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Full text of "Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin"

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SITZUNGS -BERICHTE 


DER 


GESELLSCHAFT 

NATURFORSCHENDER  FREUNDE 

ZU 

BERLIN 

JAHRGANG  1875. 


BERLIN, 

IN  COMMISSION  BEI  R.  E RIEDLÄNDER  UND  SOHN. 

NW.  CARLS -STRASSE  11. 

1875, 


1 • 


: . . ' ' ^ ' " 


INH  ALTS  - VERZEICHNISS 

aus  dem  Jahre  1875. 


A sehers  on.  Vorkommen  des  Strausses  in  der  Libyschen  Wüste  S.  70.  - — 
Vorlage  einer  Keimpflanze  im  Innern  eines  Apfels  S.  101.  — Ueber 
die  geographische  Verbreitung  der  Geschlechter  von  Stratiotes  aloides 
S.  101 — -106.  — Carpinus  betulus  mit  eingeschnittenen  Blättern  S.  116. 

Bouche.  Schlaf- Erscheinungen  bei  Maranta- Arten  S.  51.  — Vorlage 
monströser  Wurzeln  der  Eiche  und  Kiefer  S.  51.  — Fraglicher  Fall 
von  Parthenogenesis  bei  Torreya  nucifera  S.  116.  — Vorlage  von 

Araft'a-Särnlingen  S.  117.  — Bastard  von  Centaurea  gymnocarpa  und 
sphaerocephala  S.  117.  — Ueber  Geschlechtsumwandlung  bei  Dasylirion 
acrotriche  S.  118. 

Braun.  Besprechung  von  F.  Cohn’s  Entwickelungsgeschichte  des  Volvox 
globator  S.  fl— 18.  — Ueber  Lepidozamia  Peroffskyana  Regel  ( Ma - 
crozamia  Denisonii  Moore)  S.  29  - 37.  — Ueber  Gallen  am  Edelweiss, 
durch  Anguillula  verursacht  und  über  Anguillula- Gallen  überhaupt. 
S-  59  — 43.  — Ueber  die  Algenflora  der  Gewächshäuser  des  Botani- 
schen Gartens  S.  99. 

Brefeld.  Beobachtungen  über  Biologie  der  Hefe  S.  43 — 51.  Ueber 

copulirende  Pilze  S.  73  — 88.  — Ueber  neue  Culturmethoden  für  die 
Untersuchung  der  Pilze  S.  125  — 133.  — Untersuchungen  über  die 
Fäulniss  der  Früchte  S.  139 — 146. 

Ehrenberg.  Bemerkungen  über  F.  Cohn’s  Auffassung  des  Volvox 
globator  S.  18.  — Bänke  von  Spatha  Caillaudi  im  Weissen  Nil  S.  22.  — 
Zui  Erinnerung  an  Leeuwenhoek’s  Entdeckung  der  Infusorien  S.  53 
und  55. 

Fritsch.  Ueber  die  giftige  Wirkung  des  Argas  persieus  S.  61 — 64.  — 
Ueber  den  feineren  Bau  des  Centralorgans  bei  den  Fischen  S.  133 
bis  137. 

Gerstaecker.  Julus-  Arten  aus  dem  Orchideen-Hause  des  Botanischen 
Gartens  S.  52.  — Der  Kartoffel-  oder  Coloradokäfer  ( Chrysomela  decem- 
hneata  Say)  S.  53.  — Insekten  von  der  Kerguelen-Insel  S.  66.  — 
Verheerendes  Auftreten  der  Wanderheuschrecke  ( Oedipoda ; migratoria 
Lin.)  bei  Berlin  S.  106.  — Ueber  das  Vorkommen  ausgewachsener 
lebender  Larven  der  Sarcophila  magnißca  in  der  Nasenhöhle  des  Men- 


sehen  S.  10S.  - Vorlage  von  Laboulbenea  muscac  auf  dem  Körper 

der  Stubenfliege  S.  110.  - Omitholepas  australis  Targ.on.  als  e.ne  im 
Cvpris-Stadium  befindliehe  Lepadiden-Larve  nachgewiesen  S .110. 
Hartmann.  Ueber  das  Gewebe  der  Schirmquallen,  besonders  de.  Cg™*“ 
capiUata  S.  4.  - Vorlage  von  Abbildungen  der  Cyanea  caprlla ta  und 
des  Rliizostoma  Cuvieri  S.  S.  - Vorlage  von  Naturalien  aus  Port 
Natal  S.  28.  — Ueber  die  lebenden  Hyanen-Arten  S.  bb 
dänisch.  Vorlage  von  Diatomeen-Präparaten  S.  88. 

Itzigsohn.  Beobachtungen  über  die  Sporenbildung  von  Gloeocapsa,  mrt- 
getheilt  von  A.  Braun  S.  97. 

Kny.  Ueber  Farbstoffe  von  Florideen  S.  100.  . .. 

Magnus.  Ueber  Aresehoug’s  Beobachtung  copulirender  Sehwarm 
Loren  von  Dictyosiphon  S.  19.  - Ueber  die  Familie  der  Melampsorea 
und  ihre  Gattungen  S.  57-60.  - Ueber  junge,  in  der  Hülse  geke.mte 

v.  ^laTte^s. 10 Ostasiatische  Land-  und  Süssw.ss—^.^ 
Meereonchylien  von  den  Cnpverd. sehen  nseln  S.  • Russische 

Ausbeute  der  „Gazelle“  auf  der  Kerguelen-Insel  S.  f 
und  Sibirische  Conehylien,  von  Ehrenberg  gesammelt  S.  88-9b. 

Centralasiatische  Conehylien  S.  96.  /.i-  i 

VnrKrre  des  Werkes:  Anleitung  zu  wissenschaftlichen 

Neumayer.  Vorlage  _ Uebcr  die  Organisation  der  deut- 

Beobachtungcn  auf  Reisen  S.  1.  - ueßer  f, 

sehen  Seewarte  S.  159. 

l’niseh  Zwei  für  die  Berliner  Gegend  neue  1 flanzen  S.  7 . 

1 aasen,  /■'"ei  ■ o oft  _ Vorlage  zweier 

Peters.  Vorlage  von  Rhopalodwa  lagemformis  S.  25.  von  g 

neuer  Beutelthiere  in  Abbildungen  S.  73. 

Reichenow.  Ueber  ichthyologische  Sammlungen  von  der  Lao  R 

,l0S;itn  Vorlage  eines  Exemplare»  de,  Sp«ha  CM  au,  dem  ata 

S aiebec  1^  a! " Ueber  Krystallotektonik  S.  118-122.  - Kupfer-Kry,..!!. 
der  Grube  Weetlon.kraf.  für  die 

“Ä»  * '«-«l.  r7  U°bCr  d‘“ 

der  Schachtelhalme  S.  151  — 155. 

..  1 VnrWe  von  Kupleclella  aspcrgdlum  b.  14b. 

WiüTnVk.  Vorlage  Ostafrikanischcr  Früchte  aus  Hild  eb  ran  d t’s  Samm- 

Eingogangene  ßehriften  S.  23.  37.54.60.64.  ,1.111.  122.  157. 


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Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 

vom  19.  Januar  1875. 


Director:  Herr  Gurlt. 


Herr  Neumayer  überreichte  als  Geschenk  für  die  Gesell- 
schaft ein  Exemplar  der  vor  Kurzem  im  Druck  vollendeten 
„Anleitung  zu  wissenschaftlichen  Beobachtungen  auf  Reisen, 
mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Bedürfnisse  der  Kaiserlichen 
Marine“  (Berlin,  Verlag  von  R.  Oppenheim,  1875  gr.  8.  692  p.), 
deren  Entstehung  und  Bearbeitung  durch  eine  grössere  Anzahl 
Deutscher  und  Oesterreichischer  Fachgelehrter  vor  nunmehr  zwei 
Jahren  zunächst  durch  die  damals  in  Aussicht  stehende  Deutsche 
Expedition  zur  Beobachtung  des  Venus -Durchganges  veranlasst 
worden  sei,  ohne  jedoch  zur  Benutzung  auf  dieser  rechtzeitig 
zum  Abschluss  gebracht  werden  zu  können.  Einen  Ersatz  hier- 
für werde  der  reiche,  umfassende  Inhalt  des  Werkes,  so  wie  die 
Gediegenheit  der  einzelnen  in  demselben  enthaltenen  Artikel 
gewähren.  An  der  Bearbeitung  derselben  haben  sich  u.  A.  auch 
folgende  Mitglieder  der  Gesellschaft  betbeiligt:  Foerster  und 
Tietjen  für  Astronomie,  v. Richthofen  für  Geologie,  Virchow 
für  Anthropologie,  Hartmann,  Gerstaecker,  Moebius, 
v.  Martens  für  Zoologie,  Schweinfurth  und  Ascherson  für 
Botanik,  Fritsch  für  Photographie  u.  Mikroskopie,  Neumayer 
für  Hydrographie,  Orth  für  Landwirthschaft.  — Im  Anschluss 
hieran  machte  der  Vortragende  Mittheilungen  über  den  speziellen 

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2 Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Cours,  welchen  die  von  Seiten  der  Kaiser!  Marine  abgesandte 
Gazelle“  auf  ihrer  Fahrt  nach  Kerguelen  - Island  eingeschlagen 
habe  und  über  die  bis  jetzt  von  derselben  eingegangenen,  au 
wissenschaftliche  Forschungen  bezüglichen  Nachrichten. 


Herr  v.  Martens  legte  einige  neue  ostasiatische  Land-  und 
Süsswasser-Conchylien  vor,  welche  theils  vom  Freiherrn  F er  . 
v.  Richthofen,  theils  von  Herrn  Otto  v.  Möllendorff  m 
China  gesammelt  worden  sind.  Aus  der  Reise- Ausbeute  des 
ersteren  sind  namentlich  einige  sehr  eigenthümliche  Heh. r-Arten 
„nd  mehrere  grössere  Flussmuscheln  von  Interesse,  im  Gebiet 
des  Yangtsekiang  in  den  Provinzen  Hunan  und  Kiangsi  gesam- 
melt. Helix  triscalpta  zeichnet  sich  durch  zwei  starke  Falten 
auf  der  Gaumen  wand  hinter  der  Mündung  aus,  welche  von 
aussen  als  Einkniffe  erscheinen,  und  erinnert  dadurch  sehr  an 
die  Gruppe  Cepolis  Montf.,  welche  hauptsächlich  in  Mittelamerika 
vertreten  ist,  und  von  der  bis  jetzt  nur  kleinere,  minder  typische 
Arten  aus  dem  indischen  Archipel  bekannt  waren;  auch  die 
neue  chinesische  Art  weicht  übrigens  durch  den  offenen  Nabe 
und  die  gleichmässige  Färbung  bedeutend  von  dem  Typus  der 
Gruppe  ab.  Eine  zweite,  Helix  angusticollis , erinnert  im  Gan- 
zen an  die  ceilonesischen  Corilla  und  die  hinterindischen  Plecto- 
pvlis,  zeichnet  sich  aber  dadurch  sehr  aus,  dass  der  letzte  Um- 
gang eine  Strecke  weit  hinter  der  Mündung  den  vorletzten  ganz 
überdeckt  und  den  drittletzten  beiÜhrt;  sie  ist  linksgewunden 
und  enggenabelt,  Falten  im  Innern  der  Mündung  sind  an  dem 
vorliegenden  Exemplar  nicht  zu  erkennen.  Eine  dritte  Art,  Helix 
Kiangsinensis , gehört  in  die  Gruppe  Anonta  und  bildet  geo- 
arapbisch  das  Bindeglied  zwischen  unserer  europäischen  Helix 
°arbustorum  und  den  verwandten  kalifornischen  Arten,  worun  er 
namentlich  H.  Ayresiana  ihr  ähnlich  ist,  während  im  östlichen 
Nordamerika  diese  Gruppe  gar  nicht  vertreten  ist.  Die  neue 
Paludina  auriculata  erinnert  zunächst  an  nordamerikanische  Arten 
der  Untergattung  Melantho,  ist  aber  durch  ohrförmige  Verlänge- 
rn* des  Unterrandes  der  Mündung  ausgezeichnet;  sie  ist  bald 
cranz  glatt,  bald  mit  einem  wulstförmigen  Gürtel  unter  der  Na  t 
und  einem  zweiten  in  der  Peripherie  ausgezeichnet. 

Unter  den  Süsswassermuscheln  sind  hervorzuheben  Modiola 


Sitzung  vom  19.  Januar. 


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lacustris  aus  dem  Tungting-See,  die  erste  ächte  Mytijacee  aus 
einem  Süsswasser,  wenn  man  Dreissena  wegen  der  in  weiterer 
Ausdehnung  vereinigten  Mantelbänder  aus  dieser  Familie  aus- 
schliesst;  an  den  von  Herrn  v.  Richthofen  mitgebrachten,  ein- 
getrockneten Exemplaren  lässt  sich  noch  die  Trennung  der  Man- 
telbänder in  demselben  Umfang  wie  bei  Mytilus  edulis  erkennen. 
Eine  grosse  Anodonten-artige  Flussmuschel  erinnert  von  aussen 
auffällig  an  die  Abbildung,  welche  Ree ve  in  seiner  Conchologia 
iconica  Bd.  XVII  Taf.  29  big.  115  b unter  dem  Namen  Anodonta 
ciconia  Gould  gegeben  hat,  stellt  sich  aber  von  innen  betrachtet 
sofort  durch  das  Vorhandensein  von  Seitenzähnen  als  zur  ost- 
asiatischen Gattung  Cristaria  Schumacher  heraus.  (Von  den  zwei 
sonst  für  diese  Gattung  üblichen  Namen  Dipsas  und  Barbala 
ist  der  erstere  viel  früher  an  eine  Schlange  vergeben  und  für 
eine  Muschel  sinnlos,  der  zweite  ebenfalls  sinnlos  und  von  einem 
anonymen  Autor  ohne  Beschreibung  veröffentlicht.  Innerhalb 
dieser  Gattung  zeichnet  sich  unsere  Art  durch  die  stark  vor- 
ragenden Wirbel  und  das  ungemein  dicke  Schlossband  aus,  welch’ 
letzteres  an  dasjenige  der  afrikanischen,  sonst  sehr  abweichenden 
Gattung  Megadesma  Bowdich  ( Galatea  Brug.,  non  Lam.)  erinnert; 
diese  neue  Art  dürfte  daher  den  Namen  Cristaria  megadesma 
führen.  Von  den  Unionen  ist  die  eine  Art  zwar  schon  seit  lange 
bekannt  und  mehrfach  beschrieben  worden,  schon  von  Chemnitz 
1795  als  Chama  plumbea,  dann  von  Wood  1815  als  IUya  nodu- 
losa,  wahrscheinlich  auch  von  Benson  1842  als  Unio  divergens, 
und  endlich  von  Lea  1862  als  U.  grandidens;  sie  ist  aber  bis 
jetzt  in  den  Sammlungen  noch  sehr  selten  und  die  Bestätigung 
ihres  Vorkommens  in  China  von  Werth,  da  Lea  für  seine  Exem- 
plare einen  nordamerikanischen  Fundort  angiebt;  sie  gehört  zu 
den  dickschaligsten  und  dickzahnigsten  Arten  der  Gattung  und 
erinnert  durch  ihre  starke  höckerig -faltige  Skulptur  allerdings 
an  manche  nordamerikanische  Arten.  Eine  zweite  Art,  welche 
dem  Entdecker  zu  Ehren  den  Namen  Unio  Richthof eni  führen 
möge,  ist  nahe  mit  dem  bekannten  chinesischen  U.  Leai  ver- 
wandt, aber  grösser  und  durch  die  auffällige  schnabelartige  Ver- 
jüngung des  Vorderrandes  und  die  damit  zusammenhängende 
mehr  horizontale  Stellung  der  Schlosszähne,  sowie  in  der  Sculptur 
der  Seitenzähne  verschieden.  Der  eigenthümlich  verdrehte  Unio 

1* 


4 Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

contortus  Lea  (als  Triquetra  contorta  von  Lea  wegen  des  vor- 
deren Flügelchens  beschrieben,  das  an  dasjenige  bei  Triquetra 
Klein  = Hyria  Lam.  erinnert)  ist  von  Herrn  v.  Richthofen 
im  See  Tung-ting  wieder  aufgefunden  worden  und  als  Seitenstuc 
»esellt  sich  der  neue  Unio  retortus  hinzu,  welcher  bei  sonst  ganz 
abweichender,  mehr  an  unsern  U.  tumidus  erinnernder  Gestalt 
genau  dieselbe  seitliche  Biegung  des  hinteren  Theiles  zeigt.  Eine 
einigermaassen  analoge  Bildung,  aber  schärfere  Knickung,  nicht 
abgerundete  Biegung  des  Hintertheils  ist  bekanntlich  Regel  bei 
der  Gattung  Tellina  und  wurde  von  Vest  als  Folge  des  schie- 
fen Eingrabens  der  Muschel  in  den  Grund  gedeutet,  indem  der 
nicht  eingegrabene  hintere  Theil  durch  die  Wasserstromungen 
während  des  Wachsens  mehr  nach  der  Bodenfläche  hin  gedruckt 
werde  Möglicherweise  ist  die  Biegung  dieser  Unionen  durch 
einen  ähnlichen  Grund  bedingt,  doch  liegen  hierüber  keine  näheren 
Angaben  vor.  Bemerkenswerth  ist,  dass  die  vorliegenden  Exem- 
plare beider  Arten  übereinstimmend  den  hintern  Theil  nach  der 
rechten  Seite  der  Muschel  umgebogen  zeigen,  und  dass  auch  die 
vorhandenen  Abbildungen  von  Unio  contortus  dieselbe  Richtung 

der  Krümmung  angeben.  , 

Aus  der  Zusendung  des  Herrn  v.  Mollendorff  hebt  der 
Vortragende  eine  in  Spiritusexemplaren  eingesandte  Art  hervor, 
welche  der  in  Turkestan  vorkommenden  Macrochlamys  Sogdiana 
(vgl.  den  Sitzungsbericht  vom  19.  Mai  1874  S.  46)  sehr  ähnlich 
ist  und  daher  eine  Verbreitung  dieser  Gattung  durch  einen  grossen 
Theil  Central -Asiens  andeutet.  Eine  demnächstige  Publication 
der  besprochenen  neuen  Arten  in  den  Malakozoolog.  Blattern 
stellt  der  Vortragende  in  Aussicht. 

Herr  Hartmann  besprach  seine  Untersuchungen  über  das 
Gewebe  der  Schir m quall en,  welche  im  verwichenen  Herbste, 
hauptsächlich  an  der  Strasse  von  Dröbak,  Christiama-Fjord,  fort- 
gesetzt wurden.  Als  Object  der  Untersuchung  diente  diesmal 
vorzugsweise  Cyanea  capillata.  Auch  bei  dieser,  durch  Grosse 
und  Schönheit  der  Färbung  hervorragenden  Meduse  sieht  man 
in  dem  Gallertgewebe  der  Umbrella  die  an  Spindel-  und  stern- 
förmigen Bindesubstanzkörpern  reiche  Grundsubstanz  von  vielen 
ein  Netzwerk  bildenden,  dunkelcontourirten  elastischen  Fasern 


Sitzung  vom  19.  Januar. 


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durchzogen.  Die  Knotenpunkte  dieses  Netzwerkes  erscheinen 
dem  Auge  ungeübter  Beobachter  als  die  Körper  von  Zellen, 
deren  Ausläufer  (die  Bälkchen  des  Netzes)  mit  einander  ver- 
schmelzen. Einen  Zellkern  glaubt  man  leicht  einmal  in  den 
verschiedenen,  an  den  Knotenpunkten  des  Netzwerkes  sich  zei- 
genden Fältelungen  und  an  sonstigen,  namentlich  am  Grunde 
der  Netzbalken  auftretenden,  manchmal  inselförmige  Parzellen 
direct  abschnürenden  oder  nur  flach  abgrenzenden  Lineamenten 
zu  erkennen.  Deckt  nun  zufällig  ein  Bindesubstanzkörperchen 
eine  unter  ihr  befindliche  Faser  oder  einen  Knotenpunkt  des 
Fasernetzes,  so  wird  dadurch  die  Täuschung,  als  habe  man  es 
hier  mit  einer  Zelle,  resp.  mit  einem  Zellkerne  zu  thun,  noch 
vermehrt.  Zur  grösseren  Klarlegung  dieses  Verhaltens  wurden 
schwaches  Jodwasser  und  helles  Anilinbraun  ( Brun  clair,  von 
Heyl  in  Berlin)  benutzt.  Anilinblau,  Anilinroth  und  Anilingrün 
dagegen,  erwiesen  sich  für  diese  Zwecke  als  unbrauchbar.  Un- 
entbehrlich war  Essigsäure.  Mittelst  Aufwallen  in  Liquor  Kali 
hydrici  von  10  pCt.  im  Reagenzgläschen  gelang  es,  vom  Faser- 
gewebe und  von  Bindesubstanzkörperchen  Manches  zu  isoliren. 
Wenn  frühere  Beobachter  noch  vom  Vorkommen  eines  netzför- 
migen Fasergewebes  zwischen  den  angeblichen  anastomo- 
sirenden  Zellen  sprechen,  so  beruht  dies  darauf,  dass  bei 
Anfertigung  der  Schnitte  aus  dem  Gallertgewebe  immer  eine 
Anzahl  Bälkchen  des  oben  beschriebenen  Fasergerüstes  aus  ihrem 
natürlichen  Zusammenhänge  mit  anderen  Fasern  künstlich  ge- 
rissen werden,  welche  nunmehr  isolirt,  das  Gesichtsfeld  über  oder 
unter  dem  in  seiner  Kontinuität  erhaltenen  Theile  des  ursprüng- 
lichen Netzes  durchziehen. 

Hinsichtlich  des  Umbrellagewebes  von  Rhizostoma  fand 
Schreiber  dieses  seine,  schon  1868  und  1869  hier  an  demselben 
Orte  mitgetheilten  Untersuchungen,  lediglich  bestätigt.  Die 
felderweise  angeordneten , über  die  Oberfläche  hervorragenden, 
kleine  Kreisabschnitte  bildenden  Muskelbündel  der  Subumbrella 
der  Cyanea  capillata  zeigten  bei  400  - 450maliger  Linearvergrösse- 
rung  eine  unregelmässige  Querrunzelung  der  etwa  ^-jj  Millim. 
breiten,  nur  wenig  abgeplatteten,  homogen  erscheinenden,  auch 
nach  dem  Herausschneiden  meist  noch  sehr  contraktilen  Primitiv- 
fibrillen. Dies  ergab  sich  sowohl  an  ganz  frischen  Präparaten, 


6 Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

als  auch  an,  in  Müller’scher  Flüssigkeit,  mit  Anilinroth  No.  1, 

II,  III  und  Anilinviolet  No.  II  von  Bormann  Nachfolger  in 
Berlin  tingirten,  auch  mit  chlorsaurem  Kali  nur  kurze  Zeit 
(20  Minuten  lang)  behandelten.  Von  einer  Identificirung  jener 
Runzelung  homogener  Fibrillen  mit  der  charakteristischen  Quer- 
streifung, wie  letztere  an  den  Muskelfasern  in  der  Artbropoden- 
familie  ihre  Endschaft  zu  erreichen  scheint,  konnte  hier  so  wenig 
wie  (früher  1860—1871)  an  Rhizostoma,  Cassiopeia,  Chrysaora , 
Pelagia  und  Aequorea  eine  Rede  sein.  Freilich  bedarf  es  zur 
Untersuchung  solcher  an  sich  schon  sehr  schwierig  zu  durch- 
forschender Präparate  einer  peinlich  sorgfältigen,  kein  störendes 
Beiwerk  zeigenden  Darstellung  reiner  Schnittchen.  Um 
letztere  zu  gewinnen,  incidirt  Vortragender  u.  A.  die  Subum- 
brella  an  entsprechender  Stelle  mit  einem  spitzen  Skalpell,  löst 
ein  etwa  3 Millim.  dickes  Stück  mittelst  eines  scharfrandiger. 
eisernen  Spätelchens  los  und  schneidet  von  der  Innenfläche  des 
Schnittes  wieder  ein  etwa  1 Millim.  dickes  Stück  ab,  welches 
dann  zur  weiteren  Behandlung  auf  den  Objectträger  gebracht 
wird.  Man  darf  hierbei  durchaus  keine  Epithelzellen,  Nessel- 
kapseln und  dergl.  im  Bereiche  des  Objectes  dulden.  Wie  stö- 
rend und  verwirrend  derartiges  Beiwerk  übrigens  zu  wirken  ver- 
mag, erkannte  Vortragender,  indem  er  gescheute  Forscher  u.  A. 
Muskelfibrillenbündel  von  Schirmquallen,  über  welche  zufällig 
ausgestreckte  Nesselfäden  quer  oder  schräg  hinweglagerten  oder 
an  deren  Innenseite  die  gewöhnlich  hier  stark  verästelten  Binde- 
gewebskörperchen  des  benachbarten  Umbrellagewebes  mit  ihren 
oft  senkrecht  zur  Längsaxe  des  Muskelbündels  sich  hin  ziehen  den 
Ausläufern  hervorschimmerten , für  Ausdruck  der  Querstreifung 
höherer  willkürlicher  Muskeln  halten  sah.  War  nun  die  Con- 
traktion,  damit  aber  gleichzeitig  auch  die  Schlängelung  und 
Runzelung  der  Primitivfibrillen,  wie  sie  aus  lebenden  Thieren 
gerade  herausgeschnitten  worden  waren,  recht  energisch,  so 
wuchs  damit  aber  auch  die  Täuschung,  als  habe  man  es  da  mit 
einer  der  Querstreifung  des  Muskelgewebes  höherer  Thiere  ana- 
logen Erscheinung  zu  thun. 

Die  äusseren  Flächen  des  Körpers  dez  Cyanea  capillata  sind 
mit  einem  Epithelbelage  versehen.  Abgeplattet  zeigen  sich  die 
Zellen  des  letzteren  auf  der  Umbrella  nur  an  den  peripherischen 


Sitzung  vom  19.  Januar. 


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Theilen  der  Mundlappen.  Sie  enthalten  hier  viele  feine  dunkel- 
contourirte  Granula.  Dagegen  zeigt  sich  das  Epithel  der  Sub- 
umbrella  und  Mundlappen  an  ihrer  Basis  und  dasjenige  der 
Tentakeln  als  aus  vollsaftigen,  mit  mattgranulirtein  Inhalte  und 
mit  blassen  Kernen  versehenen  länglich-ovalen,  mit  ihren  Längs- 
durchmesser senkrecht  zur  Oberfläche  des  Substrates  stehenden 
Zellen  zusammengesetzt. 

Die  eiförmigen,  durch  starkes  Lichtbrechungsvermögen  ihrer 
Wandungen  ausgezeichneten  Nesselorgane  unserer  Ctjanea  finden 
sich  an  der  Aussenfläche  der  Tentakeln  in  knopfförmig  vor- 
ragenden Gruppen  angeordnet.  Hier  wie  an  der  Subumbrella, 
an  welcher  letzteren  diese  Organe  ihrer  Mehrzahl  nach  ebenfalls 
gruppenweise  angeordnet  erscheinen  — einzelne  liegen  hier  auch 
zerstreut  — , sind  dieselben,  den  stumpferen  Pol  ihrer  Kapsel  nach 
Innen,  den  spitzeren  Pol  frei  nach  Aussen  kehrend,  zwischen  die 
vorhin  charakterisirten  saftigen  Epithelzellen  eingebettet.  Die 
dunkel-,  aber  feingranulirten  Epithelzellen  der  peripherischen 
Theile  der  Mundläppen  scheinen  übrigens  noch  leichter  vergäng- 
lich zu  sein  als  die  zwischen  ihnen  befindlichen  Nesselorgane. 
Vortragender  fand  die  letzteren  an  den  fransenförmigen  Rand- 
einkerbungen der  Mundlappen  noch  in  voller  Integrität,  das 
Epithel  dazwischen  aber  stellenweise  schon  abgerieben,  abgenutzt, 
nur  noch  in  fetzenartigen  Gruppen  und  in  winzigen  Detritus- 
ballen angedeutet.  Das  Gallertgewebe  der  Mundläppen  zeigt 
gerade  an  den  fransenförmigen,  marginalen  Einkerbungen  der- 
selben eine  zwar  durch  Demarkationsränder  begrenzte,  übrigens 
aber  gleichmässige,  schön  bräunlichrothe  Färbung. 

Hinsichtlich  der  Struktur  der  Nesselorgane  scbliesst  sich 
Vortragender  der  von  K.  Moebius  verbreiteten  Beschreibung  an. 

Im  Innern  der  Tentakeln  der  Cyanea  capillata  findet  sich 
eine,  die  Gesammtlänge  jedes  dieser  Organe  durchlaufende,  gelb- 
bräunlich aussehende,  einen  Centralstrang  bildende  Schicht.  Sie 
ist  aus  polyedrischen  Zellen  zusammengesetzt,  in  deren  Innötn 
sich  neben  den  blassen  Zellkernen  unregelmässige  gelbbräunliche 
Körnchen  in  verschiedener  Zahl  vorfinden.  Molekularbewegung 
konnte  an  diesen  gefärbten  Körnchen  nicht  wahrgenommen 
werden.  Was  dieser  Centralstrang  bedeutet,  blieb  Vortragendem 
völlig  unklar.  An  eine  Bildungsstätte  für  die  peripherischen 


8 Gesellschaft  naturfor sehender  Freunde. 

Theile  der  Tentakel  konnte  dabei  nicht  wohl  gedacht  werden. 
Im  Innern  des  zelligen  Centralstranges  scheint  sich  noch  ein 
Hohlraum  zu  befinden.  Die  Wassergefässe  des  Thieres 
bilden  viele  von  den  Magenbuchten  gegen  den  Rand  der  Um- 
brellalappen  auslaufende,  sich  hier  vielfach  verästelnde  Verzwei- 
gungen. Ob  diese  scheinbar  blind  endigenden  Aeste  alle  mit 
terminalen  Stomata  versehen  waren,  vermochte  Vortragender 
nicht  zu  entscheiden.  Am  mittelsten  Hauptaste  jedes  Rand- 
lappens der  Umbrella  schien  allerdings  ein  Stoma  vorhanden  zu 
sein.  Die  ziemlich  resistenten,  in  Essigsäure  langsam  aufquellen- 
den Wandungen  der  Wassergefässe  zeigten  sich  als  eine  lockere, 
vielfach  gefaltete,  auch  blasenförmige  Auftreibungen  zeigende,  mit 
spindelförmigen  Kernen  versehene  Bindesubstanz. 

Ueber  andere  Verhältnisse  der  Gewebe  von  C.  capillata  wird 
Vortragender  später  berichten. 

Derselbe  legte  farbige,  in  Lebensgrösse  verfertigte  Habitus- 
bilder der  Cyanea  capillata  und  des  Rhizostoma  Cmieri,  sowie 
mikroskopische  Zeichnungen  der  Strukturverhältnisse  der  ersteren 
Meduse  vor.  Auf  vielseitiges  Befragen  erklärt  Schreiber  dieses, 
dass  er  die  gezeichneten  Quallen  in  geeigneten  Glashafen  so  vor 
sich  aufzustellen  sucht,  dass  die  Sonne  hindurch  fällt,  wodurch 
diese  und  jene,  unter  anderen  Beleuchtungsverhältnissen  weniger 
erkennbare  Beschaffenheit  im  Innern  der  Qualle  deutlicher  her- 
vortritt. Der  Farbenschiller  der  prächtigen  Geschöpfe  ist  unter 
der  Wirkung  einer  solchen  Erleuchtung  wahrhaft  unbeschreiblich. 
Unter  gewissen  Beleuchtungsverhältnissen  der  Morgen-  oder  Kach- 
mittagssonne,  unter  Zuhülfenahme  einer  gläsernen,  hinter  dem 
Präparaten  glas  fest  aufgestellten  flachen,  mit  abgerundeten  Rän- 
dern versehenen,  mit  Wasser  gefüllten  Feldflasche  zeichnete  sich 
manchmal  ein  Abbild  der  Qualle  auf  ein  nicht  weit  vom  Prä- 
paratenglase selbst  flach  auf  den  Tisch  gelegtes  Papier,  welches 
in  seinen  Contouren  sogleich  mit  dem  Bleistift  fixirt  werden 
konnte.  Vortragender  erhielt  durch  einfache  Beobachtung  bei 
durchfallendem  Sonnenlicht  eine  genaue  Anschauung  des  Wasser- 
gefässsystems  der  Umbrella  von  Rhizostoma  Cuvieri.  Es  wird 
behufs  Zeichnens  solcher  Gegenstände  die  Grundfarbe  mittelst 
der  Estampe  von  den  feinsten  französischen  Pastellen  auf  etwas 
grainirtes  (Carton-,  Bristol-)  Papier  aufgetragen  und  wird  das 


Sitzung  vom  19.  Januar. 


9 


eigentliche  Colorit  später  aus  Aquarell-  und  aus  den  für  solche 
Zwecke  kostbaren,  flüssigen  Anilinfarben  mittelst  des  Pinsels 
nachgetragen. 

Hr.  Braun  legte  eine  dem  Geh.  Med.  Rath  Göppert  zum 
fünfzigjährigen  Doctorjubiläum  gewidmete  Schrift  von  Prof. 
F.  Cohn  über  die  Entwicklungsgeschichte  von  Volvox  vor,  in 
welcher  nach  einer  reichhaltigen  geschichtlichen  Einleitung  zu- 
nächst die  vegetativen  Bildungs-  uud  Vermehrungsverhältnisse, 
sodann  die  von  dem  Verfasser  schon  1856  entdeckten,  in  dem 
Tageblatt  der  Naturforscherversammlung  zu  Wien  und  an  anderen 
Orten  vorläufig  beschriebenen,  höchst  merkwürdigen  Befruchtungs- 
und Fortpflanzungsverhältnisse  dieser  Gattung  nunmehr  ausführ- 
lich dargestellt  und  durch  eine  trefflich  ausgeführte  Tafel  ver- 
anschaulicht, auch  die  zwei  unter  dem  Namen  Volvox  globator 
verwechselten  Arten  kritisch  gesondert  und  charakterisirt  werden. 
Der  Vortragende  erlaubte  sich  an  die  Besprechung  dieser  schönen 
Festgabe  einige  Bemerkungen  anzuknüpfen,  und  zwar  zunächst: 

Ueber  den  Ausdruck  „Co  eno  bium“,  welchem  Cohn, 
indem  er  denselben  auf  die  aus  zahlreichen  Zellindividuen  ge- 
bildeten Kugeln  des  Volvox  anwendet,  eine  Bedeutung  giebt, 
die  ihm  ursprünglich  nicht  zugedacht  war.  Der  Vortragende 
bemerkt  in  dieser  Beziehung:  In  der  Schrift  „Algarum  unicell. 
gen.  nov.“  habe  ich  zwei  Arten  der  geselligen  Verbindung  der 
Zellindividuen  niederer  Organismen  unterschieden:  1)  consociatio 
e cellula  matre  unica  per  generationes  successivas  evoluta  = 
familia;  2)  consociatio  e cellulis  originitus  distinctis  composita 
= coenobium.  Der  zweiten  Art  gehört  die  Zellverbindung  von 
Hydrodictyon  und  Pediastrum  an,  die  der  Volvocinen  dagegen, 
so  wie  die  der  Palmellaceen  und  Chroococcaceen  der  ersten. 
Man  mag  vielleicht  die  Bezeichnung  „Familie“,  welche  übrigens 
in  gleicher  Bedeutung  schon  früher  (z.  B.  in  Nägeli’s  Gattungen 
einzelliger  Algen)  gebräuchlich  war,  nicht  ganz  passend  finden, 
da  nicht  jede  Zellfamilie  eine  in  der  hier  gemeinten  Weise  ver- 
bundene ist,  auch  das  Wort  Familie  in  andern  Gebieten,  z.  B.  in 
der  Systematik  bereits  eine  andere  Verwendung  hat;  ich  habe 
daher  nichts  gegen  eine  Aenderung  dieses  Ausdrucks  einzuwen- 
den, halte  es  aber  für  ein  Bedürfniss,  dass  die  bezeichneten  beiden 


10  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Arten  der  Zellgesellschaften  scharf  geschieden  und  durch  eigene 
Benennungen  sofort  kenntlich  gemacht  werden  In  den  höheren 
Gebieten  des  Pflanzenreichs  (und  Thierreichs),  m welchen  der 
Spross  individuelle  Geltnng  erlangt,  spricht  man  in  analoger 
Weise  von  Familienstöcken  und  auch  für  diese  fehlt  uns  in  er 
lateinischen  Terminologie  ein  passender  Ausdruck,  da  »Cormus 
(von  Haeckel  dafür  angewendet)  zur  Bezeichnung  des  vegeta- 
tiven Pflanzenstocks  im  Gegensatz  zur  Bluthen-  und  Fruc  - 
bildung  unentbehrlich  ist.  Phytoma  (bei  den  Algen  Phycoma) 
ist  zu  weit  und  umfasst  den  ganzen  Pflanzenkorper,  gleichgu  tig 
ob  es  ein  Familienstock  ist  oder  nicht.  Ein  Analogon  es 
Coenobiums  giebt  es  bei  den  höheren  Pflanzen  nicht,  wenn  man 
nicht  etwa  die  durch  Wurzelverwachsung  hergestellte  Verbindung 
der  Bäume  eines  Waldes,  wie  wir  sie  durch  Göppert  s Ar- 
beiten namentlich  bei  der  Weisstanne  kennen,  als  solche  be- 

"““"zweite  Bemerkung  betrifft  die  Zelltheilungsver- 
hältnisse  der  Volvocine«.  Die  Gattung  weicht  von  den 
Verwandten  darin  ab.  daes  in  den  nicht  fructiflctrenden  Famrlten 
nicht  alle,  sondern  nnr  eine  kleine  Zahl  von  Zellen  die  Fa  ig 
keit  haben,  durch  Zelltheilung  neue  Familien  zu  erzeugen^  lese 
Zellen  welche  Cohn  Parthenogonidien  nennt,  ubertreffen  die 
übrigen  an  Grösse  und  theilen  sich  nach  seiner  Angabe  successiv 
in  der  Richtung  von  drei  sich  unter  90°  schneidenden  grössten 
Kreisen,  so  dass  in  der  dritten  Theilung  acht  Kugeloktanten 
gebildet  werden.  Die  weiteren  Theilungen  finden  nur  nach  zwei 
einander  senkrecht  schneidenden  Richtungen  statt,  wodurch 
schliesslich  eine  von  einer  einfachen  Zellenlage  begrenzte  Hohl- 
kugel  entsteht.  Die  Beobachtung  dieser  Vorgänge  scheint  wegen 
der  nach  dem  Innern  des  Mutterstocks  gewendeten,  versteckten 
Lage  der  Parthenogonidien  nicht  leicht  und  ein  Irrthum  in  er 
Auffassung  derselben  selbst  bei  einem  scharfen  Beobachter  nicht 
undenkbar  zu  sein.  Wenn  ich  in  der  That,  ohne  die  betreffenden 
Vorgänge  bei  Volvox  selbst  untersucht  zu  haben,  einen  solchen 
vermuthe,  so  geschieht  dies  auf  Grund  der  Analogie  mit  Eudo- 
rina  elegant,  deren  Entwicklungsgeschichte  ich  in  Freiburg  im 
Jahre  1848  untersucht  habe.  Bei  dieser  niedlichen  Alge,  eren 
bewegliche  (links  drehend  fortschreitende),  aus  16  oder  32  Zellen 


Sitzung  vom  19.  Januar. 


11 


bestehende  Familien  gleichfalls  ringsum  geschlossene  hohle,  aber 
etwas  verlängerte  Körper  darstellen,  entstehen  die  neuen  Familien 
ganz  unzweifelhaft  durch  Zelltheilung  in  nur  zwei  Richtungen,  wes- 
halb sie  anfangs  flache  Täfelchen  bilden,  die  jedoch  schon  sehr 
frühe,  ehe  die  Zellen  durch  Gallertentwicklung  auseinanderrücken, 
sich  wölben  und  zur  Kugel  zusammenkrümmen.  Nur  die  männ- 
lichen Familien  ( Antheridien ),  deren  Zellen  ( Spermatozoidien ) nicht 
durch  Gallerte  getrennt  werden,  sind  bleibend  scheibenförmig.  Die 
von  Cohn  beschriebenen  Spermatozoidienscheiben  von  Volvox 
stimmen,  abgesehen  von  der  grösseren  Zahl  der  Zellen,  mit 
denen  der  Eudorina  völlig  überein  und  lassen  somit  vermuthen, 
dass  auch  die  vegetativen  Kugeln  wie  bei  Eudorina  in  Form  von 
Scheiben  entstehen.  Die  Pandorina -Kugel,  deren  Entwicklung 
von  Pringsheim  in  der  Abhandlung  über  Paarung  von  Schwärm- 
sporen  leider  übergangen  ist,  scheint  nach  einigen  daselbst  ge- 
gebenen Figuren  gleichfalls  in  Form  einer  Scheibe  zu  entstehen. 
Die  Gattungen  Gonium  und  Stephanosphaera  behalten  die  ur- 
sprüngliche Scheibenform  auch  im  erwachsenen  Zustande. 

Ich  konnte  bei  Eudorina  die  Zelltheilungsvorgänge  bis  zur 
fünften  Generation,  welche  durch  die  Viertheilung  gebildet  wird, 
also  bis  zur  sechszehnzeiligen  Familie  mit  Sicherheit  erkennen. 
Obgleich  alle  Theilungen  in  zwei  sich  rechtwinklig  schneidende 
Richtungen  fallen,  so  ist  der  Vorgang  dennoch  von  dem  bei 
Merismopoedia  und  Tetraspora  bekannten  (Nägel  i,  einz.  Algen 
t.  I u.  II)  abweichend.  Bei  diesen  Gattungen  wechseln  die  zwei 
Theilungsrichtungen  in  der  Aufeinanderfolge  der  Generationen 
regelmässig  ab,  so  dass  die  aufeinanderfolgenden  Richtungen  sich 
allenthalben  kreuzen , die  Zellen  derselben  Generation  alle  in 
paralleler  Richtung  getheilt  werden;  bei  Eudorina  dagegen  ist 
dies  von  der  dritten  Theilung  an  nicht  mehr  der  Fall.  Stellen 
wir  uns  das  durch  die  erste  Theilung  gebildete  Zellpaar  (die 
Zellen  der  zweiten  Generation)  nach  rechts  und  links,  so  tritt 
die  zweite  Theilung,  mit  der  ersten  sich  kreuzend,  beiderseits 
in  horizontaler  Richtung  ein,  wir  erhalten  als  dritte  Generation 
vier  ins  Quadrat  gestellte  Zellen.  Von  diesen  theilen  sich  nur 
zwei,  die  entgegengesetzten  Ecken  des  Quadrats  einnehmende 
in  senkrechter  Richtung,  also  so,  dass  die  Theilungslinie  III  sich 
mit  der  Theilungslinie  II  kreuzt,  während  die  zwei  anderen,  die 


12  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

abwechselnden  Ecken  des  Quadrats  einnehmenden  Zellen  sich 
horizontal,  also  der  Theilungslinie  II  parallel  theilen.  Hierdurch 
entstehen  vier  innere,  im  Centrum  der  Scheibe  zusammen- 
stossende,  aber  mit  dem  anderen  Ende  die  Peripherie  erreichende 
und  vier  äussere,  das  Centrum  nicht  erreichende,  zwischen  die 
Schenkel  der  ersteren  eingekeilte  Zellen.  Die  vier  inneren  Zellen 
bieten  in  der  schematischen  Zeichnung  das  Bild  eines  vierflüge- 
ligen  Rades,  wesshalb  ich  diese  Theilung  zur  Unterscheidung 
von  der  kreuzförmigen  die  radförmige  nennen  will.  In 
der  Wirklichkeit  erhalten  wir  durch  die  Abrundung  der  neuge- 
bildeten Zellen  eine  Scheibe  aus  vier  inneren  und  vier  mit  die- 
sen abwechselnden  äusseren  Zellen.  Die  vierte  Theilung  kreuzt 
sich  durchgängig  mit  der  dritten , hat  somit  in  den  aus  der 
dritten  Theilung  hervorgegangenen  Zellpaaren  abwechselnd  hori- 
zontale und  vertikale  Richtung.  Die  Zellen  desselben  Paares 
besitzen  eine  gemeinsame  mit  III  sich  kreuzende  Theilungslinie 
IV.  Hiemit  sind  16  Zellen  gebildet,  4 centrale  und  12  periphe- 
rische, welche  letztere  bei  dem  durch  den  Druck  der  sich  ent- 
wickelnden Gallerthüllen  bedingten  Auseinanderweichen  sich  in 
verschiedener  Weise  ordnen  können,  entweder  in  drei  mit  dem 
inneren  Kreise  und  unter  sich  abwechselnde  vierzählige  Kreise 
oder  in  einen  vierzähligen  und  einen  achtzähligen  Kreis,  von 
denen  ersterer  mit  dem  inneren  vierzähligen  Kreise  abwechselt, 
während  die  Theile  des  letzteren  paarweise  mit  denen  des 
äusseren  vierzähligen  Kreises  abwechseln.  Der  erstere  Fall 
findet  sich  bei  Eudorina , den  letzteren  glaube  ich  für  Gonium 
annehmen  zu  dürfen. 

Ich  weiche  hiermit  allerdings  ab  von  der  Construction  des 
Gomwm-Täfelchens,  welche  Cohn  in  seiner  berühmten  Abhand- 
lung über  diese  Gattung  (Act.  nat.  cur.  XXIV.  1.  1854),  von  der 
Beobachtung  achtzolliger  Täfelchen  ausgehend,  gegeben  hat.  Wie- 
wohl ich  nicht  selten  vierzeilige  (vielleicht  einer  besonderen  Art 
angehörige)  Gonium- Täfelchen  gesehen  habe,  ist  es  mir  doch 
nicht  geglückt,  achtzellige  zu  beobachten;  die  von  Cohn  dar- 
gestellten weichen  so  gänzlich  von  dem  achtzelligen  Entwicke- 
lungszustande der  Eudorina  ab,  dass  ich  dieselben  für  Produkte 
eines  abnormen  Entwickelungsganges  oder  für  Bruchstücke  sechs- 
zehnzelliger  Täfelchen  halten  und  keine  weiteren  Schlüsse  auf 


Sitzung  vom  19.  Januar. 


13 


dieselben  bauen  möchte.  Der  sechszehnzellige  Jugendzustand 
von  Eudorina  hat  in  der  Anordnung  der  Zellen  eine  so  auf- 
fallende Aehnlichkeit  mit  dem  Goniwm-Täfelchen , dass  mir  eine 
verschiedenartige  Entstehung  beider  höchst  unwahrscheinlich  zu 
sein  scheint.  Auch  Stephanosphaera  lässt  sich,  obgleich  die  Zellen 
der  normal  achtzelligen  Familien  einen  einfachen  Kreis  bilden, 
und  der  Uebergang  vom  vierzelligen  zum  achtzeiligen  Zustande 
durch  anscheinend  genau  radial  gestellte  (die  Rotationsachse 
schneidende)  Theilung9ebene  vermittelt  zu  sein  scheint  (Cohn 
in  Sieb.  u.  Köll.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  1852  und  Verhandl. 
der  Leop.  Carol.  Akad.  XXVI.  1),  mit  dem  Bildungsgesetze  der 
Eudorina  in  Einklang  bringen,  wenn  man  annimmt,  dass  die 
Theilungslinien  III,  wie  bei  Eudorina  zwei  und  zwei  parallel, 
an  die  Wände  der  Theilungslinien  I und  II  nicht  recbtwinkelig, 
sondern  spitzwinkelig  sich  ansetzen  und  zugleich  mit  ihrem  In- 
sertionspunkte dem  Centrum  so  nahe  rücken,  dass  sie  eine  an- 
scheinend radiale  Richtung  erhalten.  Eine  solche  Annahme 
erscheint  durch  den  Umstand  gerechtfertigt,  dass  die  Anordnung 
der  Zellen  innerhalb  der  Microgonidien-Scheibchen,  welche  nach 
Cohn ’s  Darstellung  ähnlich  wie  bei  Eudorina  eine  concentrische 
ist,  sich  durch  fortgesetzte  radiale  Theilung  nicht  erklären  lässt. 
Nach  dem  Angeführten  glaube  ich  annehmen  zu  dürfen,  dass 
den  Zellfamilien  aller  Volvocinen , mögen  dieselben  flach  oder 
kugelig  erscheinen,  ein  gemeinsames  Bildungsgesetz  zu  Grunde 
liegt.  Die  Gattungen  Chlamidococcus  und  Chlamidomonas , welche 
mit  den  Volvocinen  zusammengestellt  worden  sind,  weichen  da- 
gegen wesentlich  ab,  indem  sie  eine  nach  drei  sich  rechtwinkelig 
schneidenden  Richtungen  vorschreitende  Zelltheilung  besitzen  und 
sich  dadurch  den  Palmellaceen-  Gatungen  Gloeocystis  und  Proto- 
coccus  *)  nahe  anreihen. 


')  Als  Typus  der  Gattung  Protococcus  betrachte  ich  die  häufig  an  Steinen 
und  Bäumen  wachsende,  zoosporenbildende  Alge,  welche  der  Mehrzahl  der 
mit  grünen  „G.onidien“  versehenen  Flechten  als  Nährpflanze  dient.  Den  von 
Nägeli  abgebildeten  Cystococcus  humicola  halte  ich  für  eine  davon  verschie- 
dene Alge,  ebenso  den  Pleurococcus  vulgaris,  der  noch  niemals  Zoosporen 
gezeigt  hat  und  durch  homogenen  Inhalt  ohne  sichtbaren  Kern  leicht  unter- 
scheidbar ist.  Die  zoosporenbildende  Alge,  welche  Cienkowski  (Botan. 
Zeitung  1865)  unter  dem  Namen  Pleurococcus  superbus  beschrieben  hat,  ist 
identisch  mit  Gloeocystis  ampla  Näg.  ined.  ( Gloeocapsa  ampla  Kütz.) 


U Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Zum  Schlüsse  mögen  noch  einige  Bemerkungen  über  die 
neueren  Eintheilungsversuche  der  Thallophyten  gestattet 
sein.  Cohn  selbst  berührt  dieselben,  veranlasst  durch  die  auf- 
fallende Erscheinung,  dass  in  der  kleinen  Gruppe  der  Volvocinen 
deren  natürlicher  Zusammenhang  schwerlich  in  Abrede  gestellt 
werden  kann,  zwei  sehr  verschiedene  Fortpflanzungsweisen  Vor- 
kommen, die  eine  bei  Pandorina  durch  Paarung  von  Schwarm- 
sporen, die  andere  bei  Volvo-. v und  Eudorina  durch  ruhende 
Oosporen,  welche  durch  Spermatozoidieu  befruchtet  werden.  Die 
Verschiedenheit  beider  Fälle  erscheint  um  so  grösser,  als  Cohn 
an  der  Oosphaere  von  Volvo-. v nicht  einmal  den  farblosen  Keim- 
fleck finden  konnte,  welcher  bei  den  ruhenden  Eizellen  anderer 
Algen  ( Vaucheria , Oedogonium ),  wie  Pringsheim  gezeigt  hat, 
der  wimpertragenden  Spitze  der  Zoosporen  entspricht.  Die  Ei- 
kugel  von  Volvox  erscheint  vielmehr  gleicbmässig  mit  grünem 
Inhalt  erfüllt,  sie  wird  (wie  die  von  Fucus ) ringsum  von  den 
Spermatozoiden  umschwärmt,  welche  von  allen  Seiten  in  die 

Gallerthülle  derselben  eindringen. 

Da  nun  Volvox  die  am  höchsten  organisirte  Gattung  der 
Volvocinen  darstellt  und  man  die  systematische  Stellung  einer 
Familie  nach  ihren  vollkommensten  Repräsentanten  zu  beurthei  en 
pflegt,  hält  es  Cohn  nicht  für  naturgemäss,  dass  Sachs  in  der 
neuesten  Auflage  seines  Lehrbuchs  die  Volvocinen  statt  zu  den 
Oosporeen  zu  den  Zygosporeen  stellt;  in  Anbetracht  aber,  dass 
die  Befruchtung  einer  Eizelle  durch  ein  Spermatozoid  eigentlich 
auch  ein  Paarungsprozess  sei,  entschliesst  er  sich,  die  von  ihm 
selbst  früher  statuirte  Trennung  von  Zoosporeen  und  Oosporeen 
überhaupt  aufzugeben  und  beide  unter  dem  Namen  der  Gamo- 
sporeen  zu  vereinigen.  Indem  er  ferner  die  Ueberzeugung  aus- 
spricht, dass  die  Palmellaceen , die  er  in  seinem  im  Berichte  der 
Schlesisch.  Gesellsch.  von  1871  gegebenen  Systeme  der  Crypto- 
gamen  unter  die  Zoosporeen  gestellt  hatte,  nicht  aus  der  Nähe 
der  Volvocinen  entfernt  werden  dürften,  geht  er,  ohne  es  aus- 
drücklich zu  sagen,  in  der  Zusammenziehung  der  früher  aufge- 
stellten Abtheilungen  noch  weiter:  denn  die  Heranziehung  der 
Palmellaceen  macht  die  aller  übrigen  Zoosporeen  unvermeidlich, 
mögen  dieselben  eine  Paarung  der  Zoosporen  besitzen  oder  nicht. 
Nach  meiner  Ueberzeugung  darf  man  auch  hierbei  nicht  stehen 


Sitzung  vom  19.  Januar , 


15 


bleiben.  Es  giebt  Palmellaceen  (wie  z.  B.  Pleurococcus,  Sticho- 
coccus,  Dactyfococcus , Rhaphidium ),  bei  welchen  höchst  wahr- 
scheinlich niemals  Zoosporenbildung  stattfindet,  und  welche  sich 
von  den  zu  den  Schizosporeen  gerechneten  Chroococcaceen  ausser 
der  Farbe  nicht  wesentlich  unterscheiden;  man  wird  daher  auch 
die  Schizosporeen  von  den  Zoosporeen  und  Gamosporeen  nicht 
trennen  können,  wenn  man  nicht  alle  ungeschlechtlich  und  nicht 
durch  Zoosporen  sich  fortpflanzenden  Algen,  zu  denen  von  chlo- 
rophyllgrünen ausser  den  genannten  Palmellaceen  wahrscheinlich 
auch  Prasiola  gehört,  so  wie  einige  zu  den  Florideen  gerechnete 
rothe  Algen  ( Porphyra  und  Bangia ) unter  die  Schizosporeen  auf- 
nehmen will,  eine  Zusammenstellung,  die  schwerlich  Billigung 
finden  dürfte.  Vorkommen  oder  Nichtvorkommen  von  Zoosporen 
ist  ein  Charakter,  auf  den  man  kein  zu  grosses  Gewicht  legen 
darf,  da  in  einer  und  derselben  Gattung  Beides  der  Fall  sein 
kann,  wie  dies  von  Vaucheria  bekannt  ist.  Ich  könnte  noch 
weiter  fortfahren  und  zeigen,  dass  auch  die  von  Sachs  aufge- 
stellte Ordnung  der  Carposporeen  (bei  Cohn  zum  Theil  die 
Ordnung  der  Telrasporeen  bildend,  zum  Theil  unter  die  Oospo- 
reen  eingeschaltet),  soweit  sie  sich  auf  Algen  bezieht,  gleichfalls 
nicht  scharf  von  den  im  Vorausgehenden  besprochenen  Abthei- 
lungen getrennt  werden  kann,  da  die  Anfänge  einer  in  Folge 
der  Befruchtung  sich  ausbildenden  zweiten,  eine  Frucht  darstellen- 
den Generation  sich  bereits  bei  mehreren  unzweifelhaften  Zygo- 
und  Oosporeen  finden,  in  der  Weise  nämlich,  dass  die  Zygospore 
oder  Oospore  nicht  direct  zur  Keimpflanze  auswächst,  sondern 
eine  kleinere  oder  grössere  Anzahl  ruhender  oder  bewegter  Keim- 
zellen in  sich  erzeugt  und  sich  dadurch  als  ein  Sporangium  er- 
weist ( Cosmarium , Volvox,  Hydrodictyon , Sphaeroplea , Oedogo- 
gonium,  Bulbochaete,  Cystopus,  Peronospora ).  Ja,  die  Coleochaeteen 
haben  bereits  eine  so  vollkommene  Fruchtbildung,  dass  man  bei 
einseitiger  Berücksichtigung  dieses  Merkmals  sogar  geneigt  sein 
könnte,  sie  den  Moosen  beizugesellen,  mit  denen  sie  hierin  näher 
übereinstimmen,  als  mit  den  übrigen  zu  den  Carpophoreen  ge- 
rechneten Algen  ( Florideen ) und  Pilzen,  und  doch  ist  es  unzwei- 
felhaft, dass  die  Coleochaeteen  ihre  wahren  und  nächsten  Ver- 
wandten unter  den  zoosporenbildenden  grünen  Algen  (mit  oder 


16  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

ohne  Befruchtungsprozess)  finden  l),  weshalb  sie  auch  m richtiger 
Erkenntniss  dieser  natürlichen  Verwandtschaft  von  Cohn  unter 
den  Oosporeen  belassen  werden. 

Es  liegt  nicht  in  meiner  Absicht  mit  dem  Angeführten  den 
Werth  der  neueren  Versuche  der  Systematik  auf  diesem  Gebiete 
zu  läugnen;  sie  sind  nützlich,  indem  sie  uns  eine  Uebersicht  der 
Vertheilung  der  mannigfaltigen  Fortpflanzungsweisen  im  Gebiete 
der  Thallophyten  geben.  Sie  werden  um  so  lehrreicher  sein,  je 
schärfer  sie  hierbei  scheiden,  je  vollständiger  sie  alle  vorkom- 
menden Modificationen,  deren  Kenntniss  noch  lange  nicht  er- 
schöpft ist,  berücksichtigen.  Aber  je  mehr  sich  diese  Art  er 
Systematik  vervollkommnen  wird,  um  so  mehr  wird  sie  sic  as 
eine  künstliche  heraussteilen,  um  so  mehr  wird  sie  beweisen, 
dass  man  ein  natürliches  System  nicht  ausschliesslich  auf 
Fructificationsverhältnisse  gründen  kann.  Was  insbesondere  le 
neuerlich  von  Sachs  gegebene  Eintheilung  der  Thallophyten i be- 
trifft, so  ist  zwar  anzuerkennen,  dass  dieselbe  in  der  Stufenfo  ge 
der  vier  Klassen  dem  natürlichen  Entwickelungsgange  der  Fort- 
pflanzungsverhältnisse, wie  wir  ihn  kaum  anders  denken  können, 
Rechnung  trägt:  beginnend  mit  der  ungeschlechtlichen  (mono- 
genen)  Fortpflanzung  durch  Zellen,  welche  von  den  vegetativen 
mehr  oder  weniger  verschieden,  ruhend  oder  bewegt  sein  können 
( Protophyta ),  durch  die  Mittelstufe  der  Fortpflanzung  durch  Paa- 
rung gleichartiger,  ruhender  oder  bewegter  Zellen  ( Zygosporeen ) 
fortschreitend  zur  Bildung  differenzier  Fortpflanzungszellen  von 
denen  die  befruchtete  weibliche  entweder  keimend  den  Lebens- 
cyclus  von  neuem  beginnt  ( Oosporeen ),  oder  sich  zu  einem  Fruc  t- 
gebilde  entwickelt  ( Carposporeen),  das  eine  zweite  Generation 
darstellt,  die  in  den  höheren  Abstufungen  des  Gewächsreichs 
immer  grössere  Bedeutung  gewinnt.  Und  dennoch  ist  diese 
Eintheilung  keine  natürliche!  Sie  geht  nicht  von  den  auf  dem 
Wege  der  natürlichen  Methode  gewonnenen  Gruppen  aus  und 
beachtet  deshalb  nicht,  dass  es  verschiedene  natürliche  Entwic  - 
lungsreihen  giebt,  welche  mehrere  oder  selbst  alle  Stufen  e 

1-1  Von  den  der  Coleochaete  im  vegetativen  Aufbau  ähnlichsten  Algen- 
gattungen Bolbocoleon  und  Acrochaete  Pringsh.,  Phycopelüs  Millard.  u 
Aphanochaete  A.  Br.  ist  nur  ungesehlechtliehe  Zoosporenbildung 


Sitzung  vom  19.  Januar. 


17 


theoretischen  Systemes  in  sich  durchlaufen,  und  welche  daher, 
wenn  sie  in  den  Rahmen  des  Systems  eingefügt  werden , einer- 
seits zerrissen,  anderseits  mit  fremdartigen  Elementen  vermischt 
werden  müssen.  Ein  System,  in  dessen  Consequenz  es  z.  B.  liegt, 
die  Confervaceen , Oedogoniaceen  und  Coleochaeteen , desgleichen 
die  Siphoneen  und  Vaucheriaceen , die  Phaeosporeen  und  Fucaceen , 
die  Bangiaceen  und  Florideen  auseinander  zu  reissen  und  anderer- 
seits Volvox , Vaucheria , Oedogonium  mit  Fucus  oder  Pandorina , 
Hydrodictyon,  Ulothrix  mit  den  Myxomyceten,  Coleochaete  mit 
den  Florideen , Ascomyceten  u.  Basidiomyceten  zusammenzustellen, 
kann  keine  Ansprüche  darauf  machen,  ein  natürliches  genannt 
zu  werden. 

Werfen  wir,  um  dies  noch  bestimmter  zu  begründen,  einen 
Blick  auf  die  Klasse  der  Protophyten.  Zu  diesen  müssten  nach 
dem  jetzigen  Stande  unserer  Kenntnisse  gerechnet  werden : 
1)  die  Chroophyceen  ( Cyanophyceen ) mit  Einschluss  der  Schizo- 
myceten;  2)  die  ungeschlechtlichen  Palmellaceen  und  Confervaceen ; 

3)  die  ungeschlechtlichen  Siphoneen  ( Bryopsis , Codium  etc.); 

4)  die  ungeschlechtlichen  Fucoideen  { Phaeosporeen , soweit  sie 
keine  Paarung  der  Schwärmsporen  besitzen);  5)  die  ungeschlecht- 
lichen Florideen  {Bangiaceen  nebst  Porphyr a);  6)  die  ungeschlecht- 
lichen Phycomyceten  { Chytridieen , Empusa)-,  7)  die  Ungeschlecht- 
liehen  Uredineen  (die  selbstständigen  Puccinien,  Melampsora  etc.) ; 
8)  u.  9)  die  ungeschlechtlichen  Ascomyceten  und  Basidiomyceten 
{Saccharomyces,  Exoascus , Exobasidium)  und  noch  viele  andere 
sonst  nicht  unterzubringende  Pilzformen.  Mag  auch  Manches 
von  diesen  durch  künftige  Entdeckungen  entfernt  werden,  so 
wird  doch  die  Thatsache  bleiben,  dass  verschiedene  Entwicke- 
lungsreihen der  Thallophyten  mit  ungeschlechtlichen  Formen  be- 
ginnen, ebenso  wie  andererseits  verschiedene  Reihen  in  einzelnen 
Gliedern  bis  zur  Fruchtbildung  emporsteigen.  In  Beziehung  auf 
die  Klasse  der  Carposporeen  bemerke  ich  noch,  dass  bei  künst- 
licher Eintheilung  nach  Fortpflanzungsverhältnissen  die  Moose 
sich  von  dieser  Klasse  nicht  ausscheiden  lassen,  dass  dagegen 
die  Characeen,  welche  Sachs  wohl  in  dieselbe  stellt,  um  sie 
mit  den  Moosen  in  nähere  Berührung  zu  bringen,  vielmehr  ächte 
Ooosporeen  sind.  Auch  in  einem  natürlichen  Systeme  wird  man 
die  Characeen  nicht  an  die  Florideen , sondern  an  die  grünen 

2 


18 


Gesellschaft  naturfarschender  Freunde. 


Algen  anschliessen  müssen,  unter  denen  ihnen  die  Dasycladeen 
vielleicht  am  nächsten  stehen. 


Herr  Ehrenberg  gab,  anknüpfend  an  die  neuen  reichhal- 
tigen Darstellungen  der  Fotooz-Entwicklung,  einige  Erläuterungen. 
Seit  seinen  Untersuchungen  vor  30  und  40  Jahren  im  Infusorien- 
werke haben  sich  manche  Vorstellungen  in  der  Litteratur  ganz 
verändert.  Die  Lehre  vom  Protoplasma  habe  die  Vorstellungen 
einer  durchgreifenden  typischen  Thierstruktur,  wie  sie  1835  be- 
zeichnet war,  gehemmt.  Le e uw enh oek  welcher  die  Bewegungs- 
organe der  äusseren  Wärzchen  nicht  erkannte,  hatte  ein  Recht 
diese  Kugeln  für  Pflanzen  zu  halten,  da  er  ja  bei  den  Aufguss 

thierchen  bewegende  Beine  bemerkt  hatte.  Die  "euere  Forschung 

hat  durch  Darstellung  von  Zoospermien  (Schwarmsporen)  u 
Spermatozoidien,  sogar  der  Copulation  der  letzteren,  eine  wun- 
derbare Richtung  in  die  geschlechtliche  Entwicklung  gebracht, 
allein  dadurch  ist  das  Verhältniss  der  bis  9080 
Wärzchen  mit  ihren  je  zwei  Schwingen  obUtterirt.  Die  Mutter- 
Wärzchen  der  Oberfläche,  welche  sich  ablosen  und  frei  um^ 
schwärmen  können,  so  dass  die  Kugel  als  leere  zerrissene  Haut 
übrig  bleibt,  können  doch  schwerlich  mit  Schwarmsporen  der 
Pflanzen  verglichen  werden  and  di<*e  Oberflächen 
waren  der  Hauptgegenstand  meiner  Unteisuchung.  i 

M auf  andere* Körperchen , bezog  sieb  das  1838  von  mir  M«- 
getheilte.  So  wie  die  Botanik  zn  Linnes  Zeit  sieh  der 
prmiformis  bemächtigte,  die  als  YorticeUa  versa,#*  seit  Mu Iler 
und  von  mir  als  Opkrydim  versaüle  seit  1838  mehr  noch  862 
(Abhandl.  d.  Akad.)  völlig  zweifellos  in  das  Th.erre.ch  gesteht 
ist  so  hat  die  neuere  Botanik  den  Koto»*  aus  den  Th.eren  wie- 
der zu  den  Pflanzen  gezogen.  Ich  überlasse  gern  den  interessan- 
ten Gegenstand  jüngeren  Kräften,  habe  ab«  doch  Bedenken; 
das  Rätbsel  des  Koto«  jetzt  schon  für  erledigt  zu  balten  , 
zweifelhaft  haben  die  so  reichen  nenen  Darstellungen  in  8 
und  Deutschland  die  Entwicklungsgeschichte  und  vielleicht  auch 
doppelgeschlechtliche  Mitwirkung  zur  Fortpflanzung  erläutert; 
allein,  da  niemals  Jugendzustände  als  leere  häutige  **•  ! 
sehen  worden  sind,  an  denen  sich  die  schwingenden  Wärzchen 
als  Früchte  der  Oberfläche  entwickelten,  so  müssen  wohl  4M 


Sitzung  vom  19.  Januar. 


19 


mütterlichen,  die  junge  Kugel  erzeugenden  Wärzchen,  die  ich 
den  Monaden  vergleichen  zu  dürfen  glaubte,  noch  einer  schär- 
feren Forschung  zu  empfehlen  sein.  Sowohl  die  Volvocinen  als 
die  Closterinen  und  Desmidiuceen  und  auch  viele  Bacillarieen 
sind  von  mir,  als  dem  Thier -Charakter  fremd,  dadurch  scharf 
gesondert  geblieben,  dass  sich  eine  Aufnahme  fester  Stoffe 
in  innere  Hohlräume  nicht  nachweisen  liess.  Da  aber  doch 
Genera  der  Bacillarieen,  die  man  unhistorisch  Diatomeen  zu 
nennen  fortfährt,  Farbestoffe  aufnehmen  und  sowohl  Mund,  als 
Nahrungsbehälter  im  Innern  erkennen  lassen,  so  kann  ich  noch 
nicht  ohne  Bedenken  die  Volvocinen  im  Pflanzenreiche  eingeordnet 
denken.  Fleiss  und  Muth  wird  auch  diese  Räthsel  zu  weiteren 
Fernsichten  auflösen.  Es  fehlt  sowohl  bei  den  Volvocinen  als 
auch  besonders  bei  Gonium  pectorale  u.  s.  w.  der  Theil,  welchen 
man  als  Pflanzenstock  für  die  sogenannten  Schwärmsporen  hal- 
ten könnte,  da  die  Haut  erst  ein  Produkt  der  Theilung  dieser 
sogenannten  Sporen  ist. 

Im  Anschlüsse  an  den  Vortrag  des  Herrn  Prof.  A.  Braun 
theilte  Herr  Magnus  mit,  dass  Herr  Prof.  J.  E.  Areschong 
in  Upsala  jüngst  copulirende  Schwärmsporen  an  einer  Alge  aus 
der  grossen  Klasse  der  Phaeosporeae , dem  Dictyosiphon  hippu- 
ro'ides  (Lyngb.),  beobachtet  hat.  Er  setzte  im  August  drei  Stöcke 
dieser  Pflanze  in  ein  Glas.  Nach  drei  Stunden  zeigten  sich  sehr 
viele  ausgetretene  umherschwärmende  Zoosporen.  Nach  beendig- 
tem Umherschwärmen  lagen  die  meisten  haufenweise  vereinigt 
auf  dem  Boden  des  Gefässes , während  weit  weniger  die  Seiten 
des  Gefässes  mit  einer  dünnen  Lage  bedeckten.  Nach  drei 
Tagen  sah  Herr  Areschong  die  ruhenden  Zoosporen  theils 
rund,  theils  eiförmig  zugespitzt,  zu  je  zwei  mit  den  Schnäbeln 
zusammenhängend.  An  vielen  solcher  Paare  war  bald  ein  Schna- 
bel, bald  beide  Schnäbel  zu  einem  Fortsatze  ausgewachsen,  so 
dass  beide  Schwärmsporen  durch  einen,  noch  mit  einer  Scheide- 
wand versehenen  Copulationsschlauch  verbunden  waren.  Bei 
anderen  Paaren  war  die  Scheidewand  resorbirt  und  der  Inhalt 
aus  der  einen  copulirenden  Schwärmspore  in  die  andere  ange- 
schwollene hinübergetreten,  und  hatte  die  letztere  zuweilen  schon 
einen  gegliederten  Keimschlauch  aus  ihrem  unteren  Ende  ge- 

2* 


20 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


trieben  Ausserdem  beobachtete  Herr  Aresehong  noch  mehr- 
mals wie  drei  Schwärmsporen  mit  Copnlationssehlanchen  unter 
"“ander  snsammenhingen , von  denen  die  eine  ihren  Inhal«  s« 
den  beiden  anderen  hatte  abfliessen  lassen. 

Der  hier  geschilderte  Copulationsprozess  unterscheidet  sic 
von  den  bisher  beschriebenen  Copulationen  der  Schwarmsporen 
durch  den  zwischen  dem  Schwärmen  und  der  Copulation  liege 
den  Ruhezustand  und  das  mit  letzterem  wohl  zusammenhangen 
Auswachsen  der  während  desselben  gebildeten  Membran 
copulirenden  Schnäbel  zu  Copulationsschläuchen. 

Ausser  diesen  copulirenden  Paaren  zur  Ru  e ge  a g 
Schwärmsporen  beobachtete  Herr  Areschong  non . emzelne 
anskeimende  Schwärmsporen.  Er  sagt  aber, 

Keimschlänche  von  denen  der  Copnlahonssporen  sehr  unter 

scheiden  und  vergleicht  sie  den  Keimschläuchen,  die  er  die 
Knhe  gelangte»  Lherosoiden  (männliche  Beleuchtungskörper) 

des  Fucus  serratus  treiben  sah. 

Ebensolche  Haufen  zur  Ruhe  gelangter  Schwärmsporen,  w 
oben  von  Dictyosiphon  beschrieben,  hat  Herr  Arese  on§ 
fast  allen  Phaeosporeae  beobachtet,  und  liegt  ie  U 

nahe,  dass  sich  innerhalb  derselben  eine  ähnliche  Copulation 

^^Vergleichen  wir  diese  Beobachtung  mit  den  b^herigen  An- 
gaben über  die  Fortpflanzung  der  Phaeosporeae . Thure  ) 
durch  seine  genauen  Beobachtungen  festgestellt,  dass  die  meisten 

Phaeosporeae  zweierlei  Zoosporangien,  umloculare  und  plunlocu 

läre,  an  legen  (von  dem  oben  geschilderten  Dictyosiphon  sind  nur 
uniloculäre  Zoosporangien  bekannt).  Er  at  erner  ei 
meisten  Arten,  wo  er  die  beiderlei  Zoosporangien  beobachtet 
hatte,  auch  die  Keimung  der  Zoosporen  derselben  gesehen  un 
zum  Theil  abgebildet.  Aus  seinen  Worten:  „Lors  de  la  ger- 
mination,  le  zoospore,  devenu  immobile  et  sphenque  emet  un 
seul  petit  prolongement  . . .“  scheint  hervorzugeben,  dass  er  dm 
Keimung  kurze  Zeit  nach  beendigtem  Umherschwarmen  beob- 
achtet Janczewski  und  Ro stafinsky 2)  haben  in  express 


i)  Recherches  sur  les  zoospores  des  Algues  et  les  anthdridies  des  crypto- 

-nh—  “eC’s  SU  —es 


Sitzung  vom  19.  Januar. 


21 


auf  etwaige  Copulation  gerichteten  Untersuchungen  beobachtet, 
dass  die  Schwärmsporen  aus  den  beiderseitigen  Zoosporangien 
unmitelbar  nach  dem  Austritt  aus  denselben  ohne  vorherige 
Copulation  keimten.  Dahingegen  giebt  Pringsheim  in  seiner 
Arbeit  „Ueber  den  Gang  der  morphologischen  Differenzirung  in 
der  Sphacelarien-  Reihe“  pag.  162  von  den  Schwärmsporen  von 
Cladostephus  an:  „Die  ersten  Spuren  der  Keimung  zeigen  sich 

bei  beiden  Formen  — wie  dies  auch  bei  anderen  Phaeosporeen 
vielfach  eintritt  — erst  mehrere  Wochen  nach  Beendigung  ihres 
kurzen  beweglichen  Stadiums.“  Pringsheim  hat  daher  bei 
Cladostephus  eine  weit  längere  Ruhezeit,  als  Areschong  bei 
Diclyosiphon  beobachtet. 

Vortragender  traf  auf  der  zweiten  Untersuchungsfahrt  der 
Pommerania  in  der  Bucht  von  Hordingsoe  an  der  norwegischen 
Küste  Sphacelaria  cirrhosa  reichlich  mit  uniloculären  Sporangien, 
aus  denen  er  häufig  die  Zoosporen  austreten  sah.  Die  in  flachen 
Uhrgläsern  cultivirten  Zoosporen  zeigten  nach  vier  Tagen  weder 
Keimung  noch  Copulation.  Später  waren  die  Culturen  durch 
die  lästige  Hygrocrosis  verunreinigt,  so  dass  sie  aufgegeben  wer- 
den mussten. 

Die  Verschiedenheit  dieser  Beobachtungen  könnte  in  den 
verschiedenen  Jahreszeiten  oder  allgemeiner  in  den  verschiedenen 
äusseren  Lebensbedingungen  der  Algen  zur  Zeit  der  Untersuchung 
ihren  Grund  haben.  Es  wäre  nicht  undenkbar,  dass  Zoosporen 
unter  verschiedenen  äusseren  Umständen,  wozu  auch  das  Lebens- 
alter der  Mutterpflanzen  gehören  mag,  bald  unmittelbar  nach 
beendigtem  Umherschwärmen  ohne  vorherige  Copulation  aus- 
keimen, bald  erst  in  einen  kürzeren  oder  längeren  Ruhezustand 
übergehen. 

Zum  Schluss  zeigte  Herr  H.  Roemer  die  Schale  eines  den 
Nil  bewohnenden  Zweischalers  vor  und  gab  dazu  die  nachstehende 
Erklärung.  Die  in  der  Sammlung  des  hiesigen  Universitäts- 
Museums  befindlichen  Exemplare  dieses  Conchyls,  welche  vom 
Weissen  Nil  herrühren  und  bisher  als  Iridina  rubens  Dsk.  be- 
zeichnet gewesen,  hat  Prof.  v.  Martens  von  der  genannten,  im 


in  Memoires  de  la  Societe  nationale  des  Sciences  naturelles  de  Cherbourg 
Tome  XVIII.  1874. 


22 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


Senegal  lebenden  Art  verschieden  erkannt  und  derselben  des- 
halb den  Namen  Spatha  Caillaudi  gegeben.  Das  hier  vorgelegte 
Exemplar  ist  aber  des  Fundorts  wegen  von  Interesse,  indem 
dasselbe  vom  Vortragenden  auf  dem  linken  Ufer  des  Nils,  etwa 
eine  halbe  Meile  südlich  von  den  Pyramiden  von  Gizeh  auf  einer 
das  jetzige  Ueberschwemmungsgebiet  des  Nils  um  100  Fuss  über- 
ragenden Terrasse  des  lybischen  Höhenzuges  gefunden  ist.  Das- 
selbe muss  also  an  dieser  Stelle  und  zwar  zu  einer  Zeit,  als 
der  Nil  sein  jetziges  Bett  noch  nicht  eingenommen,  beim  Zurück- 
treten des  Nils  zurückgelassen  sein,  so  dass  diese  Schale  als  ein 
vollwichtiger  Zeuge  der  freilich  auch  sonst  nicht  anzuzweifelnden 
Entstehung  des  Nilthals  durch  die  von  den  Gewässern  des  Nils 
selbst  vollzogene  Auswaschung  zu  betrachten  ist,  eine  Auswa- 
schung von  einer  Weite  und  so  tief  einschneidend,  dass  sie  die 
den  Strom  auf  beiden  Seiten  begleitenden  alten  Ufer  jetzt  als 
Gebirgszüge  erscheinen  lasst.  Zu  der  Zeit,  als  die  nordafrika- 
nische Wüste  dem  Meere  noch  nicht  entstiegen,  wird  der  Nil 
schon  bei  der  ersten  Katarakte  das  Meer  erreicht  haben  und  ist 
dann  bei  der  allmählichen  Erhebung  der  aus  den  jüngeren  Glie- 
dern der  Kreide  und  den  eocenen  und  miocenen  Ablagerungen 
der  Tertiärperiode  bestehenden  nördlichen  Landgebiete  genöthigt 
worden,  in  dieselben  immer  tiefer  und  tiefer  einzuschneiden, 
um  so  den  Abfluss  zum  Meere  freizuhalten.  Die  von  den  Be- 
duinen den  die  Pyramiden  besuchenden  Fremden  neben  unächten 
Alterthümern  zum  Kauf  angebotenen  Exemplare  des  durch  seine 
Grösse  und  Schönheit  ausgezeichneten  Clypeaster  aegyptiacus  Coqu. 
bestimmten  den  Vortragenden,  die  von  den  Beduinen  sorgfältig 
verheimlichte  Fundstelle  dieses  Fossils  aufzusuchen,  um  daselbst 
auch  andere  mit  dieser  Clypeaster- Axt  vorkommende  Versteine- 
rungen zu  sammeln,  und  wurde  von  demselben  unter  den  auf 
der  Oberfläche  des  Höhenzuges  zahlreich  umherliegenden  mio- 
cenen Fossilien  auch  die  mit  Sand  ausgefüllte  Schale  dieser 
Spatha  Caillaudi  angetroffen. 

Herr  Geh.  Rath  Dr.  Ehrenberg  bemerkte  hierzu,  dass  diese 
Muschel  im  Weissen  Nil  hin  und  wieder  selbst  der  Schifffahrt 
gefährliche  Bänke  bilde,  und  dass  die  im  Museum  befindlichen, 
vom  Weissen  Nil  herrührenden  Exemplare  von  ihm  mitgebracht 
seien.  Herr  v.  Martens  fügte  dann  die  weitere  Bemerkung 


Sitzung  vom  19.  Januar 


23 


hinzu,  dass  in  neuester  Zeit  Exemplare  dieser  Art  auch  in  der 
Nähe  von  Kairo  im  Nil  angetroffen  seien. 


Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  entgegengenommen: 

Bulletin  de  la  soc.  imp.  des  natur allstes  de  Moscou.  1874  No  2 

Nouveaux  memoires  de  la  soc.  imp.  des  naturalistes  de  ’ Moscou 
Tome  XIII,  livr.  4.  1874. 

Erotokolle  der  Verhandlungen  der  vierten  allgemeinen  Conferenz 
tur  die  Europäische  Gradmessung.  Dresden  1874. 

Protokolle  der  Verhandlungen  der  permanenten  Commission  für 
die  Europäische  Gradmessung.  Dresden. 

Leopoldina,  Amtliches  Organ  der  Leopold. -Carolin.  Akademie 
der  Naturforscher.  Heft  7—9.  Dresden. 

J.  Plateau , Sur  une  reception  arithmetique.  Bruxelles  1874. 

Philosophical  Institute  of  Canterbury , New  Zealand.  Researches 
and  excavations  near  the  Moa  bone  point  cave,  summer  road 
1872,  by  J.  Haast.  1874. 

Entomologische  Nachrichten.  No.  1 u.  2.  Putbus  1875. 

Hydrographische  Mittheilungen  der  Kaiserl.  Admiralität.  Jahr- 
gang II,  No.  26. 

Anleitung  zu  wissenschaftlichen  Beobachtungen  auf  Reisen  mit 
besonderer  Rücksicht  auf  die  Bedürfnisse  der  Kaiserl.  Marine, 
herausgegeben  von  G.  Neumayer.  Berlin  1875.  gr.  8. 


A W S c h ad  e 's  Buchdruckerei  (L.  Sehad 


e-;  i»  Berliu,  StaJlsehreiberstr. 47. 


Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 

vom  16.  Februar  1875. 


Director:  Herr  Gurlt. 


Herr  Peters  zeigte  ein  Exemplar  der  ebenso  schönen  wie 
seltenen  Rhopalodina  lageniformis  Gray  vor,  welches  an  Bord 
der  „Gazelle“  bei  der  Congo- Mündung  aus  dem  Meeresgründe 
aufgefischt  worden  ist,  und  besprach  die  bereits  durch  Gray 
und  Semper  richtig  aufgefasste  systematische  Stellung  dieser 
Echinodermen  - Gattung. 

Herr  v.  Martens  legte  der  Gesellschaft  einige  Meer-Con- 
chylien  vor,  welche  durch  die  Offiziere  von  S.  M.  Corvette 
Gazelle  bei  den  Capverdischen  Inseln  gesammelt  worden  sind, 
und  welche  durch  ihre  Uebereinstimmung  mit  Tertiär -Fossilen 
aus  dem  Wiener  Becken  und  der  Subappenninen -Formation 
Italiens  von  besonderem  Interesse  ist.  Unter  den  dem  hiesigen 
zoologischen  Museum  zugekommenen  Sammlungen,  welche  wäh- 
rend der  Fahrt  des  genannten  Kriegsschiffes  durch  den  atlanti- 
schen Ocean  im  Juli  vorigen  Jahres  gemacht  wurden,  befindet 
sich  nämlich  auch  ein  Glas  mit  folgender  Fundortsangabe:  No.  l9, 
erster  Zug  — 25/7.  - 23°  11'  w.  L.,  16°  40'  n.  Br.  — Tiefe 
47  Faden  und  dieses  enthielt  einige  Exemplare  von  den  fol- 
genden vier  Conchylien- Arten. 


3 


26 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


1 Ranelia  marginata  Gmelin  = laevigata  Lam.,  ziemlich 
lebhaft  braungelb  gefärbt,  32  mill.  lang  und  23  breit.  Diese 
aus  den  mio-  und  plio-cänen  Tertiärablagerungen  wohlbekannte 
Schnecke  wird  seit  lange  auch  unter  den  lebenden  aufgefuhrt, 
und  man  sieht  öfters  in  Sammlungen  weisse  oder  bräunliche 
Exemplare,  welche  das  frischere  Aussehen  recenter  Conchylien 
haben  Aber  der  Ort  ihres  Vorkommens  [in  der  Jetztwelt  war 
lange  ganz  unbekannt  und  erst  1842  hat  Matheron  in  seinem 
Catalog  der  Fossilien  des  Departements  Bouches- du -Rhone  an- 
gegeben, dass  er  frische  Exemplare  von  der  Küste  Westafrikas 
kenne,-  nähere  Angaben  darüber  sind  mir  in  der  conchyliologi- 
schen  Literatur  nicht  bekannt,  und  so  dürfte  die  Bestätigung 
dieses  Vorkommens  durch  ihr  Wiederauffinden  bei  den  Capverdi- 

schen  Inseln  von  Interesse  sein.  . , 

2 Nassa  prismatica  Brocchi,  isabellgelb  mit  weissen  un 
kastanienbraunen  grossem  Flecken,  namentlich  »nter  der  Naht, 
Mündung  rein  weiss;  die  ganze  Schale  24  mill.  lang  und  r i . 
Diese  Art,  nach  Exemplaren  aus  der  Subappenninen-Formation 
von  Brocchi  aufgestellt,  ist  nahe  verwandt  mit  der  ebenfalls 
tertiär  -fossilen  N.  clathrata  Born,  deren  Sculptur  weit  grober, 
und  mit  der  selten  im  Mittelmeer  noch  lebend  vorkommenden 
N.  limata  Chemnitz,  deren  Gestalt  schlanker  ist  und  deren  Rippen 
weiter  auseinander  stehen;  alle  drei  zeichnen  sich  vor  den  mei- 
sten andern  Arten  der  Gattung  durch  den  Columd  arand  aus, 
welcher  sich  nicht  an  die  Bauchseite  der  letzten  Windung  an- 
schmiegt, sondern  als  dünne  Lamelle  frei  vorsteht.  N.  limata 
wird  von  Herrn  Weinkauff  mit  N.  prismatica  vereinigt  und  in 
der  That  scheinen  sich  unter  den  fossilen  vermittelnde  Formen 
zu  finden;  unter  den  lebenden  waren  aber  bis  dahin  dem  or- 
tragenden keine  bekannt,  welche  durch  ihre  gedrungene  Gestalt 
und  die  zahlreichen  Vertikalrippen  (23  auf  der  letzten,  20  auf 
der  vorletzten  Windung)  so  genau  mit  den  subappenninen  z . 
von  Castel  Arquato  und  Siena  übereinstimmen,  wie  die  vorlie- 
genden von  den  Capverdischen  Inseln.  _ 

3 Xenophora  Mediterranea  Tiberi.  Die  zwei  vorliegenden 
Exemplare,  21  mill.  im  Durchmesser  und  14  hoch,  stimmen  in 
der  Sculptur  mit  der  von  Tiberi  im  Journal  de  conc^°^ 
XI.  1863  beschriebene  Art  dieses  Namens,  welche  als  Seltenhei 


Sitzung  vom  16.  Februar. 


27 


in  der  Korallenregion  des  Mittelmeeres  lebt,  überein,  sie  zeigen 
zugleich  aber  deren  sehr  nahe  Verwandtschaft  mit  der  Art  der 
Subappenninen-Formation,  welche  gewöhnlich  als  X.crispa  König 
bezeichnet  wird.  Diese  ist  durchschnittlich  merklich  grösser,  50  mill. 
im  Durchmesser,  auf  der  Unterseite  nur  schwach  gitterförmig  ge- 
streift, und  ihr  Nabel  völlig  geschlossen,  während  X.  Mediterranen 
einen  ziemlich  engen,  aber  zum  grössten  Theil  nicht  bedeckten 
Nabel  und  eine  auffällige  grobe  Körnelung  der  Unterseite  zeigt. 
Aber  die  hiesige  paläontologische  Sammlung  besitzt  mehrere 
Exemplare  von  Castel  Arquato,  von  denen  bei  ganz  gleicher 
Grösse,  Gestalt  und  Sculptur  der  Oberseite  einige  einen  ganz 
geschlossenen,  andere  einen  offenen  Nabel  zeigen  und  bei  einigen 
derselben  ist  auch  deutlich  noch  auf  der  ersten  Hälfte  der  letzten 
Windung  die  Körnelung  der  Unterseite  zu  erkennen,  welche  erst 
weiterhin  gegen  die  Mündung  zu  sich  verliert.  Darnach  zu  ur- 
theilen , lassen  sich  die  Arten  nicht  mehr  scharf  von  einander 
trennen  und  X.  mediterranen  erscheint  nur  als  kleiner  bleibende, 
einige  jugendliche  Eigenschaften  beibehaltende  Abart  von  X.  crispa. 

4.  Mitra  scrobiculata  Brocchi,  zwei  Exemplare,  eines  noch 
mit  Spuren  eines  hellbraunen  Periostracum , beide  nur  mit  drei 
Columellarfalten,  25  und  29  mill.  lang,  während  die  bei  Brocchi 
abgebildete  72  mill.  misst.  Die  Spiralfurchen  stehen  ziemlich 
dicht  aneinander  und  die  sie  kreuzenden  Linien  sind  nur  schwach 
entwickelt.  Eine  directe  Vergleichung  mit  den  früheren  Win- 
dungen grosser  fossiler  Exemplare  in  der  hiesigen  paläontologi- 
schen  Sammlung,  worauf  Herr  Prof.  Bey rieh  den  Vortragenden 
aufmerksam  machte,  lässt  keinem  Zweifel  an  der  Uebereinstim- 
mung  beider  Raum.  M.  Gambiana  Dohrn  in  den  Novitates  con- 
chologicae  Taf.  15  Fig.  11,  12  scheint  verwandt  zu  sein. 

Obwohl  keine  dieser  vier  Arten  in  den  Listen  von  Meer- 
mollusken der  Cap verdischen  Inseln,  welche  Menke  in  der  Zeit- 
schrift für  Malakozoologie  1853  und  Reibisch  in  den  Malako- 
zoologischen  Blättern  1865  veröffentlicht  haben,  genannt  ist,  so 
kann  doch  an  ihrem  recenten  Vorkommen  daselbst  nicht  wohl 
gezweifelt  werden;  für  Nassa  prismatica  ist  es  durch  das  Vor- 
handensein der  Weichtheile  und  des  an  beiden  Rändern  stark 
gezahnten  Deckels  in  einem  der  vorliegenden  Stücke  ganz  sicher; 
die  Ranelia  und  ein  Exemplar  der  Xenophora  waren  von  einer 

3* 


28  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Art  Einsiedlerkrebs,  die  auch  im  Mittclmeer  lebt,  Pagurus  Stria- 
tum Latr.,  bewohnt.  Die  glänzende  Innenseite  der  Mündung  bei 
der  einep  Xenophora,  die  theilweise  Erhaltung  des  Periostracums 
bei  der  Mitra,  das  Zusammenvorkommen  und  das  äussere  An- 
sehen aller  vier  Arten  sprechen  sehr  entschieden  dafür,  dass  sie 
noch  jetzt  dort  leben.  Bemerkenswerth  ist,  dass  keine  andere 
Conchylienart  an  der  angegebenen  Stelle  aufgefischt  wurde.  Es 
scheint  demnach  dort  in  der  nicht  bedeutenden  Tiefe  von  47  Faden 
eine  Fauna  noch  gegenwärtig  zu  herrschen,  welche,  soweit  man 
nach  4 Arten  urtheilen  darf,  mit  derjenigen  der  jüngeren  Tertiär- 
ablagerungen Südeuropas  übereinstimmt,  während  im  Mittelmeer 
gegenwärtig  zwei  Arten  davon  entschieden  nicht  mehr  lebend 
Vorkommen  ( ’ftanella  marginata  und  Mitra  scrobiculata),  eine,  so 
viel  mir  bekannt,  nur  in  einer  abweichenden  Abart  ( Nassa  limata ) 
und  nur  die  vierte  ganz  übereinstimmend,  aber  doch  auch  selten^ 
Dabei  ist  noch  hervorzuheben,  dass  unsere  recenten  Stücke  alle 
nicht  die  durchschnittliche  Grösse  der  fossilen  zeigen;  am  auf- 
fallendsten ist  ihr  Zurückbleiben  hierin  bei  der  Mitra  und  Xeno- 
phora, nur  unbedeutend  bei  Nassa  prismatica. 

Auch  bei  Madeira  wurden  durch  dieselbe  Expedition  und 
zwar  aus  einer  Tiefe  von  60-70  Faden  eine  Schnecke  in  recen- 
tem  Zustand  aufgefischt,  welche  bis  jetzt  wohl  aus  den  jüngeren 
Tertiärablagerungen  des  südlichen  Europa  s , aber  noch  nicht 
lebend  bekannt  waren,  namentlich  nicht  aus  dem  Mittelmeer, 
nämlich  Nassa  semistriata  Brocchi,  und  zwar  in  einer  Form  mit 
ausgeprägten  Verticalrippen  auf  den  früheren  Windungen  und 
ziemlich  dichter  Spiralstreifung  auf  der  letzten,  wie  sie  in  der 
hiesigen  paläontologischen  Sammlung  wohl  aus  dem  Miocän  des 
Wiener  Beckens  (von  Hörnes  als  Buccinum  costulalum  aufge- 
führt), aber  nicht  aus  dem  Pliocän  Italiens  vertreten  ist. 

Herr  Hartmann  legte  einige  von  Herrn  Dr.  Schultz  aus 
Port  Natal  eingesandte  Naturalien  zur  Ansicht  vor  und  knüpfte 
daran  kurze  Bemerkungen.  Zwei  an  Baumzweige  befestigte  und 
aus  Pflanzenstengeln  zusammengesponnene  Gehäuse  scheinen 
einer  Psychide  oder  einem  verwandten  Spinner  anzugehören; 
ein  grösseres,  aus  Erdtheilen  verfertigtes  und  durch  einen  Klapp- 
deckel verschlossenes  macht  den  Eindruck , als  diente  es  einer 
Spinne  zur  Wohnung. 


Sitzung  vom  16.  Februar. 


29 


Herr  Braun  sprach  über  Lepidozamia  Peroffskyana  Regel 
(Macrozamia  Denisonii  Moore  et  F.  Müller).  Von  dieser  gross- 
artigsten unter  den  australischen  Cycadeen,  deren  Stamm  nach 
Ferd.  von  Müller  eine  Höhe  von  18  — 20  Fuss,  die  überbän- 
genden  Wedel  der  reichen  Krone  eine  Länge  von  12  Fuss  er- 
reichen sollen,  hat  ein  männliches  Exemplar  im  vorigen  Sommer 
im  Palmenhause  des  hiesigen  botanischen  Gartens  geblüht.  Bei 
der  Seltenheit  dieser  Art  in  den  botanischen  Gärten  und  der 
Verschiedenheit  der  Ansichten  über  dieselbe,  mag  die  Mitthei- 
lung einiger  hier  gemachter  Beobachtungen  nicht  überflüssig  sein. 
Das  betreffende  Exemplar,  dessen  Alter  nicht  bekannt,  das  jedoch, 
schon  ehe  es  Eigenthum  des  hiesigen  Gartens  wurde,  einigemal 
geblüht  hat,  besitzt  einen  sehr  kräftigen,  im  Verhältniss  zu  seiner 
Dicke  niedrigen  Stamm.  Derselbe  ist  (über  der  Erde)  nicht  über 
0.46  m.  hoch  und  fast  ebenso  dick.  Zur  Zeit  der  letzten  Blüthe 
trug  es  50  Laubblätter  (Wedel),  von  denen  gegenwärtig  noch 
48  erhalten  sind.  Dieselben  sind  auf  der  breiten  Wölbung  des 
Scheitels  ziemlich  weitläufig  zerstreut  und  gehören  4 verschiedenen 
Wachsthumsperioden  (Trieben)  an;  von  der  5ten  nach  abwärts 
sind  nur  noch  einige  Blätter  erhalten.  Die  Länge  der  Blätter 
beträgt  2.5  m.,  wovon  0.6  bis  0.7  m.  auf  den  Blattstiel  kommen. 
Fiederblättchen  habe  ich  130  bis  195  gezählt;  nach  F.  v.  Müller 
kann  ihre  Zahl  bis  auf  240  steigen.  Die  Spindel  des  Blattes  ist 
etwas  von  der  Seite  zusammengedrückt,  auf  dem  Rücken  schwach 
und  stumpf  gekielt,  auf  der  Bauchseite  mit  einer  ziemlich  tiefen 
Rinne  versehen,  welche  sich  unterhalb  der  gefiederten  Blattspreite 
im  Blattstiel  verliert  und  in  eine  mediane  Kante  übergeht,  gegen 
die  Spitze  des  Blattes  dagegen  sich  erweitert,  wobei  ein  flach 
gerundeter  Kiel  in  ihrer  Mitte  Raum  findet.  Von  den  erhabenen 
Rändern  dieser  Rinne  entspringen  die  von  beiden  Seiten  sich 
fast  berührenden  Fiederblättchen,  welche  mit  breiter,  nicht  schwie- 
lig verdickter  Basis  ansitzen  und  eine  gute  Strecke  weit  flügel- 
artig herablaufen,  so  dass  sie  das  nächst  vorausgehende  Blätt- 
chen derselben  Seite  berühren.  Die  Länge  der  schwach  sichel- 
förmig gebogenen  Fiederblättchen  beträgt  gegen  30  cm. , die 
Breite  etwas  über  der  Basis  10  bis  13  mm.  Ungefähr  12  paral- 
lele Nerven  sind  nur  auf  der  Unterseite  deutlich  sichtbar.  Ein 
ausgebildetes  Gipfelblättchen  ist  nicht  vorhanden;  das  Blatt 


30 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


endigt  mit  einem  etwa  zolllangen,  beiderseits  geflügelten  Fortsatz 
der  Spindel.  Das  erst  sehr  spät  eintretende  endliche  Abfallen 
der  Fiederblättchen  geschieht  nicht  durch  Abgliederung  an  der 
Basis,  wie  bei  Zamia , sondern  durch  Absterben  oberhalb  der  Ba- 
sis, ohne  scharfe  Gliederungslinie.  Anscheinend  regellos  gemischt 
mit  den  Laubblättern  zeigen  sich  schuppenförmige  Niederblätter, 
die  Zahl  der  Laubblätter  mindestens  um  das  Dreifache  überstei- 
gend. Die  genauere  Untersuchung  zeigt,  dass  sie  zwischen  die 
Laubblättergruppen  der  successiven  Triebe  eingeschaltet  sind, 
und  einer  ununterbrochenen  Blattstellungsfolge  mit  denselben 
angehören.  Sie  sind  eiförmig-dreieckig,  in  eine  schmale  linien- 
förmige Spitze  auslaufend,  die  jedoch  nur  an  den  jüngsten,  iri 
der  Nähe  des  Scheitels  stehenden  sichtbar  ist,  da  sie  frühzeitig 
abgeworfen  wird.  Der  bleibende  untere  Theil  der  Schuppe  ist 
dick,  hart-fleischig,  dem  Stamm  angedrückt  und  fast  von  gleicher 
Grösse  mit  dem  erweiterten,  gleichfalls  am  Stamme  persistirenden 
Fuss  der  Laubblätter.  Beide  zusammen,  die  Niederblattschuppen 
und  Laubblattfüsse,  bilden  einen  dichten  Schuppenpanzer  an  der 
Oberfläche  des  Stammes,  an  welchem  sieh  die  Blattstellung  mit 
Leichtigkeit  abzählen  lässt.  Die  Parastichen  13  und  21  treten 
am  deutlichsten  hervor,  34  ist  noch  schief,  55  senkrecht. 

Die  männliche  Blüthe  erschien  zuerst  in  Form  eines  rund- 
lichen Kopfes,  der  sich  allmählig  zu  einem  kurzgestielten,  in 
der  Mitte  walzenförmigen , an  beiden  Ender)  kegelförmig  zu- 
laufenden Zapfen  von  80  cm.  Länge  und  20  cm.  Dicke  ausdehnte. 
Sie  hatte,  die  Mitte  der  Laubkrone  einnehmend,  eine  anscheinend 
terminale  Stellung;  als  sie  jedoch  entfernt  wurde,  zeigte  sich 
deutlich,  dass  ihre  Ursprungsstelle  neben  der  aus  einem  Nieder- 
blattbiischel  gebildeten  Terminalknospe  des  Stammes  lag.  Die 
schuppenförmigen  Staubblätter,  welche  den  sogenannten  Zapfen 
bilden  und  deren  Zahl  über  600  beträgt,  zeigen  dieselbe  Anord- 
nung wie  die  Blätter  des  Stammes  (21/s5);  sie  stehen  (mit  Aus- 
nahme der  untersten  und  obersten)  rechtwinkelig  von  der  Achse 
des  Zapfens  ab  und  lassen  zwei  Theile  unterscheiden,  einen 
unteren  längeren,  welcher  die  Staubsäckchen  (Antheren)  auf  der 
Rückseite  trägt,  und  einen  oberen  kürzeren,  sterilen.  Der  erstere, 
den  man  die  Platte  nennen  kann,  ist  verlängert  spatelförmig, 
flach  mit  einer  schwachen  kielartigen  Erhebung  längs  der  Mittel- 


Sitzung  vom  16.  Februar. 


31 


linie  beider  Flächen.  Die  in  Rosetten  von  je  4 — 5 gruppirten 
Staubsäcke  bedecken  die  Unterfläche  der  Platte  als  dichtes  Pol- 
ster bis  hart  an  den  Rand  und  bis  nahe  an  die  Basis,  ohne 
Unterbrechung  in  der  Mittellinie,  nach  oben  entweder  durch  eine 
einfache  Bogenlinie  oder  in  Form  zweier  Lappen  begrenzt.  Nur 
die  der  Spitze  und  der  Basis  nahestehenden  Staubblätter,  deren 
Platte  sehr  verkürzt  ist,  zeigen  zwei  durch  einen  freien  Mittel- 
streifen getrennte  Antherenpolster.  Den  untersten  Schuppen  des 
Zapfens  fehlt  die  Antherenbildung  gänzlich.  Der  obere  Theil 
des  Staubblattes,  den  man  als  Aufsatz  (Apophysis)  bezeichnen 
kann,  beginnt  dicht  über  der  Platte  mit  einer  fast  ohrartigen 
Ausbreitung  der  scharfen  Ränder,  während  der  mittlere  Theil 
nach  beiden  Flächen  hin  sich  polsterartig  verdickt.  Ueber  die- 
ses Polster,  welches  kahl  und  glänzend  braun  ist,  erhebt  sich 
das  wieder  schuppenartig  verflachte  Endstück  in  Form  einer 
breit- dreieckigen , etwas  nach  abwärts  gerichteten,  dicht  mit 
weissem  Filz  bedeckten  und  in  eine  hakenförmig  zurückge- 
krümmte Spitze  auslaufenden  Lehne.  Die  ganze  Länge  der 
Staubblätter  aus  der  mittleren  Region  des  Zapfens  beträgt  80 
bis  90  mm.,  wovon  auf  die  Platte  kommen;  die  grösste  Breite, 
welche  in  die  Gegend  des  Polsters  fällt,  40 — 45  mm.,  die  Dicke 
des  Polsters  20 — 25  mm. 

Die  hier  besprochene  Pflanze,  auf  welche  Regel  im  6.  Jahr- 
gange der  Gartenflora  und  im  XXX.  Bande  des  Bulletin  der 
Moskauer  Gesellschaft  der  Naturforscher  (beide  vom  Jahr  1857) 
die  neue  Gattung  Lepidozamia  gründet,  wird  von  Moore  und 
F.  v.  Müller  (Fragm.  phytogr.  austral.  1858)  zu  Macrozamia  ge- 
rechnet, welche  Gattung  selbst  etwas  später  von  F.  v.  Müller 
(Transact.  of  the  pharm,  soc.  1858)  mit  Enceplialartos  vereinigt 
wird,  worin  ihm  Miquel  in  den  Mittheilungen  über  Neuhollän- 
dische Cycadeen  (1863)  gefolgt  ist.  Später  jedoch,  in  seiner 
letzten  Aufzählung  der  bekannten  Cycadeen  vom  J.  1869,  stellt 
Miquel  in  Uebereinstimmung  mit  A.  Decandolle  (Prodr.  XVI. 
1868)  die  Gattung  Macrozamia  wieder  her  und  ordnet  ihr  Lepido- 
zamia  als  Section  unter.  Die  generische  Verschiedenheit  von 
Encephalartos  und  Macrozamia  kann  als  ausgemacht  betrachtet 
werden,  wogegen  die  Feststellung  von  Lepidozamia  wohl  noch 
einer  Fürsprache  bedarf.  Regel  hebt  als  unterscheidende  Merk- 


32  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

male  seiner  neuen  Gattung  hervor:  1)  die  gerade  Knospenlage 
der  Laubblätter,  während  Macrozamia  (nach  Regel’s  sowohl  als 
nach  Miquel’s  Angabe,  aber  im  Widerspruch  mit  A.  Decan- 
dolle)  in  der  Jugend  aufgerollte  Fiederblättchen  hat;  2)  die 
herablaufenden  Fiederblättchen  ohne  callöse  Anschwellung  an  der 
Vorderseite  der  Basis,  welche  Anschwellung  für  Macrozamia  sehr 
charakteristisch  ist;  3)  das  Vorkommen  stipelartiger,  freier  flei- 
schiger Schuppen  zu  den  Seiten  des  Blattstiels,  während  Macro- 
zamia am  Grunde  des  Blattes  angewachsene  Stipulae  besitzen  soll. 
Später,  im  19.  Jahrg.  der  Gartenflora  (1870),  woselbst  er  eine 
Beschreibung  und  Abbildung  der  weiblichen  Blüthe  giebt,  wird 
auch  eine  Verschiedenheit  der  Fruchtblätter  nachgewiesen,  welche 
bei  Lepidozamia  ein  längeres,  eiförmiges,  allmälig  zugespitztes, 
im  untern  Theile  sehr  stark  polsterartig  angeschwollenes  Endstück 
besitzen,  bei  Macrozamia  dagegen  ein  kurzes,  mehr  abgestutztes, 
plötzlicher  in  eine  schmale  Spitze  auslaufendes.  Was  nun  zu- 
nächst die  Anwesenheit  nebenblattartiger  Schuppen  an  den  Sei- 
ten des  Blattstiels  betrifft,  durch  welche  Lepidozamia  mit  Cycas , 
Dioon,  Encephalartos , Ceratozamia  und  Zamia  übereinstimmen, 
sich  dagegen  von  Macrozamia  unterscheiden  soll,  so  beruht  diese 
Angabe  auf  einer  Deutung  der  schuppenartigen . Gebilde  des 
Stammes,  welche  ebenso  wenig  richtig  ist  als  die  früher  von 
Link,  so  wie  auch  von  Miquel  in  seinen  früheren  Arbeiten 
über  Cycadeen,  versuchte,  nach  welcher  diese  Schuppen  die  wah- 
ren Blätter  des  Stammes  sein  sollten,  aus  deren  Achseln  die 
Wedel  als  Zweige  entsprängen.  Beide  Deutungen  scheitern  an 
dem  Umstande,  dass  die  Schuppen  weder  genau  neben,  noch 
auch  regelmässig  unter  den  Wedeln  stehen,  sondern,  meist  in 
grösserer,  nicht  nur  die  einfache,  sondern  auch  die  doppelte  der 
Laubblätter  weit  übertreffender  Zahl  zwischen  die  einzelnen  Pe- 
rioden der  Laubbildung  eingeschoben  sind  und  eine  zusammen- 
hängende spiralige  Anordnung  zeigen,  welche  die  Spirale  der 
vorausgehenden  Laubblätter  fortsetzt  und  von  der  der  nachfol- 
folgenden  fortgesetzt  wird.  Es  sind  daher  diese  Schuppen  nichts 
anderes  als  Niederblätter,  welche  die  (Jahres-)  Periode  der  Laub- 
blätter auseinanderhalten,  wie  bei  den  Laub-  und  Nadelhölzern, 
welche  Gipfelknospen  besitzen  (z.  B.  Tannen  und  Eichen),  und 
als  solche,  d.  i.  als  Knospenschuppen  (Perulae),  sind  sie  auch 


Sitzung  vom  16.  Februar. 


33 


schon  von  Miquel,  Eichler,  A.  D ecandolle  u.  A.  betrachtet 
worden.  Sie  finden  sich,  so  weit  meine  Erfahrungen  reichen, 
bei  allen  Cycadeen.  Besonders  deutlich  ist  dei  periodische  Wech- 
sel von  Niederblättern  und  Laubblättern  in  solchen  Fällen,  wo 
die  Perioden  beider  sehr  reichzählig  sind,  wie  bei  älteren  Cycas- 
Stämmen,  welche  20  — 30  und  wohl  noch  mehr  Laubblätter  in 
einem  Triebe  entwickeln,  während  die  Zahl  der  vorausgehenden 
Niederblätter  über  100  beträgt  (vergl.  Miquel  in  Linnaea  XVIII. 
t.  4).  Es  beginnt  dieser  Wechsel  bereits  zur  Zeit  der  Keimung 
und  zwar  in  verschiedener  Weise,  indem  sich  aus  dem  Knöspchen 
des  Keimlings  entweder  zuerst  Niederblätter  entwickeln,  auf 
welche  dann  1 bis  2 Laubblätter  und  nach  diesen  abermals 
Niederblätter  folgen,  oder  zuerst  ein  Laubblatt  erscheint,  wel- 
chem die  erste  Niederblattbildung  nachfolgt.  Ersteres  findet  sich 
nach  Petit  - Thouars  und  Richard  bei  Cycas , bei  welcher 
Gattung  dem  ersten  Laubblatt  zahlreiche  Niederblätter  voraus- 
gehen, ferner  nach  meiner  eigenen  Beobachtung  bei  Lepidozamia 
mit  3 und  bei  Encephalartos  (nach  Miquel,  Linnaea  XXL  t.  6) 
mit  2 primordialen  Niederblättern.  Den  andern  Fall  zeigt  nach 
den  übereinstimmenden  Darstellungen  von  Poiteau  und  Kar- 
sten die  Gattung  Zamia.  Während  somit  in  der  Anwesenheit 
von  Niederblättern  alle  Cycadeen  - Gattungen  übereinstimmen, 
zeigt  sich  ein  Unterschied  in  der  Consistenz  und  Dauerhaftigkeit 
derselben,  auf  welchen  auch  Regel  aufmerksam  gemacht  hat. 
Bei  einigen  Gattungen  sind  dieselben  dick,  hart -fleischig  und 
mit  Ausnahme  der  bald  vertrocknenden  und  abfallenden  Spitze 
persistent,  wodurch  sie  zusammen  mit  den  gleichfalls  stehen- 
bleibenden dicken  Grundstücken  (Blattfüssen)  der  Laubblätter 
den  eigentümlichen  Schuppenpanzer  bilden,  welcher  den  Stamm 
von  Cycas , Encephalartos  und  Lepidozamia  auszeichnet  und  wei- 
cher sich  weniger  auffallend  auch  bei  Ceratozamia  wiederfindet. 
Bei  anderen  Gattungen  haben  die  Niederblätter  eine  hautartige 
oder  lederige  Consistenz,  in  welchem  Falle  sie  entweder,  abge- 
storben und  vertrocknet,  ebenso  wie  die  Laubblätter,  ganz  am 
Grunde  abgestossen  werden,  so  dass  der  Stamm  völlig  entblösst 
wird  ( Zamia  und  Stangeria ) oder  im  vertrockneten  und  zerfaser- 
ten Zustande  stehen  bleiben  und  eine  mehr  pelz-  als  panzer- 
artige Decke  des  Stammes  bilden,  wie  dies  bei  Macrozamia  der 


34  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Fall  zu  sein  scheint.  So  verhält  es  sich  wenigstens  bei  einem 
2 cm.  hohen  Stamme  von  M.  corallipes , welcher  völlig  umhüllt 
ist  von  einer  pelzähnlichen  Decke  brauner,  zerfetzter  und  mit 
langen  Haaren  bedeckter  Schuppen.  Ob  und  wie  ältere  Stamme 
diese  Decke  vielleicht  ablegen,  ist  mir  nicht  bekannt.  Eigent- 
liche, von  der  Basis  des  Blattes  abgetrennte  Stipulae  sind  den 
Cycadeen  völlig  fremd,  aber  bei  2 Gattungen  ( Zamia  und  Cerato- 
zamia)  sind  sogenannte  Stipulae  adnatae  vorhanden,  d.  h.  die 
scheidenartigen  Ränder  der  Blattbasis  gehen  jederseits  in  einen 
Zahn  oder  Zipfel  aus,  dessen  Innenrand  mehr  oder  weniger  auf 
die  Vorderfläche  der  Blattstielbasis  hereingreift.  Die  Nieder- 
blätter  dieser  Gattungen  sind  in  der  Regel  ungetheilt,,  nur  hier 
und  da  zeigen  sie  eine  dreitheilige  Spitze,  was  man  als  Andeu- 
tung zur  Bildung  einer  Laubspreite  zwischen  den  2 Seitenzipfeln 
betrachten  muss,  etwa  wie  bei  den  inneren  Knospenschuppen 
der  Drupaceen  und  Pomaceen.  Im  Character  der  Gattung  Zamia 
wird  dies  von  A.  Decandolle  (1.  c.)  richtig  angegeben:  ?perulis 
saepius  prope  apicem  utrinque  dentatis“,  und  dasselbe  gilt  auch 
von  Ceratozamia.  Ob  die  scheidenartige  Basis  der  Laubblatter 
auch  bei  Macrozamia  mit  Oehrchen  versehen  ist,  wie  Regel 
angiebt,  muss  ich  dahin  gestellt  lassen;  bei  unserem  Exemplar 
von  M.  corallipes  konnte  ich  keine  Oehrchen  finden. 

Der  von  Regel  hervorgehobene  Unterschied  der  Fieder- 
blättchen von  Lepidozamia  und  Macrozamia  ist  sehr  auffallend. 
Während  bei  letzterer  Gattung  die  gegen  die  Basis  hin  ver- 
schmälerten, nur  kurz  und  sehr  schmal  herablaufenden  Fieder- 
blättchen  mehr  denen  von  Encephalartos  gleichen,  erinnern  die 
breit  und  lang  herablaufenden  der  ersteren  an  Cycas.  Doch 
findet  weder  im  einen  noch  im  anderen  Fall  eine  völlige  Ueber- 
einstimmung  statt.  Bei  Encephalartos  breitet  sich  die  Sohle  des 
Blättchens  nach  zwei  Seiten  herablaufend  und  (kürzer)  hinauf- 
laufend aus;  bei  Macrozamia  fehlt  das  Hinauf  laufen  gänzlich, 
wogegen  der  obere  Rand  in  der  Nähe  der  Basis  mit  einer  cal- 
lösen  Anschwellung  versehen  ist.  Auch  bei  Lepidozamia  und 
Cycas  fehlt  die  aufsteigende  Ausbreitung  der  Sohle,  aber  bei 
ersterer  sind  die  Blättchen  gegen  die  Basis  kaum,  bei  letzterer 
stark  verschmälert.  Dazu  gesellen  sich  noch  Unterschiede  in 
der  Beschaffenheit  des  Mittelstiels  (der  Rachis),  welche  für  die 


Sitzung  vom  16.  Februar. 


35 


Charakteristik  der  Gattungen  von  Bedeutung  sind.  Cycas  und 
Lepidozamia  bilden  hierin  die  Extreme,  die  anderen  Gattungen 
liegen  in  der  Mitte.  Bei  Cycas  ist  die  Ober-  und  Unterfläche 
dei  Spindel  fast  gleichmässig  gewölbt,  die  Blättchen  entspringen 
an  der  Grenze  beider  genau  seitlich  in  einer  kaum  bemerkbaren 
Längsfurche.  Nur  gegen  das  obere  Ende  des  Blattes  tritt  die 
Unterfläche  der  Spindel  stärker  hervor,  wodurch  die  Ursprungs- 
linien der  Blättchen  etwas  mehr  nach  oben  geschoben  werden. 
Bei  Encephalartos , Zamia. , Ceratozamia  und  ebenso  bei  Macro- 
zamia  ist  die  Unterfläche  stärker  entwickelt,  so  dass  die  beiden 
Furchen,  in  oder  neben  welchen  die  Blättchen  entspringen,  auf 
der  Oberfläche  zu  liegen  kommen  und  nur  durch  einen  schmäleren 
erhabenen  Mittelstreifen  getrennt  sind.  Bei  Lepidozamia  endlich 
vereinigen  sich  die  beiden  Furchen  in  eine  einzige,  aus  deren 
erhabenen  Rändern  die  Blättchen  entspringen,  von  beiden  Seiten 
so  genähert,  dass  sie  mit  der  Basis  fast  oder  selbst  vollständig 
aneinanderstossen. 

In  Beziehung  auf  die  Verkümmerung  des  Endblättchens 
stimmt  Lepidozamia  mit  der  Mehrzahl  der  Cycadeen  überein, 
doch  zeigt  die  Blattspitze  immer  noch  eine  etwas  stärkere  Ent- 
wicklung als  bei  Encephalartos , Zamia , Ceratozamia  und  Macro- 
zamia,  bei  welchen  allen  sie  auf  einen  meist  sehr  kurzen  Mucro 
reducirt  ist.  Ein  wohl  ausgebildetes  Endblättchen,  welches  den 
Seitenblättchen^ an  Grösse  gleichkommt,  fand  ich  nur  bei  Stan- 
geria  und,  wenigstens  meistens,  bei  Cycas  circinalis.  Bei  beiden 
wird  das  Endblättchen  zuweilen  von  dem  letzten  Seitenblättchen 
in  einer  Weise  gedrängt,  dass  der  Anschein  einer  Dichotomie  der 
Blattspitze  entsteht.  Bei  Cycas  revoluta  dagegen  bildet  sich  nur 
selten  ein  Endblättchen  aus;  in  der  Regel  findet  sich  an  seiner 
Stelle  eine  stielartige,  stechende  Spitze  von  geringer  Länge. 

In  einer  Familie,  deren  Blüthenbildung  auf  der  niedersten 
Stufe  steht  und  nur  geringe  Modificationen  zeigt,  ist  man,  wie 
mir  scheint,  wohl  berechtigt,  auf  die  Verschiedenheit  der  vege- 
tativen Organe  ein  grösseres  Gewicht  zu  legen , als  es  sonst 
in  der  Systematik  üblich  ist.  In  der  That  lassen  sich  die  Gat- 
tungen der  Cycadeen  insgesammt  nach  den  Gestaltungs-  und 
Gliederungsverhältnissen  der  Blätter  sicher  unterscheiden,  zumal 
wenn  man  auch  auf  die  Niederblattbildung  Rücksicht  nimmt, 


36  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

und  Lepidozamia  steht  in  dieser  Beziehung  hinter  den  anderen 
Gattungen,  wie  ich  gezeigt  habe,  nicht  zurück,  weshalb  ich  sie 
mit  Re  <*e  1 als  selbständige  Gattung  betrachte,  wenn  auch  die 
Blüthenbildung  von  derjenigen  bei  Macrozamia  nur  wenig  ab- 
weicht. In  Beziehung  auf  letztere  will  ich  namentlich  darauf 
aufmerksam  machen,  dass  der  von  der  Verkeilung  der  Bollen- 
säckchen entnommene  Unterschied,  welcher  von  A.  Decan dolle 
im  Prodromus  bei  Unterscheidung  seiner  3 Sectionen  der  Gat- 
tung Macrozamia  benutzt  worden  ist,  nämlich:  squamarum  mascu- 
larum  pars  fertilis  1)  in  duas  areas  segregata  (Macrozamia  sens. 
str  ),  2)  continua  ( Lepidozamia  Reg.),  3)  biloba  ( Parazamia  Miq.) 
nicht  stichhaltig  ist,  indem  alle  3 Fälle,  wie  ich  es  oben  be- 
schrieben habe,  bei  einer  und  derselben  Art  Vorkommen.  So 
weit  die  Verhältnisse  bis  jetzt  bekannt  sind,  stellt  sich  nur  der 
eine  Unterschied  zwischen  den  Blüthen  von  Lepidozamia  und 
Macrozamia  heraus,  dass  bei  ersterer  sowohl  die  Staubblatter 
als  die  Fruchtblätter  eine  stärkere  polsterartige  Anschwellung 
unterhalb  der  Spitze  besitzen,  wodurch  die  Spitze  selbst  eine 
horizontal  abstehende  oder  selbst  nach  unten  gewendete  Richtung 
erhält,  während  diese  bei  Macrozamia  von  einem  schwächeren 
Polster  getragen,  durch  eine  knieförmige  Biegung  am  Grunde 
nach  oben  gerichtet  ist  (vergl.  Miquel,  Linnaea  XIX.  t.  2). 

Die  Identität  von  Lepidozamia  Peroffskyana  und  Macrozamia 
Denisonii  wurde  von  Miquel  schon  1863  mit  ziemlicher  Be- 
stimmtheit vermuthet,  von  A.  Decandolle  dagegen  im  Prodr 
1868  wieder  bezweifelt,  endlich  aber  von  Regel  selbst  1.  c.  lbfU 
anerkannt.  Da  Regel  bei  seiner  ersten  Publication  wegen 
Jugendlichkeit  des  in  Petersburg  cultivirten  Exemplares,  ohne 
Kenntniss  von  Blüthe  und  Frucht,  nur  eine  unvollständige  Be- 
schreibung geben  konnte  und  überdies  Mexico  für  das  Vater- 
land hielt,  so  war  es  den  australischen  Botanikern  nicht,  wo 
möglich,  die  von  ihnen  in  Nordaustralien  beobachtete  Pflanze  in 
dej.  i — 2 Jahre  früher  beschriebenen  Regel’schen  Gartenpflanze 
zn  erkennen,  so  dass  sie  sich  für  berechtigt  halten  mussten, 
dieselbe  als  neue  Art  zu  beschreiben.  Welcher  Speciesname 
ihr  künftig  bleiben  soll,  dies  hängt  von  der  Beantwortung  der 
Frage  ab,  ob  den  Benennungen  von  Pflanzenarten,  welche  bloss 
nach  jugendlichen,  noch  nicht  blühreifen  Exemplaren  aufgestellt 


Sitzung  vom  16.  Februar. 


37 


wurden,  wie  es  z.  B.  bei  den  Aroideen  so  oft  geschehen  ist,  in 
allen  Fällen  Prioritätsrecht  zuerkannt  werden  muss.  Wie  man 
darüber  entscheiden  mag,  so  gebührt  Regel  das  Verdienst,  schon 
in  der  jugendlichen,  noch  unfruchtbaren  Pflanze  die  neue  Gattung 
erkannt  zu  haben,  während  wir  den  australischen  Botanikern 
die  Kenntniss  der  erwachsenen,  ihrer  Blüthen  und  Früchte  und 
ihres  wahren  Vaterlandes  verdanken. 


Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  entgegengenommen : 

32.  Bericht  des  Museum  Francisco- Carolinum  zu  Linz.  1874. 
J.H.Kawall,  Die  neuen  Russischen  Naturforscher-Gesellschaften. 
Riga,  1874. 


Verbesserungen. 

Im  Bericht  über  die  Januar- Sitzung  lies: 

Seite  3,  Zeile  3 und  6:  Mantelränder  anstatt:  Mantelbänder. 

- 19,  - 19  u.  28  1 

- 20,  - 1,  12u.  19  > Areschoug  anstatt:  Areschong. 

- 21,  - 11  ) 

- 21,  - 14:  Hvidingsoe  anstatt:  Hordingsoe. 

- 21,  - 19:  Hygrocrocis  anstatt:  Hygrocrosis. 


A.  W.Schade’s  Buchdruckerei  (L.  Schade)  in  Berlin,  Stallschreiberstr. 47. 


Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 

vom  16.  März  1875. 


Director:  Herr  Gurlt. 


Herr  Braun  sprach  über  Gallen  am  Edelweiss  ( Leontopodium 
alpinum ),  welche  durch  Nematoden  aus  der  Gattung  der  Aelchen 
(Anguillula)  erzeugt  werden,  und  knüpfte  daran  eine  Uebersicht 
dei  ihm  bekannten  Fälle  von  Gallenbildung  durch  derartige 
Würmchen. 

1)  Die  Aelchen-Gallen  (Nematocecidien  nach  der  Termino- 
logie von  Dr.  Thomas)  des  Edelweisses  wurden  nach  Ritt 
v.  Frauenfeld  (Verhandl.  des  zool. -bot.  Vereins  zu  Wien  1872 
S.  396)  zuerst  und  bisher  allein  auf  der  Rax-Alpe  in  Oesterreich 
beobachtet;  die  von  dem  Vortragenden  vorgelegten  Exemplare 
wurden  im  September  v.  J.  auf  dem  Lafelsen  der  Götzen -Alpe 
bei  Berchtesgaden  gesammelt.  Durch  Musterung  der  käuflichen 
Edelweissvorräthe  bei  einer  dortigen  Blumenhändlerin  stellte  sich 
heraus,  dass  sie  auch  anderwärts  in  der  Gegend  Vorkommen, 
namentlich  auf  den  hohen  Felskämmen,  welche  den  Kessel  des 
Obersees  umgeben.  Diese  Gallen  haben  ihren  Sitz  theils  an 
den  Blättern  der  gemeinsamen  Hülle  oder  richtiger  den  (am 
Stiel  angewachsenen)  Tragblättern  der  seitlichen  Bliithenköpfchen, 
am  Rande  oder  auf  der  IGäche  des  Blattes,  doch  wie  es  scheint 
niemals  auf  dem  Mittelnerven;  sie  ragen  nach  beiden  Seiten  der 
Blattfläche  gleichmässig  vor,  sind  schwach  plattgedrückt,  rund- 
lich oder  etwas  länglich,  von  1,5  - 2,5  mm.  Durchmesser,  einzeln 

3 


40  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


oder  mehrere  (bis  6)  auf  demselben  Blatt  vereinigt,  zuweilen  je 
2 sehr  selten  je  3 zusammenfliessend,  stets  dicht  überzogen  mit 
dem  weissen  Haarfilz,  der  die  Nährpflanze  auszeicbnet.  Im  Inneren 
derselben  findet  sich  ein  Knäuel  von  Aelchen  welche  gegen- 
wärtig, nach  sechsmonatlicher  Aufbewahrung  im  Herbarium  noch 
vollkommen  lebensfähig  sind,  wovon  die  Anwesenden  sich  bei 
mikroskopischer  Besichtigung  seit  mehreren  Stunden  in  Wasser 
erweichter  Gallen  überzeugten.  Da  die  vorhandenen  Aelchen 
sich  in  einem  geschlechtlich  unentwickelten  Zustande  befinden, 
ist  eine  nähere  Vergleichung  mit  denen  der  Schafgarbe,  mit 
denen  sie  wohl  identisch  sein  könnten,  nicht  mog  ich 

2)  Die  Aelchen-Gallen  der  Schafgarbe  (AchiUea  Mille folmm) 
und  das  erzeugende  Würmchen  sind  von  Dr.  Franz  Low  (Ver^ 

handl.  des  zoolog.-botan.  Vereins  zu  Wien  1874)  beschrieben  un 
abgebildet  worden,  letzteres  unter  dem  Namen  Tylenchus  Mi  le- 
folii  mit  der  Bemerkung,  dass  zu  der  von  Bastian  aufgestellten 
Gattung  Tylenchus  auch  das  Karden-  und  Weizen- Aelchen  d e 
Anauillula  Phalaridis  und  Agrostidis  und  wahrscheinlich  die  Ael- 
chen der  Gallen  von  Leontopodium  und  Falcana  gehören.  Das 
Schafgarben- Aelchen  wurde  von  Löw  im  Wiener  Walde  gefun- 
den, hat  jedoch,  wie  man  aus  einer  gleichzeitigen i Mi« thei in  g 
von  Dr.  F.  Thomas  (Beiträge  zur  Kenntniss  der  Milbenö 
in  Giebel,  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Naturw.  Bd.  42)  ersieht,  eine 
weite  Verbreitung.  Derselbe  fand  es  bei  Ohrdruf  und  Wal  ers- 
hausen  in  Thüringen,  bei  Königstein  in  Sachsen  Adersbach  in 
Böhmen,  Cudowa  und  Landeck  in  Schlesien,  und  .ehr  reichlich 
im  Oberengadin  bis  zu  einer  Meereshöhe  von  mehr  als  6000. 
Die  Gallen  erscheinen  als  knotenartige  Auftreibungen  er  sc  ma 
len  Blattsegmente  oder  auch  der  Spindel  des  Blattes , seiten 
kommen  sie  auch  am  Stengel,  namentlich  an  den  Stielen 
Blüthenköpfchen  vor.  Im  August  1872  gesammelte  Gallen^ 
hielten  nach  Dr.  Thomas  Beobachtung  im  October  1874  noch 
lebensfähige  Aelchen. 

3)  Aelchen-Gallen  an  Falcana  «.«».  wurden  von  Bit I.  v. 
Frauenfeld  (Verband!,  d.  zoolog.-botan.  Vereins  1872  _S.  39b) 
bei  Wien  entdeckt.  Sie  erscheinen  als  runzelige 
grüne  Verdickungen  am  Mittelnerven  oder  an,  Rande  der  Blatt- 

Segmente. 


Sitzung  vom  16.  März. 


41 


4)  Das  Weizen  - A el  che  n ( Vibrio  Tritici  Roffredi,  Anguil- 
lula  Tritici  Davaine,  Ang.  scandens  Schneider)  kann  insofern  zu 
den  gallenbildenden  Aelchen  gerechnet  werden,  als  der  Frucht- 
knoten, welcher  den  Aelchen  zur  Wohnung  dient,  gallenartig 
umgebildet  wird.  Diese  Aelchen  sind  die  Ursache  einer  Krank- 
heit des  Weizens,  die  unter  dem  Namen  Gicht,  Kaulbrand 
oder  Radigwerden  bekannt  ist.  Nach  Kühn  (Krankheiten 
der  Culturgew.  S.  181)  sind  die  von  derselben  befallenen  Körner 
kleiner  als  die  normal  entwickelten  und  schwarz.  Die  Aelchen 
kommen  mit  den  kranken  Körnern  in  die  Erde  und  erlangen 
hier  die  Geschlechtsreife,  um  im  Frühjahr  in  die  jungen  Pflanzen 
einzuwandern  und  ihre  Eier  in  den  Fruchtknoten  abzusetzen. 
Das  Weizen- Aelchen  war  schon  im  vorigen  Jahrhundert  ein 
Gegenstand  mehrfacher  Untersuchungen,  namentlich  in  Bezug  auf 
seine  Wiederbelebungsfähigkeit  nach  langjähriger  Austrocknung, 
welche  von  Needham,  Ledermüller  und  Baker  constatirt 
wurde.  Der  letztgenannte  giebt  einen  Fall  von  Wiederbelebung 
nach  25  Jahren  an. 

5)  Das  Aelchen  von  Phleum  Boehmeri,  Anguillula  Phalaridis 
( Vibrio  Steinbach).  Es  hat  seine  Benennung  nach  dem  früheren 
Namen  seines  Nährgrases,  Phalaris  phleoides  L.,  und  scheint  ein 
sehr  verbreitetes  Vorkommen  zu  haben,  jlch  besitze  Exemplare 
aus  der  Mark,  den  Rheingegenden  und  Oberitalien;  Professor 
Münter  beobachtete  es  in  Mecklenburg  und  Pommern.  Nach 
seinen  Mittheilungen  im  Bulletin  des  internationalen  botanischen 
Congresses  zu  Amsterdam  (1865)  fand  er  dasselbe  auch  in  den 
Aehrchen  der  Koeleria  glauca , welche  gesellig  mit  Phleum  Boehmeri 
vorkommt.  An  den  im  Juli  gesammelten  Exemplaren  des  letz- 
teren Grases  fand  er  in  dem  abnorm  vergrösserten,  flaschenartig 
zugespitzten,  purpurbraunen  Fruchtknoten  bald  Eier,  bald  junge 
Brut,  aber  häufig  auch  noch  das  Aelternpaar,  das  seine  Eier  in 
den  Fruchtknoten  absetzte.  Die  Hüllspelzen  der  befallenen 
Aehrchen  erscheinen  um  das  zwei-  bis  dreifache  vergrössert,  die 
sonst  versteckte  Deckspelze  tritt  weit  über"  dieselben  hervor,  was 
man  für  ein  laubartiges  Auswachsen  der  Spelzen  gehalten  und 
solche  Exemplare  in  den  Floren  irriger  Weise  als  „forma  vivi- 
para  aufgelührt  hat.  Die  Aelchen  der  im  Juli  gesammelten 
Exemplare  zeigten  nach  Münter  im  December  desselben  Jahres 

3* 


4 -2  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

in  Wasser  von  •+•  15°  R.  erweicht,  nach  5 Stunden  lebendige  Be- 
wegung. Die  Untersuchung  hier  im  Juni  gesammelter  Exemplare 
zeigte  in  jedem  Fruchtknoten  ein  Pärchen  ausgebildeter  Würmchen, 
ein  schlankeres  Männchen  und  ein  dickeres  Weibchen,  und  ausser- 
dem eine  grosse  Menge  länglicher  Eier  mit  zum  Theil  schon 
weit  entwickeltem  Embryo.  Ausgeschlüpfte  junge  Brut  war  noch 
nirgends  zu  finden.  Die  Aeltern  waren  (an  den  freilich  schon 
11  Jahre  alten  Exemplaren)  nicht  mehr  lebensfähig. 

6)  Das  Aelchen  des  Straussgrases,  Anguillula  Agrostidis^ 
(Vibrio  Steinbach),  in  den  Aehrchen  von  „ Agrostis  sylvatica “ 
(nach  Münter  Agr.  stolonifera  var  .diffusa).  Es  ist  mir  bis  jetzt 

nicht  gelungen  dasselbe  aufzufinden. 

Dies  in  g (Syst.  Helminth.  1851)  fasst  die  auf  Gramineen 
lebenden  Aelchen  (No.  4-6)  unter  der  gemeinsamen  Benennung 
Anguillula  Graminearum  zusammen.  Genauere  Untersuchungen 
der  Thierchen  müssen  entscheiden,  ob  eine  solche  Vereinigung 
zulässig  ist.  Die  Erscheinungen  der  Gallenbildung  sind  keines- 
wegs übereinstimmend,  so  ist  z.  B.  bei  Trilicum  der  befallene 
Fruchtknoten  kleiner  als  der  normale,  bei  Phleum  bedeutend  ver- 
grössert;  bei  Phleum  findet  eine  abnorme  Wergrösserung  der 
Spelzen  statt,  welche  bei  Trilicum  nicht  eintritt. 

7)  Das  Karden- Aelchen,  Amguill.  Dipsaci  Kuhn  (Krank- 
heiten der  Culturgew.  S.  178  und  Zeitschr.  für  wissensch.  Zoo!, 
von  Sieb  u.  Köllik.  IX,  129),  Anguill.  devastatrix  Kühn  (spater). 
Es  verursacht  die  sogenannte  „Kernfäule“  der  Weberkarde,  deren 
Blüthenköpfe  es  bewohnt,  theils  in  das  Mark  der  Achse  derselben, 
theils  in  die  verkümmerten  Fruchtknoten  eingebettet.  Es  erreicht, 
ebenso  wie  andere  Arten,  seine  Geschlechtsreife  im  Boden. 

Die  Wurmkrankheit  des  Roggens,  beim  Volk  unter  den 
Namen  Stock,  Knoten,  Kropf  bekannt,  weil  der  von  ihr 
befallene  Roggen  nicht  aufschiesst,  sondern  stockig  bleibt  und 
zahlreiche,  ungewöhnlich  schmale  Blätter  treibt,  wird  durch  ein' 
die  verkürzten  Internodien  des  Stengels  bewohnendes  Aelchen 
erzeugt.  Ni  et  sehe  (Verhandl.  d.  zool.-bot.  Gesellsch.  in  Wien 
XVIII,  901)  unterschied  dasselbe  als  Roggen  - Aelchen,  An- 1 
quillula  Secalis , wogegen  Kühn  (die  Wurmkrankheit  des  Roggens,; 
Halle  1869)  die  Identität  desselben  mit  dem  Karden- Aelchen 
durch  das  Experiment  der  Uebertragung  des  letzteren  auf  den 


Sitzung  vom  16.  März. 


43 


Roggen  nachgewiesen  hat.  Auf  diese  auffallende  Verschiedenheit 
des  Vorkommens  bezieht  sich  die  spätere  Umänderung  des  Namens 
in  Anguillula  devastatrix. 

8)  Das  Wurzel  - A el ch e n , Anguillula  radicicola  Greef 
(Ber.  d.  Marburger  Ges.  z.  Beförd.  d.  Naturwiss.  1872  S.  169), 
bildet  gallenartige  Anschwellungen  an  den  dünneren  Wurzel- 
zweigen verschiedener  Pflanzen,  in  deren  Innerem  es  seine  Ent- 
wickelung bis  zur  Geschlechtsreife  durchläuft  und  zuletzt  aus- 
wandert, wahrscheinlich  um  seine  Eier  in  anderen  jüngeren 
Wurzeltheilen  abzusetzen.  Greef  beobachtete  dasselbe  an  den 
Wurzeln  von  Poa  annua,  Triticum  repens  und  einigen  Sedum- 
Arten  (Verhandl.  d.  naturhist.  Ver.  d.  Preuss.  Rheinlande  1864; 
Sitzungsb.  d.  niederrh.  Ges.  f.  Natur-  u.  Heilk.  zu  Bonn  1864); 
Dr.  Magnus  fand  dasselbe  1870  im  hiesigen  botanischen  Garten 
an  Dodartia  orientalis , was  Herrn  Prof.  Greef  zur  genaueren 
Beschreibung  dieses  Aelchens  a.  a.  O.  Veranlassung  gab. 

In  Bau  und  Lebensweise  wesentlich  abweichend  von  den 
bisher  genannten,  im  Inneren  mehr  oder  weniger  umgebildeter 
Pflanzentheile  verborgenen  Aelchen  verhält  sich  der  Rüben- 
nematod  oder  die  sogenannte  Rübentrichine,  ein  Würmchen, 
auf  welches  zuerst  Schacht  (Zeitschr.  d.  Ver.  f.  Rübenzucker- 
Industrie  IX,  1859  S.  177  u.  240)  aufmerksam  gemacht  hat,  und 
welches  in  dem  XXI.  Jahrg.  (1871)  derselben  Zeitschrift  Archi- 
diakonus  A.  Schmidt  unter  dem  Namen  Heterodera  Schachtii 
trefflich  beschrieben  und  abgebildet  hat.  Dieser  der  Runkel- 
rübencultur  verderbliche,  durch  die  grosse  Verschiedenheit  der 
fadenförmigen  Männchen  und  der  bauchig  aufgetriebenen  Weib- 
chen ausgezeichnete  Schmarotzer  lebt  nicht  im  Inneren  der  Wur- 
zeln, sondern  in  Cysten,  welche  nur  äusserlich  den  feinen  Wurzel- 
zasern angeklebt  sind.  Kühn  hat  neuerlich  (landw.  Jahrbücher 
1874  S.  47)  gezeigt,  dass  derselbe  Schmarotzer  auch  an  den 
Wurzeln  verschiedener  anderer  Gewächse,  namentlich  des  Hafers, 
der  Gerste,  des  Weizens  und  des  Ackersenfs  vorkommt. 

Herr  Brefeld  theilte  eine  Reihe  von  Beobachtungen  mit, 
die  Biologie  der  Hefe  betreffend,  welche  derselbe  gelegentlich 
seiner  seit  mehreren  Jahren  fortgesetzten  Untersuchungen  über 
Alkoholgäbrung  gemacht  hat, 


44  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Im  Jahre  1868  fand  Rees,  dass  sich  die  Hefe  ausser  durch 
vegetative  Sprossung  noch  durch  Fructification  fortpflanze.  Diese 
tritt  im  Innern  einer  Hefezelle  in  der  Art  auf,  dass  sich  der 
Inhalt  in  2 oder  4 Theile  theilt,  die  zu  Fortpflanzungszellen  wer- 
den. Rees  führt  diesen  Vorgang  als  ireie  Zellbildung  auf,  nennt 
eine  fructificirende  Hefezelle  einen  Ascus,  die  gebildeten  Zellen 
Ascosporen,  und  stellt  hiernach  die  Hefe  zu  den  Ascomyceten. 
Rees  beobachtete,  dass  die  Fructification  der  Hefe  dann  eintrat, 
wenn  er  sie  auf  Scheiben  von  Mohrrüben  ausbreitete  und  an 
einem  feuchten  Orte  stehen  Hess;  sie  fructificirte  nach  Ablauf 
von  etwa  8 Tagen.  — Vortragender  versuchte  nach  dem  von 
Rees  angegebenen  Verfahren  während  2 Jahre  vergeblich  die 
verschiedenen  Culturhefen,  Ober-  Unter-  und  Presshefe,  zur 
Fructification  zu  bringen.  Die  Fructification  trat  niemals  ein, 
die  Hefezellen  starben  im  Laufe  mehrerer  Wochen  ab,  ohne  zu 
fructificiren.  Nur  ein  einziges  Mal  fand  Verf.  bei  einer  Brannt- 
wein-Oberhefe eine  sehr  spärliche  Fructification  nach  12  Tagen. 
Sonst  führten  alle  irgend  erdenklichen  Variationen  der  Versuche 
mit  den  verschiedensten  Culturhefen  zu  keinem  andern  als  nega- 
tiven Resultate.  Es  handelte  sich  nun  darum,  jdie  lange  Reihe 
der  Misserfolge  bezüglich  der  Fructification  der  Hefe  natürlich 
zu  erklären,  und  hierfür  gab  der  Gedanke,  dass  sich  bei  den 
verwendeten  Culturhefen  die  Cultur  die  Fructification  der  Hefe 
schädlich  beeinflussend  geltend  gemacht  haben  könne,  den  leiten- 
den Faden.  Den  Culturhefen  ist  nämlich  unter  den  bei  der 
Cultur  obwaltenden  Verhältnissen  die  Gelegenheit  zur  Fructi- 
fication nicht  gegeben,  sie  pflanzen  sich  ausschliesslich  durch 
vegetative  Vermehrung  fort;  daneben  kann  es  nicht  dem  leise- 
sten Zweifel  unterliegen,  dass  die  verschiedenen  Culturhefen  von 
der  in  der  Natur  vorkommendeiuHefe  ursprünglich  abstammen, 
wie  sogleich  dargethan  werden  soll.  Vergleichende  Versuche 
mit  der  wilden  natürlichen  Hefe  einerseits  und  der  Culturhete 
anderseits  mussten  folglich  geeignet  sein,  über  den  fraglichen 
Punkt  eine  sichere  Entscheidung  zu  geben,  wie  ebenso  die 
äusseren  Umstände  klar  zu  legen,  an  welche  der  Eintritt  der 
Fructification  gebunden  ist.  Die  wilde  natürliche  Hefe  ist  es, 


) Rees,  Zur  Naturgeschichte  der  Bierhefe,  botan.  Zeitung  No,  7,  1869. 


Sitzung  vom  16.  März. 


45 


welche  zur  Gährung  des  Weines  benutzt  wird.  Sie  haftet  äusser- 
üch  an  den  Häuten,  an  der  Oberfläche  der  Trauben  und  gelangt, 
wenn  diese  zerdrückt  werden,  in  dem  Safte  zur  Entwickelung, 
um  darauf  den  Saft  durch  Gährung  in  Wein  zu  verwandeln. 
Es  ist  leicht,  durch  Abkühlung  einer  Partie  gährenden  Mostes 
bald  nach  eingetretener  Gährung,  wenn  sich  die  Unreinigkeiten 
des  Saftes  gesetzt  haben,  und  nur  mehr  Hefe  in  der  Schwebe 
ist,  diese  als  Niederschlag  rein  zu  gewinnen,  so  wie  sie  den 
beabsichtigten  Versuchen  entspricht.  Diese  tiefe,  von  beliebigen 
Trauben  verschiedener  Gegenden  stammend,  wurde  in  dünnster 
Schicht  auf  dem  Objectträger  ausgebreitet  und  unter  einer  Glocke 
in  feuchter  Luft  gehalten.  Vortr.  fand  nun  ganz  ausnahmslos, 
dass  bereits  nach  24  Stunden  die  Fructification  der  Hefe  ein- 
getreten war,  die  Hefe  mochte  herstammen,  woher  sie  wollte; 
ebenso  behielt  die  Hefe  in  mehreren  Generationen  in  Zuckerauf- 
lösung cultivirt  diese  Eigenschaft  bei.  Zu  gleicher  Zeit  blieben 
die  Versuche  mit  den  Culturhefen,  mit  Ober-,  Unter-  und  Press- 
hefe, durchaus  erfolglos;  sie  fructificirten  unter  denselben  Um- 
ständen nicht,  so  wenig,  wie  sie  es  in  früheren  Fällen  gethan 
hatten.  Die  Versuche  legen  in  eclatantester  Weise  den  Unter- 
schied zwischen  der  wilden  natürlichen  Hefe  und  den  Hefen  der 
Cultur  in  Beziehung  auf  die  Fructification  dar,  und  da  der  einzige 
Unterschied  zwischen  beiden  Hefen  ausschliesslich  in  den  Ein- 
flüssen der  Cultur  gegeben  ist,  so  folgt  hieraus,  dass  die  Natur- 
racen  im  Laufe  der  Cultur  die  Fähigkeit  der  Fructification  mehr 
und  mehr  verloren  haben,  die  der  Stammform  eigen  ist.  Der 
Grund,  weshalb  sie  diese  einst  besessene  Fähigkeit  verloren  habe, 
kann  kaum  ein  anderer  sein,  als  der,  dass  sie  in  der  Cultur 
gezwungen  ist,  sich  ausschliesslich  vegetativ  zu  vermehren.1) 
Die  Bedingungen  zur  Fructification  sind  nämlich  ausschliesslich 
in  dem  Mangel  an  Nährlösung  zur  weiteren  Aussprossung  und 
in  dem  ausgiebigsten  Luftzutritt  gegeben,  und  wo  diese  Bedin- 
gungen erfüllt  sind,  tritt  die  Fructification  in  24  Stunden  ein. 
Es  ist  klar,  dass  diese  Bedingungen  bei  den  Culturhefen  niemals 

l)  Das  abweichende  Verhalten  der  verschiedenen  Culturhefen  in  Beziehung 
auf  die  Fructification  hat  jüngst  auch  Schumacher  hervorgehoben,  er  hat 
seine  Versuche  aber  nicht  bis  auf  die  wilde  natürliche  Hefe  ausgedehnt. 
Sitzungsberichte  der  K.  Akademie  der  Wissenschaft  jn  Wien.  Juniheft  1874. 


46  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

erfüllt  werden.  Ebenso  klar  ist  es  aber  auch,  dass  sie  nur  höchst 
mangelhaft  erfüllt  sind,  wenn  man  Scheiben  von  zuckerhaltigen 
Mohrrüben  und  Hefe  in  dicker  Schicht  anwendet,  wie  es  von 
Rees  geschehen  ist;  der  ganz  gewöhnliche  Objectträger  leistet 
hier  ungleich  bessere  Dienste  als  Mohrrüben,  die  als  Substrat 
zur  Erzeugung  der  Fructification  diese  nicht  anders  als  schädlich 
beeinflussen.  — Die  Fructification  der  Hefe  ist  eine- ungeschlecht- 
liche, die  in  der  Hefenmutterzelle  gebildeten  Fortpflanzungszellen 
sind 5 Gonidien , diese  selbst  ein  Sporangium.  Als  Ascus  kann 
das  Sporangium  unmöglich  aufgefasst  werden,  weil  die  Asci  wie 
die  Ascosporen  die  abschliessende  Fruchtform  der  geschlechtlich 
erzeugten  Pflanze  der  Ascomyceten  sind,  welche  den  Generations- 
wechsel im  Pflanzenreiche  vermitteln,  d.  h.  niemals  den  mütter- 
lichen Organismus  wiedererzeugen,  in  dem  sie  entstanden  sind, 
sondern  stets  zur  ersten,  der  Geschlechtsgeneration  zurückgehen. 
Der  Hefe  fehlt  jede  Sexualität,  also  auch  die  zweite  geschlecht- 
lich erzeugte  Generation;  ihre  Fructification  kann  folglich  kein 
Ascus  sein,  sie  ist  eine  einfache  ungeschlechtliche  Vermehrung; 
die  durch  sie  gebildeten  Zellen  sind  aus  eben  dem  Grunde  keine 
Sporen,  sondern  Brutzellen,  Gonidien.  Wie  darum  Rees  die 
Hefe  als  einen  Ascomyceten  auffassen  und  zu  den  Ascomyceten 
stellen  kann,  bleibt  schlechterdings  unverständlich;  sie  findet 
systematisch  ihre  natürliche  Stellung  vor  den  Zygomyceten, 
(wohin  ich  sie  bereits  früher  gestellt  habe).1)  — Die  Gomdien- 
bildung  im  Innern  der  Hefezelle  erfolgt  durch  simultane  Thei- 
lung  des  Protoplasmas,  die  Gonidien  füllen  die  Mutterzelle  völlig 
aus.  Nur  dann,  wenn  die  Hefezellen  bereits  länger  zur  Er- 
regung der  Gährung  gedient  haben,  und  hierdurch  in  ihrem 
Inhalte  geschwächt  sind,  wird  die  Bildung  der  Gonidien  eine 
mangelhafte  und  sie  tritt  schliesslich  gar  nicht  mehr  ein.  Bei 
einer  mangelhaften  Bildung  füllen  die  Gonidien  den  Raum  der 
Mutterzelle  nicht  mehr  völlig  aus,  es  bleibt  auch  häufig  ein  Theil 
des  Protoplasmas  zur  Gonidienbildung  nicht  mehr  verwendbar 
zurück,  mitunter  in  deutlichen  Kuchen;  ebenso  sind  dann  auch 
die  Gonidien  in  den  meisten  Fällen  von  ungleicher  Grösse. 
Fälle  dieser  Art,  die  Rees  offenbar  beobachtet  hat,  machen  den 

i)  Flora,  1873.  Ueber  Mucor  racemosus  und  Hefe  nebst  Bemerkungen 
über  Systematik  der  Pilze. 


Sitzung  vom  16.  März. 


47 


Eindruck  einer  Zellbildung,  bei  der  das  Protoplasma  der  Mutter- 
zelle nur  theilweise  verwendet  wird , die  hiernach  der  Sporen- 
bildung im  Ascus  bei  manchen  Ascomyceten  ähnlich  wird,  ein 
Umstand,  der  unbegreiflich  genug,  für  Rees1)  allein  massgebend 
war,  die  Hefe  zu  den  Ascomyceten  zu  stellen.  — Die  verschie- 
denen jetzt  in  der  Cultur  befindlichen  Hefen  sind  als  verschiedene 
Culturracen  aufzufassen,  welche  von  der  wilden  natürlichen  Hefe 
abstammen.  Die  Hefe  ist  unzweifelhaft  schon  seit  sehr  langer 
Zeit  Culturpflarize  und  es  bedarf  nur  geringer  Erwägung,  um 
sich  darüber  klar  zu  werden,  wie  und  wodurch  sie  zur  Cultur- 
pflanze  geworden  ist.  Die  Weingährung,  die  mit  der  in  der 
Natur  vorkommenden  Stammpflanze  ausgeführt  wird,  beweist, 
dass  diese  die  gleiche  Gährung  erregende  Kraft  bereits  besitzt, 
wie  die  Culturhefe.  Die  Fähigkeit  der  Hefe,  Gährung  zu  erregen, 
gegobrene  Getränke  herzustellen,  ist  eben  das  Motiv,  wodurch 
die  Hefe  zur  Culturpflanze  wurde.  Nichts  kann  näher  liegen? 
als  die  Beobachtung  beim  vergohrenen  Weine,  dass  die  Gährung 
erregende  Substanz  der  Absatz,  die  Hefe  ist,  die  nach  der  Gäh- 
rung zu  Boden  sinkt,  denn  sie  vermag  wiederum  zuckerhaltige 
Säfte  in  Gährung  zu  versetzen.  Indem  man  diese  nach  Bedürf- 
niss  künstlich  herstellte,  wandte  man  zur  Vergährung  den  Boden- 
satz an,  der  sich  beim  Wein  absetzte,  und  indem  man  ihn  mit 
Vortheil  immer  wieder  verwendete  und  stets  in  rationeller  Weise 
verwendete,  wurde  die  tiefe  Culturpflanze,  weit  vor  der  Zeit, 
ehe  man  auch  nur  eine  Ahnung  davon  hatte,  dass  sie  eine 
Pflanze  sei.  Mit  fortschreitender  Cultur,  mit  fortschreitendem 
Bedürfnisse  nach  verschiedenen  geistigen  Getränken  wurde  die 
Verwendung  des  Satzes  eine  verschiedene,  und  je  nach  den  ver- 
schiedenen Lebensverhältnissen  haben  sich  die  verschiedenen 
Racen  der  Hefe  ausgebildet,  die  wir  jetzt  in  unseren  Culturen 
besitzen.  So  leicht  und  naheliegend,  wie  es  einst  in  weit  zurück- 
liegender Vergangenheit  war,  die  Hefe  zur  Culturpflanze  zu  machen, 
ganz  ebenso  leicht  ist.es,  sie  jetzt  noch  jeden  Augenblick  von 
Neuem  in  Cultur  zu  nehmen,  weil  sie  mit  der  Eigenschaft  aus- 
gerüstet, die  ihre  Cultur  bedingt,  nämlich  die  alkoholische  Gäh- 
rung zu  erregen,  in  der  Natur  allverbreitet  vorkommt.  Der 
gährende  Wein  liefert  hierfür  das  vorzüglichste  Material  und  es 


')  Be  es,  Alkoholgährungspilze.  Leipzig  18  70. 


48  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

mag  vorläufig  dahin  gestellt  bleiben,  ob  es  nicht  für  viele  Fälle 
der  Gährungstechnik  vortheilhaft  sein  kann,  die  Culturhefe  zu 
verlassen  und  zur  wilden  Stammpflanze  von  Neuem  zurück  zu 
gehen. 

Die  Hefe  kommt  in  der  Natur  allverbreitet  vor,  sie  findet 
sich  in  der  Luft  im  Staube,  namentlich  auch  auf  den  Blättern 
and  Früchten  der  Pflanzen  äusserlich  haftend,  wohin  sie  durch 
die  Luft  gelangt  ist.  Ueber  der  Ermittelung  des  Vorkommens 
der  Hefe  in  der  Natur  hat  man  aber  den  eigentlichen  Stand- 
ort, wo  sie  lebt  und  wächst,  von  dem  aus  eine  so  allgemeine 
Verbreitung  möglich  ist,  wie  es  scheint,  ganz  vergessen.  Von 
der  Luft  allein  kann  die  Hefe  nicht  leben,  ebensowenig  bieten 
ihr  die  Oberflächen  der  Blätter  und  Früchte  die  nothwendigen 
Hülfsquellen  zur  Entwickelung;  eindringen  in  diese  Substrate 
kann  sie  gleichfalls  nicht,  zahlreiche  Versuche  nach  dieser  Rich- 
tung überzeugten  mich  hiervon,  und  der  zufällig  durch  Platzen 
der  Zellen  aus  süssen  Früchten  austretende  Saft  gestattet  nur 
eine  höchst  dürftige  Vegetation.  Der  Standort,  der  eigentliche 
Bildungs-  resp.  Entwickelungsheerd  der  Hefe  muss  noth- 
wendig  ein  anderer  sein,  und  nach  meinen  vorläufigen  \ ersuchen 
habe  ich  Grund  anzunehmen,  dass  sich  die  Sache  folgender  Art 
verhalten  dürfte.  Es  ist  das  natürliche  Schicksal  vieler  Blätter 
und  Früchte,  dass  sie  von  Thieren  und  Menschen  verzehrt  wer- 
den. Hierdurch  wird  die  Hefe,  die  an  der  Oberfläche  haftet, 
in  den  thierischen  Leib  eingeführt.  In  diesem  erleidet  sie  nicht 
bloss  keine  schädliche,  vielmehr  eine  günstige  Beeinflussung  ihrer 
Entwickelung.  Sie  entwickelt  sich,  durch  die  Wärme  begünstigt, 
dort  weiter  und  findet  sich  dem  entsprechend  in  den  Fäces  der 
pflanzenfressenden  Thiere  in  Menge  vor.  In  diesen  schreitet  die 
Entwickelung  fort,  soweit  es  möglich  ist,  und  von  diesen  geht, 
später  die  Verbreitung  aus,  die  durch  die  Luft  stattfindet.  Gerade 
im  thierischen  Leibe  walten  auch  die  besonderen  Verhältnisse  ob, 
unter  denen  der  Ursprung  der  besonderen  physiologischen  Eigen- 
schaften der  Hefe,  vornehmlich  die  Erregung  der  Gährung,  allein 
denkbar  ist. 

Die  Verbreitung  der  Hefe  von  ihrem  eigentlichen  Bil- 
dungsheerde  aus  geschieht  sowohl  in  Form  der  gewöhnlichen 
Sprosszellen  als  auch  der  Gonidien , je  nachdem  diese  schnell 


Sitzung  vom  16.  März. 


49 


oder  langsam  austrockneten,  also  Gelegenheit  hatten  zu  fructi- 
ficiren.  An  den  Früchten  etc.  vorkommend  hat  Vortr.  bis  jetzt 
zumeist  ausgetrocknete  gewöhnliche  Hefezellen  gefunden,  nur 
vereinzelt  Sporangien  mit  Gonidien,  die  übrigens  einzeln  als 
solche  nicht  zu  erkennen  sind;  letztere  dienen,  wie  Vortr.  glaubt, 
durch  ihre  längere  Keimfähigkeit  wesentlich  zur  Erhaltung 
der  Art.  Vortr.  hat  hierüber  mit  gewöhnlichen  Sprosszellen  und 
Gonidien  der  Hefe  eine  längere  Versuchsreihe  angestellt  in  der 
Art,  dass  er  diese  in  einem  Wassertropfen  vertheilt  auf  dem 
Objectträger  eintrocknen  liess,  und  dann  in  kurzen  Zeiträumen 
auf  ihre  Keimkraft  untersuchte.  Die  Sprosszelle  der  Culturhefe 
hatte  schon  nach  14  Tagen,  die  der  wilden  Hefe  nach  4 Wochen, 
die  Gonidien  hingegen  erst  nach  mehreren  Monaten  ihre  Keim- 
kraft verloren.  Es  ist  hiernach  selbstverständlich,  dass  auch  die 
über  Blätter  und  Früchte  verbreiteten  Hefezellen  mit  der  Zeit 
an  ihrer  Keimkraft  verlieren  und  schliesslich  absterben  werden; 
daraus  folgt  aber  weiter,  dass  sich  die  Früchte  in  Bezug  auf 
die  an  ihnen  vorkommenden  Hefezellen  durchaus  verschieden 
von  einander  verhalten  müssen.  Zerdrückt  man  die  einzelnen 
Früchte,  z.  B.  Trauben,  um  den  Saft  durch  die  Hefezellen  gähren 
zu  lassen,  welche  au  der  Oberfläche  Vorkommen,  so  wird  sich 
diese  Verschiedenheit  nun  bezüglich  der  Gährung  äussern.  Die 
Gährung  des  Saftes  wird  sehr  bald  eintreten,  wenn  keimkräftige 
Hefezellen  an  der  Oberfläche  vorhanden  sind , die  sogleich  aus- 
wachsen;  sie  wird  langsam  eintreten,  wenn  sie  in  ihrer  Keim- 
kraft durch  Austrocknen  geschwächt  sind;  sie  wird  endlich  gar 
nicht  eintreten,  wenn  sie  abgestorben  sind.  Zahlreiche  Versuche, 
die  Vortr.  2 Jahre  hindurch  mit  Trauben  von  den  verschiedensten 
Standorten  ausführte,  gaben  die  beweiskräftigen  Thatsachen  für 
diese  Angabe.  In  der  zerdrückten  Traube,  die  bald  an  der  Luft 
wohl  geschützt  stehen  gelassen,  bald  mit  den  Häuten  unter  Queck- 
silber steigen  gelassen  wurde,  trat  entweder  gar  keine  Gährung 
ein , und  in  diesem  Falle  waren  alle  Hefezellen  abgestorben, 
oder  sie  trat  in  der  Zeit  von  4 — 14  Tagen  ein,  je  nachdem  die 
zufällig  vorhandenen  Hefezellen  mehr  oder  minder  in  ihrer  Keim- 
kraft gelitten  hatten.  Im  letzten  sehr  trocknen  Jahre  waren  die 
Hefezellen  an  der  Oberfläche  der  Traube  meist  abgestorben;  die 
zahlreichen  Versuche  ergaben,  dass  erst  auf  die  je  vierte  Beere 
keimfähige  Hefezellen  kamen. 


50 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


In  dem  Mitgetheilten  finden  die  früheren  auf  diesen  Gegen- 
stand bezüglichen  Beobachtungen  und  Angaben  verschiedener 
Autoren  ihre  einfache  und  natürliche  Erklärung,  namentlich  auch 
eine  neuere  Untersuchung  von  Moritz  Traube.1)  Herr  Tiaube 
leitete  aus  Versuchen  mit  zerdrückten  Trauben,  in  denen  keine 
Hefe  zur  Entwickelung  kam,  den  Satz  her,  „dass  sich  ITefe- 
keime  in  dem  günstigsten  Modus  ohne  freien  Sauerstoff  nicht 
vermehren  könnten,“  nachdem  er  unmittelbar  vorher  auf  Grund 
anderer  Versuche  den  zweiten  Satz  ermittelt  hatte,  „dass  ent- 
wickelte Hefe  sich  ohne  freien  Sauerstoff  von  Eiweissstoffen 
vermehren  könnte.“  Da  es  jedem  Botaniker  bekannt  sein  dürfte, 
dass  Hefekeime2)  und  entwickelte  Hefe  ein  und  dasselbe  sind, 
nämlich  einfache  Hefezellen,  so  liegen  hier  als  ein  Resultat 
wissenschaftlicher  Forschung  zwei  Sätze  vor,  die  in  directem 
Widerspruch  zu  einander  stehen,  deren  einer  das  Gegentheil 
aussagt  von  dem,  was  im  anderen  ausgesprochen  ist.  Wir  sehen, 
dass  die  Hefe  in  dem  Traubensafte  nicht  zur  Entwickelung  kommt, 
wenn  die  Zellen  an  der  Oberfläche  der  Trauben  abgestorben  sind. 
Einen  Fall  dieser  Art  hat  Herr  Traube  bei  seinem  Versuche 
vor  sich  gehabt,  er  giebt  ausdrücklich  an,  dass  Herr  Cohn  keine 
lebenden  Hefezellen  finden  konnte;  sie  konnten  sich  also  nicht 
vermehren,  weil  sie  nicht  da  waren.  Bezüglich  des  zweiten 
Satzes  wird  es  von  vorn  herein  jedem  Physiologen  klar  sein, 
dass  sich  Hefezellen  so  wenig  von  Eiweissstoffen  ohne  freien 


i)  Moritz  Traube:  Ueber  das  Verhalten  der  Alkoholhefe  in  sauer- 

stoffgasfreien Medien,  vorgetragen  von  A.  W.  Hofmann  in  der  Sitzung  der 
Deutschen  Chera.  Gesellschaft  in  Berlin,  Berichte  der  Gesellschaft  No.  11, 


VII.  Jahrgang.  , _ _ _ . . n 

2)  Es  ist  allein  denkbar,  dass  Hefegonidien  als  Hefekeime  im  Gegen- 

satze  zu  gewöhnlichen  Hefezellen  zu  deuten  sind.  Vortr.  hat  daraufhin  mit 
Hefegonidien,  die  er  sich  in  der  früher  beschriebenen  Weise  m Menge  rem 
darstellte,  zahlreiche  und  mühsame  Versuche  gemacht,  um  festzustellen,  ob 
sie  sich  in  Beziehung  auf  das  Bedürfniss  an  freiem  Sauerstoff  zur  Vermeh- 
rung der  Zellen  anders  verhalten  könnten.  - Sie  zeigten  genau  dieselben 
Eigenschaften  wie  gewöhnliche  Hefezellen,  sie  wuchsen  in  der  nominalen 
Menge  freien  Sauerstoffs  aus,  wie  sie  einer  gewöhnlichen  aus  Marmor  und 
Salzsäure  entwickelten  Chlorsäure  mit  spurenbafter  Verunreinigung  beigemengt 
sind-  (man  vergleiche  hierzu  meine  ersten  Mittheilungen  über  Alkoholgalirung, 
Landw.  Jahrbücher  Jahrg.  III  Bd.  I);  es  besteht  also  zwischen  gewöhnlichen 
Hefezellen  und  Hefegonidien,  den  irgend  denkbaren  Hefekeimen,  nicht  der 
leiseste  Unterschied, 


Sitzung  vom  16.  März. 


51 


Sauerstoff  vermehren  können,  wie  ein  Wagen  zu  laufen  vermag, 
der  nicht  geschoben  wird.  Versuche,  aus  denen  ein  solcher  Satz 
hergeleitet  wird,  müssen  mit  Nothwendigkeit  höchst  mangelhafte, 
d.  h.  unrichtige  gewesen  sein.  Von  den  drei  Fällen,  welche  bei 
zwei  sich  widersprechenden  Behauptungen  allein  möglich  sind: 
dass  entweder  die  erste  oder  die  zweite  oder  endlich  alle  beide 
unrichtig  sind,  trifft  hier  bei  den  Forschungen  des  Herrn  Traube 
der  dritte  zu,  — seine  zwei  Sätze  sind  beide  unrichtig. 

Herr  Bouche  legte  einen  Stengel  der  Marunta  bicolor  Arrab. 
vor  und  theilte  unter  Hinweisung  auf  einen  früheren  Vortrag 
über  den  sogenannten  'Schlaf  der  Pflanzen  mit,  dass  er  auch  an 
verschiedenen  Marantaceen  ein  Schlafen  während  der  Nacht 
wahrgenommen  habe.  Diese  Erscheinung  sei  jedoch  nicht  bei 
allen  Pflanzen  dieser  Familie  vorhanden , sondern  nur  bei  ein- 
zelnen, z.  B.  der  M.  bicolor  Arrab.,  divaricata  Rose.,  gibba  Sm., 
Mackoyanu  und  roseo  -picta  Linden  und  wahrscheinlich  einigen 
anderen  Arten  zu  finden.  Das  Schlafen  mache  sich  dadurch 
bemerkbar,  dass  sich  gegen  Abend  die  Stellung  der  Blattfläche 
verändere,  und  finde  die  Bewegung  derselben  in  der  Anschwel- 
lung des  Blattstieles  statt,  jedoch  seien  die  Erscheinungen  des 
Schlafens  nicht  bei  allen  Arten  gleich.  Am  auffallendsten  zeige 
es  sich  an  M.  bicolor , deren  Blattfläche  sich  gegen  Abend  und 
während  der  Nacht  fast  senkrecht  herabneige;  ähnlich  habe  er 
es  auch  an  M.  gibba  und  divaricata  beobachtet.  Maranta  Macko- 
yana  und  roseo -picta  hingegen  richten  ihre  Blattflächen  gegen 
Abend  mehr  auf  und  neigen  sie  gegen  die  Achse  der  Pflanze 
zusammen.  Aehnliche  Symptome  zeigen  diese  Pflanzen  auch 
bei  Mangel  an  Wärme  und  an  Feuchtigkeit  des  Bodens. 

Ferner  sprach  derselbe  über  monströse  Wurzelbildungen  der 
Eiche  und  Kiefer  unter  Vorzeigung  derselben.  Das  Eichenwurzel- 
Gebilde  habe  er  von  seinem  Sohne  aus  dem  grossen  Garten  bei 
Dresden  erhalten;  es  besteht  aus  mehreren  über  einander  geleg- 
ten, durch  den  Druck  des  Baumes  aufeinander  gepressten,  voll- 
ständig verwachsenen  Wurzeln,  so  dass  ein  Gitterwerk  mit  rhom- 
boidalen Maschen  entstanden  war.  Derartige  Bildungen  kommen 
dort  häufiger  vor  und  geben  wahrscheinlich  die  eigenthümlichen 
Bodenverhältnisse  des  grossen  Gartens  die  Veranlassung  dazu. 


52  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

In  geringer  Tiefe  unter  der  Oberfläche,  die  aus  sehr  festem 
Lehm  bestehe,  sei  ein  sehr  mächtiges  Kieslager  vorhanden,  wo- 
hin die  Wurzeln  nicht  eindringen,  und  daher  in  horizontaler 
Lage  sich  auszubreiten  genöthigt  seien.  Dieser  Umstand  und 
der  Druck  von  oben  sei  wahrscheinlich  die  Veranlassung  zu 
dieser  Erscheinung.  - Das  Kiefernwurzelgebilde  sei  auf  einem 
Fahrwege  im  Grunewalde  gefunden;  die  Länge  desselben  betragt 
1 m.  und  die  Breite  0,5  m.  Es  zeigt  ebenfalls  eine  Menge  von 
Verwachsungen  einzelner  Wurzeln,  die  durch  das  Ueberfa  ren 
mit  Lastwagen  gequetscht,  sich  vereinigt  haben  und  ganz  flach 
bedrückt  sind.  Ein  von  demselben  vorgelegtes  Stammstuck  von 
Juniperus  bermudiana  von  20  cm.  Durchmesser,  welches  ebenfalls 
aus  dem  grossen  Garten  bei  Dresden  stamme,  zeigt  eine  eigen- 
thümliche  knorrige  Maserbildung,  die  dadurch  entstanden  ist 
dass  sich  an  einzelnen  Stellen  des  Stammes  viele  Jahre  hindurch 
eine  Unzahl  von  Adventivknospen  bildeten,  die  aber  nicht  zur 
Entwickelung  gekommen  sind,  sondern  nur  einige  Nadeln  trie- 
ben und  dann  wieder  abstarben.  Ein  Beweis,  wie  unendlich 
produktiv  die  Vegetation  ist,  und  dass  sich  an  allen  Stellen  der 
Rinde,  nicht  allein  da,  wo  ursprünglich  Knospenanlagen  vor- 
handen waren,  neue  Zweige  bilden  können. 

Endlich  legte  derselbe  einige  zur,  Gattung  Julus  gehörige 
und  damit  verwandte  Thiere  vor,  die  seit  einiger  Zeit  in  den 
Gefässen  für  tropische  Orchideen  und  dem  darunter  befindlichen 
Erdreiche  in  grosser  Zahl  in  dem  Orchideenhause  des  botanischen 
Gartens  auftreten,  und  in  Verdacht  stehen,  die  Wurzeln  der 
Pflanzen  abzunagen,  was  jedoch  durch  fortgesetzte  Beobachtun- 
gen zu  bestätigen  sei.  Sie  wurden  zur  weiteren  Bestimmung 
Herrn  Prof.  Dr.  Gerstaecker  übergeben. 

Herr  Gerstaecker  erkannte  in  den  von  Herrn  Bouche 
lebend  vorgewiesenen  Myriopoden  die  Repräsentanten  dreier  Clulo- 
gnathen- Gattungen:  Julus , Blanniulus  und  Polydesmus  und  glaubte 
dieselben  gegen  die  Annahme  des  Herrn  Bouche  mit  Bestimm t - 

heit  als  einheimische  Arten  in  Anspruch  nehmen  zu  dürfen. 
(Ein  später  vorgenommener  näherer  Vergleich  hat  die  Rieh  ig- 
keit  dieser  Vermuthung  bestätigt;  die  Arten  haben  sich  a s et 
besonders  in  Gartenerde  häufig  vorkommende  Blanniulus  gutta- 


Sitzung  vom  16.  März. 


53 


latus  Fab.,  als  ein  wegen  Jugendlichkeit  der  Exemplare  nicht 
sicher  zu  bestimmender  Julus  spec.  und  als  Polydesmus  aculangu- 
lus  Menge  erwiesen.  G.) 

Herr  Ehrenberg  erinnerte  daran,  dass  Leeuwenhoek 
seine  folgenreiche  Entdeckung  der  Belebung  des  Wassers  durch 
mikroskopische  Aufgussthierchen  (vergl.  Ehrenberg,  die  In- 
fusionsthierchen  als  vollendete  Organismen,  1838,  pag.  528)  im 
April  1675  gemacht  und  1677  der  Londoner  Society  of  Sciences 
mitgetheilt  habe,  und  dass  diese  von  ihm  selbst  später  noch  viel- 
fach erweiterte  Entdeckung  in  diesem  Jahre  ihre  200jährige 
Weihe  erhalte,  so  dass  die  Aprilsitzung  dieser  Gesellschaft  ge- 
eignet sei,  dies  speciell  auszusprechen. 

Herr  Gerstaecker  überreichte  zum  Schluss  eine  von  ihm 
auf  Wunsch  des  Herrn  Ministers  für  die  landwirthschaftlichen 
Angelegenheiten  verfasste  Brochüre  über  den  neuerdings  auch 
in  den  politischen  Zeitungen  viel  besprochenen  „Kartoffel-  oder 
Colorado-Käfer“  ( Chrysomela  decemlineata  Say),  welche  in  ihrer 
allgemein  verständlichen  Abfassung  darauf  berechnet  ist,  die 
Aufmerksamkeit  des  Laien  diesem  für  die  Vereinigten  Staaten 
Nord- Amerikas  bereits  verhängnissvoll  gewordenen  Insekt  fin- 
den immerhin  möglichen  Fall  zuzuwenden,  dass  dasselbe  durch 
den  Schiffstransport  Europa  übermittelt  werden  sollte.  Mit  Be- 
zugnahme auf  eine  dem  Text  beigefügte  Karte  Nord  - Amerikas, 
welche  die  augenblickliche , sich  auf  etwa  50,000  Quadratmeilen 
erstreckende  Verbreitung  dieses  Kartoffelverwüsters  versinnlicht, 
machte  der  Vortragende  einerseits  auf  den  Umstand,  dass  die 
ursprünglich  auf  einer  wildwachsenden  Pflanze  ( Solanum  rostra- 
tum)  fressende  Larve  erst  mit  dem  Vorschieben  der  Cultur  nach 
Westen  im  Colorado -Territory  und  im  Staat  Nebraska  auf  die 
angebaute  Kartoffel  übergegangen  sei,  andererseits  auf  ihr  rapides 
Vordringen  in  östlicher  Richtung  bis  zu  den  atlantischen  Küsten 
aufmerksam.  Eine  Ueberführung  des  Feindes  nach  Europa  mit 
eingeernteten  und  in  Säcken  verpackten  Kartoffeln,  auf  welche 
wiederholt  in  öffentlichen  Blättern  hingewiesen  worden,  sei  nach 
der  Lebensweise  desselben  allerdings  nich  t zu  befürchten;  wohl 
aber  liege,  da  er  in  grossen  Schwärmen  nach  Osten  ziehe  und 


54  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

solche  erfahrungsgemäss  oft  selbst  auf  weite  Strecken  in  das 
Meer  kinaustliegen,  die  Gefahr  vor,  dass  die  bis  in  die  Hafen 
von  Baltimore,  New -York  u.  s.  w.  vordringenden  und  sieb  auf 
die  Schiffe  niederlassenden  Käfer  den  deutschen  Seeplatzen  aut 
diesem  Wege  übermittelt  würden.  Da  angestellte  Versuche  er- 
geben haben,  dass  der  Käfer  selbst  ohne  alle  Nahrung  Wochen 
lang  am  Leben  bleibt,  werde  er  auch  eine  zwei-  bis  dreiwöchent- 
liche Seereise  unbedenklich  Überstehen.  Auf  den  zwischen  den 
deutschen  Häfen  und  Nord-Amerika  cursirenden  Schiffen,  so  wie  j 
auf  den  Rhedereien  und  Hafen-Lokalitäten  der  deutschen  Küsten 
sollen  daher  zu  seiner  Abwehr  Plakate,  welche  eine  Abbildung 
des  Käfers  und  seiner  Larve  auf  dem  von  ihnen  besessenen 
Kartoffelkraut  an  ihrer  Spitze  tragen,  ausgehängt  werden. 


Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  entgegengenommen-. 
Monatsbericht  der  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften.  Sep- 
tember und  November  1874. 

Schriften  des  botanischen  Gartens  zu  St.  Petersburg.  1874 
Verhandlungen  des  naturforschenden  Vereins  zu  Brunn,  bd.  Ml, 

Heft  1.  2.  1873.  . , , 

Verhandlungen  des  naturhistor.  Vereins  der  Preuss  Rheinlan 
und  Westphalens.  Jahrg.  31.  (4.  Folge,  1.  Jahrg.)  1874. 
Nature.  Vol.  X.  No.  277.  London  1875. 

Deutsche  Entomologische  Zeitschrift.  Jahrg.  19,  Heft  1. 

Der  Kartoffelkäfer  (Chrysomela  decemlineata).  Im  Aufträge  des 
Königl.  Preuss.  Ministeriums  für  die  landwirtschaftlichen  n- 
gelegenh eiten  herausgegeben.  Mit  Abbildung  in  Farbendruck 
und  einer  Karte.  Berlin,  1875.  8. 


W.  Schade’s  Buchdriiekerei  (L.  Schade) 


in  Berlin,  Stallsclireiberstr. 4< . 


Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 

vom  20.  April  1875. 


Director:  Herr  von  S tramp  ff. 


Herr  Ehrenberg  gab,  in  Uebereinstimmung  mit  der  in  der 
letzten  Monats-Sitzung  gegebenen  Anregung,  eine  weitere  Nach- 
richt über  die  in  Holland  beabsichtigte  Feier  zum  Andenken  an 
Leeu  w enhoek’s  einüussreiche  Entdeckung  der  dem  natürlichen 
Auge  verborgenen  kleinsten  Lebensformen  im  Wasser,  welchen 
die  Entdeckung  der  Spermotozoen  folgte.  Auf  dem  Tische  lagen 
Leeuwenhoek’s  holländische  Original-Werke  in  4 Quartbänden 
als  das  ehrende  Denkmal,  welches  er  sich  selbst  gestiftet  hat. 
Während  das  erste  Jahrhundert  ohne  wichtige  Fortbildung  von 
Leeuwenhoek’s  Errungenschaften  und  ohne  befriedigende  all- 
gemeinere Anerkennung  geblieben,  aber  doch  bereits  Leibnitz 
in  seiner  1683  concipirten,  aber  erst  nach  seinem  1716  erfolgten 
Tode  publicirten  ^Prologaea“ , den  gründlichen,  von  phantasti- 
schen Phrasen  sich  freihaltenden  Beobachter  auszeichnet,  haben 
sich  seitdem  diese  Entdeckungen  in  grossem  Umfange  verwerthet. 
Es  wurde  an  das  Zwiegespräch  zwischen  Leibnitz  und  Leeuwen- 
hoek  nach  dem  Tode  Beider  erinnert,  welches  vom  Vortragenden 
1846  in  seiner  Erinnerungsrede  an  Leibnitz  hervorgehoben 
worden  ist.  Darauf  wurde  die  neueste  Biographie  Leeuwen- 
hoek’s von  Herrn  Haakmann  in  Rotterdam  in  holländischer 
Sprache  vorgelegt,  worin  besonders  auch  über  sein  Verhältniss 
als  Kastellan  des  Schöppengerichts  zu  Delft  Erläuterungen  ge- 

5 


56  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

geben  worden  sind.  Offenbar  war  seine  Kastellanstelle  beim 
Magistrate  nur  eine  Sinekure,  wie  auch  die  seiner  Aufsicht  über 
einen  Theil  der  Kanäle  nur  eine  Sinekure  war,  die  ihm  einen 
sehr  kleinen  Theil  seiner  Privatausgaben  für  die  eigene  so  wich- 
se Anfertigung  seiner  optischen  Instrumente  ersetzte.  Dass 
Leeuwenhoek  sich  lieber  unabhängig  als  durch  Gehalt  gefesse  t 
liebte,  hat  er  selbst;  an  Leibnitz  geschrieben,  auch  dass  er 
ehrenvolle  Anträge  abgelebnt  habe  und  dass  er  sich  des  Besuches 
hochstehender  Männer  und,  Fügten,  öfter  erfreute.  Dass .et 'in 
Hall  er ’s  Physiologie  als  Brillenmacher  (conspicillorumfabncato,) 
erwähnt  wird,  ist,  da  er  nur  für  sich  selbst,  nicht  für  An  er 
Glaslinsen  verfertigte,  unrichtig.  Seine  Unkenntnis  der  latem 
sehen  Sprache  hat  seiner  autodidaktischen  Entwickelung  keinen 
Schaden  gethan. 

Schon  vor  seinen  wichtigen  Entdeckungen  war  Leeuwen- 
hoek durch  seine  feinen  anatomischen  Pflanzenuntersuchungen 
mit  dem  ruhmvollen  Botaniker  Nehemias  Grew  and  mit  der 
Londoner  Societät  der  Wissenschaften  in  wissenschaftlicher  ehren- 
voller  Verbindung-.  Die  Abschrift  eines  Briefes  in  holländischer 
Sprache  vom  3.  Mär*  1716  an  Leibnitz,  welchen  der  Vor- 
tragende durch  Herrn.  Grotefend’s  Güte  erhalten  und  1846 
zu  seiner  Erinnerungsrede  auf  Leibnitz  benutzte,  wurde  samm 
diesem  Vorlage  selbst  vorgelegt.  Da  die  vor  37  Jahren  (siebe 
die  Infusionsthiereben  als  vollendete  Organismen  Ehrenberg 
1838  p.  520)  von  mir  publicirte  Entdeckung  der  Ammalcula  im 
Frühlinge  des  Jahres  1675,  wie  sie  aus  Leeuwenhoek  s ver- 
öffentlichten Schriften  hervorgegangen  war,  mit  der  im  Herbste 
desselben  Jahres  angeblich  erfolgten  Entdeckung  nicht  im  Ein- 
klänge steht,  so.  ist  zu  hoffen,  dass  die  Festerläuterungen,  diesen 
an  sich  geringfügigen  Gegenstand  durch  die  neueren  Unter- 
suchungen der  Originalschriften  ausgleichen  werden  Die  ersten 
von.  Leeuwenhoek  entdeckten  mikroskopischen  Thierchen  habe 
ich  schon  1838  1.  c,  in  der  Vorrede  p.  VII  als  wabrscheinlic 
Vonticella  convallaria,  Stylonichia Mytilus,  Leucophrys  fpynfornns) 
und.  Trichodina  grandinella  bezeichnet. 

Hierauf  übergab  der  Vortragende  einen  Abdruck  seines  Au  - 
aatzes  über  die  Sicherung  der  Objectivität  der  selbstständigen 
mikroskopischen  Lebensformen  und  ihre,r,  Organisation  durch  eine 


Sitzung  vom  20.  April. 


57 


zweckmässige  Aufbewahrung  und  legte  20  fertige  Tafeln  vor, 
welche  den  mikroskopischen  Lebensgehalt  des  Polycystinen-Mergels 
als  Gebirgsmasse  von  Barbados  darzustellen  bestimmt  sind^  deren 
Zeichnungen  bereits  1847  gefertigt  wurden. 

Herr  Magnus  sprach  über  die  Familie  der  Melampsoreen. 
Man  kennt  von  diesen  Uredineen  bisher  nur  die  Fruchtformen 
der  Stylosporen  und  Teleutosporen.  Die  Stylosporenlager  sind 
dadurch  ausgezeichnet,  dass  sie  entweder  nur  Paraphysen  führen, 
wie  Melampsora  salicina,  oder  zusammen  mit  den  Paraphysen  von 
einer  Peridie  umschlossen  sind,  wie  bei  Mel.  populina , M.  Lini 
M.  Euphorbiae  u.  a. ; oder  die  Stylosporenlager  sind  klein,  punkt- 
förmig, haben  keine  Paraphysen  zwischen  den  Sterigmen  und 
sind  nur  von  einer  Peridie  umschlossen,  so  bei  M.  guttata  Schroet., 
M.  Epilobii , Melampsorella  Caryophyllacearum , der  Gattung  Cro- 
nartium  u.  a. ; bei  der  Gattung  Calyptospora  endlich  findet  keine 
Bildung  von  Stylosporen  statt. 

Die  Verschiedenheiten  der  Gattungen  liegen  in  der  Bil- 
dung der  Teleutosporenlager.  Bei  allen  Melampsoreen  sind 
die  Teleutosporen  mit  einander  zu  flachen , krustenförmigen 
Lagern  oder  zu  einem  Säulchen  verwachsen.  Bei  der  Gattung 
Melampsora  s.  str.  werden  die  Teleutosporenlager  intercellular 
zwischen  der  Epidermis  und  der  darunter  liegenden  Parenchym- 
schicht, oder  zwischen  letzterer  und  der  darunter  befindlichen 
Parenehym8chicbt,  seltener  noch  tiefer,  angelegt  und  sind 
aus  einzelligen,  meist  lang  cylindrischen , mit  einander  zu 
flachen  Lagern  verwachsenen  Teleutosporen  gebildet.  Hierzu 
gehören  voh  den  vom  Vörtr.  untersuchten  Arten  M.  salicina , 
M.  populinä,  M.  Lini  und  M.  Euphorbiae.  In  dieselbe  Gattung 
wurden  bisher  von  den  Mycologen  auch  M.  Epilobii  (Chaill.)  und 
M.  areolata  Fr.  gestellt.  Aber  die  Eigenthümlichkeiten  der 
Teleutosporen  dieser  Arten  gebieten,  sie  aus  der  Gattung  Melam- 
psora zu  entfernen.  Bei  M.  Epilobii  (Chaill.),  die  Vortr.  1873 
bei  Wiesbaden  reichlich  auf  deh  Stengeln  von  Epilobium  roseum 
antraf,  werden  die  Teleutosporenlager  ebenfalls  intercellülar 
zwischen  der  Epidermis  und  der  darunter  befindlichen  Parenchym- 
schicht  oder  etwas  tiefer  angelegt;  doch  wird  jede  Teleutospore 
durch  Längswände  in  zwei  oder  mehr  Fächer  getheilt.  Atif 

5* 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


58 

Grund  dieser  zwei-  bis  mehrfächerigen  Teleutosporen  betrachtet 
Vortr  diese  Art  als  Repräsentantin  einer  neuen  Gattung,  die  er 
Phragmopsora  nennt,  mit  der  Art  Phr.  Epilobii  (Chaill.). 

Die  Melampsora  areolata  Fr.  fand  Vortr.  1874  sehr  viel  auf 
den  Blättern  von  Prunus  Padus  bei  Berchtesgaden  und  Linz 
Bei  dieser  Art  durchbohren  die  Hyphenenden , aus  denen  sich 
die  Teleutosporen  entwickeln,  die  untere  Wand  der  Epidermis- 
zellen  wachsen  in  dieselben  hinein  und  bilden  sich  dort  zu  den 
Teleutosporen  um;  diese  werden  ebenfalls,  wie  hei  Phragmopsora 
durch  Längswände  in  mehrere  Fächer,  meistens  4—7,  getheilt. 
Vortr.  betrachtet  daher  diese  Art  ebenfalls  als  Repräsentantin 
einer  neuen  Gattung,  die  er  Thekopsora  nennt.  Thekopsora  unter- 
scheidet sich  also  von  Phragmopsora  durch  die  intracellulare  i - 
düng  der  Teleutosporen.  In  dieser  läuteren  Hinsicht  .«mm.  «e  voll- 
kommen überein  mit  der  von  J.  Kühn  in  der  Hedwig..  1869,  p.  81 
aufgestellten  Gattung  Calyptospora.  J.  Kuhn  und  Schroeter 
batten  ihr  bereits  ihre  richtige  systematische  Stellung  angewiesen, 
während  Vortr.  früher  hauptsächlich  wegen  der  bei  den  Dredtneen 
SO  seltenen  Längstheilung  der  Sporen  in  Fächer  ihre  Verwandt- 
schaft gänzlich  verkannte  (vgl.  Bot.  Zeitung  1871,  Sp.  0 ). 
Calyptospora  stimmt,  wie  gesagt,  in  der  Teleutosporenbildung 
vollkommen  mit  Thekopsora  überein,  unterscheidet  sich  aber  von 
letzterer  durch  das  Fehlen  der  Stylosporen-Fructiftcation.  Ausser- 
dem weicht  sie  noch  biologisch  beträchtlich  von  den  anderen 
Gattungen  ab;  während  Calyptospora  nur  auf  den  angeschwolle- 
nen Pardeen  des  Stengels  auftritt  und  nie  auf  den  Blattern  vor- 
kommt, zeigen  sich  Thekopsora , Phragmopsora  und  Melampsora 
stets  nur  fleckenweise,  und  kommt  Thekopsora  nach  den  Erlah- 
rungen des  Vortr,  nie  auf  den  Stengeln  vor,  während  Phragmopsora 
und  wenigstens  mehrere  Arten  von  Melampsora  fleckenweise  auf 

Blättern  und  Stengeln  auftreten. 

In  der  Hedwigia  1874,  p.  81  hat  Schroeter  die  von  ihm 
entdeckte  Gattung  Melampsorella  beschrieben.  Bei  dieser  ent- 
wickeln sich  die  Teleutosporen  ebenfalls  innerhalb  der  Epidermis- 
zellen  und  bleiben  ungeteilt,  wie  bei  Melampsora.  Durch  ihre 

farblose  Wandung  weichen  sie  von  denen  der  anderen  Gattungen 

ab  Ausserdem  ist  Melampsorella  noch  sehr  ausgezeichnet  durch 
ihr  biologisches  Verhalten.  Die  Teleutosporen  werden  erst  im 


! 


Sitzung  vom  20 . April. 


59 


kommenden  Frühjahre  vom  Mycelium  der  Stylosporenlager  ge- 
bildet und  treten  auf  den  ganzen  Blättern  einer  kurzen  Stengel- 
region auf.  Endlich  ist  hier  noch  anzuführen  die  Gattung  Cro- 
nartium , bei  der  die  Teleutosporen  zu  einem  sich  mitten  aus  dem 
Stylosporenlager  erhebenden  Säulchen  verwachsen  sind. 

Wegen  Mangels  an  Material  konnte  Yortr.  leider  manche 
Arten  der  alten  Gattung  Melampsora  nicht  untersuchen  und  da- 
her kein  Urtheil  über  ihre  systematische  Stellung  gewinnen,  was 
er  namentlich  von  Melampsora  guttata  Schroet.  und  M.  Hypericorum 
bedauert.  Aus  demselben  Grunde  kann  er  nicht  angeben,  ob 
die  am  Eingänge  auseinandergesetzten  Verschiedenheiten  der 
Stylosporenlager  mit  den  nach  den  Verschiedenheiten  der  Teleuto- 
9porenlager  gewonnenen  Gattungen  zusammenfallen.  Nur  möchte 
er  schon  hier  hervorheben,  dass  bei  allen  von  ihm  untersuchten 
Arten  der  Gattung  Melampsora  in  seiner  Begrenzung  die  Stylo- 
sporenlager stets  Paraphysen  führen,  so  bei  Melampsora  salicina, 
M.  populina,  M.  Euphorbiae  und  M.  Lini ; diese  Stylosporenhaufen 
sind  entweder  von  Peridien  umgeben  oder  nicht;  sie  sind  meist 
flockenförmig  und  rollen  sich  die  Ränder  der  weit  geöffneten 
Peridien  am  Rande  zurück;  eine  Ausnahme  davon  macht  nur 
Mel.  betulina  Desm.,  deren  Stylosporenbaufen  klein,  punktförmig 
sind  und  von  einer  sich  nur  am  Scheitel  mit  einem  kleinen 
Ostiolum  öffnenden  Peridie  umgeben  sind;  doch  führen  auch  diese 
kleinen  Stylosporenhaufen  nach  Tulasne  Paraphysen. 

Bei  den  anderen  Gattungen  hingegen  sind  die  Stylosporen- 
haufen stets  klein  punktförmig  und  von  einer  sich  nur  am  Scheitel 
mit  kleinen  Ostiola  öffnenden  Peridie  umgeben  und  führen 
keine  Paraphysen.  Melampsora  betulina  bildet  daher  in  ihren 
Stylosporenlagern  einen  Uebergang  von  Melampsora  zu  den  an- 
deren Gattungen. 

Betrachten  wir  kurz  die  oben  auseinandergesetzten  Gattungen 
der  Melampsoreae  mit  zu  flachen , krustenförmigen  Lagern  ver- 
wachsenen Teleutosporen,  so  lassen  sie  leicht  ihre  natürlichen 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  einander  recht  anschaulich 
erkennen.  Bei  der  artenreichsten  Gattung  Melampsora  sind  die 
Teleutosporen  intercellular  und  ungetheilt.  Von  hier  aus  gelangen 
wir  einerseits  zu  Melampsorella , wo  die  Teleutosporen  ungetheilt 
bleiben,  aber  intercellular  gebildet  werden,  andererseits  zu  Phra- 


60  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


gmopsora,  wo  sie  intercellular  bleiben,  aber  durch  Längswände 
mehrfächerig  werden.  Von  Phragmopsorn  gelangen  wir  zu 
Thekopsora  und  Calyptospora  dadurch,  dass  die  Bildung  der  mehr- 
fächerigen  Teleutosporen  erst  an  den  Epidermiszellen  statthat. 
Wir  erhalten  demnach  folgendes  Tableau  der  Verwandtschaft 
dieser  Gattungen: 


Melampsora 
Teleutosporen,  ungetheilt,  intercellular. 

Melampsorella 
Teleutosp  , ungetheilt, 

intracellular.  Thekopsora 

Teleutosp.  mehrfäche- 
rig intracellular.  Sie 
treten  fleckenweise  auf. 
Ihnen  gehen  Stylo- 
sporenlager voraus. 


Phragmopsora 

Teleutosporen,  mehrfächerig,  intercellular. 

Calyptospora 

Teleutosp.  mehrfäche- 
rig intracellular.  Sie 
überziehen  die  ganze 
Fläche  des  angeschwol- 
lenen Sten  geltheiles; 


nhnp  St.vloSDOren. 


Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  entgegengenommen: 
Lotos,  Zeitschrift  für  Naturwissenschaften  Prag,  Jabrg.  23. 
Monatsbericht  der  Berliner  Akademie  d.  Wissenfech.  December 

1874 

Register  zu  den  Monatsberichten  d.  Akad.  d.  W.  von  1859  — 
1873 

Sur  les  couleurs  accidentelles  öu  subjectives  par  Plateau , Bruxelles 

1875. 


Sitzungs^Be  rieht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 

vom  18.  Mai  1875. 


Director:  Herr  von  Strampff. 


Herr  Gustav  Fritsch  berichtete  über  seine  Beobachtungen 
hinsichtlich  der  sogenannten  „Giftwanze  von  Mianeh“  ( Argas 
persicus ) gelegentlich  der  jüngst  verflossenen  Expedition  zur 
Beobachtung  des  Venusdurchganges  in  Ispahan.  Es  wird  in  den 
Reiseberichten  besonders  der  älteren  Autoren  diesem  Thier  eine 
ganz  bedeutende  Giftigkeit  zugeschrieben,  der  Art  dass  Reisende, 
welche  im  genannten  Orte  nur  eine  Nacht  zubrachten,  binnen 
wenigen  Stunden  an  den  Bissen  des  Insectes  zu  Grunde  gehen 
sollten.  Als  ein  Völksmittel  gegen  den  tödtlichen  Effect  der 
Bisse  wurde  empfohlen,  die  Gebissenen  alsbald  am  Morgen  in 
die  Haut  einer  frisch  geschlachteten  Kuh  zu  rollen  und  darin 
längere  Zeit  verweilen  zu  lassen. 

Neuere  Reisende  bestätigten,  dass  diese  Zecke  auch  jetzt 
noch  im  Lande  allgemein  gefürchtet  wird  und  den  Mianeh  passiren- 
den  Fremden  gefährlich  sei,  Einheimischen  dagegen  Nichts 
anhabe;  es  fanden  sich  aber  auch  Stimmen,  welche  die  ganze 
Sache  für  eine  Fabel  erklärten.  Die  Expedition  besuchte  zwar 
nicht  die  Stadt  selbst,  aber  hatte  doch  Gelegenheit  in  der  Nach- 
barschaft Erkundigungen  einzuziehen , die  Thiere  noch  frisch 
zu  erhalten  und  über  eine  verwandte  Species  eigene  Erfahrungen 
zu  sammeln.  Als  das  Resultat  dieser  Forschungen  ergab  sich, 


62  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

dass  die  Giftigkeit  des  Argas  nicht  bezweifelt  werden  kann. 
Eine  als  viel  ungefährlicher  angesehene  verwandte  Species,  unter 
welcher  die  Mitglieder  der  Expedition  in  Patschenar  am  Sefid 
M ” leiden  hatten,  veranlass  bei  den  Gebissenen  kle,ne 
schmerzhafte  Beulen,  von  denen  bei  einem  der  Reisenden  eine 
hefüge  Zellhautentzündung  der  Hand  und  des  Armes  ausging, 
ein  Unglück,  welches  den  Herrn  zum  zweiten  Mal  nach  einem 
enthalt  von  wenigen  Stunden  am  Orte  (ebenso  wie  früher)  ere  *. 

Im  Unterschiede  von  der  Mianeh- Zecke  wirf« das  “ * 
sehr  ähnlich  aussehende  Thier  als  die  gewöhnliche  Sch a afz  eck 
bezeichnet  und  scheint  in  Persien  eine  grosse  Verbreitung  zu 
haben;  sie  befällt  allerdings  vornehmlich  Schafe,  doc  wir  1 .e 
gefürchtete  Verwandte  ohne  Zweifel  auch  die  Haussiere  befallen. 
Ob  der  richtige  Argas  persicus  nicht  gleichfalls  viel  verbreitecr 

ist  als  im  Allgemeinen  angenommen  wird,  bleibt  da  ^ ’ b 

Angaben  gehen  als  Regel  dahin,  dass  er  sich  nur  in  Miane 
Turkomanschei , sowie  einigen  Orten  der  unmittelbaren  Nac  - 
barschaft  fände.  Ein  viel  in  Persien  herumgereister  unterrichteter 
Herr  behauptete  indessen,  das  Thier  sei  keineswegs  verschieden 
von  einer  durch  den  ganzen  Südwesten  Persiens  verbreiteten 
Art  welche  er  als  die  Saumzecke  -bezeichnte  ein  Name, 
der’  auch  für  den  Argas  persicus  in  Anspruch  genommen 
wird  und  sich  auf  den  etwas  aufgeworfenen  Saum  des  platten 
rundlichen  Körpers  bezieht.  Wie  andere  Zecken  sind  diese 
Arten  im  hungernden  Zustande  dünn,  Bach  und  besonders  die 
Mianehwanze“  zeichnet  sich  dabei  durch  ihr  durchscheinendes 
Insehen  aus;  ein  Theil  der  frisch  übersandten  “w 

sich  in  diesem  Zustande,  ein  kleinerer  war  leicht  gewölbt, 
Körperinhalt  erwies  sich  als  dunkles  Blut.  Sie  stammten  aus 
einem  Pferdestall  in  Mianeh,  an  welchen  Local. taten  sie  siet 
„em  hinter  dem  gelockerten  Kalkanwurf  der  Wände  aufhaL  . 

Ist  wirklich  die  Verbreitung  der  Art  eine  so  viel  grossere  a s 
gewöhnlich  angenommen  wird,  so  fragt  es  «ich,^  _ 
Gerade  an  den  genannten  Localitäten  zu  einer  so  traurigen  d 
ge,a„gt?  und  — i,e  ba. 
reellen  Grund  und  ist  diese  hierin  so  viel  giftiger  als  die 
wandten  Arten?  Als  Antwort  auf  diese  Fragen  muss  der  Vor- 
tragende die  Ueberzeugung  aussprechen,  dass  es  die  eigen 


Sitzung  vom  18.  Mai. 


63 


liehe  Beschaffenheit  der  Oertlichkeit  ist,  wodurch 
der  jeden  falls  giftige  Argaspersicns  gefährlich  wird.*) 
Die  Niederungen  am  oberen  Lauf  des  Sefid  Rud , in  denen 
Mianeh  und  Turkomanschei  liegen,  sind  mit  endemischen  Malaria- 
Fiebern  behaftet,  die  fast  nirgends  im  nördlichen  Persien  einen 
so  gefährlichen  Charakter  annehmen  als  gerade  dort,  so  dass 
Fälle  vom  richtigen  pernieiösen  Fieber  keineswegs  selten  sind. 
Es  scheint  nun,  dass  die  Aufnahme  von  septischen  Stoffen 
in  das  Blut  und  die  allgemeine  Irritation  des  Körpers,  wie  sie 
den  häufigen  Bissen  der  Mianeh -Zecke  jedenfalls  folgt,  den 
Grund  abgeben  für  eine  grössere  Inclination  der  Gebissenen  zu 
den  herrschenden  Malariafiebern,  und  sich  so  die  eine  Schädlich- 
keit mit  der  andern  zur  Steigerung  des  Effectes  verbindet.  Es 
erklärt  sich  auf  diese  Weise  auch,  warum  die  Einheimischen, 
welche  gegen  den  Einfluss  der  Malaria  abgehärtet  sind,  von  den 
eventuellen  Bissen  des  Argas  keine  üblen  Folgen  verspüren; 
auch  Europäer,  deren  Aufenthalt  im  Lande  bereits  nach  Jahren 
zählte,  pflegten  gleichgültig  gegen  diese  Gefahr  zu  sein,  wenn 
sie  selbst  zum  längeren  Aufenhalt  in  Mianeh  veranlasst  waren. 
Es  kommt  aber  hierzu,  dass  auch  gerade  der  durchreisende 
Fremde  den  Bissen  des  Insektes  bedeutend  mehr  exponirt  ist 
als  der  Ortsangehörige.  Der  Grund  dafür  liegt  in  den  Wohnungs- 
verhältnissen; der  erstere  ist  gezwungen  sein  Nachtquartier  in 
einer  schmutzigen  Karawanserei  oder  Schapparchane  (Courier- 
station)  aufzuschlagen,  d.  h.  in  Localitäten,  welche  in  der  That, 
viel  mehr  für  die  Lastthiere  als  für  die  Menschen  angelegt  sind, 
und  in  denen  es  natürlich  von  allerlei  Ungeziefer  wimmelt;  der 
ansässige  Perser  wohnt  dagegen  in  leicht  gebauten,  aber  meist 
weitläufigen  Lehmhäusern , wo  es  ihm  nicht  schwer  wird , sein 
Vieh  genügend  abzusondern,  um  von  den  Parasiten  desselben 
nicht  belästigt  zu  werden. 

Was  nun  endlich  die  Behandlung  anlangt,  so  leuchtet  ein, 


*)  Eine  hiermit  übereinstimmende  Ansicht  ist  auch  von  mir  in  Virchow’s 
Archiv  f.  pathol.  Anat.  Bd.  XIX,  p.  463  f.  bei  Gelegenheit  einer  Mittheilung 
über  den  Argas  reflexus  Latr.  (a.  a.  0.  p.  456  ff.  u.  Sitzungsbericht  d.  Ge- 
sellsch.  naturforsch.  Freunde  v.  17.  Januar  1860,  p.  2,)  ausgesprochen  worden. 

Gerstaecker. 

5** 


64 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


dass  bei  Complication  von  Malariafieber  mit  den  Wirkungen  der 
Bisse  dies  selbst  in  die  erste  Linie  zu  stellen  ist  und  also  die 
Darreichung  von  Chinin  indicirt  ist;  herrschen  locale  Erschei- 
nungen vor,  so  hat  man  sich  gegen  diese  zu  wenden.  In  dem 
oben  angedeuteten  Falle  in  Patschenar,  wo  die  Zellhautentzündung 
sich  bereits  sehr  schnell  entwickelte,  wurden  wiederholte  Inunc- 
tionen  von  grauer  Quecksilbersalbe  mit  Erfolg  angewendet;  auf 
frische  Bisswunden  würde  sich  jedenfalls  die  Application  von 
Ammoniak  empfehlen. 


Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  entgegengenommen: 
Monatsbericht  der  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften.  Ja- 
nuar und  Februar  1875. 

Abhandlungen  des  naturwissensch.  Vereins  zu  Bremen.  Band  4, 
Heft  2.  3,  nebst  Beilage  No.  4. 

Bulletin  de  la  Societe  des  Naturalistes  de  Moscou  1874,  No.  3. 
Abhandlungen  der  naturforsch.  Gesellscb.  zu  Görlitz.  Bd.  15. 
Verhandlungen  des  botanisch.  Vereins  der  Prov.  Brandenburg, 
Jahrg.  16. 


A.  W.  Sch  ade ’s  Buchdruckerei  (L.  Schade)  in  Berlin,  Stallschreiberstr.  47. 


Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 

vom  15.  Juni  1875. 


Director  (in  Vertretung):  Herr  Ehrenberg. 


Herr  von  Martens  machte  eine  vorläufige  Mittheilung 
über  die  zoologischen  Sammlungen,  welche  von  den  Naturfor- 
schern und  Aerzten  von  Sr.  Maj.  Schiff  Gazelle  auf  der  Ker- 
guelen-Insel  im  verflossenen  Winter  gemacht  wurden,  soweit 
dieselben  bis  jetzt  auf  dem  Zoologischen  Museum  zur  Untersu- 
chung  gelangt  sind.  Zunächst  hob  derselbe  hervor,  dass  durch 
Einsendung  der  Bälge  und  Schädel  verschiedener  Robbenarten, 
sowohl  einer  wissenschaftlich  neuen  Art  von  Pelzrobben  (Arcto- 
phoca  gazella  Ptr.),  als  des  sogenannten  See-Elephanten  ( Ma - 
crorhinus  leoninus  L.)  und  See-Leoparden  ( Stenorhynchus  lepto- 
nyx  Blv.),  worunter  einzelne  von  beträchtlicher  Grösse,  eine 
wesentliche  Lücke  im  hiesigen  Museum  ausgefüllt  ist.  Von  Vö- 
geln sind  mehrere  Pinguinarten  und  die  ebenfalls  für  die  süd- 
lichen kälteren  Meere  charakteristische  Gattung  Chionis  mit  einer 
für  unsere  Insel  eigenen  Art,  Ch.  minor , zu  erwähnen.  Von 
wirbellosen  Thieren  wurden  namentlich  mehrere  Mollusken  und 
Crustaceen  hervorgehoben  und  vorgezeigt,  und  zwar  einerseits 
solche,  welche  zu  Gattungen  gehören,  die  bisher  als  charakte- 
ristisch für  die  nordischen  Meere  galten,  so  Arten  der  Isopoden- 
gattung  Arcturus  und  der  Meerschneckengattung  Margarita , an- 
dererseits solche,  welche  den  südlichen  kälteren  Meeren  eigen- 
thümlich  sind,  so  eine  Art  der  Spatangiden  - Gattung  Tripylus, 

6 


66  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

eine  einigermassen  an  Trilobiten  erinnernde  Serolis  und  eine 
neue  Art  der  Schneckengattung  S trut  hio  laria , welche  sich 
durch  ihre  Sculptur  (gebogene  Vertikalrippen  anstatt  der  Knöt- 
chen) leicht  von  den  bis  jetzt  bekannten  Arten,  die  sämmtlich 
in  Neuseeland  oder  Neuholland  zu  Hause  sind,  auszeicbnet  und 
daher  Str.  costulata  heissen  mag;  sie  wird  bis  41  Millimeter 
lang,  wovon  die  Mündung  24  einnimmt,  ist  dünnschaliger  als 
die  anderen  Arten,  einfarbig  und  ihre  zarte  hellbräunliche  Scha- 
lenhaut löst  sich  leicht  ab,  so  dass  auch  frisch  gefangene  Exem- 
plare unansehnlich,  matt  weiss,  wie  verwittert  aussehen , wie 
das  bekanntlich  auch  bei  hochnordischen  Meerschnecken  olt  der 
Fall  ist.  Die  einzige  bis  jetzt  von  der  Kerguelen-Insel  bekannte 
Landschnecke,  Helix  Hookeri , zunächst  mit  der  neuseeländischen 
Gruppe  Charopa  und  der  chilenischen  Stephanoda  verwandt, 
liegt  auch  in  mehreren  Exemplaren  vor;  namentlich  ist  sie  auch 
zwischen  den  eingesandten  Moosen  (Arten  der  Gattung  Hypnuni) 
von  unserm  Mitglied  Prof.  A.  Braun  aufgefunden  worden. 
Endlich  sind  auch  einige  Insekten*)  von  der  Kerguelen-Insel 
eingeschickt  worden. 

Herr  Hartmann  sprach  über  die  bekannten  recenten 
Arten  der  Gattung  Hyaena.  Die  charakteristischen  Eigentüm- 
lichkeiten der  Species  H.  striata , crocuta , fusca  ( s . brunnea , s. 
villosa ) wurden  ausführlich  erörtert,  auch  wurde  auf  das  exces- 
sive  Variiren  dieser  Formen  an  Grösse,  Gestalt  und  Farbe  auf- 
merksam gemacht.  Von  H.  striata  sieht  man  einzelne  alte 
Männchen  von  bedeutender  Grösse  und  sehr  zottiger  Behaarung. 


*)  Die  eingesandten  Insekten  sind:  1)  eine  kleine  beinfarbige  Lepido- 

pteren-Larve,  von  cossusartigem  Habitus  und  über  den  Rücken  hin  mit  stär- 
ker chitinisirten  Querwulsten  und  Schwielen,  welche  vereinzelte,  starre  Bor- 
sten tragen,  versehen.  2)  Zwei  Arten  der  Curculionen- Gattung  Phyllobius. 
3)  Ein  völlig  flügelloses  Dipteron  aus  der  Abtheilung  der  Muscina  acahjptera, 
der  Oeellen  und  des  Scutellums  entbehrend,  mit  verlängerten  Mittel-  und 
Hinterbeinen,  welche  gleich  den  vorderen  und  dem  mit  breiter  Basis  ent- 
springenden Hinterleib  völlig  borstenlos  sind;  nach  der  Kopf-  und  Fühler- 
bildung anscheinend  den  Ephydrinen  zunächst  verwandt  und  unzweifelhaft 
ein  Strandbewohner.  4)  Eine  Art  der  Philopteriden-Gattung  Lipeurus. 

Gerstaecker. 


Sitzung  vom  15.  Juni. 


67 


Ein  solches  Thier  wurde  1872  z.  B.  in  der  Kreuzberg’schen 
Menagerie  zu  Berlin  lebend  ausgestellt.  Dasselbe  stammte,  den 
Erkundigungen  des  Vortragenden  zufolge,  aus  „Obernubien“. 
Ein  anderes  riesiges  Exemplar,  mit  vielen  dichtstehenden  dunk- 
len Querbinden  auf  fahlgrauem  Grunde  gezeichnet,  findet  sich 
im  Hofburgkabinet  zu  Wien  mit  der  Bezeichnung  „aus  Abys- 
sinien“.  J.  Bruce  of  Thinnaird  schildert  indem  naturhisto- 
rischen Anhänge  zu  seiner  denkwürdigen  Reisebeschreibung  eine 
Hyäne  von  Atbarah  (heutige  Provinz  Taqa)  als  5 Fuss  9 Zoll 
lang,  112  Pfund  schwer,  gelbbraun  gefärbt,  mit  breiten,  sehr 
dunklen  Streifen.  Ueber  ähnliche  grosse  Hyänen  Kordufan’s 
berichten  Russegger  und  Heuglin.  Auch  Vortragender  hörte 
davon  erzählen.  Diese  Thiere  erinnern  an  die  oben  genannten 
Exemplare  der  H.  striata.  Auch  H.  crocuta  kommt  in  mächti- 
gen , der  H.  spelaea  kaum  nachstehenden  Exemplaren  vor. 
Schreiber  dieses  sah  zu  Kharthum  Schädel  einiger  von  dem  be- 
kannten Jäger  Florian  Muche  am  Khor-el-Gasch  und  am 
Setit  erlegter  alter  männlicher  „gefleckter“  Hyänen,  welche 
durch  ihre  Dimensionen  in  Erstaunen  setzten.  Auch  die  vom 
Tischler  Schiller,  einem  der  Gefangenen  von  Magdala,  um 
Monkullo,  Eiles  und  in  Ost-Semien  geschossenen  männlichen 
gefleckten  Hyänen  haben  gewaltige  Kranien  mit  zum  Theil  bis 
zum  Halse  abgekaueten  Zähnen,  welche  denen  von  H.  spelaea 
ebenfalls  kaum  etwas  nachgeben.  Im  Zoologisk  Have  zu  Ko- 
penhagen befand  sich  1874  ein  durch  Grösse  ausgezeichnetes 
schönes  Exemplar  der  Art  lebend.  Manche  Individuen  von  H. 
crocuta  haben  eine  sehr  zottige,  an  diejenige  der  H.  villosa  er- 
innernde Behaarung.  Ihre  Flecken  ordnen  sich  zu  Streifen, 
deren  Längenausdehnung  allerdings  hier  und  da  durch  grössere 
und  geringere  Lücken  unterbrochen  wird.  Derartige  Individuen 
konnten  einem  Rueppell  Veranlassung  zu  der  Annahme  geben, 
H.  fusca  sei  möglicherweise  nur  eine  Varietät  der  H.  crocuta. 
Indessen  möchte  Vortragender  der  H.  fusca  oder  villosa , deren 
Vorkommen  auch  in  Innerafrika  übrigens  thatsächlich  verbürgt 
erscheint,  aus  anatomischen  und  anderen  Gründen  die  Artselbst- 
ständigkeit sichern.  In  der  Zeichnung  des  Felles  ähnelt  dieselbe 
durchgängig  mehr  der  H.  striata  als  der  crocuta.  Auch  von  ihr 
giebt  es  einzelne  mächtig  entwickelte  Individuen,  namentlich  aus 

6* 


68 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


Südafrika.  Ein  wahres  Prachtexemplar,  von  Wahlberg  er- 
worben, findet  sich  in  dem  so  reichhaltigen  nnd  schön  geord- 
neten zoologischen  Museum  zu  Stockholm.  Andere  lebende 
Exemplare  konnte  Vortragender  im  zoologischen  Garten  zu  Ber- 
lin und  in  Kreuzberg’s  anerkannt  vortrefflicher  Menagerie 
beobachten.  Auch  in  osteologischer  Beziehung  stand  ihm  reich- 
haltiges Material  zur  Verfügung.  Genauere  Mittheilungen  hier- 
über werden  in  einer  baldig  erscheinenden  selbstständigen  Ar- 
beit publicirt  werden. 

Derselbe  sprach  ferner  über  das  Aeussere  und  den  anato- 
mischen Bau  des  Simir,  Worabesa  oder  gemalten  Hundes  ( Canis 
pictus).  Auf  der  nordostafrikaniscben  Reise  mit  diesem  sehr 
wilden  und  energischen  Vertreter  der  hundeartigen  Raubthiere 
in  nur  vorübergehende  Berührung  getreten,  fand  Vortragender 
später  Gelegenheit,  die  flüchtigen,  mehr  poetischen  Eindrücke 
einer  gelegentlichen  Begegnung  par  distance  auf  dem  directen 
Wege  der  Beobachtung  des  Lebendigen  und  Todten  neu  aufzu- 
frischen. Abgesehen  von  der  Anschauung,  welche  lebende  ge- 
fangene Canis  pictus  in  Afrika  selbst  darboten,  waren  es  na- 
mentlich die  Exemplare  der  Hamburger  und  Berliner  zoologi- 
schen Gärten,  welche  Schreiber  dieses  vielen  Stoff  zu  genauerer 
Forschung  gewährten.  Im  Herbste  1873  erlagen  die  aus  den 
transvaalschen  Gebieten  Südafrikas  stammenden  Exemplare 
des  zoologischen  Gartens  zu  Berlin  sehr  verbreiteten  tuberku- 
lösen Lebergeschwüren.  Der  Director  jenes  grossartigen  Eta- 
blissements, der  wissenschaftliche  Bestrebungen  in  so  höchst 
zuvorkommender,  liberaler  Weise  fördernde  Dr.  Bodinus,  ver- 
schaffte dem  ihm  befreundeten  Vortragenden  Gelegenheit,  das 
Männchen  und  ein  Weibchen  des  dahingestorbenen  Kleeblattes 
zu  obduciren  und  deren  Myologie  und  Osteologie  zu  studiren. 
C.  pictus  wird  gewöhnlich  für  ein  Mittelding  von  Hyaena  und 
Canis  betrachtet.  Der  Leib  des  Thieres  macht,  sieht  man  von 
dem  bunten  Colorit  des  Felles  ab,  in  der  That  entschieden  den 
Eindruck  eines  etwas  schlecht  genährten  struppigen  grösseren 
Hundes.  Dem  Kopf  dagegen  verleihen  die  langen,  breiten  Ohren, 
die  schwärzliche,  abfällige  Schnauze  und  das  tückisch -wilde 
dunkle  Auge  etwas  unverkennbar  Hyänenartiges.  Vortragender 
liess  den  Kopf  des  Männchens  nach  dem  Kadaver  in  Gips  ab- 


Sitzung  vom  15.  Juni. 


69 


formen;  der  leider  durch  einen  unglücklichen  Zufall  zerstörte 
erste  Abguss  gewährte  mit  seinen  gleichförmig  weissen,  des 
charakteristischen  Schwärzlich  entbehrenden  Partieen  den  Ein- 
druck, als  habe  man  es  hier  mit  einem  grossobrigen  Schäfer- 
hunde oder  gar  Wolfe  zu  thun.  Der  Skeletbau  des  C.  pictus 
erinnert  bis  auf  gewisse  Eigenthümlichkeiten  an  denjenigen  des 
Hundes.  Vortragender  präparirte  ferner  die  Muskeln  des  ver- 
storbenen Männchens  und  des  einen  Weibchens.  A.  Pagen  - 
Stecher  und  v.  Koch  haben  die  Muskeln  eines  zu  Hamburg 
gestorbenen  weiblichen  C.  pictus  dissecirt  und  die  Osteologie, 
Myologie  etc.  desselben  im  „Zoolog.  Garten“  1870,  pag.  197 
ff.  genau  beschrieben.  Vortragender  schliesst  sich  in  der  Haupt- 
sache den  von  Pagen  Stecher  mitgetheilten  anatomischen  De- 
tails an.  Canis  pictus  ist  ein  echter  Canide,  für  welchen  ge- 
wisse Eigenthümlichkeiten  die  Beibehaltung  der  Untergattung 
Lycaon  H.  Smith  (Spec.  L.  pictus ) statthaft  erscheinen  lassen; 
wogegen  Bezeichnungen  wie  Hyaena  venatica  Busch.,  H.  picta 
Temm.  oder  Cynhyaena  picta  Fr.  Cuvier,  Temm.  am  Besten  aus 
dem  Systeme  zu  streichen  sein  dürften. 

Vorgelegt  wurden  farbige  Zeichnungen  der  Physiognomien 
und  des  Gesammtbabitus  von  hyaena  striata , crocuta  und  fusca , 
sowie  von  Canis  pictus , ferner  die  Myologie  des  letzteren  im 
Detail  behandelnde  Aquarellen,  endlich  Zeichnungen  der  Hyänen- 
und  Hundeschädel  verschiedener  Arten,  bez.  Rassen. 

Der  Vortragende  verfehlte  hierbei  nicht,  auf  die  vielfachen, 

Z e’I  überraschenden  Abweichungen  aufmerksam  zu  machen, 
welche  die  Köpfe  männlicher  und  weiblicher  Individuen  der  auf- 
gefuhrten  Thierarten  nicht  allein  in  Bezug  auf  das  Geschlecht, 
8onoern  auch  auf  das  Alter  darbieten.  Derartige  Unterschiede 
prägen  sich  ja  auch  in  der  Schädelbildung  mehr  oder  minder 
aus.  n der  Hand  einseitiger  und  ungeschickter,  auf  systemati- 
sirenden  Detailkram  versessener  Zoologen  sind  dergl.  Variations- 
rscheinungen  ein  bekanntlich  sehr  gefährliches  Spielzeug.  Es 
Jgen  jene  Verschiedenheiten  aber  wieder  recht  deutlich,  wie 
lange  und  sorgfältig  man  ein  Thier  nach  äusserer  Form,  nach 
innerem  Bau  und  Lebensthätigkeiten  studiren  müsse,  um  ein 
sic  eres  Urtheil  über  dasselbe  gewinnen  zu  können.  Die  Wildniss, 
er  zoo  ogische  Garten  oder  die  Menagerie,  der  Secirtisch  und 


70  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

die  osteologische  Sammlung  sind  die  besten  Beobachtungsplätze 
das  Skalpell,  die  Säge,  der  Stift,  die  Malerfarbe,  sowie  endlich 
der  photographische  Apparat  sind  die  passenden  Instrumente 
zur  Untersuchung  so  prägnanter  Säugethierformen,  wie  die  oben 
genannten. 

Herr  Paasch  (heilte  mit,  dass  sich  zwei  bisher  bei  Berlin 
noch  nicht  gefundene  Pflanzen  als  Einwanderer  gezeigt  haben. 
Centaurea  Calcitrapa  L.  fand  er  an  einem  Damm  der  Verbin- 
dungs-Eisenbahn in  der  Gegend  von  Friedrichsfelde  und  Bunins 
orientalis  L.  auf  einem  Rasenplatz  an  der  Spree,  hinter  dem 
Getreide-Magazin  in  der  Neuen  Friedrichsstrasse  Nr.  2 und  in 
der  Gegend  der  Eisenbahn  vor  dem  Stralauer  Thore.  — Herr 
Asche rson  bemerkte  hierzu,  dass  Centaurea  Calcitrapa  L.  schon 
bei  Magdeburg,  überhaupt  jenseits  der  Elbe  häufig  vorkomme, 
als  Wanderpflanze  aber  noch  nicht  beobachtet  sei:  Bunins  orien- 
talis L.  komme  bei  Danzig  vor,  sei  auch  in  neuerer  Zeit,  bei 
Stettin  gefunden  worden. 

Herr  Ascherson  berichtete  im  Anschluss  au  seine  in  der 
Junisitzung  1874  gemachten  Mittheilungen  über  das  Vorkom- 
men des  Strausses  in  der  libyschen  Wüste,  dass  von 
Rohlfs,  Zittel  und  Jordan  auf  dem  Marsche  durch  das 
Sandmeer  von  Regen  feld  nach  Siuah  wiederholt  Eierschalen 
dieses  Vogels  in  grösster  Anzahl  angetroffen  worden  seien. 
Ersterer  berichtet  darüber  in  seinem  demnächst  erscheinenden 
Reisewerke  (9.  Febr.,  vierte  Tagereise  von  Regenfeld  aus):  „Die 
überall  liegenden  Trümmer  von  Strausseneiern  deuten  darauf 
hin,  dass  dieser  scheue  Vogel,  um  sicher  brüten  zu  können,  sich 
die’ Einsamkeit  des  Sandoceans  zum  Nisten  ausersieht.  Neue 
und  alte,  vom  Sandtreiben  abgeschliffene  Eierscherben  fanden 
sich  überall  im  ganzen  Sandocean.  Ein  vor  Verfolgung  siche- 
reres Revier  konnte  sich  der  Strauss  allerdings  nicht  erkiesen, 
als  diese  Wüste.  Und  um  Futter  zu  finden,  was  sind  da  dem 
schnell  dahin  eilenden  Vogel  Entfernungen  von  50,  ja  100  Mei- 
len.“ Dass  das  Wasserbedürfniss  sich  auch  bei  diesem  Wüsten- 
vogel sehr  energisch  geltend  macht,  beweist  allerdings  der  dem 
Vortr.  von  Dr.  Nachtigal  mitgetheilte  Umstand,  dass  die  Be- 


Sitzung  vom  15.  Juni. 


71 


gleiter  dieses  ausgezeichneten  Forschers  auf  seinem  verzweifel- 
ten Marsche  nach  Tibesti  aus  den  zahlreichen  Straussenfährten 
die  Nahe  eines  Wasserplatzes  erkannten.  Das  somit  darge- 
thane  Vorkommen  des  Strausses  in  dem  vor  der  libyschen  Ex- 
pedition sicher  nie  von  einem  Menschen  betretenen  Einöde  des 
Sandmeeres  macht  es  recht  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  im 
' ongen  Jahre  erwähnten  Schalenreste  ebenfalls  von  in  der  Nähe 
erfolgten  Bruten  herrühren.  In  Bezug  auf  eine  Bemerkung  des 
Hrn.  Geh.  Rath  Ehren berg,  der  bei  seinem  Aufenthalte  in 
bmah  1820  nichts  von  dem  Vorkommen  des  Strausses  in  dorti- 
ger Gegend  gehört  hat,  erwähnte  der  Vortragende  noch,  dass 
die  Schalenstücke,  wie  andere  leichte  Gegenstände,  z.  B.  Ex- 
cremente von  Kameelen  und  Eseln,  Stücke  von  Stricken  und 
Matten  und  andere  von  Karawanen  verlorene  Gegenstände,  die 
daher  ein  werthvolles  Merkmal  besuchter  Strassen  im  Flugsande, 
wo  die  Spuren  sofort  verweht  werden,  darbieten,  bei  Stürmen’ 
stets  auf  der  Oberfläche  des  Sandes  bleiben  und  niemals  einge- 

VVPnf  worrlon  ^ 


Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  entgegengenommen: 
Report  of  the  U.  S.  Geological  Survey  of  tke  Territory.  F.  v. 
Hayden.  Vol.  VI.  Cretaceous  Flora.  Washington  1874. 

MontMy  Report  of  the  Department  of  Agriculture  for  1873 
Washington. 

Report  of  the  Commissionen  of  Agriculture  for  1872.  1873.  Wa- 
shington. 


Anmal  Report  of  the  Trustees  of  the  Museum  of  comparative 
Zoology.  1872.  1873.  Washington. 

An  essay,  concerning  important  physical  features  exhibited  in  the 
vaUey  of  the  Minnesota  River  and  upon  their  signißcation  by 
h.  Warren.  Washington  1874. 

United  States  Geological  Survey  of  the  Territories.  Miscellaneous 
1.  List  of  Elevations  in  the  Missisippi  River.  Washington  1875. 

Lotos,  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft.  Prag  1874,  Jahrg.  24. 


A.  W.  Schaden  Buchdruckerei  (L.  Schade)  in  Berlin,  Stalischreiberstr.  47. 


Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 

vom  20.  Juli  1875. 


Birector : Herr  Braun. 


Herr  Peters  legte  die  Abbildungen  von  zwei  neuen  Beutel- 
tieren aus  Neu-Guinea  vor,  welche  dem  Museo  civico  von  Genua 
geboren.  Das  eine  schliesst  sich  den  Dasyuri  an  und  ist  in  die- 
selbe Untergattung  mit  Chaetocercus  cristicaudvs  Krafft  (Proc  Zool 
Soc.  Und.  1866.  p.  435.  ref.  36)  aus  Südaustralien  zu  vereinigen.' 
Die  neue  Art  ist  durch  drei  schwarze  von  dem  Nacken  ausge- 
hende Langsstreifen  und  die  rothen  Bürstenhaare  auf  der  Ober- 
seite des  Schwanzes  ausgezeichnet.  Sie  ist  auf  den  Wunsch  des 
Herrn  Marquis  G.  Doria  dem  Herrn  Bruyn  zu  Ehren  benannt 
worden,  welchem  das  Museum  zu  Genua  eine  reiche  Sammlung 
von  Naturalien  aus  Neu-Guinea  verdankt.  Da  der  Name  Chaeto- 
cercus bereits  im  Jahre  1853  an  eine  Gattung  der  Trochili  ver- 
geben-worden  ist,  wurde  dafür  Dasycercns  vorgeschlagen  und 
d-e  Art  Dasycercns  Bruynii  benannt.  Die  zweite  Art,  von  Herrn 
Ibertis  in  Andn  gefangen,  gehört  den  Phalangisten  an 
und  bildet  eine  neue  durch  den  zweiseitig  borstig  behaarten. 

en  und  unten  kahlen  Schwanz  ausgezeichnete  Untergattung 
'in  wurde  als  Phalangista  ( Distrechurus ) pennata  beschrieben. 

Herr  Br e fei  d machte  folgende  Mittheilung  über  copulirende 

JZ  ^lreicberZei,!h"""«e"  ”"d  ■*»**«- 


7 


74  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

In  dem  ersten  Hefte  meiner  Schimmelpilze*)  habe  ich  durch 
eine  umfassende  Untersuchung  dargelegt,  dass  die  Grenzen  der 
copulirenden  Pilze  weit  umfangreichere  sind,  als  dies  bis  dahin 
angenommen  wurde.  Sie  bilden  eine  natürliche  Classe  von 
Pilzen,  die  ich  Zygomyceten  genannt  habe,  zu  welcher  die  seit- 
her als  copulirende  Pilze  allein  gekannten  Muconnen  als  eine 
Familie  gehören.  - Die  erste  Mittheilung  habe  ich  damals  aut 
die  erschöpfende  Beschreibung  der  Entwickelungsgesc  ic  e 
dreier  Typen  als  ebensovieler  Repräsentanten  einzelner  Familien 
der  Classe  unter  Hinweis  auf  weitere  spätere  Mitthedungen  be- 
schränkt, um  nicht  die  mycologische  Literatur  mit  unfertigen 
Publicationen  neu  zu  beladen.  Ich  habe  seit  dieser  Zeit  d 
Untersuchungen  unausgesetzt  weiter  geführt  und  will  hier  einiges 
Nähere  aus  ihnen,  namentlich  die  Familie  der  Muconnen  und 
das  Genus  Pilobolus  specieller  Berührende  mitthellen. 

Eta  wissenschaftliche  Untersuchung  dieser  Schimmelte 
ist  ohne  besondere  Methoden  der  Cultur,  wodurch  es  möglich 
wird,  den  Entwickelungsgang  eines  Pilzes  von  er  einze  ncn 
Gonidie  oder  Spore  ausgehend  lückenlos  zu  verfolgen,  m 
ausführbar.  Ich  habe  diese  für  die  Untersuchung 
Pilze  notwendigen  von  mir  begründeten  Methoden  bereits  früh  ) 

ausführlich  dargelegt  und  will  hier  nur  noch  kurz  bemerken  das, 
ich  die  betreffenden  Schimmelpilze  seit  Jahren  in  steter  Cultur 
erhalte,  um  hierdurch  im  Laufe  der  Zeit  die  Lösung  der  ver- 
schiedenen Fragen  zu  ermöglichen,  die  mit  einmaliger 

"iChtBei  de^A  ussaat'e  i n e r Gonidie  oder  Spore  in  Nährlösungen 
von  völliger  Klarheit  auf  Objectträgern  erkennt  man,  dass  der 
vegetative  Theil  aller  copulirenden  Pilze,  wie  er  aus  der 

ausgesäeten  Spore  hervorgeht,  aus  einzelligen  reichverzweig 
Mvcelien  besteht,  die  Zellen  von  aussergewobnlicher  Grosse  und 
Dimension  darstellen.  Sie  wachsen  fort  durch 
der  einzelnen  Fäden,  in  deren  Verlauf  meist  nahe  an  der  p 

Botanische  Untersuchungen  übe,  Schimmelpilze.  Leipzig  bei  Arth» 

Felix.  1872.  . 

-)  Methode,  zur  E.t.,..ch..g  de,  Pilze,  Abhandl.  de,  phje.k  medie. 
Gesellschaft  i„  Wüwbutg  187t  und  Land.,  d.brtü.be,  IV.  Jahtg.  L Heft. 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


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neue  Vegetationspunkte  auftreten,  welche  zu  vielfachen  unregel- 
massjgen  Verzweigungen  führen.  Erst  mit  dem  Beginn  der 

fructification  hört  die  Einzelligkeit  der  Mycelien  auf,  es  zeigen 
sich  Scheidewände,  die  in  fortschreitender  Bildung  einen  centri- 
petalen  Charakter  tragen. 

Es  werden  zunächst  die  Enden  der  Mycelien,  also  die  jün- 
geren Theile,  von  den  mittleren,  älteren  Partien  durch  Scheide- 
wände getrennt.  Diese  schicken  sich  zur  Fructification  an 
wahrend  die  Enden  weiter  fortwachsen.  Die  ersten  Anzeichen 
der  F ructification  geben  sich  durch  Anhäufungen  von  Proto- 
plasma kund,  welche  an  beliebigen  Stellen  im  Verlaufe  der 
fructiti cationsreifen  Fäden  in  entsprechenden  Abständen  von  ein- 
ander eintreten.  Sie  führen  mehr  oder  minder  starke  Aus- 
weitungen der  Mycelien  an  ebendiesen  Stellen  herbei,  wodurch 
sie  als  beginnende  Fruchtanlagen  fortschreitend  klarer  hervor- 
treten.  In  dem  Maasse  als  dies  geschieht,  schreitet  nun  die 
Fheilung  der  Mycelien  durch  Scheidewände  centripetal  weiter 
fort  Es  werden  nämlich  nun  die  einzelnen  je  zur  Bildung  einer 
ruchtanlage  bestimmten  Mycelabschnitte  durch  Scheidewände 
enger  abgegrenzt.  Diese  Scheidewände  treten  entweder  bald 
mit  der  ersten  Andeutung  der  Fruchtanlage  auf,  die  Grenzen 
der  Mycelabschnitte  bezeichnend,  welche  für  die  Bildung  eines 
Fruchttragers  bestimmt  sind,  oder  sie  erscheinen  erst  später, 
nachdem  bereits  eine  engere  Sonderung  des  Protoplasma  an  der 
fortgeschrittenen  Fruchtanlage  sich  vollzogen  hat,  diese  allein 
und  unmittelbar  von  den  Mycelien  abgrenzend.  Hier  wie  dort 
wird  der  Inhalt  der  Mycelien  zur  Fructification  verwendet,  sie 
hören  mit  der  Fructification,  soweit  sie  fructificationsreif  sind 
vegetativ  zu  wachsen  auf  und  sind  nach  deren  Ausbildung  inhalts- 
leen  Dm  einzelnen  Fructificationsanlagen  werden  zu  Attractions- 
p nkten  für  den  protoplasmatischen  Inhalt  der  Fäden,  der  sich 
i nen  in  deutlich  sichtbaren  Strömen  zuwendet.  Wo  die  Scheide- 
wände früh  auftreten,  bezeichnen  sie  die  Grenzen  der  entgegen- 

f2TaA  T,rd  immer  i8t’  •*> 

g n,  diese  Stelle  als  neutraler  Punkt  zwischen  den  Strömen 
“ 2U  Vn"  natÜrlichen  Dimension  des  Fadens  verjüngt.  Im 
..  e,ien  6 ‘ritt  d;e  Begrenzung  der  Ströme  durch  Scheide- 
o e noch  nicht  ein,  das  Protoplasma  strömt  beliebig  den 


76 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


Fruchtanlagen  zu,  es  ist  sogar  leicht,  an  einer  Verzweigungs- 
stelle der  Mycelien  die  Theilung  des  Stromes  in  2 Arme  zu  ver- 
folgen, welche-  je  verschiedenen  Fruchtanlagen  sic  i zuw  einen, 
erst  dann,  wenn  eine  genügende  Menge  von  Protoplasma  zu 
einer  Fruchtanlage  sich  angehäuft  hat,  tritt  nach  einer  vorherigen 
Sonderung  desselben  in  einen  engeren  zur  Fruchtanlage  e 
stimmten  Theil  dessen  allseitige  Abgrenzung  von  den  an  Inba 
erschöpften  Myceltheilen  der  Umgebung  ein.  Es  ist  jedoch  zu 
bemerken,  dass  in  beiden  Fällen  mit  der  Anziehung  des  Proto- 
plasmas auf  einen  Punkt  sehr  häufig  nach  rückwärts  in  den 
sich  entleerenden  Fäden  ganz  unregelmässig  Scheidewände  an- 
gelegt werden,  welche  die  inactiv  gewordenen  Theile  abgrenzen. 
Sie  können  mehr  oder  minder  zahlreich  sein  und  später  sogar 
bis  in  den  obersten  Theil  des  Fruchtträgers  selbst  Vordringen. 

Jede  Fruchtanlage  lässt  bald  einen  Vegetationspunkt  erkennen, 
der  zu  einem  verschieden  langen  oft  typisch  verzweigten  Frucht- 
träger  auswächst,  an  dessen  Ende  oder  verschiedenen  Enden  die 
Fructification  erfolgt.  In  den  einfachsten  Fällen  bei  den 
Chaetocladiaceen  werden  einzelne  Gonidien  abgeschnurt,  die  sich 
bei  Piptocephalis  noch  zergliedern.  Bei  den  Muconnen  werden 
dagegen  sehr  complicirt  gebaute  Sporangien  gebildet  welche 
durch  freie  Zellbildung  in  ihrem  Innern  eine  grosse  Zahl  von 
Gonidien  erzeugen.  Die  Sporangien  treten  als  Anschwellungen 
der  Fruchtträgerenden  auf,  welche  hiermit  ihr  Spitzenwachsthum 
beschliessen.  Wenn  die  Anschwellung  sich  ausbildet,  erfo  g 
gleichzeitig  im  Innern  des  jungen  Fruchtträgers  eine  Sonderung 
des  Protoplasmas;  das  zur  Gonidienbildung  bestimmte  asma 
tritt  in  die  Anschwellung  über,  welche  darauf  durch  eine  meis 
etwas  nach  oben  gewölbte  Scheidewand,  die  Columella,  vom 
Fruchtträger  getrennt  wird.  Während  nun  die  Sporangien- 
membran  ihre  weitere  Ausbildung  erfährt,  erfolgt  im  Innern  die 
Bildung  der  Gonidien  dadurch,  dass  sich  simultan  aus  dem  n 
halte  die  einzelnen  Partien  Protoplasma  differenziren  und  dann 
mit  Membran  umgeben,  welche  zu  Gonidien  werden  Es  kann 
die  Gesammtmasse  des  Sporangieninbalts  in  der  Gonidmnbi  dung 
aufgehen,  der  Vorgang  den  Charakter  einer  Zellbildung  durc 
Theilung  tragen,  oder  aber  - und  dies  ist  der  häufigere  Fall 
- vor  der  Theilung  oder  mit  ihr  eine  weitere  Sonderung  des 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


77 


Protoplasmas  stattfinden  in  einen  engeren  für  die  Gonidien- 
bildung  bestimmten  Theil  und  einen  anderen,  der  hierfür  keine 
Verwendung  findet.  Der  Hergang  entspricht  in  diesem  Falle 
dem  Schema  der  freien  Zellbildung,  wie  es  zur  Zeit  gilt,  weil 
eben  nicht  alles  Protoplasma  der  Mutterzelle  für  die  erzeugten 
Tochterzellen  Verwendung  findet.  Der  nicht  verwendete  Theil 
ist  ebenso  verschieden  in  seinen  Eigenschaften  als  in  seiner  ört- 
lichen Lagerung  zu  den  Gonidien.  Nach  beiden  Richtungen 
spricht  sich  seine  Bedeutung  auf’s  Klarste  aus:  er  übernimmt 
Functionen  für  die  Entleerung  der  Sporangien  und  für  die  Ver- 
breitung der  Gonidien.  Je  nach  Umständen  ist  er  bald  zwischen 
den  Gonidien  gelegen,  bald  an  bestimmten  Stellen  des  Sporan- 
giums  ausserhalb  der  Gonidien  angebracht,  bald  klebrig,  bald 
wasseranziehend  und  aufquellend,  bald  mit  allen  diesen  Eigen- 
schaften zugleich  ausgerüstet;  ich  habe  ihn  als  Zwischensubstanz 
bezeichnet.  *) 


*)  Ich  will  bemerken,  dass  meiner  Auffassung  nach  beide  Vorgänge  der 
Zellbildung  als  freie  Zellbildung  im  Innern  einer  Mutterzelle  aufgefasst  wer- 
den müssen.  Der  Umstand,  ob  gerade  alles  Protoplasma  der  Mutterzelle  für 
die  Bildung  der  Tochterzellen  Verwendung  findet,  oder  ob  ein  Theil  desselben 
für  eine  besondere  Function  abgeschieden  wird,  ist  für  den  Vorgang  der  Zell- 
bildung seibst  von  gar  keiner  Bedeutung.  Dort  wo  es  vortheilhaft  und 
nützlich  ist,  wird  Zwischensubstanz  bei  dem  Vorgänge  gebildet,  im  anderen 
lalle  unterbleibt  deren  Bildung.  Wir  haben  diese  Variation  des  Vorganges 
nicht  bloss  bei  den  Mucorinen,  auch  bei  vielen  anderen  Pflanzenclassen  z.  B. 
den  Ascomyceten  und  Myxomyceten.  So  wird  bei  den  Tuberaceen  alles  Proto- 
plasma des  Ascus  für  die  Sporenbildung  verwendet,  die  Entleerung  der  Sporen 
erfolgt  in  dem  geschlossenen  Fruchtkörper  durch  Auflösen  des  Ascus; 
bei  den  Discomyceten  hingegen  bleibt  viel  Protoplasma  bei  der  Sporenbildung 
unverbraucht  als  Zwischensubstanz  übrig;  sie  hat  Wasser-anziehende  Eigen- 
schaften, dehnt  den  Schlauch  aus  und  bewirkt  schliesslich  ein  Aufplatzen 
und  damit  die  Sporenentleerung  aus  dem  offenen  Fruchtkörper.  Bei  den 
Myxomyceten  ist  es  ähnlich,  hier  erhärtet  in  den  meisten  Fällen  die  Zwischen- 
substanz membranartig  und  stellt  so  das  für  die  Entleerung  der  Fruchtkörper 
wichtige  Capillitium  dar.  — Bei  dem  Embryosack  der  Phanerogamen  zeigt 
sich  in  soweit  eine  Verschiedenheit  bei  der  in  seinem  Innern  stattfindenden 
freien  Zellbildung,  als  hier  die  Mutterzelle,  der  Embryosack,  zu  bestehen  und 
zu  wachsen  fortfährt,  oft  riesige  Dimensionen  annehmend  wie  z.  B.  bei  der 
Cocospalme, 


78 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


Mit  der  Vollendung  der  Gonidienbildung  treten  weitere 
Veränderungen  auf,  welche  schon  wesentlich  auf  die  Entleerung 
der  Sporangien  gerichtet  sind.  Sie  erfolgt  in  einer  nach  ihrer 
besonderen  Structur  durchaus  verschiedenen  Weise.  Ueberall 
dort,  wo  die  Gonidienbildung  durch  vollkommene  Theilung  des 
Inhaltes  der  Sporangien  ausschliesslich  für  die  Gomdien  erfolgt, 
tritt  eine  Auflösung  der  Membran  der  Sporangien  ein,  und  die 
Gonidien  verstäuben.  Ueberall  dort  hingegen  wo  die  Gomdien- 
bildung  nur  aus  einem  Theil  des  Inhalts  der  Mutterzelle  erfolgt, 
eine  Zwischensubstanz  örtlich  und  stofflich  verschieden  ange  egt 
wird,  variirt  der  Vorgang  in  mannichfacher  Weise.  Am  hauüg- 
sten  tritt  nach  der  vollkommenen  Ausbildung  der  Sporangien 
eine  ganz  bedeutende  Streckung  der  Frucbtträger  ein,  die  hier- 
durch das  10— 15 fache  ihrer  Länge  erreichen  können.  Diese 
Streckung  erfolgt  durch  intercalares  Wachsthum  einer  sehr  eng 
begrenzten  Zone  des  Fruchtträgers,  die  unmittelbar  unter  dem 
Sporangium  liegt  und  durch  ihre  Zartheit  und  Farbenverschieden- 
heit leicht  kenntlich  ist.  Durch  diese  Streckung  entstehen  die 
grossen  stattlichen  Schimmelpilze,  die  wie  der  Mucor  mtens 
(Phycomyces ) eine  Länge  von  10  Zoll  erreichen  können  und  in 
ihrer  Masse  einem  .dichten  Haarschopfe  gleichen.  Die  sic 
streckenden  Fruchtträger  sind  äusserst  lichtempfindlich,  positiv 
heliotropisch,  ihre  Sporangien  haben  eine  sehr  reichliche  Zwischen- 
substanz, die  sehr  stark  aufquillt  und  klebrig  ist  und  entweder 
zwischen  den  Gonidien  liegt  oder  ausserhalb  derselben  an  dei 
Insertionsstelle  des  Sporanginms  am  Fruchtträger  angebracht  ist. 
Im  ersten  Falle  hat  die  Membran  der  Sporangien  die  Eigenschaft 
zu  zerfliessen  in  eine  sehr  klebrige  Substanz,  im  zweiten  Falle 
zerfliesst  sie  nicht,  wird  aber  durch  die  aufquellende  klebrige 
Zwischensubstanz  circumscript  aufgesprengt.  Mit  der  Streckung 
bleiben  nun  die  Sporangien  an  beliebigem  Widerstande  kleben, 
auf  den  sie  zufällig  treffen  und  trennen  sich  vom  Fruchttrager, 
oder  dieser  sinkt  um  und  die  Sporangien  fallen  auf  die  Erde, 
wo  sich  die  Gonidien  verbreiten  oder  die  Sporangien  bloss  an- 
kleben  um  durch  Zufall  weiter  fortgetragen  zu  werden.  Bei 
anderen  Formen  wiederum  unterbleibt  diese  Längsstreckung,  die 
betreffende  des  intercalaren  Wachsthums  fähige  Zone  des  Frucht- 
trägers wächst  nur  peripherisch  sich  zu  einer  grossen  Blase 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


79 


ausdehnend,  auf  welcher  das  Sporangium  als  kleiner  Punkt  sitzt. 
Hier  wird  durch  starke  Wasseranziehung  des  im  Fruchtträger 
verbliebenen  Protoplasmas  das  Sporangium  schliesslich  abge- 
schleudert, nachdem  seine  Membran  schon  vorher  durch  die 
unten  im  Sporangium  vorhandene  Quellschicht  von  Zwischen- 
substanz aufgebrochen  war;  es  bleibt  an  irgend  einem  auf  seiner 
Flugbahn  getroffenen  Hindernisse  kleben.  Die  hier  angeführten 
Variationen  in  der  Structur  der  Fruchtträger  und  Sporangien 
und  der  Entleerung  ihrer  Gonidien  finden  sich  nun  in  den 
mannichfachsten  Combinationen  und  Modificationen  bei  den  ein- 
zelnen Formen  dieser  Pilze  vor. 

Unter  besonderen  äusseren  Lebensverhältnissen  kommt 
die  Ausbildung  der  Fruchtanlagen  an  den  fructificationsreifen 
Mycelabschnitten  nicht  normal  zu  Stande,  diese  vermögen  dann 
einen  vorübergehenden  Ruhezustand  anzunehmen , sich  in  den 
erreichten  Stadien  ihrer  Bildung  mit  dicken  Membranen  zum 
Schutze  zu  umgeben,  um  erst  später,  wenn  die  äusseren  Um- 
stände günstig  sind,  die  versäumte  Fruchtbildung  nachzuholen, 
oder  nach  Art  der  keimenden  Gonidien  auch  direct  neue  My- 
celien  zu  bilden.  Es  sind  diese  nur  vereinzelt  in  ausgesprochener 
Form  vorkommenden  Bildungen  auch  wohl  als  Gemmen  oder 
Chlamydogonidien  bezeichnet  worden.  Sie  sind  für  gewöhnlich 
nur  Gliedertheile  der  Mycelien,  wie  sie  als  erste  Einleitung  zur 
Fructification  an  den  reifen  Abschnitten  durch  die  früher  be- 
schriebene Scbeidewandbildung  gebildet  werden  und  tragen  in 
dieser  einfachen  Form  der  Bildung  den  Charakter  einer  vege- 
tativen Theilung,  wie  sie  bei  den  einfachsten  ersten  Pilzclassen 
als  Regel  vorkommt. 

Ausser  der  hier  beschriebenen  ungeschlechtlichen  Fortpflan- 
zung besitzen  die  Zygomyceten  geschlechtlich  erzeugte 
Früchte.  Sie  werden  durch  den  einfachen  Sexualact  der  Co- 
pulation  zweier  morphologisch  und  physiologisch  gleichwerthiger 
Sexualzellen  gebildet.  An  den  Stellen,  wo  zwei  geschlechtsreife 
Myceläste  sich  begegnen  oder  auch  einander  entgegengewachsen 
sind,  werden  die  Sexualzellen  durch  Scheidewände  abgegrenzt. 
Sie  sind  nicht  länger  als  breit  und  vermischen  ihren  Inhalt  durch 
Resorption  der  Zwischenwand.  Die  durch  die  Verschmelzung 
neu  gebildete  Zelle  wächst  zu  einer  grossen  Spore  heran,  die 


80 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


sich  schliesslich  mit  dicken,  doppelt  geschichteten  Membranen 
für  den  Dauerzustand  ausrüstet.  In  dieser  geschlechtlichen 
Fortpflanzung  besitzen  die  copulirenden  Pilze  offenbar  in  höchst 
mangelhaftem  Grade  die  Hülfsmittel  der  Vermehrung;  die  Zygo- 
sporen  dienen  vielmehr  vorzugsweise  der  Erhaltung  der  Art  un 
hiermit  steht  ihre  glänzende  Ausrüstung  für  den  Dauerzustand, 
ihre  lange  Keimfähigkeit  durchaus  im  Einklänge.  Dagegen  liegt 
der  Schwerpunkt  der  Vermehrung  bei  dieser  Classe  in  der  aus- 
nahmslos vorkommenden  überaus  reichen  ungeschlechtlichen  er- 

mehrung.  . , • 

Das  Product  der  Sexualität  bleibt  hier  in  allen  hallen  ei 

der  Bildung  einer  grossen  Dauerspore  stehen,  welche  direct 
aus  dem  Verschmelzungsproducte  der  Sexualzellen  hervorgeht. 
Nur  in  einem  einzigen  Falle  zeigen  sich  an  dem  Producte  der 
Sexualität  die  unzweifelhaften  Andeutungen  der  fortgeschrittenen 
Entwickelungsrichtung,  welche  bei  den  Classen  der  höheren 
Pilze  den  Asco-  und  Basidiomyceten  zur  herrschenden  wird, 
hier  in  der  Erzeugung  der  hoch  und  reich  gegliederten  und  sehr 
mächtigen  Fruchtkörper  der  Trüffeln  und  Schwämme  ihren  Höhe- 
punkt erreicht,  und  mit  der  Bildung  unzähliger  Sporen  endet 
die  zugleich  Träger  der  Erhaltung  und  Vermehrung  sind  und 
eine  besondere  ungeschlechtliche  Vermehrung  überflüssig  machen, 
deren  Vorkommen  nur  mehr  ein  vereinzeltes  und  seltenes  ist. 
Der  erwähnte  Fall  liegt  uns  in  den  von  mir  beschriebenen  Zygo- 
sporen  von  Piptocephalis *)  vor.  Hier  wächst  das  Verschmelzungs- 
product  der  Sexualzellen  nicht  direct,  indem  es  allseitig  an 
Dimension  zunimmt,  zur  Zygospore  heran;  die  mit  dem  Sexua - 
acte  eingeleitete  Wachsthumsrichtung  ist  vielmehr  eine  localisirte 
und  bestimmt  orientirte.  Es  tritt  an  bestimmter  Stelle  ein  neuer 
Vegetationspunkt  auf,  an  dem  allein  das  Wachsthum  erfolgt. 
Diesem  einseitig  localisirten  Wachsthumsvorgange  entspricht 
ein  schliesslicher  Theilungsprozess,  aus  welchem  3 physiologisch 
verschiedene  Theilproducte  hervorgehen,  eine  Dauerspore  und 
2 sterile  Zellen,  in  ihrer  Form  ungefähr  den  früheren  Sexual- 
zellen entsprechend,  welche  gleichsam  das  neu  angewachsene 
durch  die  Theilung  als  Dauerspore  abgeschiedene  Stuck  über 


*)  Schimmelpilze,  I.  Heft. 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


81 


sich  erzeugt  haben.  In  dieser  besonderen  Wacbsthumsrichtung 
und  in  der  einfachen  Differenzirung  und  Theilung  des  sexuellen 
Productes  müssen  wir  den  Höhepunkt  der  Entwickelung  inner- 
halb der  Classe  der  copulirenden  Pilze  erkennen;  sie  geht  hier- 
über, soweit  bis  jetzt  die  Thatsachen  vorliegen,  in  den  Grenzen 
der  Classe  noch  nicht  hinaus. 

Die  Keimung  der  geschlechtlich  erzeugten  Zygosporen  erfolgt 
bei  hinreichender  Befeuchtung  dann,  wenn  die  Ruheperiode  über- 
wunden ist.  Es  geht  aus  ihnen  mit  der  Keimung  ein  Frucht- 
träger direct  hervor,  welcher  einem  ungeschlechtlich  erzeugten 
durchaus  gleich  ist.  Bisher  war  diese  Art  der  Keimung  die 
einzig  beobachtete.  Die  ausnahmslose  directe  Erzeugung  eines 
Fruchtträgers  ohne  Mycelbildung  musste  mit  Nothwendigkeit  zu 
der  Auffassung  führen,  dass  eben  dieser  Fruchtträger  der  Aus- 
gangspunkt der  Sexualität  sei,  dessen  Sporen  erst  wieder  zu 
den  Mycelien  der  Geschlechtsgeneration  zurückgingen.  Die  voll- 
kommene Gleichheit  des  Fruchtträgers  mit  einem  ungeschlecht- 
lich erzeugten  Fruchtträger  der  Mycelien  brachte  hingegen  diese 
Auffassung  mit  den  sonst  bekannten  Thatsachen  in  unlösbaren 
Widerspruch,  wonach  ja  eben  das  Product  der  Sexualität  bei 
allen  kryptogamischen  Pflanzen  darin  charakterisirt  ist,  dass  es 
ein  anderes  und  neu  erzeugtes  ist  gegenüber  dem  geschlecht- 
lichen Abschnitte,  aus  dem  es  hervorgeht  und  den  es  nur  allein 
wiederzuerzeugen  vermag,  zwar  so,  dass  der  geschlechtliche  und 
der  geschlechtlich  erzeugte  aber  seinerseits  ungeschlechtliche 
Abschnitt  der  Entwickelung  sich  einander  bedingen,  und  auf 
einander  folgen  als  Wechselgenerationen,  wenn  sie  je  in  wohl- 
umgrenzter Form  zur  vollkommenen  Individualität  gelangt  sind. 
Ich  stellte  mir  darum  die  Frage,  ob  es  nicht  möglich  sei,  die 
Fruchtträgerbildung  bei  der  Keimung  der  Zygosporen  zu  unter- 
drücken zu  Gunsten  normaler  Mycelbildung,  und  ob  nicht  diese 
Art  der  Keimung,  wenn  sie  durch  äussere  Verhältnisse  abzu- 
lenken wäre,  eben  darum  auch  als  nichts  weiter  wie  das  ge- 
wöhnliche Resultat  der  äusseren  Lebensverhältnisse  anzusehen 
sei.  Nach  langen  vergeblichen  Versuchen  gelang  es  mir  endlich, 
das  erwünschte  Ziel  zu  erreichen.  Cultivirt  man  nämlich  zum 
Zwecke  der  Keimung  die  Zygosporen  in  Nährlösungen,  so  geht 
sowohl  die  Nährlösung  wie  die  Zygospore  unter.  Die  Nähr- 


82  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

lösung  erleidet  durch  fremde  Pilzkeime,  welche  sich  mit  der 
Länge  der  Zeit  unvermeidlich  einstellen,  Zersetzungen,  wodurch 
auch  die  Zygosporen  ihre  Keimkraft  verlieren,  weil  es  Wochen 
und  Monate  dauert,  bis  die  Keimung  überhaupt  eintritt.  Diese 
Umstände  berücksichtigend  brachte  ich  dann  die  Zygosporen  in 
feuchter  Luft  zuerst  bis  zu  dem  Punkte  beginnender  Keimung 
und  übertrug  sie  dann  erst  sehr  vorsichtig  in  verdünnte  Näbr- 
lüsungen.  Die  Keimschläuche  wuchsen  nun,  wenn  die  Cultur 
richtig  geleitet  wurde,  nicht  mehr  direct  zum  Fruchtträger  aus, 
sondern  erzeugten  die  normalen  Mycelien  der  Geschlechtsgene- 
ration ohne  vorherige  Fruchtträgerbildung.  Mit  vollkommener 
Sicherheit  erreichte  ich  mein  Ziel  stets  bei  den  Zygosporen  von 
Mucor  dichotomus  ( Sporodinia  grandis ).  Die  Mycelien  gediehen, 
wiewohl  der  Pilz  in  der  Natur  nur  parasitisch  auf  grossen 
Schwämmen  vorkommt,  in  den  zusagenden  Nährlösungen  ganz 
vortrefflich.  Ich  unterliess  nicht,  die  so  gezogenen  Mycelien 
vom  Objectträger  auf  festes  Substrat,  mit  Bierwürze  befeuchtetes 
Brod,  zum  Zwecke  einer  üppigeren  Entwickelung  zu  übertragen. 
Hier  nun  stellte  sich  direct  aus  den  Mycelien  der  Zygosporen 
wiederum  eine  so  massenhafte  Zygosporenbildung  ein,  dass  das 
Brod  davon  schwarz  überzogen  wurde;  nebenher  traten  spater 
auch,  aber  nicht  sehr  üppig,  die  ungeschlechtlichen  Mucorfrucht-  | 

träger  auf.  . 

Die  Versuche  beweisen,  dass  die  bisher  beobachtete  Keimung 
der  Zygosporen  mit  einem  Fruchtträger  nur  die  eine  Art  der 
Keimung  ist,  die  gewöhnlich  unter  den  obwaltenden  äusseren 
Verhältnissen  eintritt,  dass  die  zweite  mit  directer  Mycelbildung 
dann  erfolgt,  wenn  eine  Auskeimung  in  Nährsubstrat  stattfindet. 
Sie  beweisen  weiter,  dass  nicht  die  Fruchtträger,  welche  aus 
der  Zygospore  keimen,  sondern  diese  selbst  als  das  einfache  un 
endliche  Resultat  der  Sexualität  anzusehen  ist,  und  dass  wir 
demnach  thatsächlich  in  der  höheren  Ausbildung  der  Zygosporen, 
wie  sie  in  eben  ausgeführter  Weise  bei  Piptocephalis  vorkommt,  | 
den  Culminationspunkt  innerhalb  der  Classe  der  copulirenden 
Pilze  erreicht  sehen  müssen,  den  Höhepunkt  nach  der  Richtung 
des  sexuellen  Productes,  welche,  wie  die  Thatsachen  bei  den 
höheren  Pilzen,  überhaupt  die  Thatsachen  bei  den  höheren 
Pflanzen  beweisen,  im  Pflanzenreiche  die  herrschende  ist  und 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


83 


darum  für  die  Systematik  maassgebende  sein  muss.  Die  Ver- 
suche beweisen  endlich,  dass  eine  gesetzmässige  Folge  zwischen 
der  ungeschlechtlichen  Fortpflanzung  und  dem  Eintritte  der 
Sexualität  ebensowenig  besteht,  dass  die  Sexualität  nicht  noth- 
wendig  erst  nach  einer  Sprossfolge  ungeschlechtlicher  Genera- 
tionen eintritt.  Eine  lange  Reihe  von  weiteren  Versuchen  be- 
treffs der  Sexualität  und  ihres  Eintrittes  können  ebenfalls  hier- 
für als  beweisend  gelten.  Es  ist  ja  von  Interesse  und  für  eine 
monographische  Bearbeitung  dieser  Pilclasse,  wie  ich  sie  vor- 
habe, unerlässlich,  die  Zygosporen  der  einzelnen  Pilze  zu  erhalten, 
sie  zur  geschlechtlichen  Fortpflanzung  zu  bringen  und  die  Um- 
stände zu  kennen , von  welchen  ihr  Auftreten  etwa  abhängig 
sein  könnte;  für  gewöhnlich  tritt  nämlich  gegenüber  der  un- 
geschlechtlichen Fortpflanzung  die  Sexualität  so  zurück,  dass 
es  erst  für  etwa  10  Repräsentanten  gelungen  ist,  die  Zygosporen 
zu  finden.  Indem  ich  dies  anstrebte,  überzeugte  ich  mich  zu- 
nächst im  Wege  jahrelang  fortgesetzter  Cultur,  dass  der  Gang 
der  ungeschlechtlichen  Vermehrung  nicht  nothwendig  nach  län- 
geren Sprossgenerationen  ausschliesslich  ungeschlechtlicher  Fort- 
pflanzung von  einer  geschlechtlich  erzeugten  Sporengeneration 
abgelöst  wird,  ebensowenig  zeigte  sich  hierfür  irgend  eine  be- 
stimmte Jahreszeit  von  Einfluss.  Im  Laufe  von  4 Jahren  habe 
ich  in  den  Culturen  z.  B.  von  Mucor  lUucedo , M.  stolonifer , M. 
racemosus  und  vieler  anderen  neu  aufgefundenen  Mucorinen  die 
Zygosporen  nicht  bekommen , die  doch  von  den  beiden  ersten 
längst  bekannt  sind,  wiewohl  ich  zu  allen  Jahreszeiten  die  Cul- 
turen unterhielt  und  stets  die  neu  gewonnenen  Gonidien  zur  näch- 
sten Aussaat  verwendete;  ich  habe  so  bereits  eine  Reihe  von 
nahe  an  hundert  ungeschlechtlichen  Sprossgenerationen  erreicht 
ohne  Zygosporenbildung.  Auch  die  Ernährung  allein  ist  nicht 
von  maassgebender  Bedeutung;  auf  demselben  Substrate,  auf 
präparirtem  Brode,  bildeten  Mucor  dichotomus , Piptocephalis  etc. 
regelmässig  Zygosporen,  während  die  oben  genannten  Pilze 
nur  ungeschlechtliche  Fruchtträger  erzeugten.  Ebensowenig  ist 
endlich  das  Alter  der  Mycelien  für  den  Eintritt  der  Sexualität 
entscheidend.  Ich  habe  es  bei  meinen  vervollkommneten  Cultur- 
methoden  erzielt,  dasselbe  Mycelium,  aus  ei n er  Gonidie  gewon- 
nen, auf  ganz  pilzfreiem  unbegrenzten  Substrate  4 Wochen  lang 


84  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

fortwachsend  zu  cultiviren,  ohne  dass  in  dieser  Zeit  etwas  an- 
deres als  ungeschlechtliche  Fruchtträger  erzeugt  wurden.  Zur 
Ergänzung  will  ich' noch  bemerken,  dass  ich  nicht  unterliess, 
betreffs  der  Substrate  und  ihrer  Nährstoffe  alle  erdenklichen 
Variationen  eintreten  zu  lassen,  welche  sich  aber  ebenfalls  erfolg- 
los erwiesen.  Wir  können  hiernach  zur  Zeit  nur  annehmen, 
dass  die  Zygosporenbildung  bei  den  meisten  copulirenden  Pilzen 
von  unbekannten  inneren  Ursachen  in  ihrem  Auftreten  abhängig 
ist  Es  ist  bei  der  Mehrzahl  allein  vom  Zufalle  abhängig,  wenn 
man  sie  mit  Zygosporen  antrifft;  doch  wird  es  hoffentlich 
den  weiteren  Fortschritten  in  der  Culturmethode,  einer  noch 
genaueren  Kenntniss  der  Lebensverhältnisse  und  Lebensbedürf- 
nisse dieser  Pilze  gelingen,  sie  sicher  zur  Sexualität  zu  bringen. 

Vorläufig  haben  wir  darum  in  den  ungeschlechtlichen  Frucht- 
trägern, in  ihrem  Aufbau,  in  der  Form  und  Bildung  der  Gonidien 
und  in  der  Art  der  Verzweigung  der  Träger  die  Merkmale  für 
die  Unterscheidung  der  Formen.  Für  die  Familie  der  Mucori- 
nen,  die  in  Sporangien  fructificiren,  sind  ausserdem  die  Structur- 
verhältnisse  der  Sporangien  systematisch  wohl  verwerthbar.  Die 
Vertreter  dieser  Familie  sind  im  Ganzen  wenig  zahlreich,  sie 
zeigen  sämmtlich  eine  so  nahe  Verwandtschaft,  dass  mir  die 
Aufstellung  von  mehr  als  2 Gattungen  nicht  gerechtfertigt 
erscheint,  den  Gattungen  Mucor  und  Pilobo/us.  Ich  will  für 
heute  noch  die  letzte  dieser  Gattungen  berücksichtigen  und  hier 
kurz  zusammenfassen,  was  ich  darüber  an  bisher  nicht  bekannten 
Einzelheiten  mittheilen  kann. 

Die  Gattung  Pilobolus  ist  ausgezeichnet  durch  die  Structur 
der  Sporangien.  Diese  haben  eine  derbe  cuticularisirte  Membran 
und  eine  an  ganz  bestimmter  Stelle  im  Sporangium  gelegene 
Quellschicht,  welche  bei  der  Gonidienbildung  ausserhalb  der 
Sporen  abgeschieden  wird.  Sie  sprengt  durch  Quellung  die 
Sporangienmembran  an  bestimmter  Stelle  und  trennt  durch  fort- 
schreitendes Aufquellen  das  Sporangium  vom  Träger.  Bei  einigen 
Arten  kommt  eine  gewaltsame  Decapitation  hinzu;  das  Sporan- 
gium wird  abgeschleudert  durch  Aufplatzen  des  Trägers  in  Folge 
starker  Wasseranziehung  seines  Inhaltes.  In  beiden  Fällen  wird 
das  abgequollene  oder  zugleich  auch  abgeschleuderte  Sporangium 
mit  Hülfe  der  klebrigen  Quellschicht  an  dem  gefundenen  Hinder- 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


85 


nisse  festgeklebt.  — Die  Mycelien  und  die  Bildung  der  Sporan- 
gien  sind  von  Klein*)  im  Wesentlichen  richtig  beschrieben. 
Das  Protoplasma,  der  fructificirenden  Fädön  sammelt  sich  an 
einzelnen  Stellen  meist  an  den  Enden  der  JMycelien  und  diese 
Stellen  werden  erst  nach  der  Ansammlung  bei  allen  den  Arten, 
die  das  Sporangium  abschleudern,  durch  Scheidewände  von  den 
Mycelien  allseitig  abgegrenzt.  An  der  Hauptverbindungsstelle 
mit  dem  Mycel  erfolgt  die  Abgrenzung  stets  noch  innerhalb  der 
Anschwellung,  die  gleichsam  eine  Zwiebel  bildet.  WAnn  die 
f1  ruchtanlage  im  Verlaufe  eines  dicken  Fadens  oder  gar  an  einer 
Hauptverzweigungsstelle  eintritt,  so  dass  die  Arme  nach  2 oder 
3 Seiten  gleich  stark  sind,  so  finden  sich  natürlich  2 oder  3 
dieser  Zwiebeln  vor;  sind  sie  dagegen  nicht  gleich  stark,  aber 
die  Auszweigungen  der  Mycelien  an  der  Stelle  der  Fruchtanlage 
zufällig  sehr  zahlreich  und  nur  kurz  und  dünn,  so  treten  sie 
gegen  die  Hauptzwiebel,  die  gewissermaassen  die  Verbindungs- 
stelle mit  dem  Mycel  allein  repräsentirt  und  dadurch  auch  den 
Anfang  des  Fruchtträgers,  der  sich  aus  ihr  erhebt,  örtlich  be- 
stimmt, ganz  zurück,  sie  erscheinen  später  als  seitliche  Aus- 
wüchse am  Fruchtträger  selbst,  und  sind  auch  fälschlich  als 
solche  gedeutet  worden.  Die  reifen  Mycelabschnitte,  welche  den 
centralen -Theil  des  Myceliums,  zunächst  nur  eine  grosse  viel- 
verzweigte Zelle,  bilden,  welche  von  den  weiterwachsenden 
Enden  durch  Scheidewände  im  Beginn  der  Fructification  abge- 
grenzt wird,  erschöpfen  ihren  Inhalt  für  die  Anlagen  der  Frucht- 
träger,  nach  welchen  das  Protoplasma  hinströmt;  sie  wachsen 
weder  während  der  Fructification  noch  auch  nachträglich  vege- 
tativ weiter,  wie  dies  Klein  annimmt.  Die  zuletzt  gebildeten 
Fruchtträgeranlagen  erhalten  meist  nur  mehr  einen  spärlichen 
Zufluss  von  Protoplasma,  und  kommen  darum  selten  zur  Ent- 
wickelung. Auch  grössere  Fruchtanlagen  bleiben  mitunter  in 
der  Entwickelung  stehen,  und  umgeben  sich  mit  derberen  Mem- 
branen. Sie  ertragen  eine  kurze  Ruhezeit  und  bilden  dann  den 
Fruchtträger  nachträglich  aus,  wenn  die  Bedingungen  es  ge- 
statten. 

*)  Klein>  zur  Kenntniss  des  Pilobolus , Pringsheim’s  Jahrbücher, 

8.  Band,  1872, 


86  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Die  Zygosporen  waren  bisher  von  Pilobolus  nicht  bekannt, 
ich  habe  sie  bei  einer  Art  gefunden,  die  ich  früher  als  neu 
unter  dem  Namen  P.  Mucedo  beschrieben  und  abgebildet  habe*), 
die  aber  wohl  nichts  weiter  ist,  wie  der  von  Cesati  1X50  schon 
beschriebene  P.  anomalus .**)  Diese  Art  zeigt  alle  die  charak- 
teristischen Structurverhältnisse  des  Sporangiums  von  Pilobolus , 
nur  wird  das  Sporangium  nicht  abgeschleudert,  sondern  es  quillt 
ab,  indem  der  sehr  heliotropische  Fruchtträger  durch  intercalares 
Wachsthum  eine  bedeutende  Streckung  (den  grossen  Mucorarten 
ähnlich)  erfährt.  Aeusserlich  sieht  die  Form  darum  einem  Mucor 
ähnlich,  mit  dem  sie  auch  das  gemein  hat,  dass  die  Fruchtanlage 
nicht  spät  und  unmittelbar  von  den  entleerten  Myceltheilen  ab- 
gegrenzt wird,  wie  es  bei  den  übrigen  Pilobolis,  welche  die 
Sporangien  abschleudern,  geschieht;  sondern  dass  auch  hier  eine 
Zergliederung  der  Mycelien  durch  Scheidewände  in  einzelne 
Abschnitte  schon  beim  Beginn  der  Fructificatiou  erfolgt,  Ab- 
schnitte, welche  je  einen  Fruchtträger  in  ihrem  Verlaufe  an 
beliebiger  Stelle  erzeugen.  Die  engere  Abgrenzung  der  Frucht- 
anlage bei  den  übrigen  Arten  steht  wohl  mit  dem  Vorgänge  des 
Abschleuderns  der  Sporangien  im  engen  Zusammenhänge,  diese 
würde  ohne  diese  Abgrenzung  von  den  Mycelien  in  der  be- 
stimmten Weise  kaum  erfolgen  können.  Ich  habe  die  Zygosporen 
des  P.  anomalus  mehrere  Male  auf  Pferdeinist  gefunden,  sie 
zeigen  eine  etwas  einseitige  Ausbildung,  wodurch  sie  in  ihrer 
Stellung  zu  den  Trägern  eigentümlich  erscheinen.  Sie  befinden 
sich  nicht  zwischen,  sondern  über  den  Trägern,  welche  nahe 
zusammenstehen  und  die  Zygosporen  auf  sich  tragen.  Die  Zygo- 
sporen keimen  leicht,  schon  nach  4 wöchentlicher  Cultur  in 
feuchter  Luft  in  der  bekannten  gewöhnlichen  Weise.  Der  von 
Cesati  gewählte  Name  ist  sehr  bezeichnend,  weil  der  P.  ano- 
malus in  der  Structur  der  Sporangien,  im  Bau  der  Fruchttrager 
und  in  dem  Mangel  des  Abschleuderns  der  Sporangien  die 
Charaktere  von  Pilobolus  und  Mucor  in  gewissem  Grade  in  sich 
vereinigt. 


*)  Schimmelpilze,  I.  Heft. 

**)  Beschreibung  aus  Coemans,  Monographie  du  genre  Pilobolus,  ent- 


nommen. 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


87 


An  den  Pilobolus  anomalus  schliesst  sich  in  Beziehung  auf 
Grösse  des  Fruchtträgers  ein  höchst  stattlicher  Pilobolus  an,  den 
ich  seit  einiger  Zeit  auf  Pferdemist  häufig  gefunden  habe.  Ich 
halte  ihn  für  den  schon  früher  beschriebenen  und  abgebildeten 
Pilobolus  roridus *),  dessen  Existenz  vielfach  bezweifelt  wurde. 
Er  ist  durch  seine  aussergewöhnlichen  Dimensionen,  welche  bis 
zu  2 Zoll  Höhe  gehen,  durch  seine  intensiv  schwarze  Sporangien- 
membran  und  durch  die  nur  wenig  ovalen,  sehr  regelmässigen, 
gelben,  0.012  mm.  langen  und  0.01  mm.  breiten  Gonidien  aus- 
gezeichnet. Der  grossen  Länge  des  Fruchtträgers  entspricht  es, 
dass  die  Abschleuderung  der  Sporangien  hier  nur  äusserst, 
schwach  und  meist  gar  nicht  eintritt;  die  Sporangien  quellen 
auch  hier  der  Mehrzahl  nach  ab,  wie  beim  P.  anomalus.  An 
den  Pilobolus  roridus  schliesst  sich  der  von  Klein  beschriebene 
P.  microsporus  als  wohl  charakterisirte,  durch  die  sehr  kleinen 
länglichen,  gelbgrünen,  0.006  mm.  langen  und  0.004  mm.  breiten 
Gonidien  ausgezeichnete  Art  an;  auch  hier  werden  die  Frucht- 
träger bis  zu  ^ Zoll  lang.  Die  Kleinheit  der  Gonidien,  welche 
grosse  Aehnlichkeit  in  der  Form  und  Farbe  mit  denen  von 
P.  anomalus  (die  0.008  mm.  lang  und  0.006  mm.  breit  sind)  haben, 
unterscheidet  diese  Art  sehr  auffällig  vom  P.  crystallinus , den 
Klein  auf  Grund  irrthümlicher  Culturergebnisse  mit  dem  kurz- 
stieligen  P.  oedipus  in  genetischen  Zusammenhang  bringt.  Diese 
beiden  letzten  Arten  sind  oft  beschrieben  und  abgebildet.**) 
P.  oedipus  ist  klein,  hat  grosse,  sehr  unregelmässige,  rothe,  runde, 
0.015  bis  0.005  mm.  messende  Gonidien,  P.  crystallinus  ist  länger 
gestielt  und  hat  gelb  grüne,  länglich  ovale  Gonidien,  welche 

O. 015  mm.  lang  und  0.010  mm.  breit  sind. 

Im  umgekehrten  Verhältnisse  zur  Grösse  des  Fruchtträgers 
steht  die  Energie  des  Kopfabschleuderns.  Sie  ist  höchst  ener- 
gisch bei  dem  kurzen  P.  oedipus , schwächer  bei  den  längeren 
Formen  des  P.  crystallinus  und  microsporus , äusserst  schwach 
bei  dem  grossen  P.  roridus  und  gar  nicht  mehr  vorhanden  bei 

P.  anomalus. 


) Persoon,  Syn.  Fung.  p.  118;  ferner  abgebildet  und  beschrieben  in 
der  erwähnten  Monographie  von  Coemans. 

) Coemans  Monographie  von  Pilobolus. 


88  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Die  Lage  und  Mächtigkeit  der  Quellschicht  in  den  Sporan- 
gien  entspricht  genau  diesen  Verhältnissen.  Sie  ist  in  dem 
Maasse  stärker  ausgebildet  und  einseitig  localisirt,  als  das  Ab- 
schleudern zurücktritt.  Bei  P.  oedipus  ist  die  Quellschicht  am 
unbedeutendsten,  aber  sie  erstreckt  sich  fast  bis  zur  Spitze  des 
Sporangiums,  gleichsam  eine  besondere  Sporenhülle  bildend,  als 
welche  sie  auch  von  Klein  aufgefasst  und  bezeichnet  worden 
ist.  Bei  P.  microsporus,  crystallinus  und  roridus  hat  sie  gerin- 
gere Ausdehnung  im  Sporangium,  sie  ist  unten  an  mehr  be- 
grenzter Stelle  angebracht,  aber  mächtiger  als  bei  P.  oedipus. 
Sie  ist  endlich  ausschliesslich  localisirt  an  der  Insertionsstelle 
der  Sporangien  beim  P.  anomalus.  Hier  hat  sie  eine  grosse 
Mächtigkeit  und  gestaltet  sich  aufgequollen  zu  einem  grossen 
Kragen  am  Sporangium,  wenn  sie  ihre  Function,  das  Abquellen 
der  Sporangien,  erfüllt  hat. 

Herr  C.  Janisch,  als  Gast  anwesend,  legte  eine  grössere 
Anzahl  von  Diatomeen-Präparaten  zur  Ansicht  unter  dem  Mikro- 
skop vor. 

Herr  v.  Martens  sprach  im  Anschluss  an  eine  frühere 
Mittheilung  (Sitzung  vom  Juni  1871)  über  die  vom  Geh.  Rath 
Ehrenberg  auf  seiner  Reise  durch  Russland  nach  Sibirien  im 
.Jahre  1829  gesammelten  Conchylien.  Der  letztere  hat  in  die- 
sem Jahre  unter  seinen  Sachen  noch  eine  von  jener  Reise  her- 
rührende  Partie  von  Conchylien  wieder  aufgefunden,  deren 
Untersuchung  durch  den  Vortragenden  eine  derartige  Bereiche- 
rung der  damals  mitgetheilten  Liste  ergiebt,  dass  es  passend 
erscheint,  eine  neue  Uebersicht  der  gesammelten  Arten  im 
Folgenden  zu  geben: 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


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Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


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Sitzung  vom  20.  Juli. 


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Sitzung  vom  20.  Juli. 


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Sitzung  vom  20.  Juli. 


95 


In  dieser  Uebersicht  ist  in  der  ersten  Kolumne  das  von 
Anderen  nachgewiesene  Vorkommen  derselben  Arten  bei  Moskau 
oder  Kaluga  durch  beziehungsweise  (M.)  oder  (Kaluga),  in  der 
vierten  das  Vorkommen  derselben  Arten  in  Turkestan  uach  den 
Sammlungen  des  verstorbenen  Fedtschenko  durch  (T.)  be- 
zeichnet. 

Ueber  die  Lage  der  einzelnen  hier  genannten  Orte  ist  die 
von  Prof.  G.  Rose  herausgegebene  Reisebeschreibung  zu  ver- 
gleichen. Ueber  einzelne  Arten  ist  noch  Folgendes  zu  bemerken: 

1)  H.  ruderata  6 mm.  im  grossen  Durchmesser. 

2)  H.  hispida.  Die  Exemplare  von  Werchnomulinsk  sind 
ziemlich  eng  genabelt,  das  Gewinde  mehr  oder  weniger  erhoben, 
das  weisse  Band  breit;  an  keinem  Exemplare  ist  eine  deutliche 
Lippe  vorhanden,  aber  die  gedrückte  Form  der  letzten  Windung 
lässt  die  genannte  Art  nicht  verkennen.  Die  Exemplare  von 
Barnaul  sind  etwas  weiter  genabelt,  sie  waren  auf  einer  hand- 
schriftlichen Etikette  als  H.  ericetorum  bezeichnet,  wodurch  sich 
erklärt,  wie  diese  in  Sibirien  nicht  vorkommende  Art  im  Bulletin 
de  la  soc.  imp.  des  nat.  de  Moscou  I 1829  S.  55  und  185  als  um 
Barnaul  vorkommend  angegeben  wird. 

3)  Wahrscheinlich  eine  neue  Art,  aber  nur  in  unausge- 
wachsenen Exemplaren  vorhanden,  flach,  gelbröthlich,  oben  mit 
einem  breiten  weissen  Bande,  scharf  rippenstreifig.  Im  Bull. 
Mose.  I S.  185  als  H.  cellina  (Druckfehler  für  cellaria ?)  bezeichnet. 

4)  Nach  Sehre  nck  sibirische  Land-  u.  Süssw.-Moll.  S.  672 
sollte  die  typische  Helix  fruticum  nicht  in  Sibirien  Vorkommen, 
sondern  nur  die  kleinere  und  flachere  H.  Schrenckii.  Die  vor- 
liegenden Exemplare  von  Barnaul  sind  aber  typische  H.  fruticum 
von  20  mm.  Durchmesser  und  18  mm.  Höhe.  Die  Weite  des 
Nabels  wechselt  auch  an  europäischen  Exemplaren  und  auch 
Stücke  mit  zwei  Bändern  kommen  zuweilen  in  der  Schweiz  vor, 
vgl.  H art  mann  Gastrop.  S.183  Taf.  63  Fig.  4 — 6,  so  dassdieArt- 
unterschiede  zwischen  fruticum  und  Schrenckii  wenig  haltbar  sind. 

5)  Buliminus  miser  war  bis  dahin  nur  aus  Turkestan  bekannt, 
das  vorliegende  Exemplar  vom  Altai,  das  ich  zu  dieser  Art 
rechnen  zu  dürfen  glaube,  ist  9|-  mm.  lang  und  5 mm.  dick,  die 
Mündung  4 mm.  lang  und  3 mm.  breit,  der  Nabelritz  etwas  weit 
und  die  Mündungslippe  dick. 


96 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


6)  Cionella  lubrica  von  Barnaul  5^—7  mm.  lang;  nach  einer 
beiliegenden  Etikette  ist  dieses  der  angebliche  Bulimus  obscurus 
von  Barnaul,  Bull.  Mose.  1829  S.  185. 

7)  Paludina  Okaensis  Clessin  Jahrb.  Nat.  Gesellscb.  1 1875 
S.  38  fällt  nach  erhaltenen  Exemplaren  mit  fasciala  zusammen; 
die  Abbildung  ist  unkenntlich. 

8)  Bithynia  Leachii.  Es  ist  nach  einer  beiliegenden  Etikette 
dieses  dieselbe  Schnecke,  welche  im  Bull.  Mose.  a.  a.  Orte  als 
Cyclostoma  elegans  bezeichnet  ist,  das  angebliche  Vorkommen 
des  Cyclostoma  in  Sibirien  also  ein  Irrthum. 

9)  Von  Interesse  ist  das  Vorkommen  unserer  mitteleuro- 
päischen Unio- Arten  im  Stromgebiet  des  kaspischen  Meeres,  von 
wo  sie  bis  jetzt  nicht  bekannt  gewesen;  eine  todte  Schale  von 
U.  pictorum  aus  der  Nähe  des  Kupferwerkes  Werchnomuliusk 
ist  stellenweise  kupfergrün  gefärbt.  Die  Exemplare  mit  der 
Angabe  Barnaul  sind  alle  schlecht  erhalten,  stark  abgerieben, 
offenbar  aus  zweiter  Hand  oder  doch  nur  todt  und  abgerollt 
gefunden,  daher  ihre  Herkunft  der  Bestätigung  bedürftig. 

10)  Es  ist  dieses  die  Art,  welche  in  der  Reisebeschreibung 
von  G.  Rose  als  ein  unbestimmtes  Cardium , ähnlich  dem  C. 
medium  L.,  bezeichnet  ist.  All  die  vorliegenden  Cardien,  Adacnen 
und  Dreissenen  sind  zwar  nicht  lebend , aber  doch,  soviel  nach 
den  Schalen  zu  beurtheilen  möglich,  in  recentem,  nicht  fossilen 
Zustande  gefunden. 

11)  Adacna  protracla  zeigt  Spuren  von  Schlosszähnen  nach 
Art  der  Didacna. 

Derselbe  sprach  ferner  noch  über  einige  centralasiatische 
Land-  und  Süsswasser-Conchylien,  welche  von  dem  verstorbenen 
Dr.  F.  Stoliczka  auf  der  für  ihn  verhängnisvollen  Expedition 
nach  Yarkand  gesammelt  und  von  Herrn  G.  Nevill  in  Calcutta, 
welcher  sie  bearbeiten  wird,  dem  Vortragenden  zugesandt  wor- 
den sind.  Die  grösseren  Landschneckenarten  sind  für  Central- 
asien eigenthümliche  Arten,  zeigen  aber,  wie  nahe  sich  hier  die 
von  Russland  und  die  von  Englisch -Indien  ausgegangenen  Ex- 
peditionen schon  kommen,  indem  zwei  der  den  Engländern  neu 
erschienenen  Arten  schon  von  russischen  Reisenden  gesammelt 
worden  sind,  Helix  phaeozona  in  Turkestan  von  Fedtschenko 


Sitzuny  vom  20.  Juni. 


97 


und  H.  plectotropis  im  Thianschan  von  Semenow.  Ganz  neu 
ist  eine  Helix  Stoliczkana  benannte  Art,  welche  zur  Gruppe 
Campylaea  zu  gehören  scheint,  aber  sich  durch  starke  Streifung 
und  Vorhandensein  von  zwei  Bändern,  wie  einige  aus  dem 
Kaukasus  bekannte  Arten  auszeichnet.  Unter  den  kleineren 
Landschnecken  finden  wir  wieder  europäische  Arten,  so  Helix 
costata,  Pupa  museorum  und  Succinea  Pfeifferi.  "Die  Süsswasser- 
schnecken sind  fast  alle  europäische  Arten,  einige  Limnaeen 
sind  durch  ihre  sehr  dicke  Schale  bemerkenswerth , denen  ent- 
sprechend, welche  in  den  grösseren  Seen  am  Fusse  der  Alpen 
in  der  Schweiz  und  Oberitalien  leben. 

Herr  Braun  theilt  Beobachtungen  über  Gloeocapsa  von 
Dr.  Hermann  Itzigsohn  unter  Vorlegung  einer  Reihe  von 
Zeichnungen  mit.  Die  Kenntniss  der  Vegetationszustände  dieser 
Gattung  war  bisher  eine  wenig  genügende,  da  man  bloss  ihrer 
gewöhnlichen  Zellvermehrung  und  Färbung  sein  Augenmerk  zu- 
wandte. Bornet  ist  der  Erste,  der  gelegentlich  seiner  Gonidial- 
forscbung  in  Bezug  auf  die  Flechten,  die  S poren b i 1 d ung  der 
Gloeocapsen  erwähnt,  der  sie,  in  einer  dürftigen  Figur,  angeb- 
lich von  Gloeoc.  stegophila  abbildet.  Er  macht  auf  die  warzige 
Beschaffenheit  des  Exosporiums  aufmerksam. 

Dem  Dr.  Herrn.  Itzigsohn  gelang  es,  die  Sporenbil- 
dung bei  zwei  Arten  genauer  zu  beobachten. 

1.  Gloeocapsa  stegophila  H.  I.,  die  auf  alten  Lattendächern 
in  Neudamm  und  Umgegend  häufig  in  Gesellschaft  von  Scyto- 
nema  lignicola  Näg.  (Scyt.  tectorum  Hr.  und  Rabenh.  Dec.)  vor- 
kommt. 

Die  schön  burgunderrotben  Sporen  liegen  in  Vielzahl  in 
grösseren  oder  kleineren  Gloeocapsenstöcken,  sie  bestehen  jedes- 
mal aus  zwei  gleichen  Hälften,  sind  also  Doppelsporen. 
Jede  Sporenhälfte  besteht  aus  einer  dunkelrothen  Gallertcyste, 
in  welcher  ein  spangrünes  oder  goldgelbes  Gonidium  nistet. 

Durch  Theilung  dieser  Gonidien  vergrössert  sieb  bei  der 
Keimung  die  Cyste,  und  wird  allmälig  wieder  ein  Gloeo- 
capsenstock. 

Die  Sporenhaut  ist  glatt,  im  Gegensatz  zu  der  Figur 
Bornet  s,  der  sie  rauh  punktirt  zeichnete,  mithin  wohl  eint: 


I 


3g  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

andere,  als  die  erste  Gloeoc.  stegophila , vor  sich  hatte.  Es 
giebt  viele  rothe  Gloeocapsenarten , deren  specifischer  Werth 
erst  nach  der  Erforschung  ihres  ganzen  Lebenscyclus,  und 
namentlich  ihrer  Sporenbildung,  festgestellt  werden  kann. 

2.  Glococapsa  violacea.  Mit  diesem  Namen  bezeichnet 
Dr  I einstweilen  eine  sehr  polymorphe,  aber  stets  violett  ge- 
färbte Gloeocapse,  die  auf  Dolomitgesteinen  des  fränkischen 
Jura  (Arnolt)  sehr  gemein  ist  und  darauf  einen  schwarzgrauen 
pulverigen  Ueberzug  bildet.  Ob  sie  mit  Nägeli’s  Gl.  ambigua 
var.  violacea  oder  roitKützing’s  Gl.  violacea  identisch,  oder  ob 
sie  eigene  Spezies  sei,  darüber  behält  sich  Dr.  I.  noch  seine 
Entscheidung  vor.  Die  Polymorphie  dieser  Gloeocapse  besteht 
in  der  wandelbaren  Grösse  der  ganzen  Stöcke,  sowie  der  Ein- 
zelgonidien , ihrer  wandelbaren  Färbung  und  Consistenz  der 
Gonidien  sowohl  als  der  Hautschichten,  wie  dies  aus  den  vor- 
gelegten Zeichnungen  ersichtlich  ist.  Im  herangereiften  Zu- 
stande wandeln  sich  die  dann  vergrösserten  Gonidien,  die  immer 
in  der  2 — 4 Zahl  nebeneinander  liegen,  in  Doppelsporen 
um;  diese  sind  durch  eine  eigenthümliche  Bildung  des  Exospo- 
riu’ms  charakteristisch.  Anfangs  nur  schwach  durch  kleine 
punktförmige  Erhöhungen  ausgezeichnet,  erzeugt  das  Exosponum 
später  grosse,  dichte,  stacketenförmig  nebeneinander  gruppirte 
Warzen,  die  die  Doppelsporen  rings  umgeben  und  ihr  so  ein 
sehr  zierliches  Ansehen  verleihen.  Bei  der  später  erfolgenden 
Keimung  wird  das  warzige  Episporium  in  feinkörnigen  etntus  . 
aufgelöst;  der  Sporeninhalt  selbst  quillt  erst  auf  und  geht  man- 
niafache,  dunkelgefärbte  Encystosen  ein,  aus  denen  sich  schliess- 
lich wieder  durch  fortdauernde  Gonidialtheilung  junge  Gloeo- 
capsenstöcke  bilden.  Das  häufige  Vorkommen  von  ästigen 
Fyphen  in  grösseren  älteren  Gloeocapsenstöcken  ist  rn.  ^ 
Dr  I.  bisher  unerklärlich,  da  er  ein  Eindringen  von  aussen 
niemals  gesehen;  auch  sollen  sie  sich  nicht  geradezu  mit  dicho-  j 
tomischen  Endästchen  parasitisch  an  die  Gonidien  anlegen,  da- 
gegen häufig  gangliöse  Anschwellungen  zeigen.  Dem  \ ortra- 
aenden scheint  es  demnach  sehr  wahrscheinlich,  dass  diese  y- 
phen  gewissen  Flechten  angehören,  deren  Existenz  an  die 
Gloeocapsen  gebunden  ist. 


Sitzung  vom  20.  Juni. 


99 


Herr  Braun  machte  ferner  einige  vorläufige  Mittheilungen 
über  die  Algenflora  der  Gewächshäuser  des  botanischen  Gartens, 
welche  einen  früher  kaum  geahnten  Reichthum  zeigt.  Sie  findet 
sich  nicht  bloss  in  den  Wasserbecken  und  Kübeln,  sondern 
auch  auf  den  Blumentöpfen,  an  den  Wänden,  namentlich  wo 
des  an  den  Fenstern  sich  niederschlagende  Wasser  herabrinnt, 
und  endlich  an  den  Stämmen  und  Blättern  der  Pfllanzen  selbst, 
zumal  an  denen  der  Palmen,  Pandaneen  und  Baumfarne.  Zu 
den  Algen,  welche  in  letztgenannter  Weise  Vorkommen,  gehört 
namentlich  Chroococcus  lageniferus  Hildebr. , welches  schön 
gelbe  Uebergänge  bildet  (am  schönsten  an  Pandanus- Stämmen) 
und  eine  zweite  grüne  Art  derselben  Gattung  ( Ch . confervoides 
ad  interim),  ferner  Protococcus  caldariorus  P.  Magnus,  gelb- 
grüne Ueberzüge  bildend  und  oft  gesellig  mit  Stichococcus  (wahr- 
scheinlich St.  minor  Näg.).  Unter  den  Arten,  welche  die  feuchten 
Wände  bekleiden,  ist  zunächst  Pleurococcus  miniatus  Näg.  zu 
nennen,  welcher,  wo  er  rein  auftritt,  einen  mennigrothen , ge- 
mischt mit  anderen  Algen  einen  braunrothen  Ueberzug  bildet. 
Diesem  schliesst  sich  an  Häufigkeit  an  eine  Gloeothece , ähnlich 
Gl.  fusco-lutea  Näg.,  aber  mit  farblosen  Hüllen,  welche  als 
Gl.  ambigua  bezeichnet  werden  mag,  ferner  mehrere,  wie  es 
scheint,  noch  nicht  beschriebene  Arten  der  Gattung  Aphanocapsa , 
1—2  Arten  von  G/oeocystis,  eine  sehr  häufige  gallertartige,  wellig 
höckerige,  Krusten  bildende  ISostoc- Art  (IV.  tepidariorum  ad  int.), 
eine  neue  Art  der  Gattung  Schizosiphon  ( intricatus ),  2 — 3 Arten 
von  Leptothrix  und  endlich  eine  nicht  unbeträchtliche  Zahl  von 
Desmidiaceen , welche  theils  zerstreut  in  der  Gallertmasse  an- 
derer Algen,  theils  eigene  reiche  grünliche  Schleimüberzüge 
bildend,  auftreten,  und  die  zum  Theil  Arten  angehören,  die 
bisher  nur  im  höheren  Norden  (Schweden  und  Spitzbergen) 
beobachtet  wurden.  Die  bisher  beobachteten  Arten  dieser 
Familien  sind:  Cosmarium  speciosum  Lund.,  C.  Holmiense  Lund., 
C.  Meneghinii  de  Bary,  C.  crenulatum  Näg.,  C.  anceps  Lund., 
C.  parvulum  Breb.,  Euastrum  polare  Nordst.,  ferner  1 — 2 Arten 
Gloeocystis  und  Palmogloea  protuberans  K.,  welche  letztere  apfel- 
grüne, lappige  Gallertmassen  bildet.  Die  Diatomeen,  welche  in 
Gesellschaft  der  Desmidiaceen  Vorkommen,  haben  noch  keine 
specielle  Bestimmung  gefunden.  An  der  Aussenseite  feuchter 


100  Gesellschaft  naturfor sehender  Freunde. 

Blumentöpfe  und  an  Ziegelsteinmauern  findet  sich  Drilosiphon 
Juleanus  K. , dichte,  licht  blaugraue  Decken  bildend.  Auf 
feuchten  Blumentöpfen  zeigen  sich  namentlich  Arten  der  Gat- 
tungen Vaucheria,  Cylindrospermvm  und  Oscillaria.  Aus  letzt- 
genannter Gattung  hob  der  Vortragende  eine  Art  besonders 
hervor,  welche  sehr  nasse  Blumentöpfe  mit  einem  schwarzen 
Üeberzug  bedeckt,  0.  sancta  K.  Getrocknet  und  dann  zum 
zweiten  Mal  mit  Wasser  benetzt  giebt  diese  Art  einen  pracht- 
vollen purpurvioletten  Farbestoff  von  sich,  während  eine  andere 
nicht  näher  bestimmte  Art  des  Gartens,  auf  dieselbe  Art  be- 
handelt, nur  spärlich  einen  himmelblauen  Farbestoff  ausscheidet. 
Der  Vortragende  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  verschie- 
denen Farbemodificationen,  in  welchen  das  Phycocyan  der 
Oscillarien  auftritt,  bei  der  Unterscheidung  der  Arten  dieser 
schwierigen  Gattung  künftig  mit  Nutzen  angewendet  werden 
kann.  Unter  den  verschiedenen  Wasserfäden,  welche  in  Wasser- 
kübeln der  Gewächshäuser,  erscheinen , gehört  zu  den  merk- 
würdigsten das  ausgezeichnete  Oedogonium  rivulare , welches 
hier  in  Berlin,  ebenso  wie  zu  Freiburg  im  Breisgau,  das  Chy- 
tridium  Olla  beherbergt,  und  von  dem  Vortragenden  nie  anders 
als  in  botanischen  Gärten  beobachtet  worden  ist. 

Herr  Kny  hob  im  Anschluss  an  die  von  Herrn  Professor 
Braun  mitgetheilten  Beobachtungen  an  Oscillarien  hervor,  dass 
auch  bei  den  Florideen  mit  Rücksicht  auf  die  Leichtigkeit,  mit 
welcher  der  in  Wasser  lösliche,  rothe  Bestandtheil  ihres  Farb- 
stoffes sieb  vom  Chlorophyll  trennt  und  durch  die  Membran 
diffundirt,  grosse  Verschiedenheiten  obwalten.  Sehr  rasch  er- 
folgt der  Austritt  bei  der  im  Mittelmeer  verbreiteten  RhyHphloea 
tinctoria.  Es  ist  sehr  schwierig,  Exemplare  dieser  Art  für  das 
Herbarium  aufzulegen,  ohne  dass  das  Papier  rothfleckig  wird 
und  frisches  Seewasser,  in  welchem  man  die  soeben  von  ihrem 
Substrate  abgetrennten  Pflanzen  für  die  Untersuchung  aufzube- 
wahren wünscht,  färbt  sich  schon  in  kürzester  Zeit  purpurroth. 
Andererseits  giebt  es  Arten,  welche  bei  Aufbewahrung  als 
mikroskopische  Präparate  (in  verdünntem  Glycerin)  sich  mehrere 
Jahre  in  fast  unveränderter  Farbenfriscbe  erhalten,  wie  Dasya 
coccinea , Nitophyllum  Sandrianum  u.  a.  m.  Hier  ist  also  der 


Sitzung  vom  20.  Juni. 


101 


in  Wasser  lösliche  Bestandteil  des  Rhodopbyll’s  (Cohn ’s 
TlPhycoerythrinii')  sehr  fest  an  das  Protoplasma  gebunden. 

Herr  v.  Martens  erinnert  daran,  dass  eben  die  genannte 
Rliytiphloea  den  alten  Römern  als  Färbemittel  diente,  daher  der 
Ausdruck  fucus  für  Schminke. 

Herr  Ascherson  legte  eine  Keimpflanze  von  Pirus 
Malus  L.  vor,  welche  von  Herrn  Lehrer  W.  Frenzei  in  Hilden 
bei  Düsseldorf  Ende  Juni  d.  J.  im  Innern  eines  kleinen 
Borsdorfer  Apfels  gefunden  wurde.  Die  etwa  0,035  M. 
lange  Keimpflanze  hatte  mit  der  Spitze  ihrer  Wurzel,  welche 
an  der  Stelle,  wo  sie  das  Fruchtgehäuse  durchbohrt  hatte,  eine 
kreisförmige  Schleife  machte,  schon  nahezu  die  Schale  des 
Apfels  erreicht.  Die  grünlich  gelben  Keimblätter  wurden  noch 
durch  die  Samenschale  zusammengehalten.  Das  in  der  Farbe 
unverändert  gebliebene  Apfelfleisch  hatte  einen  auffallenden, 
nicht  mehr  ganz  angenehmen  Geschmack.  Dieser  Fall  der  Kei- 
mung des  Samens  innerhalb  der  unversehrten  Frucht  dürfte 
immerhin  zu  den  seltenen  gehören.  Als  Viviparie  lässt  er  sich 
nicht  wohl  bezeichnen,  da  die  betreffende  Frucht  schon  fJahr, 
vom  Stamme  getrennt,  aufbewahrt  worden  war. 

Derselbe  besprach  die  geographische  Verbreitung 
der  Geschlechter  von  Stratiotes  Aloides  L. 

Der  kürzlich  verstorbene  Nolte  glaubte  in  seiner  vortreff- 
lichen, vor  einem  halben  Jahrhundert  erschienenen  Abhandlung 
(Botanische  Bemerkungen  über  Stratiotes  und  Sagittaria,  Kopen- 
hagen 1825,  S.  31)  die  Ansicht  aussprechen  zu  müssen,  dass 
„diese  Pflanze  auf  dem  geringsten  Raum  ihres  Verbreitungs- 
bereiches mit  beiden  Geschlechtern  vorkommt.  Vom  68.  bis 
zum  55.  Grad  nördlicher  Breite  findet  sich  in  Europa  nur  die 
weibliche  Pflanze,  doch  liegt  in  England  diese  Zone  etwa  um 
zwei  Grad  südlicher.  Vom  55.  bis  zum  52.  Grad  nördlicher 
Breite  kommen  beide  Geschlechter  vor.  Zwischen  52.  und  50. 
Grad  nördl.  Breite  kommt  im  westlichen  Europa  nur  die  männ- 
liche vor;  im  östlichen  scheint  das  Nämliche  stattzufinden  oder 
wenigstens  die  weibliche  Pflanze  weit  seltener,  als  die  männ- 
liche zu  sein.“ 

Hugo  de  Vries,  welcher  neuerdings  diesen  Gegenstand  in 


102  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

einer  eigenen  Abhandlung  (Orer  de  geographische  Verspreiding  »an 
Stratiotes  Aloides  L.  0»ergedr.  „i,  he.  Ne  krutdk.  Arch  ef  h 
1872  p.  203 ff.)  besprochen  bat,  bestätigt  im  A gemeinen 
Angaben,  glaubt  aber  ausserdem  annebmen  zu  müssen  dass  a 
in  Holland  das  weibliche  Geschlecht  uberwiege,  in  er  lt  e 
Norddeutschlands,  in  Lauenburg,  wo  Nolte  seine  Beobachtun- 
gen machte,  beide  Geschlechter  etwa  gleich  häufig,  im  nordöst- 
lichen Deutschland  aber,  z.  B.  bei  Danzig,  das  männliche  häu- 
figer sei,  im  östlichen  Europa,  also  in  Russland  und  Ungarn 
das  männliche  ausschliesslich  vorhanden  sei.  Ferner  schhesst 
De  V ries  aus  seinen  Studien  über  die  in  den  letzten  50  Jah- 
ren veröffentlichte  floristische  Literatur,  dass  die  geographische 
Verbreitung  von  Stratiotes  sich  während  dieser  Periode,  namen  - 
lieh  in  Frankreich  und  Russland,  erheblich,  und  zwai  aupt 
sächlich  durch  absichtliche  oder  unabsichtliche  Verschleppung, 

erweitert  habe.  . 

Vortragender  kann  diesen  Ansichten  von  De  Vnes  nur 

theilweise  beistimmen.  Allerdings  scheinen  auch  die  neueren 
floristischen  Werke  sowie  eingezogene  Erkundigungen  für  ie 
skandinavischen  Reiche  (resp.  Schweden  und  Dänemark,  da  dei 
von  Gunnerus  angegebene  Fundort  bei  Ofoden  ^ Norwegen 
(G8°  N.  Br.)  nach  Blytt  (Norge’s  Flor.  1861,  p.  324)  ohne 
neuere  Bestätigung  blieb),  sowie  für  die  britischen  Inseln  das 
Vorkommen  von  nur  weiblichen  Exemplaren  zu  bestätigen. 
Freilich  bleibt  noch  die  Angabe  eines  englischen  Localfloristen 
(Leighton,  Flora  of  Shropshire  1841,  p.  254)  zu  prüfen,  wel- 
cher den  Pollen  beschreibt,  ohne  dass  es  den  Anschein  a , 
dass  diese  Notiz  einem  continentalen  Schriftsteller  entlehnt  sei. 
Dagegen  scheint  keine  Zone  des  ausschliesslichen  Vorkommens 
männlicher  Exemplare,  wie  sie  Nolte  und  De  Vries  .nneh- 
men,  zu  existiren,  da  für  Belgien  Crepin  (Bull.  soc.  bot.  Be  g. 
XII  p 121),  für  Frankreich  und  zwar  für  Lille  im  Departe- 
ment du  Nord  Grenier  (Bull.  soc.  bot.  France  1873,  Comp!. 
rend  p.  235,  236)  das  Vorkommen  weiblicher  Exemplare  neuer- 
dings constatirt  hat.  Was  die  übrigen  Fundorte  in  Frankreich 
bei  Paris,  Le  Mans,  Angers,  Moulins,  Bordeaux  (De  Vnes 
a a O.  p.  9)  wo  die  Pflanze  allerdings  nur  männlich  vorhan- 
den zu  sein  scheint,  betrifft,  so  beruhen  sie  theils,  wie  die  drei 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


103 


erstgenannten  nachgewiesenermaassen  auf  Anpflanzung,  theils 
ist  der  Verdacht  derselben  nicht  ausgeschlossen.  Godron  und 
Grenier  führen  in  der  Flore  de  France  (III,  p.  308)  nur  Lille 
an  und  übergehen  die  früher  veröffentlichten  bei  Paris  und  Bor- 
deaux mit  Stillschweigen. 

Die  Annahme  des  Vorkommens  von  nur  männlichen  Exem- 
plaren in  Russland  und  Ungarn  stützt  sich  nicht  auf  Thatsachen 
und  kann  vom  Vortragenden  bereits  widerlegt  werden,  da  ihm 
Herr  Prof.  Ant.  Kerner  freundlichst  mittheilte,  dass  er  Stra- 
tiotes  in  nur  weiblichen  Exemplaren  im  Velenczer  See  bei  Stuhl- 
weissenburg  und  in  beiden  Geschlechter  bei  Töszeg  unweit 
Szolnok  an  der  Theiss  beobachtet  habe.  Das  ausschliessliche 
Vorkommen  von  männlichen  Exemplaren  in  Ungarn  war  dem 
Vortragenden  von  vornherein  nicht  wahrscheinlich,  da  sich  der 
ungarische,  von  dem  der  sarmatisch-norddeutschen  Ebene  völlig 
getrennte  Verbreitungsbereich  längs  der  Donau  durch  Nieder- 
und  Ober-Oesterreich  bis  Niederbayern  fortsetzt  und  ihm  schon 
vor  längeren  Jahren  weibliche  Exemplare  von  Moosbrunn  in 
der  Wiener  Gegend  zu  Gesicht  gekommen  waren  (vgl.  Verhandl. 
des  bot.  Vereins  für  Brandenb.  1861,  1862.  p.  III  bis).  Auch 
Kerner  hat  diese  Pflanze  in  Nieder-Oesterreich,  und  zwar  bei 
Theiss  und  in  der  Nähe  seiner  Vaterstadt  Mautern  in  der  sog. 
Krautgartenlache,  in  weiblichen  Exemplaren  beobachtet. 

Die  fernere  Annahme  von  De  Vries,  dass  sich  das  Ge- 
biet von  Stratiotes  durch  Anpflanzung  oder  überhaupt  Naturali- 
sation in  den  letzten  Jahrzehnten  beträchtlich  erweitert  habe, 
ist  wohl  für  West-Europa  berechtigt,  wo  ausser  den  erwähnten 
Fällen  aus  Frankreich  auch  manche  von  den  britischen  Inseln  und 
zwei  aus  Deutschland  (Entensee  bei  Offenbach  und  Würzburg) 
bekannt  geworden  sind,  schwerlich  aber  auf  die  seit  Nolte’s 
Arbeit  neu  hinzugekommenen  Fundorte  im  russischen  Reiche, 
welche  theils  auf  neueren  Beobachtungen  in  früher  nicht  oder 
ungenügend  erforschten  Gegenden,  theils  auch  auf  gründlicherer 
Benutzung  der  älteren  Literatur  beruhen.  Letzteres  ist  z.  B.  der 
Fall  mit  dem  Fundorte  am  Terek  in  Kaukasien,  aus  dessen  Nicht- 
erwähnung in  Marschall  v.  Bieberstei  n’s  Flora  taurico- 
caucasica  De  Vries  auf  neuere  Einschleppung  schliesst.  Die 
Angabe  in  Ledevour’s  Flora  Rossica  IV,  p.  46  rührt  aber  von 


104  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

dem  im  vorigen  Jahrhundert  lebenden  Reisenden  Gülden 8tädt 
her.  Ein  ganz  ähnliches  Versehen  ist  De  Vries  hinsichtlich 
des  übrigens  wohl  sehr  der  Bestätigung  bedürftigen  Fundorts  in 
der  spanischen  Provinz  Mancba  begegnet,  welchen  Willkomm 
und  Lange  (Prodr.  Flor.  Hispan.  I,  p.  160)  auf  die  Autorität 
von  Quer,  einem  Zeitgenossen  Linne’s,  aufgenommen  haben. 
Ebensowenig  kann  ein  Verdacht  der  absichtlichen  Verschleppung 
gegen  die  von  De  Vries  nicht  erwähnten  sehr  merkwürdigen 
Fundorte  in  der  oberschwäbischen  und  oberbayerischen  Hoch- 
ebene geltend  gemacht  werden.  In  Württemberg  wird  unsere 
Pflanze  von  G.  v.  Martens  und  Kemmler  (Flora  von  Würt- 
temberg und  Hohenzollern  1865,  p.  537),  bei  Altshausen  (west- 
lich von  Schussenried)  und  im  See  bei  Karsee  bei  Wangen  an- 
gegeben; in  Oberbayern  im  Pilsensee  bei  Seefeid  zwischen 
Starnberger  und  Ammersee;  letzterer  Fundort  liegt,  wie  der  bei 
Wangen,  schon  innerhalb  des  präalpinen  Hügellandes;  die 
Lage  eines  durch  Anpflanzung  entstandenen  Fundortes  sollte 
man  doch  eher  in  der  Nähe  grösserer  Städte,  wie  die  der  trän-  j 

zösischen,  erwarten.  _ . _ 

Für  die  Bezirke , in  denen  Stratiotes  nur  in  einem  Ge- 
schlechte  beobachtet  ist,  also  Skandinavien,  die  britischen  In- 
seln, Oberitalien  und  Belgien  hält  De  Vries  eine  spatere  Ein- 
wanderung für  wahrscheinlich.  Dass  diese  Voraussetzung  für 
Belgien  nicht  zutrifft,  ist  oben  bereits  bemerkt,  ebensowenig 
ist  sie  jetzt  noch  für  die  Po-Ebene  richtig,  wo  bisher  allerdings 
um  Mantua  und  Ferrara  die  Pflanze  nur  weiblich  bekannt  war; 
neuerdings  hat  sie  indess  der  Erzpriester  Mase  unweit  des  un- 
gefähr in  der  Mitte  zwischen  den  genannten  Orten  ge  egenen 
Städtchens  Ostiglia  im  Flusse  Tartaro  in  sehr  zahlreichen  männ- 
lichen Exemplaren  beobachtet  (Atti  soc.  ital.  sc.  natur.  1868, 
p 666).  Indess  auch  für  die  erstgenannten  Länder  scheint  dem 
Vortragenden  die  Ansicht  von  De  Vries  einigermassen  gewagt, 
da  an  sich  bei  einer  dioecischen  Pflanze,  welche  sich  überaus 
reichlich  durch  vegetative  Sprossung  vermehrt,  das  ausschliess- 
liche Auftreten  des  einen  Geschlechts  auf  kleinen  oder  selbst 
grösseren  Strecken  nicht  befremden  kann,  zumal  die  Bestaubung 
ziemlich  schwierig  erscheint,  da  sie  ohne  Zweifel  nur  durc  n 
secten  vor  sich  geht.  Directe  Beobachtungen  über  dieselbe  he-  | 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


105 


gen  noch  nicht  vor,  doch  spricht  dafür  ausser  der  Analogie  von 
Hydrocharis,  welche  Delpino  (Ulter.  osserv.  sull.  dicog.  parte 
II,  p.  22,  23)  zu  den  piante  entomoßle  rechnet,  die  Honigaus- 
scheidung der  sog.  Staminodien  in  den  Blüthen  beider  Geschlech- 
ter, die  bereits  Chr.  Conr.  Sprengel  (da9  entd.  Geheimniss 
S.  441)  nachgewiesen  hat. 

Es  fehlt  übrigens  nicht  an  ähnlichen  Beispielen  ausschliess- 
lichen Vorkommens  eines  Geschlechts  bei  anderen  dioecischen 
oder  polygamischen  Pflanzen.  So  ist  die  verwandte  Elodea  ca- 
nadensis  Rieh,  und  Mich.,  welche  seit  nunmehr  35  Jahren  in 
die  Gewässer  Mitteleuropas  als  zum  Theil  sehr  lästiger  Gast 
eingewandert  ist,  und  dort  nur  weibliche  Blüthen  entwickelt,  da 
alle  europäischen  Exemplare  vermuthlich  durch  vegetative  Ver- 
mehrung eines  Individuums  entstanden  sind,  auch  in  ihrer  nord- 
amerikanischen Heimat  auf  weite  Strecken  nur  weiblich,  an  an- 
deren Orten  nur  männlich  bekannt.  Von  dem  durch  En  gelmann 
neuerdings  so  ausführlich  besprochenen,  die  amerikanischen 
Prairien  bewohnenden  Buffalo-grass , Buchloe  dactyloides  Engel- 
mann,  bedeckt  das  männliche  Geschlecht  häufig  weite  Strecken 
und  überwuchert  und  verdrängt  sogar  öfter  die  spärlichen,  sich 
nicht  so  reichlich  vegetativ  vermehrenden  weiblichen  Exemplare, 

Eine  weitere  biologische  Eigenthümlichkeit  von  Stratiotes 
ist  bereits  von  Nolte  wahrgenommen  worden,  nämlich  die, 
«dass  auch  in  Gegenden,  wo  nur  weibliche  Exemplare  Vorkom- 
men, Fruchtknoten  und  Ovula  sich  trotz  der  ausbleibenden  Be- 
stäubung weiter  entwickeln,  obwohl  natürlich  die  Anlage  des 
Keimlings  unterbleibt.  Er  beschreibt  diese  scheinbare  Partheno- 
genesis  a.  a.  O.  S.  35  folgendermaassen:  „Im  November  und 

December  desselben  Jahres  (1824)  setzte  ich  darauf  meine  Beob- 
achtungen an  diesem  Gewächse  in  Kopenhagen  fort,  fand  es 
häufig  unter  dem  Wasser,  wie  es  schien,  mit  den  schönsten 
Früchten,  die  zum  Theil  grosse,  dem  äussern  Anschein  nach 
vollkommen  ausgebildete  Samen  hatten;  doch  bei  genauer  Unter- 
suchung ergab  es  sich,  dass  nur  die  Samenhäute  vollkommen 
ausgebildet  waren,  auch  fand  sich  nur  ein  Theil  der  inneren 
Masse  darin“. 

Die  neuerdings  von  verschiedenen  Seiten  aufgetauchte  Ver- 
muthung,  dass  die  Ausbildung  von  Früchten  unter  solchen  Um- 

9 


106  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

ständen  dadurch  zu  erklären  sei,  dass  doch  einzelne  Stantinodien 
der  weiblichen  Blüthe  sich  zu  wirklichen  Antheren  ausb.ldeu 
entbehrt  bis  jetzt  eines  thatsächlichen  Anhalts,  da  e.ne  dera  tig 
Beobachtung  den,  Vortragenden  nicht  bekannt  geworden  tat. 

Herr  Magnus  betnerkte  im  Anschlüsse  an  Herrn  Ascher- 
son“  Mittheilung,  dass  ihm  Herr  Studiosus  P.ppo-  Ende 
Juni  1875  zwei  in  der  Hülse  gekeimte,  junge,  noc  grüne 

t freund, ichst  überreich,  hatte,  die  ‘""wü^ 
pahlen  der  Schoten  in  einer  Hülse  gefunden  hatte.  D.e  Wurzel 
eben  batten  sich  beträchtlich  verlängert  und  waren  aus  der 
, t „Inn  "Hipser  Fall  ist  um  so  interessanter, 

Samenschale  herausgetreten.  o noch 

als  die  in  der  geschlossenen  Frucht  kermenden  Samen  noch 
unreif  sind.  Es  schliesst  sich  dieses  der  Erfahrung  weiter 
Forscher  über  das  Keimen  ausgesäeter  unreifer  Samen  an,  un 
hat  F Cohn  sogar  beobachtet,  dass  die  unreifen  Samen  schneller 
keimten,0  als  die  ausgereiften  (vgl.  F.  Cohn  in  Regensburger 
Flora  1849,  S.  501,  502  und  504),  was  auch  schon  vor 
Duhamel  und  Senebier  berichtet  hatten  und  g,eb.  es  Sene- 
bier  speciell  von  unreifen  Erbsenkörnern  an  (vgl.  D- e C 
dolle  Pflanzen-Physiologie,  ühersetzt  von  J.  Roepe  , . , 

S 274)  Das  Keimen  von  Samen  in  der  geschlossenen  noch 
an  der  Mutterpflanze  hängenden  Frucht  zeigt  sich  auch  sehr 
schön  fast  jedes  Jahr  an  Ardisia  cremdata  Ventenat  im  hiesige  , 
Universitätsgarten. 

Herr  Gerstaecker  sprach  über  das  bereits  in  den  Tages- 
blättern erwähnte  Auftreten  der  Wanderheuschr^ke, 
Oedipoda  migratoria  (. Gryllus  migratorius  et  darncus  Lin.,  Gylhs 
cinerascens  Fab.,  Pachytylus  migratonus  Fieb.)  m der 
baren  Nähe  Berlins.  Bei  einer  am  16.  Juli  d.  J.  in  Gemein 
schaft  mit  den  Herren  Prof.  Dr.  Orth  und  Dr.  Hermes  nach 
Ludwigsfelde  unternommenen  Excursion  fand  sich  das  berüch- 
tigte Insekt,  welches  in  den  Gemeinden  Löwenbruch ^ und  Kerze" 
dorf  (beiderseits  von  der  Berlin-Anhaltischen  Eisenbahn)  bereits 
während  d.  J.  1873  und  1874  in  grösserer  Individuenzahl  au 
getreten  war,  im  heurigen  Sommer  aber  daselbst  an  Roggen 
und  Hafer  arge  Verwüstungen  angerichtet  hat,  dem  grosseren 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


107 


Theil  nach  im  letzten  Larvenstadium,  zum  kleineren  jedoch  auch 
schon  als  geflügelte  Imago  vor.  Die  in  den  mannigfaltigsten 
Färbungen  (chocolatenbraun , rothbraun,  aschgrau  und  intensiv 
grün)  auftretenden,  etwa  30  mm.  langen,  mit  schwärzlichen 
Flügelstummeln  versehenen  Larven  bedeckten  auf  einem  bereits 
abgeernteten  Roggenfelde,  welches  speciell  besichtigt  wurde,  das 
in  Mandeln  aufgestellte  Getreide,  dessen  Aebren  sie  ausweideten, 
oft  massenhaft,  während  die  geflügelten  Individuen  beiderlei  Ge- 
schlechts, wenngleich  sie  — in  Gesellschaft  von  Locusta  viri- 
dissima  Lin.  — an  den  Garben  nicht  ganz  fehlten,  sich  vor- 
wiegend am  Erdboden  zwischen  den  Stoppeln  aufhielten  und 
stellenweise  in  grösserer  Anzahl  aufgescheucht  werden  konnten. 
Die  meisten  der  letzteren  waren  nach  ihrem  noch  wenig  inten- 
siven Fluge  und  der  Nachgiebigkeit  ihrer  Körperhaut  augen- 
scheinlich erst  frisch  entwickelt*),  zeigten  übrigens  gleichfalls 
die  wechselndsten  Färbungen,  besonders  im  Bereich  des  Prothorax 
(bald  spangrün,  bald  gelbbraun,  ebenso  oft  mit  als  ohne 
schwarzbraune  Längsbinden)  und  der  Hinterschienen  (bald  fahl- 
gelb, bald  mennigroth).  Nach  ihrer  schlanken  Statur  und  dem 
mehr  oder  weniger  stark  entwickelten  Prothoraxkiel  gehörten 
diese  Imagines  der  von  Linne  (Syst.  nat.  p.  702,  Nr.  57)  als 
Gryllus  danicus  beschriebenen,  von  H.  Fischer  (Orthopt.  Europ. 
p.  395)  als  Pachytylus  cinerascens  aufgeführten  Form  an,  welche 
jedoch  von  der  Oedipoda  migratoria  Lin.  (Mus.  Ludov.  Ulric. 
p.  140  = Gryllus  cinerascens  Fab.**)  Ent.  syst.  II,  p.  59,  Nr.  51) 
nicht  als  specifisch  verschieden  angesehen  werden  kann , wie 

*)  Bei  einer  zweiten,  vom  Yortr.  am  26.  Juli  in  Begleitung  des  Herrn 
Dr.  Magnus  vorgenommenen  Besichtigung  desselben  Ackers  fanden  sich 
Larven  überhaupt  nicht  mehr  vor,  die  Imagines  dagegen  massenhaft,  im 
hurtigen  Fluge  und  mehrfach  in  Begattung  begriffen. 

**)  Die  Annahme  zweier  verschiedener  Arten  hat  man  sonderbarer  Weise 
(cf.  Fischer,  Orthopt.  Europ.  a.  a.  0.)  nicht  darauf  basirt,  dass  Linne 
die  mehr  nördliche  kleinere  und  die  südliche,  plumpere  F’orm  als  Gryllus 
danicus  und  migratorius  unterschieden  hat,  sondern  dass  Fabricius,  ohne 
die  Linnd’sche  Art  zu  kennen  (er  führt  sie,  unter  Repro duction  der  Lin  ne- 
schen  Diagnose,  a.  a.  O.  p.  53,  No.  27,  einfach  auf),  sie  noch  einmal  mit 
der  Vaterlandsangabe  „Italien“  als  Gryllus  cinerascens  beschrieb:  eine  Sorg- 
losigkeit, deren  er  sich  bekanntlich  in  vielen  Fällen  schuldig  gemacht  hat. 

9* 


108  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

dies  bereits  in  früherer  Zeit  v.  Charpentier  und  Burmeister, 
neuerdings  besonders  F.  Koeppen  in  seiner  vorzüglichen  Schrift: 
Ueber  die  Heuschrecken  in  Süd-Russland  (St.  Petersburg  1866, 
gr.  8.)  geltend  gemacht  haben.  — Indem  Vortr.  eine  grössere 
Anzahl  von  Ludwigsfelde  stammender  lebenderlndividuen  beiderlei 
Geschlechts,  im  Larven-  und  Imagostadium  befindlich,  vorwies, 
erwähnte  er  zugleich,  dass  nach  einem  an  Herrn  Vir  chow  ge- 
richteten und  von  diesem  ihm  zur  Beantwortung  überwiesenen, 
von  einer  Probesendung  begleiteten  Schreiben  eines  Gutsbesitzers 
in  der  Nähe  von  Magdeburg  (Coerbelitz),  auch  in  dieser  Gegend 
Wanderheuschrecken  in  gleich  grosser  Zahl  verheerend  aufge- 
treten seien.  Aus  dem  bei  Ludwigsfelde  schon  im  dritten  Jahre, 
bestehenden  Frass  widerlege  sich  übrigens  die  vielfach  verbrei- 
tete Ansicht,  dass  die  Wanderheuschrecke  von  Süd-Russland  aus 
gelegentlich  bis  in  die  Mark  Brandenburg  vordringe,  von  selbst; 
vielmehr  sei  sie  auch  bei  uns  einheimisch  und  alljährlich,  wenn 
auch  meist  nur  in  geringer  Individuenzahl,  anzutreffen.  Ihr  ge 
legentliches  Massenauftreten,  welches  zuletzt  Ende  der  fünfziger, 
vordem  Ende  der  zwanziger  Jahre  beobachtet  worden  sei,  resul- 
tire  offenbar  aus  bestimmten,  die  Fortpflanzung  ausnahmsweise 
begünstigenden  Witterungsverhältnissen.  Die  Vertilgung  dieser 
Landplage  betreffend,  so  habe  man  leider  die  günstigste  Zeit, 
in  welcher  das  Weiterwandern  der  Larve  durch  das  Ziehen  von 
Gräben  abgeschnitten  werde  könne,  in  allzugrosser  Sorglosigkeit 
verstreichen  lassen;  jetzt  werde  man  wenigstens  dafür  Sorge  zu 
tragen  haben,  dass  behufs  Vertilgung  der  von  den  Weibchen  in 
den  Erdboden  abgelegten  Eier  die  befallenen  Felder  aufgepflügt, 
und  bevor  die  Wintersaat  bestellt  wird,  mehrere  Wochen  hin- 
durch Schweine  und  Geflügel  aufgetrieben  werden. 

Derselbe  erörterte  sodann  einen  auch  in  pathologischer  Be- 
ziehung interessanten  Fall  von  dem  Vorkommen  ausgewach- 
sener leb  enderDipteren-L  arven  in  derNasenhöhled  es 

Menschen.  Nach  einer  dem  Vortr.  seitens  des  Herrn  Dr.  Cold, 
Assistenz- Arzt  an  der  Landes -Irren -Anstalt  bei  Neustadt-Ebers 
walde,  in  zuvorkommendster  Weise  gemachten  brieflichen  Mitthei- 
lung handelt  es  sich  dabei  um  eine  gegenwärtig  24  Jahr  alte,  mit 
erblicher  Anlage  zu  psychischer  Erkrankung  behaftete,  seit  ihrem 
fünfzehnten  Lebensjahre  geisteskranke  Patientin,  welche  nach 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


109 


vorangegangener  Melancholie  sich  bereits  im  August  1870,  zu 
welcher  Zeit  ihre  Aufnahme  in  die  genannte  Anstalt  stattfand, 
im  Zustande  des  ausgesprochensten  Blödsinnes  befand.  Nach- 
dem sie  während  der  ersten  Jahre  ihres  dortigen  Aufenthaltes 
häufig  erregt  war  und  beruhigender  Medicamente  bedurfte,  sitzt 
sie  seit  etwa  zwei  Jahren  am  Tage  ununterbrochen  stumpfsinnig 
an  einer  und  derselben  Stelle,  ist  unreinlich,  muss  gefüttert,  an- 
und  ausgekleidet  werden,  spricht  weder,  noch  reagirt  sie  irgend- 
wie auf  Anreden.  Am  22.  Juli  1874  blutete  ihr  den  ganzen  Tag 
über  die  Nase.  Eine  in  Folge  dessen  angestellte  Untersuchung 
ergab  als  Ursache  die  Anwesenheit  von  ansehnlich  grossen 
Fliegenmaden,  weiche  Geschwüre  auf  der  Nasenschleimhaut  er- 
zeugt hatten.  Eine  zweimal  täglich  vorgenommene  Wasser-Ein- 
spritzung in  die  Nase  brachte  diese  Larven  nicht  unmittelbar 
heraus;  doch  fand  man  sie  hin  und  wieder  freiwillig  aus  den 
Nasenlöchern  hervorkriechend,  im  Ganzen  etwa  fünfzehn.  Ver- 
muthlich  haben  sie  sich  innerhalb  der  mit  der  Nasenhöhle 
communirenden  Höhlen  verborgen  gehalten.  Die  Patientin 
fieberte  während  dieser  Zeit  (Abends  39°),  ass  aber  dabei.  All- 
mählig  verlor  sich  das  Fieber  sowohl  wie  die  Blutung  ganz; 
auch  sind  seit  dem  12.  October  keine  Fliegenmaden  mehr  zum 
Vorschein  gekommen.  Nach  Abgang  derselben  hat  sich  der 
frühere  Zustand  der  Kranken  in  keiner  Weise  geändert.  — 
Soweit  der  Bericht  des  Arztes,  welcher  die  gesammelten  Fliegen- 
larven Herrn  Prof.  Al  tum  in  Neustadt- Eberswalde  lebend  über- 
mittelte. Nach  einer  von  diesem  an  den  Vortr.  gerichteten 
Mittheilung  entwickelten  sich  aus  mehreren,  seitdem  11.  August 
v.  J.  zu  Tage  geförderten  Larven,  welche  sich  bald  nachher 
verpuppten,  die  Fliegen  zwischen  dem  20.  und  25.  August, 
Letztere  wurden  nebst  Puppenhüllen  und  Larven,  welche  letztere 
Herr  Al  tum  zuerst  für  Cephenomyia-  Larven  zu  halten  geneigt 
war,  dem  Vortr.  zur  näheren  Bestimmung  zugesandt  und  ergaben 
sich  als  der  Sarcopkila  magnißca  Schin.  angehörend.  Bei  der 
sehr  nahen  Verwandtschaft,  welche  die  Gattung  Sarcopkila  Rond- 
mit  den  gewöhnlichen  Schmeissfliegen  ( Sarcophaga  Meig.)  im 
Imagostadium  erkennen  lässt,  muss  es  auffallen,  dass  ihre  Larve 
von  derjenigen  der  Sarcophaga  carnaria  habituell  recht  verschieden 
ist  und  in  der  That  denjenigen  der  Rachenbremsen  etwas  ähnelt.. 


110  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Bei  beträchtlich  geringerer  Grösse  (17  mm.  lang)  hat  sie  dennoch 
fast  denselben  Körperumriss  und  die  derbe,  lederartige  Haut  mit 
ganz  ähnlich  in  Querreihen  angeordneten,  aber  deutlich  begrenzte, 
schwielige  Stellen  freilassenden  Chitindörnchen  besetzt.  Am 
ersten,  auf  den  Kopf  folgenden,  nach  vorn  stark  verengten 
Körperringe  sind  dieselben  auf  den  wulstigen  Vorderrand  be- 
schränkt; der  hinteren  Hälfte  der  drei  vorletzten  Ringe  fehlen 
sie  auf  der  Rückenseite.  An  dem  wulstigen  Endrande  des  elften 
Ringes  erheben  sich  aus  dem  der  Mitte  bauchwärts  aufsitzenden 
Dornenkranz  zwei  ziemlich  hohe  papillenförmige,  deutlich  ge- 
ringelte Fortsätze.  Die  in  einer  tiefen  Aushöhlung  des  End- 
segmentes liegenden  Analstigmen  sind  nahezu  kreisrund  und 
zeigen  drei  von  dem  Ringwall  eingeschlossene,  fast  parallel 
laufende,  schleifenförmige  Luftkammern.  Die  12  mm.  langen 
Tonnenpuppen  sind  matt  schwarzbraun,  dicht  quernefig  und 
zwischen  den  Riefen  gleichfalls  fein  gedörnelt.  — Das  gelegent- 
liche Vorkommen  von  Sarcophila- Larven  in  eiternden  Wunden 
ist  bereits  von  Bouche  erwähnt  worden;  auch  hat  Klug  einige, 
in  der  hiesigen  Entomologischen  Sammlung  befindliche  Exem- 
plare der  Sarcophila  magnifica , welche  Vortr.  nebst  den  aus  der 
Neustädter  Irren -Anstalt  herstammenden  zur  Ansicht  vorlegte, 
aus  Larven  gezüchtet,  welche  aus  dem  eiternden  Ohr  eines  Kindes 
hervorgingen.  Ob  eine  zweite,  der  Sarcophila  magnifica  sehr 
ähnliche  Art:  Sarc.  ruralis  Fall,  (mit  gelben  Tastern),  welche 
sich  gleich  jener  in  der  Umgegend  Berlins  stellenweise  zuweilen 
in  Mehrzahl  vorfindet,  eine  gleiche  Lebensweise  führt,  bleibt 
noch  zu  ermitteln.  Da  sich  kaum  annehmen  lässt,  dass  alle  im 
Freien  angetroffenen  Exemplare  der  Fliege  aus  eiternden  Schleim- 
höhlen  des  Menschen  herstammen,  so  möchte  zu  vermuthen  sein, 
dass  die  Larven  der  Sarcophila -Arten  sich  auch  anderweitig 
(vielleicht  an  Thieren)  entwickeln  können. 

Schliesslich  zeigte  derselbe  aus  der  Wiener  Gegend  stam- 
mende und  ihm  durch  die  Güte  des  Herrn  von  Bergenstamm 
zugekommene  Exemplare  der  Stubenfliege  {Masco  domeshca ) 
beiderlei  Geschlechts  vor,  welche  den  zuerst  von  Karsten  be- 
obachteten und  unter  dem  Namen  Stigmalomyces  muscae  beschrie- 
benen merkwürdigen  Pilz  auf  ihrem  Körper  tragen.  Bei  den 
Männchen  findet  sich  derselbe  regelmässig  an  der  Unterseite 


Sitzung  vom  20.  Juli. 


111 


der  Vorderbeine,  bei  den  Weibchen  auf  dem  Rücken  des  Tho- 
rax und  am  Hinterrande  des  Kopfes.  Ein  derselben  Gattung 
angehörender,  auf  Nycteribia  vorkommender  Pilz  ist  zuvor  von 
Kolenati  als  neue  Gattung  der  Eingeweidewürmer  (!)  Art  kr  o- 
rhynchus,  andere  auf  verschiedenen  Käfern  ( Brachinus ) wurzelnde 
von  Robin  unter  dem  Gattungsnamen  Laboulbenia  beschrieben 
worden. 


Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  entgegengenommen; 
Bulletins  de  l’Academie  de  Belgique.  Tome  XXXV.  XXXVI. 

XXXVII.  et  V Annuuire  pour  1874. 

Schriften  der  naturforsch.  Gesellschaft  zu  Danzig.  Bd.  1 Hft.  3.  4. 
Bd.  3 Hft.  3. 

Mittheilungen  aus  dem  Jahrbuch  der  Kgl.  ungar.  geolog.  Anstalt 
Bd.  3 Hft.  1.  2.  Budapest  1874. 

A magyar  kir.  földtani  intezet  Evkönve.  Bd.  3 Hft.  1.  2.  Buda- 
pest 1874. 

Abakong  deli  Reszenek  földtani  viszonyel  II  Resz.  Budapest  1874. 
Bulletin  de  la  societe  imp.  des  Natura/istes  de  Moscou  1874  No.  4. 


A.  W.  Schade’s  Buchdruckerei  (L.  Schade)  in  Berlin,  Stallschreiberstr.  47. 


Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 

vom  19.  October  1875. 


Director:  Herr  Braun. 


Herr  Gerstaecker  legte  eine  im  Bulletino  entomologico 
Italiano  Vol.  4.  enthaltene  Mittheilung  des  Hrn.  Targioni 
Tozzetti  über  das  Vorkommen  Lepadidenartiger  Cirri-' 
pedien  an  den  Bauchfedern  von  Sturmvögeln  und  zu- 
gleich einige  von  Hrn.  Peters  für  das  hiesige  zoologische 
Museum  in  Florenz  erworbene  Weingeist  - Exemplare  des  vom 
Verf.  als  neue  Gattung  und  Art  unter  dem  Namen  Ornitholepas 
australis  beschriebenen  Thieres  selbst  vor.  Nach  Angabe  des 
Prof.  Giglioli  fanden  sich  an  den  mittleren  Bauchfedern  zahl- 
reicher, im  südlichen  Atlantischen  Ocean  erlegter  Exemplare  des 
Puffinus  (Prioßnus)  cinereus  constant  2 bis  3 mill.  lange  „Lepa- 
diden-Larven“  in  grösserer  oder  geringerer  Anzahl  angeheftet 
vor,  was  um  so  mehr  überraschen  musste,  als  diese  Vögel  sich 
nur  vorübergehend  und  in  langen  Intervallen  auf  das  Meerwasser 
niederlassen.  Targioni,  welchem  diese  noch  an  den  Puffinus- 
Bauchfedern  haftenden  Rankenfüssler  zur  Untersuchung  Vorge- 
legen haben,  unterscheidet  unter  denselben  zwei  Formen,  von 
denen  die  eine  sich  durch  einen  noch  ganz  dünnhäutigen,  durch- 
scheinenden (zweiklappigen)  Mantel  auszeichnet,  während  bei 
der  anderen,  in  ungleich  geringerer  Anzahl  vertretenen  und  — 
auffallender  Weise — als  wesentlich  kleiner  bezeichneten  sich  jeder- 
seits  drei  als  Carina , Tergum  und  Scutum  bezeichnete  Schalen- 
stücke vorgefunden  haben.  Das  Thier  selbst  wird  nur  von 

10 


1 14  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

ersterer  Form  und  zwar  als  mit  sechs  Paaren  von  Cirren  ver- 
sehen, des  Begattungsorganes  aber  entbehrend  beschrieben  und 
abgebildet.  Trotzdem  glaubt  Verf.  in  den  von  ihm  untersuchten 
Individuen  ausgebildete  Cirripedien,  „welche  das  Nymphenstadium 
bereits  absolvirt  haben,“  zu  erkennen  und  sich  zur  Aufstellung 
einer  neuen  Gattung  für  dieselben  berechtigt. 

Dem  Vortragenden  haben  nur  solche  Exemplare  des  Or- 
nitholepas  australis  Targ.  zur  Untersuchung  Vorgelegen,  welche 
einen  dünnhäutigen,  nicht  verkalkten  Mantel  besitzen  und  auch 
von  Targioni  für  seine  Darstellung  des  Körpers  und  der  Glied- 
massen verwandt  worden  sind.  In  diesen  vermag  Vortragender 
nichts  Anderes  zu  erkennen,  als  eine  sich  in  dem  sogenannten 
Cypris-Stadium  befindende  junge  Cirripedien-Larve,  welche  sich 
erst  vor  Kurzem  durch  Anheftung  mittels  der  Fühlhörner  aus 
dem  frei  umherschwimmenden  Nauplius-Stadium  hervorgebildet 
hat.  Hierfür  sprechen,  abgesehen  von  der  geringen  Körpergrösse 
und  dem  noch  ganz  zarten,  durchsichtigen  Mantel:  1)  der  Mangel 
des  von  Targioni  erwähnten  Pedunculus,  an  dessen  Stelle  noch 
die  deutlich  gegliederten  Larvenfühler,  welche  so  eben  ein  kleines 
Cementklümpchen  behufs  Anheftung  an  eine  Federstrahle  ausge- 
schieden haben,  vorhanden  sind.  2)  Das  noch  als  dunkler  Pig- 
mentfleck deutlich  erkennbare  Larvenauge.  3)  Der  Mangel 
eigentlicher,  von  Targioni  erwähnter  Cirren,  welche  durch 
sechs  Paare  von  Spaltbeinen  (mit  zweigliedrigen,  langbeborsteten 
Spaltästen  versehen)  ersetzt  werden.  4)  Der  Mangel  des  un- 
paaren,  geringelten  Begattungsorganes.  5)  Die  Endigung  des 
Körpers  in  eine  beborstete  Furca.  6)  Der  Mangel  entwickelter 
Geschlechtsdrüsen.  Nach  allen  diesen  Merkmalen  sich  als  ganz 
jugendliche  Cirripedien-Larven  herausstellend,  als  welche  sie  von 
de  Filippi  und  Giglioli  mit  vollem  Recht  bezeichnet  worden 
sind,  bieten  diese  Individuen  nicht. einmal  einen  irgendwie  sicheren 
Anhalt  dafür,  welcher  Familie  der  Rankenfüssler  das  sich  aus 
ihnen  hervorbildende  geschlechtlich  entwickelte  Thier  angehören 
dürfte.  Höchstens  könnte  man  aus  dem  Umriss  des  Mantels 
darauf  schliessen,  dass  sich  kein  Balanide  aus  ihnen  entwickeln 
werde,  während,  ob  Lepadiden , ob  Peltogastriden , bei  der  grossen 
zwischen  dem  Cypris  - Stadium  beider  bestehenden  Aenlichkeit, 
noch  zweifelhaft  sein  könnte.  Ist  demnach  die  Aufstellung  einer 

I 


( 


Sitzung  vom  19.  October. 


115 


ueueu  Gattung  morphologisch  durchaus  ungerechtfertigt,  so  bietet 
nach  Ansicht  des  Vortragenden  das  — in  der  That  interessante 
und  auf  den  ersten  Blick  paradoxe  — Vorkommen  an 
Vogelfedern  hierfür  ebenso  wenig  einen  genügenden  Anlass. 
Zwar  fehlt  es  nicht  an  mehrfachen  Fällen  eines  constanten 
Vorkommens  sogenannter  parasitischer  Cirripedien  auf  bestimmten 
Wirthsthieren  ( Coronula  balaenaris,  Xenobalanus  globicipitis, 
Anelasma  squalicola , Chelonobia  testudinaria,  Dichelaspis  Darwini 
u.  A.).  Diese  sind  jedoch  auf  solche  Meeresthiere  angewiesen, 
welche  1)  andauernd  unter  Wasser  leben,  2)  sich  der  Fest- 
setzung der  Cirripedien-Larven  auf  ihrem  Rücken,  ihren  Flossen, 
Kiemen  u.  s.  w.  nicht  erwehren  können,  3)  durch  ihre  Körper- 
beschaffenheit dem  erwachsenen  Cirriped  eine  solide  Unterlage 
darzubieten  im  Stande  sind  und  4)  schon  deshalb  die  constanten 
oder  vorwiegenden  Träger  der  genannten  Cirripedien  sein  müssen, 
weil  sie  im  offenen  Meere  der  einzige  Gegenstand  sind,  an 
welchen  sich  die  von  ihren  Insassen  ausgestossenen  Larven  fest- 
heften können.  Bei  einem  Vogel  dagegen  trifft  keiner  dieser 
für  das  Gedeihen  eines  Cirripeden  nothwendigen  oder  begünstigen- 
den Umstände  zu.  Eine  so  haarfeine  Federstrahle,  wie  sie  in 
dem  vorliegenden  Falle  der  jungen  und  noch  ganz  leichten 
Cirripedien -Larve  als  Basis  dient,  würde  ein  ausgewachsenes 
Individuum  von  einigem  Gewicht  gar  nicht  zu  tragen  im  Stande 
sein.  Bei  dem  vorwiegenden  Luftleben  der  Puffinus-Arten  würde 
ferner  den  ihren  Federn  anhaftenden  Cirripedien  die  für  ihre 
Existenz  nöthige  Wasserathmung  entzogen  werden.  Endlich  aber 
wurde  der  Vogel  bei  seiner  Fähigkeit,  die  Bauchfedern  mit  dem 
Schnabel  zu  erreichen  und  bei  seiner  Gewohnheit,  sie  mit  dem 
Fett  der  Bürzeldrüse  einzuölen,  sich  der  ihm  jedenfalls  lästigen 
Epizoen  leicht  zu  entledigen  wissen.  Es  dürfte  sich  daher  nach 
der  Ansicht  des  Vortragenden  bei  dem  vorliegenden  Befunde 
einfach  um  einen  Fall  von  zufälliger  Verirrung,  wie  er  bei  solchen 
Thierarten,  deren  Nachkommenschaft  sich  hoch  in  die  Tausende 
belauft,  durch  diese  Zahl  gewissermaassen  vorgesehen  ist  und 
erfahrungsgemäss  in  weiter  Ausdehnung  ( Taenia , Lytta , Meloe 
u.  A.)  vorkommt,  handeln. 


10 


116  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


Herr  Ascherson  legte  einen  ihm  von  dem  Pharmaceuten 
Ramann  in  Arnstadt  übersandten  Zweig  eines  im  Weimarer 
Park  angepflanzten  Baumes  von  Carpinus  Betulus  var.  incisa 
vor,  welcher  nur  an  der  Spitze  und  an  einem  oberen  Seiten- 
zweige eingeschnittene  Blätter,  an  mehreren  unteren  Seiten- 
zweigen aber  die  gewöhnliche  Blattform  der  Weissbuche  zeigt. 
Die  vom  Einsender  angedeutete  Meinung,  dass  bei  dieser  an 
dem  betreffenden  Baume  seit  Jahren  beobachteten  Erscheinung 
die  Veredlung  (dergleichen  Spielarten  pflegen  in  der  Regel  nur 
durch  dies  Verfahren  fortgepflanzt  zu  werden)  von  Einfluss  sei, 
kann  Vortragender  nicht  theilen,  glaubt  vielmehr  nur  eine  Rück- 
kehr der  wenig  standhaften  Abänderung  zur  Grundform  annehmen 
zu  müssen.  Die  Herren  Bouche  und  Braun  sprachen  sichin 
demselben  Sinne  aus;  letzterer  hat  dieselbe  Erscheinung  an  Car- 
pinus öfter  beobachtet,  sehr  selten  aber  an  den  Abänderungen 
von  Fayus  silvatica  mit  eingeschnittenen  Blättern,  bei  denen 
Herr  Bouche  derartige  Rückschläge  stets  vergeblich  gesucht  hat. 


Herr  Bouche  theilte  mit,  dass  er  vermuthe,  noch  einen 
Fall  der  Parthenogenesis  bei  Pflanzen  entdeckt  zu  haben;  er 
betreffe  eine  Conifere,  Torreya  nucifera  (Taxus)  I.,  in  Jazim 
heimisch.  Im  Mai  des  vorigen  Jahres  zeigten  sich  an  zwei 
im  hiesigen  botanischen  Garten  kultivirten  Pflanzen  eine  Menge 
weiblicher  Blüthen;  von  männlichen  hingegen  war  nichts  zu  be- 
merken, was  auch  nicht  aufßel,  da  Torreya  eine  diocische  Pflanze 
ist  Obgleich  nach  seiner  Ansicht  keine  Befruchtung  stattge- 
funden haben  konnte,  so  bildeten  sich  die  Früchte  doch  allmähhg 
weiter  aus  und  erreichten  bis  Mitte  October  mit  dem  sie  an- 
schliessenden grünen  Fruchtbecher  eine  Lange  von  3 4 Um. 

und  einen  Durchmesser  von  1,5  Ctm.  Ende  desselben  Monats 
fielen  sie,  obgleich  noch  grün  gefärbt,  plötzlich  ab  Leider  habe 
er  versäumt  die  Frucht  durch  Zerschneiden  auf  ihre  Keimfähig- 
keit zu  prüfen,  sondern  sie,  nachdem  die  Hülle  beseitigt  war, 
sogleich  ausgesäet,  bei  einer  Temperatur  von  5-8»  nbem»t«rt 
und  den  Sommer  hindurch  in  einem  kaum  erwärmten  Mistbeete 
konservirt,  ohne  dass  eine  Spur  von  Keimung  wahrzunehmen 
gewesen  wäre;  was  ihm  auch  nicht  auffällig  erschien,  weil  er 
die  Saamen  als  unbefruchtet  betrachtete.  Bei  der  Durchsicht 


Sitzung  vom  19.  October. 


117 


nicht  aufgegangener  Saamen  Ende  September  d.  J.  fand  sich 
beim  Ausschütten  des  Saattopfes  der  Torreya,  dass  einzelne  der 
Saamen  eine  etwa  2,5  Ctm.  lange  Radicula  gebildet  hatten, 
worauf  sie  behutsam  wieder  eingepflanzt  wurden;  bis  jetzt  zeigt 
sich  über  der  Erde  noch  keine  Spur  von  Vegetation,  dennoch 
aber  sind  die  jungen  Pflänzchen  noch  lebend. 

Ferner  stellte  derselbe  eine  Reihe  verschiedener  Formen 
von  selbst  aus  hier  geernteten  Saamen  erzogener  Sämlinge  der 
Aralia  quinquefolia  und  Scheffleri  zur  Ansicht  vor,  von  denen 
kein  einziger  einer  der  Mutterpflanzen  glich,  denn  die  Blättchen, 
deren  an  einen  Blattstiel  mehrere  fingerförmig  vereinigt  sind, 
stimmten  weder  der  Zahl  noch  der  Form  nach  mit  denen  der 
Mutterpflanzen  überein;  bei  der  Mehrzahl  derselben  waren  nur 
3 anstatt  5 auf  dem  gemeinschaftlichen  Blattstiel  vereinigt,  hie 
und  da  kamen  auch  ungetheilte  Blätter  vor.  Ebenso  veränderlich 
ist  die  Form  der  Blattfläche:  die  Blättchen  einzelner  Pflanzen 
sind  sehr  breit,  bei  anderen  fast  linienförmig.  Die  Mutterpflanzen 
bluheten  in  ganz  verschiedenen  Jahren  und  zwar  1873  und  1874; 
ebensowenig  befand  sich  zur  Zeit  der  Blüthe  irgend  eine  andere! 
Art  dieser  Gattung  blühend  im  Garten,  so  dass  von  einer 
Bastardirung  keine  Rede  sein  kann.  Die  Mehrzahl  der  Sämlinge 
glich  der  Aralia  trifoliata,  welche  ebenfalls  aus  dem  Saamen 
erzogen,  die  verschiedensten  Abweichungen  in  der  Blattform 
zeigt;  einzelne  hingegen  standen  der  sogenannten  A.  Coohii  nahe. 
Der  Referent  sei  daher  vollständig  überzeugt,  dass  verschiedene 
der  in  Neu-Seeland  heimischen  Aralia-Arten,  z.  B.  A.  quinque- 
folia, trifoliata,  heteromorpha , Cookii  und  Scheffleri , gleichviel 
ob  sie  einfache,  drei-  oder  fünfzählige  Blätter  besitzen,  nur 
Formen  einer  Art  seien.  Er  vermuthe  sogar,  dass  die  mit 
30  Ctm.  langen,  sehr  schmalen,  am  Rande  buchtig  gezähnten, 
an  der  Spitze  spatelförmig  verbreiterten  Blättern  bekleidete 
A.  spatulata  auch  nur  eine  Form  sei. 

theilte  derselbe  unter  Vorzeigung  lebender  Pflanzen 
mit,  dass  er  schon  seit  mehreren  Jahren  aus  von  ihm  selbst 
gesammelten  Saamen  der  Centaurea gymnocarp  aMoris,  einePflanze 
mit  fiederspaltigen  Blättern  und  ganz  glattem  Involucrum,  eine 
0rm  mit  fast  ganzen  Blättern  und  stachligem  Involucrum  er- 


I 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


118 

aogen  habe,  die  er  für  einen  Bastard  der  C.  M-—»  - 

c.  ^“"““Ybfsprach*)  über  die  Umwandelung  de«  Geschlechts 
U . P .-hp  ce;t  einer  Reihe  von  Jahren  haben 

bei  XTn  ille  «»-»»•» 

';aebtndSnaecb  gebläht,  es  seien  jedoch  stets 

,„it  mä„„renB1n.e:reb.Xae„,o«»  e^dbeb  t.^  ^ 

Jahre  wieder  “ ’ einen  Bläthenscbaft  entwickelte, 

XÄ 

nicht  vorhegen,  denn  man  sab  ama  Nachdem  die 

Stelle,  wo  früher  ein  Blütbenschat.  gese-“  Blathellschaft  ab. 

Binthen  längst  genauerer  Betrachtung  der 

er-  rPsr. 

Blüthen,  so  dass  eine  - 

ein\r.::tchu:r  mäht,  Ee.  .Uch  **  ^ 7 

heben.  D.  longifoliu'n  wird ■ Stowte 

Pflanze  häufig,  w,e  be,  allen  Ftam  « seIteneren 

gipfelständig  sind  fas.  f “ e ' "f  nie  so  kräftig  werden, 

Fällen  bilden  <££££'%  »ährend  B.  acrolri'ke  gewöhnlich 

"•  der.erZ  der  Bln.be  einen  neuen  Gipfeltrieb  bildet, 

schon  ein  Jahr  nac  . . , • „e:n  Vorgänger, 

der  sich  ganz  eben  so  kra  tig  ®ntjic®  e\nnimmt,  dass  man  eine 
und  endlich  eine  so  senkrechte  Stella  g lg 

Pflanze  vor  sich  za  haben  gl«tt 

durch  einen  Blüthensc  a vei  letzt  wohl  nur  bei  Salix 

Wandlungen  de,  Geschlechts  durften  " hin  und 

beobachtet  sein,  indem  an  männlichen  Baemplarei. 
wieder  weibliche  Kätschen  sum  Vorschein  komme  . 

*}  Nachtrag  zum  Sitzungsbericht  vom  20.  Juli  1875, 


Sitzung  vom  19.  October. 


119 


der  Elemente  die  Krystalle  in  vollkommen  regelmässiger  Aus- 
bildung gedacht,  dass  heisst  als  ideale  Formen  für  sich  und  in 
ihren  Beziehungen  zu  einander  beschrieben  sind,  werden  in  dem 
2.  die  Krystalle  abgehandelt,  wie  sie  uns  als  Naturkörper  ent- 
gegentreten, also  ihre  verschiedenen  Ausbildungsarten,  Zwillings- 
bildungen und  Krystallotektonik;  als  Anhang  folgt  an  der  Hand 
der  Linearprojection  eine  kurze  Uebersicht  der  Zonenverbände. 

An  die  Tafeln  VII  — X.  knüpfte  Vortragender  erläuternde 
Bemerkungen  zu  der  von  ihm  „Krystallotektonik“  genannten 
Disciplin. 

Es  wird  von  verschiedenen  Seiten  die  Krystallographie  als 
eine  Wissenschaft  bezeichnet,  welche  ihrem  Ziele  nahe  ist,  da 
man  das  Ziel  so  auffasst,  wie  es  aus  den  meisten  krystallo- 
graphischen  Abhandlungen  hervorgeht,  nämlich  eine  möglichst 
genaue  Kenntniss  der  Krystalle  ihrem  geometrischen  und  physi- 
kalischen Verhalten  nach.  Die  Aufgaben  der  Krystallographie 
sind  jedoch  weitergehende,  sie  darf  sich,  wie  die  übrigen  Natur- 
wissenschaften nicht  auf  die  Beschreibung  beschränken,  sondern 
muss  die  einzelnen  Thatsachen  mit  einander  in  Verbindung  zu 
bringen  und  zu  erklären  suchen,  also  eine  erklärende  Wissen- 
schaft sein.  Haüy,  der  Begründer  der  Krystallographie  als  Wissen- 
schaft, construirte  die  Krystalle  aus  Molecülen  von  bestimmter 
Form,  den  Kernformen,  als  welche  er  die  Spaltungsgestalten 
annahm.  An  Stelle  dieser  constructiven  Methode  setzte  später 
Weiss  eine  calculative,  indem  er  die  Axen  in  die  Krystallo- 
graphie einführte;  Axen,  welche  für  ihn  wie  ideale  Linien  waren. 

Das  Studium  der  sogen,  unvollkommenen  Krystallbildungen, 
der  regelmässigen  Verwachsungen  und  Skelette  lehrt  nun,  dass 
man  die  Methoden  beider  Forscher  vereinigen  muss,  da  die  Kry- 
stalle aus  kleineren,  den  Subindividuen  aufgebaut  sind  und 
der  Anordnung  der  Subindividuen-Richtungen  zu  Grunde  liegen, 
welche  mit  den  Weiss’schen  Axen  zusammenfallen  oder  doch 
in  naher  Beziehung  zu  ihnen  stehen.  Die  ursprünglich  ideal 
angenommenen  Axen  treten  uns  greifbar  vor  Augen  und  heissen 
dann  tektonische  Axen. 

Die  Subindividuen  sind  verschiedener  Art,  solche,  welche  i m 
Wesentlichen  nur  von  Flächen  mit  einfachem  krystallographischem 
Zeichen  begrenzt  sind,  also  mit  den  Hauptindividuen  überein- 


120  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

stimmen  und  solche,  deren  Flächen  nur  annähernd  einfache 
Verhältnisse  haben  (Websky’s  vicinale).  Die  ersteren  heissen 
Subindividuen  höherer,  die  letzteren  solche  niederer  Stufe  Die 
Subindividuen  höherer  Stufe  sind  aus  solchen  niederer  Stufe  auf- 
gebaut  und  somit  sind  die  letzteren  die  wahren  Grundgestalten 
der  Krystalle.  Die  Subindividuen  niederer  Stufe  unterscheiden 
sich  von  den  Kernformen  Haüy’s  wesentlich  durch  die  mannig- 
faltige Lage  ihrer  Flächen.  Dem  Krystall  liegen  aber  keine 
einfach  gestalteten  Bausteine  zu  Grunde,  wie  es  Hauy  anna  m, 
sondern  im  Gegentheil  complicirtere  Formen,  als  sie  die  meisten 
Hauptindividuen  zeigen.  Die  Hexaeder  des  Flussspathes  haben 
als  Subindividuen  niederer  Stufe  vicinale  Tetrakishexaeder  o er 
dem  Tetrakishexaeder  nahe  stehende  Hexakisoktaeder,  die 
Bleiglanzes  vicinale  Ikositetraeder  oder  Ikositetraedern  nahe 
stehende  Hexakisoktaeder.  Es  sind  mithin  die  Hexaeder 
beider  Mineralien  verschiedene.  In  ähnlicher  Weise  erweisen 
sich  auch  Oktaeder  und  Dodekaeder  als  Formen,  welche  je  nach 
den  ihnen  zu  Grunde  liegenden  Subindividuen  verschieden  sind 
Die  rein  theoretische  Betrachtungsweise  Naumann  s,  der 
zu  Folge  die  Formen  mit  einfachem  krystallographischem  Zeichen 
als  Grenzgestalten  derjenigen  mit  comphcirterem  Zeichen  au  ge 
Sst  wercfen  können,  gewinnt  durch  die  Subindividuen  niederer 
Stufe  praktische  Bedeutung;  die  Bezeichnungen  Hexaeder,  0 
taeder  Dodekaeder  etc.  sind  mithin  rein  äusserliche,  sie  können 
und  dürfen  dem  Krystallographen  nicht  ge^en-  . 

Obgleich  die  Subindividuen  niederer  Stufe  zum  Theil  e 
sehr  grosse  Mannigfaltigkeit  von  Flächen  zeigen,  so  lass  sich 
ihre  Gestalt  im  Allgemeinen  leicht  fixiren,  da  die  meisten  Flachen 
ST»  Ha^one  angeboren,  zn  welcher  sich  dann  mehr  wenige, 
Nebenzonen  gesellen.  Die  Axen  der  Ha"Pt2“e“  "erd“t  ‘ den 
tonische  Hauptzonenaxen  genannt  und  fal 
Hauptzonenaxen  der  bei  den  Hauptindividuen  ausgebildeten 
Flächen  zusammen,  so  dass  die  bei  einem  Mineral  Vorkommen- 
den  Flächen  in  der  Gestalt  der  Snbindividnen  mederer  Stufe 

di«  Gestalt  der  Snbindividnen  ^ 

S'rÄ  ävsä ! 


Sitzung  vom  19.  October. 


121 


und  einen  experimentellen,  indem  man  die  Krystalle  einer  lang- 
samen Auflösung  aussetzt,  wodurch  man  die  sogenannten  Aetz- 
figuren  erhält  oder  indem  man  die  aus  einer  Lösung  anschiessen- 
den  Kryställchen  bestimmt. 

Die  Subindividuen  ordnen  sich  in  erster  Linie  in  Reihen 
den  tektonischen  Axen  an;  im  regulären  System  zeigen  die 
sog.  gestrickten  Formen  eine  Anordnung  in  den  Grundaxen,  die 
regelmässig  baumförmigen  in  den  prismatischen  Zwischenaxen 
und  beim  gediegenen  Silber  kommen  Anordnungen  in  den  rhom- 
boidrischen  Zwischenaxen  vor. 

Bei  weiterem  Ausbau  füllt  sich  der  Raum  zwischen  den  tek- 
tonischen Axen  aus  und  die  Subindividuen  liegen  in  bestimmten 
Flächen,  den  tektonischen  Flächen , durch  welche  Krystallformen 
bestimmt  sind.  Zunächst  ist  die  Raumerfüllung  der  Formen  eine 
unvollkommene,  da  in  vielen  Fällen  die  Anordnung  der  Sub- 
individuen von  den  Kanten,  den  tektonischen  Kanten  aus- 
geht, so  dass  die  Flächen  nach  ihrem  Mittelpunkt  hin  nicht 
ausgefüllt  sind;  derartige  Krystallbildungen  heissen  Krystall- 
skellette  und  sind  das  Resultat  sehr  rascher  Bildungen  bei  reich- 
lich vorhandenem  Material,  weshalb  sie  sich  auch  vornehmlich 
beim  Sublimationsprocess  bilden. 

Bei  den  vollkommen  entwickelten  Krystallen, 
welche  keine  wesentlichen  Unterbrechungen  der  Flächen  zeigen, 
erkennt  man  die  tektonischen  Flächen  daran,  dass  auf  ihnen 
die  Subindividuen  besonders  deutlich  zur  Erscheinung  kommen, 
ln  der  Anordnung  der  Subindividuen  lassen  sich  zuweilen  die 
tektonischen  Axen  erkennen  und  wo  dies  nicht  der  Fall  ist, 
kann  man  die  tektonischen  Hauptzonenaxen  als  solche  betrachten. 

Da  sich  die  Krystalle  eines  und  desselben  Minerals  oder 
einer  krystallisirenden  Substanz  überhaupt  unter  den  verschie- 
densten Verhältnissen  bilden  können,  so  kann  man  schon  a priori 
annehmen,  dass  der  Krystallreihe  eines  Minerals  verschiedene 
tektonische  Axen  zu  Grunde  liegen  können.  Diese  Annahme 
findet  in  der  Natur  ihre  Bestätigung;  für  die  hexaedrischen 
Krystallskelette  des  Bleiglanzes  aus  Hohofenbrüchen  sind  die 
Grundaxen  tektonische  Axen , für  die  meisten  natürlichen  Kry- 
etalle  die  prismatischen;  beim  Flussspath  sind  meist  die  Grund- 
axen tektonische  Axen,  es  kommen  jedoch  auch  Krystalle  vor, 

10** 


122  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

für  welche  die  prismatischen  Arten  tektonische  A*er . sind. 
Anf  diese  Weise  sind  hier  zwei  Haupttypen  von  KrysmUen 

drüsig  und  Ecken  an  &ud  rosenrothen  Oktaeder  aus 

tektonische  Flächen  sind,  z.  B.  die  rosenrot 
«tpr  Schweiz  die  lichtgrünen  von  Moldova  im  Banat  etc. , Oktaeder, 
t we^e  prismatische  Arten  tektonische  sind,  zeigen  glatte, 

'Är  »nigsgherg.  Auch  die  Comhin.tionen 
der  Krystalle  dieser  beiden  Typen  sind  wesentl.ch  von  emande 
verschiedene.  da5S  aie  Krysutllotektomk  ein  vor- 

zügliches und  „aturgemässes  Mittel  an  die  Hand  gtebt,  d,e  ^ 
stallformen  einer  Reihe  nach  Haupttypen  zu  ordnen.  Alle 
Sn  auf  dem  Gebiete  der  Krysta >—  ^ " 

r ^^öii^en6",  wenn  er  es  ver- 

steh t m kroslopLhe  Untersuchungen  anzustellen  und  mit  der 
CheL“  so  weit*  bekannt  ist,  dass  er  selbst  experimentell  arbeiten 

ka°nDer  Umstand,  dass  in  neuerer  Zeit  einzelne  Forscher  ledig- 
lich mikroskopische  Studien  angestellt  haben  und  dadurch  eine 
seits 'äusserst ^einseitig  geworden  sind,  -^-se.m  aber  - 

ik  zu 

warnen. 


Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  entgegengenommen: 
Bulletin,  de  tAcaiemie  d.  seien',  de  Bel9 i„ue.  Tome  XXX  . 
XXXVI.  XXXVII. 

ttr  t"hrfÄaftzuDa„zig.  Bd,.  «ft.  S.  4. 

Mi«heilungedn  äus  dem /ahrbult  der  KgL  Ungar,  geolog.  Anstalt 
Bd.  III.  Hft.  1.  2.  Budapest  1874. 


Sitzung  vom  19.  October.  123 

A niagyar  kir . földtani  intezet  Evkönve.  Bd.  3 Hft.  1.  2.  Buda- 
pest 1874. 

Abakong  deli  Reszenek  földtani  viszonyel,  11  Resz.  Budapest  1874. 

Württernbergische  naturwissensch.  Jabreshefte.  Jahrg.  XXXI. 
Hft.  3.  Stuttgart  1875. 

Bulletin  de  la  societe  imp.  des  Naturalistes  de  Moscou  1874  No.  4. 

Bulletin  de  l Academie  imp.  d.  scienc.  de  St.  Petersbourq  T XIX 
4.  5.  XX.  1.  2. 

Memoires  de  V Academie  imp.  d.  scienc.  de  St.  Petersbourq  T XXI 
6—12.  XXII,  1—3. 

Abhandlungen  der  Königl.  Akademie  der  Wissenschaften  zu 
Berlin  1874. 

Monatsberichte  der  Akad.  d.  Wissenschaften  zu  Berlin  April 
Mai  1875.  ’ 

Publikation  des  Königl.  Preuss.  geodätischen  Instituts  1875. 

Bericht  der  4.  allgemeinen  Conferenz  der  Europäischen  Grad- 
messung. Berlin  1875. 

Sitzungsberichte  der  niederrheinischen  Gesellsch.  für  Natur-  und 
Heilkunde  zu  Bonn.  1874. 

Annales  d.  I.  soc.  d'agriculture , d'histoire  naturelle  etc.  de  Lyon 
Tom.  IV— VI. 

Proceedings  of  the  zoological  society  of  London  1874  Pt  4 
1875.  Pt.  1. 

Bulletin  of  the  Essex  Institute  Vol.  VI.  1874. 

Memoirs  of  the  Boston  society  of  natural  history  Vol.  II,  part 
III.  No.  3 — 5.  part  IV,  1.  1875. 

Proceedings  of  the  Boston  soc.  of  natur.  history  Vol  XVI  3 4 
XVII,  1.  2.  ' ’ 

Jeffries  Wyman,  memorial  meeting  of  the  Boston  society.  Octbr 
1874. 

Monthly  reports  of  the  department  of  agriculture  for  1874. 
Washington  1875. 

Smithsonian  Report  for  1873. 

U.  S.  Geological  survey  of  the  Territories.  1874. 

Proceedings  of  the  academy  of  nat.  scienc.  of  Philadelphia  1874 
Pt.  1—3. 

Jahresbericht  der  naturhistorischen  Gesellschaft  zu  Hannover 
23.  24. 


124  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Societe  Khediviale  de  geographie , discours  par  le  Dr.  Schwew- 
furth  et  les  Statuts  de  la  societe.  Alexandria  1875. 

Krönig,  Das  Dasein  Gottes  und  das  Glück  des  Menschen.  Berlin 

Repertorium  der  Naturwissenschaften.  Monatliche  Uebersichten 
der  neuesten  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Naturwissenschaften. 
Jahrg.  I,  No.  1-6.  Berlin  1875. 

Archive  of  Science  of  the  New-Orleans  Academy.  Vol.  I.  No.  4. 


A.  w Schade’s  Bucbdruckerei 


L.  Schade)  in  Berlin,  Stallschreiberstr.  47. 


Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 

vom  16.  November  1875. 


Director:  Herr  ßeyrich. 


Herr  Brefeld  machte  nachstehende  Mittheilung  über  neue 
Kulturmethoden  für  die  Untersuchung  der  Pilze  und  zeigte  eine 
Reihe  lebender  Pilzculturen  vor. 

In  dem  Thatbestande  unserer  jetzigen  mycologischen  Kennt- 
nisse macht  sich  die  grösste  Lücke  in  dem  Umstande  fühlbar, 
dass  wir  die  Lebensgeschichte  so  vieler  Pilze  nur  stückweise 
kennen.  Von  dem  einen  kennen  wir  nur  die  Fruchtkörper,  von 
dem  anderen  nur  die  ungeschlechtliche  Art  der  Vermehrung,  von 
dem  dritten  ist  die  Fortpflanzung  überhaupt  unbekannt,  wir  ken- 
nen nur  die  vegetativen  Zustände,  die  wiederum  von  jenen  nicht 
bekannt  sind.  Es  ist  klar,  dass  die  wichtigste  Aufgabe  der 
mycologischen  Forschung  darin  besteht,  diesen  so  wichtigen  als 
ausgedehnten  Zweig  der  Botanik  aus  diesem  Zustande  rudimen- 
tärer Kenntniss  zu  befreien,  die  Bedingungen  herzustellen,  durch 
welche  ein  Pilz  in  seiner  Entwickelung  zum  natürlichen  Ab- 
schlüsse gebracht,  zugleich  aber  auf  diesem  Wege  bis  in  alle 
Einzelheiten  verfolgt  werden  kann. 

In  der  That  liegen  hier  bei  den  Pilzen  Schwierigkeiten  ganz 
aussergewöhnlicher  Art  vor.  Es  ist  nämlich  nicht  die  Unter- 
suchung selbst,  worum  es  sich  in  erster  Linie  handelt,  wie  in 
anderen  Gebieten  der  Botanik;  die  Fragestellung  geht  darüber 
hinaus,  sie  richtet  sich  zunächst  auf  die  Gewinnung,  die  Her- 
stellung des  Objectes,  um  es  dann  erst  zu  untersuchen,  wenn  es 

11 


126 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


gefunden  und  für  die  Beobachtung  gewonnen  ist.  Eine  Alge 
beispielsweise  lebt  in  Wasser,  sie  braucht  sonst  nur  Luft  und 
Licht,  um  zu  gedeihen,  sie  ist  ausserdem  in  dem  durchsichtigen 
hellen  Medium  jeglicher  Beobachtung  auf  das  Leichteste  zugäng- 
lich. Die  Pilze  leben  nicht  in  Wasser,  vielmehr  in  organischen 
Massen  bald  als  Parasiten  auf  und  in  lebenden  Organismen,  bald 
als  Saprophyten  in  todter  organischer  Materie.  Die  Medien  sind 
so  ungünstig  wie  möglich.  Sie  sind  undurchsichtig,  unrein,  meist 
nicht  von  einem,  sondern  von  sflelen  Pilzen  zugleich  bewohnt 
— eine  blosse  Beobachtung  des  so  lebenden  Pilzes  führt,  abge- 
sehen von  den  zahlreichen  naheliegenden  Täuschungen,  zu  einem 
früh  beschränkten  Ziele.  Es  kommt  aber  noch  namentlich  hinzu,  j 
dass  diese  natürlichen  Substrate  schnellen  Veränderungen  unter- 
liegen, die  die  natürliche  Entwickelung  der  Pilze  hemmen;  diese 
geben  einem  Pilze  nur  in  den  seltensten  Fällen  die  Möglichkeit,  ; 
seinen  ganzen  Entwickelungslauf  zu  vollenden.  Vorzugsweise  i 
sind  es  hier  zahlreiche  andere  Pilze,  deren  winzig  kleine  Keime 
allverbreitet  sind,  welche  die  Substrate  verändern  und  in  ihrer 
Mitbewerbung  um  dasselbe  Substrat  die  volle  Entwickelung  des 
einzelnen  verhindern.  Eben  darin  liegt  der  einfache  Grund,  dass 
wir  mit  einer  Beobachtung  eines  Pilzes  in  den  natürlichen  Ver- 
hältnissen nur  ein  Bruchstück  seiner  Lebensgeschichte  kennen 
lernen  können,  ein  Stück,  wie  es  seinem  natürlichen  Vorkommen 
nach  sich  darbietet  und  der  Untersuchung  zugänglich  ist.  Diese 
muss  nothwendig  eine  lückenhafte  bleiben,  so  lange  nicht  künst- 
liche Culturmethoden  für  die  Pilze  erschlossen  werden,  welche 
die  erwähnten  Mängel  ausschalten,  die  in  der  Natur  für  ihre 
Entwickelung  und  folglich  für  die  Untersuchung  unvermeidlich 
gegeben  sind.  Im  Vergleich  zu  den  Untersuchungen  bei  anderen 
Pflanzen  finden  wir  darum  bei  mycologischen  Untersuchungen 
eine  ganz  besondere  und  höchst  difficile  Aufgabe  vor.  Sie  besteht 
darin,  die  Methoden  der  Cultur  zu  finden,  durch  welche  die  ein- 
zelnen Pilze  zur  Vollendung,  zum  Abschlüsse  ihrer  Entwickelung 
gebracht  werden  können , und  diese  Methoden  zu  einer  Voll- 
kommenheit auszubilden,  dass  es  mit  ihrer  Hilfe  gelingt,  allen 
Anforderungen  zu  entsprechen,  welche  demnächst  für  die  Unter- 
suchung selbst  hervortreten.  Und  zwar  gilt  es  hier,  durch  Kunst 
die  Natur  zu  überbieten,  Verhältnisse  für  die  Cultur  zu  ermög- 


Sitzung  vom  16.  November. 


127 


licheD.  wie  sie  die  Natur  nur  selten  bieten  kann,  wie  sie  sie  für 
den  Gang  der  Untersuchung  niemals  zu  bieten  vermag,  um  auf 
diesem  Wege  den  vollkommenen  ununterbrochenen  Entwickelungs- 
gang der  Pilze  zu  erzwingen,  der  sich  in  der  Natur  unter  den 
erwähnten  Einflüssen  für  gewöhnlich  nicht  vollzieht  und  darum 
unserer  Kenntniss  verschlossen  geblieben  ist. 

_ . Ich  bin  8eit  einer  Reihe  von  Jahren  nach  dieser  Richtung 
thatig.  Ich  habe  die  Methoden  zuerst  ausfindig  gemacht,  die 
einzelnen  Pilze  von  einer  Spore  ausgehend  cultiviren  und  in 
Klaren,  durchsichtigen  Medien  in  ihrem  Entwickelungsgange 
ununterbrochen  verfolgen  zu  können;  ich  habe  die  Methoden  in 
der  Folge  zu  einer  Klarheit  und  Vollkommenheit  für  die  Beob- 
achtung ausgebildet*),  wie  sie  für  eine  Alge  in  dem  klaren 
Wasser,  worin  sie  natürlich  lebt,  von  selbst  vorliegt. 

Ich  stellte  zu  diesem  Zwecke  klare  Nährlösungen  verschie- 
dener Beschaffenheit  her,  in  welche  ich  eine  auch  die  kleinste 
«.  llzspore  mit  Sicherheit  aussäete,  und  auf  Objectträgern  ver- 
schiedener Construction  in  ihrer  Entwickelung  beobachtete,  ganz 
so  übersichtlich  und  klar,  wie  dies  sonst  nur  bei  dem  Samen 
irgend  einer  grossen  Pflanze  geschehen  kann.  Es  gelang  mir 
auf  diesem  Wege  unsere  Kenntnisse  über  die  Lebensgeschichte 
der  Myxomyceten , Zygomyceten,  Ascomyceten  in  wesentlichen 
Punkten  aufzuklären  und  zu  ergänzen.  Zunächst  waren  meine 
Untersuchungen  vorzugsweise  auf  die  Sicherheit  der  Methode 
gerichtet,  eine  Spore  eines  Pilzes  mit  Sicherheit  auszusäen,  und 
von  ihr.  ausgehend  alle  Einzelheiten  der  Entwickelung  lückenlos 
zu  ermitteln  und  zu  verfolgen,  soweit  diese  in  dem  gegebenen 
Medium  möglich  ist.  Es  handelte  sich  hierbei  in  erster  Linie 
neben  der  Sicherheit  einer  detaillirten  Beobachtung  um  das  Aus- 
schlüssen fremder  Pilzkeime  und  damit  gegebener  zahlreicher 
Fehlerquellen.  Mit  dieser  Methode  war  indess  nur  der  halbe 
Weg  zurückgelegt:  die  verwendeten  Nährlösungen  waren  für 
eine  ausgiebige  Entwickelung  meist  nicht  ausreichend.  Es  trat  die 
weitere  schwierigere  Aufgabe,  den  vollständigen  Entwickelungs- 


) Man  vergleiche  hierzu  meine  früheren  Publicationen : Methoden  zur 
Untersuchung  der  Pilze,  Abhandl.  der  physik.  medic.  Gesellschaft  in  Würz- 
bn: rg  1874;  ferner  eine  ausführlichere  Mittheilung  unter  demselben  Titel  in 
den  Landw.  Jahrbüchern  IV.  Jahrg.,  I.  Heft, 


11* 


128 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


gang  eines  Filzes  za  ermöglichen,  von  dem  man  seinem  natür- 
lichen Vorkommen  nach  nur  ein  Rudiment  kennt,  mit  gebiete- 
rischer Nothwendigkeit  heran.  Nur  von  neuen  Methoden  der 
Cultur  war  hier  ein  weiteres  Resultat  zu  erwarteu,  und  für  diese 
Culturen  mussten  die  zuerst  gewonnenen  Erfahrungen  als  Aus- 
gangspunkt dienen;  sie  konnten  nur  einen  wissenschaftlichen 
Werth  erlangen,  wenn  ihnen  dieselbe  exacte  Methode  zu  Grunde  J 
gelegt  wurde  wie  vorhin,  nämlich  Entwickelung  von  der  einzelnen 
Spore  ausgehend.  Da  die  Methode  im  Frincip  gegeben  war,  so 
coneentrirten  sich  die  Anforderungen  für  die  neuen  Culturen  in 
der  Herstellung  des  geeigneten  Substrates  für  die  Cultur.  Dieses 
Substrat  musste  einmal  ganz  pilzfrei  sein  und  zweitens  mit  Nähr- 
stoffen so  reich  versehen,  dass  hierin  der  ausgiebigsten  Entwicke- 
lung keine  Schranken  gesetzt  waren.  Ich  fand  bereits  im  Jahre  1869, 
dass  Brod  ein  vorzügliches  Substrat  für  Pilzculturen  abgiebt.  ( 
Es  enthält  eine  Menge  von  Nährstoffen,  ist  ausserdem  durch  seine  ■ 
lockere  poröse  Beschaffenheit  für  die  Entwickelung  der  Mycelien  I 
besonders  geeignet;  die  grossen  mächtigen  Schimmelrasen,  die 
aus  feucht  gelegenen  Brodablällen  aufschiessen , beweisen  dies 
ausserdem  zur  Genüge.  Auf  keinem  anderen  Substrate  gediehen 
mir  die  verschiedensten  Filze  in  einer  Ueppigkeit  wie  hier.  Mit 
seiner  Anwendung  gelang  es  mir  bald,  die  Fruchtkörper  des 
allverbreiteten  Penicillium  künstlich  zu  ziehen , die  man  bis 
dahin  vergeblich  gesucht  hatte,  die  nach  ihrer  Bildungsweise 
in  der  Natur  nur  höchst  selten  auftreten  können,  die  ich,  nach- 
dem ich  sie  6 Jahre  schon  kenne,  trotz  eifrigsten  Suchens  in  der 
Natur  niemals  gefunden  habe.  Ich  versuchte  anknüpfend  an 
diesen  Erfolg  nun  auch  andere  in  ihrer  Entwickelung  lückenhaft 
bekannte  Pilze  in  gleicher  Art  wie  Penicillium  auf  Brod  zu  cul- 
tiviren;  doch  meine  Bemühungen  waren  erfolglos.  Zwar  befestigte 
sich  die  Ueberzeugung  nach  allen  diesen  vergeblichen  Culturen, 
dass  es  einen  geeigneteren  Nährboden  für  Pilzculturen  kaum 
geben  könne,  die  Thatsachen  zeigten,  dass  die  meisten  Pilze 
auf  ihm  üppig  gediehen,  aber  die  Resultate  bewegten  sich  im 
engen  Zirkel,  sie  gingen  über  die  Grenzen  der  Entwickelung 
nicht  hinaus,  die  auch  in  dem  natürlichen  Vorkommen  offenbar 
gegeben  sind:  ich  bekam  immer  nur  wieder,  was  ich  ausgesäet. 
Die  fortgesetzten  Beobachtungen  und  die  übereinstimmenden 


Sitzung  vom  16.  November. 


129 


Befunde  der  meisten  Culturen  führten  mich  am  Ende  auf  die 
natürlichen  Ursachen,  die  der  Entwickelung  auf  halbem  Wege 
ein  Ziel  setzten.  Als  erste  störende  Ursache  fand  ich,  dass  in 
der  Länge  der  Zeit  fremde  Pilzkeime,  namentlich  Bacterien  auf- 
traten, die  das  Substrat  verdarben;  als  zweites  Hemmnisserkannte 
ich  die  nicht  genügende  Ernährungsfähigkeit  des  Brodes  selbst. 
Nichts  lag  näher  als  diesen  Uebelständen  abzuhelfen.  Um  die 
Bacterien  auszuschliessen , trocknete  ich  das  Brod  2 Tage  bei 
130  ; um  in  zweiter  Linie  die  Ernährungsfähigkeit  des 
Brodes  zu  steigern,  führte  ich  eine  Düngung  mit  flüssigen  Nähr- 
stoffen ein.  Ich  hatte  inzwischen  ermittelt,  dass  Auszüge  von 
getrockneten  frischen  Früchten  Culturlösungen  von  gleicher  Vor- 
züglichkeit abgeben  wie  reines  Brod  als  festes  Cultursubstrat. 
Die  Auszüge  lassen  sich  leicht  klar  gewinnen,  durch  Auskochen 
pilzfrei  machen  und  in  jeglicher  Concenfration  hersteilen,  wie  es 
den  verschiedenen  Bedürfnissen  entspricht.  Diese  Auszüge  ver- 
wendete ich  als  Düngmittel  für  das  Brod  ganz  in  dem°Sinne, 
wie  man  die  Felder  durch  Düngung  fruchtbarer  und  ertragfähiger 
zu  machen  sucht.  Schon  die  ersten  Culturen  mit  gedüngtem 
Brode  stachen  gegen  das  ungedüngte  ab.  wie  die  Saaten  auf  den 
gleich  behandelten  Feldern.  In  der  Folge  bestätigten  sich  meine 
Erwartungen,  die  Culturen  erlangten  allmählich  eine  zunehmende 
Vollkommenheit  und  Ueppigkeit  und  damit  gelang  es,  das  ursprüng- 
lich gesteckte  Ziel  zu  erreichen,  den  ausgesäeten  Pilz  zur  Vol- 
lendung seines  ganzen  Entwickelungslaufes  zu  bringen. 

Ehe  ich  nun  in  einigen  der  gewonnenen  Resultate  die 
Zweckmässigkeit  der  Methode  erläutere,  will  ich  zuvor  nicht 
unterlassen,  etwas  specieller  auf  die  Einzelheiten  des  Verfahrens 
selbst  einzugehen. 

Für  die  Herstellung  der  Fruchtsäfte  sind  kalte  Auszüge 
der  getrockneten  Früchte  vor  Allem  zu  empfehlen.  Nur  diese 
sind  vollkommen  klar  herzustellen.  Sie  lassen  sich  durch  Ein- 
dampfen zu  einer  Concentration  eindicken.  dass  sie  keinem  Ver- 
derben ausgesetzt  sind.  Durch  Auflösen  dieser  Auszüge  in  Wasser 
erhalt  man  Lösungen  beliebiger  Stärke,  wie  man  sie  eben  ver- 
wenden will.  — Das  Brod  muss  nach  seiner  physikalischen 
Beschaffenheit  gewählt  werden,  das  Gefüge  darf  nicht  zu  locker 
und  nicht  zu  dicht  sein;  am  besten  bewährte  sich  das  gewöhn- 


130  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

liehe  grobe  ungesäuerte  Brod.  Schnitte  von  etwa  einem  drittel 
Zoll  sind  das  zusagendste  Substrat;  von  der  Kruste  befreit  2 Tage 
bei  120°  getrocknet  sind  sie  absolut  pilzfrei.  Als  Culturgefässe 
wende  ich  mehr  oder  minder  flache  Krystallisirschalen  an,  die 
oben  glatt  geschliffen  sind  und  mit  einer  weit  übergreifenden, 
gut  abschliessenden  Glasscheibe  verdeckt  werden  können.  Sie 
werden  durch  halbstündigen  Aufenthalt  in  kochendem  Wasser 
von  anhängenden  Pilzsporen  befreit. 

Zum  Ansetzen  der  Culturen  bringe  ich  die  Dünglösungen 
in  einer  mit  Kautschukkork  versehenen  Spritzflasche  zum  Kochen, 
bringe  ein  Stück  pilzfreies  Brod  in  die  reine  Krystallisirscbale 
und  bespritze  dies  mit  der  kochend  heissen  Lösung,  bis  es  sich 
vollgesaugt  hat  wie  ein  Schwamm,  wobei  ich  den  Glasdeckel  soweit 
zur  Seite  schiebe,  als  es  zur  Einbringung  der  Spitze  der  Spritz- 
flasche nothwendig  ist.  Nach  dem  Erkalten  trage  ich  die  in- 
zwischen in  einer  reinen  Objectträgercultur  zu  einem  Mjcelium 
entwickelte  Pilzspore  mit  Hülfe  einer  flachen  Nadel  auf. 

Die  Culturen  verlaufen  so  ohne  alle  Störung,  es  treten 
keinerlei  fremde  Pilze  auf,  mag  die  Cultur  auch  1 ganzes  Jahr 
stehen.  Es  ist  leicht,  die  Einrichtung  so  zu  treffen,  dass  die 
Herstellung  dieser  reinen  Culturen  kaum  zeitraubender  ist,  wie 
die  der  früheren  unvollkommenen.  Zur  Aussaat  darf  man  nie 
mehr  wie  1,  2 oder  3 Sporen  verwenden,  je  nach  den  Dimen- 
sionen der  Cultur;  durch  reichlichere  Aussaat  wird  die  Entwicke- 
lung gehemmt. 

Es  ist  natürlich  nothwendig,  für  die  zu  cultivirenden  Pilze 
die  besonderen  Bedürfnisse  der  Ernährung  im  Laufe  der  einzelnen 
Culturen  zu  ermitteln.  Bei  dem  einen  ist  es  zweckmässiger, 
Säfte  von  sauren  Früchten  zu  nehmen,  bei  dem  anderen  ist  die 
Säure  nachtheilig,  ebenso  ist  auch  in  der  Concentration  der  Diin- 
gungslösung  ein  verschiedenes  Maass,  wie  es  die  Erfahrung  angiebt, 
inne  zu  halten. 

Ich  will  zum  Schlüsse  zu  einigen  Beispielen  übergehen. 

Aspergillus  niger  ist  ein  ziemlich  verbreiteter  Schimmelpilz, 
den  Mycologen  allbekannt.  Seither  kennt  mau  den  Pilz  nur  in 
seiner  ungeschlechtlichen  Vermehrung,  in  Conidienträgern  mit 
schwarzen  Conidien.  Es  kann  aber  kaum  einem  Zweifel  unter- 
liegen. dass  eine  zweite,  geschlechtlich  erzeugte  Fruchtform 


Sitzung  vom  16.  November. 


131 


besteht,  die  in  den  gewöhnlichen  Cnlturen  nicht  auftritt.  Nach 
4jähriger  Cultur  gelang  es  jetzt  mit  den  neuen  Methoden  durch 
üppigere  Entwickelung  den  Abschluss  zu  erreichen.  Ich  fand 
zu  meinem  Erstaunen,  dass  der  Pilz  mächtige  Sclerotien  bildet, 
die  in  einigen  Punkten  mit  denen  von  Penicillium  übereinstimmen, 
in  anderen  von  diesen  abweichen;  sie  wandeln  sich  im  Laufe 
längerer  Zeit  in  Ascen  treibende  Früchte  um. 

Auf  Topinambur  kommt  nicht  selten  eine  Peziza  parasitisch 
.'or.  die  diesen  Pflanzen  höchst  verderblich  ist;  sie  bildet  Scle- 
rotien, die  im  nächsten  Frühjahr  keimen.  Ich  versuchte  diesen 
Parasiten  saprophy  tisch  zu  ernähren  und  fand,  dass  er  in  der 
beschriebenen  Weise  cultivirt  eine  Ueppigheit  der  Entwickelung 
erreichte,  die  er  als  Parasit  nicht  erreichen  kann:  der  ganze 
Nährboden  war  wie  mit  einem  Sclerotium  überdeckt.  Alle 
Details  der  Entwickelung  Hessen  sich  hier  leicht  ermitteln,  die 
Bildung  der  Sclerotien,  das  Auftreten  von  einer  eigenthümlichen 
Form  einer  ungeschlechtlichen  Vermehrung,  deren  Conidien  nicht 
keimen  (wie  die  sogenannten  Spermatien  anderer  Pilze),  die  aber 
mit  der  Bildung  der  Sclerotien  in  gar  keinem  ursächlichen 
Zusammenhänge  stehen,  lolglich  gar  keine  Spermatien  sind  etc. 

Niemand  würde  zweifeln,  der  den  Pilz  auf  lopinambur- 
Pfianzen  findet,  dass  er  ein  echter  Parasit  ist;  die  Versuche 
zeigen,  dass  dies  unzutreffend  ist;  der  Parasitismus  des  Pilzes 
bekommt  durch  sein  saprophytisches  Leben  die  wahre  und  rich- 
tige Illustration.  — Aehnlich  verhält  es  sich  mit  Peziza  tuberosa 
und  anderen  Pezizen. 

Die  Erfahrungen  bei  diesen  Parasiten  führten  mich  auf  den 
naheliegenden  Gedanken,  dass  es  sich  mit  anderen  Parasiten 
ähnlich  verhalten  möchte,  dass  vielleicht  in  dem  Umstande,  dass 
ein  Pilz  zugleich  saprophytisch  und  parasitisch  lebt,  der  einfache 
Grund  für  so  manche  rathseihatte  Seite  bei  diesen  Pilzen  liegen 
möchte,  z.  B.  das  Wiedererscheinen  von  Pilzen,  die  an  den  Nähr- 
pflanzen keine  Dauerspore  bilden  und  in  bisher  unerklärter  Weise 
überwintern.  — Wo  ich  bisher  Versuche  machte,  fand  ich  diesen 
Gedanken  bestätigt;  so  wächst  beispielsweise  Cordiceps  militaris, 
der  doch  gewiss  wie  ein  echter  Parasit  aussieht,  mit  seltener 
Ueppigkeit  auf  präparirtem  Brode.  Mit  Leichtigkeit  gelang  es 
mir  ferner , aus  den  Sporen  von  Agaricus  melleus  die  Rbizo- 


132  Gesellschaft  naturfor sehender  Freunde. 

morphen  wiederzuziehen.  — Die  Tbatsachen  beweisen,  dass 
unsere  Auffassung  über  Parasitismus  und  parasitische  Pilze 
eine  befangene  ist  Die  neuen  Culturmethoden  eröffnen  An- 
griffspunkte, durch  die  es  gelingen  kann,  die  bestehenden 
Lücken  und  Unklarheiten  in  unserer  Kenntniss  auszufüllen  und 
aufzuhellen.  Auch  auf  die  Flechten  können  sie  vielleicht  mit. 
Vortheil  angewendet  werden,  und  seit  ich  Rhizomorphen  auf 
dem  Objectträger  ziehe,  scheint  es  mir  nicht  gar  unmöglich,  auch 
Flechten  aus  den  Sporen  künstlich  ohne  Algen  zu  cultiviren. 
ein  Weg  der  Untersuchung,  der  allen  Zweifeln  und  Meinungs- 
verschiedenheiten über  die  Natur  dieser  Pflanzen  und  ihren  merk- 
würdigen Parasitismus  ein  Ende  machen  würde.  Bisher  ist 
dieser  Weg  nicht  betreten  oder  schnell  wieder  verlassen  — aber 
nur  im  Mangel  geeigneter  Methoden. 

Es  würde  zu  weit  führen,  auf  andere  Beispiele  einzugehen, 
sie  genügen,  um  die  Bedeutung  der  Methoden  für  die  Ent- 
wickelung der  verschiedenen  Pilze  darzuthun  und  die  Aus- 
sichten zu  eröffnen,  die  sich  berechtigter  Weise  in  weiter  Aus- 
dehnung hieran  knüpfen;  ich  will  nur  noch  kurz  berühren, 
von  welcher  Bedeutung  die  Methode  für  die  Untersuchung 
selbst  ist. 

Beobachtungen  über  specielle  Punkte  der  Entwickelung  lassen 
sich  nur  in  durchsichtigen  Medien  ausführen;  hier  muss  man 
zum  .Objectträger  zurückgreifen.  Kennt  man  einmal  die  Bedürf- 
nisse des  Pilzes,  so  kann  man  die  Nährlösung  hiernach  einrichten 
und  in  Objectträgerculturen  bei  Anwendung  geeigneter  Cultur- 
lösungen  fast  alles  erreichen. 

So  gelingt  es,  die  Sclerotien  der  Peziza  auf  dem  Object- 
träger in  klarer  Nährlösung  zu  ziehen,  ebenso  mächtige  Rhizo- 
morphenstränge  aus  einer  Agaricusspore;  die  Bildung  beider  ist 
der  Beobachtung  in  den  durchsichtigen  Medien  möglichst  zugäng- 
lich gemacht.  Weder  bei  der  Bildung  noch  bei  der  späteren  j 
Auskeimung  der  Rhizomorphen  treten  jene  kleinen  Organe  auf. 
die  hie  und  da  an  den  Mycelien  der  Agaricinen  sich  zeigen. 
Wenn  bei  den  Rhizomorphen  durch  ihre  Abwesenheit  der  Beweis 
gegeben  ist,  dass  sie  zur  Bildung  der  Fruchtkörper  in  keinen  - 
Beziehungen  stehen,  so  lässt  sich  das  Gleiche  durch  directe 
Beobachtung  der  Bildung  des  Fruchtkörpers  selbst  bei  den 


Sitzung  vom  16.  November. 


m 


Agari einen  ermitteln.  — Die  Untersuchung  des  Eurotium*)  hat 
einst  De  Bary  grosse  Schwierigkeiten  gemacht  und  viele  Zeit 
gekostet;  er  suchte  die  Anfänge  der  Fruchtkörper  auf  festem 
Substrat  und  übertrug  sie  für  die  Untersuchung  auf  den  Objcct- 
trager.  Dass  ihm  die  Methoden  der  Cultur  unbekannt  waren, 
geht  aus  der  besonderen  Bemerkung  hervor,  dass  die  Eurotien 
m seinen  Objectträgerculturen  niemals  auftraten.  Hätte  er  die 
Methoden  gekannt,  so  würde  er  die  ganze  Untersuchung  in  einem 
Morgen  haben  machen  können:  eine  einzige  meiner  Objecf- 
tragerculturen  weist  wenigstens  500  Eurotien  in  allen  Stadien 
der  Entwickelung  in  dem  Culturtropfen  auf. 

Ueber  die  hier  als  Beispiele  berührten  Untersuchungen:  die 
Entwickelungsgeschichte  des  „ Aspergillus  niger\  ferner  der  ver- 
schiedenen „Pezizen“,  die  Bedeutung  der  als  Spermatien  beschrie- 
benen Organe  bei  „Asco-  und  Basidiomyceten“,  die  Entwickelungs- 
gescbichte  von  „ Coprinus “,  die  Bildung  der  „Rhizomorphen“  etc 
werde  ich  später  der  Gesellschaft  specielle  Mittheilung  machen. 

Herr  Gustav  Fritsch  berichtet  über  den  Fortgang  seiner 
Untersuchungen  des  feineren  Baues  der  Centralorgane  bei  den 
ischen.  Er  betont  die  Nothwendigkeit,  dabei  makroskopische 
mit  mikroskopischen  Beobachtungen  zu  verbinden,  weil  die  Rich- 
tigkeit der  einen  erst  durch  die  anderen  ausser  Zweifel  gestellt 
wird;  ein  einseitiges  Vorgehen  muss  mit  grosser  Wahrscheinlich- 
keit zu  Imhümern  führen.  Der  beste  Beleg  dafür  ist  durch  die 
Betrachtung  der  ausserordentlich  abweichenden  Controversen  über 
en  Gegenstand  in  einer  umfangreichen  Literatur  gegeben,  wobei 
die  neuesten  Anschauungen  als  ein  unbezweifelter  Rückschritt 
zu  bezeichnen  sind.  Vieles,  was  von  älteren  Autoren,  z.  B. 
Oottsche,  bereits  richtig  erkannt  wurde,  ist  ohne  genügenden 
Orund  verlassen,  das  Wahre  mit  dem  Falschen  zugleich  über 
or  geworfen  worden.  Die  von  einem  zu  engen  Standpunkte' 
ausgehende  Betrachtungsweise  neuerer  Forscher  hat  sich  nicht 
gescheut  ohne  Rücksicht  auf  die  naheliegenden  Bedenken  den 
u nen  Satz  aufzustellen,  so  mächtig  entwickelte,  wohl  organi- 
sirte  Thiere  wie  die  Selachier,  Haeckel  ’s  Urahnen  des  Menschen, 


) Beitrage  zur  Morphologie  und  Physiologie  der  Pilze  III.  Heft. 


134  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

hätten  überhaupt  kein  Kleinhirn,  wenigstens  Nichts,  dem  der 
Histologe  den  Werth  eines  als  solches  functionirenden  Central- 
organs beilegen  könne. 

Hierbei  wurden,  wie  bei  den  meisten  der  neueren  Autoren, 
embryologische  Principien  zu  Grunde  gelegt,  ein  Vorgehen,  wel- 
ches gewiss  mit  Recht  die  allgemeine  Anerkennung  für  sich  hat. 
Den  Ausgangspunkt  bildete  die  durch  E.  v.  Baer  geschaffene 
Eintheilung  des  embryonalen  Gehirns,  wie  sie  durch  die  weitere 
Differenzirung  der  ursprünglichen  drei  Hirnbläschen  angegeben 
wird  Das  Hervorsprossen  der  Grosshirn  knospen  aus  dem  ersten 
Hirnbläschen  und  der  Zerfall  des  letzten  in  zwei  Unterabtei- 
lungen verwandelt  bekanntlich  die  drei  frühesten  Abschnitte  in 
fünf,  für  welche  v.  Baer  der  Reihe  nach  folgende  Namen  auf- 
stellte: Vorderhirn,  Zwischenhirn.  Mittelhirn,  Hinterhirn  un 

Nachhirn  Diese  Abschnitte  erscheinen  im  Gehirn  der  Sauge- 
tiere nach  allgemeiner  Annahme  in  folgende  Centralorgane 
verwandelt:  Vorderhirn  = Grosshirnhemispbaren.  Zwiscbenbirn 
= Umgebung  des  dritten  Ventrikels,  Mittelhirn  = Vierhügel, 
Hinterhirn  = Kleinhirn,  Nachhirn  = Medulla  oblongata.  Der 
Versuch,  diese  Anschauungen  der  Deutung  des  Fischgehirnes 
anzupassen,  stösst  auf  Schwierigkeiten,  indem  an  demselben  in 
typischer  Ausbildung  nicht  fünf  Hauptabschnitte  auftreten,  sondern 
deren  nur  vier  deutlich  erkennbar  scheinen.  Sonnt  ergeben  sich 
folgende  Fragen  für  die  Untersuchung:  Auf  welche  Weise  ver- 
schwindet der  eine  Abschnitt?  Welcher  Abschnitt  ist  es,  und 
wie  sind  dem  entsprechend  die  übrig  bleibenden  vier  zu  deuten. 
Oder  aber:  Sind  in  der  That  auch  am  entwickelten  Gehirne 
noch  alle  fünf  Organe  nachweisbar  und  wie  sind  sie  zu  um- 
gränzen?  Für  alle  daraus  resultirenden  Anschauungen  haben 
sich  Vertreter  gefunden,  deren  Behauptungen  bald  mit  dem,  bald 
mit  jenem  Punkte  in  der  Aufstellung  eines  anderen  Forschers 
collidiren  oder  zusammenfallen;  leider  nicht  zu  selten  stehen  die 
Autoren  auch  im  Widerspruche  mit  sich  selber.  Es  wurde  zu 
weit  führen,  hier  das  bunte  Mosaik  der  Ansichten  entwickeln 
zu  wollen,  sondern  es  soll  lieber  direct  aut  die  Darstellung  ein- 
gegangen werden,  welche  der  V ort  rag  ende  nach  dem  heutigen 

Standpunkte  der  Wissenschaft  für  die  allein  berechtigte  halt. 
Es  finden  sich  in  der  That  alle  fünf  Abschnitte  an 


Sitzung  vom  16.  November. 


135 


dem  typisch  entwickelten  Fischgehirn,  als  welches 
dasjenige  der  Knochenfische,  nicht  das  der  Knorpel- 
fische hingestellt  werden  muss.  Erst  wenn  man  das 
Knochenfischgehirn  genügend  versteht,  wird  es  möglich,  am 
Knorpelfischgehirn  unter  den  ausgedehnten  Verschmelzungen 
annähernde  Gränzen  für  die  Abschnitte  aufzustellen. 

Versuchen  wir  die  Orientirung,  so  sehen  wir  bei  den  Kno- 
chenfischen als  ersten  Hauptabschnitt  das  Vorderhirn,  ein  paari- 
ges Organ  durch  eine  Commissur  verbunden,  welches  vorn  die 
mit  einer  kleinen  Anschwellung  sich  anfügenden  Riechnerven 
tragt.  Diese  Anordnung,  der  Aufbau  aus  kleinen  Zellen  mit 
emgelagerten  Markstrahlungen,  die  zun,  Theil  durch  die 
rückwärts  laufenden  Stiele  die  Verbindung  mit  den 
grossen  Ganglien  des  Hirnstockes  suchen,  lässt  in  dem 
Abschnitt  die  Grosshirnhemisphären  erkennen,  welche  nach 
vorn  zusammengerückt  sind,  Diese  Deutung  ist  kaum  zweifel- 
nalt  und  erscheint  auch  fast  allseitig  acceptirt. 

Es  wäre  nun  der  nächste  Abschnitt,  das  Zwischenhirn,  zu 
umgranzen;  dazu  gehört  die  Höhle  des  dritten  Ventrikels,  nach  unten 
in  das  Infundibulum  mit  der  Hypophysis  verlängert,  die  Corpora 
candicanlia  (?),  der  mediale  Theil  der  von  den  Peduncuiis  cerebn 
ausgehenden  Markstrablungen,  welche  bei  Säugethieren  durch 
Corpus  stnatum  und  Thalamus  opticus  hindurchtreten,  die  Com- 
missurer,  der  Ganglien  des  vorderen  Hirnstockes  und  die  Zirbel 
Die  Decke  (Tela  chorioidea  media  der  Säugethiere)  wird  über- 
agert  durch  den  Fornix  und  den  Balken.  Die  Tractus  optici 
umgreifen,  rückwärts  ziehend,  die  Basis  des  Abschnittes,  indem 
sie  gewisse  Wurzelbündel  bereits  hineinsenden.  Diese  Anforde- 
rungen werden  annähernd  erfüllt  nur  durch  den  Theil  des 
Fischgehirnes,  welcher  das  Trigonum  fissum,  Lobi  inferiores,  den 
vordersten  Theil  des  Tectum  opticum , sowie  die  an  der  Berüh- 
rungsstelle beider  Hälften  desselben  eingelagerten  Organe  um- 
lasst.  Dieses  sogenannte  Tectum  opticum  Stieda’s  stellt  eine 
Markablagerung  in  dem  Scheiteltbeil  der  primären,  hier  nicht 
scharf  gesonderten  Hirnwäschen  dar  und  ist  bei  den  Fischen 
Gne  be,  den  Amphibien)  durch  das  Auftreten  eigentbÜmlicher 
Kornerschichten  charakterisirt.  Bei  der,  Fischen  schliesst  sich 
diese  periphere  Markablagerung,  nach  rückwärts  und  oben 


136 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


wuchernd,  mehr  an  das  Zwischenhirn  und  erreicht  nach  hinten 
zu  häufig  nicht  die  Mittellinie  (z.  B.  bei  den  Cyprinoiden,  Clu- 
peiden),  während  bei  den  Amphibien  (z.  B.  bei  Rana)  die  Ab- 
lagerung hinten  stärker  ist  und  sich  enger  an  den  folgenden 
Abschnitt  anschliesst. 

Es  enthält  durch  die  einstrahlenden  Fasersysteme  Elemente, 
welche  es  unzweifelhaft  mit  Tbeilen  des  Zwischenhirns  in  directe 
Verbindung  setzen,  während  die  in  den  hinteren  Theil  ausstrah- 
lenden oder  es  hier  durchsetzenden  Opticusfasern  Beziehungen 
zum  nächsten  Abschnitt  suchen.  Das  Organ  stellt  also  eine 
Ergänzung  dar  für  die  Rindenschichten  des  unvoll- 
kommen entwickelten  eigentlichen  Grosshirns  and 
zeigt  Verbindungen  mit  den  benachbarten  1 heilen, 
wie  etwa  der  Stammlappen  des  Säugethiergehirnes. 

Die  aus  den  Hirnschenkeln  hervortretenden  mächtigen  baser- 
strahlu ngen  sind  wie  der  Stabkranz  des  Reil  angeordnet;  sie 
treten  durch  den  Torus  semicirculans  (analog  einem  Corpus 
Striatum)  hindurch  und  kreuzen  sieb  im  vorderen  Abschnitte  mit 
queren  Commissurbündeln,  die  man  sehr  wohl  berechtigt  ist  an 
Gotische  als  Analogon  eines  Balkens  anzusprechen.  Die  schein- 
bar sehr  abweichend  gelagerte  Zirbel  schliesst  sieb  dem  Gross- 
hirn folgend,  hier  wie  auch  sonst  au  die  entsprechende  Comm.ssur 
(C.  posterior),  welche  weiter  rückwärts  gar  keinen  Platz  finden 
würde.  Unter  dem  Balkenrudiment  liegt  der  ebenfalls  schon 
früher  richtig  gedeutete  Fornix  (Commissura  longüudinahs , Stieda.J 
Der  dritte  Abschnitt,  das  Mittelhirn,  gränzt  sich  ausser- 
lich  nicht  deutlich  ab,  weil  das  Tectum  opticum  ihm  dicht  auf- 
lagert; nach  hinten  und  abwärts  liegt  er  dU  *8. 
und  erscheint  auf  entsprechenden  Längsschnitten 
gut  umgränzt.  Er  umfasst  die  hinteren  Theile  der  Hirn- 
Lhenkel  ‘crvra  cerehelli  mit  der  Valmla  <?),  die  Bractoa  corpans 
quadrigemini  mit  dem  Laqueus.  Ob  an  dieser  Stelle ; ein Thala- 
musrudiment liegt,  bleibe  zunächst  noch  dahingestellt.  A 

i * i.  , „ l t o c 1 1 n typ n oben  Qi“ 


amsruaimeui  ncgi,  » n ; P 

hinteren  Gränze  des  Abschnittes  Hegen  oben  die 
Trochlearis  wurzeln,  an  der  Basis  gehören 
Gebiet  die  Oculomotoriaswurzeln.  Die  sehr 
verfolgenden  Opticusfasern  können  sehr  wohl  zum  Theil 
Weg  ebenfalls  hinein  finden. 


Sitzung  vom  16.  November. 


137 


Als  vierter  Abschnitt  (Hinterhirn)  muss  ein  hinter  der 
Irochieariswurze!  liegendes  Organ  bezeichnet  werden 
welches  mit  den  entsprechenden  Partien  unterhalb  des  zum  vier- 
en Ventrikel  sich  erweiternden  Aquaeductus  Sylvii  auch  die 
Quercommissuren  des  (innerlich  liegenden)  Pons  Vavoli  enthält 
sowie  den  entsprechenden  Theil  der  Trigeminuswurzeln 

Eine  vergleichende  Betrachtung  einer  genügend 
grosse,,  Re, Le  von  Kn och en fiscLgeh ir „en  Zeig, (wie 
■es  Organ  von  e,ner  geringen  kugligeu  Erhebung 

embryonalen  Querleiste  allmälig  mächtig  ans.eig' 
nd  Formen  welche  schon  makroskopisch 

f Z6"  »"‘sprechenden  Organen  der  Knorpel- 
. in  uberfuhren,  wo  ausser  anderen  histologi- 
schen Momenten  die  gleiche  Lage  der  Trochlearfs- 

EaVZ  b die  Hom °1  ogie  ausser  Zweifel  stellt 

taTs  I h T Nöthigung  au  der  ungeheuerlichen  Annahme, 
Für  ,r  , T keln  Kle,,lhir»  hätten  (Miklucho  Maclay). 

iLme,“  d°  TSChen  Verbäl'"iss«  die  ausserordentliche 

des  Kl  ' r " j oga”eS’  W‘e  S'e  abnllcb  sicb  nur  am  Wurm 
des  Kleinhirns  der  Säugethiere  angedeutet  linde,,  hervorauhebeu. 

7 • . 61  ortragen  d e legt  darauf  eine  Anzahl  makroskopischer 
Zähnungen  von  Fischgehirnen  als  Beweise  für  die  ausgeBb  rn 
Tha, Sachen  vor,  „ährend  er  die  nähere  Besprechung  der  Ergeb- 

bTr;„ztrostrcl‘er,ürrsuch"og' weicte  «-«»s  4 

fesltelku  b “e  interessanI<!  histologische  Momente 

e stehen  bis  zu  e.ner  zukünftigen  Sitzung  verschiebt.  Dann 

Bewlnaf?hiC,h,er;"S  ^ a'a  authentischl 

7 /"  Tha,8acbe”'  welche  aum  Theil  unbegründeter  Weise 

b im’"  ?TT  W"rden’  Photographische  Abbildungen  der 
bereus  ausre.chend  vorhandenen  Präparate  vorgelegt  werfen. 


A'  W‘  SChade’‘  BUCbdrUck^  (L.  Schade)  in  Berlin  S,allschreiberStra8se  47. 


Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 

vom  21.  December  1875. 

Director:  Herr  Beyrich. 


Herr  ßrefeld  berichtet  über  seine  Untersuchungen  die 
raulniss  der  Früchte,  betreffend. 

„Es  ist  eine  allbekannte  Thatsache,  dass  ein  fauler  Apfel 
den  gesunden  ansteckt,  welchen  er  berührt.  Die  faule  Frucht 
wirkt  ansteckend  aut  ihre  Umgebung,  sie  überträgt  die  Fäulniss 
aut  diese.  Die  Ansteckung  ist  nicht  denkbar  ohne  eine  wirkende 
Ursache  ohne  ein  Agens,  weiches  der  bestimmten  Erscheinung 
Z“  ™n  6 und  s*e  in  bestimmter  Form  hervorruft.  Es 

ist  folglich  eine  wissenschaftliche  Aufgabe  darin  gegeben,  die 

, F 6 rSache  oder  dle  event.  verschiedenen  wirkenden  Ursa- 
c en  er  Faulmss  bei  Früchten  zu  ermitteln  und  die  Erschei- 
nung selbst  in  ihrem  Verlauf  eingehend  zu  verfolgen.  - Wiewohl 
ie  rscheinung  der  Fäulniss  eine  alltägliche  ist,  hat  sie  doch 
»her,  soweit  mir  bekannt,  eine  specielle  Untersuchung  mit 
klarer  bestimmter  Fragestellung  nicht  erfahren;  ich  will  nach- 
stehend m, «heilen,  was  ich  im  Laufe  der  letzten  Jahre  darüber 
ermittelt  habe. 

Ich  leitete  meine  Untersuchungen  damit  ein,  dass  ich  mir 
laulende  Brächte  der  verschiedensten  Art,  von  den  verschieden- 
sten Urten  in  verschiedenen  Jahreszeiten  verschaffte  und  diese 
einer  genauen  mikroskopischen  Untersuchung  unterwarf.  Ich 
an  m allen  Fällen  das  Gewebe  an  den  faulen  Stellen  matt 
n we  , die  Zellen  hatten  ihren  Turgor  verloren,  der  Proto- 

12 


) 


140 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


plasmasack  war  contrahirt,  der  Zellsaft  in  die  Intercellularraume 
ausgetreten.  Bestimmte,  später  zu  besprechende  Ausnahmen 
abgerechnet,  fand  ich  weiter  die  Masse  der  Zellen  durchzogen 
von  deutlichst  sichtbaren  Pilzhyphen,  welche  zwischen  den 
welken  Zellen,  niemals  in  ihrem  Innern  verliefen.  Im  er- 
reich zu  dem  gesunden  Gewebe,  wie  es  in  einer  halbverfaulten 
Frucht  naheliegend  sich  darbietet,  treten  diese  Erscheinungen, 
die  Beschaffenheit  des  faulen  Gewebes  und  die  Gegenwart  der 
Pilzhyphen  in  diesem  ganz  besonders  deutlich  hervor,  sie  kehrten 
in  der  grossen  Zahl  der  beobachteten  Einzelfälle  so  überein- 
stimmend wieder,  dass  der  Verdacht  auf  eventuellen  causalen 
Zusammenhang  beider  rege  werden  musste,  welcher  der  Unter- 
suchung sogleich  eine  bestimmte  Richtung  eröffnete.  _ 

Als  nächste  und  erste  Frage  handelte  es  sich  natürlich 
darum,  zu  wissen,  welchen  Pilzen  die  gefundenen  Hyphen  an- 
crehörten.  Soweit  die  directe  Beobachtung  reichte,  waren  sie 
nach  zwei  Richtungen  durchaus  verschieden:  einmal  weitlumig, 

mächtig,  ohne  Scheidewände,  dann  von  engerem  Lumen  und 
häufig  septirt,  sonst  in  beiden  Fällen  auf’s  reichste  verzweigt. 
Die  sichere  Entscheidung  der  Frage  gewann  ich  dadurch,  dass 
ich  den  Hyphen  durch  Aufschneiden  der  faulen  Frucht  freie 
Oberfläche  und  dann  in  einem  feuchten  pilzfreien  Raume  die 
Möglichkeit  der  Fructification  gewährte.  Sie  erschien  schon  am 
folgenden  Tage  in  Gestalt  der  gemeinsten  Schimmelpilze,  welche 
es  giebt.  Auf  den  septirten  Hyphen  fructificirten  z.  B.  Botrytis 
cinerea  und  Penicillium  glaucum,  auf  den  unseptirten  vorzugs- 
weise Mucor  stolonifer , seltener  M.  racemosus.  Nach  der  Er- 
mittelung dieses  Thatbestandes  war  die  zweite  Frage  von  selbst 
gegeben,  nämlich  durch  Untersuchung  zu  ermitteln,  ob  diese 
Pilze  die  Ursache  der  Fäulniss  sind,  unter  welchen  Umstanden 
sie  die  Fäulniss  hervorrufen,  oder  ob  sie  etwa  nur  als  secundare 
die  Fäulniss  begleitende  Erscheinung  auftreten.  Eine  ausgie  ige 
Reihe  experimenteller  Versuche  in  verschiedenster  Art  metho- 
disch ausgeführt,  konnte  hier  allein  die  Entscheidung  ge  en’ 
reines  Pilzmaterial  und  gesunde  Früchte  waren  die  erforder- 
lichen Ausgangspunkte  der  Untersuchung. 

Ich  verfuhr  zunächst  in  der  Weise,  dass  ich  frische  unver- 
letzte Früchte  mit  Pilzkeimen  reichlich  und  allseitig  in  eru 


Sitzung  vom  21.  December. 


141 


rang  brachte.  Sie  möglichst  innig  herzustellen,  übertrug  ich  die 
Sporen  in  Wasser,  vertheilte  sie  mit  einem  Pinsel  auf  die  reinen 
Früchte  und  stellte  diese  dann,  unter  einer  feuchten  Glocke  auf- 
bewahrt, bei  Seite.  Die  Versuche  ergaben,  was  vorherzusehen 
war:  die  Früchte  blieben  gesund,  die  Sporen  hatten  im  Mangel 
an  Nahrung  nicht  oder  mangelhaft  gekeimt;  -besässen  nämlich 
diese  allverbreiteten  Pilze  für  intacte  Früchte  Angriffskräfte,  so 
würden  sie  ihnen  alle  in  kürzester  Frist  erliegen  müssen. 

In  der  zweiten  Versuchsreihe  vertheilte  ich  die  Pilzsporen 
in  einer  Nährlösung  von  Fruchtsäften,  worin  sie  keimen  und 
Mycelien  bilden  konnten.  Ich  pinselte  diese  Nährlösung  auf  die 
Früchte  und  wartete  nun  den  Erfolg  ab.  Er  äusserte  sich  bald 
und  zwar  dahin,  dass  einzelne  Früchte  an  einzelnen  Stellen  zu 
faulen  begannen.  Diese  Stellen  waren  stets  solche,  die  äusserlich 
am  wenigsten  beschützt  sind  oder  doch  am  leichtesten  beschädigt 
werden,  z.  B.  vorzugsweise  die  Insertionsstellen  des  Stieles  oder 
das  entgegengesetzte  Ende,  oder  auch  bestimmte  Stellen,  die  deut- 
lich feine  Sprünge  oder  Verletzungen  in  der  schützenden  Haut 
zeigten.  Die  Fäulniss  begann  an  den  erwähnten  Punkten  und 
schritt  von  da,  verschieden  schnell  bei  den  einzelnen  Pilzen, 
alsbald  über  die  ganze  Frucht  fort.  Nichts  war  leichter,  als 
durch  Untersuchung  zu  constatiren,  dass  wirklich  die  eingedrun- 
genen Pilzhyphen  die  Fäulniss  bewirkten;  sie  begann  dort,  wo 
sie  eingedrungen  waren  und  verbreitete  sich  von  diesen  Stellen 
aus,  genau  Schritt  haltend  mit  dem  Fortwachsen  der  Hyphen, 
mit  deren  Ausbreitung,  durch  die  Frucht.  Die  weitere  Entschei- 
ds ergaben  die  Controlversuche  mit  den  gleichen  Früchten, 
die,  nicht  inficirt,  sämmtlich  gesund  blieben.  War  hiernach  mit 
höchster  Wahrscheinlichkeit  der  Beweis  beigebracht,  dass  die 
Pilze  die  Ursache  der  Fäulniss  sind,  und  dass  diese  nicht  in  ge 
Sunde  Früchte,  sondern  nur  durch  verletzte  Stellen  in  diese  ein- 
zudringen vermögen,  so  blieb  doch  die  exacte  Beweisführung 
erst  einer  dritten  Versuchsreihe  Vorbehalten. 

Ich  inficirte  die  Früchte  mit  den  Pilzkeimen  an  künstlich 
erzeugten  Wundstellen.  Hier  trat  an  den  inficirten  Stellen  bei 
hinreichend  reifen  Früchten  die  Fäulniss  regelmässig  ein;  Con- 
trolversuche mit  den  gleichen,  verletzten,  aber  nicht  inficirten 
Früchten  zeigten  keine  Fäulniss. 


12* 


I 


142 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


Aus  diesen  Versuchen  können  wir  das  unzweifelhafte  Er- 
gebniss  herleiten,  dass  die  erwähnten  Schimmelpilze  die  Faul- 
niss  der  Früchte  verursachen  und  dass  dies  von  den  verletzten 
Stellen  aus  geschieht,  die  den  Pilzen  die  Möglichkeit  der  Ent- 
wickelung und  des  Eindringens  gewähren.  Es  stimmt  das  Re- 
sultat der  Untersuchung  in  schlagender  Weise  überein  mit  den 
Erfahrungen,  die  jedem  Menschen  geläufig  sind,  dass  bescha  igle 
Früchte  sich  nicht  halten,  dass  sie  zuerst  faulen  und  nicht  sor- 
tirt  die  Krankheit  der  Fäulniss  auch  unter  die  gesunden  ver- 
breiten Ohne  Zweifel  geschieht  die  Ansteckung  so,  dass  die 
von  der  faulen  Frucht  ernährten  Hyphen  über  die  gesunde  sich 
ausbreiten  und  hier  leicht  eine  kleine  Verletzung  treffen,  durc 


welche  sie  eindringen  können. 

Ich  will  hier  summarisch  in  Kürze  zusammentassen,  was 
ich  in  langen  Versuchsreihen  betreffs  des  verschiedenen  Verhal- 
tens der  Früchte  bei  den  Infectionen  und  bezüglich  des  Verlaufes 
der  Fäulniss  bei  den  verschiedenen  Pilzen  ermitteln  konnte. 
Ich  fand,  dass  die  Widerstandskraft  der  Früchte  gegen  die  Pilze 
um  so  grösser  ist,  je  weniger  reif  die  Früchte  sind,  je  fester  un 
härter  das  Gefüge  der  Zellen  ist;  bei  diesen  Fruchten  trat  nach 
Infectionen  an  verletzten  Stellen  keine  Fäulniss  ein.  Mit  der 
Reife  nimmt  die  Empfänglichkeit  für  die  Fäulniss  zu,  sie  ist  bei 
weichen  Früchten  um  so  grösser,  je  mehr  mit  zunehmender  Reite 
der  Zuckergehalt  zu  und  der  Säuregehalt  abnimmt,  je  weicher 
und  saftreicher  die  Früchte  werden.  - Betreffs  der  inficirten 
Pilze  fand  ich,  dass  der  Verlauf  der  Fäulniss  beim  Mucor  slolo- 
nifer  bei  weitem  am  schnellsten  ist.  Der  Pilz  mac  t irnen 
in  wenigen  Tagen  ganz  und  gar  faul  und,  merkwürdig  genug, 
erkennt  man  an  der  faulen  Frucht  zunächst  äusserlich  nicht  die 
Spur  von  dem  im  Innern  lebenden  Pilze,  der  erst  später,  wenn 
mit  dem  Welken  der  Zellen  künstliche  Risse  in  der  Haut  ent- 
stehen, aus  diesen  mächtig  hervorbricht.  Dem  Mucor  zunächst 
steht  Botrytis  cinerea ; hier  ist  die  Fäulniss  weniger  weich  wie 
im  vorigen  Falle.  Beide  Pilze  sind  weitaus  die  häufigsten  Ur- 
heber der  Fäulniss.  - Penicillium  kommt  schon  in  etwas  harten 
Früchten  nicht  vorwärts,  es  tritt  meistens  als  secundare  Erschei- 
nung neben  den  ersten  beiden  Pilzen  auf.  Wo  es  auftntt  ist 
die  Fäulniss  weich,  in  der  Farbe  weniger  dunkel.  Mucor  race- 


Sitzung  vom  21.  December. 


143 


mosus  endlich  ist  ebenfalls  nur  weichen  Früchten  gefährlich.  An 
aufgeschnittenen  Melonen  und  anderen  weichen  Früchten  kom- 
men beide  schnell  zur  Wirkung,  die  eingesunkenen  matten  Stellen, 
die  sich  in  Tagesfrist  an  ihnen  zeigen  und  schnell  um  sich  greifen, 
sind  durch  diese  Pilze  bewirkt,  deren  Mycelien  hier  auf’s  leich- 
teste in  den  faulen  Stellen  nachzuweisen  sind.  — Da  eine  Reihe 
anderer  minder  häufiger  Schimmelpilze  sich  den  hier  erwähnten 
analog  verhalten,  so  gehe  ich  nicht  weiter  auf  sie  ein.  — Mit 
Ausnahme  von  Penicillium  wirken  die  Pilze  auf  den  Geschmack 
der  Früchte  nicht  direct  beeinflussend  ein.  Die  faulen  Früchte 
schmecken  matt,  haben  ihre  Frische  verloren,  sonst  keinen 
irgendwie  von  den  Pilzen  herrührenden  Beigeschmack.  Nur  bei 
Penicillium  tritt  ein  höchst  widerwärtiger  und  bitterer  Geschmack 
auf,  auch  riechen  die  Früchte  nach  Schimmel  wie  Penicillium 
für  sich  schon  thut.  Bei  der  charakteristischen  weichen  Fäulniss 
kommen  auch  bald  secundäre  Erscheinungen  hinzu. 

Wenn  es  nach  den  mitgetheilten  Untersuchungen  als  sicher 
gelten  kann,  dass  die  Fäulniss  der  Früchte  durch  Pilze  verursacht 
wird,  deren  Keime  nur  an  verletzten  Stellen  in  das  Innere  ein- 
dringen,  so  bleibt  gleichwohl  die  weitergreifende  Frage  zu  lösen 
übng,  ob  denn  alle  Fäulnisserscheinungen  an  Früchten  auf  das 
Wirken  eingedrungener  Pilze  ursächlich  zurückzuführen  sind. 
Gestützt  durch  umfassende  Beobachtungen  muss  ich  diese  Frage 
bestimmt  verneinen.  Den  erwähnten,  durch  Pilze  veranlassten 
Fäulnisserscheinungen  steht  eine  weitere  Reihe  von  Fällen  glei- 
cher Art  gegenüber,  bei  denen  keine  Pilze  mitwirken.  Gerade 
diese  Fälle  sind  von  besonderem  Interesse,  weil  sie  in  der  Er- 
scheinung ganz  mit  den  ersteren  übereinstimmen  und  einen 
Schluss  zulassen,  wie  die  Pilze  die  Fäulniss  herbeiführen  und 
die  Erscheinung  aufzufassen  ist. 

Eine  spontane  Fäulniss  ohne  Pilze  ist  eine  häufige  Erschei- 
nung an  bestimmten  Birnensorten.  Sie  werden,  noch  am  Baume 
sitzend,  von  Innen  nach  Aussen  fortschreitend  faul;  man  ist  er- 
staunt eine  äusserlich  gesunde  und  frisch  erscheinende  Frucht 
innerlich  von  Fäulniss  ergriffen  zu  sehen,  und  noch  mehr  wun- 
dert man  sich,  dass  die  Erscheinung  eine  allgemeine  ist,  die  in 
bestimmter  Reifezeit  wiederkehrt.  Ich  habe  wiederholt  Dutzende 
von  diesen  Birnen  genau  untersucht  und  stets  gefunden,  dass 


144  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

die  Fäulniss  ohne  Pilze  spontan  auftritt.  Mit  den  besten  opti- 
schen Hülfsmitteln  konnte  ich  keine  Spur  von  ihnen  entdecken, 
noch  auch  auf  Schnittflächen  durch  entstehende  Fructification 
nachweisen.  — Eclatanter  noch  als  bei  den  Birnen  tritt  die 
spontane  Fäulniss  bei  den  Mispeln  auf.  Die  Früchte  werden  im 
Laufe  des  December  mit  einem  Male  alle  faul,  die  Fäulniss 
greift  schnell  um  sich  und  erfasst  in  kurzer  Frist  die  ganze 
Frucht.  Schon  der  Umstand,  dass  die  Fäulniss  alle  Früchte 
gleichzeitig  erfasst,  macht  es  wenig  wahrscheinlich,  dass  sie  von 
Pilzen  bewirkt  wird.  Ich  sammelte  zahlreiche,  vorsichtig  vom 
Baume  genommene  Früchte  auf,  um  sie  gleich  im  Beginne  der 
Fäulniss  untersuchen  zu  können.  Die  Untersuchung  ergab  auch 
hier  in  allen  Fällen  gänzliche  Abwesenheit  eines  Pilzes. 

Zeigt  sich  in  diesem  letzteren  Thatbestande  ein  tiefgreifen- 
der Unterschied  dieser  Fälle  von  Fäulniss  (denen  ich  weitere 
beizufügen  hier  unterlasse)  gegenüber  den  vorher  beschriebenen, 
so  erscheint  es  um  so  auffälliger,  dass  sonst  alle  weiteren  Er- 
scheinungen der  Fäulniss  selbst  in  beiden  Fällen  durchaus  über- 
einstimmen. Hier  wie  dort  sind  die  Zellen  der  faulen  Stellen 
matt  und  welk.  Das  Protoplasma  ist  contrahirt,  die  Membran 
durchlässig  für  den  ausgeschiedenen  Zellsaft  geworden,  der  die 
erweiterten  Intercellularräume  ausfüllt  und  die  Zellen . oft  aus 
ihrem  Gewebeverbande  loslöst.  Es  sind  dies  Erscheinungen, 
welche  wir  an  t|odten  Zellen  wahrnehmen;  die  Zellen  sind  ein- 
fach abgestorben,  die  Fäulniss  ist  ein  Absterben  der  Zellen. 
Die  welken  todten  Zellen  pflegen  wir  als  faule  zu  bezeichnen 
gegenüber  den  lebenden  und  frischen.  Wohl  nur  der  grosse 
Gegensatz  beider  in  ihrer  äusseren  Erscheinung  und  Beschaffen- 
heit gab  die  Veranlassung  zu  dieser  Bezeichnung,  die  wir  bei 
dem  gleichen  Thatbestande  an  anderen  Pflanzentheilen  nicht  ver- 
wenden, weil  dieser  hier  weniger  hervortritt. 

Nur  in  dem  Ursprünge,  in  der  Ursache  der  Fäulniss  können 
wir  demnach  zwei  verschiedene  Arten  unterscheiden.  Die  eine 
tritt  ohne  äussere  Ursache  spontan  auf,  die  andere  wird  durch 
Pilze  veranlasst.  Im  erstenFalle  sterben  dieZellen  der  Früchte  plötz- 
lich ab.  Diesgeschieht  mit  grosser  Schnelligkeit;  in  einemTagekann 
eine  Mispel  in  ihrer  ganzen  Masse  faul  werden , d.  h.  ihre  Zellen  ab- 


Sitzung  vom  21.  December. 


145 


sterben.  Im  zweiten  Falle  tritt  das  Absterben  der  Zellen  nicht 
spontan  ein,  es  wird  durch  eingedrungene  Pilzkeime  herbeige- 
führt; die  Wirksamkeit  des  Pilzes  äussert  sich  hier  in  dem  Ab- 
sterben  der  von  ihm  berührten  Zellen.  Der  Pilz  tödtet  die 
Zellen  auf  das  schnellste,  wenn  er  sie  berührt,  er  dringt  weiter 
vor  in  den  Intercellularräumen  der  getödteten  Zellen,  und  durch- 
wuchert vor  sich  und  um  sich  die  Gewebe  tödtend  die  ganze 
Frucht.  Er  ernährt  sich  offenbar  von  dem  ausgetretenen  Zell- 
safte, der  ihm  reichliche  Nahrung  bietet.  Tiefer  greifende  Zer- 
setzungen sind  zunächst  nicht  wahrnehmbar,  diese  treten  weiter- 
hin auf  als  secundäre  Erscheinungen,  die  hier  nicht  in  Betracht 
kommen  können. 

Die  Pilze,  welche  die  Fäulniss  verursachen,  sind  gemeine 
Schimmelpilze.  Die  Früchte  sind  durch  äusseren  Schutz  gegen 
die  Pilze  geschützt.  Erst  wenn  mit  abnehmender  Lebensenergie 
zufällige  oder  natürliche  Verletzungen  eintreten,  finden  an  diesen 
Wundstellen  die  Pilze  die  geeigneten  Angriffspunkte,  dringen 
ein,  tödten  das  Gewebe  und  rufen  mit  dem  Absterben  der  Ge- 
webe die  Veränderung  an  den  Früchten  hervor,  die  wir  nach  der 
äusseren  Erscheinung  und  physikalischen  Beschaffenheit  dieser 
Früchte  gegenüber  den  gesunden  lebenden  als  Fäulniss  bezeichnen. 
— Wie  die  Pilze  den  Tod  der  Gewebe  mit  solcher  Schnelligkeit  be- 
wirken, ob  sie  vielleicht  an  ihrer  Oberfläche  einen  Stoff  abscheiden, 
der  tödtlich  wirkt,  ist  eine  besondere  Frage,  die  ich  hier  nicht 
verfolgen  will.  — In  der  beschriebenen  Lebensweise  der  Pilze 
in  lebenden  Früchten  liegt  eine  besondere  Form  von  Parasitis- 
mus vor;  die  Pilze  leben  für  gewöhnlich  saprophy tisch,  nur  bei 
bestimmter  Prädisposition  des  Wirthes  können  sie  als  Parasiten 
auftreten,  sie  bilden  eine  Ergänzung  zu  den  in  meinem  letzten 
Vorträge  (November  1875)  erwähnten  Fällen  von  Pilzen,  die 
für  gewöhnlich  in  der  Natur  als  Parasiten  Vorkommen,  aber 
ebensogut  und  besser  als  Saprophyten  leben  können,  wenn  sie 
geeignet  ernährt  werden,  z.  B.  Agaricus  melleus , Peziza  sclerotio- 
rum, Cordiceps  militaris.  Aber  alle  beweisen,  dass  eine  scharfe 
Abgrenzung  zwischen  parasitischen  und  sapropbytischen  Pilzen 
nicht  existirt.  Zwischen  ausschliesslichen  Saprophyten  und 
specifischen  Parasiten  mit  ihren  interessanten  Adaptationen 
an  die  Lebensverhältnisse  der  Wirthe,  giebt  es  eine  nicht  geringe 


146 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


Zahl  von  Pilzen,  die  bald  als  Saprophyten,  bald  als  Parasiten 
auftreten  können,  ihnen  fehlen  die  natürlichen  Angriffsmittel, 
welche  die  echten  Parasiten  in  ihren  Adaptationen  aufweisen; 
für  einen  Theil  von  ihnen  ist  es  sicher,  dass  nur  bestimmte 
Vorbedingungen  bei  den  Wirthen  (Prädisposition)  ihre  Lebens- 
weise als  Parasiten  ermöglichen. 

Ob  und  in  wie  weit  die  beschriebenen  Fälle  von  ge- 
wöhnlichen saprophytischen  Pilzen,  die  unter  bestimmten  Um- 
ständen parasitisch  als  Krankheitsursache  auftreten,  vielleicht 
Anhaltspunkte  geben  können  für  die  Beurtheilung  von  man- 
chen Krankheiten  am  thierischen  Körper  und  die  eventuelle 
Mitwirkung  von  Pilzen  bei  diesen,  entzieht  sich  meiner  speciellen 
Beurtheilung,  da  ich  nicht  Pathologe  bin.  Soweit  aber  die  Natur 
der  Pilze  selbst,  die  Art  ihres  Angriffes  hier  in  Betracht  kommen 
können,  zweifle  ich  nicht,  dass  diese  den  eigentlichen  Parasiten  mit 
bestimmten  Angriffsmitteln  nicht  angehören  werden,  dass  es  sich 
vielmehr  wahrscheinlicher  um  Saprophyten  handeln  dürfte,  die 
unter  Umständen  parasitisch  auftreten,  wenn  nämlich  bestimmte 
•Vorbedingungen  für  ihre  Entwickelung  erfüllt  sind.  Denken 
wir  uns  statt  der  Verletzungen  an  einer  Frucht,  Verletzungen 
am  thierischen  Körper,  lokale  Entzündungen  an  den  verschie- 
denen Körperstellen,  so  wäre  die  Analogie  in  den  Vorbedingun- 
gen hergestellt,  die  auf  Grund  der  an  Früchten  dargelegten  That- 
sachen  wenigstens  eine  klare  Vorstellung  darüber  eröffnet,  wie 
etwa  auch  hier  häufig  verbreitete  Pilze  als  Krankheitsursache  wir- 
ken können.“ 

Herr  Splitgerber  legte  der  Gesellschaft  eine  in  Ostende 
gekaufte,  gut  erhaltene,  über  30  Centimeter  lange  Euplectella 
vor,  welche  interessante  Spongie  aus  dem  Philippinischen  Meere 
stammen  soll,  in  deren  zarten  kieseligen  Flechtenwerk  eine 
Menge  kleiner  Krebse  sich  befinden,  welche  wohl  ganz  klein 
hineingerathen,  Nahrung  gefunden  und  so  gewachsen  sind,  dass 
sie  ihr  Gefängniss  nicht  wieder  haben  verlassen  können. 

Herr  Reichenow  machte  eine  Mittheilung  über  die  ichthyo- 
logischen  Sammlungen  der  deutschen  Expedition  nach  der 
Loango-Küste.  Obwohl  die  Sendungen  nur  23  Arten  enthal- 


Sitzung  vom  21.  December. 


147 


ten,  so  befinden  sich  darunter  doch  mehrere  interessante  und 
zwei  neue  Formen,  welche  letztere  der  Gesellschaft  vorgelegt 
und  folgendermaassen  charakterisiert  werden: 

Ctenopoma  nigropannosum  Rchw. 

D.  19-20/9—10.  A.  9—10/9—10.  Lin.  lat.  30—32.  Lin. 
trans.  11  — 12.  Die  Höhe  des  Körpers  ist  etwa  ein  Fünftel  der 
Totallänge,  die  Länge  des  Kopfes  ein  Viertel;  Augendurch- 
messer ein  Viertel  der  Kopflänge,  etwas  länger  als  die  Schnauze. 
Der  erste  Theil  der  Seitenlinien  geht  etwa  bis  zur  16.  Schuppe, 
der  zweite  beginnt  mit  der  18.  Schuppe.  Die  beiden  vorsprin- 
genden Ecken  des  Operculum  sind  mit  starke  : Zähnen  besetzt; 
in  der  Auskerbung  zwischen  beiden  sitzt  ein  weicher,  schwarz 
gefärbter  Lappen.  Suboperculum  stark  gezähnelt.  Die  Färbung 
der  in  Spiritus  conservirten  Exemplare  ist  dunkel  olivenbraun, 
über  die  Seiten  schwärzliche  Querbinden,  welche  in  ihren  Mitten 
zusammenfliessen.  Unterseite  und  Kiemendeckel  bräunlich weiss; 
der  Lappen  zwischen  den  vorspringenden  Ecken  des  letzteren 
schwarz.  Die  Querbinden  sind  bei  älteren  Exemplaren  weniger 
deutlich  als  bei  jüngeren. 

Von  der  nahe  verwandten  Ct.  multispine  Ptrs.  unterscheidet 
sich  diese  Art  besonders  durch  die  grössere  Zahl  der  Dorsal- 
stacheln und  durch  den  schwarzen  Opercularlappen.  Das  Ber- 
liner Zoologische  Museum  besitzt  die  Form  auch  vom  Gabon. 

Trachynotus  angustus  Rchw. 

1 6*  1/21.  A.  2.  1/19 — 20.  Die  Höhe  ist  dreimal  in 

der  Totallänge  enthalten,  der  Kopf  viermal,  das  Auge  viermal 
in  der  Kopflänge.  Das  hintere  Ende  des  Oberkiefers  reicht 
etwas  über  die  Mitte  des  Auges  hinaus.  Die  Schnauzenlänge 
ist  etwa  gleich  dem  Augendurchmesser,  bei  jüngeren  Individuen 
kürzer.  Die  Bauchflossen  reichen  etwas  über  den  After,  aber 
nicht  bis  an  den  ersten  Analstachel.  Die  Brustflossen  sind  län- 
ger als  die  Bauchflossen  und  reichen  angelegt  etwa  ebenso  weit 
als  letztere.  Die  ersten  verlängerten  Rückenstrahlen  reichen 
zuruckgelegt  etwa  bis  zur  Basis  des  17.  Weichstrahls,  die  der 
Afterflosse  fast  bis  zum  Beginn  der  Schwanzflosse.  Schnauzen- 
profil stark  abfallend;  obere  Kopflinie  allmälig  bis  zum  Beginn 
der  weichstrahligen  Rückenflosse  ansteigend.  Seitenlinie  ziem- 
lich gerade,  nur  am  vorderen  Tbeile  sehr  schwach  gebogen. 


148  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Die  Färbung  ist  silberweiss,  auf  dem  Rücken  blaugrau. 
Flossen  mennigroth;  Rückenflosse  und  Schwanzflosse  mit  schwärz- 
licher Spitze;  Brustflossen  innen  fein  schwärzlich  punkt, rt 

Diese  Art  steht  dem  Tr.  Martini  Steindachn.  (Fisch  . d. 
Senegal  I,  S.  711)  sehr  nahe,  unterscheidet  sich  von  demselben 
aber  durch  das  kleinere  Auge,  welches  viermal,  bei  jenem  nur 
dreimal  in  der  Kopflänge  enthalten  ist  und  durch  die  constante 
grössere  Zahl  der  Analweichstrahlen,  welche  zu  19  bis  20,  bei 
jenem  nur  zu  17  vorhanden  sind. 

Herr  R Sadebeck  besprach  unter  Vorlegung  zahlreicher 
Zeichnungen  seine  neueren  Untersuchungen  über  Pytlmn  Eqm- 
„H,  insbesondere  dessen  Infectionskraft  für  die  Kartoffelpflanze 
Die  mangelhafte  Kenntniss  der  Entwicklungsgeschichte  der 
Schachtelhalme  hatte  den  Vortragenden  schon  im  rongen  Jahre 
veranlasst,  ausgedehnte  Aussaaten  und  Culturen  einiger  q 
setumarten,  besonders  Equuelu«  orre.sc  und  ’ialus',‘  “V 
stellen,  um  wo  möglich  die  höchst  wichtigen  Fragen  über  *e 
Entwickelung  des  Embryo  der  Equiseten  zu  beantworten.  L 
der  erlagen  diese  Culturen,  nachdem  sie  kaum  bis  zur  Anthe 
dienbildung  vorgeschritten  waren,  einer  in  grossen  Mengen  auf- 

getretenen^Saprolegniee , wie  dies  Vortragender  berei  s in  einer 

fn  Cohn’s  Beiträgen  zur  Biologie  der  Pflanzen  (I.  Band,  3.  Heft, 
erschienenen  Abhandlung:  „Untersuchungen  über  Pqthmn  E 
scti“16 anseinandergesetzt  hat.  Auch  nach  den  M, ..Heilungen 
welche  über  die  Aussaatversuche  der  früheren  Autoren  vorliegen, 

ist  mit  einiger  Sicherheit  anzunehmen,  dass  die  meisten  er  von 

denselben  angestellten  Culturen  besonders  in  F°*e „ 
tretens  und  der  raschen  Verbreitung  dieser  Sapro  egmee  zu 
Grunde  gingen.  Dafür  sprechen  insbesondere  die  vielfach  über 
einstimmenden  Angaben,  dass  die  Vorkeime  nachdem  sie  etw 
die  Höhe  von  2— 3mm  erreicht  hatten,  eine  bräunliche  F g 
g”  abzusterben  anflngen  und  allmälig  gänzlich  versckwam 
den.  Wenn  hierbei  auch  nicht  ausser  Ach,  - ^ 
mehrere  niedere  Algen,  Nostochineen  u s.  w.  durch  ihr  Uebe 
wuchern  redlich  mitgeholfen  haben,  dass  die  Vor  eime  * ' ’licben 
singen  so  ist  doch  andererseits  das  Auftreten  er 
Färbung  der  ganzen  Vorkeime  (nicht  etwa  bloss 


149 


Sitzung  vom  21.  December. 

ridien),  sowie  das  darauf  folgende,  allmälige  gänzliche  Ver- 
schwinden derselben  zum  grössten  Theile  wohl  der  Thätigkeit 
des  oben  bezeichneten  Pythium  zuzuschreiben.  Der  Erste, 
welcher  in  der  That  auch  angegeben  hat,  dass  die  Culturen  der 
Fquiseten- Vorkeime  einem  Pilze  erlagen,  war  bereits  Milde, 
Derselbe  schreibt  (zur  Entwickelungsgeschichte  der  Equiseten 
und  Rhizocarpeen  S.  29),  dass  gerade  zu  der  Zeit,  wo  er  an 
vielen  Vorkeimen  die  Grundlage  der  Archegonien  beobachtete, 
trotz  aller  Vorsorge  das  Mycelium  eines  Pilzes,  welches  sich 
sehr  rasch  verbreitete,  alle  Vorkeime  zerstörte  und  so  den  wei- 
teren Beobachtungen  ein  Ende  gemacht  habe.  Wenn  nun  nach 
allem  diesen  anzunehmen  ist,  dass  diese  Saprolegniee  nur  weni- 
gen Aussaaten  der  Schachtelhalme  fehle  und  also  ziemlich  ver- 
breitet sein  müsse,  so  lag  doch  die  Vermuthung  fern,  dass  die- 
selbe auch  für  die  ausgebildete  Pflanze  oder  gar  für  Phanero- 
gamen  Infectionskraft  besitzen  könne.  Um  so  mehr  war  Vor- 
tragender überrascht,  als  er  in  erkrankten  Kartoffelpflanzen  an 
Stelle  der  vermutheten  Peronospora  infestans  das  in  den  Vor- 
keimen von  Equisetum  arvense  beobachtete  Pythium  Equiseti 
wiederfand. 

Der  Vortragende  theilte  nun  weiter  mit,  dass  er  in  den 
ersten  Tagen  des  Juli  d.  J.  bei  Metternich  unweit  Coblenz  ein 
Kartoffelfeld  angetroffen  habe,  welches  allem  Anscheine  nach 
von  der  Krankheit  befallen  war.  Eine  genauere  Untersuchung, 
welche  besonders  in  der  Hoffnung,  die  Sexualorgane  von  Pero- 
nospora infestans  aufzufinden,  unternommen  worden  war,  ergab 
jedoch,  dass  die  hier  in  Rede  stehenden  Krankheitserscheinungen 
fast  nur  auf  Pythium  Equiseti  zurückzuführen  seien.  Die  ver- 
muthete  Peronospora  wurde  in  keiner  der  untersuchten  Pflanzen 
dieses  Feldes  gefunden.  Dagegen  wurde  das  besprochene  Py- 
thium in  einer  ziemlich  grossen  Anzahl  von  Pflanzen  und  auch 
m sämmtlichen  Theilen  derselben  angetrofifen.  Dasselbe  hatte 
sich  hier  in  eben  so  grossem  Maasse  verbreitet,  als  es  in  den 
Vorkeimen  von  Equisetum  arvense?  beobachtet  worden  war.  Auch 
traten  hier  wiederum  vorzugsweise  die  Sexualorgane  dieses 
Pilzes  durch  ihre  Entwickelungsfähigkeit  hervor  und  wurden 
völlig  identisch  befunden  mit  den  in  den  Equisetum- Vorkeimen 
beobachteten.  Aus  den  darauf  sich  beziehenden,  vorgelegten 


150  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Zeichnungen  ging  deutlich  hervor,  dass  das  Antheridium  wohl 
die  Membran  des  Oogoniums,  nicht  aber  die  der  Oospore  durch- 
bohrt habe,  ja  in  mehreren  Fällen  mit  seiner  Spitze  weit  von 
der  Oosporenmembran  entfernt  geblieben  sei,  wie  dies  übrigens 
in  ähnlicher  Weise  auch  in  Fig.  15  der  ersten  Abhandlung  des 
Vortragenden  über  diesen  Pilz  dargestellt  worden  sei.  Ausser- 
dem machte  der  Vortragende  darauf  aufmerksam,  dass,  wie  eben- 
falls aus  den  Abbildungen  deutlich  zu  erkennen  war,  das  An- 
theridium sich  an  seiner  Spitze  wirklich  geöffnet  habe  und  dass 
nach  der  Bildung  der  Oospore  von  seinem  Inhalt  nichts  mehr 

in  demselben  zurückgeblieben  sei. 

Bereits  bei  dem  ersten  Durchsuchen  des  in  Rede  stehenden 
Kartoffelfeldes  hatte  sich  gezeigt,  dass  zwischen  den  einzelnen 
Kartoffelpflanzen  sterile  Sprosse  des  Equisetum  arvense  in  überaus 
„rossen  Mengen  aus  dem  Erdboden  hervorkamen.  Dem  ent- 
sprechend ergab  sich  bei  einer  weiteren  Untersuchung,  dass  das 
■ranze  Feld  von  den  unterirdischen  Stämmen  des  Equisetum 
arvense  durchzogen  war.  Dagegen  wurden  erst  nach  langem 
und  fortgesetztem  Suchen  einige  wenige  Vorkeime  und  auch  nur 
an  einer  einzigen  Stelle  aufgefunden.  Dieselben  waren  völlig 
gesund  und  zeigten  reichliche  Antheridien.  Ebenso  erwiesen 
Sich  sämmtliche  ausgebildeten  Pflanzen  des  Equisetum,  welche 
darauf  hin  untersucht  worden  waren,  als  vollständig  gesund. 
Da  nun  von  diesen  eine  sehr  beträchtliche  Anzahl  einer  genauen 
Untersuchung  unterzogen  worden  war,  so  scheint  die  Annahme 
„erechtfertigt,  dass  das  Pythium  Equiseti  nur  für  die  Vorkeime 
des  Equisetum  arvense , nicht  aber  für  dieses  selbst  Infections- 
kraft  besitzt.  Vortragender  bemerkte  hierbei  jedoch  ausdrück- 
lich, dass  er  nur  sterile,  nicht  aber  auch  fructificirende 

Sprosse  habe  untersuchen  können. 

Somit  erklärt  sich  wohl  auch  hinreichend,  dass  zu  Anfang 
Juli’s  nur  noch  eine  so  ausserordentlich  geringe  Anzahl  von  Vor- 
keimen gefunden  werden  konnte;  der  grösste  Theil  der  jeden- 
falls noch  vor  Kurzem  vorhanden  gewesenen  war  ebenso  hier, 
wie  bei  den  oben  besprochenen  Culturen,  dem  raschen  und  ener- 
gischen Umsichgreifen  dieses  Pilzes  erlegen. 

Als  bemerkenswerth  wurde  noch  hervorgehoben,  dass  ein 
zweites  Kartoffelfeld,  welches  von  dem  ersten  durch  die  Lan  - 


Sitzung  vom  21.  December. 


151 


Strasse  and  ein  allerdings  wohl  100  Schritte  breites  Roggenfeld 
getrennt  war,  keine  Spur  von  Erkrankungserscheinungen  bemer- 
ken liess , obwohl  nach  der  Aussage  des  Besitzers  hier  die- 
selbe Kartoffelsorte  angebaut  war,  wie  auf  dem  ersten  Felde. 
Freilich  verdient  hierbei  in  Betracht  gezogen  zu  werden  , dass 
das  erste  Feld  dicht  am  Ufer  der  Mosel  gelegen  war  und  fast 
durchgängig  nur  Sandboden  aufwies.  Das  zweite,  von  jeder 
Erkrankung  frei  gebliebene  Kartoffelfeld  war  der  obigen  An- 
gabe entsprechend  dem  Ufer  der  Mosel  entfernter  "gelegen 
und  zeigte  einen  eher  schweren  und  fetten,  aber  keineswegs  san- 
digen Boden;  auch  konnten  auf  diesem  letzteren  selbst  keine 
Schachtelhalme  gefunden  werden.  Erst  nach  längerem  Suchen 
wurden  an  dem  südlichen  Rande  des  Feldes  einige  vereinzelte 
junge  Equisetumpflanzen  bemerkt.  Der  Vortragende  machte 
darauf  aufmerksam,  dass  er  auch  anderwärts  schon  mehrfach 
die  Beobachtung  gemacht  habe,  dass  der  Acker-Schachtelhalm 
zwischen  den  Kartoffelpflanzen  in  reichlicher  Menge  sich  ange- 
siedelt  habe.  Trotzdem  habe  er  niemals  derartige  Erkrankungs- 
erscheinungen wabrgenommen.  In  dem  vorliegenden  Falle  jedoch 
sei  wohl  noch  in  Rechnung  zu  ziehen,  dass  das  inficirte  Feld 
ganz  abgesehen  von  der  sehr  nassen  Witterung,  durch  den  hohen’ 
Wasserstand  der  Mosel  — dieselbe  reichte  längere  Zeit  hindurch 
bis  dicht  an  das  Feld  heran  — ausnahmsweise  feucht  gehalten 
worden  sei  und  dass  auf  diese  Weise  die  besonders  günstigen 
Bedingungen  geschaffen  worden  waren  für  die  grosse  Ausbrei- 
tung des  Pythium  Equiseti. 

Schliesslich  besprach  der  Vortragende  noch  die  Entdeckung 
er  Sexualorgane  von  Peronospora  infestans  durch  G.  Wor- 
thing ton  Smith  in  London  und  legte  die  photographischen 
und  lithographischen  Abbildungen  derselben  vor.  Die  Aehn- 
lichkeit,  welche  danach  mit  den  gleichen  Organen  des  oben 
besprochenen  Pythium  stattfindet,  war  eine  zu  auffallende,  um 
nicht  dem  Gedanken  einer  etwa  möglichen  Identität  Raum  zu 
geben,  dahin  gehend,  dass  die  von  Smith  entdeckten  Sexual- 
organe von  Peronospora  nur  die  eines  Pythium,  und  zwar  dann 
wahrscheinlich  des  Pythium  Equiseti  darstellen. 

Derselbe  Vortragende  sprach  darauf  noch  über  die  An- 


152  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

theridien -Entwickelung  der  Schachtelhalme  und  demonstrirte 
dieselbe  an  einer  grösseren  Anzahl  von  Handzeichnnngen. 

Betreffs  der  der  Antheridienbildnng  voraosgehenden  Ent- 
wickelung des  Vorkeims  ans  der  Spore  gab  der  Vortragende 
einige  vorläufige  Andentnngen.  Ein  seharf  ansgeprägtes  Gesetz 
Über  die  Zell, heilong  ist,  wie  anch  bereits  Hofme.ster  ang  ebt, 
in  keinem  Stadium  der  Vorkeimentwickelung  mit  Sichertet  zu 
erkennen.  Besonders  gilt  dies  von  den  männlichen  Verkeimen. 
Bei  diesen  ündet  vornehmlich  ein  Längenwachsthum  statt,  be- 
wirk, durch  das  gegeneinander  rechtwinklige 1 Ansetzen ^ von 
Längs-  und  Querwänden.  Indem  jedoch  diese  letzteren  oft  zu, 
Längsrichtung  des  ganzen  Vorkeims  mehr  oder  weniger  sehiefwink- 
lig  verlaufen,  hat  es  den  Anschein,  als  ob  das  Langenwacbstbum 
düs  Sprosses  sich  geändert  »nd  durch  eine  keilförmig  nach  un 
zugespitzte  Scheitelzelle  vermittelt  werde.  Nach  dem  A“ 
einer  oft  constanten  Anzahl  von  Theilungswanden  wird  ,n  eine 
der  Endzeilen  der  bisher  durch  Längs-  und  Querwände  bewirkte 
Theilungsmodus  geändert,  der  Art,  dass  in  dieser  Endzeile  eine 
zur  Fläche  des  Längenwachsthums  parallele  Wan  ge  i e Wl 
Die  eine  der  dadurch  entstehenden  Zellen  wird  nun  zur  Mutter- 
zelle eines  neuen  Sprosses,  welcher  jedoch  in  seiner  weiteren 
Flächenausbildung  stets  senkrecht  gerichtet  ist  gegen  ic  es 
Muttersprosses.  Die  andere  durch  fsen  Theilungsmodus  ent- 
standene  Zelle  bleibt  jedoch  in  inniger  Verbindung  mit  de 
Mutterspross  und  theilt  auch  mit  demselben  die  weitere  Arten 
Weise  des  Wachsthums.  Ausser  diesem  Ramiücationstypas 
kommen  sehr  häuüg  und  meist  abwechselnd  mi,  demselben  der- 
artige vor,  dass  die  Ausbildung  des  Tochtersprosses  ,n  der 

Fläche  des  'Muttersprosses  vor  sich  geht.  In  diese 
die  Theilungswand  senkrecht  zur  Ebene  des  ganzen  p 
gedichtet.  Hinsichtlich  der  streng  durchgeführten  Diocie  der 
Verkeime  macht  der  Vortragende  darauf  aufmerksam  dass 
nicht  unwahrscheinlich  sei,  dass  bereits  nach  den  ersteQ  T _ 
langen  der  durch  die  Abtrennung  der  ersten  Haarwurzel 
standenen  Vorkeimmutterzelle  die  Anlage  für  den  männlichen 
oder  w eichen  Vorkeim  gegeben  sei.  Vortragender  verweis, 
hierfür  auf  die  Tba.saehe,  dass  ein  Theil  der  Vorkcimmutte.- 
zellen,  und  zwar  der  grössere,  zunächst  nur  die  Neigung 


Sitzung  vom  2 1.  December. 


153 


Theilung  in  einer  Ebene  zeige,  ganz  analog  den  obigen  Aus- 
einandersetzungen über  das  Längenwachsthum  der  männlichen 
Vorkeime.  Ein  anderer  Theil  der  Vorkeimmutterzellen  bildet 
sich  jedoch  der  Art  aus,  dass  zwei  untereinander  und  auch  zur 
Trennungswand  von  Haarwurzel  und  Vorkeimmutterzelle  senk- 
recht stehende  Zellwände  gebildet  werden.  Von  oben  gesehen 
erscheint  alsdann  die  Vorkeimmutterzelle  in  vier  Quadranten 
getheilt.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  mit  diesem  Wachs- 
thumsmodus die  Entwickelung  des  weiblichen  Vorkeims  einge- 
leitet wird. 

Der  Schilderung  der  Entwickelungsgeschichte  der  Antheri- 
dien  selbst  lässt  der  Vortragende  erst  ein  kurzes  Resume  vor- 
angehen über  die  bisherige  Kenntniss  derselben.  Ausser  von 
Hofmeister  sind  noch  von  Duval-Jouve  und  von  Milde 
Abbildungen  und  Schilderungen  des  Entwickelungsvorganges  der 
Antheridien  gegeben  worden;  dieselben  congruiren  aber  so  wenig 
mit  einander,  dass  eine  wiederholte  Untersuchung  derselben  zur 
Klarlegung  der  Vorgänge  dringend  nöthig  war.  Die  dabei  von 
dem  Vortragenden  gewonnenen  Resultate  weichen  nun  wesent- 
lich von  denen  der  genannten  Autoren  ab  und  lassen  sich  in  Fol- 
gendem kurz  zusammenfassen:  Das  Antheridium  lässt  sich  auf 

eine  Aussenzelle  des  Vorkeims  zurückführen.  In  einer  solchen 
Aussenzelle  sammelt  sich  körniges,  zum  Theil  grün  gefärbtes 
Plasma  an  und  bildet  die  erste  Anlage  des  Antheridiums.  In 
dieser  Zelle  drängt  darauf  das  Plasma  nach  der  Aussenwand 
hin  und  häuft  sich  dort  besonders  an;  in  dieser  Zeit  entsteht 
in  dieser  Aussenzelle  eine  zur  Aussenwand  parallele  Zellwand 
und  trennt  somit  die  Zelle,  von  welcher  ausgegangen  worden 
war,  in  eine  äussere  und  eine  innere  Zelle.  Letztere  ist  die 
Basalzelle,  erstere  die  Antheridienmutterzelle. 

Bei  der  Auseinandersetzung  der  weiteren  Entwickelung  wer- 
den zunächst  die  optischen  Längsschnitte,  auf  welchen  auch 
allein  die  Trennung  in  Basalzelle  und  Antheridienmutterzelle  zu 
erkennen  war,  in  Betracht  gezogen.  In  der  Antheridienmutter- 
zelle treten  darauf  in  simultaner  Bildung  zwei  zur  Aussenfläche 
dieser  Zelle  senkrechte  Theilungswände  ein,  welche,  weiter  von 
dem  Centrum  der  Zelle  entfernt,  den  beiden  Zellwänden  aber 
näher  gelegen,  von  der  Antheridienmutterzelle  zwei  Seitenzellen 


154  Gesellschaft  naturfor sehender  Freunde. 

abtrennen.  Nun  erst  bildet  sich  eine  zu  den  letzten  Theilungs- 
wänden  senkrechte  neue  Zellwand,  welche  parallel  der  Aussen- 
fläche  verlaufend  die  Deckelzelle  abgrenzt.  Der  nach  aussen 
hin  von  der  Deckelzelle,  nach  den  «eiten  von  den  Seitenzellen 
und  nach  innen  von  der  Basalzelle  begrenzte  Theil  der  Ursprung-  , j 
liehen  Antheridienmutterzelle  ist  nun  die  Mutterzelle  der  Sper- 
matozo'iden- Mutterzellen;  Vortragender  bezeiehnete  sie  mit  „Innen- 
zelle“. In  dieser  Innenzelle  tritt  nun  stets  zuerst  eine  der 
Aussenfläche  parallele  Theilungswand  auf,  auf  welche  meist  eine 
zweite  ebenso  gerichtete,  aber  mehr  nach  innen  zu  gelegene 
Theilungswand  folgt.  Jedoch  ist  es  auch  sehr  häufig  beobachtet 
worden,  dass  die  zweite  Theilungswand  senkrecht  zur  ersten 
gerichtet  war.  Ueberhaupt.  konnte  über  die  Auleinanderfolge 
der  in  der  Innenzelle  auftretenden  Theilungswände  keine  abso- 
lute Regelmässigkeit  gefunden  werden;  durchgreifend  und  con- 
stant  allein  ist  es,  dass  die  jedesmaligen  Theilungswände  senk- 
recht gegen  die  vorhergehenden  gerichtet  sind,  so  dass  die  Innen- 
zelle schliesslich  von  einer  grossen  Anzahl  von  Zellen  ausgefullt 
wird.  Indem  während  dieses  Vorganges  die  Seitenzellen  sich 
bedeutend  strecken  und  sich  durch  zur  Längsrichtung  des  Anthe- 
ridiums  senkrechte  Zellwände  theilen,  wird  das  ganze  Organ 
über  die  Fläche  des  Vorkeims  bedeutend  herausgehoben. 

Die  von  der  Fläche  aus  gewonnenen  Ansichten  über  die 
Entwickelung  des  Antheridiums  fügten  den  vorstehenden  Erör- 
terungen noch  Folgendes  zu:  Die’ von  der  Fläche  aus  gesehenen 

vierseitigen  Aussenzellen , welche  durch  die  Abtrennung  der 
Basalzelle  zu  den  Antheridienmutterzellen  geworden  sind,  zeigen 
die  Bildung  der  Seitenzellen  ganz  besonders  deutlich.  Es  geht 
daraus  hervor,  dass  nicht  zwei,  sondern  vier  Seitenzellen  ge- 
bildet werden,  jedoch  so,  dass  zuerst  die  zwei  vorher  schon 
geschilderten,  also  gegenüberliegenden  Seitenzellen  durch  zwei 
die  Breite  der  ganzen  Aussenzelle  durchziehende  Theilungswände 
abgetrennt  werden.  Erst  nachher  treten  zwischen  diesen  die 
beiden  anderen,  ebenfalls  einander  gegenüber  liegenden  Seiten- 
zellen  auf. 

Auf  diese  Weise  umschliessen  die  vier  Seitenzellen  ein 
Quadrat,  welches  in  Folge  der  schon  vorher  beschriebenen  Ent- 
wickelungsvorgänge im  Innern  der  Antheridienmutterzelle  die 


Sitzung  vom  21.  December. 


155 


Aussenwand  der  Deckelzelle  des  Antheridiums  darstellt.  Bei 
dem  ferneren  Wachsthum  des  Antheridiums  erleidet  auch  die 
Deckelzelle  noch  einige  Theilungen.  Die  dabei  auftretenden 
Theilungswände  sind  parallel  den  Zellwänden  der  Seitenzellen 
und  schneiden  sich  gegenseitig  unter  90°,  so  dass  die  ursprüng- 
liche Deckelzelle  in  die  4 Quadrantenzellen  getheilt  wird.  Diese 
weichen  bei  der  Reife  des  Antheridiums  auseinander  und  gewäh- 
ren also  den  Spermatozoidenmutterzellen  freien  Austritt. 

Bezüglich  der  näheren  Erörterung  über  die  Bildung  der 
Spermatozolden  bemerkte  der  Vortragende,  dass  er  den  Schacht’- 
schen  Untersuchungen  „die  Spermatozolden  im  Pflanzenreiche“ 
nichts  Wesentliches  beifügen  könne  und  verwies  daher  auf  diese. 

Herr  Witt  mack  legte  die  sogen.  Frucht  (eigentlich  Sam- 
melfrucht) einer  Artocarpus- Art  vor,  welche  das  landwirtschaft- 
liche Museum  von  dem  Afrikareisenden  Hildebrandt  aus 
Sansibar  erhalten  hatte.  Das  betreffende  Exemplar  misst  circa 
15 — 16  Ctm.  im  Durchmesser.  Die  aus  den  verwachsenen 
äusseren  Blüthenhüllen  der  (weiblichen)  Blüthen  hervorgegangene 
Aussenschicht,  welche  gewissermaassen  eine  Schaale  derGesammt- 
frucht  darstellt,  ist  fest,  lederartig,  fast  10mm  dick  und  aussen 
dicht  mit  konischen,  5 — öseitigen,  ca.  4 — 5mm  hohen,  dicken 
Warzen  besetzt,  die  an  der  Basis  ca.  6 — 7mm  im  Durchmesser 
halten.  Die  Warzen  entsprechen  den  Spitzen  der  Perigone. 
Die  einzelnen,  dem  centralen  Receptaculum  eingefügten  Früchte 
sind  mit  Einschluss  der  sie  umgebenden  fleischig  gewordenen 
Blüthenhülle,  mit  der  vereint  sie  falsche  Steinfrüchte  repräsen- 
tiren,  ca.  45mm  lang,  30 mm  breit  und  bis  27nim  dick;  ihre  Ge- 
stalt ist  umgekehrt  kegelförmig,  da  der  grösste  Durchmesser 
nach  aussen  liegt,  an  den  Seiten  durch  gegenseitigen  Druck  etwas 
abgeplattet.  Zwischen  den  Früchten  liegen  eine  grosse  Menge 
ziemlich  starker  Stränge;  es  sind  dies  die  verlängerten  Perigon- 
röhren der  zahlreichen  sterilen  Blüthen.  Die  Früchte  selbst 
haben  die  Form  einer  dicken  Mandel,  sind  ca.  33 mm  lang,  23miu 
breit  und  15mra  dick;  ihr  pergamentartiges,  dünnes  Perikarp  ist 
am  Hilum  (in  der  Nähe  des  oberen  Endes  seitlich)  noch  mit 
der  Samenschale  verwachsen,  im  Uebrigen  löst  es  sich  leicht 
von  letzterer.  Der  Same,  aus  einem  anatropen,  parietalen,  hän- 

13 


156  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

senden  Ovulum  hervorgegangen,  ist  mit  einer  platten,  glanzen- 
den, kastanienbraunnn,  lederartigen  Testa  umgeben.  Das  Eiweiss 
fehlt  wie  bei  allen  Artocarpeen,  die  Radicula  liegt  am  oberen 
(peripherischen)  Ende.  Die  Cotyledonen  sind  sehr  ungleich 
an  Grösse;  während  der  eine  fast  den  ganzen  Samen  einnimmt, 
liegt  der  andere  am  oberen  Ende  schief  nach  der  einen  Kante 
zu  und  hat  nur  etwa  | der  Länge  des  Samens.  Die  Farbe  der 
Keimblätter  im  Innern  ist  schön  weiss,  trocken,  fast  kreideartig 
und  ihr  Gewebe  dicht  mit  kleinen  Stärkekörnern  erfüllt.  Letztere 
weichen  insofern  von  den  Stärkekörnern  der  Artocarpus  incisa  L. 
ab  als  man  sehr  selten  mehrfach  zusammengesetzte  Korner 
findet,  obwohl  die  rundlich-adrige  Gestalt'  der  einzelnen  Körn- 
chen darauf  hindeutet,  dass  sie  aus  zusammengesetzten  hervor- 
gegangen. Zwillingskörner  sind  dagegen  nicht  selten.  Die 
Grösse  der  einzelnen  Theilkörner  ist  gegenüber  denen  von  Arto- 
carpus incisa  eine  viel  gleichmässigere  und  beträgt  fast 
durchweg  8 — 9 Mikromillimeter;  die  kleinsten  messen  4,2  g, 
die  grössten  11,2  p,  Zwillingskörner  14—15  p.  Wiesner  (die 
Rohstoffe  des  Pflanzenreichs  S.  279)  giebt  dagegen  als  Grenz- 
werthe  bei  A.  incisa  2,5-13  p,  als  häufigste  Werthe  7 p an 
und  Vortragender  fand,  bei  der  Stärke  von  Artocarpus  wnsa 
aus  Martinique  sogar  Körner  von  2,8  bis  (in  seltenen  Fallen) 
22,4  p , meist  von  8—10  p.  Wenn  sonach  auch  die  Mitte - 
werthe  beider  Stärkekörner  ziemlich  übereinstimmen,  so  ist  doch 
die  ungleiche  Grösse  der  einzelnen  Theilkörner  bei  A.  mcisa 
sehr  auffallend.  Im  übrigen  Verhalten  sind  sie  sich  ziemlich 
gleich.  _ Immerhin  aber  dürfte  sich  aus  dem  Unterschiede  in 
den  Stärkekörnern  folgern  lassen,  dass  die  vorliegende  Species 
nicht  A.  incisa  sein  kann.  Die  Wahrscheinlichkeit  spricht 
dafür  dass  es  Artocarpus  integrifolia  L.  ist,  denn  Keisten 
(v.  d.’  Decken’ s Reisen  in  Ostafrika  I.  S.  38)  erwähnt  bei 
Sansibar  nur  dieser  letzteren  Species,  und  zwar  als  des  allge- 
mein cultivirten  „Jackbaumes.“ 

Ferner  zeigte  Herr  Wittmack  ein  ebenfalls  von  Hitde- 
brandt  aus  Sansibar  erhaltenes,  sehr  schönes  und  grosses 
Exemplar  von  Carica  Papaya  L.  vor,  an  dem  man  deuthc 
sah,  dass  die  in  der  melonenartigen  Beere  enthaltenen  Samen 
noch  mit  einer  saftigen  Hülle,  dem  Arillus  umgeben  sind.  Als- 


Sitzung  vom  21.  December. 


157 


dann  legte  derselbe  mehrere  Gegenstände  vor,  die  dem  land- 
wirtschaftlichen Museum  bei  Gelegenheit  der  Kölner  Ausstellung 
von  Herrn  Delchevalerie  in  Kairo  und  der  Direktion  der 
Flora  in  Köln  gütigst  zum  Geschenk  gemacht  waren.  Die- 
selben stammen  aus  dem  Khediveschen  Park  und  der  Garten- 
bauscbule  zu  Gezireh  bei  Kairo  (wie  Herr  G.  R.  Ehren- 
berg später  bemerkte,  der  alten  Nilinsel  Rhoda),  wo  eine 
grosse  Menge  tropischer  Gewächse  gezogen  werden.  Es  waren 
zunächst  die  Früchte  von  Feronia  elephantum  ( Aurantiaceae ),  die 
in  Ostindien  als  Orangen  genossen  werden,  während  der  Baum 
in  Gezireh  nur  als  Zierbaum  dient,  ferner  die  von  Tectona 
grandis,  deren  Gestalt  schon  in  Gärtner  (de  fructibus  et  semi- 
mbus  vol.  I,  p.  274  und  vol.  III,  tab.  57)  sehr  gut  wieder- 
gegeben ist.  Aut  eine  Gewinnung  von  Tekholz  scheint  es  in 
Aegypten  vorläufig  noch  nicht  abgesehen  zu  sein,  denn  auch 
dieser  Baum  ist  nur  als  Zierbaum  aufgeführt.  — Sodann  ge- 
langten mehrere  Faserstoffe  zur  Ansicht,  die  in  Gezireh  ver- 
suchsweise hergestellt  werden,  darunter  Fasern  aus  der  Blüthen- 
staude  von  Phoenix  dactylifera , welche  braune  Stränge  bilden, 
die  aus  den  ganzen  Gefässbündeln  bestehen  und  sich  nur  zu 
Flechtwerk  eignen,  ferner  Fasern  von  den  Foliolis  der  Phoenix 
dactylifera  (grau,  grob,  wergartig  und  begreiflicherweise  nicht 
lang),  Fasern  von  Hibiscus  mutabilis,  der  bisher  noch  nicht,  wie 
der  verwandte  Hibiscus  cannabinus  (arab.  „til“)  in  Aegypten  im 
Grossen  gebaut  wird,  desgl.  Stengelfasern  von  Gossypium  viti- 
folium  (grob,  braun),  ferner  von  Cyperus  dives  und  endlich  von 
Ricinus  sanguineus,  welche  letztere,  obwohl  etwas  grob,  vielleicht 
doch  eine  Zukunft  haben  dürften,  da  sie  recht  haltbar  scheinen, 
obwohl  die  einzelnen  Bastfasern  sehr  dünnwandig  sind.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  der  genannten  Fasern  ist  noch 
nicht  abgeschlossen. 

Herr  A.  Sadebeck  aus  Kiel  sprach  über  eine  neue  Art 
von  regelmässiger  Verwachsung  im  regulären  System,  welche 
bei  gediegen  Kupfer  von  der  Grube  Friedrichssegeit  in  Nassau 
vorkommt.  G.  Rose  hat  in  seiner  Reise  nach  dem  Ural  die 
sogenannten  regelmässig  baumförmigen  Verwachsungen  des 
Kupfers  von  Bogoslowsk  im  Ural  beschrieben,  bei  welchem  die 

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158 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 


prismatischen  Axen  tektonische  Axen  sind.  Die  Subindividuen, 
meist  Zwillinge  nach  dem  Gesetz,  Zwillingsaxe  eine  rhomW 
drische  Axe,  sind  in  Folge  der  Anordnung  zu  solchen  höherer 
Stufe  geeinigt,  welche  eine  rhombische  Pseudosymmetrie  zeigen. 
Besonders  häufig  geht  die  Anordnung  und  Einigung  der  Sn 
Individuen  in  drei  in  einer  Ebene  liegenden  und  steh  unter  120 
schneidenden  prismatischen  Axen  vor  sich.  n- 

Bei  dem  gediegen  Kupfer  von  Friedrichssegen  sind  die  D 
gonalen  der  Octaede  rflächen  tektonische  Axen  von  denen 
je  drei  sich  zu  den  drei  in  derselben  Octaederflache  liegenden 
prismatischen  Axen  wie  die  zweierlei  Nebenaxen  im  hexagonalen 

Systenin verhalt ^ regu,ären  System  dreierlei  Wachstbums- 
richtungen, wie  er  die  tektonischen  Axen  nennt  an  we  che  m. 
den  drei  krystallographischen  Axen  zusammenfallen,  zu  denen 
Z nun  eine  vierte  hinzutritt.  Diese  vier  Arten  von  tektonischen 
Axen  sind  zugleich  die  viererlei  Hauptzonenaxen  im  regulären 

SyStDie  Krystalle  selbst  gehören  dem  Tetrakishexaeder 
(a.la-x>a)  an,  zu  welchen  untergeordnet  noch  das  Oc- 
taeder  hinzutritt.  Durch  Verkürzung  in  der  Richtung  eine 

rhomboedrischenAxe  entsteht  hexagonale  Pseudosymmetrie;  die 

zweierlei  Kanten  der  Tetrakishexaeder  haben  gleiche  Win  ; 
so  dass  die  Flächen  an  den  beiden  Endpunkten  einer  rhomboe- 
drischen  Axe  für  sich  allein  ein  flaches 

den  Ist  nun  diese  rhomboedrische  Axe  zugleich  Zwillingsaxe, 
so  kann  das  Hexagondodekaeder  durch  die  Zwillingsbi  düng 
keine  Formveränderung  erleiden  und  man  kann  die  Zwillings- 
bildung nur  dann  erkennen,  wenn  an  der  Zusammensetzungs 

fläche  Octaederflächen  auftreten. 

Die  Pseudohexagondodekaeder  erliegen  durch  Verlängerung 
in  der  Richtung  einer  tektonischen  Axe,  also  einer  Seitenk^ 
einer  zweiten  Pseudosymmetrie,  nämlich  einer  rhombischen.  D 
verlängerten  Flächen  bilden  ein  pseudorhombisches  Prisma,  au 
dessen  Flächen  die  vier  einer  Seitenecke  zusammenstossende 


*)  Knoss,  Mpecularconstitution  und  Wachsthum  der  Krystalle,  Leipzig 

1867,  S.  48. 


Sitzung  vom,  21.  December. 


159 


Flächen  schief  aufgesetzt  sind  und  ein  Rhombooctaeder  darstellen. 
In  ähnlicher  Weise  wie  beim  Quarz  durch  Aufbau  in  derHaupt- 
axe  eine  Int.ermittenz  zwischen  Prismen-  und  Rhomboederflächen 
stattfindet,  wodurch  spitze  Rhomboederflächen  als  Scheinflächen 
zur  Erscheinung  kommen,  findet  auch  hier  eine  Intermittenz 
zwischen  den  Flächen  der  pseudorhombischen  Prismas  und  Oc- 
taeders  statt  und  es  entstehen  Nadeln  mit  scheinbar  spitzer 
Endigung. 

Die  Prismenfläcben  zeigen  meist  verticale  Furchen,  da  die 
Anlagerung  der  Subindividuen  in  erster  Linie  an  den  Kanten 
vor  sich  geht.  Solche  Nadeln  kreuzen  sich  vielfach  unter  120° 
in  ähnlicher  Weise,  wie  bei  den  regelmässig  baumförmigen  Ver- 
wachsungen. 

Bei  den  mikroskopischen  Krystallskeletten  und  regelmässi- 
gen Verwachsungen  kann  man  häufig  z.  B.  bei  Glasflüssen, 
Löthrohrperlen  etc.  Anordnungen  nach  drei  sich  in  einem  Punkte 
unter  60°  schneidenden  Axen  wahrnehmen,  zwischen  denen 
untergeordnet,  noch  Zwischenaxen  unter  30°  hinzutreten.  Bei 
derartigen  Bildungen  ist  man  dann  nicht  in  der  Lage  zu  ent- 
scheiden, ob  das  reguläre  oder  hexagonale  System  zu  Grunde 
liegt. 

Herr  Neumayer  machte  zum  Schluss  ausführliche  Mit- 
theilungen über  die  Organisation  und  die  Ziele  der  Deutschen 
Seewarte. 

Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  entgegengenommen: 
Monatsberichte  der  Akad.  d.  Wissenschaften  zu  Berlin.  Juni 
bis  August  1875. 

Leopoldina,  Amtliches  Organ  der  K.  Leopoldinischen  Akademie 
der  Naturforscher.  X u.  XI,  1 — 22. 

52.  Jahresbericht  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  vaterländ. 
Cultur,  nebst  Festgruss  an  die  Versammlung  Deutscher  Natur- 
forscher zu  Breslau. 

Schriften  des  botanischen  Gartens  zu  St.  Petersburg,  III,  2. 
Nature , Journal  of  Science.  No.  317,  Vol.  XIII. 

Bulletin  de  la  societe  imp.  des  Naturalistes  de  Moscou  1875  No.  1. 
Proceedings  of  the  zoological  society  of  London.  1875.  Pt.  2,  3, 


160  Gesellschaft  naturforschender  Freunde. 

Revised  List  of  the  vertebrated  animals  in  the  garden  nf  the 
zoological  society  of  London.  1875. 

Abstrael  of  results  of  a study  of  the  neuere  Geomys  and  Tomo- 
,„ith  addenda  of  the  osteoloyg  of  Geomyidae,  Eihot 

Coues , Washington  1875,  4. 

Boielin  de  la  Academia  naciomü  de  eiencias  eractas  ernsten  e en 
la  Unieenidai  de  Cordova.  EMrega  1.  Buenos  Aires  ISO. 
Anales  iel  nrnseo  publico  de  Buenos  Aires , por  Germ.  Bunne, Ster. 
Entrega  XII.  1870—74. 


Druckfehler. 

S.  73,  Z.  4,  statt:  Krafft  lies:  Krefft. 

S.  103,  letzte  Zeile,  statt:  Ledeyour  lies:  Lede&our. 

S.  104,  Zeile  14,  statt:  Seefeid  lies:  SeefeZd. 

S.  119,  Zeile  13  v.  unten,  statt:  wie  lies:  nur. 

S.  120,  Z.  8 v.  oben,  stafrt:  aber  lies:  also. 

S.  121,  Z.  9 u.  10,  statt:  rhomboidrischen  lies:  rhomboe'drischen. 
S*  122,  Z.  6,  statt:  und  Ecken  an  lies:  durch  Ecken  von. 

Siehe  ausserdem  S.  37. 


A.  \V,  Schart  e’9  Buchrtruckerei  (L.  Schade)  in  Berlin,  Stallschreiberstr.  4 ■ .