SITZUNGS -BERICHTE
DER
GESELLSCHAFT
NATURFORSCHENDER FREUNDE
ZU
BERLIN
JAHRGANG 1875.
BERLIN,
IN COMMISSION BEI R. E RIEDLÄNDER UND SOHN.
NW. CARLS -STRASSE 11.
1875,
1 •
: . . ' ' ^ ' "
INH ALTS - VERZEICHNISS
aus dem Jahre 1875.
A sehers on. Vorkommen des Strausses in der Libyschen Wüste S. 70. - —
Vorlage einer Keimpflanze im Innern eines Apfels S. 101. — Ueber
die geographische Verbreitung der Geschlechter von Stratiotes aloides
S. 101 — -106. — Carpinus betulus mit eingeschnittenen Blättern S. 116.
Bouche. Schlaf- Erscheinungen bei Maranta- Arten S. 51. — Vorlage
monströser Wurzeln der Eiche und Kiefer S. 51. — Fraglicher Fall
von Parthenogenesis bei Torreya nucifera S. 116. — Vorlage von
Araft'a-Särnlingen S. 117. — Bastard von Centaurea gymnocarpa und
sphaerocephala S. 117. — Ueber Geschlechtsumwandlung bei Dasylirion
acrotriche S. 118.
Braun. Besprechung von F. Cohn’s Entwickelungsgeschichte des Volvox
globator S. fl— 18. — Ueber Lepidozamia Peroffskyana Regel ( Ma -
crozamia Denisonii Moore) S. 29 - 37. — Ueber Gallen am Edelweiss,
durch Anguillula verursacht und über Anguillula- Gallen überhaupt.
S- 59 — 43. — Ueber die Algenflora der Gewächshäuser des Botani-
schen Gartens S. 99.
Brefeld. Beobachtungen über Biologie der Hefe S. 43 — 51. Ueber
copulirende Pilze S. 73 — 88. — Ueber neue Culturmethoden für die
Untersuchung der Pilze S. 125 — 133. — Untersuchungen über die
Fäulniss der Früchte S. 139 — 146.
Ehrenberg. Bemerkungen über F. Cohn’s Auffassung des Volvox
globator S. 18. — Bänke von Spatha Caillaudi im Weissen Nil S. 22. —
Zui Erinnerung an Leeuwenhoek’s Entdeckung der Infusorien S. 53
und 55.
Fritsch. Ueber die giftige Wirkung des Argas persieus S. 61 — 64. —
Ueber den feineren Bau des Centralorgans bei den Fischen S. 133
bis 137.
Gerstaecker. Julus- Arten aus dem Orchideen-Hause des Botanischen
Gartens S. 52. — Der Kartoffel- oder Coloradokäfer ( Chrysomela decem-
hneata Say) S. 53. — Insekten von der Kerguelen-Insel S. 66. —
Verheerendes Auftreten der Wanderheuschrecke ( Oedipoda ; migratoria
Lin.) bei Berlin S. 106. — Ueber das Vorkommen ausgewachsener
lebender Larven der Sarcophila magnißca in der Nasenhöhle des Men-
sehen S. 10S. - Vorlage von Laboulbenea muscac auf dem Körper
der Stubenfliege S. 110. - Omitholepas australis Targ.on. als e.ne im
Cvpris-Stadium befindliehe Lepadiden-Larve nachgewiesen S .110.
Hartmann. Ueber das Gewebe der Schirmquallen, besonders de. Cg™*“
capiUata S. 4. - Vorlage von Abbildungen der Cyanea caprlla ta und
des Rliizostoma Cuvieri S. S. - Vorlage von Naturalien aus Port
Natal S. 28. — Ueber die lebenden Hyanen-Arten S. bb
dänisch. Vorlage von Diatomeen-Präparaten S. 88.
Itzigsohn. Beobachtungen über die Sporenbildung von Gloeocapsa, mrt-
getheilt von A. Braun S. 97.
Kny. Ueber Farbstoffe von Florideen S. 100. . ..
Magnus. Ueber Aresehoug’s Beobachtung copulirender Sehwarm
Loren von Dictyosiphon S. 19. - Ueber die Familie der Melampsorea
und ihre Gattungen S. 57-60. - Ueber junge, in der Hülse geke.mte
v. ^laTte^s. 10 Ostasiatische Land- und Süssw.ss—^.^
Meereonchylien von den Cnpverd. sehen nseln S. • Russische
Ausbeute der „Gazelle“ auf der Kerguelen-Insel S. f
und Sibirische Conehylien, von Ehrenberg gesammelt S. 88-9b.
Centralasiatische Conehylien S. 96. /.i- i
VnrKrre des Werkes: Anleitung zu wissenschaftlichen
Neumayer. Vorlage _ Uebcr die Organisation der deut-
Beobachtungcn auf Reisen S. 1. - ueßer f,
sehen Seewarte S. 159.
l’niseh Zwei für die Berliner Gegend neue 1 flanzen S. 7 .
1 aasen, /■'"ei ■ o oft _ Vorlage zweier
Peters. Vorlage von Rhopalodwa lagemformis S. 25. von g
neuer Beutelthiere in Abbildungen S. 73.
Reichenow. Ueber ichthyologische Sammlungen von der Lao R
,l0S;itn Vorlage eines Exemplare» de, Sp«ha CM au, dem ata
S aiebec 1^ a! " Ueber Krystallotektonik S. 118-122. - Kupfer-Kry,..!!.
der Grube Weetlon.kraf. für die
“Ä» * '«-«l. r7 U°bCr d‘“
der Schachtelhalme S. 151 — 155.
.. 1 VnrWe von Kupleclella aspcrgdlum b. 14b.
WiüTnVk. Vorlage Ostafrikanischcr Früchte aus Hild eb ran d t’s Samm-
Eingogangene ßehriften S. 23. 37.54.60.64. ,1.111. 122. 157.
//
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Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
vom 19. Januar 1875.
Director: Herr Gurlt.
Herr Neumayer überreichte als Geschenk für die Gesell-
schaft ein Exemplar der vor Kurzem im Druck vollendeten
„Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen,
mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der Kaiserlichen
Marine“ (Berlin, Verlag von R. Oppenheim, 1875 gr. 8. 692 p.),
deren Entstehung und Bearbeitung durch eine grössere Anzahl
Deutscher und Oesterreichischer Fachgelehrter vor nunmehr zwei
Jahren zunächst durch die damals in Aussicht stehende Deutsche
Expedition zur Beobachtung des Venus -Durchganges veranlasst
worden sei, ohne jedoch zur Benutzung auf dieser rechtzeitig
zum Abschluss gebracht werden zu können. Einen Ersatz hier-
für werde der reiche, umfassende Inhalt des Werkes, so wie die
Gediegenheit der einzelnen in demselben enthaltenen Artikel
gewähren. An der Bearbeitung derselben haben sich u. A. auch
folgende Mitglieder der Gesellschaft betbeiligt: Foerster und
Tietjen für Astronomie, v. Richthofen für Geologie, Virchow
für Anthropologie, Hartmann, Gerstaecker, Moebius,
v. Martens für Zoologie, Schweinfurth und Ascherson für
Botanik, Fritsch für Photographie u. Mikroskopie, Neumayer
für Hydrographie, Orth für Landwirthschaft. — Im Anschluss
hieran machte der Vortragende Mittheilungen über den speziellen
1
2 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Cours, welchen die von Seiten der Kaiser! Marine abgesandte
Gazelle“ auf ihrer Fahrt nach Kerguelen - Island eingeschlagen
habe und über die bis jetzt von derselben eingegangenen, au
wissenschaftliche Forschungen bezüglichen Nachrichten.
Herr v. Martens legte einige neue ostasiatische Land- und
Süsswasser-Conchylien vor, welche theils vom Freiherrn F er .
v. Richthofen, theils von Herrn Otto v. Möllendorff m
China gesammelt worden sind. Aus der Reise- Ausbeute des
ersteren sind namentlich einige sehr eigenthümliche Heh. r-Arten
„nd mehrere grössere Flussmuscheln von Interesse, im Gebiet
des Yangtsekiang in den Provinzen Hunan und Kiangsi gesam-
melt. Helix triscalpta zeichnet sich durch zwei starke Falten
auf der Gaumen wand hinter der Mündung aus, welche von
aussen als Einkniffe erscheinen, und erinnert dadurch sehr an
die Gruppe Cepolis Montf., welche hauptsächlich in Mittelamerika
vertreten ist, und von der bis jetzt nur kleinere, minder typische
Arten aus dem indischen Archipel bekannt waren; auch die
neue chinesische Art weicht übrigens durch den offenen Nabe
und die gleichmässige Färbung bedeutend von dem Typus der
Gruppe ab. Eine zweite, Helix angusticollis , erinnert im Gan-
zen an die ceilonesischen Corilla und die hinterindischen Plecto-
pvlis, zeichnet sich aber dadurch sehr aus, dass der letzte Um-
gang eine Strecke weit hinter der Mündung den vorletzten ganz
überdeckt und den drittletzten beiÜhrt; sie ist linksgewunden
und enggenabelt, Falten im Innern der Mündung sind an dem
vorliegenden Exemplar nicht zu erkennen. Eine dritte Art, Helix
Kiangsinensis , gehört in die Gruppe Anonta und bildet geo-
arapbisch das Bindeglied zwischen unserer europäischen Helix
°arbustorum und den verwandten kalifornischen Arten, worun er
namentlich H. Ayresiana ihr ähnlich ist, während im östlichen
Nordamerika diese Gruppe gar nicht vertreten ist. Die neue
Paludina auriculata erinnert zunächst an nordamerikanische Arten
der Untergattung Melantho, ist aber durch ohrförmige Verlänge-
rn* des Unterrandes der Mündung ausgezeichnet; sie ist bald
cranz glatt, bald mit einem wulstförmigen Gürtel unter der Na t
und einem zweiten in der Peripherie ausgezeichnet.
Unter den Süsswassermuscheln sind hervorzuheben Modiola
Sitzung vom 19. Januar.
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lacustris aus dem Tungting-See, die erste ächte Mytijacee aus
einem Süsswasser, wenn man Dreissena wegen der in weiterer
Ausdehnung vereinigten Mantelbänder aus dieser Familie aus-
schliesst; an den von Herrn v. Richthofen mitgebrachten, ein-
getrockneten Exemplaren lässt sich noch die Trennung der Man-
telbänder in demselben Umfang wie bei Mytilus edulis erkennen.
Eine grosse Anodonten-artige Flussmuschel erinnert von aussen
auffällig an die Abbildung, welche Ree ve in seiner Conchologia
iconica Bd. XVII Taf. 29 big. 115 b unter dem Namen Anodonta
ciconia Gould gegeben hat, stellt sich aber von innen betrachtet
sofort durch das Vorhandensein von Seitenzähnen als zur ost-
asiatischen Gattung Cristaria Schumacher heraus. (Von den zwei
sonst für diese Gattung üblichen Namen Dipsas und Barbala
ist der erstere viel früher an eine Schlange vergeben und für
eine Muschel sinnlos, der zweite ebenfalls sinnlos und von einem
anonymen Autor ohne Beschreibung veröffentlicht. Innerhalb
dieser Gattung zeichnet sich unsere Art durch die stark vor-
ragenden Wirbel und das ungemein dicke Schlossband aus, welch’
letzteres an dasjenige der afrikanischen, sonst sehr abweichenden
Gattung Megadesma Bowdich ( Galatea Brug., non Lam.) erinnert;
diese neue Art dürfte daher den Namen Cristaria megadesma
führen. Von den Unionen ist die eine Art zwar schon seit lange
bekannt und mehrfach beschrieben worden, schon von Chemnitz
1795 als Chama plumbea, dann von Wood 1815 als IUya nodu-
losa, wahrscheinlich auch von Benson 1842 als Unio divergens,
und endlich von Lea 1862 als U. grandidens; sie ist aber bis
jetzt in den Sammlungen noch sehr selten und die Bestätigung
ihres Vorkommens in China von Werth, da Lea für seine Exem-
plare einen nordamerikanischen Fundort angiebt; sie gehört zu
den dickschaligsten und dickzahnigsten Arten der Gattung und
erinnert durch ihre starke höckerig -faltige Skulptur allerdings
an manche nordamerikanische Arten. Eine zweite Art, welche
dem Entdecker zu Ehren den Namen Unio Richthof eni führen
möge, ist nahe mit dem bekannten chinesischen U. Leai ver-
wandt, aber grösser und durch die auffällige schnabelartige Ver-
jüngung des Vorderrandes und die damit zusammenhängende
mehr horizontale Stellung der Schlosszähne, sowie in der Sculptur
der Seitenzähne verschieden. Der eigenthümlich verdrehte Unio
1*
4 Gesellschaft naturforschender Freunde.
contortus Lea (als Triquetra contorta von Lea wegen des vor-
deren Flügelchens beschrieben, das an dasjenige bei Triquetra
Klein = Hyria Lam. erinnert) ist von Herrn v. Richthofen
im See Tung-ting wieder aufgefunden worden und als Seitenstuc
»esellt sich der neue Unio retortus hinzu, welcher bei sonst ganz
abweichender, mehr an unsern U. tumidus erinnernder Gestalt
genau dieselbe seitliche Biegung des hinteren Theiles zeigt. Eine
einigermaassen analoge Bildung, aber schärfere Knickung, nicht
abgerundete Biegung des Hintertheils ist bekanntlich Regel bei
der Gattung Tellina und wurde von Vest als Folge des schie-
fen Eingrabens der Muschel in den Grund gedeutet, indem der
nicht eingegrabene hintere Theil durch die Wasserstromungen
während des Wachsens mehr nach der Bodenfläche hin gedruckt
werde Möglicherweise ist die Biegung dieser Unionen durch
einen ähnlichen Grund bedingt, doch liegen hierüber keine näheren
Angaben vor. Bemerkenswerth ist, dass die vorliegenden Exem-
plare beider Arten übereinstimmend den hintern Theil nach der
rechten Seite der Muschel umgebogen zeigen, und dass auch die
vorhandenen Abbildungen von Unio contortus dieselbe Richtung
der Krümmung angeben. ,
Aus der Zusendung des Herrn v. Mollendorff hebt der
Vortragende eine in Spiritusexemplaren eingesandte Art hervor,
welche der in Turkestan vorkommenden Macrochlamys Sogdiana
(vgl. den Sitzungsbericht vom 19. Mai 1874 S. 46) sehr ähnlich
ist und daher eine Verbreitung dieser Gattung durch einen grossen
Theil Central -Asiens andeutet. Eine demnächstige Publication
der besprochenen neuen Arten in den Malakozoolog. Blattern
stellt der Vortragende in Aussicht.
Herr Hartmann besprach seine Untersuchungen über das
Gewebe der Schir m quall en, welche im verwichenen Herbste,
hauptsächlich an der Strasse von Dröbak, Christiama-Fjord, fort-
gesetzt wurden. Als Object der Untersuchung diente diesmal
vorzugsweise Cyanea capillata. Auch bei dieser, durch Grosse
und Schönheit der Färbung hervorragenden Meduse sieht man
in dem Gallertgewebe der Umbrella die an Spindel- und stern-
förmigen Bindesubstanzkörpern reiche Grundsubstanz von vielen
ein Netzwerk bildenden, dunkelcontourirten elastischen Fasern
Sitzung vom 19. Januar.
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durchzogen. Die Knotenpunkte dieses Netzwerkes erscheinen
dem Auge ungeübter Beobachter als die Körper von Zellen,
deren Ausläufer (die Bälkchen des Netzes) mit einander ver-
schmelzen. Einen Zellkern glaubt man leicht einmal in den
verschiedenen, an den Knotenpunkten des Netzwerkes sich zei-
genden Fältelungen und an sonstigen, namentlich am Grunde
der Netzbalken auftretenden, manchmal inselförmige Parzellen
direct abschnürenden oder nur flach abgrenzenden Lineamenten
zu erkennen. Deckt nun zufällig ein Bindesubstanzkörperchen
eine unter ihr befindliche Faser oder einen Knotenpunkt des
Fasernetzes, so wird dadurch die Täuschung, als habe man es
hier mit einer Zelle, resp. mit einem Zellkerne zu thun, noch
vermehrt. Zur grösseren Klarlegung dieses Verhaltens wurden
schwaches Jodwasser und helles Anilinbraun ( Brun clair, von
Heyl in Berlin) benutzt. Anilinblau, Anilinroth und Anilingrün
dagegen, erwiesen sich für diese Zwecke als unbrauchbar. Un-
entbehrlich war Essigsäure. Mittelst Aufwallen in Liquor Kali
hydrici von 10 pCt. im Reagenzgläschen gelang es, vom Faser-
gewebe und von Bindesubstanzkörperchen Manches zu isoliren.
Wenn frühere Beobachter noch vom Vorkommen eines netzför-
migen Fasergewebes zwischen den angeblichen anastomo-
sirenden Zellen sprechen, so beruht dies darauf, dass bei
Anfertigung der Schnitte aus dem Gallertgewebe immer eine
Anzahl Bälkchen des oben beschriebenen Fasergerüstes aus ihrem
natürlichen Zusammenhänge mit anderen Fasern künstlich ge-
rissen werden, welche nunmehr isolirt, das Gesichtsfeld über oder
unter dem in seiner Kontinuität erhaltenen Theile des ursprüng-
lichen Netzes durchziehen.
Hinsichtlich des Umbrellagewebes von Rhizostoma fand
Schreiber dieses seine, schon 1868 und 1869 hier an demselben
Orte mitgetheilten Untersuchungen, lediglich bestätigt. Die
felderweise angeordneten , über die Oberfläche hervorragenden,
kleine Kreisabschnitte bildenden Muskelbündel der Subumbrella
der Cyanea capillata zeigten bei 400 - 450maliger Linearvergrösse-
rung eine unregelmässige Querrunzelung der etwa ^-jj Millim.
breiten, nur wenig abgeplatteten, homogen erscheinenden, auch
nach dem Herausschneiden meist noch sehr contraktilen Primitiv-
fibrillen. Dies ergab sich sowohl an ganz frischen Präparaten,
6 Gesellschaft naturforschender Freunde.
als auch an, in Müller’scher Flüssigkeit, mit Anilinroth No. 1,
II, III und Anilinviolet No. II von Bormann Nachfolger in
Berlin tingirten, auch mit chlorsaurem Kali nur kurze Zeit
(20 Minuten lang) behandelten. Von einer Identificirung jener
Runzelung homogener Fibrillen mit der charakteristischen Quer-
streifung, wie letztere an den Muskelfasern in der Artbropoden-
familie ihre Endschaft zu erreichen scheint, konnte hier so wenig
wie (früher 1860—1871) an Rhizostoma, Cassiopeia, Chrysaora ,
Pelagia und Aequorea eine Rede sein. Freilich bedarf es zur
Untersuchung solcher an sich schon sehr schwierig zu durch-
forschender Präparate einer peinlich sorgfältigen, kein störendes
Beiwerk zeigenden Darstellung reiner Schnittchen. Um
letztere zu gewinnen, incidirt Vortragender u. A. die Subum-
brella an entsprechender Stelle mit einem spitzen Skalpell, löst
ein etwa 3 Millim. dickes Stück mittelst eines scharfrandiger.
eisernen Spätelchens los und schneidet von der Innenfläche des
Schnittes wieder ein etwa 1 Millim. dickes Stück ab, welches
dann zur weiteren Behandlung auf den Objectträger gebracht
wird. Man darf hierbei durchaus keine Epithelzellen, Nessel-
kapseln und dergl. im Bereiche des Objectes dulden. Wie stö-
rend und verwirrend derartiges Beiwerk übrigens zu wirken ver-
mag, erkannte Vortragender, indem er gescheute Forscher u. A.
Muskelfibrillenbündel von Schirmquallen, über welche zufällig
ausgestreckte Nesselfäden quer oder schräg hinweglagerten oder
an deren Innenseite die gewöhnlich hier stark verästelten Binde-
gewebskörperchen des benachbarten Umbrellagewebes mit ihren
oft senkrecht zur Längsaxe des Muskelbündels sich hin ziehen den
Ausläufern hervorschimmerten , für Ausdruck der Querstreifung
höherer willkürlicher Muskeln halten sah. War nun die Con-
traktion, damit aber gleichzeitig auch die Schlängelung und
Runzelung der Primitivfibrillen, wie sie aus lebenden Thieren
gerade herausgeschnitten worden waren, recht energisch, so
wuchs damit aber auch die Täuschung, als habe man es da mit
einer der Querstreifung des Muskelgewebes höherer Thiere ana-
logen Erscheinung zu thun.
Die äusseren Flächen des Körpers dez Cyanea capillata sind
mit einem Epithelbelage versehen. Abgeplattet zeigen sich die
Zellen des letzteren auf der Umbrella nur an den peripherischen
Sitzung vom 19. Januar.
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Theilen der Mundlappen. Sie enthalten hier viele feine dunkel-
contourirte Granula. Dagegen zeigt sich das Epithel der Sub-
umbrella und Mundlappen an ihrer Basis und dasjenige der
Tentakeln als aus vollsaftigen, mit mattgranulirtein Inhalte und
mit blassen Kernen versehenen länglich-ovalen, mit ihren Längs-
durchmesser senkrecht zur Oberfläche des Substrates stehenden
Zellen zusammengesetzt.
Die eiförmigen, durch starkes Lichtbrechungsvermögen ihrer
Wandungen ausgezeichneten Nesselorgane unserer Ctjanea finden
sich an der Aussenfläche der Tentakeln in knopfförmig vor-
ragenden Gruppen angeordnet. Hier wie an der Subumbrella,
an welcher letzteren diese Organe ihrer Mehrzahl nach ebenfalls
gruppenweise angeordnet erscheinen — einzelne liegen hier auch
zerstreut — , sind dieselben, den stumpferen Pol ihrer Kapsel nach
Innen, den spitzeren Pol frei nach Aussen kehrend, zwischen die
vorhin charakterisirten saftigen Epithelzellen eingebettet. Die
dunkel-, aber feingranulirten Epithelzellen der peripherischen
Theile der Mundläppen scheinen übrigens noch leichter vergäng-
lich zu sein als die zwischen ihnen befindlichen Nesselorgane.
Vortragender fand die letzteren an den fransenförmigen Rand-
einkerbungen der Mundlappen noch in voller Integrität, das
Epithel dazwischen aber stellenweise schon abgerieben, abgenutzt,
nur noch in fetzenartigen Gruppen und in winzigen Detritus-
ballen angedeutet. Das Gallertgewebe der Mundläppen zeigt
gerade an den fransenförmigen, marginalen Einkerbungen der-
selben eine zwar durch Demarkationsränder begrenzte, übrigens
aber gleichmässige, schön bräunlichrothe Färbung.
Hinsichtlich der Struktur der Nesselorgane scbliesst sich
Vortragender der von K. Moebius verbreiteten Beschreibung an.
Im Innern der Tentakeln der Cyanea capillata findet sich
eine, die Gesammtlänge jedes dieser Organe durchlaufende, gelb-
bräunlich aussehende, einen Centralstrang bildende Schicht. Sie
ist aus polyedrischen Zellen zusammengesetzt, in deren Innötn
sich neben den blassen Zellkernen unregelmässige gelbbräunliche
Körnchen in verschiedener Zahl vorfinden. Molekularbewegung
konnte an diesen gefärbten Körnchen nicht wahrgenommen
werden. Was dieser Centralstrang bedeutet, blieb Vortragendem
völlig unklar. An eine Bildungsstätte für die peripherischen
8 Gesellschaft naturfor sehender Freunde.
Theile der Tentakel konnte dabei nicht wohl gedacht werden.
Im Innern des zelligen Centralstranges scheint sich noch ein
Hohlraum zu befinden. Die Wassergefässe des Thieres
bilden viele von den Magenbuchten gegen den Rand der Um-
brellalappen auslaufende, sich hier vielfach verästelnde Verzwei-
gungen. Ob diese scheinbar blind endigenden Aeste alle mit
terminalen Stomata versehen waren, vermochte Vortragender
nicht zu entscheiden. Am mittelsten Hauptaste jedes Rand-
lappens der Umbrella schien allerdings ein Stoma vorhanden zu
sein. Die ziemlich resistenten, in Essigsäure langsam aufquellen-
den Wandungen der Wassergefässe zeigten sich als eine lockere,
vielfach gefaltete, auch blasenförmige Auftreibungen zeigende, mit
spindelförmigen Kernen versehene Bindesubstanz.
Ueber andere Verhältnisse der Gewebe von C. capillata wird
Vortragender später berichten.
Derselbe legte farbige, in Lebensgrösse verfertigte Habitus-
bilder der Cyanea capillata und des Rhizostoma Cmieri, sowie
mikroskopische Zeichnungen der Strukturverhältnisse der ersteren
Meduse vor. Auf vielseitiges Befragen erklärt Schreiber dieses,
dass er die gezeichneten Quallen in geeigneten Glashafen so vor
sich aufzustellen sucht, dass die Sonne hindurch fällt, wodurch
diese und jene, unter anderen Beleuchtungsverhältnissen weniger
erkennbare Beschaffenheit im Innern der Qualle deutlicher her-
vortritt. Der Farbenschiller der prächtigen Geschöpfe ist unter
der Wirkung einer solchen Erleuchtung wahrhaft unbeschreiblich.
Unter gewissen Beleuchtungsverhältnissen der Morgen- oder Kach-
mittagssonne, unter Zuhülfenahme einer gläsernen, hinter dem
Präparaten glas fest aufgestellten flachen, mit abgerundeten Rän-
dern versehenen, mit Wasser gefüllten Feldflasche zeichnete sich
manchmal ein Abbild der Qualle auf ein nicht weit vom Prä-
paratenglase selbst flach auf den Tisch gelegtes Papier, welches
in seinen Contouren sogleich mit dem Bleistift fixirt werden
konnte. Vortragender erhielt durch einfache Beobachtung bei
durchfallendem Sonnenlicht eine genaue Anschauung des Wasser-
gefässsystems der Umbrella von Rhizostoma Cuvieri. Es wird
behufs Zeichnens solcher Gegenstände die Grundfarbe mittelst
der Estampe von den feinsten französischen Pastellen auf etwas
grainirtes (Carton-, Bristol-) Papier aufgetragen und wird das
Sitzung vom 19. Januar.
9
eigentliche Colorit später aus Aquarell- und aus den für solche
Zwecke kostbaren, flüssigen Anilinfarben mittelst des Pinsels
nachgetragen.
Hr. Braun legte eine dem Geh. Med. Rath Göppert zum
fünfzigjährigen Doctorjubiläum gewidmete Schrift von Prof.
F. Cohn über die Entwicklungsgeschichte von Volvox vor, in
welcher nach einer reichhaltigen geschichtlichen Einleitung zu-
nächst die vegetativen Bildungs- uud Vermehrungsverhältnisse,
sodann die von dem Verfasser schon 1856 entdeckten, in dem
Tageblatt der Naturforscherversammlung zu Wien und an anderen
Orten vorläufig beschriebenen, höchst merkwürdigen Befruchtungs-
und Fortpflanzungsverhältnisse dieser Gattung nunmehr ausführ-
lich dargestellt und durch eine trefflich ausgeführte Tafel ver-
anschaulicht, auch die zwei unter dem Namen Volvox globator
verwechselten Arten kritisch gesondert und charakterisirt werden.
Der Vortragende erlaubte sich an die Besprechung dieser schönen
Festgabe einige Bemerkungen anzuknüpfen, und zwar zunächst:
Ueber den Ausdruck „Co eno bium“, welchem Cohn,
indem er denselben auf die aus zahlreichen Zellindividuen ge-
bildeten Kugeln des Volvox anwendet, eine Bedeutung giebt,
die ihm ursprünglich nicht zugedacht war. Der Vortragende
bemerkt in dieser Beziehung: In der Schrift „Algarum unicell.
gen. nov.“ habe ich zwei Arten der geselligen Verbindung der
Zellindividuen niederer Organismen unterschieden: 1) consociatio
e cellula matre unica per generationes successivas evoluta =
familia; 2) consociatio e cellulis originitus distinctis composita
= coenobium. Der zweiten Art gehört die Zellverbindung von
Hydrodictyon und Pediastrum an, die der Volvocinen dagegen,
so wie die der Palmellaceen und Chroococcaceen der ersten.
Man mag vielleicht die Bezeichnung „Familie“, welche übrigens
in gleicher Bedeutung schon früher (z. B. in Nägeli’s Gattungen
einzelliger Algen) gebräuchlich war, nicht ganz passend finden,
da nicht jede Zellfamilie eine in der hier gemeinten Weise ver-
bundene ist, auch das Wort Familie in andern Gebieten, z. B. in
der Systematik bereits eine andere Verwendung hat; ich habe
daher nichts gegen eine Aenderung dieses Ausdrucks einzuwen-
den, halte es aber für ein Bedürfniss, dass die bezeichneten beiden
10 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Arten der Zellgesellschaften scharf geschieden und durch eigene
Benennungen sofort kenntlich gemacht werden In den höheren
Gebieten des Pflanzenreichs (und Thierreichs), m welchen der
Spross individuelle Geltnng erlangt, spricht man in analoger
Weise von Familienstöcken und auch für diese fehlt uns in er
lateinischen Terminologie ein passender Ausdruck, da »Cormus
(von Haeckel dafür angewendet) zur Bezeichnung des vegeta-
tiven Pflanzenstocks im Gegensatz zur Bluthen- und Fruc -
bildung unentbehrlich ist. Phytoma (bei den Algen Phycoma)
ist zu weit und umfasst den ganzen Pflanzenkorper, gleichgu tig
ob es ein Familienstock ist oder nicht. Ein Analogon es
Coenobiums giebt es bei den höheren Pflanzen nicht, wenn man
nicht etwa die durch Wurzelverwachsung hergestellte Verbindung
der Bäume eines Waldes, wie wir sie durch Göppert s Ar-
beiten namentlich bei der Weisstanne kennen, als solche be-
"““"zweite Bemerkung betrifft die Zelltheilungsver-
hältnisse der Volvocine«. Die Gattung weicht von den
Verwandten darin ab. daes in den nicht fructiflctrenden Famrlten
nicht alle, sondern nnr eine kleine Zahl von Zellen die Fa ig
keit haben, durch Zelltheilung neue Familien zu erzeugen^ lese
Zellen welche Cohn Parthenogonidien nennt, ubertreffen die
übrigen an Grösse und theilen sich nach seiner Angabe successiv
in der Richtung von drei sich unter 90° schneidenden grössten
Kreisen, so dass in der dritten Theilung acht Kugeloktanten
gebildet werden. Die weiteren Theilungen finden nur nach zwei
einander senkrecht schneidenden Richtungen statt, wodurch
schliesslich eine von einer einfachen Zellenlage begrenzte Hohl-
kugel entsteht. Die Beobachtung dieser Vorgänge scheint wegen
der nach dem Innern des Mutterstocks gewendeten, versteckten
Lage der Parthenogonidien nicht leicht und ein Irrthum in er
Auffassung derselben selbst bei einem scharfen Beobachter nicht
undenkbar zu sein. Wenn ich in der That, ohne die betreffenden
Vorgänge bei Volvox selbst untersucht zu haben, einen solchen
vermuthe, so geschieht dies auf Grund der Analogie mit Eudo-
rina elegant, deren Entwicklungsgeschichte ich in Freiburg im
Jahre 1848 untersucht habe. Bei dieser niedlichen Alge, eren
bewegliche (links drehend fortschreitende), aus 16 oder 32 Zellen
Sitzung vom 19. Januar.
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bestehende Familien gleichfalls ringsum geschlossene hohle, aber
etwas verlängerte Körper darstellen, entstehen die neuen Familien
ganz unzweifelhaft durch Zelltheilung in nur zwei Richtungen, wes-
halb sie anfangs flache Täfelchen bilden, die jedoch schon sehr
frühe, ehe die Zellen durch Gallertentwicklung auseinanderrücken,
sich wölben und zur Kugel zusammenkrümmen. Nur die männ-
lichen Familien ( Antheridien ), deren Zellen ( Spermatozoidien ) nicht
durch Gallerte getrennt werden, sind bleibend scheibenförmig. Die
von Cohn beschriebenen Spermatozoidienscheiben von Volvox
stimmen, abgesehen von der grösseren Zahl der Zellen, mit
denen der Eudorina völlig überein und lassen somit vermuthen,
dass auch die vegetativen Kugeln wie bei Eudorina in Form von
Scheiben entstehen. Die Pandorina -Kugel, deren Entwicklung
von Pringsheim in der Abhandlung über Paarung von Schwärm-
sporen leider übergangen ist, scheint nach einigen daselbst ge-
gebenen Figuren gleichfalls in Form einer Scheibe zu entstehen.
Die Gattungen Gonium und Stephanosphaera behalten die ur-
sprüngliche Scheibenform auch im erwachsenen Zustande.
Ich konnte bei Eudorina die Zelltheilungsvorgänge bis zur
fünften Generation, welche durch die Viertheilung gebildet wird,
also bis zur sechszehnzeiligen Familie mit Sicherheit erkennen.
Obgleich alle Theilungen in zwei sich rechtwinklig schneidende
Richtungen fallen, so ist der Vorgang dennoch von dem bei
Merismopoedia und Tetraspora bekannten (Nägel i, einz. Algen
t. I u. II) abweichend. Bei diesen Gattungen wechseln die zwei
Theilungsrichtungen in der Aufeinanderfolge der Generationen
regelmässig ab, so dass die aufeinanderfolgenden Richtungen sich
allenthalben kreuzen , die Zellen derselben Generation alle in
paralleler Richtung getheilt werden; bei Eudorina dagegen ist
dies von der dritten Theilung an nicht mehr der Fall. Stellen
wir uns das durch die erste Theilung gebildete Zellpaar (die
Zellen der zweiten Generation) nach rechts und links, so tritt
die zweite Theilung, mit der ersten sich kreuzend, beiderseits
in horizontaler Richtung ein, wir erhalten als dritte Generation
vier ins Quadrat gestellte Zellen. Von diesen theilen sich nur
zwei, die entgegengesetzten Ecken des Quadrats einnehmende
in senkrechter Richtung, also so, dass die Theilungslinie III sich
mit der Theilungslinie II kreuzt, während die zwei anderen, die
12 Gesellschaft naturforschender Freunde.
abwechselnden Ecken des Quadrats einnehmenden Zellen sich
horizontal, also der Theilungslinie II parallel theilen. Hierdurch
entstehen vier innere, im Centrum der Scheibe zusammen-
stossende, aber mit dem anderen Ende die Peripherie erreichende
und vier äussere, das Centrum nicht erreichende, zwischen die
Schenkel der ersteren eingekeilte Zellen. Die vier inneren Zellen
bieten in der schematischen Zeichnung das Bild eines vierflüge-
ligen Rades, wesshalb ich diese Theilung zur Unterscheidung
von der kreuzförmigen die radförmige nennen will. In
der Wirklichkeit erhalten wir durch die Abrundung der neuge-
bildeten Zellen eine Scheibe aus vier inneren und vier mit die-
sen abwechselnden äusseren Zellen. Die vierte Theilung kreuzt
sich durchgängig mit der dritten , hat somit in den aus der
dritten Theilung hervorgegangenen Zellpaaren abwechselnd hori-
zontale und vertikale Richtung. Die Zellen desselben Paares
besitzen eine gemeinsame mit III sich kreuzende Theilungslinie
IV. Hiemit sind 16 Zellen gebildet, 4 centrale und 12 periphe-
rische, welche letztere bei dem durch den Druck der sich ent-
wickelnden Gallerthüllen bedingten Auseinanderweichen sich in
verschiedener Weise ordnen können, entweder in drei mit dem
inneren Kreise und unter sich abwechselnde vierzählige Kreise
oder in einen vierzähligen und einen achtzähligen Kreis, von
denen ersterer mit dem inneren vierzähligen Kreise abwechselt,
während die Theile des letzteren paarweise mit denen des
äusseren vierzähligen Kreises abwechseln. Der erstere Fall
findet sich bei Eudorina , den letzteren glaube ich für Gonium
annehmen zu dürfen.
Ich weiche hiermit allerdings ab von der Construction des
Gomwm-Täfelchens, welche Cohn in seiner berühmten Abhand-
lung über diese Gattung (Act. nat. cur. XXIV. 1. 1854), von der
Beobachtung achtzolliger Täfelchen ausgehend, gegeben hat. Wie-
wohl ich nicht selten vierzeilige (vielleicht einer besonderen Art
angehörige) Gonium- Täfelchen gesehen habe, ist es mir doch
nicht geglückt, achtzellige zu beobachten; die von Cohn dar-
gestellten weichen so gänzlich von dem achtzelligen Entwicke-
lungszustande der Eudorina ab, dass ich dieselben für Produkte
eines abnormen Entwickelungsganges oder für Bruchstücke sechs-
zehnzelliger Täfelchen halten und keine weiteren Schlüsse auf
Sitzung vom 19. Januar.
13
dieselben bauen möchte. Der sechszehnzellige Jugendzustand
von Eudorina hat in der Anordnung der Zellen eine so auf-
fallende Aehnlichkeit mit dem Goniwm-Täfelchen , dass mir eine
verschiedenartige Entstehung beider höchst unwahrscheinlich zu
sein scheint. Auch Stephanosphaera lässt sich, obgleich die Zellen
der normal achtzelligen Familien einen einfachen Kreis bilden,
und der Uebergang vom vierzelligen zum achtzeiligen Zustande
durch anscheinend genau radial gestellte (die Rotationsachse
schneidende) Theilung9ebene vermittelt zu sein scheint (Cohn
in Sieb. u. Köll. Zeitschr. f. wissensch. Zool. 1852 und Verhandl.
der Leop. Carol. Akad. XXVI. 1), mit dem Bildungsgesetze der
Eudorina in Einklang bringen, wenn man annimmt, dass die
Theilungslinien III, wie bei Eudorina zwei und zwei parallel,
an die Wände der Theilungslinien I und II nicht recbtwinkelig,
sondern spitzwinkelig sich ansetzen und zugleich mit ihrem In-
sertionspunkte dem Centrum so nahe rücken, dass sie eine an-
scheinend radiale Richtung erhalten. Eine solche Annahme
erscheint durch den Umstand gerechtfertigt, dass die Anordnung
der Zellen innerhalb der Microgonidien-Scheibchen, welche nach
Cohn ’s Darstellung ähnlich wie bei Eudorina eine concentrische
ist, sich durch fortgesetzte radiale Theilung nicht erklären lässt.
Nach dem Angeführten glaube ich annehmen zu dürfen, dass
den Zellfamilien aller Volvocinen , mögen dieselben flach oder
kugelig erscheinen, ein gemeinsames Bildungsgesetz zu Grunde
liegt. Die Gattungen Chlamidococcus und Chlamidomonas , welche
mit den Volvocinen zusammengestellt worden sind, weichen da-
gegen wesentlich ab, indem sie eine nach drei sich rechtwinkelig
schneidenden Richtungen vorschreitende Zelltheilung besitzen und
sich dadurch den Palmellaceen- Gatungen Gloeocystis und Proto-
coccus *) nahe anreihen.
') Als Typus der Gattung Protococcus betrachte ich die häufig an Steinen
und Bäumen wachsende, zoosporenbildende Alge, welche der Mehrzahl der
mit grünen „G.onidien“ versehenen Flechten als Nährpflanze dient. Den von
Nägeli abgebildeten Cystococcus humicola halte ich für eine davon verschie-
dene Alge, ebenso den Pleurococcus vulgaris, der noch niemals Zoosporen
gezeigt hat und durch homogenen Inhalt ohne sichtbaren Kern leicht unter-
scheidbar ist. Die zoosporenbildende Alge, welche Cienkowski (Botan.
Zeitung 1865) unter dem Namen Pleurococcus superbus beschrieben hat, ist
identisch mit Gloeocystis ampla Näg. ined. ( Gloeocapsa ampla Kütz.)
U Gesellschaft naturforschender Freunde.
Zum Schlüsse mögen noch einige Bemerkungen über die
neueren Eintheilungsversuche der Thallophyten gestattet
sein. Cohn selbst berührt dieselben, veranlasst durch die auf-
fallende Erscheinung, dass in der kleinen Gruppe der Volvocinen
deren natürlicher Zusammenhang schwerlich in Abrede gestellt
werden kann, zwei sehr verschiedene Fortpflanzungsweisen Vor-
kommen, die eine bei Pandorina durch Paarung von Schwarm-
sporen, die andere bei Volvo-. v und Eudorina durch ruhende
Oosporen, welche durch Spermatozoidieu befruchtet werden. Die
Verschiedenheit beider Fälle erscheint um so grösser, als Cohn
an der Oosphaere von Volvo-. v nicht einmal den farblosen Keim-
fleck finden konnte, welcher bei den ruhenden Eizellen anderer
Algen ( Vaucheria , Oedogonium ), wie Pringsheim gezeigt hat,
der wimpertragenden Spitze der Zoosporen entspricht. Die Ei-
kugel von Volvox erscheint vielmehr gleicbmässig mit grünem
Inhalt erfüllt, sie wird (wie die von Fucus ) ringsum von den
Spermatozoiden umschwärmt, welche von allen Seiten in die
Gallerthülle derselben eindringen.
Da nun Volvox die am höchsten organisirte Gattung der
Volvocinen darstellt und man die systematische Stellung einer
Familie nach ihren vollkommensten Repräsentanten zu beurthei en
pflegt, hält es Cohn nicht für naturgemäss, dass Sachs in der
neuesten Auflage seines Lehrbuchs die Volvocinen statt zu den
Oosporeen zu den Zygosporeen stellt; in Anbetracht aber, dass
die Befruchtung einer Eizelle durch ein Spermatozoid eigentlich
auch ein Paarungsprozess sei, entschliesst er sich, die von ihm
selbst früher statuirte Trennung von Zoosporeen und Oosporeen
überhaupt aufzugeben und beide unter dem Namen der Gamo-
sporeen zu vereinigen. Indem er ferner die Ueberzeugung aus-
spricht, dass die Palmellaceen , die er in seinem im Berichte der
Schlesisch. Gesellsch. von 1871 gegebenen Systeme der Crypto-
gamen unter die Zoosporeen gestellt hatte, nicht aus der Nähe
der Volvocinen entfernt werden dürften, geht er, ohne es aus-
drücklich zu sagen, in der Zusammenziehung der früher aufge-
stellten Abtheilungen noch weiter: denn die Heranziehung der
Palmellaceen macht die aller übrigen Zoosporeen unvermeidlich,
mögen dieselben eine Paarung der Zoosporen besitzen oder nicht.
Nach meiner Ueberzeugung darf man auch hierbei nicht stehen
Sitzung vom 19. Januar ,
15
bleiben. Es giebt Palmellaceen (wie z. B. Pleurococcus, Sticho-
coccus, Dactyfococcus , Rhaphidium ), bei welchen höchst wahr-
scheinlich niemals Zoosporenbildung stattfindet, und welche sich
von den zu den Schizosporeen gerechneten Chroococcaceen ausser
der Farbe nicht wesentlich unterscheiden; man wird daher auch
die Schizosporeen von den Zoosporeen und Gamosporeen nicht
trennen können, wenn man nicht alle ungeschlechtlich und nicht
durch Zoosporen sich fortpflanzenden Algen, zu denen von chlo-
rophyllgrünen ausser den genannten Palmellaceen wahrscheinlich
auch Prasiola gehört, so wie einige zu den Florideen gerechnete
rothe Algen ( Porphyra und Bangia ) unter die Schizosporeen auf-
nehmen will, eine Zusammenstellung, die schwerlich Billigung
finden dürfte. Vorkommen oder Nichtvorkommen von Zoosporen
ist ein Charakter, auf den man kein zu grosses Gewicht legen
darf, da in einer und derselben Gattung Beides der Fall sein
kann, wie dies von Vaucheria bekannt ist. Ich könnte noch
weiter fortfahren und zeigen, dass auch die von Sachs aufge-
stellte Ordnung der Carposporeen (bei Cohn zum Theil die
Ordnung der Telrasporeen bildend, zum Theil unter die Oospo-
reen eingeschaltet), soweit sie sich auf Algen bezieht, gleichfalls
nicht scharf von den im Vorausgehenden besprochenen Abthei-
lungen getrennt werden kann, da die Anfänge einer in Folge
der Befruchtung sich ausbildenden zweiten, eine Frucht darstellen-
den Generation sich bereits bei mehreren unzweifelhaften Zygo-
und Oosporeen finden, in der Weise nämlich, dass die Zygospore
oder Oospore nicht direct zur Keimpflanze auswächst, sondern
eine kleinere oder grössere Anzahl ruhender oder bewegter Keim-
zellen in sich erzeugt und sich dadurch als ein Sporangium er-
weist ( Cosmarium , Volvox, Hydrodictyon , Sphaeroplea , Oedogo-
gonium, Bulbochaete, Cystopus, Peronospora ). Ja, die Coleochaeteen
haben bereits eine so vollkommene Fruchtbildung, dass man bei
einseitiger Berücksichtigung dieses Merkmals sogar geneigt sein
könnte, sie den Moosen beizugesellen, mit denen sie hierin näher
übereinstimmen, als mit den übrigen zu den Carpophoreen ge-
rechneten Algen ( Florideen ) und Pilzen, und doch ist es unzwei-
felhaft, dass die Coleochaeteen ihre wahren und nächsten Ver-
wandten unter den zoosporenbildenden grünen Algen (mit oder
16 Gesellschaft naturforschender Freunde.
ohne Befruchtungsprozess) finden l), weshalb sie auch m richtiger
Erkenntniss dieser natürlichen Verwandtschaft von Cohn unter
den Oosporeen belassen werden.
Es liegt nicht in meiner Absicht mit dem Angeführten den
Werth der neueren Versuche der Systematik auf diesem Gebiete
zu läugnen; sie sind nützlich, indem sie uns eine Uebersicht der
Vertheilung der mannigfaltigen Fortpflanzungsweisen im Gebiete
der Thallophyten geben. Sie werden um so lehrreicher sein, je
schärfer sie hierbei scheiden, je vollständiger sie alle vorkom-
menden Modificationen, deren Kenntniss noch lange nicht er-
schöpft ist, berücksichtigen. Aber je mehr sich diese Art er
Systematik vervollkommnen wird, um so mehr wird sie sic as
eine künstliche heraussteilen, um so mehr wird sie beweisen,
dass man ein natürliches System nicht ausschliesslich auf
Fructificationsverhältnisse gründen kann. Was insbesondere le
neuerlich von Sachs gegebene Eintheilung der Thallophyten i be-
trifft, so ist zwar anzuerkennen, dass dieselbe in der Stufenfo ge
der vier Klassen dem natürlichen Entwickelungsgange der Fort-
pflanzungsverhältnisse, wie wir ihn kaum anders denken können,
Rechnung trägt: beginnend mit der ungeschlechtlichen (mono-
genen) Fortpflanzung durch Zellen, welche von den vegetativen
mehr oder weniger verschieden, ruhend oder bewegt sein können
( Protophyta ), durch die Mittelstufe der Fortpflanzung durch Paa-
rung gleichartiger, ruhender oder bewegter Zellen ( Zygosporeen )
fortschreitend zur Bildung differenzier Fortpflanzungszellen von
denen die befruchtete weibliche entweder keimend den Lebens-
cyclus von neuem beginnt ( Oosporeen ), oder sich zu einem Fruc t-
gebilde entwickelt ( Carposporeen), das eine zweite Generation
darstellt, die in den höheren Abstufungen des Gewächsreichs
immer grössere Bedeutung gewinnt. Und dennoch ist diese
Eintheilung keine natürliche! Sie geht nicht von den auf dem
Wege der natürlichen Methode gewonnenen Gruppen aus und
beachtet deshalb nicht, dass es verschiedene natürliche Entwic -
lungsreihen giebt, welche mehrere oder selbst alle Stufen e
1-1 Von den der Coleochaete im vegetativen Aufbau ähnlichsten Algen-
gattungen Bolbocoleon und Acrochaete Pringsh., Phycopelüs Millard. u
Aphanochaete A. Br. ist nur ungesehlechtliehe Zoosporenbildung
Sitzung vom 19. Januar.
17
theoretischen Systemes in sich durchlaufen, und welche daher,
wenn sie in den Rahmen des Systems eingefügt werden , einer-
seits zerrissen, anderseits mit fremdartigen Elementen vermischt
werden müssen. Ein System, in dessen Consequenz es z. B. liegt,
die Confervaceen , Oedogoniaceen und Coleochaeteen , desgleichen
die Siphoneen und Vaucheriaceen , die Phaeosporeen und Fucaceen ,
die Bangiaceen und Florideen auseinander zu reissen und anderer-
seits Volvox , Vaucheria , Oedogonium mit Fucus oder Pandorina ,
Hydrodictyon, Ulothrix mit den Myxomyceten, Coleochaete mit
den Florideen , Ascomyceten u. Basidiomyceten zusammenzustellen,
kann keine Ansprüche darauf machen, ein natürliches genannt
zu werden.
Werfen wir, um dies noch bestimmter zu begründen, einen
Blick auf die Klasse der Protophyten. Zu diesen müssten nach
dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse gerechnet werden :
1) die Chroophyceen ( Cyanophyceen ) mit Einschluss der Schizo-
myceten; 2) die ungeschlechtlichen Palmellaceen und Confervaceen ;
3) die ungeschlechtlichen Siphoneen ( Bryopsis , Codium etc.);
4) die ungeschlechtlichen Fucoideen { Phaeosporeen , soweit sie
keine Paarung der Schwärmsporen besitzen); 5) die ungeschlecht-
lichen Florideen {Bangiaceen nebst Porphyr a); 6) die ungeschlecht-
lichen Phycomyceten { Chytridieen , Empusa)-, 7) die Ungeschlecht-
liehen Uredineen (die selbstständigen Puccinien, Melampsora etc.) ;
8) u. 9) die ungeschlechtlichen Ascomyceten und Basidiomyceten
{Saccharomyces, Exoascus , Exobasidium) und noch viele andere
sonst nicht unterzubringende Pilzformen. Mag auch Manches
von diesen durch künftige Entdeckungen entfernt werden, so
wird doch die Thatsache bleiben, dass verschiedene Entwicke-
lungsreihen der Thallophyten mit ungeschlechtlichen Formen be-
ginnen, ebenso wie andererseits verschiedene Reihen in einzelnen
Gliedern bis zur Fruchtbildung emporsteigen. In Beziehung auf
die Klasse der Carposporeen bemerke ich noch, dass bei künst-
licher Eintheilung nach Fortpflanzungsverhältnissen die Moose
sich von dieser Klasse nicht ausscheiden lassen, dass dagegen
die Characeen, welche Sachs wohl in dieselbe stellt, um sie
mit den Moosen in nähere Berührung zu bringen, vielmehr ächte
Ooosporeen sind. Auch in einem natürlichen Systeme wird man
die Characeen nicht an die Florideen , sondern an die grünen
2
18
Gesellschaft naturfarschender Freunde.
Algen anschliessen müssen, unter denen ihnen die Dasycladeen
vielleicht am nächsten stehen.
Herr Ehrenberg gab, anknüpfend an die neuen reichhal-
tigen Darstellungen der Fotooz-Entwicklung, einige Erläuterungen.
Seit seinen Untersuchungen vor 30 und 40 Jahren im Infusorien-
werke haben sich manche Vorstellungen in der Litteratur ganz
verändert. Die Lehre vom Protoplasma habe die Vorstellungen
einer durchgreifenden typischen Thierstruktur, wie sie 1835 be-
zeichnet war, gehemmt. Le e uw enh oek welcher die Bewegungs-
organe der äusseren Wärzchen nicht erkannte, hatte ein Recht
diese Kugeln für Pflanzen zu halten, da er ja bei den Aufguss
thierchen bewegende Beine bemerkt hatte. Die "euere Forschung
hat durch Darstellung von Zoospermien (Schwarmsporen) u
Spermatozoidien, sogar der Copulation der letzteren, eine wun-
derbare Richtung in die geschlechtliche Entwicklung gebracht,
allein dadurch ist das Verhältniss der bis 9080
Wärzchen mit ihren je zwei Schwingen obUtterirt. Die Mutter-
Wärzchen der Oberfläche, welche sich ablosen und frei um^
schwärmen können, so dass die Kugel als leere zerrissene Haut
übrig bleibt, können doch schwerlich mit Schwarmsporen der
Pflanzen verglichen werden and di<*e Oberflächen
waren der Hauptgegenstand meiner Unteisuchung. i
M auf andere* Körperchen , bezog sieb das 1838 von mir M«-
getheilte. So wie die Botanik zn Linnes Zeit sieh der
prmiformis bemächtigte, die als YorticeUa versa,#* seit Mu Iler
und von mir als Opkrydim versaüle seit 1838 mehr noch 862
(Abhandl. d. Akad.) völlig zweifellos in das Th.erre.ch gesteht
ist so hat die neuere Botanik den Koto»* aus den Th.eren wie-
der zu den Pflanzen gezogen. Ich überlasse gern den interessan-
ten Gegenstand jüngeren Kräften, habe ab« doch Bedenken;
das Rätbsel des Koto« jetzt schon für erledigt zu balten ,
zweifelhaft haben die so reichen nenen Darstellungen in 8
und Deutschland die Entwicklungsgeschichte und vielleicht auch
doppelgeschlechtliche Mitwirkung zur Fortpflanzung erläutert;
allein, da niemals Jugendzustände als leere häutige **• !
sehen worden sind, an denen sich die schwingenden Wärzchen
als Früchte der Oberfläche entwickelten, so müssen wohl 4M
Sitzung vom 19. Januar.
19
mütterlichen, die junge Kugel erzeugenden Wärzchen, die ich
den Monaden vergleichen zu dürfen glaubte, noch einer schär-
feren Forschung zu empfehlen sein. Sowohl die Volvocinen als
die Closterinen und Desmidiuceen und auch viele Bacillarieen
sind von mir, als dem Thier -Charakter fremd, dadurch scharf
gesondert geblieben, dass sich eine Aufnahme fester Stoffe
in innere Hohlräume nicht nachweisen liess. Da aber doch
Genera der Bacillarieen, die man unhistorisch Diatomeen zu
nennen fortfährt, Farbestoffe aufnehmen und sowohl Mund, als
Nahrungsbehälter im Innern erkennen lassen, so kann ich noch
nicht ohne Bedenken die Volvocinen im Pflanzenreiche eingeordnet
denken. Fleiss und Muth wird auch diese Räthsel zu weiteren
Fernsichten auflösen. Es fehlt sowohl bei den Volvocinen als
auch besonders bei Gonium pectorale u. s. w. der Theil, welchen
man als Pflanzenstock für die sogenannten Schwärmsporen hal-
ten könnte, da die Haut erst ein Produkt der Theilung dieser
sogenannten Sporen ist.
Im Anschlüsse an den Vortrag des Herrn Prof. A. Braun
theilte Herr Magnus mit, dass Herr Prof. J. E. Areschong
in Upsala jüngst copulirende Schwärmsporen an einer Alge aus
der grossen Klasse der Phaeosporeae , dem Dictyosiphon hippu-
ro'ides (Lyngb.), beobachtet hat. Er setzte im August drei Stöcke
dieser Pflanze in ein Glas. Nach drei Stunden zeigten sich sehr
viele ausgetretene umherschwärmende Zoosporen. Nach beendig-
tem Umherschwärmen lagen die meisten haufenweise vereinigt
auf dem Boden des Gefässes , während weit weniger die Seiten
des Gefässes mit einer dünnen Lage bedeckten. Nach drei
Tagen sah Herr Areschong die ruhenden Zoosporen theils
rund, theils eiförmig zugespitzt, zu je zwei mit den Schnäbeln
zusammenhängend. An vielen solcher Paare war bald ein Schna-
bel, bald beide Schnäbel zu einem Fortsatze ausgewachsen, so
dass beide Schwärmsporen durch einen, noch mit einer Scheide-
wand versehenen Copulationsschlauch verbunden waren. Bei
anderen Paaren war die Scheidewand resorbirt und der Inhalt
aus der einen copulirenden Schwärmspore in die andere ange-
schwollene hinübergetreten, und hatte die letztere zuweilen schon
einen gegliederten Keimschlauch aus ihrem unteren Ende ge-
2*
20
Gesellschaft naturforschender Freunde.
trieben Ausserdem beobachtete Herr Aresehong noch mehr-
mals wie drei Schwärmsporen mit Copnlationssehlanchen unter
"“ander snsammenhingen , von denen die eine ihren Inhal« s«
den beiden anderen hatte abfliessen lassen.
Der hier geschilderte Copulationsprozess unterscheidet sic
von den bisher beschriebenen Copulationen der Schwarmsporen
durch den zwischen dem Schwärmen und der Copulation liege
den Ruhezustand und das mit letzterem wohl zusammenhangen
Auswachsen der während desselben gebildeten Membran
copulirenden Schnäbel zu Copulationsschläuchen.
Ausser diesen copulirenden Paaren zur Ru e ge a g
Schwärmsporen beobachtete Herr Areschong non . emzelne
anskeimende Schwärmsporen. Er sagt aber,
Keimschlänche von denen der Copnlahonssporen sehr unter
scheiden und vergleicht sie den Keimschläuchen, die er die
Knhe gelangte» Lherosoiden (männliche Beleuchtungskörper)
des Fucus serratus treiben sah.
Ebensolche Haufen zur Ruhe gelangter Schwärmsporen, w
oben von Dictyosiphon beschrieben, hat Herr Arese on§
fast allen Phaeosporeae beobachtet, und liegt ie U
nahe, dass sich innerhalb derselben eine ähnliche Copulation
^^Vergleichen wir diese Beobachtung mit den b^herigen An-
gaben über die Fortpflanzung der Phaeosporeae . Thure )
durch seine genauen Beobachtungen festgestellt, dass die meisten
Phaeosporeae zweierlei Zoosporangien, umloculare und plunlocu
läre, an legen (von dem oben geschilderten Dictyosiphon sind nur
uniloculäre Zoosporangien bekannt). Er at erner ei
meisten Arten, wo er die beiderlei Zoosporangien beobachtet
hatte, auch die Keimung der Zoosporen derselben gesehen un
zum Theil abgebildet. Aus seinen Worten: „Lors de la ger-
mination, le zoospore, devenu immobile et sphenque emet un
seul petit prolongement . . .“ scheint hervorzugeben, dass er dm
Keimung kurze Zeit nach beendigtem Umherschwarmen beob-
achtet Janczewski und Ro stafinsky 2) haben in express
i) Recherches sur les zoospores des Algues et les anthdridies des crypto-
-nh— “eC’s SU —es
Sitzung vom 19. Januar.
21
auf etwaige Copulation gerichteten Untersuchungen beobachtet,
dass die Schwärmsporen aus den beiderseitigen Zoosporangien
unmitelbar nach dem Austritt aus denselben ohne vorherige
Copulation keimten. Dahingegen giebt Pringsheim in seiner
Arbeit „Ueber den Gang der morphologischen Differenzirung in
der Sphacelarien- Reihe“ pag. 162 von den Schwärmsporen von
Cladostephus an: „Die ersten Spuren der Keimung zeigen sich
bei beiden Formen — wie dies auch bei anderen Phaeosporeen
vielfach eintritt — erst mehrere Wochen nach Beendigung ihres
kurzen beweglichen Stadiums.“ Pringsheim hat daher bei
Cladostephus eine weit längere Ruhezeit, als Areschong bei
Diclyosiphon beobachtet.
Vortragender traf auf der zweiten Untersuchungsfahrt der
Pommerania in der Bucht von Hordingsoe an der norwegischen
Küste Sphacelaria cirrhosa reichlich mit uniloculären Sporangien,
aus denen er häufig die Zoosporen austreten sah. Die in flachen
Uhrgläsern cultivirten Zoosporen zeigten nach vier Tagen weder
Keimung noch Copulation. Später waren die Culturen durch
die lästige Hygrocrosis verunreinigt, so dass sie aufgegeben wer-
den mussten.
Die Verschiedenheit dieser Beobachtungen könnte in den
verschiedenen Jahreszeiten oder allgemeiner in den verschiedenen
äusseren Lebensbedingungen der Algen zur Zeit der Untersuchung
ihren Grund haben. Es wäre nicht undenkbar, dass Zoosporen
unter verschiedenen äusseren Umständen, wozu auch das Lebens-
alter der Mutterpflanzen gehören mag, bald unmittelbar nach
beendigtem Umherschwärmen ohne vorherige Copulation aus-
keimen, bald erst in einen kürzeren oder längeren Ruhezustand
übergehen.
Zum Schluss zeigte Herr H. Roemer die Schale eines den
Nil bewohnenden Zweischalers vor und gab dazu die nachstehende
Erklärung. Die in der Sammlung des hiesigen Universitäts-
Museums befindlichen Exemplare dieses Conchyls, welche vom
Weissen Nil herrühren und bisher als Iridina rubens Dsk. be-
zeichnet gewesen, hat Prof. v. Martens von der genannten, im
in Memoires de la Societe nationale des Sciences naturelles de Cherbourg
Tome XVIII. 1874.
22
Gesellschaft naturforschender Freunde.
Senegal lebenden Art verschieden erkannt und derselben des-
halb den Namen Spatha Caillaudi gegeben. Das hier vorgelegte
Exemplar ist aber des Fundorts wegen von Interesse, indem
dasselbe vom Vortragenden auf dem linken Ufer des Nils, etwa
eine halbe Meile südlich von den Pyramiden von Gizeh auf einer
das jetzige Ueberschwemmungsgebiet des Nils um 100 Fuss über-
ragenden Terrasse des lybischen Höhenzuges gefunden ist. Das-
selbe muss also an dieser Stelle und zwar zu einer Zeit, als
der Nil sein jetziges Bett noch nicht eingenommen, beim Zurück-
treten des Nils zurückgelassen sein, so dass diese Schale als ein
vollwichtiger Zeuge der freilich auch sonst nicht anzuzweifelnden
Entstehung des Nilthals durch die von den Gewässern des Nils
selbst vollzogene Auswaschung zu betrachten ist, eine Auswa-
schung von einer Weite und so tief einschneidend, dass sie die
den Strom auf beiden Seiten begleitenden alten Ufer jetzt als
Gebirgszüge erscheinen lasst. Zu der Zeit, als die nordafrika-
nische Wüste dem Meere noch nicht entstiegen, wird der Nil
schon bei der ersten Katarakte das Meer erreicht haben und ist
dann bei der allmählichen Erhebung der aus den jüngeren Glie-
dern der Kreide und den eocenen und miocenen Ablagerungen
der Tertiärperiode bestehenden nördlichen Landgebiete genöthigt
worden, in dieselben immer tiefer und tiefer einzuschneiden,
um so den Abfluss zum Meere freizuhalten. Die von den Be-
duinen den die Pyramiden besuchenden Fremden neben unächten
Alterthümern zum Kauf angebotenen Exemplare des durch seine
Grösse und Schönheit ausgezeichneten Clypeaster aegyptiacus Coqu.
bestimmten den Vortragenden, die von den Beduinen sorgfältig
verheimlichte Fundstelle dieses Fossils aufzusuchen, um daselbst
auch andere mit dieser Clypeaster- Axt vorkommende Versteine-
rungen zu sammeln, und wurde von demselben unter den auf
der Oberfläche des Höhenzuges zahlreich umherliegenden mio-
cenen Fossilien auch die mit Sand ausgefüllte Schale dieser
Spatha Caillaudi angetroffen.
Herr Geh. Rath Dr. Ehrenberg bemerkte hierzu, dass diese
Muschel im Weissen Nil hin und wieder selbst der Schifffahrt
gefährliche Bänke bilde, und dass die im Museum befindlichen,
vom Weissen Nil herrührenden Exemplare von ihm mitgebracht
seien. Herr v. Martens fügte dann die weitere Bemerkung
Sitzung vom 19. Januar
23
hinzu, dass in neuester Zeit Exemplare dieser Art auch in der
Nähe von Kairo im Nil angetroffen seien.
Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen:
Bulletin de la soc. imp. des natur allstes de Moscou. 1874 No 2
Nouveaux memoires de la soc. imp. des naturalistes de ’ Moscou
Tome XIII, livr. 4. 1874.
Erotokolle der Verhandlungen der vierten allgemeinen Conferenz
tur die Europäische Gradmessung. Dresden 1874.
Protokolle der Verhandlungen der permanenten Commission für
die Europäische Gradmessung. Dresden.
Leopoldina, Amtliches Organ der Leopold. -Carolin. Akademie
der Naturforscher. Heft 7—9. Dresden.
J. Plateau , Sur une reception arithmetique. Bruxelles 1874.
Philosophical Institute of Canterbury , New Zealand. Researches
and excavations near the Moa bone point cave, summer road
1872, by J. Haast. 1874.
Entomologische Nachrichten. No. 1 u. 2. Putbus 1875.
Hydrographische Mittheilungen der Kaiserl. Admiralität. Jahr-
gang II, No. 26.
Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen mit
besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der Kaiserl. Marine,
herausgegeben von G. Neumayer. Berlin 1875. gr. 8.
A W S c h ad e 's Buchdruckerei (L. Sehad
e-; i» Berliu, StaJlsehreiberstr. 47.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
vom 16. Februar 1875.
Director: Herr Gurlt.
Herr Peters zeigte ein Exemplar der ebenso schönen wie
seltenen Rhopalodina lageniformis Gray vor, welches an Bord
der „Gazelle“ bei der Congo- Mündung aus dem Meeresgründe
aufgefischt worden ist, und besprach die bereits durch Gray
und Semper richtig aufgefasste systematische Stellung dieser
Echinodermen - Gattung.
Herr v. Martens legte der Gesellschaft einige Meer-Con-
chylien vor, welche durch die Offiziere von S. M. Corvette
Gazelle bei den Capverdischen Inseln gesammelt worden sind,
und welche durch ihre Uebereinstimmung mit Tertiär -Fossilen
aus dem Wiener Becken und der Subappenninen -Formation
Italiens von besonderem Interesse ist. Unter den dem hiesigen
zoologischen Museum zugekommenen Sammlungen, welche wäh-
rend der Fahrt des genannten Kriegsschiffes durch den atlanti-
schen Ocean im Juli vorigen Jahres gemacht wurden, befindet
sich nämlich auch ein Glas mit folgender Fundortsangabe: No. l9,
erster Zug — 25/7. - 23° 11' w. L., 16° 40' n. Br. — Tiefe
47 Faden und dieses enthielt einige Exemplare von den fol-
genden vier Conchylien- Arten.
3
26
Gesellschaft naturforschender Freunde.
1 Ranelia marginata Gmelin = laevigata Lam., ziemlich
lebhaft braungelb gefärbt, 32 mill. lang und 23 breit. Diese
aus den mio- und plio-cänen Tertiärablagerungen wohlbekannte
Schnecke wird seit lange auch unter den lebenden aufgefuhrt,
und man sieht öfters in Sammlungen weisse oder bräunliche
Exemplare, welche das frischere Aussehen recenter Conchylien
haben Aber der Ort ihres Vorkommens [in der Jetztwelt war
lange ganz unbekannt und erst 1842 hat Matheron in seinem
Catalog der Fossilien des Departements Bouches- du -Rhone an-
gegeben, dass er frische Exemplare von der Küste Westafrikas
kenne,- nähere Angaben darüber sind mir in der conchyliologi-
schen Literatur nicht bekannt, und so dürfte die Bestätigung
dieses Vorkommens durch ihr Wiederauffinden bei den Capverdi-
schen Inseln von Interesse sein. . ,
2 Nassa prismatica Brocchi, isabellgelb mit weissen un
kastanienbraunen grossem Flecken, namentlich »nter der Naht,
Mündung rein weiss; die ganze Schale 24 mill. lang und r i .
Diese Art, nach Exemplaren aus der Subappenninen-Formation
von Brocchi aufgestellt, ist nahe verwandt mit der ebenfalls
tertiär -fossilen N. clathrata Born, deren Sculptur weit grober,
und mit der selten im Mittelmeer noch lebend vorkommenden
N. limata Chemnitz, deren Gestalt schlanker ist und deren Rippen
weiter auseinander stehen; alle drei zeichnen sich vor den mei-
sten andern Arten der Gattung durch den Columd arand aus,
welcher sich nicht an die Bauchseite der letzten Windung an-
schmiegt, sondern als dünne Lamelle frei vorsteht. N. limata
wird von Herrn Weinkauff mit N. prismatica vereinigt und in
der That scheinen sich unter den fossilen vermittelnde Formen
zu finden; unter den lebenden waren aber bis dahin dem or-
tragenden keine bekannt, welche durch ihre gedrungene Gestalt
und die zahlreichen Vertikalrippen (23 auf der letzten, 20 auf
der vorletzten Windung) so genau mit den subappenninen z .
von Castel Arquato und Siena übereinstimmen, wie die vorlie-
genden von den Capverdischen Inseln. _
3 Xenophora Mediterranea Tiberi. Die zwei vorliegenden
Exemplare, 21 mill. im Durchmesser und 14 hoch, stimmen in
der Sculptur mit der von Tiberi im Journal de conc^°^
XI. 1863 beschriebene Art dieses Namens, welche als Seltenhei
Sitzung vom 16. Februar.
27
in der Korallenregion des Mittelmeeres lebt, überein, sie zeigen
zugleich aber deren sehr nahe Verwandtschaft mit der Art der
Subappenninen-Formation, welche gewöhnlich als X.crispa König
bezeichnet wird. Diese ist durchschnittlich merklich grösser, 50 mill.
im Durchmesser, auf der Unterseite nur schwach gitterförmig ge-
streift, und ihr Nabel völlig geschlossen, während X. Mediterranen
einen ziemlich engen, aber zum grössten Theil nicht bedeckten
Nabel und eine auffällige grobe Körnelung der Unterseite zeigt.
Aber die hiesige paläontologische Sammlung besitzt mehrere
Exemplare von Castel Arquato, von denen bei ganz gleicher
Grösse, Gestalt und Sculptur der Oberseite einige einen ganz
geschlossenen, andere einen offenen Nabel zeigen und bei einigen
derselben ist auch deutlich noch auf der ersten Hälfte der letzten
Windung die Körnelung der Unterseite zu erkennen, welche erst
weiterhin gegen die Mündung zu sich verliert. Darnach zu ur-
theilen , lassen sich die Arten nicht mehr scharf von einander
trennen und X. mediterranen erscheint nur als kleiner bleibende,
einige jugendliche Eigenschaften beibehaltende Abart von X. crispa.
4. Mitra scrobiculata Brocchi, zwei Exemplare, eines noch
mit Spuren eines hellbraunen Periostracum , beide nur mit drei
Columellarfalten, 25 und 29 mill. lang, während die bei Brocchi
abgebildete 72 mill. misst. Die Spiralfurchen stehen ziemlich
dicht aneinander und die sie kreuzenden Linien sind nur schwach
entwickelt. Eine directe Vergleichung mit den früheren Win-
dungen grosser fossiler Exemplare in der hiesigen paläontologi-
schen Sammlung, worauf Herr Prof. Bey rieh den Vortragenden
aufmerksam machte, lässt keinem Zweifel an der Uebereinstim-
mung beider Raum. M. Gambiana Dohrn in den Novitates con-
chologicae Taf. 15 Fig. 11, 12 scheint verwandt zu sein.
Obwohl keine dieser vier Arten in den Listen von Meer-
mollusken der Cap verdischen Inseln, welche Menke in der Zeit-
schrift für Malakozoologie 1853 und Reibisch in den Malako-
zoologischen Blättern 1865 veröffentlicht haben, genannt ist, so
kann doch an ihrem recenten Vorkommen daselbst nicht wohl
gezweifelt werden; für Nassa prismatica ist es durch das Vor-
handensein der Weichtheile und des an beiden Rändern stark
gezahnten Deckels in einem der vorliegenden Stücke ganz sicher;
die Ranelia und ein Exemplar der Xenophora waren von einer
3*
28 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Art Einsiedlerkrebs, die auch im Mittclmeer lebt, Pagurus Stria-
tum Latr., bewohnt. Die glänzende Innenseite der Mündung bei
der einep Xenophora, die theilweise Erhaltung des Periostracums
bei der Mitra, das Zusammenvorkommen und das äussere An-
sehen aller vier Arten sprechen sehr entschieden dafür, dass sie
noch jetzt dort leben. Bemerkenswerth ist, dass keine andere
Conchylienart an der angegebenen Stelle aufgefischt wurde. Es
scheint demnach dort in der nicht bedeutenden Tiefe von 47 Faden
eine Fauna noch gegenwärtig zu herrschen, welche, soweit man
nach 4 Arten urtheilen darf, mit derjenigen der jüngeren Tertiär-
ablagerungen Südeuropas übereinstimmt, während im Mittelmeer
gegenwärtig zwei Arten davon entschieden nicht mehr lebend
Vorkommen ( ’ftanella marginata und Mitra scrobiculata), eine, so
viel mir bekannt, nur in einer abweichenden Abart ( Nassa limata )
und nur die vierte ganz übereinstimmend, aber doch auch selten^
Dabei ist noch hervorzuheben, dass unsere recenten Stücke alle
nicht die durchschnittliche Grösse der fossilen zeigen; am auf-
fallendsten ist ihr Zurückbleiben hierin bei der Mitra und Xeno-
phora, nur unbedeutend bei Nassa prismatica.
Auch bei Madeira wurden durch dieselbe Expedition und
zwar aus einer Tiefe von 60-70 Faden eine Schnecke in recen-
tem Zustand aufgefischt, welche bis jetzt wohl aus den jüngeren
Tertiärablagerungen des südlichen Europa s , aber noch nicht
lebend bekannt waren, namentlich nicht aus dem Mittelmeer,
nämlich Nassa semistriata Brocchi, und zwar in einer Form mit
ausgeprägten Verticalrippen auf den früheren Windungen und
ziemlich dichter Spiralstreifung auf der letzten, wie sie in der
hiesigen paläontologischen Sammlung wohl aus dem Miocän des
Wiener Beckens (von Hörnes als Buccinum costulalum aufge-
führt), aber nicht aus dem Pliocän Italiens vertreten ist.
Herr Hartmann legte einige von Herrn Dr. Schultz aus
Port Natal eingesandte Naturalien zur Ansicht vor und knüpfte
daran kurze Bemerkungen. Zwei an Baumzweige befestigte und
aus Pflanzenstengeln zusammengesponnene Gehäuse scheinen
einer Psychide oder einem verwandten Spinner anzugehören;
ein grösseres, aus Erdtheilen verfertigtes und durch einen Klapp-
deckel verschlossenes macht den Eindruck , als diente es einer
Spinne zur Wohnung.
Sitzung vom 16. Februar.
29
Herr Braun sprach über Lepidozamia Peroffskyana Regel
(Macrozamia Denisonii Moore et F. Müller). Von dieser gross-
artigsten unter den australischen Cycadeen, deren Stamm nach
Ferd. von Müller eine Höhe von 18 — 20 Fuss, die überbän-
genden Wedel der reichen Krone eine Länge von 12 Fuss er-
reichen sollen, hat ein männliches Exemplar im vorigen Sommer
im Palmenhause des hiesigen botanischen Gartens geblüht. Bei
der Seltenheit dieser Art in den botanischen Gärten und der
Verschiedenheit der Ansichten über dieselbe, mag die Mitthei-
lung einiger hier gemachter Beobachtungen nicht überflüssig sein.
Das betreffende Exemplar, dessen Alter nicht bekannt, das jedoch,
schon ehe es Eigenthum des hiesigen Gartens wurde, einigemal
geblüht hat, besitzt einen sehr kräftigen, im Verhältniss zu seiner
Dicke niedrigen Stamm. Derselbe ist (über der Erde) nicht über
0.46 m. hoch und fast ebenso dick. Zur Zeit der letzten Blüthe
trug es 50 Laubblätter (Wedel), von denen gegenwärtig noch
48 erhalten sind. Dieselben sind auf der breiten Wölbung des
Scheitels ziemlich weitläufig zerstreut und gehören 4 verschiedenen
Wachsthumsperioden (Trieben) an; von der 5ten nach abwärts
sind nur noch einige Blätter erhalten. Die Länge der Blätter
beträgt 2.5 m., wovon 0.6 bis 0.7 m. auf den Blattstiel kommen.
Fiederblättchen habe ich 130 bis 195 gezählt; nach F. v. Müller
kann ihre Zahl bis auf 240 steigen. Die Spindel des Blattes ist
etwas von der Seite zusammengedrückt, auf dem Rücken schwach
und stumpf gekielt, auf der Bauchseite mit einer ziemlich tiefen
Rinne versehen, welche sich unterhalb der gefiederten Blattspreite
im Blattstiel verliert und in eine mediane Kante übergeht, gegen
die Spitze des Blattes dagegen sich erweitert, wobei ein flach
gerundeter Kiel in ihrer Mitte Raum findet. Von den erhabenen
Rändern dieser Rinne entspringen die von beiden Seiten sich
fast berührenden Fiederblättchen, welche mit breiter, nicht schwie-
lig verdickter Basis ansitzen und eine gute Strecke weit flügel-
artig herablaufen, so dass sie das nächst vorausgehende Blätt-
chen derselben Seite berühren. Die Länge der schwach sichel-
förmig gebogenen Fiederblättchen beträgt gegen 30 cm. , die
Breite etwas über der Basis 10 bis 13 mm. Ungefähr 12 paral-
lele Nerven sind nur auf der Unterseite deutlich sichtbar. Ein
ausgebildetes Gipfelblättchen ist nicht vorhanden; das Blatt
30
Gesellschaft naturforschender Freunde.
endigt mit einem etwa zolllangen, beiderseits geflügelten Fortsatz
der Spindel. Das erst sehr spät eintretende endliche Abfallen
der Fiederblättchen geschieht nicht durch Abgliederung an der
Basis, wie bei Zamia , sondern durch Absterben oberhalb der Ba-
sis, ohne scharfe Gliederungslinie. Anscheinend regellos gemischt
mit den Laubblättern zeigen sich schuppenförmige Niederblätter,
die Zahl der Laubblätter mindestens um das Dreifache überstei-
gend. Die genauere Untersuchung zeigt, dass sie zwischen die
Laubblättergruppen der successiven Triebe eingeschaltet sind,
und einer ununterbrochenen Blattstellungsfolge mit denselben
angehören. Sie sind eiförmig-dreieckig, in eine schmale linien-
förmige Spitze auslaufend, die jedoch nur an den jüngsten, iri
der Nähe des Scheitels stehenden sichtbar ist, da sie frühzeitig
abgeworfen wird. Der bleibende untere Theil der Schuppe ist
dick, hart-fleischig, dem Stamm angedrückt und fast von gleicher
Grösse mit dem erweiterten, gleichfalls am Stamme persistirenden
Fuss der Laubblätter. Beide zusammen, die Niederblattschuppen
und Laubblattfüsse, bilden einen dichten Schuppenpanzer an der
Oberfläche des Stammes, an welchem sieh die Blattstellung mit
Leichtigkeit abzählen lässt. Die Parastichen 13 und 21 treten
am deutlichsten hervor, 34 ist noch schief, 55 senkrecht.
Die männliche Blüthe erschien zuerst in Form eines rund-
lichen Kopfes, der sich allmählig zu einem kurzgestielten, in
der Mitte walzenförmigen , an beiden Ender) kegelförmig zu-
laufenden Zapfen von 80 cm. Länge und 20 cm. Dicke ausdehnte.
Sie hatte, die Mitte der Laubkrone einnehmend, eine anscheinend
terminale Stellung; als sie jedoch entfernt wurde, zeigte sich
deutlich, dass ihre Ursprungsstelle neben der aus einem Nieder-
blattbiischel gebildeten Terminalknospe des Stammes lag. Die
schuppenförmigen Staubblätter, welche den sogenannten Zapfen
bilden und deren Zahl über 600 beträgt, zeigen dieselbe Anord-
nung wie die Blätter des Stammes (21/s5); sie stehen (mit Aus-
nahme der untersten und obersten) rechtwinkelig von der Achse
des Zapfens ab und lassen zwei Theile unterscheiden, einen
unteren längeren, welcher die Staubsäckchen (Antheren) auf der
Rückseite trägt, und einen oberen kürzeren, sterilen. Der erstere,
den man die Platte nennen kann, ist verlängert spatelförmig,
flach mit einer schwachen kielartigen Erhebung längs der Mittel-
Sitzung vom 16. Februar.
31
linie beider Flächen. Die in Rosetten von je 4 — 5 gruppirten
Staubsäcke bedecken die Unterfläche der Platte als dichtes Pol-
ster bis hart an den Rand und bis nahe an die Basis, ohne
Unterbrechung in der Mittellinie, nach oben entweder durch eine
einfache Bogenlinie oder in Form zweier Lappen begrenzt. Nur
die der Spitze und der Basis nahestehenden Staubblätter, deren
Platte sehr verkürzt ist, zeigen zwei durch einen freien Mittel-
streifen getrennte Antherenpolster. Den untersten Schuppen des
Zapfens fehlt die Antherenbildung gänzlich. Der obere Theil
des Staubblattes, den man als Aufsatz (Apophysis) bezeichnen
kann, beginnt dicht über der Platte mit einer fast ohrartigen
Ausbreitung der scharfen Ränder, während der mittlere Theil
nach beiden Flächen hin sich polsterartig verdickt. Ueber die-
ses Polster, welches kahl und glänzend braun ist, erhebt sich
das wieder schuppenartig verflachte Endstück in Form einer
breit- dreieckigen , etwas nach abwärts gerichteten, dicht mit
weissem Filz bedeckten und in eine hakenförmig zurückge-
krümmte Spitze auslaufenden Lehne. Die ganze Länge der
Staubblätter aus der mittleren Region des Zapfens beträgt 80
bis 90 mm., wovon auf die Platte kommen; die grösste Breite,
welche in die Gegend des Polsters fällt, 40 — 45 mm., die Dicke
des Polsters 20 — 25 mm.
Die hier besprochene Pflanze, auf welche Regel im 6. Jahr-
gange der Gartenflora und im XXX. Bande des Bulletin der
Moskauer Gesellschaft der Naturforscher (beide vom Jahr 1857)
die neue Gattung Lepidozamia gründet, wird von Moore und
F. v. Müller (Fragm. phytogr. austral. 1858) zu Macrozamia ge-
rechnet, welche Gattung selbst etwas später von F. v. Müller
(Transact. of the pharm, soc. 1858) mit Enceplialartos vereinigt
wird, worin ihm Miquel in den Mittheilungen über Neuhollän-
dische Cycadeen (1863) gefolgt ist. Später jedoch, in seiner
letzten Aufzählung der bekannten Cycadeen vom J. 1869, stellt
Miquel in Uebereinstimmung mit A. Decandolle (Prodr. XVI.
1868) die Gattung Macrozamia wieder her und ordnet ihr Lepido-
zamia als Section unter. Die generische Verschiedenheit von
Encephalartos und Macrozamia kann als ausgemacht betrachtet
werden, wogegen die Feststellung von Lepidozamia wohl noch
einer Fürsprache bedarf. Regel hebt als unterscheidende Merk-
32 Gesellschaft naturforschender Freunde.
male seiner neuen Gattung hervor: 1) die gerade Knospenlage
der Laubblätter, während Macrozamia (nach Regel’s sowohl als
nach Miquel’s Angabe, aber im Widerspruch mit A. Decan-
dolle) in der Jugend aufgerollte Fiederblättchen hat; 2) die
herablaufenden Fiederblättchen ohne callöse Anschwellung an der
Vorderseite der Basis, welche Anschwellung für Macrozamia sehr
charakteristisch ist; 3) das Vorkommen stipelartiger, freier flei-
schiger Schuppen zu den Seiten des Blattstiels, während Macro-
zamia am Grunde des Blattes angewachsene Stipulae besitzen soll.
Später, im 19. Jahrg. der Gartenflora (1870), woselbst er eine
Beschreibung und Abbildung der weiblichen Blüthe giebt, wird
auch eine Verschiedenheit der Fruchtblätter nachgewiesen, welche
bei Lepidozamia ein längeres, eiförmiges, allmälig zugespitztes,
im untern Theile sehr stark polsterartig angeschwollenes Endstück
besitzen, bei Macrozamia dagegen ein kurzes, mehr abgestutztes,
plötzlicher in eine schmale Spitze auslaufendes. Was nun zu-
nächst die Anwesenheit nebenblattartiger Schuppen an den Sei-
ten des Blattstiels betrifft, durch welche Lepidozamia mit Cycas ,
Dioon, Encephalartos , Ceratozamia und Zamia übereinstimmen,
sich dagegen von Macrozamia unterscheiden soll, so beruht diese
Angabe auf einer Deutung der schuppenartigen . Gebilde des
Stammes, welche ebenso wenig richtig ist als die früher von
Link, so wie auch von Miquel in seinen früheren Arbeiten
über Cycadeen, versuchte, nach welcher diese Schuppen die wah-
ren Blätter des Stammes sein sollten, aus deren Achseln die
Wedel als Zweige entsprängen. Beide Deutungen scheitern an
dem Umstande, dass die Schuppen weder genau neben, noch
auch regelmässig unter den Wedeln stehen, sondern, meist in
grösserer, nicht nur die einfache, sondern auch die doppelte der
Laubblätter weit übertreffender Zahl zwischen die einzelnen Pe-
rioden der Laubbildung eingeschoben sind und eine zusammen-
hängende spiralige Anordnung zeigen, welche die Spirale der
vorausgehenden Laubblätter fortsetzt und von der der nachfol-
folgenden fortgesetzt wird. Es sind daher diese Schuppen nichts
anderes als Niederblätter, welche die (Jahres-) Periode der Laub-
blätter auseinanderhalten, wie bei den Laub- und Nadelhölzern,
welche Gipfelknospen besitzen (z. B. Tannen und Eichen), und
als solche, d. i. als Knospenschuppen (Perulae), sind sie auch
Sitzung vom 16. Februar.
33
schon von Miquel, Eichler, A. D ecandolle u. A. betrachtet
worden. Sie finden sich, so weit meine Erfahrungen reichen,
bei allen Cycadeen. Besonders deutlich ist dei periodische Wech-
sel von Niederblättern und Laubblättern in solchen Fällen, wo
die Perioden beider sehr reichzählig sind, wie bei älteren Cycas-
Stämmen, welche 20 — 30 und wohl noch mehr Laubblätter in
einem Triebe entwickeln, während die Zahl der vorausgehenden
Niederblätter über 100 beträgt (vergl. Miquel in Linnaea XVIII.
t. 4). Es beginnt dieser Wechsel bereits zur Zeit der Keimung
und zwar in verschiedener Weise, indem sich aus dem Knöspchen
des Keimlings entweder zuerst Niederblätter entwickeln, auf
welche dann 1 bis 2 Laubblätter und nach diesen abermals
Niederblätter folgen, oder zuerst ein Laubblatt erscheint, wel-
chem die erste Niederblattbildung nachfolgt. Ersteres findet sich
nach Petit - Thouars und Richard bei Cycas , bei welcher
Gattung dem ersten Laubblatt zahlreiche Niederblätter voraus-
gehen, ferner nach meiner eigenen Beobachtung bei Lepidozamia
mit 3 und bei Encephalartos (nach Miquel, Linnaea XXL t. 6)
mit 2 primordialen Niederblättern. Den andern Fall zeigt nach
den übereinstimmenden Darstellungen von Poiteau und Kar-
sten die Gattung Zamia. Während somit in der Anwesenheit
von Niederblättern alle Cycadeen - Gattungen übereinstimmen,
zeigt sich ein Unterschied in der Consistenz und Dauerhaftigkeit
derselben, auf welchen auch Regel aufmerksam gemacht hat.
Bei einigen Gattungen sind dieselben dick, hart -fleischig und
mit Ausnahme der bald vertrocknenden und abfallenden Spitze
persistent, wodurch sie zusammen mit den gleichfalls stehen-
bleibenden dicken Grundstücken (Blattfüssen) der Laubblätter
den eigentümlichen Schuppenpanzer bilden, welcher den Stamm
von Cycas , Encephalartos und Lepidozamia auszeichnet und wei-
cher sich weniger auffallend auch bei Ceratozamia wiederfindet.
Bei anderen Gattungen haben die Niederblätter eine hautartige
oder lederige Consistenz, in welchem Falle sie entweder, abge-
storben und vertrocknet, ebenso wie die Laubblätter, ganz am
Grunde abgestossen werden, so dass der Stamm völlig entblösst
wird ( Zamia und Stangeria ) oder im vertrockneten und zerfaser-
ten Zustande stehen bleiben und eine mehr pelz- als panzer-
artige Decke des Stammes bilden, wie dies bei Macrozamia der
34 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Fall zu sein scheint. So verhält es sich wenigstens bei einem
2 cm. hohen Stamme von M. corallipes , welcher völlig umhüllt
ist von einer pelzähnlichen Decke brauner, zerfetzter und mit
langen Haaren bedeckter Schuppen. Ob und wie ältere Stamme
diese Decke vielleicht ablegen, ist mir nicht bekannt. Eigent-
liche, von der Basis des Blattes abgetrennte Stipulae sind den
Cycadeen völlig fremd, aber bei 2 Gattungen ( Zamia und Cerato-
zamia) sind sogenannte Stipulae adnatae vorhanden, d. h. die
scheidenartigen Ränder der Blattbasis gehen jederseits in einen
Zahn oder Zipfel aus, dessen Innenrand mehr oder weniger auf
die Vorderfläche der Blattstielbasis hereingreift. Die Nieder-
blätter dieser Gattungen sind in der Regel ungetheilt,, nur hier
und da zeigen sie eine dreitheilige Spitze, was man als Andeu-
tung zur Bildung einer Laubspreite zwischen den 2 Seitenzipfeln
betrachten muss, etwa wie bei den inneren Knospenschuppen
der Drupaceen und Pomaceen. Im Character der Gattung Zamia
wird dies von A. Decandolle (1. c.) richtig angegeben: ?perulis
saepius prope apicem utrinque dentatis“, und dasselbe gilt auch
von Ceratozamia. Ob die scheidenartige Basis der Laubblatter
auch bei Macrozamia mit Oehrchen versehen ist, wie Regel
angiebt, muss ich dahin gestellt lassen; bei unserem Exemplar
von M. corallipes konnte ich keine Oehrchen finden.
Der von Regel hervorgehobene Unterschied der Fieder-
blättchen von Lepidozamia und Macrozamia ist sehr auffallend.
Während bei letzterer Gattung die gegen die Basis hin ver-
schmälerten, nur kurz und sehr schmal herablaufenden Fieder-
blättchen mehr denen von Encephalartos gleichen, erinnern die
breit und lang herablaufenden der ersteren an Cycas. Doch
findet weder im einen noch im anderen Fall eine völlige Ueber-
einstimmung statt. Bei Encephalartos breitet sich die Sohle des
Blättchens nach zwei Seiten herablaufend und (kürzer) hinauf-
laufend aus; bei Macrozamia fehlt das Hinauf laufen gänzlich,
wogegen der obere Rand in der Nähe der Basis mit einer cal-
lösen Anschwellung versehen ist. Auch bei Lepidozamia und
Cycas fehlt die aufsteigende Ausbreitung der Sohle, aber bei
ersterer sind die Blättchen gegen die Basis kaum, bei letzterer
stark verschmälert. Dazu gesellen sich noch Unterschiede in
der Beschaffenheit des Mittelstiels (der Rachis), welche für die
Sitzung vom 16. Februar.
35
Charakteristik der Gattungen von Bedeutung sind. Cycas und
Lepidozamia bilden hierin die Extreme, die anderen Gattungen
liegen in der Mitte. Bei Cycas ist die Ober- und Unterfläche
dei Spindel fast gleichmässig gewölbt, die Blättchen entspringen
an der Grenze beider genau seitlich in einer kaum bemerkbaren
Längsfurche. Nur gegen das obere Ende des Blattes tritt die
Unterfläche der Spindel stärker hervor, wodurch die Ursprungs-
linien der Blättchen etwas mehr nach oben geschoben werden.
Bei Encephalartos , Zamia. , Ceratozamia und ebenso bei Macro-
zamia ist die Unterfläche stärker entwickelt, so dass die beiden
Furchen, in oder neben welchen die Blättchen entspringen, auf
der Oberfläche zu liegen kommen und nur durch einen schmäleren
erhabenen Mittelstreifen getrennt sind. Bei Lepidozamia endlich
vereinigen sich die beiden Furchen in eine einzige, aus deren
erhabenen Rändern die Blättchen entspringen, von beiden Seiten
so genähert, dass sie mit der Basis fast oder selbst vollständig
aneinanderstossen.
In Beziehung auf die Verkümmerung des Endblättchens
stimmt Lepidozamia mit der Mehrzahl der Cycadeen überein,
doch zeigt die Blattspitze immer noch eine etwas stärkere Ent-
wicklung als bei Encephalartos , Zamia , Ceratozamia und Macro-
zamia, bei welchen allen sie auf einen meist sehr kurzen Mucro
reducirt ist. Ein wohl ausgebildetes Endblättchen, welches den
Seitenblättchen^ an Grösse gleichkommt, fand ich nur bei Stan-
geria und, wenigstens meistens, bei Cycas circinalis. Bei beiden
wird das Endblättchen zuweilen von dem letzten Seitenblättchen
in einer Weise gedrängt, dass der Anschein einer Dichotomie der
Blattspitze entsteht. Bei Cycas revoluta dagegen bildet sich nur
selten ein Endblättchen aus; in der Regel findet sich an seiner
Stelle eine stielartige, stechende Spitze von geringer Länge.
In einer Familie, deren Blüthenbildung auf der niedersten
Stufe steht und nur geringe Modificationen zeigt, ist man, wie
mir scheint, wohl berechtigt, auf die Verschiedenheit der vege-
tativen Organe ein grösseres Gewicht zu legen , als es sonst
in der Systematik üblich ist. In der That lassen sich die Gat-
tungen der Cycadeen insgesammt nach den Gestaltungs- und
Gliederungsverhältnissen der Blätter sicher unterscheiden, zumal
wenn man auch auf die Niederblattbildung Rücksicht nimmt,
36 Gesellschaft naturforschender Freunde.
und Lepidozamia steht in dieser Beziehung hinter den anderen
Gattungen, wie ich gezeigt habe, nicht zurück, weshalb ich sie
mit Re <*e 1 als selbständige Gattung betrachte, wenn auch die
Blüthenbildung von derjenigen bei Macrozamia nur wenig ab-
weicht. In Beziehung auf letztere will ich namentlich darauf
aufmerksam machen, dass der von der Verkeilung der Bollen-
säckchen entnommene Unterschied, welcher von A. Decan dolle
im Prodromus bei Unterscheidung seiner 3 Sectionen der Gat-
tung Macrozamia benutzt worden ist, nämlich: squamarum mascu-
larum pars fertilis 1) in duas areas segregata (Macrozamia sens.
str ), 2) continua ( Lepidozamia Reg.), 3) biloba ( Parazamia Miq.)
nicht stichhaltig ist, indem alle 3 Fälle, wie ich es oben be-
schrieben habe, bei einer und derselben Art Vorkommen. So
weit die Verhältnisse bis jetzt bekannt sind, stellt sich nur der
eine Unterschied zwischen den Blüthen von Lepidozamia und
Macrozamia heraus, dass bei ersterer sowohl die Staubblatter
als die Fruchtblätter eine stärkere polsterartige Anschwellung
unterhalb der Spitze besitzen, wodurch die Spitze selbst eine
horizontal abstehende oder selbst nach unten gewendete Richtung
erhält, während diese bei Macrozamia von einem schwächeren
Polster getragen, durch eine knieförmige Biegung am Grunde
nach oben gerichtet ist (vergl. Miquel, Linnaea XIX. t. 2).
Die Identität von Lepidozamia Peroffskyana und Macrozamia
Denisonii wurde von Miquel schon 1863 mit ziemlicher Be-
stimmtheit vermuthet, von A. Decandolle dagegen im Prodr
1868 wieder bezweifelt, endlich aber von Regel selbst 1. c. lbfU
anerkannt. Da Regel bei seiner ersten Publication wegen
Jugendlichkeit des in Petersburg cultivirten Exemplares, ohne
Kenntniss von Blüthe und Frucht, nur eine unvollständige Be-
schreibung geben konnte und überdies Mexico für das Vater-
land hielt, so war es den australischen Botanikern nicht, wo
möglich, die von ihnen in Nordaustralien beobachtete Pflanze in
dej. i — 2 Jahre früher beschriebenen Regel’schen Gartenpflanze
zn erkennen, so dass sie sich für berechtigt halten mussten,
dieselbe als neue Art zu beschreiben. Welcher Speciesname
ihr künftig bleiben soll, dies hängt von der Beantwortung der
Frage ab, ob den Benennungen von Pflanzenarten, welche bloss
nach jugendlichen, noch nicht blühreifen Exemplaren aufgestellt
Sitzung vom 16. Februar.
37
wurden, wie es z. B. bei den Aroideen so oft geschehen ist, in
allen Fällen Prioritätsrecht zuerkannt werden muss. Wie man
darüber entscheiden mag, so gebührt Regel das Verdienst, schon
in der jugendlichen, noch unfruchtbaren Pflanze die neue Gattung
erkannt zu haben, während wir den australischen Botanikern
die Kenntniss der erwachsenen, ihrer Blüthen und Früchte und
ihres wahren Vaterlandes verdanken.
Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen :
32. Bericht des Museum Francisco- Carolinum zu Linz. 1874.
J.H.Kawall, Die neuen Russischen Naturforscher-Gesellschaften.
Riga, 1874.
Verbesserungen.
Im Bericht über die Januar- Sitzung lies:
Seite 3, Zeile 3 und 6: Mantelränder anstatt: Mantelbänder.
- 19, - 19 u. 28 1
- 20, - 1, 12u. 19 > Areschoug anstatt: Areschong.
- 21, - 11 )
- 21, - 14: Hvidingsoe anstatt: Hordingsoe.
- 21, - 19: Hygrocrocis anstatt: Hygrocrosis.
A. W.Schade’s Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 47.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
vom 16. März 1875.
Director: Herr Gurlt.
Herr Braun sprach über Gallen am Edelweiss ( Leontopodium
alpinum ), welche durch Nematoden aus der Gattung der Aelchen
(Anguillula) erzeugt werden, und knüpfte daran eine Uebersicht
dei ihm bekannten Fälle von Gallenbildung durch derartige
Würmchen.
1) Die Aelchen-Gallen (Nematocecidien nach der Termino-
logie von Dr. Thomas) des Edelweisses wurden nach Ritt
v. Frauenfeld (Verhandl. des zool. -bot. Vereins zu Wien 1872
S. 396) zuerst und bisher allein auf der Rax-Alpe in Oesterreich
beobachtet; die von dem Vortragenden vorgelegten Exemplare
wurden im September v. J. auf dem Lafelsen der Götzen -Alpe
bei Berchtesgaden gesammelt. Durch Musterung der käuflichen
Edelweissvorräthe bei einer dortigen Blumenhändlerin stellte sich
heraus, dass sie auch anderwärts in der Gegend Vorkommen,
namentlich auf den hohen Felskämmen, welche den Kessel des
Obersees umgeben. Diese Gallen haben ihren Sitz theils an
den Blättern der gemeinsamen Hülle oder richtiger den (am
Stiel angewachsenen) Tragblättern der seitlichen Bliithenköpfchen,
am Rande oder auf der IGäche des Blattes, doch wie es scheint
niemals auf dem Mittelnerven; sie ragen nach beiden Seiten der
Blattfläche gleichmässig vor, sind schwach plattgedrückt, rund-
lich oder etwas länglich, von 1,5 - 2,5 mm. Durchmesser, einzeln
3
40 Gesellschaft naturforschender Freunde.
oder mehrere (bis 6) auf demselben Blatt vereinigt, zuweilen je
2 sehr selten je 3 zusammenfliessend, stets dicht überzogen mit
dem weissen Haarfilz, der die Nährpflanze auszeicbnet. Im Inneren
derselben findet sich ein Knäuel von Aelchen welche gegen-
wärtig, nach sechsmonatlicher Aufbewahrung im Herbarium noch
vollkommen lebensfähig sind, wovon die Anwesenden sich bei
mikroskopischer Besichtigung seit mehreren Stunden in Wasser
erweichter Gallen überzeugten. Da die vorhandenen Aelchen
sich in einem geschlechtlich unentwickelten Zustande befinden,
ist eine nähere Vergleichung mit denen der Schafgarbe, mit
denen sie wohl identisch sein könnten, nicht mog ich
2) Die Aelchen-Gallen der Schafgarbe (AchiUea Mille folmm)
und das erzeugende Würmchen sind von Dr. Franz Low (Ver^
handl. des zoolog.-botan. Vereins zu Wien 1874) beschrieben un
abgebildet worden, letzteres unter dem Namen Tylenchus Mi le-
folii mit der Bemerkung, dass zu der von Bastian aufgestellten
Gattung Tylenchus auch das Karden- und Weizen- Aelchen d e
Anauillula Phalaridis und Agrostidis und wahrscheinlich die Ael-
chen der Gallen von Leontopodium und Falcana gehören. Das
Schafgarben- Aelchen wurde von Löw im Wiener Walde gefun-
den, hat jedoch, wie man aus einer gleichzeitigen i Mi« thei in g
von Dr. F. Thomas (Beiträge zur Kenntniss der Milbenö
in Giebel, Zeitschr. f. d. ges. Naturw. Bd. 42) ersieht, eine
weite Verbreitung. Derselbe fand es bei Ohrdruf und Wal ers-
hausen in Thüringen, bei Königstein in Sachsen Adersbach in
Böhmen, Cudowa und Landeck in Schlesien, und .ehr reichlich
im Oberengadin bis zu einer Meereshöhe von mehr als 6000.
Die Gallen erscheinen als knotenartige Auftreibungen er sc ma
len Blattsegmente oder auch der Spindel des Blattes , seiten
kommen sie auch am Stengel, namentlich an den Stielen
Blüthenköpfchen vor. Im August 1872 gesammelte Gallen^
hielten nach Dr. Thomas Beobachtung im October 1874 noch
lebensfähige Aelchen.
3) Aelchen-Gallen an Falcana «.«». wurden von Bit I. v.
Frauenfeld (Verband!, d. zoolog.-botan. Vereins 1872 _S. 39b)
bei Wien entdeckt. Sie erscheinen als runzelige
grüne Verdickungen am Mittelnerven oder an, Rande der Blatt-
Segmente.
Sitzung vom 16. März.
41
4) Das Weizen - A el che n ( Vibrio Tritici Roffredi, Anguil-
lula Tritici Davaine, Ang. scandens Schneider) kann insofern zu
den gallenbildenden Aelchen gerechnet werden, als der Frucht-
knoten, welcher den Aelchen zur Wohnung dient, gallenartig
umgebildet wird. Diese Aelchen sind die Ursache einer Krank-
heit des Weizens, die unter dem Namen Gicht, Kaulbrand
oder Radigwerden bekannt ist. Nach Kühn (Krankheiten
der Culturgew. S. 181) sind die von derselben befallenen Körner
kleiner als die normal entwickelten und schwarz. Die Aelchen
kommen mit den kranken Körnern in die Erde und erlangen
hier die Geschlechtsreife, um im Frühjahr in die jungen Pflanzen
einzuwandern und ihre Eier in den Fruchtknoten abzusetzen.
Das Weizen- Aelchen war schon im vorigen Jahrhundert ein
Gegenstand mehrfacher Untersuchungen, namentlich in Bezug auf
seine Wiederbelebungsfähigkeit nach langjähriger Austrocknung,
welche von Needham, Ledermüller und Baker constatirt
wurde. Der letztgenannte giebt einen Fall von Wiederbelebung
nach 25 Jahren an.
5) Das Aelchen von Phleum Boehmeri, Anguillula Phalaridis
( Vibrio Steinbach). Es hat seine Benennung nach dem früheren
Namen seines Nährgrases, Phalaris phleoides L., und scheint ein
sehr verbreitetes Vorkommen zu haben, jlch besitze Exemplare
aus der Mark, den Rheingegenden und Oberitalien; Professor
Münter beobachtete es in Mecklenburg und Pommern. Nach
seinen Mittheilungen im Bulletin des internationalen botanischen
Congresses zu Amsterdam (1865) fand er dasselbe auch in den
Aehrchen der Koeleria glauca , welche gesellig mit Phleum Boehmeri
vorkommt. An den im Juli gesammelten Exemplaren des letz-
teren Grases fand er in dem abnorm vergrösserten, flaschenartig
zugespitzten, purpurbraunen Fruchtknoten bald Eier, bald junge
Brut, aber häufig auch noch das Aelternpaar, das seine Eier in
den Fruchtknoten absetzte. Die Hüllspelzen der befallenen
Aehrchen erscheinen um das zwei- bis dreifache vergrössert, die
sonst versteckte Deckspelze tritt weit über" dieselben hervor, was
man für ein laubartiges Auswachsen der Spelzen gehalten und
solche Exemplare in den Floren irriger Weise als „forma vivi-
para aufgelührt hat. Die Aelchen der im Juli gesammelten
Exemplare zeigten nach Münter im December desselben Jahres
3*
4 -2 Gesellschaft naturforschender Freunde.
in Wasser von •+• 15° R. erweicht, nach 5 Stunden lebendige Be-
wegung. Die Untersuchung hier im Juni gesammelter Exemplare
zeigte in jedem Fruchtknoten ein Pärchen ausgebildeter Würmchen,
ein schlankeres Männchen und ein dickeres Weibchen, und ausser-
dem eine grosse Menge länglicher Eier mit zum Theil schon
weit entwickeltem Embryo. Ausgeschlüpfte junge Brut war noch
nirgends zu finden. Die Aeltern waren (an den freilich schon
11 Jahre alten Exemplaren) nicht mehr lebensfähig.
6) Das Aelchen des Straussgrases, Anguillula Agrostidis^
(Vibrio Steinbach), in den Aehrchen von „ Agrostis sylvatica “
(nach Münter Agr. stolonifera var .diffusa). Es ist mir bis jetzt
nicht gelungen dasselbe aufzufinden.
Dies in g (Syst. Helminth. 1851) fasst die auf Gramineen
lebenden Aelchen (No. 4-6) unter der gemeinsamen Benennung
Anguillula Graminearum zusammen. Genauere Untersuchungen
der Thierchen müssen entscheiden, ob eine solche Vereinigung
zulässig ist. Die Erscheinungen der Gallenbildung sind keines-
wegs übereinstimmend, so ist z. B. bei Trilicum der befallene
Fruchtknoten kleiner als der normale, bei Phleum bedeutend ver-
grössert; bei Phleum findet eine abnorme Wergrösserung der
Spelzen statt, welche bei Trilicum nicht eintritt.
7) Das Karden- Aelchen, Amguill. Dipsaci Kuhn (Krank-
heiten der Culturgew. S. 178 und Zeitschr. für wissensch. Zoo!,
von Sieb u. Köllik. IX, 129), Anguill. devastatrix Kühn (spater).
Es verursacht die sogenannte „Kernfäule“ der Weberkarde, deren
Blüthenköpfe es bewohnt, theils in das Mark der Achse derselben,
theils in die verkümmerten Fruchtknoten eingebettet. Es erreicht,
ebenso wie andere Arten, seine Geschlechtsreife im Boden.
Die Wurmkrankheit des Roggens, beim Volk unter den
Namen Stock, Knoten, Kropf bekannt, weil der von ihr
befallene Roggen nicht aufschiesst, sondern stockig bleibt und
zahlreiche, ungewöhnlich schmale Blätter treibt, wird durch ein'
die verkürzten Internodien des Stengels bewohnendes Aelchen
erzeugt. Ni et sehe (Verhandl. d. zool.-bot. Gesellsch. in Wien
XVIII, 901) unterschied dasselbe als Roggen - Aelchen, An- 1
quillula Secalis , wogegen Kühn (die Wurmkrankheit des Roggens,;
Halle 1869) die Identität desselben mit dem Karden- Aelchen
durch das Experiment der Uebertragung des letzteren auf den
Sitzung vom 16. März.
43
Roggen nachgewiesen hat. Auf diese auffallende Verschiedenheit
des Vorkommens bezieht sich die spätere Umänderung des Namens
in Anguillula devastatrix.
8) Das Wurzel - A el ch e n , Anguillula radicicola Greef
(Ber. d. Marburger Ges. z. Beförd. d. Naturwiss. 1872 S. 169),
bildet gallenartige Anschwellungen an den dünneren Wurzel-
zweigen verschiedener Pflanzen, in deren Innerem es seine Ent-
wickelung bis zur Geschlechtsreife durchläuft und zuletzt aus-
wandert, wahrscheinlich um seine Eier in anderen jüngeren
Wurzeltheilen abzusetzen. Greef beobachtete dasselbe an den
Wurzeln von Poa annua, Triticum repens und einigen Sedum-
Arten (Verhandl. d. naturhist. Ver. d. Preuss. Rheinlande 1864;
Sitzungsb. d. niederrh. Ges. f. Natur- u. Heilk. zu Bonn 1864);
Dr. Magnus fand dasselbe 1870 im hiesigen botanischen Garten
an Dodartia orientalis , was Herrn Prof. Greef zur genaueren
Beschreibung dieses Aelchens a. a. O. Veranlassung gab.
In Bau und Lebensweise wesentlich abweichend von den
bisher genannten, im Inneren mehr oder weniger umgebildeter
Pflanzentheile verborgenen Aelchen verhält sich der Rüben-
nematod oder die sogenannte Rübentrichine, ein Würmchen,
auf welches zuerst Schacht (Zeitschr. d. Ver. f. Rübenzucker-
Industrie IX, 1859 S. 177 u. 240) aufmerksam gemacht hat, und
welches in dem XXI. Jahrg. (1871) derselben Zeitschrift Archi-
diakonus A. Schmidt unter dem Namen Heterodera Schachtii
trefflich beschrieben und abgebildet hat. Dieser der Runkel-
rübencultur verderbliche, durch die grosse Verschiedenheit der
fadenförmigen Männchen und der bauchig aufgetriebenen Weib-
chen ausgezeichnete Schmarotzer lebt nicht im Inneren der Wur-
zeln, sondern in Cysten, welche nur äusserlich den feinen Wurzel-
zasern angeklebt sind. Kühn hat neuerlich (landw. Jahrbücher
1874 S. 47) gezeigt, dass derselbe Schmarotzer auch an den
Wurzeln verschiedener anderer Gewächse, namentlich des Hafers,
der Gerste, des Weizens und des Ackersenfs vorkommt.
Herr Brefeld theilte eine Reihe von Beobachtungen mit,
die Biologie der Hefe betreffend, welche derselbe gelegentlich
seiner seit mehreren Jahren fortgesetzten Untersuchungen über
Alkoholgäbrung gemacht hat,
44 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Im Jahre 1868 fand Rees, dass sich die Hefe ausser durch
vegetative Sprossung noch durch Fructification fortpflanze. Diese
tritt im Innern einer Hefezelle in der Art auf, dass sich der
Inhalt in 2 oder 4 Theile theilt, die zu Fortpflanzungszellen wer-
den. Rees führt diesen Vorgang als ireie Zellbildung auf, nennt
eine fructificirende Hefezelle einen Ascus, die gebildeten Zellen
Ascosporen, und stellt hiernach die Hefe zu den Ascomyceten.
Rees beobachtete, dass die Fructification der Hefe dann eintrat,
wenn er sie auf Scheiben von Mohrrüben ausbreitete und an
einem feuchten Orte stehen Hess; sie fructificirte nach Ablauf
von etwa 8 Tagen. — Vortragender versuchte nach dem von
Rees angegebenen Verfahren während 2 Jahre vergeblich die
verschiedenen Culturhefen, Ober- Unter- und Presshefe, zur
Fructification zu bringen. Die Fructification trat niemals ein,
die Hefezellen starben im Laufe mehrerer Wochen ab, ohne zu
fructificiren. Nur ein einziges Mal fand Verf. bei einer Brannt-
wein-Oberhefe eine sehr spärliche Fructification nach 12 Tagen.
Sonst führten alle irgend erdenklichen Variationen der Versuche
mit den verschiedensten Culturhefen zu keinem andern als nega-
tiven Resultate. Es handelte sich nun darum, jdie lange Reihe
der Misserfolge bezüglich der Fructification der Hefe natürlich
zu erklären, und hierfür gab der Gedanke, dass sich bei den
verwendeten Culturhefen die Cultur die Fructification der Hefe
schädlich beeinflussend geltend gemacht haben könne, den leiten-
den Faden. Den Culturhefen ist nämlich unter den bei der
Cultur obwaltenden Verhältnissen die Gelegenheit zur Fructi-
fication nicht gegeben, sie pflanzen sich ausschliesslich durch
vegetative Vermehrung fort; daneben kann es nicht dem leise-
sten Zweifel unterliegen, dass die verschiedenen Culturhefen von
der in der Natur vorkommendeiuHefe ursprünglich abstammen,
wie sogleich dargethan werden soll. Vergleichende Versuche
mit der wilden natürlichen Hefe einerseits und der Culturhete
anderseits mussten folglich geeignet sein, über den fraglichen
Punkt eine sichere Entscheidung zu geben, wie ebenso die
äusseren Umstände klar zu legen, an welche der Eintritt der
Fructification gebunden ist. Die wilde natürliche Hefe ist es,
) Rees, Zur Naturgeschichte der Bierhefe, botan. Zeitung No, 7, 1869.
Sitzung vom 16. März.
45
welche zur Gährung des Weines benutzt wird. Sie haftet äusser-
üch an den Häuten, an der Oberfläche der Trauben und gelangt,
wenn diese zerdrückt werden, in dem Safte zur Entwickelung,
um darauf den Saft durch Gährung in Wein zu verwandeln.
Es ist leicht, durch Abkühlung einer Partie gährenden Mostes
bald nach eingetretener Gährung, wenn sich die Unreinigkeiten
des Saftes gesetzt haben, und nur mehr Hefe in der Schwebe
ist, diese als Niederschlag rein zu gewinnen, so wie sie den
beabsichtigten Versuchen entspricht. Diese tiefe, von beliebigen
Trauben verschiedener Gegenden stammend, wurde in dünnster
Schicht auf dem Objectträger ausgebreitet und unter einer Glocke
in feuchter Luft gehalten. Vortr. fand nun ganz ausnahmslos,
dass bereits nach 24 Stunden die Fructification der Hefe ein-
getreten war, die Hefe mochte herstammen, woher sie wollte;
ebenso behielt die Hefe in mehreren Generationen in Zuckerauf-
lösung cultivirt diese Eigenschaft bei. Zu gleicher Zeit blieben
die Versuche mit den Culturhefen, mit Ober-, Unter- und Press-
hefe, durchaus erfolglos; sie fructificirten unter denselben Um-
ständen nicht, so wenig, wie sie es in früheren Fällen gethan
hatten. Die Versuche legen in eclatantester Weise den Unter-
schied zwischen der wilden natürlichen Hefe und den Hefen der
Cultur in Beziehung auf die Fructification dar, und da der einzige
Unterschied zwischen beiden Hefen ausschliesslich in den Ein-
flüssen der Cultur gegeben ist, so folgt hieraus, dass die Natur-
racen im Laufe der Cultur die Fähigkeit der Fructification mehr
und mehr verloren haben, die der Stammform eigen ist. Der
Grund, weshalb sie diese einst besessene Fähigkeit verloren habe,
kann kaum ein anderer sein, als der, dass sie in der Cultur
gezwungen ist, sich ausschliesslich vegetativ zu vermehren.1)
Die Bedingungen zur Fructification sind nämlich ausschliesslich
in dem Mangel an Nährlösung zur weiteren Aussprossung und
in dem ausgiebigsten Luftzutritt gegeben, und wo diese Bedin-
gungen erfüllt sind, tritt die Fructification in 24 Stunden ein.
Es ist klar, dass diese Bedingungen bei den Culturhefen niemals
l) Das abweichende Verhalten der verschiedenen Culturhefen in Beziehung
auf die Fructification hat jüngst auch Schumacher hervorgehoben, er hat
seine Versuche aber nicht bis auf die wilde natürliche Hefe ausgedehnt.
Sitzungsberichte der K. Akademie der Wissenschaft jn Wien. Juniheft 1874.
46 Gesellschaft naturforschender Freunde.
erfüllt werden. Ebenso klar ist es aber auch, dass sie nur höchst
mangelhaft erfüllt sind, wenn man Scheiben von zuckerhaltigen
Mohrrüben und Hefe in dicker Schicht anwendet, wie es von
Rees geschehen ist; der ganz gewöhnliche Objectträger leistet
hier ungleich bessere Dienste als Mohrrüben, die als Substrat
zur Erzeugung der Fructification diese nicht anders als schädlich
beeinflussen. — Die Fructification der Hefe ist eine- ungeschlecht-
liche, die in der Hefenmutterzelle gebildeten Fortpflanzungszellen
sind 5 Gonidien , diese selbst ein Sporangium. Als Ascus kann
das Sporangium unmöglich aufgefasst werden, weil die Asci wie
die Ascosporen die abschliessende Fruchtform der geschlechtlich
erzeugten Pflanze der Ascomyceten sind, welche den Generations-
wechsel im Pflanzenreiche vermitteln, d. h. niemals den mütter-
lichen Organismus wiedererzeugen, in dem sie entstanden sind,
sondern stets zur ersten, der Geschlechtsgeneration zurückgehen.
Der Hefe fehlt jede Sexualität, also auch die zweite geschlecht-
lich erzeugte Generation; ihre Fructification kann folglich kein
Ascus sein, sie ist eine einfache ungeschlechtliche Vermehrung;
die durch sie gebildeten Zellen sind aus eben dem Grunde keine
Sporen, sondern Brutzellen, Gonidien. Wie darum Rees die
Hefe als einen Ascomyceten auffassen und zu den Ascomyceten
stellen kann, bleibt schlechterdings unverständlich; sie findet
systematisch ihre natürliche Stellung vor den Zygomyceten,
(wohin ich sie bereits früher gestellt habe).1) — Die Gomdien-
bildung im Innern der Hefezelle erfolgt durch simultane Thei-
lung des Protoplasmas, die Gonidien füllen die Mutterzelle völlig
aus. Nur dann, wenn die Hefezellen bereits länger zur Er-
regung der Gährung gedient haben, und hierdurch in ihrem
Inhalte geschwächt sind, wird die Bildung der Gonidien eine
mangelhafte und sie tritt schliesslich gar nicht mehr ein. Bei
einer mangelhaften Bildung füllen die Gonidien den Raum der
Mutterzelle nicht mehr völlig aus, es bleibt auch häufig ein Theil
des Protoplasmas zur Gonidienbildung nicht mehr verwendbar
zurück, mitunter in deutlichen Kuchen; ebenso sind dann auch
die Gonidien in den meisten Fällen von ungleicher Grösse.
Fälle dieser Art, die Rees offenbar beobachtet hat, machen den
i) Flora, 1873. Ueber Mucor racemosus und Hefe nebst Bemerkungen
über Systematik der Pilze.
Sitzung vom 16. März.
47
Eindruck einer Zellbildung, bei der das Protoplasma der Mutter-
zelle nur theilweise verwendet wird , die hiernach der Sporen-
bildung im Ascus bei manchen Ascomyceten ähnlich wird, ein
Umstand, der unbegreiflich genug, für Rees1) allein massgebend
war, die Hefe zu den Ascomyceten zu stellen. — Die verschie-
denen jetzt in der Cultur befindlichen Hefen sind als verschiedene
Culturracen aufzufassen, welche von der wilden natürlichen Hefe
abstammen. Die Hefe ist unzweifelhaft schon seit sehr langer
Zeit Culturpflarize und es bedarf nur geringer Erwägung, um
sich darüber klar zu werden, wie und wodurch sie zur Cultur-
pflanze geworden ist. Die Weingährung, die mit der in der
Natur vorkommenden Stammpflanze ausgeführt wird, beweist,
dass diese die gleiche Gährung erregende Kraft bereits besitzt,
wie die Culturhefe. Die Fähigkeit der Hefe, Gährung zu erregen,
gegobrene Getränke herzustellen, ist eben das Motiv, wodurch
die Hefe zur Culturpflanze wurde. Nichts kann näher liegen?
als die Beobachtung beim vergohrenen Weine, dass die Gährung
erregende Substanz der Absatz, die Hefe ist, die nach der Gäh-
rung zu Boden sinkt, denn sie vermag wiederum zuckerhaltige
Säfte in Gährung zu versetzen. Indem man diese nach Bedürf-
niss künstlich herstellte, wandte man zur Vergährung den Boden-
satz an, der sich beim Wein absetzte, und indem man ihn mit
Vortheil immer wieder verwendete und stets in rationeller Weise
verwendete, wurde die tiefe Culturpflanze, weit vor der Zeit,
ehe man auch nur eine Ahnung davon hatte, dass sie eine
Pflanze sei. Mit fortschreitender Cultur, mit fortschreitendem
Bedürfnisse nach verschiedenen geistigen Getränken wurde die
Verwendung des Satzes eine verschiedene, und je nach den ver-
schiedenen Lebensverhältnissen haben sich die verschiedenen
Racen der Hefe ausgebildet, die wir jetzt in unseren Culturen
besitzen. So leicht und naheliegend, wie es einst in weit zurück-
liegender Vergangenheit war, die Hefe zur Culturpflanze zu machen,
ganz ebenso leicht ist.es, sie jetzt noch jeden Augenblick von
Neuem in Cultur zu nehmen, weil sie mit der Eigenschaft aus-
gerüstet, die ihre Cultur bedingt, nämlich die alkoholische Gäh-
rung zu erregen, in der Natur allverbreitet vorkommt. Der
gährende Wein liefert hierfür das vorzüglichste Material und es
') Be es, Alkoholgährungspilze. Leipzig 18 70.
48 Gesellschaft naturforschender Freunde.
mag vorläufig dahin gestellt bleiben, ob es nicht für viele Fälle
der Gährungstechnik vortheilhaft sein kann, die Culturhefe zu
verlassen und zur wilden Stammpflanze von Neuem zurück zu
gehen.
Die Hefe kommt in der Natur allverbreitet vor, sie findet
sich in der Luft im Staube, namentlich auch auf den Blättern
and Früchten der Pflanzen äusserlich haftend, wohin sie durch
die Luft gelangt ist. Ueber der Ermittelung des Vorkommens
der Hefe in der Natur hat man aber den eigentlichen Stand-
ort, wo sie lebt und wächst, von dem aus eine so allgemeine
Verbreitung möglich ist, wie es scheint, ganz vergessen. Von
der Luft allein kann die Hefe nicht leben, ebensowenig bieten
ihr die Oberflächen der Blätter und Früchte die nothwendigen
Hülfsquellen zur Entwickelung; eindringen in diese Substrate
kann sie gleichfalls nicht, zahlreiche Versuche nach dieser Rich-
tung überzeugten mich hiervon, und der zufällig durch Platzen
der Zellen aus süssen Früchten austretende Saft gestattet nur
eine höchst dürftige Vegetation. Der Standort, der eigentliche
Bildungs- resp. Entwickelungsheerd der Hefe muss noth-
wendig ein anderer sein, und nach meinen vorläufigen \ ersuchen
habe ich Grund anzunehmen, dass sich die Sache folgender Art
verhalten dürfte. Es ist das natürliche Schicksal vieler Blätter
und Früchte, dass sie von Thieren und Menschen verzehrt wer-
den. Hierdurch wird die Hefe, die an der Oberfläche haftet,
in den thierischen Leib eingeführt. In diesem erleidet sie nicht
bloss keine schädliche, vielmehr eine günstige Beeinflussung ihrer
Entwickelung. Sie entwickelt sich, durch die Wärme begünstigt,
dort weiter und findet sich dem entsprechend in den Fäces der
pflanzenfressenden Thiere in Menge vor. In diesen schreitet die
Entwickelung fort, soweit es möglich ist, und von diesen geht,
später die Verbreitung aus, die durch die Luft stattfindet. Gerade
im thierischen Leibe walten auch die besonderen Verhältnisse ob,
unter denen der Ursprung der besonderen physiologischen Eigen-
schaften der Hefe, vornehmlich die Erregung der Gährung, allein
denkbar ist.
Die Verbreitung der Hefe von ihrem eigentlichen Bil-
dungsheerde aus geschieht sowohl in Form der gewöhnlichen
Sprosszellen als auch der Gonidien , je nachdem diese schnell
Sitzung vom 16. März.
49
oder langsam austrockneten, also Gelegenheit hatten zu fructi-
ficiren. An den Früchten etc. vorkommend hat Vortr. bis jetzt
zumeist ausgetrocknete gewöhnliche Hefezellen gefunden, nur
vereinzelt Sporangien mit Gonidien, die übrigens einzeln als
solche nicht zu erkennen sind; letztere dienen, wie Vortr. glaubt,
durch ihre längere Keimfähigkeit wesentlich zur Erhaltung
der Art. Vortr. hat hierüber mit gewöhnlichen Sprosszellen und
Gonidien der Hefe eine längere Versuchsreihe angestellt in der
Art, dass er diese in einem Wassertropfen vertheilt auf dem
Objectträger eintrocknen liess, und dann in kurzen Zeiträumen
auf ihre Keimkraft untersuchte. Die Sprosszelle der Culturhefe
hatte schon nach 14 Tagen, die der wilden Hefe nach 4 Wochen,
die Gonidien hingegen erst nach mehreren Monaten ihre Keim-
kraft verloren. Es ist hiernach selbstverständlich, dass auch die
über Blätter und Früchte verbreiteten Hefezellen mit der Zeit
an ihrer Keimkraft verlieren und schliesslich absterben werden;
daraus folgt aber weiter, dass sich die Früchte in Bezug auf
die an ihnen vorkommenden Hefezellen durchaus verschieden
von einander verhalten müssen. Zerdrückt man die einzelnen
Früchte, z. B. Trauben, um den Saft durch die Hefezellen gähren
zu lassen, welche au der Oberfläche Vorkommen, so wird sich
diese Verschiedenheit nun bezüglich der Gährung äussern. Die
Gährung des Saftes wird sehr bald eintreten, wenn keimkräftige
Hefezellen an der Oberfläche vorhanden sind , die sogleich aus-
wachsen; sie wird langsam eintreten, wenn sie in ihrer Keim-
kraft durch Austrocknen geschwächt sind; sie wird endlich gar
nicht eintreten, wenn sie abgestorben sind. Zahlreiche Versuche,
die Vortr. 2 Jahre hindurch mit Trauben von den verschiedensten
Standorten ausführte, gaben die beweiskräftigen Thatsachen für
diese Angabe. In der zerdrückten Traube, die bald an der Luft
wohl geschützt stehen gelassen, bald mit den Häuten unter Queck-
silber steigen gelassen wurde, trat entweder gar keine Gährung
ein , und in diesem Falle waren alle Hefezellen abgestorben,
oder sie trat in der Zeit von 4 — 14 Tagen ein, je nachdem die
zufällig vorhandenen Hefezellen mehr oder minder in ihrer Keim-
kraft gelitten hatten. Im letzten sehr trocknen Jahre waren die
Hefezellen an der Oberfläche der Traube meist abgestorben; die
zahlreichen Versuche ergaben, dass erst auf die je vierte Beere
keimfähige Hefezellen kamen.
50
Gesellschaft naturforschender Freunde.
In dem Mitgetheilten finden die früheren auf diesen Gegen-
stand bezüglichen Beobachtungen und Angaben verschiedener
Autoren ihre einfache und natürliche Erklärung, namentlich auch
eine neuere Untersuchung von Moritz Traube.1) Herr Tiaube
leitete aus Versuchen mit zerdrückten Trauben, in denen keine
Hefe zur Entwickelung kam, den Satz her, „dass sich ITefe-
keime in dem günstigsten Modus ohne freien Sauerstoff nicht
vermehren könnten,“ nachdem er unmittelbar vorher auf Grund
anderer Versuche den zweiten Satz ermittelt hatte, „dass ent-
wickelte Hefe sich ohne freien Sauerstoff von Eiweissstoffen
vermehren könnte.“ Da es jedem Botaniker bekannt sein dürfte,
dass Hefekeime2) und entwickelte Hefe ein und dasselbe sind,
nämlich einfache Hefezellen, so liegen hier als ein Resultat
wissenschaftlicher Forschung zwei Sätze vor, die in directem
Widerspruch zu einander stehen, deren einer das Gegentheil
aussagt von dem, was im anderen ausgesprochen ist. Wir sehen,
dass die Hefe in dem Traubensafte nicht zur Entwickelung kommt,
wenn die Zellen an der Oberfläche der Trauben abgestorben sind.
Einen Fall dieser Art hat Herr Traube bei seinem Versuche
vor sich gehabt, er giebt ausdrücklich an, dass Herr Cohn keine
lebenden Hefezellen finden konnte; sie konnten sich also nicht
vermehren, weil sie nicht da waren. Bezüglich des zweiten
Satzes wird es von vorn herein jedem Physiologen klar sein,
dass sich Hefezellen so wenig von Eiweissstoffen ohne freien
i) Moritz Traube: Ueber das Verhalten der Alkoholhefe in sauer-
stoffgasfreien Medien, vorgetragen von A. W. Hofmann in der Sitzung der
Deutschen Chera. Gesellschaft in Berlin, Berichte der Gesellschaft No. 11,
VII. Jahrgang. , _ _ _ . . n
2) Es ist allein denkbar, dass Hefegonidien als Hefekeime im Gegen-
satze zu gewöhnlichen Hefezellen zu deuten sind. Vortr. hat daraufhin mit
Hefegonidien, die er sich in der früher beschriebenen Weise m Menge rem
darstellte, zahlreiche und mühsame Versuche gemacht, um festzustellen, ob
sie sich in Beziehung auf das Bedürfniss an freiem Sauerstoff zur Vermeh-
rung der Zellen anders verhalten könnten. - Sie zeigten genau dieselben
Eigenschaften wie gewöhnliche Hefezellen, sie wuchsen in der nominalen
Menge freien Sauerstoffs aus, wie sie einer gewöhnlichen aus Marmor und
Salzsäure entwickelten Chlorsäure mit spurenbafter Verunreinigung beigemengt
sind- (man vergleiche hierzu meine ersten Mittheilungen über Alkoholgalirung,
Landw. Jahrbücher Jahrg. III Bd. I); es besteht also zwischen gewöhnlichen
Hefezellen und Hefegonidien, den irgend denkbaren Hefekeimen, nicht der
leiseste Unterschied,
Sitzung vom 16. März.
51
Sauerstoff vermehren können, wie ein Wagen zu laufen vermag,
der nicht geschoben wird. Versuche, aus denen ein solcher Satz
hergeleitet wird, müssen mit Nothwendigkeit höchst mangelhafte,
d. h. unrichtige gewesen sein. Von den drei Fällen, welche bei
zwei sich widersprechenden Behauptungen allein möglich sind:
dass entweder die erste oder die zweite oder endlich alle beide
unrichtig sind, trifft hier bei den Forschungen des Herrn Traube
der dritte zu, — seine zwei Sätze sind beide unrichtig.
Herr Bouche legte einen Stengel der Marunta bicolor Arrab.
vor und theilte unter Hinweisung auf einen früheren Vortrag
über den sogenannten 'Schlaf der Pflanzen mit, dass er auch an
verschiedenen Marantaceen ein Schlafen während der Nacht
wahrgenommen habe. Diese Erscheinung sei jedoch nicht bei
allen Pflanzen dieser Familie vorhanden , sondern nur bei ein-
zelnen, z. B. der M. bicolor Arrab., divaricata Rose., gibba Sm.,
Mackoyanu und roseo -picta Linden und wahrscheinlich einigen
anderen Arten zu finden. Das Schlafen mache sich dadurch
bemerkbar, dass sich gegen Abend die Stellung der Blattfläche
verändere, und finde die Bewegung derselben in der Anschwel-
lung des Blattstieles statt, jedoch seien die Erscheinungen des
Schlafens nicht bei allen Arten gleich. Am auffallendsten zeige
es sich an M. bicolor , deren Blattfläche sich gegen Abend und
während der Nacht fast senkrecht herabneige; ähnlich habe er
es auch an M. gibba und divaricata beobachtet. Maranta Macko-
yana und roseo -picta hingegen richten ihre Blattflächen gegen
Abend mehr auf und neigen sie gegen die Achse der Pflanze
zusammen. Aehnliche Symptome zeigen diese Pflanzen auch
bei Mangel an Wärme und an Feuchtigkeit des Bodens.
Ferner sprach derselbe über monströse Wurzelbildungen der
Eiche und Kiefer unter Vorzeigung derselben. Das Eichenwurzel-
Gebilde habe er von seinem Sohne aus dem grossen Garten bei
Dresden erhalten; es besteht aus mehreren über einander geleg-
ten, durch den Druck des Baumes aufeinander gepressten, voll-
ständig verwachsenen Wurzeln, so dass ein Gitterwerk mit rhom-
boidalen Maschen entstanden war. Derartige Bildungen kommen
dort häufiger vor und geben wahrscheinlich die eigenthümlichen
Bodenverhältnisse des grossen Gartens die Veranlassung dazu.
52 Gesellschaft naturforschender Freunde.
In geringer Tiefe unter der Oberfläche, die aus sehr festem
Lehm bestehe, sei ein sehr mächtiges Kieslager vorhanden, wo-
hin die Wurzeln nicht eindringen, und daher in horizontaler
Lage sich auszubreiten genöthigt seien. Dieser Umstand und
der Druck von oben sei wahrscheinlich die Veranlassung zu
dieser Erscheinung. - Das Kiefernwurzelgebilde sei auf einem
Fahrwege im Grunewalde gefunden; die Länge desselben betragt
1 m. und die Breite 0,5 m. Es zeigt ebenfalls eine Menge von
Verwachsungen einzelner Wurzeln, die durch das Ueberfa ren
mit Lastwagen gequetscht, sich vereinigt haben und ganz flach
bedrückt sind. Ein von demselben vorgelegtes Stammstuck von
Juniperus bermudiana von 20 cm. Durchmesser, welches ebenfalls
aus dem grossen Garten bei Dresden stamme, zeigt eine eigen-
thümliche knorrige Maserbildung, die dadurch entstanden ist
dass sich an einzelnen Stellen des Stammes viele Jahre hindurch
eine Unzahl von Adventivknospen bildeten, die aber nicht zur
Entwickelung gekommen sind, sondern nur einige Nadeln trie-
ben und dann wieder abstarben. Ein Beweis, wie unendlich
produktiv die Vegetation ist, und dass sich an allen Stellen der
Rinde, nicht allein da, wo ursprünglich Knospenanlagen vor-
handen waren, neue Zweige bilden können.
Endlich legte derselbe einige zur, Gattung Julus gehörige
und damit verwandte Thiere vor, die seit einiger Zeit in den
Gefässen für tropische Orchideen und dem darunter befindlichen
Erdreiche in grosser Zahl in dem Orchideenhause des botanischen
Gartens auftreten, und in Verdacht stehen, die Wurzeln der
Pflanzen abzunagen, was jedoch durch fortgesetzte Beobachtun-
gen zu bestätigen sei. Sie wurden zur weiteren Bestimmung
Herrn Prof. Dr. Gerstaecker übergeben.
Herr Gerstaecker erkannte in den von Herrn Bouche
lebend vorgewiesenen Myriopoden die Repräsentanten dreier Clulo-
gnathen- Gattungen: Julus , Blanniulus und Polydesmus und glaubte
dieselben gegen die Annahme des Herrn Bouche mit Bestimm t -
heit als einheimische Arten in Anspruch nehmen zu dürfen.
(Ein später vorgenommener näherer Vergleich hat die Rieh ig-
keit dieser Vermuthung bestätigt; die Arten haben sich a s et
besonders in Gartenerde häufig vorkommende Blanniulus gutta-
Sitzung vom 16. März.
53
latus Fab., als ein wegen Jugendlichkeit der Exemplare nicht
sicher zu bestimmender Julus spec. und als Polydesmus aculangu-
lus Menge erwiesen. G.)
Herr Ehrenberg erinnerte daran, dass Leeuwenhoek
seine folgenreiche Entdeckung der Belebung des Wassers durch
mikroskopische Aufgussthierchen (vergl. Ehrenberg, die In-
fusionsthierchen als vollendete Organismen, 1838, pag. 528) im
April 1675 gemacht und 1677 der Londoner Society of Sciences
mitgetheilt habe, und dass diese von ihm selbst später noch viel-
fach erweiterte Entdeckung in diesem Jahre ihre 200jährige
Weihe erhalte, so dass die Aprilsitzung dieser Gesellschaft ge-
eignet sei, dies speciell auszusprechen.
Herr Gerstaecker überreichte zum Schluss eine von ihm
auf Wunsch des Herrn Ministers für die landwirthschaftlichen
Angelegenheiten verfasste Brochüre über den neuerdings auch
in den politischen Zeitungen viel besprochenen „Kartoffel- oder
Colorado-Käfer“ ( Chrysomela decemlineata Say), welche in ihrer
allgemein verständlichen Abfassung darauf berechnet ist, die
Aufmerksamkeit des Laien diesem für die Vereinigten Staaten
Nord- Amerikas bereits verhängnissvoll gewordenen Insekt fin-
den immerhin möglichen Fall zuzuwenden, dass dasselbe durch
den Schiffstransport Europa übermittelt werden sollte. Mit Be-
zugnahme auf eine dem Text beigefügte Karte Nord - Amerikas,
welche die augenblickliche , sich auf etwa 50,000 Quadratmeilen
erstreckende Verbreitung dieses Kartoffelverwüsters versinnlicht,
machte der Vortragende einerseits auf den Umstand, dass die
ursprünglich auf einer wildwachsenden Pflanze ( Solanum rostra-
tum) fressende Larve erst mit dem Vorschieben der Cultur nach
Westen im Colorado -Territory und im Staat Nebraska auf die
angebaute Kartoffel übergegangen sei, andererseits auf ihr rapides
Vordringen in östlicher Richtung bis zu den atlantischen Küsten
aufmerksam. Eine Ueberführung des Feindes nach Europa mit
eingeernteten und in Säcken verpackten Kartoffeln, auf welche
wiederholt in öffentlichen Blättern hingewiesen worden, sei nach
der Lebensweise desselben allerdings nich t zu befürchten; wohl
aber liege, da er in grossen Schwärmen nach Osten ziehe und
54 Gesellschaft naturforschender Freunde.
solche erfahrungsgemäss oft selbst auf weite Strecken in das
Meer kinaustliegen, die Gefahr vor, dass die bis in die Hafen
von Baltimore, New -York u. s. w. vordringenden und sieb auf
die Schiffe niederlassenden Käfer den deutschen Seeplatzen aut
diesem Wege übermittelt würden. Da angestellte Versuche er-
geben haben, dass der Käfer selbst ohne alle Nahrung Wochen
lang am Leben bleibt, werde er auch eine zwei- bis dreiwöchent-
liche Seereise unbedenklich Überstehen. Auf den zwischen den
deutschen Häfen und Nord-Amerika cursirenden Schiffen, so wie j
auf den Rhedereien und Hafen-Lokalitäten der deutschen Küsten
sollen daher zu seiner Abwehr Plakate, welche eine Abbildung
des Käfers und seiner Larve auf dem von ihnen besessenen
Kartoffelkraut an ihrer Spitze tragen, ausgehängt werden.
Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen-.
Monatsbericht der Berliner Akademie der Wissenschaften. Sep-
tember und November 1874.
Schriften des botanischen Gartens zu St. Petersburg. 1874
Verhandlungen des naturforschenden Vereins zu Brunn, bd. Ml,
Heft 1. 2. 1873. . , ,
Verhandlungen des naturhistor. Vereins der Preuss Rheinlan
und Westphalens. Jahrg. 31. (4. Folge, 1. Jahrg.) 1874.
Nature. Vol. X. No. 277. London 1875.
Deutsche Entomologische Zeitschrift. Jahrg. 19, Heft 1.
Der Kartoffelkäfer (Chrysomela decemlineata). Im Aufträge des
Königl. Preuss. Ministeriums für die landwirtschaftlichen n-
gelegenh eiten herausgegeben. Mit Abbildung in Farbendruck
und einer Karte. Berlin, 1875. 8.
W. Schade’s Buchdriiekerei (L. Schade)
in Berlin, Stallsclireiberstr. 4< .
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
vom 20. April 1875.
Director: Herr von S tramp ff.
Herr Ehrenberg gab, in Uebereinstimmung mit der in der
letzten Monats-Sitzung gegebenen Anregung, eine weitere Nach-
richt über die in Holland beabsichtigte Feier zum Andenken an
Leeu w enhoek’s einüussreiche Entdeckung der dem natürlichen
Auge verborgenen kleinsten Lebensformen im Wasser, welchen
die Entdeckung der Spermotozoen folgte. Auf dem Tische lagen
Leeuwenhoek’s holländische Original-Werke in 4 Quartbänden
als das ehrende Denkmal, welches er sich selbst gestiftet hat.
Während das erste Jahrhundert ohne wichtige Fortbildung von
Leeuwenhoek’s Errungenschaften und ohne befriedigende all-
gemeinere Anerkennung geblieben, aber doch bereits Leibnitz
in seiner 1683 concipirten, aber erst nach seinem 1716 erfolgten
Tode publicirten ^Prologaea“ , den gründlichen, von phantasti-
schen Phrasen sich freihaltenden Beobachter auszeichnet, haben
sich seitdem diese Entdeckungen in grossem Umfange verwerthet.
Es wurde an das Zwiegespräch zwischen Leibnitz und Leeuwen-
hoek nach dem Tode Beider erinnert, welches vom Vortragenden
1846 in seiner Erinnerungsrede an Leibnitz hervorgehoben
worden ist. Darauf wurde die neueste Biographie Leeuwen-
hoek’s von Herrn Haakmann in Rotterdam in holländischer
Sprache vorgelegt, worin besonders auch über sein Verhältniss
als Kastellan des Schöppengerichts zu Delft Erläuterungen ge-
5
56 Gesellschaft naturforschender Freunde.
geben worden sind. Offenbar war seine Kastellanstelle beim
Magistrate nur eine Sinekure, wie auch die seiner Aufsicht über
einen Theil der Kanäle nur eine Sinekure war, die ihm einen
sehr kleinen Theil seiner Privatausgaben für die eigene so wich-
se Anfertigung seiner optischen Instrumente ersetzte. Dass
Leeuwenhoek sich lieber unabhängig als durch Gehalt gefesse t
liebte, hat er selbst; an Leibnitz geschrieben, auch dass er
ehrenvolle Anträge abgelebnt habe und dass er sich des Besuches
hochstehender Männer und, Fügten, öfter erfreute. Dass .et 'in
Hall er ’s Physiologie als Brillenmacher (conspicillorumfabncato,)
erwähnt wird, ist, da er nur für sich selbst, nicht für An er
Glaslinsen verfertigte, unrichtig. Seine Unkenntnis der latem
sehen Sprache hat seiner autodidaktischen Entwickelung keinen
Schaden gethan.
Schon vor seinen wichtigen Entdeckungen war Leeuwen-
hoek durch seine feinen anatomischen Pflanzenuntersuchungen
mit dem ruhmvollen Botaniker Nehemias Grew and mit der
Londoner Societät der Wissenschaften in wissenschaftlicher ehren-
voller Verbindung-. Die Abschrift eines Briefes in holländischer
Sprache vom 3. Mär* 1716 an Leibnitz, welchen der Vor-
tragende durch Herrn. Grotefend’s Güte erhalten und 1846
zu seiner Erinnerungsrede auf Leibnitz benutzte, wurde samm
diesem Vorlage selbst vorgelegt. Da die vor 37 Jahren (siebe
die Infusionsthiereben als vollendete Organismen Ehrenberg
1838 p. 520) von mir publicirte Entdeckung der Ammalcula im
Frühlinge des Jahres 1675, wie sie aus Leeuwenhoek s ver-
öffentlichten Schriften hervorgegangen war, mit der im Herbste
desselben Jahres angeblich erfolgten Entdeckung nicht im Ein-
klänge steht, so. ist zu hoffen, dass die Festerläuterungen, diesen
an sich geringfügigen Gegenstand durch die neueren Unter-
suchungen der Originalschriften ausgleichen werden Die ersten
von. Leeuwenhoek entdeckten mikroskopischen Thierchen habe
ich schon 1838 1. c, in der Vorrede p. VII als wabrscheinlic
Vonticella convallaria, Stylonichia Mytilus, Leucophrys fpynfornns)
und. Trichodina grandinella bezeichnet.
Hierauf übergab der Vortragende einen Abdruck seines Au -
aatzes über die Sicherung der Objectivität der selbstständigen
mikroskopischen Lebensformen und ihre,r, Organisation durch eine
Sitzung vom 20. April.
57
zweckmässige Aufbewahrung und legte 20 fertige Tafeln vor,
welche den mikroskopischen Lebensgehalt des Polycystinen-Mergels
als Gebirgsmasse von Barbados darzustellen bestimmt sind^ deren
Zeichnungen bereits 1847 gefertigt wurden.
Herr Magnus sprach über die Familie der Melampsoreen.
Man kennt von diesen Uredineen bisher nur die Fruchtformen
der Stylosporen und Teleutosporen. Die Stylosporenlager sind
dadurch ausgezeichnet, dass sie entweder nur Paraphysen führen,
wie Melampsora salicina, oder zusammen mit den Paraphysen von
einer Peridie umschlossen sind, wie bei Mel. populina , M. Lini
M. Euphorbiae u. a. ; oder die Stylosporenlager sind klein, punkt-
förmig, haben keine Paraphysen zwischen den Sterigmen und
sind nur von einer Peridie umschlossen, so bei M. guttata Schroet.,
M. Epilobii , Melampsorella Caryophyllacearum , der Gattung Cro-
nartium u. a. ; bei der Gattung Calyptospora endlich findet keine
Bildung von Stylosporen statt.
Die Verschiedenheiten der Gattungen liegen in der Bil-
dung der Teleutosporenlager. Bei allen Melampsoreen sind
die Teleutosporen mit einander zu flachen , krustenförmigen
Lagern oder zu einem Säulchen verwachsen. Bei der Gattung
Melampsora s. str. werden die Teleutosporenlager intercellular
zwischen der Epidermis und der darunter liegenden Parenchym-
schicht, oder zwischen letzterer und der darunter befindlichen
Parenehym8chicbt, seltener noch tiefer, angelegt und sind
aus einzelligen, meist lang cylindrischen , mit einander zu
flachen Lagern verwachsenen Teleutosporen gebildet. Hierzu
gehören voh den vom Vörtr. untersuchten Arten M. salicina ,
M. populinä, M. Lini und M. Euphorbiae. In dieselbe Gattung
wurden bisher von den Mycologen auch M. Epilobii (Chaill.) und
M. areolata Fr. gestellt. Aber die Eigenthümlichkeiten der
Teleutosporen dieser Arten gebieten, sie aus der Gattung Melam-
psora zu entfernen. Bei M. Epilobii (Chaill.), die Vortr. 1873
bei Wiesbaden reichlich auf deh Stengeln von Epilobium roseum
antraf, werden die Teleutosporenlager ebenfalls intercellülar
zwischen der Epidermis und der darunter befindlichen Parenchym-
schicht oder etwas tiefer angelegt; doch wird jede Teleutospore
durch Längswände in zwei oder mehr Fächer getheilt. Atif
5*
Gesellschaft naturforschender Freunde.
58
Grund dieser zwei- bis mehrfächerigen Teleutosporen betrachtet
Vortr diese Art als Repräsentantin einer neuen Gattung, die er
Phragmopsora nennt, mit der Art Phr. Epilobii (Chaill.).
Die Melampsora areolata Fr. fand Vortr. 1874 sehr viel auf
den Blättern von Prunus Padus bei Berchtesgaden und Linz
Bei dieser Art durchbohren die Hyphenenden , aus denen sich
die Teleutosporen entwickeln, die untere Wand der Epidermis-
zellen wachsen in dieselben hinein und bilden sich dort zu den
Teleutosporen um; diese werden ebenfalls, wie hei Phragmopsora
durch Längswände in mehrere Fächer, meistens 4—7, getheilt.
Vortr. betrachtet daher diese Art ebenfalls als Repräsentantin
einer neuen Gattung, die er Thekopsora nennt. Thekopsora unter-
scheidet sich also von Phragmopsora durch die intracellulare i -
düng der Teleutosporen. In dieser läuteren Hinsicht .«mm. «e voll-
kommen überein mit der von J. Kühn in der Hedwig.. 1869, p. 81
aufgestellten Gattung Calyptospora. J. Kuhn und Schroeter
batten ihr bereits ihre richtige systematische Stellung angewiesen,
während Vortr. früher hauptsächlich wegen der bei den Dredtneen
SO seltenen Längstheilung der Sporen in Fächer ihre Verwandt-
schaft gänzlich verkannte (vgl. Bot. Zeitung 1871, Sp. 0 ).
Calyptospora stimmt, wie gesagt, in der Teleutosporenbildung
vollkommen mit Thekopsora überein, unterscheidet sich aber von
letzterer durch das Fehlen der Stylosporen-Fructiftcation. Ausser-
dem weicht sie noch biologisch beträchtlich von den anderen
Gattungen ab; während Calyptospora nur auf den angeschwolle-
nen Pardeen des Stengels auftritt und nie auf den Blattern vor-
kommt, zeigen sich Thekopsora , Phragmopsora und Melampsora
stets nur fleckenweise, und kommt Thekopsora nach den Erlah-
rungen des Vortr, nie auf den Stengeln vor, während Phragmopsora
und wenigstens mehrere Arten von Melampsora fleckenweise auf
Blättern und Stengeln auftreten.
In der Hedwigia 1874, p. 81 hat Schroeter die von ihm
entdeckte Gattung Melampsorella beschrieben. Bei dieser ent-
wickeln sich die Teleutosporen ebenfalls innerhalb der Epidermis-
zellen und bleiben ungeteilt, wie bei Melampsora. Durch ihre
farblose Wandung weichen sie von denen der anderen Gattungen
ab Ausserdem ist Melampsorella noch sehr ausgezeichnet durch
ihr biologisches Verhalten. Die Teleutosporen werden erst im
!
Sitzung vom 20 . April.
59
kommenden Frühjahre vom Mycelium der Stylosporenlager ge-
bildet und treten auf den ganzen Blättern einer kurzen Stengel-
region auf. Endlich ist hier noch anzuführen die Gattung Cro-
nartium , bei der die Teleutosporen zu einem sich mitten aus dem
Stylosporenlager erhebenden Säulchen verwachsen sind.
Wegen Mangels an Material konnte Yortr. leider manche
Arten der alten Gattung Melampsora nicht untersuchen und da-
her kein Urtheil über ihre systematische Stellung gewinnen, was
er namentlich von Melampsora guttata Schroet. und M. Hypericorum
bedauert. Aus demselben Grunde kann er nicht angeben, ob
die am Eingänge auseinandergesetzten Verschiedenheiten der
Stylosporenlager mit den nach den Verschiedenheiten der Teleuto-
9porenlager gewonnenen Gattungen zusammenfallen. Nur möchte
er schon hier hervorheben, dass bei allen von ihm untersuchten
Arten der Gattung Melampsora in seiner Begrenzung die Stylo-
sporenlager stets Paraphysen führen, so bei Melampsora salicina,
M. populina, M. Euphorbiae und M. Lini ; diese Stylosporenhaufen
sind entweder von Peridien umgeben oder nicht; sie sind meist
flockenförmig und rollen sich die Ränder der weit geöffneten
Peridien am Rande zurück; eine Ausnahme davon macht nur
Mel. betulina Desm., deren Stylosporenbaufen klein, punktförmig
sind und von einer sich nur am Scheitel mit einem kleinen
Ostiolum öffnenden Peridie umgeben sind; doch führen auch diese
kleinen Stylosporenhaufen nach Tulasne Paraphysen.
Bei den anderen Gattungen hingegen sind die Stylosporen-
haufen stets klein punktförmig und von einer sich nur am Scheitel
mit kleinen Ostiola öffnenden Peridie umgeben und führen
keine Paraphysen. Melampsora betulina bildet daher in ihren
Stylosporenlagern einen Uebergang von Melampsora zu den an-
deren Gattungen.
Betrachten wir kurz die oben auseinandergesetzten Gattungen
der Melampsoreae mit zu flachen , krustenförmigen Lagern ver-
wachsenen Teleutosporen, so lassen sie leicht ihre natürlichen
verwandtschaftlichen Beziehungen zu einander recht anschaulich
erkennen. Bei der artenreichsten Gattung Melampsora sind die
Teleutosporen intercellular und ungetheilt. Von hier aus gelangen
wir einerseits zu Melampsorella , wo die Teleutosporen ungetheilt
bleiben, aber intercellular gebildet werden, andererseits zu Phra-
60 Gesellschaft naturforschender Freunde.
gmopsora, wo sie intercellular bleiben, aber durch Längswände
mehrfächerig werden. Von Phragmopsorn gelangen wir zu
Thekopsora und Calyptospora dadurch, dass die Bildung der mehr-
fächerigen Teleutosporen erst an den Epidermiszellen statthat.
Wir erhalten demnach folgendes Tableau der Verwandtschaft
dieser Gattungen:
Melampsora
Teleutosporen, ungetheilt, intercellular.
Melampsorella
Teleutosp , ungetheilt,
intracellular. Thekopsora
Teleutosp. mehrfäche-
rig intracellular. Sie
treten fleckenweise auf.
Ihnen gehen Stylo-
sporenlager voraus.
Phragmopsora
Teleutosporen, mehrfächerig, intercellular.
Calyptospora
Teleutosp. mehrfäche-
rig intracellular. Sie
überziehen die ganze
Fläche des angeschwol-
lenen Sten geltheiles;
nhnp St.vloSDOren.
Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen:
Lotos, Zeitschrift für Naturwissenschaften Prag, Jabrg. 23.
Monatsbericht der Berliner Akademie d. Wissenfech. December
1874
Register zu den Monatsberichten d. Akad. d. W. von 1859 —
1873
Sur les couleurs accidentelles öu subjectives par Plateau , Bruxelles
1875.
Sitzungs^Be rieht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
vom 18. Mai 1875.
Director: Herr von Strampff.
Herr Gustav Fritsch berichtete über seine Beobachtungen
hinsichtlich der sogenannten „Giftwanze von Mianeh“ ( Argas
persicus ) gelegentlich der jüngst verflossenen Expedition zur
Beobachtung des Venusdurchganges in Ispahan. Es wird in den
Reiseberichten besonders der älteren Autoren diesem Thier eine
ganz bedeutende Giftigkeit zugeschrieben, der Art dass Reisende,
welche im genannten Orte nur eine Nacht zubrachten, binnen
wenigen Stunden an den Bissen des Insectes zu Grunde gehen
sollten. Als ein Völksmittel gegen den tödtlichen Effect der
Bisse wurde empfohlen, die Gebissenen alsbald am Morgen in
die Haut einer frisch geschlachteten Kuh zu rollen und darin
längere Zeit verweilen zu lassen.
Neuere Reisende bestätigten, dass diese Zecke auch jetzt
noch im Lande allgemein gefürchtet wird und den Mianeh passiren-
den Fremden gefährlich sei, Einheimischen dagegen Nichts
anhabe; es fanden sich aber auch Stimmen, welche die ganze
Sache für eine Fabel erklärten. Die Expedition besuchte zwar
nicht die Stadt selbst, aber hatte doch Gelegenheit in der Nach-
barschaft Erkundigungen einzuziehen , die Thiere noch frisch
zu erhalten und über eine verwandte Species eigene Erfahrungen
zu sammeln. Als das Resultat dieser Forschungen ergab sich,
62 Gesellschaft naturforschender Freunde.
dass die Giftigkeit des Argas nicht bezweifelt werden kann.
Eine als viel ungefährlicher angesehene verwandte Species, unter
welcher die Mitglieder der Expedition in Patschenar am Sefid
M ” leiden hatten, veranlass bei den Gebissenen kle,ne
schmerzhafte Beulen, von denen bei einem der Reisenden eine
hefüge Zellhautentzündung der Hand und des Armes ausging,
ein Unglück, welches den Herrn zum zweiten Mal nach einem
enthalt von wenigen Stunden am Orte (ebenso wie früher) ere *.
Im Unterschiede von der Mianeh- Zecke wirf« das “ *
sehr ähnlich aussehende Thier als die gewöhnliche Sch a afz eck
bezeichnet und scheint in Persien eine grosse Verbreitung zu
haben; sie befällt allerdings vornehmlich Schafe, doc wir 1 .e
gefürchtete Verwandte ohne Zweifel auch die Haussiere befallen.
Ob der richtige Argas persicus nicht gleichfalls viel verbreitecr
ist als im Allgemeinen angenommen wird, bleibt da ^ ’ b
Angaben gehen als Regel dahin, dass er sich nur in Miane
Turkomanschei , sowie einigen Orten der unmittelbaren Nac -
barschaft fände. Ein viel in Persien herumgereister unterrichteter
Herr behauptete indessen, das Thier sei keineswegs verschieden
von einer durch den ganzen Südwesten Persiens verbreiteten
Art welche er als die Saumzecke -bezeichnte ein Name,
der’ auch für den Argas persicus in Anspruch genommen
wird und sich auf den etwas aufgeworfenen Saum des platten
rundlichen Körpers bezieht. Wie andere Zecken sind diese
Arten im hungernden Zustande dünn, Bach und besonders die
Mianehwanze“ zeichnet sich dabei durch ihr durchscheinendes
Insehen aus; ein Theil der frisch übersandten “w
sich in diesem Zustande, ein kleinerer war leicht gewölbt,
Körperinhalt erwies sich als dunkles Blut. Sie stammten aus
einem Pferdestall in Mianeh, an welchen Local. taten sie siet
„em hinter dem gelockerten Kalkanwurf der Wände aufhaL .
Ist wirklich die Verbreitung der Art eine so viel grossere a s
gewöhnlich angenommen wird, so fragt es «ich,^ _
Gerade an den genannten Localitäten zu einer so traurigen d
ge,a„gt? und — i,e ba.
reellen Grund und ist diese hierin so viel giftiger als die
wandten Arten? Als Antwort auf diese Fragen muss der Vor-
tragende die Ueberzeugung aussprechen, dass es die eigen
Sitzung vom 18. Mai.
63
liehe Beschaffenheit der Oertlichkeit ist, wodurch
der jeden falls giftige Argaspersicns gefährlich wird.*)
Die Niederungen am oberen Lauf des Sefid Rud , in denen
Mianeh und Turkomanschei liegen, sind mit endemischen Malaria-
Fiebern behaftet, die fast nirgends im nördlichen Persien einen
so gefährlichen Charakter annehmen als gerade dort, so dass
Fälle vom richtigen pernieiösen Fieber keineswegs selten sind.
Es scheint nun, dass die Aufnahme von septischen Stoffen
in das Blut und die allgemeine Irritation des Körpers, wie sie
den häufigen Bissen der Mianeh -Zecke jedenfalls folgt, den
Grund abgeben für eine grössere Inclination der Gebissenen zu
den herrschenden Malariafiebern, und sich so die eine Schädlich-
keit mit der andern zur Steigerung des Effectes verbindet. Es
erklärt sich auf diese Weise auch, warum die Einheimischen,
welche gegen den Einfluss der Malaria abgehärtet sind, von den
eventuellen Bissen des Argas keine üblen Folgen verspüren;
auch Europäer, deren Aufenthalt im Lande bereits nach Jahren
zählte, pflegten gleichgültig gegen diese Gefahr zu sein, wenn
sie selbst zum längeren Aufenhalt in Mianeh veranlasst waren.
Es kommt aber hierzu, dass auch gerade der durchreisende
Fremde den Bissen des Insektes bedeutend mehr exponirt ist
als der Ortsangehörige. Der Grund dafür liegt in den Wohnungs-
verhältnissen; der erstere ist gezwungen sein Nachtquartier in
einer schmutzigen Karawanserei oder Schapparchane (Courier-
station) aufzuschlagen, d. h. in Localitäten, welche in der That,
viel mehr für die Lastthiere als für die Menschen angelegt sind,
und in denen es natürlich von allerlei Ungeziefer wimmelt; der
ansässige Perser wohnt dagegen in leicht gebauten, aber meist
weitläufigen Lehmhäusern , wo es ihm nicht schwer wird , sein
Vieh genügend abzusondern, um von den Parasiten desselben
nicht belästigt zu werden.
Was nun endlich die Behandlung anlangt, so leuchtet ein,
*) Eine hiermit übereinstimmende Ansicht ist auch von mir in Virchow’s
Archiv f. pathol. Anat. Bd. XIX, p. 463 f. bei Gelegenheit einer Mittheilung
über den Argas reflexus Latr. (a. a. 0. p. 456 ff. u. Sitzungsbericht d. Ge-
sellsch. naturforsch. Freunde v. 17. Januar 1860, p. 2,) ausgesprochen worden.
Gerstaecker.
5**
64
Gesellschaft naturforschender Freunde.
dass bei Complication von Malariafieber mit den Wirkungen der
Bisse dies selbst in die erste Linie zu stellen ist und also die
Darreichung von Chinin indicirt ist; herrschen locale Erschei-
nungen vor, so hat man sich gegen diese zu wenden. In dem
oben angedeuteten Falle in Patschenar, wo die Zellhautentzündung
sich bereits sehr schnell entwickelte, wurden wiederholte Inunc-
tionen von grauer Quecksilbersalbe mit Erfolg angewendet; auf
frische Bisswunden würde sich jedenfalls die Application von
Ammoniak empfehlen.
Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen:
Monatsbericht der Berliner Akademie der Wissenschaften. Ja-
nuar und Februar 1875.
Abhandlungen des naturwissensch. Vereins zu Bremen. Band 4,
Heft 2. 3, nebst Beilage No. 4.
Bulletin de la Societe des Naturalistes de Moscou 1874, No. 3.
Abhandlungen der naturforsch. Gesellscb. zu Görlitz. Bd. 15.
Verhandlungen des botanisch. Vereins der Prov. Brandenburg,
Jahrg. 16.
A. W. Sch ade ’s Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 47.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
vom 15. Juni 1875.
Director (in Vertretung): Herr Ehrenberg.
Herr von Martens machte eine vorläufige Mittheilung
über die zoologischen Sammlungen, welche von den Naturfor-
schern und Aerzten von Sr. Maj. Schiff Gazelle auf der Ker-
guelen-Insel im verflossenen Winter gemacht wurden, soweit
dieselben bis jetzt auf dem Zoologischen Museum zur Untersu-
chung gelangt sind. Zunächst hob derselbe hervor, dass durch
Einsendung der Bälge und Schädel verschiedener Robbenarten,
sowohl einer wissenschaftlich neuen Art von Pelzrobben (Arcto-
phoca gazella Ptr.), als des sogenannten See-Elephanten ( Ma -
crorhinus leoninus L.) und See-Leoparden ( Stenorhynchus lepto-
nyx Blv.), worunter einzelne von beträchtlicher Grösse, eine
wesentliche Lücke im hiesigen Museum ausgefüllt ist. Von Vö-
geln sind mehrere Pinguinarten und die ebenfalls für die süd-
lichen kälteren Meere charakteristische Gattung Chionis mit einer
für unsere Insel eigenen Art, Ch. minor , zu erwähnen. Von
wirbellosen Thieren wurden namentlich mehrere Mollusken und
Crustaceen hervorgehoben und vorgezeigt, und zwar einerseits
solche, welche zu Gattungen gehören, die bisher als charakte-
ristisch für die nordischen Meere galten, so Arten der Isopoden-
gattung Arcturus und der Meerschneckengattung Margarita , an-
dererseits solche, welche den südlichen kälteren Meeren eigen-
thümlich sind, so eine Art der Spatangiden - Gattung Tripylus,
6
66 Gesellschaft naturforschender Freunde.
eine einigermassen an Trilobiten erinnernde Serolis und eine
neue Art der Schneckengattung S trut hio laria , welche sich
durch ihre Sculptur (gebogene Vertikalrippen anstatt der Knöt-
chen) leicht von den bis jetzt bekannten Arten, die sämmtlich
in Neuseeland oder Neuholland zu Hause sind, auszeicbnet und
daher Str. costulata heissen mag; sie wird bis 41 Millimeter
lang, wovon die Mündung 24 einnimmt, ist dünnschaliger als
die anderen Arten, einfarbig und ihre zarte hellbräunliche Scha-
lenhaut löst sich leicht ab, so dass auch frisch gefangene Exem-
plare unansehnlich, matt weiss, wie verwittert aussehen , wie
das bekanntlich auch bei hochnordischen Meerschnecken olt der
Fall ist. Die einzige bis jetzt von der Kerguelen-Insel bekannte
Landschnecke, Helix Hookeri , zunächst mit der neuseeländischen
Gruppe Charopa und der chilenischen Stephanoda verwandt,
liegt auch in mehreren Exemplaren vor; namentlich ist sie auch
zwischen den eingesandten Moosen (Arten der Gattung Hypnuni)
von unserm Mitglied Prof. A. Braun aufgefunden worden.
Endlich sind auch einige Insekten*) von der Kerguelen-Insel
eingeschickt worden.
Herr Hartmann sprach über die bekannten recenten
Arten der Gattung Hyaena. Die charakteristischen Eigentüm-
lichkeiten der Species H. striata , crocuta , fusca ( s . brunnea , s.
villosa ) wurden ausführlich erörtert, auch wurde auf das exces-
sive Variiren dieser Formen an Grösse, Gestalt und Farbe auf-
merksam gemacht. Von H. striata sieht man einzelne alte
Männchen von bedeutender Grösse und sehr zottiger Behaarung.
*) Die eingesandten Insekten sind: 1) eine kleine beinfarbige Lepido-
pteren-Larve, von cossusartigem Habitus und über den Rücken hin mit stär-
ker chitinisirten Querwulsten und Schwielen, welche vereinzelte, starre Bor-
sten tragen, versehen. 2) Zwei Arten der Curculionen- Gattung Phyllobius.
3) Ein völlig flügelloses Dipteron aus der Abtheilung der Muscina acahjptera,
der Oeellen und des Scutellums entbehrend, mit verlängerten Mittel- und
Hinterbeinen, welche gleich den vorderen und dem mit breiter Basis ent-
springenden Hinterleib völlig borstenlos sind; nach der Kopf- und Fühler-
bildung anscheinend den Ephydrinen zunächst verwandt und unzweifelhaft
ein Strandbewohner. 4) Eine Art der Philopteriden-Gattung Lipeurus.
Gerstaecker.
Sitzung vom 15. Juni.
67
Ein solches Thier wurde 1872 z. B. in der Kreuzberg’schen
Menagerie zu Berlin lebend ausgestellt. Dasselbe stammte, den
Erkundigungen des Vortragenden zufolge, aus „Obernubien“.
Ein anderes riesiges Exemplar, mit vielen dichtstehenden dunk-
len Querbinden auf fahlgrauem Grunde gezeichnet, findet sich
im Hofburgkabinet zu Wien mit der Bezeichnung „aus Abys-
sinien“. J. Bruce of Thinnaird schildert indem naturhisto-
rischen Anhänge zu seiner denkwürdigen Reisebeschreibung eine
Hyäne von Atbarah (heutige Provinz Taqa) als 5 Fuss 9 Zoll
lang, 112 Pfund schwer, gelbbraun gefärbt, mit breiten, sehr
dunklen Streifen. Ueber ähnliche grosse Hyänen Kordufan’s
berichten Russegger und Heuglin. Auch Vortragender hörte
davon erzählen. Diese Thiere erinnern an die oben genannten
Exemplare der H. striata. Auch H. crocuta kommt in mächti-
gen , der H. spelaea kaum nachstehenden Exemplaren vor.
Schreiber dieses sah zu Kharthum Schädel einiger von dem be-
kannten Jäger Florian Muche am Khor-el-Gasch und am
Setit erlegter alter männlicher „gefleckter“ Hyänen, welche
durch ihre Dimensionen in Erstaunen setzten. Auch die vom
Tischler Schiller, einem der Gefangenen von Magdala, um
Monkullo, Eiles und in Ost-Semien geschossenen männlichen
gefleckten Hyänen haben gewaltige Kranien mit zum Theil bis
zum Halse abgekaueten Zähnen, welche denen von H. spelaea
ebenfalls kaum etwas nachgeben. Im Zoologisk Have zu Ko-
penhagen befand sich 1874 ein durch Grösse ausgezeichnetes
schönes Exemplar der Art lebend. Manche Individuen von H.
crocuta haben eine sehr zottige, an diejenige der H. villosa er-
innernde Behaarung. Ihre Flecken ordnen sich zu Streifen,
deren Längenausdehnung allerdings hier und da durch grössere
und geringere Lücken unterbrochen wird. Derartige Individuen
konnten einem Rueppell Veranlassung zu der Annahme geben,
H. fusca sei möglicherweise nur eine Varietät der H. crocuta.
Indessen möchte Vortragender der H. fusca oder villosa , deren
Vorkommen auch in Innerafrika übrigens thatsächlich verbürgt
erscheint, aus anatomischen und anderen Gründen die Artselbst-
ständigkeit sichern. In der Zeichnung des Felles ähnelt dieselbe
durchgängig mehr der H. striata als der crocuta. Auch von ihr
giebt es einzelne mächtig entwickelte Individuen, namentlich aus
6*
68
Gesellschaft naturforschender Freunde.
Südafrika. Ein wahres Prachtexemplar, von Wahlberg er-
worben, findet sich in dem so reichhaltigen nnd schön geord-
neten zoologischen Museum zu Stockholm. Andere lebende
Exemplare konnte Vortragender im zoologischen Garten zu Ber-
lin und in Kreuzberg’s anerkannt vortrefflicher Menagerie
beobachten. Auch in osteologischer Beziehung stand ihm reich-
haltiges Material zur Verfügung. Genauere Mittheilungen hier-
über werden in einer baldig erscheinenden selbstständigen Ar-
beit publicirt werden.
Derselbe sprach ferner über das Aeussere und den anato-
mischen Bau des Simir, Worabesa oder gemalten Hundes ( Canis
pictus). Auf der nordostafrikaniscben Reise mit diesem sehr
wilden und energischen Vertreter der hundeartigen Raubthiere
in nur vorübergehende Berührung getreten, fand Vortragender
später Gelegenheit, die flüchtigen, mehr poetischen Eindrücke
einer gelegentlichen Begegnung par distance auf dem directen
Wege der Beobachtung des Lebendigen und Todten neu aufzu-
frischen. Abgesehen von der Anschauung, welche lebende ge-
fangene Canis pictus in Afrika selbst darboten, waren es na-
mentlich die Exemplare der Hamburger und Berliner zoologi-
schen Gärten, welche Schreiber dieses vielen Stoff zu genauerer
Forschung gewährten. Im Herbste 1873 erlagen die aus den
transvaalschen Gebieten Südafrikas stammenden Exemplare
des zoologischen Gartens zu Berlin sehr verbreiteten tuberku-
lösen Lebergeschwüren. Der Director jenes grossartigen Eta-
blissements, der wissenschaftliche Bestrebungen in so höchst
zuvorkommender, liberaler Weise fördernde Dr. Bodinus, ver-
schaffte dem ihm befreundeten Vortragenden Gelegenheit, das
Männchen und ein Weibchen des dahingestorbenen Kleeblattes
zu obduciren und deren Myologie und Osteologie zu studiren.
C. pictus wird gewöhnlich für ein Mittelding von Hyaena und
Canis betrachtet. Der Leib des Thieres macht, sieht man von
dem bunten Colorit des Felles ab, in der That entschieden den
Eindruck eines etwas schlecht genährten struppigen grösseren
Hundes. Dem Kopf dagegen verleihen die langen, breiten Ohren,
die schwärzliche, abfällige Schnauze und das tückisch -wilde
dunkle Auge etwas unverkennbar Hyänenartiges. Vortragender
liess den Kopf des Männchens nach dem Kadaver in Gips ab-
Sitzung vom 15. Juni.
69
formen; der leider durch einen unglücklichen Zufall zerstörte
erste Abguss gewährte mit seinen gleichförmig weissen, des
charakteristischen Schwärzlich entbehrenden Partieen den Ein-
druck, als habe man es hier mit einem grossobrigen Schäfer-
hunde oder gar Wolfe zu thun. Der Skeletbau des C. pictus
erinnert bis auf gewisse Eigenthümlichkeiten an denjenigen des
Hundes. Vortragender präparirte ferner die Muskeln des ver-
storbenen Männchens und des einen Weibchens. A. Pagen -
Stecher und v. Koch haben die Muskeln eines zu Hamburg
gestorbenen weiblichen C. pictus dissecirt und die Osteologie,
Myologie etc. desselben im „Zoolog. Garten“ 1870, pag. 197
ff. genau beschrieben. Vortragender schliesst sich in der Haupt-
sache den von Pagen Stecher mitgetheilten anatomischen De-
tails an. Canis pictus ist ein echter Canide, für welchen ge-
wisse Eigenthümlichkeiten die Beibehaltung der Untergattung
Lycaon H. Smith (Spec. L. pictus ) statthaft erscheinen lassen;
wogegen Bezeichnungen wie Hyaena venatica Busch., H. picta
Temm. oder Cynhyaena picta Fr. Cuvier, Temm. am Besten aus
dem Systeme zu streichen sein dürften.
Vorgelegt wurden farbige Zeichnungen der Physiognomien
und des Gesammtbabitus von hyaena striata , crocuta und fusca ,
sowie von Canis pictus , ferner die Myologie des letzteren im
Detail behandelnde Aquarellen, endlich Zeichnungen der Hyänen-
und Hundeschädel verschiedener Arten, bez. Rassen.
Der Vortragende verfehlte hierbei nicht, auf die vielfachen,
Z e’I überraschenden Abweichungen aufmerksam zu machen,
welche die Köpfe männlicher und weiblicher Individuen der auf-
gefuhrten Thierarten nicht allein in Bezug auf das Geschlecht,
8onoern auch auf das Alter darbieten. Derartige Unterschiede
prägen sich ja auch in der Schädelbildung mehr oder minder
aus. n der Hand einseitiger und ungeschickter, auf systemati-
sirenden Detailkram versessener Zoologen sind dergl. Variations-
rscheinungen ein bekanntlich sehr gefährliches Spielzeug. Es
Jgen jene Verschiedenheiten aber wieder recht deutlich, wie
lange und sorgfältig man ein Thier nach äusserer Form, nach
innerem Bau und Lebensthätigkeiten studiren müsse, um ein
sic eres Urtheil über dasselbe gewinnen zu können. Die Wildniss,
er zoo ogische Garten oder die Menagerie, der Secirtisch und
70 Gesellschaft naturforschender Freunde.
die osteologische Sammlung sind die besten Beobachtungsplätze
das Skalpell, die Säge, der Stift, die Malerfarbe, sowie endlich
der photographische Apparat sind die passenden Instrumente
zur Untersuchung so prägnanter Säugethierformen, wie die oben
genannten.
Herr Paasch (heilte mit, dass sich zwei bisher bei Berlin
noch nicht gefundene Pflanzen als Einwanderer gezeigt haben.
Centaurea Calcitrapa L. fand er an einem Damm der Verbin-
dungs-Eisenbahn in der Gegend von Friedrichsfelde und Bunins
orientalis L. auf einem Rasenplatz an der Spree, hinter dem
Getreide-Magazin in der Neuen Friedrichsstrasse Nr. 2 und in
der Gegend der Eisenbahn vor dem Stralauer Thore. — Herr
Asche rson bemerkte hierzu, dass Centaurea Calcitrapa L. schon
bei Magdeburg, überhaupt jenseits der Elbe häufig vorkomme,
als Wanderpflanze aber noch nicht beobachtet sei: Bunins orien-
talis L. komme bei Danzig vor, sei auch in neuerer Zeit, bei
Stettin gefunden worden.
Herr Ascherson berichtete im Anschluss au seine in der
Junisitzung 1874 gemachten Mittheilungen über das Vorkom-
men des Strausses in der libyschen Wüste, dass von
Rohlfs, Zittel und Jordan auf dem Marsche durch das
Sandmeer von Regen feld nach Siuah wiederholt Eierschalen
dieses Vogels in grösster Anzahl angetroffen worden seien.
Ersterer berichtet darüber in seinem demnächst erscheinenden
Reisewerke (9. Febr., vierte Tagereise von Regenfeld aus): „Die
überall liegenden Trümmer von Strausseneiern deuten darauf
hin, dass dieser scheue Vogel, um sicher brüten zu können, sich
die’ Einsamkeit des Sandoceans zum Nisten ausersieht. Neue
und alte, vom Sandtreiben abgeschliffene Eierscherben fanden
sich überall im ganzen Sandocean. Ein vor Verfolgung siche-
reres Revier konnte sich der Strauss allerdings nicht erkiesen,
als diese Wüste. Und um Futter zu finden, was sind da dem
schnell dahin eilenden Vogel Entfernungen von 50, ja 100 Mei-
len.“ Dass das Wasserbedürfniss sich auch bei diesem Wüsten-
vogel sehr energisch geltend macht, beweist allerdings der dem
Vortr. von Dr. Nachtigal mitgetheilte Umstand, dass die Be-
Sitzung vom 15. Juni.
71
gleiter dieses ausgezeichneten Forschers auf seinem verzweifel-
ten Marsche nach Tibesti aus den zahlreichen Straussenfährten
die Nahe eines Wasserplatzes erkannten. Das somit darge-
thane Vorkommen des Strausses in dem vor der libyschen Ex-
pedition sicher nie von einem Menschen betretenen Einöde des
Sandmeeres macht es recht sehr wahrscheinlich, dass die im
' ongen Jahre erwähnten Schalenreste ebenfalls von in der Nähe
erfolgten Bruten herrühren. In Bezug auf eine Bemerkung des
Hrn. Geh. Rath Ehren berg, der bei seinem Aufenthalte in
bmah 1820 nichts von dem Vorkommen des Strausses in dorti-
ger Gegend gehört hat, erwähnte der Vortragende noch, dass
die Schalenstücke, wie andere leichte Gegenstände, z. B. Ex-
cremente von Kameelen und Eseln, Stücke von Stricken und
Matten und andere von Karawanen verlorene Gegenstände, die
daher ein werthvolles Merkmal besuchter Strassen im Flugsande,
wo die Spuren sofort verweht werden, darbieten, bei Stürmen’
stets auf der Oberfläche des Sandes bleiben und niemals einge-
VVPnf worrlon ^
Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen:
Report of the U. S. Geological Survey of tke Territory. F. v.
Hayden. Vol. VI. Cretaceous Flora. Washington 1874.
MontMy Report of the Department of Agriculture for 1873
Washington.
Report of the Commissionen of Agriculture for 1872. 1873. Wa-
shington.
Anmal Report of the Trustees of the Museum of comparative
Zoology. 1872. 1873. Washington.
An essay, concerning important physical features exhibited in the
vaUey of the Minnesota River and upon their signißcation by
h. Warren. Washington 1874.
United States Geological Survey of the Territories. Miscellaneous
1. List of Elevations in the Missisippi River. Washington 1875.
Lotos, Zeitschrift für Naturwissenschaft. Prag 1874, Jahrg. 24.
A. W. Schaden Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stalischreiberstr. 47.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
vom 20. Juli 1875.
Birector : Herr Braun.
Herr Peters legte die Abbildungen von zwei neuen Beutel-
tieren aus Neu-Guinea vor, welche dem Museo civico von Genua
geboren. Das eine schliesst sich den Dasyuri an und ist in die-
selbe Untergattung mit Chaetocercus cristicaudvs Krafft (Proc Zool
Soc. Und. 1866. p. 435. ref. 36) aus Südaustralien zu vereinigen.'
Die neue Art ist durch drei schwarze von dem Nacken ausge-
hende Langsstreifen und die rothen Bürstenhaare auf der Ober-
seite des Schwanzes ausgezeichnet. Sie ist auf den Wunsch des
Herrn Marquis G. Doria dem Herrn Bruyn zu Ehren benannt
worden, welchem das Museum zu Genua eine reiche Sammlung
von Naturalien aus Neu-Guinea verdankt. Da der Name Chaeto-
cercus bereits im Jahre 1853 an eine Gattung der Trochili ver-
geben-worden ist, wurde dafür Dasycercns vorgeschlagen und
d-e Art Dasycercns Bruynii benannt. Die zweite Art, von Herrn
Ibertis in Andn gefangen, gehört den Phalangisten an
und bildet eine neue durch den zweiseitig borstig behaarten.
en und unten kahlen Schwanz ausgezeichnete Untergattung
'in wurde als Phalangista ( Distrechurus ) pennata beschrieben.
Herr Br e fei d machte folgende Mittheilung über copulirende
JZ ^lreicberZei,!h"""«e" ”"d ■*»**«-
7
74 Gesellschaft naturforschender Freunde.
In dem ersten Hefte meiner Schimmelpilze*) habe ich durch
eine umfassende Untersuchung dargelegt, dass die Grenzen der
copulirenden Pilze weit umfangreichere sind, als dies bis dahin
angenommen wurde. Sie bilden eine natürliche Classe von
Pilzen, die ich Zygomyceten genannt habe, zu welcher die seit-
her als copulirende Pilze allein gekannten Muconnen als eine
Familie gehören. - Die erste Mittheilung habe ich damals aut
die erschöpfende Beschreibung der Entwickelungsgesc ic e
dreier Typen als ebensovieler Repräsentanten einzelner Familien
der Classe unter Hinweis auf weitere spätere Mitthedungen be-
schränkt, um nicht die mycologische Literatur mit unfertigen
Publicationen neu zu beladen. Ich habe seit dieser Zeit d
Untersuchungen unausgesetzt weiter geführt und will hier einiges
Nähere aus ihnen, namentlich die Familie der Muconnen und
das Genus Pilobolus specieller Berührende mitthellen.
Eta wissenschaftliche Untersuchung dieser Schimmelte
ist ohne besondere Methoden der Cultur, wodurch es möglich
wird, den Entwickelungsgang eines Pilzes von er einze ncn
Gonidie oder Spore ausgehend lückenlos zu verfolgen, m
ausführbar. Ich habe diese für die Untersuchung
Pilze notwendigen von mir begründeten Methoden bereits früh )
ausführlich dargelegt und will hier nur noch kurz bemerken das,
ich die betreffenden Schimmelpilze seit Jahren in steter Cultur
erhalte, um hierdurch im Laufe der Zeit die Lösung der ver-
schiedenen Fragen zu ermöglichen, die mit einmaliger
"iChtBei de^A ussaat'e i n e r Gonidie oder Spore in Nährlösungen
von völliger Klarheit auf Objectträgern erkennt man, dass der
vegetative Theil aller copulirenden Pilze, wie er aus der
ausgesäeten Spore hervorgeht, aus einzelligen reichverzweig
Mvcelien besteht, die Zellen von aussergewobnlicher Grosse und
Dimension darstellen. Sie wachsen fort durch
der einzelnen Fäden, in deren Verlauf meist nahe an der p
Botanische Untersuchungen übe, Schimmelpilze. Leipzig bei Arth»
Felix. 1872. .
-) Methode, zur E.t.,..ch..g de, Pilze, Abhandl. de, phje.k medie.
Gesellschaft i„ Wüwbutg 187t und Land., d.brtü.be, IV. Jahtg. L Heft.
Sitzung vom 20. Juli.
75
neue Vegetationspunkte auftreten, welche zu vielfachen unregel-
massjgen Verzweigungen führen. Erst mit dem Beginn der
fructification hört die Einzelligkeit der Mycelien auf, es zeigen
sich Scheidewände, die in fortschreitender Bildung einen centri-
petalen Charakter tragen.
Es werden zunächst die Enden der Mycelien, also die jün-
geren Theile, von den mittleren, älteren Partien durch Scheide-
wände getrennt. Diese schicken sich zur Fructification an
wahrend die Enden weiter fortwachsen. Die ersten Anzeichen
der F ructification geben sich durch Anhäufungen von Proto-
plasma kund, welche an beliebigen Stellen im Verlaufe der
fructiti cationsreifen Fäden in entsprechenden Abständen von ein-
ander eintreten. Sie führen mehr oder minder starke Aus-
weitungen der Mycelien an ebendiesen Stellen herbei, wodurch
sie als beginnende Fruchtanlagen fortschreitend klarer hervor-
treten. In dem Maasse als dies geschieht, schreitet nun die
Fheilung der Mycelien durch Scheidewände centripetal weiter
fort Es werden nämlich nun die einzelnen je zur Bildung einer
ruchtanlage bestimmten Mycelabschnitte durch Scheidewände
enger abgegrenzt. Diese Scheidewände treten entweder bald
mit der ersten Andeutung der Fruchtanlage auf, die Grenzen
der Mycelabschnitte bezeichnend, welche für die Bildung eines
Fruchttragers bestimmt sind, oder sie erscheinen erst später,
nachdem bereits eine engere Sonderung des Protoplasma an der
fortgeschrittenen Fruchtanlage sich vollzogen hat, diese allein
und unmittelbar von den Mycelien abgrenzend. Hier wie dort
wird der Inhalt der Mycelien zur Fructification verwendet, sie
hören mit der Fructification, soweit sie fructificationsreif sind
vegetativ zu wachsen auf und sind nach deren Ausbildung inhalts-
leen Dm einzelnen Fructificationsanlagen werden zu Attractions-
p nkten für den protoplasmatischen Inhalt der Fäden, der sich
i nen in deutlich sichtbaren Strömen zuwendet. Wo die Scheide-
wände früh auftreten, bezeichnen sie die Grenzen der entgegen-
f2TaA T,rd immer i8t’ •*>
g n, diese Stelle als neutraler Punkt zwischen den Strömen
“ 2U Vn" natÜrlichen Dimension des Fadens verjüngt. Im
.. e,ien 6 ‘ritt d;e Begrenzung der Ströme durch Scheide-
o e noch nicht ein, das Protoplasma strömt beliebig den
76
Gesellschaft naturforschender Freunde.
Fruchtanlagen zu, es ist sogar leicht, an einer Verzweigungs-
stelle der Mycelien die Theilung des Stromes in 2 Arme zu ver-
folgen, welche- je verschiedenen Fruchtanlagen sic i zuw einen,
erst dann, wenn eine genügende Menge von Protoplasma zu
einer Fruchtanlage sich angehäuft hat, tritt nach einer vorherigen
Sonderung desselben in einen engeren zur Fruchtanlage e
stimmten Theil dessen allseitige Abgrenzung von den an Inba
erschöpften Myceltheilen der Umgebung ein. Es ist jedoch zu
bemerken, dass in beiden Fällen mit der Anziehung des Proto-
plasmas auf einen Punkt sehr häufig nach rückwärts in den
sich entleerenden Fäden ganz unregelmässig Scheidewände an-
gelegt werden, welche die inactiv gewordenen Theile abgrenzen.
Sie können mehr oder minder zahlreich sein und später sogar
bis in den obersten Theil des Fruchtträgers selbst Vordringen.
Jede Fruchtanlage lässt bald einen Vegetationspunkt erkennen,
der zu einem verschieden langen oft typisch verzweigten Frucht-
träger auswächst, an dessen Ende oder verschiedenen Enden die
Fructification erfolgt. In den einfachsten Fällen bei den
Chaetocladiaceen werden einzelne Gonidien abgeschnurt, die sich
bei Piptocephalis noch zergliedern. Bei den Muconnen werden
dagegen sehr complicirt gebaute Sporangien gebildet welche
durch freie Zellbildung in ihrem Innern eine grosse Zahl von
Gonidien erzeugen. Die Sporangien treten als Anschwellungen
der Fruchtträgerenden auf, welche hiermit ihr Spitzenwachsthum
beschliessen. Wenn die Anschwellung sich ausbildet, erfo g
gleichzeitig im Innern des jungen Fruchtträgers eine Sonderung
des Protoplasmas; das zur Gonidienbildung bestimmte asma
tritt in die Anschwellung über, welche darauf durch eine meis
etwas nach oben gewölbte Scheidewand, die Columella, vom
Fruchtträger getrennt wird. Während nun die Sporangien-
membran ihre weitere Ausbildung erfährt, erfolgt im Innern die
Bildung der Gonidien dadurch, dass sich simultan aus dem n
halte die einzelnen Partien Protoplasma differenziren und dann
mit Membran umgeben, welche zu Gonidien werden Es kann
die Gesammtmasse des Sporangieninbalts in der Gonidmnbi dung
aufgehen, der Vorgang den Charakter einer Zellbildung durc
Theilung tragen, oder aber - und dies ist der häufigere Fall
- vor der Theilung oder mit ihr eine weitere Sonderung des
Sitzung vom 20. Juli.
77
Protoplasmas stattfinden in einen engeren für die Gonidien-
bildung bestimmten Theil und einen anderen, der hierfür keine
Verwendung findet. Der Hergang entspricht in diesem Falle
dem Schema der freien Zellbildung, wie es zur Zeit gilt, weil
eben nicht alles Protoplasma der Mutterzelle für die erzeugten
Tochterzellen Verwendung findet. Der nicht verwendete Theil
ist ebenso verschieden in seinen Eigenschaften als in seiner ört-
lichen Lagerung zu den Gonidien. Nach beiden Richtungen
spricht sich seine Bedeutung auf’s Klarste aus: er übernimmt
Functionen für die Entleerung der Sporangien und für die Ver-
breitung der Gonidien. Je nach Umständen ist er bald zwischen
den Gonidien gelegen, bald an bestimmten Stellen des Sporan-
giums ausserhalb der Gonidien angebracht, bald klebrig, bald
wasseranziehend und aufquellend, bald mit allen diesen Eigen-
schaften zugleich ausgerüstet; ich habe ihn als Zwischensubstanz
bezeichnet. *)
*) Ich will bemerken, dass meiner Auffassung nach beide Vorgänge der
Zellbildung als freie Zellbildung im Innern einer Mutterzelle aufgefasst wer-
den müssen. Der Umstand, ob gerade alles Protoplasma der Mutterzelle für
die Bildung der Tochterzellen Verwendung findet, oder ob ein Theil desselben
für eine besondere Function abgeschieden wird, ist für den Vorgang der Zell-
bildung seibst von gar keiner Bedeutung. Dort wo es vortheilhaft und
nützlich ist, wird Zwischensubstanz bei dem Vorgänge gebildet, im anderen
lalle unterbleibt deren Bildung. Wir haben diese Variation des Vorganges
nicht bloss bei den Mucorinen, auch bei vielen anderen Pflanzenclassen z. B.
den Ascomyceten und Myxomyceten. So wird bei den Tuberaceen alles Proto-
plasma des Ascus für die Sporenbildung verwendet, die Entleerung der Sporen
erfolgt in dem geschlossenen Fruchtkörper durch Auflösen des Ascus;
bei den Discomyceten hingegen bleibt viel Protoplasma bei der Sporenbildung
unverbraucht als Zwischensubstanz übrig; sie hat Wasser-anziehende Eigen-
schaften, dehnt den Schlauch aus und bewirkt schliesslich ein Aufplatzen
und damit die Sporenentleerung aus dem offenen Fruchtkörper. Bei den
Myxomyceten ist es ähnlich, hier erhärtet in den meisten Fällen die Zwischen-
substanz membranartig und stellt so das für die Entleerung der Fruchtkörper
wichtige Capillitium dar. — Bei dem Embryosack der Phanerogamen zeigt
sich in soweit eine Verschiedenheit bei der in seinem Innern stattfindenden
freien Zellbildung, als hier die Mutterzelle, der Embryosack, zu bestehen und
zu wachsen fortfährt, oft riesige Dimensionen annehmend wie z. B. bei der
Cocospalme,
78
Gesellschaft naturforschender Freunde.
Mit der Vollendung der Gonidienbildung treten weitere
Veränderungen auf, welche schon wesentlich auf die Entleerung
der Sporangien gerichtet sind. Sie erfolgt in einer nach ihrer
besonderen Structur durchaus verschiedenen Weise. Ueberall
dort, wo die Gonidienbildung durch vollkommene Theilung des
Inhaltes der Sporangien ausschliesslich für die Gomdien erfolgt,
tritt eine Auflösung der Membran der Sporangien ein, und die
Gonidien verstäuben. Ueberall dort hingegen wo die Gomdien-
bildung nur aus einem Theil des Inhalts der Mutterzelle erfolgt,
eine Zwischensubstanz örtlich und stofflich verschieden ange egt
wird, variirt der Vorgang in mannichfacher Weise. Am hauüg-
sten tritt nach der vollkommenen Ausbildung der Sporangien
eine ganz bedeutende Streckung der Frucbtträger ein, die hier-
durch das 10— 15 fache ihrer Länge erreichen können. Diese
Streckung erfolgt durch intercalares Wachsthum einer sehr eng
begrenzten Zone des Fruchtträgers, die unmittelbar unter dem
Sporangium liegt und durch ihre Zartheit und Farbenverschieden-
heit leicht kenntlich ist. Durch diese Streckung entstehen die
grossen stattlichen Schimmelpilze, die wie der Mucor mtens
(Phycomyces ) eine Länge von 10 Zoll erreichen können und in
ihrer Masse einem .dichten Haarschopfe gleichen. Die sic
streckenden Fruchtträger sind äusserst lichtempfindlich, positiv
heliotropisch, ihre Sporangien haben eine sehr reichliche Zwischen-
substanz, die sehr stark aufquillt und klebrig ist und entweder
zwischen den Gonidien liegt oder ausserhalb derselben an dei
Insertionsstelle des Sporanginms am Fruchtträger angebracht ist.
Im ersten Falle hat die Membran der Sporangien die Eigenschaft
zu zerfliessen in eine sehr klebrige Substanz, im zweiten Falle
zerfliesst sie nicht, wird aber durch die aufquellende klebrige
Zwischensubstanz circumscript aufgesprengt. Mit der Streckung
bleiben nun die Sporangien an beliebigem Widerstande kleben,
auf den sie zufällig treffen und trennen sich vom Fruchttrager,
oder dieser sinkt um und die Sporangien fallen auf die Erde,
wo sich die Gonidien verbreiten oder die Sporangien bloss an-
kleben um durch Zufall weiter fortgetragen zu werden. Bei
anderen Formen wiederum unterbleibt diese Längsstreckung, die
betreffende des intercalaren Wachsthums fähige Zone des Frucht-
trägers wächst nur peripherisch sich zu einer grossen Blase
Sitzung vom 20. Juli.
79
ausdehnend, auf welcher das Sporangium als kleiner Punkt sitzt.
Hier wird durch starke Wasseranziehung des im Fruchtträger
verbliebenen Protoplasmas das Sporangium schliesslich abge-
schleudert, nachdem seine Membran schon vorher durch die
unten im Sporangium vorhandene Quellschicht von Zwischen-
substanz aufgebrochen war; es bleibt an irgend einem auf seiner
Flugbahn getroffenen Hindernisse kleben. Die hier angeführten
Variationen in der Structur der Fruchtträger und Sporangien
und der Entleerung ihrer Gonidien finden sich nun in den
mannichfachsten Combinationen und Modificationen bei den ein-
zelnen Formen dieser Pilze vor.
Unter besonderen äusseren Lebensverhältnissen kommt
die Ausbildung der Fruchtanlagen an den fructificationsreifen
Mycelabschnitten nicht normal zu Stande, diese vermögen dann
einen vorübergehenden Ruhezustand anzunehmen , sich in den
erreichten Stadien ihrer Bildung mit dicken Membranen zum
Schutze zu umgeben, um erst später, wenn die äusseren Um-
stände günstig sind, die versäumte Fruchtbildung nachzuholen,
oder nach Art der keimenden Gonidien auch direct neue My-
celien zu bilden. Es sind diese nur vereinzelt in ausgesprochener
Form vorkommenden Bildungen auch wohl als Gemmen oder
Chlamydogonidien bezeichnet worden. Sie sind für gewöhnlich
nur Gliedertheile der Mycelien, wie sie als erste Einleitung zur
Fructification an den reifen Abschnitten durch die früher be-
schriebene Scbeidewandbildung gebildet werden und tragen in
dieser einfachen Form der Bildung den Charakter einer vege-
tativen Theilung, wie sie bei den einfachsten ersten Pilzclassen
als Regel vorkommt.
Ausser der hier beschriebenen ungeschlechtlichen Fortpflan-
zung besitzen die Zygomyceten geschlechtlich erzeugte
Früchte. Sie werden durch den einfachen Sexualact der Co-
pulation zweier morphologisch und physiologisch gleichwerthiger
Sexualzellen gebildet. An den Stellen, wo zwei geschlechtsreife
Myceläste sich begegnen oder auch einander entgegengewachsen
sind, werden die Sexualzellen durch Scheidewände abgegrenzt.
Sie sind nicht länger als breit und vermischen ihren Inhalt durch
Resorption der Zwischenwand. Die durch die Verschmelzung
neu gebildete Zelle wächst zu einer grossen Spore heran, die
80
Gesellschaft naturforschender Freunde.
sich schliesslich mit dicken, doppelt geschichteten Membranen
für den Dauerzustand ausrüstet. In dieser geschlechtlichen
Fortpflanzung besitzen die copulirenden Pilze offenbar in höchst
mangelhaftem Grade die Hülfsmittel der Vermehrung; die Zygo-
sporen dienen vielmehr vorzugsweise der Erhaltung der Art un
hiermit steht ihre glänzende Ausrüstung für den Dauerzustand,
ihre lange Keimfähigkeit durchaus im Einklänge. Dagegen liegt
der Schwerpunkt der Vermehrung bei dieser Classe in der aus-
nahmslos vorkommenden überaus reichen ungeschlechtlichen er-
mehrung. . , •
Das Product der Sexualität bleibt hier in allen hallen ei
der Bildung einer grossen Dauerspore stehen, welche direct
aus dem Verschmelzungsproducte der Sexualzellen hervorgeht.
Nur in einem einzigen Falle zeigen sich an dem Producte der
Sexualität die unzweifelhaften Andeutungen der fortgeschrittenen
Entwickelungsrichtung, welche bei den Classen der höheren
Pilze den Asco- und Basidiomyceten zur herrschenden wird,
hier in der Erzeugung der hoch und reich gegliederten und sehr
mächtigen Fruchtkörper der Trüffeln und Schwämme ihren Höhe-
punkt erreicht, und mit der Bildung unzähliger Sporen endet
die zugleich Träger der Erhaltung und Vermehrung sind und
eine besondere ungeschlechtliche Vermehrung überflüssig machen,
deren Vorkommen nur mehr ein vereinzeltes und seltenes ist.
Der erwähnte Fall liegt uns in den von mir beschriebenen Zygo-
sporen von Piptocephalis *) vor. Hier wächst das Verschmelzungs-
product der Sexualzellen nicht direct, indem es allseitig an
Dimension zunimmt, zur Zygospore heran; die mit dem Sexua -
acte eingeleitete Wachsthumsrichtung ist vielmehr eine localisirte
und bestimmt orientirte. Es tritt an bestimmter Stelle ein neuer
Vegetationspunkt auf, an dem allein das Wachsthum erfolgt.
Diesem einseitig localisirten Wachsthumsvorgange entspricht
ein schliesslicher Theilungsprozess, aus welchem 3 physiologisch
verschiedene Theilproducte hervorgehen, eine Dauerspore und
2 sterile Zellen, in ihrer Form ungefähr den früheren Sexual-
zellen entsprechend, welche gleichsam das neu angewachsene
durch die Theilung als Dauerspore abgeschiedene Stuck über
*) Schimmelpilze, I. Heft.
Sitzung vom 20. Juli.
81
sich erzeugt haben. In dieser besonderen Wacbsthumsrichtung
und in der einfachen Differenzirung und Theilung des sexuellen
Productes müssen wir den Höhepunkt der Entwickelung inner-
halb der Classe der copulirenden Pilze erkennen; sie geht hier-
über, soweit bis jetzt die Thatsachen vorliegen, in den Grenzen
der Classe noch nicht hinaus.
Die Keimung der geschlechtlich erzeugten Zygosporen erfolgt
bei hinreichender Befeuchtung dann, wenn die Ruheperiode über-
wunden ist. Es geht aus ihnen mit der Keimung ein Frucht-
träger direct hervor, welcher einem ungeschlechtlich erzeugten
durchaus gleich ist. Bisher war diese Art der Keimung die
einzig beobachtete. Die ausnahmslose directe Erzeugung eines
Fruchtträgers ohne Mycelbildung musste mit Nothwendigkeit zu
der Auffassung führen, dass eben dieser Fruchtträger der Aus-
gangspunkt der Sexualität sei, dessen Sporen erst wieder zu
den Mycelien der Geschlechtsgeneration zurückgingen. Die voll-
kommene Gleichheit des Fruchtträgers mit einem ungeschlecht-
lich erzeugten Fruchtträger der Mycelien brachte hingegen diese
Auffassung mit den sonst bekannten Thatsachen in unlösbaren
Widerspruch, wonach ja eben das Product der Sexualität bei
allen kryptogamischen Pflanzen darin charakterisirt ist, dass es
ein anderes und neu erzeugtes ist gegenüber dem geschlecht-
lichen Abschnitte, aus dem es hervorgeht und den es nur allein
wiederzuerzeugen vermag, zwar so, dass der geschlechtliche und
der geschlechtlich erzeugte aber seinerseits ungeschlechtliche
Abschnitt der Entwickelung sich einander bedingen, und auf
einander folgen als Wechselgenerationen, wenn sie je in wohl-
umgrenzter Form zur vollkommenen Individualität gelangt sind.
Ich stellte mir darum die Frage, ob es nicht möglich sei, die
Fruchtträgerbildung bei der Keimung der Zygosporen zu unter-
drücken zu Gunsten normaler Mycelbildung, und ob nicht diese
Art der Keimung, wenn sie durch äussere Verhältnisse abzu-
lenken wäre, eben darum auch als nichts weiter wie das ge-
wöhnliche Resultat der äusseren Lebensverhältnisse anzusehen
sei. Nach langen vergeblichen Versuchen gelang es mir endlich,
das erwünschte Ziel zu erreichen. Cultivirt man nämlich zum
Zwecke der Keimung die Zygosporen in Nährlösungen, so geht
sowohl die Nährlösung wie die Zygospore unter. Die Nähr-
82 Gesellschaft naturforschender Freunde.
lösung erleidet durch fremde Pilzkeime, welche sich mit der
Länge der Zeit unvermeidlich einstellen, Zersetzungen, wodurch
auch die Zygosporen ihre Keimkraft verlieren, weil es Wochen
und Monate dauert, bis die Keimung überhaupt eintritt. Diese
Umstände berücksichtigend brachte ich dann die Zygosporen in
feuchter Luft zuerst bis zu dem Punkte beginnender Keimung
und übertrug sie dann erst sehr vorsichtig in verdünnte Näbr-
lüsungen. Die Keimschläuche wuchsen nun, wenn die Cultur
richtig geleitet wurde, nicht mehr direct zum Fruchtträger aus,
sondern erzeugten die normalen Mycelien der Geschlechtsgene-
ration ohne vorherige Fruchtträgerbildung. Mit vollkommener
Sicherheit erreichte ich mein Ziel stets bei den Zygosporen von
Mucor dichotomus ( Sporodinia grandis ). Die Mycelien gediehen,
wiewohl der Pilz in der Natur nur parasitisch auf grossen
Schwämmen vorkommt, in den zusagenden Nährlösungen ganz
vortrefflich. Ich unterliess nicht, die so gezogenen Mycelien
vom Objectträger auf festes Substrat, mit Bierwürze befeuchtetes
Brod, zum Zwecke einer üppigeren Entwickelung zu übertragen.
Hier nun stellte sich direct aus den Mycelien der Zygosporen
wiederum eine so massenhafte Zygosporenbildung ein, dass das
Brod davon schwarz überzogen wurde; nebenher traten spater
auch, aber nicht sehr üppig, die ungeschlechtlichen Mucorfrucht- |
träger auf. .
Die Versuche beweisen, dass die bisher beobachtete Keimung
der Zygosporen mit einem Fruchtträger nur die eine Art der
Keimung ist, die gewöhnlich unter den obwaltenden äusseren
Verhältnissen eintritt, dass die zweite mit directer Mycelbildung
dann erfolgt, wenn eine Auskeimung in Nährsubstrat stattfindet.
Sie beweisen weiter, dass nicht die Fruchtträger, welche aus
der Zygospore keimen, sondern diese selbst als das einfache un
endliche Resultat der Sexualität anzusehen ist, und dass wir
demnach thatsächlich in der höheren Ausbildung der Zygosporen,
wie sie in eben ausgeführter Weise bei Piptocephalis vorkommt, |
den Culminationspunkt innerhalb der Classe der copulirenden
Pilze erreicht sehen müssen, den Höhepunkt nach der Richtung
des sexuellen Productes, welche, wie die Thatsachen bei den
höheren Pilzen, überhaupt die Thatsachen bei den höheren
Pflanzen beweisen, im Pflanzenreiche die herrschende ist und
Sitzung vom 20. Juli.
83
darum für die Systematik maassgebende sein muss. Die Ver-
suche beweisen endlich, dass eine gesetzmässige Folge zwischen
der ungeschlechtlichen Fortpflanzung und dem Eintritte der
Sexualität ebensowenig besteht, dass die Sexualität nicht noth-
wendig erst nach einer Sprossfolge ungeschlechtlicher Genera-
tionen eintritt. Eine lange Reihe von weiteren Versuchen be-
treffs der Sexualität und ihres Eintrittes können ebenfalls hier-
für als beweisend gelten. Es ist ja von Interesse und für eine
monographische Bearbeitung dieser Pilclasse, wie ich sie vor-
habe, unerlässlich, die Zygosporen der einzelnen Pilze zu erhalten,
sie zur geschlechtlichen Fortpflanzung zu bringen und die Um-
stände zu kennen , von welchen ihr Auftreten etwa abhängig
sein könnte; für gewöhnlich tritt nämlich gegenüber der un-
geschlechtlichen Fortpflanzung die Sexualität so zurück, dass
es erst für etwa 10 Repräsentanten gelungen ist, die Zygosporen
zu finden. Indem ich dies anstrebte, überzeugte ich mich zu-
nächst im Wege jahrelang fortgesetzter Cultur, dass der Gang
der ungeschlechtlichen Vermehrung nicht nothwendig nach län-
geren Sprossgenerationen ausschliesslich ungeschlechtlicher Fort-
pflanzung von einer geschlechtlich erzeugten Sporengeneration
abgelöst wird, ebensowenig zeigte sich hierfür irgend eine be-
stimmte Jahreszeit von Einfluss. Im Laufe von 4 Jahren habe
ich in den Culturen z. B. von Mucor lUucedo , M. stolonifer , M.
racemosus und vieler anderen neu aufgefundenen Mucorinen die
Zygosporen nicht bekommen , die doch von den beiden ersten
längst bekannt sind, wiewohl ich zu allen Jahreszeiten die Cul-
turen unterhielt und stets die neu gewonnenen Gonidien zur näch-
sten Aussaat verwendete; ich habe so bereits eine Reihe von
nahe an hundert ungeschlechtlichen Sprossgenerationen erreicht
ohne Zygosporenbildung. Auch die Ernährung allein ist nicht
von maassgebender Bedeutung; auf demselben Substrate, auf
präparirtem Brode, bildeten Mucor dichotomus , Piptocephalis etc.
regelmässig Zygosporen, während die oben genannten Pilze
nur ungeschlechtliche Fruchtträger erzeugten. Ebensowenig ist
endlich das Alter der Mycelien für den Eintritt der Sexualität
entscheidend. Ich habe es bei meinen vervollkommneten Cultur-
methoden erzielt, dasselbe Mycelium, aus ei n er Gonidie gewon-
nen, auf ganz pilzfreiem unbegrenzten Substrate 4 Wochen lang
84 Gesellschaft naturforschender Freunde.
fortwachsend zu cultiviren, ohne dass in dieser Zeit etwas an-
deres als ungeschlechtliche Fruchtträger erzeugt wurden. Zur
Ergänzung will ich' noch bemerken, dass ich nicht unterliess,
betreffs der Substrate und ihrer Nährstoffe alle erdenklichen
Variationen eintreten zu lassen, welche sich aber ebenfalls erfolg-
los erwiesen. Wir können hiernach zur Zeit nur annehmen,
dass die Zygosporenbildung bei den meisten copulirenden Pilzen
von unbekannten inneren Ursachen in ihrem Auftreten abhängig
ist Es ist bei der Mehrzahl allein vom Zufalle abhängig, wenn
man sie mit Zygosporen antrifft; doch wird es hoffentlich
den weiteren Fortschritten in der Culturmethode, einer noch
genaueren Kenntniss der Lebensverhältnisse und Lebensbedürf-
nisse dieser Pilze gelingen, sie sicher zur Sexualität zu bringen.
Vorläufig haben wir darum in den ungeschlechtlichen Frucht-
trägern, in ihrem Aufbau, in der Form und Bildung der Gonidien
und in der Art der Verzweigung der Träger die Merkmale für
die Unterscheidung der Formen. Für die Familie der Mucori-
nen, die in Sporangien fructificiren, sind ausserdem die Structur-
verhältnisse der Sporangien systematisch wohl verwerthbar. Die
Vertreter dieser Familie sind im Ganzen wenig zahlreich, sie
zeigen sämmtlich eine so nahe Verwandtschaft, dass mir die
Aufstellung von mehr als 2 Gattungen nicht gerechtfertigt
erscheint, den Gattungen Mucor und Pilobo/us. Ich will für
heute noch die letzte dieser Gattungen berücksichtigen und hier
kurz zusammenfassen, was ich darüber an bisher nicht bekannten
Einzelheiten mittheilen kann.
Die Gattung Pilobolus ist ausgezeichnet durch die Structur
der Sporangien. Diese haben eine derbe cuticularisirte Membran
und eine an ganz bestimmter Stelle im Sporangium gelegene
Quellschicht, welche bei der Gonidienbildung ausserhalb der
Sporen abgeschieden wird. Sie sprengt durch Quellung die
Sporangienmembran an bestimmter Stelle und trennt durch fort-
schreitendes Aufquellen das Sporangium vom Träger. Bei einigen
Arten kommt eine gewaltsame Decapitation hinzu; das Sporan-
gium wird abgeschleudert durch Aufplatzen des Trägers in Folge
starker Wasseranziehung seines Inhaltes. In beiden Fällen wird
das abgequollene oder zugleich auch abgeschleuderte Sporangium
mit Hülfe der klebrigen Quellschicht an dem gefundenen Hinder-
Sitzung vom 20. Juli.
85
nisse festgeklebt. — Die Mycelien und die Bildung der Sporan-
gien sind von Klein*) im Wesentlichen richtig beschrieben.
Das Protoplasma, der fructificirenden Fädön sammelt sich an
einzelnen Stellen meist an den Enden der JMycelien und diese
Stellen werden erst nach der Ansammlung bei allen den Arten,
die das Sporangium abschleudern, durch Scheidewände von den
Mycelien allseitig abgegrenzt. An der Hauptverbindungsstelle
mit dem Mycel erfolgt die Abgrenzung stets noch innerhalb der
Anschwellung, die gleichsam eine Zwiebel bildet. WAnn die
f1 ruchtanlage im Verlaufe eines dicken Fadens oder gar an einer
Hauptverzweigungsstelle eintritt, so dass die Arme nach 2 oder
3 Seiten gleich stark sind, so finden sich natürlich 2 oder 3
dieser Zwiebeln vor; sind sie dagegen nicht gleich stark, aber
die Auszweigungen der Mycelien an der Stelle der Fruchtanlage
zufällig sehr zahlreich und nur kurz und dünn, so treten sie
gegen die Hauptzwiebel, die gewissermaassen die Verbindungs-
stelle mit dem Mycel allein repräsentirt und dadurch auch den
Anfang des Fruchtträgers, der sich aus ihr erhebt, örtlich be-
stimmt, ganz zurück, sie erscheinen später als seitliche Aus-
wüchse am Fruchtträger selbst, und sind auch fälschlich als
solche gedeutet worden. Die reifen Mycelabschnitte, welche den
centralen -Theil des Myceliums, zunächst nur eine grosse viel-
verzweigte Zelle, bilden, welche von den weiterwachsenden
Enden durch Scheidewände im Beginn der Fructification abge-
grenzt wird, erschöpfen ihren Inhalt für die Anlagen der Frucht-
träger, nach welchen das Protoplasma hinströmt; sie wachsen
weder während der Fructification noch auch nachträglich vege-
tativ weiter, wie dies Klein annimmt. Die zuletzt gebildeten
Fruchtträgeranlagen erhalten meist nur mehr einen spärlichen
Zufluss von Protoplasma, und kommen darum selten zur Ent-
wickelung. Auch grössere Fruchtanlagen bleiben mitunter in
der Entwickelung stehen, und umgeben sich mit derberen Mem-
branen. Sie ertragen eine kurze Ruhezeit und bilden dann den
Fruchtträger nachträglich aus, wenn die Bedingungen es ge-
statten.
*) Klein> zur Kenntniss des Pilobolus , Pringsheim’s Jahrbücher,
8. Band, 1872,
86 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Die Zygosporen waren bisher von Pilobolus nicht bekannt,
ich habe sie bei einer Art gefunden, die ich früher als neu
unter dem Namen P. Mucedo beschrieben und abgebildet habe*),
die aber wohl nichts weiter ist, wie der von Cesati 1X50 schon
beschriebene P. anomalus .**) Diese Art zeigt alle die charak-
teristischen Structurverhältnisse des Sporangiums von Pilobolus ,
nur wird das Sporangium nicht abgeschleudert, sondern es quillt
ab, indem der sehr heliotropische Fruchtträger durch intercalares
Wachsthum eine bedeutende Streckung (den grossen Mucorarten
ähnlich) erfährt. Aeusserlich sieht die Form darum einem Mucor
ähnlich, mit dem sie auch das gemein hat, dass die Fruchtanlage
nicht spät und unmittelbar von den entleerten Myceltheilen ab-
gegrenzt wird, wie es bei den übrigen Pilobolis, welche die
Sporangien abschleudern, geschieht; sondern dass auch hier eine
Zergliederung der Mycelien durch Scheidewände in einzelne
Abschnitte schon beim Beginn der Fructificatiou erfolgt, Ab-
schnitte, welche je einen Fruchtträger in ihrem Verlaufe an
beliebiger Stelle erzeugen. Die engere Abgrenzung der Frucht-
anlage bei den übrigen Arten steht wohl mit dem Vorgänge des
Abschleuderns der Sporangien im engen Zusammenhänge, diese
würde ohne diese Abgrenzung von den Mycelien in der be-
stimmten Weise kaum erfolgen können. Ich habe die Zygosporen
des P. anomalus mehrere Male auf Pferdeinist gefunden, sie
zeigen eine etwas einseitige Ausbildung, wodurch sie in ihrer
Stellung zu den Trägern eigentümlich erscheinen. Sie befinden
sich nicht zwischen, sondern über den Trägern, welche nahe
zusammenstehen und die Zygosporen auf sich tragen. Die Zygo-
sporen keimen leicht, schon nach 4 wöchentlicher Cultur in
feuchter Luft in der bekannten gewöhnlichen Weise. Der von
Cesati gewählte Name ist sehr bezeichnend, weil der P. ano-
malus in der Structur der Sporangien, im Bau der Fruchttrager
und in dem Mangel des Abschleuderns der Sporangien die
Charaktere von Pilobolus und Mucor in gewissem Grade in sich
vereinigt.
*) Schimmelpilze, I. Heft.
**) Beschreibung aus Coemans, Monographie du genre Pilobolus, ent-
nommen.
Sitzung vom 20. Juli.
87
An den Pilobolus anomalus schliesst sich in Beziehung auf
Grösse des Fruchtträgers ein höchst stattlicher Pilobolus an, den
ich seit einiger Zeit auf Pferdemist häufig gefunden habe. Ich
halte ihn für den schon früher beschriebenen und abgebildeten
Pilobolus roridus *), dessen Existenz vielfach bezweifelt wurde.
Er ist durch seine aussergewöhnlichen Dimensionen, welche bis
zu 2 Zoll Höhe gehen, durch seine intensiv schwarze Sporangien-
membran und durch die nur wenig ovalen, sehr regelmässigen,
gelben, 0.012 mm. langen und 0.01 mm. breiten Gonidien aus-
gezeichnet. Der grossen Länge des Fruchtträgers entspricht es,
dass die Abschleuderung der Sporangien hier nur äusserst,
schwach und meist gar nicht eintritt; die Sporangien quellen
auch hier der Mehrzahl nach ab, wie beim P. anomalus. An
den Pilobolus roridus schliesst sich der von Klein beschriebene
P. microsporus als wohl charakterisirte, durch die sehr kleinen
länglichen, gelbgrünen, 0.006 mm. langen und 0.004 mm. breiten
Gonidien ausgezeichnete Art an; auch hier werden die Frucht-
träger bis zu ^ Zoll lang. Die Kleinheit der Gonidien, welche
grosse Aehnlichkeit in der Form und Farbe mit denen von
P. anomalus (die 0.008 mm. lang und 0.006 mm. breit sind) haben,
unterscheidet diese Art sehr auffällig vom P. crystallinus , den
Klein auf Grund irrthümlicher Culturergebnisse mit dem kurz-
stieligen P. oedipus in genetischen Zusammenhang bringt. Diese
beiden letzten Arten sind oft beschrieben und abgebildet.**)
P. oedipus ist klein, hat grosse, sehr unregelmässige, rothe, runde,
0.015 bis 0.005 mm. messende Gonidien, P. crystallinus ist länger
gestielt und hat gelb grüne, länglich ovale Gonidien, welche
O. 015 mm. lang und 0.010 mm. breit sind.
Im umgekehrten Verhältnisse zur Grösse des Fruchtträgers
steht die Energie des Kopfabschleuderns. Sie ist höchst ener-
gisch bei dem kurzen P. oedipus , schwächer bei den längeren
Formen des P. crystallinus und microsporus , äusserst schwach
bei dem grossen P. roridus und gar nicht mehr vorhanden bei
P. anomalus.
) Persoon, Syn. Fung. p. 118; ferner abgebildet und beschrieben in
der erwähnten Monographie von Coemans.
) Coemans Monographie von Pilobolus.
88 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Die Lage und Mächtigkeit der Quellschicht in den Sporan-
gien entspricht genau diesen Verhältnissen. Sie ist in dem
Maasse stärker ausgebildet und einseitig localisirt, als das Ab-
schleudern zurücktritt. Bei P. oedipus ist die Quellschicht am
unbedeutendsten, aber sie erstreckt sich fast bis zur Spitze des
Sporangiums, gleichsam eine besondere Sporenhülle bildend, als
welche sie auch von Klein aufgefasst und bezeichnet worden
ist. Bei P. microsporus, crystallinus und roridus hat sie gerin-
gere Ausdehnung im Sporangium, sie ist unten an mehr be-
grenzter Stelle angebracht, aber mächtiger als bei P. oedipus.
Sie ist endlich ausschliesslich localisirt an der Insertionsstelle
der Sporangien beim P. anomalus. Hier hat sie eine grosse
Mächtigkeit und gestaltet sich aufgequollen zu einem grossen
Kragen am Sporangium, wenn sie ihre Function, das Abquellen
der Sporangien, erfüllt hat.
Herr C. Janisch, als Gast anwesend, legte eine grössere
Anzahl von Diatomeen-Präparaten zur Ansicht unter dem Mikro-
skop vor.
Herr v. Martens sprach im Anschluss an eine frühere
Mittheilung (Sitzung vom Juni 1871) über die vom Geh. Rath
Ehrenberg auf seiner Reise durch Russland nach Sibirien im
.Jahre 1829 gesammelten Conchylien. Der letztere hat in die-
sem Jahre unter seinen Sachen noch eine von jener Reise her-
rührende Partie von Conchylien wieder aufgefunden, deren
Untersuchung durch den Vortragenden eine derartige Bereiche-
rung der damals mitgetheilten Liste ergiebt, dass es passend
erscheint, eine neue Uebersicht der gesammelten Arten im
Folgenden zu geben:
Sitzung vom 20. Juli.
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Gesellschaft naturforschender Freunde.
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Sitzung vom 20. Juli.
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Gesellschaft naturforschender Freunde.
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Gesellschaft naturforschender Freunde,
Sitzung vom 20. Juli.
95
In dieser Uebersicht ist in der ersten Kolumne das von
Anderen nachgewiesene Vorkommen derselben Arten bei Moskau
oder Kaluga durch beziehungsweise (M.) oder (Kaluga), in der
vierten das Vorkommen derselben Arten in Turkestan uach den
Sammlungen des verstorbenen Fedtschenko durch (T.) be-
zeichnet.
Ueber die Lage der einzelnen hier genannten Orte ist die
von Prof. G. Rose herausgegebene Reisebeschreibung zu ver-
gleichen. Ueber einzelne Arten ist noch Folgendes zu bemerken:
1) H. ruderata 6 mm. im grossen Durchmesser.
2) H. hispida. Die Exemplare von Werchnomulinsk sind
ziemlich eng genabelt, das Gewinde mehr oder weniger erhoben,
das weisse Band breit; an keinem Exemplare ist eine deutliche
Lippe vorhanden, aber die gedrückte Form der letzten Windung
lässt die genannte Art nicht verkennen. Die Exemplare von
Barnaul sind etwas weiter genabelt, sie waren auf einer hand-
schriftlichen Etikette als H. ericetorum bezeichnet, wodurch sich
erklärt, wie diese in Sibirien nicht vorkommende Art im Bulletin
de la soc. imp. des nat. de Moscou I 1829 S. 55 und 185 als um
Barnaul vorkommend angegeben wird.
3) Wahrscheinlich eine neue Art, aber nur in unausge-
wachsenen Exemplaren vorhanden, flach, gelbröthlich, oben mit
einem breiten weissen Bande, scharf rippenstreifig. Im Bull.
Mose. I S. 185 als H. cellina (Druckfehler für cellaria ?) bezeichnet.
4) Nach Sehre nck sibirische Land- u. Süssw.-Moll. S. 672
sollte die typische Helix fruticum nicht in Sibirien Vorkommen,
sondern nur die kleinere und flachere H. Schrenckii. Die vor-
liegenden Exemplare von Barnaul sind aber typische H. fruticum
von 20 mm. Durchmesser und 18 mm. Höhe. Die Weite des
Nabels wechselt auch an europäischen Exemplaren und auch
Stücke mit zwei Bändern kommen zuweilen in der Schweiz vor,
vgl. H art mann Gastrop. S.183 Taf. 63 Fig. 4 — 6, so dassdieArt-
unterschiede zwischen fruticum und Schrenckii wenig haltbar sind.
5) Buliminus miser war bis dahin nur aus Turkestan bekannt,
das vorliegende Exemplar vom Altai, das ich zu dieser Art
rechnen zu dürfen glaube, ist 9|- mm. lang und 5 mm. dick, die
Mündung 4 mm. lang und 3 mm. breit, der Nabelritz etwas weit
und die Mündungslippe dick.
96
Gesellschaft naturforschender Freunde.
6) Cionella lubrica von Barnaul 5^—7 mm. lang; nach einer
beiliegenden Etikette ist dieses der angebliche Bulimus obscurus
von Barnaul, Bull. Mose. 1829 S. 185.
7) Paludina Okaensis Clessin Jahrb. Nat. Gesellscb. 1 1875
S. 38 fällt nach erhaltenen Exemplaren mit fasciala zusammen;
die Abbildung ist unkenntlich.
8) Bithynia Leachii. Es ist nach einer beiliegenden Etikette
dieses dieselbe Schnecke, welche im Bull. Mose. a. a. Orte als
Cyclostoma elegans bezeichnet ist, das angebliche Vorkommen
des Cyclostoma in Sibirien also ein Irrthum.
9) Von Interesse ist das Vorkommen unserer mitteleuro-
päischen Unio- Arten im Stromgebiet des kaspischen Meeres, von
wo sie bis jetzt nicht bekannt gewesen; eine todte Schale von
U. pictorum aus der Nähe des Kupferwerkes Werchnomuliusk
ist stellenweise kupfergrün gefärbt. Die Exemplare mit der
Angabe Barnaul sind alle schlecht erhalten, stark abgerieben,
offenbar aus zweiter Hand oder doch nur todt und abgerollt
gefunden, daher ihre Herkunft der Bestätigung bedürftig.
10) Es ist dieses die Art, welche in der Reisebeschreibung
von G. Rose als ein unbestimmtes Cardium , ähnlich dem C.
medium L., bezeichnet ist. All die vorliegenden Cardien, Adacnen
und Dreissenen sind zwar nicht lebend , aber doch, soviel nach
den Schalen zu beurtheilen möglich, in recentem, nicht fossilen
Zustande gefunden.
11) Adacna protracla zeigt Spuren von Schlosszähnen nach
Art der Didacna.
Derselbe sprach ferner noch über einige centralasiatische
Land- und Süsswasser-Conchylien, welche von dem verstorbenen
Dr. F. Stoliczka auf der für ihn verhängnisvollen Expedition
nach Yarkand gesammelt und von Herrn G. Nevill in Calcutta,
welcher sie bearbeiten wird, dem Vortragenden zugesandt wor-
den sind. Die grösseren Landschneckenarten sind für Central-
asien eigenthümliche Arten, zeigen aber, wie nahe sich hier die
von Russland und die von Englisch -Indien ausgegangenen Ex-
peditionen schon kommen, indem zwei der den Engländern neu
erschienenen Arten schon von russischen Reisenden gesammelt
worden sind, Helix phaeozona in Turkestan von Fedtschenko
Sitzuny vom 20. Juni.
97
und H. plectotropis im Thianschan von Semenow. Ganz neu
ist eine Helix Stoliczkana benannte Art, welche zur Gruppe
Campylaea zu gehören scheint, aber sich durch starke Streifung
und Vorhandensein von zwei Bändern, wie einige aus dem
Kaukasus bekannte Arten auszeichnet. Unter den kleineren
Landschnecken finden wir wieder europäische Arten, so Helix
costata, Pupa museorum und Succinea Pfeifferi. "Die Süsswasser-
schnecken sind fast alle europäische Arten, einige Limnaeen
sind durch ihre sehr dicke Schale bemerkenswerth , denen ent-
sprechend, welche in den grösseren Seen am Fusse der Alpen
in der Schweiz und Oberitalien leben.
Herr Braun theilt Beobachtungen über Gloeocapsa von
Dr. Hermann Itzigsohn unter Vorlegung einer Reihe von
Zeichnungen mit. Die Kenntniss der Vegetationszustände dieser
Gattung war bisher eine wenig genügende, da man bloss ihrer
gewöhnlichen Zellvermehrung und Färbung sein Augenmerk zu-
wandte. Bornet ist der Erste, der gelegentlich seiner Gonidial-
forscbung in Bezug auf die Flechten, die S poren b i 1 d ung der
Gloeocapsen erwähnt, der sie, in einer dürftigen Figur, angeb-
lich von Gloeoc. stegophila abbildet. Er macht auf die warzige
Beschaffenheit des Exosporiums aufmerksam.
Dem Dr. Herrn. Itzigsohn gelang es, die Sporenbil-
dung bei zwei Arten genauer zu beobachten.
1. Gloeocapsa stegophila H. I., die auf alten Lattendächern
in Neudamm und Umgegend häufig in Gesellschaft von Scyto-
nema lignicola Näg. (Scyt. tectorum Hr. und Rabenh. Dec.) vor-
kommt.
Die schön burgunderrotben Sporen liegen in Vielzahl in
grösseren oder kleineren Gloeocapsenstöcken, sie bestehen jedes-
mal aus zwei gleichen Hälften, sind also Doppelsporen.
Jede Sporenhälfte besteht aus einer dunkelrothen Gallertcyste,
in welcher ein spangrünes oder goldgelbes Gonidium nistet.
Durch Theilung dieser Gonidien vergrössert sieb bei der
Keimung die Cyste, und wird allmälig wieder ein Gloeo-
capsenstock.
Die Sporenhaut ist glatt, im Gegensatz zu der Figur
Bornet s, der sie rauh punktirt zeichnete, mithin wohl eint:
I
3g Gesellschaft naturforschender Freunde.
andere, als die erste Gloeoc. stegophila , vor sich hatte. Es
giebt viele rothe Gloeocapsenarten , deren specifischer Werth
erst nach der Erforschung ihres ganzen Lebenscyclus, und
namentlich ihrer Sporenbildung, festgestellt werden kann.
2. Glococapsa violacea. Mit diesem Namen bezeichnet
Dr I einstweilen eine sehr polymorphe, aber stets violett ge-
färbte Gloeocapse, die auf Dolomitgesteinen des fränkischen
Jura (Arnolt) sehr gemein ist und darauf einen schwarzgrauen
pulverigen Ueberzug bildet. Ob sie mit Nägeli’s Gl. ambigua
var. violacea oder roitKützing’s Gl. violacea identisch, oder ob
sie eigene Spezies sei, darüber behält sich Dr. I. noch seine
Entscheidung vor. Die Polymorphie dieser Gloeocapse besteht
in der wandelbaren Grösse der ganzen Stöcke, sowie der Ein-
zelgonidien , ihrer wandelbaren Färbung und Consistenz der
Gonidien sowohl als der Hautschichten, wie dies aus den vor-
gelegten Zeichnungen ersichtlich ist. Im herangereiften Zu-
stande wandeln sich die dann vergrösserten Gonidien, die immer
in der 2 — 4 Zahl nebeneinander liegen, in Doppelsporen
um; diese sind durch eine eigenthümliche Bildung des Exospo-
riu’ms charakteristisch. Anfangs nur schwach durch kleine
punktförmige Erhöhungen ausgezeichnet, erzeugt das Exosponum
später grosse, dichte, stacketenförmig nebeneinander gruppirte
Warzen, die die Doppelsporen rings umgeben und ihr so ein
sehr zierliches Ansehen verleihen. Bei der später erfolgenden
Keimung wird das warzige Episporium in feinkörnigen etntus .
aufgelöst; der Sporeninhalt selbst quillt erst auf und geht man-
niafache, dunkelgefärbte Encystosen ein, aus denen sich schliess-
lich wieder durch fortdauernde Gonidialtheilung junge Gloeo-
capsenstöcke bilden. Das häufige Vorkommen von ästigen
Fyphen in grösseren älteren Gloeocapsenstöcken ist rn. ^
Dr I. bisher unerklärlich, da er ein Eindringen von aussen
niemals gesehen; auch sollen sie sich nicht geradezu mit dicho- j
tomischen Endästchen parasitisch an die Gonidien anlegen, da-
gegen häufig gangliöse Anschwellungen zeigen. Dem \ ortra-
aenden scheint es demnach sehr wahrscheinlich, dass diese y-
phen gewissen Flechten angehören, deren Existenz an die
Gloeocapsen gebunden ist.
Sitzung vom 20. Juni.
99
Herr Braun machte ferner einige vorläufige Mittheilungen
über die Algenflora der Gewächshäuser des botanischen Gartens,
welche einen früher kaum geahnten Reichthum zeigt. Sie findet
sich nicht bloss in den Wasserbecken und Kübeln, sondern
auch auf den Blumentöpfen, an den Wänden, namentlich wo
des an den Fenstern sich niederschlagende Wasser herabrinnt,
und endlich an den Stämmen und Blättern der Pfllanzen selbst,
zumal an denen der Palmen, Pandaneen und Baumfarne. Zu
den Algen, welche in letztgenannter Weise Vorkommen, gehört
namentlich Chroococcus lageniferus Hildebr. , welches schön
gelbe Uebergänge bildet (am schönsten an Pandanus- Stämmen)
und eine zweite grüne Art derselben Gattung ( Ch . confervoides
ad interim), ferner Protococcus caldariorus P. Magnus, gelb-
grüne Ueberzüge bildend und oft gesellig mit Stichococcus (wahr-
scheinlich St. minor Näg.). Unter den Arten, welche die feuchten
Wände bekleiden, ist zunächst Pleurococcus miniatus Näg. zu
nennen, welcher, wo er rein auftritt, einen mennigrothen , ge-
mischt mit anderen Algen einen braunrothen Ueberzug bildet.
Diesem schliesst sich an Häufigkeit an eine Gloeothece , ähnlich
Gl. fusco-lutea Näg., aber mit farblosen Hüllen, welche als
Gl. ambigua bezeichnet werden mag, ferner mehrere, wie es
scheint, noch nicht beschriebene Arten der Gattung Aphanocapsa ,
1—2 Arten von G/oeocystis, eine sehr häufige gallertartige, wellig
höckerige, Krusten bildende ISostoc- Art (IV. tepidariorum ad int.),
eine neue Art der Gattung Schizosiphon ( intricatus ), 2 — 3 Arten
von Leptothrix und endlich eine nicht unbeträchtliche Zahl von
Desmidiaceen , welche theils zerstreut in der Gallertmasse an-
derer Algen, theils eigene reiche grünliche Schleimüberzüge
bildend, auftreten, und die zum Theil Arten angehören, die
bisher nur im höheren Norden (Schweden und Spitzbergen)
beobachtet wurden. Die bisher beobachteten Arten dieser
Familien sind: Cosmarium speciosum Lund., C. Holmiense Lund.,
C. Meneghinii de Bary, C. crenulatum Näg., C. anceps Lund.,
C. parvulum Breb., Euastrum polare Nordst., ferner 1 — 2 Arten
Gloeocystis und Palmogloea protuberans K., welche letztere apfel-
grüne, lappige Gallertmassen bildet. Die Diatomeen, welche in
Gesellschaft der Desmidiaceen Vorkommen, haben noch keine
specielle Bestimmung gefunden. An der Aussenseite feuchter
100 Gesellschaft naturfor sehender Freunde.
Blumentöpfe und an Ziegelsteinmauern findet sich Drilosiphon
Juleanus K. , dichte, licht blaugraue Decken bildend. Auf
feuchten Blumentöpfen zeigen sich namentlich Arten der Gat-
tungen Vaucheria, Cylindrospermvm und Oscillaria. Aus letzt-
genannter Gattung hob der Vortragende eine Art besonders
hervor, welche sehr nasse Blumentöpfe mit einem schwarzen
Üeberzug bedeckt, 0. sancta K. Getrocknet und dann zum
zweiten Mal mit Wasser benetzt giebt diese Art einen pracht-
vollen purpurvioletten Farbestoff von sich, während eine andere
nicht näher bestimmte Art des Gartens, auf dieselbe Art be-
handelt, nur spärlich einen himmelblauen Farbestoff ausscheidet.
Der Vortragende macht darauf aufmerksam, dass die verschie-
denen Farbemodificationen, in welchen das Phycocyan der
Oscillarien auftritt, bei der Unterscheidung der Arten dieser
schwierigen Gattung künftig mit Nutzen angewendet werden
kann. Unter den verschiedenen Wasserfäden, welche in Wasser-
kübeln der Gewächshäuser, erscheinen , gehört zu den merk-
würdigsten das ausgezeichnete Oedogonium rivulare , welches
hier in Berlin, ebenso wie zu Freiburg im Breisgau, das Chy-
tridium Olla beherbergt, und von dem Vortragenden nie anders
als in botanischen Gärten beobachtet worden ist.
Herr Kny hob im Anschluss an die von Herrn Professor
Braun mitgetheilten Beobachtungen an Oscillarien hervor, dass
auch bei den Florideen mit Rücksicht auf die Leichtigkeit, mit
welcher der in Wasser lösliche, rothe Bestandtheil ihres Farb-
stoffes sieb vom Chlorophyll trennt und durch die Membran
diffundirt, grosse Verschiedenheiten obwalten. Sehr rasch er-
folgt der Austritt bei der im Mittelmeer verbreiteten RhyHphloea
tinctoria. Es ist sehr schwierig, Exemplare dieser Art für das
Herbarium aufzulegen, ohne dass das Papier rothfleckig wird
und frisches Seewasser, in welchem man die soeben von ihrem
Substrate abgetrennten Pflanzen für die Untersuchung aufzube-
wahren wünscht, färbt sich schon in kürzester Zeit purpurroth.
Andererseits giebt es Arten, welche bei Aufbewahrung als
mikroskopische Präparate (in verdünntem Glycerin) sich mehrere
Jahre in fast unveränderter Farbenfriscbe erhalten, wie Dasya
coccinea , Nitophyllum Sandrianum u. a. m. Hier ist also der
Sitzung vom 20. Juni.
101
in Wasser lösliche Bestandteil des Rhodopbyll’s (Cohn ’s
TlPhycoerythrinii') sehr fest an das Protoplasma gebunden.
Herr v. Martens erinnert daran, dass eben die genannte
Rliytiphloea den alten Römern als Färbemittel diente, daher der
Ausdruck fucus für Schminke.
Herr Ascherson legte eine Keimpflanze von Pirus
Malus L. vor, welche von Herrn Lehrer W. Frenzei in Hilden
bei Düsseldorf Ende Juni d. J. im Innern eines kleinen
Borsdorfer Apfels gefunden wurde. Die etwa 0,035 M.
lange Keimpflanze hatte mit der Spitze ihrer Wurzel, welche
an der Stelle, wo sie das Fruchtgehäuse durchbohrt hatte, eine
kreisförmige Schleife machte, schon nahezu die Schale des
Apfels erreicht. Die grünlich gelben Keimblätter wurden noch
durch die Samenschale zusammengehalten. Das in der Farbe
unverändert gebliebene Apfelfleisch hatte einen auffallenden,
nicht mehr ganz angenehmen Geschmack. Dieser Fall der Kei-
mung des Samens innerhalb der unversehrten Frucht dürfte
immerhin zu den seltenen gehören. Als Viviparie lässt er sich
nicht wohl bezeichnen, da die betreffende Frucht schon fJahr,
vom Stamme getrennt, aufbewahrt worden war.
Derselbe besprach die geographische Verbreitung
der Geschlechter von Stratiotes Aloides L.
Der kürzlich verstorbene Nolte glaubte in seiner vortreff-
lichen, vor einem halben Jahrhundert erschienenen Abhandlung
(Botanische Bemerkungen über Stratiotes und Sagittaria, Kopen-
hagen 1825, S. 31) die Ansicht aussprechen zu müssen, dass
„diese Pflanze auf dem geringsten Raum ihres Verbreitungs-
bereiches mit beiden Geschlechtern vorkommt. Vom 68. bis
zum 55. Grad nördlicher Breite findet sich in Europa nur die
weibliche Pflanze, doch liegt in England diese Zone etwa um
zwei Grad südlicher. Vom 55. bis zum 52. Grad nördlicher
Breite kommen beide Geschlechter vor. Zwischen 52. und 50.
Grad nördl. Breite kommt im westlichen Europa nur die männ-
liche vor; im östlichen scheint das Nämliche stattzufinden oder
wenigstens die weibliche Pflanze weit seltener, als die männ-
liche zu sein.“
Hugo de Vries, welcher neuerdings diesen Gegenstand in
102 Gesellschaft naturforschender Freunde.
einer eigenen Abhandlung (Orer de geographische Verspreiding »an
Stratiotes Aloides L. 0»ergedr. „i, he. Ne krutdk. Arch ef h
1872 p. 203 ff.) besprochen bat, bestätigt im A gemeinen
Angaben, glaubt aber ausserdem annebmen zu müssen dass a
in Holland das weibliche Geschlecht uberwiege, in er lt e
Norddeutschlands, in Lauenburg, wo Nolte seine Beobachtun-
gen machte, beide Geschlechter etwa gleich häufig, im nordöst-
lichen Deutschland aber, z. B. bei Danzig, das männliche häu-
figer sei, im östlichen Europa, also in Russland und Ungarn
das männliche ausschliesslich vorhanden sei. Ferner schhesst
De V ries aus seinen Studien über die in den letzten 50 Jah-
ren veröffentlichte floristische Literatur, dass die geographische
Verbreitung von Stratiotes sich während dieser Periode, namen -
lieh in Frankreich und Russland, erheblich, und zwai aupt
sächlich durch absichtliche oder unabsichtliche Verschleppung,
erweitert habe. .
Vortragender kann diesen Ansichten von De Vnes nur
theilweise beistimmen. Allerdings scheinen auch die neueren
floristischen Werke sowie eingezogene Erkundigungen für ie
skandinavischen Reiche (resp. Schweden und Dänemark, da dei
von Gunnerus angegebene Fundort bei Ofoden ^ Norwegen
(G8° N. Br.) nach Blytt (Norge’s Flor. 1861, p. 324) ohne
neuere Bestätigung blieb), sowie für die britischen Inseln das
Vorkommen von nur weiblichen Exemplaren zu bestätigen.
Freilich bleibt noch die Angabe eines englischen Localfloristen
(Leighton, Flora of Shropshire 1841, p. 254) zu prüfen, wel-
cher den Pollen beschreibt, ohne dass es den Anschein a ,
dass diese Notiz einem continentalen Schriftsteller entlehnt sei.
Dagegen scheint keine Zone des ausschliesslichen Vorkommens
männlicher Exemplare, wie sie Nolte und De Vries .nneh-
men, zu existiren, da für Belgien Crepin (Bull. soc. bot. Be g.
XII p 121), für Frankreich und zwar für Lille im Departe-
ment du Nord Grenier (Bull. soc. bot. France 1873, Comp!.
rend p. 235, 236) das Vorkommen weiblicher Exemplare neuer-
dings constatirt hat. Was die übrigen Fundorte in Frankreich
bei Paris, Le Mans, Angers, Moulins, Bordeaux (De Vnes
a a O. p. 9) wo die Pflanze allerdings nur männlich vorhan-
den zu sein scheint, betrifft, so beruhen sie theils, wie die drei
Sitzung vom 20. Juli.
103
erstgenannten nachgewiesenermaassen auf Anpflanzung, theils
ist der Verdacht derselben nicht ausgeschlossen. Godron und
Grenier führen in der Flore de France (III, p. 308) nur Lille
an und übergehen die früher veröffentlichten bei Paris und Bor-
deaux mit Stillschweigen.
Die Annahme des Vorkommens von nur männlichen Exem-
plaren in Russland und Ungarn stützt sich nicht auf Thatsachen
und kann vom Vortragenden bereits widerlegt werden, da ihm
Herr Prof. Ant. Kerner freundlichst mittheilte, dass er Stra-
tiotes in nur weiblichen Exemplaren im Velenczer See bei Stuhl-
weissenburg und in beiden Geschlechter bei Töszeg unweit
Szolnok an der Theiss beobachtet habe. Das ausschliessliche
Vorkommen von männlichen Exemplaren in Ungarn war dem
Vortragenden von vornherein nicht wahrscheinlich, da sich der
ungarische, von dem der sarmatisch-norddeutschen Ebene völlig
getrennte Verbreitungsbereich längs der Donau durch Nieder-
und Ober-Oesterreich bis Niederbayern fortsetzt und ihm schon
vor längeren Jahren weibliche Exemplare von Moosbrunn in
der Wiener Gegend zu Gesicht gekommen waren (vgl. Verhandl.
des bot. Vereins für Brandenb. 1861, 1862. p. III bis). Auch
Kerner hat diese Pflanze in Nieder-Oesterreich, und zwar bei
Theiss und in der Nähe seiner Vaterstadt Mautern in der sog.
Krautgartenlache, in weiblichen Exemplaren beobachtet.
Die fernere Annahme von De Vries, dass sich das Ge-
biet von Stratiotes durch Anpflanzung oder überhaupt Naturali-
sation in den letzten Jahrzehnten beträchtlich erweitert habe,
ist wohl für West-Europa berechtigt, wo ausser den erwähnten
Fällen aus Frankreich auch manche von den britischen Inseln und
zwei aus Deutschland (Entensee bei Offenbach und Würzburg)
bekannt geworden sind, schwerlich aber auf die seit Nolte’s
Arbeit neu hinzugekommenen Fundorte im russischen Reiche,
welche theils auf neueren Beobachtungen in früher nicht oder
ungenügend erforschten Gegenden, theils auch auf gründlicherer
Benutzung der älteren Literatur beruhen. Letzteres ist z. B. der
Fall mit dem Fundorte am Terek in Kaukasien, aus dessen Nicht-
erwähnung in Marschall v. Bieberstei n’s Flora taurico-
caucasica De Vries auf neuere Einschleppung schliesst. Die
Angabe in Ledevour’s Flora Rossica IV, p. 46 rührt aber von
104 Gesellschaft naturforschender Freunde.
dem im vorigen Jahrhundert lebenden Reisenden Gülden 8tädt
her. Ein ganz ähnliches Versehen ist De Vries hinsichtlich
des übrigens wohl sehr der Bestätigung bedürftigen Fundorts in
der spanischen Provinz Mancba begegnet, welchen Willkomm
und Lange (Prodr. Flor. Hispan. I, p. 160) auf die Autorität
von Quer, einem Zeitgenossen Linne’s, aufgenommen haben.
Ebensowenig kann ein Verdacht der absichtlichen Verschleppung
gegen die von De Vries nicht erwähnten sehr merkwürdigen
Fundorte in der oberschwäbischen und oberbayerischen Hoch-
ebene geltend gemacht werden. In Württemberg wird unsere
Pflanze von G. v. Martens und Kemmler (Flora von Würt-
temberg und Hohenzollern 1865, p. 537), bei Altshausen (west-
lich von Schussenried) und im See bei Karsee bei Wangen an-
gegeben; in Oberbayern im Pilsensee bei Seefeid zwischen
Starnberger und Ammersee; letzterer Fundort liegt, wie der bei
Wangen, schon innerhalb des präalpinen Hügellandes; die
Lage eines durch Anpflanzung entstandenen Fundortes sollte
man doch eher in der Nähe grösserer Städte, wie die der trän- j
zösischen, erwarten. _ . _
Für die Bezirke , in denen Stratiotes nur in einem Ge-
schlechte beobachtet ist, also Skandinavien, die britischen In-
seln, Oberitalien und Belgien hält De Vries eine spatere Ein-
wanderung für wahrscheinlich. Dass diese Voraussetzung für
Belgien nicht zutrifft, ist oben bereits bemerkt, ebensowenig
ist sie jetzt noch für die Po-Ebene richtig, wo bisher allerdings
um Mantua und Ferrara die Pflanze nur weiblich bekannt war;
neuerdings hat sie indess der Erzpriester Mase unweit des un-
gefähr in der Mitte zwischen den genannten Orten ge egenen
Städtchens Ostiglia im Flusse Tartaro in sehr zahlreichen männ-
lichen Exemplaren beobachtet (Atti soc. ital. sc. natur. 1868,
p 666). Indess auch für die erstgenannten Länder scheint dem
Vortragenden die Ansicht von De Vries einigermassen gewagt,
da an sich bei einer dioecischen Pflanze, welche sich überaus
reichlich durch vegetative Sprossung vermehrt, das ausschliess-
liche Auftreten des einen Geschlechts auf kleinen oder selbst
grösseren Strecken nicht befremden kann, zumal die Bestaubung
ziemlich schwierig erscheint, da sie ohne Zweifel nur durc n
secten vor sich geht. Directe Beobachtungen über dieselbe he- |
Sitzung vom 20. Juli.
105
gen noch nicht vor, doch spricht dafür ausser der Analogie von
Hydrocharis, welche Delpino (Ulter. osserv. sull. dicog. parte
II, p. 22, 23) zu den piante entomoßle rechnet, die Honigaus-
scheidung der sog. Staminodien in den Blüthen beider Geschlech-
ter, die bereits Chr. Conr. Sprengel (da9 entd. Geheimniss
S. 441) nachgewiesen hat.
Es fehlt übrigens nicht an ähnlichen Beispielen ausschliess-
lichen Vorkommens eines Geschlechts bei anderen dioecischen
oder polygamischen Pflanzen. So ist die verwandte Elodea ca-
nadensis Rieh, und Mich., welche seit nunmehr 35 Jahren in
die Gewässer Mitteleuropas als zum Theil sehr lästiger Gast
eingewandert ist, und dort nur weibliche Blüthen entwickelt, da
alle europäischen Exemplare vermuthlich durch vegetative Ver-
mehrung eines Individuums entstanden sind, auch in ihrer nord-
amerikanischen Heimat auf weite Strecken nur weiblich, an an-
deren Orten nur männlich bekannt. Von dem durch En gelmann
neuerdings so ausführlich besprochenen, die amerikanischen
Prairien bewohnenden Buffalo-grass , Buchloe dactyloides Engel-
mann, bedeckt das männliche Geschlecht häufig weite Strecken
und überwuchert und verdrängt sogar öfter die spärlichen, sich
nicht so reichlich vegetativ vermehrenden weiblichen Exemplare,
Eine weitere biologische Eigenthümlichkeit von Stratiotes
ist bereits von Nolte wahrgenommen worden, nämlich die,
«dass auch in Gegenden, wo nur weibliche Exemplare Vorkom-
men, Fruchtknoten und Ovula sich trotz der ausbleibenden Be-
stäubung weiter entwickeln, obwohl natürlich die Anlage des
Keimlings unterbleibt. Er beschreibt diese scheinbare Partheno-
genesis a. a. O. S. 35 folgendermaassen: „Im November und
December desselben Jahres (1824) setzte ich darauf meine Beob-
achtungen an diesem Gewächse in Kopenhagen fort, fand es
häufig unter dem Wasser, wie es schien, mit den schönsten
Früchten, die zum Theil grosse, dem äussern Anschein nach
vollkommen ausgebildete Samen hatten; doch bei genauer Unter-
suchung ergab es sich, dass nur die Samenhäute vollkommen
ausgebildet waren, auch fand sich nur ein Theil der inneren
Masse darin“.
Die neuerdings von verschiedenen Seiten aufgetauchte Ver-
muthung, dass die Ausbildung von Früchten unter solchen Um-
9
106 Gesellschaft naturforschender Freunde.
ständen dadurch zu erklären sei, dass doch einzelne Stantinodien
der weiblichen Blüthe sich zu wirklichen Antheren ausb.ldeu
entbehrt bis jetzt eines thatsächlichen Anhalts, da e.ne dera tig
Beobachtung den, Vortragenden nicht bekannt geworden tat.
Herr Magnus betnerkte im Anschlüsse an Herrn Ascher-
son“ Mittheilung, dass ihm Herr Studiosus P.ppo- Ende
Juni 1875 zwei in der Hülse gekeimte, junge, noc grüne
t freund, ichst überreich, hatte, die ‘""wü^
pahlen der Schoten in einer Hülse gefunden hatte. D.e Wurzel
eben batten sich beträchtlich verlängert und waren aus der
, t „Inn "Hipser Fall ist um so interessanter,
Samenschale herausgetreten. o noch
als die in der geschlossenen Frucht kermenden Samen noch
unreif sind. Es schliesst sich dieses der Erfahrung weiter
Forscher über das Keimen ausgesäeter unreifer Samen an, un
hat F Cohn sogar beobachtet, dass die unreifen Samen schneller
keimten,0 als die ausgereiften (vgl. F. Cohn in Regensburger
Flora 1849, S. 501, 502 und 504), was auch schon vor
Duhamel und Senebier berichtet hatten und g,eb. es Sene-
bier speciell von unreifen Erbsenkörnern an (vgl. D- e C
dolle Pflanzen-Physiologie, ühersetzt von J. Roepe , . ,
S 274) Das Keimen von Samen in der geschlossenen noch
an der Mutterpflanze hängenden Frucht zeigt sich auch sehr
schön fast jedes Jahr an Ardisia cremdata Ventenat im hiesige ,
Universitätsgarten.
Herr Gerstaecker sprach über das bereits in den Tages-
blättern erwähnte Auftreten der Wanderheuschr^ke,
Oedipoda migratoria (. Gryllus migratorius et darncus Lin., Gylhs
cinerascens Fab., Pachytylus migratonus Fieb.) m der
baren Nähe Berlins. Bei einer am 16. Juli d. J. in Gemein
schaft mit den Herren Prof. Dr. Orth und Dr. Hermes nach
Ludwigsfelde unternommenen Excursion fand sich das berüch-
tigte Insekt, welches in den Gemeinden Löwenbruch ^ und Kerze"
dorf (beiderseits von der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn) bereits
während d. J. 1873 und 1874 in grösserer Individuenzahl au
getreten war, im heurigen Sommer aber daselbst an Roggen
und Hafer arge Verwüstungen angerichtet hat, dem grosseren
Sitzung vom 20. Juli.
107
Theil nach im letzten Larvenstadium, zum kleineren jedoch auch
schon als geflügelte Imago vor. Die in den mannigfaltigsten
Färbungen (chocolatenbraun , rothbraun, aschgrau und intensiv
grün) auftretenden, etwa 30 mm. langen, mit schwärzlichen
Flügelstummeln versehenen Larven bedeckten auf einem bereits
abgeernteten Roggenfelde, welches speciell besichtigt wurde, das
in Mandeln aufgestellte Getreide, dessen Aebren sie ausweideten,
oft massenhaft, während die geflügelten Individuen beiderlei Ge-
schlechts, wenngleich sie — in Gesellschaft von Locusta viri-
dissima Lin. — an den Garben nicht ganz fehlten, sich vor-
wiegend am Erdboden zwischen den Stoppeln aufhielten und
stellenweise in grösserer Anzahl aufgescheucht werden konnten.
Die meisten der letzteren waren nach ihrem noch wenig inten-
siven Fluge und der Nachgiebigkeit ihrer Körperhaut augen-
scheinlich erst frisch entwickelt*), zeigten übrigens gleichfalls
die wechselndsten Färbungen, besonders im Bereich des Prothorax
(bald spangrün, bald gelbbraun, ebenso oft mit als ohne
schwarzbraune Längsbinden) und der Hinterschienen (bald fahl-
gelb, bald mennigroth). Nach ihrer schlanken Statur und dem
mehr oder weniger stark entwickelten Prothoraxkiel gehörten
diese Imagines der von Linne (Syst. nat. p. 702, Nr. 57) als
Gryllus danicus beschriebenen, von H. Fischer (Orthopt. Europ.
p. 395) als Pachytylus cinerascens aufgeführten Form an, welche
jedoch von der Oedipoda migratoria Lin. (Mus. Ludov. Ulric.
p. 140 = Gryllus cinerascens Fab.**) Ent. syst. II, p. 59, Nr. 51)
nicht als specifisch verschieden angesehen werden kann , wie
*) Bei einer zweiten, vom Yortr. am 26. Juli in Begleitung des Herrn
Dr. Magnus vorgenommenen Besichtigung desselben Ackers fanden sich
Larven überhaupt nicht mehr vor, die Imagines dagegen massenhaft, im
hurtigen Fluge und mehrfach in Begattung begriffen.
**) Die Annahme zweier verschiedener Arten hat man sonderbarer Weise
(cf. Fischer, Orthopt. Europ. a. a. 0.) nicht darauf basirt, dass Linne
die mehr nördliche kleinere und die südliche, plumpere F’orm als Gryllus
danicus und migratorius unterschieden hat, sondern dass Fabricius, ohne
die Linnd’sche Art zu kennen (er führt sie, unter Repro duction der Lin ne-
schen Diagnose, a. a. O. p. 53, No. 27, einfach auf), sie noch einmal mit
der Vaterlandsangabe „Italien“ als Gryllus cinerascens beschrieb: eine Sorg-
losigkeit, deren er sich bekanntlich in vielen Fällen schuldig gemacht hat.
9*
108 Gesellschaft naturforschender Freunde.
dies bereits in früherer Zeit v. Charpentier und Burmeister,
neuerdings besonders F. Koeppen in seiner vorzüglichen Schrift:
Ueber die Heuschrecken in Süd-Russland (St. Petersburg 1866,
gr. 8.) geltend gemacht haben. — Indem Vortr. eine grössere
Anzahl von Ludwigsfelde stammender lebenderlndividuen beiderlei
Geschlechts, im Larven- und Imagostadium befindlich, vorwies,
erwähnte er zugleich, dass nach einem an Herrn Vir chow ge-
richteten und von diesem ihm zur Beantwortung überwiesenen,
von einer Probesendung begleiteten Schreiben eines Gutsbesitzers
in der Nähe von Magdeburg (Coerbelitz), auch in dieser Gegend
Wanderheuschrecken in gleich grosser Zahl verheerend aufge-
treten seien. Aus dem bei Ludwigsfelde schon im dritten Jahre,
bestehenden Frass widerlege sich übrigens die vielfach verbrei-
tete Ansicht, dass die Wanderheuschrecke von Süd-Russland aus
gelegentlich bis in die Mark Brandenburg vordringe, von selbst;
vielmehr sei sie auch bei uns einheimisch und alljährlich, wenn
auch meist nur in geringer Individuenzahl, anzutreffen. Ihr ge
legentliches Massenauftreten, welches zuletzt Ende der fünfziger,
vordem Ende der zwanziger Jahre beobachtet worden sei, resul-
tire offenbar aus bestimmten, die Fortpflanzung ausnahmsweise
begünstigenden Witterungsverhältnissen. Die Vertilgung dieser
Landplage betreffend, so habe man leider die günstigste Zeit,
in welcher das Weiterwandern der Larve durch das Ziehen von
Gräben abgeschnitten werde könne, in allzugrosser Sorglosigkeit
verstreichen lassen; jetzt werde man wenigstens dafür Sorge zu
tragen haben, dass behufs Vertilgung der von den Weibchen in
den Erdboden abgelegten Eier die befallenen Felder aufgepflügt,
und bevor die Wintersaat bestellt wird, mehrere Wochen hin-
durch Schweine und Geflügel aufgetrieben werden.
Derselbe erörterte sodann einen auch in pathologischer Be-
ziehung interessanten Fall von dem Vorkommen ausgewach-
sener leb enderDipteren-L arven in derNasenhöhled es
Menschen. Nach einer dem Vortr. seitens des Herrn Dr. Cold,
Assistenz- Arzt an der Landes -Irren -Anstalt bei Neustadt-Ebers
walde, in zuvorkommendster Weise gemachten brieflichen Mitthei-
lung handelt es sich dabei um eine gegenwärtig 24 Jahr alte, mit
erblicher Anlage zu psychischer Erkrankung behaftete, seit ihrem
fünfzehnten Lebensjahre geisteskranke Patientin, welche nach
Sitzung vom 20. Juli.
109
vorangegangener Melancholie sich bereits im August 1870, zu
welcher Zeit ihre Aufnahme in die genannte Anstalt stattfand,
im Zustande des ausgesprochensten Blödsinnes befand. Nach-
dem sie während der ersten Jahre ihres dortigen Aufenthaltes
häufig erregt war und beruhigender Medicamente bedurfte, sitzt
sie seit etwa zwei Jahren am Tage ununterbrochen stumpfsinnig
an einer und derselben Stelle, ist unreinlich, muss gefüttert, an-
und ausgekleidet werden, spricht weder, noch reagirt sie irgend-
wie auf Anreden. Am 22. Juli 1874 blutete ihr den ganzen Tag
über die Nase. Eine in Folge dessen angestellte Untersuchung
ergab als Ursache die Anwesenheit von ansehnlich grossen
Fliegenmaden, weiche Geschwüre auf der Nasenschleimhaut er-
zeugt hatten. Eine zweimal täglich vorgenommene Wasser-Ein-
spritzung in die Nase brachte diese Larven nicht unmittelbar
heraus; doch fand man sie hin und wieder freiwillig aus den
Nasenlöchern hervorkriechend, im Ganzen etwa fünfzehn. Ver-
muthlich haben sie sich innerhalb der mit der Nasenhöhle
communirenden Höhlen verborgen gehalten. Die Patientin
fieberte während dieser Zeit (Abends 39°), ass aber dabei. All-
mählig verlor sich das Fieber sowohl wie die Blutung ganz;
auch sind seit dem 12. October keine Fliegenmaden mehr zum
Vorschein gekommen. Nach Abgang derselben hat sich der
frühere Zustand der Kranken in keiner Weise geändert. —
Soweit der Bericht des Arztes, welcher die gesammelten Fliegen-
larven Herrn Prof. Al tum in Neustadt- Eberswalde lebend über-
mittelte. Nach einer von diesem an den Vortr. gerichteten
Mittheilung entwickelten sich aus mehreren, seitdem 11. August
v. J. zu Tage geförderten Larven, welche sich bald nachher
verpuppten, die Fliegen zwischen dem 20. und 25. August,
Letztere wurden nebst Puppenhüllen und Larven, welche letztere
Herr Al tum zuerst für Cephenomyia- Larven zu halten geneigt
war, dem Vortr. zur näheren Bestimmung zugesandt und ergaben
sich als der Sarcopkila magnißca Schin. angehörend. Bei der
sehr nahen Verwandtschaft, welche die Gattung Sarcopkila Rond-
mit den gewöhnlichen Schmeissfliegen ( Sarcophaga Meig.) im
Imagostadium erkennen lässt, muss es auffallen, dass ihre Larve
von derjenigen der Sarcophaga carnaria habituell recht verschieden
ist und in der That denjenigen der Rachenbremsen etwas ähnelt..
110 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Bei beträchtlich geringerer Grösse (17 mm. lang) hat sie dennoch
fast denselben Körperumriss und die derbe, lederartige Haut mit
ganz ähnlich in Querreihen angeordneten, aber deutlich begrenzte,
schwielige Stellen freilassenden Chitindörnchen besetzt. Am
ersten, auf den Kopf folgenden, nach vorn stark verengten
Körperringe sind dieselben auf den wulstigen Vorderrand be-
schränkt; der hinteren Hälfte der drei vorletzten Ringe fehlen
sie auf der Rückenseite. An dem wulstigen Endrande des elften
Ringes erheben sich aus dem der Mitte bauchwärts aufsitzenden
Dornenkranz zwei ziemlich hohe papillenförmige, deutlich ge-
ringelte Fortsätze. Die in einer tiefen Aushöhlung des End-
segmentes liegenden Analstigmen sind nahezu kreisrund und
zeigen drei von dem Ringwall eingeschlossene, fast parallel
laufende, schleifenförmige Luftkammern. Die 12 mm. langen
Tonnenpuppen sind matt schwarzbraun, dicht quernefig und
zwischen den Riefen gleichfalls fein gedörnelt. — Das gelegent-
liche Vorkommen von Sarcophila- Larven in eiternden Wunden
ist bereits von Bouche erwähnt worden; auch hat Klug einige,
in der hiesigen Entomologischen Sammlung befindliche Exem-
plare der Sarcophila magnifica , welche Vortr. nebst den aus der
Neustädter Irren -Anstalt herstammenden zur Ansicht vorlegte,
aus Larven gezüchtet, welche aus dem eiternden Ohr eines Kindes
hervorgingen. Ob eine zweite, der Sarcophila magnifica sehr
ähnliche Art: Sarc. ruralis Fall, (mit gelben Tastern), welche
sich gleich jener in der Umgegend Berlins stellenweise zuweilen
in Mehrzahl vorfindet, eine gleiche Lebensweise führt, bleibt
noch zu ermitteln. Da sich kaum annehmen lässt, dass alle im
Freien angetroffenen Exemplare der Fliege aus eiternden Schleim-
höhlen des Menschen herstammen, so möchte zu vermuthen sein,
dass die Larven der Sarcophila -Arten sich auch anderweitig
(vielleicht an Thieren) entwickeln können.
Schliesslich zeigte derselbe aus der Wiener Gegend stam-
mende und ihm durch die Güte des Herrn von Bergenstamm
zugekommene Exemplare der Stubenfliege {Masco domeshca )
beiderlei Geschlechts vor, welche den zuerst von Karsten be-
obachteten und unter dem Namen Stigmalomyces muscae beschrie-
benen merkwürdigen Pilz auf ihrem Körper tragen. Bei den
Männchen findet sich derselbe regelmässig an der Unterseite
Sitzung vom 20. Juli.
111
der Vorderbeine, bei den Weibchen auf dem Rücken des Tho-
rax und am Hinterrande des Kopfes. Ein derselben Gattung
angehörender, auf Nycteribia vorkommender Pilz ist zuvor von
Kolenati als neue Gattung der Eingeweidewürmer (!) Art kr o-
rhynchus, andere auf verschiedenen Käfern ( Brachinus ) wurzelnde
von Robin unter dem Gattungsnamen Laboulbenia beschrieben
worden.
Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen;
Bulletins de l’Academie de Belgique. Tome XXXV. XXXVI.
XXXVII. et V Annuuire pour 1874.
Schriften der naturforsch. Gesellschaft zu Danzig. Bd. 1 Hft. 3. 4.
Bd. 3 Hft. 3.
Mittheilungen aus dem Jahrbuch der Kgl. ungar. geolog. Anstalt
Bd. 3 Hft. 1. 2. Budapest 1874.
A magyar kir. földtani intezet Evkönve. Bd. 3 Hft. 1. 2. Buda-
pest 1874.
Abakong deli Reszenek földtani viszonyel II Resz. Budapest 1874.
Bulletin de la societe imp. des Natura/istes de Moscou 1874 No. 4.
A. W. Schade’s Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 47.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
vom 19. October 1875.
Director: Herr Braun.
Herr Gerstaecker legte eine im Bulletino entomologico
Italiano Vol. 4. enthaltene Mittheilung des Hrn. Targioni
Tozzetti über das Vorkommen Lepadidenartiger Cirri-'
pedien an den Bauchfedern von Sturmvögeln und zu-
gleich einige von Hrn. Peters für das hiesige zoologische
Museum in Florenz erworbene Weingeist - Exemplare des vom
Verf. als neue Gattung und Art unter dem Namen Ornitholepas
australis beschriebenen Thieres selbst vor. Nach Angabe des
Prof. Giglioli fanden sich an den mittleren Bauchfedern zahl-
reicher, im südlichen Atlantischen Ocean erlegter Exemplare des
Puffinus (Prioßnus) cinereus constant 2 bis 3 mill. lange „Lepa-
diden-Larven“ in grösserer oder geringerer Anzahl angeheftet
vor, was um so mehr überraschen musste, als diese Vögel sich
nur vorübergehend und in langen Intervallen auf das Meerwasser
niederlassen. Targioni, welchem diese noch an den Puffinus-
Bauchfedern haftenden Rankenfüssler zur Untersuchung Vorge-
legen haben, unterscheidet unter denselben zwei Formen, von
denen die eine sich durch einen noch ganz dünnhäutigen, durch-
scheinenden (zweiklappigen) Mantel auszeichnet, während bei
der anderen, in ungleich geringerer Anzahl vertretenen und —
auffallender Weise — als wesentlich kleiner bezeichneten sich jeder-
seits drei als Carina , Tergum und Scutum bezeichnete Schalen-
stücke vorgefunden haben. Das Thier selbst wird nur von
10
1 14 Gesellschaft naturforschender Freunde.
ersterer Form und zwar als mit sechs Paaren von Cirren ver-
sehen, des Begattungsorganes aber entbehrend beschrieben und
abgebildet. Trotzdem glaubt Verf. in den von ihm untersuchten
Individuen ausgebildete Cirripedien, „welche das Nymphenstadium
bereits absolvirt haben,“ zu erkennen und sich zur Aufstellung
einer neuen Gattung für dieselben berechtigt.
Dem Vortragenden haben nur solche Exemplare des Or-
nitholepas australis Targ. zur Untersuchung Vorgelegen, welche
einen dünnhäutigen, nicht verkalkten Mantel besitzen und auch
von Targioni für seine Darstellung des Körpers und der Glied-
massen verwandt worden sind. In diesen vermag Vortragender
nichts Anderes zu erkennen, als eine sich in dem sogenannten
Cypris-Stadium befindende junge Cirripedien-Larve, welche sich
erst vor Kurzem durch Anheftung mittels der Fühlhörner aus
dem frei umherschwimmenden Nauplius-Stadium hervorgebildet
hat. Hierfür sprechen, abgesehen von der geringen Körpergrösse
und dem noch ganz zarten, durchsichtigen Mantel: 1) der Mangel
des von Targioni erwähnten Pedunculus, an dessen Stelle noch
die deutlich gegliederten Larvenfühler, welche so eben ein kleines
Cementklümpchen behufs Anheftung an eine Federstrahle ausge-
schieden haben, vorhanden sind. 2) Das noch als dunkler Pig-
mentfleck deutlich erkennbare Larvenauge. 3) Der Mangel
eigentlicher, von Targioni erwähnter Cirren, welche durch
sechs Paare von Spaltbeinen (mit zweigliedrigen, langbeborsteten
Spaltästen versehen) ersetzt werden. 4) Der Mangel des un-
paaren, geringelten Begattungsorganes. 5) Die Endigung des
Körpers in eine beborstete Furca. 6) Der Mangel entwickelter
Geschlechtsdrüsen. Nach allen diesen Merkmalen sich als ganz
jugendliche Cirripedien-Larven herausstellend, als welche sie von
de Filippi und Giglioli mit vollem Recht bezeichnet worden
sind, bieten diese Individuen nicht. einmal einen irgendwie sicheren
Anhalt dafür, welcher Familie der Rankenfüssler das sich aus
ihnen hervorbildende geschlechtlich entwickelte Thier angehören
dürfte. Höchstens könnte man aus dem Umriss des Mantels
darauf schliessen, dass sich kein Balanide aus ihnen entwickeln
werde, während, ob Lepadiden , ob Peltogastriden , bei der grossen
zwischen dem Cypris - Stadium beider bestehenden Aenlichkeit,
noch zweifelhaft sein könnte. Ist demnach die Aufstellung einer
I
(
Sitzung vom 19. October.
115
ueueu Gattung morphologisch durchaus ungerechtfertigt, so bietet
nach Ansicht des Vortragenden das — in der That interessante
und auf den ersten Blick paradoxe — Vorkommen an
Vogelfedern hierfür ebenso wenig einen genügenden Anlass.
Zwar fehlt es nicht an mehrfachen Fällen eines constanten
Vorkommens sogenannter parasitischer Cirripedien auf bestimmten
Wirthsthieren ( Coronula balaenaris, Xenobalanus globicipitis,
Anelasma squalicola , Chelonobia testudinaria, Dichelaspis Darwini
u. A.). Diese sind jedoch auf solche Meeresthiere angewiesen,
welche 1) andauernd unter Wasser leben, 2) sich der Fest-
setzung der Cirripedien-Larven auf ihrem Rücken, ihren Flossen,
Kiemen u. s. w. nicht erwehren können, 3) durch ihre Körper-
beschaffenheit dem erwachsenen Cirriped eine solide Unterlage
darzubieten im Stande sind und 4) schon deshalb die constanten
oder vorwiegenden Träger der genannten Cirripedien sein müssen,
weil sie im offenen Meere der einzige Gegenstand sind, an
welchen sich die von ihren Insassen ausgestossenen Larven fest-
heften können. Bei einem Vogel dagegen trifft keiner dieser
für das Gedeihen eines Cirripeden nothwendigen oder begünstigen-
den Umstände zu. Eine so haarfeine Federstrahle, wie sie in
dem vorliegenden Falle der jungen und noch ganz leichten
Cirripedien -Larve als Basis dient, würde ein ausgewachsenes
Individuum von einigem Gewicht gar nicht zu tragen im Stande
sein. Bei dem vorwiegenden Luftleben der Puffinus-Arten würde
ferner den ihren Federn anhaftenden Cirripedien die für ihre
Existenz nöthige Wasserathmung entzogen werden. Endlich aber
wurde der Vogel bei seiner Fähigkeit, die Bauchfedern mit dem
Schnabel zu erreichen und bei seiner Gewohnheit, sie mit dem
Fett der Bürzeldrüse einzuölen, sich der ihm jedenfalls lästigen
Epizoen leicht zu entledigen wissen. Es dürfte sich daher nach
der Ansicht des Vortragenden bei dem vorliegenden Befunde
einfach um einen Fall von zufälliger Verirrung, wie er bei solchen
Thierarten, deren Nachkommenschaft sich hoch in die Tausende
belauft, durch diese Zahl gewissermaassen vorgesehen ist und
erfahrungsgemäss in weiter Ausdehnung ( Taenia , Lytta , Meloe
u. A.) vorkommt, handeln.
10
116 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Herr Ascherson legte einen ihm von dem Pharmaceuten
Ramann in Arnstadt übersandten Zweig eines im Weimarer
Park angepflanzten Baumes von Carpinus Betulus var. incisa
vor, welcher nur an der Spitze und an einem oberen Seiten-
zweige eingeschnittene Blätter, an mehreren unteren Seiten-
zweigen aber die gewöhnliche Blattform der Weissbuche zeigt.
Die vom Einsender angedeutete Meinung, dass bei dieser an
dem betreffenden Baume seit Jahren beobachteten Erscheinung
die Veredlung (dergleichen Spielarten pflegen in der Regel nur
durch dies Verfahren fortgepflanzt zu werden) von Einfluss sei,
kann Vortragender nicht theilen, glaubt vielmehr nur eine Rück-
kehr der wenig standhaften Abänderung zur Grundform annehmen
zu müssen. Die Herren Bouche und Braun sprachen sichin
demselben Sinne aus; letzterer hat dieselbe Erscheinung an Car-
pinus öfter beobachtet, sehr selten aber an den Abänderungen
von Fayus silvatica mit eingeschnittenen Blättern, bei denen
Herr Bouche derartige Rückschläge stets vergeblich gesucht hat.
Herr Bouche theilte mit, dass er vermuthe, noch einen
Fall der Parthenogenesis bei Pflanzen entdeckt zu haben; er
betreffe eine Conifere, Torreya nucifera (Taxus) I., in Jazim
heimisch. Im Mai des vorigen Jahres zeigten sich an zwei
im hiesigen botanischen Garten kultivirten Pflanzen eine Menge
weiblicher Blüthen; von männlichen hingegen war nichts zu be-
merken, was auch nicht aufßel, da Torreya eine diocische Pflanze
ist Obgleich nach seiner Ansicht keine Befruchtung stattge-
funden haben konnte, so bildeten sich die Früchte doch allmähhg
weiter aus und erreichten bis Mitte October mit dem sie an-
schliessenden grünen Fruchtbecher eine Lange von 3 4 Um.
und einen Durchmesser von 1,5 Ctm. Ende desselben Monats
fielen sie, obgleich noch grün gefärbt, plötzlich ab Leider habe
er versäumt die Frucht durch Zerschneiden auf ihre Keimfähig-
keit zu prüfen, sondern sie, nachdem die Hülle beseitigt war,
sogleich ausgesäet, bei einer Temperatur von 5-8» nbem»t«rt
und den Sommer hindurch in einem kaum erwärmten Mistbeete
konservirt, ohne dass eine Spur von Keimung wahrzunehmen
gewesen wäre; was ihm auch nicht auffällig erschien, weil er
die Saamen als unbefruchtet betrachtete. Bei der Durchsicht
Sitzung vom 19. October.
117
nicht aufgegangener Saamen Ende September d. J. fand sich
beim Ausschütten des Saattopfes der Torreya, dass einzelne der
Saamen eine etwa 2,5 Ctm. lange Radicula gebildet hatten,
worauf sie behutsam wieder eingepflanzt wurden; bis jetzt zeigt
sich über der Erde noch keine Spur von Vegetation, dennoch
aber sind die jungen Pflänzchen noch lebend.
Ferner stellte derselbe eine Reihe verschiedener Formen
von selbst aus hier geernteten Saamen erzogener Sämlinge der
Aralia quinquefolia und Scheffleri zur Ansicht vor, von denen
kein einziger einer der Mutterpflanzen glich, denn die Blättchen,
deren an einen Blattstiel mehrere fingerförmig vereinigt sind,
stimmten weder der Zahl noch der Form nach mit denen der
Mutterpflanzen überein; bei der Mehrzahl derselben waren nur
3 anstatt 5 auf dem gemeinschaftlichen Blattstiel vereinigt, hie
und da kamen auch ungetheilte Blätter vor. Ebenso veränderlich
ist die Form der Blattfläche: die Blättchen einzelner Pflanzen
sind sehr breit, bei anderen fast linienförmig. Die Mutterpflanzen
bluheten in ganz verschiedenen Jahren und zwar 1873 und 1874;
ebensowenig befand sich zur Zeit der Blüthe irgend eine andere!
Art dieser Gattung blühend im Garten, so dass von einer
Bastardirung keine Rede sein kann. Die Mehrzahl der Sämlinge
glich der Aralia trifoliata, welche ebenfalls aus dem Saamen
erzogen, die verschiedensten Abweichungen in der Blattform
zeigt; einzelne hingegen standen der sogenannten A. Coohii nahe.
Der Referent sei daher vollständig überzeugt, dass verschiedene
der in Neu-Seeland heimischen Aralia-Arten, z. B. A. quinque-
folia, trifoliata, heteromorpha , Cookii und Scheffleri , gleichviel
ob sie einfache, drei- oder fünfzählige Blätter besitzen, nur
Formen einer Art seien. Er vermuthe sogar, dass die mit
30 Ctm. langen, sehr schmalen, am Rande buchtig gezähnten,
an der Spitze spatelförmig verbreiterten Blättern bekleidete
A. spatulata auch nur eine Form sei.
theilte derselbe unter Vorzeigung lebender Pflanzen
mit, dass er schon seit mehreren Jahren aus von ihm selbst
gesammelten Saamen der Centaurea gymnocarp aMoris, einePflanze
mit fiederspaltigen Blättern und ganz glattem Involucrum, eine
0rm mit fast ganzen Blättern und stachligem Involucrum er-
I
Gesellschaft naturforschender Freunde.
118
aogen habe, die er für einen Bastard der C. M-—» -
c. ^“"““Ybfsprach*) über die Umwandelung de« Geschlechts
U . P .-hp ce;t einer Reihe von Jahren haben
bei XTn ille «»-»»•»
';aebtndSnaecb gebläht, es seien jedoch stets
,„it mä„„renB1n.e:reb.Xae„,o«» e^dbeb t.^ ^
Jahre wieder “ ’ einen Bläthenscbaft entwickelte,
XÄ
nicht vorhegen, denn man sab ama Nachdem die
Stelle, wo früher ein Blütbenschat. gese-“ Blathellschaft ab.
Binthen längst genauerer Betrachtung der
er- rPsr.
Blüthen, so dass eine -
ein\r.::tchu:r mäht, Ee. .Uch ** ^ 7
heben. D. longifoliu'n wird ■ Stowte
Pflanze häufig, w,e be, allen Ftam « seIteneren
gipfelständig sind fas. f “ e ' "f nie so kräftig werden,
Fällen bilden <££££'% »ährend B. acrolri'ke gewöhnlich
"• der.erZ der Bln.be einen neuen Gipfeltrieb bildet,
schon ein Jahr nac . . , • „e:n Vorgänger,
der sich ganz eben so kra tig ®ntjic® e\nnimmt, dass man eine
und endlich eine so senkrechte Stella g lg
Pflanze vor sich za haben gl«tt
durch einen Blüthensc a vei letzt wohl nur bei Salix
Wandlungen de, Geschlechts durften " hin und
beobachtet sein, indem an männlichen Baemplarei.
wieder weibliche Kätschen sum Vorschein komme .
*} Nachtrag zum Sitzungsbericht vom 20. Juli 1875,
Sitzung vom 19. October.
119
der Elemente die Krystalle in vollkommen regelmässiger Aus-
bildung gedacht, dass heisst als ideale Formen für sich und in
ihren Beziehungen zu einander beschrieben sind, werden in dem
2. die Krystalle abgehandelt, wie sie uns als Naturkörper ent-
gegentreten, also ihre verschiedenen Ausbildungsarten, Zwillings-
bildungen und Krystallotektonik; als Anhang folgt an der Hand
der Linearprojection eine kurze Uebersicht der Zonenverbände.
An die Tafeln VII — X. knüpfte Vortragender erläuternde
Bemerkungen zu der von ihm „Krystallotektonik“ genannten
Disciplin.
Es wird von verschiedenen Seiten die Krystallographie als
eine Wissenschaft bezeichnet, welche ihrem Ziele nahe ist, da
man das Ziel so auffasst, wie es aus den meisten krystallo-
graphischen Abhandlungen hervorgeht, nämlich eine möglichst
genaue Kenntniss der Krystalle ihrem geometrischen und physi-
kalischen Verhalten nach. Die Aufgaben der Krystallographie
sind jedoch weitergehende, sie darf sich, wie die übrigen Natur-
wissenschaften nicht auf die Beschreibung beschränken, sondern
muss die einzelnen Thatsachen mit einander in Verbindung zu
bringen und zu erklären suchen, also eine erklärende Wissen-
schaft sein. Haüy, der Begründer der Krystallographie als Wissen-
schaft, construirte die Krystalle aus Molecülen von bestimmter
Form, den Kernformen, als welche er die Spaltungsgestalten
annahm. An Stelle dieser constructiven Methode setzte später
Weiss eine calculative, indem er die Axen in die Krystallo-
graphie einführte; Axen, welche für ihn wie ideale Linien waren.
Das Studium der sogen, unvollkommenen Krystallbildungen,
der regelmässigen Verwachsungen und Skelette lehrt nun, dass
man die Methoden beider Forscher vereinigen muss, da die Kry-
stalle aus kleineren, den Subindividuen aufgebaut sind und
der Anordnung der Subindividuen-Richtungen zu Grunde liegen,
welche mit den Weiss’schen Axen zusammenfallen oder doch
in naher Beziehung zu ihnen stehen. Die ursprünglich ideal
angenommenen Axen treten uns greifbar vor Augen und heissen
dann tektonische Axen.
Die Subindividuen sind verschiedener Art, solche, welche i m
Wesentlichen nur von Flächen mit einfachem krystallographischem
Zeichen begrenzt sind, also mit den Hauptindividuen überein-
120 Gesellschaft naturforschender Freunde.
stimmen und solche, deren Flächen nur annähernd einfache
Verhältnisse haben (Websky’s vicinale). Die ersteren heissen
Subindividuen höherer, die letzteren solche niederer Stufe Die
Subindividuen höherer Stufe sind aus solchen niederer Stufe auf-
gebaut und somit sind die letzteren die wahren Grundgestalten
der Krystalle. Die Subindividuen niederer Stufe unterscheiden
sich von den Kernformen Haüy’s wesentlich durch die mannig-
faltige Lage ihrer Flächen. Dem Krystall liegen aber keine
einfach gestalteten Bausteine zu Grunde, wie es Hauy anna m,
sondern im Gegentheil complicirtere Formen, als sie die meisten
Hauptindividuen zeigen. Die Hexaeder des Flussspathes haben
als Subindividuen niederer Stufe vicinale Tetrakishexaeder o er
dem Tetrakishexaeder nahe stehende Hexakisoktaeder, die
Bleiglanzes vicinale Ikositetraeder oder Ikositetraedern nahe
stehende Hexakisoktaeder. Es sind mithin die Hexaeder
beider Mineralien verschiedene. In ähnlicher Weise erweisen
sich auch Oktaeder und Dodekaeder als Formen, welche je nach
den ihnen zu Grunde liegenden Subindividuen verschieden sind
Die rein theoretische Betrachtungsweise Naumann s, der
zu Folge die Formen mit einfachem krystallographischem Zeichen
als Grenzgestalten derjenigen mit comphcirterem Zeichen au ge
Sst wercfen können, gewinnt durch die Subindividuen niederer
Stufe praktische Bedeutung; die Bezeichnungen Hexaeder, 0
taeder Dodekaeder etc. sind mithin rein äusserliche, sie können
und dürfen dem Krystallographen nicht ge^en- .
Obgleich die Subindividuen niederer Stufe zum Theil e
sehr grosse Mannigfaltigkeit von Flächen zeigen, so lass sich
ihre Gestalt im Allgemeinen leicht fixiren, da die meisten Flachen
ST» Ha^one angeboren, zn welcher sich dann mehr wenige,
Nebenzonen gesellen. Die Axen der Ha"Pt2“e“ "erd“t ‘ den
tonische Hauptzonenaxen genannt und fal
Hauptzonenaxen der bei den Hauptindividuen ausgebildeten
Flächen zusammen, so dass die bei einem Mineral Vorkommen-
den Flächen in der Gestalt der Snbindividnen mederer Stufe
di« Gestalt der Snbindividnen ^
S'rÄ ävsä !
Sitzung vom 19. October.
121
und einen experimentellen, indem man die Krystalle einer lang-
samen Auflösung aussetzt, wodurch man die sogenannten Aetz-
figuren erhält oder indem man die aus einer Lösung anschiessen-
den Kryställchen bestimmt.
Die Subindividuen ordnen sich in erster Linie in Reihen
den tektonischen Axen an; im regulären System zeigen die
sog. gestrickten Formen eine Anordnung in den Grundaxen, die
regelmässig baumförmigen in den prismatischen Zwischenaxen
und beim gediegenen Silber kommen Anordnungen in den rhom-
boidrischen Zwischenaxen vor.
Bei weiterem Ausbau füllt sich der Raum zwischen den tek-
tonischen Axen aus und die Subindividuen liegen in bestimmten
Flächen, den tektonischen Flächen , durch welche Krystallformen
bestimmt sind. Zunächst ist die Raumerfüllung der Formen eine
unvollkommene, da in vielen Fällen die Anordnung der Sub-
individuen von den Kanten, den tektonischen Kanten aus-
geht, so dass die Flächen nach ihrem Mittelpunkt hin nicht
ausgefüllt sind; derartige Krystallbildungen heissen Krystall-
skellette und sind das Resultat sehr rascher Bildungen bei reich-
lich vorhandenem Material, weshalb sie sich auch vornehmlich
beim Sublimationsprocess bilden.
Bei den vollkommen entwickelten Krystallen,
welche keine wesentlichen Unterbrechungen der Flächen zeigen,
erkennt man die tektonischen Flächen daran, dass auf ihnen
die Subindividuen besonders deutlich zur Erscheinung kommen,
ln der Anordnung der Subindividuen lassen sich zuweilen die
tektonischen Axen erkennen und wo dies nicht der Fall ist,
kann man die tektonischen Hauptzonenaxen als solche betrachten.
Da sich die Krystalle eines und desselben Minerals oder
einer krystallisirenden Substanz überhaupt unter den verschie-
densten Verhältnissen bilden können, so kann man schon a priori
annehmen, dass der Krystallreihe eines Minerals verschiedene
tektonische Axen zu Grunde liegen können. Diese Annahme
findet in der Natur ihre Bestätigung; für die hexaedrischen
Krystallskelette des Bleiglanzes aus Hohofenbrüchen sind die
Grundaxen tektonische Axen , für die meisten natürlichen Kry-
etalle die prismatischen; beim Flussspath sind meist die Grund-
axen tektonische Axen, es kommen jedoch auch Krystalle vor,
10**
122 Gesellschaft naturforschender Freunde.
für welche die prismatischen Arten tektonische A*er . sind.
Anf diese Weise sind hier zwei Haupttypen von KrysmUen
drüsig und Ecken an &ud rosenrothen Oktaeder aus
tektonische Flächen sind, z. B. die rosenrot
«tpr Schweiz die lichtgrünen von Moldova im Banat etc. , Oktaeder,
t we^e prismatische Arten tektonische sind, zeigen glatte,
'Är »nigsgherg. Auch die Comhin.tionen
der Krystalle dieser beiden Typen sind wesentl.ch von emande
verschiedene. da5S aie Krysutllotektomk ein vor-
zügliches und „aturgemässes Mittel an die Hand gtebt, d,e ^
stallformen einer Reihe nach Haupttypen zu ordnen. Alle
Sn auf dem Gebiete der Krysta >— ^ "
r ^^öii^en6", wenn er es ver-
steh t m kroslopLhe Untersuchungen anzustellen und mit der
CheL“ so weit* bekannt ist, dass er selbst experimentell arbeiten
ka°nDer Umstand, dass in neuerer Zeit einzelne Forscher ledig-
lich mikroskopische Studien angestellt haben und dadurch eine
seits 'äusserst ^einseitig geworden sind, -^-se.m aber -
ik zu
warnen.
Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen:
Bulletin, de tAcaiemie d. seien', de Bel9 i„ue. Tome XXX .
XXXVI. XXXVII.
ttr t"hrfÄaftzuDa„zig. Bd,. «ft. S. 4.
Mi«heilungedn äus dem /ahrbult der KgL Ungar, geolog. Anstalt
Bd. III. Hft. 1. 2. Budapest 1874.
Sitzung vom 19. October. 123
A niagyar kir . földtani intezet Evkönve. Bd. 3 Hft. 1. 2. Buda-
pest 1874.
Abakong deli Reszenek földtani viszonyel, 11 Resz. Budapest 1874.
Württernbergische naturwissensch. Jabreshefte. Jahrg. XXXI.
Hft. 3. Stuttgart 1875.
Bulletin de la societe imp. des Naturalistes de Moscou 1874 No. 4.
Bulletin de l Academie imp. d. scienc. de St. Petersbourq T XIX
4. 5. XX. 1. 2.
Memoires de V Academie imp. d. scienc. de St. Petersbourq T XXI
6—12. XXII, 1—3.
Abhandlungen der Königl. Akademie der Wissenschaften zu
Berlin 1874.
Monatsberichte der Akad. d. Wissenschaften zu Berlin April
Mai 1875. ’
Publikation des Königl. Preuss. geodätischen Instituts 1875.
Bericht der 4. allgemeinen Conferenz der Europäischen Grad-
messung. Berlin 1875.
Sitzungsberichte der niederrheinischen Gesellsch. für Natur- und
Heilkunde zu Bonn. 1874.
Annales d. I. soc. d'agriculture , d'histoire naturelle etc. de Lyon
Tom. IV— VI.
Proceedings of the zoological society of London 1874 Pt 4
1875. Pt. 1.
Bulletin of the Essex Institute Vol. VI. 1874.
Memoirs of the Boston society of natural history Vol. II, part
III. No. 3 — 5. part IV, 1. 1875.
Proceedings of the Boston soc. of natur. history Vol XVI 3 4
XVII, 1. 2. ' ’
Jeffries Wyman, memorial meeting of the Boston society. Octbr
1874.
Monthly reports of the department of agriculture for 1874.
Washington 1875.
Smithsonian Report for 1873.
U. S. Geological survey of the Territories. 1874.
Proceedings of the academy of nat. scienc. of Philadelphia 1874
Pt. 1—3.
Jahresbericht der naturhistorischen Gesellschaft zu Hannover
23. 24.
124 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Societe Khediviale de geographie , discours par le Dr. Schwew-
furth et les Statuts de la societe. Alexandria 1875.
Krönig, Das Dasein Gottes und das Glück des Menschen. Berlin
Repertorium der Naturwissenschaften. Monatliche Uebersichten
der neuesten Arbeiten auf dem Gebiete der Naturwissenschaften.
Jahrg. I, No. 1-6. Berlin 1875.
Archive of Science of the New-Orleans Academy. Vol. I. No. 4.
A. w Schade’s Bucbdruckerei
L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 47.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
vom 16. November 1875.
Director: Herr ßeyrich.
Herr Brefeld machte nachstehende Mittheilung über neue
Kulturmethoden für die Untersuchung der Pilze und zeigte eine
Reihe lebender Pilzculturen vor.
In dem Thatbestande unserer jetzigen mycologischen Kennt-
nisse macht sich die grösste Lücke in dem Umstande fühlbar,
dass wir die Lebensgeschichte so vieler Pilze nur stückweise
kennen. Von dem einen kennen wir nur die Fruchtkörper, von
dem anderen nur die ungeschlechtliche Art der Vermehrung, von
dem dritten ist die Fortpflanzung überhaupt unbekannt, wir ken-
nen nur die vegetativen Zustände, die wiederum von jenen nicht
bekannt sind. Es ist klar, dass die wichtigste Aufgabe der
mycologischen Forschung darin besteht, diesen so wichtigen als
ausgedehnten Zweig der Botanik aus diesem Zustande rudimen-
tärer Kenntniss zu befreien, die Bedingungen herzustellen, durch
welche ein Pilz in seiner Entwickelung zum natürlichen Ab-
schlüsse gebracht, zugleich aber auf diesem Wege bis in alle
Einzelheiten verfolgt werden kann.
In der That liegen hier bei den Pilzen Schwierigkeiten ganz
aussergewöhnlicher Art vor. Es ist nämlich nicht die Unter-
suchung selbst, worum es sich in erster Linie handelt, wie in
anderen Gebieten der Botanik; die Fragestellung geht darüber
hinaus, sie richtet sich zunächst auf die Gewinnung, die Her-
stellung des Objectes, um es dann erst zu untersuchen, wenn es
11
126
Gesellschaft naturforschender Freunde.
gefunden und für die Beobachtung gewonnen ist. Eine Alge
beispielsweise lebt in Wasser, sie braucht sonst nur Luft und
Licht, um zu gedeihen, sie ist ausserdem in dem durchsichtigen
hellen Medium jeglicher Beobachtung auf das Leichteste zugäng-
lich. Die Pilze leben nicht in Wasser, vielmehr in organischen
Massen bald als Parasiten auf und in lebenden Organismen, bald
als Saprophyten in todter organischer Materie. Die Medien sind
so ungünstig wie möglich. Sie sind undurchsichtig, unrein, meist
nicht von einem, sondern von sflelen Pilzen zugleich bewohnt
— eine blosse Beobachtung des so lebenden Pilzes führt, abge-
sehen von den zahlreichen naheliegenden Täuschungen, zu einem
früh beschränkten Ziele. Es kommt aber noch namentlich hinzu, j
dass diese natürlichen Substrate schnellen Veränderungen unter-
liegen, die die natürliche Entwickelung der Pilze hemmen; diese
geben einem Pilze nur in den seltensten Fällen die Möglichkeit, ;
seinen ganzen Entwickelungslauf zu vollenden. Vorzugsweise i
sind es hier zahlreiche andere Pilze, deren winzig kleine Keime
allverbreitet sind, welche die Substrate verändern und in ihrer
Mitbewerbung um dasselbe Substrat die volle Entwickelung des
einzelnen verhindern. Eben darin liegt der einfache Grund, dass
wir mit einer Beobachtung eines Pilzes in den natürlichen Ver-
hältnissen nur ein Bruchstück seiner Lebensgeschichte kennen
lernen können, ein Stück, wie es seinem natürlichen Vorkommen
nach sich darbietet und der Untersuchung zugänglich ist. Diese
muss nothwendig eine lückenhafte bleiben, so lange nicht künst-
liche Culturmethoden für die Pilze erschlossen werden, welche
die erwähnten Mängel ausschalten, die in der Natur für ihre
Entwickelung und folglich für die Untersuchung unvermeidlich
gegeben sind. Im Vergleich zu den Untersuchungen bei anderen
Pflanzen finden wir darum bei mycologischen Untersuchungen
eine ganz besondere und höchst difficile Aufgabe vor. Sie besteht
darin, die Methoden der Cultur zu finden, durch welche die ein-
zelnen Pilze zur Vollendung, zum Abschlüsse ihrer Entwickelung
gebracht werden können , und diese Methoden zu einer Voll-
kommenheit auszubilden, dass es mit ihrer Hilfe gelingt, allen
Anforderungen zu entsprechen, welche demnächst für die Unter-
suchung selbst hervortreten. Und zwar gilt es hier, durch Kunst
die Natur zu überbieten, Verhältnisse für die Cultur zu ermög-
Sitzung vom 16. November.
127
licheD. wie sie die Natur nur selten bieten kann, wie sie sie für
den Gang der Untersuchung niemals zu bieten vermag, um auf
diesem Wege den vollkommenen ununterbrochenen Entwickelungs-
gang der Pilze zu erzwingen, der sich in der Natur unter den
erwähnten Einflüssen für gewöhnlich nicht vollzieht und darum
unserer Kenntniss verschlossen geblieben ist.
_ . Ich bin 8eit einer Reihe von Jahren nach dieser Richtung
thatig. Ich habe die Methoden zuerst ausfindig gemacht, die
einzelnen Pilze von einer Spore ausgehend cultiviren und in
Klaren, durchsichtigen Medien in ihrem Entwickelungsgange
ununterbrochen verfolgen zu können; ich habe die Methoden in
der Folge zu einer Klarheit und Vollkommenheit für die Beob-
achtung ausgebildet*), wie sie für eine Alge in dem klaren
Wasser, worin sie natürlich lebt, von selbst vorliegt.
Ich stellte zu diesem Zwecke klare Nährlösungen verschie-
dener Beschaffenheit her, in welche ich eine auch die kleinste
«. llzspore mit Sicherheit aussäete, und auf Objectträgern ver-
schiedener Construction in ihrer Entwickelung beobachtete, ganz
so übersichtlich und klar, wie dies sonst nur bei dem Samen
irgend einer grossen Pflanze geschehen kann. Es gelang mir
auf diesem Wege unsere Kenntnisse über die Lebensgeschichte
der Myxomyceten , Zygomyceten, Ascomyceten in wesentlichen
Punkten aufzuklären und zu ergänzen. Zunächst waren meine
Untersuchungen vorzugsweise auf die Sicherheit der Methode
gerichtet, eine Spore eines Pilzes mit Sicherheit auszusäen, und
von ihr. ausgehend alle Einzelheiten der Entwickelung lückenlos
zu ermitteln und zu verfolgen, soweit diese in dem gegebenen
Medium möglich ist. Es handelte sich hierbei in erster Linie
neben der Sicherheit einer detaillirten Beobachtung um das Aus-
schlüssen fremder Pilzkeime und damit gegebener zahlreicher
Fehlerquellen. Mit dieser Methode war indess nur der halbe
Weg zurückgelegt: die verwendeten Nährlösungen waren für
eine ausgiebige Entwickelung meist nicht ausreichend. Es trat die
weitere schwierigere Aufgabe, den vollständigen Entwickelungs-
) Man vergleiche hierzu meine früheren Publicationen : Methoden zur
Untersuchung der Pilze, Abhandl. der physik. medic. Gesellschaft in Würz-
bn: rg 1874; ferner eine ausführlichere Mittheilung unter demselben Titel in
den Landw. Jahrbüchern IV. Jahrg., I. Heft,
11*
128
Gesellschaft naturforschender Freunde.
gang eines Filzes za ermöglichen, von dem man seinem natür-
lichen Vorkommen nach nur ein Rudiment kennt, mit gebiete-
rischer Nothwendigkeit heran. Nur von neuen Methoden der
Cultur war hier ein weiteres Resultat zu erwarteu, und für diese
Culturen mussten die zuerst gewonnenen Erfahrungen als Aus-
gangspunkt dienen; sie konnten nur einen wissenschaftlichen
Werth erlangen, wenn ihnen dieselbe exacte Methode zu Grunde J
gelegt wurde wie vorhin, nämlich Entwickelung von der einzelnen
Spore ausgehend. Da die Methode im Frincip gegeben war, so
coneentrirten sich die Anforderungen für die neuen Culturen in
der Herstellung des geeigneten Substrates für die Cultur. Dieses
Substrat musste einmal ganz pilzfrei sein und zweitens mit Nähr-
stoffen so reich versehen, dass hierin der ausgiebigsten Entwicke-
lung keine Schranken gesetzt waren. Ich fand bereits im Jahre 1869,
dass Brod ein vorzügliches Substrat für Pilzculturen abgiebt. (
Es enthält eine Menge von Nährstoffen, ist ausserdem durch seine ■
lockere poröse Beschaffenheit für die Entwickelung der Mycelien I
besonders geeignet; die grossen mächtigen Schimmelrasen, die
aus feucht gelegenen Brodablällen aufschiessen , beweisen dies
ausserdem zur Genüge. Auf keinem anderen Substrate gediehen
mir die verschiedensten Filze in einer Ueppigkeit wie hier. Mit
seiner Anwendung gelang es mir bald, die Fruchtkörper des
allverbreiteten Penicillium künstlich zu ziehen , die man bis
dahin vergeblich gesucht hatte, die nach ihrer Bildungsweise
in der Natur nur höchst selten auftreten können, die ich, nach-
dem ich sie 6 Jahre schon kenne, trotz eifrigsten Suchens in der
Natur niemals gefunden habe. Ich versuchte anknüpfend an
diesen Erfolg nun auch andere in ihrer Entwickelung lückenhaft
bekannte Pilze in gleicher Art wie Penicillium auf Brod zu cul-
tiviren; doch meine Bemühungen waren erfolglos. Zwar befestigte
sich die Ueberzeugung nach allen diesen vergeblichen Culturen,
dass es einen geeigneteren Nährboden für Pilzculturen kaum
geben könne, die Thatsachen zeigten, dass die meisten Pilze
auf ihm üppig gediehen, aber die Resultate bewegten sich im
engen Zirkel, sie gingen über die Grenzen der Entwickelung
nicht hinaus, die auch in dem natürlichen Vorkommen offenbar
gegeben sind: ich bekam immer nur wieder, was ich ausgesäet.
Die fortgesetzten Beobachtungen und die übereinstimmenden
Sitzung vom 16. November.
129
Befunde der meisten Culturen führten mich am Ende auf die
natürlichen Ursachen, die der Entwickelung auf halbem Wege
ein Ziel setzten. Als erste störende Ursache fand ich, dass in
der Länge der Zeit fremde Pilzkeime, namentlich Bacterien auf-
traten, die das Substrat verdarben; als zweites Hemmnisserkannte
ich die nicht genügende Ernährungsfähigkeit des Brodes selbst.
Nichts lag näher als diesen Uebelständen abzuhelfen. Um die
Bacterien auszuschliessen , trocknete ich das Brod 2 Tage bei
130 ; um in zweiter Linie die Ernährungsfähigkeit des
Brodes zu steigern, führte ich eine Düngung mit flüssigen Nähr-
stoffen ein. Ich hatte inzwischen ermittelt, dass Auszüge von
getrockneten frischen Früchten Culturlösungen von gleicher Vor-
züglichkeit abgeben wie reines Brod als festes Cultursubstrat.
Die Auszüge lassen sich leicht klar gewinnen, durch Auskochen
pilzfrei machen und in jeglicher Concenfration hersteilen, wie es
den verschiedenen Bedürfnissen entspricht. Diese Auszüge ver-
wendete ich als Düngmittel für das Brod ganz in dem°Sinne,
wie man die Felder durch Düngung fruchtbarer und ertragfähiger
zu machen sucht. Schon die ersten Culturen mit gedüngtem
Brode stachen gegen das ungedüngte ab. wie die Saaten auf den
gleich behandelten Feldern. In der Folge bestätigten sich meine
Erwartungen, die Culturen erlangten allmählich eine zunehmende
Vollkommenheit und Ueppigkeit und damit gelang es, das ursprüng-
lich gesteckte Ziel zu erreichen, den ausgesäeten Pilz zur Vol-
lendung seines ganzen Entwickelungslaufes zu bringen.
Ehe ich nun in einigen der gewonnenen Resultate die
Zweckmässigkeit der Methode erläutere, will ich zuvor nicht
unterlassen, etwas specieller auf die Einzelheiten des Verfahrens
selbst einzugehen.
Für die Herstellung der Fruchtsäfte sind kalte Auszüge
der getrockneten Früchte vor Allem zu empfehlen. Nur diese
sind vollkommen klar herzustellen. Sie lassen sich durch Ein-
dampfen zu einer Concentration eindicken. dass sie keinem Ver-
derben ausgesetzt sind. Durch Auflösen dieser Auszüge in Wasser
erhalt man Lösungen beliebiger Stärke, wie man sie eben ver-
wenden will. — Das Brod muss nach seiner physikalischen
Beschaffenheit gewählt werden, das Gefüge darf nicht zu locker
und nicht zu dicht sein; am besten bewährte sich das gewöhn-
130 Gesellschaft naturforschender Freunde.
liehe grobe ungesäuerte Brod. Schnitte von etwa einem drittel
Zoll sind das zusagendste Substrat; von der Kruste befreit 2 Tage
bei 120° getrocknet sind sie absolut pilzfrei. Als Culturgefässe
wende ich mehr oder minder flache Krystallisirschalen an, die
oben glatt geschliffen sind und mit einer weit übergreifenden,
gut abschliessenden Glasscheibe verdeckt werden können. Sie
werden durch halbstündigen Aufenthalt in kochendem Wasser
von anhängenden Pilzsporen befreit.
Zum Ansetzen der Culturen bringe ich die Dünglösungen
in einer mit Kautschukkork versehenen Spritzflasche zum Kochen,
bringe ein Stück pilzfreies Brod in die reine Krystallisirscbale
und bespritze dies mit der kochend heissen Lösung, bis es sich
vollgesaugt hat wie ein Schwamm, wobei ich den Glasdeckel soweit
zur Seite schiebe, als es zur Einbringung der Spitze der Spritz-
flasche nothwendig ist. Nach dem Erkalten trage ich die in-
zwischen in einer reinen Objectträgercultur zu einem Mjcelium
entwickelte Pilzspore mit Hülfe einer flachen Nadel auf.
Die Culturen verlaufen so ohne alle Störung, es treten
keinerlei fremde Pilze auf, mag die Cultur auch 1 ganzes Jahr
stehen. Es ist leicht, die Einrichtung so zu treffen, dass die
Herstellung dieser reinen Culturen kaum zeitraubender ist, wie
die der früheren unvollkommenen. Zur Aussaat darf man nie
mehr wie 1, 2 oder 3 Sporen verwenden, je nach den Dimen-
sionen der Cultur; durch reichlichere Aussaat wird die Entwicke-
lung gehemmt.
Es ist natürlich nothwendig, für die zu cultivirenden Pilze
die besonderen Bedürfnisse der Ernährung im Laufe der einzelnen
Culturen zu ermitteln. Bei dem einen ist es zweckmässiger,
Säfte von sauren Früchten zu nehmen, bei dem anderen ist die
Säure nachtheilig, ebenso ist auch in der Concentration der Diin-
gungslösung ein verschiedenes Maass, wie es die Erfahrung angiebt,
inne zu halten.
Ich will zum Schlüsse zu einigen Beispielen übergehen.
Aspergillus niger ist ein ziemlich verbreiteter Schimmelpilz,
den Mycologen allbekannt. Seither kennt mau den Pilz nur in
seiner ungeschlechtlichen Vermehrung, in Conidienträgern mit
schwarzen Conidien. Es kann aber kaum einem Zweifel unter-
liegen. dass eine zweite, geschlechtlich erzeugte Fruchtform
Sitzung vom 16. November.
131
besteht, die in den gewöhnlichen Cnlturen nicht auftritt. Nach
4jähriger Cultur gelang es jetzt mit den neuen Methoden durch
üppigere Entwickelung den Abschluss zu erreichen. Ich fand
zu meinem Erstaunen, dass der Pilz mächtige Sclerotien bildet,
die in einigen Punkten mit denen von Penicillium übereinstimmen,
in anderen von diesen abweichen; sie wandeln sich im Laufe
längerer Zeit in Ascen treibende Früchte um.
Auf Topinambur kommt nicht selten eine Peziza parasitisch
.'or. die diesen Pflanzen höchst verderblich ist; sie bildet Scle-
rotien, die im nächsten Frühjahr keimen. Ich versuchte diesen
Parasiten saprophy tisch zu ernähren und fand, dass er in der
beschriebenen Weise cultivirt eine Ueppigheit der Entwickelung
erreichte, die er als Parasit nicht erreichen kann: der ganze
Nährboden war wie mit einem Sclerotium überdeckt. Alle
Details der Entwickelung Hessen sich hier leicht ermitteln, die
Bildung der Sclerotien, das Auftreten von einer eigenthümlichen
Form einer ungeschlechtlichen Vermehrung, deren Conidien nicht
keimen (wie die sogenannten Spermatien anderer Pilze), die aber
mit der Bildung der Sclerotien in gar keinem ursächlichen
Zusammenhänge stehen, lolglich gar keine Spermatien sind etc.
Niemand würde zweifeln, der den Pilz auf lopinambur-
Pfianzen findet, dass er ein echter Parasit ist; die Versuche
zeigen, dass dies unzutreffend ist; der Parasitismus des Pilzes
bekommt durch sein saprophytisches Leben die wahre und rich-
tige Illustration. — Aehnlich verhält es sich mit Peziza tuberosa
und anderen Pezizen.
Die Erfahrungen bei diesen Parasiten führten mich auf den
naheliegenden Gedanken, dass es sich mit anderen Parasiten
ähnlich verhalten möchte, dass vielleicht in dem Umstande, dass
ein Pilz zugleich saprophytisch und parasitisch lebt, der einfache
Grund für so manche rathseihatte Seite bei diesen Pilzen liegen
möchte, z. B. das Wiedererscheinen von Pilzen, die an den Nähr-
pflanzen keine Dauerspore bilden und in bisher unerklärter Weise
überwintern. — Wo ich bisher Versuche machte, fand ich diesen
Gedanken bestätigt; so wächst beispielsweise Cordiceps militaris,
der doch gewiss wie ein echter Parasit aussieht, mit seltener
Ueppigkeit auf präparirtem Brode. Mit Leichtigkeit gelang es
mir ferner , aus den Sporen von Agaricus melleus die Rbizo-
132 Gesellschaft naturfor sehender Freunde.
morphen wiederzuziehen. — Die Tbatsachen beweisen, dass
unsere Auffassung über Parasitismus und parasitische Pilze
eine befangene ist Die neuen Culturmethoden eröffnen An-
griffspunkte, durch die es gelingen kann, die bestehenden
Lücken und Unklarheiten in unserer Kenntniss auszufüllen und
aufzuhellen. Auch auf die Flechten können sie vielleicht mit.
Vortheil angewendet werden, und seit ich Rhizomorphen auf
dem Objectträger ziehe, scheint es mir nicht gar unmöglich, auch
Flechten aus den Sporen künstlich ohne Algen zu cultiviren.
ein Weg der Untersuchung, der allen Zweifeln und Meinungs-
verschiedenheiten über die Natur dieser Pflanzen und ihren merk-
würdigen Parasitismus ein Ende machen würde. Bisher ist
dieser Weg nicht betreten oder schnell wieder verlassen — aber
nur im Mangel geeigneter Methoden.
Es würde zu weit führen, auf andere Beispiele einzugehen,
sie genügen, um die Bedeutung der Methoden für die Ent-
wickelung der verschiedenen Pilze darzuthun und die Aus-
sichten zu eröffnen, die sich berechtigter Weise in weiter Aus-
dehnung hieran knüpfen; ich will nur noch kurz berühren,
von welcher Bedeutung die Methode für die Untersuchung
selbst ist.
Beobachtungen über specielle Punkte der Entwickelung lassen
sich nur in durchsichtigen Medien ausführen; hier muss man
zum .Objectträger zurückgreifen. Kennt man einmal die Bedürf-
nisse des Pilzes, so kann man die Nährlösung hiernach einrichten
und in Objectträgerculturen bei Anwendung geeigneter Cultur-
lösungen fast alles erreichen.
So gelingt es, die Sclerotien der Peziza auf dem Object-
träger in klarer Nährlösung zu ziehen, ebenso mächtige Rhizo-
morphenstränge aus einer Agaricusspore; die Bildung beider ist
der Beobachtung in den durchsichtigen Medien möglichst zugäng-
lich gemacht. Weder bei der Bildung noch bei der späteren j
Auskeimung der Rhizomorphen treten jene kleinen Organe auf.
die hie und da an den Mycelien der Agaricinen sich zeigen.
Wenn bei den Rhizomorphen durch ihre Abwesenheit der Beweis
gegeben ist, dass sie zur Bildung der Fruchtkörper in keinen -
Beziehungen stehen, so lässt sich das Gleiche durch directe
Beobachtung der Bildung des Fruchtkörpers selbst bei den
Sitzung vom 16. November.
m
Agari einen ermitteln. — Die Untersuchung des Eurotium*) hat
einst De Bary grosse Schwierigkeiten gemacht und viele Zeit
gekostet; er suchte die Anfänge der Fruchtkörper auf festem
Substrat und übertrug sie für die Untersuchung auf den Objcct-
trager. Dass ihm die Methoden der Cultur unbekannt waren,
geht aus der besonderen Bemerkung hervor, dass die Eurotien
m seinen Objectträgerculturen niemals auftraten. Hätte er die
Methoden gekannt, so würde er die ganze Untersuchung in einem
Morgen haben machen können: eine einzige meiner Objecf-
tragerculturen weist wenigstens 500 Eurotien in allen Stadien
der Entwickelung in dem Culturtropfen auf.
Ueber die hier als Beispiele berührten Untersuchungen: die
Entwickelungsgeschichte des „ Aspergillus niger\ ferner der ver-
schiedenen „Pezizen“, die Bedeutung der als Spermatien beschrie-
benen Organe bei „Asco- und Basidiomyceten“, die Entwickelungs-
gescbichte von „ Coprinus “, die Bildung der „Rhizomorphen“ etc
werde ich später der Gesellschaft specielle Mittheilung machen.
Herr Gustav Fritsch berichtet über den Fortgang seiner
Untersuchungen des feineren Baues der Centralorgane bei den
ischen. Er betont die Nothwendigkeit, dabei makroskopische
mit mikroskopischen Beobachtungen zu verbinden, weil die Rich-
tigkeit der einen erst durch die anderen ausser Zweifel gestellt
wird; ein einseitiges Vorgehen muss mit grosser Wahrscheinlich-
keit zu Imhümern führen. Der beste Beleg dafür ist durch die
Betrachtung der ausserordentlich abweichenden Controversen über
en Gegenstand in einer umfangreichen Literatur gegeben, wobei
die neuesten Anschauungen als ein unbezweifelter Rückschritt
zu bezeichnen sind. Vieles, was von älteren Autoren, z. B.
Oottsche, bereits richtig erkannt wurde, ist ohne genügenden
Orund verlassen, das Wahre mit dem Falschen zugleich über
or geworfen worden. Die von einem zu engen Standpunkte'
ausgehende Betrachtungsweise neuerer Forscher hat sich nicht
gescheut ohne Rücksicht auf die naheliegenden Bedenken den
u nen Satz aufzustellen, so mächtig entwickelte, wohl organi-
sirte Thiere wie die Selachier, Haeckel ’s Urahnen des Menschen,
) Beitrage zur Morphologie und Physiologie der Pilze III. Heft.
134 Gesellschaft naturforschender Freunde.
hätten überhaupt kein Kleinhirn, wenigstens Nichts, dem der
Histologe den Werth eines als solches functionirenden Central-
organs beilegen könne.
Hierbei wurden, wie bei den meisten der neueren Autoren,
embryologische Principien zu Grunde gelegt, ein Vorgehen, wel-
ches gewiss mit Recht die allgemeine Anerkennung für sich hat.
Den Ausgangspunkt bildete die durch E. v. Baer geschaffene
Eintheilung des embryonalen Gehirns, wie sie durch die weitere
Differenzirung der ursprünglichen drei Hirnbläschen angegeben
wird Das Hervorsprossen der Grosshirn knospen aus dem ersten
Hirnbläschen und der Zerfall des letzten in zwei Unterabtei-
lungen verwandelt bekanntlich die drei frühesten Abschnitte in
fünf, für welche v. Baer der Reihe nach folgende Namen auf-
stellte: Vorderhirn, Zwischenhirn. Mittelhirn, Hinterhirn un
Nachhirn Diese Abschnitte erscheinen im Gehirn der Sauge-
tiere nach allgemeiner Annahme in folgende Centralorgane
verwandelt: Vorderhirn = Grosshirnhemispbaren. Zwiscbenbirn
= Umgebung des dritten Ventrikels, Mittelhirn = Vierhügel,
Hinterhirn = Kleinhirn, Nachhirn = Medulla oblongata. Der
Versuch, diese Anschauungen der Deutung des Fischgehirnes
anzupassen, stösst auf Schwierigkeiten, indem an demselben in
typischer Ausbildung nicht fünf Hauptabschnitte auftreten, sondern
deren nur vier deutlich erkennbar scheinen. Sonnt ergeben sich
folgende Fragen für die Untersuchung: Auf welche Weise ver-
schwindet der eine Abschnitt? Welcher Abschnitt ist es, und
wie sind dem entsprechend die übrig bleibenden vier zu deuten.
Oder aber: Sind in der That auch am entwickelten Gehirne
noch alle fünf Organe nachweisbar und wie sind sie zu um-
gränzen? Für alle daraus resultirenden Anschauungen haben
sich Vertreter gefunden, deren Behauptungen bald mit dem, bald
mit jenem Punkte in der Aufstellung eines anderen Forschers
collidiren oder zusammenfallen; leider nicht zu selten stehen die
Autoren auch im Widerspruche mit sich selber. Es wurde zu
weit führen, hier das bunte Mosaik der Ansichten entwickeln
zu wollen, sondern es soll lieber direct aut die Darstellung ein-
gegangen werden, welche der V ort rag ende nach dem heutigen
Standpunkte der Wissenschaft für die allein berechtigte halt.
Es finden sich in der That alle fünf Abschnitte an
Sitzung vom 16. November.
135
dem typisch entwickelten Fischgehirn, als welches
dasjenige der Knochenfische, nicht das der Knorpel-
fische hingestellt werden muss. Erst wenn man das
Knochenfischgehirn genügend versteht, wird es möglich, am
Knorpelfischgehirn unter den ausgedehnten Verschmelzungen
annähernde Gränzen für die Abschnitte aufzustellen.
Versuchen wir die Orientirung, so sehen wir bei den Kno-
chenfischen als ersten Hauptabschnitt das Vorderhirn, ein paari-
ges Organ durch eine Commissur verbunden, welches vorn die
mit einer kleinen Anschwellung sich anfügenden Riechnerven
tragt. Diese Anordnung, der Aufbau aus kleinen Zellen mit
emgelagerten Markstrahlungen, die zun, Theil durch die
rückwärts laufenden Stiele die Verbindung mit den
grossen Ganglien des Hirnstockes suchen, lässt in dem
Abschnitt die Grosshirnhemisphären erkennen, welche nach
vorn zusammengerückt sind, Diese Deutung ist kaum zweifel-
nalt und erscheint auch fast allseitig acceptirt.
Es wäre nun der nächste Abschnitt, das Zwischenhirn, zu
umgranzen; dazu gehört die Höhle des dritten Ventrikels, nach unten
in das Infundibulum mit der Hypophysis verlängert, die Corpora
candicanlia (?), der mediale Theil der von den Peduncuiis cerebn
ausgehenden Markstrablungen, welche bei Säugethieren durch
Corpus stnatum und Thalamus opticus hindurchtreten, die Com-
missurer, der Ganglien des vorderen Hirnstockes und die Zirbel
Die Decke (Tela chorioidea media der Säugethiere) wird über-
agert durch den Fornix und den Balken. Die Tractus optici
umgreifen, rückwärts ziehend, die Basis des Abschnittes, indem
sie gewisse Wurzelbündel bereits hineinsenden. Diese Anforde-
rungen werden annähernd erfüllt nur durch den Theil des
Fischgehirnes, welcher das Trigonum fissum, Lobi inferiores, den
vordersten Theil des Tectum opticum , sowie die an der Berüh-
rungsstelle beider Hälften desselben eingelagerten Organe um-
lasst. Dieses sogenannte Tectum opticum Stieda’s stellt eine
Markablagerung in dem Scheiteltbeil der primären, hier nicht
scharf gesonderten Hirnwäschen dar und ist bei den Fischen
Gne be, den Amphibien) durch das Auftreten eigentbÜmlicher
Kornerschichten charakterisirt. Bei der, Fischen schliesst sich
diese periphere Markablagerung, nach rückwärts und oben
136
Gesellschaft naturforschender Freunde.
wuchernd, mehr an das Zwischenhirn und erreicht nach hinten
zu häufig nicht die Mittellinie (z. B. bei den Cyprinoiden, Clu-
peiden), während bei den Amphibien (z. B. bei Rana) die Ab-
lagerung hinten stärker ist und sich enger an den folgenden
Abschnitt anschliesst.
Es enthält durch die einstrahlenden Fasersysteme Elemente,
welche es unzweifelhaft mit Tbeilen des Zwischenhirns in directe
Verbindung setzen, während die in den hinteren Theil ausstrah-
lenden oder es hier durchsetzenden Opticusfasern Beziehungen
zum nächsten Abschnitt suchen. Das Organ stellt also eine
Ergänzung dar für die Rindenschichten des unvoll-
kommen entwickelten eigentlichen Grosshirns and
zeigt Verbindungen mit den benachbarten 1 heilen,
wie etwa der Stammlappen des Säugethiergehirnes.
Die aus den Hirnschenkeln hervortretenden mächtigen baser-
strahlu ngen sind wie der Stabkranz des Reil angeordnet; sie
treten durch den Torus semicirculans (analog einem Corpus
Striatum) hindurch und kreuzen sieb im vorderen Abschnitte mit
queren Commissurbündeln, die man sehr wohl berechtigt ist an
Gotische als Analogon eines Balkens anzusprechen. Die schein-
bar sehr abweichend gelagerte Zirbel schliesst sieb dem Gross-
hirn folgend, hier wie auch sonst au die entsprechende Comm.ssur
(C. posterior), welche weiter rückwärts gar keinen Platz finden
würde. Unter dem Balkenrudiment liegt der ebenfalls schon
früher richtig gedeutete Fornix (Commissura longüudinahs , Stieda.J
Der dritte Abschnitt, das Mittelhirn, gränzt sich ausser-
lich nicht deutlich ab, weil das Tectum opticum ihm dicht auf-
lagert; nach hinten und abwärts liegt er dU *8.
und erscheint auf entsprechenden Längsschnitten
gut umgränzt. Er umfasst die hinteren Theile der Hirn-
Lhenkel ‘crvra cerehelli mit der Valmla <?), die Bractoa corpans
quadrigemini mit dem Laqueus. Ob an dieser Stelle ; ein Thala-
musrudiment liegt, bleibe zunächst noch dahingestellt. A
i * i. , „ l t o c 1 1 n typ n oben Qi“
amsruaimeui ncgi, » n ; P
hinteren Gränze des Abschnittes Hegen oben die
Trochlearis wurzeln, an der Basis gehören
Gebiet die Oculomotoriaswurzeln. Die sehr
verfolgenden Opticusfasern können sehr wohl zum Theil
Weg ebenfalls hinein finden.
Sitzung vom 16. November.
137
Als vierter Abschnitt (Hinterhirn) muss ein hinter der
Irochieariswurze! liegendes Organ bezeichnet werden
welches mit den entsprechenden Partien unterhalb des zum vier-
en Ventrikel sich erweiternden Aquaeductus Sylvii auch die
Quercommissuren des (innerlich liegenden) Pons Vavoli enthält
sowie den entsprechenden Theil der Trigeminuswurzeln
Eine vergleichende Betrachtung einer genügend
grosse,, Re, Le von Kn och en fiscLgeh ir „en Zeig, (wie
■es Organ von e,ner geringen kugligeu Erhebung
embryonalen Querleiste allmälig mächtig ans.eig'
nd Formen welche schon makroskopisch
f Z6" »"‘sprechenden Organen der Knorpel-
. in uberfuhren, wo ausser anderen histologi-
schen Momenten die gleiche Lage der Trochlearfs-
EaVZ b die Hom °1 ogie ausser Zweifel stellt
taTs I h T Nöthigung au der ungeheuerlichen Annahme,
Für ,r , T keln Kle,,lhir» hätten (Miklucho Maclay).
iLme,“ d° TSChen Verbäl'"iss« die ausserordentliche
des Kl ' r " j oga”eS’ W‘e S'e abnllcb sicb nur am Wurm
des Kleinhirns der Säugethiere angedeutet linde,, hervorauhebeu.
7 • . 61 ortragen d e legt darauf eine Anzahl makroskopischer
Zähnungen von Fischgehirnen als Beweise für die ausgeBb rn
Tha, Sachen vor, „ährend er die nähere Besprechung der Ergeb-
bTr;„ztrostrcl‘er,ürrsuch"og' weicte «-«»s 4
fesltelku b “e interessanI<! histologische Momente
e stehen bis zu e.ner zukünftigen Sitzung verschiebt. Dann
Bewlnaf?hiC,h,er;"S ^ a'a authentischl
7 /" Tha,8acbe”' welche aum Theil unbegründeter Weise
b im’" ?TT W"rden’ Photographische Abbildungen der
bereus ausre.chend vorhandenen Präparate vorgelegt werfen.
A' W‘ SChade’‘ BUCbdrUck^ (L. Schade) in Berlin S,allschreiberStra8se 47.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
vom 21. December 1875.
Director: Herr Beyrich.
Herr ßrefeld berichtet über seine Untersuchungen die
raulniss der Früchte, betreffend.
„Es ist eine allbekannte Thatsache, dass ein fauler Apfel
den gesunden ansteckt, welchen er berührt. Die faule Frucht
wirkt ansteckend aut ihre Umgebung, sie überträgt die Fäulniss
aut diese. Die Ansteckung ist nicht denkbar ohne eine wirkende
Ursache ohne ein Agens, weiches der bestimmten Erscheinung
Z“ ™n 6 und s*e in bestimmter Form hervorruft. Es
ist folglich eine wissenschaftliche Aufgabe darin gegeben, die
, F 6 rSache oder dle event. verschiedenen wirkenden Ursa-
c en er Faulmss bei Früchten zu ermitteln und die Erschei-
nung selbst in ihrem Verlauf eingehend zu verfolgen. - Wiewohl
ie rscheinung der Fäulniss eine alltägliche ist, hat sie doch
»her, soweit mir bekannt, eine specielle Untersuchung mit
klarer bestimmter Fragestellung nicht erfahren; ich will nach-
stehend m, «heilen, was ich im Laufe der letzten Jahre darüber
ermittelt habe.
Ich leitete meine Untersuchungen damit ein, dass ich mir
laulende Brächte der verschiedensten Art, von den verschieden-
sten Urten in verschiedenen Jahreszeiten verschaffte und diese
einer genauen mikroskopischen Untersuchung unterwarf. Ich
an m allen Fällen das Gewebe an den faulen Stellen matt
n we , die Zellen hatten ihren Turgor verloren, der Proto-
12
)
140
Gesellschaft naturforschender Freunde.
plasmasack war contrahirt, der Zellsaft in die Intercellularraume
ausgetreten. Bestimmte, später zu besprechende Ausnahmen
abgerechnet, fand ich weiter die Masse der Zellen durchzogen
von deutlichst sichtbaren Pilzhyphen, welche zwischen den
welken Zellen, niemals in ihrem Innern verliefen. Im er-
reich zu dem gesunden Gewebe, wie es in einer halbverfaulten
Frucht naheliegend sich darbietet, treten diese Erscheinungen,
die Beschaffenheit des faulen Gewebes und die Gegenwart der
Pilzhyphen in diesem ganz besonders deutlich hervor, sie kehrten
in der grossen Zahl der beobachteten Einzelfälle so überein-
stimmend wieder, dass der Verdacht auf eventuellen causalen
Zusammenhang beider rege werden musste, welcher der Unter-
suchung sogleich eine bestimmte Richtung eröffnete. _
Als nächste und erste Frage handelte es sich natürlich
darum, zu wissen, welchen Pilzen die gefundenen Hyphen an-
crehörten. Soweit die directe Beobachtung reichte, waren sie
nach zwei Richtungen durchaus verschieden: einmal weitlumig,
mächtig, ohne Scheidewände, dann von engerem Lumen und
häufig septirt, sonst in beiden Fällen auf’s reichste verzweigt.
Die sichere Entscheidung der Frage gewann ich dadurch, dass
ich den Hyphen durch Aufschneiden der faulen Frucht freie
Oberfläche und dann in einem feuchten pilzfreien Raume die
Möglichkeit der Fructification gewährte. Sie erschien schon am
folgenden Tage in Gestalt der gemeinsten Schimmelpilze, welche
es giebt. Auf den septirten Hyphen fructificirten z. B. Botrytis
cinerea und Penicillium glaucum, auf den unseptirten vorzugs-
weise Mucor stolonifer , seltener M. racemosus. Nach der Er-
mittelung dieses Thatbestandes war die zweite Frage von selbst
gegeben, nämlich durch Untersuchung zu ermitteln, ob diese
Pilze die Ursache der Fäulniss sind, unter welchen Umstanden
sie die Fäulniss hervorrufen, oder ob sie etwa nur als secundare
die Fäulniss begleitende Erscheinung auftreten. Eine ausgie ige
Reihe experimenteller Versuche in verschiedenster Art metho-
disch ausgeführt, konnte hier allein die Entscheidung ge en’
reines Pilzmaterial und gesunde Früchte waren die erforder-
lichen Ausgangspunkte der Untersuchung.
Ich verfuhr zunächst in der Weise, dass ich frische unver-
letzte Früchte mit Pilzkeimen reichlich und allseitig in eru
Sitzung vom 21. December.
141
rang brachte. Sie möglichst innig herzustellen, übertrug ich die
Sporen in Wasser, vertheilte sie mit einem Pinsel auf die reinen
Früchte und stellte diese dann, unter einer feuchten Glocke auf-
bewahrt, bei Seite. Die Versuche ergaben, was vorherzusehen
war: die Früchte blieben gesund, die Sporen hatten im Mangel
an Nahrung nicht oder mangelhaft gekeimt; -besässen nämlich
diese allverbreiteten Pilze für intacte Früchte Angriffskräfte, so
würden sie ihnen alle in kürzester Frist erliegen müssen.
In der zweiten Versuchsreihe vertheilte ich die Pilzsporen
in einer Nährlösung von Fruchtsäften, worin sie keimen und
Mycelien bilden konnten. Ich pinselte diese Nährlösung auf die
Früchte und wartete nun den Erfolg ab. Er äusserte sich bald
und zwar dahin, dass einzelne Früchte an einzelnen Stellen zu
faulen begannen. Diese Stellen waren stets solche, die äusserlich
am wenigsten beschützt sind oder doch am leichtesten beschädigt
werden, z. B. vorzugsweise die Insertionsstellen des Stieles oder
das entgegengesetzte Ende, oder auch bestimmte Stellen, die deut-
lich feine Sprünge oder Verletzungen in der schützenden Haut
zeigten. Die Fäulniss begann an den erwähnten Punkten und
schritt von da, verschieden schnell bei den einzelnen Pilzen,
alsbald über die ganze Frucht fort. Nichts war leichter, als
durch Untersuchung zu constatiren, dass wirklich die eingedrun-
genen Pilzhyphen die Fäulniss bewirkten; sie begann dort, wo
sie eingedrungen waren und verbreitete sich von diesen Stellen
aus, genau Schritt haltend mit dem Fortwachsen der Hyphen,
mit deren Ausbreitung, durch die Frucht. Die weitere Entschei-
ds ergaben die Controlversuche mit den gleichen Früchten,
die, nicht inficirt, sämmtlich gesund blieben. War hiernach mit
höchster Wahrscheinlichkeit der Beweis beigebracht, dass die
Pilze die Ursache der Fäulniss sind, und dass diese nicht in ge
Sunde Früchte, sondern nur durch verletzte Stellen in diese ein-
zudringen vermögen, so blieb doch die exacte Beweisführung
erst einer dritten Versuchsreihe Vorbehalten.
Ich inficirte die Früchte mit den Pilzkeimen an künstlich
erzeugten Wundstellen. Hier trat an den inficirten Stellen bei
hinreichend reifen Früchten die Fäulniss regelmässig ein; Con-
trolversuche mit den gleichen, verletzten, aber nicht inficirten
Früchten zeigten keine Fäulniss.
12*
I
142
Gesellschaft naturforschender Freunde.
Aus diesen Versuchen können wir das unzweifelhafte Er-
gebniss herleiten, dass die erwähnten Schimmelpilze die Faul-
niss der Früchte verursachen und dass dies von den verletzten
Stellen aus geschieht, die den Pilzen die Möglichkeit der Ent-
wickelung und des Eindringens gewähren. Es stimmt das Re-
sultat der Untersuchung in schlagender Weise überein mit den
Erfahrungen, die jedem Menschen geläufig sind, dass bescha igle
Früchte sich nicht halten, dass sie zuerst faulen und nicht sor-
tirt die Krankheit der Fäulniss auch unter die gesunden ver-
breiten Ohne Zweifel geschieht die Ansteckung so, dass die
von der faulen Frucht ernährten Hyphen über die gesunde sich
ausbreiten und hier leicht eine kleine Verletzung treffen, durc
welche sie eindringen können.
Ich will hier summarisch in Kürze zusammentassen, was
ich in langen Versuchsreihen betreffs des verschiedenen Verhal-
tens der Früchte bei den Infectionen und bezüglich des Verlaufes
der Fäulniss bei den verschiedenen Pilzen ermitteln konnte.
Ich fand, dass die Widerstandskraft der Früchte gegen die Pilze
um so grösser ist, je weniger reif die Früchte sind, je fester un
härter das Gefüge der Zellen ist; bei diesen Fruchten trat nach
Infectionen an verletzten Stellen keine Fäulniss ein. Mit der
Reife nimmt die Empfänglichkeit für die Fäulniss zu, sie ist bei
weichen Früchten um so grösser, je mehr mit zunehmender Reite
der Zuckergehalt zu und der Säuregehalt abnimmt, je weicher
und saftreicher die Früchte werden. - Betreffs der inficirten
Pilze fand ich, dass der Verlauf der Fäulniss beim Mucor slolo-
nifer bei weitem am schnellsten ist. Der Pilz mac t irnen
in wenigen Tagen ganz und gar faul und, merkwürdig genug,
erkennt man an der faulen Frucht zunächst äusserlich nicht die
Spur von dem im Innern lebenden Pilze, der erst später, wenn
mit dem Welken der Zellen künstliche Risse in der Haut ent-
stehen, aus diesen mächtig hervorbricht. Dem Mucor zunächst
steht Botrytis cinerea ; hier ist die Fäulniss weniger weich wie
im vorigen Falle. Beide Pilze sind weitaus die häufigsten Ur-
heber der Fäulniss. - Penicillium kommt schon in etwas harten
Früchten nicht vorwärts, es tritt meistens als secundare Erschei-
nung neben den ersten beiden Pilzen auf. Wo es auftntt ist
die Fäulniss weich, in der Farbe weniger dunkel. Mucor race-
Sitzung vom 21. December.
143
mosus endlich ist ebenfalls nur weichen Früchten gefährlich. An
aufgeschnittenen Melonen und anderen weichen Früchten kom-
men beide schnell zur Wirkung, die eingesunkenen matten Stellen,
die sich in Tagesfrist an ihnen zeigen und schnell um sich greifen,
sind durch diese Pilze bewirkt, deren Mycelien hier auf’s leich-
teste in den faulen Stellen nachzuweisen sind. — Da eine Reihe
anderer minder häufiger Schimmelpilze sich den hier erwähnten
analog verhalten, so gehe ich nicht weiter auf sie ein. — Mit
Ausnahme von Penicillium wirken die Pilze auf den Geschmack
der Früchte nicht direct beeinflussend ein. Die faulen Früchte
schmecken matt, haben ihre Frische verloren, sonst keinen
irgendwie von den Pilzen herrührenden Beigeschmack. Nur bei
Penicillium tritt ein höchst widerwärtiger und bitterer Geschmack
auf, auch riechen die Früchte nach Schimmel wie Penicillium
für sich schon thut. Bei der charakteristischen weichen Fäulniss
kommen auch bald secundäre Erscheinungen hinzu.
Wenn es nach den mitgetheilten Untersuchungen als sicher
gelten kann, dass die Fäulniss der Früchte durch Pilze verursacht
wird, deren Keime nur an verletzten Stellen in das Innere ein-
dringen, so bleibt gleichwohl die weitergreifende Frage zu lösen
übng, ob denn alle Fäulnisserscheinungen an Früchten auf das
Wirken eingedrungener Pilze ursächlich zurückzuführen sind.
Gestützt durch umfassende Beobachtungen muss ich diese Frage
bestimmt verneinen. Den erwähnten, durch Pilze veranlassten
Fäulnisserscheinungen steht eine weitere Reihe von Fällen glei-
cher Art gegenüber, bei denen keine Pilze mitwirken. Gerade
diese Fälle sind von besonderem Interesse, weil sie in der Er-
scheinung ganz mit den ersteren übereinstimmen und einen
Schluss zulassen, wie die Pilze die Fäulniss herbeiführen und
die Erscheinung aufzufassen ist.
Eine spontane Fäulniss ohne Pilze ist eine häufige Erschei-
nung an bestimmten Birnensorten. Sie werden, noch am Baume
sitzend, von Innen nach Aussen fortschreitend faul; man ist er-
staunt eine äusserlich gesunde und frisch erscheinende Frucht
innerlich von Fäulniss ergriffen zu sehen, und noch mehr wun-
dert man sich, dass die Erscheinung eine allgemeine ist, die in
bestimmter Reifezeit wiederkehrt. Ich habe wiederholt Dutzende
von diesen Birnen genau untersucht und stets gefunden, dass
144 Gesellschaft naturforschender Freunde.
die Fäulniss ohne Pilze spontan auftritt. Mit den besten opti-
schen Hülfsmitteln konnte ich keine Spur von ihnen entdecken,
noch auch auf Schnittflächen durch entstehende Fructification
nachweisen. — Eclatanter noch als bei den Birnen tritt die
spontane Fäulniss bei den Mispeln auf. Die Früchte werden im
Laufe des December mit einem Male alle faul, die Fäulniss
greift schnell um sich und erfasst in kurzer Frist die ganze
Frucht. Schon der Umstand, dass die Fäulniss alle Früchte
gleichzeitig erfasst, macht es wenig wahrscheinlich, dass sie von
Pilzen bewirkt wird. Ich sammelte zahlreiche, vorsichtig vom
Baume genommene Früchte auf, um sie gleich im Beginne der
Fäulniss untersuchen zu können. Die Untersuchung ergab auch
hier in allen Fällen gänzliche Abwesenheit eines Pilzes.
Zeigt sich in diesem letzteren Thatbestande ein tiefgreifen-
der Unterschied dieser Fälle von Fäulniss (denen ich weitere
beizufügen hier unterlasse) gegenüber den vorher beschriebenen,
so erscheint es um so auffälliger, dass sonst alle weiteren Er-
scheinungen der Fäulniss selbst in beiden Fällen durchaus über-
einstimmen. Hier wie dort sind die Zellen der faulen Stellen
matt und welk. Das Protoplasma ist contrahirt, die Membran
durchlässig für den ausgeschiedenen Zellsaft geworden, der die
erweiterten Intercellularräume ausfüllt und die Zellen . oft aus
ihrem Gewebeverbande loslöst. Es sind dies Erscheinungen,
welche wir an t|odten Zellen wahrnehmen; die Zellen sind ein-
fach abgestorben, die Fäulniss ist ein Absterben der Zellen.
Die welken todten Zellen pflegen wir als faule zu bezeichnen
gegenüber den lebenden und frischen. Wohl nur der grosse
Gegensatz beider in ihrer äusseren Erscheinung und Beschaffen-
heit gab die Veranlassung zu dieser Bezeichnung, die wir bei
dem gleichen Thatbestande an anderen Pflanzentheilen nicht ver-
wenden, weil dieser hier weniger hervortritt.
Nur in dem Ursprünge, in der Ursache der Fäulniss können
wir demnach zwei verschiedene Arten unterscheiden. Die eine
tritt ohne äussere Ursache spontan auf, die andere wird durch
Pilze veranlasst. Im erstenFalle sterben dieZellen der Früchte plötz-
lich ab. Diesgeschieht mit grosser Schnelligkeit; in einemTagekann
eine Mispel in ihrer ganzen Masse faul werden , d. h. ihre Zellen ab-
Sitzung vom 21. December.
145
sterben. Im zweiten Falle tritt das Absterben der Zellen nicht
spontan ein, es wird durch eingedrungene Pilzkeime herbeige-
führt; die Wirksamkeit des Pilzes äussert sich hier in dem Ab-
sterben der von ihm berührten Zellen. Der Pilz tödtet die
Zellen auf das schnellste, wenn er sie berührt, er dringt weiter
vor in den Intercellularräumen der getödteten Zellen, und durch-
wuchert vor sich und um sich die Gewebe tödtend die ganze
Frucht. Er ernährt sich offenbar von dem ausgetretenen Zell-
safte, der ihm reichliche Nahrung bietet. Tiefer greifende Zer-
setzungen sind zunächst nicht wahrnehmbar, diese treten weiter-
hin auf als secundäre Erscheinungen, die hier nicht in Betracht
kommen können.
Die Pilze, welche die Fäulniss verursachen, sind gemeine
Schimmelpilze. Die Früchte sind durch äusseren Schutz gegen
die Pilze geschützt. Erst wenn mit abnehmender Lebensenergie
zufällige oder natürliche Verletzungen eintreten, finden an diesen
Wundstellen die Pilze die geeigneten Angriffspunkte, dringen
ein, tödten das Gewebe und rufen mit dem Absterben der Ge-
webe die Veränderung an den Früchten hervor, die wir nach der
äusseren Erscheinung und physikalischen Beschaffenheit dieser
Früchte gegenüber den gesunden lebenden als Fäulniss bezeichnen.
— Wie die Pilze den Tod der Gewebe mit solcher Schnelligkeit be-
wirken, ob sie vielleicht an ihrer Oberfläche einen Stoff abscheiden,
der tödtlich wirkt, ist eine besondere Frage, die ich hier nicht
verfolgen will. — In der beschriebenen Lebensweise der Pilze
in lebenden Früchten liegt eine besondere Form von Parasitis-
mus vor; die Pilze leben für gewöhnlich saprophy tisch, nur bei
bestimmter Prädisposition des Wirthes können sie als Parasiten
auftreten, sie bilden eine Ergänzung zu den in meinem letzten
Vorträge (November 1875) erwähnten Fällen von Pilzen, die
für gewöhnlich in der Natur als Parasiten Vorkommen, aber
ebensogut und besser als Saprophyten leben können, wenn sie
geeignet ernährt werden, z. B. Agaricus melleus , Peziza sclerotio-
rum, Cordiceps militaris. Aber alle beweisen, dass eine scharfe
Abgrenzung zwischen parasitischen und sapropbytischen Pilzen
nicht existirt. Zwischen ausschliesslichen Saprophyten und
specifischen Parasiten mit ihren interessanten Adaptationen
an die Lebensverhältnisse der Wirthe, giebt es eine nicht geringe
146
Gesellschaft naturforschender Freunde.
Zahl von Pilzen, die bald als Saprophyten, bald als Parasiten
auftreten können, ihnen fehlen die natürlichen Angriffsmittel,
welche die echten Parasiten in ihren Adaptationen aufweisen;
für einen Theil von ihnen ist es sicher, dass nur bestimmte
Vorbedingungen bei den Wirthen (Prädisposition) ihre Lebens-
weise als Parasiten ermöglichen.
Ob und in wie weit die beschriebenen Fälle von ge-
wöhnlichen saprophytischen Pilzen, die unter bestimmten Um-
ständen parasitisch als Krankheitsursache auftreten, vielleicht
Anhaltspunkte geben können für die Beurtheilung von man-
chen Krankheiten am thierischen Körper und die eventuelle
Mitwirkung von Pilzen bei diesen, entzieht sich meiner speciellen
Beurtheilung, da ich nicht Pathologe bin. Soweit aber die Natur
der Pilze selbst, die Art ihres Angriffes hier in Betracht kommen
können, zweifle ich nicht, dass diese den eigentlichen Parasiten mit
bestimmten Angriffsmitteln nicht angehören werden, dass es sich
vielmehr wahrscheinlicher um Saprophyten handeln dürfte, die
unter Umständen parasitisch auftreten, wenn nämlich bestimmte
•Vorbedingungen für ihre Entwickelung erfüllt sind. Denken
wir uns statt der Verletzungen an einer Frucht, Verletzungen
am thierischen Körper, lokale Entzündungen an den verschie-
denen Körperstellen, so wäre die Analogie in den Vorbedingun-
gen hergestellt, die auf Grund der an Früchten dargelegten That-
sachen wenigstens eine klare Vorstellung darüber eröffnet, wie
etwa auch hier häufig verbreitete Pilze als Krankheitsursache wir-
ken können.“
Herr Splitgerber legte der Gesellschaft eine in Ostende
gekaufte, gut erhaltene, über 30 Centimeter lange Euplectella
vor, welche interessante Spongie aus dem Philippinischen Meere
stammen soll, in deren zarten kieseligen Flechtenwerk eine
Menge kleiner Krebse sich befinden, welche wohl ganz klein
hineingerathen, Nahrung gefunden und so gewachsen sind, dass
sie ihr Gefängniss nicht wieder haben verlassen können.
Herr Reichenow machte eine Mittheilung über die ichthyo-
logischen Sammlungen der deutschen Expedition nach der
Loango-Küste. Obwohl die Sendungen nur 23 Arten enthal-
Sitzung vom 21. December.
147
ten, so befinden sich darunter doch mehrere interessante und
zwei neue Formen, welche letztere der Gesellschaft vorgelegt
und folgendermaassen charakterisiert werden:
Ctenopoma nigropannosum Rchw.
D. 19-20/9—10. A. 9—10/9—10. Lin. lat. 30—32. Lin.
trans. 11 — 12. Die Höhe des Körpers ist etwa ein Fünftel der
Totallänge, die Länge des Kopfes ein Viertel; Augendurch-
messer ein Viertel der Kopflänge, etwas länger als die Schnauze.
Der erste Theil der Seitenlinien geht etwa bis zur 16. Schuppe,
der zweite beginnt mit der 18. Schuppe. Die beiden vorsprin-
genden Ecken des Operculum sind mit starke : Zähnen besetzt;
in der Auskerbung zwischen beiden sitzt ein weicher, schwarz
gefärbter Lappen. Suboperculum stark gezähnelt. Die Färbung
der in Spiritus conservirten Exemplare ist dunkel olivenbraun,
über die Seiten schwärzliche Querbinden, welche in ihren Mitten
zusammenfliessen. Unterseite und Kiemendeckel bräunlich weiss;
der Lappen zwischen den vorspringenden Ecken des letzteren
schwarz. Die Querbinden sind bei älteren Exemplaren weniger
deutlich als bei jüngeren.
Von der nahe verwandten Ct. multispine Ptrs. unterscheidet
sich diese Art besonders durch die grössere Zahl der Dorsal-
stacheln und durch den schwarzen Opercularlappen. Das Ber-
liner Zoologische Museum besitzt die Form auch vom Gabon.
Trachynotus angustus Rchw.
1 6* 1/21. A. 2. 1/19 — 20. Die Höhe ist dreimal in
der Totallänge enthalten, der Kopf viermal, das Auge viermal
in der Kopflänge. Das hintere Ende des Oberkiefers reicht
etwas über die Mitte des Auges hinaus. Die Schnauzenlänge
ist etwa gleich dem Augendurchmesser, bei jüngeren Individuen
kürzer. Die Bauchflossen reichen etwas über den After, aber
nicht bis an den ersten Analstachel. Die Brustflossen sind län-
ger als die Bauchflossen und reichen angelegt etwa ebenso weit
als letztere. Die ersten verlängerten Rückenstrahlen reichen
zuruckgelegt etwa bis zur Basis des 17. Weichstrahls, die der
Afterflosse fast bis zum Beginn der Schwanzflosse. Schnauzen-
profil stark abfallend; obere Kopflinie allmälig bis zum Beginn
der weichstrahligen Rückenflosse ansteigend. Seitenlinie ziem-
lich gerade, nur am vorderen Tbeile sehr schwach gebogen.
148 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Die Färbung ist silberweiss, auf dem Rücken blaugrau.
Flossen mennigroth; Rückenflosse und Schwanzflosse mit schwärz-
licher Spitze; Brustflossen innen fein schwärzlich punkt, rt
Diese Art steht dem Tr. Martini Steindachn. (Fisch . d.
Senegal I, S. 711) sehr nahe, unterscheidet sich von demselben
aber durch das kleinere Auge, welches viermal, bei jenem nur
dreimal in der Kopflänge enthalten ist und durch die constante
grössere Zahl der Analweichstrahlen, welche zu 19 bis 20, bei
jenem nur zu 17 vorhanden sind.
Herr R Sadebeck besprach unter Vorlegung zahlreicher
Zeichnungen seine neueren Untersuchungen über Pytlmn Eqm-
„H, insbesondere dessen Infectionskraft für die Kartoffelpflanze
Die mangelhafte Kenntniss der Entwicklungsgeschichte der
Schachtelhalme hatte den Vortragenden schon im rongen Jahre
veranlasst, ausgedehnte Aussaaten und Culturen einiger q
setumarten, besonders Equuelu« orre.sc und ’ialus',‘ “V
stellen, um wo möglich die höchst wichtigen Fragen über *e
Entwickelung des Embryo der Equiseten zu beantworten. L
der erlagen diese Culturen, nachdem sie kaum bis zur Anthe
dienbildung vorgeschritten waren, einer in grossen Mengen auf-
getretenen^Saprolegniee , wie dies Vortragender berei s in einer
fn Cohn’s Beiträgen zur Biologie der Pflanzen (I. Band, 3. Heft,
erschienenen Abhandlung: „Untersuchungen über Pqthmn E
scti“16 anseinandergesetzt hat. Auch nach den M, ..Heilungen
welche über die Aussaatversuche der früheren Autoren vorliegen,
ist mit einiger Sicherheit anzunehmen, dass die meisten er von
denselben angestellten Culturen besonders in F°*e „
tretens und der raschen Verbreitung dieser Sapro egmee zu
Grunde gingen. Dafür sprechen insbesondere die vielfach über
einstimmenden Angaben, dass die Vorkeime nachdem sie etw
die Höhe von 2— 3mm erreicht hatten, eine bräunliche F g
g” abzusterben anflngen und allmälig gänzlich versckwam
den. Wenn hierbei auch nicht ausser Ach, - ^
mehrere niedere Algen, Nostochineen u s. w. durch ihr Uebe
wuchern redlich mitgeholfen haben, dass die Vor eime * ' ’licben
singen so ist doch andererseits das Auftreten er
Färbung der ganzen Vorkeime (nicht etwa bloss
149
Sitzung vom 21. December.
ridien), sowie das darauf folgende, allmälige gänzliche Ver-
schwinden derselben zum grössten Theile wohl der Thätigkeit
des oben bezeichneten Pythium zuzuschreiben. Der Erste,
welcher in der That auch angegeben hat, dass die Culturen der
Fquiseten- Vorkeime einem Pilze erlagen, war bereits Milde,
Derselbe schreibt (zur Entwickelungsgeschichte der Equiseten
und Rhizocarpeen S. 29), dass gerade zu der Zeit, wo er an
vielen Vorkeimen die Grundlage der Archegonien beobachtete,
trotz aller Vorsorge das Mycelium eines Pilzes, welches sich
sehr rasch verbreitete, alle Vorkeime zerstörte und so den wei-
teren Beobachtungen ein Ende gemacht habe. Wenn nun nach
allem diesen anzunehmen ist, dass diese Saprolegniee nur weni-
gen Aussaaten der Schachtelhalme fehle und also ziemlich ver-
breitet sein müsse, so lag doch die Vermuthung fern, dass die-
selbe auch für die ausgebildete Pflanze oder gar für Phanero-
gamen Infectionskraft besitzen könne. Um so mehr war Vor-
tragender überrascht, als er in erkrankten Kartoffelpflanzen an
Stelle der vermutheten Peronospora infestans das in den Vor-
keimen von Equisetum arvense beobachtete Pythium Equiseti
wiederfand.
Der Vortragende theilte nun weiter mit, dass er in den
ersten Tagen des Juli d. J. bei Metternich unweit Coblenz ein
Kartoffelfeld angetroffen habe, welches allem Anscheine nach
von der Krankheit befallen war. Eine genauere Untersuchung,
welche besonders in der Hoffnung, die Sexualorgane von Pero-
nospora infestans aufzufinden, unternommen worden war, ergab
jedoch, dass die hier in Rede stehenden Krankheitserscheinungen
fast nur auf Pythium Equiseti zurückzuführen seien. Die ver-
muthete Peronospora wurde in keiner der untersuchten Pflanzen
dieses Feldes gefunden. Dagegen wurde das besprochene Py-
thium in einer ziemlich grossen Anzahl von Pflanzen und auch
m sämmtlichen Theilen derselben angetrofifen. Dasselbe hatte
sich hier in eben so grossem Maasse verbreitet, als es in den
Vorkeimen von Equisetum arvense? beobachtet worden war. Auch
traten hier wiederum vorzugsweise die Sexualorgane dieses
Pilzes durch ihre Entwickelungsfähigkeit hervor und wurden
völlig identisch befunden mit den in den Equisetum- Vorkeimen
beobachteten. Aus den darauf sich beziehenden, vorgelegten
150 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Zeichnungen ging deutlich hervor, dass das Antheridium wohl
die Membran des Oogoniums, nicht aber die der Oospore durch-
bohrt habe, ja in mehreren Fällen mit seiner Spitze weit von
der Oosporenmembran entfernt geblieben sei, wie dies übrigens
in ähnlicher Weise auch in Fig. 15 der ersten Abhandlung des
Vortragenden über diesen Pilz dargestellt worden sei. Ausser-
dem machte der Vortragende darauf aufmerksam, dass, wie eben-
falls aus den Abbildungen deutlich zu erkennen war, das An-
theridium sich an seiner Spitze wirklich geöffnet habe und dass
nach der Bildung der Oospore von seinem Inhalt nichts mehr
in demselben zurückgeblieben sei.
Bereits bei dem ersten Durchsuchen des in Rede stehenden
Kartoffelfeldes hatte sich gezeigt, dass zwischen den einzelnen
Kartoffelpflanzen sterile Sprosse des Equisetum arvense in überaus
„rossen Mengen aus dem Erdboden hervorkamen. Dem ent-
sprechend ergab sich bei einer weiteren Untersuchung, dass das
■ranze Feld von den unterirdischen Stämmen des Equisetum
arvense durchzogen war. Dagegen wurden erst nach langem
und fortgesetztem Suchen einige wenige Vorkeime und auch nur
an einer einzigen Stelle aufgefunden. Dieselben waren völlig
gesund und zeigten reichliche Antheridien. Ebenso erwiesen
Sich sämmtliche ausgebildeten Pflanzen des Equisetum, welche
darauf hin untersucht worden waren, als vollständig gesund.
Da nun von diesen eine sehr beträchtliche Anzahl einer genauen
Untersuchung unterzogen worden war, so scheint die Annahme
„erechtfertigt, dass das Pythium Equiseti nur für die Vorkeime
des Equisetum arvense , nicht aber für dieses selbst Infections-
kraft besitzt. Vortragender bemerkte hierbei jedoch ausdrück-
lich, dass er nur sterile, nicht aber auch fructificirende
Sprosse habe untersuchen können.
Somit erklärt sich wohl auch hinreichend, dass zu Anfang
Juli’s nur noch eine so ausserordentlich geringe Anzahl von Vor-
keimen gefunden werden konnte; der grösste Theil der jeden-
falls noch vor Kurzem vorhanden gewesenen war ebenso hier,
wie bei den oben besprochenen Culturen, dem raschen und ener-
gischen Umsichgreifen dieses Pilzes erlegen.
Als bemerkenswerth wurde noch hervorgehoben, dass ein
zweites Kartoffelfeld, welches von dem ersten durch die Lan -
Sitzung vom 21. December.
151
Strasse and ein allerdings wohl 100 Schritte breites Roggenfeld
getrennt war, keine Spur von Erkrankungserscheinungen bemer-
ken liess , obwohl nach der Aussage des Besitzers hier die-
selbe Kartoffelsorte angebaut war, wie auf dem ersten Felde.
Freilich verdient hierbei in Betracht gezogen zu werden , dass
das erste Feld dicht am Ufer der Mosel gelegen war und fast
durchgängig nur Sandboden aufwies. Das zweite, von jeder
Erkrankung frei gebliebene Kartoffelfeld war der obigen An-
gabe entsprechend dem Ufer der Mosel entfernter "gelegen
und zeigte einen eher schweren und fetten, aber keineswegs san-
digen Boden; auch konnten auf diesem letzteren selbst keine
Schachtelhalme gefunden werden. Erst nach längerem Suchen
wurden an dem südlichen Rande des Feldes einige vereinzelte
junge Equisetumpflanzen bemerkt. Der Vortragende machte
darauf aufmerksam, dass er auch anderwärts schon mehrfach
die Beobachtung gemacht habe, dass der Acker-Schachtelhalm
zwischen den Kartoffelpflanzen in reichlicher Menge sich ange-
siedelt habe. Trotzdem habe er niemals derartige Erkrankungs-
erscheinungen wabrgenommen. In dem vorliegenden Falle jedoch
sei wohl noch in Rechnung zu ziehen, dass das inficirte Feld
ganz abgesehen von der sehr nassen Witterung, durch den hohen’
Wasserstand der Mosel — dieselbe reichte längere Zeit hindurch
bis dicht an das Feld heran — ausnahmsweise feucht gehalten
worden sei und dass auf diese Weise die besonders günstigen
Bedingungen geschaffen worden waren für die grosse Ausbrei-
tung des Pythium Equiseti.
Schliesslich besprach der Vortragende noch die Entdeckung
er Sexualorgane von Peronospora infestans durch G. Wor-
thing ton Smith in London und legte die photographischen
und lithographischen Abbildungen derselben vor. Die Aehn-
lichkeit, welche danach mit den gleichen Organen des oben
besprochenen Pythium stattfindet, war eine zu auffallende, um
nicht dem Gedanken einer etwa möglichen Identität Raum zu
geben, dahin gehend, dass die von Smith entdeckten Sexual-
organe von Peronospora nur die eines Pythium, und zwar dann
wahrscheinlich des Pythium Equiseti darstellen.
Derselbe Vortragende sprach darauf noch über die An-
152 Gesellschaft naturforschender Freunde.
theridien -Entwickelung der Schachtelhalme und demonstrirte
dieselbe an einer grösseren Anzahl von Handzeichnnngen.
Betreffs der der Antheridienbildnng voraosgehenden Ent-
wickelung des Vorkeims ans der Spore gab der Vortragende
einige vorläufige Andentnngen. Ein seharf ansgeprägtes Gesetz
Über die Zell, heilong ist, wie anch bereits Hofme.ster ang ebt,
in keinem Stadium der Vorkeimentwickelung mit Sichertet zu
erkennen. Besonders gilt dies von den männlichen Verkeimen.
Bei diesen ündet vornehmlich ein Längenwachsthum statt, be-
wirk, durch das gegeneinander rechtwinklige 1 Ansetzen ^ von
Längs- und Querwänden. Indem jedoch diese letzteren oft zu,
Längsrichtung des ganzen Vorkeims mehr oder weniger sehiefwink-
lig verlaufen, hat es den Anschein, als ob das Langenwacbstbum
düs Sprosses sich geändert »nd durch eine keilförmig nach un
zugespitzte Scheitelzelle vermittelt werde. Nach dem A“
einer oft constanten Anzahl von Theilungswanden wird ,n eine
der Endzeilen der bisher durch Längs- und Querwände bewirkte
Theilungsmodus geändert, der Art, dass in dieser Endzeile eine
zur Fläche des Längenwachsthums parallele Wan ge i e Wl
Die eine der dadurch entstehenden Zellen wird nun zur Mutter-
zelle eines neuen Sprosses, welcher jedoch in seiner weiteren
Flächenausbildung stets senkrecht gerichtet ist gegen ic es
Muttersprosses. Die andere durch fsen Theilungsmodus ent-
standene Zelle bleibt jedoch in inniger Verbindung mit de
Mutterspross und theilt auch mit demselben die weitere Arten
Weise des Wachsthums. Ausser diesem Ramiücationstypas
kommen sehr häuüg und meist abwechselnd mi, demselben der-
artige vor, dass die Ausbildung des Tochtersprosses ,n der
Fläche des 'Muttersprosses vor sich geht. In diese
die Theilungswand senkrecht zur Ebene des ganzen p
gedichtet. Hinsichtlich der streng durchgeführten Diocie der
Verkeime macht der Vortragende darauf aufmerksam dass
nicht unwahrscheinlich sei, dass bereits nach den ersteQ T _
langen der durch die Abtrennung der ersten Haarwurzel
standenen Vorkeimmutterzelle die Anlage für den männlichen
oder w eichen Vorkeim gegeben sei. Vortragender verweis,
hierfür auf die Tba.saehe, dass ein Theil der Vorkcimmutte.-
zellen, und zwar der grössere, zunächst nur die Neigung
Sitzung vom 2 1. December.
153
Theilung in einer Ebene zeige, ganz analog den obigen Aus-
einandersetzungen über das Längenwachsthum der männlichen
Vorkeime. Ein anderer Theil der Vorkeimmutterzellen bildet
sich jedoch der Art aus, dass zwei untereinander und auch zur
Trennungswand von Haarwurzel und Vorkeimmutterzelle senk-
recht stehende Zellwände gebildet werden. Von oben gesehen
erscheint alsdann die Vorkeimmutterzelle in vier Quadranten
getheilt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass mit diesem Wachs-
thumsmodus die Entwickelung des weiblichen Vorkeims einge-
leitet wird.
Der Schilderung der Entwickelungsgeschichte der Antheri-
dien selbst lässt der Vortragende erst ein kurzes Resume vor-
angehen über die bisherige Kenntniss derselben. Ausser von
Hofmeister sind noch von Duval-Jouve und von Milde
Abbildungen und Schilderungen des Entwickelungsvorganges der
Antheridien gegeben worden; dieselben congruiren aber so wenig
mit einander, dass eine wiederholte Untersuchung derselben zur
Klarlegung der Vorgänge dringend nöthig war. Die dabei von
dem Vortragenden gewonnenen Resultate weichen nun wesent-
lich von denen der genannten Autoren ab und lassen sich in Fol-
gendem kurz zusammenfassen: Das Antheridium lässt sich auf
eine Aussenzelle des Vorkeims zurückführen. In einer solchen
Aussenzelle sammelt sich körniges, zum Theil grün gefärbtes
Plasma an und bildet die erste Anlage des Antheridiums. In
dieser Zelle drängt darauf das Plasma nach der Aussenwand
hin und häuft sich dort besonders an; in dieser Zeit entsteht
in dieser Aussenzelle eine zur Aussenwand parallele Zellwand
und trennt somit die Zelle, von welcher ausgegangen worden
war, in eine äussere und eine innere Zelle. Letztere ist die
Basalzelle, erstere die Antheridienmutterzelle.
Bei der Auseinandersetzung der weiteren Entwickelung wer-
den zunächst die optischen Längsschnitte, auf welchen auch
allein die Trennung in Basalzelle und Antheridienmutterzelle zu
erkennen war, in Betracht gezogen. In der Antheridienmutter-
zelle treten darauf in simultaner Bildung zwei zur Aussenfläche
dieser Zelle senkrechte Theilungswände ein, welche, weiter von
dem Centrum der Zelle entfernt, den beiden Zellwänden aber
näher gelegen, von der Antheridienmutterzelle zwei Seitenzellen
154 Gesellschaft naturfor sehender Freunde.
abtrennen. Nun erst bildet sich eine zu den letzten Theilungs-
wänden senkrechte neue Zellwand, welche parallel der Aussen-
fläche verlaufend die Deckelzelle abgrenzt. Der nach aussen
hin von der Deckelzelle, nach den «eiten von den Seitenzellen
und nach innen von der Basalzelle begrenzte Theil der Ursprung- , j
liehen Antheridienmutterzelle ist nun die Mutterzelle der Sper-
matozo'iden- Mutterzellen; Vortragender bezeiehnete sie mit „Innen-
zelle“. In dieser Innenzelle tritt nun stets zuerst eine der
Aussenfläche parallele Theilungswand auf, auf welche meist eine
zweite ebenso gerichtete, aber mehr nach innen zu gelegene
Theilungswand folgt. Jedoch ist es auch sehr häufig beobachtet
worden, dass die zweite Theilungswand senkrecht zur ersten
gerichtet war. Ueberhaupt. konnte über die Auleinanderfolge
der in der Innenzelle auftretenden Theilungswände keine abso-
lute Regelmässigkeit gefunden werden; durchgreifend und con-
stant allein ist es, dass die jedesmaligen Theilungswände senk-
recht gegen die vorhergehenden gerichtet sind, so dass die Innen-
zelle schliesslich von einer grossen Anzahl von Zellen ausgefullt
wird. Indem während dieses Vorganges die Seitenzellen sich
bedeutend strecken und sich durch zur Längsrichtung des Anthe-
ridiums senkrechte Zellwände theilen, wird das ganze Organ
über die Fläche des Vorkeims bedeutend herausgehoben.
Die von der Fläche aus gewonnenen Ansichten über die
Entwickelung des Antheridiums fügten den vorstehenden Erör-
terungen noch Folgendes zu: Die’ von der Fläche aus gesehenen
vierseitigen Aussenzellen , welche durch die Abtrennung der
Basalzelle zu den Antheridienmutterzellen geworden sind, zeigen
die Bildung der Seitenzellen ganz besonders deutlich. Es geht
daraus hervor, dass nicht zwei, sondern vier Seitenzellen ge-
bildet werden, jedoch so, dass zuerst die zwei vorher schon
geschilderten, also gegenüberliegenden Seitenzellen durch zwei
die Breite der ganzen Aussenzelle durchziehende Theilungswände
abgetrennt werden. Erst nachher treten zwischen diesen die
beiden anderen, ebenfalls einander gegenüber liegenden Seiten-
zellen auf.
Auf diese Weise umschliessen die vier Seitenzellen ein
Quadrat, welches in Folge der schon vorher beschriebenen Ent-
wickelungsvorgänge im Innern der Antheridienmutterzelle die
Sitzung vom 21. December.
155
Aussenwand der Deckelzelle des Antheridiums darstellt. Bei
dem ferneren Wachsthum des Antheridiums erleidet auch die
Deckelzelle noch einige Theilungen. Die dabei auftretenden
Theilungswände sind parallel den Zellwänden der Seitenzellen
und schneiden sich gegenseitig unter 90°, so dass die ursprüng-
liche Deckelzelle in die 4 Quadrantenzellen getheilt wird. Diese
weichen bei der Reife des Antheridiums auseinander und gewäh-
ren also den Spermatozoidenmutterzellen freien Austritt.
Bezüglich der näheren Erörterung über die Bildung der
Spermatozolden bemerkte der Vortragende, dass er den Schacht’-
schen Untersuchungen „die Spermatozolden im Pflanzenreiche“
nichts Wesentliches beifügen könne und verwies daher auf diese.
Herr Witt mack legte die sogen. Frucht (eigentlich Sam-
melfrucht) einer Artocarpus- Art vor, welche das landwirtschaft-
liche Museum von dem Afrikareisenden Hildebrandt aus
Sansibar erhalten hatte. Das betreffende Exemplar misst circa
15 — 16 Ctm. im Durchmesser. Die aus den verwachsenen
äusseren Blüthenhüllen der (weiblichen) Blüthen hervorgegangene
Aussenschicht, welche gewissermaassen eine Schaale derGesammt-
frucht darstellt, ist fest, lederartig, fast 10mm dick und aussen
dicht mit konischen, 5 — öseitigen, ca. 4 — 5mm hohen, dicken
Warzen besetzt, die an der Basis ca. 6 — 7mm im Durchmesser
halten. Die Warzen entsprechen den Spitzen der Perigone.
Die einzelnen, dem centralen Receptaculum eingefügten Früchte
sind mit Einschluss der sie umgebenden fleischig gewordenen
Blüthenhülle, mit der vereint sie falsche Steinfrüchte repräsen-
tiren, ca. 45mm lang, 30 mm breit und bis 27nim dick; ihre Ge-
stalt ist umgekehrt kegelförmig, da der grösste Durchmesser
nach aussen liegt, an den Seiten durch gegenseitigen Druck etwas
abgeplattet. Zwischen den Früchten liegen eine grosse Menge
ziemlich starker Stränge; es sind dies die verlängerten Perigon-
röhren der zahlreichen sterilen Blüthen. Die Früchte selbst
haben die Form einer dicken Mandel, sind ca. 33 mm lang, 23miu
breit und 15mra dick; ihr pergamentartiges, dünnes Perikarp ist
am Hilum (in der Nähe des oberen Endes seitlich) noch mit
der Samenschale verwachsen, im Uebrigen löst es sich leicht
von letzterer. Der Same, aus einem anatropen, parietalen, hän-
13
156 Gesellschaft naturforschender Freunde.
senden Ovulum hervorgegangen, ist mit einer platten, glanzen-
den, kastanienbraunnn, lederartigen Testa umgeben. Das Eiweiss
fehlt wie bei allen Artocarpeen, die Radicula liegt am oberen
(peripherischen) Ende. Die Cotyledonen sind sehr ungleich
an Grösse; während der eine fast den ganzen Samen einnimmt,
liegt der andere am oberen Ende schief nach der einen Kante
zu und hat nur etwa | der Länge des Samens. Die Farbe der
Keimblätter im Innern ist schön weiss, trocken, fast kreideartig
und ihr Gewebe dicht mit kleinen Stärkekörnern erfüllt. Letztere
weichen insofern von den Stärkekörnern der Artocarpus incisa L.
ab als man sehr selten mehrfach zusammengesetzte Korner
findet, obwohl die rundlich-adrige Gestalt' der einzelnen Körn-
chen darauf hindeutet, dass sie aus zusammengesetzten hervor-
gegangen. Zwillingskörner sind dagegen nicht selten. Die
Grösse der einzelnen Theilkörner ist gegenüber denen von Arto-
carpus incisa eine viel gleichmässigere und beträgt fast
durchweg 8 — 9 Mikromillimeter; die kleinsten messen 4,2 g,
die grössten 11,2 p, Zwillingskörner 14—15 p. Wiesner (die
Rohstoffe des Pflanzenreichs S. 279) giebt dagegen als Grenz-
werthe bei A. incisa 2,5-13 p, als häufigste Werthe 7 p an
und Vortragender fand, bei der Stärke von Artocarpus wnsa
aus Martinique sogar Körner von 2,8 bis (in seltenen Fallen)
22,4 p , meist von 8—10 p. Wenn sonach auch die Mitte -
werthe beider Stärkekörner ziemlich übereinstimmen, so ist doch
die ungleiche Grösse der einzelnen Theilkörner bei A. mcisa
sehr auffallend. Im übrigen Verhalten sind sie sich ziemlich
gleich. _ Immerhin aber dürfte sich aus dem Unterschiede in
den Stärkekörnern folgern lassen, dass die vorliegende Species
nicht A. incisa sein kann. Die Wahrscheinlichkeit spricht
dafür dass es Artocarpus integrifolia L. ist, denn Keisten
(v. d.’ Decken’ s Reisen in Ostafrika I. S. 38) erwähnt bei
Sansibar nur dieser letzteren Species, und zwar als des allge-
mein cultivirten „Jackbaumes.“
Ferner zeigte Herr Wittmack ein ebenfalls von Hitde-
brandt aus Sansibar erhaltenes, sehr schönes und grosses
Exemplar von Carica Papaya L. vor, an dem man deuthc
sah, dass die in der melonenartigen Beere enthaltenen Samen
noch mit einer saftigen Hülle, dem Arillus umgeben sind. Als-
Sitzung vom 21. December.
157
dann legte derselbe mehrere Gegenstände vor, die dem land-
wirtschaftlichen Museum bei Gelegenheit der Kölner Ausstellung
von Herrn Delchevalerie in Kairo und der Direktion der
Flora in Köln gütigst zum Geschenk gemacht waren. Die-
selben stammen aus dem Khediveschen Park und der Garten-
bauscbule zu Gezireh bei Kairo (wie Herr G. R. Ehren-
berg später bemerkte, der alten Nilinsel Rhoda), wo eine
grosse Menge tropischer Gewächse gezogen werden. Es waren
zunächst die Früchte von Feronia elephantum ( Aurantiaceae ), die
in Ostindien als Orangen genossen werden, während der Baum
in Gezireh nur als Zierbaum dient, ferner die von Tectona
grandis, deren Gestalt schon in Gärtner (de fructibus et semi-
mbus vol. I, p. 274 und vol. III, tab. 57) sehr gut wieder-
gegeben ist. Aut eine Gewinnung von Tekholz scheint es in
Aegypten vorläufig noch nicht abgesehen zu sein, denn auch
dieser Baum ist nur als Zierbaum aufgeführt. — Sodann ge-
langten mehrere Faserstoffe zur Ansicht, die in Gezireh ver-
suchsweise hergestellt werden, darunter Fasern aus der Blüthen-
staude von Phoenix dactylifera , welche braune Stränge bilden,
die aus den ganzen Gefässbündeln bestehen und sich nur zu
Flechtwerk eignen, ferner Fasern von den Foliolis der Phoenix
dactylifera (grau, grob, wergartig und begreiflicherweise nicht
lang), Fasern von Hibiscus mutabilis, der bisher noch nicht, wie
der verwandte Hibiscus cannabinus (arab. „til“) in Aegypten im
Grossen gebaut wird, desgl. Stengelfasern von Gossypium viti-
folium (grob, braun), ferner von Cyperus dives und endlich von
Ricinus sanguineus, welche letztere, obwohl etwas grob, vielleicht
doch eine Zukunft haben dürften, da sie recht haltbar scheinen,
obwohl die einzelnen Bastfasern sehr dünnwandig sind. Die
mikroskopische Untersuchung der genannten Fasern ist noch
nicht abgeschlossen.
Herr A. Sadebeck aus Kiel sprach über eine neue Art
von regelmässiger Verwachsung im regulären System, welche
bei gediegen Kupfer von der Grube Friedrichssegeit in Nassau
vorkommt. G. Rose hat in seiner Reise nach dem Ural die
sogenannten regelmässig baumförmigen Verwachsungen des
Kupfers von Bogoslowsk im Ural beschrieben, bei welchem die
13*
158
Gesellschaft naturforschender Freunde.
prismatischen Axen tektonische Axen sind. Die Subindividuen,
meist Zwillinge nach dem Gesetz, Zwillingsaxe eine rhomW
drische Axe, sind in Folge der Anordnung zu solchen höherer
Stufe geeinigt, welche eine rhombische Pseudosymmetrie zeigen.
Besonders häufig geht die Anordnung und Einigung der Sn
Individuen in drei in einer Ebene liegenden und steh unter 120
schneidenden prismatischen Axen vor sich. n-
Bei dem gediegen Kupfer von Friedrichssegen sind die D
gonalen der Octaede rflächen tektonische Axen von denen
je drei sich zu den drei in derselben Octaederflache liegenden
prismatischen Axen wie die zweierlei Nebenaxen im hexagonalen
Systenin verhalt ^ regu,ären System dreierlei Wachstbums-
richtungen, wie er die tektonischen Axen nennt an we che m.
den drei krystallographischen Axen zusammenfallen, zu denen
Z nun eine vierte hinzutritt. Diese vier Arten von tektonischen
Axen sind zugleich die viererlei Hauptzonenaxen im regulären
SyStDie Krystalle selbst gehören dem Tetrakishexaeder
(a.la-x>a) an, zu welchen untergeordnet noch das Oc-
taeder hinzutritt. Durch Verkürzung in der Richtung eine
rhomboedrischenAxe entsteht hexagonale Pseudosymmetrie; die
zweierlei Kanten der Tetrakishexaeder haben gleiche Win ;
so dass die Flächen an den beiden Endpunkten einer rhomboe-
drischen Axe für sich allein ein flaches
den Ist nun diese rhomboedrische Axe zugleich Zwillingsaxe,
so kann das Hexagondodekaeder durch die Zwillingsbi düng
keine Formveränderung erleiden und man kann die Zwillings-
bildung nur dann erkennen, wenn an der Zusammensetzungs
fläche Octaederflächen auftreten.
Die Pseudohexagondodekaeder erliegen durch Verlängerung
in der Richtung einer tektonischen Axe, also einer Seitenk^
einer zweiten Pseudosymmetrie, nämlich einer rhombischen. D
verlängerten Flächen bilden ein pseudorhombisches Prisma, au
dessen Flächen die vier einer Seitenecke zusammenstossende
*) Knoss, Mpecularconstitution und Wachsthum der Krystalle, Leipzig
1867, S. 48.
Sitzung vom, 21. December.
159
Flächen schief aufgesetzt sind und ein Rhombooctaeder darstellen.
In ähnlicher Weise wie beim Quarz durch Aufbau in derHaupt-
axe eine Int.ermittenz zwischen Prismen- und Rhomboederflächen
stattfindet, wodurch spitze Rhomboederflächen als Scheinflächen
zur Erscheinung kommen, findet auch hier eine Intermittenz
zwischen den Flächen der pseudorhombischen Prismas und Oc-
taeders statt und es entstehen Nadeln mit scheinbar spitzer
Endigung.
Die Prismenfläcben zeigen meist verticale Furchen, da die
Anlagerung der Subindividuen in erster Linie an den Kanten
vor sich geht. Solche Nadeln kreuzen sich vielfach unter 120°
in ähnlicher Weise, wie bei den regelmässig baumförmigen Ver-
wachsungen.
Bei den mikroskopischen Krystallskeletten und regelmässi-
gen Verwachsungen kann man häufig z. B. bei Glasflüssen,
Löthrohrperlen etc. Anordnungen nach drei sich in einem Punkte
unter 60° schneidenden Axen wahrnehmen, zwischen denen
untergeordnet, noch Zwischenaxen unter 30° hinzutreten. Bei
derartigen Bildungen ist man dann nicht in der Lage zu ent-
scheiden, ob das reguläre oder hexagonale System zu Grunde
liegt.
Herr Neumayer machte zum Schluss ausführliche Mit-
theilungen über die Organisation und die Ziele der Deutschen
Seewarte.
Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen:
Monatsberichte der Akad. d. Wissenschaften zu Berlin. Juni
bis August 1875.
Leopoldina, Amtliches Organ der K. Leopoldinischen Akademie
der Naturforscher. X u. XI, 1 — 22.
52. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländ.
Cultur, nebst Festgruss an die Versammlung Deutscher Natur-
forscher zu Breslau.
Schriften des botanischen Gartens zu St. Petersburg, III, 2.
Nature , Journal of Science. No. 317, Vol. XIII.
Bulletin de la societe imp. des Naturalistes de Moscou 1875 No. 1.
Proceedings of the zoological society of London. 1875. Pt. 2, 3,
160 Gesellschaft naturforschender Freunde.
Revised List of the vertebrated animals in the garden nf the
zoological society of London. 1875.
Abstrael of results of a study of the neuere Geomys and Tomo-
,„ith addenda of the osteoloyg of Geomyidae, Eihot
Coues , Washington 1875, 4.
Boielin de la Academia naciomü de eiencias eractas ernsten e en
la Unieenidai de Cordova. EMrega 1. Buenos Aires ISO.
Anales iel nrnseo publico de Buenos Aires , por Germ. Bunne, Ster.
Entrega XII. 1870—74.
Druckfehler.
S. 73, Z. 4, statt: Krafft lies: Krefft.
S. 103, letzte Zeile, statt: Ledeyour lies: Lede&our.
S. 104, Zeile 14, statt: Seefeid lies: SeefeZd.
S. 119, Zeile 13 v. unten, statt: wie lies: nur.
S. 120, Z. 8 v. oben, stafrt: aber lies: also.
S. 121, Z. 9 u. 10, statt: rhomboidrischen lies: rhomboe'drischen.
S* 122, Z. 6, statt: und Ecken an lies: durch Ecken von.
Siehe ausserdem S. 37.
A. \V, Schart e’9 Buchrtruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 4 ■ .