 

Antiquarische  Gesellschaft  in  Zürich: 
Mitteilungen.    Bd.  XXV,  Heft  2.  3.    1901/02.    4». 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Zürich: 

Neujahrsblatt  auf  da«  Jahr  1902.    104.  Stuck.    40. 
Vierteljahrsschrift.    46.  Jahrg.  1901,  Heft  3  und  4.    1902.    8". 

Sternwarte  in  Zürich: 
Astronomische  Mitteilungen,  No.  93.    1902.    S®. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  ^S* 


Von  folgenden  Privatpersonen: 

Vincenzo  Alhanese  di  Boterno  in  Modica: 

Discorso  sul  divorzio  Modica.    1902.   8^. 

Prince  Albert  I  de  Monaco: 

Rdsaltats  des  campaji^es  seien tifiques.   Fase.  XXI.    1902.   fol. 

St,  d'Äristarchi  in  Constantinopel: 

Photii   Patriarchae    Gonstantinopeleos  Orationes    et    homiliae.    2  Voll. 
1900.    4P. 

Verlag  von  Joh.  Amhrosius  Barth  in  Leipzig: 
Beiblatter  zu  den  Annalen  der  Physik.    Bd.  26.    1902,  No.  1—7.    1902.    8<>. 

Cl.  Freiherr  v.  Bechtohheint  in  Münclien: 
Die  primären  Naturkräfte.    Berlin  1902.    4<>. 

Hugo  Bermühler^s  Verlag  in  Berlin: 
Forschungen  zur  Geschichte  Bayerns.   Bd.  IX.    1901.    8^. 
Lorenzo  Michelangelo  Bülia  in  Turin: 
Difendiamo  la  famiglia,  saggio  eontro  11  divorzio.    1902.    8^. 

Th.  Bredikhine  in  St.  Petersburg: 
Snr  la  comete.    1901,  I.    1901.    4». 

Rud.  Burckhardt  in  Basel: 
Die  Einheit  des  Sinnesorgansystems  bei  den  Wirbelthieren.  Jena  1902.  8^. 

E.  Dütnmler  in  Berlin: 
Jahresbericht  über  die  Herausgabe  der  Monumenta  Germaniae  historica. 
1902.    4«. 

Arthur  J.  Evans  in  London: 
The  Palace  of  Enossos.    Athens  1901.   4^. 

Beginald  Fessenden  in  Washington: 
ßecent  Progress  in  practical  and  experimental  Electrieity.    1901.    8®. 

Verlag  von  Gustav  Fischer  in  Jena: 
Naturwissenschaftliche  Wochenschrift.    Bd.  17.    1902,  No.  15—39.    4^ 

Paul  Fournier  in  Crrenohle: 
Observations  sur  diverses  recensions  de  la  collection  canonique  d'Anselme 

de  Lucqnes.    1901.    8^ 
fitudes  sur  les  Penitentiels.    I.  IL  III.    Macon  1901-02.    8«. 

Leon  Fredericq  in  Liege: 
Travanx  da  Laboratoire  de  Leon  Fredericq.    Tom.  VI.    1900.   8^. 

H.  FritscJie  in  St.  Petersburg: 
Die  tätliche  Periode  der  erdmagnetischen  Elemente.    1902.   8^. 


24*  FmWefcm«  der  erngdaufenen  Drucludmften. 

Adolf  OarbeU  in  Berlin: 

Langenscheidt's  Briefe  für  das   Selbststudiam  der  Russischen  Sprache. 
No.  1—12.    1902.   80. 

Albert  Oaudry  in  Paris: 
Snr  la  Similitade  des  dents  de  rhomme  et  de  quelques  animauz.   (Dea- 
xifeme  Note.)   1901.   S». 

Madame  V^  Godin  in  Paris: 
Le  Devoir.   Tom.  26.    Janvier— Juin  1902.   Guise.   8®. 

Philipp  Holitscher  in  Budapest: 
Märchendichtungen     Breslau  1902.    ^. 

A,  V,  Koelliker  in  Würzburg: 
Weitere  Beobachtungen   über  die   Hofmann'schen  Kerne   am  Mark  der 
Vögel.    (Sep.-Abdr.)   Jena  1902.   8«. 

Karl  Krumbacher  in  München: 
Byzantinische  Zeitschrift.   Bd.  XI,  Heft  1  und  2.    Leipzig  1902.   09, 

Imprimerie  Albert  Lanier  in  Auxerre: 
La  Chronique  de  France-    2®  annde  1901.   8^. 

Ernst  Leyst  in  Moskau: 
Ueber  den  Regenbogen  in  Russland.   1901.   8^. 

Lucy  A.  Mallory  in  Portland: 
The  Worid*8  Advance-Thought  and  the  Universal  Republic.    1902.   8*». 

F.  J,  Modestov  in  St,  Petersburg: 
Vvedenie  v  rimskuju  istoriju.    Gast  pervaja.    1902.   8®. 

Gabriel  Monod  in  Versailles: 
Revue  historique.    Ann^e  XXVII.    Tom.  78,  No.  L  II   et  Table  gdn^ral« 
1896—1900;  Tom.  79,  No.  I.  II  (Janvier— Aoüt  1902).    8«. 

Fridtjof  Nansen  in  Christiania: 
Some  Oceanographical  Resultats.    Preliminary  Report.    1901.    8®. 

Friedrich  Ohlenschlager  in  München: 
Römische  üeberreste  in  Bayern.    Heft  1.    1902.   8^. 

G.  Omboni  in  Padua: 
Appendice  alla  nota  sui  denti  di  Lophiodon  del  Bolca.  Veneiia  1903.  8*. 

Michele  Rajna  in  Mailand: 
Süll'  escurzione  diurna  della  dechinazione  magnetica  a  Milano.    1902.    8*. 

Comte  Camillo  Eazoumovsky  in  Troppau: 
Comte   Grccroire  Razoumovsky   (1759—1837).    Oeuvres  scientifiques  post- 
humes.    1902. 

Verlag  voyi  Dietrich  Reimer  in  Berlin: 
Zeitschrift     für    afrikanische,     oceanische    und    ostasiatische    Sprachen. 
VI.  Jahrg.,  Heft  1.    1902.    S». 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  25* 

S.  Riefler  in  München: 

Das  Nickelstahl-Compensations-Pendel  D.K.P.  No.  100870.    1902.   8<>. 

Dr.  Fritz  Sano  in  Antwerpen: 

Handelingen  yan  het  IV^«  Vlaamsch  Natuur-  en  Geneeskundig  Congres 
te  Brüssel.   SO.  Sept.  1900.   Gent  1900.    49, 

L,  Scher  man  in  München: 
Orientalische  Bibliographie.  XIV.  Jahrg.  II.  Halbjahreshefb.  Berlin  1901.  B^. 

Heinrich  von  Segesser  in  Luzern: 
Die  Quadratur  des  Kreises.    1902.   8<>. 

Verlag  von  Seitz  &  Schauer  in  München: 
Deutsche  Praxis.    11.  Jahrg.  1902.   No.  1—13.   8». 

Verlag  von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig: 

Archiv   der   Mathematik    und    Physik.     III.  Reihe,   Bd.  2,   Heft  1—4. 

1901/02.    80. 
Thesaurus  linguae  latinae.   Vol.  I,  fasc.  4;  Vol.  II,  fasc.  8.    1901.   4<>. 

Ä,  Thieuilen  in  Paris: 

Technologie  ndfaste,   industrie   de  la  pierre  tailläe  aux  temps  pr^sto- 

riques.    1902.    4®. 
Varia.    Os  travailläs  ä  Täpoque  de  Chelles.    1901.    4^. 

B.  Virchoto  in  Berlin: 
Portrait-Münzen  und  Grafs  hellenistische  Porträt-Gallerie.    1902.    49. 

N.  Wecklein  in  München: 

Duripidis  fabulae  ed.  R.  Prinz  und  N.  Wecklein.   Vol.  8,  pars  6,  Rhesus. 
1902.   80. 

E.  V.  Wölfflin  in  München: 

Archiv  für  lateinische  Lexikographie.    Bd.  XII,  4.    1902.   9fi. 


27* 


Yerzeichnis  der  eingelaufenen  Drackseliriften 

Juli  bis  Dezember  1902. 


Die  yorehrliehen  GeaellsehAften  und  Insütote,  mit  welchen  unsere  Akademie  in 
Tauschverkehr  steht,  werden  gebeten,  nachstehendes  Verzeichnis  zugleich  als  Empfkngs- 
bestätigung  zu  betrachten. 


Von  folgenden  Gesellsohaften  und  Instituten: 

Südslavische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Ägram: 
Ljetopis.   XVL    1901.    1902.   S^. 
Rad.    Vol.  U8.  149.    1902.   8». 
Scriptorea.   Vol.  4.    1902.   8^ 
Zbornik  za  narodni  iivot.    Bd.  VII,  1.    1902.    8^. 

K.  hroat'slavon.-dälmatinisches  Landesarchiv  in  Ägram: 
Vjestnik.   Bd.  4,  Heft  2.    1902.   4«. 

KroatiscTie  archäologische  Gesellschaft  in  Agram: 
Vjestnik.   N.  Ser.    Sveska  6.    1902.   40. 

New- York  State  Library  in  Alhany: 
New- York  State  Library.  Annual  Report  Vol.  82.  83  (1899. 1900).    1901.  8». 

University  of  the  State  of  New- York  in  Alhany: 
New- York  State  Museum.   Report  Vol.  52,  1898,  part  1.  2;  Vol.  53,  1899, 

part  1.  2.   1900—1901.    8«. 
3^  Annual  Report  of  the  College  Department  1900.    1901.   8». 
Bulletin  of  the  New- York  State  Museum.   Vol.  VII,  No.  33—36;  Vol.  VIII, 
No.  37-43;  Vol.  IX,  Nr.  45-51.    1900.    4». 

Allegheny  Ohservatory  in  Allegheny: 
Miscellaneous  scientific  Papers  No.  4 — 7.    1902.   8^. 

Naturforschende  Gesellschaft  des  Osterlandes  in  Altenburg: 
Mitteilungen  aas  dem  Osterlande.    N.  F.    Bd.  X.    1902.    8». 

Society  des  Antiquaires  de  Picardie  in  Amiens: 
La  Picardie  historique  et  monumentale.    Tom.  II,  No.  1.    1901.    fol. 
Monographie  de  Teglise  Notre-Dame,  Cathddrale  d*  Amiens  Tom.  I.  1901.  fol. 
Bulletin.    Annäe  1900,  trim.  1—4;  1901,  trim.  1—3.    8^. 

3 


28*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Amsterdam: 
Verhandelingen.   Afd.  Natuurkande  I.  Sectie.    üeel  IV  u.  VIII,  No.  1.  2; 

II.  Sectie.    Deel  VIII,  No.  1-6;  Deel  IX,  No.  1—3.    1902.    4®. 
Zittingsverslagen.    Afd.  Natuurkunde.    Jaar  1901/02.    Deel  X.    1902.  4«. 
Verslagen.    Afd.  Letterkunde.    4^  Reks,  Deel  IV.    1901.   8». 
Jaarboek  voor  1901.    1902.   8^. 
Prysvers  Centurio.    1902.    &<>. 

Historischer  Verein  in  Ansbach: 
49.  Jahresbericht.    1902.    4P. 

Historischer  Verein  für  Schwaben  und  Neuburg  in  Augsburg: 
Zeitschrift.    28.  Jahrg.    1901.    8«. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Augsburg: 
35.  Bericht.    1902.    8». 

Johns  Hophins  üniversity  in  Baltimore: 
Circulars.    Vol.  XXI,  No.  169.  160.    1902.    4». 
Bulletin  ofthe  Johns  Hopkins  Hospital.   Vol.  XIII,  No.  136-141.   1902.  4« 

Peapody  Institute  in  Baltimore: 
35th  Report  1901/02.    1902.    8«. 

Maryland  Geological  Survey  in  Baltimore: 
Maryland  Geological  Survey.    Vol.  IV.    1902.    8^. 

Historisch-antiquarische  Gesellschaft  in  Basel: 
Basler  Chroniken.    Bd.  VI.    Leipzig  1902.    S^, 
Basler  Zeitschrift  für  Geschichte.    Bd.  2,  Heft  1.    1902.   &>. 

Universitätsbibliothek  in  Basel: 
Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4»  u.  8®. 

Bataviaasch  Genootschap  van  Künsten  en  Wetenschappen  in  Batavia: 
Tijdschrift.    Deel  46,  afl.  3.  4.    1902.    8«. 
Notulen.    Deel  39,  afl.  4,  1901;   Deel  40,  afl.  1.    1902.   S^. 
Verhandelingen.  Deel  52,  stuk  1.  2,  1901 ;  Deel  54,  stuk  1 ;  Deel  55,  stuk  1. 

1902.    40. 
Anno  1674.    1902.    4^. 

Observatory  in  Batavia: 
Observations.    Vol.  23.    1900.    1902.    fol. 
Regenwaarnemingen.    23.  Jaarg.  1901.    1902.    4^. 

K.  natuurkundige   Vereenigung  in  Nederlandsch  Indie  zu  Batavia: 
Natuurkundig  Tijdschrift.    Deel  61.    Weltevreden  1902.    8». 

K.  Serbische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Belgrad: 
Glas.    No.  63.  64.    1901  —  1902.    8«. 
Godischniak.    XIV.    1900.    1901.    S^. 
Sbornik.    Bd.  I.    1902.    8^. 
Srpski  etnografski  Sbornik.    Bd.  III.  IV  und  Atlas.    1902.   8^.   (Atlas  in  fol.) 

Museum  in  Bergen  (Norwegen): 
Aarbog  für  1902.    Heft  1  und  2.    8^ 
G.O.Sars,  Anacroant  on  thol.'rustaceaofNorway.  Vol.4,  ]>art7  — 10.  1902.  4*. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  29* 

K.  preuss.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin: 
Sitzungsberichte.    1902,  No.  23—40.    1902.   8®. 

Das  prenssische  Münzwesen  im  18.  Jahrhundert.  Beschreibender  Teil.  Heft  I. 
1902.   40. 

K,  geolog.  Landesanstalt  und  Bergakademie  in  Berlin: 
Jahrbuch  für  1900.    1901.    8«. 

Zenträlbureau  der  internationalen  Erdmessung  in  Berlin: 
Ergebnisse  der  Polhöhenbeatimmungen  in  Berlin  in  den  Jahren  1889—1891. 
Von  A.  Marcuse.    1902.    4<^. 

Deutsche  chemische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Berichte.   36.  Jahrg.,  No.  13-20.    1902.    8». 

Deutsche  geologische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Zeitschrift.    Bd.  54,  Heft  1.  2.    1902.    8^. 

Deutsche  physikalische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Die  Fortschritte  der  Physik  im  Jahre  1901.  3  Bde.   Braunschweig  1902.  8^. 
Verhandlungen.   Jahrg.  3,   No.  11— 14,   1901;   Jahrg.  4,  No.  1-18,   1902. 
Leipzig.    8®. 

Physiologische  Gesellschaft  in  Berlin: 
Zentralblatt  für  Physiologie.    Bd.  XVI,  No.8-20.    Leipzig  1902.    8« 
Verhandlungen.   Jahrg.  1901—1902,  No.  5-16.   8». 

Kaiserlich  deutsches  archäologisches  Institut  in  Berlin: 

Jahresbericht  über  das  Jahr  1901.    1902.    gr.  8^ 
Jahrbuch.    Bd.  XVII,  Heft  2.  3.    1902.    4«. 

K.  preuss.  geodätisches  Institut  in  Berlin: 
Jahresbericht  für  das  Jahr  1901/02.    1902.    S». 
Veröffentlichung.    N.  F.    No.  9.    1902.   40. 
Lotabweichungen.    Heft  2.    1902.    4». 

K,  preuss,  meteorologisches  Institut  in  Berlin: 

Bericht  über  das  Jahr  1901.    1902.    8». 

Ergebnisse  der  magnetischen  Beobachtungen  in  Potsdam  im  Jahre  1900. 
1902.   40. 

Ergebnisse  der  Arbeiten  am  Aeronautischen  Observatorium  in  den  Jahren 
1900  und  1901.    1902.    4^ 

Deutsches  meteorologisches  Jahrbuch  für  1901.    Heft  2.    1902.    4^. 

Kegenkarte  der  Provinzen  Schleswig-Holstein  und  Hannover  von  G.  Hell- 
mann.   1902.    8^. 

Jahrbuch  über  die  Fortschritte  der  Mathematik  in  Berlin: 

Jahrbuch.   Bd.  31,  Heft  1-3.    1902.    8^ 

Verein  zur  Beförderung  des  Gartenbaues  in  den  preuss.  Staaten 
in  Berlin: 
Gartenflora.   Jahrg.  1902,  Heft  14-24.   8^. 

Verein  für  Geschichte  der  Mark  Brandenburg  in  Berlin: 
Forschungen  zur  Brandenburgischen  und  Preussischen  Geschichte.  Bd.  XIII, 
1.  und  2.  Hälfte.    Leipzig  1900.    1902.    8«. 

3* 


30*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Zeitschrift  für  Instrumentenkunde  in  Berlin: 
Zeitschrift.   XXII.  Jahrg.,  Heft  7— 12.    1902.    4«. 

Allgemeine  geschichtsfarschende  Gesellschaft  der  Schweiz  in  Bern: 
Jahrbuch  für  Schweizerische  Geschichte.   27.  Bd.    Zürich  1902.   8®. 

Sociite  d' Emulation  du  Doübs  in  Besangon: 
M^moires.   VII«  Särie.    Vol.  6.    1900.    1901.   80. 

Ohservatorio  astronomico  nacional  in  Bogota: 
El  Cometa  de  1901.    1901.    4». 

R.  Deputazione  di  storia  patria  per  le  Provincie  di  Romagna 
in  Bologna: 
Atti  e  Memorie.   Serie  III.   Vol.  XX,  fasc.  1—3.    1902.    8<>. 

Niederrheinische  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  in  Bonn: 
SitzuDgsberichte  1902.   S^. 

Universität  in  Bonn: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4^  u.  8^. 

Verein  von  Altertumsfreunden  im  Rheinlande  in  Bonn: 
Bonner  Jahrbücher.   Heft  108.  109.    1902.    4». 

Naturhistorischer  Verein  der  preussischen  Rheinlande  in  Bonn: 
Verhandlungen.   59.  Jahrg.,  I.  Hälfte.    1902.   Q^. 

Sociite  des  sciences  physiques  et  naturelles  in  Bordeaux: 
Procbs-verbaux  des  sdancea.    Annde  1900—1901.    Paris  1901.    8®. 
Memoires.    VIe  Sdrie.    Tom.  1.    1901.   8^. 
Observations  pluviomdtriques  1900—1901.    1901.    8®. 

Societe  Linnienne  in  Bordeaux: 
Actes.    Vol.  56.    1901.    8^. 

Societe  de  geographie  commerciäle  in  Bordeaux: 
Bulletin.    1902.    No.  15—24.    S«. 

American  Academy  of  Arts  and  Sciences  in  Boston: 
Proeeedings.    Vol.  87,  No.  15—23.    1902.    8». 
Memoirs.    Vol.  XII,  5.    Cambridge  1902.    4P. 

Meteorologisches  Observatorium  in  Bremen: 
Meteorologisches  Jahrbuch.    XII.  Jahrg.    1901.    1902.    4^. 

Schlesische  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur  in  Breslau: 

70.  Jahresbericht.    1901.    1902.    S^. 

Landesmuseum  in  Brunn: 

Zeitschrift.    Bd.  2,  Heft  1.  2.    1902.    gr.  B«. 
Casopsis.    Bd.  II,  Heft  1.  2.    1902.    gr.  8«. 

Deutscher  Verein  für  die    Geschichte  Mährens   und  Schlesiens 
in  Brunn: 
Zeitschrift.    Jahrg.  G,  Heft  i.    1902.    8®. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  31* 

Äcadimie  Boyale  de  midecine  in  Brüssel: 
Memoires  couronnäs.   Tom.  XV,  fasc.  9.    1902.   8®. 
Bulletin.    V«  S^rie.   Tom.  16,  No.  6—9.    1902.  8^. 

ÄcadSmie  Boyale  des  sciences  in  Brüssel: 

Memoires  des  membres  in  4®.    Tom.  64,  fasc.  6.    1902.    4^. 
Memoires  couronn^s  in  4^.    Tom.  59,  fasc.  3.    1902.    49, 
Memoires  couronnds  in  S^.   Tom.  62,  fasc.  1—3.    1902.   8®. 
Bulletin,    a)  Classe  des  lettres  1902,  No.  4—8.   8«. 

b)  Classe  des  sciences  1902,  No.  4—8.   S^. 
Documents  pour  servir  k  Thistoire  des  prix  par  H.  van  Hontte.    1902.    4''. 
Le  Register  de  Franciscus  Lixaldius  pub.  par  Rachfahl.    1902.   8^. 

Jardin  hotanique  de  Vetat  in  Brüssel: 
Bulletin.    Vol.  1,  No.  1—8.    1902.   ^.  8». 

SociHe  des  Bollandistes  in  Brüssel: 
\nalecta  Bollandiana.    Tom.  XXI,  3—4.    1902.   8«. 

SociHi  beige  de  gSologie  in  Brüssel: 

Bulletin.    Tom.  XVI  ann^e;   Tom.  XIII,   fasc.  3;   Tom.  XVI,  fasc.  2.  3. 
1902.   8« 

K,  ungarische  Akademie  der  Wissenschaften  in  Budapest: 

^Imanach.    1902.   8^. 

^yelytndom^nji  Közlem^nyek.     (Sprachwissenschaftliche  Mitteilungen.) 

Bd.  XXXI,  3.  4;  Bd.  X'XXII,  1.    1901—1902.   8«. 
Tört^nettud.  Ertekezösek.  (Hiator.  Abhandlungen.)  XIX,  6— 9.  1901/02.  8». 
^.rchaeologiai  Ertesitö.    Üj  folyam.    (Archäolog.  Anzeiger.)    XXI,  3—5; 

XXII.  1-8.   49. 
I^jelvtudomän.    firtekezdsek.     (Sprachwissenschaftliche    Abhandlungen.) 

XVII   9.  10.    1902    8^ 
5röf  Eszterhdzy  von  Thaly  K4lmä,n.    1901.    8^. 
Achmed  Dzsevdet  Evlija  Czelebi.    Sziacbat  Nameszi   (in  türk.  Sprache); 

Kar4csonyi  J.:  A  magyar  nemzets^gek.    Bd.  IL    1901.    8^ 
tfargalits  E.:  Repertorium  Croaticum.    Vol.  II.    1902.    8^ 
tfathematikai  Ertesitö.    (Mathemat.  Anzeiger.)    XIX,  3—5;  XX,  1.  2.    S^. 
^athematikai  Közlemenyek.  (Mathem.  Mitteilungen.)  XXVIU,  1.  1902.  8<>. 
il athematische  und  naturwissensch.  Berichte  aus  Ungarn.   XVII.  Bd.   1899. 

Leipzig  1901.    8^ 
lapport.    1901.    1902.   8«. 

K.  Ungar,  geologische  Änstcdt  in  Budapest: 

Mitteilungen  aus  dem  Jahrbuche.    Bd.  XIV,  Heft  1.  2.    1902.   8®. 

i^öldteni  Közlöny.    Bd.  32,  Heft  5-9.    1902.    8». 

i  Magyar  Kir.  földtani   intt^zet  ävkönyve.    Bd.  XII,  Heft  1.    1902.    8^ 

Officina  meteorologica  Argentina  in  Buenos  Aires: 
Inalef.    Tom.  14.    1901.   fol. 

Deutsche  akademische  Vereinigung  in  Buenos  Aires: 
Teröffentlichungen.   Bd.  I,  Heft  6.    1902.   8". 


32*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Botanischer  Garten  in  Buitenzorg  (Java): 
Verslag  over  het  jaar  1901.    Batavia  1902.    4». 
Mededeelingen.    No.  LVI-LVIII.    1902.   4«. 
Bulletin.   No.  XII-XV.    1902.   4«. 

Academia  Romana  in  Bukarest: 
Analele.    a)  Partea  administrativa.    Serie  U.    Tom.  24.    1901—1902. 

b)  Memoriile  sec^iunic  sciin^ifice.  Serie  IL  Tom.  23.  1900—1901. 

c)  Memoriile  sec^iunic  istorice.    Serie  II.    Tom.  23.    1900—1901. 

d)  Memoriile  8ec|iunic  literare.    Serie  II.    Tom.  23.    1900—1901. 
Discursurc  de  recepjiune.    XXIV.    1902.    49. 

Monumentele  epigrafice  §i  sculpturali.    Part  I.    1902.    fol. 

Dim.  Cantemir,  Operele.    Tom.  8.    1901.    8^. 

Acte  §i  Documente  rel.  la  istoria  renascerei  Romaniei.    Tom.  IX.   1901.  8®. 

Memoriu  despre  Starea  Moldovei  la  1787  de  Comitele  d'fianterive.   1902.  4'. 

Istoria  Romana  de  Titua  Livius.    Tom.  II,  cartile  7 — 10.    1901.    gr.  8®. 

Rumänisches  meteorologisches  Institut  in  Bukarest: 
Analele  XV  anul  1899.    1901.    fol. 

Meteorölogical  Department  of  the  Government  of  India  in  CalctUta: 
Handbook  of  Cyclonic  Storms.    Text  and  Plates.    2  Vola.    1901.    8®. 
Monthly  Weather  Review  1902.    Febr.— June.    fol. 
Indian  Meteorölogical  Memoirs.    Vol.  XII,  part  3.  4.    1902.    fol. 
Memorandum  on  the  meteorölogical  Conditions  prevailing  in  the  Indian 

Monsoon  Region.    Simla  1902.    fol. 
Report  on  the  Administration  in  1901/02.    1902.    fol. 

Äsiatic  Society  of  Bengal  in  Calcutta: 
Bibliotheca  Indica.    New  Ser.    No.  1006—1014    1902.   8®. 
Journal.    No.  891;  392;  395—899  und  Plates.    1902.    8®. 
Proceedings.    1901,  No.  IX— XI;    1902,  No.  I-V.    8®. 

Museum  of  comparative  Zoology  at  Harvard  College  in  Cambridge^  Miiss.: 

Bulletin.    Vol.  88;   Vol.  39,  No.  4.  5;   Vol.  40,  No.  2.  3;  Vol.  41,  No.  1. 

1902.    80. 
Annual  Report  for  1901/02.    1902.    8» 
Memoirs.    Vol.  XXVII,  2.    1902.    4». 

Ästronomical  Ohservatory  of  Harvard  College  in  Cambridge,  Mass.: 
Annais.    Vol.  37,  No.  2;  Vol.  38  und  39,  No.  8.  9.    1902.    4«. 

Philosophical  Society  in  Cambridge: 
Proceedings.    Vol.  XI,  part  6.    1902.    S^. 
Transactions.    Vol.  XIX,  2.    1902.    4®. 

Geological  Commission,  Colony  of  the  Cape  of  Good  Hope 
in  Cape   Town: 

Annual  Report  for  1900.    1901.    4". 

Accademia  Gioenia  di  scienze  naturali  in  Catania: 
BuUettino  mensile.    Nuova  Ser.,  fasc.  78.    1902.    8^. 

K.  sächsisches  7veteorologisches  lustitut  in  Chemnitz: 
Dekaden-Monatsberichte.    1901.    Jahrg.  IV.    1902.    4». 
Jahrbuch  1899.    Jahrg.  XVII,  Abtlg.  111.    1902.    4^. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  33* 

Sociite  des  sciences  naturelles  in  Cherbourg: 
M^moires.    Tom.  82.    Paris  1901—1902.   8». 

Academy  of  sciences  in  Chicago: 
Bulletin.   Vol.  II,  No.  III,  No.  IV,  part.  1.    1900.    S«. 

Field  Columbian  Museum  in  Chicago: 
Publications.    No.  61,  1901 ;   No.  64.  65.    1902.   S^. 

Zeitschrift  „Ästrophysical  Journal^  in  Chicago: 
Vol.  XV,  No.  6;  Vol.  XVI,  No.  1—6.    1902.    ^r.  8«. 

Fridtjof  Nansen  Fund  for  the  advancement  of  science  in  Christiania: 
The   Norwegian   North   Polar-Expedition  1893—1896.    Scientific  Reaulta. 
Vol.  III.    1902.   40. 

Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Christiania: 
Forhandlingar,  aar  1901.    1902.    8«. 

Skrifter.    I.  Mathem.-naturwisg.  Classe   1901,   No.  1  —  5.    II.  Histor.-filos. 
Claase  1901,  No.  1—6.    1901.    8«. 

Naturforschende  Gesellschaft  Grauhündens  in  Chur: 
Jahresbericht.    N.  F.    Bd.  45.    1901/02.    1902.    8°. 

Lloyd  Museum  and  Library  in  Cincinnati: 
Bulletin.   No.  4.  5.    1902.   8«. 
Mycological  Notes  No.  9.    1902.   8<>. 

Naturhistorische  Gesellschaft  in  Colmar: 
Mitteilungen.    N.  F.   Band.  VI.   Jahrg.  1901  und  1902.    1902.   8«. 

Westpreussischer  Geschichtsverein  in  Danzig: 
Mitteilungen.   Jahrg.  1.    1902.    No.  1-4.    8«. 

Academy  of  natural  sciences  in  Davenport: 
Proceedings.    Vol.  VIII.    1901.    8». 

Colorado  Scientific  Society  in  Denver,  Colorado: 
The  Proceedings.    Vol.  VI.    1897—1900.    1901.   8°. 

Verein  für  Änhaltische  Geschichte  in  Dessau: 
MitteUungen.   Bd.  IX,  4.    1902.   8». 

Union  geographique  du  Nord  de  la  France  in  Doiiai: 
Bulletin.    Vol.  23,  trimestre  2.    1902.   8^. 

K,  sächsischer  Altertumsverein  in  Dresden: 
Neues  Archiv  für  sachsische  Geschichte.    Bd.  XXIII.    1902.   8«. 

Verein  für  Erdkunde  in  Dresden: 
F.  V.  Bellingshausens  Forechungsfahrten  im  Südlichen  Eismeer  1819—1821. 
Leipzig  1902.    8^. 

Boy  dl  Irish  Academy  in  Dublin: 
Proceedings.  III^  Series.  Vol.  VI,  part  4;  Proceedings.  Vol.  24,  Section  A, 

part  1;  Section  B,  part.  1.  2.    1902.   S®. 
Transactions.   Vol.  32,  Section  A,  parte  3-5;  Section  B,  part  1.   1902.   4». 


84*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Pollichia  in  Dürkheitn: 
Mitteilungen.    Jahrg.  1902,  No.  15—17.    1902.   89. 

American  Chemicdl  Society  in  Easton,  Pa.: 
The  Journal.   Vol.  XXIV,  No.  7—12.    1902.   8». 
26*1»  Anniversary.    1902.    S^. 

Eoyal  Observatory  in  Edinburgh: 
Annais.    Vol.  I.    1902.   40. 

Royal  Society  in  Edinburgh: 
Proceedings.   Vol.  XXIV,  No.  3.    1902.   8». 

Eoyal  Physical  Society  in  Edinburgh: 
Proceedings.    Session  1900—1901.    1902.   8^ 

Verein  für  Geschichte  der  Grafschaft  Mansfeld  in  Eisleben: 
Mansfelder  Blätter.    16.  Jahrg.    1902.   8^. 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Emden: 
86.  Jahresbericht  für  1900/01.    1902.    8<\ 

K,  Universitätsbibliothek  in  Erlangen: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4<^  u.  8^. 

Bedle  Accademia  dei  Georgoßi  in  Florenz: 
Atti.   IV.  Serie.   Vol.  25,  disp.  2.    1902.   80. 

Societä  Asiatica  Itdliana  in  Florenz: 
Giomale  1902.    Vol.  XV.   8^ 

Senckenbergische  naturforschende  Gesellschaft  in  Frankfurt  ajM.: 
Abhandlungen.    Bd.  XXV,  3;  Bd.  XX VIT,  1.    1902.    4P. 
Bericht.    1902.    8». 

Physikalische  Gesellschaft  in  Frankfurt  alM.: 
Jahresbericht  für  1900—1901.    1902.    8^. 

Breisgau-  Verein  Schau-ins-Land  in  Freiburg  t.  Br.: 
Schau-ins-Land  1902.    29.  Jahrg.    Halbband  I.    1902.   fol. 

Kirchengeschichtlicher  Verein  in  Freiburg  i.  Br.: 
Freiburger  Diözesan- Archiv.    Register  zu  Bd.  I— XXVII.    1902.   8®. 

Universität  in  Freiburg  i.  Br,: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4<*  u.  8<>. 

Universität  Freiburg  in  der  Schweiz: 
Collectanea  Friburgensia.    Fase.  XIII.    1902.    8^. 
Universität  in  Genf: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02. 

Sociale  de  physique  et  d^histoire  naturelle  in  Genf: 
Memoires.    Vol.  34,  fasc.  2.    1902.    4« 

Universität  iyi  Giessen: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4«  u.  8^. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  35* 

Oberhessischer  Geschichtsverein  in  Giessen: 
Mitteilangen.   N.  F.   Bd.  XI.    1902.   Q^. 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Göttingen: 

Göttingische  gelehrte  Anzeigen.    1902,  No.  6—12.   Berlin,   gr.  8. 
Abhandlungen.   N.  F. 

a)  Philol.-hist.  Classe.   Bd.  V,  No.  3.  4;  Bd.  VI,  No.  1—3. 

b)  Math.-phya.  Classe.    Bd.  II,  No.  3.   Berlin  1902.   4<>. 
Nachrichten,   a)  Philol.-hist.  Classe.    1902,  Heft  3.  4  und  Beiheft.   4^. 

b)  Math.-phy8.  Classe.   1902,  Heft  4.  5.   4». 

c)  Geschäftliche  Mitteilungen.    1902,  Heft  1.   4^. 

K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Grothemburg: 

Göteborgs  Högskolas  Arsskrift.    Bd.  YII.    1901.    1901.   8<>. 
Handlingar.  4.  Folge.   Bd.  4.    1902.   S^. 

Scientific  Laboratories  of  Bension  üniversity  in  Granvüle^  Ohio: 
Bulletin.  Vol.  XI,  11;  Vol.  XII,  1.    1902.   8^. 

Universität  in  Graz: 
Die  feierliche  Inauguration  des  Rektors  für  das  Jahr  1901/02.  1902.   S^. 

Natunoissenschaftlicher  Verein  für  Steiermark  in  Graz: 
Mitteilungen.  Jahrg.  1901,  Heft  38.   1902.   S^. 

Eügisch'Pommerscher  Geschichtsverein  in  Greifswald: 
Pommerische  Jahrbücher.   Bd.  3.  1902.   89, 

Naturwissenschaftlicher  Verein  für  Neu- Vorpommern  in  Greif swdld: 
Mitteilungen.   88.  Jahrg.    1901.    Berlin  1902.   S^. 

K,  Instituut  voor  de  TaaU,  Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlandsch  Indie 

im  Haag: 
Bijdragen.   VI.  Reeks.   Deel  X,  afl.  3.  4.    1902.   8^. 
Naamlijst  der  leden.    1902.   8^. 

Teyler^s  Genootschap  in  Haarlem: 
Archiveg  du  Musde  Teyler.    Sdr.  II.   Vol.  8,  partie  1.    1902.   4°. 

Sociiti  Hollandaise  des  Sciences  in  Haarlem: 
Archives  N^erlandaises  des  sciences  exactes.   S^rie  II.    Tom.  7,  livr.  2—5. 

1902.   80. 
Herdenking  van  het  150jarig  bestaan.    1902.    8^. 

Kaiseri.  Leopcldinisch-Carolinische  Deutsche  Akademie  der  Naturforscher 

in  Halle: 
Leopoldina.  Heft  38,  No.  6— 11.    1902.   40 

Deutsche  morgenländische  Gesellschaft  in  Halle: 
Zeitschrift.   Bd.  66,  Heft  3.    Leipzig  1902.    8<>. 

Abhandlungen   fQr   die  Kunde   des   Morgenlandes.    Bd.  XI,  4.    Leipzig 
1902.   8*>. 

Universität  Halle: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  49  u.  8^^. 


86*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Thüringisch-sächsischer  Verein  zur  Erforschung  des  vaterländischen 
Altertums  in  Halle: 
Neue  Mitteilungen.    Bd.  XXI,  2.    1902.   8«. 

Stadtbibliothek  in  Hamburg: 
Veröffentlichungen  aus  dem  Jahre  1901  in  4^  u.  8^. 

Verein  für  Hamburgische  Geschichte  in  Hamburg: 
Zeitschrift.    Bd.  XI,  2.    1902.   8^. 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Hamburg: 
Abhandlungen.    Bd.  XVII.    1902.   4^. 

Historischer  Verein  für  Niedersachsen  in  Hannover: 
Zeitachrift.   Jahrg.  1902.    Heft  1—3.   S». 

Universit ät  Heidelberg : 
Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4'^  u.  8®. 

Historisch-philosophischer  Verein  in  Heidelberg: 
Neue  Heidelberger  Jahrbücher.   Jahrg.  XI,  Heft  2.    1902.   8^ 

Naturhistorisch-medizinischer  Verein  zu  Heidelberg: 
Verhandlungen.    N.  F.    Bd.  VII,  2.    1902.    8«. 

Geschäftsführender  Ausschuss  der  Rcichslimeskommission  in  Heidelberg: 
Üer   Obergermanisch-Raetische   Limes   des  Römerreiches.     Liefg.  XVII. 
1902.   40. 

Commission  giologique  de  Finlande  in  Helsingfors: 
Bulletin.    No.  12.  13.    1902.    8». 

Carte  geologique  ä  1:400,000.    Section  C  2.    St.  Michel  1902.    8^ 
Meddelanden  fran  Industristyrelsen  Finland.    No.  32.  33.    1902.    8®. 

Universität  Helsingfors: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4<^  u.  8®. 

Siebenhürgischer  Verein  für  Naturwissenschafteyi  in  Hermannstadt: 
Verhandlungen  und  Mitteilungen.    61.  Jahrg.  1901.    1902.    8^. 

Verein  für  Sachsen-Meiningische  Geschichte  in  Hildburghausen: 
Schriften.    Heft  41  und  42.    1902.    8«. 

Ferdinandeum  in  Innsbruck: 
Zeitschrift.   3.  Folge.   Bd.  46.    1902.   8». 

NaturtvissenschaftUch-medizinischcr   Verein  in  Innsbruck: 
Horichte.    XXVII.  Jahrg.  1901/02.    1902.    S». 

JoHrnal  of  Phgsical  Chemistnj  in  Ithaca,  N.Y.: 
Tho  Journiil.     Vol.  6,  No.  4—9.    1902.    gr.  S«. 

Mcdizinisch-naturwisse7ischaftUche  Gesellschaft  in  Jena: 
Denkschriffon.   Bd.  IX,  Liefg.  1.    Text  und  Atlas.    1902.    fol. 
JenaiHche   Zeitschrift    für   Naturwissenschaft.    Hd.  30,   Hett  3.  4;    Bd.  37, 
Heft  1.    1902.    8^ 


VereeichfUs  der  eingelaufenen  Druckschriften.  37* 

Gelehrte  Estnische  Gesellschaft  in  Jurjew  CDorpat): 
Sitzungsberichte  1901.    1902.    8». 

Naturforschende  Gesellschaft  bei  der  Universität  Jurjew  (Dorpat): 
Archiv  fttr   die  Naturkunde   Liv-,  Ebst-  und  Kurlands.    II.  Serie.    Bio- 
logische Naturkunde.    Bd.  XII,  1.    1902.   ^\ 

Badische  Historische  Kommission  in  Karlsruhe: 
Oberrheinische  Stadtrechte.    I.  Abt.,  Heft  6.   Heidelberg  1902.    8^. 
Zeitschrift  für  die  Geschichte   des   Oberrheins.    N.  F.    Bd.  XVII,   3.   4. 

Heidelberg  1902.   8^. 
Neujahrsblätter  1903.    Heidelberg.    8». 
Bericht  Über  die  21.  Plenarversammlung.    Heidelberg  1902.    8^. 

Zentralbureau  für  Meteorologie  etc.  in  Karlsruhe: 
Jahresbericht  für  das  Jahr  1901.    1902.    4<). 

Crrossherzoglich  technische  Hochschule  in  Karlsruhe: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4«  u.  S^. 

Grossh.  badische  Staats- Altertümer  Sammlung  in  Karlsruhe: 
Veröffentlichungen.    3.  Heft.    1002.   4». 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Karlsruhe: 
Verhandlungen.   XV.  Band.    1901-1902.    1902.    8«. 

Sociite  physico-matMmatique  in  Kasan: 
Bulletin.   11«  S^rie.  Tom.  XI,  No.  1— 4;  Tom.  XII,  No.  1.    1901—1902.  8«. 

Universität  Kasan: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4<>  u.  8^. 
ütachenia  Sapiski.    Bd.  69,  Heft  5-8.  11.    1902.   8^. 

Verein  für  Naturkunde  in  Kassel: 
Abhandlungen  und  Bericht  XLVII.    1902.    8». 

Societc  mathematique  in  Kharkow: 
Communications.    2«  Serie.    Tom.  VII,  No.  6.    1902.    gr.  8^ 

Universite  Imperiale  in  Kharkow: 
Annales  1902.   Vol.  2—4.   8». 

Gesellschaft  für  Schleswig- Holsteinische  Geschichte  in  Kiel: 
Zeitschrift.    Bd.  XXXII.    1902.  80. 

Kommission  zur  wissenschaftl.  Untersuchung  der  deutschen  Meere  in  Kiel: 
Wissenschaftliche  Meereauntersuchungen.   N.  F.    Bd.  VI.    Abteilung  Kiel. 
1902.   fol. 

K  Universität  in  Kiel: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4^  u.  8^. 

Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  in  Kiew: 
Sapiski.   Bd.  XVII,  1.    1901.   8«. 

Botanischer  Garten  in  Kiew: 
Index  Kewensis.   Fase.  II.    Bruzelles  1902.   4^. 


38*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Dmckschriffen, 

Universität  in  Kiew: 

Iswestija.    Vol.  42,  No.  3.  6-10.    1902.   8». 

Oeschichtsverein  für  Kärnten  in  Klagenfurt: 

Jahresbericht  über  1901.    1902.   8». 
Carinthial.   92.  Jahrg.    No.  1-6.    1902.    S^. 

Siehenbürgischer  Museumsverein  in  Klausenhurg : 

Sitzungsberichte    der    medizlD.-naturwissenschaftl.  Sektion.     27.  Jahrg. 
Bd.  XXIV,  Abt.  I,  Heft  1.  2.    1902.    B^. 

Stadtarchiv  in  Köln: 
Mitteilungen.   Heft  31.    1902.   S». 

Universität  in  Königsberg: 

Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4^  u.  8^. 

K,  Akademie  der  Wissenschaften  in  Kopenhagen: 

Oversigt.    1902.   No.  2— 5.   8^. 

M^moires.    Section  des  sciences.    Sörie  VI®.    Tom.  X,  4;  Tom.  XI,  2—4; 
Tom.  XII,  1.  2.    1902.    4». 

Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau: 

Anzeiger.   Juni  und  Juli  1902,  4  Hefte.   8®. 

a)  histor.-filoz.    Serie  II.    Tom.  16.  18. 

b)  matemat.   Serie  II.    Tom.  19.    1902.   8«. 
Sprawozdanie.    Vol.  VII,  7.    1902.   8». 

Katalog  literatury  naukowej  polskiej.    Tom.  II,  1.  2.    1902.    8^. 

Historischer  Verein  in  Landshut: 
Verhandlungen.    38.  Bd.    1902.   8^ 

Societe  Vaudoise  des  sciences  naturelles  in  Lausanne: 
Bulletin.   4«  S^rie.   Vol.  38,  No.  144.    1902.   8». 

Societe  d^histoire  de  la  Suisse  romande  in  Lausanne: 
M^moires  et  Documents.    II.  Serie.    Tom.  4,  livr.  2;  Tom  5.    1902.    S«. 

Kansas   University  in  Lawrence,  Kansas: 
Bulletin.    Vol.  2,  No.  8.    1902.   8^. 

Maatschappij  van  Nederlandsche  Letterkunde  in  Leiden: 

Tijdschrift.    N.  S.    Deel  XX,  3.  4;  Deel  XXI,  1.  2.    1901-1902.    8^. 
Handelingen  en  Mededeelingen,  jaar  1901  —  1902.    1902.    S«. 
Levensberichten  1901-1902.    1902.    8^ 

Sternwarte  in  Leiden: 

Annalen.    Bd.  VIII.    Haag  1902.    4». 

Unterauchunp^en    über   den   Lichtwechsel   Algols   von    Anton  Pannekoek. 

1902.    40. 
Catalogus  der  Bibliothek.    s'Gravenhage  1902.    8®. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  39* 

K,  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Leipzig: 
Abhandlangen  der  math.-phys.  Claase.    Bd.  XXVII,  No.  7—9.    1902.   4^. 
Berichte  der  philol.-hist.  Claase.    Bd.  64,  No.  1.  2.    1902.   8°. 
Bericht©  der  math.-phys.  Clasae.  Bd.  64,  No.  3— 5  und  Sonderheft.  1902.  8®. 

üniversity  of  Nebraska  in  Lincoln: 
15tb  annual  Report.    1902.   8^. 
Bulletin.   No.  69.  70;  72—74.    1901-1902.    8». 

Verein  für  Geschichte  des  Bodensees  in  Lindau: 

Bodensee-Forschungen.    IX.  Abschnitt    (die   Vegetation   des  Bodensees). 
II.  Teil.    Lindau  1902.    8°. 

Museum  Frandsco-Carolinum  in  Linz: 

60.  Jahresbericht.    1902.  8^. 

Boyal  Institution  of  Great  Britain  in  London: 

Proceedings.    Vol.  XVI,  3.    1902.   8«. 

The  English  Historical  Review  in  London: 

Historical  Review.    No.  67  und  68;  Vol.  XVII.    1902.   8". 

Boyal  Society  in  London: 

Report  to  the  Malaria  Gommittee.    7^  Series.    1902.   8^. 

Proceedings.   Vol.  70,  No.  463—469.    1902.   S». 

Philosophical  Transactions.    Series  A.    Vol.  197.  198;   Series  B.   Vol.  174. 

1901.  40. 

B.  Ästronomicdl  Society  in  London: 

Monthly  Notices.    Vol.  62,  No.  8.  9;  Vol.  63,  No.  2.    1902.   8». 

Chemical  Society  in  London: 

Journal.   No.  477  (August  1902)  bis  No.  482  (Jan.  1903).   8<>. 
Proceedings.   Vol.  18,  No.  255-257.    1902.   8«. 

Linnean  Society  in  London: 
Proceedings.    IW^  Session  November  1901   to  June  1902.    London.    8®. 
TheJoumaL    a)  Botany.    Vol.  35,  No.  245;  b)  Zoology.    Vol.  28,  No.  179 

bis  180.    London  1902.    8». 
The  Transactions.   2od  Series.   Zoology.    Vol.  VIII,   part  6  — 8;   Botany. 

Vol.  VI,  part  2.  3.    1902.    4«. 

B,  Microscopical  Society  in  London: 
Journal  1902.    Part  4—6.   8». 

Zoological  Society  in  London: 

Proceedings.  1902.  Vol.  I,  part  1.  2;  Vol.  II,  part  1  und  Index.  1891—1900. 

1902.  8^. 

Transactions.'  Vol.  XVI,  6.  7.    1902.    8». 

Zeitschrift  „Nature"  in  London: 
Nature.   No.  1705—1730.   4». 

Societe  geologique  de  Belgique  in  Lüttich: 
Annales.    Tom.  29,  livr.  3.    1902     8«. 


40*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

Societe  Boy  die  des  Sciences  in  Lüttich: 
M^moires.  .111«  Serie.   Tom.  4.   Bruxelles  1902.   8«. 

Universität  in  Lund: 
Acta  üniversitatia  Lundensia.    Tom.  XXXVII,  Abt.  I.  II.    1901.    40. 

Historischer  Verein  der  fünf  Orte  in  Luzern: 
Der  Geschichtsfreund.   Bd.  57.    Stane  1902.   8^. 

Äcademie  des  sciences  in  Lyon: 
Le  deuxidme  Centenaire  de  TAcadämie   des   sciences  de  Lyon.    2  Yols. 

1900—1901.   8^. 
Memoires.    Sciences  et  Lettres.  III«  Sörie.    Tom.  6.    Paris  1901.    S^. 

Societe  d'agriculture,  science  et  industrie  in  Lyon: 
Annales.    VII«  S^r.    Tom.  7,  1899;  Tom.  8,  1900.    1901.    8«. 

Societe  Linneenne  in  Lyon: 
Annales.    Tom.  47.  48  (1900.  1901).    1901.    S«. 
Universite  in  Lyon: 
Annales.   I.  Sciences.    Fase.  8.  9.    1902.   8^. 

B.  Äcademia  de  la  historia  in  Madrid: 
Boletin.   Tom.  41,  cuad.  1—6.    1902.   8». 

Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Magdeburg: 
Jahresbericht  und  Abhandlungen  1900—1902.    1902.    8®. 

B.  Istituto  Lombardo  di  scienze  in  Mailand: 

Rendiconti.    Serie.  II.    Vol.  34.    1901.    8«. 

Memorie.    Classe  di  scienze  matematiche.    Vol.  19,  fasc.  5 — 8.    1902.   4®. 

Comitato  per  le  Onoranze  a  Francesco  Brioschi  in  Mailand: 
Opere  matematiche  di  Francesco  Brioschi.    Tom.  II.    1902.    4®. 

Societä  Italiana  di  scienze  naturdli  in  Maüand: 
Atti.    Vol.  41,  fasc.  2.  3.    1902.    6^. 

Societä  Storica  Lombarda  in  Mailand: 
Archivio  Storico  Lombardo.    Serie  III,  fasc.  34.  35.    Anno  29.    1902.   6®. 

Liter ary  and  philosophical  Society  in  Manchester: 
Memoirs  and   Proceedings.    Vol.  47,  part  1.    1902.    8^. 

Universität  in  Marburg: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4^  u.  8«. 

Facultc  des  sciences  in  Marseille: 
Annales.    Tom.  XII.    Paris  1902.    40. 

JTennehergischer  altertums forschender   Verein  in  Meiniyigen: 
Neue    Beiträge   zur   Geschichte    deutschen    Altertums.     Heft  16   und    17. 
1902.    8^ 

Boyal  Society  of  Victoria  in  Melbourne: 
Proceedings.    Vol.  XV.    (New  Series.)    Part  1.    1902.    BP. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  41* 

Observatorio  meteorolögico-magnUico  central  in  Mexico: 
Boletin  mensual.    1901.    Agosto— Octobre.   4P, 

Observatorio  astronömico  nacional  de  Tacubaya  in  Mexico: 
Informes  presentados  a  la  Secretaria  de  fomento.    8  voll.    1902.   8^. 

Sociedad  cientifica  „Antonio  Alzate^  in  Mexico: 
Memoria«  y  revista.   Tomo  XVI,  No.  4—6.    1902.   8®. 

University  of  Missouri: 
Studies.    Vol.  I,  No.  2.    Columbia  1902.   8« 
Internationales  Tausch-Bureau  der  Bepublik  Uruguay  in  Montevideo: 
Propiedad  j  tesoro   de   la  Re'publica  Oriental  del  Uruguay  deade  187G 
ä  1881.    1886.    40. 

Academie  de  sciences  et  lettres  in  Montpellier: 
Me'moircB.    Section  des  sciences.    2®  S^rie.    Tom.  III,  No.  1.    1901.    8®. 
Catalogue  de  la  Bibliotbbque.    1901.    8®. 

Lazarev'sches  Institut  für  Orientalische  Sprachen  in  Moskau: 
Arbeiten  zur  Kunde  des  Ostens  (in  russ.  Sprache).    Bd.  XI.    1902.   8®. 

Sociite  Imperiale  des  Naturalistes  in  Moskau: 
Bulletin.    Ann^e  1901,  No.  3.  4.    1902.   gr.  8«. 

Mathematische  Gesellschaft  in  Moskau: 
Matematitscbeskij   Sbornik.    Bd.  XXII,   2—4;  Bd.  XXIII,  1.  2.    1901   bis 
1902.   80. 

Lick  Observatory  in  Mount  Hamilton,  California: 
Bulletin.    No.  20-26.    1902.   4«. 

Statistisches  Amt  der  Stadt  München: 
Münchener  Jahresübersichten  für  1901.    1902.    4<>. 
Die  Volk-  und  Wohnung-Zählung.    Teil  III.    1902.    40. 

Hydrotechnisches  Bureau  in  München: 
Jahrbuch  1901.    Teil  II,  Heft  4;  1902,  Heft  1—3.    4«. 

Generaldirektion  der  k.  b.  Posten  und  Telegraphen  in  München: 
Preisverzeichnis  der  Zeitungen.    I.  Abt.  und  7  Nachträge.    1902.    fol. 

K.  bayer.  technische  Hochschule  in  München: 
Personalstand.  Winter- Semester  1902/03.    1902.    8^. 

Metropolitan- Kapitel  München-Freising  in  München: 
Amtsblatt  der  Erzdiözese  München  und  Freising.    1902,  No.  17—30.    8®. 

Universität  in  München: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1902  in  4^  u.  8^. 
Amtliches  Verzeichnis  des  Personals.   Winter-Semester  1902/03.    1902.   8®. 

Aerztlicher  Verein  in  München: 
Sitzungsberichte.    Bd.  XI,  1901.    1902.    8^. 

Bayer,  Dampf kesselrevisions' Verein  in  München: 
Jahresbericht  für  das  Jahr  1901.    1902.    gr.  8^. 


^ä.> 


42*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Historischer  Verein  in  München: 
Oberbayerisches  Archiv.    Bd.  51,  Heft  2.    1902.   S^, 
Altbayeriache  Monatsschrift.   Jahrg.  III,  Heft  6.    1902.   4<>. 

Verlag  der  Hochschtd-Nachrichten  in  München: 
Hochschul-Nachrichten.   No.  142—144.  146.  147.    1902.    4P. 

Äcademie  de  Stanislas  in  Nancy: 
M^moires.    Ann^e  151.    6«  S^rie.    Tom.  18.    1901.   8®. 
SocUte  des  sciences  in  Nancy: 
Bulletin.   S^rie  III,  tom.  2,  fasc.  3.  4;  tom.  8,  fasc.  1.    1901—1902.   8<>. 

Accademia  delle  scienze  fisiche  e  matematiche  in  Neapel: 
Rendiconto.    Serie  III.   Vol.  VII,  fasc.  6.  7.    1902.   Q^. 

Historischer  Verein  in  Neuburg  a/D.: 
Neuburger  Eollektaneen-BIatt.    64.  Jahrg.    1902.   8^. 

Institute  of  Engineers  in  New-Castle  (upon-TyneJ: 
Transactions.    Vol.  51,  part  3.  4;  Vol.  62,  part  1.    1902.   8<>. 
Annual  Report  for  the  jear  1901/02.    1902.   S^. 

The  American  Journal  of  Science  in  New-Haven: 
Journal.   IV.  Ser.   Vol.  14,  No.  80-84.    1902.   8». 

American  Oriental  Society  in  New-Haven: 
Journal.    Vol.  XXII,  1.    1902.   8«. 

American  Museum  of  Natural  History  in  New -York: 
Bulletin.   Vol.  XVII,  1  und  2.    1902.    80 
Annual  Report  for  the  year  1901.   8®. 

American  Geographical  Society  in  New -York: 
Bulletin.    Vol.  34,  No.  3.  4.    1902.   8«. 

Nederlandsche  botanische  Vereeniging  in  Nijmegen: 
Prodromus  Florae  Batavae.    Vol.  I,  pars  2.    1902.    8«. 
Nederlandsch  kruidkundig  Archief.    III.  Serie.    Deel  2,  stuk  3.    1902.   8«. 

Archaeological  Institut  of  America  in  Norwood,  Mass.: 
American  Journal  of  Archaeology.    II.  Series.    Vol.  VI,  2 — 4  und  Suppl. 
zu  Vol.  VI.    1902.    80. 

Naturhistorische  Gesellschaft  in  Nürnberg: 
Abhandlungen.    Bd.  IV.    1902.   S«. 
Jahresbericht  für  1900.    1901.    8«. 

Verein  für  Geschichte  und  Landeskunde  in  Osnabrück: 
Mitteilungen.    26.  Bd.,  1901.    1902.    8^. 

Geological  Survey  of  Canada  in  Ottawa: 
Catalogue  of  Canadian  Plauts.    Part  VII.    1902.    8^. 
The  Dominion  of  Canada  Western  Sheet  No.  733.    1902. 

Royal  Society  of  Canada  in  Ottawa: 
Proceedinga  and  Transactions.    11'^  Series.    Vol.  VIT.    1901.    8^. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  43* 

B.  Äccademia  dt  seiende  in  Padua: 
Riviata  periodica.   No.  86-66  (1870-1884).   8^ 
Indice  generale  zu  1779—1899/1900.    1901.   8^. 
Elenco  delle  Poblicazioni  periodiche  dal  1779  al  presente.    1902.   8^. 
Atti  e  Memorie.   Anno  269  (1893—1894).   Naova  Serie.  Vol.  10.  1894.   8°. 

Bedaction  der  Zeitschrift  „Bivista  di  starica  antica"  in  Padua: 
N.  S.   Anno  VI,  fasc.  3.  4.    1902.    80. 

Beäle  Äccademia  di  scienze,  lettere  e  belle  arti  in  Palermo: 
Atti.   Serie  III.   Vol.  6.   Anno  1900—1901.    1902.   4«. 
Circolo  matematico  in  Palermo: 
Rendiconti.   Tomo  XVI,  3-6.    1902.   8«. 

Collegio  degli  Ingegneri  in  Palermo: 
Atti  1902.   (Genaaio- Luglio.)    1902.   4P, 

Äcadimie  de  midecine  in  Paris: 

Bapporii  annuel  de  la  commission  de  Thygidne   pour  l'annäe.    1900  et 

1901.   8®. 
RappoHi  Bur  les  Taccinations  pour  Tannäe  1899  et  1900.   Melun  1900  bis 

1901.  8^. 

Bulletin  1902.   No.  27—43.   S^. 

Äcadimie  des  sciences  in  Paris: 
Comptes  renduB.   Tom.  136,  No.  1—26.    1902.   4^. 

jßcole  polytechnique  in  Paris: 
Journal.   2«  Sörie.    Cahier  7.    1902.    4« 

Comiti  international  des  poids  et  mesures  in  Paris: 
Trayanx  et  Mömoires.   Tom.  XII.    1902.   4». 
Procfes-verbaux  des  s^ances.  II«  Serie.  Tom.  1.  Session  de  1901.   1902.  8®. 

Institut  de  France  in  Paris: 
Annuaire  pour  1902.   8^. 

Comiti  du  Cinquantenaire  scientifique  de  M.  Berthelot  ä  Paris: 
Cinquantenaire  scientific  de  M.  Bertbelot.    24.  Novembre  1901.    1902.   AP. 

Moniteur  Scientifique  in  Paris: 
Moniteur.   Livr.  728-732.    1902.   4©. 

Musee  Guimet  in  Paris: 
Annalea  in  4«    Tom.  XXX,  1.  2.    1902.   40. 
Annales.   Biblioth^ue  d'ätudes.    Tom.  10.  13.    1901.   8^. 
Revue  de  Thistoire  des  r^ligions.    Tom.  43,  No.  3;   Tom.  44,   No.  1 — 3; 
Tom.  46,  No.  1.  3.    1901—1902.    B». 

Musium  d'histoire  naturelle  in  Paris: 
Bulletin.    Annde  1901,  No.  4— 8;  1902,  No.  1— 4.    1901-1902.   8°. 
Nouvelles  Archives.   IV«  Särie.    Tom.  2  und  3;  Tom.  4,  fasc.  1.    1900  bis 

1902.  49. 

Sociite  d'anthropologie  in  Paris: 
Bulletins.    5«  S^rie.    Tom.  2,  1901,  fasc.  2—6;  1902,  fasc.  1.  2.   8^. 

4 


44*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschrißen, 

SociSti  de  giographie  in  Paris: 
La  Geographie.    Annde  1902,  No.  7.   Jaillet.    4^ 

SociiU  mathimatique  de  France  in  Paris: 
Bulletin.    Tom.  30,  fasc.  2.  3.    1902.   S«. 

Äcadimie  Imperiale  des  sciences  in  St.  Petersburg: 
Comptes  rendus  des  sdances  de  la  Commission  Sismiqaae.    Aniii^e  1902. 

Livr.  1.    1902.    4P. 
Catalogue  de  rAcad^mie  Imp.  des  sciences  I.    1902.   8^. 
Annuaire  du  Musde  zoologique.    1902.    Tom.  VIT,  No.  l — 2.   8^. 
Iswestija.    Tom.  13,   No.  4.  6;   Tom.  14,   No.  1-5;  Tom.  15,   No.  1-5; 
Tom.  16,  No.  1—3.    1900-1902.   4«. 

Comite  geologique  in  St.  Petersburg: 
Bulletins.   Vol.  XX,  No.  7-10;  Vol.  XXI,  No.  1—4.    1901-1902.   8^ 
Memoires.    Vol.  XV,  4;   Vol.  XVII,  1.  2;   Vol.  XVIII,  3;   Vol.  XIX,  1  et 
XX,  2.    1902.    40. 

Kaiserl.  Botanischer  Garten  in  St.  Petersburg: 
Acta.    Vol.  XIX,  fasc.  3.    1902.   gr.  8«. 

Kaiserl.  mineralogische  Gesellschaft  in  St.  Petersburg: 
Verhandlungen.    II.  Serie.    Bd.  39,  Liefg.  2.    1902.    8^. 

Physika!. -chemische  Gesellschaft  an  der  kais.  Universität  St.  Petersburg: 
Schurnal.    Tom.  XXXIV,  Heft  5-8.    1902.    8^ 

Physikalisches  Zentral-Observatorium  in  St,  Petersburg: 
Annalen  1900.    Teil  I.  II.    1902.    4». 

Historisch-philologische  Falkultät  der  kaiserlichen   Universität 
St.  Petersburg: 
Sapiski.    Bd.  L,  No.  3;  Bd.  LIV,  No.  2.  3;  Bd.  LXIV;  Bd.  LXV,  No.  1-3; 
Bd.  LXVl.    1902.    40. 

Academy  of  natural  Sciences  in  Philadelphia: 
Proeeedings.    Vol.  53,  part  3;  Vol.  54,  part  1.    1902.    8« 

Histoncal  Society  of  Pennsylvayiia  tn  Philadelphia: 
The  Pennsylvania  Magazine  of  History.    Vol.  26,  No.  103.    1902.  8°. 

Alumni  Association  of  the  College  of  Pharmacy  in  Philadelphia: 
Alumni  Report.    Vol.  38,  No.  7—12.    1902.    S». 

American  PhilosophicaL  Society  in  Philadelphia: 
Proeeedings.    Vol.  41,  No.  168.  169.    1902.    S^. 

1\.  ScHola  normale  superiore  di  Pisa: 
Annali.    Filosona  e  filologia.    Vol.  XV.    1902.    S«. 

Socictn  Toscana  di  scienze  naturali  in  Pisa: 
Atti.    Memorie.    Vol.  XVIII.    1902.    40. 

Socicta  Jfahaua  di  fisica  in  Pisa: 
II  nnovo  Cimento.    Serio  V.    Tom.  3  (Juni);  Tom.  4  (Juli— Nov.).    1902.   8«. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschrißen,  45* 

Ältertumsverein  in  Plauen: 
Mitteilungen.    16.  Jahresschrift  für  1901—1902.    1902.    8^. 
Das  Amt  Plauen  von  C.  v.  Raab.    1902.   8®. 

Maharaja  Takhtasingji  Observatory  in  Poona: 
Poblications.    Vol.  I.    Bombay  1902.   4«. 

Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  Kunst  und  Literatur 

in  Prag: 

Czapek,    Untersuchungen    Über   die    Stickstoffgewinnung    der   Pflanzen. 

Braunschweig  1902.    8^. 
Czapek,    Zur  Kenntnis   der    Stickstoffversorgung   bei   Aspergillus   niger. 

Berlin  1902.   8». 
Bibliothek  deutscher  Schriftsteller  aus  Böhmen.    Bd.  13.    1902.   8^. 

Museum  des  Königreichs  Böhmen  in  Prag: 
Bericht  för  das  Jahr  1901.    1902.    80. 
Öasopis.   Bd.  76  (1902),  Heft  2-4.    8». 

Societe  des  amis  des  antiquites  bohemes  in  Prag: 
Jan  Herain  et  J.  Matiegka,  Tycho  Brahe.    1902.    8®. 

Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  in  Prag: 
Mitteilungen.    Bd.  40,  Heft  1—4  und  Festschrift  zum  40jährigen  Bestände. 
1902.   80. 

Verein  für  Natur-  und  Heilkunde  in  Pressburg: 
Verhandlungen.   Bd  XXXII.   Jahrg.  1901.    1902.    8«. 
Naturforscher- Verein  in  Biga: 
Korrespondenzblatt.    No.  XLV.    1902.   S^. 

Museu  nacional  in  Bio  de  Janeiro: 
Archivos.    Vol.  X.  XI.    1899—1901.   4«. 

Bibliotheca  nacional  in  Bio  de  Janeiro: 
Magalhäes,  A  Confedera9uo  dos  Tamoyos.    Poema  1856.    4^. 
Relatorio   apresentado  pelo  Director  da   Bibliotheca  Nacional  em  1901. 

1901.  40. 

Observatorio  in  Bio  de  Janeiro: 

Annuario  1902,    Anno  XVII.    8«. 

Boletim  mensal.    Julho-Dez.  1901;  Janeiro— Junho  1902.    1902.    4®. 

Beaie  Accademia  dei  Lincei  in  Born: 
Atti.   Serie  V.    Classe  di  scienze  morali.    Vol.  X,  parte  2,  fasc.  4—9.  Notizie 

degli  scavi.    1902.    4^. 
Rendiconti.    Classe   di   scienze   morali.    Serie  V,   Vol.  XI,   fasc.  5  — 10. 

1902.  80. 

Atti.   Serie  V,  Rendiconti.   Classe  di  scienze  fisiche.    Vol.  40,  1^  semestre, 

fasc.  12;  2®  semestre,  fasc.  1—11.    1902.    40. 
Rendiconto  deir  adunauza  solenne  del  1.    Giugno  1902.   Vol.  II.   1902.  4^. 

Accademia  Pontificia  de'  Nuovi  Lincei  in  Born: 
Atti.    Anno  55.    1901—1902.    Sessione  1— VII.    1902.    4«. 


46*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften, 

B.  Comitato  geologico  d'Italia  in  Born: 
ßollettino.    Vol.  33,  No.  1—8.    1902.   8». 

Kaiserl,  deutsches  archäologisches  Institut  (röm,  Abt)  in  Born: 
Mitteilungen.    Bd.  XVII,  Heft  1.  2  und  Register  zu  Bd.  I— X.    1902.  8°. 

Ufficio  centrale  meteorologico  itäliano  in  Born: 
Annali.    Seriell.   Vol.  XIII,  1;  Vol.  XVIH,  1.    1901—1902.   40. 

K,  itcUienische  Begierung  in  Born: 
Le  Opere  di  Galilei.    Vol.  XII.    Firenze  1902.   4®. 

B,  Societä  Bomana  di  storia  patria  in  Born: 
Archivio.    Vol.  XXV,  fasc  1.  2.    1902.   8». 

Universität  Bostock: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4^  u.  8®. 

Äcademie  des  sciences  in  Bouen: 
Trdcis  des  travaux.   Annöe  1900-1901.    1902.   8^. 

B.  Accademia  di  scienze  degli  Agiati  in  Bovereto: 

Atti.    Serie  III.    Vol.  8,  fasc.  2.    1902.   8^. 

£cole  frangaise  d' Extreme-Orient  in  Saigon: 

Bulletin.    Tom.  IV,  No.  2.  3.   Hanoi  1902.   gr.  Q^. 

Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde  in  Salzburg: 

Mitteilungen.    42.  Vereinsjahr.    1902.   8«. 

Historischer  Verein  in  St.  Oallen: 

Mitteilungen    zur    vaterländischen    Geschichte.    Bd.  XXVIII.    3.  Folge. 

1902.    8®. 
Neujahrsblatt  1902.    4». 

Missouri  Botanical  Garden  in  St,  Louis: 
13th  annual  report.    1902.    8^ 

Institute  y  Observatorio  de  marina  de  San  Fernando  (Cadiz): 

Almanaque  nautico  para  el  ano  1904.    1902.    4®. 

Californio  Academy  of  Sciences  in  San  Francisco: 

Occasional  Papera.    Vol.  VIII.    1901.    8^. 

Proceedings.    Zoology,   Vol.  II,   No.  9—11;   Vol.  III,   No.  1—4;  Botany, 
Vol.  II,  No.  3—9.    1902.    8«. 

Verein  für  mecklefthurgische  Geschichte  in  Schwerin: 

Jahrbücher  und  Jahresberichte.    67.  Jahrg.    1902.    8®. 

K.  K.  archäologisches  Museum  in  Spalato: 

Bullettino   di    Archeologia.    Anno  XXV,  1902,  No.  6— 11.    ^. 

K.  Vitterhets  Historie  och  Äntiquitets  Alademie  in  Stockholm: 

Mc\nad8blad.    26.  Jahrg.    1897.    1902.    09. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  47* 

K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Stockholm: 
kc.  Benelins-Själfbiografiska  Anteckningar.   1902.   8®. 
innefesten  öfver  Berzelius.    1901.   8^. 
.  C.  Dunör,  Tal . .  Tycho  ßrahe.    1901.   S». 
eteorologiska  Jakttagelser  i  Sverige.    1897,  Bd.  89.    1902.   49. 
Fversigt.   Vol.  58  (1901).    1901—1902.   8». 
andlingar.    N.  F.   Bd.  85.    1901—1902.   8». 
hang  til  Handlingar.    Vol.  27.    1901—1902.   8». 

Geologiska  Förening  in  Stockholm: 

Srhandlingar.   Bd.  24,  Heft  5—6.  1902.   8». 

Institut  Boyäl  geölogique  in  Stockholm: 

reriges  geologiska  nndersOckning.  Sär.  Aa,  No.  115.  117;  Ser.  Ac,  No.  1 
bis  4.  6;  S^r.  Ba,  No.  6;  Sär.  Bb,  No.  9;  Ser.  C,  No.  172.  180.  183 
bis  192;  Sär.  Ca,  No.  1.  2.    1902.   8«. 

Gesellschaft  zur  Förderung  der  Wissenschaften  in  Strasshurg: 
onatsbericbt.   Tom.  86,  1902,  No.  6—9.   8^. 

Kaiserl.  Universität  in  Strasshurg: 
^hriften  ans  dem  Jahre  1901/02  in  4^  u.  8^. 

JT.  toürttemberg,  Kommission  für  die  internationale  Erdmessuug 
in  Stuttgart: 
elative  Schweremessungen  II.  von  K.  R.  Eoch.    1902.   8^. 

Württemhergische  Kommission  für  Landesgeschichte  in  Stuttgart: 

ierteljahreshefte  für  Landesgeschichte.  N.  F.  XI.  Jahrg.,  1902,  Heft  1 
bis  4.   8<>. 

K,  württemh,  statistisches  Landesamt  in  Stuttgart: 

Türttembergische  Jahrbücher  für  Statistik  und  Landeskunde.    1902.   4^. 
tatistisches  Handbuch  für  das  Königreich  Württemberg.    1902.   8^. 

West  Hendon  House  Ohservatory  in  Sunderland: 
ablications  No.  IL    1902.   4^. 

Department  of  Mines  and  Agriculture  of  New-South- Wales  in  Sydney: 
nnnal  Report  for  the  year  1901.    1902.    fol. 

andbook  to  the  Mining  and  Geological  Museum,  by  George  W.  Card. 
1902.    80. 

Geological  Survey  of  New-South-  Wales  in  Sydney: 
ecords.    Vol.  VII,  2.    1902.   49. 

Boyal  Society  of  New-South- Wales  in  Sydney: 

)umal  and  Proceedings.    Vol.  85.    1901.   8®. 

Linnean  Society  of  New-South- Wales  in  Sydney: 

he  Proceedings.  Vol.  XXV,  1—4;  Vol.  XXVI,  1—4;  Vol.  XXVII,  1.  1900 
bis  1902.    80. 

Earthqudke  Investigation  Committee  in  Tokyo: 
ablications  Nq.  8.  9.    1902.   4^, 


48*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Dmckschriften, 

Deutsche  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens  in  Tokyo: 
Geschichte  des  Christentums  in  Japan  von  Hans  Haas.    Teil  1.    1992.  8®. 
Mitteilungen.    Bd.  IX,  Teil  1.    1902.   80 
Festschrift  zur  Erinnerung  an  das  25jährige  Stiftungsfest.    1902.    8^. 

Kaiserl.  Universität  Tokyo  (Japan): 

The  Journal  of  the  College  of  Science.    Vol.  XVF,  2—14;  Vol.  XVII,  8 

und  No.  7— 10;  Vol.  XVII,  part  II.    1902.   4<>. 
The  Bulletin  of  the  College  of  Agriculture.    Vol.  5,  No.  1.  2.  4.    1902.  40. 

üniversity  of  Toronto: 
Studies.   Biological,  Series  No.  2.    1901.   4®. 
Review  of  Historical  Publications  rel.  to  Canada.    Vol.  VI.    1901.   4®. 

üniversite  in  Toulouse: 
Annales  du  Midi.   XI V®  Ann^e,  No.  51—54.    1902.   4^. 
Annales  de  la  faculte  des  sciences.    II®  S^rie.    Tom.  3;  Tom.  4,  fasc.  1.  2. 

Paris  1901—1902.    4». 
Bibliotheque  m^ridionale.    2®  Sörie.    Tom.  7. 

Biblioteca  e  Museo  coniunale  in  Trient: 
Archivio  Trentino.    Anno  XVII,  fasc.    und  Indice  zu  I— XVI.    1902.  8^ 

Kaiser  Franz  Josef-Museum  in  Troppau: 
Jahresbericht  1901.    1902.   8^. 

Universität  Tübingen: 
Wilh.  Schmid,  Verzeichnis  der  griech.  Handschriften   der  üniveraitäts- 

bibliothek  Tübingen.    1902.   49, 
Christian  Seybold,  die  Drusenschrift  Kitkb  alnoqat.    Kirchheim  1902.  4'. 

Tufts  College  Library  in  Tufts  Coli.  Mass,: 
Studies.   No.  7.    1902.   S». 

B.  Äccademia  delle  scienze  in  Turin: 
Atti.    Tom.  37,  disp.  11—15.    1902.    S» 

K.  Universität  in  Upsala: 
Bidrag    tili    Sveriges    Medeltidshistoria,    tillegnade.     C.  G.  Malmström. 

1902.    80. 
Eranos.    Acta  philologica  suecanea.    Vol.  4,  fasc.  2—4.    1902.    8®. 
Urkunder  och  Töfattningar  angaende  Donationer  vid  Upsala  K.  UniFeraitet. 

1902.    8». 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4^  u.  8^. 

Provincial   Utrechtsch  Genootschap  in  Utrecht: 
Aanteekeningen  1902.    8^. 
Verslag  1902.    S». 

Physiologisch  Laboratorium  der  Hoogeschool  in  Utrecht: 
Onderzoekingen.    V.  Reeks.    IV,  1.    1902.    8^. 

Ätcneo   Veneto  in   Venedig: 
L'Ateneo  Veneto.    Anno  XXI,  Vol.  1,  fasc.  3;  Vol.  2,  fasc.  1—3;  Anno  XXII, 
"'ol.  1,  fasc.  1-3;  Vol.  2,  fasc.  1-3.    1898—1899.   8«. 


Verzeichnia  der  eingelaufenen  Druckschriften,  49* 

JR,  latituto  Veneto  di  scienze  in  Venedig: 
Atti.    Tom.  56,  disp.  8—10;  Tom.  58,  disp.  1—5;  Tom.  69,  diep.  1.  2  und 

Suppl.  al  Tom.  57.    1897-- 1898.    8». 
Memorie.   Vol.  XXVI,  No.  3—5.    1899.   4» 

Accademia  di  Scienze  in  Verona: 
Atti  e  Memorie.    Serie  IV.   Vol.  II.    1901-- 1902.    gr.  80. 

Mathematisch-physikalische  Gesellschaft  in  Warschau: 
Prace  Matematyczno-fizycne.   Tom.  13.    1902.   8^ 

National  Academy  of  Sciences  in  Washington: 
Memoirs.    Vol.  VIII,  6*1»  Memoir.    1902.    4^ 

Bureau  of  Ämerica/n  Ethnology  in  Washington: 
Bulletin.    No.  26.    1902.    4«. 

ü,  S,  Departement  of  Ägriculture  in  Washington: 
North  American  Fauna.    No.  22.    1902.   8®. 
Yearbook  1901.    1902.    8«. 

Smithsoman  Institution  in  Washington: 
Annual  Report  of  the  ü.  S.  National  Museum.    1899—1900.    1902.   8". 
SmithsonianMiscellaneousCollections.  No.  1174. 1259. 1312— 1314.  1902.  8<^. 

ü.  S,  Naval  Observatory  in  Washington: 
Publications.    Vol.  II.    1902.    4«. 

Ü.S.Coast  and  Geodetic  Survey  in  Washington: 
Report  1899/1900.    1901.    4°. 
Annual  Report  for  1901.    1902.   4^. 
The  Eastern  oblique  Are  of  the  United  State«^.    1902.    4^. 

United  States  Geölogical  Survey  in  Washington: 
Bulletins.    No.  177—190;  No.  192—194.    1901—1902.    8». 
21«>  Annual  Report  1899—1900.    Part  5  und  7.    1900.    4«. 
The  Geology  and  Mineral  Resources  of  the  Copper  River  District,  Alaska. 

1901.   40. 
Reconnaissances  in   the  Cape  Nome   and  Nordon  Bay  Regions,  Alaska, 

in  1900.    1901.    4«. 
Mineral  Resources  of  the  United  States  1900.    1901.    8^. 

K.  Akademie  für  Landwirtschaft  und  Brauerei  in  Weihenstephayi: 

Bericht  für  das  Jahr  1901/02.    Freising  1902.    8^. 

Savigny-Stiftung  in  Weimar: 

Zeitschrift   für    Rechtsgeschichte.    23.  Bd.    der  romanistischen    und    der 
germanistischen  Abteilung.    Weimar  1902.    8^. 

Kaiserh  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien: 
Sndarabische  Expedition.   Bd.  III.  IV.    1901.    4^. 
Sitzungsberichte.    Mathem.-naturwissensch.  Classe. 
Abt.  I,     Bd.  110,  Heft  5— 7. 

,    IIa,     ,    110,      ,     8-10. 

,    IIb,     ,    HO,      ,     8.  9. 

,    III,      .110,      ,     1-10.    1901.   80. 
Denkschriften.   Philos.-hist.  Classe.    Bd.  47. 

Denkschriften.    Mathem.-naturwissensch.  Classe.    Bd.  70.    1902.    4^. 
Archiv  fTir  österreichische  Geschichte.    Bd.  91,  1.  Hälfte.    1902.    8^. 


50*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Dmeksehriflen. 

K,  K,  geologische  Reichsanstalt  in  Wien: 
Verhandlungen  1902.    No.  7—10.   4^ 
Abhandlungen.    Bd.  VI,  Abt.  1,  Suppl.-Heft.    1902.   fol. 
Mitteilungen  der  Erdbebenkommission.   N.  F.    No.  7.  8.    1902.   8^. 

K.  K.  Zentralanstalt  für  Meteorologie  in  Wien: 
Jahrbücher.    Bd.  47.   Jahrg.  1902.   (N.  F.  Bd.  89.)    1902.   40 

K,  K.  Gesellschaft  der  Aerete  in  Wien: 
Wiener  klinische  Wochenschrift.    1902,  No.  29—62.    4^. 

Zoologisch-botanische  Gesellschaft  in  Wien: 
Verhandlungen.   Bd.  62,  Heft  6—10.    1902.   8«. 
Abhandlungen.   Bd.  II,  Heft  1.    1902.   4®. 

K.  K.  Oesterr,  archäologisches  Institut  in  Wien: 
Sonderschriften.    Bd.  IIJ.    Eleinasiatische  Münzen  von  F.  Imhoof-Blamer. 
1902.   40. 

K.  K.  müitär-geographisches  Institut  in  Wien: 
Astronomisch-geodatische  Arbeiten.   Bd.  XVIII.    Wien  1902.   4**. 

K,  K,  naturhistorisches  Hofmuseum  in  Wien: 
Annalen.    Bd.  XVII,  1.  2.    1902.   gr.  8^. 

K,  K,  Universität  in  Wien: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1901/02. 

K,  K.  Sternwarte  in  Wien: 
Annalen.   Bd.  XIV.  XVII.    1900-1902.   4». 

Nassauischer  Verein  für  Naturkunde  in  Wiesbaden: 
Jahrbücher.   Jahrg.  55.    1902.    8». 

Physikalisch-medizinische  Gesellschaft  in  Würzburg: 

Verhandlungen.   N.  F.    Bd.  XXXV,  No.  2.  3.    1902.   ^. 
Sitzungsberichte.   Jahrg.  1901,  No.  5-7;  1902,  No.  1.  2.    1901—1902.  8*. 

Schweizerische  meteorologische  Zentralanstalt  in  Zürich: 
Annalen   35.  Jahrg.    1900.    4^ 

Naturforschende  Gesellschaft  in  Zürich: 
Vierteljahrsschrift.    47.  Jahrg.,  Heft  1.  2.    1902.    8<». 

Schweizerische  geologische  Kommission  in  Zürich: 
Materiaux  pour  la  carte  g^ologique  de  la  Suisse.   N.  S^r.  Livr.  XIII.  Bernd 
1902.  4". 

Schweizerisches  Landesmuseum  in  Zürich: 
Anzeiger    für   Schweizerische    Altertumskunde.     N.  F.     Bd.  IV,    No.  !• 

1902.    gr.  8«. 
J.R.Rahn,  Zur  Statistik  Schweiz.  Kunstdenkmäler.  Bogen  XV.  1902.  gr-Ö**. 
10.  Jahresbericht  1901.    1902.    8» 

Sternwarte  des  eidgenössischeyi  Polytechnikums  in  Zürich: 
Publikationen.    Bd.  III.    1902.    4». 

Universität  ifi  Zürich: 
•iften  aus  dem  Jahre  1901/02  in  4^  u.  8^. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  bV 


Von  folgenden  Privatpersonen: 

Henrik  Afzelius  in  Stockholm: 
rik  Benzelius  II.   Stockholm  1902.   8^. 

Buchhandlung  Joh,  Ämbrosius  Barth  in  Leipzig: 
eiblätter"zu  den  Annalen  der  Phyaik.   1902,  No.  8 — 12.  Leipzig  1902.  8^, 
mrnal  für  praktische  Chemie.    N.  F.    Bd.  65,  Heft  11;  Bd.  66,  Heft  1-10. 
Leipzig  1902.   8^. 

Franz  Bayherger  in  München: 
eographische  Studien  über  das  nordwestpfalzische  LauterthaL    Dürk- 
heim  1902.   S«. 

Verlagsbuchhandlung  Gustav  Fischer  in  Jena: 
aturwisaenscliaftliche  Wochenschrift.    1902,  Bd.  17,  No.  41—52;  Bd.  18, 
No.  1— 13.   Jena.   4». 

W.  Oallenkamp  in  München: 

ine  neue  Bestimmung  von  Eapillaritätskonstanten  mit  Adhäsionsplatten 
Leipzig  1902.   80. 

P.  J,  M,  van  Güs  in  Herzogenroth  fEheinprovinz) : 
uaestiones  Euhemereae.    Amsterdam  1902.   8^. 

M*^  Godin  in  Guise  (Aisne): 
3  Devoir.   Tom.  26  (Juli— Dec).    1902.    8°. 

Ernst  Haeckel  in  Jena: 
unstformen  der  Nator.   Liefg.  VII.    Leipzig  1902.    fol. 

Adolf  Harnack  in  Berlin: 
ie  Mission  nnd  Ausbreitung  des  Christentums   in  den  ersten  drei  Jahr- 
hunderten.  Leipzig  1902.   8^. 

G.  N,  Hatzidakis  in  Athen: 
xadtjfieixa  avayvwaiJiaxa,    Tom.  1.    1902.    8^. 

Lachiche  Hugues  in  Fort-Louis,  Maurice: 
n  seul  Champignon  sur  le  globel   (sur  les  maladies  des  plantes).   Port 
Louis.    1902.   80. 

Charles  Janet  in  Paris: 
otes  sur   les   fourmis  et  les  guepes.    Extraits  des  Comptes  rendus  des 
S^ances  de  TAcad^mie  des  Sciences.   Paris  1894—1900.    4P. 

0,  Kienitz  und  K.  Wagner  in  Karlsruhe: 
iteratur    der   Landes-   und    Volkskunde    des    Grossherzogtums   Baden. 
Karlsruhe  1901.   8^. 

A,  Kölliker  in  Würzburg: 
eher  die  oberflächlichen  Nervenkerne  im  Marke  der  Vögel  und  Rep- 
tilien.   Leipzig  1902.   8<>. 


52*  Verzeichnia  der  eingelaufenen  Druekschriften, 

Karl  Krumhacher  in  München: 

ByzanÜDische  Zeitschrift.   Bd.  XI,  Heft  8.  4.   Leipzig  1902.   8^. 
Byzantinisches  Archiv.   Heft  3.    1903.   8^. 

Langenscheidi'aehe  VerleigshueiMiandlung  in  Berlin: 

Brieflicher   Sprach-    und    Sprechunterricht    für   das   Selbststudium    der 
Russischen  Sprache.    Liefg.  1—28.    Berlin.   S^. 

0,  Loeto  in  Tokyo: 

4  Separatabdrücke  (zur  Landwirtschaftskunde).    1902.   4®. 

Paul  Maas  in  München: 

Studien  zum  poetischen  Plural  bei  den  Römern.    Leipzig  1902.    8^. 

Arthur  Macdonald  in  Washington: 

A  Plan  for  the  Study  of  Man.    1902.   8». 

Gabriel  Monod  in  Versaiües: 

Revue  historique.   Annäe  XXVH,  Tom.  80,  1902, 1.,  Sept.— Oct;  IL,  No?. 
—  Däc.   Paris.   8». 

Ghistav  Niederlein  in  Philadelphia: 

Resources  väg^tales  des  Colonies  Fran9ai8e8.   Paris  1902.  fol, 

Eugen  Oberhummer  in  München: 

Konstantinopel  unter  Suleiman  dem  Grossen.   München  1902.   fol. 
Die  Insel  Cypem.   München  1903.   8^. 

Friedr,  Attg.  Otto  in  Düsseldorf: 
Ein  Problem  der  Rechenkunst.   Düsseldorf  1902.   8®. 

Carlo  Pascal  in  Catania: 
1.  De  Metamorphoseon  locis  quisbusdam.    2.  Osservazioni  sul  primo  libro 
di  Lucrezio  Puntata  I.   8.  Di  una  fönte  greca  del  Somnium  Scipionis 
di  Cicerone.    1902.   8^. 

Verlagsbuchhandlung  Dietrich  Beimer  in  Berlin: 

Zeitschrift  für  afrikanische,  ozeanische  und  ostasiatische  Sprachen.   Jahr- 
gang VI,  Heft  2.  3.    Berlin  1902.   8». 

Gustav  Betifius  in  Stockholm: 
Anthropologia  Suecica.    Stockholm  1902.   fol. 

Saint'Lager  in  Lyon: 

Histoire  de  TAbrotonum.    Paris  1900.   8^. 

La  Perfidie  des  Synonymes  ddvoilde  ä.  propos  d'un  Astragale.  Lyon  1901.  8*^. 

Lucian  Scherman  in  München: 
Orientalische  Bibliographie.    Jahrg.  XV,  Heft  1—3.    Berlin  1902.    8®. 

Verlag  der  vereinigten  Druckereien  u.  Kunstanstalten,  vorm.  Schön  dt  Maison 

in  München: 

Monatsberichte  über  Kunstwissenschaft  und  Kunsthandel.   Jahrg.  %  Heft  4 
bis  12.   40 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften,  53* 

Bichard  Schröder  in  Heidelberg: 

Lehrbach  der  deutschen  Rechtsgeschichte.  4.  verbesserte  Auflage.   Leipzig 
1902.   8«. 

Franz  Eühard  Schulze  in  Berlin: 
An  Account  of  the  ludian  Triazonia.   Galcutta  1902.   4^. 

Verlag  von  Seitz  dt  Schauer  in  München: 
Deutsche  Praxis.    1902,  No.  14—24.    München.   &>, 

B.  G.  Teubner  in  Leipzig: 

Encjklopädie  der  mathematischen  Wissenschaften.  Bd.  III,  Heft  I;  Bd.  IV,  1 , 

Heft  2;  Bd.  I,  Heft  7.   Leipzig  1902.   8». 
Archiv  der  Mathematik  und  Physik.   III.  Reihe,  3.  Bd.,  Heft  3.  4;  Bd.  4, 

Heft  1.  2.   Leipzig  1902.   gr.  ^, 
Thesaurus  linguae  latinae.   Vol.  I,  fasc.  6  und  Vol.  II,  fasc.  4.    Lipsiae 

1902.   4«. 

E,  V.  WÖlfflin  in  München: 
Archiv  für  lateinische  Lexikographie.   Bd.  XIII,  1.   Leipzig  1902.   8^. 

A.  Wolfer  in  Zürich: 
Revision  of  Wolts  Sun-Spot  relative  numbers  (Sep.-Abdr.).    1902.   4^. 


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