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OF
COMPAßATIVE ZOÜLOGY,
AT ÜARVARD COLLEGE, CAÜßKIBGE, MASS.
jfoiinTicti 1)1) pifbatc subscvfptfoti, fix 18G1.
From the Library of LOUIS AGASSIZ.
SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AWEillE DER WISSEICHUFTE^.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
EINÜNÜVIERZIGSTER BAND.
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UNü STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSIÜN BEI KARL GEROLÜ'S SOHN. BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
1860.
SITZUNGSBERICHTE
DER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN
CLASSE
DER KAISERF,ICHE>
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
I
EINUNDVIERZIGSTER BAND.
Jahrgang 1860. — Nr. 13 bis 20
(3Itit 24 Cofrln.)
WIEN. .
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION- BEI KARL GEROLD'S SOHX . BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
1860.
^^^
INHALT.
Soite
Silzilllg; vom 10. Mai 1860. Übersicht \i
/»'olle. Die Lifijnit- Al)Ia;j;eiun*^ des Beckens von Scliönstein in
Unter-Steiermark und ihre Fossilien. (.Mit 3 Tafeln.) Nebst
einem Anhange „die Pflanzenreste der Lignit-Ablagerung
von Schönstein," von dem w. M. der kaiseri. Akademie,
Dr. Fr. Unger. (Mit 2 Tafehi.) 7
Löffler, Beitrag zum Probleme der Brachystociirone. (Mit
1 Tafel.) 53
Txchennak, Analyse des Datolithes von Toggiana 60
Kitzilll^ vom 18. Mai 1860. Übersicht 63
Tschennak, Einige Sätze der theoretischen Chemie 67
Hauer, Franz Ritter von, Nachträge zur Kenntniss der Cepha-
lopoden-Fauna der Hallstätter Schichten. (Mit 5 Tafeln.) 113
Fitzinger, Über die Racen des zahmen Schafes. (IV. Abtheilung.) löl
Sitzung vom 8. Jimi 1860. Übersicht 247
Ilaidinqer , Der Meteorit von Shalka in Bancoorah und der
Piddingtonit 2öi
lloriistein , Über Helligkeitsmessungen bei kleinen Fixsternen.
(Mit 4 Tafeln.) 261
Sonndorfer, Ephemeriden für die Helligkeiten der Asteroiden im
Jahre 1860 271
Odstrcil und Sludnicka , Über elektrische Entladung und Induc-
tion 302
Pelzein, A. v.. Zur Ornithologie der Insel Norfolk. (Mit 1 Tafel.) 319
.Sitzung; vom 14, Juni 1860. Übersicht 333
Bizio, Analisi chimica dell'acqua minerale, detta salsa o di
S. Gottardo, in Ceneda, Provincia di Treviso, con Saggi
di confronto sopra l'acqua salso-iodica di Sales nel
Piemonte 335
Iti'itlinger, Zur Erklärung der Lichtenbergischen Figuren . . 358
Krell, Beitrag zur Klimatologie von Central-Afrika 377
Scheiher, Vergleichende Anatomie und Physiologie derOstriden-
Larven. (Erster Theil mit 2 Tafeln.) 409
Sitzung; vom 21. Juni 1860. Übersicht 497
Freund, Über die Natur der Ketonc 499
VI
^^
Seile
'/.cpharnvicli , Ritter v.. Über <lic Kryslallformen des essif;-
s;i!|)otorsauron Strontian und des weinsteinsauren Kali-
Litluon. (Mit 2 Tafeln.) älO
V. Latiff, Über das Gesetz der rationalen Verhältnisse der
Tangenten tautozonaler Krystallkanten 520
Niemtschik , Über die direete Construction der schiefaxigen
Krystallgestalten aus den Kantenwinkeln. (Mit 1 Tafel.) o3ö
Mach, Über die Änderung des Tones und der Farbe durch
Bewegung 343
.^Hziing; vom S.Juli 1860. Übersicht 561
Schreiben des correspondirenden Mitgliedes Fr. Wohl er an
W. Haidinger: I. Neuere Untersuchungen über die
Bestandfheile des Meteorsteines vom Capland .... 56ö
Haidinger, II. Einige neuere Nachrichten über Meteoriten, nament-
lich die von Bokkeveld, New Concord, Trenzano, die
Meteoreisen von Nebraska, vom ßrazos, von Oregon . 568
Schäfer, Die Arsenikesser in Steiermark 573
Petzval, Angström's experimentelle Untersuchungen über das
Spectrum des elektrischen Funkens in Beziehung auf die
Farben der Doppelsterne 581
Schöffer, Über die Kohlensäure des Blutes und ihre Ausschei-
dung mittelst der Lunge. (Mit i Tafel.) 589
Pohl, Chemische Notizen 623
Czermak, Über die entoptische Wahrnehmung der Stäbchen- und
Z?t]ifensch[cht ('3Ieiiif)rnnn Jacobi Retinae) 644
Lieben, Über die hlinwirkung schwacher Affinitäten auf Aldehyd 649
Sitzung vom 12. Juli 18G0. übersieht 673
Winckler, Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen . . 675
Schrötter, Über das Vorkommen des Ozons im Mineralreiche . 72a
Pelzval, Über Prof. A. Mülle r's Discussionsmethode der alge-
braischen Flächen höherer Ordnungen 735
Sitzung vom 19. Juli 1860. Übersicht 743
Unidinger, Die Caicutta-Meleoriten von Shalka, Futtelipore,
Pegu, Assam und Segowlee im k. k. Hof-Mineraiien-
Cabincte 745
Reitlinger , Zur Erklärung des Lullin'schen Versuches und
einiger anderen Artunterschiede der positiven und negativen
Elekfricität 7.S9
Schrauf, Bestimmung der optischen Constanten krystallisirter
Körper. I. Reihe. (Mit 2 Tafeln.) 769
Kner, Über den Flossenbau der Fische 807
Schrötter , Über die ehemische BeschafTenheil einiger Producte
aus der Saline zu llalstatt 825
Tabellarische Übersicht der Witterung im Jahre 1858.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
.MATHEMATISCH -NATURWISSENSCIIAFTI.ICUE CLASSE.
i
XU. um.
SITZUNG VOM 10. MAI 1860.
m 13.
XIII. SITZUNG VOM 10. MAI 1860.
I
Herr Alexander Löffler trägt eine Abhandlung: „Beitrag zum
Probleme der Braehystochrone" vor.
Herr Dr. Gustav Tschermak übergibt die „Analyse des Dato-
lithes von Toggiana", welche er im Laboratorium des Herrn Prof.
Redtenbaeher ausgeführt hat.
Herr Albr. Schrauf, Eleve des k. k. physikalischen Institutes
in Wien, legt eine Abhandlung vor: „Bestimmung der optischen Con-
stanten krystallisirter Körper".
Herr Eduard Sedlaczek, k. k. Telegraphen-Beamter, macht
eine Mittheilung über eine von ihm erfundene neue Einschaltung der
galvanischen Batterien für Telegraphen-Stationen.
Der Secretär legt das nun vollendete Reisewerk von Ludw.
Libay: „Ägypten. Reisebilder aus dem Orient." — Abbildungen
sammt Text — zur Ansicht vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Aeademie imperiale des sciences, arts et belles-lettres de Dijon.
Memoires. 2"^ serie. Tome VIP«- Annees 1858 — 18ö9. Dijon et
Paris, 1859; So-
Annale n der Chemie und Pharmacie, herausgegeben von F. Wohl er,
J. Liebig und H. Kopp. N. R. Band XXXVIII, Heft 1. Leipzig
und Heidelberg, 1860; 8o-
AstronomicalJournal, The, Nr. 131. Vol. VL Nr. 1 1. Cambridge,
1860; 40-
Astronomische Nachrichten, Nr. 1250— 1255. Altona, 1860; 4o-
Austria, herausgegeben von Dr. Gustav Höfken, Jahrgang XII.
Heft XVIII und XIX. Wien, 1860; S»-
n:iu/oituii«T, Allgemeine, red. von Prof. Chr. F. L. Förster.
.I:»lui?;tMi,^ XXV, Heft 3 sammt Atlas. Wien, 1860; Fol. und 4«» •
iiiillelin de la Socielo gcolojjique de France. 2""' Serie. Tome
X\\"" et XVII""^. Paris, 1858 a 1800; 8"-
— de la Societe Lineenne de Normiindie. IV""^ Vol. Annee 1858 — 59.
Caen et Paris, 1859; 8o-
Cinlich, di fi-a Innocenzo, Biblioteca nella libreria de R. R. P. P.
Francescani di Ragusa. Zara, 1860; 8"'
Tosmos, IX*- annee. 16M'olumo. 16«= — IT»- livr. Paris, 1860; 8».
Gesellschaft der Wissenschaften, königl. böhmische in Prag.
Sitzungsberichte. Jahrg. 1859, Juli bisDecember. Prag, 1859; 8»-
G i e s s e n , Akademische Gelegenheits-Schriften der Universität aus
den Jahren 1858, 1859 und 1860.
Göttingen, königl. Gesellschaft der Wissenschaften, Abhandlungen.
VIII. Band, von den Jahren 1858 und 1859, mit 1 Tafel.
Götlingen, 1860; 4o-
Grunert, J. A., Archiv der Mathematik und Physik mit besonderer
Rücksicht auf die Bedürfnisse der Lehrer an höheren Unterrichts-
Anstalten. XXXIV. Theil, 2. Heft. Mit 1 Holzschnitt. Greifs-
wald, 1860; 80-
Istituto Lombardo R. di scienze, lettere ed arti , .Atti. Vol. I. Fase.
XIII— XX. Milano, 1860; 4o-
— Memorie. Vol. VIII. -Fase. I. Milano, 1859; 4o-
Land- und forstwirthschaftliehe Zeitung; red. von Dr. Arenstein.
X. Jahrgang, Nr. 13. Wien, 1860; 8»-
Moesta, Dr. Carlos Guill"* Observaciones astronömicas hechas en
el observatorio nacional de Santiago de Chile, en los ailos de
1853, 1854 i 1855. Tomo L Santiago de Chile, 1859; 4«-
Mühry, A., Allgemeine geographische Meteorologie oder Versuch
einer übersichtlichen Darlegung des Systems der Erd- Meteora-
tion in ihrer klimatischen Bedeutung. Mit 4 Karten und 4 Holz-
schnitten. Leipzig und Heidelberg, 1860; 80-
Pollichia. Ein naturwissenschaftlicher Verein der Rheinpfalz,
XVI. und XVII. Jahresbericht. Herausgegeben von dem Aus-
schusse des Vereins. Neustadt a. H. 1859; S"*
Reichsanstalt, k. k. geologische, Jahrbuch, 1859, X.Jahrgang.
Wien, 1859; 8o-
— Sitzung am 17. April 1860; 8»-
I
Schultz, ConimcntaHoiies botanicae. (Seorsiim exsciiptum e XVI.
et XVII. libro aniialiuin Polliehiae.) Ncapoll Neinetiim, 1859; 8"-
Societe de biolügie, Coiiiptcs rcndus des seaiices et Menioires.
Tome V. de ia 2'»^ serie. Armee 1858. Paris, 1859; 8"-
Verein, naturhistoriseh- medizinischer zu Heidelberg, Verhand-
lungen. Band II, Heft I. Heidelberg, 8»-
Wiener medizinische Wochenschrift, red. von Dr. Wi ttelshöfer.
Jahrgang X, Nr. 17 und 18. Wien, 1860; 4o-
Zeitschrift für Chemie und Pharmacie, Correspondenzblatt, Archiv
und kritisches Journal für Chemie, Pharmacie und die verwandten
Disciplinen, herausgegeben von Dr. E. Erlenmeyer und G.
Lewiiistein in Heidelberg. III. Jahrgang, Heft 5. Erlangen,
1860; 80-
— des österreichischen Ingenieur- Vereins, red. von Dr. Jos.
Herr. XII. Jahrgang, 3. Heft. Wien, 1860; 4'>-
ABHANDLUNGEN UNI) MITTIIEILUNGEN.
Die Lignit- Ahhigening des Beckens von Schönstein in Unter-
Steiermark und ihre Fossilien.
Von Dr. Friedrich Rolle,
fustos-Adjuncteii am k. k. Huf-lMiiieralien-Cabinete lu Wien.
(Mit 3 Tafeln.)
Nebst einem i\nhange „die Pflanzenreste der Lignit-Ablagerung von Schönstein", von
dem w. M. der kais. Akademie Dr. Franz Unger. (Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 7. Februar 1860.)
Fossilführende Ablagerungen aus den jüngeren und jüngsten
geologischen Epochen kennen wir auf österreichischem Gebiete erst
sehr wenige, und ihre Flora und Fauna ist bis jetzt nur wenig ermit-
telt. Rechnen wir den Löss im Donau-Thale, in Galizien u. s. w.
mit seiner Landschnecken-Fauna ab, so bleibt uns von der Zeit der
Ablagerung der oberen Schichten des Wiener Beckens bis zur Jetzt-
welt eine grosse, durch Analogien mit Ablagerungen in anderen
Theilen der Erde nur erst wenig aufgehellte Lücke.
Bei dem jetzigen Stande der Paläontologie, wo nicht mehr die
einer geologischen Epoche ausschliesslich eigenen Pflanzen- und
Thierreste fast allein Gegenstand einer besonderen Aufmerksamkeit
sind, sondern auch die für eine solche Epoche minder charakteristi-
schen, von einer zur andern übergehenden Arten einer eingehenden
Würdigung sich zu erfreuen haben , ja selbst gegen die ersteren
mehr und mehr in Vordergrund treten, hat die Erforschung der
den jüngsten geologischen Epochen angehörenden, der geschichtlichen
Zeit mehr oder minder unmittelbar vorausgegangenen Abi agerungen
S n 0 1 1 c. Die Lignit-Ablagerung des Beekcus von Schünstein
insoweit sie organische Reste beherbergen, eine besondere Bedeu-
tung für die Erweiterung der Wissenschaft. Gerade dieser Theil des
Gebietes derStratigraphie,der eine Zeitlang zu den unklarsten und am
wenigsten bearbeiteten gehörte, beginnt, zumal seitForbes classi-
schen Untersuchungen , von verschiedenen Seiten aus in ein helleres
Licht zu treten, dessen Einfluss auf die Erkenntniss des Wesens der
geologischen Formationen überhaupt sich bereits schon geltend macht.
Die lignitführenden Schichten von Schön stein in Untersteier
fallen in dieses Gebiet. Ich war in den Jahren 1855 und 1856, als
ich sie zuerst kennen lernte, so unvorbereitet auf Schichten dieses
Alters, dass ich 1856 irriger Weise sogar geneigt war, sie auf
Grund ihrer sowohl von der Loss- als der Wiener Neogen- Fauna
sehr abweichenden Fossileinschlüsse für ein Glied der Eocän-For-
mation zu nehmen. Erst im Sommer 1859 bei erneuter Begehung
der Gegend und sorgfältiger Untersuchung ihrer Fossilreste gelangte
ich zu einer ganz andern und seither genügend begründeten Ansicht.
Dermalen halte ich sie für jünger als die Wiener Tertiärgebilde,
für älter als der Löss.
Die Schönsteiner Lignitbildung findet in der älteren Literatur
Steiermarks nur sparsame Erwähnung. In den vor drei Jahrzehnten
erschienenen Abhandlungen über die Geologie von Untersteier,
welche die Herren Prof. Keferstein, Prof. Studer und Dr. Boue
verolTentlichten, wird derselben nur in kurzen Worten gedacht.
Keferstein (Teutschland, Band VI, Heft 2, 1829, S. 216)
erwähnt, bei der Therme Topolschitz unweit Schönstein einen
„hellen grobkörnigen Sandstein , der mit grünen Glauconit-Körnern
erfüllt ist, und offenbar der Flyschformation angehören wird." Dieses
Gestein ist in Wirklichkeit ein obertertiärer Mergel mit reichlich
eingemengten Trümmern von Hornblendegneiss, der mit den älteren
Schichten, die Keferstein sonst als „Flysch" bezeichnet, ausser
aller Beziehung steht.
Prof. Studer, der 1827 Untersteier bereiste (Leonhard's
Zeitschrift für Mineralogie. Jahrgang 1829, Band 2, S. 750) gedenkt
einer „ganz niedrigen, aus grauem, wahrscheinlich diluvialem Letten
bestehenden Hügelreihe", die er beim Herabsteigen vom Gebirge
von St. Veit in's nahe Schönsteiner Thal antraf. Gegen die Bezeich-
nung „diluvial" lässt vsich, wie weiter unten gezeigt werden soll,
kaum einwenden.
I
in Uiiter-Steiermnrk und ihre Fossilion. Q
Dr. Boue endlich (^Apergu sur la Constitution geologique des
Provinccs lUyriennes. 1833, S. 87) gedenkt zuerst mit Bestimmtheit,
•aber ebenfitlis nur in kurzen Worten, des h'gnitfiihreiiden Mergels
von Schönstein und des zahlreichen Vorkommens von Planorbeii,
Paliidinen und Limneen.
Hierauf beschränkt sich meines Wissens aber auch die ganze
ältere Literatur unseres fossilführenden Schönsteiner Lignit-Gebildes.
Ich veröffentlichte über dasselbe in meinen vom steiermärki-
schen geognostisch- montanistischen Vereine 1835 und 185G in
Druck gegebenen vorläufigen Aufnahmsberichten , sowie darnach
im Jahrbuche der k. k. geologischen Beichsanstalt, Jahrgang 1857,
S. 403, gedrängt durch gehäufte Arbeiten und abgehalten durch
die unerledigt gebliebenen geologischen Bedenken, nur einige kurze
vorläufige Nachrichten, eine spätere genauere Untersuchung der
Gegend und ihrer Fossilien mir für eine günstigere Zeit versparend.
Auf eine solche erneute Bereisung verwandte ich einen Theil
meiner Ferienzeit im Sommer 1859. Ich liess namentlich an den ge-
eigneten Stellen durch einen Häuer Aufschürfungen machen und
sammelte dabei für das k. k. Hof-Mineralien-Cabinet eine Anzahl von
Fossilien, deren seitherige genauere Untersuchung das nöthige Licht
auf die Altersverhältnisse der betreffenden Bildung und den Stoff zu
der vorliegenden Abhandlung lieferte.
Der löbliche geognostisch -montanistische Verein für Steier-
mark hatte, zufriedengestellt mit meinen 1856 und 1857 als Auf-
nahmsergebnisse eingereichten Karten, Profilen und Reiseberichten,
mein Anerbieten, ihm nachträglich noch mit Hilfe der reichen wis-
senschaftlichen Mittel, welche das k. k. Hof-Mineralien-Cabinet zu
bieten hat, durchgeführte gründlichere Arbeiten über die vordem in
seinem Dienste bereisten Theile Steiermarks einzuliefern, — unbe-
antwortet gelassen. Es war daher wohl gerechtfertigt, wenn ich
anstatt mein Interesse an den geologisch denkwürdigen Punkten
Steiermarks nach dem Gesichtsfelde der Direction des steiermärki-
schen Vereins zu begrenzen, selbst noch Hand an"s Werk legte und
die nähere Durchforschung der für die steiermärkische Geologie
sehr wichtigen Schönsteiner Gegend nochmals und unabhängig von
dem betreffenden Vereine aus eigenem Antriebe unternahm.
U o 1 I o. Die Li^'iiit-Alilajirei'uiig lies Beckens von Schöiisfein
Geologischer Tlieil.
Der Paak-Fluss, durch den Und aluk na -Grabe n aus den
liolien klüftigen Kalkstein- und Dolomit-Gebirgen von Weitenstein
und M i s 1 i n g hervorbrechend, durchströmt bei W ö I a n und Schön-
stein eine breite, von theils sanften, theils steileren Anhöhen ein-
gefasste Wiesen-Ebene, um dann unterlialb von Schönstein durch
eine ähnliche, ebenfalls enge und felsige Schlucht, den Penning-
Graben, hindurch in's ebene Sann-Thal von Fraslau und
Cill i abzufliessen.
Der obere und der untere Lauf der Paak sind enge felsige
Quertliäler, die breite Thalebene von Wölan und Schönstein
aber ein Längenthal, dessen südlicher Rand fast gradlinig und auf-
fallend gleichlaufend mit dem zwei Stunden südlich von ihm gelege-
nen nördlichen Rande des Sann-Bodens von Fraslau bis Cilli
nach Stunde S^/a streicht und, wenn man die in Westen und Osten
in gleicher Richtung Stunde 8 y« ziehenden, theils in Westen theils
in Osten geneigten und von verschiedenen Bächen durchströmten
Gräben zuzieht, eine Längenthalbildung von etwa sechs Stunden
Länge von St. Florian (Skorno) an über Schönstein und
Wölan bis Ho ch enegg darstellt.
Beckenartig breit und eben ist von diesen zu einem Ganzen
aneinandergereihten, dem Hauptstreichen der Gebirgszüge und der
Schichten dieses Theils von Steiermark entsprechenden Längsthälern
nur das Thal von Wölan und Schönstein in beinahe 2 Stunden Länge
und durchschnittlich 1/4 Stunde Breite. Es ist dies das sogenannte
Schall thal. Die Bezeichnung hängt mit der der nahen Orte Skalis
und Schallegg zusammen und scheint sich auf die Lage am Fusse
der hohen Kalkstein-Gebirge von Weitenstein und Misling zu bezie-
hen. {Skala, Felsen.)
Die breite und plötzliche Ausweitung des Paakthals von Wölan
bis Schönstein erinnert schon in der äussern Form sehr an ein altes
Seebecken. Eine alte Sage, an der die Bevölkerung noch jetzt sehr
festhält, berichtet, dass noch vor verhältnissmässig kurzer Zeit das
in Unter-Steiermark und ihre Fossilien. j[ \
Schallthal ein See war. So heisst denn auch jetzt noch die Kirche
zu Skalis „St. Georgen am See".
Hierzu liegen nun freilich keine geschichtlichen Zeugnisse vor,
wohl aber finden wir eine Süsswasser-Formation abgelagert, welche
erweist, dass in einer der jüngeren geologischen Epochen das Schall-
thal lange Zeit hindurch das Becken eines abgeschlossenen Binnen-
see's war. Den Boden der Thalebene und bis auf ein paar hundert
Fuss Höhe hin auch einen Theil der umgebenden Gehänge bilden
Schichten von Tegel, Sand, Schotter und Braunkohle, deren Fossil-
einschlüsse theils heute noch lebenden, theils erloschenen Arten
entsprechen , in ihrer Gesammtheit aber von denen aller übrigen
Theile Steiermarks abweichen und die Ablagerung in eine geolo-
gische Epoche verweisen, die zwar noch eine der jüngsten ist, aber
doch noch weit von der Epoche des Menschen abliegt. Derartige
Volkssagen von alten , angeblich erst in geschichtlicher Zeit
trocken gelegten Seen knüpfen sich in Steiermark überhaupt oft an
tertiäre Seebecken.
Die petrographische Natur der Gesteine und der Kohlenlager
des Schönsteiner Beckens deutet an sich schon auf eines der oberen
Glieder des Tertiärsystems hin ; es sind lockere Gebilde, die Schichten
lagern vorwiegend söhlig und bedecken zum Theil gehobene Schichten
älterer Tertiärablagerungen. Doch wird es erst aus den organischen
Einschlüssen möglich, das Altersverhältniss genauer zu ermitteln.
Vorherrschend sind Massen von lockerem blaugrauem, in der
Nähe der Kohle auch wohl bräunlichgrauem , an der Luft gelb und
lehmartig werdendem Tegel , der beim Austrocknen ziemlich fest
erhärtet und im Wasser meist nur theilweise zerfällt. Nächstdem
erscheint grauer thoniger Sand, der stellenweise grössere Kalkstein -
gerölle führt, seltener ein loser gelbgrauer Sand, endlich ein
erdiger, ziemlich unreiner und wenig geschätzter Lignit, der durch-
schnittlich eine Klafter Mächtigkeit erreicht und namentlich an drei
Punkten, zu Hundsdorf, Ober -Skalis undThurn durch Schür-
fen und Abbaue blossgelegt ist.
Wo keine tieferen Bodenentblössungen vorhanden sind, bemerkt
man gewöhnlich nur eine Bodendecke von gelbem Lehm mit mehr
oder minder starker Sand- und Gerölle-Beimengung.
Die ganze Ablagerung nimmt eine Oberfläche von etwa einer
halben Quadratmeile ein, die theils dem ebenen Schallthale, theils
j 2 Holle. Die Lignit-Ablaferiing des Beckens von Sehönsteiii
den nördlich, nordwestlich und nordöstlich davon gelegenen niedern
Hügeln und Hiicken angehört und die Gestalt einer unregehnässig
verzogenen Ellipse von einer der allgemeinen Berg- und Thal-
richtung der Gegend (NNW. in SSO.) entsprechenden Längen-
ausdehnung darstellt.
Das Grundgebirge, auf dem diese alte Binnenseebildung sich
abgelagert hat, sind theils meerische Tertiärschichten in aufge-
richteter Stellung, von denen weiter unten noch genauer die Bede
sein wird, tlieils ältere Kalksfeine, Dolomite und Porphyre.
Die Vertheilung der Gesteine in dem Becken ist nicht ganz
gleichförmig. Der graue Tegel herrscht zwar im Ganzen vor, indes-
sen nordwestlich von Schönstein mengen sich sandige Theile diesem
Tegel bei, und streckenweise herrscht hier auch ein halberhärteter
thoniger Sand. Nordöstlich treten sandige Massen als Hangendes des
Tegels auf. Lignitlager und conchylienreiche Bänke von Tegel
kommen hauptsächlich nur östlich von Schönstein in der Sohle des
Schallthales und auf den Anhöhen nordöstlich von da vor. Hier sind
auch allein die bergmäimischen Abbaue auf Lignit vorgerichtet.
Im Ganzen genommen gehören die Absätze leichter bewegbarer
Materialien also mehr dem östlichen und südlichen, die gröberen
mehr dem westlichen und nördlichen Theile der Gegend an, ein
Umstand, der wohl darauf hindeutet, dass das alte Süsswasser-
becken, entgegen dem jetzigen Laufe der Paak, in Osten oder Süd-
osten seinen Abfluss mag gehabt haben.
Die Lagerung dieser Schichten überhaupt ist durchschnittlich
flach, meist so gut wie ganz söhlig. Stärker geneigte Schichten sah
ich nur am nordwestlichen Bande des Beckens.
Die Meereshöhe hält sich innerhalb der Grenzen von etwa
1050 und 1400 bis höchstens 1500 Fuss und die Mächtigkeit der
ganzen Ablagerung überschreitet stellenweise jedenfalls 200 Fuss.
Östlicher Theil des Beckens. — Die steilen Kalkhöhen
des Lammbergs und des Skornobergs und die niederen Hügel der
Eocän-Gebilde von St. Florian, Gemeinde Skorno, bilden hier das
Batidgebirge. Ablagerungen von thonigem oder mergeligem Sand
herrschen vor.
in Unter-Steiermark und ihre Fossilien.
13
Ein sehr deutliches Bild der Lagerungsfolge lässt sich in der
Richtung von St. Florian zu der am Fusse des Lamnibergs entsprin-
genden Warmquelle von Topolschitz gewinnen.
Südwest.
Skorao-Berg'.
St. Florian.
Nordost.
Topol- Laium-
scliitz. Berg.
a Weisser Alpenkalk.
b Eocäner Kalk.
h Eocäner Mergel.
c Oiurittuff.
d Obertertiärer Sandthon, Sand und Schotter.
Der Skorno-Graben durchbricht hier als eine schmale, steil
eingefasste Schlucht die weissen Kalksteinmassen der Nord- und
Nordwestseite des Skornoberges, einzelne kleine steile Kuppen von
der Hauptmasse abtrennend. — Eine dieser Kalksteinkuppen trägt
die Kirche St. Florian. Der schroffe, fast senkrechte, etwa ISO Fuss
hohe Südabfall derselben gegen den Graben zu besteht noch aus
dem weissen dichten und massigen Kalksteine des Skorno (Gailthaler
oder Hallstätter Kalk? *), den obersten Gipfel und den ganzen Nord-
abhang aber bilden eocäne Gesteine, erst grauer conglomeratischer
Kalkstein, dann schwarzgrauer Mergelschiefer, endlich zu oberst
dioritischer Tuff.
Der Kalkstein ist fest, rauchgrau, in dicke Bänke geschichtet,
und durch Einmengung grösserer und kleinerer Stücke von lichtem
Kalkstein und Dolomit der ganzen Masse nach conglomeratisch. Er
führt Reste von Pecten, Ostrea und grossen Foraminiferen. — Dieser
Kalkstein fällt steil unter eine sehr mächtige Masse von festem, an
der Luft zerbröckelndem, schwarzgrauem Mergelschiefer ein. Letz-
terer führt einige Spuren von Pflanzenresten und Zweischalern. Er
*) Ich habe die weissen fossilfreien Kalksteine dieser Gegend, die namentlich in Nor-
den von Schönstein allenthalhen am Gneiss anliegen, ISöö und 1856 als „Gailthaler
Kalk" beschrieben. Bergrath Lipoid und neuerdings Herr Th. Zollikofer
haben sie seither als Hallstätter oder Dachstein-Schichten in Anspruch genommen.
Indessen fehlt es noch immer an Fossileinschliissen, welche die Frage entscheidend
lösen könnten
\J^ Holle. Die fJgnit-Ahlag^eriino: des Beckens von Schönstein
lagert ungefähr Stunde 4 50" in Nordwest und wird weiterliin von
einem dioritisehen TufT überhigert. Dieser ist sandsteinartig-körnig,
iiiu'ein bräunlicbgrau und weiss, feldspathreich. — Die Mäelitigkeit
des grauen Kalksteins mit Pecten beträgt etwa 30 bis 36 Fuss, die des
Schiefers viel mehr, etwa 200 bis 300 Fuss, die des DiorittutTs
vielleicht wieder eben so viel.
Diese Schichtenfolge überhaupt, Kalkstein mit Pecten, grauer
Schiefer mit Pflanzenresten und zu oberst Diorittuff ist die von
Prasberg, wo der Schiefer sich durch seine Pflanzenreste als
gleichalt mit der obereocänen Ablagerung von Sotzka erweist. Sie
lässt sich von der Kirche St. Florian in Südwest, beiderseits von
älteren Kalkstein -Zügen eingefasst, bis Prasberg ununterbrochen
verfolgen.
Der Diorittuff bildet nordöstlich von der Kirche St. Florian
einen flachen Rücken. Auf dessen Höhe verschwindet er unter einer
Decke von einer jüngeren Schichte. Es zeigt sich nun ein halb
erhärteter thoniger Sand, vorwiegend aus der Zersetzung des die
Höhen von St. Peter, Gemeinde Savodne, bildenden Hornblende-
Gneisses hervorgegangen, aber zugleich auch viele 2 bis 3 Zoll grosse
Gerolle von hellem Kalkstein einschliessend.
Dieser halberhärtete thonige Sand bleibt von da in Nordost
herrschend bis zur Therme oder Topliza von Topolschitz am
Fusse der weissen Kalkmassen des steilen, um etwa tausend Fuss
die Thalsohle überragenden Lanuiibergs. Gegen Osten und Nord-
osten aber vermehrt sich allmählich der mergelig-thonige gegen den
sandigen ßestandtheil.
Die Gegend besteht hier meist aus langen einförmigen Höhen-
zügen von ein paar hundert Fuss Thalhöhe, die von mehr oder min-
der breiten Gräben getrennt werden.
Auf der Anhöhe in NO. vom Toplisch nig (Badewirth)
erhebt sich das Sand- und Tegelgebirge am Abhänge des Lainmbergs
nach meiner Messung auf etwa 3S0 Wiener Fuss über die Thalsohle,
Es ist hier am äussersten Rande des Beckens wieder ein grauer halb-
harter Tegel voll grober Sandkörner, auch zum Theil grosse Kalk-
stein- und Gneissgerölle einschliessend. Ein paar Dutzend Schritte
westlich von der Quelle steht dasselbe Gebilde in der Thalsohle als
ein grüidichgrauer Sandthon an , ein olTenbarer Gneissgrus. Dieses
ist die Stelle, wo Keferstein „FIvsch" zu erkennen i'laiibte.
I
I
in Unfer-Steieimaik und ilii'e Fussilien. j ^
Indessen an den meisten Stellen dieses Gebietes die Ablagerung
nur wenig frisebe Entblössiingen bietet, konnte icii zwiscben Schloss
Guttenbüchel und Scbünstein in einer friscli blossgelegten Aufschürfung
mit mebrVortheil die Beschaffenbeit der Schiebten beobachten. Blau-
grauer, zum Tbeil etwas schiefriger Tegel wechselt bier in 2 — 3Fuss
mächtigen söhligen Schichten mit grauem lockeren Sande von gleicher
Mächtigkeit. An der Grundfläche der Sandscbichten treten jedesmal
sehr schwache, etwa einen Zoll mächtige Lagen von unreiner schief-
riger Braunkohle auf. Es kommen darin auch undeutliche Beste von
Blättern, Stengeln u. s. w. vor. Conchylien traf ich hier zwar nicht,
doch ist das Auftreten von lignitiscben Einlagerungen unweit Gutten-
büchel schon hinreichend um darzuthun, dass überhaupt die ganze
thonigsandige Ablagerung am Bande des Kalkgebirges von St. Florian
an über Topolschitz bis Boune nicht etwa, wie noch vermuthet wer-
den könnte, der älteren Glanzkohlenbildung vonOber-Skalis, sondern
der jüngeren Lignitbildung des Schallthales angehört und ein allmäh-
licher Übergang in letztere besteht.
Mittlerer Tbeil des Beckens. Zwiscben Preloge und
Hundsdorf, eine halbe Stunde oberhalb Schönstein, sind in der
ebenen Thalfläche an der Paak und an dem aus Nord von Pleschi-
wetz ihr zufliessenden Sopotte-oderLopeina-Bach auf 1 bis 2 Klafter
Höhe Tegel und Lignit unter einer geringen Decke von Flussschotter
entblösst. Die Beschaffenheit des Gebildes ist an beiden Stellen durch
den von Herrn A t z e 1 1 betriebenen Bergbau genauer bekannt geworden.
An der Paak geht am nördlichen Ufer gleich unterhalb Hunds-
dorf das Lignitlager über eine Klafter mächtig zu Tage aus. Es steht
auch im Blussbette eine kleine Strecke weit unmittelbar an. Dieser
Lignit ist dunkelbraun, erdig, im Grossen schiefrig, ziemlich fest und
gilt als ein besserer Brennstoff als der von anderen Stellen des
Beckens. Die Mächtigkeit soll bis 8 Fuss betragen. Das Liegende
ist mir nicht bekannt. — Über dem bauwürdigen Lignit liegt ein
Dach von einem ziemlich festen dunkelbraunen, von lignitischen
Theilen durchdrungenen Scbieferthon , der schon einige Conchylien
einschliesst, namentlich Valvaten. Dieses sogenannte Kohlendach ist
l bis 2 Fuss mächtig. Darauf liegt ein magerer grauer geschichteter
Tegel, im frischen Zustand blaugrau, getrocknet bräunlichgrau.
Der Tegel ist hier etwa eine Klafter mächtig. Die unteren Lagen
bis zu 2 bis 3 Fuss Höhe über dem Kohlendach sind reichlich erfüllt
Iß F{ (I 1 1 e. Die Lignit-Ablngerung des Beckens von Sehönstcin
von Süsswasserconchyllen, namentlich Paludinen und Valvaten, dann
auch Planorhen und Limneen. Häufig sind auch Karpolithen von
VVcizeukoriigrösse.
Auf Schichtenabsonderungen erscheinen zum Theil zahlreiche,
aber nicht näher bestimmbare Blätter von Charen. Die stecknadel-
kopfgrossen Spiralen Früchte derselben Pflanze sind sehr häufig und
lassen sich aus dem Tegel mit Leichtigkeit abschlemmen. Sparsamer
sind Wirbelthicrreste, die theils von Fischen, theils von Säugethieren
herzurühren scheinen. Die oberen Schichten des Tegels scheinen
keine dieser Fossilreste mehr zu umschliessen. Nur sparsam kommen
Quarzgerölle in dem Tegel vor und auch diese nur von Erbsengrösse.
Sie können sehr wohl mit eingeflössten Holzmassen in die Absätze
feinerer Theilc hereingelangt sein.
Die Schichten liegen ziemlich flach, im Ganzen genommen
söhlig, doch sah ich dicht an der Paak das Lignitlager 10 bis 12<* in
Südost verflachen. — Über dem Tegel liegt eine etwa zwei Fuss
mächtige Lage Flussschotter. Weiter in die Thalebene einwärts ist das
Flötz noch wenig verfolgt, auch sind noch keine Bohrungen gesche-
hen, um zu ermitteln, ob darunter nicht noch weitere Flötze liegen,
was wahrscheinlich ist. Im Jahre 1859 lag überhaupt der ganze
Betrieb in Fristen.
Am linken Ufer des Sopotte-(oderLopeina-) Baches gleich
oberhalb von Preloge steht die Lignitbildung wiederum in söhligen
Schichten an. Das Lignitlager ist mit Einrechnung des darüber ge-
lagerten festen braunen schiefrigen Kühlenlehms, des sogenannten
Kohlendach's, wieder mindestens eine Klafter mächtig. Der blaugraue
Haiigcndtegel fehlt, er ist olTenbar hier nachträglich vom fliessen-
den Wasser wieder weggespült worden. Auf dem Kohlendach liegt
etwa 2 Fuss mächtig eine Lage von grobem Bachschotter und dar-
über etM'as Alluviallehm. Der Lignit ist hier weniger gut als an der
Paak. Von Conchylien fand ich hier nichts.
Das Lignitflötz dürfte unter Tag wohl einen grossen Theil
des Schallthales, namentlich nördlich von der Paak gegen Skalis und
St. Martin zu, einnehmen, hier aber ein viel beträchtlicheres Hang-
ende haben. Die Schichten überhaupt liegen flach, bald ganz söhlig,
bald sanft wellig auf- und niedersteigend.
Am südlichen Gehänge des Schallthales steigt die Tegelbildung
mehr oder minder hoch an den aus Dioritporphyr, DiorittulT u. s. w.
in Unter-Steiermark und ihre Fossilien. \ '^
bestehenden, 300 bis 400 oder höchstens 800 Fuss über der Thalsohle
erreichenden Gehängen an. Zwischen Schonstein und Ilundsdorf
sieht man an einer Steile, wo die Paak unmittelbar an das südliche
Thalgehänge antliesst, eine mehrere Klafter hohe Wand von locke-
rem hellgrauen Tegel entblösst. Östlich von da beim Bauernhause
Mauser zeigt sich vor dem südlichen Thalgehänge nur eine geringe
sanft abdachende Terrasse aus hellgrauem Lehm mit viel eingemeng-
ten Gerollen. Sowohl weiter thalauf- als thalabwärts bei Wölan und
Schönstein grenzt die ebene Thalfläche in Süden unmittelbar an das
höhere steile Gehänge an, ohne dass von dem Tegel-Gebilde etwas
dabei sichtbar wird.
Nördlich von Schönstein und Hundsdorf reicht die Ablagerung
weit herein in eine von dem höheren Kalkstein- und Gneiss-Gebirge
gebildete Einbucht, an deren äusserstem Winkel, etwas über den
Süsswasser-Schichten erhöht, die Kirche Roune liegt.
Es herrscht hier blaugrauer Tegel oder als dessen Tagdecke
gelber Lehm. Nur beim Bauernhause Seh warz enbach an der zur
Kirche St. Veit gehenden Fahrstrasse in geringer Höhe über der
Thalsohle des Sternina-Baches besteht der äusserste Saum der Ab-
lagerung noch aus demselben halberhärteten, von Sandkörnern und
gröberen Gerollen erfüllten Lehm oder Gneissgrus, wie bei St. Flo-
rian und beim Toplischnig. An den meisten übrigen Entblössun-
gen sieht man in diesem Theile des Beckens nur blaugrauen Tegel
anstehend.
Beim Bauernhause Jesernig, in SO. von der Kirche Roune,
liegt unmittelbar auf dem weissen Kalksteine und dem Gneisse dun-
kelblaugrauer bildsamer Tegel. Herr Atzelt hat 1856, in der Er-
wartung hier das (obereocäne) Glanzkohlcngebilde von Ober-Skalis
vor sich zu haben, beim Jesernig schürfen lassen. Nach Conchylien
habe ich hier vergeblich gesucht. Doch glaube ich, dass hier noch
die jüngeren Schichten des Schallthals vorliegen. Die Formation
erreicht beim Jesernig nach meiner barometrischen Messung unge-
fähr 330 Fuss Höhe über dem Schallthal.
Eine gute Entblössung hat man noch im Velluna-Graben unter-
halb von Gaberg, wo der Bach eine Strecke weit dicht am linken
Gehänge anfliesst und eine etwa SO bis 60 Fuss hohe nackte Ab-
rutschung erzeugt. Es steht hier blaugrauer bildsamer Tegel mit
Geröllelagen an.
Sit/.l). il. ni;itlieiii -Miidirw. n, XLI. Bd. Nr. i:}. 2
\f^ Holle. Die Lignit-Ablng^erung' des Beckens von Schönstein
Die ganze nördliche Gegend des Beckens ist ein einförmiges
Hügelland, welches die Sternina, Veilnna und Sopotte mit ihrem
iiiileni Laufe durchtliessen. Lange gleichförmige, nur etwa 100 his
200 Fiiss die Thitler üherragende Höhengrate wechseln mit mehr
oder minder breiten, gut abgegrenzten ebenen Thalsohlen. Die
Gegend erhält durch diese regelmässige scharf gezeichnete ßerg-
und Thalhildung einen sehr charakteristischen Ausdruck, wie er nicht
leicht in anderen Gegenden wieder getroflen wird.
Östlicher Theil des Beckens, — Östlich von Hunds-
dorf und dem Sopotte-Grahen werden die Verhältnisse verwickelter.
Es treten ältere, theils aus meerischen Iheils aus süssen Gewässern
abgelagerte Schichten hinzu und ich kann nicht verhehlen, dass trotz
mannigfachen Durchsuchens dieser kleinen Strecke mir die Alters-
beziehungen und Grenzen der Lignilbildung zu den zunächst älte-
ren Schichten festzustellen vielleicht noch nicht vollkommen ge-
glückt ist.
Vorerst wird die Form des Beckens schon dadurch zusammen-
gesetzter, dass hier von Osten her eine Anhöhe von Gutiensteiner
Kalk und Dolomit bis zum Sopotte-Grahen sich vorschiebt. Hierdurch
entsteht gegen Norden eine schmale westöstliche Bucht, in deren
östlichsten, sehr engen Theil indessen die Lignitbildung nicht her-
einreicht, indem in diesem letzteren nur die ältere, Glanzkohlen füh-
rende Süsswasser- Formation auftritt. Auf der Kalk- und Dolomit-
höhe liegt das Schloss Thurn, südlich von derselben die Kirche
Skalis (St. Georgen am See); nördlich erstreckt sich das Gebiet der
Gemeinde Ober-Skalis.
In der eben angedeuteten kleinen nördlichen Einbucht des
Beckens beiniLukesch-Bauer, Gemeinde Oherskalis, hat Herr Atzelt
die Lignitbildung mit einem bauwürdigen Flötze durch einen Stollen
aufgeschlossen. Sie ruht hier in söhligen oder schwach wellen-
förmigen Schichten unmittelbar auf den steil aufgerichteten feste-
ren Mergeln und Sandsteinen der (ohereocänon) Glanzkohlen-
bildung.
Das Lignittlötz hat in dem Bau wenige Schritte in NW. vom
Lukesch-Bauer eine bauwürdige Mächtigkeit von 4 bis etwa 6 Fuss,
ist aber durch Lehmzwischenlagen abgetheilt. Am Ausbiss sah ich
die Kohle 4 Fuss mächtig und durch eine 3 Zoll mächtige Lage von
bildsamem Lehm in zwei Theile, jedes von 2 Fuss Stärke, getrennt.
in Unter-Steierraark und ihre Fossilien. 'JQ
Das Hangende ist hier bildsamer Lehm , das Liegende grauer,
lockerer thoniger Sand.
Der Lignit von Oherskaiis ist eine schwarzbraune matte erdige,
schiefrige Masse, die beim Austrocknen zerklüftet und zerblättert
und am Nagel gerieben waehsglänzend wird. In dieser Erdkohle
kommt nur spärlich auch etwas bituminöses Holz vor. In dem beglei-
tenden Tegel fand ich nichts von Conchyiien. Die Ablagerung hat
hier nach meiner Messung etwa 220 Fuss Hohe über der Sohle des
Schallthals.
Gleich in Südost unter dem Haus des Lukesch- Bauer zum
Lubellina-Graben hinabsteigend sieht man die festen, unter 40" ge-
neigten Mergelschiefer der eocänen Glanzkohlenhildung (Puluduia
stiriaca Rolle u. s. w.) anstehen. Die ganze Mächtigkeit der
Lignitbildung beim Lukesch-Bauer beträgt jedenfalls nur wenige
Klafter.
Südlich von dem in West sich vorschiebenden Kalk- und Dolo-
mifziige liegt auf einer sanften, hauptsächlich nur ^eg^n Süd etwas
steiler abfallenden Anhöhe die Kirche St. Georgen zu Skalis. Diese
Anhöhe besteht aus lockerem thonigen Sand. Eine Entblössung an
der Südseite lässt einen Wechsel von hellgrauen und ochergelben
Sandschichten erkennen. Die Bodendecke ist theils Sand und Schotter,
theils gelber Lehm mit zahlreichen GcröUen. Der Abstand des Gipfels
der Anhöhe von der Schallthalsohle beträgt nach meiner Berechnung
ungefähr 200 Fuss.
Geht man von der Skaliser Kirche in Nord hinab, so kommt
man in eine sanfte Wiesenmulde, welche sich in West gegen den
Sopotte-Graben zu neigt und in Nord von dem bewaldeten Kalk- und
Dolomitzuge begrenzt wird. Am Abhänge von der Kirche zu dieser
Mulde steht bläulichgrauer etwas schiefriger Tegel an, der ziemlich
viel Conchyiien enthält. Durch eine Aufschürfung erhielt ich hier
namentlich eine Anzahl schön gerippter Melanopsiden, nächstdem
auch Valvaten, Spuren von Fischresten und Dikotyledonen-
Blätter.
Dieser fossil führende blaugraue Mergel ist jedenfalls das Lie-
gende der mächtigen die Skaliser Anhöhe bildenden Sandabla-
gernng. Das beifolgende Profil gibt ein Bild der eben besprochenen
Lagerungs Verhältnisse.
2*
20
Rolle. Die Lis"'t-'^l''!'se'"uiig: des Beckens von Schonstein
Südwest.
Nordost
Sclialllhal.
Skalis.
S. Georgen.
Ober-Skalis.
Paakflass.
Lukesch-
HuniUilor
f.
Bauer.
n Guttenstciiier Kulk iiiul Uoloinil.
b Eocäner Mergel und Diorittuff.
c Eocäne Glanzkohlenbililting.
d Tegel mit Lignit-Flötzen.
e Sand und Schotter.
Westlich von Skalis liegen lignitfiihrende Schichten wieder
auf den älteren Gebilden in ziemlich grosser Höhe über der Schall-
thalsohle und zwar abermals in höherem Niveau als beim Lukesch-
Bauer. Die Mächtigkeit des ganzen Gebildes ist auch hier gering,
Gelber Lehm, der gewöhnlich viele Quarzgerülle fübrt, erscheint
als Tagdecke und bedeckt flache Stellen der Kalk- und Dolomithöhe.
Zwischen dem Schloss Thurn und dem Dörfchen Druzovva ist unter
dieser Decke an zwei Stellen der Lignit erschürft und mittelst Stol-
len untersucht.
Nahe unterhalb Diuzowa ist der Lignit geringmächtig und von
schlechter Beschaffenheit, daher auch nicht in Abbau genommen.
Von da bis Thiirii herrscht über die ganze theils ebene, theils flach-
wellige Fläche gelber, bald fetter, bald feiiisandiger Lehm.
Etwas oberhalb Thurn, in etwa 100 Fuss höherem Niveau als
das, in dem beim Lukesch der Lignit auftritt, ist seit etwa sechs Jah-
ren ein Stollen getrieben und das Flötz zum Abbau vorgerichtet.
Der Lignit liegt hier theils söblig, theils verflächt er schwach nach
Süd. Es liegen auch hier im Flötze dünne Zwischenlagen von Lehm.
In dem bis jetzt aufgesc^hlossenen bauwürdigen Felde hat man diircli-
schnittlich ö bis G Fuss Mächtigkeit an brauchbarer Koble, die Lehm-
zwischeiilager abgerechnet. In der Solile zeigt sich halbbarter mage-
rer grauer Mergel, der zertrümmerte Schalthierreste enthält. Es ist
indessen noch niclit bis auf das eigentliche Grundgebirge nieder-
gegangen worden und könnte vielleicht noch ein tieferes Flötz unter
dem conchylienführenden Mergel vorliegen.
hl riitfi -SIeieiiiiaik uml ihre K(».>.silii>ii. 21
Die Kohle von Thurn ist der Hauplmasse nach ein erdiger mat-
ter sehiefi'iger mehr oder weniger unreiner, wie es scheint auch
etwas scliwefelkieslialtiger Lignit. In dieser erdigen Grundmasse
kommen hier auch viele Baumstämme als ein hellbraunes bituminöses
Holz vor, die in mehrere Fuss lange Scheiter sich spalten lassen.
Im südöstlichen Theile des Beckens /wischen Druzowa und
VVölan treten die Süsswassergebilde in nahe Berührung mit jenein
grossen, Stunde 8 streichenden Zuge von Nulliporenkalk von St. Mar-
tin, Schallegg, Weutsch, Neuhaus und Schloss Lemberg. Während
dieser in seinem östlichsten Theile als Hangendes der obereocänen
Sandsteine und Schiefermergel von Gutenegg und Sotzka sich dar-
stellt, erscheinen die Schönsteiner Süsswasserschichten entschieden
dem stets in aufgerichteten Schichten auftretenden Nulliporenkalke
als spätere Bildung in einigen Klaftern Mächtigkeit aufgelagert.
Der Nulliporenkalk zeigt sich nordöstlich von ^^'ölan an der
Ausmündung des Hudalukna - Grabens in das obere Schallthal als
ein sehr dichter und fester, graulichgelber, dick geschichteter Kalk-
stein in zwei von der Paak getrennten Partien.
Auf der Westseite besteht daraus eine kleine, höchstens 50 bis
60 Fuss über die Fläche ansteigende Anhöhe, auf der die Kirche
St. Martin steht. Östlich von der Paak bildet der Nulliporenkalk eine
bis zu 200, auch 300 Fuss über die Thalsohle ansteigende Vorterrasse
des nördlich gelegenen höheren Kalksteingebirges und zieht hier von
Schallegg über Weutsch weiter in Osten. — Dieser tertiäre Kalk-
stein enthält sparsame Spuren von Austern, Pecten, Bryozoen u. s. w.
Näher Bestimmbares habe ich darin nicht gefunden, doch ist das
Altersverhältniss desselben Zuges weiter in Osten durch die Sotzka -
Schichten, deren nächstes Hangendes er bildet, schon einigermassen
festgestellt.
Bei St. Martin streicht der Nidliporenkalk westöstlich und fällt
unter einem Winkel von etwa 50 Grad unter einen festen gelbgrauen
grobkörnigen Kalksandstein ein, der an das in Norden ansteigende
höhere Kalksteingebirge — zunächst Guttensteiner Kalk und Dolomit —
sich anlehnt und mit aufgerichteten , wie es scheint ziemlich ver-
worren gelagerten Schichten diesem entlang westöstlich sich aus-
dehnt. In welchem Altersverhältniss Kalkstein und Sandstein hier
zusammen stehen, habe ich nicht zu ermitteln vermocht. Der Analogie
nach dürfte der Kalk wohl das jüngere Glied sein. Jedenfalls sind
22 I! o 1 1 e. Die Ligiiit-Alilagerinifr des Beckens von Schönstein
beide tertiär und beide meerisch , jünger n\s dieScIiichleii voiiSotzka
und älter als der Tegel und Lignit des Schallthals.
Die drei beredeten älteren Ablagerungen , Guttensteiner Kalk,
tertiärer Sandstein und gelhor Nulliporenkalk, werden sowohl im
Westen als auch im Osten des Schalithals von den Süsswasser-
schichten bedeckt.
An dicNuUiporenkalk-Anhöhc lehnt sich von St. Martin in Westen
alsbald eine andere niedere sanfte Anhöhe an. Hier steht lockerer fein-
körniger theils hellgrauer, theils ocherig gelber thoniger Sand an.
Diese Ablagerung entspricht jedenfalls der in geringer Entfernung
nordwestlich von da gelegeneti Sandanhöhe von Skalis, welche nur
durch die Thalsohle des Lubelina-Baclies davon getrennt ist, und
welche sicher das Hangende des lignitführenden Tegels bildet.
Geht man von der Kirche St. Martin in Nord, also quer zum Strei-
chen der tertiären Meeresschichten, so findet man, während diese
an den Abhängen zu Tage ausgehen, oben auf der Höhe nur noch
eine Tagdecke von theils gelbem Lehm, theils lehmigem Schotter,
theils gelbem Sand. Dies hält an bis zur Grenze der Guttensteiner
Kalke und Dolomite von Thurn und Druzowa, wo in dem Lehm-
gebilde die schon gedachten Lignite aufgeschlossen sind.
Diese sandig lehmigen Massen sind halbwegs von St. Martin
und Druzowa in etwa 100 bis 120 Fuss Höhe über dem Hudalukna-
Graben am besten aufgeschlossen und stehen hier in 20 bis 25 Fuss
hohen Wänden an. Es ist an dieser Stelle ein blaugrauer gröblicher
lehmiger Sand, der an der Oberfläche gelbgrau Avird. Er ruht unmit-
telbar auf dem tertiären Meeressandstein und den Guttensteiner
Schichten, ohne hier Lignitflötze zu beherbergen.
Ihnen entsprechen auf der Ostseite des Thals zwischen Schallegg
und Eckenstein noch einige unbedeutende Lagen von gelbem, Gerolle
führendem Lehm, und damit scheint gegen Osten die Schönsteiner
Süsswasserablagerung zu schliessen.
Lagerungsfolge überhaupt. Aus den an den einzelnen
Punkten des Beckens erörterten Lagerungsverhiiltnissen ergibt sich
folgendes allgemeine Schema :
in Unler-Steiermark und iln-e Fussilien.
23
BeiSI. Flui i an Bei S kalis
(Gem. Skor no) (S l. GeoiK)
Beim I. ukeseh-
Baaer (Gem.
0 1. e 1- - S k a 1 i s )
Zwischen 1> r u z o-
w a u. St. Martin
^ 1
Lehmiger Sand
(Gneiss-Grus)
mit Kalkslciii-
geröllen
Gelber Sand,
grauer Tegel mit
Melanopsis
Gelber Lehm und
grauerTege! mit
Lignit
Lehm u. Tegel
mit Lignil
—
—
Nulliporen-Kalk.
meerischer
Kalksandstein
o 1
^ 1
5 1
t: j
^ /
3 [
Diorittufi;
scb warzgrauer
Mergelschiefer
(bei Prasberg
Sotzka-Pflanzen
führend), grauer
Meereskalkstein
(bei Prasberg
Cerit/iiian den-
tatum De fr. füh-
rend)
Schiefermergel
und Sandsfein
mit Paliidinn
stiriara Rolle
u. s. w.
—
1 (
Weisser Alpen-
kalk zweifelhaf-
ten Alters
(Jutteiisteiner
Kalk u. Dolomit
Gultensteiner
Kalk u. Dolomit
Gultensteiner
Kalk u. Dolomit
Hypsometrischer Theil.
über das Schönsteiner Becken sind bis jetzt noch gar keine
Höhenbestimmungen veröfTentlicht worden, aus den benachbarten
Gebirgsgegenden auch nur wenige.
Die von mir im Schönsteiner Becken und seiner nächsten Um-
gebung ausgeführten barometrischen Bestimmungen gewähren zwar
keine ganz befriedigende Genauigkeit, reichen alier für den Grad,
den die geologische Forschung erheischt, schon aus.
Als Grundlage dienten dabei die Barometer -Beobachtungen,
welche Herr Bürgermeister Castelliz zu Cilli Sommers in seinem
Weingartenhause auf dem Leisberge südwestlich von der Stadt
ausführte. Die Höhe dieser correspondirenden Station bestimmte ich
auf Grund der bekannten Meereshöhe von Cilli (Schienen der Eisen-
bahn 720) zu 1195 Wiener Fuss. Mittheilungen, die ich der Güte des
24
Itollp. I)ie Ligiiit-Alihij;f 1 iiiiy des IJet-keiis von Scliiiiislein
Herrn Adjuncteii F ritsch verdanke, ermöglichten eine Controle. Auf
Grundlage der monatlichen Mittel des Barometerstandes auf dem
Leisherg einerseils, z\i St. Paul in Kärnten und zu Wien anderer-
seits berechnete ich die Höhe der Station Leisherg ferner noch zu
li55 und zu 1208 W. F., ersteres in Bezug auf St. Paul, letzteres
in Bezug auf Wien. V^on diesen drei Ergehnissen nahm ich das von
1193 als der Mitte der heiden anderen nahe kommend als richtig an
A. Höhenmessiinofen im Schönsteiner Hecken.
1. Schönstein. Wirthsliiuis
von Posehnak, Flur. . . .
1099-!JF. W.
llOäO
1117 1
1068-6
1080-4
1038-7
1024-8
1027- 1
1029-:;
Sehallthai, Thalsohle der
l'aak.
2. Beim Topl i sc h n i «j (Ba-
dewirth) Therme Topol-
schitz; W. von Sehönstein
Mittel
i06S-6W. F.
1153-6
Tejrel u. Sand am Fusse
des Lambergs.
3. Beim J esern i g - Ba ue r,
Gemeinde Boune; NO. von
Schönstein
1418-1
Ausgehendes des Tegels
am Gneiss-Gebirge.
4. Beim Liikesch - Bauer,
Gemeinde Oher-Skalis . .
130(5 -9
Lignit-Lager.
S. Beim Seh Warze nba eil -
Bauer, 30 Fuss ül)er der
Thalsohle des Sleriiina-Gra-
hens
1221-0
1407-5
Thoniger Sand aufweis-
sein Kalkslein.
Lignit-Lager.
6. Stollen 'IMiurii zwischen
Druzo wa n. SchlossThu rn
in rntef-Sleieimaik und ihre Fossilien.
25
B. Höhcnmessiinp^en im Umkreise des Beckens.
7. Kirclic zu Weisswasser (He-
ia vodej Flur
2519-5 W. F.
Weisser Alpenkaik (Giiil-
f haier oder Halls tiiller
Kalk?J auf Gneiss y^c-
lagert.
8. KirehewS. Vei t ander steie-
risch-kärntischen Grenze
3367-4
Thonschiefer.
Dieselbe nach Lipoid . .
3670
9. Kirche St. Peter, Geniein-
<le S a V 0 d n e
1979-8
Hornhiendegneiss.
10. Beim Scha niedo u tsc h-
Bauer, SO. vom Lukesch,
Gemeinde Ober-Skalis . .
1212-8
Thalsohle des Luhelina-
Grabens; Guttensfei-
ner Dolomit und eoeiine
Glanzkohlenbildung.
11. Schloss Thurn
1277-7
1251-9
Guttensteiner Dolomit.
Mittel
1264-8 W. F.
12. Kirche St. Briz ....
1766-3
Weitensteiner Eisenstein-
Formation (ßertrkalk,
Gailthaler Schicliten).
13. Kirche St. Johann im
Weinberg, östlich von
Wölan
1427-1
Weisser Alpenkaik.
14. Kirche St. Jakob ob Wö-
lan
1666-8
Diorit.
15. Grad ische-Berpr, Gipfel
SW. von Wölan. . .
1898-3
Diorit.
Schönstein mit einer Meeresholie von 1065 W. F. liegt
etwa 1/4 Stunde oberhalb der tiefsten Stelle des Schallthaies; Wölan
in der obersten östlichen Stelle desselben Thaies liegt etwa 64Fiiss
höher als Schönstein. Die Meereshöhe der Thalfläche beträgt
darnach in runder Summe zwischen 1050 und 1130 Fuss oder im
Mittel 1090 Fuss.
Über dieses mittlere Niveau des Schallthales 1090 Fuss erhebt
sich die Tegel- und Lignit-Formation
26 Holle. Die Lijriiit-Ahlafreiung des Beckens von Schfinstein
1. ;iin Ahlian<:!C des Liimhrrgs N. 0. vom T opli s chiiig
um 412 Fuss,
2. beim Schwarzenbach-B a n er 131 „
3. bei der Kiiclie St. G eorge u zu S kal is . . . etwa 208 ,,
4. beim Jeseniig-Bau er 328 „
5. .. L ukesch-Bau er 217 „
6. „ St.dlen Tiiiini 317 „
Die Ligiiitliigcr im besonderen treten in folgenden Höhen auf:
zwischen Schönstein und Woelan in 1090 Fuss,
beim Lukesch-Bauer 1 307 „
„ Stollen Thurn 1407 „
Paläontologiseher Theil.
Die bis jetzt im Scliönsteiner Becken beobachteten Fossilien
bestehen aus einer Anzahl von Süsswasser-Conchylien, einigen Pflanzen-
und einigen Wirbelthierresten.
Am meisten Interesse bieten davon die Conchylien, die theils
lebenden, theils erloschenen Arten angehören und von denen mehrere
einen gewissen gemeinsamen Typus bieten. Es kommen im Ganzen
genommen 1 1 Gasteropoden- und 2 Acephalen-Arten vor, von denen
der grösste Theil (10) unten beschrieben werden wird. Die noch
übrig bleibenden, nur in undeutlichen Exemplaren vorgekommenen,
hoffe ich bei günstiger Gelegenheit später noch mittheilen zu können.
1. Planorbis Hoornesl Rolle.
Taf. II, Fijj. 1.
P. tesla (iepressa, discoidea, ntrinque concava, superne plana,
spirae initio impresso, subtus paullnliun convexa, late itmbUicata;
unfractibus quatuor, rotnndato-depressis , medio rotundalo-nngu-
latis; apertura lata, oblique- cor diformi.
Alt. 1-6, Lat. 4-3IVlill.
Occurit ifi slratis marjiaceiH h'gnilifeiis in ralle „Schall-
Thal'' ad Hundsdorf prope Schoenstein Stiriae inferioris.
in l'iitei-Steiermaik und ihre Fossilien. 27
Schale niedergedriickt-scheibenrörmig, beiderseits, aberurjgleicli
stark genabelt. Oberseite eben, auf ihrer Mitte liegen die zwei älte-
sten l'mgänge flach eingesenkt; Unterseite weit genabelt. Die Ver-
tiefung der Oberseite ist breit, aber seicht, der auf der Unterseite
etitsprechende Nabel etwas schmälei", aber etwas tiefer. Vier nieder-
gedrückt-cylindrisehe Umgänge, in der Mitte des Umganges bei aus-
gewachsenen Individuen oder etwas oberhalb der Mitte eine gerun-
dete Kante; Oberfläche glatt, mit feinen, fast nur unter der Loupe
siclitbaren Anwachsstreifen. Mundöffnung breiter als hoch , scliief
herzförmig; Oberseite der Aussenlippe weit über die Unterseite vor-
springend.
Die Umgänge wachsen unten rascher als oben an, daher von
dem älteren Gewinde im Nabel weniger als auf der Oberseite sicht-
bar bleibt.
Der Kiel wird erst nach dem dritten Umgang sichtbar, die jün-
gere Schale hat mehr cylindrische Umgänge mit hoher, gerundet
herzförmiger Mundöffnung.
Verwandt mit Planorbis carinatus Müll., P. albus Müll.,
P. npplanatus Thom. u. s. w. Erstere Art unterscheidet sich durch
den scharfen, oben und unten durch eine vertiefte Linie begrenzten
Kiel, der auch bei jungen Schalen von 3 bis 4 Millimeter Breite schon
in gleicher Schärfe ausgesprochen ist, die andere hat viel cylindri-
schere Windungen als die Schönsteiner Art und zugleich auch eine
meist deutlich durch Spiralstreifen deutlich gegitterte Oberfläche.
Der obertertiäre P. npplanatus Thomae steht noch näher, seine
Windungen wachsen aber langsamer und ganz gleichmässig an.
Es liegen mir etwa ein Dutzend tlieils ältere, theils jüngere
Exemplare vor, die sehr beständige Formen zeigen. Die breitesten
Exemplare erreichen noch ka\im 4'/3 Millimeter oder 2 Wiener
Linien Durchmesser.
P. Hoernesi ist nicht selten in dem grauen Mergel im Hangen-
den des Lignitflöfzes zu Hundsdorf bei Schönstein.
Ich benenne diese Art nach dem Namen des Herrn Director
Hörnes, dessen Monographie der fossilen Mollusken des Wiener
Tertiärbeckens wie für alle paläontologischen Arbeiten über jün-
gere Formationen der österreichischen Monarchie so namentlich auch
für die vorliegende Arbeit die wesentlichsten Hilfsmittel und Aus-
gangspunkte gewährt.
V§ Rolle. Oie Ligiiit-AlihigiTiing (ios Reokens von Scliönslein
2. PInuorbis UDibilicatus Müller.
Tat'. 11, Fi;,'. 2.
1773. Plaiiorhin iinihUicalus Müller. Vcrm. liisf. 11. p. 160, Nr. 346.
180S. Plniiorlns inarglnalus Drap ;i rnaud. Ilist. Moll. terr. et (luv. p. 4J).
Tat'. 2, Fi<?. 11, 12, l.'i.
1835, IHnnorbis man/iiialus R ossma essl er. Iconogr. Heft 1. p. 102. Taf. II,
Fig. 59.
P. teata (Uscoidea, purum depressa , supra conve.va, spirac
initio impresso , suhtns plana; carina infra dimidium an fr actus,
Rubtus tantum Unea impressa distincta; apertura obliqua, cordato-
ovata.
Occurrit cum praecedentein stratis Ugnitiferis ad Schoenstcin.
Es liegen nur einige wenige Jugend-Exemplare vor, die indessen
den Artcharakter schon mit vollkommener Sicherheit erkennen las-
sen. Das Gehäuse ist etwas niedergedrückt, oben gewölbt, mit
ziemlich stark vertiefter Mitte, auf der Unterseite flach, sanft ver-
tieft. Ein Kiel verläuft von der dritten oder vierten Windung an
unterhalb der Mitte des Umgangs, er ist auf der Unterseite von
einer vertieften Linie begrenzt, nach oben zu nicht. Exemplare von
drei oder weniger Windungen sind ungekielt und fast cylindrisch.
Oberfläche glatt, mit nur unter der Loupe sichtbaren feinen Anwachs-
streifen.
Diese Art kommt nur sparsam und nur in sehr kleinen Exem-
plaren im Mergel des Schallthales mit voriger Art vor, ich habe sie
nur durch Ausschlemmen des Mergels erhalten. Das grosste Exem-
plar hat nur 3*2 Millimeter, also noch nicht 1 % Wiener Linie an
Breite.
Planorhis umbilicatus fehlt in den Tertiär -Ablagerungen des
Wiener Beckens und scheint überhaupt noch aus keiner Miocän-
Schicht nachgewiesen zu sein. Sie beginnt erst etwas höher, nämlich
im Red Crag von England, aus dem sie Wood von liutley be-
schreibt. Sie reicht von da in den Mammalian Crag, wo sie zu
South wold und Bulcham vorkommt. Im Diluvium erscheint sie
häufig und weit vei-breitet; sie zeigt sich hier zu Clacton, Crop-
lliorn, Stutton, Grays, Copford und Newbury in England
nach Wood, ferner im Diluvialsand von Mosbach bei Wiesbaden
in Unter-Steiermark und ihre Fossilien. 20
und Bruchsal bei Heidelberg und im diluvialen Kalktufl' von
Kannstadt in Würtemberg nach AI. Braun.
Heut zu Tilge ist Planorbis umbilicatus auf dem europäischen
Festland und den britischen Inseln eine weit verbreitete Art, die
namentlich auch in's südliche Italien und nach Sicilien reicht. Auch
aus Algier wird sie angeführt.
Was den Namen der Art betrilTt, so hat die mit einer guten
Diagnose versehene M ü 1 1 e r'sche Bezeichnung weitaus den Vor-
sprung vor der D rapa r n au d'schen. Sie bezieht sich auf die nabel-
ähnliche Vertiefung der Oberseite, welche ausgesprochener als bei
dem verwandten P. carinatus Müll. ist.
3. Pliinorbis crista Lin. sp.
Taf. II, Fig. 3.
171)8. Nautilus crista LInne. Syst. nat. X. p. 709. Nr. 234.
1766. Turbo nautileus Linne. Syst. nat. XU. p. 1241. Nr. 634.
1773. Planorbis iinbricalus Müller. Venu. hist. II. p. 16a.
180.T. Planorbis inibricalus Draparnaud. Moll. terr. et fluv. p. 44. Taf. 1,
Fig. 49, SO.
180S. Planorbis cristatus Draparnaud. Moll. terr. et fluv. p. 44. Taf. 2,
Fig. 1 — 3.
P. testa deprcssa, supra plana, subtus convexa, late umbili-
cata; anfractibits 3 superne carinatis, striatis, striis Inacqvalibns,
cnrina striis plus mimisve denticulata ; apertura rotundato-trigona.
Alt. 0-7, Lat. 2-lMill.
Occiirrit c. p. ad Schoeiistein.
Es liegen mir zwei Exemplare vor, welche jene einzelnen stär-
keren Streifen zeigen, nach welchen Draparnaud P. cristatus von
dem glatteren P. imbricatus unterschied.
Das Gehäuse ist niedergedrückt, auf der Oberseite eben, unten
gewölbt, mit weitem Nabel, am Rande der ebenen Oberseite gekielt.
Die Oberfläche ist von ungleich starken Querstreifen bedeckt; auf
je etwa 5 bis 6 feinere folgt ein stärkerer, der einen vorspringenden
Zahn am Kiele erzeugt. Der Kiel ist ziemlich scharf und hat auf dem
letzten Umgang bei dem vorliegenden Exemplar etwa 12 Zähne, bei
anderen 15' 16 oder mehr. — Die Mündung ist gerundet-dreiseitig,
oben am meisten winklig, unten sanft gerundet.
30 Rolle. Die Lignit-Ahhigerung des Betkens von Schönstein
Diese kleine schöne Art ist in dem Mergel von Schönstein selten,
es gelt^ng mir nur zwei Exemplare aus demselben auszuschlemmen.
Lebend erscheint sie weit verbreitet über das europäische Fest-
land und auf den britischen Inseln mit Ausschluss des nördlichen
Schottlands. Merkwürdig ist ihr oft zahlreiches Auftreten an Wasser-
pflanzen in künstlichen Wasserbehältern der Treibhäuser.
Im oberen Miocän scheint sie noch zu fehlen, P. costatns Klein
(P. imbricatus Z i e t e n, non M ü 1 1 e r) aus den obertertiären Schichten
von Steinheim in Würtemberg ist wohl ähnlich, aber die Windungen
sind gerundet und ungekielt.
Dagegen erscheint unsere Art an mehreren Orten im Diluvium,
so nach AI. Braun im diluvialen Sand (älteres Rhein-Diluvium) von
Mosbach bei Wiesbaden und nach Wood in den Diluvial-
ablagcruiigen von Cropthorn, Stu tto n, Clac to n , Grays und
Nc w bury in England.
Linne hat ausnahmsweise zwei Mal zu verschiedener Zeit diese
Art besonders benannt. Da beide Namen in Bezug auf nomenclatori-
sche Anforderungen ziemlich gleich stehen, verdient der ältere Name
y^crista"' den Vorzug. Was Linne's Diagnosen betrill't, so genügen
sie und schon Müller kannte die Linne'sche Art genau, was ihn
indessen nicht abhielt, ihr noch einen dritten Namen zu erth eilen.
4. IManorbis oitidus Müller.
Taf. H, Fig-. 4.
17()(5. Hclix coniplaiKtln Linne. Syst. nat. od.XIF. p. 1242. Nr. 663. (mal. diaf^n.).
Teste Hanley Unnaei concliylia. 18S3. p. 362.
(Non I'laiioröis coiiiplunahiti Drap.)
1773. IHnnorhis nifidiis Müller. Verm. Iiist. p. 163. Nro. 349.
1 786. Nautilus lacuslris L i jr li t f o o t (lest. Korbes e l H a n I e y).
183!). Pla/turbis nidduN [{ossmimss\ er. Iconof^r. Heft 2. p. 13. Taf. 7. Fig. 114
- IIS.
18;)3. Plnnorbis lacusfris Fori) es und Hanley. Brit. Moll. IV. p.l62. Taf. 128,
Fig. 1, 2, 3.
(Non P. uitiduN F o r b c s und H a n I e y.)
P. testa (lepressa, supra conve.vn, initio spirae impresso,
subtus plana, (niyuste umbiJicata, deorsum car'mata ; a/t/raclibus
sese implectenlibns; aperlura oblupie-corilata.
Occttn't c. p. ad Schoenstein.
in Unter-Steiermark und ihre Fossilien. 31
Es liegen mir nur drei Jugendexeinphire vor. Das Gehäuse ist
stark eingerollt, so dass fast nur der letzte Umgang sichtbar ist,
oben gewölbt, mit vertieftem älteren Gewinde, unten flach mit engem
Nabel. Ein ziemlich scharfer Kiel begrenzt die Unterseite. Mündung
schief herzförmig.
Diese Art ist im Mergel des Lignitgebildes von Scliönsfein selten
imd nur durch Ausschlemmen desselben zu gewinnen. Das grösste
vorgekommene Exemplar von da hat 2-2 Mill. oder 1 Wiener Linie
an Breite.
Lebend erscheint diese Art weit verbreitet über das europäische
Festland und kommt auch in England, Irland und dem südlichen
Schottland vor.
Im oberen Miocän scheint diese Art gleichwie die vorige noch
zu fehlen, sie fehlt namentlich im Wiener Becken noch und in allen
diesem gleichstehenden Tertiärgebilden der österreichischen Länder.
Aus dem tertiären Süsswasserkalk von Rein bei Gr atz hat J. Go-
banz einen P. n'itidlfonnis beschrieben, der als nächst verwandter
Vorläufer zu betrachten ist. Diese Art weicht aber durch die eon-
cavere Unterseite, die grössere Höhe und die nicht nur unten scharf,
sondern auch oben noch stumpf gekanteten Umgänge ab.
Dagegen ist P. nitidus im Diluvium schon von mehreren Orten
nachgewiesen; so kommt diese Art nach AI. Braun im älteren
Rhein-Dilnvium zu Mosbach bei Wiesbaden vor, ferner nach
Wood (P. lacHstris) im Diluvium von Clacton in England.
Diese Art führte bei Linne den Namen Helix complanata,
indessen war Linne's Diagnose so mangelhaft, dass schon der
gleichzeitigeO. F.Müller in Zweifel war, ob er Li nn e's//. compla-
nnta auf seinen Planorbis iimbilicatus oder seinen P. nitidus zu
beziehen habe.
In Linne's Diagnose passt die Stelle „deorstim carinata"
zwar auf beide, aber „apertiira semicordata^ wohl mehr auf P. ni-
tidns, könnte freilich aber auch auf Jugendexemplare von P. nmbili-
catus bezogen werden, .ledenfalls hat man, wie Müller schon
vorschlug, den Linne'sehen Artnamen der Vergessenheit zu über-
geben.
32 Holle. Die Lignit-Ablagerung des Beckens von Schönstein
5. Plaaorbis hians Rolle.
Taf. II, Fig. 3.
P. testa discoldea, depressn, supra subtiisqne mnhilicatn;
superne magis concava, anfvactibns qualuor cylindricis ; apertiira
dilatata.
Alt. 1-5, Lat. 3Mill.
Occurrit c. p. ad Schoenstein.
Gehäuse scheibenförmig, oben und unten genabelt und zwar
auf der Oberseite am stärksten vertieft. Die vier Umgänge sind fast
drehrund, die Mündung des ausgewachsenen Gehäuses ist rasch
trompetcnfOrmig erweitert. Die Oberseite der Aussenlippe steht nur
wenig über die Unterseite vor. — Oberfläche glatt, mit feinen, nur
unter der Loupe sichtbaren Anwachsstreifen.
Von dieser kleinen zierlichen Art liegen mir etwa ein halbes
Dutzend Exemplare vor, von denen mehrere ausgewachsen sind und
sehr beständige Charaktere zeigen. Diese Art ist kleiner, dabei aber
verhältnissmässig höher als P. Hoernesi] ausgewachsene Exemplare
beider Arten sind leicht zu unterscheiden, jüngere minder leicht.
Mit den vorigen in gleicher Schichte zu Schön stein. Mit
P. Hoerncsi die häufigste Planorbis-hri der Schönsteiner Ablagerung.
P. hians erhält durch die Form der Mündung einen Ausdruck, der
der heutigen europäischen SüssAvasserfauna fremd ist. Von Planor-
ben mit ähnlich aufgeworfenen Mundsäumen kommen heut zu Tage
namentlich in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und in Canada
mehrere Arten vor.
6. IHelanopsis spinicostata Rolle.
T.if. H, Fig. 6, 7, 8.
M. testa ovato-conica; spira acuta; anfractibus 4 — li superne
gradatls, transversim grosse costatis; costis sub sutura spinosis ;
spmis brevibus, quadricostatis , exigiia carina inter se longitudi-
naliter junctis; nltinio anfractu conve.vo, sub spinis paulhdum
impresso; apertura ovato-lanceolata; margine columcllari super ue
ralde incrassato, inferne temii; columella busi truncata, sinu
marginis parvo, distincto.
All. IG— 18, Lat. 8 Mill.
Occurrit in siratis margaceis formationis lignitum ad eccle-
siam Skalis prope Schoenstein.
in l'nter-Steiermark und ihre Fossilien. 33
Schale eiförmig-kegelig, länglich, etwa 2bis2y3mal solang als
breit, dickwandig. — Umgänge (etwa 4 his 5) flach gewölbt, in die
Quere gerippt, nahe nnter der Nath stumpfwinklig gebrochen,
wodurch ein jeder Umgang gegen den vorhergehenden wendel-
treppenartig hervortritt.
Auf jeden Umgangkommen 9bis 10 starke erhabene abgerundete
Rippen. Wo diese gegen die Nath zu den Kiel kreuzen , erhebt
sich aus einer jeden ein starker gerader vierkantiger Dorn. Kine
schwach ausgedrückte Längslinie verbindet diese unter einander. —
Unter dieser gedornten Kante erscheint der letzte Umgang flach oder
auch etwas eingedrückt.
Mündung eilanzettförmig. Aussenlippe vom Kiel bis zur Spindel
fast gleichmässig gerundet; von der Spindel durch eine kleine aber
gut ausgesprochene, nach rückwärts gerichtete Bucht getrennt.
Innenlippe oben als dicker Wulst am Spindelrand anliegend, am
stärksten verdickt unterhalb der Nath; weiter unten allmählich dün-
ner werdend. Die Höhe der Mündung beträgt etwas mehr als die
Hälfte der ganzen Höhe des Gehäuses.
M. spinicostata findet sich ziemlich häufig, aber meist sehr zer-
drückt in dem grauen Tegel am Abhänge nördlich von der Kirche Skalis
mit Fa/t'rt^a s^«V^«ca zusammen. Im Schallthale habe ich sie nicht gesehen.
Sie ist nahe verwandt mit M. costuta Olivier sp. Feru ssae
(Rossmaesler,Iconographie.Heft91)islO.S. 41, Taf. 50, Fig. 678,
679) einer in Flüssen Syriens häufigen, u. a. im Jordan vorkom-
menden, an ihren verschiedenen Fundorten ziemlich abändernden Art,
auch wohl mit der im südwestlichen Europa und im nordwestlichen
Afrika einheimischen M. cariosa Lin. {^M. costellnta Fer.)
Namentlich besteht zwischen M. costata und M. spinicostata
eine grosse Übereinstimmung in der hier so wesentlichen Gestalt der
MundöfTnung. Die fossile Form aus Steiermark weicht jedoch von
der lebenden levantinischen ab durch die grössere Wölbung der
Umgänge, das Auftreten einer deutlichen Kante unter der Nath und
den vierkantigen Dorn an jeder Rippe, 31. costata hat stärker ein-
gedrückte Windungen, die Rippen sind ober- und unterhalb gewöhn-
lich stärker verdickt und bilden unter der Nath gerundete Knoten,
die nie zu kantigen Dornen werden.
Obgleich diese Verschiedenheiten nur solche sind, die aucli bei
entschiedenen Varietäten einer und derselben Art vorkommen können,
Sifzl). (I. iiialliein.-natmw. (1. XM. Bil. Nr. 13. 3
^^ l$o II e. Hie Ligiii(-Ai)lagoning des Beckens von Seiiönsleiii
SO betrachte ich die steioriniii-kische Form doch als eine eigene
Art, die sich in ihrer Schalenform sehr gleich bleibt und von den
verschiedenen Varietäten der lebenden M. costata sich ziemlich gleich
weit entfernt hält.
Im ösllichon Ungarn zu Gros sward ein lebt noch eine ganz
ähnliche Art, Melanopsis Parreyssi M e g e r 1 e (P h i 1 i p p i, Abbild un-
gen und Beschreibungen neuer oder wein'g gekannter Conchylien.
Bd. II, p. 170, Taf. 4, Fig. 26). Sie steht ebenfalls der Schönsteiner
Art nahe, doch schon minder als die Syrische. Während bei M- cos-
tata und M. spinicostata die grösste Entwickelung der die Spindel
bedeckenden Schwiele auf den oberen Theil der Mündung fällt, ist
bei 31. Parreyssi die schwielige Bedeckung der Spindel mehr gegen
unten als gegen oben ausgedrückt und ausserdem stärker nach rück-
wärts ausgebreitet. Es liegen mir zur Vergleichung sowohl von der
syrischen M. costata als der ungarischen i/. Parreyssi sichere Exem-
plare vor, die ich von Herrn Dr. Parreyss zu Wien bezog.
M. spijiicostata ist jedenfalls als ein älterer geologischer Vor-
läufer der jetzt vorzugsweise wärmeren — subtropischen — Ge-
genden eigenen M. costata zu betrachten. Um die nahe Verwandt-
schaft anzudeuten, habe ich ihr eine fast gleich klingende Bezeich-
rmng beigelegt.
7. Valvata stiriaca Holle.
Taf. II, Fiff. 9, 10.
V. testa glohoso-conoidea, Hmbilicata ; spira conica, superne
apphmata ; anfractibus quinque, sutura p7'ofun(Ia distinctis, primis
duobus super7ie applanatis, tribiis junioribus partim convexis, duo-
bus ultimis plus tniniisve snbatigidatis ; apertura ovato-rotiindata ;
umbilico lato, parum obtecto.
Alt. 5-5, Lat. 4-8— 4-9 Mill. — Alt. aperturae 3-5 Mill.
Occurrit in stratis margaceis lignitum in valle „Schallthal'*
diclo ad Hundsdorf' jirope Schoenstein nee non ad ecclesiam Skalis.
Das Gehäuse ist nieder, kuglig-kegelförmig mit breit abge-
stutzter Spitze und fünf Umgängen, die je nach dem Alter verschieden
gestaltet sind. Die zwei älteren Umgänge sind flach gewölbt und in
fast gleicher Ebene gelegen, die drei jüngeren bilden einen ziemlich
regelmässigen Kegel, sie sind ziemlich flach gewölbt, aber durch
scharfe, oft stark abgesetzte Näthe getrennt, unterhalb der Mitte
in Unler-Steierraark und ihre Fossilieu. 33
sind sie stumpf gekielt. Die Kante ist gewöhnlich bei der vierten
Windung am ausgesprochensten, die fünfte ist schon etwas mehr
gewölbt. Mündung rundlich-eiförmig, oben und gewöhnlich auch
unten deutlich gekantet, Nabel breit, etwas vom Mundrand verdeckt.
Die Oberfläche ist fast glatt. Sie zeigt unter der Loupe sehr
schwache Anwachsstreifen, aber keine Spur von spiraler (Längs-)
Zeichnung.
Jugend-Exemplare mit nur 2 bis 3 Umgängen sind flach schei-
benförmig mit breiter niederer Mündung und mit offenerem Nabel als
die ausgewachsenen.
Diese Valvata erscheint sehr häufig im Schallthal im Mergel
über dem Lignitlager, einzeln auch im Mergel nördlich von der
Kirche Skalis.
Sie bleibt sich in den zahlreichen Exemplaren, die ich gesam-
melt, sehr gleich. Von unsei-en lebenden F«/y«/«-Arten steht ihr die
Valvuta piscinalis Müller (Cyclostoma obtusum Drap.) wohl noch
am nächsten, unterscheidet sich aber bestimmt durch die aufgebläh-
teren, mehr treppenförmig abgesetzten und etwas rascher anwach-
senden Umgänge, die mehr kreisrunde Mündung und die Neigung
zur Bildung von Spirallinien.
Ich habe mit der Schönsteiner Form Schalen der lebenden
V. piscinalis Müll, von Wien, Laibach, Bonn u. a. 0., der diluvialen
von Mosbach am Rhein und Grays in England , endlich Exemplare
der obertertiären von Moosbrunn bei Wien u. a. 0. verglichen. Alle
weichen gleich sehr von der Schönsteiner ab. Etwas näher steht ihr
die fossile Form aus den pliocänen Süsswasserschichten des Val
d'Arno (Toscana), welche ebenfalls sehr flache Windungen hat. Doch
unterscheidet sich auch letztere noch durch die mehr verschwimmen-
den Näthe, den Mangel eines Kiels, die nicht abgeplattete Form des
älteren Gewindes, endlich die rasch erweiterte letzte Windung.
Nach allem diesem habe ich Grund die V. siiriaca für eine
wohlbegründete gute Art zu halten.
8. Paladioa (Bythinia) Ingerl Rollo.
Taf. III, Fig. 1, 2, 3.
P. (B.J testa ovato-conica, elongata, fere imperforata ; spira
acuta; aufractibus quinque ad secc partim convexis ; apertiira
V
3G Rolle. Die Lij^nil-Ahlagerung- des Beckens von Schönstein
ovata, superne subangulata, snbtns rotnndatu ; niargine interiore
üubhicrussato , subreflexu , nmbUici vesligium obtegeiitc ; tnnbilico
iiiHjusto vel obtecto ; operculo ovafo, concentiice striato, initiu
mediano, pnullo infra medium sito, spirato.
Alt. 8- 1, lat. 4-7 Mill. (Raiius alt. 8-8, lat. 5 Mill.)
AU. apcrturae plerunique 3*ö— 3ü Mill.
Occurrit cum praec. in valle Schallthal ad Schönstein.
Schale länglich eiförmig, fast glatt, mit ö bis 6 ziemlich flach
gewölbten Umgängen und deutlich vertiefter Nalh. Der letzte Um-
gang bildet etwa die Hallte der Höhe des Gehäuses. Das ältere
Gewinde gleichförmig zugespitzt.
Mündung eiförmig, oben an der Nath zugespitzt, unten gerundet.
Die Ebene der Mündung steht schief zur Spind(dachse, oben mehr
gegen vorn, unten nach hinten zu. Aussenlippe ziemlich scharf, unten
mit einer Andeutung eines Ilachen Ausgusses. Die ziendich dicke
Innenlippe liegt an der Spindel an und lässt von dem sehr schmalen
Nabel bald nur eine Spur erkennen, bald verdeckt sie denselben ganz.
Oberfläche mit feinen, von Strecke zu Strecke ^etwas stärker
ausgebildeten Anwaclislinien, die gerade, aber der Richtung der Mün-
dung entsprechend etwas von vorn und oben nach hinten und unten
verlaufen.
Einzelne Exemplare erreichen 4 Wiener Linien Höhe, die
meisten nur etwa 3 bis ä'/a Linien.
Jugend-Exemplare mit nur 3 bis 4 Umgängen sind schon den
ausgewachsenen sehr ähnlich, aber verhältnissmässig nieder, die
Umgänge stark gewölbt.
Der Deckel ist kalkig und derb, von theils concentrischer,
theils spiraler Zeichnung. Der Anfangspunkt liegt in der Mediane,
aber etwas unterhalb der Mitte. Er liegt schwach vertieft und zeigt
einen ausgezeichnet spiraligen Bau. Alle späteren Schichten sind
einfach concentrisch.
Schalen in ursprünglichem Zusammenhange mit dem Deckel
habe ich zwar nicht gefunden, zweifle indess nach dem Grössenver-
hältniss und der fast gleich grossen Häufigkeit, in der Schale und
Deckel einzeln gefunden werden, nicht daran, dass beide zusammen-
gehören.
liijlhinia Ungeri ist im Mergel im Hangenden des Lignits zu
lliindsdorf bei Schönstein die gemeinste Conchylie und beim Auf-
in Unter-Steiermark inul ilire Fossilien. 3T
decken der Schichten zu Hantierten anzutrefTen. Ehenso sind die
Deckel, die gleichwie das Gehäuse ziemlich dickschalig sind, sehr
zahlreich.
Bythinia tentaculatd Lin. sp. (Paludina impuni Lam.)
weicht nach lebenden Exemplaren von Wien, Laibach, Darmstadt
u. a. und nach fossilen aus dem Themsethal bei London, von Unter-
kirchherg u. a. 0. von der Schönsteiner Form durch ihre viel bau-
chigere Form und die gewölbteren Windungen ah. Ihr Deckel ist
dünnschaliger und zeigt nur concentrische Zeichnung.
Bythinia soltita Phil. sp. (Melania [?J soluta Philip pi.
Enum. Moll. Sicil. 11. 1844. p. 121. Taf. 24. Fig. 1) aus den
obersten, wahrscheinlich mit der nordischen Drift gleichzeitigen
Tertiärschichten von Santa Severina in Calabrien steht der Schön -
steiner Art ebenfalls nahe, ist aber, wie ich namentlich an Ori-
ginalexemplai-en, die das k. k. Hof-Mineralien-Cabinet der Güte des
Herrn Dr. Philippi verdankt, ersehen kann, schlanker, die Mün-
dung ist höher und schmäler als bei gleich grossen Exemplaren
der B. Ungeri, der letzte Umgang ist schwächer gewölbt und zeigt
unter der Mitte eine Andeutung einer stumpfen Kante. Endlich ist
auch das Gehäuse der Sicilischen dickwandiger.
Die Scbönsteiner B. Ungeri steht überhaupt in der Form der
Schale mitten zwischen tentaculata Lin. und soluta Phil.
Ich benenne diese Art nach dem Namen des wirkl. Mitgliedes
der kais. Akademie Prof. Dr. Unger, dessen wohlwollender Theil-
nahme ich wie bei früheren so auch bei dieser Arbeit jede betrelTs
der pflanzlichen Fossilien nöthige Mitwirkung verdanke.
9. Paladioa (Hydrobia) liinnlcola Rolle.
Taf. III, Fig. 4—10.
P. (H ) testa elongata, ovato-turrita ; anfractihus sex ad
Septem, planulatis vel purum convexis, suturn magis minnsve
adpressa , magis mimisve profunda; nperttira elongato-ovata,
superne suhangulafa , suhtus rotundata , parum cffnsa ; marginc
inferiore subreflexo ; nmbilico aiigustissimo vel obtecto. Juniores
anfractibus infra carinatis.
Alt.ö-7, Lat. 2-5 Mill. — Alt. aperturae 2 Mill.
Occurrit c. p. ad Sclioenstein.
Q J^ It o 1 I p. Dir Lioiiil-Alil;inpiiiiis ili'< Horkens von Sfhöiisteiii
Gehäuse klein, thurmförmig, fast glatt, mit 6 bis 7 Umgängen, von
denen der letzte oii\ Drittel oder mehr von der Höhe des ganzen
Gehäuses erreicht. Umgänge theils flach gewölbt, theils beinahe
eben, die Näthe deutlich, theils mehr, theils minder tief.
Mündung eiförmig, etwa ein viertel höher als breit, schief zur
Spindelachse. Innenrand frei an der Spindel anliegend, nach unten
etwas zurückgeschlagen, den Nabel verdeckend. Nur bei ausgewach-
senen grossen Exemplaren bleibt bisweilen der untere Theil des
Mundsaumes etwas mehr von derBasis abstehend und lässteine Spur
vom Nabel frei. Nach oben zu verläuft der Mundsaum in eine deut-
liche, der Nath entsprechende Spitze aus, nach unten zu in eine
minder deutliche ausgussförmige.
Manche Exemplare, namentlich aber jüngere, zeigen in Folge der
Abplattung der Windungen unter der Mitte des letzten Umganges
einen scharfen, seltener stumpfen Kiol. Dieser bleibt dann zum Theil
auch als schwache Spirallinie dicht oberhalb der Nath an älteren
Umgängen noch sichtbar. Bei ausgewachsenen Exemplaren dagegen
sind die Umgänge stärker abgesetzt und der letzte sanft gerundet
ohne Spur eines Kiels.
Oberfläche fast glatt. Unter der Loupe zeigen sich feine An-
wachsstreifen, bisweilen treten au(;b alte Mundränder mit einer
unterhalb der Mitte des Umganges sanft nach vorn gebogenen Wöl-
bung aus der übrigen Schale stäi'ker hervor. Ausserdem zeigt sich
über der Nath auch gewöhnlich eine Spirallinie bei jüngeren Scha-
len, die bei ausgewachsenen Exemplaren sich nicht weiter hinab
fortsetzt. Das Breiten- und Ilöhenverhältniss, die Wölbung der Win-
dungen, die Schärfe der Näthe und andere Charaktere des Gehäuses
ändern ziemlich weit ab, so dass man die äussersten Endglieder der
Varietätenreihe leicht als eigene Arten betrachten könnte, doch
beobachtet man solche Abweichungen zuweilen auch an älteren und
jüngeren Umgängen eines und desselben Gehäuses.
Für die Frage ob die verschiedenen Formen der Schönsteiner
Ilydroltia eben so viele Arten oder Varietäten darstellen, ist dieser
Umstand entscheidend. In der That fast an jedem Gehäuse sieht man
die Gestalt der Umgänge je nach dem Alter derselben sich sehr
ändern. Von den 7 Umgängen, die man an ganz ausgewachsenen Ge-
häusen zählt, sind die zwei ältesten embryonal und gerundet. Etwa
der dritte und vierte haben angedrückte Näthe und über der Nath
in L'iiter-Steiermark inul ilue FnsMlii-ii.
39
vorläuft eine gewöhnlich sehr deutliclie erhabene Linie und über
dieser oft noch eine eingedrückte Linie. Beim Zerbrechen er-
kennt man , dass die erhabene Linie einem Kiel entspricht. Ktwa
vom vierten oder fünften Umgänge an bis zum siebenten sind die
Windungen gewölbter, die Näthe mehr oder minder stark abge-
setzt, was namentlich beim letzten Umgang oft stark ausge-
sprochen ist. Ein Kiel kommt beim ausgewachsenen Gehäuse nicht
mehr vor.
Diese Umgestaltung in der Form der Windungen beobachtet
man sowohl bei sehr schlanken als auch bei kurzen, bauchigen
Exemplaren, und ich nehme darnach unbedenklich an, dass hier nur
eine einzige, sehr veränderliche Art vorliegt. Ich unterscheide von
ihr zwei Varietäten.
Var. a gracilis. (Taf. III, Fig. 4, o.)
Alt. 7, lat. 2-3 Mill.
Var. ,} curla. (Taf. III, Fig. 6, 7, 8.)
Alt. 5-D-5, lat 2-Ö Mill.
Die veränderliche Natur der Hydrobia Umuicola muss aller-
dings auffallen, wenn man den sehr constaiiten Charakter aller übri-
gen mit ihr zusammen vorkommenden Süsswasser - Conchylien
betrachtet, indessen ist es von den Hydrobien oder Litorinellen
genugsam schon erwiesen, dass bei ihnen die Veränderlichkeit sehr
weit gehen kann, und auch in zahlreichen anderen Fällen wird man
zweifelhaft, ob man Varietäten einer und derselben oder verschiedene
Arten vor sich hat.
H. Umnicola gehört in die Verwandtschaft der //. stagnalis
Bast. Sie steht nach der Form der Mündung dieser ziemlich
nahe, weicht aber von derselben und allen übrigen mir zu Gesicht
gekommenen Hydrobien in bezeichnender Weise durch ihre in der
Jugend flach angedrückten Windungen ab. P. stagnalis aus den
brackischeii Küstengewässern der Bretagne u. s. w. entfernt sich
weit von der Schönsteiner Form. Die fossile von Moosbrunn bei
Wien steht letzterer schon etwas näher.
Gleichviel ob man in Zukunft die von mir als eigene Art be-
schriebene H. Umnicola als solche betrachten, oder als Varietät
einer andern, etwa der/T. stagnalis Bast, oder vielleicht devMclania
40 R n I I !■ Die r.ignit-Aliliiijf rmi^' des Hcckens von Schönsteiii
obloucja Bronn') von Figlinc (Arno -Thal), die ich nach den
Exemphtren des k. k. Hof-Mineralien-Cabinetes nur für eine Hydrobia
halten kann, beiordnen wird, jedenfalls stellt sie eine sehr ausge-
zeichnete Localforni dar, die ihrem Gesammtentwickelungskreis nach
keiner der in unserer Sammlung vertretenen Hydrobien ganz gleich
gestellt werden kann.
Vorkommen. In den Mergeln des Schallthales bei Schönstein
ziemlich häufig mit voriger Art, doch schon minder zahlreich als
diese. Den Deckel habe ich nicht gefunden.
10. Anodonta limnicola Rolle.
Taf. III, Fig. 11.
A. ttisla, compressa, elUptico-oiuita, antlcc attenuatn, postice
diagonaliter elongata; margine cardlnnll longo, recto, unguium cum
margine posteriore formante ; margine inferiore aequaUter rotundato
Long. 37-3, Alt. 18 -ö Mill. — Crass. 2 + 2 Mill.
Long. marg. eard. 26-5 Mill.
Occurrit c. p. ad Schoenstein.
Gehäuse sehr flach zusammengedrückt, elliptisch - eiförmig,
schief, stark nach hinten und unten ausgezogen; Wirbel im vorderen
Viertel; Schlossrand über die Hälfte (fast zwei Drittel) der Länge
der Schale betragend, gerade. Arcalfeld ein langes ungleichseitiges
Dreieck bildend, nur durch eine schwache Einsenkung von der übri-
gen Schale getrennt. Hinterrand geradlinig, nicht ganz der Hälfte der
Länge gleich. Unterer Rand vom oberen vorderen Eck zum unteren
hinteren sanft abgerundet. Unteres hinteres Eck abgerundet spitz-
winklig. Oberfläche mit flachen concentrischen Runzeln bedeckt.
Anodonten kommen im Mergel des Lignitgebildes oberhalb
Schönstein nur sparsam und in ungünstiger Erhaltung vor. Die
Beschreibung ist nach einem halbwüchsigen Exemplare entworfen.
•) llijdniliiii oblotuja li r o n ii s\>.'iUcluui(t olj/oni/ii\ivoun. Ital. Tert. 1831. S. 77, .Nr. 413
von Ki^liiic ist nach E.xi'in|)l:iieii des k. k. Ilof-Miiieiiilieii-Cahiiit'le.s einn scliliiiike
glatte lind gliiiizeinle Form mit .•> hi.s 6 wenig- gewidliton Uingiiiigen, nnr sehr wenige
angedrückten Niilhen und ohne alle SpiraUeichnnng. Sie variirl; aher wie es scheint,
stimmt keine ihrer Ahünderungen genau mit solchen der Schünsteiner Uydrobia
üherein.
I'ntcr-Steierinnrk und ilire Fossilien. /^\
Ausgewachsen dürfte, iiacli anderen minder gut erhaltenen zu schlies-
sen, die Art etwa 3 Zoll Länge erreichen.
Von lebenden Aiiodonten scheint Anondata complanata Ziegl.
am nächsten zu stehen, weicht aber ab durch die stärkere Abruridung
der Vorderseite und des hinteren unleren Eckes und bei gleicher Grösse
durch die mehr nach unten als nach hinten gehende, gerundetere
Verlängerung der Hinterseite ab. Übrigens ist die Artbestimtnung
schon bei lebenden Anodonten, wie bekannt, eine missliche Arbeit
und um so unsicherer daher die fossiler Formen,
Ausser den beschriebenen Arten kommen in den Mergeln der
Schönsteiner Lignitbildung noch eine Planorb is-Avt, ein Llmnetis
und eineUtiio, ferner Knochen und Zähne von Wirbelthieren, nament-
lich Fischzähne vor, deren Bearbeitung indessen in Folge der Ver-
einzelung, in welcher die Theile des Skelets vorkommen, zur Zeit
noch nicht möglich ist und besser für später aufbewahrt bleibt.
Die Untersuchung der Pflanzenreste der Schönsteiner Süss-
wasser-Formation hatte Herr Prof. Un ger die Güte zu übernehmen.
Seine Arbeit folgt weiter unten unter besonderem Titel.
Es kommen darnach im Mergel über dem Lignitflötze von Hunds -
dorf drei Arten vor : Chara Escheri M e r., Ch. stiriacaV n g. und Vibur-
nurn paradisiucum Ung. Von diesen ist die erstere, deren Früchte
in jener Schichte sehr zahlreich auftreten und der wohl auch das
eben da vorkommende Charen-Laub angehören dürfte, eine bereits
aus der Molasse der Schweiz bekannte Art, die beiden anderen neu.
Ein Blatt, das ich unterhalb der Kirche Skalis in dem Mergel, der
die Melanopsis spinicostata führt, fand, ist RIius Meriani Heer,
ebenfalls eine aus der Molasse der Schweiz bereits bekannte Art.
Prof. Ung er hat ferner auch dieHolzmassen des Schönsteiner Flötzes
noch mikroskopisch untersucht und darin wiederholt die in der Ter-
tiärformation, namentlich aber in den Lignitlagerstätten Steiermarks
reichlich verbreitete Peuce acerosa Ung. erkannt.
Hiernach bilden Fauna und Flora der Schönsteiner Ablagerung
in Bezug auf das geologische Alter der Arten einen Gegensatz , wie
er in ähnlicher Weise wohl öfter im tertiären Gebiete noch auftritt.
Während Prof. Unger in der Flora theils erloschene und örtlich
4.2 Ft II I I I'. Hie I,ij;iiit-Alil;igt'ruii{; di's IJeiUfiii von Scliönsteiii
eigcntliümliclie, theils erloschene und in Terliärschichten weiter ver-
breitete Arten erkennt, fand ielninter den Mollusken theils erloschene
und örtlich eigenthümliche Arten, theils solche, die in Tertiärschich-
ten noch fehlen oder doch in sehr jungen Tertiärschichten erst auf-
treten, dagegen in den Diluvialschichten und der heutigen Schöpfung
zahlreich und weit verbreitet vorkommen.
Dieses Verhältniss ist, wenn auch zur Zeit vielleicht zur Er-
klärung noch nicht reif, doch jedenfalls sclir der Beachtung wertli.
Allgemeiner Theil.
Ich schliesse meine Arbeit mit einer Zusammenstellung der
allgemeinen Ergebnisse, so weit ich sie aus den ermittelten Einzel-
heiten und ohne Beobachtungen der Zukunft vorzugreifen, als hinrei-
chend begründet geben zu können glaube.
1. Die Lignitbildung von Schönstein nimmt ein kleines, in
seiner Längenausdehnung dem allgemeinen Streichen der älteren
Schichten und der Gebirgszüge folgendes Becken ein. Das Auftreten
gröberer Stoffe im nordwestlichen, das allmähliche Erscheinen feiner
aufgeschlemmter im östlichen Theile, ferner die Beschränkung der
Lignitflötze auf den letzteren, deuten an, dass zur Zeit der Ablagerung
die Bodenabdachung wahrscheinlich der heutigen des Schallthales
entgegen, nämlich von NW. in SO. verlief. Alsdann musste das
Becken in SO. einen Abfluss haben. Vielleicht gibt die Gegend von
St. Ilgen, Gemeinde Arnatsche, SO. von Wölan, in der Folge noch
eine Bestätigung hierfür.
2. Die Reihenfolge der Schichten ist nur in der mittleren
Gegend des Beckens ausgesprochen. Hier liegen zu unterst graue
Mergel und Lignite mit Süsswasser-Conchylien, darüber eine mächtige
Lage von Sand, Schotter und gelbem Lehm ohne Fossileinschlüsse.
Im Westen des Beckens konnte ich keine besonderen Glieder der
Ablagerung unterscheiden, im Südosten fehlen Entblössungen der
tieferen Schichten und nur die obersten gehen noch bei Schallegg
und Wölan an den Gehängen zu Tage aus.
3. Nach der Ablagerung der Schichten dürfte die Gegend noch
eine stufenweise Hebung erlitten haben. Hierauf deutet die stufen-
in riiler-Sfeierinni k iiihI iliie Fo>silifn. 4 O
weise grössere Mocreshöhe, welche die Schichten auf der Nordseile
erreichen, namentlich aber der Umstand, dass hier die Lignitflötze
in höherem Niveau als in der Schallthal-Sohle auftreten.
Nimmt man auch an, dass an der Südseite die spätere Wegfiih-
rung der Schichten beträchtlicher war, so bleiben die Meereshöhen
der Ablagerung an der Nordseite doch immer noch höher als ein
Theil der südlichen Gehänge selbst.
4. Die bei Skalis im Mergel vorkommenden Melanopsiden deu-
ten mehr auf fliessendes, die im Schallthal vorkommenden Bythinien,
Valvaten, Planorben u. s. w. mehr auf stehendes Wasser. Für Letzte-
res spricht auch die Häufigkeit von Charen-Resten im Mergel des
Schallthales. Die Vibiamum-Sümen, die ebenda nicht selten vorkom-
men, sind jedenfalls durch fliessendes Wasser aus dem Randgebirge
hereingeführt.
Für die Annahme einer Entstehung der Schönsteiner Lignitflötze
aus einer blossen Torf- Vegetation ohne Zutritt eingeflösster Treibholz-
massen sehe ich keine Gründe. Einer bestimmten Entscheidung ist
freilich der Mangel anAufschluss im Liegenden derFIötze ungünstig.
Die in der erdigen Kohlenmasse eingestreuten Holzstämme tre-
ten mehr im Nordosten des Beckens dicht am Rande des älteren
höheren Gebirges auf, von dem sie wahrscheinlich durch kleine
Ströme herabgeführt wurden. Fast ganz fehlen grössere Holzstämme
in dem Flötze des Schallthales. Die Ablagerung dieses letzteren
Flötzes geschah, wie aus den in seinem Hangenden reichlich vor-
kommenden Sumpfschnecken und den Stengeln und Früchten von
Charen sich erschliessen lässt, unter einer seichten, ruhig stehenden
Wasserbedeckung. Inselartige Ansammlungen schwimmender Holz-
massen, auf welchen im Laufe der Zeit eine eigene Land-Vege-
tation sich ansiedelte, wie Lyell dies aus Binnenseen von Nordamerika
beschreibt, sind für das Schönsteiner Flötz wohl zulässig, aber für
eine Entstehung desselben auf festem Lande durch reichliche Moos-
Vegetation spricht kein mir ersichtlich gewordener Umstand.
5. Die Süsswasser- Conchylien, welche im Mergel der Lignit-
bildung auftreten, sind theils erloschene und bis jetzt nur hier
beobachtete, theils heute noch lebende Arten.
Die letzteren sind solche, die vorzugsweise in pliocänen und
diluvialen, aber gar nicht — oder nur sehr selten — in obermiocä-
nen Ablagerungen gefunden werden. Sie entsprechen zwar heute in
^^ Rolle. Die IilRnit-.\lilafCPriiii<; lies Reckens von Scliönsteiii
Mitteleuropa tiocli lebenden unil allgemein verlireileten Arten, reichen
aber im Ganzen mehr in's südliehe als in's nördliche Europa, sie
dürften das südliche Schweden wohl kaum überschreiten. Planorbis
MWj6<7/crt^«s Müll., der von ihnen am frühesten fossil erscheint (Red-
erag von England), reicht lebend auch am weitesten südlich (Neapel,
Sicilien); das Klima des Schönsteiner Beckens zur Zeit der Abla-
gerung der Lignitbildiing war darnach dem heutigen sehr ähnlich
oder um ein Geringes milder. Unter den erloschenen Mollusken-
Arten deutet Melanopsis spinicostatu nach ihrer Verwandtschaft
mit der jetzt in Flüssen und Seen von Syrien lebenden M. costata
entschieden auf milderes Klima.
6. Eine aulTallende Erscheinung ist ein gewisser gemeinsamer
Localtypus bei Bythiuia Ungeri, Hydrohia limnicola und Valvata
stiriaca. Er besteht in einer eigentbümlicheii Flachheit der Win-
dungen im Vergleich zur Form des Gehäuses ihrer nächsten Ver-
wandten (Bythitiia tentaculata, Ilydrobia stagnalis und Valvata
piscinulis). Ein solcher über mehrere, verschiedenen Gattungen
angehörende Arten sich erstreckender Localtypus in der Gestalt der
Windungen ist mir aus keiner andern Süsswasserablagerung bekannt.
7. Eine weitere autTallende Erscheinung in der Mollusken-Fauna
des Schönsteiner Mergels ist das Verhältniss der Individuenzahl der
Arten.
Bei weitem vorherrschend sind erloschene Arten, nainentlicli
Bythinia Ungeri, Hydrobia limnicola und Valvata stiriaca. Die
Ablagerung macht daher auf den ersten Anblick den Eindruck eines
höheren geologischen Alters, als sie in Wirklichkeit besitzen kann.
Erst durch lange fortgesetzte Untersuchung der Schönsteiner
Fossilien, namentlich durch Ausschlämmuiig grösserer Partien des
schneckenführenden Mergels gelang es mir, neben den vorherrschen-
den Individuen erloschener Arten auch einige wenige Exemplare
heute noch lebender nachzuweisen. Diese letzteren drei Arten, Pla-
norbis nmbilicatus Müll., P. crista Lin. und P. nitidus MüW. sind
nur sehr sparsam vorhanden und nur in sehr kleinen, jugendlichen
Exemplaren vorgekommen, was namentlich die erstere Art betritft,
die jetzt in unseren Sümpfen eine ansehnliche Grösse und ein sehr
festes Gehäuse zeigt.
Die Nachweisung dieser drei heute noch lebenden, in allen
tieferen Schichten der obermiocänen Bildung entschieden fehlenden.
in Unter-Steiermark und ihre Fossilien. ^■S
erst später in Pliocäii- und Diluvial -Sehicliten auftretemlen Arten
miisste der Ablagerung ein weit geringeres geologisches Alter zu-
weisen als aus den vorlierrschendi'u erloschetieii Arten, wenn ich
zufällig auf einige wenige Exemplare der letzteren eingesehränkt
gehlieben wäre, hätte hervorgehen können.
Dieser Gesichtspunkt kann sehr wohl auch auf die fossilen
Ptlanzeureste des Schiuisteiner Reckens angewendet werden, von
denen nur wenige Arten und zum Tlieil auch nur wenige Exemplar«
vorliegeu, die alle erloschenen Arten angehören.
8. Bei der Bestimmung des Altersverhältnisses der Schönsteiner
Ablagerung müssen zunächst die durch Dr, Hörnes'Arbeiten wohl-
bekannten Mollusken führenden Süsswasserablagerungen der Wiener
Tertiärformation in'sAuge gefasst werden. Diese enthalten nun ohne
Ausnahme andere Mollusken-Arten, und es ist das auch noch hei den
jüngsten derselben, den fossilienreichen Melanopsen-Schichten von
Wien, Feldsberg, Gaya u. s. w. und den Paludinen-Schichten von
Moosbrunn, der Fall. Von diesem Horizonte an bis zu dem des
Lösses besteht aber in unserem stratigraphischen System der jüngeren
Gebilde der österreichischen Monarchie eine bis jetzt erst sehr
fragmentarisch ausgefüllte Lücke. In anderen Theilen Europa's, na-
mentlich im Arno-Thal (Toscana) und in England (mammalian cragj
erscheinen hier Schichten mit Elephas meridionaUs Risso, lihino-
ceros leptorhinus Cuv., Hippotamus major Cuv. u. s. w.
Im ganzen Donaugebiete kennt man aus dieser geologischen Epoche
noch keine einzige, hinreichend charakterisirte Biimen- Ablagerung.
Erst in neuester Zeit gelangte Prof. E. Suess zur Vermuthung,
dass der obere Theil des Belvedere- Schotters von Wien jener bei
uns bisher erst so dürftig vertretenen geologischen Stufe angehören
möge. Mollusken-Reste sind aber auch von da noch nicht bekannt.
Aller Wahrscheinlichkeit nach fallen die Schönsteiner Lignit
führenden Schichten in diese Lücke unseres Systems. Mit voll-
kommener Sicherheit aber darüber zu entscheiden, ist zur Zeit noch
unmöglich, da die fraglichen Ablagerungen aus der jüngsten, unmit-
telbar der Glacial -Epoche vorausgegangenen Tertiärzeit bis jetzt
fast nur durch ihre Wirbelthiereinschlüsse bezeichnet werden konn-
ten. Wirbelthierreste sind in der Schönsteiner Ablagerung selten,
und was ich vorfand , gestattet noch keine genauere Bestimmung.
Vergleichen wir die Mollusken -Fauna von Schönstein mit der von
4ß lU) 1 1 e. Die Lignit-Ablagerung; des Beckens von Schönsteiii
Moosbrunn bei Wien und der von Figliiie im Val d' Arno, so stossen
wir wohl auf sehr analoge Formen, die vielleicht in Zukunft, wenn
niau mehr solche Ablagerungen kennen gelernt, noch näher gerückt
erscheinen werden, die aber zur Zeit noch nicht sicher identificirt
werden können.
Als feststehend kann ich nur folgendes allgemeine Ergebniss
bctrefts des geologischen Alters aufstellen. Die Schönsleiner Schich-
ten sind jenseits der Glacial-Epoche die jüngsten bis jetzt bekannt
gewordenen Ablagerungen Steiermarks. Sie sind jünger als alle
Tertiärschichten des Wiener Beckens, einschliesslich der Melanopsen-
Scluchten, aber möglicherweise gleich alt mit den Schichten von
Moosbrunn, wahrscheinlich aber auch noch jünger als diese. Sie
fallen entschieden noch vor den Eintritt der Glacial-Epoche, stehen
mithin auf der schwankenden Grenze von dem, was man oberste
Tertiär- und dem, was man ältere Diluvialschichten zu nennen pflegt.
Prof. K. Mayer bezeichnet in seinem in den Verhandlungen der
allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Natur-
wissenschaften in Trogen 1857, S. 16S mitgetheilten Schema diese
Schichten theilweise als „Astien", „Astische Stufe", stellt hier aber
noch sehr ungleich alte Ablagerungen zusammen.
in Ünlor-Steiermnik iiiid ihre Fossilien.
Die l'flanzenreste der Lignit -Ablagerung von Schönstein in
Ünter-Steierniark.
Von Dr. F. I n g e r.
Die mir von Herrn Dr. Rolle zur Bestimmung zugegangenen
Pflanzenreste aus Schönstein in Steiermark belaufen sieh nur auf
wenige Arten, die aber grösstentheiis so gut erhalten sind, dass ihre
Zurückfiihrung auf bereits bekannte Fossilien nicht unschwer zu
bewerkstelligen war. Dazu fanden sich aber auch zwei neue Arten,
eine Chara und ein Viburmmi, beide aus ihren hinterlassenen
Früchten mit Sicherheit nach ihrer Gattung zu erkennen. Ausser
einem Blattreste im BasalttufF von Gleichenberg war die letztere
Gattung bisher in der Tertiärflora noch nicht gefunden worden. Ob
jenes Blatt, das ich Viburnum Palaeolantana (Foss. Flora von Glei-
chenberg, Denkschr. d. k. Akad. d. Wiss. Bd. VII, Taf. 5, Fig. 2)
nannte, zu den hier beschriebenen Früchten gehört, ist die Frage.
Zwei jener Fossilien, nämlich Cham Escheri und Rhus Mei-iani,
sind auch in der Molasse der Schweiz gefunden worden und geben
daher Gesichtspunkte der Vergleichung der Schönsteiner Tertiär-
schichten ab.
Was die daselbst in den Sand- und Mergelschichten einge-
schlossenen Braunkohlenlager betrifft, so sind dieselben zwar nicht
von Pflanzenresten begleitet, aber es lässt sich aus den Ligniten
derselben nicht undeutlich erkennen, aus welchen Bestandtheilen
sie vorzugsweise oder vielleicht ausschliesslich zusammengesetzt
sind.
Mikroskopische Untersuchungen mehrerer Stücke aus verschie-
denen Theilen des Lignitlagers haben mir nur Eine Holzart gezeigt,
und zwar ein Nadelholz, das in der ganzen Steiermark zu jener Zeit
weit verbreitet gewesen sein muss, und wie die Lignite von Rein,
Voitsberg u. s. w. beweisen, wahrscheinlich den Hauptbestandtheil der
Braunkohle dieses Landes ausmachen dürfte. Dieses Holz, von mir als
Peiice acei'osa beschrieben (Chlor, prot. p. 14, Taf. 3, Fig. 1 bis 4), ist
indess auch anderweits bemerkt worden, aber noch ist es nicht
4-8 R o 1 1 p. Die Lig'nit-Ablng'eninp:- des Beckens von Schönstein
gelungen, die zu dieser Holzint gehörigen Zapfen uuler den vielen
bereits bek.innten fossilen Tannenzapfen herauszufinden.
Im Liegenden dieses Braunkolilenflötzes, welches Herr Atzelt
bebaut, aus dessen Hand ich au(;l) die zur Untersuchung nöthigen
Stücke erhielt, kommt noch ein zweites Lager fossilen Holzes vor,
das aber grösstentheils in Eisenoxydhydrat verwandelt ist. Mit vieler
Mühe habe icb mir aus diesem äusserst mürben Gesteine mikrosko-
pische Präparate verfertiget, aus denen zwar hervorgeht, dass auch
dieses Holz den Coniferen, und zwar den Abietineen angehört, dass
es aber sehr zweifelhaft ist, ob es gleichfalls Peuce acerosa oder
eine andere Art von Peuce ist. Die Elementartheile dieses Holzes
sind dermassen zerstört und verändert , dass man wohl Jaiiresringe
und Coniferenstructur auf dem Querschnitte zu sehen bekommt, hin-
gegen auf den Längenschnitten beinahe jede organische Structur
verwischt erscheint.
Charaeeae.
Chara Escheri Alex. Brau n.
Taf. lY, Fij,^. 1 — 5.
Ch. fructii ovali v. oblongo-subovato, apice obtuso, 074 m. m.
longo, OS 8 m. m. lato, spiris a Int er e visis 9 — 12 plajiiusculis.
hl marga stagnigena ad Ilundsdorf prope Schoenstein Stiriae
inferioris.
Diese wohlerhaltenen Früchte gehören zu den nicht seltenen
Vorkommnissen des Süsswassermergels von Schönstein, wo sie Herr
Dr. Rollo zuerst auffand.
Sie gleichen sowohl der Beschreibung als der Abbildung nach
voÜkoinmen den Früchten von Chara Escheri Alex. Braun, wie
sie an vielen Punkten der Schweiz bereits zum Vorschein gekom-
men sind. Man vorgleiche hierüber 0. Heer, Tertiär-Flora der
Schweiz I, p. 5, Taf. IV, Fig. S. Da die Abbildungen am angeführ-
ten Orte in einem zu kleinen Massstabe ausgeführt sind, so glaube
ich nicht unrecht zu thun, wenn ich mehrere Exemplare dieser Art,
die sich jedoch nur unbedeutend in ihrer Grösse von einander
unterscheiden, in einer 43maligen Vergrösserung auf der beglei-
tenden Tafel IV, Fig. I bis tJ wiedorffebe.
in L'iiter-Stt'ieriiiiirk iiini ihn' Fossilien. 4tl
Sehr undeutliche Abdrücke von übereinander gepresstenCharen-
stengeln, die sich zuweilen in demselben Mergel finden, dürften wojil
zu dieser Art gehören.
Erklärung; der Abhildiing^en.
Figf. 1 Eine CliarentVucht , deren Spitze aligebroclien ist.
2 Eine Charenfrueht, aulVeelit stehend.
2' Dieselbe Frucht von oben gesehen.
2" Dieselbe von unten gesehen.
2'" Zwei Spiren einer zerbrochenen Charenfrueht.
3 Eine andere Charenfrueht von 0-8 Millim. Liinge und O'öMilliin.Breife,
liegend, mit der Spitze nach links dargestellt.
3' Dieselbe Frucht von oben gesehen.
4 Eine vierte Frucht derselben Art, mit dem oberen Ende nach abwärts
gekehrt.
4' Dieselbe Frucht von unten gesehen.
5 Eine fünfte Charenfrueht, aufrechtstehend gezeichnet.
5' Dieselbe Frucht von oben gesehen.
5" Diese Frucht von unten gesehen.
Alle Figuren sind in einer 43maligen Vergrösserung gezeichnet.
Chara stiriaca Ungar.
Taf. IV, Fig. 6.
Ch. fructn suhf/lohoso , apice obtusato, I'IO m. m. lotigo,
0 91 m. m. lato, vnhis spiralibus a ledere visis ö angnlo acuto
coujunctis, versus apiccui cristutis.
In marga stagnigena ad Hiuidsdorf prope Schoenstein Stiriae
inferioris.
Diese von allen bisher bekannten fossilen CAarrt-Arten durch die
Grösse und durch die geringe Anzahl von Windungen der Spiren
ausgezeichnete C/i«r«-Frucht wurdebisher von Herrn Dr. I{ olle nur
in einem einzigen Exemplare gefunden. Sie ist fast kugelrund und
misst über 1 IMillim. in der Längenaxe. Die Spiren haben von
der Seite gesehen nur 5 Windungen und sind gegen die Spitze, wo
sie zusamn)entreffen, mit scbarfen Fortsätzen versehen.
Fig. 6 stellt eine Frucht in aufrechter Stellung, Fig. 6' dieselbe
Frucht von oben, Fig. 6" von unten gesehen dar. Alle sind 43mal
vergrössert.
Sit/,b. d. mattiem.-naturw. Cl. XU. Bd. Nr. 13. 4
50 '*"' '•"• t»'** l^ignit-AMagei-ung des Beckens von Sohönstein
Lonicereae.
Yiburuuiii pnradisiacuin ünger.
T. f. V, Fig. 1-3. .^Ö^^J
V. seminibus ovatis v. ovato-oblongis, utrinqne obtitsis v. apice JP
in inamillam proihtctis, 7 — cS* m m longis, 3 — 5 m. m. latis^ »ub-
('07npressis, sfriatis, antice et postice sitlco lonfjitudinali vel sulcis
duabns notatis. Testa (vel pericarpivtn) dunim e celluUs paren-
ehymatosis pnchytichis porosis conflatis, celluHs epiäermalibus
cylindricis.
In marija sfagnif/ena ad HunihdortlpropeSchoenstein Stiriae
inferioris.
Diese in Mehrzahl von Herrn Dr. Rolle mit den Charenfrüchten
in dein Süsswassennergel bei Schönstein aufgefundenen Samen sind
so gut erhalten, dass selbst ihre anatomische Structur noch erkannt
werden konnte. Dies sowie ihre Form und Beschaffenheit geben
keinem Zweifel Raum , dass sie Samen einer beerartigen Frucht und
mit ziemlicher Gewissheit zur Gattung Viburnum zu stellen seien.
Fig. 1. 2, 3 stellen drei dieser Früchte in natürlicher Grösse dar.
Sie alle sind änsserlich durch Längenstreifen und durch eine oder
zwei in derselben Richtung verlaufende Furchen ausgezeichnet.
Alle drei sind ungeachtet ihrer bald mehr länglichen, bald breiteren
Form von vorn nach hinten zusammengedrückt.
Nur an Fig. 1 hat sich am oberen Ende ein knötchenförmiger
Fortsalz (Rest des Kelches und des Discus) erhalten. Um diese Ver-
hältnisse deutlich zu machen, füge ich von Fig. 1 in Fig. 1' und 1"
eine Sysmalige Vergrosserung sowohl von der Vorder- als von der
Rückseite bei, ebenso von Fig. 2 in Fig. 2' und 2" dieselben An-
sichten in gleicher Vergrosserung.
Die anatomische Untersuchung lehrte Folgendes:
Macht man durch die Mitte des Samens einen horizontalen
Querschnitt, so erkennt man deutlich zweierlei Substanzen, eine
härtere äussere oder Rindensubstanz und eine innere weichere, fast
kaum bemerkbare Raumerfüllung. Eine gleichfalls 2y5malige Ver-
grosserung eines solchen Querschnittes gibt Fig. 3. Ohne Zweifel
hat man in der Rindensubstanz eine feste steinharte Testa, oder ein
steinhartes Fericarjiium vor sich, in der weicheren inneren Substanz
in Unter-Steiermark und ihre Fossilien. ^\
ist der Rest des Eiweisskörpers des Samens mit seinen dünnwandigen
Zellen erhalten. Eine hundertmalige Vergrösserung eines kleinen
Theiles dieser Testa zeigt Fig. 3' ihre Zusammensetzung aus sehr
dickwandigen porösen, mit zahlreichen feinen Tüpfelgängen ver-
sehenen Zellen sehr deutlich. Man erkennt hieraus ferner noch, dass
die oberflächlichen epidermatischen Zellen dieser Testa eine cylin-
drische Gestalt besitzen und dass sie mit ihrem Längendurchmesser
senkrecht auf der Oberfläche stehen.
Alle diese Verhältnisse finden sich beinahe genau so an den
Samen derViburnum-Arten wieder. Die meist flachgedrückten Samen
dieser Gattung besitzen sowohl von der einen als von der andern
Seite Längsfurchen und mit diesen abwechselnd Erhabenheiten oder
Riffe. An dem oberen Ende sind die Reste des Kelches und der
Grifl'elbasis stets vorhanden. Die beinharte Testa ist durch eben
solche dickwandige poröse Zeilen mit dünnen Tüpfelgängen aus-
gezeichnet.
Unter den mir bekannten verschiedenen jetzt lebenden Vibur-
num-Arten sind von keiner anderen Art die Samen mit unserem
Fossile besser zu vergleichen als von Vibiirnum polycarpum Wal-
lich, einer ostindischen Species. Ich habe geglaubt eine Abbildung
der Samen dieser letzteren Pflanze zum Vergleiche in den Figuren 4
und 4' in natürlicher Grösse von beiden Seiten geben zu müssen und
dazu noch Fig. 4" eine vergrösserte Ansicht, so wie Fig. 4'" einen
Querschnitt hinzufügen zu sollen,
Anacardiaeeae.
Rhas 9Ieriani Heer,
Taf. V, Fig. 5.
Rh. foUoUü membranaceis, sessilibus, ovato-hmceolatis, acumi'
natis, denticulatis, nervis secundariis 7 — 10 siib nngulo acuto
fSO^J egredientibus, apice furcatis, craspedodi'omis.
R/iusMerianiHeer, Tert. Flora d, Schweiz, II, p. 82, Taf. 126, Fig. 5— H
hl marga stagnigena ad Skalis prope Schoensteiu Stiriac
inferior is.
Das vorliegende Blatt ist zwar an seinem Grunde nicht erhal-
ten, es lässt sich aber vermuthen, dass dasselbe ungestielt war und
4»
32 l'i 0 I I e. Die Ligiiit-Ahlageiuiig' ile--. ßeckeris von 8chönsteiii etc.
daher als b^ieüerhlättfluMi cirios /.(isainirieiig*'S(tzl«^!i Blattes betrach-
tet werden könne.
Unter den bislier bekannten fossilen Resten stinunen die I. e.
von 0. Heer abgebildeten und beschriebenen Blattreste, die er als
Rhiis Meriani bezeiclmet, am meisten mit dem fraglichen Blättchen
überein. Sowohl die einförmig zugespitzte Gestalt als die Zahnung
des Randes, nicht weniger aber auch die Nervation, sind dieselben
wie bei Bhus Meriani Heer. Die genannte Art ist am hohen Rhonen
in der Schweiz häufig, sehr selten in St. Martin und in Eriz.
IJbersielit
der Fossilien der Lignit-Ablagerang von SchöosteiD.
.4. W i rbel thiere.
B. 0 s t r a k 0 d e n.
C. G a s t e 1" 0 p 0 d e n.
1. Ptanurbiti Hoernesi RoWe Taf. II, Fig. i.
2. P. nmbilicatus Müll „ II, „ 2.
3. F. crista L i n ,. 11, „ 3.
^. P. nitidus WüW „ II, „ 4.
o. P.kinm Rolle . „ II, „ 5.
G. Melanopuin spinicoatata Rolle „ 11, „ 6 — 8.
7. Valvata stiriacaRoWc „ H, „ 9 — 10.
8. Bythinia Vngeri KoWf' „ III, „ 1 — 3.
!•. Hydrobia timnicula YioWc. „ III, „ 4 — iO.
Ü. A c e p h a 1 e n.
Anodonta liinnicola KoWe Taf. III, Fig. H.
E. Pflanzen.
\. Rhus Meriani Heer Taf. V, Fig. 5.
2. Viburitum paradiaiacuiii Vng „ V, „ 1 — 3.
3. Peiice acerosa U n g.
i. Ckara Esc/ieri A\.Bv:iun „ IV. ... 1 — S.
ä. Ohara stiriaca üng „ IV, „ 6.
Holle. I.iu'iiil ■Vhl.-i'jVniii^'' vdii S( liocii.sli'in
I
Geüloyisilic K.'irtc des l.iq'nil IScckcii.s von Scliocii.sli'in
in l'iilcr- S Icicrm.irk.
@.Stin'(l|p u.nodicr. 6 l^iiilii'. i Sclilti.ss. 6^ liuiiir eTIieniic. ^Kolilfiij'rubo.
Sily.mivsli.d k Alv.dldW' iii.illi iialiinv.Cl .VI.UliI X"l3.1)Uil).
Rolle. Lio'nil Ahlag«>rmi;i n>n Schönslein .
ThTII.
Zi. fr..
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9
.? a . .ib. 3 c.
a J^.X.Ütof.Ti:. Staats jruc
X „ rr-i'.rfft I,inne.
/ , T,iftf/ti.f Afä/ier.
.7, ^ /nein,!- Hel/r.
C./.if. , lfefnrrof>s-i.t- ö-fiittirOTttifn Jiol/r.
//. Kfi/ofttfi yt/ri'ara /foUn.
/(/, u „ " />ii/f. (fiKif/zt (tue/ J
.Sllif-uiirfsb.d.k.Akad.d.W.Ti.ath.iiaturw.CI. XI. I Hd. X° '^^ ISGO.
Rolle. l,i<i]iit AliLii'^fiuno von ScIionsK-in .
Tai'. 111.
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i. ]^.l;.Ho£-u. Staats ivTickerei-
■-^. ., \ „ //////
'i. ,, „ „ (///r/-i:
4,S. Ifyfirohio (r'r/i///ro/'i />'o//e nur. //rf>ri/f.i\
fi^TH. „ „ ., 1/1/ /■ rij/'/rt.
///O. „ , „ /,„//.
//. A//0(/o//ffl / 1 /// /// rn/// /?ii//r
Sil/,.iii<isl>.d.k,.\ka.l (1 W.rMMli.n.hirw.Cl. .\l I iWI. X" Ki 1!'."0.
UulW. Li;imt Alila;iennMi vom Siliön-stein
Tiif.lV.
i
^^^is^^"'
/ J. f/irirri Ä'rr/ie//' ABrni/ft. 6'J"//av' .fh'riarn />//■
,Sii7,uii"sh. il.k.Ak;id.(l.\\.matli n«turw.Cl.XLIBdN"'.ä l«ßfl,
Ktilii". Iiifinil Alilsijieniiiji von Sclu»n\toin
Taf.V.
**'■ u/4' ^/«'S'
iifö
\?'
I
/ ///'/>///■/////// /j///y/r//.i/a/f//// /'//c/. .i. ff/ir/.\- .Uf/üt/n //ii/:
Sil7,iiMo.-fl).cl k.Akad .1 W iii.-illi n:ilin »-(1, \l,l Inl X" li'' l"(!ll
liöffler. I}ei(rn<j zum Pioliletiie der Bimliystocliroiie. 53
Reitruff xiuti Prohlenie der Brachystochrone.
Von Alexander Löffler.
Die Methoden der Variationsrechnung, die Maxinia und Minima
der Integralformeln zu finden , haben hauptsächlich darum so viel
Verbreitung gefunden, weil sie nicht nur die gesuchten Beziehungen
zwischen den absolut und relativ Veränderlichen angeben, sondern
auch verschiedene Mittel liefern , die Integrationsconslanten zu
bestimmen. Diese Bestimmung geschieht mit Hilfe der Grenzglei-
chungen. Auf den Umstand , dass ihre Aufstellung öfters der Natur
der Aufgabe widerspricht oder aus anderen Gründen unzulässig ist,
schien man bisher nicht zu achten.
Das Problem der Brachystoclirone, zwischen zwei ihrer Lage
nach bekannten Linien, liefert einen Be\\eis für die Bichtigkeit der
^so eben ausgesprochenen Behauptung. Es ist allen Analysten wohl-
bekannt, dass Lagrange das Problem der Brachystochrone zwi-
schen zwei Curven aufstellte und löste. Die ersten Resultate, zu denen
er im zweiten Bande der Miscellmiea Taurinensia gelangte, schienen
nicht den Beifall aller At)alysten gefunden zu haben. Unter den-
jenigen, welche seine Resultate einer Kritik unterzogen, ist Borda
hervorzuheben, da selbst Lagrange sich die Mühe nahm seine
Resultate mit denen Borda's in gewisser Beziehung in Übereinstim-
mung zu bringen. Miscellanea Taurinensia Bd. 4.
Von diesem Zeitpunkte an unterlagen die Grenzgleichungen
keinen AngrifTen mehr. In einer Abhandlung, welche sich in den
Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften für
18S9 abgedruckt befindet, habe ich versucht zu zeigen, dass die
Grenzgleichungen im allgemeinsten Falle die nothwendige Anzahl
von Bedingungsgleichungen nicht geben.
Der Grundsatz, auf den ich mich stütze, ist : „dass die Differen-
tialien und V^ariationen an den Grenzen ein und dasselbe sind".
J)4 I. ö f f I e r.
Die coiisequeiilo Durchfülirung die.ser Aiiscliitiiiiiigsweise gibt
iiiii' vier Greiizgleichungen, wenn anch die Differentialgleichung des
Minimums von der 2w'*" Ordnung ist. In dieser Abhandhing habe ich
auch gezeigt, dass die Resultate des Lagrange in Beziehung auf
die Hrachystochroiie zwischen zwei Linien nicht in allen Punkten
als befriedigend zu betrachten sind. Lagrange ging bei seinen
Untersuchungen im vierten Bande der MisceUanea Taurineiisia von
der Idee aus, dass das Bewegliche im Anfangspunkte der Bewegung
schon eine AnfangsgeschM'indigkeit besitze und leitete hieraus als
speciellen Fall denjenigen ab, in Melchem diese Anfangsgeschwin-
digkeit der Nulle gleich ist. Diese letztere Auffassung wurde von
den meisten Analysten welche sich mit diesem Gegenstande beschäf-
tigten, adoptirt.
Es wäre überflüssig alle die Werke zu citiren, welche eine
Lösung der Brachystochrone zwischen zwei Linien, falls das Mobile
keine Anfangsgeschwindigkeit besitzt, geben, da die meisten von
ihnen allen Analysten wohlbekannt sind. Ich beschränke mich daher
in diesem Aufsätze darauf, nachzuweisen, dass der Ausgangspunkt
der Bewegung der Brachystochrone nicht unbestimmt gelassen
werden darf. Die Ursache davon ist in der Zusammensetzung der
Grenzgleichungen zu suchen. Aus nachfolgendem wird man ersehen,
dass die Aufsuchung der Brachystochrone zwischen zwei ihrer Lage,
nach bekannten Linien nicht zulässig ist. Ich beginne mit der Unter-
suchung des einfachsten Falles, welcher eintritt, falls die Grenz-
linien durch zwei parallele und auf der Abscissenaxe senkrechte
Linien repräscntirt werden. Wir betrachten zu dein Ende das
bestimmte Integrale
6
U = jdxfixyy'),
a
welches die variirfe Gleichung
liefert. Nach Lagrange müssen zur Bestimmung der Integrations-
cüus tauten die zwei Gleichungen
Beitrug /.um Piohleine di-i' Rrarliy>,tut'lii'uiie. Jjjj
rdW ,d\
\dv ' a ydti'Jb
dij'
aufgestellt werden, falls die Grenzordinaten nicht gegeben sind. Ks
dV
kann nun — ; in Beziehung a\i( xyy' so zusammengesetzt sein, dass
d V '^-i
— inv :v = a sich nicht in eine bestimmte Function von a «, a.,
verwandelt, sondern den VVerth unendlich ;inniniint; sonu't untaug-
lich wird zur Bestimmung einer Constanten und zur Verification der
Gleichung ij^ = 0. Ein Beispiel liefert der Ausdruck
ü= d.vy^-\-
Jd.v [y^
Wird in diesem Falle der Grenzwerth des y für x = a unbe-
stimmt gelassen, so verwandelt sich, dem ersten Integrale der
Bedingungsgleichung zufolge der ausserhalb des Integrales belind-
liche Ausdruck in
dV 1
dy' a — X
und wird für x = a unendlich gross.
dV
Auch kann — in Beziehung auf x «i «, so zusammengesetzt
dy
sein, dass der Natur einer vorgelegten Aufgabe zufolge, dieser
Ausdruck für x^=a nicht der Nulle gleich gesetzt werden darf,
sondern unendlich gross angenommen werden muss.
Dieser Fall tritt uns bei der Brachystochrone entgegen. Für
diese Linie ist das Integrale
^ ,'dxV\T7^
/dx
1
Va — y
ZU einem Minimum zu machen. Die Bedingungsgleichung des Mini-
mums liefert
/■
V%ai = \ A — y Vi -f 2/'2
der zufolge sich — in — = . — ?/ verwandelt.
"" dy' dy' V^2o, «^
56 Löffle r.
Vorausgesetzt, dass die Gleichung der Cyeloide allgemein
y' =^ n (.r«i «a) liefert, so müssen die Constanten nach Lagrange's
Methode mittelst der zwei Gleichungen
TZ (rt rt, (lo) = 0 n {b iii «3) = 0
hestimmt werden.
Die zweite von ihnen ist zulässig, die erste aber nicht. Mau
muss vielmehr, weil das erste Element der Cyeloide mit der Verti-
calen zusammenfallen muss und nicht horizontal sein kann, die
Bestimmung der Constante «3 mittelst der Gleichung ;: («aj «3) = 00
vornehmen. Unter diesen Umständen verschwindet aber ^t^nicht. —
Es ist vielmehr oU = 00 für iü = a und die Grundbedingung des
Problemes wird nicht in ihrem vollen Umfange erfüllt. — Es bleibt
uns jetzt noch übrig in Kürze den Grund anzugeben, warum die bis
jetzt erhaltenen Resultate in Beziehung auf die Rrachystochrone
zwischen zwei gegebenen Curven y ^ f (o?) y = '^ G^") ungenau
ausfallen mussten. Bei diesem Problem ist bekanntlich in dem
Integrale
U
r dxVi^y"'
j VJ^
die Anfangsordinate A einer Variation zu unterwerfen. Auf diese
Art gelangt man der Autlösungsmethode aller Analysten folg:nd zu
den zwei Gleichungen
oa?i -f- y'oyi = 0 ox% -\- y'^yz = 0
in welchen y' als Function von x niittelsl der Gleichung der Brachy-
stochrone auszudrücken , und der Grösse :v dann der Werth a'o
beizulegen ist. Man kann annehmen, dass die Gleichung der Cyeloide
zur Relation y' ^= n (.rr/, fi.) führt. Die Grenzcurven geben, da man
die DilTerentialien mit den Variationen identificirt,
und man erhält auf diese Art ziw Bestimmung der Conslanten und
der Grenzwerthe des liilegriiles folgende vier Gleichungen :
1 -f 'j>' (.j-,) /T (a-o rt, «,) .^ 0 14- -y (.t%) n (,v.. ((, ((2) = 0
f (.r,) = F f.r, (u '/.) -^ (.^•2) = F (.r, a, a,)
unter y = F (a-', «j (i.) die Gleichung der Cyeloide verstanden.
Kciliiif,'- /.IHM l'rolilciiif (lei- Bnn'ii) stiiclinirif. J) 7
Diese vier Gleichiiiiii^en können nur bestellen für '^'(.r,) = ••p' (x.,).
Aus der Natur der Cycloide ergibt sieh dann, dass die Grenzeurven
so gelegen sein müssten gegen die Coordinatenaxen , dass auch
(p (o-'i) = ^ (cTa) sei. Versucht man aber in diesem Falle die Balin
des Projectiles zu verzeichnen, welche obigen Bedingungen genügt,
so sieht man alsogleich ein, dass diese Resultate der kürzesten
Bewegungsbahn nicht entsprechen.
In der Thal repräsentiren unsere Grenzgleichnngen folgende
Theoreme:
1. Theorem. I);is letzte Element hat eine senkrechte Richtung
/u der Tangente, welche im .Anfangspunkte der Bewegung an die
erste Grenzlinie constrnirt wird.
2. Tbeorem. Das letzte Element der Cycloide steht senkiecht
auf der im Anlangepunkte der Bewegung an die zweite Grenzlinie
construirten Tangente.
Um die Bahn des Beweglichen verzeicbnen zu können , ist es
vor allem anderen nothwendig zwei Punkte der Cj'cloide mit hori-
zontaler Basis
'V + «2 = «1 Are Cos \/^ 2ai (A — y) — (Ä — y)"^
anzugeben, deren Tangentenlinien zu einander parallel laufen, dann
zwei Punkte, deren jeder auf einer anderen Grenzlinie situirt ist, die
von der Abscissenaxe gleich weit entfernt sind, und deren Tangenten-
linien zu einander parallel laufen , gleichzeitig aber auf den zwei
Tangentenlinien der Cycloide senkrecht stehen.
Aus der Natur der Cycloide ergibt sich, dass die auf ihr gele-
genen zwei Punkte gleicb hoch sein müssen und jeder in einem
anderen Aste situirt ist.
Fig. 1 repräsentirt die von der Analysis gegebene Cycloide
MIN.
M, N sind die zwei Punkte der Cycloide, deren Tangenten
T, ti Di dl parallel sind. Tt D d hingegen sind die Tangentenlinien
der Grenzeurven in den Durchschnittspunkten dieser Linien mit der
Brachystochrone, welche auch parallel sein müssen. Bei dieser Dar-
stellung wurde angenommen, dass das erste Element der Bewegung
nicht mit dem Scheitel S der Cycloide, deren Taiijjenfenlinie vertical
ist, zusammenfällt. Dies eben entspricht der Anschauungsweise
Hör das, Lagrange's und Poisson's.
Borda's Abhandlung befindet sicii in den Pariser Memoiren für
das Jahr 1707 und hatte in Beziehung auf die Brachystochrone den
Zweck zu zeigen, dass die von Fjagrange im zweiten Bande der
MiHcelhuiCd Tdurinoisia gegebene Autlösung dieses Problemes in
Beziehung auf die Grenzgleichung des Anfangspunktes der Bewe-
gung nicht zulässig sei, weil selbe das Senkrechtstehen auf der
ersten Grenzcurve bedingt. Poisson aber bemerkt in den Pariser
Memoiren für 1833, dass es ßorda gelungen sei, die hier sich
entgegenstellende Schwierigkeit zu überwinden. Borda übersah
aber, dass seine Auflösung, welche durch die Fig. 1 repräsentirt
wird , im Allgemeinen bei beliebiger Lage der Grenzlinien gegen die
Coordinatenaxen auch nicht zulässig ist, weil in diesem Falle der
materielle Punkt (//) sich auf eine grössere Höhe (a) erheben müsste,
als die ist (if), von welcher er gefallen, was gegen die Grundsätze
der Mechanik verstösst.
Übrigens ist auf den Umstand wohl zu achten, dass zur Bestim-
mung der fünf Unbekannten a, «2 Xx x% A die gegebenen vier Grenz-
gleichungen nicht hinreichen, denn wenn es uns auch gelingen
würde, die Grössen «, a^x^ .r.j mittelst der bestimmten Parameter,
welche in den Gleichungen der Grenzlinien vorkommen, auszudrücken,
so würde in einer, oder in einigen, Grenzgleichungen noch die unbe-
kannte Grösse A vorkommen.
Die Gleichung an der unteren Grenze 1 -j- ^J^' (a"i ) ;r (.t'a «, «3) = 0
ist hauptsächlich darum als unbrauchbar anzusehen, weil sie nicht
anzeigt, dass das erste Element der Bewegung der Cycloide mit
liorizontaler Basis vertical ist. Wollte man aber dies als selbstver-
ständlich voraussetzen, und diese Thatsache in Verbindung bringen
mit den vier früher erörterten Grenzgleichungen, so käme man zu
dem Schlüsse , dass das letzte Element der Brachystochrone auch
vertical ist.
Bei beliebiger Lage der Grenzlinien ist es nicht möglich diese
fünf Bedingungen mit den Principien der Mechanik in Übereinstim-
mung zu bringen, nur wenn die Grenzlinien zwei tiefste Punkte
besitzen, die in einer llorizdutaleii gelegen sind, kann öfters die
Lösung in allen l'unkten als befriedigend angesehen werden.
l.offliT. linlr;.!!' /.um PniMi-iiip .Irr lirnclivsiip.hi
Nil-/,iili6'sli.ci.k,.\kn(l.[l V in.ilii uatinii' l'l Xl.lli(i.S" 13 IK60.
rSeiti'iij; /.Ulli Priplilciiic ilcr BimcIi.v^Icx'Iuimip. 51)
Hieraus lässt si(;li mit Bestitiiintheit der Schliiss ziehen , dass
iler Ausgangspunkt der Bewegung im Allgemeinen nicht unbestimmt
gelassen werden darf.
Ist aber Xt gegeben, dann ist es auch A wegen der ersten
Grenzgleichung y = f (x). Die Vai-iation von A so wie die von ,r,
ist der Nulle gleich; zur Bestimmung des Halbmessers ai, des Erzeu-
gungskreises der Cycloide und der Abscisse x-, dienen die zwei
Gleichungen
1 + -f (.f.) n (.r, rt, a.,} = 0
während «3 aus der Gleichung A =^ F (.V\ Uf (i^) ermitteil wird.
Dieses Resultat kann als strenge richtig augeseiieii werden, da es
sieli auch mit Hilfe der Synchrone Bernniiilli's beweisen lässt.
60 T " i- '' ^
Analyse des Datolithes von Toggiana.
Von Dr. fiustav Tsrhormak.
Die krystallographischen Verhältnisse des Datolithes von Andreas-
berg und von Toggiana in Modena sind bekanntlich durch Dan bei-
mit Sicherheit festgestellt worden *). Derselbe fand aus sorgfältigen
Messungen, die an einer grossen Anzahl von Krystallen von beiden
Fundorten ausgeführt wurden, die kryslaliographischen Constanteii für
die Mineralien beider Fundorte gleich, indem die Unterschiede nocli
inuerhalbdermöglichen F'eliler fallen. Da tum das Mineral von Andreas-
berg bereits mehrfach untersucht worden ist, über das von Toggiaua
aber noch keine Analyse vorliegt, so war es nicht ganz ohne Inter-
esse sich von der gleichen Zusammensetzung des letztern mit der
des erstem zu überzeugen. Zu diesem Zwecke übergab mir der
Director des k. k. Mof-Mineralien-Cabinets Herr Dr. M. Hörnes eine
ausgewählte Partie von Krystallen, die icli in dem Laboratorium des
Herrn Professors Dr. Red ten b acher untersuchte.
Das zur Analyse verwendete Material bestand aus hellen Kry-
stallstücken. Die qualitative Untersuchung zeigt ausser den bekannten
Zerlegungsproducten des Datolithes keine Spur anderer Substanzen
an. Zum Zwecke der quantitativen IJeslinmiungen ward eine Menge
des gepulverten Minerales mit Salzsäure aufgeschlossen, darauf das
Ganze ein wenig eingedampft, zur vollständigen Abscheidung der
Kieselsäure mit Ammoniak versetzt. Das gänzliclie Eindampfen niuss
vermieden werden, da sich sonst in diesem Falle die Kieselsäure als
eine comjiacte Masse absetzt und dann niclit vollständig ausgewa-
schen werde kann.
Die Kalkerde wurde wie gewöhnlich als kohlensaures Salz gewo-
gen. Eine Bestimmung der Horsäuremenge wurde nicht ausgeführt.
Die Wassermenge ward aus der nach heftigem Glühen einer Partie des
grobgepulverten Minerals gefundeneu Gewichtsdifferenz berechnet.
•) rujjyeiiiluiirs Ann. Hd. CIU. S. ll(i II.
Analyse des Datolitlies von Togfjiaiia. (} |
Die Beobachtung lieferte folgende Zahlen:
1. Menge der angewendeten Sub-
stanz 802 Milligr.
Das Gewicht der erhaltenen Kie-
selerde gefunden zu .... 306 Milligr. oder 38-16 pCt.
Der erhaltene kohlensaure Kalk
wog 500 „
dem entsprechen 280 Milligr.
Kalkerde oder 34-91 „
2. Zur Ermittelung des Glühver-
lustes wurden genommen . . . 25 03 „
Die Gewichtsdifferenz betrug . 143 „ ^ 5-71 „
Es wurde ferner das specifische Gewicht an zwei verschiedenen
Partien bestimmt. Im Folgenden bezeichnet P die Capacilät des
Pyknometers in Grammen, p das Gewicht der Substanz, p' die
Menge des verdrängten Wassers in Grammen , t die ßeobachtungs-
temperatur.
I. Wasserhelle Stücke :
P = 20-895, /> = 3-535, /=1173, ^ = 18oC
hieraus: 4 = 3014
P
für das specifische Gewicht bezogen auf Wasser von 0» C. hin-
gegen hat man
_|-_^ = 3-009 = s.
II. TrübeStücke von ungefähr derselben Grösse wie die früheren:
P= 20-897, /> =2-440, // = 0-817, ^ = 19«C.,
somit: 4 = 2-987
P
und das specifische Gewicht bezogen auf das des Wassers bei 0" C.
1-0016/ = 2982= s.
Das specifische Gewicht dieses Datolithes kann somit = 300
gesetzt werden.
Die .Analysen des Datolithes führen bekanntlich auf die Formel ')
ßCaHSiOä.
1) Wo H = l, B=ll, Ca=40, Si=28-5, 0=16.
02 Tschermak. Analyse des Dalolitlies von Toggiana.
Die Untersuchungen am Datolitli von den zwei genannton Fund
orten hiihen nun folgende Zithlen geliefert:
Ds
tolith von Andreashe
■s
D
von Toggiana
Stronii'yiT
Du Menil
KamineUkerg
Tschermak
Kieselsäure . .
. 37-3 Froc.
38-Ö Pioc.
38-5 Fioe.
38 2 Proc.
Kalkerde . .
. 33 -7 „
35-6 „
30 6 „
34-9 „
AVasscr . . .
. 5-7 „
4-6 „
H-ß „
5-7 „
Die Rechnung hitigegen fordert:
Kieselsäure 37 "7 Procent,
Kalkerde 34-9
Wasser 5*6 „
Über die Interpretation der obigen Formel ist bekanntlich seinei-
/eit manclies verbandelt worden, worauf beut zai Tage einzugeben nicht
njebr nöthig erscheint. Doch darauf mag hingewiesen werden, dass
der Datolith in seiner Zusammensetzung ganz den Typus der Zeolithe
zeigt, sobald man berücksichliget, dass, wie die Erfahrung gezeigt bat,
die Gruppe AI O3 ») mit der Gruppe Ba O3 in manchen Silicaten
vicariire.
Demnacb ist die Zusammensetzung des Datolitbes äiudich der
Zusannnensetzung der Glieder der Reihe des Thomsonites. Fs ist
nändieb:
BaCaoHaOeCSiOs)^ Datolith,
AI Ca H406(Si03), Thomsonit, etc.
wofern die Formeln zur besseren Vergleichung so gescbrieben werden.
Ebenso ist die Zusammensetzung des Danburites ähnlich der
des Anortbites, wie sich aus Folgendem ergibt:
BoCaOiCSiO,), Danburit,
AlCa04(SiO,), Anortbit.
Ramm eisberg's Untersuchungen am Turmalin und Axinit
haben übrigens für das Gesagte liinlänglich viele Belege geliefert.
*) Wo Al=55, znfolge der Itampfdichten-Bestimainngen von D e v i I I e und T r oo s t.
SITZUNGSBEKICHTE
l>K(( KArSK.KI.lCHKN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
«ATllEl\TISfH-\ATl]RWLSSEi^SCHAFTLICHE CLASSE
XLI. BAND.
Sf« 14.
Sitzung vom 18. Mai 1860.
(Hit 5 Coffin.)
WIEN.
AUS DER KAIS. KÖN. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI KABL GEKOLDS SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAISERl,. AKADEMIk
DER WISSENSCHAFTEN.
1860.
I N II A L T.
Seite
Sitzung vom 18. Mai 1860: Übersicht 63
Tschermak, Einige Sätze der theoretischen Chemie 67
Hauer, Franz Ritter von, Nachträge zur Kenntniss der Cepha-
lopoden-Fauna der Hallstätter Schichten. (Mit 5 Tafeln.) 113
Fitzinger, Über die Racen des zahmen Schafes. (IV. Abtheilung.) 151
SITZUNGSBERICHTE
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XU. ßA!VD.
SITZUNG YOM 18. MAI 1860.
m 14.
63
XIV. SITZUNG VOM 18. MAI 1860.
Der Secretär legt den von dem correspondirenden Mitgiiede,
Director der Sternwarte in Kremsmünster, Herrn Capitular R e s I h u b e r
übersendeten und für die k. k. Central-Anstait für Meteorologie und
Erdmagnetismus bestimmten Bericht vor über die im Jahre 1859 auf
der Sternwarte zu Kremsmünster angestellten meteorologischen und
magnetischen Beobachtungen.
Herr Dr. A. Winckler, Professor am Joanneum in Graz,
übersendet eine Abhandlung: „Einige allgemeine Sätze zur Theorie
der Reihen".
Herr Dr. Gustav Tschermak, übergibt eine Abhandlung:
„Einige Sätze der theoretischen Chemie".
Herr Director von Littrow theilt ein zweites an ihn gerichtetes
Schreiben des Directors der Sternwarte in Madrid, Herrn Aguilar,
vom 9. Mai 1. J. mit, bezüglich weiterer Begünstigungen, welche die
spanische Regierung den Astronomen einräumt, die zur Beobachtung
der totalen Sonnenfinsterniss am 18, Juli d. J. die Halbinsel besuchen.
(5. Heft. 8.)
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie imperiale des sciences de St. Petersbourg. Memoires,
VIP Serie, Tome I. Nr. 1 — 15. St. Petersbourg. 1859; 4"- —
Bulletin, Tome I. Feuilles 1—9. St. Petersbourg, 1859; 4»-
Accademia, Reale, delle scienze di Torino. Meraorie. Serie seconda.
Tom. XVIII. Torino, 1859; 4o-
Amsterdam. Verhandelingen der Koninklijke Akademie van \\\'ten-
schappen. Zevende Deel. Met Platen. Amsterdam, 1859; 4"-
— Afdeeling Letterkunde, Eerste Deel. Met Platen, Amsterdam,
1858; 4»-
64
Amsterdam. Verslageii eii Mededeelingen der Koninklijke Aka-
demie van Wetenschappeii. Afdeeling Natuurkunde. Aehtste
Deel. 1858. Negende Deel. Eerste, tweede, derde Stuk, 1859.
— Afdeeling Letterkuiide. Vierde Deel. Eerste Stuk, 18S8.
Vierde Deel. Dweede & derde Stuk, 1859. Amsterdam, 1858
& 1859; 8«-
— Jaarboek vaii de Koninklijke Akademie van Wetenschappen.
Gevestigd te Amsterdam. Voor, 1858; 8"-
Archiv für die holländischen Beiträge zur Natur- und Heilkunde.
Herausgegeben von F. G. Donders (Utrecht) und W. Berlin
(Amsterdam). Band II. Heft I. Utrecht, 1858; So-
Astronomische Nachrichten. Nr. 1256. Altona, 1860; 4o-
Austria, Wochenschrift für Volkswirthschaft und Statistik, redig. von
Dr. Gustav Höfken. XII. Jahrgang. XX. Heft. Wien. 1860; So-
li er n, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften. Bern, Lau-
sanne und Neuchatel, 1858, 1859 und 1860; 4o- und 8«-
B i er ens de Haan, D. Geschiedkundige Aanteekening over zooge-
naamd onbestaanbare Worteis. (Overgedrukt uit Verslagen en
Mededeelingen der Koninklijke Akademie van Wetenschappen,
Afdeeling Natuurkunde. Deel VIII, bladzijde 248.) 8o-
Bonn, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften für 1859.
Bonn, 1858 und 1859; 4o- und 8o-
Ermerins, Franciscus Zacharias. IHHOKFATOYS xai «AXwv
{'aTiowv nulciioiv Ascipava. — Hippocratis et aliorum medicorum
veterum reliqm'ae. Vulumen primum. Trajecti ad Rhenum,
1859; 40-
Gazette medicale d' Orient. IV'"'' annee. — Mai. — Nr. 2. Constan-
tinople, 1860; 4o-
Gesellschaft, Physikalisch -medizinische in Würzburg. Ver-
handlungen. Band X. Heft II und III. Mit 3 Tafeln. Würzburg,
1860; 80-
Jahrbuch, Neues, für Pharmacie und verwandte Fächer. Heraus-
gegeben von G. F. Walz und F. L. Win ekler. Band XIII.
Heft IV. Heidelberg, 1860; So-
Land- und forstwirthschaftliche Zeitung, Allgemeine. Redig. von
Prof. Dr. J. Arenstein. X. Jahrgang. Nr. 14. Wien, 1860; So-
Löwen, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften aus den
Jahren 1857, 1858 und 1859; 8»-
65
Louvaiti, Annuaire de T Universite catholique de — XXI'"* annee,
18S7, XXII™^annee, 1858, XXIIh« annee, 18{>9, Louvain; 12"-
Meteorologische Waarnemiiigen in Nederland en zijne Bezit-
tingen en Afwijkingen van Temperatuur en Barometerst.md ap
vele plaatsen in Europa. Uitgegeven door liet Koniiiklijk Neder-
landsch Meteorologisch Instituut. 1858. Utrecht, 1859; 4"-
Reich sanstiil t, k. k. geologische. Aus dem Jahrhuche. Sitzung
am 24. ApriM860. Wien, 1860; So-
fies ihn her, P. Augustin, Resultate aus der im Jahre 18ö9 auf
der Sternwarte zu Kremsmünster angestellten meteorologischen
Beobachtungen. Linz, 1860; S»-
Societe litteraire de 1' Universite catholique de Louvain. Choix de
Memoires. VII. Bruxelles et Louvain, 18o7; 8o-
— Philomathique de Paris. Extraits des proces-verbaux des seances
pendant l'annee 1859. Paris, 1859; So-
Verein, naturhistorischer, der preussischen Rheinlande und West-
phalens. Verhandlungen. Herausgegeben von Prof. Dr. C. 0.
Weber. XVL Jahrgang. I. und II. Heft. Bonn, 1859; So-
Wiener medizinische Wochenschrift, redig. von Dr. L. Witteis-
höfer. X. Jahrgang. Nr. 19. Wien, 1860; 4o-
Würzburger medizinische Zeitschrift. Herausgegeben von der
physikalisch -medizinischen Gesellschaft; redig. von H. Bam-
berger, J. Fo erster, v. Scanzoni. Band 1. Heft I. Mit
1 Tafel. Würzburg, 1860; So-
— Naturwissenschaftliche Zeitschrift. Herausgegeben von der
physikalisch -medizinischen Gesellschaft, redig. von H. Mül 1 er,
A. Schenk, R. Wagner. Band I. Heft l Mit 4 lithogr.
Tafeln. Würzburg, 1860; So-
67
ABHANDLUNGEN UNI) MITTIlEILlINCiRN.
Einige Sätze der th e oreiiHchen Chemie.
Von Dr. Cr. Tschermak.
Die folgenden Zeilen entlialten einen Versuch, von der Theorie
der gleichen Constitution der Gase ausgehend, die wichtigsten jener
Sätze zu entwickein, zu denen die theoretische Chemie bisher gelangt
ist. Da über den Ausdruck und die Bedeutung der letzteren bisher noch
kein allgemeines Einverständniss herrscht, so erscheint es nothwen-
dig eine gleichförmige Behandlung des Bekannten und des Neuen zu
befolgen.
Jene Richtung der heutigen Chemie, welche auf den Charakter
einer erklärenden Naturwissenschaft Anspruch macht, betrachtet als
ihr Kndziel nicht die blosse Kenntniss der Zusammensetzung der Kör-
per, sondern sie erkennt ihre Aufgabe darin, nach den Ursachen und
der Entwickelungsweise der chemisciien Erscheinungen zu forschen.
Sie fasst die letzteren als Bewegungsphänomene auf und sieht sonach
die Lösung eines mechanischen Problems als Ziel ihrer Bestrebun-
gen vor sich. Eine andere Richtung der Chemie will vorerst blos
die Erkenntniss der Analogien und Beziehungen zwischen der Zusam-
mensetzung der verschiedenen Körper als Resultat der Forschung
gewinnen: sie bewegt sich auf dem Boden der Naturbeschreibung.
Sobald sie nun von hier aus an eine Erklärung der Thatsachen zu
gehen versucht, verlässt sie sogleich das Gebiet des Positiven, da sie
ei'stens einer Gruiidvorstellung, eines Principes entbehrt, und da sie
zweitens ohne die Kenntniss der einfachsten Vorgange complicirle
(38 T s c h e r m i» k.
Erscheinungen zu erklären sucht. Bestrebungen in der letztangeführ-
ten Richtung h.iben besonders dazu beigetragen, viele Missverständ-
nisse und jene Verwirrung hervorzurufen, deren baldiges Ende jeder
wünschen muss.
Wer die chemischen Erscheinungen als Bewegungserscheinun-
gen auffasst, wird den ersten Schritt der Forschung darin erkennen,
dass man sich über die räumliche Constitution der Materie, des Trä-
gers der Bewegung eine allgemeine , den Thatsachen vollkommen
entsprechende Vorstellung bilde, ferner darin, dass man die ein-
fachsten Fälle des Gleichgewichtes und der Bewegung im chemischen
Sinne möglichst genau und vollständig studire.
Den physikalischen und chemischen Erscheinungen entspricht
nun in vorzüglicher Weise folgende Grundvorstellung: Wir denken
uns die Körper zunächst aus kleinen Theilchen, Massentheilchen,
Molecülen bestehend, so dass die Molecüle eines chemisch homogenen
Körpers alle einander gleich, die Molecüle zweier verschiedener Kör-
per von einander verschieden sind. Ob den verschiedenen Aggregat-
zuständen desselben Körpers i) eine verschiedene Grösse des Molecüls
entspreche, kann vorderhand dahingestellt bleiben: so viel ist indess
klar, dass den Molecularmassen in den verschiedenen Zuständen die-
selbe Einheit zu Grunde liegen müsse.
Da die Massen der Molecüle desselben Körpers einander gleich
sind , so bedarf es blos einer Annahme bezüglich deren Distanz, um
die relativen Massen der verschiedenen Molecüle bestimmen zu können.
Relative Hassen der Molecüle.
Das Studium der Erscheinungen an gasförmigen Körpern hat
zuerst einen Anhaltspunkt geliefert, die ebenerwähnte Frage zu erle-
digen. Die schon von A mpere aufgestellte Annahme der gleichen
Molecularconstitution gasförmiger Körper, welche die Grundlage der
Ge rhar dt'schen Betrachtungsweise der chemischen Verbindungen
bildet, hat sich bisher vollkommen bewährt; sie wird durch alle For-
schungen der Chemiker fort und fort bestätigt 2). In einfacher Form
lautet dieselbe:
*) Unter „Körper" siiiii hier nur clieiniscli homogene Körper, also chemische Uidivi-
duen zu verstehen.
2^ C u n n i z £ u ro im .Nuovo (.'iiiu'uto, Bd. SU. lt>58. Alaihelt.
Einige Sätze der theoretischen Themie. ß9
„Gleiche Volumina gasförmiger K örper eiithiilten eine
gleiche Anzahl Molecüle."
Natürlicherweise werden in diesem Falle gleiche Umstände:
gleiche Temperatur und derselbe Druck vorausgesetzt.
Der angeführte Satz ist zur Zeit der erste Hauptsatz der theo-
retischen Chemie. Man kann nur allein von diesem ausgehen, da bis
jetzt kein anderes Gesetz bekannt ist, das irgend \^ie zur Kenntniss
der Molecularmasse leitet.
In dem Folgenden ist nunmehr unter Molecül immer das Mo-
lecül im gasförmigen Zustande gemeint.
Es ist demnach ein Mittel gewonnen, die relativen Molecular-
massen jener Körper, die sich im gasförmigen Zustande befinden
oder in Gase verwandeln lassen, zu bestimmen. Da indess die Dämpfe
auch annähernd denselben Gesetzen gehorchen, so können die Beob-
achtungen an dampfförmigen Körpern, wofern sie nur nicht bei rela-
tiv zu niederer Temperatur angestellt werden, ganz brauchbare Wer-
the liefern, denn zur genaueren Feststellung der Zahlen besitzt man
noch andere Mittel.
Es ist nun dem Gesagten zufolge klar, dass die Gewichte glei-
cher Volumina der Gase in demselben Verhältnisse stehen, wie deren
Moleculargewichte, so dass also die Dichte der Gase und deren rela-
tives Moleculargewicht identisch sind, wofern dieselbe Einheit zu
Grunde gelegt wird.
Es wiegt z. B,
Verliältniss
1 Kubikmeter Wasserstoffgas 89.578 Gramme . . 1-00
i „ Sauerstoffgas 1429.802 „ ... 13-96
1 „ Kohlensäuregas 1977.414 „ ... 22-07
1 „ Salzsäuregas 1613.120 „ ... 18-01
Diese Zahlen sagen daher, dass ein Molecül Sauerstoff unge-
fähr 16 mal, ein Mol. Kohlensäure 22 mal, ein Mol. Salzsäure iSmal
schwerer sei als ein Molecül Wasserstolf. Da das Wasserstoffgas
die geringste Dichte und somit das kleinste Moleculargewicht unter
allen bekannten Körpern besitzt, so ist es zweckmässig, alle übrigen
Körper damit zu vergleichen.
Nachdem nun durch den obigen Satz die Möglichkeit gegeben
wurde, die relativen Gewichte, also die relativen Massen der Molecüle
7 0 T s c li p r m » k.
ZU ermitteln, so kann man an die Lösung der Frage über die Consti-
tution des Molecüls sehreiten.
Ciiemisclios Atom.
Aus dem l)isher Angefiilirten ist klar, dass wenn ein Körper eine
blos vorübergehende Veränderung erfahrt, nach welcher er wieder
in den früheren Zustand zurückkehrt, auch dessen Molecül unver-
ändert geblieben ist. Wenn hingegen ein Körper eine substantielle
Veränderung erfahren hat, so dass er trotz der Wiederherstellung
der früheren äusseren Umstände eine von der ursprünglichen ver-
schiedene Substanz darstellt, so müssen wir schliessen; dass auch
das Molecül eine V^eränderung erfahren habe. Für die Art der Ver-
änderung kann man nun a priori viele mögliche Fälle aufstellen, um
jedoch schnell zur Beantwortung der Frage über die Constitution der
Molecüle zu gelangen, ist es zweckmässig sogleich einige Thatsachen
zu betrachten. Wenn eine Verbindung eine substantielle Änderung
erfährt, ohne dass von aussen etwas hinzutritt, so findet man in den
meisten Fällen nach jener Veränderung, dass sich aus derselben meh-
rere Körper gebildet haben , deren jeder ein grösseres oder kleineres
Moleculargewicht besitzen kann, als die ursprüngliche Substanz. Dar-
aus ist ersichtlich, dass das ursprüngliche Molecül in mehrere Tlieile
zerfallen sei, deren jedes für sich oder mit mehreren gleichartigen
ein neues Molecül gebildet hat. Das ursprüngliche Molecül hat sich
demnach als ein aus kleineren Massentheilchen zusammengesetz-
ter Körper erwiesen. Hieraus ergibt sich nun sogleich wieder die
nächste Aufgabe, nämlich: Die letzten Einheiten bezüglich der zu-
sammensetzenden Massentheilchen zu bestimmen. Man muss die durch
Theilung des ursprünglichen Molecüls entstandenen Körper sämmt-
lich wieder in der vorigen Weise verändern, eine fernere Theilung
der Molecüle derselben herbeiführen und so fort bis man an eine
Grenze gehuigt und zuletzt Körper erhält, deren Moleculargewicht
nicht mehr verringert werden kann. DieAnalyse istnunzu jener Grenze
gelangt und hat eine Reihe solcher Körper erhalten, welche von ein-
ander verschieden sind. Wenn man demnach in der Betrachtung
bis zu eben dieser Grenze geht, so muss das genannte Molecül als
ein System von Körpern, die unter einander verschieden
sind, angesehen werden. Bezeichnet man also die Masse eines sol-
chen Körpers mit A, die eines andern mit B u. s. w. und bedenkt,
Einige Sü(/.p der theoretischen Cliemie. 7 f
dass obiges Molecül aus A-Körpern der ersten Art, aus Ä'-Körpern der
zweiten Art II. s. \v. bestehen könne, so ist ofTenbar, wenn 1/ die Masse
des zusammengesetzten Molecüls bedeutet,
M=hA -\- kB-j-lC-\- . . . . ,
wo h,k, l, ganze Zahlen darstellen. Wenn nun durch fortgesetzte Zer-
legung hieraus sämmtlich ehemisch einfache Körper entstanden sind,
so kann das Molecül des einen einfachen Körpers wieder ein System
von r gleichen Theilen sein, so dass wenn jh, die Masse eines solchen
Molecüls bezeichnet, w?i = r A und in derselben Weise m. =^ s B.
wjj = tC U.S.W, ist, wo wiederum 7; s,t, . . . ganze Zahlen sind.
Es ist von selbst klar, dass man genau zu demselben Resultat
bezüglich der Natur des Molecüls gelangt, wenn man (\en Weg der
Synthese in's Auge fasst.
Aus dem Gesagten folgt nun, dass die bei chemischen Reactio-
nen aus dem Molecüle austretende, einem chemisch einfachen Kör-
per entsprechende Menge, so wie die Masse des Molecüls desselben
einfachen Körpers , ganzzahlige Multipla derselben Einheit sein
müssen, was die Erfahrung durchwegs bestätigt.
Diese Einheit nennt man Masse des chemischen Atoms, die ent-
sprechenden Körper selbst chemische Atome.
Das Angeführte wird nun kurz durch den Satz ausgedrückt:
„Das Älolecül ist ein System von Körpern, die bei den
c h e m i s c h e n V^ e r ä n d e r u n g e n der Masse n a c h u n v e r ä n d e r t
bleiben. DieseKörper selbst heissen chemischeAtome."
Natürlicher Weise kann auch der Fall eintreten, dass das Mole-
cül blos aus einem chemischen Atom gebildet wird, so dass das
Molecül und das chemische Atom gleiche Masse besitzen.
Der angeführte Satz ist als der zweite Hauptsatz der theoreti-
schen Chemie zu betrachten: er umfasst das Gesetz der einfachen
Verhältnisse, das der multiplen Proportionen, und schliesst den
Begriff des Äquivalentes aus.
Relative Massen der chemischen Atome.
Es ist nun möglich, von den bekannten Moleculargcwichten aus-
gehend, die relativen Massen der chemischen Atome aus den Daten
der chemischen Analyse zu berechnen, und sie auf dieselbe Einheit
wie die Molecularmassen zu beziehen. Die Beobachtung lehrt näm-
lich, in welche Mengen chemisch einfacher Körper eine bestimmte
I
72 T ^ r li p r ni a k.
Menge ein«M' Verbindung zerlegt werden koiiiie. Aus dem Verhält-
nisse der ersteren zu einander und aus deren Summe, welche uns
das Moleculargewicht angiht, erhält man die Masse der im ursprüng-
lichen Molecül enthaltenen gleichartigen Mengen. Vergleicht man
hierauf die auf diese Art bei mehreren Verbindungen erhaltenen
Zahlen, so gelangt man zurKennfniss jener Grundzahl, deren Multipla
die verschiedenen in den Molecülen enthaltenen gleichartigen Massen
sind. Man erhält den Werth der Masse des chemischen Atoms, ausge-
drückt in denselben Einheiten wie die Molecularmasse, z. B.
aus Wasser dessen m= 9, erhält man 8 Gewichfstheile Saiierstoffgas
gegen 1 Gewichtstheil Wasserstoftgas
„ Salzsäure deren ?«=18'2!),erliältnian 17-75 Gewiclitstlieile Chlorgas
gegen 03 „ Wassersfoffgas
„ Stickoxydnl dessen //i=22, erliält man t4 „ Slicksfoffgas
gegen 8 „ SauersfoflFgas
„ Stickoxyd dessen ?h=1ö, erliält man 7 „ Slickstoffgas
gegen 8 „ Sauerstoflfgas
Hieraus folgt, dass, wofern die Masse des Wasserstoff-Molecüls
= 1 gesetzt wird, die Masse des WasserstolTatoms 0-S, die desSauer-
stoffatoms = 8, die des Chloratoms = 17-75, die des Stickstoff-
atoms = 7 sei. Man merkt übrigens, dass man in den meisten Fällen
das AtomgeM'icht in der Art wird bestimmen können, dass man die
geringste Menge der einfachen Körper aufsucht, welche aus irgend
einer Verbindung erhalten werden kann. Dieselbe Einheit wie früher
vorausgesetzt, würde man dann z. B. finden, dass die geringste Menge
Brom, die irgend in eine Verbindung eintritt, oder aus derselben aus-
tritt, = 40, die geringste Menge Phosphor in demselben Sinne =1S*K
sei, u. s.w. und würde so die Massen der chemischen Atome ermitteln.
Um nun nicht bei jeder solchen Grundzahl angeben zu müssen,
welchem chemisch einfachen Körper sie entspreche, bedient man
sich einf[\cher Zeichen, welche nicht nur die Masse der Atome aus-
drücken, sondern auch den einfachen Körper andeuten, dessen Mole-
cül blos aus den betrelTenden chemischen Atomen zusammengesetzt
ist. So versteht man z. B. unter dem Zeichen Cl die Masse des-
jenigen chemischen Atomes, welches das Molecül des Chlorgases
ausschliessend zusammensetzt etc.
Hier erscheint es nun wichtig, nochmals zu bemerken, dass
wir uns die Körper nicht als blosse Aggregate von Molecülen, die
Eiiiig-e Siitze der theorethchen Chemie. 73
Molecüle nicht als Aggregate von chemischen Atomen vorstellen,
sondern dass wir beide als mechanische Systeme von Körpern
betrachten, welche durch ihnen eigenthiimiiche von der gegenseitigen
Distanz abhängige Kräfte in jenem Gleichgewichte erhalten werden,
welches die substantielle Natur des betreffenden Körpers bedingt.
Es können daher zwei oder mehrere verschiedene Körper gleiche
Molecularmasse und gleiche chemische Zusammensetzung besitzen,
wie dies bei den im strengsten Sinne isomeren Körpern der Fall ist;
dann ist es blos die verschiedene Gleichgewichtsluge im Innern des
Molecüls, welche als die Ursache der verschiedenen Natur dieser
Körper erscheint.
Wenn man demnach von der Zusammensetzung einer Verbin-
dung aus einfachen Körpern spricht, ist dies durchaus nicht so zu
verstehen , als ob die chemischen Atome im Molecül dieselben
„Eigenschaften" besässen , wie der ihnen entsprechende einfache
Körper, denn die Eigenschaften der Körper sind nicht blos von der
Masse der Molecüle und der Masse der chemischen Atome, sondern
auch von der Art des Gleichgewichtszustandes, den relativen Distan-
zen der letztern abhängig , und es ist leicht einzusehen , dass
dieselben Massen, einmal als Glieder eines grössern Systems, ein
anderes Mal für sich allein, eine verschiedene gegenseitige Lage
einnehmen müssen. Wenn man daher z. ß. sagt, dass der Schwefel-
kohlenstoff aus Kohlenstoff und Schwefel bestehe , so ist dies
eigentlich unrichtig; man kann blos soviel behaupten, dass man
durch Zerlegung der genannten Verbindung die Körper Schwefel
und Kohle erhalte, und umgekehrt verhält es sich mit der Synthese
der Verbindung. Wenn man ferner sagt, aus einer Verbindung trete
Chlor aus, so will man damit blos andeuten , es werde eine Menge
ausgeschieden, die nach dem genannten Processe Chlormolecüle, also
Chlorgas bildet. Im Allgemeinen ist ferner klar , dass von einer
Eigenschaft der chemischen Atome in dem Sinne wie von Eigen-
schaften der Körper gar nie die Rede sein kann , da die von uns
wahrgenommenen Eigenschaften der Körper stets nur die Resul-
tirende der Eigenschaften einer Unzahl von Molecülen sind , das
Molecül aber ebenso wie das chemische Atoi . unserer Wahrnehmung
stets entzogen bleiben. Dagegen werden wir in indirecter Weise
über die relativen Massen und die Gleichgewichtszustände dieser
Körper Bestimmungen machen können.
74 T s o h e r m a k.
Bevor jedoch hierüber etwas Genaueres besprochen werden
kann, wird es nothig sein, eine passende Gewichtseinheit festzu-
stellen, mit der die übrigen zu betrachtenden Gewichte zu ver-
gleichen sind.
Wahl der Einheit für das Molecular- und Atomgewicht.
Es wurde früher erwähnt , dass das Moleeül des WasserstofF-
gases als das an Masse kleinste als Einheit für das Moleculargewicht
angenommen werden könne. Dagegen zeigte sich später, dass dann
das chemische Atom des Wasserstoft's das Gewicht '/g besitze. Da
nun wieder das Atomgewicht des Wasserstoffs das geringste unter
allen erscheint, so ist es am vortlieilhaftesten, dieses letztere als Ge-
wichtseinheit für alle Atome und Moleculargewichte anzunehmen.
Wenn demnach H=i gesetzt wird, so ist das Moleeül Wasser-
stoff H. = 2 und man sagt das WasserstoflTmolecül bestehe aus
zwei Wasserstoffatomen u. s. w. Bisher sind nur die folgenden Mole-
culargewichte chemischer einfacher Körper, für die auch das Atom-
gewicht bekannt ist, experimentell bestimmt worden :
Mülecül des Wasserstoffgases . . . .Hg
„ „ Sauerstoftgiises . . . . Og
„ „ Scliwefelgases ^) , . . . S3
„ „ Clilorgases CI3
„ „ Broingases ßiv
„ „ Jodgases J.>
„ „ Stickstoffgases No
„ „ Pliüsphorgases . . . . P4
„ „ Arscngasos AS4
„ „ Quecksilltergases ... Hg
Um nun aus den experimentellen Daten über das specifische
Gewicht der Gase auf dem kürzesten Wege die relativen Molecular-
gewichte, bezogen auf die eben gewählte Einheit , berechnen zu
können, bedarf es eines CoeiYicienten, mitdemdas specifische Gewicht
multiplicirt, sogleich die relative Molecularnuisse ergibt. Aus dem
Früheren und aus den Daten der chemischen Analyse ist bekannt,
dass das Moleculargewicht des Wasserstoffes == 2, des Sauerstoffes
= 32, des Stickstoffes = 28 anzunehmen sei. Nun wiegt 1 Litre
Wasserstoffgas 0089578 Gramme ; heisst nun jener Coefficient A;
1) Als Gas bei 1040« C.
Einige Sätze der theoretischen Cliemie. 75
SO muss 0-089Ö78 Ä = 2 sein, daraus erhält man h = 22-33. Man
liat ferner das Gewicht von
1 Litre Sauerstoffgas = 1-4298 Grammen, folglich
1-4298Ä = 32 daraus h = 22-38
1 „ Stickstoffgas ^ 1-2062 Grammen
1 -21)62 A = 28 daraus h = 22-29.
Unter diesen für h gefundenen Werthen verdient der für Sauer-
stoff herechnete das meiste Zutrauen, da man die Bestimmung des
specitist'hen Gewichtes des Sauerstolfgases für die genaueste halten
muss. Daher soll in der Folge stets
h = 22-38
angenommen werden. Dieser Coelficient in das specifische Gewicht
multiplicirt liefert sonach das Moleculargewicht in denselben Ge-
wichtseinheiten, hier z. B. in Grammen. Da es sich indess blos um
relative Zahlen handelt, so ist hier vom absoluten Gewichte ab-
zusehen. Bezeichnet also g das specifische Gewicht bei 0*' C. und
1 Atmosphäre Druck in der obigen Weise und m wie früher das
relative Moleculargewicht, so hat man allgemein:
Es wiegt nun z. B. :
1 Litre Stickoxydgas 1-3436 Gramm , daher m = 1-3436X22-38 = 30
1 „ Äthylengas l-2oU8 „ „ m = 1-2308 X 22-38 = 28
u. s. w.
Wenn nun die Dichte des Wasserstoffgases = 2 gesetzt
und die Dichte der übrigen Gase hierauf bezogen würde, so hätte
man für die Dichte im Gaszustände und für die Moleculargewichte
dieselben Zahlen. Doch pflegt man gewöhnlich für die Dichte der
Gase die der atmosphärischen Luft als Einheit anzunehmen. Die so
erhaltenen Zahlen werden daher ebenfalls mit einem Coelficienten nml-
tiplicirt werden müssen, wenn daraus die relativen Moleculargewichte
erhalten werden sollen. Nun ist bekanntlich die Dichte des Wasser-
stotTgases d = 0-06927, wenn die Dichte der atmosphärischen
Luft = 1 gesetzt wird. Das Moleculargewicht des Wasserstoffgases
ist = 2. Heisst nun k jener Coefficient, so ist offenbar
2 = 0-0692A-, hieraus k = 28*87
Für Sauerstoffgas hat man
rf= 1-1036, daher 32 = 1-1036Ä-, hieraus k = 28-94,
76 Tscherinak.
für Stickstoffgas
il = 0-97137, somit 28 = 0-97137 A-, hieraus k = 28-82
Von diesen Wertheii von k ist wiederum der für SauerstoflFgas
aus dem schon angeführten Grunde vorzuziehen, daher
k = 28-94
anzunehmen ist. Bezeichnet nun wieder d die Dichte eines Gases
hei 0" C. und 1 Atm. Druck, so ist allgemein
m = kd und d ^ —
k
d. i. um aus der gegebenen Dichte eines Gases dessen Molecular-
gewicht zu erhalten, bedarf es hlos der Multiplication der ersteren
Zahl mit 28*94, und um anderseits aus dem gegebenen Molecular-
gewichte die Dichte im Gaszustande zu erhalten, ist die Division der
ersteren Zahl durch 28-94 nöthig, z. ß.
die Dichte des Sumpfgases ist 0-5527 folglich «< =0-5527 X 28-94 = 1ü
„ Ammoniakgases ist 0-5894 „ w :-= 0-5894 X 28-94 = 17
Um aus demMoleculargewicht die Dichte zu berechnen, hat man
z. B. für Kohlenoxyd m == 28, daher ist die theoretische Dichte
28
d = ^TT^-TTT- = 0 • 9675, beobachtet : 0 • 9678 Cruikslianks
28-94
0-9681 Marchand
0-9674 Regnault
für Äther . . . m = 74, folglich die theoretische Dichte:
u. s. w.
Aus dem früher Gesagten ist es klar, dass zur Ermittlung des
Moleculargewichtes keine sehr genauen Beobachtungen nöthig sind,
da man durch die Analyse genaue Verhältnisszahlen gewinnt, folg-
lich zur Feststellung des Moleculargewichtes — der Summe der
Atomgewichte — eine beiläufige Beobachtung über die letztere
Summe genügt.
Ebenso ist es leicht einzusehen, dass jene Beobachtungen über
Dampfdichten, die es im Zweifel lassen , ob sich die Verbindung
Einige Sätze der theoretischen Chemie. yj"
vvälireiiel der ßesliiiiiiiuiig zersetzt habe, keinen Einwnrf gegen die
bisherige Deduction begründen i)-
Die bisher bekannten relativen blassen der chemischen Atunie.
In) Fi'üheren wurde gezeigt, wie «ich ;iuf Grund der zwei ent-
wickelten Hauptsätze die Masse der Moleciile und die der ehemi-
schen Atome , bezogen auf dieselbe Einheit, ennittehi hisse. Es
stützt sich sonach die Kenntniss des chemischen Atomgewichtes auf
die Kenntniss des Moieculargewichtes der Verbindungen des betref-
fenden Atoms, daher konnte auch das chemische Atomgewicht vieler
einfachen Körper bisher noch nicht festgestellt werden , da keine
Verbindungen derselben dargestellt oder untersucht wurden, welche
in Gase verwandelt werden könnten. Auf die vorerwähnte Weise
wurden bis jetzt folgende Atomgrössen bestimmt:
H = 1 0 = IG P = 31 Sn=H8 B = tl
Fl = 19 S = 32 As= 75 Ti = SO V = 68-5
Cl = 35-5 Se= 80 Sb=120 Zr = 89 AI = SS
Br = 80 Te=128 C = 12 Hg=200 Fe=112
J =127 N = 14 Si = 28S Zn= 6S Ci= 53-S
Von den übrigen noch zu bestimmenden Atomgewichten weiss
man nur so viel, dass sie ganzzahlige Multip.la jener Verhältniss-
zahlen seien, welche man durch die Analyse aufgefunden hat. Bei
einigen kann man bereits mit Wahrscheinlichkeit auf den Werth
schliessen ; mit Gewissheit kann die Frage erst durch dieErmittlung
der Moleculargewichte einiger Verbindungen derselben beantwortet
werden, wozu wir zur Zeit blos das eine Mittel, die Bestimmung
der Dichte im gasförmigen Zustande, in den Händen haben.
Unter den eben angeführten Atomgewichten sind mehrere, die
auch von Chemikern, welche die Richtigkeit der bisherigen Deduction
anerkennen, noch nicht adoptirt oder für unsicher gehalten werden.
Es erscheint daher nöthig, die Beweise für die Richtigkeit jener
Zahlen im Folgenden in der Weise aufzuführen, dass die aus den
obigen Zahlen folgenden Dampfdichten mit den Beobachtungen ver-
glichen werden und deren Übereinstimmung nachgewiesen wird:
<) S. Gerh ardt's Traite etc. T. I, p. ö81, Cann izzaro im Nnovo Cimento tom. VI,
p. 428, Kopp in «1. Ann. d. Cheni. ii. l'harm. IJd. CV, S. 390 etc.
Sil/.h. d. mathein.-nalurw. Cl. Xr.I. Bd. Nr. 14. Ö
78 T s e li e r 111 a k.
^»ilieiiiiii Si = 28-i)
Fluoi'siliciuin : Moleciiliii rünnci SiFI^ daher das Molecular-
gewicht
.^ ' -,« "> = 104 -3=^ ?H. Die theoretische Dichte ist rf = —,
FI4 76 ) k
104" *i
d=^ \^ J^ 3-611, Beobachtung rf^ 3-574 J. Davy
rf==3-600Duma9
In dem Folgenden ist nun das Verfahren und die Bezeich-
nungsweise dieselbe.
SiCU /»=:170-ö, ~r=.(l= :;-8l)l heobachtet<Z= S-939Dumas
SiCCoHäO)* /« = 208-3, (1= 7-205 „ (1= 732 Ebehnen
Si(C,H,,0)4/// = 376-5, rf= 13-01 .. rf=ll-7
Xiiia Sil = 118
SnCii /// = 260 , rf= 8-984 beobachtet rf= 9 -199 Dumas
Sn(CH3)3J ///=290, ^?z^ 10-02 „ t?= 10-32 Cahours
Sn(CH3)oCla //, = 219 , </= 7-507 „ d= 7-731
Sn (C3H5J2 Br. //, = 336, f/=ll-61 „ ^Z=ll-64
Sn(C2H5)2Cl2 /,/ = 247, rf= 8-535 „ rf= 8-710
= 8-618
SnCCoHOsBi- /// = 283 , d^ 9-848 „ d= 9-924
Sn(C2H5)3Cl /// = 240-5, rf= 8-310 „ rf= 8-430
Sn(CÖH5)2(CH3)oH/ = 206 , d= 7-118 .. rf= 6-838 Frankland
Sn(C2H5)4 «, = 234, d^ 8-086 .. </= 8-021
8-673 beobachtet f/= 8-78 Wöhleru.Deville
4-060
BFI3 »*= 68 , rf = 2-350
B(CHsO)o /» = 104 , rf=3-594
BCCaHjO);, H(=146 , r/=5 045
B (CiHnO )./// = 272 , rf = 9-399
Vanad V = 68 5
V CI3 w = 175 ,(/ = 6-047 beobachtet r/= 6-41 Safarik
Bor
B =
= 11
BBps
///
= 251
d
ßCls
///
= 117
5
,d
f/ =
3-942 Dumas
=^
3-97 )
^.QggJWöhleru.
rf =
2-3709.1. Davy
=
2 -3694 Thomson
=
2-3124 Dumas
^ =
3-59 Ebelraen
d =
5-31 Bowman
::=
5-14 Ebelmen
r/ =
10-55
Kiiiig'e Siitze iler tlieoretisi-liüii Chemie. i 0
Aliiinium AI = 55
AlJß w/ = 817 , rf=28-23 heohaehtet ^ = 27-0 Deville u. Troost
AI Bi-g m:= 535, (/= 18-49 „ rf^l8-62 „
AlClg m = 268, rf= 9-260 „ d=^ 9-35)
9-34) "
Eisen Fe = 112
FeClc //, =325, ^^ = 11-23 beobachtet J=ll-39 Deville u. Troost
Chrom Cr = 53 5
CrCI. Oo /«= 156-5, ^/ = 5-408 beobaelitot f/=5-5 Diiiikis
= 5-9 Walter
Titan Ti = 50
Ti CI4 m = 192, rf = 6-634 beobachtet ^=6836 Dumas
Kirkoniuni Zr =: 89
ZrCl^ /;/ = 231, rf = 7-982 beobachtet (/ = 8-15 Deville u. Troost
Zink Zn = 65
Zn (CaHä), ;« = 123, r^ = 4-250 beobachtet rf = 4-259 Frankland
Quecksilber Hg = 200
Hg //( = 200 , {1= 6-911 beobachtet rl = 6-976 Dumas
= 7-03 Mitscherlich
= 6-7 Bineau
HgJg m = 454 , rf^l5-69 „ rf=15-9 Mitscherlich
HgBra w = 360, d = n-U „ rf=1216
HgCla w = 271 , d= 9-364 „ </= 9-8
Hg(CH3)o w/ = 230 , rZ= 7-948 „ <Z= 8-29 Bückten
Hg(C..H5)wrt = 238 , r/= 8-915 „ d= 9-97
HgBr m = 280 . ri'= 9-675 „ rf= 10-14 Mitscherlich
HgCl m = 233-5, d= 8-138 „ d=^ 8-35
= 8-21 Deville u. Troost
Für die Richtigkeit ineiirerei- von den angeführten Atomgewichts-
zalilen konnte blos je eine Beobachtung als Beweis angefülirt wer-
den, doch weil die beobuchteten Verbindungen eben Chloride sind,
so ist es hinreichend sicher, dass die erhaltenen Werlhe wirklieli
Minima seien, also die Atomgewichte repräsentiren.
Die für Alumium und Eisen gefundenen Zahlen werden nament-
lich viele für unwahrscheinlich halten, doch wird jeder, der die Ver-
bindungen dieser Körper aufmerksam betrachtet, nicht nur keinen
Gegengrund auffinden, sondern vielmehr in der nacli Kinführung der
genaiinlen Werthe auftretenden Einfachheit und Übersichtlichkeit
6'
80 Tschermak.
eine Bestätigung lier Hiclüigkeit jener Z;ililen sehen. Diis Atom-
gewicht des Zinkes ist durch die Beobachtung am Zinkäthyl hinrei-
chend sichergestellt. Minder sicher erscheint die Zahl für Chrom,
eben wegen der Natur der beobachteten Verbindung. Die für Sili-
cium, Zinn, Titan, Zirkonium gewonnenen Werthe finden eine weitere
Bestätigiing in der schon längst gew^onnenen Überzeugung, dass die
Ciiloride dieser Metalle gleiclic Zusammensetzung haben müssen.
Übrigens dürfte es noch eine geraume Zeit währen, bis die
sicher bestimmten Atomgewichte auch nur von jenen, welche der
obigen Volumtheorie Raum geben, anerkannt und angewendet wer-
den, obwohl dies blos eine Consequenz ist, deren sich niemand
entschlagen kann *). Dagegen wird otTenbar niemand, der der bishe-
rigen Dediiction im Principe entgegen ist, einen Grund iiaben , jene
Atomgewichte anzuerkennen, eben so wenig als er Gi'und hat, die
Existenz niehrbasischer Säuren etc. etc. zuzugeben, ausser wenn
es eben zur Andeutung von Analogien „zweckmässig" erseheint.
Yerschiedeulieit der chemischeD Atome.
Von den chemischen Atomen ist nunmehr so viel bekannt, dass
dieselben der Masse nach meist von einander verschieden sind, dass
sie bei den chemischen Veränderungen der Masse nach unverändert
bleiben, endlich dass sie, oder eigentlicii die von ihnen gebildeten
Molecüle, Körper zusammensetzen, welche alle von einander verschie-
den sind. Sobald man ferner die chemischen Processe mit Aufmerk-
samkeit betrachtet, so bemerkt man, dass häufig Atome, die gleiches
oder nahezu gleiches Gewicht besitzen, unter gleichen Umständen
ein gänzlich verschiedenes Verhalten zeigen, während Atome, deren
Gewichte sehr verschieden sind, sich sehr ähnlich verhalten. Bei-
spiele für den ersten Fall sind die Atome Br und Se, S und P, für
den zweiten Fall Br und J, S und Se. Daraus ersieht man, dass die
Unterschiede in dem chemischen Verhalten durch die Unterschiede
der Massen der Atome allein nicht erklärt werden können. Um nun
an eine Erklärung zu geiien, wird es off'enbar niemandem einfallen.
') I5ei der Gelegeiilieil mag iiiil einige uiiriciitige Müleciilnilorinelii hingewiesen
werden, die namentlich in Lehrliiiclicrn sehr häulig an/.nl reffen sind, als: für Zink-
ä(h)l CgM^Zn (wo zn = 3'i) statt ^\U^^,Zn, für Stiekoxyd N./)^ statt NC), für
l'fitersal|ielersiiure -^0**4 stall NO.^ . dies alles Initz der liekannlen (iasdiclitel
Riiiijre S;it^e diT tlifuretisi-licii (^lieniie. cS |
den Atomen jtiincipiell verschiedene Kräfte, verschiedene Wirkungs-
weise zn/nschreiben, vielmehr hioibi blos der Ausweg: eine verschie-
dene Constitution der Atome anzunehmen. Die Verschiedenlieit kann
entweder darin bestehen , dass die einzelnen das Atom biUlenden
Masseneleinente gleiche gegenseitige Distanzen zeigen, d;iss aber
die absolute Distanz bei verschiedenen Atomen verschieden ist, oder
dass die einzelnen Massenelemente im Atome nach verschiedenen
Richtungen verschieden geordnet sind , d;iss sie also verschiedene
gegenseitige Distanzen zeigen. So ergibt sich, ohne dass hierüber
im Voraus etwas bestimmt wird, der Satz :
„Die c h e m i s c h e n A 1 0 m e sind a n M a s s e meist unglei-
che Körper, die bei che m i s c h c n V e r a n d e r u n g e n de r
Masse nach u n v e r ä n d e i* t bleiben u n d die i m I n n e r n nie h t
alle dieselbe Anordnung der sie bildenden Massen-
elemente zeigen.'^
Unter „Anordnung" sind vorläuOg die beiden oben genannten
Fälle gemeint; und es ist so zu verstehen, dass mehrere der Masse
nach verschiedene Atome die gleiche innere Constitution besitzen
können.
Dieser Satz ist für jetzt als der dritte Hauptsatz der theoretischen
Chemie zu betrachten. Derselbe verweist sogleich auf den Weg, auf
dem man zur Erkenntniss der Natur der chemischen Atome gelangen
könne.
Man hat dem Angeführten zufolge das chemische Atom nicht als
die letzte Einheit zu betrachten, zu der wir bei unseren Forschungen
gelangen können und es niuss daher auch die Frage offen bleiben,
ob die chemischen Atome einer Theilung, einer Zerlegung in kleinere
Mengen durch uns vorläufig unbekannte Mittel fähig seien oder nicht.
Aus dieser Ursache dürfte es ebenfalls von Vortheil sein, um auch
keiner theoretischen Untersuchung in diesem Sinne vorzugreifen, die
für die chemische Analyse untheilbaren Grössen chemische Atome
zu nennen, wie ich es bisher gethau habe; der Kürze wegen kann
indess weiterhin die Bezeichnung „Atom" gebraucht werden. Die
eben berührte Frage hat übrigens keinen Einfluss auf die weitere
Forschung. Es ist vielmehr die fernere Aufgabe der Untersuchung,
alles durch Zahlen Ausdrückbare, alle für die Atome geltenden Con-
stanteu aufzusuchen, um durch deren Vergleichung zu einem Resul-
tate bezüglich der Constitution der Atome zu gelangen.
82 T s c h e r iii ;i k.
Den ersten Angriffspunkt wird dlVcMlmr die Betraclitung der
einfachsten Atomsystenie bilden; in die zweite IJeilie wird die Be-
handlung dessen, was über die mittleren Distanzen der Atome bisher
ermittelt worden, gesetzt werden müssen. Dagegen wird die Betrach-
tung jener Bewegungserscheinungen, die wir Wärmeerscheinungen
nennen, in dieser Richtung jetzt noch keine Daten liefern, aus dem
Grunde, weil die Theorie derselben noch nicht hinreichend ausge-
bildet ist, ferner, weil eben dieser Theorie — nach dem bisher
Bekannten zu urtheilen — die durch die oben genannten Betrachtun-
gen gewonnenen Data werden zu Grunde gelegt werden müssen. Ich
habe gleich im Voraus zu bemerken, dass in der vorliegenden Arbeit
nicht die Lösung der Frage über die Constitution des Atoms ver-
sucht, sondei'U nur das dafür gcMonnene Material aufgeführt wor-
den ist. Übrigens versteht es sich von selbst], dass eine deutliche
Darstellung jenes Problems so wie eine Behandlung desselben nur
durch mathematische Hilfsmittel möglich wird. Ich habe indess hier
jede mathematische Betrachtung ausgeschlossen, um durch diese
Zeilen — wenn möglich — auch in weiteren Kreisen die Aufmerksam-
keit auf jenen Weg zu lenken, der uns zu einer sicheren Grundlage
für die Moleculartheorie zu leiten verspricht.
Natürliche Reiliou der Atome.
ßevor zu einer Betrachtung der einfachsten Atomsysteme
geschritten wird, ist es zweckmässig, die bisher der Masse nach
bekannten Atome in einzelne Gruppen zusammenzufassen, deren Glie-
der fast genau dasselbe Verhalten zeigen. Die Aufgabe vereinfacht
si(;h hiedurch, indem man den Gliedern einer solchen Gruppe dieselbe
innere Constilution zuschreiben kann, so dass also die auftiefenden
Unterschiede bei ihrem Verhalten von der Verschiedenheit ihrer
Massen herrülireiid gedacht werden. Der grössere Theil der bekann-
ten Atome lässt sich nacli Massgabe ihres Verhaltens und ihrer
Masse anreihen wie folgt:
Eiiiig-o Sätitfi der theorelisi-lii-n Cliciiiii'. ÖQ
Die übrigen sind von einander im Verhalten fast sämnitlicli ver-
schieden und lassen sich daher nicht in Gruppen abtheilen; nur hei
wenigen ist hier ein solcher Versuch angeführt:
^^ l 9 .^^Jl^^ ^*
Al= So Ti = 50 Hg = 200 Zn = 65
Fe = 112 Zr = 89
Bei dem Grupjiensystcme von a bis e sieht man sogliMi-h , dass
die in solcher Weise aufgeführten Atomgewichte nach beiden liich-
tungen nahezu arithmetische Heihcn bilden. Die anzunehmcndin
Fehler der Atomgewichte sind indess nicht so gross, als dass niiin
das Bestehen solcher arithmetischer Progressionen für wahrschein-
lich halten könnte. Die Annäherung ist zwar sehr bemerkenswertli,
doch ist es bei der Unkenntniss der Genauigkeit dieser Zahlen nicht
rätblicb, hierauf näher einzugeben.
In der Kohlenstoffreihe fehlt ein Glied, in der Borreibe fehlen
zwei Glieder. Dass das Vanad in die letztere Reihe gehöre, ist ziem-
lich wahrscheinlich. OhAlumium und Eisen, ob Titan und Zirlionium
Fragmente von natürlichen Gruppen darstellen, ist noch nicht voll-
ständig sicher. Bis eine grössere Anzahl von Atomgewichten bestinunt
sein wird, dürften sich mehre solcbe Gruppensysteme wie das oben
angeführte feststellen lassen.
Die einfachsten Atoiusysteuie.
Nach so getroffener Vorbereitung kann nun die Betrachtung
der einfachsten Systeme, die von den genannten Atomen gebildet
werden, ein wichtiges Material an solchen Constanten liefern, die
für die Erforschung der Constitution der Atome nöthig sind. Wenn
man die einfachen Atomsysteme und die Umstände, unter denen die-
selben bestehen können, betrachtet, so merkt man bald, dass
immer nur zwischen einer bestimmten Zahl von Atomen der einen
und der andern Art ein Gleichgewicht besteben kann und dieses
wieder nur innerhalb bestimmter Grenzen der Bewegungsintensität
des betreffenden Atomsystems oder Molecüls, anders gesagt: dass
nur immer von einer bestimmten Zahl von Atomen dieser oder
jener Art eine Verbindung gebildet werde und dass die letztere
nur bis zu einer gewissen Temperaturgrenze existiren könne. So
z. ß. ist bei uns bekannten Temperaturen zwischen einem Atom
ft ^ T s c li c r in ;i k.
Sauerstoff und einem Atom Wasserstoff kein Gleichgewicht inögiich,
es hildet sich d;iher keiu System, dessen Molecularformel HO wäre,
diiffcoen existii't ein Gleiclmewicht zwischen 0 und 2H, welches
auch bei sehr hohen Temperaturen fortbesteht. Ebenso gibt es kein
Gleichgewicht zwischen P und Cl, zwischen P und Clg wohl aber
existirt ein System PCI3, ferner eines PCI5. Das Gleichgewicht in
letzterem Systeme wird durch eine grössere Bewegungsintensität
des Systems d. i. durch eine hohe Temperatur vernichtet.
Ebenso wie die Wärme verdient auch der äussere Druck, der
elektrische Zustand, Berücksichtigung. Davon muss indess zur Zeit
abgesehen werden, um die Betrachtung niclit von vornherein zu
compliciren.
Man kann sich das früher Gesagte so vorstellen, dass in
Folge der dem einen und dem anderen Atom zukommenden inneren
Constitution, also vielleicht zufolge der in verschiedenen Rich-
tungen verschiedenen Dichte des einen und des andern, ein Gleich-
gewicht nur in einzelnen Fällen möglich sei, wo die Anzahl der
einen und der anderen Atome, und die Bewegungsintensität des
Molecüls gewisse Werthe haben. Die Betrachtung dieser Fälle, so wie
der Maxima und Minima jener Werthe kann demnach einen Auf-
schluss über die Natur der Atome geben. Unsere bisherige Kenntniss
jener Werthe ist indess im Vergleich mit der gestellten Aufgabe
eine sehr mangelhafte. Die einfachsten Verbindungen sind noch wenig
studirt: eine Bestimmung der Temperaturgrenzen, innerhalb welcher
dieselben existiren können , ist bisher noch nicht unternommen
worden. Mit der Zeit dürften wohl einige Werthe der Temperatur-
maxima ermittelt werden, die untere Temperaturgrenze zu bestimmen
liegt indess ganz ausser unserer Macht, und es kann daher diese letz-
tere Grenze nicht weiter in Betracht kommen.
Bei der Betrachtung der einfachsten Atomsysteme muss ich stets
auf die zuvor angeführten natürlichen Reihen der Atome verweisen.
Alle Glieder einer jeden solchen Reihe zeigen fast dieselben Verhält-
nisse, so dass man annehmen darf, die stattfindenden Unterschiede
jiätten ihren Grund blos in der Verschiedenheit ihrer Massen. Somit
kann bei einer allgemeinen Betrachtung stets das über ein Glied der
Reihe Gesagte für die ganze Reihe gelten. Wenn demnach ein System
CO2 existirt, so muss auf die Existenz von CS2, CSco . . anderseits
von SiOa, SiSa . . . von SnO«, SnS^ . . geschlossen werden. Die
Einige Sätze dei' Iheoietisclien Clieiiiie.
83
am besten studirteii Reihen, nämlich a, b, c, d können inuner zugleicli
behandelt werden, und es wird bei denselben die Betrachtung am
weitesten ausgedehnt werden können. Es miiss hier wieder im Voraus
bemerkt werden, dass die erste Horizontalreihe nämlich Fl, 0, N, C,
welche die kleinsten Atomgewichte umfasst, in Bezug auf die obere
Temperaturgrenze sich von den übrigen Gliedern bedeutend unter-
scheidet. So z. B. hat das System NCI3 und NCIs eine viel geringere
Stabilität als die Systeme PCI3 , PCI5, AsCIj etc. Daher existiren
gewisse Verbindungen der ersten Reihe bei gewöhnlicher Tempera-
tur gar nicht, wie z. B. CH0O3, NCI5 etc. Der Wasserstoff zeigt ganz
dieselben Verhältnisse wie die Reihe a, daher derselbe immer zu-
gleich mit der letztern betrachtet werden kann. Er verhält sich zu
dieser gleichsam supplementär. Die WasserstofFverbindung besitzt
eine bedeutende Stabilität, wo die entsprechende Verbindung der
Reihe a bei derselben Temperatur entweder nicht existirt oder sehr
leicht zerfällt und so umgekehrt, wie z. B. CIH und CIJ, NH3 und
NCI3 SnHi und SnCI^ etc.
Da man häufig in die Lage kömmt, das Verbindungsverhältniss
kurz andeuten zu wollen, so hat man dies bezüglich des Wasser-
stoiTes bekanntlich so ausgeführt, dass man die Anzahl der Wasser-
stofTatome mit Strichen andeutet, daher z. B. 0, S ausdrückt, dass
ein Atom 0, S mit 2H Verbindungen bilden. Da indess diese Bezeich-
nung nicht für andere Fälle ausreicht und da hiedurch noch Ver-
schiedenes, was nicht hierher gehört, angedeutet zu werden pflegt,
so kann man sich einer andern Symbolik bedienen, welche hinläng-
lich einfach erscheint. Um z. B. die Existenz der Systeme HH, HCl,
CIJ, etc. allgemein anzudeuten, kann man die obige Bezeichnung der
Reihen gebrauchen und schreiben («, «) und in den einzelnen Fällen
Br^, J3 etc. ebenso 0^^, So^ und (6, 2«) u. s. w.
Die einfachsten V^erbindungen der ersten Reihe a mit den drei
folgenden sind nun :
OHo , SH, , SCIa
(f, 3«)
NH3,PCl3,AsCl3 .
(c, ö«)
PCIs.AsCIj .
CH4,CCl4 , SiFl4
(S(j 1" s f h i" r III ii k.
Die übrigen Atome bilden Culgeiule ciiiLiche Systeme
(,-, -.U)
(/•. in)
(//. i")
(//, H)
(/, 'Zu)
BCIs,VCl3..')
KeCU ..«)
'ricii.Zid*
llg Cl
Zn Cl.
(/•.6«)
(//, 2«)
FeClfi..
HfrCI,
Die eiiifjielisteii Veibii)(liiii'»eii der Heihe b mit den folgeiiden
^iiid
NO. .
(//, b)
CO . .
(/; 26)
KeOa
(^, 26)
TiOj.
(//, 6)
HgO
(,; 6)
ZnO
(c-, 2b)
NO3
{d, U)
CO,
FeOg
Die Veihindungen der Glieder derselben Reihe mit einander
^ind :
(«, rt)
CICI, CIH.CIJ
{b, b)
00, so
NN,
(Ä)
(rt, 3rt)
Cl J3 3)
(6, 26)
SO,
P,P3
(6, U)
SO3
1) Die einfachen Verhindiin^eii des Bor iinH VatiHiI sind zu wcnifj liekannl als dass
sich etwas mehr anj^ehen liesse.
") (tli aiK'li i'iii Clilonir des Aluiiiiiiiii, AlClj cxislire, oh also AI iiiiil ('"e wirklich
in rillt' Ilcilie (^i-liöieii, wiiii' noch /.u ermitteln.
3) Diese .Moleculargrösse ist zwar noch nielit durch eine Dainpfdichte heslütiget,
iiliri(rens aher sehr wahrscheinlich, dasselbe gilt von CIJ, ferner von den nicht
lliicliti"eii Oxvdeii.
I<>iiii^e Süt/.e iltT tlieoii'thrliiMi Clii-iiiie, ,Vj "^
Die bisher iiiigefiilii'ten einfachen Verhindungen betieflen iille
den Fall, in welchem ein Atom einor Reihe mit einem oder mehreren
Atomen ans anderen oder aus derselben Reihe ein System bilden. Ks
ist nun schon von vorn herein leicht einzusehen, dass die Retrachtiing
der Systeme, welche Minima darbieten, am meisten lehren muss. In
der That sind diese Fälle die Grundlage jedes w eitern Studiums der
Atomsysteme. Sic mögen daher zusammengefasst und mit Reispielen
belegt werden.
(n, o) FIH (f>, ft) Hg Cl (/i, h) \\]r{)
(/>, 2«)0Ha (/>,/>)(>() (/, 2rt) Zn Clo (/^Ä) ZnO
(f, 3a)NH3 (c,h)^i) ((■,<■) NN (r, 3«) B CI3 ....
(rf, 4rt) CH4 (rf, AJ CO .... (/, 4a) Fe CI4 if,U) FeO,
(<7. 4ft) Ti Cli (fi:U^ TiO,
Später bei der Behandlung des Begriffes der Substitution wird
gezeigt werden, dass die Existenz einer grossen Menge von com-
plicirteren Verbindungen, also das Gleichgewicht in Systemen, die
von einer grösseren Anzahl von Atomen gebildet werden, öfter
seine Deutung in dem Vorhandensein der eben angeführten einfachen
Gleichgewichtslagen findet. Dalier ist bereits von mehreren Chemikern
und in erster Reihe von Gerhardt der Versuch gemacht worden,
einige der eben angeführten Fälle zum Ausgangspunkte zu neh-
men und höher zusammengesetzte Verbindungen hierauf zu beziehen;
jedenfalls nur zu dem Zwecke, um eine grössere Einfachheit und
Übersichtlichkeit in die allgemeine Betrachtung zu bringen, nicht aber
um etwas zu erklären, indem ja ehedem wie jetzt keine Theorie
auch nur der einfachsten Fälle des Gleichge\vichtes der chemischen
Verbindungen gegeben war. Dass dieser Versuch nicht allgemein
aufgefasst worden, dass er — leider — eine Unzahl von Missver-
ständnissen hervorgerufen hat, ist zu bekannt, als dass nöthig wäre,
darüber mehr zu spreclien.
Auf einen Irrthum indess, der seine Wurzel eigentlich in der
Äquivalentenlehre hat, mag hier aufmerksam gemacht werden:
Man hat bekanntlich ehedem den Begriff Äquivalent ganz allge-
mein gefasst und daher auch eine chemische Äquivalenz zwischen
Körpern angenommen, die chemisch ganz hetei'ogen erscheinen. Unter
anderen folgte hieraus auch, dass die Mengen 0 und H3 äquivalent
seien, also einander ganz allgemein ersetzen können. Diese Hypothese
(SS T s r li e r in a k.
scheitert«! nun — was nicht zu erwarten war — gerade an den ein-
faclisten Verhindungen. Als ßcispielo der Art wären an/ufüliren:
NH3 und NO, NOa, ferner Cll^ und CO und die .säninitlichen Qiieck-
silherverhindungen. Ist nämlich NII3 eine einfachste Verhiiidung, so
ist es dann nach jener Anschauung ganz unerklärlich, wie die Ver-
hindiing NO existiren könne. Ehenso verhält es sich mit dem Kohlen-
oxyd CO, dessen Existenz ganz uiihegreithch ist, wofern CH4 die ein-
fachste Verbindung von C und H ist; folgert man umgekehrt, so
gelangt man zu dem Resultate dass die Verhindungen NH3 und CHg
existiren müssten, was die Erfahrung nicht bestätigt.
Der Begriff „Äquivalent" , welcher der atomistischen Theorie
gar nicht angehört, namentlich aber die Annahme einer Äquivalenz
chemisch heterogener Körper, müssen bei der Betrachtung der
chemischen Verhindungen, wie sie in dem Vorigen angebahnt worden,
ganz wegbleiben, dagegen ist derselbe für die systematische Chemie
von Wichtigkeit, wofern er blos als Ausdruck der Thatsache gilt.
Man bat sich bisher gewöhnt, bei den obigen Reihen blos die
Wasserstoffverbindungen zu berücksichtigen und nimmt daher die
Glieder der Reihe a einatomig, die der Reihe b zweiatomig etc. Um
nun den Übergang von der frühern Bezeichnung der einfachen Ver-
bindungsverhältnisse zu der oben angeführten zu erleichtern, kann
das vorhin Gesagte so ausgedrückt werden, dass jedes Glied einer
natürlichen Reihe bezüglich der verschiedenen Reihen verschieden-
atomig sei, so dass man z. B. sagen kann, der Stickstoff sei bezüglich
des Wasserstoffs oder allgemein bezüglich der Reihe a dreiatomig,
bezüglich des Sauerstoffs oder allgemein der Reihe 6 einatomig.
Dieses drücken die Symbole Ng,, N^ gut aus. Ebenso hat man Oa», 0^,
0'', 0'' d. h. der Sauerstoff ist einatomig bezüglich derReihen b, c, d,
zweiatomig bezüglich a.
Bei der eben durchgeführten Betrachtung wurde eine Reihe von
Constanton erhalten, die für die Ergründung der Natur der Atome
ebenso wichtig als für eine aligemeine Anordnung der höher zusam-
mengesetzten Verbindungen massgebend sind. Wenn indess schon
hier manche Lücken durch die Beobachtung noch auszufüllen sind,
so gilt dies noch mehr von der BestimmiiMg der ohern Temperatiu'-
grenzen, bis zu denen hin jede der Verbindungen bestehen kann.
Jedenfalls muss zur Zeit namentlich den Reihen von d bis d die
grösste Aufmerksamkeit gescbenkt werden, da für diese bisher das
Einige Säf/.R der Iheoretischen Chemie. J^ ()
grösste Beobachluiigsmaterial vorliegt. Die fiii- diese Reihen gewon-
iieiien Coiistaiileii mögen daher zusammengestellt werden:
(ö, «) (b,2a) (c,3a) 0/. 4«) (fj, b) {e, 6) {d, h) (r, c)
{0, U)
An diese Werihe soll noch eine kurze Betrachtung einiger Atom-
systeme geknüpft werden, die einen niielist höheron Grad der Znsam-
mensetzimg zeigen. Geht man von den Werthen (a, ii). (/>, b), (t-, c),
(^d, d) also beispielweise von Cla , So , No , Ca aus , und hetrach
tet einige Verbindungen dieser Systeme mit der Reihe b, so erhält
man die Übersicht:
ci.o
S30
N30 *
CoO
C1203
S.Oo
NaOs*
C203
C1305*
S005
Na05*
C305
wo die mit * bezeichneten Verbindungen beiläufig bekannt sind. Von
Verbindungen der Reihe c mit den obigen Systemen kennen wir bios
Na Co (Cyan). Die Systeme («, «) {b, 2n) (c, 3«) (</, 4a) bilden
mit Gliedern aus der Reihe b Molecüle, die eine höchst wichtige
Gruppe ausmachen.
In Beispielen aufgeführt ist dieselbe:
CIHO
SCIoO
PBr.O *
CH4O *
ClHOo
SCI..O..*
PH3O,
SIHiO.
CIHO3*
SH003 *
PH3O3 *
SIHiOs
CIHO4*
SH.Ü4 *
PH3O4 *
SiH^Oi*
Die in den beiden letzten Horizontalreihen aufgeführten Ver-
bindungen gehören zu den wichtigsten und bestbekaiinten (Chlor-
säure , schwefeiige Säure , phosphorige Säure , Überchlorsäure,
Schwefel-, Phosphor-, Kieselsäure). Von dieser Gruppe wird übri-
gens noch später die Rede sein. Die durch die vorstehende Über-
sicht angedeuteten Lücken dürften seinerzeit durch die Beobachtung
sämmtlieh ausgefüllt werden. Es verdienen hier endlich noch die
beiden Reihen (c, «, ?ib) und (d, 2a, nb) Erwähnung, wovon NHO3
(Salpetersäure) und SiHoOo (zweibasische Kieselsäure) Heispiele sind.
Die eben behandelten vier Reihen der Atome haben nicht nur
in Bezug auf die einfachsten Atomsysteme eine Anzahl von Constanlen
geliefert, sondern es wurden auch für dieselben Reihen von anderer
J)0 T s c h e r rii a k.
Seile iiieliiHM'e Werthe ermittelt die für die Erforschung der Natur der
ehemiseheii Atome von Wichtigkeit sein werden. Es sind dies jene
Constanten, die sich aus dem Gesetze der Volumina flüssiger Körper
ergeben, und die in dem Folgenden bespi'oehen werden sollen.
Fernere Constanten.
Die Volumtheorie der Gase sagt uns, dass gleiche Volume
gasförmiger Körper eine gleiche Anzahl Molecüle enthalten. Aus
diesem Salze geht hervor, dass der auf je ein Molecül entfallende Raum,
der im Allgemeinen der mittlere Molecularraum genannt wer-
den kann, für alle Gase bei derselben Temperatur gleich gross sei.
Dabei ist kaum nöthig zu bemerken, dass das Volum des Molecüls,
also der Raum den ein Atomsystem direct einnimmt, hievon ganz
verschieden sei und hier gar nicht in Betracht komme. Wir können
nämlich mit Grund annehmen, dass die mittlere Distanz der Gas-
molecüle so bedeutend sei, dass der Durchmesser des Molecüls dage-
gen als eine verschwindende Grösse erscheint. Bezüglich des Mole-
cidarraumes ist noch hinzuzufügen, dass durch diese Bezeichnung
durchaus nichts Weiteres über die Bewegimg des Molecüls ausge-
sprochen sei, daher es gleichgiltig ist, ob man annimmt, das Molecül
schwinge je nach der Temperatur in verschiedenen Amplituden um
eine Gleichgewichtslage, oder es bewege sich geradlinig fort etc.
Während nun der Molecularraum im Gaszustande eine constante
Grösse ist, gilt dieses nicht für den flüssigen Zustand. Zwar müssen
die Molecularräume einer Flüssigkeit unter einander gleich sein, so
lange Gleichgewicht existirt, doch ist die Grösse des Molecular-
raumes verschiedener Flüssigkeiten auch bei derselben Temperatur
verschieden. Aber auch hier zeigt sich ein einfaches Gesetz i), das
im Folgenden erwähnt werden soll.
\N'ir haben allen Grund anzunehmen, dass die Masse des Mole-
cüls für den tliissigen Zustand dieselbe sei wie im Gaszustande.
Denkt man sich nun für den Molecularraum eines chemisch ein-
fachen tliissigen Körpers, z. B. des flüssigen Biom Br^ eine bestimmte
Grösse, so kann man im vorliegenden Falle sagen, dem einzelnen
Atom Br entspreche die Hälfte dieser Grösse, beim flüssigen Phos-
•) Vergl. die Arbeili-ii Kop)>"s uml tlie iiieiiiiguii iilier diis Voluiiiengesel/. fliissig^fr
VeihiiiduiiE'eii
Riiirge Sätze der theoretischen Chemie. 9 t
phor Pi sagt man dann, jedem einzelnen Atom, also der Menge 1*
entspreche ein Viertel des Moleciilarraumes etc.
Dieser auf ein Atom entfallende Bruchtheil des Molecularraumes,
wie er sich durch Betrachtung der einfachen Körper ergiht, kann
der mittlere Atomraum im flüssigen Zustande genannt werden. Ist
nun z. B. der Molecularraum des Brom (Bro) nach irgend einer Ein-
heit gemessen = 10, so ist der Atomiaum = 5. Ist der Molecular-
raum des flüssigen Phosphors (P4) = 16, so ist der Atomraum = 4
u. s. w. Der Atomraum kann allgemein mit a bezeichnet werden,
dem die Atomzeichen beigefügt werden, so dass zum Beispiel «„^ =
5 und «p = 4 wäre, wenn die obigen Werthe gelten. Der Mole-
cularraum im flüssigen Zustande kann mit n bezeichnet werden, so
dass also für Brom /i = 10 für Phosphor w = 16 wäre etc.
Um die relativen Werthe der Molecularräume zu erhalten , darf
man otfenbar nur von den flüssigen Körpern Mengen betrachten, die
eine gleiche Anzahl Molecüle enthalten, also Gewichte hernehmen,
die in demselben Verhältnisse stehen wie die Moleculargewichte.
Das Verhältniss der Volumina dieser Mengen stellt ofl"enbar das Ver-
hältniss der Molecularräume dar. Nimmt man daher 18 Grm. Wasser
(HoO), dann 160 Grm. flüssiges Brom (Br,) und 88 Grm. Butter-
säure (CiHgOo) und berücksichtigt, dass das specitische Gewicht
des Wassers = 1, das des flüssigen Brom = 3-2, das der Butter-
säure = 098 sei, so folgt daraus dass
18
18 Gramme Wasser einen Raum von . . . Kub.-Cm. oder 18 Kub.-Cm.
\CLC\
160 „ Brom „ „ „ . . . -—^ „ „ „ 50 „ „
88
88 „ Buttersäure einen Raum von . „ „ „ 90 „ „
einnehmen. Es verhalten sich daher die Molecularräume dieser drei
flüssigen Verbindungen wie 18 : 50 ; 90. Es werden demnach im
Allgemeinen Verhältnisszahlen für die Molecularräume erhalten,
wenn man das Moleculargewicht durch das specifische Gewicht
dividirt. Irgend eine der so berechneten Zahlen kann sodann als
Einheit angenommen werden.
Durch Vergleichung dieser Werthe gelangt man bald zu einem
einfachen Gesetze bezüglich des V'erhältnisses des Moleculiirraumes
(//) zum Atomraume (a). Geht man z. B. von dem Molecularraum
\iZ Tsclierniak.
des flüssigen Schwefel 83 aus und setzt diesen := 8 , so hat
man für den Ätomraum r/^ ^ 4. Vergleicht man nun die Verbindun-
gen Schwefel So und Chlorschwefel SgClo, wo für
S3 der Molecularraum n= 8
für SgCIg „ „ W=:i7
und der Unterschied beider Zahlen = 9 ist, ferner die Verbindungen :
Zweifach gechlortes Äthylenehlorür, wo fin*
C0H3CI4 . . « = 24
und zweifach gechlortes Äthylen, wo für
C0H2CI2 . . M = i5
somit der Unterschied ebenfalls = 9 ist, und so mehrere Beispiele, so
wird man schliessen, dass bei der Vergrösserung des Molecüls um
CU eine Vergrösserung des Molecularraumes um 9 erfolge. Vergleicht
man ferner
Methyldisulfoearbonat CsHgOSo wofür man m = 22
und Aceton . . . . CoHgO „ „ « = 14
und den Unterschied beider Zahlen = 8 findet, so merkt man so-
gleich, dass dieser Unterschied, welcher einem Mehrbetrag von 83
im Molecül entspricht, eben so gross sei als der Molecularraum von
So. Aus diesen wenigen Beispielen sieht man bereits, dass sich die
Atomriiume in allen Verbindungen gleich bleiben, und speciell hier
dass immer a^ = 4-5 und a^ = 4 sei, woraus man für So, u == S
und für SoCIg, n = 17 erhält, gerade so wie es die Beobachtung
ergibt. Zu gleichen Schlüssen gelangt man durch Betrachtung ande-
rer Fälle, wofür das folgende als Beispiel dienen kann:
für Aceton CsHßO ist « = 14
„ Propionsiiiirc . . . CgHgOo „ « = 16
„ Propylglycolsäure . CsHgOs „ « = 18
„ Glycerinsäure . . . C3H6O4 „ n = 20 etc.
Es entspricht sonach jedem Zuwachs von 0 im Molecül ein
Zuwachs von zwei Einheiten im Molecularraum, woraus man schliessen
kann, dass a„ = 2 sei. Es ist ferner:
für Acrylsiiure C3H4O0 . . « =: 14
„ Propionsiiure CsHgOo . . « = 16
„ Propylglycol CsHgOa . . « = 18 etc.
Einige Siit/.e lier tliooretischen Chemie. Q3
Daraus geht hervor, dass eine Zunahme von Hj im Molecül eine
Zunahme von 2 Einheiten im Moleeularraum hervorruft, woraus man
sehliesst, das aH= 1 sei. Endlicli mag noch angeführt werden, dass
für Propylglycol CsHgOo . .« = 18
„ ßuttersiiure C4H8O2 . . « = 20
„ Angelicasüure . . . . C^U^O-i . . m = 22
„ Sorbinsäiire CßHgOo . .« = 24
sich hereehnet; wornach also hei einer Vermehrung der Molecular-
masse um C in dem Moleeularraum eine Zunahme von 2 Einheiten
entsteht, so dass man den Atomraum von C, also «c = 2 setzen
kann.
Man sieht aus dem Ganzen, dass der Ätomraum eines bestimmten
Atoms eine unveränderliche Grösse sei, dass man also aus den durch
obige Vergleiche erhaltenen Werthen der Atomräume durch einfache
Addition die Molecularräume finden könne, sodass: da den Mole-
eularraum des Schwefels S3 zu 8 angenommen, sich «s = 4, dann
«0 =2, «11 = 1, «c = 2 bestimmte; man sogleich hieraus die
Molecularräume der entsprechenden Verbindungen berechnen könne,
wie denn z. B. für Buttersäure C^HgOa, n = 4ac + San -|- 2ao =
8 + 8 -f 4 = 20 und für Aceton CsHgO, n = da^ + 6a„ + «o
= 6 -f 6 -|- 2 = 14 ist, so wie es auch die Beobachtung ergibt
etc. Bei all' dem zuvor Gesagten ist indessen sehr wohl zu beachten,
dass die genannten Verhältnisse bei derselben Temperatur nicht
genau eintreten, sondern dass eine genaue Übereinstimmung der an-
geführten Werthe mit den beobachteten stets bei Temperaturen statt-
finde, die für verschiedene Substanzen verschieden sind, so z. B.
hat die Buttersäure den Moleeularraum 20 bei 8<* C. , der Schwefel
den Moleeularraum 8 bei 120" C, also bei seinem Schmelzpunkte etc.
Doch diese Temperaturen sind eben so natürliche wie die Schmelz-
und Siedetemperatur 1), und die Wärmetheorie wird uns, sobald sie in
dieser Bichtung vorgedrungen sein wird, Mittel an die Hand geben,
dieselben voraus zu bestimmen.
Das zuvor Angeführte lässt sich kurz durch den Satz ausdrücken:
„Der Moleeularraum eines flüssigen Körpers wird
durch die Summe d e r A 1 0 m r ä u m e — w e 1 c h e I e t z t e i- e c 0 n-
>) Vgl. Sitzungsb. d. k. Akademie in Wien. Bd. XXXVU, S. S26, ferner Ann. d. lliem.
und Piiarm. Bd. CXII, S. 139 fl".
Sit7.b. d. mathem.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 14. 7
()4 T s f h e r m a k.
staute Grossen sind — dargestellt. Dieses tritt genau
hei Temperaturen ein, die für verschiedene Körper
vers eil ied en sind."
Es ist leicht einzusehen, dass sich nach diesem Satze die Atom-
räume nicht genau berechnen lassen, da wir jene Temperaturen noch
nicht theoretisch voraus bestimmen können. Indessen ist es möglich,
durch aufmerksame Vergleichung annähernde Werthe zu erhalten, die
nicht viel ungenauer sind als die Mehrzahl der bisherigen Bestimmun-
gen des specifischen Gewichtes.
Um wiederum eine bequeme Einheit für die Atom- und Mole-
cularräume zu haben, ist es am besten, den Atomraum des Wasser-
stoffes, also «H = 1 zu setzen . In diesem Falle ist , wie aus dem vori-
gen erhellet, der Atomraum des Sauerstoffes also «o = 2. Demnach
ist der Molecularraum des Wassers (H3O) = 4 zu setzen. Hingegen
ergibt sich, wie erwähnt, durch Division des specifischen Gewichtes
in das Moleculargewicht für den Molecularraum die Zahl 18. Es ist
daher dieser Werth so wie alle auf diese Weise berechneten durch 4-S
18
zu dividiren. Es ist nämlich = 4. Wenn also der Atomraum des
4i)
Wasserstoffes zu 1 angenommen wird, so hat man allgemein :
ni
d. h. der Werth für den Molecularraum wird erhalten, wenn man
das Moleculargewicht durch das Product aus der Zahl 4*5 in das
specifische Gewicht dividirt. Aus den so berechneten Zahlen können,
wie früher gezeigt worden, die Grössen der Atomräume gewonnen
werden. Bisher sind nun die folgenden mit einiger Sicherheit ermit-
telt worden :
«H =
1
«n = 2
«0 =2
«N
= 2
«0=2
«c. = 4
5
«s = 4
«p
-=4
«Si = 4
«Br = ö
5
«Se - 5*
«A.
= 5
«, =1
Ä,,. = 6*
«Sb
= 6
«s,, ^ 6
Die mit " bezeichneten Werthe sind angenommene und erwarten
ihre Bestätigung durch die Beobachtung.
Ein Blick auf die vorgeführten Zahlen lehrt, dass die Werthe
jeder Horizontalreihe nahezu gleich seien, daher die Differenzen,
Eiiiln-e Säfz.e der Iheoretischen Chemie.
falls solche existiren , nicht bedeutend sein mögen. Die ÜillVrenz
zwischen der ersten und zweiten Verticah-eihe beträgt 2, w ährend
die folgenden DilYereiizen 1 betragen. Der umgekehrte Fall tritt
bekanntlich bei den Atomgewichten ein. Es ist nämlich z. B.
N = 14
. 17
P = 31
. 34
As ^= To
. 3Ö
Sb == 120
^y =2
cp ^4
<AS = S
«sh = 6
Es herrscht somit zwischen dem Atomgewicht und dem Atoin-
raum kein ganz einfacher Zusammenhang. Wenn man sich ander-
seits an die vorhin für die einfachsten Atomsysteme erhaltenen Con-
stanten erinnert, so merkt man zwischen diesen und den Werthen
der Atomräume gar keinen Zusammenhang: Die ersteren Zahlen sind
für jede Verticalreihe gleich, die letzteren für jede Horizontalreiho.
Doch aber sind die hier auftretenden Verhältnisse derart, dass man
leicht einsieht, welche wichtige positive Grundlage diese beiden
Gruppen von Constanten für die Theorie der Constitution der Atome
abgeben werden.
Hier wäre noch zu bemerken, dass aus den aufgeführten Wertlien
der Atomräume nicht nur, wie bereits erwähnt worden, die Mole-
cularräurne der entsprechenden Verbindungen berechnet, sondern
dass auch die specifischen Gewichte dieser Verbindungen daraus
bestimmt werden können. Man hat den obigen Ausdruck zu dem
Zwecke umzuwandeln in:
und ersieht, dass man das Moleculargewicht durch das Product aus
der Zahl 4-5 in denMolecularraum dividiren müsse, um das speciGsche
Gewicht zu erhalten. Die so gewonnenen Werthe entsprechen natür-
lich bei jeder Verbindung einer andern Temperatur; so z. B. hat
man für Buttersäure CoHgO^, ii = 4a, -|- Sah + 2«o = 8 + 8
88
+ 4 = 20, das Moleculargewicht m = 88, somit ist s =
= 098, dieses specifische Gewicht bat die Buttersäure bei 8° C.
f)() T s c h e r 111 H k.
nach den Beobachtungen. Für dreifach gechlortes Äthylenchlorür
C3IICI5 hat man ?i = 2a, + a„ -f öa,, == 4 + 1 -f 22-5 = 27-5, ferner
m = 202-5, hiernach .s- = , „ ^„ „ = 1*636, dieses specifische
4'5X27-5 *^
Gewicht hat die Substanz bei 18« C. . . . etc.
Die Temperaturen, für welche die so berechneten specifischen
Gewichte gelten, lassen sich, wie gesagt, nicht voraus bestimmen.
Kennt man hingegen bei einer Reihe von ähnlichen Verbindungen
diese Temperaturen für zwei oder mehrere Glieder, so kann man die
übrigen durch Interpolation finden.
Es dürfte nicht unnöthig sein, hier auf jene Missverständnisse
aufmerksam zu machen, welche aus der irrigen Auflassung des
Volumengesetzes flüssiger Verbindungen entstanden sind.
Es kömmt nämlich manchmal vor, dass Chemiker aus den für
den Molecularraum (das specifische Volumen) im flüssigen Zustande
berechneten Werthen auf Dinge schliessen , die entweder bei der
Rechnung schon als bekannt vorausgesetzt worden, oder die mit
jenen Werthen keinen oder wenigstens keinen bekannten Zusammen-
hang haben. Wenn z. B. jemand aus dem Molecularraum (speci-
fischen Volum) auf das Moleculargewicht, auf die Molecularformel,
schliesst so vergisst er, dass er diese bei der' Rechnung als bekannt
vorausgesetzt habe. Wenn ein anderer die Werthe des Molecular-
raumes (specifischen Volumen) von mehreren Verbindungen ver-
gleicht und aus deren Übereinstimmung oder ihren DifTerenzen auf
die j,atonMstische Constitution " derselben schliesst, so muss dieses die
Verwunderung eines jeden erregen, der weiss dass wir zur Zeit
weder über die Constitution auch der einfachsten Molecüle, d. i. über
die relative Stellung der Atome in denselben etc., noch über den
Zusammenhang dieser Constitution mit anderen Grössen irgend eine
Vorstellung besitzen. Derlei Dinge kommen indessen so häufig vor,
dass man schliessen muss, die angenehme Täuschung über die „Con-
stitution" der Verbindungen habe viele derart betäubt, dass an ein
Erwachen gai- nicht zu denken sei.
Ein Rückblick auf das bisher Gesagte lehrt, dass die Molecular-
theorie in ihrer jetzigen Entwickelung nicht im Stande sei, uns viel
weiter als eben bis hierher mit Sicherheit zu führen. So lange die
oben berührten Fragen über die Natur der chemischen Atome nicht
irgend eine Erledigung gefunden haben, lässt sich an eine Beliand-
Einige Sütze der (lieoreliscliei) Chemie. Q^
liiiig des Gleichgewichtes iiiul der Beweguiigserscheinuiigoii nicht
denken. Noch weniger lässt sich über die Erscheinungen an Mole-
cülen von mehr complicirter Zusammensetzung irgend etwas bestim-
men. Wenn daher in dem Folgenden höher zusammengesetzte Ver-
bindungen besprochen werden, so geschieht dies, um entweder die
Retrachtung der dort beobachteten Erscheinungen in ihren allge-
meinsten Umrissen mit der Moleculartheorie in Übereinstimmung zn
bringen, oder auf jene Grenzen aufmerksam zu machen, bis zu
welchen wir uns bei unseren jetzigen mangelhaften Kenntnissen in
der Erklärung der Phänomene wagen dürfen.
Chemische Reaction.
Aus dem früher gewonnenen Begriff des Molecüls, dem gemäss
das letztere ein System von chemischen Atomen darstellt, lässt sich
sogleich voraus bestimmen, dass das Molecül bei chemischen Reac-
tionen entweder bezüglich der inneren Constitution allein oder
zugleich der Masse nach eine Änderung erfahren könne. Der letztere
Fall umfasst wieder zwei speciellere; die rasche Aufeinanderfolge
dieser beiden kann endlich wieder gesondert betrachtet werden, so
dass im Ganzen vier verschiedene Arten der chemischen Reaction
möglich sind, nämlich:
1. Fall. Das Molecül erleidet der Masse nach keine Veränderung; es
ändert sich blos die Stellung der Atome,
2. Fall. Es vereinigen sich zwei oder mehrere Molecüle zu einem
neuen System.
3. Fall. Das Molecül zerfällt in mehrere Theile. Es bilden sich aus
diesen neue Molecüle.
4. Fall. Nach der Vereinigung von zwei oder mehreren Molecülen
erfolgt augenblicklich wieder ein Zerfallen und zwar in einem
anderen Sinne, als die Vereinigung stattfand. (Doppelte
Zersetzung.)
Für den ersten Fall kann als Beispiel die Umwandlung des
cyansauren Ammon CNaH^O in Harnstoff CN2H4O, angeführt wer-
den, für den zweiten die Bildung des Äthylenchlorürs aus Äthylen
Ca H4 und Chlor Clo, für den dritten Fall das Zerfallen der Äpfel-
säure CiHgOs in Maleinsäure CiHiO^ und Wasser II^O, für den
98 T s c h e r in a k.
letzten Fall die Entstellung von Athylchlorür C2H5CI und Wasser
H3O aus Alkohol CaHg 0 und Salzsäure HCl.
Dass diis Ani^efiihrte alle möglichen Falle der chemischen Reac-
tion umfasse, und dass die sogenannte doppelte Zersetzung nicht
anders aufzufassen sei, als es oben angedeutet worden, ist hinläng-
lich klar und hedarf keiner weiteren Besprechung i)-
Dagegen mag hier etwas über die Classification der chemischen
Verbindungen nach den Reactionen erwähnt werden.
Es ist klar, dass man durch vergleiciiendes Studium der Reac-
tionen der Körper zu einer nalui'gemässen systematischen Anordnung
derselben gelangen könne. Aber eben so leicht ist es einzusehen,
dass zu diesem Zwecke bei allen Körpern immer nur dieselbe Art
der Reaction zu l)etrachten sei. Gesetzt nun, man würde dazu die
d()|)pelte Zersetzung gewählt haben, so muss natürlicher Weise, um
wieder alles gleich zu behimdeln, um ein Mass für die Vergleichung
zu gewinnen, zuerst allgemein das Verhalten gegen ein und den-
selben Körper, z. B. gegen Kalihydrat, als Ausgangspunkt benützt
werden. Auf diese Art entstehen dann Hauptabtheilungen des Sy-
stems, deren jede durch consequente Durchführung des angedeuteten
Planes in Unterabtheilungen gebracht werden kann, und man gelangt
auf diese Art zu einem System, das alle gut studirten Verbindungen
in natürlicher Weise umfasst. Dies wird selbstverständlich nicht
eintreten, sobald man eine Vermischung von Principien eintreten
lässt, sobald man jede Reaction bei jedem Körper nach einem andern
Massstabe messen will. Es muss dann eine so gründliche Verwirrung
eintreten, dass von irgend einer Classification gar nicht die Rede sein
kann. Nimmt man dagegen an, es sei der obige Plan consequent
durchgeführt, so wird es offenbar ungemein praktisch sein, in der
Molecularformel einer jeden gut studirten und in das System auf-
genommenen Verbindung jene Reaction anzudeuten, in Folge deren
der Körper jene Stelle im System einnimmt. Die so gestaltete Formel
kann immerhin, wie es bisher geschehen, eine rationelle genannt
werden , nur darf man sich bei diesem Ausdrucke nichts anderes
denken als so eben erwähnt worden. Ist nun das Gesagte ausgeführt.
1) S. Gerhai- d t, Traite de Cliimie etc. t. IV, p. T60. Kekule, Lehrl>iicl» der org.
Clieiiiie S. 142.
\
Eiaiy:e Sätze der theoretischen Clieniie. QJ)
SO hat man ein naturgemässes System und eine entsprechende
ßezeichnnngsweise der Verhindiingen gewonnen.
Das alles ist nun freilich blos Naturgeschichte. Es ist daher
nicht zu wundern, wenn gar mancher, eine höhere Aufgabe der
Chemie ahnend, sich dadurch nicht befriedigt fühlt , vielmehr vom
Wissensdrange getrieben ungestüm vorwärts dringt gegen das
Unerreichte: er will die Molecularconstitution ei-gründon. Umsonst
ist jeder Mahnruf, vergeblich das bescheidene Hinweisen auf unsere
mangelhafte Kenntnis«. — Schon ist die Formel in Stücklein getheilt
und wieder künstlich durch Klammern zusammengefügt: die Consti-
tution ist gefunden und bildlich dargestellt; wer es wagt daran zu
zweifeln, wird mit Muth zurückgewiesen; wer gar eine zweite For-
mel aufzustellen wagt, wird einfach bemitleidet.
Diese kurze Hindeutung auf ein stellenweise auftretendes
übereiltes Streben wird hoffentlich nicht missverstanden werden,
namentlich wenn das im Eingange Gesagte berücksichtiget wird.
Es dürfte nun zweckmässig sein, auf die wichtigste Art der
Reactionen einzugehen.
Die doppelte Zersetzung.
Die doppelte Zersetzung ist die gewöhnlichste chemische
Reaction. Sie umfasst ferner im Principe den zweiten und dritten der
angeführten Fälle. Da nun der erste Fall eine Änderung der Masse
des Molecüls ausschliesst, so ist es klar, dass dasjenige, was sich
bezüglich der Massenänderung des Molecüls bei der doppelten Zer-
setzung ergibt, ein ganz allgemeines Resultat sein müsse. In dem
Folgenden wird, so wie vorhin, nur von Verbindungen jener Atome
die der Masse nach bekannt sind gesprochen ^verden.
Es ist leicht einzusehen, dass alle irgend vorkonuuenden Ver-
bindungen sich in die einfachsten Verbindungen, von denen oben die
bislier bekannten angeführt wurden, zerlegen lassen , dass also aus
jedem mehr zusammengesetzten Molecül sich einige jener einfach-
sten Atomsysterne bilden lassen: man kann sich daher auch umge-
kehrt jedes zusammengesetzte Molecül aus jenen einfachsten Syste-
men entstanden denken, nach den) Gesetze dass die während der
Zwischenprocesse ein- und austretenden Mengen immer wieder sol-
chen einfachen Systemen entsprechen müssen. Nimmt man daher
die obigen Symbole her, nämlich:
I ()Q T s c h e r III it k.
(a, «) , (Ä, 2«) , ic, 3«) , (rf, 4a) , (t-, 3«) , (/; 4«) (A, «)
(«, 3rt) (<?, 5ö) {/■, 6a) (Ä, 2a)
(i, 6) , (c, b) , id, b) etc.
etc
und denkt sich von diesen Atomsystemen von jeder Art eine belie-
bige Anzahl hinzngenomiTien und ausgeschieden, anders gesagt: ver-
sieht man jedes dieser Symbole mit einem beliebigen positiven oder
negativen ganzzahligen Factor, so erhält man zuletzt einen allge-
meinen Ausdruck, in welchem alle möglichen Molecularformeln be-
griffen sind, nämlich:
M = 2/(a) + mic,^^) + r(6) + «(r-) ^ p{d) . . . + q{.h,a) -\- 1{K) etc.
WO /, m, r, s etc. ganze positive Zahlen bedeuten. Die angeführten
Glieder dieser Formel genügeu bereits, um ein sehr wichtiges Gesetz
herauszulesen, dem alle Molecularformeln entsprechen müssen. Man
sieht nämlich daraus, dass die Anzahl der Wasserstoff-, Fluor-, Cblor-,
Brom-, Jod-Atome eine paare sein müsse, wofern kein Stickstoff-
Phosphor- etc. Atom vorhanden ist, wenn dagegen ein Stickstoff-,
Phosphor- etc. Atom vorhanden ist; eine unpaare; ferner dass beim
Vorhandensein von Quecksilberatomen jene Zahl eine paare oder
unpaare sein könne *). Mit der Reihe e verhält es sich natürlicher
Weise wie mit der Pieihe c.
Das erstere ist namentlich für die sogenannten organischen
Verbindungen von grosser VVicIitigkeit, und es ist daher dort stets
der Satz zu berücksicbtigen : „Bei Abwesenheit von Atomen der
Reihe c ist die Anzahl der im Molecül vorkommenden Atome aus der
Reihe a stets eine paare", und diese Wahrnehmung ist für die Beur-
theilung der chemischen Reactionen von grosser Redeutung 2). Da
die Atome Ag = 108, K = 39-5, Na = 23, Li = 7, welche höchst
wahrscheinlich die ebengenannten Gewichte haben, dieselben Verbin-
dungsverhältnisse zeigen wie die Reihe a, so ist das eben Gesagte
auch auf diese Reihe zu beziehen.
Bereits früher, bei der Betrachtung der einfachsten Atom-
systeme wurde ersichtlich, dass die Glieder derselben Reihe einander
1) Freilich miiss hier nocli heinerkt werden, dass der Fall in = — s, q = — / etc. hei
neautiuiieii nicht vorkömmt.
2) l)»H sogenannte (ieselz der paaren Atomzalilen, wie es Keknie entwickelt (Lelirh.
S. KiO) ist nicht richtig. Vgl. das ohen iiher die Verliindungen NO, NO.^, llgCI, HgClg
(jesagte.
Einige Sätze ilei- llieoretischen Clieinie. 101
in solchen Systemen vertreten können, so dass aus der Existenz eines
Atomsystems auf die Möglichkeit mehrerer anderen geschlossen
werden kann. Als hieher gehörige Beispiele mögen die nachstehenden
gelten :
CH4
PH3
CIU
CCI4
PCI3
SiFU
CHCI3
PBr3
S11CI4
CH2CI2
PJ3
SiBr4
CH3CI
AsClg
CJ4
etc.
etc.
etc.
Dieselbe Erscheinung finden wir bei complicirter zusammen-
gesetzten Molecülen; es können Atome derselben Reihe einander
vertreten, und zwar ohne dass die qualitative Natur der Verbindung
bedeutend geändert erscheint, wie z. B. bei der Essigsäure und den
Chloressigsäuren; die allgemeine Molecularformel ist für diese (2d,
4«, 26), ferner beim Alkohol undMercaptan, dereuFormel (2d,6n,h).
Nun kömmt es aber auch bei Reactionen häufig vor, dass durch
dieselben die Natur einer Verbindung fast gar nicht geändert wird,
obwohl die Zusammensetzung eine ganz verschiedene geworden,
einer ganz andern Molecularformel entspricht, z. B. bei der Ent-
stehung von Äthylamin C2H7N aus Ammoniak HgN (und Äthyljodür
C2H5J). Die beiden ersteren Verbindungen haben ganz dieselbeNatur
und doch so verschiedene Zusammensetzung. In solchen Fällen hat
man Grund, zu schliessen, dass der Gleichgewichtszustand in beiden
Atomsystemen im Allgemeinen derselbe sei, und um diesen Gedanken
auszudrücken, sagt man im vorliegenden Falle, in dem System H3N
sei ein Atom H durch das ideelle System C2H5 ersetzt oder substituirt
worden. Letzteres kann zwar dem zuvor entwickelten Gesetz der paa-
ren Atomzahlen von a zufolge gar nicht existiren, und wofern dessen
Existenz möglich wäre, so ist doch dessen innere Gleichgewichtslage
für sich, und im andern Falle als Glied eines andern Systems eine
total verschiedene; doch man betrachtet die Grösse C2H5 in solchen
Fällen eben nur in Bezug auf die Masse und deutet das oben Gesagte
durch Zeichen an, etwa N(CoH5)Ho gegenüber NH3 , immer beden-
kend, dass die Menge CgHs ebenso nur ein einzeln gedachter
Theil des Molecüls sei, wie es bei dem Atom Cl gegenüber dem
Molecül CI3 der Fall ist. Man sagt demnach, dass sich die Menge
C2H5 wie ein Glied der Atomreihe a verhalte, also etwa wie Cl. Der
1 02 T s c h e r m u k.
eben besprochene Fall ist sehr häufig; man kommt bei Betrachtung
chemischer Reactionen sehr häufig zu dem Schlüsse, dass eine Summe
von mehreren Atomen sich so verhalte wie ein einzelnes Atom aus den
Reihen a, b, c etc. Eine solche Summe von Atomen, ein Radical
wie man sich ausdrückt, muss olTenhar nach dem obigen Gesetze
das Verhalten der Reihe « oder c zeigen, wenn die Anzahl der darin
vorkommenden «-Atome unpaar, dagegen das Verhalten der Reihe b
oder d, wenn jene Anzahl eine paare ist; dies natürlich unter den
oben genannten Beschränkungen etc. Man geht in der Systematik
bekanntlich weiter. Man vergleicht ohne Unterschied die Molecular-
formeln vor und nach der Reaction, und nennt die Atomsummen, die
gleichsam gegenseitig ausgetauscht werden, Radicale.
Man vergleicht ferner direct oder indirect die in das Molecül
aufgenommene Menge mit der Anzahl der ausgeschiedenen Atome
der Reihe a und nennt jene Mengen die gleich viele dieser Atome
gleichsam verdrängen, äquivalente Mengen. Jene Menge die auf
eines der letztern Atome entfällt, heisst ein Äquivalent. So sind z. B.
die Mengen C2H4O2, — |— ^, ^ *, äquivalent, so ist das Äquivalent
des Sauerstoffes — =8, des Zinks — = 32-5, so hat das Quecksilber
die beiden Äquivalente Hg=200 und -^ = ^^^' ^^^ Eisen der bei-
den Äquivalente -^ = 28 und -r =18-6 etc. Es ist klar dass man
auf synthetischem Wege ebenfalls zu dem BegritTe des Äquiva-
lentes gelangt, wie es auch gewöhnlich geschieht. In jedem Falle
nennt man „ein Äquivalent" jene Menge, die ein Atom der Reihe a
gleichsam vertritt. Über das Weitere und über die hier herrschenden
Inconseqnenzen s. Kekule, Lehrhuch S. 39 ff., S. 107 ff.
Hier soll noch ein Wort über die sogenannte Basicität beigefügt
werden. Wenn man allgemein die Molecularformeln vor und nach
der Reaction vergleicht, so findet man, dass die Zahl, welche aus-
drückt wie viele Atome der Reihe a im höchsten Falle äquivalent-
weise ausgetauscht werden, für eine bestimmte Atomgruppe eine
constante sei. Um hier wieder ein bestimmtes Mass zu gewinnen,
geht man immer von dem einfachsten Molecül, also von der Wasser-
stoffverbindung aus z. ß. von SH^O» oder CgHeOo und betrachtet
immer das Verhalten gegen ein und denselben Körper, resp. gegen
Glieder derselben Atomreihe, z. B. gegen Kalihyilrat KUO, Natron-
hydrat NallO,
Eiiiiyie Sätze der theoretischen Chemie. 1 0 tJ
Auf diese Art findet man dann, wie viele Atome H im Maximo
durch Atome K ersetzt werden können. Die Zalil, welche dieses
Maximum ausdrückt, hat man die Basic ität der entsprechenden
Verbindimg genannt. So ergibt sich zum Beispiel für SHoO^ die
Basieilät 2, für CsHgOo die Basicität 1, für C.H4 die Basicität 0.
Wenn man nun die Basicität solcher einfaclien Wasserstoffver-
bindungen betrachtet, so ergibt sich wieder eine einfache Regel.
Basicitiltsmaxiina der einfachsten Terbindungon.
Werden wieder, wie es oben geschehen, die einfachsten Wasser-
stoffverbindungen zum Ausgangspunkte gewählt, also z. B. CIH, SHg;
PH3, CH^etc, und werden die nächst höhern Systeme, die durch Ver-
bindung mit Gliedern aus der Reihe b oder speciell mit Sauerstoff
entstehen, betrachtet, so hat man in Beispielen die Reihen
CIHO
SH2O
PH3O
CH4O
CiHOa
SHjO,
PH3O0
CH4O.
CIHO3
SHoO^
PH3O3
SiH403
CIHO4
SH0O4
PH3O4
SiH404
Die Glieder dieser Reihen besitzen bekanntlich die Eigenschaft
die Wasserstoffatome gegen andere auszutauschen, in einem um so
höheren Grade je bedeutender die Zalil der Sauerstoffatome ist, dess-
halb werden die unteren Glieder Säuren genannt. Es ist hier wieder
vorauszusehen, dass das Basicitätsmaximum so gross sein müsse,
als die Anzahl der Wasserstoffatome, weil kein Grund zu finden ist,
wesshalb die Wasserstoffafome in diesen Systemen im höchsten
Falle nicht sämmtlich ausgetauscht werden sollten.
Denkt man wieder an die früher aufgefüiirten Symbole zurück,
nämlich [a, a), (ö, 2a), (c, 3«), (^, 4«) etc. und gibt man dem
allgemeinen Ausdruck für alle diese Symbole die Form (r, na), wo
r irgend ein Glied einer Reihe // die Anzahl der in den einfachsten
Systemen enthaltenen Atome aus der Reihe a bezeichnet , so kann
man sagen :
„Das Basicitätsmaximum der obigen V^erbindungen wird durch
die Zahl n ausgedrückt."
Dies bestätigt die Erfahrung vollkommen. Man weiss , dass die
Verbindungen der ersten Reihe einbasisch , die der zweiten zwei-
basisch seien u. s. w.
104 Ts c h c r 111 a k.
Das Miiximiini der Basicität vM'rd natiii'licli nicht immer erreicht,
d. h, es werden nicht immer sogleich alle WasserstolTatome ausge-
tauscht, und dies offenbar um so weniger, je grösser die Zahl n ist,
daher sind auch z. B. von den Salzen, welche der vierten Reihe ent-
sprechen, vierbasische nicht so häufig als ein- und zweibasische. Eben
bei dieser Reihe ist daher auch das Basicitätsmaximum bis in die
letzte Zeit nicht richtig aufgefasst worden , es wurde das Maximum
stets zu 2 angenommen. Dagegen hat Odling daraufhingewiesen <),
dass man die Kohlensäure und Kieselsäure als vierbasische zu
betrachten habe, gerade so wie man der Salpetersäure das Basici-
tätsmaximum 3 zuschreiben müsse.
Als Verbindungen , welche die genannten Basicitätsmaxima
zeigen, können aufgeführt werden:
C Ca4 O4 8) Si (CoHs)^ O4 (El)elmen) N H^aHO* (Kanc)
SiCa4 O4 (Scfs(röm)
SiNa4 O4 (Yorke)
SiMg4 O4 Chrysolith.
Die früher bereits aufgeführten Systeme:
NHO3 CH2O3
PHO3 SiHaOg
müssen natürlicher Weise die Basicität 1 und 2 zeigen.
Da in dem Vorigen von den einfachsten Wasserstoffverbindun-
gen aus die Betrachtung der Basicitätsmaxima jener vier Reihen
eröffnet wurde, so muss noch zuletzt auf die beiden Systeme («, 3«)
und {c, ^(i) aufmerksam gemacht werden. Es entsteht nämlich die
Frage, ob vielleicht, wie es bei den zuerst angeführten einfa-
chen Systemen der Fall ist, Sauerstotfverbindungen dieser letzteren
Systeme möglich sind. Es würde dann für gewisse Verbindungen der
Reihe a und der Reihe e ein höherer Werth des Basicitätsmaximums
sich ergeben. Die Erfahrung gibt uns zur Zeit noch keine Antwort
in Bezug auf das erstere System, dagegen sind schon eine bedeutende
Zahl von Verbindungen bekannt, die auf das System NH5O, PH5O
bezogen werden können.
Das Basicitätsmaximum der weiteren Sauerstolfverbinduiigen
dieser angenommenen Systeme wäre demnach 5 , doch ist über die
«) Phil. Mag. [4] November 18Ö9, S. 3ß8 (T.
2) Wenn Ca = 20, Mg = 12.
Einige Sülze der tiieoretischen Cliemie. 1 Oi)
Existenz von SaiierslolTverbinduiigen wie NH5O3, NH5O4 etc. nichts
bekannt. Mit den obigen angenommenen Verbindungen NH5O, PlIsO
verhält es sich so wie mit den ersten Gliedern der zuvor angeführten
Reihen, nämlich mitCIHO, SHoO, PH3O. CH4O. Sie sind meist nicht
bekannt, und die Basicität (bezüglich KHO etc.) ist 0 oder 1 (unter
gewöhnlichen Umständen).
Nach dem bisher Gesagten ist ein specielles Eingehen auf die
Basicitätsmaxima der Verbindungen der übrigen Atome, deren Massen
bekannt sind, nicht mehr nothwendig. Man kennt übrigens bisher
blos die Moleculargewichte einiger Borsäure- und einiger Queck-
silberäther, die Atomgewichte des Alumium und Eisen sind noch
durch fernere Bestimmungen von Dampfdichten festzustellen etc.
Man sieht daher sogleich, dass bei den Verbindungen der Atome,
welche ferner zu betrachten wären, in der bezeichneten Richtung
noch keine sicheren Daten enthalten sind. Man hat es bekanntlich
auch versucht, die Basicität höher zusammengesetzter Verbindungen
aus der Basicität der einfachen nach empirischen Regeln zu berechnen.
Dies kann wohl ein Umhergehen im Kreise genannt werden, denn
die Basicität einer Verbindung muss gegeben sein, wenn man über
den Charakter derselben etwas sagen kann, anderseits muss der
Charakter der V^erbindung bekannt sein, wenn auf die Basicität
geschlossen werden soll. Der Versuch beruht wieder auf der Täu-
schung, als ob über die Art der chemischen Reaction und über die
Molecularconstitution etwas Genaueres bekannt wäre.
In dem zuvor Gesagten wurde der BegritT der Basicität in der
ursprünglichen Weise gefasst, indem der Körper Kalihydrat als Mass
für alle Fälle angenommen wurde. Wenn dagegen die doppelte Zer-
setzung in jenen Fällen, wo gleichsam eine ganze Atomgruppe, ein
sogenanntes zusammengesetztes Radical, für ein Atom Wasserstoff in
die Verbindung tritt, betrachtet wird, d, i. wenn als Mass das
Verhalten gegen einen anderen Körper, wie z. B. Äthyljodür C3H5J
aufgestellt wird, so muss natürlicher Weise das Zahlenresultat ebenso
wie das allgemeine Resultat der Betrachtung ein verschiedenes
werden. Einiges davon soll in dem Folgenden besprochen werden.
Der Begriff des Radicales.
Früher wurde bereits gezeigt, wie man bei der Betrachtung der
doppelten Zersetzung zu einem BegrilTe des Radicales gelangen
106 T s p h e r m a k.
könne, wornacli das letztere als eine Summe von Atomen sich dar-
stellt, die in eine Verbindung eintritt, während ein oder mehrere
Wasserstoffatome ausgeschieden werden. Man kommt indess, wie
bekannt, auch durch eine hievon verschiedene Betrachtung auf die-
selben Grössen, auf dieselben Atomsummen. Wenn nämlich die
Moleculargrösse vor und nach der Reaction betrachtet wird, so
ergibt sich in allen Fällen, wo eine Massenänderung eintrat, dass ein
Theil des Molecüls der Masse nach unverändert geblieben sei. Diesen
Tlieil des Molecüls, der also, wie man sich ausdrückt, unangegriffen
blieb, nennt man Rest der Reaction oder Radical. Der so gewonnene
Begriff bezieht sich indess auf dieselben Atomsummen wie der vorige,
da hier blos der Standpunkt der Betrachtung verändert wurde. Wenn
z. B. aus Essigsäure C3H4O3 und Alkohol CoHgO Essigäther gebildet
wird, so kann diese wenigstens in zweifacher Weise aufgefasst wer-
den, wie es durch dieFormelCoHsCCoHjOjO und C3H5(CoH30)0 kurz
angedeutet wird. Einmal sind die Grössen C0H3O, und C0H5O Radicale
im ersten Sinne, ein anderes Mal können sie als Reste der Reaction
aufgefasst werden, wie man eben die Betrachtung anstellt.
Wenn man endlich voti jeder Reaction absieht, so kann man
offenbar auch durch blosse Vergleichung der Molecularformeln jene
Grössen erhalten, die Radicale genannt werden; nur dürfen dann
blos jene Verbindungen verglichen werden, die in einander verwan-
delt, in einander übergeführt werden können, die also, um dies
kurz auszudrücken, verwandt sind. Darnach ergibt sich ein allge-
meiner Begriff des Radicals, der von jeder Vorstellung über Substi-
tution ganz unabhängig ist, nämlich: Radical n e n n t m a n die C 0 n-
stan te d erMolec ul ar formel n V erwandterVerbin du ngen.
Dieser Begriff umfasst offenbar alles was sonst mit Recht unter
Radical verstanden wurde, und schliesst alles unrichtige aus, was je
nach dem Wechsel der Ansichten in denselben hineingelegt zu werden
pflegte. Wenn demnach verwandte Verbindungen, respective deren
Molcularformeln verglichen werden, so ergibt sich leicht die allen
Formeln gemeinsame Grösse, das Radical, z. B. bei den Verbin-
dimgen:
Alkohol CsHßO oderCoHsHO Äthylcyanür. . .C3H5 N od. C2H5CN
Mercaptan ... CaHgS .. CAl-^HS Äthylamin C0H7 N „ CoHsHaN
Äthyljodür . . . C2H5J ,. C2H5J Äther C^HjoO „ (C2H5)20
Salpeters.ÄthylCoHjNOs „ C3H5NO3 Kohlons. Äthyl .C5H,o03„(CaH5)8C08
Einige Sätze der theoretischen Chemie. 107
Die Constante aller dieser Molecularfoirneln, das Radieal, wel-
ches allen angeführten Verbindungen zukömmt, ist demnach C2 H5.
Das Radieal bezieht sich also immer nur auf eine bestimmte
Reihe von Molecularformeln, und es ist klar, dass beim Vergleiche
einer grösseren Anzahl sich eine kleinere Constante ergeben wird,
endlich dass beim Vergleiche aller bekannten Molecularformeln jene
Constanton durch die Atomgewichte dargestellt werden. Daher kann
man auch die chemischen Atome ^„unzerlegte Radicale" nennen.
Es erscheint nicht nothwendig, auf andere Auffassungen bezüg-
lich der Radicale einzugehen, da dieselben bereits sämmtlich in den
Hintergrund gedrängt worden sind. Über die Anwendung jenes ßegrif-
in der Systematik hingegen mag noch Einiges bemerkt werden.
Der Begriff des Radicals ist für die chemische Systematik von
grosser Wichtigkeit. Wenn nämlich die Verbindungen nach conse-
quentem Studium ihrer Reactionen in Gruppen gebracht sind, geht
der Systematiker daran, für jede Reihe von verwandten Verbindungen
die Constante der Molecularformeln aufzusuchen. Die Gruppen der
Verbindungen werden hierauf nach den Radicalen geordnet. Bei den
Unterabtlieilungen jeder solcher Gruppe wird endlich auf die Ver-
änderlichen, auf die Variablen der Molecularformeln Rücksicht genom-
men. So entsteht eine systematische Anreihung der Verbindungen, die
auf solche Weise hervortretenden Lücken deuten auf die Möglichkeit
noch unbekannter Verbindungen , und es ist auf solche Art die Ent-
deckung einer Unzahl von neuen Verbindungen hervorgerufen
worden.
Es ist offenbar von bedeutendem Vortlieil, die Constanten, also
die Radicale bei den Formeln herauszuheben, wodurch in einfa-
cher Weise die nächsten Beziehungen der Verbindungen unter ein-
ander so wie deren Stellung im Systeme in Erinnerung gebracht
werden. Das Herausheben der Constanten hat indessen nur einen
Sinn, so lange es zum Zwecke der Systematik geschieht. Wird hin-
gegen eine Zerstücklung der Molecularformel dazu unternommen, um
zugleich an viele Reactionen zu erinnern und den Scharfsinn an den
sogenannten „zusammengesetzten Typen" zu üben, so verliert diese
alle Bedeutung. Es führt dieses Verfahren in letzter Consequenz
dazu, wiederum alle Atomzeichen einzeln zu schreiben, im letzten
Falle freilich mit Hinzugabe einer Unzahl von Klammern , Häkchen
und Striclilein. Bezüglich des Bemühens Einzelner, durch das Zer-
108 T s c h e r m a k.
bröckeln der Molecularformeln die atomistische Coiistitutloii anzudeu-
ten, wurde bereits oben das Nütbige bemerkt.
Dem früher Gesagten zufolge lassen sich viele höher zusam-
mengesetzte Verbindungen auf die einfachsten Atomsysteme bezieben,
indem man sich statt der einzelnen Radicale Wasserstoff- etc. Atome
äquivalentweise restituirt denkt. So lässt sich z. B. die Verbindung
N(C2 115)3 auf das einfache System NH3 beziehen, die Verbindung
Sn(CoH5)4 auf das System SnCI^ oder SnH^ etc.
Dieses hat bekanntlich auf die Idee der Typen geführt und es
ist von Gerhardt der Versuch gemacht worden, alle Verbindungen
auf die drei Typen HH, OH, NH3 und deren Miiltipla zurück zu
fübren. Wenn man nun an die oben aufgezählten einfachsten Atom-
systeme zurück denkt, so merkt man sogleich, dass die dort auftre-
tenden Verhältnisse nicht sämmtlich durch die letzteren drei Typen
repräsentirt werden. Daher geschah es häufig, dass gar mancbe Ver-
bindungen nur zwangsweise auf einen jener drei Typen gebracht
werden konnte. Es ist sogleich klar, dass bei der naturgemässen
Ausführung der Idee der Typen alle jene Verbindungsverhältnisse
berücksichtiget werden müssen, die bei den einfachsten Atomsystemen
auftreten, ferner, dass die Annahme der Multipla von Typen bei Seite
gesetzt werden müsse. Ich enthalte mich indessen vor der Hand
einer näheren Ausfülirung dieses Gedankens, nur auf zwei Typen
will ich bier aufmerksam macben, da dieselben besonders wichtig
erscheinen. Es gilt dies von der KoblenstofT- und der Alumium-Reihe.
Bezüglich der KoblenstofTverbindungen ist zuerst zu erwähnen,
dass man bisher noch nicht versucht hat das einfacbste System CH4
in der Weise zum Ausgangspunkte der Betrachtung und der Classi-
fication zu benützen, wie es z. B. bei dem System NH3 geschehen ist,
und zwar aus der Ursache, weil die Synthese noch keinen Anhaltspunkt
gewährt: weil in demMoIecülCH^ ein Austausch der WasserstofTatome
durch zusammengesetzte ßadicale schwieriger auszuführen ist, als bei
demMolecül NHg.wie denn, überhaupt mit der Zunahme der Anzahl der
WasserstofTatome in diesen einfachen Molccülen die Schwierigkeit eines
solchen Austausches wächst. Doch dieses dürfte ebenfalls bald über-
wunden werden und man wird sodann die höher zusammengesetzten
Koblenstotfverbindungen ebenso übersichtlich zu betrachten im Stande
sein , wie dieses jetzt bei vielen Stickstoffverbindungen der Fall ist.
Eirnge Andeutungen in dieser Beziehung mag das Folgende geben.
I
Einige Siitz.e der theoretischen Chemie. 109
Von dem Typus CH4 kötinen abgeleitet werden :
CH3(CHs) = CgHg
CHa(CH3)o=C3H8 oder CCCaHs) H3
CH (CH3)3=-C4H,o „ C(CaH5) (CH3) Hj
C (CH3)4 = C5Hi, „ CCCgH^Jo H2
CeHu „ C(CaH02(CHs)H
etc. etc.
Auf diese und äiinliche Weise können die säiiirntlichen Ver-
bindungen der Äth}lgiuppe abgeleitet werden. Bei der Benzoesäure-
Gruppe wäre der Typ CsH^ in derselben Weise wie zuvor CH4 als
Ausgangspunkt zu nehmen.
Dasselbe was von den KolilenstofFverbindungen gesagt worden,
gilt im Allgemeinen ancb für die Siliciuni- und Zinnverbindungen. Für
viele Siliciumverbindungen ist wieder der Grundtypus Si H^ der
SilieiumwasserstülTi). Bisber sind nocli sehr wenige der Silicium-
verbindungen studirt, noeli weniger sind deren Moleculargewicbte
bekannt. Von der Unzahl von Verbindungen, die wir zu erwarten
haben , sullen blos einige bezeichnet werden.
Si(CH3)H3 = SiCHß Si(C2H5)4 = SiCgH^o Si(SiH3)H3 = SioHg
Si(CH3)4 =SiC4H,2 Si(NH3)H3=SiH5N SiCSiHa)* =Si5H,äete.
Bisher sind von Silicium-Äthern blos die Verbindungen
Si(C2H5)404 , Si(C2H5)o03 , Si(C5H,,)404
untersucht. Dagegen kennt man bereits die Moleculargewicbte einer
grösseren Anzahl von Zinnverbindungen, z. B.
Sn(CH3)2Cl3 Sn(C3H5)2Cl3 Sn (C2H5)4
Sn (CH3)3 J Sn (C2H5)3 Cl Sn (C U^U (C^^h
Es dürfte übrigens gelingen, auch Zinnverbindungen darzustellen,
die den Kohlenstoffverbindungen geradezu entsprechen, z. B.
Sn(SnH3)H3 = Sn^Hß Sn (NH3) Hg = Sn H5N
Sn(SnH4) = Sn2H4 Sn (NH3) (SnH3)o= 803 H9N etc.
Die Glieder der Alumiumreihe bedürfen noch eines eingehenden
Studiums, bevor über die Verbindungsverhältnisse etwas völlig Sie-
cheres aufgestellt werden kann. Vorerst -wären mehrere Bestimmun-
gen von Dampfdichten einfacher Verbindungen derselben nothwendig.
1) Die von Buff und Wöhler dargestelUen Verbindungen, die nicht rein erhalten
werden konnten, haben wahrscheinlich die Zusammensetzung SiHCI^, SiHBrj,
SiH.13 und SiHgOg entsprechend dem Chloroform CH CI3 etc. und der Ameisen-
säure CHjOj.
Sitzb. d. mathera.-uaturw. Cl. XLI. B.l. Nr. 14. 8
I J Q T s c h e r III a k.
um die früher genannten Atomgewichte AI == 55 und Fe = 112 zu
bestätigen. Demnächst wäre zu untersuchen, ob auch ein Chiorür
des Alumium AlCl^ oder eine dem entsprechende andere Verbindung
darstellbar sei, um so festzustellen, ob Alumium und Eisen gleiche
Verbindungsverhältnisse zeigen, also in eine Reihe gehören. Die
oben angefülnten Atomgewichte werden sich höchst wahrscheinlich
bestätigen. Man kennt bisher von einfachsten Verbindungen des
Eisens das Chiorür FeCl^ und das Chlorid FeCig , andererseits nur
das Chlorid des Alumium AlCIg. Wie sich von diesen Typen viele
der höher zusammengesetzten Verbindungen ableiten lassen, möge
durch einige Beispiele angedeutet werden.
AlClß = AlClß
AI (CoHs)« Ja = AI Acg J.
AI (H0)6 = AI He Og Hydrargyllit
AI (N03)6 = AI (N0o)6 Oe
AI (CoHgOo)^ = AI (CoH30)606
AI (804)3 = AI (802)306
AI 0:1,03(8103)0 = AI Ca2(SiO)o06 AnorMiit. ptc.
Andere Verbindungen des Alumium entsprechen bekanntlich dem
Typus AIH3O4 (Diaspor). Von Eisenverbindungen mögen folgende
angeführt werden.
Fe Cii = Fe CI4 ... Fe CI,; = Fe Clg
... ... ... Fe (H0)6 = Fe Hß 0«
Fe(N03)4 =Fe(N0o)4 04 . . . Fe (N03)e = Fe (N0o)6 0e
Fe (804)0 =:Fe(80o)o04 . . . Fe (804)3 = Fe(S0o)306
Fe (8103)0 = Fe (810)004 • • • Fe (8103)3= Fe (810)306
Fe (Co04)o = Fe (Co02)o04 ... Fe (€304)3=: Fe (€003)306
Dass namentlich die Systematik der Alumiumverbindungen durch
obiges Verfahren eine sehr einfache wird, soll bei einer anderen
Gelegenheit gezeigt werden.
Schlassbciiicrkuiig.
In den letzten Abschnitten, wo das Verfahren der systematischen
Chemie kurz besprochen wurde, konnte zugleich auf manche unrich-
tige Ansichten, die dem Gesagten entgegenstehen, hingewiesen
werden. Dieses wurde indessen dort vermieden, wo es sich darum
handelte, die wichtigsten Sätze der Theorie im Zusammenhange zu
entwickeln. Es erübrigt daher noch, einiges wenige nachzutragen,
was der Erörterung werth erscheint. Dies betritft namentlich die
Bestimmung des Moleculargewichfes, der Moleculargrösse.
I
Einige Sätze der theoretischen Chemie. 111
Es ist oben gesagt worden, dass für jetzt der angefülirte eiste
Hauptsatz allein uns ein Mittel an die Hand gebe, die Molecular-
grösse zu bestimmen. In der That ist jener Satz der einzige mögliche
Ausgangspunkt der Theorie; wenn auch die Wärmetheorie durch
das erst zu entwickelnde Gesetz der specifischen Wärme ein
ferneres Mittel zur Bestimmung der Molecularmasse zu liefern ver-
spricht i), so ist dieses doch jetzt noch nicht der Fall, wo das soge-
nannte Dulong-Petit'sche Gesetz blos für den vollkommenen Gas-
zustand sich bestätigt, im Übrigen aber nur Regelmässigkeiten angibt.
Im Gegensatze zu dem hat man es jetzt unterlassen, jenen
Hauptsatz als den ersten anzuerkennen, und ist derart in viele Incon-
seqnenzen gerathen. Früher, wo von der Moleculartheorie abgesehen
wurde, und man daher blos der Übersichtlichkeit wegen die Formeln
einer Reihe von Verbindungen auf gleiche Gasvolumina zu beziehen
für gilt fand, war dies ganz zu entschuldigen, wenn aber heut zu
Tage von mehreren Chemikern die Moleculartheorie adoptirt, jener
Hauptsatz aber vernachlässigt wird, so kann von einer Bestimmung
der Molecularmasse keine Rede sein, und wenn eine solche versucht
wird, so müssen offenbar die gewonnenen Resultate völlig unsicher sein.
Um hierauf specieller einzugehen . mag ein hierher gehöriger Satz
ausKekule'sLehrbuch der organischen Chemie 2) angeführt werden.
„Da wir unter Molecül die geringste Menge von Substanz ver-
stehen, die bei chemiselien Reactionen in Wirkung tritt, so ist es
einleuchtend , dass die Betrachtung einer grösseren Anzahl von
Reactionen , bei welchen ein Körper auf andere von bekannter (oder
als bekannt angenommener) Moleculargrösse einwirkt, zur Bestimmung
der Moleculargrösse dieses Körpers den nächsten Anhaltspunkt geben
wird".
Nach diesem Satze gelten also als Mass zur Bestimmung der
Moleculargrösse Körper von bekannter, oder als bekannt angenom-
mener Moleculargrösse, doch wird nicht angegeben, woher das
Urmass bekannt sei, oder nach welchem Gesetze dessen Grösse
ermittelt worden. Ferner ist die Art der Messung, nämlich die Be-
trachtung der Reactionen, eine etwas vage, was unter anderen durch
die Unrichtigkeit der früher für das Zinkäthyl, die Stannäthyl-
1) S. Stefan's Abh. in d. Sitzungsb. d. k. Akademie in Wien. Bd. XXXVI, S. 8ä (T.
2) S. 10.
112 T » c li e r 111 a k. Eiiiig'e Sätze der theoretischen Chemie.
Verbindungen etc. angenommenen Moleculargrossen bestätigt wircJ.
Weil demnueli die Grundlage der ganzen Messung schwankt, so ist
der Verfasser genothigt, spater zuzugeben, dass „eine exacte
Bestimnmng auch nur der relativen Grösse der Molecüle nicht aus-
führbar" sei, sonach die Resultate solcher Bestimmungen wieder in
das Gebiet des Wahrsclieinlicheti und Zweckmässigen gehören; das
Gleiche muss hierauf auch von der Bestimmung der Atomgrösse, des
Atomgewichtes gelten.
Es ist kaum nötliig liier zu wiederholen, dass insolange als ein
solches Verfahren befolgt wird, von einer Theorie der chemischen
Erscheinungen nie die Rede sein kann. Der Fortschritt jeder erklä-
renden Naturwissenschaft ruht ja eben darauf, dass stets eine Hypo-
these, welche den bekannten Thatsachen entspricht, zur Grundlage
gewählt wird. So lange sich jene bestätigt, ruht alles Übrige als ein-
heitlicher Bau auf derselben, und muss sie endlich aufgegeben wer-
den, so hat sie unterdess genügendes Material zu einer neuen Grund-
lage der Wissenschaft geliefert. Es ist daher jenes empirische Ver-
fahren durchaus nicht zu billigen. Es zeigt sich dies am besten an
dem bisherigen Erfolge. Es ist bisher nichts anderes als ein Hauf-
werk von „zweckmässigen" Betrachtungen gewonnen, und da bei
dem Mangel einer Grundidee jeder etwas anderes für zweckmässig
hält, eine Verwirrung hervorgerufen worden, die den jetzigen Zu-
stand eigenthümiich charakterisirt. Dabei wurde in experimenteller
Richtung namentlich jenes vernachlässigt, was für den weitern Fort-
schritt so dringend nothwendig erscheint: Man kennt die einfachsten
Verbindungen am wenigsten, die Masse der Atomgewichte ist noch
nicht festgestellt, auch die physikalischen Verhällnisse der chemischen
Individuen und dies namentlich im Gas- und Dampfzustande verlangen
eine sorgfältige Behandlung etc.
Am Schlüsse will ich noch bemerken, dass jeder zuvor ausge-
sprochene Satz, so wie jede Widerlegung nur als eine Consequenz
der im Eingange entwickelten Grundidee zu betrachten sei, und dass
dieser Versuch blos den Wunsch eines Fortschrittes der theoretischen
Chemie ausdrücken solle. Daher möge es nicht als Anmassung gedeu-
tet werden, wenn ich in der vorliegenden Arbeit, soweit es die dies-
mal gewählte Fassung derselben erlaubte, meine Überzeugung aus-
gesprochen habe.
V. Hauer. Naclitriige zur Keiintiiiss der Cephalopoden-Fauna etc. 113
Nachträge zur Kennlniss der Cephalopoden-Fauna der
Hallslälter Schichten.
Von Franz Ritter von Hauer.
(.Mit 3 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 8. März 1860.)
Seit meiner letzten auf die fossilen Cephalopoden der Hall-
stätter Schichten des S;ilzkanim,ergutes bezüglichen Arbeit, die vor
sechs Jahren in den Denkschriften der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften Bd. IX, S. 141 verötTentlicht wurde, hat der Sammel-
eifer einiger Freunde der Wissenschaft wieder so viel des Neuen
und Interessanten zu Tage gefördert, dass es dringend wünschens-
werth erscheint, dasselbe zur Publication zu bringen.
Die grosse Mehrzahl der in den folgenden Blättern beschrie-
benen Stücke befindet sich im Besitze theils des Herrn Hofrathes
Dr. V. Fisclier, der mir von Zeit zu Zeit die neuen Gegenstände
die er erhielt zur Beschreibung übersandte , theils des k. k. Hof-
Mineralien -Cabiiietes, für welches der Custos- Adjunct Herr Prof.
Ed. Suess im verflossenen Sommer Aufsammlungen im Salz-
kammergute veranstaltete. Mit freundlicher Bewilligung des Direc-
tors Herrn Dr. M. Hörn es wurde mir auch, was diese geliefert
hatten, zur Untersuchung anvertraut, nachdem schon Herr Prof.
Suess selbst die meisten Stücke sorgfaltig präparirt und unter den-
selben viele neue Arten erkannt hatte.
Über die geologischen Verhältnisse des wichtigsten der Fund-
orte, des Vorder-Sandling, verdanke ich Herrn Prof. Suess die
folgende Notiz:
„Der Vorder-Sandling, eine kleine Kalkkuppe, welche
dem grossen Sandling im Norden vorgeschoben ist , bildet den
Hauplfundort für diese Versteinerungen. Nähert man sich demselben
von Westen, so sieht man hart an seinem Fusse das Haselgebirge
114 V. H a u e r. Nachtrüge zur Kenntiiiss
anstehen; über nicht sehr viel Schutt ansteigend trifft man zuerst auf
lichtrothen Kalkstein mit sehr vielen kleinen Globosen, der auch ein-
gebackene Partien von dunkolrülhlichgrauem Kalk enthält, deren
jede von einem weissen Kalkspathsaume umgeben ist und in denen
man auch zahlreiche kleine Globosen-Querschnitte sieht. Im oberen
Theile dieser Bank '\s>i Rhyiichonella longicolUs häufig. Hierauf folgt
rötblicher, stellenweise grauer Kalkstein, etwa 3" mächtig, petre-
factenleer; dann dunkelrother Kalkstein, in welchem besonders
Amm. Jarbas und amoenus häufig sind, dann viele Globosen, Amm.
Morloti ("oder Neojurensis) und Holopella. Darüber eine kleinere
Lage lichtrothen poircfactenleeren Kalksteines und auf dieser wieder
dunkelrother Kalkstein, dem vorletzten gleich, mit Amm. amoenus,
Jarbas, Globosen und Holopella', von hier stammen alle die Stücke
von Nautilus brevis, sämmtliche Cochloceras, das grösste Stück von
Rhabdoceras und sehr viele Gastropoden. An einer Stelle (gegen
Norden) ist nun eine gelbe Schichte viin sehr geringer Mächtigkeit
sichtbar, welche fast ganz aus Ammoniten und einigen selteneren
Orthoceratiten zusammengesetzt ist; sie führt bei den Sammlern
wegen des sehr häufigen Auftretens des Amm. siibbuUatus den Namen
„Fasselschicht" und trotz ihrer geringen Mächtigkeit unterscheidet sie
sich in paläontologischer Beziehung auf sonderbare Weise von den
nahen dunkelrotheii Kalksteinen. Hier ist dieHeimatli von^wm. iS«/^r/-
lingensis, subbullatas, reticulatus , Orthoceras (dem reticulatum
ähnlich) und sehr vielen anderen Arten, die in den anderen Lagen
nicht sind. Amm. delphinocephalus ist hier durch Amm. semiglo-
bosus vertreten. — In diesem Niveau liegen weisse Kalksteine herum,
in denen sehr häufig Neriten zu finden sind und auch Rhabdoceras
vorgekommen ist, die sich aber insbesondere durch die grosse Menge
von Amm. bicoriiis auszeichnen , die sie enthalten ; ich konnte sie
wegen der starken Überwachsung der Stelle eben so wenig anstehend
finden, als weisse Kalksteine voll von Moiiolis salmaria, die auch
hier zerstreut vorkommen. Der ganze übrige Kogel scheint aus einem
mächtigen, lichtgiünlichen Kalkstein, ähnlich jenem vom Steinberg-
kogel bei Hallstatt zu bestehen ; hier findet (nan nur grosse
Crinoidenstiele und die Durchschnitte grosser Globosen und He-
terophyllen.
Die Kalkschichten streichen OSO. und fallen ganz steil nach
SSW.«
der reiihülopoden-Fauna der llallstiitler Schichten. j | J)
Nebst Ergänzungen zu einigen wenigen schon früher bekannten
Arten sind im Folgenden 22 ganz neue Arten beschrieben und ist
das Vorkommen einer Art, die bisher nur aus den Südalpen bekannt
war, des Naut. rectuiigularis in den Hallstälter Schicliten nach-
gewiesen. Die Gesammtsumnie der Arten von tetra-branchiaten
Cephalopoden aus den genannten Schichten steigt hierdurch auf 92,
von denen 25 auf die Familie der Nautilen und 67 auf die der Am-
moneen entfallen. Diese überaus grosse Zahl macht die Cephalopoden-
Fauna unserer Hallstätter Schichten zu einer der artenreichsten die
man kennt, um so mehr wenn man bedenkt, dass alle diese Arten
in der nächsten Umgebung von Hallstatt und Aussee in einem Um-
kreise von nur wenigen Stunden zu finden sind. In den weiter ent-
legenen Gegenden, in denen Hallstätter Schichlen vorkommen, z. B.
zu Hörnstein bei Wien, Hallein u. s. w. wurden bisher keine Arten
aufgefunden, die nicht schon aus der erstgenannten Gegend bekannt
waren.
Aulacoceras n. G.
Taf. f, Fig. 1—6.
Schon bei einer früheren Gelegenheit (Denkschriften der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Bd. IX, Seite 161) habe
ich die Eigenthümlichkeiten im Baue des unteren Theiles der Schale
an dem von mir benannten Orthoceras reticulatiim geschildert und
darauf hingewiesen, dass sie als .Anhaltspunkte zur Abtrennung der
Formen, an welchen sie wahrzunehmen sind, von dem Geschlechte
Ortkoceras benutzt werden könnten.
Die Entdeckung einer neuen Art in den Hallstälter Schichten,
an deren Schale diese Eigenthümlichkeiten in noch viel deutlicherer
Weise hervortreten, veranlasst mich die oben angedeutete Treimung
wirklich vorzuschlagen und für die in Rede stehenden Formen ein
neues Geschlecht zu bilden, dessen wesentliche Charaktere im Fol-
genden bezeichnet sind.
Gehäuse gerade kegelförmig, symmetrisch, gekammert mit ein-
fachen concaven Scheidewänden. Der hart randliche dorsale Sipho
ist meist in dem ganzen Baume zwischen je zwei Kammern sichtbar,
war also mit einer relativ dauerhafteren Hülle umgeben. Die Schale,
die in ihren oberen Theilen der eines Orthoceras gleicht, verdickt
sich gegen die Spitze zu n>ehr und mehr. Sie ist durch zwei Gruppen
■J ( () V. H a II p r. Niichträ^'e zur Kennliiiss
von Längsstreifen, Rippen oder Furchen, die rechts und links gleich
weit vom Sipho abstehen, in zwei Partien getheilt. Diese Furchen
sind nur auf der Sclialenoberfläclie , nicht aber auf ihrer Innen-
seite zu beobachten und der Querschnitt des Steinkernes bleibt kreis-
rund, während jener der Schale weiter gegen die Spitze zu durch
das stärkere Hervortreten dieser Oberflächenzeichnungen mehr und
mehr von der Kreislinie abweicht.
Diese Merkmale, nameutlicli die coiistant randliche Lage des
Siplio, und die gegen denselben in bestimmter Stellung befindliche
Obertlächenzeichnnng deuten, wie mir scheint, auf Abweichungen in
der BeschalFenheit des Thieres, welche die generische Trennung von
Orthoceras wohl rechtfertigen dürften. Schon vor langer Zeit hat
Fischer v. Wald heim Orthoceren mit randlichem Sipho unter dem
generisehcn Namen iF/^?/ia abgetrennt und später diesen Namen , da
er schon für ein Ptlanzengenus vcrgrifTen war, in Thoracoceras um-
gewandelt (Bull, de la Societe Imp. d. Naturalistes de Moscou 1844,
S. 7öo). Der wichtigste Charakter wird in einer kalkigen Hülle ge-
sucht, welche die eigentliche Schale umgeben soll. Dieses Geschlecht
fand bei den späteren Schriftstellern wenig Aufnahme. Erst d 'Or-
big ny führt in seiner Paleontologie stratigrnphique den Namen
Melia wieder ein und bezeichnet damit Orthoceren mit randlichem
Sipho, darunter auch die Arten der Hallstätter Schichten, ohne aber
eine nähere Charakteristik des Geschlechtes zu geben; da der be-
zeichnete Name auch für andere Ortlioceren mit randlichem Sipho
angewendet wird, welche die für meine Formen charakteristische
Obernächenzeichnung nicht besitzen, so war ich genöthigt einen
neuen Namen zu bilden.
Zur Gattung Aidacoceras gehört sicher OrfJi . i-eficulatiim Ha u.,
dessen Oberfläolienzeichnnng ich in der oben erwähnten Abhandlung
beschrieben habe.
Orfh. alveolare Quenst. und Orth. convergens Hau. ver-
ratlien schon durch ihren randlichen Sipho und dessen BeschafTen-
heit ihre Verwandtschaft mit unserer neuen Sippe. In den Samm-
lungen Ix'litiden sicli alter meist nur die oberen mehr der Mund-
öffnimg genälieiten Theile der Rithre , und nui- einmal habe ich an
einem sehr kleinen Individuum die charakteristische Oberflächen-
BeschafTenheit beobachtet (Denksclir. der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften Dd. IX, S. 1(53, Taf. III, Fig. 17 u. 18). Am aus-
der Cephalopoden-Fnuna der llallstälter Scliiclilen-. 117
gezeichnetsten zeigt aber die Geschlechts -Charaktere eine neue
Speeies.
Aulaeoceras snlcatam Hau.
Taf. I, Fig. 1—6.
Die gerade gestreckte Röhre wächst nur sehr langsam zu, doch
konnte der Winkel bei keinem meiner Exemplare mit hinreichender
Genauigkeit bestimmt werden.
Die Oberfläche der Schale ist bedeckt mit dicht gedrängten,
starken, oben gerundeten Längsrippen, die sehr hoch sind aber nur
durch ungemein enge Furchen von einander getrennt erscheinen,
wie man am deutlichsten an einem Querschnitt der Schale (Fig. 2, 4)
beobachtet. Bei gut erhaltener Schalenoberfläche gewahrt man auf
diesen Längsrippen selbst noch sehr feine Längsstreifen, Querstreifung
dagegen ist an keinem meiner Exemplare wahrzunehmen.
Zwei sehr breite, flach vertiefte Rinnen, die selbst noch bis
an ihren Grund mit den gleichen Rippen wie die übrigen Theile der
Schale versehen sind und die ungefähr um den dritten Theil der
Peripherie aus einander stehen, laufen an den Seiten des Kegels
herab. Sie scheinen schon auf der VVohnkammer vorhanden zu sein,
mindestens zeigt sie ein Stück, in dessen Innerem keine Spur von
Kammerscheidewänden sichtbar ist, sehr deutlich.
Gegen die Spitze zu wird die Schale immer dicker, wie man
gut aus den Längen- und Querschnitten erkennt.
Die flach concaven Kammerwände stehen ziemlich nahe an ein-
ander. Der Abstand je zweier derselben gleicht ungefähr dem halben
Durchmesser der Röhre. Der Sipho steht randlich in der Mitte des
kleineren, von den beiden oben erwähnten Furchen gebildeten Seg-
mentes. Man erkennt ihn durch den ganzen Raum der Kammer hin-
durch; unmittelbar unter jeder Scheidewand ist er etwas verdickt.
Die Art des Durchbruches durch die Kammerwand konnte ich nicht
mit Sicherheit ermitteln. Fast gewinnt es den Anschein, als bilde
die Scheidewand gar keine Düte und als träte eine abgesonderte,
den Sipho einschliessende Kalkiöhre durch ein einfaclies Loch der
Scheidewände hindurch. In jedem Querschnitt oder Querhruch des
gekammerten Theiles der Schale sieht man einen feinen Kalkring an
der Stelle, die der Sipho einnimmt.
I J (S V. n ii u o r. Naclitiüge zur Keniitiiiss
Der Durchmesser des grössten mir vorliegenden Exemplares
beträgt ungefähr einen Zoll; dasselbe ist ungekaiinnert. Andere
Stücke mit einem Diirchmosser von 8 bis 10 Linien sind schon
gekannnert.
Fundort: Teilscben bei Aussee, von wo mir die Stücke durch
Herrn liotVath v. K isolier mitgetheilt wurden.
Naatllos trapesoidalis n. sp.
Tiif. I, Fig:. 7—8.
Das einzige mir vorliegende Exemplar dieser Art vom Som-
merau-Kogel bei Halistatt befindet sieh schon seit längerer Zeit in
den Sammlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt. Da meine
HofTtiung, das was für die vollständige Charakteristik der Art daran
fehlt, durch weitere Funde ergänzt zu sehen bisher nicht in Erfül-
lung ging, so zögere ich nicht länger dasselbe zu beschreiben.
Die Umgänge des Gehäuses berühren sich nur, ohne sich zu
umhüllen und lassen einen weiten Nabel offen. Der Rücken ist flach
abgerundet, durch eine stumpfe Kante, die aber \\eiter nach rück-
wärts an der Schale deutlicher hervorzutreten scheint, mit den Seiten-
flächen verbunden. Die Letzteren sind ganz flach und nehmen bis
zu der ebenfalls gerundeten Nabelkante an Breite zu; mit einer sehr
hohen ganz gleichförmigen senkrechten Fläche fällt dann die Schale
gegen den Nabel ab. Der Querschnitt der Umgänge bildet demnach
ein unvollkommenes Trapez. Am Anfange der letzten Windung zeigt
sich am Steinkern (die Schale selbst ist hier nicht erlialten)
auf der Mitte der Seitenflächen eine leichte Einsenkung oder Läng.'*-
furche.
Die Oberfläche der Schale ist, abgesehen von sehr feinen
Zuwachsstreifen, vollkommen glatt.
Die enge stehenden Kammerscheidewände bilden an den Seiten-
wänden eine ziemlich tiefe Bucht nach rückwärts, am Rücken
eine solche nach vorne; auf dem letzten Umgänge waren ihrer etwa
32 vorhanden.
Die Stellung des Sipho konnte nicht ermittelt werden, da die
Kannnersclieidewände, obschon ihr Durchschnitt au der Oberfläche
des Steinkernes, wie die Zeichnung zeigt, selir deutlich zu erkennen
ist, doch im liineiii des Kernes nicht vorhanden sind und demnach
der Cephalopodeii-Faiiiiii der Hallstiihcr Sclilcliten. 110
vor oder während der Ausfüllung des Gehiiuses mit Kalksehlamm zer-
stört worden sein müssen.
Der Durelmiesser des mir vorliegenden Gehäuses, welches bis
nahe zu seinem Ende gekammert ist, beträgt 41/3 Zoll. Für einen
Durchmesser ^100 beträgt die Höhe des letzten Umganges unge-
fähr 39, seine Breite eben so viel und der Durchmesser des Na-
bels 38.
Nautilus trapezoiilalis schliesst sich offenbar der Gruppe der
Nautili imperfectl an; mit keiner der bisher bekannten Arten aus
den Hallstätter Schichten oder der oberen alpinen Trias überhaupt
zeifft er eine nähere Verwandtschaft.
IVaatilas plauilateratas Hau.
Taf. IF, Fig:. 1—4.
Das Gehäuse des einzigen mir vorliegenden Exemplares zeigt
nicht ganz zwei Umgänge, die bis ungefähr zur Hälfte umhüllend sind,
so dass ein weiter Nabel offen bleibt. Derselbe ist, wie dies öfter
bei evoluteren Nautilen und namentlich auch bei N. Barrandet aus
den Hallstätter Schichten der Fall ist, in der Mitte ganz durch-
brochen. Ein Drittheil des letzten Umganges gehört bereits der
Wohnkammer an. — Die Umgänge sind beträchtlich breiter als
hoch, am Rücken sehr sanft gewölbt, an den Seiten, die durch eine
stumpfe Kante mit dem Rücken verbunden sind, ganz abgeflacht. Eine
zweite schärfere Kante verbindet die senkrecht abfallende NabelHäche
mit den Seitenflächen. — Die Seitenflächen divergiren etwas gegen
den Nabel zu, so dass die Schale erst an der Nabelkante ihre grösste
Breite erreicht, und die Nabelfläche selbst eine sehr beträchtliche
Höhe erlangt.
Die Seitenflächen zieren breitej flache, abgerundete Radialfalten,
die an der Nabelkante entspringen, ungefähr auf der Mitte der Seiten-
flächen einen stumpfen Knoten ansetzen und an der Rückenkante mit
einem zweiten stum{ifen Knoten und einer Biegung nach rückwärts
endigen. Sie haben ganz den gleichen Verlauf wie die sehr mar-
kirten Zuwachsstreifen, und treten nur auf der ersten Hälfte des
letzten Umganges, wo man ihrer 12 zählt, deutlich hervor, weiter
rückwärts und auf der Wohnkammer verflachen sie allmählich.
120 V. H :i u e r. Nnclitrüge zur Kenntniss
Die Zuwachsstreifen, weiche wie gewöhnlich bei den Nautilen
auf dem Rücken eine tiefe Bucht nach rüciiwärts bilden, weiden am
Rücken und noch deutlicher auf den Seitenflächen von sehr zahl-
reichen feinen aber etwas wellig hin und her gebogenen Längs-
streifen gekreuzt, die jedoch auf der Nabelfläche beinahe völlig ver-
schwinden.
Die Kammerscheidewände stehen ziemlich enge an einander;
auf dem der Wohnkammer unmittelbar vorhergehenden Umgange
sind ihrer 21 vorhanden; sie bilden auf der Seitenwand eine sanfte
Bucht nach rückwärts und verlaufen in beinahe gerader Richtung
über den Rücken.
Der Sipho ist etwas breiter als hoch; er steht ziemlich tief,
ungefähr in 2/7 der Höhe der Kammerwand vom Rücken des einen
Umganges zu dem des andern gemessen; sein Durchmesser beträgt
etwa 1/7 der gedachten Höhe. — Ein kleiner aber doch gut markirter
Bauchlobus zeigt sich am unteren Theile der Kammerwand.
Der Durehmesser des Exemplares beträgt wenig über 2 Zoll.
Für einen Durchmesser gleich 100 beträgt die Höhe des Um-
ganges 4o, seine Breite S8, der Durchmesser des Nabels 28.
Unter den bisher beschriebenen Nautilen der Hallstätter Schich-
ten gehören nur zwei in die Gruppe der Imperfeeti: Nautilus
Barrandei und Nautilus Ramsaueri. Nur mit dem Letzteren , den
ich in den Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissen-
schaften, Band IX, Seite 144 beschrieb, hat die neue Art nähere
Verwandtschaft; sie unterscheidet sich aber leicht durch die abwei-
chende Form des Querschnittes, die Knoten auf den Seitenfalten und
das gänzliche Verschwinden der Falten auf der Wohnkammer.
Fundort: Teltschen bei Aussee, von wo mir das Exemplar
durch Uni. H(^rrath v. Fischer niitgelheilt wurde.
Naotilas rectangolaris.
Naut. rectangiilaris Hauer, Denkschr. d. kais. Akademie Her Wissenschaften,
I5fl. IX, S. 14;;.
Zur Aufstellung dieser Art hatte mir ein Exemplar aus schwar-
zem Kalkstein der Umgegend von Raibl gedient, dessen Alter nicht
mit Sicherheit bekannt war. Sehr willkommen war es mir daher
von Hrn. Hofrath v. Fischer ein zur sicheren Bestimmung aus-
reichendes Exemplar aus dem rothen Hallstätter Kalk der Ausseer
der Ceplialo|io(leii-Kiiipnii der llidlstiitler Scliioliteii. i 2 1
Gegend zu erhalten und auf diese Weise feststellen zu können,
was ich flüher nur vermuthet hatte, dass die Art der oberen Trias
unseren Alpen angehört.
Nautilus brefis.
Taf. 11, Fig. 3—8.
Die Schale der grössten ausgewachsenen Exemplare besteht
aus noch nicht ganz zwei Umgängen, deren äusserer den inneren
bis auf ungefähr 1/3 seiner Höhe umhüllt, so dass ein weiter Nabel
offen bleibt, dessen Centrun» durciibohrt ist; die Umgänge sind
eben so hoch oder selbst etwas höher als breit, der Rücken sanft
gerundet, durch eine stumpfe gerundete Kante mit den beinahe ebenen
Seitenflächen verbunden. Die letzteren erlangen schon an der Rücken-
kante ihre grüsste Breite und sind ebenfalls durch eine gerundete
Kante mit der senkrecht abfallenden hohen, und ebenen Bauch- oder
Nabelfläche verbunden.
Die Schalenoberfläche , für das unbewaffnete Auge glatt , zeigt
unter der Loupe eine feine Gitterzeichnung, hervorgebracht durch
sehr feine haarförmige Radialstreifen, die von eben so feinen etwas
wellig hin und hergebogenen Läfigsstreifen gekreuzt werden. Die
letzteren sind bei einigen Exemplaren nur undeutlich oder fehlen
ganz, so dass dann nur die radialen Zuwachsstreifen übrig bleiben,
welche wie gewöhnlich am Rücken eine tiefe Bucht nach rück-
wärts bilden.
Die Kammerscheidewände stehen weit von einander ab ; sie
verlaufen in ziemlich gerader Richtung über Seiten und Rücken,
bilden aber unten einen deutlichen Bauchlobus; der Sipho steht
ganz dorsal.
Das grösste der mir vorliegenden Exemplare hat noch nicht
volle 2 Zoll Durchmesser. Etwas mehr als der dritte Theil des
letzten Umganges gehört der Wohnkammer an. Für den Durch-
messer = 100 befragt die Höhe und Breite des letzten Umganges
ungefähr 45, der Durchmesser des Nabels bei 27, Höhe und Breite
des vorletzten Umganges ungefähr lö.
Nahe verwandt mit dem ebenfalls den Hallstätter Schichten
ängehövigen A. BaiTundei Hau., unterscheidet sich doch unsere neue
Art bestimmt genug durch die wesentlich abweichende Form des
J22 V. H a u e r. Nachtriig-e zur Kenntniss
Querschnittes und grössere Involubilität, dann überdies durch die
geringere Grösse der Schale.
Fundort: Teltschen hei Aussee.
Clydonites, Rhnbdoceras and Cochloceras.
Niclit ohne Bedenken habe ich mich entschlossen durch die
vorstehenden drei Namen die Bildung von drei neuen Geschlechtern
in der Familie der ammoneenartigen Cephalopoden vorzuschlagen,
da sie, wie ich besorge, von einigen der ausgezeichnetsten Kenner der
fossilen Cephalopoden vielleicht nicht beifällig aufgenommen werden
wird. Und doch scheint mir die Aufstellung dieser Gesciilechter voll-
ständig gerechtfertigt , ja unvermeidlich, wenn man in der systemati-
schen Anordnung der Abtheilungen der genannten grossen Classe
dieselben Principien in Anwendung bringen will, welche man bei den
anderen Classen der Mollusken längst befolgt.
Schon den ersten Bearbeitern der Fauna einer Schichtengruppe
aus der oberen Trias unserer Alpen, Graf Münster und Klip st ein,
waren unter den Cephalopoden der Cassianer Schichten ammoni-
tenähnliche Arten mit ungezähnten Loben und Sätteln aufgefallen,
und sie hatten dieselben, den damaligen Ansicliten entsprechend, als
Goniatiten beschrieben. Eben so verfuhr auch ich mit den ersten
hierher gehörigen Formen, welche mir aus den Hallslätter Schichten
bekannt wurden.
Gegen diese Einreihung zu den Goniatiten hat sich mit vollem
Rechte Quenstedt ausgesprochen, indem er als Hauptunterschei-
dungsmerkmal der Goniatiten von den Ammoniten die Richtung der
Siphonal-Düte hervorhob. In der That ist bei allen Arten aus den
Hallstätter Schichten die hier in Frage kommen können, die Siphonal-
Düte nach vorne geweiidet, wie bei den wahren Ammoniten, bei keiner
einzigen nach rückwärts wie bei den paläozoischen Goniatiten. Von
der Richtigkeit dieser Thatsache überzeugt, versuchte ich bei meinen
späteren Publicationen keine weitere Trennung der Arten mit ganz-
randigen Loben, deren Zahl sich nach und nach beträchtlich ver-
mehrte, von den Ammoniten, wenn auch das häufige Auftreten dersel-
ben in unserer alpinen Trias, und ihr beinahe ausschliessliches Vor-
kommen in dieser Formation, in der überhaupt die ersten Cephalopoden
aus der Familie der Ammonecn lebten, mir von immer höherer Bedeu-
tung für die Entwickelungsgeschichte der ganzen Familie erschien.
der Ceplialopodeii-Fiiuiia iler llullstiitter Schichten.
123
Eine Veranlassung mehr aber zu einer generisehen Trennung
bietet nun die Entdeckung sogenannter Nebenformen, einer baculiten-
artigen gerade gestreckten und mehrerer turrilitenartig aufgewun-
denen, mit genau demselben Lobenbau, nämlich mit unj^ezälinteu
Loben und Sätteln und einer nach vorne gerichteten Siphonal-Düte,
welche ich in der letzten Zeit ebenfalls aus den Haljstätter Schichten
erhielt. Sie beweisen, dass der bezeichnete Lobenty|uis einer ganzen
Reihe von Formen eigenthümlich ist, einer Reihe, welche jener der
Nautileen, Goniatiten und der Ammoneen mit gezähnten Loben und
zwar mit verästelten Loben parallel ist, und welche demnach auch
eine besondere generische Stellung der verschiedenen ihr angehöri-
gen Typen erheischt. Die reiche Entwickelung der ganzen Reihe in
einem geologisch und geographisch abgeschlossenen Ganzen, wie es
die Trias unserer Alpen ist, und ihr beinahe gänzliches Fehlen in
anderen Gebieten und Schichtengruppen scheint um so mehr ihre
selbstständige Stellung zu rechtfertigen.
Die trefflichen Andeutungen welche Barr a n de in seiner Ab-
handlung: Caractercs disimctifs des NautiUdes, Goniatites et Am-
monites. Etablissement du Genre Nothoceras (Bull, de la Societe
geologique de France 2'"" Serie t. XIII. p. 372^ über die syste-
matische Einlheilung der tetrabranchiaten Cepbalopoden gibt, über-
heben mich hier wohl jedes weiteren Eingehens in den Gegenstand,
und ich kann, um die Stellung meiner neuen Genera zu bezeichnen,
nichts Besseres thun als sie in die von ihm gegebene Übersicht der
Geschlechter an der ihr gebührenden Stelle einzureihen. Es ergibt
sich hierdurch die folgende Tabelle:
N a 11 1 i 1 i d e n
(i 0 11 i a tid en
A
m in 0 n i d e n
Siphonal-Düte gerichtet
gegen
Sipho
an der
Loben
rückwärts
vorwärts
conv. Seite
conc. Seite
ungezähnt
gezähnt
verästelt
Ascoceras
Orthocerus
_
Bactrites
Ithabilocerns
Bticidina
ßnciililes
Cyrtoceras
—
—
—
—
—
Toxoceras
Gompliocerus
—
—
—
—
—
—
Phragmocerns
—
— "
_
—
—
—
—
—
Ilnmulinu
—
_
_
riychnceni.t
_
Hnmitea
Ancyloceraa
Lituites
__
_
_
—
Gyrocerus
_
_
—
Criuceras
Scaplütes
i\aiitilits
i\ijlhucerus
Gonintites
Clymenin
Clydonites
Ceratites
(
Amiiitmite.i
Ueteruceraa
Trocliocerns
Covhloceras
- 1
lleliciiceras
Turrilitea
j 24 V. H a u e r. Nuchträ^e zur Kenntniss
Nach dieser übersichtlichen Darstellung bedarf es nur mehr
weniger Worte zur Charakterisirung der einzelnen Genera.
Rhabdoceras zeichnet sich aus durch ein gerade gestrecktes,
stabförmiges Gehäuse. Von den Orthoceren und Bactriten unter-
scheidet es sich durch die nach vorne gekehrte Siphonal-Düte und
vom ersteren überdies durch die Wellenbiegungen der Lobenlinie,
von BacuUna und BacuUtes durch die ungezähnten Loben. Nur eine
Species wurde bisher entdeckt,
f lydonites. Das Gehäuse ist spiral in einer Ebene aufgerollt, im
übrigen aber sehr mannigfallig gestaltet. Ist auch die Zahl der Arten
noch viel geringer als bei den derselben Fornienreihe angehörigen
Goniatiten oderAmmoniten, so finden sich doch schon unter denselben
Vertreter sehr verschiedener Typen, und man könnte eben sowohl
verschiedene Familien von Clydoniten unterscheiden, wie man solche,
von Goniatiten oder Ammoniten aufstellt.
Von den bisher beschriebenen Arten der Hallstätter Schichten
gehören hieher:
Clydonites decoratns Hauer (^Goniatites decoratus Hauer, die Cephalopoden
des Salzkammergutes Taf. XI, Fig. 5).
Clydonites delphinocephalus Hauer (^Ammonites delphinocephaliis Hauer,
Denkschr. d. k. Akad. d. Wissenschaften Bd. IX, Taf. V, Fig. 1-5),
dessen Lobenzeiehnung weiter unten beschrieben ist.
Clydonites geniculatus Hauer (^^immonites genicidatus Hauer a. a. 0. Taf. V,
Fig. 21—33).
Clydonites] spinescens Hauer (^Anitnonites spinescetis Hauer a. a. 0. Taf. V,
Fig. 28—30).
Dazu kommen die drei neuen, in den folgenden Blättern be-
schriebenen Arten :
Clydonites costatus Hauer, Taf. V, Fig. 15—19.
Clydonites ellipticus Hauer, Taf. V, Fig. 8 — 14.
Clydonites quadratiyulus Hauei'j Taf. V, Fig. 3 — 6.
Aus den Cassianer Schichten dürften hieher gehören:
Clydonites pisum sp. Münst. (^Goniat. pisum M uns L, ßeitr. zur Petrefacten-
Kunde IV, Taf. XIV, Fig. 6).
Clydonites spuriiis sp. Münst. (Goniat. spuriiis Münst a. a. 0. Taf. XIV,
Fig. 7).
Clydonites annatiis Münst. sp. (Goniat. armalus Münst. a.a.O. Taf. XIV,
Fig. 8).
der Cephalopodea-Fauiia der Hallstiilter Schichten. 125
Clydonites Eryx Münst. sp. (^Goniai. Eryx Münst. a. a. 0. Taf. XIV,
Fig. 9, ^»(. Eryx. Qst., Cophalopoden Taf. 18).
Clydonites glaucus Münst. sp. (^Goniat. glauciis Münst. a. a. 0. Taf. XIV,
Fig. 10).
Clydonites Wissmanni Münst. sp. (^Goniat. Wissmanni Münst. a. a. 0.
Taf. XIV, Fig. 12).
Clydonites Frisei Münst. (Goniat. Frisei Münst. a. a. 0. Taf. XIV, Fig. 13.
Clydonites Buchii Klip st. (^Goniat. Buchii Kl i pst. ÖslI. Alp. Taf. VIII,
Fig. 11).
Clydonties ornatus Klip st. sp. (^Goniat. ornatus Kl i pst. a. a. 0. Taf. VIII,
Fig. 12).
Clydonites radiatus Klipst. sp. {^Goniat. radiatus KVi^si. a. a. 0. Taf. VIII,
Fig. 15).
Clydonites bidorsatus Klipst. sp. (^Goniat. bidorsatus Klipst. a. a. 0.
Taf. VIII, Fig. 16).
Clydonites Rosthorni Klipst. sp. (^Goniat. Rosthonii Klipst. a. a. 0. Taf.
VIII, Fig. 19).
Aus jüngeren Schichten kennt man sehr wenig Arten, welche
etwa zu dem Geschlechte Clydonites bezogen werden könnten. Nur
in der Kreide finden sich wieder einige Formen, deren Lobenbau mit
dem unseres Geschlechtes übereinstimmt; so namentlich A. Vlbra-
yeanus d'Orbigny (Pal. franf. Terr. cret. pl. 96; Buch, Cera-
titen, Fig. 5), und obschon bereits etwas abweichender A. Ewaldi
Buch (a. a. 0. Fig. IV).
Cochloceras. Das schraubenförmig aufgewundene Gehäuse be-
steht aus an einander liegenden, bei allen bisher gefundenen Exem-
plaren links gewundenen Umgängen. Der Sipho befindet sich nicht
auf der freien Aussenseite der Umgänge, sondern wie ich an einem
mühsam präparirten Exemplare, freilich nicht ganz sicher, wahrzu-
nehmen glaube, am oberen, vom nächst folgenden Umgange bedeck-
ten Theile und zwar schon ganz nahe an der Spindel.
Drei Arten, die im Folgenden beschrieben sind, wurden bisher
aufgefunden.
Rhabdoceras Saessi.
Taf. II, Fig. 9—16.
Unter den von Hofrath v. Fischer in der Gegend von Aussee
gesammelten Fossilien entdeckte Herr Prof. Suess die ersten Exem-
plare dieser Art. Später fanden sich wenn auch stets sehr selten noch
Sitzl). d. mathem.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 14. 9
j 26 V. H a u e r. Nacliträge zur Kennfniss
einige weitere Stücke, an welchen es möglich wurde die wichtigsten
Merkmale der Art festzustellen.
Die vollkommen gerade RiJhre hat einen eiförmigen Querschnitt,
der sehr langsam an Durchmesser zunimmt, so dass die Schale eine
beträchtliche Länge erreicht haben muss.
Die Oberfläche ist mit breiten, niederen, sanft gerundeten Falten
geziert, welche auf den Seitenflächen eine Bucht nach rückwärts, am
Rücken, wo sie gewöhnlich stärker ausgedrückt sind, eine stärkere,
an der Bauchseite aber eine schwächere Bucht nach vorne bilden;
bei einem längeren Durchmesser der Röhre von 3 bis 4 Linien fallen
ungefähr 10 bis 12 derartiger Falten auf ein Röhrenstück von 1 Zoll
Länge.
An den grösseren Röhrenstücken sieht man selten Kammer-
scheidewände, so dass die Wohnkammer wohl einen beträchtlichen
Theil des ganzen Gehäuses ausmacht, doch sind bei einem Durch-
messer der Röhre von Sy^ Linien die letzten Kammerscheidewände
vorhanden.
Am vollständigsten gelang es die Lohenzeichnung an einem
Exemplare von kaum 1 Linie Durchmesser blosszulegen; sie besteht
aus der Normalzahl von je 6 Loben und Sätteln.
Der Dorsallobus ist breit und seicht, durch einen kleinen Sipho-
nalsattel in zwei Arme gespalten; die beiden Laterallohen sind schmal,
etwas lanzettförmig und besonders der obere beträchtlich tiefer als
der Dorsallobus; seichter als der Letztere ist dagegen wieder der
Bauchlobus.
Die drei Sättel sind alle breit, regelmässig gerundet und von nahe
gleicher Höhe.
Der Höhendurchmesser des grössten der mir vorliegenden
Exemplare beträgt 4 Linien , sein Breitendiu-chmesser 3 Linien , so
dass sich die Höhe der Schale zur Breite ungefähr wie 4 : 3 verhält.
Die Messung des Wachsthumswinkels der Röhren , die freilich bei
der geringen Länge der vorliegenden Stücke auf grosse Genau-
igkeit keinen Anspruch machen kann, ergab denselben zu kaum
3 Grad.
Rhabdoceras Suessl findet sich in dem dunkelrothen und auch
in dem weissen Kalkstein dos Satidling bei Aussee, dann in dem
hellgrauen Kalkstein des Steinbergkogels bei Hallstatt.
der Cephalopoden-Fauna der Hallstätter Schichten. 1^7
Clydonites delphinocephalns.
-1. delphinocephalns Hauer, Denkschriften der kais. Akademie der Wissen-
schaften Bd. IX, S. 157, Taf. V, Fig. 1-S.
Zahlreiche Exemplare dieser schönen Art sammelte Herr Pro-
fessor Suess am Sandiing bei Aussee und an einem derselben gelang
es durch Wegbrechen des äusseren Umganges die Lobenzeichnung
blosszulegen , deren Abbildung in Tafel V, Fig. 7 dargestellt ist.
Gestalt und Anordnung der Loben und Sättel erinnern entschie-
den an jene der Goniatiten aus der Sandberge r'sehen Gruppe der
LanceohUi (Die Versteinerungen des rheinischen Schichtensystemes
in Nassau, pag. 61), die durch gerundete meist keulenförmige Sättel
und lanzettlich zugespitzte Loben charaklerisirt werden.
Der Rückenlobus wird durch einen ziemlich hohen Siphosattel,
der aber doch noch kaum bis zur halben Höhe der zunächst anschlies-
senden Sättel emporreicht, in zwei gleiche Arme getheilt. Die Spitze
dieses Sattels erscheint, an der Oberfläche des Kernes, unmittelbar
unter der Schale zugerundet; erst wenn man den Kern etwas tiefer
anschleift, wird die Öffnung für den Sipho sichtbar, welche demnach
in einer nach vorne gekehrten Düte der Scheidewand und nicht in
einem Ausschnitt der Scheidewand liegt, ganz übereinstimmend mit
den Angaben von Sandberger (a. a. 0. pag. 53).
Neben dem Rückenlobus zählt man jederseits bis zur Nath
5 Loben , von denen nur der obere Laterallobus etwas seichter ist,
während die übrigen alle mit ihrer Spitze die Radiallinie berühren,
welche vom Ende desDorsallobus nach dem Mittelpunkte der Umgänge
gezogen werden kann; alle sind schmal und tief.
Die Sättel jederseits 6 an der Zahl sind ebenfalls schmal und hoch ;
die ersten drei nehmen vom Rücken gegen den Nabel sehr unbedeu-
tend an Höhe zu, während die unteren drei rasch an Höhe abnehmen.
Eine Bildung ähnlich wie die Wohnkammer des Cl. delphinoce-
phalns wurde ebenfalls früher schon von Sandberger heiGoniail-
tes bifer Phill. beobachtet; die von ihm als var. delphinus beschrie-
bene Spielart (a. a. 0. pag. 73, Taf. IX, Fig. 5) muss offenbar als
sehr nahe verwandt mit unserer Species betrachtet werden, wie man
denn überhaupt in der ganzen Reihe der paläozoischen Goniatiten,
wie z. B. in jenen mit globosen Gehäusen mit Einschnürungen oder
Mundwülsten, mit deutlich ausgesprochener Runzelschicht zahlreiche
9*
128 ^'- Haue r. Niichtriige zur Keniituiss
Analogien mit Ammoniten der Hallstätter und Kassianer Schichten
nachweisen kann.
Um so auffallender bleibt es, dass jenes Merkmal, auf welches
die sichere Trennung der Ammoneen und Goniatiten begründet ist,
die Richtung der Siphonal-Diite, wirklich auch unserem Cl. delphi-
nocephalus von den zunächst stehenden paläozoischen Goniatiten
unterscheidet.
Clydonites ellipticos.
Taf. V, Fig. 8—14.
Ungeachtet es sehr leicht ist, die Formen welche ich hier ver-
einige durch einige bestimmte Merkmale von denen der vorherge-
henden Art zu unterscheiden, so zeigen sie doch in ihrem Gesammt-
habitus so viele Analogie, dass man sich sehr versucht fühlt, sie
nicht sowohl als Varietäten, denn Übergänge sind nicht zu beobach-
ten, sondern etwa als die verschiedenen Geschlechter einer und der-
selben Art zu betrachten. Ihr Zusammenvorkommen in einer Schichte,
in welcher die einen und die anderen gleich liäulig vorkommen, würde
diese Ansicht noch unterstützen, doch scheint es mir gerathener
vorläufig wenigstens einer derartigen hypothetischen Anschauung,
für die sich doch keine Beweise beibringen lassen, bei Abgrenzung
der Arten nicht weiter zu folgen.
Die inneren Umgänge sind kugelig aufgeblasen mit vollkommen
geschlossenem Nabel, regelmässig spiral aufgerollt, mitglatterSchale.
Vom Anfang bis zur Mitte des letzten Umganges werden die Um-
gänge allmählich höher und schmäler, nehmen aber dann bis zur
Mundüli'iiung wieder an Höhe ab und an Breite zu. Der mittlere Theil
des letzten Umganges ist demnach sackförmig ausgezogen wie bei
CL delphinocephalus. Die Nath, welche den letzten Umgang nach
unten begrenzt, entfernt sich rasch vom Mittelpunkt der Schale, so
dass bei der Mundüffnung nur mehr die Hälfte des vorletzten
Umganges von dem letzten verhüllt wird. An der Mundüffnung selbst
ist die Schale zu einer Lippe verdickt und in der Rückenlinie zu
einer ziemlich langen Zunge vorgezogen. An den Seitenflächen bil-
det der Mundsaum eine seichte Bucht nach rückwärts.
Die Sch;ilenoberfläche am letzten Umgang ist mit zahlreichen
bald schwächeren bald stärkeren Radialfalten bedeckt, welche meist
iler Oepliiiliipodi'ii-l'iiuiiii der Ihillstätttr St-Iiiclileii. ] ^J)
erst auf der Mitte der Höhe sieli bemerklich machen und von hier all-
mählich an Stärke zunehmend in gerader Richtung über dem Rücken
zusammenlaufen. Gegen die MundölTnung zu sind sie wieder schwä-
cher ausgedrückt oder verschwinden gänzlich.
Die Exemplare sind bidd mehr, bald weniger aufgebläht; nament-
lich einige der grösseren werden so schmal, dass der sonst gerundete
Rücken beinahe scharf erscheint.
Was die Gestalt und Oberflächenverzierung betrilTt, so stimmt,
wie aus dem Gesagten erhellt, CL ellipticus ganz mit Cl. delphino-
cephalus überein, nur dass die ebene Fläche am Anfang des letzteo
Umganges und die Kapuze vor der Mundülfnung, welche der letzteren
Art ein so eigenthümliches Ansehen verleihen, der ersteren fehlen.
Nicht minder bietet die in Fig. 14 abgebildete Lobenzeichnung
auffallende Analogien. Auch sie wird erst an einem der inneren Um-
gänge sichtbar, da noch mehr als ein ganzer Umgang der Wohn-
kammer angehört. Auch hier haben wir keulenförmige glattrandige
Sättel und lanzettlich gespitzte Loben in gleicher Zahl wie bei Cl.
delphinocephalns. Als unterscheidend muss aber hervorgehoben
werden, dass der Siphosattel etwas höher ist und unmittelbar unter
der Schale beobachtet an seiner Spitze eine nach rückwärts gekehrte
Bucht bildet. Schleift man wieder den stärkeren etwas weiter an, so
erscheint sehr bald die Siphonal-Düte; auch sie ist demungeachtet
deutlich nach vorne gewendet, wie in Fig. 14 dargestellt ist. Auffal-
lender noch ist ein zweiter Unterschied. Der obere Lateralsattel ist
auffallend klein und reicht nicht viel höher als zur Hälfte des Dorsal-
und des unteren Lateralsattels hinauf.
Der längere Durchmesser der grössten bisher entdeckten Exem-
plare beträgt 1 1/4 Zoll, der kleinere Durchmesser etwas über 1 Zoll,
die Dicke des Gehäuses kaum über 5 Linien. Nicht viel kleinere
Exemplare des Cl. delphinocephalns, die Herr Suess aulland, sind
bei weitem dicker.
Clydonites costatns.
Taf. V, Fig. 13—19.
Das Gehäuse besteht aus ungefähr vier nur wenig umhüllenden
Umgängen mit weit offenem Nabel.
130 V. H a u e r. Nachträge zur Kenntiuss
Der sanft gerundete Rücken verläuft ohne Kante in die meist
ziemlich ahgeflachten Seiten. Ersterer trägt auf seiner Mittellinie
einen schmalen fadenförmigen, aber bei allen Exemplaren sehr deut-
lich vortretenden Kiel, neben weichem man bisweilen, besonders bei
den breiteren Exemplaren, schmale und stets nur wenig markirte
Längsfurchen gewahrt.
Die Seitenwände sind mit einfachen starken Radialrippen
geziert, bezüglich deren Zahl und Anordnung sich aber mannigfaltige
Variationen zu erkennen geben. Bei den Exemplaren mit niederen
und breiten Umgängen ist ihre Zahl gering (15 bis 20 bei 5 bis 8
Linien Durchmesser); sie sind alle einfach, laufen in ziemlich gerader
radialer Richtung über die Seitentläclie und endigen an der abgerun-
deten Rückenkante mit einer scharfen Biegung nach vorne und einem
mehr weniger deutlich entwickelten Knötchen, der breite Rücken
selbst ist dann ganz glatt. Bei den schmäleren Exeiuplaren dagegen
steigt die Zahl der Rippen, die dann auch viel schmäler und unbe-
stimmter werden, bis auf 40. Sie biegen sich an der Rückenkante
ohne Knoten anzusetzen nach vorne und streben, allmählich verfla-
chend, bis in die Nähe des Kieles. An einigen Exemplaren sind die
innersten Windungen im Nabel deutlich blossgelegt. Nur die erste
derselben ist auf etwa ^/^ ihrer Länge glatt, dann beginnt gleich die
Faltenbildung.
Auch bei dieser Art scheint die Wohiikammer einen bedeuten-
den Theil der Länge des ganzen Gehäuses einzunehmen; erst an den
inneren Windungen konnte ichLobenlinien wahrnehmen, die sehr ein-
fach verlaufen. Loben und Sättel zeigten sich ganzrandig, sanft gerun-
det; dem schmalen Rückenlobus schliessen sich jederseits drei flache,
allmählich an Höhe abnehmende Sättel an, zwischen welchen zwei
ganz ähnlich geformte Loben ungefähr zur selben Tiefe wie der
Rückenlobus sich hinabsenken.
Der Durchmesser der grössten mir vorliegenden Exemplare
steigt nicht über y^ Zoll; bei einem Exemplare von mittleren Ver-
hältnissen beträgt für den Durchmesser = 100 die Höhe des letzten
Umganges 30, seine Breite 35, der Durchmesser des Nabels 45, bei
anderen Exemplaren übertrifft die Höhe um etwas die Breite, noch
andere dagegen sind nahe doppelt so breit wie hoch.
Cl. costatus schliesst sich durch seine ganze Gestalt wohl zu-
nächst an die Ammoniten aus der Familie der Arieten an und kann
der Cephalopodeii-Fauiia der Hallstättei- Scliiclitoii. 131
mit keiner der bisher beschriebenen Arten ans der oberen Trias ver-
wechselt werden. Von den Arieten des Lias unterscheidet er sich
schon durch die einfache Ldbenzeichnung.
Fundort: Teltschen bei Aussee.
Clydonites qoadrangalas.
Taf. V, Fig. 3—6.
Das sehr kleine, zierliche Gehäuse besteht aus beinahe völlig
umhüllenden Umgängen mit engem, tiefem Nabel.
Rücken und Seiten sind tlach durch eine gerundete Kante mit
einander verbunden. Letztere erreichen ihre grösste Breite schon
unmittelbar an der Riickenkante und behalten dieselbe gleichmässig
bis zur gerundeten Nabelkante bei, von welcher sie senkrecht gegen
den Nabel selbst abfallen. Der Querschnitt ist daher ein Viereck mit
gerundeten Ecken und das Gehäuse gleicht in seiner Form jenem
von A. tornatus Bronn oder A. cylindricus Sow.
An der Nabelkante entspringen starke Falten, welche aber noch,
bevor sie die Mitte der Seitenflächen erreichen, verflachen und sich
in starke Zuwachsstreifen auflösen. An der Riickenkante heben sich
kleine, in der Richtung der Zuwachsstreifcn nach vorne gezogene
Knötchen, der uiigekielte Riicken ist aber wieder, abgesehen von
den starken Zuwachsstreifen, völlig glatt. Die Zuwachsstreifen bilden
an der Nabelkante eine Bucht nach rückwärts, laufen an den Seiten-
flächen schief nach vorne und bilden am Rücken eine starke eben-
falls nach vorne gerichtete Bucht.
Die MundölTnung ist scharfrandig und verläuft in derselben
Richtung wie die Zuwachsstreifen; keine Änderung in der Gestalt der
Schale ist in ihier Nähe zu bemerken.
Die Lobenzeichnung ist ungemein einfach. Neben dem llücken-
lobus, der etwas aus der Mittellinie fällt, stehen bis zur Nabelkante
zwei niedere flach gerundete glatte Sättel, und zwischen diesen befin-
det sich ein eben so geformter ungezähnter Lobus, der etwas seich-
ter ist als der Rüekenlobus.
Der Durchmesser des einzigen mir vorliegenden Exemplares
beträgt 4 Linien. Für einen Durchmesser = 100 beträgt die
Höhe des letzten Umganges öl und seine Breite eben so viel.
Fundorf: Saudling bei Aussee, mitgetheilt von Herrn Hofrath
v. Fischer.
•JQ2 V, H a 11 e r. Nacliträge zur Kenntniss
Mit keiner der bisher beschriebenen Arten scheint mir die vor-
liegende eine nähere Verwandtschaft zu besitzen.
Cochloceras Fischeri.
Taf. II, Fig. 17—21.
Das Gehäuse besteht, nach den vorhandenen Bruchstücken zu
schliessen, denen allen die Spitze fehlt, aus etwa 8 — 9 links gewun-
denen Umgängen, die stark gewölbt und durch eine tief eingesenkte
Nath von einander getrennt sind. Der letzte Theil des letzten Um-
ganges hebt sich von der übrigen Schale ab und bildet einen engen
tiefen Nabel.
Die Oberfläche der Schale ist mit starken Querrippen ver-
sehen, welche über den ganzen Umgang, so weit er sichtbar ist, von
einer Nath zur anderen in ziemlich gleicher Stärke verlaufen. Auf
einen Umgang entfallen bei einem der mir vorliegenden E.xemplare
11 solcher Rippen, die alle sehr regelmässig gebildet und schmäler
sind als die sie trennenden Zwischenräume; an einem zweiten Exem-
plare, welches ich aber doch nur als eine Varietät des ersteren be-
trachten zu dürfen glaube, ist ihre Zahl weniger bestimmt, da sie
sich theilweise in sehr starke, eben so wie sie selbst verlaufende
Zuwachsstreifen auflösen. Auf der letzten Windung dieses Exemplares
gewahrt man am oberen Theil eine seichte Längsfurche, über welche
aber die Streifen ungestört bis zum Nabel fortlaufen. Nebst den
Querrippen und Streifen sieht man stellenweise undeutliche Spuren
von Längsstreifen.
Die Lobenlinie , so weit sie blossgelegt werden konnte, ist in
Fig. 21 dargestellt; die Linie a bezeichnet die obere, die Linie b
die untere Nath. So ziemlich auf der Mitte des freien Theiles der Um-
gänge befindet sich ein ziemlich schmaler tiefer Lobus, dem sich
jederseits ein breiter Sattel anschliesst; jener der unteren Seite ist
beträchtlich höher als jener der oberen Seite. Dem ersteren schliesst
sich hinter der unteren Nath ein schmaler Lobus an, der ungefähr
so tief ist wie der Lobus auf der Mitte des Umganges. Hinter der
oberen Nath dagegen folgt ein tieferer Lobus und dann ein kleiner
Sattel, hinter dem dann wahrscheinlich erst der Sipho durchbricht ;
doch war derselbe hier nicht deutlich zu sehen.
Der Durchmesser des grössten der mir vorliegenden Exemplare
beträgt bei 5 Linien; seine Länge mochte sich auf etwa 1 '/^ Zoll
lier Cephalopodeii-Faiiiia der Ilallstiittfi- Scliichteii. 133
belaufen. Der Wachsthuinswinkel des Gehäuses beträgt beilä\ifig
14 Grade.
Fundort: Sandling und Teltschen bei Aussee.
Cochloceras eaDalicalatam.
Taf. II, Fig. 22—28.
Diese .\rt, vielleicht nur eine Varietät der vorhergehenden,
unterscheidet sich von ihr durch eine tiefe Längsrinne, welche nahe
an der oberen Nath der Umgänge hinläuft. Ober dieser Rinne ist
die Schale, wie man an dem letzten Umgange gewahrt, nur mit
Zuwachsstreifen versehen; die starken Rippen, welche die Umgänge
bedecken, brechen an ihr ab.
Die Zahl der Rippen ist etwas grösser als bei C. Fischeri; auf
einen Umgang entfallen ihrer IS — 17.
Die Lobenzeichnung scheint nicht wesentlich verschieden zu
sein, nur dass der grosse Lobus, der auf die Aussenfläche der Umgänge
zu liegen kömmt, breiter und flacher erscheint. Die Siphonal-Düte
wie sie in der Zeichnung gegeben ist, ist an dem Stück, wie schon
erwähnt, nicht mit voller Sicherheit wahrzunehmen, sie wurde so
abgebildet, wie ich sie zu sehen geglaubt.
Der Durchmesser des grössten Rruchstückes misst auch hier
nahe 5 Linien ; der Wachsthumswinkel ist beträchtlich grösser und
beträgt nahe an 20 Grad ; die Zahl der Umgänge und Länge der
Schale dürfte demnach auch beträchtlich geringer gewesen sein, als
bei C. Fischeri.
Fundort: SandHng bei Aussee.
Cochloceras breve.
Taf. II, Fig. 26—27.
Wesentlich verschieden von den beiden vorhergehenden Arten
ist die dritte.
Das Gehäuse besteht aus nur drei oder höchstens vier Umgängen,
von welchen die späteren die vorhergehenden auf etwa drei Vier-
theile ihrer Höhe einhüllen , so dass der letzte Umgang mehr als
zwei Drittel von der Höhe des ganzen Gehäuses einnimmt.
Der untere Theil der Umgänge ist von zahlreichen ziemlich
feinen gedrängt stehenden Querrippen bedeckt, deren auf einen
Umgang etwa 22 entfallen; sie schneiden am obern Theil des Um-
•| Q 4 V. H a u e r. NnclitrSg-p zur Keiiiitiiiss
gaiigi's wie bei der vorhergeheiideii Art an einer liefen Längsfurche
ab; die ober dieser Furche befindliclie llorizoutalHiiche ist aber
hier ebenfalls mit starken Rippen geziert, die von dem engen Nabel
weg radial ausstrahlen und mit den Rippen unter der Rinne nicht
correspondiren, sondern etwas weniger zahlreich sind als sie.
Die Lobenzeiclinung dieser Art blosszuiegen war leider nicht
möglich.
Der Durchmesser des einzigen vollständigeren mir vorliegenden
Exemplares beträgt 41/;., seine Länge nahe 6 Linien.
Fundort: Sandling bei Aussee.
Ammonites ininimus.
Taf. III, Fig-. 1—4.
Autlallend ist es, unter den Hallstätter Aminoiiiten die Familie
der Arieten durch einen winzigen Repräsentanten vertreten zu sehen,
der aber ungeachtet seiner Kleinheit die wesentlichen Merkmale
der Familie in der zierlichsten Weise erkennen lässt.
Bei einem Durchmesser von nicht mehr als 5 Linien besteht
das Gelläuse aus 5 — 6 Umgängen, die sich beinahe gar nicht um-
hüllen und daher in dem weiten, ueiiig tiefen Nabel vollständig
sichtbar sind. Sehr langsame Grössenzunahme, sowohl in Breite als
Höhe, zeichnet die Art, so wie so viele andere aus der Abtheilung der
Arieten aus. — Die Umgänge sind etwas breiter als hoch, haben
einen sanft gerundeten Rücken, und etwas stärker gewölbte Seiten-
wäiide. Auf der Mittellinie des ersteren steht ein gerundeter Kiel,
der jederseits von einer seichten aber deutlichen Furche begrenzt
wird.
Die Seitenwände tragen starke gerundete, etwas nach vorne
gerichtete Radialfalten , die an der Rückenkante mit einer Biegung
nach vorne enden. Am letzten Umgang sind 32 derartige Rippen
vorhanden, am vorletzten zähle ich ihrer 28; nur die innersten zwei
oder drei Umgänge scheinen glatt zu sein.
Die Lobenzeichnung gelang es nicht blosszuiegen.
Zwei Exem[)Iare von nahe gleicher Grösse (S Linien Durch-
messer) liegen mir vor. Für einen Durchmesser gleich 100 beträgt
die Höhe des lelzten Umganges 21, seine Breite 26, der Durch-
messer des Nabels 60.
der Ceiihalopoden-Faiina der Hallslätter Sohicliten. 1 3 IJ
Unter den bisher bekannten Hallstätter Ammoniten zeigt iieine
eine uidhereYerwandtsehnÜmit Ammonites minimiis, von allen Arieten
des Lias unterscheidet lim die viel geringere Grösse; die kleinsten
bekannten Arten wie Amm. nphioides d'Orbigny, Amm. doricus
Menegh. und Amm. Hierlatzicus Hau. sind bei einer geringen
Anzahl von Unngängen schon dreimal so gross.
Fundort: Sandling.
Amiiionites acatinodis.
Taf. HI, Fig. 3—6.
Obgleich nur ein nicht sehr vollständiges Exemplar, welches
Prof. Suess auf der Teltschen auffand, zur nachfolgenden Beschrei-
bung benützt werden konnte, so glaube ich doch dasselbe um so
weniger übergehen zu dürfen, als dasselbe einer Formenreihe ange-
hört, weichein den Hallstätter Schichten bisher nicht vertreten war.
Die ziemlich hohen schmalen Umgänge, von denen nicht ganz
zwei erhalten sind, erscheinen bis über die Hälfte umhüllend, doch
bleibt noch ein weiter Nabel offen. Der Rücken ist scharf; eine
Trennung zwischen Rücken und Seitenflächen nicht vorhanden; die
letzteren erheben sich von der Mittellinie weg in gleichförmiger
Wölbung bis zur Mitte und sind am unteren Theil des Umganges
beinahe flach. Gegen den seichten Nabel zu senken sie sich mit
einer kleinen schiefen Fläche.
An dem inneren Umgange gewahrt man zahlreiche feine, etwas
nach vorne gerichtete Radialrippen ; auf dem äusseren Umgange
werden dieselben breiter und nehmen weiter gegen die Mundöftnung
mehr und mehr an Zahl ab. Auf der vorderen Hälfte des letzten
Umganges zähle ich ihrer 12, auf der hinteren Hälfte etwa 22; sie
sind breit, nieder, sanft gerundet, erheben sich an der Nabelkante
ohne Knoten und werden in ihrem V'^erlaufe gegen den Rücken zu
allmählich breiter und breiter; auf der Mittellinie des Rückens treffen
die der einen Seite mit jenen der anderen Seite zusammen und
bilden dadurch eine Reihe scharfer in die Länge gezogener Knoten,
etwa wie bei A. crenatus Brug. und den mit dieser Art verwandten
Formen, nur dass man hier die Entstehung der Knoten durch die
Vereinigung der Rippen unzweifelhaft erkennt.
Die Lobenzeiehnung konnte ich nicht biossiegen.
j 36 V. (I n «1 e r. Naclilriigi' /.iir Keniiliiiss
Der Durchmesser des jedenfalls schon mit der Wohnkammer
versehenen Exemplares heträgt nahe 1 Zoll. Am vordersten Theil
gegen die MundöfTnung zu zieht sich die Schale etwas zusammen,
so dass hier der Nabel weiter und die Höhe des letzten Umganges
geringer sich darstellt als weiter rückwärts. Dort, wo sich diese
Störung des Baues noch nicht zu erkennen gibt, beträgt für den
Durchmesser = 100 die Höhe des letzten Umganges ungefähr 35,
seine Breite 28, der Durchmesser des Nabels 35.
A. acutinodis entfernt sich weit vom Typus aller bisher be-
schriebenen Arten aus der oberen Trias der Alpen und ähnelt, wie
schon oben erwähnt, mehr einigen jurassischen Formen, doch ist auch
hier eine nähere Verwandtschaft kaum anzunehmen.
Animonites rectangnlaris.
Taf. III, Fig. 7—8.
Die fünf oder sechs Umgänge des zierlichen kleinen Gehäuses
berühren sich nur, ohne sich zu umhüllen und lassen demnach einen
weiten, der langsamen Breitenzunahme der Schale wegen nur wenig
vertieften Nabel offen.
Der Rücken ist flach eingesenkt, sehr breit, durch eine etwas
vorragende Kante mit den Seitenflächen verbunden. Die letzteren
sind abgeflacht, erheben sich sanft bis in die Nähe des Nabels und
sind durch eine ebenfalls sanfte Rundung mit der niederen N.ibel-
fläche verbunden. Die grösste Breite der Umgänge befindet sich
demnach ungefähr im unteren Viertel ihrer Höhe.
Die inneren Umgänge sind mit starken geraden Rippen geziert,
die nicht vollkommen radial stehen, sondern in ihrem Verlaufe vom
Nabel gegen den Rücken zu mehr nach vorne gerichtet sind. An
der Rückenkante endigen sie in einen stumpfen undeutlichen Höcker
und die Rückenfläche ist glatt oder zeigt doch nur durch die Grup-
pirung der Zuwachsstreifen noch die Spuren der ganz verflachten
Rippen.
Auf der vorderen Hälfte des letzten Umganges des einzigen mir
bekannten Exemplares werden auch an den Seitenflächen die Rippen
undeutlicher; sie verflachen allmählich, einige sind gabelförmig
getheilt, und in der Nähe der Mundöffnung lösen sie sich beinahe
ganz in starke Zuwachsstreifen auf. Auf den inneren Umgängen
dagegen sind sie alle einfach und regelmässig.
der Cephalopodeii-Fauna der Hallstätter Schichten. 137
Bei einem Durchmesser der Schale von 9% Linien zählt man
40 Rippen, am nächsten Umgange bei ö Linien Durchmesser noch
ungefähr 33.
Die Lobenzeichnung war auch bei dieser Art nicht darzustellen.
Der Durchmesser des offenbar schon ausgewachsenen Exem-
plares beträgt 1 Zoll. Für den Durchmesser =100 beträgt die Höhe
des letzten Umganges 26, seine Breite 28, der Durchmesser des
Nabels 5S.
A. rectangularis scheint mir mit keiner der bisher beschrie-
benen Arten aus der oberen Trias der Alpen eine nähere Verwandt-
schaft zu besitzen.
Fundort: Teltschen bei Aussee.
Ammonites laevidorsatas.
Taf. H, Fig. 9—10.
Nur ein Bruchstück der Scheibe eines Exemplares dieser Art
liegt mir vor, doch bietet dasselbe so eigenthümliche Charaktere,
dass ich nicht anstehe, auf dasselbe eine neue Art zu gründen.
Das tlach-scheibenförmige Gehäuse besteht aus einer grossen
Zahl sehr langsam an Höhe und Breite zunehmender Umgänge, die
sich nur berühren, ohne sich zu umhüllen. Der breite Rücken ist sehr
sanft gewölbt, durch eine ziemlich markirte Kante mit den ebenfalls nur
sehr sanft gewölbten Seitenflächen verbunden, welche im unteren Drittel
der Höhe ihre grösste Breite erreichen und von hier rasch gegen
die eingesenkte Nath, welche die zwei aufeinanderfolgenden Um-
gänge trennt, abfallen.
Die Seitenflächen sind mit zahlreichen, starken, schief nach
vorne gerichteten Rippen geziert, welche von der Nabeikante bis zur
Rückenkante in gleicher Stärke fortlaufen , hier aber sich plötzlich
ganz abflachen, so dass der Rücken, der weder einen Kiel noch eine
Furche trägt, beinahe glatt erscheint; nur bei einseitig auffallendem
Lichte erkennt man die Fortsetzung der Rippen auf der Rückenfläche.
Auf dem letzten Umgange mochten 40 Rippen gestanden haben,
am vorletzten war ihre Zahl nur um 2 bis 3 geringer, und auch auf
dem diesem vorhergehenden Umgange betrug ihre Zahl noch über
dreissig.
J38 V. H a u e r. Nachtrüge zur Kciiiüniss
D(M- letzte Umjrang und auch ein Theil des vorletzten noch
gehört schon der Wohiikammer an. Die Lohenzeichnung ist daher
nicht sichthiii-.
Der Durchmesser der Schale betrug ungefähr 1% Zoll; die
Höhe des letzten Umganges kann auf den fünften, seine Breite auf
den vierten Theil des Durchmessers geschätzt werden.
Von der Seite gesehen glaubt man in A. laevidorsatus eine Art
aus der Familie der Arieten zu erblicken, an die er besonders durch
die langsame Wachslhumszunahnie, geringe Höhe der Umgänge
und die Radialrippen erinnert; die abweichende Beschaffenheit des
Hiickens entfernt ihn aber weit aus dieser Gruppe und deutet eher auf
eine Verwandtschaft mit den Capricorniern.
Aiumonites Tcltschcncnsis.
Taf. IH, Fig-. 11—12.
Das Gehäuse besteht aus ungefähr drei zur Hälfte umliüllenden
Umgängen, die beträchtlich höher als breit sind und einen weiten
Nabel offen lassen.
Der Rücken ist flach eingesenkt aber ziemlich schmal; von der
Kante, die ihn mit den Seitenflächen verbindet, nimmt die Breite der
Schale rasch zu bis etwa zur Mitte der Höhe der Umgänge , von wo
sie bis an die Nabelkante ziemlich gleich bleibt. Die Nabelfläcbe ist
senkrecht abgeschnitten aber nicht hoch, die Nath etwas eingesenkt.
An der Nabelkante stehen kleine Knötchen , von deren jedem
ziemlich regelmässig zwei Radialrippen ausgehen, die etwas sichel-
förmig gekrümmt über die Seiten^ächen verlaufen, an der Rücken-
kante einen kleinen spitzen Knoten ansetzen , und ohne Unterbre-
chung ja seihst ohne sich deutlich zu verflachen, quer über den
Rücken laufen, um sich mit jenen der entgegengesetzten Seite zu
verbinden. Diese Rippen sind etwas breiter als die sie trennenden
Zwischenräume uiul flach gerundet. Am letzten Umgange jedes der
zwei mir vorliegenden Exemplare sind ihrer 46 vorhanden.
Die Lobenzeichnung blosszulegen wollte mir nicht gelingen.
Der Durchmesser der Schale des grösseren Exemplares beträgt
nahe lYaZoll, der des kleineren 10 Linien, für den Durchmesser
= 100 beträgt die Höhe des letzten Umganges 38, seine Breite 29,
der Durchmesser des Nabels 33.
der Cejilialopoilen-Faiina der Hallstälfer Scliichfeii. 139
Der allgemeine Habitus dieser Art erinnert noch vielfältig an
die Ammonjten aus der Gruppe des Aoti; die mangelnde Rücken-
furche aber und das ungestörte Fortsetzen der Rippen über den
Rücken verbietet eine Vereinigung mit denselben. Mehr Älinlicli-
keit bat sie mit einigen jurassiscbcn Arten aus der Familie der
Dentaten, z. B. mit einigen Varietäten des vielgestaltigen A.Duncani
Sou'., der sich beinahe tiur durch den Mangel der Xabelknoten
unterscheidet. Auch der von mir beschriebene A. geniculatus aus
den Hallstätter Schichten (Denkschriften der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften IX, p. 153, Taf. V, Fig. 21—23) kömmt bei
einer Vergleichung der verwandten Formen in Betracht. Er unter-
scheidet sich durch den flach gewölbten nicht eingesenkten Rücken,
dickere weniger hohe Umgänge, einfache nicht paarige Rippen, und
einen Habitus der ihn mehr der Familie der Capricornier annähert.
Fundort: Teltschen bei Aussee.
Ämmonites crassecarinatas.
Taf. III, Fig. 13—14.
Vier Umgänge des flach scheibenförmigen Gehäuses sind sicht-
bar, etwa zwei mögen noch durch das den mittleren Theil des Nabels
verhüllende Gestein bedeckt sein. Diese Umgänge sind bis nahe zur
Hälfte umhüllend, aber so nieder, dass demungeachtet ein sehr weiter
Nabel ofl'en bleibt.
Gestalt und Oberflächenzeichnung der inneren Umgänge sind
wesentlich verschieden von denen der Wohnkammer, die noch ein
gutes Stück mehr als den letzten Umgang einzunehmen scheint, da
auch auf der vorderen Hälfte des vorletzten Umganges keine Lobeu-
linien blossgelegt werden konnten.
Die inneren Umgänge, so weit sie im Nabel sichtbar sind, haben
gerundete Seitenflächen, die beinahe senkrecht aber mit gerundeter
Kante gegen den Nabel abfallen; sie sind bedeckt mit einfachen
starken, etwas nach vorne geneigten Radialrippen, die bisweilen an
der Nabelkante etwas anschwellen, und deren man auf dem letzten
Umgange, auf welchem sie deutlich sichtbar sind, gegen 30 zählt.
W^o die Schale gut erhalten ist, werden sie von feinen schwach aus-
gedrückten Längsstreifen gekreuzt.
Schon am Ende des vorletzten Umganges verflachen diese
Rippen und am letzten Umgang sind sie gänzlich versehwu.ulen. Am
I^Q V. H a u e r. Niicliträy:e zur Keiintiiiss
Anfang des letzteren ist der Rücken regelmässig gerundet, in der
Mittellinie durch drei sehr feine fadenförmige Längsliiiien bezeichnet.
Weiter nach vorne erhebt sich ein ungemein dicker, immer deut-
licher hervortretender Kiel, der oben gerundet erscheint und sehr
scharf gegen die Rückenfläche absetzt. Gleichzeitig flachen die
Seitenwände ab; sie erreichen schon an der abgerundeten Rücken-
kante ihre grösste Breite und behalten dieselbe bis zum Nabel bei.
Bei der MundöiTnung beträgt die Breite des letzten Umganges nicht
mehr als die des vorletzten Umganges; dieNath ist nur wenig vertieft.
Die Lobenzeichnung konnte nicht blossgelegt werden.
Das einzige Exemplar, von Herrn Hofrath von Fischer mit-
getheilt, wurde am Sandling gefunden; sein Durchmesser beträgt
etwas über IV2 Zoll. Für den Durchmesser = 100 misst die Höhe
des letzten Umganges 28, seine Breite 20, der Durchmesser des
Nabels 50, die Höhe des vorletzten Umganges aber 18 und dessen
Breite 20.
Durch ihren breiten wulstigen Kiel erinnert diese Art einiger-
massen an A. scaphüi'formis Hauer (Denkschriften der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften Bd. IX, pag. 149), von dem sie aber
wieder durch den weiten Nabel und die gerippten inneren Umgänge
weit abweicht.
Aminonites galeoias.
Taf. III, Fig. 13—17.
Die Gestalt des Gehäuses dieser sehr kleinen Art erinnert auf-
fallend an jene des ansehnlich grossen A. galeiformis Hauer.
Die inneren Umgänge sind vollkommen kugelig, mit vollkommen
gerundetem Rücken und Seiten und ganz geschlossenem Nabel; die
Schalenoberfläche ist glatt, nur die Mittellinie des Rückens durch
einen sehr feinen fadenförmigen Kiel bezeichnet. Am letzten Umgang
verengt sich allmählich der Rücken, so dass er beinahe scharf
wird; gleichzeitig nimmt die Höhe durch rasches Emportreten der
Nath wie bei den bullaten Ammoniten und gleichzeitig auch die
Breite ab, so dass die Mundoffnung sehr verengt erscheint. Der Kiel
auf der Mittellinie des Rückens bleibt fortwährend sichtbar bis an
das Ende des zungenförmigen Vorsprunges, den der letztere über
der MundöiTnung bildet; der Mnndsainn ist scharf, unmittelbar vor
der Cephalopoden-Fauiia der Hallstiitter Schichten. 141
demselben machen sich eine kleine Einschnürung und, namentlich in
der Riickengegend, stärkere Zuwachsstreifen bemerklich.
Die Wohnkammer nimmt kaum weniger als zwei volle Umgänge
des Gehäuses ein; erst durch Wegsprengen derselben, bei einem
Durchmesser des Gehäuses von kaum mehr als zwei Linien wurden
die ersten Lobenlinien sichtbar, die in Fig. 17 so genau als es an-
ging dargestellt sind. Sie zeigen grössere Complication als man bei
der geringen Grösse erwarten sollte.
Ausser dem Rückenlobus erkennt man jederseits vier ziemlich
regelmässig an Grösse abnehmende Sättel und drei Loben. Der
Rückenlobus ist der tiefste, er so wie die übrigen Loben sind am
Grunde mit tiefen Zähnen versehen. Die Sättel nehmen vom Rücken
bis zum Nabel ziemlich regelmässig an Grösse ab; sie sind mit
starken Kerben und selbst höheren astförmigen Partien geziert.
Der Durchmesser des grösseren der zwei vorliegenden Exem-
plare beträgt 6 Linien, seine Breite ungefähr 4 Linien.
Gesammelt wurden dieselben von Herrn Prof. S u e s s am
Sandling.
Die Analogien unserer neuen Art mit dem ebenfalls den Hall-
stätter Schichten angehörigen A. subbullatus Hauer (W. Haidinger's
naturw. Abhandl. Bd. IH, S. 19, Taf. IV, F. 1—7) erhellt hinrei-
chend aus der vorstehenden Beschreibung ; von einer Verwechslung
beider kann aber schon der geringen Grösse der neuen Art wegen
nicht die Rede sein.
Ammonites Mojssissovicsi.
Taf. IV, Fig. 1—3.
Die beinahe völlig umhüllenden Umgänge lassen einen nur ganz
engen Nabel offen; sie haben einen vollkommen regelmässig gerun-
deten Rücken, der ohne den geringsten Absatz allmählich in die
Seitentlächen übergeht. Die letzteren sind eben so regelmässig ge-
wölbt und erreichen ihre grösste Breite erst ganz nahe am Nabel,
gegen den sie dann steil abfallen. Der Querschnitt bildet demnach
eine regelmässige halbe Ellipse.
Die Schalenoberfläche ist bis zum Begiime der Wohnkammer,
abgesehen von den starken Zuwachsstreifen, vollkommen glatt. Auf
der Wohnkammer, welche drei Viertheile des letzten Umganges ein-
nimmt, zeigen sich 15 sehr starke Radialfalten, welche sich erst
Sitzb. d. inathem. -naturw. €1. XLI. Bd. Nr. 14. 10
I 4-<i V. li ii II e I-. .Naclilräge /.iir Keniiliiiss
über der iMitte der Seiteiifliiehen erheben, rasch au Höhe zunehmen
und über die IMitte des Rückens, wo sie ihre grösste Stärke erreiclien,
zusamnieidaufen. Diese F'alten sind siinft gerundet, durch breite Zwi-
scheni-äuinc von einander getrennt und in gleicher Deutlichkeit auf
der Schalenobertläche wie am Steiiikerne zu beohachleu, da die
ganz ungewöhnlich dünne Schale auf den Falten wie in den Furchen
zwischen diesen ganz gleichmässig ihre geringe Dicke beibehält.
Nur wo die Scliale fehlt dagegen, am Kerne, werden tiefe
Einschnürungen , stehen gebliebene Mundränder sichtbar, welche
durch an die Innenseite der Schale angelegte dicke Wülste hervor-
gebracht werden. Sie beginnen schon unmittelbar am Nabel und
laufen in gleicher Stärke etwas sichelförmig gekrümmt über die Sei-
ten und weiter über den Rücken zusammen. Auf der Wohnkammer
des einzigen mir vorliegenden Exemplares finden sich sechs derartige
Wülste, deren letzte die MundölTnung selbst umringt zu haben scheint.
An dem mit Luflkammern erfüllten Theile der Umgänge scheinen auch
diese Wülste zu fehlen , mindestens ist keine auf dem ersten V^iertel
dos letzten Umganges, so weit die Kanmiern reichen, vorhanden.
Die Kammerscheidewände stehen dicht gedrängt, sie bilden zu
jeder Seite vomRückeiilobus bis zur Nabelkante sechs regelmässig an
Höhe abnehmende Sättel und zwischen diesen 5 Loben.
Der Rückenlobus, der ungefähr eben so tief als hoch ist, wird
durch einen sehr hohen Siphosattel auf zwei Drittel seiner Tiefe in
zwei Arme gespalten. Der oben keulenförmig erweiterte Siphosattel
wird von diesen Armen bogenförmig umschlossen und an ihre End-
spitzen greifen schief gegen die Mittellinie des Rückens vor. Eine
Radiallinie von einer Endspitze des Rückenlobus gegen den Mittel-
punkt des Nabels gezogen, wird von den Enden aller Loben berührt.
Dieselben haben ebenso wie die Sättel einen schmalen Stanrni und
nicht sehr stark verzweigte Äste.
Der Durchmesser der Schale beträgt etwas über 2 Zoll; für den
Durchmesser = 100 nu'sst die Höhe des letzten Umganges S3, seine
Breite ungefähr 50, der Durchmesser des Nabels 10; für den vorletzten
letzten Umgang dagegen die Höhe 27, die Breite 32, so dass sich die
inneren Umgänge mehr dem kugelförmigen nähern dürften.
Ich verdanke diese schöne Art, die olTenbar der Familie der Glo-
bosen angehört, der Gefälligkeit des Hrn. Kdmuud von Mojssisso-
V ics, der dieselbe ohne nähere Bezeichnung des Fundortes im Salz-
der Cephalopodeii-Fauna derHallstätter Schicliten. 143
kammergute erhielt. Die GesteinsbeschafTenhoit, sowohl als auch der
zoologische Charakter lassen es unzweifelhaft, dass dieselbe den Hall-
stätter Schichten angehört. Die glatten inneren Umgänge wären kaum
von denen mancher anderen Globosen zu unterscheiden; dieeigenthüin-
lich geformte Wohnkammer dagegen zeigt wieder, dass die speeifi-
scheii Merkmale der Arten dieser Gruppe hauptsächlich in der Form
dieser zu suchen sind.
Aiiimonites bicornis.
Taf. IV, Fig. 4—7.
Schon die inneren Umgänge dieser Art sind nicht nach einer
regelmässigen Spirale aufgerollt, sondern zeigen von der Seite gese-
hen eine unregelmässig elliptische Gestalt. Sie sind beinahe ganz
umhüllend und ungenabelt mit gerundetem Rücken und Seitenwänden,
vollkommen glatt; an einem ausgelösten Kerne zeigen sich zwei Ein-
schnürungen, wie sie an den meisten Ammoniten aus der Familie der
Globosen zu bemerken sind.
Noch deutlicher tritt die elliptische Gestalt bei dem letzten Um-
gang hervor, dessen grösserer Durchmesser sich zum kleineren ver-
hält wie 4 : 3. In der Linie des grösslen Durchmessers ist die Schale
am Beginn des letzten Umganges beträchtlich eingeschnürt, und schwillt
unmittelbar nach dieser Einschnürung besonders stark auf, so dass
sich hier die grösste Breite des ganzen Gehäuses befindet. Bei einigen
gut erhaltenen Exemplaren bildet sich sogar auf der Mitte der Höhe
der Seitenfläche ein dicker stumpfer Knoten. An die durch die Ein-
schnürung hervorgebrachte Vertiefung presst sich der untere Theil
des Mundsaumes an, der selbst stark nach einwärts gekrümmt ist. Die
Mundöffnung erlangt eine bedeutende Höhe; an ihrem oberen Ende
bildet die Schale zwei weit vorstehende Hörner, ähnlich wie bei A.
distinctus Gieb. und zwischen diesen eine tiefe Bucht nach rückwärts.
Die VVohnkammer bildet nur wenig mehr als den letzten Um-
gang. Die Scheidewände der Luftkammern stehen dicht gedrängt
und bilden eine ungemein zierliche Lobenzeichnung, welche in allen
wesentlichen Stücken mit der anderer verwandter Globosen, nament-
lich des ^. distinctus Gieb. {A. bicarinatus Quenst. Cephalopoden
Tab. 18, Fig. 10 c) übereinstimmt. Neben dem Rückenlobus zählt
man jederseits 6 bis 7 gleichförmig gestaltete und regelmässig an
Grösse abnehmende Sättel mit schlanken Stämmen und zart ver-
10*
j 44 V. H a u e r. Naohlriig^c zur Kcnntiiiss
zweigten Ästen. Von den Loben ist der erste Lateral unbedeutend
tiefer als der Dorsal; im Allgemeinen sind die Loben ähnlich geformt
wie die Sättel und endigen in einer einfachen unpaarigen Spitze.
Der längere Durchmesser des grössten der mir vorliegenden
Exemplare beträgt 14 Linien; setzt man denselben = 100, so misst
die Höhe des letzton Umganges an der Mundöflnung 6S, seine Breite
eben daselbst 47, die Höhe des letzten Umganges ein Viertel, der Um-
gang hinter der Mundöffnung nur 38, die grössle Breite der ganzen
Schale vom Anfange des letzten Umganges endlich öO.
Gestalt, Lobenzeichnung n. s. w. verbinden unsere Art unzwei-
felhaft mit der Familie der Globosen, und von den bekannten Arten
derselben steht sie wohl dem A. distinctus Gieb. am nächsten.
Schon die sehr geringe Grösse der vollständig ausgewachsenen Indi-
viduen, mehr aber noch die unregelmässig elliptische Gestalt der
Schale unterscheiden beide Arten hinreichend.
A. hicornis lindef sich häufig am Sandling hei Aussee.
Aniiiionitfs diffissus.
Taf. IV, Fig. 11 — 13.
Die an bizarren Formen so reiche Familie der Globosen wird
durch die vorliegende Art wieder um einen höchst sonderbaren
Typus vermehrt.
Das kleine kugelig aufgeblasene Gehäuse besteht aus vollkom-
men gerundeten, beinahe völlig umfassenden Umgängen mit sehr
engem Nabel; auf jedem derselben finden sich einander gegenüber-
stehend zwei tiefe Gruben , die vom Nabel aus gegen den Rücken
radial verlaufen; es sieht aus als liabe man mit einer Zange das
ursprünglich regelmässige Gehäuse eingezwickt und dadurch in zwei
Hälften getheilt. Diese Gruben sind zunächst am Nabel am tiefsten,
werden höher an den Seitenwänden schwächer und schwächer und
verschwinden ganz bevor sie die Mittellinie des Rückens erreichen,
der demnach seine regelmässige Spirale fort beibehält.
Die sehr niedere MiindöHnung liegt bei den vollständig erhal-
tenen Exemplaren unmittelbar über einer der eingeengten Stellen;
der Mundsaum verläuft in gerader Richtung und ist durch eine Ver-
engung bezeichnet, welche der Schale entspridif, so dass man auch
die Gruben der Seitenflächen als die Merkmale der älteren Mund-
öfTnungen betrachten muss, und das Charakteristische der Art darin
der Cephalopodeii-Faiina der llallstiitter Scliichten. 14-5
ZU suchen hat, dass dasTliier regelmässig nach jedem halben Umgang
einen neuen Mundsaum anlegte.
Die Schale ist glatt; die erste Hälfte des letzten Umganges zeigt
eine sehr deutliche aus Querstreifen bestehende Runzelschicht.
Die Lobenzeichnung gelang es leider nicht blosszulegen.
Das Verhältniss der Breite der Schale zu ihrer Höhe ist sehr
bedeutenden Schwankungen unterworfen. Das grösste und zugleich
am wenigsten breite mir vorliegende Exemplar, dessen Mundrand
aber weggebrochen ist, hat einen Durchmesser von einem Zoll; die
Höhe des letzten Umganges beträgt 52, seine Breite 61. Das Extrem
nach der anderen Richtung bildet ein Exemplar von 61/3 Linien
Durchmesser, dessen Breite dagegen 100, d. h. so viel wie der ganze
Durchmesser beträgt.
Die Exemplare wurden von Herrn Professor Suess auf der
Teltschen bei Aussee gefunden.
Amuionites seniiglobosns.
Taf. IV, Fig-. 8—10.
Durch eine grössere Suite von Exemplaren dieser Art, die Herr
Professor Suess am Sandling sammelte, bin ich in den Stand gesetzt,
die früher gegebene Beschreibung derselben in einigen wesentlichen
Punkten zu vervollständigen.
Einige dieser Exemplare sind bis zur Mnndöffnung vollständig
erhalten. Der ganze letzte Umgang derselben ist mit den schon in
meiner früheren Beschreibung geschilderten Radialfalten, den hohen
Rückenknoten und dem Kiel versehen; der nicht verdickte Mundrand
ist weit zungenfürmiiL'' nach vorne gezogen, ähnlich Avie bei Clydoni-
tes ellipticus ; dieser Zunge gegenüber, am Rücken des vorherge-
henden Umganges befindet sich eine eingedrückte Fläche, ähnlich
wie bei Cl. delphinocephalus , auf deren Mittellinie der Kiel noch
durch eine feine Linie angedeutet erscheint; das vordere Ende die-
ser Fläche wird durch zwei grosse zungenförmige Lappen bezeich-
net, welche an der Stelle der Riickenknoten stehen. Von der Seite
gesehen erscheint das ganze Gehäuse elliptisch; die erwähnte glatte
Fläche bildet mit dem nächst folgenden Rückentheil des letzten
Umganges einen spitzen Winkel,
1 4() V. H a u e r. Nachträge zur Kenntniss
Auch die Lobenzeichiiung konnte an einem der neuen Exem-
plare blossgclegt werden. Sie ist nicht, wie ich früher nach der
Ansicht an einem etwas zu weit ausgewitterten Kerne vermuthete,
Goniatiten-artig, sondern zeigt schwach gekerbte Sättel und mit
starken spitzen Zähnen versehene Loben. Der Rückenlohus ist durch
einen einfachen Siphonalsattel gespalten; der obere Lateral reicht
unbedeutend tiefer hinab ; der Dorsalsattel ist viel höher als der obere
Lateralsattel; dem letzteren folgt noch ein breiter Lohns, der bei-
nahe eben so tief ist wie der obere Lateral; der letzte Theil der
Lobenzeichnung aber konnte nicht deutlich sichtbar gemacht
werden.
Durch die Gestalt des letzten Umganges nähert sich Ä. semi-
glohosus dem Cl. delphinocephalus , während die complicirtere
Lobenzeichnung mehr eine Annäherung zu dem auch bezüglich der
anderen Verhältnisse verwandten A. subbullutus Hauer (W. Hai-
dinger's naturwissenschaftliche Abhandlungen IIL Bd., S. 19,
Taf. IV, Fig. 1—7) verräth.
Äminonites coangastatos.
Taf. V, Fig. 1—2.
Die Schale besteht aus 7 bis 8, an Höhe und Breite sehr lang-
sam zunehmenden niederen und schmalen Umgängen, die sich unge-
fähr bis zur Hälfte ihrer Höhe umhüllen.
Der Rücken ist regelmässig gerundet und verläuft ganz allmäh-
lich in die Seitenflächen, welche in der Mitte ihrer Höhe die grösste
Breite erreichen und mit gieichmässiger Rundung gegen den seich-
ten Nabel abfallen.
Ein eigenthümlicher Habitus des Gehäuses wird durch den Um-
stand hervorgebracht, dass der letzte Umgang noch weniger an Breite
zunimmt als die übrigen; er ist gegen das Ende zu nicht breiter als
der vorletzte Umgang und die Grenze zwischen beiden ist hier nur
durch eine seichte Nath angedeutet; erst bei den inneren Umgän-
gen senkt sich der Nabel etwas tiefer ein.
Die Schale ist meist vollkommen glatt, selbst die Zuwachsstrei-
fen sind nur selten angedeutet. Bei einigen Exemplaren gewahrt man
die bekannten, der schwarzen Schicht der Nautilen entsprechenden
fadenförmigen Linien an den inneren Umgängen.
der Cephalopoilt'ii-Fitunu der llallsdittcr Scliiclilcii. 14-^
Einige Exemplare zeigen hin und wieder Einschnürungen, die
abermals ihre Zahl und Stellung betrifft, selbst auf den einzelnen Um-
gängen ein und desselben Exemplares gar keine bestimmte Regel
einzuhalten scheinen, und vielen Individuen ganz fehlen.
Obgleich ich von Herrn Professor Suess eine nicht unbedeu-
tende Anzahl von Individuen dieser Art zur Untersuchung erhielt, so
war es doch auch hier unmöglich die Lobenzeichnung sichtbar zu
machen. Die Wohnkammer erreicht eine ganz ungewöhnliche Grösse;
nicht nur im letzten sondern auch noch im nächst vorhergehenden
Umgange fand ich nie eine Scheidewand, und die inneren Umgänge,
wo die Wände vorhanden sind, zeigen sich mit krystallisirtem Kalk-
spath erfüllt.
Die grössten mir vorliegenden Exemplare erreichen 14 Linien
Durchmesser. Für den Durchmesser =100 beträgt bei dem Exem-
plare, welches in Taf. V, Fig. 1 bis 2 abgebildet ist, und welches zu
den schmäleren gehört, die Höhe des letzten Umganges 27, seine
Breite 25, der Durchmesser des Nabels 50, dann die Höhe des vor-
letzten Umganges 18 und seine Breite ebenfalls 25. Bei anderen
Exemplaren ist die Breite auch des letzten Umganges schon gleich
oder grösser als die Höhe, und übertrifft dann bei den inneren
Umgängen die letztere um ein Ansehnliches.
Ungeachtet des weiten Nabels weise doch die Form des ganzen
Gehäuses, die glatte Schale so wie die Einschnürungen und das Vor-
handensein einer Runzelschiclit sehr deutlich auf die Familie der
Globosen, der man die vorliegende Art einreihen muss. Einerseits
schliesst sie sich durch die grosse Zahl der Umgänge dem Am.
Meyeri Klipst. (Beiträge zur geologischen Kenntniss der östlichen
Alpen, S. 121, Taf. VII, Fig. 2) aus den Kassianer Schichten, anderer-
seits, namentlich was die Gestalt des letzten Umganges betrifft, dem
von mir beschriebenen A. decrescens (Denkschriften der kais. Akad.
der Wissenschaften, Bd. IX, pag. 159, Taf. V, Fig. 6 bis 8) näher
an, ohne dass es aber möglich wäre, sie mit einer dieser Arten
zu verwechseln.
148 V. Haue r. Nachträge zur Keniitniss
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I.
Fig. 1. Atilncoceras sulcafiaii Hau. von der Teltschen bei Aus.see. Ansicht der
Röhre von der Dorsalseife , mit der vertieften Rinne , in natürlicher
Grösse.
„ 2 und 3. Querschnitte der Röhre in verschiedener Höhe. Die rasche
Zunahme der Dicke der Schale wird besonders durch Vergleichung dieser
Figuren ersichtlich.
„ 4. Ein Stück der Oberfläche vergrössert.
„ 5 und 6. Längsschnitte derselben Art, welche die Kammerscheidewände
und in Fig. 6 auch einen Längsschnitt des Sipho zeigen.
„ 7 und 8. Naudhts Irapezoidalis Hau. vom Sommei'aukogel bei Hallstatt;
in % der natürlichen Grösse.
Tafel II.
Fig. 1 und 2. Nautilus planilateratus Hau. von der Teltschen bei Aussee.
Ansicht von der Seite und von vorne, in natürlicher Grösse. — Die Kam-
merscheidewand, wie sie in Fig. 2 um die Lage des Sipho zu zeigen
dargestellt wurde , ist nicht am Ende der Schale , welches bereits der
Wohnkammer angehört, sichtbar, sondern nach einer Rruchfläche von
weiter rückwärts gezeichnet.
„ 3. Ein Stück der Röhre derselben Art mit den Kammerscheidewänden.
„ 4. Ein etwas vergrössertes Röhrenstück derselben Art zur genaueren Dar-
stellung der Oberflächenzeichnung.
„ 5 und 6. Nautilus hrcvis Hau. von der Teltschen bei Aussee; ein ausge-
wachsenes Exemplar in natürlicher Grösse.
„ 7. Ein Stück der Röhre derselben Art, von rückwärts gesehen , mit einer
Kammerscheidewand , an welcher man unten den kleinen Rauchlobus,
oben aber einen längliehen, durch den Durchbruch des Sipho hervorge-
brachten Einschnitt gewahrt.
„ 8. Ein Stück der Schalenoberfläche vergrössert.
„ 9 bis 16. Ilhabdoceras Suessi. Fig. 9 Ansicht eines grösseren Exemplares
von der Seite, Fig. 10 dasselbe von der Rückenseite und Fig. 11 von
der Rauchseite. Fig. 12 der Querschnitt, Fig. 13, 14 und 13 Seiten-
ansicht, Rückenansicht und Querschnitt eines kleineren Exemplares.
Reide Sliicke vom Sandling bei Aussee, in natürlieher Grösse. — Fig. 16
die stark vergrösserte Lobenzeichnung, deren Dorsallobus mit D, deren
Ventrallobus aber mit F bezeichnet ist.
der Cephalopoden-Fauna der llallstiitter Scliicliten. 149
Fig. 17 und 18. Cochloceras Fischeri, ein grösseres Exemplar^ von der Seite
und von oben gesehen. Der Mundsaum scheint durch eine nach rück-
wärts gebogene Lippe etwas verdickt zu sein. Die Rippen sind durch-
gehends scharf und regehnässig.
„ 19 und 20. Ein durch etwas schlankere Gestalt und weniger regelmässige
Rippen abweichendes Exemplar derselben Art , beide in natürlicher
Grösse.
„ 21. Die Lobenzeichnung derselben Art bedeutend vergrössert.
„ 22 und 23. Zwei Exemplare von Cochloceras canaliciilatiim , von der Seite,
Fig. 24 dasselbe von oben gesehen , Fig. 2a die stark vergrüsserte
Lobenzeichnung, in welcher wie in Fig. 21 die Linie a die obere, die
Linie b aber die untere Nath bezeichnet.
„ 26 und 27. Cochloceras breve Hau. Ansicht von der Seite und von oben
in natürlicher Grösse.
Tafel III.
Fig. 1 bis 4. Aminonites minuinis Hau. Fig. 1 und 2 Seiten- und Vorder-
ansicht, in natürlicher Grösse. Fig. 3 und 4 dieselben 3i2nial ver-
vergrössert.
„ S und 6. Ammonites acutinodis Hau. Ansicht von der Seite und von vorne,
in natürlicher Grösse.
„ 7 und 8. Ammonites rectauffitlaris Hau. Seiten- und Vorderansicht, in
natürlicher Grösse.
„ 9 und 10. Ammonites laevidorsaiHS Rhu. Seiten- und Vorderansicht, in
natürlicher Grösse.
„ 11 und 12. Ammonites Teltschenensis Hau. Seiten- und Vorderansicht, in
natürlicher Grösse.
„ 13 und 14. Amtnonites crassecarinatus Hau. Seiten- und Vorderansicht, in
natürlicher Grösse.
„ IS bis 17. Ammonites galeolus Hau. Fig. l."> bis 16 Seiten- und Vorder-
ansicht, in natürlicher Grösse. Fig. 17 die vergrösserte Lobenzeichnung.
Tafel IV.
Fig. 1 und 2. Ammonites Mojssissovicsi Hau. Ansiaht von der Seite und von
vorne, in natürlicher Grösse, Fig. 3 stark vergrösserte Lobenzeich-
nung derselben Art.
„ 3 bis 7. Ammonites bicornis Hau. Fig. 4 bis 5 ein ausgewachsenes
Exemplar, von der Seite und von vorne, in natürlicher Grösse, Fig. 6
Längsdurchschnitt eines solchen. Fig. 7 vergrösserte Lobenzeichnung.
„ 8 bis 10 Seitenansicht, Vorderansicht und vergrösserte Lobenzeichnung
des A. semiglobosus Hau.
„ 11 bis 13. Ammonites diffissiis Hau. Fig. 11 Ansicht von vorne bei ver-
ticaler Stellung der Seiteni'urchen, Fig. 12 Seitenansicht. Fig. 13 Ansicht
von vorne bei horizontaler Stellung der Seitenfurchen.
1 oO ^- "iiiiei- Nachträge zur Cephiilopoden-Fauna der Ilallstütter Scliicliten.
Tafel V.
Fig. 1 und 2. Awnionites coangustalus Hau. Ansicht eines ausgewachsenen
Exemplares, von der Seite und von vorne, in natürlicher Grösse.
„ 3 bis G. C/i/do/ii/c's quadrangii/iis Hmi. Fig. 3 Seitenansicht, in natürlicher
Grösse, Fig. 4 und o a Ansieht von der Seite und von vorne, 2Vamal
vergrösserf, b stark vergrösserte Lobenzeichnung.
„ 7. Fjobenzeichnung von Clydonitcs delphinocephalus Hau., stark ver-
grössert. In der Figur selbst ist der Siphonalsaltel ganzrandig, wie er
unmitlelbar nach Entfernung der Schale erscheint, dargestelH. Die kleine
Zeiclinung darüber zeigt ihn mit offener Siphonaldüte, wie er nach
etwas weiterem Anschleifen des Kernes erscheint.
„ 8 bis 14. Clydonites elUpticus Hau. Fig. 8 bis 13 drei Exemplare von
verschiedener Grösse, die verschiedenen Varietäten, in welchen die Art
auftritt, darstellend , alle in natürlicher Grösse gezeichnet; Fig. 14 die
stark vergrösserte Lobenzeichnung und zwar der Siphonalsattel in der
Hauptfigur ganzrandig, und darüber mit offener Siphonaldüte, wie er
nach weiterem Abschleifen des Kernes erscheint.
„ 13 bis 19. Clydonites coslatus, Fig. I.'j bis 16 ein schmales, enge geripptes,
Fig. 17 bis 18 ein breites Exemplar mit entfernt stehenden Rippen, in.
natürlicjier Grösse, Fig. 19 die stark vergrösserte Lobenzeichnung.
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F(f/. 'iß. ni/f/t/nifcr (fiuuIrnnifN/ii.\Hi>ii . Fi'ff.X li.n_i/ilf>nifr.v etfip-ficii-r Hnii,
Piff/ö /.9. f'Jtfifonrfe.r n).rffi/n,Y Ifnn.
Sitz.uiiy.sli .1 k Akad.d Wm;iih.ii.iliir«- Cl XLLRd.X" I4-. Uif.d.
über die Racen des 7.:ilimeM Schnfes. 151
Über die B a c e n des % ah m e n Schafes.
Von dem w. M. Dr. L. J. Fitziuger.
IV. ABTHEILUNG.
(Im Auszuge vorg^etiagen in der Sitzung vom 6. Oetober 1839, vorgelegt in der
Sitzung vom 26. April 1860.)
Das Fettschwanzschaf.
(Ovis platyura.)
Brebiis ä grosse queue. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 362.
Schaf mit dickem Schwänze. B u f f o n, M a r t i n i, Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX.
p. 264.
Brehis a grosse queue. Ency cl. meth. p. Sli.
Ovis Aries laticaudata. Bechst. Naturg. Deutschi. B. I. p. 363. Nr. 5.
Ovis Aries laticaudata. Isid. Geoffroy. Dict. class. d'hist. nat. T. XI.
p. 268. (Zum Theile.)
Aegoceros Ovis platyura. Wagner. Schreber Säugth. B. V. Th, I. p. 1429.
Nr. 12. VI. (Zum Theile.)
Moutou domestique Yar. b. Ovis aries laticaudata. Desmar, D'Orbigny Dict.
d"hist. nat. T. VIII. p. 414. Nr. 4. b. (Zum Theile.)
Das Fettschwanzschaf ist eine so auffallende Form in der Gat-
tung der Schafe, dass man nicht leicht einen Anstand nehmen kann,
es für eine selbstständige Art zu betrachten. So wenig man im Stande
ist, diese höcbst eigenthündicbe Bildung durch die Einwirkungen des
Klima's oder die ßeschaffenbeit des Bodens zu erklären, eben so wenig
gestatten es die äusseren Formen in demselben eine Bastardbildung zu
erkennen. Zu den Hauptkennzeicben dieser Art gehören der niittel-
lange, dicke und sehr breite, auf beiden Seiten flachgedrückte und in
eine dünne Spitze endigende Fettschwanz, der durch eine Anhäu-
fung von nicht sehr festem, zwischen dem Zellgewebe eingelagertem
Fette gebildet wird, auf der Oberseite behaart, auf der Unterseite
aber, mit Ausnahme der Spitze kahl ist, und schlaff und schlotternd
1 52 F i t z i n g e r.
am Hintertheile des Körpers herabhängt; ferners lange, breite und
nur wenig zusammengeklappte ziemlich schlatTe Ohren , und ein
dichtes, mehr oder weniger langwolliges, gewelltes oder zottiges
Vliess. Die Hörner, welche fast nur den Männchen eigen sind, den
Weibchen aber in der Regel fehlen , sind verhältnissmässig kurz und
bilden eine halbmondförmige Krümmung nach seit-, rück-, ab- und
vorwärts.
Die ursprüngliche Heimath des Fettschwanzschafes scheint auf
Nord -Afrika und den westlichen Theil von Mittel-Asien beschränkt
zu sein.
Es sind bis jetzt acht verschiedene Racen bekannt, welche nach
ihren körperlichen Formen dem Fettschwanzschafe beizuzählen sind,
wovon vier auf den Einflüssen des Klima's und des Bodens in Folge
ihrer geographischen Verbreitung zu bernlien scheinen, die vier
anderen aber offenbar Bastarde sind; nämlich das berberische
Fettschwanzschaf (Ovis platyura barbarica), das tunesi-
sche Fettschwanzschaf^Oy/s platyura timetana) das ägyp-
tische Fettschwanzschaf (Ovis platyura aegyptiaca), das
buchari sehe Fettschwanzschaf (Ovis platyura bucharica),
das persische Fettschwanzschaf (Ovis jjlatynra persica),
das c a p i s c h e Fettschwanzschaf (Ovis platyura capensis),
das natolische Fettschwanzschaf (Ovis platyura auatolicaj
und das mace donische Fettschwanzschaf (Ovis platyura
macedonica) . Zwei andere, zwar gleichfalls mit Fettschwänzen ver-
sehene Schafracen, welche seither von allen Naturforschern irriger-
weise dem Fettschwanzschafe beigezählt wurden, sind aber nicht
von diesem, sondern von zwei völlig verschiedenen Arten, nämlich
vom langschwänzigen und hochbeinigen Schafe abzuleiten, indem sie
aus der Vermischung derselben, theils mit einer Race desFettsteiss-,
theils des Stummelschwanzschafes hervorgegangen sind, und zwar
das syrische 1 a n g s c h w ä n z i g e Sc h a f (Ovis dolichura syri-
acaj und das persische hoch bei n ig e Schaf (Ovis longipes
persica).
Das b e r b e r i s c h e Fettschwanzschaf.
(Ovis platyura barbarica.)
Moiäon de Barharie. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 35."). t. 33.
Brehis de Barharie. Buffon. Hist. nat T. XI. p. 358.
über die Racen des zahmen Schafes. 153
Fettschwämiges Schanf. Schaaf aus Aethiopien. Pallas. Beschreib, d. sibir.
Schaaf. p. 62. Note ***.
Oi'is Aries luticaudata. Er x leben. Syst. regn. anim. T. I. p. 248. Nr. 1. ^.
Schaf aus der Barbarey. Biiffon, Martini. Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX.
p. 204, 2Ö7. t. IS.
Oi'is Afies Laticauda. Boddaert. Eleneh. Anim. Vol. I. p. 148. Nr. 2. z.
Ovis Afics luticaudata. Gnielin. Linne Syst. nat. ed. XIII. T. I. P. i. p. 198.
Nr. l.vj.
Mouton de Barbarie. Encycl. meth. p. 32. t. 46. f. 3.
Ovis rustica. AUjierischcs Schaaf. Walt her. Racen u. Art. d. Sehaafe. Annal.
d. wetterau. Geseilsch. B. II. p. 72. a.
Ovis rustica. Marokkanisches Schaaf. Walther. Racen ii. Art. d. Sehaafe.
Annal. d. wetterau. Geseilsch. ß. II. p. 72. c.
Ovis aries laticaudata. Desmar. Maninial. p. 489. Nr. 741. Var. B.
Ovis aries. Mouton a grosse queuc. Lesson. Man. de Manimal. p. 400.
Nr. 1048. 2.
Capra Aries Laticaudatus. Fisch. Syn. Mammal. p. 490. Nr. 10. £.
Ovis aries laticaudata. Gene. Deseriz. di var. di Pecora a coda adiposa.
Meni. della reale Accad. delle scienze di Torino. T. XXXVII. p. 283.
Nr. 1.
Ovis Aries Var. 2. Dickschwämiger oder fettschicämiger Hammel. Tilesius.
Hausziege. Isis. 1833. p. 932. Nr. 2.
Aegoceros Ovis platyura. Fettschwänziges Schaf von Algier und Marokko. Wag-
ner. Schreber Säugth. B. V. Th. I. p. 1430. Nr. 12. VI.
Ovis aries stirps harbarica- Reichenb, Naturg. Wiederk. i. 37. f. 318.
Das berberische Fettschwanzschaf, welches als die typische
Form der Art betrachtet werden kann, bildet die erste unter den
auf den Einwirkungen des Klimans und den Verhältnissen des Bodens
begründeten Abänderungen des Fettschwanzschafes (^Ovis platyura).
Dasselbe ist zwar nur von mittlerer Grösse, doch übertrifft es hierin
selbst die grössten unter den reinen, noch unvermischten Racen des
deutschen Schafes. Der zienih'ch grosse Kopf ist durch eine flache
Stirne und einen massig stark gewölbten Nasenrücken ausgezeich-
net, die Schnauze stumpf zugespitzt und nicht besonders breit. Die
Augen sind klein, die Ohren lang, ziemlich breit, schwach zusammen-
geklappt, stumpf abgerundet und nicht vollkommen schlaff an den
Seiten des Kopfes herabhängend. Hörner sind den Widdern meistens,
den Mutterschafen aber nur äusserst selten eigen. Sie sind verhält-
nissmässig ziemlich kurz, nicht besonders dick, und verschmäiern
sich nur wenig und allmälilich gegen die stumpfe Spitze. Von der
Wurzel angef;ingen, wo sie ziemlich diclit neben einander stehen,
wenden sie sich, indem sie sich nur sehr wenig über den Scheitel
I 54 F i t z i 11 g e r.
erhebeil, nach seit- und rückwärts, und krümmen sich nach ab-, vor-
und aufwärts, und mit der Spitze etwas nach rück- und einwärts, so
dass sie ein schneckenartiges Gewinde von einem und einem lialben
Umgange darstellen.
Der ziemlich lange und nicht sehr dicke Hals bietet in der
Kehlgegend keine schlalTen Hautlappen dar, doch befindet sich an
seiner Vorderseite eine schwache Wamme, welche bis unter die
Brust herabreicht. Der Leib ist nur wenig gestreckt, rund und voll,
der Widerrist schwach erhaben, der Rücken breit und gerade, und
die Croupe breit, abgedacht und höher als der Widerrist. Die Brust
ist verhälfnissmässig ziemlich breit, der Bauch voll und rund. Die
Beine sind kaum von mittlerer Höhe, stark und kräftig, die Hufe nur
von sehr geringer Länge und stumpf zugespitzt. Der mittellange und
völlig schlaff herabhängende Schwanz, welcher bis zum Sprung-
gelenke reicht und mit der Behaarung noch über dasselbe herab-
langt, ist seiner grössten Länge nach von einer Fettmasse um-
geben, die nur die Spitze frei lässt, und erscheint hierdurch in
der Gestalt eines breiten, langgezogenen, von oben und unten flach-
gedrückten Kissens, das auf beiden Seiten in seiner Mitte von einer
schwachen Längsfurche durchzogen wird, die jedoch auf der Ober-
seite weit stärker als auf der Unterseite hervortritt. Die ganze
Oberseite des Fettschwanzes und beide Seiten der dünnen Spitze,
sind von einer sehr dichten und nicht besonders langen, gewellten
und beinahe gekräuselten Wolle umgeben, welche so vertheilt ist,
dass sie gleichsam wie ein Strick von rechts nach links um den
Schwanz herumgewunden erscheint. Die untere Seite des Fett-
schwanzes ist kahl.
Das Gesicht, die Ohren und die Unterfüsse, bis über das Hand-
und Fusswurzelgelenk hinauf, sind kurz und glatt anliegend behaart,
während der Scheitel und der ganze übrige Körper von einem sehr
dichten Vliesse überdeckt werden, das aus nicht sehr langer, grober,
gewellter und beinahe gekräuselter Wolle gebildet wird, die am
Halse, an den Oberarmen und den Schenkeln am längsten ist und nur
wenig tief unter den Bauch herabreicht. Die Färbung ist bald ein-
förmig schmutzig gelblich- oder röthlichweiss, oder auch gelbbraun,
rothbraun oder schwarz, bald aber auch aus einer oder der anderen
dieser Farben, dunkel auf hellem Grunde gefleckt. Sehr oft kommen
auch hell gefärbte Thiere mit dunkel geflecktem Kopfe bei dieser
über flip Hacen des zaliineii Schafe.«. 133
Race vor. Die Hörner sind licht bräunlich hornfarben, die Hufe grau-
lichschwarz, die Iris ist bräunlichgelb.
Die Heimath des berberischen Schafes sind Algier und Marokko,
doch wird es auch hie und da in den Nachbarländern gezogen. Über-
all werdLMi sehr zahlreiche Heerdeii von demselben angetroffen, die
theils in den Ebenen, theils in den Gebirgen, Jahr aus Jahr ein
unter freiem Himmel weiden. Die Mauren verwenden viele Sorgfalt
auf die Pflege ihrer Heerden und ziehen mit ihnen häufig von einer
Gegend in die andere. Immer führen sie aber ihre Schafhunde mit
sich, welche die Heerden vor den Angriffen der Raubthiere und ins-
besondere zur Nachtzeit beschützen. Eine Umzäunung aus Gestrüppe
oder dornigen Gesträuchen, in welche die Schafe gegen Abend
zusammengetrieben werden, vertritt die Stelle eines Stalles, und nur
äusserst selten und blos in den stabilen Ansiedelungen, dient ihnen ein
offener Schoppen als Obdach bei Nässe, kühleren Nächten oder wäh-
rend der rauheren Zeit. Die Schur wird jährlich in der Regel nur
einmal vorgenommen und die Wolle zu gröberen Geweben verwen-
det. Das wichtigste Erträgniss ist das Fleisch und nebstbei auch
das Fell, das entweder als Kleidungsstück verwendet, oder gegerbt
als Leder benützt wird.
Das tunesische Fettschwanzschaf.
{Ovis platyura timetana.)
Vervex alius. Jonst. Hist. nat. Quadrup. t. 23.
Belier de Tunis. Buffon. Hist. nat. Supplem. T. III. p. 66. t. 9.
Fettschcänziyes Schaaf i'oti der Barbarey und von Tunis. Pallas. Beschreib.
d. sib. Sehaaf. p. 83. Note **.
Ovis Aries laticaiidata. Erxleben. Syst. regn. aniin T. I. p. 248. Nr. 1. ?.
Tunischer Widder. Buffon, Martini. Naturg. der vierf. Thiere. B. IX.
p. 322. t. 23.
Belier de Tunis. Encycl. meth. t. 47. f. 2.
Ovis riistica. Marokkanisches Sehaaf. Walther. Racen u, Art. d. Schaafe.
Annal. d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 72. c.
Fettschwänziges Schaf. Erdelyi. Zoophysiol. p. 101. A. a.
Mout&n a grosse queuc. Fr. Cu vier et Geoffroy. Hist. nat. d. Manimif. tab.
fig. sinistra.
Ovis aries laticaiidata. Race 2. Desmar. Mammal. p. 490. Nr. 741.Var. B. 2.
Ovis aries. Mouton a grosse qiieue. L e s s o n. Man. de Mammal. p. 400. Nr. 1048. 2.
Ovis Aries laticaiidata. Var. 2. Mouton ä grosse queue. Isid. Geoffroy
Dict. olass. d'hist. nat. T. XI. p. 268.
136
Fitz
Capra Aries Ladcaudatus Maeroccrcus. Fisch. S yn. Mammal. p. 491. Nr. 10. e. c.
Ovis Aries platyura. Yar. Schaf von Mauritanicn. Brandt u. Ratzeburg.
Medic. Zool. B. I. p. 60. Nr. IV.
Ovis aries laticaudata. Gene. Descriz. di var. di Pecora a coda adiposa. Mem.
della reale Accad. delle scienze di Torino. T. XXXVII. p. 28ö. Nr. I.
Ovis Aries Var. 2. Dickschwümiycr oder fettsclticänziger Hammel. Tilesius.
Hausziege. Isis. 183Ö. p. 9d2. Nr. 2.
Broad or Fat-tailed breed. liarhavy breed. Jardine. Nat. Hist. of Ruinin.
Anim. P. II. p. 169. t. 17. (ig. sinistra.
Aegoceros Ovis platyura. Fettschtfümiges Schaf von Tunis. Wagner. Sehreber
Siiugth. Bd. V. Th. I. p. 1430. Nr. 12. VI.
Mouion domestiqne. Var. b. Ovis aries laticaudata. Racc 2. Mouton ä grosse
qneue. Desinar. D'Orhigny Dict. d'Jiist. nat. T. VIII. p. 414. Nr. 4. b. 2.
Ovis aries laticavdatus. Reiehonb. Naturg. Wicdcrk. t. 53. f. 314.
Das tunesische Fettschwanzschaf bildet die zweite jener Ab-
änderungen des Fettschwanzschafes (Ovis platyura) , welche durch
die Einflüsse des Klimans und des Bodens in Folge der geographi-
schen Verbreitung bedingt sind. Es ist grösser als das schlicht-
wollige deutsche Schaf, verhältnissmässig aber niederer als dasselbe
gebaut. Sein ziemlich grosser Kopf ist durch eine abgeflachte Stirne
und einen sehr stark gewölbten Nasenrücken ausgezeichnet, und
geht in eine nicht besonders breite], stumpf zugespitzte Schnauze
aus. Die zugespitzte Unterlippe wird vom Oberkiefer vollständig
umschlossen. Die Augen sind ziemlich klein, die leicht beweglichen
Ohren lang, breit, stumpf gerundet , nur sehr schwach zusammen-
geklappt und ziemlich schlaff an den Seiten des Kopfes herabhän-
gend. Nur die Widder sind in der Regel gehörnt, die Mutterschafe
aber immer hornlos. Die Hörner, welche ungefähr 10 Zoll in der
Länge und etwas über 2 Zoll au der Wurzel in der Dicke haben,
stehen an ihrem Grunde ziemlich nahe beisammen und wenden sich,
indem sie sich nur sehr wenig über den Scheitel erheben, in einem
ziemlich regelmässigen Bogen nach seit-, rück-, ab- und vorwärts,
und mit der Spitze nach auf- und meistens auch nach seitwärts.
Sie sind dick und stark, verschmälern sich nur wenig in der ersten
Hälfte ihrer Länge und gehen allmählich in eine stumpfe Spitze
aus. Nicht selten werden auch vierhörnigeThiere unter den Widdern
angetrofl'en.
Der Hals ist ziemlich lang, doch dick, und an der Vorderseite
desselben zieht sich eine schwache Wamme bis unterhalb der Brust
herab. Von schlalTen Hautlappen oder sogenannten Glöckchen ist in
über die Raeen des zahmen Schafes. 157
der Kehlgegend keine Spur vorhanden. Der Leib ist nicht sehr
stark gestreckt und erscheint durch die reichliche Behaarung sehr
dick und voll. Der \^'iderrist ist erhaben, der Rücken breit und ge-
senkt, und die gerundete, sehr breite Croupe abgedacht und höher
als der Widerrist. Die Brust ist ziemlich breit, der Bauch rund und
voll, jedoch durchaus nicht hängend. Die Beine sind verhältniss-
mässig minder stark und kräftig, die Hufe massig lang und stumpf
zugespitzt. Der mittellange Schwanz , welcher ohne der Behaarung
bis an das Fersengelenk, mit derselben aber nahe bis an den
Boden reicht, ist tief angesetzt und von einer Fettmasse um-
schlossen, wodurch er überaus breit und auch sehr dick erscheint.
Diese Fettmasse, welche ihn von allen Seiten umgibt, ist von
länglichrunder Gestalt, auf der Ober- und Unterseite abgeplattet,
an der Wurzel etwas weniger breit als in der Mitte, sehr stark
aufgetrieben an den Seiten, und verschmälert sich ziemlich rasch
gegen die Spitze zu. Sie ist 11 Zoll breit und hat beinahe eine
Dicke von 4 Zoll. Die Oberseite des Fettschwanzes ist mit einer
sehr langen zottigen Wolle besetzt, die Unterseite, mit Ausnahme
der Spitze, welche gleichfalls wollig ist, kahl und beide Seiten
werden der Länge nach von einer seichten Furche durchzogen,
welche jedoch auf der Unterseite viel stärker hervortritt. Dieser
eigenthümlich gebildete Fettschwanz hängt schlaff am Hintertheile
herab und schlägt sich zwischen den Beinen etwas nach einwärts
gegen den Bauch. Das sehr weiche Fett , aus welchem derselbe
besteht, bewirkt beim Gehen des Thieres eine schlotternde Bewe-
gung des Schwanzes.
Der vorderste Theil der Schnauze, die Wangen, die Ohren und
die Vorderfüsse, bis über das Handgelenk hinauf, sind mit kurzen,
glatt anliegenden Haaren besetzt , der Nasenrücken und die Hinter-
füsse aber mit etwas längeren und mehr wolligen Haaren. Die
Stirne, der Scheitel und der ganze übrige Körper wird von einem
überaus dichten Vliesse bedeckt, das aus einer sehr langen, groben
und beinahe zottigen Wolle besteht, die über 6 Zoll in der Länge
hält und in dicken Zotten herabfällt. Am längsten und reichlichsten
ist die Wolle am Halse, an den Schultern, den Schenkeln, am Bauche
und am Schwänze. Die Färbung ist in der Regel am ganzen Körper,
mit Ausnahme des Kopfes, der Ohren und der Beine, entweder
schmutzig gelblichweiss oder hell gelblichbraun. Die Stirne und der
Sitah. d. mathem.-natiirw. Cl. XLI. Hd. Nr. 14. 11
158 Kitzinger.
Nasenrücken, bis gegen das Sehnauzenende hin, sind meistens weiss,
die Sclinauzenspitze, die Seiten des Kopfes, das Hinterhaupt und die
Unterfüsse gewöhnlich dunkel gelbbraun. Doch kommen aber auch
nicht selten einfarbige roth- oder dunkelbraune, und selbst schwarze
Thiere unter dieser Race vor. Die kahle Unterseite des Schwanzes
ist fleischfarben. Die Hörner sind weisslich hornfarben, die Hufe
schwürzlichgrau. Die Iris ist braunlicligelb. Die Körperlänge eines
erwachsenen Widders beträgt 3 Fuss 9 Zoll, die Länge des Schwanzes
ohne dem Haare 1 Fuss I Y^ Zoll, die Höhe am Widerrist 2 Fuss, an
der Croupe 2 Fuss 2 Zoll.
Das tunesische Fettschwanzschaf scheint ursprünglich nur über
Tunis und Tripolis verbreitet zu sein, da es in Ägypten sowohl , als
auch in Algier und Marokko, durch zwei andere, sehr nahe mit ihm
verwandte Racen ersetzt wird. Doch wird es auch in diesen Ländern
hie und da, und selbst noch in Ober-Ägypten getroffen, obgleich es
allenthalben daselbst nur als eine eingeführte Race zu betrachten
ist. Die Bewohner von Tunis und Tripolis, welche sich viel mit der
Schafzucht beschäftigen, sind meist im Besitze sehr zahlreicher
Heerden, die in der Regel das ganze Jahr hindurch unter freiem
Himmel zubringen und blos hie und da während der kühleren Zeit
nothdürftigen Schutz unter einem Schoppen finden. Sie pflegen die-
selben mit ziemlich grosser Sorgfalt und hüten sie mit Hilfe ihrer
Hunde, welche die Raubthiere von ihnen abzuhalten suchen. Meist
werden aber die Heerden zur Nachtzeit im Freien gelassen und blos
in eine Umzäunung zusammen getrieben. Das Futter suchen sie
sich zu allen Jahreszeiten selbst auf ihren ausgedehnten Weiden,
auf denen sie sich den ganzen Tag über umhertreiben. Das wesent-
lichste Erträgniss ist das Fleisch, zum Theile aber auch die Wolle,
die zu gröberen Geweben verwendet wird.
Das ägyptische Fettschwanzschaf.
(^Ovis platyura aegyptiaca.)
Ovis Arabica. Jon st. Hist. nat. Quadnip. t. 23. (ig. sinistra.
MoHton d'Arabie. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 35d.
Broad-tailed shecp. Pennant. Syn, of Quadrup. p. 4. t. 1.
Fettschwäinitjc's Sehnnf. Schnnf von Pnliialina. Pallas. Beschreib, d. sibir.
Schaaf. p. 83.
Ovis Aries lativauda. Erx leben. Syst. regn. anim. T. I. p. 248. Nr. 1. ^.
über die Racen des zahmen Schafes. 1 59
Schaf aus Arabien. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf. Thiore. B. IX.
p. 254.
Ovis Aries laticaudata. Guielin. Linne Syst. nat. ed. XIII. T. I. P. I. p. 198.
Nr. 1. vj.
Mouton d'Arabie. Encycl. ineth. p. 32.
Fettschwämiges Schaf. Erdelyi. Zoophysiol. p. 101. A. a.
Ovis aries laticaudata. Desmar. Mammal. p. 489. Nr. 741. Var. B.
Ovis aries. Uoiitou a grosse queue. Lesson. Man. de Mammal. p. 400.
Nr. 1048. 2.
Capra Aries Laticaiidatus. Fisch. Syn, Mammal. p. 490. Nr. 10. £.
Ovis Aries platgura. Var. Schaf von Palästina. Brandt u. Ratzeburg.
Medie. Zool. B. I. p. 60. Nr. IV.
Ovis aries appendiculatu. Gene. Descriz. di var. di Peeora a coda adiposa.
Mem. delle reale Acead. delle seienze di Torino. T. XXXVII. p. 28S.
Nr. II.
Ovis Aries. Var. 2. Dickschivänziger oder fcttschivänziger Hammel. Tilesius.
Hausziege. Isis. 183.'). p. 9ä2. Nr. 2.
Aegoceros Ovis platyura. Fettschcänziges Schaf von Egypten. Wagner.
Sehreber Säugth. B. V. Th. I. p. 1430. Nr. 12. VI.
Hausschaaf. Ovis Aries. Var. macrocercns. Syrisches und ägyptisches Schaaf.
Pöppig. Illustr. Naturg. B. I. p. 26S. Nr. S. f. 963. p. 261.
Das ägyptische Fettschwanzschaf ist die dritte unter den bis
jetzt bekannten Abänderungen des Fettschwanzschafes (Ovis pla-
tyura), welche auf den Eintliissen des Klima's und des Bodens
beruhen. Es ist zunächst mit dem tunesischen und berberischen
Fettschwanzschafe verwandt und ist auch von derselben Grösse. Der
Kopf ist ziemlich gross, die Stirne flach, der Nasenrücken massig
gewölbt, und die Schnauze nicht sehr breit und stumpf zugespitzt.
Die Augen sind verhältnissmässig klein, die Ohren lang, breit, ziem-
lich stumpf gerundet, etwas zusammengeklappt und nicht völlig
schlaff an den Seiten des Kopfes herabhängend. Die Widder sind
fast immer gehörnt, die Schafmfitter aber in der Regel hornlos. Die
Hörner sind verhältnissmässig nur von geringer Länge und Dicke,
verschmälern sich allmählich und gehen in eine stumpfe Spitze aus.
Von ihrem Grunde an, wo sie ziemlich nahe neben einander stehen,
wenden sie sich nach seit- und rückwärts, und bilden, ohne sich
merklich über den Scheitel zu erheben, entweder eine halbzirkel-
förmige Krümmung nach ab-, vor- und aufwärts, oder eine schwache
Beugung nach ab- und wieder nach aufwärts. Häufig werden unter
den Widdern auch vierhörnige angetrolTen.
11'
160 Fitzinger.
Der ziemlich lange, doch nicht besonders dicke Hals, bietet in
der Kehlgegend keine Spur von schlaff herabhängenden Hautlappen
oder sogenannten Glöckchen dar, doch befindet sich an der Vorder-
seite desselben eine schwache Wamme, welche bis unterhalb der
Brust verläuft. Der Leib ist nicht sehr stark gestreckt, ziemlich voll
und rund, der Widerrist wenig erhaben, der Rücken breit und fast
gerade, und die breite abgedachte Croupe etwas höher als der
Widerrist. Die Brust ist ziemlich breit, der Bauch voll und gerun-
det. Die Beine sind nur von geringer Höhe, doch ziemlich stark, die
Hufe nicht sehr lang und stumpfspitzig. Der mittellange Schwanz,
welcher schlaff am Hintertheile herabhängt, bis an das Fersengelenk
und mit der Behaarung ziemlich tief noch unter dasselbe herab-
reicht, ist tief angesetzt und mit Ausnahme der dünnen Spitze, rings-
um in eine Fettmasse eingehüllt, so dass er sehr dick und breit er-
scheint, vorzüglich aber in der Mitte, während er nach oben zu all-
mählich und ziemlich rasch nach abwärts sich verschmälert. Er ist
von beiden Seiton plattgedrückt und auf der Ober- sowohl als Unter-
seite in der Mitte von einer seichten Längsfurche durchzogen,
welche auf der Unterseite aber merklich tiefer ist. Die ganze Ober-
seite des Schwanzes , so wie auch die Unterseite der Spitze des-
selben, ist von einer ziemlich langen und zottigen Wolle umgeben,
welche an der Spitze noch beträchtlich länger ist und dieselbe weit
dicker erscheinen lässt, als sie wirklich ist, so dass der Schwanz
das Ansehen erhält, als ob auch seine Spitze ziemlich breit und
nur durch eine schwache Einschnürung von der noch breiteren
Fettmasse getrennt würde. Die Unterseite des Fettschwanzes ist
kahl.
Gesicht, Ohren und Unterfüsse , bis über das Hand- und Fuss-
wurzelgelenk hinauf, sind mit kurzen, glatt anliegenden Haaren be-
setzt, die übrigen Körpertheile aber, vom Scheitel angefangen, mit
einer ziemlich langen, groben und beinahe zottigen, sehr dicht ge-
stellten Wolle, welche jedoch nicht besonders tief unterhalb des
Bauches herabreicht. Die Färbung ist entweder schmutzigweiss
lind häufig in"s Gelbliche oder Röthlicho ziehend , oder auch roth-
Itraun , dunkelbraun oder schwarz. Nicht selten kommen unter
den weissgefärbten Thieren auch welche mit braun- oder schwarz-
geflecktem Kopfe vor. Die ilürner sind licht weisslich hornfarben,
die Hufe schwärzlichgrau. Die Iris ist bräunlichgelb.
über die Racen des zahmen Schafes. 161
Der ursprüngliche Verbreitungsbezirk des ägyptischen Fett-
schwanzschafes scheint nicht über Ägypten und das nordwestUche
Arabien hinaus gereicht zu haben , obgleich es heut zu Tage in
Arabien nicht mehr angetrofTen , dagegen aber in mehreren anderen
Nachbarländern gezogen wird. In Ägypten werden sehr zahlreiche
Heerden von dieser Race unterhalten und sie bildet nebst den ver-
schiedenen Ziegenracen, den Hauptreichthum der dortigen, mit der
Viehzucht sich beschäftigenden Bewohner. Die Haltung und Pflege
der Heerden ist genau dieselbe wie beim berberischen und tune-
sischen Schafe und eben so ist auch die Benützung derselben durch-
aus nicht verschieden. Es scheint kaum irgend einem Zweifel zu
unterliegen, dass diese Schafrace es war, welche schon in der
allerältesten Zeit der Israeliten von diesem Hirtenvolke gezogen und
zu seinen Brandopfern verwendet wurde. Dies geht aus mehreren
Stellen in den mosaischen Büchern der heiligen Schrift klar und
deutlich hervor; denn ausdrücklich heisst es hierin, dass zu den
Brandopfern die fettesten Theile der Widder und auch der Schwanz
derselben zu nehmen seien. Eben so war sie auch schon Aristo-
teles bekannt , der ihrer zwar nur mit wenigen Worten, doch
unverkennbar in seiner Naturgeschichte der Thiere gedenkt.
Das buch arische Fettschwanzschaf.
(Ovis platyiira bucharica.)
Brebis du Chorasan. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 361.
Bucharisches Schaaf. Pallas. Beschreib, d. sibir. Schaaf. p. 60, 81.
Ovis Aries laticaudata. Erxleben. Syst. regn. Anim. T. I. p. 248. Nr. 1. ?.
Schaf aus Chorasan. Bu ffon, Martini. Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX. p. 263.
Ovis Aries bucharica. Ginelin. Linne Syst. nat. ed. XIII. T. I. P. I. p. 199.
Nr. 1. ^.
Brebis du Levant. Encycl. meth. p. 34.
Brebis de Perse. Encycl. meth. p. 3d.
Ovis rustica. Bucharisches Schaaf. Walther. Racen u. Art. d. Schaafe. Annal.
d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 74. d.
Ovis rustica. Taurisches Schaaf. Race der Ebenen. Waltlier. Racen u. Art.
d. Schaafe. Annal. d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 77. h. a a.
Ovis rustica. Taurisches Schaaf. Graues Schaaf. Walther. Racen u. Art. d.
Schaafe. Annal. d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 77. h. cc.
Mouton d'Astracan. Fr. Cuvier et Geoffroy. Hist. nat. d. Mamnial. tab.
Ovis aries laticaudata. Race 3. Des mar. Mammal. p. 490. Nr. 741. Var. B. 3.
Ovis aries. Mouton a grosse queue.L e s s o n. Man. de Mammal. p. 400. Nr. 1048. 2.
162 F i t 7. i n n; e r.
Ojv'a' Aries lalicandnta. Vuf. 4. Mouton d'A.stracnn. Isid. Geoffroy. Dict.
class. d'hist. nat. T. XI. p. 269.
Capra Aries Laticaudattts Biicliaricus. Fiscli. Syn. Mainnial. p. 491. Nr. 10. z. d.
Ovis platyura. Var. Schaf vom Taurischen Chersones. Brandt u. Ratzeburg.
Medic. Zool. B. I. p. 60. Nr. IV.
Ovis aries aslraehanicn. Gene. Dcscriz. di var. di Pecora a coda adiposa. Mein.
della reale Aecad. delle scienze di Torino. T. XXXVII. p. 28ä. Nr. III.
Ovis aries appendiculala. Gene. Deseriz. di var. di Pecora a eoda adiposa.
Mein, della reale Aecad. delle scienze di Torino. T. XXXVII. p. 286.
Nr. III.
Ovis aries plaltjura. Tilesius. Haiiszicge. Isis. 1835. p. 949. Var. 4. p. 963.
Nr. 2.
Ovis Aries. Var. 8. Fettschiväiiziges oder lang- und breitscinoänziges Schaf.
Bncharisches Schaf. Tilesius. Hausziege. Isis. 18315. p. 958. Nr. 8.
Broad or Fat-lailed breed. Aslracan or Biicharian hreed. Jardine. Nat. Hist.
of Rmnin. Aniin. P. II. p. 170.
Aegoccros Ovis j)la(ynra. Feltschwnmiges Schaf von der Bncharei. Wagner.
Schreber Säugth. B. V. Th. I. p. 1429. Nr. 12. VI.
Aegoceros Ovis platyura. Bvcharisches oder astrachanisches Schaf. Wagner.
Sehreber Säugth. B. V. Th. I. p. 1432. Nr. 12. VI.
Mouton domestiqtie. Var. b. Ovis aries laticaudata. Ilace 3. Mouton d' Astracan.
Desmar. D'Orbigny Dict. d'hist. nat. T. VIII. p. 414. Nr. 4. b. 3.
Ovis aries astracanicus. Reichenb. Naturg. Wiederk. t. 53. f. 311, 312.
Das bucharische Feltschwanzscliaf muss als die vierte, auf kli-
matischen uud Bodenverhältnissen beruhende Abänderunt^ des Fett-
schwanzschafes (Ovis platyura) betrachtet werden. Es ist von ziem-
lich kleiner Statur und steht daher dem tunesischen Fettschwanz-
schafe bedeutend an Grösse nach. Der Kopf ist verhältnissmässig nicht
besonders gross, die Stirne flach, der Nasenrücken nicht sehr stark
gewölbt und die Schnauze nur wenig breit, ziemlich spitz und stumpf
gerundet. Die Unterlippe ist zugespitzt und wird von dem vorderen
Rande des Oberkiefers vollständig umschlossen. Die Augen sind
ziemlich klein, die leicht beweglichen Ohren lang und breit, niu* wenig
zusammengeklappt, stumpf abgerundet und beinahe völlig schlaff an
den Seiten des Kopfes herabhängend. Die Widder sind meistens
gehörnt, während die Weibchen immer nur hornlos angetroffen
werden. Die Hörner sind kurz, nicht besonders dick und verschmä-
lern sich allmählich gegen die stumpfe Spitze. Sie stehen an der
Wurzel ziemlich nahe neben einander und wenden sich, ohne sich
über den Scheitel zu erheben, in einem halbzirkelförmigen Bogen
nach seit-, rück- und abwärts, und mit der Spitze bisweilen nach
vorwärts.
über die Raeen des zahmen Scliafes. 163
Der Hals ist ziemlich lang, nicht besonders dick und ohne
sehlalle Hautlappen in der Kehlgegend. An der Vorderseite desselben
verläuft eine schwache Wamme bis unter die Brust. Der Leib ist
nicht besonders stark gestreckt und ziemlich dick, der Widerrist nur
sehr wenig erhaben, der Rücken ziemlich breit und schwach gesenkt,
und die Croupe breit, gerundet, sanft abgedacht und deutlich höher
als der W'iderrist. Die Brust ist massig breit, der Bauch rund und
voll, keineswegs aber hängend. Die ziemlich niederen Beine sind
nicht besonders dick, doch kräftig, die Hufe massig lang und stumpf
zugespitzt. Der mittellange, schlaff herabhängende Schwanz, welcher
bis an das Fersengeleiik herahreicht, ist tief angesetzt und von der
Wurzel an bis nahe gegen die Spitze, ringsum von einer Fettmasse
umgeben, die jedoch keinen besonders grossen Umfang und auch
keine bedeutendere Dicke hat. Durch diese Fettanhäufung , welche
von länglich eiförmiger Gestalt ist und an der Basis nur die Grösse
einer Faust erreicht, erscheint der Schwanz ähnlich wie der Schwanz
des Bibers, ziemlich flachgedrückt und geht in eine schmale Spitze
aus. Auf der Oberseite ist derselbe von einer ziemlich langen,
gewellten und etwas gekräuselten Wolle bedeckt, auf der Unterseite
aber, mit Ausnahme der Spitze, welche gleichfalls wollig ist, voll-
kommen nackt. Übrigens wird derselbe auf beiden Seiten, so weit die
Fettanhäufung reicht, von einer seichten Längsfurche durchzogen,
welche jedoch auf der kahlen Unterseite viel deutlicher bemerk-
bar ist.
Der Kopf, mit Ausnahme des Scheitels, die Ohren und die
Unterfüsse, bis über das Hand- und Fusswurzelgelenk hinauf, sind
kurz und glatt anliegend behaart, den übrigen Körper dagegen deckt
ein überaus dichtes Vliess, das theils aus massig langer, nicht sehr
feiner, doch ziemlich weicher und elastischer, gewellter und beinahe
gekräuselter Wolle gebildet wird, theils aus kürzerem und feinerem,
zierlich gekräuseltem, seidenartigem Haare.
Die Färbung ist entweder rein weiss, gelblich- oder graulich-
weiss, oder auch grau oder schwarz. Die helle Färbung ist jedoch
nach dem Alter verschieden, denn bei älteren Thieren sind der
Kopf, die Ohren und der kurz behaarte Theil der Füsse meist von
rein weisser Farbe, während der übrige Körper schmutzig gelblich-
weiss, in's Grauliche ziehend erscheint. Das kurze lockige Wollhaar
wird aus weissen und schwarzen Haaren gebildet, und erscheint
164 F i t z i n !? e r.
daher aschgrau. Die Hörner sind licht bräunlich hornfarben, die Hufe
sind schwärzlichgrau, die Iris ist gelblich. Bei den Lämmern, die
nur mit dem kurzen, feinen und seidenartigen Wollhaare zur Welt
kommen, das kleine, dicht gegen einander stehende und fest an die
Haut angepresste Locken bildet, ist die Farbe des Vliesses einförmig
dunkel aschgrau, indem die einzelnen Haare theils weiss, theils
schwarz sind. Kopf, Ohren und Unterfüsse sind bei denselben
weiss, doch sind bisweilen auch die Wangen und ein Streifen, der
der Quere nach über den Nasenrücken zieht, gleichfalls von asch-
grauer Farbe. Die Schönheit der Behaarung bei den Lämmern hält
jedoch nur sehr kurze Zeit an , denn schon wenige Tage nach dem
Wurfe entkräuseln sich die Locken und verlängert sich die Wolle. Die
Körperlänge beträgt ungefähr 3 Fuss 2 Zoll, die Länge des Schwan-
zes 7 Zoll, die Höhe am Widerrist 1 Fuss 5 Zoll, an der Croupe
1 Fuss 7 Zoll.
Das bucharische Fettschwanzschaf hat eine ziemlich weite Ver-
breitung, denn es wird nicht nur von den Hirtenvölkern in derßucharei,
und von den Kirgisen in derTartarei und in der Kirgisen-Steppe, son-
dern auch in Persien, Syrien und Palästina gezogen. Von den Kirgisen
wurde es auch nach Astrachan im südlichen Sibirien eingeführt und
von dort selbst in dieKrimm verpflanzt, wo es sehr gut aushält und in
zahlreichen Heerden gehalten wird. Die Bucharen verwendefi grosse
Sorgfalt auf die Haltung und Pflege ihrer Heerden, wiewohl dieselben
das ganze Jahr hindurch auf den Weiden unter freiem Himmel zubrin-
gen. Zur warmen Zeit ziehen sie mit denselben in höher gelegene
kühlere Gegenden und suchen ihre Schafe sorgfältig gegen die Ein-
wirkungen der Sonnenstrahlen während der drückenden Mittagshitze
zu schützen, indem sie dieselben entweder unter Schilfdächer trei-
ben oder mit aus Schilf geflochtenen Matten überdecken. Noch vor
dem Eintritte des Winters ziehen sie aber mit denselben in die
Thäler und tiefer liegenden Ebenen , um der strengeren Kälte zu
entgehen. Überhaupt sind die Buchareii bemüht, ilire Heerden mög-
lichst zu vermehren. Weit weniger Sorgfalt geniessen dieselben
dagegen bei den Kirgisen, welche ihre Heerden sich ganz allein zu
überlassen pflegen. Demungeachtet arten die Schafe aber bei dieser
Haltung nicht alsogleich und überhaupt nur wenig aus, und es ist
daher auch nicht zu zweifeln, dass sie selbst in manchen Gegenden
des südlichen Europa leicht und dauernd zu erhalten wären. Dies
über i'-e Uacen des zohmen Schafes. 165
geht auch aus ihrer Verpflanzung in die Krinim hervor, die erst in
neuerer Zeit erfolgte und wo man die Heerden dieser Race nur in
den Ebenen zu halten pflegt.
Der Hauptertrag des bucharischen Fettschwanzschafes besteht in
seiner zwar nicht sehr feinen , aber doch vortreff'lichen und beinahe
seidenartigen Wolle und insbesondere in den Fellen der ganz jungen
Lämmer, die unter dem Namen Astrachan im Handel bekannt sind und
zu hohen Preisen verkauft werden. Diese Felle sind sowohl bei den
europäischen, als den asiatischen Völkern sehr geschätzt und werden
hauptsächlich zu Mützen und Verbrämungen verwendet. Die meisten
kommen aus Persien und der Bucharei, weniger aus der Krimni, wo
der Haupthandel mit denselben hauptsächlich nach Polen hin gerich-
tet ist und dem Lande einen ziemlich beträchtlichen Gewinn ein-
bringt. Schon vor nahe einem Jahrhundert wurde ein solches Lamm-
fell von den russischen Kaufleuten aus erster Hand mit einem Silber-
thaler bezahlt. Am meisten geschätzt sind die Felle eben geworfener
oder noch ungeborener Lämmer, welche letztere unter dem Namen
Baranjen bekannt sind. Diese haben ganz glatt anliegendes, kurzes,
gekräuseltes glänzendes Haar, dessen Wellen zuweilen höchst regel-
mässig und beinahe federartig vertheilt sind, so dass sie fast das
Ansehen von Damast haben. Solche Felle sind jedoch viel sel-
tener als die von bereits geworfenen Lämmern und die geschätz-
testen und daher auch theuersten unter denselben sind die schwar-
zen. Man hat lange Zeit geglaubt, dass die Bucharen die trächtigen
Schafmütter schlachten , um zu solchen Fellen zu gelangen. Dies ist
jedoch ein Irrthum, da schon Pallas nachgewiesen hat, dass es bei
den Bucharen sowohl , als allen tatarischen Völkern für eine Sünde
gelten würde, Mutterschafe zu schlachten. Die Felle ungeborener
Lämmer stammen sämmtlich von solchen Schafen, welche in Folge
von Krankheiten oder durch Zufall dem Tode erlegen sind. Die Läm-
mer werden immer solchen verendeten Thieren aus dem Leibe
geschnitten und das Fell wird ihnen sodann so rasch als möglich
abgezogen. Dagegen wird ein sehr grosser Theil neugeborener oder
noch junger Widderlämmer von jenen asiatischen Hirtenvölkern
geschlachtet und sie kaufen desshalb alle zusammen, die man nicht
zur Nachzucht unumgänglich nöthig hat, um sie zu schlachten, wenn
das Fell am schönsten ist. Da schwarze, graue und silberweisse am
schönsten sind, so ziehen sie auch meistens nur Schafe von dieser
166 Fi t /. i I) j c r.
Farbe, weit weniq-er dagegen inilchweisse , die durchaus nicht
geachtet sind.
Pallas hielt das hucharische Fettschwanzschaf nicht für eine
reine, unverniischte Race, sondern glaubte, dass es durch Kreuzung
des laiigscbwänzigcn Schales mit dem Fettsteissschafe und unter dem
Einflüsse des Klima's, des Bodens und der Cultur entstanden sei, eine
Ansicht, welche jedoch jeder Begründung entbehrt und auch den
äusseren Merkmalen zufolge durchaus nicht die entfernteste Wahr-
scheinlichkeit hat.
Das persische Fettschwanzschaf.
{Ovis jüatyiira persica.)
Brebis des Tiuh's.r, II 11 (in. Hist. nal. T. XI. p. 3S6.
Brebis de Moumnhiquc. Biiflon. Ilist. nat. T. XI. p. 358.
Fettschwänziges Sclinuf. Schaaf von Guinea. Pallas. Beschreib, d. sihir.
Schaaf. p. 62. Note *"*. p. 83. Note *».
Schaf ans Indien. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf. Tliiere. B. IX. p. 255.
Schaf aus Mosambik. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf. Tliiere. B. XI.
p. 257.
Brebis de Mosambique. Ency cl. m cth. p. 33.
Ovis rnstica. Cachemirisches Sc/iaaf. Walther. Bacen u. Art. d. Sehaafe.
Anna!, d. welterau. Geseliscii. B. 11. p. 74. g.
Ovis rnstica. Tibetisches Schaaf. Walt her. Bacen u. Art. d. Sehaafe. Annal.
d. wetteiau. Gesellsch. B. II. p. 70. g.
Tibetaner Schaf. Erdelyi. Zoophysiol. p. 101. A. a.
Ostindisches (Kaschemir) Schaf. Erdelyi. Zoophysiol. p. 101. A. a.
Ovis aries laticaudata. Race de l'Inde. Desmar. Mammal. p. 489. Nr. 741.
Var. B.
Ovis aries laticaudata. Race de l'erse. Desmar. Mammal. p. 490. Nr. 741.
Var. B.
Ovis aries. Moulon a grosse queue. L e s s o n. Mande Manunal. p. 400. Nr. 1048. 2.
Capra Aries Laticavdatns Thibetanus. Fisch. Syn. Mammal. p. 491. Nr. 10. £. e.
Ovis Aries plafi/ura. Var. Schaf von l'ersIcii.U ruudl u. Batzehurg. Medic.
Zoo). B. I. p. 60. Nr. IV.
Ovis Aries platyura. Var. Schaf von Transoxana. Brandt u. Batzehurg.
Medic. Zool. B. I. p. 60. Nr. IV.
Broad or Fat-tailed breed. Breed of Iitdia and Cliina. .lardine. Nat. Uisl. of
Bnmin. Anim. P. 11. p. 170.
Aegoceros Ovis pla/giira. Feltschvämiges Schaf von den Ländern jenseits des
Oxiis. Wagner. Schreber Siiugth. B. V. Th. I. p. 1429. Nr. 12. VI.
Aegoceros Ovis jjlalijura. Fettschwänziges Schaf von 1'er.sien, Afghanistan und
Tibet. WAgncr. Schreber Siiugth. B. V. Tli. I. p. 1429. Nr. 12. VI.
Ühoi- ilii' naceii des /.iilimeii Sclialcs. "1 67
Aegoccros Ovis platijitra. Fettschwänziges Schaf von Madras und Bengalen.
Wagner. Sclireber Siiugtli. B. V. Th. I. p. 1430. Nr. 12. VI.
Aegoceros Ovis plnnjnra. Fcltschwänzigcs Schaf von Madagascar und der Küste
von Mosamhiqitc. Wagner. Schreher Siiugth. B. V. Th. I. p. 1431.
Nr. 12. VI.
Aegoceros Ovis Aries. Purikschaf. Wagner. Schrcljcr Siiugth. B. V. Th.I. p.l441.
Hausschaaf. Ovis Aries. Schaaf von Deccan. Popp ig. lilustr. Naturg. Bd. I.
p. 265. Nr. ö.
Das persische Fettschwanzschaf scheint nach Allem, was bis jetzt
über dasselbe bekannt ist, eine Blentllingsform zu sein, welche auf
der Kreuzung des bucharischen Fettschwanzschafes (Ovis platyura
bucharica) mit dem tatarischen Fettsteissschafe (Ovis steatopyya
fatarica) beruht und dürfte sonach als ein einfacher Bastard reiner
Kreuzung angesehen werden. Es ist von ziemlich ansehnlicher Grösse,
doch nicht besonders hoch gebaut. Sein Kopf ist ziemlich gross und
gestreckt, die Stirne abgethicht, der Nasenrücken nur massig gewölbt,
und die Schnauze stumpf zugespitzt und abgerundet. Die Augen sind
verhältnissmässig klein, die schlaff herabhängenden Ohren nicht
sehr gross, zwar lang, doch nicht besonders breit, stumpf zugespitzt,
schwach zusammengeklappt und etwas abgeflacht. Hörner sind in der
Regel nur bei den Widdern vorhanden, während die Mutterschafe
meistens hornlos sind, doch werden auch unter den Widdern biswei-
len ungehörnte Tliierc angetroffen. Die Hörner der Widder sind
verhältnissmässig ziemlich kurz und dünn, und verschmälern sich
nur wenig und allmählich gegen die stumpfe Spitze. Von ihrer Wur-
zel angefangen, wo sie nicht sehr nahe neben einander stehen, wenden
sie sich, ohne sich über den Scheitel zu erheben, nach seitwärts und
bilden einen halbmondförmigen Bogen nach rück-, ab- und vorwärts.
Die Hörner der Mutterschafe sind beträchtlich kürzer, dünner und
auch minder stark gebogen.
Der ziemlich lange, doch nicht besonders dicke Hals ist an der
Vorderseite mit einer sehr schwachen Wamme versehen, welche sich
bis unterhalb der Brust hin zieht, doch fehlt in der Kehlgegend jede
Spur von Glöckchen oder schlaff herabhängenden Hautlappen. Der
Leib ist nicht sehr stark gestreckt, docii ziemlich voll, der Wider-
rist nur sehr wenig erhaben, der Rücken breit, rund und fast völlig
gerade, und die gerundete, schwach abgedachte volle Croupe nicht
viel höher als der Widerrist. Die Brust ist nur von geringer Breite,
der B'vjch voll, doch keineswegs hängend. Die mittelhohcn Beine
j 58 F i f 7. i n p p r.
sind stark und kräftig, die Hufe nicht sehr gross, ziemlich kurz und
stumpf zugespitzt. Der Schwanz ist von mittlerer Länge, schlaff am
Hintertheile des Körpers herabhängend und reicht beinahe bis an
das Sprunggelenk. Von seiner Wurzel angefangen, bis auf eine geringe
Entfernung von seiner Spitze, ist er ringsum von einer Fettmasse
umgeben, wodurch er breit, etwas abgeflacht, länglich viereckig und
fast kissenartig erscheint, seine Spitze aber ist dünn, völlig fettlos und
liängt schiaffin vollkommen gerader Richtung herab. Auf der ganzen
Oberseite ist derselbe mit einer massig langen, imr wenig gewellten
und beinahe zottigen Wolle bedeckt, auf der Unterseite aber, so weit
die Fettmasse reicht, kahl und blos an der dünneren Spitze wollig
behaart. Auf beiden Seiten zieht sich aber längs seiner Mitte eine
Furche herab, die auf der Unterseite jedoch weit stärker als auf
der Oberseite hervortritt.
Kopf, Ohren und Unterfüsse sind mit kurzen, glatt anliegenden
Haaren besetzt. Den übrigen Körper deckt ein ziemlich dichtes
Yliess, das theils ;tus massig langer, grober, jedoch ziendieh weicher
gewellter Wolle besteht, die unterhalb des Bauches nicht über die
Hand- und Fusswurzelgelenke hinabreicht, theils aus vielen zwischen
derselben eingemengten, strafl'en steiferen Haaren. Die Färbung
bietet mancherlei Verschiedenheiten dar. Gewöhnlich ist sie einför-
mig schmutzigweiss, dunkel- oder rostbraun und häufig auch schwarz,
seltener dagegen silbergrau. Sehr oft erscheint sie aber auch bunt-
scheckig und zwar bald schwarz, bald dunkel- oder rostbraun auf
weissem Grunde gefleckt. Die Hörner sind licht weisslich hornfarben,
die Hufe schwärzlichbraun, die Iris ist gelblich. Das Gewicht des Fett-
schwanzes beträgt meistens 2o — 30, bisweilen sogar bis 40 Pfund.
Das persische Fettschwanzschaf wird nicht nur in Persien, son-
dern auch in Thibet, Kaschmir und selbst in manchen Gegenden im
nördlichen Theile von Ost-Indien gezogen, so wie nicht minder auch
auf Madagascar und Bourbon, auf der Küste Muzambique, am Cap
der guten Hoffnung und selbst in Guinea, wohin es überall im Wege der
SchiflTalii't gelangte. In Persien wird es eben so wie das bucharische
Fettschwanzschaf, in den afrikanischen Ländern so wie das capische
Fettschwanzschaf gehalten und überall wird es in derselben Weise
so wie diese beiden Schafracen benützt. Manche Naturforscher
glaubten, dass es die in Thihct und Kaschmir gehaltenen Zuchten
dieser Raee seien, welche den Stoff zu jenen kostbaren Geweben
über die Riicen des zahmen Schafes. 1 G9
liefern, die unter dem Namen türkischer, persischer, indischer und
Kaschmir-Shawls bekannt sind. Seitdem man jedoch die Gewissheit
erlangt hat, dass diese aus dem Flaume der Kaschmir-Ziege gewoben
werden, schwand jeder Zweifel über diese frühere völlig ii-rige Ver-
muthung, deren Grundlosigkeit schon aus der groben Beschaffenheit
der Wolle des persischen Fettschwanzschafes klar und deutlich her-
vorging.
Auf der Insel Bourbon wird eine Race gezogen, welche durch
die Kreuzung des persischen Fettschwanzschafes mit dem fettsteissi-
gen Stummelschwanzschafe erzielt wurde und in ihren Formen die
Kennzeichen ihrer beiden Stammältern sehr deutlich in sich ver-
einiget.
Das capische Fettschwanzschaf.
{Ovis lilatyura cayensis.)
Mouton du cap de Bonne-espe'rance. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 3S8.
Cap Sheep. Pennant. Syn. of Quadrup. t. 4. f. 2.
Fettschwänziyes Schaaf. Schacif aus Persien und vom Kap. Pallas. Beschreib.
d. sibir. Schaaf. p. 65. Note **.
Fettschioänziges Schaaf. Schaaf aus Persien und vom Vorgebrüge der guten
Hofnung. Pallas. Beschreib, d. sibir. Schaaf. p. 82. Note*.
Fettschwünziges Schaaf. Kaapisches Schaaf. Pallas. Beschreib, d. sibir.
Schaaf. p. 83. Note. **
Ovis aries capensis. Er xl eben. Syst. regn. anim. T. I. p. 230. Nr. 1. 5.
Brebis du cap de Bonne-esperance. Brebis des Hollandois. Buffon. Hist. nat.
Supplem. T. VI. p. 144.
Schaf vom Vorgebirge der guten Hofnung. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf.
Thiere. B. IX. p. 237.
Schaf vom Vorgebirge der guten Hofnung. Schaf der Holländer. Buffon,
Martini. Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX. p. 329.
Ovis Aries Capensis. Boddaert. Elench. Anim. Vol. I. p. 148. Nr. 2. 5.
Ovis Aries capensis. Gmelin. Linne Syst. nat. ed. XIII. T. I. P. I. p. 199.
Nr. 1. X.
Brebis du Cap de Bonne-Espcrance. Brebis des Hollandois. Eneycl. m 6 th.
p. 33. t. 48. f. 1.
Ovis rustica. Kapisches Schaaf. Walt her. Racen u. Art. d. Schaafe. Annal.
d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 72. e.
Otns aries laticaudata. Bace 4. Des mar. Mammal. p. 490. Nr. 74t. Var. B. 4.
Ovis aries. Mouton a grosse queue. Lesson. Man. de Mamma!, p. 400.
Nr. 1048. 2.
Canra Aries Laticaudatus Capensis. Fisch. Syn. Mammal. p. 491. Nr. 10. e. f.
Bclier du Cap. Gene. Descriz. d. var. di Pecora a coda adiposa. Mein, delhi
reale Äccad. delle scienze di Torino. T. XXXVII. p. 287.
170 F i t z i II g^ e I .
Ovis Aries. Var. 7. Otv'ss/t'ö^o/;^*/«. Cay^scÄr^/'. Tilesius. Hausziege. Isis. 183S.
p. 953. Var. 7.
Broad or Fal-lnilcd hreed. IloUentot brecd. J a r d i n e. Nat. Hist. of Runiin. Anim.
P. II. p. IG8.
Aegoceros Ovis plalyiira. Fcttschwilnziges Schaf vom Kap. W a g n e r. Schreber
Süugth. B. V. Th. I. p. 1431. Nr. 12. VI.
Mouton domestiquc. Var. b. Ovis aries laticaudata. Itace i. Bt'lier du Cap.
Desinar. D'Orbigny Dict. d'hisf. nat. T. VIII. p. 411). Nr. 4. b. 4.
I);is capische Fettschwanzschaf ist ein IJlendling, der aus der
Vermischung des persischen Fettschwanzscliafes (Ovis platyiira
persica) mit dem capischen Fettsteissschafe (Ovis steatopyga
capensisj hervorgegangen ist und daher ein einfacher Bastard
gemischter Kreuzung. Diese Race, deren Entstehung erst in die Zeit
nach der Ansiedekiiig der Holländer am Cap der guten HofTuung füllt
und das capische Fettsteissschaf daselbst schon seit mehr als sechzig
Jahren vollständig verdrängt hat, bietet in iliren äusseren Merkmalen
so grosse Älinliclikeit mit ihren beiden Slammältern dar, dass man
sie für ein vollständiges Mittelglied zwischen denselben betrachten
kann. Das capische Fettschwanzschaf ist von ziemlich ansehnlicher
Grösse, doch nicht sehr hoch gebaut. Sein Kopf ist ziemlich gross
und gestreckt, die Stirne flach, der Nasenrücken nur wenig gewölbt,
und die Schnauze stumpf zugespitzt und abgerundet. Die Augen sind
verhältnissmässig klein, dieOhren lang, doch kürzer als der Kopf, nicht
besonders breit, gegen die Spitze zu nur sehr wenig verschmälert,
stumpf abgerundet, schwach zusammengeklappt, etwas abgeflacht
und schlafl' an den Seiten des Kopfes herabhängend. Die Widder sind
beinahe immer geliörnt, die Mutterschafe aber meistens hornlos. Die
HöriKM' der Widder sind nur von geringer Länge und Dicke, ver-
schmälern sich allmählich gegen die stumpfe Spitze, und wenden sich
schon son ihrer Wurzel angefangen und ohne sich über den Scheitel
zu erheben, in einer halbmondförmigen Krümmung nach seit-, rück-,
ab- und vorwärts. Bei den Mutterschafen sind die Hörner noch viel
kürzer und dünner, und bieten auch eine weit schwächere Krüm-
mung dar.
Der Hals ist ziendich lang, nicht besonders dick und an derVor-
derseite mit einer nur wenig bemerkbaren Wamme versehen, welche
unterhalb der Brust verläuft. Dagegen mangelt in der Kehlgegend
jede Spur von schlafl' herabhängenden Hautlap])en oder sogenannten
Glöckchen. Der Leib ist etwas gestreckt und voll , der Widerrist
über die Racen des zahmen Schafes. 1 T 1
schwach erhaben, der Rücken gerundet und beinahe gerade, und die
runde, volle, sanft abgedachte Croupe etwas höher als der Widerrist.
Die Brust ist nicht sehr breit, der Bauch gerundet und voll. Die
Beine sind nur von massiger Hiihe, doch ziemlich stark und kräftig,
die Hufe nicht sehr gross, ziemlich kurz und stumpf zugespitzt. Der
mittellange schlaffe Schwanz, welcher nicht ganz bis zum Fersen-
gelenke herabreicht, ist von der Wurzel angefangen bis auf einige
Zolle vor dem Ende, ringsum von einer Fettniasse umschlossen,
welche ihm ein breites, längliches und beinahe viereckiges, abge-
flachtes kissenförmiges Aussehen verleiht, und geht zuletzt in eine
beträchtlich schmälere und vollkommen fettlose, gerade herabhän-
gende Spitze aus. Die ganze Oberseite des Schwanzes ist mit ziemlich
langer, schwaehgewellter undbeinahezottigerWoJIebesetzt, und eben
so auch die Unterseite der dünnen Sehwanzspitze, während der in
Fett gehüllte Theil des Schwanzes auf der Unterseite vollkommen
kahl ist und von einer ziemlich tiefen Furche der Länge nach durch-
zogen wird. Eine ähnliche, aber nur sehr schwach angedeutete
Längsfurche ist auch auf der Oberseite desselben bemerkbar. Der
Kopf, die Ohren und die Unterfüsse sind mit kurzen, glatt anliegen-
den Haaren besetzt, während der übrige Körper von einem ziemlich
dichten Vliesse bedeckt wird, das aus massig langer, grober, doch
ziemlich weicher gewellter Wolle gebildet wird, die hie und da mit
einzelnen Haaren gemischt ist, und unterhalb des Bauches nicht
tiefer als bis an die Hand- und Fusswurzel herabreicht. Die Färbung
bietet dieselben Abänderungen wie bei den beiden Stammracen dar,
indem sie bald einförmig schmutzigweiss, schwarz, dunkel- oder rost-
braun , oder silbergrau , bald aber auch schwarz oder braun auf
weissem Grunde gefleckt erscheint. Die Hörner sind weisslicli liorn-
farben, die Hufe schwärzlichbraun. Die Iris ist gelblich. Der Fett-
schwanz erreicht ein Gewicht von 20 — 25 Pfund.
Das capische Fettschwanzschaf wird in überaus zahlreichen
Heerden am Cap der guten Hoffnung gezogen, und gehört zu den
allerwichtigsten Hausthieren der dortigen Bewohner. Es ist ganz für
das Klima dieses Landes geschaffen, gedeiht in demselben vortreff-
lich und erfordert auch nur eine sehr geringe Sorgfalt iti der Pflege.
Zur Sonunerszeit werden die Heerden auf die Gebirge getrieben,
wo sie sich hauptsächlich von den saftigen und salzreichen Pflanzen
nähren, welche in so grosser Menge in den dortigen Gegenden
^"72 Fitzinge r.
getroffen werden, und bringen daselbst Tag und Nacbt unter freiem
Himmel zu. Erst mit Eintritt des Herbstes ziehen die Hirten mit
ihren Heerden in die Ebenen herab, deren Weiden einengrossen
Rcichthum an trockenen und würzigen Pflanzen bieten, und verblei-
ben durch den Winter und auch während des Frühjahres in den-
selben. Die reiche Vegetation der Ebenen, auch während des Win-
ters, verschafi't den Heerden fortwährend nicht nur hinreichendes,
sondern auch sehr nahrhaftes Futter, wodurch selbst während der
kälteren Zeit das Abmagern der Schafe verhindert wird. Die Hirten,
welche die Aufsicht über die Heerden führen, sind grösstentheils
Hottentotten oderSclaven von Madagascar, und insbesondere sind es
die Gebirgsgegenden und hauptsächlich der Bezirk von Bockenland,
wo diese allein den Hirtendienst verseben. Einige grosse Hunde,
welche sie mit sich führen, bewachen und beschützen die Heerden
gegen die Angriffe der Löwen, Leoparden und Hyänen. Von grösster
Wichtigkeit für die Bewohner des Caplandes ist das Fleisch ihrer
Schafe, da sie sich nicht nur selbst mit demselben ernähren, sondern
auch grossen Handel damit treiben. Alle Schiffe, welche vom Cap
nach Ost -Indien oder nach Europa segeln, versehen sich damit
sowohl für die Zeit ihres Aufenthaltes im Hafen, als auch für die
Dauer der langen Fahrt. Das Fett wird gleichfalls als Nahrungsmittel
benützt, und die ärmeren Bewohner des Caplandes geniessen selbst
das Fett des Schwanzes, und zwar entweder auf Brot statt der Butter,
oder verwenden es zum Schmalzen ihrer Speisen. Da dasselbe jedoch,
wenn es geschmolzen, nie eine festere Consistenz annimmt, sondern
stets dickflüssig bleibt wie Öl, so vermischen sie vier Theile des-
selben mit einem Theile Nierenfett, wodurch es die Festigkeit und
auch den Geschmack des Schweinfettes annimmt. Auch die Wolle und
das Fell finden bei den Bewohnern eine nützliche Verwendung, in-
dem aus ersterer grobe Stoffe gewoben werden, letzteres aber als
Kleidungsstück benützt oder auch als Leder verarbeitet wird. Man
bat schon mehrmals das capische Fettschwanzschaf in entfernter
golon^ene Länder einzuführen gesucht, und es ist auch gelungen, das-
selbe bis Neu-Seeiand und selbst bis nach Taiti zu bringen; doch ist
es äusserst schwierig, die Schafe dieser Race auf einer so langen
Seefahrt am Leben zu erhalten. Die meisten werden vom Scorbut
befallen und sind dann nicht im Stande, das Futter das man ihnen
reicht, zu kauen. Überhaupt bietet aber auf einer so langen Fahrt
über die Hacen des zahmen Schafes. 173
die Fütterung die grösste Sclnvierigkeit dar, da diese Schafe in
ihrer Heimath weder an Gerste oder Weizen, noch an Heu gewohnt
sind und diese Nahrung auch wälirend der Seefahrt durch lange
Zeit verschmähen.
Das natollsche Fettschwanzschaf.
(Ovis lüatyiira anatoUca)
Brehis du Lcvant. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 336.
Schaf aus der Levante. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf Thiere. B. IX.
p. 290.
Brehis du Lcvant. Encycl. meth. p. 33.
Brehis de Si/rie et d'Anffola. Encycl. nieth. p. 34.
Schaaf aus Angora. Walt her. Racen u. Art. d. Schaafe. Annal. d. wcttcrau.
Gesellsch. B. IL p. 77. Note *
Ovis Aries laficaudata. Uace du Levaiii. Des mar. Mamma!, p. 489. Nr. 741.
Var B.
Ovis aries. Mouton a grosse queue. L essen. Man. de Mammal. p. 400.
Nr. 1048. 2.
Das natolische Fettschwanzschaf oder das sogenannte Levan-
tiner Schaf scheint eine Blendlingsrace zu sein, welche auf der
Vermischung des bucharischen Fettschwanzschafes (Ovis platynra
bucharica) mit dem arabischen langschwänzigen Schafe (Ovis iloli-
chura arahica) beruht und kann sonach für einen einfachen Bastard
reiner Kreuzung angesehen werden. Es ist höchstens von der Grösse
des gemeinen deutschen oder Zaupelschafes und bietet in seinen
Formen unverkennbar die Merkmale von seinen beiden Stammältern
dar. Im Allgemeinen kommt es zunächst mit dem biicharischen Fett-
schwanzschafe überein und unterscheidet sich von demselben, ausser
dem längeren und auch minder dicken Fettschwanze, hauptsächlich
durch die etwas kürzere, zugleich aber auch weit feinere Wolle. So
wie bei diesem, sind auch bei dem natolischen Fettschwanzschafe die
Widder meistens gehörnt, die Mutterschafe aber immer hornlos. Die
Form der Hörner ist dieselbe, doch weicht die Gestalt und Richtung
der Ohren etwas ab, indem dieselben nicht nur minder breit, etwas
mehr zusammengeklappt und weniger abgerundet sind, sondern
auch etwas vom Kopfe abstehen und nicht vollkommen schlaff an den
Seilen desselben herabhängen. Die Färbung ist entweder einförmig
weiss, oder schwarz.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 14. 12
174 Kitzinger.
Die Zucht des natolischen Fettschwanzschafes seheint nicht nur
auf Natolien oder die Levante beschränkt zu sein, sondern sich auch
über einen Theil von Syrien, Mesopotamien und Turkomanien auszu-
dehnen, wo allenthalben zahlreiche Heerden von dieser Race unter-
halten werden. Während der wärmeren Zeit weiden dieselben in
den kühleren Gegenden und zwar auf den Gebirgen sowohl, als in
den Ebenen, und ziehen gegen Eintritt des Winters mit ihren Hirten
den wärmeren Gegenden zu.
Die Heerden werden von den Hirten mit grosser Sorgfalt
gepflegt und mit Hilfe von Hunden gegen die Anfälle von Raubthieren
bewacht. Dieselben bilden aber auch den Hauptreichthum ihrer
Resitzer und sind für sie eine unschätzbare Quelle ihres Erwerbes.
Das Fleisch, das jedoch nur von den Widdern genommen wird, deckt
vollständig den Redarf der Revölkerung, und die gewonnene Wolle
dient nicht nur zur Verfertigung ziemlich feiner Gewebe, sondern
wird auch häufig ausser Land gefiihrt und bildet einen weit verbrei-
teten Artikel des Handels, der den Heerdenbesitzern reichlichen
Gewinn einbringt.
Das niacedonische Fettschwanzschaf.
(Ovis platyura macedonica.)
Ovis rusiica Germanica. Hessisches Schaaf. Grosses langgestrecktes Schaaf.
Walt her. Racen u. Art. d. Schaafc. Annal. d. wetterau. Gcsellseh.
B. II. p. 67. Nr. 4. i. b.
Ovis rustica Turcica. Klementiner Schaaf. Walt her. Racen u. Art. d. Schaafe.
Annal. d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 69. Nr. 13. c.
Macedonisches fettschwihniges Schaf. Erdelyi. Zoophysiol. p. 102. A. a,
Capra Aries Ri<sticus Tiircicus. Fisch. Syn. Mammal. p. 490. Nr. 10. 7. k.
Ovis Aries dolichura. Var. F. Italienisches Schaf. Neapolitanische Race. Pecora
moscie. Brandt u. Ratzeburg. Medic. Zool. ß. I. p. S9. Nr. I. F. a. a.
Ovis dolichura. Var. G. Deutsches Schaf. Eif/entliches deutsches Schaf.
Hessische Race. Brandt u. Ratzeburg. Medic. Zool. B. I. p. 59.
Nr. I. G. a. t.
Ovis Aries dolichura. Var. 0. Türkische Race. Klementiner Race. Brandt u.
Ratzeburg. Medic. Zool. B. I. p. S9. Nr. I. 0. 7.
Aegoceros Ovis leptura. Var b. Deutsches Schaf. Hessisches Schaaf. Lang-
gestrecktes, hochbeiniges Schaf. Wagner. Schreber Säugth. B. V. Th. I.
p. 1417. Nr. 12. II. b. ä.
Das macedonische Fettschwanzschaf, das auch unter dem Namen
Clementine r Schaf bekannt ist, hat beinahe dieselbe Abstammung
über die Raceu des zahmen Schafes. 175
wie das natolische Fettschwanzschaf, indem es ohne Zweifel auf der
Kreuzung des bucharischen Fettschwanzschafes (^Ovis plafyura
bucharica) mit dem colchischen Schafe (Ovis dolichura colchica )
beruht und daher so wie dieses, ein einfacher Bastard reiner Kreu-
zung ist. Es kommt auch sowohl in der Grösse, als auch in seinen
körperlichen Formen vollkommen mit dem natolischen Fettschwanz-
schafe überein und unterscheidet sich von demselben höchstens durch
die etwas stärker gewellte, übrigens aber eben so lange, feine und
weiche Wolle. Wie beim natolischen, sind auch beim macedonischen
Fettschwanzschafe die Widder fast regelmässig gehörnt, die Schaf-
mütter dagegen aber immer hornlos. In Ansehung der Form und
Richtung der Hörner und der Ohren, kommen beide Racen vollstän-
dig mit einander überein und eben so in der Färbung, die bald ein-
förmig weiss, bald schwarz erscheint.
Diese Race, welche schon seit alter Zeit her in Macedonien
gezogen wird und von dort aus nach Sicilien, Unter- und Mittel-
Italien, und selbst nach Sardinien und Corsica gelangte, ist auch seit
nahe an 200 Jahren in Syrmien heimisch geworden und wird der-
malen sowohl in verschiedenen Gegenden des südlichen Ungarn, als
auch in Croatien und Dalmatien gezogen. Diese Zuchten stammen
von einer Heerde, welche von mehreren Illyriern, die im Jahre 1690
aus Macedonien auswanderten und einige hundert Stücke der besten
und feinwolligsten dieser Schafe mit sich nahmen, nach Syrmien
gebracht wurden. Die Nachkommen jener Illyrier, welche als Grenz-
soldaten sich in Slavonien angesiedelt hatten, pflanzten diese Race
rein und mit grosser Sorgfalt fort, und die Zucht derselben hat sich
bis zur Stunde noch völlig unverändert in der dortigen Gegend
erhalten und von da später auch über einige Nachbarländer verbreitet.
In neuerer Zeit und zwar im ersten Decennium des gegenwärtigen
Jahrhunderts, hat man es auch versucht, diese Race in Hessen ein-
zuführen und sie daselbst als Schmeervieh gehalten. Den wichtigsten
Ertrag derselben bildet die verhältnissmässig etwas kurze, aber feine
Wolle, welche sehr geschätzt ist und daher auch ziemlich theuer
bezahlt wird.
Der Name, welchen diese Race in Neapel führt, ist Pecore
moscie, eine Benennung die sie ihres schlaffen und schlotternden
Fettschwanzes wegen erhielt.
12*
176 F i t /. i n g e r.
Das langschwänzige Schaf.
(Ovis dolichura.)
Ovis arics longicmula. Gene. Descriz. di var. di Peeora a coda adiposa. Mein.
della reale Accad. dcUe scieiize di Toiiiio. T. XXXVII. p. 285. Nr. IL
Aegoceros Ovis leplura. Wagner. Sclireber Siiugth.B. V. Th. I, p. 1410. Nr. 12.
II. (Zum Theile.)
Aegoceros Ovis pla/i/ura. Wagner. Sehreber Siiugfh. B. V. Th. I. p. 1429.
Nr. 12. VI. (Zum Theile.)
Mouton dornest iqnc: Var. c. Ovis aries dolichura. Des mar. D'Orbigny Diet.
d'hist. nat. T. VIII. p. 415. Nr. 4. c.
Das langschwänzige Schaf ist eine so ausgezeichnete Form in
der Gattung des Schafes, dass man wohl nicht leicht einen Zweifel
wird erhehen können, dasselbe für eine besondere, selbstständige Art
in dieser Gattung zu betrachten , welche so wie die allermeisten
übrigen, schon seit der äUesten Zeit vollständig domesticirt wurde,
und daher nirgends mehr im wild lebenden Zustande anzutreffen ist.
Es ist zunächst mit dem Landschafe und zum Theile auch mit dem
Fettschwanzschafe verwandt, unterscheidet sich aber von denselben
sehr deutlich durch den auffallend langen und bis zum Boden herab-
reichenden Schwanz , der jedoch so wie beim Landscbafe durchaus
von keiner Fettmasse umgeben ist. Die Ohren sind zusammenge-
klappt, schmal, zugespitzt, und nach seit- und aufwärts gerichtet;
die Hörner, welche bei den Männchen in der Regel, niemals aber bei
den Weibchen angetroffen werden, ähnlich wie heim Land- und Fett-
schwanzschafe gebildet.
Das langschwänzige Schaf hat keine sehr grosse Verbreitung,
indem sein ursprüngliches V^orkommen auf den westlichen Theil von
Mittel-Asien beschränkt ist, von wo es später auch in die östlichen
Länder von Süd-Europa gelangte. Durch ßastardirung mit anderen
Schafracen hat diese Art bisher nur zu einer sehr geringen Anzahl
von Racen Veranlassung gegeben.
Die verschiedenen Formeti, welche man dermalen unter dem
langschwänzigen Schafe unterscheidet, sind das arabische lang-
schwänzige Schaf ^Oy/s dolichura arabica) , das syrische
langschwänzige Schaf (Ovis dolichura syriacaj, das Col-
eb i s c h e Schaf (Ovis dolich ura colchica), das t a r e n t i n i s c h e
langschwänzige Schaf (Ovis dolichura tarentiua) und das
über iHi' Hncen des zalmicii Schafes. 17 7
eaiba rtlinische Schaf (Ovis doUchura cabardinica). Drei
daniiiter sind als AbäiideruDgen zu betrachten, welche auf den Ver-
hältnissen des Klima's und des Bodens begründet sind, während die
beiden übrigen mit voller Sicherheit als Bastardbildungen anzusehen
sind.
Das arabische langschwänzige Schaf.
(Ovis dolichura arabica.)
Ovis Arabica. Jonst. Hist. nat. Quadrup. t. 23. fig. dextra.
Ovis Aries. Russell. Naturg. von Aleppo. B. II. p. 8.
Langschwäiniges oder Tscherk assisches Schaaf. Schaaf der Beduinen. Pallas.
Beschreib, d. sibir. Schaaf. p. 62.
Ovis Aries longicaudata. Er xl eben. Syst. regn. anhn. T. I. p. 249. Nr. 1. r,.
Ovis Aries longicauda. Gmelin. Linne Syst. nat. ed. XIII. T. I. P. I. p. 109.
Nr. 1. L
Ovis Aries longicaudata. Bechst. Naturg. Deutschi. B. I. p. 363. Nr. ö.
Ovis rnstica. Schaaf aus Irak Aruhe. Walther. Racen u. Art. d. Schaafe.
Annal. d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 77. 1.
Ovis aries dolichura sive tscherkessica. Desmar. Mamraal. p. 490. Nr. 741.
rar. C.
Ovis aries. Montan u longue queue. Lesson. 3Ian. de Mamraal. p. 400.
Nr. 1048. 3.
Capra Aries Longicaiidatus. FiscJi. Syn. Mamma), p. 491. Nr. 10. C
Aegoceros Ovis leptura. Var. g. Langsckwänziges oder Tscherkassisches Schaf.
Langschicänziges Schaf von Syrien und Arabien. Wagner. Schreber
Siiugth. ß. V. Th. I. p. 1421. Nr. 12. II. g.
Ovis ylafyura, Fettschvänziges Schaf von Abyssinien. W a g n e r. Schreber
Siiugth. B. V. Th. I. p. 1431. Nr. 12. VI.
Hausschaaf. Ovis Aries. Huniah Rasse. Pöppig. lllustr. Naturg. B. I. p. 263.
Nr. ö.
Das arabische langschwänzige Schaf, das auch unter dem Namen
Beduinen -Schaf bekannt ist und als die typische Form des lang-
schwänzigen Schafes (Ovis dolichnra) betrachtet werden muss,
bildet die erste unter den Abänderungen dieser Schafart, welche
ihre Entstehung den Einflüssen des Klima's und des Bodens zu ver-
danken haben. Dasselbe ist ungefähr von der Grösse des Mittel-
schlages unseres gemeinen deutschen oder Zaupcischafes, aber niede-
rer als dieses gebaut und zeichnet sich, so wie alle übrigen reinen,
unvermischten Racen des langschwänzigen Schafes, durch das eben-
massige Verhältniss seiner körperlichen Formen aus. Der Kopf ist
178 F i t z i n g e r.
ziemlich klein, die Stirne abgeplattet, der Nasenrücken kaum merk-
lich gewölbt, und die schmale Schnauze zugespitzt und stumpf
gerundet. Die Augen sind verhälttiissmässig klein und verrathen
in ihrem Blicke Gutmüthigkeit und Sanftmuth. Die mittellangen,
schmalen, zugespitzten und zusammengeklappten Ohren sind nach
seit- und aufwärts gerichtet. Die Widder sind fast immer, die Ham-
meln und Schafmütter dagegen aber nur selten gehörnt. Bei den
Widdern sind die Hörner massig lang, doch ziemlich dick, und ver-
sehmälern sich allmählich bis zur stumpfen Spitze. Sie sind von drei-
seitiger Gestalt, mit abgerundeten Kanten, von denen aber die innere
deutlicher und schärfer hervortritt. Die Obertläche derselben ist
vollkommen glatt. Sie stehen an ihrem Grunde ziemlich weit von
einander entfernt und bilden, indem sie sich nach seit- und rück-
wärts wenden, ein einfaches, doch ziemlich weites Schnecken-
gewinde in der Richtung nach ab-, vor-, auf- und auswärts, wobei
sie sich nur in sehr geringer Höhe über den Scheitel erheben. Die
Hörner der Hammeln und Mutterschafe unterscheiden sich nicht nur
durch ihre geringere Länge und Dicke, sondern auch durch ihre
Krümmung, indem sie nur einen halbriiondförniigen Bogen nach seit-,
rück- und abwärts bilden.
Der nicht sehr lange , doch verhältnissmässig etwas dünne
Hals bietet an der Vorderseite kaum eine bemerkbare Wamme
dar und in der Kehlgegend ist keine Spur von schlaff herabhän-
genden Hautlappen oder sogenannten Glöckchen vorhanden. Der
ziemUch stark gestreckte Leib ist gut gerundet, doch nicht besonders
voll, der Widerrist nur sehr schwach erhaben, der Rücken von
massiger Breite, beinahe gerade und kaum bemerkbar gesenkt, und
die Croupe gerundet und etwas höher als der Widerrist. Die Beine
sind etwas nieder, dünn und schlank gebaut, die Hufe nur von mas-
siger Länge, zugespitzt und stumpf abgerundet. Der gerundete
Schwanz, welcher schlaff am Hintertheile herabhängt, ist verhält-
nissmässig von sehr ansehnlicher Länge, indem er nicht nur bis
zum Boden reicht, sondern sogar auf demselben schleppt. Von allen
Seiten von ziemlich langer gewellter Wolle umgeben, erscheint er
beträchtlich dicker als er wirklich ist, vorzüglich aber gegen die
Spitze zu, wo die Behaarung reichlicher als am oberen Theile des-
selben ist. Gesicht, Uhren und IJnterfüsse, bis etwas über die Hand- und
Fusswurzel hinauf, sind mit kurzen, glatt anliegenden Haaren besetzt,
über die Racen des zahmen Schafes. \ 79
der Scheitel und der ganze übrige Körper aber von einer ziemlich
langen, gewellten, feinen und weichen, beinahe seidenartigen Wolle
bedeckt, welche frei von jeder Beimischung von Haaren ist und ein
dichtes Vliess bildet , das jedoch an den Seiten des Leibes und
unterhalb des Bauches nicht tiefer als bis zu den Oberarmen
und Schenkeln herabreicht. Die Färbung bietet mancherlei Ver-
schiedenheiten dar. Gewöhnlich ist dieselbe am Kopfe und dem
Halse weiss, am ganzen übrigen Körper aber schwarz. Bisweilen ist
aber auch nur die Stirne weiss gefärbt. Seltener sind die ein-
farbigen Abänderungen, welche bald vollkommen weiss, in's Gelb-
liche ziehend, bald aber auch völlig schwarz erscheinen. Die Hörner
sind weisslich hornfarben, die Hufe bräunlich grau. Die Iris ist gelb-
lich. Die Widder unterscheiden sich von den Mutterschafen ausser
der fast regelmässigen Gegenwart von Hörnern, auch durch den
etwas längeren Schwanz.
Das arabische langschwänzige Schaf wird sowohl in Arabien, in
Syrien und in der Provinz Irak Arabi oder dem ehemaligen Babylo-
nien und Chaldaea in Turkomanien, als auch in Afghanistan, ja selbst
in einigen Gegenden im Norden von Ost- Indien gezogen und bildet
daselbst allenthalben den Hauptreichthum der dortigen nomadisiren-
den Hirtenvölker. Die Heerden welche dieselben unterhalten, sind
sehr bedeutend und werden mit grosser Sorgfalt von den Schafbesitzern
und Hirten gepflegt. Den Sommer über bringen die Heerden in den
kühleren Gegenden zu, wo sie theils auf den Gebirgen, theils aber
auch in den fruchtbaren Ebenen weiden, während sie noch bevor
der Winter eintritt, in wärmere Gegenden wandern. Die meisten
Zuchten dieser Race trifft man in der Provinz Nedjed in Arabien,
und fast alle Schafe sind daselbst schwarz mit weissem Kopfe und
Halse. Die Araber aus Aeneze, welche mit ihren Heerden nach
Syrien auf die Weide ziehen, pflegen alljährlich nach Nedjed zurück-
zuwandern, um daselbst Schafe und Kamele einzukaufen, die sie
nach Syrien mit sich führen. Auch um Aleppo werden zahlreiche
Heerden dieser Schafart angetroffen , und in Afghanistan ist sie die
einzige Race, die von dem Sind- und Sewee- Stamme gezogen und
gehalten wird. Wahrscheinlich gehören auch die kleinen schwarzen
Schafe, welche man in Abyssinien zieht, zu dieser Race und wurden
erst aus Arabien dahin eingeführt. Für den vorzüglichsten Scldag
gilt jener von den Ufern des Euphrat und Tigris in den südlichen
180 F i f 7. i n ff e r.
Gegenden von Irak Arahi, und die dortigen Beduinen sehen eben so
genau auf die Reinhaltung der Zucht und die Abstammung ihrer
Schafe, wie bei ihren Pferden. Während der warmen Zeit worden
die Schafe häufig in den Bächen gewaschen und zwar regehnässig
auch vor der Vornahme der Schur.
Den wichtigsten Ertrag liefert die Wolle, welche zu ziemlich
feinen Geweben verwendet wird und auch einen nicht unbeträcht-
lichen Handelsartikel in die benachbarten Länder bildet. Aber auch das
Fleisch ist für jene Hirtenvölker von grossem Belange, da es ihr
Hauptnahrungsmittel bildet. In der Regel werden nur die Widder-
lämmer geschlachtet, die man in manchen Gegenden auch zu ver-
schneiden pflegt. Die Mutterlämmer dagegen sind durchgehends zur
Nachzucht bestimmt, und blos alte und zur Fortpflanzung nicht mehr
geeignete Mutterschafe, werden eben und so wie die alten Widder
geschlachtet. Das Fleisch dieser Scliafrace gilt im Orient allgemein
für sehr wohlschmeckend und gesund. Die Milch derselben wird
aber nur wenig benützt, da es auch den Beduinen bekannt ist, dass
durch das Melken der Schafe die Wolle an Güte und Schönheit
verliert. Das wollige Fell wird hie und da auch zu Kleidungsstücken
verwendet, und eben so auch die dünne Haut, welche gegerbt ein
vortrefTliches und sehr geschätztes Leder liefert.
Das syrische langschwänzige Schaf.
(Ovis dolichura syriaca.)
Ovis laticaudala. Russell. Naturg. v. Aleppo. B. II. p. 8. tab.
Moiäon d' Arahie a longue et pesantc qiteiie. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 3S6.
Brehis de Syrie. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 357.
Brebis ä grosse, qucuc de Syrie. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 362.
Ovis Aries laticaudala. Linne. Syst. nat. cd. XII. T. I. P. I. p. 97. Nr. I. t.
Fettschwänziges Schaaf. Schaaf von Syrien. Pallas. Besehreih. d. sihir.
Schaaf. p. 82.
Ovis Aries laticaudala. Erxlehen. Syst. regn. anini. T. I. p. 248. Nr. 1. i^.
Schaf aus Arabien 7)iil langem und schwerem Schwänze. Buffon, Martini.
Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX. p. 233.
Schaf aus Syrien. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX. p. 236.
Schaf mit dickem Schwänze ans Syrien. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf.
Thiere. B. IX. p. 2G4.
Oi'is Aries Laticauda. B oddaerf. Elench. Anim. Vol. I. p. 148. Nr. 2. e.
Ovis Aries laticaudala. Gnielin. Linne Syst. nat. ed. XIII. T. I. P. I. p. 198.
Nr. 1. vj.
über die Hacen <les zalimen Scli:ife?. | (S 1
ßrebifi de Sp-ie. Encycl. meth. p. 33.
Brebis ä grosse queiie. Encycl. meth. p. 33.
Ovis Ar/es macrocerca. Schrcbor. Siiugtli. t. 293.
Ovis Aries laticandata. Beehst. Naturg. Deutsclil. B. I. p. 303. Nr. !).
Ovis rustica Macroiira. Walther. Racen u. Art. d. Schaafe. Annal. tl. wettorau»
Gesellseh. B. II. p. 68. Nr. 8.
Moiiton a grosse queue. Fr. Cuvier et Geoffroy. Ilist. nat. d. Alammif.
tab. fig. dextra.
Ovis aries laticandata. Raee 2. Desmar. Mainmal. p. 490. Nr. 741. Var. B. 2.
Ovis aries. Mouton a grosse queue. Lesson. Man. de Mamnial. p. 400.
Nr. i048. 2.
Ovis Aries laticandata. Isid. Geoffr. Dist. class. d'hist. nat. T. XI. p. 2G8.
(Zum Theile.)
Capra Aries Laticaudatiis Macrocercits. Fisch. Syn. Mamnial. p. 491. Nr. 10. ;. c.
Ovis platyura. Var. Schaf von Syrien. Brandt u. Ratzeburg. Medic. Zool.
B. I. p. 60. Nr. IV.
Ovis aries macrocerca. Gene. Descriz. di var. di Pccora a coda adiposa.
Mem. delle reale Aeead. deile scienze di Torino. T. XXXVII. p. 280.
Nr. IV.
Ovis Aries. Var. 8. Fettschwämiges oder lang- und breitschwänziges Schaf.
Tilesius. Hausziege. Isis. 1833. p. 938. Nr. 8.
Broad or Fat-tailed breed. Barbary breed. Jardine. Nat. Hist. of Rurain.
Anira. P. II. p. 169. t. 17. fig. dextra.
Aegoceros Ovis platyura. Fettschtvänziges Schaf von Syrien. Wagner. Schrebcr
Säugth. B. V. Th. I. p. 1430. Nr. 12. VI.
Aegoceros Ovis platyura. Fettschwämiges Schaf von Egypten. Wagner.
Schreber Siiugth. B. V. Th. I. p. 1430. Nr. 12. VI.
Mouton domestique. Var. b. Ovis aries laticandata. Desmar. D'Orbigny
Dict. d'hist. nat. T. VIII. p. 414. Nr. 4. b. (Zum Theile.)
Ovis aries lalicaudafus. R e i c h e n b. Naturg. Wiederk. t. 33. f. 313.
Ovis aries slirps macrocerca. Reichenb. Naturg. Wiederk. t. 37. f. 320.
Hausschaaf. Ovis Aries. Var. macrocercus. Syrisches und ägyptisches Schaaf.
Pöppig. Illustr. Naturg. B. I. p. 263. Nr. 3.
Das syrische langschwänzige Schaf, das wegen seines Fettschwan-
zes von vielen Naturforschern dem Fettschwanzschafe beigezählt wird,
offenbar aber eine durchaus verschiedene Abstammung hat, scheint
aller Wahrscheinlichkeit nach eine Blendlingsform zu sein, welche
aus der Vermischung des arabischen iangschwänzigen Schafes (Ovis
dolichura urabicti) mit dem kirgisischen Fettsteissschafe (Ovis
steatopyga kirgisicti) hervorgegangen ist. Dasselbe dürfte sonach
ein vierfacher Bastard reiner Kreuzung sein. Die Merkmale dieser
beiden Racen sind auch so d entlieh in ihm vereiniget, dass man über
die Richti-^keit dieser Ansicht kaum einen Zweifel erheben kann. Das-
182 Fit Finger.
selbe ist von mittlerer Grösse und nicht sehr hoch gebaut. Sein Kopf
ist verhiiltnissmässig klein, ziemlich gestreckt, nur von geringer Höhe
und endiget in eine schmale, stumpf /Algespitzte Schnauze. Die Stirne
ist beinahe flach und von dein nur sehr schwach gewölbten Nasen-
rücken durch eine seichte Einbuchtung geschieden. Die Augen sind
ziemlich klein und zeichnen sich durch ihren sanften Blick aus. Die
massig grossen und hinreichend beweglichen Ohren sind lang, schmal,
stumpf zugespitzt, schwach zusammengeklappt und hängen entweder
ziemlich schlaff an den Seiten des Kopfes herab, oder sind , wie dies
meistens der Fall ist, mehr steif und etwas nach vorwärts gerichtet,
wodurch sie lebhaft an jene des kirgisischen Fettsteissschafes
erinnern. Die Widder sind fast immer gehörnt, die Schafmütter
dagegen regelmässig hornlos. Die Hörner sind fast eben so wie
beim arabischen langschwänzigen Schafe gebildet.
Der Hals ist ziemlich lang und dünn, mit einer sehr sehwachen
Wamme an der Vorderseite in der Gegend der Brust, doch ohne
einer Spur von herabhängenden schlaffen Hautlappen oder soge-
nannten Glöckchen an der Kehle. Der Leib ist gestreckt und nicht
besonders voll, der Widerrist kaum merklich erhaben, der Rücken
breit und gerundet, und die überaus breite, volle Croupe nur
wenig höher als der Widerrist. Die Brust ist nicht sehr breit, der
Bauch gerundet und voll. Die Beine sind von mittlerer Höhe, ziem-
lich dünn und schlank, die Hufe kurz und stumpf zugespitzt. Der
verhältnissmässig sehr lange Schwanz, welcher ohne die Fettmasse,
die ihn umhüllt und ihn nach aufwärts zieht, mit seiner Spitze auf dem
Boden schleppen würde, ist in den beiden ersten Dritteln seiner
Länge, wo er eine fast unförmliche Fettmasse bildet, die schlaff am
Hintertheile herabhängt und dicht am Steisse anliegt, noch breiter
als der Leib, verschmälert sich hier allmählich und wendet sich nach
aufwärts, bildet aber sodann einen Umschlag nach lückwärts, so dass
die noch immer ziemlich breite Spitze schlaff nach abwärts hängt. Die
ganze über- und auch der grössteTheil der Unterseite des Schwanzes
ist mit einer nicht sehr langen, gewellten Wolle bedeckt, welche am
Schwanzende eine Art von Quaste bildet, die in eine Spitze ausläuft
und nur der unmittelbar am Steisse aufliegende Theil der Unterseite
des Schwanzes ist kahl und wird von einer seichten Längsfurche
durchzogen. Das Gesicht, die Ohren, die Kelile und die Uuterfüsse
bis über das Hand- und Fusswurzelgelenk hinauf, sind mit kurzen.
über ilie Racen (Ips zahmen Scliafes. i83
glatt anliegenden Haaren besetzt, der übrige Körper aber von dem
Scheitel angefangen, wird von einer nur massig langen, dicbten, doch
nicht sehr groben, gewellten Wolle bedeckt, die allenthalben am
Körper anliegt und nirgends tiefer herabreieht. Die Stirne und der
Schnauzenrücken sind weiss, die Seiten und der untere Theil des
Kopfes, so wie nicht minder auch die Ohren und die Kehle schwärz-
lich oder bräunlich. Die übrigen mit Wolle bedeckten Körpertheile
sind schmutzig gelblichweiss und eben so der kurz behaarte Theil
der Füsse. Die HÖrner sind licht weisslich hornfarben, die Hufe
schwärzlichgrau. Die Iris ist gelblich.
Das syrische langschwänzige Schaf wird nicht blos in Syrien,
sondern auch in der Berberei und in Ober-Ägypten getroffen, und
wurde in früherer Zeit auch in Arabien gezogen. Offenbar stammt
es aber ursprünglich aus Syrien und wurde erst von dort aus nach
Arabien und Ober -Ägypten gebracht. Am häufigsten ist es in den
Gebieten von Aleppo und Damask, wo sehr bedeutende Heerden von
dieser Race unterhalten werden. Man hütet dieselben theils auf den
Feldweiden , wo sie sich selbst ihre Nahrung suchen, theils sperrt
man sie aber auch in grossen Hofräumen ein , wo ihnen das Futter
von den Hirten gereicht wird. Diese letztere Haltung ist vorzüglich
in der Umgegend von Aleppo üblich und die Schafe laufen daselbst
auch nicht Gefahr, sich ihre langen und auf der Unterseite kahlen
Schwänze zu beschädigen. Anders verhält es sich jedoch mit jenen,
die im Freien wenden, indem das Gestrüppe, das so häufig auf den
Feldern wächst, nicht selten selbst bedeutendere Verwundungen
dieses Körpertheiles bewirken müsste , wenn die Hirten nicht durch
eine besondere V'orrichtung dieselben zu verhindern wüssten. Sie
pflegen daher ihren Schafen entweder ein dünnes Brettchen schief
unter den Schwanz zu legen, das sie auf der Oberseite desselben
befestigen, oder schieben auch eine Art von Karren unter, der aus
einem kurzen breiten Brette besteht, das auf einem niederen zwei-
oder vierräderigen Gestelle aufliegt und gleichfalls mittelst eines
Bindfadens angeheftet wird, so dass der Schwanz auf dieser Unter-
lage ruht und nicht auf dem Boden geschleppt werden kann.
Überhaupt verwenden die Hirten ziemliche Sorgfalt auf die Pflege
ihrer Heerden, die für sie von sehr grosser Wichtigkeit sind und
ihnen auch einen bedeutenden Ertrag abwerfen. Den Hauptnutzen
ziehen sie aus dem Fleische, das für die Bewohner jener Gegenden,
184 Fi t/. in -er.
WO diese Schafrace gezogen wird, das vorzüglichste Nahrungsmittel
bildet und von denselben auch für eben so wohlsclimeckend,als gesund
betrachtet wird. Aber auch die Wolle, obgleich sie zu den gröberen
Sorten gehört, ist für sie von nicht geringem Werlhe, indem sie die-
selbe theils selbst zu verschiedenen Geweben verarbeiten, die sie
zu ihren Zelten, Teppichen und Kleidungsstücken nöthig haben, theils
aber auch in die benachbarten Länder verkaufen. Das Fett wird nur
zum Schmieren des Leders verwendet, da der Genuss desselben der
mahomedanischen und jüdischen Bevölkerung durch Religionsgesetze
nicht gestattet ist.
Das cülchische Schaf.
(Ovis doliclmra colcMca.)
Laiigscliwünziges oder Tscherkassisclies Schaaf. Schnaf der Caucasischeii
Hirtenvölker. Pallas. Beschreib, d. sibir. Schaaf. p. G2.
Ovis rustica. Kolchisehes Schaaf, AValther. Raceii u. Art. d. Schaafe. Anna!.
d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 77. i.
Ovis aries dolichura sive tselierkessiea. Üesiuar. 3Ianinial. p. 490. Nr. 74i.
Var. C.
Ovis aries. Moulon a tontjue qite/ie. Les s on. 3Ian de Mamma!, p. 400. Nr. 1048. 3.
Capra Aries Loncjicaudutas. Fisch. Syn. 3Iammal. p. 491. Nr. 10. ^.
Ovis Aries plaiyura. Var. Schaf vom Cancasus. Brandt u. Ratzeburjr.
Medic. Zooi. B. I. p. 60. Nr. IV.
Ovis Aries Var. S. Langschtvänziger f»/charischer Hammel. T\l es \us. Haus-
ziege. Isis. 1835. p. 9S2. Nr. 3.
Ovis Dolichura. J ardine. Nat. Bist, of Iluinin. Anim. P. II. p. 171.
Das colchische Schaf ist so wie das arabische langschwänzige
oder das sogenannte Beduinen-Schaf, nur eine auf den besonderen
Verbal Inissen des Klima's und des Bodens beruhende Abänderung
des laiigschwänzigen Schafes (Ovis dolichura). Es ist zunächst mit
dem arabischen verwandt, mit dem es nach den kurzen Andeutungen,
welche über dasselbe seither bekannt geworden sind, sowohl in der
Grösse, iiis auch in seinen Körperformen vollständig übereinzu-
kommen scheint.
Wie beim arabischen laiigschwänzigen Schafe, sind auch beim
colchisclicn Schafe die Widder fast immer gehörnt, die Schafmütter
dagegen hornlos und der einzige wesentliche Unterschied , welcher
zwischen diesen beiden Racen bestellt, liegt in der BeschalTenheit
der ziemlich langen, feinen Wolle, die beim colchischen Schafe
über die IJacen des zahmen Schafes. 185
gekräuselt , beim arabischen iangschwänzigen Schafe aber nur
gewellt ist. Die Färbung ist bei beiden Racen gleich.
Das colchische Schaf gehört der Provinz Mingrelien im asiati-
schen Russland, welche dermalen mit dem Gouvernement Grusino-
Imerition vereiniget ist, oder dem zur alten Griechenzeit so berühmt
gewesenen Lande Colchis an, das theils gebirgig und bewaldet ist,
fheils aber auch aus fruchtbaren und grasreichen Ebenen besteht. Hier
werden überaus zahlreiche lleerden von dieser Hace unterhalten, die
den Hauptreichthum der dortigen Bewohner bilden und sciion seit den
ältesten Zeiten her von denselben mit grosser Sorgfalt gepflegt wer-
den. Während der warmen Zeit werden die Hecrden in den Ebenen
und kühleren Gebirgsgegenden gehalten , während der kalten hin-
gegen in den vom Winde geschützten Thälern, wo sie sich fast das
ganze Jahr hindurch selbst das Futter auf den NN'eiden suchen.
Den grössten Gewinn bringt der Ertrag an W^oUe, die zu ziem-
lich feinen Geweben verwendet wird, sehr geschätzt ist und in Menge
auch aus dem Lande ausgeführt wird. Aber nicht nur die Wolle,
sondern auch das Fleisch ist für die mingrelischen Heerdenbesitzer
von grosser Bedeutung, da es das wichtigste Nahrungsmittel der
Bewohner jener Gegenden ist. In der Regel werden nur die Widder-
lämmer und die alten, zur Nachzucht nicht mehr tauglichen Widder
und Schafmütter geschlachtet. Einen sehr grossen Verbrauch finden
auch die Felle der Lämmer, welche zu Mützen und Verbrämungen
sowohl im eigenenLande dienen, als auch in die benachbarten Länder
ausgeführt werden. Wie beim bucharischen Fettschwanzschafe, kommen
auch beim colchischen Schafe die Läumier mit einem sehr zierlich
gekräuselten Felle zur W^elt, und dieSitte, die jungen Lämmer in Lein-
wand einzunähen, die täglich mit lauem Wasser begossen und von Zeit
zu Zeit erweitert wird, um die lockige Wolle an den Leib zu pressen
und die Schönheit der Felle dadurch bis zu einem gewissen Alter zu
bewahren, scheint bis in das graueste Alterthum daselbst zurück zu
reichen und von den Hirten des alten Colchis ausgegangen zu sein;
denn ohne Zweifel haben die alten Römer, bei welchen gleichfalls
dieses Verfahren üblich war, dasselbe von den Griechen erlernt,
welche das colchische Schaf zuerst nach Hellas eingeführt und in
Europa heimisch machten. Auf diese Einfuhr gründet sich auch die
Sage von dem goldenen Vliesse in der Mythe der Griechen und
Römer, und wahrscheinlich auch jene von den goldenen Äpfeln, die
186 Fitzingrer.
nur auf der doppelten Bedeutung des Wortes „Melon" nach den ver-
schiedenen Dialekten zu beruhen scheint.
Das tarentinische langschwänzige Schaf.
{Ovis dolichura tarenthia.)
Brehis de l'Italie. Bu ffon. Hist. nat. T. V. p. 22.
Schaf von Italien. Buffon, Martini. Natiirg. d. vierf. Thierc ß. 1. p. 313.
Langschwänziges oder Tscherkassisches Schaaf. Schaaf der Römer. Pallas.
Beschreib, d. sibir. Schaaf. p. 62. Note *.
Brebis de l'Italie. E n e y cl. m e t h. p. 32.
Ovis rustica italica. Neapolitaner Schaaf. Bianca gentile. Walt her. Racen u.
Art. d. Sehaafe. Annal. d. Avetterau. Gesellsch. B. I. p. 284. Nr. 2. a. aa.
i)vis rustica italica. Neapolitaner Schaaf. Nera gentile. Walt her. Racen u.
Art. d. Sehaafe. Annal, d. wetterau. Gesellsch. ß. I. p, 284. Nr. 2. a. cc,
Ovis aries dolichura sive tscherkessica. Des mar. Mamnjal, p. 490. Nr, 741.
Var. C.
Ovis aries. Mouton u longuc queue, Lesson. Man. de Mammal. p. 400.
Nr. 1048. 3.
Capra Aries Rusticus Italiens. Fisch. Syn. Mammal. p. 490. Nr. 10. 7. a.
Ovis Aries dolichura. Var. F. Italienisches Schaf. Neapolitanische Race. Pecora
gentile. Brandt u. Ratzeburg. Medic. Zool. ß. I. p. S9. Nr. I. F, a. /3.
Ovis Aries dolichura. Var. F. Italienisches Schaf. Neapolitanische Race.
Bianca gentile. Brandt u. Ratze bürg. Medic. Zool. B. I. p. S9.
Nr. I. F. a. d.
Ovis Aries dolichura. Var. F. Italienisches Schaf. Neapolitanische Race. Nera
gentile. Brandt u. Ratzeburg. Medic. Zool. B. I. p. 39. Nr. I. F. a. e.
Aegoceros Ovis leptura. Var. e. Italienisches Schaf. Neapolitanisches Schaf.
Bianca gentile. Wagner. Schreber Säugth. B. V. Th. I. p. 1418. Nr. 12.
II. e. a. 1.
Aegoceros Ovis leptura. Var. e. Italienisches Schaf. Neapolitanisches Schaf.
Nera gentile. Wagner. Schreber Säugth. B. V. Th. I. p. 1418.
Nr. 12. II. e. a. 3.
Das tarentinische langschwänzige Schaf ist eine Blendlingsrace,
welche schon aus der ältesten Zeit der Römer stammt und ohne
Zweifel aus der Kreuzung des colchischen langschwänzigen Schafes
{Ovis dolichura colchicaj, das sie von den Griechen bezogen , mit
dem italienischen Schafe {Ovis Ai'ies iialiais) hervorgegangen ist.
Dasselbe muss daher für einen einlachen Bastard reiner Kreuzung
angesehen werden, [n Ansehung der Grösse sowohl, als Form, steht
diese Race zwischen ihren beiden Stammältern in der Mitte, während
sie sich in Bezug auf die Behaarung mehr der ersteren als der letz-
teren der genannten Racen anschliesst. Der Kopf ist verhältnissmässig
über die Racen des zahmen Schafes. 18T
klein, nach vorne stark verschmälert, die Schnauze zugespitzt.
Die Stirne ist flach, der Nasenrücken nur sehr schwach gewölbt. Die
schmalen, zugespitzten , zusammengeklappten Ohren sind nach seit-
und etwas nach aufwärts gerichtet, seltener dagegen nach abwärts
geneigt. Beide Geschlechter werden sowohl gehörnt, als auch horn-
los angetroffen. Die Windnng der Hörner ist beinahe dieselbe wie
beim colchischen langschwiinzigen Schafe, und eben so die Form des
Halses, des Leibes und der Beine. Der lange, schlaff herabhängende
und beinahe bis an die Fessel reichende Schwanz ist ringsum dicht
von einer massig langen und gekräuselten Wolle umgeben. Das
Gesicht und die Unterfasse sind mit kurzen, glatt anliegenden
Haaren besetzt, während die übrigen Körpertheile von einer zwar
nicht besonders langen, aber feinen und weichen, gekräuselten Wolle
bedeckt sind, die ein dichtes volles Vliess bildet. Die Färbung ist
einförmig und entweder weiss oder schwarz.
Das tarentinische langschwänzige Schaf wird nicht blos in der
Provinz von Tarent, sondern auch in vielen anderen Gegenden des
Königreiches Neapel , in Sicilien , und hie und da auch im Kirchen-
staate und selbst in Toscana gezogen. An den Ufern des schon von
den römischen Dichtern besungenen Flusses Galaso, welcher der-
malen nur einen kleinen Bach mehr bildet, der sich in den Meer-
busen hinter dem heutigen Tarent ergiesst, trifft man jetzt nur wenige
dieser einst so berühmt gewesenen weissen Schafe an, welche man
zur alten Römerzeit in jenem Flusse zu waschen pflegte. Sie wur-
den nach und nach durch das halbedle italienische Schaf beinahe
gänzlich aus jener Gegend verdrängt und ganze Heerden dieser
Race, doch durchgehends nur von schwarzer Farbe, weiden heut zu
Tage an jenem kleinen Bache. Als Ursache des allmählichen Ver-
drängens der früher daselbst gehaltenen Race , betrachten die
Bewohner das häufige Vorkommen eines gewissen Krautes, dessen
Genuss bei derselben Krankheiten erzeugte, während er für die
heutige Race ohne allen Nachtheil sei. Ohne Zweifel beruht diese
Ansicht aber nur auf einem Aberglauben. Schon zur Zeit der Römer
war die Wanderung unter ihren Schafheerden eingeführt, und diese
Sitte hat sich in Neapel auch noch bis zur Stunde erhalten. Über
Winter pflegt man daselbst die Heerden in den fruchtbaren Ebenen
von Apulien zurück zu halten und im Frühjahre auf die Gebirgs-
weiden von .4bruzzo zu treiben. Aber nicht alle Heerden werden als
188 Fitzinger.
Wandoi'Sfliafc, sondern viele jmeh ;ils Standschiife gehalten. Die
Wolle der ersteren gilt allgemein lui* besser als die der letzteren,
und war in früherer Zeit, bevor noch die spanische und englische
Wolle eine weitere Verbreitung hatte , überaus geschätzt. Durch
Sorglosigkeit in der Pflege der lleerdeu hat sie jedoch bedeutend
an ihrem Rufe eingebüsst und steht der englischen sowohl , als auch
der spanischen Wolle an Güte und Schönheit nach, wiewohl sie
immerhin zu den feineren Sorten gehört. Jene der Standschafe wird
meist nur zu gröberen StolTen verwendet, die der Wandersch;ife hin-
gegen zu feineren Tüchern benfitzt. Dieselbe wirft den Hecrden-
besitzern einen höchst ansehnlichen Gewinn ab und wird auch häufig
aus dem Lande ausgeführt.
Der F'leischertrag ist fast eben so gross als der der Wolle, da
(las Fleisch fett und wohlschmeckend ist und einen nicht unbeträcht-
lichen Absatz findet. Geschlachtet worden nur die Widder und die
alten Leithammeln, während man die Mutterschafe durchgehends zur
Zucht benützt. In vielen Gegenden pflegt man die Widderlämmer zu
verschneiden und die auf den Weiden gross gezogenen und gemä-
steten Hammeln sind es, deren Fleisch am meisten geschätzt ist. Die
neapolitanischen Landwirthe unterscheiden unter dem tarentinischen
langschwänzigen Schafe zwei verschiedene Schläge nach der Farbe.
Den weissen bezeichnen sie mit der Henenn\ing Pecore bin/iche geii-
t'Ui, den schwarzen mit dem Namen Pecore uere gentili
Das cabardinische Schaf.
(Ovis doUchura cahnrdinica.)
LuiKjschwihniges oder Tscherkassisches Sdutaf. I'allas. Besclireib. d. sibir.
Schritt f. p. 60, 61.
Ovis Arles longicaudala. Er xl eben. Syst. rogn. aniin. T. I. p. 249. Nr. 1. vj.
Ovis Aries loiKjicanda. Gmclin. Liniie Syst. nat. cd. XIII. T. I. P. I. p. 19t).
Nr. 1. i.
Ovis Aries longicaiidcda. Beelist. Naturi^. Deutsebl. B. I. p. 363. Nr. ö.
Ovis rustica. Zirkassisches Schaaf. Wa Ither. Itacen u. Art. d. Schaafc. Anna!.
d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 73. a.
Ovis rustica. Kahurdinisclies Scliuaf. Walllicr. Ilacon u. Art. d. Scliaafe.
Annal. d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 73. b.
Ovis rustica. Taurisches Schaaf. Gehirgsrace. Walt her. Uaeen u. Art. d.
Schaafe. Annal. d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 77. h. bb.
Ovis aries dolivhurn sive tschcrkessica. Dos mar. Maniinal. p. 49U, Nr. 741.
Var. C.
I
über die Racen des zahmen Schafes. 189
Ovis aries. Mouton a longue queue. Lesson. Man. de Mammal. p. 400.
Nr. 1048. 3.
Capra Aries Longicaudatus. Fisch. Syn. Mammal. p. 491. Nr. 10. ?.
Ovis Aries dolichiira. Brandt u. Ratze bürg. Medic. Zool. B. I. p. 58. Nr. I.
Ovis aries Dolichura. Tilesius. Hausziege. Isis. 1835. p. 949. Var. 1. p. 965.
Nr. 1.
Ovis Aries. Var. 3. Langsc/iwänziger bucharischer Hammel. T'il qsIus. tiaus-
ziege. Isis. 1035. p. 952. Nr. 3.
Ovis Dolichura. Jardine. Nat. Hist. of Rumin. Anim. P. H. p. 171.
Aegoceros Ovis leptura. Var. g. Limgschwüiniges oder Tscherkassisches Schaf.
Wagner. Schreber Säugth. ß. V. Tl». I. p. 1420, Nr. 12. II. g.
Das cabardinische Schaf oder das sogenannte Tscherkessen-
Schaf bildet die dritte unter den auf klimatisclien und Bodenverhält-
nissen beruhenden Abänderungen des langschwänzigen Schafes (Ovis
dolichura). Dasselbe ist von mittlerer Grösse und ziemlich nieder
gebaut. Sein Kopf Ist verhältnissmässig klein, die Stirne flach , der
Nasenrücken fast gerade und die Schnauze schmal, stumpf zugespitzt
und abgerundet. Die Augen sind nur von massiger Grösse und zeich-
nen sich durch ihren sanften Blick aus. Die nicht sehr langen,
schmalen Ohren sind zusammengeklappt, zugespitzt und nach seit-
und aufwärts gerichtet. Die Widder sind gehörnt, die Hammeln
aber, so wie die Schafmütter, meistens hornlos. Bei den Widdern sind
die Hörner nicht sehr lang und auch nicht besonders dick, dreiseitig,
mit rundlichen Kanten, von denen die innere jedoch stets schärfer
hervortritt, und die Oberfläche derselben ist glatt. Sie stehen an
ihrem Grunde ziemlich weit von einander entfernt und verschmälern
sich allmählich bis zur stumpfen Spitze. Schon von der Wurzel an-
gefangen wenden sie sich, in geringer Höhe über den Scheitel sich
erhebend, nach seit- und rückwärts, und bilden eine einfache, aber
ziemlich weite Schneckenwindung nach ab-, vor- und aufwärts, wo-
bei die Spitzen sich etwas nach einwärts kehren. Die Hörner der
Mutterschafe und Hammeln sind kürzer und dünner, und bilden
gewöhnlich nur eine halbmondförmige Krümmung nach seit-, rück-
und abwärts.
Der Hals ist von massiger Länge und ziemlich dünn, ohne einer
deutlichen Wamme an der Vorderseite und auch ohne einer Spur von
schlaflen Hautlappen oder sogenannten Glöckchen in der Kehlgegend.
Der Leib ist ziemlich stark gestreckt, nicht sehr voll, doch gerundet,
der Widerrist kaum merklich erhaben, der Rücken nicht besonders
Sitzh. d, matheni. natiirw. C'l. XLI. Bd. Nr. 14. 13
1 00 F i t z i n g e r.
breit und gerade , und die abgerundete Croupe etwas höber als der
Widerrist. Die Beine sind verbältnissmässig etwas nieder, dünn und
schlank, die Hufe massig lang und stumpf zugespitzt. Der lange, schlaff
herabhängende Schwanz, welcher ringsum mit ziemlich langer,
schlichter Wolle besetzt ist, die gegen die Spitze zu besonders reichlich
ist und fast eine Art von Quaste bildet, erscheint durch diese Behaa-
rung zwar allerdings voller als er wirklich ist, aber keineswegs
besonders dick und reicht bis zum Boden herab, so dass seine Spitze
beinahe auf der Erde schleppt. Die Zahl der Wirbeln beträgt 50 bis
52, indem 7 Halswirbel, 13 Rückenwirbel, 6 Lendenwirbel, 4 Kreuz-
wirbel und 20 — 22 Schwanzwirbel vorhanden sind. Das Gesicht, die
Ohren und die Unterfüsse, bis etwas über die Hand- und Fusswurzel
hinauf, sind mit kurzen , glatt anliegenden Haaren besetzt , während
der ganze übrige Körper, vom Scheitel angefangen, von einem dich-
ten Vliesse bedeckt wird, das aus einer ziemlich langen, schlichten,
massig feinen und fast seidenartigen Wolle besteht, die von den
Leibesseiten bis zu einer nicht unbeträchtlichen Tiefe herabhängt
und durchaus ohne einer Beimischung von Haaren ist. Die Färbung
ist einförmig silberweiss, bisweilen mit einem leichten, in's Bläuliche
ziehenden Anfluge. Die Hörner sind vveisslich hornfarben, die Hufe
graulichbraun oder schwärzlich. Die Iris ist gelblich. Die Widder
sind von den Mutterschafen ausser der Anwesenheit von Hörnern
auch noch durch den etwas längeren Schwanz unterschieden.
Das cabardinische Schaf wird bei allen kaukasischen Hirten-
völkern, vorzüglich aber bei den Tscherkessen in der grossen und
kleinen Kabardah an der Nordseite des Kaukasus und in Abchasien
an der Nordwestseite dieses Gebirgszuges und am schwarzen Meere
gezogen. Von dort aus ist es auch in das südliche Russland gelangt
wo es sowohl in der Krimm, als auch in Klein-Russland südwärts
der Oka und vorzüglich in den westwärts gelegenen Landstrichen
gezogen wird. Von Süd-Russland wurde es in der Folge auch nach
Podolien und selbst in die an Russland grenzenden Theile von Polen
gebracht , wo hie und da Zuchten von dieser Race unterhalten wer-
den. Unter Peter dem Grossen wurde das cabardinische Schaf auch
nach Kasan und Astrachan im südlichen Sibirien eingeführt und die
im Gouvernement Orenburg auch noch heut zu Tage hie und da
gehaltenen Schafe sind Abkömmlinge von diesen eingeführten Zuch-
ten. Das cabardinische Schaf wird fast allenthalben nur indenGebirgs-
über die Raceii des zahmen Schafes. 191
gegenden getroffen, wo es sich auf den Bergtriften selbst seine Nah-
rung sucht. Auch in der Krimni ist es nur der gebirgige Theil des
Landes, wo dasselbe gehalten wird. Beim Eintritte der heissen
Witterung wandern die Hirten mit ihren Heerden daselbst in die
Bergebenen und ziehen beim Beginne des Winters mit denselben in
die Thäler, wo sie gegen die Einwirkungen der strengeren Kälte
geschützt sind. Durch diese Wanderungen bleiben die Schafe auch
stets beinahe in einer und derselben Temperatur. Die Pflege, welche
das cabardinische Schaf verlangt, ist daher nur sehr gering, da es
sich sein Futter selbst aufsucht und auch gegen die Einflüsse der
Witterung durchaus nicht empfindlich ist.
Das Haupterträgniss liefert die lange, ziemlich feine und weiche
Wolle, welche zwar weit hinter der spanischen zurücksteht, aber die
der meisten langwolligen englischen Schafracen an Güte und Schön-
heit übertrifft. Sie wird zu allerlei Geweben von mittlerer Feinheit
verwendet und steht desshalb auch in verhäitnissmässig ziemlich
hohem Werthe. Für die vorzüglichste Sorte gilt die Wolle aus den
Gegenden um den Kaukasus und schon vor mehr als 60 Jahren
wurde das Pfund derselben mit 25 Kopeken bezahlt. Die Wolle der
in Siid-Russland gezogenen Schafe ist minder fein und desshalb auch
weniger geschätzt; doch unterliegt es keinem Zweifel, dass dieselbe
bei grösserer Sorgfalt in der Zucht und Pflege, wesentlich verbessert
werden könnte. Sehr gesucht sind auch die Felle der neugeborenen
oder noch ganz jungen Lämmer, welche durch ihre zierlich gewellte
und beinahe lockenartig gekräuselte Wolle ausgezeichnet sind und
auch einen wichtigen Artikel des Handels bilden. Da die Wolle der
Lämmer aber bei zunehmendem Wachsthume bald das lockige Anse-
hen verliert, so besteht, um dasselbe länger zu erhalten, bei den
Landleuten in Podolien und in der Ukraine die Sitte, den Leib dieser
später dann zum Schlachten bestimmten Lämmer in Leinwand einzu-
nähen, dieselbe täglich mit lauwarmem Wasser zu begiessen und je
nachdem es der Wachsthum erfordert, zu erweitern, doch immer
nur so, dass sie fest an dem Körper anliegt. Auf diese Weise wird
die Wolle stets an den Körper angepresst , und auch die nach-
sprossende Wolle nimmt jene schöne Kräuselung an, welche ursprüng-
lich nur den neugeborenen Lämmern eigenthümlich ist. Hat man
dieses Verfahren bis zu einem gewissen Alter verfolgt , wo das Fell
für hinreichend schön gilt, so werden die Lämmer dann geschlachtet-
13*
I 92 F i t z i n g e r.
Doch sind es Immer nur die Widderlämmer, welche zum Schlachten
bestimmt sind, während man sämmtliche Mutterlämmer der Erhaltung
der Nachzucht wegen aufzuziehen pflegt. Alte, bereits unbrauchbar
gewordene Widder, weiden eben so wie die zur Fortpflanzung nicht
mehr tauglichen Scliafmütter, gleichfalls geschlachtet. Das Fleisch
dieser Schafrace wird als sehr wohlschmeckend geschildert und
bildet den wesentlichsten Theil der Nahrung sämmllicher Hirten-
völker in den Ländern ihrer Heimath. Hie und da M'ird auch die
Milch von derselben benützt und zur Butterbereitung verwendet.
Das Hängohrschaf.
(Ovis ccitotis.)
Adimain, I^eo Africanus. Descript. Afric. T. II. p. 752.
Brebis adimain. Buf fon. Hist. nat. T. XI. p. 359.
Marokkanisches Schaaf. Pallas. Beschreib, d. sibir. Schaaf. p. 62.
Ovis ljuineensis. Er xl eben. Syst. regn. aniiii. T.I. p. 253. Nr. 3. (Zum Tbeile.)
Schaf Adimain. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX. p. 260.
Ovis Aries giiineensis. Gmelin. Linne Syst. nat. ed. XIII. T.I. P. I. p. 198,
Nr. 1. K- (Zum Tbeile.)
Adimain. Encycl. meth. p. 34.
Capra Aries Guineensis. Fisch. Syn. Mammal. p. 492. Nr. 10. t, (Zum Theile.)
Ovis Aries. Var. i. Moruan oder hochbeiniger Hammel. Tilesius. Hausziege.
Isis 1835. p. 951. Nr. 1. (Zum Theile.)
Aegoceros Ovis leptura. Wagner. Schreber Säugth. B. V, T. I. p. 1410.
Nr. 12. II. (Zum Theile.)
Aegoceros Ovis longipes sive guineensis. Adimain. Wagner. Schreber Säugth.
B. V. Tb. I. p. 1436. Nr. 12. VII.
Ovis syenilica. Fitz. Ber. üb. d. v. Hrn. Dr. v. Heuglin f. d. k. Menag. z. Sehönbr.
mitgebr. leb. Thiere. Sitzungsb. d. niathem. - naturw. Cl. d. k. Akad. d.
Wissenseh. B. XVII. Hft. 2. p. 249.
Das Hängohrschaf ist eine so ausgezeichnete und von allen bis
jetzt bekannten Schafen so deutlich unterschiedene Form , dass es
mit keiner anderen verwechselt oder von irgend einer derselben
abgeleitet werden kann. Unwillkürlich sieht man sich daher genö-
thiget, dasselbe als eine besondere und zwar selbstständige Art in der
Gattung des Schafes zu betrachten , die so wie die allermeisten
übrigen, heut zu Tage nirgends mehr im wilden Zustande vorkommt
und vielleicht schon seit den ältesten Zeiten vollständig in den Haus-
stand übergegangen ist. Der Verbreitungsbezirk dieser höchst merk-
Ül>er die Riicpii des zahtncn Schafes. 193
würdigen Form seheint, so viel bis jetzt bekannt ist, auf den öst-
lichen Theil von Mittel-Afrika beschränkt zu sein; doch ist es nicht
unwahrscheinlich, dass sich derselbe bis in das Innere dieses Welt-
theiles erstreckt. In Ansehung der Grösse steht diese Art nebst dein
Fettsteissschafe unter allen bereits bekannt gewordenen zahmen
Schafen obenan und wird hierin selbst nicht einmal von dem hoch-
beinigen Schafe, das seither für die grösste Form galt, übertroffen,
mit dem es jedoch in Bezug auf die Gestalt im Allgemeinen eine
entfernte Ähnlichkeit darbietet. Die wesentlichsten Merkmale, wo-
durch es sich von demselben unterscheidet, sind der höhere und
minder lange Kopf, die verhältnissmassig kürzeren Beine , der weit
mehr gestreckte Leib, der beträchtlich längere Schwanz , und die
überaus lange und reichliche Behaarung des Körpers. Der Kopf,
welcher stets hoch emporgehoben getragen wird, ist gross und hoch,
doch nicht besonders stark gestreckt und die ge\\ölbte Stirne geht
unmittelbar in den überaus stark gewölbten Nasenrücken über.
Die Schnauze ist hoch, nach vorne zu stark verschmälert und
der Unterkiefer etwas länger als der Oberkiefer. Die Augen,
welche nicht sehr ferne von den Ohren liegen , sind von mitt-
lerer Grösse und hoch am Kopfe gestellt. Die sehr langen, brei-
ten, abgeflachten und stumpf abgerundeten Ohren, deren Länge
etwas mehr als die Hälfte des Kopfes beträgt, hängen völlig schlaff
an den Seiten desselben herab. Beide Geschlechter werden nur
ungehörnt getroffen.
Der Hals ist ziemlich lang, doch nicht besonders dick und in
der Kehlgegend ist keine Spur von schlaff herabhängenden Hautlappen
oder sogenannten Glöckchen zu bemerken. An der Vorderseite des-
selben zieht sich eine nur sehr schwache und kaum bemerkbare
straffe Wamme bis in die Gegend unterhalb der Brust. Der Leib ist
sehr stark gestreckt und erscheint durch die überaus reichliche
Behaarung beträchtlich dicker als er wirklich ist. Der Widerrist ist
nicht besonders stark erhaben , der Rücken gerundet und etwas
gesenkt, und die breite, schwach abgedachte Croupe deutlich höher
als der Widerrist. Die Beine sind verhältnissmässig nicht besonders
hoch, ziemlich schlank , doch kräftig , die Hufe massig lang und
stumpf zugespitzt. Der lange dünne, etwas tief angesetzte Schwanz,
welcher schlaff am Hintertheile herabhängt und mit dem Haare bei-
nahe bis auf den Boden reicht, ist ringsum von einer ziemlich langen
J ()4 F i t 7, i n g e r.
zottigen Wolle umgeben, welche jedoch gegen die Spitze zu an
Länge zunimmt und eine Art von Quaste bildet.
Das Gesicht, die Ohren und die Unterfüsse sind mit kurzen,
glatt anliegenden Haaren besetzt , während der Scheitel und der
ganze übrige Körper von einem überaus dichten Vliesse bedeckt
wird, das aus sehr langen, groben, wolligen, und beinahe verfilzten
Haaren besteht, die zu einzelnen Zotten vereint, von der Mittellinie des
Rückens zu beiden Seiten des Körpers herabfallen und bis tief unter
den Bauch hiiiabreichen. Unterhalb dieses langen groben Grannen-
haares, befindet sich ein sehr dicbtes, filziges, doch beträchtlich
feineres Wollhaar. Die Färbung ist einförmig dunkel röthlichbraun,
das Wttllhaar ist heller. Die Hufe sind grauliehschwarz, die Iris ist
gelbüelibraun. Die Kürperlänge eines erwacbsenen Widders beträgt
ungefähr J> Fuss, die Länge des Schwanzes 2 Fuss , die Höhe am
Widerrist 3 Fuss, an der Croupe 3 Fuss 2 Zoll.
Das Hängohrschaf wird in Nubien sowohl, als aucb in Ober-
Ägypten und in der libyschen W^üste im Osten der Sahara gezogen
und insbesondere ist es die Umgegend von Assuan oder dem Syene
der Alten in Ober-Ägypten , wo überaus zahlreiche Heerden von
dieser Race unterhalten werden. Im Allgemeinen wird es weit
häufiger in den ebenen, als in den gebirgigen Gegenden getroffen
und überall bringen die Heerden Tag und Nacht zu allen Jahres-
zeiten weidend unter freiem Himmel zu. Die Pflege, welche sie von
ihren Hirten geniessen, ist sehr gering und beschränkt sich fast ledig-
lich auf die Bewachung derselben mit Hilfe ihrer Hunde. Diese
Schafrace ist für die Bewohner ihrer Heimath aber von sehr grosser
W^ichtigkeit, indem sie dieselben nicht nur reichlich mit Fleisch
versieht und ihnen eine grosse Menge von Wolle liefert , die zu
groben Geweben verwendet wird, sondern auch Milch und Leder.
Leo Africanus scheint der erste gewesen zusein, welcher
uns mit dieser Schafform bekannt machte, denn das Schaf aus Libyen,
welches er unter dem Namen Adimain mit wenigen Worten be-
schreibt, dürfte weit eher dem Hängohr- , als dem hochbeinigen
Schafe zuzurechnen sein, zu welch' letzterem es bisher von allen
Naturforschern, da sie das Hängohrschaf nicht kannten, wohl nur
irrigerweise gezählt wurde. Die langen hängenden Ohren und die
ganze Gestalt, welche diesem Schriftsteller zu Folge der der römi-
schen Schafe gleicht, scheinen daraufhin zu deuten, dass er eine
über die Racen des zahmen Schafes. "j 95
langwollige Schafrace mit Hängohren vor sich hatte. Durch ihn
erfuhren wir auch, dass sich die Libyer desselben als Zugthier be-
dienten, und dass er selbst in seiner Jugend es versuchte, dasselbe
zu reiten und mit ilim auf seiner Reise eine Strecke von einer
Viertelmeile zurücklegte. Zur selben Race scheinen auch jene Schafe
gehört zu haben, deren Pallas unter dem Namen marokkanischer
Schafe erwähnt, wie aus der kurzen Beschreibung, die er von den-
selben gibt, ziemlich klar und deutlich hervorgeht. Wahrscheinlich
wurden sie aus Libyen über Marokko nach Holland gebracht, wn
sie Pallas zu Anfang der zweiten Hälfte des verflossenen Jahr-
hunderts zum ersten Male zu sehen Gelegenheit hatte und mit dem
Münsterschafe verglich. Die gegenwärtige, von mir gelieferte Be-
schreibung ist wohl die erste genauere , welche von dieser Schaf-
race gegeben wird. Ich habe dieselbe nach einem erwachsenen
Widder entworfen, welcher im Jahre 1835, nebst vielen anderen
lebenden Thieren , von dem eifrigen Naturforscher Heuglin aus
Afrika mitgebracht und sammt diesen für die kaiserliche Menagerie
nach Schönbrunn bestimmt wurde. Leider hat er aber daselbst nur
wenige Monate ausgehalten, so dass durchaus keine Beobachtungen
in Bezug auf Bastardirungen mit anderen Racen gemacht werden
konnten.
Es scheint mir indess kaum einem Zweifel zu unterliegen , dass
von unseren europäischen Schafracen drei vom Hängohrschafe abzu-
leiten sind, und zwar das Bergamasken-Schaf (^Ovis catotis ber-
gamena), das paduanische Schaf (Ovis catotis pnduana) und
das Münsterschaf (Ovis catotis monasteriensis), welche ihren
äusseren Merkmalen zu Folge mit grosser Wahrscheinlichkeit nur als
Blendlingsracen von demselben zu betrachten sind.
Das Bergamasken-Schaf.
(Ovis catotis bergamena.)
Brebis de V Italic. Bu ffon. Bist. nat. T. V. p. 22.
Schaf von Italien. Buffoii, Martini. Naturg. d. vierf. Thiere. B. I. p.3i3.
Brebis de l' Italic. Encycl. meth. p. 32.
Ovis rustica italica. Bergnmasker Schaaf. Walt her. Racen u. Art. d. Schaafe.
Anna), d. wetterau. Gesellsch. B. I. p. 283. Nr. 2. c.
Ovis rustica Germanica. Schwäbisches Schaaf. Bergamosier. Walther. Racen
u. Art. d. Schaafe. Annai. d. wetterau. Gesellsch. B. II. p. 67. Nr. 4.
h. cc.
196 Fitzinge r.
Capra Aries Ruslicus Iialicus. Fisch. Syn. Mammal. p. 490. Nr. 10. y. a.
Oris Aries doUchura. Var. F. Italienisches Schaf. Bergamasker Race. Brandt
u. Ratzeburg. Medic. Zool. B. I. pr. 59. Nr. I. F. e.
Ovis Aries domesticvs riisticus iialicus. Fitz. Fauna. Beilr. z. Landesk. Osterr.
B. I. p. 320.
Äegoceros Ovis lepiura. Var. e. Italienisches Schaf. Bergamasker Schaf.
Wagner. Schreber Siiuglh. B. V. Th. I. p. 1419. Nr. 12. II. e. y.
Ovis aries paduanus. R e i c h e n b. Naturg. Wiederk. t. 52. f. 294—296.
Bergamasker Wanderschaf. Schmidt. Schafzucht, p. 12. Nr. 1. b. t. 1.
Das Bergamasken-Sohaf scheint ein Bienclling zu sein, der auf
der Kreuzung des Hängohrschafes (Ovis catotis) mit dem italieni-
schen Schafe (Ovis Aries italicus) beruht und dürfte daher als
ein einfacher Bastard reiner Kreuzung angesehen werden. Wahr-
scheinlich hat die Entstehung dieser Bace in einer sehr frühen Pe-
riode und schon zur Zeit der alten Bömer stattgefunden , indem man
mit Grund voraussetzen kann , dass ihnen bei ihren Verbindungen
mit Afrika, das Hängohrschaf oder das Schaf von Syene oder Assuan
nicht unbekannt geblieben sei. Die auffallende Grösse und Stärke
dieser Schafart, so wie auch die Beichlichkeit ihres mit einer sehr
langen und zottigen Wolle besetzten Vliesses , mochte sie zu dem
Versuche verleitet haben, dieselbe mit ihrer einheimischen Bace zu
paaren, woraus dann auch das Bergamasken-Schaf, wenn auch viel-
leicht ursprünglich, wie dies sehr wahrscheinlich ist, in einer etwas
anderen als seiner dermaligen Form hervorgegangen sein dürfte. In
Ansehung seiner Gestalt kommt das Bergamasken-Schaf im Allge-
meinen mehr mit dem Hängohrschafe als mit dem italienischen
Schafe überein, obgleich es sich in vielen Beziehungen wieder mehr
an dieses anschliesst, so dass es gleichsam ein Mittelglied zwischen
diesen beiden Bacen bildet. Es ist zwar von sehr ansehnlicher Grösse,
doch steht es in dieser Beziehung immer noch weit hinter dem
Hängohrschafe zurück. Sein Kopf, den es meist hoch emporgehoben
trägt, ist gross, die Stirne flach, der Nasenrücken sehr stark ge-
wölbt. Die Augen sind verhältnissmässig klein, die Ohren sehr lang,
länger als der halbe Kopf, ziemlich breit, vorzüglich aber in der
Mitte, nur wenig zusammengeklappt, etwas abgeflacht, an der Spitze
stiUTipf gerundet und ziemlich schlaff an den Seiten des Kopfes herab-
hängend. Das Männchen sowohl als auch das Weibchen sind in der
Begel ungohiirnt und nur selten trifft man unter den Miinnchen auch
gehörnte Thiere an. Meist sind blos die kurzen Stirnzapfen bei den-
über die Racen des zahmen Schafes. 197
selben bemerkbar, welebe von der allgemeinen Körperbaut über-
zogen sind und kolbenartig bervorfreten. Die Höi-ner kommen in der
Grösse und Stärke, so wie aueb in der Art und Weise ibrer Win-
dung, ungefäbr mit jenen des gemeinen italieniscben und spaniscben
Scbafes überein.
Der Hals ist ziemlicb kurz und dick, und am Vorderbalse be-
beOndet sieb keine Spur von berabbängenden Huutiappen oder soge-
nannten Glöckcben in der Kebigegend. Dagegen ziebt sieb eine
starke Hängw amme an seiner Vorderseite von der Keble bis unter-
halb der Brust herab. Der Leib ist etwas gestreckt, sehr dick und
voll, der Widerrist deutliob vorspringend, der Rücken breit und
gerade, die Croupe gerundet und etwas höher als der Widerrist. Die
Brust ist breit, der Bauch hängend. Die Beine sind verhältnissmässig
hoch, stark und kräftig, die Hufe kurz und stumpf. Der Schwanz ist
ziemlich lang, dick und wollig behaart, und reicht bis etwas unter das
Fersengelenk herab. Das Vliess ist reichlich und dicht, und besteht aus
ziemlich langer, etwas zottiger rauher Wolle. Das Gesicht, die Ohren
und die Beine, bis über die Hand- und Fusswurzel hinauf, sind mit
kurzen glatt anliegenden Haaren besetzt. Auf dem Scheitel und der
Stirne befindet sich ein wolliger Haarschopf. Die Färbung ist in der
Regel schmutzig weiss, nicht selten aber auch braun, bald heller und
bald dunkler, und bisweilen mehr in's Gelbliche oder auch in's Röth-
liche ziehend, und manchmal sogar auch dunkel kastanienbraun. Die
Hörner sind hell bräunlich hornfarben , die Hufe graulichscbwarz.
Die Körperlänge eines grösseren erwachsenen Widders beträgt
4 Fuss 6 Zoll, die Schulterböhe 2 Fuss 11 Zoll, während die ge-
wöhnliche Länge zwischen 3 Fuss 4 Zoll und 3 Fuss 9 Zoll schwankt,
und die Schulterhöhe dabei nur 2 Fuss 4 Zoll erreicht. Die Mutter-
schafe sind etwas kleiner als die NMdder.
Die eigentliche Heimath dieser Race sind die fruchtbaren
Tbäler von Ober-Italien und insbesondere in den Provinzen Bergamo
und Como, und den benachbarten Gegenden der Lombardie, wo sie
in zahlreichen Heerden gezogen wird. Minder häutig dagegen wird
sie im venetianischen Gebiete gehalten. In der Lombardie tritTt man
Schafbesitzer, welche Heerden bis zu 1000 Stücken halten. Die
italieniscben Hirten unternehmen mit ihren Schafen, die im Sommer
meist auf die grasreichen Triften der Gebirge getrieben werden,
um daselbst zu weiden, oft weite Reisen in die höheren Gebirgs-
198 Fitzinge r.
gegenden und selbst bis auf die Alpen der Schweiz , wo sie beim
Durchzuge durch das fremde Gebiet, auf dem Hintriebe sowohl als
Rücktriebe, stets einen gewissen Zoll für ihre Heerden entrichten
müssen. Den ganzen Sommer über bringen sie mit ihren Schafen auf
den Alpen zu, wo dieselben nur zur Nachtzeit und beim Eintritte
schlechter Witterung in den dort angebrachten Ställen ein Obdach
finden , den grössten Theil des Tages aber unter freiem Himmel
weiden. Gegen den Herbst zu und bevor noch die Witterung rauher
wird, verlassen sie jene Höhen und treiben ihre Heerden den Thälern
zu, wobei sie gewöhnlich mit denselben in Piemont zu überwintern
pflegen. Auf diesen Wanderungen werden die Mutterschafe auch
gemolken und die Milch derselben wird zur Bereitung von Käse ver-
wendet. Da jedoch selbst ein gutes Schaf dieser Race nicht mehr
als 5 — 6 EsslöfTel Milch des Tages gibt, so führen die Hirten auch
Kühe in die Alpen mit, um die Milch derselben mit der Schafmilch
zu vermischen und mehr Käse aus diesem Gemenge zu gewinnen.
Die Pflege, welche die Schafe während dieser Zeit geniessen, ist
sehr gering und sie erhalten nie ein anderes Futter als das Gras und
die Kräuter ihrer Weiden. Die Schur wird in der Regel immer auf
der Rückkehr von den Alpen und meistens in der Gegend von Borgo-
festo vorgenommen , die Wolle aber stets erst nach der Schur ge-
waschen. Der Wollertrag ist nicht besonders gross, da ein einzel-
nes Thier im Durchschnitte nicht mehr als 7 Pfund des Jahres liefert,
wovon der Centner ungefähr mit 50 Silbergulden bezahlt wird. Die
Wolle ist zwar lang, doch grob, rauh und schlicht, und ihre Länge
beträgt durchschnittlich 5 — 6 Zoll. Wegen ihrer Rauhheit ist sie
jedoch nur wenig geschätzt, und auch blos zu Teppichen und ganz
groben Zeugen verwendbar.
Das Bergamasken-Schaf erfordert eine reichliche Fütterung,
wenn es gedeihen soll, zeigt dabei aber grosse Anlage zum Ansätze
von Fett. Aus diesem Grunde wird es auch häufig gemästet und ins-
besondere sind es die Widder, die man schon in der Jugend zu
verschneiden pflegt, welche zur Mästung und zum Schlachten
bestimmt sind. Ein dreijähriger Hammel wiegt jedoch, ungeachtet
er gemästet wurde, nach Abnahme der Wolle, in der Regel nicht
mehr als 80 bis 90 Pfund und nur bei reichlicher Nahrung kann er
auch auf 100 Pfund gebracht werden. Es ist dies ein Gewicht, wel-
ches im Verhältnisse zur Grösse des Thieres aber nur unbedeutend
über die Racen des zahmen Schafes. \ 99
erscheint und offenbar beruht dasselbe auf der eigenthümlichen Be-
schaffenheit des Fleisches, das zwar fett, aber grobfaserig, schwam-
mig und überhaupt auch nicht sehr wohlschmeckend ist. Derselbe
Fall tritt auch bei anderen Schafracen ein, deren Fleisch grob,
trocken oder schwammig ist, während Racen mit feinfaserigem und
festem Fleische immer auch ein verhältnissmässig höheres Gewicht
zeigen. Sehr gross ist aber beim Bergamasken-Schafe die Frucht-
barkeit, da die Mutterschafe meistens zwei Lämmer auf einen Wurf
zur Welt bringen und nicht selten sogar auch zweimal des Jahres
lammen. Aus diesem Grunde ist die Zucht desselben in manchen
Gegenden auch sehr beliebt geworden und man hat es versucht,
dasselbe auch in etwas nördlicher gelegene Länder zu verpflanzen.
In allen jenen Niederungen und Gebirgsländern, wo die Nebel herr-
schend sind und desshalb auch fette Weiden angetroffen werden,
kann die Zucht dieser Race allerdings mit einigem Vortheile betrieben
werden, und zwar hauptsächlich wegen ihrer grossen Anlage zur
Mästung. Dagegen stellt sich ihre Zucht in trockenen und grasarmen
Gegenden nur als sehr wenig nutzbringend dar. So hat sich die-
selbe in den meisten Gegenden von Deutschland, wo man sie ein-
zuführen versuchte, nur wenig erfolgreich bewiesen, wesshalb man
sich bestimmt sah, sie auch grösstentheils wieder aufzugeben. In
Steiermark hingegen, wo sie schon seit längerer Zeit her eingeführt
wurde, gedeiht sie aber sehr gut.
Das paduanische Schaf.
{Ovis catotis padiiana.)
Brebis de l'ItaUe. Buffon. Hist. nat. T. V. p. 22.
Schaf von Italien. Buffo n, Martini. Naturg. d. vierf. Thiere. B. 1. p. 313.
Brebis de V Italic. Encycl. meth. p. 32.
Ovis rustica italica. Paduanisches Schaaf. W alliier. Racen u. Art. d. Schaafe-
Annal. d. wetterau. Gesellsch. B. I. p. 284. Nr. 2. b.
Paduaner Schaf. Erdelyi. Zoophysiol. p. 102. A. a.
Capra Aries Rusticiis Italicus. Fisch. Syn. Manimal. p. 490. Nr. 10. y. a.
Ovis Aries dolichura. Var. F. Italienisches Schaf. Paduaner Race. Brandt u.
Ratzeburg. Medic. Zool. B. I. p.S9. Nr. I. F. b.
Ovis Aries domesticus rusticns italicns. Fitz. Fauna. Beitr. z. Landesk. Österr.
B. I. p. 320.
Aegoceros Ovis leptura. Var. e. Italienisches Schaf. Paduaner Schaf. Wagner.
Schrcber Säugth. B. V. Th. I. p. 1418. Nr. 12. II. e. ß.
Bergamasker Wanderschaf. Schmidt. Schafzucht, p. 12. Nr. 1. 6.
200 Fitzinger.
Das paduanische Schaf scheint ein Blendling zu sein, der auf
Vermischung des Bergamasken-Schafes (Ovis catotis hergamena)
mit dem spanischen Scliafe ^Oü/s Aries hispanicus) beruht, wie
dies aus seinen körperlichen Merkmalen ziemlich deutlich zu er-
sehen ist. Dasselbe dürfte daher fiir einen einfachen Bastard ge-
mischter Kreuzung gelten. Es ist zunächst mit dem Bergamasken-
Schafe verwandt und gehört so wie dieses , zu den grösseren
Formen unter den europäischen Schafracen. Sein Kopf ist ziemlich
gross, hinten hoch und breit, nach vorne zu verschmälert, und die
Schnauze stumpf zugespitzt und abgeflacht. Die Stirne ist schwach,
der Nasenrücken ziemlich stark gewölbt, insbesondere aber bei den
Widdern. Die Augen sind verhältnissmässig klein, dieThränengruben
ziemlich weit geöffnet. Die grossen , breiten, nur sehr schwach zu-
sammengeklappten Ohren sind stumpf gerundet und hängen ziem-
lich schlaff an den Seiten des Kopfes herab. Nur äusserst selten
sind die Widder gehörnt und meistens werden beide Geschlechter
vollkommen hornlos angetroffen. Die Hörner sind in der Begel nicht
besonders lang, doch ziemlich dick und wenden sich, ohne sich höher
über den Scheitel zu erheben, schon von ihrem Grunde angefangen
nach seit-, rück- und abwärts, und mit der Spitze nach vor-, auf-
und auswärts.
Der Hals ist verhältnissmässig etwas lang und erscheint durch
die reichliche Behaaruug auch dicker als er wirklich ist. Am V^order-
halse zieht sich eine ziemlich starke schlaffe Wamme hei*ab,
welche schon in der Kehlgegend beginnt und bis unterhalb der
Brust hin reicht. Der Leib ist gestreckt, sehr voll und rund, der
Widerrist etwas erhaben, der Rücken breit, sehr schwach gesenkt
und gerundet, und die volle abgerundete Croupe etwas höher als
der Widerrist. Die Brust ist breit , der Bauch etwas hängend.
Die verhältnissmässig ziemlich hohen Beine sind grobknochig, dick
und stark , die Hufe massig lang und stumpf zugespitzt. Der
mittellange , schlaff herabhängende Schwanz , welcher bis zum
Fersengelenke reicht, ist ringsum mit ziemlich langer, gewell-
ter Wolle besetzt. Gesicht, Ohren und Unterfüsse, bis über die
Hand- und Fusswurzel hinauf, sind kurz und glatt anliegend be-
haart, den ganzen übrigen Körper, vom Scheitel angefangen,
deckt ein dichtes, aus ziemlich langer und massig feiner, gewell-
ter Wolle gebildetes Vliess. Die Färbung ist in der Regel
über die Raceii des zahmen Schafes. 201
sclimutzig gelblicliweiss , bisweilen aber aucb rotbbraiiii oder
sebwarz. Die Körperlänge befragt 3 Fuss 4 — 9 ZoJl, die Schuiter-
böbe 2 Fuss 4 Zoll.
Das paduanisciie Scbaf wird nicbt blos in der Provinz Padua
im venelianiscben Königreiche, von welcher es seine Benennung
erhalten hat und wo auch seine Hauptzucht betrieben wird, getroffen,
sondern aucb in manchen anderen Gegenden von Ober -Italien ge-
gezogen und insbesondere sind es die fruchti)aren Tliäler dieses
Landes, wo man zahlreiche Heerden von dieser Race unterhält.
Allenthalben besteht aber in Ober - Italien die Sitte, die Heerden
während des Sommers auf die grasreicheren Gebirgsweiden zu
treiben, und erst beim Eintritte der kühleren Jahreszeit mit den-
selben wieder in die Thalgegenden zurückzukehren. Zum Gedeihen
dieser Race ist es unumgänglich nöthig, dieselbe mit reichlichem
Futter zu versehen, da sie sonst bald an ihrem körperlichen Um-
fange abnimmt. Gegen die Einwirkungen der Witterung ist sie nicht
besonders empfindlich, doch muss sie während der kälteren Zeit
oder auch bei schlechtem Wetter in den Ställen zurückgehalten
werden. Die Fruchtbarkeit derselben ist ziemlich gross, indem die
Schafmütter häufig zweimal des Jahres lammen und nicht selten zwei
Lämmer auf einen Wurf zur Welt bringen. Der wesentlichste
Nutzen , welchen die Zucht dieser Schafrace gewährt , besteht in
ihrer Wolle, die nicht nur ihrer nicht unansehnlichen Länge und
ziemlichen Feinheit wegen geschätzt ist, sondern auch wegen ihrer
Reichlichkeit einen ziemlich beträchtlichen Ertrag abwirft. Die
Schur wird nur einmal des Jahres vorgenommen und die hierbei ge-
wonnene Wolle beträgt bei jedem einzelnen Stücke im Durchschnitte
5 — 6 Pfund, wovon der Centner mit 60 — 70 Silbergulden bezahlt
wird. Sie wird theils zu feinerem Strickgarne, tlieils aber auch zu
mittelfeinen Tüchern verwendet. Auch in Ansehung der Mästungs-
fähigkeit ist diese Race zu empfehlen, da sie bei reichlichem Futter
leicht zu einem Fleischergewichte von 100 Pfund gebracht werden
kann. Das Fleisch ist fett und etwas grobfaserig , doch minder
schwammig als beim Bergamasken-Schafe und gilt auch für wolil-
schmeckender als dieses. Fast allenthalben pflegt man die Mutter-
schafe zu melken und die Milch derselben zur Käsebereitung zu
verwenden. Die Käse, welche hieraus gewonnen wird, gilt für über-
aus wohlschmeckend und bildet auch einen wichtigen Artikel des
202 Fitzin^er.
Handels für die Schafzüchter jener Gegenden, da sie weit hin ver-
führt und selbst bis in's ferne Ausland gebracht wird.
In früherer Zeit und bevor noch die spanischen Schafracen in
Deutschland eingeführt waren, wurde das paduanische Schaf häufig
zur Veredlung der deutschen Schafracen und insbesondere in Österreich,
im Fränkischen und in Würtemberg verwendet. Nicht alle Thiere dieser
Race waren aber von gleicher Güte, und man musste jene, welche
sich durch grössere Feinheit der Wolle auszeichneten, auswählen,
wenn man sie zur Veredlung der einheimischen Kacen des Land-
sehafes verwenden wollte. Nach der Einfuhr der Merino -Racen in
Deutschland hat das paduanische Schaf aber bedeutend von seinem
früheren Rufe verloren. Die Schafzüchter betrachten nunmehr seinen
Knochenbau für grob und fehlerhaft, und gaben grösstentheils die
Fortzucht dieser Race auf, da sie die Überzeugung gewinnen muss-
ten, dass dieselbe im Vergleiche zu den spanischen Racen, in der
Ertragsfähigkeit weit zurücksteht , indem sie sowohl im Verhältnisse
zu ihrer Grösse, so wie nicht minder auch zum Verbrauche an Futter,
eine viel zu geringe Menge und kaum mehr als eine mittelmässig gute
Secunda- Wolle liefert. Eben so wenig konnte ein Zweifel darüber be-
stehen, dass die spanischen Racen weit mehr zur Veredlung der deut-
schen Racen des Landschafes geeignet seien, als das in früherer Zeit
so sehr geschätzte paduanische Schaf, indem die Blendlinge, welche
aus der Kreuzung dieses letzteren mit den gemeinen deutschen Racen
hervorgingen, aller jener Vorzüge entbehrten, welche die Nachzucht
der durch Merino-Schafe veredelten deutschen Landschafe in so
hohem Grade besitzt.
Das Münster-Schaf.
(^Ovis catotis monasferiensis.)
Schaaf von den Münsterischen Heyden. Pallas. Beschreib, d, sibir. Schaaf.
p. 62.
Das Münster-Schaf, das seine Benennung nach dem Gebiete von
Münster in der preussischen Provinz Westphalen erhielt , welches
fast die einzige Gegend in ganz Deutschland ist , wo diese Race
gezogen wird, ist den Naturforschern bis jetzt beinahe völlig unbe-
kannt geblieben, da nur ein einziger von ihnen desselben, doch nur
mit wenigen Worten erwähnt und diese Notiz in keiner späteren
über die Racen des zahmen Schafes. 203
Schrift, weder der Naturforseher noch der Ökonomen, irgend eine
Beachtung mehr fand. Aus der kurzen Andeutung, welche Pallas,
der sich um die Kenntniss der Schafracen unendliche Verdienste
erworben, hierüber gegeben, geht hervor, dass es zu den grösseren
Formen unter den Schafen gehöre und hauptsächlich durch folgende
Merkmale ausgezeichnet sei; nämlich lange, ziemlich schlaff herab-
hängende Ohren, hohe Beine, einen langen dünnen Schwanz, und
eine überaus dicke und reichliche wollige Behaarung des Körpers,
die auf dem Scheitel in der Gestalt eines zottigen Busches erscheint.
Diese Merkmale machen es wahrscheinlich , dass das Münster-Schaf
ein Blendling des Hängohrschafes (Ovis catotis) mit dem flandri-
schen Schafe (Ovis Aries miglicus flandricus) sei , wie es denn
auch schon Pallas mit diesen beiden Racen vergleicht. Ist diese
Annahme richtig, so muss dasselbe als ein doppelter Bastard reiner
Kreuzung angesehen werden. Die Beschaffenheit der Wolle dürfte
sonach ungefähr das Mittel zwischen jener der genannten beiden
Racen halten und zu den langen, aber gröberen Wollsorten gehören.
Da diese Race , welche auf den Heideebenen von Münster in
zahlreichen Heerden gezogen wird, sich mit schlechterem Futter
begnügt, nicht sehr empfindlich gegen die Einflüsse der Witterung
ist, daher auch nur einer geringen Pflege bedarf und nicht nur eine
reichliche Menge von zwar keineswegs feiner, doch immerhin sehr
brauchbarer Wolle abwirft, sondern bei ihrer ansehnlichen Grösse
auch in Ansehung der Fleischbenützung sich als sehr ertragsfähig
und nützlich darstellt , so wäre die Zucht derselben den Bewohnern
der ausgedehnten Heideebenen in Nord - Deutschland jedenfalls zu
empfehlen, indem sie offenbar einen weit grösseren Gewinn abwerfen
würde, als das kleine, in den dortigen Gegenden gezogene deutsche
Heideschaf. Überhaupt eignet sich diese Race ganz vorzüglich für
jede trockene und magere Gegend.
Das hochbeinige Schaf.
(Ovis longipes.)
Ovis Aries guineensis. Gmelin. Linne Syst. nat. ed. XHI. T. 1. P. I. p. 198.
Nr. 1. ?. (Zum Theile.)
Ovis gtiineensis. Erxieben. Syst. regn. anim. T. I. p. 2ö3. Nr. 3. (Zum Theile.)
Ovis aries longipes. Des mar. Mamma), p. 489. Nr. 741. Var. A. (Zum Theile.)
204 F i t z i n g e r.
Ori.s arii'S. Mouton a longties jamhes ou le Morvan. Lesson. Man. de Mamnial.
p. 400. Nr. i048. \. (Zum Theile.)
Ovis Aries guineensis. Isid. Geoffroy. Dict. class. d'hist. nat. T. XI. p. 268.
(Zum Theile.)
Citpra Aries Guineensis. Fisch. Syn. Mamma!, p. 492. Nr. 10. i. (Zum Theile.)
Ovis Aries. Var. /. Moruan oder hochbeiniger Ilaiinnel. Tilesius. Hausziege.
Isis. 1833. p. 931. Nr. i. (Zum Theile.)
Ovis Africana. Jardine. Nat. Hist. of Rumin. Anim. P. II. p. 163. (Zum Theile.)
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis. Waf^ner. Sehr eher Säugth. B. V. Th. I.
p. 1433. Nr. 12. VII. (Zum Theile.)
Mouton domestique. Var.u. Ovis aries longipes. Desn)ar. d'Orbigny Dict. d'hist.
nat. T. VIII. p. 414. Nr. 4. a. (Zum Theile)
Das hochbeinige Schaf ist eine höchst ausgezeichnete und ohne
Zweifel für sich selbstständige Art in der Gattung des Schafes, die
so wie die allernieisfen Arten derseli)en, gegenwärtig nirgends mehr
im wilden Zustande angetrolfen wird und vielleicht schon vor Jahr-
tausenden vollständig unter die Herrschaft des Menschen gebracht
worden ist. Es gehört zu den grössten Formen unter den sämmt-
lichen bis jetzt bekannten Schafarten und steht nebst dem lläng-
obr- und dem Fettsteissschafe unter allen zahmen Racen in dieser
Beziehung obenan.
In seiner Gestalt , so wie auch in gewissen einzelnen körper-
lichen Merkmalen , erinnert es lebhaft an manche Ziegenracen und
insbesondere an die mit Hängohren versehenen Formen. Die wesent-
lichsten Kennzeichen, wodurch sich das hochbeinige Schaf von den
übrigen Schafarten unterscheidet, sind die langen, breiten , schlaff
an den Seiten des Kopfes herabhängenden Ohren, die beträchtlich
hohen Beine, der verhältnissmässig lange Schwanz , welcher weit
über das Fersengelenk herabreicht, und die mehr oder weniger kurze,
steife und nur mit sehr wenig Wolle gcnu'schte Behaarung des Kör-
pers. Cuvier hat die Ansicht ausgesprochen, dass es vielleiclit ein
Abkönunling des afrikanischen Halbschafes oder des Tedal (Ammo-
tnujas Tedal) sei , doch widerspricht schon die Anwesenheit von
Thränengruben, welche dem Tedal fehlen , in hohem Grade dieser
Annahme, abgesehen von manchen anderen Merkmalen, welche beide
Formen wesentlich von einander unterscheiden.
Der ursprüngliche Verbreitungshezirk des hochbeinigen Schafes
ist auf den westlichen Tlieil von Afrika beschränkt, wo es von Fezzan
durch Senegamhien, Ober- und Nieder-Guinea , bis in das Damara-
über die Racen des zahmen Schafes. 20 J>
Land nordwärts der Namaqua's gegen Süden hinabreicht. Im Laufe
der Zeiten hat es jedoch eine viel weitere Verbreitung gefunden, da
es durch den Verkehr zwischen den verschiedenen Vülkern nicht
nur in mehrere andere Gegenden von Afrika eingeführt wurde, son-
dern im Wege der ScliiflTahrt auch nach manchen Ländern von
Europa, nach Persien, Ost-Indien, China und selbst nach Amerika und
einigen Inseln der Südsee gelangte. Durch Bastardirung mit einigen
anderen Schafracen und selbst mit einer Ziegenrace, hat das hoch-
beinige Schaf zur Entstehung mehrerer neuen Racen beigetragen,
die sich in ihren Formen bald mehr zu der einen, bald mehr zu der
anderen Form ihrer Stammältern hinneigen.
Man unterscheidet unter dem hochbeinigen Schafe neun ver-
schiedene Racen; das guineische ho chbeinige Schaf (Ovis
lojigipes guineensis), das westindische hochbeinige Schaf
(Ovis lo7igipes Antillariim), das capische hochbeinige Schaf
(Ovis lo?igipes capensis) , das C o n g o - S c h a f (Ovis longipes con-
gensis) , das angolesische Kr opfschaf (Ovis longipes steati-
nion), das guineische Gl oc keusch af ('Ov/s longipes appen-
diculata) , das persische hochbeinige Schaf (Ovis longipes
persica) , das Fezzan- Schaf (Ovis longipes libyca) und das
gemahnte Fezzan-Schaf (Ovis lo?igipes jubata) , von denen
vier als solche Abänderungen zu betrachten sind, welche auf den
Einflüssen des Klima's und der Bodenverhältnisse beruhen , fünf aber
offenbar nur Blendlingsraeen sind.
Das guineische hochbeinige Schaf.
(Ovis longipes guineensis.)
Arics Guineensis seu Angolensis. Marcgr. Hist. rer. nat. Bras. p. 234. fig.
Aries Guineensis. Jonst. Hist. nat. Quadrup. t. 46.
Belier de Guinee. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 359.
Ovis guineensis. Linne. Syst. nat. ed. XH. T. I. P. I. p. 98. Nr. 2.
African sheep. Pennant. Syn. of Quadrup. p. 12.
Indianisches Schaaf. Schaaf von Guinea. Pallas. Beschreib, d. sibir. Seliaaf.
p. 62.
Ovis guineensis. Erxleben. Syst. regn. anim. T. I. p. 253. Nr. 3.
Guineischer Widder. Buffon, Marti ni. Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX. p. 261.
Ovis Aries Adimain. Boddaert. Kleach. Anim. Vol. I. p. 148. Nr. 2. r;.
Ovis Aries guineensis. Gnielin. Linne Syst. nat. ed. XUI. T. I. P. I. p. 198.
Nr. 1. ?.
Sitzh. d. mathem.-nalui-w. CI. XM. Bd. Nr. 14. 14
206 Fitz in per.
ßc'lier de Guine'e. Encycl. nieth. p. 34.
Capra Aries Guineensis. Fisch. Syn. Maminal. p. 492. Nr. 10. t.
Ovis Aries long Ipes. Brandt u. Ratzeburg. Medic. Zool. B. I. p. 60. Nr. III.
Ovis Aries. Var. i. 3Ioruan oder hochbeiniger Hammel. Tilesius. Hausziege.
Isis. 1835. p. 9S1. Nr. 1.
Ovis Africana. Guinea breed. Jardine. Nat. Hist. of Rumin. Anim. P. II. p. 166.
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis. Hochbeiniges oder guineisches Schaf von
Ober- und Unter - Guinea. Wagner. Schreber Säugth. B. V. Th. 1.
p. 1436. Nr. 12. VII.
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis. Emmema oder Guinea- Schaf . Wagner.
Schreber Süugth. B. V. Th. I. p. 1437. Nr. 12. VH. b.
Das guineische hochbeinige Schaf, welches als die Grundform
des hochbeinigen Schafes (Ovis longipes) angesehen werden kann,
bildet eine von jenen Abänderungen dieser Schafart , die in Folge
ihrer geographischen Verbreitung durch klimatische und Bodenver-
hältnisse bedingt sind. Diese Form , weiche über ganz Ober- und
Nieder-Guinea verbreitet ist und bis in das Damara-Land im Norden
der Namaqua's gegen das Cap der guten Hoffnung zu hinabreicht,
zeichnet sich durch folgende Kennzeichen aus. Es ist von ansehn-
licher Körpergrösse und sehr hoch gebaut. Der Kopf ist beträchtlich
gestreckt, die Stirne schwach, der Nasenrücken aber stark gewölbt
und durch eine sehr seichte Einbuchtung von derselben geschieden.
Die Schnauze ist hoch , nach vorne zu sehr stark verschmälert und
der Unterkiefer etwas kürzer als der Oberkiefer. Die Augen, welche
den Ohren weit näher als der Schnauzenspitze stehen, sind von
mittlerer Grösse und sehr hoch gestellt. Die Ohren sind lang,
ungefähr von halber Kopflänge, ziemlich breit, stumpf zugespitzt,
nur sehr wenig zusammengeklappt , beinahe flach und hängen
meist völlig schlaff an den Seiten des Kopfes herab. In der Regel
sind die Widder gehörnt und nur bisweilen werden sie auch hornlos
angetroffen , während die Mutterschafe stets ungehörnt erscheinen.
Die Hörner sind verhältnissmässig ziemlich kurz, doch dick, und ver-
schmälern sich von ihrer zweiten Hälfte angefangen, alimählich gegen
die stumpfe Spitze. Sie sind auf der Innenseite abgeplattet, auf der
Aussenseite gerundet , gegen die Spitze etwas zusammengedrückt
und von einer Längskante durchzogen, und auf der Oberfläche
ringsum bis gegen das glatte Ende von zahlreichen Querrunzeln
umgeben. Von ihrem Grunde an , wo sie sehr weit aus einander
stehen, wenden sie sich in einem ziemlich starken Bogen nach seit-.
über die Racen des zahmen Schafes. 207
ab- und vorwärts, und mit der Spitze nach einwärts, so dass die
Ohren unter und hinter diesem Gewinde herabhängen.
Der Hals ist ziemlich kurz und dick , und vom unteren Theile
des Vorderhalses zieht sich eine schlaffe Wamme bis unterhalb der
Brust herab. Besondere Hautlappen in der Kehlgegend oder soge-
nannte Glöckehen fehlen. Der Leib ist nur wenig gestreckt , nicht
besonders voll und in den Weichen eingezogen, der Bauch etwas
hängend , der Widerrist sehr stark erhaben, der Bücken gerundet
und gesenkt, und die abgerundete, schief abgedachte Croupe niederer
als der Widerrist. Die Beine sind beträchtlich hoch und schlank,
die Hufe nicht besonders kurz und stumpf zugespitzt. Der Schwanz
ist verhältnissmässig von ansehnlicher Länge , reicht bis unter das
Fersengelenk herab und ist in seiner oberen Hälfte kürzer behaart,
in der unteren aber mit langen zottigen Haaren besetzt, wodurch er
gleichsam quastenartig erscheint.
Die Behaarung ist nicht besonders dicht , ziemlich kurz und
lose am Körper anliegend, das Haar grob, straff, nur sehr wenig mit
Wolle gemischt und beinahe durchaus gleichförmig. Nur am Widerrist,
wo es einen Wirbel bildet, an den Schultern und am Vorderhalse,
ist dasselbe länger und tritt etwas zottig, ähnlich einer schwachen
Mähne , an diesen Stellen hervor. Die Färbung ist durchaus nicht
beständig und bietet mancherlei Verschiedenheiten dar, doch erscheint
sie meist bunt, schwarz oder braun auf weissem Grunde gefleckt,
weit seltener dagegen einfarbig , gelblichweiss , rothbraun , grau-
braun oder schwarz. In der Begel ist der Kopf weiss mit einem
grossen schwarzen Flecken an den Seiten, der grösste Theil des
Halses und des Vordertheiles des Leibes schwarz, der Hintertheil
aber weiss mit einzelnen grossen schwarzen Flecken. Oft ist aber
auch der Kopf schwarz, rothbraun oder graubraun, und die eben so
gefärbten Flecken sind von verschiedener Grösse und Form unregel-
mässig über den ganzen Körper vertheilt. Das Schwarz und Braun
der Flecken wechselt in den verschiedensten Tönen und erscheint
bald dunkler und bald lichter, in's Graue, Böthliche und selbst
in's Gelbe ziehend , während das W^eiss , welches die Grund-
farbe bildet, fast immer gelblich überflogen ist. Die Hörner sind
bräunlich hornfarben , bisweilen in's Schwärzliche ziehend , die
Hufe graulichschwarz. Die Iris ist gelblich. Die Körperlänge eines
erwachsenen Widders beträgt 4 Fuss 1 Zoll , die Länge des
14*
208 F i t 7. i n g e r.
Schwanzes 1 Fiiss ö Zoll, die Höhe om Widerrist 3 Fuss, an der
Croupe 2 Fuss 1 1 Zoll.
Das guineische hochhcinige Schiif wird in seiner Heimath in ber-
gigen Gegenden sowohl, als auch in Ebenen, und in den Küstenländern
auch selbst am Strande, in zahlreichen Heerden gehalten. Es erfordert
beinahe durchaus keine Pflege, indem es sich das Futter selbst auf
den Weiden sucht und das ganze Jahr hindurch unter freiem Himmel
zubringt. Seine Fruchtbarkeit ist sehr bedeutend, indem die Mutter-
schafe fast regelmässig auf jeden Wurf zwei Junge bringen. Der
Hauptnutzen dieser Schafart besteht in ihrem Fleische, in ihrer
Milch und in der Haut. Das Fleisch von jenen Schafen, die auf Ber-
gen oder am Strande weiden, wird von Allen, die es genossen, als
sehr wohlschmeckend geschildert, dagegen soll es einen unange-
nehmen Geschmack annehmen, wenn die Heerden auf feuchten oder
moorigen Triften weiden. Die Milch wird von den Einwohnern als
Nahrungsmittel benützt und das Fell zu Leder verarbeitet.
Schon vor Anfang des 17. Jahrhunderts wurde diese Race von
den Portugiesen in den nördlichen Theil von Brasilien eingeführt
und vielleicht noch früher von den Spaniern nach West-Indien.
Später gelangte sie auch im Wege der Schifffahrt nach Persien,
Ost-Indien und China, wo sich ihre Zucht bis zur Stunde noch erhalten
hat, so wie nicht minder auch nach einigen Inseln der Südsee. Aber
auch nach Europa wurde sie schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts
gebracht und insbesondere nach Holland , wo sie mit einigen aus
England dahin eingeführten Racen gekreuzt wurde und zur Ent-
stehung zweier neuen Racen, nämlich des holländischen und flandri-
schen Schafes Veranlassung gegeben hat. In der ersteren Zeit ihrer
Einfuhr nach Europa wurde sie in mehreren der grösseren Menagerien
in Holland, Frankreich und Österreich gehalten und erregte allent-
halben grosses Aufsehen. Sie hielt fast allenihalben nicht nur sehr
leicht und dauernd die Gefangenschaft in unserem europäischen
Klima aus, sondern pflanzte sich in derselben auch so regelmässig
fort , dass die Zuchten durch eine lange Reihe von Jahren sich
erhielten. In einigen dieser Menagerien wurden Versuche angestellt,
dieselbe mit verschiedenen anderen Schafracen und selbst mit dem
gemeinen Muflon zu paaren , die durchaus von einem günstigen
p]rfolge begleitet waren. Der Name, welchen das guineische
hochbeinige Schaf bei den Eingeborenen in Ober - Guinea führt.
über die Raceii des /aliiiien Schales. 209
ist Emmema , während es in Nieder-Guinea Memmerian Bacola
genannt wird.
Das westindische hochbeinige Schaf.
(Ovis longipcs Antillariim.)
Indianisches Schaaf. Schaaf von Weslindien. Pallas. Besclireib. d. sibir.
Schaaf. p. 62.
Das westindische hochbeinige Schaf scheint nach den höchst
nothdürftigen Notizen, welche wir über dasselbe besitzen, vollkom-
men mit dem guineischen hochbeinigen Schafe (Ovis longipcs
f/KineensisJ überein zu kommen und durchaus keinen wesentlichen
Unterschied von demselben darzubieten. Es hat dieselbe Grösse,
dieselben Formen und kommt auch in der Behaarung , so wie auch
in der Färbung, vollständig mit dieser Race überein. Wenn irgend
ein Merkmal hervorgehoben werden kann , wodurch sich das west-
indische von dem guineischen hochbeinigen Schafe unterscheidet, so
ist es wohl einzig und allein nur die fast regelmässige Abwesenheit
der Hörner bei den Widdern, die für ein Racenmerkmal gelten kann,
obgleich man auch beim guineischen hochbeinigen Schafe bisweilen
ungehörnte Widder trifft. Dieser höchst geringe Unterschied beruht
aber lediglieh nur auf den Einflüssen des Klimans und des Bodens,
indem es bekannt ist, dass das guineische hochbeinige Schaf, eben so
wie die platthörnige und die Zwergziege, im Wege der Schifffahrt
durch die Portugiesen zu Anfang des 17. Jahrhunderts in das nörd-
liche Brasilien und durch die Spanier vielleicht schon früher nach
West-Indien gelangte, wo es zumTheile hie und da auf dem Festlande
in Surinam, hauptsächlich aber auf einigen der zu den Antillen
gehörigen Inseln gezogen wird. Die örtliche Verschiedenheit und
veränderten Lebensverhältnisse mögen wohl im Laufe der Zeiten
einige, wenn auch nur sehr unbedeutende Veränderungen bei der
Stammrace hervorgerufen haben.
Es ist zu bedauern , dass Reisende den verschiedenen Racen
unserer Hausthiere in fremden Gegenden so wenig Aufmerksamkeit
schenken und es unterlassen, die Kennzeichen derselben durch eine
kurze Beschreibung fest/Aistellen. Aus diesem Grunde kann man sich
auch in sehr vielen Fällen nur auf Vernuithungen beschränken , da
ein bestimmtes Urtheil nach dem so sehr beschränkten Materiale,
210 Fitiinger.
das uns dermalen zu Gebote steht , bis zur Stunde noch ganz und
gar unmöglich ist.
Das capische hochbeinige Schaf.
(Ovis longipes capensis.)
Capra Äries Guineensis. Fisch. Syn. Mamnial. p. 492. Nr. 10. i.
Aegoceros (Ovis). Ovis guineensis. Wagner. Schreber Säugth. Suppl. B. IV.
p. 512. Nr. 21.
Das capische hochbeinige Schaf dürfte, so unvollständig es auch
bis jetzt bekannt ist , von dem guineischen hochbeinigen Schafe
(Ovis longipes guineensis ) nur sehr Avenig verschieden sein und
scheint in allen seinen wesentlichen Merkmalen mit demselben überein
zu kommen. Da dasselbe keineswegs ursprünglich dem Caplande
angehört, sondern offenbar nur in Folge der Einfuhr dahin gelangte,
so kann mit vollkommener Gewissheit angenommen werden, dass die
geringen Unterschiede, welche sich vielleicht zwischen ihm und dem
guineischen hochbeinigen Schafe ergeben , nur Folge von den
Einflüssen sind, welche das Klima und die Verhältnisse des Bodens
auf die eingeführte Stammrace genommen haben. Ob übrigens das
guineische hochbeinige Schaf unmittelbar von Guinea aus in das
Capland gelangte, oder ob es, wie dies fast wahrscheinlicher ist,
durch den Verkehr mit den Eingeborenen aus dem Damara- Lande
dahin gebracht wurde, das an der Westküste von Afrika im Norden
des Namaqua-L'.mdes liegt, ist nicht mit voller Sicherheit bekannt.
Eben so wenig kennt man auch den Zeitpunkt dieser Einfuhr, obgleich
es jedenfalls gewiss ist, dass derselbe keineswegs sehr weit zurück-
reicht.
Übrigens scheint die Zucht dieser Race im Caplande nicht sehr
ausgedehnt zu sein und lediglich nur von einigen wenigen Bauers-
leuten betrieben zu werden, da es die meisten derselben für weit
vortheilliafter halten, solche Schafracen zu ziehen, welche reichlich
mit Wolle bekleidet sind und daher auch einen weit grösseren Ertrag
abwerfen, als das guineische hochbeinige Schaf, dessen kurzhaariges
Fell blos zur Lederbereitung verwendet werden kann und bei dem
sich der Hauptertrag nur auf das Fleisch allein beschränkt. Aller-
dings ist derselbe aber bei der Grösse dieser Race von Bedeutung,
wiewohl das Fleisch bei der höchst geringen Anlage derselben zum
über die Raceii des zahmen Schafes. >v 1 1
Fettansätze, weit minder wohlschnieckend als das Fleisch anderer
Schafraeen ist, die im Caplande in zahlreichen Heerden gezogen
werden.
Das Cougü-Schaf.
(Ovis longipes congensis.)
Brehisdes Indes. Buffon. Hisf. nat. T. XI. p. 3ö9. t. 36.
Adimain ou grande brehis des Indes. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 362.
Belier des Indes. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 392. t. 34.
Ovis guineensis. Linne. Syst. nat. ed. XII. T. 1. P. I. p. 98. Nr. 2.
Indianisches Schaaf. Pallas. Beschreib, d. sibir. Schaaf. p. 62.
Ovis guineensis. Erxleben. Syst. regn. anim. T. I. p. 253. Nr. 3.
Schaf aus Indien. Buffon. Marti ni. Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX. p. 260,
261. t. 16, 18.
Adimain oder grosses Schaf aus Indien. Bufi'on, Martini. Naturg. d. vierf.
Thiere. B. IX. p. 265.
Ovis Aries Adimain. Boddaert. Eiench. .Anim. Vol. I. p. 148. Nr. 2. vj.
Ovis Aries guineensis. Gnielin. Linne Syst. nat. ed. XIII. T. I. P. 1. p. 198.
Nr. I. ?.
Adimain ou grande brebis des Indes. E n c y c 1. ni e t h. p. 35.
Belier des Indes. Encyel. meth. t. 48. f. 3.
Ovis Aries guineensis. Var. a. Sehr eher. Säugth. t. 294. A.
Ovis rustica. Guinea Schaaf. Walther. Racen u. Art. d. Schaafe. Annal. d.
wetterau. Gesellsch. B. II. p. 72. b.
Ovis rustica. Schaaf aus Sabu. Walther. Racen u. Art. d. Schaafe. Annal. d.
wetterau. Gesellsch. B. II. p. 78. m.
Domestic Sheep. Congo breed. Ham. Smith. Griff. Anim. Kingd. Vol. IV.
p. 326.
Capra Aries Guineensis. Fisch. Syn. Mammal. p. 492. Nr. 10. i.
Capra Aries Guineensis Cotigejisis. Fisch. Syn. Mammal. p. 6öl. Nr. 10, i. e.
Ovis Aries longipes. Brandt u. Ratze bürg. Medic. Zool. B. I. p. 60. Nr. III.
Ovis Aries. Var. i. Moruan oder hochbeiniger Hammel. Tilesius. Hausziege.
Isis. 1835. p. 951. Nr. 1.
Ovis Africana. Congo breed. Jardine. Nat. Hist. of Rumin. Anim. P. II.
p. 166.
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis. Congo - Schlag. Wagner. Schreber
Säugth. B. V. Th. I. p. 1438. Nr. 12. VII. c.
Ovis aries congensis. Reich enb. Naturg. Wiederk. t. 58. f. 329.
Ovis aries indicus. Reich enb. Naturg, Wiederk. t. 58. f. 330.
Hausschaaf. Ovis Aries. Var. guineensis. Schaaf von Guinea. Popp ig. Illustr.
Naturg. B. I. p. 265. Nr. 5. f. 965. sinistra p. 261.
Das Congo-Schaf kann als ein Blendling betrachtet werden, wel-
cher aus der Vermischung des guineischen hochbeinigen Schafes
2 J 2 F i t z i n g e r.
(OiHS lotigipes (juiueensisj mit der tliebnischen Ziege (Hircits
ihehaicus) hervorgegangen ist, wie dies aus seinen Merkmaien
ziemlieh deutlich zu erkennen ist, und dürfte sonach ein einfacher
Bastard reiner Kreuzung sein. Es ist von grosser Statur und überaus
hoch gebaut. Der Kopf ist langgestreckt und die gewölbte Stirne
geht unmittelbar in den ausserordentlich stark gebogenen Nasenrücken
über. Die Schnauze ist hoch, nach vorne zu beträchtlich schmal und
der Unterkiefer von derselben Länge wie der Oberkiefer. Unmittel-
bar vor dem vorderen Augenwinkel befindet sich eine ziemlich starke
Aushöhlung. Die Augen sind von mittlerer Grösse, stehen hoch am
Kopfe und nur in geringer Entfernung von den Ohren. Die langen,
ziemlich breiten, stumpf abgerundeten Ohren, welche abgeflacht und
länger als der halbe Kopf sind, hängen nicht sehr schlaff und bis-
weilen etwas nach vorwärts gerichtet, an den Seiten desselben
herab. Nur das Männchen ist gehörnt, das Weibchen aber immer
hornlos. Die Hörner sind klein, kurz und ziemlich dünn, wobei
sie sich nur wenig und allmählich gegen die stumpfe Spitze zu
verschmälern. Auf der Innenseite sind dieselben abgeplattet, auf
der Aussenseite aber von der Basis an gerundet, gegen die Spitze
zu jedoch etwas zusammengedrückt und von einer Längskante durch-
zogen, wodurch zwei schief abfallende Flächen gebildet werden. Sie
stehen an ihrem Grunde sehr weit von einander entfernt und beugen
sich, ohne sich über den Scheitel zu erheben, in einem sanften
Bogen nach aus- und rückwärts, und mit der Spitze wieder nach
einwärts, so dass die Ohren zwischen denselben herabhängen, Ihre
Oberfläche ist am Grunde der Quere nach gerunzelt, im weiteren
Verlaufe aber beinahe glatt.
Der Hals ist lang und dünn, und am Vorderhalse unterhalb der
Kehle, hängen ähnlich wie bei manchen Ziegenracen, zwei schlaffe
behaarte Hautlappen oder sogenannte Glöckchen herab. Eine ziem-
lich schlaffe Wamme zieht sich am unteren Theile des Vorderhalses
bis unter die Brust. Der Leib ist kurz, gedrungen und mager, mit
eingefallenen Seiten und in den Weichen eingezogen, der Widerrist
ziemlich stark vorspringend , der Rücken schneidig und schwach
gesenkt, und die durch die vorstehenden Hüften eckige Croupe abge-
schliffen und etwas niederer als der Widerrist. Die Beine sind sehr
hoch und schlank, die Hufe nicht besonders kurz und stumpf zuge-
spitzt. Der verhältnissmässig lange dünne Schwanz, welcher tief
über die h;ici'ii de» /.almiea Schafes. 213
bis unter das Fersengelenk herabreicht, ist seiner grössten Länge
nocb mit kurzen, glatt anliegenden Haaren besetzt, gegen die Spitze
zu aber meistens länger und beinahe quastenartig behaart, bisweilen
aber auch fast völlig kahl. Die Behaarung besteht aus nicht sehr
dicht gestellten, kurzen groben, stratTen, glatt anliegenden Haaren,
die nur an der Kehle, dem Vorderhalse und längs der Wamme bis
unterhalb der Brust zuweilen etwas länger sind.
Die Färbung bietet mancherlei Verschiedenheiten dar. Gewöhn-
lich sind die Stirne, die Schnauzenspitze, die Augenbrauengegend,
die Innenseite der Ohren, das Hinterhaupt und die Gegend um die
Halslappen grau , und eben so die vorderen Beuggelenke und ein
Längsstreifen an der Aussenseite der Beine. Der Scheitel, ein Kreis
um die Augen, die Aussenseite der Ohren und der grösste Theil des
Unterkiefers, so wie auch die Kehle, die Halslappen, die Seiten und
der hintere Theil der Oberseite des Halses, sind dunkler oder heller
gelbbraun und eben so der Rücken, die Seiten und die Kreuzgegend,
die Schultern, die Aussenseite der Oberarme und der Schenkel, und
die Beine, jedoch mit einigen dunkelbraunen Stellen, insbesondere
aber an der Aussenseite der vorderen Beuggelenke und an den
Seiten des Leibes, wo sich gewöhnlich ein grosser brauner Flecken
befindet. Die Innenseite der Vorderarme und der Schenkel ist fast
durchgehends braun und eben so die Vorderseite der Beine. Die
Seiten des Kopfes, die Gegend oberhalb der Augen und um die Hörner,
so wie der vordere Theil der Oberseite des Halses und das Kinn sind
schwärzlich, die Unterseite des Halses und der Vordertheil der Brust
kastanienbraun, der Hintertheil der Brust und der Bauch gelbbraun,
und an manchen Stellen blasser und selbst sogar in's Weissliche
ziehend. Der Schwanz ist in seinem oberen Drittel aus Gelbbraun
und Grau gemischt , die beiden letzten Drittel desselben sind
schmutzig weiss mit einem schwachen gelblichen Anfluge. Sehr oft
kommen auch einzelne Thiere vor, bei denen die Grundfarbe weiss
ist und die mit grossen unregelmässigen Flecken von rothbrauner
Farbe besetzt sind. Die Hörner und Hufe sind schwärzlich, die Iris
ist gelblich. Die Körperlänge eines erwachsenen Widders beträgt
4 Fuss 1 Zoll, die Länge des Schwanzes 1 Fuss 5 Zoll, die Höhe
am Widerrist 2 Fuss 11 1/3 Zoll, an der Croupe 2 Fuss 11 Zoll.
Das Congo-Schaf wird in Nieder-Guinea oder Congo in grosser
Anzahl gehalten und versieht die dortigen Bewohner nicht nur mit
214 Fitzinger.
Fleisch und mit Milch, sondern liefert ihnen auch durch sein Fell
ein sehr geschätztes Leder. Von dort nus wurde es schon seit langer
Zeit her auch nach Ostindien verpflanzt, und gelangte nicht selten
aus dieser seiner neuen Heimath im Wege der Schifffahrt nach
Europa, daher es daselbst auch unter dem Namen indisches Schaf
bekannt ist. Das auf der in der Nähe von Neu-Guinea gelegenen
Insel Sabu gezogene Schaf gehört wahrscheinlich zur selben Race
und ist wohl schon in früher Zeit und bevor noch Cook diese Insel
entdeckte, entweder unmittelbar von Congo aus, oder vielleicht von
Ost-Indien durch Schifl'e dahin gelangt. So viel ist jedenfalls gewiss,
dass es Cook bereits bei den dortigen Eingeborenen vorfand.
In früherer Zeit wurde das Congo-Schaf ziemlich häufig in die
Thiergärten der Regenten nach Europa gebracht und insbesondere
waren es die Menagerien zu Versailles und im Haag, welche dasselbe
mehrmals besassen. In neuerer Zeit ist es auf dem europäischen Con-
tinente ziemlich selten geworden, doch erhielt noch im Jahre 1846
die kaiserliche Menagerie zu Schönbrunn ein schönes männliches Thier
dieser Race, das leider nur ein einziges Jahr am Leben erhalten werden
konnte. Es ist überhaupt sehr wahrscheinlich, dass das Congo-Schaf,
welches an ein so heisses Klima gewohnt ist, in den Ländern unseres
Erdstriches nicht sehr lange auszuhalten im Stande sei, wenn es nicht
mit grosser Sorgfalt gegen die Einflüsse der Witterung geschützt wird.
Bei sorgfältge Piflege hingegen könnte es wohl eben so gut aushalten,
als das guineische hochbeinige Schaf, das schon mehrmals durch eine
ziemliche Reihe von Jahren in der Gefangenschaft bei uns gehalten
wurde und sich in derselben sogar auch häufig fortgepflanzt hat.
Das angolesische Kropfschaf.
(Ovis longipes steatinion.)
Ovis steatinion. Zvnu or Goitered Shcep of Angola. Ham. Smith. Griff.
Anim. Kingd. Vol. IV. p. 327. fig.
Capra Aries Gnineensis Stcntinion.Fisch. Syn. Mammal. p. 65i. Nr. 10. t. e.
Ovis Africana. Ztaiu or Goitered breed. Jardine Nat. Hlst. of Ruinin. Anim.
P. II. p. 167 fig.
Aegoceros Ovis gntturosa. Wagner. Schreber Säugth. B. V. Tli. I. p. 1440.
1441. Nr. 12. VIII.
Ovis aries stirps steatinion. Re ichenb. Naturg. Wiederk. t. 57. f. 319.
Das angolesische Kropfschaf, welches in seinen körperlichen
Formen manche Ähnlichkeit mit dem Congo-Schafe darbietet, aber
über die RHCen Jes zahmen Schafes. 215
entfernt auch an das persische Stummelschwanzschaf erinnert,
scheint eineBlendlingsrace zu sein, welche aus der Vermischung des
Congo-Schafes ('Oi'/s longipes congensisj mit dem madagaskarischen
Stummelschwanzschafe (Ovis pachycerca madagascariensis) her-
vorgegangen sein dürfte. Ist diese Annahme richtig, so muss das-
selbe für einen sechsfachen Bastard gemischter Kreuzung angesehen
werden. Es ist von nicht sehr hoher Statur und zeichnet sich haupt-
sächlich durch die eigenthümliche Bildung seines Kopfes aus. Der-
selbe ist massig lang und endiget in eine nicht sehr hohe, nach vorne
zu sehr stark verschmälerte Schnauze. Der Unterkiefer ist nur
wenig kürzer als der Oberkiefer. Die Stirne ist überaus stark
gewölbt und durch eine tiefe Einbuchtung von dem nur massig
gewölbten Nasenrücken geschieden. Am Hinterhaupte ist eine sehr
bedeutende Fettmasse abgelagert, welche einen beträchtlich hohen
und bis zu den Ohren reichenden Wulst bildet. Auch die Wangen
sind mit Fett ausgefüllt und eine ziemlich grosse, beinahe kropfartige
Fettablagerung befindet sich unterhalb der Kehle. Die Augen sind
von mittlerer Grösse, die Ohren ziemlich lang und breit, kürzer als
der halbe Kopf, von eiförmiger Gestalt, nur sehr schwach zusam-
mengeklappt, beinahe flach und fast völlig schlaff an den Seiten des
Kopfes herabhängend. Nur die W^idder sind gehörnt, die Schafmütter
aber immer hornlos. Die Hörner, welche an ihrer Wurzel weit von
einander entfernt stehen, sind klein, kurz und schmächtig, und ver-
schmälern sich allmählich gegen die stumpfe Spitze. Sie wenden sich
schon von ihrem Grunde angefangen und ohne sich über den Scheitel
zu erheben, in einem sanften Bogen nach aus- und rückwärts, und
mit der Spitze nach vor-, ein- und etwas nach aufwärts. Ihre Ober-
fläche ist nur an der Wurzel von Querrunzeln umgeben, im weiteren
V^erlaufe aber glatt.
Der Hals ist massig lang und ziemlich dünn, doch ohne schlaffen
Hautlapperi oder sogenannten Glöckchen in der Kehlgegend. An der
Vorderseite desselben zieht sich eine ziemlich schlaffe Wamme bis
unterhalb der Brust herab. Der Leib ist eher etwas gedrungen als
gestreckt, nicht besonders voll und in der Weichengegend ein-
gezogen, der Widerrist ziemlich stark erhaben, der Rücken nur
wenig gerundet und gesenkt, und die etwas eckige, abgeschliffene
Croupe niederer als der Widerrist. Die Beine sind verhältnissmässig
nicht besonders hoch, massig schlank und kräftig, die Hufe nicht
216 F i t z i n g e r.
sehr kurz und stumpf zugespitzt. Der verhältnissmassig hinge und
ziemh'ch dünne Schwanz, welcher tief bis unter das Fersengelenk
herahhängt und heinahe bis an die Fessel reicht, ist seiner grössten
Länge nach mit kurzen glatt anliegenden Haaren besetzt, gegen die
Spitze zu aber länger behaart. Der Kopf, die Ohren und die Beine
sind kurz und glatt anliegend behaart, der übrige Körper aber ist
mit etwas längeren und lockereren, dicht gestellten, straffen, groben
und glänzenden Haaren besetzt, die am Halse am längsten und auch
mehr gelockert sind. Der Hals, der Rücken und die Leibesseiten sind
hell röthlichbraun, und eben so die Ohren und die Oberseite des
Schwanzes. Der Kopf, die Kehle, die Brust, der Bauch, die Unter-
seite des Schwanzes und die Beine sind weiss.
Das angolesische Kropfschaf wird, so viel bis jetzt bekannt ist,
nur in Angola an der Westküste von Afrika gezogen. Es wird daselbst
in ziemlich zahlreichen Heerden gehalten, die das ganze Jahr hin-
durch unter freiem Himmel zubringen und denen nur eine sehr geringe
Pflege von Seite ihrer Hirten zu Theil wird. Die Bewohner geniessen
die Milch und das Fleisch, und benützen auch das Feil, das sie ger-
ben und als Leder verarbeiten. Es scheint, dass die Entstehung dieser
Race, welche in ihrer Heimath den Namen Zunu führt, nicht sehr
weit und kaum über den Anfang des verflossenen .fahrhunderts
zurückreicht. Doch wurde sie schon vor geraumer Zeit im Wege der
Schifffahrt nach Persien gebracht, wo sie durch Vermischung mit
dem Stummelschwanzschafe zur Entstehung einer neuen Race Veran-
lassung gegeben hat.
Das guineische Gloekenschaf.
{Ovis longipes appetidiculata.)
nrelns des Indes. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 3S9, 360.
Adimnin oit f/rande brcbis des Indes. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 362.
Bäier des Indes. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 396. t. 35.
Ovis guineensis. L i n n e. Syst. naf. ed. XII. T I. P. 1. p. 98. Nr. 2.
Indianisches Schaaf. Pallas. Beschreib, d. sibir. Schaaf. p. 62.
Oins guineensis. Erxieben. Syst. regn. aniin. T. T. p. 253. Nr. 3.
Schaf ans Indien. Buffon, Martini. Naturg. der vierf. 'riiiorc. B IX.
p. 260, 26t. t. 17.
Adimain oder grosses Schaf ans Indien. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf.
Thicre. B. IX. p. 265.
Oeis Aries Adimain. Boddacrl. Eleiicii. Aniui. Vol. I. p. 148. Nr. 2. »j.
über die Racen des zahmen Schafes. 217
Ovis Aries guineensis. Gnielin. Linne Syst. iiitt. ed. XIII. T. I. I*. I. p. 198. i,.
Adimain ou gründe brebis des Indes. E n c y c I. in e t h. p. 35.
Ovis Aries guineensis. Var. b. Seh re ber. Säugth. t. 294. B.
Ovis ritstica. Guinea Schaaf. Walther. Racen u. Art. d. Schaafe. Aiinal. d.
wetterau. Geselisch. B. II. p. 72. b.
Cnpra Aries Guineensis. Fisch. Syn. Hammal. p. 492. Nr. 10. i.
Ovis Aries longipes. Brandt u. Ratzeburg. Äledic. Zool. B. 1. p. 60. Nr. IM.
Ovis Aries. Var. 1. Moruan ode r hochbeiniger Hammel. Tilesius. Haiisziege.
Isis. 1835. p. 951. Nr. 1.
Ovis Africuna. Jardine. Nut. Hist. of Rumin. Anim. P. II. p. 1(53.
Aegoeeros Ovis longipes s. guineensis. Congo - Schlug. Wagner. Sclirelfci'
Siiiigth. B. V. Th. I. p. 1439. Nr. 12. VII. e.
Ovis aries guineensis s. longipes. Reichen b. Naturg. Wiederk. t. 58. f. 328.
Hausschaaf. Ovis Aries. Var. guineensis. Schaaf von Guinea. Popp ig. Iliuslr.
Naturg. B. I. p. 265. Nr. 5. f. 965. dextra p. 261.
Das guineische Gloekeuschaf ist aller Waiirscheinlichkeit nach
rill Blendling, der auf der Kreuzung des guineischen hochbeinigen
Schafes (Ovis longipes guineensis) mit dem Congo-Schafe (Ovis
longipes congensis) beruht und daher ein eitifacher Bastard ge-
mischter Kreuzung. Es ist ungefähr von derselben Grösse, wie das
letztere und fast eben so hoch gebaut. Der Kopf ist gestreckt, doch
etwas kürzer als beim guineischen Schafe und die gewölbte Stirne
geht fast unmittelbar in den gleichfalls ziemlich stark gewölbten
Nasenrücken über. Der Unterkiefer ist beinahe von gleicher Länge
mit dem Oberkiefer. Die mittelgrossen Augen sind hoch am Kopfe
und nicht ferne von den Ohren gestellt. Die Ohren sind lang, unge-
fähr von der halben Länge des Kopfes, ziemlich breit, stumpf zuge-
spitzt, beinahe vollkommen abgeflacht und hängen fast schlaff an
den Seiten des Kopfes herab. Das Männchen ist in der Regel gehörnt,
das Weibchen aber immer hornlos. Die Hörner sind verhältniss-
mässig klein, ziemlich kurz und dünn, und verschmälern sich nur
wenig und allmählich gegen die stumpfe Spitze hin. Von ihrem
Grunde an, wo sie sehr weit aus einander stehen, wenden sie sich,
ohne sich über den Scheitel zu erheben, in einem ziemlich stark
gekrümmten Bogen und immittelbar vor den Ohren nach seit-, rück-
ab- und vorwärts, und kehren die Spitze wieder nach auf- und nach
einwärts. Ihre Oberfläche ist in der unteren Hälfte von zahlreichen
Querrunzeln umgeben, in der oberen aber glatt.
Der Hals ist ziemlich kurz und dick, und am unteren Theile
des Vorderhalses zieht sich eine ziemliche schlafi'e Wamme bis unter
218 Fitzinger.
die Brust. Unterhalb der Kehle hängen zwei schlaffe Hautlappen
oder sogenannte Glocken herab, welche ungefähr eine Länge von
2 Zoll 8 Linien haben. Der Leib ist nur wenig gestreckt und ziem-
lich mager, die Seiten sind etwas eingefallen, die Weichen einge-
zogen. Der Widerrist ist stark vorspringend, der Rücken schwach
gerundet und gesenkt, und die Croupe ziemlich abgerundet, schief
abgedacht und etwas niederer als der Widerrist. Die Beine sind
sehr hoch und schlank, die Hufe ziemlich lang und stumpf zuge-
spitzt. Der Schwanz ist verhältnissmässig lang und dünn, und reicht
bis über das Fersengelenk herab. In den beiden oberen Drittheilen
seiner Länge ist er mit kurzen glatt anliegenden Haaren besetzt, im
letzten Drittel aber länger und heinahe quastenartig behaart. Die
Behaarung ist ziemlich dicht und besteht grösstentheils aus steifen
groben Haaren, die nur mit sehr wenig Wolle gemischt sind. Der
Kopf, die Ohren und die Unterfüsse sind kurz und glatt anliegend,
der Rücken, die Leibesseiten, die Oberarme und die Schenkel etwas
länger und lockerer behaart. Am Halse, dem Widerriste, an den
Schultern, auf der Brust und unterhalb des Vorderbauches ist das
Haar beträchtlich länger, zottig und schwach gekräuselt. Die Fär-
bung ist immer buntscheckig, und erscheint gelb- oder rothbraun
oder auch schwarz auf schmutzig weissem Grunde gefleckt. Die
dunkleren Flecken sind meistens gross, doch unregelmässig gestaltet
und vertheilt. Der Kopf ist in der Regel weiss und von derselben
Farbe sind auch die Unterfüsse und der grossere Theil der unteren
Hälfte des Schwanzes; das Wollhaar ist grau. Hörner und Hufe sind
schwarzgrau, die Iris ist gelblich.
Das guineische Glockenschaf wird sowohl in Ober- als Nieder-
Guinea gezogen, und wurde schon vor geraumer Zeit auch in Ost-
Indien heimisch gemacht. Von dort her stammte auch jener Widder,
(.\en Daubenton in Paris zu sehen Gelegenheit hatte und von
welchem er eine kurze Beschreibung, so wie auch eine Abbildung
im Buffon'schen Werke veröffentlichte. Seit jener Zeit ist diese
Race wohl nur sehr selten mehr lebend nach Europa gelangt, denn
meistens war es das reine, noch unvermischte guineische Schaf,
welches in den verschiedenen Thiergärten von Holland, England,
Frankreich und Österreich gehalten wurde. Wagner, der das
guineische Glockenschaf nicht für eine Blendlingsrace betrachtet, ist
der Ansicht, dass es nur eine durch äussere Einflüsse hervorgerufene
f
Übfr die Racen des zfihmen Schafes. 219
Abänderung des guineischen hochbeinigen Schafes sei, indem er es
für wahrscheinlich hält, dass mit der Ausbreitung der schwarzen
Farbe, die Hörner an Grösse abnehmen, die Ohren schlaffer werden
und sich besondere Hautlappen in der Kehlgegend entwickeln.
Das persische hochbeinig-e Schaf.
(Ovis longipes persica.)
Ovis Peregrina. Jon st. Hist. nat. Quadrup. t. 22.
Mouton de Perse. Tavernier. Voyage. T. II. p. 379.
Brebis de Perse. Buffon. Hist. nat. T. XI. p. 357.
Brebis ä grosse queite de Perse. ß uff on. Hist. nat. T. XI. p. 362.
Schaf aus Persien. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX. p. 256.
Schaf mit dickem Schwänze aus Persien. Buffon. Martini. Naturg. d.
vierf. Thiere. B. IX. p. 264.
Brebis ä grosse queue. E n c y ei. me th. p. 35.
Ovis Africana. Persian Sheep. Jardine. Nat. Hist. of Rumin. Anim. P. II.
p. 164. t. 16.
Ovis aries persicus. R e i chenb. Naturg. Wiederk. t. 58, f. 325.
Das persische hochbeinige Schaf ist eine wohl erst in neuerer
Zeit entstandene ßlendiingsrace , welche auf der Vermischung des
guineischen hochbeinigen Schafes (Ovis longipes guineensisj mit
dem persischen Stummelschwan^schafe (Ovis pachycevca persica)
beruht und daher ein sechsfacher Bastard gemischter Kreuzung
zu sein scheint. Diese höchst ausgezeichnete und ihren äusseren
Merkmalen zu Folge der Gruppe des hochbeinigen Schafes beizu-
zählende Race weicht von allen übrigen zur selben Gruppe gehö-
rigen Formen am meisten ab und erinnert durch die eigenthüm-
liche Bildung seines Schwanzes an manche Formen des Fettschwanz-
schafes, obgleich seine Abstammung durchaus eine verschiedene ist
und die Fettablagerung an diesem Körpertheile vom Stummelschwanz-
schafe auf dieselbe überging. In seiner Gesammtform hat es im
AI gemeinen grosse Ähnlichkeit mit dem guineischen hochbeinigen
Schafe und kommt mit demselben beinahe auch in der Grösse über-
ein. Sein nicht sehr grosser Kopf ist etwas gestreckt , die Stirne
ziemlich stark gewölbt und eben so der Nasenrücken, der durch eine
seichte Einbuchtung von der Stirne geschieden wird. Die Schnauze
ist verhältnissmässig hoch und ziemlich schmal , der Unterkiefer
etwas kürzer als der Oberkiefer. Eine deutlich bemerkbare Fett-
220 FKzin^er.
Kiihaufung ist auf dem Hiiiterhaupte und insbesondere in der Wan-
gengegend abgelagert. Die Augen sind von mittlerer Grösse und
ziemlich hoch gestellt, die Ohren lang, fast von der halben Länge
des Kopfes, massig breit, stumpf abgerundet, beinahe flach und fast
völlig schlalT an den Seiten "des Kopfes herabhängend. Widder
sowohl als Mutterschafe sind vollkommen hornlos.
Der ziemlich kurze, dicke Hals bietet am unteren Theile seiner
Vorderseite eine massig starke scblalTe Wamme dar, welche bis
unterhalb der Brust verläuft, doch befinden sich keine schlaffen
Hautlappen oder sogenannte Glöckchen in der Kehlgegend. Der
Leib ist deutlich gestreckt und ziemlich voll, der Widerrist stark
erhaben, der Rücken gerundet, gesenkt und gegen das Kreuz zu auf-
steigend, die Croupe rund, voll und etwas höher als der Widerrist.
Die Brust ist massig breit, die Weichengegend schwach einge-
zogen, der Bauch etwas hängend. Die Beine sind verhältnissmässig
hoch und schlank, doch stark und kräftig, die Hufe ziemlich lang
und zugespitzt. Der mittellange, schlaff herabhängende Schwanz,
welcher nahe bis an das Fersengelenk reicht, ist ringsum mit kur-
zen, glatt anliegenden Haaren besetzt und wird seiner ganzen Länge
nach von einer Fettmasse umgeben, die an der Wurzel weniger als
im weiteren Verlaufe hervortrilt, daher er auch oben beträchtlich
schmäler, als gegen das breite, stumpf abgerundete Ende zu er-
scheint. Gesicht, Ohren und Beine sind mit sehr kurzen, die übrigen
Körpertheile aber mit etwas längeren, groben, straffen und glatt
anliegenden glänzenden Haaren bedeckt, die ziemlich dicht gestellt
und nur mit sehr wenig Wolle gemischt sind. Die Färbung des
Kopfes und des grössten Theiles des Halses ist tief Sammtschwarz,
während der übrige Körper scharf abgeschieden weiss erscheint.
Die Hufe sind schwarz. Der Fettschwanz erreicht ein Gewicht von
10 — 12 Pfund, wovon S — 6 Pfund auf die Fettmasse entfallen.
Das persische hochbeinige Schaf wird, so viel bis jetzt bekannt
ist, nur in Persien, wo diese Race auch entstanden isl, gezogen. Es
wird theils in ebenen, theils aber auch in gebirgigen Gegenden
gehalten, und hie und da trifft man auch gi-össere Hcerden von dem-
selben an. Den Sommer bringen dieselben in den höher gelegenen
Gegenden, den Winter in den Thälern zu, wo sie gegen Kälte mehr
geschützt sind; doch weiden sie das ganze Jahr hindurch stets unter
freiem Himmel. Die Hirten verwenden viele Sorgfalt auf die Pflege
über Hie Racen des zahmen Schafes. 221
ihrer Heerden und suchen dieselben mit Hilfe ihrer Hunde gegen die
Anfälle von Raiibthieren zu schützen. Der Hauptertrag dieser Race
bestellt in dem Fleische, das saftig, keineswegs besonders fett und
auch überaus wohlschmeckend ist. Auch die Milch und das Fell
werden benützt, und die Haut als Leder verarbeitet. Zu den Vor-
zügen derselben gehört auch die Fruchtbarkeit der Schafmütter, die
ein Erbtheil des guineischen hochbeinigen Schafes ist, denn häufig
bringen dieselben so wie dieses, zwei Junge auf einen Wurf zur
Welt, Nach Europa scheint das persische hochbeinige Schaf bisher
nur ein einziges Mal lebend, und zwar nach Edinburgh in Schottland
gebracht worden zu sein.
Das Fezzan-Schaf.
(Ovis longipes libyca.)
Indianisches Schaaf. Schaaf von der Saharischen Wüste. Pallas. Beschreib.
d. sibir. Schaaf. p. 62.
Moiäoii a longues jambes. Fr. Cuvier et Geoffroy. Hist. nat. d. Mammif. tab.
Capra Aries Guineensis. Fisch. Syn. Mammal. p. 492. Nr. 10. t.
Ovis Aries longipes. Brandt u. Ratzeburg. Medic. Zool. B. I. p. 60. Nr. III.
Ovis Africana. Jardine. Nat. Hist. of Rumin. Anim. P. II. p. 163.
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis. Hochbeiniges oder guineisches Schaf
vonFezzan. Wagner. Schreber Säugth. ß. V. Th. I. p. 1433. Nr. 12. VII.
Ovis aries guineensis s. longipes. Reichenb. Naturg. Wiederk. t. 38. f. 326.
Das Fezzan-Schaf ist so wie das guineische, nur eine auf klima-
tischen und Bodenverhältnissen beruhende Abänderung des über
einen grossen Theil von West - Afrika verbreiteten hochbeinigen
Schafes (Ovis longipes). In seinen körperlichen Formen kommt es
vollständig mit demselben überein und die Hauptunterschiede, welche
sich zwischen diesen beiden Racen ergeben, bestehen in der ver-
schiedenartigen Behaarung und der etwas geringeren Grösse. Beim
Fezzan-Schafe sind der Kopf sammt den Ohren und die Unterfüsse
bis über das Hand- und Fersengelenk hinauf, mit kurzen glatt anlie-
genden Haaren besetzt, während die übrigen Theile des Körpers
merklich länger und etwas zottig behaart sind. Am längsten ist das
Haar auf dem Widerriste, wo es einen mächtigen Wirbel bildet und
sich strahlenförmig auseinander breitet, etwas kürzer dagegen an
der Vorderseite des Halses längs der Wamme bis zur Brust, so wie
auch an den Seiten des Halses und den Schultern. Die Färbung ist
Sitzh. d. mathem.-iiaturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 14. 1j
222 F i t z i n g: e r.
meistens gelblichweiss, mit einigen grossen, unregelmässigen schwar-
zen Flecken, das Gesicht rein weiss, mit einem grossen langgezo-
genen schwarzen Flecken, der die Kopfseiten einnimmt, sieh über
die Augen und Ohren verbreitet, und hinter dem Hinterhaupte
zusammenfliesst. Der Schwanz ist meistens schwarz und gewöhnlich
befindet sich auch ein kleinerer schwarzer Flecken oberhalb der
Handgelenke, auf den Fersengelenken und an der Halswamme ober-
halb der Brust. Die Hörner sind bräunlich hornfarben , die Hufe
graulichschwarz. Die Iris ist gelblich. Die Schulterhohe eines
erwachsenen Männchens beträgt 2 Fuss 8 Zoll.
Das Fezzan-Schaf wird in den gebirgigen Gegenden der Land-
schaft Fezzan im östlichen Theile der Wüste Sahara gezogen und
wahrscheinlich auch im Gebiete der Tibbu's, das im Südosten von
Fezzan liegt, so wie nicht minder auch in Senegambien. Nach Europa
ist diese Race, so viel man weiss, bisher nur ein einziges Mal
gebracht worden, indem der französische Consul in Tunis um das
Jahr 1815 einen erwachsenen Widder, den er aus Fezzan erhalten
hatte, in die königliche Menagerie im Jardin des plantes nach Paris
sandte. Alles, was uns über diese Race bekannt ist, verdanken wir
der Beschreibung und Abbildung, welche Friedrich Cuvier und
Geoffroy Saint-Hilaire nach diesem Exemplare entwarfen und in
ihrem grossen Werke über Säugethiere veröffentlicht haben. Irriger-
weise verwechselten sie dieselbe aber mit dem Mähnenschafe, das
eine durchaus verschiedene und ohne irgend einem Zweifel auch
selbstständige Art in der Gattung der Scbafe bildet. Denselben
Irrthum begingen auch jene Naturforscher, welche das guineische
Schaf mit dem Mähnenschafe vereinigen zu sollen glaubten. Dieser
Irrthum ist jedoch um so verzeihlicher, als das Mähnenschaf bisher
nur ziemlich unvollständig bekannt war und erst in neuester Zeit
wieder lebend nach Europa gebracht wurde.
Das g-emähnte Fezzan-Schaf.
(Ovis longipes jubata.)
Ovin aries guineensia s. longipes. Reiohenb. Naturg. Wiederk. t. 58. f. 327.
Das gemahnte Fezzan-Schaf muss nach den Merkmalen, welche
seine äusseren Formen darbieten, für eine Blendlingsrace angesehen
werden, welche ihre Entstehung der Vermischung des Fezzan-
über die Racen des zahmen Schafes. 223
Schafes (Ovis longipes libyca) mit dem Mähnenschafe (Ovisjubata)
verdankt und dürfte sonach ein einfacher Bastard reiner Kreuzunj^
sein. Diese Race, welche sowohl in den bergigen Gegenden von
Fezzan im Osten der Sahara, als auch in dem angrenzenden Theile
von Nubien und Scnnaar gezogen wird, ist etwas kleiner als das
Fezzan-Schaf, doch beträchtlich grösser als das Mähnenschaf und
hält in Ansehung seiner körperlichen Formen ungefähr die Mitte
zwischen beiden. Der Kopf ist etwas weniger als beim Fezzan-Schafe
gestreckt, der Nasenrücken minder stark gewölbt. Die Augen sind
etwas grösser, und die schmäleren, etwas zusammengeklappten
zugespitzten Ohren hängen nicht völlig schlaff an den Kopfseiten
herab. Die Hörner, welche so wie beim Fezzan- und Mähnenschafe
nur dem Männchen eigen sind, sind ziemlich lang und dick, gegen
die stumpfe Spitze zu verschmälert und an der Oberfläche bis über
ihre Mitte von zahlreichen Querrunzeln durchzogen. Von der Wurzel
angefangen, wo sie ziemlich weit von einander entfernt stehen,
wenden sie sich, ohne sich über den Scheitel zu erheben, nach seit-
wärts und bilden eine starke Schneckenwindung nach ab-, vor-, auf-
und rückwärts, wobei sich die Spitzen wieder nach abwärts kehren.
Der Leib ist weniger gestreckt und voller, der Bauch mehr
hängend und die Beine sind minder hoch. Der Schwanz ist wenig
von dem des Fezzan-Schafes verschie<len und reicht so wie bei die-
sem, bis unter das Fersengelenk herab. Die Behaarung ist am Kopfe,
an den Ohren und den Unterfüssen kurz und glatt anliegend, am Leibe,
mit Ausnahme der Schulter und des Halses, länger, straff und grob,
keineswegs aber so wie beim Fezzan-Schafe zottenartig vom Körper
abstehend. Ein ungeheuerer Busch von langen Haaren befindet sich
am Widerrist, wo derselbe einen Wirbel bildet, von welchem das
Haar strahlenförmig nach allen Seiten ausgeht. Der ganze Hals ist
mit langen Haaren bedeckt , welche am Vordertheile desselben die
grösste Länge erreichen und beim Männchen eine reichliche Mähne
bilden, welche bis tief unter die Brust herabfällt, während dieselbe
beim Weibchen beträchtlich kürzer und schwächer erscheint. Die
Färbung bietet wenige Verschiedenheiten dar. Meist sind der Kopf
sammt den Ohren, der ganze Hals und der Vordertheil der Mähne
schwarz, während die übrigen Körpertheile weiss sind, oder die
gewöhnlich schwarzen Körperstellen erscheinen auch braun oder
rothbraun gefärbt.
IS«
224 Fitzinger.
Die Nutzbarkeit ist dieselbe wie beim Fezzan- und dem Mähnen-
Schafe, daher diese Race für die Bewohner ihrer Heimath von sehr
grosser Wichtigkeit ist. Nach Europa scheint sie bisher lebend nur
ein einziges Mal und zwar nach England gebracht worden zu sein.
Das Mähnenschaf.
(Ovis jubata.)
Ovis Africana. Rajiis. Syn. aniin. quadrup. p. 7ä.
Brebis de Guinee. Buffon. Bist. nat. T. XI. p. 334.
Ovis Aries africana. Linne. Syst. nat. ed. XII. T. I. P. I. p. 97. Nr. 1. £.
Ovis Aries africana. Erxieben. Syst. regn. anim. T. I. p. 248. Nr. 1. e.
Schaf aus Guinea. Buffon, Martini. Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX. p. 252.
Ovis Aries africana. Gmelin. Linne Syst. nat. ed. XIII. T. I. P. I. p. 198.
Nr. 1. £.
Be'lier de Guinee. E n e y c 1. m e t h. p, 34.
Capru Aries Africanns. Fisch. Syn. Mamma), p. 492. Nr. 10. 5.
Capru Aries Guineensis. Fisch. Syn. Mamma), p. 492. Nr. 10. t. (Zum Theile.)
Ovis Aries. Far. i. Moni an oder hochbeiniger Hanunel. T'\les\us, Hausz'iege.
Isis. 183Ö. p. 9S1. Nr. 1. (Zum TiieiJe.)
Ovis Africana. J a r d i n e. Nat. Hist. of Rumin. Anim. P. II. p. 163. (Zum Theile.J
Aegoceros Ovis longipes s. giiineensis. Wagner. Schreber Säugth. B. V. Th. I.
p. 1433. Nr. 12. VII. (Zum Theile.)
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis. Hochbeiniges oder guineisches Schaf von
Niibien und dem Sudan. Wagner. Schreber Säugth. B. V. T. I.
p. 1436. Nr. 12. VII.
Ovis africana Fitz. Ber. üb. d. v. Hrn. Dr. v. Heugiin f. d. k. Menag. z.
Schönbr. mitgebr. leb. Thiere. Sitzungsber. d. mathem.-naturw. Ci. d. li.
Aliad.d. Wissensch. B. XVII. Hft. 2. p. 249.
Diese höchst ausgezeichnete, jedoch bisher nur wenig bekannt
gewordene Art, welche zuerst von Linne als solche richtig erkannt
und unter der Benennung Ovis africana beschrieben, seitdem
aber fast von allen übrigen Naturforschern irrigerweise mit dem
hochbeinigen Schafe und insbesondere mit dem guineischen zusammen-
geworfen wurde, ist nicht nur beträchtlich kleiner als dasselbe,
sondern auch weit niederer als dieses gebaut.
Es ist von mittlerer Statur und nicht viel grösser als die meisten
unserer gewöhnlichen europäischen Schafracen. Sein Kopf ist nicht
besonders lang, die Stirne sanTt gewölbt und von dem nicht sehr
stark gewölbten Nasenrücken durch eine seichte Einbuchtung geschie-
den. Der Unterkiefer ist fast von derselben Länge wie der Ober-
über die Raeen des zahmen Schafes. 225
kiefer. Die Augen sind mittelgross und nicht sehr hoch am Kopfe
stehend, die Ohren nicht sehr lang, kürzer als der halbe Kopf,
ziemlich schmal, zugespitzt, zusammengeklappt und nach seit- und
etwas nach abwärts gewendet. Nur das Männchen ist gehörnt, das
Weibchen aber immer hornlos. Die Hörner sind ziemlich kurz,
dreiseitig, abgeflacht, an der Wurzel dick, doch allmählich gegen
die stumpfe Spitze zu verschmälert und auf ihrer Oberfläche bis
nahe gegen das glatte Ende hin der Quere nach gerunzelt. Von
ihrem Grunde an, wo sie weit von einander entfernt stehen, wenden
sie sich, ohne sich jedoch über den Scheitel zu erheben, nach
seitwärts und bilden einen sanften Bogen von rück- nach vorwärts,
wobei sich ihre Spitze nach ein- und etwas nach aufwärts kehrt.
Der Hals ist nicht besonders lang und erscheint durch die
reichliche Behaarung dicker als er wirklich ist. Von schlaffen
Hautlappen oder sogenannten Glöckchen ist am Vorderhalse in der
Kehlgegend keine Spur vorhanden. Dagegen zieht sich vom unteren
Theile desselben eine schlalTe Wamme bis unterhalb der Brust herab.
Der Leib ist mehr gedrungen als gestreckt und voll, der Wider-
rist ziemlich stark erhaben , der Rücken gerundet und gesenkt,
und die abgerundete Croupe etwas niederer als der Widerrist. Der
Bauch ist voll und hängend, und die Weichengegend eingezogen.
Die Beine sind von mittlerer Höhe, doch ziemlich stark und kräftig,
die Hufe kurz und stumpf. Der Schwanz ist ziemlich lang, indem er
bis nahe an das Fersengelenk herabreicht, verhältnissmässig etwas
dick und gleichmässig mit ziemlich kurzen stralTen Haaren besetzt.
Die Behaarung ist am Kopfe, an den Ohren und den Beinen
sehr kurz und völlig glatt anliegend, am Leibe und an der Hinter-
seite der Schenkel jedoch länger und mehr locker, das Haar aber
durchgehends straff, grob und glänzend, und durchaus nicht wollig.
Dagegen wird der ganze Hals von einer reichlichen und aus sehr
langen Haaren gebildeten Mähne umgeben, welche beim Männchen
von höchst beträchtlicher Länge ist und tief bis unterhalb der
Brust herabfällt, während dieselbe beim Weibchen hingegen weit
schwächer und auch kürzer ist. Mitten auf dem Widerrist befindet
sich bei beiden Geschlechtern ein aus langen Haaren bestehender
und an die Halsmähne sich anschliessender Haarwulst, von welchem
das Haar sich strahlenartig aus einem gemeinschaftlichen Mittel-
punkte nach allen Richtungen hin theilt. Die Färbung bietet, so
226 Kitzinger.
viel bis jetzt bekannt ist, nur zwei Farhentöne dar, nämlich
Schwarz und Weiss, die scharf von einander geschieden sind. Der
Kopf, der Hals und der grösste Theil der Mähne sind schwarz und
eben so der unterste Theil der Füsse, von den Hufen his etwas über
die Fessel hinauf. Der ganze übrige Körper und der hintere Theil
der unter die Brust herabhängenden Halsmähne sind weiss, und
nur bisweilen schwach gelblich überflogen. Die Hörner und Hufe
sind schwarz, die Iris ist schw^arzbraun. Die Körperlänge eines
erwachsenen Thieres beträgt ungefähr 2 Fuss 8 Zoll, die Länge
des Schwanzes 1 Fuss, die Höhe an» Widerrist 2 Fuss, an der Croupe
1 Fuss 11 Zoll.
Die ursprüngliche Heimath dieser Art scheint der Sudan zu
sein und insbesondere wird sie von den verschiedenen Negerstämmen
längs des Bahr-el-abiad iti sehr grosser Menge gezogen. Von hier
aus scheint sie aber schon seit langer Zeit gegen Norden sowohl,
als auch gegen Westen hin weiter verbreitet worden zu sein, denn
man trifl't nicht nur allein im Sennaar und in Nubien zahlreiche
Heerden von derselben an, sondern sie wird auch hie und da in
Angola, Senegambien und selbst in Marokko gezogen. Diese Art ist
bisher nur sehr selten lebend nach Europa gebracht worden, doch
scheint sie die Gefangenschaft bei gehöriger Pflege in unserem Klima
leicht und dauernd auszuhalten. Einige Exemplare, welche im Jahre
1855 in die kaiserliche Menagerie nach Schönbrunn gelangten, haben
daselbst ihre Nachzucht bis zur Stunde noch erhalten.
Durch Kreuzung mit einigen Racen des hochbeinigen und
Stummelschwanzschafes, so wie mit den hieraus hervorgegangenen
Bastarden, hat das Mähnenschaf zur Entstehung mehrerer neuen
Racen Veranlassung gegeben, von denen jedoch nur folgende ihren
äusseren Merkmalen nach, der Stammart anzureihen sind, nämlich
das angolesische Mähnenschaf (Ovis jubata aiigolensis),
das senegalische (Ovis jubata senegaleiisis) und das marok-
kanische M ä h n e n s c h a f (Ovis jubata Numida).
Das angolesische Mähnenschaf.
(Ovis jubata angoletisis.)
Brehis d' Angola. Buf'fon. Hist. nat. T. XI. p. 359.
Angolisches Schaf, ßuff on, Martini. Naturg. d. vierf. Tliiere. B. IX. \>. 261.
Brebia d' Angola. E n c y c I. ni e tli. p. 34.
über die Raceii des zahmen Schafes. 227
Domestic Sheep. Angola breed. Harn. Smith. Griff. Anini. Kingd. Vol. IV.
p. 236.
Capra Aries Guineeims Angolemis. Fischer. Syn. Mammal. p. 651.
Nr. 10. i. d.
Ovis Africana. Angola race. Jardine. Nat. Hist. of Rujnin. Anim. P. II. p. 166.
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis. Coqtio. W^agner. Schreber Säugth.
B. V. Th. I. p. 1438. Nr. 12. VH. d. p. 1440.
Das angolesische Mälinenschaf dürfte, so viel aus der kurzen
Beschreibung zu entnehmen ist, welche wir über diese Race besitzen,
eine Bastardbildung sein , die ihre Entstehung der Kreuzung des
eigentlichen noch unvermischten Mähnenschafes (Ovis jubataj mit
dem guineischen hochbeinigen Schafe (Ovis longipes giiineensisj
zu verdanken hat und sonach ein einfacher Bastard reiner Kreuzung
sein. Es ist zwar grösser als das erstere , ohne jedoch die Grösse
des letzteren zu erreichen, so wie es auch in Bezug auf seine körper-
lichen Formen zwischen diesen beiden Racen ungefähr das Mittel
hält. Der Kopf ist nicht sehr stark gestreckt, die Stirne leicht ge-
wölbt und von dem massig stark gewölbten Nasenrücken durch eine
seichte Einbuchtung geschieden. Der Unterkiefer ist nur wenig
kürzer als der Oberkiefer. Die Augen sind mittelgross, die Ohren
ziemlich lang, doch kürzer als der halbe Kopf, nicht besonders breit,
stumpf zugespitzt, etwas zusammengeklappt, und nach seit- und
ziemlich stark nach abwärts gerichtet. Nur das Männchen ist ge-
hörnt, das Weibchen aber immer hornlos. Die Hörner sind verhält-
nissmässig ziemlich kurz, an der Wurzel nicht besonders dick und
verschmälern sich nur wenig und allmählich gegen die stumpfe
Spitze, während ihre Oberfläche bis gegen das glatte Ende hin von
zahlreichen Querrunzeln umgeben ist. Von ihrem Grunde ange-
fangen, wo sie sehr weit von einander entfernt stehen , bilden sie,
ohne sich jedoch über den Scheitel zu erheben, eine schwach
schneckenförmige Windung nach ab-, vor- und aufwärts, und kehren
die Spitze etwas nach auswärts.
Der Hals ist ziemlich kurz und dick , doch ohne Spur von
Glöckchen, und vom unteren Theile des Vorderhalses zieht sich eine
schlaffe Wamme bis zur Brust. Der Leib ist nur wenig gestreckt
und voll, der Widerrist ziemlich stark erhaben , der Rücken gerundet
und schwach gesenkt und die abgerundete, sant't abgedachte Croupe
kaum niederer als der Widerrist. Der Bauch ist voll und hängend,
die Weichengegend eingezogen. Die Beine sind nicht besonders
228 Fitzinger.
hoch, doch stark und kräftig, die Hufe ziemlich kurz und stumpf
zugespitzt. Der verhältuissn)ässig huige, nicht sehr dünne Schwanz,
welcher bis an das Fersengelenk heiabreicht, ist dicht mit ziem-
lich kurzen, gegen die Spitze zu aber etwas längeren Haaren be-
setzt. Die Behaarung besteht grösstentheils aus kurzen, doch nicht
besonders groben straffen Haaren , die hie und da mit weicherem
wolligen Haare gemischt sind und lose am Körper anliegen. Nur das
Gesicht, die Ohren und die Beine, bis gegen die Oberarme und die
Schenkel hin, sind mit ganz kurzen, glatt anliegenden Haaren
bedeckt. Am Halse und am Widerrist, insbesondere aber am Vor-
derhalse, ist das Haar beträchtlich länger als an den übrigen Theilen
des Körpers und bildet daselbst eine ziemlich starke Mähne, welche
sich längs der Wamme bis nahe an die Brust hin zieht. Die Färbung
ist bunt, aus Weiss und Bothbraun gefleckt, wobei die Grundfarbe
weiss, die Flecken aber rothbraun, und stets von ziemlich grosser
Ausdehnung sind. Nur um dieAugengegend befindet sich in derBegel
ein grosser schwarzer rundlicher Flecken. Die Hörner sind schwärz-
lichbraun, die Hufe graulichschwarz.
Diese Race, welche hauptsächlich in Angola gezogen wird und
daselbst unter dem Namen Coquo bekannt ist, wird ihrer weit bes-
seren körperlichen Proportionen wegen viel mehr als das guineische
und die übrigen Racen des hochbeinigen Schafes geschätzt. Sie wird
in ihrer Heimath in zahlreichen Hecrden gehalten und ist für die
dortigen Bewohner von sehr grosser Wichtigkeit, da sie ihnen nicht
nur Fleisch und Milch liefert, sondern ihnen auch durch ihre Haut
sehr nützlich wird, die ein vortreffliches Leder gibt.
Das senegalische Mälinenschaf.
(Ovis juhata scnegalensis.)
Be'lier du Senegal. Adanson. Voyage au Senegal, p. 36.
Bäier du Sene'ffalBudoa. Hist. nat. T. XI. p. 359.
Adimain ou grande brehis du Senegal. Biiffon. Hist. nat. T. XI. p. 362.
Murvanf. Buffon. Hist. nat. Supplem. T. HI. p. 68. J. 10.
Scnegaliseher Widder. Buffon, Marlini. Naturg. d. vierf. Thicre. B. IX.
p. 26i.
Adimain oder grosses Sehaf am Senegal. Buffon, Marlini. Naturg. d. vierf.
Tliiere. B. IX. p. 265.
Chinesischer Morvanl. Buffon, Marlini. Naturg. d. vierf. Thiere. B. IX.
p. 323, t. 24.
über die Racen des zahmen Schafes. 2-^0
Ovis Aries guincoms. Gnielin. Linne Syst. nat. ed. XIII. T. I. P. I. p. 198.
Nr. l". K.
Be'lier du Senegal. Encycl. incth. p. 34.
Adimain ou gründe brchis du Senegal. Encye I. meth. p. 35.
Avis Aries guineensis. Var. c. Sehr eher. Siiugtli. t. 294. C.
Ovis aries longipes. Dcsmar. Mainmal. p. 489. Nr. 741. Var. A. (Zum Theile.)
Ovis aries. Mouton a longues jamhes ou le Morvau. Lesson. i\Ian. de Mammal.
p. 400. Nr. 1048. 1. (Zum Theile.)
Ovis Aries guineensis. Isid. Geofl'r. Dicf. class. d'hist. nat. T. XI. p. 268.
(Zum Theile.)
Capra Aries Guineensis. Fisch. Syn. Mammal. p. 492. Nr. 10. i.
Ovis Aries longipes. Brandt u. Ratzehurg. Medic. Zool. B. 1. p. 60. Nr. 111.
Ovis Aries. Var. i. Moruan oder hochbeiniger Hammel. Tilesius. Hauszie<,'e.
Isis. 1833. p. 9S1. Nr. 1.
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis. Hochbeiniges oder guineisches Schaf von
Senegambien. Wagner. Schreber Siiugth. B. V. Th. I. p. 1436.
Nr. 12. VII.
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis. Muana Conquo. Wagner. Sehr eher
Süugth. B. V. Th. I. p. 1438. Nr. 12. VII. d. p. 1440.
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis. Congo- Schlag. Wagner. Schreber
Siiugth. B. V. Th. I. p. 1439. Nr. 12. VII. c.
Mouton domestiquc. Var. a. Ovis aries longipes. Desmar. D'Orbigny Uii-t.
d'hist. nat. T. Vlll. p. 414. Nr. 4. a. (Zum Theile.)
Das senegalische Mähnenschaf ist his jetzt zwar noch ziem-
lich unvollständig bekannt, doeli scheint es keinem Zweifel zu unter-
liegen, dass es eine Bastardrace sei, die wahrscheinlich auf der
Vermischung des eigentlichen oder reinen Mähnenschafes (Ovis
jnbata) mit dem guineischen Glockenschafe (Ovis longipes appen-
diculata) beruht, wornach es für einen doppelten Bastard gemischter
Kreuzung betrachtet werden könnte. In Ansehung seiner Körperform
im Allgemeinen nähert es sich mehr der letzteren als der ersteren
dieser beiden Racen, während es bezüglich der Behaarung wieder
mehr mit dem Mähnenschafe übereinkommt. Es ist etwas kleiner als
das guineische Glockenschaf und auch niederer als dieses gebaut. Sein
Kopf ist nicht besonders stark gestreckt, die Stirne schwach gewölbt
und durch eine seichte Einbuchtung von dem nur massig stark ge-
wölbten Nasenrücken geschieden. Der Unterkiefer wird vom Ober-
kiefer nur wenig überragt. Die Augen sind von mittlerer Grösse,
die Ohren ziemlich lang, etwas kürzer als der halbe Kopf, nicht
besonders breit, stumpf zugespitzt, schwach zusammengeklappt und
nach seit- und stark nach abwärts geneigt. Nur die Widder sind
230 Fitiinger.
gehörnt, die Schafmütter aber immer hornlos. Die Hörner sind ver-
hältnissmässig ziemlich kurz, an ihrem Grunde nicht sehr dick, und
nur wenig und allmählich gegen die stumpfe Spitze zu verschmälert.
Auf ihrer Oberfläche sind dieselben von zahlreichen Querrunzeln
umgeben, welche sich erst gegen das glatte Ende zu verlieren. Sie
stehen an ihrer Wurzel weit von einander entfernt und wenden sich,
ohne sich über den Scheitel zu erheben, nach seit- und abwärts,
und im letzten Drittel ihrer Länge auch nach vor- und etwas nach
einwärts.
Der ziemlich kurze dicke Hals bietet an seiner Vorderseite eine
schlaffe Wamme dar, welche sich bis unter die Brust hin zieht, doch
sind in der Regel schlaffe Hautlappen oder sogenannte Glöckchen in
der Kehlgegend nicht vorhanden. Der Leib ist schwach gestreckt,
sehr dick und voll, der Widerrist ziemlich stark erhaben, der Rücken
gerundet und etwas gesenkt, und die abgerundete, schwach abge-
dachte Croupe etwas niederer als der Widerrist. Der Bauch ist voll
und hängend, die Weichengegend eingezogen. Die Beine sind ver-
hältnissmässig nicht besonders hoch, aber ziemlich stark und kräftig,
die Hufe nieder, lang und stumpf zugespitzt. Der verhältnissmässig
lange, doch nicht sehr dünne Schwanz, welcher bis zum Fersen-
gelenke reicht, ist ringsum dicht von ziemlich kurzen Haaren umge-
ben, die jedoch gegen die Spitze zu bedeutend an Länge zunehmen.
Das Gesicht, die Ohren und die Beine, bis gegen die Oberarme und
Schenkel, sind mit kurzen, glatt anliegenden Haaren besetzt. Der
Rücken, die Leihesseiten, die Oberarme, die Schenkel und der Bauch,
werden von längeren, nicht besonders groben und beinahe völlig
straffen Haaren bedeckt, die ungefähr 3 Zoll in der Länge haben,
lose am Körper anliegen, und mit weicheren wolligen und schwach
gekräuselten Haaren gemischt sind, wodurch die Behaarung an diesen
Körpertheilen beinahe ein gewelltes Aussehen erhält, und an ihrer
Oberfläche auch weicher und feiner als an ihrem Grunde erseheint.
Am Halse und dem Widerrist ist das Haar beträchtlich länger und
gröber, vorzüglich aber an der Vorderseite des Halses, wo es eine
Länge von 10 Zoll erreicht und eine lockere starke Mähne bildet,
die sich bis unterhalb der Brust hin zieht. Eine ähnliche, aber aus
etwas kürzeren Ilaaren gebildete Mähne verläuft längs der Ober-
seite des Halses bis über den Widerrist, während die Seiten des-
selben von noch kürzeren Haaren bedeckt werden.
über die Raceii des nahmen Schafes. 231
Die Färbung scheint mancherlei Verschiedenheiten darzu-
bieten, doch ist sie meistens um Leibe, den Oberarmen und den
Schenkehi hell fahlgelblich und eben so am Kopfe, wo sie jedoch
häufig' dunkel gefärbte Stellen zeigt. Die Mähne an der Vorder-
seite des Halses ist aus rothgelben und grauen Haaren gemischt,
während jene auf der Oberseite desselben fast einförmig grau er-
scheint. Die kurz behaarten Theile der Beine sind dunkel gelb-
braun, in'sRöthliche ziehend, und niclit selten finden sich auch helle
fahle Abzeichen an den Füssen. Der Schwanz ist grösstentheils hell
fahlgelblich und weiss. Bisweilen sind der Kopf, die Halsmähne und
die Beine aber auch schwarz oder rothbraun, die übrigen Körper-
theile hingegen fahlgelblich oder gelblichweiss gefärbt. Die Hörner
sind schwärzlichbraun, die Hufe graulichschwarz. Die Körperlänge
eines erwachsenen Widders beträgt 3 Fuss 7 Zoll , die Länge des
Schwanzes 1 Fuss ä'/o Zoll, die Höhe am Widerrist 2 Fuss 9^/^ Zoll,
und an der Croupe 2 Fuss 8 Zoll.
Das senegalische Mähnenschaf wird sowohl in Senegambien
als auch in Angola gezogen, und wurde von da aus bis nach Ost-
Indien und selbst bis nach China verpflanzt. In beiden Ländern wird
es, so wie in seiner ursprünglichen Heimath, in grossen Heerden
gehalten , die zu allen Jahreszeiten Tag und Nacht unter freiem
Himmel zubringen. Die Einwohner benutzen von demselben das Fleisch,
die Milch und das Fell, und schätzen diese Race auch höher als
die verschiedenen Racen des hochbeinigen Schafes. In Senegambien
werden die Widder niemals verschnitten und wahrscheinlich auch in
Angola, wiewohl hierüber keine bestimmte Angabe vorliegt. Der
Name, welchen das senegalische Mähnenschaf in Angola führt, ist
Muana Conquo. Nach Europa ist dasselbe lebend bisher nur äusserst
selten gebracht worden, und die erste Beschreibung und Abbildung,
welche wir durch Bü ff on von demselben erhielten, stammt von einem
Widder, der im Jahre 1774 unter dem Namen Morvnnt de la Chine
auf der Messe zu St. Germain öffentlich zur Schau gestellt war.
Das marokkanische M ä h n e n s c h a f .
{Ovis jubata Numida.)
Ovis riintica Tafileter Scliaaf, Walttier. Racen u. Art. d. Sctiaat'e. Annal. H.
wetterau. Gesellscli. B. II. p. 72. d.
232 Fitzinger.
Domestic Skeep. Marocco hreed. Ham. Smith. Grift'. Anitn. Kingd. Vol. IV.
p. 326.
Capra Arien gnineensis Nwnida. Fisch. Syn. IVfanimal. p. 651. Nr. 10. t. b.
Ovis Africana. Marocco hreed. Jardinc. Naf. Hist. of Rumin. Anim. P. II.
p. 166.
Aegoceros Ovis loiu/ipes s. guineensis Hochbeiniges oder guineisches Schaf von
Tnfitet. Wagner. Schrcber Säugth. B. V. Th. I. p. 1436. Nr. 12. VII.
Aegoceros Ovis longipes s. guineensis, Zoniha. Wagner. Schreber Säugth.
B. V. Th. I. p. 1438. Nr. 12. VII. d. y. 1440.
Das marokkanische Mähnenschaf kann , nach Allem was wir
über dasselbe bisher wissen, für einen Blendling betrachtet werden,
der aus der Kreuzung des eigentlichen, noch unvermischten Mähnen-
schafes (Ovis jubata) mit dem senegalischen Mähnenschafe (Ovis
jubata senegalensis) hervorgegangen ist und wäre sonach als ein
doppelter Bastard gemischter Kreuzung anzusehen. Diese Race,
welche in mehreren Gegenden von Marokko, insbesondere aber in
der Provinz Tafilelt gezogen wird, steht sowohl in Ansehung ihrer
Grösse, als auch ihrer körperlichen Merkmale, zwischen ihren beiden
Stammältern in der Mitte. Der Kopf ist etwas gestreckt, die Stirne
sehr schwach gewölbt und von dem ziemlich stark gewölbten Nasen-
rücken durch eine seichte und kaum merkliche Einbuchtung ge-
schieden. Die beiden Kiefer sind fast von gleicher Länge, die Augen
mittelgross und ziemlich hoch am Kopfe stehend. Die nicht beson-
ders langen Ohren, welche ziemlich schmal und kürzer als der halbe
Kopf sind, sind stumpf zugespitzt, etwas zusammengeklappt und nach
seit- und abwärts geneigt. Das Männchen allein nur ist gehörnt, das
Weibchen aber immer hornlos. Die Hörner sind ziemlich kurz, an
der Wurzel nicht besonders dick, schwach gegen die stumpfe Spitze
zu verschmälert und auf der Oberfläche ihrer grössten Länge nach
der Quere nach gerunzelt, gegen die Spitze zu aber völlig glatt. Sie
stehen sehr weit von einander entfernt, wenden sich schon von ihrem
Grunde angefangen und ohne sich über den Scheitel zu erheben,
nach seitwärts und bilden einen massigen Bogen von rück- nach ab-
utid vorwärts, wobei sie sich mit der Spitze wieder etwas nach ein-
utid aufwärts kehren.
Der ziemlich kurze dicke Hals bietet am unteren Theile seiner
Vorderseite eine schlatTe Wamme dar, welche sich bis unterhalb der
Brust hin zieht, doch mangelt jede Spur von schlafl" herabhängenden
Hautla]>pen oder sogenannten Glöckchcn in der Kehlgegend. Der
über die Raeen des zahmen Schafes. 233
Leib ist nur sehr schwach gestreckt, doch voll, der Widerrist ziem-
lich stark erhaben, der Rücken gerundet und etwas gesenkt, die
Croupe abgerundet, sanft abgedacht und etwas höher als der Wider-
rist. Der Bauch ist voll und hangend und die Weichengegend einge-
zogen. Die Beine sind keineswegs besonders hoch , doch ziemlich
stark und kräftig, die Hufe verhältnissmässig etwas lang und zuge-
spitzt. Der im Verhältnisse zum Körper beträchtlich lange, doch
keineswegs sehr dünne Schwanz, welcher bis an das Fersengelenk
herabreicht, ist in seiner oberen Hälfte mit kürzeren, in seiner
unteren mit längeren straffen Haaren besetzt. Das Gesicht, die Ohren
und die Beine, bis gegen die Oberarme und die Schenkel, sind von
kurzen, glatt anliegenden Haaren bedeckt, während das Haar an den
übrigen Theilen des Körpers weit länger und auch mehr abstehend
ist. Am Widerrist und dem Halse, insbesondere aber an der Vorder-
seite desselben, ist das Haar am längsten und bildet eine ziemlich
starke und schwach gewellte Mähne, welche sich bis gegen die Brust
hin zieht. Die Färbung des Körpers ist weiss, mit einigen wenigen zer-
streut stehenden, grossen, schwach röthlichbraunen Flecken, während
die Halsmähne durchaus von rothbrauner Farbe ist. Die Hörner sind
schwärzlich, die Hufe schwarzgrau.
Die Zucht dieser Race scheint jedoch nicht auf Marokko allein
beschränkt, sondern auch auf Angola ausgedehnt zu sein, wie aus
den Berichten von Reisenden deutlich zu ersehen ist. In Marokko
wird sie in sehr ausgedehnter Weise betrieben , indem die Mauren
und Beduinen, welche dieses weit ausgedehnte Land bewohnen,
höchst zahlreiche Heerden von derselben unterhalten. Aber auch in
Angola werden grosse Heerden von dieser Race angetroffen. Sie
erfordert in ihrer Heimath nur eine sehr geringe Pflege und bringt
das ganze Jahr hindurch unter freiem Himmel zu. Die Benützung ist
dieselbe wie beim senegalischen und angolesischen Mähnenschafe.
Der Name, welchen diese Race bei den Angolesen führt, ist Zomba.
In diesem Versuche über die Abstammung der verschiedenen
Racen des zahmen Schafes sind fast alle von den Naturforschern in
den zoologischen Schriften bis jetzt beschriebenen Formen aufgeführt
und so weit es das vorhandene Material gestattete, auch möglichst
genau beschrieben. Es versteht sich wohl von selbst, dass hierdurch
dieser Gegenstand noch keineswegs vollständig erschöpft sei und dass
es noch viele Formen gibt, die in dieser Aufzählung fehlen. Ein
234 F i t 7. i n g: e r.
iiichl unbeträchtlicher Theil derselben mag wohl in den zahlreichen
landwirthschaftlichen Schriften enthalten sein, welche insbesondere
in neuerer Zeit, den Racen der Haus-Säuf^i'ethiere grössere Aufmerk-
samkeit widmen. Dieselben konnten hier aber keine Berücksichtigung
linden, theils weil mir die meisten dieser Schriften völlig unzu-
gänglich blieben, theils aber auch weil viele Beschreibungen in den-
selben so gehalten sind , dass man kaum mit irgend einer Sicher-
heit die Race erkennen oder näher deuten kann.
Es sei mir gestattet, hier noch einen kurzen Überblick über das
Resultat meiner Untersuchungen zu geben.
Die Gesammtzahl der in der vorliegenden Abhandlung be-
schriebenen SchafTormen beträgt 106, von denen 10 meiner Ansicht
zu Folge als Stammarten betrachtet werden müssen. Von diesen
kommt aber heut zu Tage nur mehr eine rinzige, nämlich das kurz-
schwänzige Schaf (Ovis brachyura) in einigen wenigen Gegenden
noch im völlig wilden Zustande vor, während die übrigen vielleicht
schon seit Jahrtausenden vollständig in den Hausstand übergegangen
sind.
Von diesen 106 verschiedenen Formen müssen ihren äusseren
Merkmalen zu Folge 7 dem Fettsteissschafe (Ovis steatopyga),^ dem
Stummelschwanzschafe (Ovis pachycerca) , 1 0 dem kurzschwänzigen
Schafe (Ovis brachyura), 4 dem Zackelschafe (Ovis Strepsiceros) ,
50 dem Landschafe (Ovis AriesJ, 8 dem Fettschwanzschafe (Ovis
platyura), 5 dem langschwänzigen Schafe (Ovis doUchura), 4 dem
Hängohrschafe (Ovis catotis) , 9 dem hochbeinigen Schafe (Ovis
longipes) und 4 dem Mähnenschafe (Ovis jub ata} zugetheilt werden.
Darunter befinden sich 40 Racen, welche auf klimatischen und Boden-
verhältnissen zu beruhen scheinen, von denen 4 dem Fettsteisss<*hafe
(Ovis steatopyga), 7 dem kurzschwänzigen Schafe (Ovis brachyura),
2 dem Zackelschafe (Ovis Strepsiceros), 16 dem Landschafe
(Ovis Aries), 4 dem Fettschwanzschafe (Ovis platyura), 3 dem
langschwänzigen Schafe (Ovis dolichura) und 4 dem hochbeinigen
Schafe (Ovis longipes) angehören. Das Stummelschwanzschaf
(Ovis pachycerca), das Hängohrschaf (Ovis catotis) und das
'SVÄhwewf'Ch'Ai (Ovis jubata) bieten, so viel bis jetzt bekannt ist, keine
klimatischen Abänderungen dar. Von den sonach noch erübrigenden
63 Formen scheint nur eine einzige eine Zuchtvarietät zu sein,
während alle anderen 62 Racen unzweifelhaft Bastarde sind.
über die Racen des zahmen Schafes. 23o
Die hier angeschlossene Tabelle giht einen Uberbliek der
von mir ausgesprochenen Ansicht bezüglich der Abstammung der in
der vorliegenden Arbeit ausgeführten Racen,
I. Abkömmlinge des Fettsteissschafes (Ovis steatopyga),
A. Auf klimatischen und Bodenverhältnissen beruhende Abän-
derungen.
1. Das tatarische Fettsteissschaf ^0««« steatopyga tatarica),
2. das capische Fettsteissschaf (^Oois steatopyga capensis),
3. das mongolische Fettsteissschaf (Ovis steatopyga mongolica)
und
4. das daurische Fettsteissschaf ("Oü/s steatopyga dauricaj.
B. Dreifacher Bastard reiner Kreuzung.
1 . Das kirgisische Fettsteissschaf (Ovis steatopyga kirgisica).
C. Dreifacher Bastard gemischter Kreuzung.
1. Das kalmückische Fettsteissschaf (Ovis steatopyga Calmucco-
rumj.
D. Vierfacher Bastard reiner Kreuzung.
I. Das burätische Fettsteissschaf ^Oy/s steatopyga buraeticaj.
II. Abkömmlinge des Stummelschwanzsehafes (Ovis pacliy-
cerca).
A. Fünffacher Bastard reiner Kreuzung.
1 . Das Fettsteissige Stummelschwanzschaf (Ovis pachycerca recur-
vicauda).
B. Sechsfacher Bastard reiner Kreuzung.
1. Das gemahnte Stuinmelscbwanzschaf ^Oris pachycerca jnbataj.
236 Fitzin-er.
C. Sechsfache Bastarde gemischter Kreuzung.
1. Das inailagascai'istlK.' Stiiirunelscliuanz.scliaf (Ovis lyachycerca
madaguscariensis) und
2. das persische Stummelschwanzschaf (Ovis pachycerca per-
sica).
111. Abkömmlinge des kurzschwänzigen Schafes (Ovis
hrachyura) .
A. Auf klimatischen und Bodenverhältnissen beruhende Abänderungen.
1. Das nordische kurzscliwänzige Schaf fOfis brachyiira horealisj ,
2. das Hebriden-Schaf (Ovis bracliyura hebridica),
3. das Shetlands-Schaf (Ovis bracliyura zetlandica) ,
4. das deutsehe Heidescliaf (Ovis bracliyura campestris),
5. das französische Heideschaf (Ovis bracliyura gaUica),
6. das spanische Heideschaf (Ovis bracliyura hispauica) und
7. das schottische Heideschaf (Ovis bracliyura scotica).
B. Halbbastarde reiner Kreuzung.
1. Das dänische Schaf (Ovis bracliyura danica) und
2. das Orcaden-Schaf (Ovis bracliyura orcadica).
C. Halbbastard gemischter Kreuzung.
1. Das \\Qh{e.\M&c\\Q ]Ae.\'\QS(i\\A^ (Ovis bracliyura liolsaticaj.
IV. Abkömmlinge des Zackelschafes (Ovis Strepsiceros) .
A. Auf klimatischen und Bodenverhältnissen beruhende Abänderungen.
1. Das cretisclie Zackelschaf (^(^y/« Strepsiceros cretensisj und
2. das waliachische Zackelschaf (Oy«s Strepsiceros dacicusj.
B. Halbbastard reiner Kreuzung.
1. Das türkische Zackelschaf (OiJis Strepsiceros turcicus).
C. Einfacher Bastard reiner Kreuzung.
1. Das ungarische Rasko-Schaf (^Oy/.s- Strepsiceros arietinusj.
über die Raeen des zahmen Schafes. 237
V. Abkömmlinge des Landschafes (Ovis Aries).
Ä. Auf klimatischen und Bodenverhältnissen beruhende Abänderungen.
1. Das niacedonische Schaf (Ovis Aries yarnassicus),
2. das italienische Schaf (Ovis Aries italicus),
3. das spanische oder Merino-Schaf (Ovis Aries hispanicusj,
4. das französische Schaf {Ovis Aries gallicusj,
5. das deutsche Schaf (Ovis Aries germanicus),
a) das gemeine deutsche odei* Zaupelschaf (Ovis Aries germa-
nicus rusticus) und
b) das schlichtwollige deutsche Schaf (Ovis Aries germanicus
lunosus),
6. das englische Schaf (Ovis Aries anglicus),
a) das Waleser Schaf (Ovis Aries anglicus cambriaciis) ,
b) das englische Heideschaf (Ovis Aries anglicus campestris),
c) das Norfolk-Schaf (Ovis Aries anglicus norfolcieiisis) ,
d) das Cheviot-Schaf (Ovis Aries anglicus zevioticus),
e) das Lincoln-Schaf (Ovis Aries anglicus lincoloniensis) ,
f) das Devon-Schaf ^Ot'i's Aries anglicus devoniensis) ,
g) das Durhani-Schaf (Ovis Aries anglicus dunelmensis) und
h ) das friesische Schaf (Ovis Aries anglicus frisius),
7. das irlandische Schaf (Ovis Aries hibernicus),
a) das irländische Marschschaf (Ovis Aries hibernicus longi-
pilis) und
b) das Wicklo w-Schaf ('Oy/s Aries hibernicus lageniensis) .
B. Auf Zucht und Cultur begründete Abänderung.
1. Das spanische Seidenschaf ("Oiv's Aries hispanicus sericeus).
C. Halbbastarde reiner Kreuzung.
1. Das Berry-Schaf (Ovis Aries gaUicus bitiiriensis) ,
2. das normannische Schaf (Ovis Aries gallicus normannus),
3. das fränkische Schaf (Ovis Aries germanicus franconicusj,
4. das edle deutsche Schaf (Ovis Aries germanicus nobilis), zum
Theile,
Sitzb. d. malbem.-natmw. Cl. XU. Bd. Nr. 14. 16
238 Fit/, iu-or.
5. das Cumberland-Sehaf (^Ovis Aries nnglicus cumbriacus),
6. das Hereford-Schaf (^Ovis Aries nnglicus herfordiensis) und
7. das Leicester-Schaf (Ovis Aries (iiifjfieus licestriensisj.
D. Halbbastarde gemischter Kreuzung.
1. Das Sologiie-Schaf (Ovis Aries gdllicas solonieiisis),
2. das Ai'demien-Schaf (Ovis Aries gallicus arduennicus) , zum
Theile,
3. das lialbedle deutsche S(.'\v<ii (Ovis Aries g er manicus subnobilis),
zum Theile,
4. das Sussex-Schaf (Ovis Aries anglicus sussexiensisj,
ö. das Glüucester-Sehaf (Ovis Aries fnigliciis glocestriensisj und
G. das Kent-Sehaf (Ovis Aries angUcus cantietisisj.
E. Einfache Bastarde reiner Kreuzung.
1. Das wallachisehe Schaf ("Oy/s Aries parnassicus daciciis),
2. das edle spanische Schaf (Ovis Aries hispniiiciis nobilis),
3. das gemeine spanische Schaf (Ovis Aries hispanicus rusticns),
4. das hannovei'"sche Schaf (Ovis Aries germanicus haimoveranus),
0. das Waleser Bergschaf (Ovis Aries anglicus montanus),
0. das Sommerset-Schaf ^Oy/s Aries anglicus sommersetiensis),
1. das Wilt-Schaf (Ovis Aries anglicus wiltoniensisj,
8. das holländische Schaf (Ovis Aries anglicus hollandicus),
9. das flandrische Schaf (Ovis Aries anglicus flandricus) und
10. das Kerry-Schaf ^Oiv's Aries hibernicus momoniensisj.
F. Einfache Bastarde gemischter Kreuzung.
1. Das moldauische Schaf (Ovis Aries parnassicus moldavicus),
2. das halbedle italienische Schaf (Ovis Aries italicus subnobilis),
3. das spanische Bastardschaf (Ovis Aries hispanicus hyhridus),
4. das edle französische Schaf (Ovis Aries gallicus nobilis),
l). das Ardennen-Schaf (Ovis Aries gallicus arduennicus), zum
Theile,
0. das pommer'sche Schaf (Ovis Aries germanicus pomeranus),
1. das Mecklenburger Schaf (Ovis Aries germanicus megapoli-
tanus).
über die liiiceii des z:ilimeii Scliafes- '-^S*)
8. (las luilheillo deutsche Sc\\i\\' {Ovis Aries germa/iiciis HulmohUia),
zum Theile,
9. (las edle deutsche Schaf (Ovis Aries (jermanicus nobilisj, zinu
Theile,
10. das Cornwall-Schaf (Ovis Aries aiiglicus cornuhicusj,
1 I. das Dorset-Schaf (Ovis Aries anglicus dorcestriensis),
12. das Eiderstädtei- Schaf (Ovis Aries anglicus slesvicetisisj und
13. das Dittinarser Sehn? (Ovis Aries anglicus dittmarsiensis).
VI. Abköiiiinliiigc des Fettschwanzschafes (ücls platyura).
A. Auf klimatischen und Bodenverhältnissen beruhende Abänderungen.
1. Das hei'herische Fettschwanzschaf (Ovis plafyiira barbaricaj,
2. das tunesische FeüsQ\nvanzsch[\? (Ovis plafyura tunetana),
3. das ägyptische Fettschwanzschaf (Ovis platyiira aegyptiaca)
und
4. d.is bucharische Fettschwanzschaf (Ovis platyura hucharica).
B. Einfache Bastarde reiner Kreuzung.
1 . Das persische Fettschwanzschaf (Ovis platyura persica),
2. das iiatolische Fettschwanzschaf (Ovis platyura anatoUca) injd
3. das macedonische Fettschwünzs,^^^? (Ovis platyura macedonica^.
C. Einfacher Bastard gemischter Kreuzung.
1. Das capische Fettschwanzscliaf ^Oy/s platyura capensisj.
VII. Abküiiiiiilinge des laiigschwänzigen Schafes (Ocis
düUchura).
A. Auf klimatischen und Bodenverhältnissen beruhende Abänderungen.
1. Das arahisclie langschwänzige Schaf ^Of/s dolichura arabica),
2. das culchische Scliaf (Ovis dolichura colchicu) und
3. das cahardinische Schaf (Ovis dolichura cabardiuica).
B. Einfacher Bastard reiner Kreuzung.
1. Das taienlinische Schaf (Ovis dolichura tarentinaj.
16*
240 F i t z i n g e r.
C. Vierfacher Bastard reiner Kreuzung.
I. Das syrische langschwäiizige Schaf {Ovis doUchura syriaca).
VIII. Ahkömmlinge des llängohrschafcs (Ods catotis).
A. Einfacher Bastard reiner Kreuzung.
1. Das Bei'gamasken- Schaf (Ovis catotis bergamenaj.
B. Einfacher Bastard gemischter Kreuzung.
1 . Diis paduanische Schaf (Ovis catotis paduana).
C. Doppelter Bastard reiner Kreuzung.
1. Das Münster- Schaf ("Oy/s catotis monasteriensis).
IX, Abköiiinilingc des hochheinigen Schafes (Oins bngipes).
A. Auf klimatischen und Bodenverhältnissen beruhende Abänderungen.
1. Das guineische hochbeinige Schaf (Ovis lonyipes (juineoisis),
2. das westindische hochbeinige Sc\vAi (Ovis longipes AntillarumJ,
3. das capische hochbeinige Schaf (Ovis longipes capensis) und
4. das Fezzan- Schaf (Ovis longipes libyca).
B. Einfache Bastarde reiner Kreuzung.
1. Das Congo - Schaf ('Orw longipes congensisj und
2. das gemahnte Fezzan - Scliaf ^Oi'/s longipes jubata).
C. Einfacher Bastard gemischter Kreuzung.
1. Das guineische Glockenscliaf ^Oy/s longipes appendiculataj.
D. Sechsfache Bastarde gemischter Kreuzung.
1. Das angolesische Kropfschaf (Ovis longipes steatinion) und
2. das persische hochbeinige Schaf (Ovis longipes persica).
X. Ahköninilingc des Mähnenschaics (Ovis jubata),
A. Einfacher Bastard reiner Kreuzung.
1. Das angolesische Mähncnschal (Ovis jubata angolensisj.
über die Racen des zahmen Schafes. 241
B. Doppelte Bastarde gemischter Kreuzung.
1. Das soiiegalisclie Wühnenschaf (^Ovis jnhala scncgalcnsis) und
2. das niaiokkaiiische Mähiieuschaf ^Oy/s J«6rt^« NumidaJ.
So wie bei meinen früheren Versuchen über die Abstammung
der verschiedenen Racen der Haus-Säugethiere, füge ich auch hier
einen kurzen Anhang bei, weicher einige Notizen über die Schafe
in Amerika und den Australländern enthält. Dieselben gründen sich
grösstentheils auf die Wittheikingen, welche in den Berichten von
R e n g g e r , T s c h u d i , M 0 1 i n a , M a X i m i 1 i a n P r i n z z u N e u ^v i e d,
Roulin undGriffith über diesen Gegenstand enthalten sind.
So wie die Ziege, hat Amerika auch das zahme Schaf erst
durch die Europäer erhalten , denn alle daselbst gezogenen Racen
sind theils durch die Spanier und Portugiesen, theils aber auch durch
die Engländer, Franzosen und selbst die Deutschen, aus Europa oder
Afrika im Wege der Schifffahrt dahin gelangt und in diesem Welt-
theile heimisch geworden. Überall in ganz Amerika wird heut zu
Tage die Schafzucht und in vielen Ländern sogar in grosser Ausdeh-
nung betrieben. Allenthalben gedeihen die Heerden auch in ihrer
neuen Heimath, und insbesondere ist es Nord-Amerika, wo man die
Pflege derselben mit grosser Sorgfalt betreibt.
In Süd-Amerika sind die Schafe fast durchaus spanischer
Abkunft, ohne jedoch allenthalben von gleicher Güte zu sein, wie die
edleren Racen des Schafes des Mutterlandes.
Nach Paraguay sind die Schafe, so wie alle übrigen dort vor-
kommenden Hausthiere, erst von den Spaniern dahin verpflanzt wor-
den und wahrscheinlich stammen sie vom gemeinen spanischen oder
Churro-Schafe ab. Wollte man sie für Abkömmlinge der edleren
spanischen oder Merino -Schafe betrachten, so müsste man annehmen,
dass sie vollständig entartet seien, indem jede Spur einer solchen
Abstammung bei ihnen gänzlich verschwunden ist. Sie sind von
kleiner Statur, und nur mit einer kurzen und äusserst rauhen Wolle
bedeckt. Auch ist ihr Fleisch durchaus nicht mit dem der euro-
päischen Schafracen zu vergleichen , indem es gewöhnlich mager,
völlig weiss, und nichts weniger als von angenehmem Geschmacke
ist, so dass der Genuss desselben eher anekelt als mundet. Da ihr
Fell jedoch häufig zu Reitdecken verwendet wird und man seit der
242 •'" i l -^ i 11 tf e r-
Rcvülulion mich angefangen hat, die Wolle zu benutzen, dieselbe zu
sjiinnen und zu Poiiclio's oder Mänteln zu verarbeiten , was früher
nicht geschah, so werden nun beinahe in allen Meiereien Sehaf-
heerden von 100 — 1000 Stücken gehalten, die sich eben so schnell
vermehren, wie die Schafe in Europa. Sehr viele unterliegen aber
auch den verschiedenen Krankheiten, von denen sie nicht selten
befallen werden und insbesondere sind es die Drehkrankheit und
vorzüglich die Klauenseuche, von welchen sie häutig betrotTen wer-
den und welche oft ganze Heerden dahin raffen. Letztere Krankheit
tritt gewöhnlich bei lange anhaltendem Regenwetter ein und ver-
ursacht den Thieren Fussgeschwülste, in Folge deren sie zu Grunde
gehen.
Die Schafe in Peru scheinen von den edleren spanischen oder
Merino-Schafen abzustammen, denn obgleich sie durch Vernachläs-
sigung der Zucht schon sehr entartet sind , so erkennt man an ihnen
dennoch deutlieh die edle Abkunft, indem sie sich ungeachtet dieser
Ausartung, immer noch als eine feine spanische Race darstellen.
Bemerkenswerth ist, dass die allermeisten Widder drei- oder vier-
hörnig sind und dass zuweilen, wenn auch nur selten, sogar welche
mit fünf bis sechs Hörnern angetroffen werden. So wie das Rind,
entbehrt auch das Schaf in Peru jeder Pflege, doch ist die Anzahl
der Thiere, welche daselbst gehalten werden, sehr beträchtlich.
Weniger als 60 Stücke werden kaum irgendwo im Lande und selbst
nicht bei den ärmsten Bauersleuten angetroffen, während die wohl-
habenderen Hacendado's oder die Besitzer grösserer Wirthschaf-
ten, sehr zahlreiche Heerden unterhalten und mancher von ihnen
selbst bis zu 80.000 Stücke besitzt. Am häufigsten wird das Schaf in
der Puna-Region getroffen, denn an der Küste erträgt es die Hitze
nicht so leicht, in der Sierra, wo diesem Thiere das Klima am besten
zusagen würde, wird der Boden mehr zum Ackerbaue verwendet,
daher es auch genöthigt wurde, sich auf den ausgedehnten Hoch-
ebenen der Puna auszubreiten. In der neuesten Zeit haben einige
Besitzer von Hacienda's spanische Schafe der edleren oder Merino-
Racen nach Peru bringen lassen, um die einheimische Race durch
dieselben aufzufrischen und dadurch die Zucht zu heben. Es unter-
liegt auch keinem Zweifel, dass bei Befolgung eines rationellen Be-
triebes und Anwendung der gehörigen Sorgfalt, die Schafzucht für
das Land von sehr grosser Wichtigkeit werden könnte. Die Wolle
nhor die Rncen iles zahmen Schafes. 243
wirft bereits einen nicht unbedeutenden Gewinn ab und ist selbst in
Europa geschätzt.
Wie fast in alle Länder von Süd-Amerika, wurde das Schaf
auch nach Chili zuerst durch die Spanier gebracht, und zwar
stammt dasselbe von jenen edlen spanischen oder Morino-Schafon
ab, welche der Cardinal Ximenes im Mutterlande eingeführt. Es
gehört zu den besonderen Eigcnthünilichkeiten der klimatischen und
Bodenverhältnisse von Chili, dass sie keine nachfheiligen Einwir-
kungen auf die aus Europa dahin verpflanzten Hausthiere ausgeübt
haben, denn während dieselben fast in den allermeisten Ländern von
Süd-Amerika mehr oder weniger aiisgeartet und sich verschlechtert
haben, sind sie in Chili durchgehends unverändert geblieben und
haben sich bis zur Stunde im besten Stande daselbst erhalten. So
hat denn auch das Schaf in diesem Lande seit seiner Einführung
weder an Grosse und Gestalt , noch an der Güte seiner Wolle ver-
loren und dieselbe ist eben so lang, fein und zart, wie beim edlen
spanischen Schafe in Europa und hat auch die schöne weisse Farbe
beibehalten, welche der Wolle des Merino-Schafes eigen ist. Der
Reichthum an Wolle ist so gross, dass von jedem einzelnen Schafe
jährlich 10 — 15 Pfund gewonnen werden können. Jene, welche man
auf die Cordilleren brachte, zeichnen sich durch noch längere und
feinere Wolle aus. Wie in Peru, haben auch in Chili die Widder
gewöhnlich vier, bisweilen aber auch fünf, sechs und selbst sieben
Hörner, während die Mutterschafe aber immer hornlos sind. Dieselbe
Erscheinung kommt auch auf der Insel Chiloe vor und man kann
annehmen, dass man unter zehn Widdern daselbst acht antrifft, die
mehr als zwei Hörner haben. Das Fleisch der Hammeln wird von
allen, die es genossen, als sehr wohlschmeckend geschildert. In
neuerer Zeit wurden auch manche der edleren deutschen Schafracen
nach Chili eingeführt und es scheint, dass dieselben in ihrer neuen
Heimath eben so gut als die spanischen Racen gedeihen.
Brasilien hat das zahme Schaf zuerst durch die Portugiesen
erhalten, welche ungefähr zu Anfang des 17. Jahrhunderts das
guineische hochbeinige Schaf von der Westküste von Afrika dahin
verpflanzten. Diese Race ist die verbreitetste im ganzen Laude und
sie gedeiht daselbst eben so gut, als die gleichfalls aus West-Afrika
dahin eingeführte Zwergziege und das Rind. Ausser derselben wer-
den aber auch noch spanische und andere Schafracen in den ver-
244 F i t 7. i 1. - e r.
schiedeiien Gegenden von Brasilien gehalten und im südlichen Brasi-
lien ü'ilTt man heut zu Tage auch selbst die besseren deutsehen
Raeen an.
In Surinam und auf den Antillen ist es grösstentheils das
westindische hochbeinige Schaf, welches die Zucht in diesen Ländern
bildet; eine Schafrace, die sich aus dem guineischen hochbeinigen
Schafe, das von den Spaniern schon vor Anfang des 17. Jahrhunderts
von der Westküste von Afrika dahin eingeführt worden zu sein
scheint, in P'oige der Einwirkungen des Klima's und des Bodens erst
daselbst gebildet hat. So vortrefflich diese Race unter jenem heissen
Himmelsstriche auch gedeiht, so wenig sind die europäischen Rncen
geeignet, sich daselbst zu halten. Meistens beginnen dieselben schon
in kurzer Zeit in jenen Ländern abzumagern und zu kränkeln. Weit
dauerhafter dagegen erweisen sich die Bastarde, welclie man durch
Kreuzung derselben mit der nun mehr einlieimisch gewordenen Race
erzielt.
Die Schafe, welche nach Columbien eingeführt wurden,
stammen jedoch nicht von den Racen der Merinos, sondern von der
Chin'ro-Race ab, welche man de lana burdn y bmta nennt. Sie
werden in sehr grosser Menge in den Cordilleren angetroffen und
zwar in einer Höhe von 3000 bis zu 7500 Fuss über der Meeres-
fläche. Nirgends sucht sich das Schaf daselbst der Aufsicht des
Menschen zu entziehen und hat daher auch weder in seiner Lebens-
weise, noch in seinen Formen, mit Ausnahme vielleicht der etwas
geringeren Grösse, irgend eine wesentliche V'eränderung erlitten.
So k'icht sich das Schaf auch in diesen hochgelegenen Gegenden
fortpflanzt, so schwer ist es, dasselbe in den heissen Thälern und
Ebenen zu ziehen, wesshalb es auch nur selten in diesen Gegenden
angetroffen wird, wiewohl sein Fell daselbst besonders gesucht und
auch sehr geschätzt ist. Merkwürdig ist es, dass bei den Schafen
dieses Landes eine auffallende Veränderung in der Behaarung vor
sich geht, wenn den Lämmern nicht zur gehörigen Zeit ihr wolliges
Vliess abgeschoren wird. Denn wird dies unterlassen, so verfilzt es
sich und löst sich stückweise ab, während auf der kahl gewordenen
Haut, die durchaus keinen krankhaften Zustand erkennen lässt, statt
der Wolle, kurzes, glänzendes und glatt aidiegcndes Haar hervor-
sprosst, das dem der Ziege desselben Klima's sehr ähnlich ist. Auch
wächst an den Stellen, wo dieses Haar hervorgetrieben, auch nie-
Ülieidie Itaccii des Zülniit'ii Scliiifr». 241)
mals wieder Wolle iiacli. Diese Angabe, welche auf einer Beobach-
tung A'on Roulin beruht, scheint darauf hinzudeuten, dass das Schaf
von Columbien eine Bastardrace sei, welche auf der Vermischung
des Churro- Schafes mit dem westindischen hochbeinigen Schafe
berulit.
Nord-Amerika hat seine Schafe grösstentheils durch die
Engländer, zum Theile abei- auch durch die Franzosen erhalten und
die meisten Racen, welche in England und Frankreich gezogen wer-
den, trifft mau auch in den vereinigten Staaten. In manchen Gegen-
den hat man es auch versucht, die edleren spanischen Racen einzu-
führen , doch scheinen es nur die Provinzen Virginien und Kentucky
zu sein, wo die Zucht derselben mit Erfolg betrieben wird.
In Australien, wo das Schaf heut zu Tage schon fast allent-
halben eingeführt worden ist, nimmt die Zucht dieses Thieres , ins-
besondere in Neu-Süd- Wales, einen sehr raschen Aufschwung. Die
Racen, welche von den Englandern dahin verpflanzt wurden, gehören
den edleren spanischen oder Merino -Schafen an und man hat ab-
sichtlich dieselben gewühlt, weil das feuchte Klima von Grossbri-
tannien mehr den langwolligen englischen Racen, als den Merino-
Schafen zusagt und man durch die Verpflanzung dieser edlen Racen
nach Australien , sich vom Auslande unabhängig machen wollte,
indem durch diese eingeführten Zuchten sich der eigene Bedarf an
Kartätsch -Wolle allmählich decken muss. Ausserdem werden in
Australien und insbesondere inNeu-Holland, aber auch noch andere
und selbst die edleren deutschen Schafracen angetroffen. Auf den
Südsee-Inseln sind es meist das guineische hochbeinige und
Congo-Schaf, welche die Zuchten auf denselben bilden.
Die vorliegende Arbeit ist nur ein V^ersuch, den ich nicht ohne
Scheu der ÖfTentlichkeit übergebe, auf gütige Nachsicht zählend, die
ich mir von den Zoologen sowohl als Landwirthen erbitte. Ich fühle
sehr wohl, wie gross die Mängel seien, welche derselben ankleben,
ohne dass ich jedoch in der Lage wäre, denselben abhelfen zu kön-
nen. Mein Streben war lediglich dahin gerichtet, eine Zusammen-
stellung derjenigen Racen zu geben, welche von den Zoologen bisher
beschrieben worden sind, diese Racen möglichst genau zu charak-
terisiren und zugleich den Versuch zu wagen, ihre Abstammung nach
den Merkmalen, welche ihre äusseren Formen darbieten, zu deuten.
Habe ich dadurch die Anregung gegeben, das Augenmerk sachkun-
Sitzb. d. maUiem.-naliiiw. Cl. XLI. Bd. Nr. 14. 16"*
246 F i t z i n g' e r. Ülier die Haceu des ziiliiuen Schafes.
digei" Miitinor auf diesen wiclitigon Gegonstand zu lenken, so ist mein
Zweck erfüllt, da ich wohl erwarten d;irf, dass eine gründliche Unter-
suchung von anderer Seite, zur Aufliellung so mancher Zweifel
wesentlich beitragen und die die Wissenschaft nur fördern könne.
Dankbar werde ich jede Berichtigung entgegen nehmen und es würde
mich freuen, wenn ich durch meine V^ersuche über die Abstammung
der Racen unserer Haus- Säugethiere Veranlassung gegeben hätte,
dass dieser schon seit lange her völlig in den Hintergrund gedrängte
Gegenstand, von den Naturforschern wieder aufgenommen und in
den Bereich der Zoologie gezogen wird.
Die Sitzungsberichte der mathematisch - naturwissen-
schaftlichen Classe der kais. Akademie der Wissenschaften
erscheinen vom Jahre 1838 an für jede Sitzung besonders.
Es werden daher im Jahre 1860 nach der Anzahl der in dem-
selben abzuhaltenden Classensitzungen 29 Hefte ausgegeben.
Nach Massgabe der Stärke der Wochenhefte wird eine Anzahl
derselben zu einem Bande mit besonderem Titel und Inhalt
vereinigt.
Der Preis des ganzen Jahrganges beträgt 24 Gulden, der
jedes einzelnen Heftes 1 fl. 50 kr. Ö. W.
Von allen grösseren, sowohl in den Sitzungsberichten als
in den Denkschriften enthaltenen Aufsätzen kommen Separat-
abdriicke in den Buchhandel.
SITZlNGSßERlCHTE
DER
KAISEHLiniEiX AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH -NATÜHWISSENSCIIAITLICHE CLASSE.
XU. BAXD.
SITZUNG VOM 8. JUNI 1860.
m 15
17
247
XV. SITZUNG AM 8. JUNI 1860.
Vorgelegt wurden folgende übersendete Abhandlungen:
„Der Meteorit von Shalka in Bancoorah und der Piddjngtonit",
vom Hofrathe Haidinger.
„Die fossilen Mollusken der t(3rliärenSüsswasserkalke Böhmens",
von Prof. Reuss in Prag.
Der Seeretär liest ein Sehreiben des Herrn Dr. Fr. Zillner,
Primararztes an der salzburgischen Landesirrenanstalt, vom 29. Mai,
womit dieser seine der Akademie eingesendete Abhandlung: „Über
Idiotie mit besonderer Rücksicht auf das Stadtgebiet Salzburg"
begleitet.
Herr Director Kreil legt eine Abhandlung: „Beitrag zur
Klimatologie von Central- Afrika" vor.
Herr Dr. Aug. v. Pelz ein, Custos-Adjunet ani k. k. zoologischen
Cabinete, macht eine Mittheiluiig: „Züv Ornithologie der Insel
Norfolk".
Herr F. Studnicka, Eleve am k. k. physikalischen Institute,
berichtet über eine von ihm in Gemeinschaft mit Herrn J. Odstrcil
ausgeführte Arbeit: „Über elektrische Entladung und Induction".
Herr Regierungsrath Zippe theilt den Inhalt der folgenden vom
Herrn K. F. Peters, Prof. an der Universität in Pest, übersendeten
Abhandlung mit: „Geologische und mineralogische Studien aus dem
südöstlichen Ungarn, insbesondere aus der Umgegend von Rezbanya".
An Druckschriften wurden vorgelegt :
Akademie der Wissenschaften, Königl. Preuss. zu Berlin. Monats-
bericht. Februar. Mit 1 Tafel. März. Mit 1 Kupfertafel. Berlin,
1860; 8»
17*
248
Annalen der Chomio und Pharmacie. N. R. Bd. XXXVIFI. Heft 2.
Leipzig und Heidelberg, 1860; 8"-
Asiatie Society of Benfjal, Journal of the — : Edited by the
secretaries. Nr. CCLXXV. — Nr. V. — 18o9. Calcutta, 18Ö9; 8<'-
Astronomische Nachrichten. Nr. 1257— 12J)9. Altona, 18G0;4n-
Austria. Jahrgang Xil. Heft XXI. —XXHI. Wien, 1860; 8«-
Cosmos. IX-^ annce. 16" volunio. 18'' — 21Mivr. Paris, 1860; 8«-
Flora. Nr. 1—20. Regensburg, 1860; S«^-
Gesellschaft, k. k. zoologisch -botanische, in Wien. Verhand-
lungen. Jahrgang 1859. Mit 8 Tafeln. Wien, 1859; 8o-
— naturforschende in Emden. Fünfundvierzigstcr Jahresbericht
1 859. Emden, 1860 ; 8"- — Kleine Schriften der naturforschenden
Gesellschaft in Emden: VI. Der Barometerstand und die baro-
metrische NA'indrose Ostfrieslands, von Dr. M. A. F. Prcstel.
Emden, 1860; 4''- — VII. Ein Beitrag zur Klimatologie des
Harzes, vom Oberlehrer Chr. Ltulw. Schoof. Mit 1 Tabelle.
Clansthal, 1860; 4"- — Die jährliche Veränderung der Tempe-
ratur der Atmosphäre in Ostfriesland, von Dr. M. A. F. Prestel.
Mit 1 Tafel. 4«- — Bildliche Darstellung des Ganges der Wit-
terung des Jahres 1859, im Königreiche Hannover ; entworfen
von Dr. M. A. F. Prestel. Tafel Fol.
Guggenbühl, Dr. Med. J., Die Erforschung des Cretinismus und
Blödsinns nacli dem jetzigen Zustande der Naturwissenschaften.
Wien, 1860; 4»-
Istituto Veneto, I. R. di scienze, lettere ed arti. Atti. Tomo qninto,
Serie terza, disp. 6. Venezia, 1859 — 1860; 8o-
Land- und forstwirthschaftliche Zeitung. X.Jahrgang, Nr. 15 — 16.
Wien, 1860; 8«-
Liunean Society of London. Transactions. Vol. XXII. Part the third
& part the fourth. London, 1858 cV: 1859; 4o- — Journal of the
proceedings. Botany. Vol. II, III, IV. No. 7 — 15. — Supplement
to Botany. Nr. 1—2. — Zoology. Vol. II, III, IV. Nr. 7—15.
London, 1858 — 1859; 8"- — Address of Thomas B eil, Escf.
F. R. S., etc. the President, together with obituary notices of
deceased members, by John J. Renne t, Esq. F. R. S., the sccre-
tary; read at the anniversary moeting of the Liunean Society
on Monday.May24, 1858—1859. London, 1858— 1859; S«--
List of the Liunean Society of London. 1858—1859; S«-
Lot OS, Zt'itscinift für Natiirwissenscliiifteri. X. Jahrg. Januar bis
April. Prag, 18G0; 8"^-
M i 1 1 h e i I u 11 g e n der k. k. geographischen Gesellschaft. III. Jahrgang,
18Ö9. 3. Heft. Wien, 1859; 8"-
— aus Justus Perthes' geographischer Anstalt. ISOO. Nr. V.
Gotha; 4o-
Napoli, PialTaele. Soiniiiario storico critico dei progressi della
chiinica iiel periodo diquesto secolo. Memoria. Napoli, 1860; 8"-
Wiener medizinische Wochenschrift. Jahrgang X. Nr. 20 — 22.
Wien, 18G0; 4o-
Zeitschrift des österreichischen Ingenieur-Vereins. Jahrgang XII.
Heft 4 — S. Wien, 1860; 4o-
Zillner, Dr. F. W, Über Idiotie mit besonderer Rücksicht auf das
Stadtgebiet Salzburg. Mit 10 Steindrucktafeln. (Abgedruckt im
XXVII. Bande der Verhandlungen der Kais. Leop. Karol.
Akademie.) 1860; 4o-
2ol
ABHANDLUNGEN UND MITTHEILÜNGEN.
Der Meteorit von Shalka in Baneoorah und der Piddüigtonit.
V'on dem w. M. W. Haidinger.
(Vorg'elegt in der Sitzung' am 8. Juni 1860.)
Man kann mit festem Entschluss an die Arbeit gehen; welchen
Erfolg sie bieten wird , lässt sich nicht voraussehen ; aber um so
überraschende^' und anregender sind Erfolge, wenn sie schon am
Anfange einer neu begonnenen Reihe von Vorgängen dieser Art sich
zeigen, wie bei dem so eigenthümlichen Meteoriten von Shalka.
Aber ich muss hier vorerst mit wenigen Worten der Veranlas-
sung gedenken. Die Vermehrung der Meteoriten-Sammlung des k. k.
Hof-Mineralien-Cabinetes war es, wie ich dies der hochverehrten
mathematisch -naturwissenschaftlichen Classe der kaiserlichen Aka-
demie der Wissenschaften in der Sitzung am 9. Jiinner 1859 vorlegte,
in dem Berichte über den von Herrn Grafen v, Coroniui freund-
lichst übersandten Meteoriten von Kakova, meines hochverehrten
Freundes Wohl er Nachrichten von Herrn Harris' Analyse desselben
Meteoriten von Kakova und seiner eigenen Auffindung eines nach
Art der organischen Stoffe zusammengesetzten KohlenwasserstotTs in
dem Meteoriten von Kaba.so wie meines Verzeichnisses der damals
in dem k. k. Hof-Mineralien-Cabinete aufbewahrten Meteoriten und
meteorischen Eisenmassen von nicht weniger als 137 Fall- oder
Fundstätten, welche mich damals die Bitte um freundliche Unter-
stützung an die hochverehrten Herren Collegen richten liess, so wie
das Versprechen, dass auch von unserer Seite, durch Herrn Director
Hörnes und mich, stets die lebhafteste Aufmerksamkeit auf diesen
Gegenstand verwendet werden wird. Ich freue mich der hochver-
!2I)!2 H ;i i d i n g e r.
ehrten Classe heute ein Exemplai- des am 30. !\Iai d. .1. gesehlosseiieii
Verzeiehiiisse.s zu überreicheii, welches bereits 147 Fall- und Fuiul-
sliUten enthält, um zehn Nummern melir als das vom H. Jänner 1859.
Nicht weniger als l'ünf derselben , Allahabad (Futtehpore)
gefallen am 30, November 1822; Shalka in ßancoorali, gefallen am
30. November 1850; Segowlee gefallen am 0. März 1853; Assani,
184G aufgefunden von Herrn Pid d i ngto n; endlieh Pegu, mitge-
bracht von der Gesandtschaftsreise nach Ava im Jahre 1854 durdi
Herrn Thomas Oldliam, kamen am 22. Mai d. J. in Wien an, die
crsteren von der k. Asiatischen Gesellschaft in Bengalen zu Calcutta,
das letztere Exemplar von Herrn 0 I d h a m selbst, dem ausgezeichneten
Leiter (Superintendent) der geologischen Landesaufnahme von Indien.
Von der Gesellschaft war noch ein ansehnliches Stück einer Eisen-
masse beigelegt, welche von Capilain Sherwill im Jahre 1848 auf
der Höhe der Kurrnkpur-Hügel bei Monghir am Ganges aufgefunden,
und an die Gesellschaft geschenkt worden wiir. Das Stück in dem
Gesellschaftsmuseum wog 1561/^ Pfund. Pid dington gab eine
Analyse mit einem Gehalte von etwas Nickel und Kobalt, da aber
keine VV id mannstätt en'schen Figuren sichtbar sind, so erfordert
dieses Fundstück noch die genaueste Untersuchung, um die mete-
oritische Natur sicher zu stellen.
Mit diesen Stücken liegen nun mannigfaltige Aufgaben vor.
Die hochverehrten Herren Collegen finden in unserer eigenen
Bibliothek, in dem III. Heft des Journal of the Äsiatic Society of
Bengal (üv das Jahr 1859, S. 25G, in dem Sitzungsberichte des
Monates Juni, die Darstellung der Verhandlungen, welche diese
Sendung zur Folge hatten. In einem früheren Bande desselben
Journals für 1844, Vol. XIH, S. 885 hatte der damalige Curator
des Museums Pid dington, unter dem 1. Jänner 1845 ein höchst
wcrthvolles Verzeichniss der in Calcutta aufbewahrten Meteo-
riten und Meteoreisenmassen gegeben. Von allen in demselben
erwähnten Fällen und Funden war eben so wenig in der Sammlung
des k. k. Hof-Mineralien-Cabinetes, ausser den beiden Eisenmassen,
der Pallas'schen und der von Bemdegö (Bahia), dort Sergipe
genannt, aber mit dem Beisatze, Mor nay und Wo 1 las ton, woraus
sich die Identität ergibt, vorhanden, als sich dort unsere Sammlungs-
stücke fanden. Da ich nicht wusstc, ob sich die Meteoriten noch in
dem Museum der Asiatic Society befänden, oder an das des seitdem
I>LT .Meteorit vnii Slialkii in Baiifoorali und iler I'iddiiigluiiit. 2bo
erriclitotcii Oeologieal Siirvoy ühorfrat^en «ordoii waren, so schrieb
ich gleichzeitig in der Aiigelegeiilieit eines einzuleitenden Tausches
sowohl an Herrn Oldham, als an den Secrclär der Gesellscliaft,
Herrn W. S. Atkinson. Ich bringe den beiden iiochveiehrlen Her-
ren hier meinen innigsten Dank dar, für die freundlich-wohlwollende
Aufnahme, welciie sie sowohl meinen V^orschlägen angedeihen Hessen,
als auch der erfolgreichen Empfehlung, in einem durch dieselben
und Herrn Dr. Tliomson gebildeten Comite, welches bei der
Gesellschaft die Aufnahme bestens befürwortete, der Gesellscliaft
selbst aber für dieses so bereitwillige und herzliche Entgegenkommen
unserer Anerbietungen.
Während die Ausgleichung durch Gegensendungen in den Ver-
handlungen der betrelTenden Museen selbst vorbereitet und durch-
geführt werden, entspringen aber aus den Untersuchungen selbst
mancherlei Ergebnisse, welche allmählich durch Arbeit gewonnen, es
Wühl verdienen, zur wissenschaftlichen Kenntiiiss genommen zu werden,
und darunter habe ich eben heute die Ehre Einiges vorzulegen, was
sich auf den so höchst eigenthündichen Shalka- Meteoriten bezieht.
Der verewigte hociiverdiente Forscher Pid ding ton, gab
einen höchst werthvolien Bericht über den Fall und den Meteoriten
selbst 9» welcher indessen, so viel ich ausfindig maciien konnte,
in keinem europäischen Werke die so wohlverdiente Würdigung
gefunden hat. Im Gegentheile finden sich hin und wieder manche
Angaben , welche selbst an und für sich eine weitere Forschung zu
veranlassen geeignet gewesen wären.
Aus Herrn Dr. Geo. Buist's Bombay Times entnimmt Herr
Rev. Baden Powell-) folgendes Seite 47 :
„Wir erhielten Nachricht von dem F'alle eines merkwürdigen
Aerolithen, welcher sich bei dem Dorfe Sulker, unweit Bissempore
am 30. November 1850 um 3 Uhr Nachmittags zugetragen. Der
Fall war von einer Explosion begleitet, die einem Kanonenschuss
') Exinidnaüon und Analij.sin uf tfie Skalka Meteorite (Zillah West Burdwan). Bij
Henry Piddiiiijton, Curator of the Museum of Economic Geoloijy. Journal oft lie Aniatic
Society of Benyal for 1832, Bd. XX, S. 299.
-) Oll Observalions of Meteors; continued from the Report ISöO. By the Rev. Baden
Powell, M. A., F. B. S., Savilian Professor of Ueometry , in the University of Oxford.
Report of the Twenty-first Meeting of the British Association for the Advanceinent
of Science held at Ipswich in July 18St. Reports. P. I. Es ist dies der vierte
von Herrn Baden P o w e 1 l's wichtig-en Berichten.
254 Hnidin-er.
ähnlich gewesen sein soll. Der Stein drang gegen vier Fuss in den
Grund ein. Herausgegraben fand man ihn 3 »/j Fuss im Umfange,
gegen 1 i/o. Wir hören, Capitain Hannington hat dessen Besitz
erworben, und wird ihn an die Asiatic Society schicken". Ferner
(Seite 29) in dem Verzeichnisse seihst „Meteorstein gefallen, drei
Fuss im Umfang; sogleich ausgegraben".
EinAuszug davon „Sulker bei Bissempore" findet sich in Georg
V. Bogusla wski's Schrift: „Zehnter Nachtrag zu Chladni's
Verzeichniss der Feuermeteore und herabgefallenen Massen in
Poggendorft"s Ergänzungsband \\. 18ö4, Seite 383".
Ohne Angabe der Quelle hat Herr Dr. Otto Buchner „Sulker
bei Bissempore" den Umfang 21/3 bis Sy.. Fuss, die Bemerkung,
dass keine wissenschaftliche Notizen bekannt sind, und dass sich der
Meteorit in der Sammlung der asiatischen Gesellschaft in London
befindet 9.
In dem so wichtigen Essay on Meteorites, von Herrn B. P.
Greg ist in dem freilich sehr kurz znsammengefassten Ver-
zeichnisse) angegeben: „Bissempore, Stein," und wohl durch Zufall
„3 Fuss Durchmesser" .
Ich kann nur bedauern, dass es mir unter unserer gegenwärtigen
Gepflogenheit nicht zukommt, einen nach meinem Wunsche nahe
an eine Übersetzung des wichtigen Pi d<l ington'schen Berichtes
reichenden Auszug desselben zu geben, aber so viel wenigstens darf
nicht fehlen, als das Wissenswiirdigste der Thatsachen umfasst. Major
Hannyngton, Agent des General-Gouverneurs S. W. Frontier
hatte in der That fin kleines Stückchen des Meteoriten in das Museum
zu Pidilington gebracht, und ihn zu weiteren Nachfragen an
Dr. Check in Bancoorah gewiesen. Dieser sandte alsbald ein
schönes Exemplar. Pidding ton aber veranlasste durch Herrn
F.W. Mactier, Officiating Joint M(tr/istrate of Zillah Bancoorah,
der sich selbst von Bancoorah nach dem 10 enjilische Meilen ent-
*) Diß Feiiermeteore, inshesondero die Meteoriten, historisch und nntiirwissenschaftlich
betrachtet. Von Dr. Otto Buchner. fiiessen IS.'JO, Seite 100.
2) Seife 38. Die Abh;uidlinig' selbst erschien in dem Philnsopliitjal Mnyutine. No-
veinher und Decemi)er 1844, und ist hier bericlitif^t und vermehrt. Ich verdanke
des hochverehrten Herrn Verfassers freundlicher Gewog-enheit ein Exemplar des
„Essay" in welchem :eahlreiche Nachträffe und Berichtigungen bis zum .luni 18Ö9
eingetragen sind , und derselbe verfolgt auch gegenwärtig mit grösslem Nach-
drucke und Erfolge die Studien der Meteoriten.
Der Meteorit von Shalka in Bancooiith unil der Piddingtonit. 255
fernfen Bissempore verfügte, eine Aufnahme von Zeiigen-Aussngen,
nach 22 Fragen , welche er selbst zu dem Zwecke entworfen hatte,
so dass der Fall von Shalka (oder Shaluka oder Shalka) vollkommen
beurkundet ist. Die Augenzeugen waren Bambira, Sohn des
Rajputen B o 1 a i , 3o Jahre alt, und Bhuban B a g d i , Sohn des K u g a n
von der Bagdi-Kaste, 60 Jahre alt. Sie hatten den Schall gehört,
letzterer auch die Lichterscheinung gesehen , und waren beim Aus-
graben des Steines gegenwärtig. Der Fall fand Statt 40 Klaftern
{about eighty yardsj genau südlich vom Dorfe Shalka in einem
Reisfelde. Ein Stück des Grundes, der während des Falls weich,
schlammig war, wurde nebst Bruchstücken des Steines an die
Asiatische Gesellschaft in Caicutta gesandt. Ein Bruchstück, etwa
7 Zoll lang und 21/3 Zoll breit, etwa ein halbes Pfund schwer,
steckt noch in jenem grossen Stücke, das unter einer Glasglocke
sorgfältig bewahrt wird.
Der Fall geschah am 30. November 18ö0, drei Stunden vor
Sonnenaufgang, in einer ruhigen sternhellen Nacht. Das Getöse, dem
Donner verglichen, auch wohl eigenthünilicher Art von den Eiiige-
bornen „ Gurgur", „ Charchar purpur'' genannt, war kaum sehr heftig,
da Personen in dem nur y^ englische Meilen von dort entfernten
Dorfe Bhora nicht durch dasselbe aus dem Schlafe gestört wurden.
Am darauffolgenden Morgen erst ging der Chowkeedar Bhuban,
der den Fall in der Nacht bemerkt, nebst Arbeitern an den Ort. Der
Stein war in die Erde eingedrungen, Bruchstücke waren in einem
Umkreise von etwa 20 Fuss Radius zerstreut, er war mit etwas Erde
bedeckt, aber man grub bis drei Fuss tief immer Bruchstücke von
Stein heraus, so dass es das Ansehen hat, dass wirklich nur Ein
Stein gefallen ist, der aber beim Aufschlagen auf den keinesweges
festen Boden in viele Trümmer zerschellt wurde und dass er wirklich
an die 3 Fuss lang gewesen sein mochte. Der Stein kam nach der
Angabe der Augenzeugen beim Ausgraben augenscheinlich von Süden
her und zwar nach einer Richtung von etwa 80 Grad Höhenwinkel,
wie man nach der Lage einer Zeltstange urtheilen konnte, welche
der Talookdar des Ortes mit Namen Gopal Mundle in das Loch
eintrieb, aus welchem die Stein-Bruchstücke ausgegraben waren.
Das oben erwähnte Stück mit dem Eindrucke des Steines im
Falle ist etwa 1 Fuss lang und 1 Fuss breit. Zwei schalenförmige
Eindrücke sind durch eine unregelmässige Erhöhung von etwa
256 II :i i .1 i 11 jr e r.
zwei Zoll Breite getrennt. Eiiia dein tiefulleneii Steine zunächst anlie-
gende Schielit der Erde halte nach Pid ding ton das Ansehen von
gebranntem Thon. Obwohl der Stein kalt war, als nvan ihn ausgrub,
scheint er doch heiss gewesen zu sein, als er herabfiel. Die schwarze
Rinde des übrigens grauen Steines war hin und \\ieder abgetrennt
yu\i\ liegt in kleinen Bruchstücken lest an der Erde an.
Im Ganzen gelang es, für die Gesellschaft in mehreren Stücken
gegen neun Pfund dieses Meteoriten zu gewinnen. Das Übrige war
bereits von den Bewohnern hinweggelragen worden, die es vielleicht
selbst zu abergläubischen oder medizinischen Zwecken bewahren.
Pid ding ton gibt eine sehr ausführliche Beschreibung, an
deren Stelle ich indessen hier zwar eine kürzere, aber mehr nach
unseren gewohnten Ansichten, vorlegen darf.
Der erste Anblick, übrigens sogleich ziemlich fremdartig, erin-
nert theils an Bimsstein, wie es Piddington bemerkt, theils an
Perlstein, wie es mir zuerst erschien, und auch mein hochverehrter
Freund Herr Prof. Heuss unabhängig bemerkte, als ich ihm diesen
Meteoriten bei seiner letzten Anwesenheit in Wien vorlegte. Das
erste bezieht sich auf die feiner körnigen, etwas weisslicheren Theile,
während das letztere die dunkleren aschgrauen krystallinischen in
grobkörniger Zusammensetzung von Individuen bis zwei Linien in
jeder Richtung betrift't, welche selbst wieder in kugeligen Massen
von mehrzölligen Durchmesser in den ersteren eingeschlossen sind,
oder von denselben wie Gangweise durchsetzt werden, so dass das
Ganze das Ansehen einer Art von Breecie aus grösseren und klei-
neren sandartig zusanniiengeworfenen Partien gewinnt. Die einzelnen
Körner coccolithähnlich leicht trennbar. An diesen grösseren Indivi-
duen zeigen sich ziemlich deutlich Theiliuigsdächen, besonders nach
Einer Richtung, etwas weniger deutlich nach einer zweiten, die mit
der ersteren Winkel von etwa 100" und 80" einschliesst. Senkrecht
auf diese beiden trilTt man öfters Begrenzungen, die man als Kryslall-
flächen betrachten kann, und welchen parallel keine Theilbarkeit
stattfindet. Indessen ist auch ü])erhau{)t die Vollkommenheit der
Spiegelung sehr gering. Die Stri'itimg der Flächen deutet selbst auf
regelmässige Zusammensetzung, und ein, weini auch sehr unvollkom-
men, in einem einzelnen Falle erhaltener Winkel zweier Flächen von
etwa 100" könnte wohl (hii'aus erklärt werden, dass eine Zwillings-
Der Meteorit von Shnlka ■•! Banooornh und der Pidding'tonit. 21)7
hildung parallel oinor der Prismcnnäclion stattfand. Wirklicher Bnicli
zeigt Fettglanz.
Die Masse ist ausserordentlich mürbe und zerbrechh'ch. Den-
noch ist die Härte ganz anscjinlich und nicht geringer als 6-ö, wie
man sich durch genauere rntersuchinig überzeugt. Es wäre indessen
wohl nicht möglich gewesen, ein Stück des Meteoriten ohne einen
besonderen Kunstgriff zu schleifen und zu poliren, welches sehr gut
gelang, nachdem derselbe in einer heissen Auflösung von Wasser-
glase gelegen hatte, und sodann wieder trocken geworden war.
Das specifische Gewicht eines ziemlich reinen Stückes fand ich
bei 19" R. = 3-412. Pid dington gibt 3-66. Sein Exemplar hatte
etwas Rinde.
In dieser aschgrauen Masse liegen kleinere schwarze Körner, bis
zu Hirsekorn-Grösse, von Chromerz, zuweilen mit einem quadra-
tischen Querschnitt im Bruche.— Herr Karl v. Hauer hat selbst ein
ziemlich deutliches Oktaeder aufgefunden — aber eben wie das
graue Mineral ist das Cliromerz ausserordentlich mürbe und zerbrech-
lich, selbst zwischen den Fingern leicht zu zerdrücken, obwohl es
einen ziemlich starken, unvollkommenen Metallglanz besitzt und den-
selben bis in die kleinsten Stäubchen beibehält. Es zeigt den so
charakteristischen braunen Strich, und ist auch von Pid dington als
Chromerz erkannt worden.
Die Rinde des Meteoriten, von welchem an dem grössten vor-
liegenden etwa 91/3 Loth schweren Stücke eine Fläche von etwa
2 Quadratzoll sichtbar ist, hat eine schwärzlichbraune Farbe und
besitzt kaum etwas Glanz. Sie ist sehr dünn, eine ganz feine Haut wie
Schreibpapier, nur hin und wieder doch unregelmässig netzförmige
etwas dickere Partien auf derselben zusammengezogen, und diese
sind es, welche doch etwas mehr Glanz zeigen.
Wo die grösseren aschgrauen Individuen einen etwas hohem
Grad eines durchscheinenden Ansehens erhielten, zieht sich ihre Farbe
etwas in das Gelblich-grüne. Piddington vergleicht sie dann mit
Olivin selbst, doch schien es mir, dass Alles nur einer einzigen Mineral-
Species angehören könne, so allmählich verlaufen die Theile in einander.
Auf der angeschliftenen, gegen zwei Quadratzoll grossen Fläche
unterscheidet man nebst der grauen Hauptmasse nur noch die ein-
gewachsenen Chromerzkörner. Theilchen von metallischem Eisen
konnte ich ungeachtet sorgfältiger mehrmaliger Betrachtung nicht
258 Ha id in -er.
auffinden. Das Ganze hat auf die Magnetnadel keine Wirkung, die
ohnedem sehr dünne Rinde selbst nur eine ganz sehwache.
Während der Gewinnung der geschliirenen Fläche durch den
Steinschneider an dem ahgetrennten l^s Loth schweren Stücke,
war es meine erste Sorge gewesen, meinen hochverehrten Freund,
Herrn Karl Ritter v. Hauer um eine chemische Analyse dieses so
fremdartigen Körpers zu bitten. Sie liegt bereits vor und ich
schliesse den Bericht über dieselbe hier in seinen eigenen Worten bei.
„Nach möglichst genauer Absonderung der eingeschlossenen
schwarzen Körner ergab die graue Hauptmasse folgende Zusammen-
setzung in 100 Theilen:"
Kieselerde ä7"GG
Thonerde Spur Sauerstoff
Eisenoxydul 20-65 4-58J 30-50
Kalkerde 1-53 0-43 12-61
Magnesia 19-00 7-60)
■ 98-84
Ich hatte erst später , nachdem diese Analyse schon im Gange
war, die ursprüngliche Mittheilung Piddington's aufgefunden und
verglichen. Die daselbst gegebene Analyse ist indessen gewiss viel
unvollkommener, da es nicht gelungen war die Gegenwart der Mag-
nesia nachzuweisen. Er hatte nämlich als Hauptbestandtheile in 100
folgende berechnet: Kieselerde 68-0, Eisenoxyd 268, und dazu noch
2 Procente Chromoxyd, 0-5 Thonerde, 0-1 Schwefel, 0-12 Wasser
und eine Spur Arsenik.
Wenn nun aber auch, in früherer Zeit, unter ungünstigeren
Verhältnissen es Piddington nicht gelungen war, die chemische
Natur dieses Minerales vollständig aufzuklären, so hat er doch, ich
darf wohl sagen, durch die Rettung des Shalka - Meteoriten selbst
so hohes Verdienst auch um diesen Theil der Naturwissenschaften,
in welchen er überhaupt, namentlich in den Studien über die Gesetze
der Drehwindc, für inuner fortlebt, dass ich holVe, die Meteoriten-
Forscher und mit ihnen alle Mineralogen werden gerne fortan diese
eigeuthümliche mineralogische Spccies durch den Namen „Pid d i ng-
tonit" bezeichnen wollen. Ich bedaure nur dass er selbst nicht mehr
den Ausdruck meiner Verehrung entgegennehmen kann, aber wünsche
eben dadurch auch unseren hochverehrten Freunden von der Royal
Asiatic Society of BenyaL und dem Geoloyical Survey of Iniliu eine
Der Meteorit von Shalka in Baneoorali und der Fiddiugtonit. 4dJ
Erinnerung an das Wohlwollen darzubringen, mit welchem sie uns
von ihren Schätzen mitgetheilt.
Der Piddingtonit steht merkwürdiger Weise, wie Herrn Karl v.
Hauer's Analyse zeigt, zwischen den Bisilicaten und Trisilicaten von
Monoxyden ziemlich in der Mitte , indem der Sauerstoff der Basen
zu dem der Säuren sich verhält=l : 2-42. Er stimmt darin nahe über-
ein mit dem von Stromeyer analysirten olivinähnlichen Mineral aus
der angeblich vom Grimma (Steinbach) stammenden Eisenmasse i),
von 3-276 Gewicht und dem Verhältniss des Sauerstoffes der Basen
und der Säuren = 1 ; 2*6. Er gibt dafür als problematische Formel
RSi -{- 2KäSi3, wobei 1 Atom Eisenoxydul auf 5 Atome Magnesia
kommt, und das numerische Verhältniss von Kieselsäure, Magnesia und
Eisenoxydul ist
= 61-88 : 25-83 : 9-12.
Ein wichtiger, hier zur Vergleichung zu ziehender Körper ist
Shepard's „Chladnit" aus dem Bishopsville(2o.März 1843) Meteo-
riten, der dem Wesen nach ein wirkliches Trisilicat ist und nach den
vergleichenden Untersuchungen von Shepard und S. v. Walters-
hausen
Kieselsäure 70-71 67-14
Thonerde 1-48
Magnesia 28-25 2711
Eisenoxyd 1-70
Kalk 1-82
Natron 1-39 0-67
1U0Ü5 99-92
zeigte 3).
Verbindungen, wie der Chladnit, wie jenes olivinähnliche Mine-
ral von Stromeyer, wie der Piddingtonit sind bisher unter den
Producten unserer eigenen Erdrinde nicht vorgekommen. Es ist
gewiss nicht unrecht, wenn wir sie, sobald sich Gelegenheit darbietet,
mit eigenen specifischen Namen versehen, um so die Aufmerksamkeit
der Forscher immer mehr auf sie s elbst und andere Körper hinzuleiten,
welche ihnen in der Reihe unserer Bestrebungen zur Erläuterung iiihI
Bestätigung dienen könnten.
1) ilaminelsberg, Handbuch der Mineralchemie. 1860, Seite 303.
2) Ra mme 1 sberg' a.a.O. auch Seite 941. Shepard. S i 1 1 im a n 's ^»ler. Jo!<r;i.
ofSc. II. Ser. II. 377, VI, 414. — Sartori us v. Waltershausen, Ann. der
Chemie und I'iiarniacic, LXXIX, oli'J.
2f)0 H n i (1 i n g e r. Der Meteorit von Slinlka hei naneoornli etc.
Ich fiige nur noch das mineralogische Bihl des Piddingtonits im
Umrisse hinzu, M-elches durch fernere Arheit wohl noch grössere
Genauigkeit zulassen wird.
Pi ddingtonit, im System einzureihen nach dem Chrysolith.
Form. Orthotyp oder augilisch. Theilharkeit zwei Flächen, die
sich unter Winkeln etwa von 100" und 80" schneiden, wenig vollkom-
men , die eine derselhen etwas deutlicher. Zwillingshildung parallel
einer der Prismenflächen. Körnige Zusammensetzung, mit coceolith-
artigen Trennungstlächen, breccienartig, mit grösseren (bis 2 Linien)
und kleineren Theilchen.
Masse. Aschgrau, bis an den Kanten durchscheinend, ersteres
zum Theil in Geiblichgrün geneigt. Fettglanz. Spröde. Sehr
zerbrechlich in den körnig zusammengesetzten Massen. Härte = 6-1).
Gewicht = 34 12.
Materie. Verbindung von Eisenoxydul- und Magnesia - Bisilicat
und Trisiiicat. Nach Karl v. Hauer's oben gegebener Analyse.
Hörn sie in. Über Helligkeitsmessungen bei kleinen Fixsternen. 261
Über Helligkeitsmessungen bei kleinen Fixsternen.
Von dem c. M. Karl Hörnst ein,
Adjunct der k. k. Sternwarte.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 19. April 1860.)
(Mit 4 Tafeln.)
I.
Vorschlag zur Anstellang von Zonenbeobaehtangen bezüglich der
Helligkeit der kleineren Fiisterne.
Die Beobachtungen , welche zur Bestimmung der Fixsternoite
angestellt werden, zerfallen im Allgemeinen in zwei Classen: ent-
weder es werden, in der Regel mit Meridianinstrumenten, absolute
Messungen der Rectascension und Declination vorgenommen, wo-
bei keinerlei Beschränkung bezüglich der Wahl der zu bestimmen-
den Sterne durch die Methode der Beobachtung geboten wird,
oder man trifft zum Behüte einer reicheren Ausbeute an Messun-
gen, sowie zur Erzielung gewisser Erleichterungen für die nach-
herige Berechnung der Beobachtungen eine besondere Auswahl unter
den Sternen, indem man diese nach einem bestimmten Gesetze in
Gruppen vertheilt und an jedem einzelnen Beobachtungstage sich nur
auf die Beobachtung von Sternen aus einer speciellen solchen Gruppe
beschränkt. Gewöhnlich gruppirt man die Sterne nach ihrer Decli-
nation, indem man sich den ganzer» Himmel in schmale, dem Äqua-
tor parallele Zonen von angemessener Breite, je nach dem grösseren
oder geringeren Sternreichthum der betreffenden Himmelsgegend,
eingetheilt denkt , und an jedem Tage nur Sterne aus einer einzigen
Zone beobachtet. Solche Zonenbeobachtungen haben uns in der That
den bei weitem grössten Theil unserer bisherigen Fixsternpositionen
geliefert, und sie erfreuen sich, wenn sie mit zweckmässig eingerich-
teten Hilfsapparaten angestellt werden, einer sehr anerkennenswer-
then Genauigkeit. Hauptsächlich sind es die kleineren Fixsterne von
der 7. bis zur 10. oder 11. Grösse, deren genauere Kenntnisse wir
fast einzig der Anstellung von Zonenbeobachtungen verdanken.
Silzb. (I. mathem.-natuiw. Cl. XLI. Bd. Nr. 13. 18
\
262 Hornslein.
Es ist liekaiint, dass wir in Bezug auf die Messung der Helligkeit
der Fixsterne, selbst der helleren mit freien Augen sichtbaren, nur
wenige werthvollere Beobachtungsreihen aufzuweisen haben , und
dass selbst bei diesen der Grad der Genauigkeit ein nur massiger ist.
Die bisherige Einrichtung der Photometer hat selbst bei der grössten
Sorgfalt, die auf die Anstellung der Beobachtungen verwendet worden
war, die Erzielung einer grösseren Schärfe nicht gestattet. Dies ist
keineswegs so zu verstehen , als ob wir kein sicheres Princip kennen
würden, auf welches sich die Construction eines genauen und auch
auf kleinere Sterne bequem und siciier anwendbaren Photometers
gründen Hesse. Im Gegentheile sind das theil weise Verdecken
des Objectives zur Lichtschwächung der im Fernrohre sichtbaren
Sterne, die Anwendung kei I förmig geschliffener und über
e i n a n d e r z u schiebenden N e u t r a I g I ä s e r (Dämpfgläser), das
von Steinbeil angewendete Verschieben des Objectives
aus seiner normalen Stellung gegen das Ocular im Sinne der opti-
chen Axe des Fernrohres, vielleicht auch die Anwendung gewisser
Polarisationsapparate, z. B. NicoTscher Prismen, u. a. m.
sehr brauchbare Mittel zur Helligkeitsmessung, und es darf die
Ansicht ausgesprochen weiden , dass n i c h t d i e E r f i n d u n g eine s
neuen Princip es für die Construction eines Photometers, sondern
vielmehr eine zweckmässige Benützung der vorhandenen
Mittel das auf diesem Gebiete zunächst zu lösende Problem ist.
Auch ist wohl zu bedenken, dass man mit Einem Photometer nicht
Alles zu leisten im Stande sein wird, dass es daher nothwendig
wird, eine Bei he von photometrisc henAp paraten zu erfinden,
deren jeder eine besondere Aufgabe zu lösen hat. Haben wir ja auch
zur Winkelmessung am Himmel die verschiedenartigsten Instrumente :
Meridiankreise, Theoduliten, Heliometer, Positionsmikrometer u. s. w.
und nur das kräftige Zusammenwirken und die gleichzeitige Tliä-
tigkeit aller dieserlnstrumente hat jene zahlreichen und verschieden-
artigen Messungen liefern können, welche die heutige Astronomie
der Nachwelt zur Ausbeutung zu hinterlassen in der Lage ist.
Bei dem Umstände, dass die Arbeiten, welche gegenwärtig in
Beziehung auf die Helligkeiten der Fixsterne von einzelnen ßeohach-
lern ausgeführt werden dürften und vielleicht zum Theile in Folge der
von der kais. Akademie gestellten Preisaufgabe über diesen Gegen-
stand unternonunen wurden, sich wohl grösstentheils auf die helleren
über Helligkeitsmessung^cn bei kleinen Fixsternen. 2ß3
Sterne beschränken dürften , habe ich es für angemessen gehalten,
mir einen Apparat zusammenzustellen, der sich an jedem Fernrohre
leicht anbringen lässt und vornehmlich zur Vergleichung von kleineren
Sternen, welche einer und derselben, oder wenigstens benachbarten
Grössenclassen angehören, verwenden lässt. Er ist mit einem Ocular-
mikrometer in Verbindung gesetzt, welcher zugleich mit der Hellig-
keitsmessung eine so genaue Ortsbestimmung der Sterne gewinnen
lässt, als es hier überhaupt nöthig ist; auch kann das Instrument bei
Vergleichung der Asteroiden mit Fixsternen von nahe gleicher Hellig-
keit verwendet werden. Der VVerth von derlei Messungen wird dann
besonders hervortreten, wenn eine grössere Zahl der helleren Sterne
gut bestimmt sein wird, an welche sich die schwächeren bequem
anknüpfen lassen. Das Princip, welches ich dabei in Anwendung
gebracht habe, ist das Decken des Objectives mittelst
Schieber und das unmittelbare Vergleichen der Bilder
der zu messenden Sterne mit dem Bilde eines Hilfs-
sternes auf demselben Hintergrunde, wodurch eine Berück-
sichtigung der Helligkeit dieses letzteren ganz ausfällt.
H.
BeschreiboDg des Zoaea-Photometers.
Das Fernrohr, auf welches das Zonen-Photometer aufgesetzt
wurde, ist ein Fraunhofer'sches von etwas mehr als 4 Zoll Öffnung,
welches im Sommer 1859 von Plössl mit einem schönen parallac-
tischen Stative mit Stunden- und Declinationskreis versehen wurde
und seit August 18S9 im südlichen Thurme der Sternwarte aufge-
stellt ist. Am Objectivende wurde ein starker Metallring BB (Fig. 1)
angebracht, der vom Oculare aus mittelst eines Schlüssels um die
optische Axe des Fernrohres drehbar ist. Auf diesem Ringe sitzen
die Säulchen cc, welche den Rahmen DD für die zur theil weisen
Deckung des Objectives bestimmten Schieber tragen. Aus dem
Rahmen DD erhebt sich eine cylindrische Röhre FF, an deren
oberem Ende X ein kleiner Planspiegel S, senkrecht auf die Ebene
der Figur drehbar, angebracht ist. Dieser Spiegel ist dazu bestimmt,
das Bild eines Hilfssternes in's Fernrohr zu reflectiren, mit welchem
die direct sichtbaren Sterne verglichen werden sollen . indem mit
Hilfe der Schieber die Bilder der letzteren so geschwächt werden,
18*
I
264 H 0 r II ,« < e i II.
dass sie dem Bilde des Hilfssternes an Helligkeit gleichkommen. Um
den nachtheiligen Einlluss, den die bei sehr vorgeschrittener Deckung
des Objectives stärker hervortretende Beugung des Lichtes auf die
Messungen ausübt, gänzlich auszuschliessen, hat man sich nur auf
die Messung jener Sterne zu beschränken , für welche die freie
Öffnung des Objectives nicht unter eine bestimmte Grösse herab-
sinkt, wodurch den Beobachtungen eben der Charakter von Zonen-
beobachtungen aufgedrückt wird. Mit dem Spiegel S (bei meinem
Apparate ein versilberter Glasspiegel aus der Werkstätte von Stein-
heil in München) ist unveränderlich verbunden und um dieselbe
Axe bei X drehbar ein Sector eines gezähnten Rades Ä, das mittelst
eines Zwischenrades oder Getriebes mit einem anderen Rade a
in Verbindung steht, dessen Halbmesser genau dem halben Radius
von ^ gleichkommt, während die Zähne desselben mit denen des
ersten Rades und des Zwischenrades übereinstimmen. Mit dem
Rade « ist ein kleines Hilfsfernrohr in fester Verbindung von nur
wenigen Zollen Länge, welches in Folge des Verhältnisses der
Halbmesser der Räder A und a bei einer beliebigen Drehung des
Spiegels sich in derselben Richtung um den doppelten Winkel
drehen wird. Denkt man sich ursprünglich das Hilfsfernrohr so
gestellt, dass es bei irgend einer Neigung des Spiegels S gegen
die optische Axe des Hauptfernrohres auf denjenigen Stern zeigt,
dessen durch Reflexion am Spiegel im Hauptfernrohre erhaltenes
Bild in die optische Axe des letzteren fällt, so wird auch in jeder
anderen Lage des Spiegels derselbe Stern im Hilfsfernrohre direct,
im Hauptfernrohre aber durch Reflexion gleichzeitig gesehen werden.
Mit einem so angebrachten Hilfsfernröhrchen wird man also einen
beliebigen Hilfsstern in's Gesichtsfeld des Hauptfernrohres bringen
können. Sollten die zu bedeutenden Dimensionen des letzteren für
Beobachtungen nahe am Zenith die Stellung des Hilfsfernrohres in
der Nähe des Objectives unbequem machen, so ist wohl nichts
leichter, als eine einfache Vorrichtung zu erdenken, welche erlaubt
das kleine Fernrohr sammt seinem gezähnten Rade a etwas tiefer zu
stellen, und die Bewegung des Zwischenrades nach abwärts zu über-
tragen. Sowie die Drehung des Ringes BB, so kann auch die des
Spiegels S rnit Hilfe eines Schlüssels vom Oculare aus geschehen;
dasselbe gilt von der Ablesung an den Schiebern. Letztere sind hyper-
bolisch ausgeschnitten, wie es die zweite beigefügte Figur zeigt; die
über Heliigkeitsiiiessiiiigeii hei kleinen Fixsternen. !2ß5
Axeii der beiden Hyperbeln sind zu einander und zu der Ricbtung, in
welcher die Schieber bewegt werden können, parallel. Der grössere
punktirte Kreis in der zweiten Figur bedeutet die ObjcctivölTnung, der
kleine den Querschnitt der Röhre FF, auf welcher der Spiegel sitzt;
abcde ist der erste, ab' c de der zweite Schieber, o der freie, durch
die Schieber nicht gedeckte Theil des Objectives. Ich habe mich
hier nur auf die Erklärung des Wesentlichsten beschränkt; es ver-
steht sich übrigens von selbst, dass der hinter dem Spiegel S ange-
brachte Apparat von so massiger Breite sein muss, dass durch ihn
die freie ObjetivötTnung möglichst wenig verringert wird. Ebenso
muss der Spiegel von solchen Dimensionen sein, und darf nur unter
solchen Neigungswinkeln gegen die optische Axe des Hauptfernrohres
benützt werden, dass die verlängert gedachte cylindrische Röhre FF
immer ganz den Spiegel durchschneidet, u. s. w.
IIL
Beschreibong des Mikrometers zur Ortsbestimmung der Sterne.
Eine der wesentlichsten Bedingungen für die Brauchbarkeit einer
photometrischen Vorrichtung zur Messung kleinerer Sterne ist das
Vorhandensein eines Mikrometers, mittelst dessen man eine genäherte
Ortsbestimmung jedes Sternes , dessen Helligkeit eben gemessen
wurde, ohne grossen Zeitverlust erhalten kann. Zu diesem Behufe
habe ich mit dem Zonen-Photometer folgenden Ocular-Apparat in Ver-
bindung gesetzt: Im Gesichtsfelde des Fernrohres ist eine Lamelle ah
(Fig. 3) von massiger Breite angebracht, welche während der Beobach-
tung senkrecht auf die Richtung der täglichen Bewegung des Himmels
steht. Die Zeit des Antrittes eines Sternes an diese Lamelle dient zur
Bestimmung der Rectascension. Zur Messung der Declination dient eine
parallel zur Lamelle verschiebbare Messingplatte ff , welche beider-
seits, bei</^ und h ausgeschnitten ist. Bei gg ist eine Glasplatte ein-
gesetzt, auf welcher zwei parallele, auf «6 senkrechte Streifen e gezo-
gen sind. Diese sind nur durch einen äusserst schmalen Zwischen-
raum von einander getrennt und so breit, dass sie auch bei ganz
dunklem Himmel ohne Beleuchtung des Gesichtsfeldes gesehen wer-
den. Zwischen diesen Streifen hat man durch Bewegung der Platte//'
den Stern einzustellen. Um nun die Position der Platte ablesen zu
können, ist bei /i eine zweite Glasplatte eingesetzt, welche auf einer
J>()() H o r n s t c i n.
Seite matt geschliffen, auf der anderen geschwärzt ist. In die Schwärze
ist eine Theilung eingeschnitten, weiche sich durch ein kleines Lämp-
chen von rückwärts erleucliten lässt, und sich als hell? Scale auf
dunklem Grunde darstellt. Ein Index oder Nonius auf der festen gleich-
falls geschwärzten Glasplatte i dient zur Ablesung der Scala. Bei
meinem Mikrometer sind die Intervalle der Scala so berechnet, dass
ein Intervall genau einer ßogenminute entspricht. Der Nonius gibt
unmittelbar y« der Minute oder iO Secunden, Durch Schätzung lässt
sich fast noch die einzelne Secunde gewinnen, eine Genauigkeit, die
weit grösser, als es hier überhaupt nöthig ist.
IV.
Methode der Beobachtong oud Yorthcile derselben.
Man stellt beim Beginne der Beobachtung das Fernrohr im
Sinne der Declination auf die Mitte der zu beobachtenden Zone. In
dieser Lage bleibt dasselbe unverändert stehen, so lange man in der-
selben Zone beobitchtet. Mittelst des kleinen Hilfsfernrohres und
Spiegels wird nun ein Hilfsstern in's Hauptfernrohr reflectirt , der je
nach der Helligkeit der noch zumessenden Sterne auszuwählen ist, und
dessen Bild mittelst der beiden Schlüssel , welche eine Drehung des
Spiegels möglich machen , fort und fort nahe im Centrum des
Gesichtsfeldes erhalten. Der benützte Hilfsstern wird im Beob-
achtungsbuche notirt, um die Wirkung der Absorption der Atmosphäre
während der Dauer der Beobachtung in Bechnung ziehen zu können.
Von dieser Wirkut)g wird man sich beinahe unabhängig machen,
wenn man als Hilfssterne vornehmlich Sterne in der Nähe der Poles
oder des Zenithes auswählt, woran nie Mangel sein wird. Sobald ein
Stern, dessen Helligkeit innerhalb jener Grenzen liegt, die man
sich zur Messung gesteckt hat, im Gesichtsfelde erscheint, wird man
während er den vollkommen freien, von der Glasplatte nicht be-
deckten Theil des Gesichtsfeldes durchzieht, die Schieber in die
geeignete Stellung bringen, so dass das Bild des Sternes dem des
Hilfssternes an Helligkeit gleichkommt. Hierauf wird die Zeit des
Antrittes an die Lamelle notirt und die Einstellung für die Declination
gemacht, und nun die Declinationsscala, sowie die beiden Schieber-
scalen abgelesen, und die geschätzte Grösse des Sternes notirt.
l'her Helligkeitsmessiiiigeii liüi kleinen Fixsternen. 267
Ich weiMje hei einer späteren Gelegenheit die Beschreibung
eines Photometers niittheilen, mittelst dessen sich Sterne von ganz
beliebiger Helligkeit messen lassen, indem für die helleren Sterne
das Princip des Deckens des Objectives beibehalten, für die schwäche-
ren dagegen die Lichtabschwäcliting miltelst keilförmiger Neutral-
gläser adoptirt wird. Hat man durch Anwendung eines solchen
Apparates auch nur wenige Sterne aus einer auf die eben beschriebene
Weise beobachteten Zone photometrisch bestimmt, so ist hierdurch
der Anschluss an alle Zonensterne ermöglicht, für welche jene
gewissermassen als Fundamentalsterne dienen.
Die Vortheile, welche so angeordnete Zonenbeobachtungen
bieten, sind vornehmlich: Geringe Abhängigkeit von der Absorption
der Atmosphäre ; die Helligkeit des Hintergrundes ist eliminirt; die
Beobachtungsmethode ist auf beliebig kleine Sterne anwendbar, ja
für kleinere vielleicht noch vortheiliiafter als für grössere; Einfach-
heit des Apparates und die Möglichkeit, denselben an jedem Fernrohre
leicht und bequem anzubringen; Helligkeitsmessung und Ortsbestim-
mung des Sternes geschieht zugleich.
Vergleichang der Asteroiden mit Fixsternen; fielligkeitsephenieriden
für die Asteroiden.
Schon bei Gelegenheit der Entdeckung der ersten vier Aste-
roiden am Anfange dieses Jahrhunderts haben Gauss und Olbers
darauf hingewiesen, wie nützlich es wäre, diese kleinen Planeten mit
benachbarten Fixsternen von nahezu gleicher Helligkeit, so oft als es
thunlich, zu vergleichen. Auch Herr Prof. Ar'gelander hat vor
mehreren Jahren in einem sehr interessanten Aufsatze, der sich im
XLII. Bande der astronomischen Nachrichten, Seite 177 u. f. vor-
findet, diesen Gegenstand aufs Nachdrücklichste hervorgehoben
und verschiedene Andentungen gegeben, welche bei derartigen Be-
obachtungen von Nutzen sein können. Er sagt darin unter anderem :
„Wenn wir die kleinen Planeten in möglichst verschiedenen Abständen
von Sonne und Erde mit einer Reihe gut gewählter Fixsterne verglei-
chen, nun aus jenen die Lichtmengen nach photometrischen Gesetzen
berechnen, die wir von den Planeten in den einzelnen Stellungen
erhalten, so werden uns dadurch die Verhältnisse der einzelnen
268 " o r 11 s t e i II.
Grösscnclassen, wenigstens bis zur 6. hinauf (durch Vesta) bekannt
werden, und es könnte dadurch eine Scala gebildet werden, nach
der sich die Beobachter bei ihren Grössenschätzungen sicher richten
könnten." — Man kann aber noch weiter gehen und so oft als mög-
lich einen oder mehrere Asteroiden, etwa mit Hilfe des oben be-
schriebenen Zonen-Photometers, mit allen benachbarten Fixsternen
von beiläufig derselben Helligkeit vergleichen, und so eine förmliche
Aufnahme einzelner Zonen des Himmels be\\erkstelligen. Diese
Messungen, welche freilich nur sehr beschränkten Werth haben,
so lange man eine einzelne Zone für sich betrachtet, können aber
durch entsprechende Verknüpfung höchst werthvoll werden. Und zu
einer solchen Verknüpfung bietet die Natur uns gewissermassen selbst
die Hand, wie aus dem Folgenden ersichtlich wird.
Wenn man es unternimmt, zur Bestimmung der Helligkeit von klei-
nen Fixsternen die Asteroiden zu benützen, so ist es für einen bestimmte n
Beobachter nicht nöthig, eine allzugrosse Anzahl dieser Körper hierzu
zu verwenden. Es wird vielmehr besser sein , einen oder einige
wenige aus ihnen zu wählen, und sie fort und fort durch die ver-
schiedensten Helligkeitsstufen hindurch zu verfolgen. Falls sich, wie
es sehr wünschenswerth wäre , eine grössere Anzahl von Beobachtern
zu solchen Messungen bereit finden würde, so wäre ohnedies hier-
durch die Gelegenheit geboten, durch angemessene Vertheilung eine
bedeutendere Zahl von Asteroiden zu diesem Zwecke mitwirken zu
lassen. So könnte z. B. Vesta sehr bequem vom Beginne des Sep-
tember 1860 bis Mai 1861 ununterbrochen verfolgt werden, während
welcher Zeit sie von der 8-9 bis zur 6-7 Grösse wächst, nach der
Opposition (im Jänner 1861) bis zum Mai 1861 wieder bis ungefähr
zur 9. Grösse herabsinkt. Entsprechend gewählte Hilfssterne (bei
Anwendung der obigen photometrischen Vorrichtung), deren reflec-
tirte Bilder es gestatten vornehmlich alle Sterne zwischen der 6. und
9. Grösse mit Vesta zu vergleichen, setzen otfenbar, abgesehen von
einer etwaigen Veränderlichkeit der Vesta , den Beobachter in Stand,
eine vollständige Aufnahme des Himmels rücksichtlich der relativen
Helligkeit der Sterne von den zuletzt genannten Grössen in der gan-
zen Gegend durchzuführen, durch welche der scheinbare geocentri-
sche Lauf der Vesta hindurchgeht. Ja es wird dem Beobachter nicht
die geringste Schwierigkeit machen, solche Hilfssterne auszuwählen,
dass Vesta bald zu den hellsten, bald zu den schwächsten der mit ihr
Ülier Heilig keitsmessiingeii Uv'i kleinrii Fixsleriien. 2 Öl)
verglichenen Sterne gehört; wodurch die Grenzen für die Messungen
noch beträchtlich erweitert werden. Vielleicht könnte es hierdurch
gelingen, im Verlaufe der nächsten Sichtbarkeit der Vesta , alle
Sterne etwa von der 4. bis zur 9. oder 10. Grösse, welche in dem
Räume von 7'' bis O*" oder 10'' der Rectascension, und von 18" bis
26" nördlicher Declination vertheilt sind, wiederholt in Bezug auf
ihre Helligkeit mit diesem Asteroiden zu vergleichen. Ähnliches gilt
bezüglich jedes anderen Asteroiden. Die Messungen könnten so be-
rechnet werden, dass als Endresultat die Verhältniss zahl
der Helligkeit des Sternes zur mittleren Oppositions-
helligkeit des betreffenden Asteroiden erscheint.
Um die Berechnung dieser Beobachtungen zu erleichtern, habe
ich Herrn R. Sonn dorfer, der sich hier sehr fleissig mit Astro-
nomie beschäftigt, veranlasst, Ephemeriden für die Hellig-
keit der sämmtlichen Asteroiden während des Jalires
1860 mit Rücksicht auf ihre jeweilige Phase zu be-
rechnen. Herr Sonndorfer hat diese Arbeit bereitwillig über-
nommen und mit grosser Sorgfalt ausgeführt; sie folgt am Schlüsse
dieses Aufsatzes. Nennt man H die Helligkeit eines Asteroiden
für irgend welches Datum, mit Rücksicht auf die Phase, und h
die mittlere Oppositionshelligkeit, so geben die Ephemeriden den
n
Quotienten — von 10 zu 10 Tagen. Ausserdem ist noch die Angabe
der Grösse nach der von Herrn Prof. Stampfer gegebenen Formel <),
ebenfalls mit Berücksichtigung der Phase, beigegeben , da auch diese
Grössenzahlen in vielen Fällen nützlich sein können. Bei diesen Grös-
senangaben liegen jene Werthe für die mittleren Oppositionshellig-
keiten zu Grunde, welche Herr Prof. Bruhns aus den bisherigen
Schätzungen erhalten hat, und die er so gefällig war, mir zu dieser
Rechnung zur Disposition zu stellen.
Von besonderer Wichtigkeit wäre es, die Asteroiden dann unter
einander zu vergleichen, wenn sie mit einer nicht zu sehr verschie-
denen Helligkeit nahe an einander vorübergehen, gleichviel ob dies
eine blos optische Zusammenkunft oder ein wirkliches nahes Zusam-
menkommen in einer der Bahnnähen ist. Auf diese Conjunctionen hat
auch schon Argelander a. a. 0. aufmerksam gemacht. Sie geben
1) Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wi.ssenseliafteii. 1831.
*i70 II o 1- II s t ei II. Über Hi'lli^^keilsinessuiig'en bei kleinen F'ixsteinen.
nicht Ulli' das Verhältniss der mittleren Heilig; keit der
betreffenden Asteroiden, sondern können auch als Verbin-
dungsglieder gebraucht werden, um die relativen Helligkeiten
a 1 1 e r S t e rn e, die mit e i n e rn d i e se r Asteroiden verglichen
sind, mit den Resultaten zusammenzuhalten, welche
mittelst des zweiten dieser Himmelskörper gewonnen
sind.
Um die Aste ro id en -Coli j u netio neu schnell und leicht mit
einem Blicke zu überschauen, habe ich es für das Zweckmässigste
gehalten den Lauf der Asteroiden griiphisch darzustellen, und zwar,
um ein allzugrosses Zusammendrängen von Linien zu vermeiden, für
jeden Monat ein besonderes Kärtchen zu entwerfen. Die Ausführung
dieser Kärtchen, den Lauf der Asteroiden vom April bis December
18G0 darstellend', verdanke ich Herrn Soiindorfer. Sie sind riebst
einigen sie botreffendeii Bemerkungen diesem Aufsatze beigefügt.
Aus diesen Karten wird man insbesondere auch jene Asteroiilen her-
aussuchen können, welche nahe gleiche Declination haben,
ohne in Rectascension besonders nahe zu stehen; diese können bei
der oben vorgeschlagenen Beobachtungsweise nach Zonen sehr
bequem direct mit einander verglichen werden. Sollten sich diese
Kärtchen, so wie die oben erwähnten Helligkeits-Ephemeriden des
Beifalles der Astronomen erfreuen, so werde ich dieselben auch für
die folgenden Jahie rechtzeitig mittheilen.
Bemerknngen zo den Karten für den Lauf der Asteroiden.
Die Karten dehnen sich über alle Stunden der Rectascension
aus. In Declination erstrecken sie sich vom Äquator bis 30 Grade
nördlicher und südlicher Declination. Der Weg, den jeder Asteroid
während des betreffenden Monates zurücklegt , ist durch eine ganz
ausgezogene Linie angedeutet, an deren Anfang, d.h. an jenes Ende,
wo der Asteroid am ersten Tage dieses Monates steht, die Nummer
des Planeten gesetzt ist. Zuweilen, wenn viele Linien nahe zusam-
menfallen, stehen diese Nummern in einiger Entfernung von den
zugehörigen Bahnstücken; sie sind jedoch mit denselben durch punk-
tirte Linien verbunden. Nur Atalante welche eine zu hohe Declina-
tion erreicht, fehlt in den drei letzten Kärtchen.
Jlorii.sleiii l't'ber llflli^'kpitsiri«'.s.siin!»Vn bei kleiiieiTii Ki.vNleriicn.
Taf I.
^vru?,^
/>>. j.
A^i; d r,.i:Kj:''i Staats diuckerei.
Sit'/.ung-sl).(lk.Akadd W. jualh.iiatunv. ('l.XLlBd.M?15.|860.
Homstein . ('ber Helligkeilsnipssunöpn bei kleinen Fixslernen . / IntMI.
I I I 1 I , r-. — \ — /^A- ■ I 1^ i i I B J I I I-
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Hornstein . Über Uelligkeitsmessungen bei kleinen Fixslenieii.
Tafm.
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Honisleiu. über Helligkeitsniessungen bei kleinen Fixslemen
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Taf.DT.
Silziiiio-.sb.dk Akad.JU'. iiiadi.iiatiinv.fl.XLl.Bd.N" 15, 1860
Gpiieiourideii für ilie Helli(;keiteii dtT Asteroiden im .laiiie 1860. ^71
Epliemeriden für die Helligkeiten der Asteroiden
im Jahre 1860.
Von Rudolf I^OQodorfer.
(Voro^elegt in der Sitzung am 19. April 1860.)
Die grosse Veränderlichkeit der Helligkeit der Asteroiden,
welche diese wegen ihrer verschiedenen Entfernungen von der Erde
erleiden, bietet ein vorzügliches Mittel dar, zwischen ihnen und den
Fixsternen Grössenschätzungen durchzuführen. Diese Idee wurde
bereits von mehreren Astronomen angeregt, besonders aber von
Herrn Professor Argelan d er (Astron. Nachr. XXXXlIj, welcher
Vorschlägt, durch sorgfältiges Vergleichen mit passend gewählten
Sternen sich unter diesen eine Art Grössenscala zu bilden.
Herr Dr. Hornstein lenkt nun in einem diesem vorangehenden
Aufsatze die Aufmerksamkeit neuerdings auf diesen Gegenstand hin.
und deutet einige Hilfsmittel an, mittelst deren diese Vergleichungen
noch einer bedeutenden Erweiterung fähig wären. Da nun hiezu die
genauen relativen Helligkeiten sämmtlicher Asteroiden nicht nur in
der Nähe derOpposition, sondern für jedeZeit unbedingt nothwendig
sind, so versuchte ich im folgenden über Aufforderung des Herrn
Dr. Hornstein, dessen freundlicher Belehrung ich mich immer-
während erfreue, für die Helligkeit eine Formel abzuleiten, in
welcher auch die Phase berücksichtiget ist, da diese oft einen
bedeutenden Einfluss ausübt; und nach dieser nun die Ephemeriden
der Helligkeiten sämmtlicher Asteroiden zu berechnen.
Betrachten wir einen dieser kleinen Planeten in Beziehung zur
Sonne und Erde, so ist bekanntlich die Helligkeit umgekehrt pro-
portional dem Quadrate der Entfernung, ist demnach r die Entfernung
2 / *J S o II II il o r f e r.
des Planeten von der Sonne, J die von der Eido, so ist, woiiii man
mit // die Helligkeit bezeichnet
k
11 =
..2J2
Dieses 11 hängt aber oOenbai- auch ab von der Grösse jener
bcli'uchteten Fläche, die unserem Auge sichtbar ist, nämlich von der
Phase, und zwar wird diese dem H direct proportional sein.
Bezeichnen wir sie mit f, so haben wir als genauere Formel für die
Helligkeit
Nun wäre der Werth von /'zu ermitteln. In Folge der Ar)alogie
der Asteroiden mit den übrigen Planeten unseres Sonnensystemes
wird es uns wohl gestattet sein, bei denselben die Kugelgestalt
vorauszusetzen. Mit dieser Voraussetzung wollen wir aber noch
annehmen, dass die Sonne den Planeten genau zur Hälfte beleuchtet,
und dass ein Beobachter von der Erde aus auch genau die halbe
Oberfläche des Planeten sieht.
Diese Annahmen rechtfertigen sich auch; denn sucht man die
Difi'erenz zwischen der wirklich beleuchteten Fläche des Planeten
und der halben Oberfläche der vorausgesetzten Kugelgestalt, so
ergibt sich für dieselbe ein Werth, den man innerhalb der Grenzen
dieser Bechnung füglich der Null gleich setzen kann. Bezüglich der
zweiten Annahme ist nur zu bemerken, dass sich dieselbe durch die
kleinen Dimensionen und grossen Entfernungen dieser Himmels-
körper rechtfertiget.
Unter dieser Voraussetzung ist nun , wenn p den Halbmesser
des Planeten bezeichnet
wo <p den Winkel bedeutet: Sonne, Planet, Erde; natürlich nur die
Mittelpunkte in Betracht gezogen. Ist R die Entfernung zwischen
Sonne und Erde, so ergibt sich wegen
'rJ~
wo Kürze halber
2s = r -\- J-\-R
ist.
[cos ^y =
Ephemeriden für die Helligkeiten der Asteroiden im Jahre 1860. 273
Dieser Wertli für /"subsfituirt gibt
In dieser Formel erscheint aber die Constaiite k, die wir nicht
kennen, und der unbekannte Halbmesser p des Planeten. Man macht
sich von diesen zwei Grossen unabhängig, wenn man, wie es der
Zweck dieser Ephemeriden zugleich erfordert, den Quotienten
aus der Helligkeit zu irgend einer Zeit in die mittlere
Oppositionshelligkeit sucht.
Aus obiger Formel folgt nämlich für die mittlere Oppositions-
helligkeit
h =
„8(a— i)2
da für die mittlere Opposition r = a, R ^= i, J =^ n — 1, mithin
^ = 0 ist; somit der Quotient
welche Formel nun nur bekannte Grössen enthält.
Nach Formel (I)habe ich nun die Helligkeiten für alle Asteroiden,
deren Ephemeriden mir zu Gebote standen, von 10 zu 10 Tagen für
das Jahr 1860 berechnet. Um dem Beobachter das Aufsuchen der
Planeten zu erleichtern, oder ihm ein Mittel an die Hand zu geben,
die mittleren Oppositionshelligkeiten noch genauer zu bestimmen,
habe ich mit Zugrundelegung der oben gewonnenen Resultate für
die Helligkeiten, die Grössen dieser Planeten bestimmt, und füge sie
den Ephemeriden für die Helligkeiten bei. Dieselben wurden nach
der von Herrn Professor Stampfer mitgetheilten Formel *) bestimmt.
(2-ö6)«-i
wo M die Grössenclasse des Planeten bezeichnet; es ist nun analog
1
mithin
1) Sitzungslierichte der kais. Akademie der Wissenschaften 18j1.
274 Sonndorfer.
und daraus
Hr)
Hier bedeutet m die Grössenclasse des Planeten in seiner mittleren
Opposition.
Hen-Ür. Bruhns war sogefällig, mir diese von ihm herrühren-
den Zahlen gütigst zur Verfügung zu stellen. Die den Helligkeiten
beigegebenen Grössen sind nach Formel (II) mit Zugrundelegung
der oben erwähnten Zahlen gerechnet.
Es fehlen nur die Helligkeiten der 3 Planeten: Daphne, Pseudo-
daphne und Mnemosyne. Die Jahresephemeriden der im Berliner
Jahrbuch fehlenden Planeten: Astraea, Hygiea, Fides, Circe, Leda
entnahm ich dem Nautical (Supplement 1863).
Die nun folgenden Tabellen enthalten die Helligkeiten und
Grössen von S4 Asteroiden. Die mit „Helligkeit" überschriebene
Columne gibt von 10 zu 10 Tagen den Quotienten aus der Helligkeit
an dem bestimmten Tage in die mittlere Oppositionshelligkeit ; und
die mit „Grösse überschriebene Columne die zugehörige Grössen-
classe des Planeten.
Rphenieiideii für die Hellifjkeiteii der Asteroiden im Jahre 1860.
275
Aglaja
Alexandra
1860
Helligkeit
Grösse
Hellig^keit
Grösse
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277
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2433
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2612
2711
2834
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3186
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3697 +'''
4009
4401
4830
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3778
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+ 511
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+ 634
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19
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11-20
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12-32
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11-25
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11-36
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März
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10-31
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12-70
Juni
9
0-3933
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12-76
29
0-3338 -'*
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12-78
Juli
9
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12-79
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August
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12-78
18
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— 101
10-91
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12-76
28
0-2373
10-96
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September
7
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11-00
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12-71
17
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11-03
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27
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— 39
11-06
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12-62
October
7
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12-36
17
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11-09
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0-2908 '[" ''^
12-30
27
0-2090 ~ "
11-10
12-43
November
6
0-2092 ^ -
+ 15
11-10
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+ 259
12-36
16
0-2107
11-09
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12 27
26
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11-07
0-3710 ;;; *"^
12-18
December
6
0-2182 + *^
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1105
0-4078 "^ ^*'*
12-07
16
11-01
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11-96
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4- 563
26
0-2329
10-97
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11-84
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10-92
0-5747 + •^'^
11-71
282
Sonn
d o r f e r.
E II II 0 m
a
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18Ü0
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Grösse
Ih-Iligkeit
Grösse
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1
0-1747 ^^'
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12-43
11
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12-46
21
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10-31
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31
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10-26
0-3243 _ J
12-52
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10
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12 53
20
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10-12
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12 54
März
1
0-2390 "*" '*^^
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12-55
11
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9-96
12-54
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21
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9-87
0-3241
12-52
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0-3869 Z
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12-50
April
10
20
9-65
9-53
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0-3527 T
12-47
12-43
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+ 152
30
0-4367 ^ ^.,
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12-38
Mai
10
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12-33
20
0-5720 X "'^
0-6655 t ^^^
+ 1089
911
0-4090 "^ ^^''
12-26
30
8-94
0-4361 ^ "1
12-19
Juni
9
19
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0-9134 +1390
8-78
8-60
0-4682
0-5058 _r '
12-12
12-04
29
1-0683 t
8-43
0-5511 T;
11-95
Juli
9
1-2487 +•**«*
+ 2062
8-26
0-6056 T ^*^
+ 650
11-85
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1-4549 ,
8-09
0-6706 ,
11-73
August
29
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1-6537 Y^^^
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7-95
7-84
0-7500 + ''*
0-8432 ^ ^^-
11-61
11-48
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1-9705 i'2«~
+ 499
7-77
0-9571 J"?!
11-35
28
2-0204
7-74
1-0946 ,
11-20
September
7
1-9922 -^-
7-75
1-2593 +'«*^
1105
17
1-8916 -''"'
7-81
1-4559 i*^"«
10-89
27
1-7446 ~**''
— 1593
7-90
1-6787 7^--^
+ 2526
10-74
October
7
1-5854 ._
8-00
1-9313
10-59
17
1-4231 "^'^
8-12
2-1901 ];^^*®
10-45
27
1-2747 ~'*^*
8-24
2-4466 T ^^^'
10-33
November
6
1-1420 *^"
— 1145
8-36
2-6470 l'»***
+ 1080
10-24
16
1-0275
8-47
2-7550
10-20
26
0-9298 ^'^
8-58
2-7766 + ^""^
1019
Decembcr
6
0-8463 ^'^^
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2-6691 '''"
10-23
16
0-7758 ^"^
— 598
8-77
2-4935 "•"''
— 1993
10-31
26
0-7160
8-86
2-2942
10-40
36
0-6647 " ^'^
8-94
2-0756 ~-**'^'
10-51
Eplienieriden für die Helligkeit der Asteroiden im Jahre 18G0.
283
E 11 r 0 |i a
E u t e r i»
!
18G0
llelligiccit
Grilsse
Helligkeit
(iriisse
Jänner
1
0-1904 J"'^
11-80
0-1107 ^'
12-59
11
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11-79
0-1106 ^ *
0-1113 + '
0-1128 "; '^
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12-59
21
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11-77
12-58
31
0-2004 +
+ 05
11-74
12-57
Februar
10
0-2069 , ,,
0-2154 T
11-70
0-1153 ,
0-1187 + ^*
12-54
20
11-66
12-51
März
1
U
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11-61
11-55
0-1231 + **
0-1285 + ^*
+ 69
12-47
12-42
21
0-2540 ,
11-48
0-1354 ,
12-36
31
0-2727 T ,'
11-40
0-1437 + ^^
12-30
April
10
20
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11-31
11-22
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12-22
12-14
30
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11-13
0-1797 ,
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0-2174 + 206
12-05
Mai
10
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11-03
10-93
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11-84
30
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10-83
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+ 302
11-72
Juni
9
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10-73
0-2727
11-59
19
0-5568 [ *"
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29
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10-56
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11-31
Juli
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11-16
19
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10-99
29
0-6475 "^ "
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10-81
August
8
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10-49
10-54
0-6731 +10'^
0-8000 +'269
+ 1533
10-63
10-44
28
0-5668
10-62
0-9523
10-25
September
7
17
0-5237 _ fl
0-4802 "^
10-70
10-79
1-1122 +''''
1-2929 +''''
10-08
9-92
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— 3S1
10-89
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9-80
Oetober
7
0-4004
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1-5452 ^
1-5774 + ^22
9-73
17
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11-09
9 71
27
0-3370 ^^l
11-18
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9-74
November
6
0-3118 _ "5;
11-26
1-4301 Z\Tn
9-81
16
0-2904
11-34
1-3086
9-91
26
0-2727 "
11-40
1-1669 -''''
10-03
December
6
0-2578 - '''
11-46
1-0438 ^^^*
10 16
16
0-2458 _ *^J
11-51
09335 ""-^
— 1039
10-28
26
0-2361
11-56
0-8296
10-40
36
0-2285 ^^
11-60
0-7461 ^"^^
10-52
284
S o II II d o r f e r.
Fides
Flora
1860
Helligkeit
Grösse
Helligkeit
Grösse
Jänner
1
0-4310
A,
11-70
0-1431
A,
11-01
11
0-4111
— 199
11-76
0-1454
4 23
10-99
21
0-3951
— 160
11-80
0-1488
4 34
10-96
31
0-3824
— 127
— 97
11-84
0-1543
4 33
4 60
10-93
F\'bruür
10
0-3727
11-87
0-1603
10-88
20
0-3(353
— 74
11-89
0-1675
4 72
10-84
März
1
0-3602
— 51
11-90
0-1758
4 83
10-78
11
0-3568
— 34
— 13
11-91
0-1856
+ 98
4 111
10-72
21
0-3555
11-92
0-1967
10-66
31
0-3558
+ ö
11-92
0-2095
4 128
10-59
April
10
20
0-3577
0-3610
+ 19
4 33
+ 47
11-91
11-90
0-2243
0-2415
4 148
4 172
4 194
10-51
10-43
30
0-3657
11-89
0-2609
10-35
Mai
10
0-3720
+ 63
11-87
0-2835
4 226
10-26
20
0-3797
+ 77
11-85
0-3092
4 237
10-17
30
0-3890
+ 93
+ 107
11-82
0-3389
4 297
-h 377
1007
Juni
9
0-3997
11-79
0-3736
9-97
19
0-4120
4- 123
11-76
0-4140
4 404
9-86
2!»
0-4263
+ 143
11-72
0-4612
4 472
9-74
Juli
9
0-4428
r 163
+ 188
11-68
0-5169
4 537
4 660
9-62
19
0 4616
11-64
0-5829
9-49
29
0-4833
-(- 217
11-58
0-6620
4 791
9-35
August
8
0-5086
+ 253
11-53
0-7562
4 942
9-20
18
0-5377
+ 291
^- 333
11-47
0-8704
41142
41376
9-05
28
0-5712
11-41
1-0080
8-89
September
7
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+ 391
11-33
1-1744
41664
8-73
17
0-6560
+ 457
11-26
1-3744
4 2000
8-55
27
0-7107
+ 547
-^ 63G
11-17
1 • 6026
42282
4-2632
8-39
Oclober
7
0-7743
11-08
1-8658
8-22
17
0-8519
4 776
10-98
2-1250
4 2392
8-08
27
0-9404
-f- 885
10-87
2-3543
4 2293
7-97
November
6
1-0464
41060
4-1251
10-75
2-4997
414S4
— 73
7-91
16
1-1715
10-63
2-4924
7-91
26
1-3130
41415
10-51
2-3585
— 1339
7-97
Decembor
6
1-4705
4-1575
10-38
2-1056
— 2329
8-09
16
1 - 6285
41380
41463
10-27
1-8095
— 2961
— 2887
8-26
26
1-7750
10-18
1-5208
8-45
36
i-8780
-t- 1030
10- tl
1 -2621
— 2387
8-65
Epheinerideii für die Helligkeit der Asteroiden im Jahre ISliO.
285
F u r 1 u II a
H a r m u II
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1800
Hellig-keit
Grosse
Helligkeit
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1
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1117
11
11-21
0-1712 "" ^'
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21
0-2098 ^ :;
11-19
0-1827 + *'^
11-03
31
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11-17
0-1967 -^ ^^"^
-^ 167
10-96
Februar
10
0-2200
1114
0-2134
10-87
20
0-2263 X ^^
0-2348 X ,!,■;
1111
0-2332 + 15«
10-77
März
1
11-07
0-2580 + 2***
10-66
H
0-2458 T ""
4- 1-^3
11-02
0-2878 T ^^^
+ 336
10-53
21
0-2583 ^
10-96
0-3234
10-41
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10-90
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10-28
April
10
0-2886 T !''
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10-84
0-4186 "^ ^^'^
10-14
20
10-78
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9-98
+ 216
+ 779
30
0-3288
10-70
0-5627
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Mai
10
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10-62
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9-66
20
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10-54
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9-51
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+ 1034
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Juni
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10-36
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9-25
19
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10-25
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August
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— 893
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28
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1-8155 t''"
9-33
0-6425
9-68
September
7
17
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Juli
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August
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11-33
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September
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11-87
Kpliemeiiden für die llellitrkciteii der Asteroiden im Jahre 1860. 299
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Grösse
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12-89
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9-31
30
0-4779
12-80
1-7686
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Juni
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12-44
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Juli
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12-44
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9-96
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12-48
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302 •'■ OHslii'il lim) F. Stiirtnir ka.
(U)er rlektvi ficlie En tl ndtiti (/ und hidncl i on.
Von J. Odstrcil und F. Studuioka.
Fleven am k. k. physikalischen Institute.
Alis den früheren Untersuchungen, die im k. k. pliysikaiischen
Institute über die elektrische Entladung und die dabei stattfindende
Induction durchgeführt wurden ^), ergab sich folgender sehr einfache
und wichtige Satz:
Wird einem Leiter, durch den eine elektrische Entladung 0 durch-
geht, ein zweiter Leiter genähert, dessen Enden zu den Bele-
gungen einer isolirten Batterie führen, so tritt eine eigenthüm-
liche Theilung ein ; der Entladungsstrom selbst wird geschwächt
und im benachbarten Leiter ein Strom inducirt , so zwar, dass
stets die Relation
^ -f a ^' = 0
besteht, wobei a eine dem ganzen Beobachtungssysteme ange-
hörende Constante bedeutet.
Soll nun diese schon bewiesene Relation sammt den anderen
Ergebnissen die Basis einer künftigen analytischen Behandlung der
Erscheinungen des inducirten Stromes der Nebenbatterie werden, so
ist es zunächst von grosser Wichtigkeit, die Constante dieser Induc-
tion, a nämlich, nach allen Seiten hin näher kennen zu lernen und
festzustellen , wovon sie abhängig ist. Diese Frage experimentell zu
beantworten, war der Zweck unserer Untersuchung.
Die Anordnung des angewendeten Apparates war ähnlich einer
in d(>r früher erwähnten Abhandlung 2) und ist aus beigefügtem
•) Blaserna, „Üher den iiiHiicirten Strom der NebeiibiiUerie." Sitzuiigsbericlile der
kaiserl. Akademie, Band XXXII, dann Band XXXVI und „Über die elektrische Ent-
ladunn^ und Induction Band XXXVII.
-') Sitz-unffsberiihte der miithem.-naliirw. ("lasse der kais. Akademie doi- Wissenschaft.
Hand XXXVII.
über elektrisi'he Entladung und Indiictioii.
303
Schema zu ersehen , wo C den
Conductor einer dreischeibigen
Winter'schen Elektrisirmitschine,
Bu die Batterie des Hauptdrathes,
Bn jene des Nebendrathes, F das
Funkenmikrometer, L^ das Riess-
sche Luftlhermometer im Haupt-
drathe, L» ein ähnliches im Ne-
bendrathe bedeutet.
Was das Verhältniss dieser
beiden bei unseren Untersuchun-
gen angewandten Thermometer
betrifft, so sei im Allgemeinen
gesagt, dass Z„ viel empfindlicher war als Lu , was sich auch bei der
oft schwachen Induction als sehr nützlich erwies; doch war es nicht
nothwendig, jedesmal das Verhältniss beider Luftthermometer, das
durch eine Änderung der Neigung des einen oder des anderen sich
änderte, genau zu bestimmen, da aus der Relation
3- -f a 3-' = 0
0 — 5
sich a = — - —
ergibt, so dass man sowohl 0 als auch 3 ntit einem constanten
Factor, der Verhältnisszahl der Werthe der beiden Anschläge, zu
multipliciren hätte und
erhielte, was wohl auf die absolute Grösse des a einen Einfluss hat,
bei der Untersuchung der Änderung desselben jedoch unberücksich-
tigt bleiben darf und dies um so mehr, als man dadurch einer Mul-
tiplication der bei jedem Experiment unvermeidlich vorkommenden
Fehler leicht und mit Vortheil ausweichen kann. Alle weiter anzu-
führenden Werthe des a sind also aus diesem Grunde nicht auf ihre
wahre Grösse reducirt worden.
Im Beobachtungssystem, wie es von uns angewendet wurde,
sind nun folgende variable Elemente:
1. Die Distanz des Funkenmikrometers.
2. Die Distanz der parallelen Dräthe.
?>. Die Länge derselben.
4. Das Oberflächenverhältniss der eingeschalteten Flaschen.
304
.1. OcUl r.'i I 1111(1 !•". St li.l II i ('k:
Um das Verhalten der Constanten a bei Änderung irgend eines
von diesen vier Elementen festzustellen, machten wir daher vier
Heilien von Beobachtungen und zwar so, dass jedesmal ein Element
als variabel, die übrigen als constant angenommen wurden.
1 . Versuchsreihe.
Die FankennükroDieterdistanz vcründerllch , die übrigen Elemente
constant.
Da aus einer schon früher gemachten Beobachtungsreibe ') sich
a von der Distanz des Funkenmikrometers unabhängig zeigte, so
hatten wir nur notb wendig, grössere Intervalle zu nehmen und so
einfacher die Unabhängigkeit zu constatiren; doch war es nicht
möglich, weit entfernte Grenzen zu wählen, da bei zu kleinen
Distanzen die Ausschläge zu unbedeutend, bei sehr grossen hingegen
unsicher waren, wobei wir noch überdies eine Beschädigung des
Luftthermometers fürchten mussten.
Im folgenden sind die gemachten Versuche angeführt; a bedeu-
tet die variable Funkenmikrometerdistanz.
Versuch I.
Länge des Hauptdrathes 27'. — Länge des Nebendrathes 27'. —
Länge der parallelen Dräthe 12'. — Distanz der parallelen Dräthe 5. —
Hauptbatterie Flasche 3. — Nebenbatterie Flasche 2.
d
ö
Mittel
j
Mittel
1
Mittel
a be-
rechnet
3
3-7
2-8
3-7
3-9
3-8
2-7
2-8
3-9
3-8
0-2G
•
3-8
.
2-9
3-8
4
6.9
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S-6
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8-6
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10-4
8-7
8-0
*) Sit/.unfTsbeiichtp, |{;iiiil XXXVII.
Ulier ulektri.si'lii- lüit^idiliiü nml liiiliicdorj
305
Versuch 11.
Die Anordnung wie früher.
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Mittel
3'
Mittel
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ö
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161
13-2
130
0-21
18-6
l()-2
130
18-9
161
13-0
Versuch III.
Die Anordnung wie früher.
d
t)
Mittel
3
Mittel
ä'
Mittel
a be-
rechnet
4
6-4
ä-3
6-1
6ä
()-4
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61
61
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HO
131
13-2
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111
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13-2
10-8
11-2
7
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14-2
14-1
17-3
170
14-3
14-3
14-1
141
0-19
170
14-4
141
Versuch IV.
Die Anordnung wie frülier.
d
0
Mittel
ä
Mittel
ä'
Mittel
« be-
rechnet
3
3-4
2-9
3-6
3-8
3-6
2-9
2-9
3-6
3-6
0-20
3-6
2-9
3-7
5
8-8
7-2
7-0
8-9
8-9
7-2
7-2
6-9
70
0-24
91
71
7-0
7
15Ö
13-4
10-9
13-8
13 7
13-2
13-3
10-8
10-9
0 22
l;J-7
13-3
HO
■
306
J. Oilstrcil 1111(1 F. S t II (i II i e k :
Miiii sielit also schon aus diesen wenigen Versuchen ganz
deutlich, dass die Constante a vom Funkenniikrometer unabhängig
ist , was auch schon die zu diesem Behufe gemachte Reihe '},
die wir hier als Versuch V^ uns zu wiederholen erlauben, zu bestä-
liffen hilft.
Versuch V.
Hauptdrath 36'. — Hauptbatterie Flasche 2.
Flasche 3. — Distanz der parallelen Dräthe 4.
Nebenbatterie
d
(-)
Mittel
5
Mittel
5'
Mittel
a be-
rechnet
3
30
4-0
3-8
o
0
5-0
40
4-0
3-8
3-8
0-26
5
0
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•
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3-6
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4
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9-7
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il
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13-2
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10-2
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13
8
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10-3
7
20
0
170
12-8
20
0
20 0
170
170
13-2
13 0
0-23
20
0
170
130
6
15
4
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10-6
13
4
13-4
12-8
12-9
lOG
10- G
0-23
13-5
12-9
10-7
Ist aber die Unabhängigkeit des a von der Distanz des Funken-
mikrometers durch diese V^ersuohe nachgewiesen, so wird es für
die weiteren Untersuchungen gleichgiltig sein, welche Distanz man
bei einem oder dem anderen Versuch ninmit; man kann also dem
jedesmaligen Bedürfnisse durch eine zweckmässige Wahl der Distanz
entsprechen, was wir auch stets gethau.
'» Silziiii?:sbpiiclil.'. B:iii.l XXXVU.
über olelitrisclic Kiillniluiig uinl liDliu'ticui.
;JU7
2. V e r s ii c h s r e i h e.
Distanz der parallelen Drätlie veränderlich, die übrigen Elemente
constant.
Auch in Betreft' des Verhaltens der Inductionseonstanten a bei
verschiedenen Entfernungen der parallelen Dräthe wurde schon
früher i) eine kurze Versuchsreihe gemacht, die jedoch für einen
allgemeinen Schluss zu wenig Zuverlässiges enthält, da blos die
Distanzen 4 und 6 genommen wurden. Es mussten also vor Allem
mehrere Versuche bei sehr differirenden Distanzen gemacht werden,
deren Resultate nun folgen:
Versuch I.
Länge des Hauptdrathes 27'. — Länge des Nebendrathes 27'. —
Länge der parallelen Dräthe 12'. — Hauptbatterie Flasche 3. —
Nebenbatterie Flasche 2. — Funkenmikrometerdistanz 6.
D
(-»
Mittel
j
Mittel
j
Mittel
a
4
7ä
ä-5
10-8
7-6
7-6
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10-8
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•
10-8
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6
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•
S-8
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8
6-0
7-5
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61
7-6
7-6
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7-6
0 19
10
6-4
6-7
6-3
6-3
6-3
6-6
6-3
6-5
019
12
6-7
5-5
6-8
6-7
5-4
5-3
0-7
3*a
0"l7
») Sitziin^slKM-ichle. Band XXXVII.
308
.1. () ils t r ö i t iiiiil F. S t u (I liirk ;
Die Aiioi'diiuiig' wie im Vorsiich 1.
1)
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3
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10
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8-7
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6-3
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20
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0-22
30
9-2
3-5
9-2
9-2
4-1
3-8
9-2
3-5
9-0
4-0
0-19
Versuch III.
Funkenmikrometerdistanz 7; alles übrige wie im Versuch I.
D
(-)
mittel
5
Mittel
3'
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a
5
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il-7
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0-22
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9-8
9-7
7-8
7-8
9-7
7-9
0-24
20
10-8
4-3
10-8
10-8
4-4
4-4
10-8
4-3
0-20
Versuch IV.
Kunkenmikrometordistanz 8: die sonstige Anordrning wie im
Versucli I.
über elektrische Entladung- und Induction.
309
D
e
Mittel
5
Mittel
5'
Mittel
a
5
i3-3
12-3
13-2
lä-4
15-4
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12-3
13-2
13-2
15S
12-3
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9-8
13-4
13-4
10-2
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.
13-3
100
0-20
13
14-0
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14-0
7-3
7-3
14-0
7-4
0-20
20
14-4
31
14-4
14-4
5-5
5-3
14-5
S-8
0-20
Versuch V.
Länge der parallelen Dräthe 10'. — FuiikenmikrometerdistanzT;
alles übrige wie im Versuch I belassen.
D
(-)
Mittel
ä
Mittel
5'
Mittel
a
1
10-9
6-9
18-5
HO
10-9
6-9
6-9
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6-8
19-8
0-20
4
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12-3
8-2
8-2
12-3
12-3
8-2
12-5
0-21
10
9-3
9-7
9-4
9-4
8 9
9-2
9-3
9-2
016
12
9-5
7-8
9-6
9-3
7-8
7-8
9-3
7-6
0-18
20
10-2
4-3
10-3
10-2
4-4
4-4
10-2
4-4
•
0 1t)
23
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4-2
10-3
10-3
41
41
10-4
41
0-13
Silzl>. «t. matliem.-uiiturw. C|. XLI. Bd. Nr. Ij.
21
310
.1. Odstifil und F. Studiiieka.
Versuch VI.
Die Anordnuns: wie im Versuch V.
D
0
Mittel
5
Mittel
y
Mittel
a
1
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7-3
10-0
100
7-3
7-3
100
7-4
0-20
20
10-6
4-3
10-6
lo'-G
4-0
41
10-8
4-1
0-'20
Man sieht aus allen diesen Versuchen deutlich, dass sich a nicht
ändere, mag man die Distanz der parallelen Dräthe noch so klein,
wo die Induction sehr bedeutend wird , oder noch so gross , wo sie
dann kaum zu bemerken ist, nehmen, dass es also von der Distanz
unabhängig sei; die bei den äussersten Grenzen der angewendeten
Distanzen vorkommenden kleinen Differenzen fallen auch hier, wie
bei der ersten Versuchsreihe, sämmtlich in das Bei-eich des Beob-
achtungsfehlers.
Man wird also bei Untersuchungen über diese Induction am
besten thun, wenn man eine solche Distanz wählt, wo sowohl ^^ als
^' sich am genauesten beobachten lassen; denn Grenzfälle einer zu
grossen oder zu kleinen Distanz ziehen entweder ein zu grosses ^
und ein zu kleines ^' oder umgekehrt nach, wodurch der Beob-
achtungsfehler sich bemerkbar machen kann. Natürlich richtet
sich die Wahl der entsprechendsten Distanz der parallelen Dräthe
nach der Empfindlichkeit der beiden zur Beobachtung von -3- und ^'
dienenden Luftthermometer, so d;iss man in jedem gegebenen Falle
leicht die passendste Distanz nach wenigen Versuchen angeben
kann. Für die Luftthermometer, deren wir uns bei allen unseren
über elektrische Entladung und Induction.
311
Beobachtungen bedienten, fanden wir die Distanzen 4 — 8 am ent-
sprechendsten und haben sie auch bei späteren Untersuchungen
angewendet.
3. Versuchsreihe.
länge der parallelen Dräthe variabel , die übrigen Elemente
constant.
Bei dieser Untersuchung konnten wir zwar nicht so differente
Wertiie der Variablen anwenden, wie wir es bei der vorigen gethan,
da einerseits bei zu geringer Länge der parallelen Dräthe die Induc-
tion sehr unbedeutend und die Beobachtungen daher sehr unsicher
gewesen wären, andererseits bedeutende Längen nicht angewendet
werden konnten , wegen der Unzulänglichkeit der die parallelen
Dräthe tragenden und spannenden Vorrichtung; doch die Induction
änderte sich schon innerhalb der von uns angewandten Grenzen so
bedeutend, dass man auch aus diesen Ergebnissen sicher auf die
Constanz von a schliessen kann. Die jetzt folgenden Versuche mögen
es bestätigen.
Versuch I.
Länge des Hauptdrathes 48'. — Länge des Nebendrathes 40'. —
Distanz der parallelen Dräthe 4. — Hauptbatterie Flasche 3. —
Nebenbatterie Flasche 2. — Funkenmikrometerdistanz 7.
L
0
Mittel
<j
Mittel
5'
Mittel
a
18'
7-7
6-8
61
7-7
7-7
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6-7
60
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.
•
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6-7
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0-16
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D-3
5-3
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10'
7 2
31
7-2
7-2
3-2
31
7-2
30
0-16
21
312 J- Odstrcil und F. Studnicks
Versuch II.
Die Anordnung wie im Versuch I.
L
0
Mittel
^
Mittel
j
Mittel
a
S
7-7
7-4
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7-7
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•
2-2
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10
7-0
4-2
71
7-0
4-2
4-2
•
7-0
4-3
61t)
14
G-7
6 1
C-8
6-8
6-0
6-0
,
•
6-8
6-0
015
18
G-7
6-2
6-7
6-7
6-3
6-2
6-7
6-2
0-16
Versuch III.
Die Anordnung wie im vorigen Versuche.
L
H
Mittel
j
Mittel
ä'
Mittel
a
18
7-8
6-9
6-6
,
7-8
7-8
6-8
6-8
6-6
6-6
7-8
6-8
6-6
0-15
14
71
D-6
7-0
71
5-5
S-5
7-1
5-5
013
8
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3-2
7-4
7-4
3-0
31
7-3
31
013
10
7-2
4-2
7-2
7-2
4-3
4-2
7-3
41
014
14
70
5-7
71
70
5-7
3-7
70
3 -8
0-14
18
6-9
6-7
6-9
6-9
6-6
6-7
6-9
6-7
013
über elektrische Eutladun^ uud Induclion.
Versuch IV.
Die Anordnung wie im vorigen Versuche.
313
L
0
Mittel
5
Mittel
^'
Mittel
a
18
7-8
6-9
6-7
7-9
7-9
6-9
6-9
6-6
6-7
7-9
6-9
6-8
0-13
15
8-0
7-1
5-9
71
71
60
6-0
71
61
013
12
7-3
4-7
7-2
7-3
4-7
4-7
7-3
4-7
013
9
7-4
30
7-S
7-5
31
30
7-6
3-0
013
Versuch V.
Die Anordnung wie im vorigen Versuche.
L
0
Mittel
5
Mittel
b'
Mittel
a
vor
9
7-8
71
31
,
.
,
7-8
71
7-1
30
31
7-8
7-1
31
0-20
nach
12
7-6
7-7
7-0
3-6
.
7-6
7-0
7-0
3-6
7-6
7-0
3-6
0-20
15
7-6
6-8
4-3
,
6-8
6-8
4-4
4-4
•
68
4-5
0-20
18
6-7
4-7
6-6
6-7
4-6
4-6
6-7
4-5
0-20
Auch hier findet man wieder deutlich, dass a von der Länge der
parallelen Dräthe unabhängig ist, was man fast a priori behaupten
314 •'• Odslrril iiikI K. S t, ii <I ii i o k a.
könnte; denn je kleiner die Länge der parallelen Drätlie , desto
schwächer ist die Induction , doch auch die Rückwirkung auf den
Haiiptdrath und die dadurch hervorgebrachte Schwächung des Haupt-
stroms.
Was bei allen in der dritten Versuchsreihe angeführten Beob-
achtungen auffallend sein dürfte , ist der durchgehends geringe
Werth von a, der sich jedoch durch den eingeschalteten Wider-
stand erklären lässt; denn bei früheren Versuchen betrug die Länge
des Haupt- oder Nebendrathes höchstens 27', während sie hier
auf 46' sich belief. Was für einen Einfluss die gleichförmige Ver-
grösserung des Haupt- und Nebendrathes auf den Werth von «
nimmt, wird nächstens durch eine besondere Versuchsreihe ermit-
telt werden.
Nachdem a sich von der Länge der parallelen Dräthe unab-
hängig erwiesen hatte, kann man bei künftigen Untersuchungen die
bequemste Länge wählen, bei welcher sowohl 3^ als auch ^' sich am
genauesten beobachten lassen. Eine zu grosse Länge macht die
Anordnung des Beobachtungssystems beschwerlich , eine zu kleine
wieder bietet der Beobachtung einen zu kleinen Ausschlag im
Luftthermometer des Nebendrathes. Uns genügte in dieser Bezie-
hung die Länge von 12' vollkommen und wurde auch später ange-
wendet.
4. V e r s u (; h s r e i h e.
Nebenbattcrie variabel , die übrigen Elemente constant.
Bei dieser Untersuchung benützten wir zur Einschaltung in
den Nebendrath vier Flaschen mit der Bezeichnung Nr. 1 , Nr. 2,
Nr. 4 und Nr. S, welelie sowohl unter einander als auch in Bezie-
hung auf die im Hauptdrathe eingeschaltete Flasche Nr. 3 fast gleiche
Oberflächen besitzen. Um das Verhalten des a in der bezeich-
neten Richtung zu ermitteln, beobachteten wir die Anschläge der
Luftthermometer 5 und .^' bei einer, zwei, drei und vier in den
Nebendrath eingeschalteten Flaschen und bekamen folgende Re-
sultate:
über elektrische Kiitladuiii; und liidiictioii.
315
Versuch 1.
Länge des Hauptdrathes 25'5' — Länge des Nebendrathes
23"5'. — Länge der parallelen Drätlie 12'. — Distanz der parallelen
Dräthe 4. — Hauptbatterie Fiascbe Nr. 3, — Funkenrnikrometer-
distanz 7.
Bn J^
e
Mittel
j
Mittel
3'
Mittel
a
i
14-3
14-3
14-3
14-3
11 0
11-0
HO
HO
12-6
12-6
12 5
12-6
0-2G
1+2
12-3
12-3
12-3
12-3
8-8
8-8
8-7
8-8
0-'23
1+2^4
12-7
12 7
12-7
12-7
8-2
8-2
8-2
8-2
0-20
i+2r4i-3
13-0
130
13-0
13 0
50
SO
5-0
5 0
0-'26
Versuch II.
Funkenmikrometerdistanz 6; die übrige Anordnung wie im
ersten Versuche.
Bn JW
0
Mittel
j
Mittel
y
Mittel
Ä
2
8-1
8-1
8-1
81
6-2
61
6-2
6-2
9-4
9-3
9-2
9-3
0-20
1+2
71
7-0
7-0
7-0
3-6
3-6
5-6
S-6
0-20
1 + 2 + 4
7-5
7-5
7-5
7-5
3-4
3-4
3-3
3-4
0-18
316
.T. ü d s t r r i ! und F. S t ii d n i r k :i
Vcrsueli III.
Funkeiimikrometerdistanz 7: die sonstige Anordnung wie im
Versuch I.
B,i JV?
9
Mittel
j
Mittel
j
Mittel
a
2
14-0
140
10-8
10-9
15-8
lS-9
14 0
14-0
10-9
10-9
13-7
15-8
13-9
HO
15-9
0-18
2 + 4
11-8
11-9
121
12 2
11-9
li-9
121
12- 1
11-9
121
018
1+2+4
12-4
12-5
9-3
9-2
12-4
12-4
91
9-2
12-4
9-2
0-17
1+2+4+S
130
12-9
S-2
5-2
13-0
130
5-2
3 2
131
5-2
0-19
Versuch IV.
Funkenmiki'ometerdistanz 8 ; die übrigen Elemente des Beob-
aehtungssystems wie im Versuch I.
Bn JV?
0
Mittel
5
Mittel
y
Mittel
a
2
19-6
15-3
19-3
19-6
13-3
15-3
19-3
19-3
19-7
19-7
13-6
•
19-3
0-22
2+4
19-8
15-7
13-7
13-7
13.7
16-0
160
16-0
16-0
0'23
1 + 2+4
17-0
17-1
171
17 1
12-2
12-2
121
12-2
0-22
1+2+4+5
17-7
17-8
17-8
17-8
7-2
7-2
71
7-2
0-'26
über eleklriüclie Kiilladuuir iiiid liuluctioii.
317
Versuch V.
Funkenmikrometerdistariz 7; die sonstige Anordnung wie im
ersten Versuche.
Bn ^'
0
Mittel
3
Mittel
5'
Mittel
a
2
13-2
10-5
löl
13-3
13-3
10-4
10-5
131
131
13-3
•
10-3
131
0-18
1+2
11-7
11-7
11-7
11-7
9-4
9-3
9-4
9-4
017
1 + 2 + 5
12-3
12-3
12-4
12-3
3-5
3-3
3-4
3-3
0-18
1+2+4+3
12-4
12-4
12-4
12-4
3-2
3-2
3-3
3-2
ü'l7
Versuch VI.
Die gesammte Anordnung wie im Versuch V.
Bn JH»
0
Mittel
ä
Mittel
3'
Mittel
a
1+2+4+3
12-9
12-9
12-9
12-9
12-2
12-2
12-3
12-2
3-5
3-6
5-3
3-3
0'l3
1+2+3
12-0
121
120
12- 0
3-9
3-8
3-8
3-8
0-14
1+2
il-6
11-6
11-7
11-6
9-6
9-6
9-6
9-6
0 13
2
10-9
110
10-9
10-9
14-1
14-2
14-2
14-2
0 14
Aus allen diesen Versuchen sieht man deutlich, dass der Werth
von a auch von der Oberflächengrösse der Nebenbatlerie unubhängig
ist. Zugleich kann man auch bemerken, dass eine weitere Vermeh-
318 Oiisticil iiiid S t udiiickii. Über eleki risclie Kiitladiiiii; und liiiiiietiou.
rung der Flaschenzahl nicht angezeigt war, da der Ausschlag 3'
schon hei vier Flaschen einen ziemlich kleinen Werth liefert, der
hei fünf und noch mehr Flaschen so weit sinken würde , dass die
Beohaclitung des Luftthermometers keine sicheren Resultate bieten
könnte. Auffallend ist die oft geringe Änderung der Werthe von 3
und ^' bei zwei verschiedenen Nebenbatterien, die jedoch nicht
regelmässig wiederkehrt.
Aus allen Versuchsreihen ergibt sich nun, dass <x von keinem
der vier Elemente — nämlich der Funkenmikrometerdistanz
d, der Distanz der parallelen Di'äthe D, der Länge der paral-
lelen Dräthe L und der Beschaffenheit der Nebenbatterien Bn —
abhängig ist, somit von anderen Umständen bezüglich
seiner Grösse abhängen muss.
Was uns bei allen Versuchen aufliel, war der Umstand, dass
an schönen, dein Experimentiren besonders günstigen Tagen der
Werth von a unter sonst gleichen Umständen grösser war als an
anderen, minder günstigen. Wie diese Erscheinung zu begründen
sei , darüber werden künftige Versuche hoffentlich einen genügenden
Aufschluss geben.
Ferner sei noch bemerkt, dass die Annahme des Mittels aus
drei zusammengehörigen Beobachtungen, wie sie bei den einzelnen
Versuchen angeführt sind, oft durch viel mehr Versuche bestimmt
wurde, daher in Fällen, wo man bei drei Werthen um ein Zehntel
mehr oder weniger nehmen könnte, stets die Gesammtheit der Beob-
achtungen entschied.
Schliesslich sei es uns hier erlaubt, dem Herrn Regierungsrathe
A. R. V. Etti ngsh a usen , der mit gewohnter Liberalität uns alle
zur Durchführung dieser Untersuchung nöthigen Apparate zur Dispo-
sition stellte und dieselbe so ermöglichte, sowie auch dem Herrn
Assistenten Dr. Blaserna, der stets bereitwilligst mit Rath und
That diese Arbeit förderte, unseren innigsten Dank auszusprechen.
A. V. I'fl/.elii. Zur Oiiiilluiltigie t\vv liisfl Noilolk. 311)
Zur Ornithologie der Inael Norfolk.
Von August V. Pelzeln,
('uvlosailjuncten am k. k. juülogischen Cabinete.
(Mit 1 Tafel.)
Nach dem im Jahre 1826 erfolgten Tode des berühmten Pflan-
zenmalers und Botanikers Ferdinand Lucas Bauer <) wurden dessen
naturliistorische Sammlungen und Handzeichnungen von seinen Brü-
dern, als den gesetzliehen Erben, im Wege einer öfTentlichen Auction
für die kaiserlichen naturhistorischen Museen angekauft. Bauer
begleitete in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts an der Seite
Robert Brown 's die vielfach denkwürdige Expedition Capitain
Flinders' als Pflanzenmaler. Er hielt sich während den Jahren
1804 und 1803 auf der Insel Norfolk auf, und seine daselbst ge-
machten werthvollen botanischen Sammlungen gaben das Material
zu Endlicher's Prodromus Florae Norfolkicae. Zugleich sammelte
er auch Vögel, und da dieser Theil seiner Ausbeute einen nicht
unwesentlichen Beitrag zur Kenntniss der ornithologisch noch wenig
erforschten Insel Norfolk bieten dürfte, so beabsichtige ich denselben
in den folgenden Blättern ausführlicher zu besprechen und das Ver-
zeichniss der von ihm erhaltenen Arten mitzutheilen. Um die Auf-
zählung der im kaiserlichen Museum befindlichen, von der genannten
Insel herstammenden Species zu vervollständigen, habe ich den von
Brandt in Hamburg gekauften ^s^«<r approximans so wie den in
White 's Journal of a Voyage to New South- Wales S. 238 als Fu-
Uca alba beschriebenen und abgebildeten Vogel beigefügt. Hin-
sichtlich des letzteren war ich durch die Untersuchung des aus der
*) Die ausführliche Biographie ßauer's, aus der Feder unseres ausgezeichneten
Zoologen Dr. Kitzinger, befindet sich in der österreichischen ICational-Eucy-
klopädie, Supplement. Wien 1836. S. 337 — 360; aus derselben sind die liier
angeführten biographischen Daten entnommen.
320 A. V. I'f I z (■ In.
Leverianisclien Sammlung acquirirten Orlginal-Exemplares in den
Stand gesetzt, nähere Aufschlüsse zu geben.
Vögel von der Insel Norfolk, für die kaiserliche Sammlung
aequirirt :
Astnr approximans V i g. et H o r s f.
Von Brandt in Hamburg gekauft.
Climacteris scandens Temm.
Zosterops tenoirostris Gould.
Zosterops albogularis Gould.
Gerygone modesta n. sp.
G. pileo, nucha, dorso, uropygio uUsque supra einer eo-brmineis,
olivaceo purum lavatis, remigum marginibus magis olivascen-
tibus, gula, lateribus colli et pectore sordide albo - griseis,
tectricibus alarimi inferioribiis, abdoniine et tectricibus caudae
inferioribiis albis, rectricibus dorso concoloribus , versus api-
cem vitta lata nigra insignitis, duabus extimis utroque, reli-
quis (exceptis 4 intermediis) pogonio interno macula antea-
picali alba, rostro nigrescente pedibus corneis. Longit. 4" 5'",
alae 2" 2"', caudae 2" i", rostri a rictu circa 6'", tars. 10".
Diese Art unterscheidet sich von G.fusca Gould durch bedeu-
tendere Grösse, längeren und dünneren Schnabel, Mangel des
weissen Augenstreifens und des gelben Anfluges der Unterseite,
sowie durch die graue Farbe des Halses und der Brust; von G. mag-
nirostris Gould durch die graue Farbe des Halses und der Brust,
sowie durch die Sehwanzzeichnung; von G. igata (Quoy et Gaim.)
ausser einigen Färbungsdifferenzen durch die viel bedeutendere
Grösse. G. flaviventris Gray stimmt in den Maassen ziemlich über-
ein, aber bei derselben soll die Stirne graulichweiss und der Abdo-
men mit Gelb gefärbt sein, was an unserem Exemplare nicht der
Fall ist.
Turdas poliocephalas Latham.
Rliipidara assimilis n. sp.
R. capite, colli lateribus et torque iufragidari fuliginosis, corpore
et alis supra f'uligiuoso brunueis, stria superciliari gulaque
albis, gastraeo reliquo ochraceo, caudae rectricibus f'uligi-
Zur Ornithologie der Insel Norfolk. 321
nosis, intermediis duabus^) scapo hrtmneo , dnabus extimis
pogoiiio externo , margine j^ogonii Interni, apice, scnpisque
albis, reliquis apice et margine pogonü interni versus apicem,
scapisqne albis, rostro pedibiisque coriieis. Longit. 5' 6 — 8'",
alae 2" 4 — 7^/o"', caudae 3" 3 — 6'", rostri ab oculo S'",
tars. 8 — 9"'.
Verschieden von Rhipidura flabellifera (Gmel.) durch die
Färbung des Schwanzes, und sowohl von dieser als von Rh. rnela-
nura Gray durch geringere Grösse und besonders durch kürzeren
Schwanz. Rhipidura Rambusae (Kittlitz, Kupfert. T. 9, F. 2) von
der Insel Lu^on steht unserer Art sehr nahe, unterscheidet sich
aber dadurch, dass bei Kittlitz 's Vogel Brust und Bauch nicht
ochergelb, sondern weiss sind, die Halsbinde viel schmäler erscheint,
und durch die Schwanzfärbung, indem Rhipidura Rambusae die
zwei Mittelschwanzfedern dunkel mit weissen Spitzen, die vier Sei-
tenfedern jeder Seite mit regelmässigen weissen Endflecken an bei-
den Fahnen zeigt. Die Schäfte scheinen im braunen Theile nicht
weiss zu sein.
Pachycephala longirostris Gould.
Das Exemplar von Bauer befindet sich nicht mehr in der
Sammlung. Die Bestimmung ist jedoch in Natter er's handschrift-
licher Synopsis festgestellt.
Campephaga longicaadata n. sp.
C. pileo, ?iucha et dorso 7iigris, splendore metallice viridi, uro-
pygio albo, ochraceo tincto, plumarum basibus griseis, tectri-
cibus alarum majoribus dorso concolorihus , ultimis earum
maculis apicalibus irregularibus albis, tectricibus minoribus
et mediis albis , remigibus nigris, primariis parte basali, se-
cundariis tota longitudiue albido anguste Umbatis, gastraeo
albo, gula, lateribus colli, tectricibus alarum et caudae infe-
rioribus parum, reliquis partibus mnlto magis ochraceo tinctis,
rectricibus intermediis 4 dorso concoloribus macula apicali
alba vi,v conspicua, tribus utrinque externis macida terminali
magna obliqua alba , in rectrice tertia minore , in quarta
1) Ist, rla der Schwanz beider Exemplare nicht vollständig ist, nur an einer Feder
zu sehen.
322 A. V. Pelzel n.
majore, in extima dimidium plmnae tegente, rostro nigro, man-
dihulae hasi pallida, pedibus nigrescentibus. Longit. 7^/^",
alae 3^/J', caiidae 3 "9", rostri n rictu 8'", a naribus S'" ^),
tars. 1".
Ist Campcpluiga humernlis Gould älirilicli, aber Brust, Bauch
und Unterschwanzdecken sind nicht reinweiss , sondern mit Ocher
überlaufen. Nicht nur die äussersten Schwanzfedern sind weiss ge-
spitzt, sondern die drei äusseren jeder Seite zeigen einen von innen
nach aussen immer an Grösse zunehmenden Fleck; der Schwanz ist
länger und die Flügel viel kürzer als an Gould 's Species. Auch
C. leucorncla (Vig. et Horsf.) zeigt viele Ähnlichkeit mit unserem
Vogel, unterscheidet sich aber von ihm durch den weissen Strich
von der Schnabelwurzel zum Auge, so wie durch die Zeichnung der
Flügel und des Schwanzes.
Abgesehen von der Färbung stimmt C. longicaiidata sehr mit
Symmorphus lencopyglus Gould [Campephaga leiicopygia Gray)
überein und dürfte wohl, im Falle die generische Verschiedenheit
aufrecht erhalten wird , zu dieser Gattung zu zählen sein.
Aplonis obscuros Dubus.
Unser Vogel stimmt ganz mit dem von Dubus (Esq. Ornith.,
Hft. 3) beschriebenen lichteren Exemplare überein.
Nestor norfoicensis n, sp.
In dem Verzeichniss der von Bauer acquirirten Vögel, so wie
im Kataloge der Sammlung war ein Stück als Psittacus Nestor var.
von der Insel Norfolk aufgeführt; auch Job. Natter er erwähnt in
seiner handschriftlichen Synopsis bei Notirung der im kaiserlichen
Museum befindlichen Stücke von Nestor productus Gould, dass
ein sehr schlechtes Exemplar dieser Art von Ferdinand Bauer von
der Norfolk-Insel gebracht worden sei; dieses Exemplar ist aber in
der Sammlung nicht vorhanden.
Dagegen fand sich unter der reichen Sammlung von Hand-
zeichnungen aus Bauer 's Nachlass eine mit „Norfolk Isl. 19. Jan.
1805" bezeichnete, offenbar lebensgrosse Zeichnung eines Papa-
geien aus der Gattung Nestor, welcher insbesondere durch die
merkwürdige Form des Schnabels so ausgezeichnet ist, dass meiner
*) nie Spitze des Obersehnaliels ist etwas heschiiiligt.
Zur Ornithologie der Insel Norfolk. OCO
Ansicht nach kein Zweifel darüber oitwalten kann, dass er einer
selbstständigen noch unbeschriebenen Art angehört. Bau er 's Zeich-
nungen sind nicht allein durch künstlerische Vorzüge, sondern auch
nicht weniger durch ihre ausserordentliche Treue und die wissen-
schaftliche Genauigkeit, mit welcher alle wesentlichen Details behan-
delt sind, in hohem Grade ausgezeichnet. Sie sind mit Bleistift
entworfen und die Färbung ist mit grossem Fleisse durch Nummern
und Buchstaben bezeichnet, welche sich auf eine sehr ausführliche,
die kleinsten Nuancen berücksichtigende Farbentabelle beziehen.
Nach der erwähnten Zeichnung Bau er 's führte mir unser vor-
züglicher Thiermaler T. F. Zimmermann eine Abbildung in glei-
cher Grösse und in Farben aus, welche ich der unten folgenden
Beschreibung der Färbung zu Grunde gelegt habe.
Ob nun das nicht mehr vorhandene Exemplar zu der von Bauer
gezeichneten neuen Species oder zu Nestor produdus gehört habe,
kann leider nicht mehr ermittelt werden , und es muss daher die
erwähnte Abbildung als die einzige Quelle unserer Kenntniss jener
neuen Art, welcher ich den Namen ISestor norfolcensis beilege,
betrachtet werden. Ich habe hierauf meine Beschreibung gegründet
und auf der beifolgenden Tafel die Abbildungen des Kopfes und Schna-
bels von N. norfolcensis, so wie zur Vergleichung jene der entspre-
chenden Theile der beiden in der kaiserl. Sammlung befindlichen
Individuen von N. produdus in natürlicher Grösse beigefügt.
Nestor norfolcensis.
N. rostro magno valido; maxilla in semicirculum curvata, culmine
carinato, cnrina laterali eulmini parallela a rostri basi ad
apicem terminalem fere excurrente , tomio ma.villari a basi
versus medium usque culmijii fere parallelo, ibi subito inflexo,
dein eulmini Herum parallelo, denique angulo fere reeto in
apicem brevem acutum abiente, mandibula multo longiore
quam alta , tomiis subredis versus apicem purum sursimi cur-
vatis, culmine cinereo, maxilla virescente , ejus parte infe-
riore basali et apice, mandibulaque rufeseente einereis, nari-
bus valde prominentibus ; pileo, nuclia et torque circa 2" lata
jugidari pallide viridibus, dorso et tedricibus alarum superio-
ribus ejusdem coloris sed magis in olivaceum vergentibus,
idtimarum plumis maeula parva subtriangidari nigra ad
324 A. V. Pelzel n.
apicem scapi, remigibus primariis cinerascentibus , remigibus
ultimis (et fortasse secundarns omnibus) viridibus limbo lato
sorduh; rufo-violacco, genis laete flavis fere viteU'mis, gulae
plumis elongatis snnguinc'ü-rubris,pectore et epigastrio oclira-
ceo flavis, tibiis, Jigpochondriis, ventre, crisso et tectricibus
caudae superioribus sanguineo-rubris , plumis singulis flavo
limbatis, earimique basibiis cinereis. Cauda partim gradata,
rectricibus mediaiiis subsefpientibiis purum brevioribus, omni-
bus cinereis iiitore viridi, pedibus cinereis, plantis flavescen-
tibus, nnguibus flavescente corneis. Longit. circa 14", alae
fere 9" (?J, caudae a tectricibus superioi^ibus 3 "10", longit.
culminis maxillae 3"' S'", ejus apicis terminalis 5'", longit.
mandibulae 14""", altit. ad basin 11""', infra medium 8'", apicis
terminalis ad basin 2^/2", longit. tars. IS" (ad iconem).
Wie aus dieser Beschreibung zu ersehen ist, stimmt die Fär-
Itiiiig des Gefieders mit der von Nestor productus ausserordentlich
überein. Die alleinigen Unterschiede wären , dass bei N. norfol-
censis der Oberkopf nicht grau, sondern grün ist, dass letztere
Farbe bis zum Nacken ungemischt, weiter gegen den Rücken hin
und auf den Oberflügeldecken etwas in Olivenfarbe ziehend sich er-
streckt, dass die dunkeln Federränder an allen diesen Theilen fehlen,
dafür an den Obertlügeldecken kleine dreieckige schwarze Flecken
an den Enden der Federschäfte auftreten , ferner eine grössere Aus-
dehnung der gelben Farbe an den Wangen. Höchst auffallend unter-
scheidet sich aber der Schnabel; dieser übertrifft den des Nestor
productus etwas an Länge, sehr bedeutend aber an Stärke. Die
Krümmung des Oberschnabels ist stärker, die Firste desselben erhöht
und bildet einen stark hervortretenden Kiel, die Seitenränder sind
etwas gewölbt, ein zweiter Kiel läuft seitlich und mehr nach unten
zu von der Wurzel bis nicht weit von der Spitze, die Kieferschneide
läuft bis gegen die Mitte parallel mit der Firste, biegt dann plötzlich
ein, nimmt hierauf ihre frühere Richtung wieder an und setzt sich
kurz vor dem Ende des Schnabels beinahe rechtwinklig ab, von wo
sie dann zur schmalen Spitze ausläuft. Der Unterschnabel ist viel
länger als hoch, mit fast geraden Schneiden, die sich nur gegen die
Spitze zu etwas erheben. Sehr in die Augen fallend sind auch die
hervorstehenden Nasenlöcher. Die beschriebene Schnabelbildung ist
so charakteristisch, dass, meiner Ansicht nach, über die specifische
Zur Ornithologie der Insel Norfolk. Oä5
Verschiedenheit von Nestor productus kam gegründeter Zweifel
obwalten kann, und wir in Bauer 's Zeichnung die Abbildung einer
bisher unbeschriebenen, höchst wahrscheinlich der Insel Norfolk
eigenthümlichen Art der Gattung Nestor besitzen. Es ist nicht wohl
denkbar, dass eine solche wesentlich verschiedene Conformation
blos das Resultat hohen Alters, eine individuelle Abweichung vom
Typus der Art oder nur eine abnorme Bildung an einem in der
Gefangenschaft gehaltenen Vogel sein könne, da die Verschiedenheit
nicht auf der grösseren oder geringeren Ausbildung eines oder des
andern Theiles , sondern auf einer ganz andern Grundform beruht.
Allerdings variirt der Schnabel von N. productus nach den Indivi-
duen und wahrscheinlich nach Alter und Geschlecht, wie die Abbil-
dungen der Köpfe der beiden in der kaiserlichen Sammlung befind-
lichen Exemplare dieser Art (Fig. 2 und 3) beweisen; aber der
Unterschied liegt dabei nur in der stärkeren oder minderen Entvvicke-
lung der Schnabelspitze, während die übrige Form dieselbe bleibt.
Ein drittes Exemplar, welches aus der Feld egg' sehen Sammlung
für das kön. böhmische Museum acquirirt wurde und das mir der
Custos Dr. F ritsch mit liebenswürdiger Gefälligkeit zur Einsicht
sandte, stimmt mit dem anscheinend jüngeren Vogel unserer Samm-
lung (Fig. 3) ganz überein ').
Die Rückseite der Bauer 'sehen Abbildung des N. norfolcensis
enthält eine Zeichnung, welche offenbar den wahren N. productus,
aber ohne Angabe des Fundortes, darstellt; der Schnabel stimmt
gut mit dem des jüngeren Exemplares unserer Sammlung überein.
Neben dieser Zeichnung befinden sich einige Specialfiguren, von
welchen ich die beiden unter Fig. 4 und S reproducirten Darstellun-
gen des Zungenapparates mittheile. Dieselben stimmen im Wesent-
lichen mit der kurzen von Gould in den „Birds of Australia" mit-
getheilten Beschreibung überein, jedoch befindet sich am Zungen-
ende wenigstens eine Reihe haarförmiger Papillen, während Gould
anführt, dass die Zunge keine Bürste zeige. Die bei Gould enthal-
tene Angabe, dass N. productus aus Blumen Honig sauge, Hesse
1) Gegen Gould 's Ansicht, dass das bräunliche Bnistliand bei N. productus ein Ab-
zeichen des jüngeren Vogels sei, stimmt der Umstand, dass nicht nur das Exem-
plar des Prager Museums und von unseren Exemplaren das otfeubar jüngere
(Fig. 3) , sondern auch das, nach dem Schnabel zu urtheilen, vollständig ent-
wickelte (Fig. 2J, das erwähnte Brustband besitzen.
Sitzh. d. mathera.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 15. 22
326 A. V. Pelz. ein.
übrigens schon a priori auf das Vorhandensein ähnlicher Papillen
schliessen.
Diese Bildung so wie die Art der Nahrung deutet jedenfalls auf
eine nähere Verwandtschaft mit den Trichoglossen und Lori's hin,
wie dies schon Blanchard hinsichtlich der Gattung Nestor (Compt.
rendus XLIV, 1837, p. 520) vermuthet hatte.
Bei dieser Gelegenheit möge bemerkt werden, dass die biir-
stenförmige Beschaffenheit der Zunge von Lorins, deren systema-
tische Bedeutung in neuester Zeit durch VVallace hervorgehoben
worden ist, bereits von Nitzsch in seinen vortrefflichen, erst kürz-
lich durch Giebel in der Zeitschrift für die gesammten Naturwis-
senschaften 1858, S. 19 — 51 publicirten Untersuchungen über die
Zunge der Vögel und ihr Gerüst, an Psittacus garrulus beobachtet
worden ist i).
Heniiphaga spadicea (Lath.).
Leucosarcia picata (Lath.).
f baradrius xaDtliocheilas W a g 1 e r.
Liuiosa ßaaeri Natter er.
L. Stria a maxillae bnsi super oculos ad nucliam usque ducfa gu-
laque alhis, planus pilei et colli superne brimneis pallide
marghiatis, pliimis dorsi obscure branneis macalis margina-
libus irregularibns ferragineis et albis, aropygio et tectricibus
caiidae superioribas albis fasciis transversis brnnneis, rectri-
cibus branneis albo irregidariter fasciatis et variegatis, scapis
basi albis, versas apicem brnnneis, tectricibus alarum supe-
rioribas minoribas brunneis, majoribus ejnsdem coloris albido
Umbatis, remigibiis obscure branneis scapis albis apice brun-
neis, tectricibus alarum inferioribus albis, brunneo fasciatis
jugalo et pectore flavescente griseis, ferragineo lavatis, ga-
straeo reliquo albo, rix ferragineo lavato, lateribus et tectri-
cibus caudae inferioribus brunneo transverse fasciatis, rostro
nigricante, basi flavo, pedibus nigris. Longit. 16", alae
8"H"', caudae 3" 10", rostri 3" 9'", tars. 2" 1^/^'" .
Limosa Baueri Mus. Vindob. Naumann, Vögel Dcutschl. VIII, 429.
*) Über flie Zunge von Lorins möge auch die Abhandlung vonWeiuland in dem Extra-
hefte zu Cabanis' Journal für Ornithologie für das Jahr 1854 verglichen werden.
Zur üruithologie flei- Insel Noil'olk.
327
Litiiona lapponica var. Novae Zelandiae Gvay, Zool. Krebiis et Terror
13 (descr.)-
Limosa Novae Zelandiae Gray. — B o n a p. in Compt. rend. XLUI. (1806)
597 (Tabl.). — Cassin, United St. Expl. Exped. 2d edit.
Die Färbung dieser Art stimmt sehr mit der von L. uropygialis
Gould überein, jedochist der Vogel viel grosser, Schnabel und Flügel
viel länger, die Tarse kaum höher. Er wurde schon von Naumann
(Vögel Deutschlands VIII, 429) erwähnt, wo er sagt, dass Limosa
Baueri (des Wiener Naturalien-Cabinets) aus Neuholland ein naher
Verwandter der Limosa Meyeri, aber bedeutend grösser und hoch-
beiniger ist, und ebenfalls einen schmalgebänderten Schwanz hat.
Limosa Baueri verhält sich zur neuholländischen L. uropy-
gialis Gould genau so wie die europäische //. Meyeri Leisl. zu
L. rufa Briss. Limosa Meyeri halte ich mit Naumann und Tem-
minck gegen viele neuere Autoren für wirklich verschieden von
L. rufa. Gray hat in der Zoologie des Erebus und Terror eine
englische Beschreibung der L. lapponica var. Novae Zelandiae
gegeben, welche, so wie grossentheils auch die Messungen, gut auf
unseren Vogel passt, und Bonaparte hat in seiner Übersicht der
Sumpfvögel (Compt. rend. XLIII) den Gray' sehen Varietätsnamen
zur Speciesbezeichnung erhoben. Da jedoch der Name, unter wel-
chem dieser Vogel seit so vielen Jahren im Wiener Museum steht,
bereits von Naumann veröft'entlicht worden ist, so glaubte ich den-
selben beibehalten zu sollen.
Limosa Foxii Peale (United States Expl. Exped. VIII, 231)
stimmt nach Peales Beschreibung weder in den Massen noch in
der Färbung mit L. Baueri überein. Da mir die Abbildungen und
Cassinis Text zur zweiten Ausgabe dieses Reisewerkes nicht zur
Hand sind, so möchte ich noch daran zweifeln, dass L. Foxii, wie
Cassin meint, zu unserer Art zu ziehen sei. (Siehe Hartlaub in
Wie gm. Arch. 1859. II.)
Totanas glottls (Linne).
Glottis glottoides Gould, Birds of Australia VI, t. 36 {Totanus
glottoides Vig.), von welchem Gould anführt, dass er von Indien
bis zum südlichsten Australien vorkommt, ist sicher nicht verschie-
den von dem europäischen T. glottis. Schon Naumann (Vögel
Deutschi. VIII, 155) erwähnt Stücke aus Bengalen. Temminck
(Manuel d'Ornithol. II.) sagt, dass Exemplare aus Bengalen die
22'
»i2(S A. V. I'cl zel n.
Identität der Species in sehr verschiedenen Klimaten constatiren und
(ebenda IV, 420) dass die von den Sunda-Inseln und den Molukken
erhaltenen Exemplare jenen aus Europa in Allem ähnlich (en tout
point sembiables) sind; sie sind immer im Winterkleide. Blytli
(Catal. Calcutta Mus. 265) zieht T. glottoides Vig. zu T. glottls,
und zwar sowohl die indischen als australischen Vögel.
Die Untersuchung der in der hiesigen Sammlung befindlichen
aussereuropäischen Exemplare, und zwar eines von Bauer von der
Insel Norfolk, eines durch Bojer, eines von Ward gekauft und
zwei durch Baron Hügel aus Ostindien (alle in gleichem Gefieder)
hat mich zu demselben Resultate geführt.
Notornis? alba (White).
Der von White (Journal of a Voyage to New South-Wales 1 790)
als Fnlica alba beschriebene und abgebildete Vogel wurde bis auf
die neueste Zeit als ein Albino des sowohl in Neuholland als in Neu-
seeland lebenden Porphyrio melanotus Temm. betrachtet.
Das kaiserliche Museum ist jedoch im Besitz eines Exemplares,
welches durch Fichtl bei der Auction des Leverianischen Museums
acquirirt worden ist. Dasselbe war als Fulica alba und mit der
Nummer 102 bezeichnet, und es ist die Insel Norfolk als seine Heimath
angegeben. Dass dasselbe wirklich das Original zu White's Be-
schreibung und Darstellung ist, wird dadurch ausser Zweifel gesetzt,
dass White in der Vorrede seines Werkes bemerkt, dass die Vögel,
nach welchen die Zeichnungen gemacht wurden, im Leverianischen
Museum aufbewahrt werden. Die Untersuchung dieses Exemplares
hat nun gezeigt, dass es sicli hier um einen von Porphyrio mela-
notus ganz verschiedenen Vogel handelt. Derselbe stimmt zwar mit
P. melanotus in Grösse und Form des Schnabels und Stirnschildes
ganz überein , unterscheidet sich aber sehr aufiallend durch die
kurzen Flügel , die viel kürzere erste Schwinge und durch den Bau
der Beine und Füsse. Diese sind in allen Theilen viel stärker und
dicker, die Tarsen viel niedriger und die Zehen viel kürzer als bei
Porphyrio melanotus oder irgend einer anderen Art dieser Gattung;
die Zehen zeigen eine ausgeprägtere Beschilderung und die Klauen
sind stärker gebogen, alles Eigenthümlichkeiten, welche offenbar
eine andere Lebensweise vermuthen lassen. Diese Charaktere nähern
unseren Vogel in hohem Grade der Gattung Notornis, und eine
Zur Oiiiithciloiric .]cr Insel Norfdlk. 329
genaue Vergleichiing mit Goiild's Beschreibung und Abbildung
(Proeeed. Zool. Soc. London 18S0 und Transact. Zoo). See. IV,
73 — 74) ergab eine grosse Übereinstimmung, jedoch auch folgende
Unterschiede: Das Stirnschild reicht bei Notornis Mantelli bis zum
Hinterrande des Auges, bei unserm Vogel weiter zurück, ganz wie
bei Porphyrio melanotns ; bei Notornis ist die erste Primarie kurz,
die dritte bis siebente am längsten und gleich lang; bei FnUca alba
die erste kurz (15" kürzer als die zweite), die zweite bis fünfte
ziemlich gleich lang und am längsten, die sechste um ein paar Li-
nien kürzer und die siebente um eben so viel kürzer als die sechste.
Unterhalb des Flügelbuges befindet sieh ein etwa 3'" langer, kegelför-
miger, etwas nach innen gebogener Sporn, ähnlich wie bei Porphyrio
iiidicus Horsf., jedoch mehr abstehend. Die Flügel sind im Ver-
hältniss länger als bei Notornis, und die Hinterzehe scheint bedeu-
tend länger zu sein. Der ganze Vogel ist kleiner.
Fasst man diese Charaktere zusammen, so möchten die Unter-
schiede von Notornis Mantelli wohl nur auf specifisclie Ver-
schiedenheit hindeuten , die jedenfalls wichtigeren und eine andere
Lebensweise anzeigenden Differenzen von Porphyrio aber aller-
dings eine generische Trennung rechtfertigen. Der Vogel dürfte
daher, wenn auch nur fraglich, als eine zweite Art der Gattung
Notornis zu betrachten sein und mit dem Namen „Notornis? alba
(White)"' bezeichnet werden. Ob die weisse Färbung die normale
sei, muss dahin gestellt bleiben; für das Obwalten eines Albinismus
spricht allerdings der Umstand, dass das Gefieder an Rücken und
Flügeln einen bläulich violeten, an Brust und Bauch einen mehr
röthlich violeten Anflug zeigt, ferner dass Latham (Ind. Ornith.
n, 769) anführt, dass bei einigen Individuen Rücken und Inter-
seapulium blau gefleckt seien, was er als möglichen Geschlechts-
unterschied betrachtet, endlich, dass auch bei der nahe stehen-
den Gattung Porphyrio Albinos vorkommen, wie Temminck (Man.
d'Ornith. II, 701) drei Individuen aus Bengalen, Java und Neuhol-
land im Pariser Museum anführt, deren Species er aber nicht anzu-
geben vermochte >). Gegen die Annahme eines Albinismus streitet
1) Teminiiick erwähnt a. a. 0. nur ein Exemplar des echten Porp/ii/rio albus
Latham in einem Glaskasten gesehen zu hahen. Ob dies dasselbe Individiiuni
des Leverianischen Museums war, ist nicht zu entnehmen.
330 A. V. Pel zfl 11.
hingegen die Angabe Lathaiiis a. a. U., dass die weissen Wasser-
hühner ziemlieh häufig in ihrer Heimath voikommen sollen. Worauf
sich Temminck's Angabe dass die Jungen von Porpliyrio albus
bläulich aschgrau seien, gründet, ist mir nicht bekannt.
Nach White's Journal S. 13S fand sich auf Lord Howe's Insel
eine Art von Geflügel, welche sehr den Perlhühnern (Guinea fowl)
in Form und Grösse glich, aber in der Farbe sehr verschieden war,
da sie im Allgemeinen alle weiss waren, mit einer rothen fleischi-
gen Substanz, welche wie ein Hahnenkamm am Kopfe sich erhob
und nicht unähnlich einem Stücke Siegelwachs erschien. Da sie
nicht fliegen konnten noch im mindesten scheu waren , so erschlu-
gen sie die Matrosen, ihre Sanftheit und Unfähigkeit vor ihren
Verfolgungen aufzufliegen benützend, mit Stöcken. Es unterliegt
wohl keinem Zweifel, dass hier von derselben Art die Rede ist, und
hierauf dürfte sich auch Latham's Angabe von dem Vorkommen
auf der Norfolk -Insel und in der Nähe, so wie über ihre Zahm-
heit gründen.
Ich lasse hier die Beschreibung unseres Vogels folgen.
Notornis? alba (White).
N. rosiro valido et clypeo frontali nitro octilos producto rubris,
ptilosi alba dorso alisque coeruleo violaceo, pectore et abdo-
mhie rubescente violaceo Invatis, alis infra flexaram spina
3'" longa, conica, intus parum curvata, remigum primaria-
rum prima brevi (IS" breciore quam secunda), secunda ad
quintam nsque fere aequilongis, longissimis, seoeta paucas
lineasi breviore, septima paucas lineas breviore quam sexta,
pedibus robustis, flavidis. Longit. tot. 20", alae rix 9", rostri
1" 10", caiidae 2" 9"', tars. 3" 1"\ digitorum absque unguibus:
medii 2" 10 ", exter. 2" 4-^/o"', inter. 1" 11'", postici 1", un-
guium omnium digitorum circiter 7"'.
Fulica alba White, Journal of a Voyage to New South-Wales (1790)
238 c. Iah.
Gallimda alba Lath. lad. Ornith. II, 768.
White GalUnule Lalh. Syn. Suppl. II, 327 i).
1) Da mir Lathain's Syiiops. Suppi. II. nicht zur Hand ist, so lionnte ich nur den
Auszug aus deinseUteu bei Stephens a. a. 0. benutzen.
Zur Ornithologie der Insel Norfolk. «»ol
Porphyrio albus Lath. — Temminck Man. d'Ornitli. 11,701. — Idein
PI. col. Genre Porphyrio sp. 4. — Stepli. Gen. Zool. XII. P. I, 261.
Porphyrio melanolus Temm. (albino variety) Gray Zool. Erebus and
Terror 14. — Idem Gen. of ßirds 398.
Porphyrio melanolus Temm. var. Bonap. in Compt. rend. XLIII. (1836)
599 (Tabl. Grallae).
Hab. Ins. Norfolk. — Ins. Lord Howe.
Anas saperciliosa Gmel.
Puffinos chlororhyüchas Less. — Boiiap. Consp. II, 201.
Procellaria ntlantica Gould. — Bonap. ibid. 199.
Phaeton phoenlcarus Gmel.
Von diesen 21 Arten können Puffinus chlororhynclms, Procel-
laria atlantica und Phaeton phoetiicurus, als Bewohner des Oceans
und an keine engen Grenzen gebunden, für den ornithologisehen
Charakter der Insel nicht in Betracht kommen; von den übrigen
seheinen derselben eigenthümlich zu sein : Gerygone modesta,
Zosferops tetiuirostris *)? ^- albogularis, Turdiis poliocephnlus,
Rhipidura assimilis,Pachycephalalongirostris?, Campephaga lon-
gicaudata, Nestor norfolcensis und vielleicht Hemiphaga spadicea,
da ihr von Vigors und Temminck erwähntes Vorkommen in Neu-
holland und auf den Freundschaftsinseln zweifelhaft sein dürfte;
gemeinsam mit Neuholland sind Astur approximans , CUmacteris
scajidens, Leucosarcia picata, Ckaradr'ms xanthocheilus^), To-
taniis glottis und Anas superciliosa ; mit Neuseeland: Aplonis
obscurus, Charadrius xanthocheilus , Limosa Baiieri und Anas
superciliosa ; mit Lord Howe's Insel: Notornis? alba.
Wie diese Zusammenstellung zeigt, finden sich also nebst einer
bedeutenden Zahl eigenthümlicher Arten sowohl neuholländische als
neuseeländische Species, und das Auftreten der so charakteristischen
1) Die kaiserliche Sainmiung- besitzt zwei ganz übereinstimmende Exemplare von
Zosterops tenuirostris und eines von Tiirdiis poliocephalus von der Reise des Frei-
herrn von Hügel, welche aus Neuholland stammen sollen; bei der Allgemeinheit
der Bezeichnung mochte ich es aber nicht für unwahrscheinlich halten, dass diese
Vögel in der That von der Insel Norfolk gebracht wurden, und zwar um so mehi',
als Gould in den „Birds of Auslralia" gegen die frühere Angabe in seiner Sy-
nopsis weder Zoxterops tenuirostris, noch Z. alboyularis, noch Turdus poliocephalus
als neuholländisch aulführt.
") Zwei ganz übereinstimmende Stücke aus Ostindien erhielt unsere Sammlung durch
B o j e r , und zwei zur selben Art gehörige aus Ceylon durch Baron Hügel.
332 A. V. Pelzeln. Zur Ornithologie der Insel Norfolk.
Formen Nestor und Notoi'nis deutet eine besondere Verwandtschaft
mit der Fauna Neuseelands an.
Erklärung der Tafel.
Figur 1. Kopf von Nestor norfolcensis nacb Bauer's Zeichnung.
„ 2. Kopf des älteren und
„ 3. des jüngeren der in der kaiserlichen Sammlung befindlichen
Exemplare von Nestor productus.
„ 4 u. .'). Zungenapparat von Nestor productus nach Bauer.
<'|y.<'lil /.iii' llriMllti>l<i!;'H' (In- lii.srl Xm-rnlk.
;jl'/,iili;.'-.sli ll.k .Ik.iil.d W iii.'ilh ii.iliinv l'l Xl.l l!i.\'"l,i ISi;o
SITZUNGSBERICHTE
KAISEKLICHES AKADEMIE DEK WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH - NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XU. um.
^^ SITZUNG VOM 14. JUNI 1860.
N£ 16.
23
333
XVI. SITZUNG VOM 14. JUNI 1860.
Das \v. i\I. Herr Professor Ludwig berichtet über eine von
Dr. Schöffer aus Moskau, im physiologischen Institute der k. k.
Jüsephs-Akademie ausgeführte Arbeit, betretfend den Austritt der
Kohlensäure aus dem Blute.
Herr Regierungsrath Ritter von Ettings hausen legt eine
Abhandlung des Herrn Dr. Reitlinger vor, welche sich auf eine
im k. k. physikalischen Institute von diesem ausgeführte Untersuchung:
„zur Erklärung der Lichtenbergischen Figuren" bezieht.
Das c. M. Herr Professor Kner legt seine in Gemeinschaft mit
Herrn Franz Steindachner verfassten „neuen Beiträge zur Kennt-
nis« der fossilen Fische Österreichs" vor.
Herr Professor Dr. J. J. Pohl überreicht eine ,,dritte Folge
physikalisch-chemischer Notizen".
Herr Dr. Giovanni Bizio übergibt seine im chemischen Labora-
torium des Herrn Professor Redtenbacher durchgeführte Arbeit :
„Analisi chimica delT acqua mlnerale, detta salsa o di S. Gottardo,
in Ceneda Provincla di Treviso, con Saggi di confronto sopra l'acqua
salso-iodica di Sales nel Piemonte",
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademie der Wissenschaften, königl. preuss.; Monatsbericht.
April, 1860; S»-
Austrla, Jahrgang XH. Heft XXIV. Wien, 1860; 8"-
Cosmos, IX'Annee. 16' Volume. — 22-^ Livraison. Paris, 1860; 8«-
Gazette medicale d" Orient. IV"" Annee. No. 3. Constantinople,
1860: 40-
23'
334
Hügel, Karl Freiherr von. Der stille Ocean und die spanischen
Besitzungen im ostiiidischen Archipel. Wien, 1860; 8"-
Land- und forstwirtlischat'tliche Zeitung. X. Jahrgang, Nr. IT.
Wien, 1860: 8«-
Mailly, Ed., Precis de Thistoire de Tastronomie aux Etats-Unis
d'Amerique. Bruxelles, 1860; 12"-
Mittheilungeu aus ,1. Perthes' geographischer Anstalt. 1860.
Heft VI. Gotha; 4o-
Societe Imperiale des Naturalistes de Moscou. Nouveaux Memoires,
Tome Xlll. Livraison I. Avee 3 planches. Moscou, 1860; 4"-
Wiener medizinische Wochenschrift. Jahrgang X. Nr. 23. Wien,
1860; 4"-
Zeitschrift für Chemie und Pharmacie. ]l}. Jahrgang. 18^0.
Heft IX. Erlangen, 1860; 8»-
335
ABHANDLUNGEN UM) MITTHEILÜNGEN.
Anulisi chimica deW acqua miner ale^ detta Salsa o di S. Got-
tardo, in Ceneda, Provincia di Treviso, con Saggi di confrontu
sopni /" acquu salso-iodica di Sales nel Piemnnte
del Dr. Criovanni Bizio.
I. Notizie storiche e cenno geologico.
II suolü delle venete provincie e si riccamente fornito in sor-
genti di acque minerali da non riuscire inferiore ad aicun altro in
qiiesto dono della natura. Le ehimiche ricerche e le mediche appli-
cazioni illustrarono parecchie di quelle fonti, e Timportanza che ad
alcune ne venne fu tale da essere gia fra le piü rinomate. Molte
peraltro giaceiono prive aiicora di una scientifiea indagine, ed una
sola hinga pratica di salutari beneficii, per il loro mezzo conseguiti,
le rende note ai pochi cui e patria il terreno da esse bagnato. Tra
quest'ultime non ha dubbio che sia da coUocarsi al presente anche
Tacqua, comunemente conosciuta sotto il nome di salsa o di S. Got-
tardo, la quäle ha la siia sorgente a pochi passi distante daU'amena
cittä di Ceneda nella provincia di Treviso.
Le prime nozioni relative all' acqua predetta si perdono nella
dimenticanza dei tempi piii lontani. Rinveniamo peru essersi, fino
dalla metä del secolo XVI, proclamati i suoi vantaggi medici dal
Professore nell' Universitä di Padova Cav. Benedetto Salvatico.
E che non comune fosse Tutilita che dalT uso della medesima si
traeva il comprova eziandio il medico Giovanni Stefani, il quäle
nel 1635 pubblicö una sua poesia latina, diretta a mettere in luce
i'origine ed i pregi medicinali di quelP acqua. A questo suo poetico
«>«>() liiz io. Aii;(li>i cliiuilc:! ilcir:i('i|ua tiiiiicr:ili',
cornponimento fece egii poi .soj»uire uiia descrizioiie storico-inedica
della fönte stessa. la qiiale ha [ter tilolo: De Tliermis Cenetensihus
ad (tedem divi Gotluirdi , e iiolla (juale si riscoiitra che le eure
dedicate ad una bei» ordiiiata cotiservazioiie della fönte erano moltit
lungi dalTessere quali il richiedeva Tiinportanza della stessa. Un tal
difetto il rinveniamo poscia notato anche da altri in tempi di gran
liinga posteriori; per cui ci sembra noii inverosimile doversi piü ehe
ad altro attribuire a sifatta trascuraiiza Tobblio quasi totale in cui e
a poco a poco caduta, e nel quäle giace anche al presente sepolta.
Non sapremmo infatli a quäl altra cagione meglio riferire un tal
danno, se pensiamo che lo Stofani, e molti altri medici prima di
lui trovarono cosi importante T uso di quelTacqua, e talmente ana-
loge ed anzi superiore ne" suoi elFelti a quello della rinomata aequa
del Tettuccio di Montecatini in Toscana, che si terminö col darvi
la preferenza in confronto che a quest' ultima. E siccome la specula-
zione trova spesso di aprirsi la via anche laddove dovrebbe esserle
chiuso il valico, esisteva a que' tempi in Padova un farmacista il
quäle spacciava la nostra acqua di Ceneda per acqua del Tettuccio.
Senoiiche piü che da vile interesse di guadagno sarä stato spinto
(juel farmacista a tale frode da generoso sentimento verso la umanitä,
aiiimato com' egli era dai prodigiosi elTetti che se ne conseguivano,
e dagli elogi che i medici prodigavano alla nuova Tettucciana.
Questo spaccio non deve pero avere avuto lunga durata, giacche,
quantunque corra un secolo incirca prima che dopo lo Stefani tro-
viamo falta pubblica menzione di quost* acqua, pure arrivati al 1760
ci si presentano quattro lettere del Dr. Monari di Ceneda inserite
in una raccolta di opuscoli pubblicati dal farmacista Vincenti di
Yenezia, nelle quali lamenta ormai l'obblio in cui quell'acqua era
caduta, nota i miglioramenfi da lui slesso fatti eseguire alla fönte,
e vi aggiunge alcune indagini tentate collo scopo di determinarne
i componenti.
In onta ai pregi si generalmente acconsentiti per piii secoli
all'acqua predelta, ed in onta agli sforzi di quelli che si adoperarono
colPopera e cogli scritti a vantaggio di quella fönte, non si venne
perö mai a capo di averne un lavoro bene ordinato, cosi che quando
il Prof Salvatore Mandruzzato di Padova si fece ad instituire
un' anaiisi chimica di quoll' acqua, la fönte era in una condizione tale
eh' egli stesso non esita a dichiarare un impuro stagnetto.
detla Salsa o di 6'. Goltardu, in Ceiieda, l'roviiiuia di Treviso, elc. lilj i
Nel 1827 poi la Deputazione Comiinale di Ceneda delibero
di trarre quelia fönte dal negletto abbandono in cui si trovava, e vi
esegui i lavori necessarii a dare uiia cistenia in luogo della fangosa
pozza che dianzi esisteva. II Marid ruz z ato, esegiiiti che furono
questi notevoli miglioiamenti , ne rinnovo Taiialisi, falta poi di pub-
blica i'agione nel 183IJ, dalla quäle risulta che una libhra medicinale
di quell' acqiia sarebbe composta di
Cloruro di sodio grani 32
„ „ eaicio „ 6
SoHato di calce . „ 2%
Carbonato di ealce „ 41/4
Oltre a ciö sarebbe, come dice il Mandruzzato, imbraltata
di una sostanza regetabile nmcoso-estrattiva ; e per quanto piu
che i reattivi, accertmio i seusi, investita da una sfuggevole e
piccola dose di gas idrogeno solforato. Questo no'i pote egli dimo-
strare per via di alcuna reazione qualitativa, e quindi nemmeno
determinare quantltativamente, ma forte perij nel valore de' suoi
sensi che ne accerfavano la esistenza, institui alcune sperienze indi-
rette dalie quali conchiude per via di deduzione che ogiii libbra
niedicinale di quell' acqua contenga prossimamente 0*006 di deci-
metro cubico di gas idrogeno solforato.
Finalmente nel 18S1 il dott. Pazienti di Veiiezia pubblicö
nel Giornale fisico-chimico italiano una sua notizia colla quäle era
qualitativamente dimostrata in quelf acqua 1' esistenza delPiodio e del
hromo, sfuggiti nel 1833 alle ricerche del Mandruzza t o.
Tau incoinplete nozioni, mal rispondenti alla riputazione in cui
quell' acqua fu un giorno tenuta, mi determinarono ad intraprenderne
l'analisi chimica nel laboratorio del prof. Redtenbacher, coli'
intendimento che fermata una volta, cosi in via qualitativa che quan-
titativa, la vera sua composizione, sia dato a conoscere in che risieda
la precipua sua virtü medicinale, e con ciö sieno collocati i cultori
delFarte medica nel caso di poterne trarre utile profitto. E fuor di
dubbio che, a condurla nella dimenticanza cui oggid'i e dannata, dee
avere intluito, oltre la tiascuranza alla quäle si abbandono in addietro
quelia tonte, anche il cieco empirismo, a sola guida del quäle se ne
faceva uso, senza che il medico putesse qnindi dietro un ferino prin-
cipio prevederne l'azione, ed applicarla ai singoli casi che una
giusta diagnosi gli avesse additati. Tolto, coll'attuale mio lavoro,
()()0 lii/.iu. AnulisJ i-liiiiiiiM di'H' :i('i|U;i iiiiiR-i'iile.
un s\ grave ostacolo , e veduti i risultuti cunseguiti (lalle mie
ricerche, noii inetto diibbio in allennare che la l'oiite delPaequa snlsa
di Ceiieda dehha quindi iiinanzi salire in uii lii-slro beii niaggiore di
«juellü che per il passato abbia giamrnai raggiunlo.
La fönte predetta trovasi all' aprirsi della via che dalla cittä di
Ceneda conduce a quella di Serravalle, ed esce precisamente da un
cülie che forma parte del nionte chiamato Pendolo. E anche cono-
sciuta sotto il nonie di fönte o acqua äiS. Gottardo, per una chiesetta
dedicato a questo santo, la quäle s'innaka sul iianco sinistro di quelle
stesso colle.
Dalla gentllezza poi del Consigliere presso l'Istituto geologico
deir Inipero Cav. F. de Hauer potei avere le piü recenti notizie
relative alla costituzione geologica dei dintorni di Ceneda e del
terreno stesso dal (jualc escono le sorgenti *) , essendo stati que'
luoghi visitati dal Consigliere Foetterle nella circostanza di una
escursione geologica generale da lui fatta nel Veneto. Egli trovij
adunque che le fonti predette scaturiscono dal dlluvium, il quäle
riempie cola il fondo del fiunie Meschio, e nella direzione di sud-est
trovasi in iminediata connessione colle uguali formazioni della grande
pianura veneta.
Le prinie colline che s'innalzano dintorno a Ceneda furono
originate dal sollevamento delle Alpi, e rappresentano il menibro
piü recente della formazione sedimentaria, appartenendo al terreno
plioceno; esse sono costituite da strati di marne sabbionose, le quali
fanno quindi passaggio alla pura arenaria, e sotto un grado di 40 — 45
gradi sud-ovest discendouo dalle Alpi. Nella direzione poi di nord-est
arrivano fino a Serravalle, dove il prossimo menibro sottostante e
r arenaria e la calcaria eocena, alle quali seguono poscia le piü
antiche formazioni di sedimento delle Alpi stesse.
Nei lavori intrapresi nel 1827 per migliorare la condizione della
fönte, posta che Ai allo scoperto la roccia dalla quäle esce 1' acqua
Salsa, si trovo tluire questa in piccole vene da un niasso di arenaria
cinericcia, nel quäle per la profondila di 40 centimetri incirca ed
altrettanti di diametro fu scavata una vaschetta, dal cui fondo sorge
*) Oltre alla funte deiioraiuata salsa, ed alla quäle, aiccuiiie quella che fu ed e teiiuta
in maggior considerazione, sono dedicate queste mie ricerche, esistono in quel
colle due altre sorg-enti, l'nna detta dolce solforata o delle uova, e l'altra dotce
iolforata o deW Episcopio.
Hellü vrt/.v« o (li tV. Cultdidii. in CeriL'dii, l'roNiiicia di Tieviso. clc. rltiil
per temii fessure l'acqua minerale i). Siccome poi si temeva che
rattingeila direttamente da questo serbatojo, avrebbe potuto anclie
per lievi urti disgregare T arenaria, cosi da questa prima vaschetta,
rnediante apposito tubo, stiila l'acqua in una seconda vasca profunda
60 centimetri incirca e larga SO, dalla quäle fluisce poi in iina terza
di maggiore capacita. Le due uitime sono quelle che costituiscono i
due veri serbatoi della fönte.
La temperatura dal M andruz zato notata in quest'acqua nel
dicembre 1826 si fu di + 8°, o R. , mentre Tatmosfera segnava
-j- 6° ; e neir agosto 1829 rinvenne nell'acqua la teinperatura di
-\- 13°, mentre saliva nell'aria a + 15°. II getto poi della fönte e,
secondo lui, stabilito ad una libbra medicinale di acqua in quattro
minuti primi.
II. Indagini analitiche.
La presente analisi chimica fu da me escguita sopra T acqua
inviatami per cura della Congregazione municipale della eitta di
Ceiieda, e cbiusa diligentemente in apposite bottiglie sotto la esperta
direzione di uno degli Assessori della Congregazione stessa, il Sig.
Dottore in medicina De Mori. Le bottiglie furono empiute alla fönte
nei giorni 26 e 27 gennajo del corrente anno 1860; c, ricevute nel
laboratorio di questa Universita in Vienna il giorno 10 del susse-
guente febbrajo, passai senza dilazione alcuna ad instituire le ricerche
che mi faccio ora a descrivere.
L'acqua era limpida, e tale si manteneva anche abbandonata
in vasi aperti, scolorita, di sapore lieveniente salato, nun disaggra-
devole; alTatto di aprire le bottiglie sentiva alcun poco di acido sol-
fidrico, ma versata in allro recipiente Todore non era piü sonsibile.
Nel versarla da uno in aitro vase non ispumeggia, e solo dibattendola
sviluppa poche bollicine gasose. Aperte alcune bottiglie anche tre
mesi (lopo che si trovavano nel laboratorio non mi fu dato di poter
notare qiiella tenue mucihiggiiie filosa che il M a n d r u z z a to afTernia
trasporture con se V acqua predetta cosi che una mimita dose di
questa sostanza resta stemperata nella minerale senza turharne la
ckiarezza, e va poi a palesarsi lentamente sii di essa e d' intorno
1) Uiteiigo clie con uno scavo Ikmip ordiiuito si potreiibe faeiiniente rinveiiire uii
inaggior nuniero <li |>olle, ed alimentäre cosi il piodotto della sorgeiite.
340
B i 7. i o. Aiialisi cliiiiiio;! ilcM' ;ici|iiii miiipiiili'
alla parte superiure dei vasl che la cotäejif/oiio, dando talvolta
or'igine alla produzione di iina muffa specUdmente se per avven-
tura ne resti di attaccata cd sovero.
I s;iggi qualitativi in stituiti sopra qiiest'acqua rni dimnsti-arono,
per mezzo delle consuele reazioiii, Tesistenza delle segueriti sostanze.
Ba
s 1.
Potassa.
Soda.
Ammoniaca.
Magnesia.
Caice.
Slionziana.
Alluniina.
Ossido ferroso.
„ manganoso.
„ ranieico.
Materia organica
A ci d i
ed elementi che ne faiiiio 1" ufl'ieio.
Cloro.
Jodio.
Biomo.
* Acido fosforico.
* „ borico.
„ solforico.
„ eaibonico.
„ soifidrico.
„ silicico.
Le sostanze segnate con * si rinvennero in qna'ntitä cosi minima
da potersi soltanto determinare in via qiialitaliva. Risultati negativ!
diedero le ricerebe fatte per indagare la litina, la barite, il fluoro, e
r acido nili'ico.
Risultamenti de II' analisi qii ant itati va.
Peso spccifico.
Riempiuto un picnometro di acqiia distillafa allo zero di tempe-
ratura, ne conteneva grammi 330048; mentre riempinto di acqna
minerale, pure allo zero, ne conleiieva grammi 33-1566. Questi dati
avuti da tre saggi perfettamente concordanti, danno adunque il peso
specifico := 1 00456.
Materie fisse.
Aggiunto prima ad uiia determinata qnantita di acqua minerale
un peso conosciuto di carbonato di soda roventato, la si evaporö a
bagno di ai-qiia in crogiiiolo di |»laliiin; ed il residuo si porto poi
alla temperatura di -f 120° C.
aj .*)0 CC. di acqua diedero ü-287i) di materie fisse.
6J 100 „ „ „ „ 0-5760 „ „
Media in 10.000 grammi di acqua:
Materie fisse a f 120° C = 57-2893.
Hetla saUu o di S. GoUavdn, in Cerieda, l'roviiieia di Treviso, elc. t) -t
Determi naz i one delle singole so stanze.
Cloro.
II cloro fu volumetricamente determinato, mediarite soluzione
iiüi-niale decima di nitrato d'argeiito:
a) CC. 25 di acqua richiesero CC. 22-70 — soluzione d'argento.
* h) „ 25 „ „ „ „ 22-70 „
cj „ 50 „ „ „ „ 45-40 „
Per avere da qtieste cifre la quantita del cloruro d^ argento
coi-rispondente al volumedella soluzione normale adoperata, dobbiamo
detrarre la parte di metailo eonibinata al bromo ed alTiodio esistenti
iieiriicqua stessa, e cbe piü innanzi vedremo quantitativamente deter-
miiiati. Eseguita tale sottrazione, rimane per i tre saggi sopra notati :
aj Cloniro d'argento ^ grammi 0-3216
bj „ „ = „ 0-3216
cj „ „ — „ 0-6432
Ad avere inoltre uii riscontro dell'esattezza di queste cifre otte-
niite per via volumetiiea, si raceolse il precipitato avuto dalla solu-
zione d'argento nel saggio cJ, lo si lavö eon acqua acidulata con
acido nitrico, ed, asciugato che fu lo si portö alla fusione. II suo peso
si rinvenne essere granwni 0"6317, dai quali detratto il bromuro e
l'ioduro d'argento che vi erano uniti, rimangono grammi 0*64o9
di cloruro d'argento i quali corrispondono esattamente alla quantita
del cloruro stesso stabillto dietro il semplice assaggio vokunetrico.
Dalle tre sperienze sopracitate abbiamo adunque:
In 10.000 grammi di acqua :
Cl = 31-6552.
lodio.
L* acqua stabilita a questa ricerca fu evaporata a bagno maria in
Capsula di platino, coll'aggiunta di carbonato di soda, sino a perfetta
secchezza. II residuo ottenuto si trattö con alcoole; ed, evaporata la
soluzione alcoolica, si versö nuovo alcoole sopra il residuo da essa
lasciato. Condotta a secchezza anclie questa secotida soluzione alcoo-
lica, si disciolse la materia riniasta in piccola quantita di acqua, si
acidulö leggermente la soluzione acquosa ottenutane, e vi si aggiunse
nitrato di palladio in tenue eccesso. II precipitato prodotto da questo
o4ä l>i/. id. Aicilisi cliiniic;! licir lu'qiiii iiiiru-rale.
sale fii, (lopo veiitiqiKittro ore, raccolto sopra uii feltro, et lavato
dapprima con acqua calda e poscia con alcoole ed etere. Asciiigato
che fu, si porto a nioderalo loveiitamento. e si pesö il palladio
rimasto.
(i) CC. 3000 di acqua dicdeio grammi 0-03171 Pd.
h) „ 3000 „ ,, „ „ 0-03035 „
Media in 10.000 grainmi di at-qua :
/ = 0-4032.
Bronio.
L'acffua ininerale, acidulata dapprima leggermente con acido
iiitrico, si tralto secoiido gli additamenti del F'ehling con iina (juan-
lita tale di solnzione di nilrato d'argeiilo, die separasse solo in parte
il cloro, precipitaiido nello stesso tempo la totalitä del bromo e
deli'iodio. II precipitato si lascio per bon due giorni a contatto del
liquido, e si ebbe cura di tenerlo freqiientemente agitato. Scorso
qnesto tempo, lo si raccolse sopra im feltro, e lo si lavo con acqua
acidnlafa con acido nitrico, e poscia con acqua pura. Asciugato che
fu, si roventü sino alla fusione, e si pesö.
Preso allora un tubo di vetro rigonfiato a bolla nel suo mezzo,
vi s'introdusse una parte del precipitato; e, mantenendolo in istato di
fusione, lo si sottopose ad una corrcnte di gas cloro secco, sino a
tanlo che non manifestasse piii diminuzione di peso alla bilancia.
Dalla perdita di peso avuta nella parte del precipitato sottoposto
all'assaggio si calcolö la perdita appartenente all'insieme di tutto il
precipitato; e detratta da questa la parte dovuta all'iodio, si ebbe il
qiianto della perdita dipendente dalT allontanamento del bromo, e con
ciö la qiiantita di esso.
Siccome poi ogniqualvoKa si possa avere un riscontro fra due
metodi dilTerenti, i qiiali conducano allo stesso risultato, e avvalorata
l'esattezza dei dati conseguiti, cosi, nel processo sopradescritto, per
precipitare il bromo dalT acqua minerale io adoperai una quantitä nota
di argento, cioe un determinalo voiume di soluzione normale decima
di nitrato di qnesto metallo, per cui mi era dato modo di calcolare la
quantitä del brom» ancbe secondo il metodo proposto dal Mo li r. In
tal maniera io conosceva infatfi la quantitä di cloruro d' argento che
avrei dovuto otfenere, qualora la sopradelta soluzione normale fosse
stata aggiunta ad un liquido, nel quäle vi fosse stato solo cloro. Ma
defta .90/.?« o di S. Gottardn. in Ceiieda, Provincia di Trevi.so. etc. d4d
nell'acqua minerale, da me analizzata, oltre al cloro esistevano anche
il broino e Tiodio, i qiiali posseggono im equivalente maggiore.
Pesato aduiKjLie, come dovea gia fare iiel primo processo descritto,
il precipitato avuto dalla soluzione d'argento, io dovea rinvenire una
somma maggiore di quella che mi era data dal caleolo iiel quäle era
considerato il caso che Targento si fosse tramutato in solo cloruro.
Ora tutto il piü del peso da me rinvenuto, in confronto di ciö che
mi dava la prefata supposizione, dipendeva adunque dalla sola
differenza che esiste fra 1" equivalente dell' ioduro e del bromuro
d'argento, e fra quello del cloruro; per cui essendomi gia nota la
quantitä deiriodio , e pereiö la quantitä dell' ioduro d'argento che
dovea essersi prodotta, avea tutti i dati sutficienti per calcolare la
differenza di peso dipendente dal solo bromuro d'argento, e con cio
la quantitä del bromo contenuto in quel precipitato.
La concordanza delle cifre da me conseguite e una pruova nori
solo della loro esattezza, ma di quella altres'i dei due metodi seguiti
in tale ricerca. I risultamenti infatti ottenuti sono i seguenti.
Peso
del precipitato avuto, mediante la soluzione d' argento.
a) CC. 1000 di acqua, con CC. 133 — soluzione d'argento, diedero gr. 200330
h) „ 2000 „ „ „ „ 135 ^ „ „ „ „ 2 06967
Perdita di peso Perdita calcolata
mediante il gas cloro. secondo il metodo del Mohr.
frrGrammr^0Ä4 aJ~Gvmmn^^^OQ^
h) „ 01333 h) „ 01333
Detratta da questa perdita la parte dovuta alTiodio, rimane per
il bromo:
a) Perdita di peso = granimi 0-03719 = gramnii 00676 Br.
h) „ „ „ = „ 0-07489= ,. 0 1361 „
Media in 10.000 gramnii di acqua :
Br = 0-67Ö1.
Acido solforico.
Concentrata 1' acqua, mediante evaporazione, ad un quarto incirca
del suo volume, venne acidulata con acido cloridrico, e trattata poi
344 ßizio. Analisi chimica delT acqiia miiierale,
eon clorui'o di bario. II soltato di barite fu, dopo ventiquattro ore,
colle note cautele raccolto sopra un feltro, asciugato, e roventato.
a) CC. 1000 di acqua diedero . . . grammi 00216 BaO, SO3
h) „ 1000 „ „ „ . . . „ 00216
In 10.000 grammi di acqua:
SOs =- 00737.
Acldo carbonico»
Per determinare Tinsieme di tutto l'acido carbonico, si espo-
sero per alcnne ore alla temperatiira di -f- 1° C. le bottiglie con-
tenenti 1' acqua. Aperte poi a questa stessa ternperatura, s'introdusse
un determiuato volume delT acqua minerale in recipienti nei qiiali
trovavasi una soluzione di eloruro di bario mescolata eon ammoniaca.
I recipienti eran 0 tosto ermeticamente cl)iusi, ed il precipitato for-
matosi si lavo poi eon acqua distillata bollita, sino a tanto che questa
non intorbidasse piü col nitrato d' argento. Sciolto allora il oarbonato
di barite nelPaeido cloridrico, si evaporö la soluzione in Capsula di
platino sino a secchezza, e dopo avere debolmente roventato il resi-
dua, lo si titrö eon soluzione normale decima di nitrato d' argento.
aj CC. 1000 di acqua richiesero CC. 1516 - soluz. d'arg. = gr. 0-3333 CO^.
b) „ 1000 „ „ „ „ 1Ö4-3 „ „ „ = „ 0-3394 „
Media in 10.000 grammi di acqua :
CO. = 3-3491.
Acido solfidrico.
Per aeeertare la presenza delP acldo soifulrico si misurarono, in
via di semplice saggio qualitative, CC. 700 delf acqua minerale, nel
giorno stesso in cui arrivo al laboratorio. II piedetto voinme di acqua
si versö in un niatraccio fornito di un tubo caricatore, e di un secondo
tubo ripiegato ad angolo, il quäle andava ad immergersi in una solu-
zione ammoniacale di solfato di rame. Cbiuso che fu il matraccio , si
aggiunse alT acqua, mediaute il tubo caricatore, una certa quantita
di acido solforico , e la si riscaldo cosl che arrivasse alTebullizione,
mantenendola a questo grado di temperatui-a sino a tanto che non
isvolgevasi che solo vapore acqueo. Terminata la pruova, si trovo
che la soluzione ammoniacale erasi mantenuta limpidissima ed inal-
terata nella sua liiita; nia al trarne da essa il tubo, per il quäle
detfa Salsa o di S. GoUardo, in Ceneda, Proviiicia di Treviso, etc. o45
passarono i prodotti gasosi sviluppatisi dall'acqua, durante la sua
ebullizione, si trovö che esso nella superficie interna, laddove era
bagnato dalla soluzione ammoniacale di solfato di rame, erasi lieve-
mente tinto in hruno nerastro. Si lavo allora il tubo stesso eon acqua
distillata bollita, e si disciolse quella macchia bruna in aleune goccie
di acido nitrico. Neutralizzata poi con ammoniaea la soluzione acida,
vi si aggiunse poco soifidrato potassico, il quäle al momento non ori-
gino nel liquide che un tenue coloramento brunastro, ma scorso
qnalche tempo , lascio sedimentäre al fondo della provetta una
tenuissima quantita di polvere nero-bruniccia.
Questo saggio manifestava adunque V esistenza nell' acqua di
tracce di acido solfidrico, in quantita cosi tenue da poter abbandonare
il pensiero di venire ad una determinazione quantitativa. Tuttavia,
proGttando di questo sperimento diretto ad una pura ricerca quali-
tativa, volli tentare se il solfuro di rame ottenuto fosse tanto da
poterne ancora avere un risultato quantitativo. Raccolsi adunque il
predetto solfuro supra un piccolo feltro, il lavai con acqua calda e
bollita, ed incenerato il feltro, sciolsi il piccolo residuo nell' acido
nitrico, dal quäle precipitai l'ossido di rame per mezzo della potassa,
L'ossido lavato e roventato peso grammi 0-0024, i quali rappresen-
tano grammi 0-0010 di acido solfidrico, contenuto nei prefati CC.700
di acqua minerale.
Non intendo con cio di avere seguito il metodo migliore per la
determinazione quantitativa di questa sostanza; ma nel caso nostro,
in cui nei risultati deU'analisi avrei potuto indicarne solo tracce, ed
in cui la sua presenza potrebbe fors'anco venire dalla sola reazione
della materia organica sopra i solfati esistenti nelT acqua, ritengo piii
che sufficienti i dati avuti per la via tenuta.
In 10.000 grammi adunque di acqua:
HS= 00142.
Questa cifra non ha poi bisogno di commento alcuno per dimo-
strare quanto sia erronea la denominazione di solforata-salina , con
cui dal Mandruzzato e da altri si appellö quest' acqua minerale.
Acido silicico.
Evaporata T acqua, ed aggiuntovi acido cloridrico in eccesso,
si condusse a perfetta secchezza. Umettato allora il residuo con
u4b B izi o. Analisi chimica dell" acqua minerale.
miovo acido cloridrico, e trattato poi con acqua, si raccolse l'acido
silicico sopra un feltro; lo si lavo, asciugo ed arrovento. Pesato che
fu, lo si sottopose ad iin saggio al cannello. col quäle fii rafTermata
la sua purezza.
CC. 3000 (li aqua diedero grammi 0-0290 SiOs.
In 10.000 grammi di acqua:
SiO, = 0-0962.
Oi^sido ferroso -}- Alluiuina.
II liquido dal quäle erasi separata la silice fu neutralizzato con
ammoniaca, e precipitato poi con solfidrato ammonico, il quäle diede
origiiic a pochi leggerissimi üocchi neri, che raccolti sopra un feltro,
e lavati con acqua bollita contenente alcun poco di solfidrato ammo-
nico, si asciugarono, incenerarono e pesarono.
CC. 3000 di acqua diedero .... grammi 000212 Fe^Os + AI2O3.
L'ossido di ferro e Tallumina furono sciolti appresso nell' acido
cloridrico, nel quäle V ossido ferrico fu ridotto ad ossido ferroso per
mezzo dello zinco metallico. Si determino allora la quantita del ferro
mediante una soluzione di camaleonte minerale (Titolo: ICC.di acido
ossalico normale = 31-8 CC. di camaleonte). Di questa ne ahbi-
sognarono CC. 0 • 4, per cui abbiamo :
Fe^O^ = 0-00100
Al.Os = 0-00112
E percio in 10.000 grammi di acqua:
FeO = 00137
Al.O^ = 0-0371
Caice.
Neil" acqua, dalla quäle era separata Tallumina e T ossido di
ferro, fu decomposto poi con acido cloridrico l'eccesso del sollidrato
ammonico; ed allontanato mediante riscaldamento l'acido solfidrico,
e separato colla feltrazione il solfo, si saturo il liquido con eccesso
di ammoniaca, e dopo averlo riscaldato se ne precipito la caIce coli'
ossalato ammonico. Mantenuto poscia ad «n conveniente grado di
temperatura per dodici ore incirca, si raccolse il precipitato sopra
un feltro, lo si lavo con acqua calda, si asciugo, e debolmente
rovento.
CC. 3000 di acqua diedero grammi 0-7680 CaO, CO^.
detta Salsa o di S. Gottardo, in Ceneda, Provincia di Treviso, etc. 347
Per yveie appresso im riscoiitro della cifra sopranotata, si
diseiolse il carbonato di caice gia pesato in CC. 30 di acido nitrico
normale. A saturare l'eccesso delP acido nitrico adoperato si richie-
sero poi CC. 14. 6 di soliizione normale di potassa; per cui risulta
che soli CC. 15. 4 dell' acido nitrico normale erano entrati in combi-
nazione colla caIce. Questi ci rappresentano grammi 0*770 di car-
bonato di calce, per cui era pienamente raflfermata l'esattezza della
prima cifra.
Per la determinazione della calce furono poi instituiti due altri
saggi sopra nuova quantitä di acqua minerale. Precipitata, come al
solito, la calce per mezzo dell'ossalato ammonico, si diseiolse Tossa-
lato di calce ancor umido nelT acido cloridrico, e si titrö la soluzione
per mezzo del camaleonte. Adoperati in ambedue gli sperimenti
CC. 1000 di acqua minerale, si richiesero CC. 39 di camaleonte
(Titolo: 5 CC. di acido ossalico normale = 38 CC. di camaleonte),
i quali rappresentano CC. 5. 13 di acido ossalico equivalenti a grammi
0-2565 di carbonato di calce. Per cui riepilogando i dati dei tre
saggi instituiti per la determinazione della calce, si ha che:
a) CC. 3000 di acqua diedero . . . grammi 0-7680 CaO, CO^.
bj „ 1000 „ „ „ . . . „ 0-256S
c) „ 1000 „ „ „ . . . „ 0-2S65
e percio in 10.000 grammi di acqua :
CaO = 1-4289.
Magnesia*
Nel liquido, dal quäle erasi precipitata la calce, si determino
la magnesia col metodo consueto, pesandola allo stato di pirofosfato
magnesico.
aj CC. 3000 di acqua diedero .... grammi 1-269S 2%0, PO5.
b) „ 1000 „ „ „ . . . . „ 0-41S7
cj „ 1000 „ „ „ .... „ 0-4137
Media in lO.OüO grammi di acqua:
MgO = 1-4977.
Pofassa e Soda.
Si evaporö una determinata quantitä di acqua minerale, tramu-
tando i cloruri in solfati mediante P acido solforico. Decomposti poi
questi Ultimi coli' acqua di barite, e separate colla feltrazione il sedi-
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. Iß. 24
34o Bii io. Analisi chimloa <leirae()ua minerale.
niPiito formatosi, si piecipitö Tcceesso della Itarite per mezzo di una
Corrente di acido carbonico; e leccesso di qiiest* ultimo si allontariö
poi iiiediante la bollitiira de! liquido. 11 carbonato di barite fu tosto
separato colla feltrazione . ed aggiunta al liquid« una sufficiente
quaiitita di acido cloridrico, lo si evapoio a seccbezza. porlando da
ultiino la temperatiira ad iin lieve arroventamento. Pesati allora i
cloruri alcaüni, si precipitö la potassa nel modo consueto per mezzo
del cloruro di plalino, ed il cloniro doppio ottenuto si deeompose
mediaiite un leggiero arroventamento, debitamente eondotto. Seiolto
poscia il eloruro di polassio nell' acqna distiliata, lo si titro colla
soluzione normale decima di nitrato dargento.
Da tali indügini si ebbero i seguenti risultati.
a) C(\ aüO di acqua diedero grammi 2'4687 KCl + NaCL
Per il KCl si richiesero poi CC. 4-3 - sol. d' arg. ,. 0-0320 KCl.
2-4367 NaCl.
h) CC. 300 di acqua diedero grammi 2-4Ö02 KCl + NaCl.
Per il KCl si richiesero poi CC. 4-2 - sol. d'arg. „ 0-0313 KCl.
2-4189 NaCl.
A raffermare inoltre la qiiantitä dol cloruro di sodio qui stabi-
lifa per semplice soltrazione, si evaporo a seccbezza il liquido dal
quäle erasi separata la potassa, ed il residuo si rovento poi cosi da
averne decomposto tutto il sale di plalino. Seiolto allora il cloruro
di sodio in un delerminato volume di acqua dislillata, lo si titro con
soluzione normale decima di nitrato d'argento; e di questa furono
necessarie le quantilä che soguono.
u) CC. 417-1 — soluzione d'argento = grammi 2-4383 NaCl-
h) „ 413-9 . „ „ = „ 2-4196 „
Media adunque in 10.000 grammi di acqua:
KO =^ 0-3971.
NaO = 25-6312.
Ainmoniaea.
Versata in adattato matraccio 1' acqua minemle destinata a questa
ricerca, vi si aggiunse un eccesso di potassa caustica purissima, e
si passo alia distiliazione. II matraccio comuuicava con un apparec-
detta Salsa o Hi S. Gottardo, in Ceneda, Provincia di Tieviso, etc. 349
cliio refiigeiiuile del Lieh ig, il qiiule metteva capo in iina hottiglia
di condensazione del Mohr; ed a questa era poi utiito uii fuho ad
U, ricmpiuto di pezzi di pomice imbeviita di acido solforico, per
impedire che iiel liquido distillato potessero entrare di que' vapori
ammoiiiacali che si fossero trovati nell' almosfera del htboratorio.
L'operazione si prosegu\ sino ad averno distillati 2/5 del volume delT
acqua miiierale coiitermta nel matraccio: ed il prodotto ottenuto si
titro mediante soliizione normale decinia di acido ossalico.
CC. 1000 di acqua richiesero CC. 11 ddla predetta soluzione,
i qnali rappresentano grammi 0-0187 di amnioniaca, e percio :
In 10.000 grammi di acqua:
NU, = 01861.
llaferia organica.
Aggiunto ad uaa determinata quantitä di acqua del carlionato
di soda, la si evaporo a secco, portando poi il residuo alia tempera-
tura di 120*' C, sino a tanto che non presentasse piü diminuzione
di peso. Si rovento allora il residuo ad un calore moderato, ma suf-
ficiento pero a far bruciare la materia organica. Raggiunto questo
termine, si gittarono nel crogiuolo alcuni pezzetti di carbonato arn-
monico, e mediante un mite riscaldamento si fece poi volatilizzare
questo sale. La perdita di peso dinotava la quantitä della materia
organica , unitamente al cloniro ammonico contenuto nell' acqua
minerale. Detratto adunque dalla perdita totale il peso dovuto al
cloriiro ammonico, si venne a conoscere quello appartenente alla
materia organica.
Ora il residuo fisso avuto dalT evaporazione di CC. 500 di acqua
minerale, disseccato a 120" C, diede mediante i'arroventamente
una perdita totale di grammi 0'0667; il che ci da:
In 10.000 grammi di acqua:
Perdita totale 1-3340
„ dovuta al cloruro ammonico 0-58.^0
„ „ alla materia organica 0-7490.
Dall'insieme pertanto delle singole determinazioni sopra esposte
ne risulta il prospetto seguente:
24*
330 Bizio. Aiinlisi chimica dell" acquH minerale,
Composizione deir acqiui salsa di Ceneda.
Cloro ....
lodio ....
Bromo ....
Aeido solfidrico
carbonico
fosforico
borico .
solforico
silicico .
Potassa . . .
In 10.000 g:rammi
ili acqua
31-6352
0-4032
0-6751
00142
3-3491
tracce
tracce
0-0737
0-0962
0-3971
In 10.000 grammi
di acqua
Soda 25-6312
Ammoniaca 01861
Calce 1-4289
Magnesia 1-4977
Stronziana tracce
Allumina 0-0371
Protossido di ferro . . . 0-0137
„ „ manganese tracce
Perossido di rame . . tracce
Materia organica .... 0-7490
Verosimile combinazione degli acidi e delle basi in 10.000 grammi
deir acqua iiredetta.
Gramini
Acido silicico 0-0962
Allumina 00371
Materia organica 0-7490
h) In ({ u a n t i t a i ni p o n d e r a b i 1 e :
Borato di soda tracce
Solfato di stronziana ... „
Fosfato di allumina .... „
Carbonato di protossido di
manganese „
Carbonato di perossido di
rame „
Soninia delle sostanze flsse . . grammi 57-1660
Diretta determinazione delle sostanzo lissc grammi 57-2892
Acido solfidrico „ 0-0142
„ carbonico semicombinato .... ,, 1*4583
„ carbonico libero „ 0-4325
e percio 1 volumc di acqua minerale contiene 0022 in volume di acido carbo-
nico libero.
Quaiitita delle prefate sostaiize sciolte in una libbra medicinale
= 5760 grani di acqua di Ceneda.
a) In q u a n l i t ä p o r
der
abile:
Grammi
Cloruro di potassio . .
0-4911
„ „ ammonio .
0-3850
„ „ sodio . . .
483347
„ calcio . .
2-6829
Bromuro di calcio . .
0-2654
„ „ magnesio .
0-5322
Joduro „ „
0-4413
Carbonato di magnesia
2-7686
„ „ protossido
di
ferro
0-0220
Solfato di potassa . .
0-1605
Grani
Cloruro di potassio .... 0-2828
„ „ ammonio . . . 0-3369
„ sodio 27-8407
„ „ calcio 1-5453
Bromuro di calcio .
„ „ magnesio
loduro „ „
Carbonato di „
Grani
0-1528
0-3065
0-2541
15947
flelfa Salsa o di S. Goltardo, in Ceneda, Prcivincia di Treviso, etc.
351
Carbonato di protossido di
ferro 00126
Solfato di potassa .... 00924
ßrani
Acido silic'ico 00.').'}4
Alluinina 002 IS
Materia organica 0-4314
Somma delle sostanze fisse . . giani 32-9269
Acido solfidrico grani 0-0081
„ carbonico dei biearbonati .... „ 0 8399
libero „ 0-2491
III. Gonsiderazioni sopra la composizione dell' acqua predetta.
I risultati adiinque deiranalisi soprade.scritta ci l'anno conoscere
come r acqua salsa di Ceneda appartenga alla serie delle acque miiie-
rali salino-iodurate ; e come poi sia da collocarsi fra le piü impor-
tanti, riesce facilrneiite manifesto, tostoche si ralTronti alle altre acque
iodifere, quäl e dato a vedere nel seguente prospetto, dove ne sono
registrate alcune fra le principaii, coila quantitä deiriodio e del
bromo contenuto in 10.000 parti di acqua.
Nome della sorKente
Analizzatori
lodio
Bromo
Acqua del Biillicame (Viteibo) . .
Adellieids (Heilbronn)
Ceneda
Coese (Savoja)
Hall (Austria superiorej .....
Iwonicz 1 sorgente I
(Gallizia) ) sorgcnle II
Luhatscliowitz (Moravia)
Kempten
Kreuth (Schweighnf) ,
Kreuznach (PrussiaJ, fönte Elisen .
„ Karlshailerbrunn . . .
Royal Old AYells No. IV (Inghilterra)
Sales (Piemonte}
Saizbrunn (SIesia)
Soultz-Ies-Bains
Tettueeiana di Montecatini ....
Tölz (Baviera)
Volterra (Toscana)
Wildegg (Svizzera)
Zaison | Ferdinandsbrunnen
(Siebenbürgen) f Fr;inzensbrunnen
Po ggial e
S t r u V e
B i zi 0
Mo r i n
Kauer
T 0 r 0 s 0 w i e c z
PI ani a va
B u c h n e r
F u c h .s
L ö w i g
0 sann
Abel eRowney
Bizio
Liebig
Kopp
G i u I i
Fresenius
Giu 1 i
Bauer
Müller e Schnell
0-110
0-242
0-403
0-070
0-390
0-186
0-044
0-074
0 173
0-183
0041
0-048
0-01)7
0-288
0-131
0-030
0-6Ö3
0-218
2123
0-221
2-109
0-067
tracce
0-372
0-67Ö
0-013
0-o08
0-293
0-100
0-427
0-314
8-419
0-380
1379
tracce
0060
1-207
0019
O0<& fti/^in. .\ii;ilisi cliltiiic:! dell' iii'i|u:i iiiiiici'Hlc.
Dair inslituito cüiifroiitt) chi;iro adiinque risiilta coiiie Tacqna
iodurata di Ceneda occiipi iino de'prinii posti, dimostrandosi superiore
cosi nella quantita delT iodio come del bromo a pressoche tutte le
altre. Essa sorpassa infatti la stessa rinomata acqtia di Hall (Austria
superiore), la piü iodifera di quante esistono in Germania; ed e pol
di gran lunga superiore a qiiella di Sales, colla quäle piü ehe eon
altre a noi iniporta institiiirc un confronto, essendo quella cui nel
Veneto si rieorre ogniqualvolta si abbisogni di un tal farmaco, ignari
come fummo sinora di |iossedere nel nostro proprio suolo un si pre-
zioso rimedio.
E qui non e anche da passare sotto silenzio faltro rilevante
vantaggio che presenta l'aequa di Ceneda, la piccola quantita cioe di
cloruro di sodio in essa diseiolto in confronto di queilo ehe ordina-
riamente si rinviene nclle acque molto rieche in iodio. L'aequa di
Ceneda infatti non eonliene che 0-48 per cento di cloruro di sodio,
mentre quella di Hall, per esempio, ne contiene 1-2 per cento, e
quella di Sales ne presenta la soverchia proporzione di 5-S incirca
per cento, coH'inconveniente per conseguenza d'introdurre nello
stomaco una esorbitante quantita di sal comune, donde il bisogno di
prescriverla solo a cucchiai e diluita con acqua o con brodo non
salato.
Se percii) ne'tempi addietro il cleco empirismo avea condotto
l'aequa minerale di Ceneda in una si elevata riputazione, noi cono-
sciamo adesso quäle fosse Tarcano magistero che in essa si ascon-
deva; e non possiamo quindi che railegrarci colla citla di Ceneda la
quäle non solo possiede nel suo terreno un dono, come e un acqua
iodurata, raramente dalla natura concesso; ina di tal valore inoltre da
non temere il confronto con aicun altra delle acque iodifere piü
celebrate.
(lotta aaUa o di S. (iuHurdo, in Crrii-di, l*r(iviii<'l:i di Treviso, etc.
:i:>3
A p p (' n (1 i 4' ('
ill'miiilisi ehiinica deiraecjua .sMÜno-iodurata di Cerieda.
Sa||;|^i aiialitici quautifatlvi
sopra l'acqua salso-iodica di Sales ncl Pienionte.
Coiiipiuta cli'ebbi Tanalisi chimica delTacqua saliuo-iodiirata
di Ceneda, io vedeva importaiite di stabilirne il confronto, piü che
coli altre, coll'acqua di Sales, siecome quella che, come dissi nella
prefata analisi, vieiie presso noi adoperata ne'casi in ciii torrii indi-
cato Puso di un'acqua minerale iodifera.
Fattomi adiinqiie a vedere i risullati delie rieerche analitiche
eseguite sopra quest'acqiia , rinveiiiii che iin' ultima analisi era tiitto
di recente stata puhblicata dal Padre Ottavio Ferra rio di
Milanoi), quäle e qiii da me riferita.
Peso speeifico = l-OTö.
Materie fisse = grani 70o in 10.000 grani di acqua.
Prineipii inineralizxatori.
In 10.000 grani
di acqua.
Acido carbonico libero e
coinbinatü . . grani
Acido solfidrico libero e
combinatü . . . grani
Acido solforico combinato
grani
„ silicico . . „
Bromo
lodio
Cloro
In 10.000 grani
di acqua.
combinati
eoi metalli
2-3Ö60
0-2592
0-3155
löOOO
7-0000
2()0000
394-8433
Ferro in istato di bicar-
bonato grani
Aininoniaca \
Calcio
Magnesio ^ aloi-
Sodio l dei
Potassio
Materia organica
vegeto-animale
f cogli \
\ aloi- l
1-5000
0-7037
9-1785
13-4838
232-5023
0-3007
3-7500
La enorme quantita di iodio enunciata dal Ferrario sorpassa
si fattamente i limiti, nei quali questo corpo ci e presentato dalla
natura nelle acque minerali, che io non metteva dubbio a rigettaie
senza piü la realtä del fatto, quand'ancbe non avessi dovuto farlo
per il modo da lui tenuto neu" eseguire quell* analisi. NelT accingersi
a tal lavoro, egli dice di farlo perche finora si avea la sola notizia dei
1) .Memorie del R. Istituto lombardo. Milano 18ö9. Vol. VII. [.. 421.
O04: Bi/. io. Äiiiilisi ctiiinicü dell" .icqua iniiit'r;il<',
risultati ottenuti dalle analisi, poco concordi fra loro, senza la indi-
cazione dei metodi seguiti Avesse il P. Ferrari o seguito 1' esempio
de'suoi predecessori , di tenere occulti cioe i metodi teiiuti, che iioii
avrebbe egli macchiato le pagine degli Annali di uno de'piü cospicui
corpi seientifici delTItalia con errori, ai quali giä da qualehe
decennio avrebbe mancato Tindulgenza dei rneno esperti nelle chi-
miche discipline! ')
La nessuna fiducia ehe io poteva prestare alle cifre pubblicate
dal Padre summentovalo, mi porto dunque a vedere quali fossero i
risultati avuti dal Kr am er e dall' Abbene, i quali aveano prece-
dentemente esaminato l'acqua stessa. Raccogliendo i risultati di questi
analizzatori, unitamente a quelli dei Ferrario, si avrebbero i dati
seguenti :
I o d i o
in 10.000 parti di acqua.
Kramer 0145
Abbene 18-279
Ferrario 26-000
La enorme disparitä delle cifre e tale che in luogo di averne
lume, io ne avea per conseguenza piena confusione. In quanto al
valore dei dati dei P. Ferrario ne sappiamo gia abbastanza; in
quanto agli altri dei Prof. Abbene, non conosco il metodo da lui
1) A giustificare questo inio severe giudizio verso chi non avesse l'opportunitä di
vedere il lavoro originale dei P. Ferrario, non faro qui che compendiare il
metodo da lui tenuto nella deterrainazione delTiodio, il quale basta da se solo a
diraostrare, senza commento aicuno, se nella presente meta dei nostro secolo sia
permesso pubblicare analisi chimiche di tal eonio. Depo avere adunqiie precipi-
tato i tre aldioi per mezzo deirargento, egli separa il cloruro dal bromuro e
dair iodiiro argentico per mezzo dell' amtnoniaca , che scioglie il prirao , e lascia
indisciolli i due Ultimi, i quali, fiisi poi colla potassa , soiio da esso tramutati in
bromuro e iodiiro alcalini. Scioglie allora ia massa fusa, la neutralizza con acido
cloridrico, e fa attraversare la soluzione da una correnfe di cloro che precipita
riodio, il quale viene raccolto sopra un f'eltro di cui e noto il peso. Asciugato
riodio, ne riscontra colla bilancia la quantitä, che trova essere grani 21-75 in
10.000 grani di acqua. Ma il chimico »naiizzatore soggiunge che per la natura
dell' operazione di cui si tratla, ni dovevano incontrarc delle perdite, e gli sembra
adunque che alla quantitä avuta non sieno male a proposito aggiunti di proprio
cervello grani 3-20, per cui afferma che T iodio si potrebhe valutare circa ijrani 23.
Finalmente quaiido veniamo al riassunto finale dell'analisi troviamo che nelle cifre
registrale Tiodio e montato a grani 26, e quindi che ne e aggiunto un altro
granicello, nel timore forse di non essersi il Ferrario dimostrato a sufficienza
generoso in quesla sua creazione d' iodio.
detta Salsa o di S. Gotturdo, in Ceneda, Proviiicia di Trevisio, etc. o55
tenuto, ma la cifra si elevata e ragione sufTiciente per non accordarvi
troppo facile liducia; per cio che riguarda il Prof. Kramer ci sarebbe
guarentigia la ben nota sua abilita sperimentale, ma quand'io mi fossi
appigliato a quest' ultimo, il quäle ci da una cifra smisuratamente
inferiore a quella degli altri, non mi avrebbe mancato il rimprovero
di preferire questo a quelli colia sola mira di assegnare ua maggior
valore all'acqua di Ceneda in confronto che a quella di Sales.
Null'altro restavami adunque che instituire io stesso alcuni saggi
analitici anche sopra l'acqua di Sales, che a tale scopo fu da me
falta direttamente acquistare al suo Deposito generale presso
la farmacia Brera in Milano, da dove mi fu spedita al laboratorio
chimico di questa Universita in Vienna. Le bottiglie presentavano
tutti i contrassegni che dal Deposito stesso sono indicati quali mezzi
assicuranti Tautenticita della loro origine.
Io sono ben lungi dal mettere in dubbio che Tacqua di Sales
possa presentare delle variazioni nella sua composizione. Che cio
possa avvenire ne abbiamo, fra gli altri, il piü notevole esempio
nell'acqua minerale di Saxon nel Cantone Wallis in Isvizzera*); fna
quello che sono lungi dalTammettere si e ch'essa possa arrivare a
contenere una quantitä si esorbitante d'iodio, quäle risulterebbe dalle
cifre del P. Ferrario e del Prof. Abbene. Variazioni di tal fatta
costituirebbero un fatto unico nella storia delle acque minerali; il
quäle, in luogo che a vantaggio, riuscirebbe poi a grave danno delP
acqiia stessa, giacche il medico mancherebbe di ogni guida nella
quantitä delTacqua da prescrivere.
In quanto poi alle ricerche da me fatte, non essendo mio inten-
dimento d' instituire un'analisi completa, ma soltanto di avere que'dati
che mi si rendevano necessarii a stabilire un confronto con quella di
Ceneda, cosi si limitarono a cio solo che avea relazione collo scopo
per il quäle erano instituite.
1) Sappiamo come, riguardo a quest" acqua, fossero divise le opinioni dei chiinici fra
chi uegava a diriltura in essa Tesistenza deil'iodio, ed altri ehe Io rinveniva in
quantitä ponderabile. Le ricerche instituite alia fönte stessa dal Rivier e dal
Felleuberg dimostrarono la singolaritä del fatto, che quest' acqua cioe esanii-
uata a brevi intervalli di tenipo arriva dal 0 alla rilevante quantitii di 0-1 d'iodio
in un litro. II Heidepriera ed il Poseige r, che analizzarono appresso
l'acqua stessa contenula in differenti bottiglie, rinvennero in mllle parti di essa
da 0-046 a 0-148 d'iodio, senza riscontrare dilFerenza di sorta nella quantitä delle
altre sostanze contenute nell' acqua.
OOÖ lÜziu. Aiiiili.si cliiiJiica (lull' itcijiiii niiiiiMiile,
I metodi tenuli uella determinazione delle singole sostanze sono
que'medesimi che ho tenuto riella sopradescritta analisi delPacqua di
Ceneda, per cui io mi stringo qui a registrare solo i risultati ottenuti.
D a t i a n a I i t i c i.
Peso specifieo = 1-0432.
ITIaterie fi»)se.
CC. oü di acqua diedero .... granirni ^'ÜSGO di niaterie fisse.
In 10.000 grammi di acqua:
Materie fisse a -f 120° C. ^ H82-1668.
Cloro.
• '^'
a) CC. 2 di acciua richieseio CC. 21"15 — sol\izione d'artjento.
^1 10 ^
bj „ 2 „ „ „ „ tlVö „
/•) 4 X'2W
Detratti 1' iodio ed il broino esistenti nelT acqua stessa, rimane
per il cloro;
In 10.000 grammi di acqua:
67 = 358-7678.
Iodio.
a) CC. 1000 di acqua diedero .... grammi 0-0125 Pd.
h) „ 1000 „ „ „ . . . . „ 00128 „
Media in 10.000 grammi di acqua :
/ = 0-2884.
Bronio.
Peso
del precipitato avuto, mediante la soluzione d'argento.
N
a) CC. 1000 di acqua, con CC. 100 — soluz. d' arg. , diedero grammi 1-S326
b) „ 1000 „ „ „ „ 120 „ „ „ „ „ 1-8245
l'eiilita <li peso Perdita caleolata
mediante il gas cloro. secondo il metodo del Mohr.
a) Grammi 0-1000 a) Grammi 0-0983
b) „ 0-1057 b) „ 0-1034
detta siitsfi o di S. (lo(lu)dn, in Otieda, l'roviiioia di Treviso, etc.
n •' 17
Detratta da questa perdita la parte dovuta all'iodio, limane per
il Lrdiiio :
a) Perdita di peso = grammi 00775 --«rrammi 0-1391 lir.
b) „ ., „ = „ 0-0829= ,, 01488 „
Media in 10.000 grammi di acqua:
Br ^ 1 3793.
I dati sopra riferiti eraiio i soli che a ine bastavano per lo
scopo ciii ei-aiio direttu queste mio ricerehe. Per vedere luttavia
quäle accordo riiiveiiissi eolle altriti aiialisi anche in altre fra le priii-
cipali sostanze, vi determinai la silioe, rallumina eoll'ossido di ferro,
la caice, e la magnesia. Haccogliendo i risultati delle mie ricerehe
si ha:
In lO.OUO -laiuiui
cli acqua.
Cloro 338-7678
lodio 0-2884
Bronio 1-3793
Acido silicico 0-042i
Allumina
Ossidoferrico
Calce . .
Masrnesia
In lO.OUO SJian
<Ii acqua.
0-0958
28-3450
23-7920
Per cui, quando le cifre da altri stabilite fossero esatte, T acqua
di Sales non si liiniterebbe a sole variazioni nelia quantitä dell'iodio,
ma in quella eziandio degli altri suoi compoiienti; e ciö avverebbe di
piü senza una determinata relazione, giacche uientre alcune sostanze
furono da me rinvenute in una quantitä smisuratamente inferiore a
([uella da altri enunciata , altre presentarono il caso contrario, corne
per esempio la calce, la quäle e in quantitä piü che doppia che quella
ammessa dal P. Ferrario. Importante rinscirebbe adunque che un
acqua salita in si alta rinoinanza, quäle e quella di Sales, fosse
meglio studiata alla fönte stessa da chi avesse Topportunitä di farlo,
6 si acquistasse cosi, mediante analisi esatte e ripetute in tempi
diversi, una precisa cognizione dei veri limiti dentro i quali si aggi-
rassero le variazioni cui essa realmente fosse soggetta.
358 R e i Hinge r.
Zur Erklärung der Lichtenbergischen Figuren.
\o\\ Dr. Edmund Rcitlinger,
Uuiversitiitsilocenteii <ler Physik.
§. 1. Die nach Lichtenberg benannten elektrischen Staub-
figuren zeigen eine charakteristische Formverschiedenheit je nach
der angewandten Elektricitätsart. Die positiv elektrische Figur endigt
stets in Zacken und Strahlen, die negative mit runden strahlenlosen
Zügen. Diese Formverschiedenheit der Staubfiguren einigermassen
zu erklären, wurde theils durch unbegründete Erfindungen der
Phantasie, theils durch Hypothesen, die sich vermöge einer experi-
mentellen Prüfung widerlegen lassen, versucht. Zu den ersten
müssen wir es rechnen, wenn de Luc in der negativen Figur ein
Fortrücken der eigenen Elektricität der isolirenden Platte, in der
positiven die Verbreitung der auf die Platte gebrachten fremden
Elektricität sah; ferner, wenn die Anhänger der Franklin'schen
Theorie in der negativen Figur das Bestreben einer elektticitätsleeren
Stelle sich zu füllen, in der positiven das Überlaufen einer mit Elek-
tricität überfüllten Stelle zu erkennen glaubten. Wie wenig begründet
die letztere Erklärung war, zeigen die neuesten Unitarier, welche
die negative Elektricität für das Fluidum halten und nun in der
negativen Figur das Überlaufen einer mit Elektricität überfüllten Stelle,
in der positiven das Bestreben einer elektricitätsleeren Stelle sich zu
füllen erblicken. Tremery glaubte den Lullin'schen Versuch und die
Slaubfiguren durch die Annahme zu erklären, dass die Luft bei
gewöhnlichem Drucke die positive Elektricität leichter leite, als die
negative; aber Biothat durch genaue Versuche gezeigt, dass die
Leitung durch die Luft für beide Elektricitäten gleich ist. Die
Annahme, dass die isolirende Platte selbst tVir jede Elektricitätsart ein
eigenes Leitungsvermögen besitze, ward durch Riess vermöge der
Zur Erklärung der FJchtenbergischen Figuren. d09
eleklrischen Staubbilder widerlegt i). Elektrische Staubbilder nennt
nämlich R i e s s die Abbildungen von eiektrisirten Münzen und Stempeln,
welche auf Harz durch Intluenzelektricität erzeugt werden. Wird
positive Elektricität dem Stempel mitgetheilt, so ist das mit dem
Villarsy 'sehen Gemenge aus Schwefel und Mennig 2) bestäubte Bild
roth, dagegen gelb, wenn der Stempel negativ elektrisirt wird. Die
grosse Schärfe dieser Staubbilder widerlegt aber die oben angeführte
Annahme; denn würde die eine Elektricitätsart von der isolirenden
Platte besser geleitet als die andere, so hätte ein solcher Unterschied
in verzerrten Dimensionen der Bilder bemerkbar sein müssen. Ja,
diese Schärfe gestattet auch nicht, die Staubfiguren zu Eigenschaften
der beiden Elektricitätsarten als solcher zu machen, wie es in
neuerer Zeit geschah, der positiven Elektricität die Eigenheit zu geben,
strahlenförmige, der negativen scheibenförmige Staubfiguren auf dem
Harze zu bilden. Denn wären die Staubfiguren Eigenthümlichkeiten
der beiden Elektricitätsarten, so müsste sich auch bei Erzeugung
von Staubbildern die Neigung zu denselben zeigen, was aber nach
der ausführlichen Darstellung von Riess nicht geschieht s). Riess
schliesst das eben mitgetheilte Raisonnement mit den Worten;
„Dadurch eben erscheinen mir die Staubbilder von so grosser
Wichtigkeit, weil sie die scheinbare Beleuchtung der Staubfiguren,
mit der man, so nothdürftig sie war, sich bisher begnügt hat, auf-
heben , diese Figuren in ein völliges Dunkel zurückwerfen und die
Lösung des Räthsels an einem anderen Orte als bisher zu suchen
nöthigen".
Gegen Ende der citirten Abhandlung wendetsich Riess nochmals
zur Betrachtung der Formverschiedenheit der Staubfiguren mit den
Worten: „Ich habe nun einige Muthmassungen mitzutheilen über
einen bereits erwähnten Gegenstand, der, von höchstem Interesse
für die ganze Elektricitätslehre, bisher in tiefes Dunkel gehüllt
geblieben ist" *). Im darauffolgenden §. 29 beweist Riess den Satz:
Elektrische Staubfiaruren entstehen nur dann, wenn Elektricität durch
*) Riess, über elektrische Figuren und Bilder §. lö. In den Abhandlungen der Kön.
Akademie der Wissenschaften zu Berlin für 1846, physikalische Classe S. 1 — 50.
Vom §. ö bis Schluss abgedruckt: Poggendorffs Annalen Bd. 69, S. 1—44.
2) Riess 1. c. §. 3.
S) Riess I. c. §. lä.
■») Riess I. c. §. 28.
360 R e i t 1 i n g: e r.
eine discontinuirliche Entladung an e\i\e isolirende Platte gekommen
ist. Durch diesen Satz hatte der herühmfe Physiker die Bal)n zur
richtigen Erkenntniss der Stauhfigurert gebroclien. Die Vorstellung
jedoch, die sich Riess von der Art macht, wie die discontinuirliche
Entladung die Formverschiedenheit verursache, fand ich durch meine
Versuche widerlegt, wie ich im §. 6 dieser Abhandlung ausführlich
auseinandersetzen werde. Die Abhandlung von Riess begründete in
überzeugender Weise, dass Staubfiguren nur dann entstehen, wenn
die Elektricität durch eine discontinuirliche Entladung auf eine Platte
gekommen ist. Das Bestreben eine ähnlich feste Überzeugung
bezüglich der Wirkung der discontinuirlichen Entladung zu gewinnen,
regte mich zu einer Reihe von Versuchen an , deren Resultate den
Gegenstand dieser Abhandlung bilden.
§. 2. Lichtenberg widmete den im Jahre 1777 durch einen
Zufall entdeckten Stauhfiguren zwei in den beiden folgenden Jahren
puhlicirte Abhandlungen i). Nach diesen erhielt er die Figuren am
besten, wenn er auf eine Harzplatte eine mit einem Knopfe versehene
Metallröhre stellte und durch einen Funken elektrisirte. Nach Fort-
nahme der Röhre zeigte die Platte, wenn Harzstaub auf dieselbe
gebeutelt wurde, die der angewandten Elektricitätsart entsprechende
StaubGgur. Erzeugt man in solcher Weise Staubfiguren mit Villa rsy-
schem Gemenge, so bildet es einen wesentlichen Unterschied, ob
man die Röhre mit der ableitenden Hand oder mit einer isolirenden
Zange abhebt. Wird die positiv elektrische Röhre mit der Hand ent-
fernt, so bildet der Schwefelstaub eine sonnenähnliche gelbe Figur
mit vielen ausfahrenden Strahlen, in dereninnerem ein rother Kreis aus
Mennig sichtbar ist; während die negativ elektrische Röhre in diesem
Falle mehrere concentrische rothe Kreise erzeugt, die einen mit
gelben Verästelungen ausgefüllten Raum umgeben. Hebt man die
Röhre mittelst einer isolirenden Zange ab; so fehlt in der ersten
Figur der rothe Kreis, in der zweiten die gelbe Verästelung. Bei der
ableitenden Berührung wird eine der ursprünglich mitgetheilten ent-
gegengesetzte Elektricität nach der Platte gezogen und breitet sich
in ihrer charakteristischen Weise aus.
') Novi Commentarii Soc. Gottinj;- T. 8, P. 1, p. 168. Comiiientaliones Societ. Got-
üng. T. 1, P. 2, |). 65. De mna inethodo naturam m- modiiiii fluidi elei'lrici
investigandi coiiiirientatio prior. (Jott. 1778, coiniiiciitatiii posier. Gotting'. 1779.
Zur Erklärung^ der LichtPnbergischen Figuren. 361
Verbindet man eine isoiirte Spitze mit dem äusseren Pole der
Inductionsrolle eines gewöhnlichen Riihmkorff-Apparates und berüiirt
mit derselben einen Harzkuchen, während der Apparat in Wirksam-
keit ist, so erhält man Staubfiguren. Ist der inducirende Strom so
geselilossen, dass die Spannung der Spitze an einem genäherten
Elektroskope positive Anzeigen gibt, so erhält man eine gelbe son-
nenförmige Figur mit einem unbestäubten Kreise im Inneren, der
einen kleineren rothen Kreis eoncentrisch umscbliesst. Bei der ent-
gegengesetzten Schliessung erhält man einen rothen Ring, der aussen
noch von kurzen Strahlen umgeben ist und im Inneren eine gelbe
von unbestäubten Rändern umgebene Figur besitzt, deren Strahlen
sich theils in gerader Linie vom Centrum entfernen , theils von der
geraden Linie abgelenkt das Centrum in sich erweiternden Kreisen
umwinden. Was in den obigen Fällen die ableitende Berührung
bei Bildung der Kerne bewirkt, das verursacht hier die Intermittenz
des Stromes. Die schwache entgegengesetzte Elektricität des Schlies-
sungsstromes kommt noch der durch die lange Inductionsrolle in den
Strompausen zugeführten zu Hilfe. Reine positive und negative
Figuren erhält man , wenn man die Drathspitze gerade so hoch
stellt, dass nur mehr die durch den Öffnungsstrom erzeugte Span-
nungselektricität des Poles den Intervall überspringen kann, während
sowohl die in den Pausen im unelektrischen Drathe inducirte als auch
die dem Schliessungsstrome entsprechende Elektricität zurückge-
halten wird. Diese Thatsache entspricht völlig der Theorie des
Inductionsapparates, wie sie in der meisterhaften Abhandlung von
Po gge nd orff >) entwickelt wurde und bestätigt gleichzeitig auf s
Neue diese Theorie.
Bei positiver Elektricität erhält man einen gelben Stern mit
aus dem Centrum nach allen Seiten geradlinig sich entfernenden
Strahlen, deren gelber Staub nicht im Centrum selbst, sondern in
einem das Centrum umschliessenden Kreise die grösste Dichtigkeit
besitzt. Bei negativer Elektricität bekommt man eine rothe Scheibe,
deren Staub auch nicht im Centrum, sondern in einem das Centrum
umschliessenden Kreise am dichtesten gelagert ist. Lässt man die
elektrische Einwirkung der Drathspitze eine gleiche Anzahl Secunden
*) Beitrag zur Kenntniss der Iiidiictionsappnrate und deren Wiikmigen von J. C.
Poggendor f f. — P o gg e iid o r ff s Aunalen Bd. 94, p. 289 u. ff.
362 R e i t I i n g e r.
dauern, so sind die einzelnen Dimensionen der mit dem Ruhmkorfl"-
Apparate erhaltenen Figuren bei wiederholter Schliessung derselben
Smee'sclien Kette nahezu gleich. Dies veranlasste mich die durch
den Ruhmkorft" erzeugten Figuren bei den späteren messenden Ver-
suchen zu benützen.
§. 3. Schon Lichtenberg theiltin seiner zweiten Abhandlung
mit, dass er unter dem Recipienten der Luftpumpe Staubfiguren
erzeugt habe. Er fand sowohl die positive als die negative Figur
grösser geworden, die erstere jedoch mehr als die letztere und
gleichzeitig schienen die Figuren nach seiner Meinung ähnlicher *).
Riess citirt diese Stelle, ohne die Vergrösserung hervorzuheben 2),
wohl weil er annahm, Lichtenberg habe bei den damaligen Hilfs-
mitteln nicht beurtheilen können, ob Menge der Elektricität, Dauer
der Einwirkung und andere ausser der Luftverdünnung mitwirkende
Umstände gleich waren. Die Anwendung des Ruhmkorff-Apparates
gestattet aber eine Reseitigung aller ähnlichen Redenken, Riess
stellte auch selbst einen Versuch mit Figuren unter der Glocke der
Luftpumpe an. Indem er aber gleich eine starke Luftverdünnung
anwandte, und den Funken einer Leidner Flasche überspringen
Hess , so vermochte er keine Figuren wahrzunehmen s). Ich Hess mir
einen Recipienten verfertigen, der, mit einer Stopfbüchse versehen,
einen Messingstift von aussen vertical auf und ab bewegen liess.
Eine Messingkugel, die das in der äusseren Luft befindliche Ende
des Stiftes bildete , gestattete denselben zu elektrisiren. Der Reci-
pient hatte noch eine mit einem Hahne luftdicht verschlossene Seiten-
Öffnung, welche andere Gase als gewöhnliche Luft unter die Glocke
zu bringen ermöglichte. Auf den Teller der Luftpumpe stellte ich
einen Harzkuchen von 4 Zoll Durchmesser. Die abwärts gerichtete
Spitze des Messingstiftes stand der Harzplatte gegenüber, indem sie
dieselbe entweder berührte oder ihr nahe war. Die Messingkugel
wurde mit dem äusseren Pole der Inductionsrolle eines RuhmkorlT-
Apparates in Verbindung gesetzt. Nachdem die Luft im Recipienten
auf den jedesmal gewünschten Grad der Verdünnung gebracht war,
wurde der Ruhmkorff eine nach Secunden genau gemessene Zeit
1) Comineiilatio posterior p. 12.
«) Riess I. c. §. 30.
3) Riess I. c. p. 30.
Zur Erkliiniii"' der Liclilenbergisclien Figuren.
363
hindurch in Thätigkeit gesetzt. Hierauf wurde eine Staubfigur auf der
aus domRocipioiiten lieraus^enoninieiion Harz|ilalte durch Bestiiiihuiig
mit Yillarsy'schem Gemenge erzeugt. Die auf der Ijiirometerprübe
nicht ahlesbaren höheren Barometerstände wurden aus der Anzahl
der Kolbenstösse mittelst einer kleinen Rechnung abgeleitet ^).
Bei den in solcher Weise angestellten Versuchen ergab sich nun
das merkwürdige Gesetz: Sowohl die positive als negative
Staub figur vergrüssert sich im lu ft verdünnte n Räume
in ihrem U m f a n g e und allen einzelnen T h e i 1 e n im u m g e-
ke hrtenVerhältnissedesBarometer Standes, oderander s
ausgesprochen, im geraden Verhältnisse der Luftver-
dünnung. Rezeichnet man mit b den jedesmaligen Barometerstand,
so drückt ~ das Gesetz der Vergrösserung der Figur aus. Gleichzeilig
ist keine Spur davon zu hemoken, dass die Figuren ähnlicher wür-
den. Sie behalten völlig ihre charakteristischen Eigenthümlichkeiten.
In der folgenden Tabelle werde ich nicht willkürlich ausgesuchte,
sondern die 3 ersten meiner Beobachtnngsreihen zusammenstellen,
um den Leser in die Lage zu versetzen, ein Urtheil zu fällen, ob
ich zum Ausspruche des obigen Gesetzes nach den von mir gesehenen
Thatsachen berechtigt war. Auf die 3 Theile der Figur, die icli
gemessen, habe ich schon in §. 2 aufmerksam gemacht.
1. Positive Figur:
Rother Kreis
Unbestäubter Kreis . . ,
Kreis gelber Strahlen . ,
2. Positive Figur:
Rother Kreis
Unbesliiubter Kreis . .
Kreis gelber Strahlen . ,
3. Negative Figur:
Gelber Kern
Rother Kreis
Kreis von äusseren abge-
stumpften Strahlen . .
28 lO'i'S
2'"3
3-2
tö-0
1-0
;j-2
20
2"'l^
3-3
20-0
2-G
4-2
17-0
1-2
7-0
10-0
lö
3-3^
5-2
230
4-0
4-8
230
1 :>
9-0
löO
10
4-3
70
30-0
SO
6-5
36-0
2-2
lö-O
22-0
8-9
9-3
12-0
3-8
30-0
16"'0
21 0
7-3
20'"(»
*) leh hatte nach 25 Kolbenstössen "t" Caromelcrslaiicl , also (/2^. B=:V', wo ß der
Barometerstand der äusseren Luft in Zollen Ledeutel. Daraus wurde q bestimmt,
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 16. 23
364 R e i t I i II g e r.
Die ei-ste Horizontalzeile enthält die Barometerstände. Bedenkt
man, dass diese grösstenlheils nicht direct gemessen, sondern durch
Kolbenstösse geschätzt wurden, so wird man mit Befriedigung sehen,
dass das oben aufgestellte Gesetz sich in den beobachteten Zahlen
so deutlich ausspricht. Ich habe die Linien nicht auf Zolle reducirt,
damit die Übersicht erleichtert ist. Bei den positiven oder gelben
Theilen der Figuren war eine geringere Genauigkeit möglich als bei
den geschlossenen negativen oder unbestäubten Kreisen. Es musste
aus verschieden langen Badien ein mittlerer Badius durch Schätzung
gewählt werden. Eine besondere Eigenthümlichkeit zeigt der gelbe
Kern der negativen Figur. Bei den Barometerständen über 5 Zoll
bestand er aus einem kleinen Kreise mit hornförmig gebogenen Aus-
wüchsen; man könnte die Gestalt am besten mit der eines Seekrabben
vergleichen. Bei tieferen Barometerständen war er ein regelmässiger
gelber Kreis.
Eine unbefangene Überlegung des in diesem Paragraphen aufge-
fundenen Gesetzes, welches eine so einfache Abhängigkeit der Grösse
der Figur von der Luftverdünnung zeigt, rechtfertigt die Vermuthung,
dass in der Luft sich bewegende elektrisirte Tbeilchen die Gestalt
der Figuren erzeugen. Indem der bestäubte Harzkuchen die ihm mit-
getheilten und vermöge seines isolirenden Vermögens an den Mit-
theilungsstellen haftenden Elektricitäten sichtbar macht, zeigt er die
von ihm fixirten Bahnen der in der Luft bewegten elektrisirten dem
Auge nicht wahrnehmbaren Tbeilchen. Die Gestalt der Figuren
ist der verschiedenen Art zuzuschreiben, wie sich die elektrisirten
Tbeilchen in der Luft vom Metallstifte aus auf dem Harzkuchen
ausbreiten. Durch elektrische Lichterscheinungen hat man schon
längst sichtbar gemacht, dass sich elektrische Tbeilchen verschieden
bewegen, je nachdem sie von einem positiven oder negativen
elektrisirten Leiter die Elektricität fortführen. Die Versuche dieses
und der folgenden Paragraphen erweisen nun, dass die Lichten-
bergischen Figuren nichts anderes sind, als eine andere Art, eine
auch durch das elektrische Licht identisch wahrnehmbare Thatsache
dem Auge darzustellen.
^. 4. Das Gesetz, welches die Vergrösserung der Lichten-
bergischen Figuren in luftverdünnten Bäumen ausdrückt, ist genau
und dann die Cleiclmng' 7 x B - b, wo b der IJarometcrstiind , .r die Änzalil
der Kollienstösse bedeutet, mittelst Logaritliinen gelöst.
Zur Rrkläi'Uiifir tler Lichtenhergisclien Figuren.
365
dasselbe, welches Snow Harris für die Vergrösserung der Schlag-
weite bei Luftverdiinimng fand. Die Schlagweite des elektrischen
Funkens und die Lichtenhergisclien Figuren befolgen also genau das-
selbe Zahlengeset/ der Vergrösserung bei Verminderung des Baro-
meterstandes. Es entspricht dies völlig dem am Schlüsse des vorigen
Paragraphen angedeuteten neuen Gesichtspunkte für die Lichten-
bergischen Figuren. Da die Schlagweiten in verschiedenen Gasen
verschieden sind, so kam ich nach einigem Nachdenken auf die Ver-
muthung, dass auch die Figuren in verschiedenen Gasen verschiedene
Grösse und Form besitzen würden, und zwar erwartete ich, dass
sie eben so, wie bei der Luftverdünnung im Verhältnisse der Schlag-
weiten grösser würden. Nach Versuchen Faraday's zeigt das
WasserstofTgas im Verhältnisse zur gewöhnlichen Luft die autTallendste
Vergrösserung der Schlagweite. Ich wählte es sowohl aus diesem
Grunde, als seiner bequemen Bereitung wegen, um die Bichtigkeit
der eben mitgetheilten Vermuthung zu prüfen.
Meine HotTnung wurde durch getrocknetes WasserstofTgas erfüllt.
Es zeigte sich eine schon durch Augenmass deutlich wahrnehmbare
Vergrösserung der Figur in allen Theilen. Liess man die Spitze des
elektrisirten Stiftes circa 0"'2 oder mehr vom Harzkuchen abstehen,
so verhielt sich in den meisten Fällen die Grösse der Figur in Wasser-
stofTgas zur Grösse der Figur in atmosphärischer Luft ziemlich genau
wie 3:2. Doch wurde in einigen Fällen die Grenze des im vorigen
Paragraphen ermittelten Gesetzes überschritten und in einem Falle
fand ich das Verhältniss wie 2:1. Die angestellten Messungen wird
folgendes tabellarische Beispiel genügen, anschaulich zu machen.
Positive Fig'ur
in atmosphärischer Luft
in WasserstofTgas
innerer rother Kreis ....
Unbestäubter Kreis ....
Kreis gelber Strahlen . . .
3"'0
4-7
121)
4"3
6-6
21o
So wie in diesem Beispiel fand ich die Dimensionsverhältnisse
bei 2 Figuren, die bei 1"' Entfernung des Stiftes vom Harzkuchen
und unverdünntem Zustande der Luft und des Gases erzeugt wurden.
21)
306 R e i t I i n ? e r.
Vergleicht man das erhaltene Grössenverhältniss mit dem Verhältniss
der Schlagwciten, so fand Faraday das letztere in einer Versuchs-
reihe, wie 2:li), in einer späteren wie 3:2 2). Faraday erklärt
jedoch selbst seine Beobachtungen nur in Feststellung des Grössen-
verhältnisses überhaupt, nicht aber auch im numerischen Werthe
für genau verlässlich s). Man wird daher die Übereinstimmung der
BeobachtungenFa raday's über die relative Schlagweite in Wasser-
stofFgas und atmosphärischer Luft mit meinen oben mitgetheilten
Messungen über die Gritsse der Lichtenbergischen Figuren in den
zwei Luftarten befriedigend finden.
Die Lichtenbergische Figur in Wasserstoff ist aber nicht nur
grösser als in atmosphärischer Luft, sondern regelmässiger, reicher
und in ihren positiven Theilen ohne Vergleich verästelter. Die auffal-
lend schön geformten gelben Verästelungen bieten einen prachtvollen
Anblick dar. Faraday erwähnt die sehr schönen Verästelungen des
elektrischen Büschels im Wasserstoffgas*). Es bilden also diese Ver-
ästelungen als charakteristische Eigenthümlichkeit des Wasserstoff-
gases ein Anzeichen mehr für die Verwandtschaft der elektrischen
Lichterseheinungen mit den elektrischen Figuren, die sich für gewisse
elektrische Lichterscheinungen im folgenden Paragraphen als Identität
beweisen lassen wird.
Es bedarf keiner weiteren AuseinandersetzAing, in welch' hohem
Masse die hier beschriebenen Versuche die am Schlüsse des vorigen
Paragraphen aufgestellten Gesichtspimkte bestätigen.
§. !). Es lag nahe, eine scheinbare Erläuterung der Figuren
durch Vergleichung mit dem Spitzenlichte zu versuchen. Die positive
Figur sollte eine Projection des Lichtbüschels, die negative eine des
Lichtsternes sein. Aber obwohl Riess diese Analogie mit Recht
als nicht stichhältig bezeichnen konnte^), so kam sie doch der Wahr-
heit näher als irgend eine andere bis jetzt versuchte Erklärung. Es
wird sich nämlich zeigen , dass die Formen der Lichtenbergischen
Figuren wirklich mit Formen elektrischer Lichterscheinungen, wenn
auch nicht mit den eben erwähnten völlig identisch sind.
1) Exp. Res. al. 1388.
2) Exp. Res. al. löOT.
3) Exp. Res. al. 1389.
•») Exp. Res. al. 14.')9.
S) l'.iess I. e. §. 10.
Zur Erklärung' der Liclitenherg-isehen Figuren. 367
Die Lichtenbei'gischen Figuren entstehen, indem Elektricität
von einer Metallspitzc oder einem Metaüringe auf Flächen überströmt.
Sollen also elektrische Lichterscheinungen mit iimen in der Form
identisch sein, so müssen sie unter ähnlichen Bedinsrunijen erzeugt
werden. In der schon citirten meisterhaften Abhandlung über die
Inductionsapparate machte bereits Poggendor ff eine erste hierher
gehörige Beobachtung bekannt. Eine Glasplatte lag auf einer Metall-
scheibe, die mit dem einen Pole des Inductionsapparates in Verbin-
dung stand. Eine mit dem anderen Pole verbimdene Drathspitze wurde
der Ulibelegten Fläche des Glases genäliert. War die Spitze bis
auf einige Linien nahe gekommen, so ging ein ununterbrochener
Strom schwach leuchtender Funken auf das Glas herab. „Nähert man
die Spitze noch mehr, etwa bis zur Viertellinie", fährt Poggendor ff
in Beschreibung der Beobachtung fort, „so werden die Funken nicht
nur heller, sondern zerstieben auch auf dem Glase nach allen Bich-
tungen, dabei eine fein geäderte Figur bildend, ähnlich der Lich-
tenbergischen von positiver Elektricität. Es Hess sich in der Gestalt
dieser Figur kein Unterschied beobachten, die Spitze mochte positiv
oder negativ sein. Nur schien bei Positivität der Spitze die Figur eine
grössere Ausdehnung zu besitzen" i)« ^^i dieser Nähe der Spitzen
hätte Poggendorff auch auf dem Harzkuchen die zwei gemischten
Figuren, die beide mit positiven Zacken begrenzt sind, wie ich sie in
§. 2 beschrieb, erlialten. Diese zackige Begrenzung beider Figuren in
diesem Falle war aber wohl die Ursache, dass Poggendorff die
bemerkte Ähnlichkeit nicht verfolgte.
In seiner „Notice sur Vappareil de Ruhmkorff-' theilt du M o n c e 1
einen Versuch mit, der sich sowohl zur Begründung meines theore-
tischen Gesichtspunktes als zur Controle der Hypothese von Biess
besonders verwendbar zeigte. Wenn du Moncel zwei mit den Polen
seines Ruhmkorff-Apparates verbundene Drathspitzen einer Wasser-
fläche so weit näherte, dass ein continuirlicher Funkenstrom über-
ging, so sah er an den Polen zwei der Grösse und Gestalt nach ver-
schiedene Lichterscheinungen , die nach seiner beigefügten Abbildung
gemischten Staubfiguren entsprechen. Du Moncel selbst bemerkt
jedoch nichts über die Ähnlichkeit dieser Lichterscheinungen mit den
») Poggen dort'fs Annalen Bd. 94, p. .324.
368 R e i t 1 i n g- e r.
Lichtenbergischen Figuren, wie er überhaupt nichts Näheres über
dieselben beifügt i)-
Durch wiederholte Versuche war ich mit allen einzelnen Theilen
der vorn Kuhinkorff-Apparate erzeugten gemischten Staubfiguren, mit
ihren je nach den Polen völlig charakterisirten Eigenthümlichkeiten
und ihren relativen Grössen so vertraut geworden , dass ich nach
dem ersten Blicke auf die von du Moncel seinem Buche beigegebenen
Abbildungen die Identität der Gestalt dieser Lichterscheinungen
mit den Lichtenbergischen Figuren erkannte. Indem ich jedoch du
Moncel's Versuch wiederholte, sah ich, dass man bei glücklich
gewählter Entfernung der Spitzen von der Wasserfläche den reinen
Charakter positiver oder negativer Figuren auch in diesen Licht-
erscheinungen erhalten kann. Am negativen Pole sieht man einen kleinen
Lichtkegel, der mit runder Basis auf der Wasserfläche aufsteht, am
positiven Pole lebhaft niederfahreiule, an verschiedenen Punkten eines
kleinen Kreises das Wasser trefl'ende Funken, die in fein geäderte
Figuren zerstieben, welche astförmig sich radial vom Mittelpunkte
des der Spitze gegenüberliegenden kleinen Kreises entfernen. Die
Zacken der positiven Staublineamente waren unverkennbar. Ich habe
diesen Versuch mit günstigem Erfolge auch bei einer Winter'schen
Elektrisirmaschine wiederholt, wobei natürlich die zsvei Conductoren
die zwei Pole des RuhmkortT-Apparates ersetzten.
Wollte man aber nicht für augenfällig verwandte Erscheinungen
willkürlich verschiedene Ursachen statuiren, so blieb nun nichts
Anderes übrig, als vorauszusetzen, dass sowohl bei diesen Lichter-
scheinungen als den Figuren die elektrisirten in der Luft bewegten
Theilchen die Verschiedenheit der positiven und negativen Form
bewirken, indem sie sich theils an der Harz- oder Wasseroberfläche
lagern, theils diese bestreichen, und dass das Licht im einen, der
Staub im anderen Falle nur verschiedene Mittel der Sichtbarkeit seien.
Man wird sich um so mehr zu dieser Annahme gedrängt fühlen, als
schon die vorigen zwei Paragraphen nachgewiesen haben, dass das
Harz nur die Rolle spielt, die Elektrieität zu lixiren , welche ihm in
der Luft bewegte und an seiner Oberfläche hinstreichende Theilchen
mittheilen.
ij Notice sur Tapparüil Je lUihmkorff par le Vicomte Theodore du Moncel. 4. ed.
Paris 1839.
Zur Erklvirnng' der Lichtenbergischen Figuren. »>b9
§. 6. Riess hat in den früher citirten Stellen alle älteren für
die Formverschiedenheit der Staiihfigureii aufgestellleii Hypothesen
widerlegt und die wichtige Wahrheit begründet: „Elektrische
Staubfiguren entstehen nur dann, wenn Elektricität durch eine
discontinuirliche Entladung an eine isolirende Platte gekommen ist".
Im §.31 der oft citirten Abhandlung stellt nun Riess eine Hypothese
über die Art und Weise auf, wie die discontinuirliche Entladung die
Formverschiedenheit der Staubfiguren bewirke. Riess beruft sich
auf die bekannten Wirkungen einer discontinuirlichen Entladung auf
ein flüssiges oder luftformiges Medium. „Das Medium wird auf dem
Wege der Entladung zusammengedrückt , zerissen und Tlieile des-
selben werden mit Heftigkeit nach allen Seiten geschleudert. Rei
der Entladung zwischen einer Metallspitze und einer isolirenden
Fläche lehren die Hauchfiguren, dass die fremde Schicht, welche die
Fläche deckt, an vielen Stellen aufgerissen und entfernt wird; es
werden daher Tlieile dieser Schicht mit Luft gemischt, bei der Ent-
ladung gegen die Fläche geworfen. Nehmen wir nun an", fährt Riess
fort, „dass diese Schicht zum Theil aus condensirtem Wassergase
bestehe, so folgt, dass bei der Rildung der Staubfiguren feuchte Luft
gegen die isolirende Platte getrieben wird. Die Wirkung eines solchen
Luftstromes auf die Platte ist aus Farad ay's Versuchen zu ent-
nehmen; als derselbe comprimirte, nicht getrocknete Luft gegen Holz-
oder Messingstücke strömen Hess, wurden diese negativ elektrisch.
Die feuchte Luft verhielt sich ganz so wie feuchter Wasserdampf, mit
welchem Farad ay eine ausgedehntere Versuchsreihe anstellte, bei
der 30 verschiedene Stoffe gebraucht wurden , unter welchen sich
Metalle, Seide, Harze, Schwefel, Glas, Rergkrystall befinden. Alle
diese Körper wurden durch den feuchten Dampfstrom, der sie bestrich,
negativ elektrisch , so dass Wasser als der positivste aller Körper
angesehen wird. Unter der obigen Annahme wird demnach jede
Platte aus beliebigem Stoffe dadurch, dass eine discontinuirliche
elektrische Entladung sie trifft, negativ elektrisch und die von der
Entladung übrig bleibende Elektricität hat sich auf einer isolirenden
Fläche zu verbreiten, die zugleich negativ elektrisch gemacht wird.
Nothwendig wird die Verbreitung und davon abhängige Anordnung
der überschüssigen Elektricität eine andere sein, wenn diese Elek-
tricität positiv, als weim sie negativer Art ist; sie wird sich im ersten
Falle leichter und weiter verbreiten, als im letzten. Wir haben
370 R e i t I i II g e r.
gesehen, dass der von der positiven Figur auf der Fläche eingenom-
mene Raum nahe siebenmal grösser ist, als der von der negativen
eingenonnncne. Abhängig von dieser verschiedenen Ausbreitung der
Elektricitäten ist die Formverschiedenheit beider Figuren; die zusam-
mengedrückte abgerundete Form der negativen Staubfigur ist für
sich klar, während die strahlige Form der positiven die Beachtung
erfordert, dass bei ihr die secundär auf der Platte erregte Elektricität
mit der sich darauf verbreitenden ungleichnamig ist, und von der-
selben neutral isirt wird."
Theils durch Vergleichung mit schon früher angeführten Ver-
suchen, theils durch insbesondere zu diesem Zwecke angestellte
Experimente überzeugte ich mich, dass der grosse Elektriker die neue
Bahn, die discontinuirliche Entladung bei den Stauhfiguren in Betracht
zu ziehen, mit mehr Glück betreten als verfolgt hatte, und dass es
völlig unmöglich ist, die eben mitgetheilte P^rklärungsweise der
Lichtenbergischen Figuren anzunehmen , wie ich es im Folgenden
auseinandersetzen werde.
Die sämmtlichen, in den früheren Paragraphen mitgetheilten
Versuche begründeten, dass die beim Versuche du Moncel's auf der
Oberfläche von Wasser durch ihr Licht wahrnehmbaren Figuren
mit den Lichtenbergischen identisch sind und sich von denselben
nur durch eine verschiedene Art der Sichtbarkeit unterscheiden. Es
bedarf aber keiner weiteren Auseinandersetzung, dass die oben mit-
getheilte Erklärung der verschiedenen Ausbreitung der positiven und
negativen Elektricität, wie sie Riess gab, bei Wasseroberflächen
statt Harzplatten nnmöglich ist. Dadurch erscheint mir eben du
Moncel's Versuch von besonderer Wichtigkeit, dass er in so un-
mittelbarer Weise die Hypothese von Riess als unzulänglich erschei-
nen lässt.
Wenn ferner die Formverschiedenheit bei positiver und nega-
tiver Elektricität auf einer Schichte von condensirtem Wassergase
beruhen würde, so hätten doch wohl bei folgendem Versuche die
Figuren ähnlicher werden müssen. Ich verband den Zuleitungshahn
meines Recipienten mit einer U-förmig gebogenen, mit Chlorcalcium
gefüllten Röhre und stellte gleichzeitig ein Schälchen mit Chlor-
calcium unter die Glocke. Ich exantlirte mit Sorgfalt und Hess
getrocknete Luft nachströmen, und erst nachdem ich dies mehrere
Male wiederholt hatte, setzte ich den Ruhmkorft' in Thätigkeit. Die
Zur Erkliiriin;;' der Licliteiibcrj^isclieii Fig^ureii. »» < 1
bestäubten Figuren waren so deutlich charakterisirl, als bei den
besten Experimenten in gewijhnlicher Luft.
Ferner findet nach Versuchen Faraday's die oben vonRiess
bei seiner Hypotiiese in Anspruch genommene Entstehung von nega-
tiver Elektricität nicht Statt, wenn das Wasser nicht rein ist. Bei
gewöhniicllem^^'asser sowolil als namentlich bei Wasser, dem noch
so wenig von einer Substanz beigemischt ist, welche das Wasser gut
leitend macht, findet nach Farad ay gar keine Erregung von Hydro-
elektricität Statt i). Wird aber dem Wasser Terpentinöl beigemischt,
so findet sogar die entgegengesetzte Elektricitätserregung Statt, der
geriebene feste Körper wird positiv. Umso zur Conlrole der Riess-
sclien Hypothese zu gelangen, bestrich ich Stellen eines grösseren
Harzkuchens mit Brunnenwasser, verdünnter Schwefelsäure oder auch
Terpentinöl. Natürlich musste ich die Stellen wieder trocknen, um
überhaupt Figuren zu erhalten. War das Harz trocken genug, deut-
liche Figuren zu geben, so hatten sie trotzdem, dass die künstlich
behandelte Stelle noch durch ihre Spiegelung erkennbar war, doch
die charakteristische Formverschiedenheit für positive und negative
Elektricität. Ist es aber schon gewöhnlich unwahrscheinlich, dass
die Wassergasschichte auf Harz in dem von Faraday für Entstehung
vonHydroelektricität geforderten Zustande der Reinheit sich befindet,
so wird dies unter den angegebenen Umständen noch unwahrschein-
licher und eine mit nur wenig Terpentinöl untermischte Wassergas-
schichte hätte ja nach Faraday eine Verwechslung der beiden
Elektricitäten bewirken sollen.
Berührt man mit dem Knopfeeiner stark geladenen Leidner Flasche
einen Harzkuchen und bestäubt ihn nach Abhebung des Knopfes, so
hat man eine gelbe Sonne mit einer vom gelben positiven Staube voll-
ständig bedeckten Kernscheibe. Wird der Knopf der Flasche aber
vor dem Abheben kurze Zeit ableitend berührt, so ist ein rother ne-
gativer Kreis in dieser gelben Scheibe bemerklicli. Hier hat sich
also negative Elektricität auf eine völlig positive Fläche ausgebreitet
und ward darum doch nicht strahlenförmig.
Endlich haben wir einen indirecten Grund gegen die aufgestellte
Erklärung der Formverschiedenlieit der Staubfiguren am Versuche
von Riess, die Erklärung aucli auf jene Erscheinung zu übertragen.
1) E.xp. Res. al. 2090—2094.
372 R e i t I i n g e r.
welche unter dem Namen des Lullin'sehen Versuches bekannt ist. Bringt
man eine Spielknrte in den Schliessungsbogen einer Franklin'schen
Batterie oder auch eines RuhmkorlT-Apparates zwischen zwei Spitzen
so an, dass die Spitzen beide Flächen der Karte berühren und in einer
gewissen Distanz von einander stehen , so geht der Enthidungsfunke
stets über die Fläche, welche von der positiven elektrischen Spitze
berührt wird und durchbohrt die Karte an einer, der negativen Spitze
gegenüberliegenden Stelle. Man nehme an, meint Riess, dass in dem
beschriebenen Versuche die ersten Partialentladungen an beiden Seiten
stattfinden und durch ihre mechanische Wirkung die Flächen der
Karte in der Nähe der Spitzen negativ elektrisch machen (natürlich
durch Hydroelektricität), so werden die nächsten Entladungen von
der Spitze aus, welche positive Elektricität abgibt, sich immer wei-
ter auf der Kartenfläche gegen die negative Spitze hin verbreiten
können, während an dieser die Entladungen auf einem kleinen Baum
beschränkt bleiben i). Dass diese Erklärungsweise des Lullin^schen
Versuches aber unzulässig ist, lässt sich leicht beweisen. Es ist näm-
lich leicht, den Versuch mit einem von einer Schichte flüssigen Ter-
pentinöles bedeckten Kartenblatte zu machen. Wie schon erwähnt,
würde nachFar ada^ die Elektricität der Fläche positiv sein müssen 2).
Es müsste also die Karte in diesem Falle der positiven Spitze gegen-
über durchbohrt werden, wenn die obige Erklärungsweise von Riess
für den Lullin'sehen Versuch richtig wäre. Die Durchbohrung fand
aber bei meinen mit dem Ruhmkortf -Apparate angestellten Versuchen
ebenso wie beim gewöhnlichen Kartenblatte an der negativen Spitze
Statt.
Man kann also die von Riess auf die hydroelektrische Wirkung
der 1. Partialentladung gebauten Erklärungen der Formverschieden-
heit der Figuren und des Lullin'sehen Versuches nicht annehmen.
^. 7. Man kann Staubfiguren auch erzeugen, wenn man die Platte
mit einem isolirenden nicht elektrisirten Pulver bedeckt, die Spitze
einer Metallnadel normal auf die Platte setzt und die Nadel elektri-
sirt. Es geht dann ein Tlieil der mitgelheilten Elektricität auf das
Pulver, ein anderer auf die Platte üher, so dass beide gleichartig
elektrisch werden und sich die Figur durch Abstossung bildest. Lich-
') 1! ies s I. c. Sj. :};>.
2) Exp. Kes. ;tl. 2108—2112.
Zur Erklärung der Lichtenbergischen Figuren. o7o
tenberg nennt auf diese Art erzeugte Figuren vertiefte. Nach dem am
Ende von §. 3 entwickelten Gesichtspunkt bietet das Verständniss
dieserFiguren keinegrossereSchwierigkeit als das der gewöhnlichen.
Nach einigetTi Gebrauche fand ich den Metallstift meiner Spitze
mit Staub bedeckt, was mir anzuzeigen scheint, dass auch die be-
wegten elektrisirten Theilchen, welche die Figuren erzeugen, nicht
blos von dem äussersten Endpunkte der Spitze, sondern theilweise
auch von ihrem Stifte ausgehen.
Nähert man der mit Staub bedeckten Platte schon elek-
trisirte Spitzen, so sieiit man bei glücklich gewählter Distanz, wenn
die Spitze negativ ist, ein kreisförmiges Zurückdrängen des Staubes
und wenn die Spitze positiv ist, ein heftiges Fortschleudern dessel-
ben in radialen geraden Linien. Im letzteren Falle beginnt das Fort-
schleudern an verschiedenen Punkten, die dem der Spitze gegen-
über beh'ndlichen Centralpunkte nahe liegen, und setzt sich wie
ein Ziehen von Radien nach aussen fort. In beiden Fällen spricht der
Augenschein für von der Spitze ausgehende , in der Luft sich ver-
schiedenartig bewegende und daher auch den Staub in verschiedener
Weise forttreibende elektrisirte Theilchen.
Die positive Figur gelingt in der Regel besser als die negative,
wie es auch schon Riess bemerkte i). Sowohl dieser letzte Umstand
als auch der erwähnte Augenschein bei Annäherung von schon elek-
trisirten Spitzen harmoniren sehr gut mit dem im nächsten Paragra-
phen zu entwickelnden allgemeinen Gesiciitspunkte, daher ich diesen
kurzen Paragraphen einer Erwähnung der vertieften Staubfiguren
widmete.
•§. 8. Woher kömmt es aber, dass die bewegten, elektrisirten
Theilchen, welche von einem positiven Pole nach einer Fläche die
Elektricität übertragen , eine strahlenförmige als Figur von Zacken
begrenzte Ausbreitung annehmen, während die bewegten, elektrisirten
Theilchen, welche von einem negativen Pole Elektricität an die Fläche
überführen, eine Ausbreitung im Kreise auf derselben zeigen?
Plücker hat in einer seiner Abhandlungen über die Entladung
in gasverdünnten Räumen, die die Aufmerksamkeit der modernen
Physiker im höchsten Grade auf sich gezogen haben, einen grösseren
Abschnitt den Spiralen des positiven Lichtes in solchen Räumen unter
1) Riess, die Lehre von der Reibungselektricität Bd. 2, p. 209.
374 R c i t I i n - e r.
der Einwirkung des Magnetes gewidmet i)- Indem er den Unterschied
in der Einwirkung des Magnetes auf das von dem positiven Pole aus-
strömende Licht mit dieser Einwirkung auf das Licht am negativen
Pole, wie sich derselbe aus seinen Beobachtungen ergab, in nähere,
Erwägung zog, so kam er zur Annahme, dass das in der Nähe der
positiven Elektrode befindliche Theilchen in einer geraden Linie nach
der negativen Elektrode gerichtet sei, oder anders gesagt, eine
eigene Bewegung in der Richtung des Stromes besitze 2). Dagegen
den an der negativen Elektrode befindlichen , elektrisch leuchtenden
Theilchen glaubt er eine solche eigene von der Richtung des Stromes
abhängige Bewegung absprechen zu müssen s).
Eine solche Annahme wird auch durch eine ganze Reihe be-
kannter Thatsachen plausibel gemacht. So sah Silliman beim
Voltaischen Lichtbogen zwischen 2 Spitzen deutlich, wie die Materie
vom positiven zum negativen Pole übergeführt wurde. Diese Über-
führung wurde seitdem von vielen Physikern studirt, und obwohl sich
zeigte, dass auch von der negativen Spitze Materie abgerissen wird,
so wird doch von der positiven Spitze viel mehr, nach van Breda
circa 6mal so viel, repellirt und eine Überführung von Materie nach
dem negativen Pole ist unverkennbar. Eine andere von Porret zuerst
beobachtete, von W i e d e m a n n , van B r e d a und Logemann näher
studirte Erscheinung gehört wahrscheinlich auch hierher. Ich meine
den mechanischen Transport einer einen Strom leitenden Flüssigkeit
durch ein poröses Diaphragma in der Richtung des positiven Stromes.
Eine vollständige Aufzählung aller ähnlichen Erscheinungen
kann hier nicht meine Aufgabe sein, und so möge nur noch eine Be-
obachtung von de la Rive erwähnt werden, die mir in ganz beson-
derer Weise die erwähnte Annahme PI ücker's und ihren Zusam-
menhang mit der Erklärung der Lichtenhergischen Figuren aufzu-
hellen scheint. Wenn bei einer Art Voltaischen Lichtbogens, die
eine Elektrode eine metallische Spitze ist und ihr eine Quecksilber-
tläche als Elektrode gegenübersteht, während ein sehr starker Strom
durchfliesst, so ist die Lichtwirkung glänzend und gleichzeitig ist
das Quecksilber in einem Zustande äusserster Bewegung, sich in
i)Pog{j. Ann. Bd. 107, p. 88—113.
2) Pogg. Ann. Bd. 107, p. 104—106, 5;!;:. I(i2— IfiiJ.
3) Po gg. Ann. Bd. 107, p. 89 unter §. 134, p. 1H», §. 170.
Zur Erklärunfj der Lichtenhet-gischen Figuren. 37 3
Gestalt eines Kegels erheheml, wenn es positiv ist, und eine Vertiefung
unter der positiven Spitze zeigend, wenn es negativ ist.
Legt man nun die Annahme zu Grunde, dass allgemein die von
einer Spitze ausgehenden, die Elektricität übertragenden Theilchen
eine eigene Bewegung in der Richtung dieser Übertragung besitzen,
dass jedoch dergleichen bei den von einer negativen Spitze aus die
Elektricität verbreitenden Theilchen nicht der Fall ist, so ergibt
sich eine einfache Erklärung der Formverschiedenheit der Lichten-
bergischen Figuren , nachdem im Früheren nachgewiesen wurde,
dass dieselben von diesen übertragenden Theilchen herrühren. Indem
nämlich das positive Theilchen mit seiner eigenen Bewegung von
einer Spitze schief nach der Fläche fährt, streift es vermöge einer
Zerlegung seiner BcAvegung noch ein Stückchen an der Harzfläche
radial von der Spitze als Centrum sich entfernend fort, während die
negativ elektrisirten Theilchen, die keine eigene Bewegung besitzen,
sich in einem Kreise von der Spitze aus expandiren.
Diese Erklärungsweise harmonirt auch vortrefflicli mit der schon
von Riess constatirten grösseren Ausdehnung der positiven Figur
als der negativen. Sie wird auch insbesondere durch den unmittel-
baren Anblick der reinen positiven und negativen Figur bestärkt, na-
mentlich, wenn man den Umstand beachtet, dass bei der reinen
positiven Figur der Spitze gegenüber sich die Richtungen der positiven
Streifen oft kreuzen, und nicht regelmässig radial von einem der
Spitze gegenüberliegenden Centrum entfernen, dieses jedoch bei
allen Streifen, die von dem Centrum etwas entfernter liegen, \\o
also die Theilchen schiefer auf die Fläche auiTabren, in völliger
Regelmässigkeit stattfindet.
Nach dieser Annahme lässt sich aber auch die in ■^. 2 erwähnte
eigenthümliche Form der positiven Centia bei negativen, gemischten
Figuren begreifen. Da die concentrischen Kreise negativer Elektri-
cität an Intensität abnehmen, so musste das radial sich entfernende
Theilchen durch Wirkung lateral befindlicher intensiver negativer
Elektricität vermöge der Zusammensetzung der Kräfte eben so von
seiner geraden Bahn abgelenkt und in eine bogenförmige überführt
werden, wie es der Anblick der Erscheinung darbot.
So hätten wir also gerade in den Lichtenbergischen Figuren
die einfachste Weise, die eigenthümlichen Bewegungen der von
einer positiven oder negativen Spitze Elektricität fortführenden
376 I{ e i 1 1 i iig' e r. Zur Erkliiriiii}^ ilor Liclitenheigisclien Figuren.
Theilchen zu erkennen, die auch durch elektrische Lichterscheinungen
sichtbar werden. Ob die Lichtenbergischen Figuren nach dieser Ein-
sicht selbst wieder das Studium der Elektricität überhaupt und ins-
besondere der elektrischen Lichterscheiuuiigen befördern werden,
müssen wir der Zukunft überlassen zu constatiren.
Zum Schlüsse sei es mir erlaubt, mit dem innigsten Danke
der Liberalität zu gedenken, mit welcher Herr Regierungsrath Ritter
von Etti ngshausen, Director des physikalischen Institutes, meine
Arbeit unterstützte. Auch Herrn Dr. Rias er na danke ich herzlich,
dass er als Assistent des Institutes mir den Gebrauch der Apparate
desselben erleichterte.
Kreil. Reitraf; zur Kliiiiatologie von Central-Afrik;i. 377
Beitrag zur Klimatologie von Central- Afrika.
Von dem \v. W. Director Kreil.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 8. Juni 1860.)
Als ich vor drei Jahren die Resultate der Beobachtungen ver-
öffentlichte 9» welche der damals schon verstorbene Missionär D o vy a k
in Chartum, Ulibary und Gondokorö über meteorologische Erschei-
nungen angestellt hatte , wurde trotz der dankbaren Anerkennung,
welche einem so mühsamen Unternehmen von jedem Freunde klima-
tologischer Forschungen gezollt werden musste, doch das Mangel-
hafte derselben nur zu sehr gefühlt. Ich selber fand mich veranlasst,
da jeder erläuternde Text zu diesen Beobachtungen fehlte, sie in
ihrer ganzen Ausdehnung in die Jahrbücher der k. k. Central-Anstalt
für Meteorologie und Erdmagnetismus aufzunehmen , damit jeder
Fachmann aus den Zahlen selbst über ihren VVerth urtheilen könne,
was mir um so nöthiger schien, als aus ihnen Ergebnisse abgeleitet
wurden , welche mit den von anderen Beobachtern gefundenen im
Widerspruche standen, wie die Umkehrung der Wendestunden des
Luftdruckes, und die aus dem gemessenen Barometerstande abge-
leitete Seehöhe von Chartum, welclje von der bisher angenommenen,
die wir der Bestimmung des Herrn Ministerialrathes von Russegge r
verdanken, so bedeutend verschieden ist.
Von gewichtiger Seite her, nämlich durch Herrn Peter mann,
wurde ich ersucht meine Ansicht auszusprechen, welchen von beiden
Bestimmungen der Vorzug zu geben sei, indem davon unsere Kenntniss
der Höhenlage des ganzen oberen Nilthaies abhänge , und dadurch
1) Denksch. der kiiiserliclien Akademie der Wisseuscli. XV. lad., S. 37, Sitzuiigslier
XXV. Bd., S. 476.
378 K r e i I.
aiifgeforilert die Boobacliliinucii von Hiissegger geiümor zu diirch-
seheii. Um so aiigeiiehiiier war es mir daher, als ich bald darauf von
diesem selbst ein freundliches Schreiben erhielt , worin er den leb-
haften Wunsch äusserte, die in seinem Reisewerke zerstreut ent-
haltenen meteorologischen und kümatologischen Beobachtungen prü-
fend zu dui'chgehen, und einer kritischen Beleuchtung zu unterziehen.
Ich entsprach diesem Ansinnen ntn so bereitwilliger, weil ich schon
bei der ersten Durchsicht an ihnen viele Vorzüge erkannt hatte.
Nicht nur sind sie mit grosser Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, son-
dern anch mit sehr guten Instrumenten gemacht, und erstrecken sich
an vielen Orten über die Nachtstunden, so dass dadurch eine voll-
ständige Übersicht der almosphärischen Änderungen im Verlaufe des
Tages und der bedeutende Vortlieil erlangt werden kann, dass auch
andere Reisende in jenen Gegenden aus einzelnen Ablesungen des
Thermometers und Barometers die mittlere Temperatur und den Luft-
druck näherungsweise zu erkennen im Stande sind. Sie enthalten
ferner eine viermonatliche Reihe von Bestimmungen des Dunstdruckes
und der Luftfeuchtigkeit in Chartum, die einzigen bisher dort ange-
stellten Beobachtungen dieserArt, und die auch vielleicht noch durch
viele Jahre die einzigen bleiben werden. Die Russegg er 'sehen
Beobacbtimgen beschränken sich überdies nicht blos auf Chartum,
sondern wurden auch auf der Reise von Kairo bis dahin an vielen
Orten angestellt, so dass ein förmliches barometrisches Nivellement
vorliegt; eben so In-ingen sie zahlreiche Ablesungen von Chartum
aufwärts am blauen Nil bis Fassoki und von El Obeehd in Kordofan,
und gewähren dadurch eine viel ausgedehntere Ansicht über die
klimatischen Verhältnisse der oberen Nilländer nach Ost und nach
West, als es die Dovyak 'scheu Beobachtungen gestatten würden,
denen übrigens das grosse Verdienst unbestritten bleibt, diese
Ansicht gegen Süden bis in die damals fast noch fabelhaften Ge-
biete des weissen Nils am 4. Grade nördlicher Breite erweitert
zu haben. Beide Samndungen von Beobachtungen ergänzen sich
daher gegenseitig und geben, zweckmässig zusammengestellt, ein
Bild von den klimatischen Verhältnissen der oberen Nilländer, das
man von einem so wenig bekannten Landstriche kaum erwarten
durfte.
Um diese Absicht zu erreichen, mussten aber Russegger's
Beobachtungen, von denen nur die rohen Zahlen, gleichsam die
Beitrag zur Klimatologie von Central-Äfrika. 3^9
Tagebücher, vorliegen, erst berechnet werden. Denn da der Haupt-
zweck seiner Reise ein von klimatologischen Untersuchungen wesent-
lich verschiedener war, so ist begreiflich, dass die vollsländige Aus-
beutung der meteorologischen Aufzeichnungen anderen Händen über-
lassen wurde. Es wäre Schade, den unter diesen Ziffern begrabenen
Schatz nicht zu heben.
Von den Instrumenten, mit denen Herr von Russegge r ver-
sehen war, gibt er in seinem Reisewerke (I. Bd., I. Th., S. 22) eine
vollständige Liste. Er hatte zwei Kappell er'sche Gefässbarometer
mit Thermometern , deren Kugeln im Quecksilber versenkt waren.
Bei den Reisen auf dem Flusse wurden sie in der Barke aufgehängt,
während der Landreisen waren zwei Träger, die sich ablösten, und
ein Aufseher für den Transport derselben bestimmt (H. Bd., l. Th.,
S. 436). „Das reine Anschlagen des Quecksilbers am oberen Ende
der Biirometerröhre zeigte mir jedesmal, ob Luft eingedrungen war
oder nicht. War ersteres der Fall, so war es immer, des guten
Instrumentes wegen, nur sehr wenig, und dann brachte ich sie auf
gewöhnliche Art heraus. Einige Male, da ich darin einige Übung
hatte, kochte ich das Quecksilber in der Röhre aus." (Briefliche Mit-
theilung.)
In einer Note des Reisewerkes (II. Bd., I. Th., S. 541) heisst es:
„Einen Theil der Schuld der erschwerten Wahrnehmung des eigent-
lichen Momentes des Extremes trug die Eintheilung der Scale, mit
deren Nonius nur Zehntheile eines Pariser Zolles mit Bestimmtheit
abgelesen werden konnten. Ich wählte daher von meinem zweiten
Aufenthalte in Chartum an eine in Millimeter getheilteScala, mit deren
Nonius ich Zehntheile eines Millimeters ablesen und Hunderttheile ver-
lässlich schätzen konnte."
>-
Auf meine Anfrage, ob bei dieser Gelegenheit etwa das Instrument
oder die Scala gewechselt worden sei, hatte Herr von Russegger
die Gefälligkeit Folgendes zu erwiedern: „Ich beobachtete mit einem
vortrefflichen Instrumente von Kap pell er. Die Scale dieses Baro-
meters war zum Ablesen des Quecksilber-Standes so eingerichtet,
dass man gleichzeitig in Pariser Duodez-Linien und in Millimetern
ablesen konnte. Anfänglich wählte ich der Formel wegen die
Linien , dann aber fand ich , dass die Theilung in Millimeter und
Zehntel derselben mittelst des Nonius ein schärferes Ablesen mög-
lich macht, und wählte daher die Millimeter. Bei den Berech-
Sitzb. <\. matlicm.-natmw. (1. XLI Bd Nr Ifi 26
380 K r e i I.
nungen verwandelte ich die Millimeter der Formel wegen in
Pariser Duodez-Linien durch einfache Umrechnung nach den be-
kannten V'^crhältnisszahlen dieser heiden Masse. — Ich beobachtete
daher fort und fort mit ein und demselben Barometer, und
weder mit der Scala noch mit der Röhre wurde eine Änderung vor-
genommen."
Ich glaubte diese Punkte weitläufiger berühren zu müssen, weil
daraus über die Verlässlichkeit der Beobachtungen ein Ürtheil gefallt
werden kanu.
In Betretr des ersten Ergebnisses dieser Beobachtungen, näm-
lich der Seehöhe der verschiedenen Stationen benützte Herr von
Russegge r (II. Bd., I. Th., S. 544) zur Berechnung die „Tabellen
zum Höhenmessen mit dem Barometer von Prof. Stampfer. Salz-
burg 1818", welche nach den Gauss 'sehen Tafeln im Berliner
Jahrbuche für 1818 gerechnet sind. Über das Verfahren hierbei
schrieb er mir Folgendes: „Gleichzeitige Beobachtungen (zu gleicher
Zeit an der unteren und oberen Station) konnten und können über-
haupt bei Reisen in solchen Ländern, wo die Beobachter und Instru-
mente mangeln, nicht vorgenommen werden. Die Mittel des Luft-
druckes an den einzelnen Stationen in die Rechnung zu nehmen,
schien mir nicht rathsam, weil die Beobachtungen, wenige Stationen
ausgenommen, zu kurze Zeit umfassten, und durch zu grosse Zeit-
räume von einander getrennt waren. Stationen hiezu zu wählen,
welche gar zu weit von einander entfernt liegen, z. B. Alexandrien
und Chartum, wagte ich auch nicht. Ich wählte daher, gestützt auf
den ausserordentlich regelmässigen Gang des Luftdruckes in der
heissen Zone ausser der Zeit der tropischen Regenstürme, besser
gesagt: gestützt auf die Regelmässigkeit in den gesetzlichen
stündlichen Schwankungen der Quecksilbersäule, einen eigenen Weg
der Rechnung. — Hatte ich z. B. einige Zeit im Orte A von Stunde
zu Stunde Luftdruck. Quecksilbertemperatur und Lufttemperatur im
Schatten eines vollkommen opaken Körpers beobachtet — • und eben
so im Orte B — so nahm ich für jeden dieser Orte aus allen dort
z. B. um 10 Uhr Vormittags gemachten Beobachtungen einen Durch-
schnitt und berechnete dann aus diesen zwei Durchschnitten den
Höhenunterschied zwischen A und B; dann that ich der Controle
wegen dasselbe mit Beobachtungen z. B. um 4 Uhr Nachmittags, um
6 Uhr Abends, 6 Uhr Morgens etc. . . und berechnete stets aus je
Beitrag zur Klirnfttologie von Central- Afrika. 381
zwei solchen gleichs tun d igen Durchschnitten den Höhenunter-
schied zwischen A und B. Aus diesen gefundenen verschiedenen
Höhenunterschieden, die oft wenig von einander differirten , nahm
ich endlich einen Hauptdurchschnitt als Höhenunterschied zwischen
A und B. In dieser Weise rechnete ich stufenartig von Station zu
Station : Alexandrien — Kairo — Assuan — Korosko — el Mucheireff
— Chartum etc "
Dieses Verfahren ist so scharf, als es unter den gegehenen
Umständen, wo correspondirende Beobachtungen an einer festen
Station nicht vorliegen, nur sein kann, und es muss also die Nicht-
übereinstimmung der Ergebnisse mit denen Dovyak's einen anderen
Grund haben, wie man auch schon aus denGesammtmitteln des Luft-
druckes beider Beobachter in derselben Station Chartum sieht. Aus
den Dovyak 'sehen Aufscbreibungen während der Monate Juni bis
November 1852, deren Anzahl 292 war, ergab sich der mittlere
Luftdruck bei 0»:= 327"70 Par. Mass, während die Russegger-
schen Beobachtungen 320"68 gaben, eine Verschiedenheit, die wohl
nur in einem Fehler in einem der beiden Instrumente begründet
sein kann.
Ich habe die Höhe' der Orte, an denen eine grössere Anzahl
von Beobachtungen des Luftdruckes ausgeführt worden ist , einer
neuen Berechnung unterworfen; bei welcher ich von dem vor und
nach der Reise in Alexandrien angestellten Ablesungen ausgegangen
bin. Von diesen wurden (II. Bd., I. Tb., S. 230) vor der Reise 96
in einer Höhe von 35 Fuss, nach der Reise (II. Bd.,in. Th., S.135)
64 in einer Höhe von 80 Fuss über dem Meere gemacht; ich habe
daher die Höhe des Beobachtungsortes über dem Meere für alle
160 Beobachtungen zu 53 Fuss angenommen. Der mittlere Luft-
druck bei 0" war 336"80 Par. Mass, die mittlere Temperatur
=: 18°6 Reaum. Für Kairo habe ich nicht die im Reisewerke von
Russegger enthaltenen Beobachtungen, sondern die von den Herren
Reyer und Franz ausgeführten benützt, welche in den „Über-
sichten der Witterung" für 1857 und 1858 eingereiht sind, und
zwei Jahre umfassen. Demnach wurden gefunden
26'
382 K r e i I.
Luftdruck Lufttempe- Sechöhe in Par. Fuss.
hei 0» ratur K. 1. Berechnung 2. Berechnung'
Kairo .... 33ü°44 ^Pl^i" 81
Assuan .... 333-89 +16-2 28ä
Korosko . . . 333 03 +18-3 356 353 aus Assuan bestimmt.
Solibi) . . . . 328- iO +32(?) 778 739 „ Dongola
Neu-Dongola 1) 32Ö-60 4-30-4 988 9Ö7 „ Metiimäh
Al)u Hamined . 323-67 +22-9 1134 1129 „ Korosko
El MucheirefT . 322-35 +24-0 1248 1241 „ Abu Haramed „
Metiimäh 1) . . 321-31 +275 1346 1331 „ Chartum
Chartum . . . 32068 +24-4 1393 1383 „ EI MucheirefT«
Der Unterschied zwischen der Seehöhe von Chartum nach dieser
Berechnung und der Zahl, welche Herr von Russegger dafür
annimmt, nämlich 1431 Par. Fuss (II. Bd., II. Th., S. 436), ist
nicht sehr bedeutend; für andere Stationen finden sich viel grössere
Differenzen. Da aber diese bei der ersten Berechnung von mir
gefundenen Zahlen sich auf unmittelbare Vergleichung einer jeden
Station mit Alexandrien gründeten, weil ich auch bei der Berech-
nung der Dovyak 'sehen Beobachtungen in Chartum diesen Ort mit
Alexandrien verglich, so wurde die Rechnung wiederholt, und jeder
Ort aus dem nächst vorhergehenden bestimmt, um zu sehen, ob
nicht eine grössere Übereinstimmung hervorgebracht werden könne.
Die dadurch in den Höhenzahlen entstandene Änderung ist, wie man
sieht, bei den auf der Hinreise bestimmten Stationen ganz unbedeu-
tend, etwas grösser ist sie bei jenen, wo die Beobachtungen auf der
Rückreise angestellt wurden. In keinem Falle ist aber hierdurch in
Betreff der Übereinstimmung der Seehöhe Chartums nach den Ergeb-
nissen der beiden Beobachter viel gewonnen , die nach Dovyak 's
Angaben zu 828 Par. Fuss, also, je nach der ersten oder zweiten
Berechnung, um 565 oder 557 Fuss kleiner gefunden wurde als aus
Russegger 's Beobachtungen.
Man könnte vielleicht glauben, dass die Annahme des Luft-
druckes in Alexandrien zu 337"7?, aufweiche die Dovyak'sche
Seehöhe gegründet ist, von einigem Einflüsse sein könne, allein wenn
man das von Russegger gefundene Mittel des Barometerstandes
auf das Niveau des Meeres zurückführt, so erhält man sehr nahe
(bis auf 0'"2) die obige Zahl.
*) Die bezeichneten Orte wurden bei der Rückreise bestimmt.
Beitrag: zur Klimatologie von Central-Afrika.
383
Auch der jährliche Gang des Luftdruckes in Chartum ist nicht
im Stande in der Verschiedenheit der beiderseitigen Ergehnisse eine
merkliche Änderung hervorzubringen, da beide Beobachter in ihren
Beobachtungsreihen mehrere gleiche Monate aufführen, und die
jährliche Änderung des Luftdruckes dort überhaupt gering zu sein
scheint. Es beobachtete nämlich
Dovyak ''en Luftdruck
vom 14.— 28. Juni 1832. 327"61
im Juli 327-72
„ August ... 327-76
„ September . . 327-77
„ Oetober ... 327-69
„ 12. April bist. Maii838 319-80 „ 2.— 14. November . 327-47
Dieser geringe jährliche Gang des Luftdruckes ist in Überein-
stimmung mit den Ergebnissen der Dovyak 'sehen Beobachtungen
in Gondokoro und mit den zweijährigen von Beyer und Franz
angestellten in Kairo. Diese beiden Beihen geben nämlich
den mittleren Luftdruck in Kairo in Gondokoro
Riissegger
den LufUruek
vom IS.— 25. März 1837
321-09
„ 25.— 30. Juni . .
320-64
im Juli ....
320-95
„ August . . .
320-65
„ September .
320-79
im Jänner 337-79 .
„ Februar 338-19 .
„ März 336-65 .
„ April 335-77 . .
„ Mai 336-00 .
„ Juni 335-81 . ,
„ Juli 334-74 . .
„ August 335-02 .
„ September 336-92 (?)
,, Oetober 336-94 .
„ November 337-58 .
„ December 337-89 .
319-30
318-66
318-85
319-23
320-08
320-62
320-56
320-23
320-17
319-93
319-70
319-72
Man sieht aus diesen Zahlen ganz klar, dass Kairo in Beziehung
auf den jährlichen Gang des Luftdruckes noch ganz das Gepräge der
nördlichen Breiten hat, nämlich einen hohen Luftdruck im Winter,
einen tiefen im Sommer, Gondokoro hingegen gehört in dieser
Hinsicht schon zur südlichen Halbkugel, indem der Luftdruck dort
während unseres Sommers seinen höchsten, während unseres Winters
seinen tiefsten Stand erreicht, was ohne Zweifel mit der schon früher
bemerkten Verrückung des thermischen Äquators zusammenhängt *).
1) Denkschr. XV. Bd., S. 57.
384 Kr eil.
Wenn aber an den genannten zwei Orten ein entgegengesetzter
jährlicher Gang des Luftdruckes staltfindet, so ist es wohl natürlich,
dass in einer fast in der Mitte zwischen beiden gelegenen Station
diese Änderungen sich gegenseitig aufheben müssen, also ein sehr
kleiner Gang übrig bleibt. Es kann sonach die Ursache der ver-
schiedenen Ergebnisse der beiden Beobachtungsreihen auch nicht in
dem jährlichen Gange liegen.
Es muss hiebei noch bemerkt werden, dass Hr. von Russeg-
ger an 18 verschiedenen Tagen zwischen dem 15. Juli und 6. Sep-
tember 1857 Bestimmungen des Siedepunktes des kochenden Was-
sers mittelst eines Thermohypsoineters vornahm (II. Bd. , II. Th.,
S. 435) und daraus die Temperatur des Siedepunktes 98°787 C.
fand, welche ihm die Höhe von Chartum über den See = 1076 Par.
Fuss gab *)' <^ie freilich sich der Dovyak 'sehen bedeutend nähert,
aber vom Autor sowohl am angezeigten Orte als auch II. Bd., I. Th.,
S. 544 in Zweifel gezogen wird, da „ihn nachträgliche und lange
andauernde Versuche belehrten, dass das Hypsothermometer, wenig-
stens für Tropenklimate, seiner grossen Mängel wegen unanwend-
bar sei".
Unter diesen Umständen kann ein entschiedenes Urtheil, welcher
der beiden Höhenwerthe von Chartum der richtigere sei, wohl nicht
geschöpft werden , sondern es muss künftigen Beobachtern über-
lassen bleiben. Vorläufig ist nichts zu thun, als jene Anhaltspunkte
zu sammeln, die ein Urtheil begründen können. Einen solchen bilden
die Angaben über das Gefälle des Nils und die Vergleichung des-
selben mit dem anderer Flüsse. Bekanntlich ist der Nil voll von
Katarakten oder Stromschnellen, welche mehr in Folge der Veren-
gung seines Bettes durch die zu beiden Seiten an seine Ufer heran-
tretenden Gebirge als durch eine gäbe Abdachung desselben hervor-
gebracht sind. Hr. V. Russegger sagt selbst darüber: „Wie be-
kannt existirten die Katarakten des Nils im Begriffe von gewöhnlichen
Wasserfällen nur in den Köpfen jener Schriftsteller, die darüber
schrieben ohne sie gesehen zu haben. Der Nil hat keinen einzigen
senkrechten oder wenigstens sehr stark geneigten Wasserfall, vom
Meere an hinauf so weit er Nil heisst, aber hat er viele Stromschnel-
len, von den Arabern Schelial genannt, und dasselbe was wir Euro-
') Ich finde daraus die Seehöhe — 120'i Par. Kuss.
Beifrng zur Klimatologie von Central-Afrika. 38S
päer mit dem Namen „die Katarakten des Nils" bezeichnen; Stellen,
an denen der Strom ein starkes Gefälle und höchstens nur schiefe
Abstürze von 2 — 3 Fiiss Höhe hat, wo sein Bett voller Felsen ist,
an denen sich die Wellen schäumend brechen, und über die daher
die SchiffTahrt mit beladenen Barken theils ganz unmöglich, theils
bei hohem Wasserstande Fluss abwärts zwar möglich, aber immer
höchst gefährlich ist" (II. Bd., I. Tb., S. 193). Für leichte Barken,
die von Menschen gezogen werden, ist aber das Befahren dieser
Katarakten stromaufwärts immer möglich, wovon Hr. v. Russegger
selbst den Beweis lieferte , indem er gleich anderen Reisenden den
Strom von Assuan aufwärts über die ganze Katarakte ] befuhr und
sich über die schwierigsten Stellen ziehen Hess (S. 207).
Die ganze Strecke, welche man unter dem Namen der Katarakte
von Assuan begreift, dauert zwei Stunden, und das Gefälle während
denselben beträgt nach seinen Messungen nur 80 Par. Fuss (S. 213).
Auch die Wüste von Korosko bis Abu Hainmed steigt sehr sanft an,
und das blosse Auge kaim keinen Niveau-Unterschied der Wüsten-
ebene erkennen (S. ö38). Im ganzen Gebiete des Nils, so weit er
Nil heisst, und südlicher bis zum 10. Grade der Breite, westlich von
Abyssinien, existirt keine einzige terrassenförmige Erhebung des
Bodens, und die Angaben von einer Sennaarterrasse, Fassokiterrasse
etc. sind lauter Illusionen (S. 539).
Die Stellen zwischen den Katarakten und oberhalb denselben
werden auch noch von Chartum aufwärts, ja bis über Fassoki hinaus
mit Segelbarken befahren und zwar mit eben so grossen wie man sie
in Chartum findet (II. Bd., II. Th., S.530). Wirklich sind die von Russ-
egge r gemachten Höhenbestimmungen ein Beweis von dem sanften An-
steigen des Nilthaies selbst in der Nähe der abyssinischen Gebirge. Ich
fand nämlich nach seinen Beobachtungen (Bd. II, Th. II, S. 645 u. f.)
Luftdruck Temperatur
bei 00 Reaum. Seehähe
in Sennaar 319"17
Roserres und Mek-el-Leli 3i8-ä6
Fassoki 316-97
Beni Schongollo 1) . . 298-89
Lager am Berge Kassan 311 - 47
El Obeehd 314- Ö2
(Hauptstadt von Kordofan)
22-75
1320
aus Chartum
20-11
1S36
„ Sennaar
21 -SS
1673
„ Roserres
2Ö11
3288
„ Fassoki
22-92
2241
„ Fassoki
22-41
192Ö
„ Chartum
1) Westlich von Tumat am Berge Gewesch.
38() K r e i I
Die Hühenäiiderung von Chartuin bis Fassoki , eine Strecke von
4 Breitegraden, die bis an den Fnss der abyssinischen Gebirge
reicht, beträgt daher nicht einnial 300 Fuss, und es bedarf nach
dem Ausspruche dieser Zahlen wohl keiner weiteren Belege, deren
man übrigens aus den Werken anderer Reisender unzählige anführen
könnte, um darzuthun, dass das Gefälle des Flusses nicht nur bis
Chartum, sondern bis Fassoki ein sehr geringes sein müsse.
Da man nun nach dem Gesagten drei verschiedene Hühen-
angaben für Chartum hat, nämlich 1393 Fuss aus Russegge r 's
ßarometerbeobachtungen, 1202 Fuss aus dessen Hypsometer-Anga-
benund 828 Fuss nach Üovyak, und da in Bd. II, Tb. I, S. 545 die
Stromdistanz von Chartum bis zur Mündung des Flusses auf ungefähr
408 geographische Meilen angegeben wird, so folgt daraus, dass das
mittlere Gefälle des Nils in dieser Strecke
ach
der ersten
,, zweitei
A
ig'abe
1393
=; 3-4 Kiiss für die Meile
408
1202
— >j . «(
408 " " " "
})
„ dritte»
«
828
= 20 , ,. „ ,.
408
sein müsse.
Von den europäischen Flüssen ist wohl die Donau noch am
ersten mit dem Nil vergleichbar, sowohl wegen ihrer Wassermenge
und der Ausdehnung ihres Flussgebietes, als auch wegen dem Ver-
hältnisse der Krümmungen zur geradlinigen Entfernung der Quellen
von der Mündung, welche nach Berghaus (Grundriss d. Geogra-
phie, Tafel XX) bei beiden Flüssen 0*7 beträgt. Auch von Strom-
schnellen hat sie einige aufzuweisen, wenn sie gleich an Zahl und
Ausdehnung weit hinter denen des Nils zurückstehen. Wenn man nun
die Donau zwischen Regensburg und ihrer Mündung mit der Nil-
strecke zwischen Chartum und dem Meere vergleicht, so scheint es,
dass in Beziehung auf das Gefälle die Donau den Nil weit übertreffen
müsse, wenigstens würde man bei jener vergebens versuchen auch
nur auf der unteren Hälfte dieser Strecke und bei günstigem Was-
serstande die Strömung des Wassers durch jene des Windes zu
überwinden, wie dies beim Nil alltäglich ist. Nun ist aber die
geradlinige Entfernung zwischen Regensburg und der Mündung bei
Sulina 185 geographische Meilen , also die Länge der Stromstrecke
Beitrag /.iir Klimali)l()g:ie von Central - Afrika. 387
315 Meilen, mul (]ie Höhe der Doimu bei Regensburg (nach Geh-
ler's physikaliscliem Lexieon , 8. Bd.) 950 Par. Fiiss, demnach
das mittlere Gefälle =3-0, also zwischen den Wertlien, welche aus
den barometrischen Bestimmungen von Hnssegger und Dovyak
abgeleitet wurden.
Es scheint demnach, dass die vielen und lang daiieinden Strom-
schnellen doch auch Kurn Theil von einer rascheren Senkung des
Bettes herrühren, dass aber die zwischen ihnen liegenden Strecken
eine desto geringere Strömung darbieten, welche durch Segel leicht
zu überwinden ist.
Ich gehe nun über zu dem zweiten Punkte, über welchen ich
in den R u ss egger 'sehen Beobachtungen Aufklärung suchte,
nämlich auf den täglichen Gang des Luftdruckes und namentlich die
Zeit der V^'endeslunden welche nach Dovyak's Angaben in Charlum
verkehrt erscheint, so dass das Minimum in den Vormittagsstunden
eintritt, also zur Zeit wo in unseren Breiten und auch in Gondokoro
das Maximum Statt hat, das Maximum aber Nachmittags zur Zeit
unseres Minimums bemerkt wird.
Hr. V. Russegger machte einen dreimaligen Aufenthalt in
Chartum, und stellte während eines jeden derselben meteorologische
Beobachtungen an, welche demnach folgende Tage begreifen: vom
15. — 25. März 1837. vom 25. Juni bis 28. September 1837, und
vom 12. April bis 3. Mai 1838. Die Gesammtzahl der ausgeführten
Ablesungen ist 680, deren erste Ergebnisse und Vertheilung nach
den Tagesstunden aus folgender Zusammenstellung ersichtlich ist.
Es wurden hiebei, da die Änderung von Stunde zu Stunde nur klein
ist, und von den Nachtbeobachtungen doch eine zu geringe Anzahl
auf die einzelnen Stunden gekommen wäre, zwölf Gruppen gebildet,
deren erste alle Beobachtungen zwischen 12'' 0' (Mitternacht) und
14''0', die zweite alle Beobachtungen zwischen 14'' 0' und 16'' 0'
u. s. f. begreift.
Luftdruck Anzahl der
bei Ol* Beobachtungen
. '32Cr94^. . . . ^"^iT
. 320-77 .... 10
. 321-21 .... 13
. 320-84 .... 69
. 321-25 .... 62
. 321-08 .... 106
Von 12''
0'
bis 14''
0' .
. 14
0
„ 16
0 .
„ 16
0
„ 18
0 .
„ 18
0
„ 20
0 .
„ 20
0
„ 22
0 .
„ 22
0
„ 0
0 .
388
K r e i I.
Luftdruck
bei 00
Anzahl der
Beobachtungen
0''
0'
bis 2''
0' . .
. 320-73 . .
. , 76
2
0
,. 4
0 . .
. 320-32 . .
. . 73
4
0
„ 6
0 . .
. 32003 . .
. . 119
6
0
„ 8
0 . .
. 320-10 . .
. . 70
8
0
„ 10
0 . .
. 320-41 . .
. . S2
10
0
„ 12
0 . .
. 320-48 . .
. . 19
Diese Zahlen zeigen noch manche Unregelmässigkeit vorzüg-
lich in den Nachtstunden, da die Anzahl der Ablesungen während
derselben natürlich viel geringer ist, als bei Tage. Ich habe daher
mittelst der aus ihnen entwickelten Gleichung die wahrscheinlich-
sten Werthe gesucht, um zu sehen, ob auch hier so wie bei uns in
den Abendstunden ein Maximum, in den ersten Morgenstunden ein
Minimum eintrete. Diese Wendungen haben sich aber nicht gezeigt,
denn die entwickelte Gleichung
,/ = 320"'680 + [9-70223] Sin ( x. 30« + ^o 28 '0)
+ [9-21232] Sin (2a-. 30 + 141 43-3)
+ [8-75176] Sin (3a:. 30 + 337 4-1),
in welchen die eingeklammerten Zahlen Logarithmen sind, gibt fol-
gende Werthe:
von 12'' bis 14" Luftdruck = 320"80
14
»
16
»
=
320-96
16
»
18
„
=
321 00
18
jj
20
»
=
321-03
20
jj
22
»
=
321-13
22
„
0
n
=
321 11
0
»
2
»
=
320-76
2
»
4
?)
=
320-28
4
^
6
„
=
320-04
6
n
8
„
=
320-13
8
„
10
„
=
320-35
10
,
12
=
320-57
aus welchen man sieht, dass die Wendungen während der Nacht-
stunden verschwinden , und nur zwei im Verlaufe des Tages ein-
treten, und zwar nahe zu denselben Zeiten, in denen wir sie in
unseren Breiten wahrnehmen, nändich Vormittags um 22'' und Nach-
mittags um S*". Die Gleichung gibt die Werthe
Beitrag zur Klimatologie von Ceiitral-Afrika. 389
Maximum = 32riS5 um 21" W
Minimum =320-036 „ 5 19
Die tägliche Änderung ist demnach = l"'i2, während sie in
Wien in den Sommermonaten nur 0-47 beträgt, also nur der 0'42.
Theil von jener in Chartum ist. Dovyak fand diese Änderung
= 0- TS (Denkschr. XV. Bd., S. 40).
Wie man sieht, ist hier von einem Verkehren der Wende-
stunden nicht die Rede, sondern die Änderungen gehen den Tag über
so vor sich wie bei uns in den Sommermonaten, wo auch die Nacht-
wendiingen kaum merklich werden, ja oft ganz verschwinden.
Ehe ich jedoch diese Thatsache zum Nachtheile der Dovyak'-
schen Beobachtungen für entscliieden ansah, hielt ich es für meine
Pflicht in den Werken mehrerer Reisender nachzusehen, ob nicht
noch andere Beobachtungen aufzuGnden wären, welche dafür oder
dagegen sprechen. Leider haben die wenigsten sich mit solchen
Aufzeichnungen befasst. oder ihre Instrumente sind auf den langen
und beschwerlichen Reisen beschädigt worden, soCaillaud, der
dur<3h Nachlässigkeit seiner Leute sein Barometer verlor. Nur Rüppel
gibt in seiner Reise in Abyssinien (II. Bd., S. 434) die Resultate
seiner vom 18. Februar bis 9. April 1831 in Kairo angestellten Baro-
meterbeobaclitungen an, aus denen sich dieselbe Änderung ergibt,
wie sie Dovyak gefunden hatte. Die Mittel derselben sind nämlich:
um 9" 6' 3Iorgens Luftdruck = 338"569
„12 32 Mittags „ =338-143
„ 3 31 Abends „ =338-785.
Auch aus sechstägigen Beobachtungen in Alexandrien im
Jänner 1831 fand er einen ähnlichen Gang, wenngleich in viel
geringerem Grade, nämlich.
um 7" 30' Morgens Luftdruck = 338'''62
„ 12 5 Mittags „ =338-32
„ 3 31 Abends „ =338-69
während an den übrigen von ihm besuchten Beobaehtungsorten in
Suez, Tor, Djetta, Massaua, Gondar, Axum, Adowa etc. überall der
Luftdruck Nachmittags kleiner war als Morgens.
300 K . e i I.
Hiebei inuss aber wieder bemerkt werden , dass die neueren
zweijährigen Beobachtungen in Kairo diese Erscheinung nicht be-
stätigen, sondern einen dem gewöhnlichen Gange des Luftdruckes
ähnlichen darthun. Wenn aber eine Erscheinung von zwei, durch
einander völlig unabhängige Beobachtungsreihen, gegen deren Ver-
lässliehkeit kein triftiger Grund vorliegt, angezeigt wird , so kann
man sie doch wohl nicht ganz wegleugnen, sondern man niuss auch
hierüber die Entscheidung künftigen Zeiten vorbehalten und für
jetzt annehmen, dass die erwähnte Verkehrung der VVendestunden
zeitweilig eintritt, zu anderen Zeitpunkten aber wieder verschwindet.
Es ist sehr möglich, dass in Chartum etwas Ähnliches auch beim
jährlichen Gange des Luftdruckes stattfindet. Denn da, wie man aus
dem Vorhergehenden sich überzeugt haben wird, dieser Ort in einer
Breite liegt, wo der jährliche Gang sehr gering ist, wegen des
Aneinanderstossens der Gebiete, in deren einem er die nördliche,
in dem anderen die südliche Form annimmt, so kann allerdings, je
nach verschiedenen atmosphärischen Zuständen , die eine oder die
andere Form dort einige Zeit hindurch vorherrschen.
Es braucht übrigens nicht erst erwähnt zu werden, dass die
beiden genannten Erscheinungen, nämlich der tägliche und der
jährliche Gang des Luftdruckes, als völlig von einander unabhängig
und aus verschiedenen Ursachen entspringend , eine gegenseitige
Schlussfolgerung von der einen auf die andere nicht gestatten.
Auch unsere Kenntnisse über die Temperatur und ihre Ände-
rung in jenen Gegenden erfahren durchRussegger's Beobachtungen
eine wesentliche Bereicherung sowohl dadurch, dass er sie auch
über die Nachtstunden ausdehnte, als auch durch die grosse Anzahl
der Beobachtungsorte, an denen er sie anstellte. Aus der Gesammt-
zahl seiner Ablesungen finde ich
die Temperatur Chartums = 25°34 Reaum.,
nach den D o v y a k'sclien Beobachtungen war sie = 25'96 „
Diese Zahlen stellen nicht die mittlere Temperatur Chartums
dar, da die Nachtstunden im Vergleiche zu den Tagesstunden bei
Dovyak gar nicht, bei Russegger nur schwach vertreten sind.
Sie sind aber auch nicht unter sich vergleichbar, weil die Beobach-
tungsreihen verschiedene Monate und verschiedene Tagesstunden
umfassen. Wählt man daher von beiden Reihen nur die Monate Juni,
Beitrag zur Klimsitolojjie voa Central-Afrika. o91
Juli, August und September, und die Tagesstunden von 6'' Morgens
bis 6"" Abends, so findet man
die Temperatur nach Russegger = 27-39 Reaum.,
„ Üovyak =26-07 „
also nach Ersterem noch bedeutend höher als der Letztere sie angibt.
Als die heisseste Periode stellt sich nach Russegger die wah-
rend seines dritten Aufenthaltes vom 12. April bis 3. Mai 1838 her-
aus, in welcher während der Tagesstunden von 6'' Morgens bis
V Uhr Abends das Gesammtmittel = 29 ^o R. gefunden wurde.
Die kühlste Periode war die des ersten Aufenthaltes vom 15. bis
25, März 1837, woraus das Mittel der Tagesstunden 25°40 folgte.
Die höchste Temperatur im Schatten wurde mit 37 3 R. bemerkt
am 23. April 1838 um 3" und am 24. um 1" 30' Nachmittags. Die
tiefste war am 23. März 1837 um 6' Morgens mit 15 "6 R.
Stellt man die Beobachtungen, wo sie nicht zu festen Stunden
gemacht wurden, gruppenweise zusammen, nämlich alle von 18'' 0'
(6"Morg.) bis 20" 0' gemachten unter 19", alle nun 20" 0' bis 22'' 0'
unter 21" u. s. f., so findet man für die Tagesstunden folgende Mittel :
19'' 21'' 23'' 1'' 3'' ä'' 7'-
1837, März IS.— 25 18-22 22 -09 2d-38 28-56 28 -86 28-78 23-70
„ Juni 25.— 30 21-98 24-42 29-82 32-08 31-37 30-80 28-98
„ Juli 21-30 23-58 27-70 30-80 31-04 29-18 27-36
„ August 22-30 23-17 27-99 31-48 31-28 30-01 27-99
„ September 21-36 23-23 23-74 2782 2833 2813 23-41
1838, 12. April bis 3. Mai .20-33 23-83 29-34 34-39 33-22 32-87 27-33
Von den Nachtstunden wurden 8" und 9" mit 41 Beobachtun-
gen, 10" und ir mit 18, 12" und 13" mit 8, 14" und 15" mit 9,
16" und 17" mit 11 ausgefüllt. Man fand daraus die Mittel
gh ip 13h igi. i^i,
1837, Miirz 13.— 23. . . . 22-30 19-93 19-20 17-60 16-73
„ Juni 23.— 30. ... 26 73 — — — —
„ Juli 23-40 24-10 22-35 19-25 19-00
„ August 23-97 24-47 24-35 22-90 21-78
„ September 24-48 — 23-43 21-85 23-00
1838, 12. April bis 3. Mai . 24-60 24-94 — — —
Aus diesen Mittelzahlen könnte wohl der tägliche Gang der
Temperatur gefunden werden, allein bei der grossen Verschieden-
:i92 K r e i 1.
heit der Anzahl der Beobachtungen während der Tages- und Nacht-
stunden, und dem Umstünde, dass nächtliche Beobachtungen auch
nocli in anderen Orten ausgeführt wurden, deren Temperatur-Ände-
rung von der in Chartum nicht sehr verschieden ist, so wie wegen
der grossen Regelmässigkeit dieser Änderung in jenen Breiten, habe
ich esvorgezogen zur Bestimmung des täglichen Ganges nur jene Tage
zu verwenden, an denen auch Nachtbeohachtungen vorliegen.
Diese Tage sind: der 22. und 23. März, 12. und 13. Juli, 6., 7.,
23., 24., 2S. August und 23., 24. September in Chartum, den 26.,
27. Mai in El Obeehd, den 9., 10., II., 12., 13., 14., 16., 17., 18.,
21., 22., 23. November in Sennaar, den 23., 24., 29., 30. Decem-
ber in Mek-el-Leli. Die aus diesen Tagen abgeleiteten Mittel der ein-
zelnen Stunden, sammt der Anzahl der in jeder Stunde gemachten
Aufzeichnungen ersieht man aus folgender Zusammenstellung:
Mittel
Mitternacht .... 19°18
13'' 18-88
14 20-07
15 16-8S
16 17Ö6
17 16-31)
18 16-59
19 21-00
20 20- 15
21 23-77
22 »d-Jd
23 27-17
Zahl der
Beohacli.
Mittel
Zahl der
Beohach.
9
Mittag . .
. . 27-87
7
5
1" . . .
. . 30 «?
15
9
2 . . .
. . 30-11
8
8
3 . . .
. . 29-86
14
10
4 . . .
. . Ä8-3§
17
6
5 . . .
. . 28-54
11
21
6 . . .
. . 25-56
11
12
7 . . .
. . 24-29
10
4
8 . , .
. . ÄÄ-ÄN
15
8
9 . . .
. . 22-08
12
20
10 . . .
. . 20-32
11
10
11 . . .
. . 21-84
8
Da in diesen Mitteln ein regelmässiger Gang noch nicht
ersichtlich ist, so wurden die Stunden 18'', 22", T, 4' und 8'" als
Normalstnndcn angesohen, und die Mittel für die libi'igen durch Diffe-
renzen abgeleitet, indem man z. B. für die Stunden zwischen 4'' und
8'', wie etwa für 5'' an Tagen, wo sowohl 4'' als um 5'' beob-
achtet worden war, die Unterschiede der Beobachtungen an beiden
Stunden nahm , und ihr Mittel zu dem Gesammtmittel der Stunde 4'"
(zu 28 38) mit dem gehörigen Zeichen hinzufügte. Auf diese Weise
erhielt man ein neues Mittel für S*" und durch dasselbe Verfahren
ein anderes aus den zweiten der beiden einschliessenden Normal-
.stunden, nämlich aus 8\ Aus beiden neugebildeten Mitteln nahm
Beitrag zur Klimatologie von Tentral-Afrika.
393
man den Durclisehnitt, wenn die Anzahl der beiderseitigen Unter-
schiede nicht sehr verschieden \v;ir : war aber dies der Fall, so wnrde
auch dieser Verschiedenlieit Rechnung getragen, indem man jedes
der neugebiideten Mittel mit der Anzahl der Differenzen, aus denen
es entstand, multiph'cirte, und die Summe der Producte durch die
Gesammtzahl der Differenzen dividirte.
Dadurch ergeben sich ziemlich regelmässig fortlaufende Zahlen,
aus denen man folgende Gleichung für den täglichen Gang der
Temperatur ableitete:
7/ = 22-789 + (0-79590) Sin ( a:. IS« + 2330 53'0)
+ (0- 20839) Sin (207.13 + 38 49-0)
+ (9-63767) Sin (3a;. 13 + 9 40-8)
wo die eingeklammerten Zahlen Logarithmen sind. Die daraus her-
geleiteten Werthe der Temperatur sind in der folgenden Zusam-
menstellung unter der Überschrift 3Io enthalten, während Mi die
durch das vorhin angedeutete Verfahren der Differenzen erlangten
Mittelwerthe bedeuten.
M^
M,
12"
. 18-23 .
. 19-20
0"
. 28-93
. 29-13
13
. 19-16 .
. 18-93
1
. 30-Ä?
. 29-88
14
. 18-94 .
. 18-42
2
. 29-96
. 29-99
13
. 17-90 .
. 17-70
3
. 29-60
. 29-33
16
. 17-02 .
. 17-04
4
. S$-38
. 28-61
17
. 16-30 .
. 16-79
3
. 27-43
. 27-23
18
. 16 5? .
. 17-30
6
. 23-43
. 23-52
19
. 19-92 .
. 18-67
7
. 23 32
. 23-68
20
. 20-63 .
, 20-78
8
. Ä«-Ä8
. 21-97
21
. 23-04 .
. 23-27
9
. 20-67
. 20-63
22
. Ä5-?5 .
. 23-72
10
. 20-03
. 19-80
23
. 27-61 .
. 27-74
11
. 19-61
. 19-39
Da die Tage, aus denen diese Zahlen gefunden wurden, allen
Jahreszeiten angehören, so stellt dieser Gang nahezu den mittleren
des Jahres dar, welcher wegen der geringen Änderung der Tem-
peratur nach den Jahreszeiten ohnehin sich nur wenig ändert. Man
sieht, dass die Änderung im Verlaufe des Tages 13°2 beträgt, wäh-
rend sie in Wien im Jahresmittel auf 4°3, und auch in den Monat-
mitteln des Sommers nur selten auf das Doppelte steigt, daher durch-
schnittlich kaum ein Drittel des Werthes erreicht, welchen ihr in
394 K r e [ I.
Chartiim zukömmt. Dafür ist natürlich bei uns die Änderung im Ver-
lauf des Jahres desto grösser.
Das Mittel der Tagestemperatur 22 8 tritt in Chartum vor
9'' Morgens und vor 8'' Abends ein, in Wien nach 9'' Morgens und
nach 8'' Abends. Dies hat wahrscheinlich in der kräftigeren Wirkung
der Sonne in südlichen Breiten seinen Grund, der sich auch in der
rascheren Änderung in der Temperatur bei Sonnenaufgang und
Sonnenuntergang ausspricht. Nach den unter M2 angeführten Tem-
peraturen ist nämlich die Temperaturänderurig
ia in in in
Chartum Wien Chartum Wien
von6His7'' Morgens .l^yT .^i6^ von 6'' bis 7'' Abends . T^sT ."7)^
„ 7 „ 8 „ . l-ll . 0-38 „ 7 „ 8 „ . 1-71 . 0-68
„ 6 „ 8 „ . 2-48 • 104 „ 6 „ 8 „ . 355 . 1-29
also dort um mehr als das Doppelte grösser als hier. An beiden Orten
wird übrigens die Zunahme der Temperatur des Morgens von der Ab-
nahme amAbende übertroffen, vielleicht desswegen, weil die Tempe-
ratur des Bodens derZunahme mehr entgegen wirkt als der Abnahme.
Die obige Zusammenstellung liefert auch eine Berichtigung der
Dovyak'schen Temperaturmittel, welche in Taf. IV, S. 43 der
erwähnten Abhandlung enthalten sind, und in den ersten Nachmittags-
stunden einen Rückgang der Temperatur angeben, welcher nicht
erklärt werden kann. Die hier gegebenen Beobachtungen von Russ-
egge r zeigen keine Spur eines solchen Rückganges, daher auch
das Maximum der Temperatur nach den Mitteln der Beobachtungen
schon um 1', nach den berechneten Zahlen um 2'', nicht aber wie
bei Dovyak um 5'' eintritt, und einen viel höheren Grad erreicht
als dort.
Auch an anderen Orten wurde die Temperatur durch mehrere
Beobachtungsreihen bestimmt, nämlich
in E\ Obeohd durch Beobachtungen vom 14. bis 28. April und vom 20. Mai
bis 4. Juni 1837,
„ Sennaar „ „ „ 20. Oetober bis 25. November 1837
und 6. bis 8. März 1838,
„ Roserres und Mek-el-Leli durch Beobachtungen vom 9. bis30. Deceraber 1837
und 15. bis 20. Februar 1838,
„ Fassoki durch Beobachtungen vom 5. bis 9. Jänner und 6. bis 9. Februar 1838,
„ Schongollo „ „ am 17. Jänner 1838,
am Berge Kassan durch Beohachtungon vom 24. bis 27. Jänner 1838.
Beitrapr zur Klimatnlog'ie von Tentral-Afrika.
395
Die gemachten Ablesungen wurden wie die früheren in Gruppen
von zwei zu zwei Stunden vertheilt, und gaben folgende Mittel
bei denen ii die Anzahl der Ablesungen bezeichnet, aus welchen das
Mittel entstanden ist.
13''
15
17
19
21
23
1
3
S
7
9
11
Mittel
13'
15
17
19
21
23
1
3
El Obc
chd
Temper.
n
17°50
2
17-35
2
17-10
2
20-17
9
24-23
12
27-02
10
2711
10
28-79
10
27-83
18
24-89
10
19-08
4
17-90
1
22-51
—
Fassoki
Temper.
n
11-30
1
13-89
7
23-30
2
27-28
4
28-71
8
29-90
9
27-64
11
22 12
10
18-32
5
13-05
2
Sennaar
Temper.
n
18-10
5
17-34
7
15-20
5
16-73
35
22-58
10
27-43
37
29-92
31
30-35
24
28-73
41
24-90
21
21-58
20
20-19
9
22-75
—
Schon gollo
Temper.
n
25-3
1
27-8
2
28-05
2
26-0
1
21 5
2
20-0
1
Roscrresund
Mek-el-leli
Teinper. n
16-93
11-10
11-80
12-21
19-78
24-27
28-52
29-26
27-84
22-71
19-62
17-32
20-11
3
1
2
26
10
24
17
26
22
14
13
6
am Berge
Hassan
Temper. n
9-40
27-83
3
30-60
3
30-38
5
27-88
5
19-44
5
14-90
4
7
9
11
In Schongollo waren die Beobachtungzeiten 221/3'' (Temp. =
25-3), 01/3" (Temp. = 28°0), 1%" (Temp. = 27-6), 31/0"
(Temp. = 28-5), 41/3" (Temp. 27-6), 51/3" (Temp. = 26-0), 8"
(Temp. = 22-0), 10" (Temp. 21 -0) und 11" (Temp. 20°0). Am
Berge Kassan wurde Morgens immer um 18", nie um 19" beob-
achtet.
Sitzb. d. mathera.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 16.
27
396 K r e i I.
Aus den angeführten Zahlen lässt sieh noch nicht auf die mitt-
lere Temperatur des Jahres in den erwähnten Orten schliessen, da
man keine Beobachtungsreihen aus jenen Gegenden besitzt, die ein
ganzes Jahr umfassen, man daher auch noch keine genaue Kenntniss
hat über den jährh'chen Gang der Temperatur, welcher aus mehreren
Ursachen ein ziemlich verwickelter sein mag. Denn nicht nur muss
die Regenzeit, die dort in den Sommermonaten eintritt, durch die
häufigere Trübung des Himmels, die stärkere Verdunstung und die
Änderung der Windrichtung in dem Gange der Temperatur eine
grosse Rolle spielen, sondern er muss auch beeintlusst werden durch
das zweimalige Durchgehen der Sonne durch das Zenith und durch
das Aneinanderstossen des südlichen Wärme-Äquators und des nörd-
lichen, da der erste nach den Beobachtungen in Gondokorö bis da-
hin, wahrscheinlich noch weiter gegen Norden reicht, der letzte aber
wohl sich bis über Chartum hinab erstrecken wird. Es muss daher
die Ausmittelung der mittleren Temperatur jener Gegenden noch
späteren Zeiten vorbehalten bleibcMi.
Die Temperatur an der Sonne wurde an mehreren Orten zu
wiederholten Malen abgelesen, und zwar sowohl an einem Thermo-
meter mit schwarzer Kugel, ids au einem gewöhnlichen. Da hiemit
fast immer auch die Aufzoichnung der Lufttemperatur im Schatten
verbunden ist, so suchte man den Unterschied beider, und stellte ihn
nach den verschiedenen 'l'ageszeiten zusammen. Ks fand sich, wenn
man den mit dem gewöhnliehen Thermometer beobachteten Unter-
schied zwischen der Sonnen- und Schatten -Temperatur mit A (in
Reaumur-Graden), den vom geschwärzten Thermometer angegebenen
mit A/ bezeichnet, und n die Anzahl der Ablesungen anzeigt.
Beitrag zur Klimatologie von Ct'iitial-Afiika.
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— > M5 O ^
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1 'l
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-1 1
27*
398 Kreii.
Um die Ergebnisse beider Apparate vergleichen zu können,
wurden in den vorhergehenden Zusammenstellungen nur jene Auf-
zeichnungen gewählt, bei denen beide Thermometer, das gewöhn-
liche und das geschwärzte, gleichzeitig abgelesen wurden.
Ausser diesen wurden aber in Chartum zwischen dem 25. Juni
und 5. August 1837 noch viele Beobachtungen am gewöhnlichen
Thermometer gemacht, bei welchen das geschwärzte nicht beobach-
tet wurde. Sie gaben vereinigt mit denen der eben angeführten
Periode
von 19'— 21- 21'— 23'' 23"— 1'' ,
Mittel von A = 2 • 37 , « = 7; 5-27, w = 26 ; 3-18, w = 22 ;
von l"-— 3'', S""- 5% 5''— 7\
„ „ A = 4-32 , n — 16 ; 7-42 , w = 32 ; 5-26 , n = 12 ;
Gesammtmittel A = S°16 , 7j=:115.
Die Gesammtmittel wurden, um auch die Anzahl der Ablesun-
gen gehörig in Rechnung zu bringen, nicht aus den Mitteln zu den
verschiedenen Tageszeiten, sondern aus den Summen, aus welchen
diese Mittel sich ergaben, berechnet. Stellt man sie zusammen und
berücksichtigt auch hiebei die Anzahl der Ablesungen, aus denen
jedes einzelne entstanden ist, so findet man als Gesammtergebniss
der 75 Ablesungen
A=6-S0, A, =6-70,
demnach einen nicht erheblichen Unterschied, so dass es fast gleich-
giltig erscheint, ob man für diese Beobachtungen ein gewöhnliches
Thermometer oder eines von schwarzem Glase anwende.
Auffallend scheint der unregelmässige Gang des Unterschiedes
zwischen Schatten- und Sonnen -Temperatur zu sein, der sich an
manchen Stationen im Verlaufe des Tages kund gibt, indem man in
Chartum und El Obeehdin den Mittagsstunden eine Abnahme bemerkt,
welche erst nach 3'' wieder in rasche Zunahme übergeht. Dies ist
jedoch weder an allen Orten noch zu allen Zeiten der Fall , denn
selbst in Chartum ist während des ersten Aufenthaltes im März 1837
dieser Rückschritt kaum merklich, in El Mucheireff und Kairo aber,
wo die Beobachtungen im Anfange des März und in der Mitte Decem-
bers angestellt wurden, verschwindet er gänzlich, und die Sonne
Beitrag zur Klimatolog-ie von Central-Afrika. 399
zeigt dort zur Zeit der grössten Schattenwärme auch an dem ihr un-
mittelbar ausgesetzten Instrumente ihre stärkste Kraft. Es hat dem-
nach den Anschein , dass diese Unregelmässigkeit von dem Sonnen-
stande abhänge, und vorzugsweise in den Monaten eintrete, wo sie
sich um Mittag dem Zenithe nähert. Ist dies richtig, so liegt die
Erklärung der Erscheinung nahe. Bei der gewöhnlichen Weise die
Thermometer aufzuhängen, nämlich in senkrechter Stellung, trefl'en
die vom Zenithe kommenden Sonnenstrahlen nicht die ganze Hälfte
der Therinometerkugel, wie dies hei tiefer stehender Sonne in den
Früh- und Abendstunden der Fall ist, da den im Mittage auffallenden
Strahlen die Röhre entgegensteht, welche viele abhalten muss, andere
aber durch die dickere Wandung der Kugel, dort, wo sie sich an
die Röhre anschliesst, unwirksam werden.
Aus diesem Grunde ist das zuletzt gefundene Gesammtergebniss
für die Sonnenwärme (6 "50 und 6°70) wahrscheinlich viel zu gering
und dürfte wohl auf 9** zu erhöhen sein, wie es aus den Beobachtun-
gen von Kairo und El MacheirelT folgt , die zu einer Jahreszeit ange-
stellt worden sind, in welcher die Sonne auch im Mittage das Zenith
nicht erreichte.
Dass diesem Cbelstande durch eine mehr geneigte Lage, in
welcher das Instrument der Sonne ausgesetzt wird, abgeholfen werden
könne, braucht kaum erwähnt zu werden.
In Wien wird die Sonnenwärme täglich um 2^ an einem gegen
Südwesten aufgehängten gewöhnlichen Thermometer abgelesen, und
ich setze beispielweise die Ergebnisse der 3 Sommermonate Juni,
Juli und August 1856 hieher, weil zu dieser Jahreszeit unser Klima
sich dem tropischen am meisten nähert. Es ergibt sich daraus für
Schatten und Sonnenwärme der Unterschied:
im Juni 2-79, n = 19,
„ Juli 3-23, w = 19,
„ August . . . . 3 -33, « = 20.
Die Verschiedenheit der Zahlen scheint vorzüglich von dem
Grade der Bewölkung abzuhängen, wenn gleich, wie natürlich,
die Beobachtung nur dann geschieht, wenn das Thermometer von
Sonnenstrahlen getroffen wird, die durch Wolken nicht geschwächt
erscheinen. Die Bewölkung war nämlich in jenen Monaten im Durch-
400 K r e i I.
schnitte der Beobachtungstage, wenn man den ganz reinen Himmel
mit O'O, den ganz bedeckten mit 10-0 bezeichnet
im .liiiii 2" (5
„ Juli 2-2
„ Aufjust i '6
Theilt man ferner die Gesammtzahl der Beobachtungen in zwei
Classen ab, deren eine an Tagen mit der Bewölkung zwischen
0 und 2, die andere an Tagen mit der Bewölkung zwischen 3 und 5
ausgeführt wurde, so findet man für die Tage
mit ilerHewölkuiij,' zwisch.O u. 2 tlcii Untersch. zwisch. Sonne u. Schatten=3°34,
„ „ ,r ,• 3 „ 5 ,. ,. „ n n » =2*80,
gleichfalls der obigen Ansicht entsprechend.
Die Psychrometer -Beobachtungen wurden in Chartum in den
Monaten März, Juni, Juli, August, September 1837 und April 1838
angestellt, und an manchen Tagen gleichfalls über die Nachtstunden
ausgedehnt. Man erhält dadurch eine sehr wünschenswerthe Einsicht
in die dortigen Verhältnisse der Dunstspannung und Luftfeuchtigkeit,
und zwar in beiden Perioden, der trockenen sowohl (März und April)
wie der Regenzeit (Juni bis September). Dass beide Elemente durch
den Eintritt der Regen grosse Änderung erleiden müssen, ist für
sich klar, und wird durch die nachfolgenden Zahlen bestätigt,
welche die Mittel des Dunsfdruckes in Pariser Linien geben, und
nach Monaten und Tageszeiten zusammengestellt sind.
Stumk-
Mal/.
Juni
.lull
Aujjust
Septeinl.
Ai.,il
-^^
_-- ■ — — -
,-— ^^_--,
,^— ^s_^.
^-.^^_^.
r'*.-'^^-— ^
«— ~— '"— ^
^— ^^^»-
12"
und t3'
5"79
—
9"66
10"55
10-23
—
14
„ 15
.'S (59
—
8-65
I0-.^1
10-20
—
16
„ i7
5 •.•>(»
8-84
1(»-13
(10-24)
—
1H
„ 1»
■M«
8'"«'i
9-11
9-42
10-28
7'"41
20
« 21
6-22
9-0()
8-97
9-04
9-55
6-88
22
r 23
D-42
9-83
9-00
9-18
9-52
(J-75
0
,- 1
7-02
10-79
S-Öa
8 -HS
!t-31
6-79
2
,: 3
7-90
10-72
8liS
8-71
9 ■ 90
6-50
4
,, 7}
5-72
10-24
8-61
9-14
«-93
6-27
6
. ^
«•21
«-97
9-04
9-38
9-24
7-53
«
„ '•>
(i-40
9-Oti
9 -öl
10-50
10-37
7-86
io
,. '^
6 07
9-48
10-28
(10-30)
7-07
Miftcl. . . . 5-96 — 9-00 9-63 9-84
Beitrag' zur Klinvifolo^'-ie von Central-Afrika. 4t01
Die Beobachtungen des März reichen vom 16, — 25. , jene vom
Juni vom 2S. — 30., die der folgenden Monate vom 1. Juli bis
18. September, und jene vom April 1838 vom 12. — 26. Die ein-
geklammerten Zahlen im September sind interpolirt.
Aus den Zahlen der Sommermonate sieht man den Einfluss der
Regenzeit auf die Dunstspannung und ihre Zunahme während des
Verlaufes derselben.
Zieht man die drei Monate Juli, August und September in ein
Mittel zusammen, so geben sie für die Spannkraft der Dünste fol-
gende Zahlen:
um Iti'' li. 13'', 14'' u. i:;'', i6'' u. 17'', 18'' u. 19\ 20'' u. 21", 22'' u. 23.
Spannkraft: lü-io, 9"70, 9'"74, 9"60, 9"19, 9"23,
um O*- u. 1", 2" u. 3'', 4" u. 5\ 6° u. 7\ 8'' u. 9'', 10'' u. 11".
Spannkraft: 8"'85, 9"06, 8"89, 9"22, 10-'l3, 10"02.
Diese Zahlen geben die Tagesgleiehung:
y==9-ö72 + [9-76844] Sin (a-. 30» ^ 85 -30 4)
+ [9 10267] Sin (2.t. 30 + 93 -53 -4)
+ [9-04044] Sin (3a;. 30 + 228-19-4)
wo die eingeklammerten Zahlen Logarithmen sind. Daraus ßndet
man
um 12" u. 13", 14" u. 13", 16" u. 17", 18" u. 19'', 20" u. 21", 22" u. 23"
Spannkraft: 10-20, 10'- 20, 9 -'91. 9 •'36, 9*18, 9"09,
um 0'' u. 1, 2" u. 3", 4" u. 5", 6'' u. 7" 8" u. 9", 10" u. 11"
Spannkraft: 9"19, 9"17, 9'- 08, 9"33, 9"83, 10"2Ü.
Die Gleichung gibt zwei Maxima und zwei Minima.
Das grössere Maximum tritt genau um Mitternacht ein, nämlich:
um 11" 38' Abends .... Maximum = 10'''233, die übrigen Extreme sind
„ 22 32 (10"32' Morgens) Minimum = 9-082
„ 1 43 Abends .... Maximum = 9-209
„ 4 38 „ .... Minimum = 9-084
Hechnet man aus den Mitteln des Dunstdruckes imd jenen der
Temperatur, welche am trockenen Thermometer des Psyclirometeis
abgelesen wurden, die Feuchtigkeit, so lindet man folgende Zahlen ;
402 K r e i l.
stand
Mari
Juni
Juli
August
Septemb.
April 1838
12"
und
13"
49-8
—
75-6
'eeT
80-7
—
14
»
15
52-7
—
86-4
70-5
79-9
—
16
»
17
52-5
—
91-6
710
(80-9)
—
18
»
19
SO-S
74- 1
73-8
68-3
81-9
52-6
20
jj
21
S31
64-8
67-6
63-7
76-1
44-5
22
»
23
421
49-5
53-9
58-1
66-8
38-5
0
»
1
SO-0
46-4
47-2
50-0
61-4
35-5
2
»
3
530
48-0
46-7
47-9
640
34-6
4
»
5
39 0
47-2
47-5
50-4
55-8
32-8
6
»
7
44-7
46-5
53-6
54-1
60-4
41-7
8
»
9
48-7
55-6
60-3
63-6
72-6
47-0
10
»
11
49-8
—
67-8
64-3
(76-6)
43-2
Mittel. .
. .
48-8
—
G4-3
60-7
71-4
—
Man sieht aus diesen Zahlen den grossen Einfluss der Regen-
periode auf die Luftfeuchtigkeit, ihre Zunahme im Verlauf derselben,
und den sehr trockenen Zustand der Luft während der vorhergehen-
den Periode. Die drei Regenmonate Juli, August und September
geben folgende Mittel:
um 12" u 13", 14" u. 15". 16" u. 17", 18" u. 19", 20" u. 21", 22" u. 23",
Feuchtigkeit: 74-3, 78-9, 81-2, 74-7, 69-1, 59-6,
um 0" u. 1", 2" u. 3", 4" u. 5", 6" u. 7", 8" u. 9", 10" u. 11",
Feuchtigkeit: 52-9, 52-9, 51-2, 56-0, 65-5, 69-6,
aus welchen sich die Tagesgleichung ergibt:
2^ = 65-49 + (1-13199) Sin ( a:. 30o -j- 53« 59 '8)
+ (0-03525) Sin (2a;. 30 + 273 4-0)
+ (9-97625) Sin (3a;. 30 + 241 37- 3),
wo die eingeklammerten Coefficienten Logarithmen sind.
Man findet daraus :
das Maximum = 79-43 um 16" 35' (4" 35' Morgens)
„ Minimum = 51-81 „ 3 36 Abends.
In der trockenen Jahreszeit erreicht das Minimum einen viel
geringeren Werth, wie schon die Mittel der Monate März und April
darthun, in welchen die Trockenheit der Luft an manchen Tagen zu
einem sehr hohen Grad gelangt. So wurden am 19. und 20. März
1837 während eines heftigen NO. ui)d ONO. Windes, der sich am
Beitrug- zur Klirnatologie von Ceiitral-Afiika. 403
19. Nachmittags erhob und am 20. in einen Sturm ausartete, folgende
Thermometerstände am Psychrometer abgelesen :
19. Miirz. 20. Miirz.
201. 4h |9h 20" 21" 22'' 4"
Trockenes Thermometer 22 -6 R. 25-9 19-3 20-0 20-9 21-6 24-2
Feuchtes „ 20-3 „ 12-7 10a 10-3 11-7 12Ö 11-7
daraus folgt:
19. März. 20. März.
20" 4" 19" 20" 21" 22" 4"
der Dunstdruck . . . 9"93 r-90 2"'87 1"92 2"6Ö S^Oä 1"64
und die Feuchtigkeit . 78-8 11-9 23-0 18-o 23-8 26-2 11-6
Der Himmel war während dieser Tage fortwährend heiter, die
höchste Temperatur an dem in freier Luft im Schatten aufgehängten
Thermometer um 1'' Nachmittags = 31 5 R. , die Sonnentemperatur
am Thermometer mit schwarzer Kugel = 36 4 R. Diese Störung
ist auch Ursache von dem unregelmässigen Gange der Zahlen,
welche die tägliche Änderung der Feuchtigkeit in diesem Monate
darstellen.
Wenn also in Chartum, wo durch den Zusammenfluss zweier
grosser Ströme eine dauernde Quelle von Verdunstung vorhanden ist,
die Feuchtigkeit der Luft durch den Wüstenwind bis zu einem Be-
trage aufgesaugt wird, dass sie nicht mehr als i^/ioo von dem enthält,
den sie bei gleicher Temperatur und vollkommener Sättigung fassen
könnte, so wird es nicht unwahrscheinlich, dass sie in der Wüste
selbst einer gänzlichen Trockenheit oft sehr nahe kömmt. Übrigens
scheinen solche Verdunstungsquellen aus Strömen, welche doch
nur einen kleinen Theil der ganzen Umgebung eines Ortes aus-
machen, in Fällen von so überwiegender Trockenheit nur geringen
Einfluss auszuüben , wie man aus der Vergleicbung mit Wien sehen
wird.
So wie im April und Mai die Süd- und Südostwinde hereinbre-
chen und mit ihnen die Gewitterregen beginnen, erhebt sich die
Feuchtigkeit rasch, wie sich dies in den Beobachtungen zeigt, welche
Herr v. Russegger in El Obeehd, der Hauptstadt von Kordofan,
anstellte. Sie umfassen zwar nur 13 Tage, die aber nicht unmittelbar
auf einander folgen , sondern sich in drei Perioden abtheilen lassen,
von denen die erste die 4 Tage vom 13. — 18. April, die zweite
404 K r e i I.
den 27. und 28. Apiil, die dritte den 21. bis 29. Mai (mit Ausschluss
des 22. und 25.) begreift. Meistens wurde nur während der Tages-
stunden von 18'' — 7'' beobachtet. Vergleicht man die Mittel dieser
Stunden in allen drei Perioden, so sieht man wie schnell die Luft-
feuchtigkeit zunimmt, sie wird nämlich
für die orsfe Periode . .
. . ri'i-^
„ „ zweite „ . .
. . 69-1
„ „ dritte „ . .
. . 741
Diese Feuchtigkeit ist so bedeutend, dass sie jene von Chartum
während der vier Regenmonate , die Russegger dort zubrachte,
w^eit übertrifTt; denn diese geben für dieselben Tagesstunden
das Mittel der Feuchtigkeit im Juni , . . 53-8
„ „ „ „ Juli . . . JJ5-8
„ „ „ » « August . . 36 •!
„ „ ,, „ „ September. 66 "6
und der April 1838 war in Chartum, wo die Regenzeit wahrschein-
lich sjiäter eintritt als in El Obeehd, noch ein sehr trockener Monat,
indem er für dieselben Tagesstunden vom 12. — 26
das Mittel .... 40-0 gab.
Dass in nördlichen Breiten, wo die Jahreszeiten in ganz anderer
Weise auf einander folgen, auch der jährliche Gang der Feuchtig-
keit ein verschiedener sein müsse, bedarf keines Beweises. Die tiefe
Temperatur unserer Wintermonate führt das Minimum der Dunst-
spannung und das Maximum der Feuchtigkeit mit sich. Die entgegen-
gesetzten Extreme treten in der heissen Jahreszeit ein. In Beziehung
auf Feuchtigkeit leidet jedoch diese Regel dort eine Ausnahme, wo,
wie in Wien, in den Frühlingsmonaten die Nord- und Ostwinde stark
auftreten und der Luft einen solchen Grad von Trockenheit gewäh-
ren, dass sie jene des Sommers übertrifft. Sowohl die früheren Be-
obachtungen an der Sternwarte als die siebenjährigen an der Central-
Anstalt verlegen das Minimum der Feuchtigkeit auf den April,
während im Juli wohl auch ein scln\ ächeres Minimum eintritt, das
sich aber von dem Feuchtigkeitsgrade der früheren Monate Mai und
Juni so wenig unterscheidet, dass eine mehrjährige Reihe sorgfältiger
Beobachtungen dazu gehören wird . um zu entsclieiden, ob der jähr-
lieh^' Gang der Feuchtigkeit wirklich z\> fifachen Extremen unter-
Beitrag zur Kliiiiiit()l0!':ie von Ceiilral-Afrika. ^05
werfen ist. Ähnliches zeigen auch andere Stationen, wie Brünt), Kla-
genfurt, Hermannstadt, Alt-Ausseo u. a.
In Kremsmünster zeigen die früheren Beobachtungen von 1833
bis 1851 ein Minimum im iVlai und iieines im Juli an, während die
Beobachtungen von 1852 — 1859 das Minimum sehr erkenntlich
auf den Juli verlegen, und jenes im April verschwinden lassen. In
Prag, wo das Auftreten der Nord- und Ostwinde im Frühling nicht so
merkbar ist, zeigt sich nur das einzige Minimum im Juli.
Eben diese Winde sind es auch, weichein unseren Gegenden
die Luft oft in einer Weise austrocknen, dass sie in dieser Beziehung
der Wiistenluft nahe kömmt. Eine Feuchtigkeit von 18 Procent ist
in Wien schon öfter beobachtet worden, so am 22. April 1840, am
7. April 1854 um A\ am 4. April 1856 um 3", am 5. Mai 1854 sank
sie auf 17, und am 13. April 1854 um 4'' Nachmittags gar auf
6 Procent. Der Gang der Feuchtigkeit an diesem Tage vom Mittage
an war
Mittag
Fpiichtigkeit
= 2(i
1"
»
22
2
„
17
3
»
10
4
„
(5
5
„
12
6
»
18
7
»
25
8
})
32
9
„
37
!(►
,,
45
11
48
Das Tagesmittel gab 36, das Monatmittel 434 Procenf. Die
Winde waren in diesen Tagen, vom 10. an, in den Nachmitlags-
stunden dnrchgehends im Nordostquadranten der \^'indrose, erst
vom 15. an gingen sie in Südost, später in Süd über. Nieder-
chlag erfolgte bis zum 23. keiner, und betrug im ganzen Monate
nur 2"36.
Eine so ungewöhnliche und andauernde Trockenheit der Luft
erstreckt sich immer über ein weiteres Gebiet, wie aus folgender
Zusammenstellung des Jahresminimums für 1854 an unseren Stationen
ersichtlich wird.
406 K r e i I.
Es erfolgte nämlicli dasselbe
inRzeszow . .
am 20.
Apri
mitlQProc.
in Strakonitz .
am 16.
Apri:
mitie
„ Krakau . .
22
»
„ 23
„
„ Ozernowitz .
„
22.
„
„ 23
„ Senftenberg
„ 20.
„
„ 43
„
„ Stanislau . .
«
2i.
„
„ 21
„ Leipa . . .
,20.
„
„ 26
„
„ Kremsmünster,,
16.
„
„ 21
„ Prag . . .
„19.
„
„ 23
„
„ Wallendorf.
„
18.
„
„ 24
„ Bodenbacli .
.13.
„
„ 28
„
„ Pest . . .
„
4.
„
„ 26
„ Pürglitz . .
„19.
„
„ 55
„
„ Alt-Aussee.
„
15.
„
„ 30
„ Schiissl . .
„20.
„
„ 32
„
„ Szegedin .
„
13.
n
„ 30
„ Kesmark. .
„20.
„
„ 33
„
„ Laibaeh . .
»
20.
„
„ 14
„ Saybusch .
„ 19.
«
„ 2G
„
„ Althofen. .
„
21.
„
„ 15
,, Brunn. . .
„ 5.
Mai
„ 19
„
„ Hermannstadt
„
9.
„
„ 19
(am 20. April
nur um 0
1 grösser)
„ Adelsberg .
5>
15.
»
„ 26
„ DeutscJibrod.
am 20.
April
mit22Proe
„ Zavalje . .
„
13.
„
„ 13
„ Czaslau . .
„ 20
„
„
Will man Wien mit diesen Stationen vergleichen , so muss man
die Stunde 2'' wählen, weil zu dieser Stunde die Stationsbeobaehtun-
gen gewöhnlich ausgeführt werden. Die dieser Stunde zukommende
Procentenzahl 17 schliesst sich gut an die Reihe an. Da auch in
Ragusa ein sehr kleines Minimum (16Procent)am 13. April beobachtet
wurde, so kann man aus unseren Beobachtungen mit Sicherheit
schliessen , dass sich die Trockenheit in diesem Monate über 11 Län-
gen- und 8 Breitengrade erstreckte, wahrscheinlich aber in noch
viel grösserer Ausdehnung auftrat.
Es wäre gewiss nicht unwichtig zu untersuchen, ob so mächtige
und dauernde Störungen in dem Feuchtigkeitsgehalte der Luft nicht
auf manche Krankheitsformen Einfluss ausüben.
Einige Alpenstationen sind nicht in obiger Reihe enthalten; weil
in ihnen das Jahresminimum früher eintrat, so fand es sich
in Admont am 6. März (und T.September), mit 43 Procent,
„ St.Peter(3770FussSeehöhe)am 9. März „ 44 „
„ Salzburg „ 15. „ „24 „
„ Cilli „23. Febr. „ 13
„ Klagenfurt „4. April „ 23 „
„ St. Magdalena „ I.März „19 „
„ St. Jakob „6. „ „13 „
„ Lienz „24. „ „ 13 „
„ Plan (5000 Fuss Seehöhe) . . „30. Oct. „ 16 „ (April fehlt).
Beitrag zur Rlimatologle von Central-Afrika.
407
Bemerkenswerth ist es, dass selbst die Verdunstung des nahen
Meeres niclit hinreicht eine solche Trockenheit auszugleichen , wie
die Beobachtungen in Ragusa zeigen, wo am 13. April 13, am
30. October 12 Procent Feuchtigkeit gefunden wurde. In Triest und
Venedig war sie etwas grösser, nämlich in Triest am 1. März und
13. April 30, in Venedig am 13. April 49, am 12. October 43 Pro-
cent; um so weniger darf man sich wundern, wenn kleinere Wasscr-
sammlungen und Ströme unter solchen Umständen das Gleichgewicht
nicht herzustellen vermögen.
Der tägliche Gang des Dunstdruckes und der Feuchtigkeit
hat in unseren Breiten einige Ähnlichkeit mit dem der Äquatorial-
Gegenden, wie er in den obigen Gleichungen dargestellt ist. Aus den
siebenjährigen Beobachtungen an der Central-Anstalt hat man für die
drei Monate Juni, Juli und August folgende Mittel :
Dunstdruck
Feuchtigkeit
Dunstdruck
Feuchtigkeit
Mitternacht .
. . 4"69 .
. . 751
Mittag. .
.4-65 .
. '5F3
13" .
. . 4-65 .
. .76-3
1' . . .
. 4-62 .
. 52-9
14
. . 4-61 .
. .77-3
2
. . !ft-60 .
. 51-5
15
. . 4-57 .
. . 77-7
3 . .
. . 4-61 .
. 51-5
16
. . 4SI .
. Ǥ O
4 . .
. . 4-62 .
. 52-2
17
. . HH'S .
. 980
5 . .
. . 4-68 .
. 53-8
18
. . 4-48 .
. . 77-5
6 . .
. 4-76 .
. 57-2
19
. . 4-56 .
. .74-4
7 . .
. 4-82 .
. 61-6
20
. . 4-6S .
. . 70-5
8 . .
. 4-83 .
. 65-9
21
. . 4-70 .
. . 66-3
9 . .
. 4-81 .
. 69-5
22
. . tg'SS .
. .621
10 . .
. 4-76 .
. 72-3
23
. . 4-70 .
. .58-5
11 . .
. 4-73 .
. 74-0
Mittel . . .
. 4-65 .
. 66-2
Man sieht aus diesen Zahlen, dass die Wendestunden des Dunst-
druckes zwar bei uns wie in Chartum in gleicher Anzahl vorhanden
sind, aber nicht zur selben Zeit eintreten; denn das grösste Maximum
findet hier um 8"* Abends, dort um Mitternacht Statt, ist also um
4 Stunden verspätet, eben so verspätet sich das kleinere Minimum
in Chartum um ungefähr 5 Stunden, das zweite Maximum tritt dort
um 3'/3 Stunden, das zweite Minimum um 21/3 Stunden später ein als
bei uns.
In der Feuchtigkeit zeigen sich an beiden Orten nur zwei
Extreme, nämlich das Maximum zwischen 16'' und IT*" in Wien und
40{S K I- e i I. Beitrag zur Klimatologie von Central-Afrika.
zur selben Zeit in Chartum, das Minimum zwischen 2** und 3'' in
Wien, zwischen 3*' und 4'' in Chartum.
Die Verspätung der Wendestunden des Dunstdruckes hat ihren
Grund wahrscheinlich in der grösseren Erwärmung des Bodens
während der Tagesstunden und in der daraus hervorgehenden län-
geren Dauer der Ausstrahlung während der Nacht.
Das Reisewerk Russegger's enthält noch viele werthvolle
Notizen über die klimatischen Verhältnisse der durchreisten Gegen-
den, welchen hier kein Platz eingeräumt werden konnte, da es sich
nur daruu) handelte diejenigen Ergebnisse zusammenzustellen, welche
ohne der dort fehlenden Berechnung nicht an's Licht gebracht
werden konnten.
Sclieilier. Vergl. Aiialoinie und Phys. der Öslriden-Liirveii. 409
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Östriden-Larven.
Von Dr. S. H. Scheiber.
(Yüif>elegt von dem c. M. Prof. Dr. Wedl in der SiUiinf,' voin l."). Miirz 1860.)
Krster Tlieil iiiil 3 Talelii.
EINLEITUNG.
Im Sommer des Jahres 1858, also im letzten Semester meiner
medizinischen Jahrgänge, untersuelite ich im histologischen Laborato-
rium des Herrn Prof. W'fdl nnter Anderem aneh Muskeln von Oestrus-
Larven, von deren sänimllichen Gattungen daselbst mehrere Species
vorräthig waren. Es geschah nun, dass ich jene multipolaren Zellen
mit den von ihnen ausstrahlenden faserigen Gebilden auffand, die im
Capitel über die Muscniafur dieser Thiere näher beschrieben werden,
und welche im ersten Augenblicke die Idee von nudh'polareti Gan-
glienzellen auftauclien Hessen, die ^twa in di'r iVlfisculalur /erstreut
vorkämen.
Es galt demnach der Verbindung die.ser Zellen mit dem peri-
pherischen Nervensysteme auf die Spur zu kommen. Herr Prof.
Wedl lud mich hierauf ein , mich ndt dem Nervensysteme dieser
Thiere vertraut zu machen. Ich kam dieser Einladung um so freu-
diger entgegen , da ich stets eine besondere Vorliebe zu den Natur-
wissenschaften in mir fühlte, und ich diese nebst der praktischen
Medizin nie ausser Acht gelassen habe. Da ich bei dieser Arbeit nach
und nach die Anatomie der Larven von Gastrus equi kennen lernte,
und auch alle anderen Östriden-Gattungen in dieser Entwickelungs-
stufe vergleichend studiren konnte, so geschah es, dass meine Ab-
handlung, welche hier vorliegt, so umfangreich wurde, indem ich ein
Bild des ganzen inneren Baues dieser Thiere aufrollen und hiemit
den Weg zur vollständigen Kenntniss ihrer Anatomie anbahnen will.
410 Scheiber.
Da in der Nomenclatur der Üstriden-Arten bei den verschie-
denen Autoren Differenzen sich vorfinden , so erlaube ich mir zu
bemerken, dass ich in meiner Abhandlung der von Brauer *) ein-
gehaltenen Bezeichnung folgen werde, weil in dieser die meisten
Larven speciell und vergleichend charakterisirt sind.
Ich würde auch Jedem , der eine anatomische Untersuchung
dieser Thiere vornehmen will, die Benützung der unten genannten
Abhandlung von Brauer anempfehlen, weil man sonst über die ein-
zelnen obwaltenden Verhältnisse in der Anatomie nicht leicht in's
Klare kommt.
Nach Brauer werden sämmtliche Species der Familie der
Bremsen- oder Dasselfliegen 2) in vier Gattungen eingetheilt, nämlich:
1. Gastrus Meig. , 2. Ilypoderrnnh^Xw, 3. Cephenomyia Latr.
und 4. Ccphalomyia Latr.
Von der Gattung Gastrus Meig. untersuchte ich Gastrus equi
Meig. und Gastrus haemorrhoidalis Lin. Ich fand aber in Hinsicht
des inneren Baues gar keinen Unterschied zwischen beiden und es
gilt daher alles das, was von Gastrus-L-M'yQn überhaupt gesagt wird,
für beide Arten. Von der Gattung Hypo derma Latr. untersuchte
ich H. bovis F a br., H. Actaeon B r., //. Diana Br. , //. Taratidi Lin.
und eine neue von Brauer") beschriebene unter der Haut der
Bezoarziege {Capra Aegagrus Gmel.) lebende Larve*). Von der
Gattung Cephenomyia untersuchte ich Cn. rufibarbis W d. , Cn.picta
') „nie üstriden des Hochwildes." (Verliandliing'pii der k. k. zoolog. bot. Gesellschaft
in Wien. 1838, p. 38.".— 414.)
2) Schon Fischer (P. Ch. Fr. Wei'neri vermium intest, brevis, expositionis contiuuatio
III. 1788, p. 8) fiel es auf, dass die Benennungen „Bremse und Brehnie" nicht nur in
der Volkssprache , sondern auch von Autoren oft mit einander verwechselt werden,
was bei der Ähnlichkeit der Wörter sehr einleuchtend ist. Das was die Griechen
Ocstrus und die Römer Asilus nannten , nennen die Engländer Gadjlics oder
Whmn , die Franzosen l' Oestro , und die Deutschen Bremsen, Brämsen , Brömsen,
Bisselfliegen , Biessfliegen, Bisselmücken, Dasse, Dasselfliegen. Das hingegen, was die
Griechen Myops und die Römer Tubanus nannten, heisst im Englischen ßurrßy , im
Französischen Taon und im Deutschen Brehme, Pferdemiicke.
3) „Beilläge zur Kenntniss der Östriden." (Verhandlungen der /.ool. bot. Gesellschaft
in Wien. 18Ö8, p. 449—470.)
*) Mehrere dieser Larven wurden den Bezoarziegen in der kais. Menagerie zu Schön-
brunn bald nach ihrer Ankunft von der Insel Creta im Februar und Juni 1858 aus der
Haut gedrückt und von Brauer untersucht und beschrieben.
Vergleichende Anatomie nnd Physiologie der Üstriden-Larven. 4 1 1
Mg. Vom G. Cephalomyia waren es endlich die Species Cl. ovis
Lin. und Cl. maculata Wd. 9» deren Anatomie ich studirte.
Den Ausgangspunkt meiner Untersuchungen bildeten Gastrus-
Larven, weil über ihre Anatomie, wie von keiner anderen Larven-
gattung, eine anerkannt gute und ausführliche Arbeit von Schröder
van der Kolk (Memoire sur TAnatomie et Physiologie de Gastrus
equi. Amsterdam, 1845) vorliegt. Diese Specialarbeit diente mir
als Leitfaden, um mich leichter mit der Anatomie der Bremsen-Larven
bekannt zu machen. Da überhaupt das wiederholte Untersuchen
eines und desselben Gegenstandes manches Neue finden lässt und
Anderes bei dem Fortschritte der Wissenschaft nicht mehr stichhäl-
tig ist, so wurde auch eine ganz neue Bearbeitung der Anatomie von
Gastrus equi nothwendig. Dieses sehr schätzbare Buch, so wie das
an Reichhaltigkeit nur selten anzutrefFende Materiale an Bremsen-
Larven, das mir im Laboratorium zu Gebote stand und durch die
Gefälligkeit des Herrn Professors L. Red tenbacher , Vorstand im
hiesigen kais. zoologischen Cabinet, so wie auch meiner Freunde
Brauer und Low stets nach Bedürfniss vermehrt wurde, waren
Behelfe , die in Verbindung mit einer kräftigen Unterstützung von
Seite des Herrn Prof. Wedl vollkommen genügten, um alle Schwie-
rigkeiten, die dem Anfänger in der Entomotomie entgegenstehen , zu
überwinden. Sei es mir daher gegönnt, hier vorzüglich dem Herrn
Prof. Wedl für die sorgfältigste Mühe, die er sich zur Förderung
meiner Untersuchungen genommen hat, so wie auch einigen anderen
Freunden, die mich theils durch Materiale, theils durch andere hie-
her bezügliche Gefälligkeiten unterstützt haben, meinen innigsten
Dank auszusprechen.
Die von mir untersuchten Larven waren theils frisch, theils
Weingeist- , weniger Weingeist-Glycerin-Präparate. Im frischen
Zustande standen mir blos Larven von Gastrus equi zu Gebote. Am
erfolgreichsten bewährte sich für die Untersuchung der Larven,
namentlich aber des Nervensystems derselben, die Methode frische
'j Ais Brauer diese Larven in seinen „Östriden des Hochwildes" beschrieb, hatte er
solche aus der Stirnhöhle des Kaineeles vor sich. Nachdem Herr Prof. Wedl im
Jahre 18Ö9 von Ägypten Larven ans der Stirnhöhle des ägyptischen Büffels mitgebracht
nnd dieselben Brauer gezeigt hatte, fand dieser dass diese Larven ganz iden-
tisch mit denen des Karaeeles seien, und scliloss daher, dass auch die betreffenden
Imagines dieselben wiiren. Ich untersuchte blos die vom ägyptischen Büffel.
Sit/.b. d. lualliein.-natiMW. Cl. XM, Bd. Nr. 10. 28
412 S c h e i 1) e r.
Insecten in einer Mischung von Weingeist und Glycerin aufzubewah-
ren i). Ich ward darauf durch Herrn Prof. Wedl aufmerksam
gemacht. In Larven, die drei Monate in einer solchen Mischung gelegen
sind, hatten noch alle Organe (Oarmcanal, Fettkörper u. s. w.) ihre
natürliche Färbung und Transparenz beibehalten , und nur das Ner-
vensystem war in einer gerade für seine Untersuchung geeignet-
sten Weise verändert. Es war nämlich die Nervensubstanz milchig-
weiss, und stach sogleich von allen übrigen Geweben hervor; sie
war auch viel fester und resistenter als im natürlichen Zustande, und
so war ich durch diese Veränderungen im Stande mir über Dinge
Aufschluss zu verschaifen, die mich bis dahin ganz im Dunkel Hessen.
Was die Ordnung der einzelnen Organtheile, in welcher ich
dieselben abhandle, anlangt, so habe ich im ersten Capitel den Bau
der Hautdecken und der Musculatur, im zweiten das Nerven-
system, dem ich die meiste Aufmerksamkeit zugewendet habe, und
im dritten das Circulationssystem beschrieben. In der nächstens vor-
zutragenden Fortsetzung wird dann im vierten Capitel das Respira-
tions- und im letzten Capitel das Digestionssystem mit den übrigen
Eingeweiden folgen.
Bevor ich jedoch zur Anatomie der Bremsen-Larven selbst über-
gehe, will ich noch in Kürze die Literatur derselben besprechen.
Ich werde mich in dieser blos auf die Literatur der Anatomie und
Physiologie der Östriden beschränken, indem die der Systematik,
welche den bei weitem grösseren Theil der Literatur der Östriden
ausmacht, bis zum Jahre 1840 von Schwabg) ganz vollständig
und in specie die Literatur der Östriden des Hochwildes von
Brauer 3) bis auf die neueste Zeit herab aufgeführt wurde.
Da über die Anatomie der Östriden noch wenig Ausführliches
gearbeitet wurde, so kann die Literatur derselben nicht reichhaltig
sein. Das älteste Werk ist in dieser Beziehung von :
.1. L, Fischer (^Werneri vermium intest, brevis expositionis
cont'mnatio secunda p. 7ö — 93, 1786 und continuatio tertia 1788)
geschrieben worden. In der ersteren Arbeit beschreibt Fischer
') D;is Verhältniss, in welchem Iji'ide Fliissig'keiteii mit bestem Erfolge für die Erhaltung
der Thiere, zu mischen sind, ist jedoch, indem dasselbe nicht gleichgiitig zusein
scheint, noch nicht zur völligen Befriedigung ermittelt.
*'j „Die Oslraciden — Bremsen — der IMViile, Rinder und Schüfe. Münclien 1840.
^J L. c.
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Üstriden-Larven. 4 1 1>
blos in Form von „Äidmadversiones" zu den von seinem Lehrer
hinterbliebenen und durch ihn herausgegebenen Schriften die Ana-
tomie der Larven von Gasfrus equi Fabr. (bei ihm als Oestrus
nasalis L. bezeichnet) in einer mangelhaften und häufig missgedeu-
teten Weise; im zweiten Werke, welches von ihm allein geschrieben
wurde, behandelt er die Anatomie von Cephalomyia ovis L. und
Hypoderma bovis Fabr. (bei ihm Oestrus ovis und bovis Li n.J.
Schröder van der Kolk (Memoire sur l'Anatomie et Phy-
siologie de Gastrus equi, Amsterdam 184S) hat eine sehr ausführ-
licheArbeit geliefert, welche im Verlaufe der gegenwärtigen Abhand-
lung am meisten berücksichtiget wird.
Joly („Recherches zoologiques, anatoiniques, physiol. et medic.
sur les Oestrides en generale et particulierement sur les Oestres,
qui attaquent Thomme, le cheval, le boeuf et le mouton."^ Ann. d. sc.
phys. et nat. d'agricui. etc. de Lyon T. IX, 1846, p. lo7 — 305) hat
Gastrus equiF. blos im Larven-, Gastrus haem. L., Cephalomyia ovis
L. und Hypod. bovis F. in allen Entwickelungszuständen untersucht.
Ich kann aber Weniges über diese Abhandlung sagen, weil ich die-
selbe blos aus einem kurzen Auszuge (Compt. rend. XXIII, p. 510)
kenne.
C.F.Hen nig hatendliehin neuerer Zeit eine Arbeit \\hev Oestrus
equi, ovis und cervi capreoli (Allg. deutsche naturh. Zeitung I,
p. 297 — 307, Taf. 1 und 2) veröffentlicht, deren Werthlosigkeit schon
Gerstäcker in seinen entomologischen Jahresberichten (Wieg-
man-Troschel's Archiv für Naturgeschichte) vom Jahre 18S6
dargelegt hat.
28'
414 S c h e i b e r.
Anatomie und Physiologie der Bremsen -Larven.
I. Die Haut und das Muskel System.
1. DieHaut zeigt bei den Bremsenlarven zehn Einschnürungen,
wodurch der ganze Körper in eilf homologe Segmente getheilt wird ,
deren vorderstes der Träger der Mundtheile und der Fühler ist, das
hinterste den Anus und die Stigrnenplatten enthält. Die ringförmigen
Einschnürungen werden durch seitliche Längsfurchen sowohl an der
Rücken- als Bauchseite gekreuzt, wodurch die seitlichen Hautpartien
in lauter regelmässig viereckige Wülste zerfallen. Die Haut erhebt
sich sowohl an der Rücken- als an der Bauchseite in mehr weniger
regelmässige Querreihen von grösseren oder kleineren inwendig
hohlen Erhabenheiten, die Dornen genannt werden, und die haupt-
sächlichsten Stützpunkte bei der Vorwärtsbewegung des Körpers
abgeben. Sie dienen zugleich wegen der Mannigfaltigkeit ihrer An-
ordnung als verlässliche Anhaltspunkte zur Charakteristik der ein-
zelnen Species.
Was den feineren Bau der Haut anlangt, so besteht sie so wie
bei allen Arthropoden aus zwei Lagen, aus einer äusseren, chitini-
sirten und einer inneren, weichen, nicht chitinisirten Lage. Die
erstere ist aus übereinandergeschichteten Lamellen construirt, die
aus einer homogenen, festen und sehr dehnbaren Grundsubstanz mit
eingelagerten sogenannten Chitinfasern zusammengesetzt sind, die
letzere ist eine dünne, zarte, bindegewebige Membran, die grosse,
kernhaltige Zellen eingestreut hat, und deren homogene Intercellular-
snbstanz mit einer feinen Punktmasse wie besäet ist (Fig. 12^^, d).
Bei jenen Larven, bei denen es in der Beschreibung heisst, dass
ihre Haut mit rauher Oberfläche versehen ist, zeigt sich diees bei
etwas stärkerer Vergrösserung, so wie eine Schlangenhaut, ge-
feldert (wie in Fig. 1 und Fig. 24 «, «, «). Bei jenen Larven,
bei denen die Hauloberfläche glatt ist , zeigt diese bei starker
Vergrösserung ein feinwarziges Aussehen. Hautdrüsen konnte ich
Vergleiclieiide Anatomie iiiwi Physiologie der Üstriden-Larven. 415
eben so wenig entdecken , als ich mich üben- die Existenz der Poren-
canäle mit Bestimmtheit nicht aussprechen kann. loh sah wohl an
senkrechten Durchschnitten der äusseren Chitinhaut constant von
der äusseren gegen die innere Fläche derselben spiralig verlaufende
hellere Streifen und in einer auf dieser senkrechten Richtung sehr
feine, dunkle, nahe zu einander und parallel verlaufende Linien ziehen,
jedoch scheinen erstere an möglichst feinen Durchschnitten solide,
breite Chitinfasern, lelztere der Ausdruck der Cbereinanderschichtung
der chitinisirten Bindegewebs-Lamellen (Fasern) zu sein.
2. Die Muskeln zerfallen in die der Haut , des Schlundes
und der Eingeweide. Die ersteren sind entweder mit beiden End-
sehnen an die Haut befestigt, so dass sie sich zwischen je einem oder
dem zweiten Ringe immer wiederholen , oder sie sitzen blos mit einer
Endseline an der Haut fest und inseriren sich mit ihrem andern Ende
an Anfangs- oder Endtheilen der Eingeweide und zwar des Darm-
canals und des Rückengefässes. Erstere dienen zur Bewegung der
Haut und mit ihm des ganzen Körpers, letztere zur Vor- oder Rück-
wärtsbewegung des Anfangs- und Endstückes des Darmcanales
(Retrüctores wnA Attollentes Pharyngis et ani), oder zur Befestigung
des hinteren Theiles des Rückengefässes (M. alares). Die Muskeln,
die den Schlund in toto vorzustrecken oder zurückzuziehen im Stande
sind , gehen vom ersten und zweiten Ring nach hinten und innen
oder vom dritten und vierten Ring nach vorne und innen zum Schlünde.
Diese letzteren sind in der Regel die längsten und stärksten Muskeln
des ganzen Körpers und haben oft die Länge von fünf bis sechs Millini.
Die Ursache hievon scheint darin zu liegen, dass sie wahrscheinlich
das Meiste zum Sauggeschäfte beitragen, indem sie bei starkem An-
pressen des Mundes, durch kräftiges Einziehen der Schlundplatten
jenen napfförmig einziehen.
Unter eigentlichen Schlundmuskeln sind solche zu verstehen,
welche an den Schlundplatten entspringen und sich an anderen
Schlundtheilen oder an den Haken inseriren; sie sind demzufolge
bei Hypoderma-Lawen, wo die Haken fehlen, nur rudimentär ent-
wickelt. Die eigentlichen Eingeweidemuskeln reduciren sich auf
Kreis- und Längsfasern und dienen zur peristaltischen Fortbewegung
des Inhaltes.
Die Haut- und Schlundmuskeln sind längliche bandartige oder
cylindrische Körper, die innerhalb einer ebenso geformten Scheide,
4 1 ß S (■ li e i 1. (' r.
dein üusserenFerimisium, liegen. Die Primitivniuskeirasern ■•^ind (wie
in Fig. 2 A, a, a zu sehen ist) vorherrschend doppelt quergestreift,
d. li. es wechselt eine breitere Schichte dunkler, doppelbrechender
Substanz mit einer schmäleren ab, während beide durch gleich breite
Schichten einfachbrechender, lichter Substanz von einander getrennt
sind. Die schmäleren Querstreifen erscheinen stets etwas dunkler als
die breiteren. Ausnahmsweise findet man jedoch Muskelfasern mit
bald gleich breiten, bald gleich schmalen Querstreifen. Letztere haben
genau den Habitus der quergestreiften Muskelfasern , wie er bei Wir-
belthieren vorkommt. Es ist nämlich zu bemerken , dass bei der ge-
wöhnlichen Form von schmäler und breiter quergestreiften Muskel-
fasern diese nicht in sogenannten Primitivbiindeln angeordnet sind,
sondern in Form von grösseren Fascikeln innerhalb des äusseren
Perimisiums, neben einander angehäuft liegen. Es fehlt demnach
ein eigentliches Sarcolemma. Man sieht oft schon mit freiem Auge,
wie diese Fascikeln gesondert in die gemeinschaftliche Sehne, die
im Ganzen schmäler ist als der Muskelkörper übergehen. Das Peri-
misium schickt seine Fortsätze zwischen die einzelnen Fascikeln hinein.
Ich hatte Gelegenheit gehabt, einen Schlundmuskel bei einer
Cephenomyia-Li\\'\e , der sich an einen Haken festsetzte, zu unter-
suchen, der die Merkwürdigkeit darbot, dass die eine Hälfte desselben
aus Muskelfasern bestand, die die Beschaffenheit der doppelt quer-
gestreiften, sarcolemmafreien Muskelfasern, wie sie überall im Körper
der Oestrus-haryen vorkommen, zeigten, während die andere Hälfte
aus solchen bestand, wie sie beim Menschen und bei Wirbelthieren
vorkommen, nämlich mit gleich breiten Querstreifen und einem
Sarcolemma.
Endlich hat Herr Professor Wedl bei Cephenomyia -harven
Muskeln gefunden, deren Primifivfasern ihrer ganzen Länge nach
nur stellenweise quergestreift, im Übrigen aber glatt und homogen
waren (Fig. 2 B). Sie theilen in jeder anderen Hinsicht die Eigen-
schaften der gewöhnlichen Muskelfasern der OestruS'hwrven.
Die Sehnen sind sehr kurz, und bestehen aus starren Fasern
die unter einander unzertrennlich verwachsen sind.
Zwischen den Primitivmuskelfasern findet man bei allen Östriden-
Larven grosse bi- oder nuiltipolare Zellen eingebettet (Fig. 2^, 6, Ä),
die 1 — 3 Kerne und eine krümmliche gelbbraune Masse enthalten.
Sie sind Mos bei Gastrus-hdivven muUi-, bei allen anderen Larven-
Vergleichende Auiilumie und Physiologie der Ösliiden-F>aiven. 417
Gattungen bipolar, sind dort 0022 — 0-017 Millirn. gross und haben
mehr das Ansehen von Ganglienzellen, während sie hier viel grösser
und plumper sind, so dass man sie oft schon mit freiem Auge sehen
kann und verlieren dadurch den Habitus der genannten Zellen. Die
Verästelungen der Fortsätze kann man besonders gut bei Gastrus-
Larven verfolgen, wo die Längsfasern seitliche Äste absenden, die
mit anderen Seitenästen anastomosiren, und so ein Netzwerk um die
Zelle herum bilden (Fig. 2 A, b , b^, welches je weiter von der Zelle
weg, desto grossmaschiger wird, bis es endlich an das Fasernetz einer
anderen Zelle stösst und mit diesem anastomosirt. Merkwürdig ist der
regelmässige Verlauf der Längs- und Querfasern dieser Netzwerke,
in wie ferne jene meist mit der Längsaxe der Muskelfasern parallel
ziehen, während die Querfasern constant, entsprechend den schmä-
leren doppelbrechenden Schichten verlaufen (Fig. 2 A, c, c, c) , so
dass sie nicht selten in langen und regelmässig von einander abste-
henden Querreihen über den Rand einer Muskelfasergruppe hervor-
ragen. Dieses Hervorragen der Fasern c, c beobachtet man stets
entsprechend den schmäleren Querstreifen der Muskelfasern, über
die sie zugleich hinüberziehen.
Man hätte anfangs zweifeln können, ob man es hier mit peri-
pherischen Ganglienzellen oder mit Bind ege w ebs körper-
chen von kolossaler Grösse zu thun habe, aber nachdem es mir nie
gelang, Anastomosen mit dem peripherischen Nervensystem nachzu-
weisen, und seitdem ich sowohl die Lücken jener obgenannten, die
Zellen unmittelbar umgebenden Netze (Fig. 2 A, b, b) als auch die
Zwischenräume jener Faserreihen, die manchmal in querer Richtung
an den Rändern einer Muskelfasergruppo hervorstehend gesehen,
mit einer sehr zarten, hyalinen und mit einer feinen Punktmasse
besäeten Bindegewebsmembran ausgefüllt gesehen habe, so ist wohl
kaum mehr zu zweifeln , dassr man es mit Bindegewebskörperchen
von der grössten Dimension zu thun habe, deren Ausläufer Netze
bilden, die eine zarte structurlose Bindegewebsmembran durchsetzen.
Diese feine Membran breitet sich wahrscheinlich im Muskelkörper
nach allen Seiten aus, schickt Fortsätze zwischen die einzelnen Fas-
cikel desselben , und vertritt somit gleichsam als ein Perimismm
intermim das fehlende Sarcolemma.
Diese Membran ist ganz unabhängig vom PenrntsiVw externiim,
welches eine feste, hyaline Membran mit eingestreuten Kernen und
4 j 3 S c li e i I) p r.
einer Punktmasse darstellt. Nur jcwisclien dieser und dem Muskel-
körper sieht man Verästelungen von Tracheen und Nerven, wenig-
stens trifft man sie nie zwischen den Muskelfasern an. Über die
Endigungsweise der Tracheen und Nerven wird in den betreffenden
Capiteln gehandelt.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass ich die eben beschriebenen
Zellen nur in Weingeist- und in Weingeist-GIycerinpräparaten, aber
nie in frischen Muskeln, oder in solchen, die in blossem Glycerin
oder chromsaurem Kali oder einer Mischung von beiden aufbewahrt
wurden, sehen konnte. Sie kamen aber in Glycerinpräparaten als-
bald zum Vorschein, nachdem ich sie durch einige Tage in Wein-
geist liegen Hess.
II. Das Nervensystem.
A. NerTcnsystem Ton (rastrus equl.
Der allgemeine Typus, nach welchem das Nervensystem der
Gliederthiere gebaut ist, ist bekanntlich der, dass an der Bauchseite
des Thieres zwei sehr nahe an einander gestellte, parallele Stränge
sich vorfinden die stellenweise gangliöse Anschwellungen zeigen;
letztere sind paarig mit einander verwachsen. Die zwei vordersten
Ganglienpaare stehen zum Ösophagus in dem Verhältnisse, dass
das eine oberhalb (^G. supraoesophageale) , das andere unterhalb
(G. infraoesophageule) desselben zu liegen kommt, während beide
mittelst einer zu beiden Seiten des Ösophagus herablaufenden Com-
missur mit einander verbunden sind (Schlundring). Der Schlundring
liegt in der Regel im ersten Leibesringe (Kopf); vom Gangl.
infraoesophageale gehen die zwei Commissuren des Bauchstranges
aus. Regel ist, dass so viele Ganglien als Leibesringe vorhanden
sind; doch erleidet dieselbe vielfache Ausnahmen, und die Reduction
der Zahl der Ganglien ist, wie wir gleich sehen werden, oft eine
sehr bedeutende.
Leon Dufour i) hat in der ganzen Ordnung der Dipteren jene
Ausnahmsregel nachgewiesen, dass die doppelte Commissur des
1) Anatomie generale des Dipteres (Ann. d. sc. nat. 3. Serie I, p. 244). Recherches ana-
tomiques et phys. stir les Dipteres. (Memoires presentes par divers savants a' 1' Aca-
demie d sciences.) Seien, mathem. et phys. t. XI.
VerglelchPiule Anahmiie uiid Physiologie der Ösliiden-Larven. 419
Bauchstranges in eine einfache verwachsen ist, und dass die Zalil
der Bauchganglien innerhalb einer gewissen Reihenfolge bei den
einzelnen Familien eine allmähliche Reduction erleidet, so dass die
Endglieder dieser Reihenfolge, die Museiden und Östriden,
blos ein Ganglion besitzen i).
Bei den Larven der letztgenannten Familie, mit denen wir uns
eben beschäftigen, hat nicht nur eine Concentration des Bauchstran-
ges zu einer einzigen Bauch markmasse stattgefunden, sondern es
wird theils durch Mangel eines eigentlichen Schlundringes, theils
durch das Auftreten eigentliümlicher Ganglien, die bald aus der Mark-
masse unmittelbar hervorgehen, bald im peripherischen Nervensystem
eingeschaltet sind, der Urtypus des Nervensystems der Gliederthiere
so sehr entstellt, dass es schwer ist, in den hier vorfindigen ein-
zelnen Bestandtheilen des Nervensystems die analogen Gebilde anderer
Gliederthiere aufzufinden. Wir werden im Allgemeinen, um uns im Ver-
laufe der Beschreibung des Nervensystems leichter zu orientiren, die
Bauchmarkmasse als Hauptgan glion und alle übrigen zum Central-
nervensystem gehörigen Ganglien als Nebenganglien bezeichnen.
Die letzteren werden wieder im Verlaufe der Beschreibung beson-
dere von den verschiedenen Umständen entlehnte Xamen erhalten.
Schröder van der Kolk ^) beschreibt bei Gastrus eqiii ein
birnförmiges Hauptganglion (Fig. 3 «), das mit seinem breiteren
Ende nach vorne, mit seinem stumpf zugespitzten Ende nach hinten
in der Gegend des dritten Körpersegmentes gelegen ist, und in seiner
oberen Hälfte ein Loch hat zum Durchgange des Ösophagus (p).
Vom Hauptganglion strahlen die Nerven nach allen Seiten des Kör-
pers in die Musculatur, zur Haut, zum Schlünde, u. s. w. aus. Nebst
mehreren feineren Nervenfäden die zum Schlünde (c) laufen, zeichnen
sich vier derselben durch besondere Mächtigkeit aus, von denen zwei
(ö?, d) (die im Präparate zur Seite gelegt und so gezeichnet wurden)
zu an der Bauchseite des Schlundes gelegenen, flachen, herzförmigen,
im frischen Zustande höchst durchscheinenden Ganglien (f, f) an-
schwellen, welche an ihrer inneren Seite miteinander verwachsen
sind, und nach Schröder van der Kolk Schlundganglien
') Die Cullcinen, Tipularien, Asylier und Bombyiier halten 9Gang^lien; die Tabanitlen,
Stratiomyden, Thereviden und Leptiden 7, die Syrphiden 3, Conopier 2 und die
Museiden und Östriden 1.
') Memoire sur 1' Anatomie et Physiol. de Gastrus equi. Amsterdam 1843, p. 12a.
420 S c h e i b e r.
heissen. Vor der Bildung dieser Ganglien geben die zwei betreffen-
den Nerven eonstant einen Ast (</, g) ab. Aus der vorderen Peri-
pherie derSehlundganglicn gehen drei dicke, einfache Nervenstärnme,
nicht aber, wie Schröder van der Kolk angibt, drei Büschel von
Nerven aus , von denen die zwei seitlichen {h, h) sich ganz gleich
verhalten, während der mittlere (i) ein von diesen abweichendes
Verhalten darbietet. Jene nämlich zerfallen zunächst in zwei starke
Zweige, und lösen sich durch weitere Verjüngung in ihre feinsten
Verzweigungen auf, welche theils mit denen von (</, ^), theils mit
denen anderer benachbarter Nerven anastomosirend, sich ausschliess-
lich als Rami miisculares in den Muskeln des ersten und zweiten
Ringes auflösen; sie schicken keine Zweige zu den eigentlichen
Schlundmuskeln, d. h. zu jenen, die am Schlünde entspringen und
auch daselbst endigen. Der mittlere Nervenstamm (i) stellt ein breites
bandförmiges Gebilde dar, welches die gewöhnliche Nervenstructur
zeigt und ohne Zweifel aus Verwachsung von zwei Nerven hervor-
gegangen ist. Dieser Nerv ist kurz, astlos, und heftet sich einfach
ohne breiter oder schmäler zu werden an die innere Zellmembran
der Haut an, in welcher man die filamentösen Ausstrahlungen des-
selben eine Strecke weit verfolgen kann.
Die anderen zwei der oberwähnten vier Nerven {e, e) haben
zwischen sich das Kopfende des Rückengefässes (k) liegen, mit
welchem sie in ihrer oberen Hälfte verwachsen sind und sich, ohne
irgend einen Ast abzugeben, in den Schlundmuskeln verlieren. Wenn
man diese Nerven gegen das Hauptganglion hin verfolgt, so findet
man, dass sie nicht unmittelbar von diesem , sondern von zwei gan-
gliösen Massen (/, Z) ausgehen , die am vorderen breiten Umfange
des Hauptganglions so aufsitzen , wie die zwei Vorkammern auf den
Kammern eines Herzens. Wenn man diese gangliösen Massen etwas
genauer untersucht, so findet man, dass jede drei nervenartige Fort-
sätze besitzt, einen vorderen, einen hinteren äussern und einen hin-
teren innern. Die zwei letzten, von denen der hintere innere mit dem
der andern Seite verwachsen ist, stehen mit dem Hauptganglion in
Verbindung; die vorderen Fortsätze gehen direct in die Nerven-
stämme {e, e) über. Schröder van der Kolk scheint diese Gan-
glien in seiner Abbildung') angedeutet zu haben, erwähnt aber
•) L. c. Tai. XI, Fig. 2.
Veryleiclieiiilo Anatomie und Pliysiologie der Öslriilen-Larven. 42 t
nirgends etwas davon. Es war nothwendig hier auf die näheren Ver-
hältnisse dieser Ganglien einzugehen, da sie als analoge aber hier
nur rudimentäre Gebilde der bei andern Larvengattungen in kolossaler
Weise entwickelten „appendiculären" Ganglien anzusehen sind ').
An der Rückenfläehe desHauptganglions erhebt sich die Nerven-
inasse desselben zu einem Ring (m), durchweichen das Rücken-
gefäss von hinten zum Schlünde zieht. Dieses Ganglion hat eigent-
lich keine Ritigform, sondern die eines Parallelogramms, durch dessen
lange Schenkel zwei Tracheen («, ri) zum Hauptganglion ziehen,
und dessen kurze Schenkel (hier ist nur der freie nicht am Haupt-
ganglion anliegende (ni) zu sehen) dadurch entstehen, dass die
Nervenmasse der langen Schenkel sich an beiden Enden verdickt,
und von beiden Seiten her verwächst. Durch den freien gegen die
Rückenseite des Thieres gerichteten, kurzen Schenkel (ni) zieht
ebenfalls eine kurze Trachee , welche die der langen Schenkel mit
einander verbindet. Ausnahmsweise findet man keine direct com-
municirende Trachee im kurzen Schenkel, sondern die in die langen
Schenkel eintretenden zwei Tracheen zerfallen sogleich in vielfache
Verzweigungen, welche im kurzen Schenkel eine indirecte Anastomose
zu Stande bringen.
Schon Schrö der van der Kolk ^j beschrieb dieses Gang-
lion sehr gut und fasste es ganz richtig als sogenanntes Herzgang-
lion (^G. cardiaque) auf, obwohl er blos vermuthete, dass es Nerven
an das Rüekengefäss abgebe. Man kann sich aber von ihrem Dasein
stets überzeugen, wenn man die langen Schenkel so auseinanderzieht,
dass der kurze (ni) reisst. Man sieht dann von den inneren Flächen
der langen Schenkel zwei kurze aber ziemlich starke Nerven zum
Rüekengefäss ziehen, durch welche dieses im Ringganglion fixirt
wird. Andere Nerven gehen bei Grts^rws - Larven von diesem Gang-
lion nicht ab; bei allen übrigen Larvengattungen jedoch sendet das
Herzganglion noch einen Nervenstamm zum Magen, der bei Gastrus-
Larven seine Nerven ausschliesslich vom Hauptganglion bezieht.
•) Ich führte diese Benennung anfangs bei Hypoderma-Lavyen ein, wo ich ihre eigentliche
Bedeutung kennen lernte, und wo sie wirklich wie die Flügeln eines Insectes dem
Hauptganglion anhängen ; später dehnte ich sie auch auf die analogen Gebilde aller
übrigen Larvengaitungen aus.
-) L. c. j). in.
422 S c li <■ i 1. e r.
Ausser den bisher erw ahnten Nebciiganglien habe ich noch zwei
ganz gleich gebaute Ganglien (o, o) gefunden, welche nach vor- und
seitwärts vom Hauptganglion liegen und daher Seitenganglien
genannt werden mögen. Sie werden von zwei Nerven gebildet, welche
vom Hauptganglion nach vorn und aussen ziehen und vor ihrer
Anschwellung einen Nervenzweig (Ramus muscularis) absenden.
Die Ganglien selbst sind membranartig flach, durchscheinend, zart,
herzförmig und an der Basis (o) in zwei Nervenstämme auslaufend, von
denen der innere beträchtlich breit, bandartig und astlos erscheint, und
sich an die innere, nicht chitinisirte Membran inserirt (Nervus cuta-
neusj; der nach aussen liegende ist schmäler, verzweigt sich viel-
fach und löst sich ausschliesslich inMuskeln üuf (Nervus .nuscularis) .
— Aus dieser Beschreibung, so wie aus der Ansicht der Figur wird
es klar, dass das Schlundganglion nichts anderes ist, als zwei mit
einander verwachsene Seitenganglien, die nur einen anderen Ver-
ästelungsbezirk haben.
B. Nervensystem der Hypoderma-Larven.
Nachdem wir uns bei Gastrus equi mit dem Grundtypus , nach
welchem das Nervensystem der Bremsen- Larven im Allgemeinen
gebaut ist, näher bekannt gemacht haben, gehen wir nun zur
Beschreibung des Nervensystems der Hypoderma-^hiwven über, bei
welchen sich die Ganglien durch besondere Plumpheit und Mächtigkeit
von denen anderer Larven-Gattungen auszeichnen. Bei Hypoderma-
Larven erreicht das Nervensystem die grösste Complicirtheit. Die
sonderbaren Formen und die grosse Menge der hier vorkommenden
Nebenganglien, so wie das Umlagertsein des Centralnervensystems
von anderen Gebilden, die weiter unten als Trachealganglien
beschrieben werden, und deren einige in Bezug auf Form und Grösse
gewissen Ganglien des Centralnervensystems vollkommen gleichen,
sind Bedingungen, die mir anfangs das Verständniss der Verhältnisse
der einzelnen Theile so sehr erschwerten, dass es mir nur erst nach
vieler Mühe möglich war, mir ein klares Bild über dieselben zu
verschaffen.
Wir haben auch hier zunächst ein birnförmiges Hauptganglion
(Fig. 4 a), das aber wegen verhältnissmässig grösserer Kürze des
Schlundes und Ösophagus, der auch hier dasselbe durchbohrt, im
Körper viel weiter nach vorn liegt als bei Gas^ms- Larven. Es ist
Vergleichende Anatomie und Physioloorie der Östriden-Larven. 423
im Verhältniss zu seinen Nebenganglien auch bedeutend kleiner und
sendet daher weniger Nervenfäden aus, als bei Gastrus -Larven,
welches Verhältniss jedoch durch die Mächtigkeit der Nebenganglien
componsirt zu sein scheint.
Auf der Rückenfläche des Hauptganglions (Fig. 6 c) <) ruhen
zwei kugelrunde, gangliöse Körper (Fig. 5 und 6 a, d) auf, die mit
demselben und unter einander so verwachsen sind , dass zwischen
ihnen ein dreieckiger Canal (Fig. 6 d) übrig bleibt, durch welchen
meist der Ösophagus durchzieht, wenn dieser nicht, wie dies bei
den Hypoderma- Larven nur ausnahmsweise geschieht, das Haupt-
ganglion in seiner vordersten Partie durchbohrt. Diese kugeligen
Körper gehen nach aussen in zwei grössere von beiden Seiten her
platt gedrückte gangliöse Massen (Fig. ö und 6 b, b) über, von
denen sie durch eine tiefe Einschnürung getrennt sind, und von
aussen und oben her mehr weniger bedeckt werden. Ich nenne diese
vier Körper appendiculäre Ganglien, von denen die ersteren
die iimeren, die letzteren die äusseren genannt werden mögen.
Die äusser.'n appendiculären Ganglien sind an ihrer Basis breit
und flach gedrückt, mit einer inneren concaven, den inneren appen-
diculären Ganglien genau angepassten, und einer äusseren convexen
Oberfläche versehen; dann gehen sie allmählich in einen cylindrischen
Fortsatz über (Fig. 5 b, b), welcher sich, ohne einen Ast abzugeben,
an den Schlund (c) befestigt. Zwischen dem breiten Theil der äusseren
appendiculären Ganglien liegt die Basis des hier dreieckigen Ri ng-
ganglions (e), zwischen dem sehmalen cylindrischen Theil der-
selben verläuft dasRückengefäss (d), welches sogar mit diesen Fort-
sätzen theilweise verwachsen ist und sich mit denselben in derMuscu-
latur des Schlundes spurlos verliert. — Das dreieckige Herzganglion
ist mit seiner Spitze in jene Furche , welche zwischen den inneren,
kugeligen, appendiculären Ganglien durch ihre gegenseitige Berührung
entstanden ist, in schiefer Richtung so eingesenkt, dass sie etwas
nach hinten sieht (Fig. 5 e). Man wird aus dem Gesagten leicht
einsehen , warum von der Rückenseite des Thieres betrachtet die
1) Die Fig. 0 stellt die schematische Zeichnung eines senkrechten Querschnittes
durch das Hauptg-an^lion und die beiden ap|iendiculSren fiangflien dar, um das
wirkliche Verhältniss des Uauptgangliou zu den inneren appendiculären Ganglien und
das der inneren zu den von ihnen ausgehenden äusseren zu zeigen, Was in Fig. 3
nicht möglich war.
424 S c h e I b e r.
inneren appendiculären Ganglien, einen kleinen Theil ihrer hinteren
Peripherie ausgenommen, gar nicht gesehen werden können. Sie
werden nämlich von aussen her durch die äusseren appendiculären
Ganglien, von oben her sowohl durch diese, als auch durch das Herz-
ganglion und das Rückengefäss bedeckt. Die hintere Peripherie ist
grösstentheils frei (Fig. 5 «) und nur nach innen sind sie etwas
durch das Rückengefäss und das Herzganglion gedeckt. Um endlich
das Hauptganglion von der Rückenseite zu sehen, muss man nicht
nur die Organe, welche die inneren appendiculären Ganglien ver-
decken, sondern auch sie selbst entfernen. Von der Bauchseite her
ist (wie aus Fig. 4 zu ersehen) von den inneren appendiculären Gang-
lien gar nichts, von den äusseren nur die äusserste Peripherie des
breiten Antheiles derselben (Fig. 4 b, b) sichtbar.
Die inneren appendiculären Ganglien senden 1. einen Nerven-
stamm zum Schlünde, welcher aber nur dann sichtbar ist, wenn man
von der Bauchseite aus das Haupt- und Schlundganglion und den
hinter diesen verlaufenden Ösophagus wegnimmt; 2. einen Nerven
zum Herzganglion, wie dies weiter unten noch erwähnt wird. Ausser-
dem tauschen diese Ganglien wahrschernlich ihre Nervenfibrillen
gegenseitig mit dem Hauptganglion und den äusseren appendiculären
Ganglien aus, da sie allein zusammen das Hauptganglion an Grösse
übertreffen.
Von den äusseren appendiculären Ganglien gehen nirgends
eigentliche Nerven ab, sondern es sind jene blos mit ihrem hinteren
Antheile durch eine kurze schmale Brücke mit den inneren appen-
diculären Ganglien in Verbindung (wie dies in Fig. 6 zwischen «
und b zu sehen ist), und nach vorne setzt sich die Ganglienmasse in
Form eines länglichen Fortsatzes bis zur Schlundmusculatur fort;
sie hängen auch mit dem Endstücke des Rückengefässes zusammen.
— Es fragt sich nun, was ist die Bestimmung dieser kolossalen Gang-
lienmassen? Wir haben bei Gastrus equi gesehen, dass die appen-
diculären Ganglien ihre Fibrillen tlieilweise zum Rückengefäss und
hauptsächlich zur Schlundmusculatur senden. Wir haben im Grunde
auch hier dieselben Verhältnisse. Ohne Zweifel sind die äusseren
und inneren appendiculären Ganglien nichts anderes als eine zusam-
menhängende Kette einer und derselben Ganglienformation, die ihre
Filamente vielleicht auch theilweise zum Hauptganglion, hauptsäch-
lich aber zum Rückengefäss und zur Schlundmusculatur sendet.
Verg^leiclipiidp Aniifomie iiiid IMiysiolog'ip der Östriden-Larven. 4-2 5
Wir werden beim Nervensystem der übrigen Larven-Gattungen
noch Gelegenheit haben zu sehen, dass überall dort, wo das Haupt-
ganglion sehwach ausgebildet ist , die appendiculären Ganglien um
so stärker entwickelt sind; wir werden ferner überall sehen, dass
sich die appendiculären Ganglien mit dorn Endstück des Rücken-
gefässes direct und mit derMusculatur des Schlundes bald in directer,
bald in indirecter Weise in Verbindung setzen. Es kann also nicht
gezweifelt werden, dass die genannten Organe von den appendicu-
lären Ganglien Nervenfibrillen erhalten. Nur scheint es etwas paradox
zu sein, dass es hier nicht zur Bildung von eigentlichen Nerven
gekommen ist, die zum Schlünde u. s. w. gehen sollten. Es kommt
aber bei der Innervation eines Organes nicht darauf an, dass mit der
Nervenßbrille oder mit dem Axencylinder auch zugleich ein Neu-
rilem zu dem Organ gelange, da dieses hlos als Scheide und Weg-
weiser für eine gewisse Anzahl von Fibrillen dient, damit diese unbe-
schadet ihrer Integrität und Function durch weite Strecken hindurch
an ihren Bestimmungsort anlangen mögen. Wo aber die Gangiien-
masse selbst sich unmittelbar bis zum betreffenden Organ fortsetzt,
braucht es nicht erst zur Bildung von Nerven zu kommen, um das-
selbe zu innerviren. — Wir werden übrigens im Verlaufe dieses
Capitels noch einigemal auf diesesThema zurückkommen, undmehrere
Beispiele einer unmittelbaren Innervation der Organe vor uns haben.
Was nun die Nervenvertheilung des Hauptganglions selbst
anlangt, so treten von der vordersten Peripherie desselben zwei dicke
Nervenstämme zur Bauchseite des Schlundes, um dort H-förmig zu
anastomosiren und sich in der umgebenden Haut und Musculatur auf-
zulösen. Von der seitlichen Peripherie treten jene dicken, kurzen
Nerven ab, welche die zu einem Körper verwachsenen Schlund-
ganglien bilden (Fig. 4 c). Auf diese kommen wieder zwei lange
und starke Nerven , die nach aussen und vorn ziehen und sich in
Nervi cutanei und musculares auflösen. Nach diesen entspringen
jene kurzen und dicken Stämme , welche die Seitenganglien (d)
bilden. Dann entspringen 9 — 10 Paar Nerven, die sich als Nervi
cutatieinnÄ musculares in der mittleren und hinteren Körperpartie
auflösen. Das letzte Nervenpaar, welches von der Spitze des Haupt-
ganglions entspringt, geht in geraderRichtung nach hinten, versorgt
die Theile um Aqw Anus und setzt sich in Verbindung mit dem weiter
unten zu beschreibenden Rectalganglion. — Wir Mollen nun
426 S c h e i b e r.
die übrigen Nebengariglien (Herz-, Schlund- und Seitenganglien)
näher in Betracht ziehen.
Das Herzganglion (Fig S e) hat bei Hypoderma-L^ivyen,
M'ie schon erwähnt, die Form eines dreieckigen Rahmens, durch
dessen Schlitz das Rückengefäss (</, d) von hinten nach vorn zieht.
Die Basis des Ganglions ist gegen den Rücken-, die Spitze gegen die
Bauchseite gekehrt. Das Herzganglion setzt sich sowohl mit den
beiden kugeligen appendiculären Ganglien als auch mit dem Hauptgang-
lion in Verbindung, mit jenen durch zwei Nerven, welche von den
Basalecken des Herzganglions zu denselben ziehen, mit diesem durch
zwei sehr kurze aber dicke Nerven, welche von den zwei Seiten-
schenkeln das Ganglions an beiden Seiten des Ösophagus zum
Hauptganglion treten.
Aus diesem Befunde ist nun zu ersehen, dass auch das Herz-
ganglion eigentlich nach Art der übrigen Ganglien aus zwei vom
Hauptganglion abtretenden Nerven ^sog. Nervi cardiaci) dadurch
entstehe, dass sie zu Ganglienformen anschwellen, welche, wenn
sie (wiez. ß. die Schlundganglien) mit einander verwachsen, die mehr
weniger ausgesprochene Ringform geben. Bei Gas^rMS-Larven, wo der
Rahmen ein Viereck darstellt, sind in der Regel diese zwei Nerven
des Hauptganglions so kurz, dass es den Anschein hat, als käme die
Ganglienmasse unmittelbar aus dem Hauptganglion hervor. Indessen
findet man auch zuweilen Ausnahmen von dieser Regel, wo nämlich
das viereckige Ganglion für sich selbstständig und schwebend
gefunden wird, und wo nur der untere kurze Schenkel durch vier
Nerven (zwei äussere dickere, und zwei innere dünnere) mit dem
Hauptganglion in Verbindung steht. In Bezug des Umstandes dass
bei Hypoderma-Lsirvea das Herzganglion auch mit den appen-
diculären (inneren) Ganglien mittelst zweier Nerven verwachsen ist,
nmsshierjener Befund erwähnt werden, wo zuweilen blos diese Nerven
vorbanden sind, während diejenigen, welche das Herz mit dem
Hauptganglion in Verbindung setzen, fehlen.
Wie bei Gastrus-hiwven, so gehen auch hier von den Körper-
Tracheenstämmen Fig. 5. (f, f) zwei dünne Tracheen g, g zum
Herzganglion, welche im Querschenkel desselben anastomosiren und
durch die Nerven, welche das Herzganglion mit den inneren appen-
diculären Ganglien verbinden, in diese eintreten. Die etwas verdickte
Spitze des Herzganglions verlängert sich zu einem Nervenstamm,
Ver»leicheii(lp Anatomie und Physiologie der Östriden-Larven. 427
welcher mit einem andern schwächeren, vom Hauptganglion kom-
menden sich zum sogenannten iVi?rm<s^as^ncMS verbindet, um zum
Magen zu treten (dieser Nerv ist in Fig. 5 vom Rückengefäss
bedeckt und daher nicht sichtbar). Vom Halbirungspunkto des Quer-
schenkels des Herzganglions geht ein feiner und kurzer Nerv nach
vorn, um an das vom Herzganglion hervortretende Rückengefäss zu
treten, und sich an demselben zu verlieren.
Vom Herzganglion treten demnach folgende Nerven ab : l. Zwei
paarige Nerven zum Hauptganglion, 2. zwei paarige, von Tracheen
durchbohrte zu den inneren appendiculären Ganglien , 3. ein un-
paariger zum Magen, 4. ein unpaariger, feiner zum Rückengefäss, und
endlich 5. zwei kurze, starke Nerven, welche von der inneren Fläche
der zwei Seitenschenkel zu dem eben zwischen ihnen durchlaufenden
Rückengefässe ziehen.
Was die Seiten- und Schlundganglien (Fig. 4 cd, d)
der Hypoderma-Lsivven anlangt, so bieten diese im Vergleiche zu
anderen Ganglien dieser Larven und zu den correspondirenden von
Gastriis eqni ein so fremdartiges Aussehen dar, dass wenn nicht der
histologische Refund und die analogen Verhältnisse, unter denen sie
vorkommen, dafür sprechen würde, man sie nicht nur nicht für die
benannten, sondern überhaupt gar nicht für Ganglien halten möchte.
Der drüsenartige Habitus, den sie besitzen, und namentlich der
Umstand, dass sie von einer grösseren Anzahl ganz gleich gebauter
Körpei- umgeben sind (wie dies in Fig. S zu sehen ist, wo blos
zwei auf jeder Seite h, h, h, h und zwar von der Rückenseite aus
gezeichnet sind), machte wirklich im ersten Augenblicke die Idee von
Ganglien höchst zweifelhaft, da man sich auch denken könnte, dass
der zu diesen Körpern vom Hauptganglion hintretende Nerv der
betreffenden Drüse angehöre, und man den Zweck einer so grossen
Ganglienmenge nicht leicht begreift. Der histologische Refund
jedoch behebt jeden Zweifel, und spricht entschieden dafür, dass
wir es mit Ganglien zu thun haben.
Diese Nebenganglien sind birnfcirmige, plumpe Körper, die mit
ihrem breiten, kugelig abgerundeten Ende nach hinten, mit ihrem
von oben und unten flachgedrückten, schnabelförmigen Ende nach
vorne sehen. Sie liegen an der Rauchseite , und zwar wegen der
Kürze der zu ihnen tretenden Nerven so nahe an einander, dass sie
nicht nur die ihnen angehörigen Nerven, sondern auch das Haupt-
Sit/.li. .1. mathdn.-natiirw. Cl. XLI. Bd. Nr. It!. 29
428 S r h e i h p r.
ganglioii selbst grössleiitlieils betlecken; man muss sie mit Nadeln
auflieben, wenn man die Ansicht von Fig. 4 zur Ansicht bekommen
will. Der vom Hauptganglion zu ihnen tretende Nerv theilt sich in zwei
Äste, in einen schwäcliern, der sich in Muskeln verliert, und in einen
stärkern, der eigentlich ins Ganglion eintritt.
Aus dem Seitenganglion (Fig. 4 d, d) treten an ihrem vorderen,
schnabelförmigen Ende mehrere Nerven aus. Einer von ihnen, und
zwar der stets zu innerst gelegene, ist immer der breiteste, fast
bandförmig, und inserirt sich, ohne einen Ast abzugeben, an die irmere
Membran des äusseren Integumentes (^Nervus cutaneus), die äusseren
sind immer 2 — 3 an Zahl, schwächer und cylindrisch, und verästigen
sich vielfacli, um sich als Rami musculares aufzulösen.
Bei Hypoderma Diana und bei der Hypoderma-\jdx\'& von
Capra Aegagrus sind diese Ganglien viel schlanker und weniger
plump gebaut, und der von dem Hauptganglion zu ihnen tretende
Nerv ist nicht so kurz, dass sie eng am benannten Ganglion anliegen
möchten, sondern fallen von diesem ziemlich weit nach vorn. Auch
sind die umliegenden Trachealganglien von geringer Anzahl und kleiner
gebaut, haben aber immerhin dieselbe Form und Construction, wie
bei den übrigen Uypodenna'hür\en.
Die Seiten- und Schlundganglien sind keine einfach soliden
Körper, sondern bestehen aus einer membranartigen Hülle und einem
gangliösen Kern, mit der vorläufigen Bemerkung jedoch, dass die
Hülle dieselbe gangliöse Structur zeigt, wie der Kern. Die Kapsel
ist nicht allseitig geschlossen, sondern ist stets an der oberen oder
an einer Seitenfläche in einer mit der Längsaxe des Ganglions
parallelen Richtung aufgeschlitzt, so dass man sie wie die Tafeln
eines Buches aufklappen und dadurch den isolirt in ihr gelegenen
Kern sichtbar machen kann. Der Schlitz reicht nach vorn bis zum
Halse des Gangiienkörpers, nach hinten bis zur hintersten Peripherie
desselben. Der Kern ist mit der Kapsel nur an jener Stelle ver-
wachsen, wo der Nerv in das Ganglion eintritt, also an der unteren
Fläche desselben; es tritt nur ein Theil des Nerven in den Kern,
ein anderer Theii in die Hülle ein. Die Hülle ist an der unteren
Fläche am dicksten, und schärft sich gegen die Ränder hin zu.
Der Kern selbst hat die Gestalt eines liegenden Kegels von
nicht ganz regelmässiger Form, indem die Rückenseite der Kegel-
ttäche kürzer ist als die Bauchseite. Der horizontale Durchschnitt
Vergleichende Anafoiriie niul PhysioloRie der Üstrideu-Larven. 429
eines derarfigen Seitenganglions (Fig. 7) weist nach, dass die
Kegelfläche des Kernes (6, b) Einschnürungen zeigt, dass also der
Kern aus Segmenten besteht, die gegen die stumpfe Spitze hin immer
kleiner werden. Die einzelnen Segmente werden gebildet von eine
Höhlung einschliessenden Scheiben mit durchlöchertem Centrum.
Durch die Axe des Kegels zieht der Nerv {c, c), der gegen das
letzte Segment hin immer dünner wird. Er setzt sich mit den Scheiben
der einzelnen Segmente in Verbindung und heftet sich endlich ;in die
innere Fläche des kiippelförn)igen letzten Segmentes (b) an. Da,
wie oben gesagt wurde, die Rückenseite des Kegels kürzer ist
als die Bauchseite (was natürlich im horizontalen Durchschnitt, in der
Fig. 7 gezeichnet ist, nicht angedeutet werden konnte), so wird
das erste und breiteste Segment mit seiner Fläche nicht direct
nach hinten, sondern nach hinten und unten sehen, es wird demnach
der an der Basis des Kegels eintretende Nerv blos nahe dem Mittel-
punkte der ersten Scheibe in diese eindringen; das ist die Ursache
dass der Schnitt den Nerven nicht bei (J), sondern erst bei d'
getroffen hat.
Der in das Ganglion eintretende Nerv (Fig. 7 c) schickt einen
Theil seiner Fibrillen in den Kern hinein, der andere Theil strahlt in
der Hülle aus, welche am Halse des Ganglions f niclit mehr hohl,
sondern solid ist. Der Antheil des Nerven, der in den Kern eindringt,
gibt seine Fibrillen an die einzelnen Segmente ab, und erhält wieder
von diesen neue, die mit ihm bis zur Verwachsungsstelle des Kernes
mit der Hülle, und von da aus zu den am Halse des Ganglions aus-
tretenden Nerven {e, e, e) gelangen. Die in der Hülle entstehenden
Nervenfibrillen sammeln sich ebenfalls am Halse des Ganglions, um
sich auch auf die austretenden Nerven zu vertheilen.
C. Nervensystem der CepheDomyia-LarveD.
Das Nervensystem der Cepkenomyia-LtirYen nähert sich in jeder
Beziehung mehr dem der Gastrtis-Laiveu, obwohl es auch hier nicht
an Eigenthümlichkeiten fehlt. Das Hauptganglion (Fig. 8 «) ist hier
verhältnissmässig stark entwickelt, und spielt ebenso eine über-
wiegende Rolle über das Nebengangliensystera, wie dies bei
Gnstrus-Lurven ersichtlich war. Es liegt weiter nach hinten, wie bei
l/ypodernia-L'dTven, weil auch hier der Schlund und Ösophagus,
der ebenfalls das Hauptganglion durchbohrt, eine bedeutendere
29*
430 S P h e i !> 0 r.
Länge haben. Das Hauptganglioii hat eine längliche Gestalt, mit
hinterem etwas zugespitztem Ende, und ist dort wo das mittlere
Drittheil in das vordere übergeht . bei (6) knieförmig gebogen,
so dass das breitere Ende nicht direct nach vorn, sondern gegen die
Rückenseite des Thieres gewendet ist. Es besteht also das Haupt-
ganglion aus einem längeren, horizontalen und einem kürzeren, senk-
rechten Theil; dieser letztere enthält das Loch für den Ösophagus,
und setzt sich mit dem Herz- und denajjpendiculären Ganglien in Ver-
bindung, während der erstere Theil alle Nervenstämme des Körpers
abgibt.
Von der convexen Seite des Kniees gehen die durch ihre Dicke
sich von allen anderen Nerven auszeichnenden vier Stämme ab, die
die Schlund- und Seitenganglien bilden. Diese geben auch, so wie
bei den anderen Larvengattungen, vor der gangliösen Anschwellung
einen Nebenast ab, der bei C. picta in seinem Verlaufe noch zu
einem länglichen, kleinen Ganglion (jt) anschwillt, welches sich mit
dem Ramus muscularis je eines Seiten- oder Schlundganglions (</, ß)
in Verbindung setzt. Diese letzteren sind keine soliden , sondern
flächenhaft ausgebreitete Körper, wie bei Gasfrus-Liwven und unter-
scheiden sich bei C. picta in Bezug ihrer Grösse und äusseren Form
wesentlich von denen bei C. rufibarhis. Bei diesen sehen die Seiten-
und Schlundganglien (Fig. 9) fast ganz so aus, wie bei Gastrus equi
(Fig. 3 f, f), nur ist die Figur etwas schmäler und verhältnissmässig
mt^hr in die Länge gezogen. Die seitlichen Rami musculares gehen
unter einem mehr spitzen Winkel vom Ganglion ab , der R. cutaneiis
ist breiter, und die Ganglien selbst sind mehr mit einander ver-
schmolzen. Der zweite Contour am äusseren Rande ^gv R. musculares
deutet eineTrachee an, die im R. muscularis der Seiten- und Schlund -
ganglien aller Larvengattungen gesehen wird 9-
Bei C. picta sehen diese Ganglien ganz anders aus (wie in
Fig. 8 d, d, c zu sehen ist). Die Ganglien sind hier sehr klein,
welches Verhältniss jedoch dadurch compensirt zu sein scheint, dass
der Nebenast des anschwellenden Nerven, wie schon oben erwähnt
^) Diese Trachee stammt immer von einer Anastomose des einen oder andern Astes des
Ramus extermis seil muscularis der Seiten- und Schlundganglien mit einem der nächst
lieg-enden Trachealganglien her; es geht nämlich in jedes Traehealganglion eine
lietriichtliche Trachee ein, die dann mit dem anastomosirenden Nerven einen Ast in
das betrell'ende Seilen- odei- Sclilundgannlion sendet.
Vergleicheude Aiintuiuie tiuil l'liysiuloifie der Üslii(li'ii-L:ii\eii. 4-3 1
wurde, ein Ganglion d, bildet, welches sich mit dem R. muscularis
je eines Seiten- und Schlundganglions verbindet, ein V^erliältniss,
welches bei keiner andern von mir untersuchten ßremsenlarve vor-
kommt. Bei den Seitenganglien {d, d) gehen von der Anschwellung
zwei Fortsätze unter einem Winkel von fast 90» aus; der äussere
(/3) geht in der Richtung des eintretenden Nerven vom Ganglion ab,
setzt sich zuerst mit der oberwähnten Anschwellung {(l) in Ver-
bindung, verästigt sich dann (R. muscularis) und anastomosirt mit
einem Aste eines in der nächsten Umgebung gelegenen sogenannten
Trachealganglions. Der innere, unverästigteNerv (d) geht vom Gang-
lion unter einem rechten Winkel ab, und inserirt sich einfach an der
inneren Membran der Haut (R. cutaneiis).
Die Schluiidganglien {c) senden drei Fortsätze aus: einen
vorderen, in der Richtung des eintretenden Nerven abgehenden
(R.cutaneus),Q'u\QU inneren, mit dem der anderen Seite verwachsen-
den und endlich einen äusseren, vom Ganglion unter einem rechten
Winkel abgehenden (R. muscularis) . Von diesem letzteren Nerven
gilt alles das, was von a bei den Seitenganglien gesagt wurde.
Das Herzganglion ist so wie auch die appendiculären
Ganglien sowohl bei C. picta als auch bei C. rufibarbis ganz gleich
gebaut. Die Seitenscbenkel des Herzganglions (Fig. 8 f) gehen
nach oben bogenförmig in einander über, unten laufen sie in eine
gemeinschaftliche, zu einem Nerven verlängerte Spitze aus, welcher
Nerv sich an den unteren Rand des durchlaufenden Rückengefässes
(^) inserirt. An der zu einer Spitze sich vereinigenden Stelle der
Seitenschenkel geht der dicke (aber in der Zeichnung ausgelassene)
Nervus gastricus ab, der noch durch einen schwachen, vom Haupt-
ganglion kommenden verstärkt wird. Etwa von der Mitte der Seiten-
schenkel geht eine kurze Nervenmasse aus, welche dieselben mit
dem breiten Ende des Hauptganglions in Verbindung setzt. Der
eine Seitenschenkel f ist so wie die appendiculären Ganglien (e, e)
losgelöst und hinübergeschlagen.
Das Verhältniss der in das Herz- und Hauptganglion eintretenden
Tracheen besteht hier darin, dass zu jeder Seite des Querschenkels
eine Trachee anlangt, welche sich in zwei Äste theilt, nämlich in einen
längeren, nicht erst in das Herz-, sondern direct in das Hauptganglion
und in einen kurzen, in den Querschenkel des Herzganglions ein-
tretenden und uiit dem der andern Seite anastomosirenden Ast.
432 S c h e i 1) e r.
Endlich ist noch zu erwähnen, dass so wie bei den anderen Larven-
Gattungen ausser dem unpaaren Nervus cardiacus der von der Spitze
des Herzganglions ausgeht, auch von den inneren Flächen der Seiten-
schenkel zwei paarige Nervi cardiaci zu den Seitenflächen des
Rückengefässes ziehen.
Am interessantesten ist bei den Cephenomyia-Lavven der von
allen anderen Larvengattungen so abweichende Bau der appendi-
culären Ganglien (Fig. 8 e, e). Sie stellen zwei membranartige
Nervenmassen dar, deren jedes ein längliches Rechteck formt; beide
sind an ihren inneren Rändern mit einander verwachsen, und neigen
sich an ihrer Vervvachsungsstelle unter einem Winkel von etwa 120"
dachförmig gegen einander. Der Winkel ist gegen die Bauchseite,
die diesem Winkel entsprechende Kante gegen die Rückenseite
gekehrt. (In der Figur sind beide in eine ebene Fläche ausgebreitet.)
Unmittelbar unter der Kante liegt das Rückengefäss (^), welches
mit dem appendiculären Ganglion verwachsen ist.
Man kann am Ganglion zwei nach unten und zugleich nach aussen
gekehrte, einen vordem und einen hintern Rand unterscheiden. Die
unteren — äusseren sind concav und bieten nichts Besonderes dar.
Der hintere Rand hat in der Mitte einen kleinen halbmondförmigen
Einschnitt, in welchen sich der abgerundete Querschenkel des Herz-
ganglions f einlagert, und mit diesem verwachsen ist. An jedem
Ende des hinteren Randes geht ein Nerv ab, der sich in der Knie-
gegeiid mit dem Hauptganglion verbindet. (Der eine (/3) ist vom
Hauptgangiiün losgelöst und herübergeschlagen.) Vom vorderen
Rande geht in der Mitte eine breite F'ortsetzung des Ganglions ab,
um sich mit dem Rückengefässe verwachsen in der bei (//) ange-
deuteten Musculatur des Schlundes spurlos zu verlieren. An beiden
Enden des vorderen Randes sendet das Ganglion zwei beträchtliche
Nervenstämme (rf, d) ab, welche sich mit den Nerven {i, i) in den
Schlund verlieren. Die Nerven (i, i) gehen eine constante Anastomose
mit solchen vom Hauptganglion ein.
D. Nervensystem der Cephalomyia-Larven.
So wie sich das Nervensystem der Cephenomyiu-h'Avsaw dem
der Gastrus-LAV\en annähert, so schliesst sich das Nervensystem
der Cephalomijia-Lav\eu an das der Hypoderma-hüryen an. Es tritt
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Östriden -Larven. 433
auch hier das Hauptganglion in seiner Entwickelung zurück und dafür
das Nebenganglien-Systern überwiegend hervor. Es sind ferner die
Nebenganglien auch hier mehr weniger rundliche, solide und plumpe
Körper, die um das Hauptgaiiglion gelagert, dasselbe grossentheils
verdecken. Der beste Beweis endlich für die ganz gleiche Entwicke-
lungsart des Nervensystems beider Larvengattungen wird durch den
Umstand hergestellt, dass auch hier vier appendiculäre Ganglien
auftreten , welche sogar ganz analog denen der Hypoderma-Ldirven
geformt sind. Zwei von ihnen (b, b, Fig. iO, das Präparat wurde
von der Seite her gezeichnet und darum nur ein Ganglion ganz deut-
lich sichtbar) sind kugelig und auf der Rückenfläclie des Hauptgang-
lions («) aufsitzend i) > während die anderen zwei (c, c) retorten-
förmig und mittelst zweier Nerven mit den kugeligen appendiculären
Ganglien zusammenhängen; der Unterschied \on Hypoderma-Lür\en
ist nur der, dass die ersteren nicht als innere, sondern als hintere
und die letzteren nicht als äussere, sondern als vordere bezeichnet
werden müssen.
Der Ösophagus (d) durchbohrt auch hier nicht das Hauptgang-
lion, sondern geht entweder zwischen den beiden hinteren appendi-
culären Ganglien (6) zum Magen (e) oder aber auch, wie bei den
Hypodenna-Liivven , durch jenen Canal, der durch die Berührung
der kugeligen Ganglien mit dem Hauptganglion entsteht. Die vorderen
appendiculären Ganglien sind fast konisch mit dicken Nervenfortsätzen,
die sich zum Schlünde begeben, versehen. Die Basis dieser Ganglien,
mittelst welcher sie nämlich auf den kugeligen, appendiculären Gang-
lien aufruhen, ist dem entsprechend mit einer kugeligen Aushöhlung
versehen und vom Rande derselben gehen seitlich zwei Nervenstämme
ab, die sich mit den kugeligen Ganglien verbinden. Die vorderen
appendiculären Ganglien fassen das Rückengefäss (f) zwischen sich,
welches mit deren Fortsätzen verwächst und sich in der Musculatur
des Schlundes verliert.
Das Herzganglion (Fig 10^) ist analog dem der Hypo-
derma- und Cephenofnyia-Lnv\en gebaut, und liegt wie bei ersteren
schief und in tangentialer Richtung an die hintere Peripherie der
') Dieses ist bei Cephalomyia nvis stets der Fall, während sie bei Cephalomyia maciilata
um vordert>n Kmie des Hauptg'ang-Iion reiten, so dass letzteres blos einen zapfen-
tormigeu Anhang der appeudiculareu Guuglieu darzustellen scheint.
434
S c li e i I) e
kugeligen appendiculären Ganglien an. Diese letzteren nehmen hier
in Bezug der Verbindung mit dem Herzganglion ganz die Rolle des
Hauptganglions über sich ; jenes ist nämlich mit diesem gar nicht,
sondern blos mit den kugeligen Ganglien und zwar sowohl mittelbar
(mittelst Tracheen) als auch unmittelbar verbunden, indem nämlich
jeder Seitenschenkel des Herzganglions mit je einem kugeligen Gang-
lion an der oberwähnten Berührungsstelle verwachsen ist. Von dem
Verhältniss der Tracheen zum Herzganglion gilt hier ganz dasselbe,
was bei Cephenomyia-Luvyen gesagt wurde. Was die Nervenver-
theilung anlangt, so geht vom Querschenkel des Herzganglions ein
feiner Nerv an der oberen Kante des eben hervortretenden Rücken-
gefässes nach vorn, wo er sich verliert'). Von der Spitze gehen
drei Nervi cardaci, zwei paarige und ein unpaariger ab. Erstere
inseriren sich an den Seitenwänden des Rückengefässes (in der Figur
ist nur Einer zu sehen), der letztere an der unteren Kante desselben.
An der Verwachsungsstelle des Herzganglions mit den kugeligen
Ganglien gehen zw^i Nervi gastrici ab, welche sich zu einem kleinen
Ganglion h vereinigen, von welchen drei Nerven zum Magen gehen
und sich an der Einschnürungsstelle desselben (e) anheften. Um
keine Ausnahme zu machen, kommt auch ein dünner Nebenast eines
sehr schwachen Nerven des Hauptganglions zum Magen. Die Insertion
der Magennerven an der Einschnürungsstelle macht hier in so ferne
eine Ausnahme, dass sie sich bei den übrigen Larvengattungen an
der Carrfea-Mündung anheften, nämlich an jener Stelle, wo sich auch
der Ösophagus einpflanzt.
Die Seiten- und Schlundganglien (/, k, k) zeichnen sich durch
ihre Plumpheit, die Dicke ihrer eintretenden Nerven und durch den
mehrfach concentrisch geschichteten Bau, den sie bei Compression
zeigen , vor den entsprechenden Ganglien der übrigen Larven-
gattungen aus. Sie sind mehr weniger eiförmig, und mit einem
centralen Kerne versehen, der jedoch nicht wie bei Hypoderma-
Larven für sich selbstständig besteht und in einer Kapsel einge-
schlossen liegt, die Untersuchung zeigt vielmehr, dass die Ganglien-
masse den ganzen Ganglienkörper ohne Unterbrechung der Continuität
') Es braucht kauiri erwähnt zu werden, dass das Riickengefüss, inii durch die schlitz-
förmige ÖtTiiung des Herzgangiions durchzutreten, eine obere und untere Kante
haben niuss, während es früher eine rechte und linke hatte.
VHigleichend»' Anatomie und l'liysiologie iler Oshiden-F.arven. 43b
ausfüllt, und dass demnach der geschichtete Bau nichts Anderes ist
als der Ausdruck einer schichtenweise geringeren und stärkeren An-
häufung der gangliösen Masse.
Was die Nervenvertheilung anlangt, so gilt hier ganz dasselbe,
was von den übrigen Larvengattungen gesagt wurde. Nur fällt bei
der Betrachtung der Schlundganglien (i) auf, dass hier das Be-
streben derselben, sich von einander loszutrennen und selbstständig
zu werden, vor allen Larvengattungen am meisten ausgesprochen
ist, indem hier die Ganglienkörper gar nicht mehr, sondern blos
die Nervi cutimei noch in Eins verschmolzen sind. Während die Ver-
schmelzung bei den Cepheno7nyia-hnvvei\ die innigste ist, indem die
Ganglienkörper mit der grössten Circumferenz der inneren Ränder
mit einander verschmolzen sind (Fig. 8,9), hält dieses Verhältniss
hei Gastrns- und Hypoderma-Luvven (Fig. 3, 4) so ziemlich die Mitte.
E. Trachealgangllen-System.
Ich fand bei den Larven sämmtlicher Östriden-Gattungen eigen-
thütnliche, vom Centralnervensystem ganz unabhängige Ganglien,
welche auf Tracheen erster und zweiter Ordnung aufsitzen, und die
ich darumTrachealgangli en nenne. Ich sah sie zuerst helHypo-
derma-hsir\exi in jenen Formen und verschiedenen Grössen (wie sie
in Fig. A e, e — und Fig. 5 h, h, h, h, l, l, l, l zu sehen sind),
aber erst, nachdem ich sie auch bei (r«s^n(s-Larven , wo sie mehr
mikroskopische Objecte darstellen, entdeckt hatte, ist mir deren
Bedeutung klar geworden, und konnte ich sie auch mit Leichtigkeit
bei den Larven der Cephenomyien und Cephalomyien auffinden. Sie
senden meist Nerven aus, die mit solchen des Centralnervensystems
anastomosiren und sich in directer oder indirecter Weise (per ana-
stomosim) in der Haut , Musculatur und im Fettkörper auflösen.
Man findet aber auch solche, die keine Nerven abgeben, wie solche
in grösserer Anzahl bei Hypoderma-hüvyen (Fig. 5 l, l, l, /) aber
auch bei anderen Larvengattungen , namentlich in der hinteren
Körperpartie zu sehen sind ; man muss in solchen Fällen annehmen,
dass sie einzig und allein zur Innervation der Tracheen bestimmt
sind'), während jene Trachealganglien, welche Nerven absenden.
1) Ich muss hier auf das hei den Hypodenna-L'M-\en von den äusseren appendiculiiren
Gans-Iieu Gesagte verweisen.
t/36
426 S c h e i 1. e r.
mittelst dieser ausser den Tracheen auch noch andere Organe inner-
viren.
\ou den im vordersten Körpertheile vorkommenden sind es constant
zwei auf jeder Seite, welche, wie schon weiter oben erwähnt wurde,
mit den Rami musculares der Schlund- und Seitenganglien Anasto-
mosen eingehen. Die auf den Hauf)ttracheenstämmen (Tracheen 1 .
Ordnung) vorkommenden Trachealganglien sitzen seitwärts auf diesen
gewöhnlich an einer Stelle, wo eine Trachee (2. Ordnung) abgeht,
sie umfassen dann die Wurzel derselben ringförmig; kommen sie
aber auf Tracheen zweiter Ordnung vor, so liegen sie auf der oberen
oder unteren Fläche des Verästelungsendes derselben (Fig. 11).
Bei Gastrus- und Cephenomyia-Lurven sind die Tracheal-
ganglien ampullenförmig, flachgedrückt (Fig. 11), und die Nerven
gehen von dem mehr weniger in die Länge gezogenen Halse der Am-
pulle ab. Bei letzteren sieht man auch viereckig gestreckte Ganglieti,
von deren vier Winkeln die Nervenstämme abgehen. Bei Uypoder-
ma- und Cep/i alomyia-hnvven sind sie rund, birnförmig oder
halbkugelig, und bei ersteren am zahlreichsten und in ihrer kolos-
salsten Entwickelung vertreten. Hat man sich die zwei seitlichen
Haupttracheenstämme mit ihren vielfachen primären , secundäreii
etc. Verästelungen rein herauspräparirt, so sieht man sie der ganzen
Länge nach mit kleinen, weissen oder gelblichen Körperchen wie
besäet ; nach vorn zu werden diese immer grösser, und in der vorder-
sten Partie sind sogar (Fig. 5 h, h, h, h) 2 — 3 Paar an Grösse,
Form und innerem Baue den Seitenganglien ganz gleich beschaffene
Trachealganglien zusehen, die eben so wie jene einen breiten
Ramus cutaneus und 2 — 3 schmälere Ä«w« musculares abgeben.
Diese Ganglien sind birnförmig mit der breiten Basis nach aussen
gerichtet, und mit der schnabelförmigen Spitze, welche die Nerven
abgibt, nach innen gewendet; in der Figur hängen sie an Tracheen-
stielen gegen die Bauchseite herunter, da sie in ihrer natürlichen
Lage von der Bauchseite her betrachtet werden müssen. Der Rmnus
cutaneus wird demnach der hintere und die Rami musculares werden
die vorderen Äste sein. Einer von den letzteren tritt mit einem Ramus
muscularis eines Seiten- oder Schlundganglions, der andere mit
einem entsprechenden des nächstliegenden Tracheenganglions in
Verbindung , ja es tritt sogar ein Ramus muscularis des vordersten
dieser Trachealganglien mit einem solchen der anderen Seite zu-
Verg'leiflieiiHe Aimtuinie und ['hysiologie der Östriden-Laiveii. 43 7
siiminen, so dass eine grosse Anastomose zwischen den Seiten- und
Schlund- und den in Rede stehenden 6 — 8 Trachealganglien her-
gestellt ist.
Im mittleren Körpersegmente findet sich bei Hypodermu-Ldvyen
ein kugelrundes Körperchen auf jeder Seite vor, welches auf einer
Tiachee zweiter Ordnung aufsitzt, mehrere Nerven aussendet, die
theils zu Tracheen, theils zum P'ettkörper ziehen, und einen sonder-
haren Bau zeigt, der weiter unten näher auseinandergesetzt wird.
Bei Cephalomyia'hm'ven haben die Trachealganglien einen ver-
schiedenen Sitz, sie kommen nämlicli bei C. maculata auf den Haupt-
tracheenstämmen, bei C. ovis meist an secundären Tracheenstämmen
vor. Bei ersterer Art , wo sie viel stärker vertreten sind, und wo ich
die ausgiebigsten Untersuchungen in dieser Beziehung angestellt
habe, treten von den Trachealganglien eigenthümliche in Fig. 12
abgebildete, von verschiedenen Autoren als sogenannte „kolossale
Nerven" beschriebene, faserig röhrige Gebilde (e, /*) ') ab, die
folgende Sonderheiten darbieten. Das vorderste von diesen gibt
drei Nerven ab; einer von diesen ist genau so dick, und so plump ge-
baut, wie die 4 vom Hauptganglion (Fig. 10 a) ausgehenden Ner-
ven, welche zu den Schlund- und Seitenganglien (t, k, k) anschwel-
len. Auch dieser Nerv bildet ein den Seitenganglien (k , k) ganz
gleich gebautes Ganglion, welches ebenso einen hielten Ramus cuta-
neus und einen schmäleren, sich vielfach verästigenden und mit den
Ästen der Seitenganglien anastomosirenden Ramus muscularis aus-
sendet 2), der zweite ist ein sogenannter kolossaler Nerv mit der
trichterförmigen Endigung in der Haut, und der dritte ist entweder
ein gewöhnlich gebauter Nerv mit einer Trachee am Rande versehen
oder aber ein sogenannter breitrandiger Nerv (Fig. 20). Vom
zweiten grossen Trachealganglien geht wieder ein kolossaler und
ein gewöhnlicher Nerv ab. Alle übrigen Trachealganglien, die man
bei Cephalomyia maculata vorfindet, sitzen halbkugelig auf den
Haupttracheenstämmen (Fig. 12 6) auf und senden stets blos einen
•) Fr. Leydig, Lehrbueli der Histologie des Mensclieii und der Thiere (S. 39, 60.
Fig. 33 a).
-j Der Unterschied zwischen de^i analogen Verhältnissen bei Hypodemia -Larven ist
der, dass bei diesen die grossen Trachealganglien seihst den Seitenganglien gleich
gebaut sind, während bei C. inacnlutii ein sehr dicker Nervenstamni eines Tra-
cheaiganglious erst e.\i einem den Seiteuganglien gleichen Ciangliun anschwillt.
438 S •■ '■ L' i I. e r.
verästigtea kolossalen Nerven ab, der sogar, wie ich zweimal gese-
hen habe, mit einem Nerven des Centralnervensystems anastomosiren
kann, indem dieser sich einfach an jenen festsetzt.
Bei Cephalomyia-L'tn'yen sind endlieh ebenso wie bei Hypo-
derma-hävvm im mittleren Körpertheile zwei kugelige Ganglien in
der Nähe der Haupttracheenstämme zu finden , welche ihre Nerven
thells zu Tracheen, theils zum Fettkörper, theils endlich solche ab-
senden, die mit dem Centralnervensystem anastomosiren.
Hier sind noch eigenthümliche, am Rectum vorkommende Gang-
lien zu erwähnen, welche ich ausser bei Gastrus equi bei allen übri-
gen Larvengattungen gefunden habe, und Rectalganglien nen-
nen möchte.
Es ist in einer Larve immer nur ein derartiges Ganglion und
zwar an der Bauchseite des Reclums nahe am Anus zu finden. Ich
habe es bei Gastrus equi nicht finden können, weil es hier besonders
zart gebaut sein mag (was übrigens bei diesen Larven von allen
Organen gilt) und weil hier das Rectum mit jenen schon von
Schröder van der Kolk als Lungenbläschen beschriebenen Orga-
nen, welche den hinteren Körpertheil fast ganz allein ausfüllen, um-
geben ist. Bei Hypoderma-Laryen sind sie kugelig und haben etwa
1 Millim. im Durchmesser. Bei Cephenomyia- und Cephalomyia-
Larven sind sie flachgedrückt und dreieckig.
Fig. 13 gibt ein Bild von den Verhältnissen des Rectums und
seiner Umgebung, so wie von denen des Rectalganglions (e) zu den
übrigen Organtheilen, wie es bei Cephalomyia maculata gefunden
wird, a ist der Dickdarm, b das Rectum, c die Analmündung des-
selben, d der sogenannte Leoatur ani der einen Seite, in welchen
der mittlere, dickere Ast des Rectalganglions e eintritt; /", /" sind
zwei vom Hauptganglion kommende Nerven, welche einen Nebenast
absenden, der am Anfang des Rectums mit dem der andern Seite zu
einem Nerven zusammentritt, welcher in's Rectalganglion eindringt.
Die Stämme f, /'selbst lösen sich in der Haut und Musculatur der
Umgebung auf. g, g sind zwei andere vom Hauptganglion kommende
Nerven, von denen sich jeder, am Rectum angelangt, in zwei Aste
(A, i) spaltet, von denen der eine (ä) eine kleine gangliöse An-
schwellung (k) bildet, von welcher Nerven nach verschiedenen
Richtungen sternförmig ausstrahlen; der andere (/) spaltet sich aber-
mals in zwei Äste, von denen der vordere direct in das Anfangsstück
Vproleicliendo Anatomie und Physiologie der Östriden-Larven. 439
des Rectnms eintritt, der hintere mit Zweigen der Anschwellung (k)
und mit den Randzweigen des aus dem Rectalganglion auf jeder Seite
hervorgehenden Nerven einen Plexus um das Rectum bildet.
F. Feinerer Bau der franglieu und Nerven.
ftj Die Ganglion sind im Allgemeinen, wie wir oben gesehen
haben, runde, ovale, birnförmige oder flachgedrückte, herzförmige
Körper, von denen eigentliche Nervenstämme abgehen, oder die,
wenn dies nicht geschieht, die Organe in directer Weise innerviren
(appendiculäre Ganglien bei Hypoderma- und Cephnlomyia-L?ir\en,
Trachealganglien etc.).
Alle Ganglien sind aus folgenden Bestandtheilen zusammen-
gesetzt :
1. Aus einer ziemlich derben, structurlosen Bindegewebs-
membran mit spärlich eingestreuten Kernen, die scheidenartige
Fortsätze für die Nerven, das eigentliche Neurilem, abgibt.
2. Aus einem stets spärlichen Stroma von zartfaserigem oder
gallertigem Bindegewebe und einer feinmoleculären Masse.
3. Findet man in ihnen zarte Fäserchen von der Dicke von
0-002 Millim., an denen man hie und da feine Verästelungen sieht
(Primitivnervenfasern), und Tracheen.
4. Kerne und kernhaltige Zellen. Erstere sind stets klein und
rund , letztere haben verschiedene Formen und Grössen. In allen
Ganglien findet man nebst kleinen Zellen von der Grösse von 0-004
bis 0-006 Millim. auch grosse von O'Ol — 0-07 Millim. Nur muss
bemerkt werden, dass in einzelnen Ganglien letztere in relativ
grösserer Anzahl angetroffen werden als in anderen, obwohl im Allge-
meinen die kleinen Zellen stets überwiegen. So z. B. bemerkt man
sehr bald, dass die grossen Zellen in den Nebenganglien in verhält-
nissmässig grösserer Anzahl vorkommen, als in den Hauptganglien,
und dass es wieder von den ersteren die Herzganglien sind , die die
relativ grösste Menge von grossen Zellen aufzuweisen haben. Diese
Erscheinung scheint nicht ganz gleichgiltig zu sein, und spricht
vielleicht für die Verschiedenheit in der Function und Energie der
einzelnen Ganglien.
Was die Form der Zellen anlangt, so sind die grossen rund,
apolar (wenige), unipolar, keulenförmig, bipolar, spindelförmig und
440 S c h e i b e r.
bundfurmig; die kleinen halten die verschiedensten Formen, sie sind
rund, oval, birn-, nierenförinig (mit 2 Kernen), unipolar, spindel-
förmig, oder lanzettförmig, bipolar mit starker Ausbauchung, drei-
eckig, viereckig etc. (Fig. 14 «, b, c, d, e, /'). Bei c, hängen drei
Ganglienzellen mit ihren Fortsätzen beisammen.
Die gegenseitige Anordnung der Ganglienzellen und ihren Zu-
sammenhang mit der tibrillären Nervensubstanz konnte ich blos bei
einer gewissen Art von Ganglien, nämlich bei den Schlund- und
Seiten-Ganglien der Hypoderma-\jwr\Qn mit ziemlicher Genauigkeit
eruiren. Bei allen anderen Ganglien konnte ich, wenn man derartige
Verbindungen von Zellen (wie sie in Fig. 14 bei c gezeichnet sind)
abrechnet, nichts in dieser Beziehung mit Sicherheit beobachten.
Was die genannten Ganglien anlangt, so war von der äusseren
Form und ihrem gröberen Baue, durch welchen sie von allen anderen
Ganglien abstechen, schon weiter oben die Rede. Nii^ht minder
interessant ist auch ihr feinerer Bau. Wir wissen, dass sie aus einer
äusseren Hülle und einem inneren Kerne (Fig. 7) bestehen, die
aber blos an der Eintrittsstelle des Nerven in das Ganglion mit ein-
ander zusammenhängen ; die Hülle ist aus derselben gangliösen Sub-
stanz zusammengesetzt, wie der Kern, nur dass jene von aussen her
mit einer grosszelligen Bindegewebsmembran, die genau den Bau der
weichen, nicht chitinisirten Haut des äusseren Integnmentes (Fig. 12
d, d) hat, überkleidet ist, und die dem Kerne fehlt. Hat man sich
ein Stück vom Kerne oder von der Hülle unter das Mikroskop gelegt,
so fallt zunächst die Homogenität der Ganglienzellen auf, indem
man keine anderen als kleine bipolare Zellen mit sehr langen (oft
0"04 Millim. langen) Fortsätzen sieht. Ferner bemerkt man überall
regelmässig auf einander folgende Beihen von helleren und dunkleren
Streifen in der Weise, dass letztere schmäler sind und durch An-
häufung einer grobkörnigen Masse bedingt zu sein scheinen, während
die ersteren breiter und in ihrer Medianlinie am lichtesten sind, und
zu beiden Seiten dieser lichteren Medianlinie ein quergestreiftes An-
sehen darbieten, als ob sie durch Anhäufung von quer verlaufenden,
sich der lichteren Medianlinie anschmiegenden Fäden bedingt wären.
H;it man ein Stückchen der Gangliensubstanz besser aus ein-
ander gezupft, so sieht man an der Stelle der dunkleren Streifen die
Körper kleiner (etwa 0-004 bis 0-008 Millim. breiter) kernhalti-
ger, bipolarer Zellen (Fig. 15 u, a, a', u) und entsprechend den
Verg-Ieichendp Anatomie und Physinlog'ie der Östriden-f>arven. 44 t
lichteren Streifen, Hie von zwei Zellenreihen («, a, «', ft) ausgehen-
den und in querer Richtung gegen einander verlaufenden Fortsätze
(c, c, c, c, c', c'}. die sich jener lichteren Linie anschmiegen (6, 6), welche
zwischen den zwei Reihen von Zellenfortsätzen (c, c, c, c') liegt und
bei b' ebenfalls zu liegen käme, wenn noch eine dritte Zellenreihe
gezeichnet worden wäre. An der Stelle dieser lichteren Linie (6, b)
sieht man wohl kein deutliches Gebilde, aber ich sah hie und da in
einer hyalinen Grundlage frei herumliegende Fasern, die gegen
das eine Ende zu breiter, gegen das andere schmäler wurden; letz-
teres erschien verästigt, und an den einzelnen Astchen hingen ein-
zelne bipolare Ganglienzellen mit ihren langen Fortsätzen, oft 6 bis
10 an Zahl, ganz in derselben Anordnung, wie sie Fig. 15 in stär-
kerer Anhäufung zeigt.
Ausser den Schlund- und Seitenganglien haben auch noch alle
Trachealganglien der Hypoderma-Lavyen , sowohl die grösseren als
die kleineren den eben geschilderten mikroskopischen Rau, während
die übrigen Ganglien des Centralnervensystems nach dem gewöhn-
lichen Typus der Ganglien überhaupt gebaut sind.
Hier ist noch der merkwürdige Bau jener kugeligen Tracheal-
ganglien zu erwähnen, welche im mittleren Körpertheile der Larven
von H. bovis und zwar auf jeder Seite eines vorkommen. Ein solches
Ganglion (Fig. 16 «) zeigt schon bei sechsfacher Loupenvergrös-
serung eine grosse Menge von Körnern im Innern, welche in einem
reichlichen, lockeren Stroma, das sich bei stärkerer Vergrösserung
als ein dem netzförmigen sehr ähnliches Bindegewebe (Fig. M A,e,e,
und Fig. 18 a, «) zeigt, eingeliettet liegen. Dieses Stroma ist
nach aussen durch eine grosszellige, der weichen, nicht chitinisirten
Haut des äusseren Integumentes ähnlich gebaute Bindegewebsmem-
bran (Fig. 12 d, d) abgeschlossen, und erscheint gegen die Basis
des Ganglions (Fig. 17 a' und Fig. 18 d) in Form einer dichteren
Lage angehäuft. Hat man das Ganglion geöftnet und einzelne der
Körner isolirt, so findet man, dass ein jedes der von aussen als ein-
zeln gesehenen Körnchen eigentlich aus drei perlschnurartig mit
einander zusammenhängenden Körperchen (Fig. 17 A, a, b, c) be-
stehen, von denen blos das erste (a) von aussen her (von der Peri-
pherie des Ganglions) zu seilen, das mittlere (6) das grösste ist;
das zumeist gegen die Basis des Ganglions gelegene Körperchen (c)
erweist sich als das kleinste und nicht rund, wie die ersteren zwei.
442 S p h p i h p r.
sondern oval und ununterbrochen in einen Stiel (d) übergehend, der
si<'h mit seinem etwas verbreiterten, wie abgeschnittenen Ende in
jene obgenannte feste Lage von Bindegewebe (Fig. 16 n') ein-
pflanzt.
Wenn man ein derartig gestieltes, rosenkranzähnliehes Körper-
chen bei 80 — OOfacher Vergrösserung betrachtet (wie Fig. i 7 A
zeigt), so findet man, dass ein jedes der drei Körperchen («, b, c)
aus einer äusseren Kugelscbale, die sich im Durchschnitte und von
oben gesehen als Zone (a) ausnimmt, und aus einem Inhalte (a')
bestebt. welcber fünf dunklere Flecke zeigt, die um einen helleren
centralen Fleck gelagert sind. Bei 3 — 400facher Vergrösserung
(Fig. IT J?) zeigt es sich, dass den Inhalt der Kugelschale grosse,
kernhaltige, dreieckige Zellen (g, </) bilden, die mit ihrer der Kugel-
lläche angepassten Basis nach aussen, mit der Spitze gegen das
Centrum hin und in der Weise gegen einander gelagert sind, dass
von allen Seiten her entsprechend den fünf dunkleren Flecken immer
nur fünf Zellen gesehen werden. Der obgedachte helle, centrale
Fleck entsteht durch das Zusammentreten der Spitzen aller dreieckig-
pyramidalen Zellen, als der lichtesten Partien derselben. Die äussere
Kugelschale (^A, a) zeigt sich bei starker Vergrösserung (B) als
eine Anhäufung von kleinen, kernhaltigen, spindelförmigen Zellen (/*),
die in schiefer Richtung an einander und concentrisch um die gros-
zen Zellen {g, g) gelagert sind.
Die grossen Zellen zeigen keine Fortsätze; der Inhalt derselben
ist fein-molecular und mit einem grossen, runden Kerne versehen,
der den grössten Theil des Zelleninhaltes ausfüllt; dieser enthält ein
deutliches, ziemlich grosses Kernkörperchen und eine bröcklige
Masse. Streng genommen sind es eigentlich die Zellenkerne, die bei
einer 80 — 90fachen Vergrösserung sich als jene dunklen Flecke
manifestiren. Der Stiel (rf) zeigt einen feinfaserigen Bau. Von der
Basis (Fig. 16 a'), als vom Zusammenflusse aller Stiele jener rosen-
kranzähnlichen Körperchen, gehen nun normal gebaute Nerven nach
allen Richtungen aus, um sich theils im Fettkörper, tbeils in Tra-
cheen zu verlieren. Manchmal bildet der eine oder andere dieser
Nerven (in Fig. 16 ist es b), indem er zu einer Trachee zieht, auf
dieser eine gangliöse Anschwellung, ein neues Trachealganglion, von
welchem ein den kolossalenNervcn der Cep/info7ngin-L,n\'Qnü\m\\chev
Nerv abgeht (Fig. 166'), der aber nicht in einen Trichter endigt, sich
Vergleichende Physiologie und Anatomie der Ostriden-Larven. 443
auch nicht an die innere zellige Membran der Haut anheftet, sondern
sich in die äussere chitinisirte Lage des Integumentes einsenkt.
Ich habe derartige kugelige Trachealganglien auch bei den
Larven von H. tarandi und bei der aus der Haut der Bezoarziege
gefunden, nur haben sie in diesen zwei Larven-Species einen ganz
verschiedenen Bau von denen von H. bovis. Sie sind bei der Larve
aus der Haut von Capra Aegagrus Gmel. um das drei- bis vier-
fache kleiner als bei H. bovis und bestehen blos aus runden kleinen
kernhaltigen Zellen, die das ganze Ganglion ausfüllen; ein Stroma
ist hier fast gar nicht zu sehen. — Ganz anders sind sie wieder
bei H. tarandi gebaut. Bei diesen sind die Ganglien bei auffallen-
dem Lichte nicht weiss, wie bei den anderen zwei Species, sondern
gelblich, und lassen bei geringer Loupenvergrösserung keine dunklen
Körner, wie bei H. bovis, sondern gelbliche feine Streifen in ihrem
Innern sehen. Hat man ein solches Ganglion zerzupft, so sieht
man dasselbe reichliche lockere Stroma (Fig. 18 a, d), in welchem
eine grosse Menge von Cylindern {b, b, b'), die alle in paralleler
Richtung neben einander gelagert sind, eingebettet liegen. Dieselben
verlaufen in radiärer Richtung und sind in eine an der Basis des
Ganglions verdichtete Lage desStroma's (c?) so eingepflanzt, wie die
Pappusfäden in dem Blüthenboden der Compositen. Sie sind an beiden
Enden dünner als in der Mitte. Das periphere Ende schwillt knopf-
artig an (6, b) oder läuft in eine Spitze aus (e), stets ist jedoch an
demselben eine Querspalte (c) zu sehen, um die herum concentrische
Faserlagen laufen. An den Cylindern ist eine Hülle, bestehend aus
einer structurlosen Bindegewebsmembran und einem feinläserigen
Inhalt mit eingestreuten kleinen Zellen und Kernen zu bemerken.
Die Fibrillen haben eine fiederförmige Anordnung (6, b, b'). Es ist
nämlich eine Axonlinie zu bemerken, an welche sich seitliche
Fibrillen anschmiegen, wie au dem abgerissenen centralen Ende
von {b') bei /"zu sehen ist. Die seitlichen Fibrillen sind wahrschein-
lich nichts anderes als Fortsätze von Zellen, die übrigens constant
in der oberen Partie der Cylinder am meisten vertreten sind. Von
der Basis des Ganglions gehen so wie bei Hypoderma bovis und der
Larve aus der Bezoarziege normal gebaute Nerven zu Tracheen, und
dem Fettkörper ab.
Bei Hypoderma Dianaund Actaeon fand ich keine kugeligen Tra-
chealganglien, es ist aber wahrscheinlich, dass wenn sich solche vor-
Sil7.b. d. mafhem-nitliirw. Cl. XI. I. Bd. Nr 16. 30
444 S c h e i b e r.
finden, sie auch bei diesen Larven-Species einen verschiedenen Bau
haben, und es scheinen demnach diese Ganglien, abgesehen von
ihrem histologischen Interesse, für die Unterscheidung der einzelnen
Species, wenigstens den Anatomen nicht unwichtig zu sein.
Was die kugeligen Trachealganglien bei Cephalomyia-hm'\(t\\
anlangt, so haben sie wenigstens bei C. maculata, wo ich sie allein
untersucht habe, den gewöhnlichen Bau der Ganglien überhaupt;
dasselbe gilt auch von den Rectalganglien aller Larvengat-
tungen.
b)[)Qv Bau derNer veti besteht im Allgemeinen in Folgendem:
1 . Aus dem Neurilem, welches eine hyaline structurlose Binde-
gewebsmembran darstellt mit einzelnen besonders ariTheilungsstellen
der Nerven deutlichen, oft sehr grossen runden oder ovalen einge-
streuten Kernen. Das Neurilem hat eine verschiedene Dicke, während
es einerseits bei einzelnen Nerven die Dicke von 0003 Millimeter
erlangt (bei G«s^r«s - Larven an frischen Präparaten beobachtet),
so ist es oft bei relativ dickeren Nervenstämtnen (von Hypoderma-
Larven) so dünn, dass es gar nicht vom fibrillären Inhalt deutlich zu
unterscheiden ist.
2. Aus dem fibrillären Inhalte. Auch hier finden sich Verschie-
denheiten vor. Meist sind die Fibrillen so zart, dass sie kaum als
selbstständige aufgefasst werden können, sie erscheinen dann wie
mit einer Molecularmasse bestreut, haben einen geraden Verlauf und
verleihen den Nerven eine grauliche Farbe. Manchmal jedoch (be-
sonders in den grossen Nervenstämmen von Hypoderma-harven)
sind die Fibrillen deutlicher markirt, sie haben einen schlängeligen
Verlauf und man sieht zwischen ihnen bei jeder kleinen Verschiebung
des Focus deutliche Kerne eingebettet, die eben den welligen Ver-
lauf der Fibrillen zu bedingen scheinen. Die Molecularmasse fehlt,
und der Nerv erscheint dunkelgolb gefärbt. Bei solchen Nerven ist
das Neurilem meist sehr dünn. In frischen Präparaten von Gastrus
equi endlich fehlte die Fibrillirung des Inhaltes der Nerven ganz,
und es folgte auf düs Neurilem eine blasse homogene Schichte, die
von diesem blos durch eine matte Begronzungslinie geschieden war.
Endlich sah ich
3. in der Axe der meisten Nerven aller genannten drei Modi-
ficationen (in lelzforer am deutlichsten) stets mehr weniger deullicli
ein Gebilde, welches sich bald als ein blasser oder gelblicher, homo-
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Üstriden-Larven. *i:^D
gener, bald als feinfaseriger, bald endlich als ein von Längs- und
Querrisson durchzogener Strang ausnimmt , der aber stets als der
lichteste Theil des Nerven erscheint. Am deutlichsten sah ich dieses
Axentfohiide und zwar in letzterer Form bei den Nerven mit hyali-
nem Iiihiilte, dann auch in seltenen Fällen bei grauen feinfibrillären
Nerven in Form eines über das Rissende hervorragenden, gelblichen,
starren, hyalinen Händchens.
Die Nerven theilen sich meist dichotomisch, indess zerfällt oft
ein Stamm auch plötzlich in 3 bis 4 bis 6 Aste, die sich dann weiter
dichotomisch verzweigen. Eine Verästclungsweise der letzteren Art
habe ich, wegen ihrer Seltenheit und Schönheit, in der sie gesehen
wird, so wie des Interesses halber, das sich au den liystolngischen
Befund des Präparates knüpft, welches einer Hypoderma-Lurwe
(H.Actaeon) entnommen ist, in den Abbildungen aufgenommen. Der
Nervenast a (Fig. 19) bildet die dreieckige Anschwellung b, von
deren Basis 6 Nerveiizweige (c, c, c), die unter dem Deckglas unter
einander geworfen wurden, abgehen. In der Anschwellung ist ein
grosser, ovaler Kern d mit einem Kernkörperchen deutlich zu sehen.
Dieser scheint ununterbrochen in jenen (sub 3 erwähnten) Achsen-
strang des Nerven (a) überzugehen, während von ihm deutliche,
an Zahl den abgehenden Nerven (c, c, c) entsprechende, feine Röhr-
chen abziehen, deren jedes in die Achse je eines abgehenden Ner-
venzweiges eintritt. Es ist im Präparat deutlich zu sehen, dass sich
die äusserst feine Membran des Kernes zu jenen Röhrchen ausstülpt,
welche übrigens von jener feinmoiecularen Masse , die auch den
Inhalt des Kernes bildet, ausgefiillt sind. Es wäre dem Gesagten
zufolge diese Anschwellung als ein im peripherischen Nervensystem
eingeschobenes Ganglion anzusehen, welches aber blos durch eine
einzige grosse multipolare Ganglienzelle constituirt wird.
Erwähnenswerth ist noch die Bildung von Plexus, in die die
Nerven oft eingehen. Ein Beispiel haben wir schon gesehen au jenem
Plexus, welchen die Nerven des Rectalganglions und zwei andere
vom Centralnervensystem um d;is Roctnu\ hei Cepludojiiyia maculdta
bilden (Fig 13). An der Bauchseite von Cepliidu7)iyia-hnrveu ist bei-
derseits eine vom vorderen bis zum hinteren Körperende sich
erstreckende Reihe von Plexus zu finden, in die fast alle Nerven des
Centralnervensystems in stetiger Aufeinanderfolge eingehen, bevor
sie sich in Ro?nl muscidares und cutanei auflösen. In diese Plexus
30*
440 -'^ (• h p i I. .■ r.
geheil auch noch Nerven von Trachealganglien und solche von jenen
gangliösen Seitensträngen ein, die zu beiden Seiten des Rücken-
gefässes sich vorfinden , von denen sogenannte quergestreifte Nerven
ausgehen, die übrigens im Capitel vom „Circulationssystem" näher
erörtert werden.
Die Nerven der Trachealganglien haben im Allgemeinen
den Bau derjenigen des Centralnervensystems ; jedoch kommen hier
ausser solchen noch andere zwei Arten von Nerven zur Beobachtung.
1. Die sogenannten „kolossalen Nerven" der Autoren, von
denen schon weiter oben einmal die Rede war. Sie gehen entweder
allein vom Trachealganglien (wie in Fig. 12) oder mit anderen Ner-
venarten ab. Sie bestehen aus einer äusseren Scheide , die ein dickes
hyalines Rohr mit seitlichen, stark hervorspringenden Kernen (e, e)
darstellt, und aus einem im Innern des Rohres liegenden, und wellig
verlaufenden Strange f, der zart fibrillär und wie mit kleinen Körnchen
bestreut erscheint. Besonders deutlich sieht man diese Struclur des
Stranges, dann, wenn dieser ausserhalb der Scheide frei zu Tage liegt,
•wie dies bei f der Fall ist. Dieser feinfaserige Axenstrang hat die
Eigenschaft, in stäbcbenartige Stücke zu zerbröckeln, was ebenso
gut innerhalb als ausserhalb der Scheide geschieht. In einem und
demselben Nerven kann man sowohl zerfallene, als unversehrte Par-
tien sehen, meistens aber überwiegen die ersteren. Die Scheide
endigt in einen Trichter (c), der sieb mit seinem Rande an die innere
nicht chitinisirte Haut des Integumentes {d, d) anbeftet. Die ganze
Wand des Trichters ist mit einer dicht neben einander gedrängten
Lage von runden, ovalen und vieleckigen Kernen besetzt, in die
wahrscheinlich die Fibrillen des Stranges endigen, da sich dieser am
Halse des Trichters verbreitert und dann dem Auge entschwindet.
Diese Nerven sind, nur aus ihrer Endigung zu schliessen, offen-
bar sensitiver Natur, und ich habe sie ausser hei Cephalomyia macu-
lata noch bei Ifi/j)oderma-L'.\r\Q:n beobachtet. Bei Cephalomyia ma-
culata findet man 5 — 8 auf jeder Seite an den Haupttracheenstämmen
(Trachealganglion) hängen, M'ie Fig. 12 anzeigt. Bei Itypoderma-
Larven endigen sie nicht trichterlurniig und auch iiicbt in der inneren
sondern in der äusseren chifinisirfen Haut, indem sie sicli in dieselbe
vertiefen und verlieren.
Sie sind liior hlos zwei an Zahl , und kommen in der Nähe dei-
kugeligen Traelu'alganglieii (Fig. IG v) vor, wie schon weiter oben,
Verg'leiflieiiile \iialoiiiii- uiid l'liy>i(iliis^ie der Osliideii-Liirieii. 447
als von diese» die Kede war, bemerkt wurde; sie haben im Übrigen
die Structur derjenigen der Cephulomyia maculata. Keiner der
kolossalen Nerven gil)t einen Nebenast ab. Bei Covis konnte ich diese
Nerven nicht finden.
2. Eine andere weniger abweichende Form sab icli zweimal
nebst anderen gewöhnlichen Nerven von Trachea Igangiien von Ce-
phalomyia maculata abgehen, die in Fig. 20 abgebildet ist. Es er-
scheint nämlich itinerbalb eines breiten Neuiilems die Inhaltsmasse
hyalin, gelblich, starrund in eine unregelmässig-viereckig bröcklige
Masse zerfallen.
Hie und da ist die Masse auch in regebnässige Stücke zersplit-
tert (im Aste b)', eine Fibrillirung des Inhalts war nie zu bemerken.
Ihre Endigung war nie zu ermitteln.
Endlich muss hier einer Form wir klicb er q uergestreif-
ter Nervenfasern in Kürze erwähnt werden, die von einem be-
stimmten undganzfür sieb abgeschlossenen Bezirk vonNervencentren,
nämlich von Ganglienzellen, die in Form eines Stranges zu beiden
Seiten des Riickengefässes (Fig. 23 c, c, c, c) angehäuft sind, ihren
Ausgang haben. Hier verlaufen, wie bei den Nerven der VVirbelthiere,
die Primitivnervenfasern für sich gesondert in Bündeln angehäuft
(Fig. 24 c, c) und jede Primitivfaser an und für sich ist deutlich
quergestreift (Fig. 24 (l). Ihre näheren Verhältnisse kommen später
zur Sprache.
Was die End i gungsweis e der Nerven anlangt, so habe
ich im Verlaufe meiner Untersuchungen mehrere Arten derselben zu
beobachten Gelegenheit gehabt.
1. Die gewöhnlichste Endigungsweise, die wir an der inneren
nicht chitinisirten Haut von Cephalomyia- und Cephenomyia-hwvxQw
sahen, war die in Form jener drei eckigen E n d a u s b r e i t u n g e n
der Nerven, wie sie von Meissner bei Mermi und von Prof. W e d 1
bei Nematoden gefunden wurde.
2. Eine der dreieckigen verwandte und blos bei Gastrus-hv^v-
ven gefundene Endigungsweise war die mit einem sehr schief abge-
stutzten Ende, wo man nämlich den einen Rand des Nerven noch
sehr lange in der inneren Haut des Integumentes verfolgen konnte,
während der andere schon längst verschwunden war; es hat dann den
Anschein, als ob der Nerv in eine feine Spitze endigte, was aber in
der Wirklichkeit nicht der Fall ist.
448 Scheibe r.
3. Hieher ist auch dio einfaclie Anheftiingsweise der meist brei-
ten, uiiverästiglen und kurzen nervi cutcmei der Schlund- und Sei-
tenganglien, so wie auch aller mit diesen übereinstiuiinend gebauten
Trachealganglion zu rechnen (Fig. 2, 3, 9). Sie heften sich nicht mit
verbreitertem Ende an die innere Haut des Integumentes an, aber man
kann den Eintritt der Fibrillen in diese, und ihre fächerförmige Aus-
breitung derselben zwischen den einzelnen grossen Zellen dieser
Haut weithin verfolgen.
4. Bei Gasti'us-Jj^rven ist manchmal die Endigung verhältniss-
mässig kürzer und asfloser Nervenzweige in eine äusserst feine
Spitze zu beobachten. Der Nerv ist bei seinem Ursprung ziemlich
breit und verschmälert sich sehr rasch, um schon nach kurzem Ver-
laufe in eine unmessbare feine Spitze zu endigen.
5. Ich besitze ein Präparat von Gastriis equi, an welchem zu
sehen ist, dass ein von einem Nervenstamm abgehender, dünner, ein-
zelne seitliche Zweige abgebender Ast endlich in die herzförmige
Anschwellung (wie sie Fig. 21 b zeigt) endigt. Im Innern dieser An-
schwellung spaltetsich die in derAxe des Nerven verlaufende Linie in
zwei mit ihrer Concavität gegen einander sehende, krumme Zweige (c).
6. Von der trichterförmigen Endigung der kolossalen
Nerven war schon früher die Rede. Endlich
7. findet man bei Ceplialomyia maculata ganz allgemein gang-
liöse Endanschwellungen der Hautnerven, wie sie in Fig. 22 darge-
stellt ist. Der Nerv, noch von ziemlich<'r Dicke, tritt in ein solches
Ganglion (6) ein, welches mit grösseren oder kleineren Zellen und
Kernen ausgefüllt ist. Fortsätze sah ich nie von diesen Zellen ausge-
hen. Das sonderbarste bei diesen Ganglien sind die vielen, manchmal
sich verästigenden Ausläufer (c, c), die von ihnen in grosser Anzahl
und zwar mit ziemlich breiter Basis abgehen und in eine sehr feine
Spitze auslaufen, welche sich an die innere Haut des Integumentes
anheftet und in dieser weiter nicht zu verfolgen ist. Sie finden sieh
selten isolirt vor (so wie z. B. Fig. 22 zeigt), sondern sind meist zu
Zweien und Dreien gruppirt und seitlich mit einander verwachsen.
Die Ganglien selbst sind, wie aus der Figur zu sehen ist, unregel-
mässig geformt, bald wiegt der Längs-, bald der Querdurchmesser
derselben vor. Oft tritt mit den Nerven verbunden auch eine Trachee
in das Ganglion, dann sieht man aber auch feine Tracheen mit den
Ausläufern abtreten.
Vergleicliciiile Viiadimie iiml l'liysi(iliif,'-i(' doi ()s(iiiU'ii-L;u-vi'ii 4-4«)
Leydig hat auch Ganghen an Hautnerven von Kiehsen <) und
mehreren Iiisecten -) besehriehen. Der Unterschied istnur der, dass sich
bei diesen der Nerv zuerst in sehr viele feine Äste zerfällt , in denen
eben so viele kleine Ganglien eingeschoben sind, während in dem eben
beschriebenen Falle der Hautnerv in toto in ein verhältnissmässig
grosses Ganglion tritt, von welchem die feinen Endäste ausstrahlen.
G. Eingeweldenervensystem.
Was das Eingeweide- oder sympathische Nervensystem der
Bremsenlarven anlangt, so hat schon Sehr öd er van der Kolk'') über
Gastrus equi ganz richtig Folgendes bemerkt: „Je n'ai pu decouvrir
dans notre larve un Systeme nerveux particulier a Pestoniac et aux in-
testins ; tel qu'il s'en presente chez d'autres insectes , comme dejä
Lyonet *) Pa indique ainsi que Treviraims^), mais Müller <*) Pa de-
crit avec detail. Aussi je doute beaucoup de son existence ici, ayant vu
distinctement les nerfs se rendre du grand ganglion ä Pestomac, et
s'y disperser plus loin" etc.
Weiter unten sagt er dann : Treviranus dit, quMI n'a pu decou-
vrir dans les insectes de communication nerveuse entre le cordon ven-
tral et le coeur, Pestomac, les intestins ou les trachees, seulement il
dit avoir vu quelques branches se rendre du nerf nomme recur-
rent au coeur et ä Pestomac'). Ce dernier nerf cependant semble
manquer dans notre larve, et tous les nerfs sortir du ganglion".
DieseBeobachtung von Schröder van der Kolk fand ich nicht
mu" bei GastrusA jWvxgw sondern auch bei allen anderen Larven-Gat-
tungen aufs vollkommenste bestätigt, und es ist bei keiner von unse-
ren Bremsen-Larven nur eine Spur von dem Systeme des nerviis
recurrens^) oder von dem der 7iervi transversi^} zu finden.
') Zeitschr. für wisseiiscli. Zonl. lU. ti. VI. Bd. und veif;l. Histolog^ie 1837.
'^) Oll boi s-R ei eher t'.s Archiv liir Aiiat. Phys. etc. .liilirg^ans: 1839, Seite 133, Ta f. 33,
36 und 37.
3) L. c. p. 126.
■») Traite de la cheniUe. y. 203, 232, 464, Tab. XIU, Fi-. 1.
5) Vermischte Schriften. 3 Buch, p. 86.
ö) Act. Phys. Acad. Leop. Bd. XIV, p. 73.
') Erschein, und Gesetze des org. Lebens I. Bd. 1. Abth., p. 20.
^) Von S w am m erda in und S t raus -Uu r kh e i m zuerst bescliriebeii.
^) Von Lyonet entdeckt und von Newport (Phil. Transact. 1832,34, 36j näher
beschrieben.
450 S f I. e i h e r.
Ich bin vielmehr durch meine anatomischen Untersuchungen
dahin gefülirt worden , den Ursprung der Nerven sämmtlicher Ein-
geweide auf drei anatomisch ganz verschiedene Quellen zurückführen
zu müssen. Zwei von diesen Quellen, nämlich das Centralnerven- und
das Trachealgangliensystem haben schon im Verlaufe dieses Capitels
ihre weitläufigere Erörterung gefunden, während die als dritte anzu-
nehmende Quelle, nämlich die Gangliensträngc zu beiden Seiten des
Rückengefässes bis jetzt nur oberflächlicii berührt worden sind. Wir
wollen nun alle diese drei Nervencentra gesondert durchgehen, und
jene Bezirke des Eingeweidesystems, welche von ihnen beeinflusst
werden, namhaft machen.
1. VomCerebrospinal- oder schlechtweg Centralnervensystem ist
vor Allem zu bemerken, dass schon Schröder van d erKolk die Be-
stimmung des Ring- oder Herzganglions bei Gastrus equi richtig auf-
gefasst hat. Er sagt nämlich i) bezüglich dieses Ganglions Folgendes:
„II me parait donc tres-probable, que cet organe est un troisieme ganglion
destine specialement au coeur; d'oü il doit partir vraisemblablement
des filaments nerveux, de la plus grande finesse, pour se rendre au
coeur avec les plus fines trachees. De cette maniere la singuliere dis-
position de cet organe sous forme d'un anneau autour du coeur serait
expliquee, et il faudrait considerer les parties arrangees de cette
Sorte, comme un ganglion cardiaque."
Es ist aus dem, was im Verlaufe dieses Capitels gesagt wurde,
bekannt, dass bei Gastrus equi das Herzganglion wirklich keine an-
deren Nerven als blos 2 zum Rückengefäss absendet, dass aber die-
ses Ganglion bei allen übrigen Larvengattungen ausser zum Rücken-
gefäss noch constant einen starken Nerven zum Magen abgibt; über-
dies erhält dieser Nervus gastricus noch meist einen Verstärkungs-
ast vom Hauptganglion. Die Larven von Hypoderma tarandi machen
hier eine Ausnahme, indem dieser Verstärkungsast ganz fehlt, und
bilden dieselben daher einen directen Gegensatz zu den Larven von
Gastrus equi, bei denen der Nervus gastricus ausschliesslich vom
Hauptganglion kommt. Die Cephalomyia- Larven bilden hier in so
ferne einen schönen Übergang, dass bei ihnen der Magen mehrere
starke Äste vom Herzganglion erhält, während er vom Hauptganglion
1) L. c. p. 127.
Vei gleichende Aiintomie iiinl FliysiolDgie der Üstriden-Larveii. 43 1
einen höchst unansehnlichen secundären Ast eines nach hinten ziehen-
den Nervus musculo-cutmieus bekommt.
Ausser vom Herzganglion erhält das Rückengetass, und zwar
dessen vorderster, in unmittelbarer Nähe des Schlundes gelegene
Theil noch Nervenfibrillen von don mit ihm stets verwachsenen Fort-
sätzen der appendiculären Ganglien. Der hinter dem Ringganglion
gelegene bei weitem grösste Theil des Rückengefässes erhält jedoch
seine Nerven von den ihm zu beiden Seiten anhängenden Ganglien-
strängen (Fig. 23 c, c, c, c), von denen quergestreifte Äste,
(Fig. 24 d) in dasselbe eintreten.
Was den Tractus iniesti7ialis anlangt, so wissen wir, dass so-
wohl das vorderste (Schlund, Ösophagus und Magenanfang oder Cardia)
als das hinterste Ende (hinterster Abschnitt des Dickdarms und das
Rectum) desselben von den Ganglien des Centralnervensystems in-
nervirt wird, und zwar das erstere vom Haupt-, Herz- und den
appendiculären Ganglien, letzteres von den zwei von der Spitze des
Hauptganglions abgehenden Nerven und vom Rectalganglion. Der
mittlere Theil des Darmcanals erhält wieder blos quergestreifte
Nervenfäden vom Rückengefäss.
Endlich darf nicht unerwähnt bleiben, dass auch Tracheen,
freilich nur in geringem Masse, vom Centralnervensystem innervirt
werden. Man braucht nur die Tracheen, die in's Herzganglion jedes-
mal eintreten, selbst bei geringer Vergrösserung anzuschauen, so
findet man sie stets mit einer ziemlich dicken Ganglienmasse bedeckt,
die sich von der Eintrittsstelle in das Herz- und Hauptganglion bis
zu ihrem Ursprünge an den Haupttracheenstämmen erstreckt i)- Ohne
Zweifel gehen Nervenfibrillen von ihnen auch noch auf diese über.
Aber ausserdem findet man hie und da grössere oder kleinere Tr;icheen,
zu denen Nervenzweige, die man an ihren Ästen und Stämmen bis
zum Centralnervensystem verfolgen kann, treten. Zu den Malpighischen
Gefässen und zum Fettkörper sah ich nie Nerven vom Centralnerven-
system treten.
2. Vom Tr ach ealganglien System wurde schon im Verlaufe
dieses Capitels hervorgehoben, dass es, wenn auch nicht ausschliess-
lich, wie wir sogleich sehen werden, so doch hauptsächlich für's
*^) Eine Ausnahme macht hiervon die Larvengattung- Cephenomijia , bei der diese Tra-
cheen frei von Ganglienmassen sind.
452 S p h e i I. *- 1
Tracheensystem bestimmt ist. Wir wissen aber von den kngeligen
Traehealganglien der Hypoderma- und Cephalomyia- Larven, dass
ihre Asle ausser zu Tracheen noch zum Fettkörper treten, was ich von
keinem anderen Trachealganglion beobachtete. Wir wissen ferner,
dass es Trachealganglien ohne und mit abgehenden Nerven gibt,
(erstere blos bei Hypoderma -Lnrven beobachtet), dass erstere aus-
schliesslich für Tracheen bestimmt sind, und dass von letzterer Art
entweder normal gebaute Nerven abgehen, die mit solchen des Cen-
tralnervensystems Plexus bilden, um sich in Haut- und Muskelner-
ven aufzulösen , oder sogenannte kolossale Nerven (blos bei Hypo-
derma- und Cephalomyia-hüv\en beobachtet); letztere ziehen gera-
dezu, ohne einen Ast abzugeben, zur Haut. Die Trachealganglien
letzterer Art versorgen daher ausser den Tracheen (in directer
Weise) auch noch die eben genannten Organe (in indirecter Weise,
d. h. mittelst Nerven) '). Dass diese Trachealganglien einen Theil
ihrer Filamente auch in die Tracheen, auf denen sie sitzen, eintreten
lassen, und nicht alle Filamente als Nerven in andere Organe absen-
den, kann man am besten bei Cephalomyia masculata sehen. Wenn
man bei diesen Larven nämlich längs eines Haiipttracheenstammes
die Reihe jener Ganglien durchschaut, von welchen nur ein einziger,
ein sogenannter kolossaler Nerv abgeht, bekommt man einzelne Tra-
chealganglien zu Gesichte, welche 2 — 4mal so gross sind als
andere, die einen Nerven von eben solcher Länge und Dicke (des
feinfibrillären Axenstranges, Fig. 12 f, f\ auf den es hier haupt-
sächlich ankommt) aussenden.
Würden die Trachealganglien blos die Tracheen und respective
den Fettkörper innerviren , und noch allenfalls ihre Nerven in die
Plexus der Muskel- und Hautnerven des Centrainervensystems ein-
treten lassen, so würden wir noch immer berechtigt sein, dieselben
als Nervencentra rein sympathischen Charakters, wie ich es auch
anfangs geglaubt habe, gelten zu lassen: indem wir ja aus der Physio-
logie des Menschen und der höheren Thiere wissen, dass sich
Nervenfasern des sympathischen Systems nicht nur in den Eingewei-
den, sondern auch in den Haut- und Muskelnerven vorfinden. Wir
1) ."Man .sieht iiitiiilii'li iiii' einen Nerven eines Trachealganglions in eine Tiachee ein-
treten; eine Ausnaliine niaelien liievdn die kngeligen Tracliealganglien, wie Fig. 16
zeigt.
Vergleic'ht'iiilf Aiiitlomie und I'hysio[o};ie diT Öslrideii- Larven. 4oo
haben aber zwei Charaktere der (jedoch nicht aller) Trachealgan-
glien kennen gelernt, welche es unzulässig machen, wenigstens die
betreffenden als rein sympathische Ganglien aufzufassen. Diese sind
n) die Existenz von Trachealgangiien bei allen (von mir untersuchten)
Hypoderma -Liivvnn, und bei Cephalomyia masculnta die eben so
geformt und gebaut sind, wie die Schlund- und Seitenganglien der
betreffenden Larven, und nach Art dieser einen breiten astlosen,
sich einfach an die innere Haut desintegumentes ansetzenden Ramus
sensitivus und einen schmalen sich vielfach verästigenden Ramus
muscnhii'is abgeben, hj Das Abgehen von kolossalen Nerven von
Trachealgangiien bei Hypoderma und Cephalomyia- Larven, von
denen es ebenfalls klar ist, dass sie rein sensitiver Natur sind, obwohl
die Ganglien selbst in beiden Fällen einen Theil ihrer Fibrillen in
die Tracheen treten lassen. Wir können daher sagen dass im All-
gemeinen die Trachealgangiien rein sympathischer
Natur, dass jedoch einzelne derselben wahrscheinlich
gemischten Charakters sind.
3. Vom quergestreiften Nervensystem sei vorläulig die
reine sympathische Natur als unzweifelhaft dahingestellt.
H. Sinnesorgane.
Bei dem Dunkel, welches im Allgemeinen über den Gehör-, Ge-
ruch- und Geschmacksinn bei den Inseeten herrscht, kann hier natür-
lich nur gefragt werden, ob bei unseren Larven die anderen zwei
speciöschen Sinneswerkzeuge, nämlich Augen und Fühler, vorhandeti
seien, oder nicht? Wenn wir die Lebensweise dieser Thiere iu's Auge
fassen, so ist bekannt, dass sie Schmarotzerthiere sind, dass sie ihr
Dasein zeitlebens im Inneren von Säugethieren fristen, und ihren
einmal eingenommenen Platz auf irgend einer Schleimhaut, oder unter
der äusseren Haut des Wohnthieres bis zu ihrer Verpuppung fast
nie verlassen. Da nun in das Innere eines Thieres keine Lichtstrahlen
eindringen können, so versteht es sich von selbst, dass unsere Larven
der Augen entbehren, und blos im Besitze von Fühlern sein werden,
um ihre Nahrung aufsuchen und etwa die Oberfläche einer Schleim-
haut von einem anderen Körpertheile unterscheiden zu können.
Schröder van der K o I k *) sagt von den Fühlern von Gnsfrus
equi: „Ce sont lä les seuls organes des sens, dont l'animal est doue,
1) L. c, p. 22,
;454 S i' li e i I) e f.
mais ils piiraisseiit sut'tir a ses besoins". Newpurt ') stellt sieh vor,
dass in den Sinus frontalis des Schafes noch Lichtstrahlen gelangen
und beschreibt daher die Punkte, welche an der Spitze der Fühler,
von Cephalomyia ovis gesehen werden, für Puiiktaugen. Ich will
seine eigenen Worte auf Seite 961 anführen: „We have recently
detected, what we believe to he organs of vision in a Dipterous lar-
va {Oestrus ovis Fig. 360), wliich resides in the frontal sinuses of
the sheep, into which, probably, a small amount of light may enter
through the nostrils. These consist of two brown spots on each side
of the head, (h 2) placed at a little distance from each other, imme-
diatly beneath a convex and very transparent part of the tegument,
which resembles a true cornea" etc.
Ein viel älterer Autor, Fischer, hat schon gewusst, dass diese
Thiere keiner Augen bedürfen, denn er sagt 2) von den Fühlern von
Cephalomyia ovis (bei ihm Oestrus ovis) Folgendes: „In suprema
capitis parte et quidem in eins margine superiore Tab. I. et II. Fig. 3
e. e. duo cernuntur parva, rotunda, sibi e contrario opposita et aequa-
lia corpuscula, quorum auxilio larva sentit. Qui acini sensorii, liceat
enim mihi hoc uti denominatione, hisce larvis cum iis, qui ventricu-
lum equinum inhabitant communes sunt".
Abgesehen davon, dass, wenn auch Lichtstrahlen in den simis
frontalis der Schafe dringen könnten (was überhaupt sehr bezweifelt
werden dürfte) , diese gewiss von so geringer Anzahl sein würden,
dass die Thiere mit ihren kleinen Punktaugen doch nichts wahrneh-
men könnten , so haben jene Flecke an der Spitze der Fühler der
Cejyhalomyia-havyen durchaus in'cht die Structur von Punktaugen,
wie dies weiter unten nachgewiesen werden wird.
Schröder van der Kolk beschreibt s) die Fühler von Gas-
trus equi auf folgende Weise: Sie bilden zwei hornige braune Ringe,
die nach oben von einer sehr dünnen, weissen, structurlosen Mem-
bran geschlossen sind. Auf dieser Membran sitzen zwei andere kleinere
Palpen, deren einer einen kleinen braunen abgehackten Cylinder dar-
stellt, an dessen Spitze zwei duukler gefärbte Punkte zu sehen sind,
deren ausserordentliche Feinheit es ihm nicht erlaubte, die Natur
•) Todd"s Cyclopat'dia. II. Bd. Art. „Insecta".
2) Werner! vcrmium iiifestiiinliiim contiiniafio IM. p. 20.
3) h. c. p. 22.
Verfi^leicheiuli! Aiiatoiiii«' iiii<i l'liy,si()lo<;;ie rier Ostriden-Larveii. 4'«)^
derselben selbst bei einer 600- bis lOOOfaeben Vergrössserun^ eriiiren
zu können. Die andere Palpe ist etwas mehr konisch und hat an ihrer
Spitze einen hellen Punkt.
Wenn man Fig. 25 in Betracht zieht, so findet man, dass die
eben geschilderten Fühler («) sehr niedrig abgestutzte Kegel dar-
stellen, deren Seitenwände aus harter, brauner Chitinsubstanz beste-
hen, und die nach oben von einer festen, durchscheinenden Membran
(c) verschlossen sind. Auf dieser Membran sieht man nebst den zwei
kleineren Palpen («f, d') um diese herumgelagert 4 — 6 noch kleinere
Erhabenheiten (e, <?), die sich bei 3 — 400facher Vergrösserung ganz
deutlich als kleine ebenfalls abgestutzte Kegelchen ausnehmen, und
die S c h r ö d e r van d e r K o I k als Löcher aingesehen hat. Sie bestehen
ebenso wie der primäre Kegel («) aus einem braunen Chitinring und
einer diesen abschliessenden durchscheinenden glatten Membran.
Von den zwei grösseren secundären Palpen (</, d) bildet die eine
d einen breiten und niedrig abgestutzten Kegel (keinen Cylinder,
wieSchröder van der Kolk meinte), der wieder denselben Bau
hat, wie die primäre Kegelpalpe («), und die kleineren, secundären
Kegelpalpen (e, e). Auf der Membran der secundären Palpe d
sieht man schon bei lOOfacher, noch deutlicher bei stärkerer Ver-
grösserung wieder zwei grössere (tertiäre *) und um diese herum
mehrere, 4 — 6 kleinere, ebenfalls abgestutzte Kegelchen gelagert —
Kegelpalpen tertiärer Ordnung — . Sowohl die kleineren als grösse-
ren Kegel dieser Ordnung haben wieder dieselbe Structur, wie die
der secundären Kegel, nur sind auf derMembran der zwei grösseren,
tertiären Kegel zwei äusserst feine Punkte zu sehen (vielleicht die
zwei grösseren Kegel eines Palpensystems vierter Ordnung?); auf
den kleineren, tertiären, fehlen die Pimkte.
Der andere der zwei grossen secundären Kegel (jl) unter-
scheidet sich von d durch folgende Merkmale: 1. ist d' länger aber
auch schmäler als d\ 2. ist auf der den Kegel abschliessenden Mem-
bran von d' nichts zu sehen, und 3. hat er unter dem Mikroskop den
Anschein, als wenn in dem Kegel d' noch ein kleinerer Kegel ein-
geschoben wäre, weil man nach innen von den Seitenrändern zwei
mit diesen parallele Linien verlaufen siebt, und bei vi'rschiodenen
') \U^• /W.'i ilMllkrl n,.|il,|,|,.n rilllMr S c h I o .1 i
456 S 0 li e i I. e r.
Einstellungen zwei (eine obere und eine untere) Membran zu
Gesichte kommen, wie dies in der Figur angedeutet erscheint.
Was die Structur der innerhalb der Fühler liegenden Gewebe
und namentlich die Art der Neivenvertheiiung anlangt, so habe ich
mich vergebens bemüht, etwas Zuverlässiges hierüber zu erforseiien,
da namentlich die Fühler viel zu klein und die inneren Gewebe viel
zu zart sind, um gehörig anatomirt werden zu können. Wahrscheiidich
ist's jedoch, dass die Nervenfilametite in den Membranen der einzel-
nen Kegelsysteme endigen.
Bei Ifypodenna-hüvv au sind die Fühler ganz verkümmert,
und blos durch zwei schwarze Punkte, die eng neben einander unmit-
telbar vor oder ober der Mundütlnung liegen (Fig. 4 f) und bei stär-
kerer Vergrösserung noch im Centrum einen weissen Fleck zeigen
(Fig. 26 c, c). Die Verkümmerung der Fühler hängt genau mit der
Lebensweise dieser Thiere zusammen. Sie leben nämlich während
ihres ganzen Larvenzustandes unter der Haut von Wirbelthieren
(meist Zweihufern), wo sie eingekapselt sind und ihren Ort bis zur
Verpuppungszeit gar nie ändern. Sie sind also weder Wanderungen
noch Verirrungen und demnach auch nicht der Nothwendigkeit ihre
Nahrung zu suchen, ausgesetzt. Die Larve mag allerdings in ihrer
ersten Zeit der Fühler bedürfen und sie auch besitzen, wie Einige
vermuthen, aber es ist bis jetzt noch unentschieden, ob die Hypo-
derma-Y\\QgQ ihre Eier nur blos auf die Haare des Wohnthieres legi,
oder ob sie ihre Legeröhre in einen Haarbalg einsenkt und da ihre
Eier absetzt. Der Besitz einer Legeröhre spricht noch nicht nut
Bestimmtheit für Letzteres, da auch die Gastrus-¥\\eg& eine solche
hat, und von dieser bekannt ist, dass sie ihre Eier auf den Haaren
des Pferdes absetzt. Da die ausgekrochenen Jungen mittelst ihrer
Haken ein Jucken auf der Haut des Pferdes verursachen, so werden
sie mit der Zunge aufgeleckt und verschluckt.
Bei den von allen Larvengatlungen verhältnissmässig am mei-
sten mit der Aussen weit in Beziehung stehenden Cephenomyia- und
Ceplidfomyia -\j'M'yeu, die bekanntlich Inder Stirn-, Nasen- und
RacluMihiilile ihrer Wohnlliiere lelti-ii, liiiilet man auch die am stärk-
sten entwickelten Fühler, die bei beiden Larvengattungen gleich
gebaut sind. Sie stellen nämlich weiche, dem übrigen Körper gleich
gefärbte stumpf- kegelförmige , mit ihren Axen von beiden Seiten
her etwas divergirende Wärzchen dar, die knapp vor der MundölT-
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Öslriden-Laiven. 457
nung und den diese zwischen sich fassenden Haken liefjon. Auf ihrer
stumpfen Spitze sind zwei feine, hraune Punkte sichtbar. Diese Fühler
können von den Thiereii vorgestreckt und eingezogen werden. Ihr
feinerer Bau, der an Längs- und Querschnitten studirt wurde, ist fol-
gender :
1. Nach aussen setzt sich die äussere und innere Haut des Inte-
gumentes , ohne besonders verändert zu werden, auf sie fort. Die
Farbe und Weichheit der äusseren chitinisirten Lage sind der des
übrigen Körpers gleich, nur ist letztere nicht so eben , wie ander-
wärts gefeldert. Die Felder sind länglich, zu beiden Seiten lanzett-
ähnlich zugespitzt und so gelagert, duss ihre Läiigsaxe quer auf die
der Fühler gestellt ist, und jene einer Reihe mit ihren Spitzen auf-
einander stossen. Nur an der Spitze der Fühler verändert sich die
äussere Chitinlage in der Weise, dass sie entsprechend jenen zwei
Punkten, die Newport bei Oestrns ovis für Punktaugen ansah,
dicker, braun und hart wird, und mit den inneren Weichgebilden der
Fühler fest verwachsen ist, was an anderen Stellen nicht der Fall ist.
Auf dem Integumente folgt:
2. Eine ziemlich dicke Schichte von quer- und längsverlaufen-
den Muskelfasern. Diese sind blass, einfach quergestreift, und dienen
dazu, um die Fühler verlängern und verkürzen zu können. Die Muskel-
schichte fehlt an jenen Stellen, welche den zwei braunen Punkten
entspricht.
3. Der ganze übrige Raum des stumpfen Kegels ist mit eiin-r
grobkörnigen Masse ausgefüllt, die sich bei sehr feiner Zerlheilung
als eine Anhäufung von in einer Molecularmasse eingebetteten Ker-
nen nianifestirt. Die Kerne sind blass, von verschiedener Grösse
und Gestalt, polygonal oder rundlich, flachgedrückt, mit einem oder
zwei Kernkörperchen und einem eigentliümlich matten Glänze ver-
sehen. Hie und da sind auch Trümmer von faserigen Gebilden (Ner-
venlibrillen), um die solche Keriihaufen gelagert sind, zu sehen.
Von den zwei dunklen Punkten auf jedem Fühler erscheint der
eine von ihnen bei starker Vergrösserung grösser, unregelmässig
polygonal und mit drei lichteren Flecken im Centrum versehen, der
andere kleiner, länglich, fast spindelförmig und gleichmässig braun
gefärbt. Der Nutzen dieser zwei härteren Stellen der Pulpen mag
zur Verfeinerung des Tastverinögens dieser Thiere bestimmt sein,
indem sich nämlich der Stoss besser auf die mit ihnen unmittelbar
458 S c h e i I) .' r.
verwachsene Nervensubstanz fortpflanzt, als wenn die betreffenden
Stellen weich wären.
Die Fühlernerven existiren bei Hypoderma-harven entweder
gar nicht, oder sind ebenfalls äusserst rudimentär; bei Gastrus
konnte ich sie nicht verfolgen, hingegen gelang mir dies bei Larven
von Cephenomyien und Cephalomyien. Bei diesen kann man zwei
Nerven in die Fühler eintreten sehen, einen dickeren, den eigent-
lichen Tastnerven, und einen dünneren, für die Musculatur bestimm-
ten. Diese zwei Nerven treten aus dem Inneren jener Schlundmus-
kelu hervor, an welche sich die (Nerven-) Fortsätze der appendicu-
lären Ganglien ansetzen. Wenn man nun diese Nerven von den
Fühlern aus durch die Musculatur gegen die appendiculären Gang-
lien hin verfolgt , so sieht man sehr bald , dass sie sich aus
vielen feinen Ästen und Zweigen innerhalb der Musculatur zusam-
mensetzen. Wenn ich auch nun diese Äste und Zweige wegen ihrer
ausserordentlichen Feinheit nicht weit verfolgen konnte, so ist es
doch immerhin sehr wahrscheinlich, dass sie sich aus einer gewissen
Anzahl jener Nervenfibrillen zusammensetzen, die sich von den appen-
diculären Ganglien aus in die Miiskelsubstanz unmittelbar vertheilen.
Um uns über das, von dem Nervensysteme der Oes^n/s-Larven
Gesagte einen kurzen Überblick zu verschaffen, wollen wir Alles
in folgende Sätze zusammenfassen:
1. Es fehlt hier ein eigentlicher Bauchganglienstrang, und das
Centralnervensystem besteht in einer von allen bis jetzt bekannten
Gliederthieren höchst abweichenden Weise aus einem Haupt- und
fünf theils paarigen, theils unpaarigen Nebenganglien.
2. Von diesen sind die Seiten- und Schlundganglien stets
ganz gleich gebaut, nur sind die letzteren immer mit einander in
höherem oder geringerem Grade verwachsen. Sie haben das Charak-
teristische, dass immer blos zwei und respective drei Nerven abgehen,
ein breiter unverästigter Nervus viUancus und ein, respective zwei
schmälere, äussere, sich vielfach verästigende Nervi muscufares.
3. Das Herzgan gl ion ist stets nls V^erschmelzung zweier wal-
zenförmig in die F^änge gezogener und an beiden Enden zu einem drei-
oder viereckigen Rahmen mit einander verwachsener Ganglien anzu-
sehen. Durch dasselbe verläuft stets das Rückengefäss nach vorn, und
durch seine Schenkel ziehen zwei Tracheen zum Haupiganglion. Von
iliin gehen sfots Nervi Cfiri/ifici y\i\i\ meist aneli ein Nervuii tjasfrlens ab.
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Östriden-Larven. 4-59
4. Die appendiculären Ganglien, die man auch, wie wir
alsbald sehen werden, die Gehirnganglien der Bremsenlarven nennen
könnte, sind bei Ccphenomyia ganz zu einer membranartigen Nerven-
ausbreitung, bei Gastrus fest miteinander zu einem unpaaren Ganglion
verwachsen, indem die zwei innersten Schenkel verschmolzen sind.
Bei Hypoderma- und Cephalomyia-Lüv\Gn sind vier vorhanden, zwei
äussere oder vordere und zwei innere oder hintere. Die vorderen
sind stets mehr weniger retortenförmig, und hängen mit den hinte-
ren hei Hypoderma mittelst einem dicken, bei Cephalomyia mittelst
zweier dünnerer, stets sehr kurzer Nerven zusammen. Die hinteren
sind kugelig und mit dem Hauptganglion unmittelbar verwachsen,
während hei Cephenomyia- und Gastrus-L^vyQw die appendiculären
mit dem Hauptganglion stets mittelst Nerven in Verbindung stehen.
Die appendiculären Ganglien heften sich stets theils mittelst Nerven,
theils mittelst directer gangliöser Fortsetzungen an die Musculatur
des Schlundes an.
5. Es stellt sich stets ein gewisses wechselseitiges Ver-
hältnis s zwischen appendiculären und Hauptganglien her, in
wieferne nämlich bei jenen Larvengattungen, wo erstere schwach
entwickelt sind, sich letzteres besonders stark ausgebildet zeigt
(Gastrus und Cephenomyia^, und umgekehrt treten diese zurück, wo
jene sich durch ihre besondere Grösse auszeichnen (Hypoderma und
Cephalomyia).
6. Die Rectalganglien sind unpaarige, durch Nebenäste der
zwei längsten Nerven des Larvenkörpers gebildete , auf der Bauch-
seite des Rectums aufliegende Ganglien, die bei Hypoderma-Laiyen
kugelig, bei denen der Cephenomyien und Cephalomyien flach-
gedrückt dreieckig sind, und den Plexus haemorrhoidalis bilden
helfen,
7. Ausser den vomCentralnervensystem abhängigen sogenannten
Nebenganglien sind bei unseren Larven von diesem ganz unabhän-
gige, auf Tracheen primärer und secundärer Ordnung sitzende Gang-
lien zu finden, welche, so viel ich weiss, noch bis jetzt nicht beschrie-
ben worden sind, und die ich Trachealganglien nenne. Sie sind
als eben so viele von einander unabhängige Centra des sympathischen
Nervensystems anzusehen, so wie dies von dem Systeme der Nervi
transversi oder des paarigen und unpaarigen Nervus recurrens der
Arthropoden im Allgemeinen gilt.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 16. 31
460 S c h e i b e r.
8. Auch das Herz- und Rectalganglion sind als sympathische
Ganglien des Centralnervensystems aufzufassen.
9. Zu den bei den Seiten des Rückenge fässes finden
sich Ganglien st ränge vor, die ebenfalls selbstständige, sowohl
vom Centraliierven- als vom Trachealgangliensystem unabhängige
Centra des sympathischen Nervensystems sind, und die Bestimmung
zu haben scheinen, jene Lücken in Bezug der Innervation der Einge-
weide auszufüllen , die von den beiden eben genannten Systemen
zurückgeblieben sind.
10. Die Ganglien sind im Allgemeinen zusammen-
gesetzt: a) aus der äusseren, structurlosen, bindegewebigen Hülle
und 6^ aus dem Inhalte, welcher besteht: a) aus Kernen und kern-
haltigen Zellen von verschiedener Grösse und Form, /9) aus Nerven-
fibrillen und y) aus einem spärlichen intermediären Stroma von
Bindegewebe und einer feinen Molecularmasse.
11. Schlund- und Seitenganglien, so wie auch die diesen
ähnlich geformten Trachealganglien der Hypoderma-L'AYsen zeich-
nen sich vor allen anderen Ganglien durch ihre Form, die Son-
derung der Ganglienmasse in Hülle und Kern, die eigenthümliche
Beziehung des eintretenden Nerven zum Kern , so wie endlich
durch die Einförmigkeit und regelmässige Gruppirung der Ganglien-
zellen aus. Die kugeligen Trachealganglien sind bei jeder der
drei Arten von Hypoderma -Lüvyen, wo ich sie vorfand, anders
gebaut.
12. Die Nerven haben einen gewöhnlichen oder abweichenden
Bau. Die erst gebauten bestehen a) aus dem Neurilem; bj aus einem
feinfibrillären, von Molecularmasse durchsetzten Inhalte, oder die
Fibrillen sind schärfer contourirt, schlängelig verlaufend und haben
Kerne zwischen sich eingebettet; c) aus einem Axengebilde, das
sich durch sein helleres Aussehen verräth. Zu den ungewöhnlich
gebauten Nerven gehören nj die „kolossalen Nerven" (bei Hypoderma-
Larven und bei Cep/ialomyia muculata beobachtet); b) breitrandige
Nerven mit bröckligem Inhalte (zweimal bei C. maculata gesehen) ;
ey quergestreifte Nerven, die in Bündeln ganz das Aussehen einer
quergestreiften Muskelmasse darbieten.
13. Während meiner Untersuchungen habe ich folgende Formen
von N o r V o n 0 n d i g u n g e n beobachtet :
Vergleichende Aiintoiiiie und Pliysiologie der Üstriden-Larven. 461
«) M"f R "t i'^) ^"^^^^ ^^* Nerven mit Irigonalem Ende.
„, , j )ß) die trichterförmige Endigung der kolossalen
werden des^*^^ ° » &
Nervenendes.)
H) Endigung in eine herzförmige Anschwellung.
foc) Ansatz des Nerven in einer Richtung, die mit
\ der Längsaxe des Nerven einen rechten
6^ Ohne Breiter- j Winkel bildet.
werden desxß) Ansatz des Nerven in einer Richtung, die mit
Nervenendes./ der Längsaxe desselben einen sehr schiefen
[ Winkel bildet.
cj Endigung des Nerven in eine äusserst feine Spitze.
dj Endigung eines noch ziemlich starken Nerven in ein Ganglion,
von welchem fein zugespitzte Nerven nach allen Richtungen aus-
strahlen,
14. Die Palpen sind die einzigen Sinnesorgane der Oestriis-
Larven. Sie sind hei Hypoderma ganz verkümmert, bei Gastnis bilden
sie ein Kegelsystem erster, zweiter und dritter Ordnung, bei Cepha-
lomyia- und Cephenomyia -Lüryen zwei stumpfkegelige Hervor-
ragungen, die an ihren Spitzen zwei hornartig harte Stellen und im
Inneren eine am äusseren Integumente anliegende Quer- und Längsmus-
kelfaserschichte besitzen. Der ganze übrige Kegelraum ist mit sehr
kleinen und zarten Kernen angefüllt, die in einer Molecularmasse ein-
gebettet liegen , und sich wahrscheinlich mit den Fibrillen (Axen-
cylindern) des Tastnerven verbinden.
Anhang.
Es mag nun erlaubt sein die Frage zu stellen, welche Theile
des Nervensystems unserer Larven wären mit jenen des Bauchgan-
glienstranges der Gliederthiere im Allgemeinen in Parallele iu ziehen?
Es wird Niemand daran zweifeln, dass das Hauptganglion unserer Larven
den verwachsenen Brust- und Bauchknoten des Ganglienstranges ent-
spricht. Es fragt sich nur, welches von den Nebenganglien entspricht
dem Gehirn und verlängerten Mark der Wirbelthiere oder dem Ganglion
supra- et infraoesophageum der übrigen Gliederthiere, und ob bei den
Östriden-Larven eine Verschmelzung der letztbenannten Ganglien statt-
finde? Eine Thatsache spricht scheinbar für Letzteres, nämlich die
31*
462 S c h e i b e r.
Durchbohrung des Haugtganglions durch den Ösophagus; es scheint
also , dass das Hauptganglion zugleich in seinem vorderen Theile
einen eigentlichen Schlundring bildet. Dieses ist aber blos bei zwei
Gattungen der Fall, bei Gastriis- und Cephe7iomyia-Lüv\en , nämlich
dort, wo das Hauptganglion besonders stark entwickelt erscheint und
eine überwiegende Rolle über das Nebengangliensystem spielt. Dort
hingegen, wo das Hauptganglion in seiner Ent Wickelung zurücktritt,
und dafür die appendiculären Ganglien einen Theil seiner Rolle
übernehmen , geht der Ösophagus zwischen und unter den appendi-
culären Ganglien hindurch.
Zwei Verhältnisse sind massgebend für die Wesenheit des supra-
ösopbagealen Ganglions ; 1. Es muss stets oberhalb des Ösophagus
liegen ; 2. es müssen von ihm die Sinnesnerven abgehen. Beide Beding-
nisse finden sich bei den appendiculären Ganglien ein. Es wurde
nämlich schon weiter oben mit grüsster Wahrscheinlichkeit nach-
gewiesen , dass die Fühlernerven von den appendiculären Ganglien
ihren Ursprung nehmen. Was die Lagerung derselben oberhalb
des Ösophagus anlangt, so ist dies von denen der Hypodei^ma- und
Cephalo7nyia-LnrYen ohnedies klar. Um sich aber vorstellen zu kön-
nen, dass die appendiculären Ganglien auch bei den anderen zwei
Larvengattungen oberhalb des Ösophagus zu liegen kommen, muss man
sich die Figuren 3 und 8 noch einmal vergegenwärtigen.
Wenn man sich nämlich bei Betrachtung von Fig. 3 das Haupt-
ganglion mit allen seinen Theilen von der Bauchseite her gesehen
gezeichnet, und den Schlund (c) im Körper so gelagert denkt, dass
dessen gerade, mit dem Ösophagus in einer Flucht verlaufende Kante
gegen die Bauchseite, also hier in der Figur nach oben gekehrt, und
die gebogene Kante nach abwärts gewendet ist, so wird man sich
leicht vorstellen können, dass die appendiculären Ganglien (l, f)
unmittelbar oberhalb des Ösophagus zu liegen kommen. In Fig. 8 muss
man sich denken , dass das Hauptganglion von der Seite betrachtet,
und der Lappen (y, o) des appendiculären Ganglions (ß, e) herüber-
geschlagen gezeichnet ist, dass ferner dieses ein Dach bildet, das
mit seiner convexen Seite gegen den Rücken des Thieres, mit seiner
concaven gegen den Bauch gekehrt ist, und dass der Ösophagus, der
hier nicht gezeichnet ist, unter dem Dache verläuft (also von der
Rückenseito her gar nicht gesehen werden kann), um in das, im
kleineren, gegen den Rücken hin gerichteten Schenkel des Haupt-
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Üsfriden-Larven. 463
ganglions befindliche Loch von der dem Beobachter zugekehrten
Seite einzutreten.
Wir sehen demnach, dass auch das constante Lagenverhältniss
der appendiciilären Ganglien zum Ösophagus diesen die Benennung
der supraösophagealen oder G e h i r n g a n g 1 i e n mit Recht zu-
weist. Es fragt sich nur, warum diese nicht im Bereiche des ersten,
nämlich des Kopfringes liegen? Wir wissen, dass unsere Larven im
Gegensatz zu denen der meisten anderen Insecten keinen eigentlichen
Kopf haben, dass vielmehr das Kopfende meist zugespitzt und der
schmälste Theil des Körpers ist, so dass der verhältnissmässig stark
entwickelte Schlund fast allein den Baum der ersten zwei Ringe
ausfüllt, daher das Hauptganglion mit dem Gehirnganglion so weit
zurück treten mussten.
Das i n f r a ö s 0 p h a g e a 1 e G a n g I i 0 n wird offenbar durch die
beiden verwachsenen SchUmdganglien repräsentirt, welche bekanntlich
an der Bauchseite des Schlundes und Ösophagus liegen und demnach
ein den appendiculären Ganglien entgegengesetztes Lageverhältniss
zum Ösophagus darbieten. Nur fehlen hier die seitlichen Verbindungs-
Commissuren der supra- und infraösophagealen Ganglien mit einander,
was darin zu suchen ist, dass appendiculäre und Schlundganglien
nicht senkrecht unter einander, sondern letztere immer mehr nach
vorne liegen als erstere, daher es gar nie zu einem eigentlichen
„Schlundringe"^ kommen konnte. Dort, wo die Schlundganglien
schwach entwickelt sind, liegen sie noch im Bereiche des zweiten
Ringes, und zwar auf dem Schlünde auf, wo sie aber grosse, massive
Körper darbieten, wie bei Hypoderma- und Cephaloiny ia- hüwen,
da treten sie auch noch mehr zurück , und liegen eigentlich auf dem
Ösophagus (auf der Bauchseite desselben) auf.
in. Das Circiilationssystem.
Meine Untersuchungen beschränkten sich in diesem Systeme
auf das Rückengefäss, das bei unseren Larven in ein eigenthümliches,
bis jetzt noch ganz unbekanntes Verhältniss zum Nervensystem und
speciell zum sympathischen Theile desselben tritt. Blutgefässe konnte
ich nirgends mit Sicherheit nachweisen, und schon Schröder van
der Kolk führt als Beweis für die Abwesenheit von CapillargefäsSen
und für die Circulation der Blutflüssigkeit in wandungslosen, intersti-
464 S c h e i h e r.
tiellen Gewebsräumen jenes übrigens auch von mir gemachte einfache
Experiment an, nach welchem jede kleinste der lebenden Larve bei-
gebrachte, die Haut perforirende Wunde schon hinreicht, damit fast
die ganze Blutflüssigkeit in kürzester Zeit aus dem Körper von sich
selbst aussickere , und die Bewegungen des Rückengefässes sogleich
sistirt werden.
Bei den Insecten , sagt Schröder van d e r K o 1 k *) , liegt das
Rückengefiiss immer an der Rückenseite des Thieres, und sein Verlauf
ist gevvönhiich ein mehr weniger mit der Rückenfläche des Thieres
paralleler, dieses gilt, sagt er, bei Gastrus equi blos vom hinteren
Theile des Rückengefässes , welcher zugleich der breiteste Theil
desselben ist. Der vordere Theil neigt sich mehr gegen die Axe
des Körpers, um die Spalte des Herzganglions zu passiren und sich
an den Schlund festzusetzen. Das Rückengefäss hat demnach einen
bogenförmigen Verlauf und sein vorderster Theil ist auch gegen die
Rückenseite zu vom Fettkörper umgeben. Ganz dasselbe Verhältniss
findet auch bei den Larven der übrigen Ostriden-Gattungen Statt, da
das Herzganglion überall mehr gegen die Axe des Körpers zu
gelegen ist. Nur ist stets festzuhalten, dass das Rückengefäss immer,
wegen senkrechter Richtung der Spalte des Herzganglions, um diese
passiren zu können, seine horizontale Ebenein eine verticale umändern
muss in der Weise, dass, während es früher einen rechten und linken
Rand hatte, es dann einen vorderen und hinteren erhält. Dieses
geschieht dadurch, dass die zwei Seitenränder verstreichen, und die
obere und untere Wand sich zu einer Kante erheben.
Der feinere Bau des Rückengefässes besteht aus einer inneren
und äusseren structurlosen bindegewebigen Membran und einer mitt-
leren quer und längs verlaufenden Muskelschicht. Die Muskelfasern
sind einfach quergestreift, und manchmal sogar in Primitiv-Bündel
geordnet. Am wenigsten ist die Querstreifung bei Gastrus-, am meisten
bei Cephalomyia-hiivven ausgesprochen.
Die Längsmuskelfasern sind entweder gleichmässigauf die ganze
Breite des Rückengefässes verllieilt,oder inForm von Bändern stellen-
weise angehäuft (Cephalomyia maculata) . Die Cirkelfasern kreuzen
sich meist rechtwinkelig mit der Längsaxe des Rückengefässes, manch-
mal jedoch bilden sie mit dieser einen spitzen Winkel (Cephalomyia
1) L. c. p. ö4.
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Ostriden-Larven. 4r6o
maculata). Am hintersten Theile des Rückengefässes inseriren sich
zu beiden Seiten 3 — 4 Paar Flügelmuskeln (Fig. 23 b, b, b, b).
Ausserdem sieht man bei allen Oestrus-L-.wxQw zu beiden Seiten
des Rückengefässes (Fig. 23 a, a) zwei Stränge verlaufen, c, c, c, c,
die einen sehr interessanten Bau zeigen. Sie hängen nur lose am
Rückengefässe an, so dass sie schon während der Präparation leicht
von ihm abreissen, und erstrecken sich nach hinten bis zu den Flügel-
muskeln, nach vorn hören sie eine kleine Strecke vor der Passirungs-
stelle durch das Herzganglion auf. Wenn man diese Seiten stränge
näher untersucht, so findet man, dass sie aus einem breiten Bündel von
quergestreiften Fasern bestehen (Fig. 24 c, c), welches von einer
grossen Anzahl von grossen kernhaltigen (Ganglion-) Zellen umgeben
und mehr weniger bedeckt ist (Fig. 23 c, c, c, c). Von jedem
dieser beiden Seitenstränge gehen 3 — 4 Äste ab (Fig. 23 d, d, d, f/).
die ebenfalls nichts anileres als etwas kleinere Bündel quergestreifter
Fasern darstellen (Fig. 24 c'}, jedoch keine Zellen mehr um sich
gelagert haben. (In Fig. 23 sind die Zellen der Seitenstränge bei
c, c, c, c bei schwächerer Vergrösserung dargestellt, in Fig. 24 sind
sie bei c, c weggenommen.) Diese Äste geben alsbald nach ihrem
Abgange vom Seitenstrange Zweige an den Fettkörper an die Mal-
pighischen Gefässe, und so weiter ab, und zerfallen endlich in ihre
Primitivfasern, die ebenfalls quergestreift sind, und sich entweder ein-
fach in den einzelnen Gewebstheilen verlieren, oder sich mit anderen
verbinden und zierliche Netze bilden, wie solche am schönsten in
der Wand des Rückengefässes oder um dieselbe herum gesehen
werden können. Fig. 29 zeigt einen derartigen Plexus von querge-
streiften Fasern naturgetreu abgebildet.
Die Ganglienzellen sind meist uni- und bi-, seltener multipolar.
Die Fortsätze werden alsbald nach ihrem Austritte aus der Zelle
(früher oder später) quergestreift (Fig. 27 und 28 b, 6) und ana-
stomosiren mit den Fortsätzen anderer Zellen so lange, bis sie das
Maximum jener Dicke erreicht haben, bei welcher sie noch über-
haupt als einfache Fasern erscheinen. Die Zellen sind stets mit einem
ziemlich grossen und deutlich ausgesprochenen Kern versehen, der
wieder ein oder mehrere Kernkörperchen hat. Der Inhalt ist entwe-
der grau und feinkörnig-moleculär (Fig. 28), oder gelblich, bräunlich
gefärbt und grobkörnig (Fig 27). Manchmal zieht sich der Inhalt von
der Zellenwand stark zurück (wie Fig. 27 zeigt, und bei Cephalomyia
466 S c h e i b e r.
macnlata fast immer boobachtot M'iirde), in der Weise , dass die
Membran runzlieh eingekerbt erscheint, und zwischen sie und den
Inhalt eine glashelle Flüssigkeit trat , die wahrscheinlich durch
DilTercnzirung des Inhaltes entstanden ist. Der zurückgezogene
Zelleninhalt liegt wie ein, die Gestalt der Zelle nachahmender Klumpen
in dieser glashellen Flüssigkeit, der am Rande ebenfalls eingekerbt
erscheint, und in zwei mehr weniger stumpfe oder spitze Enden aus-
läuft, die gegen die Fortsätze der Zelle gerichtet sind. Es fällt bei
b' auf, dass der quergestreifte Inhalt des Zellenfortsatzes von dem
zurückgezogenen Zelleninhalte losgerissen ist. Der Rand der Zelle
erscheint nicht immer so dünn und glatt (wie in Fig. 28) , sondern
auf der einen oder auf beiden Seiten dicker und streifig (Fig. 27).
Dieses rührt daher, dass Fasern anderer Zellen an dem einen oder
den beiden Rändern der Zelle dicht vorbeiziehen , um sogleich mit
dem aus der Zelle hervorkommenden neuen Fortsatze auf eine
unmerkliche Weise zu verschmelzen. Die Grösse der Zellen
ist sehr verschieden , sie haben 0*006 — 0-Olb Millini. im Durch-
messer. Bei Cephalomyia maculata , wo ich nebst den grössten
auch die allerkleinsten beobachtet habe , gibt es auch solche mit
0"002 Millim. im Durchmesser. Die Zellenfortsätze sind 0-OOOS bis
0-001 Millim. dick.
Die quergestreiften Fasern selbst sind 0-001 — 0-002
Millim. dick, und bestehen aus einem Neurilem und Inhalte. Das
Neurilem wird durch eine hyaline, structurlose Bindegewebsmembran
gebildet, die aber so dünn und zart ist, dass sie vom Inhalte nicht
deutlich unterschieden werden kann, und sich nur dadurch verräth,
dass sich die Querstreifen nicht auf die ganze Dicke der Faser
erstrecken, sondern zu beiden Seiten von einer zarten, blassen Con-
tour begrenzt sind (Fig. 27, 28 und 29). Der Inhalt der Faser ist
entweder blass oder gelblich, stets hyalin und lässt nirgends eine
Spur einer Längsfaserung oder Körnung nachweisen. Er ist in seiner
Continuität durch Querstreifen unterbrochen, die sich aber mehr als
Querspalten oder Ritzen ausnehmen, sehr oft parallel zu einander ver-
laufen, oder in schiefer Richtung gestellt sind. Der Abstand der Quer-
streifen von einander ist manchmal ein gleichmässiger, manchmal
nicht, eben so ist die Breite der Querstreifen eine grössere oder
geringere, stets jedoch in dickeren Fasern eine grössere als in
dünneren. Oft wechseln dickere mit dünneren unregelmässig ab, und
Vergleichende Anatomie und Physiolog'ie der Ösfriden-Larven. 467
ein und derselbe Querstreifen ist manchmal an dem einen Ende dicker
als am anderen.
Die quergestreiften Fasern gehen aus den Zellenfortsätzen durch
gegenseitige Verbindung miteinander hervor. In seltenen Fallen theilt
sich der Zellenfortsatz erst dichotomisch , und geht erst dann Ver-
bindungen mit anderen Zellenfortsätzen ein. Die aus Anastomosirun-
gen der Zellenfortsätze hervorgehenden quergestreiften Fasern sind
wohl immer dicker als diejenigen, die zu solchen zusammengetreten
sind, aber man ersieht nie aus ihrem inneren Baue, dass sie eigent-
lich aus dem Zusammentreten mehrerer Fasern entstanden sind. So
erscheint die Faser b in Fig. 27 und die Faser c in Fig. 28 stets
als eine einzige Faser, trotzdem in beiden mehrere Fasern zusammen-
gestossen sind. Diese Verschmelzung von Zellenfortsätzen oder soge-
nannten Primitivfibrillen zu quergestreiften Fasern reicht blos bis zu
einer gewissen Dicke der letzteren, wo sie sich dann in Bündelform
an einander legen, und isolirt neben einander verlaufen, wie dies in
den Seitensträngen des Rückengefässes (Fig. 24 c, c) und in den
von diesen abgehenden Stämmen (c'), Ästen und Zweigen zu sehen ist.
Die Färbung der quergestreiften Fasern scheint theils von
Reagentien, theils von dem Umstände abzuhängen, ob sie isolirt oder
in Bündeln beisammen verlaufen. Im frischen Zustande sind sowohl
die isolirten als die in Bündeln verlaufenden Fasern blass. An Wein-
geist- und Weingeist- Glycerin-Präparaten sind die einzelnen Fasern
meist blass, seltener gelblich, wo dann auch das Neurilem deutlicher
zu sehen ist, in Bündeln zusammengehäuft stets gelblich gefärbt.
Es kann nun dem Gesagten zufolge kein Zweifel mehr darüber
sein, dass die geschilderten quergestreiften Fasern in demselben
Verhältnisse zu den sie in den Seitensträngen des Rückengefässes
umlagernden Zellen stehen , wie die Nervenfasern zu den Zellen der
einzelnen Ganglien überhaupt und wie die der Wirbelthiere zu
den Ganglienzellen des Gehirnes und des Rückenmarkes; dieses
Verhältniss wird übrigens weiter unten noch weitläufiger motivirt
werden.
Da die Vera stelungs weisen der Rückengefässstränge bei
den verschiedenen Larvengattungen eine verschiedene ist, so wollen
wir speciell in diese eingehen. Wenn man bei welcher Östriden-
Larve immer die Seitenstränge vom Rückengefäss ablöst, was gewöhn-
lich während der Präparation von selbst geschieht, so bleiben an
468 S c h e i b (• r.
den Seitenrändei-n desselben, so weit als die Stränge angeheftet
waren, eben in das Riickengefäss in schiefer oder querer Richtung
eintretende, manchmal sich noch ausserhalb desselben verästigende,
blasse, quergestreifte Nervenfasern in grosser Menge hängen (Fig.
24 d). An der Stelle des Rückengefiisses, wo die Flügelmuskeln
sich anheften, fehlen die gangliöseii Seitenstränge, demungeachtet
sieht man gerade hier die schönsten quergestreiften Plexus an den
Rändern und in der Wand des Rückengefässes verlaufen. Dieses
rührt daher, dass an diesen Stellen isolirte, sehr grosse, oft multi-
polare (Cephenomyia) Ganglienzellen vorhanden sind, die besonders
bei Hypoderma- und Cephenomyia -hwvy&n sammt dem Plexus der
von ihnen ausgehenden Nervenfasern an den abgerissenen Flügel-
muskeln hängen bleiben. Fig. 29 ist eben einem Plexus von Cephe-
nomyia picta entnommen, der mit den Ganglienzellen an einem
Flügelmuskel hängen blieb. Besonders bei Cephenomyia-hürven sind
diese Ganglienzellen so gross , dass sie mit freien Äugen deutlich
gesehen werden können, und viele (6 — 8) quergestreifte Fortsätze
haben, a, a in Fig. 29 zeigen eben die Fortsätze solcher Zellen an,
die in den Plexus b, b eingehen.
Es ist aus dem Gesagten ersichtlich, dass die bei weitem
grössere Hälfte des Rückengefässes ihre Nerven direct von den
Gangliensträngen bezieht. Wir wollen nun die Art und Weise in
Betracht ziehen, wie auch die übrigen Eingeweide ihre Nerven von
den Gangliensträngen erhalten, und welche Verschiedenheiten in der
Nervenvertheilung hier obwalten. Ich habe diesen Gegenstand am
genauesten bei Larven von Cephalomyia maculata verfolgen können,
weil sich unter diesen die grössten und verhältnissmässig conservir-
testen Larven, die mir überhaupt zur Disposition standen, vorfanden.
Die meisten Thatsachen , die mich dazu bewogen halten, mich für
die Existenz quergestreifter Nervenfasern auszusprechen , und die
zwei Seitenstränge des Rückengefässes für Nervencentra und einen
integrirenden Bestandtheil des vegetativen Nervensystems zu halten,
schöpfte ich aus der möglichst exacten Untersuchung dieses Gegen-
standes an Larven von Cephalomyia maculata. Ich will daher mit
diesen beginnen und die f/«s/rw.s-Larven zuletzt erwähnen.
Vor Allem muss hier noch eirunal jener Nervenplexus Erwähnung
geschehen, die sich bei Cephalomyia maculata auf beiden Seiten der
Bauchtläche vom vorderen bis zum hinteren Körperende herabspinnen
Vergleichende Annfomie und Physiolog-ie der Östriden-F^Rrven. 4r69
und schon im vorigen Capitel in Betracht gezogen wurden. In diese
Plexus mischen sich im vordersten Körpertheile sympathische Nerven
der Trachealganglien, im mittleren und hinteren Körpertheile solche
von den Gangliensträngen des Rückengefässes ein.
Bei Cephalomyia macidata gehen (wie aus Fig. 23 ersichtlich
ist) von den Gangliensträngen des Rückengefässes vier Nervenstämme
{d, rf, d, d) ab, welche dicke Bündel von quergestreiften Fasern
darstellen. Sie treten alle mehr weniger unter einem rechten Winkel
nach aussen, um zu den Malpighischen Gefässen zu gelangen. Diese
sind bei diesen Larven von zweierlei Art. Die einen (^e, c) sind kurz,
breit, glaltwandig und stets mit einem dunkelgefärbten festen Con-
tentum gefüllt; die anderen (^), in die die ersteren übergehen, sind
sehr lang, gelblich gefärbt, leer, ohne varicöse Schwellungen, ihre
Wandungen mit sehr vielen kleinen Ausbuchtungen versehen. Nur
die letzteren Gefässe communiciren mit dem Darmcanal, die ersteren
sind an einem Ende blind , und gehen am anderen Ende in die
gelben Malpighischen Gefässe über, oder sie sind (wie in Fig. 23)
an beiden Enden blind und gehen mittelst eines Fortsatzes (e') in
dieselben über. Die braunen Malpighischen Gefässe liegen an der
Rückenseite der Larve zu beiden Seiten des Rückengefässes und zie-
hen parallel mit diesem. Gleich neben diesen Malpighischen Gefässen
nach aussen und unten (an der Bauchseite) liegen die zwei seitlichen
Körpertracheenstämme, und wenn man diese etwas zur Seite schiebt,
bekommt man die zwei seitlichen grossen Plexus zur Ansicht, die an
der Bauchseite liegen, und zu denen sich von je einem Stamme der
Ganglienstränge des Rückengefässes ein conmmnicirender Nerv
begibt, der sich stets, da er unterhalb der Malpighischen Gefässe her-
vorkommt, über die seitlichen Haupttracheenstämme hinüberbiegen
muss, um zum Plexus zu gelangen.
Jeder der vier quergestreiften Nervenstämme gibt einen Ast an
die braunen Malpighischen Gefässe ab, der vorderste und hinterste
Stamm zu den beiden Enden, die zwei mittleren zur mittleren Partie
derselben (Fig. 23) ; die meisten ihrer übrigen Äste senden sie zum
Fettkörper, nur wenige zu den gelben Malpighischen Gefässen ab.
Der Fettkörper wird nach allen Richtungen von sehr feinen quer-
gestreiften Nerven durchzogen, und es ist sehr wahrscheitdich, dass
von diesem aus sehr feine Zweigchen zum Darmcanal treten. Bei
diesen Larven gelang es mir nämlitdi nicht, direct Äste von den vier
470 Scheiber.
Stämmen zumDarmcanal treten zu sehen, wohl habe ich mich aber hie-
ven bei Hypoderma- und Cepheiiomyia-Lüv\en überzeugt. Anderer-
seits kann man hei Gastriis-hüv\en ersehen, dass der Fettkörper, der
bei diesen Larven eine membranartige Ausbreitung darstellt, von
seiner vordersten Partie, also sehr weit von denjenigen Stellen, wo
die quergestreiften Nerven in ihn eintreten, mehrere solcher Nerven
in Muskeln des ersten und zweiten Leibesringes treten lässt. (Man
muss sich jedoch hüten diese feinen Fäden mit feinen Tracheen zu
verwechseln, mittelst deren der Fettkürper überall an die Organe
angeheftet ist.) Wir werden übrigens noch auf das Verhältniss der
quergestreiften Nerven zu gewissen Muskeln der vordersten Körper-
partie weiter unten zurückkommen. Hier sei blos die Bemerkung
gemacht, dass nichts Unwahrscheinliches darin liegt, wenn gesagt
wird, dass der mittlere Theil des Darmcanals feine, quergestreifte
Nerven vom Fettkörper aus erhalte.
Bei Cepheitomyia-hävxen sind die MaipighischenGefässe eben-
falls von zweierlei Art. Die dunklen sind kurz und liegen zu beiden
Seiten des Rückengefässes, an dessen Aussenseite sie parallel ziehen.
Von den Gangliensträngen laufen ebenfalls vier Hauptstämme zu den
genannten Malpighischen Gefässen und zum Fettkörper, die vorder-
sten von ihnen geben zwei starke Äste an den mittleren Darmtheil
ab. Zu den Speicheldrüsen sah ich bei diesen zwei Larvengattungen
keine Äste direct von den vier Hauptstämmen abgehen.
Bei Hypodernia-Lüv\ eil zweigen sich auch vier Stämme von
jedem Ganglienstrang ab. Der vorderste ist der stärkste (Fig. ^ k, k);
er theilt sich in zwei Äste; der eine, schwächere, heftet sich an das
untere zugespitzte Ende der Speicheldrüsen (Fig. 4 g, g, Fig. 5 /, i);
der andere, stärkere, theilt sich in zahlreiche Äste, von denen einer
direct nach vorn zur Seite des Schlundes zieht, um sich an einen
Muskel anzuheften, der vom zweiten Ringe in schiefer Richtung zum
Schlünde geht; alle übrigen Äste verbreiten sich im Fettkörper.
Der zweite Stamm heftet sich, nachdem er vorher Äste an den Fett-
körper abgab, an das blinde Ende der vorderen MaipighischenGefässe
(Fig. 4 h, Ä)i) (wie dies bei h', li angedeutet ist). Der dritte zieht
1) Bei Hypoderma-ljarven sind die Malpijjhisoheii Gfliisse, wie aus Fig. 4 zu sehen ist.
wenigstens dein Baue und dem Veriiallen zum ContL-ntuiii nach einerlei, zwei von
ihnen liegen mehr nach vorne Im K<ir|irr. die anderen zwei mehr nach hinten niTi das
liinlere Ende des Darmcanals.
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Östriden-Larven. ^7 \
direct zum Darmcanal (m, m); der letzte endlich wieder zum blin-
den Ende der hinteren Malpighischen Gefasse (_i' i').
Was die Verästelungsweise der Ganglienstränge bei Gastrus-
Larven anbelangt, so treten auch liier vier Nervenstännne auf jeder
Seite ab, von denen drei sieh direct zum Fettkörper begeben und
einer (der stärkste) zum Darmcanal zieht. Hier tritt diejenige Eigen-
thümlichkeit der Malpighischen Gefasse auf, dass sie anscheinend
von einerlei Beschaffenheit sind, durch den Fettkörper ziehen, und
sich sogar mit diesem in communicirende Verbindung setzen. Hier
seheint demnach der Fettkörper der Träger der quergestreiften Nerven
zu sein, von welchem aus diese auf die Malpighischen Gefasse und
Speicheldrüsen, die ebenfalls von ihm eingehüllt werden und Tracheen
erhalten, übergehen. V^om Austreten quergestreifter Fasern aus
dem vordersten Ende des Fettkörpers in einige Schlundmuskeln war
schon oben die Rede.
Es fragt sich nun, wie Schröderv ander Kolk die Seitenstränge
des Rückengefässes und die von ihnen abgehenden Äste bei Gastrus
eqnl aufgefasst hat. Vor Allem sieht er die drei in den Fettkörper
ziehenden Hauptstämme der Ganglienstränge (den zum Darmcanal
ziehenden schien er übersehen zu haben) für arterielle Gefasse an,
durch die das Blut vomRückengefässe aus in den Fettkörper getrieben
werde. Er bringt sie gar nicht in Zusammenhang mit den Ganglien-
strängen , er bebt blos hervor, dass sie eine Strecke weit mit dem
Rückengefäss parallel verlaufen, dann gegen den Fettkörper hin
ablenken. Er lässt sie als Canäle mit dem Lumen des Rückengefässes
communiciren. Nachdem er mehrere ältereForscher, wieS wammer-
damund Becker aufzählt, die Äste des Rückengefässes beschrieben
hatten, aber alle der Reihe nach durch neue Forscher, wie Carus,
Treviranus, Johann Müller und Andere widerlegt worden sind;
und nachdem er zuerst die Worte J. Müller's i). dann die von Ca-
rus2) anführt, die alle darauf hinausgehen, dass das Rückengefäss
*) „Alle wirbellosen Gliederthiere mit einem verzweigten Athmungssystem, dessen
Endungen in den Organen wurzein, haben ein einfaches Rückengefäss. Dieser Gegen-
satz ist durch die Untersuchungen von Treviranus und .Marceil de Serres durcii
alle Formen nachgewiesen". (Nov. Act. Phys. .Med. Tom. XUI. art. 2, pag. 614.)
2) „Im Verlaufe des Riickengefüsses sind weder besondere Anschwellungen, noch seil-
liche Blutgefassabgaben, noch Ausströmungen weder anatomisch noch mikroskopisch
nachgewiesen. Die anatomischen und mikroskopischen Untersuchungen von Herold,
Marcel! de Serres, Meckel, Müller und meine eigenen haben immer das
472 ' S c h e i b e r.
nirgends Äste abgebe, bleibt Sehröder van der Kolk im voll-
sten Zutrauen zu seiner Beobachtung bei der Behauptung stehen,
dass die Gastrus-L^vven in dieser Beziehung ein besonderes Inter-
esse darbieten , da bei ihnen , wie noch bei keinem Insect nach-
gewiesen wurde, das Bückengefäss Äste abgebe, und sie daher höher
organisirten Thieren in dieser Beziehung näher stehen als alle
übrigen Insecten u. s. w.
Schrödervan der Kolk hat auch die Ganglienstränge selbst
nicht übersehen, obwohl er sie zu den abgehenden Stämmen in gar
keine Beziehung stellt. Ich will seine Beschreibung dieser Stränge
hier dem Wortlaute nach folgen lassen. Er sagt nämlich nach been-
digter Schilderung der eben genannten Arterien i):
„Beaucoup plus difTicile encore m'a paru Texplication d'une autre
espece de vaisseaux, qui partent egalement du coeur, et notamment
au dessus de la premiere ail e, et qui sont indiques PI. VII, ä cause
de leur petitesse comme des giobules aux bords du coeur, jusqu'a
un peu du premier rameau (arteriel). Je les ai figures grossis PI. VI,
Fig. Z k, k, k, n, n, oü Ton voit, que ce sont des vaisseaux tres
delies, ayant par plusieurs intervalles des dilatations en forme de
poche, quelquefois rondes. Ces dilatations sont si rapprochees en
quelques endroits, qu'elles semblent former une espece de cordon
noueux. En Tallongeant un peu on apper^oit entre deux dilata-
tions un vaisseau de communication. Ces dilatations en forme de
poche, grossies de 1000 ä 12S0 fois se montrerent distinctement
comme une dilatation du vaisseau de communication. Ces dilata-
tions sont spheriques , quelquefois oblongues , quelquefois elles
n'existent que sur un cöte du vaisseau. Elles contiennent par-
tout une matiere deliee, granuleuse, qui se trouve aussi bien
dans les vaisseaux de communication, que dans les dilatations
et que je n'ai pas rencontree dans les vaisseaux (arteriels) decrits
plus haut. Ces vaisseaux dirigent leurs cours de chaque cöte du
coeur, vers la partie superieure on iiombre double ou quadruple. Je
n'ai pu parvenir a en trouver ni la coiinexion ni la fin. Une fois je
Rüi'kengefSss mir iils einen selilaiikeii C:inn\ i^c-M'igi, an weleheni sieh zw:ir /.uweilen
Muskeln, Luftröhren und Eierslockscnden anheften, »her Ab-j^nbe wirklieher Rluladern
weder durch Injectionen noch durch Priipariitionen entdeckt werden konnten". (Nov.
Act. Phys. Med. Tom. XV. p. 14 sq.)
») L. c. p. 60.
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Östriden-Larven. 4 7 3
ci'us les voir passer dans la graisse, mais je n'ai pu repeter cette
Observation depuis, a defaut de larves."
Über die Bedeutung dieser vermeintlichen Gefässe wagt er sich
nicht mit Bestimmtheit auszusprechen , gibt jedoch dem Gedanken
Raum, dass sie möghcherweise absorbirende Gefässe seien, in denen
die Blutflüssigkeit eine gewisse Umwandlung erleide, und aus denen
sie sich dann in's Rückengefäss ergiesse.
Es war nun aus der geschilderten Verästelungsweise der
gangliösen Seitenstränge des Rückengefässes ersichtlich, dass von
diesem folgende Organe mit Nerven versorgt werden: 1. die hinteren
drei Vierttheile des Rückengefässes; 2. der mittlere Theil des Darm-
canales ; 3. die Malpighischen Gefässe; 4. der Fettkörper; 5. die
Speicheldrüsen; 6. einige willkürliche Muskeln der vorderen drei
Leibesringe, endlich 7. gibt ein jeder der vier Hauptstämme des
Seitenstranges einen communicirenden Nerven an die seitlichen
grossen Nervenplexus des Körpers ab, um im mittleren und hinteren
Körpertheile die Anastomosen der Trachealganglien des vorderen
Körpertheiles zu ersetzen. Wegen Feinheit dieser Anastomosen
konnte ich selbe blos bei Cephalomyia maculata in ihrer Voll-
kommenheit darstellen.
Was die Betheilung einiger willkürlicher Muskeln mit quer-
gestreiften Nervenfasern anlangt, so haben wir gesehen, dass bei
Hypoderma -hürwen ein derartiger Nerv direct vom ersten der vier
Hauptstämme aus zu einem Muskel abgeht, der sich an den Schlund
befestigt. Von Cephalomyia maculata ist hierüber Folgendes zu be-
merken: Wenn man den Larvenkörper (am besten) von der Rücken-
seite her öffnet, und das Rückengefäss entfernt, so sieht man vom
vordersten Ende der braunen Malpighischen Gefässe (Fig. 23 e, e)
einen sehr feinen (0-006 Millim. dicken) Faden /'abgehen, der einen
geradelinig nach vorn gerichteten und mit dem der anderen Seite
fast parallelen Verlauf nimmt, und sich ebenfalls an einem vom ersten
Ring quer zum Schlünde verlaufenden Muskel ansetzt, ohne jedoch
in ihn einzudringen. Während seines Verlaufes gibt er mehrere feine
Nebenäste an den Fettkörper ab.
Betrachtet man dann den Darmcanal, so bemerkt man von des-
sen vorderster Schlinge und zwar von einem Punkte der convexen
Seite dieser Schlinge zwei von einander divergirende eben so feine
Fäden, wie die der Malpighisciien Gefässe, nach vorn und seit-
474 S c h e i b e r.
wärts ziehen, und sich an zwei Muskeln ansetzen, die sich an der
Rückenseite zwischen dem zweiten und dritten Leibesringe befinden.
Auch diese Fäden geben feine Nebenästchen an den Fettkörper,
durch welchen sie ziehen, ab, und müssen sich natürlicherweise mit
den vorigen zwei Fäden unter spitzen Winkeln kreuzen.
Bei genauerer Untersuchung zeigt es sich, dass diese Fäden
nichts anderes als Bündel quergestreifter Nervenfasern darstellen, die
von einer gemeinschaftlichen Scheide (Neurilem) umgeben sind,
quergestreifte Nebenäste an den Fettkörper abgeben, und sich end-
lich mit einem dreieckig verbreiterten Ende an die äussere Fläche der
betreffenden Muskeln ansetzen. Wenn man diese Fäden (die die
Länge mehrerer Linien haben) von ihrem Ursprünge bis zu ihrem
Ende mikroskopisch verfolgt, so sieht man 1., dass das Neurilem eine
directe Fortsetzung der äusseren structurlosen Grundmembran der
Malpighischen Gefässe und respective des Darmcanals ist, und 2. ,
dass sich nahe dem Muskelende die Querstreifung allmählich ver-
liert und der Faden die Structur einer normalen, körnig-fibrillären,
blassgrauen Nervenfaser mit etwas breiterem Neurilem annimmt, ein
Verhältniss, das sich bei den mit dem Plexus des Centralnerven-
systems communicirenden quergestreiften Asten wieder findet.
Von G astrus-hür yen wurde schon oben erwähnt, dass querge-
streifte Fäden vom Fettkürper aus zu gewissen Muskeln des Schlun-
des treten. Ausserdem sieht man auch bei diesen Larven zwei feine
Fäden vom Darmcanal aus seitwärts zu gewissen Muskeln des zweiten
Ringes treten; nur gehen sie hier von verschiedenen Punkten aus.
Die ersteren Fäden gehen bei diesen Larven nicht von den Malpighi-
schen Gefässen aus , weil diese hier in Bezug der Verästelung der
Hauptstämme der Ganglienstränge eine untergeordnete Rolle spielen
und vielmehr der Fettkörper es ist, der die meisten quergestreiften
Fäden in sich aufnimmt, um diese zu allen Organen hinzuleiten, mit
denen er in Berührung ist (Speicheldrüsen , Malpighische Gefässe).
Cephefiomyia-Lärwen habe ich in dieser Beziehung nicht untersucht.
Was der eigentliche Zweck dieser Fäden sei, ist mir ganz unklar ;
dass sie aber dieselbe Bedeutung haben, wie die quergestreiften
Nervenfäden der Ganglienstränge, geht aus dem Umstände hervor,
dass sie bei IIi/podei'ma-Luvven direct von diesen, d. h. von einem
ihrer vier Hauptstämme ausgehen. Dass die Fäden der Malpighischen
Gefässe bei Cephalomyiamaculata ebenfalls aus jenen quergestreiften
Vergleichende Aiuitomie und Physiologie der Östriden-Larven. 475
Nei'venfäden hervorgehen mögen, die sie von den GangHensträngen
in grösserer Menge erhalten (und wahrscheinlich einen reichen
Plexus in deren Wandung bilden), geht daraus hervor, dass bei Ga-
strus equi diese Muskelfäden i) vom Fettkörper ausgehen, der hier
als Hauptträger der quergestreiften Nervenfäden erscheint. Dass
aber dies nicht der Fall sein muss, beweist der Befund an der Ur-
sprungsstelle der quergestreiften Darmfäden bei Cephalomyia ma-
cidata. Wenn man nämlich einen Theil von der convexen Seite jener
Darmschlinge, von welcher diese Fäden ausgehen, abschneidet und
untersucht, so fallen die inneren Schichten des Darmcanals schon
bei der leisesten Berührung von der äussersten, der Serosa analogen
Membran ab , von der eben diese Fäden ausgehen. Untersucht man
nun diese hyaline Membran mit den noch ihr anhängenden quer-
gestreiften Fäden bei starker Vergrösserung, so sieht man in ihr
eine grosse Menge von kernhaltigen, mit zwei und drei Fortsätzen
versehenen Zellen, die um die Ursprungsstellen der Fäden immer ge-
drängter, und je weiter von diesen weg, um so seltener werden, bis
sie sich dann endlich ganz verlieren. Man sieht ferner, wie die
Primitivfasern von den verschiedenen Seiten herbeikommen, um in
die Fäden einzutreten, und einzelne von ihnen kann man sogar bis
zu den Zellenfortsätzen verfolgen. Die Primitivfasern sind schon
während sie noch in der Membran verlaufen , eine Strecke weit quer-
gestreift. Es kann demnach kein Zweifel daran sein, dass die quer-
gestreiften Primitivfasern dieser Muskelfäden ihre eigenen Nerven-
centra besitzen.
Aus allem dem ist aber der eigentliche Zweck dieser Fäden nicht
zu erklären, weil die betreffenden Muskeln auch Nerven vom Central-
nervensystem erhalten ; und warum sollten es gerade diese so ent-
fernt gelegenen Muskeln sein, die von beiden Systemen ihre Inner-
vation erhalten.
Wir wollen uns nun die Fragen stellen: Zu welchem Organ-
system wir diese Fasern rechnen, d. h. welche Functionen wir ihnen
zuschreiben wollen? und wenn wir uns für irgend ein System aus-
gesprochen haben, welche Beweise können wir für unsere auf-
gestellte Meinung beibringen?
1) Ich nenne sie so , weil sie zu Muskeln ziehen, nicht nher weil ich liicrinil iiiisdriickcn
wollte, dass sie museulöse Gebilde wären.
Silzh. d. iiiaUiem.-naturw. Ol. XLl. Bd. Nr. 1«. SÄ
476 S c h e i b e r.
Was die erste Frage anbelangt; so haben wir uns schon im vori-
gen und jetzigen Capitel zur Genüge für die Nervennatur dieser Fasern
ausgesprochen und die Behauptung aufgestellt, dass wir es hier mit
einer neuen Form von Nervenfasern, mit sogenannten „querge-
streiften Nervenfasern" zu thun haben. Es fragt sich nur, da
hier blos eine Verwechslung mit quergestreiften Muskelfasern mög-
lich ist, um die Gründe, die unsere Annahme als unzweifelhaft hin-
stellen sollen. Diese sind folgende :
1. Ist es nirgends bekannt, dass quergestreifte Muskelfasern
ihren Ursprung von (uni-, bi- und multipolaren Ganglien-) Zellen
nehmen. Wenn es auch Beispiele von verästigten Muskelzellen gibt *),
so sind die Äste kurz und anastomosiren (nach Art der Bindegewebs-
körperchen) innerhalb des Muskelkörpers mit denen anderer Mus-
kelzellen.
2. Ist die Querstreifung hier nicht in dem Sinne aufzufassen,
wie dies bei Muskelfasern der Fall ist, wo diese nämlich durch
Differentiirung des Zelleninhaltes bedingt ist, sie ist vielmehr, wie
schon theils aus der früheren Beschreibung ersichtlich war, theils
noch aus dem Folgenden mehr hervorgehen wird, ganz anders
beschaffen, und durch ganz andere Momente bedingt.
3. Ich wurde in letzter Zeit auf eine dunkle Linie in der Axe
der isolirten quergestreiften Fasern aufmerksam, die ich bis dahin
vermisste, aber seitdem bei den meisten wieder sehe. Ich möchte
diese für den durchscheinenden Axencylinder ansehen.
4. Haben wir ein verzweigtes Fasersystem vor uns, welches für
einen ganz abgeschlossenen Kreis von functionirenden Organen im
thierischen Haushalte bestimmt ist. Es erhalten nämlich, das
Tracheensystem, ein Theil des Darmcanals und ein sehr kleiner
Theil des Rückengefässes ausgenommen, alle übrigen Eingeweide
ihre Nerven von diesem Fasersysteme. Andererseits wäre es aber irrig,
wenn man sich vorstellen wollte, dass Muskelfasern von einem weit
entfernten zelligen Strang herkommen, um sich im Fettkörper an den
Malpighischen Gefässen und Speicheldrüsen zu vertheilen ; wären sie
bei letzteren zum Ausdrücken des Secretes bestimmt , wozu kämen
sie erst von den Seitensträngen des Rückengefässes her? Wozu
bedürften ferner der Darmcanal und diis Riiekengefäss anderer in
'J Wie /,. B. bei Branc/iipiis (s. I.cydig"') Ulslologic |i i'-\, Vi>; li !■')■
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Östriden-Larven. 477
sie eintretender Muskelfasern, wenn sie selbst schon deren (und
wahrscheinlich in genügender Menge) haben, um ihren Functionen
nachzukommen?
5. Habe ich namentlich bei Larven von Cephalomyia maculafa
die directen Anastomosen des quergestreiften Fasersystems mit dem
Centralnervensystem nachgewiesen und durch Präparate, die sich im
histologischen Laboratorium des Herrn Prof. Wedl vorfinden, in
eclatanter Weise dargethan.
6. Wenn man bei höheren Thieren von doppelrandigen, von
perlschnurartigen u. s. w. Nervenfasern; bei niederen Thieren von
körnigfibrillären, oder von kolossalen Nervenfasern spricht, so ist
nicht einzusehen, warum man nicht auch, wenn der anatomische
Befund, und der mit diesem übereinstimmende physiologische End-
zweck darauf hinweist, von quergestreiften Nervenfasern sprechen
sollte? Freilich wird man sagen, dass vielleicht die Querstreifung nur
Kunstproduct, etwa durch Einwirkung des Wassers, Weingeistes,
Glycerins etc. bedingt sei! Was versteht man denn aber unter dop-
pelrandigen, unter perlschnurartigen Nervenfasern? Man hat hier
offenbar Gebilde vor sich, die in Folge äusserer Einwirkungen, näm-
lich des Wassers, der Kälte u. s. w, .so geworden sind, wie man sie
eben benennt. Jedenfalls müssen, wenn man sich auch die Quer-
streifung der in Rede stehenden Nervenfasern durch äussere Einwir-
kungen entstanden denkt, bei diesen schon im Vornhinein moleculare
Verschiedenheiten supponirt werden, die es eben mit sich bringen,
dass sie sich in Folge einer und derselben äusseren Einwirkung con-
stant auf die, und nicht auf eine andere (schon bekannte) Weise
verändern.
Wir werden hier durch das Thema unwillkürlich auf die Frage
geleitet: Woher kommt die Querstreifung? Zunächst sind hier vier
Fälle denkbar:
aj Es ist die Querstreifung eine primitive, d. h. die Faser
entwickelt sich durch DifTerentiirung des Inhaltes der embryonalen
Zelle zu einer (juergestreiften Nervenfaser; und ist dies der Fall, so
ist zweierlei möglich:
a) es hat die DifTerentiirung durch die ganze Dicke des Inhaltes
Platz gegriffen, oder aber
ß) es ist blos eine dünne oberflächliche Schichte des Nerven-
inhaltes, in welcher die DifTerentiirung vor sich gegangen ist. Es
32»
478 S c h p i li p r.
wäre demnach zwischen Axencylinder und Neurilem eine fremd-
artige Substanz eingeschoben , die eben diese Differenzirung ein-
geht, die sieh aber auch im Verlaufe der Faser verlieren kann.
b) Die Querstreifung ist eine secundäre, d. h. durch äussere
Einwirkungen (Reagentien, Temperaturwechsel) entstanden; und
dann sind wieder zwei Fälle möglich :
■y) die durch Alkohol u. s. w. entstandene Querstreifung besteht
durch die ganze Dicke des Nerveninhaltes , oder aber
^) die künstlich entstandene Querstreifung besteht blos in der
oberflächlichen Schichte des Nerveninhaltes, indem nämHch zwischen
Neurilem und Axencylinder eine Substanz eingeschoben ist, die
vermöge ihrer molecularen Construction und Anordnung die Eigen-
schaft besitzt, durch äussere Momente sich derartig zu contrahiren,
dass in mehr weniger regelmässigen Abständen mehr weniger regel-
mässige ringförmige Lücken oder Spalten entstehen, durch die
diese Zwischensubstanz oder Markscheide unterbrochen erscheint.
Ich schliesse mich der letzteren Meinung an, und zwar aus
folgenden Gründen :
1. macht die Querstreifung unserer Nerven bei genauerer
Besichtigung deutlich den Eindruck von Querspalten, die alle jene
Charaktere darbieten, wie sie, als den Querstreifen angehörig,
am Anfange dieses Capitels geschildert wurden;
2. sieht man die dunkle Linie in der Axe des Nerven (Axen-
cylinder) auch in der Querspalte verlaufen, was eben sagen will,
dass die Querspaltung des Nerveninhaltes nur in der oberflächlichen
Schichte desselben besteht;
3. wenn man ganz frische Larven <) untersucht, so findet man
weder die Seitenstränge des Rückengefässes noch die von ihnen aus-
gehenden Stämme und Äste quergestreift; ein Beweis, dass die
Querstreifung erst in Folge von Reagentien u. s. w. entsteht. Die
Markscheide verändert sich in Folge von Reagentien auch noch in
der Weise, dass während sie im frischen Zustande hlass ist, dann
sehr oft schön gelb oder gelblichbraun wird ; endlich
4. ist eine gewisse Analogie zwischen diesen imd den doppel-
randigen Nervenfasern der höheren Thiere nicht zu übersehen. Der
Unterschied besteht nur darin, dass bei diesen die Markscheide
•) Ich konnle Mos Guulrus-L-.wwn im IViscIicii /iist:iiiile iiiitiM'.siiolnMi.
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Östriden-Larven. 470
in der Welse coagulirt, dass sie überall um den Axencylinder an-
liegt, und sich andererseits vom Neulirem überall loslöst, während
bei den quergestreiften Fasern die Contraction derartig stattfin-
det, dass coagulirte Substanz mehr an dem Neulirem haften
bleibt. Ferner ist bekannt, dass die doppelrandige Nervenfaser in
ihrem Verlaufe die Markscheide verlieren und in eine sogenannte
marklose (Remark'sche) Nervenfaser übergehen kann. Auch wir
haben Beispiele in den mit demCentralnervensystem anastomosirenden
Ästen, so wie in den von den Malpighischen Gefässen, Darmcanal
u. s. w. ausgehenden Rami muscuL, dass sie in Folge des Verlustes
ihrer querstreifigen Markscheide in die gewöhnlichen, den Insecten
überhaupt zukommenden, körnig-fibrillären Nervenfasern übergehen.
Leydig hat (vergleichende Histologie, i857) zum ersten Male
auf zarte Stränge aufmerksam gemacht, die er bei Raupen von
Gasteropacha lanestris und Saturnia carpini sich von Stelle zu
Stelle an die Malpighischen Gefässe ansetzen sah und die er für
Nerven halten zu müssen glaubte, weil, wie er sagt, sie sich mit
einem dreieckig verbreiterten Ende anheften und spindelförmig aus-
gezogene (Ganglien-) Zellen enthalten, die schon eine Strecke zuvor
beginnen. Er hatte ohne Zweifel analoge Gebilde vor sich, wie die
eben beschriebenen quergestreiften Nervenfasern, nur wahrscheinlich
im ganz frischen Zustande, da er von keiner Querstreifung der
Stränge spricht. Dagegen schien sie Kölliker >) im quergestreiften
Zustande gesehen zu haben, da er jene Netze, die diese Stränge
um die Malpighischen Gefässe bilden sollten , ihrer Querstreifung
halber gegen Leydig für quergestreifte Muskelfasern hält.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die den quergestreiften
Nervenfasern analogen Gebilde von den Entotomen gar oft gesehen
und nur anders gedeutet worden sind. So sind z. B. jene Stränge 2),
die das Rückengefäss bei vielen Insecten mit den Eierstöcken in
Verbindung setzen, vielleicht nichts Anderes als vom Rückengefäss
ausgehende sympathische Nervenstränge. Vielleicht ist sogar das
von Treviranus 3) bei Lepidopteren entdeckte sogenannte Vas
') über die Leuolilorgane von Lairi|(yns. (SiUungsbeiichte der physik. med. Gesellschaft
zu Wiirzhurg 18ö7.)
2) J. Müller, Nova Act. Phys. Med. Tom. XII, p. ö82 und Meckels Archiv 1828. p. 3
in der Note.
3) Tiedemanns Zcitsciuili für Phys. IV. Bd., p. 181, Taf. XIV, Fig. 1."}.
480 S c h e i b e r.
supraspinale, von welchem aus ebenfalls in den Fettkörper in
querer Richtung Äste abgehen sollten, auch nichts anderes als ein
den Gangliensträngen des Rückengefässes analoges Organ.
Was nun das Rückengefäss selbst anbelangt, so heften sich an
dessen hintersten breitesten Theil 3 — 4 Flügelmuskeln an (Fig. 23
b, b, b, b), welche Zahl oft bei einer und derselben Species schwankt.
Sie stellen dünne, zarte, gegen das Herzende fächerförmig ausge-
breitete Muskeln dar, die aus denselben quergestreiften Formele-
menten bestehen, wie die übrigen Muskeln des Körpers. Auch hier
fehlen die grossen bi- oder niultipolaren Zellen nicht, deren Aus-
läufer die Faserbündel netzförmig umschlingen. Der Verlauf der
Flügelmuskeln ist nicht direct nach aussen, sondern nach aussen und
unten gerichtet, so dass sie einen mit der Convexität gegen die
Rückenseite gekehrten Bogen beschreiben , und sich entsprechend
den vier letzten Leibesringen und den seitlichen Längslinien des
Bauches an das äussere Integument heften.
In der Wand des Rückengefässes sind mit Ausnahme von Gastrus
bei allen übrigen Larvengattungen auf beiden Seiten alternirend
gelegene, grosse Zellen zu sehen (Fig. 24 b, b), die gegen die
Medianlinie zu bogenförmig abgerundet, gegen den Rand hin ver-
breitert (wie in Fig. 24) oder ganz rund sind. Leydig i) hat bei
der Larve von Corethra plumicornis einzellige Klappen beschrieben,
die mittelst Stielen in das Lumen des Rückengefässes hineinragen.
Die Zellen unserer Östriden-Larven können nicht als Klappen ange-
sehen werden, denn sie sind nicht gestielt, auch habe ich mich durch
Ausbreitung der Rückengefässwand in eine Fläche überzeugt, dass
sie platte Zellen darstellen, die in der Gefässwand eingebettet sind,
und zwar alternirend in der oberen und unteren Wand desselben. Ich
habe bei Hypoderma-har\en 25 — 28 auf jeder Seite gezählt; sie
verlieren sich allmählich gegen die Durchgangsstelle des Rücken-
gefässes durch das Herzganglion hin, so zwar, dass sie dort nicht
mehr gesehen werden , wo die sympathischen Ganglienstränge auf-
hören. Die Zellen selbst sind gelbbräunlich gefärbt, mit einer fein-
krümmlichen Masse gefüllt, und der grosse Kern lässt mehrere Kern-
körperchen bemerken. Der Zweck dieser Zellen ist mir ganz unbe-
') Histologie des Menselieii und der Ihieri', 18ä7, S. 434, fig. 'llö A. — Zeitschiilt für
wissenschaftliche Zoologie, I. Bd.
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Östriden-Larven. 4-81
kannt; sie könnten vielleicht als ebenso viele für sich unabhängige
Nervencentra betrachtet werden, die in der Rüekengefässwand liegen.
Sollten sie denselben Zweck haben, wie in den übrigen Muskeln des
Körpers? Hiezu mangelt das Netzwerk, das die Ausläufer dieser
Zellen um die Muskeln bilden.
Bei der näheren Untersuchung dieser Zellen fand ich an der
Innenwand des Rückengefässes die eigentlichen Klappen desselben
in Form von halbmondförmigen Lamellen gegen das Lumen hervor-
springen (Fig. 30 b). Ich habe nämlich schon lange an den Rändern
des breiteren Theiles des Rückengefässes Einschnitte gesehen, die
ich anfangs nicht weiters beachtete, und als Ergebnisse von Ver-
letzungen während der Präparation ansah, bis ich in Folge der obge-
dachlen Untersuchung der Innenwand des Rückengefässes auf die
Klappen und durch sie auf eine behutsamere Präparation des hin-
teren Theiles desselben überhaupt aufmerksam wurde.
Fig. 31 a, a, b zeigt den hinteren breiteren Theil des Rückenge-
fässes bei der LM\e \on Ni/poderma Diana; b ist die stumpfe Spitze,
in welche dasselbe bei allen Ostriden- Larven nach hinten endigt.
Die Ostien , durch welche das Blut in's Innere des Rückengefässes
gelangt, sind stets auf den breiteren Theil des Rückengefässes be-
schränkt, und nie mehr als 3 — 4Paare an Zahl, von denen das hinterste,
nahe dem hinteren Ende (b) gelegene Paar (c, c) am grössten ist, und
so tief gegen die Medianlinie hin einschneidet, dass bei frischen Präpa-
raten, wo die Wand (Musculatiii-) schlaff und weniger resistent ist, und
bei dem Umstände, dass bei manchen Larven die Spitze des Rücken-
gefässendes durch Muskeln nach hinten angeheftet ist, dieses während
der Präparation (bei c, c) abreisst und das Stück c, b, c im Körper
zurückbleibt, wie dies z. B. in Fig. 23 zu sehen ist, wobei auch
eine Verletzung des hintersten Flügelmuskelpaares vor sich ge-
gangen ist.
Das vorderste Ostienpaar (Fig. 31 a, a) liegt an der Über-
gangsstelle des hinteren breiten, in den vorderen, schmäleren Theil
des Rückengefässes. Zwischen dem vordersten und hintersten liegen
noch entweder zwei, oder nur ein Ostienpaar (</, d)> welches auch
in Bezug der Grösse die Mittelstufe einnimmt, während das vorderste
stets das kleinste ist.
Schröder van der Kolk hat jene Beobachtung, nach wel-
cher lebende Gastrus-hüvven, wenn sie einige Tage in Wasser gelegen
482 S c h e i b e r.
sind, weiss und durchscheinend werden, benützt, um mit Hilfe eines
Mikroskopes die Contractionen des Rüekengefasses zu beobachten.
Er bemerkte nun bei dieser Gelegenheit gerade an der Stelle c, c
in Fig. 31 , welche nämlich dem grössten Ostien- und Klappenpaare
entspricht, ein lebhaftes Klappenspiel; die zwei anderen Ostien
konnte er, wahrscheinlich wegen Kleinheit derselben , nicht bemer-
ken. Wenn man seine Abbildung des Rückengefässes i) mit Fig. 31
vergleicht, so wird man in Bezug des hinteren Endes desselben eine
auffallende Analogie zwischen beiden wahrnehmen. Er nennt den
Theil c, c, h, der bei ihm fast halbkugelig erscheint, das Atrium.
Die Klappen (Fig. 30 li) ~) scheinen keine einfache muskel-
hältige Duplicaturen der Intima zu sein , sondern man kann sich
dieselben so entstanden denken, als wenn die Rückengefässwand in
sehr schräger Richtung von aussen und hinten nach innen und vorne
durchschnitten worden wäre, wodurch eben eine Lamelle losgehoben
wird, welche die segelartig gegen das Lumen vorspringende Klappe
bildet. Es ist nämlich die äussere Lamelle (c), die also mit ihrem freien
Rande nach aussen vorspringt und die vordere oder äussere Lippe
des Ostiums bildet, viel dünner und zarter, und zeigt eine viel gerin-
gere Anzahl von Muskelfasern, als die innere oder hintere, die eigent-
liche Klappe b, weil eben an dieser beim Schnitte eine dickere
Schichte der Muscularis hängen geblieben ist; ausserdem ist die
Grenze an der Rückengefässwand {(T) genau markirt, wo diese sich in
zwei Lamellen gesondert hat; die Linie d, als die Grenze zwischen der
äusseren Lamelle c und der eigentlichen Rückengefässwand {n, (i),
schmiegt sich dem Rande der Klappe (6), wenn man diese gegen c
niederdrückt, genau an. Die correspondirenden Flächen der beiden
Lippen werden einerseits von der structurlosen inneren und anderer-
seits von der structurlosen äusseren Membran des Rückengefässes
überzogen.
Wir wollen uns nun die Frage stellen , wie wir das Zustande-
kommen der Diastole erklären können, und ob wir einen Mechanismus
bei unseren Larven gefunden haben, vermöge welchen das Moment
der Diastole, d. b. das Zustandekommen eines leeren Raumes inner-
halb des Herzschlauches, ermöglicht wäre? Es ist dies eine Frage
«) L. c. Tüf. vn ir.
~) Dem Leser ist die innere Kliiehe der lüickengelasswiind zugewendet.
Verfjleichende Anntomie und Physiolof^ie der Osfriden-Larven. 483
in der Physiologie der Insecten, die bis jetzt noch nicht berück-
sichtigt worden zu sein scheint. Es wird uns aber dies nicht wun-
dern, wenn wir bedenken, dass dieses wichtige physiologische Thema
in Beziehung auf das Herz der höheren Thiere und in specie des
Menschen , auch erst in neuester Zeit und zwar von der Wiener
Schule aus näher gewürdigt wurde.
Es heisst vom Rückengefass der Insecten überall, dass es sich
nach der Systole ausdehne, sich mit Blut fülle u. s. w. , nirgends
ist es aber motivirt, wie so es sich ausdehne. Es rauss zunächst
bemerkt werden, dass bei unseren Larven, weder bei frischen noch
bei aufbewahrten, ein Pericardium in dem Sinne, wie es New-
porti) und Andere beschrieben haben, zu finden ist; denn ich
konnte nach Entfernung der Fiügelmuskeln nie zwei gesonderte
Lamellen an denselben oder am Rückengefass unterscheiden.
Wir wissen, dass die der Muskelsubstanz zukommende Elasti-
eität, vermöge welcher diese im Stande ist sich nach übermässiger Com-
pression (Contraction der Muskelfaser) auszudehnen, und nach über-
mässiger Zerrung zusammenzuziehen, in Bezug der Kraftentwicklung
viel zu unausgiebig ist, als dass durch sie selbst eine Diastole zu
Stande kommen könnte. Es wäre also vielleicht möglich, dass die nicht
unbeträchtliche Anzahl von Tracheen, die sich von allen Seiten her
an das Rückengefass ansetzen, in Folge der Zerrung, die sie während
der Systole erlitten haben, vermöge ihrer Elasticität einen solchen
Zug auf die Wandungen des Rückengefasses ausüben , dass sich
dadurch eine Diastole herstellt. Es ist allerdings sehr wahrschein-
lich, dass hiedurch die Diastole in etwas begünstigt wird, aber auch
dieses Moment reicht keineswegs hin eine solche eigentlich hervor-
zubringen. Um dieses einsehen zu können, wollen wir den Hergang
der Systole und Diastole näher in's Auge fassen.
Es ist klar, dass nach beendigter Systole die Wandungen des
Rückengefasses erschlafft sind, und in diesem Zustande in gegensei-
tiger Berührung verharren müssen , da sie ja selbst keine Kraft ent-
wickeln können , um jenen Widerstand, der jetzt den Herzschlauch
von aussen her comprimirt hält , zu überwinden. Dieser Widerstand
besteht darin , dass in Folge der Systole in der nächsten Umgebung
des Herzschlauches ein leerer Raum geschaffen wurde, welchen
*) Todd's Cyclopedie of Anat. and Phys. ait. Insecia, Vol. I!, |). 978.
4^04 S c h e i b e r.
türlich eine der durch die Systole hinausgetriebeneii Blutmasse ent-
sprechende Menge von Bluttliissigkeit, die in bestimmten Strombah-
nen oder überhaupt aus den interstitiellen Gewebsräumen herbei-
fliesst, ausfüllen muss»). Diese umspülende Blutflüssigkeit ist es
nun, welche die nach beendigter Systole erschlafften Herzwan-
dungen an einander hält und eine Erweiterung der letzteren nicht
zulässt. Es ist nun klar, dass wenn diese Flüssigkeitsmenge in das
Innere des Schlauches hineingepumpt werden soll, die Herzwandun-
gen aus einander gezogen werden müssen, was eben durch eine jenem
Widerstände äquivalente Kraft hergestellt werden muss. Dass weder
Elasticität der Muskelsubstanz noch die der Tracheen hiezu genügen,
versteht sich von selbst; es müssen vielmehr Muskelkräfte hier in
Anwendung kommen, und es fragt sich nun, welche diese seien.
Man hat gesagt, dass die M. alares, die sich an den Rändern des
Rückengefässes inseriren, dazu da sind, um durch ihre Contraction
einen Zug nach zwei entgegengesetzten Seiten auf den Herzschlauch
auszuüben, diesen auszudehnen, und so die Diastole herzustellen.
Meines Erachtens nach werden nun allerdings durch einen solchen
Zug die erschlafften Herzwandungen in die Breite gezerrt, aber
keineswegs ein leerer Raum innerhalb dieser zu Stande gebracht, auf
was es eben hier ankommt. Wenn ich nämlich die Wandungen einer
leeren zusammengefallenen Blase , diese mag durchlöchert sein oder
nicht, von einer Flüssigkeit umspült sein oder nicht, von zwei in wel-
cher Richtung immer angebrachten, aber stets entgegengesetzten
Punkten auseinander ziehe, so werden die schlaffen Wandungen der-
selben wohl in die Breite gezogen werden, aber in stetiger Berührung
mit einander bleiben , und es wird nie zur Herstellung eines Lumens
im Inneren derselben kommen.
Es wird daher zur Herstellung eines Lumens im Inneren des
Herzschlauches, ausserdem, dass die Wandungen desselben straff an-
gezogen werden müssen, noch nothwendig sein, dass ein Zug in einem
') Man muss sich hier iiäinlieh vorslellcii , düss diesen leeren Kaum viel eher die ohne-
dies gegen den hinteren Theil des (iiickengefüsses zu strömende Flüssigkeit, als die
durch Bindegewebe und Tracheen in ihrer gegenseitigen Lagerung festgehaltenen
Nachiwrorgane, wie Fettkörper u. s. w. ausfüllen wird. Andererseits muss man beden-
ken, dass durch die Diastole eine eben so grosse Flüssigkeitsnienge im Rückengefäss
iiufgenommen werden, also überhaupt aus den interstitiellen Gewebsräumen herbei-
tlies.sen muss, als durch die Systole in diese iiinausgetrieben wird, wenn nämlich
keine Stauuni; in der Circulation eintreten soll.
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Öslriden-Larven. 48 O
und demselben Momente nicht blos von zwei, sondern von mehreren
correspondirenden Punkten aus angebracht sei. Nur durch einen
derartigen Zug wird die nun gespannte Schlauchwand einen von allen
Seiten gleichmässigen Druck auf die umgebende Blutmasse aus-
üben können, und diese wird theils durch einen solchen Druck, theils
durch die Saugkraft des hergestellten leeren Raumes innerhalb des
Herzschlauches in diesen durch die an ihm angebrachten Ostien nach
dem Gesetze des einfachen Hebers hineingepumpt.
Nachdem wir uns nun über die Momente verständigt haben, die
zur Herstellung einer Diastole des Insecten-Herzens überhaupt noth-
wendig sind, gehen wir zur Beschreibung jenes Mechanismus über,
der diesen Zweck bei den Oestrus-L^rven vollständig zu erfüllen im
Stande ist. Hierauf bezüglich muss vor allem jene wichtige Beobach-
tung hervorgehoben werden, die ich in Hinsicht der Insertion der
M. alares bei allen Oes^rws-Larven gemacht habe, dass sich nämlich
diese nicht an den Seitenrändern des Rückengefässes inseriren, durch
welche dieses in eine gleichgrosse Rücken- und Bauchhälfte zerfal-
len soll, sondern die zwei seitlichen Insertionslinien befinden sich an
der Bauchfläche des Rückengefässes, nämlich bei c, c in Fig. 32.
Wenn ich z.B. bei Gastrus-L^vs&n die Haut und die Musculatur
der Rückenseite wegnahm, so lag die hintere Partie des Rücken-
gefässes in einer gewissen (aber nicht in ihrer ganzen) Breiten-
diraension vor mir, ich konnte aber bei dieser Ansicht weder einen
Flügelmuskel noch eine Insertionsstelle derselben am Rückengefäss
entdecken. Wenn ich nun den einen oder andern Rand desselben
mit der Pinzette aufhob, so sah ich noch immer keinen M. alares, son-
dern blos Fettkörper in einer gewissen Tiefe um und an das Rücken-
gefäss gelagert. Erst als ich auch diesen aus dem Wege räumte und
sonach neben dem Rückengefäss bis auf eine gewisse Tiefe gegen
die Bauchseite vordrang, konnte ich die M. alares und deren Inserti-
onsstelle zu Tage legen.
Will man das Rückengefäss von der Bauchseite aus präpariren
so sieht man schon nach Abnahme der Bauchhaut und deren Muscu-
atur die Hautenden der Flügelmuskeln zwischen den Gedärmen und
den Haupttracheenstämmen, an deren innerer Seite sie liegen, nach
oben emporragen, während das Rückengefäss noch tief hinter dem
grossen Convolut der Gedärme und des Fettkörpers liegt, ein Beweis,
dass die Flügelmuskeln nach ihrer Fläche gekrümmt verlaufen (wie
480) S 0 1. e i 1) e r.
in Figur 32 b, h angedeutet ist). Ist man endlich durch Wegschaf-
fung der vorliegenden Organe bis zum Rückengefäss gelangt, so über-
sieht man die Flügelmuskeln in ihrem ganzen (bogenförmigen) Ver-
laufe, während vom hinteren Theile des Rückengefässes fast gar nichts
zu bemerken ist, indem dieser durch die membranartige Ausbreitung
des Herzendes der Flügelmuskeln beinahe ganz bedeckt erscheint.
Die Insertionsstellen sind nämlich so nahe an einander, dass man eine
einzige Membran vor sich zu haben glaubt, die mit der unteren
Fläche des Rückengefässes verwachsen ist. Wenn man in Figur 23
die Zeichnung des hinteren Endes des Rückengefässes (wo die Spitze
desselben an den hinteren Ostien zufällig abgerissen ist), genauer
betrachtet, so sieht man, dass das durch die Abreissung der Spitze ver-
letzte hintere Flügelmuskelpaar unter dem Rückengefässe weit gegen
die Medianlinie vordringt.
Die Form des breiteren Theiles des Rückengefässes, die man
blos an solchen Präparaten beobachten kann, wo die Wände rigid
sind, spricht auch dafür, dass sich die Flügelmuskeln an der Rauch-
fläche des Rückengefässes inseriren, und dass die Erweiterung des-
selben hauptsächlich durch einen gegen die Rauchseite gerichteten
Zug bewerkstelligt wird. Wenn man auch Rückengefässe sieht, die
wie z. R. in Fig. 31 eine plane obere Fläche haben, so dass also der
hintere Theil fast unmerklich breiter als der vordere enge Theil
erscheint, so hat man die grossere Räumlichkeit des hinteren Theiles
des Rückengefässes an der unteren Seite desselben zu suchen und
der Querschnitt eines derartigen hinteren Theiles hat die Form von
(«) in Fig. 32, während im engeren Theile die untere Wand (c) die
obere {d) berührt.
Bei Gastrus equi habe ich gefunden, dass sich an der Rücken-
fläche des breiteren Theiles des Rückengefässes zwei ziemlich starke
Muskeln (auf jeder Seite einer) inseriren, welche in einander diame-
tral entgegengesetzter und auf die Längenaxe des Rückengefässes
senkrechter Richtung nach aussen verlaufen, um sich mit ihrer äus-
seren Sehne an die seitliche Partie der Rückenhaut festzusetzen
(wie dies schematisch gezeichnet in Fig. 32 d, e und d, f zu sehen
ist). Ferner setzt sich bei Gastrus equi noch ein unpaarer Muskel an
die hintere Spitze des Rückengefässes an, der direct nach rückwärts
verläuft, und fächerförmig ausgebreitet sich an die Haut festsetzt
(in der schematischen Zeichnung nicht angedeutet).
Vergleicheiwie Aniitomif und l'liysiolof^ic der (»strideii-Larven. 4-8T
Das ist nun der einfache Muskelapparat, i!er nach meiner Ansicht
vollkommen genügt, um allen jenen Bedingungen zu entsprechen,
die wir oben als zur Hervorbringung der Diastole eines Insectenher-
zens nothwendig aufgestellt haben.
Wenn wir uns nämlich den schematischen Querschnitt in
Fig. 32 noch einmal vergegenwärtigen, so werden die bogenförmig
verlaufenden Flügelmuskeln c, b, g und c, b, h sich während ihrer
Contraction in eine gerade Linie, die durch die Chorda jenes ßogens,
unter welchem sie verlaufen (punktirte Linien c, g und c, li), darge-
stellt wird, verkürzen, und durch ihren gemeinschaftlichen Zug zu-
nächst die untere Wand des Rückengefässes in eine jenen zwei Win-
kelkräften entsprechende resultirende Richtung direct gegen die
Bauchseite herabziehen. Es ist klar, dass durch diesen Zug allein
nichts weiter geschieht, als dass das ganze Rückengefäss in toto
gegen die Bauchseite gezogen, aber nichts destoweniger eine allsei-
tige Spannung sämmtlicher Wandungen des Rückengefässes hervor-
gebracht wird. Ersteres wird verhindert und letzteres bewerkstelligt
durch die oben beschriebenen paarigen Rückengefässmuskeln d, e und
d, f, gleichsam Musculi alares superiores, die durch ihren an der
oberen Gefässwand (in der Richtung der Pfeile) angebrachten Gegen-
zug das Rückengefäss in die Höhe halten. Durch diesen Zug und
Gegenzug, der noch durch den sich an die hintere Spitze des Rücken-
gefässes ansetzenden unpaarigen Muskel verstärkt und vervollständigt
wird, werden die Wandungen des Rückengefässes zugleich derartig
gespannt und auseinander gehalten, dass innerhalb derselben noth-
wendigerweise ein leerer Raum hergestellt werden muss, den natür-
lich die herbeiströmende Blutmasse ausfüllen muss.
Die Art und Weise, wie dieser Mechanismus ausgeführt wird,
ist übrigens nicht an den eben beschriebenen Modus, wie er bei
Gastrits equi yovkommt, gebunden, es können vielmehr in der An-
bringung des Gegenzuges die verschiedensten Modificationen vorkom-
men. So sind z. B. bei Ilypoderma tarandi gar keine Muskeln an der
oberen Rückengefässwand angebracht. Bei dieser Larve ist die untere
Wand des Rückengefässes, wo sich die M. a?«res festsetzen, einfach
muldenförmig ausgebaucht, während die obere Wand die Form von
Fig. 33 zeigt (hier ist natürlich blos vom breiteren Theil die Rede).
Sie ist nämlich in der Medianlinie in eine Leiste aufgehoben, die durch
zwei quer verlaufende Leisten gekreuzt wird. Die zwei Querleisten
4öö Sc li eiber.
führen zu kiirzeii, seiflichen, spitz luishiufeiideii und mit ihren Spitzen
etwas gegen die Rüekenseite gekehrten Fortsätzen (c, c und d, d)',
die Längsleiste spaltet sich hinten gabelig in zwei niedere, nach hinten
und aussen verlaufende Leisten, deren jede zu einem ebenfalls spitz-
zulaufenden kleineren Fortsatz {e, e) führt. Diese Fortsätze inseri-
ren sich an der Rückenhaut, und stellen ein ganzes Bündel von liga-
mentösen Fortsätzen vor, die, aus der äusseren bindegewebigen Mem-
bran der Rückengefässwand hervortretend , sich zu jener Spitze
zusammenschieben. Die Festigkeit dieser Fortsätze wird noch durch
viele Tracheenzweige, die sich an diesen Stellen an das Rückengefäss
anheften, kräftig unterstützt.
Die zwei paarigen Muskel bei Gastrus equi werden hier durch
die vier seitlichen und der unpaarige Muskel, der eine Spannung
der oberen Rückengefässwand der Länge nach bewerkstelligen soll,
durch die zwei hinteren kleineren Fortsätze (e , e) vertreten; auf
Letzteres weist sowohl die gabelige Theilung der Längskante, als
auch der Umstand hin, dass die hintere Spitze des Rückengefässes
(ö), hier mehr in die Breite gezogen ist. Zur vollständigeren Vertre-
tung des unpaaren Muskels ist noch entsprechend den hinteren Fort-
sätzen (e, e) das hinterste Flügelmuskelpaar, nicht wie die anderen
drei Paare, so gegen das Rückengefäss gestellt, dass ihre gemein-
schaftliche Ebene mit derjenigen parallel ist, welche die Längsaxe
des Rückengefässes unter einem rechten Winkel schneidet; ihr Hautende
verläuft also nicht direct nach aussen, sondern in der Richtung nach
hinten und aussen gegen die Bauchseite. Es bedarf nun hier keiner
weiteren Auseinandersetzung der Art und Weise mehr, wie durch
die Contraction der Flügelmuskeiii auch bei diesem Mechanismus ein
leerer Raum innerhalb des breiteren Theiles des Rückengefässes her-
gestellt wird , da sich aus der Beschreibung der oberen Wand alles
von selbst versteht.
Bei Cephenomyin-Lavven fehlt es mir an genaueren Untersu-
chungen, nur lässt sich aus einer medianen Längskante an der oberen
Wand, die in das hintere, zugespitzte und emporgehobene Ende des
Rückengefässes endigt, so wie aus der starken Ausbauchung der unte-
ren Wand schliessen, dass hier ein Mechanismus obwaltet, der sich
mehr dem bei GnMrus equi angebrachten annähern mag.
Wenn man die Pulsationen des Rückengefäses bei einer leben-
den Larve durch die Haut genau beobachtet, so bemerkt man, dass
Vergleichende Anatomie und Physiologie der Östriden-Larven. 489
sich die diastolischen Contractionen der ganzen Länge nacli peristal-
tisch fortpflanzen, eine Bewegungsart, wie sie in Bezug des Bücken -
gefässes von den meisten Autoren angenommen wird.
Diesem entspricht auch der anatomische Befund, welcher näm-
lich sowohl Ostien und Klappen, als auch einen zur Hervorbringung
der Diastole nothwendigen Mechanismus blos im hinteren, breitesten
Theil des Rückengefässes nachweist. Es ist demnach nur dieser
Theil als der eigentliche Ventriculartheil des Rückengefässes anzu-
sprechen, indem kein anderer Theil desselben einen Mechanismus
zur Herstellung der Diastole aufzuweisen hat. Alle anderen Abschnitte
des Rückengefässes werden erst (secundär) vom Ventrikel aus mit
Blut gefüllt und deren erschlaft'te Wandungen durch die herbei-
strömende Blutmenge ausgedehnt. Es ist aber auch sehr wahrschein-
lich, und für die leichtere und vortheilhaftere Verschliessung der
Klappen sogar nothwendig, dass selbst im Ventrikel die systolische
Contraction nicht an allen Punkten in einem Moment begimit, sondern
dass diese zu allererst am hinteren Ende des Rückengefässes ihren
Anfang nimmt, und in sehr kleinen, nicht wahrnehmbaren Zeiträumen
bis an's vordere Ende des Ventrikels fortschreitet, so jedoch, dass
sie in jenem Theile noch nicht aufgehört hat, während sie an diesem
schon begonnen hat, und es demnach einen Zeitmoment geben muss,
in welchem die Systole sich auf alle Punkte des Ventrikels erstreckt.
Den auf den Ventrikel folgenden musculösen, engeren und zugleich
längsten Abschnitt des Rückengefässes möchte ich als einen dem
bulbiis arteriosus der Fische und Amphibien analogen Herztheil
betrachten, der ja auch bei diesen sehr oft musculös ist. Er hat
dort seine Grenze, wo Muskelfasern im Rückengefäss nicht mehr
unterschieden werden können. Er ist bei den einzelnen Larven-
Gattungen nicht gleich lang, so z. B. hört er bei Gastrus-Lüvyen
schon vor dem Herzganglion auf, während er sich bei Hypoderma-
Larven noch über diesen erstreckt. Auf diesen folgt endlich der
kürzeste und muskellose Theil des Rückengefässes, die eigentliche
Aorta, von der ich aber keine einzige Verästelung bei unseren
Larven entdecken konnte, da sie sich stets spurlos in die Musculatur
des Schlundes verliert.
Ich habe hier schliesslich nur noch etwas über die Pulsfrequenz
des Herzens hei Gdstrus eqid hinzuzufügen. Der Puls ist hier am
deutlichsten in der Gegend der hintersten vier Ringe zu sehen, weil
490 Sehe i I, e ,-.
das Rückengcfäss bekanntlich da am breitesten ist, und meist an die
Haut anliegt. Schröder van der Kolk gibt an, für gewöhnlich
30 Pulsschläge in der Minute beobachtet zu haben, wobei er jedoch
bemerkt, dass wenn er die Larven in eine Temperatur, die der des
menschlichen Körpers gleich kommt, gebracht hat, er auch 60 Schläge
in der Minute zählen konnte. Dies ist ein deutlicher Beweis dafür,
dass die Circulation dieser Larven im thierischen Körper bei weitem
energischer sein mag, als wenn sie ausserhalb des Magens durch
längere Zeit ohne Nahrung und in einem kühleren, fremdartigen
Medium, der atmosphärischen Luft, leben müssen. Herr Prof. Wedl
zählte bei Gastrus -Laiyeii, die den Tag vorher aus dem Pferde-
magen genommen wurden, 40 — 44 Schläge, und wahrscheinlich hat
Schröder van der Kolk seine Zählungen an Larven, die noch
länger aus dem Magen entfernt und daher schon lebensschwächer
waren, vorgenommen.
Vergleichende Analoiiiie und Physiologie der Üstriden-Laiven. 491
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1. Ein Hautstück von einer Hypoderma-LATve (bei SO — lOOfaeher Ver-
grösserung).
„ 2. .4 Muskelfasern von Gasfrus equi ; a, a eine Gruppe von Muskelfasern ;
b, h multipolare Zellen mit ihren Ausläufern; die Äste dieser Ausläufer
bilden ein Netzwerk um die Zelle ; c, c, c feine Fäserchen, die am Rande
einer Gruppe von Primitivfasern hervorragen (mittlere Vergrösserung).
„ 2. B Muskelfasern von Hypoderma Actaeon, die nur in der Mitte querge-
streift sind (starke Vergrösserung).
„ 3. Nervensystem von .Gastrii« equi, von der Bauchseite gesehen: a das
Hauptganglion; b das Loch desselben, durch welches der Ösophagus
zieht; c der Schlund (die Schlundplatten sind weggenommen); d, d
vom Hauptganglion abgehende Nervenstämme, die die Schlundganglien
bilden; e, e Nervenstämme der appendiculären Ganglien, die zum
Schlünde r ziehen ;/",/" Sehlundganglien; ^, ^ Äste der Nerven; d, d
bevor sie zu den Schlundganglien anschwellen; h, h Rami musculares ;
i Raniufi cutaueus der Schlundganglien; k, k Rüekengefäss, welches
durch das Herzganglion und zwischen den Nerven der appendiculären
Ganglien e, e zum Schlünde zieht; /, / appendiculäre Ganglien; /« Herz-
ganglion; m' ein Querbalken desselben; ii, n Tracheen; o, o Seiten-
ganglien ; p Osophagu.s; r Anfangsstiick des Magens, der mit einer An-
schwellung und darauf folgenden Kinschnürung boginnt. Der Ösophagus
ist im Innern des Magens bis zur Fiinschnnrung zu verfolgen. (20fache
Vergrösserung).
„ 4. Das Nervensystem sammf dem ganzen Tractus rn(e.ifinalis von Hi/pn-
derma Aclneon , von der Bauohseito aus gezeichnet: a Hauptganglion:
b, /»appendiculäreGanglien, die von d<^r Bauchseite nur theil weise gesehen
werden können: r Schlundganglien, die an zwei Nerven des Hauptgan-
glion hängen; dasselbe gilt von den Seitenganglien d, d ; r, e die vor-
dersten Trachealganglien; f die rudimentären Fühler; g, g Speichel-
drüsen, deren Ausführungsgänge in den gemeinschaftlichen Gang g'
übergehen, und an deren Spitze ein Nervenfaden hängt (s. Fig. J> k)~,
h, h, vordere; i, i hintere Malpighische Gefässe; h', h' , i' , i' blindes
Ende der Malpighischen Gefässe, an denen quergestreifte Nervenfäden
hängen; k Schlund, sammt Platten und Schlund-Musculatur; l Ösopha-
Sitzh. d, matlipm.-natuiw. Cl. Xf.l. Bd. Nr. 16. '^'^
492 ■'^ '• i' « i I' '-■ '••
gus; m, m Magen; n Ende desselben, Übergang in den Dickdarm, und
Einmündungssteile der Malpighischen Gefässe in den Darmcanal; o, o
Diciidarm; p Mastdarm; tj, q vordere Endigung der Haupttracheen-
stiimme r, r; s ein Hautstück vom ersten Leibesring, an welches sich der
Schlund und die Tracheenstämme r, r anheften; t, t hinteres Ende der
Haupttracheenstämme , die sich an die Stigmenplatte u ansetzen (5 fache
Vergrösserung).
Fig. S. Das Nervensystem mit den vorderen Partien der Eingeweide von
Hypoderma Aclueun, von der Rückenseite gesehen: u, a innere oder
kugelige appeadieuläre Ganglien (das Hauptganglion wird von hieraus
nicht gesehen); b, h äussere appendiculäre Ganglien; c Schlund mit
anhängenden Muskeln; d, d Rückengefäss ; e Herzganglion; /, /^ seit-
liche Haupttracheenstämme ; g, g Tracheen, die in's Herzganglion eintre-
ten ; h, h, h, h grosse Trachealganglien, die den Seitenganglien (Fig. 4 d, d}
gleich construirt sind ; /', i Speicheldrüsen, an die sich vom Rücken-
gefäss d, d kommende quergestreifte Nervenfäden k, k anheften ; l, l,
l, l, l, l, /Trachealganglien; m vordere grosse Queranastomose der zwei
seitlichen Haupttracheenstämme; aus den Winkeln, die der Querast mit die-
sen bildet, gehen Tracheenäste zum Herzganglion und mehrere kleinere
zum Schlünde c; «Hautstück (vgl. Fig. 4 a) (öfache Vergrösserung).
„ 6. Ein senkrecht geführter, sehematischer Querschnitt durch das Haupt-
und die appendiculären Ganglien: u, «kugelige oder innere appendicu-
läre Ganglien, welche mittelst einer halsförmigen Einschnürung (Ner-
ven) mit den äusseren appendiculären Ganglien b, b zusammenhängen ;
c Hauptganglion; d Ösophagus, der zwischen a, a, c hindurchzieht.
„ 7. Horizontaler Durchschnitt eines Seitenganglions vergrössert und sche-
matisch gezeichnet: a, a Hülle des Ganglions; b, b' , d der Kern des-
selben; c der eintretende Nerv; c' der in der Axe des Kernes durch-
ziehende Theil des Nerven; d' die Stelle, wo der Schnitt den Nerven c'
traf; e, e, e vom Ganglion austretende Nerven; f Hals des Ganglion,
wo dieses nicht mehr hohl ist.
„ 8. Nervensystem von Cephcnoinyia piclu, von der Seite gesehen: a Haupt-
ganglion mit den von ihm nach allen Seiten hin ausstrahlenden Nerven;
b das Knie desselben; c Schlundganglion; d, t? Seitenganglien; a Ramus
cutaneiis ; ß Ramus muscularis derselben; d' kleines Ganglion, welches
weder bei den Schlundganglien noch bei den Seitenganglien der anderen
Seite angedeutet ist, und mit dem R. musciilus aller dieser Ganglien anasto-
mosirt; e, c appendiculäre Ganglien; /' Herzganglion; (/Rückengefäss;
A abgerissene Sclilundmusculatur , mit welcher der miltlere, breiteste
Fortsatz der zusammengewachsenen appendiculären Ganglien unzer-
trennlich verbunden ist; y Nervenfortsatz der appendiculären Ganglien ,
der diese mit dem Hauptganglion in Verbindung setzt, hier aber losge-
rissen ist, weil der linke Lappen y, S herübcrgeschlagen ist; d, (i zum
Schlünde abgehende Nerven der appendiculären Ganglien (20fache
Vergrösserung).
Verg-Ieiclieiidp Anatomie iinil Pliysioloj;ie der Ösfriden-Larven. 493
Fig. 0. Seliliindganglion von Ceplwnowyia rufihfirhis : a, n L-inlrolcnde. f), h, c
aiistretoiule Norvon ; «"als rnttnis oitaneun sc(z( sich an die innere, nicht
chilinislrtc i\Iemi)ran des äusseren Inlegumentes d an.
„ 10. Nervensystsm von Ccplialowyin inuculntn von der Seile geseiien;
« Hauplrranpiion mit den ausstrahlenden Nerven; h^h kugelige oder
liintere appendiculitre Ganglien; c, c vordere appendieuläre Ganglien;
rf Ösophagus; e Anfang des Magens; e Cardia-Einsehnürung: /"Kücken-
gefäss; g Herzganglion; h kleines Ganglion, welches die Magennerven
des Herzganglion bilden; i Schlundganglion; A-^ t Seitenganglien.
„ 11. Trachealganglion von Cephenomyia picta : a secundärer Tracheen-
slanim; b Ganglion; c, c, c die von diesem ausgelienden Nerven
(Fig. 9, 10 und 11 in 20facher Vergrösserung).
„ 12. Trachealganglion saniint dem von ihm abgehenden kolossalen Nerven
von Cephalomyia ??(«c?</rtto; rt Haupttracheenstamm; h Trachealgang-
lion; c trichterförmige Endigung des Nerven; e, e dickes Neurilem mit
altcrnirenden stark nach innen vorspringenden Kernen versehen;
/" tibrillärer, wellig verlaufender Axenstrang; dieser liegt bei f frei
(ohne Neurilem) zu Tage; d, d innere nicht chitinisirte Lage des Inte-
gumentes (80 — lOOfache Vergrösserung).
„ 13. Rectalganglion von Cephalomyia macnlata, zehnfach vergrössert :
a Endtheil des Dickdarmes; fj Mastdarm; c Anus; d Lerator sen retra-
heiis ani (auf der anderen Seite entfernt); e Rectalganglion mit seinen
drei abgehenden Nerven; f, f zwei Nerven des Hauptganglion, deren
Äste sich vereinigen und in"s Ganglion eintreten; g, g sind ebenfalls
zwei Nerven, die vom Haiiptganglion kommen und sich in die Äste i
und h thcilen, welch letzterer das kleine sternförmige Ganglion k bildet,
dessen Zweige mit denen von i und e den Plexus haemorrhoidalis bilden.
„ 14. Zellen aus verschiedenen Ganglien: a keulenförmige Zelle; h spindel-
förmige; f eine ganze Kette von bipolaren Zellen; d bipolare Zelle mit
starker Ausbauchung; e unipolare; f uni- und bipolare kleine Zellen
von verschiedener Form (starke Vergrösserung).
„ IS. Zellengruppe aus der Hülle eines Schlundganglion einer Hypoderma-
Larve: a,a,a',a' Körper der Ganglienzellen; c,c, c, c, c', c' Reihen von
parallel untereinander verlaufenden Fortsätzen derselben; b, b ein lich-
ter Streifen, an den sich die Zellenfortsätze anschmiegen ; c',f' die Stelle,
wo noch ein zweiter lichter Streifen zu liegen käme, wenn noch eine
dritte Reihe von Zellen gezeichnet wäre (starke Vergrösserung).
„ 16. Kugeliges Trachealganglion von Hypoderma bovis : a Ganglion mit
durchseheinenden, dunklen, kugeligen Elementen; a Basis des (Gan-
glions, von welcher aus die Nerven b, b, b' und // abgehen ; c kolossaler
Nerv, der vom Trachealganglion d' abgeht; d, rf Tracheen (6 fache
Vergrösserung).
33»
^q^ S c h e i 1) e r.
Fi'». 17. -1 oin Element aus dem kugeligen Ganglion bei 80 — lOOfaeher Ver-
grösserung: a, h, c mit einander zusanunenhängende kugelige Elemente,
deren kleinstes c in den übrilliiren Stiel übergeht, der sieh an der Basis
des Ganglion (Fig. 16a') festsetzt; a äussere Kugelsehale; al der meh-
rere Fleeken zeigende Inhalt der einzelnen kugeligen Elemente; e, e
netzförmiges Bindegewebe, welches das Stroma im Ganglion (Fig. 16 d)
bildet.
„ 17. B ein Stück von n und h in Fig. 17 .4, stark vergrössert ; /"die die
iiussere Kugelschale constituirenden, kleinen, spindelförmigen Zellen;
y, g den inneren Kuge'raum ausfüllende, grosse, dreieckige Zellen.
„ 18. Elemente der kugeligen Ganglien von Ihjpoderma turandi , bei 80 bis
lüOfacher Vergrösserung: a, a anhängendes netzförmiges Bindegew ehe;
b, b, b' cylindrische Elemente, dieselben sind mit fiederförmig geord-
neten Fasern , die bei f frei zu Tage liegen , dann mit Zellen und Kernen
angefüllt; c Querspalte, die stets am peripheren, meist stumpfen, seltener
zugespitzten (p) Ende zu sehen ist; d verdichtetes Stroma an der
Basis des Ganglion, in welches sich die Elemente mit ihrem centralen
Ende einpflanzen.
„ 19. Gangliöse Anschwellungeines Nerven von Hypoderma Actaeon: a Ner-
venast; 6 Anschwellung desselben; c, c, c sechs aus dieser Anschwel-
lung hervorkommende Zweige; d Kern mit Kernkörperchen in der An-
schwellung; e, e Kerne im Neurilem. Der Strich f ist zufällig.
„ 20. Eine besondere Nervenart von einem Trachealganglion von Cephalomyia
maculata: « Hauptstamm; ä Ast desselben, mit breitem Neurilem und
schollig zerfallenem, hyalinem, gelblichem Inhalte ^).
„ 21. Herzförmige Endansehwellung oines Nerven von Gastrus equi: a Nerv;
b Endanschwellung desselben; c zwei krumme Linien innerhalb dersel-
ben, die mit ihrer Concavität einander zugewendet sind und sieh in die
Axenlinie des Nerven verlängern (Fig. 19, 20, 21 stark vergrös-
sert).
„ 22. Endigung eines peripheren Hautnerven in ein Ganglion bei Cephalomyia
maculata: a der Nerv; b Ganglion mit Zellen und Kernen gefüllt; c, c, c
vom Ganglion ausgehende und in eine feine Spitze auslaufende End-
zweige, die sich an die innere, weiche, zellige Haut des Integumentes
einfach anheften (60 — 80 fache Vergrösserung).
„ 23. Uückengefäss von Cephalomyia maculata : u, a Herzschlauch; b, b, b, b
Flügelmuskeln ; c, c, c, c Ganglienstrang zu beiden Seiten des Rücken-
gcfässes; d, d, d, e? quergestreifte Nervenstämme, die aus dem Strange
hervorkommen; e, e Malpighisches Gefäss mit dunklem Inhalte, zu
welchem Äste von d, d, d, d treten und von dessen vorderstem
Ende ein langer Faden f abgeht; (j Malpighisches Gefäss mit
gelblichem Inhalte, in welches ein Fortsatz von e nämlich e' übergeht
(10 fache Vergrösserung).
') Diese Altbildnng- ist weder iinliirg-ed-eii gexL'iehnet noch lithograpliirt worden , w:i>
erst dann heoliaclitet wurde, als sie schon im Texte auf^'enonunen wurde.
VeiKleic-heiiile Aiiiilmiiii' iiiid Pliy.sioloi;ic der ü.stri.li-ii-l.aivi-ii. 40!)
Fi». 24. Ein Stück des Rückonjrefiisses von Hypodenna bovis: a, a Rüekon-
^efiisswand mit loni,'itudinalcn und kreisförniifren FastM-n ; h, h, prosse
Zellen; c, c querf^cstreifter Seitenstrang am Rüekenj^efass ; es sind
hier die Ganglien-Zellen und auf der anderen Seite der ganze Strang
entfernt, um einen von diesem in's Rückengefäss eintretenden Nerven
d zu zeigen; e' ein Seitenast des Nervenstranges c, c.
„ Sä. Ein Fallier von Gastrus equi: a der Kornartige braune Ring; b ein
Stück Haut von der Umgebung des Fühlers; c die den Kegel oben ver-
schliessende Membran; d, d' zwei grössere und e. e mehrere kleinere
Kegel, die auf der Membran sitzen (Fig. 24 und 25 80 — 100 fach ver-
grössert).
„ 26. Hautstüek von der Umgebung der Mundtheile einer Hypoderwa-Lurya:
a, a iiussere, gefelderte Oberfläche der üusscren, chitinisirtcn Lage
der Haut; /;, b, b, b rundliche, hohle Erhabenheiten der Haut, die
um die Mundöffnung gelagert sind; b' eine längliche Erhabenheit, die
gleich den vorigen mit Stacheln an der Basis besetzt ist; c, c rudi-
mentäre Fühler, auf einer warzenartigen Erhabenheit sitzend; d Mund-
spalte (50 fache Vergrösserung).
„ 27. Bipolare Ganglienzellen aus dem Ganglienstrange des Rückengefässes
von Cepludomyia maculata: a Zelle; b, b' deren Fortsätze; c ein Nerv,
der sich mit dem einen Fortsatz verbindet.
„ 28. Eine Ganglienzelle aus dem Ganglienstrange des Rückengefässes bei
Gastrus cqui (die ßuchsfaben bedeuten dasselbe, wie in Fig. 27).
„ 29. Ein quergestreifter Nervenplexus vom hintersten breiten Theile des
Rückengefiisses von Cephenomyia picta: a, n die Fortsätze grosser mul-
tipolarer Ganglienzellen: b,b deren plexusartige Anastomose (Fig. 27,
28, 29 stark vergrössert).
„ 30. Ein Stück eines Rückengefässes der Fläche nach ausgebreitet, so dass
die innere Fläche desselben dem Beobachter zugekehrt ist, um die
gegen das Lumen des Rückengefässes vorspringende Klappe zu zeigen.
Der Lappen ist vom hinteren, breiten Theile eines Rückengefässes von
Cephenomyia picta genommen: a^ a Rückengefässhaut (innere Fläche);
b die vorspringende Klappe; c der dieser Klappe entsprechende
Wandtbeil des Rückengefässes, an welchen sich dieselbe stemmt, wenn
sie durch die Blutwelle von b nach d hingestossen wird; rf halbmond-
förmige Begrenzungslinie zwischen diesem verdünnten Wandtbeil (gleich-
sam eine Gegenklappe) und der normalen Wand des Rückengefässes
(80 — 100 fache Vergrösserung).
,, 3i. Hinterer Theil des Rückengefässes von Hypodenna Diana: /y hintere
stumpf-kegelige Spitze desselben: a, a, c, c, d, rf Ventricular-Ostien
mit Klappen.
,. 1>2. Senkrechter Querschnitt des Rückengefässes von Gastrus cqui, vergrös-
sert und scheniatisch dargestellt: a das Rückengefäss quer durch-
496 S c h c i b c r. VeigleicIuMiile Anatomie und Pliysiolog^ie cfc.
schnitten; h, b Flügelmuskeln in Form eines Bogens; die punktirten
Linien c g, c h stellen die Chorda dieser Bögen dar; d e, d f Musculi
alares super ior es ; Axc^hWc zeigen die Richtungen an, in welchen der
Muskelzug auf das Rückengefiiss ausgeüht wird.
Fig. 33. Ohere Flüche des hinteren breiten Theiles des Rückengefässes von
Hypodcrina tarandi: a, a Grenze des breiten Theiles; b abgerun-
dete Spitze desselben; c c, d d, e e ligamentöse Fortsätze der oberen
Wand, die sich an die Haut heften; f, f, f Ventricular-Ostien; g Längs-
leiste der Rückengefässwand, die sich nach hinten gabelig theilt und
von zwei Querleisten gekreuzt wird (Fig. 31 und 33 20fach ver-
grössert).
I
Scllcih.T. Vcrylcichcnilc -Aniiloiiiii' iiiiil l'liv.siolueic der Oeslridpil I„irv
•i.l..l,k.Ak,..l ,1 \\.i„i,ll, „„i.invl'l XI, I H,l, .VMG IRGU.
S.'hoiUer. Wj-'-Inrh.-iulp
Aiintiimn' und PliyNiol«j,^irii.'i- Ocstrnlffi Iwu-vi-ii
Aju 1 k."k Hof ,«. StüÄulnKlce«.
1I...I k Akii.l <l W.inalll untiirw t'l. X M lld X" 1 li . liUWl
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISEllLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCIIAHEN.
MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XU. um.
^'^ SITZUNG VOM 21. JUNI 1860.
N^- 17.
34
49T
XVII. SITZUNG VOM 21. JUNI 1860.
Der Secretär legt vor:
a) Ein versiegeltes Schreiben mit der Aufschrift: „Zürich,
10. Juni 1860. Adolf Fick", um dessen Aufbewahrung zur
Wahrung der Priorität angesucht wird;
h) eine Abhandlung: „Untersuchungen über Turbellarien von
Corfu und Cephalonia", von Prof. Oscar Schmidt in Gratz;
c) eine von Dr. V. v. Lang, d. Z. in Heidelberg, eingesendete
Notiz: „Über das Gesetz der rationalen Verhältnisse der
Tangenten tautozonaler Krystallkanten".
Herr Prof. Redtenbacher überreicht eine von Herrn August
Freund im Laboratorium des Herrn Prof. v. Pebal inLemberg aus-
geführte Arbeit: „Über die Natur der Ketone"^.
Professor Schrötter gibt Nachricht über arsenhaltige Tape-
ten, die wegen der dadurch bewirkten Benachtheiligung der Gesund-
heit ihm zur Untersuchung übergehen wurden.
Herr Prof. Dr. A. Pokorny beendet seinen in der vorigen
Sitzung begonnenen Vortrag: „Untersuchungen über die Torfmoore
Ungarns".
Herr Dr. E. Mach, Eleve des k. k. physikalischen Institutes,
legt die Resultate einer in diesem Institute ausgeführten Experimental-
Untersuchung über die Änderung des Tones und der Farbe durch
Bewegung vor.
Herr Prof. Ritter von Zepharovich überreicht eine Abhand-
lung: „Über die Krystallformen des essig-salpetersauren Strontian
und des weinsteinsauren Kali-Lithion".
34»
498
Herr Rudolf Niemtschik erörtert seine Methode der directen
Construetion der schiefaxigen Krystallgestalten aus den Kanten-
winkeln.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Astronomische Nachrichten, Nr. 1260—1264. Altona, 1860; 4<>-
Austria, Wochenschrift für Volkswirthschaft und Statistik.
XII. Jahrgang. XXV. Heft. Wien. 1860; 8o-
Bandorf, Georg. Die kommende Umgestaltung der Erde, als
nothwendige Folge der früheren Erdrevolution. Regensburg,
1860; 8<>-
Cosmos, IX* annee. 16'' volume. 23Miyraison. Paris, 1860; 8»-
Pietruski, Stan. Const. Ritter v. , Historya naturalna i hodowla
ptakow ziibawnych i uzytecznych. Krakow, 1860; 8"-
Prospectus. Results of a scientific mission to India and High Asia,
by Hermann, Adolphe and Robert de Schlagintweit. Pu-
blished by F. A. Brockhaus. Leipzig. — London, Trübner et
Comp. 1860; 4o-
Societe Imperiale des naturalistes deMoscou. Bulletin. Annee 1860.
Nr. I. Avec 8 planches. Moscou, 1860; 8o-
Vierteljahrschrift für wissenschaftliche Veterinärkunde. Heraus-
gegeben von den Mitgliedern des Wiener k. k. Thierarznei-
Institutes, redigirt von Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Roll.
XIV. Bd., 1. Hft. Wien, 1860; 8o-
Wiener medizinische Wochenschrift. Jahrgang X. Nr. 24. Wien,
1860; 40-
499
ABHANDLÜiXGEN UND MITTHEILÜNGEN.
Über die Natur der K e t o n e.
Von AngDst Fr e and,
aus Ken>y in Galizien.
(Eingesendet von Herrn Professor v. Pebal.)
Acetyläthyl.
Ca Hg 0)1)
CgHsf
In einer vorläufigen Notiz habe ich einige Versuche zur Bildung
der Ketone durch doppelten Austausch mitgetheilt, indem ich diesen
Versuchen die Ansicht zu Grunde legte , dass die Ketone Äther der
Aldehyde, also Körper seien, welche zu den Aldehyden in derselben
Beziehung stehen, wie die zusammengesetzten Äther zu den Säure-
hydraten. Ich hatte zum Ausgangspunkt der Untersuchung die Einwir-
kung von Chioracetyl auf Zinkäthyl gewählt und in der That einen
Körper von der Zusammensetzung C^HgO erhalten; einer Zusammen-
setzung, welche den Ketonen und Aldehyden eigen ist. Da jedoch die
Menge dieses Körpers so gering war, dass weder der richtige Siede-
punkt, noch andere die Verbindung charakterisirende Eigenschaften
festgestellt werden konnten , so musste diese Verbindung nochmals,
und zwar in etwas grösserem Massstabe dargestellt werden. Ich ver-
fuhr hierbei in derselben Weise, wie ich bereits in der vorläufigen
Mittheilung auseinandergesetzt habe. Nur habe ich diesmal zur
Darstellung des Zinkäthyls grössere, etwa 40 Centimeter lange
Röhren, von 20 Millimeter Durchmesser im Lichten und 2 Millimeter
1) C = 12, H = 1, 0 = 16, S = 32, Cl = 3ä5, Zu = 32 5.
300 Freund.
Wanddicke verwendet, und jede derselben mit der doppelten Menge,
d. i. mit etwa 40 Gramm Jodäthyl nebst der hierzu erforderliehen
Menge von Äther und Zink beschickt. Ferner, was die EinMirkung
von Chloracetyl anf Zinkäthyl anbelangt, so wurde auch diesmal in
derselben Weise verfahren, wie bereits erwähnt; nur um den Zu-
fluss des Chioracetyls besser in der Gewalt zu haben, wurde letzte-
res diesmal aus einer mit einem Gla.shahn verschliessbaren Pipette
tropfenweise zum Zinkäthyl gebracht, und, damit kein Verlust durch
Verdampfen in Folge einer heftigen Reaction entstehen könnte, der
Hals der Retorte mit einem trockenen leeren Kölbchen, welches durch
Schnee gekühlt wurde, in Verbindung gebracht.
Das Product der Einwirkung stellte eine dunkelrothe, dickliche
Flüssigkeit dar , aus welcher beim Vermischen mit Wasser der
grösste Theil der Verbindung in noch unreinem Zustande abgeschie-
den wurde; ein weiterer Theil wurde durch Destillation der wässeri-
gen, grösstentheils Chlorzink enthaltenden Lösung, als im Destillate
obenaufschwimmende Flüssigkeit erhalten. Da diese Verbindung in
Wasser zum Theile löslich ist, so fand ich es zweckmässig, das wäs-
serige Destillat mit Chlorcalcium zu versetzen, worauf das in Lösung
befindliche abgeschieden wurde.
Die Flüssigkeiten wurden gesammelt, durch Schütteln mit einer
schwachen Kalilösung von anhängender Säure befreit, hierauf mit
geschmolzenem Chlorcalcium längere Zeit zusammengestellt und endlich
darüber abdestillirt. Die fractionirte Destillation wurde in einem Appa-
rate vorgenommen, wie ihnWurtz^) zu diesem Zwecke verwendet.
Bei etwa 45« C. begann die Flüssigkeit zu sieden; als der Sie-
depunkt auf 740 C. gestiegen war, wurde die Vorlage gewechselt
und das zwischen 74" C. und 90" C. übergegangene besonders auf-
gefangen 2). Ais die erste Portion nochmals fractionirt destillirt wurde,
konnte noch ein Theil einer zwischen 74" und 80" siedenden Flüs-
sigkeit davon getrennt werden; diese wurde mit der zwischen 74"
und 90" übergegangenen gemengt, und abermals fractionirt destillirt.
Durch mehrere Male wiederholtes fractionirtes Destilliren, wobei
*) Lehrb. d. org. Chemie von Kolbe, Bd. I, S. 284.
~) Als Rückstand blieb noch eine geringe Menge einer dunklen ölarlig-en Substanz, im
Kölbchen zurück; da es jedoch bei nachheriger Destillation unmöglich war, daraus
eine zur Analyse geeignete Flüssigkeit von constanlein Siedepunkt zu erhalten, so
konnte auch die Natur dieser Verbindung nicht ermittelt werden.
Übel' di« Natur der Kftone. oO 1
iiiimei' die zwischen 74" und 85" siedenden Portionen besonders
aufgefiingen wurden, erhielt ich endlich eine zwischen 77*5» und
80-5<» C. bei 742-1 Millim. Quecksilberdruck siedende Flüssigkeit,
\Novon ein Theil zu den Analysen I und II verwendet wurde.
I. 0-3257 Grm. gaben mit Kupferoxyd im Sauerstoffstrom ver-
brannt 0-7767 Grm. Kohlensäure und 0-3205 Grm. Wasser.
II. 0-2722 Grm. gaben ebenso O'BoOö Grm. Kohlensäure und
0-2692 Grm. Wasser.
Hieraus ergibt sich :
Gefunden Berechnet für CiHoO
c
1.
6S-03
11.
65-17
H
iO-94
10-99
0
24-03
23-84
66
66
11
11
22
23
10000 100-00 10000
Aus dem zu gering gefundenen Kohlenstoffgehalle schloss ich
auf eine Verunreinigung der Substanz mit Wasser; sie wurde noch-
mals über scharf getrocknetem kohlensauren Kali abdestillirt, wo-
durch jedoch, wie aus der Analyse III ersichtlich, die Zusammen-
setzung nicht geändert wurde.
III. Es gaben nämlich 0-3457 Grm. von der nochmals über kohlen-
saurem Kali abdestillirten Substanz 0-8248 Grm. Kohlensäure und
0-3403 Grm. Wasser, welche Daten einer procentischen Zusammen-
setzung entsprachen von
c
65-06
H
10-94
0
24-00
100-00
Ich glaubte daher, dass eine andere Verunreinigung den gerin-
gen Kohlenstoffgehalt bedingte. Da mich ein Vorversuch gelehrt
hatte, dass diese Substanz mit saurem schwefligsauren Natron eine
krystallisirbare Verbindung eingeht, so wurde die Gesammtmenge
der Substanz mit einer concentrirten Lösung vom sauren schweflig-
sauren Natron zusammengebracht. Sie löste sich darin unter
Wärmeentwickelung und beim Erkalten gestand sie zu einer Masse«
äusserst kleiner Krystallblättchen. Diese wurden zwischen dicken
Lagen von Fliesspapier durch Pressen von anhängender Mutterlauge
so gut als möglich befreit, und mehrere Tage unter dem Recipienten
einer Luftpumpe über Schwefelsäure stehen gelassen. Ein kleiner
502 Freund.
Theil davon winde zu den später anzuführenden Analysen verwendet,
das übrige alter mit einer Lösung von kohlensaurem Kali destillirt.
Im Destillate befanden sich zwei Schichten; die obere bestand aus
dem etwas Wasser haltigen Acetyläthyl , die untere aus einer Lösung
desselben in Wasser, aus welcher auf Zusatz von Chlorcalcium der
grösste Theil abgeschieden wurde. Die aufschwimmende Flüssigkeit
wurde abgehoben , mit geschmolzenem Chlorcalcium zusammen-
gebracht, etwa 24 Stunden damit stehen gelassen, und hierauf dar-
über abdestillirt.
Bei der Destillation ging die ganze Menge der Substanz bei
einem Quecksilberdruck von 7378 Millim. zwischen 77-Ö0 und 78» C.
über. Sie stellte eine leicht bewegliche Flüssigkeit dar, von ange-
nehm ätherischem an Aceton erinnerndem doch stärkerem Gerüche.
Davon wurde nun zu der Analyse IV verwendet.
IV. 0-2510 Grm. gaben bei der Verbrennung 06047 Grm.
Kohlensäure und 02497 Grm. Wasser, entsprechend einer Zusam-
mensetzung von
c
65-70
H
11-05
0
23-25
10000
Der immer noch zu gering gefundene KohlenstofTgehalt (wäh-
rend der WasserstoiOfgehalt mit der vorausgesetzten Zusammensetzung
übereinstimmt) Hess mich vermuthen, dass doch nur eine geringe
Beimengung von Wasser, in Folge unvollständigen Trocknens, den
geringen KohlenstofTgehalt bedinge, da Wasser und eine Substanz
von der Zusammensetzung CiH^O genau denselben procentischen
Wasserstoffgehalt haben. Es wurde dcsshalb die Substanz nochmals
mit frisch geschmolzenem und in kleine Kügelchen ausgegossenem
Chlorcalcium durch mehrere Tage stehen gelassen. Hierauf wurde
die Substanz untersucht , ob nicht etwa Chlorcalcium in Lösung ge-
gangen war, und da dies nicht der Fall war, so wurden von dieser
Substanz (ohne dass man dieselbe nochmals destillirt hätte) gerade-
zu drei Kügelchen angefüllt, von denen zwei zur Analyse und eines
zur Dampfdichte-Bestimmung verwendet wurden.
V. 0-259Ö Grm. gaben bei der Verbrennung 0631 3 Grm. Koh-
lensäure und 0-2608 Grm. Wasser.
VI. 0-2833 Grm. gaben 06899 Grm. Kohlensäure und 0-2850
Grm. Wasser.
Üher die Nalur der Keloiie. 503
Hieraus ergibt sich:
Gefunden
V.
VI.
c
66-36
66-43
H
ill6
H-18
0
22-48
22-39
100-00 100-00
Wie aus diesen zwei Analysen ersichtlich ist, war die Ver-
muthung hinsichtlich einer Beimengung von Wasser gerechtfertigt,
und kann somit kein Zweifel über die Zusammensetzung der Verbin-
dung bestehen.
Die Verbindung dieses Körpers mit saurem schwefligsauren
Natron, nachdem sie unter dem Recipienten der Luftpumpe, über
Schwefelsäure, so lange stehen gelassen wurde, bis keine Gewichts-
abnahme mehr stattfand, ergab bei der Analyse folgende Resultate:
I. 0-7590 Grm, gaben mit chromsaurem Blei verbrannt 0-683J>
Grm. Kohlensäure und 0-3263 Grm. Wasser.
II. 0-6402 Grm. gaben ebenso 0-5817 Grm. Kohlensäure und
0-2735 Grm. W^asser.
III. 10965 Grm. gaben nach dem Glühen mit Schwefelsäure
0-4912 Gi-m. von schwefelsaurem Natron.
Hieraus ergibt sich :
Berechnet für
III. C^HgO.NaHO.SOa
— 27-27
— 311
14-48 13-07
Berücksichtigt man, dass diese Verbindung nur durch Abpressen
zwischen Fliesspapier gereinigt werden konnte, und dass selbst bei
dem sorgfältigsten Abpressen immer noch etwas Mutterlauge hängen
bleibt, so darf es nicht befremden, dass der Kohlenstoff- und Wasser-
stoff-Gehalt zu gering, hingegen der Natrium-Gehalt zu hoch gefun-
den wurde; doch geht aus den Resultaten der Analyse deutlich genug
hervor, dass man es mit einer Verbindung von Acetyläthyl mit sau-
rem scliwefligsaurem Natron und zwar in dem vorausgesetzten Ver-
hältniss zu thun hatte. Wie lose übrigens das Acetyläthyl gebunden
ist, geht daraus hervor, dass beim Erhitzen auf 100" C. die Verbin-
dung schon Acetyläthyl und schweflige Säure abgibt, und schliess-
Gefunden
I.
IL
c
24 -Ö6
24-78
H
4-77
4-74
Na
^-
—
.104
F r e u II
lieh nur schw efligsaures Natron mit einer kaum merklichen Spur von
organischer Substanz zurückbleibt.
Zur Feststellung des Moleculargewichts vom Acetyläthyl wurde
die Dampfdichte, und zwar nach der Methode von Gay-Lussae be-
stimmt. Die folgenden Daten sind einem Versuche entnommen, nur
für verschiedene Temperaturen beobachtet. Das zur Kalibrirung des
Rohrs verwendete Massgefäss fasst 223-7 Grm. Quecksilber von
16" C. und entspricht 31-45 Volumen der Kalihrirungstabelle,
Berechnetes
Beobachtetes
Hohe der
Gefundenes
spec. Gewicht
Gewiolil der
Volumen,
Quecksilber-
Barometer-
sp. Gewicht
des Dampfes
angewandten
corrigirt be-
saule im
stand
Beobachtete
des Dampfes
für die Fornu-l
Substanz
züglich
Rohr bei der
bei -io-eo C.
Temperatur
beiUöC.und
C^HgO
in Grammen
des Miniscus
beobachteten
in Millim.
Grad C.
700 Millim.
und eine Cou-
und der
Temperatur
Druck
deiisalion
Kalibrirung
in Millim.
auf 4 Volume
0-2731
326-2
204-2
737-7
121-0
2-D202
2-4932
—
323-7
20fi-7
116-0
2-3289
""
—
321 -ü
208-8
—
112-0
2-5295
—
320-0
210-3
—
108-6
2-5275
—
—
317-7
212-7
—
104-ä
2-5304
— -^
—
314-7
21.T-8
—
100-0
2-5394
—
"
311-8
218-7
'
Oö • 0
2-54;!4
Aus den Analysen der Flüssigkeit, so wie der Verbindung mit
saurem schwefligsauren Natron, endlich aus dem gefundenen spe-
cifischen Gewicht des Acetyläthyl-Dampfes geht hervor, dass die
Formel: C^HgO nicht blos das Atomverhältniss von Kohlenstoff,
Wasserstoff und Sauerstoff, sondern auch das Moleculargewicht aus-
drückt, und dass die Substanz in der That nach folgender Gleichung
gebildet wird :
C2H4
Znf
Zinkäthyl
CgHsOi
elf
Chloracetjl
CoH30(
Acetjläthjl
Zn|
Clf
Proprion y läthy).
In ähnlicher Weise wie das Acetyläthyl, wurde auch das Pro-
pionyläthyl dargestellt. Das zur Einwirkung verwendete Chlor-
über die Natur der Keloiie. 5 03
propionyl wai- durch Einwirkung von Phosphorchlorid auf reine Pro-
pionsäure dargestellt worden. Die ersten Tropfen von Chlorpropionyl
bewirkten keine sichtliche Reaction, erst als das die ätherische
I-iösung von Zinkäthyl enthaltende Gefäss erwärmt wurde (dabei
destillirte einTheil des Äthers ab), trat eine energische Reaction ein,
die jedoch im Verlaufe der Operation weniger stürmisch wurde, und,
nachdem ein Theil von Chlorpropionyl schon in Wechselwirkung
getreten war, bis gegen das Ende der Operation regelmässig von
Statten ging. Jeder zum Zinkäthyl hineinfallende Tropfen von Chlor-
propionyl bewirkte ein Zischen , ähnlich dem, welches beim Zusam-
menbringen von rauchender Schwefelsäure mit Wasser bemerkbar ist.
Nach beendigter Operation wurde das rohe Proplonyläthyl mit
Wasser abgeschieden, durch Schütteln mit sehwacher Kalilauge von
anhängender Säure befreit, über geschmolzenem Chlorcaleium ent-
wässert und hierauf destillirt. Durch wiederholte fractionirte Destil-
lationen erhielt ich eine bei 737-2 Millim. Quecksilberdruck zwischen
100« — 101" C. 1) siedende farblose Flüssigkeit, leicht beweglich,
von angenehmem, eigenthünilichen, an Aceton erinnerndem Gerüche
leicht entzündlich und mit leuchtender Flamme verbrennend.
I. 0-4277 Grm. dieser Verbindung gaben mit Kupferoxyd und im
Sauerstoffstrom verbrannt 1-09 10 Grm. Kohlensäure und 0-4468 Grm.
Wasser.
II. 0-3320 Grm. gaben ebenso 0-8482 Grm. Kohlensäure und
0-3485 Grm. Wasser.
Daraus ergibt sich :
Gefunden
1.
11.
c
69-56
69-67
H
11-60
11-66
0
18-84
18-67
ßeieclin
et für
C5H
loO
69
•77
11
-63
18-60
10000 100-00 100-00
Durch Ätzkali wird diese Verbindung nicht wesentlich ange-
griffen, 0-3714 Grm. von dieser Substanz , nachdem sie über
festem Ätzkali abdestillirt worden war, gaben bei der Verbrennung
1) Auch hier blieb bei der fractionirten Destillation ein Theil als eine bei viel höherer
Temperatur siedende Flüssigkeit zurück , deren Natur jedoch nicht ermittelt
werden konnte, und zwar aus eben den Gründen wie bei der neben Acetyläthyl
gebildeten Substanz.
506 Frennd.
0*9408 Grm. Kohlensäure und 0-3883 Grm. Wasser, was einer proeen-
tischen Zusammensetzung von C 69-09 H 11-62 0 19-29 entspricht.
Durch Zusammenbringen dieser Verbindung mit einer Lösung
von saurem schwefligsauren Nalron habe ich keine krystalHsirte Ver-
bindung bekommen. Das auf gewöhnliche Weise, durch trockene
Destillation von propionsaurem Kalk dargestellte Propion gab unter
denselben Umständen, wie ich mich durch wiederholte Ver-
suche überzeugt habe, ebenfalls keine krystallisirbare Verbindung.
Man mag die Lösung von saurem scliwefligsauren Natron mit
Propion noch so lange schütteln, so scheidet sich doch bei ruhigem
Stehen das Propion an der Oberfläche wieder ab.
Aus der Zusammensetzung geht hervor, dass auch diese Ver-
bindung ähnlich wie das Acetyläthyl gebildet worden ist mich fol-
gender Gleichung:
C^Hs) , CsHsOf _ C3H5O/ Zn»
Zn( + Clf — CoHsf + Cl(
Zinkäthyl Clilorpiopioiiyl Piopionylälliyl Chloizink
Acetylmethyl.
CsHgO)
fliese Verbindung wurde durch Einwirkung von Chloracetyl auf
Zinkinethyl dargestellt.
Das zur Darstellung von Zinkmethyi verwendete Jodmethyl
wurde auf gewöhnliche Weise aus käuflichem, vor der Verwendung
über Ätzkalk abdestillirtem Holzgeist dargestellt; das rohe Jod-
methyl wurde wiederholt mit Wasser gewaschen, darauf über
Chlorcalcium entwässert und destillirt. Es hatte einen constanten
Siedepunkt von 43«» C. 1).
1) Beküiiiitlich ist der kü»niclie llol/.geist oft mit Aceton verunreinigt; da jedoch
dasselbe in Wasser löslich ist, so hatte es, im Falle dass ein Theil davon durch
Jodwasserstoff nicht verändert worden wäre, durch das wiederholte Waschen des
Jodtnethj'ls, wenig;stens bis auf unbedeutende Spuren in Lösung- gehen müssen ; in
dieser Meinung bestärkte mich auch der constante Siede|)unkl des Jodmethyls.
Nach Kane wird das Aceton durch Jodwasserstoff in IMesithyljodiir C^H^J,
nach Friedet in Jodmethyl umgewandelt; beide Angaben der genannten Chemiker
bedürfen übrigens der Bestätigung , da Ersterer sein Mesityljodür nicht analysirt,
Letzterer aber die Resultate seiner Arbeit (Ann. d. Chem. und Pharm. Bd. 108,
S. 388) später als zweifelhaft betrachtete, indem sich sein verwendetes Aceton als
unrein erwies.
I'ber die Natur der Ketone. 50T
Etwa 316 Gramm dieses Jodmethyls wurden mit dem gleichen
Volumen alkoholfreien Äthers gemischt, mit wasserfreier Phosphor-
säure einige Zeit geschüttelt, hierauf in 9 Röhren, deren jede etwa
80 Gramm von granulirtem Zink enthielt, vertheilt; dieselben wur-
den zugeschmolzen und darauf durch etwa 12 Stunden im Ölbade
auf 130" C. erhitzt. Nach dieser Zeit war die Einwirkung beendigt,
das Jodmethyl in Zinkmethyl umgewandelt und der flüssige Inhalt
der Röhren durch aufgelöstes Jodzink dickflüssig geworden. Die
Röhren wurden nun geöffnet (liiebei entwich eine bedeutendere
Menge von Gas , als bei Darstellung des Zinkäthyls) , und deren
Inhalt in ein Kölbchen abdestillirt , in welchem dann das unreine
Zinkmethyl (Gemenge von Zinkmethyl, Äther und dem allenfalls der
Einwirkung des Zinks entgangenen Jodmethyl) fractionirt destillirt
wurde.
Es wurden zwei Portionen aufgefangen, die erste bestand ver-
hältnissmässig aus weniger Zinkmethyl und mehr Äther, die zweite
war das reinere Zinkmethyl mit nur wenig Äther. Mit dieser letzte-
ren , reineren Portion wurde z\ierst Chloracetyl zusammengebracht
und dasselbe aus einer Glashahn - Pipette tropfenweise zum Zink-
methyl zufliessen gelassen i). Die ersten Tropfen schienen ganz
ruhig einzuwirken; mit einem Male wurde jedoch die Reaction stür-
misch und der Inhalt des Kölbchens erwärmte sich bis zum Sieden;
es wurde alsdann derZufluss von Chloracetyl unterbrochen, und erst
dann wurden wieder neue Mengen zufliessen gelassen, als die erste
stürmische Reaction vorüber war. Nachdem auf diese Art eine gewisse
Menge von Chloracetyl mit dem Zinkmethyl in Wechselwirkung ge-
treten war, verlief die Reaction ruhiger, bis endlich keine Einwir-
kung mehr stattfand und mit dem Zufluss von Chloracetyl inne-
gehalten wurde. Das während der Reaction in reichlicher Menge sich
entwickelnde Gas wurde aufgefangen, die Kohlensäure durch Ätzkali,
der Ätherdampf durch rauchende Schwefelsäure absorbirt, und hier-
auf das rückständige Gas eudiometrisch analysirt. Das Resultat der
Analyse wird später angeführt werden.
1) Mit dem Zufliesseniassen von Cloracetyl , eben sowohl bei dieser, wie auch den
vorigen Reactionen, muss grosse Vorsiclit empfohlen werden, indem es oft
geschieht, dass die ersten Tropfen entweder gar nicht oder doch ganz ruhig einzu-
wirken scheinen, plötzlich aber eine so stürmische Reaction eintritt, dass man eine
Explosion des Apparates fürchten muss.
508 Freund.
Die erhaltene schwer bewegliehe dunkelroth gefärbte Flüssig-
keit wurde mit Wasser vermischt und der Destillation unterworfen.
Im Destillate fanden sich zwei Schichten vor, die untere, eine Lösung
von Acetylmethyl in Wasser, wurde mit einer hinreichenden Menge
von Chlorcalcium versetzt und hierauf aus dem Wasserbade abde-
stillirt. Die obenaufschwimmende, gelblich gefärbte , mit Wasser
nicht mischbare Flüssigkeit war nur in sehr geringer Menge vor-
handen , so dass damit die zur Ermittelung ihrer Natur erforder-
lichen Versuche nicht angestellt werden konnten.
Mit der zuerst aufgefangenen , mehr Äther und weniger Zink-
methyl enthaltenden Portion wurde in derselben Weise verfahren,
wie im Vorhergehenden erwähnt worden war *), nur musste hierbei
die Reaction erst durch gelindes Erwärmen eingeleitet werden ; nach-
dem aber die Reaction einmal begonnen hatte, war äussere Erwär-
mung nicht mehr nöthig.
Da es schien, als würde die rothe Färbung, indem solche immer
erst gegen das Ende der Operation wahrgenommen wurde , durch
einen Überschuss von Chloracetyl bedingt, so wurde aus dem Kölb-
chen von Zeit zu Zeit eine kleine Probe mit Wasser zusammen-
gebracht, um zu sehen ob noch unzersetztes Zinkmethyl (durch
Bildung von Zinkoxyd bemerkbar) zugegen war. Allein selbst bei
einem Überschuss von Zinkmethyl trat schon rothe Färbung ein.
Nach beendigter Einwirkung, während welcher dieselbe Gas-
entwickelung stattfand, wurde das Product der Einwirkung vor dem
Vermischen mit Wasser , im VVasserbade destillirt. Die erhaltene
ätherische Flüssigkeit enthielt eine nicht unbedeutende Menge von
Acetylmethyl, welche davon durch Schütteln mit einer Lösung von
saurem scliwetligsauren Natron in Form einer krystallisirten Ver-
bindung getrennt werden konnte. Der bei der vorerwähnten Destil-
lation gebliebene Rückstand wurde hierauf mit Wasser vermischt
und im Ölbade destillirt. Das Destillat bestand aus zwei Schichten,
die wässerige wurde in derselben Weise behandelt wie die vor-
') Es iiiuss bemerkt werden, dass Itei Beliaiidliing' der , verhältnissmässiginelir Äther
nnd wenig-er Zinkmethyl enthaltenden Portion eine grössere Ausheute an Acetyl-
methyl erhalten wurde, als hei jener von Äther grösstentheils befreiten; es mag-
dies daher rühren, dass bei Anwesenheit von mehr Äther die Einwirkung weniger
stürmisch ist, und somit auch nicht so leicht weitei-greil'ende Zersetzungen eintreten
können.
über die Natiir der Ketone. 509
erwähnte bei der ersten Einwirkung erhaltene, die obenaufschwim-
mende aber aus denselben Gründen wie oben erwähnt, unberück-
sichtigt gelassen.
Beide, immer noch etwas Wasser haltende Portionen von Ace-
tylmethylwurden mitgeschmolzenem Chlorcaicium entwässert und der
fractionirten Destillation unterworfen.
Das Acetylmethyl begann bei So« C. zu sieden und bei 63" C.
war alles herübergegangen. Es wurde in zwei getrennten Portionen
aufgefangen: die erste zwischen öö« und Sß« C. und 729-7 Millim.
Quecksilberdruck siedende Portion machte den grösseren, die zweite
zwischen 56" und 63" C. aufgefangene den kleineren Theii aus. Bei
der Analyse zeigten beide die gleiche Zusammensetzung und der
höhere Siedepunkt der zweiten Portion dürfte durch Überhitzung
des Dampfes bedingt worden sein. Die mit I. bezeichnete Analyse
wurde mit einem zwischen 55** und 56 C, die mit II. bezeichnete mit
einem zwischen 56" und 63" C. aufgefangenen Theil vorgenommen.
I. 0-2872 Grm. gaben mit Kupferoxyd und Sauerstoff verbrannt
0-6435 Grm. Kohlensäure und 0-2702 Grm. Wasser.
II. 0-3060 Grm. gaben ebenso 0-6881 Grm. Kohlensäure und
0*2846 Grm. Wasser, Daraus ergibt sich:
Berechnet für
CsHgO
62-07
10-34
27-39
100-00 100-00 100-00^
Da jedoch beide Analysen mit der theoretischen Formel nicht
gut übereinstimmen , so niusste ich glauben , dass die analysirten
Substanzen entweder noch nicht vollends entwässert oder aber mit
einerFlüssigkeit von niedrigerem Kohlenstoffgehalt verunreinigt waren,
Um mich von der Richtigkeit der ersteren Vermuthung zu über-
zeugen, wurde die zwischen 55 und 56" C. siedende Portion von
Acetylmethyl mit kleinen Kügelehen von geschmolzenem Chlorcai-
cium mehrere Tage stehen gelassen, und da Chlorcaicium in Lösung
nicht gegangen war, in Kügelehen gefüllt, und diese für die Ana-
lysen III und IV, so wie für die später anzuführende Dampfdichte-
Bestimmung verwendet.
Gefundeu
I,
II.
c
61-11
61-34
H
10-45
10-34
0
28-44
28-32
510 F r e 11 n d.
III. 0-2481 Gnu. gaben bei der Verbremiung 0-5617 Grm. Kohlen-
säure und 0-2347 Grm. Wasser.
IV. 0-2582 Grm. gaben 0-3842 Grm. Kohlensäure und 0-2440 Grm.
Wasser, entsprechend einer procentischen Zusammensetzung von:
III.
IV.
c
61-75
61-70
H
10-31
10-30
0
27-74
27-80
100-00
100-00
Die Resultate dieser letzten zwei Analysen stimmen mit der
vorausgesetzten Zusammensetzung gut überein und rechtfertigen so-
mit die Voraussetzung, dass den vorhin analysirten Substanzen noch
Wasser beigemengt war.
Die zwischen 56" und 63" C. übergegangene Portion von Ace-
tylmethyl wurde mit einer concentrirten Lösung von saurem schwef-
ligsauren Natron zusammengebracht; sie löste sich darin unter
beträchtlicher Wärmeentwickelung, und nach dem Erkalten schieden
sich weisse, perlmutterglänzende Blättchen aus, welche zwischen
dicken Lagen von Fliesspapier von anhängender Mutterlauge wieder-
holt abgepresst, hierauf über Schwefelsäure unter dem Recipienten
einer Luftpumpe so lange, bis keine Gewichtsabnahme wahrnehmbar
war, gestellt, und darauf analysirt wurden.
I. 0-9262 Grm. gaben mit chromsaurem Blei verbrannt 0-7046 Grm.
Kohlensäure und 0*3400 Grm. Wasser.
II. 0-9485 Grm. gaben nach dem Glühen mit Schwefelsäure 0-4530
Grm. von schwefelsaurem Natron.
Hieraus folgt:
Gefundeo Berechnet für
I. II. CsHfiO NaHO SO.
C 20-75 - 22-22
H 408 — 4-32
NagO — 20-85 19- 13
Berücksichtigt man die allein anwendbare Methode (Abpressen
zwischen Fliesspapier) zur Reinigung so leicht zerleglicher Verbin-
dungen, wie die der Ketone mit sauren schwefligsauren Alkalien, so
darf es nicht befremden, dass die Resultate der Analyse mit der
Theorie nicht besser übereinstimmen, doch charakterisiren sie die
analysirte Substanz hinlänglich als eine V^erbindung von Acetyl-
über die Natur der Ketoiie.
Sil
methyl mit saurem schwefligsaurem Natron und zwar in dem voraus-
gesetzten Verhältnisse.
Zur Feststellung des Moleculargewichtes des Aeetylmethyls
wurde die Dampfdichte nach Gay-Lussac bestimmt. Auch hier
sind die angeführten Daten einem Versuche entnomen.
Berechnetes
Beobaclitftes
Höhe der
Gefundenes
spec. Gewicht
Gewicht der
Volumen,
Quecksilber-
Barometer-
sp. Gewicht
des Dampfes
angewandteo
eorrigirt be-
säule im
stand
Beobachtete
des Dampfes
für die Formel
Substani
züglich
Rohr bei der
bei 19-60 C.
Temperatur
bei O^C. und
CjHeO
und eine Con-
in Grammen
des Miniscus
beobachteten
in Millim.
"C.
7G0 Millim.
und der
Temperatur
Druck
densation
Kalibrirung
in Millim.
auf 4 Volume
0-2803
360-5
170-4
739-1
95-0
2 063
2-008
—
358-2
172-9
~
91-0
2-064
—
—
354-9
176-2
87-5
2-075
—
—
353-8
177-2
—
85-5
2-073
—
—
3.51-6
179-2
"
81-5
2 071
"
Aus den angeführten Analysen der Flüssigkeit und ihrer Ver-
bindung mit saurem schwefligsaurem Natron, so wie aus der Dampf-
dichte derselben ist ersichtlich, dass die untersuchte Substanz Acetyl-
methyl war.
Es könnte jedoch der Einwurf gemacht werden, dass das zur
Darstellung verwendete Jodmethyl, ungeachtet der auf die Reinigung
desselben verwendeten Sorgfalt und des constanten Siedepunktes,
wenn nicht mit Aceton, welches in seinen Eigenschaften mit dem im
Vorhergehenden untersuchten und beschriebenen Acetylmethyl voll-
kommen übereinstimmt, so doch möglicher Weise mit einem Deri-
vate des Acetons, welches unter diesen Umständen zu Aceton regene-
rirt worden sein konnte, verunreinigt war.
Um diesem Einwurfe zu begegnen, wurde derselbe Versuch der
Darstellung mit chemisch reinem , aus oxalsaurem Methyläther dar-
gestelltem Methylalkohol angestellt.
Das dargestellte Jodmethyl 1), dessen Siedepunkt bei einem
Quecksilberdruck von 73S-9 Millim. zu 41-7** C. constant gefunden
') Bei Anwendung von chemisch reinem Holzgeist thut man besser, mehr Jod anzu-
wenden als in den Lehrbüchern angegeben wird. Ich habe nahezu die theoretische
Menge von Jod genommen.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Ci. XU. Bd. Nr. 17.
35
512
K I
worden war, wurde analysirt und erwies sich, wie aus der im Nach-
folgenden angeführten Analyse ersichtlich ist, als vollkommen rein.
08231 Grm. gaben mit Kupferoxyd, hei vorgelegtem metalli-
schen Kupfer verbrannt, 02513 Grm. Kohlensäure und 0'1591Grm.
Wasser.
fiefiiiiHen Berechnet für
CH3J
C 8-3.*? 8-45
H 21i> 211
Dieses Jodmethyl wurde auf bereits erwähnte Weise in Zink-
methyl umgewandelt und das Zinkmethyl wurde darauf mit Chloracetyl
in Wechselwirkung gebracht. Es wurde auch unter diesen Umstän-
den eine, mit der im Vorhergehenden beschriebenen vollkommen
identische, durch den dem Aceton eigenen Geruch, Löslichkeit in
Wasser nach allen Verhältnissen, so wie durch die Verbindung mit
saurem schwefligsaurem Natron charakterisirte Substanz erhalten,
so dass kein Zweifel mehr obwalten kann , dass das Acetylmethyl,
ähnlich dem Acetyl- und Propionyläthyl, gebildet wird wie folgt:
CH3) , C^HgO) _ CaHsO* , Cl)
Znf + Clf ~~ CHgf + Znf
Zinkmethyl Chloracetyl Acetylinetliyl Chlorzink
Das bei der Einwirkung von Chloracetyl auf Zinkmethyl gebil-
dete Gas wurde nach Absorption der Kohlensäure , der Spuren von
Sauerstoff, welche allenfalls beigemengt sein konnten und des Äther-
dampfes, in's Eudiometer gebracht und analysirt.
Volum, cor-
rigirt bezüg-
Reducirtes
lich der
Diuck
Temperatur
Volum aufO«C.
Kalibrirung
und des
in Metern
Crad C.
und 1 Meter
Druck
Miniscus
Anorcwandtes Gas\
92-7
0-1732
18-7
13-64
Nach Zusatz vonj
Luft (
^"o
401 -4
0 • 4827
18-8
175-23
Nach Zusatz von[
Sauerstott" . . . .]
^
435-5
0-S181
18-1
205-32
Nach (1. Explosiony
408-7
0-4917
18-.')
18216
Nach Absorption der
Kohlensäure
.393 •«
0-4628
18-8
170-42
Nach Zusatz vonW
serstoff
as-
390-1
0-(5555
18-<)
362-09
Nach der Rx])losioM
478-7
0-.*>438
19-ß
242-89
ÜImm- die Niitiir der Ketoiie. öl 3
Contraetion = 23 1fi Vol.
(iebildeteKohlens. = 11-74 „
Verbrauclit. Sauprst. = 24-23 „
Unter der Voraussetzung, dass der brennbare Theil des Gas-
gemisches reiner Methylwasserstoff gewesen wäre, hätten auf 23-16
Volume Contraetion 11-58 Volume Kohlensäure gebildet werden
müssen und wären 23-16 Volume Sauerstoff zur Verbrennung erfor-
derlich gewesen. Die erhaltenen Zahlen stimmen so nahe mit der
gemachten Annahme, dass derSchluss, das bei der Reaction gebildete
brennbare Gas sei Methylwasserstoff gewesen, gerechtfertigt erscheint.
Es scheint, dass das Auftreten von Methylwasserstoff einer
Nebenzersetzung seinen Ursprung verdankt, und mit der Bildung
jener mit Wasser nicht mischbaren Substanz zusammenhängt.
Wahrscheinlich bildet sich auch bei der Einwirkung vonChlor-
acetyl und Chlorpropionyl auf Zinkäthyl ein Gas, welches mit dem
Auftreten jener schwerer tliichtigen Substanzen im Zusammenhange
stehen dürfte. Ich vermuthe, dass dieses Gas Äthylwasserstoff sein
würde, doch bin ich erst später (bei Darstellung des Acetylmethyls)
darauf aufmerksam geworden, und es hat mir an Material gefehlt, um
die Versuche zu wiederholen.
Bcazoyläthyl.
C,H5 0(
CaHsf
Bringt man Chlorbenzoyl zu reinem Zinkäthyl (auf eine ätherische
Lösung des Letzteren scheint es nicht einzuwirken), so erhält man
nach dem Vermischen des Einwirkungsproductes mit Wasser, als
obenaufschwimmende Schichte, eine mit Wasser nicht mischbare,
gelblich gefärbte Flüssigkeit von angenehmem, an Benzoeäther und
dieBlüthen der wilden Kastanie erinnerndem Gerüche, starkem Licht-
brechungsvermögen, entzündlich und mit leuchtender stark russender
Flamme verbrennend. Der Siedepunkt wurde um 117" C. gefunden.
Da jedoch die Substanz nicht vollkommen rein war, wie die im
Nachfolgenden angeführten Analysen ersichtlich machen , und einen
um etwa 70oC. niedrigeren Siedepunkt hatte, als das von Friedel»)
^) Compt. leiid. XLV, 1013.
3»»
Ji t 4 F if II II d.
dargestellte, um 2 Äquiv. Kohlenstoff und Wasserstoff weniger ent-
haltende ßenzoylmethyl , so wäre der Versuch in grösserem Mass-
stabe zu wiederholen. Ich hatte nur über eine äusserst geringe Menge
von Substanz zu verfügen und konnte somit an eine Reindarstellung
nicht denken, doch geht aus den angeführten Analysen zur Genüge
hervor, dass unter diesen Umständen Benzoyläthyl gebildet wird.
I. 0*3311 Grm. gaben mit Kupferoxyd und Sauerstoff verbrannt
0-9660 Grm. Kohlensäure und 0-2422 Grm. Wasser.
II. 0-3122 Grm. gaben ebenso 0-9138 Grm. Kohlensäure und
0-2280 (irm. Wasser.
Gcfii
I.
den
11.
c
79-56
79-82
H
8-13
8-11
0
12-31
12-07
Berechnet für
CgHjoO
80-60
7-46
11-94
100 00 100 00 100-00
Aus dieser Untersuchung geht unzweifelhaft hervor, dass durch
Wechselwirkung von Chloracethyl und Zinkmethyl, das gewöhnliche
Aceton, durch Einwirkung von Chlorpropionyl auf Zinkäthyl Propion
gebildet wird.
Die analoge Bildungsweise und die Eigenschaften des Acetyl-
äthyls charakterisiren auch diesen Körper als Keton, ein Gleiches
gilt auch vom Benzoyläthyl , und es geht daraus hervor, dass der
Begriff der Ketone nicht blos auf jene Körper, welche aus der
Ameisensäure-Reihe hervorgehen, anwendbar ist.
Die Existenz dieses letzteren Körpers ist ein Beweis mehr für
die Richtigkeit der Anschauungsweise, vermöge welcher das Benzo-
phenon in die Reihe der wahren Ketone gehört.
Die Siedepunkte der drei ersten Verbindungen, so wie die
Siedepunkte der ihnen dem Kohlenstoffgehalte nach zunächst ste-
henden Ketone deuten auf eine constante Zunahme derselben, um
circa 22» C. für einen Zuwachs von CHo, wie sich aus folgender
Zusammenstellung ergibt.
über die Nalur der Ketoue. 515
Siedepunkt :
Aceton (Acetylmethyl) CgHeO 56-3oC. bei 760 Millim. Kopp; 5S— 560C. bei
729-7 Millitn. Freund.
Aeetyläthyl CiHgO 77-50— 78» C. bei 737-8 Millim. Freund.
Propion (Propionylätliyl) C5H10O lOQoC bei ? Millim. Morley: 100 — iOloC.
bei 737-2 Millim. Freund.
Valerylmetl.yl ? CgHiaO 1200C, bei ? Millim. Williamson.
ßutyron(Butyrylpropyl?) C7H14O 1440C. bei ? Millim. Chance 1.
Die Siedepunkte des grössten Theiis der sonst noch als Ketone
beschriebenen Verbindungen zeigen so grosse Abweichungen von
dieser Regel, dass nur von einer wiederholten Untersuchung dieser
Körper und ihrer Darstellung nach der in dieser Abhandlung aus-
einandergesetzten Weise eine Aufklärung über diese Regellosigkeit
zu erwarten ist.
5 I O V. Zepliarov ich. Ülier die Krvstalll'onnen des
X
Über die KryslaUfonnen des eaauj-mlpelersauren Strontian
und des weinsteinsanreu Kali-Litlnuu.
Von V. Ritter v. Zephar o vidi.
(Mit 2 Tafeln.)
Die Krystalle der beiden Salze, welclie den nachfolgenden
krystallo^iji'aphi.schen Untersuchungen zu Grunde liegen , stammen
aus der durch Reichhaltigkeit und besondere Schönheit der Formen
ausgezeichneten Sammlung nicht-mineralischer Krystalle, mit deren
Darstellung mein verehrter Freund Herr Karl Ritter v. Hauer sich
seit längerer Zeit mit vielem Erfolge beschäftigt.
Die Messungen wurden mit einem der kais. Akademie gehö-
renden Mitscheriichschen Reflexions-Goniometer angestellt.
Ich habe diesmal in die Tabellen, welche die Resultate der
Messungen und Berechnungen enthalten, die ai» verschiedenen
Krystallen beobachteten Grenzwerthe der Winkel und die Zahl der
einzelnen Messungen aufgenommen. Die in der Rubrik „Berechnete
arithmetische Mittel" stehenden Zahlen wurden erhalten, indem ich
vorerst von den sämmtlichen für eine Kante vorliegenden Messungen,
die wegen undeutlicher Reflexion des Fadenkreuzes als approximativ
bezeichneten ausschied, und die übrigen, welche sich noch bezüg-
lich ihrer Verlässlichkeit — je nach der Vollkunmienheit der Flächen-
spiegelung — leicht in drei Ahtheilungen bringen Hessen, diesen
entsprechend, entweder nur einfach, oder mit doppeltem oder drei-
fachem Werthe in Reclinung briichte. Dieser Vorgang, den Herr
H. Da üb er bei seinen vorzüglichen krystallographischen Arbeiten
befolgte'), gibt Mittelwerthe, welche gewiss den w^ahren viel näher
') Krmitlelui)}! kry.stallographisolier Constantfii und des (irades ihrer Zuverlässigkeit
in Poggendorn's .\nnalen der Physik und Chemie. 1839, Bd. CVII, S. 272.
essif^-Siilpeleisinireii Sdoiitiaii iiiid des \veiii»ffiii!>aiiri'ii Kali-Litliioii. 517
stehen, als jene, welche aus den einzelnen Messungen, mit dem
gleichen Werthe angesetzt, gewonnen werden, ohne das Resultat
auf Kosten einzelner Beobachtungen zu sehr zu beeinflussen , sobald
man nur bei der Wahl der Gewichts-Factoren sich innerhalb weniger,
sicher abzuschätzender Stufen hält. Noch ist zu erwähnen , dass
der Werth jedes einzelnen Kantenwinkels sich auf eine sechsmalige
Repetitioii der Messung stützt.
Essig-salpetersaurer Strontiaa.
SrO . Ä+SrO . NO5 + 3 HO.
Sehr grosse, wasserhelle, luftbeständige Krystalle dieses Dop-
pelsalzes erhielt Herr K. R. V. Hauer, indem er eine Flüssigkeit,
welche die beiden Verbindungen in gleichen Äquivalenten enthielt,
der freien Verdunstung überliess. Die Krystallisation erfolgt am
leichtesten, wenn in der Lösung etwas überschüssige Essigsäure vor-
handen ist, eine Eigenschaft, welche dieses Salz mit den übrigen der
Essigsäure gemein hat 1).
In krystallographischer Hinsicht sind die Formen dieses Salzes
von besonderem Interesse, da sie nach den ersten Messungen, welche
ich vornahm, in das von Mitscher lieh, zuerst am unterschweflig-
sauren Kalke, seither aber nur in wenigen, darunter noch manchen
fraglichen Fällen beobachtete, diklinorhombische System zu gehören
schienen. Da es hierbei auf die Feststellung des massgebenden
Winkels der beiden Nebenaxen ankommt, so habe ich diesen Winkel
an so vielen Krystallen, als mir zu Gebote standen, bestimmt. Aus
28 einzelnen Messungen ergab sich schliesslich mit Sicherheit eine,
wenn auch nur geringe, Abweichung dieses W^inkels von 90 Grad,
und somit ist auch das Krystallsystem als das anorthische
bestimmt.
Der Umstand, dass die bezüglich der Flächen-Spiegelung meist
befriedigenden Krystalle ziemlich ansehnliche Abweichungen in den
Kantenwinkeln zeigten, veranlasste mich, um für dieselben verläss-
') Erdmariii und Werl, her. Juui'iial für praktische Chemie. 1858, Band 74.
Seite 432.
d 1 O * V. Z e |) li a r 0 V i c h. über die KryittaUforinen des
liehe Mittelwerthe zu erhiilten, die Zahl der Beobachtungen möglichst
zu vervielfältigen; im Ganzen wurden au 34 Krystallen 182 Mes-
sungen von 25 verschiedenen Kantenwinkeln vorgenommen.
Für die Aufstellung der Krystalle habe ich als Basis -Ebene
jene gewählt , welche die beiden nahezu unter 90 Grad sich schnei-
denden Axen enthält. Es verhalten sich die Längen dieser beiden
Nebenaxen (der Makro- und der ßrachy - Diagonale) und der
Hauptaxe
a:b:c= lOOOÜ : 05200 : 11697.
Für die Neigung der Axen gegen einander, in dem Octanten der
linken oberen Viertels -Pyramide betrachtet, ergeben sich folgende
Werthe:
Winkel der
Brachydiagonale und der Hauptaxe ::z= yz =^ 76° 42' 50"
Makrodiagonale und der Hauptaxe =^ .vz =^83 21
Makrodiagonale und der Brachydiagonale = xy = SS 18 42
berechnet aus den Winkeln des von den Polen der drei Pinakoide
(TOO), (010) und (001) gebildeten sphärischen Dreieckes
A = 103° 17' 10"
B = 96 39
C = 91 41 18
Die an den Krystallen in Combination auftretenden Flächen
sind in der stereographischen Projection Taf. I, Fig. 1 dargestellt
und erhalten folgende Bezeichnung
nach Miller:
{001} . |100} . {010} . {101} . {101} . {110} . {114}
nach Naumann :
Poo f«. eoP y.p
2 2 2 4
Der Index der Pyramidenfläche (114), welche nur in der Zone
[(001) . (110)] erscheint, wurde nach Annahme der Indices der
übrigen Flächen, aus den Winkeln der Normalen (001) : (hkl)
berechnet.
essig-üulpelersaureii Stioiithiii iiiiil des weiiisleiiisuiireii Kuli-Lithiun. t) I Vi
Die meisten Krystalle sind durch Vorherrschen des basischen
Pinakoides (OOi) tafelig gestaltet; seltener bilden sie liegende
Süulen, durch Streckung nach der Brachydiagoiiale. Die Figuren
2 — 5 geben perspectivische Ansichten von Krystallen verschiedener
Combinationen; Fig. 2 zeigt einen Krystall mit den sämmtlichen
beobachteten Flächen, und es sind in dieser Weise vorzüglich die
grössten der mir vorliegenden Exemplare ausgebildet. Zuweilen
fehlen an denselben die beim Zurücktreten des Prisma's (HO) als
Dreiecke erscheinenden Pyramidenflächen , oder es ist nur eine der-
selben vorhanden. Ebenso fehlt auch häufig, zumal an den kleinen
Krystallen, die eine Fläche des Brachypinakoides (100) und des
rechten Hemidoma's (101), während das linke Hemidoma (101)
immer mit seinen beiden Flächen, häufig auch noch mit grösserer
Breite, auftritt. Krystalle dieser Art, in Fig. 3 — S dargestellt, sind
säulenförmig gestaltet.
Den Berechnungen der Winkel der Flächen -Normalen wurden
folgende Messungen zu Grunde gelegt:
(001) ;
: (010) = 103°
10'
48'
(001) :
(TOI) = 52
22
30
(100) ;
; (101) = 44
3
30
(010) ;
; (101) = 99
18
46
(010) :
: (TIO) = 26
57
50
ich habe bei der Auswahl dieser Winkel absichtlich den eben-
falls mit grösserer Sorgfalt bestimmten, für die Systemsfrage ent-
scheidenden, Winkel der Normalen (010): (100) oder (010) :(T00)
übergangen, um das für denselben berechnete arithmetische Mittel —
bei dem Umstände, dass die für diese Kanten vorliegenden Einzel-
bestimmungen zwischen weiteren Grenzen liegen — durch die Rech-
nung aus anderen verlässlichen Messungen zu controiiren. Es hat sich
hierbei eine sehr befriedigende Übereinstimmung zwischen den
berechneten und den Mittelwerthen aus den Messungen ergeben, wie
dies aus der Tabelle näher ersichtlich ist.
"4w V. Zepliarovieli. ÜIht die KryslitlHoniieii iles
Winkel der Nonnalen.
Der l'l
aclien
li i' III
.■s.t
..
/. a h 1
(i e 1
i; c ll
II e t
der Mes-
Lterecliiiete arith-
inetisclu- Mittel
Beubachtete Greiisw
■rthe
sungen
UUl
100
96"
26'
_
001
010
—
103°
10'
48"
102°
45 103°
50
15
010
TOO
81)
51 >
13"
89
51
30
89
42- 89
58
15
001
TOI
—
52
22
30
52
10— 52
39
18
OOT
TOI
127
37
30
127
39
127
37—127
40
4
101
TOO
—
44
3
30
43
52— 44
7
7
TOI
010
—
99
18
46
99
12- 99
23
4
10t
101
96
28
51
—
—
—
110
TOO
62
52
23
62
50
62
43 - 62
52
4
TIO
010
—
26
57
50
26
47- 27
12
10
TIO
001
104
44
104
39
104
26—104
40
3
HO
TOI
100
41
20
-
100° 12?
1
TIO
101
118
57
50
—
—
—
114
001
35
55
55
35
41
35
15- 35
50
8
TU :
010
71
22
22
71
16
71
9— 71
40
11
T14
TOO
80
17
15
—
—
—
T14 :
TOI
4a
29
20
45
21
40
45
21- 46
3
T14 :
101
67
15
34
—
—
—
114 :
TlO
68
48
5
—
68° 54
1
001 :
100
83
34
—
83 36
1
010 :
100
90
9
47
90
8
90
4— 90
16
13
001 :
101
45
6
21
44
59
54
44
45- 45
18
13
101 :
100
38
27
39
38
37
38
32— 38
47
6
101 :
010
98
5
98
14
16
97
58— 98
45
6
101 :
lOT
82
31
9
82
35
18
82
30— 82
51
10
001 :
OTO
76
49
12
76
50
20
67
10- 77
15
18
101 .
OTO
81
55
81
51
48
81
15— 82
2
4
HO
001
75
16
75
21
75
24— 75
34
3
HO .
101
61
2
10
—
61° 57?
1
110 :
Toi
79
18
40
—
—
—
Toi :
OTO
80
41
14
80
41
45
80
40— 80
48
4
Die Krystalle sind vollkommen spaltbar parallel dem basischen
INiiakoide, wcnij^cr vollkommen parallel dem Biachypinakoide.
^Veinsteinsaarcs Kuli-Lithion.
(KO, LiO) T-l- 2 HO.
Dieses Doppelsalz wurde darc^ostellt durch Sättignn«; einer
LiJsung des zweifach weinsteinsaiiren Kali mit kohlensaurem Lithion.
essig-siilpek'rsiniroii Slioiitiiiii und des wiMiistriiisiiiiieii K:ili-Lilliioii. .3^1
Obige Formel ist iiiisC. Gnieliii *s organischer Chemie ') entnommen :
daselbst findet sich noch die Angabe, dass das Salz grosse, gerade,
schwach geschobene vierseitige Säulen bilde.
Zur krystallographischen Bestimmung lagen mir zum Tlieil sehr
schöne, an beiden Enden ausgebildete Krystalle vor, welclie aber
zur Messung mit dem Reflexions-Goniometer nicht geeignet waren.
Ein paar Winkel wurden an diesen mit dem Aidege -Goniometer
gemessen und in der Tabelle durch A. G. bezeichnet. Die kleinen
Krystalle geben trotz ihrer glänzenden und anscheinend ebenen
Flächen häufig undeutliche oder mehrere benachbarte Bilder des Faden-
kreuzes; viele von ihnen gestatteten aber sehr verlässliche Messungen.
Das Krystallsystem des Salzes ist das o rt ho rhombische in
seiner t e t r a e d r i s c h - h e m i e d r i s c h e n Abtheilung und zwar er-
scheinen die Pyramiden entweder ausschliesslich oder vorherrschend
als linke Tetraeder ausgebildet. Diese Flächen und mit ihnen, mehr
oder Afeniger ausgedehnt, das basische Pinakoid (001), zuweilen
auch, sehr untergeordnet, das Makrodoma (011), bilden die Enden
sechsseitiger Säulen, aus dem Prisma (110) und demBrachypinakoide
(100), in ziemlich gleichmässiger Ausdehnung, comblnirt. Oft unvoll-
zählig, erscheinen noch als Abstumpfung der Combinationskanten von
(100) und (110) sehr schmale Flächen des Prisma (210). Ausser
den genannten, am Reflexions-Goniometer eine sichere Bestimmung
zulassenden Flächen, der verticalen Zone, beobachtete ich zuweilen
noch mehrere von äusserst geringer Breite, welche meist eine Kan-
ten-Abrundung der vorherrschenden Prismen bewirken, deren Indices
daher nicht ermittelt werden konnten. An einem sehr kleinen Kry-
stalle fand ich den Neigungswinkel einer zwischen (210) und (110)
auftretenden Fläche zu (100) nach approximativer Messung = 129
Grad , welcher beiläufig dem Prisma (320) entspricht. Die Berech-
nung ergibt den Winkel (320) : (100) = 129° 24'. Die Prismen-
flächen sind meist fein gestreift in verticaler Richtung; die übrigen
Flächen zeigen keine erheblichen Differenzen in der Beschaffenheit
ihrer Oberfläche.
Die beobachteten Gestalten sind daher folgende, bezeichnet
nach Mi 11 er:
jOOl} . \Ul\ . \IH\ . jüll} . jllO} . |320} . |210| . |100|
«) 4. Auflage, Bd. 2, S. 393.
ö<i i \ . Z e |) h ii r ü V i e h. Ülter die Kryslalll'onnen des
nacli Naumann:
oP .1^ .r ~ . Pöö . ooP . ooPVa . ooP2 . 00P66
Die stereographische Projection Fig. 1, Taf.II gibt die Übersicht
der an den Krystailen auftretenden Flächen, vermehrt um jene des
nicht beobachteten Makropinakoides (010), für welches ebenfalls
die Combinationskanten mit den übrigen Flächen berechnet wurden.
Die sämmtlichen Flächen - Indices, mit Ausschluss jener des
Prisma (210), ergeben sich unmittelbar aus dem Zonenverbande.
Der hemiedrische Charakter zeigt sich vorzüglich an den grös-
seren Krystailen, deren Gestalt aus den Flächen von (001), (111),
(110), (100) combinirt, in Fig. 3 mit idealer Regelmässigkeit abge-
bildet ist. Treten die Flächen des Gegentetraeders (111) allein,
oder mit jenen des Makrodoma's (011) hinzu, so erscheinen diesel-
ben noch viel untergeordneter als es in Fig. 4 dargestellt ist. Fig. 2
gibt ein Bild der an kleinen Krystailen zuweilen nahezu im Gleichge-
wicht beobachteten Flächen der beiden Tetraeder (TU) und (111).
Die Krystallenden sind durch ungleichmässige Ausdehnung oder
UnvoUzähligkeit der Flächen sehr mannigfaltig gestaltet. Einige von
diesen sind in den Figuren ^ — 8 in Horizontal-Projection dargestellt.
In der vollständigen Grundpyramide, mit den Winkeln der
makro- und brachydiagonalen Polkanten und der Mittelkanten
X= 107° 2'
F= 141 58 30"
Z = 83 22
verhalten sich die Längen der Makrodiagonale, der ßrachydiagonale
und der Hauptaxe
n: b:c = 10000 : 05477 : 0-4430.
Die folgende Tabelle enthält die Ergebnisse der Winkelmessung
und der Berechnung der wichtigsten Krystallkanten; letztere stützt
sich auf die Winkel der Flächen-Normalen
(IH) : (001) ==42° 41'
(HO) : (110) = 7S 26
für welche eine grössere Anzahl verlässlicher Messungen vorlag.
essig-salpetersauren Stroiitiuii und des weinsteiiisaureii Kiili-fJUiion. ;)<c»>
Winkel der Normalen.
G e m
esse
n
1
1
Zahl
Der Flächen
rt 0 1-
e c li
e t
Berechnete arith-
metische Mittel
Beobachtete Grenzwerthe
der Mes-
sungeo
111 : 001
42° 41'
13°
42°
26-42°
1
:;3
14
111 : 100
70°
59'
22"
70 58
20
70
52—71
3
111 : 010
53
31
6
—
—
—
111 : 110
47
19
47 14
26
46
58—47
29
18
111 : TIO
68
35
49
—
69°
Ia.g.
111 : 210
50
5
56
—
—
—
111 : 011
19
0
48
19 1
18°
43-19°
3
4
111 : ni
72
57
48
—
—
—
111 : TU
38
1
36
—
38 1 30
1
111 : ni
85
22
—
85
Ia.g.
111 : Hl
94
38
—
—
—
011 : 001
38
58
1
39 4
16
38
43—39
8
4
011 : 100
90
—
—
—
011 : 010
51
1
59
—
—
—
011 : 011
77
56
2
—
—
—
011 : OlT
102
3
58
—
—
—
011 : HO
56
31
41
—
—
—
011 : 210
64
54
46
—
—
—
HO : 001
90
90 1
89
59—90
6
5
HO : 100
61
17
61 17
61
15-61
29
16
HO : 010
28
43
—
—
—
HO : 210
18
53
24
18 49
20
18
25-19
11
10
HO : 110
—
57 26
57
15-57
30
H
HO : HO
122
34
—
—
—
210 : 001
90
90
89
20—90
40
2
210 : 100
42
23
36
42 24
8
42
1 1—42
25
7
210 : 010
47
36
•24
_
—
—
210 : 210
95
12
48
—
—
—
210 : 210
84
47
12
—
—
—
100 : 001
90
89 57
89
10—90
35
*
Parallel dem basischen Pinakoide bemerkt man an den grösseren
Krystallen Spaltungsrichtungen.
Bei Vergleichung der Winkel des weinsteinsauren Kali-Lithion
mit jener anderer Salze findet man ziemlich ähnliche am zweifacii
weinsteinsauren Lithion von J. Schabus gemessen i), wie dies aus
dem Nachstehenden ersichtlich ist.
*) Bestimmung d. Krystallgesfaltea in ehem. Laboratorien erzeug-ter Producte. Wien
185Ö, p. 6ü. — C. Rammeisberg, krystaUograpb. Chemie. Leipzig 1837, p. 154.
Öä4 \ . Zep liiii •! \ ifli. Üher (). KrystnllforiiiiMi il. ('ssijr-siilpetersiiiirL'ii Slrontian etc.
(KO . LiO)T + 2aq. LiOT2 + 3aq.
n : b : <■ 1 : 0S477 : 0-4430 1 : 0-5407 : 0-4320
X 107° 2' 107° 30'
Y 141 38 30' 142 42
Z 85 22 84 30
jl22 34 ( 123 12
'^^^'^ > 57 26 i 56 48
j 84 47 j 85 32
\ 95 12 30 ( 94 28
)210i
Es ist dies gewiss ein bemerkenswerther Fall der Analogie in
den Krystalldimensionen eines neutralen Doppelsalzes und eines
sauren einfachen Salzes der Weinsteinsäure. Der Habitus der Kry-
stalle beider Salze ist jedoch ein ganz verschiedener, vorzüglich be-
dingt durch das Auftreten der Tetraeder am weinsteinsauren Kali-
Lithion, welche am zweifach weinsteinsauren Lithion — dessen Haupt-
fonnen rechtwinkelige vierseitige Tafeln |101|, |110|, {100} sind —
nicht beobachtet wurden.
Das einfach weinsteinsaure Lithion ist bisher in Krystallen nicht
bekannt; das einfach weinsteinsaure Kali krystallisirt im klinorhom-
bischen Systeme, das zweifach weinsteinsaure Kali im orthorhombi-
schen, aber mit Winkeln, welche von den obigen sehr abweichen.
v.Zenharovirli. KrTstalltoritien des Sr(L\+Sr0.H0st-5aq^.
TafL
(Jb Sieger conrtr
.Silz.uiig-sb.(Lk.AkadH'. maüi uaturw C'L.\L.IBd.N'11.t860.
Taf.lL
J>)^.Z.
A.US aiLlcUof u. S taatsdnclterei.
Sitaniigsb.d.k.Akad.d.W. math.iiaturw OLXIilßdJI» 111860.
V. Lang. Über das Gesetz iler ratioiiiileii Vfihiiltiiissp etc. oI2i>
Über das Gesetz der rationalen Verhältnisse der Tanffoiten
tautozonaler KrystaUkanten.
Von Dr. Victor v. Lau
Das GruntJgesetz der Krystallographie, das Gesetz, dass die
Indices jeder Krystallfläche sich wie rationale Zahlen verhalten,
erfordert bekanntlich, dass man als Axenrichtungen die drei Kanten
wähle, in denen sich drei beliebige Krystallflächen schneiden, zu
Axenlängen aber die Abschnitte einer vierten Fläche auf diesen
Axenrichtungen nehme. Es wird ferner als Thatsache der Erfahrung
angenommen, dass alle Flächen, w^elche dem eben erwähnten Gesetze
genügen, noch einem zweiten unterworfen sind, welches besagt,
dass die Tangenten tautozonaler Kanten sich ebenfalls wie rationale
Zahlen verhalten. Damit jedoch auch dieses Gesetz bestehe, müssen die
nach dem ersten bestimmten Elemente (Axenrichtungen und Axen-
längen) eines Krystalles noch gewisse Bedingungen erfüllen, welche
zuerst ganz allgemein von Naumann abgeleitet wurden. Wie im
Nachfolgenden gezeigt werden soll, lassen sich aus diesem Gesetze
auch noch andere Folgerungen ziehen, welche vielleicht nicht
ganz uninteressant sind , und die dazu beitragen, die Bedeutung des
Gesetzes, aus dem sie sich ergeben, besser beurtheilen zu können.
Der Vollständigkeit halber sollen jedoch zuerst einige schon grössten-
theils bekannte Sätze entwickelt werden.
Die beiden Gesetze werde ich zur Abkürzung in der Ordnung,
wie ich sie angeführt, blos als erstes und zweites Gesetz bezeichnen.
1. Das zweite Gesetz lässt sich auch so aussprechen: Die Tan-
genten aller Kanten einer und derselben Zone sind rationale Viel-
fache derselben Grösse; diese Grundgrösse ist natürlich für ver-
ÜI<i() ^- '•■'"i^- l'l)i.M- das <;i'se(/. der rationalen Vprliiiltnissp
schiedene Zonen verschieden und ist im Allgemeinen irrational.
Offenbar sind beide Ausdrucksweisen identisch.
2. Sind P, Q, R die Pole ») dreier tautozonaler Flächen, welche
dem zweiten Gesetze genügen, so hat man zufolge 1 die Gleichungen
tan PQ = mT, tan QR=nT, tan PR=pT,
wobei m, n, p rationale Zahlen sind. Die ersten zwei dieser Glei-
chungen geben
tan PQ in
tan QR ii
die letzte Gleichung aber, da PR = PQ-\- QR ist,
„ n — m — n
tan Pj^.tan QR= .
P
Multiplicirt man diese beiden neuen Gleichungen mit einander,
so erhält man
in ^ ^
tan PQ'^ = — ( P — W2 — n)
np
und hieraus
T= yp—^
np
Wie man aus der letzten Gleichung ersieht, lässt sich die
irrationale Grundgrösse T als Quadratwurzel darstellen.
3. Man kann daher das zweite Gesetz auch in folgender Form,
wie es Neumann 2) gethan hat, aufstellen : Die Tangenten tau-
tozonaler Kanten sind rationale Vielfache einer und
derselben Qu adratwurzelgrösse, welche im Allgemeinen
für jede Zone einen verschiedenen Werth hat.
4. Sind nun a und y die Grössen zweier ganz beliebiger tauto-
zonaler Kanten, so kann man zufolge des eben Gesagten, unter q, r,
L rationale Grössen verstanden, setzen
tan a = qVL . tan y = i^VL,
hieraus folgt
1 + qrL
■*) Im Nachfolgenden werden hios die Winkel hetrachtet, welche die Normalen der
Flächen einschliessen, und welches die Supplemente der Kantenwinkel sind; die
(iiltigkeit dieser Sätze für Leiderlei Winkel ist einieuchlend.
2) Neumann, Beiträge zur Krystallonomie. Heft I, 1823, S. 19.
iler Tiingenleii tnulo/.oiiah'r Ki-ystHllkaiilt-n. 327
Diese Gleichung besagt, dass auch die Tangeiilen der Summen
und Differenzen zweier tautozonaler Kantenwinkel rationale Vielfache
der dieser Zone entsprechenden Quadratwurzel sind. Dieser Satz
lässt sich eben so leicht auf die Summen und Differenzen beliebig
vieler tautozonaler Kantenwinkel ausdehnen. Die nachfolgenden Sätze
5 und 6 gelten daher auch für solche Summen und Differenzen.
5. Aus den vorhergehenden Gleichungen folgt ferner, dass auch
die Ausdrücke
, tan a. tan y, tan a~
tan y
rational sind. Aus dem letzten Ausdrucke ergibt sich aber leicht nach
bekannten goniometrischen Formeln, dass auch
sin «2^ cos a^, cot a-
rational sein müssen. Man kann daher sagen -.Die goniometrischen
Functionen irgend einer Krystallkante lassen sich durch
Quadratwurzeln ausdrücken, wobei selbstverständlich ratio -
nale Werthe nicht ausgeschlossen sind.
6. Man hat allgemein die Gleichung
cos 2a = cos «2 — sin a~.
Stellt nun a die Grösse einer Krystallkante dar, so ist zufolge
des vorhergehenden Satzes cos 2a rational. Es ist daher auch der
Cosinus einer Kante, welche möglicherweise durch eine Krystallfläche
gerade abgestumpft werden kann, rational, da dieselbe alsdann aus
zwei gleichen Winkeln besteht. Die Cosinusse der Kanten eines Rhom-
boeders, einer rhombischen Pyramide u. s. w. sind daher rationale
Grössen.
7. Die Flächen einer Zone genügen aber auch schon dem zwei-
ten Gesetze, wenn die Tangenten der Winkel, welche blos eine
Fläche mit den übrigen tautozonalen Flächen einschliesst, rationale
Vielfache derselben Quadratwurzelgrösse sind. Denn alle übrigen
Kantenwinkel dieser Zone lassen sich als Summen oder Differenzen
der ersteren Winkel auflassen, und folglich ist es leicht zu zeigen,
dass ihre Tangenten ebenfalls rationale Vielfache derselben Quadrat-
wurzel sind.
8. Hat man daher eine Anzahl tautozonaler Flächen , welche
dem zweiten Gesetze genügen und die daher Kanten bilden , deren
Sitzh. (I. iiialhein.-natiirw. CI. XLI H.i. Nr. 17. 36
J528 ^'- I^ang'. Ülier das Gesetz der rationalen Verliältnisse
Tangenten rationale Vielfache einer und derselben Quadratwurzel
z.B. VL sind, so genügt auch eine neue Fläche S in dieser Zone
dem zweiten Gesetze, wenn sie mit einer der ersteren Flächen z. B.
P einen Winkel einschliesst, dessen Tangente ebenfalls ein rationales
Vielfache vonf'L ist. Denn alsdann sind die Tangenten aller Winkel,
welche Pmit den übrigen Flächen, S mit inbegriffen, bildet, rationale
Vielfache einer und derselben Quadratwurzel , daher nach 7 alle
Flächen dieser Zone dem zweiten Gesetze genügen.
9. Die neu hinzutretende Fläche S genügt auch dann nach dem
zweiton Gesetze, wenn sie mit der Fläche P einen Winkel a = 90<*
einschliesst. Die Richtigkeit dieses Satzes ist zufolge 8 leicht ein-
zusehen, da
tan r/. = oo = oot/Ay (2)
ist, die Grösse oo aber in dem letzten Producte als rational zu be-
trachten ist, daher in verschiedenen Kryst{»llzonen Kantenwinkel
gle'ch 90» beobachtet werden.
iO. Sind die Elemente eines Flächencomplexes derart bestimmt,
dass jede Fläche, die zufolge des ersten Gesetzes möglich ist, auch
dem zweiten genügt, so findet auch das Umgekehrte Statt, wie sich
folgendermassen zeigen lässt.
Sind A, B, C, P vier der gegebenen Flä-
chen, die Fläche iS" aber so beschaffen, dass
sie mit B und C dem zweiten Gesetze genügt,
so soll nachgewiesen werden, dass unter obiger
Voraussetzung die Indices der Fläche S sich
wie rationale Zahlen verhalten. Die Richtungen
der Axen sollen bestimmt werden durch die
Durchschnitte der Flächen A, B, C, die entsprechenden Axenlängen
a, 6, c aber durch die Fläche P. Zieht man den Zonenkreis AP, so
stellt der Durehschnittspunkt Q der beiden Kreise AP und BC nach
einem bekannten Lehrsatze der Krystallograpliie den Pol einer Flä-
che dar, welche dem ersten Gesetze genügt; da angenommen wurde,
dass jede solche Fläche auch dem zweiten Gesetze gehorche, so muss
auch für die drei Flächen B, Q, C dieses Gesetz bestehen.
F'ür die Symbole der einzelnen Flächen kami man nun nach dem
Vorhergehenden setzen
i(100), i?(Oin), C(001). P(111), (?(011), S(okl)
der Tangenten tautozonnler Krystallkanten. 320
Für den Pol S hat man allgemein die Gleichung i)
k h sm AU sin CS
/ e sin AC sin RS
und da CS=BC — BS ist, so w"-d diese Gleichung
k h sin AB „ ^ /tan JiC , \
— == — . . cos BC I 11,
l e sin AC Uan BS J
welche für den Pol Q übergeht in
b sin ^ß i^^^tan^C ,x
1 = — . . COS BC 1 1.
e sin AC ^tan BQ )
Dividirt man die beiden letzten Gleichungen, so erhält man
k Aan BC \ n&n BC \
T ~~ Uan BS J " Man BQ ^
Der erste Theil dieser Gleichung ist aber zufolge des Vorher-
gehenden rational, daher also auch das Verhältniss von k zu / und
somit alle drei Indices der Fläche S rational, was zu beweisen war.
Es ist somit auch gezeigt, dass bei Krystallen , bei denen je die
Elemente erfahrungsgemäss so beschaffen sind, dass ihre Flächen
beiden Gesetzen gehorchen, jede Fläche, welche in einer Zone so
gelegt werden kann, dass sie dem zweiten Gesetze genügt, auch das
erste erfüllt, und somit eine mögliche Krystallfläche ist.
Aus der letzten Gleichung ersieht man aber zugleich, dass eine
neue Fläche S nur dann dem zweiten Gesetze genügen kann , wenn
ihre Indices sich in der That wie rationale Zahlen verhalten.
11. Denkt man sich in irgend einer Zone eines Krystalles zu
einer Fläche desselben eine darauf senkrechte gelegt, so ist auch
dies eine mögliche Krystallfläche, denn zufolge 9 genügt diese Fläche
dem zweiten Gesetze, jede solche Fläche aber ist nach 10 eine
mögliche Krystallfläche.
12. Es ergibt sich aus dem letzten Satze leicht, dass sich jeder
Krystall wenigstens auf ein monokünoedrisches Axensystem beziehen
lassen muss. Jede Krystallfläche liegt nämlich wenigstens in zwei
Zonen; betrachtet man nur eine bestimmte Fläche, so ist in jeder
der beiden Zonen, in welchen sie liegt, eine Fläche vorhanden oder
1) Mille r, Lehrbuch der Kryslsllographie, übersetzt von fi r a i 1 i c h . Wien 1836, S. 148.
36*
530 *• f-ang;. Ülier diis Gesetz, der liitioiialeii Verhällnisse
nach 1 1 wenigstens möglicli , welche zu derselben senkrecht steht.
Bestimmt man durch diese drei Flächen dieAxenrichtungen, so erhält
man drei Axen, von denen eine auf den beiden anderen senkrecht
steht, welche also einem monoklinoedrischen Axensysteme ent-
sprechen.
13. Jede Fläche, welche auf einer Krystallkante senkrecht steht,
ist ebenfalls eine mögliche Krystallfläche.
Sind A, B, C die Pole dreier Flächen,
so stellen die Pole X, Y, Z der Zonenkreise
BC , CA, AB die Punkte dar, in denen die
Durchschnittslinien der drei Flächen die
Sphäre der Projection treffen. Man findet
aber die Punkte X, Y, Z, wenn man sich zu dem Dreiecke ABC das
Polardreieck XYZ construirt. Es soll nun gezeigt werden, dass die
Flächen , die senkrecht auf den Kanten der Flächen A, B, C stehen,
deren Pole also X, Y, Z mögliche Krystallflächen sind. In der Zone
BC ist der Construction zufolge J?Z) = 90", nach dem Satz 11 sind
daher D und ebenso E, F, G, H, J die Pole möglicher Krystallflächen.
X, Y, Z sind nun die Durchschnittspunkte von Zonenkreisen , die
durch mögliche Flächen gelegt sind, sie stellen daher die Pole von
ebenfalls möglichen Krystallflächen vor und es ist somit obiger Satz
bewiesen.
Jede Krystallkante ist nach diesem zugleich Normale auf einer
möglichen Krystallfläche, und umgekehrt, da ja A,B, C auch die End-
punkte der Kanten der Flächen X, Y, Z sind. Man kann folglich
als Krystallaxen auch die Richtungen der Normalen
dreier Krystallflächen nehmen.
14. Jeder ebene Winkel eines Krystalles kann statt als Winkel
zweier Kanten zufolge des letzten Satzes auch als Neigungswinkel
zweier Krystallflächen aufgefasst werden. Es müssen sich daher
zufolge 5 die goniometrischen Functionen auch der
ebenen Krys tall winkel in Form von Quadratwurzeln
darstellen lassen.
15. Stellen in dem sphärischen Dreiecke ABC
die Eckpunkte die Pole dreier Krystallflächen vor:
so sind die Winkel A, B, C die Supplemente der
Winkel, welche die Kanten der drei Flächen ein-
schliessen; a, ^, y aber sind die Neigungswinkel
der Taiigi'iiteii tautozuiialer Ki ystiillkaiiteii. D»} l
dieser Flächen zu einander. Mau liat nun allgemein die
Gleichung
cos B cos C = cos a sin B sin C — cos A',
quadrirt man diese Gleichung, so findet man hieraus leicht
cos a cos ^ sin 5 sin C^= \ {cos a~ sin B- sin C^-j- cos A' — cos B^ cos C^\ ;
im rechten Theile dieser Gleichung sind die Quadrate zufolge 5 und
14 alle rational, es sind daher auch die Producte
cos a cos A sin B sin C
cos ß cos B sin C sin A
cos Y cos C sin A sin B
rational, indem der Beweis für die letzten zwei Producte sich schon
aus der Symmetrie der Buchstaben ergibt. Eben so leicht beweist
man die Rationalität der folgenden Ausdrücke:
cos a cos A sin^ sin y
cos j3 cos B sin y sin a
cos Y cos C sin a sin ß.
Die vorhergehende Gleichung kann man auch so schreiben
cos A -\- cos B cos C = cos a sin B sin C,
quadrirt man nun wieder, so findet man, dass das Product
cos A cos B cos C
rational sein muss; auf ähnliche Weise ersieht man, dass auch
cos a cos/9 cos 7-
rational ist.
16. Um die Bedingungen zu finden, welche die nach dem ersten
Gesetze bestimmten Elemente erfüllen müssen, damit auch das zweite
Gesetz bestehe, drückt Naumann*) zuerst die Tangenten zweier
tautozonaler Kanten durch die Elemente und die Indices aus und
untersucht nun , unter welchen Bedingungen das Verhältniss dieser
Tangenten rational wird. Etwas einfacher würde sich die Rechnung
gestalten, wenn man, statt das zweite Gesetz in seiner ursprünglichen
Form anzuwenden, eine der Folgerungen daraus benützte und etwa
untersuchte, unter welchen Bedingungen das Quadrat des Cosinus
einer beliebigen Kante, wie es Satz 5 erfordert, rational wird. Leicht
1) Naumann, Über die Rationalität der Tangenten-Verhältnisse taulozonaler Krystall-
flächen. Abhandl. der k. sächsischen Gesell, d. Wissensch. Bd. IV (1833), S. 307.
532
V. Lall!'. Über »las C)iete(z der raliuiiiiluii Verliältiiibse
ergeben sieh diese Bedingungen auch mit Hilfe der sphärischen
Krystallographie, wie nun gezeigt werden soll.
Es seien A, B, C, P die Pole der Kry-
st<illt)ächen
J(lüO), /^(OIO), 6'(001), P{hkl),
a,b,c die Längen der entsprechenden Axen,
und wie früher BC=a., AC--=ß, AB =y.
Die heiden Zunenkreise AP und BC schnei-
den sich in dem Punkte Q, dem Pule von (o/i/). Da jede nach dem
ersten Gesetze mögliche Fläche auch dem zweiten gehorchen soll,
so müssen auch B, Q, C dem zweiten Gesetze genügen. Allgemein
hat man nun für Q wie früher die Gleichung
k b sin Y sin QC
l c sin/J
hemerkl man , dass a
sin QU
BQ-\- QC ist, so findet man hieraus leicht
Ä sin j' 1 k ( tan a \
c sin ß cos a l ^tan QC '
Da im rechten Theile dieser Gleichung die Verhältnisse — und
tau
- rational sind, so muss auch der linke Theil rational sein. Ähn-
tan QC
liehe zwei Gleichungen erhält man, wenn man die Zonenkreise BP
und PC zieht und die Flächen R und S betrachtet.
Es müssen daher folgende drei Ausdrücke
b s\ü Y 1 c sin« 1 a sin/3 1
f sin ß cos a a sin y cos ß b sin a cos y
rational sein. Quadrirt man diese Ausdrücke, so findet man, zufolge
5, dass auch
Äa
— , — rational sind. Da man eine der Axenlängen
beliebig gross, also auch rational annehmen kann , so folgt hieraus,
dass auch die Axenlängen eines Krystalles sich zu-
folge des zweiten Gesetzes durch Quadratwurzel müs-
sen darstellen lassen; uucli liier sind natürlich rationale Zahl-
werthe nicht ausgeschlossen. Man kann daher die Quadrate der
Axenlängen als rational betrachten.
Multiplicirl man die letzten Ausdrücke der Reihe nach mit den
rationalen GrössL'U
c- sin ß- cos «■', rt~ sin y^ ccs/9-, h^ sin o.- cos y-.
der Taugeulen lauto/;oiialer Krystallkaiiteii. 5oO
SO erhält man die Producte
bc sin ß sin j cos u
ca sin y sina cos/3
ab sin a sin ß cos 7-,
welche daher ebenfalls rational sind. Diese Bedingungen, welche die
Elemente eines Krystalles erfüllen müssen, erhalten die einfachste Form,
wenn man sie der Reihe nach mit den nach 15 rationalen Producten
cos a cos A sin ß sin y, cos ß cos B sin y sin « , cos j cos C sin a sin ß
mültipliciri Mansiehtalsdann, dass zufolge 3 und 14 auch die Ausdrücke
bc cos A, ac cos B, ab cos C
rational sein müssen. Multiplicirt man endlich diese Ausdrücke der
Reihe nach mit den rationalen Producten
cos« cos^ sin B smC, cos /9 cos B sin Csin A, cos r cos Csin A smB,
so zeigt sich, dass auch die Ausdrücke
bc cos a sin B sin C
ca cos/9 sin Csin A
ab cos Y sin ^ sin C
rationale Werthe haben; dieses sind aber dieselben Bedingunge.. für
Elemente eines Krystalles, zu welchen Naumann ») auf dem vorher
bezeichneten Wege gelangte.
17. Wie aus dem Vorhergehenden und vorzüglich aus dem
Satze 10 hervorgeht, greifen die beiden Gesetze theilweise in ein-
ander über, und es liegt daher der Gedanke nahe, einen einzigen
Lehrsatz aufzustellen, welcher den beiden Gesetzen äquivalent ist.
Ein solcher Satz, welchen man vielleicht das
Gesetz der vier K rystall flächen nen-
nen könnte, ist folgender. Sind P, Q, R, S die
Pole von vier Krystallflächen, unter denen
höchstens zwei parallele ^ sein dürfen, und
legt man durch je zwei dieser Pole Zonenkreise, etwa durch P, Q
und R, S, welche sich in 0 schneiden, so verhalten sich
tan FQ, tan PO, tan OQ
so wie drei rationale Zahlen. Eine älinliche Proportion gilt auch für
den andern Zonenkreis RS.
U Um hrungen z. venMeideu Len.erke ich, dass N a u n. a .. n zwar .lieselhen Bacl.slaben
o-ebraucht, die Bedeutung der Buchstaben «, ß, Y und A. B, C aber vertauscht .st^
2) Tn diesem FaUe mussteu die Zonenkreise so gebogen werden, dass keine der Zonen
unbestimmt wird.
534 ^'- Lang. Üher (las (^esflz der liitioiiali'ii VerliältiliÄse etc.
Es ist nun zu zeigen, erstens dass der aufgestellte Lehrsatz
wirklich wahr ist, d. h. sieh aus den heiden Gesetzen folgern lässt,
und zweitens dass man auch umgekehrt die beiden aus demselben
ableiten kann. Das erstere lässt sich leicht beweisen. Denn sind P,
Q, R, S die Pole von vier Krystallflächen , so folgt aus dem ersten
Gesetze, dass auch die Fläche, deren Pol der Durchschnittspunkt der
beiden Zonen PQ und RS ist, demselben Gesetze gehorcht und also
eine möglicherweise vorkommende Fläche ist; für die drei Krystall-
flächen P, 0, Q, welche in einer Zone liegen , ergibt sich aus dem
zweiten Gesetze sogleich die obige Proportion.
Diese Proportion muss aber auch dann noch gelten, wenn S
schon ursprünglich in den Zonenkreis PQ zu liegen kommt und also
mit 0 zusammenfällt. Man sieht hieraus, dass zufolge des aufgestellten
Satzes für je drei Flächen einer Zone eine ähnliche Proportion gilt,
und es ist leicht einzusehen, dass daher die Tangenten aller Kanten
einer Zone sich wie rationale Zahlen verhalten. Es ist somit gezeigt,
dass sich das zweite Gesetz aus dem obigen Satze herleiten lässt, und
es bleibt noch übrig nachzuweisen, dass auch das erste in demselben
enthalten ist. Dieser Beweis gestaltet sich aber ganz ähnlich , wie
der des Satzes 10, indem man vier Flächen zur Bestimmung der
Elemente wählt, und von jeder neu hinzutretenden zeigt, dass unter
Voraussetzung des angenommenen Lehrsatzes ihre Indices sich wie
rationale Zahlen verhalten müssen.
Der aufgestellte Satz fasst nun wirklich beide Gesetze in eines
zusammen, doch ist er nicht verwickelter als dieselben, im Gegen-
theile erweist er sich darin einfacher, dass er sich blos auf je vier
Flächen bezieht, während das erste Gesetz wenigstens fünf ver-
schiedene Flächen voraussetzt. Man hat ferner nicht nöthig, wenn
man die Grundgesetze der Krystallographie in dieser Form aufstellt,
die Definition von Krystallaxen und Axenlängen vorauszuschicken :
insoferne von Vortheil, als dieselben doch eine untergeordnete Be-
deutung haben , da es ja mit Hilfe der sphärischen Trigonometrie
wenigstens immer möglich ist das Krystallsystem, die Symbole aller
Flächen und ihre Neigungen gegen einander zu bestimmen, ohne erst
die Piichtungen und Längen der Krystallaxen aufsuchen zu müssen.
i\ i ein Isfiii k. Übei- die iliiecte t'uiiüliiictiuii iler seliiet'iixigeii Kiyslall^. 5oi)
über die directe Construction der schief axigen KrystaU-
gestalten aus den Kuntenininkehi.
Von Rodolf Niemtschik,
Assistenten iler (larslelliMidcii Geumelrie am k. k. (loljtfcliiiiseheii Institute iu Wiin.
(Mit 1 Tafel.)
In der Abhandlung- „Über die directe Coastructions-Methode der
verticalaxigen Krystallgestalten aus den Kantenwinkeln" (Sitzungs-
berichte der kais. Akademie der Wissenschaften, Bd. XXXVIII, Nr. 24,
S. 231) wurde bereits bemerkt, dass die schiefaxigen Krystallge-
stalten auf ähnliche Weise, wie die verticalaxigen aus den Kanten-
winkeln bestimmt werden können, indem man nämlich zuerst mittelst
einer Kugel eine Ecke der betreffenden Gestalt und dann vermittelst
der Ecke die Krystallform selbst construirt. Die dort erwähnten
Modificationen, welche bei der Construction der schiefaxigen Kry-
stallformen eintreten, werden durch den Umstand herbeigeführt,
dass man den schiefaxigen Gestalten (mit Ausnahme einiger Prismen)
keine berührende Kugel einschreiben kann, was bei allen vertical-
axigen Gestalten möglich ist.
Diese Modificationen werden nun hier näher erörtert. Da jedoch
alle schiefaxigen Krystallgestalten auf die nämliche Weise wie das
Hemiorthotyp und das Anorthotyp aus den Kantenwinkeln gezeichnet
werden können , so erübrigt hier blos die Construction der beiden
genannten Gestalten vollständig durchzuführen.
^. 1. ConstractioD des Heiniorthotypes (deltoidische Pyramide).
Zur Bestimmung eines Hemiorthotypes ist die Grösse dreier
Kanten erforderlich.
OoÖ Nie III t s c li i k. tuer die ilirecle Coiistruefioii
Es seien zu diesem ßeliufe /T,, Ko, ifg die drei Winkel der
Kanten aS, bS, cS des Hemiorthotypes Sabcda Tiif. I, Fig. 7,
gegeben. Ferner sei der Winkel der Kante bS gleich dem der
Kante dS, mithin aSco die Symmetrie-Ebene der Gestalt.
Aus diesen Stücken kann nun, wie die folgende Betrachtung
lehrt, die Ecke Sab cd und mittelst dieser dann das Hemiorthotyp
selbst leicht construirt werden.
Legt man durch die eine von den beiden gleichen Axenkanten
Sb oder Sd eine Ebene, welche den Neigungswinkel Ko der zwei
Ebenen, durch deren Kante sie geht, halbirt und bringt die Halbi-
rungsehene zum Durchschnitte mit der Ebene aSca; so erhält
man die Gerade oS, deren Punkte von den vier Ebenen aSb, bSc,
cSd und dSa gleiche Abstände haben.
Jeder Punkt der Halbirungsebene des Neigungswinkels zweier
Ebenen steht nämlich von den beiden den Neigungswinkel bilden-
den Ebenen gleich weit ab. Nun liegt die Gerade oS in der Hal-
birungsebene des Winkels K. und zugleich in der Ebene aSca,
welche die Kantenwinkel Ä", und K^ halbirt, folglich muss ein jeder
Punkt der Geraden oS von allen vier die genannten Winkel ein-
schliessenden Ebenen aSb, bSc, cSd und dSa gleiche Abstände
haben.
Die Gerade oS fallt jedoch mit der schiefen Axe Sa nicht
zusammen.
Fällt man von einem beliebigen Punkte o der Geraden o5auf
eine von den Ebenen aSb, bSc, cSd und dSa, etwa auf die Ebene
aSb das Perpendikel om, welches die Ebene aSb im Punkte m trifft,
und beschreibt von o aus mit dem Halbmesser ow< = /? eine Kugel,
so wird diese die Ebene aSb im Punkte m, aber auch zugleich die
drei Ebenen bSc, cSd und dSa berühren.
Die Berührungspunkte der Kugel mit den Ebenen bSc, cSd
und dSa seien der Reihe nach mit n, p, q bezeichnet.
Wegen der gleichen Neigung der Ebenen aSb und aSd, so wie
jener der Ebenen bSc und c^Sr/ gegen die Ebene aSco haben die
Punkte ))i und q, so wie die Punkte u und j), folglich auch die Ge-
raden mn und pq gegen die Ebene aSca eine symmetrische Lage;
es muss desshalb mq || tip sein.
Nun findet man:
der schiefaxigeii Krystallgestallen uns den Kaiitenwiiikelii. i)H7
iq
ma = 2ß cos -^
mn == pq = tR cos y
y</j = 1R cos §
Die Gerade o5'geht durch den Mittelpunkt lo des dem Trapeze
miipq umschriebenen Kreises und steht _L auf dessen Ebene.
Der Halbmesser des Kreises mnpq heisse r.
Zieht man durch die Punkte m, u, p, q an den Kreis mnpq die
Tangenten a/3, ]3 7, 7^, ,^a, so schneiden sich dieselben in der Ver-
längerung in den Punkten a, ß, 7, 0, welche zugleich den Kanten
Sa, Sb, Sc, Sd der Ecke Sab cd angehören.
Verbindet man den Punkt m geradlinig mit den Punkten S und
w,so entstehen dadurch die zwei ähnlichen Dreiecke mSo und mSio,
bei welchen sich verhält:
oS : om = om : ow,
d. i.
oS: R = R-.VH' — rH
daher ist:
oS = "^^
VR^—r^
Man wird demnach die Ecke Sab cd ans den Kantenwinkeln K^,
Ko und K^ auf folgende Weise leicht darstellen können:
Man beschreibe von Zaus Taf I, Fig. 3, dem gemeinschaftli-
chen Scheitelpunkte der Winkel flk=^Ki, glk^K^ und hlk = K3
mit dem Halbmesser lk=^R den Halbkreis e/iÄ', verlängere den
Schenkel Ik bis der Halbkreis in e getroffen wird, und ziehe die
Sehnen ef, eg und eh, so ist:
ef = 2R cos ^
eg = %R cos —
eh = 2ß cos ^
538 N i e in t s f h i k. Über üie direute Coiistiuolioii
Aus diesen Sehnen construire man das Kreisviereck vuipq,'i'Ai'.\,
Fig. 1 , w obei m y = <?/' = 2ß cos ^ , mn ^ p q = e g = 2R cos -^,
np^eh = 2R cos -- und mq \\ np ist, stelle jedoch das Viereck
mnpq wegen Vereinfachung der weiteren Construction horizontal
und mit den zu einander parallelen Seiten mq und np senkrecht auf
die verticale Projections-Ebene.
Durch die Eckpunkte m, n, p, q ziehe man an den dem Tra-
peze mnpq umschriebenen Kreis die Tangenten a|3, ^^, yd, da,
welche durch ihr Zusammentreffen die Kantenpunkte «, ß, 7, 0
geben.
Dann zeichne man über der im Mittelpunkte w des Kreises
mnpq auf dessen Ebene senkrechten Geraden oS als Hypotenuse
ein Dreieck oSz, dessen Scheitel z des rechten Winkels in die
Peripherie des Kreises mnpq fällt und dessen eine Kathete zo =R
ist und verbinde den dieser Kathete gegenüber liegenden Eckpunkt
S (des rechtwinkeligen Dreieckes Szo) mit den Punkten <x, ß, y, 0
durch die Geraden Soc, Sß, Sy und So; so ist S'a'b'cd' die
horizontale und S"a"b"c"d" die verticale Projection der gesuchten
Ecke Sab cd.
Um nun hieraus das Hemiorthotyp Sabcda selbst zu bestimmen,
ziehe man durch einen beliebigen Punkt a" der Geraden S"o" die
c"a" II S"a",a"a" \\ S"c", sowie auch die Gerade a"c". S"a"b''c"d"G"
ist dann schon die verticale Projection des Hemiorthotypes. Seine
horizontale Projection S'a'b'c'da' wird erhalten, indem man die
Punkte a", b", c", d", a" nach n, b', c, d, a projicirt und die
Geraden ab', b'c', c'd', da, ab' und a'd' zieht.
Bei dieser Lage des Hemiorthotypes gegen die beiden Projec-
tions-Ebenen erscheint der rhomboidische Hauptschnitt Saac in der
verticalen Projections-Ebene in der wahren Grösse.
Fällt man von S" auf die Gerade a"c" das Perpendikel S"x",
so ist der Winkel a"S"x" die Grösse der Abweichung der schiefen
Axe Sa.
Für den rhombischen Hauptschnitt ab cd, welcher hier als Basis
gewählt wurde, ist b'd' die eine, a"c" die andere Diagonale; für den
rhombischen Hauptschnitt Sbad ist b'd' die eine und S"a" die
zweite Diagonale.
der schiefaxigen Krystallgestalteii aus den Kantonwinkeln. 539
In Fig. 2 sind die orthogonalen Projectionen des Hemiorthotypes
Sahcdc dargestellt, wenn die Basis abcd horizontal liegt und der
rhomhoidische Schnitt, wie in Fig. 1 zurverticalenProjections-Ebene
parallel ist.
Das Bild Sab c da, Fig. 7, desselben Hemiorthotypes wurde
erhalten, indem zuerst das Hemiorthotyp, Fig. 2, um die horizontale
Gerade PQ um den Elevationswinkel a (Fig. 6) mit der Spitze S
nach vorne gedreht und dann auf die durch PQ gehende Yertical-
Ebene orthogonal projicirt wurde.
§. 2. Constraction des Anorthotypes (skalenische Pyramide).
Zur Bestimmung eines Anorthotypes ist die Grösse von fünf
Kanten erforderlich.
Sind Kl, Kz, K3, Ki^ und K^ der Reihe nach die Winkel der
Kanten Sa, Sb, Sc, Sd und ab des zu bestimmenden Anorthotypes
Sab c da Taf. I, Fig. 8 gegeben, so kann aus diesen Daten die Ecke
Sabcd üüt folgende Weise sehr leicht construirt werden.
Da pl. «6(7 U pl. cdS, so ist auch der Neigungswinkel der zwei
Ebenen abS und cdS bekannt; er ist = 180 — K^.
Man zeichne zuerst die zwei Ebenen ab S und cd S , Taf. I,
Fig. 4, so, dass beide auf der verticalenProjections-Ebene senkrecht
stehen und zugleich mit der horizontalen Ebene ixv gleiche Winkel
-^ einschliessen.
Die horizontalen Tracen ab' und y'd' der Ebenen abS und cdS
stehen dann senkrecht auf der Projections-Axe AX und der von den
beiden Ebenen eingeschlossene Winkel a"S"d" = 180 — K^ erscheint
in der verticalen Projections-Ebene in der wahren Grösse.
Die verticale Projection der Durchschnittslinie der beiden
Ebenen «65 und cdS bildet der Punkt S", die horizontale Projec-
tion hingegen die Gerade S'o", welche zu den beiden Tracen
rt'6'und 7' 6' parallel ist. S" ist zugleich die verticale Projection
der Spitze S; als deren horizontale Projection wurde der Punkt S'
gewählt.
Die zwei Ebenen bSc und adS können nun wieder am einfach-
sten mittelst einer die Ebenen aSb und dSc berührenden Kugel
1)40 N i p m f s c h i k. Ül)er die directe ronstruetion
u'y'v', u"t"v", deren Mittelpunkt in o, o" angenommen wurde,
bestimmt werden.
m, m" und n, n sind die Projectionen der Berührungspunkte
der Kugel mit den Ebenen aSb und cSd. Die Punkte m und n liegen
in demselben Parallelkreise mV, m'n'.
Man ziehe an die Vertical-Contour der Kugel die zwei Tan-
genten e'f" und g"K' unter den Winkeln a"e"f' = Kz und
^"/i"c" = ^3 gegen die Ebenen aSh und beziehungsweise cSd
geneigt.
Durch Rotation der Tangente ef um die auf der Ebene abS
senkrechte Drehungsaxe om entsteht eine die Kugel nach dem zu
der Ebene aSb parallelen Kreise /"p? umhüllende Kegelfläche.
Jeder Punkt des Kreises fiii besitzt die Eigenschaft, dass die
durch ihn an die Kugel berührend gelegte Ebene mit der Ebene aSb
den Winkel K^, einschliesst.
Durch Rotation der Tangente gh um die auf der Ebene cdS
senkrechte Drehungsaxe an entsteht ebenfalls eine die Kugel um-
hüllende Kegelfläche, welche jedoch mit der Kugel den zu der Ebene
cdS parallelen Kreis gpk gemeinschaftlich hat.
Jeder Punkt des Kreises gpk besitzt wieder die Eigenschaft,
dass die durch denselben an die Kugel berührend gelegte Ebene mit
der Ebene cdS den Winkel K^ bildet.
Es muss demnach die durch den gemeinschaftlichen Punkt ji der
beiden Kreise fpi und gpk an die Kugel berührend gelegte Ebene
sowohl mit der Ebene aSb den Winkel K^ als auch zugleich mit der
Ebene cdS den Winkel K^ einschliessen.
Ginge nun die Berührungsebene des Punktes p auch durch den
Punkt S, so würde sie die gesuchte Ebene bSc selbst sein. Da je-
doch derPunkt p nicht in dem Parallelkreisc mn der Punkte m und n
liegt, so kann auch die Berührungsebene des Punktes p nicht durch
den Punkt S gehen. Man muss daher, um die Ebene bSc selbst zu
erhalten, durch den Punkte' eine zu der Berührungsebene des Punk-
tes p parallele Ebene legen.
Weil die Berührungsebene des Punktes p auf dem Halbmesser
op der Kugel senkrecht steht, so muss auch die zu ihr parallele
Ebene bSc auf dem genannten Halbmesser und daher deren Trace
67' auf der horizontalen Projection o'p des Halbmessers op eben-
falls senkrecht stehen.
der schiefaxigen Krystallgestalten ans den Kanten winkeln. o4 1
Zieht man durch den dem Hauptmeridiane und dem Parallel-
kreise des Punktes p gemeinschaftlichen Punkt p^ an die Vertical-
Contour der Kugel dieTangente pi" l" his die o"S" in /" geschnitten
wird, durch l" und p" die Gerade fp" und zu dieser parallel durch
S'' die S"q"; so hildet die S"q" die verticale und S'if die horizon-
tale Projection einer Geraden der Ebene bSc.
Die Gerade Sq durchdringt die Ebene [xv im Punkte q, mithin
stellt die durch den Punkt q' auf die Gerade o'p senkrecht geführte
Gerade 67' den Durchschnitt der Ebene bSc mit der Ebene /jlv
vor. h'S\ b"S" und 7'iS', y'iS" sind die beiden orthogonalan Projec-
tionen der Kanten bS und '^S.
Auf die nämliche Weise erhält man die Trace <xo der Ebene
aSd und die Kanten aS und dS.
Dadurch ist die Ecke Sab cd construirt und kann hieraus das
Anorthotyp seihst auf folgende Weise einfach dargestellt werden.
Nimmt man ab als die eine Seite der Basis des Anorthotypes
an, so hat man zunächst in der Ebene v^So eine Gerade de zu bestim-
• ff
men, welche gleich und parallel mit «6 ist.
Man ziehe a'z || ^'7', d'z' \\ S'y', und d'c' \\ y'^, so ist cd'
die horizontale, c"d" die verticale Projection der Geraden de. Die
Geraden ad', a"d" und b'c , b"c" sind die Projectionen der zwei
anderen Basis-Kanten ad und be.
Endlich ziehe man a'7' || c'S', b'o' || dS', c'rs || dS', da' || b'S' ,
d"S' II S"b" und a"a" || d"S", so sind S'db'c'd'j' und S"a"b"c"d"i"
die beiden orthogonalen Projectionen des gesuchten Anorthotypes.
Fig. ö stellt die orthogonalen Projectionen des Anorthotypes
vor, wenn die Basis ab cd eine horizontale Lage hat und die zwei
parallelen ßasiskanten ab und crf auf der verticalen Projections-Ebene
senkrecht stehen.
Die Gerade PQ liegt in der Ebene der Basis ab cd und wurde
als Drehungsaxe benützt, um Fig. 8 zu erhalten. Der Elevationswinkel
ist wieder a. (Fig. 6). Nach der Drehung wurde das Anorthotyp auf
die durch PQ gehende Verticalebene orthogonal projicirt und dann
erst das so erhaltene Bild auf die Zeichenfläche (Fig. 8) übertragen.
Das Weitere ist aus den beigeschlossenen Figuren für sich klar.
Um irgend eine Combinationsfläche fixiren zu körmen, muss
entweder ihre Neigung gegen zwei bereits bekannte Flächen oder
die Richtung einer Combinationskante und die Neigung gegen eine
t)4-2 .N i LMM ts eil i K. niipr ilie dirpcte roiistructioii iIhi' sclii(!f;ixijjpii Kryslalljif. etc.
bekannte Fläche gegeben sein. In beiden Fällen kann die Combina-
tionsfläche mittelst einer Kugel und der die Kugel umhüllenden Kegel-
tläehen, deren Erzeugenden die gegebenen Neigungswinkel mit den
bekannten Flächen einschliessen, sehr leicht construirt werden.
Der Vorgang ist ähnlich dem hier im §. 2 gezeigten oder dem im
§. 32 der Abhandlung: „Über die directe Constructions-Mcthode der
verticalaxigen Krystallgestalten aus den Kantenwinkeln" angegebe-
nen. (Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften,
Bd. XXXVIII, S. 324.)
Um die Schärfe des Resultates namentlich bei vielflächigen Com-
binationen zu steigern , ist es zweckmässig, wenn man die Figuren
zuerst in grösserem Massstabe construirt und dann mittelst Propor-
tionalwinkels auf die gegebene Grösse bringt.
^ieititschik riipr die directe Construction der schiefaxigeR Krystall^estallen etc
Titf l.
1^,^.3.
Hiemhsc'hik get .
Ajcs d-k-fc-Kof. u. Staatsiruckerei.
SilKunesb.d.k.AkaJ.l.r inath.n.ntui-W'.CL. XLI Bd. X?1I. 1860.
Mach. Ülier ilie Äii<leiiiiig des Tones iiinl ilei' rarlic duicli Bewegung. 543
Über die Änderung des Tones und der Farbe durch Bewegung.
Von Dr. Ernst Mach,
Kleve des k. k. ph; sikulisolien liistitules.
Vorliegende Abhandlung stellt sich die Aufgabe, die Doppler-
sche Theorie der Änderung des Tones und der Farbe durch Bewe-
gung einer neuen experimentellen und theoretischen Untersuchung
zu unterwerfen. Diese Theorie wurde nämlich unserer Meinung nach,
wenn auch manches an ihrer Form auszusetzen wäre , doch mit
Unrecht angegriffen .
Doppler!) behauptet, dass ein Ton höher erscheine sobald
sich die Tonquelle mit bedeutender Geschwindigkeit dem Beobachter
nähert, tiefer sobald sie sich entfernt; ersucht diesen Vorgang durch
eine elementare mathematische Betrachtung zu deduciren und über-
trägt dieselbe Anschauungsweise auch auf die Farbe einer in Bewe-
gung betindlichen Lichtquelle.
Es wurden zur Bestätigung des erwähnten Satzes Experimente
angestellt, welche fast sämmtlich zur Befriedigung ausfielen.
Dagegen behauptet eine geachtete mathematische Autorität 2):
1. Entweder sind diese Experimente falsch und dann ist die
Täuschung durch die Theorie hervorgerufen worden;
2. oder die Experimente sind richtig und dann ist wenigstens
die Doppler 'sehe Erklärung eine unrichtige.
Seine letzte Streitschrift s) gegen Doppler schliesst der oben
gedachte Gelehrte mit den Worten :
„Wenn auch bei dem gegenwärtigen Stande dieser Streitfrage
der Einfluss der progressiven Bewegung einer Ton- oder Lichtquelle
auf die schwingende Bewegung als noch nicht vollständig erörtert zu
*) Theorie des farbig-en Lichtes der Doppeisterne. Prag' 1842.
2) Prof. Pelzval in den Sitzh. d. k. Akad. d. Wiss. VIH, p. 567.
8) SiUb. d. k. Akad. d. Wiss. IX, p. 679.
Sit7.b. d. mathem.-naturw, CI, XFJ, Bd. Nr. 17. 37
544 Mach.
betrachten ist, so ist er docli ganz gewiss nicl.l derjenige, dem Masse
nach nnd auch der Ordnung der Wirkungen nach, zu der er gehört,
den die Doppler 'sehe Theorie gibt."
In dieser ersten Arbeit nun soll es unsere Aufgabe sein :
1. Streng experimentell nachzuweisen, dass durch Bewegung
der Ton in der That geändert werde und zwar im Sinne der
Doppler 'sehen Theorie ;
2. es wahrscheinlich zu machen, dass selbst die nach der
Doppler 'sehen Betrachtungsweise gewonnenen Formeln als Nähe-
rungsgesetze anzusehen sind, welche für geringere Geschwindig-
keiten gelten;
3. daran einige für die Astronomie wichtige Consequenzen
zu knüpfen.
In einer folgenden Arbeit wollen wir denEiiifluss der Geschwin-
digkeit, der progressiven Bewegung und Dichtenveränderung des
Mittels auf die Tonhöhe genauer untersuchen. Gegen die Behauptung
Prof. Petzval's, die Doppler 'sehe Erklärung der Facta, wenn sie
auch wirklich existirten, sei ungenügend, können wir nichts einwenden,
da sie wirklich mehr auf Analogie als auf eine strenge Untersuchung
gegründet ist. Überhaupt wird kein Unparteiischer die Vorzüge der
PetzvaTschen Betrachtungsweise verkennen; nur w^ar hiermit nicht
die Berechtigung gegeben, eine Theorie, weil sie ungenau war, ganz
über Bord zu werfen, ohne eine bessere an die Stelle zu setzen.
Wir wollen nun zunächst die Theorie, wie sie Doppler gibt,
und die dagegen von verschiedenen Seiten her erhobenen Einwürfe
speciell betrachten.
Doppler 1) untersucht die beiden Fälle, wenn der Beobachter
in Bewegung und die Tonquelle in Ruhe ist, so wie den entgegen-
gesetzten gesondert.
1. Fall.
Es heisse die
Geschwin-
digkeit, mit
welcher die
Wellen fort-
gepflanzt
w erden a,
^) über das farbige Licht, p. 6.
IJber die Änderung des Tones und der Farlie durch Bewegung. S4-S
und 0 und A (Fig. 1 , 2) bedeute Anfang und Ende einer Welle,
Q dagegen die entfernte Quelle derselben; ferner n die Anzahl Secun-
den, welche eine Welle nöthig hat, um von A nach 0 zu kommen,
d. h. um eine Wellenlänge zu durchlaufen, und x" die Zeit, die sie
braucht, um den gegen oder von A sich bewegenden Beobachter zu
erreichen. Man hat daher für den Fall der Annäherung sowohl, wie
der Entfernung des Beobachters von oder an die Tonquelle, wegen
a X ± ci X = ati; .V =
a ± «
2. Fall. Für diesen findet man auf ganz ähnliche Weise:
Wir bedienen uns statt der Dop pler'schen Formein lieber der
folgenden. Bedeute y die Geschwindigkeit der Welle, x die der
Wellenquelle, c die des Beobachters, r die Schwingungsdauer der
Quelle und r' die scheinbare Schwingungsdauer; so hat man
1. bei Bewegung der Quelle allein:
r — ^
T = T ■ ;
r
2. bei Bewegung des Beobachters allein :
r
T = T • ;
y — c
3. wenn Quelle und Beobachter zugleich sich bewegen:
T = T ' ;
r—c
wobei a^ und c positiv zu nehmen sind in derBichtung von der Quelle
gegen den Beobachter, negativ in der entgegengesetzten. Statt der
Schwingungsdauer könnte man auch ohne Veränderung der Formeln
die entsprechende Wellenlänge einführen.
1. Professor Petzval setzt dieser Theorie das Princip der
Erhaltung der Schwingungsdauer entgegen ^). Herr Begierungsrath
A. Bitter von Ettingshausen sagt aber schon im IX. Bande der
Sitzungsberichte, p. 29, bei Gelegenheit der Besprechung des
betrelTenden Aufsatzes: „Der Herr Verfasser geht über dieBefugniss,
») Sitzh, VIII, p. 134.
37
546 M •' ^ h.
welche ilini die Prämissen gestatten, hinaus, wenn er (Sitzungs-
berichte, Jännerheft, S. 155), naclidem nur ein anfänglicher Erre-
gungszustand besprochen war, die für selben in Anspruch genommene
Folge auch ohne weitere Erörterung auf jeden, einem schwingenden
Körper anhängenden permanenten Erregungszustand bezieht'^ — Es
wird ausserdem gut sein zu bemerken, dass das Princip von der
Schwingungsdauer eines und desselben Theilchens spricht, während
Auge und Ohr im Zustande der Bewegung, ihre Phasen in jedem
Augenblicke von einem andern Theilchen empfangen.
2. Die von Doppler gewonnenen Formeln sind nach der Vor-
aussetzung abgeleitet, dass der Ton aus einer Reihe von Explosionen
bestehe, denn es wird hier von der Welle wie von einem Individuum
gesprochen, was nach Prof. Petzval's Ansicht unstatthaft ist i). Es
kann aber wenigstens Explosionstöne geben, eine Sirene z. B. mit
kleinen weitabstehenden Löchern, wie auch Savarts gezähntes Rad
bringt einen solchen hervor. Pflanzen sich aber die eine Welle
zusammensetzenden Elementarwellen mit gleicher Geschwindigkeit
fort und ohne sich zu stören, wie man das wohl annimmt, so gelten
dann diese Formeln für jede Wellenform, da die Tonhöhe nur durch
den Abstand zweier entsprechender übrigens ganz beliebiger Phasen
bestimmt ist, welche Phasen man dann immerhin als momentan oder
als Explosion fassen kann. Übrigens wird Niemand dagegen sein,
wenn man an die Stelle der Dopp ler'schen Ableitung die strengere
und elegantere Petzvals setzt, die übrigens, was die Wellenlänge
betrifft, zu demselben Resultate geführt hat.
3. Die beiden vorigen Einwürfe \\urden unter der Voraus-
setzung betrachtet, dass das Mittel an der progressiven Bewegung
des tönenden Körpers, so wie des Beobachters keinen Antheil nehme.
Auch diese Voraussetzung findet Prof. Petzval unrichtig; es sei
nämlich nicht einzusehen, warum das Mittel die periodische Bewe-
gung bereitwilliger aufnehmen solle als die progressive. Wir erlauben
uns dagegen mit Bestimmtheit zu behaupten, dass die periodische
Bewegung vom Mittel in einer ganz anderen Weise aufgenommen
werde als die progressive; die Art dieser Aufnahme wird nicht nur
von der Geschwindigkeit, sondern auch von der Grösse und Form
des Querschnittes abhängen. Wären Beobachter und tönender Körper
') Sitzb. d. k. Akad, d. Wiss. VIII, p. 367.
i'her die ÄiiHeiiing- iles Tuiies und der Farbe diircli Beweg'ung'. 547
unendliche parallele Ebenen oder in einer Röhre eingeschlossen, in
der Art, diiss sie das ganze zwischen ihnen liegende Mittel vor sich
herschieben miissten, so würde man allerdings diesen Fall der
Rechnung unterwerfend zu anderen Resultaten gelangen als D o p p I e r.
Ist aber der tönende Körper von begrenztem Querschnitte, so kommt
noch ein anderer Umstand hinzu, der bei der periodischen und pro-
gressiven Bewegung von ganz verschiedenem Einflüsse ist. — Nach
dem Principe der Gleichheit des Druckes nach allen Richtungen bei
Flüssigkeiten, sucht sich nämlich jede dem Mittel beigebrachte
Änderung der Dichte nicht nur an die folgende Schichte fort zu
pflanzen, sondern auch nach der Seite auszugleichen. Folgt nun, wie
bei der schwingenden Bewegung schnell hinter einander Verdichtung
auf Verdünnung, so ist zu dieser Ausgleichung nach der Seite hin
so zu sagen keine Zeit, indem die ganze Dichtenänderung sogleich
an die folgende Schichte übertragen wird. Bei einer fortdauernden,
durch eine progressive Bewegung beigebrachten Verdichtung oder
Verdünnung hingegen wird sich diese auch fortwährend nach der
Seite ausgleichen, das Mittel wird zur Seite ausweichen oder herein-
strömen, so zwar, dass namentlich bei geringen Geschwindigkeiten
der ganze Einfluss der progressiven Bewegung schon in einer gerin-
gen Entfernung von der Quelle erlischt. Desshalb wird wahrschein-
lich auch das obige Rechnungsresultat bei geringen Geschwindig-
keiten durch den Einfluss der progressiven Bewegung nicht bedeu-
tend atficirti). Wirnehmen uns übrigens vor, diese Deduction, welche
wir hier blos angedeutet haben und die eigentlich von der Integration
einer partiellen Differentialgleichung abhängt, unter erleichternden
Voraussetzungen nächstens mathematisch durchzuführen ^). Es sind
also die Doppler'schen Formeln nur Näherungsgesetze für geringe
Geschwindigkeiten.
4. Endlich wirft Prof. PetzvaMj jener Theorie noch die
absurden Folgerungen vor, welche sich aus den aufgestellten For-
meln ziehen lassen. Dieser Vorwurf fällt von selbst y>'eg, da wir
die Geltung der Formeln auf den Fall geringer Geschwindigkeiten
'j Aiulers ist es iiHlürlicti bei einer sehr suhneUen Bewegung.
■') Ein Problem, welches in seiner allgemeinsten Form mit sehr bedeutenden analytischen
Schwierigkeiten verbunden ist.
3) Sitzb. d. k. Akad. d. Wiss. IX, p. 699.
J>48 '^' * f" ^
einschränken. Man könnte ja sonst auch das Brechungsgesetz an-
greifen , weil es für den speciellen Fall der totalen Reflexion ver-
langt, dass der Sinus grösser als 1 sein solle, was wenigstens eine
eben so grosse Unmöglichkeit ist wie ein unendlich hoher oder ein
negativer Ton.
Alles zusannmengefasst, bleibt es also das Verdienst des Herrn
Prof. Petz val nachgewiesen zuhaben, dass Dop pl er 's Theorem
1. mangelhaft deducirt sei und
2. nicht allgemein gelten könne.
Nun zu den von anderen Seiten her gemachten Einwürfen !
Es lohnt sich nicht der Mühe auf diejenigen einzugehen,
welche sich auf die blosse Behauptung reduciren, man habe sich
bei den für die Theorie angestellten Versuchen getäuscht; es er-
übrigt nur noch der experimentelle Beweis, den Angström, gegen
die Doppler 'sehe Theorie, wenigstens bezüglich der Farbe, ver-
sucht hat.
Angström i) untersucht das Spectrum des zwischen zwei ver-
tical über einander aufgestellten Metallkugeln überspringenden elek-
trischen Funkens. Das Spectrum, welches sich hier zeigt, ist eigent-
lich eine Überdeckung zweier Speclra; der eine Theil rührt von der
Luft, der andere von den fortgeschleuderten glühenden Metalltheilchen
her. Nun meint Angström, wenn man den Funken statt in ver-
ticaler in einer sehr geneigten Richtung überspringen liesse, so
müssten die Linien im Spectrum wandern, da die Metalltheilchen des
einen Poles sich nach seiner Angabe mit einer Geschwindigkeit von
80 — 90 Meilen dem Beobachter nähern, die des andern sich ebenso
schnell entfernen. Eigentlich müsste sich jede vom Metall herrührende
Linie in zwei spalten, die nach entgegengesetzter Richtung aus
einander treten. Stellt man nun das Experiment wirklich an, so
bemerkt man gar keine Veränderung im Spectrum. Angström hat
hier das Fortschreiten des Glühens mit dem Fortschreiten der
glühenden Theilchen verwechselt, was eben so unstatthaft ist, als
wenn man das Fortschreiten einer Wasserwelle mit dem Fortschreiten
der Wassertheilchen vermengen wollte. Überdies widerlegt er sich
selbst, indem er einige Seiten weiter sagt, dass wenn man auch den
Funken schief überspringen lässt, die Metalltheilchen doch (wahr-
') Optische Uatersuchuiigeu iu Poggeiidorfl"s Auiinlen, 94. Bd., p. 141.
über die Äiideiuiig des Tines und der Fiirbe durch Bewegung. 849
scheinlich durch den Strom der erwärmten Luft) aufwärts getrieben
werden. Wäre in der That die Geschwindigkeit der Theilchen eine
so grosse, wie sie ihnen Angström zuschreibt, so könnte die kleine
Krafteoinponente, welche vom Luftsironie herrührt, keine solche
Ablenkung bewirken. Es ist also klar, wie wenig das angeführte
Experiment entscheiden kann.
Übergehen wir nun zu den Versuchen , welche zur Unter-
stützung der Dop pl er'schen Theorie angestellt wurden; diese allein
würden sclion , da sie fast durchgängig gelungen sind, die Einwürfe
der Gegner entkräften, wenigstens würden siebeweisen, dass die
Deductionen derselben auf unstatthaften Voi'aussetzungen beruhen.
Zu diesen Versuchen gehören :
i. Die auf Eisenbahnen *) von Dr. Buys Bullot in Belgien
und von M. Svott Rüssel in England angestellten, welche beide
lehrten, dass der kommende Ton höher, der fortgehende tiefer
erscheine.
2. Fizeaus) soll einen Versuch durch eine Art Umkehrung
des Savart'schen gezähnten Rades gemacht haben, der zur Befrie-
digung ausfiel. Es war mir nicht möglich etwas Genaueres darüber
zu erfahren.
3. Als ich anfing mich mit dieser Theorie zu beschäftigen,
stellte ich zunächst einige vorläufige Versuche mit durchbohrten
Spitzkugeln an , welche ich nahe an mir vorüberschiessen Hess und
deren pfeifenden Ton ich beobachtete. Die Entfernung, in der ich
mich aufgestellt hatte, war so gewählt, dass man annehmen konnte,
die Geschwindigkeit der Kugel sei noch ziemlich constant. Beim
Vorüberfliegen hörte ich den Ton plötzlich aus der Höhe in die
Tiefe fallen. Da übrigens diese Art des Experimentirens viel Un-
sicherheit hat, suchte ich nach einer besseren Methode.
4. Eisenbahnen stehen als Experimentirmittel nicht Jedermann
zu Gebote; auch glaube ich, dass man bei anderen einfachen Vor-
richtungen mit weniger Aufwand die Umstände mehr in der Hand
hat. Diese Art von Versuchen hat überdies noch den Vortheil , dass
jeder, der sich von der Richtigkeit der Thatsachen überzeugen will,
sie mit Leichtigkeit wiederholen kann. Durch Herrn Regierungs-
1) Sitzb. d. k. Akad. d. Wiss. V, (.. 134.
2) SiUb. d. k. Akad. d. Wiss. V, p. 154.
81)0
M a u
Fiff.
I I I I I I I I I i,!J I I I I I iTT
-C—
.1-1 I I I I I I ] M I I I I l'i M I I I M I I I I n I i'i : M I I I I I M I
riith V. Ettingshauseii unterstützt, constiuirte ich im k. k. physi-
kalischen Institute einen Apparat, dessen Schema die beiliegende
Zeichnung gibt: aa
sind zwei Rollen,
über welche eine
Gurte wm gespannt
ist, die 4 Stifte bb
trägt. Wird der
^ ^ Apparat dadurch in
Rotation versetzt, dass man die eine der Rollen mittelst einer Schnur
mit der Drehbank verbindet; so schlagen die Stifte bb an die zMei
gleichgezähiiten Stangen cc, indem sie an denselben in entgegen-
gesetzter Richtung hin laufen. Nach Doppler 's Ansicht müsste
man nun, wenn man sich in A aufstellt, bei hinreichender Geschwin-
digkeit zwei verschiedene constante Töne hören. Es war jedoch
bei diesem Apparate nicht möglich eine bedeutende Geschwindig-
keit zu erzielen, da die Reibungswiderstände zu gross waren. Man
sieht, dass dieser Apparat der Fi zean 'sehen Vorrichtung wahr-
scheinlich sehr ähnlich ist, wenn er nicht ganz mit derselben zusam-
menfällt. Übrigens ist gegenwärtig kein Grund das Misslingen die-
ses Experimentes zu bedauern, da es doch nicht vollständig über-
zeugend gewesen wäre, indem sich hier die Tonquelle nicht wirk-
lich, sondern nur
Fig. 4.
ra
« L
" J)
%"■
B
IT
imaginär bewegt.
5. Ich schritt nun
zu einem neuenVer-
suche , der endlich
vollständig gelang.
Der zu diesem Zwe-
cke construirte Ap-
parat ist von folgen-
der Reschaffenheit:
AA ist eine 6' lange
Stange, welche mit
einem horizontalen
Zapfen BB' in dem
Lager CC läuft. Die
Rolle D wird mit
über die Aiidpriiiif; des Tiiiie.-> iiinl der F;irliP diircli Rcwcniiiig. Dol
dem Schwiingrade der Drehbank verbunden, um das Ganze in
schnelle Rotation zu versetzen. Der dickere Theil des Zapfens B
steckt luftdiclit in einer Stopfbüchse C C und ist mit einer Axen-
bohrung versehen. Zur Stopfbüchse führt ein Rohv E E von einem
Blasebiilg H und es gelangt nun die Luft durch dieses Rohr in die
Axenbohrung des Zapfens und eine Längshohrung der Stange FFF
bis an das eine Ende der Stange, wo ein kleines Schnarrpfeifeben
einsresetzt ist, ein gewöbnliclies Stimm-A, wie es bei Orchestern
gebraucht wird. J ist ein elastisches Plättchen, welches durch
den mit der Stange AA verbundenen Stift k angeschlagen wird,
wodurch mau die Zahl der Umlaufe in einer gewissen Zeit bestim-
men kann.
Versetzt man Blasebalg und Drehbank zugleich in Thätigkeit
und stellt sich in der Ebene der Rotation auf, so hört man den sonst
vollkommen constanten Ton sogleich auf und abschweben , wie es
nach Doppler's Ansicht sein muss, da sich die Geschwindigkeit des
tönenden Körpers gegen den Beobachter oder genauer der DitTeren-
tialquotient der Entfernung des tönenden Körpers vom Beobachter,
nach der Zeit genommen in jedem Augenblicke ändert. Wird die
Rotation beschleunigt, so vergrössert sich zugleich die Tondifferenz.
Man kann nun nachweisen:
a) Dass die Schwebung des Tones von keinem anderen Um-
stände abhänge, als von der Richtung und Geschwindigkeit gegen
den Beobachter;
ß) dass die wahrgenommene Schwebung rein subjectiv sei.
a. Die Schwebung kann nicht von Stössen des Blasebalges
oder der Drehbank herrühren, da diese vollkommen gleichförmig
wirken und höchstens einen Unterschied in der Intensität geben
könnten.
Die Rotation an sich könnte den Ton wenigstens nicht perio-
disch ändern , da ein Element der Kreisbahn dem anderen voll-
kommen congruent ist, blos der ebengenannte Ditferentialquotient
hat eine Periode.
So lange die Rotation währt, fällt immer, wie man sich durch
das Zählwerk überzeugt, die Dauer eines Auf- und Abschwebens
mit der Dauer eines Umlaufes zusammen; es ist klar, welche Unwahr-
scheinlichkeit diese Thatsache hätte, wenn die Schwankung des
Tones durch zufällige Störungen entstünde.
5Ö*^ M ach.
ß. Man kann sich aber auch überzeugen , dass die Ton-
verähderung subjectiv sei. Wo man auch immer stehen mag,
hört man den höheren Ton heim Ankommen', den tieferen beim
Fortgehen der Stange.
Stellt man sich in die Rotationsaxe, so vernimmt man nebst den
von den Wänden des Zimmers herrührenden Reflexen noch ein voll-
kommen constantes Singen des Tones. Versetzt man den Apparat in
sehr schnelle Rotation, so tönt er auch ohne Blasebalg durch die
blos vermöge der Centrifugalkraft durchgetriebene Luft; stellt man
sich dann in der Rotationsebeiie auf und führt ein Rohr von der
Stopfbüchse zum Ohr, so hört man durch dasselbe einen intensiven
schönen constanten Ton, während man von aussen eine bedeutende
Schwankung vernimmt.
Selbst die TondifTerenz, so weit man sie durch das blosse Ohr
bestimmen kann, scheint den Formeln Doppler's zu entsprechen.
Unsere Stange hat 6' Länge; es legt also jeder Endpunkt bei einem
Umlaufe nahe 18' zurück. Man sollte nun nach der Theorie bei
etwas mehr als einem Umlaufe in der Secunde, einen halben Ton,
zwischen 3 und 4Umläufen nahezu eine Secund-Tondifferenz bekom-
men , was durch das Gehör bestätigt wird. Es gelang mir nicht die
äussersten Grenzen des schwebenden Tones durch das Monochord
zu fixiren. Man muss zum Zwecke der Messung einen anderen Apparat
construiren, bei welchem man zwei verschiedene constante Töne
erhält.
Ich glaube nun durch Theorie und Experiment gleichmässig
Folgendes constatirt zu haben:
1. Die Tonhöhe wird durch Bewegung in der That geändert,
und zwar im Sinne der Do p pler'schen Theorie.
2. Die von Doppler aufgestellten Formeln sind Näherungs-
gesetze, welche für geringere Geschwindigkeiten gelten.
Auf den letzten Punkt unserer Aufgabe, nämlich die für die
Astronomie wichtigen Consequenzen, wollen wir noch einen Blick
werfen.
Man hat schon häufig beobachtet, dass gewisse Sterne ihre
Farbe periodisch ändern; diese Erscheinung ist auf Grundlage der
obigen Theorie nach D opp 1er erklärt, wenn man annimmt, die
Geschwindigkeit der Sterne sei mit der Lichtgeschwindigkeit ver-
gleichbar und ändere sich periodisch, welche Annahme durch die
über die Andeniiig des Tuiies und der ['^hiIip diircli Bewegung. 553
Gesetze der Centralbewegung wohl gerechtfertigt ist. In der That
hat die Richtigkeit dieser Erklärung eine grosse Wahrscheinlichkeit
wenn man Folgendes bedenkt:
a. Eine andere Erklärung der Erscheinung ist wohl nicht mög-
lich. Wollte man annehmen, eine periodische physikalische Änderung
des Leuchtprocesses finde auf dem Sterne Statt, oder bei der Bewe-
gung des Sternes durch verschiedene Gegenden des Weltraumes
werden verschiedene Farben absorbirt; so wären diese Hypothesen
so wenig plausibel, dass sich zu ihrer Annahme schwerlich jemand
entschliessen würde.
ß. Wir wissen von den Sternen, dass sie sich in Kegelschnit-
ten bewegen. Das einzige , was sich mit der Farbe des Sternes
zugleich ändert, ist also seine Richtung und Geschwindigkeit;
es ist nun ein ganz natürlicher und der in der Naturwissen-
schaft herrschenden Methode angemessener Gedanke, Farbe und
Geschwindigkeit in Zusammenhang zu bringen. Auch ist es jedem
Mathematiker klar, wie wahrscheinlich dieser Zusammenhang auch
dann schon wäre , wenn man ihn noch gar nicht einsehen
könnte.
7. Endlich gewinnt diese Erklärung noch dadurch, dass aus ihr
abgeleitete Erscheinungen durch Beobachtungen vollständig bestätigt
werden. Unser Planetensystem bewegt sich mit grosser Geschwin-
digkeit gegen das Sternbild des Hercules hin; es sollten also nach der
Theorie dort die meisten violetten Sterne zu finden sein; Sestini's
Beobachtungen bestätigen das >).
Durch das Licht allein gelangen wir zu unserer Kenntniss über
den Weltraum, durch das Licht wissen wir alles, was über die physi-
kalische BeschafTenheit und Bewegung der Himmelskörper bekannt
ist; durch das polarisirte Licht unterscheiden wir beleuchtete
Gestirne von selbstleuchtenden. Es bedarf nur einer kurzen Über-
legung um einzusehen, dass die besprochene Theorie uns befähigt
noch viel weiter zu gehen ; dieselbegibt nämlich nicht nur eine bei-
läufige Erklärung der Erscheinungen am Himmel, sondern sie gibt
sogar einen mathematisch genauen Aufschluss über die Art der
Bewegung der beobachteten Gestirne. Ich will hier nur zwei Punkte
hervorheben.
Ij Sitzb. d. k. Akad. d. Wiss. V, [>. Iö4.
554 >i « c h.
1. F)ie Bestimmung der Geschwindigkeit unseres Planeten-
systems gegen den Hercules und
2. die Berechnung der Bahneleniente periodisch farhiger Sterne.
1. Wollte mau die Geschwindigkeit des Planetensystems gegen
den Hercules hestimmen, so würde man von folgenden Betrachtungen
ausgehen.
Die Gestirne des Himmels hewegen sich in den verschiedensten
Bichtungen und Geschwindigkeiten gegen uns und haben daher auch
die verschiedensten Farben. Theilen wir die Sterne nach Farben
oder deren Wellenlängen in mehrere Classen, so können wir von
einer mittleren Wellenlänge auf einer gewissen Fläche des Himmels
reden und diese wird wenn kk'l" . . . die verschiedenen Wellenlängen
und nn' n" . . . die zugehörige Zahl der Sterne bedeuten, durch den
Ausdruck gegeben:
lU -^ n' X' 4- «"/" -f- .... l'nk
n -\- n' + n" -j- .... Sn
Nehmen wir an, diese mittlere Wellenlänge wäre über den gan-
zen Himmel gleich, wenn sich unser System nicht gegen den Hercu-
les bewegen würde, so wird dieses Verhältniss sogleich geändert,
wenn sich unser System wirklich bewegt. Wir nehmen nun die
Bichtung gegen den Hercules als Axe und theilen senkrecht auf diese
den Himmel in eine grössere Anzahl Parallelgürtel ab. Auf die Wellen-
länge desjenigen Gürtels nun, der bei dieser Anordnung den Äquator
bildet, wird die Geschwindigkeit c des Planetensystems gar keinen
Eintluss üben, da ihre Projection in dieser Bichtung = 0 ist, und
seine mittlere Wellenlänge würde sich am ganzen Himmel zeigen,
wenn c = 0 wäre; wir bezeichnen sie mit Am- — Die mittlere
Wellenlänge in einem andern Gürtel, dessen Radius vector mit der
Bichtung gegen den Hercules den Winkel <p einschliesst, wird nun
nach unserer Formel sein :
Ay, = A,n ■ ;
Y — c ens (f
/! c — Am
hiera\is ergibt sich: c = r • --^
A<p • cos ^
und wenn man dieselbe Bechnung bei allen w Gürteln durchführt und
hieraus das Mittel nimmt; so hat man:
c = - z
" A=i An COS ^a'
Übei' die ÄndtTiiiig- des Tones und der Farlie diircli Beweg-uiig. o35
(Jii man der Beobachtung desto mehr Gewicht beilegen miiss,
je grösser die Fläche des Gürtels ist, so sind die Verhältniss-
zahlen der Fläche des Gürtels f], und der Kugelfläche F einzu-
führen :
C ^ —- 1 //,.
vF y,^, A(p,, cos <p,,
Wollte m;>n die Rechnung wirklich ausführen, so müsste man
noch den violetten Sternen ein grösseres Gewicht beilegen , als den
rothen, indem jene nach der Theorie die intensiver leuchtenden
sind und daher weniger leicht übersehen werden. Überhaupt dürfte
mit Zuhilfenahme schon gemachter astronomischer Erfahrungen noch
manches zu modificiren sein.
Man könnte das hier angedeutete Prt)blem auch allgemeiner
fassen; eine Geschwindigkeit nach drei beliebigen Richtungen zer-
legt annehmen und nun die wahrscheinlichsten Werthe dieser Com-
ponenten ermitteln. Nach dem Auseinandertreten der Sterne in der
Gegend des Hercules hat man erkannt, dass sich unser Planeten-
system in dieser Richtung bewegt; hat man die Geschwindigkeit dieser
Bewegung nach unserer Methode bestimmt, so wird es erlaubt sein
nach der Art des Auseinander- und Zusannnentretens der Sterne in
verschiedenen Partien des Himmels auf die mittlere Entfernung
dieser Partien zu schliessen.
2. Der Bestimmung der Bahnelemente periodisch farbiger Sterne
liegt folgender Gedanke zu Grunde:
Durch die Projection der Geschwindigkeit des Sternes auf die
Richtung, in welcher wir ihn sehen, ist seineFarbe bestimmt, und da
diese Geschwindigkeitsprojection nach den Gesetzen der Central-
bewegung als Function der Zeit und der Bahnelemente bekannt ist,
so sind durch eine gehörige Anzahl Beobachtungen von Farbe und
Zeit und die daranf gegründeten Gleichungen diese Bahnelemente
gegeben. — Die Neigung der Bahnebene des Sternes gegen die
Richtung, in welcher wir ihn sehen, bleibt nach dieser Methode un-
bestimmt, wenn man keine messbare Ortsveränderung nachweisen
kann, da die Neigung sowohl Zeit als Geschwindigkeit in ganz
gleicher Weise alTicirt und daher aus den aufgestellten Gleichungen
nicht bestimmt werden kann. In diesem Falle kann man dann auch
nur eine untere Grenze für die absolute Grösse der Bahnelemente
55 ß Mach.
und die Eiitt'ei'iiung iuigeben. Aus leicht begreiflichen Gründen ist
aber die Neigung der Bahnebene, hiemit die absolute Grösse der
Elemente und die Entfernung bestinwnt, sobald man eine messbare
Ortsveränderung an dem Sterne bemerkt. Sollte die Photometrie
noch Fortschritte machen, wie es wohl zu erwarten ist, so werden
wir wenigstens in den speciellen Fällen, in welchen wir es mit sehr
gestreckten Ellipsen zu thun iiaben, die Messung der Ortsverände-
rung durch Messung der Lichtintensität ersetzen können. Zugleich
mit der Farbe ändert sich nämlich die Lichtintensität und diese hängt
nicht nur von der Geschwindigkeit, sondern auch von der Entfernung
des Sternes ab.
Man kann also durch Beachtung der Lichtintensität einerseits
die aus der Farbe gerechneten Elemente controliren und andererseits,
wenn ein Theil dieser Elemente bekannt ist, die fehlenden (z. ß.
Neigung der Bahnebene und Entfernung) bestimmen.
Bei den Bestimmungen der Farbe, welche man zum Zwecke der
fiechnung machen wird, kann man sich nicht auf das blosse Auge
verlassen, sondern man müsste beiläufig so verfahren:
Das Bild des Sternes wird durch das Prisma in ein Spectrum
zerlegt , in welchem sich nun zweierlei dunkle Linien zeigen , die
einen rühren von unserer Atmosphäre, die anderen vom Sterne her;
die letzteren müssen nun beim Farbenwechsel des Sternes ihren Ort
ändern und aus dieser Änderung wird die Geschwindigkeit des
Sternes bestimmt.
Wir müssen uns hier vorläufig auf die einfachsten Beispiele der
Bahnbestimmung beschränken.
L Es bewege sich der zu beobachtende Stern in einem Kreise.
Ob dies stattfinde oder nicht, werden wir unter allen Umständen
sehr leicht entscheiden können, selbst wenn wir gar keine Ortsver-
änderung am Sterne nachweisen können. In unserem Falle wird näm-
lich der Stern eine gleichlange Zeit brauchen utn von seiner gröss-
ten Wellenlänge zur kleinsten und von dieser zurück zur grössten
zu gelangen. Bei der Ellipse findet das nicht mehr Statt, woil hier die
Geschwindigkeit verkehrt proportionirt ist der Normale; man wird
aber hier gerade aus dem erwähnten Zeitverhältnisse am leichtesten
die Excentricilät bestimmen.
1. Der Stern bewege sich also in einem Kreise vom Radius r
mit der Geschwindigkeit k; der Kreis liege so weit, dass er uns nur
über die Anderuno- des Tones und der Farbe durch Bewesung-.
557
einen vei»elnviiidenden Gesichtswinkel gebe, und die Richtung, in
welcher wir den Stern sehen, falle in die Ebene des Kreises. Befin-
det sich der Boobachter in der Richtung O'O und bewegt sich der
Stern in der Richtung des Pfeiles, so zeigt er in A die grösste, in A
die kleinste Wellenlänge, in BB' seine
natürliche, welche das arithmetische
Mittel aus der grössten und kleinsten
ist. Beobachtet man nun die ganze
Farbenperiode, so kann man mit Zu-
hilfenahme der bekannten Savary-
schen Methode die Bahnelemente mit
Leichtigkeit bestimmen. Die halbe
Periode des Sternes von B' bis J? wird
nämlich scheinbar länger ausfallen,
als die andere Hälfte von B bis B', weil
das Licht von B einen längeren Weg
zum Beobachter zurückzulegen hat. Ist T die wahre halbe Umlaufs-
zeit und T die Zeit, die das Licht braucht um BB' zu durchlaufen,
so hat man für die scheinbare Dauer der ersten Periodenhälfte:
Ti = y 4- -; für die zweite T. = T—z;
hieraus:
; ist y die Lichtgeschwindigkeit, so ergibt sich yT = 2r
und
^)-.-r = r — - — ; ferner r;r = Ar; 2) . . .Ä- =— — — r-;
* /, -r io *
womit aber die Elemente bestimmt sind. Wäre nun noch eine Parall-
axe gegeben, so hätte man auch die Entfernung, da der Radius der
Bahn bekannt ist.
2. Unabhängig von der Savary 'sehen Methode findet man die
Bahnelemente auch auf eine andere Art:
Bedeutet /' die kleinste, /" die grösste, / die mittlere Wellen-
länge, T die halbe Umlaufszeit, so ist
r = ,(zt;r = ^'-±!^:>. = ^
558
M a <• h.
also: h = r -;
und da cT= r/T; r =
yT
1)
2)
3. Halten wir die früheren Voraussetzungen fest und nehmen
wir an, wir wollten hios einen Theil der Farbenperiode beobachten.
Durcii dieProjcctioa der Geschwindigkeit auf O'O
ist die Farbe bestimmt und umgekehrt kennt man
die Farbe, so hat man auch die Geschwindigkeits-
Projeetion; diese ist c
ds
d~f
cos r, worin ds das
Zeit t zählen.
Bogenelement bedeutet. Da nun für den Kreis
^^« , , • . lit .
— = ä: und cos r = sin tp = sm — ist, so hat
dt ^ r
k t
man c = Ä" sin — .
r
In B' hat c als Curve betrachtet einen Wende-
punkt; von dem Augenblicke des durch Beobach-
tung gefundenen Wendepunktes wollen wir die
Wir erhalten unsere Formeln in sehr einfacher
geschlossener Form, wenn wir bei der Zeit t und 2 t beobachten.
. kt „ , . 'i'kt
c =k . sin — ; c = A: . sin —
r r
zk . sin — cos —
und
c" kt k
-— = cos — ; -
Ze r r
~ Are cos I — I;
t y 2( ' )
»Iso: k =
2e'2
V4c'ä — c"2 '
2c' 3^
r =
Vl^c'^ — c"^ Are
{^)
1)
2)
Hat man nun bei Wellenlängen beobachtet, welche von der
mittleren nicht weit abstehe, so hat man k und r "näherungsweise
bestimmt und man kann die Correction wegen der Liehtverzögerung
bei der Bewegung des Sternes anbringen.
über die Äiideriifiif des Tones und der Fiirbe durch C.ewegiing. 559
Der Wefi , dcii (l;i.s Lidit bei der Fortbewej?iing des Sternes
mehr zu diirchliiuCeii liut, ist: s = r (1 — cos ^) = ^ r; und die
V^erzögerung-:
r = — < 1 — cos — > ;
Y [ r)
die walire Zeil t ^= t' — r, wobei t' die beobachtete Zeit bedeutet.
Man iiat nun
r (. kr
t ^ t 1 — cos —
wobei man, um das wahre t zu finden, annäherungsweise ;-, )5-, ^
einsetzt, mit der i-ichtigeren Zeit ^, , t^, h', wiederholt man nun die
Rechnung und bestimmt, wie gewöhnlich, aus linearen GIcirhungen
die Fehler x, p von k, r, indem man die höheren Potenzen ver-
nachlässigt.
II. Auf ähnliche Weise verfährt man, wenn man eine elliptische
Bahn zu bestimmen hat, die sich dem Kreise nähert. Man rechnet
die Elemente für den Kreis und fügt die Correction hinzu.
III. Schwieriger ist die Rechnung bei einem Kegelscluiitte im
Allgemeinen, denn man hat hier mehrere transcendenteGIeicIumgen
mit mehreren Unbekannten. Es bleibt in« diesem Falle nichts übrig
als ein systematisches schnell zum Ziele fiihrendes Tatonnement zu
suchen.
Im Allgemeinen ist es wahrscheinlich, dass wir es bei farbigen
Sternen nicht mit Kegelschnitten zu thun haben, sondern mit anderen
ähnlichen Bahnen, w^eil man der schnellen Bewegung wegen auf den
Widerstand im Äther Rücksicht nehmen muss. Auch kann sich ein
Stern um einen anderen, mit diesem um einen dritten u. s. f. bewe-
gen, wo wir alsdann eine Farbenperiode erhalten werden, welche
wieder mehrere kleinere Perioden enthält.
Nach einer kurzen Überlegung sieht man ein, wie wichtig die
eben eingeführte Anwendung der Dopp I er'schen Theorie ist; derm
dieses Mittel wird zur Erweiterung der Astronomie eben erst da
anwendbar, wo die übrigen aufhören es zu sein. Es werden uns
Gegenden des Himmels aufgeschlossen und unserem Wissen näher
gebracht, von deren Verhalten wir früher keine Ahnung haben
Silil). d. niathem.-niiturw. Cl. XI-I. Bd. Nr. 17. 38
560 Mach IIkt ilic Ärnlcniiio .les Tones iiinl .Icr K;irl)i' ilurcli Bcwo^-iiiicr.
konnten. Werfen wir einen Blick auf den Himmel, so sehen wir
Dinge, die längst nicht mehr so sind, wie sie sich uns darstellen;
wir nehmen nur Ungleichzeiliges wahr. Wird die Anwendung unserer
Theorie durchgeführt sein, so ist uns erst damit die wahre Anord-
nung der im Welträume vertheiiten Körper gegeben.
Zum Schlüsse fühle ich mich noch verpflichtet dem Director des
k. k. physikalischen Institutes, Herrn Regierungsrath Ritter v. E 1 1 i n g s-
hausen, hier meinen Dank für die Unterstützung bei dieser Arbeit
auszusprechen.
SITZUNGSBERICHTE
KAISRKLICHEN AKADEMIE DEK WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XU. BA^D.
^" SITZUNG VOM 5. JULI 1860.
N£ 18.
39
561
XVIH. SITZUNG VOM 5. JULI 1860.
Herr Hofrath Haidinger übersendet eine Mittiieilung über die
Resultate der neueren Untersucbungen der Bestandtheile des Meteor-
steines vom Capland durcbdasc. M. HerrnObermedizinalrath Wohl er,
und über einige Meteoriten, namentlich die von Bokkeveld , New-
Concord, Trenzano, die Meteoreisen von Nebraska, vom Brazos,
von Oregon.
Herr Professor Schäfer in Gratz übersendet eine Abhandlung,
betreffend Beobachtungen über die Arsenikesser in Steiermark.
Herr Director v. Littrow theilt einige Ergebnisse der Rechnung
mit, welche Herr M. Löwy an der hiesigen Sternwarte über die Bahn
des Juni-Kometen 1860 durchgeführt hat, und behält sich vor, die
weiter beabsichtigten Arbeiten des Herrn Löwy über diesen Gegen-
stand seiner Zeit für die Sitzungsberichte vorzulegen.
Herr Professor Brücke übergibt eine vorläufige Mittheilung des
Herrn Prof. Czermak in Pesth: „Über die entoptische Wahrnehmung
der Stäbchen und Zapfenschicht (Membrana Jacobi Retinae)-'.
Herr Professor Petz val theilt ein Schreiben des jüngst ver-
storbenen Professors Anton Müller in Zürich mit, enthaltend die
Principien einer neuen Theorie der algebraischen Flächen von
beliebiger ?^**'■ Ordnung, und liest eine Abhandlung: „Angström's
experimentelle Untersuchungen über das Spectrum des elektrischen
Funkens in Beziehung auf die Farben der Doppelsterne".
Herr Dr. A. Lieben spricht üher eine von ihm im chemischen
Laboratorium des k. k. polytechnischen Institutes durchgeführte
Untersuchung, betreffend die Einwirkung schwacher Affinitäten auf
Aldehyd.
Herr Ferd. Stoliczka überreicht eine Abhandlung; „Über
die Gastropoden und Acephalen der Hierlatz-Schichten".
39**
562
Professor Schrott er macht seine Ansprüche auf die Priorität
hinsichth'ch des von ihm zuerst angegebenen Verfahrens , die Sub-
stanzen organischen Ursprunges der Fiuss- und Brunnenwässer
mittelst übermangansaurem Kali (eigentlich saurem mangansaurem
Kali) zu bestimmen, gegen Herrn E. Monnier geltend. Dieser hat
nämlich der Akademie zu Paris hierüber in der Sitzung am 11. Juni
I. J. eine Mittheilung gemacht, während Prof. Schrötter sein
Verfahren, welches mit dem Monnier's genau übereinstimmt, bereits
in der Sitzung der kais. Akademie am 9. Februar 1859 angab.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Astronomische Nachrichten, Nr. 1265— 1266. Aitona, 1860; 4'>-
Austria. Jahrgang XII. Heft XXVI und XXVIl. Wien, 1860; 8»-
Bau Zeitung, Allgemeine. Jahrgang XXV. Heft 4 sammt Atlas.
Wien, 1860; Fol. und 4o-
Boletin de la Sociedad de Naturalistas Neo-Granadinos. Seite
1 — 10. Prospecto & correspondencia. — Seite 1 — 22.
Memoria. Bogota & Londres, 1860; 8''-
Chemical Society, The quarterly Journal of the. — Vol. XII.
4. January. Nr. XLVIII.— Vol. XIII. 1. April. Nr. XLIX. London,
1860; 8"-
Commission hydrometrique de Lyon. Besume des observations
recueillies en 1859 dans le bassin de la Saone. 16* annee. 8"-
Cosmos, IX* annee. 16* volume, 24* — 25* livr. Paris, 1860; 8»-
Fournet, M., Influences de la structure et du regime pluvial de la
concavite Bourguignonne sur les inondations de Lyon. (Lu
ä l'Academie imperiale de Lyon, dans la seance du 25 janvier
1859.) 8»-
Gö.ttingen, Königl. Gesellscbal't der Wissenschaften. Gelehrte
Anzeigen, 1. II. III. Band auf das Jahr 1859. Nebst Begister; 8»-
— Nachrichten von der Georg-Augusts- Universität und der
Königl. Gesellschaft der Wissenschaften. Vom Jahre 1859.
Nr. 1—20. Nebst Begister; 8o-
Istituto Lombarde di scienze, lettere ed arti. Atti della fondazione
scientilica Cognola nel 1858 & 1859. Vol. II. Parte U. et IH. S»-
— Veneto I. B. di scienze, lettere ed arti. Atti, Tomo V. Serie
terza. Disp. 7. Venezia, 1859 — 60; 8»-
563
J ah rhu eil, Neues, für Pharinacie uiiil verwandte Fächer. Band
XlII. Heft V. Heidelherg, 1860; 8"-
Kolenati, Friedr. A., Genera et species Trichoiiteroruni. Pars
altera. Aequipaljudae cum dispositione systeinalica ornniuin
Phryf^arn'dum. Tahulae chroniolilhographicae V. Mosquae, 1859;
4"'- — Höhenflora des Altvaters. Mit 5 Xylographien. Brunn,
186t»; 8"- (Separat-Ahdruck aus dem 41. Hefte der Verhand-
hnigen der mährisch-.schlesischen Forst-Section.)
— Monographie der europäischen Chiroptern. (Separat-Ahdruck
aus dem .lahreshefte der naturwissenschaftlichen Section der
Iv. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des
Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde für das Jahr 18S9.)
Kopp, Hermann Dr., Cher die Verschiedenheit der Materie vom
Standpunkte des Empirismus. Akademische Festrede. Giessen,
1860; 4-'-
Land- und forstwirthschaftliche Zeitung, Allgemeine. X. Jahrgang,
Nr. 18 — 19. Wien, 1860; 8"-
Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur, 36. Jahres-
bericht für 18Ö8. Breslau; 4o-
Sichel, J. , De la classe des Hymenopteres. (Extrait du nouveau
guide de famateur d'insectes.) Paris, I8J>9; S»- — IHHO-
KPATOrS HEPI Ü^^IOS. — Hippocrate de la vision. (Extrait
du tome IX des oeuvres d' Hippocrate de M. E. Littre.) Paris,
1860; 8"-
Wiener medizinische Wochenschrift. X. Jahrgang. Nr. 25 — 26.
Wien, 1860; 4«-
Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Herausgegeben
von dem naturwissenschaftlichen Vereine für Sachsen und
Thüringen in Halle. Jahrgang 1859. 13. Band, mit 1 Tafel;
14. Band, mit 4 Tafeln. Berlin, 1859; 8«-
S65
ABHANDLUNGEN UND MITTHEIUINGEN.
/. Neuere Untersuchungen über die Bestandtheile des Meteor
Steines vom Capland.
Schreiben des correspondirenden Mitgliedes
Fr. Wo hl er an W. Haidinger,
wirkliches Milglieil der kaiserlichen Akademie der Wisseasehaften.
Mein theuerer Haiding-er !
Ich bin Dir noch einen Bericht schuldig über die neueren Unter-
suchungen, die ich über die Bestandtheile der schwarzen Meteoriten
von Bokkeveld, Caplands, vorgenommen, und zu denen ich die Frag-
mente angewandt habe, die durch Deine gütige Vermiltekuig Herr
Maskelyne aus dem britischen Museum mitzutheilen, die grosse
Gefälligkeit hatte. Diese Untersuchungen haben meine früheren
Beobachtungen!) vollkommen bestätigt, allein obgleich die ange-
wandte Menge Materials viel grösser war, als die, welche mir früher
zu Gebote stand, so war sie doch nicht hinreichend, um die Natur
der in den Stein enthaltenen organischen Verbindung, die nur in sehr
kleiner Menge vorhanden ist, genau ausmitteln zu können. Ich will
meine Beobachtungen in der Kürze zusammenfassen.
1. Der Bokkeveld-Meteorit ist, ähnlich dem von Kaba in Ungarn
(gefallen am 15. April 1857) schwarz gefärbt durch amorphe Kohle,
von der er zwei Procent seines Gewichtes enthält.
*) Sitziinprsherichte d. mathem.-natiirw, Classe der kaiserl. Akadeniio d. Wisseiisch.
in Wien. Bd. XXXV, p. 5, 18Ö9.
ti66 H a i H i n g' e !•. Fr. Wühler. Neuere Untersuchung en iil)er
2. Er enthalt gleich dem Kaba-Steiii, in sehr kleiner, aber
sicher nachweisbaren Menge eine organische Substanz, die sich wie
mineralisches Bitumen (Erdpech) verhält und aus einem flüssigen und
einem festen Körper zu bestehen scheint. Sie lässt sich aus dem
Stein mit absolutem Alkohol ausziehen '). Beim Erhitzen zersetzt sie
sich unter Abscheidung schwarzer Kohle und unter Bildung eines
Öles von stark bituminösem Geruch. Derselbe Geruch kommt zum
Vorschein, wenn der Stein für sich in einem Rolir erhitzt wird. Nach
unseren gegenwärtigen Kenntnissen kann diese organische Substanz
nur aus organisirten Körpern entstanden sein.
3. Der Stein enthält eine kleine Menge feinen Schwefel, der
mit dem Bitumen durch den Alkohol ausgezogen wird.
4. Der Stein enthält ausserdem 3 Procente, wahrscheinlich an
Eisen und Nickel gebundenen Schwefel. Diese Verbindung kann
nicht wie in anderen Meteoriten Einfach-Schwefeleisen oder Magnet-
kies sein, denn dieser Meteorit entwickelt mit Salzsäure keine Spur
Schwefelwasserstoff"gas , und sie kann nicht Zweifach-Schwefeleisen
(Schwefelkies) sein, denn der Stein gibt beim Erhitzen in einer
Röhre bis zum Glühen keine Spur Schwefel. Wird er aber an der
Luft erhitzt, so bildet sich eine grosse Menge durch den Geruch
wahrnehmbarer schwefliger Säure. Er brennt sich dabei hellbraun
von entstandenem Eisenoxyd und enthält dann in ansehnlicher Menge
mit Wasser ausziehbare schwefelsaure Magnesia,
5. Der Stein enthält 2-5 Procent metallisches Eisen und 1 Pro-
cent Nickel, dabei Spuren von Kupfer und von Phosphor.
6. Er enthält etwas über 1 Procent Chrom-Eisenstein.
7. Sein Hauptbestandtheil ist das in den Meteoriten so gewöhn-
lich vorkommende durch Säuren zersetzbare Magnesia-Eisenoxydul-
Silicat, zusammengesetzt nach der Formel des Olivins = 3 (MgO,
FeO), SiO».
8. Er enthält nur zwischen 4 und ü Procent durch Säuren
nicht zersetzbare Silicate, wahrscheinlich bestehend aus einem Feld-
spath und einem Augit, deren Bestandtheile in diesem unlöslichen
Silicat nachgewiesen worden sind.
9. Der Stein enthält gegenwärtig, seihst nachdem er bei 120"C.
getrocknet worden ist, lOS Procent Wasser, welches sonderbarer
') Der liiezu anjjewendete war inil grösster Sorgfalt vollkoinnien rein dargestellt.
(iic BesImiiUlu-ilc des Meteocstcines vorn r;i|)liiii(1. 567
Weise erst bei 160" wegzugehen anfängt und erst bei Glühhitze
ganz weggeht. Schon Faraday hatte 1839, also kurz nach dem Fall,
gefunden, dass dieser Meteorit 65 Procent Wasser enthält. Ich war
anfangs geneigt, anzunehmen, dass dieses Wasser mit dem Magnesia-
Silicat zu einem serpentinartigen Minerale chemiscli verbunden sei,
da es erst in so hoher Temperatur entweicht, allein in Betracht der
lockeren, porösen Beschallenheit des Steines und seines Gehaltes an
Kohle, halte ich es für wahrscheinlich, dass er es später, nachdem
er auf die Firde niedergefallen war, aufgenommen habe, dass es also
blos hygroskopisches Wasser ist. Unterwirft man ihn der trockenen
Destillation, so geht dieses Wasser, stark bituminös riechend und
milchig von einem Öle über und enthält so viel kohlensaures Ammo-
niak, dass es alkalisch reagirt und mit Salzsäure braust und dass ich
Salmiak daraus darstellen konnte. Auch von dem Ammoniak ist
anzunehmen, dass es der Stein, ähnlich demThon, erst später aus der
Atmosphäre aufgenommen habe. Jedenfalls aber wird es von dem
grössten Interesse sein, wenn wieder ein ähnlicher, durch Kohle
schwarz gefärbter Meteorit fällt, ihn gleich nach dem Fall nicht
allein auf das Dasein eines organischen Körpers , sondern auch auf
einen Gehalt an Wasser und Ammoniak zu untersuchen. Dass Meteo-
riten eine durch Wärme zersetzbare Verbindung und chemisch
gebundenes Wasser enthalten könnten, damit steht das Feuerphäno-
men bei dem Fall und ihre geschmolzene Rinde in keinem Wider-
spruch, wenn man als sehr wahrscheinlich annimmt, dass diese Kör-
per nur ganz momentan einer ausserordentlich hohen Temperatur
ausgesetzt gewesen sind, die nur die Oberfläche zu schmelzen, nicht
aber die ganze Masse zu durchdringen vermochte.
Göttingen, 26. Juni 1860.
«ßQ H a i d i n g e r.
//. Einifje neuere Ndc/nir/iten über 3feteoriten, namentlich die
von ßokkeveld, New-Concord, Trenzano , die Meteor eisen
von Nebraska, vom Brazos, von Oregon.
Von dem w. M. W. Haidioger.
Ich darf das vorhergehende Schreiben meines hochverehrten
Freundes nicht vorlegen, ohne zugleich in Gemeinschaft mit ihm
den Ausdruck verbindlichsten Dankes der zuvorkommenden Güte des
Curators der mineralogischen Abtiieilung des britischen Museums
Herrn Nevil Story Maskelyne darzubringen, so wie denTrustee's
desselben, welche freundhchst ihre Zustimmung gaben. Auf meine
Bitte hatte ich nämlich aus dieser Quelle gegen zwei Loth der Stein-
bruchstücke aus dem am 13. October 1838 stattgefundenen Falle
erhalten, die ich sämmtlich an Freund Wohl er schickte, später
auch noch ein l'/s Loth schweres Bruchstück, das Herr Dr. F.
v. Hochstetter von der „Novara-Expedition" mit zurückgebracht,
welches ihm von Herrn Med. Dr. Versfeld in Stellenbosch mit-
getheilt worden war.
Unser hochverehrtes correspondirendes Mitglied gibt mir noch
fernere Nachricht über die so eben neu zusammengestellte Meteo-
riten-Sammlung der k. Universität zu Göttingen, welche in ihrer
gegenwärtigen Ausdehnung mit unter die Sammlungen ersten Ran-
ges in dieser Abtheilung von Naturproducten tritt. Der verewigte
Hausmann hatte durch lange Jahre sorgsam gesammelt. Wo hl er
seinerseits hatte in erfolgreichster Weise allmählich eine nahe eben
so umfassende Privatsammlung zusammengebracht. Er bat diese
letztere nun gleichfalls an die Universität geschenkt und es ist die
Einrichtung getroffen worden, dass diese vereinigte Sammlung fort-
während unter Wöhler's specieller Aufsicht und Verwahrung steht.
Hausmann's Nachfolger, unser hochverehrter Freund, Freiherr
Sartorius v. Waltershausen ist mit dem Ordnen der übrigen
Mineraliensammlungen beschäftigt. Die Meteoritensammlung wird
von Wohl er in dem schönen neuen chemischen Laboratorium auf-
Einige iiPiieri' N'iichriclileii iilier Mck'üriteii. 569
gestellt. Einstweilen hatte Wöhler alle einzelnen Meteoriten unter-
sucht, jedes Stück genau bezeichnet untl mit Zetteln versehen, ein
Verzeichniss gemacht und eine Abschritt in den Universitäts-Acten
in Hannover niedergelegt. Bei seinen vielen eigenen Forschungen
konnte er auch mit Erfolg die Wichtigkeit dieser, wenn auch an und
für sieh wenig voluminösen Sammlung hervorheben. Sie enthält in
diesem Augenblicke 218 Exemplare von 93 Localitäten — Fällen
und Fundstätten — manche freilich nur durch kleine Stückchen
repräsentirt, aber doch auch sehr ansehnliche, wie bei TAigie
eines von 230 Grm. i), Bremervörde 2755 Grm., Chateau Renard
324 Grm., Chantonmiy 201 Grm., Ensisheim 106 Grm., Erxleben
295 Grm., Hainholz 134 Grm., Juvenas 151 Grm., San Jose, Costa
Rica 475 Gim., Limerick 105 Grm., Mauerkirchen 1927 Grm.,
Geschenk Seiner Majestät des Königs Ludwig von Bayern,
Stannern 249 Grm., Wold Cottaget 130 Grm.; ferner an Meteor-
eisen Arva 425 Grm., Atacama 140 Grm., Bemdegö 257 Grm.,
Braunau 108 Grm., Toliica 2025, 1745 und andere, Krasnojarsk
223 Grm., Pittsburg 104 Grm., nebst anderen, und Wöhler ver-
mehrt sie noch auf das Eifrigste. Die Anzahl der von ihm geschenk-
ten Steine betrug gerade die Hälfte der nun gebildeten Sammlung.
Mit einem Worte darf ich wohl auch hier des gewaltigen
Meteoritenfalies vom 1. Mai d. J. um 12 Uhr 46 Minuten von New-
Concord in Ohio gedenken — über welchen ich aus einer Mitthei-
luiig von Herrn Professor Silliman d. J. in New-Haven in dem
Abendblatt.e der Wiener Zeitung vom 16. Juni Nachricht gab —
mehr als dreissig Steine, mehrere 40 — 60 Pfund, einer derselben
sogar 103 Pfund, im Ganzen wohl 700 Pfund. Von diesem Falle ist
wohl gewiss auch für unsere Sammlungen gesorgt, da nebst den unmit-
telbaren Nachfragen auch Herr Professor Shepard, der grosse
Meteoritenforscher und -Sammler in Amerika, der bereits drei
grosse Steine erwarb, uns in dem gegenwärtigen Sommer einen
Besuch in Europa zugedacht hat.
Von einem andern Meteoritenfall bei Trenzano unweit Bres-
cia, am 12. November 1856 von drei ansehnlichen Steinen, von
welchem zwei, der grössere im Gewichte von 17 Pfund aufgefunden
worden, erwarte ich demnächst die Ankunft eines Bruchstückes,
ij Kill Wiener l'luiid = öüüOl'i üiiii., 1 l.olli = 17 ö üiin.
570 Ilai-linser.
durcli die freundliche Gewogenheit des Herrn Antonio Ventiiri in
Brescia, an welchen ich mich gewendet hatte, veranlasst durch den
Bericht unseres hochverehrten Freundes und Gönners Herrn Dr.
Giulio Curioni, Vice -Präsidenten des königlichen loinhardischen
Institutes, in der Sitzung am 24. Juni 18S9<). Es ist gewiss ein
wohlthuendes Gefühl die freundliche Gestaltung wissenschaftlicher
Interessen inmitten so mancher nachtheiiiger Einflüsse [)olitischer
Umstürze zu sehen, und ich fiihle mich Herrn Venturi vielfach für
sein freundliches Wohlwollen zu Danke verpflichtet. Der Stein war
am 26. Juni von Brescia abgegangen ~).
1) Atti del R. Istituto Loml.imio, Vol. I, p. S.!?, 1860.
'~) Die Ankunft des Steines hat seitdem stattgefunden und derselbe ist auch bereits an
den üireetor des k. k. Uof-Mineralien-Cabinets Herrn Dr. M. Hö r n e s übergeluMi
worden. Herr Venturi fügte dein grösseren Steine von i^/g Loth noch ein kleine-
res Stückchen von ^/.^ I^oth bei, nebst der Zeichnung der (jriindtläche des Steines,
unregelinässig rundlich im Durchmesser von ßi/g g'egen 6^/^ Zoll (18 gegen 19
Centimetres). In seinem freundlichen Begleitschreiben hebt Herr Ve n t u ri beson-
ders den Unterschied der Dicke der Uinde hervor, an dem grösseren Stücke und an
dem kleineren, welche letztere nnr etwa die Hälfte der Dicke besitzt, welche die
Hinde des ersteren zeigt. Aber das freundlichst übersandte grössere Stück zeigt
noch eine besonders charakteristische Stelle von der Art derjenigen, deren ich in
meiner Mittheilung über „eine Leitforin der Meteoriten" am 19. April d. ,1. gedachte,
ein fehlender Tlieil in der Hinde des Meteoriten selbst, ühnlich den abgebildeten
von tiross - Divina und den besi-hriebenen von PAigle (Sitzungsberichte 1860,
Band XI , Seite U36) wird durch eine Vertiefung angedeutet. Diese Erscheinung
ist deutlich durch das Abspringen eines Tbeiles der Rinde herbeigeführt. Aber die
Vertiefung zeigt doch auch nicht das Innere des Steines, sondern dieses ist wieder
wenn auch nur ganz fein und oberllächlich übenindel. Nur wiiiirend des k osm i-
schen Theiles der Bahn des Meteoriten kann, sei es die Haupt-Überrindung, sei
es diese spatere theilweise Bildung einer zweiten Rinde , stattfinden. Ereignisse
dieser Art, der Lostrennung von Theilchen können uns wohl als „Kuiikensprühen"
erscheinen. Bei dem Eintritte in die tellurische Abtheilung der Bahn des Meteo-
riten, dem eigentlichen Falle, erlischt die Lichterscheinung, also auch gewiss das
fernere Abschmelzen der überlläche. Die Bildung einer zweiten Rinde ist wohl
mit hinliinglicher Sicherheit auf den letzten Theil des kosmischen Theiles der
Bahn des .Meteoriten in der Zeit orientirt. Eine Veranlassung zu dem Abspringen
von Rindentheilchen liegt wohl nicht zu sehr entfernt, wenn man die plötzliche
Hitze mit dem Zustünde tiefer Kiiltegiade vergleicht, mit welchen die Meteoriten
in die Atmosphäre eintretend angenommen werden müssen.
Herr Venturi erwähnt noch, dass jener grössere Meteorit bei seinem Herab-
fallen wohl 18 — 20 Pfund schwer gewesen sein dürfte , da er sogleich von den
Findern beschädigt worden war. In Bezug auf den Charakter des Steines selbst,
möchte ich nur noch im Vorübergehen erwähnen, dass er zu der dunklen, grauen
Art mit Eisen gehört, und ganz aus runden Körnern zusammengesetzt erscheint, und
namentlich mit dem in der nächsten Sitzung am 19. ,luli näher vorgenommenen Meteo-
riten des Herrn Thomas Oldham von Pegu eine täuächende Ähnlichkeit besitzt.
Einige neuere Naciirich(en liher Meteoriten. 571
Über mehrere in Nord- Ainerika aufgefundene Meteoreisen-
niassen schreibt Herr Nathaniel Holmes, Seeretär der Academy of
sience zu St, Louis, Missouri. Herr Chouteau hatte 20 englische
Meilen von Fort Pierre in Nebraska eine Eiseiiniasse von 30 '/j Pfund
(ursprünglich 35 Pfund) aufgefunden und an die Akademie geschenkt.
Die Akademie sandte nun auf meine Bitte einen Abschnitt von der-
selben für das k.k.Hof-Mineralien-Cabinet ein, im Gewicht von 1 Pfund
1 8 '/a Loth. Herrn Professor L i 1 1 o n 's Analyse und Beschreibung wird
im 4. Hefte des ersten Bandes der „Transactions u.s.w." erscheinen.
Bereits ist auch dieses Stück am o. Juni von Washington aus,
durch Sendung der Smithsonian Institution an uns abgegangen. Fort
Pierre liegt unter 44» 41' n. Br. und 100" 13' vv. L. von Greenwich.
Das Stück war im Frühjahre 1858 auf einem Dampfer der amerika-
nischen Pelzhandels - Gesellschaft auf dem Missouri hergebracht
worden. Es ist so wenig auf der Oberfläche angegriften , dass es
wohl nur wenige, vielleicht nicht fünf Jahre, nach Prof. Shepard's
Schätzung unserer Erde angehört haben kann. Bei dem Durchsägen
entwickelte sich nach der Angabe des Maschinisten ein ganz eigen-
thümlicher, fast kampferartiger Geruch.
Herr Holmes gibt auch nähere Nachrichten über die grosse
Meteoreisenmasse von Texas, nach einer ebenfalls im 4. Hefte der
„Transactions of the Academy of Science of St. Louis" demnächst
erschienenen Abhandlung von Herrn Dr. ß. F. Shumard, gegen-
wärtig Geologen des Staates Texas , wo das Meteoreisen in der
Hauptstadt Austin, seinem Sitze aufbcAvahrt wird. Es wiegt 320 Pfund
(einige 3 — 4 Pfund waren davon abgesägt worden) und wurde von
dem verewigten Major R. S. Neighbors, Agenten der Vereinigten
Staaten für die Indianer, im Mai 1836 erworben, von der Ostseite
des Brazos-Flusses in Texas, Breite 34", Länge 100^ und nach San
Antonio gebracht. Von dort kam es im Sommer 1859 in das geologische
Museum des Staates Texas nach Austin. Die Indianer, Comanchen, be-
trachteten es in abergläubischer Weise als ein grosses Heilmittel und
berichteten, dass es schon von den Spaniern aufgefunden war aber nicht
weggebracht werden konnte. S h u in a r d beschreibt es als länglich eiför-
mig und zusammengedrückt, mit unregelmässigen, glatten, seichten Ver-
tiefungen, der grössteTheil der Oberfläche sieht wie ölig aus, hin und
wieder ist eine dünne Rinde von Eisenoxyd. Eisen zäh und hämmerbar.
Analyse von Prof. W. P. R i d d e II , Chemiker des „ Geological Survey
^2 Haiding-er. Einige neuere Naclirii'iiten iil»er Meteoriten.
Nickel i0007
Eisen 89-993
Kobalt Spur
lOüOOO
Eine zweite Meteoreisenmasse in dem Staatsmuseum in Austin,
wohin sie durch Dr. Geo. G. Shumard von der geologischen Auf-
nahme von Texas gebracht wurde, wiegt gegenwärtig noch 12 Pfund
11 F^oth. Sie kam 40 Pfund schwer, zuerst in die Hand eines
Schmiedes in der Stadt Mackinney in Collier County, der sie theil-
weise zu Stockknöpfen und anderen Artikeln verarbeitete ; gefunden
war sie in Denton County im Staate Texas, Specifisches Gewicht
nach Prof. Riddell = 7-6098, die Bestandtheile:
Eisen 94-02
Nickel t»-43
Kobalt Spur
ünlöslicbes 33
Auch über den New-Concord -Meteoritenfall theilt N. Holmes
Mehreres mit. Der Steinschauer verbreitete sich über die Graf-
schaften Muskingum und Guernsey in Ost-Ohio, etwa in 40» tO'
u. Br. und 81» 30' w. L. Man hielt es Anfangs für ein Erdbeben,
besonders in Cambridge, Barnesvilie, Claysville und Concord. Der
Schauer fiel in einer schiefen Richtung gegen Südwest herab.
Vier grosse Stücke fielen nahe der Ohio -Centraleisenbahn , nahe
bei Concord und drangen zwei Fuss tief in die Erde ein. Grössere
Mengen Steine fielen bei Claysville, südöstlich von Cambridge. Die
Steine sind eckig, inwendig lichtgrau, äusserlich dunkel metall-
ähnlich, sehr dicht und schwer. Mehrere derselben sind auch nach
Washington gesandt worden.
Ferner gibt er noch Nachriclit über die grosse von Dr. John
Evans auf einer der letzten Expeditionen im südwestlichen Theile
von Oregon aufgefundenen Meteoreisenmasse, die zum Theile in der
Erde steckt und grösser ist als die sibirische Pallas-Eisenmasse. Sie
liegt auf den Rogue-l{iver-Bergen, nicht sehr weit von Port Orford
am grossen Ocean, etwa in 42« 35' n. B. und 123<* bis 124' w. L.
Ein von Dr. Evans mitgebrachter Abschnitt enthielt nach Dr. C. T.
.lackson in Boston, tO Procent Nickel. Es ist im Werke, dass diese
Masse geborgen und in das Museum der „Smithsonian" Institution in
Washington gebracht werden soll.
Schäfer. Die Arsenikesser in Steiermark. «573
Die A r ae n i k e s s e r in St e i e r m u v k.
Beobachtungen zusaniiiiengestfllt vuii
Dr. Eduard Schäfer,
k. k. Professor an der niediz. -Chirurg. Li-liraiislalt zu Grafz.
Dass es in Steiermark Leute gibt, die Arsenik essen , war vielen
Ärzten hier zu Lande schon lange bekannt, wurde von Männern der
Wissenschaft, welche die Obersteiermark besuchten, ebenfalls
erwähnt, von Anderen aber wieder geleugnet und dabei besonders
hervorgehoben , dass dergleichen Individuen eine weisse Substanz
geniessen, die jedoch nichts Anderes als Kreide wäre, um ihrer
Umgebung den Schein zu bewahren, dass der Genuss des Arseniks
sie vor allen Krankheiten schütze, und um durch diese Täuschung
ihren anderweitigen Arzneihandel, den sie als Kurpfuscher treiben,
zu begünstigen.
Gerüchte, Thatsachen in dieser Beziehung mussten ohne Bedeu-
tung bleiben, so lange nicht der Beweis durch die chemische Unter-
suchung eines Secretes von einem vermeintlichen Giftesser her-
gestellt werden konnte.
Einen solchen Beweis lieferten wir unter Anderem im Julihefte
1857 der Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenschaftlichen
Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften , Band XXV,
Seite 489; der dort erwähnte und untersuchte Harn eines Gebirgs-
trägers enthielt deutlich Arsen.
Diese veröffentlichte Thatsache musste vieles Interesse erregen,
und, obwohl dieselbe als chemische Beobachtung vereinzelt dastand,
die damals noch sparsam bekannten ärztlichen Beobachtungen
bestätigen.
Geleitet durch die Wichtigkeit, welche dieser Gegenstand in
gerichtlicher Beziehung hat, veranlasste der k. k. Landes-Medizinal-
rath Herr Dr. Julius Edler von Vest ein Rundschreiben an die
574 Schäfer.
meisten Ärzte, ilire Erfahriiiigeii diesfalls mitzutheilen. Es liefen
17 Berichte aus allen Gegenden von Steiermark ein, von welchen die
aus dem nördlichen und nordwestlichen Theile von grossem Inter-
esse sind ').
Der Raum dieser Blätter erlaubt es nicht , die detaillirten ärzt-
lichen Erfahrungen mitzutheilen und wir wollen daher nur, aus dem
Ganzen Folgendes wiedergeben.
Verbreitung der Ärsenikesser.
Der nördliche und nordwestliche Theil des Landes ist der Sitz
der Arsenikesser; so zählt z. B. der Bezirk Hartberg 40, der Bezirk
Lamprecht, Leoben, Oberzeiriiig viele Arsenikesser; vereinzelte
Beobachtungen liegen von anderen Bezirken vor. Der Süden von
Steiermark ist frei davon, nur in der Gegend von Pettau werden
wieder Arsenikesser namhaft gemacht.
Form und Dosis des Arsenikgenusses.
Vor allem wird der weisse Arsenik genossen, auch der gelbe
käufliche, und der in der Natur als Auripigment vorkommende gelbe
Arsenik.
Arsenikesser beginnen mit der Dosis von der Grösse eines
Hirsekorns und steigen nach und nacb bis zu Dosen von der Grösse
einer Erbse ; von Ärzten gewogene Mengen, welche vor ihren Augen
verzehrt wurden, sind 2, 4 i/o, oi/a Grane arseniger Säure!
Diese allgemein sowie genau bezeichneten Mengen nehmen sie
entweder täglich oder jeden zweiten Tag, oder ein bis zweimal in
der Woche; im Bezirke Hartberg herrscht folgende Sitte: „Zur Zeit
des Neumondes wird mit dem Genüsse des Arseniks ausgesetzt, im
zunehmenden Monde mit der relativ kleinsten Gabe angefangen und
bis zur Zeit des Vollmondes gestiegen, vom Tage des Vollmondes an
wird die Gabe vermindert, und dabei in .steigender Dosis von Tag zu
Tag Aloe genommen, bis starke Diarrhoe erfolgt."
Gleich nach dem Genüsse enthält man sich des Trinkens; so
wie einige Arsenikesser Mehlspeisen dem Fleischgenusse vorziehen.
') NN'erthvolle Aufzeiclimiiigen liegen unter Aiuleren vor von ileii Herren Doctorea
Schidler in Lampreclit . H oll er in Hartherg , Kropseh in Leoben und
Knappe in Oberzeiring.
Die Arseiiikesser in Sleieinirtrk. 573
hüten sich Andere vor dem Fetlgenusse; der grössere Tlieil aher
verträgt alle Speisen und ist dem Genüsse geistiger Getränke sehr
ergeben. Die älteren, d. h. länger dem Genüsse des Arseniks erge-
benen Individuen emplinden bald nach der Einnahme eine angenelime
Wärme im Magen , erbrechen sich auch hei grösseren Dosen nicht
und empfinden höchstens bei übermässigem Genüsse eine Ein-
genommenheit des Kopfes.
Stand, Geschlecht und Alter.
Arsenikesser sind in der Regel starke, gesunde Leute, zumeist
der niederen Yolksciasse angehörig — Holzknechte, Pferdeknechte,
Schwärzer, Waldhüter. —
Obwohl das weibliche Geschlecht dem Arsenikgenusse nicht
abhold ist, so gehört doch die grösste Zahl der Arsenikesser dem
männlichen Geschlechte an, sie verfallen schon oft im frühen Alter
(18. Jahr) in diese Gewohnheitssünde um! werden dabei alte Leute
(TG Jahre); dabei sind sie muthig und rautlustig — und von regem
Geschlechtstriebe ; letzteres ist in mehreren Berichten als ein Merk-
mal des Arsenikgenusses angeführt.
Veranlassung zum Arsenikessen ist der Wunsch „gesund
und stark zu bleiben" und sich dadurch vor Krankheiten jeder Art
zu scliützen; selten wird der Arsenikgenuss bei schon Kränkelnden
begonnen , obwohl (von einer Seite bestritten) er auch gegen
Schwerathmigkeit gebraucht wird.
Gewöhnlich bleibt der Arsenikesser auch bei längerem Genüsse
(20 — 30 Jahre) gesund , fühlt bei geringeren Dosen und zeitwei-
ligem Aussetzen des Giftes eine Schwäche des ganzen Körpers, die
denselben zu erneutem Genüsse anspoint.
Obwohl die unverwüstliche, durch die härtesten Lebenseinflüsse
gestählte Gesundheit unserer Älpler einen Panzer gegen den Arsenik
bildet, und der langsame und mit kleinen Dosen beginnende, nach
und nach steigende Genuss den Organismus zur Aufnahme grösserer
Mengen vorbereitet findet, so enden doch gewiss viele Arsenikesser
mit einem Siechthume ihres sonst unverwüstlichen Körpers. —
Der Grund, warum der Genuss des Arseniks eine so grosse
Verbreitung hat, dürfte darin zu suchen sein, weil dessen Anwendung
und anscheinende günstige Wirkung bei Pferden, die schon langeher
bekannt ist, auch den Mensciien dazu verlockte.
Silzb. d. mathem.-naturw, Cl. XLI. Bd. >'r. 18. 4ü
376 Schäfer.
Nach Scliilderung (lieser iiitoressiiiileii und genau dncuniontirten
Erhebungen gehen wir zur Analyse des Harns eines Arsenikessers
über, welcher uns durch die gütige Verwendung des Herrn Dr.
Knappe aus Oberzeiring zukam. Derselbe sammelte den Harn sorg-
fältig und überschickte denselben in Fläschchen , versiegelt und
wohl verpackt ein.
Die Angabe über diesen Arsenikesser sind folgende: „Johann
W r, 30 Jahre alt, klein, kräftig gebaut, die Musculatur
stark entwickelt, seines Erwerbes ein Holzknecht, war stets gesund.
Derselbe isst Arsenik seit 12 Jahren; anfangs nahm er ganz kleine
Körnchen, später wöchentlich zweimal grössere Stückchen; in den
ersten Wochen fühlte er eine grosse Schwäche, welche sich aber
immer nach einer neuen Einnahme wieder verlor; dabei habe er
nitjmals ein Brennen im Halse oder dem Magen verspürt? Nur ein-
mal als er nachGenuss eines grösseren Quantums geistiger Getränke,
um sich angeblich das Unwohlsein zu vertreiben, ein ungefähr Feld-
bohnen grosses Stück weissen Arsenik (!) genommen habe, fühlte er
grosse Eingenommenheit des Kopfes.
Die Beobachtung begann am 21. Februar d. J. An diesem Tage
will er bereits ein Stückchen weissen Arsenik eingenommen haben;
am 22. Februar nahm er ein Stückchen weissen Arsenik , es wog
4'/3 Grane, zerknirschte es mit den Zähnen und verzehrte es in
Gegenwart des Herrn Dr. Knappe; ebenso am 23. Februar ein
Stückchen, es wog ö'/o Grane. Er ass während dieser Zeit mit Appe-
tit die ihm vorgesetzten Speisen, trank viel geistige Getränke, und
entfernte sich ganz wohl am 24. Februar; er gestand, dass er
drei- bis viermal in der Woche die oben bezeichneten Mengen
zu sich nehme.
Analyse des Harns.
Vom 21. Februar. Die überschiekte Menge betrug 460 C. Cm.,
es war blos ein Theil der täglichen Harnmenge. Nachdem derselbe
im Wasserbade ein wenig eingedampft war, wurden die organischen
Substanzen desselben mit Salzsäure und chlorsaurem Kali zerstört;
nach dem Erkalten und Filtriren wurde durch 18 Stunden in die auf
TOoCels. erwärmte Flüssigkeit gewaschenes SchwefelwasserstutTgas
eingeleitet, und nach längerem Stehen die früher kalt mit Schwe-
felwasserstoffgas gesättigte Flüssigkeit durch Filtriren von dem
Die Ar.senikesser in Steiermark. 577
entslaiideiieii Niederschlage getrennt , dcrsellte dmiii mit Schwefel-
wasserstoffwasser ausgewaschen und am Filter mit Ammoniak
digerirt; das gelöste \\iirde ifii VVasserbade abgeraucht, der Rück-
stand mit Salpetersäure durch zwei Stunden oxydirt, und nach dem
Abrauchen derselben, mit Schwefelsäue bis auf 150" Cels. erwärmt;
nach dem Erkalten wurde mit Wasser verdünnt und die ausge-
schiedenen organischen Substanzen durch Filtriren getrennt.
Diese Lösung wurde, nachdem sie mit Ammoniak früher alkalisirt
wurde, mit einer ammoniakhaltigen Bittersalzlösung, der nur soviel
Salmiak zugesetzt war, als zur Lösung der gefällten Magnesia noth-
wendig war, versetzt, und die wenigen nach 72 Stunden an den
Wandungen des Glases sich absetzenden Krystalle nach dem Abfil-
triren der Flüssigkeit am Filter in verdünnter Schwefelsäure gelöst,
und die Lösung in einen, durch eine halbe Stunde arsenfreies Wasser-
stotfgas entwickelnden Marshischen Apparat geschüttet; nach län-
gerem Glühen des entweichenden Gases koimte blos ein kleiner
brauner Anflug hinter der geglühten Stelle erhalten werden, welcher
jedoch in einem langsamen Strome von Schwefelwasserstoffgas ge-
linde erwärmt, citronengelb wurde; dieser citronengelbe Anflug ver-
flüchtigte sich in einem Strome von salzsaurem Gase nicht.
Wir führen diese bekannte Methode, weil es sich um einen so
wichtigen Gegenstand handelt, ausführlich an, um uns auch bei den
folgenden Untersuchungen darauf zu beziehen.
Die überschickte Harnmenge des 22. Februar betrug 62oC. Cm. ;
sie lieferte bei der quantitativen Bestimmung (wie oben) nur Spuren
von arsensaurer Bittererde Ammoniumoxyd; daraus bildete sieh im
Marshischen Apparate ein exquisiter Arsenspiegel.
Unter sucliung desselben.
Er wurde in drei Theile getheilt: ein Theil verflüchtigte sich
leicht mit weissen Dämpfen, die nach Knoblauch rochen; der zweite
Theil wurde im Schwefelwasserstoflstrome bei Erwärmung desselben
citronengelb und verflüchtigte sich in einem Strome von salzsaurem
Gase nicht; der dritte Theil wurde in einem Tropfen Salpetersäure
von 1-3 specifischem Gewichte gelöst, zur Lösung ein Tropfen Sal-
petersäure Silbernxydlösnng hinzugelassen, und mit eiuL-m Glasstabe
Ammoniakflüssigkeit hinzugefupff , es enfslami dabei eine gelbe
Trübung.
40»
578 Schafe r.
Der Urin des 23. Februar wiril In einem Fläschchen versiegelt
aufbewahrt, um allenfällige Zweifel über diesen Gegenstand durch
ein vorhandenes Object auszugleichen.
Urine von anderen Arsenikessern konnten ungeachtet der Mühe,
die man dem Gegenstande schenkte, nicht übermittelt werden, weil
der wirkliche Arsenikesser den Genuss verheimlicht und sich dess-
halb nicht kennzeichnen will.
Obwold beiläufig nur ein Drittheil einer Tiigesharnmenge der
Untersuchung zu Gebote stand, so sieben doch die gefundenen
Spuren des Arseniks im Harne mit dessen Einnahme nicht im Einklänge.
Wenn man jedoch die schwere Löslichkeit der arsenigen Säure so
wie die langsame Ausscheidung derselben nach erfolgter Resorption
berücksichtigt und bedenkt, dass der grössere Theil durch den Stuhl-
gang entleert werden dürfte, so sind die gefundenen Spuren des
Arseniks im Harne leicht begreitlich.
Auch bestätigen die nachfolgenden Analysen des Blutes sowie
der Se- und Excrete eines Pferdes die Richtigkeit des vorste-
henden.
Zu den unfreiwilligen Arsenikessern in Steiermark gehören
noch die nutzbaren Hausthiere. Über das Arsenikfüttern bei Pferden
beklagen sich viele Landwirthe, köinien jedoch ihren Bediensteten
desshalb nicht auf die Spur kommen, weil dieselben heimlich Arsenik
dem Futter einstreuen.
Da in den Berichten grosse Gaben benannt werden , welche
dem Pferdefutter einverleibt werden, so war es wichtig, darüber ge-
naue, mit den Analysen der Se- und Excrete in Verbindung stehende
Beobachtungen anzustellen; dazu diente ein vierjähriges Pferd von
der st. st. Thierheilanstalt, welches wegen ausgebraiteten Speichel-
fisteln unheilbar, und desshalb zur Vertilgung bestin)mt war.
Der provisorische Director dieser Anstalt, Herr Landesthierarzt
Dr. Ritter von Koch war so gefällig, die Versuche anzustellen und
seine Beobachtungen darüber mir mitzutheilen.
Das Pferd erhielt in dem Zeitraunie von 23 Tagen in steigender
Gabe, die mit ö Gran am ersten Tage begoiuien und mit 100 Gran
am letzten Tage endete — ö5ö Grane arseniger Säure.
In den ersten zwei Dritlheilen der Beobachtimgszeit liess sich
ausser einer aulTallenden Munterkeit, die sich bis zur Aufgeregtheit
steigerte, an dernThiere nichts weiteres beobachten; an dem Drüsen-
Die Ars«'iiiki'sser in Stf iunniuk. h70
leiden war keine Iteinei'klnti'e Verätideniiii;; iini Scliliisse des zweiten
Drittheils der Fk'ubachtiinjyszeit entstand Diarrhöe (das Thier litt
übrigens schon vor dem Gebrauche des Arsetiiks an Darinkatarrh) ;
es wurde desshalb durch drei Tage der Arsenik ausgesetzt. — An
den kranken Drüsen entstanden neue Geschwürbildungen.
In den letzten drei Tagen der Beobachtungszeit wurden dem
Thiere 50, ()(►, 100, Grane arseniger Säure vollsfäudig einverleibt;
es zeigte sich bei diesen grossen Dosen keine aulVallende Erscheinung
— zwölf bis t'üntzebn Athemzüge fünfzig bis sechzig Pulsschläge in
der Minute — es harnte öfters und sparsam.
An dem letzten Beobachtungstage Avurden die Excremente, der
Harn, der Speichel, der während einer Fütterung aus den Fisteln
sich entleerte, sowie das durcli einen Aderlass gewonnene Blut gesam-
melt und diese Objecte, wie folgt, einer chemischen Analyse unter-
zogen.
Die Untersuchungsmethode war die oben angeführte. Die Ana-
lysen lieferten folgende Besultate:
1. In 53 C. Cm. Speichel war nur eine Spur von Arsen nach-
weisbar.
II. Der während 24 Stunden mit der grössten Genauigkeit ge-
sammelte Harn betrug nur 29-96 C.Cm. — eine sehr geringe
Quantität; ein Litre davon enthielt 0"012 Grm. arsensaure
Bittererde Ammon mehr ein Äquivalent Wasser, welche
0-006 Grm. oder 0-082 Granen arseniger Säure entsprechen ;
somit war in der ganzen Harnmenge 0-018 Grm. oder 0-246
Grane arseniger Säure enthalten.
III. Achtzehn Loth Blut enthielten 003 Grnj. arsensaure Bitter-
erde Ammon mehr einÄquivalent Wasser, welche 0-0156 Grm.
oder 02 14 Grane arseniger Säure entsprechen.
IV. Von 5 Pfund Excrementen wurde 20 Lth. untersucht; sie ent-
hielten 0-15 Grm. arsensaurer Bittererde Ammon mehr ein Äfjui-
valent Wasser, diese entsprechen 0-079 Grm. oder 1-08 Granen
arseniger Säure; indensämmtlichen Excrementen, vorausgesetzt
wenn die Vertheilung eine gleichmässige wäre, war 8-64 Grane
arsenige Säure zu finden.
Es muss hier noch bemerkt werden, dass bei diesem Plerde die
ausgebreiteten Speichelfisteln bis auf zwei kleine FistelöiTnungen
heilten und dieses ohne weiteres Zuthun; es wurde entlassen.
Jj3() Schäfer. Die Ar.seiiikesser in Steiermark.
Es wird als eine bekannte Thatsache erzählt, dass Pferde bei
Jahre langem Gebrauche des Arseniks fett und muthig werden, dass
aber auch beim plötzlichen Aussetzen des Arseniks dieselben ebenso
schnell zu Grunde gehen.
Über den Zusatz des Arseniks zum Futter des Rindes und ande-
rer Hausthiere enthalten die Berichte ebenfalls Andeutungen; der
chemische Nachweis konnte jedoch bis jetzt noch nicht geführt werden.
Diese Beobachtungen sind desshalb von Interesse weil sie zei-
gen, wie schnell sich der Organismus einem so heftig einverleibten
Gifte accommodirt, sie zeigen ferner, dass die Ausscheidung des
Giftes durch die Nieren eine geringe und desshalb lange andauernde,
die Anhäufung desselben im Blute eine ziemlich bedeutende ist, dass
jedoch ein namhafter Theil des Giftes durch den Darmcanal ent-
leert werde.
Es wird wohl lange dauern bis eine so eingewurzelte, die
kräftigste Körperconstitution untergrabende Gewohnheitssünde ausge-
rottet sein wird. Hängen docli die so häufigen Vergiftungen hier im
Lande (denn während unserem z\\ eijährigen Wirken als Gerichts-
chemiker waren unter zwanzig Vergiftungsfällen — dreizehn Arsenik-
vergiftungen) mit diesem so genau gekannten und überall vorkom-
menden Gifte zusammen.
Petzv«l. Aiiyström's fjsiH'iiiiiealflle riitersucliuiij^eii elc S81
Anf/sfröni'fi experimentelle Utitersiicliunyen über das Spectrum
des elektrischen Funkens in Beziehung auf die Farben der
Doppelsterne.
Mitgetheilt von dem w. ;\I. Prof. Joseph Petzval.
Beiläufig um dasJahrlSSl wurden der mathem.-naturw. Classe
von einem ihrer Mitglieder, dem seither verstorbenen CIi. D o pp I e r
eine Reihe von MitUieilungen gemacht , über den Einfluss zweier
Bewegungen verschiedener Art auf einander, einer Progressiven
nämlich, einer Ton- oder Lichtquelle und einer Schwingenden.
Doppler gründete hierauf eine Erklärung der Farben der Doppel-
sterne, und folgerte eine Erhöhung oder Vertiefung der Tonhöhe bei
einer in Bewegung gesetzten Tonquelle, je nachdem sie sich dem
Beobachter nähert, oder entfernt; wies auch zu wiederholtenmalen
auf den Anklang hin, den seine Theorie in allen Welttbeilen bei
dem wissenschaftlichen Publicum gefunden hatte.
Es gab mittlerweile damals schon eine nicht geringe Anzahl
von Männern der Wissenschaft, denen die Do ppl er'schen Rech-
nungen nicht recht einleuchten wollten. Sie gewahrten, dass in die-
selben mehr als ein Ii-rthum, mehr als eine nicht zu rechtfertigende
Voraussetzung niedergelegt war. Dies war um so leichter und all-
gemeiner möglich, als sich die Rechnungen Do ppl e r 's über den
Umfang desjenigen , was man gemeinhin mit dem Namen Elementar-
mathematik bezeichnet, nicht erhoben, und ich bin desshalb mehr-
mals von meinen Bekannten angegangen worden, als Repräsentant
der formellen Wissenschaft gegen eine solche Weise Mathematik zu
treiben, Protest einzulegen, und die Irrthümer in dieser Theorie
aufdeckend, die durch sie verführten Geister wieder auf den rechten
Weg der besonnenen mathematisch-physikalischen Forschung zurück
zubringen. Meine Antipathie gegen allen Unfrieden Hess mich diesem
Ansinnen lange genug widerstreben, bis es mir von einem sehr
o82 P f t z V a 1. Augström's experiineiilelle riiteisiuhuiig^eii
aohtungswei'then CoUegen als Pflicht dargestellt wurde, meine
Stimme zu erheben.
Das Gefährliche dieses Beginnens von meiner Seite lag im
Wesentlichen darin, dass ich nicht als Physiker, sondern als Mathe-
matiker functionirte und desshalb mich auch nur berechtigt hielt,
Einwendungen gegen die miithematische Seite der Theorie zu
erheben, während die experimentelle nicht meines Amtes war. Ich
konnte mit einem Worte nichts anderes sagen, als: dies ist unrich-
tige Mathematik. Und es lag offenbar nahe, dass man mir darauf ent-
gegnen würde: Nun, du bist ja Repräsentant der Mathematik, liefere
also eine Bessere. Negiren ist leicht, und wer sich darauf verlegt,
kann allenfalls den Bestand der gesammten physikalischen Wissen-
schaften in Frage stellen; Bessermachen aber ist schwer.
Um nun Dem auszuweichen , habe ich den Gegenstand der
Doppler'schen Theorie, den Einfluss nämlich progressiver und
schwingender Bewegungen auf einander, einer sorgfältigen mathe-
matischen Discussion unterzogen und habe sehr bald gesehen, dass
sich mit den Methoden der bisherigen Undulalionstheorie, die
bekanntlich ein materielles System im stabilen Gleichgewichte vor-
aussetzen, gar nichts zur Erhellung dieses Einflusses leisten lasse,
dass es vielmehr nothwendig sei, von einem ganz anderen Zustande,
dem nämlich einer permanent gewordenen Strömung auszugehen
und über diese strömende Bewegung erst den undulatorischen
Zustand zu lagern. Hiemit war nun die andere an die Stelle der
Doppler 'schenBetrachtungen zu setzende Theorie gefunden, wenn
sie auch nur so populär gcw esen wäie, wie diese. Leider aber tritft
es sich hier, so wie in vielen anderen Theilen der Wissenschaft,
dass der Irrthum in bestechender Weise populär, die richtige
Theorie hingegen auf mathematische Rechnungsentwicklungen der
tiefsinnigsten Sorte, denen nur wenige Verehrer der Wissenschaft
gewachsen sind, gegründet war. Es frommte daher nur wenig, den
populären Physikern zuzurufen: So müsst ihr rechnen, wenn ihr
schon rechnen wollt. Wenn man nicht kann, muss man sich mit dem-
jenigen begnügen, was man eben kann.
Einem Lehrer der Mathematik fällt vorzugsweise die Aufgabe
zu, den Lindwurm des Irrthumes in den verschiedensten Gestalten
von Quadratur des Cirkcls, Perpetuum mobile u. s. w. zu bekämpfen.
Er bedarf zu diesem Zwecke wirklieh einer ganz eigenen Taktik,
iilier das Spectiiim des elek(ri.>L'lieii Kiiiikens etc. 883
die am allerzweckmässigsten diiriii besteht , den in seinem Irr-
thiime Befangenen zu dem höheren Standpunkte eines grossen
Principes zu veihelfen. Z. ß.: Es will Jeniand ein Perpetuum mobile
erfunden haben, su frommt es wenig, wenn mau dein Erfinder beweist,
dass seine Maschine diesem Ansinnen des ewigen Gehens nicht ent-
sprechen werde, er wird dann immer noch eine Complicirt(M'e eifinden ;
sondern man muss ihm das Princip der Erhaltung der lebendigen
Kräfte zu Gemiithe führen. Oder ein anderes Beispiel ans meiner
Erfahrung: es will Jemand eine Vorrichtung erfunden haben, ver-
mittelst der man bergauf oder auch durch die Lüfte fahren kann
durch Centrifugalkraft, und zwar durch eine eingeleitete drehende
Bewegung um zwei verschiedene Rotationsaxen, wodurch ein Über-
schuss der Centrifugalkraft nach einer Seite entstehen soll. Es nützt
nun wieder nichts, dem Ertinder zu beweisen: dass weder die
drehende Bewegung um eine einzige, noch um zwei Rotationsaxen
einen solchen Überschuss zu erzeugen vermöge, denn er wird es
dann mit drei Axen versuchen; sondern man muss den Erfinder auf
das Princip der Erhaltung des Schwerpunktes aufmerksam machen,
nach welchem die inneren Kräfte eines materiellen Systemes über
die Stellung des Schwerpunktes keine Macht haben, ihn weder
bewegen können, wenn er ruht, noch irgend einen Umstand seiner
Bewegung ändern können, Menn er sich bewegt. Zu meiner nicht
geringen Befriedigung gelang es mir auch in der Dop pl er 'sehen
Angelegenheit, ein die Theorie völlig beherrschendes Naturgesetz
aufzufinden, das zwar seit den ältesten Zeiten stillschweigend zuge-
lassen und erst durch die Doppler "sehe Erklärung- der Farben der
Doj)pelsterne in Frage gestellt, annoch nicht mathematisch erwiesen
war, das Princip der Erhaltung der S c h w i n g u n g s d a u e r
nämlich, nach welchem eine progressive, strömende Bewegung von
einer andern mit ihr zugleich in demselben Systeme hervorgerufenen
undulatorischen, zwar alle Einzelnheiten als: Wellenlänge, Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit, Amplitude u. s. w. verändern kann, nur
eine einzige Eigenschaft, die Schwingnngsdauer nämlich, nicht; pro-
gressive Bewegung mithin auf Ton und Farbe ohne Einfluss bleibt.
Ich habe den Beweis des Principes der Erhaltung der Schwingungs-
dauer im Jänner 1852 der kaiserlichen Akademie überreicht und er
findet sich in den Sitzungsberichten der matlicm. - naturw. Classe im
Februarliefte des Jahri^anges 1852, Bd. VIII, S. 134.
584 P e t z V a 1. Aiiijströiii's exinM-iiiieiilelle Uiilersucliiiiigeii
Wiewohl iiiii» zwei Mitglieder der kaiserlichen Akademie,
Doppler nämlich und Herr Regierungsrath von E tti ngsha useri
meinen Ansichten über diesen Gegenstand entgegen traten, so kann
ich doch eben nicht sagen, dass sie entweder mein Princip der
Erhaltung der Schwingungsdauer, oder den Beweis desselben ange-
griffen hätten. Sie beriefen sich auf gewisse Beobachtungen, die
mit ihren Rechnungen im Einklänge stehen sollten, gaben im All-
gemeinen die Richtigkeit meiner analytischen Betrachtungen zu und
äusserten nur, dass auch dasPrincip der Erhaltung der Schwingungs-
dauer zu Irrthümern Veranlassung geben könne, ohne jedocli näher
zu erklären, zu welchen. Ich sah mich mithin genöthigt, meinerseits
zu einer in's Detail gehenden mathematischen Analysis der Doppl er-
sehen Theorie zu schreiten, und nachzuweisen, dass die Theorie
D opp 1 er's auf ganz irrigen Annahmen beruhe, nachzuweisen ferner,
welche speciell diese irrigen Annahmen seien, endlich nachzuweisen,
dass eben diese irrigen Annahmen keineswegs von nur geringem
Einflüsse auf die resultirende Erscheinung seien, sondern dass eine
jede Einzelne derselben vielmehr zu den allerabentheuerlichstcn und
widersinnigsten Folgerungen führe. Dies geschah in einer Reihe
von kleinen Abhandlungen, welche unter dem Titel: „Über die Unzu-
lässigkeit gewisser populärer Anschauungsweisen in der Unduiations-
theorie" der kaiserlichen Akademie überreicht wurden und sich in den
Sitzungsberichten der mathem. -naturw. Classe Bd. VIII, S. 567 und
Bd. IX, S. 699, befinden. Hiemit war nun meine akademische Pflicht
erfüllt und meine Mission vollendet. Auf das Experiment und seine
Ergehnisse einzugehen, hatte ich als Nichtphysiker keinen Beruf,
erklärte vielmehr, dass Versuche von der Art, wie diejenigen, auf die
man sich stützte, was das Ergebniss auch sein sollte, eine mathe-
matisch unrichtige Theorie nicht zu einer richtigen machen könnten.
Ich habe ja die Theorie als solche und nicht den Mangel ihrer Über-
einstimmung mit dem Experimente angegriffen. Und angenommen,
aber nicht zugegeben, Dopple r"s theoretische Angaben stünden
mit den angestellten Beobachtungen in der vollsten Übereinstimmung,
sokonnte man höchstens sagen: Doppler habe völlig richtige That-
sachen unrichtig erklärt.
Wenn dies vielleicht Jenen etwas befremdend vorkommen sollte,
die sich einbilden, dass alles, was mathematisch richtig mittelst
Gleichungen abgeleitet wird, unbezweifelt und in aller Strenge riciitig
über Hhs S(icclriim des elektiisfhcii Funkens ele. höh
sein müsse, so mögen sie sich versichert halten, dass es an Beispielen
von falscher Mathematik in den verwandten Wissenschaften nicht
fehle. Die sogenannten Lehrbücher besitzen deren in erklecklicher
Fülle, und sie fehlen selbst in den Lehrbüchern der höheren Wissen-
schaft nicht ganz. Der Lehrer bedient sich ihrer mit Vortheil, um
seinen Schülern recht eindringlich klar zu machen , was eitfentlich
mathematische Strenge sei. Er findet z. B. in einem populären Fjelir-
buche der Mechanik einen Beweis der Formel c = V 2 9^, die die
Geschwindigkeit des Wassers aus Öffnungen gibt, und sieht sich
genöthigt, die Ableitung dieser Formel als falsche Mathematik zu
erklären. Er weist nach, dass das, was dort als bewegende Kraft
angegeben wird, keineswegs die wirkliche bewegende Kraft sei und
auch von der bewegenden Kraft nicht wenig verschieden. Er weist
ferner nach, dass ein zweiter ebenso unzulässiger Trugschluss in
der Ableitung der Formel vorhanden sei, der kurz so formulirt wer-
den kann: Gleich und proportional sind einerlei Begriffe. \\'enn
nun Jemand die Bichtigkeit der Theorie dadurch in Schutz nehmen
wollte, dass er experimentell nachwiese, die Formel stehe mit den
Ergebnissen der Beobachtimg im Einklänge, so würde man ihm
sagen : Die Formel ist es nicht, die man angreift, sondern nur der
Beweis derselben , man kann ja auch um die Wahrheit zu beweisen
sich des Truges bedienen, nur ist dann der Beweis nicht für einen
Beweis zu achten. Und gerade auf dieselbe Weise istDoppler's
Theorie gar keine Theorie, ganz ohne alle Bücksicht darauf, was
sich etwa aus dem Experimente ergeben könnte. Nun findet sich
aber wirklich ein junger Verehrer der Wissenschaft, der die D o p p 1 e r-
sche Theorie aus der Übereinstimmung mit einem gewissen Experi-
mente darthun will. Hier wird offenbar das Experiment zu etwas
verwendet, wozu es gar nicht taugt. Klar nachgewiesene logische
oder mathematische Widersprüche, entstellte Thatsachen vermag
kein Experiment wegzuschaffen.
Es geschieht nur gar zu oft bei ähnlichen Streitigkeiten, dass
sich keine der beiden Parteien auf die Widerlegung der Gründe der
anderen einlässt, sondern auf ihrem Standpunkte beharrt. Das war
wenigstens von Einer Seite auch hier der Fall. Die Anhänger Dop-
pler's gaben sich gar keine Mühe, seine angegriffene Theorie zu
vertheidigen, oder die meinige anzugreifen, sondern beriefen sich
auf die Experimente Buye Ballot's. Ich hingegen hatte mindestens
ö86 I'el, zval. Aiigstriiiirs ex|ieririiei)ti'lli' L'nterstii'liiiiigeii
i(i erster Instanz mit dem Experimente nichts zu schaffen, und musste
die Theorie zum Gegenstande einer sorgfältigen Discussion machen.
Mittlerweile starh Doppler und der ganze Streit ward hiemit ab-
gebrochen. Ihn wieder aufzunehmen, hielt ich für völlig unnütz, da
mittlerweile das Experiment selbst über Doppler 's Theorie definitiv
den Stab gebrochen hatte.
Es ist gewiss ein grosser Triumph der Wissenschaft, wenn sie
wie Leverrier den Planeten Nejitun, eine Reihe von Erscheinungen
auf theoretischem Wege entdeckt, die sich dann als in Wahrheit
vorhanden bekunden, und es muss nothwendigerweise Jedermann
leid thun, wenn er von seinem Standpunkte aus genöthigt ist, so
schöne Erwartungen als Täuschung darzustellen. Ich bin leider
gegenwärtig gegenüber der Dopp ler'schen Sache in dieser Lage
und kann den Anliängern seiner Tiieorie zum Tröste nur folgende
zwei Dinge sagen, nämlich erstens: wäre der Triumph über eine solche
Entdeckung, selbst weims wirklieh eine Entdeckung wäre, nur dann
ein wahrer, echter Triumph, wenn er auf dem Wege einer strenge
richtigen Theorie errungen worden wäre, was hier erwiesenermassen
nicht der Fall ist, und zweitens: ist die experimentelle Widerlegung
Dopp 1er 's an und für sich ein so schöner Triumph der Physik,
dass man darüber schon einige Täuschung verschmerzen kann. Das
herrliche Experiment, von welchem hier die Rede ist, beweist näm-
lich mit den allerfeinsten und verlässlichsten Mitteln der Reobach-
tnng, dass eine Geschwindigkeit von 180 Meilen in der Secunde
einer Lichtquelle ertheilt, nicht die geringste Änderung in der Farbe
derselben bewirke. Da diese Versuche nicht so bekannt zu sein
scheinen, als sie es verdienen, so wird es frommen, ihrer hier mit
wenigen Worten Erwähnung zu thun.
Angström hat eine Reihe sehr sorgfältiger Untersuchungen
über das Spectrum des elektrischen Funkens in Vetensk. Akademie
Handlingar (eingereicht am 16. Februar 1853 bei der Stockholmer
Akademie) veröfTentlicht. Er hat dieses Spectrum durchzogen gefun-
den von vielen lichten, scharf aus dem übrigen Grunde des Spectrums
gleichsam sich hervorhebenden Linien, die ein sehr ausgezeichnetes
Object bildend, mit grosser Schärfe einer messenden Reobachtung
unterzogen werden können. Die Ergebnisse dieser Experimente setzen
ihn in den Stand, in der Do ppl er "sehen Streitsache auf Grundlage
nicht der Theorie, sondern der Erfahrung ein Endurtheil zu fällen.
iil)er das Spectriim des elektrisclir-ii Funkens etc. 58 /
Angsti'öm's Abhandlung ist in Poggendor ff "s Annalen der Physik
und Chemie 1855, Ni*. I, Seite 141, in's Deutsche iihersetzt vorhanden
und die Stelle, wo von D o p p I e r "s Theorie die Rede ist, lautet folgender-
massen:
„Das Studium der Speetra des elektrischen Funkens, scheint nn'r,
„kann auch beitragen zur Lösung der Frage, welche die Optik eben
„so sehr interessirt, wie die Astronomie: Doppler hat nämlich die
„Farbe der Doppelsterne durch die Annahme zu erklären gesucht, dass
„die Geschwindigkeit eines Körpers Einfluss auf dessen Farbe habe-
„Andererseits hat Petzval in einem in der Wiener Akademie gehal-
„tenen Vortrag auf analytischem Wege bewiesen, dass die Bewegung
„des Mediums keinen Einfluss haben kann auf die Oscillationszeit, von
,,welcher dieFarbe ausschliesslich abhängt. Obwohl dieserSatz an sich
„wahrscheinlich ist, dürfte doch, wie mir scheint, ein praktischer
„Beweis von seiner Richtigkeit nicht ohne Interesse sein.
„Aus Wheatstone's Untersuchung über die Geschwindigkeit
„der Eiektricität kennt man zwar nicht die wirkliche Geschwindig-
„keit des Funkens, aber doch wenigstens einen Grenzwerth, unter
„den sie nicht herabsinken kann. Er fand nämlich, dass ein 4 Zoll
„langer Funke in kürzerer Zeit als eine Milliontel-Secunde übersprang,
„unter Voraussetzung, dass man aus 10 Fuss Abstand in der Form
„eines gespiegelten Funkens von geringerer Erstreckung als einen
„Zoll keine Veränderung würde erkennen können. Obwohl diese Vor-
„aussetzung übertrieben ist, wird doch die Geschwindigkeit beinahe
„10 schwedische Meilen in der Secunde. Allein ein 6 Fuss langer
„[jichtstrom in einer luftleeren Glasröhre zeigte sich auch im rotirenden
„Spiegel unverändert und da nach Massen der Funke sich im luft-
„leeren Räume nicht anders als durch die von beiden Polen aus-
„strömenden Theilchen fortpflanzen kann, so würde daraus folgen,
„dass wenigstens 3 Fuss in kürzerer Zeit als ein Milliontel-Secunde
„zurückgelegt werden; das gibt 80 — 90 Meilen in der Secunde, —
„eine Geschwindigkeit, welche die der Doppelsterne wahrscheinlich
„viele Male übertrilTt.
„Lässtman nun einen Funken in schiefer Richtung überspringen,
„so müssten, wenn Doppler 's Theorie richtig wäre, die von dem
„einen Pol ausströmenden Theilchen an Farbe verschieden sein von
„denen, welche von dem anderen Pol ausströmen, um so mehr, als
„sie sich in entgegengesetzter Richtung bewegen und folglich die
088 P e t z V a I. Ang-ströin's expprimeiitclli* rntersiirhungen etc.
„doppelte Gesclnvindigkeit derselben mitwirkt zu der vorausgesetzten
„Farbenveränderung. Indess zeigt sich eine solche nicht. Die hellen
..Linien entsprechen einander wie zuvor voilkonunen. Sowohl auf
„theoretischen, wie aus praktischen Gründen scheint man also zu dem
„Schlüsse berechtigt zu sein, dass Oscillationszeit und Farbe unab-
„ hängig sind von der Geschwindigkeit des Mediums, von welchem
„das Licht ausgeht."
Also von einem Theile des von der Dopp ler'sehen Theorie in
Besitz genommenen Gebietes, dem Himmel nämlich ist sie vertrieben
und die Doppolsterne erscheinen nicht darum farbig, weil sie sich
bewegen, sondern weil sie eben solches farbiges Licht aussenden.
Sie klammert sich jetzt nur noch an die Experimente von Buye
Bailot und die neueren des physikalischen Institutes, die mir
zufälligerweise gar nicht unbekannt sind, weil ich sie vor sieben
Jahren selber erdacht habe. Die Lage der Anhänger Do ppl er's
scheint mir eine stets schwierigere zu werden, denn sie werden jetzt
nicht nur ihre Experimente und die von Buye ßallot gegen eine
gründliche mathematische Kritik, die von irgend einer Seite gewiss
erfolgen wird, zu vertheidigen haben, sondern sie werden nebstdem
noch, wenn ihnen diese Vertheidigung allenfalls gelingen sollte, was
ich aber sehr bezweifle, die anomale Thatsache zu erklären haben,
dass progressive Bewegung auf das Licht gar keinen nachweisbaren,
dagegen auf den Schall eine Wirkung erster Ordnung, Hauptwirkung
äussere, die mit dem Namen erste Approximation bezeichnet wird,
mithin dasselbe sein soll, was die elliptische Bewegung bei den
Planeten ist.
Ich sehe meinerseits mit Vergnügen diese Streitsache von dem
Felde der Theorie auf das der Praxis überspringen. Es wird wohl
noch einige Zeit dauern, bis sie völlig ausgetragen sein wird; dies
wird aber gewiss schneller und auch leichter zu erwarten stehen
durch die Hilfsmittel der Physik, die ein grosses Publicum hat, als
die der Mathematik, die ein Kleines besitzt. Jedenfalls ist diese Streit-
sache in eine Phase getreten, in der sie nicht lange bleiben kann.
Fasst man nämlich die Versuche von Angström, dann die von
Buye Bailot und endlich die des physikalischen Institutes in Eines
zusammen unter der Benennung Das Experiment, so scheint das
Experimont zu sagen, dass Dopp I er\s Theorie auf Erden richtig,
am Himmel hingegen unrichtig sei, wo hingegen nach demselben
Schöffer. Üher ilie KohlensHiii'e iles Rliites etc. S89
meine Tlicorie am Himmel riclitig-, und -.iiif Erden unrichtig wäre.
Das wird dem Experiment kitum .lemand glauhen, denn die Wissen-
scliaft soll wahr, wenn auch nicht belieht sein im Himmel und auf
Erden.
Uher die KoUensäure den Blutes und ihre Ausscheidung
mittelst der Lunge.
Von Dr. A. Schöffer aus Moskau.
(Vorg'elegt in der Sitzung- am 14. .Iiini dmuh il. \v. ,M. K. I> ml wig.)
(Mit einer Tafel.)
Die schönen Arbeiten der letzten Jahre über Gase des Blutes,
ihre Absorption durch das Blut und den Gasaustimsch in den Lungen
haben die Athmungstheorie gefördert, aber natürlich nicht ziimAb-
schluss gebracht. Vor allem dunkel ist die Abscheidimg der Kohlensäure,
Wie bekannt hatte Lothar Meyer nur einen geringen Theil der
im Blute enthaltenen Kohlensäure durch Erwärmen in dem luftleeren
Räume übertreiben können, während der übrige Theil von ihm als
nur durch Säuren ausscheidbar betrachtet wurde. Setschenow
hatte darauf bewiesen, dass dieses nur vom V^erbältniss des luftleeren
Raumes zur angewandten Blutquantität abhängt, und dass, wenn man
ein genügend grosses Vacuum verwendet und dasselbe mehrere Male
erneut, man zu ganz entgegengesetzten Resultaten kommt: es bleibt
nämlich im Blute nur ein geringer Antbeil Kohlensäure zurück, der
nur durch Säuren aus demselben zu entfernen ist. Wollte man nun
aber der ganzen Quantität von Kohlensäure, welche Setschenow
durch physikalische Mittel erhielt, eine identische Rolle beim Gas-
austausch in den Lungen zuschreiben, so würde diese Annahme nach
den dermal bekannten Thatsachen nicht ganz gerechtfertigt sein.
Nach den Absorptionsversuchen von Lothar Meyer und Fern et
zerfällt nämlich die ganze Quantität von Kohlensäure in zwei Antheile,
in einen, welcher einfach diflfundirt, und in einen andern, welcher
vom Drucke unabhängig von einer, wenn auch schwachen chemischen
Attraclion im Blute zurückgehalten wird. Diese Attraction konnte
man nur den kohlensauren und phosphorsauren Alkalien zuschreiben.
Beide Salze können Kohlensäure binden, doch zeichnen sich diese
Verbindungen dadurch aus, dass sie nur schwer durch {ibysikalische
590 Scliöffer. Über ilie Kiilileiisaiiie des niules
Mittel zerset/1 werden, und dass scliüii eiu sehr geringei- Gehalt an
Kohlensäure der umgebenden Atmosphäre genügt, um die Abdunstung
derselben aus der Salzlösung zu verhindern. Bei dem relativ grossen
Kohlensäuregehalte der normalen Lungenluft würden diese N'erbiiidun-
gcn also gar keine Rolle in dem Gasaustausch spielen können. Zu einem
Antheil an denselben würde sie erst dann zuzulassen sein, nachdem
nachgewiesen worden, dass dem Organismus respective den Lungen
Mittel zu Gebote stünden , um einen Theil der gebundenen Kohlen-
säure in Freiheit zu setzen und dadurch die Spannung derselben in
der Lunge zu vergrössern. Diese Annahme schien viel fiir sich zu
haben. Sie erklärt viele Thatsachen , welche ohne dieselbe nur eine
gezwungene Deutung zulassen. Wenn man die Arbeit von Lothar
Meyer liest, so kann man sich des Gedankens nicht entschlageii,
dass er durch seine Methode wahrscheinlich doch alle dilTundirte
Kohlensäure erhalten: es waren nämlich alle Momente da, um eine
vollständige Gewinnung zu erzielen. Dies wird noch Malirscheinli-
cher, wenn man bedenkt, dass er selbst bei einer neuen Vorlage
keine Gase mehr gewinnen konnte ').
Der Gehalt des Blutes an freier Kohlensäure würde also zwi-
schen 4*0 — 4-5 Procente schwanken. Zu einer ähnlichen Annahme
führt auch eine Untersuchung von Planer über die Gase des Harnes,
er fand im sauren Harn zwischen 3 — 4 Procent Kohlensäure, also
noch etwas weniger als Lothar Meyer im Blute. — Die Absorp-
tions-Coelficienten des Harnes und des Blutes sind nun allerdings
noch mangelhaft bestimmt, doch scheinen sie nicht viel von denen
des Wassers abzuweichen und da der Harn, aus der Blutflüssigkeit
abgesondert, lange Zeit in der Blase verweilt, so kann man wühl
annehmen, dass sich die Gase in den beiden Flüssigkeiten ausge-
glichen hätten.
Wenn man aber den Gehalt des Blutes an freier Kohlensäure
zwischen 3'0 und 4-5 Procent annimmt, so fällt der giosse Kohlen-
^) Es könnte auffallen, wie er gar kein Gas mehr g^cwann, und da er keine Dimensionen
seines Apparates erg'ibl, so ist es schwer eine Oeutung zu finden; doch scheint mir
noch am einfachsten Folgendes anzunehmen. Wenn man seineZeichnung zum Grunde
der Ilechnung annimmt, so musste er heim zweiten Kochen von einem '/g '•'* '•"
1 C. Cm. Kohlensaure gefunden liahen. Doch war zugleich in die Vorlage etwas Wasser
(mit Salzen) gerathen und heim Ahkiililen konnte dasselbe wohl so viel absor-
biren , dass er das Übriggebliebene als uriuie.sebar beti'achten konnte.
und ilire Ausiclieiiliuiy Jiiittelst der Lunge. D91
Säuregehalt der Lungenluft auf: bekanntlich hatte Becher denselhon
beim Menschen bis auf 8*5 Procent und W. Müller utid Setsche-
now bei erstickten Tliieren bis auf 14 und 15" steigen sehen. Bei
einem viel geringeren Gehalt des Hlutes lässt sich dieses entweder
durch einen unverhältnissniässig kleinen Absorptions -Coefficienten
des Blutes (bei der Temperatur von 40«) erklären oder man muss
ein Moment in der Lunge annehmen, welches plötzlich die Span-
nung der Kohlensäure zu erhöhen im Stande ist. Auf jeden Fall
schien mir die Sache von grossem Interesse und wolil \\erth einer
näheren Untersuchung. Bei der Schwierigkeit des Gegenstandes und
der kurzen Zeit, die mir zu Gebote stand, konnte ich nicht hoffen
die Frage gänzlich zu erschöpfen und bitte auch die folgende Ab-
handlung nur als einen Beitrag zur Lösung derselben zu betrachten.
Die Arbeit besteht aus mehreren Versuchsreihen und jede derselben
könnte als eine völlig unabhängige betrachtet werden. Sie sind auf
den Rath des Herrn Prof. K. Ludwig in dessen Lahoratoi ium aus-
gefül'.rt worden.
L
Vor allem sollten die Angaben von Planer geprüft und gesehen
werden, ob sie auch bei Hundeharn sich als geltend zeigen würden.
Zugleich wurde Blut von demselben Thiere genommen, die Gase
desselben gesammelt und das Verhältniss der Kohlensäure zu dem
in demselben enthaltenen 2NaO, HO, PO5 näher geprüft. Es wurde
nur auf das phosphorsaure Natron Rücksieht genommen, da die
Untersuchung von Setschenow zur Genüge dargethan hat, dass
kohlensaure Alkalien nur in Spuren im Blute enthalten seien. Die
Methode bei dieser Untersuchung war folgende: Grossen weiblichen
Thieren wurde Tags zuvor der Harn aus der Blase entleert und die
Thiere 24 Stunden ohne Futter gelassen (um den Einfluss der
Nahrung, welcher nach Becher auf die Kohlensäurespannung so
bedeutend ist, zu eliminiren), darauf wurde der Harn durch einen
Katheter über Quecksilber aufgefangen und zugleich auch Blut ge-
wonnen, entweder aus dem Harn oder der Arterie; freilich war es
nicht dasselbe Blut, aus welchem der Harn abgeschieden, oder mit
welchem derselbe sich ausgeglichen hatte, doch konnte unmöglich ein
grosser Unterschied zwischen diesem und dem harngebenden Blute
bestehen.
Silzb. d. fiiathem.-natiirw. Cl. XLI. Hd. Nr. 1». 41
f)t)JJ Scliüffer. Über die Kulileiisiiure des Uliilüs
Zur Gewinnung der Gase wurde derselbe Apparat, welchen
Setschenow beschrieben, verwendet, doch unterlag er im Laufe
der Untersuchung einigen Verbesserungen, die manche niclit unwe-
sentliche V ortheile gewährten (siehe Fig. 1). Die Röhren, welche
früher das Vacuum bildeten , worin das Blut ausgekocht wurde,
ersetzte man durch Ellipsoide {A, B), dadurch konnte der Apparat,
ohne das Vacuum zu verringern, viel niedriger gemacht werden. Auf
einen andern Vortheil dieser Kugeln werde ich später zurückkom-
men. Die zweite Veränderung war folgende: früher wurde die untere
Röhre, woran das Blutgefäss gebunden wurde, in eine metallene
Fassung eingekittet und diese erst in das krumme Verbindungsrohr
eingeschraubt und ebenfalls verkittet. Indem man der Fassung eine
andere Form gab, richtete man den Apparat so ein, dass die Kugel
mit ihrem Halse nur auf dem Mttallstücke aufsass; die V^erbindung
wurde durch einen dicken Kautschukschlaucli hergestellt; die Metall-
röhre konnte lange Zeit unverändert bleiben und es wurden nur die
Kugeln bei jedem Versuche gewechselt, dadurch wurde es möglich
mehrere Auspumpungen an einem Tage vorzunehmen.
Zu den Gas -Analysen wurde der von W. Müller beschrie-
bene Apparat benützt, woraus sich die Columne Wasserdruck in
den späteren Analysen erklärt. Zur Phosphorsäurebestimmung wurde
immer das Blut, aus welchem man die Gase gewonnen, verwendet.
Nachdem das Auspumpen beendigt, Hess man so viel als möglich das
Blut in das Gefäss zurücklaufen, schüttelte es noch einmal um und
brachte es in eine bereitgehaltene graduirte Bürette, aus welcher
man dann ein ganz bestimmtes Volum in eine Platinschale abfliessen
Hess. Dieses Blut hatte freilich nicht ganz die frühere Zusammen-
setzung, erstens blieb das Fibrin mit dem Quecksilber zu einem
Magma vereinigt zurück und zweitens hatte das Blut auch einen Theil
seines Wassers eingebüsst, doch betrug diese verdunstete Quantität
einen sehr geringen Anlheil der verwendeten Blutmenge, kaum 1 bis
2 Procent, und diese ist man wohl berechtigt zu vernachlässigen.
Auf die Aschenbereitung wurde eine ganz besondere Sorgfalt ver-
wendet: das Blut wurde unter öfterem Umrühren in der Platinschale
auf dem Wasserbade zum Trocknen eingedampft und dann über einer
kleinen Flamme so lange verkohlt, als sich noch empyreumatische
Dämpfe entwickelten. Dabei stieg die Hitze niemals bis zu einer
Höhe, wobei man einen Verlust an fixen Bestandtheiien befürchten
und ihre Aiisscheidiing- mittelst der Lung'e.
593
konnte. Von der porösen Kohle wurde so viel als möglich in ein
langes PlatinschifTchen gebracht (was zu sehr an den Wänden der
Schale hing, wurde für sich verascht und nachher der übrigen
Quantität zugefügt). Die Verbrennung des Schiffcheniiihaltes geschnh
innerhalb eines Rohres, wie es bei der Elementaranalyse verwendet
wird, im Sauerstoffstrome. Der ausgezogene Theil des Rohres war
abgebrochen, nach unten gebogen und die Spitzen desselben unter
Wasser getaucht. Nach der Verbrennung wurde das ganze Rohr mit
verdünnter Salzsäure ausgespült. Auf diese Art konnte unmöglich
etwas verloren gehen.
Der Gang l)ei der Analyse war folgender: die Asche in Salz-
säure gelöst, der Überschuss der Säure durch Abdampfen entfernt,
mit kohlensaurem Natron fast gesättigt, essigsaures Ammon in gerin-
gen Überschuss zugesetzt, durch Erwärmen das FcoOs, PO5, gefällt
abfiitrirt, der Kalk durch oxalsaures Ammoniak gefällt und im Rück-
stande die übrige Phosphorsäure durch Magnesiasalz bestimmt.
Dadurch erhält man die ganze Phosphorsäure. Ein Theil derselben
wurde als an Kalk gebunden (nach der Formel SCaOPOj) abgezogen
und die übrige Phosphorsäure musste, wenn die Hypothese von
Fern et richtig war, zwei Atomen Kohlensäure entsprechen.
1. Versuch.
Blut aus der Ve?ia jugularis 45-93 CC; Harn 90-07 CC. Der
Harn sauer vor und nach dem Auspumpen.
Vdlum
% Druck
W. Druck
Temp.
V. bei OU
u. IM.Ü.
Die Gesammtmenge der Gase des
Blutes
22-96
8-37
709-4
667-8
430
4S0
17
i7-5
13-50
Nach Absorption der COg durch Kali
5-31
Auf 100 V. Blut kommt also 32-70 CC. Gase, davon 21-32
Kohlensäure.
Die Gase des Harns
5-33
Hy Druck
676-3
430
Temp.
18-3
V. bei 0"
u.lM. D.
3-33
Ein Theil der Gase wurde in eine feine Messglocke übergefüllt.
41'
594
Schi» ffor. Ülier die Kolilciisätiro des Blutes.
Volum
llg Druck
W. Druck
Temp.
V. Lei 0"
u. IM. D.
Änfnncpsvnlnrn
2-74
0-75
013-5
339-7
45Ü
430
17-3
103
Nach Kali
0-40
Der Hani enthielt also auf 100 V. 3-69 CC. Gase, davon 2-77
Kohlensäure.
Auf 100 Theile Blut wurde im Ganzen 0-09(j PO5 gefunden,
von CaO gebunden 0*019 und die übrigen ()-077 PO^ würden
23'90CC. Kohlensäure entsprechen.
2. Versu eh.
Blut aus der Vena jugularis 1)7 '45 CC.
Gesammtmenge der Gase des Blutes
35-42
llg Druck
694-4
430
Temp.
17-7
V. bei 0"
u. IM. D.
23-09
Ein 'J'heil des Gases wurde übergeführt.
Volum
Ilg Druck
W. Druck
Temp.
V. bei 0"
u.lM. D.
Anfanjfsvoliiiii
29-34
8-83
704-7
380
430
430
J7-7
17-3
20 - 03
Nach Kali
3-10
Also auf 100 V. Blut 41 "23 Gase, davon 30 73 Kohlensäure.
Der Harn war vor und nach dein Auspumpen sauer = 98"70CC.
Gosammlinencfp der Gase ....
10-30
///; Druck
031-9
430
Temp,
17-7
V. I.i.id"
u. IM. I).
0-GS
Ein Theil wurde in eine feine Glocke überijpfiihrt.
Volum
llg Druck
W. Druck
Temp.
V. I.ci (If'
u. IM. 1).
Anfanprsvnliiin
9-04
1-37
037-2
034
430
430
17-7
17-3
0 - 20
Nach Kali ...
0-837
Auf 100 V. Harn G- 77 Gase, davon 5-82 Kuhlensäure.
iiiiil ihre Aussehejduiijj- mittelst der Liing-e.
51>5
Vorn Blute niirdoii 43-90 CC. zur FJestiiMiminn- doi- PO- getioui-
nieii. Auf tOO V. Blut wurde im Ganzen 0-104 PO5 gefunden; von
CaO gebunden 0-009; die übrigen 0-09Ö würden 30-01 CC. Kob-
lensäuie entsprecben.
3. V ersuch.
Blut i)us der Vena jufßularis 63-04 CC.
Volum
% Druck
\V. Druck 1 Tcinp.
V. bei 0»
u. 1 M. D.
Gesammte Gasmenge
Nach Kali
36-02
7-47
719-8
627
380
380
I6-0
14-7
24-93
4-64
Auf 100 V. Blut 39-54 Gase, davon 32-14 Kohlensäure.
Harn vor dem Auspumpen sehwacb sauer, nach dem.\uspumpen
alkaliscii, 102-14.
Auspumpbare Gase
Nach Kali ....
Volum
Uy Drnck
W. Druck
Temp.
50-24
720-8
380
16-5
2-83
440-5
380
14-7
V. bei 0»
u. IM. D.
34-81
1-22
Nachher mit verdünnter Säure versetzt gab der Harn noch Gase,
die sich als reine Kohlensäure erwiesen.
l)undeiie Kohlensiiure
Volum
/A/ Druck
W. Druck
Temp.
V. beiO"
u. IM. D
<Il'
915
644-5
380
16-5
Ö-45
Also enthielten 100 V. Harn 3408 CC. freie Gase, davon
32*88 Kühlensäure und ausserdem o-33 gebundene Kohlensäure.
Vom Blute wurden 42-50CC. genommen und darin die PO5
bestimmt.
100 V. Blut enthielten 0108 PO5, davon wurden 0009 von
CaO gebunden; die übrigen 0-99 entsprechen 31 - 18 CC. Kohlen-
säure.
Der Harn wurde auch auf PO5 (nur die, welche an Alkalien
gebunden) untersucht, und man fand in 100 V. alkaliscii gemachten
Harn 0-61 6 2MgOP05, die darin enthaltenen PO5 würden 124- 10 CC.
Kohlensäure entsprechen.
596
Schöffer. Über die Kohlensäure des Blutes
4. Versuch.
Blut aus der Vena jugtdaris 60-24 CC.
Volum
Ilij Druck
W. Druck
Teinp.
V. beiO"
u.lM. D.
Gesammtmenge der Blutgase . . .
Nach Kali
40-84
14-62
718-5
696-5
370
387
15-7
15-7
28-28
9-88
Auf 100 V. Blut 46-94 Gase, davon 30-54 Kohlensäure.
Harn vor und nach dem Auspumpen sauer, 99- 12 CC.
Gesammtmenge
Ein Theil davon überffefüllt
Hg Druck W. Druck
587-3 370
Temp.
15-7
V. boiO"
u. IM. D.
3-98
Anfangsvolum
Nach Kali . .
Volum
Hy Druck
W. Druck
Temp.
V. bei 0"
u. IM.D.
3-93
659-5
370
16-5
2-50
0-692
576-5
387
15-7
0-395
Auf 100 V. Harn 4-01 Gase, davon 3-46 Kohlensäure.
Blut zur Aschenanalyse 43 CC. genomnrien.
Auf 100 V. Blut 0-113 PO5; von CaO würden 0-01 gebunden,
die übrigen 0-103 würden 32-45 CC. Kohlensäure entsprechen.
5. Versuch.
Blut aus der Arteria carotis 58-94 CC.
Volum
Hg Druck W. Druck
Temp.
V. beiO"
u. 1 M. D.
Gesaiiimtmengc der freien Gase des
Blutes
Nach Kali
33-45
12-66
720-2
591-5
363
363
16-8
17-ä
23 09
7-35
Zum Blute wurden 50 CC. verdünnte Säure zugesetzt.
und ihre Ausseheidiinj»- tnittelsf der Lniiji'e.
397
Die gebundene Kohlensäure mit Luft
versetzt
Nach Kali
Volum
617
5)-38
IIiJ Druck
615-9
31)6-2
363
363
Tfiiii).
16-8
17-1)
V. hei d"
u.lM. Ü.
3-65
3-15
100 V. Blut enthalten 39-17 auspumpbare Gase, davon 26-70
Kohlensäure. Ausserdem 0-33 CC. gebundene Kohlensäure.
Harn sauer vor und nach dem Auspumpen, 105-39 CC.
Gesammtmenge der Gase des Harns
Nach Kali .
Volun
7-90
1-924
Hg Druck W. Druck Temp
612-6
376-8
363
363
16-8
17-3
V. beiO"
u. 1 M. D.
4-63
0-883
100 V. Harn enthalten 4-41 Gase, davon 3 '57 Kohlensäure.
Von dem mit Säure versetzten Blute wurden 72 CC. genom-
men (also 33-95 CC. Blut). Aus der Analyse ergab sich, dass 100 V".
Blut 0-091 PO5 enthielten, wovon 0-009 an Kalk gebunden, die
übrigen 0-082 würden 25-83 CC. Kohlensäure entsprechen.
6. Versuch.
Hier führe ich noch einen Versuch an, bei welchem die Aschen-
analyse nicht gemacht wurde, sondern nur die Gase des Blutes und
des Harns, so wie dieExspirationsIuft auf ihren Gehalt an Kohlensäure
geprüft wurden. Das Blut wurde aus der Arteria carotis genommen.
Um dieExspirationsIuft zu gewinnen, wurde dieTracheatomie gemacht,
eine starke Glascanüle eingebunden und dieselbe mit dem von VV.
Müller beschriebenen Ventile in Verbindung gesetzt. Es wurden
mehrere Antheile Luft mit aller Vorsicht über Quecksilber aufgefan-
gen und zwar gewöhnlich einer zu Anfang und ein anderer zu Ende
der Exspiration, wobei auf den Thorax eine Compression ausgeübt
wurde. Die Zahl der Athemzüge in der Minute war 13.
Blut aus Aqy Arteria carotis 58-77 CC.
Gase des
Volum
% Oruck
VV. Druck
Temp.
V. l.eiO"
u.ni. D.
GesiiinintnuMigp der freien
Blutes .
36-96
13-39
709-3
632
447
426
14-4
i4-9
23-63
9-67
Nach Scaii .
Auf 100 V. arterielles Blut 43 - 60 Gase, davon 25 • 45 Kohlensäure.
tjQg Scliöffer. Über die Koli'ensäiire des Blutes
Der Harn vor und nach dem Auspumpen sauer, 102*67 CC.
Vüluin
Ilij Unick
\V. Druck
Temp.
V. hei 0"
u. 1 M. D.
Die Gase des Harns
5-86
004-6
447
14-4
3-48
Da die Gasmenge zu gering war, so setzte man noch Luft hinzu.
Voll! 11.
Il;l Druck
\V. Druck
IVinp.
V. l,ci 0''
u. 1 .\l. ü.
Die Gase des Harns nach Luftzusatz
Nach Kali
14-17
0-49
044-2
009
437
426
lö-l
14-9
8-91
6-30
Auf 100 V. Harn 3-31 Gase, davon 2-48 Kohlensäure.
Die Analyse der Exspiratiousluft gebe ich nicht in toto wieder,
sondern nur die Resultate.
Auf 100 V. Luft =4-23)
. 100 „ „ =7-
„ 100 ,. ,. =4-19/
t-23i . ., . ,.
, > zu einer hxs])irutiui
„ 100 „ „ =5-47f ■ '■
.. 100 „ ,. =3-7(»v
,. 100 „ ,. =0-88> ,. „
., 100 „ , =9-01)
Der folgende zweite Versuch gehört eigentlich zu einer anderen
Versuchsreihe und er wird auch an seinem Orte näher beschrieben
werden; hier führe ich nur die Phosphorsäuiebestimmung, so wie
den Gehalt des Blutes an Kohlensäure an.
7. Versuch.
Das Venenblut wurde aus dem rechten Heizen, das Arterien-
blut aus der Arieria carotis genommen.
100 V. venöses Blut entbleiten 43-06 auspumpbare Gase,
davon 33 (lö Kohlensäure; ausserdem 3- 05 gebundene Kohlen-
säure; Phosphorsäure =0'0987, davon an Kalk gebunden O'Oll;
die übrigen 0-0877 würden 27-62 Kohlensäure entsprechen.
100 V. arterielles Blut enthielten auspumpbare Gase SO '65,
davon 31-65 Kohlensäure. Gebundene Kohlensäure in Spuren.
Phosphorsäure = 0 003, davon 0-010 an Kalk gebunden; die
übrigen 0-088 würden 27 • 72 CC. Kohlensäure entsprechen.
iiiiH ihre Ausscheidung' mittelst Her Liingre.
399
8. Versuch.
Es wurden Harn, venöses Blut aus dein Herzen und arterielles
aus der Carotis genommen. Der Harn war sauer vor und nach dem
Auspumpen.
100 \. venöses Blut enthielten: auspumpbare Gase 41 "62,
davon 27-83 Kohlensäure. Phospliorsäiire = 0-107, davon an Kalk
0-010 gebunden; die übrigen 0-097 würden 30-57 Kohlensaure
entsprechen.
100 V. arterielles Blut enthielten: 42-92 auspumpbare Gase,
davon 2G-44 CC. Kohlensäure. Phosphorsäure = 0-119, davon an
Kalk gebunden 0-010; die übrigen 0-109 würden 34*07 Kohlen-
säure entsprechen.
Volum
% Druck
W. Druck
Tiinp.
V. Lei O'J
u.lM.D.
Die Gase des Harns
Nach Kali
11-96
3-64
581
346-3
500
480
19-3
18-8
6-70
201
Auf 100 V. Harn 6-61 Gase, davon 4-63 Kohlensäure.
Aus diesen Beobachtungen ergibt sich:
1. Die Angaben von Planer sind auch für den Hund begründet,
so dass der Harn wirklich nur sehr wenig Kohlensäure enthält, vor-
ausgesetzt, dass er auch nach dem Auspunipensauer reagirt. Der Harn,
welchen PI a ner beobachtete, reagirte wahrscheinlicli nachdem Aus-
kochen neutral oder basisch, denn sonst lässt sich nicht begreifen, wie
er Kohlensäure aus saurem Harn durch Säuren bekommen konnte.
Zur Übersicht meiner Wm-sucIic ffebe ich die nachstehende Tabelle:
100 Vüliime Harn.
der Gase "
Freie Kohlen-
säure
(Jeiiuii.leiie
CU..
1. Versuch Harn sauer
3()9
i-Ti
—
2- « „ „
()-77
H-S't
—
3. „ „ alkalisch
34-08
32 -88
5 -33
4. ., „ sauer
401
3-4(»
—
5 „ . .
4-41
3:;7
—
6
()()l
4 03
—
7. „ „ „
3 '31
2-48
—
600
S chöffer. Über die Kohlensäure des Blutes.
Wenn der Harn sauer reagirt, so schwankt also die Kohlen-
säureineiicje zwischen 2-77 und 5-82 Proc, im Mittel 3-79Proc.
2. Es ist gar kein Verhältniss zwischen der auspumpbaren
Kohlensäure des Blutes und der Kohlensäure im Harn. Man ersieht
es aus folgender Tabelle :
Blut
Harn
Nr. 1
21-32
2-77
30-73
5-82
« 3
32-14
38-11
,, 4
30 -S4
3-46
Blut
Harn
Nr S
26-70
3-57
„ 6
23-45
2-48
-!
27-83
26-44
1 4-63
3. Die Beziehung zwischen dem Gehalt des Blutes an Phosphor-
säure und der auspumpbaren Kohlensäure scheint dagegen eine
innigere. Im Allgemeinen wächst die Kohlensäuremenge mit der Zu-
nahme an Phosphorsäure; doch sieht man sogleich, dass die Annahme
von Fernet, als würde von jedem Atom 2NaO, HO, PO5 , also für
jedes Atom Phosphorsäure zwei Atome Kohlensäure gebunden , für
das Blut des Hundes sich nicht rechtfertigt; denn meistentheils würde
das Salz dazu soviel Kohlensäure verlangen, dass die wirklich vorhan-
dene Menge derletzteren garnichtgenügen würde; ausserdem muss ja
noch eine Quantität an NaOCOa gebunden und eine andere auch noch
als difTundirt angenommen werden. Um mit dem von Fernet hinge-
stellten chemischen Princip in Einklang zu bleiben, muss man die
Annahme machen, dass der Piiosphor auch in anderer Form denn als
Phosphorsäure enthalten sei (wohl kaum eine nennenswerthe Quan-
tität), oder dass auch andere Körper, vielleicht Eiweiss-Substanzen
oder Harnsäure die Stelle der Kohlensäure vertreten, das heisst mit
phosphorsaurem Natron in Verbindung treten können.
p]s ist wohl höchst wahrscheinlich, dass der grösste Theil der
Kohlensäure durch das phosphorsaure Natron gebunden wird; nur
ein geringer wird als difTundirt im Blute enthalten sein.
Leider ist der Partiardruck, unter dem die Kohlensäure im Harne
steht, für die Temperatur des Körpers gar nicht anzugeben, weil
der Absorptions-Coefficient des Harnes, der die normale Blutwärme
besitzt, nicht bekannt ist. Denn wenn man selbst dem Harne und dem
Wasser gleiche Fassungskraft für Gase ertheilen wollte, so würde
lind ihre AnssoheiHung: mittelst Her Liingre.
601
dieses noch immer nichts helfen, da auch dei-Absorptions-Coefficient
des Wassers zwischen 35-5 bis zu 40« C. unbekannt ist und sich
aus der Formel von Bunsen auch nicht ableiten lässt.
Wegen Mangel an einem Bunsen'schen Absorptionsmeter
konnte ich die Bestimmung des Absorptions- Coefficienten nicht
machen und es fragt sich überhaupt, ob man bei einer so bohen
Temperatur leicht zu richtigen Resultaten kommen würde.
Hier folgt die Tabelle:
Gefundene
Die Kohlen-
säareraenge.
i
PO^menge
Kohlensäure-
menge
welche nach
Fernet
nöthig wäre
Venöses Blut Nr
0-08
21-32
23-90
J5 » "
2
0 095
30-73
30-01
» » »
3
0-099
3214
31-18
» » »
4
0-103
30-54
32-43
» « »
7
0-088
33 03
27-72
»* w 7>
9
0-097
27-83
30-37
Art'.'i-ielles „ ,.
5
0-082
26-70
23-83
» >• »
6
0-088
31 -63
27-72
. .
8
0-109
26-44
34 07
II.
Um dem Processe in den Lungen näher zu kommen, wurde
eine andere Versuchsreihe angestellt. Ich hatte nämlich bei meinen
Versuchen immer mehr gebundene Kohlensäure im venösen Blute
als im arteriellen gefunden, doch da das Blut nicht aus einem Tbiere
genommen und da das Verhältniss des Cruors zum Serum ein ver-
schiedenes sein konnte, so war dieses Resultat nicht als ein gesi-
chertes anzunehmen. Es war von höchstem Interesse diese Thatsache
mit Berücksichtigung aller möglichen Cautelen zu prüfen; stellte
sich auch dennoch das oben erwähnte Verhältniss als constant heraus,
so war das ein zwar indirecter aber um nichts weniger schlagender
Beweis, dass die Annahme einer besonderen Einwirkung der Lunge
auf die Kohlensäureverbindungen im Blute eine richtige sei. Der
Versuch wurde auf folgende Art gemacht. Es wurde bei einem und
demselben Tbiere so viel als inöglicb gleichzeitig Blut aus dem
(^Q2 Schöner. Ül-er .In- Kdlileiisiiure des Blutes
recliten Wevieu und dcv Artei'ia c«ro^is über Qucn-ksilber aufgefangen.
Das venöse Blut wurde aus mehreren Gründen aus dem Herzen
genommen: erstens bekam man auf solche Weise im gewissen Sinne
ein mittleres venöses mit Lymphe gemischtes Blut und dann liegt
auf der Bahn zwischen dem rechten Herzen und der Carotis als Ver-
änderungsmittel des Blutes nur die Lunge. Doch um das Verhältniss
des Cruors zum Plasma genauer zu kennen, wurden inmier von bei-
den Blutarten eine abgemessene Quantität genommen und davon
die Färbekraft nach der Methode von Welker bestimmt. Wurde
eine Aschenanalyse gemacht, so berücksichtigte man auch den Gehalt
an Eisen.
Das Auffangen des Blutes aus dem rechten Herzen ist nicht auf
gewöhnlichem Wege zu erzielen, da wie bekannt das Blut in demselben
unter negativem Drucke steht und darum durch eine eingeführte Canüle
nicht nach aussen abfliesst. Es wurde desshalb durch die F<?wajM^M^am*
ein gerades Katheter in's Herz eingefülirt. Am freien Ende ist ein
Kautschukschlauch angebunden und dieser steht durch ein Glasrohr
(um etwa vorhandene Luftblasen sehen zu können) mit einem zweiten
Schlauche in Verbindung; an diesen letzteren setzt man eine gut
ziehende Spritze und entfernt dadurch die im Katheter befindliche Luft ;
die Spritze muss mehrere Mal angesetzt werden; zuletzt legt man eine
Klemme an den Schlauch und bringt ihn in die Quecksilberwanne und
entfernt durch Druck die über der Klemme sitzende Luft.
In der Wanne steht schon das mit Quecksilber gefüllte Gefäss
zum Auffangen des Blutes (siehe Fig. i, b); an dem Halse desselben
ist ein Kautschukschlauch befestigt und es steckt in der Öffnung
desselben ein Kautschukpfropf mit zwei Glasröhrchen; die eine ver-
bindet man mit dem aus dem Herzen kommenden Schlauche und die
andere mit einem mit Quecksilber gefüllten senkrecht nach unten
laufenden Rohr, welches in eine Schale mit Quecksilber taucht; das
Rohr ist mit einer Klemme geschlossen; öffnet man dieselbe, und
ebenso die Klemme, welche am Schlauche liegt, der aus dem Herzen
kommt, so entsteht ein starker Zug und das Blut steigt in das Gefäss.
Dieses Verfahren, welches sich in der Beschreibung sehr ein-
facli ausnimmt, hat in der Ausführung darum Schwierigkeiten,
weil das Venenblut leicht gerinnt und sich in der langen Röhre
leicht nocii eine Luftblase verbirgt, die erst durch einen rascheren
Strom in den Recipienlen übergefüliit w ird. Ist dieses geschehen,
lind ihit' Aiissflii'iiliiiij; iiiittelsl «In- Lunge. OÜo
und die iiotlnvendige rasche Arbeit lässt es leider nicht immer ver-
meiden, so miiss m;m eine neue Portion Blut aufTanü^en ; aus diesem
Grunde stellte ich mir immer noch einen zweiten kalibrirten Hecipien-
ten zur Hand. Der geringe N-gehait, den die analysirten Gasmengen
darbieten, beweist, dass diese Schwierigkeit überwunden wurde,
AulTailend ist in dieser Beziehung nur der erste der folgenden Ver-
suche. Da aber hier das arterielle Blut noch N-reicher als das venöse
ist, da das AufTangen des arteriellen ganz ohne alle Schwierigkeiten
geschehen kann, und da auch keine Luftblasen in den beiden Bohren
bemerkt wurden, so miiss hier das Blut selbst sehr reich an N gewe-
sen sein.
Die beiden gleichzeitig aufgefangenen Blutarten konnten natür-
lich nicht gleicbzeitig ausgepumpt werden, sondern es konnte der
zweite Blutbehälter erst mehrere Stunden nach dem ersten mit dem
Apparat verbuiulen werden. Um die Veränderungen des aus der
Ader gelassenen Blutes zu vermeiden , wurde desshalb das später
auszukochende Blut in Eis gestellt. Meist wurde zuerst das arterielle,
einige Male aber auch zuerst das venöse Blut gasfrei gemacht.
Auf die Bestimmung der gebundenen Kohlensäure wurde eine
besondere Sorgfalt verwendet, und ehe man die Säure zusetzte, so
lange gepumpt, bis gar kein Gas mehr gewonnen werden konnte.
Für die Bestimmung der gebundenen COg selbst war die neue
Form der Gefässe für den leeren Baum aus zwei Gründen günstig;
man konnte mittelst derselben das abgeschiedene Gas ohne die ge-
ringste Verunreinigung mit Blut bis zum letzten Bläschen in das
Sammelrohr leiten, und man konnte auch die in die Kugeln einge-
drungene Flüssigkeit fast vollkommen wieder in den Blutbehälter
zurückführen. Das erstere gelingt darum, weil die Kugelgefässe
Fig. (2) eine weite (6) und eine enge Mündung («) besitzen ; die letztere
wird bei aufrechter Stellung des Apparates nach oben gerichtet, so
dass die capillare Öffnung der Kugel B in Fig. 1 an das Sammelrohr
grenzt. Durch diese OtTnung tauscht sieb das Quecksilber gegen das
Gas nur dann aus, wenn man auf den vom Sammelrohr ausgehenden
Schlauch drückt, und somit bat man es in der Hand Luftbläschen um
Luftbläschen emporsteigen zu lassen. — Für das vollkommene Zu-
rückfliessen des in den Kugeln zurückgebliebenen Blutes war beson-
ders der Umstand günstig, dass bei der horizontalen Lage des Appa-
rates das Blutgefäss (Fig. 1, C) auf den höchsten Punkt zu stehen kam.
604
Schöffer. Ül)er die Kohlensiiure des Blutes
Um die Flüssigkeit aus den Kugeln in das Blulgcfäss zurückzubringen,
verfuhr ich folgendermasseii. Nachdem das Kochen vollendet und
das Blut, so \\e'\t es in der aufiecliten Stellung des Apparates möglich,
in das Blutgefäss zurückgetreten war, wurde das Quecksilber bis
an die Verbindung A und B emporgetrieien, mit der Vorsicht, dass
keine Flüssigkeit in B überging. Hierauf ward die Klemme zwischen
^und ß geschlossen, dann der Apparat horizontal gelegt und in dieser
Stellung so lange fixirt, bis alle Flüssigkeit in das Blutgefäss aufge-
stiegen war. War dieses geschehen, so wurde der Apparat wieder
aufgerichtet, die Klemme zwischen A und B geöffnet und das Queck-
silber in A eingetrieben, jedoch nur so weit, dass es doch immer
noch unter einem viel geringeren Druck als dem der Atmosphäre
stand, und darauf sogleich in das Sammelrohr eingelassen. Dieses
ist bei dem Auffangen der chemisch gebundenen Kohlensäure darum
möglich, weil es sich hier meist um sehr geringe Gasvolumina han-
delt. Da die Kugel, in der das Gas zuletzt verweilte, sehr wenig
Flüssigkeit enthielt , und das Gas selbst eine geringe Dichtigkeit
besass, so kann der Gasverlust auch nur ein sehr geringer sein.
1. Versuch.
Die beiden Blutarten hatten fast genau dieselbe Färbekraft.
1. Arterielles Blut aus der Arteria carotis 61 -43 CC.
der auspumpbaren
Volum
Jly Druck
W. Druck
Tenip.
V. bei 00
u. IM.D.
Gesammtnicnge
Gase . . .
41 CG
15-89
712
616 5
424
410
17 ä
17
28-52
Nach Kali ... -
9-67
Ein Theil wurde in's Eudiometer übergefüllt.
Volum
//// Druck
W. Druck
Tciiip.
V. Lei d"
u. 1 M.D.
10-99
44-49
23-28
580
668-5
682-7
407
400
395
17
16-5
16-7
6-16
Nach Wasserstoffzusatz
Nach Verpuffung
28-69
15-30
Schliffe r. Ülier die Knhleiisüiiru des Blutes
Gebundene Kohlensäure:
005
Anfangsvoluni nach Luftzusatz .
Nach Kali
Vuluin
33-72
30-80
}lg Druck
710-4
723-3
424
410
Tcnip.
i7-:i
17
V. 1,1- i (l'J
u. I M. I).
23-03
21-86
Auf 100 V. arterielles Blut: Auspunipbare Gase 40-42, davon
30-88 Kohlensäure, 11-39 Sauerstoff und 4-18 SticksloH". Gebun-
dene Kohlensäure !• 90.
2. Venöses Blut 59-28 CC.
auspumpbaren
Volum
Hg Druck
W. Druck
Ten.p.
V. Lei UU
u. IM. D.
Gesammtmenge der
Gase ...
32-39
7-36
699-8
368
420
417
16
lG-5
21 -94
Nach Kali
4-27
lu's Eudiometer übergefüllt.
Anfangsvoluin
Nach Wasserstoffzusatz
Nach Verpuffung
Gebundene Kohlensäure:
7-93
31-36
lS-63
//y Druck W. Druck Terap.
V. bei 0"
u. 1 M. D.
536-3
634
627
407
400
395
17
16-5
16-7
4-27
16-84
9-45
Volum
Ug Druck
VV. Druck
Temp.
V. hei 0"
u. IM.D.
Anfangsvoium nach Luftzusatz . .
Nach Kali
29-96
23-98
708-7
674- 1
420
417
IG
16-3
20-33
17-29
100 V. venöses Blut enthielten: anspumpbare Gase 37-01,
davon 29-32 Kohlensäure, 4-15 Sauerstoff, 3 - 05 Stickstoff. Gebun-
dene Kohlensäure 5-49.
2. Versuch.
Das arterielle Blut war verhältnissmässig dunkel; zwischen der
Färbekraft des arteriellen und venösen Blutes kein erheblicher
60(5
Scliöffer. Ulier die ivolileusiiiire dos Bliitos
Unterschied. Der Apparat schloss nicht vollständig und es kamen
einige kleine Luflhlasen von aussen hiiK'iii. I);truni wurde nur die
Kolilensäiu'c bcslinnnt.
1. Arterielles ßlut ^4-16 CC.
aiispumpbaren
Volum lli/ Druck
\V. Druck
Toinp.
V. hei 0»
u. IM.D.
GesammlmcnfTp der
Gase
33-92
7-04
71Ü-4
•J77-4
377
330
18
16-2
19-07
Nacli Kali
4 02
Gebundene Kohlensäure:
Vnluil
Anfaiif^svolnin nach Liiflzusafz
Nach Kali
20 -37
24-77
Ihl Druck
f)GG
641--)
377
380
V. I.ci 0"
^ '■'"''■ u. l.M.D.
18
10-2
17-00
IS -42
100 V. arterielles Blut enthielten: auspumpbare Kohlensäure
29-4I>; gebundene 2-92.
2. Venöses Blut 59-27 CC.
Gosammimonfjo <1. aiispiimpl). Gase
Volum //(/ Druck
37-151)
072-
3i)2
Tcinp.
i7-:>
V. bei 0»
u.lM. D,
[)as Gas wurde in eine andere Glocke übergeführt.
Anfangsvoluni
Nach Kali .
Gel)i!ndeiie Kohlensäure :
Volum
IIa Druck
\V. Druck
Tcmp.
33-67
714-0
390
17-iJ
0-30
;!95
370
10-S
24-18
V. hei (l<i
u.lM. II.
23-04
3-69
AnfaiiLTsvoliim nach Liiflzusalz
Nach Kali
Volum
//// Druck
W. Druck
Teinp.
l()-37
031 •!)
390
17-Ö
i4-:;9
019
370
16-:;
V. I>ci0('
11. 1 M.D.
11 -IT)
8-89
100 V. venöses Blut enthielten: auspumpbare Kohlensäure
29-41): irebinidene 2-92.
lind ihre Ausscheidung- mittelst der Lunge.
607
3. Versuch.
Das erste Blut aus dem Herzen ging verloren und darum konnte
das Blut aus der Carotis und dem Herzen nicht gleichzeitig aufge-
fangen werden. Die Färbekraft des venösen Blutes war eine kaum
merklich stärkere.
1. Arterielles Blut 51-80 CC.
Gesammtmenge d. auspumpb. Gase
Nach Kali
Volun
36-47
14 12
Hg Druck
719-4
630-3
St7
320
Temp.
13-7
16-ä
V. bei 0"
u. 1 M. D.
26-24
9-84
Gebundene Kohlensäure war nur in Spuren vorhanden.
Nach der Absorption der Kohlensäure wurde das Gas in's
Eudiometer übergeführt.
Vol
uo,
Hg Druck
W. Druck
Temp.
V. bei 0»
u. IM. D.
Anfangsvoiuni . .
8
44
31
-62
80
27
343-3
716-2
664-3
310
303
303
16-8
18
18
4-60
Nach Wasserstoffzi
Nach Verpuft'ung .
Satz
30-03
17- 19
Auf 100 V. arterielles Blut: SO -65 auspumpbare Gase, davon
31-65 Kohlensäure, 17-70 Sauerstoff, 1-25 Stickstoff, gebundene
Kohlensäure in Spuren.
Von dem mit Säure versetzten arteriellen Blute wurden 56 CC.
(welche 34-20 CC. Blut enthielten)- zur Aschenanalyse verwendet.
Es ergab sich auf 100 V. Blut 0-080 Fe.Os und 0-098 PO5.
2. Venöses Blut 60-36 CC.
(lesamn)tmenge d. auspumpli. Gast"
Nach Kali
Sil7.l.. d. mnthem.-natiiiw. Cl. XLI. Hd. Nr. 18.
Vülum Hl Druck
1
\V. Druck
Temp.
V. bei 0"
u. 1 M. D
.37-38 706-2
317
13-7
26-21
9-93 611-3
320
16-3
6 09
42
608 Schöffer. Über die Kohlensäure des Blutes
In's Eudiomoter libei-tieführt.
Vulum
Ilij Druck
W. Druck
Teinp.
V. beiO»
u.lM.D.
Anfangsvoluin
11 02
!» 1-1)3
30-96
Ö45 - 3
713-5
706-3
310
3U3
493
16-8
18
18-7
6-11
Nach Wasserstoffzusatz
Nach Vcrpiiffiinj)-
35-84
19-32
Gebundene Kohlensäure;
Volum
% Druck
\V. Druck
Tcmp.
V. beiO"
u. IM. D.
Anfangsvoluin nacli l.uRzusatz . .
Nach Kali
13-85
13-09
633-3
641-8
517
320
13-7
16-3
10-25
8 ■ 39
Auf 100 Y. venöses Blut auspuinphare G:ise 43-06, davon 33-05
Kohlensäure, 9-20 Sanerstoft", 1 -00 StickstolV. Gebundene Kohlen-
säure 3-05.
Von dem mit Säure versetzten Blute v\ urden zur Aschenanalyse
61 CC. (die 43*74 CC. des ursprünglichen entsprechen) verwendet.
100 V. Blut enthielten Fe3 03 = 0-078 Grm. und PO5 = 0-0987.
4. Versuch.
1. Arterielles Blut 56-54 CC. (zum venösen verhielt sich seine
Färbekraft wie 104: 100).
Volum
Hg Druck
W. Druck
Temp.
V. bei 00
u. IM. D.
Gesammtmenge d. auspuniph. Gase
Nach Kali
36-82
15-79
689
601-5
490
487
20
18-8
24-27
9-32
Ein Theil des rückständigen Gasvol ums in'.'^Eudiometer übergeführt.
Viilum
Ug Druck
\V. Druck
Temp.
V. bcid«
u. IM. D.
Anfangsvolum
11-88
580 - 7
478
17-8
6-66
Nach Wasserstoffzusatz
43-96
687-4
473
IS
29-15
Nach Verpuffung
19-18
573
472
18-3
10-82
Gebundene Kohlensäure nur in Spuren.
und ihre Aussclieiduii"- mittelst der Lung^e.
609
100 V. arterielles Blut enthalten also auspumpbare Gase
= 42-92, davon 26-44 Kohlensäure, 1o-24 SauorsfolT und 1-23
Stickstüir. Zur Aseiienanalyse wurden G2 CC. mit Säure versetztes
Blut (42*85 CC. entsprechend) verwendet und es ergab sich auf
100 V. BlutFcoOa = 0-100; PO5 = 0-119.
2. Venöses Blut 56-87 CC.
aiispiiini»'
iuron
Volum
% Druck
W. Druck
Temp.
V. beiO»
u.lM. D.
Oesiimintnicnge der
Gase
34-98
12-81
703-2
619-3
300
480
19-3
18-8
23-67
7-84
Nacli Kali - -
lii's Eudiomeler iibcrj'cfiihrt.
Volum
Hg Druck
\V. Druck
Temp.
V. beiO"
u. IM. D.
Anfangsvoluni
11-90
47-78
18-30
578-2
630
392
478
473
472
17-8
18
18-3
6-68
Nach Wasserstoffzusatz
Nach Verpuffung
29-12
10-63
Gebundene Kohlensäure;
Anfangsvolum nach Luftzusatz
Nach Kali
20-42
18-3
llg Druck
047-9
039-7
490
437
Temp.
20
18-8
V. hei U»
u. IM. D.
12-67
11-72
100 V. venöses Blut enthallen : auspumpbare Gase 41-62,
davon 27-83 Kohlensäure, 12-61 Sauerstoft' und 1-17 Stickstoff.
Gebundene Kohlensäure = 1*67.
Zur Aschenanalyse wurden 68 CC. mit Säure versetztes Blut
(47-23 CC. entsprechend) genommen. Auf 100 V. Blut Fe^Og
= 0-094; PO5 = 0-107.
42*
610
S c li ö f f e r. Über die Kohlensäure des Blutes
5. Versuch.
Das arterielle Blut wurde zuerst aufgefangen, die Färbekraft
des venösen merklich stärker.
1. Arterielles Blut 52-40 CC.
Volum
Hg Druck
W. Druck
Tenip.
V.beiO»
u. IM.D.
Gesammtmenge der auspumpbaren
Gase
31-lC
11-18
717-8
632
46S
454
15
16
21-83
Nach Kali
7-03
In's Eudiometer übergeführt:
Volum
lly Druck
W. Druck
Temp.
V.beiüO
u.lM. D.
Anfangsvolum
11-31
381
447
13-3
6-43
Nach Wasserstoffzusatz
41-1Ö
700
443
13-6
28-01
Nach Verpuffung
19-07
576-8
443
15-7
10-97
Gebundene Kohlensäure:
Volum
llg Druck
W. Druck
Temp.
V. bei 00
u. IM. D.
Anfangsvolum nach Luftzusatz . .
Nach Kali
22-26
21-29
672-5
661-3
463
434
15
16
14-64
13-97
100 V. arterielles Blut enthalten: auspumpbare Gase 41*34,
davon 28-02 Kohlensäure, 1I-7G Sauerstoff und 1-66 Stickstoff,
ausserdem 1-26 gebundene Kohlensäure.
2. Venöses Blut 58-96 CC.
auspuiii|
Itaren
Volum
Hg Druck
W. Druck
Temp.
V.belü"
u. 1 M. D.
Gesammtmonge (Ut
Gase
3:i-39
9-60
724-5
622-8
464
438
15-1
15-3
25-15
Nach Kali
5-96
und ihre Ausscheidung' mittelst der Luiio^e.
In's Exdiometer übergeführt:
611
Anfangsvolum
Nach Wasserstoffzusatz
Nach Verpuffung
Gebundene Kohlensäure:
Volum
9-94
44-14
20-77
Hij Druck
561-3
618-2
576-8
VV. Druck
447
443
443
Temp.
15-3
15-6
15-7
V. beiO"
u. 1 M. D.
5-48
26-62
11-69
Anfangsvolum nach Luftzusatz
Nach Kali
Vulum % Druck W. Druck Temp. ^'j^I^q
23-87
20-44
650-6
707-3
464
458
15-1
15-3
15-19
13-39
100 V. venöses Blut enthielten: 42-64 auspumpbare Gase;
davon 32-53 Kohlensäure, 8 "SS Sauerstoff, 1'25 Stickstoff. Ausser-
dem 3*06 gebundene Kohlensäure.
6. Versuch.
Der Hund wurde 31/2 Stunde vor dem Versuche gefüttert und
wie die Section nachher zeigte, war die Verdauung schon weit fort-
geschritten und die Chylusgefässe stark angefüllt. Das Arterienblut
wurde um einige Minuten später aufgefangen. Inder Färbekraft beider
Blutarten kein erheblicher Unterschied.
1. Arterielles Blut 57-98 CC.
Volum Htj Druck
W. Druck
Temp.
V. bei 0«
u. IM. D.
Gesammtmenge der auspumpbaren
Gase
34-92
14-08
727-9
701
431
400
15-4
15-2
23-68
Nach Kali
9-74
In's Eudiometer übergeführ
t:
Volum
Hg Druck
W. Druck
Temp.
V. bei 00
u. IM.D.
Anfangsvolum
10-03
43-66
24-28
551
707-8
677-5
401
394
392
15-2
15-4
14-8
5-48
Nach Wasserstoffzusatz
Nach Verpuffung
29-91
15 03
gJ2 Schöff er. Über die Kohlensäure des Blutes
Gebundene Kohlensäure:
Anfangsvoluin nach Luftzusatz
Nach Kali
Volum
17-6S
16 CO
Il(j Druck
664-1
640-8
431
400
Temp.
lS-4
la 2
V. bei 00
H. IM.D.
10-39
10-ä4
100 V. arterielles Blut enthielten: auspumpbare Gase 45'o5,
davon 26-80 Kohlensäure, 16 -9^ Sauerstoff und 1-80 StickstolV.
Gebundene Kohlensäure 0*67.
2. Venöses Blut 59-80 CC.
Volum
//</ Druck
W. Druck
Temp.
V. beiO»
u. IM.D.
Gesammtmenge der auspumpbarcn
Gase
Nach Kali
37-18
1 1 • 44
694-4
608 -K
420
406
15-3
15 2
25-04
6-96
In's E.Kdiometer übergeführt
Anfangsvolum ....
Nach Wasserstoftzusatz
Nach Verpuftung . . .
Volu.u
Hg Druck
W. Druck
Temp.
12-80
557-5
401
15-2
51-03
669-1
394
15-4
23-14
635
392
14-8
V. bei 0"
u. IM.D.
6-96
33-09
14-29
Gebundene Kohlensäure
Anfangsvolum nach Luftzusatz
Nach Kali
Volum
25-78
23-91
Hij Druck
690-7
692-4
420
406
Temp.
15-3
15-2
V. bei O»
u. IM. D.
17-29
16-35
100 V. venöses Blut enthalten : 41-87 auspumpbare Gase, davon
30-26 Kohlensäure, 10-46 Sauerstod', 1-15 StickstolT; gebundene
Kohlensäure 1 -57.
iinil ihre Aiisscheiiiiiiinf mittelst der Liinjre.
613
Zur leichteren Übersicht stelle ich jetzt die Resultate der gan-
zen Versuchsreihe tabellarisch zusammen, wobei alles auf 100 Volume
Blut berechnet ist.
Gesammt-
ineoge
Gebun-
auspump-
barer
Gase bei
Kohlen-
säure
Sauer-
stoff
Stickstoff
ilene
Kühlcu-
Firbe-
krafl
Eisen
IM. Hd
säure
i Arteriel.
1 Venöses
Blut
und 0» C.
I.Versuch
46-42
37 Ol
30-88
29-82
11-39
4-13
4-18
3-03
1-90
3-49
starker
—
9
( Arteriel.
»
—
29-43
—
—
2-92
kein Un-
—
"• n
( Venöses
}}
—
34-26
—
—
381
terschied
—
3. „
(Arteriel.
5J
ä0-6ö
31-63
17-70
1-23
Spuren
—
0-080
(Venöses
»
43-06
33-03
9 20
1-00
305
starker
0-078
4. „
( Arteriel.
«
42-92
26-44
13-24
1-23
Spuren
stärker
0-100
( Venöses
>J
41-62
27-83
12-61
1-17
1-67
—
0-094
S. „
i Arteriel.
W
41-34
28-02
11-76
1-66
1-26
—
—
1 Venöses
V
42-64
32-33
8-83
1-23
306
stärker
—
ö. „
i Arteriel.
„
43 -5ä
26-80
16-93
1-80
0-67
kein Un-
—
( Venöses
)'
41-87
30-26
10-46
1-15
1-.37
terschied
—
Diese Tabelle hat in so ferne ein hohes Interesse , als sie eine
VergleichuDg zulässt zwischen den Gasen der beiden Blutarten bei
einem und demselben Thiere; es sind in dieser Beziehung die ersten
Zahlenwerthe, welche nach einer zuverlässigen Methode gewonnen
sind. Sie werden zu mancher interessanten Schlussfolgerung führen
können: hier kann ich mich aber nur auf das einlassen, was mich
nicht zu weit von dem Untersuchungsgegenstand ablenkt. Das
arterielle Blut enthält also im Mittel auf 100 Volum. 5-5 CC. Sauer-
stolT mehr und 4-6 CC. Kohlensäure weniger als das venöse, ein
Verhältniss, welches fast demjenigen gleich ist, welches man zwi-
schen eirigeathmetem Sauerstoff und ausgeathmeter Kohlensäure bei
Fleischfressern findet. Was für uns aber von grösserem Interesse
ist, sind die Zahlenwerthe der gebundenen Kohlensäure:
Es erweist sich als coustant , dass die Menge der gebundenen
Kohlensäure im venösen Blute beträchtlicher ist als im arteriellen,
so dass im Mittel die Hälfte des Unterschiedes der Kohlensäure im
ß|4 Schöffer. Über <lie Kohleiisäuie des Blutes
arteriellen und venösen Blute auf die gebundene Kohlensäure fällt.
Diese Thatsache erhebt die Einwirkung der Lunge auf die Kohlen-
säureverbindungen zur Gewissheit, dabei lässt sie aber unentschie-
den, worin diese Einwirkung besteht.
111.
Obgleich die zuletzt angeführte Versuchsreihe die grössere Quan-
tität der gebundenen Kohlensäure irn venösen Blute als unabhängig von
der Mischung aus Körperchen und Serum dargethan hatte, so schien es
doch von Interesse noch die Gase des Serums zu untersuchen: um
so mehr, da man noch ganz im Dunkel über diesen Gegenstand war.
Zunächst ging ich durauf aus, die Gase des Gesannutblutes und des
Serums, welches aus jenem Blute gewonnen war, zu vergleichen.
Den StolT zur Untersuchung verschatfte mir die folgende Einrichtung.
Fig. 3. Der breite Boden c eines langen Cylindeiglases cid war
central durchbohrt; in die Öffnung war ein genau passendes Glas-
rohr eingelackt, dessen eine Mündung c in gleicher Ebene mit der
inneren Bodenfläche lag , dessen andere a aber um mehrere Centi-
meter vom Boden emporstand, so dass auf dieses äussere Ende des
Rohres ein Kautschukschlauch mit Klemme gesetzt werden konnte.
Auf den Boden c war ausserdem ein weites aber kurzes Cylinder-
glas (ein abgesprengtes Trinkglas) aufgelackt, das als Quecksilber-
wanne dienen konnte. Die Mündung des langen Cylinders ^/^/ war mit
einen zweimal durchbohrten Kork verschlossen; der Kork war sehr
genau eingelackt und mit Siegellack überzogen. Durch die Rohrlöcher
gingen zwei Glasröhren, eine g bis zur inneren Fläche des Korks, die
andere e bis etwas über die halbe Höhe des Cylinders. Die beiden
äusseren rechtwinklig umgebogenen Enden der Röhren /"und h waren
mit Kautschukschläuchen und Klemmen versehen. Der in dieser
Weise vorgerichtete Cylinder hinjn in der gezeichneten Stellung in
der Klammer eines starken Halters ii imd tauchte mit seinem unteren
Ende in eine mit Hg gefüllte Schale. Nachdem bei h ein langes
Trichterrohr angesetzt war, wurde die Klemme bei a und vorübergehend
auch die bei f gelichtet; nun konnte der Cylinder vollkommen mit Hg
gefüllt werden. War dieses geschehen, so wurden alle Öffnungen
geschlossen und die Mündung bei f mit der Cannüle in Verbindung
gesetzt, welche aus einer Carotis eines sehr grossen Hundes kam. Nach
1111(1 iliri- Au.s.si'heidimg luitti'lst iltM Lunge. 615
Lösung der Verschlüsse bei f und h drang das Blut sehr geschwind
in den Cylinder, wobei durch den aufsteigenden Blutstroin eine
gleichförmige Mischung erzielt wurde. Nachdem eine genügende
Quantität Blut (ungefähr 800 CC.) eingeflossen war, wurde der
Hund entfernt, bei h die Klemme geschlossen, dann in die Mündung
bei h das hohe Trichterrohr eingesetzt und vorsichtig mit Hg gefüllt,
zugleich brachte man über den Schlauch bei /'das gewöhnliche mit
Quecksilber gefüllte Glasgefäss zum Auffangen des Blutes an. Öffnete
man jetzt die Klemme bei h und goss in den Trichter Quecksilber,
so füllte sich der Blutrecipient mit Blut. Alle diese Handgrifle müs-
sen rasch abgewickelt werden , damit sie vor Gerinnung des Blutes
beendet sind.
Darauf wurden alle Klemmen des langen Cylinders geschlossen
und derselbe in der gezeichneten Stellung in eine kleinere Schale voll
Quecksilber übergeführt, die in einer grossen Zinktonne stand; hier
angelangt, wurde der Cylinder rings mit Eis eingehüllt und während
24 Stunden sich selbst überlassen. Nach jener Zeit hatte sich im
coagulirten Blute der Kuchen gesenkt und es stand ein sehr reines
Serum über demselben. Dieses letztere war nun leicht in das beim
Auspumpen verwendete Gefäss überzuführen. Zu dem Ende wurde
der Cylinder vorsichtig aus dem Eis gehoben, der lange Trichter
in die Öffnung bei h gesteckt, mit Hg gefüllt, dann wurde der mit
Hg gefüllte Recipient über die Mündung bei a gestürzt, hierauf die
Klemmen bei h und a geöffnet, so dass nun das in den Trichter nach-
gegossene Quecksilber das Serum in den Recipienten übertrieb.
Das Blut , welches unmittelbar nach dem Aderlasse aus dem
langen Cylinder in den kalibrirten Recipienten gebracht war, wurde,
nachdem es daselbst durch Schütteln entfaserstofft war, neben dem
langen Cylinder in Eis gestellt und ebenfalls erst am andern Tage
analysirt, so dass, wenn die Blutgase in der niederen Temperatur
noch Veränderungen erlitten haben sollten, diese bei beiden Blut-
arten gemeinsam stattgefunden haben mussten.
1. Versuch.
Der Hund hatte vor dem Versuche eine starke Mahlzeit gehalten
und darum hatte sich über dem schwach röthlichen Serum noch eine
Fettschicht gesammelt.
ß I (5 Schotter. Ülier ilie Kolilensäure des Blutes
Vom Blute wurde 56 '59 CC. geuomnieii.
ausj)uiiijth;iri'n
Volum
Uli Druck
\V. Druck
Temp.
V. bei 00
u. 1 M. D.
Gesammtnienf:fe der
34-01
706-2
613.9
397
377
16-2
16
23-58
Nach Kali
1Ö-81
9-58
Gebundene Kohlensäure:
Voluni
//// Druck
W. Druck
Temp.
V. bei 00
u. IM. D.
Anfangsvolum nach Luftzusatz . .
Nach Kali
16-28
14-59
636-2
034-6
397
377
16-2
16
10-02
912
Vom Serum wurde 59-29 CC. verwendet.
auspuinpbaroii
Volum
% Druck
W. Druck
Temp.
V. bei 00
u. IM. D.
Gesammtmenge der
Gase ....
11-78
19-83
10 -45
.^86-8
632-2
583
395
391
388
16 4
16-5
16
6-69
Nach Luftzusatz
Nach Kali
12-09
6-04
Gebundene Kohlensäure;
Anfangsvolum nach Luftzusatz
Nach Kali
39-53
19-78
Uli Druck
720-5
696-4
391
388
T, V. bei 00
^ I u. 1 M. D.
16
16
27-63
13-54
tOO V. Blut enthielten: auspumpbure Gase 41-48, davon
24*62 Kohlensäure; ausserdem 1-59 gebundene Kohlensäure.
100 V. Serum enthielten: auspumpbare Gase 11 -28, davon
10 '20 Kohlensäure und 23-77 gebundene Kohlensäure.
Aus diesem Versuch hatte sich allerdings ergeben, dass das
GesammtbUit viel weniger gebundene Kohlensäure enthielt als das
Serum, aber es war doch nicht wahrscheinlicher geworden, dass die
gebundene Kohlensäure des Gesammtblutes allein aus dem Serum
stamme, denn unter der Voraussetzung, dass die gebundene Kohlen-
und ihre Aiisseheiiliiiinr mittelst der Limsfe.
617
säure dem Serum allein angehöre, hätte (Jas Gesammtbhit nur
15 Procent Serum enthalten, eine Annahme, die im vollen Wider-
spruche mit den am Blute selbst gemachten Beobachtungen über die
Menge des abgeschiedenen Serums stand. Die Beobachtung galt um
so mehr, als auch alle von Setschenow untersuchten Blutarten so
wenig gebundene Kohlensäure gegeben hatten. Man musste also
abnehmen, dass sich hier noch etwas anderes einmische, und der
Gedanke lag nahe, dass die Blutkörperchen selbst eine austreibende
Kraft auf die Kohlensäure ausübten. Diese Annahme sollte durch
einen zweiten Versuch geprüft werden. Es wurde wieder wie das
erste Mal Blut aufgefangen und nachdem sich das Serum abgesetzt
liatte, wurden zwei Portionen von dem letzteren in zwei Blutgefässen
aufgefangen; ausserdem hatte man noch in zwei andere eine gemes-
sene Quantität Blut gesammelt. In der einen Portion Serum und
Blut bestimmte man auf die gewöhnliche Art, sowohl die freie als
gebundene Kohlensäure; bei der anderen Portion Serum bestimmte
man, um die Identität beider Serumarten nachzuweisen, nur die freie
Kohlensäure, darauf Hess man das Blut zufliessen , putnpte wieder
die Gase aus und bestimmte jetzt erst die chemisch gebundene Koh-
lensäure des Gemenges aus Blut und Serum. Das Verfahren war
dabei folgendes : an den freien Hals der Kugel Ä Fig. 1 wurde mit
einem Kautschuk ein T- förmiges Glasrohr, wie es die Figur bei C
zeigt, angebunden; das mittlere Stück war mit der Kugel verbunden
und an den Seiten hingen die Gefässe b und b' mit Serum und Blut
durch Klemmen geschlossen; so konnte man die Flüssigkeiten im
Apparat selbst mischen. Die Resultate des Versuchs waren folgende:
Die erste Portion Serum 52-47 CG.
Auspiinipbarc Gase
Nacli Kali . . .
Volum Hy Driiuk W. Druck Tenip
iö-08
1-91
650-8
523 • 3
377
368
17
18
V. hei 0''
u. IM.D.
9-41
0-98
Gebundene Kohlensäure:
Volum
l((/ Druck
\V. Druck
Temp.
V. bei 0"
u. IM.D.
Anfangsvolum
14-02
648-6
377
17
8-74
Nach Kali blieb nur eine unmessbare Spur,
() I fj Schöffer. Ülter die Kohlensiiine des Blutes
Vom Blute wurden 54 'SO CC. verwendet.
Vülum
//y Druck
\V. Druck
Temp.
V. bei 0»
u. iM.D.
Gesammtmenge der auspumpbareii
Gase
33-10
14-00
713-8
638-7
385
359
16-1
191
22-75
Nach Kali
8-70
Gebundene Kohlensäure:
Anfangsvolum nach Luftzusatz .
Nach Kali
Volum
Ilg Druck
W. Druck
Temp.
1011
640-2
385
16-1
931
638-5
308
18
V. bei O«
u. IM.D.
6-25
5-81
Die zweite Portion Blut betrug 57-87 und die zweite Portion
Serum 52-62 CC.
Voluui
Ily Druck
W. Druck
Temp.
V. bei 0«
u. 1 M. D.
Gesammtmenge der auspumpbaren
Gase des Serum
Nach Kali
15-77
3-30
673-4
543-8
374
370
17-2
17-8
10-18
1 76
Die ehemisch gebundene Kohlensäure:
Anfangsvolum nach Luflzusatz
Nach Kali
Volum
14-10
1117
Hg Druck
050-8
020-8
374
370
Temp.
17-2
17-8
V. bei 0»
u. IM.D.
8-81
6-85
Zur Übersicht folgt die Tahelle, wobei alles auf 100 Volume
berechnet.
Blut
Erste Portion Serum
Zweite „ „
Das Gemisch . . .
Gfsammt-
Freie CO.,
41-74
17-93
25-78
16-06
1600
Gebundene
CO.,
0-81
16-65
1-77
und ihre Aiissclieidun}^ mittelst der Liin^e. 619
Diese Resultate sind wohl ein schlagender Beweis, dass die Blut-
körperchen dazu beitragen die Kohlensäure aus dem Blute auszu-
treiben. Diese Wirkung scheint aber nur bei einem sehr erniedrigten
partiaren Druck einzutreten , denn sonst ist es nicht einzusehen,
warum sie bei den Versucl '^i von Lothar Meyer ausblieb. In den
Lungen ist aber der Kohlensäuredruck ein beträchtlicher und es
werden also wohl noch andere Momente nöthig sein, um die Wirkung
der Blutkörperchen zu unterstützen.
Hier will ich auf einiges aufmerksam machen , was mir bei den
Versuchen von Interesse erschien. Beim Auspumpen verhalten sich
die Gase des Blutes und des Serums ganz verschieden. Die Gase des
Blutes entweichen sehr leicht; bei der vierten Auspumpung bekommt
man gewöhnlich nichts mehr; für das Serum muss man 6 — 7mal das
Vacuum erneuern , um es gasfrei zu bekommen. Was ich vom Blute
sagte, gilt hauptsächlich für das arterielle; das venöse verhielt sieh
etwas verschieden, es ist auch schwerer auspumpbar. Da ich bei
meinen zahlreichen Versuchen (wobei die Umstände immer identisch
wurden) dies immer sich wiederholen sah, so muss ich es für ein von
der Zusammensetzung der Blutarten abhängiges Phänomen halten.
Was die Frage anbelangt, in welchen Verbindungen die Kohlen-
säure im Blute und Serum enthalten ist, so fehlt noch manches, um
sich davon volle Rechenschaft geben zu können; doch scheint mir
für das Blut Folgendes höchst wahrscheinlich: der geringe Tlieil,
welcher nur durch Säuren austreibbar ist, wird sich in der Form von
einfach kohlensauren Alkalien im Blute vorfinden; von der aus-
pumpbaren Menge würde ein Theil diffundirt, der andere und viel
bedeutendere von NaOCOo und 2NaO, HO, PO5 zurückgehalten
werden. W^as das Serum anbelangt, so könnte man versucht sein
auch den chemisch gebundenen Antheil als einfach kohlensaures
Salz zu betrachten; doch stimmt dafür nicht die grosse Menge;
wäre das der Fall, so müsste auch im Blute eine viel bedeutendere
Menge von chemisch gebundener Kohlensäure gefunden werden. Mir
scheint, dass auch hier nur ein geringer Theil sich in Form von ein-
fach kohlensauren Alkalien vorfindet, und dass die Hauptrolle Mieder
das phosphorsaure Natron spielt, nur ist, da im Serum die austrei-
bende Kraft der Blutkörperehen wegfällt , die Verbindung eine viel
starrere. Man könnte dagegen die Versuche von Fern et anführen;
er bat nämlich gefunden, dass das pbosphorsaure Natron alle Kohlen-
620 Scliöffer. Über die Kohlensäure des Blutes
säure im luftleeren Räume verliert; doch gilt dies nur für eine rein
wässerige Lösung, es ist nicht uinvahrschoiulich, dass im Blute (wegen
seiner physikalischen oder anderen nicht näher zu bestimmenden
Eigenschaften) die Verbindung noch schwerer sich aufheben lässt,
wenigstens scheint dafür manches zu sprechen. Wenn man das Serum
anfängt auszupumpen, so bekommt man beim ersten Auffangen eine
bedeutende Quantität Gas, dann werden die Mengen immer geringer
und geringer und man hat fast kein Kriterium um zu sagen, dass
der Versuch beendigt ist (alles was man sagen kann ist , dass die
Menge so klein ist, dass man sie nicht mehr auffangen kann). Es ist
wohl denkbar, dass das erste ganze oder halbe Atom schwächer
zurückgehalten wird als das zweite zuletzt zurückbleibende. Doch ist
diese und manche andere Frage erst noch durch spätere Beobachtun-
gen zu lösen. Gern würde ich dieses schon jetzt gethan haben, aber
ich konnte es wegen Mangel an <»rossen Hunden nicht ausführen.
Es muss überhaupt bemerkt werden, dass man oft mehrere Hunde
opfern muss, bis ein Versuch gelingt: der Erfolg hängt ganz von
der Coagulation des Blutes ab: nur selten zieht sich der Biutkucheii
so gut zusammen, dass man eine genügende Quantität Serum gewin-
nen kann.
IV.
Aus den vorhergehenden Versuchen ersieht man, von welcher
Wichtigkeit es wäre eine exacte Methode zu haben, um die Menge
der diffundirteii Kohlensäure im lebenden Blute zu bestimmen. Bis
jetzt ist aber selbst der Versuch dazu nicht gemacht worden, und das
ist leicht begreiflich, wenn man die Schwierigkeit der rntersuchung
in's Auge fasst. Diese Schwierigkeiten liegen aber nicht im Principe,
sondern in der Ausführung und hauptsächlich in den Eigenschaften
des Blutes. Um die Menge eines bestimmten Gases zu finden, welche
eine beliebige Flüssigkeit unter unbekanntem Druck aufgenommen
hat, braucht mau dieselbe nur mit einer anderen Gasart zu schütteln,
die Temperatur und der Druck zu Ende des Versuches zu beobachten
und die Zusammensetzung des rückständigen Gasgenienges bestim-
men; kennt man den Absorptions - Coeflicienten, so kann man auch
durch einfache Rechnung die Gesammtmenge des absorbirten Gases
finden. Beim Blute lässt sich aber der V^ersuch nicht in einem Rohre
ausführen, da dasselbe mitQuecksilber ein Magma bildet und dadurch
und ihre Ausscheidung' mittelst der Lung'e. 621
jede Ablesung unmöglich gemacht wird. Es muss also der Apparat
so construirt werden, dass die Ablesung in einem zweiten Rohre
(wohin kein Blut dringen kann) ausgeführt werden könne.
Der Apparat, der mir zu Gebote stand, bestand aus zwei
genau graduirten und kalibrirton Glasröhren, die durch eine durch-
bohrte Metallfassung in iliren oberen Theilen mit einander com-
municirten (die Verbindung wurde während dem Schütteln durch
einen Hahn aufgehoben). In das eine stärkere Rohr wurde über
Quecksilber eine gewisse Quantität Luft und Blut eingeführt und
dasselbe unten hermetisch geschlossen und darauf sowohl das obere
wie das untere Niveau des Blutes abgelesen, dadurch erfuhr man
auch das Gasvolum; das andere feinei-e Rohr diente sowohl zur Aus-
gleichung des Druckes nach jedem Schütteln und auch um die nöthi-
gen Ablesungen zu machen; zu Ende des Versuches wurde durch
dasselbe auch die zur Analyse nöthige Gasquantität gewonnen. Ich
übergehe hier die Beschreibung der Details, da der Apparat schliess-
lich doch noch manche Unvollkommenheiten aufwies, welche erst
noch verbessert werden müssen. Man könnte denken, dass mit diesem
Apparat sich auch die Bestimmung des Absorptions-Coefficienten des
Blutes für Kohlensäure machen Hesse: nimmt man nämlich zwei
Quantitäten von demselben Blute und schüttelt mit ungleichen Luft-
mengen, so gewinnt man alle Daten um denAbsorptions-Coefticienten
nach der Formel :
'''^' __ '•^' ^ ß = Absorptions-Coefficient, ^ und ^' Blutmengen,
_v^ if_\ r „ f' Gasvolumina,
~ S—S' ) S „ S' Druck,
durch einfache Rechnung zu finden. Betrachtet man aber die Formel
etwas genauer, so sieht man leicht, dass die Bestimmung eine rein
illusorische sein würde, da ein Fehler im Ablesen oder in der Analyse
bis auf mehrere Hundertel seines Werthes vergrössert werden kann.
Es bleibt also nichts übrig als den Absorptions-Coefticienten des
Blutes für Kohlensäure nach Lothar Meyer und Fernet aufzu-
suchen.
Nimmt man nun mit den beiden letzteren Beobachtern an, dass
die Absorptions-Coefficienten des Wassers und des Blutes für Kohlen-
säure gleich gross sind, so geht aus meinen vorläufigen V' ersuchen mit
ß22 Sohöffer. ri)er die Kohlensäure des Blutes etc.
dem obengenannten Verfahren mit Sicherheit hervor, dass die Menge
der difTimdirten Kohlensäure eine sehr geringe sei und nicht einmal
die Zahlenwertl'.e, welche Lothar Meyer für die freie Kohlensäure
erhalten, erreicht. Auch scheint es als ob die diffiindirfe Kohlen-
säuremenge des venösen Blutes nicht grösser als die des arteriellen
ist. Diese Thatsachen sprächen ebenfalls für eine specifische Wir-
kung der Lunge bei der Athmung,
Schöffer. Ibi-r die Kohlensaure des Blules und ihreAussdu'idunp" mittelst der LiiiijS«
F,-y.
1 P *
Sitziutg-sl). d.k.Akiid.ilM:mütlxjiatiu-\vA'l.XLJ. Bd.:S" 18 1860.
}cixi i.k.k.Hof .tc STaatsdntckerei.
Polil. Cliemisclie Noti/en. 623
Chemische Notizen.
Von Dr. J. J. Pohl.
(Vorgelegt in der Sit/.ung: vom 14. Juni 1860.)
I. BemerkuDgen über die Darstellung des Caraniels ond das Ässamar.
Zur Darstellung von Caramel aus Rohrzucker nach der Methode
von Peligot ') wird der Zucker zwischen 215 — E'iO" so lange
erhitzt, als noch ein Entweichen von VVasserdämpfen stattfindet,
worauf man mit Wasser behandeln, vom Unlöslichen abfiltriren und
zuletzt das Caramel mit Alkohol aus der wässerigen Lösung fällen
soll. Durch den Alkohol wird aber dieser Körper grösstentheils in
zusammenbackenden Flocken abgeschieden , so dass endlich ein
dicker Teig entsteht, der sich durch Auswaschen nicht von der ein-
geschlossenen Mutterlauge befreien lässt.
Es gelingt jedoch auf folgende Weise reines Caramel darzu-
stellen. Man erhitzt Rohrzucker, am besten in einem Metallgefässe,
welches das 12 — löfache Volum der Zuckermenge besitzt, mit-
telst eines Ölbades bis 210, höchstens 215" so lange, bis die anfangs
geschmolzene und sich stark aufblähende Masse wieder erstarrt und
keine Wasserdämpfe mehr entweichen. Da der caramelisirende
Zucker ein äusserst schlechter Wärmeleiter ist, gelingt es bei grös-
seren Mengen nur dadurch der oberen, sowie der in der Gefässmitte
befindliehen Masse die erforderliche Temperatur mitzutheilen, dass
man in kurzen Zwischenzeiten die scheinbar bereits caramelisirten
Ki'usten mit einer Spatel von den Gefässwänden loslöst, umwendet
und zerdrückt, so dass die gehörig erhitzt gewesenen Theile an den
1) Aniiales de Cliimie et de Pliysiqtie, tome 67, pa;j. 113.
Sitzl). d. mathem.- naturw. Cl. XLl. Bd. Nr. 18. 43
624 Pohl.
Boden und die heissea Wände des Gefässes gelangen. Die so erhal-
tene schwarzbraune spröde Masse wird nun, fein gepulvert, unmit-
telbar mit dem doppelten Volum Alkohol von nahezu 0*834 Dichte
Übergossen und 2 — 3 Stunden damit macerirt. Diese Behandlung
ist mit neuen Alkoholmengen so lange zu wiederholen bis die Flüs-
sigkeit keinen Geschmack mehr zeigt. Der Alkohol erscheint aber
selbst dann noch bräunlich gefärbt, welche Färbung vom Caramel
selbst herrührt, das in Alkohol von genannter Dichte nicht voll-
kommen unlöslich ist. Der Rückstand enthält zwar keinen unzersetzten
Rohrzucker mehr oder in Alkohol lösliche secundäre Zersetzungs-
producte desselben, wohl aber stets neben dem Caramel, eine in
Wasser lösliche Substanz, welche mit dem Caramelan Völkel's
die grösste Ähnlichkeit besitzt 9- Die gebildete Menge davon hängt
nicht nur von der Temperatur, sondern auch der Dauer ihrer Ein-
wirkung ab. Ich überzeugte mich, dass selbst 206 — 212» durch
etwa 80 Stunden beibehalten genügen , um statt im Wasser lös-
lichen Caramel grossentheils nur diese, darin unlösliche Substanz zu
bilden. Bei 215 — 225" entsteht dieser Körper noch weit rascher,
und dies der Grund, warum man bei der Caramel-Bereitung die
Temperatur nicht über 215» steigern soll. Um endlich auch diesen
Körper vom Caramel zu entfernen, zieht man das Gemenge mit lau-
warmen Wasser aus, worin sich das Caramel löst, filtrit vom Unge-
lösten ah und dampft die Flüssigkeit zur Trockene ein, wornach das
Caramel rein zurückbleibt.
Hat man die zur Caramelisirung nöthige Erhitzung lange genug
fortgesetzt, so schmeckt das lichtbraune alkoholische Extract rein
bitter und liefert beim Abdampfen im Wasserbade zuletzt eine
syrupdicke braune Masse von intensiv bitterem Geschmack, welche
alle Eigenschaften des von Reichenbach entdeckten 3) und von
Völkel weiter untersuchten 3 j Assamars besitzt. Meine bisherigen
Beobachtungen scheinen zu beweisen, dass je rascher die Erhitzung
des Zuckers und bei je höherer Temperatur selbe innerhalb der
Grenzen 205 — 225" erfolge, desto mehr Assamar entstehe. Jeden-
falls lässt sich aus dem alkoholischen Auszuge des caramelisirten
>) Liebig's Amialeii, SS. Bd., S. 59.
-) I. iehig's Aniialen. 49. Bd., S. 1.
^) l.ieliig's Aiiiiitleii, 8ö. Bd., S. 39.
Chemische Notizen. 623
Zuckers das Assainar verhältnissmässig leicht in ziemlich grosser
Menge darstellen und reinigen.
Schliesslich mag noch ein merkwürdiges Verhalten des Assa-
mars erwähnt sein. Assainar im Jahre 1852 aus Zucker, wenn auch
unrein dargestellt, jedoch durch Abdampfen im Wasserbade und
längeres Erhitzen möglichst vom hartnäckig anhaftenden Alkohol
befieit, schmeckte rein bitter. Es wurde beiläuGg mit dem vier-
fachen Volum Wasser gemischt in einer wohlverschlossenen Flasche
aufbewahrt. Nach etwa 1*5 Jahren fand ich zu meiner Über-
raschung dass die Flüssigkeit zwar noch intensiv bitter, daneben
aber entschieden süsslich schmeckte. Nach abermals ungefähr zwei-
jährigem Stehen war aber der süsse Geschmack so intensiv geworden,
dass der bittere nun mehr als Beigeschmack erschien. Assamar von
derselben Bereitung herrührend, jedoch nicht mit Wasser verdünnt,
schmeckte jedoch nach mehr denn 3 Jahren ebenso rein bitter wie
anfangs. Um diese Thatsache zu bestätigen, wurde im März 1858
in gleicher Weise wie früher bereitetes unreines, mit Wasser ver-
dünntes Assamar, das keine Spur eines süssen Geschmackes zeigte,
in einer wohlverschlossenen Flasche abermals sich selbst überlassen.
Beim Beginn des laufenden Jahres war auch in dieser Flüssigkeit
der süssliche Geschmack neben dem bitteren unverkennbar. Diese
Versuche zeigen, dass Assamar, mit Wasser verdünnt, sich wieder
langsam in Zucker umwandelt, wenn auch der so gebildete Zucker
wahrscheinlich nur Traubenzucker ist. Damit wäre aber nicht nur
ein weiterer Grund für die Einreihung des Assamars in die Gruppe
der Kohlenhydrate gegeben, sondern auch zugleich es wahrschein-
lich gemacht, dass die für dasselbe von Völkel gegebene Formel
Cao H,! Ol, eine Berichtigung bedürfe, da sich selbe mit jenen der
gewöhnlichen Zuckerarten in keinen Einklang hinsichtlich des Koh-
lenstoffgehaltes bringen lässt.
11. Chemische Analyse eines dem Anlaufen unterworfenen Flintglases.
Vorzugsweise während der Jahre 1840 — 18o2 kam im Handel
in grossen Mengen Flintglas zu oplischen Zwecken vor, das die
so gefürchtete Eigenschaft des Anlaufens zeigte. Da dies selbst
gegenwärtig noch bei einigen Flintglassorten der Fall ist und die
Bestandtheile des Glases das Anlaufen bedingen, so dürfte die Mit-
43»
626
Pohl.
theilung der folgenden Analyse, w eiche von mir bereits im Jahre 1846
ausgeführt wnrde, einen Fingerzeig abgeben, welche Änderungen für
die Erzeugung fehlerfreienFlintglases im Glassatze vorzunehmen wären.
Das analysirte Flintglas war sehr schön weiss und glänzend ;
es stammte aus der zu Ottakring bei Wien damals bestandenen
Fabrik optischer Gläser des Herrn J. Wald st ein. Bezüglich der
optischen Eigenschaften musste es zu den Flintgläsern gerechnet
werden, welche sich weder durch hohes Brechungsvermögen, noch
durch besonderes Zerstreuungsvermögen auszeichnen. Es wurden
im Glase gefunden :
Kieselsäure 7ä-24 Gewichtstheile,
Bleioxyd 10-48
Eisenoxyd Spuren „
Tlionerde „ »
Kalk 1-48
Kaliumoxyd . . . ■ . . 12S1 „
Zusammen . . 99 "71 Gewichtstheile.
Vergleicht man nun die Zusammensetzung dieses Flintglases mit
jener des Glases von Guinand, das Dumas analysirte <) , so
erhält man
Bestaniltheile
Kieselsäure .
Bleioxyd . .
Eisenoxyd .
Thonerde .
Calciumoxyd
Kaliumoxyd
Arsensäure .
Flintglas
vun Waldstein von Guinand
Summe
Sauerstoffgehalt der Saurer
dem der Basen . .
7S-24
10-48
Spur
1-48
12-Kl
42-50 Gewichtstheile,
43-1)0
1-80
0-50
11-70
Spur
99-71
15 :1
100-00 Gewichtstheile,
4:1
Es stellt sich also im Flintglase Wald stein 's ein beträcht-
licher Überfluss an Kieselsäure heraus und ebenso an Kali gegenüber
den übrigen Basen. Guinand\s Glas entspricht mit Vernachlässigung
den zu kleinen Kalkmenge fast genau der Formel :
6K0, 12PbO, AI0O3, 36SiO.
1) Dumas, Hamlhiuh der ang^ewaiulten Cliemie, 'l. Btl., S. i>91.
Ctieiuisclie Notizen. 627
Für Waldsteiirs Glas würde hingegen zunächst die Formel:
3K0, 2PbO, CaO, 46810,
entsprechen und auf 36 Äquivalente Kieselsäure reducirt
4K0, l-4PbO, 0-8CaO, 36SiOo.
Aus diesen Vergleichungen ergibt sich, dass das anlaufende
Flintglas Waldstein's, welches man selbst jetzt noch in Österreich
an mehreren kleinen optischen Instrumenten vorfindet, in der Zusam-
mensetzung weder mit dem Guin and "scheu Flintglase noch mit
irgend einer anderen bisher untersuchten Glassorte Ähnlichkeit habe
und dass der dazu benutzte Glassatz vom theoretischen Stand-
punkte aus im Vorhinein als unzweckmässig bezeichnet werden
muss.
III. Beiträge zur Kenntoiss der liöslichkeltsverhältQJssc ckemischer
YerbindoDgen.
Löslichkeit des ßiomsilbers in Ammoniak von 0*986 Dichte bei iö" C.
I. 0-Ö646 Grm. reines Bromsilber, bei 100" C. getrocknet, wurden
mit 15 C. Centimeter Ammoniak durch fünf Stunden in einer
wohl verschlossenen Flasche bei einer Temperatur von 79 bis
SO" C. digerirt, dann vom Rückstande heiss abfiltrirt, derselbe
bei 100" getrocknet und gewogen. Sein Gewicht betrug 0'5ö72
Grm.
IL Eine unbestimmte Menge Bromsilber, jedoch früher getrocknet,
digerirtc mit Ammoniak von erwähnter Dichte durch 4-S Stunden
bei 80 — 81" C. Von der klaren Flüssigkeit goss man einen
Theil rasch in ein kleines gut schliessbares Fläschchen von
bekanntem Gewicht, verschloss letzteres rasch und wägte es
wieder. Die Menge der ammoniakalischen Lösung ergab sich zu
17-o735 Grm. Nach der Verdampfung dieser Lösung und
Trocknen des Rückstandes bei 100", blieben 0-0090 Grm.
Bromsilber.
100 Gewichtstheile Ammoniak von 0-986 Dichte bei lo" C.
lösen also bei 80" C. getrocknetes Bromsilber nach:
I. ü -00004 Gewichtstheile,
II. 0-05121
Im Mittel . . 0- 05063 Gewichtstheile.
H28 I' 0 i. ,,
oder 1 Gewichtstheil bei 100" getrocknetes Bromsilber braucht
1975-11 Gewichtstheile Ammoniak von 0-986 Dichte bei 80« C. zur
Lösung.
Zu dieser Bestimmung mag bemerkt sein, dass sich frisch
gefälltes Bromsilber sicherlich mehr denn doppelt so leicht in Am-
moniak löst sie das vorher bei 100» getrocknete Bromid. Das Brom-
silber färbt sich übrigens im nassen Zustande am Tageslichte rasch
grau, trocken hingegen weit langsamer. Beim Erhitzen wird das
trockene Bromid goldgelb und schmilzt bei einer höheren Temperatur
als Chlorsilber. Die gelbe Farbe erscheint nach dem Erkalten zwar
lichter, verschwindet aber nicht gänzlich. Fällt man Bromsilber aus
der ammoniakalisclien Lösung n)it Salpetersäure, so sieht es ebenfalls
gelblich aus, wird jedoch beim kurzen Aufbewahren im Dunkeln,
rein weiss.
Löslichkeit des Chloisilbers in Aminnniak von 0'986 Dichte bei 15» C.
I. Reines Chlorsilber wurde bei 100» getrocknet und dann
wie sub I. beim ßromsilber angegeben mit Ammoniak von
0-986 Dichte behandelt. 2-1565 Grm. Cblorsilber mit H) C.
Centimeter Ammoniak digerirt, hinterliessen 20112 Grm.
ungelöste Substanz.
II. Eine unbestimmte Menge getrocknetes Chlorsilber l)ehiitidelte
man, wie beim Bromsilber sub II. angeführt ist. 21 063 Grm.
der ammoniakalischen Lösung hinterliessen 0-3180 Grm. trocke-
nes Chlorsilber.
100 Gewichtstheile Ammoniak von 0-986 Dichte bei 15» C.
lösen daher hei 80» C. nach :
I. 1-4736 Gewichtstheile Chlorsilher,
II. 1-5097 ^ „
Im Mittel . . 1-4916 Gewichtstheile Chlorsilber,
oder 1 Gewichtstheil bei 100» getrocknetes Chlorsilber braucht bei
SO» C. 67042 Gewichtstheile Ammoniak von 0-986 Dichte zur
Lösung.
Weisses Chlorsilber nimmt übrigens beim starken Erhitzen in
einem Porzellantiegel von der Gefässwand ausgehend eine purpurrothe
und zuletzt schumtzig citrongelbe Farbe an, die es bis zum Schmelzen
beibehält.
Clieiiiisolie Notizen. 629
Temperatur-KrniL'diijiiingcn beim F,ösen viTSchicdcner Zuckeraiten im Wasser.
Ich habe gezeigt, dass sich Stärkezucker urifer Teinperatui'-
Eiiiiedrigiing im Wasser löse i) und will nun weiters den Beweis
liefern, dass hei Lösung der Mehrzalil von Zackerarten im Wasser,
eine gleiche Erscheinung eintrete.
Rohrzucker. 0-560 Kilogr. gepulverter feinster Raflinade-
Zucker wurde nehst 1 -12 Kilogr. destillirtem Wasser durch 17 Stunden
an einem Orte aufbewahrt, wo möglichst geringer Temperaturwechsel
stattf.ind. Das Wasser war in einem dünnen Becherglase, das auf
einem Strohkranz stand und dessen Temperatur ergab sich vor dem
Einbringen des Zuckers zu 16°62 C. Nach dem Einschütten des
Rohrzuckers und Beförderung von dessen Lösung durcii Umrühren
mit dem Thermometei-, sank die Temperatur bis auf 15 0 herab.
Es fand somit beim Lösen des Rohrzuckers zu einer 50 procentigen
Flüssigkeit eine Temperatur-Erniedrigung von 1°12 Statt.
Milchzucker. 1752 Grm. vollkommen reiner Milchzucker
wurden unter denselben Vorsichten wie der Rohrzucker mit 1051
Kilogrm. destillirten Wassers zusammengebracht. Die Tem})eratur
des Zuckers und Wassers vor der Lösung war 165 C. Beim Lösen
fiel hingegen die Temperatur bis auf i562 herab. Eine kleine
Menge Zucker blieb aber selbst nach Überschreitung des Temperatur-
Minimums ungelöst. Beim Bilden einer gesättigten Milehzuckerlösung
aus 16 '5 warmen Materialien zeigt sich also eine Temperatur-
Erniedrigung von 0 88 C.
Mann it. Zur Lösung von 87-60 Grm. vollkonniien reinen
Mannits dienten unter gleichen Umständen wie früher 348 Grm.
destillirtes Wasser. Die Temperatur sank von -^ i6 o C. auf
13 "50 herab, somit trat eine Temperatur-Erniedrigung von 3 Gra-
den ein.
L e i m z u c k e r. Des geringen zur Verfügung stehenden Materiales
wegen konnte keine genügend sichere Messung vorgenommen m erden,
unzweifelhaft löst sich aber der Leimzucker im Wasser ebenfalls unter
Erkältung.
Diese Beobachtungen berechtigen zu dem Schlüsse , dass sich
höchst wahrscheinlich alle Zuckerarten im Wasser unter Erkältung
') Sitzungsberichte der inatlicni.-n.iturw. CKisse der kaiserl. Aitadeinie der Wissen-
schaften, 6. Bd., S. 590.
630 P " '' '•
lösen. Unter den untersuchten Zuekerarten zeig:t sich aber entschieden
die grösste Temperatur-Erniedrigung beim Lösen des Mannits.
Temperatur-Erniedrigungen beim Lösen einiger chemischen Verbindungen im Wasser.
Die folgenden Bestimmungen sind in gleicher Weise wie jene
der Zuckerarten ausgeführt.
ßromnatrium. Werden 20 Grni. ßromnatrium in dergleichen
Gewichtsmenge Wasser gelöst, so sinkt die Temperatur von -f-2 1 ' 25 C.
auf 4-8°38 herab. Die Temperatur- Krniedrigung ist also gleich
12-87 C.
B er IIS tei ns aur es Natron. 2 Grm. bernsteinsaures Natron
lösen sich in 2-209 Grm. Wasser von 16°5 unter sehr starker
Temperatur-Erniedrigung.
Essigsaures Natron. 140-16 Grm. essigsaures Natron in
140-16 Grm. Wasser gelöst, das die Temperatur von 15" besitzt,
erniedriget die Temperatur bis auf 0, also um volle lo" C.
Chlorbarium. 140 Grm. reines Chlorbarium wurden in
360 Grm. destiliirtem Wasser von 13°6 gelöst. Die Temperatur sank
bis zu 5°85 herab, woraus sich die Erniedrigung der Temperatur zu
7-75 C. ergibt.
lY. Bemerkungen über das kohlensaure Kali.
Berard hat zuerst eine Verbindung des kohlensauren Kali
mit Wasser genauer untersucht ') , zu Folge dessen man allgemein
derselben die Formel KO, CO^. , 2 HO gibt, während Berard die
procentischeii Zusammensetzungen aus drei Analysen zu:
kuhlensaures Kali Wasser
I. !»t-020 8-980
11. 90-980 9-020
III. 90-860 9- 140
ableitet, welche keineswegs einem Salze K0,C()a,2H0, sondern viel-
mehr KO,COo,HO entsprechen würden. Berard folgert aber obige
Zahlen aus den Versuchen:
I. 20 Grm. kohlensaures Kali liefern 14-70o Grm. Chlorkalium.
II. 20 Grm. kohlensaures Kali geben 3*982 Grm. Kohlen-
säure und
') Annnies de Chitiiie, tome 71, [tag. 41.
Cheiiiisclie Notizen, 631
III. 20 Gi'in. kohlensaures Kali bilden 17-OSO Grm. schwefel-
saures Kali.
Versucht mau nun aus diesen Angaben die procentische Zusam-
mensetzung des untersuchten Salzes neu zu rechnen, so resultirt:
.
1.
I
.
Mittel
Kol
ilensaures
Kali .
. 69
älä
68
111
67
653
68
426
AVitsscr . . .
. 30
48.'i
3t
889
32
347
31
Ö74
woraus sich weder die Formel K0,C03,2 HO noch KO.CO, , HO,
sondern ziemlich genau 2 (KOjCOo), 7H0 oder näherungsweise KO,
CO, , 4H0 ergibt.
Hiemit ist wohl der beste Beweis hergestellt, dass ßerard
weder das Salz KO, CO3, 2H0 noch KO, COo, HO untersuchte. Wenn
nun später Wackenroder ') und Phillips 2) das Salz Berard's
wieder erhalten haben wollen, so bleibt dies insoferne zweifelhaft,
als keine Analyse der nach Phillips tafelförmigen Krystalle vor-
liegt. Entschieden gibt aber Giese an^) ein Salz von der Zusam-
mensetzung :
Kühlensaures Kali 80 Gewichtstheile,
Wasser ■ . . 20 „
Summe . . 100 Gewichtstheile
gefunden zu haben, welcher in der That nahezu die Formel KO,
CO2, 2 HO entspricht, da nach selber das Salz in 100 Gewichtstheilen
79-358 Gewichtstheile kohlensaures Kali und 20-642 Gewichtstheile
Wasser enthalten müsste. Bis zur neuesten Zeit wurden jedoch
meines Wissens keine Beobachtungen über andere Verbindungen
des kohlensauren Kali mit dem Wasser als jene Giese's und ver-
meintlich auch Berard's gemacht.
Anfangs Mai des Jahres 1848 fand ich aus einer gesättigten
wässerigen Püttaschenlösung, welche in einer verstopften Flasche
über ein Jahr aufbewahrt wurde, grosse, aus zugespitzten sechs-
seitigen Säulen bestehende Krystalle abgesetzt, die an der Luft rasch
Wasser anzogen und zerflossen. Die Lösung der Krystalle in Wasser
geschah unter Erwärmung und bis 100" C. erhitzt zeigten sie nur
Spuren von Verwitterung. Die qualitative Analyse lieferte als Bestand-
1) Kaslner's Archiv für die gesammte Naliiriehre, il. Bd., S. 221.
2) Philosophical Magazine and Annais of Philosophy, 1827, Nr. 6. .hini, pag. 470.
3) Scherer: Allgemeine nordisclie Annalen der Chemie ete. 4. Bd., S. 290.
632 1' " 1' '•
theile Kaliumoxyd, Kohlensäure und Wasser nebst Spuren von Chlor
lind Schwefelsäure.
Bei der quantitativen Analyse verloren nach längerem Erhitzen
bis 100" C. 1-044 Gnn. des Salzes 0-080 Grm. Wasser, entsprechend
5-180 Gewichtsprocenten. Weitere Versuelie zeigten jedoch, dass
das so getrocknete Salz noch beträchtlich viel Wasser enthalte,
welches erst bei höherer Temperatur wegtreibbar ist und somit
nicht als hygroskopisches, sondern als Krystallw asser vorkömmt. Es
wurden nun zur Bestimmung des Gesammt-Wassergehaltes :
I. 1-6555 Grm. des über Schwefelsäure getrockneten Salzes bis
zum Glühen erhitzt und ein Gewichtsverlust von 0-262 Grm.
erhalten, welcher 15-083 Procenten Wasser entspricht.
11. Auf ähnliche Weise wie bei der organischen Analyse das vom
Versuch I fortgehende Wasser mittelst Chlorcaicium aufge-
nommen und dessen Gewichtszunahme zu 0-2470 Grm. gleich
14-920 Procenten Wasser gefunden.
111. Auf gleiche Weise wie bei II lieferten 2*3165 Grm. des Salzes
0-3705 Grm. Wasser, daher 15-994 Proeente.
Für die Bestimmung des kohlensauren Kali hat man hingegen
nach I aus 1-6555 Grm. Salz 1-3935 Grm. kohlensaures Kali oder
84-174 Proeente.
II. 1-464 Grm. bei 100» getrocknetes Salz Avurden unter den
nöthigen Vorsichten mittelst Salpetersäure in salpetersaures
Kali umgesetzt, abgedampft, bis zum beginnenden Schmelzen
erhitzt und gewogen. Man erhielt 1-871 Grm. salpetersaures
Kali, entsprechend 82-861 Procenten kohlensauren Kali im
ursprünglichen Salze.
Somit wäre die Zusammensetzung des blos über Schwefel-
säure getrockneten Salzes im Mittel :
Kohlensaures Kali 83-517 Gewichfstheile,
Wasser 15-994
Chlor, Schwefelsäure, Verlust . 0-489 ,.
Summe . . lüü-OÜU Gewiehtstheile.
Dieser Zusammensetzung entspricht zunächst die Formel :
2 (KO, COa), 3H0
welche in 100 Gewichtstheilen fordert:
Kohlensaures Kali = 83-676 Gewiehtstheile,
Wasser = 16-324
Cliemisdie NotIxen. 633
Berücksichtigt man hingegen blos das über 100" C. wegtreib-
bare Wasser, so würden 100 Gewichtstheile des Salzes nur 10-814
Gewichtstheile Wasser enthalten, was fast genau der Formel KO,
CO3, HO entspricht.
Im Jänner laufenden Jahres verkaufte mir ein Wiener Droguist
angeblicli reines kohlensaures Kali in grösserer Menge, das durch
seinen Wassergehalt aufliel und eine weitere Untersuchung veran-
lasste. Das Salz erscheint dem freien Auge als körniges Pulver, dessen
einzelne Körnchen im Durchschnitte die Grösse des Mohnsamens und
ein milchig weisses Aussehen haben, während es unter dem Mikro-
skope betrachtet, aus durchscheinenden bis durchsichtigen stark
abgerundeten kurzen sechsseitigen und zugespitzten Säulen besteht.
Die einzelnen Krystallfragmente erhellen das dunkle Gesichtsfeld des
Polarisations-Mikroskopes zum Theile farbig. Das Salz zerfliesst
übrigens an der Luft äusserst rasch. Zwei sorgfältige Wasser- und
Kohlensäure-Bestimmungennach Will und Fresenius ergaben die
Zusammensetzung dieses kohlensauren Kali zu:
I.
n.
Mittel
Kohlensaures Kali .
. 82-56
83 17
82-865
Wasser
16-00
1S13
15-56Ö
Fremde Salze etc. .
1-44
1-70
1-570
Es kann somit kein Zweifel obwalten, das käufliche Salz sei
genau mit dem bereits im Jahre 1848 untersuchten identisch. Weitere
Erkundigungen über die Darstellungsweise erwiesen auch, dass es
beim sehr langsamen Abdampfen einer aus Weinsteinkohle bereiteten
wässerigen Pottaschenlösung im Grossen und Ziehen der sich abschei-
denden festen Theile aus der Mutterlauge etc. erhalten wurde. Auch
dieses Salz zeigte bei fortgesetzten Versuchen eine bestimmte, jedoch
nur theilweise Wasserabgabe bei 100" C, welche in drei Versuchen
sich, wie folgt, herausstellte.
I. 2-335 Grm. kohlensaures Kali bei 1 00« so lange erhitzt als noch eine
Gewichlsabgabezu bemerken war, gaben 0-1314 Grm. Wasser ab.
II. 2000 Grm. des Salzes lieferten einen Gewichtsverlust von
0-126 Grm. Wasser.
III. 1-500 Grm. verloren 0-0725 Grm. Wasser.
Daher folgt die Wasserabgabe in Gewichtsprocenten nach
I. II. HI. Mittel
5-634 6-300 4-833 5-586
634 1' " I' !•
Zieht man aber dieses bei 100" fortgehende Wasser von dem
mittleren Gesammt- Wassergehalte ab, so bleiben
auf 82-865 Gewiehtstheile kohlensaures Kali
übrig 9-979 „ Wasser,
also kommen auf 1-197 Äquivalente kohlensaures Kali 1-108 Äqui-
valente Wasser, was fast genau der Formel :
KO, COo, HO
entspricht. Setzt man jedoch das Erhitzen mehrere Stunden zwi-
schen 130 — 135f* C. fort, so gelingt es unter Verlust der Krystall-
Structur sämmtliches Wasser vom kohlensauren Kali wegzutreiben.
Das Vorhergehende dürfte somit den Beweis vom Vorhandensein
eines kohlensauren Kali entsprechend der Formel: KO, CO,, HO
liefern, in welchem Salze das Wasser Krystallwasser ist und erst
zwischen 130 — 135" C. langsam fortgetrieben werden kann.
Dieses Salz besitzt aber die Eigenschaft an der Luft rasch ungefähr
4-5 Procente Wasser anzuziehen, wornach es fast 16 Procente Was-
ser enthält und zunächst der Formel 2 (KO, CO3), 3 HO entspräche,
welche Verbindung jedoch bei einer sehr geringen weiteren Wasser-
aufnahme zu einer ölartigen Flüssigkeit zerfliesst.
V. Zur Kenntniss der Dosirang des sogeDiinnten weissen Schiesspalvers.
Bei Bereitung des von Augendre erfundenen sogenannten
weissen Schiesspulvers behufs Vorlesungs-Versuchen befolgte ich
die Vorschrift, welche in Dingler 's polytechnischem Journale und
meines Wissens auch in den meisten deutschen Zeitschriften abge-
druckt ist '). Nach dieser Vorschrift wäre die Dosirung des neuen
Schiesspulvers :
Kaliumeisencyanür . . 1 Gewichistheil oder 20 Gewiehtstheile,
Rohrzucker 2 „ „ 40 „
Chlorsaures Kali ... 2 „ „ 40 „
Summe . . S Gewielitstheile; 100 Gewiehtstheile.
Alle Versuche nach dieser Dosirung ein gut abbrennendes
Schiesspulver zu erhalten schlugen aber fehl , das Pulver explodirte
langsam unter Hinterlassung einer Masse kohligen Rückstandes.
Ebenso wenig gelang es, ein nur einigermassen wahrscheinliches
1) Bd. IVö, a. 379, aus dein Moniteur ladusliiel, Nr. l-i'i6 de iSöO.
Chemische Notizen. 635
Schema aufzustellen, nach welchem bei der angeführten Dosirung die
Zerlegung beim Abbrennen des Pulvers erfolgen könnte. Da ich
übereinstimmend in den mir gerade zu Gebote stehenden Zeitschriften
dieselben Angaben fand, so glaubte ich obige Dosirung sei richtig
abgedruckt und versuchte nun selbst ein besseres Schiesspulver mit
den genannten Substanzen darzustellen.
Nach mehreren Versuchen blieb ich bei der Dosirung :
Kaliunieisencyaniir 28 Gewichtstheile,
Rohrzucker 23 „
Clilorsaures Kali 49
Summe . . lOO Gewichtstheile
stehen, welche ein sehr gut abbrennendes Schiesspulver lieferte und
nahezu dem Verhältnisse:
KoFeCys, SHO+C.oHnOn +3(K0. CIO5)
entspricht, das in 100 Gewichtstheilen:
Kaliumeiseneyanür . . . 28-17 Gewichtstheile,
Rohrzucker 22-78
Chlorsaures Kali .... 49* OS „
fordert.
Über die beim Abbrennen dieses Schiesspulvers gebildeten
Zerlegungsproducte lässt sich ohne vorausgegangenen weitläufigen
Analysen wohl schwer etwas Bestimmtes sagen, um so weniger als
das Abbrennen im Freien oder im geschlossenen Räume, sowie rasch
oder absichtlich verlangsamt, gewiss von Belang und selbst Eintluss
auf die Art der Zerlegungsproducte sein kann. Nimmt man jedoch
als hiebei mögliche Zerlegungsproducte des Kaliumeisencyanürs :
Stickstoff, Cyankalium und ein Kohleneisen von der Zusammensetzung
Fe Ca an, welches sich in der That beim Glühen dieser Verbindung
bei LuftausschUiss bilden soll, so könnte die Zerlegung nach dem
Schema:
K,FeCy3. 3H0
+ C,,H,,On ) = (+N (I.)
-f 3(KO,C105)
636 ^ o h\.
vor sich gehen, wornach je lUU üewiehtstheile Schiesspulver
52-56 Gewichtstheile nicht flüchtige Körper und
47-44 „ gasförmige Körper
Zusammen 100-00 Gewichtstheile lieferten.
Eine zweite Zerlegungsweise wäre:
/' 3KC1
KaFeCya.SHOj
+ 3(KO,CI05)
i+2(K0.C0,)
y + i2co
j [-\- 14H0
100 Gewichtstheile des Pulvers geben dann bei der Zerle-
gung :
55*50 Gewichtstheile fester Körper und
44*50 „ gasförmiger Körper.
Endlich Hessen drittens :
KsFeCys.SHO
H-3(KO,CI05)
ableiten, wobei aus je 100 Gewichtstheilen Schiesspulver beim Ab-
brennen
54*33 Gewichtstheile fester Körper und
45*68 „ gasförmiger Körper
entstünden.
Beim längeren Glühen des gelben Blutlaugensalzes an der Luft
bildet sich freilich auch cyansaures Kali und Eisenoxyd, sowie nach
Beimischung von Braunstein, Salpeter oder anderer Oxydationsmitte!
im Überschusse diese Oxydation rasch und vollständig geschehen
soll. Wollte man aber die Entstehung dieser Zerlegungsproducte
beim Abbrennen des weissen Schiesspulvers nach Äquivalenten ab-
leiten, so müsste das chlorsaure Kali im Überschusse vorhanden sein,
welcher Bedingung mindestens das Dosirungsverhältniss :
2(K2FeCy3, 3H0) -)- 2(\JIhOh) -f 8(K0. CIO,)
entspricht, das die Zerlegungsproducte
Chemische Notizen.
637
4(K0. CyOj
+8KCI
+ Fe,03
-I-19C0
H- 9C0,
-f28HO
liefern könnte.
Wie zu ersehen, würde die Zerlegung nach dem Schema l
gedacht, die Vortheilhafteste sein, da hiebei am meisten gasförmige
und am wenigsten feste Körper entstehen, weiche die benutzten
Feuerwaffen verunreinigen. Auch iiommt mir nach einer freilich
vorläufig nur obertlächlichen Untersuchung der Verbrennungs-Rück-
stände, diese Zerlegungsart als am wahrscheinlichsten vor.
100 Gewichtstheile des Pulvers geben aber nach dem Schema 1
Stickstoff . .
Kohlenoxyd .
Kotilensäure .
Wasser . . .
Summe
. . 1
86Ö
Gewichtstheile,
. . 11
192
„
. . 17
587
»
. . 16
788
»
. . 47
442
Gewichtstheile.
Ferner
Cyankalium
Chlorkalium .
Kohleneisen .
Summe
17-385 Gewichtstheile,
29-840
5-333
52-558 Gewichtstheile.
Auf Volumina bezogen lieferten hingegen 100 Gewichtstheile bei
0°C. und 760Millim. Barometerstand, mit Benützung von Regnault's
Ausdehnungscoefficienten, und nach Reduction des beim Abbrennen
entstehenden Wasserdampfes auf 0° C. unter der Voraussetzung, dass
nach der Angabe R egna ult's: 1 Volum Wasser bei 0° C. 1700 Volu-
mina Dampf bei 100° C. bildet:
Stickstoff 1927-0 Cub.-Centimeter.
Kohlenoxyd .... 8942-9 „
Kohlensäure .... 8942-9 „
Wasserdampf . . . 20867-6 „
Zusammen . . 40680-4 Cub.-Centimeter.
Unter diesen Zerlegungsproducten muss das W asser als bereits
fertig vorhanden in den Bestandtiieilen des Schiesspulvers ange-
nommen werden, was auch von dem im Cyankalium gebundenen
Cyan gilt.
638 Pohl.
Indem man berücksichtiget, dass 100 Gewichtstheile der Masse
enthalten :
1865 Gewichtstheile frei werdenden Stickstoff,
4797 „ zu Koiilenoxyd verbrennenden Kohlenstoff und
4797 „ sich zu Kohlensäure umsetzenden Kohlenstoff,
lassen sich näherungsweise die beim Abbrennen dieses Schiess-
pulvers gelieferten Wärmeeinheiten bestimmen, denn legt man
Favre und Silber mann's Verbrennungswärme des Kohlenstoffes
zu Grunde ^), so wird die beim Abbrennen gelieferte Wärmemenge
Wi in Wärmeeinheiten ausgedrückt:
„, 4-797 X 2474 + 4-797 X 8080
yy =
100
also gleich S06-3 Wärmeeinheiten.
Um weiters die Verbrennungstemperatur beim freien Abbrennen
des weissen Schiesspulvers kennen zu lernen, ist es unumgänglich
nothwcndig die specifische Wärme der Summe der Verbrennungs-
producte unter constantem Druck zu kennen, wozu die allgemeine
Gleichung:
^ c ^ g'g + g's' + y"s" +
G
führt, in welcher IS die gesuchte specifische Wärme, G die Summe
der vorhandenen Gemengtheile, p, p, p" . . . und s, .s', s" . . •
deren specifische Wärme bedeuten. Benutzt man zu diesem Behufe nach
Regnault für:
ferner für Chlorkalium
Stickstoff die specifische W-är
Kohlenoxyd „ „
Kohlensäure „ „
Wasserdampf „ „
ine = 0-2440
, = 0-2479
, = 0-2164
, = 0-4750
, = 0 1730
und leitet man endlich aus Regnault 's Vergleich der specifischen
Wärme des Kaliums und des Bleies 2) die specifische Wärme des
Kaliums (unter Annahme des Äquivalentes Ä" = 39-11) zu 0-332G
ab, so folgen aus der von Woestyn aufgestellten Relation ^)
a n s + a' n' s' -j- a" n" ä" -\-
aS =
') Comptes rendiis, tome 20, png. liJCä et tome 21, pag. 944.
2) Comptes rendiis, tome 28, pag. 32.'>.
3) Annales de Chimie et de Physique, Serie III, tome 23, pag. 295.
Chemische Notizen. DO«7
in welcher Ä das Äquivalent der gegebenen chemischen Verbindung,
a, a , a" ... die Äquivalente der ßestandtheile, w, n , li' . . .
deren vorhandene Vielfachen ausdrücken und endlich s, s , s" die
selben entsprechenden specifischen Wärmen (für C = 0'241o als
speciGsche Wärme und Eisen = 0-1098, genommen),
für Cyankalium die specifische Wärme = 0-3107 und
Kohleneisen die specifische Wärme . = 0-1493.
Es wird hiernach die specifische Wärme der Summe der Ver-
brennungsproducte = 0-2636 und die Verbrennungs-Temperatur:
ES 0-2636
Das am häufigsten benutzte Dosirungs-Verhältniss des gewöhn-
lichen schwarzen Schiesspulvers ist aber:
KO, NO5 + S + C3
und unlängst haben erst Bunsen und Schischkoff gezeigt*),
dass die bisher angenommene Zersetzung dieses Pulvers gänzlich
unrichtig sei. Nach selben beträgt aber der feste Rückstand vom
Abbrennen des gewöhnlichen Schiesspulvers 68-06 Procente, die
gasförmigen ßestandtheile nur 31-38 Procente und dem Volu-
men nach bei 0» und 760 Millimeter Barometerstand 19310 Cub.
Centim.
Nimmt man nun die Zusammensetzung des gebräuchlichsten
schwarzen Schiesspulvers im Durchschnitte gleich der von Bunsen
und Schischkoff in ihrem untersuchten Pulver gefundenen an, so
resultirt in 100 Gewichtstheilen schwarzen Schiesspulvers:
Kohlenstoff . .
. 7 69 Procente,
Wasserstoff . .
. 0-41
Sauerstoff. . .
. 36-99
Lässt man ferner mit Bunsen und Schischkoff die beim
freien Abbrennen gelieferte Heizkraft zu 619-5 Wärmeeinheiten
gelten, so ergibt sich, dass das weisse Schiesspulver im Verhältnisse
0*8081 : 1 weniger Wärme als das gewöhnliche Sclüesspulver ent-
wickle. Das schwarze Pulver gab aber beim freien Abbrennen eine
Verbrennungs-Temperatur von 2993°C., es verhalten sich daher auf
die Temperatur 0" und den Barometerstand von 760 Millim. bezogen,
1) Poggendorffs Annaleii. Bd. 102, S. 321.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 18. 44
640 i> o h I.
l'iir (las schwarze Pulver: für das weisse Pulver:
die gelieferten Gasmengen
wie: 1 : 2i07
die Flammen-Temperatur
wie: 1 : 0641
die Rückstände hingegfen
wie: 1 : 0-77
Bei den genannten Verbrennungs-Temperaturen gebe aber für
760 Millim. Barometerstand das von Bunsen und Schischkoff
untersuchte schwarze Pulver nahezu 231411 Cub. Centim. Gase,
das weisse Pulver aber 300798 Cub. Centim., und somit stünden
die gelieferten Gasmengen im Verhältnisse wie :
1 : 1-300
Beim Abbrennen im geschlossenen Räume, also bei constantem
Volumen und variabeln Druck wird jedoch die Verbrennungs-Tempe-
ratur und somit auch die Anzahl der gebildeten Cub. Centim. Gase
auf den Normal-Barometerstand reducirt, geändert, da sich hiebei
die specifischen Wärmen der Gase beträchtlich ändern. Nimmt man
nämlich mit Bunsen i) für diese Umstände die specifische Wärme
des Stickstoffes zu 0-1717, der Kohlensäure zu 0-1702
„ Kohlenoxydes zu 0-1753, des Wasserdampfes zu 0-1668
an, so folgt wie oben abgeleitet, die specifische Wärme der Summe
der Verbrennungsproducte fiir's weisse Schiesspulvor zu 0-1944, und
die Verbrennungs-Temperatur -- — = — — = 26045 C; sowie
die Menge der gelieferten Gase gleich 431162 Cub. Centim. Das von
Bunsen und S c h i s c h k o f f untersuchte schwarze Pulver gab aber
für die Abbrennung im geschlossenen Räume die Flammen-Tempe-
ratur zu 3340° C. , somit hiebei nahezu 258240 Cub. Centim. Gase.
Es resultiren also fürs Abbrennen im geschlossenen Räume die
Verbältnisse :
schwarzes Pulver zu weissem Pulver
für die Flammen-Temperaturen
wie: 1 : 0-779
für die Gasmengen
wie: 1 : 1669
1) Bunsen, Gasoraetrisclie .Methoden. Braunscliweig 1837, S. 255.
Chemische Ni)tizeii. 04:1
Da nun die Wirksamkeit eines Schiesspulvers grossentheils von
der Menge der beim Abbrennen gebildeten Gase abhängt, so dürfte
in dieser Beziehung, gleiche Gewichtsniengen und Abbrennen im
geschlossenen Räume vorausgesetzt, das neu dosirte weisse Schiess-
pulver die l-67fache Wirkung des schwarzen Pulvers haben. Berück-
sichtiget man hingegen die Volumina der abbrennenden Schiess-
pulver, so stellt sich die Leistungsfähigkeit anders heraus. Bei der
vorgenommenen für Schicsspulver üblichen, sogenannten trockenen
Dichtenbestimmung zeigte sich nämlich, dass ein Gefäss , welches
102542 Grm. weisses Schiesspulver fasste, 132-355 Grm. von
gewöhnlichem Scheibenpulver aufnahm. Somit wäre die relative
Dichte des neuen Pulvers dem schwarzen gegenüber gleich 0'774
und die Leistungsfähigkeit auf gleiche Voluinina bezogen nur mi'hr
1-292.
Um den gleichen Effect für Projectile, Sprengungen etc. zu
erzielen, sind also dem Gewichte nach statt 100 Theilen schwarzem
Pulver nur 60 Theile weisses Pulver der Dosirung I zu nehmen,
welche nicht mehr als 31-53 Gewichtstheile Rückstand lassen, wäh-
rend letzterer beim schwarzen Pulver nach Bunsen und Schisch-
koff 68 Gewichtstheile ausmacht. 100 Volumina des alten Schiess-
pulvers brauchen aber zum Ersatz 77*4 Volumina des weissen Pulvers.
Wie zu ersehen, liegt ein Hauptvortheil des weissen Schiesspulvers
nicht nur in der erhöhten Wirksamkeit, sondern auch insbesonders für
den Gebrauch in Schiesswaffen aller Art und zu Sprengungen in ge-
schlossenen Räumen wie Bergwerken etc. , in der weit niederem
Flammen-Temperatur, so dass eine grössere Anzahl von Schüssen als
bisher, unmittelbar auf einander folgen kann, ohne dass sich die
Geschützwände oder die stagnirende Luft in den Stollen , Tunnels
etc. zu sehr erhitzen.
Mögen diese, wie mehrmals bemerkt nur näherungsweise rich-
tigen Daten dazu beitragen , die allgemeine Aufmerksamkeit dem
neuen weissen Schiesspulver zuzulenken , welches wenigstens als
Sprengpulver das alte Pulver an Kraft übertrifft und in dieser Bezie-
hung der Wirksamkeit der Schiessbaumwolle nahe steht, vor selber
aber was Leichtigkeit und Billigkeit der Darstellung sowie Unver-
änderlichkeit beim Aufbewahren anbelangt , den Vorzug verdient.
Für den weiteren Vergleich des schwarzen und neuen weissen
Schiesspulvers mag noch folgendes benterkt sein. Da das neue Pulver
44»
642 Pohl.
chlorsaures Kali enthält, welches bekanntlieh beim Gebrauche aller
bisherigen Schiesspulver-Surrogate, deren Bestandtheil es bildet, die
Feuerwaffen zu Folge seiner Zerlegungsproducte in hoher Temperatur
angreift und selbst das Rosten eiserner Läufe durch thellweise Zer-
setzung beim Anziehen hygroskopischen Wassers bewirken kann,
so liegt die Befürchtung nahe, dass dies auch von unserem Pulver
gelte. Träte dieser Übelstand thatsächlich ein, so würde das weisse
Pulver nur als Sprengpulver dienen können, als solches aber aus-
gezeichnete Erfolge bedingen. Wenn aber beim Abbrennen des
neuen weissen Pulvers sieh thatsächlich nur die Zerlegungsproducte
des Schema I bildeten, so ist nicht einzusehen, warum dasselbe
schädlicher auf die Feuerwaffen als das alte schwarze Pulver wirken
sollte. Im Gegentheile, der bei gleicher Wirksamkeit viel geringere
feste Rückstand im Rohr, müsste eher eine Schonung der Feuerwaffe
zur Folge haben. Ob dem wirklich so sei, Hesse sich am einfachsten
durch mit einer bestimmten Feuerwaffe vorgenommene und längere
Zeit fortgesetzte Schiessversuche entscheiden, zu welchen Versuchen
mir aber leider jede Gelegenheit mangelt. Da ferner das neue Pulver
weniger hygroskopisch ist als das alte, so kann ein eigentliches
Feuchtwerden desselben nicht leicht eintreten und somit wäre die
Zerstörung von längerer Zeit im geladenen Zustande verbleibender
Feuerwaffen auch nicht zu besorgen. Weitere grosse Vortheile
bietet aber das weisse Pulver gegenüber dem schwarzen durch die
so schwere Explosionsfähigkeit bei Druck und Schlag. Nur der
heftigste Schlag von Eisen auf Eisen bewirkt Explosion , dagegen
kann es durch Reibung von Holz auf Metall, zwischen Steinen,
Thonmassen etc. nicht dazu gebracht werden. Wohl aber hat man
sich vor Reiben des Pulvers mit Kohle oder Schwefel und selbst vor
dem zufälligen Vermengen damit zu hüten , welches sehr leicht die
Explosion bedingt. Ebenso gehört die leichte Entzündbarkeit durch
Funken, namentlich der elektrischen Funken, durch glimmende und
mit Flamme brennende Körper und das natürlich unmögliche Abschwär-
zen, endlich die Verwendbarkeit im ungekörnten Zustande als Schiess-
oder Sprengpulver, zu den Vortheilen. Die Bereitungsweise des
neuen Pulvers ist gegenüber jener des schwarzen Pulvers eben in
Folge der leichten Beischaffung der Rohmaterialien, der leichten
Vermischung halber und des Fortfallens des Verdichtens, Körnens,
Glänzcns etc. ausserordentlich erleichtert und verkürzt. Es lassen
Clieniische Notizen. 643
sich sogar hei gegebenen Rohmaterialien in wenig Stnnden grosse
Mengen des neuen Pulvers ohne Benützung weiterer Geräthe als
etwa einer Stampfe und eines Mischfasses bereiten. Dass endlich das
neue Pulver trotz des höheren Anschaffpreises der benützten Roh-
materialien bei gleichem Gewichte dennoch billiger als das alte
Schiesspulver zu stehen komme, bedarf keines weiteren Beweises und
noch augenfälliger günstig stellt sieh der Kostenpunkt bei Berück-
sichtigung der erhöhten Leistungsfähigkeit heraus.
Nachdem das genannte Dosirungsverhältniss I schon im
Jahre 1856 ermittelt war, kam mir der Bericht Augendre's über
sein weisses Schiesspulver an die Pariser Akademie der Wissen-
schaften zur Hand i), nach welchem er selbst ein anderes Dosirungs-
Verhältniss als das in den meisten deutschen Zeitschriften angegebene
verwendet. Augendre nimmt nämlich hiernach:
Kaliumeisencyanür . . 1 Gewichtstheil, •»
Rohrzucker 1 „
Chlorsaures Kali ... 2 „
was für 100 Gewichtstheile die Dosirung:
Kaliumeisencyanür . . 25 Gewichtstheile oder 1*000 Äquivalent,
Rohrzucker 2S „ „ 1-23S „
Chlorsaures Kali ... SO „ „ 3-446
gibt. Wie zu ersehen nähert sich dieses Verhältniss sehr dem von mir
gewählten. Nach dem gegebenen Zerlegungsschema I glaube ich
aber die von mir gefundene Dosirung als die richtigere und vortheil-
haftere ansehen zu dürfen.
1) Coiuptes rendus, tome 30, pag. 179.
Q44 C z e r m a k.
über die entoptische Wahrnehmung der Stäbchen- und
Zupfeuschicht (Membrana Jacobi Retinae).
Vorläufige Mittheilung.
Von Prof. Joh. fzermak in Pest.
„So lange eine Beobachtnnu: im Reiche der Naturkunde isolirt
steht , so lange sie nicht in mehrfache Beziehungen zu anderen mehr
oder weniger wichtigen Erfahrungen und Anwendungen gekommen
ist und durch Einwirken in das übrige System eine Art Charakter
und Hang erworben hat, ist sie immer in Gefahr entweder längere
Zeit ganz unbeachtet zu bleiben , oder wenn sie sich anfangs durch
eine neue Erscheinungsweise aufgedrungen hat, wieder in Verges-
senheit zu gerathen , bis im ununterbrochenen Entwiekelungsgange
des Wissens die ihr nächst verwandten Gegenstände mehrfach auf
sie deuten und sie endlich in die ihr gebührende Stelle aufnehmen,
wo sie dann erst in dem ihr zukommenden Lichte der Wissenschaft
steht, um nie wieder in die Finsterniss der Verborgenheit zurück-
zukehren."
Mit diesen Worten hat Purkyne') treffend das Schicksal der
meisten seiner zahlreichen und überraschenden Funde im Reiche des
subjectiven Sehens vorausgesagt. Der durch ihn gehobene reiche
Schatz von Beobachtungen gerieth in der That — (trotz des grossen
Aufsehens, welches Purkyne's Leistungen seiner Zeit machten,
wie die ehrenvolle Anerkennung und schmeichelhafte Beachtung
beweist, welche Goethe der genialen Persönlichkeit des Autors
zuwendete) — nach und nach zmn grossen Theil last ganz in Ver-
gessenheit, weil man nichts weiter damit anzufangen wusste.
1) lieuli.iclituiigeii und \ ersuche iiiir l'liysiologle der Sinne. IJd. I. Citive, l'r«g lö'-tS,
pat'. 37.
über die eiitoptische \V;iliriielmiiiiiy der StShcliiMi- und Ziipfeiischiclit etc. 645
Während der vierzig Jahre, die seit dem ersten Erscheinen der
citirten Dissertation verflossen, haben wenige Forscher eine Ver-
anlassung gehabt und die Mühe aufwenden wollen, die meist anstren-
genden und zum Thoil die Gesundheit des Sehorgan«? gefährdenden
subjectiven Sehversuche Purkyne's zu wiederholen und zu erwei-
tern , und jenes phantastische Reich des subjectiven Sehens aus
eigener Anschauung genauer kennen zu lernen; — ja selbst die
Bescbreibung einzelner dieser Erscheinungen ist in die wenigsten
Lehrbücher der Physiologie aufgenommen worden.
Erst in der neuesten Zeit hat man wieder versucht, manche die-
ser Erscheinungen zu studiren und physiologisch zu verwerthen.
Ich erinnere an die sinnreiche Anwendung, welche H. Müller
von der sogenannten „Aderfigur" gemacht hat, um die Netzhaut-
elemente zu finden, welche die Lichtperception eigentlich vermit-
teln; an die kostbaren Daten über die Geschwindigkeit des Capil-
larkreislaufes im Menschen, welche Vierordt durch Beobachtung
des entoptisch „sichtburen Blutumlaufes im Auge" zu erhalten wusste
und endlich an meine eigenen Bemühungen aus der Erscheinung des
„Accommodationsphosphens" gewisse Momente des Accommodations-
mechanismus zu erläutern.
Es sei mir erlaubt, hier eine vorläufige Mittheilung über einen
neuen Versuch dieser Art zu machen , und jene zierliche Erschei-
nung, welche Purkyne, l. c. pag. 10, unter dem Namen der _„Licht-
schattenfigur" des Auges beschreibt und abzubilden versucht, der
Beachtung der Physiologen zu empfehlen.
Wird das Auge in raschem Wechsel erhellt und verdunkelt, so
füllt sich alsbald das ganze Gesichtsfeld mit einer überaus zierlichen
schachbrettartigen Zeichnung von lichten und schattigen viereckigen
Felderchen, welche von der Peripherie gegen das Centrum an Grösse
ab und an Schärfe zunehmen. Auf dieser „primären" Zeichnung
erscheinen dann in wechselnder Folge „secundäre" Gestalten (der
„Achtstrahl", das „Schneckenrechteck" u, s. w.), deren Beschrei-
bung 1. c. nachzusehen ist, da ich hier nur die „primären" näher
betrachten w ill.
Um die äussere Bedingung der Erscheinung bequem zu beherr-
schen, gebrauche ich eine grosse Pappscheibe, welche nahe am
Rande in gleichen Abständen von etwa 3 Zoll, eine einfache Reihe
von 12 länglich viereckigen ÖlTnungen (8 Linien Höhe, 4 Linien
546 C z e I- m a k.
Breite) trägt und um eine liorinzontale Axe leiclit gedreht wer-
den kann.
Den Versuch stellte ich so an, dass ich mit den Augen durch
die Öffnungen der in rasche Rotation versetzten Pappscheibe in den
Himmel oder in eine nahe vor's Gesicht gesetzte Milchglasglocke
einer hellbrennenden Lampe starre. Purkyne erzeugte den Wech-
sel von Licht und Schatten, indem er mit den auseinander gespreizten
Fingern der Hand vor den Augen auf- und abfuhr, oder indem er auf
eine mit schwarzen und weissen Segmenten bemalte rotirende Scheibe
oder zwischen den Speichen eines gedrehten Rades hindurch auf
einen hellen Hintergrund blickte.
Unter diesen Umständen entsteht alsbald die „Lichtschatten-
figur."
Je nach der Dauer des Versuches und der Schnelligkeit des
Wechsels von Licht und Dunkelheit, treten subjeclive Färbungen der
Schachbrettfelder, Blendungserscheinungen im Auge und Wettstreit
der Sehfelder auf.
Es kommt zu einem unregelmässigen Wechsel der „primären"
und „secundären" Gestalten und es gehört einige Übung im Selbst-
beobachten dazu , sich in dieser phantastischen Bilderjagd zu orien-
tiren und das Constante in der Mannigfaltigkeit und Wandelbarkeit
der Erscheinung zu fixiren.
Schon Purkyne bemühte sich in der feineren Structur des
Auges irgend welche Anhaltspunkte zur Erklärung der Grundformen
seiner Lichtschattenfigur zu finden (1. c. pag, 43); „bald zerfaserte
er die getrocknete Krystalllinse, bald betrachtete er die Körnchen
des gefrorenen Glaskörpers, bald untersuchte er mikroskopisch die
Netzhaut und ihre Markkügelchen", aber nirgends fand er genügende
Erklärungsgründe.
Hätte Purkyne damals schon die durch Huschke und Tre-
viranus mehr als ein Decennium später entdeckten Elemente der
Stäbchen- und Zapfenschicht in ihrer wunderbar regelmässigen
Anordnung kennen können, er würde unzweifelhaft seinen frap-
panten und geistreich durchgeführten Vergleich mit Chladni's
Klangfiguren nicht bis zur völligen Analogie beider Vorgänge
gesteigert, sondern die Structur der Zapfen- und Stäbchen-
schicht in eine nähere Beziehung mit der Lichtschaflenfigur
gebracht haben.
über die enfoptisohe Wahrnehmiin«^ der StSlicheii- und Zapfenschicht elc. 647
Ich bin fest überzeugt, dass Nieinand die „prirnareii" (lestalteii
dieser Figur sehen kann ohne an jene erinnert zu werden und
einen Zusammenliang zwischen beiden zu ahnen . um so mehr als
man seit Bruecke weiss, dass jene histologischen Elemente auch ein
Spiegelungsapparat sind.
Indem ich in dieser Richtung weiter forschte, gelang es mir eine
Form der „primären" Gestalten hervorzubringen, welche jeden
Zweifel zum Schweigen bringen musste.
Ich sehe nändich constant und mit vollster Deutlichkeit — wenn
icli den Versuch einige Zeit fortsetze und die rotirende Pappscheibe
eine mittlere Drehungsgeschwindigkeit erlangt hat — im Bereiche des
directen Sehens (macula lutea) die hier sehr feinen Viereckchen
der Purk y ne'schen Schachbrettfigiir allmählich einer scharfgezeich-
neten regelmässigen Mosaik von kleinen runden Scheibchen Platz
machen.
Die Scheibchen stehen dicht gedrängt und lassen nur ganz
schmale Zwischenräume oder Trennungslinien zwischen sich; erstere
sind von geringerer, letztere von grösserer Helligkeit.
Das Auftreten dieser Mosaik wird durch Anstrengung der Augen
zum Nahesehen begünstigt. Das mit dieser Mosaik erfüllte Feld ist
zuweilen unregelmässig begrenzt, zuweilen hat es die Form einer
liegenden Raute; es wechselt Umriss und Ausdehnung wie beim
Wettstreit der Sehfelder. Die Scheibchen, welche die Mosaik zusam-
mensetzen, erscheinen stets unter einem grösseren Gesichtswinkel
als dem Durchmesser der Zapfen am gelben Fleck entspricht, auch
ist unter verschiedenen Umständen die scheinbare Grösse der
Scheibchen bald grösser bald kleiner; nichts desto weniger wird
aber Jeder, der diese Beobachtung selbst einmal gemacht hat und
das mikroskopische Flächenbild der Zapfen und Stäbchen kennt, die
dichtgedrängten runden Scheibchen im Bereiche des directen Sehens
(macula lutea) , wo bekanntlich nur Zapfen vorkommen, sogleich
für ein mehr oder weniger vergröss ertes Bild der Za p fen mo -
saik des gelben Fleckens erklären (vgl. Die Abbildungen in Eckerts
Icones).
Durch welche besondere Lichtreflexion oder Brechung dieses
bald stärker bald schwächer vergrösserte deutliche Bild der Zapfen-
mosaik entsteht und auf die am schärfsten empfindende Elementar-
schicht der Netzhaut geworfen wird, oder welche besondere
648 Czerinak. Ul)er ilie eiito|i. Wiiliriiclirii. d. Sliiliohoii- u. Za|)liMiscliiclit etc.
Zustände der Empfindlichkeit die Retina zur Wahrnehmung der
Zapfenmosaik befähigen u. s. w. ist vorläufig nicht anzugeben.
Jedenfalls aber gehört die Stäbchen- und Zapfen-
schicht der Retina zu jenen Best andt heilen des Auges,
welcheeinerseitseigenthümlicheentoptischeErschei-
nungen (Purkyne's Lichtschattenfigur) veranlassen können
und welche a ii d e i- s e i t s u n t e i* Umständen zum T h e i 1
selbst als „leuchtende Bi nnenob jec te " (die beschrie-
bene Scheibenmosaik der Zapfen) deutlich wahrgenommen
w erd en.
Schliesslich bemerke ich noch, dass Purkyne auch beim
nachhaltigen Druck auf das Auge und bei raschen Entladungen einer
Volta\schen Säule durch das Auge, die Gestalten seiner Licht-
schattenfigiir hervorrufen konnte.
Pest im Juni 1860.
über die Eiiiwirkuiifj schwacher Alfinitiiteii iiuf Aldehyd. 649
Ühev die Einwirkung schwacher Afßniliiten auf Aldehyd.
Von Dr. Adolf lieben.
In neuerer Zeit ist eine ziemlich grosse Anzahl von Derivaten
des Aldehyds entdeckt worden und man hat versticlit daraus Rück-
schlüsse auf die Constitution desselhen zu machen. Diese Derivate
sind aber von chemisch so verschiedener Natur, dass es fast den
Anschein gewinnt, als ob man schlechterdings dem Aldehyd mehrere
rationelle Formeln beilegen nuisste, je nachdem man seine Beziehung
zu den einen oder den andern der aus ihm abgeleiteten Körper dar-
stellen will. Es ist das wenig stabile Gleichgewicht, in dem die Atome
des Aldehyds zu einander stehen, das eine so grosse Mannigfaltig-
keit der chemischen Umsetzung unter dem Einflüsse verschiedener
Agentien bedingt, und das auch die Bildung isomerer Modificationen
leichter zulässt als dies bei den meisten anderen Körpern der Fall ist.
Dadurch wird die Erforschung der chemischen Natur des Aldehyds
sehr erschwert. Das Studium der Einwirkung von Körpern, die nur
mit schwacher Affinität begabt sind, schien mir in dieser Hinsicht
ein besonderes Interesse darzubieten.
filnwirkung von Jodäthyl auf Aldehyd.
Äquivalente Mengen von Aldehyd und von Jodäthyl wurden
gemischt und in zwei Glasröhren vertheilt , die dann zugeschmolzen
und im Wasserbade erhitzt wurden. Das anfangs lebhafte Sieden
innerhalb der Röhren nahm inmier mehr und mehr ab. Nach sechs
Stunden wurde die erste, nach 38stündigem Erhitzen die zweite
Röhre geöffnet. Der gelblich gefärbte Inhalt wurde destillirt. Durch
eine Reihe von fractionirten Destillationen gelang es die Flüssigkeit
in drei Partieen zu spalten. Die erste flüchtigste Partie, die imr in
sehr geringer Menge vorhanden war, bestand aus unverändertem
(550 I. i e b e II.
Aldehyd; die zweite bestand im Wesentlichen aus Jodäthyl, welches
sowohl duix'h die Übereinstiminung der physikalischen Eigenschaften
als auch durch Analyse nachgewiesen wurde; die dritte Partie end-
lich, nachdem sie durch Destillation über Chlorcalcium, ßleioxyd und
Quecksilber gereinigt worden war, bestand aus einem bei 123 bis
124° siedenden flüssigen Kör[»er, der neutrale Reaction und einen
sehr angenehmen ätherartigen Geruch besass. Er brennt mit Alko-
holflamme, ist etwas leichter als Wasser und nicht in allen Verhält-
nissen damit mischbar, in einem Überschuss von Wasser löst er sich
jedoch auf; von Kalilauge wird er nicht angegriffen; mit einer ammo-
uiakalischen Lösung von salpetersaurem Silberoxyd erhitzt, scheidet
er Silber aus. Diese Eigenschaften stimmen sehr nahe mit denen
überein, welche W e i d e n b u s c h ') für die von ihm entdeckte isomere
Modification des Aldehyds, die von Gerhardt Paraldehyd genannt
worden ist, angegeben hat. Die Analyse gab folgende Werthe:
1.0-2046 Grm. gaben 0-4000 Grm. Kohlensäure und 0-1685 Grm. Wasser.
II. 0-22 „ „ 0-4332 „ „ „ 01732 „
Die Substanz, die zur Analyse I gedient hatte, wurde nochmals
destillirt und der zuerst übergehende Theil beseitigt; das darauf
folgende Destillat wurde zur Analyse II verwendet.
Berechnet
I.
Gefunden
II.
c««)
S4-S4
53-32
53-7
Hia
909
9-15
8-85
Os
36-37
37-53
37-45
100-00 100-00 100-00
In den analysirten Producten konnten noch Spuren von Jod
nachgewiesen werden; es ist schwer, wenn man nicht mit grossen
Mengen arbeitet, durch fractionirte Destillation das Jodäthyl voll-
kommen zu entfernen. Daraus erklärt sich der etwas zu gering ge-
fundene Kohlenstoffgehalt. Übrigens lassen die angeführten Zahlen
keinen Zweifel übrig, dass der untersuchte Körper wirklich mit
Aldehyd isomer ist. Eine damit ausgeführte Dampfdichtenbestimmung
ergab folgende Werthe:
») Annalen d. Chem. und Pharm. Bd. 66, S. 15.S.
^) In der vorliegenden Abhandlung wurden die Äquivalente C=12, H = l, 0=i6 benützt.
über die Einwirkung schwacher Affinitäten anf Aldehyd. 651
Gewichtsüberschuss des mit Dampf gefüllten Ballons . . = 0*2487 Gramme.
Temperatur beim Zuschmelzen = ITö"
Temperatur der Luft = 19°7
Barometerstand = 739 "9 Millim.
Volum des Ballons = 100-7 C.-C.
Zurückgebliebene Luft = 0
Aus diesen Daten folgt:
Dampfdichte = 4-71
Nach der Formel CgHioOs berechnete Dampfdichte . . = 4'56
Wird diese mit dem Aldehyd isomere Substanz mit einem
Tropfen Schwefelsäure versetzt , so verwandelt sie sich wieder in
Aldehyd, das an dem Geruch, dem Siedpunkte, der Eigenschaft mit
Kali zu verharzen und mit ammoniakalischer Silberlösung einen Sil-
berspiegel zu geben, erkannt wurde. Auch diese Reaction wird von
Weidenbusch für das Paraldehyd angegeben. Das Verhalten des
Paraldehyds in der Kälte hingegen scheint von Weidenbusch
nicht untersucht worden zu sein. Ich fand, dass die unter dem Ein-
flüsse von Jodäthyl auf Aldehyd entstandene und offenbar mit dem
Paraldehyd identische Modification bei + ''" krystaliinisch erstarrt.
Die Krystalle schmelzen bei -j- 12» und so lange in der schmelzen-
den Masse noch Krystalle zugegen sind, wird sie auch wieder fest,
sobald sie etwas unter IE" abgekühlt wird.
Geuther und Cartmell 9 haben vor kurzem durch Ein-
wirkung von schwefliger Säure auf Aldehyd dieselbe isomere
Modification, die hier beschrieben wurde, erhalten und daran die
Bemerkung geknüpft, dass sie mit dem Elaldehyd von Fehlin g und
dem Paraldehyd von Weidenbusch identisch ist. In der That
findet nur in der Angabe des Siedpunktes für Elaldehyd (Fehling^)
gibt ihn bei 94» an) eine beträchtliche Abweichung Statt. Vielleicht
können darüber spätere Versuche Aufklärung geben. Was die
Schmelzpunkte betrifft, so gibt Fehling den Schmelzpunkt des
Elaldehyds bei -|- 2» an, Geuther und Cartmell fanden ihn bei
-j- 10», ich fand ihn bei dem durch Einwirkung von Jodäthyl erhal-
tenen Körper bei -\- 12». Diesen Abweichungen ist jedoch nur sehr
geringe Bedeutung beizumessen und in keinem Falle können sie als
Zeugnisse gegen die Identität dieser Körper geltend gemacht werden.
1) Annalen d. Chem. u. Pharm. Bd. 112, S. 16.
■i) Annalen d. Chem. u. Pharm. Bd. 27, S. 320.
6K2 Liehen.
Ich üherzeugto mich schon gelegentlich obiger Untersuchung , dass
selbst sehr geringfügige Verunreinigungen von Einfluss auf den
Schmelzpunkt sind; noch viel deutlicher wird sich diese leichte Ver-
rückbarkeit des Schmelzpunktes an demselben Körper bei der Unter-
suchung der Einwirkung von Cyangas auf Aldehyd herausstellen.
Die obigen Versuche haben dargethan , dass Aldehyd unter dem
Einflüsse von Jodäthyl bei i 00» in. eine isomere Modification von
dreifacher Dampfdichte verwandelt wird, die mit dem durch Ein-
wirkung von schwefliger Säure entstehenden Körper, ferner mit
Paraldehyd und ohne Zweifel auch mit Elaldehyd identisch ist. Das
Jodäthyl ist dabei ganz unverändert gebliehen. Diese Reaction ist
noch insofern bemerkenswerth , als man hätte denken können , dass
Aldehyd und Jodäthyl sich direct zu einem Körper von der Zusam-
P H )
mensetzuiig p^j|*[ 0 vereinigen würden, ähnlich wie dies Simpson*)
^ C H )
beim Erhitzen von Cliloracetyl mit Aldehyd, wobei p u^q*[0 entsteht,
ci
beobachtet hat.
Einwirkung von Cyangas auf Aldehyd.
Bekanntlich liefert Chlor mit Aldehyd Substitutionsproducte, als
deren erstes nach Wurtz dasChloracetyl anziisfhen ist. Cyan konnte
sieh entweder dem Chlor analog verhalten oder, wie man für wahr-
scheinlicher halten durfte, zurUmlagerung der Atome und zur Bildung
isomerer Körper Veranlassung gehen.
In durch eine Kältemischung gekühltes Aldehyd wurde Cyangas
geleitet, das aus trockenem Cyanquecksilber durch Erhitzen entwickelt
wurde. Das Cyan wurde in beträchtlicher Menge unter starker Volum-
vermehrung absorbirt. Die Aldehyd enthaltende Röhre wurde hier-
auf zugeschmolzen und bei gewöhnlicher Temperatur durch 18 Tage
sich selbst überlassen. Während dieser Zeit färbte sieh die ursprüng-
lich farblose Flüssigkeit gelb, und die Röhrenwandung überzog sich
mit einem sehr geringen bräunlichen Anflug eines festen Körpers
(wahrscheinlich Paracyan). Die Röhre ward hierauf geölTnet und ihr
Inhalt destillirt, wobei sich ein Strom von Cyangas entwickelte.
>) rotni.t. rpiicl. Xr,VII. 874.
über die Rinwirkiing' schwaclier Affinitäfen auf Aldehyd. 633
Zuerst destillirte unverändertes Aldehyd, dann ging bis 10" nur
sehr wenig über, endlich von 100 — 124» destillirte der ganze Rest.
Dieser letzte schwerst flüchtige Theil erstarrte krystallinisch, als er
in eine Kältemischung getaucht wurde. Die kleine Menge von Flüs-
sigkeit, die noch über den Krystallen stand, wurde abgegossen, um
diese selbst noch reiner zu gewinnen. Bei abermaliger Destillation,
der die Krystalle unterworfen wurden, wobei etwas Bleioxyd zugesetzt
worden war, ging die ganze Menge bei 122 — 123" über. Die Ana-
lyse, die von diesem Destillat ausgeführt wurde, gab folgende Wertbe:
0-3271 Grm. «aben 0-6478 Grm. Kohlensäure und 0-2709 Grm. Wasser.
Berechnet
Gefunden
Ce
54 -S4
S4 01
Hl 3
9-09
9-20
O3
36-37
36-79
100-00 100-00
Das Aldehyd ist hier unter dem Einflüsse von Cyan in dieselbe
isomere Modification verwandelt worden, die sich, wie ich früher
gezeigt habe, auch durch Einwirkung von Jodäthyl bildet.
Die analysirte Flüssigkeit besitzt neutrale Reaetion , einen an-
genehmen ätherartigen Geruch, ist etwas leichter als Wasser, in
einem Cberschuss desselben löslich, wird von Kali nicht angegrilTen,
durch Schwefelsäure in Aldehyd verwandelt u. s. w., nur ihr Erstar-
rungspunkt ist niedriger als der des mit Jodäthyl erhaltenen Körpers.
Er liegt unter 0«, utid der Schmelzpunkt der dabei erhaltenen Kry-
stalle wurde bei -|- 4" gefunden. Da die übrigens ganz gleichen
Eigenschaften des mit Cyan und des mit Jodäthyl dargestellten Kör-
pers keinen Zweifel über ihre Identität zulassen, so muss die Ver-
schiedenheit der Schmelzpunkte auf Rechnung minimer Verunreini-
gungen gestellt werden, die gerade auf diese Eigenschaft besonders
grossen Einfluss zu üben scheinen. Auch begreift man danach, dass
Fehling denselben Körper in Händen haben und doch den Schmelz-
punkt bei 2" finden konnte.
Bei 100» scheint die Einwirkung des Cyans auf Aldehyd anders
zu verlaufen als bei gewöhnlicher Temperatur. Ich habe mich über-
zeugt, dass dabei kein Elaldehyd gebildet wird. Der grösste Theil
des Aldehyds bleibt unverändert , es entsteht etwas CyanwasserstolT-
säure und unter Umständen wie es scheint auch Metaldehyd.
654 Lieben.
Es ist interessant die Einwirkung von Cyan auf Aldehyd bei
Ausschluss und bei Gegenwart von Wasser zu vergleichen. Im letz-
teren Falle bleibt, wie Lieb ig*) gefunden hat, das Aldehyd gröss-
tentheils unverändert, das Cyan aber verwandelt sich, indem es die
Elemente des Wassers aufnimmt, inOxamid und oxalsaures Ammoniak.
Im ersteren Falle hingegen bleibt, wie man aus der obigen Unter-
suchung ersieht, das Cyan unverändert und das Aldehyd geht in
Elaldehyd über.
Es sei mir erlaubt hier vorläufig nur als Vermuthung auszu-
sprechen , dass dem Elaldehyd (ich gebrauche Elaldehyd hier als
allgetneiiie Bezeichnung, worunter ich die oben beschriebene Modi-
ficatioM und auch das Paraldehyd begreife) die rationelle Formel
C2H4 ^
C2H5 >02 zukommen dürfte. Dieselbe drückt nicht nur die Isomerie
CaHjO )
mit dem Aldehyd aus und erklärt die dreifache Dampfdichte, die das
Elaldehyd im Vergleich mit dem Aldehyd besitzt, sondern sie ent-
spricht auch den freilich nur unvollkommen bekannten chemischen
und physikalischen Eigenschaften des Elaldehyds. Nach der angege-
benen Formel müsste das Elaldehyd gerade zwischen das Acetal und
die von Geuther entdeckte zweifach essigsaure Verbindung ge-
stellt werden.
Acetal
Elaldehyd
Athylidenbiacetat
C2H4)
C2H5 O2
C2H5!
C2H4 )
C2H5 O2
C2H3O)
C2H4 )
CoHgOVOs
In der That liegt das specifische Gewicht des Elaldehyds zwi-
schen dem desAcetals und dem der zweifach essigsauren Verbindung,
sein Siedpunkt liegt bei 124o, der des Acetals bei lOö», der der
zweifach essigsauren Verbindung bei IGS'S«. Das Elaldehyd wäre
darnach als das Äthylo-Acetat des zweiatomigen Radicals Äthyliden
C2H4 zu betrachten, das, wie ich glaube, einer Reihe von Aldehyd-
derivaten zu Grunde gelegt werden muss. Directe Versuche, die ich
mir vorgesetzt habe, werden entscheiden, ob die für das Elaldehyd
vorgeschlagene Formel definitiv beibehalten werden kann.
1) Aimalen d. Cham. u. Pharm. Bd. 11:5, S. 246,
Üher ilie Eiii«'irkiiii<j scliwaelier Afflnilü(eii huI' Aldehyil. 6S«)
Einwirkung von Salzlösungen auf Aldehyd.
Einwirkung von ameisensaurem Kali. Man konnte
denken , dass unter dem Einflüsse einer Lösung von ameisensaurem
Kali bei erhöhter Temperatur entweder eine Umlagerung der Atome
des Aldehyds stattfinden würde, oder auch dass die Elemente von
Aldehyd und von ameisensaurem Kali geradezu zusammentreten und
einen Körper von der Zusammensetzung des milehsauren Kali geben
würden. Eine derartige Reaction gewinnt an Wahrscheinlichkeit,
wenn man sich die Entstehung des Alanins aus Aldehyd und die
Bildung der Milchsäure aus Alanin vergegenwärtigt.
10 Gramme Aldehyd wurden mit einer concentrirten wässerigen
Lösung von 9 Grammen ameisensaurem Kali in ein Glasrohr einge-
schmolzen und im Wasserbade erhitzt. Beim Eingiessen des Aldehyds
lagerte es sich als speeifisch leichtere obere Schichte über die Salz-
lösung ohne sich damit zu mischen. Als nach dem Zuschmelzen der
Röhre umgeschüttelt wurde, vermischten sieh die beiden Schichten
zu einer homogenen Flüssigkeit; zugleich trat reichliche Ausschei-
dung von Krystallen von ameisensaurem Kali, Erwärmung und
Gesammtvolumcontraction ein. Beim darauf folgenden Erhitzen der
Röhre im Wasserbade kam das darin enthaltene Aldehyd in lebhaftes
Sieden; nach und nach jedoch nahm das Sieden an Lebhaftigkeit
ab und zugleich spaltete sich die Flüssigkeit in zwei Schichten. Nach
24 Stunden, als das Sieden innerhalb des Rohres aufgehört hatte und
die obere Schichte nicht merklich mehr an Volum zunahm , wurde
die Glasröhre geöffnet und die obere gelb gefärbte Schichte von der
Salzlösung, welche die untere Schichte bildete, getrennt. Beide
Schichten besassen denselben ungemein durchdringenden, Nase und
Augen angreifenden Geruch.
Die untere Schichte stellt eine trübe Flüssigkeit dar. Durch
Destilliren lässt nch die Substanz, die ihr den durchdringenden
Geruch mittheilt, aus der wässerigen Lösung nicht isoiiren. Durch
Schütteln derselben mit Äther wird sie jedoch zum grössten Theiie
ausgezogen und bleibt dann beim Abdunsten des Äthers zurück. Ich
überzeugte mich, dass sie mit der Substanz der obern Schichte voll-
kommen identisch ist. Die durch Schütteln mit Äther klar gewordene
wässerige Flüssigkeit wurde abgedampft und die rückständige weisse
Sitzb. d. iiiathera.-nalunv. t'l. XI. I. Bd. Nr. IS. i'-i
656 Liehen.
Salzmasse untersucht. Sie besass alle Reactionen von ameisen-
saurem Kali. 1 -2^)58 Grm. des bei 120» getrockneten Salzes gaben
beider Calcination 1*0181 Grm. kohlensaures Kali, entsprechend
4S*82 Proc. Kalium. Der theoretisch berechnete Kaliumgehalt von
ameisensaurem Kali beträgt 46-43 Proc. Somit ist das ameisen-
saure Kali bei seiner Einwirkung auf Aldehyd ganz unverändert
geblieben.
Die obere Schichte lässt sich nicht destilliren, ohne einen
beträchtlichen braunen Rückstand zu hinterlassen. Dabei steigt der
Siedpunkt von 1 00» bis über 200*>,, doch geht das Meiste von 100 bis
130» über. Wird das erhaltene wasserhelle Destillat abermals der
Destillation unterworfen, so hinterbleibt wieder ein brauner Rück-
stand u. s. w. Man ist nicht im Stande, einen rückstandslos flüchtigen
Körper daraus zu gewinnen, vielmehr muss man annehmen, dass die
Wärme verändernd einwirkt. Ich überzeugte mich ferner, dass diese
Substanz beim Stehen an der Luft sich verändert, indem sie sich
etwas färbt und eine dickliche Consistenz annimmt; da sie auch nicht
durch Abkühlung in krystallinischem Zustand erhalten werden kann,
so wurde durch diese Eigenschaften die Schwierigkeit der Unter-
suchung sehr erhöht. Um dennoch ihre chemische Natur festzu-
stellen, war es nothwendig eine sehr grosse Anzahl von verschieden-
artigen Versuchen zu machen, wozu ich natürlich einer viel grösse-
ren Menge Substanz bedurfte, als bei dem angeführten Versuch aus
10 Grammen Aldehyd erhalten worden war. Die Darstellung geschah
ebenso und ging ganz in derselben Weise vor sich, wie oben be-
schrieben wurde. Es musste sich nun zunächst darum handeln den
neuen Körper von allen denjenigen Verunreinigungen , die nach der
Art seiner Entstehung in ihm enthalten sein konnten, zu befreien,
dann ohne ihn der Destillation unterworfen zu haben zu analysiren.
Weitere Aufgabe war es dann sich zu überzeugen, ob der analysirte
Körper ein chemisches Individuum oder ein Gemenge von mehreren
Körpern sei, die unter dem Einflüsse von ameisensaurem Kali aus
dem Aldehyd durch Spaltung zugleich entstanden wären.
Nach den Bedingungen, unter denen der neue Körper entsteht,
kann er möglicherweise mit ameisensaurem Kali mit Wasser und mit
Aldehyd, das der Reaction entgangen ist, verunreinigt sein. Um ihn
von ameisensaurem Kali zu befreien, wurde er wiederholt mit Was-
ser geschüttelt. Er bildet damit eine Emulsion , aus der er sich nur
über ilip Rinwirkun^ schwacher Afliniliiten ;mf Aldpliyil. 057
sehr langsam als auf dem Wasser schwimmende Schichte abscheidet.
Durch Erwärmung kann die Trennung der beiden Schichten be-
schleunigt werden. Nachdem sie mit Wasser gewaschen ist , wird
die nun trüb erscheinende Flüssigkeit durch längere Digestion mit
Chlorcaicium von Wasser befreit. Ich überzeugte mich , dass sie
dabei nur Spuren von Chlorcaicium auflöst, die auf die Analyse nicht
von erheblichem Einflüsse sind. Obgleich das Aldehyd, wenn sie
welches enthielt , schon durch Waschen mit Wasser grösstentheils
beseitigt sein musste , wurde dennoch, um jede Spur davon zu ent-
fernen, die vom Chlorcaicium abgegossene Flüssigkeit in einem Strom
von Kohlensäure, Wasserstoff oder Stickstoff einer Temperatur von
70" durch einige Zeit ausgesetzt. Dabei destillirte nichts, doch
wurde dem darüber streichenden Gas der charakteristische durch-
dringende Geruch mitgetheilt. Die klare gelbe Flüssigkeit wurde
dann der Elementaranalyse unterworfen. Dabei wurde in die Glas-
kügelchen , welche zur Aufnahme der Substanz bestimmt waren,
etwas chlorsaures Kali gebracht, um eine vollständige Verbrennung
zu erzielen; es bleibt sonst, da die Substanz nicht ohne Rückstand
flüchtig ist, etwas Kohlenstoff beim Glühen darin zurück. Dieselbe
Vorsicht wurde auch bei allen später folgenden Analysen dieser Sub-
stanz angewendet. Zu den folgenden drei Analysen dienten drei
Substanzen von verschiedenen Bereitungen. Die Substanz der Ana-
lyse I war durch 24stündiges Erhitzen im Wasserbade von ameisen-
saurem Kali mit Aldehyd, II durch 30 — 40stündiges Erhitzen,
III durch lOOstündiges Erhitzen dargestellt worden. Bevor zur Analyse
geschritten wurde, waren die drei Substanzen auf die angegebene
Weise von ameisensaurem Kali, Wasser und Aldehyd befreit worden,
I. 0-1899 Grm. gaben 0-4698 Gm. Kohlensäure und OVO Grni. Wasser.
11.0-39^3 „ ,, 1-0147 „ ,. „ <):}0S „
HI. 0-3329 „ ,. 0- 87(53 „ „ .. 0-2(i:>.^ „
Daraus berechnet man in 100 Theilen:
(lefunden
"^. ~ II. ni.
Kohlenstoff 67-47 70-00 71-79
Wasserstoff 8-77 8-63 8-86
Sauerstoff 23-76 21-35 19-35
10000 100-00 100 00
45 '
658 Meben.
Man sieht aus diesen Zahlen, dass die analysirte Substanz keine
isomere Modificatioii des Ahlehyds ist. Sie entsprechen annähernd
C H )
der Formel CiH^O oder (^>'jj^[0 welche verlangt:
C4 68-57
Hfi 8I>7
0 22-86
100-00
Die Formel C4HeO erlangt besonders dadurch grosse Wahr-
scheinlichkeit, wenn man sich erinnert, dass das ameisensaure Kali
bei der Reaction, die zur Entstehung dieses Körpers Veranlassung
gibt, ganz unverändert bleibt. Es brauchen nämlich zu seiner Ent-
stehung blos die Elemente des Wassers aus dem Aldehyd auszu-
treten, wie folgende Gleichung zeigt:
2CaH40 = g[|3J0 + []|0
Es blieb nun übrig experimentell zu prüfen, ob die annähernde
Übereinstimmung der durch Analyse gefundenen Zahlen mit der
Formel C^HgO durch die Bildung eines so zusammengesetzten Kör-
pers begründet oder eine blos zufällige ist, ob der analysirte Körper
demnach ein chemisches Individuum oder ein Gemenge darstellt.
Zu diesem Zwecke wurden die folgenden Versuche angestellt.
Da der zu untersuchende Körper bei 100*' entsteht, so setzte
ich voraus, dass er auch einer solchen Temperatur ohne eine Ver-
änderung zu erleiden ausgesetzt werden dürfe. Ich versuchte daher
mit Hilfe eines sehr raschen Gasstroms ihn bei dieser Temperatur
zu destiliiren. Dabei wurde, da der Körper, wie schon oben erwähnt,
an der Luft sich verändert, ein indifferentes und wohl getrocknetes
Gas, entweder Wasserstoff, Stickstoff oder Kohlensäure angewendet.
Die Substanz befand sich in einem Rohr, das in ein kochendes Was-
serbad gestellt wurde und das oben mit einem doppelt durchbohrten
Kork verschlossen war. Durch eine Bohrung war das Gaszuleitungs-
rohr bis nahe an den Boden der Röhre eingeführt, durch die andere
ging das Ableitungsrohr, welches in eine wohl gekühlte Vorlage führte,
die gleichfalls mit einem doppelt durchbohrten Kork versehen war.
Aus der Vorlage führte eine Glasröhre entweder in eine ZAveite Vorlage
oder, da sich diese nicht als nötliig erwies, in's Freie. Das Gas entwich
mit dem charakteristischen durchdringenden Geruch, den es beim
Durchstreichen durch die Flüssisrkeit angenommen hatte. Obwohl
über ilie Einwirkung .scliwiicliei- Alliiiitateii ;iul Altlcli^il. Gtii)
ein rascher Gasstroin angewendet wurde, ging die Destillation doch
nur sehr langsam, und nachdem ungefähr die Iliilfte der Flüssigkeit
abdestillirt war, hörte sie ganz auf. In der Vorlage befand sich eine
wasserhelle Flüssigkeit, die im Geruch und allen anderen Eigen-
schaften mit der ursprünglichen Flüssigkeit, bevor sie der Destillation
unterworfen worden war, übereinstimmte, nur war sie dünnflüssiger
als diese und war farblos, während die ursprüngliche Flüssigkeit
stets mehr oder minder gelb gefärbt ist. Der Destillationsrückstand
war eine dunkelrothe syrupdicke Flüssigkeit, die beim Erkalten
beinahe fest wurde und den charakteristischen Geruch nur in viel
schwächerem Grade besass. Die Analyse des wasserhellen Destillates
und des rothen Rückstandes gab folgende Resultate:
Destillat 0-2689 Grm. gaben 0-6993 Grm. Kohlensäure u. 0-2088 Grm. Wasser.
Rucks tandO-341 „ „ 0-8878 „ „ „ 0-2633 „
Destillat
Kohlenstoff 70-92
Wasserstoff 8-62
Sauerstoff 20-46
Rückstand
7i
•OD
8-58
20
42
100-00 100-00
Man sieht daraus, dass Destillat und Rückstand gleiche Zusam-
mensetzung mit einander und mit der ursprünglichen Flüssigkeit
besitzen. Dies wäre nicht wohl möglich, wenn das Aldehyd bei der
Reaction, die hier studirt wird, sich in mehrere Körper von ver-
schiedener Zusammensetzung gespalten hätte. Diese Zahlen bewei-
sen daher, dass entweder im Wesentlichen nur ein Körper von der
obigen Zusammensetzung, oder dass zwei Körper von gleicher Zusam-
mensetzung entstanden sind. Man könnte die ursprüngliche Flüs-
sigkeit geradezu als eine Auflösung des Rückstandes im Destillat
betrachten, wenn sie nicht in ihren Eigenschaften dem Destillat
näher stünde als einer solchen Mischung zukäme. Dies erklärt sich
aus dem Umstände, dass bei der Destillation durch den Einfluss der
Temperatur von 100'* die Menge des rückständigen auf Kosten von
der des destillirenden Körpers wächst. Dieser Einfluss der Tempe-
ratur von 100" wurde auf zweierlei Art nachgewiesen.
Erstens indem man etwas von dem Destillate in ein Röhrchen
einschmolz und dann durch mehrere Stunden im Wasserbade
erhitzte. Dabei färbte sich die Flüssigkeit dunkler und ward etwas
dickflüssiger.
660
1^ i e I) e II.
Zweitens indem man das wasserhelle Destillat, dessen Analyse
oben angegeben ist, abermals bei 100*' im raschen Gasstrom destil-
lirte. Es bleibt dabei eine dunkelrotbe syriipdicke Flüssigkeit ähnlich
der früher erhaltenen im Destillationsgefässe zurück, und eine was-
serhelle Flüssigkeit wird als Destillat gewonnen. Der dunkelgefärbte
Rückstand kann nur durch den Einfluss der Temperatur von 100»
entstanden sein. Die zum zweiten Mal mittelst eines Gasstromes bei
lOO» destillirte Flüssigkeit gab bei der Analyse:
0-2144 Gnu. gaben 0-5473 Gnn. Kohlensäure und 0-1629 Grm. Wasser.
Kohlenstoff 69-62
Wasserstoff 8-44
Sauerstoff 21-94
100-00
Man kann nun fragen, geht die Einwirkung der Temperatur
von 100" dahin, das wasserhelle Destillat in einen isomeren Körper
von dunkler Farbe und dickflüssiger BeschaflTenbeit zu verwandeln,
oder bildet sich unter ihrem Einflüsse ein andererKörper, der, indem er
sich in sehr geringer Menge der zu destillirenden Substanz beimischt,
ihre physikalischen Eigenschaften wesentlich modificirt, ohne ihre
Zusammensetzung erheblich zu ändern? Die letztere Ansicht ist die
viel wahrscheinlichere, wie man aus den folgenden Versuchen ersieht.
Nachdem durch die vorstehenden Versuche nachgewiesen war,
dass der untersuchte Körper bei lOO" eine Veränderung wenigstens
in seinen physikalischen Eigenschaften erleidet, so musste man
denken, dass auch bei seiner Entstehung dieselbe Veränderung in
der Dauer des Erhitzens proportionaler Weise vor sich geht. Dies
ist in der That der Fall; doch findet die Veränderung nur innerhalb
gewisser Grenzen Statt und geht auch bei sehr langem Erhitzen
nicht darüber hinaus. Um sich davon zu überzeugen, wurde in einem
zugeschmolzenen Glasrohr Aldehyd mit ameisensaurem Kali bei
einem Versuch durch 24 Stunden, in einem zweiten Versuch durch
30 — 40 Stunden, in einem drittenVersuchdurch 100 Stunden erhitzt.
Das Aldehyd ist schon nach 24stündigem Erhitzen verschwunden
und in die neue Substanz umgewandelt, auch nimmt das Volum der
oberen Schicht beim längeren Erhitzen nur mehr sehr wenig zu.
Die Analysen der auf diese Art dargestellten Substanzen , nachdem
sie von den anhängenden Verunreinigungen befreit worden waren.
über die Eiiiwirkuii^'^ scliwncher Affinitäten auf Aldehyd. 661
sind bereits oben unter I, II, III angeführt worden. Man sieht daraus,
dass beim längeren Erhitzen der KohlenstolTgehalt langsam und
nicht sehr bedeutend zunimmt. Zugleich ändern sich die physikali-
schen Eigenschaften. Die Substanz, die zur Analyse III gedient
hatte, war eine dunkelrothe und sehr dickliche Flüssigkeit.
Es bilden sich demnach durch die Einwirkung von ameisensau-
rem Kali auf Aldehyd bei 100« als Hauptproduct der Körper CiHgO
und zAigleich durch weitergehende Einwirkung sehr geringe Mengen
eines kohlenstoffreicheren Körpers. Beim längeren Erhitzen nimmt
die Menge des letzteren etwas zu. Je mehr von ihm vorhanden ist,
desto gefärbter, desto dickflüssiger und desto schwerer flüchtig
wird das Product. Um den Körper C^HeO möglichst rein zu erhalten,
konnte die Methode mit Hilfe eines raschen Gasstromes bei 100"
zu destilliren nicht geeignet sein, da auch der kohlenstoffreichere
Körper mit übergerissen werden kann. Durch mehrmals auf eben
diese Weise wiederholte Destillation konnte man vielleicht zum Ziele
kommen, doch da sich jedesmal ein Theil der Substanz der Destil-
lation entzieht, so war diese Methode jedenfalls unvortheilhaft. Ich
versuchte daher ob es möglich sei durch gewöhnliche Destillation,
wobei wenigstens die obige Fehlerquelle wegfällt, den Körper in
reinem Zustande zu gewinnen, oder ob die dazu erforderliche höhere
Temperatur eine tiefer greifende Zersetzung bewirkt. Ich bediente
mich dabei des schon oben beschriebenen Destillationsapparates, nur
tauchte diesmal das Gaszuleitungsrohr nicht unter den Flüssigkeits-
spiegel und es wurde nur ein sehr langsamer Gasstrom angewendet,
indem es sich hier nur darum handelte eine sauerstofffreie Atmo-
sphäre herzustellen. Statt des Wasserbades diente ein Ölbad. Bei
130» ültemperatur kam die Flüssigkeit in's Sieden; bis 200" destil-
lirte eine wasserhelle Flüssigkeit, die den charakteristischen Geruch
und alle Eigenschaften des Körpers C^H^O, wie er bisher erhalten
worden war, besass. Die Temperatur des Ölbades wurde bis auf
300" gesteigert, doch destillirte zwischen 200" und 300" nur sehr
wenig einer bereits gelb gefärbten und trüben Flüssigkeit, die sich
in 2 Schichten sonderte. Die untere Schichte bestand aus Wasser,
das sich offenbar nur durch den Einfluss der Wärme auf die Substanz
gebildet haben kann, die obere besass den charakteristischen Geruch.
Auch in dem ersten Destillat, das zwischen 130 und 200" aufgefan-
gen worden war, konnten Wassertröpfchen bemerkt werden. Der
f)62 Lieben.
Destillationsrückstand erstarrte beim Erkalten zu einer festen
schwarzbraunen harzartigen Masse.
Die beiden Destillate, nachdem sie durch Abgiessen und Be-
handlung mit Chlorcalcium von Wasser befreit worden waren,
wurden der Analyse unterworfen.
I. Destillat. 0-214 Grm. gaben 0 ■ S2.'}9 Grm. Kohlensäure und 0-1664 Grni.Wass.
II. Destillat. 0-1868 „ „ 0-4934 „ ,, „ 0-149 „ „
I. Destillat n. Destillat
Kohlenstoff 67-02 72-02
Wasserstoff' 8-64 8-86
Sauerstoff- 24-34 19-12
100-00 Toö^öö
Die beiden Destillate sind, wie man aus der Vergleichung aller
Eigenschaften entnahm, im Wesentlichen derselheKörper, doch kann
jedenfalls das erste Destillat, dessen Menge viel reichlicher war und
das eine farblose Flüssigkeit darstellte, als das reinere Product ange-
sehen werden.
Von allen bisher angeführten Analysen verdienen die eben
erwähnte des ersten Destillates und diejenige, welche oben von der
zum zweiten Male mittelst raschen Gasstromes bei 100" destillirten
Flüssigkeit ausgeführt wurde, insofern am meisten Beachtung, als
die dazu verwendeten Substanzen als am besten von allen Ver-
unreinigungen befreit gelten können. Ich stelle im Folgenden die
Resultate dieser beiden Analysen neben die nach der Formel C^HgO
berechnete procentische Zusammensetzung:
Berechnet Gefunden
C4 68-57 69-62 67-02
Hg 8-57 8-44 8-64
0 22-86 21-94 24-34
100-00 100-00 100-00
Obgleich die Übereinstimmung keine so vollkommene ist, wie
sie bei krystallisirten Substanzen oder solelien, die einen constanten
Siedpunkt besitzen, leicht erreicht werden kann, so glaube ich den-
noch, dass nach dem Vorstehenden kaum ein Zweifel bleiben kann,
dass dem untersuchten Körper die Formel C4H6O zukommt. Dies
gilt um so mehr als man leicht erklären kann , warum die nach der
einen Methode mit Anwendung des raschen Gasstromes dargestellte
Substanz zu viel, die durch directe Destillation erhaltene zu wenig
Ül)ei' die Kiiiwirkiliij; si'littinlici- Alliiiil:i!i'ri auf Alcleliyd. ()I)I{
Kühlenstoir enthält. Im ersteren Falle nämlich konnte sie leicht mit
Spuren des Kohlenstoff reicheren Körpers verunreinigt sein; im
zweiten Falle ist dies nicht an/Ainehmen, dagegen kann die ziemlich
lange Reihe von Operationen, denen sie zur Reinigung unterworfen
worden war, leicht an einem zu geringen Kohlenstoffgehalt schuld
sein, zumal die Substanz Sauerstoff aus der Luft anzuziehen vermag.
Der Körper C4H8O ist eine wasserhelle neutrale Flüssigkeit,
die mit stark leuchtender russender Flamme brennt, etwas leichter
ist als Wasser und einen charakteristischen durchdringenden Geruch
besitzt; an der Luft stehend verwandelt sie sich in eine dicke faden-
ziehende Masse; in Wasser ist sie nicht ganz unlöslich und ertheilt
ihm, selbst in sehr kleiner Menge zugesetzt, denselben Geruch, der
in der w^ässerigen Lösung sogar noch schärfer hervortritt; mit Kali
erhitzt sie sich und verharzt; mit ammoniakalischer Silberlösung gibt
sie einen Silberspiegel; durch Schwefelsäure wird sie geschwärzt;
mit Salpetersäure färbt sie sich dunkel, es findet eine sehr energische
Reaction und Gasentwickelung Statt und es bleibt schliesslich eine
rothe dickliche Masse zurück. Wird die farblose Substanz mit Was-
ser in einem Rohre geschüttelt, das man mit der Hand verschlossen
hält, so bleibt auf der Haut ein kaum merklicher Fleck zurück, der
sich aber allmählich intensiv gelb, zuletzt dunkelbraun färbt. Dabei
wird die Haut durchaus nicht angegriffen. Die Ursache der Färbung
scheint nur die zu sein , dass die an der Haut adhärirend zurück-
bleibende Substanzschicht sich allmählich oxydirt, und dass die da-
durch entstehende harzartige Masse, die sich auch sonst beim Stehen
an der Luft und besonders bei der Einwirkung von Salpetersäure
bildet, sich sehr innig an die Haut anlegt.
Es ist schon oben erwähnt worden, dass die farblose Substanz
in ein Röhrchen eingeschmolzen und im Wasserbade erhitzt, durch
die blosse Einwirkung der Wärme etwas dickflüssiger wird und sich
gelb färbt. Wird die Temperatur bei obigem Versuche durch Über-
tragen in ein Ölbad über 200" gesteigert, so verwandelt sich die
Flüssigkeit ihm Röhrchen in eine beinahe feste schwarze Masse,
über der etwas klares Wasser steht. Hieraus erklären sich nun alle
Erscheinungen , die bei der Destillation der ursprünglichen Substanz
auftreten. Ein Theil der Substanz destillirt unverändert über, ein
anderer Theil verw andelt sich in eine harzartige schwarze Masse,
wobei zugleich etwas Wasser ausgeschieden wird; das Wasser geht
(364 Liehe ii.
in die Destillate über und findet sich, zum Beweise, dass es insbe-
sondere bei Einwirkung höherer Temperatur entsteht, bei der oben
beschriebenen Destillation vornehmlich im zweiten Destillat. Es ist
wohl keine sehr gewagte Voraussetzung, dass derselbe bei höherer
Temperatur entstehende schwarze harzartige Körper sich auch schon
bei lOO", wenn auch nur in geringem Masse bildet, dass es eben
jener kohlenstoffreichere Körper ist, auf dessen Existenz schon
oben aus der Betrachtung der Analysen I, II, HI geschlossen wurde.
Er bildet sich als secundüresProduct bei der Reaction, durch welche
der Körper C^HßO entsteht, und zwar innerhalb gewisser enger
Grenzen um so reichlicher, je länger man die Einwirkung bei 100*'
dauern lässt; durch seine Gegenwart wird dem erhaltenen Product
die gelbe Farbe und ein im Vergleich mit dem reinen CiHgO etwas
erhöhter KohlenstofTgehalt so wie grössere Dickflüssigkeit mitgetheilt.
Es wurde nun, um die Natur dieses Körpers zu erforschen, der
schwarzbraune harzartige Destillationsrückstand untersucht. Directe
Analysen, die mit Substanzen verschiedener Bereitung angestellt
wurden, ergaben:
1.
II.
III.
Kohlenstofl' .
. 77-Ö7
80- 39
79-23
Wasserstoft' .
. 8-49
9-04
8-42
Sauerstofl" .
. i3-04
10-37
12-35
100-00 100-00 100-00
Die Harzmasse, die zur Analyse II gedient hatte, war durch
5stündiges Erhitzen bei 250" bereitet worden. Sie wurde pulverisirt
und mit Äther behandelt, worin sie nur zum kleinen Theil löslich
war. Die mit Äther ausgewaschene, auch in Alkohol unlösliche
Masse gab, nachdem sie bei 100" im Kohlensäurestrom getrocknet
worden war, die in Analyse III verzeichneten Resultate.
Ich führe diese Analysen nur an um zu zeigen, dass die durch
Einwirkung höherer Temperatur auf den Körper C^HgO entstehende
harzartige Substanz in der That bedeutend kohlenstoffreicher ist
als er. Da jedoch gar keine Bürgschaft, ja nicht einmal die W^ahr-
scheinlichkeit vorhanden ist, dass die analysirten Körper reine
Substanzen sind, so wäre es müssig daraus Formeln zu berechnen.
Sie enthalten vielleicht den Kohlenwasserstoff C3H3, der durch
Austritt der Elemente des Wassers aus CiHgO entstehen könnte.
Üher die Ein« iiktiii^' si'Iiw:iv-1ki' At'liiiiliiliii auf AlilehytI. DÖD
In dem Vorstehenden ist die Einwirkung von in Wasser gelöstem
ameisensaiirem Kali auf Aldehyd hei 100«' untersucht und hewiesen
worden, dass dabei, indem die Elemente des Wassers aus dem Alde-
hyd austreten, ein Körper von der Zusammensetzung C^HrO ent-
steht. Das ameisensaure Kali bleibt dabei unverändert und ich habe
mich überzeugt, dass eine Lösung von ameisensaurem Kali, die
schon einmal gedient hat, im Stande ist, in neuen Mengen Aldehyd
dieselbe Umwandlung einzuleiten. Es bleibt nun übrig zu ermitteln,
ob diese Reaction eine specifische des ameisensauren Kali ist, oder
durch welchen dabei obwaltenden Umstand sie wesentlich bedingt
« ird. Zu diesem Zwecke wurden die folgenden Versuche angestellt.
Einwirkung der Temperatur von 100" auf Aid ehyd.
Reines Aldehyd wurde in eine Glasröhre eingeschmolzen und durch
90 Stunden im siedenden Wasserbade erhitzt. Das Aldehyd erlitt
dabei keine Veränderung, nur nahm es wahrscheinlich durch Wirkung
der in der Röhre mit eingeschlossenen Luft eine sehr schwache
saure Reaction an.
Einwirkung von Wasser auf Aldehyd. Reines Aldehyd
wurde mit dem 2 — Stachen Volum Wasser in eine Glasröhre ein-
geschmolzen und im Wasserbade durch 90 Stunden erhitzt. Die
Flüssigkeit hatte eine schwach saure Reaction angenommen, bestand
übrigens aus Wasser und unverändertem Aldehyd.
Geuther und Cartmell •) haben in Übereinstimmung mit
diesen Versuchen gefunden, dass Aldehyd für sich allein oder mit
Wasser erhitzt kein Elaldehyd gibt.
Einwirkung von essigsaurem Natron. Aldehyd wurde
mit einer concentrirten Lösung von essigsaurem Natron in eine Glasröhre
eingeschmolzen. Reim Erhitzen im Wasserbade bildeten sich ganz
wie bei der Einwirkung von ameisensaurem Kali zwei Schichten und
das anfangs lebhafte Sieden im Rohre hörte nach einiger Zeit auf.
Nach lOstündigem Erhitzen, da die obere Schicht nicht mehr an
Volum zuzunehmen schien, wurde die Röhre geöffnet. Ihr Inhalt
zeigte denselben durchdringenden Geruch, den das mit ameisensau-
rem Kali erhaltene Product besessen hatte. Die beiden Schichten
wurden von einander getrennt und untersucht.
ij Annaleii d. Chein. u. Phariu. Bd. 112. S. 20.
()(>(> l> i e I) e II.
Die uiitei-e Schichte bestand aus einer wässerigen Lösung von
ganz unverändertem essigsaurem Natron. 1*1952 Grni. des durch
Abdampfen erlialtenen bei 200" getrockneten Salzes gaben 0-7704
Grm. kohlensaures Natron, entsprechend 27-97 Proc. Natrium.
Der aus der Formel berechnete Natriumgchalt von essigsaurem
Natron beträgt 28 • 05 Proc.
Die obere Schichte besass dieselben Eigenschaften wie das durch
ameisensaures Kali erhaltene Product. Um der Identität vollkommen
sicher zu sein, wurde die Substanz der oberen Schichte wie oben mit
Wasser gewaschen, mit Chlorealcium getrocknet und hierauf bei
lOO« mittelst eines rasch durch die Flüssigkeit streichenden Kohlen-
säurestromes destillirt. Man erhielt ein klares etwas gelbliches
Destillat und eine rothbraune syrupdicke Flüssigkeit, die beim Er-
kalten harzartig erstarrte, als Rückstand. Das Destillat gab mit
ammoniakalischer Silberlösung einen Silberspiegel und verharzte mit
Kali; seine Analyse gab die folgenden Werthe:
0-1933 Grm. gaben 0-499 Gnn. Kohlensäure und 0-1343 Grm. Wasser.
In 100 Theilen:
Kohlenstoff 69-68
Wasserstoff 8*77
Sauerstoff 21-35
100-00
Das essigsaure Natron verhält sich daher gegen Aldehyd ganz
eben so wie ameisensaures Kali.
Einwirkung von Seignettesalz. Aldehyd mit einer con-
centrirten Lösung von Seignettesalz in einer zugeschmolzenen Glas-
röhre bei 100« erhitzt, erleidet ganz dieselbe Umwandlung und in
derselben Weise, wie sie auch durch ameisonsaures Kali oder essigsaures
Natron hervorgebracht wird. Hier wie dort treten die Elemente des
Wassers aus dem Aldehyd aus und es entsteht der Körper CiHgO,
während das gelöste Salz völlig unverändert bleibt.
Da weder die Wärme für sich allein noch die Einwirkung von
Wasser bei 100** im Stande ist die bescliriebene Reaction auf
Aldehyd hervorzubringen, so muss dieselbe an eine den angeführten
Salzen gemeinsame Eigenschaft geknüpft sein. Ich halte es für sehr
wahrscheinlich, dass diese gemeinsame Eigenschaft die schwach
alkalische Reaction ist, die diesen Salzen, obgleich sie sogenannte
über die Kiiiwirkung sclnvHclier Affinilüteii niif Alileliyd. ß6T
Neutralsalze sind, zukommt. Versuche, die ich iiher die Einwirkung
neutraler und saurer Salze auf Aldehyd anzustellen beabsichtige,
werden darüber entscheiden. Ich habe den Versuch gemacht, Wasser,
dem durch einen sehr geringen Zusatz von verdünnter Kalilösung
eine schwache alkalische Reaction ertheilt worden war, mit Aldehyd
in einer zusreschmolzenen Röhre im Wasserbade zu erhitzen. Dabei
bildete sich kein gewöhnliches Aldehydharz, sondern es schied sich
am Grunde der Röhre eine rothbraune dicke Flüssigkeit aus, deren
Volum mit der Dauer des Erhitzens sehr langsam zunahm. Als nach
95stündigem Erhitzen die Röhre geöffnet wurde, zeigte ihr Inhalt
statt des bekannten Sfifengeruches, der die Bildung von Aldehyd-
harz begleitet, einen dem des Körpers CiHf.O ähnlichen aber schwä-
cheren Geruch. Die rothbraune Flüssigkeit verharzte mit Kali. Das
durch Einwirkung von alkalischem Wasser gewonnene Product ist
offenbar mit dem mittelst der obigen Salzlösungen erhaltenen Körper
nicht ganz identisch, wie schon aus ihren verschiedenen specifischen
Gewichten hervorgeht, doch scheint es zwischen ihm und dem Alde-
hydharz zu stellen. Dadurch wird nun auch die bis jetzt unerforschte
Constitution des Aldehydharzes einigermassen aufgehellt: es wird
mindestens wahrscheinlich, dass die Bildung des Körpers CiHßO
entweder der des Aldehydharzes vorhergeht, oder dass dieser Körper
als Gemengtheil im Aldehydharz enthalten ist. Man könnte das letz-
tere vielleicht als ein Gemenge aus dem Körper C^HßO, aus dem
durch Oxydation daraus entstehenden Harz und aus jenem kohlen-
stoffreicheren Körper betrachten, der sich auch, besonders bei
der lang dauernden Einwirkung von Salzlösungen auf Aldehyd bildet.
Übrigens bleibt die Möglichkeit nicht ausgeschlossen , dass unter
dem Einflüsse von kaustischem Kali auf Aldehyd auch noch vielleicht
neben CiHgO ein Körper entsteht, der durch Einwirkung von Salz-
lösungen sich nicht bildet und der eben den charakteristischen
widrigen Geruch des Aldehydharzes bedingen mag. Ich lasse hier
noch einige Analysen von Aldehydharz folgen. Die beiden ersten
rühren von Liebig, dem Entdecker des Aldehydharzes, her, die
dritte Analyse ist von Weidenbuseh, die vierte von mir angestellt
worden. Meine Analyse bezieht sich auf Aldehydharz, das durch Ein-
wirkung von Kalilauge auf wässeriges Aldehyd bereitet, hierauf sorg-
fältig mit Wasser ausgewaschen und bei 108" im Kohlensäurestrom
ffpfrocknet worden war.
668
i
Lieben.
Liehig 1)
W 0 i (1 e 11 b u s c h -)
L i e b e ii
KolilenstolT . .
. 63-68 73-34
70-40
66-86
Wassorstofl' .
. 7-08 7-70
7-97
8-61
Sauerstoff . .
. 27-24 18-90
21-63
24-33
100-00 100-00 100-00 100-00
Ich führe diese Analysenrcsultate an, weil man trotz ihrer man-
gelhaften Ühereinstimmung, die bei einem Gemenge nicht über-
raschen kann, doch daraus ersieht, dass sie den bei der Analyse des
Körpers C^HgO erhaltenen Zahlen ziemlich nahe stehen.
Es gibt noch ein Derivat des Aldehyds, das unter dem Einflüsse
alkalischer Reaction entsteht, und das hier in Betracht gezogen
werden muss. Ich meine den von Heintz und Wislicenus s)
durch Einwirkung der Wärme auf Aldehydammoniak erhaltenen
Körper, dem die Formel ^ " =-'*j^|o zukommt. Er stellt eine harz-
artige Masse dar und liefert mit Säuren unkrystallisirbare Verbin-
dungen. Diese Eigenschaften und die Art der Entstehung machen
eine Beziehiing zwischen ihm und dem durch Einwirkung alkalischer
Salzlösungen entstehenden Körper wahrscheinlich. Eine solche Be-
ziehung tritt auch in den Formeln sogleich hervor, sobald man für
den auf letztere Art entstehenden Körper C4H6O die wahrscheinliche
rationelle Formel n'^o^fo schreibt. Die beiden Körper erscheinen
dann der eine als das Ammoniumoxydhydrat, der andere als das Oxyd
desselben Radicals C3H3. Wenn sich diese Beziehung experimentell
bestätigt, so möchte der von Heintz und Wislicenus für das
Radical CgHs vorgeschlagene Name Elaliyl, der an die Homologie mit
dem Allyl erinnern soll, kaum beizubehalten sein, da ein dem Allyl-
oxyd homologer Körper wohl andere Eigenschaften als sie die oben
beschriebene Substanz C^HoO zeigt, besitzen würde.
Schlussbetrachtungen. Als ich vor 2 '/o Jahren die Ein-
wirkung von Chlorwasserstoffsäure auf Aldehyd studirte, habe ich
den dadurch erhaltenen Körper als das Oxychlorür eines zweiatomigen,
mit dem Äthylen isomeren Radicals betrachtet *). Um an die nahe
Beziehung zum Äthylen zu erinnern, und in der Voraussetzung, dass
sich eine Reihe von Derivaten aus dem Aldehyd würde ableiten lassen.
1) Handwörterbuch der Chemie. Bd. 1, S. 187.
-) Annalen A. Chem. u. Pharm. Bd. 6ü, S. 152.
3) Po gg. Annalen d. Phys. u. Chem. Bd. lOj, S. 577.
■*) «:'ompt. rend. XLVI, März 1858.
Ülier die Einwirkung' schwacher Affinitiilcn nuf Aldeliyd. 6ß9
die mit den aus dem Äthylen abgeleiteten Körpern isomer, aber
nicht identisch sein würden, habe ich jenes Radical Äthyliden
genannt. Seitdem ist durch Versuche diese Ansicht bestätigt worden.
Man kennt gegenwärtig eine Anzahl von Verbindungen, die sich am
natürlichsten als Äthylidenverbindungen ansehen lassen und die mit
den entsprechenden Äthylenverbindungen isomer sind. Ich führe die
folgenden an :
Äthylidenchlorür C0H4CI2 (Wurtz)
Äthylidenoxychloriir CoH^Cl)^ (Liehen)
C2H4CI) ^'
Äthylidenehloroaeetat C0H4 (.^ (Simpson)
ci
Äthylidenbiacetat C2H4 ) (Geuther)
C0H3O }0o
C0H3O )
Ätliylidenchloroülhylat €3114)-^ (Wurtz u. Frapol li)
ci
Äthylidenbiäthylat C3H4 ) (Stass)
(Acetal) C2H5 JO3
CgHs
Geuther und Cartmell ') hahen den Namen Äthylidenoxy-
chlorür für den durch Einwirkung von ChlorwasserstolTsäure auf
Aldehyd erhaltenen Körper verworfen, weil er, wie sie sagen, sich
auf die nachgewiesenermassen irrige Ansicht stützt, dass in dem
Aldehyd eine Atomgruppe C0H4 = Äthyliden enthalten sei. Darauf
habe ich Folgendes zu entgegnen :
1. Stützt sich mein Vorschlag, den durch Einwirkung von Ciilor-
wasserstofTsäure auf Aldehyd dargestellten Körper als Äthylidenoxy-
chlorür zu betrachten, nicht unbedingt auf die Annahme, dass in
dem Aldehyd selbst die Atomgruppe C3H4 = Äthyliden enthalten sei.
Man kann, nach meiner Meinung, den erwähnten Körper ebenso wie
alle die früher angeführten Verbindungen sehr wohl als Verbindun-
gen eines zweiatomigen, mit dem Äthylen isomeren Radicals (Äthy-
liden) ansehen, auch wenn es nachgewiesen wäre, dass dem Aldehyd
selbst eine ganz verschiedene Constitution zukäme. Es genügt, dass
unter dem Einflüsse gewisser Agentien auf Aldehyd eine der Ent-
stehung von Äthylidenverbindungen entsprechende Umlagerung der
Atome eintritt.
V) Annal.Mi d. Them. 11. Pharm. Bd. 112, S. 16.
ß70 Liehen.
2. Haben G e u t h e r und C a r t m e 1 1 n i c h t den Nachweis gelie-
fert, dass die Annahme der Atomgruppe CoH^ = Äthyliden in dem
Aliloliyd irrig ist. L'i)rigens, scheint mir, könnte ein solcher Nachweis
nur darin licstehen, zu zeigen, dass das Aldehyd einzelne Reactionen
darbietet, die sich nicht leicht aus der Formel C2H4O ableiten lassen.
Ich meinerseits aber habe die Formel C2H4O niemals als allen
Relationen des Aldehyds entsprechend hingestellt, sondern sie nur
als Reactionsformel im Gerhard tschen Sinn betrachtet, d. h. als
den einfachsten Ausdruck für eine gewisse Summe von chemischen
Reziehungen.
Ich will nun dartliun, dass die gebräuchlichsten der für Aldehyd
vorgeschlagenen rationellen Formeln gleichfalls nur gewissen Reac-
tionen entsprechen, während sie mit anderen nicht leicht vereinbar
sind. Retrachten wir zunächst die einst von Liebig vorgeschlagene
C H I
Formel " j|>0, die dem damaligen Zustande der Kenntnisse wohl
am besten entsprechen mochte ^ wonach das Aldehyd als ein Oxyd-
hydrat oder Alkohol anzusehen wäre. Mit einer derartigen Consti-
tution des Aldehyds im \\'iderspruche stehen:
1. Die Einwirkung von Phosphorperchlorid, wodurch eine Ver-
bindung C2H4CI2 entsteht, während man im Sinne der obigen Formel
CaHsCl erhalten sollte.
2. Die Einwirkung von Chlor, welches mit Aldehyd Substitutions-
producte liefert, während mit Alkoholen Derivate anderer Art gebil-
det werden.
3. Die Einwirkung von Cyansäure, die mit Aldehyd unter Ent-
wickelung von Kohlensäure Trigensäure gibt, indem sich 3HCyO
an der eintretenden Reaction betheiligen , während ihre Einwirkung
auf Alkohole darin besteht, dass 2HCyO mit einem Äquivalent des
.41kohols zusammentreten.
4. Die Einwirkung aller der Agentien, welche zur Rildung der
oben angeführten Athylidenverbindungen Veranlassung geben, also
der ChlorwasserstolTsäure, wasserfreien Essigsäure, des Chlor-
acetyls u. s. w.
Man sieht aus dem Angeführten zur Genüge, dass das Aldehyd in
sehr vielen Fällen ein anderes Verhalten zeigt als einer nach Art
eines Alkohols constituirten Verbindung zukäme. Die Gerhardt'sche
Formel -^[||, wonach das Aldehyd als das Hydrür des sauerstotf-
hältigcn Hadicals Acetyl = C2HoO erscheint, ist aber eben so wenig
Ül>er die Eiiiwirkiing schuai-lier Affinitäten :iuf Aldehyd. 67t
im Stande den sämmtllchenReactionen des Aldehyds zu entsprechen.
In der That lassen sich jene Derivate des Aldehyds, die ich als
Äthylidenverbindnngen bezeichnet habe, aus der Formel ^^^'s^^
SO wenig ableiten als aus "n^(0. Die Betrachtung der Einwirkung
von Chlorkohlenoxydgas auf Aldehyd, wobei C0H3CI entsteht, ferner
der Einwirkung alkalischer Salzlösungen, wenn dem dadurch erhal-
tenen Körper in der That die rationelle Formel ^"f^vO zukömmt, ist
der Gerhardt'schen Formel ebenfalls nicht günstig. Es sind ledig-
lieh auch die beiden letzterwähnten Reactionen, welche sich der ratio-
nellen Formel C2H4O für Aldehyd entgegensetzen, wenn man diese als
eine allen chemischen Beziehungen entsprechende hinstellen wollte.
Ich erlaube mir nun eine rationelle Formel für das Aldehyd vor-
zuschlagen, die aus der Betrachtung sämmtlicher Reactionen dessel-
ben abgeleitet ist und zu der sich die besprochenen drei Formeln
gewissermassen wie specielle Fälle verhalten. Es ist dies die Formel:
C2H3'") H
H } oder C3H3'"
0" ) 0"
Darnach erscheint das Aldehyd als die Verbindung des drei-
atomigen Radicals C3H3'" 1) mit H und 0". Im Sinne der Typen-
theorie müsste es dem multiplen WasserstolTtypus y^> zugezählt
werden. Die V^ortheile dieser Formel vor den früher besprochenen
ergeben sich schon bei einer kurzen Betrachtung. Man sieht leicht, dass,
H )
wenn bei dem durch die Formel CoHg'") ausgedrückten Körper durch
0" j
eine Reaction (z. B. von Phosphorperchlorid) 0 entzogen und durch
andere Atomgruppen ersetzt wird, der Rest ^ „ ,„> sich in jeder Be-
ziehung wie ein zweiatomiges Radical verhalten muss. Wo es sich
nur um Betrachtung derartiger abgeleiteter Körper handelt, kann
man diesen Rest p „ /,,> = C2H4" geradezu als abgeleitetes zwei-
atomiges Radical ansehen.
1) Es steht nichts im Weg-e anzunehmen, dass Methyl als niiherer Bestandtheil in dem
Radical CgHj = CMe enthalten sei. Das letztere erscheint dann ganz ebenso eon-
stituirt wie das dreiatomige Radical CH, als dessen Trichlorhydrin man das Chloro-
form CH"'Cl3 betrachten kann und dessen Triäthylat ^„J? . iOj von Kay darge-
steUt worden ist. Nur um der Erfahrung noch näher zu bleiben, habe ich mich oben
der Formel CgH, .statt CMe bedient.
Sitzb. d. mathem.-natnrw. Cl. XLI. Bd. Nr. 18. 46
672 L i 0 h (' n. l'lit'r ilio Einwirkung; schwacher Affinitäten auf Aldehyd.
Ebenso wird bei gewissen anderen Roactionen , wenn z. B.
H durcb Cl ersetzt wird, der Rest ^*q^] = CsHgO sich in jeder
Beziebung wie ein einatomiges Radical verbalten müssen und kann
als abgeleitetes Radical einer Reibe von Aldebydderivaten zu Grunde
gelegt werden.
Endlicb lassen sich einige Verbindungen aus dem Aldehyd
darstellen, in denen CoHg als einatomiges Radical enthalten ist
(ebenso wie das Radical C3H5 manchmal als dreiatomiges, manchmal
als einatomiges Radical auftreten kann). Hierber gehören C2H3CI
von Harnitz-Harnitzky, ^ ^ ^ h(^ ^^" Heintz und Wisli-
C H )
cenus und n~^^\^-
Was die Ätbylverbindungen und zunächst den Alkohol betrifft,
zu dem Aldehyd in so naber Beziehung steht, so ist es eine Ansicht,
die hier nicbt zum ersten Male ausgesprochen und die, wie ich
glaube, ziemlich allgemein zugegeben wird, dass 2H im Äthyl = CgHs
eine etwas andere Stellung einnebmon als der Rest. Es stützt sich
diese Ansicht tbeils auf die Betrachtung der Oxydation des Alkobols,
wobei Aldeliyd und Essigsäure entstehen, tbeils auf die Eigenschaf-
ten der Cblorsubstitutionsproducte des Äthers und Chloräthyls. Es
liegt nun nach den früheren Erörterungen nabe, das Äthyl als ein aus
dem dreiatomigen Radical C3H3 abgeleitetes Radical zu betrachten,
indem durch die Verhindung mit 2H ganz analog wie oben durch
die Verbindung mit 0" das dreiatomige in ein einatomiges Radical
verwandelt wird. Die dem entsprechende Formel des Alkobols ist
'hs )|o oder ^3H3"'H2|o.
Ich ergreife zum Schlüsse mit Vergnügen die Gelegenheit
Herrn Prof. Schrötter für die Güte und Bereitwilligkeit, mit der
er mir für die Ausführung vorliegender Untersuchungen alle Mittel
seines Laboratoriums zur Verfügung stellte, meinen besten Dank
auszusprechen.
SITZUNGSBERICHTE
DEK
KAISERLICHEN AKADEMIE DEH WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XLi. um.
^"SITZUNG VOM 12. JULI 1860.
m 19.
47
673
XIX. SITZUNG VOM 12. JULI 1800.
Herr R. Güiisberg, Assistent am chemischen Laboratorium der
k. k. technischen Akademie zu Lemherg, übersendet eine Abhand-
lung: „Über Veränderungen des Weizenklebers durch Kochen des-
selben mit Wasser".
Herr Prof. Redten ba eher übergibt eine Abhandlung von
Prof. Wolf in Lemberg, betitelt: „Analyse der Sophienquelle in
dem Badeorte Truskawiee auf der Cameralherrschaft Drohobycz in
Galizien".
Herr Dr. E. Mach richtet eine Note an die Akademie, in wel-
cher er erklärt, in seinen Ansichten über die Bedeutung der Ver-
suche Angst röm^s, betreffend das Spectrum des elektrischen
Funkens in Beziehung auf die Farbe der Doppelsterne, die er in der
Sitzung am 21. Juni in einer Abhandlung der Akademie vorgelegt
hat, ungeachtet der von Herrn Prof. Petzval in der Sitzung am
H. Juli gemachten ßemerkcngen nichts ändern zu können.
Prof. Schrot ter legt eine schon in der Sitzung am 16. Fe-
bruar I. J. angekündigte Mittheilung „Über das Vorkommen des Ozons
im Mineralreiche" und zwar im Flussspathe von Wölsendorf vor.
Herr Dr. J. Wiesner übergibt „Beobachtungen über Stel-
lungsverhältnisse der Nebenblätter".
Herr Dr. P. Blaserna legt eine Abhandlung dos Herrn
P. Calder oni vor, betitelt: „Sulla legge delle tangenti". Die betref-
fenden Untersuchungen wurden im k. k. physikalischen Institute
durchgeführt.
Herr Docent Dr. Reitlinger überreicht eine Note „Über
elektrische Zeichnungen an vom Blitze getroffenen Personen".
47 '
674
Herr Franz Steindachrier übergibt seine „Beiträge zur
Kenntniss der Gohioiden".
Herr Dr. Friedr. Holle, Cii.stos-Adjunet am k. k. Huf-Mineralien-
Cabiuete, legt eine Abhandlung vor „\Jhev einige neue oder wenig
gekannte Mollusken-Arten aus Secundärablagerungen".
Herr Regierungsrath Zippe übergibt den zweiten Theil der
^iieoloffischeii und mineraloiiiseben Studien aus dem südöstlichen
Ungarn insbesondere aus der Umgegend von Kexbanya" von Herrn
Professor Peters aus Pest.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Astronomische Nachrichten, Nr. 1267. Altona, 1860; 4ö-
Au Stria, XH. Jahrgang. XXVHl. Heft. Wien, 1860; S«-
Cosmos, IX' Annee. 17'^ Volume. — l^Livraison. Paris. 1860; 8<'-
Jahresberich t, Zeiutter, — über die wissenschaftlichen Leistungen
des Docloren-Collegiums der medizinischen Facultät in Wien
unter dem Decanate des Dr. Mich. v. Viszanik, im Jahre
1859 — 1860. Wien, 1860; 8o-
Land- und forstwirthschaftliche Zeitung. X. Jahrgang, Nr. 20.
Wien, 1860; So-
Roy ai geographical Society of London, Proceedings of the — .
Vol. IV. Nr. n. London, 1860; 8<'-
Verein, Naturforschender zu Riga. Correspondenzblalt, redig. von
E. L. Seezen. XI. Jahrgang. Riga, 1859; 8o-
Wiener medizinische Wochenschrift. Jahrgang X. Nr. 27. Wien,
1860; 40-
— Sternwartek.k.,Annalen. Dritter Folge IX. Band. Jahrgang 18o9.
Wien, 1860; 8"- — Meteorologische Beobachtungen von 1775
bis 1855. L Band. 1775—1796. Wien, 1860; 8»-
675
ABHANDLUNGEN UNI) MITTHEILÜNGEN.
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen.
Von Dr. Anton Winckler,
Professor in Gratz.
(Vorgelegt in der Sitzung' vom Ib. Mai 1860 )
Unter den bekannten Methoden, gegebene Functionen in unend-
liche Reihen zu entwickeln, oder aus gegebenen Entwickelungen
neue abzuleiten, sind gerade die wichtigsten sehr erheblicher Verallge-
meinerungen fähig, vermöge welcher das jenen Methoden zu Grunde
liegende Princip erst seine volle Bedeutung zu erhalten scheint. Dies
ist unter anderem der Fall bei der, in neuerer Zeit mit Recht wieder
mehr beachteten, allgenieinsten Form der Potenzreihen, wie solche
die zuerst von Bürmann gestellte und auch gelöste Aufgabe: eine
gegebene Function nach Potenzen einer andern gegebenen Function
zu entwickeln, liefert.
Ebenso ist der bekannte Satz von Parseval einer beträcht-
lichen Erweiterung fähig und lassen sich, demselben analog, neue
Reihen aus solchen bilden, welche nach der Fouri er'schen Form
entwickelt sind.
Mit den soeben genannten Gegenständen wird sich das Folgende
in dem angedeuteten Sinne beschäftigen und, bezüglich der Bii r-
mann'schen Reihe, welche den grössten Tbeil der vorliegenden
Arbeit in Anspruch nehmen wird , zugleich eine in vielen Fällen
einfachere Methode der Coefficientenbestimmung. eine Darstellung
des Restausdruckes u. s. w. enthalten.
Da es in diesem so vielfach bearbeiteten Felde nicht zu ver-
meiden ist, dass bereits bekannte Resultate den Betrachtungen zu
676 ^^' i 11 e k I c "■■
Grunde gelegt werden, oder derselben sonst Erwähnung geschehe,
so werde ich in jedem solchen Falle die Quelle, so weit sie mir
bekannt ist, angeben.
1.
Bezeichnet /"(a?) die nach Potenzen von ip (x) zu entwickelnde
Function, so dass
/•(.f) = A, + A.ifix) + A,<p{xy -f . . . + Anipixf + • • •
und ist X = a ein Werth, wofür tp {x) verschwindet, dann ist die
übliche, zuerst von Bürmann (siehe Memoires de C Institut, t. II,
p. 14, 15) aufgestellte Form des Coefficienten A,, gegeben durch
die Gleichung:
1 '^"-'11^ "^^ ,..
An == für X = a,
1.2.3...W rfar"-«
welche diesen Coefficienten wenigstens scheinbar in ziemlich ein-
facher Weise darstellt.
Man kann aber auf dem folgenden sich von selbst anbietenden
Wege zu einer ganz anderen Bestimmung der Coefficienten und
zugleich zu dem Bestausdruck gelangen, welcher hinzuzufügen ist,
wenn man dieBeihe bei irgend einem Gliede abbricht. Es sei nämlich:
f{x) = A, + A,ip{x) + A,ip{xy -f . . . -f A,,f{_xy+ U. . .(1)
worin C^^ jener Bestausdruck ist.
Difterentiirt man diese Gleichung nach x und dividirt sie dann
durch <p' (x), wo <p' (x} nach der Lagrange'schen Bezeichnungsart
den ersten Differentialquotienten von <p (x) vorstellt, so erhält man:
^ = ^. + ^A,<P(^) + SA,<p(xy + . . . + uAnfia^y-' + ^
Differentiirt man auch diese Gleichung und dividirt sie dann
ebenfalls durch f' {x), so folgt weiter:
1 {>■(»■)
<p' (x) ffx
U'
d
2^, -f 2 . 3^, if (.,•) ^ ..v{h-\) A. ip (.f)"-' -f- --|- f^
^ (.X-) ilx
Einige alln;eiiieiiift Siil/.c zur 'rhcorie ilfi- Reihen. 677
und vvenr» man so fortfährt, bis die rechte Seite mit A„ als erstem
Gliede anfängt, so wird man, wie leicht zu sehen, die Gleichung
haben :
1 .1,1 1 ,r(^)
<p'(x) y'(a;) (p'(x) y'(a-) <p' {x)
dx»-^
1 1 1 V
d — — . . . d .
1.2.3.. .iiAn -f -^-^ — ^-^-^ — ^-^—^ ^-— ^ i-^...(2)
Um hieraus A,tn für o? = a unabhängig von V , bestimmen zu
können, ist es nothwendig und, wie sich zeigen wird, auch hin-
reichend, anzunehmen, dass sowohl t^ selbst als auch seine n ersten
Differentialquotienten für x = u verschwinden, und diese Bedingung
findet Statt, wenn
U = u(p (07)"+ »
gesetzt, und angenommen wird, dass weder n noch seine n ersten
Differentialquotienten für iv = a unendlich gross werden. Denn es
ist alsdann :
<p' (a)
^^■^•>"[»'7^) + ^"+'^"]
und man erkennt auf der Stelle, dass, wenn noch ii — 1 Differen-
tiationen in der durch die Gleichung (2) angedeuteten Weise vor-
genommen werden, jedes Glied des Resultates den Factor <p (^'j
mindestens in der ersten Potenz enthalten wird, dass dasselbe also
in der That verschwindet, wenn .r = a gesetzt wird. Hiernach
erhält man nun :
1
An
. n L dx'^— ' J X = «
1.2.3.
Es ist klar, dass, wenn man die Reihe, ohne Berücksichtigung
des Restes, in's Unendliche fortlaufend gedacht hätte, für A„ ganz
derselbe Ausdruck erhalten worden wäre.
(578 W i n c k J c r.
2.
Aus der Vergleichung des soeben für An abgeleiteten Ausdruckes
mit dem gewöhnlichen ergibt sich zunächst, dass, wenn <p (.f) eine
Function von der Beschaffenheit ist, dass die Gleichung y? (.*•) = 0
nur die einfache Wurzel .v = (i zulässt, und wenn nach Ausführung
allerDifterentiationendurchgehendscy = «gesetztwird, die Gleichung:
1,1,1 1 ^ f'('V)
d .
''-'[(^^ri^^]
f' (-f) <P' (^0 9 (•»-•) <P' G'g) 9' (■^•)
c?a-«-' rf.r"— 1
stattfindet.
In Bezug auf die wirkliche Berechnung des Coefficienten A
dürfte die am Schlüsse des vorigen Artikels gefundene Formel in
den meisten Fällen der dem Anscheine nach kürzeren und einfacher
zu handhabenden Formel von Bürmann vorzuziehen sein. Die
erstere gibt nämlich kein Glied mehr und keines weniger als zur
Bildung des Coefficienten geradezu nöthig ist und liefert diesen nach
ausgeführter Differentiation in seiner, im Allgemeinen einfachsten
Form, während der gewöhnliche Ausdruck, nachdem alle Differen-
tiationen ausgeführt sind, immer noch eine wesentliche Reduction
durch gegenseitiges Aufheben von Gliedern zulässt, ja fast in allen
Fällen eine solche nothwendig macht, indem sich nach Einsetzung
des besonderen Werthes a? = « die unbestimmte Form — einstellt.
0
Dieser Umstand scheint um so mehr Berücksichtigung zu verdienen,
als die oben entwickelte Form, wie man bemerkt haben wird, sich
auf die natürlichste und einfachste Art herleiten lässt. Sie hat aber
zugleich noch den weitern Vortheil, dass sie sich zur Bestimmung
des Restes ?7 leicht verwenden lässt, wie ich nun zeigen werde.
3.
Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, dass, wenn:
fix) = A + A,ip{x) + A.^ip{xy + . . . + An<p{.vY + r
gesetzt wird , die Differentialgleichun«^
111 I V
d
<p'{x) (f'jx) y'(.T) y'(.rj y'(a-) _
f/a-»-'
111 1 /"(a)
d d . . d '^—
(p'{x) <p'lx) (P'(.t) <p'{x) <p' {x) •,,.., .
; — ■ v .1 .6. . . nA„
Einig'i' allfjemcinc Sätze /.iir Theorie der Reihen. 670
für den Rest f/erhiilten wird. Setzt man mm für A,, den im Artikel 2
«j^eCunderien Ausdruck, so kann mau diese Gleichung, wie leicht zu
sehen, in die folgende Form l)ringeii:
111 1 U'
d d — — . . . ——- d
d
(1)
ip'jx) <p'{x) y'Qr) y>'(a-) y' (a-)
Ja;»— 1
Dieses vorausgesetzt, lässt sicli nun für den Ausdruck auf der
linken Seite ein anderer bezeichnen, welcher zur Bestimmung von V<
führt. Vor Allem ist klar, dass man für f7 die Form:
7 = (f {^x.
t) dt
setzen kann, welche offenbar die weiter oben vorausgesetzte Eigen-
schaft besitzt, für .r = a in Null überzugehen. Setzt man zugleich
voraus, es werden sowohl F(a),t) als auch alle auf o? bezogenen
Differentialquotienten 1,2... ?i^'"' Ordnung von F (a.% t) gleich Null,
wenn t = oe gesetzt wird, so hat man noch:
und wenn man nun die Function:
U = f F {.V, t) dt
nach den bekannten Regeln differentiirt, so erfolgt:
dx
(580 W i n c k l .. r.
Dividirt man diese Gleichung durch tp' {x) und diflferentiirt darauf
abermals nach x, so findet man:
U' /•*• 1 dF {x,t)
<p'ix} ^ r 1 dF (a.,0 1 / (p' jx) dx
l <p' (a;) </.r J.i t
dx l ^' (a-) </.r J.i *J dx
und durch wiederholte Anwendung desselben Verfahrens:
1 V /»^ 1 1 dF{x,t}
d d / d d
<p' (g-) y' (g-) _ / <p' (g) (p' jx) dx
dx~ U dx^
Es ist für sich klar, dass man auf diese Art weiter gehen kann
und nach n — 1 maliger Wiederholung die folgende Gleichung erhal-
ten wird :
111 1 t'
d d — — . . . . d
<p,{pc) <p'ix) ip'jpc) y'(a;) <p' {x')
rfa;"— 1
111 1 dF(x,t\
d d '
y)'(g-) <p'(x) ip'(x) <p'(x) dx
Vergleicht man dieses Resultat mit (1), so ergibt sich
1 1 i 1 dF(x,t)
d d
<p'(x) y'(x} (p'(^x) <p' (aQ dx ^
111 1 f(g)
d — : — d . . . . , , d
]
-Ml
Ly'(g) y>'(a-) <p' (^x} y (g) y' (x)
dx"-i
Es kommt nun darauf an , die dieser Gleichung genügende
Form der Function F(x,t) zu finden. Den Bedingungen, welche
oben für dieselbe aufgestellt worden sind, wird vorerst entsprochen,
wenn man
F(x,t) = \<p(^v)~<p(t)Y<Pit)
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. 681
setzt, weil alsdann die n — 1 ersten DifTerentialquotienteii nach x
in der That verschwinden, sobald man nach geschehener Differen-
tiation t = v setzt. Ferner lässt sich alsdann der Ausdruck unter
dem Integralzeichen leicht entwickeln, und findet man:
111 i dF (aT,0
SO dass nunmehr zur näheren Bestimmung der Function <^ (t) die
Gleichung:
1.2.3...;// (l'{t)(lf = I I
dx"—^ J a
r f^
2.3...;// (p{t)dt = Y-^
ührig bleibt. Diese lässt aber nicht lange in Zweifel, welche Form
für ^(0 anzunehmen ist; offenbar muss man setzen:
111 1 /"(O
d d — — d . . . . d
f . _ « y'(0 y'CO y'O) y(0 y'(0
^ ^ ^ 1.2.3..« ■ rf;»
um jener Bedingungsgleichung identisch zu genügen.
4.
Durch die im Vorhergehenden erlangten Resultate ist nunmehr
die Aufgabe gelöst, da durch sie sowohl die Coefticienten als auch
der Rest der Reihe bestimmt sind.
Theorem. Wenn die Function cp {x) für x = a ver-
schwindet, und wenn:
f{x) = ^0 + A,<p{x) + A^f{xy + . . + Anipixy + U
gesetzt wird, so ist:
Ao =/•(«)
d d . . . d
1.2.3.
.n
und
r - '
' 1.2.3.
.71
1 I y, (.r) y'(a-) <p' (x) <p' (x) y' (a-)
1 1 1 f'(t)
[^Or) - ^(0]" — fit
082 W i I' <• k I f f.
Vm eines besoiidern Falles zu orwjihnen, nehme man an, es sei :
<p(a^) = X — a,
so ist :
und man hat:
1 1 /'•'■
^" ~ i.2.3..,/("^' ^ ~ 1.2. 3.. «7 '^•' ^^ ' (0 ''^'
so dass man die Entwickelung findet:
fix) = /•(«) + (x-a) fia) + ^^^ /-"{/O 4- . • .
^ 1.2.3..« '00 +7 1.2.3.... ' (0 ''^'
aus welcher, wenn man x — u = y, also .p = «-}-?/ setzt, die
Formel :
fia + y) = fia) + 7//"(«) + ^ /"(«) + . . .
+ rir^ ^"f«) +
i.2.3..n
<//
sich ci-gihl.
Ich hemerke nur noch, dass sich das den Rest darstellende
Intcfi^ral auch in der üblichen Form:
darstellen lässt.
5.
Die folgenden Erörterungen hcziehen sich auf die Lösung der
wesentlich allgemeineren Aufgabe: Eine Function / ix, y) \on
zwei unabhängigen Veränderlichen nach Potenzen
Einige allgemeine S:it/.e zur Theorie der Reihen. 683
zweier Fuiietioneri <f {a;}, <r> (y) dieser Veränderlichen
zu entwickeln. — Ich setze dabei voraus, es seien o-* = a und
jy = 6 zwei endliehe und reelle VV^erthe , wofür die Functionen
(f (iv), (/> {y) verschieden, für welche also
(p{a) = 0 , iPib) = 0.
Üie verlangte Entvvickelung wird im Allgenneinen die Potenzen
der beiden Functionen, sowie auch deren Producte enthalten; wenn
man daher die entsprechende Doppelreihe mit den Gliedern abbricht,
welche die Potenzen w {^x)'" und </'{]/}" enthalten, und wenn man
die Summe der übrigen Glieder, oder also den Rest der Reihe
durch U bezeichnet , so muss
fi^^y) = '^P''nn (fix)'" iPiyf -f U
oder also, in vollständig entwickelter Form:
Pco + Po„ <P{y) + k,. <P{yY -f • . + Po,. <P{yy
+ ^(.r) [A,o + A„ iPiy) + Pr,z Kvr + • • + i\n Hyy^
+ <p{,a^y [P.,0 + P^,i <p{y) + P^,. <P{yy + • • + P-^.n <|'{yr^
+
+ ip{xy-iP,„,, + p.,1 4'{y) + p.,2 <p{yr + . . + p„,n Kyf} + u
angenommen werden.
Zur Bestimmung des Coefficienten P lässt sich eine Formel
finden, welche der betreffenden für die Bürmann'sche Reihe analog
ist, und auf die folgende Art sich ergibt. Man gebe der Entwicke-
lung zuerst die Gestalt:
A.^^2/) = (?o + Q,^{x) + Q^'f{xy + . . . + Q,n<p{xT^U,
worin die Bedeutung der Coiifficienten (>o , C^i . • • • Qm f'ir sich
klar ist, und woraus man nach der gewöhnlichen Form der Bür-
niann'schen Reihe findet:
x — a\'" df {x,y)
W<p{x)) dx J
(),„ = . — für x — «.
1.2.3..W r/a-"'-«
(584 ^^ i II c k 1 e r.
Da aber:
(>„. = p,u,. + P,nA 4' in) + i\-^ '/^(yy + • ■ ■ + ^"'." '/'(y)"
so hat man nach derselben Formel :
1.2.3..H dif'-^ ^
folglich, wenn man für Q,„ den oben gefundenen Ausdruck setzt:
W<p{x)) H'(y))
1 W(p{x)) ^4'(j/)' (^^ dy
' in.
i . 2 . 3 . . m . 1 . 2 . 3 . . « ■ r/.r"'-» (bß-^
für X ^= a, y "= b,
womit die Coefficienten bestimmt sind.
Man kann übrigens noch einen andern Weg einschlagen, auf
welchem man den Coefficienten P,„,„ in einer scheinbar verwickeitern,
für die wirkliche Berechnung aber meist bequemeren Form und
zugleich auch den Restausdruck f,^ erhält.
6.
Wenn man die im vorigen Artikel vollständig beschriebene Enl-
wickelung einmal nach .v partiell differentürt, dann durch ^' (x)
dividirt, wenn dies geschehen, wieder partiell nach .t? differcntiirt
und dann wieder durch (p' (.y) dividirt, und so fort dasselbe \%v-
fahren m — 1 mal wiederholt, so wird man haben: ,
t 1 1 \ dx
d d . . . d
y'(.T) y'(.-g) y'(a--) y' (a-) <p' {x) ^
dx'"-^
1 .2.3. .w \P,„,o + n,,, </>(y) + />,„,. -Piyy + . . . + Pm.u'/'iy)"]
dU
1 i i \ dx
d ■ d — : — . . . . d
y (a,-) <p'{x) (p'(x) <p'(x) <p'(x)
"•" dx>n-i
Wendet man dasselbe Verfahren auch auf diese Gleichung an,
indem man jetzt partiell nach y dilTerentiirt und jenes Verfahren
// — 1 mal wiederholt, so gelangt man zu der Gleichung:
Kinig-p allgemeine Siitze zur Tlieorie der Reihen. 685
i.2.'S. . .))iA.2.'S. . .t, . P,,.,. =
d d ...d .d d ...d . '
<i>'(x) 4''(y) <p'(x) <p'(x) (p'(x) (p'(y) <P'(y) 4>'iy) dx dy
dx>"—* dy"—^
für .r = (t. y = h,
indem sämmtliche Coefficienten so bestimmt werden , dass der
Ausdruck:
1 11 111 1 dnr
d d . . . d . d d ... d
<p'(^) 'P'jy) y'G-g) <p'i^} <p'(x) ^'(y) <P'(y) " 4''(.y)'dxdy
dx'"-* dy"^*
inv X = a, y =^ b
verschwindet. Wie sich zeigen wird, erhält U in der That eine
Form, durch welche diese Bedingung erfüllt wird.
Zur Bestimmung des Restes V , womit ich mich nun beschäfti-
gen werde, hat man, dem Vorhergehenden zufolge, die Gleichung:
1 1 ! 111 1 d^U
d d . . . d d d — — . . . d
0\x) <p'(y) y'(a,-) <p'(x} a>'(x) 4>'(ji) (p'jy') 4''(y)dxdy _
1 11 111 1 d^f(x,y')~i^=^\y=y
d .-.d d d ...d-
y'(^)^'(y) y(^) y'G^) y'(^) ^'(.y) ^''(y) 4''(y) dxdy i
dx"'—^dlj"—* Jx=a,y=b
Man kann aber, um U zu finden, auch einen mehr directen
Weg einschlagen, der, als der kürzere, vorzuziehen ist; die soeben
angeführte Gleichung lässt sich dann zur Prüfung des Resultates
benutzen. Zu dem Ende denke man sich, die Reihe sei in die Form
gebracht :
f(x,y} = M, + R^ifix) + R2<f(^y + • ■ • + Rn,<fia^y" + ",
wobei Ro, Rx, Rz- ■ R.n nicht blos die bis zur Potenz (Jj (y)" fort-
gesetzten EntWickelungen, sondern die vollständigen Werthe
der Coefficienten, in unentwickelter Form darstellen, und u der
dieser Bestimmung entsprechende Rest der Reihe ist. Unter dieser
Voraussetzung hat man, dem Vorhergehenden zufolge:
686 W i „ c k 1 .. r.
\tl
d . . . d —
i I ^' (.-r) if' (x) tp' (.r) dx
1.2.3..«* L r/.T»'— '
'x=u
i.2.3..?«y ir V ^ r V /j ^^„,
a
Statt dieses vollständigen Werthes R,n gehen aber blos die
11 ersten Glieder seiner Entwickelung nach Potenzen von ip (y) ein,
so dass an die Stelle von
R„, B,, n,, . . . . R,n
blos die Werthe treten, welche ans:
hervorgehen, wenn man darin ?/? = 0, 1, 2, 3, . . . m setzt. Setzt
man daher:
It.n =Pn,0 -\- P.n.iHy) + ^»,,2^C2/)~ + ' • • + Pm.nipiyY + V,„ ,
SO besteht der Rest U u\ einer Summe von Gliedern, welche durch
die Gleichung:
U = u -\' Vo + Vi ^(^) + Vo<p(.v)^ + . . . + v,n(p(a;)"'
gegeben ist.
Nun ist aber, ebenfalls nach den früheren Ergebnissen:
1 1 1 r/7?«/
i.2.3..n J ■-' ^^ ' ^ ^-^ ds"
b
oder, wenn man den oben angegebenen Werth von R^, nachdem
darin s für y gesetzt worden ist, substituirt , und zur Abkürzung
1.2.3 .. w = «! setzt:
/^
m\ n\ Vm =■
1 i 1 < 1 i r/2/'(^«)
lYKJ yy JJ • dfi'^dim-i
b
für t = ö.
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. 687
Da aber :
f7= M +
^ [/'(2/)-^(^)]" -,- ds
b
und da weiter:
/?o + /?i^(*-) + ^3f (^'i- + • • + H,n <p{oey'^ = flx,s) —u,
so folgt :
r ä^d-L....d-^'i^
r^ ^. + - y [^ (^) - ^ (.)]". ~ ds
b
y^y 11 \ du
b
Bemerkt man ferner noch, dass aus dem, oben für u gefundenen
Ausdruck, wenn man auch darin s für y setzt, und also w als Func-
tion von s darstellt, die Gleichung:
ds m\ J Lr V ^^ 7 \ JA ^^,„
sich ergibt, so lassen sich, wie man sieht, die drei Bestandtheile
von U insgesammt durch die ursprünglich gegebenen Functionen
ausdrücken, und erhält ü die weiter unten folgende Form. Durch
die Ermittelung der Coefficienten und die Bestimmung des Restes
der Doppelreihe ist die Aufgabe des Artikel 5 gelöst. Die Resultate
lassen sich, wie folgt, zusammenfassen.
8.
Theorem. Wenn die Function 'f (^-v) für x = a, und
4' iy) füv y ^= b verschwindet, und wenn:
SiUli. <l. iiiatheiii.-ii;itiir«-. Cl. XLI. I!d. Nr. 19. 48
688
W i 11 c k I e r.
A^,t/) = iiP,n,n<pi^y" ^{yY + u
gesetzt wird, so ist;
■y-b\>' d-f(.r,y)
rfm+n— 2 ( I [1 I
! rfa-'»— 1 f///»— *
sowie auch in anderer Form:
ml ?l\ Pm,n =
\
1 1
d- — rd
1 1 1
d — —d- -d-
.d
<p' jx) <p' (y) "" <p' (ar) " <p' (a-) ' ' "' <p' (x) " (p'(y) " 4>'{y') "" 4>'iy) dx dy
dx-m — i diß—^
{w X = a , y ^= b.
Für den Rest der Entwickelung hat nnan:
U =
l 1
d d
+ -; / [9(^) — ^ (OJ
1 dfity}
<p\t) dt
dt'"
dt
\[<p (x) - ip {t)Y [ip {y) - <p {s)Y X •
111 1 d^fit.s')
d — — r • ■ -d ^— d . . .d
^'(0 S^'CO ^'(«) 4'' iß) dt ds
dt'"' rfs»
1
ds
+ -T / [i^(2/)-S^(«)]
(?
1 <//"(a?,«)
(p' (s) <Zs
</s»
£?S
Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass dieser Satz so wie
auch die ihm zu Grunde liegende Betrachtung sich ohne weitere
Schwierigkeiten auf Functionen von mehr als zwei unabhängigen
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. 689
Veränderlichen oc, y, z, . . . ausdehnen lässt, was ich jedoch nicht
weiter verfolgen werde.
Im Eingange des vorigen Artikels wurde bemerkt, dass die
daselbst für ü angeführte Bedingungsgleichung zur Verification des
bereits erhaltenen Restausdruckes verwendet werden könne. Um
dies noch näher zu zeigen, sei der Kürze wegen:
1 1 i 111 1 d'if(xy)
d d ...d d d ...d ' ^ ^^
9'i^)4''iy} f'jx) (f'jx) if'{^x) <p'{ii) 4>\y) (l>'{y) dx dy
dann erscheint jene Bedingungsgleichung in der Form:
1 11 111 \ d^U
d d . . . d d — : — d . . . d
<p'{x}4^'{y) y'(a-) c^Qt) y'(a-) 4>'{y) 4''(y) 4)'{y^ dxdy
dx'"—^ dy"~i
= F(.v,y) - F(a,b).
Substituirt man nun für U die soeben gefundenen drei Aus-
drücke und führt die Rechnung, soweit diese die vorgeschriebenen
Differentiationen betrifft, wirklich aus, so ergibt sich die Gleichung:
'""^ dt - f,U f^ ,ls + P-^^ äs
dt J J dtds J sd
ab h
= F{x,y) - F{a,h).
Durch die Ausführung der Integrationen erhält man auf der
linken Seite die Ausdrücke:
oder auch:
'lF{.v,y)-F{ci,y)-~F^x,b)-F{_x,y)\F{(i,y^-\F{x,b)-F{ii,b')
48'
was sich, wie man sieht, auf
F{.v,y) - F{a,b)
rediicirt, wie es der obigen Bediiigungsgleiehung gemäss sein soll.
9.
Um einige Anwendungen des vorhin bewiesenen Satzes zu
zeigen , will ich zunächst annehmen , es sei :
so wird sich die Maclaurin'sche Entwickelung für Functionen
zweier Veränderlichen mit dem Restausdrucke ergeben. Da nämlich
für jene Annahme :
a = 0, 6 = 0, <p'i.v)^i, (/>'(y)^i,
so erhält man unmittelbar:
m\ n\ i dx"^(hj"' J.r=o, t/=o
ly ''fJ 0 0 dx^'diß mini
V = l^fla:-.r'!Ta'f) äs
ml ^ ■ rfs'''+i
-0
0 "0
0 0
^ nl J ^ ^ dt"+^
d'"+n-^^f(s,t)
Soviel mir bekannt, ist auch diese Restformel neu. Zwar theilt
Cour not im ersten Bande, p. 273, seines Werkes: Tratte e'lthn.
de la theorie des fonctions, einen Restausdrnck der Maclaurin-
schen Reihe für zwei Veränderliehe nn't, derselbe ist aber von dem
obigen wesentlich verschieden, und bezieht sich aufweine andere
Begrenzung der Doppelreihe als die oben vorausgesetzte.
Einige ;illp:('im'iiit' Siitze zur Tlieorie ilcr l!eili<*ii. q9 ]
10.
Als zweiten besonderen F;ill will ich annehmen , die Function
f'{x,y) sei eine nach x und y s yniinetrisehe und daher
Zugleich nehme ich die beiden Functionen <f und ^ als der Form
nach identisch an, so dass: ^ (o?) = ^ (.r) und also die Reihen-
entwickelung nach Potenzen von f (^■) und ^ (y) fortschreitet. Es
ist eine nothwendige Folge dieser Annahmen, dass auch der Coeffi-
cient P,„,„ symmetrisch nach den Zeigern m und n sein muss und
dass also
P — P
wobei dieser Coefficient gegeben ist durch die Gleichung:
1 11 1 1 i i d^fix.y}
d d . . . d d d . . . d
(p'[x)(p\y) (p'(x) <p' jx) y'(a-) <p'iy) y'(y) <p'{y) dx dy
rn\ lüdx"'—^ dy>^-^
für x = a, y = a.
In Folge der bezeichneten Annahmen wird zugleich die Doppel-
reihe beträchtlich einfacher als im allgemeinsten Fall; sie lässt sich
explicite wie folgt darstellen:
r(.v,y)= [/'co + (^ (.^0 + ^ (//) Po.^ -f
+ (^(.r)-'-f ifiyy) P,,s +...]
+ (f'Ovy ifiy)- IP,,, + {ip{x) + ip(y) P,.s +
+ (<pia:y^ <p{y)')PzA +•■•]
+
+ f{.^y f(yy [Pn.n -f (<P(^-) + <P(y) P".n + i +
+ (<pi^r- + <f (yy-) P'>.n+2 + . ■ .]
+
692 W i n o k I e r.
Hierdurch erhält zugleich die folgende, nicht unwichtige Auf-
gabe ihre Lösung.
Die Function f {cc -\- y) soll nicht nach Potenzen
von cc wnA y, sondern nach Potenzen von/" (.r) und/* (?/)
selbst entwickelt werden.
Da nämlich hierbei die geforderte Symmetrie der Function /"(a?, y)
nach cc und y schon vermöge des Arguments x -\- y stattfindet und
auch ^ (x) =f{x) und '\>(y) ^^ f(y) ist, so finden alle Bedingun-
gen Statt, um die soeben angeführten Gleichungen zur Lösung dieser
Aufgabe anwenden zu können, und man findet:
fi^+y) = [Po,o + (fi^) + f(y)) P.i +
+ ifi^r- +r(yy) p^r. + .-.]
+ (fUr)^ -i- ny)') Puz +•••]
+
+ in^y -i- fiy}') Pn,n+2+ ...]
4-
wobei
"m.n
1 ,11 ,1^1 ^1 rf'/'C^+y)
ö . . .d d . . . d
n^-)ny} n^-) n^) n^) nv) f'(y) ^xdy
inv X = a, y = a
und wobei a ein Werth ist, für welchen man hat
In anderer Darstellung ist auch
P.„= LV(a-)^ l/0;)J d.dy \ ^ ^ ^ ^ ^^
'^' m!«! dx'»-idtj»-i "^
Einige allgemeine Sätre zur Theorie der Reihen. 693
Ebenso ist durch die Ergebnisse des vorigen Artikels auch der
Rest der Reihe bestimmt.
Da hierdurch die Aufgabe im Allgemeinen vollständig gelöst ist,
so füge ich nur noch die Ausdrücke bei, durch welche einige der
ersten Coefficienten jener Entwickelung unmittelbar berechnet wer-
den können.
Dieselben sind mittelst der ersten Form von /*,„, „ gefunden
worden, und heissen:
Po.i
f'(a)f"i2a)-f'{2a)f"ia)
/•'(«)Y"'C2«)-¥'(«)r(W'(2«)+3r(2«)r(«)--/"'(«)r(2«)r"(«)
ßfiar
p _r(2«)
J 1,1 — 77
P^.^ =
Pi.s =
Po. 2 =
r(a)r'(2«)-r'(«)r(2«)
r (ay r (2.0 - 2f' ja) f" («) f" (2«) -r f" (2«) f" jaV
4/"(«)6
wobei /" (2«) , f" (2a) , f" (2fi) , . . . die Werthe resp. von
f (x) , f" {x) , f" (x) , . . . bezeichnen , welche sich ergeben,
wenn man nach ausgeführter Dilferentiation x = 2« setzt.
11.
Die Ausführung einiger besonderen Fälle wird die Anwendung
der so eben erhaltenen Resultate näher bezeichnen.
Ich will zunächst annehmen, es handle sich darum,
/G^ + 2/) = log O^' + y)
694 W i n c k I e r.
nach Potenzen von log a: und log y zu entwickeln. Man erhält dann
aus den früheren Formeln, da:
r(^) = ^ . r(^) = - ;i. ^■■(.^•) = + ^3 . rv) = - ^
und a = \ ist, für die Coeflicieiiten die folgenden Werthe:
Die verlangte Reihe, bis zu den Gliedern vierter Ordnung incl.
ausgedehnt, heisst also :
log {x + ?/) =
i^. . . . 1. 1
lg2+^[lg^+lg2/]-f-[(lga.)^+(Ig2/)^]-:^[(lg^)*+(lg2/)*] + ---
1 1
— — \ogx\ogy-\r- [(log .r)^ + (log yy] log x \og y -^ ...
— 4 (loga;)K'"gy)^+--
oder in etwas kürzerer Darstellung :
log {iv + 2/) =
11 1
•og2 + -[loga;+logi/] + — [log^ — log2/]2[l+ -log anlogt/]
Für 2/ = 1 folgt hieraus:
log(l+^) = Iog2 + — + -(-^)- -(—]+. . . .
wie man auch mittelst der Bürmann'schen Reihe finden würde.
^0,0 = iog
2 ,
''..=-;.
P.z =
1
~ 32
n,.=l
.
A,. = 0
p _ 1
n,2 - -
'
1
n,3 = 0
-«0,4 ^ —
1
192
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. 09ö
Nimmt man weiter an, es solle:
f{x + 1/) = sin {x + y)
nach Potenzen von sin x und sin y entwickelt werden, so ist liierfür
a = 0 zu setzen und erhält man allgemein :
/•(*")(0) = 0, /•(*"+'^(0) = + 1 . /•("'+'\o) = 0 , /•f*"+'\o) ^ — 1 ,
so dass in diesem Falle
i>0,0 = 0, Po,l = l .Pü2=0,Po,3=0 , Po,*=0
Für alle übrigen Coefticienten erhält man den Werth Null, so
dass sich die folgende Reihe ergibt:
sm
in {x + 2/) = sin x + sin i/ — sin x s\uy\-^ (sin x -f sin y) -j-
\ 13 I
+ Vi ^^'"' '^ "^ '^'"' y^ + an ^*^"' ^^ ^ ^*"' -^^ "^ ■ ■ I
Diese Gleichung, welche auch auf andern» Wege leicht erhalten
werden könnte, findet, wie bekannt, u. a. bei Entwickelung dioptri-
scher Reihen ihre Anwendung.
12.
Sowohl von der Burma nn'schen als der nach Potenzen zweier
Functionen fortschreitenden Entwickelung lassen sich Anwendungen
auf die Transformation gegebener Reihen machen. Um einige hier-
her gehörige Fälle zu betrachten, nehme man zunächst an, es handle
sich darum, eine gegebene Reihe:
F{x) = «0 + «1 a? -f OzX- . . . . + finX" -f • • •
in eine andere zu verwandeln, welche die Form hat:
F{x) = fix) [A, + A,f{x) + A,<p {xy + . . H- ^„^(.r)» + . .]
696 W i n e k 1 e r.
und worin f {^x) und cp {x) ebenfalls gegebene Functionen sind.
Was nun zunächst die Coefficienten A betrifTt, so hat man hierfür
nach Art. 1 die Gleichung:
1111 F(3'^
d . . d d ^ -^
<p'(x} <p'(x) <p'{x^ <p'(x) /"(a-)
An = lur 07 = a.
n ! </.T«
Wenn f{ai) = iv, also <f'{a?} = 1 , sodann zur Abkürzung
gesetzt wird , so ist einfacher :
\ d« . [F(x)Q(x}]
An = — . für £C = 0
n ! dx»
oder also, wenn man die Differentiation, so weit es im Allgemeinen
geschehen kann, wirklich ausführt:
wobei zu bemerken , dass A^ = «o ö(o) ist.
Um einen besondern Fall zu betrachten, will ich annehmen, es
sei die Reihe:
in eine andere zu verwandeln, welche die Form
F(^) = e- (Ao + ^. .r + A.x'^ + • • • + ^«^" + • • •)
hat. Da hierbei H (^) = e~-^, so ergibt sich:
^(0) = 1 , ^(0(0) = — 1 , //(2)(0) = 4- 1 ; . ..//(«) (0) = (— 1)"
so dass man allgemein hat:
«„_! »„_2 «n_3 , (— l)»-ia, , (— l)««o
1! ^ 2! 3! ^ ' (« — !)! «!
Angenommen z. B., die gegebene Reihe habe die folgenden
Coefficienten:
a 1 a (a + 1)
«0 = 1, «,-=—, «2
ftn =
ß 1-2 /5(/:' + l)
1 a (a + 1 ) ( a + 2) . . . (« + « — 1 )
7! ß 05 + 1) 05 + 2)...(/S + «-l)
Einige allg-emeine Sätze zur Theorie der Reihen. 697
dann folgt aus den Gleichungen:
ß-a
Ax = «1 — «0 = -—
1
fl, öo (ß — a) (/5 — a -f 1)
Äo = (U — \- ^
1 1.2 i .Z . ß (ß^i)
^„ = «„- — + . . . + --^^
_ (/?-«) (ß-a-ti) (ß-c, + 2)...Cß-a + n-\) _
und es ist die verlangte Transformaliou:
"^ jS 1 "^i503-rl) ■ 1.2'^/5(/5 + l)(yS + 2) ' 1.2.3+ •••
ß 1 ' /5 (i5 + 1) 1.2
(ß-a) (ß — a + 1) 05 — « + 2) x^
+
ß (/5 + 1) (/5 + 2) 1.2.3
oder, wenn man die gegebene Reihe mit F (a, ß, x) bezeichnet,
so folgt:
F («, ß, x) = e^ F (ß — a, ß, — £c)
wie auf anderm Wege Kummer in der Abhandlung: De integral,
definitis (Journal von Grelle, Bd. 17) fand.
13.
Die Bestimmung der Coefficienten der Reihen , von welchen
bisher die Rede war , lässt sich in manchen Fällen vereinfachen,
wenn die zu entwickelnde Function in Form eines einfachen oder
doppelten bestimmten Integrals dargestellt werden kann. Ist fix)
die nach Potenzen von (p {x) zu entwickelnde Function durch die
Gleichung:
ds
fix) =fF{s, ^(x))
ß98 VV i II c k I e r.
ausgedrückt, und setzt man zur Abkürzung tp (.p) = u^ so folgt, wie
leicht zu sehen :
f/.r"-' J du^
a
und folglich nach der am Schlüsse des Art. 1 angeführten GleichuiiG:;
n\J du''
An ^= — I ' '' ' — ds für u =^ <f (a) = 0 ,
so dass man die Entwickelung hat:
f(.v) = A,-\- A, f(x) + A,f{xy- -h . . . + A,,<p{.Ty + ...
Nicht selten wird die Auffindung des Coefficienten An durch den
Umstand wesentlich erleichtert, dass es im Allgemeinen erlaubt ist,
vor Ausführung der Integration « ;= 0 zu setzen.
Es ist leicht, diese Betrachtung auf die Entwickelung einer
Function f{iv,y) nach Potenzen von (p {x) und <p (1/) auszudehnen.
Angenommen, man habe für f{cv,y) eine passende Darstellung in
Form eines bestimmten Doppelintegrals gefunden, so dass
f{x,y) = j'dsj F{s, t, <p{.v), <p{y)) dt
und die Grenzen constant und von a:,y unabhängig sind; dann erhält
man durch successives Dillerentiiren, wenn (f (a?) = m , ^ (y) = v
gesetzt wird, die folgende Gleichung:
1 111111 d'>f(x,y}
■ d d . .d d d . .d —
^'(a;)f(y) ^' (ar) ^' (a-) ^'(.t) ^'(.v) ^'(.y) 'P'Oj) dx dy
J
dx"*—* dy'*—*
, / d"'+" F(s,t,v,v) ,
ds I ^ dt,
J du"* dl)"
woraus man sofort findet:
V
irr'' </'»+" F (*,<,«,») ,
"m n = -,— r / ds I dt ; [(11 M == 0, V = 0.
m n- J J du"' dv'*
OL ).
Einige aiig-emeine Sätze zur Theorie der Reihen. 699
Für die Bestimmung der Coefficienten , welche durch diese
Gleichungen gegeben sind, kann auch noch das folgende Verfahren
bezeichnet werden.
Lässt sich aus der Gleichung:
n = (f (x)
der VVerth von x als Function von u in endlicher Form entwickeln,
so kann offenbar auch f(jc) als Function von u dargestellt werden.
Wenn dies geschehen, wird man finden:
f{x) = Fiu)
und, wenn man diese Gleichung nach x differentiirt , hierauf durch
du
— = (p'(x) dividirt, und dieses Verfahren wiederholt anwendet, zu
(Ix ^ ^ ■'
der Gleichung:
1 J 1 f (x)
d d . . . d
rfo-"— 1 dn^
gelangen. Daraus folgt unmiltelbar:
An = für X = a, oder u = (p («) = 0.
" ' du"
Auch dieses Verfahren lässt sich ohne Mühe auf Functionen
von zwei V^eränderlichen ausdehnen.
Kann man nämlich aus den Gleichungen:
u = f (x) , V = (/' ( y)
X und y als Functionen resp. von u und v in endlicher Form finden,
so lässt sich auch f(^x,y) als Function von u und v darstellen, so
dass:
f(x,y) = F{u,v).
Bildet man, in analoger Weise wie oben, den im Art. 8 für P,„, „
angegebenen Ausdruck und setzt dann für x und y resp. die Werthe
n und b, für welche <p («) und ^ (6) verschwinden, so ergibt sich
für die Bestimmung jenes Coefficienten die Formel:
P,n.n = -— , —^ ' f'i'" U^O, V^ 0.
'«!«! du'" dv"
700 VV i n c k 1 e r.
In den meisten Fällen wird dieses letztere, nur scheinbar ein-
fache Verfahren grössere Weitläufigkeiten als jedes der früher
beschriebenen verursachen.
14.
Die im vorigen Art. für A entwickelte Formel führt in manchen
Fällen zu bemerkenswerthen Resultaten. Um einen solchen Fall anzu-
führen, bemerke ich, dass, wie Legendre Eccerc. IV. p. iOl fand:
/;
&•« ds TT sin ax
, wenn a < 1,
i -f- 2s cos X -\- 6-2 sin ar: sin x
ist, woraus man erhält:
sin ax sin aiz / °° «" ds
, a <\.
sin X ;r / 1 -j- 2s cos x + s^
0
Angenommen nun, es handle sich darum, die Function:
^ ^ sin ax
f{x) = —
sin X
nach Potenzen von (p (^) ^ cos x zu entwickeln, so hat man
sin az s"
F(vO ^ -V 1 + 2s. + s^
folglich:
du^ ^ TT (1 + 2S2^ + S-y+^
und es ist daher:
^ ^^ 2" sin «TT f s«+«rfs
An = (- i)" / -7 für u = 0.
^ ^ ^ j' (1 + 26„ + s«)"+'
o
Man kann nun diesen Coefßcienten durch Euler'sche Integrale
ausdrücken; setzt man nämlich
1 , 1 dx
s^ = X , s = X' , «s = Y "T
Rillige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. lül
SO folgt:
a-{-n — I
2"~* sin fiTZ I J
An = (-!)"
(1 + a:)n+l
0
oder:
, 2"-* sin öT l 2 J V 2 J
^,. = (— 1)" ■ . —
^ TT 1 . 2 . 3 . . . w
Das Product der beiden Gammafunctionen lässt sich, sowohl
wenn n eine gerade, als wenn es eine ungerade Zahl ist, näher ent-
wickeln. Um diese beiden Fälle, wie es geschehen muss, zu unter-
scheiden, sei n = 2m, so erhält man mit Berücksichtigung der
bekannten Formeln:
r{m-\-b) = 6 (6 + 1) (6 + 2) . . . (6 + m— 1) r(6)
^ sin OTT V 2 / V 2 / üTz
cos —
2
die Gleichungen:
aTz
Ao = sin —
(12 — a2) (33 — «2) (32_a3) . . . [(2w — 1)2 a2J . a-
Aom = sin —
1 . 2 . 3 . 4 ... 2m 2
Setzt man dagegen « = 2/n-f-l, so folgt in ähnlicher Weise
ÜTZ
Ai = — a cos —
2
. rt (22 — «2) (42 — a2) (63 _ ö2) ... [(2m) 2 — a^] an
Aom+i = CdS
^ 1.2.3.4.5... (2m + 1) 2
Dieses vorausgesetzt, hat man also die folgende Gleichung:
. a;r( , 12- «2 (13_ß23 (32_rt3) )
2 I ^ 1.2 ^ 1.2.3.4 ~ f
a- (, , 22- «2 (22_a2) (42-a2) ^
"^'^^ 2 ' +1:2:3-^^^^-^+ 1.2.3.4.5—^"-^^"+ - '''"^
702 ^^' i n c k I e r.
welche unter der Bedingung gilt, dass der Zahlenwerth von a kleiner
als 1 sei und x zwischen — tz und -{-t: liege.
Die Theorie der bestimmten Integrale bietet viele Hilfsmittel
dar, die Anzalil der Resultate oben bezeichneter Art zu vermehren.
Da es sich aber hier nur um die allgemeinere Betrachtung der Potenz-
reiheii handelt, so werde ich mich mit besonderen Fällen nicht wei-
ter beschäftigen.
15.
Wie in der Einleitung bemerkt worden ist, wird sich die vor-
liegende Arbeit auch mit der Summirung derjenigen Reihen befassen,
welche aus der Verbindung der Entwickelungscoefficienten zweier
nach den Sinus und Cosinus der Vielfachen eines Bogens fortschrei-
tenden Reihen gebildet sind.
Für diese letzteren Reiben, welcbe die sogenannten Fourier-
schen sind, findet, wie bekannt, der folgende Satz Statt.
Werden aus den Gleichungen :
1 c^"" 1 r^""^
(Im == — / f{x) cos mx . dx , b„ = — / f{^^ sin nx dx
— TT — TT
die Coefficienten der Reihen:
1
-y- «0 + «1 cos X -(- fto cos 2x -\- . . . + a,u cos mx -\- . . .
-j- bi sin X -\- bo sin 2.p -j- . . . -|- bn sin 7ix -|- . . .
berechnet, so stellt diese Reihe die Function f(x) für alle zwischen
— 7t und -\- TT liegenden Werthe von x dar, insoferne <f {x} inner-
halb dieses Intervalles stetig bleibt; die Reihe gibt aber das arith-
metische Mittel der zwei Werthe von ^ (x), welche, im Falle der
Unsteligkeit dieser Function, für einen Werth von x stattfinden.
Dieses vorausgesetzt, n)ögen nun <p (.r) und </> (.r) zwei, inner-
halb des Intervalles von — tt bis -|-7r stetige Functionen bezeichnen,
welche in die Reihen :
1
f (ar) =^ — «0 + «1 cos X + «2 cos 2x -{-... ~\- a,,, cos mx + . . .
-\- bi sin X -j- bz sin 2x -f • • • + b„ siu ?/x -\~ . ■ .
<ft ( a-') := -- «0 + «1 cos X -{- «a cos 2x -f . . . -j- «„ cos^x + . . .
-|- ßi sin X -\- ß-i sin 2x -\- ... -\- ß^ sin vx -\- •■ •
Einige allgemeine Sätze rur Theorie der Reihen. 703
entwickelt sind. Das Product derselben lässt sich durch die Glei-
chung:
^(^') 'P 0*^) =^ ^ {(Im COS mcc -\- hu sin ?lv) («^ cos jua: -j- ß.^ sin vx}
bezeichnen, wenn man auf der rechten Seite für m,7i,ij.,v alle ganzen
1 1
Zahlen, von 0 angefangen, statt «o und ao aber nur — «„ und — «o
setzt. Integrirt man nun jene Gleichung zwischen den Grenzen — tt
und -j-zT, was dem angeführten Satze zufolge erlaubt ist, so findet
man:
/'
.+ n- x^+n-
cos W2a^ COS //.t? dx -f- «m/^w / COS ma? sin va? rfa?)
— TT — TT
COS //a: sin wa; ^o? -}- bnßv 1 sin /za? sin vic dx)
Mit Rücksicht auf die Gleichungen:
1
COS ^ COS 5 = — [cos {A — B) -\- COS {A -\- By\
sin ^ sin 5 = — [cos {A — B) — cos (^ + 5)]
sin ^ cos 5 = — [sin (^ — ^) + sin {A + 5)]
ergeben sich die folgenden Werthe für die Integrale unter dem
Summenzeichen:
cos mx cos fix dx =' ^ , wenn fx ^ m
= TT , „ fJL = m
= 27r, „ fji =^ m = 0
sin nx sin //or </,y = 0 , „ v w
= ;r , „ V = w
cos Tw^ sin vx.dx = 0 , m und v beliebige
ganze Zahlen.
Sitzb. d. raathem.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 19. 49
— TT
704 W i n c k I e r.
Es bleiben daber nur zwei Glieder unter dem Summenzeichen
stehen, so dass man hat:
/+^
— K
oder, mit Rücksieht auf das früher Bemerkte:
+ b.ß, + b,ß, + b,ß, +. . .) V_
Aus diesem bemerkenswertben Resultate ergibt sich zugleich,
dass, wenn man </f (a?) = <p (a^) setzt :
+ 6,2 + 63^ + 6,=^ + ...)
Eine Gleichung dieser Art findet also jedesmal Statt, sobald die
einer Function entsprechende trigonometrische Entwickelung gefun-
den ist.
16.
Es ist bekannt, dass, wenn man die Giltigkeit der trigonometri-
schen Entwickelung auf das Intervall von 0 bis ;r einschränkt, die
Cosinusglicder allein schon hinreichend sind, die Function im Bereiche
jenes Intervalles, einschliesslich der Grenzen 0 und tt darzustellen.
Man muss dann die Coefficienten aus der Gleichung:
2 r""
(tm = — I <f (x) COS mx dx
berechnen, und erhält:
(f {x) = — öo + «1 COS X -\- Uz cos 2^7 -j- . . -f a,n cos mx -\- . .
Wenn nun eben so für eine zweite Function die Coefficienten
2 /•""
U/j, ^= — I </> (a') cos fix . dx
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. TOd
berechnet sind, und also die Reihe:
1
(l;(jv) = — «0 + «1 fios X -\- a-i cos 2a: -f" • • + ^^(x ^^^ [jlx -\- . . .
erhalten worden ist, so ergibt sieh auf gleiche Art wie im vorigen
Artikel durch Multiplication der beiden Reihen die Gleichung:
-«m«iA / cos mx cos fjLX d.v = I ^(j?) ^(^) dx,
0 0
woraus sich, nach früheren Bestimmungen:
1 2 r'""
— «oOo + «i«i + «202 + «3«3 -\- . . . . ^ — <p (a^) <^ (oe) da; . .(})
0
und hieraus wieder:
i 2 f"
- r/o2 + 01= + a-r + «3- + • • • = - / fi^y dx ... (1)
0
ergibt. Bestimmt man die Coefficienten b,n , ß,^ aus den Gleichungen :
b,n = -^ I <p{a;) sin mx dx , ß^j, = — 1 ^(.v} sin fix.dx ,
0 0
so gelten, wie bekannt, die Entwickelungen :
ip (x) = bi sin X -j- 63 sin 2x -\- 63 sin 3.c + • • + b,n sin wj:? + • • •
^ (.t,-) = ^9i sin .r -\- ßo sin 2^7 -|~ ß^ ^in 3^; + • • + /^fi^ si" //a: + . . .
innerhalb des Intervalles von 0 bis rt, jedoch mit Ausschluss dieser
Grenzwerthe selbst.
Durch Multiplication und darauf folgende Integration jener Glei-
chungen findet man analog wie im vorhergehenden Falle:
6u?. + b,ß, + h,ß, + b,ß, + . . . = ^J<P{^) hv) dx... (11).
0
Setzt man auch hierin ^ (x) = tp (x), so folgt noch :
br + h' -j- ^,33 4- 6,2 + .... = - f<p G-p)2 dx. . .(2)
49*
706 W i n c k I e r.
Diese Gleichungen, sowie jene des vorigen Artikels, liefern, wie
man sieht, die Summen neuer Reihen, sobald die Entwickelung einer
oder zweier Functionen nach Sinus oder Cosinus der Vielfachen von
X gegeben ist. Es ist jedoch nicht schwer, auch die Summen von
Reihen abzuleiten, welche auf andere als die oben vorausgesetzte Art
aus den Entwickelungs-Coefficienten a und b gebildet sind.
17.
Um dieses an einigen besonderen Fällen zu zeigen, multiplicire
man die Gleichung:
<p (.r) = — «0 -h «1 cos X -{- a^ cos 2^ -|~ • • • "h ^m cos mx -f- . • •
mit sin nx und integrire sie dann zwischen den Grenzen 0 und 7t.
Remerkt man hierauf, dass:
i
cos mx sin rix = — [sin (n -\- m^ x -\- sin (;« — m) x^,
so erscheint das allgemeine Glied der Reihe in der Form:
- «m ] / sin (ji -{- m) X dx -{- 1 sin (« — m) x.dx>
0 0
aus welcher man auf der Stelle ersieht, dass jenes Glied immer ver-
schwindet, wenn m und n gleichzeitig entweder gerade oder unge-
rade Ziihlen sind, dass also nur diejenigen Fälle in Retracht kommen,
in welchen m und n ungleichartig sind. Setzt man also 2m für m,
und 2w-|-l für ti und führt man die beiden Integrationen aus, so
erfolgt :
(1.1) 2(2« + l)«2„
«2« t 7~^ TT +
(2m 4- 2« + 1 2« — 2m + 1) (2« -f- 1)2 — 4m2
und man wird hierdurch zu der folgenden Gleichung geführt:
(2n + l)2 ' (2m4-1)2-4.12 ' (2n + l)2-4.22 ■ ' (2rt^l)a_4,„3 '
= -, :; / <P(^) sin (2n 4- i) x.dx = — -^ — . . . .(1)
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. T07
Als besondern Fall der Gleichung (I) des Art. 16 will ich die
bekannte Entwickelung:
/ x\a ax
f{x) = [2 cos —I cos — =
1 H cos .V H cos 2a-' H ; — cos öx A- . . . .
~ i ' 1.2 ' 1.2.3 '
in ähnlicher Weise erörtern und zu dem Ende setzen:
^(^) = [^ cos -J cos — =
ß /g(/3-i) ^ l3(/3- 1)03-2)
1 H cos 07 -\ cos za.' -\ : cos «5.r + . . . .
' 1 ' 1.2 1.2.3 '
Jener Gleichung (I) gemäss erhält man also:
^ ß aia-i)ß(ß-i) «(«-!) («-2) /? (13-1) (/?-2)
"^1 ' l"^ 1.2 1.2 "" 1.2.3 1.3.3 "■ ■■■
^a+ß+i j a;x«+/? ax ßx ,
COS — 1 cos — cos — ax
\ 2) 2 2
Vor Allem handelt es sich nun um die nähere Bestimmung die-
ses Integrals. Man kann demselben , abgesehen von dem constanten
Factor, offenbar die folgende Form :
/ .r N«+/Sr (a - ß) x (a + /9) o-i
l^cos — J [cos ^ + cos — — J dx
X • 1 •
geben, welche, wenn man x für — setzt, sich in:
TZ
/ (cDS .rj^'^'^Fcos (a — /?) x -\- cos (a -f /9) .i'J dx
verwandelt. Nun findet aber die bekannte Gleichung:
(cos xy cos qx.dx =
2^+
' '■('+'-?)n'+^-i-')
708 W i n c k I e r.
Statt, vermittelst welcher man
TT r /' (1 + a + iS)
2i+«+^Lr(l + a)/'(l 4-/3)
+ <]
findet. Dieses Resultat führt nun unmittelbar zu der folgenden Glei-
chung:
^ « l a(a-i) ß(ß-l) , «(«-!)(« 2) ;3(/3-l)(^-2) ,
1 1 ' 1.2 1.2 ' 1.2.3 1.2.3
^ r (1 + g + /3)
7' (1+ «)/'(! +/3)
wodurch eine Eigenschaft der Binominal-Coefficienten aus-
gesprochen ist.
Um einige specielle Fälle dieser Relation hervorzuheben , will
ich zunächst annehmen, es sei eine der beiden Grössen a, ß, z. B. ß
eine positive ganze Zahl. Dann bricht die Reihe ab, und man
erhält zur Bestimmung ihrer Summe die Gleichung:
^ a ß «(g-l) ß{ß-\-) a(a-l)(g-2) iS(/?-l)(/3-2)
"■ 1 ' 1 *" 1.2 ' 1.2 "^ 1.2.3 * 1.2.3 "''■■
a(a-l)(a-2)..(a-/3 + l)
"^ 1 . 2. 3 . . ./3
_ (« + l)(a + 2)(a + 3)...(a + /3)
1.2.3. . . ß
Nimmt man an, es sei auch a eine ganze Zahl, und setzt
a = ß =- 71,
so ergibt sich hieraus:
(« + 1) (« + 2) (/i + 3) . . . 2w
~ 1 2 . 3 . . . w
Diese merkwürdige Gleichung fand bekanntlich zuerst Lagrange
gelegentlich der Bestimmung einer Wahrscheinlichkeit, für welche
sich auf zwei verschiedenen Wegen die Ausdrücke auf der rechten
und linken Seite der Gleichung ergaben und welche also einander
gleich sein mussten.
Eiüige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. 709
Setzt man dagegen 2w+I für m, und 2n für n, so ergibt sich
auf gleiche Weise :
«1 , «3 , "5 , «7 , «am+i
■ ■ "i 4,
4„ä_lä ■ 4h2— 32 ' 4«^ — 52 ' 4re2-7a ' ' 4h2 _ (2m+l)2 ' "
= — I <p(^^') sin 2nx.dx. = — . . . (2^
4«J ^^ ^ 4 2« '^ ^
0
In diesen beiden Gleichungen ist allgemein:
(In = — / <p(x) COS na^ . dx
9 r^
sin /id7 . dx
zu setzen.
Ich w ill nunmehr dieselbe Betrachtung auf die Reihe :
(p (.X") = bi sin X -\- bo sin 2x -\- b^ sin 2x -}-... -\- 6,„siii wa?-|- . , .
anwenden und zu dem Ende durchgehends mit cos nx multipliciren.
Integrirt man hierauf zwischen den Grenzen 0 und ti, bemerkt auch,
dass das allgemeine Glied der Reihe hierdurch in:
— bo,n I / sin (ni -{- ii) x dx -\- I sin (m — «) x dxl
übergeht, so zeigt sich auch hier, dass nur dann, wenn m und ti
ungleichartige ganze Zahlen sind, jenes Glied nicht verschwindet.
Wenn also einmal 2n-\-i und dann 2n für w, und entsprechend 2m
und 2m-\-i für m gesetzt und im Übrigen wie in den beiden vorher-
gehenden Fällen verfahren wird, so ergeben sich die beiden weite-
ren Gleichungen:
4.12— (2»i + l)2 "^ 4.22— (2h ^- 1)2 "••••"•" 4,„2_ (2rt 4- iy~^ " '
1 f" r.
= — l if {x) COS (2w -[- 1) x.dx = — (i%H-\-i • • .(3)
710 Winckler.
b\ , 363 565 (2m + 1) 6a"t+i
' Q2 i.,2 "•" «2 /...2 I • ■ ' I ftt „, i 7T> /i„5( t ' ■
1« — 4rt2 ' 32_4„2 33 _ 4„3 ' ' (2m+l)2— 4«3
= — I <f (o^) cos 2wa? c?^ = — «2rt • • • (4)
Die Gleichungen (1) bis (4) sind von besonderem Interesse,
weil sie zeigen, dass dieEntwickelungs-Coefficienten «und b, welche
sich auf eine und dieselbe Function ^ (.r) beziehen, gegenseitig der
eine durch den andern und zwar, wie man sieht, vermittelst unend-
licher Reihen bestimmt ist.
18.
Nach diesen Bemerkungen kehre ich zu den in Art. 15 und 16
begründeten Formeln zurück, um einige noch speciellere Anwendun-
gen von denselben zu machen.
Wie schon Euler fand, besteht die Gleichung:
X . sin Zx sin 3x sin ix
(D ix) = — = sm o; f- • • .
^^ ^ 2 2 ' 3 4 '
SO lange, als x zwischen den Grenzen 0 und n liegt; auch ist bekannt,
dass unter denselben Bedingungen:
Tt . sin 3a; sin ^x sin Ix
ist. Wendet man auf diese beiden Entwickelungen den Satz (II) des
Art. 16 an, so ergibt sich:
1 1 1 2 / TT a- , 7:2
IH 1 1- ... =-/ - . - dx = —
^ 32 ^ 52 ^ 72 ^ TzJ i 2 8
0
Ferner folgt aus der Gleichung (2) desselben Artikels :
111 2 / ( x^,i , 7:3
'22^32^42^ nj \2J 6
0
Diese beiden Resultate stimmen mit bekannten Formeln überein.
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. 711
Macht man ferner die Annahme, es sei ß = a, ohne jedoch
vorauszusetzen, dass a, ß ganze Zahlen seien, so findet sich das
weitere Resultat:
"^LlJ"^L 1.2 J "^L 1.2.3 J"T"" /■(l4-a)r(l+a)
wobei die Reihe linker Hand ohne Ende fortgeht.
Es ist nicht ohne Interesse zu bemerken , dass aus den vorher-
gehenden Resultaten eine Reihe für den reciproken Werth des
Euler'schen Integrals erster Art abgeleitet werden kann. In der
That, da:
r(l +a) = ar(a). F {\ -^ ß) = ß T {ß)
und ebenso :
r(l + a + ^) = (a + /9)rC/+^),
so erhält man die Gleichung:
«i? r^ ■ « ß . «(«-!) /?(/?-!) a(«-l)(a-2) /?(/?-!)(/?- 2) t
a^pL '^l'l'' 1.2 ■ 1.2 "• 1.2.3 * 1.2.3 "' "J
Für ß^\ — a erhält man ferner eine Reihe, welche den Werth
sin a;r
des Ausdrucks darstellt.
19.
Geht man von der bekannten Gleichung
sin-—) = log2-}- cos^-f — cos2a; + — cos3a7-f- •••
aus, und wendet man darauf den Satz (1) des Art. 16 an, so erfolgt:
\J [log sin ^"^dx = 2 [log 2]^ + 1 + 1 + ^^ + ^ -f • • .
0
oder, mit Rücksicht auf die Resultate des Art. 18:
|/[logsin^]'rfa; = 2[log2]'+^
712 Winckler.
Man kann dieser Gleichung eine andere Form geben, wenn man
X
log sin — = — t
also:
— 2 dl
dx =
Ve^( — 1
setzt. Es ergibt sieh alsdann:
= .77 + T ['«g ^r
ß
Ve^t -_ 1 24 2
0
Ich bemerke hierzu, dass aus den bekannten Gleichungen :
^(a?)^ log(l — 2acosa'-\-a^} = acosa^+— cos 2ir-|-— cos 3.c-|- . .
, y N / a sin a* \ . , ^^ • r, , '^^ . o ,
d;(x)= arctqx 1 = «sin x-\ — sin -d^-|-— sin 6x-\- .. .
vi — a cos a:/ 2 3
die beiden Resultate:
[log (1 — 2 a cos X -|- (t-)Y ^^
TT ( /a^\i /'a^\2 /'''<*\' )
= T r + y + (?) + (t) + • • ■!
erhalten werden , welche allgemeiner sind als einige der vorher-
gehenden, und welche zugleich zeigen, dass das erstere Integral das
Vierfache des letzteren ist.
Um eine letzte Anwendung der allgemeinen Formeln zu betrach-
ten, will ich die bekannte Entwickelung:
TT
<p(x) = cos ax =
sin «TT
1 2a 2a 2a
1- — cos X cos Ix -\- COS 6X — . . .
a ^ 13_ a2 22 - a2 '32— a2
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. T13
benutzen und dieselbe mit der analogen:
(p(x) = — — cos Qx =
1,2/3 2/3 o . 2^5 0
COS X cos ix H — cos 6x — . . .
/3 ^ 13— /32 22-/53 ' 32_ßa
verbinden; man erhält dann:
/cos ax cos ßx dx =
aß "^ (i2-a2) (13 — /33) "T" (23_a2) (22-/52) -r • • •
Führt man die Integration aus, so wird dadurch die Summe der
Reihe rechter Hand gefunden. Das Resultat dieser einfachen Rech-
nung ist das folgende:
1 1.1.1
■f •
2a2ß3 ' (12_a2) (12_,^2) ' (23_a2) (22_^2) ' (32_a3) (32-/52)
TT (a cotg ßi: — ß cotg ctt)
"" 2a,9 («2-/32)
Für den Fall, dass ß = a, ergibt sich hieraus :
11 1 1 ,
2a4 ^ (13— «2)2 ^ (22 — «2)2 ' (32_a2)2 '
TT (2a7r -)- sin 2a7r)
8«^ sin2 a?:
und für a = — die stark convergirende Reihe:
^Try 1 1 1 1 I * 1 ' I
vTJ ""¥''32~^i52~''352'632''992~'"'
wobei die Zahlen im Nenner eine arithmetische Reihe zweiter Ord-
nung bilden, deren constante Differenz = 8, und deren allgemeines
Glied =4^2 — 8w+3 ist.
20.
Das im Vorhergehenden angewendete Verfahren ist nicht das
einzige, durch welches aus der trigonometrischen Entwickelung
714 Winckler.
einer Function die Summen neuer Reihen, wenigstens in Form be-
stimmter Integrale, abgeleitet werden können; zu diesem Ziele führt
auch noch die folgende Betrachtung. Angenommen, die gegebene
Reihe schreite nicht nur nach Sinus oder Cosinus der Vielfachen
von X, sondern gleichzeitig auch nach den Potenzen einer zweiten
Grösse u fort, und es sei:
(p{x,\i) = AiU sin .r -f AoU^ sin 2.r + . . . + ^„m" sin nx -\- ...
so kann für die innerhalb gewisser Grenzen willkürliche Grösse u
eine Function von x, und zwar:
u = pe
gesetzt werden, und man wird haben :
f \x,pe ) =
Aipe smx-\-Azp~e sin2x-\-. ..-\-A,np"'e simnx-\- . . .{i)
Auf gleiche Weise wird man aus einer zweiten Eiitwickelung
der bezeichneten Art:
(p (^x,u) = BxU sin X -\- B^u^- siii2 x -\- . . .-\- BnU" sin nx + • • .
die Reihe finden:
^ \x,pe )
Bipe smx-\-Bzp'^e sin2^+. . . + 5„|0"e sinw.r + • • (2)
Dieses vorausgesetzt multiplicire man die Gleichungen (1) und
(2) und integrire hierauf nach x zwischen den Grenzen 0 und 7t,
so gelangt man, wie leicht zu sehen, zu der Gleichung:
fixpe j (p{x,pe J dx =
0
2^ AmB„p"'-<-" I e sin mx sin ?ix dx
Einige allg^emeine Sätze zur Theorie der Reihen. 715
wobei das Summenzeichen sich über alle Werthe erstreckt, welche
erhalten werden, wenn man für m und n alle ganzen Zahlen 1,2, 3 . . .
setzt. Dem Ausdruck unter dem Integralzeichen kann man die Form:
— V — 1 Jsin 2mx -\- sin 2nx — sin {2m -\- 2w) x\
-\ — ;- COS 2mx -\- cos 2nx — cos (2m + 2w) x — 1 1
geben, aus welcher sich unmittelbar ersehen lässt, dass, wenn weder
m noch n Null ist:
/•
Sin mx sin nx ax =
Hieraus folgt nun, dass die Gleichung:
2'^,„5„p'»+" = — ^ 1 (f (.r,/)/"^"*) </; (x,pe'''^~^) dx
stattfindet, um deren Begründung es sich handelte.
Die durch das Summenzeichen angedeutete Doppelreihe, in ex-
plicirter Form dargestellt, ist die folgende :
A,B,p^^{A,B, + Ä,B,)p^ + {A,B, + A,B, + A,B,) p'^ + . . .
so dass also die Summe dieser Reihe durch das obige Integral gege-
ben ist. Offenbar gilt der Satz auch noch in dem Falle, wenn allge-
mein An = Bn ist.
Das so eben befolgte Verfahren auf die beiden , als gegeben
vorausgesetzte Entwickelungen :
<p {x,u^ = AiU cos X -\- A.:,u~ cos 2x -]- . .-{- A,nU"^cosmx + . . .
^ {x,u) = BxU cos X -\- Bai- cos 2x -\- . .-\- Bn u" cosnx -f- . . .
angewendet, führt zu dem Ergebnisse, dass, weil für alle von Null
verschiedene Werthe von m und n das Integral:
/
e cos mx cos nx dx ^= 4- —
' 4
716 \V i n c k I e r.
ist, die Gleichung stattfindet:
wobei die durch das Summenzeichen angedeutete Doppelreihe in
entwickelter Form dieselbe ist, wie in dem vorhin betrachteten Falle.
21.
Der dritte in der vorliegenden Arbeit zu erörternde Gegenstand
steht zu dem soeben berührten in naher Beziehung, indem er sich
in ähnlicher Weise mit den Potenzreihen beschäftigt, wie der letztere
mit den trigonometrischen.
Im Jahre 1798 hat Parseval den merkwürdigen Satz gefun-
den und in den 3Iemoires pri'sentes ä f Institut, t. I, Paris 1805,
ohne Beweis veröffentlicht, dass man, wenn die Summen der beiden
Reihen:
6„ + 6,.r + M^ + 63.r= + ■ . • =^0^^)
bekannt sind, die Summe der aus dem Product gleichvielter Coeffi-
eienten gebildeten Glieder finden, nämlich, vermöge der Gleichung:
— TT
durch ein bestimmtes Integral darstellen kann.
Dieser Satz ist einer wesentlichen Verallgemeinerung fähig; er
lässt sich nämlich auf eine beliebige Anzahl von Potenzreihen und
die aus deren gleichvielten Gliedern gebildeten Producte ausdehnen.
Um dieses näher zu zeigen, werde ich vorerst den Parseval-
schen Satz für zwei Reihen in etwas allgemeinerer Fassung nach-
weisen.
Angenommen es seien die beiden, als convergent voraus-
gesetzten Reihen:
(In -f ftiu + a.,u- + r<3?<3 + . . . + n„.u"' -f . . . = (p(i()
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. .TIT
gegeben und es werde in der ersten
u = pe
in der letzten dagegen
u = e
gesetzt, und wenn dies geschehen, das Product der beiden Reihen
gebildet, so wird man die Gleichung erhalten:
Ia,nbnp"' .e = ^[pe ) <P[e j
worin für m und n alle ganzen Zahlen von 0 bis oo zu setzen sind.
Integrirt man nun diese Gleichung nach x zwischen den Gren-
zen — 71 und + 7t und bemerkt man, dass, so lange m und n von
einander verschieden sind:
/
dx = / [cos {m — w) X -\- V — 1 sin (m — n) xl^dx = Q
und nur in dem Falle, wenn ni = n ist, das Integral einen von
Null verschiedenen Werth, nämlich 2;r, erhält, so ist klar, dass
die aus der Multiplication und Integration hervorgehende Reihe die
folgende ist:
«0^0 + »ibip + a^bip^ + -h ct,nb,np"' + . . .
woraus der Parseval'sche Satz unmittelbar folgt, wenn man p = i
setzt.
22.
Wird in der soeben begründeten Gleichung u für p gesetzt und
dann deren rechte Seite durch f {ii) bezeichnet, so folgt:
«0*0 + «l^lW + UzbiU^ + . . . -f (LnhuW" -j- . . . = f{u)
718 Winckler.
Ist nun noch eine dritte Reihe:
Co + CiU + C.,IC^ + . . . + Cnll" 4- ... = /(m)
gegeben und wendet man auf diese beiden Reihen den vorhin bewie-
senen Satz an, so ergibt sich in gleicher Weise wie oben:
— TT
Nun ist aber:
folglich hat man die Gleichung:
«0*0^0 + aJhCip + n.boc.p'^ + . . . -f n„,b,nC,np"' + . . .
f (z?/"'^''^ " '] ^'' [e'"" ~ *) / [e~^ ~ ^) dx dy.
Wie man auf diese Art weiter gehen und den im vorigen Arti-
kel bewiesenen Satz allgemein auf w Reihen ausdehnen könne, ist
so leicht einzusehen, dass es einer weiteren Auseinandersetzung
nicht bedarf.
Das Resultat aber ist sehr bemerkenswerth und besteht in dem
folgenden
Theorem. Sind die Summen der n -\- 1 Reihen:
«0 + (ii^i + (tili' + • • • 4- «'«w" -f ... = (p(u)
bo + btu + b.if^ + . . . + b,„u'" + . . . = ^(w)
Co -f CiU + Co?i2 _^ . . . -|_ CnW". + ... = X («)
8o + 8iw + 8,W^ + . . . H- 3,„M"' + . . . = ^ (w)
insgesammt gegeben und bezeichnen .r, y , z, . . . der
Zahl nach 7i Integrations veränderliche, so findet die
Gleichung Statt:
Kinig'e nllgemeine Siilzo zur Tlieorio dpr Reihen. / I 0
(f ipe^ y - ■■ ]<P\e ]^-\^ " \ dxdydz..
Setzt man alle Reihen auch dann noch als convcrgent vorans,
wenn n der Einheit gleich wird, so darf in der letztern Gleichung
auch /> = 1 gesetzt werden.
So wie man in den ohigen Gleichungen die Charakteristiken
<p, <p, X> • •> ohne die Richtigkeit derselhen aufzuheben, mit ein-
ander vertauschen könnte, so würde sich, wetin man in der Formel:
rtü^) + «iVi + «a^ajO- + . . . -f ('mbnifj'" + . . .
— ^
dem Argument von ^ noch den Factor p beifügte, nichts ändern,
als dass in der Reihe linker Hand durchgehends p^ für p gesetzt
werden müsste, so dass man hätte:
fiobo + fiibip- + a.b.p'* + . . . -j- a,nb,np^"' -f . . .
— TT
Ähnliches würde in der allgemeinen Gleichung des vorigen
Artikels eintreten.
23.
Um den Nutzen und die Bedeutung dieser Formeln näher zu
zeigen, werde ich dieselben auf einige besondere Fälle anwenden.
Bezeichnet man, wie üblich, mit X,j die allgemeine Form der
Kugelfunctionen von einer Veränderlichen, so ist:
= X„ + Xfii + AV'- -f • • • -|- X,m" -f . . .
Vi -2.rw r "^
Sitzl). .1. mntliem.-iiiitiirw. (1. XLI. Bd. Nr. 10. äO
720
W i II !• k I e r.
Nimmt m:in ferner in der ;un Sehltisse des vorigen Artikels ange-
führten Gleichung an , es sei :
dann ist :
a„ = b„ = Xn
und jnan erhält die Gleichung:
Xo' -f x'p-^ + x^V* -f . . . + X„V" + . .
1 r+^ dt
^'^ I \ / <\/— 1 2 2tv/_l
1 — 2a-pe + p e
y:
—t^— 1 3 — 2< \/— 1
2a!;oe + i» ß
Durch Entwickelung des Productes unter den Wurzelzeichen
erhält man den Ausdruck:
(1 — fj-}' -f 4//".^" — 4^.p (1 4- /> ) cos ^ + 4/) cos t
woraus folgt, dass die Integration sich auf eine gerade Function
bezieht, so dass man dem Integral die Form:
df
-f- ip^x^ — ipx (1 4- p~) cos t + 4/)2 eos~ t
gehen kann. Setzt man hierin cos t = ii , so nimmt der Ausdruck
unter der Wurzel eine rationale Form an, und man erhält die
Gleichung:
x„' + xvp-^ + x.v* -f . . . + x;v^» + . . .
ft /i
(1)
-I
Diese Gleichung verliert für p = 1 ihre Giltigkeit, weil die
R( ilie :
,, 2
Xo- + xr + X + . . . + X/+ . . .
divergent ist. Für alle von der Einheit verschiedenen Werthe von
/> wird, wie man sieht, die Summe der Reihe durch elliptische
Integrale dargestellt.
Einige allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. 72 1
^ . ^. . ,.^ 1.3.5J.. (w — 1)
Für .r = 0 ist A„ = ( — 1)~ ^ — wenn n gerade
und X,j = 0 , wenn n ungerade ist.
Bemerkt man ausserdem, dass für ar = 0 die Function unter
dem Integralzeichen eine gerade ist, und setzt man /> für />3, so geht
die Gleichung (I) über in die folgende:
2 C^ du
' + (t) f" + (o) '^ + i^ '"+■••
Wird hierin ?< = cos.r, also 2u^ — 1 = cos 2x gesetzt und
das Integral durch die Reihe ausgedrückt, findet man die Gleichung :
welche sich wohl auch auf anderem Wege verificiren Hesse.
24.
In der Gleichung, welche am Schlüsse des Artikels 22 erhalten
worden ist, sei :
(p (u) = (i — uy , (p (u) = (1 + riy , /> = 1
also :
f^ i , «(öt — 1) , a(«-i)(a — 2) ^
(p (m) = 1 _ «„ -j __ M^ ^-^-^ u- + . . .
... 1 . /P , /5(/5-l) ,, ^05-1)05-2)
Es ergibt sich dann:
« (« - 1) ß G5f - 1) a (« -1) (a -2) /gQg-l) (,3-2)
1 — o.ii A — — r • • •
^^ 1.2 1.2 1.2.3 1.2.3 '
ÖÜ'
722 ^^ i II (• k I e r.
Um diesem Integral eine andere Darstellung zu geben, will ich
es vor allem so umgestalten, dass Null die untere Grenze wird.
Man erhält dann :
Ferner lässt sich bewirken, dass alle Potenzen das positive
Zeichen erhalten; man braucht zu dem Ende nur zu bemerken, dass
e—~ ~*= — 1 ist und dass man also schreiben kann:
j ( 1 -f .-(-0^^)«(1 -f e-^^^'y-\- ( 1 +e(-0 ^^)«(1 +^'^^)''j dt
Da aber, wie sich zeigen lässt, die binomische Entwickelung
den einfachsten Werth der entsprechenden Potenz darstellt, so muss:
(t + . ) =(2cos— j..
gesetzt werden , so dass man die weitere Transformation :
oder endlich;
'ysi,
2"" "' ■ / sin" f cos" 4 cos ^ [«^ + O' — «) '] '"
0
erhält. Wenn man hierin t = 2.p setzt und dann in die Gleichung
substituirt, so geht diese über in die folgende:
in« .r COS'* X cos f— + (/? — a) x\ dv =
n t «(a-l),3G5f-l) a(a-l)(«-2)/?0S-lJ(p-2j )
ia+^+ij^ '^'^'^ 1.2 1.2 1.2.3 1.2. 3 ~^"\
Sil
0
Einigte allgemeine Sätze zur Theorie der Reihen. 723
wobei, wie sieh leicht zeigen lässt, auch das Integral bezüglich
a und y9 eine symmetrische Function ist.
P'ür y9 = a lässt sich das Integral durch Gammafunctionen aus-
drücken. Setzt man nämlich sin x = Vt, so geht es über in:
1 / 2 ' 2 a- , \ 2 J \ 2 ) an
- / / . (1—0 . COS ^ dt = — cos —
0
Man hat also in diesem Falle die Gleichung:
l_a- r«(«-t)l- j-a( «-!)(«- 2) 13 ra(a - l)(öt— 2)(a-3),2
" L 1.2 J L 1.2.3 J ^L
1.2.3.4 J
= — cos — .
2 /'(« + !)
Man sieht hieraus, dass die Summe der Reihe immer verschwin-
det, wenn a eine positive ungerade Zahl ist, dass aber, wenn
a = 2w eine gerade Zahl bedeutet, die Reihe, welche in diesem
Falle ebenfalls abbricht, die folgende Summe hat:
' L 1.2.3.4 J L J T^
., ^, 1.3.5. .. (2m — 1)
= ( IV. 2-" ^^
^ ^ 2.4.6...2n
Diese Gleichung, welche meines Wissens neu ist, bilde
gewissermassen den zweiten Fall der im Artikel 18 nachgewiesenen
Gleichung von Lagrange, welche dieselben Glieder, wie die
obige , aber keine Zeiehenwechsel hat.
25.
Um den Satz des Artikels 22 auf einen besondern Fall anzu-
wenden, will ich annehmen, es sei:
if {li) = (1 -f nf , ^ {n) = (1 -f .0" ' / (") = (1 + ^'Y '■■■
und p =z \. Der Ausdruck unter dem Integralzeichen erhält dann
die Form :
724 Win ekler. Eiiiif^e allgemeine Sätze zur Theorie der I{eihen.
oder, wenn man jede Potenz auf Modul und Argument reducirt :
^ COS cos — cos — ...e
2 2 2
Trennt man das Reelle vom Imaginären und bemerkt, dass das
auf Letzteres sich beziehende Integral nothwendig Null sein muss,
setzt man ferner 2a% 2y, 2z, . . . resp. für ,v, y, z, . . . so führt der
bezeichnete allgemeine Satz zu der folgenden bemerkenswerthen
Gleichung:
/ / •• • / cos" (^x-\-y-\-z-\- . . ) cos'* ,v cos'^ ?/••••
2
X cos [(« — ß) x-\- (a — r) 2/+ • •] doedydz .
|i+«/?r..+
2a+ß+r+.. i ' ' ' 1.2 1.2 1.2
«(a-l)(a-2) ,3 03-1)03-2) y (^-1) (^-2) )
"^ 1.2.3 1.2.3 1.2.3 • • "T • j
wobei die Grössen a, ß, y, ■ ■ • der Zahl nach ii -\- i sind und n
die Ordnung des Integrals ist.
Für a =^ ß = y ^= . . . geht diese Gleichung in die folgende
über:
ff:f
[cos(£C-\-y-\-z-\- . .) cos .y cos 2/ cos 2. .Y^dxdydz,
-a(a— 1)Y'+' ra(a— l)(a-2)-i''+*
TT ( ^, pafa— l)T'+i rara— l)(a— 2)T'+l ,, . J
2(n+l)a( ' ^1 i.2 J 'I 1.2.3 J ^ ' ^ )
aus welcher man für w = 1 ein früheres Resultat wieder findet.
Ohne auf die Erörterung weiterer Einzelheiten einzugehen,
schliesse ich hiermit die vorliegende Arbeit, deren Zweck es vor
Allem war, die beträchtliche Allgemeinheit der zur Sprache gebrach-
ten Sätze hervorzuheben.
A. Schriitter. Üher das Vcjrkomineii ties Ozons im Mineralreiclie. /^Ö
Über das Vorkommen des Ozons im Mineralreiche.
Voll Prof. A. Schröttcr.
(Vorgelegt in der Sitzung- vom 12. Juli 1860').
Schon in den älteren Werken über Mineralogie , wie unter
andern in dem Handbuche von Hoffmann 2) w'wA eine schwärzlich-
violbiaue, zusammengesetzte derbe Varietät von Flussspath aufgeführt,
der bei „Welsendorf" in der Ober-Pfalz unweit Amberg im geschich-
teten Granit bricht und dadurch ausgezeichnet ist, dass derselbe
beim Ritzen mit einem harten Körper oder noch mehr beim Zer-
reiben in einem Mörser einen starken, eigenthümlichen Geruch ver-
breitet. Dieser Geruch ist nach einigen Angaben ein bituminöser,
nach anderen, wie bei Hoffmann, dem der Salzsäure ähnlich. In dem
zweiten Theile der „Naturgeschichte des Mineralreiches von Mobs",
bearbeitet von Zippe (1839), wird S. 83 dieser Geruch als dem des
Chlors ähnlich angegeben, nach Anderen ist er mit dem des Jodes
übereinstimmend.
Schaffhäutl, der bisher allein die Ursache dieses Geruches
näher zu ermitteln suchte, findet ihn entschieden dem ähnlich, der
sich aus angehauchtem oder der Luft ausgesetztem Chlorkalk ent-
wickelt, und schreibt ihn einem Gehalte an „chloriger Säure" zu,
deren Vorhandensein er darin nach seinen Versuchen annehmen zu
können glaubt s). Aus dem Folgenden wird sich aber ergeben, dass
') Eine vorläufige Mittheilung über diesen Gegenstand habe ich bereits in der Sitzung
vom 16. Februar gemacht.
~) Dritter Band, 1. Abth. S. 102, 1816.
*) Annalen der Chem. und Pharm. Bd. 46, S. 344. 1843. Der Fundort des Fluss-
spathes heisst dort „Welserdorf", was sicher ein Druckfehler ist. In allen vor
der citirten Arbeit erschienenen Werken findet sich nur der Name Welsendorf,
erst in den spüteren, wo die Angaben Scha ff ha utl's benützt wurden, kömmt
„Welserdorf" voi-. Auf der Generalstabskarte des Königreichs Bayera steht
„Wöisendorf"' und dieser Name ist daher der richtige. Ferner ist im obigen
Aufsatze wohl die un te r c h 1 o ri g e, nicht die chl or ige Säure gemeint, da im
vorliegenden Falle nur von dieser die Rede sein kann.
726 S c h r ö t t (' r.
dieselben hiezu nicht genügten, wie auch schon v. Lieb ig in einer
Anmerkung zu dem citirten Aufsatze angedeutet hat. Es ist übrigens
nicht zu leugnen, dass der Geruch des Minerales beim Zerreiben dem
der unterchlorigen Säure, besonders bei einigen Stücken, ziemlich
ähnlich ist.
Zippe gibt zuerst in seinem neuesten Lehrbuche der Minera-
logie (Wien, 18S9) an, dass einige, besonders die derben schwärz-
lich-violetten Abänderungen des Flussspathes beim Reiben nach Ozon
riechen i).
Dieser Umstand war es, der mich veranlasste die Sache näh<M-
zu untersuchen, zumal da Director Hörn es die Gefälligkeit hatte,
mir ein Stück des Flussspathes von Wölsendurf anzubieten , das
schon beim Reiben mit einer Messerspitze stark und zwar, wie Zippe
angibt, nach Ozon roch. Es stammte ans einer älteren Sammlung und
war durch Krantz nach Wien gelangt.
Zerreibt man ein auch imr erbsengrosscs Stückchen dieses
Flussspathes in einem Achatmörser, so verbreitet sich ein Geruch, der
so unverkennbar der des Ozons ist, dass darüber kein Zweifel ent-
stehen kann. Der Geruch ist so stark und unangenehm, dass der Name
„Stinkfluss" , den die Bergleute dem Minerale gegeben haben, ganz
gerechtfertigt erscheint, und es begreiflich wird, dass sie, wieScha ff-
h ä u 1 1 angibt, beim Brechen desselben von Unwohlsein befallen werden.
So aufl"allen(i und charakteristisch dieser Geruch aber auch ist,
so genügt dieses einzige Merkmal doch nicht, weder das so unerwar-
tete Vorkommen von Ozon in einem Minerale sicherzustellen, noch
das von Schaffhäu tl behauptete Vorhandensein der unterchlorigen
Säure in demselben auszuschliessen.
Hierüber lässt sich nur durch unzweideutige Versuche ent-
scheiden, die einen directen Reweis für den einen oder den anderen
der beiden Körper liefern. Diesen zu führen war aber mit besonderen
Schwierigkeiten verbunden , da die Reactionen der unterchlorigen
Säure und die des Ozons durchgeliends dieselben sind , nämlich
kräftige Oxydationen, und überdies noch in dem Minerale eine Chlor-
verbindung enthalten ist, obwohl keine flüchtige, wie später gezeigt
werden wird. Auch machen die geringen Mengen, um die es sich hier
handelt, die Sache schwieriger als sonst der Fall wäre.
1) Im Ti'xlc S. oOIJ lieisst es AWiir „ii.icli Clil(M;iiis'', iii 'ieii Vorbesscruiigen ist aber
über das Vorkommen des Ozons im Mineralreiche. 727
Ich will nun zuerst das von mir beobachtete Verhalten des
Minerals gegen andereKörper beschreiben und dann zu den weiteren
damit angestellten Versuchen übergehen.
Wird das Mineral unter einer Stärkelösung zerrieben und
.Todkalium zugesetzt, so tritt sogleich die intensivste Jodreaction ein.
Zerreibt man das Mineral unter einer Lösung von Jodkalium, so
färbt sich die Flüssigkeit von ausgeschiedenem Jod bräunlich und es
verbreitet sich ein merklicher Jodgeruch.
Zerreibt man das Mineral trocken für sich, und hält einen
befeuchteten Streifen Jodkaliumstärkepapier darüber, so färbt sich
derselbe bald intensiv blau.
Alle diese Erscheinungen lassen sich bei Beobachtung der
nöthigen Vorsichten auch mittelst Chlorkalk oder unterchloriger
Säure hervorbringen.
Zerreibt man das Mineral unter Wasser, so verbreitet sich ein
starker Geruch, der dem des Ozons am ähnlichsten ist, und daher
auch an den der unterchlorigei! Säure erinnert. Das von dem Minerale
abfiltrirte Wasser zeigt weder eine Reaction auf Jodkaliumstärke,
noch auf Chlor, was beides bei unterchloriger Säure eintreten
würde. Schon dieser Versuch zeigt also, dass die Ursache des
Geruches nicht in der Gegenwart einer Chlorverbindung liegen könne.
Wird das Mineral unter einer Lösung von reinem kohlensauren
Kali zerrieben, so entwickelt sich ein fast noch stärkerer Geruch als
bei Wasser, und was sehr auffallend ist, dieser Geruch hat viel mehr
Ähnlichkeit mit dem der unterchlorigen Säure als mit dem des Ozons.
Bei Anwendung einer Lösung von Ätzkali verhält sich das Mineral
ganz ebenso. In beiden Fällen verschwindet der Geruch nach dem
Zerreiben sogleich. Die von dem Minerale abfiltrirte alkalische
Flüssigkeit wurde auf Chlor geprüft, aber nur eine so zweideutige
Reaction erhalten , dass nicht mit Sicherheit angegeben werden
kann, ob wirklich Chlor darin enthalten war. Wie vorauszusehen,
zeigt Chlorkalk unter denselben Umständen ein von dem des Mine-
rals ganz verschiedenes Verhalten. Mit kohlensaurem Kali ist der
Geruch ein viel schwächerer aber anhaltender, bei Ätzkali ist er gar
nicht merkbar.
Es wurde schon oben angegeben, dass das Mineral aus dem
Jodkalium das Jod austreibt, dasselbe gilt auch, wie zu erwarten
war, von den Rromverbindunuen.
7)CÖ Seh rotten.
Sehr auffallend und für die vorliegende Frage entscheidend
ist aber die Thatsache, dass das Mineral mit Kochsalz zusammen-
gerieben aus demselben auch das Chlor ausscheidet.
Dies ist nicht nur durch den ganz bestimmten Chlorgeruch,
der sich hierbei entwickelt, zu erkennen, sondern auch durch die
deutliche Chlorreaction, welche eintritt, wenn eine mit Silber-
chloridJüsung benetzte Glasplatte über das mit befeuchtetem Koch-
salze gemischte Mineral gleich nach dem Zusammenreiben gehalten
wird. Hieraus geht unzweifelhaft hervor, dass das riechende Prin-
cip des VVölsendorfer Flussspathes keine Chlorverbindung ist, da
doch nicht angenommen werden kann, dass in diesem Falle Chlor von
einer Chlorverbindung ausgetrieben wird. Ebenso sicher folgt hieraus
ferner, dass das Ozon die Ursache dieses Geruches ist, denn unter
den gegebenen Umständen vermag nur der Sauerstoff in seiner
allotropen Modilication als Ozon das Chlor aus den festesten Chlor-
verbindungen auszutreiben, wie schon Schönbein und später
Baumert bei .seinen vortrefflichen Untersuchungen über das Ozon
gezeigt hat.
Der folgende Versuch spricht nicht weniger bestimmt für die
Gegenwart des Ozons in dem Minerale. Wird dasselbe nämlich mit
Russ, der vorher durch Kohlensulfid von allen anhängenden Theer-
bestandtheilen befreit war, und imr Spuren von Asche hinterliess,
trocken oder mit Wasser benetzt zusammengerieben, so ist keine
Spur eines Geruches wahrzunehmen. Bei Chlorkalk ist der Geruch
anfangs zwar auch schwächer als sonst, er tritt aber bald und zwar
ganz unverändert hervor.
Beim Zusammenreiben des Minerals mit Schwefel nimmt man einen
Geruch wahr, der ziemlich deutlich an den des Chlorschwefels erinnert.
Unter allen angeführten Thatsachen sind nur zwei, nämlich
die eben angegebene und das V' erhalten des Minerals beim Zerreiben
unter Kalilösung, die auf unterchlorige Säure hindeuten, sich aber
nur auf den Geruch beziehen. Direct für diese Säure spricht kein
einziger Versuch, wohl aber sprechen mehrere bestimmt dagegen.
Ich werde weiter unten auf das Verhalten gegen Schwefel und bei
Kalilösung zurückkormnen.
Es war nun noch iiöthig das Verhalten des Minerales beim
Erwärmen zu untersuchen. Wird es auf einem Platinlöffel vorsichtig
erwärmt, so ist bei einer gewissen Temperatur ein ziemlich rasch
über das Vorkoinincii des Ozons im IMineralreicIie.
729
verschwindender Ozongeruch wahrnehmbar. Beim stärkeren Er-
wärmen ist nichts mehr davon merkbar. Die blau gebh'ebeneii Stücke
riechen aber beim Zerreiben selbst dann noch, wenn sie sich schon
angefangen haben zu entfärben.
Beim stärkeren Erhitzen verliert das Mineral gänzlich seine
dunkelblaue Farbe und erscheint dann von beigemengtem Eisenoxyd
blass-röthlich gefärbt.
Bringt man ein auch nur erbsengrosses Stückchen des Mine-
rales in eine Proberöbre und hält mittelst eines Glasstabes einen
befeuchteten Streifen Jodkaliumstärkepapier in dieselbe, während
man die Stelle wo das Mineral liegt, erwärmt, so wird das Papier
anfangs blau, dann sogar ganz schwarz, wie nur immer bei der
stärkeren Jodausscheidung.
Die Temperatur, bei der diese Reaction eintritt, konnte ich bis-
her nicht genau bestimmen. Aufltjllend ist es aber, dass das Mineral
unter schmelzendem Parafin bis zu einer Temperatur von 310*^ C.
erhitzt, noch ganz unverändert bleibt und nach dem Erkalten zerrieben
den ursprünglichen Geruch zeigt.
Auf das angegebene Verhalten des Minerales beim Erwärmen
liess sich ein Verfahren gründen, um definitiv zu entscheiden, ob
wirklich Ozon in demselben enthalten ist oder nicht. Zu diesem
Behufe wurde es in einer Verbrennungsröhre in einem langsamen
Strome von atmosphärischer Luft erhitzt, und dieser dann über stark
glühende Porzellanslücke geleitet, die sich in dem vorderen Theile des
Rohres befanden, der schief abwärts gebogen und eng ausgezogen war.
Dieser Theil der Röhre
wurde in einen wie
die nebenstehende Figur
zeigt gestalteten Kugel-
apparat, der in Vg der
Naturgrösse dargestellt
ist und Jodkaliumstärke-
lösung enthielt, geleitet.
Diese war, wie ich mich vorher mittelst höchst verdünnten Chlor-
wassers überzeugte, von äusserster Empfindlichkeit. Die atmosphä-
rische Luft welche aus einem Gasometer zuströmte, ging zuerst
durch eine concentrirte Ätznatronlösung, dann durch ein Rohr mit
Baumwolle.
730 Schrotte r.
Enthält nun das Mineral nur Ozon, so darf die Jodkaliumstärke-
lösung von dem durch sie gehenden Luftstrom keine Änderung
erleiden, da das Ozon, indem es durcli die erhitzten Porzellanstüeke
j^eht, vollkommen zerstört, d.h. in die sogenannte passive, gewöiiti-
liche Modification des Sauerstoffes umgewandelt wird. Ist hin-
gegen unterchlorige Säure allein in dem Minerale enthalten, so wird
dieselbe durch die erhitzten Porzellanstücke in Chlor und Sauerstoff
zerlegt, ersteres scheidet aber dann Jod aus und die vorgeschlagene
Flüssigkeit muss gebläut werden. Wären endlich sowohl Ozon als
auch unterchlorige Säure in dem Minerale vorhanden, so würde
zwar eine Abscheidung von Jod stattfinden, diese müsste aber um
so geringer sein, je grösser die in dem Minerale enthaltene Menge
von Ozon im Verhältnisse zur Menge der unterchlorigen Säure wäre.
Der Versuch zeigte, dass nur eine höchst unbedeutende, gar
nicht in Betracht kommende Abscheidung von Jod an dem Rande der
Röhre, durch welche die Luft in die Stärkelösung trat, stattfand,
eine Reaction, welche offenbar nur von einer höchst geringen Menge
Ozon herrührte, die der Zersetzung trotz aller Vorsicht entgangen war.
Der Versuch wurde überdies mit 19 Grammen Flussspath angestellt,
durch welche, nach den weiter unten angegebenen Daten , minde-
stens 0'03 Grm. Jod ausgeschieden worden wären, die eine ausser-
ordentlich starke Reaction hervorgebracht hätten. Es handelt sich
also nicht um zweifelhafte Anzeigen, und das Resultat muss als ein
absolut verneinendes angesehen werden. Bei einem früheren Versuche,
wo die Schichte der Porzellanstückchen, durch welche die Luft strei-
chen musste, nicht genug lang war, und auch nicht hinreichend stark
erhitzt wurde, nahm die ganze Stärkeflüssigkeit eine lichte blaue
Färbung an, was deutlich zeigt, dass die Spur von Jodabscbeidung,
die bei dem oben beschriebenen Versuche noch stattfand, durcii eine
etwas längere Schichte von Porzellansfückchen vollständig hätte ver-
mieden werden können.
Es wurde mm ganz auf dieselbe Weise ein Versuch gemacht,
bei welchem aber statt Jodkaliumstärke eine Lösung von salpeter-
saureni Silberoxyd in dem Kngelapparate sich befand. Dieser Ver-
such ergab, dass keine Spur von Silberchlorid abgeschieden wurde,
dass das Mineral also keine flüchtige Chlorverbindung enthält.
Fasst man nun alle hier angeführten Thatsachen zusammen, so
kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Flussspath von
über das Vorkommen des Ozons im Mineralreiche, 731
Wülsendorf Ozon enthält, und dass dieses den Geruch und die Reae-
tionen desselben bedingt. Es mag nun noch die Menge desselben be-
stimmt werden, da es doch, wenn diese auch sehr variabel sein muss,
von Interesse ist, eine Vorstellung hierüber zu erhalten.
Es wurde zu diesem Behufe eine gewogene Menge des Minerales
unter Jodkaliumstärke im Achatmörser möglichst fein zerrieben,
unterschwefligsaures Natron von bekanntem Gehalte bis zur Zer-
störung der blauen Farbe zugesetzt und dann mit Jodlösung zurück-
titrirt, um das im Überschuss zugesetzte unterschwefligsaure Natron
zu bestimmen.
Die erhaltenen Resultate sind folgende:
I. Die mit 1-6 Grm. Flussspath erhaltene tiefblaue Flüssig-
keit wurde mit 0"2o Kub.-Cent. Normallösung von unterschweflig-
saurem Natron entfärbt, welche 0*00606 Jod zu binden vermochte,
da in 4 Kub.-Cent. derselben 0-1896 Grm. unterschwefligsaures
Natron enthalten waren, welchen 0'09701 Jod entsprechen. Zum
Zurücktitriren wurden 1-2 Kub.-Cent. Jodlösung gebraucht, in
welchen 000119 Jod enthalten waren.
Die durch das Mineral ausgeschiedene Jodmenge beträgt
demnach
0-00606 — 0-00 119= 000487.
II. Für 6'654 Grm. Flussspath wurden 0*6 Kub.-Cent. von obiger
Lösung des unterschwefligsauren Natrons verbraucht ; zum Zurück-
titriren waren 2*4 Kub.-Cent. derselben Jodlösung erforderlich, die
ausgeschiedene Jodmenge beträgt demnach
0-01455 - 000238 = 001217
III. Für 5-822 Grm. Flussspath wurden 1 Kub.-Cent. unter-
schwefligsaures Natron verwendet, zum Zurücktitriren 14-4 Jod-
lösung. Die ausgeschiedene Jodmenge beträgt demnach
0-02425 — 0-01428 = 0-00997.
Berechnet man diese Resultate auf Ozon , indem man für
1 Äquivalent Jod, 1 Äquivalent Sauerstoff setzt, so hat man in Per-
centen
I. 0-3043 Jod, daher 0-0191 Ozon,
0-1828 „ „ 0-0115 „
0-1712 , „ 00108
Jede dieser Zahlen drückt die in den untersuchten Stücken
des Minerales enthaltene Ozonmenge sehr genau aus , was in der
732 Sehr ö t t e r.
Natur der Methode liegt. Dass die erste Bestimmung eine fast doppelt
so grosse Zahl gab als die beiden anderen, hat seinen Grund darin,
dass zu derselben möglichst reine, von dem den Flussspath in allen
Richtungen durchsetzenden Quarze möglichst freie Stücke genommen
wurden, während zu den beiden anderen Bestimmungen Stückchen
dienten, die nicht besonders ausgewählt wurden. Man wird also der
Wahrheit wohl sehr nahekommen, wenn man 0-02 Percent als das Maxi-
Miumdes Gehaltes an Ozon für denP'lussspath von Wölsendorf annimmt.
Mehr davon dürfte sich wohl kaum darin finden , denn alle andern
Stücke, die ich erhielt, zeigten einen weit schwächeren Geruch als
das mir zuerst von Director Hörn es zugekommene. Selbst in einer
bedeutenden Sendung, die ich der Güte des Herrn Bergrathes
Gümbel in München verdanke, der die Gefälligkeit hatte den
Flussspath besonders für mich in Wölsendorf brechen zu lassen,
fand sich nicht ein Stück, das die Ozonreaction so stark gezeigt
hätte als das zuerst erhaltene. Ich habe daher auch alle hier
beschriebenen Versuche nnt einem Theile dieses Stückes gemacht,
und zu denselben nur etwa 300 Grammen des Minerales ver-
brauchen körmen.
Ich will nun auf den bereits mitgetheilten Umstand zurück-
kommen, dass beim Zusammenreiben des Flussspathes mit Alkalien
der Geruch bedeutend verändert und dem der unterchlorigen Säure
viel ähnlicher wird. Es bleibt dies jedenfalls eine sehr beachtens-
werthe Thatsache, die wohl, bis nicht bedeutend grössere Mengen
eines sehr ozonreichen Flussspathes zur Untersuchung verwendet
werden können, kaum ihre genügende Erklärung finden wird. Rührt
der durch die Alkalien so auffallend modificirte Geruch wirklich von
unterchloriger Säure her, was freilich erst durch einen directen Ver-
such erwiesen werden müsste, so konnte diese wohl nur dadurch entste-
hen, dass das Ozon die in dem Minerale enthaltene, wie oben gezeigt
wurde, nicht flüchtige Chlorverbindung zerlegt, und daraus nicht
blos das Chlor austreibt, sondern es noch überdies zu unterchlo-
riger Säure oxydirt. Der Umstand, dass der Geruch beim Zerreiben
des Minerales unter Ätzkalilösung fast ganz so ist wie beim kohlen-
sauren Kali, spricht freilich nicht für diese Ansicht, da im ersteren
Falle der Geruch ganz verschwinden sollte. Leitet man stark ozonirte
Luft, wie man sie mittelst des vortrelTlichen Apparates von Siemens
erhält, durch Kalilösung, so ändert sich der Geruch gar nicht; wendet
über ilas Vorkommen dos Ozons im Minernlreiclie. T33
man aber eine Kochsalzlösung an , so tritt in der Tliat eine freilich
nur sehr schwache Reaction ein, wenn man Jodkaliumstärkelösung
nach einiger Zeit zusetzt. Ich muss die weitere Prüfung dieser
Ansicht für jetzt verschieben , denke aher später wieder darauf
zurückzukommen.
Kine weitere Frage ist die über die Entstehung, und die Art
wie das Ozon in dem Minerale vorhanden ist. Hängt das Auftreten
des Ozons mit dem färbenden Principe des Flussspatlies zusammen?
Welcher Natur ist dieses? Ist ozonirte Luft in dem Minerale ein-
geschlossen , wie ähnliche Einschlüsse oft genug bei anderen
Mineralien beobachtet wurden? Ist vielleicht nur jener Flussspath
von der bestimmten Varietät ozonhaltig , der längere Zeit der
Einwirkung des Lichtes ausgesetzt war? Über diese und ähn-
liche Fragen Untersuchungen anzustellen, war gegenwärtig nicht
meine Absicht , ich wollte vorläufig nur feststellen , dass Ozon
in dem Minerale enthalten sei. Sehr wahrscheinlich ist es fertisr
darin vorhanden, da sonst durch Reiben oder durch Erwärmen
Ozon entstehen müsste , was bei der Verschiedenheit dieser
beiden Vorgänge im vorliegenden Falle doch wohl nicht anzunehmen
ist. Das Ozon ist kein so leicht veränderlicher Körper, dass es nicht
lange Zeit in dem Minerale enthalten sein könnte, da es doch sogar
im Terpentinöl, Äther u. dgl. jahrelang unverändert bestehen kann.
Es schien mir daher von einigem Interesse zu versuchen , ob nicht
Stücke der geeigneten Varietät desFlussspathes, die kein oder nur sehr
wenig Ozon enthielten, sich stärker damit beladen , wenn sie längere
Zeit einer ozonhaltigen Luft ausgesetzt wurden. Es wurden zu
diesemBehufe ungefähr 40 Gramme erbsengrosser Stücke Flussspath
von gleichförmiger Beschaffenheit in zwei Partien getheilt, so dass
man annehmen konnte, die in jeder derselben enthaltene Menge von
Ozon sei die gleiche.
16-9 Gramme dieses Flussspathes wurden mit Jodkaliumstärke
zusammengerieben und nach dem obigen Verfahren der Ozongehalt
bestimmt. Es wurden durch dieselben 0-0003 Gramme Jod abge-
schieden, was einem Ozongehalte von O'OOOll Percent entspricht.
Die zweite Partie dieses Flussspathes wurde nun durch sechs
Stunden in einer Röhre einem Strome von stark ozonirter Luft aus-
gesetzt. 16-027 Grm. des Minerals schieden 0-00278 Grm. Jod aus;
dies entspricht einem Gehalte von O'OOI Percent Ozon.
7lJ4 -^^ Sehrötter. Über das Vorkommen des O/.oiis im Mineralreiche.
Es hatte sich also der Ozongchalt in dieser kurzen Zeit nahe
verzehnfacht und dieser Unterschied war, was gewiss mcikwüi-dig ist,
hei diesen an sich so kleinen Mengen sogar durch den Geruch heim
Reihen erkennhar.
Auch Bimssteinstücke , die längere Zeit der ozonirten Luft
ausgesetzt wurden , reagiren auf Jodkaliunistärke. Es spricht somit
alles für die Annahme, dass das Ozon fertig gebildet in dem Mine-
rale vorhanden und davon ahsorhirt ist. Selbst der Umstand , dass
nur die schwach glänzenden Stücke mit weniger deutlichen Zu-
sammensetzungsflächen, die ziemlich leicht zerreihlich sind und auch
viel Luft heim Erwärmen in Paraffin abgehen, reich an Ozon sind,
ist mit dieser Ansicht in vollkommener Übereinstimmung. Bei hin-
reichendem Materiale werden sich alle diese Fragen mit Bestimmtheit
entscheiden lassen. Es ist daher schon aus diesem Grunde nachzufor-
schen , ob nicht auch an anderen Orten ozonhaltiger Flussspath
vorkönunt , und ob der Geruch, den man an anderen Mineralien
so häutig beobachtet und wahrscheiidich mit Unrecht durchweg
als bituminös bezeichnet, nicht ebenfalls mitunter von einem Ozon-
gehalte desselben herrührt. Die Mittheilung , welche mir Herr
Director Löwe machte, dass auch in Joachimsthal ein hiauer
erdiger Flussspath vorkommt , der einen ähnlichen Geruch beim
Heiben zeigt, war daher für mich von grossem Interesse.
Durch Herrn von Li 11, Director beim k, k. General -Probir-
Amte erhielt ich ein Stück dieses Flussspathes mit der Etiquette
„F ludengang. Barharastollen im Liegenden des Eliasganges der
westlichen Grubenabtheilung, 1850", und überzeugte mich , dass
er beim Zerreiben noch stärker riecht als das Stück von Wölsen-
dorf, der Geruch ist aber dem nach unterchloriger Säure ähnlicher
als dem nach Ozon. Gerade dieser Umstand macht diese Varietät
sehr merkwürdig; das mir zu Gebote gestellte Stück war aber nicht
ausreichend , um damit weitere Versuche vornehmen zu können,
flürteiitlich werde ich in den Besitz einer grösseren Menge von
diesem Minerale gelangen und denke dann den Gegenstand wieder
aufzunehmen.
i* !• t /. V a I. C'licr Piof. A. Miillor's l>isc-iissioi)snit'tlioile elc. 73«)
Über l'iof. A. Müll er. s Di.wvs.sfon.smef/iode der dlfjebrai-
sclien FJiichcti linliercr Onl/niftf/cii.
Von dem w. M. Prof. J. Petzval.
(Vorgelegt in der Sitzung: vom ;>. .lull 1860.)
Prof. Aiit(tii IMiiller von Zürich hat im Jahre 1857 der kaiser-
lich(Mi Akademie eine Ahhandhing über die al<)ehraischen Cnrven der
unbestinnnten «'"" Ordnung vorgelegt und ich habe im Auftrage
dieser Körperschaft einen Bericht, der sich in den Sitzungsberichten
Band XXIX. Seite 40 vorfindet, erstattet und diese verdienstvolle
Arbeit zur .\ufnahme in die Denkschriften empfohlen, allwo sie im
Bande XIX erscheinen wird. Im Jahre 1838 hat Müller seine
Untersuchungen auch auf die algebraischen Flächen unbestimmter
?<"■" Ordnung ausgedehnt und die Grundzüge seiner Methode in einem
Schreiben mir niitgetlieilt. Nachdem nun mittlerweile Müller von
seinen wissenschaftlichen Bestrebungen durch den Tod abberufen
worden ist, wird die letzterwähnte Mittheilung zu einem Vermächt-
niss an das gesammte wissenschaftliche Publicum und ich glaube
nur meine Pflicht zu erfüllen, wf^nn ich sie der mathem.-naturw.
Cliisse zur Aufnahme in ihre Sitzungsberichte vorlege. Möge dieser
schöne Gegenstand sehr bald einen jungen rüstigen Bearbeitei- finden,
der, mit gleicher Beharrlichkeit in die Fussstapfen seines Vorgängers
tretend, denselben zu dem gewünschten Abschlüsse bringt.
DieMitlheihing lautet: Die Begriffe Fläche und Flächen-Aggregat
betrachte ich als untergeordnet dem höheren Begriff Flächengebilde,
und trenne daiier die Eigenschaften der Flächengebilile von jenen,
welche den Flächen als solchen zukommen. Die Untersuchung beginnt
mit der Bildung der Segmentengleichung. Es wird vorausgesetzt, das
Flächengebilde ^ der ;<'"' Ordnung werde von einer Transversalen
TTdurchschnitten, TTbilde mit den .Axen der .vyz die Winkel itvw,
in TT sei ein Punkt 0 durch seine Coordinaten cyj(^ angenommen,
und r sei das zwischen ^r,C und dem gemeinsamen Punkte .r7/t
Sitzl). .1. iii.illi.-m.-natiir«-. Cl. XU. H.l. Nr. I'.t. ."il
7|}(i I» e t z V a I. Ül.er Prof A. Müllers
von TT und ^ liegende Segment. Werden nun mit TFIFdie Cosinus
der Winkel uvic bezeichnet, so bestehen die Gleichungen
x = ^ i- rU , y = rj -^ rV , z = ^ -}- r W
und durcli die Substitution dieser Werthe in der Gleichung F=0
von ^ erhält man den Satz
F,. . r" + /^„_i . r"-' + -\- h\ . r -^ F== {} (I)
Die Wurzeln dieser Gleichung bezeichne man mit r, Vz ■ • ■ ■ ?"«, so ist
0-, r, . . . . r,0(v) = (- l)^.^''.
Diesem Satze zufolge wird, wenn man 0 in TT so annimmt, dass
(r, r, . . . 7;,)^"^ = 0
ist, der Punkt 0 der Durchschnitt von TT und dem durch die Glei-
chung
;ingegel)enen Flächengehilde der «^""Ordnung. Dieses Flächen-
gehilde ^,y nenne ich den zu u v tv gehörigen Diameter
q^^" Ordnung des F 1 ä c h e n g e h i I d e s g^.
Für den zu ui:ir gehörigen Diameler 2)„_^, hat man die Glei-
chung; ^^^,=0, oder
P p->3 ijP-'^-ß^ ya ^y,i ^vp
"^ß ^(i 7, ; 77 ' -, 1 ^ ^* (-^»-i')
In dem Systeme der Diameter 3)„_;y schneiden je zwei einander
in einem ebenen oder unebenen Liniengebilde; drei derselben aber
gehen mit einander durch einen oder mehrere Punkte. Ob mehr als
drei Diameter 2)„_;, mit einander durch einen Punkt gehen, hängt
von der BescliafTenheit des Systems dieser Diameter ab.
Um fiir die Kichtungen solcher Transversalen, deren zugehörige
Dianieter 2),,_;9mil einander durch einen Punkt gehen, einen einfachen
Gesetzes -Ausdruck zu gewinnen, setze man einen Punkt t/j^als
gemeinsamen Punkt so vieler Diameter ^n-p, ids durch denselben
gehen können, voraus; ferner nehme man eine Ebene % parallel zur
Ebene der Coordinaton c/j, und in einer beliebigen Distanz t von
Disciissionsiiielliode der alyehraisclicn Fliiclieii liöherer Oidniiiij^en. 73 i
dieserCooi'dinatenebene zu Hilfe, endlich nehme man an, eine Trans-
versale TT, deren ziio^ehöriger Diaineter 3>„-yy diircli £r,t ^'eht, sei
durch den Anfangspunkt der Coordinaten gelegt, schneide die Ehene
51 im Punkte jcy, und bilde mit den Axen der Coordinaten ^-n ^ die
Winkel iivw. Unter diesen Voraussetzungen \s\.U=~ W. V=~W,
und wenn man diese Werthe in der obigen Gleichung einführt, so
entspringt die Gleichung
^i -a • T-^ 1 = 0 (<^^)
o' 0 li'-«-/'!.. i«'i. l'^li d^J'-"-^ .dfj'' .d:^ ^
Hierin sind die 2>'*° Differentiale von F wegen der gegebenen Werthe
von Er,t constant; auch t ist eine constante Grösse. Demnacli gibt
die vorstehende Gleichung ein Liniengebiide aa. der y;''" Ordnung
an, das in der Ebene 9( lieg'. Daraus geht hervor, dass eine
Transversale, deren zugehöriger D i a m e t e r S)„_p durch
den vorausgesetzten Punkt geht, in einer Kegel fläche
liegt, von welcher das Ij i n i e n g e b i 1 d e ([ü. die Basis, der
Anfangspunkt der Coordinaten aber die Spitze ist.
lu Bezug auf die Diameter ^„_i wird das Gebilde ao. eine
gerade Linie, die Kegeltläche also eine Ebene. Daher folgt: die
Transversalen, deren zugehörige Diameter 3)h-i durch
eineti gegebenen Punkt gehen, -sind alle mit einander
zu einer und derselben Ebene parallel.
Es seien nun TT, T", Ti, T^T. drei zu einerlei Ebene parallele
Transversalen, die aber unter einander nicht parallel sind; ferner
seien uvio, ?/,i?i?r,, UzVzWz die Winkel, welche diese Transversalen
mit den Coordinatenaxen bilden, wwALJVW, U^VyWi, UiV-iW-i die
Cosinus der genannten Winkel, so besteht der Satz
ü{y, w^ — nw,) - V. (u, w^ - u^ w,) + w.ii\ Fa — c'o r, ) = o.
Nun ist die Gleichung des zu TT gehörigen Diameters 3^»_i
d^ ' dr, ' d:
und wenn man den Wertii von TFaus der vorangehenden Gleichung
hier einführt, so ergibt sich der Satz
öl"
dF
dv,
dF
0
d c
dr.
dF
' dZ
0
738 P c t z V a I. Üher Prof. A. MiillPr'.s
Hiernach kommen dem zu TT gehörigen Oiameter ^„_i .»lle Punkti
/u, deren Coordinaten den Gleichungen
l\
genügen. Diese Gleichungen gehen aber die zu Ti Ty und To T^
gehörigen Diameter 5!)„_i an, und diese Diameter schneiden einander
in einer ebenen oder unebenen Linie (= Liniengebilde). Demnach
gehen die drei zu TT, TxT^, T.Ta gehörigen Diameter $r^»_ |i mit
einander durch eine und dieselbe Linie. Hieraus folgt: Alle Dia-
meter 2),j-i, welche zu solchen Transversalen gehören,
die zu einer und derselben Ebene parallel sind, schnei-
den einander in einer und derselben Linie.
Es heisse E die Ebene, zu welcher jene Transversalen parallel
sind, deren zugehöiige Diameter '^n—t einander in einer Linie
schneiden, und diese Linie werde mit x x hezeiclinet; endlich sei
0 ein Pinikt in /./.. Man lege eine zur Ebene ^parallele Transversale
TT durch 0, so geht der zu TT gehörige Diaineler 3)«_i auch
durch 0. Wenn also r^ Vo . . . r„ die Segmente sind, welche in
T7Miegen, und von 0 an bis zu den gemeinsamen Punkten von TT
und dem Fläcliengebilde ^ gerechnet werden, so ist
0\ r, . . . r„y"-'K = 0.
Dieser Satz ist anwendbar auf die Segmente in jeder zur
Ebene E parallelen Transversalen, welche durch 0 geht, weil zu
jeder solchen Transversalen ein Diameter '^„—i gehört, der ebenfalls
durch 0 geht.
AllezurEbenei5^parallelen Transversalen, welche durch 0 gehen,
liegen aber in einer zu E parallelen Ebene c, und diese schneidet
das Flachengehilde ^ in einem Liniengebilde L. Dieses Gebilde L wird
von einer zu E parallelen Transversalen TT, welche durch 0 gelegt
ist, in den gemeinsamen Punkten von TT und ^ geschnitten. Weil
nun zwischen den in T'T liegenden Segmenten Vi r« ■ ■ ■ r» die
vorangehende Gleichung besteht, so folgt, dass 0 ein Puidd des
zu TT gehörigen Diameters der (w — I)''" Ordnung von dem Gebilde
L ist. Die erwähnte Relation zwischen r, r., . . . gilt aber für die
r>is('Ussionsinetho(ie dei- algebraischen Flüchen höherer Ordnniiu'eri. T30
Segmente in jeder Transversalen, welche durch 0 geht, und /nr
Ebene E parallel ist, und zu jeder solchen Transversalen gehört ein
Dianieter {ji — l)'*"" Ordnung des Gehildos L. Daher ist 0 ein
g e m e i II s a m e r P u n k t aller D i a m e t e r (?< — 1 )'''' Ort! n ii n g dos
Schnittes L, folg lieh ein Mittelpiinkt von L.
Die Voraussetzung in Betreff der Ebenen E und e, der Linie /./.
und des Punktes 0 soll fortbestehen, dabei soll aber angenommen
werden, dass das Gebilde ^ eine Fläche sei, so dass der Schnitt L
eine Curve in der Ebene e wird. Die Linie /./. schneidet die Flache
^- möglicher Weise in einem oder in mehreren Punkten. Es sei 0
einer von diesen Punkten, so wird jede Transversale TT, welche
parallel zu E ist und durch 0 geht, eine Tangente der Flache g,
mithin die Ebene e, in welcher diese Transversalen liegen, eine
tangirende Ebene von §. Die Curve L, in welcher die Fläche §
von der tangirenden Ebene e geschnitten wird, geht auch durch
den Punkt 0, weil 0 in der Fläche § und in der Ebene e liegt.
Da nun 0, als Punkt der Linie ■/./., ein Mittelpunkt von L ist, so
wird der Berührungspunkt 0 ein Doppelpunkt der Curve L. Man
hat also den allgemeinen Satz: Der Punkt, in welchem eine
Fläche von ein er Ebene tangirt wird, ist ein Doppel-
punkt der Curve, in welcher die Fläche von der tangi-
renden Ebene geschnitten wird.
Ein Doppelpunkt einer ebenen Curve ist entweder Durchschnitts-
punkt zweier Zweige der Curve, oder aber ein isolirter Punkt
derselben. Wenn also die Fläche ^ von der Ebene e in 0 tangirt
und in der Curve L geschnitten wird, so ist 0 entweder Durch-
schnittspunkt zweier Zweige der Curve L, oder ein isolirter Punkt
derselben.
Man nehme zuerst an, es sei 0 der Dnrchschnittspunkt zweier
Zweige der Curve L. Unter dieser V(»raussetzung sind in 0 zwei
Wendepunkte der Curve Z vereinigt, und es kommen der Curve JL in
0 zwei Wendetangenten zu. Sind tt und t, t, diese W^endetangenten,
so hat sowohl tt als tj t, in 0 mit der Curve L drei Punkte gemein.
Diese Punkte sind aber Punkte der Fläche g-. daher verschwinden drei
740 P e t z V a I. Über Prof. A. Miillers
von don in tt liegenden Segmenten, und ebenso drei von jenen,
welche in ti ti liegen. Sind also ?•, r^ . . . ?•„ die Segmente in tt,
so ist
(r, r, . . . r„)f"--^ = 0,
weil jedes Product dieser Summe verschwindet; eben dieser Satz
gilt, wenn i\ r^ . . . r„ die Segmente in tit, sind. Daraus folgt, dass
die zu tt und tj ti gehörigen Diameter ^„-z der Fläche F mit einander
durch den Punkt 0 gehen. Durch eben diesen Punkt gehen aber auch
die zu tt und tj tt gehörigen Diameter 2)n—i- Ist also der Punkte durch
seine Coordinaten ^jjiC gegeben, und nennt man uviv, niVxWi die
von tt und t, t, mit den Coordinatcnaxen gebildeten Winkel, so hat
man für die Angabe von uvw die zwei Gleichungen
rfSF d^F d^F d~F d^F d^F
d^^ ' rf| drj drjä dz, d: ' drj dX ' rC^
und für Mj t\ il\ zwei ähnliche Gleichungen.
Aus den vorstehenden Gleichungen folgt aber, wenn Feliminirt
wird,
~ VlTv ■ \\d^J ■ ^ " ' dl ' d^ ' d'Cdrj "*" Vrf^J * d^4
^^UrdFdFd^F dF dF d'^F dF dF d^F ^dFy d^F ]
~* " Wldl ^ d^^ ~ 71 ^ dr} d: ~ Vt/ 7i: de, dr, "■ \(lr) dz, dd
rdF^^z d^F dF dF d^F ^dF^i d^F
"^ \d7j) ■ rfFs ~ ' ~d^ ' m ' drjd: "• \d:) ' d^j'^
und wenn man hierin ^ und rj mit einander vertauscht, so tritt — an
ü
die Stelle von — . Man erhält also, wenn zur Abkürzung
dF dF d^F dF dF d^F dF dF d^F ^dFv^ d^F
A =
d^ dX drj 2 rf| drj dr/ dX drj dX dz, dfj
^ \drj) d^d'.
f. _dF dF d^F dF dF d^F dF dF d^F ^dFy d^F
~ ~d^~d^W^~ ^^ d^d: ~ ~dl ~d: d^dr, '^ Irff J drjd:
__ (dF^ d^F dF dF d^F ^dFy- d^^F
ÜiscussioiiMiu-lliode «Icr itlgeln'niscIiiMi Fliichfii höherer Onliiiiiig-oi). ^4-1
(IF^zrr d^F \^ d'Ffl-Fi ^dFdFrd^F d^F d'-F d-F
^\dll \\drid:) ~~ ^ ^J lll^Xdidri rfT 2 ~~ "dXd^i dr, dX I
(dF^iv^ d-F ^"- d^Fd-Fi dFdFr d^F d^F d^F d-F -i
'■ Vrf^i LVrff7rJ ""rfp^J 'd^~d:idc,d: d^~~ dz, dr^ dr, dU
(dF^Tf d'F \^ d^Fd-Fi ^dFdFrd^F d^F d'^F d^F ~i
"* \d:) LI di_ dfj ) ~ W- d^'^ d^/T: I dr^ d: df^ ~ d% dr, d-., d:\
gesetzt wird, die Werthbestimmunojen
V dF y dF
Jln=^ -A+-VR: -N = -B ±-VR.
W dri W dt,
Auf ganz gleichem Wege kann man auch ^* und „! bestim-
men, aber man gelangt dabei ebenfalls zu den vorstehenden Werthen.
Demnach bezieht sich von den zwei Werthen der Grösse — r der eine
auf die gerade Linie tt, der andere auf ti tj , und dasselbe gilt von
den zwei Werthen der Grösse ttv. Verbindet man endlich die Werthe
U V '^
der Grössen -^ und ^ in jedem Falle mit dem Satze l;^-\- P-j- W~=\ ,
so ergeben sich die Werthe der einzelnen Grössen UVW, Ux Vi W\.
Hiernach kann man also für jeden Punkt 0 der
Fläche % die Richtungen von zwei geraden Linien 1 1
und ti ti bestimmen, welche in der zu 0 gehörigen t a n-
g i r e n d e n E b e n e liegend, d u i- c h 0 gehen, und von denen
jede in 0 einen relativ dreifachen Punkt mit der
Fläche % gemein hat.
Es ist aber nicht zu übersehen, dass die Doppelwerthe von
— r und 7T> nur für jeden solchen Punkt 0 der Fläche '^ reell sind,
in Bezug auf welchen die Grösse R positiv wird, und dass bei einem
negativen R die genannten Doppelwerthe imaginär werden. In so fern
also die Grösse R in Bezug auf die verschiedenen Punkte der Fläche
% bald positive, bald negative Werthe hat, befinden sich in % solche
Punkte 0 , deren jedem zwei gerade Linien 1 1 und ti ti der bezeich-
neten Art zukommen, aber auch solche Punkte 0 , von denen keiner
solche zwei gerade Linien hat.
Wenn aber die Grösse 7? bald positiv, bald negativ ist, so kommen
auch solche Punkte 0 in der Fläche % vor, in Bezug auf welche
iJ = 0 ist. Durch diese Gleichung wird eine Fläche der (4« — Ü)'*'°
ürJniing angegeben, und diese durchschneidet möglicher Weise die
T42 l'ptzval. i'bcr Prof. A. Miilk'r"s Disfussioiisinetlioile il. algel)r. Fliiclieii etp.
Fläche § in einer ebenen oder unebenen Curve ^/l. Hierdurch wird
die Fläche ^ je nach der Beschaffenheit von ?.X, in zwei oder meh-
lere Theile von verschiedenartiger Beschaffenheit getheilt. In den
Theilen der einen Art ist die Fläche "^ so beschaffen, dass zu jedem
Punkte Oderseiben zwei gerade Linien tt und tj ti bestimmbar sind,
welche in der zu 0 gehörigen tangireiiden Ebene liegend, mit § in 0
relativ dreifache Punkte gemein haben; in den Theilen der anderen
Art ist die Fläche ^ aber so beschaffen, dass ohne Ausnahme jede
gerade Linie, welche in einer tangirenden Ebene eines solchen
Theiles liegend, durch den Berührungspunkt 0 geht, nnt der Fläche
in 0 lediglich einen relativ zweifachen Punkt gemein hat. Ein Flächen-
stück der ersten Art soll mit ff, ein Flächenstiick der zweiten Art
mit gg bezeichnet werden.
Weil für jeden Punkt 0 der Curve AA die zwei zugehörigen
geraden Linien tt und t, t, zusanunen fallen, so kann man die ver-
schiedenen Theile der Fläche 5" "'^J i''^ Grenze ?. ?. dieser Theile
folgender Massen charakterisiren. In einem Flächenlheile ff geht
die Curve L, in welcher die Fläche § von einer tangirenden Ebene
des Theiles ff geschnitten wird, mit zweien ihrer Zweige durch den
Berührungspunkt 0; fällt 0 in die Grenzcurve /J^, so bilden die
zwei Zweige von L bei ihrem Zusammentreffen in 0 eine Spitze; in
einem Flächentheile gg dagegen löst sich der Berührungspunkt 0
als isolirter Punkt von dem übrigen Theile der Curve L ab. Ein
Flächentheil ff besteht daher aus Wellen; diese verflachen sich bei
ihrer Annäherung an die Grenze ?J., und jenseits dieser Grenze in
einem Flächentheile gg tritt eine Glattiieit der Fläche § ein, wie bei
den Flächen der zweiten Ordnung.
Da die Grenzlinie A^ nicht zwei gleichartige Flächentheile
trennen kann, so bilden entweder die Theile ff ein Continuum, in
welchem die Theile gg inselartig liegen, oder die Theile gg sind zu
einem continuirlichen Ganzen vereinigt, in dem die Theile ff spora-
disch umherlieffen.
SITZUNGSBERICHTE
KAISEIILICIIEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE,
XU. BA^D.
^'^ SITZUNG VOM 19. JULI 1860.
N£ 20.
53
743
XX. SITZUNG AM 19. JULI 1800.
Herr Professor Julius Plücker in Bonn dankt, mit Schreiben
vom 14. Juli 1. J. , der Akademie für seine Wahl zum correspon-
direnden Mitgliede.
Herr Hofrath Haidinger übersendet einen Bericht über „die
Caicutta-Meteoriten , von Shalka, Futtehpore, Pegu, Assam und
Segowlee im k. k. Hof-Mineralien-Ciibinete," nebst einem Auszuge
aus einem Schreiben des Astronomen, Herrn Julius Schmidt in
Athen.
Herr Professor Brücke legt eine im physiologischen Institute
der Wiener Universität von Herrn Alfred v. ßiesiadecki durch-
geführte Untersuchung: „Über das Chiasma nervorum opticorum des
Menschen und der Thiere" vor.
Herr Professor Ludwig überreicht eine von Herrn Professor
Planer in Lemberg eingesendete Abhandlung: „Die Giise des
Verdauungsschlauclies und ibre Beziehungen zum Blute'".
Professor Schrötter legt Analysen von Soolen, Mutterlaugen
etc. aus Hallstadt vor, die im Laboratoiium des k. k. polytechnischen
Institutes ausgeführt wurden.
Derselbe legt ferner eineAbhandlungüber Beziehungen zwischen
den Äquivalenten und Dichten der Körper in Gasform vor.
Herr Professor Kner übergibt eine Abiiandlung: „Über den
Flossenbau der Fische".
Herr Dr. A. VN'eiss legt eine von ihm in Gemeinschaft mit
Herrn Dr. J. Wiesner verfasste Abhandlung: „Heiträge zur chemi-
schen und physikalischen Keiuitniss des Milchsaftes der Pflanzen" vor.
Herr A. Schrauf, Eleve des k. k. physikalischen Institutes,
übergibt die zweite Reihe seiner: „Bestimmung der optischen
Constanten krystallisirter Körper".
32*
744
Herr II. Daiiber, Assistent am k. k. Hof-Mineralien-Cabinete
überreicht die Fortsetzung seiner in der Sitzung vom 15. December
1859 vorgelegten Abhandlung: „Ermittelung krystallographiseher
Constanten (22. Rolhbleierz) und des Grades ihrer Zuverlässigkeit".
Herr Doeent Dr. Reitlinger liest eine Abhandlung: „Zur
Erklärung des Lnliin'schen Versuches und einiger anderer Arl-
unterschiede der positiven und negativen Elektricität".
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Archiv des Vereines der Freunde der Naturgeschichte in Mecklen-
burg. 14. Jahrgang. Neubrandenburg, 1860; So-
Astronomische Nachrichten, Nr. 1268. Altona, 1860; 4»-
Austria, XII. Jahrgang. XXIX. Heft. Wien, 1860; 8»-
Cosmos, IX* annee. 17* voIume. 2* livraison. Paris, 1860; 8"-
Gazette medicale d'Orient. IV anuee. Nr. 4. Constantinople,
1860; 40-
Grigolato, Gaet., Considerazioni in rapporto alle condizioni econo-
mico-agrarie ed alle conseguenze chimico-fisiologiche, che ne
derivano per la malattia delle uve nella provincia di Rovigo.
Memoria. Rovigo, 1860; 4o-
Istituto Lombardo di science, lettere ed arti. Atti. Vol. 11. Fase. I,
II e III. Milano, 1860; 4«- — Memorie. Vol. VIII. Fase. II.
Milano, 1860; 4o-
Jourdain, S., Recherches sur la veine renale chez les oiseaux, les
reptiles, les batraciens et les poissons. Paris, 1860; 40-
Wiener medizinische Wochenschrift. Jahrgang X. Nr. 28. Wien,
1860; 4o-
Zeitsc hrift für Chemie undPharmacievonDr.E. E rienmey er und
Dr. G.Lew i n stein in Heidelberg. III. Jahrgang, Heft XI — XIII.
Erlangen, 1860; 8«-
— des österreichischen Ingenieur-Vereins. XII. Jahrgang, 6. Heft.
Wien, 1860; 4o-
745
ABIIWDLÜNGEX üiXD MITTHElLlliXGEN.
Die CulcKttu-Meteorüen, von S/iafka, Futlelipore, Peyu, Asnam
und Segowlee im k. k. Hof-MinernUen-Cabinete.
Von dem w. M. W. Haidinger.
Nur mit manchen Schwierigkeiten gelingt es mir doch heute in der
Schluss-Sitzung unserer diesjährigen Reihe den Bericht über die vier
Meteoriten vorzulegen, welche in dem Berichte über den fünften von
Shalka in Bancoorah schon in unserer Sitzung am 8. Juni erwähnt
M'urden, aber jetzt erst so weit bearbeitet sind, dass ich selbe dem
k. k. Hof-Mineralien-Cabinete, der V'erabredung mit Herrn Director
Dr. M. Hörnes gemäss, übergeben kann, als Exemplare nämlich,
welche fortan mehr Sammlungs- als Untersuchungsgegenstände sind,
und in die mit grösster Genauigkeit nach Gewicht und Bezeichnung
geführten Kataloge dieses Museums eingetragen werden.
Auf dem Übergänge bis dahin hatte ich selbe nach der Ankunft
von Calcutta in meine Verwahrung genommen, selbe mit Sclmitt-
flächen versehen lassen, um das Innere blosszulegen, Stücke nach
Bedürfniss abgetrennt, deren Analyse Herr Karl Ritter von Hauer
auf meine Bitte unternahm, und sonst noch die erforderlichen Ver-
suche angestellt.
Über den ersten dieser Meteoriten, den von Shalka in Bancoorah,
habe ich, wie bereits erwähnt, am 8. Juni Bericht erstattet.
Von den vier neuen Meteoriten wüsste ich nicht zu sagen, dass
sich nur einer bisher in einer der grösseren europäischen Sammlun-
gen befände, eben so wenig als dies bisher mit dem von Shalka
der Fall war, ja selbst Nachrichten über dieselben sind nur wenige
in unseren europäischen Werken enthalten.
746 !I a i (1 i n g: c r. Die Calciitta-Meleoriten, von Shalka,
Sie erweitern aber in merkwürdiger VV^eise unsere Übersicht,
indem sie obwohl nur in wenigen Exemplaren fast sämmtlich der
wichtigsten Erscheinungen der Steinmeteoriten darstellen. Die Kei-
hung, in welcher ich sie hier betraclite, ist die, welche der „Anord-
nung und Eintheilung der Meteoriten" des Freiherrn von Reichen-
bach in Poggendorffs Annalen für 1859 (S. Band CVII,
Seite 15S) zum Grunde liegt. Sie berücksichtigt namentlich die
Verwandtschaften, welche auch Partsch festzuhalten suchte, und
für welche v. Schreibers in seinem Foliowerke „Beiträge zur
Geschichte und Kenntniss meteorischer Stein- und Metallmassen und
der Erscheinungen, welche deren Niederfallen zu begleiten pflegen,
Wien 1820" Seite 4, des Ausdruckes „Sippschaften" sich bedient,
eines Ausdruckes, den er bereits in Gilbert's Annalen für 1808 aus
Veranlassung seines Berichtes über den Meteoritenfall von Stannern
vorgesehlagen hatte.
Freiherr von Reichen bach bei der seither bedeutend ange-
wachsenen Anzahl der einzelnen Fälle und Funde wählt die Bezeich-
nung von „Sippen" und „Gruppen," und führt sie durch die ganze
Reihe von 99 Meteorsteinen und 60 Meteor-Eisenmassen nach seinen
eigenen genauesten Untersuchungen und Vergleichungen hindurch.
Er gibt den einzelnen Sippen und Gruppen keine Namen. Herr Pro-
fessor S h e p a r d (S i 1 1 i m a n's American Journal of Science and
Arts 1846, II. Ser., Vol. 2, pag. 390) gibt zwar Namen für seine
Classen, Ordnungen, Sectionen, üntersectionen und Fälle oder Fund-
stätten, aber namentlich die Meteorsteine beziehen sich nur auf ganz
wenige der letzteren, nicht mehr als neun wirklich classificirte ame-
rikanische und vier nicht amerikanische als Beispiele, so dass doch
die ganze Übersicht für den gegenwärtigen Zustand der so weit vor-
geschrittenen Kenntniss nicht mehr genügt.
Die von mir am 8. Juni vorgelegte Nachricht über den Shalka-
Meteoriten setzt diesen übrigens unzweifelhaft in des Freiherrn von
Reichenbach erste Sippe, erste Gruppe (Langres [Chassigny],
Bishopsville, Jonzac), Shepard's Chladnitisch-trachytische Meteor-
steine.
Folgende sind nun die übrigen vier neuen zur Überfragung an
das k. k. Hof-Mineralien-Cabinet vorliegenden Meteoriten.
Futtehpoie, Pegii, Assain iin<i Se^owlee irn k. k. (Ic>l'-Mfnt'ralieii-C;iliiiiele. 747
1. Fattehpore. 30. November 1822.
Den ersten Bericlit über diesen Fall gab Dr. Tytier an die
medizinische Gesellschaft in Calciitta (Edinhiirgh Journal of^cience,
Nr. IS.pag. 171, 1828.— Kämtz, Se h weigger-SeidePs Jahr-
buch der Chemie und Physik, Band 23 (o3), S. 471. — Poggen-
dorffs Annalen 1830, Band 18, S. 179). Für (\Qn eigentlicben
Ort des Falles wird Rourpore in der Gerichtsbarkeit von Futlehpore,
nordöstlich 70 englische Meilen von Allaliabad entfernt, genannt. In
dem Sitzungsbeiichte der Asintic Society of Bcngal v<»rh Juni 1859
kommt, ohne Falltag, der auch in Tytier's Bericht fehlt, es heisst
nur Ende November, nur der Ort Allahabad und Dr. Tytler's Name
vor. Shepard bat fürFuttebpore in seiner Sammlung den 30. Novem-
ber 1822. Die Sammlung in Caicutta enthielt drei Exemplare von
4 Pfund 6 Lolh, 3 Pfund l7Loth und 1 Pfund 9 Loth. Das letztere ist
es, welches die Gesellschaft freundlichst übersandte. Es wog bei der
Aidiunft 1 Pfund I1/4 Loth Wiener Gewicht. Mit dem Fallfage,
30. November 1822, ist indessen in der dortigen Sammlung noch
ein Stück von 25 LoHi mit der Uitsbezeiclinung Bithour undShapur,
75 englische Meilen nordwestlich von Alhihabad. Gewiss ist es nicht
von demselben Falle, ob aber, wie die angegebenen Richtungen, ein-
mal NO., das andere Mal NW. von Allahabad, andeuten würden, an
die 100 englische Meilen von einander entfernt gefallen, ob aber nur
durch eine Verwechslung im Drucke abweichend angegeben, warmir
nicht gelungen sicher zu stellen. Gewiss ist, dass dort ein wahrer
Meteoriten-Schauer fiel. Tytier gibt dem einen Steine, den man
fallen sah und der noch heiss aufgenommen wurde, 1 Pfund 12 Lotb.
Der Fall war übrigens vollständig beobachtet worden, am Abend kurz
nach Sonnenuntergang eine Lichtmasse von einer rotben Kugel von
der Gestalt des Mondes umgeben bei Futlehpore aus der Luft herab
zu steigen scheinend, mit Donnergetöse und anscheinend Funken
sprühend. Bei Hazareebang , 250 engliscbe Meilen östlich von
Allahabad, sah man die Erleuchtung durch die Kugel unterhalb der
Wolkendecke des Himmels.
Über diesen Fall und die Beschaflcnheit des Steines gab Herr
Professor C. U, Shepard Nachriebt in der Sitzung der „American
748 n n i d i n g e r. Die Ciilciillii-Mefeoritcn, von Shalkn,
Association for the Advancement of Science'^ in New Haven im
August 18S0. Der Fall geschah unter 20» 57' n. B. und 80« 50'
ö. L. Einer der Steine wog 22 Pfund. Einen Stein von zwei Pfund
sah Shepard im Jahre 1849 im Besitze von Herrn Thomas Mac-
Pherson Grant in Edinhnrgh, von welchem er auch ein Bruch-
stück niitgetheilt erhielt. Er heschreibt den Stein, als feinkörnig,
trachytisch, ähnlich dem Steine von Poltawa 12. März 1811; und
Castine in Maine, 20. Mai 1848 (Silliman's American Journal,
2. Ser. , Vol. XI, p. 367. — Edinburgh Neiv Philo so pliical Journal,
Vol. VIII [Oct. 18Ö2], p.245. — Poggendorffs Annalen, Bogus-
lawski, zehnter Naciitrag o. s. w. Ergänzungsband IV, 1854,
Seite 22;.
Die Grundmasse des Fiitteliporer Meteoriten ist hell aschgrau,
feinkörnig, auf den Bruchtlächen bemerkt man hin und wieder die
gelblichbraunen, sogenannten Rostflecken, gangartig angeordnete
Eisenkiesplalten durchsetzen die Masse, und mehrere sind durch den
Bruch blossgelegt. Die Farbe derselben ist die röthlieh- speisgelbe
des Magnetkieses. Auf geschlifTenen und polirten Flächen treten
zahlreiche Pünktchen von metallischem Eisen hervor, von verschie-
dener Grösse, das grösste Korn im Durchschnitte etwa anderthalb
Linien lang bei einer Breite von einer Linie. Die Masse ist nach
verschiedenen, sich unter scharf ausgesprochenen Winkeln kreuzen-
den Richtungen von durch feste Theile nun ausgefüllten früheren
Sprüngen oder Klüften durchzogen, einige derselben von dunkel-
farbiger, der sogenannten Rindeiisubstanz haarrissartig erfüllt, in
anderen eben so feinen liegt auch wohl Magnetkies oder metalli-
sches Eisen. Diese Sprünge halten auf der durch den Schnitt bloss-
gelegten Fläche über die ganze Ausdehnung derselben, über zwei
Zoll lang, und durch den Körper des Steines an, sie durchsetzen,
schaaren, verwerfen sich, wie dies überhaupt an Gängen gewöhn-
liche Erscheinungen sind. Von den metallischen Theilen erscheinen
Durchschnilte bis zu drei Linien Länge. Die gelblichbraunen oben
erwähnten Flecken zeigen sich auf den Schnitten einzeln, vorwaltend
entlang den Durchschnitten der Haarrisse und mehrere der grösseren
Eiseneinschlüsse begleitend. Obwohl man die Masse selbst, weich
und milde, leicht schaben kann, so enthält sie doch auch hin und
wieder grössere und kleinere Kügelchen, die im Durchschnitte deut-
lich hervortreten. Eines derselben, etwa anderthalb Linien im Durch-
Futtehpore, Pegu, Assam tind Segowlcc im k.k. flof-Mineralien Cahinete. 749
schnitte, gi-aiilichweiss , dicht, enthält selbst wieder an einer Seite
eine kleine Menge von Eisen, umgehen von einem gelblichbraunen
Rostfleck, der wieder nicht in die umgebende weichere Masse fort-
setzt, welche aber selbst wieder zahlreiche solche Flecke enthält.
Andere Kügelchen erscheinen durch den Mangel an Glanz auf der
Schnittfläche, selbst weicher als die umgebende Masse, und unter-
scheiden sich durch die Art der Zertheilung des Eisens in denselben.
Einzelne Kügelchen haben auch etwas dunklere graue Farben, ein
einzelnes, eine halbe Linie im Durchmesser, ist dunkelgrau. Mehrere
dieser kleinen Einschlüsse sind aber auch eckig, nicht rund in ihren
Durchschnitten, einzelne haben plattenförmige linear glänzend
erscheinende Structur-Anzeichen.
Die Rinde ist bräunlichschwarz, ohne Glanz, hin und wieder
mit einzelnen oder gruppenweise stehenden rundlichen seichten Ver-
tiefungen, welche man indessen nicht nach der Gestalt des Steines
Orientiren kann, da nur ein Rruchstück vorliegt. Die Rinden-Ober-
fläche wie durch kurzkliiftige Zerspaltung in einzelne eckig
begrenzte Täfelchen von unregelmässiger Form von einem Durch-
messer von etwa zwei bis drei Linien getrennt. An der Schmelz-
oberfläche verfolgt das Auge mit der Loupe leicht eine und die andere
Kluft oder eingeschlossene Kugel der Steinmasse. Dicke der Rinde
geringer als eine halbe Linie. Auch die Rinde umschliesst Theilchen
von metallischem Eisen.
Das specilische Gewicht fand ich ^=3"ö26 bei 17" R. Äusseres
sowohl als Inneres ist von Tytler genau beschrieben; für verschie-
dene Stücke, bei der ungleichen Austheilung der Metalltheile fand
er speciflsche Gewichte von 3-3o2 und 4*281.
Der Stein gehört unzweifelhuft in Freiherrn von R eiche n-
bach's zweite Sippe, erste Gruppe, der „weisslichen Meteoriten,
ohne Einschluss von deutlichen dunkeln Kügelchen, höchstens hier
und da ein einzelnes zerstreut" , und in die von ihm bezeichnete Reihe
der zwei und zwanzig Meteoriten von Nashville bis Asco, welche die
vielgenannten Fälle von Mauerkirchen, Milena, Woldcottage u. s.w.
begreift, namentlich ist ein Stück von Zaborzika in dem k. k. Hof-
Mineralien-Cahinet im allgemeinen Ansehen dem von Futtehpore zum
Verwechseln ähnlich.
Das von der Asiatischen Gesellschaft in Calcutta freundlichst
übersandte Exemplar, 1 Pfund 1 '/^ Loth schwer, wurde in zwei
750 H a i tl i n g- e r. Die Calcutta-Meteoriteri, von Slinlka,
Stücke zerschnitten um Kenntniss des Innern zu gewinnen. Die Rinde
umfasste etwa die Hälfte des Steines , die andere Hälfte ist von Bruch-
fläclien begrenzt. Das Gewicht der beiden zur Übergabe vorberei-
teten Stücke ist nun das grössere 261/4 Loth und das kleinere 5 Loth
schwer.
2. Pegu. Aufgefunden 1854.
Von diesem Meteoriten ist, so viel mir bekannt, noch nichts in
wissenschaftlichen oder anderen Werken niitgetheilt worden. Er
kommt auch nicht in dem Sitzungsberichte vom.Iuni 1859 der Asiatic
Society vor, da er ein Geschenk des Herrn Thomas Oidham,
Directors der geologischen Landesaufnalime von Indien in CalcuUa
ist, welcher ihn selbst aus Pegu initbraehte, als er der britisciien
Gesandtschaft nach Ava im Jahre 1854 zugetheilt war.
Weder eine Angabe eines Falltages noch ein Bericht über beglei-
tende Erscheinungen liegt bis jetzt vor. Doch dürfte der Meteorit
wohl bei seinem frischen Ansehen, ungeachtet grosser Zartheit, nur
kurze Zeit vor der Erwerbung gefallen sein.
Die Masse des Steines ist hellgrau, etwas bläulich, Sie besteht
ganz aus einzelnen runden, wie in weissen Sand eingebetteten Körnern
oder Kügelchen, die sich leicht trennen und muss im Ganzen fast
zerreiblich genannt werden. Man zerbricht sie so leicht, dass gar
nicht hätte daran gedacht werden können, eine Schnittfläche darzu-
stellen, wenn es nicht gelungen wäre, nachdem bei uns seit 1846
bei zarten Petrefacten angewendeten Verfahren mit einer Auflösung
von Wasserglas die Theilchen in einen vollkommen festen Zustand
zu vereinigen. So konnte man vollkommen polirte Schnittflächen ge-
winnen. Da zeigte sich dann die ganze Masse ziemlich gleichförmig
aus den mannigfaltigsten einzelnen rundlichen Körpern gebildet,
einige im Durchschnitte kreisrund , andere eckig, von den verschie-
densten grauen Farben , von dunkelrauchgrau bis nahezu graulich-
weiss, die grössten im Durchmesser eine Linie nicht übersteigend,
dazu ziemlich gleichförmig, und nin* in ganz feinen Theilchen, durch
die Älasse vertheilt, metallisches Eisen und ein gelber Eisenkies, des-
sen nähere Bestimmung aber, ob Pyrit oder Magnetkies, der Feinheit
der Punkte und Unsicherheit der Farbenbestimmung wegen doch noch
Futtehpore,Pegu, Assatn und Segowlee im k.k. Hof-Mineralien-Cabinete. 7o I
der letzten Genauigkeit entbehrt. Merkwürdig ist eine Lage von
der Farbe nach deutlich ausgesprochenem Magnetkies, der die luse,
rundkörnig zusammengesetzte Masse in der Art eines Ganges plat-
tenförmig durchsetzt, gegen zwei Zoll lang, dreiviertel Zoll breit und
an der stärksten Stelle etwa eine halbe Linie dick, gegen die Enden
schwächer. Die Erscheinung einer solchen plattenförmigen Masse ist
ein wahrer Beweis einer späteren Bildung in einer grossen Masse, in
einem wahren Gebirge, während das ganze in einen grossen Körper
vereinigt durch mancherlei Perioden verschiedener Zustände hindurch
ging, und namentlich während der Bildung dieser nunmehr ausge-
füllten Kluft einem in der Richtung der Spalte wirkenden Drucke aus-
gesetzt war, während sich die Masse senkrecht auf die Ebene der
Platte zusammenzog, und so die Trennung der Theilchen bewirkte.
Der entstehende leere Raum wurde sodann durch jenes krystallini-
sche Schwefeleisen im Minimo erfüllt.
Die Rinde ist graulichschwarz in das Braune ohne Glanz, an
dem Exemplare mehr Inneres zu sehen als Rinde, so dass sie wohl
von einem grösseren, vielleicht mehr als zwanzigpfündigen Steine
herrühren. Die Dicke der Rinde übersteigt nicht ein Viertel einer
Linie.
Specifisches Gewicht = 3'737.
Der Stein dürfte wohl ganz gut der zweiten Reichenbach'schen
Gruppe, mit dunkeln Kügelchen, wenn auch mit helleren dazwischen
eingereiht werden in die Nähe von Luce, Nanjemoy, Aussun, Benares,
Tipperary, Ceresetto, Weston u. s. w.
Das von Herrn Oldham freundlichst eingesandte Stück wog
ursprünglich 1 Pfund 3/4 Loth. Zerbrechlich wie es war und von
einem Sprunge durchsetzt, war es imerlässlich es in zwei Stücke zu
trennen, wobei die kleineren Bruchstücke für die Analyse abfn-len. Es
sind nun drei Stücke zur Übergiibe vorbereitet, eines von IS^/o Loth.
ein zweites von S'/g Loth, beide mit reinen Bruchflächen und Rinde,
und ein kleineres von 1 i/g Loth, mit der angeschliffenen Fläche von
etwa einem Quadratzoll.
'J'^S " •* ' '1 • " gf P •■• '*'•' Calrvittii-Metcnriteii, von Slialkii,
3. Assam. Gefunden 1846.
Über diesen Meteoriten Iniben wir keine anderen als die Nach-
ricbten im Journal of the Asiaiic Society of Beiirjal, Vol. XV. Pro-
cecdings JunclS4t). 8. XLM und LXX VI, und Vol. XXVIII, Proceedings
June 18S9. Eigentlich ist der Fallort dieses Meteoriten unbekannt,
aber da ilui Herr Piddin» ton im September 1846 unter den Samm-
lungen des Coal and hon committee gefunden hatte, unter Umstän-
den, dass die Stücke kaum anders als aus Assam kommen konnten, so
nahm er diesen Landstrich zur Bezeichnung des Meteoriten an. Es
waren im Ganzen drei Bruchstücke im Gewichte von 1 Pfund 17 1/2 Loth,
171/2 Loth und 15 Loth. Zwei davon waren deutlich Bruchstücke
eines einzigen Steines; der dritte stimmte in der Beschaffenheit über-
ein, musste aber von einem andern Stücke abstammen. Nach Pid-
dington würden sie wohl nicht ganz mit einander übereinstimmen, da
das eine Stück mehr Kobalt und wenig Nickel, das andere mehr
Nickel enthält.
Piddington bezeichnet bereits höchst treffend die schöne
Zeichnung dieses Steines als beautif'ully marbled. Der Assam-Mete-
orit ist sehr fest und dicht und nimmt eine gute Politur an. Er zeigt
sich ganz ähnlich den Meteoriten vonSeres, Barbotan, Mezö-Madaras,
TAigle, Chantonnay und anderen dichten festen Steinen der dritten
Bei chenbach'schen Sippe. Wohl hat Freiherr von Reichen-
bach Chantonnay mit dem Meteoriten von Mainz in einer sechsten
Sippe, wegen grösserer brauner Flecke, aber die Beschreibung von
Partsch (die Meteoriten u. s. w. 1843, S. 38) und der Stein selbst,
auf welchen sie sich bezieht im k. k. Hof-^Iineralien-Cubinete stimmt
doch gar sehr mit dem Assam-Meteoriten üherein. ,,Marmorirt" nennt
das Ansehen auch Partsch wie Pid dington.
Man kann die Grundniasse eigentlich dunkelgrau nennen. In
derselben liegen bis nahe halbzöllige unregelmässig abgerundete
Bruchstücke von hellerem Grau, dann zahlreiche nach den Durch-
schnitten zu urtheilen mehr und weniger kuj^elförmige Theile, kleine
ganz schwarze, aber auch kleine und grössere bis zu hell aschgrau.
Auch in den eingeschlossenen heller grauen Theilen liegen wieder
kleinere braune auch metallische, weiss und gelb, ebenfalls wieder
Futtehpore, Pe^ii, Assam und Se^owlee im k. k. Ilnf-.Mineralien-Caliinete. 71)3
mit dem Ansehen wahrer Bruchstücke. Durch die helleren und dunk-
leren Theile hindurch ist metallisches Eisen, grösstentheils nur in
feinen Theilchen, doch auch hin- und wieder in etwas grösseren
Körnchen, bis 1/4 Linie in jeder Richtung, vertheilt, dazu Magnetkies
in nahezu gleicher Menge. Hier wie an so manchen anderen Meteori-
ten dieser Classe erscheint die merkwürdige Austheilung einiger der
Eisentlieilchen, dass sie sich als Einfassung um die kugelförmigen Ein-
schlüsse darstellen, ganz in der Art, wie wir die Grünerde inMaiidel-
steinen hin und wieder antreffen. Es ist dies gewiss ein Beweis,
dass während des allmähligen Festwerdens des Meteoriten, nachdem
die Kügelchen in der Grundmasse schon eingeschlossen waren, die
Eisentheilchen noch einer Ortsveränderung unterliegen konnten. In
unseren irdischen Gebirgsarten können wir in theoretischer Weise
gut mit „Gebirgsfeuchtigkeit" als Träger der Bewegung auskommen,
die übrigens, auch je nach der Tiefe gegen die eine höhere Tem-
peratur besitzenden Regionen durch Wasser, oder Chlor- und Fluor-
oder Schwefel-Verbindungen dargestellt sein kann. Hier möchte es
genügt haben, diese Thatsache als eine fernerer Studien vorzüglich
werthe besonders bezeichnet zu haben.
Die Rinde ist dunkel graulichschwarz und hat doch hin und
wieder eine Spur von beginnendem Glänze. Sie ist sehr dünn. Man
kann keine vollständige Bahn- oder Fall-Orientirung nachweisen, da
der Stein zu sehr Bruchstück ist, obwohl er den grössten Theil eines
ganzen Steines bilden dürfte; doch kommen an dem mit grösserer
Wahrscheinlichkeit als End- oder Rückseite zu betrachtenden Theile
allerdings die rundlichen, seichten Vertiefungen vor.
Das specifische Gewicht fand ich = 3-792 bei 17« R.
Das von der Asiafic Society of Bengal freundlichst übersandte
Stück wurde in zwei Theile zerschnitten, so dass jeder mit einer
etwa zwei Quadratzoll grossen geschliffenen und vollkommen polirten
Fläche versehen ist, das übrige der Obertläche ist meistens Rinde,
wenig Bruch. Die beiden zur Übergahe vorbereiteten Stücke wiegen
8 Loth und 23/* Loth.
'J'54 H a i d i II g p r. I>it> Calcutta-Meleoriten. von Sli;ilka,
4. Segowlee. 6. März 1853.
V^on diesem Falle waren bis nun weder Exemplare nach Europa
pekornmen, noch auch Nachrichten in europäische wissenschaftliche
Sammelschriften, so weder in Herrn Gr eg's so reichem Verzeichnisse,
von welchem ich von dem hochverehrten Verfasser ein bis 15. Juni
1859 ergänztes Exemplar besitze, noch in Herrn ProfessorSh epa rd's
Sammlung, im Manuscript fortgeführt bis 25. November 1859, noch
in Herrn Dr. Otto Buchner 's Werk „die Feuermeteore" u. s. w.
von 1859, Über den Steinfall enthält das so vielfältig anziehende
und wichtige „Jojirw«/ of the Asiatic Society of Bengal" bereits
früher an drei verschiedenen Steilen Nachrichten, Vol. XXIII, p 746,
1854, Vol. XXIV, p. 247, 1855 und Vol. XXV, p. 169, 1856, so
wie nun in dem Berichte über die Verhandlungen wegen freundlicher
Mittheilung dieser Meteoriten im XXVIII. Bande, Sitzung im Juni
1859, aus welchen ich hier eine rasche Übersicht der Beschreibung
voranscbicke.
Capitän W. S. Sherwill, von der Steuer-Aufnahme (^Revenue
Survey) hatte von Patna aus unter dem 24. November 1854 das
erste kleine Exemplar 15 Lotli schwer aus diesem Meteoriten-Schauer
an die Gesellschaft gesandt. Er erhielt ihn von Herrn F. A. Glover,
vom Civildienst, und Joint- Magistrate von Cbumparun, nebst den
ersten Nachrichten über den Fall. Dieser fand Statt am 4. März
(nach späteren Nachrichten am 6.), um die Mittagszeit. Ein Mann
und ein Knabe hatten unfern von sich etwas Schweres fallen gehört,
ohne anderes Geräusch als gerade das Auffallen. Sie hoben die
Steine auf, es Avaren mehrere, und brachten sie in ihr kleines Dorf,
wenige Meilen südlich von Segowlee, einer kleinen Miiitärstation
von irregulären Cavailerie-Sowars, wohin sie dann durch die Mann-
schaft derselben kamen. Der Corpsadjutant Lieutenant M a c d o u g al 1
gab Herrn Glover einen grossen Stein, zwei von den kleinen
Steinen erhielt dieser später, und sah noch mehrere von den gewiss
an die dreissig, welche nach und nach in dem Umfange einer eng-
lischen Qiiadratnieile aufgelesen wurden. Auch das zweite Stück,
1 Pfund 5Lulh schwer gab Glover der Gesellschaft. Segowlee, auch
Soojoulee geschrieben, liegt auf der Katmandoo-Strasse siebenzehn
Fnttehpnie, Pegii, Assam und Spjrowlet' im k. k. Hof-Mi; eralien-Caliinete. 755
englische Meilen östlich von Bettiah. Im Felinuir 1856 wurde in
dei- Sitzung- der Gesellscliaft noch der von Herrn A. Grote erhaltene
14 Pfund scliwere Stein vorgelegt, von welchem uns dieselbe ein
Bruciistück, gewogen 2 Pfund 6 Lotli, und dazu noch einen Abguss
in Gyps der besonders merkwürdigen Gestalt des ganzen Steines
freundlichst übersandte. Dif^ser Stein war von Dr. Evan Mac D o n e 11
gleich nach dem Falle erworben worden. Er hatte von dem Falle
am 7. gehört, als „am gestrigen Tage" (am 6.) stattgefunden, und
sogleich an den Ort des Falles gesandt. Drei Cavallerie- OfTiciere
hatten nach seinen ferneren Mittheilungen in ihrer Station Segowlee
ein eigenthümliches, rollendes (rumhling) aber dem Donner gänz-
lich unähnliches Getöse gehört. Dasselbe wurde in Bettiah von
einem italienischen Priester und vielen Einwohnern daselbst bemerkt,
welche darüber sehr ängstlich und betrofl'en waren. Ein anderer
italienischer Missionär, sechs Meilen nordwestlich von Bettiah, gab
dieselbe Nachricht. Man verglich den Schall mit Wagengerassel über
ein Pflaster. Er währte etwa 40 Secunden. Der Himmel war wolken-
los, die Sonne schien in vollem Glänze. Wind westlich, kühl, Ther-
mometer bei Tage 44» F. (4« R.). Alle Steine sind in ihrer Gestalt
ziemlich pyramidal, das Gewicht meistens 1/3 bis 4 Pfund, einer
141/2 Pfund.
Dieser gegenwärtig vorliegende Meteorit ist in seiner Masse ganz
unähnlich der bei weitem grössten Anzahl der in unseren Sammlun-
gen aufbewahrten. Er reiht sich nur an den von Mainz unmittelbar
durch seine Farbe an, welche der Hauptsache nach durch und durch
röthlichbraun ist. Das Exemplar des von Herrn Dr. Gergens in
Mainz entdeckten und später von Herrn F. Seelheim*) analysiiten
Meteoriten verdanke ich dem ersteren hochverehrten Gönner als
freundliches Geschenk, welches ich meinerseits wieder am besten
mit der grossen Sammlung des k. k. Hof-Mineralien-Cabinetes ver-
einigen zu sollen glaubte. Gewiss mit Grund bemerkte Freiherr von
Reichenbach (Pogg. 18S9. o. S. 173), dass diese braune Farbe,
welche auch Gergens und Seelh ei m beschrieben« nicht von späte-
rer terrestrischer Verwitterung herrühren kann." Und doch warder
^) Jahrbücher des Vereins für Nattirliiinile iiri Herzogt limn Nassau. 18ö7. 12 Heft.
S. 40.1.
7*56 H a i (1 i n g e r. Die Calcutla -Meteoriten, von Shalkn,
Stein in der Erde gefunden worden, ohne dass niun von einem
neueren Falle gehört hatte und war von der Aussenseite her in der
That durch Verwitterung angejiriffen. Der Stein von Segowlee war
aber unmittelbar nach dem Falle aufgenommen worden. Die braune
Masse ist übrigens, obwohl sehr fest, doch keinesweges homogen,
sondern es sind wie in anderen Meteoriten zahlreiche, im Durchschnitte
theils kreisrund, theils eckig erscluMuende hellere und dunklere ein-
gesciilossene Theile von grösserer und von geringerer Härte ent-
halten, dazu durch das Ganze hindurch feine Theilchen von metal-
lischem Eisen sowohl als von Magnetkies, mehr von letzteren und
hin und wieder ein grösseres Korn von einem und dem andern, das
grösste Magnetkies -Korn gegen zwei Linien lang und eine Linie
breit, das grösste Eisen körn etwa den vierten Theil so gross. Dazu
ist die Masse noch von zahlreichen Trennungen durchzogen, welche
indessen nicht einen mehr geradlinigen Verlauf haben wie etwa
wirkliche Klüfte, ähnlich jenen oben erwähnten an den Meteoriten
von Futtehpore, sondern welche mehr den Charakter von Ablösungen
haben, welche fester zusammenhängende Theile wie Knoten um-
schiiessen. In der That erschien bei dem Wegschlagen einer Ecke
jenes grossen Meteoriten von 14 Pfund kein reiner Bruch in einer
groben dickknotigen Bruchfläche, von mattem Aussehen, wie mit
Bost überzogenes Eisen, oder das Ganze wie sich Freiherr von
Beichenbach bezeichnend ausdrückt, „einem armen Brauneisenstein
ähnlich'^. Und doch ist wirklicher Bruch, wenn auch unvollkommen,
doch von deutlichem schwachen Fetiglanz. Auf den wirklichen
Brucbflächen traten dann die härtesten Kügelchen deutlich hervor.
Die Binde ist sehr dünn, nirgends über ein Viertel einer Linie dick,
dunkelröthlichbraun , grösstentheils rnatt, nur stellenweise auf
ebenen Theilen und an den abgerundeten Kanten dunkler, in das
Schwarze und etwas glänzender. Der ganze Zustand wohl ein
Beweis geringer Schmelzbarkeit der Masse.
Das specilische Gewicht fand ich = 3-425 bei IT» B. Die Härte
ist etwa = 6, der des Feldspathes, von dem die härtesten Ein-
schlüsse nicht oder nur sehr schwach geritzt werden, wenn auch
leicht von Quarz.
Höchst merkwürdig ist die Form dieses grossen Meteoriten
selbst, dessen Abguss wir der Theilnahme unserer hochverehr-
ten Freunde verdanken. Hier ist allerdings Orientirungr der Bahn
Fultelipori', Pcgu, Ass;im iiiid Seg-owlpc im k. k. IIiil'-Mii)eriilii;ii-C:il)iiiele. 757
u
des Meteoriten in der
Richtung AB , wo der
Schwerpunkt deutlich
in dem dickeren Theile
liegt. An dem hinteren
spitzen, leichtern Ende
bei^, finden sich vor-
zugsweise Andeutun-
gen jener flach-schüs-
selförmigen Vertiefun-
gen. Von merkwürdi-
ger Ebenheit ist auch
die untere Fläche, ge-
wissermassen die Basis
des Meteoriten. Mit
einer vollkommen ge-
raden Linie verglichen,
weicht der Durch-
schnitt derselben von
dieser geraden Linie bei einer Länge von 4 Zoll an dem vorliegen-
den Stücke um nicht mehr als zwei Linien , um eine halbe Linie in
der senkrecht darauf stehenden Richtung ab. Das entlang der Linien
CD abgetrennte Stück ist es, welches wir der Gewogenheit unserer
hochverehrten Freunde in Calcutta verdanken. Parallel der Fläche
E wurde ein Schnitt geführt und ein kleiner Theil abgetrennt, so
dass an dem grösseren Stücke eine polirte Fläche von etwa sechs
Quadratzoll, an dem kleineren von etwa vier Quadratzoll gewonnen
wurde. Diese beiden für die Übergabe vorbereiteten Stücke wiegen
das grössere 1 Pfund 27 Loth und das kleinere 6^/4 Loth.
Gedrängt durch die Zeit, den Schluss unserer diesjährigen
Sitzungen, den Ernst des Augenblickes, muss ich mich bescheiden,
so Manches in den vorstehenden Zeilen nur kurz angedeutet zu
haben, was ich gar gerne fester und eindringlicher vorgenommen
hätte. Namentlich hätte ich sollen viele Arten von Meteoriten
genauer vergleichen. Ich muss daher dieser anregenden Abtheilung
naturwissenschaftlicher Studien gewogene hochverehrte Herren
Collegen dabei um freundliche Nachsicht bitten , die sie mir wohl
nicht entziehen werden. Ich freue mich übrigens, indem ich über
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 20. »3
"ygg Haidinger. Die Calcutla-.Meteoriteii, von Shalka etc.
diese namhafte Bereicherung unseres grossen k. k. Hof-Mineralien-
Cabinetes in seiner Meteoritensammlung berichte, meinen innigsten
Dank den hochverehrten Freunden in Calcutta, namentlich Herrn
Th. Oldham, Director der LandesauCiiahmc in Indien, und S. W.
Atkinson, Secretär devAsiatic Society of Bengal und den sämmt-
lichen wohlwollenden Mitgliedern derselben, welche den nun durch
mich eingeleiteten Austausch dieser anziehenden Gegenstände gut
geheissen hatten. Mein hochverehrter Freund Herr Director Dr.
Hörnes kann nun nach der Übergabe sogleich die entsprechende
Gegensendung vorbereiten.
Eines bleibt mir noch zurück, die auf der Höhe der Kurrukpore-
Hügel gefundene Eisenmasse, über welche die Arbeiten noch nicht
abgeschlossen werden konnten.
Den Bericht über die Ergebnisse der chemischen Untersuchung
bereitet Herr v. Hauer für unsere nächste Sitzungsperiode im
October vor.
r. ei 1 1 i II irc r. Zur Ivrkliiniiig- rlcs [^iilliirschen Versiiclies elf 7i)9
Zur Ei'klärung des Lullin scheji Versuchen und einiger anderen
Artunterschiede der positiven und negativen Elektricitüt.
Von Dr. Eiliiinnd ßeitlinger,
Universitäts-Doeenten der Physik.
(Nach Versuchen ausgeführt im k. k. physikalischen Institute.)
■§>. 1. Tremery suclite alle Zeichen, die man zu seiner Zeit
als Beweis anführte, dass die Glaselektricität Überfluss, die Harz-
elektricität Mangel sei, also auch die Formverschiedenheit der posi-
tiven und negativen Staiihfigur auf dieselbe Ursache, die er durch
ein näheres Studium des Lullin'schen Versuches ermittelt zuhaben
glaubte, zurückzuführen. Der letztere Versuch besteht darin, dass man
eine Spielkarte in den Schliessungskreis einer Franklin'schen Batterie
oder auch eines Inductions-Apparates so bringt, dass die Spitzen beide
Flächen der Karte berühren und in einer gewissen Distanz von ein-
ander stehen. Der Entladungsfunke geht dann stets über die Fläche,
welche von der positiv elektrischen Spitze berührt wird, und durch-
bohrt dieselbe an einer der negativen Spitze gegenüberliegenden
Stelle i). Die von Tremery zur Erklärung des Lullin'schen Ver-
suches , der Staubfiguren und anderer Artunterschiede benützte
Annahme eines verschiedenen Leitungsvermögens der Luft für posi-
tive und negative Elektricität ward von Biot widerlegt. Auch
Riess suchte die Staubfiguren und den Lullin'schen Versuch aus
derselben Ursache abzuleiten. Eine Widerlegung seiner Erklärungs-
weise findet man im §. 6 meiner Abhandlung „zur Erklärung der
Lichtenberg 'sehen Figuren". Dort angeführte E.vperimente mit
Karten, deren Flächen Terpentinöl bedeckte, widerlegen insbeson-
dere die Erkläruns^sweise von Riess für den Lullin'schen Ver-
■•) Lullin, Dissertatio physica de eleclricitate. Genev. 1766.
33^
■^ßO Reitling'er. Zur Erklüriinir <U«s Liilliii'schen Versuches
such. Dagegen lässt sich aus der Annahme Plüeker''s, die im §. 8
meiner eben eitirten Abhandlung der Erklärung der Lichtenberg-
schen Figuren zu Grunde gelegt wurde, auch der Lullin'sche
Versuch begreifen.
Nach Pliicker's Annahme hat das am positiven Pole befind-
liche elektrisirte Theilchen eine eigene Bewegung in der Richtung
des Stromes, welche das am negativen Pole befindliche nicht besitzt.
Eine solche Bewegung der von der positiven Spitze elektrisirten
Theilchen in der Richtung ihrer Elektricitäts-Übertragung erklärt
ungezwungen, dass die zum Durchschlagen nothwendige beiderseitige
Ansammlung entgegengesetzter Elektricitäten sich auf der aus einer
isolirenden Substanz bestehenden Karte an der negativen Spitze
bildet, welche den von ihr elektrisirten Theilchen keine solche Bewe-
gung mittheilt. Man kann sich die Sache auch so vorstellen, als ver-
hielten sich die zwei Kartentlächen wie zwei Harzflächen. Daher ver-
breiten sich die positiv elektrisirten Theilchen in der strahlenförmi-
gen und ausgedehnten Weise der positiven Figur auf der der positiven
Spitze zunächst liegenden Fläche viel weiter als auf der negativen
Seite, wo die Entladungen, der negativen Figur entsprechend, aut
einen kleineren Raum beschränkt bleiben. Desshalb findet die An-
sammlung der zur Durchbohrung der Karte nöthigen entgegen-
gesetzten Elektricität gegenüber der negativen Spitze Statt.
Beide Vorstellungsweisen unterscheiden sich nur im Ausdrucke
und sind im Wesentlichen identisch. Sie leiten den Erfolg des
Lullirrschen Versuches von der verschiedenen Ausbreitungsweise
der positiv und neg;ttiv elektrisirten Theilchen in der die isolirenden
Kartenflächen zunächst berührenden Luftschichte her. Zur Prüfung
dieser Erklärungsweise konnte also ein Experiment dienen, das den
überwiegenden Einfluss dieser Luftschichte durch eine leitende Be-
deckung der Kartenflächen beseitigte. Die Benetzung beider Karten-
Aachen mit gewöhnlichem Wasser diente zur Anstellungeines solchen
Versuches. Die benetzte Karte wurde im Schliessungsbogen des
RulimkorfT- Apparates jedesmal an beiden Spitzen durchbohrt,
wenn :uw\\ die hier jedenfalls aus mehreren Entladungen bestehende
Einwirkung nur sehr kurze Zeit gedauert hatte. Dagegen bei den
Entladungen der Leidner Flasche war bei einem einzigen Schlage
meist nur eine Durchbohrung an der negativen Spitze zu bemerken,
und erst einicre wiederholte Entladungen Wessen zwei Durchschla-
und eiiii!:^er anderen Artiinteisehiede d. positiven u. negativen Elektrieität. 761
gungsstellen, die eine an der positiven , die andere an der negativen
Spitze, waiirnehmen. Eine Vertiefung war übrigens schon meist nach
der ersten Entladung der positiven Spitze gegenüber zu beobachten.
Andererseits waren auch beim RuhmicorfT- Apparate die Durchboh-
rungen an beiden Spitzen nicht genau gleich gross, und zuweilen
mehrfach. Es Hess also der Versuch bei den schwächeren, aber sich
rasch wiederholenden elektrischen Mittheilungen des RuhmkorfT-Appa-
rates nur mehr einen sehr geringen Einfluss der Luftschichte wahr-
nehmen; es sammelten sich vielmehr die zur Durchbohrung genügen-
den Elektricitäten durch die gute Leitung im Wasser an beiden
Spitzen an. Bei der starken und plötzlichen Entladung durch die
Leydner Flasche schien die Luft einen grösseren Theil ihres Ein-
flusses zu behalten, zum Theile machte sich aber auch der Einfluss
der Fortleitung der negativen Elektrieität von der negativen zur
positiven Spitze durch das Wasser geltend. Jedenfalls erfüllten die
Experimente die Erwartung, die oben gegebene Erklärung des
Lu Hinsehen Versuches zu bestätigen i).
■§. 2. Man hutte den Lullin'scheu Versuch als entscheidend
für die Franklin'sche Theorie angeführt, bis Tremery zeigte, dass
der Versuch mit der dualistischen Hypothese in keinem Widerspruche
steht, wenn man ihn durch ein grösseres Leitungsvermögen der
atmosphärischen Luft für die positive als für die negative Elektrieität
erklärt. Diese Annahme zu prüfen, wiederholte Tremery den Ver-
such unter dem Recipienten einer Luftpumpe, unter welchem die
Luft bis zu einer Quecksilberhöhe von ungefähr 5" ausgepumpt war.
Die Karte wurde in einem Punkte y durchbohrt, der ungefähr in der
Mitte zwischen den beiden Spitzen lag. Er Hess nun die Luft all-
mählich wieder hinein und wiederholte den Versuch in verschiedenen
Dichtigkeiten. Für jede entstand ein Loch an einer anderen Stelle
zwischen der Mitte und der negativen Spitze. Um die Entladung
durch die früher gebildeten Löcher zu vermeiden, musste die Karte vor
jedem neuen Schlage etwas in die Höhe gezogen werden. Manchmal
entstanden mehrere Löcher zugleich, wo es dann unmöglich war, zu
sagen, an welcher Seite der positive und an welcher der negative
Drath gewesen sei. W^urde der Versuch in Luft von geringerer
•) Die Ijeiiützten Karten waren aus weissem Kartenpapier , dessen Oliertliiche {jeglältet
aller nicht lackirt war. Fiirni und Grösse entspraciien gewöhnlichen Visitenkarten.
762 Hcitlinger. Zur Erkliininy; des Luliin'schen Versufhes
Dichtigkeit wiederholt, so fand Tremery den Punkt, wo der Schlag
die Karte durchbohrte, näher beim positiven Drathe als beim
negativen.
Ich erwähnte schon im vorigen Paragraphen, dass die verschie-
dene Grösse des Leitungsvermögens der Luft in der Art, wie sie
Tremery annimmt, durch directe Versuche widerlegt ist. Dies
konnte mich aber natürlich nicht entheben, meine Erklärung mit den
von Tremery bei Prüfung seiner Annahme gefundenen, interessan-
ten Thatsachen zu vergleichen. Nun konnte man wohl begreifen,
dass bei grosser Verdünnung der umgebenden Luft die directe
Influenz der zwei Metallspitzen den Eintluss der Luft je nach dem
Grade der Verdünnung ganz oder tiieilweise überwand, und so die
Durchbührungsstelle von der negativen Spitze gegen die iVIitte
rückte. Die mehreren Löcher in einigen Fällen erklären sich durch
ein theilweises Leitungsvermögen der Kartenoberfläche, das sich bei
Luftverdünnung geltend macht, und entsprechen so den im Schlies-
sungsbogen des RuhmkorfT- Apparates jedesmal entstehenden zwei
Durchbohrungsstellen einer mit Wasser bestrichenen Karte, worüber
ich im vorigen Paragraphen gesprochen habe.
So weit harmonirten also die Versuche Tremery's mit meiner
Erklärungsweise. Aber nicht eben so verhielt es sich mit der Mit-
theilung Tremery's, dass hei noch geringerer Dichtigkeit als 5"
Barometerstand der Durchbolirungspunkt näher bei dem positiven
Drathe als beim negativen lag. Dafür vermochte meine Erkläruugs-
weise des Lul 1 in'schen Versuches keine Ursache anzugeben.
Dies veranlasste mich, Tremery's Versuche zu wiederholen, wo-
bei ich die gleichmässige Wirksamkeit des RuhmkorfT-Apparates zu
benützen beschloss.
Bis circa 5" Quecksilberhöhe fand auch ich ein Fortschreiten
der Durchbohrungsstelle gegen die Mitte, die jedoch nicht völlig
erreicht wurde. Mehrere Durchbohrungen bekam ich bis zum Baro-
meterstande von ö" nie. Unter 5" aber fand ich überhaupt keine
gleichmässigen Resultate mehr. Die Durchhohrungsstelle lag nun
meistens gar nicht in der Verbindungslinie der beiden Spitzen, son-
dern seitwärts derselben. Ja, bei Barometersländeti von 1 — 2", den
slärksfcMi Vordüniiungen, bei denen noch Durchbohrungen und nicht
leuchtende Unnvallungen der Karten stattfanden, ging die Unregel-
mässigkeit so weit, dass ich zuweilen Durchbohrungsstellen in den
und einiger anderen Arlunterseliiede rl. positiven u. negativen Elektrieilät- / (>3
Verlängerungen der Verbindungslinie sowohl jenseits der negativen
als der positiven Spitze erhielt. In diesen Fällen waren auch manch-
mal mehrere Löcher sichtbar. Eine Annäherung an die positive
Spitze als Regel war nicht zu bemerken, im Gegentheile schien
noch immer die negative Spitze einen gewissen Eintluss zu behalten.
Die Unregelmässigkeit des Papiers war offenbar bei der guten Lei-
tung der verdünnten Luft viel massgebender, als die wenigen be-
wegten elektrisirten Theilchen oder auch die directe Influenz der
Spitzen. Ich machte in dieser Hinsicht sehr viele Versuclie und da
ich öfters 3 — 4 Male nach einander Durchbohrungen näher der
positiven als der negativen Spitze erhielt, wie auch umgekehrt, so
sah ich, dass Tremery, bei dessen Theorie diese Thatsache nicht
schwieriger als die Annäherung an die Mitte zu begreifen war, sich
in dieser Rücksicht mit einer unvollständigen Induction begnügt hatte.
Die genaue Wiederholung der Versuche Tremery 's widerlegten
also die im I.Paragraphen mitgetbeilte Erklärungsweise des Lu Hin-
sehen Versuches nicht, sie zeigte im Gegentheil eine vollständige
Harmonie der näher studirten Versuche Tremery's mit derselben*
Die Wiederholung dieser Versuche mit Benützung des Ruhm-
korlT-Apparates war aber noch in anderer Hinsicht lehrreich. Es zeigte
sich nämlich bei Verdünnung der Luft im Recipienten an den Durch-
bohrungsstellen der Karten eine beträchtliche Schwärzung des
Papiers. Sie wird mit der Verdünnung stärker, bis sie ein Maximum
erreicht, von welchem an sie bei noch weiterer Verdünnung wieder
etwas abnimmt. Diese Schwärzung ist offenbar eine Wärmewirkung
des Funkens. Da durch Luftverdünnung der Widerstand des Schlies-
sungsbogens vermindert, also der ausgleichende Strom vermehrt
wird, so begreift man eine Vermehrung der Wärmewirkung des
Funkens durch Luftverdünnung, Da die Schwärzung als Verbren-
nungsprocess von der Reichlichkeit des zu Gebote stehenden Sauer-
stoffes abhängt und da ferner auch die Verminderung des Wider-
standes durch Verdünnung nach Versuchen Gaugain 's ein Maximum
besitzt, so hat der Umstand, dass die Schwärzung bei der Verdün-
nung der Luft ein Maximum zeigt, nichts Unbegreifliches.
Schon in sehr früher Zeit halte man den elektrischen Funken
in seiner Wiiksairikcit einem brennenden Stoffe verglichen. Gegen
diese Ansicht, dass der elektrische Funke stets Wärme erzeuge,
wurde vorzüglich eingewendet, dass man, wenn man einen Ent-
"7(54 Reitlinger. Zur Erklärung' des Lullin'schen Versuches
ladungsfunken durch ein Kartenblatt schlagen lässt, nicht die mindeste
Spur einer V^erbrennung in dem durch den Funken gebildeten Loche
wahrnimmt. Masson hat in seiner gekrönten Preisschrift über den
elektrischen Funken diese Einwendung zu entkräften gesucht. Er
macht darauf aufmerksam, dass jede an einem Punkte erregte Wärme
oder Verbrennung eine gewisse Zeit bedarf, um sich den benach-
barten Punkten mitzutheilen. Es begreift sich daher, dass Funken,
die nur sehr kurz dauern und sich in Pausen folgen, während wel-
cher die erregte Wärme sich wieder zerstreuen kann , keine sicht-
bare Spur von Wärme zeigen, wenn sie auch eine reichliche Menge
derselben besitzen i). Da der InductionsfunkendesRuhmkorff-Appara-
tes nichts Anderes ist als eine rasche Folge gewöhnlicher Entla-
dungsfuiiken, so bestätigt die oben mitgetheilte Schwärzung völlig
die Betrachtungen Masson 's. Auch in unverdünnter atmosphärischer
Luft schwärzt sich das Kartenpapier bei längerer Fortdauer des
Funkens. Es wird also der erwähnte Einwand gegen die Wärme des
Funkens nicht nur durch Betrachtungen, sondern auch durch That-
sachen widerlegt.
Die kräftige Wärmewirkung des Inductionsfunkens und daher
des Entladungsfunkens (wie schon Masson bemerkt) ist aber ohne-
hin durch andere Thatsachen so unzweifelhaft festgestellt, dass man
sich bezüglich des obigen Einwandes mit Betrachtungen hätte begnü-
gen können. Nicht so ist es mit der anderen Frage, ob die ausser-
ordentliche Wärmewirkung, die bei rasch sich folgenden Funken
wahrgenommen wird, von den Polen oder den Funken selbst her-
rührt. Der Übergang der Elektricität zwischen einem guten und einem
schlechten Leiter, zwischen dem Metalle und der Luft könnte ebenso
gut als der Funke selbst die Ursache dieser bedeutenden W^ärme-
entwickelung an der Unterbrechungsstelle sein. Beobachtungen an
Thermometern konnten diese Frage nicht entscheiden 2). Masson
erklärt sich in der von ihm als sehr wichtig bezeichneten Frage für
die Eigenwärme des Funkens. Der Versuch , den er aber für seine
Ansicht anführt, dass bei grösserer Annäherung der Pole die Wärme
an denselben in hohem Masse zunimmt, spricht wohl für diese Mei-
nung, ohne jedoch schlagend zu sein. Bei grösserer Nähe der Pole
') .Miisson, Mi'iiKiii e sur relincelk' electiiiiuf. iliiilciii ISiU, p. 18.
■i) Mass.. II I. c. |.. 19.
und einiger anderen Arhinterschiede d. positiven u. negativen Elektrieität. 765
ist tler Strom selbst und daher seine erwärmende Wirkimg durch
Verminderung des Widerstandes verstärkt und ferner kitnnen sich
die Wärmewirkungen beider Pole M'echselseitig unterstützen. Doch
ist Massen 's Ansicht richtig und eine genauere Beobachtung der
oben mitgetheilten Schwärzung beim Lullin'schen Versuche im luft-
verdünnten Räume lieferte einen entscheidenden Beweis für dieselbe.
Beide Metallspitzen, die als Pole dienten, berührten das Papier,
und doch waren die Stellen, wo dies geschah, nicht geschwärzt.
Wohl aber waren die durchgebohrten Löcher auf beiden Seiten mit
schwarzen Rändern umgeben, von welchen an Breite und Schwärze
abnehmende Verbrennungsspuren gegen die Pole zuliefen, ohne die-
selben völlig zu erreichen. In den Fällen, wo eine gewisse Ver-
dünnung schon eingetreten war, aber doch die Durchbohrungsstelle
noch in der Nähe des negativen Poles stattfand , war, wie schon
früher bemerkt, die Schwärzung am grössten. Eben unter diesen
Umständen war es auch nicht zu verkennen, dass die Schwärzung
auf der die positive Spitze berührenden Kartenfläche viel beträcht-
licher, als auf der Seite der negativen Spitze war.
Die nähere Beobachtung der so vertheilten Schwärzung beweist
also gewissermassen schon durch unmittelbare Anschauung die Rich-
tigkeit der Ansicht Masson's, dass der elektrische Funke selbst eine
sehr hohe Temperatur besitzt, und den Polen, indem sie den glühen-
den gasförmigen Leiter berühren, von seiner Wärme mittheilt *)•
So weit diese Beobachtung zum Beweise des eben erwähnten
Satzes von Masson verwendet wird, kann man sich dieselbe auch
unmittelbar ohne die Anordnung des Lullin'schen Versuches als
solchen verschalTen, in welcher Weise sie mir sehr geeignet scheint
als Schulversuch für die Eigenwärme des Funkens zu dienen. Man
braucht nämlich nur mit zwei nicht weit entfernten Polspitzen eines
Ruhmkorff- Apparates die Fläche des Papieres zu berühren und
dann den Funken einige Zeit zwischen ihnen überschlagen zu lassen,
so entsteht eine Schwärzung des Papieres, die im mittleren Räume
zwischen beiden Spitzen am stärksten ist und gegen beide Pole in
augenfälligster Weise abnimmt.
§. 3. Es hat übrigens Tremery, wie schon Anfangs erwähnt
wurde, nicht nur die Verschiedenheit der positiven und negativen
') Mass on I. c. |). 20
T66 Reitlinger. Zur Erklärung' des Lullin'schen Versuches
Staiibfigiir und den Lullin'schen Versuch, sondern auch alle Zeichen,
die man zu seiner Zeit als Beweis anführte, dass die Glaselektricität
positive (Üherschiiss), die Harzelektricität dagegen negative (Man-
gel an) Elektricitüt sei, auf das von ihm angenonunene verschiedene
Leitungsvermögen der Luft für positive und negative Elektricität
beim gewöhnlichen Drucke der Atmosphäre zurückzuführen gesucht.
Eben so fügt Riess in seiner „Lehre von der Reibungselektrieität"
(Bd. II, p. 214) seiner Erklärung der Formverschiedenheit der
positiven und negativen Staubfigur und des Lullin'schen Versuches
noch die Worte bei: „Vielleicht gibt das angewandte Erklärungs-
princip auch Aufschluss über den sehr räthselhaften Unterschied der
Lichterscheinungen der positiven und negativen Elektricität. Es ist
angeführt worden, dass, wenn von einer Spitze negative Elektricität
ausströmt, viel leichter das auf eine kleine Stelle beschränkte glim-
mende Licht erscheint, als der weit in die Luft ragende Büschel.
Mit positiver Elektricität war hingegen derBüschel leicht zu erhalten.
Nimmt man an, dass der Luftstrom, von dem das Glimmen stets
begleitet wird, mit Wassertheilchen vermischt ist, die von der, die
ausströmende Spitze bedeckenden, Schicht condensirten Wassers
losgerissen Avurde und Hesse sich nachweisen, dass feuchte Luft
gegen trockene gerieben, diese in gleicher Art negativ elektrisch
macht, wie starre Körper, so würde der bezeichnete Unterschied der
positiven und negativen Lichterscheinung unserem Verständnisse
bedeutend näher gerückt sein." Da das Erklärungsprincip von
Riess für die Formverschiedenheit der positiven und negativen
Staubfigur und den Lull i n 'sclieM ^^M^sil('h in der Abhandlung „zur
Erklärung der Lichte n her g'scheu Figuren" §. 6 widerlegt
wurde, so lag in diesen Worten die Aufforderung, das in der citirten
Abhandlung aufgestellte Erklärungsprincip für die Lichtenberg-
schen Figuren in gleicher Weise auszudehnen. Für den Lu Hin-
sehen Versuch geschah es in §. t dieser Abhandlung. Es bietet aber
auch keine grosse Schwierigkeit, durch Plüeker's Annahme einer
eigenen Bewegung der von der positiven Spitze elektrisirten Theil-
chen, und keiner solchen eigenen Bewegung der von der negativen
Spitze elektrisirten Theilchen zu begreifen, dass das weit in die Luft
ragende Büschel leichter bei der Ausströmung von positiver als von
negativer Elektricität erscheint. Eben so leicht erklärt sich aus
dieser Annahme die viel grössere Ausdehnung des positiven als der
iHiil einiger anderen Artunlerschieüe d. positiven u. negativen Elektricität. 76T
negativen Lichtes in den G eis. sie r 'sehen Röhren. Das verschiedene
Verhalten des positiven und negativen Lichtes unter der Einwirkung
des Magnetes hatte P 1 ück er eben zur Aufstellung der erwähnten
Annahme bewogen, ist also auch durch dieselbe erklärt, als deren
einfachste Bestätigung wohl die Lichtenbergischen Figuren er-
scheinen dürften. Schon in §. 8 meiner Abhandlung „zur Erklärung
etc.'" habe ich mehrere ßewcgungsersclieiniingen in der Richtung
des positiven Stromes als durch Plücker's Aniuihme begreiflicii
angeführt. Hierher scheint mir auch ein älterer Versuch zu gehören,
den man mit einer Korkkugel anstellte, welche man in ein zu einer
Rinne umgebogenes recht trockenes Kartenblatt, oder in eine Rinne
von wohl ausgedörrtem überfirnissten Holze auf das Tischchen des
allgeuieinen Ausladers zwischen die beiden Knöpfe brachte, wovon
jeder etwa ^ji^' von der Korkkugel abstand und dann eine Entladung
hindurch führte. Die Korkkugel wurde in diesem Falle gegen den
Knopf, der mit dem negativen Belege verbunden ist, getrieben i).
Da liier ein Zwischenraum von Luft ist , so erklärt sich der \ er-
such leicht auf dieselbe Weise , wie die Staubfiguren und der
L ull in 'sehe Versuch. Man sieht also, dass sich ein grosser Theil
der Artunterschiede der positiven und negativen Elektricität ver-
möge der von Plücker aufgestellten Annahme und der in dieser
und meiner früheren citirten Abhandlung mitgetheilten Versuche
und Entwickelungen unter einen Gesichtspunkt bringen lässt. Die
Artunterschiede der positiven und negativen Elektricität dürften aber
bessere Prüfungsmittel von Theorien derElektricität sein, als Erschei-
nungen , wo die Elektricitätsarten sich nur als matbematisch ent-
gegengesetzte, sich aufhebende Grössen verhalten. Kann man viele
derselben unter einem Gesichtspunkte vereinigen, so kann ein solcher
ein besonderer Anhaltspunkt elektrischer Theorie werden. Diese
Ansicht veranlasste mich eben zum Studium der Artunterschiede der
positiven und negativen Elektricität.
Schon von jeher wurden die Artunterschiede der positiven und
negativen Elektricität als die Hauptargumente der Unitarier und Dua-
listen benützt und beim Streite derselben spielten die Unterschiede
der Lichtenbergischen Figuren und der Lichterscheinungen, der
Lullin'sche Versuch und das erwähnte Korkkugelexperiment die
') r. e h I .■ i'.s pliysilialiselies \V;M(|.rl)iifli. Bd. IV. Ahlli. 1. \^. 42'.».
T68 Reitliiig:er. Zur Erklärung- des Ltillin'sclien Versuches etc.
Hauptrolle. Es liegt darin eine Aufforderung, über das Yerhältniss der
so viele Artuntersehiede umfassenden Plücker'sehen Annahme, zur
Streitfrage der uriitarischen und dualistischen Hypothese zum minde-
sten eine Vermuthung aufzustellen. Wenn ich dies M'agen darf, so
scheint mir die Plücker'sche Annahme die Frage zwar nicht zu ent-
scheiden, doch aber für die unitarische Hypothese zu sprechen. Nimmt
man nur ein elektrisches Fluidum an und setzt voraus es sei dasselbe
die positive Elektricität, so dass also an der positiven Spitze Aus-
strömung, an der negativen Aufsaugung stattfindet, so begreift man in
plausibler Weise, dass den positiv elektrisirten Theilchen ein Impuls in
der Richtung des Stromes ertheiit wird, den negativ elektrisirten aber
nicht, was ja eben der Plücker'sehen Annahme entspricht. Die
dualistische Hypothese bietet für die Plücker'sche Annahme keine
ähnliche plausible Erklärungsweise, während den statischen und
dynamischen Erscheinungen beide Hypothesen bekanntlich in gleicher
Weise genügen.
Schliesslich erlaube ich mir noch meinen Dank für die Güte und
Liberalität auszusprechen , mit welcher Herr Regierungsrath Ritter
von Ettingshausen, Director des physikalischen Institutes, mich
bei Anstellung der in den zwei ersten Paragraphen erwähnten Versuche
unterstützte.
Schmu f. Bestimmung der optisclien Conslniileii krystallisiifer Kürper. 769
Bestimmung der optüchen Constanien kvyslallmrter Körper.
I. Reihe.
Von Albrecht Schraaf.
(Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 10. Mai 1860.)
Die Untersuchungen, welche ich in den nachfolgenden Zeilen
veröfFentliche, betreffen die Bestimmung des Brechimgs- und Disper-
sionsvermögens krystallinischer Medien. Wohl ist durch die genialen
und umfassenden Arbeiten von Haidinger, Descloizeaux, Grai-
lich und Lang die Kenntniss der optischen Verhältnisse der Krystalle
ungemein erweitert worden; während aber die Natur der Doppel-
brechung, die Neigung der optischen Axen, deren Lage gegen die
Krystallgestalt schon bei den meisten Substanzen bekannt ist, fehlt
bei vielen das wichtigste, die Bestimmung der Brechungsexponenten.
Diese nun bei möglichst vielen Stoffen zu ermitteln, machte ich mir
zum Gegenstande der vorliegenden Arbeit. Dass diese begonnen und
fortgesetzt werden konnte, wurde durch die mir zu Theil gewordene
Unterstützung ermöglicht, ich fühle mich daher zu Dank verpflichtet,
sowohl dem Herrn Regierungsrathe Ritter v. Ettingshausen, wel-
cher mit seiner gewohnten Güte und Liberalität mir alle Hilfsmittel
des k. k. physikalischen Institutes zu Gebote stellte, als auch dem
Herrn Prof. Schrott er, dem Herrn Karl Ritter v. Hauer, dem Herrn
Director Dr. M. Hörn es für ihre Bereitwilligkeit, mit welcher sie
mir erlaubten das reiche Material, welches die unter ihrer Leitung
stehenden Sammlungen enthalten, benützen zu dürfen.
Über die Wichtigkeit der Kenntniss der Brechungsexponenten
will ich hier nicht sprechen, da es mehr als hinlänglich bekannt ist»
dass nur das Nichtkennen derselben es unmöglich machte , eine Be-
ziehung zwischen den morphologischen und optischen Verhältnissen
aufzufinden, sondern in wenigen Worten die mich leitenden Grund-
770 S c h r a u f.
Sätze anzudeuten; meine theoretischen Folgerungen werde ich spä-
ter, wenn es mir gelungen ist, mehr Material gesammelt zu haben,
veröffentlichen.
I. Die Ätherschwingungen sind senkrecht zur Polarisationsebene.
II. Die krystallographischen Untersuchungen wurden nach den
Systemen Miller's (obgleich in letzteren manche Änderungen mög-
lich wären) und nur in so weit durchgeführt, als die optischen Ver-
liältnisse dieselben erfordern.
III. Die Messungen geschehen an einem Örtling'schenRepetitions-
goniometer mit verticalem Limbus, welcher 10 Secunden abzulesen
gestattet. Die Fehler des Instrumentes sind verschwindend klein und
liegen an der Grenze des Beobachtungsfehlers. Beim Beginne und am
Schlüsse der Arbeit bestimmte ich den Winkel einer vollkommen plan-
planen-parallelen Glasplatte und fand ihn als Mittel aus vielen, an ver-
schiedenen Stellen des Limbus gemachten Ablesungen =179" 59' 50",
wobei der Fehler der einzelnen Beobachtung vom Mittel =+7" war.
Ich konnte daher, ohne einen bedeutenden Fehler zu begehen, die
Indicationen des Instrumentes ohne Correction gebrauchen.
IV. Zu den Messungen von Brechungsexponenten musste ich das
Lampenlicht benützen. Eine Vorlage mit salpetriger Säure um die
Brewst er 'sehen Linien hervorzubringen, sclnvächte, ohne den
Zweck zu erreichen, das Licht zu sehr. Obgleich nun das Spectrum
einer gewöhnlichen Öllampe nicht vollkommen identisch mit dem
Sonnenspectrum ist, so ward es mir doch möglich einige Ver-
gleichspunkte in Beziehung auf die Wellenlänge herzustellen,
welche gestatteten, immer eine genau bestimmte Stelle des Spectrums
zu beobachten. Diese Anhaltspunkte waren: 1. die Coincidenz des gel-
ben Natronstreifen mit der Fraunhofer'schen Linie D, 2. die des
Anfangs des Spectrums mit der Linie B', mittelst dieser Daten konnte
mit Zuhilfenahme der Cauchy'schen Dispersionsformel jenes helle
Grün bestimmt werden, welches der Linie E entspricht. Diese so
erhaltenen Stellen des Spectrums wurden durch oftmalige Wieder-
holung der Probebestimmungen sorgfältig dem Gedächtnisse einge-
prägt, so dass ich bei den Untersuchungen immer auf diese bestirn-
ten Farbennuancen einstellte. Es ist daher:
af) = B yp = E
(j =• nahe an C ßl ^= nahe an F.
r'A = D
Bestimmung der optischen Constanten krystallisirter Körper. 771
Diese nahe Übereinstimmung einiger Steilen mit den Fraun-
liofer'sclien Linien gestattete mir aucli die Anwendung der Cauchy-
schen Dispersionsformei zur Prüfung und Vervollständigung meiner
Beobaciitungen. Es ist nach den bekannten Daten i)
1 11 11 1
~ : — —•■ — ^ = 210 : 54 : 56;
entsprechen nun bei einei* Beobachtungsreihe die DilTerenzen der
Brechungsexponenten diesem Gesetze nicht, so nmss dieselbe als mit
allen übrigen in Widerspruch stehend verworfen werden; anderer-
seits ist es aber auch möglich , wenn die Differenzen zwischen BDE
bekannt sind, den Brechungsexponenten für die Linie ^ zu erhalten,
nach der Formel
210 : o4 : 56 =x : \).e — fio '• (J-d — p-B •
Ist auf diese Weise die Linie H bestimmt, so kann man nach
der bekannten Formel
Nb — i\//
Nd—\
das Dispersionsvermögen des Körpers bestimmen.
V. Gewöhnlich werden zur Ermittlung der Brechungsexponenten
die Prismen so geschliffen, dass die brechende Kante parallel einer
Elasticitätsaxe ist, indem in diesem Falle ein Hauptbrechungs-
exponent direct bestimmt ist. Solche Schnittflächen sind jedoch selten
so glatt und schön, um die reilectirten Bilder des Goniometers
scharf darzustellen; in diesem Falle ist es nöthig mittelst Canada
auf die Flächen Deckgläschen zu kleben. Hiedurch wird der ursprüng-
liche Winkel des Prisma nicht immer unveränderlich erhalten, allein
wenn die zu untersuchende Substanz /i = 1-5 besitzt, so ist der
Einfluss des eingeschobenen Canadaprisma zu vernachlässigen; viel
grösser werden jedoch die möglichen Fehler, wenn f. = 2-0, und
in diesem Falle glaube ich das Gewicht einer solchen Bestimmung
auf die Hälfte dessen ansetzen zu dürfen, welches eine an einem
Prisma mit natürlichen Flächen gemachte Beobachtung besitzt.
Um nun diesem Fehler auszuweichen, so wird man so viel als
möglich die natürlichen Flächen zu benützen suchen; wohl sind diese
•) Fraunhofer, Schumacher Astron. Nachrichten 1S23.
772 S c h r a u f.
nicht immer so zu Prismen combinirt, dass ihre Kante vollkommen
parallel einer Elasticitätsaxe wäre, aber, da die Gleichung der
Wellenfläche bekannt ist , ferner aus den krystallographischen
Elementen sich die Lage der Flächen gegen die Elasticitätsaxen,
daher auch die Richtung der Weliennormale vollkommen ergibt, so
lassen sich aus den zwischen diesen bekannten Grössen herr-
schenden Relationen die llauptbrcchungsexponenten rechnen. Diese
Methode, welche ungemein die Beobachtung erleichtert, wurde von
Stockes und Senarmont aufgestellt und von Lang in vielen
Punkten vervollkommt; sie ist auf jedes Krystallsystem anwendbar,
was ich im Folgenden mit kurzen Worten andeuten will.
A. E i n a X i g e K r y s t a 1 1 e.
1 cos?^ sin^ (p
a) Pyramidales System.
1. Ist die Halbirungslinie des von Pyramiden gebildeten Prisma
parallel der Hauptaxe, so ist die Wellennormale des Strahles senk-
recht zu derselben, daher der senkrecht gegen die Kante schwin-
gende Strahl parallel der Hauptaxe vibrirend, daher = s, der parallel
der Kante schwingende ist senkrecht zur Axe, daher = w.
2. Ist die Halbirungslinie hingegen senkrecht zur Hauptaxe, so
ist der senkrecht der Kante schwingende Strahl auch senkrecht zur
Axe, daher w. Der zur Reduction von r auf e nöthige Winkel ergibt
sich aus derBetrachtung, dass die Wellennormale senkrecht auf beide
Pyramidenflächen steht, daher die Zone (100) (001) im Punkte
(101) trifl't. Die Distanz von 100 (Hauplaxe) zu (101) ist daher der
Winkel y. Ein Beispiel dieser Art habe ich bei Mellit durchgeführt.
bj Rhomboedrisches (nach Miller) System.
1. Benützt man als Prisma zwei Rhomboederflächen, so ist der
senkrecht zur Kante vibrirende Strahl auch senkrecht zur Axe = w.
Der Winkel f ist, nach Analogie von Aa 2) = (111) (011).
Diese Methode habe ich bei Chilesalpeter benützt.
2. Ähnlich ist der Fall, wenn man eine Combination von einem
Rhomboeder mit einer Fläche des sechsseitigen Prisma benützt.
Hier ist es auch eine zweite Methode, welche bei a 1. und 2. und b 1.
nicht möglich war, anzuwenden, nämlich die Einführung des Winkels
I!es(imimin<f der optisclipri Coiistanfi'ti hrystallisirtor Kör|ier. 773
zwischen der Halbirungsliiiie des Prisma und der Hauptaxe; ein Bei-
spiel dieser Art hat Senannont gegeben.
B. Z w e i a X i g e K r y s t a I 1 e.
1 1 ' 1 1 ' 1 1
,.3 Q,: i-i ^i r- y-
c) Die Kante ist parallel einer Elasticitätsaxe, in diesem Falle
variirt r zwischen zwei Hauptbrechungsexponenten und lässt sich
mittelst der Formel A bestimmen.
d) Ist die Kante senkrecht auf eine Elasticitätsaxe, so gibt der
parallel der Kante polarisirte Strahl einen Hauptindex, der zweite
variirt zwischen y undjS. Sind daher zwei solcher aber verschiedener
Prismen vorhanden, so lässt sich mittelst der Gleichung B und des
Winkels y y und ß bestimmen.
e) Für ein beliebiges Prisma gilt zwischen r, a, ß, y die
zuerst von Lang aufgestellte Gleichung (^ t' sind die Winkel mit
den Elasticitätsaxen, i Incidenzwinkel)
(cos c sin {' — cos s' sin i)^ (cos t^ sin i' — cos r/ sin i}^
1 4 ~l
(cos ? sin i' — cos ?' sin i')
i 1
r-i yZ
WO durch Variiren des Incidenzwinkels die nöthige Anzahl Gleichun-
gen aufgestellt werden können. Ist aber ausser e) noch eine Beob-
achtung von d) vorhanden, so lässt sich durch Vereinigung beider
Daten ohne Variation von i direct y und ß rechnen, wenn a bekannt.
Der Strahl von (l) a, der von e) aber r genannt wird.
Die Gleichung ist für diesen Fall: C)
((cos c sin i' — cos ?' sin i)^ k 1 ^ ~^ '^' \
1 1 / Vr3 sinä y /
1
(cos^ysinz' — cos :y' sin z)2 — cotg y, (cos Tsin i' — cos T sin t)^
(cos g sin i' — cos g' sin i\ •■
n z)2 — cotg y, (cos Tsin i'
(cos ^ sin i' — cos f ' sin i\ 3
Sit/.l)^ a. iiialliem.-iiatuivv. CI. XM. Bd. Nr. 20.
774
Sehr a II f.
(I. Tl, il)-- -f-
H
cos ? sin ?
/ V sin2// /
cos ? sin t' — cos ?' sin i
in «\
+
(1 o 1 \
— COS~(/ :r \
r-^ — I (cos /; t.iit i' — cos ^' sin i)'
{
cos ? sin i' — cos ?' sin i\ a
)
+
(cos C siii «' — cos C sin i)^
/cos q sin i' — cos £,' sin A •?
Hat man nun mittelst dieser Gleichung ß bestimmt, so folgt aus
B dann unmittelbar 7. Eine ausführliche Anwendung hieven gebe
ich l)('i Schwefel.
hj Liegt die Kante in der Ebene zweier Elasticitätsaxen, was
auch bei Pyramidenflächen zu erreichen ist, so gibt die Beobach-
tung, M'eil die Wellennormale parallel einer Elasticitätsaxe ist, direct
zwei Haupt brechungsexponenten.
Dies sind die hauptsächlichsten Formen der Beobachtung.
Fallen wie im schiefprismatischen System die Elasticitätsaxen nicht
mit den Krystallaxen zusammen, so sind vor allem die Winkel dieser
beiden zu bestimmen; die Methode selbst erleidet keine wesent-
liche Änderung.
\ I. Die Brechungsexponenten rechnete ich entweder aus der
Ablenkung bei der Minimumstellung, oder mittelst des Incidenz-
w inkels. Die richtige F'orinel für letzten Fall ist
tang Ir j =^ tang — cotang sin it — — - — I
Zur Bechnung des innern wahren irAB und des scheinbaren
(in Luft) Axonwinkels sc/i (JH) wurden:
BestiininiiM!^' ili-r optischen Constaiiten ki yslallisirtor Körper. 771)
AB
AU r -, /—
3-/5=^
,33 _ yZ
sin - \8ch {^AB)\ = ß sin - AB
benützt, welche den halben Axenwinkel um das Elastieitiitsmaximuni
geben, unter der Voraussetzung a>j3>7. Um den Innern secundären
Axenwinkel s A B zw rechnen, hat bei der ersten Formel blos der
Coefticient — wegzubleiben. Endlich berechnet sich die Öffnung
a
des Kegels der inneren konischen Refraction nach der bekannten
Formel
tang ip = — i ' ■' ^"^ LJL
' ay.
Schliesslich erwähne ich noch , dass ich bei den einzelnen
Beobachtungen die Temperatur, den Unterschied von jui// — fj./) — \y.i;
zum V^ergleich mit der Dispersionsformel, und den Fehler vom Mittel
angebe (nicht den gerechneten mittleren Fehler), welche auf jede
einzelne der Beobachtungen entfällt , von denen die angeführte
das Mittel ist.
I. Diamant (C).
Krystalisystem : tessular.
Durch Zufall in den Besitz e<nes Fragmentes gekommen, welches
plattenförmig war, benützte ich den prismatisclien Schliff, um sein
Brechungsvermögen zu untersuchen. Der Diamant war von grau-
weisser Farbe, war nicht vollkommen geschliffen, sondern auf einer
Seite noch rohbrüchig.
Um zugleich zu zeigen, welche Übereinstimmung bei den von
mir angewandten Methoden möglich ist, führe ich die Mittel aus
mehreren Beobachtungsreihen an, sie wurden an verschiedenen Tagen,
mit geänderter Stellung des Limbus, je nachdem das Spectrum nach
auf- oder abwärts gebrochen wurde, und mit geänderter Auslritts-
Häche mittelst Methode des Minimum angestellt.
7^ "7 6 S c 11 r :> 11 f.
Brechender Winkel = 30° 4'.
I. Stellung d s Limbus; das Speetrnm nach anfwärts gebrochen.
Austrittfläche A.
l)^ = 40° 15'
ü = 49 26
D^ = 49 38
Z>r = 49 59
p.,, = 2-46051
ß = 2-46526 (). 00991
P-n
2-47042
lij, = 2-47945
0-00903
Fehl. jed. einz. vom Mittel
0-00037
Austrittfläche B.
Db =
49° 14'
ßi^ =, 2-46008
^P =
49 25
11^ = 2-46482
Do =
49 36
ß^ = 2-46956
De =
49 58
Hj. = 2-47902
I)ßX =
50 24
!J.^,= 2-49022
0-00948
0-00946
Mittl. Fehl. 4. B.
0-00018
II. Stellung des Limbus; das Spectrum nach abwärts gebrochen:
Austrittfläche A.
Dß = 49° 16'
D^ = 49 26
ü^ = 49 35
D^ = 49 56
[,^ = 2-46093
'"■p = 2-46536 0.0,^(^20
H^ = 2-46913
o i7Sir <!• 00903
ß^ = 2-4<ölü
Mitt. Fehl. 3. B.
0-00030
Austrittfläche B.
I>B
=
49'
'16'
lip
=
49
27
Do
=
49
37
De
=
49
58
'^^A
=
50
25
/j,^ =: 2-46093
a = 2-46568
[j.j^ = 2-46999
,j.^ = 2-47902
H^.^= 2-49060
0-00906
0-(l09(»3
Mitt. Fehl. 5. B.
0-00012
Diese erhaltenen Resultate zeigen unter sieh eine ziemlich gute
Übereinstimmung besonders wenn man bedenkt, dass die Fläche A
nicht vollkommen schön war, daher ein etwas verwischtes Spectrum
lieferte, und ferners bei so geringen Deviationen ein kleiner Fehler
das Resultat ungemein aflicirt. Das Mittel aus diesen Beobach-
tungen ist.
fJ-B
'p
2-46062
fx^ = 2-46534
Hj^ = 2-46986
,x^, = 2-47902
/^,= 2-49017
0-00924
000916
(56)
(54)
Bestiminuii-r der oplisolien Constanten krystallisirter Körper. 777
Aus diesen Daten folgt mittelst Re<!hnung aus der Disper-
sionsformel
Pj, = 2 31421) 0- 03323 (2i0)
Ferners ist nach Eingangs erwähnter Formel das Dispersions-
vermögen des Mittels
J^ = ü- 033384
II. fflellit (AI2 03,3C4 0o + 18H0).
Krystalle aus dem k. k. Uof-Miiieralieii-Caliinet.
Krystallsystem: pyramidal. « : c = 1 : 1-3402. Charakter der
Doppelhrechuiig negativ.
Die zur optischen Untersuchung verwendeten Exemplare sind
von Artern, und haben sehr schön spiegelnde Flächen. Die VVinkel-
messungen , welche ich an diesen wenigen Stücken anstellte, zeigten
im Mittel ziemliche Übereinstimmung mit den von Dauber i) erhal-
tenen Resultaten; mir fiel jedoch die schlechte Übereinstimmung der
am freien und aufgewachsenen Ende beobachteten Winkelwerthe auf.
Freies Ende Aufgewaehseues Ende
Krystall I. (iii)'(Ul) =^lT8M' 1[lllT7Tll)^'6r°34^
11. (111) (111) =62
„ in. (111) (IIT) = 117 38 (111) (111) = 61 32
Mittel (111) (111) = 118 14 (111) (111) = 61 46
Es scheinen daher bei dem Bildungsprocesse Störungen einge-
treten Zu sein, welche diese convexe Kriimmung hervorbrachte.
Übrigens war die Fläche nicht gross, so dass ich sicher bin, den
Beflex der ganzen Fläche und nicht jedesmal ein von einer andern
Stelle der Fläche retlectirtes Bild beobachtet zu haben.
Übrigens behalte ich die Da über 'sehen Angaben bei, woraus
folgt
(111) (TTl) = 61°4fi'
(111) (100) = 46 32-3
(100) (101) = 36 43
und das Verhäitniss der Hauptaxe zur Nebenaxe
a:c=^i: 1-3402.
Die Spectra wurden gebildet von dem natürlichen Prisma,
welches durch die 2 Pyraniidenflächen an einer der beiden Neben-
1) Poggend. Ann. 94. Bd. 398.
778
S c li r a II f.
jixen gebildet wird. Beobachtet man mm au dem Prisma (111) (11 T),
so wird beim Minimum der Ablenluinc;, wo der Strahl gleich geneigt
gegen beide Pyramidentlächen austritt, die Normale des Strahls bei
(101) austreten, es darf daher zur Reduction des Exponenten r auf
t in die Gleichung A nur als Werth des Winkels y (100) (101) =
36°43 substituirt werden. Zum Vergleich dient Fig. 1.
Der zweite senkrecht zur Kante schwingende Stralil ist nach
dem schon früher Erwähnten co.
Prismal. ^ = 6i°ö9' ^=-14°R.
Schwingungen parallel der Kante == r.
Üß = 4r31'
Dp = 41 44
Df, = 41 53
Dj^ = 42 18
D,,= 42 47
r^ = 1- 52514
'p == 1'^''^^'^'^ ()• 00419
/•,, = 1 • 52933
. f..,.,.,, 0-00398
r^ = 1 -53oiJi
r^^= 1-53834
Mi«. Fehl. 2. Beob.
0-00015
Schwingungen senkrecht zur Kante = co.
ßy
42°25'
42 38
42 52
43 16
43 50
)ß = 1-53454
V = 1 '.'53079 (j.yy^gg
,„ = 1-53920
..r-iooo 0-00412
>r. = 1 -5433^
Mitt. Fehl. 3. Beob.
0-00032
w^^= 1-54914
Prisma II. ^ = 62° t
Schwingungen parallel der Kante =
Z>ß ^ 41°32' fß = 1-52513
/> = 41 44
12° R.
r.
'> — 1 -32720 o.Q()428
Dj^ = 41 56 Vj) = 1-52941
Z>£ = 42 19 r^ = 1-53330 O" 00389
Schwingungen senkrecht zur Kante = co.
1. Beob.
Ds = 42°24'
,^^ = 1-53450
Dp = 42 37
top = 1-03642
0-00484 Mitt. Fehl. 3. Beob
Dj) = 42 54
D^ = 43 19
^^= 1-53934
w^ = l-.")4364
0-00025
0-00430
ü^,= 43 49
j(,j^= 1-54882
Prisma III. A = 62» 2' ^ = 1 3-5 R
Schwingungen parallel der Kante = r.
Dg = 41°29' /•„ = 1-52421
D„
41 40
' ß
,- rz= 1 -.52631 0-00402
i)^ = 41 52
/),, = 42 16
/•/^ = 1-52823
r^. = 1-53237
Mitt. Fehl. 2. Beob
0- 00047
0-00414
Bestimniuiipf der oplisclieii (^otistanlen krystiillisirler Körper. 771)
Schwingungen senkrecht zur Kante = w.
Dß = 42°28' wg = 1-;)344G
2>„ = 42 41 w„ = l-:;:i(!72 Mill. F.'lil. 2. IUm.I..
I)j^ = 42 36 w^ = 1-33929 " ""'^''"^ OOUdllJ.
Z>£ = 43 21 «>£ = t -34337 0-00428
/)j^= 43 37 wj;^= 1-34961
Das Mittel aus diesen drei ßeobachtungsreihen giht folgende
Werthe für co und r.
io„= 1- 33430 n.nn-i?« ''« = 1-32483
J^ = i -33928 ^ '^'" rl = 1-32899 «-O«^'« (^6)
oj^ = 1-34331 «•0«*23 ^.^ _ 1-33299 0-00400 (34)
Rechnet man nun aus diesen beiden Exponenten mit Hilfe der
Gleichung A, wobei ^ = 36 43' gesetzt wird, s, so folgt:
g ^ 1-30783
^ :^ 1-3U01
0-00416
(36)
£ = 1-31461
0-00360
(34)
Da nun die Differenzen der Exponenten eine grosse Überein-
stimmung mit der Ca uchy 'sehen Dispersionsformel haben, so ist
auch hier möglieli den ßrechungsquotienten für H zu rechnen; es ist
daher
(Og = 1-33430 Eg = 1-30783
ü)j^ = 1-33928 £j5 =: 1-31101
wj^ = 1-34331 ££ = 1-31461
Wj, = 1-36113 Sf, = 1-32769
Das Dispersionsvermögen berechnet sich hieraus zu
A = 0-049381
CO
A. = 0-038639.
III. Essigsanres Iranoxyd-Ammoniak.
[AmO, A + 2 (UoOs Ä) + 6 HO].
Krystallsystem: pyramidal. «: 6* = 1:2-0809. Charakter der
Doppelbrechung: positiv.
Die Krystalle, welche ich zur optischen Untersuchung benützte,
sind der ßöttger'schen Sendung entnommen und zugleich dieselben,
an welchen Grai lieh die in seiner Preisschrift publicirtcn Daten
beobachtet hat.
780 S V 1. r a II f.
Mir wurde es möglieh bei sorgfaltiger Revision des Materials
ein Exemplar zu finden, welches schön spiegelnde Pyratnidenflächen
besass; indem bei der ungemein brüchigen Consistenz des Mate-
rials ein Prisma parallel der Hauptaxe zu schleifen unmöglich ist.
Diese Pyramidenflächen bilden einen spitzen Winkel an der Haupt-
axe, die Halbirungslinie desselben fällt daher mit der Hauptaxe
zusannnen; daher gibt dieses Prisma nach dem in der Einleitung
besprochenen Fall A, a 2 direct durch Beobachtung beide Haupt-
brechungsexponenten.
Brechender Winkel = 52° 12'.
I. Schwingungen parallel der Kante, daher = co.
1. Minimumstellung, t = 10°R. Austrittfläche A.
Ü^ =: 28°42' Wß = 1-47472
Z> = 28 56 io = 1-47823 0-00627 ^^''"- ^^^^- ^ ^^''^•
^ ^ 0-00038
i>^ = 29 7 Wß = 1-48099
<«,, = 1-48675
0-00576
2. Minimumstellung, t = 15° R. Auslrittfläche B.
Dß = 28°46' wjf = 1-47572
Z>^ -= 28 54 w^ = 1-47773 0-00502 1. ßeob.
Dj^ = 29 6 w^ = 1-48074
Dl, = 29 29 w£ = 1-48625 ^ "00331
3. Mit Incidenzwinkel. i = 37°20'. ^ = 12°
Dg :^ 28°52' ojg = 1-47569
/>^ = 29 1 <o^ = 1-47784 0-00486 '^'"- *"'"'''• ^- ^*^''''-
d'i, = 29 12 co^'i, = 1-48055 0-00050
Dj^ = 29 32 w£ ^ 1-48568 0-00513
II. Schwingungen senkrecht zur Kante daher = e.
1. Minimumstellung, f = 10°. Austrittflüche A.
/> = 29°32' £„ = 1-48740
d' = 29 43 el = 1-49000 ^-^^'^^^ ^""- ^'^'''- ^^ ^''^■
/)„ = 29 55 £,, = 1-49300 0-00022
0-00*197
/Jg = 30 19 £/,. = 1-49897 " """"*''
2. Minimumstellung. ^ = 15°R. Austrittfläche B.
Dß = 29°35' c„ = 1-48801
ö = 29 45 £ = 1-49050 0-00549 ^''^^- ^''''''- -■ ^''"''-
/>^ = 29 57 c/^ = 1-49350 " ^^"^'^
/>,. = 30 18 £,, = i -49852 0*00502
'E — •"^' '" '^;
Bestiinmiing der optisclieii Constaiileii krystüllisiiler Küi|ier. 781
3. Mit Incidenz. i = 35°40'. t = 12°'.
1. Beob.
Dg = 29°46'
sg = 1-48G31
D^ = 29 37
I)]^ = 30 6
D,.. = 30 27
e^= 1-48893 ,.^^^33
e^ = 1-49119
4== 1-49Ö92 0-00483
Aus dieser letzten Beobachtung erhellt ferner, dass £ nur beim
Minimum richtig ist, da schon eine Abweichung von 6° im Incidenz-
winkel das Resultat afficirt; es ist daher nur aus II 1. 2. das Mittel
zu nehmen. Rechnet man ferner mittelst der Dispersionsformel der
Brechurigsexponenten von //, so erhält man folgende Schema :
= 1-47338 c„ = 1-48770
_ 1-48076 0-00^38 f _ ^.^^^,. 0-00353 (36)
= 1-48623 0-00547 f _ ^.^^g,^ 0-00349 (34)
i- 50687
0-02064 ^ ^ 1-31974 0-02i00 (210)
Das Dispersionsvermögen für beide Strahlen ist:
A,^ = 0-063301
aJ = 0-064937
IV. RaliaDi-Cadmiam-Chlorld (2 K Cl + Cd Cl).
Dargestellt von H. Karl R. v. Hauer.
Krystallsystem; rhomboedrisch. « : c = 1 : 1 -6483. Charakter der
Doppelbrechung: positiv.
Die erste Beschreibung dieser Verbindung in krystallograplii-
scher Beziehung wurde von Rainmeisberg verölTentlicht, welcher,
wahrscheinlich irregeführt durch die nahe an 60° liegenden Winkel-
wertlie und die nicht wahrnehmbare Doppelbrechung, dieselben als
Granatoeder aufstellte. Doch schon Haidinger ^ gab eine Berich-
tigung (lieser Darstellung und erklärte sie ^Is Rhomboeder, für welche
1^1 11 5 und /j. = 1-5^2 zu gelten habe.
Die Messungen, welche ich anstellte, gaben mir als Mittel
mehrerer Bestimmungen
(100)(010) = o9°3I)'.
Hieraus folgt das Verhältniss der Hauptaxe zur Nebenaxe
a:c = 1:1-6483.
a
<) Sitzungsber. XVII. 189.
782
S c h ■' a u f.
Auch in den übrigen optischen Eigenschaften stimmen meine
Beobachtungen mit denen Haidinger 's vollkommen überein. Eine
2 Millimeter dicke Platte, welche senkrecht zur optischen Axe
geschnitten ist, zeigt den positiven Charakter des Mittels, und bei
einem Gesichtsfeld von 120° nur 3 — 5 breite farbige Ringe, daher
die Doppelbrechung so schwach sein muss, dass sie die Einheit in
der 4 Decimalstelle der Brechungsexponenten nicht übersteigen kann.
Als Prismen zur Bestimmung des ßrechungsvermögens wurde
der spitze Winkel der Rhomboederflächen an 2 Exemplaren benützt.
Dg = 44°13'
Dj) = 44 50
i)„ = 43 24
Prismal. yl = 59°35'. t
lj.j^ = l-;)8384
13° R.
!>E
i-:;i»034
= 1 396(53
0-00650
0- 00629
Mitt. Fehl. 3. Reol).
0- 00024
Ü,
44° 12'
Dr. = 44 48
D,
43 19
Prisma II. .1 = 59° 32.
,j.j^ = 1- 38433
= 1-39083
= 1-39634
0-00648
0- 00331
Mitt. Fehl. 2. Beol).
0-00042.
Aus diesen Beobachtungen folgt, wenn man zugleich nach
bekannter Formel // rechnet, als Mittel :
[,^ = 1-38409 (j.y^^jj^,,
Hj^ — 1-^9038 Q.QQggo
,jLj^ = 1-.'J9648
und
M/A
=: 1-62083
0-02433
(36)
(34)
(210)
Benützt man die Angabe, dass die beiden Hauptbrechungs-
exponenten höchstens in der 4 Decimalstelle dilTeriren , so kann man
als Schema aufstellen:
w^ = 1-38409
e^, = 1-38420
üjj) = 1-39038
£^ = 1-39070
u)g = 1-59648
e^. = 1 • 39660
wjf== 1-62083
£,/ = 1-62100
Das Dispersionsvermögen des Stoffes ist
A^ = 0-062067.
Bestimmung dei- optischi-n Constanteii krysliillisirler Körper. 783
V. Ammonium-Cadmium-Chlorld (2 HiXCI + Cd Cl).
Die Kryslalle dargestellt von Herrn Karl li. v. Hauer.
Krystiillsystem : rhoniboedrisch. «:c = i : 1-5704. Cluirakfer
der Doppelltrechiing: positiv.
Eben so wie Kalium-Cadmium-Chlorid wurde auch dieser Stoff
von Ramm eis b er g als tessular beschrieben, eine Correction dieser
Angabe habe ich bisher nicht gefunden, obgleich eine passend
geschliffene Platte ein schönes Kreuz zeigt.
Durch oftmalige Wiederholung erhielt ich als Mittel
(100)(010) = 61°10'.
woraus das Verhältniss der Hauptaxe zur Nebenaxe
a.c = 1:1S704.
Die Doppelbrechung ist so schwach , dass mittelst des Nicols
beide Strahlen nicht getrennt werden können. Eine senkrecht zur
Axe geschliffene Platte von 2 Millimeter Dicke zeigt im Nörren-
berg'schen Polarisationsmikroskop von 120° Gesichtsfeld den posi-
tiven Charakter und 5 — 7 Farbenringe, so dass der Unterschied
beider Hauptbrechungsexponenten etwa 0-0003 beträgt. Als Prisma
wurde der spitze Winkel zweier Rhomboederflächen benützt, welcher
daher o) direct gibt und £ durcli die Rechnung zu ermitteln ist.
Brechender Winkel =- Gl°10'. f = 14° R.
Dß = 48°i9' w^ = l-o9ä81 , ^ Mitt. Fehl. 3. Beob.
Un = iQ 9 tt,„ = 1-60383 ^'^^'^^'^ 0-00037
^ 0 • 00822
D^ == 49 04 w£ = 1-61105 ^ ""^""
Rechnet man hieraus den Exponenten für H, so ergibt sich
folgendes Schema:
w^ = 1-59081 er. = 1-59610
4= 1-60383 0-008«M^6) 4=1-60420
.^^1-61105 0-00822 (54) / = i-ßlUO
.;, = 1-64142 003037 (210) ^ =. 1-64180
Das Dispersions vermögen ist
A = 0-092094.
784 S c h r a II f.
VI. Chilesalpeter (NaO, NO5).
Die Kryslalle ans ilem Lalior:itorium des II. Prof. Schrötter.
Krystallsystern : rhomboedrisch. n: c= \ : 11903. Charakter
der Doppelbrechung negativ.
Die Exemplare waren etwas gelb, gross, sehr fest und durch-
sichtig.
Der Habitus des Stoffes ist ein Rhomboeder, ohne Abstumpfung
der Kauten und Ecken und nur an einem einzigen Exemplare im
k. k. Hüf-Miiieralicu-Cabinet findet sich die Endfläche (111) ange-
deutet. Genaue Winkelmessungen sind wegen der grossen Hydro-
skopie des Stoffes sehr schwer anzustellen. Als Mittel vieler Beob-
achtungen mit einem mittleren Fehler von 10' für jede einzelne
Messung ergibt sich
(lOOj (001) = 105°50',
woraus sich berechnet
(111) (100) = 44°7-5
(111) (011) = 25°ö2-5
und
« : c = 1 : 1-1903.
Im Vergleich gegen diese Daten geben an:
Brooke n : c = i : 1-2083
Rammeisberg a : c = i : 1-2115.
Als Prismen wurden die spitzen Winkel der Rhomboeder an
drei Exemplaren benützt. Die Seiten mussten aber mit Deckglüschen,
um die Prismen zu conserviren, eingeklebt werden, da jedoch der
Brechungsexponent des Chilesalpeter bei der von mir benützten
Stellung der brechenden Kante gegen die Hauptaxe mit dem von
Canadabalsam nahezu übereinstimmt, so ist für die directe Bestim-
n)uiig kein Fehler zu fürchten. Um jedoch aus r richtig s rechnen
zu können, was den wahren Winkelwerth erfordert, bestimmte ich
denselben immer vor dem Einkleben. Um zu erkennen welcher
Winkel zur Reduction von r aufs nöthig ist, darf man nur beden-
ken, dass bei Benützung der Prismen (100) (010) in Fig. 2 der
Strahl r parallel der Kante W. daher aber auch parallel mit der
Bestiininuny tier optiselieii Coiistüiiten krystallisirtei- Körper. 78.')
Fläche (HO) schwingt; und der Winkel , den mm diese Schwin-
gungsrichtiing mit der Hauptaxe [das ist die Normale auf (Hl)]
einschiiesst, wird gleich sein 90° — (Hl) (HO); daher ist der
Winkel der Wellennormale y = (Hl) (HO). Unmittelhar ergibt
sich dies aus der Betrachtung der sphärischen Projeetion in Fig. 3.
I. Prisma. A = 74° 38'. Vor dem Einkleben (100) (OlO) =
= 105°30'. t= 14° R.
1. Schwingungen senkrecht gegen die Kante, daher = w.
Dß = 71°53'
u)g = 1-57972
Dp = 72 48
ojp = 1-58340 o.yQ763
Mitl. Fehl. 3. Beob
Dj^ = 73 48
<y^ = 1-58737
0-00015
D^ = 75 50
wj^ = 1 -09509 0-00772
D^,= 77 48
«,.^= 1-60210
2. Schwingung
en parallel der Kante = r.
Austrittfläch
e A.
Ün =- 60° 2'
,'„ = 1-52215
Dp = 60 35 Vp = 1-52519 Q.Q^^^r^ Mitt. Fehl. 2. Beob.
Z)^ = 61 5 /-^^ 1-52792 "" 0 00023
Dg = 62 8 ;-£ = 1-53355 0- 00563
Austrittfläche B.
Djj = 59°58' Vß = 1-52178
Dp = 60 35 Vp = 1-52519 Mitt. Fehl. 3. Beob.
Dj) = 61 8 r^ = 1-52818 ^'^*^??? 0-00030
Dj. = 62 10 rg = 1-53373 0-00555
1)^^=63 29 r^;^= 1-54147
Prisma. A = 72° 26'. Vor dem Einkleben war (100)(0r0) =
= 106° 10'. ^ = 13° R.
1. Schwingungen senkrecht zur Kante = w.
Dg = 65°26' wg = 1-57935
Dp = 66 15 a,p = 1-58367 Q.yo860 ^^'**' ^®^'' ^- ^^°^
Djj=67 S w^= 1-58795 0-00025
D^ =. 68 42 ö>£ = 1-59605 0-00810
2. Schwingungen parallel der Kante, daher = r.
Austrittfläche A.
I. Beob.
Dß = 55°55'
fß = 1-52345
Dp ^ 56 19
r^ = 1-52605 0- 00620
Djj = 56 54
/>,. = 57 51
'-0= 1-^2965 ^j.Qog^y
,•,, = 1-53574
780 S o li r n u f.
Austritt fläche
B.
Ih:
= 5a
49'
'■«
= 1
•:i->283
I>o
= 56
18
;•
== 1
•D2587
D'n
= J)6
1)2
'■/;
= 1
•r>29ö0
'h.
= ä8
>i-:
= 1
• 03661
- 0-0()667 .Mitt. Fehl. 2. Beob.
(/• 00036
0- 007 II
111. Prisniii. ^ = 72°44'. Vor dem Kinklebeii (100) (010) =
= 100° 50'. t=^ 14° R.
1. Schwingungen senkrecht der Kante = (o.
D„ = 66° 7' w„ = J -37892
rT ß- ,n .„„,.-.. 0-00784 Mift. Fehl. 3. Beob.
Z>^ =3= 69 23 ojj, = 1 -Ö9Ö1Ö 0-00839 0-00038
2. Schwingnn<i;en piirallol der Kante = r.
Dß = •>6°10' rjj = 1 -52100 I\litf. Fehl. 5. Beob.
J5^ = 57 tä r^, = t -52835 ^* '00680 0-00027
1)^ = 58 13 r,,= 1-53433 0-00648
Als Mittel aus diesen Beobachtungen ergibt sich
M„ = 1-57033 Vß = 1-52235
(D„ = 1-58353 ,, n,\oni> >\ = 1 '52558
) ■•s'-io "'^^^^^ • ,.".,^r^ 0-00627 Cäfi)
(ijr, = l-o8<39 ,, t\(\Qf\r, 'Vi = 1 i>2hb2
. ..o"„.> 0-00804 ö 0-00618 (54)
o)j. = 1-5:I;j4.{ ff.. = 1 -!).{480 ^ '
und daraus berechnet
oj,^ = 1-62598 0-03055 r„ = 1-55855 0-02375 (210)
Uni nun r als Mittel auf s zu reduciren, ist es auch nöthig das
Mittel der angewendeten Prismenwinkel in die Rechnung einzu-
führen, denn da y = (111) (110) abnimmt, w^enn (100) (010)
zunimmt, so wird, da bei ^ = 90, r = s: ist, mit der' Zunahme von
(100) (OrO) auch der Brechungsexponent steigen müssen. Dies ist
auch bei meinen Beobachtungen der Fall. Für Gelb ist:
bei Prisma I. I05°30' r= 1-327
„ HI. 105 50 ;• = 1-528
„ II. 106 10 r = 1-529.
Es ist daher 105°50' anzunehmen, wodurch sich für f = 25°
t)2'6 ergibt, welchen Werth ich auch zur Reduction benutzt habe.
Doch ist hiebei die grösste V^orsicht anzuwenden, indem unter den
gegebenen Verhältnissen eine Änderung von -\- 0*0001 in r, um
0-001 eafficiit. Durch die Cjlcichun«^ i erhiell ich fol'^ende Werthe:
Bcsliiiiiiiiiiif; iliM' iipliselicii ('iiiislantcii ki ys(;illisiift'r Kf)r|fiM-. TST
-/;
=^
•334:>(5
c
=
•33Ö2I
'/>
=
•33608
-E
=
• 3373S
•fl
=
•34395
Übrigens ist £ in Folge der nicht absolut genauen Messungen
von ?• gewiss auf + 0-001 unsicher. Wollte man die extremen Beob-
achtungen in die Rechnung ziehen, so würde man für sp Werthe er-
halten zwischen 1-338 — l^o33. Erhalte ich bei Gelegenheit noch
schöneres Material, so werde ich ein der Hauptaxe paralleles Prisma
herzustellen versuchen; ich muss jedoch bemerken, dass meine
Beobachtungen mit den vonUescloizeaux publicirten (w = i-586,
£ =z 1-336) ziemlich gut stimmen.
Stellt man die erhaltenen Resultate zusammen, so erhält man
für Chilesalpeter folgendes Schema:
uj„ = 1^57933 £„ = 1-33406
J, = 1-58739 «-00806 f _ 1.336O8 ^'^^'^^ W
4 = 1-39343 0-00804 f _ ^.33,3^ O-OOnO (54)
4 = 1 -62598 0-03035 f^ _ ^ .3,3^,, 0^00657 (210)
Das Dispersionsvermögen berechnet für sich beide Strahlen zu
A ^ 0^079419
A^ =: 0-027940
YII. Kalisalpeter (KO, NO5).
Krystallsystem: prismatisch, a : b : c = 1 : 0-7028 : 0-o843.
Charakter der Doppelbrechung: negativ.
Die Exemplare, welche ich von Herrn Karl R. v. Hauer, Vor-
stand des chemischen Laboratoriums an der k.k. geologischen Reichs-
anstalt erhielt, hatten die Form von Fig. 4, waren s/^ZoIl lang, 1/3 Zoll
im Durchmesser, von wasserheller Durchsichtigkeit und vollkommen
rein, und bildeten hiedurch Prismen, welche ich ohne Deckgläs-
chen gebrauchen konnte. Dieser Umstand hatte mich auch bewogen
die schon von Miller gemachten Reobachtungen zu wiederholen und
das Dispersionsvermögen zu bestimmen.
In krystallographischer Beziehung muss ich ferner noch auf eine
Form aufmerksam machen, welche ich an einem Krystalle, welcher in
einem ffrössern fast ganz eingewachsen war, beobachtet habe. Es ist
788 Schlau f.
dies Fig. o. Die Winkelwerthe, weiche ich als Mittel mehrerer
Beobachtungen erhielt, stimmen mit den früher gemachten Beob-
adidingen ziemlich gut iiberein; es wurden folgende Werthe ge-
funden: (Fig. 6)
Rammeisberg Miller
(100) (101) = 59°25' S9°42' S9°25'
(101) (101) = 61 11 60 36 61 10
(210) (210) = 109 r, 109 8 109
(100) (210) = 35 28 35 26 —
Ich behielt daher das von Bammelsberg gegebene Axen-
verliältniss bei, nach welchem ist
u : fj : c = i : 0-7028 : 0-3843.
I. Krystall. Als Prisma wurde die Comhiuation (101) (101)
benützt, liier fällt die Halbirungslinie mit der lu'ystallaxe a zusammen ;
in Folge der Beobachtung ergibt sich, dass sie zugleich die kleinste,
so wie b die grösste Elasticitätsaxe ist.
A = 61° IG' (niittl. Fehl, von 6 Beob. = 2'5). t = 1S° R.
1. Schwingungen parallel der Kante = y.
Dß = 24°16' Yb = 1-33260 Mitt. Fehl. 3. Beob.
Z>^ = 24 24 ^^ = 1-33427 ^*'^0167 0-00025
Df. = 24 31 Y^. = 1 -33574 000147
2. Schwingungen senkrecht zur Kante = a.
Jj = 38°3r «„ = 1-50101
i>^ = 39 1 4=1-306.^2 0-00551 Mitt. Fehl. 4. Beob.
D^ = 39 33 4 =1-51233 0-00^83 0-00033
II. Rrystall. Von diesem wurden die Prismen (101) (lOT) und
(210) (210) benützt. Bei letzterem Winkel fällt die Halbirungs-
linie mit der Krystallaxe b zusammen; da nun der parallel der Kante
schwingende Strahl mehr abgelenkt wird, so ist die Axe c die mitt-
lere Elasticitätsaxe.
I. Prisma. ^ = 61° 1'. (mittl. Fehl, von 5 Beob. = l').f=12° R.
1. Schwingungen parallel der Kante = 7.
D = 24° 2' y.. = 1-33142
yr = 24 10 . = i -33312 0-00170 Miti. F.hl. 5. Beob.
/J, ^ 24 19 r' = 1 -33500 O'OOJSS 0-ÜÜ035
Bestimmung der optischen Constanten krystaliisirter Körper. 789
2. Schwingungen senkrecht zur Kante = a..
D„ = 38° 4' cxf, = 1-49876
D^ = 38 45 a„ = 1 -30638 0-'>0762 Mitt. Fehl. 3. lieoh.
Z>^=39 22 «^=i -01319 ^-0068' 0-000i9
II. Prisma. A = 70°50'. t = 13° R.
1. Schwingungen senkrecht zur Kante = 7.
Dj, = 30°19' Yß = 1 -33295 Mitt. Fehl. 2. Beob.
Dj, = 30 32 Yd = 1-33500 "'""^OS 0-00025
Dj; = 30 49 r^ = 1 -33725 ^'^0225
2. Schwingungen parallel der Kante = ß.
D„ = 49°44' /3„ = 1-49881
D, = 50 41 ßi=l -50562 Ö'Ö0687 Mitt. Fehl. 6. Beob.
0^^5138 4=1.512410-00679 0-00022
Die Mittelwerthe dieser Beobachtungsreihen, wenn man zugleich
nach bekannter Formel H rechnet, sind :
yS =1-49881 r„ = 1-33277
704 ' , „n-r.« -681 '^
«5 = 1
49939
«/)=!
50643
«£=1
•51347
und
a„=l
-54045
704
^?_=1.50562 ^^^ -/'/)=l-33463**^^ ^^^'^
■''' r! = l-33649-186 (34)
,5^=1-51241 "•'' r^:
2698 ^5^^_ 1 ..,3848 ' ^607 ^^^_ , .34339 • 710 (210)
Aus diesen Daten folgt als Verhältniss der Elasticitätsaxen zu
einander für verschiedene Farben
für B a : b : c = 1 : 0-889221 : 0-888760
„ D = 1 : 0-886432 : 0-885956
„ E = 1 : 0-883683 : 0-883064
„ H = 1 : 0-873324 : 0-872206
Das Dispersionsvermögen für die drei Strahlen ist ferner:
A^ = 0-081077
A^ = 0-078458
A^ = 0-032334
Rechnet man nun aus diesen bekannten Daten den inncrn
wahren [w A 5], den secundären [s A B], den scheinbaren Axen-
winkel [(vi B)^ beim Austritt in die Luft, dann die Öffnung des
Kegels der innern konischen Refraction o, so erhält man für Kali-
salpeter folgendes Schema. Die hier erhaltenen Resultate stimmen
Sit/.l). .1. luatliom.-natnrw. Cl. XLI. Bil. Nr. 20. 55
790 S e h r a .1 f.
mit den schon bekannten vollkommen, denn es ist auch nach meinen
Beobachtungen die Orientirung der Elasticitätsaxen identisch mit der
von Grailieh und Lang (c a h) gegebenen und der Sinn der Dis-
persion p < ß X ist ebenfalls durch die Rechnung erhalten worden.
Eben so stimmen auch die gemessenen Axenwinkel nahezu mit den
berechneten überein.
B
D
E
H
a = 1-49939
1-r)0643
1-S1347
l-r>4045
ß = 1-49881
1-;;0Ö62
1-51241
1-53848
y = 1-33277
1-334G3
1-33049
1-34339
(oAB = G°ll'2()'
7°12'10"
8° .H'IO"
10°2J'40
.<,(.(' AD = 6 K7 40
8 7 30
9 9 10
11 52 10
sr/> (Ali) = 9 16 SO
10 IM 10
12 14 30
15 58 20
^ = 0 49 lö
0 US ÖO
1 7 20
1 37 10
VIII. Citronensänre (3 (C, U., 0„ HO) + HO).
Erluilten von Herrn Karl It. v. Hauer.
Krystallsystem: prismatisch, a : b : c = 1 : 0'6016 : 0-4055-
Charakter der Doppelbrechung: positiv.
Die Exemplare , welche ich zur optischen Untersuchung ver-
wendete, sind erhalten durch öfteres Umkrystallisiren der käuflichen
Citroiiensäure, und in diesem Zustande weiss durchsichtig, ja sogar
wasserhell. Die Kryslalle hatten eine Grösse: % Zoll Länge, Va Zoll
Breite , und bildeten die in Fig. T und 8 dargestellte Combination
der Flächen (110), (101), (011), (210), (201), (111), (100). Die
von mir gemessenen Winkehverlhe stimmen mit den von Heusser
angegebenen ziemlich gut überein; vollkommene Übereinstimmung
kann man bei der nicht reine Bilder reflcctirenden Beschaffenheit der
Flächen nicht erwarten. Es ist:
(HO) (TlO) = 61°50'
(011) (OTl) = 67 45
(101) (101) = 44 40
(101) (201) = 16 45
(110) (210) = 18 50
Ich habe daher das von Heusser ;iugegebene Axenverhältniss
beibehalten . wonach
u : h : c = \ : 0-6016 : 0-4055.
Bostimmiin? der nplisrlipii Conslnnlnn krystnilisirlor Ki'irper. TOI
Zur Bestimmung der Brechungsexpoiienten wurden jene Prismen
verwendet, welche die spitzen Winkel der Domen und Prismen-
flächen darbieten.
Um sie vor der Einwirkung der Feuchtigkeit zu schützen, war
es nöthig mittelst Canadabalsam Deckgläschen aufzukleben; ein
hiedurch hervorgebrachter Fehler war wenig zu fürchten, da die
Brechungsexponenten heider Substanzen keine grosse Differenz zeif^en,
ferners gewährt auch die Benützung der Domenflächen, da die Beob-
achtung direct zwei Hauptexponenten liefert, eine gegenseitige Con-
trole. Die Orientirung der angewendeten Prismen gegen die Elas-
tieitätsaxen ergibt sich aus dem charakteristischen Winkel, welcher
gegen den ursprünglichen wegen des Reinigen und Aufkleben höch-
stens um einige Grade differiren darf. Es folgt daher :
Prisma I. 180 — ^ = 137°20' daher (101) : (lOT)
II. 180 — ^ = 115 39 „ (HO) : (ITO)
„ IIT. 180 — il = 109 24 „ (HO) : (110)
„ IV. 180 - .1 = 109 14 „ (HO) : (110)
V. 180 — A = 130 8 „ (101) : (101)
Durch die Untersuchung haben sich folgende Beobachtungsreihen
ergeben.
Prisma I. ^ = 42°40'. ^=12°R.
1. Schwingungen senkrecht zur Kante = 7.
Dß = 23° rß = 1-49040 „ Mitt. Fehl. 2. Beob.
Dp = 23 5' Yp = 1-49209 0-00365 0-00025
Z)„ = 23 9 rr>= 1-49343
n -00^99
Dp = 23 18 Yjr= 1-49644 " """^^
2. Schwingungen parallel der Kante = a.
Dj^ = 23°45'
a^ = 1-50348
Dp = 23 51
Djy = 23 55
a^ = 1-50750
«;= 1-50883 0-00335
Mitt. P^ehl. 4. Beob.
0-00018
Dp = 2i 5
/>;,= 24 18
a„ = 1-51219
4 K^fli« 0-00336
a^^= 1 -51618
Prisma. II. id = 64°21'. ^=14" R.
1. Schwingungen senkrecht der Kante
^/^
=
40
'42'
^^
=
40
30
l>,>
=
41
l>K
=
41
28
Y^ = 1 -49033
y^ = 1-491 04 o.f„j998 l.Beob.
y,, = 1 -49333
,1=1-49631 0-00298
792 S p 1. r a u f.
2. Schwingungen parallel der Kante = j3.
Z),, = 41° 7' /?„ = 1-49430
I) = 41 16 / = I -49094 000330 Mitt. Fehl. 4. Beob.
Ün = 41 27 ßn = 1-49780 0-00023
' 0-00319
Z>^ = 41 47 ß,. = 1-50109 " ""^"^
Prisma III. J = 70°36'. ^ = 12° R.
1. Schwingungen senkrecht zur Kante = 7.
/)„ = 48°12' y„ = 1 -48963
ß^ _ 48 40 rl = 1-49313 Ö'^^'^*« ^■'"- ^^'^''■- ^^ «-'»•
,,^^49 8 ,^=1-49666 0-00333 0-00015
2. Schwingungen parallel der Kante = ß.
Z)„ = 48°48' /3„ = 1-49413
D, = 49 17 ?' = 1 -49781 ""-^'^^^ ^'^t. Fehl. 2. Beob.
/>;;=49 45 15^=1-30132 «-«0331 0-00028
Prisma IV. J = 70°4G'. ^=10°R. Spectra minder schön.
1. Schwingungen senkrecht zur Kante = 7.
D,, = 48°19' Yß = 1-48876
,, ,„^0 4 ,00«" 0-00409 Mitt. Fehl. 4. Beob.
i>; = 49 26 ,'=1-49710 •^•«0425 000032
2. Schwingungen parallel der Kante = ß.
D„ = 49° 0' ßß = 1-49400
Dn = 49 30 ßr, = 1-49768 0-00368 ^ ^^^^
I)^ = 49 57 /?£ = 1-50091 " " "^ **
Prisma V. ^ = 49° 52'. ^ = 13° R. Spectra sehr schön.
1. Schwingungen senkrecht der Kante = 7.
D„ = 27°57' Yn = 1-48989 Mitt. Fehl. 3. Beob.
B in 0-00373
Dn = 28 11 y„ = 1-49362 " "'^'''•* 0-00012
" 0-00''97
74. = 28 22 Yj., = 1-49638 " """''^
2. Schwingungen parallel der Kante = a.
/K, = 28°S6' a„= 1-30366 „ ,
/ = 29 9 a' = 1-30912 ^'^^'"'^ ^itt. Fehl. 4. Beob.
Z>^ = 29 21 4=1-31231 «O^^'^-^ «-«^OlS
i>^^= 29 38 aj;i= 1-31680
Aus diesen Beobachtiingsreihen ergeben sich, wenn man zugleich
den Werth von // rechnet, folgende mittlere Werthe der llaupt-
brechungsexponenten.
Bestiiiiiniiiii; der optischen Coiistaiiteii kiy.stiillisirter Kürzer. 793
ßj, = 1-49432 Yj^ = 1-48964
3^1 /3. = 1-49774 ^*^ Y„ = i -49320 ^''^^ (''^^
332 3!= 1-5011.. 331 ^V=^.,«n««346 (54)
a^, = 1 • 30342
aj) = 1-50893
aj, = 1-51225 """ /?£ = 1-50115 *"" y^. = i -49666
Ullll
a„ = 1-52541 1316 ^5^^ _ ,.51398 l^»'-^ ,^^ _ ,.50978 ^312 (210)
Aus diesen Daten beredinet sich das Dispersionsveriiiügcn und
das Verhältniss der Elasticitätsaxen, wie folgt :
S^^ = 0-039298
A, = 0-039499
A^ = 0-040835
ferner
für ß a : b : c = 1 : 0-996872 : 0-9X9511
„ D i : 0-997645 : 0-990224
„ E 1 : 0-997051 : 0-989921
„ H 1 : 0-997224 : 0-989745
Die genaue Bestimmung der Brechungsexponenten war bei
diesem Stoffe ungemein schwierig, da die Strahlen nahezu gleiche
Dispersion besitzen; und ein Fehler von 5 Einheiten in der fünften
Decimale die Dispersion des gerechneten Axenwinkels beträchtlich
modificirt, ein doppelt so grosser Fehler schon den Sinn der Disper-
sion ob p>u oder p<u in Frage zu stellen vermag. Es tritt nämlich
beiCitronensäure wie bei Schwerspath der Fall ein, dass der mittlere
Brechungsexponent die grösste Wirksamkeit auf das Resultat aus-
zuüben vermag und bei einer Änderung von -j- 00001 der Axen-
werth um 1° afficirt. Ich vermag daher bei den gerechneten Winkeln
der optischen Axen die Minuten nicht mit absoluter Gewissheit zu
garantiren, glaube jedoch, dass sie vollkommen richtig sind. Dass
meine Angaben nicht gefehlt sind, überzeugte ich mich selbst durch
die Untersuchung der Axenplatte , die p>y und ferner seh {AB)
= 105"— HO» erkennen lässt.
Übrigens sind meine Resultate in voller Übereinstimmung mit
den schon publicirten Angaben. Descl oizeau x gibt p>y. Lang
p>u; nur Grailich und Lang (was jedoch ohnehin durch Lang in
seiner zweiten Abhandlung als gefehlt corrigirt wurde) p<"J. Allein
selbst letztere Angabe steht mit der Natur der Substanz nicht im Wider-
spruch, denn betrachtet man die optische Orientirung der Elasticitäts-
794
S c li I- i\ II 1'.
iixen, wie sie z. B. von L;tng gegeben wurde und vergleicht man
liieiiiil die von Grailieh und Lang untersuchte AxenphUte, so
erkennt man leicht, dass diese den stumpfen Winkel der optischen
Axen enthalte, und wenn noch farhigc Säume (was bei etwas schiefem
Schleifen leicht möglich ist) sichtbar sind, p<.u zeigen musste.
Ebenso stimmt auch das aus meinen Beobachtungen sich ergebende
Axenschema; denn da bei dem Prisma (101) (lOl), a 1| b und 7 1| «,
so folgt a C b. Eben so ist auch der von Lang beobachtete seh {AB}
= 113" 24' nahe gleich dem gerechneten, und nur die Brewster-
schen Angaben (AB) = 123", /j. =1-527 weichen als zu hoch ge-
grilFen ab; dieser Unterschied lässt sich vielleicht durch die Annahme
erklären, dass letzterer nicht mit reiner, öfters umkrystallisirter,
sondern mit der gewöhnlichen käuflichen Citronensäure seine Beob-
achtungen anstellte.
Es ergibt sich daher schliesslich folgendes Schema:
B
D
E
H
a=i -50542
1-50893
1-51225
1-52541
/3=1 -49432
t -49774
1-50115
1-51398
j'=l -48964
1-49320
1-49666
1-50978
(uAD= 66°24'
65°42'
65°30'
62°48'
nee. AB= 65 50
65 6
64 58
62 17
6ch (^ß)=109 48
108 40
108 36
104 8
<p= 0 33 5"
0 32 40"
0 32 20°
0 31 10
IX. Schwefel. /^5.7
Krystallsystem: prismatisch, a : b
Charakter der Doppelbrechung: positiv.
c = 1 : 0-5264 : 0-4279.
A. Künstlicher. Die Krystalle erhalten aus dem Laboratorium des
H errn Prof. Sehr ö 1 1 e r.
Die untersuchten Exemplare sind vollkommen ausgebildet, eine
Combination der Flächen (111) (311) und (HO), wie dies in Fig. 9
und 11 als Projection auf die Endfläche 100 dargestellt ist, sie sind
i/a Zoll lang und durch Krystallisation aus Schwefelkohlenstoff er-
halten. Die Flächen sind vollkommen glatt und eben, unverzerrte
Bilder reflectirend, was mich auch bestimmte, zur Ermittlung des
genauen Axenverhältnisses möglichst viele Winkelmessungen anzu-
stellen. Diese Messungen wurden bei nahezu gleicher Temperatur
Bestimmung der optischen Conslauleii kiystallisiiter Körper. 795
t= 13°R. angestellt, um dein Einflüsse der Temperatur zu entgehen,
welcher, wie ich beobachtet habe, die Winkel bedeutend zu afficiren
vermag. Genauere Daten hierüber zu geben, muss ich aber einer
späteren Untersuchung vorbehalten.
Die gemessenen Winkelwerthe sind im Mitfei :
(11 i) (111) = 94°57'5 von 4 Exemplaren
(HO) (Tlü) = äS 32' „ 3
(111) (111) = 143 13 „ 6
(iil) (311) = 26 30 „2
(111) (i|0) = 47 23 „3
(111) (111) = 73 32Ö „ 4
(Ml) (TU) = 36 46 „ 3
Die Berechnung des daraus folgenden Axenverhältnisses und
anderer krystallographischer Coiistanten gebe ich bei den Unter-
suchungen über natürlichen Schwefel.
Zur Bestimmung der optischen Constanten konnte nur ein sehr
kleiner brechender Winkel benützt werden, wegen der Grosse von [k.
Hiezu bietet sich ausser einem durch Schliff hergestellten Prisma
am passendsten das der natürlichen Pyramidenflächen (111) (111)
dar. Bei dieser Beobachtungsart Ist nach dem Eingangs erwähnten
Falle B, d, der senkrecht zur Kante schwingende Strahl ein Haupt-
brechungsexponent, r hingegen variirt zwischen ß und 7, und der in
derGleichung^ einzuführende Werth des Winkels y= (010) (011)
= Winkel der Wellennormale mit der mittleren Elasticitätsaxe ist
= Ö0°53'.
Ich beginne die Aufzählung der erhaltenen Resultate mit den
an dem Pyramidenwinkel verschiedener Exemplare angestellten
Beobachtungen.
A. Brechender Winkel = (Hl) (111)- Schwingungen des
Strahls senkrecht zur Kante = a.
Prisma. {. A = 36° 47'5. t = 12° R. Von diesem Prisma wurde
der parallel der Kante schwingende Strahl nicht beobachtet.
1. Mit Minimumstellung.
Dß = 52°1S' «^ = 2-22155
Dp = 52 43 a^ = 2 23070 0-01862 '^^''*- ^^'''- ^- ^^''''•
Z)ß = 53 12 «^ = 2-24017 , 0-00025
D^ = 54 16 «£ = 2-25900 001883
796
6
S c h r a u f.
2. Mit Iricid
enz
i = 45° 26'.
Dp = 52*'45'
ap = 2-23168
Djf = 53 13
Dj. = 54 14
a„ = 2-24045
«'= 2-26000 »•<»^954
1. ßeob.
i>^j,= 55 8
«,SA= 2-27797
3. i = 45°
38'
Dß = 52°14'
«^ = 2-22115
Dp = 52 48
Du = 53 11
Z>^ = 54 8
a„ = 2-23260
«; = 2-24033 0-«^«*8
a^ = 2-25890 0-01856
Mitl
Fehl. 3. ßcoli.
0 00015
Ö^A= S3 5
a^^= 2-27775
Prisma II. ^ = 36° 47'. <=14°R.
1. 2 = 45° 48'.
Dß = 52°13'
aß = 2-22M5
Dp = 52 44
a^ = 2-23071 0-02014
Mitt.
Fehl. 6. Beob.
Dß = 53 14
Z>£ = 54 9
a„ = 2-24129
a, = 2-25890 «'«^^ßl
0-00012
2. 2 = 43°
30'.
Dß = 52°15'
«^ = 2-22160
Dp = 52 39
Djj = 53 10
I>£ = 54 7
a^ = 2-22956 0-01801
Mitt.
Fehl. 5. Beob.
a„ = 2-23961
4 = 2-25791 0-«i830
0-00018
Das Mittel dieser Beobachtungsreihen gibt folgende Werthe
für
W
'B
= 2-22125
«p = 2-23099 0-01895
a„ = 2-24020
_ 0-01852
E
= 2-25872
woraus sich berechnet
aj, = 2-32985
007113
(56)
(54)
(210)
ß. Brechender Winkel = (111) (Hl). Schwingungen parallel
der Kante = r.
Prisma III. J = 36°46'. ^ = 13° R. Von diesem Prisma wurde der
senkrecht der Kante schwingende Sti'ahl nicht beobachtet.
1. Incidenzwinkel« = 38°45'.
Dg = 40°
Z> = 41 10'
d1 = 41 30
rjy = 1-98645
Vp = 1-99169 0-01489
r^ = 2 00134
1. Beob.
Bestimmung der optischen Constanfen krystallisirler Körper.
2. {=A2"W.
797
D^ = 4i 19
D^ = 41 40
D^,= 43 16
r,i = 1 -98007
'V = 1-99S75 001624
r^ = 2-00131
rj. = 2-01816
,-.^= 2-03666
0- 0168.1
Prisma IL ^ = 3ü°47'. ^=14° R.
1. i = 40°.
D,
40°50'
Dp = 41 13
Z)^ = 41 34
Z>„ = 42 18
2. e = 39°35'.
Z)^ = 40°30'
Dp = 41 12
Z>ß = 41 36
D^ = 42 17
3. 2 = 38° 46'.
D„ = 40H9'
,-^ = 1-98611
r^ = 1-99439
r^ = 2-00201
r;, = 2-01791
0-01S90
0- Ol 090
r^ = 1-98643
r^ = 1-99416
r^ = 2-00234
r^ = 2-01774
0-01609
0-01320
Dp = 41 10
D^ = 41 31
D^ = 42 14
Vß = 1-98377
r = 1-99383
0-01360
= 200137 0-01338
= 2-01673
Min. Im'IiI. 4. Ueob.
0- 00(1 13
Mitt. Fehl. 3. Beob.
0-00017
Mitl. Fehl. 2. Beoh.
0-00023
Mitt. Fehl. 4. Beob.
0-00020
Als Mittel für r folgt aus diesen Beobachtungen
r^ = 1-98388
(r) r = 1-99308
0 01579
r^ = 2-00167
r^ = 2-01733
und daraus gerechnet
Tjj = 2-07660
0-01568
0-06923
(56)
(54)
(210)
Um nun aus den unter (X) und (F) angeführten Daten mittelst
des Winkels y = ö0°53' zur Kenntniss der drei Hauptbrechungs-
exponenten zu gelangen, ist noch einer von diesen durch dirccte
Beobachtung zu ermitteln. Die eigenthümliche krystallographische
Ausbildung des Materials erleichtert den Schliff eines passenden
Prisma ungemein. Halbirt man nämlich den Domcn-Winkel (1 1 0) (i TO)
so erhält man eine der Endfläche (010) parallele Schnittfläche,
798 S c h r :i u f.
die zweite Fläche dei- Prisma bildet dann das Doma (HO). Die
anfjeschliffene nnd polirte Fläche muss aber mit Deekc^läschen ein-
geklebt werden; der mögliehe Fehler wird jedoch dadurch vermin-
dert, dass die zweite Seite frei bleibt, denn würden beide Flächen
mit Canadabalsam eingekittet werden, so würde der grosse Unter-
schied der Brechungsexponenten auch im besten Falle gewiss eine
Unsicherheit von O'OOö hervorgerufen haben. Im Allgemeinen glaube
ich den auf diese Weise erhaltenen Resultaten, obgleich sie voll-
kommen richtig sein werden, dennoch nur, im Verhältniss zu anderen
Beobachtungen, das halbe Gewicht beilegen zu können.
Prisma I. ^ = 36° 44'. ^=12°R. = 7.
Z)^ = 38°29' ^5 = 1-93674
Dp = 38 48 Yp = 1-94367 Q.Q^^i '^^'^^" ^^^^- ^- ^^°^'
Dj,= 39 8 -^0=1 -95093 ^ 0-00031
Dj, ■= 39 47 Yj. = 1-96318 0-01423
Prisma II. ^ = 31° 20'. ^ = 15° R.
Dj, = 31°38' Yji = 1-93307
fl = 31 54 Yn = 1-94242 ^ ^,„^„ Mitt. Fehl. 4. Beob.
P 'P 0-01550
D^ = 32 12 Yn = 1-93063 0-00033
D^ = 32 46 y^ = 1-96627 0-01364
Prisma III. ^ = 31° ^ = 11° R.
Dß = 31°22' yr = 1-93731
dI = 31 32 ^' = 1 -93147 0'01396 Mitt. Fehl. 2. Beob.
,,^^32 18 i;^= 1-96331 0-01204 0-00028.
Diese Beobachtungen weisen sowohl durch die Grösse des
mittleren Fehlers, welcher auf jede einzelne entfällt, als auch durch
den Unterschied, welcher zwischen den Deviationen der verschie-
denen Prismen hervortritt, auf die Schwierigkeit hin, welche in
den früher erwähnten Umständen für die absolut genaue Bestim-
mung des wirklich dem krystallinischen Medium zukommenden
Brechungsexponenten liegen. Das Mittel ist
Yj^ r= 1-93G44
(Z) Yn = 1-93J0I 001457
^ orum 0-01398
Y^ = \ -90499
und hieraus berechnet
Y,i = 2-01936 0- 05437.
ße$timii)iin<^ der opfisclien Constanteii kryst;illisirter KörptT. ^99
Rechnet man nur nach der Formel B, in welclier für diesen
Fall das erste Glied wegen a- = 90° wegfiillt und y = (010) (011)
= 50°ö3' den mittleren Brechungsexponenten, so erhält man
ß„ = 2-02074
S^= 2-03746 0-^'l«^MS6.)
5^ = 2-0o436Ö-'^'6«"C^*)
' ^ 0- 06262 (210).
;S„ = 2-11698 ^ ^
Aus dem nun bisher Angeführten lässt sich folgendes Schema
für den künstlichen Schwefel aufstellen. Um aber die noch möglichen
Fehler zu eliminiren , werde ich diese Resultate mit den bei natür-
lichen Schwefelkrystallen erhaltenen verbinden und aus dem Mittel
beider eine allgemein giltige Tabelle aufstellen. Es ist :
B
D
E
H
a = 2-22123
2-24020
2-23872
2-32983
ß = 2-02074
2-03746
2-03436
2-11698
r = 1-93644
1-93101
1-96499
2-01936
w.4ß = 71°34'
71°43'
72°32'
74°
Ä ^^ = 04 7
64 22
63 6
66 18'
^ = 7 3 30°
7 7 33"
7 13 30"
7 29 10°
B. Natürlicher Schwefel.
Die Krystalle erhalten aus dem k. k. Hof-Mineralien-Cabinete.
Die optisch und krystallographisch untersuchten Krystalle stam-
men von Swossowicze in Galizien, sie haben ungemein schön
s()iegelnde Flächen , welche absolut genaue Messungen ermög-
lichen. Der gewöhnliche Combinationshabitus des natürlichen Schwe-
fels ist analog dem in Fig. 9 dargestellten, nur tritt das Doma (HO)
nicht immer, sondern mehr untergeordnet auf.
Eine für Schwefel seltene Wiederliolungsform fand ich an einem
Krystalle von Sizilien, Fig. 10, welcher eine Länge von 3 Zoll hat,
glänzend und fast durchsichtig ist.
Die Winkel, welche ich an drei der schönsten Exemplare
beobachtete, sind :
Kr y stall 1.
(TU) (111) = 36°37'3
(111) (311) = 26 26
(310) (100) = 43 14-5
(100) (3T0) = 45 10
(3T0) (111) = 26 26-5
(Hl) (TU) = 36 39
800
S c h r a II f.
Krystall II.
(IM) (ITI) = 73°33'r.
(311) (311) = 53 6
(111) (111) = 94 52
(111) (TU) = 36°40'
(111) (ITI) = 73 33
(100) (111) = 71 39
(110) (311) = 45 8
Krystall III.
(111) (111) = 36 40
(311) (111) = 26 27
(311) (3T1) = 90 12
(3T1) (111) = 26 31
(111) (ITI) = 73 37
Vereinigt man nun diese Messungen mit den bei A angeführten,
und nimmt das Mittel, die Anzahl der Messungen an verschiedenen
Exemplaren berücksichtigend, so erhält man, sie vergleichend mit
den gerechneten Werthen, folgende Tabelle:
Gemess.
Gcrechii.
iMitscIierlicli.
Kupfl-cr.
Sacchi.
(100) (111)
^
71°39'
71°37'7
71°43'
71°40'5
7i°4r
(010) (111)
=
53 13-3
53 19
53 8
53 12-5
(001) (111)
=
42 31-6
42 29
42 29
42 33
(100) (311)
=
45 10
45 6-5
(010) (311)
=
63 28
(001) (31 r
=
56 38-5
(111) (MT)
=
143 15-5
—
(111) (111)
=
94 56-3
94 57
(111) (ITI)
=
73 33-5
—
(111) (111]
=
36 43
36 44-5
(111) (HO)
=
47 23
47 28
(110) (110)
=
55 32
55 36
(111) (311)
=
26 29
26 31
(311) (311)
=
53 6
53 4
(311) (3TTJ
=
90 12
90 13
Ferner folgt aus meinen Beobachtungen nachstehendes Axen-
verhältniss
a : h : c = i : 0-5264 : 0-4279
während angegeben wird von:
Mitscherlich u : b : c = 1
KupIVer = 1
Saccli
= 1
0-5251 : 0-4254
0-5240 : 0-4263
0-5247 : 0 4266
Bestimmung' der optischen Constanten krystallisirter Körper. 801
Zur Bestimmung der optischen Consfnnten wurde ein Krystall
verwendet, welcher gestattete, ohne ein Prisma zu schleifen, die drei
Haupthrechungsexponenten zu bestimmen. Es waren nämlich, wie
Fig. 12 zeigt, 2 Prismen vorhanden, die Combination (111) (111)
und wie die punktirte Linie andeutet (311) (TTT) gaben 4 Bre-
chungsexponenten, welche in Verbindung mit den krystallographi-
schen Constanten genügten, um a, ß, y abzuleiten.
Die brechenden Winkel waren :
(111) (lU) = 143°18'
(311) (TTT) =133 28
Der zur Reduction von r auf ß nöthige Winkel (010) (011)
^ 2/ = S0° 53', ferner die Winkel mit den Elasticitätsaxen, wie
sie sich aus den krystollographischen Messungen an dem Exemplare
ergaben, sind:
für (111) ^ = 71°38' für (311) C = 4S° 8'
37 = 53 1 57' = 63 25
f = 42 34 C = 56 38
Beobachtet wurden folgende Deviationen.
Prisma I = (111) (111). ^ = 36°42'. t= 13° R.
A. Schwingungen parallel der Kante = r.
1. Minimumstellung.
Dß = 40°44' T-ß = 1-98675
Z>„ = 41 3 r = 1 -99300 Mitt. Fehl. 3. Beob.
Dn = 41 27 vn = 2-00220 " "^^ 0-00025
_ _ 0-01468
'D — " *• ' D
Z>. = 42 8
I>j^= 43 r^^= 2-03539
2. Incidenzwinkel /=37°42'.
Dß = 40°42' rg = 1-98578
Z>^ = 41 6 r^ = 1-99441 0-01527 Mitt. Fehl. 2. Beob.
Djj = 4t 25 r^ = 2 00105 0.014(59 0-00030
/>^ = 42 7 ,-£ = 2-01567
D-^= 43 6 r^^=. 2-03594
3. Incidenzwinkel i = 40° 2'.
Dg = 40°46' vji = 1-98710
D^^ = 41 6 r^ = 1-99431 Ö"^*''^*''' 1. Beob.
Df, = U 29 ;•,, = 2-00257
Dp = 42 10 i-p = 2-01760 ^' "^•'"**
802 Sc h 1- !) u f.
Das Mittel dieser Beobachtiingsreihen ist:
,•„ = 1 -98034
iE) .' = 1 -99410 «•<^l-'*0
r. = 2-00194
r, = 2-01668 «-«l^^*"
B) Schwingungen senkrecht zur Kante = a.
D,, = 52° 4' a„ =r 2-22176
{A) n^ = 52 35 a^ = 2-23197 " "^^^^ Mitt. Fehl. 4. Beob.
/)J^ = 53 2 a'ß = 2-24082 0-00025
7)^ = 53 57 a^ = 2-25879 ^'01797
Prisma II. = (311) (iTT). A = 26° 32'. ^ = 13° R.
Es war hiebei nur möglich mit Incidenz zu beobachten, da bei
der Minimumstellung der Strahl wegen der Kleinheit und der grossen
Distanz der Flächen beide zugleich nicht zu durchdringen vermag.
1. ^ = 38° 48'. Spectra minder schön.
aj Schwingungen parallel der Kante =//.
D„ = 28°28' «„ = 1-98155
dI = 28 53 ;4 = 1-99605 ^-Ol^^O Mitt. Fehl. 2. Booh.
Z>' = 29 18 M^= 2-01080 0-01*7» 0-00035
b} Schwingungen senkrecht zur Kante ^ y.
Dß ^ 32°35' v^ = 2-12649
I>^ = 33 18 vi> = 2-13171 0-02522 1. Beob.
7)^ = 33 55 VE = 2 17319 0 02148
2. i = 42° 43'. Spectra gut.
a^ Schwingungen parallel der Kante =//•
/>,, = 29° 9' iJ.„ := 1-98072
dI = 29 34 Z - 1-99^06 0-01494 Mitt. Fehl. 2. Beob.
n 90 vo 9.nin"n 001550 0-00027
Dß = 29 59 jXj, = i'OlOoO
6^ Schwingungen senkrecht zur Kante = v.
D„ = 33°10' v„ = 2-12377
Dr, = 33 44 V,, = 2-14383 0*02007 ^_ ^^^^
D^ = 34 20 w^ = 2-16499 " ""^^^
^ »»U iV i»»
^ = 33 44 V,,
^ = 34 20 Vß
3. i = 4i>° 47'. Beide Spectra sehr schön.
a) Schwingungen parallel der Kante = jjl.
D„ = 29°49' ß„ = 1-98022
dI = 30 14 ^l = 1-99514 0-0^92 Mitt. Fehl. 3. Booh.
y>, = 30 39 /4^ 201009 0-0i495 0-00018
Bestimmung der optischen «konstanten krystallisirter Körper. 80«»
by Schwingungen senkrecht zur Kante = v.
D„ ^ 33°41' v„ = 2-11830
ZP l, ^^ ^ , .O01P 0 02086 Mitt. Fehl. 3. Beob.
n"^'' ' "" ^ r.0«0 0-02064 0-00017
Dj, = 34 Sl vj. = 2- 13980
4. i = 48° 21'.
aj Schwingungen parallel der Kante = fx.
Z>^=30°28' ^^=1-97961
Z>^ = 30 54 ^^^1-99316 0"^^^ 1. Beob.
Dj. = 31 20 ßE = 2 01060
bj Schwingungen senkrecht der Kante = v.
D, = 34°13' ., = 2-11365
D^ = 34 50 v^ = 2-13569 0 0^^04 j^^^^
D^ = 35 27 vj. = 2-15772 " O^^OJ
Aus diesen Beobachtungen sieht man deutlich, wie sehr ix und v
mit dem Incidenzwinkel variiren, indem man für Gelb hat
i = 38°48' fJL = 1-99605 v = 2-13171
= 42 43 = 1-99566 = 2 14383
=45 47 =1-99514 =2-13916
= 48 21 = 1-99516 = 2-13569.
Um nun aus p. und v in Verbindung mit {A), und {K), ß und 7
zu rechnen, hat man nur nöthig in die Eingangs erwähnte Formel C
die schon bekannten Werthe von y, £, yj, C» 9' 'n', C zu substituiren 1).
Zu diesen Rechnungen benützte ich vorzüglich den Strahl /j. (da die
Spectra des Strahles v immer etwas verschwommen waren); und
zwar bei dem Incidenzwinkel = 45°47'.
Es berechnen sich aus jx und ^ = 45°47' folgende Haupt-
brechungsexponoiiten.
1) Um eine Einsicht in die Genauigkeit meiner Rechnungen zu gewähren , gebe ich
irn Kurzen die Rechnungsresultate für den speeiellen Fall Nr. 4 Linie D.
Annahme :
« = 2-24082; r = 2-00194; v = 2-i3916; i = 45047'; i'^lSM'
i,; = 500 53'; £ = (180 — 710 38'); r^ = (180 — 53« 13');
C= (180 — 420 34'); ^' = 4508'; r/ = 63025'; r=56038' —
1 1 1
Daraus tolgt, wenn a = -:;, r=^^, v=-^ gesetzt wird :
fcos f sin / — cos q' sin J 1 • 3
log I = log J = 1
L V — a J
2303370
804 S o h r a .1 f.
(1) // ,/ = 2-22176 /3' = 2-02134 ^ = 1-93665
24-103 — 24- 115 = — 0-012
(2) I) a = 2-24082 /? = 2-03962 f = 1 -94872
23-588 — 23-592 = - 0-004
(3) E a = 2-25879 ß = 205455 y = 1 -96316
24-419 — 24-391 = + 0-018
Zur Controle wurden gerechnet
aus V und i = 45° 47'.
(4) D a = 2-24082 ß = 2-03471 y = 1-95520
17-796 — 17-794 = + 0002
aus /x und t = 42°43'.
(5)7? a = 2-22176 /3 = 2-02121 ^ = 1-93673
24-726 — 24-743 = 0017
Leitet man hieraus nach bekannter Formel // ab, so folgt
(0) II a = 2-32942 ß = 211756 y = 201357
Rechnet man aus diesen Daten den wahren und sccundären
Axenwinkel und die Öffnung des Kegels der konischen Refraction,
so erhält man :
B
D
E
H
und die Axen treten wegen Totalreflexion nicht in der Luft aus.
tu AB
sAB
7r32'
64°14'5
72 4
64 43
73 11
65 41
77 43
69 43
7^
<P
' 4'25
7
11 20
7
18 30
7
29 25
[cos ly sin i' — cos jy' sin z]'= B ^ 0-226455
cotang y [cos ^ sin i' — cos C sin iY= C' = 0-226298
r;W^-^-| _ ,^, =_ 0-270003
A (^v — v'-) + B—C _ P = 0-244271
2A — P2 = 0-0596685
[^-" + ^-' + "] ^ Q = 0-0596610
— = P — Vp^ — 0 = 0-241532
ß-
woraus ß =203471, und mittelst (y) ■( = I-9o;!20 folgt.
Stibstituirt man zur Probe diese eriialtenen Werthe in die unter B (c)
ang-efiiiiite Gleichung, so erhält man:
17-796 — 9-845 — 7 949 = 0.
nie lieehnun^ ist daher mit einem Fehler von + 0-002 behaftet.
Beslinimuii!^ tler oplisclicii C(Pii--t:iiit('ii krvsliillisirler K«"ir|ier.
803
L'm nun endlich zu cinom ailgomeinen Resultate zu gelangen,
vereinige ich die hei künsllichen I und natürlichen II Schwefel
erhaltenen Hesiiltate, welche unter sich sehr gut stimmen, zu einem
Mittel, wohei jedoch auf die Gewichte Rücksicht genommen wurde,
welche sich wegen der Anzahl der Prismen und der Deckgläschen
wie 1 : II = 3 : 2 verhalten. Es ist
D
H
2-24032
2-24(182
2 -24052
2-25872
2-25879
2-23875
2-32985
2-32942
2-32967
2-02074
2-02134
2-U2(l98
2-03746
2-03962
2-03832
■2-05436
2-05455
2-05443
2-tt698
2- 11756
2- 11721
r
2-93644
1-93665
1-93651
1-95101
1-94872
1-95047
1-96499
1-96316
1-96425
2-01936
2-01357
2-01704.
Aus diesen Endresultaten folgt nun für Dispersionsvermögen,
Verhältniss der Elasticitätsaxen, so wie die Axenwinkel, weiche so
wie der Sinn der Dispersion mit den kurzen Andeutungen von Lang
p<v und Descloizeaux^5 =: 70° — 75° vollkommen überein-
stimmen, folgendes Schema:
A^ = 0-087239
A^ == 0-092679
A^ = 0-084726
für
B ist a :
b : c = 1 : 0
958100 : 0
8-;
'2941
„
D
= 1:0
956905 : 0
8'
'0933
»
E
= 1:0
953882 : 0
8'
"1282
,.
H
= 1:0
952687 : 0
865795
rner
B
D
E
H
a =
2-22145
2-24052
2-25875
2-32967
ß =
2-02098
2-03832
2-05443
2-11721
r =
1-93651
1-95047
1-96425
2-01704
<o AB =
71°27'
72°20'
72°48'
74°48'
sec AB =
64 10
64 57
65 20
67 2
9 =
7 3 55"
7 10 50"
7 15 40'
7 34 55
Sitzh. (1. iiiathem
.-nnlurw. Cl
XLI. 15d. Nr. 20.
56
806
S c h r :t u f.
Ich sehliesse hier die Anf/ähliiiig tlei' von mir untersuchten
Substanzen, um bald eine weitere Reilie folgen zu lassen , und
begnüge niieh in naehfolgeiuler Tabelle die gewonnenen Thatsachen
übersiehtlieii zu ordnen.
•
n
H
1. Diamant
ij.
2-46062
2-51425
2. Mellit . 1
w
1-53450
1-50785
1-56113
1 52769
3. Essipfsauros Uranoxyd- t
U)
1-47538
1-50687
Ammoniaiv (
£
1-48770
1 51974
4. Kalium-Cadmium- i
Clilorid '
10
1-58409
1-62083
e
1-58420
1-62100
5. Ammonium-Cailmiuni- i
Chlorid 1
(0
1-59581
1-64142
e
1-5!)610
1-64180
ü. Ciiilesalpeter . . . , )
1-57933
1-33456
1-62598
1 - 34395
/
a
1-49939
1-54045
i
ß
1-49881
1-53848
7. Kalisalpeter <
7
0) Ali
1-33-277
6°11'20"
1-34359
10°2r40'
seh {All)
9 16 50
15 58 20
<f
0 49 15
1 37 10
.
a
1-50542
1-52541
i
ß
1-49432
1-51398
8. CitroncMisäure . . . . <
r
w A U
1-48964
66°24'
1-50978
62°48'
srh {AH)
109 48
104 8
f
0 33 5"
0 31 10"
('
a
2-22145
2-32967
\
ß
2-02098
2-11721
9. Schwefel <
M AU
1-93651
71°27'
2-01704
74°48
seh {An^
tritt niclit in
die Luft aus.
(
f
7° 3'55'
7°34'55"
ihrauf. Hcstmiiiiuiio ilcr (i|)HNclien Ci.iistrmlpn krystallii-rlri Korper. T:if.I
/'/>/. ■^.
Fi^. .3.
Fi4f. 0.
Anär.Obäieger gez. u..lulu. ^us ä.kk Kof .u.Sraitsintckerei.
.Siti.itnisl.a.k.Aka(l.<l W. iriBtli iinlurw. Cl. XI. 1 ßd.X" 20 iTiUO.
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Sitz.uii2st.i.kAlca<LiL.W.inath.jiatiirw('l.XLIM.N- 20. L8ö0.
Kiier. lltci- ilfii Klo,ssfiili:iii iler Fische. (S07
Üher den F I o an enh an der Fische.
Von Dr. Rudolf Rner,
eurr. Mitgli.il .1 r kais. Aküil. um- der Wissiiiscliafteii.
1. All*^('üii'im'r Tlicil.
Die Wichtigkeit der Flossen für die Systeinatik der Fische
wurde von jeher in ähnlicher Weise gewürdigt, wie die der Bewe-
giingsorgane überhaupt in allen Classen des Thierreiches. Die älteren
Systematiker begnügten sich aber, vorzüglich nur auf den Mangel
oder das Vorhandensein derselben, auf deren Anzahl, Sitz und Aus-
dehnung Rücksicht zu nehmen. Den Bau, die Structurveihältnisse
der Flossen fasste erst Artedi etwas näher in's Auge, benützte je-
doch die ihm autTälligen Verscliiedenlieiten blos, um seine Abtheilung
der Knochenfische in Weich- und Stachelflosser darauf zu gründen,
welche sodann auch von Cuvier beibehalten wurde. Dem beob-
achtenden Geiste J. Müller's entging bei seinem Streben, das ich-
thyologische System zu verbessern, keineswegs, dass diese einfache
Alternative zu zahlreichen Collisionen Aiilass gebe und eine natürliche
Gruppirung nicht möglich mache. Er le^ite daher diesem rnterschiede
nur untergeordneten Werth bei und vereinigte sogar in seine Ordnung
der Pharyngngnathi geradezu Weich- und Stachelflosser. Dass aber
in'emit kein glücklicher Ausweg gefunden war, glaube ich schon
bei einer früheren Gelegenheit genügend nachgewiesen zu haben
(s. meinen Aufsatz: „Zur Charakteristik und Systematik der Labroiden"
in den Sitzungsberichten 1860, 40. Bd.. Seite 41 u. f.).
Allerdings ist die Eintheilung in Weich- und Stachelflosser keine
natürliche zu nennen, doch liegt der Grund meines Erachtens wohl
nur darin, dass diese Unterscheidung zu obeiflächlich und daher
ungenügend erscheint. Man Hess nicht nur alle übrigen Verhält-
nisse des Flossenbaues unbeachtet, sondern gerieth dadurch allein
808 K u .. r.
schon in zahlreiclie Collisiotien, da man eine feste Grenze zwischen
weichen und stacheh'gen Strahlen zu ziehen unterliess. Auch die von
.1. Müller eingeführten Verbesserungen und Abänderungen des
Systems l)rachten die Khige nicht 7Aiin Schweigen, dass namentlich
die Ordnung der Stachelllosscr noch immer keine natürliche sei.
Später versuchte zwar B. Brühl in seinem mühevollen und ver-
dienstlichen Werke: „Die Skeletlehre der Fische" anatomische
Unterschiede zwischen Weich- und Hartstrahlen aufzustellen (S. 167
11. f.). Doch gehe ich vorläufig auf selbe nicht näher ein, da sich in
der Folge Gelegenheit ergeben wird, den Grad ihrer Verlässlichkeit
und Brauchbarkeit zu ermessen. Ich erlaube mir blos die Bemerkung,
dass alle bisherigen Unterscheidungen mir nicht ausreichend schie-
nen; ich unterwarf daher den Bau der Flossen gleichfalls einer sorg-
fältigen nahe zwei Jahre umfassenden Prüfung.
In neuester Zeit zog Kölliker in seiner Abhandlung „über
verschiedene Typen in der mikroskopischen Structur des Skeletes
der Fische. Würzburg, 18S9" auch die Flossen mit in den Bereich
seiner Untersuchungen, jedoch blos bezüglich ihrer mikroskopischen
Structur, während ich weder auf diese noch auf histologische Ver-
hältnisse Bedacht nahm. Gleichwohl ersah ich aber mit Befriedigung,
dass die von Kölliker gewonnenen Resultate durchaus in keinem
Widerspruche mit den von mir erzielten stehen. Die Unterscheidung
der Flossenslrahlen in knorpelige, osteoide, dentinhaltige und echt
knöcherne reicht aber für sich allein nicht aus, um mit Erfolg für
die Systematik benützt werden zu können.
Die Frage über den etwaigen Grad der Brauchbarkeit des
Flossenbaues für die Zwecke der Charaktei'istik und Systematik
erheischt ein mehrseitiges Eingehen in die Verhältnisse der Flossen.
Dr. Canestrini hat sich jüngst ebenfalls mit dem Studium des
Flossenbaues einigermassen bescliäfligt, jedoch blos in Bezug auf
J. Müller's Teleostier und seine hierüber bereits veröffentlichten
Mittheilungen geben nur Zeugniss, dass von umfassenderen Untersu-
chungen in dieser Richtung allerdings viel Brauchbares für den Zweck
der Systematik zu hoffen sei. Allein da sich bekanntlich der W^erth
und die Bedeutung keiner naturhistorischen Eigenschaft voraus-
bestimmen lässt, so erscheint es auch hier nöthig die Flossen zuerst in
durchgreifender Weise die Probe bestehen zu lassen, aus welcher
erst erhellen kann, ob und in welciiem Grade die Verschiedenheiten
Üliei- (Ii-ii rio.i.seiihnii dei- l'isclie. (SOI)
ihres Baues brauclihare Merkmale für die Systematik und Cha-
rakteristik abgeben können. Ich habe daber zu diesen Behüte siinnnt-
iiche Arten der ganzen mir zu Gebote stehenden ichthyologiseheu
SammUnig untersuclit und erlaube mir zunächst die Ergebnisse die-
ser Prüfimg mitzntbeiien und am Schhisse erst die daraus zu ziehen-
den Folgerungen zusammen zu fassen.
Bei der Frage um die Verschiedenheiten im Flossenbaue der
Fisdie ist vor allem der Umstand zu erörtern, ob es wirklich zur
Bildung wahrer, durch festere Elemente (Strahlen im weiteren
Sinne) gestüzten Flossen kommt, oder ob und wie weit die Flossen-
bildung auf embryonaler Stufe stehenbleibt. —Es gibt keinen Fisch mit
paarigen Flossen, bei welchem die Flossenbildung durchaus embryonal
bliebe: paarige Flossen sind ohne Ausnahme auch stets durch Strahlen
gestützt. Anders verhält es sich hingegen mit den unpaarigen oder
periiiherischen Flossen, nur bei ihnen kommen alle Abstufungen und
Modificationen in Ausbildung der Flossen vor, und sie bieten daher
für die V^ergleichung nicht blos ein reicheres Materiale, sondern sind
auch wichtiger für unsere Zwecke. Völlig strahlenlose (Haut-)
Flossen finden sich permanent nur bei Fischen, die überhaupt auch in
anderen Beziehungen auf einer niederen, an embryonale Entwicklungs-
stadien mahnenden Stufe stehen bleiben. — Der nächste Übergang
vonsolchenslrahlenlosen Flossen erfolgt durch Absetzung von Fasern
in der Flossenhaut (Leydig's sogenannte Hornfäden). Da diese
Flossenbildung der embryonalen zunächst steht, so folgt von selbst»
dass Fische mit faser strahligen Flossen bezüglich des Flossen-
baues und auch der skeletlichen Ausbildung überhaupt eine tiefere
Rangstufe einnehmen, als alle übrigen, bei denen es zur Bildung
wahrer Strahlen kommt, d.h. solcher, die Flüssenhaut stützender
Elemente , die mittelst Gelenk auf einer festen Unterlage aufsitzen
und aus knorpliger, kiiochenähnlicher oder wirklich knöcherner
Substanz bestehen. Ich bezeichne vorläufig Fische mit faserstrahligen
Flossen, um sie von solchen mit wahren Strahlen in sämmtlichen
Flossen zu unterscheiden, als Tilopteri.
Bei Fischen mit wahren Flossenstrahlen kommt, abgesehen von
ihrer Substanz, zunächst die Gliederung und Theilung der Strahlen
zur Betrachtung. Nicht selten erscheinen die Strahlen einfach, d. h.
weder der Länge, noch Quere nach aus mehreren Stücken zusam-
mengesetzt. Fische mit solchen einfachen Strahlen (die übrigens
810 K u e r.
meist nur den verticiilen, selten auch den paarigen Flossen eigen sind)
iiann man Anarlhro p teri oder Haplopteri nennen, wobei ich
nur bemerke, dass letztere Bezeicliniinii nicht im Sinne Canestrini's
genonunen wird, weicher vielniclir seinen Hiiplopteren auch Fische
mit gegliederten, aber unverzweigten Strahlen beizählt, wie z. B.
die Pleuronectiden i) ; hier wird j'edoch dieser Begriff enger und
schärfer begrenzt. — Ungleich häufiger als einfache finden sich aber
(j lied erstra hien vor, d. h. solche, die säulenförmig aus mehr
weniger zahlreichen, über einander liegenden Stücken zusammen-
gesetzt sind, und bei einer bedeutenden Anzahl von Fischen, die
sämmtlieh den Weiehflossern Cuvier's angehören, sind alle Flossen
gliederstrablig; man kann diese im Gegensatze zu den vorigen als
Artbropteri bezeichnen (sie würden Canestrini's Dendropteris
entspiechen, wenn nicht seine gliederstrahligen Haplopteren eben-
falls hier einzureihen wären). — Sowohl die einfachen wie die ge-
gliederten Strahlen können entweder ungetheilt oder get heilt
sein; die einfachen Strahlen aber bleiben meistens ungetheilt, während
die überwiegende Mehrzahl der gegliederten gabiig getheilt, oder in
verschiedener Weise verzweigt ist. — Ebenso können ferner sowohl
einfache wie gegliederte Strahlen entweder weich und biegsam
oder mehr weniger steif und stachelähnlich sein; als Beispiele
unbiegsamer harter Gliederstrahlen mögen vorläufig die sogenannten
Knochenstrahlen bei Cyprinoiden und Siluroiden dienen, als Beispiele
einfacher stachelähnlicher Strahlen die sogenannten Stacheln von
Mastacacemblus und Batrachiis, die ich zum Unterschiede als
Dornen, Spinae oder falsche Stacheln, Pseudacanthi bezeichne.
Wahre Stacheln, Jcw/cHiingegen nenneich solche ungegliederte
und ungetheilte Strahlen, deren Axe hohl, d. h. von einem Canale
durchzogen ist, welcher sich von der Basis des Strahles mehr
oder minder weit gegen die Spitze fortsetzt. Er wird meist ganz
oder theilweise von einer weichen Substanz ausgefüllt , welche
dieselbe Rolle zu spielen scheint, wie die zur sogenannten Seele
vertrocknende Papille im Kiele der Yogelfeder. — Der Canal im
Stachel gibt sich schon gewöhnlich dem freien Auge kund, durch
seinen gelben oder bräunlichen Inhalt und, falls er grossen-
theils leer ist, durch die verschiedene Brechbarkeit des Lichtes.
*) S. Verh.iii(ll. der k. k. /.ool.-bot. Gesellseh. Jahrg. 1809, S. 27—30.
über den Flossenhau der Fiscbe. oll
Häufig lässt sich von der Basis aus eine Sonde in ihn oft bis
nahe zur Spitze einfuhren und mitunter sogar derselbe injiciren,
wenigstens sali mein verehrter Freund Professor H y r 1 1 nach
mündlicher Versicherung Öfters die Iiijectionsmasse in solche
Stacheln eindringen.
Die Fische mit wahren Stacheln, Acanthopteri sens. strict.,
lassen sich aber selbst wieder in 2 Gruppen unterscheiden. Die
Stachelstrahlen bestehen nämlich allerdings gleich den gegliederten
stets aus zwei seitlichen Hälften, doch sind diese entweder völlig
symmetrisch, oder sie sind ungleich, unsymmetrisch, indem bald die
rechte, bald die linke Hälfte des Straiiles stärker ausgebildet ist, und
dies zwar regelmässig altcrnirend. Man kann Fisclie mit symmetriscli
gebauten Stacheln als Homacanthi, die andern als Heteracanthi
bezeichnen. — Bei homacanihen Fischen heftet sich die eigene
Flossenhaiit (^memhr. propria radiorum) genau in der Mittellinie
der Stacheln an und demzufolge legen sich alle Stacheln in der Ruhe
derart zm-ück, dass ihre Spitzen weder rechts noch links sich neigen,
sondern genau in der Schnittebene der Längsaxe hinter einander zu
liegen kommen. — Bei heteracanthen Flossen hingegen setzt sich die
memhr. propria stets an der Innenseite der stärker entwickelten
Hälfte des Stachels an und läuft, wenn diese z. B. am ersten Stachel
einer Flosse die rechte war, dann schief zum zweiten Stachel, an
welchem nun die linke Hälfte die mehr ausgebildete ist, u. s. w.
Senken sich die Stacheln einer solchen Flosse, so neigen sich zufolge
(\&\' alternirenden Anheftung der memhr. propria die Spitze der
Strahlen auch abwechselnd nach rechts und links. — Je ausgezeichneter
heteracanth ein Fisch ist, desto mehr machen sich seine Stacheln
schon dadin'ch kenntlich, dass sie vorne und hinten eine Kante oder
Schneide bilden, nährend bei pseudo- und homacanthen Flossen die
Vorderseite der Strahlen mehr oder minder breit und gewölbt erscheint.
Häufig sind Stacheln insoferne zusammengesetzte Strahlen
(rnd. compoüHi) zu nennen, als zu den beiden seitlichen Hälften
noch ein vorderes Belegstück hinzutritt, welches entweder unpaarig
ist, oder in seltenen Fällen selbst wieder aus zwei seitlichen Hälften
gebildet wird. Gewöhnlich verwächst das vordere Belegstück mit iWn
beiden hinteren und seitlichen völlig, nur ausnahmsweise bleibt es wie
z.B. \)G\Equi(Ia getrennt; am deutlichsten ist es meist an dem ersten
Stachel einer Flosse erkennbar, verrätli sich jedoch auch an den
812 K n e r.
folgenden fast immer durch seine wie ein Geleiikköpfclicn verdickte
Basis, die das darunter befindliche Locii überdacht, welches in den
ülacheicanal führt.
Schon aus dem bisher Gesagten erliellt, dass der Flossenbau
eine schärfere Charakteristik müglicli und daher auch nothweiidig
macht, und dass eine solche für die systematische Anordnung der
Fische einen gewissen Grad von Brauchbarkeit besitzen wird. —
Die Verschiedenheit im Flossenbaue erscheint aber um so wichtiger
und die Mannigfaltigkeit um so grösser, wenn man in's Auge fasst,
dass von den namhaft gemachten verschiedenartigen Flossenstrahlen
entweder eine Form für sich allein an sämmtlichen vorhandenen
Flossen eines Fisches sich vorfindet, oder dass sie auch Combina-
tionen eingehen können. Letzterer Umstand liesse vielleicht sogar
befürchten, dass zufolge einer übergrossen Anzahl mögliclier Com-
binationen man sich im Flossenbaue nur sehr schwer oder gar nicht
zurecht finden könne, doch stellt sich diese Besorgniss als unbegrün-
det heraus, indem die Erfahrung lehrt, dass auch hier die Combina-
tionen nach bestimmten Gesetzen erfolgen, da nicht nur nicht sämmt-
liche Strahlenformen mitsammen sich combiniren, sondern auch ihre
Verbindung blos in bestimmten Stellungen zu einander erfolgt.
Die Fälle, wo in allen Flossen eines Fisches blos einerlei
Strahlen vorkommen, reduciren sich auf folgende drei : auf tiloptere,
haploptere und arthroptere Fische : unter ihnen ist der letzte weitaus
der häufigste P'all. Kein F'isch ist mir hingegen bekannt, dessen Flossen
lilüs durch Stachelstrahlen gestützt würden; diese finden sich vielmehr
stets nur in Combination mit anderen vor.
Was nun aber die Com bi na tionsfähigkeit der verschieden-
artigen Strahlen anbelangt, so können sich Faser s tra h le n mit ein-
fachen und mit Gliederstrahlen combiniren , niemals aber, so weit
meine Erfahrung reicht, mit Stacheln : diese und Faserstrahlen schei-
nen sich gegenseitig auszuschliessen. Ist dies wirklich ein Gesetz,
so erklärt sich hierdurch auch die Thatsache, dass man bisher keinen
wahren Acanthopter kennt, welcher eine sogenannte Fettflosse be-
sässe, denn eine solche ist eben entweder bleibend eine faserstrahlige
oder bildet sich in sehr seltenen Fällen zu einer gegliederten um
(wie z. ß. bei manchen Siluroidoi). Gehen Faserstrahlen die im
(ianzen seltene Combination mit einfachen ein, so treten letztere in
der Modification unbiegsamer Dornen oder falscher Stacheln auf und
Cl)C'r den Flossenhau der Fisclic. öl O
nelimeii (li\iin stets den vordersten Platz an der peripherischen Flosse
ein. (Dorsal- und Analstaeheln der Dornliaie.) Ungleich häufiger
cüuibiniren sich aber Faser- und Gliederstrahlen, jedoch in verschie-
dener Weise. Öfters finden sie sich in derscdben Flosse über
einander abgesetzt vor und zwar die gegliederten zunächst der
Flossenbasis, während die Faserstrahlen gegen den Saum der Flosse
zulaufen (Rajiden, Squaliden). Folgen sich hingegen die beiderlei
Strahlen hinter einander, so gehen die gegliederten den faserigen
voran, daher die Fetttlosse stets hinter der strahligen Dorsale steht.
Die einfachen Strahlen koninien, wie schon erwähnt, selten
im V^ereine mit faserigen, sehr häufig aber mit gegliederten vor; sie
stützen sodann entweder allein die ganze Rücken- und Afterflosse,
oder gehen wenigstens den Gliederstrablen voraus. Die Glieder-
strahlen treten in Verbindung mit allen übrigen Strahlenformen
auf, nehmen aber je nach diesen einen verschiedenen, jedoch bestimm-
ten Platz ein. Am häufigsten sind sie in den paarigen Flossen und
der Caudale, deren Flossenhaut meist durch sie allein gestützt wird ;
die Strahlen der Rücken- und Afterflossen sind hingegen theils
gegliedert, theils einfach oder stachelig, und stets nehmen dann die
Gliederstrahlen ihre Stelle hinter den beiden letztgenannten ein.
f>ie Stacheln kommen durchschnittlich nur im Verbände mit
Gliederstrablen vor und gehen dann ohne Ausnahme diesen voran; am
häufigsten treten sie auf im Rückeutheile der peripherischen Flosse
und nächst diesem im Bauchtheile derselben (in der Afterflosse),
niemals in der Caudale und den Brustflossen. Wie es sich mit den
Ventralstacheln der Acanthopterygier verhält, davon soll erst bei
der speciellen Betrachtung der einzelnen Familien die Rede sein,
wobei auch noch andere scheinbare Ausnahmen und Collisionsfälle
zur Sprache kommen werden.
Den bisher besprochenen allgemeinen Verhältnissen des Flossen-
baues erlaube ich mir schliesslich nur noch folgende Bemerkung bei-
zufügen. Die verschiedenen Strahlenformen entsprechen ohne Zweifel
ungleichen Rangstufen der Entwicklung, und es scheint, dass sie an
sich als Ausdruck der tieferen oder höheren Stellung eines Fisches
überhau[»t gelten können. — Dass strahlenlose und faserstrahlige
Flossen den tiefsten Rang einnehmen, ist kaum zu bestreiten, da man
nur zu erwägen braucht, dass diese Formen zunächst an embryoimle
Entwicklungsstufen mahnen. Der Umstand aber, dass sie am öftesten
814 K n e r.
mit Glieilersfrahlen sich combiniren, und diiss die Gliederung der
Strahlen überhaupt sehr früh, d. h. zu einer Zeit schon eintritt, wo
der Embryo sich nur erst theilweise von seiner Dotterkiigel abge-
lioben hati), scheint dafür zu sprechen, dass arthroptere Fische den
tilopteren zunächst stehen, und es steht hieniit auch dann im Ein-
klänge, dass die Gliederstrahlen ihrer Substanz und Structur nach
anfangs als knorpelige und später erst als knöcherne auftreten. Den
gegliederten und auch den einfachen Strahlen kommt eine vermittelnde
Stellung zu zwischen der niedersten Form, dem Faserstrahle und der
höchsten, dem Stachel in seinen verschiedenen Modificationen. Diese
Ansicht erscheint auch gerechtfertigt durch die ErAihruiigen der
Paläontologie, denn wahre Stacheln treten erst in verhältnissmässig
jüngeren Schichten auf (die ältesten bekannten Acanthopteri stam-
men aus der Kreide), während Selachier und die vorherrschenden
arthropteren Ganoiden bis in die tiefsten Schichten der Paläozoen-
zeit hinabreichen.
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen über den Flossenbau
wende ich mich nun den speciellen Nachweisen zu und halte mich
zu diesem ßehufe grossentheils an Cu vi er 's System, jedoch der
Vereinfachung wegen in umgekehrter Ordnung, indem ich mit den
sogenanuten Knorpelhschen beginne.
II. Specleller Thell.
Was den Flossenbau der Knorpelfische im Sinne Cu vi er 's
anbeliingt, so ergibt sich als allgemeines Resultat, dass derselbe im
Vergleich zu jenem der KnochenGsche durchaus einfachere Verhält-
nisse zeigt, und dass bei ihnen die höchsten, am meisten complicirten
Strahlenformen noch durchwegs vermisst werden. Es erklärt sich
dies von selbst, wenn man erwägt, dass die KnorpelGsche in skelet-
licher Beziehung überhaupt hinter den Knochenfischen zurückbleiben
und dass die Ausbildung wahrhaft knöcherner oder knochenähnlicher
Elemente dos Skeletes nirgends auf jenen Höhenpunkt sich erhebt,
') Bei einer Suite von Embryonen eines vivi|);iren Piinelodus aus Brasilien, die das zoo-
Icipische jMuseiim der rniversilSl von Herrn Dr. Fischer aus Ilainhurjf zum Geschenk
erhielt, (inde ich nicht blos die znerst sich loslösende Caudale, sondern auch die
I'orsaie schon dann gegliedert, wenn sie noch von dünner flaut iiberhiilU und umge-
knickt gegen eine Seile des Rnmi>les herab anliegt.
über den Flossciibuu der Fische. 815
welchen hierin Knochenfische erreiclien. Da aber die Strahlen als
Stützen den skeletlichen Elenienten der Flossen angehören , so
können auch sie hievon keine Ausnahme machen.
Cycloaiomi,
Die Cyclostomen nehmen in jeder Beziehung den niedersten
Rang in der Classe der Fische ein , und es liesse sich demzufolge
allein schon erwarten, dass ihre Flossenbilduhg am einfachsten er-
scheint und so zu sagen auf embryonaler Stufe stehen bleibt. Der
Umstand, dass es bei ihnen blos zur Bildung einer peripherischen
Flosse kommt, und dass paarige F'Iossen allen fehlen, deutet ebenfalls
auf diese Stufe hin. Die Leptocardier stehen den Marsipobranehiern
oder eigentlichen Cyclostomen in Betreff des Flossenbaues so nahe,
dass füglich beide Gru()pen nicht von einander zu trennen sind. Bei
Amphio.vus stellt die peripherische Flosse einen aufstehenden Haut-
saum vor, in welcliem nur mittelst der Loupe sichtbare verticale
dunklere Streifen durchschimmern , als erste Andeutung einer
Strahlenbilduug, und diese konnte ich bei den untersuchten Exem-
plaren nur im dorsalen und caudalen Theile der Flossenhaut erken-
nen 9. Eben so rudimentär erscheinen die Strahlen bei Ammococtes,
deutlicher und zahlreicher treten aber bereits bei My.vhi(' die Streifen
auf, zeigen jedoch noch keine Spur einer Gliederung, und kaum auf
eine höhere Stufe erheben sich die Strahlen auch bei Petromyzon;
sie schimmern durch den Flossensaum, den die Körperhaut bildet,
durch und theilen sich öfters schon am Ende gabelförmig.
Plag;iostoini.
Bei Haien und Rochen schreitet hingegen die Flossenausbildung
in bemerkenswerther Weise und in dem gleichen Masse vorwärts,
als auch das allerdings noch knorpelig bleibende Skelet den höhe-
ren Entwicklungsstuten sich nähert. Am einfachsten erscheint noch
die Flossenbildung bei Chimaera. Die Strahlen sämmtlicher Flossen
stellen zwar schon ziemlich solide Hautstützen vor, sind aber als
wahre Faserstrahlen zu bezeichnen; sie bleiben stets ungegliedert.
*) Nach J. Müller sollen sie bereits aus symmetrischen seitlichen Hälften bestehen
und es gibt vielleiclit überhaupt keinen Strahl, der ursprünglich nicht derart sich
bildete.
816 K a e r.
zerfasern sich aber öfters oder theilen sieh mit anderem Ausdrucke
bereits dicliotoniisch. Selbst der starke, scheinbare Stachel vor
Beginn tier Rückenflosse verdient insoferne den Namen eines solchen
nicht, als auch er nicht mittelst Gelenk auf einer festen Basis aufsitzt,
sondern frei in der Maut steckt und innen von keinem Canale durch-
setzt wird. DasCenti'um seiner Basis wird vielmehr von einer knorpel-
aliniiclieu Bindegewebsuhstanz ausgefüllt, die nach aussen die i/steuide
oder deutinc iVLisse abzusetzen scheint und mit der letzteren innig
zusammenhängt. Die gleiche Bildung zeigen im Wesentlichen auch
die sogenannten Stacheln der Dornhaie (Spinaces). mit denen
allerdings auch die Rückenflossen beginnen. Bei Centrina sind hin-
gegen ähnliche starke Strahlen schon desshalb nicht als Stacheln
zu bezeichnen, weil sie nicht zu Anfang der Dorsalen stehen, sondern
erst nahezu in halber Länge ihrer Basis sich erheben, während wahre
Stacheln au einer Flosse stets die Reihe der Strahlen eröfl'nen. Was
die übrigen Flossenstrahlen der eigentlichen Haie betrifft, so treten
Faserstrahlen schon im Vereine mit gegliederten auf, jedoch nicht
hinter- sondern übereinander. Bei Scyllium z. B. enthalten alle
Flossen Faserstrahlen; die beiden Dorsalen sitzen auf einer Doppel-
reihe knorpeliger Stücke auf, die als Träj^er dienen, aber nicht bis
zu den oberen Bogenschenkeln herabreichen, sondern in der Haut,
welche die Rückenflossen mit der Wirbelsäule in Verbindung setzt,
sich verlieren. Das Gleiche findet auch bei der Anale Statt, während
dagegen bei der Schwanzflosse die Faserstrahlen sich uniiiitlelbar an
die oberen und unteren Dornfortsätze anreihen, welche hier mit der
Wirbelsäule zusanuneuhängen und als Strahlenträger zu fnngiren
scheinen. Die Brust- und Bauchflossen sind ähnlich gebaut, d. h. die
laserstralilen stützen sich gleichfalls auf eine Iteihe knorpeliger, zuuj
Theile sich gabiig theilender Stücke i). Bei Squat'ma besitzen die
ij Die dem Schiiltcrfjürtel /.uiiiiolisl sieh anreilieiideii Stücke wenleii gevvölinlieli iler
llaiidwurzel-, die folg-eiiden den b'iiigeiknochen verglichen. Auch Stiiniiius drückt
sich in seiner Anatotiiie der Fische H. Aufl. S. 90 bezüglich der Brustflossen der
Rajiden in folgender Weise aus: „Die in viell'aclien Reiiien stehenden Plialaiiijrs digi-
tontm zerfallen gewöhnlich in zwei Ahtheiluugen ; die der ersten sind einfach, in der
zweiten finden sicli mehrere Keihen gespaltener oder do|>|>eUer Plialanges". Auf
S. 93 sagt er hingegen: „An die ossa metacarpi (der (ianuiden und Teleostier) sind
die Fiossenstrahlen angefügt als den Fischen durchaus eigenthüinliche Kiemente,
welche die Stelle der Phalangen functionel vertreten , ohne ihnen morphologisch
ii'gend zu tinlspreclien". L'm nicht missverstanden zu wc.deu, bemerke ich , ilass ich
über den Flossenl);iu der Fisrhe. Ol 7
BiMistflossen cfogeii den Rand Faserstralilon, auf welche dann drei-
gliederiii^e, als Stützen dienende knorpelio;e Strahlen folgen, die aber
mit ihren Enden weder an einander stossen, noch daselbst knotig
angeschwollen sind. Ebenso ist der Bau der Veniralflossen, nur
sitzen die Fasern blos auf 2 oder 21/0 gliedorigen Knorpclsfützen auf.
Die beiden Dorsalen und die Caudale sind ihrer ganzen Höhe nach
blos faserstrahlig und die erstere am Vorderrande, die letztere am
Rande jedes Lappens mit nach hinten gekrümmten Hakenspitzen
besetzt, die eine Fortsetzung der Hartgebilde der die Flossen über-
ziehenden Körperhaut sind, aber eine den Flossenschindeln der
Ganoiden ähnliche Lagerung annehmen. — Die Brustflossen bei
Torpedo enthalten vielgliederige , am Ende gabelig getheilte Strah-
len, deren einzelne Glieder aber noch wie bei Squatina sich
nicht berühren und nicht knotig sind; Faserstrahlen am Rande
fehlen aber hier. Die beiden Dorsalen und die Caudale ver-
halten sich wie bei Squatina', die Bauchflossenstrahlen sind ge-
gliedert und einfach gabelig getheilt. — Auf die höchste Stufe
erhebt sich unter allen untersuchten Plagiostomen der Flossen-
bau bei der Gattung Raja. Die zahlreichen Strahlen der Brust-
flossen sind ihrer Länge nach ähnlich den Halmen der Gramineen
in viele knotig angeschwollene Gelenke ahgetheilt. Gegen den
Rand der Flosse spaltet sich jeder Strahl dann einfach gabelig
und jeder Ast ist wie der Hauptstrahl auch wieder durch Gelenk-
knoten ahgetheilt. Nur regellos hie und da schieben sich am
Saume der Flossen zw'ischen die Gliederstrahlen Fasern ein. Die
Banchflossen zeigen bei ihrer relativen Kürze nur gegen das
Ende der Strahlen 2 — 4 Knoten, aber (wenigstens bei R. mira-
letiis) keine dichotome Theilung. In den beiden Rückenflossen
finden sich Faserstrahlen vor, die auf knotig gegliederten und öfters
gabelig getheilten Strahlen aufsitzen, welche jenen gleichsam als
Stützen dienen. Die Gattung MyUobalis steht im Flossenbaue der
vorigen zunächst.
ineiiierseils in den Pliiilaiigen der Rajiden und Anderer nur die .soliden Stützen der
Flossenliaiit sehe, welclie snwohl l)ei den vertiealen wie paarigen Flossen den gleichen
Zweck haben und die ich sämintlich als Fiossensti aliien bezeichne. In diesem Sinne
spieche ich auch hier und im Folgenden von einer Comhination gegliederter mit
faserigen Strahlen
818 ^"'^•■
Oanoidei.
Bei den Kiiorpel-Giinoideii und ziinäclist der Gatfunc^ Aclpen-
ser sind die Strahlen säinnitlicher Flossen zahlreicli und kurz
«gegliedert und ein- oder mehrfach dichotomisch getheilt. Dass auch
der dicke Knocheastrahl der Brustflossen ein durch Verschmelzung
entstandener gegliederter ist , zeigt sich öfters am Innern Rande nahe
der Spitze ganz deutlich. Die Gliederung der Strahlen beginnt gleich
von der Hasis an. Bis zur halben Höhe der Strahlen sind die Glieder
kantig, und die scharfen Kanten verlängern sich beiderseits in feine
Spitzen, wodurch die Flossen sich rauh anfühlen. Wie alle Glieder-
strahlen bestehen auch sie aus zwei seitlichen Hälften, die meist in der
Mittellinie nicht innig verwachsen sind; namentlich erscheinen die
vorderen, kurzen Strahlen der Rücken-, After- und Bauchflossen am
Skelcte häufig geradezu als getrennte Hälften neben einander. Sie
zeigen übrigens meist schon Gliederung, alier noch keine Theilung.
Die den Caudaltheil der Wirbelsäule (sit venia vcrbo) überlagern-
den und schindelartig sieh deckenden spitzen Knochen (Dornen) sind
ebenfalls aus 2 seitlichen Hälften zusammengesetzt, aber weder geglie-
dert noch getheilt, und vielleicht als umgebildete Hautknochen zu deu-
ten. Die vor ihnen liegenden dorsalen Schilder erscheinen nämlich nicht
blos schon in die Länge gezogen, sondern auch durch eine mediane
Trennungslinie abgetheilt. Alle unterhalb der Wirbelsäule angebrach-
ten Strahlen der Caudale sind hingegen gegliedert und getheilt i). —
*) Die durchgängige Leiclitig-keil des Fischskeletes und das I'iirchdrung-ciisciri der einzel-
nen SkeletUieile von mehr oder minder zahlreichen und grossen Hohlräumen ist zwar
eine hekannte, aber, wie ich glaube, nicht genug gewüi-digte Sache. Da gerade bei
Stören bereits diese Eigenthümliclikeit in hohem Grade sich vorfindet, so glaube ich
darauf hinweisen zu dürfen, dass nicht blos wie gewöhnlich die Stützen der Flossen-
strahlen, sondern auch die Dornfortsätze und selbst die Hippen derart hohl sind, dass
man durch das offene freie Ende in die Röhre, welche sie bilden, eindringen kann.
Dieses Huhlsein findet sich übrigens sowohl bei echt knöchernen Skeleltlieilon vor,
wie auch bei solchen, die aus osteoider oder dentiner Substanz bestehen, und dürfte
überhaupt für Fische nicht minder wichtig sein, als die Pneumaticität der V'ogelknochen
für Vögel. Die Verminderung des specifischen Gewichtes scheint auch hier ein Haupt-
zweck, der aber auf mancherlei Weise erreicht wird. So haben z. B. durchschnittlich
Fische mit stark ausgebildetem Hautskelete ein leichtes und zartes inneres Skelet, wie
dies gerade bei Stören , ferner bei Lop/in/iraiic/iicni, Ostravion, Piganus, Amphisile
u. s.w. der Fall ist, und wenn auch letzleres solid entwickelt ist, so trillt man dann auf
anderweitige Vorkehrungen zur Verminderung des specifischen Gewichtes. Von diesem
Gesichtspunkte aus dürfte auch die Biconcavität der Fiseliwirbel schon an sich nicht
über den Flossenbnu der Fische. 819
Die Gattung Spatuliiria zeigt einen einfacheren Flossenbau, alle
Straiilen sind näuilich gegliedert und gegen das Ende galielig getheilt.
Bei Lepid Ostens sind zwar auch säinmtliche Strahlen geglie-
dert und getheilt, jedoch legen sich an den ersten Strahl der Rücken-,
After-, Bauch- und Brustflossen und an die beiden Endslrahlen der
Caudale der Länge nach paarige spitze Dornen an, die ich nur als
Umbildungen der rhombischen Hautschilder anzusehen geneigt bin.
Die ganze Medianreihe der Rhondjenschuppen vor der Dorsale weicht
nämlich von den übrigen ab und zeigt schon Neigung zum Zerfallen in
seitliche Hälften, indem der hintere freie Rand mehr oder minder tief
eingebuchtet und oft mit einer mittleren Längsfuiche bezeichnet ist.
Diese zu Belegdoruen der Flossenstralilen umgewandelten Haut-
schilder dürften auch zur Deutung der scheinbar so A'ereiiizelt daste-
henden Bildung der Dorsale bei Polypterus behilllich sein. Ich
glaube nämlich auch die flachen und langen Knochenstücke, an
welche die gliederstrahligen Flösschen rückwärts wie Fähnchen
befestigt sind, nur für umgebildete Schilder der Medianlinie des
Rückens ansehen zu dürfen. Für die Ansicht, dass diese knöchernen
Träger der Fähnchen oder Flösschen umgebildete Schilder« sind und
den eigentlichen Hautgebilden angehören, spricht zunächst der
Umstand, dass sie aus derselben mit Email überzogenen Substanz
bestehen und dieselben rauhen Linien an der Oberfläche zeigen wie
die Rhombenschilder des Rumpfes und die Deckknochen des Kopfes.
Ferner gibt sich bei ihnen die gleiche Neigung wie bei den medianen
Rückenschildern von Lepidosteus zur Theilung in seitliche Hälften
kund, und nicht blos sie selbst enden alle in zwei gabelig auslaufende
Spitzen, sondern auch bei den zwischen den einzelnen Flösschen
liegenden, nicht umgebildeten Dorsalschildern erkennt man dieselbe
Tendenz durch die Einbuchtung ihres hinteren freien Randes. Dass
Schuppen und andere knöcherne Hautgebilde sich zur Strahlenform
ohne Bedeutung sein, wie nicht minder die Porosität der Wlrbelkorper, jene der Kopf-
knochen namentlich zufolge der oft so weifen Hohlräume für das System der Kopf-
canäle und der mit diesen zusammenhängende Seltencanal selbst. Auch wäre hier am
Platze, auf die Schwimmblase und ihre oft merkwürdigen Fortsätze, auf verschiedene
andere Luftsäcke, auf die Mehrzahl der sogenannten Labyrinthe und noch andere auf
diesen Zweck zielende Einrichtungen hinzuweisen, doch begnüge ich mich vorläufig
mit diesen Andeutungen. Im weiteren Verlaufe meiner Mittheilungen wird sich noch
öfter Gelegenheit finden, solche Vorrichtungen, die zur Verminderung des speeifischen
Gewichtes der Fische beitragen, zur Sprache zu bringen.
820
K n e r.
strecken mul umändern können, davon werden die sot^enannten
Pseudostrahlen namentlich an der Basis der beiden Caudallappen
liiiiilige Beispiele gehen, und dessgleichen der Knochenslrahl an der
Fetlllosse mancher Siluroiden (Hypostomen). — Fasst man nun die
knöchernen Strahlen des Polypterus als umgebildete Hautschilder
auf, so erklärt sich auch sonder Zwang die Vielflossigkeit desselben.
Die lange Dorsale, die unmittelbar rückwärts it) die Schwanzflosse
übergeht, muss so viele Unterbrechungen erleiden, als sich umgeliil-
dete Hautschilder inzwischen einschieben. Indem diese nun sich in
die Länge ziehen und emporrichten, werden sie selbst zu Stützen
der Gliederstrahlen, welche in der anhängenden Flossenhaut sich
bilden. Ihre Basis erhält zu diesem Behufe ein Gelenk und dadurch
werden sie nur noch mehr stachelähnlich. Mittelst dieses Gelenkes
stehen sie dann mit den eigentlichen Flossenträgern in Verbindung,
welche fast quer liegen und mit den sehr langen, schief nach hinten
gerichteten (mit den Wirbeln nicht verwachsenen) Dornfortsätzen
nur durch Bindehaut mittelbar zusammenhängen. Die Gliederstrablen
der Fähnchen können daher blos an der Rückseite des stachelähn-
lichen Schildes einen Stützpunkt finden; aber nicht alle erreichen
diesen und man trifft öfters frei in der Flossenhaut steckende Glie-
derstrahlen, zum deutlichen Beweise, dass in ihr die eigentlich«'
Bildungsstätte der Strahlen liegt. — Der Übergang der Flüsschen
zu den gewöhnlichen Gliederstrahlen, welche das Ende der Bücken-
und den Anfang der Schwanzflosse bilden , erfolgt dadurch , dass
die Gliederstrahlen der Fähnchen sich immer steiler emporrichten,
d. h. mehr parallel dem stachelähnlichen Schilde stellen und immer
höher über die Spitzen desselben hinausragen. Plötzlich fehlt nun
an einem Strahle letzteres gänzlich und es treten nun blos gewölin-
iiche Gliederstrahlen auf mit allerdings verdicktem aber alsbald
gegliedertem Basaltheile. Diese stehen nun auch selbsl mit wahren
Flossenträgern in Gelenkverhindung, welche sich zwischen die Dorn-
fortsätze der Schwanzwirbel einschieben *).
') üegt'ii die ol)eii vci^uchte lleiilimg- dürlle der j;e« ii'litij;s(o Miiwiirf si-iii , dass diu
sliK'lielähiiliolii'ii Fiiliiielicnträyer iiuf den Flossentriij,ferii aiifsiUeii und zwar millelst
Gelenk. Daji;e);en kann aber bemerkt werden , dass anderseits liäufig- bliiuie Klosseii-
Iräger rorkoinnien , die mit keint-ni Stialile sich vei-ltindeii, indem gar keine Klo.sse
über ilim-n slehi uml sie nur an harte Uautgebilde (Scbildi-r oder Schii|ii)en) anstossen.
i'berdifs werden die Flüssen ganz gewöhnlidi von Kurperbaul überkleidel. Die
i'ber den Flosseiihaii der Fische. 841
Der Flossenbau von Amia bietet nichts AufTallendes dar; alle
Strahlen bestehen aus seitlichen Hälften und sind gegliedert und der
Mehrzahl nach gabelig getheilt; die Gliederung beginnt jedoch erst
ziemlich hoch über der Basis der Strahlen.
Lophobranoliii.
Die Seepferde und Meernadeln besitzen meist nur einfache
ungetheilte und ungegliederte Strahlen, die gegen das freie obere
Ende seitlich compress oder breiter werden, statt in eine Spitze aus-
zulaufen, eine Eigenthümlichkeit, die andern einfachen Strahlen durch-
schnittlich nicht zukommt; besonders deutlich ist dies bei der Gattung
Gaste rotokeus der Fall. Auch die Strahlen der Brusttlossen sind
ungegliedert, aber am Ende kurz gabelig getheilt. Bios die echten
Syngnathi, welche eine Schwanzflosse besitzen, zeigen in dieser
spärlich und langgegliederte Strahlen, welche nur selten sich einfach
gabiig theilen.
Völlig abweichend von allen Lophobranchiern verhält sich hin-
gegen in Betreff der Flossen die Gattung Pegasus. Zunächst schon
fallen die Brustflossen durch ihre mächtige Entwickelung und horizon-
tale Stellung auf, ausserdem aber durch ihre 9 — 10 steifen schein-
baren Stacheln. Die weit zurückstehende Dorsale, die Anal- und
Schwanzflosse besitzen fein und zahlreich gegliederte, aber unge-
theilte Strahlen; die Bauchflossen bestehen blos aus eineni ziemlich
langen, gegliederten und gleichfalls ungetheilten Strahle, der beider-
seits mit einem Hautsaume besetzt ist. Fasst man nebst diesen Unter-
schieden noch überdies die von allen Lophobranchiern abweichende
Bildung und Stellung des Mundes und die über diesen vorragende
hornähnliche Verlängerung der Schnauze in's Auge, so fühlt man sich
unwillkürlich versucht, diese Gattung von den Lophobranchiern, trotz
ihrer büschelförmigen Kiemen auszuscheiden. Professor Steenstrup
sprach sich auch bei Gelegenheit seines vorjährigen Besuches in
strahlen bilden sich zwischen den Platten derselben, und häufig lagern sich zugleich
Schuppen. Stacheln und derlei feste Hautgebilde vor und an ihnen ab. — Sollte meine
Ansicht über die Flossenbildung von Polypterus richtig sein, so läge hier der Fall
einer eigenthüuilichen Umbildung von Hartgebilden der Haut vor, die in den Bereich
der Flossen einbezogen werden. Welche Umgestaltung aber anderseits auch Flossen
erleiden können, davon gibt die Kopfplatte von Echeneis ein Beispiel, die doch derzeit
allgemein als eine umgebildete Dorsale angesehen wird.
Sit/.b. d. mathem.-naturw. Cl. XLI. Bd. Nr. 20. 57
822
K II e r.
Wien gegen mich in diesem Sinne aus und meinte, sie sei am besten
den Cottoiden einzureihen, bei denen sie dann zunächst der Gattung
Aspidophorus ihren Phitz fände. Ich enthalte mich vorläufig meine
Ansicht hierüber auszusprechen, da sich in der Folge dazu noch
Gelegenheit ergeben wird, und wende mich hier nur noch zur nähern
Betrachtung des Baues der Brustflossen. — Das Auftreten von
Stacheln im Bereiche der Brustflossen wäre an sich so befremdend,
dass sich im Voraus vermuthen Hess, es seien hier nur scheinbar
solche vorhanden. Und in der That machen sie auch keine Ausnahme
von der allgemeinen Regel, denn sie erweisen sich bei genauer Unter-
suchung als gegliederte Strahlen; die Gliederung tritt aber erst
gegen die Spitzen auf, und nur bei den zwei mittleren und stärksten
vermag ich gar keine wahrzunehmen. Steenstrup glaubte sie
zwar auch an diesen zu sehen, doch konnte ich mich nicht davon
überzeugen. Allerdings hat es den Anschein, als sei das Innere dieser
Strahlen bereits in Glieder abgesetzt, die Gliederung aber noch
keine durchgreifende und werde somit nur vorbereitet; es kann jedoch
auch blos auf optischer Täuschung beruhen. Sei dem wie immer,
so viel steht fest, dass diese Strahlen den gegliederten beizuzählen
sind und dass sie sich nur durch vorherrschende Länge des Basal-
theiles (der fast bei allen Gliederstrahlen ein mehr oder minder
langes ungegliedertes Stück darstellt) von den nachbarlichen und
unzweifelhaften Gliederstrahlen unterscheiden. Es ist diese Modi-
fication offenbar für den speciellen Gebrauch berechnet, den diese
Fische von ihren Brustflossen machen, und sie wiederholt sich in
sehr ähnlicher Weise nochmals bei einem Pediculafen, nämlich der
Gattung Malthea.
Plectognatliie
Unter allen Haftkiefern dürfte die Gattung Orthagoriscus
den tiefsten Rang einnehmen, und es kann daher nicht befremden,
dass dies auch bezüglich der Flossenbildung der Fall ist. Die Strah-
len zeigen keine Spur von Gliederung, nur die letzten der Rücken-
nnd Afterflosse mehrfach gabelige Theilung, aber auch in ungeglie-
derte Zweige. — Bei Balistes nnä Pyrodon besteht die erste Dorsale
aus ungegliederten, einfachen (knöchernen) Strahlen, die ihre
Zusammensetzung aus seitlichen Hälften deutlich erkennen lassen,
namentlich an dem ersten und dicksten Strahle, der an seiner Hinter-
über den Flossenbau der Fische. 823
Seite der ganzen Länge nach von einer tiefen Furche oder Rinne
durchzogen ist, so dass die beiden Hälften nur vorne in fester Ver-
bindung stehen. Die zweite Rücken-, die After- und Schwanzdosse,
wie auch die Rrustflossen enthalten nur gegliederte und meist mehr-
fach dichotomisch getheilte Strahlen , die aber in ähnlicher Weise
compress enden, wie bei Lophobranchicrn. Rauchflossen sind vor-
handen, doch scheint nur eine da zu sein, da sie einander derart
genähert sind, dass die vorderen dicken Knochenstrahlen wirklich nur
einen einfachen Strahl vorstellen, dessen gabiig getheilte Spitze
und Hinterseite aber deutlich die Verwachsung aus zwei Strahlen
erkennen lässt. Die folgenden Strahlen sind einfach ungegliedert,
steif und stachelähnlich, aber völlig gesondert und stehen paarweise
hinter einander. Das Auftreten blos ungegliederter, stachelähnlicher
Strahlen in den Rauchflossen könnte allerdings befremden und als
Ausnahmsfall erscheinen, doch dürfte es gerade geeignet sein, das
Verständniss der nicht minder auffallenden Rildung der Rauchflossen
hei Aer Gvittnng Amphaca}ithus zu erleichtern, die doch, wie die
Folge zeigen wird, ein echter Stachelflosser (und zwar heteracanth)
ist. — Die Gattung Aluteres besitzt ungetheilte, gegliederte Strahlen
in der zweiten Rücken-, der After- und den Rrustflossen, doch ist
die Gliederung äusserst fein und sparsam , so dass sie auch leicht
übersehen werden kann, und in den ersten Strahlen der genannten
Flossen bereitet sie sich in der That erst allmählich vor; blos die
Caudale zeigt deutlich, vielfach gegliederte und gabiig getheilte
Strahlen. — Rei Triacanthus verhält sich die erste Dorsale wie bei
Balistes, alle übrigen Flossen besitzen gegliederte Strahlen; die
Rauchflossen sind gesondert , jede aber besteht nur aus einem ein-
zigen stachelähnlichen Strahl , der jenem der Dorsale gleicht. Die
seitlichen Hälften dieser Strahlen geben sich aufs deutlichste kund,
indem vom Gelenke bis zur Spitze eine mehr minder tiefe Trennungs-
furche oder Rinne vorhanden ist, und das sperrbare Gelenk selbst
wie eine Rolle in der Mitte tief concav erscheint. 3Ionacantkus hat
statt einer mehrstrahligen ersten Rückenflosse nur einen ähnlich gebil-
deten Pseudostachel und einen ventralen, der aber aus der Ver-
schmelzung der beiden verkümmerten Rauchflossen hervorzugehen
scheint; die übrigen Flossen haben gegliederte Strahlen und zwar
die zweite Rücken- und die Afterflosse ungetheilte, die Caudale gabiig
getheilte. Ostracion besitzt an allen Flossen blos gegliederte und
094 K II e r. Über den Flosseiibaii der Fische.
getheilte Strahlen; Bauchtlossen fehlen. Die Dorsale wird durch
lange hohle Flossenträger gestützt, die sich zwischen die drei sehr
schief nach hinten geneigten langen Dornfortsätze einschieben (also
bei Ost. quadricornis) ; die Anale steht mit einem Bündel strahlig
auslaufender Flossenträger in Verbindung, die aber frei enden, da
untere Dornfdrtsätze an den entsprechenden Bauchwirbeln fehlen. —
Die Gymnodonten {Diodon, Tetrodon u. s. w.), die der Bauch-
flossen ebenfalls gänzlich ermangeln, zeigen gleich der vorigen
Gattung in allen Flossen nur gegliederte und getheilte Strahlen.
Sc lirö t ter. Über die clieiii. Beschaffenheit eiiiifjer Producte aus <ler Salin«' elc. 825
Über die chemische Beschaffenheit einiger Producte aus der
Saline zu Haistatt,
Aus dem chemischen Laboraldi-ium des k. !;. polytechnischen Institutes.
Vorgelegt von Prof. A. Schrötter.
Die k. k. Sudhütte zu Haistatt in Oberösteireich versiedet nach
Mittheilungen, die ich der Gefälligkeit des dortigen Verwalters, Herrn
Schubert, und des Hüttenmeisters, Herrn v. Posch, verdanke,
jährlich im Durchschnitte 940000 Kub.-Fuss Bergsoole, die durch
Auslaugen des Haselgebirges in Wehren <) am Salzberge von Haistatt
gewonnen wird.
Die Soole gilt als hüttengar, wenn sie bei 14° R. eine Dichte
von 1-202 zeigt, und liefert per Kub.-Fuss 17-5 W. Pfund Koch-
salz. Die jährliche Erzeugung beträgt demnach 164500 Centner Salz.
In den Wehren hat die Soole constant die Temperatur von
12° R., was jedenfalls höher ist als die mittlere Temperatur von
Haistatt.
Die Abdampfung geschieht mit Holzfeuerung in einer Pfanne,
deren Bodenfläche 2773 Quadr. -Fuss beträgt, und die durch-
schnittlich 1 Fuss hoch mit Soole, welche continuirlich zufliesst,
gefüllt wird.
Da der Kub.-Fuss Soole 68 Pfund wiegt, so müssen auf 1 Theil
Salz nahezu 3 Theile Wasser verdampft werden. Die einzige Pfanne
verdampit also jährlich gegen 3 Millionen Centner Wasser. Alle zwei
Stunden kann das niedergefallene Salz in dem an der Arbeitsseite
der Pfanne belindlichen tiefer gelegenen Räume (dem Salzgraben)
gekrückt werden (ausbären), wo es dann ausgeschaufelt, möglichst
gut von der Mutterlauge getrennt und auf die bekannte Art für den
Handel zugerichtet wird.
') Siehe hierüber die selir lehrreiche Schrift: „Die Verwässerung des Haselgc-
birges etc." von J. von Seh w i n d, k. k. Bergrath. Besonders abgedruckt aus dem
.litlirbnciie für den österreichischen Berg- und Hüttenmann. Wien 1834.
Sil/.b. d. Mi;illit'iii.-ii;iliir\v. CI \'l.l. Uli. .Nr. 'iO. S8
g26 S 0 h r ö t t e r.
Der Betrieb dauert durch 13 Tage ununterbrochen fort, nach
24 Stunden wird die Arbeit ausgesetzt, um die Zurichtung der Pfanne
und des Ofens vornehmen zu können.
Das zur Feuerung verwendete wciclie Holz befindet sich im
luftlrockenen Zustande und wiegt im Durchschnitt per Wiener Klafter
19-5 Centner. Es werden ungefähr 4000 Klafter jährlich verbraucht,
das ist täglich 19 Klafter, wenn im Jahr, wie dies hier der Fall ist,
258 Sudtage stattfinden. Nimmt man die jährliche Erzeugung in
runden Zahlen zu 160 000 Centner, also die tägliche für die obige
Anzahl von Arbeitstagen zu 620 Centner an, so sind für diese
370-5 Centner Holz erforderlich.
Nach wiederholten mittelst der Verdrängungsmethode vor-
genommenen Versuchen, welche vom k. k, Hüttenmeister, Herrn
V. Posch durchgeführt wurden, entspricht 1 Wiener Klafter weichen
Holzes in Zeinmass, d. h. in Scheitern von 6 Fuss Länge und einem
dreiseitigen Querschnitt, dessen Seiten nicht über 6 Zoll lang sein
sollen , fast ganz genau 75 Kuh. -Fuss solider Holzmassen, und diese
wiegen 2050 Pfund. Es wiegt also 1 Kuh. -Fuss dieses Holzes ohne
Zwischenräume 2733 Pfund. Im Jahre 1855 betrug die zur Er-
zeugung von 167139 Centner Salz verwendete solide Holzmasse
2006 Kub.-Khifter (die Kuh. -Klafter = 216 Kuh. -Fuss); es wurden
daher durch 1 Kub.-Fuss, d. i. durch 27-33 Pfund Holz 113 Pfund
Wasser verdunstet und also 38 Pfund Salz dargestellt. Die 113 Pfund
Wasserdampf, welche eine Temperatur von 100° C. besitzen, ent-
sprechen 73 450 Wärmeeinheiten. Setzt man die Heizkraft des luft-
trockenen Holzes zu 3100 für 1 Wiener Pfund, so wären theoretisch
zur Erzeugung von 113 Pfund Wasserdampf 23-07 Pfund vom
disponiblen Holze notlnvendig.
Die Salzstöcke, von 25 — 30 Pfund im Gewichte, werden in
Dörrkammern, deren jede 1000 — 1500 solcher Stöcke fasst,
getrocknet. Die Erwärmung geschieht mittelst Pultfeuerung und
die Flamme, welche frei von Rauch ist, tritt unmittelbar in die-
selbe. Die Operation ist in 18 — 20 Stunden beendigt und erfordert
1 Wiener Klafter Holz für 350 Centner Salz.
Die folgenden Untersuchungen beziehen sich auf die aus meh-
reren Wehren zusammenfliessenden Salzsoole, wie sie im September
d. J. 1858 versotten Avurde und die im Folgenden mit (^Ä) bezeichnet
werden soll, ferner auf die Mutterlauge, den Pfannenstein und das
Ühor die ehem. Resphnffenlioit piiiin:er Prodiicte «. il. Saline zu llahtatt. 827
SiuIshIz dieser Soole, endlich auf die Soole aus der Schlahammer
Welire und auf die aus der Johann Michaeiitsch Veiten-Wehre, die
rnit continuiilicher Verwässerung betrieben wird. (Siehe die ohen
cilirte Schrift.)
Um Wiederholunj2:en zu vermeiden, soll hier angeführt werden,
dass sämmtliche Soolen, so wie auch die untersuchte Mutterlauge
wasserhelle Flüssigkeiten sind, die bei längerem Stehen nur eine
höchst unbedeutende Menge bräunlicher Flocken absetzen. Die fixen
Bestandtheile wurden durch Abdampfen bis zur Trockenheit unter
Zusatz einer gewogenen Menge von wasserfreiem kohlensauren
Natron und genügendem Erhitzen des trockenen Rückstandes be-
stimmt. Zur Controle der Analyse wurde die Menge der schwefel-
sauren Salze bestimmt, welche erhalten wird, wenn man die Soole
mit Schwefelsäure versetzt, zur Trockenheit abdampft und durch
stärkeres Erhitzen die überschüssig zugesetzte Schwefelsäure ver-
treibt.
Die quantitativen Bestimmungen wurden nach den bekannten
Metboden ausgeführt und im Folgenden sollen nur jene Daten in
möglichster Kürze angegeben werden, die zur Begründung und
Controle der erhaltenen Resultate nothwendig sind.
I. Salzsoole (A), antersacht von Herrn Mlloj Simic, fürstlich ser-
bischen liienteuant, und Herrn J. Wolf.
Die Dichte dieser Soole wurde bei 17° C. gleich 1-202 gefun-
den, was mit der amtlichen Angabe übereinstimmt.
Die Gesammtmenge der fixen Bestandtheile beträgt 27*22 Pct.,
welche in schwefelsaure Salze umgewandelt 31-204 Pct. gaben.
Die quantitative Bestimmung der einzelnen Bestandtheile der Soole
gab folgende Resultate:
11-040 Gr. Soole gaben 0-2093 schwefelsaures Baryt d. i. 0-0722 Gr. oder
0-6äa Pct. Schwefelsaure.
9-006 Gr. Soole gaben 0-1708 schwefelsaures Baryt d. i. 0-0389 Gr. oder
0-533 Pct. Schwefelsäure.
Dies gibt im Mittel 0-Ö93 Pct. Schwefelsäure.
Zur Bestimmung <les Broms wurden 101-76 Gr. Soole ver-
wendet und bei der Behandlung des Gemensres von Silberbroniid
828 S c h r ö t t e r.
und Silbeirhloi-ifl mit Chlor 0-0143 Brom erhalten, welchen
0-0141 Pct. Brom entsprechen.
a •2115 Gr. Soole gaben 2-060 d. i. 64-143 Pct. Silherchlorid
und Siliierbromid. Hiervon 0-033 Silborbromid abgezogen blieben
64-11 Pct. Silbereblorid, welchen 15-86 Pct. Chlor entsprechen.
Zur Bestimmung des Kalkes wurde derselbe als oxalsaurer Kalk
gefällt, dieser, durch successives bis zum Glühen gesteigertes Er-
hitzen mit einem Überschuss von reinem schwefelsauren Ammoniak,
in schwefelsauren Kalk umgewandelt und als solcher gewogen.
6-634 Gr. Soole gaben 0-0220 Gr. il. 1. 03366 Pct. sctiwefels. Kalk
6-773 „ „ „ 0-0224 „ „ 0-3434 „
Also wurden im Mittel erhalten 0-340 Pct. schwefelsaurer
Kalk, welcher als solcher in Rechnung gebracht wird und 0-20
Schwefelsäure enthält.
Das Magnium wurde aus drei Versuchen bestimmt:
6-634 G. Soole gabenO- 039 G. 2MgO,P05 entsp. 0-008 d.i. 0-126 Pt. Magnium
8-803,, „ „ 0-0513,, „ „ 0-OH „ 0-123 „ „
29-220,, „ „ 0-1900,, „ „ 0-038 „ 0-130 „
also wurden im Mittel erhalten 0-127 Pct. Magnium.
Bei der Kalibestimmung gaben:
4-887 Gr. Soole 0-0387 Gr. KCl,PtCl2 entsp. 0-231 Pct. Kali
5-690 „ „ 0-0680 „ „ „ 0-269 „ „
daher im Mittel 0-25 Pct. Kali.
Zur Bestimmung des Natriumgehaltes der Soole wurde von
4-887 Gr. derselben das Kalium mittelst Platincblorid, der Kalk
und die Magnesia milleist Baryt und dieser mittelst Schwefelsäure
entfernt und so 1-4963 Gr. schwefelsaures Natron erhalten, wel-
chen 9 • 96 Pct. N a t r i u m entsprechen.
Die Resultate der vorhergehenden Bestimmungen sind also fol-
gende :
Chlor 13-860
Brom 00141
Schwefelsäure (nach Abzug der an den Kalk gebundenen) 0 393
Schwefelsaurer Kalk 0-340
Natrium 9- 960
M;.-nium 0-127
Kali 0-250
Üher die ehem. Beschaffenheit eliiig'er Prodiicte a. d. Saline zu Hnislall. S29
Niiiinit man , was am iiatiii'gemässesfen ist, das Magnium an
das Brom und an das Chlor, die Schwefelsäure an das Kali, Natron
und den Kalk gehnnden an, so ergeben sich folgende nähere Be-
standtheile der Soole:
Die 0-0141 Brom geben 0-0162 Brommagnium, es blei-
ben somit von den 0-127 Magnium 0- 1249 für das Chlor, von dem
sie 0-3695 hrauchen, um damit 0-4944 Chlormagnium zu geben.
Es bleiben somit 15-490S Chlor, welche 10-0361 Natrium bedür-
fen, um damit 25 -526 Chlornatrium zu gehen.
Die 0-25 Kali bedürfen 0*212 Schwefelsäure, um damit 0-462
schwefelsaures Kali zu geben. Es bleiben somit 0-183 Schwe-
felsäure, die an Natron gebunden sind, von dem sie 0-1419 brau-
chen und 0 -3252 scb wefels aures Natron geben. Die Menge
des für das Chlor und für die Schwefelsäure nöthigen Natriums ist
;ilso = 10-1394. Die direct gefundene Menge des Natriums be-
trägt aber, wie oben angegeben wurde, 9-96, stinunt also mit der
berechneten genügend überein.
Die näheren Bestandtheile der Soole (yl) sind demnach:
Chlornatrium 25-526
Chlormagnium 0-494
Brommagnium 0'016
Schwefelsaures Kali .... 0-462
Schwefelsaures Natron . . . 0-325
Schwefelsaurer Kalk . . . . 0-340
27- 163
Direct gefunden wurden 27 22 Pct. an fixen Bestandtheilen,
wodurch also das obige Besultat bestätigt wird.
Eine weitere Controie für diese Bestimmungen ergibt sich,
wenn man die direct erhaltenen Bestandtheile der Soole als schwe-
felsaure Salze berechnet. Mau erhält so:
Schwefelsaures N;itron . . . 30-746
Schwefelsaures Kali .... 0-462
Schwefelsaure Magnesia . . . 0*635
Schwefelsauren Kalk . . . . 0-340
Zusammen . .32' 183
Gefunden wurden aber 31 -204 Pct. schwefelsaure Salze, eine
Zahl, die mit der eben berechneten genügend übereinstimmt. Die
QO A Schrotte r.
Soole enthält somit 72-84 Pct. Wasser, was mit der aus dem
Hetriel» im Grossen abgeleiteten fast genau ziisammenlallt.
Berechnet man das in der Soole gelöste Salz in trockenem Zu-
stande, so erhält man:
Clilornati-ium 93-973 Pct.
Ctilormagniuni 1'819 „
Broinmagnium 0-0Ö9 „
Schwcl'elsaines Kali .... t-701 „
Schwefelsaures Nation . . . i-196 „
Schwefelsauren Kalk . ... i-2ö2 „
II. Die .Mutterlauge der Soole (A), untersoeht von Herrn J. Oser,
Lehramtscandidatcn.
Die Dichte dieser Mutterlauge beträgt 1-228 bei 18° C.
Schwefelsäure wurden in zwei Bestimmungen erhalten:
1-720 und
2-004 Pct.
also im Mittel 1*862 „
Brom wurde gefunden
0-0449 und
0-0440 Pct.
also im Mittel 0-0444 ,,
Das durch salpetersaures Silberoxyd erhaltene Gemenge von
Chlor- und Bromsilber betrug nach zwei Bestimmungen
62-704 und
62-067 Pct.
Da jedoch bei der zweiten Bestimmung ein geringer Verlust
stattfand, so wird die erste als die richtigere beibehalten. Nach
Abzug von 0-104 Pct. Bromsilber bleiben Ü2-60 Silberchlorid,
welchen 1Ö-4864 Chlor entsprechen.
An seh we feisaurem Kalk wurden erhalten:
Magn i n m aus 2MgO, PO-, berechnet ergab sich
i-i:iO und
0-860 Pct.
I Mittel 1-008 Pct.
Ühei- (iie ehem. Besehiiffeiilieit einig-er Producte a. d. Saline zu Haistatt. §3 1
Zur Bestinimiiiiif des Natrons und des Kali wurden beide als
Chloride gewogen, nachdem Kalk und Magnesia entfernt waren. Die
Menge derselben betrug 24-306 Fet. Das Kali mit Platinchlorid
bestimmt und als seh wet'elsaures Kali gewogen, betrug 1-485
Pct. Hieraus ergeben sich 9-056 Pct. Natrium. Die untersuchte
Mutterlauge enthält somit:
Chlor 15-4864
Brom 0-0444
Schwefelsäure (ganze Menge) . . . 1'862
..... .. nn« i0'0S7 Schwefelsäure
Schwefelsaures Kalk 0-0"J7 \^ ,,,^^ ,, ,,
(0-040 Kalk
^ , „, „ ,. . ,OM (0-6812 Schwefelsäure
Schwefelsaures Kali l-4öo s^ q„„„
(O'öOoö Kall
Natrium 9-056
Magnium t-008
Aus der Berechnung der näheren Bestandtheile dieser Mutter-
lauge nach denselben Gesichtspunkten wie bei der Soolo (J) ergibt
sich folgendes.
Die 0-0444 Brom bedürfen 0*0066 Magnium und geben
0-0511 Pct, Brommagnium; es bleiben daher 1-0014 Magnium,
die mit 2 -9625 Chlor 3 -9639 Chlormagnium bilden. Die 12-524
noch übrigen Chlor geben mit 8-1141 Natrium 20 -038 Chlorna-
trium. Da ferner von der für das Kali und den Kalk verbrauchten
Schwefelsäure 1-1238 übrig bleiben, welche 1-995 schwefelsaures
Natron bilden, diese aber 0-6462 Natrium entsprechen, so ergibt
sich hieraus ein Gesammtgehalt von 8-710 Natrium. Gefunden
wurden 9 * 056 Natrium, wodurch das obige Resultat bestätigt wird.
Die näheren Bestandtheile der Mutterlauge der Salzsoole (^)
sind also :
Chlornatrium 20-638
Chlormagnium 3-964
Brommagnium 0-031
Schwefelsaures Kali .... 1-483
Schwefelsaures Natron . . . 1-993
Schwefelsaurer Kalk . . . . 0-097
28-230
Dieses Resultat stimmt mit der direct bestimmten Menge der
fixen Bestandtheile nämlich 29-43 genügend überein.
832
Srhrötter.
Diese in der Mutterlauge gelösten Salze in wasserfreiem Zu-
stande berechnet geben:
riilornalriiim 73-107
Chlormagnium 14-042
Brommagniulii 0-181
Schwefelsaures Kali .... ä-260
Schwefelsaures Natron . . . 7-067
Schwefelsauren Kalk .... 0-;{4;5
100- 000
III. Der Pfannenstein der Soole (Ä) untersucht von Herrn J. F.
Wolfbauer.
Der Pfannenstein ist blass-gelblichweiss, an den Kanten durch-
scheinend und im Wasser bis auf etwas Gyps ganz löslich.
Beim Erhitzen verliert derselbe 0-43 Pct, Wasser.
Schwefelsäure wurde in zwei Versuchen gefunden
10-40 und ) . „.,, , ,^ ,_
10-58 Pct. I - ^''"el 10-49.
Der Gehalt an Chlor ergab sich zu
49-22 und )
49-16 Pct. } ..n, Mittel 49 19.
An schwefelsaurem Kalk wurden erhalten
8-7558 und \ . ,,.^^ , „ ^^^
8-7975 Pct. f - M.ttel 8-777.
An Magnium ergab sich aus dem 'phosphorsauren Magnesia-
Salze
0-41 und )
0-36 P t ) "" '^''"''' ^'^^^ ^^^' '^''"»^"'""'•
Das Kali wurde mit Platinchlorid bestimmt und 0*2 Pct.
davon erhalten.
Zui- Bestimmung des Natrons wurde die Substanz mit
Schwefelsäure in Überschuss versetzt und bis zur gänzlichen Ent-
fernung der überschüssigen Säure erhitzt. Die so erhaltenen
schwefelsauren Salze wogen in zwei Versuchen auf 100 Theile
berechnet
Üliei- difi ehem. Beschaffpiiheif einiger Proiliicfe a. d. Saline zu Haistatt. 833
117 07 und ) „ß
..„ „„ ^ > a so im Mittel 116 -ob.
116-26 Pct. )
Da nun aus don frülioren ßestiinmimgen in diesen schwefel-
sauren Salzen enthalten ist
Schwefelsaure Magnesia I"fl25
Schwefelsaures Kali 0-370
Scliwefelsaurer Kiilk 8-777
also zusammen 11 -072, so heträgt die Menge des schwefelsanren
Natrons 105-588, welchen 34-205 Natrium entsprechen.
Die entfernteren Bestandtheile des Pfanuensteins sind also :
Chlor 49-190
Schwefelsaure 10-490
j 0-17 Siliwefelsüure
Schwefelsaures Kali . , 0-3/0 \
{ OiO Kall
_^r, j 5-163 Schwefelsäure
Scliwefelsaurer Kalk . . 8-/// i o r.^ r i- n
( 3-614 Kalk
Magnium 0-385 bedürfen 1139 Chlor
Natrium 34-205
Für das Natrium bleiben 48-051 Chlor, nachdem von der ganzen
Menge desselben die an das Magnium gebundene abgezogen wurde.
Diese Menge Chlor gibt mit 31-150 Natrium 79-182 Chlor-
natrium. Es bleiben also noch 3 055 Natrium, welche 9-430G
schwefelsaures Natron entsprechen. Diese enthalten 5 -310
Schwefelsäure, was mit der direct gefundenen Menge der Schwefel-
säure in Übereinstimmung ist.
Die Zusammensetzung des Pfannensteines ist somit:
oder wasserfrei
Cliloinalrium 79-182 79-754 Pct.
Chlorinagnium 1-524 1-535 „
Schwefelsaures Kali 0-370 0-371 „
Schwefelsaures Natron .... 9-431 9-499 „
Schwefelsaurer Kalk 8-777 8-841 „
Wasser 0-430
99 714
IV. Das Sodsalz der Soole (Ä) ontersacht von Herrn E. Teirich.
Dieses Salz enthält, wie es im Mandel vorkömmt, im Mittel
1-74 Pct. Wasser und hinterlässt heim Auflösen 0-226 Pct. eines
weissen Rückstandes, der aus Magnesia, Gyps, kohlensaurem Kalk,
Eisenoxyd und etwas Sand besteht.
834 S c h r ö t t e r.
Die Bestimmung der obigen Substanzen gab folgende Resultate:
1177 )
Scliwefelsiiure , „„„ / Millil l-'iOS I'iocent
1 • ÖOi) )
.>.i 58-486 )
Soliwcfi'lsaiii-er Kalk \'t^.\ \ „ 0-614
ü'aOÜ ;
0 168
^ 0-217 I
0-192
Zur Bestimmung des Natrons wurde das Salz mit Schwefel-
säure behandelt und 11908 Pet. schwefelsaure Salze erhalten-
Hiervon die Summe der schwefelsauren Salze, des Kalkes Und der
Magnesia mit 1-574 abgezogen gibt 1 17-506 für das schwefelsaure
Natron, dem 38-065 Natrium entsprechen. Auf das Kali wird
weiter keine Rücksicht genommen, da es nur als Spur in der V^er-
binduug enthalten ist; ebenso wenig auf das Brom, dessen Gegenwart
im Sudsalze überhaupt nicht nachgewiesen werden konnte. Da das
'^^..gniiim 0-5697 Chlor braucht um damit 0-762 Chlormagnium
zu geben, so bleiben für das Natrium noch 57-8003 Chlor, welche
von crsterem 37 -448 bedürfen um damit 95-248 Chlornatrium zu
geben. Die 0907 Schwefelsäure, welche noch für das Natrium übrig
bleiber), bedürfen aber 0-521 5 Natrium um damit 1-6098 schwefel-
saures Natron zugeben, es berechnet sich hieraus somit die
Gesammtmenge des Natriums auf 37-9695, was mit der gefundenen
Menge genau zusammenstimmt.
Das llalstätter Sudsalz enthält demnach:
Cliloriiatnum 9ä-248 96-74 Pct.
Chlormagnium 0-762 0-77
Scliwofclsaures Natron 1-610 163
Schwefelsaurer Kalk 0614 0-63
Wasser 1-740
Unlöslicher Hücksland ii. Spuren von Kaii und Eisen 0-226 0-23
lUO-200
V. Die Soolc aus der Joliann Itlichaol Teiton-Mohre mit conlinulrllchep
Wässerung von Ucrrn K. Tel rieh.
Die Soole hat eine Dichte von 1-208 bei 17° C. Sic hinterlässt
27-226 Pct. fixe Bestandtheile und gibt mit Schwefelsäure behan-
delt 32-2 Pct. wasserfreie schwefelsaure Salze.
über die clieiii. Besehaireiilieit eiiii;,'er Proiiiicte a. .1. Saline m Hulstalt. 835
Die Beslinimmig der Bestaiidtheile gab folgende Resultate:
Schwefelsaure . . . ü"78
^' /l I Mittel 0-85 Pct.
Brom 0014^
Chlor iD-786(
15-8Ii4f " *^"^~*^
Schwefelsaures Kali . 0-233 ^
0-272 [ „ 0235
(»•199 5
MiiLniium 0-184
0-184)
0-169)
0-i76 „
Das Kali , mittelst Kaliumplatinchlorid bestimmt , betrug
(»•178 Pct. entsprechend 0-329 schwefelsaurem Kali.
Zieht man zur Berechnung des Natrongehaltes von den
32-2 Pct. der sämmtlichen schwefelsauren Salze, welche die
Soole gibt, die folgenden Mengen der entsprechenden Salze ab,
nämlich an;
Scliwefelsaureiii Kali 0-329
Kalk 0-235
Schwefelsaurer Magnesia 0*880
Zusaiiiinen . . 1 -444
SO bleiben 30-7S6 schwefelsaures Natron übrig, welchen 9-063
Natrium entsprechen.
Die 0-018 Brom geben 0 021 Brommagnium; es bleiben
daher für das Chlor noch 0-173 Pct. Magnium, welche mit 0-512
Chlor 0-G85 Chlormagnium geben. Die noch bleibenden 15-308
Chlor geben mit 9-918 Natrium 25 -220 Pct. Chlor na tr in m.
Das Kali und der Kalk verbrauchen ZAisammen 0- 151 -f ^' I«^8
= 0-289 Schwefelsäure; es bleiben daher 0-561 Schwefelsäure,
die mit 0-045 Natrium 0*139 schwefelsaures Natron geben. Die
noch übrigbleibende Schwefelsäure, nämlich 0-483 Pct., bedarf
aber 0*374 Natron, so dass also um 0-278 Natrium, entsprechend
0-857 schwefelsaures Natron, zu wenig gefunden würden, welches
bei der folgenden Zusammenstellung hinzugefügt ist.
100 Theile Soole aus der Veiten -Wehre enthalten somit;
§36 Sehr Otter.
Chlornatrium 25-226 Pct.
Clilormagniuni 0-685 „
Brominaj^nimn 0-021 „
Schwefelsaures Kali 0-329 „
Schwefelsaures Nation 0-996 „
Schwefelsajiren Kalk 0-23S ,.
27-492 Pct.
Wasser 72-508 „
Die in der Soole t^elöste Sal/inasse enthält demnach als wasser-
frei berechnet:
Chlornatrium 91 -76 Pct.
Chlorma^iiium 2-49 „
Bromniafirniuni 0-08 „
Schwefelsaures Kali 1-20 „
Schwefelsaures Natron 3-62 „
Schwefelsauren Kalk 0-85 „
VI. Die Soole aas der Schlahammer Wehre von Herrn J. Forstner,
Lehranitseandidaten.
Diese Soole enthält 27-02 Pct. fixe Bestandtheile und gibt,
mit Schwefelsäure behandelt, 32-103 Pct. schwefelsaure Salze.
Die Dichte dieser Soole sowie ihr Gehalt an Brom und Kali konnten
nicht bestimmt werden, da der hierzu nöthige Vorrath derselben
durch Zerbrechen des Gefässes verloren ging. Da jedoch die Haupt-
bestandtheile bereits ermittelt waren , woraus sich ergab, dass der
Gehalt an Kali und Brom jedenfalls nur gering ist, so mögen die
wenn auch unvollständigen Resultate der Untersuchung dennoch
hier einen Platz finden. — Es wurde erhalten:
Schwefelsäure . . . 0-462 Pct.
Chlor 16-430 „
Schwefelsaurer Kalk. 0-289 „ enthaltend 0-17 Schwefelsäure.
Magnium 0-170 „
Nimmt man an, dass diese Soole ebenso viel Broni und Kalium
enthält als die vorige, nämlich 0-018 von ersterem und 0-178 von
letzterem, so bleiben für das Chlor 0-167 Magnium, um 0-661
Chlormagnium zu bilden. Für das Kali bleiben 0*292 Schwefel-
säure, die den 0-637 schwefelsauren Kali entsprechen würden. Die
über die ehem. Beschaffenheit einiger Producte a. d. Saline zu Haistatt. 837
i6'43 Pct. Clilop bilden 27-075 Chlornatrium; diesem entsprechen
aber 32-860 schwefelsaures Natron, was mit der gefundenen Total-
menge der Sulfate nämlich 32-013, wenn man davon 0-92G Pct.
als auf das berechnete schwelelsaure Kali und den gefundenen
schwefelsauren Kalk abzieht, genügend übereinstimmt.
Die Zusammensetzung der Soole aus der Schlahammer Wehre
ist demnach folgende:
Chloi-natrium 27-075
Clilormagnium 0-661
Brommagniiim 0-021
Schwefelsaures Kali 0-637
Schwefelsaurer Kalk 0-289
28-683
Daher in 100 Theilen :
Chlornatriuin 94-39
Chlormagnium 2-30
Brommagnium 0-07
Scliwefelsaures Kali 2-'22
Schwefelsaurer Kalk 1-02
Die noch fehlenden Bestimmungen werden bei einer andern
Gelegenheit nachgetragen werden.
Die Resultate der hier mitgetheilten Untersuchungen stimmen
mit den aus dem Betrieb sich ergebenden sehr gut überein. Be-
rechnet man nämlich aas der Zusammensetzung der Soole (J) und
aus der des Sudsalzes die Menge von letzterem welche aus 100
Theilen der Soole [Ä) erhalten werden können, so findet man
26-39 Theile. Die im Grossen gefundenen Zahlen schwanken
zwischen 23-73 und 26-7S. Sehr auffallend ist die bedeutende Menge
von Brom in den Soolen des Halstätter Salzberges bei fast gänzlicher
Abwesenheit von Jod. Es wurden sowohl von mir selbst als auch
von Heirn Weselsky eine Reihe von Versuchen mit Beobachtung
aller Vorsichten zur Aufliiidung dieses Körpers in der Bergsoole an-
gestellt, immer aber mit einem negativen Resultate. Um über diesen
Punkt ganz sicher zu sein, wurde der Soole 0 '001)001 Pct. Jod-
838 S c h r ö t t e r. Über <li« Bespliaffenheit (»inig'er Prodiicte ans der Saline etc.
kalium zugesetzt und immer noch eine deutliche Reaction mit
SchwefelkolilenstofF und Untersalpetersäure erhalten. Bei Anwen-
dung von Platinchlorid nach der Methode von Hempel ergaben sich
dieselben Resultate. Als jedoch ein Eimer d. i. 566 Liter Mutterlauge,
nicht Bergsoole, abgedampft und die zuletzt rückständige geringe
Menge von Flüssigkeit auf Jod geprüft wurde, war nach einiger Zeit
eine , alter auch dann noch sehr schwache Reaction auf dasselbe
bemerkbar. Die in der Bergsoole enthaltene Menge von Jod ist also
jedenfalls so ausserordentlich gering, dass man gänzlich davon ab-
sehen kann.
Ausser den angeführten Körpern enthält die Soole noch Lithion
und Bor. Beide Stoffe sind auch nur in der eingeengten Mutter-
lauge nachweisbar, doch kann die Gegenwart des ersteren durch
die charakteristische Färbung der Flamme erkannt werden, nachdem
der Kalk und das Natrium entfernt sind. Die Reactionen auf Bor
treten nicht so entschieden auf, dessen NOrlnindensein in der
Mutterlauge kann daher nicht mit gleicher Sicherheit wie die des
IJfhion ausgesprochen werden.
Verzeicliniss <ler eingegnngenen Druckschriften. S39
VERZEICHI^ISS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(XLI. Band.)
Academie imperiale des sciences, arts et belles-lettres de Dijon,
Memoires. 2'"^ serie. Tome VII'"'"- Annees 1858—1859. Dijon et
Paris, 1839; 8o-
— imperiale des sciences de St. Petersbourg. Memoires. VIP serie,
Tome I. Nr. 1— IS. St. Petersbom-g, 18o9; 4»- — Bulletin,
Tome I. Feuilles 1—9. St. Petersbourg. 18ö9; 4o-
Accademia, Reale, delle scienze di Torino. Memorie. Serie seconda.
Tom. XVIII. Torino, 1859; 4«-
Akademie der Wissenschaften, Königl. Preiiss. zu Berlin. Monats-
bericht. Februar. Mit I Tafel. März. Mit 1 Kupfertafel. April.
Berlin, 1860; 8«'
Amsterdam. Verhandeliiigen der Koninklijke Akademie van Weten-
schappen. Zevende Deel. Met Platen. Amsterdam, 1859; 4"-
— Afdeeling Letterkunde, Eerste Deel. Met Platen. Amsterdam,
1858; 40-
— Verslagen en Mededeelingen der Koninklijke Akademie van
VVetenschappeii. Afdeeling Natiiurkunde. Achtste Deel. 1858.
Negende Deel. Eerste, tweede, derde Stuk, 1859. — Afdeeling
Letterkunde. Vierde Deel. Eerste Sink, 1858. Vierde Deel.
Dweede & derde Stuk, 1859. Amsterdam, 1858 & 1859; 8"-
— Jaarboek van de Koninklijke Akademie van Wetenschappen,
Gevestigd te Amsterdam. V'^oor, 1858; 8"'
A n n ;il e n der Chemie und Pharmaeie, herausgegeben von F. Wühl e r,
.1. Lieb ig und H. Kopp. N. R. Band XXXVllI, Heft 1 und 2.
Leipzig und Heidelberg, 1860; 8"*
A r chi V des Vereines der Freunde derNaturgeschichte in Mecklen-
burg. 14. Jahrgang. Neubrandenburg, 1860; S°-
— für die holländischen Beiträge zur Natur- und Heilkunde.
Herausgegeben von F. G. Donders (Utrecht) und W. Berlin
(Amsterdam). Band II. Heft I. Utrecht, 1858; 8<'-
Asiatic Society of ßengal, Journal of the — : Edited by the
secretaries. Nr. CCLXXV. — Nr. V.— 1859. Caicutta, 1859; 8o-
Astronomical Journal, The, Nr. lut. Vol. VI. Nr. 1 I. Cambridge,
1860; 4"-
^^^Q Verzeichniss
Astronomische Nachrichten, Nr. 1250— 1208. Altena, 1860; 4o-
Austria, herausgegeben von Dr. Gustav Höfken, Jahrgang XII.
Heft XVIH bis XXIX. Wien, 1860; S»-
ßandorf, Georg. Die kommende Umgestaltung der Erde, als
noihwendige Folge der früheren Erdrevolution. Regensburg,
1860; 80-
Bauzeitung, Allgemeine, red. von Prof. Chr. F. L.Förster.
Jahrg. XXV, Heft 3 und 4 sammt Atlas. Wien, 1860; Fol. und 4o-
Bern, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften. Bern, Lau-
sanne und Neuchatel, 1838, 1859 und 1860; 4«- und 8o-
Bierens de Haan, D. Geschiedkundige Aanteekening over zooge-
naamd onbestaanbare VVortels. (Overgedrukt uit Verslagen en
Medodeeliiigen der Koninklijke Akademie van Wetenschappen,
Afdeeling Natuurkunde. Deel VIII, bladzijde 248.) 8o-
Boletin de la Sociedad de Naturalistas Neo-Granadinos. Seite
1 — 10. Prospecto & cnrrespondencia. — Seite 1 — 22.
Memoria. Bogota & Londres, 1860; S^-
Bonn, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften für 1859.
Bonn, 1858 und 1859; 4o- und 8«-
Bulletin de la Societe geologique de France. 2"** serie. Tome
XVI""^ etXVII■"^ Paris, 1858 a 1860; 8o-
— de la Societe Lineenne deNormandie. IV""^Vol. Annee 1858 — 59.
Caen et Paris, 1859; 8o-
Chemical Society, The quarterly Journal of the. — Vol. XII.
4. January. Nr. XLVIIL— Vol. XIII. 1. April. Nr. XLIX. London,
1860; 8«-
Cinlich, di fra Iniiocenzo, Bihlioteca nella libreria de RR. PF.
Francescani di Ragusa. Zara, 1860; 8"'
Commission hydrometrique de Lyon. Resume des Observation
recueillies en 1859 dans le bassin de la Saone. 16* annee. 8<*-
Cosmos, IX'' annee. 16* volume. 16* — 25* livr. 17* volume. 1"* e
2- livr. Paris, 1860; 80-
Er mcrins, Franciscus Zacharias. HIOOKPATOYS -/.ai dXAwv
iocTpoiv KOiAaKjiv Asvpa'i/oc. — Hippociatis et aliorum rnedicorum
vetcrum reliquiae. Volumen primum. Trajecti ad Rhenum,
1859; 4o-
Flora. Nr. 1 —20. Regensburg, 1860; 8''-
Fournet, M., Influences de la structure et du regime pluviid de la
concavite Bourguignonne sur les inondations de Lyon. (Lu
a TAcadeinie imperiale de Lyon, dans la seance du 25 janvier,
1859.) 8''-
Gazette medicale d' Orient. IV'"* aimee. — Mai. — Nr. 2, 3 und 4.
Constantinople, 1860; 4o-
Gesellschaft der Wissenschaften, Icönigl. böhmische in Prag,
Sitzungsberichte. Jahrgang 1859, Juli bis December. Prag,
1859; 8«-
der elng'Cgang'enen Druckschriften. 84 t
Gesellschaft, Physikalisch -medizinische in Würzburg. Ver-
handlungen. Band X. Heft II und III. Mit 3 Tafein. Würzburg.
1860; 8»-
— k. k. zoologisch - botanische, in W^ien. Verhandlungen. Jahr-
gang 1859. Mit 8 Tafeln. Wien, 1859; 8«-
— natiirfürschende in Emden. Fünfundvierzigster Jahresbericht
1 859. Emden, 1860 ; 8^- — Kleine Schriften der naturforschenden
Gesellschaft in Emden: VI. Der Barometerstand und die baro-
metrische Windrose Ostfrieslands, von Dr. M. A. F. Prestel.
Emden, 1860; 40- — VII. Ein Beitrag zur Klimatologie des
Harzes, vom Oberlehrer Chr. Ludw. Schoof. Mit 1 Tabelle.
Clausthal, 1860; 4o- — Die jährliche Veränderung der Tempe-
ratur der Atmosphäre in Ostfriesland, von Dr. M. A. F. Prestel.
Mit 1 Tafel. 4o- — Bildliche Darstellung des Ganges der Wit-
terung des Jahres 1859 im Königreiche Hannover ; entworfen
von Dr. M. A. F. Prestel. Tafel Fol.
Giessen, Akademische Gelegenheits-Schriften der Universität aus
den Jahren 1858, 1859 und 1860.
Göttingen, königl. Gesellschaft der Wissenschaften. Abhandlungen,
VIII. Band, von den Jahren 1858 und 1859, mit 1 Tafel
Göttingen, 1860: 4"- Gelehrte Anzeigen, I. II. III. Band auf das
Jahr 1859. Nebst Begister; 8*'- — Nachrichten von der Georg
Augusts -Universität und der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften. |Vom Jahre 1859. Nr. 1—20. Nebst Begister; 8»-
Grigolato, Gaet., Considerazioni in rapporto alle condizioni econo-
mico-agrarie ed alle conseguenze chimico-fisiologiche, che ne
derivano per la malattia delle uve nella provincia di Bovigo.
Memoria. Bovigo, 1860; 4o-
Grüner t, J. A., Archiv der Mathematik und Physik mit besonderer
Bücksicht auf die Bedürfnisse der Lehrer an höheren Unterrichts-
Anstalten. XXXIV. Theil, 2. Heft. Mit 1 Holzschnitt. Greifs-
wald, 1860; 8o-
Guggenbühl, Dr. Med. J., Die Erforschung des Cretinismus und
Blödsinns nach dem jetzigen Zustande der Naturwissenschaften.
Wien, 1860; 4o-
Hügel, Karl Freiherr von. Der stille Ocean und die spanischen
Besitzungen im ostindischen Archipel. Wien, 1860; 8o*
Istituto Lombardo di scienze, jettere ed arti. Atti. Vol. I. Fase.
XHI— XX.Vol.II. Fase. I, II e III. Milano,1860; 4» — Memorie.
Vol. VIII. Fase. I e II. Milano , 1860; A^-— Atti della fondazione
scientifica Cognola nel 1858 & 1859. Vol. II. Parte II. et III. 8^-
— Veneto I. B. di scienze, lettere ed arti. Atti, Tomo V. Serie
terza. Disp. 6 e 7. Venezia, 1859 — 60; So-
Jahrbuch, Neues, für Pharmacie und verwandte Fächer. Heraus-
gegeben von G. F. Walz und F. L. Winckler. Band XIII.
Heft IV und V. Heidelberg, 1860; 8"-
Sitzl). d. maHuMii.-uatuiw. Cl. XLI. IJil. .Nr. 20. S9
842
Verzeicliiiiss
Jahresbericht, Zehnter, — iibor die wissenschaftlichen Leistungen
des Ductoren- CoUegiums der medizinischen Facultät in Wien
unter dem Decanate des Dr. Mich. v. Viszanik, im Jahre
1859—1860. Wien, 1860; S^-
Jüurdain, S., Recherches sur la veine renale chez les oiseaux, les
reptiies, les batraciens et les poissons. Paris, 1860; 4o-
Kolenati, Friedr. A., Genera et species Trichopterorum. Pars
altera. Aeqm'palpidae cum dispositione systematica omnium
Phryganidum. Tabulae chromolithographicae V. Mosquae, 1859;
4"* — Höhenflora des Altvaters. Mit 5 Xylographien. Brunn,
1860; 80- (Separat-Abdruck aus dem 41. Hefte der Verhand-
lungen der mährisch-schlesischen Forst-Section.)
Kolenati, Fried. A., Monographie der europäischen Chiroptern.
(Separat-Abdruck aus dem Jahreshefte der naturwissenschaft-
lichen Section der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur
Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde für
das Jahr 1859.)
Kopp, Hermann Dr., Über die Verschiedenheit der Materie vom
Standpunkte des Empirismus. Akademische Festrede. Giessen,
1860; 40-
Land- und forstwirthschaftliche Zeitung, Allgemeine. X. Jahrgang,
Nr. 13 — 20. Wien, 1860; 8"-
Linnean Society of London. Transactions. Vol. XXII. Part the third
«5c part the fourth. London, 1858 & 1859; 4o- — Journal of the
proceedings. Botany. Vol. II, 111, IV. No. 7 — 15. — Supplement
to Botany. Nr. 1—2. — Zoology. Vol. II, HI, IV. Nr. 7—15.
London,' 1858- 1859; 8«- — Address of Thomas B eil, Esq.
F. B. S., etc. the President, together witli obituary notices of
deceased members, by John J. B e n n e t, Esq. F. B. S., the secre-
tary; read at the anniversary meeting of the Linnean Society
on Monday,May24, 1858—1859. London, 1858— 1859; 8o- —
List of the Linnean Society of London. 1858—1859; S«-
Löwen, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften aus den
Jahren 1857, 1858 und 1859; 8o-
Lotus, Zeitschrift für Naturwissenschaften. X. Jahrg. Januar bis
April. Prag, 1860; 8»-
Louvain, Annuaire de T Universite cathoIi(jue de — XXI""" annee,
1857, XXII"- annee, 1858, XXIII""^ annee, 1859. Louvain; 12o-
Mailly, Ed., Precis de Thistoire de l'astronomie aux Elats-Unis
d'Amerique, Bruxelles, 1860; 12o-
Meteorologische Waarncmingen in Nederland en zijne Bezit-
tingen en Afwijkingen van Temperatuur en Barometerstinid ap
vele plaatsen in Europa. Uitgegt>ven door het Koninklijk Neder-
landsch Meteorologisch Instituut. 1858. Utrecht, 1859; 4o-
Mi ttheil ungen der k. k. gcogra[)his('hen (Gesellschaft. III. Jahrgang,
1859, 3'. Heft. Wien,' 1859: 8"-
iler tMiig-1'gaiif.'eiieii Diiioksclirirteii. cS4»i
Mitt hei 1 ungeii aus Jiistus Perthes' geograpliischei- Anstalt.
1860. Nr. V, VI. Gotha; 4»-
Moesta, Dr. Carlos Guill'*' Observaciones astronömieas hechas en
el ohservatorio nacioiial de Santiago de Chile, en los aiios de
18Ö3, 1854 i 1855. Tomo I. Sanl^iago de Chile, 1859; 4o-
Mühry, A., Allgemeine geographisclie Meteorologie oder Versuch
einer übersichtlichen Darlegung des Systems der Erd - Meteora-
tion in ihrer klimatischen Bedeutung. Mit 4 Karten und 4 Holz-
schnitten. Leipzig und Heidelberg, 18G0; 8"-
Napoli, RalFaele, Sommario storico critico dei progressi delia
chimica uel periodo diquesto secolo. Memoria. Napoli, 18G0; 8"-
Pietruski, Stau. Const. Ritter v. , Historya naturalna i hodowla
ptakow Z'.ibawnych i uzytecznych. Krakow, 1800; 8""
Pollichia. Ein naturwissenschaftlicher Verein der Rheinpfalz,
XVI. und XVH. Jahresbericht. Herausgegeben von dem Aus-
schusse des Vereins. Neustadt a. H. 1859; 8"-
Prospectus, Results of a scientific mission to India and High Asia,
by Hermann, Adolphe and Robert de Seh la gintweit. Pu-
blished hv F. A. Brockhaus, Leipzig. — London, Trübner et
Comp. 1860; 4«-
Reichsanstalt, k. k. geologische, Jahrbuch, 1859. X.Jahrgang.
Wien, 1859; 8o-
— Sitzung am 17. und 24. April 1860; S"-
Reslhuber, P. Auguslin, Resultate aus den im Jahre 1859 auf
der Sternwarte zu Kremsmüiister angestellten meteorologischen
Beobachtungen. Linz, 1860; 8o-
Royal geographical Society of London , Proceedings ofthe — . Vol.
IV. Nr. II. London, 1860; 8o-
Schlesische Gesellschafi für vaterländische Cultur. 36. Jahres-
bericht für 1858. Breslau; 4o'
Schultz, Conunentationes botanicae. (Seorsum exscriptum e XVI.
et XVII. libro annalium Pollichiae.) Neapoli Nemetum, 1859; S"-
Sichel, J. , De la classe des Hymenopteres. (Extrait du nouveau
guide de Pamateur d' insectes.) Paris, 1859; 8ö- — IHHO-
KPATOrS HEPI 0^^102. — Hippocrate de la vision. (Extrait
du tome IX des oeuvres d' Hippocrate de M. E. Littre.) Paris
1860; 80-
Societe Imperiale des naturalistes de Moscou. Nouveaux Memoires
Tome XIII. Livraison I. Avec 3 planches. Moscou, 1860; 4»- —
Bulletin. Annee 1860. Nr. I. Avec 8 planches. Moscou, 1860 ; 8o-
— de biologie, Comptes rendus des seanees et Memoires. Tome
V. de la 2'"« serie. Annee 1858. Paris, 1859; 8"-
— litteraire de 1' Universite catholique de Louvain. Choix de
Memoires. VII. Bruxelies et Louvain , 1857; 8"-
— Philoinatliiqwe do Paris. Extraits des proces-verbaux des seanc
pendant Pannee 1859. Paris, 1859; 8"-
39*
§;^j^ Vorzeicliniss der eiiigegang-enen Dnicksehrifteii.
Verein, naturhistorisch- medizinischer zu Heidelberg, Verhand-
lungen. Band H, Heft I. Heidelberg; S"-
— nalurforscliender zu Riga. Corresjtondenzbhitt, redig. von E. L.
Seezen. XI. Jahrgang. Riga, 18ö9; S"'
— naturbistorischer, der preussischen Rheinlande und Weslphalens.
Verhandlungen. Herausgegeben von Prof. Dr. C. 0. Weber.
XVI. Jahrgang. I. und H. Heft. Bonn, 1859; 8«-
Vierteljahrschrift für wissenschaftliche Veteriiiärkunde. Heraus-
gegeben von den Mitgliedern des Wiener k. k. Thierarznei-
Institutes, redigirt von Prof. Dr. Müller und Prof. Dr. Roll.
XIV. Rd., 1. Hft. Wien, 1860; 8»-
Wiener medizinische Wochenschrift, red. von Dr. Wittelshöfer.
Jahrgang X, Nr. 17 — 28. Wien, 1860; 4o-
— Sternwarte k. k., Annalen. Dritter Folge IX. Rand. Jahrgang
18o9. Wien, 1860; 8»- — Meteorologische Reobachtungen von
1775—1855. I. Rand. 1775—1796. Wien, 1860; 8o-
Würzburger medizinische Zeitschrift. Herausgegeben von der
physikalisch -medizinischen Gesellschaft, redig. von H. Ram-
berger, J. Fo erster, v. Scanzoni. Rand I. Heft I. Mit
1 Tafel. Würzburg, 1860; 80-
— Naturwissenschaftliche Zeitschrift. Herausgegeben von der
physikalisch -medizinischen Gesellschaft, redig. von H. Müller.
A. Schenk, R. Wagner. Rand I. Heft I. Mit 4 lithogr.
Tafeln. Würzburg, 1860; So-
Zeitschrift für Chemie und Pharmacio. Correspondenzblatt, Archiv
und kritisches Journal für Chemie, Pharmacie und die verwandten
Disciplinen, herausgegeben von Dr. E. Erlenmeyer und G.
Lewinstein in Heidelberg. III. Jahrgang, Heft V, IX, XI — XIH.
Erlangen, 1860; 8o-
— für die gesammten Naturwissenschaften. Herausgegeben von dem
naturwissenschaftlichen Vereine für Sachsen und Thüringen
in Halle. Jahrgang 1859. 13. Rand, mit 1 Tafel; 14. Rand,
mit 4 Tafeln. Rerlin, 1859; 8"-
— des österreichischen Ingenieur-Vereins, red. von Dr. Jos. Herr.
Jahrgang XU. Heft 3 — 6. Wien. 1860; 4o-
Zillner, Dr. F. V., Über Idiotie mit besonderer Rücksicht auf das
Stadtgebiet Salzburg. Mit 10 Steindiucklafeln. (Abgedrucktim
XXVII. Bande der Verhandlungen der Kais. Leop. Karol.
Akademie.) 1860; 4"-
ßcrichtisunscn.
Seife 414, Zeile 26 statt „Beschreihung heisst" lese : „Beschreihunjj Brauei's heisst«.
„ 414, „ 29 „ Fig. 24 lese: Fig. 26.
„ 421, „ 11, 14 und 26 statt (m) lese: (m').
„ 429, „ 11 statt „der" lese: „welchem."
„ 431, „ l „ d „ d'.
„431, „ 10 „ (d) „ (a).
„ 431, „ 18 „ « „ /?.
„ 432, „ 24 „ (ß) „ (r).
„ 432, „ 30 „ (d,d) „ (d, S).
„ 437, „ 16 und 17 soll es statt: „die folgende Sonderheiten darbieten. Das
vorderste von diesen" heissen : „die weiter unten näher beschrieben werden.
Das vorderste Trachealganglion".
„ 438, Zeile 1 statt „verästigten" lese: „unverästigten".
7 und 8 statt „in einer hyalinen Grundlage" lese : „im Sehfelde".
30 statt (Fig. 17 a' und Fig. 18 d) blos: (Fig 16 a).
(i, b) lese: (6, r).
(Fig. 2, 3, 9) lese: (Fig. 3, 4, 9, 10).
„Sie" lese: „Ganglien."
„dass sich" lese: „dass."
d' lese : d.
„Der Nutzen dieser mag" lese: „Diese mögen"
„diastolischen" lese: „systolischen."
„feinen" lese: „freien."
„Gewiss ist es nicht" lese: „Gewiss ist es wohl."
Fig. 18 ist der Buchstabe d überflüssig.
441, ,
, 7 u
441, ,
, 30
443, .,
, 23
448, ,
4
448, ,
, 31
449,
2
433, ,
, 16
437, ,
, 36
489, ,
1
566. ,
, 11
747. ,
, 19
illiri'sirht der VVittcriinä; im Jahre 1858.
Boobacliliiri^surl.
lliUlcrer
»uiisl-
ilnick
Nieiicr-
Dculiarblriiigsorlc.
{NafhilerniilllereiiTen
peratur geoi-diiet.J
.Mittlere
Tempera tu
Adniont .
Afjram . .
Allhofcn .
Aussce f Alt-
Aussee (Markt)
Bodenb»cli
Bolzen . .
Brunn . .
Cilli . . .
Curzohi .
Czaslaii .
Czernowitz
Debrcczin
utsehbrod
Frouenberi» .
Gaslein (liad)
Gastein (Hof-)
Gran ....
Gratz ...
Greslcu . .
Hermanns tadt
St. Jakob Giirk)
St. Jakob (■■" >■'
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Innichen . .
St. Johann .
Kaschau . .
Kesmark . .
Kirchdorf
Klagenfurt .
Koniorn . .
Krakau . . .
Kreinsier . .
Kremsmünsler
Kronstadt . .
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Lemberg . .
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Luino . . .
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Mailand . .
Marienberg .
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24-34
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12-91
12-89
11-20
10-57
9-97
9-53
9-41
9-07
8-82
8-20
8-11
8-07
7-48
7-28
7-27
7-14
7-12
7-03
7-01
6-94
6-93
6-91
6-89
6-66
6-63
6-BO
6-51
6-31
6-45
6-44
6 -'27
6 -'24
6-08
5-92
5-92
3-88
3-85
5-84
5-78
3-71
5-61
5-57
5-52
3-32
1) Bei den Tajen der Exlrciiie licileiitoii die De.
Sitzb. d. malhero.-naturw. Cl. XLI. üil. Nr. 20, ISCO.
i bersicht der Witterung im Jahre IS58.
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23-42
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5-51
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_
—
—
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3-40
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7-1
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13-61
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5-38
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—
—
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3-32
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—
—
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3-29
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3-92
_
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
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Kirelidorf . .
5-•^9
Obirlll. . .
1-04
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
N.
St. Paul . . .
5-28
Oderberg . .
5-22
13-6
24
0
19-2
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330-93
231
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7-3
319-72
—
19-96
SW.
Kremsmiinster
5- -27
Odenburg . .
7-01
17-6
24
0
26-2
— 18
0
329-76
7-1
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319-43
_
—
NW. SO.
Hermannstadt
5 -24
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811
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334-02
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341-73
—
—
3-48
18-55
SSO. W.
Oderberg . .
3-22
St. Paul . .
5-2S
18-6
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21
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320-47
7-1
327 -.38
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308-25
2-91
23-80
S.
Platt ...
5-19
St. Peter . .
3-52
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11
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—
67-96
W.
Rosenau . .
519
Pilsen . . .
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23
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23-1
332-50
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313-77
—
w.
St. Jobann .
5-13
Platt ....
5-19
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283-65
42-38
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513
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318-24
3-00
14-60
w.
Czernowitz .
5-12
Prcssburg . .
7-28
16-6
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332-35
26-1
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7-3
321-04
3-05
13-50
NO. W.
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5 10
Raggaberg .
1-88
18-6
13
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19-2
—16
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—
_
—
—
—
—
—
W.
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3-07
Ragusa . . .
12-89
27-7
23
6
30- 1
— 3
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333-04
30-1
341-00
6-3
323-64
—
98-82
SO.
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5-06
Rwchenau
5-07
—
—
29 1
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0
314-34
23-1
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303-83
—
11-00
0.
St. Magdalena
3-Oä
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519
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332-45
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313-47
2-60
21-13
NNO.
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504
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318-27
_
13-92
WSW.
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4-90
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5-40
15-6
24
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_
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w.
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4-87
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4-59
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_
—
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W. 0.
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4-86
Salzburg . .
6-89
14-6
22
6
28-1
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2
320-84
11
326-70
6-3
309-91
3-27
42-97
NW.
Traulenau .
4-84
Scbässburg .
5'61
1 0 '. -
24
4
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—22
0
322-89
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330-53
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310-91
3-02
20-47
N. 0.
Steinpichel .
4-77
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5-51
28-7
21
7
4-1
-10
6
314-87
26-1
319-89
7-3
303-59
17-57
NW.
Admont . .
4-64
Sebössl . .
5-52
18-6
24
6
23-2
-20
2
323 - 53
25-1
332-16
6-3
313-40
2-74
14-64
WNW
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4-64
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3-64
17 6
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19-2
— 19
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321-25
23-1
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309-60
2-82
20-64
W.
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4-61
Steinpichel .
4-77
17-6
18
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192
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6
_
_
—
—
_
—
—
Saifnitz . . .
4-59
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8-82
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14-2
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334-48
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—
—
—
13-68
NNO.SW.
St. Jakob d» ■-...
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4-35
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7-14
7-7
23
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0
332-95
26 1
339-39
7-3
320-89
3-12
11-95
N.
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4-47
Traulenau .
4-84
—
-
19-2
—20
5
319 43
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326-10
6-3
307-81
22-13
NO.
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4-38
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10S7
19-7
27
1
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0
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30-1
337-26
7-3
318-94
—
—
S.
Tröpolach . .
4-37
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11 20
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25-2
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323-95
—
14-83
ONO.
Aussec (Alt-)
4-29
Tröpolach .
4-37
13-6
22
2
10-1
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4
314 57
8-1
321-05
7-3
302-86
—
50-82
0.
Kronstadt . .
4-10
Troppau . .
608
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— 17
0
327-91
4-1
333-70
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316-53
—
15-65
_
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4-04
Valona . . .
13-23
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- 4
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_
_
_
46-61
WSW.
Innichen . .
3-99
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9-97
17-6
24
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2-1
343-16
7-3
324-71
4-28
28-13
^N(). SSW.
Obirl. . . .
3-92
Villa Carlotta
953
20-6
24
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329-93
29-1
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7-3
317-30
3-33
54-69
NW.
Kesmark . .
3-76
Wallendorf .
ä-32
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2
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7-1
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311 (15
3-05
18-00
NNO.
Senftenberg .
3-64
Weissbriacb .
513
14-6
22
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8-1
— 13
5
_
—
—
—
_
_
34-37
WNW.
St. Peter . .
3-52
Wien. . . .
6-93
17-6
24
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19-2
—13
3
330-56
25- 1
337 -.37
7-3
319-16
2-92
11-74
WNW.
Raggaberg .
1-88
Wiener-Neustad
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17-6
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1° : :
-13
3
327-17
25-1
333-36
7-3
315-77
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13-34
NW.
Obir 111. . .
i-04
Willen . . .
5-38
13-6
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36-31
WSW.
Krcmsier . .
—
Zavalje . . .
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_
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Mai. . .
—
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336- 55
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Czaslau ... Mai . .
—
_
_
_
_
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Czernowitz Februar
_
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—
_
_
329-89
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—
_
Mai . .
—
.
_
_
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3-i9-20
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_
_
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110
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—
—
—
—
—
—
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—
_
_
_
311-09
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316-47
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—
_
Mai . .
_
_
312-55
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315-70
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307-68
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Lüiling . . . März. .
—
_
_
_
293-49
21-6
299 09
7-2
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—
_
_
333-97
29-9
335-78
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324-97
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—
—
_
—
330-83
11-9
332-67
2-2
3-26-54
—
März . .
_-
_
_
328-36
21-6
334-33
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318-22
_
April . .
—
_
_
_
329-37
16 2
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1-9
324-39
—
_
Mai . .
_
_
_
328-81
31-6
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323-3«
_
Juni . .
—
—
_
3-29-84
3-9
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Neustadtl . . Jänner .
—
—
—
—
—
333-98
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337-62
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325-39
_
—
Neutra ... Jänner .
—
—
—
—
—
—
1-29
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-421
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w
329-88
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— 6iS
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_
März . .
+ 0-16
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4
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_
—
April . .
5-70
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16
328-27
3
318-27
_
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—
—
—
_
_
—
—
—
—
_
0-92
Juni . .
—
_
_
_
—
_
—
—
_
23-30
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—
_
_
333-47
7-6
336-25
21-6
324-47
_
Februar
—
—
_
_
—
331-31
25-2
333-71
1-6
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_
April
—
—
_
—
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16-2
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_
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—
—
_
_
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Juni . .
—
_
_
_
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_
St. Peter . . . Mai . .
—
_
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_
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_
—
—
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_
_
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—
—
_
—
315-38
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Juni . .
—
—
_
_
316-93
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_
_
Szegedin . . Februar
—
—
—
-
—
337-35
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331-47
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März . .
—
—
—
—
—
333-46
—
—
Mai . .
—
_
_
_
_
332-96
31-6
336-70
3-6
327-98
Trautenau . Jänner .
-5-42
1-6
7-4
30-2
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322-15
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326-10
21-2
312-79
33-2
w.
Februar
—
—
—
321-18
14-2
324-68
2-2
315-56
_
_
März. .
—
—
_
_
317-48
22-2
324-53
6-2
307 82
—
April . .
—
_
—
318-84
15-6
323-89
29-9
313-63
_
Mai . .
—
—
—
_
_
318-26
31-9
323 59
3-9
312-71
_
—
Troppau . . April . .
5-98
27-6
lS-7
10-2
- 0-8
327-31
•23-2
332-97
1-6
322- 16
6-54
Untertilliaeh Oclober
6-42
3-6
13-8
31-9
- 1-4
~
~
~
—
—
~"
Verl) esse rnogc II
zur Jahresübersicht von 1857.
Senftenberu: Suninie ,ii;s Nic'(leisolil;iK«s 2fl(>"3l. htTi-schendor Wind NO.
ZU den Übersichten von 1858.
Im V.'
cliiiiss ilnr lloohndilunifsslalionnn ist zu setzen
die Scclililic von l.eulsehau 280 Toisen (f-onahert).
„ Oliir III. 1048 „
Die Ilaronieterslände von Ncustndtl im Februar, Mai und Juni sind um 20" zu vergiüs!
Im Februar ist in Senftenber^ das Maximum der Temperatur -\- O-l.
„ April ist in Tricnt der milllerc Luftdruck 330"43.
„ Mai sind die Namen Ausscc fMarkl) und Aussee (All-) 7,u vcrwccliseln.
„ Juni ist der Niederscblag in Hzcszow 0"97.
„ „ „in Iteiclicnau der mittlere Luftdruek 3Io"04, das Maximum 31S"28.
, August ist in Leutsebau die mitll. Temperatur tS'OÖ, der Niederscblap 3I"9I.
n „ „ „ Neusladll das Maximum des Luftdruckes 332"S8, das Minimum 327
„ „ „ „ .Scnflenber); der Niederseblaj; 70"4I.
Im September
Oetober lies t'illi
November in Leu
Lentsi'hau die mittlere Temperatur I1°47.
Senftenberg das Maximum des Lufidruekes a
„ „ Minimum „ ,,
(SladtJ statt Cilli (Leisbers).
hau NiederscbiaK 17 "40.
„ „ Senflenberg mittlere Temperatur — 2°90, Miuim. des Luftdruckes am
28-2 = 314"Cü.
Decembcr lies St. Peter in Abrn statt St. Peter in der Au.
„ in Senftenbcr); Minim. d. Temp. am 10'2 = — 11°7.
Platt ist im Au^'ust, September und Oetober die Temperatur
Heaumur gegeben.
= 32,';"2r..
: 319-91.
t^.raden Celsius stalt
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iiiniiiiir
3 2044 093 283 729
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