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Der Universitätsbibliothek zu Toronto
als Geschenk überreicht
von
der Königlichen öffentlicJicn Bibliotliek
zu Dresden (Königreich Sachsen)
1892
S k y t h i Je a,
oder
etymologische und kritische Bemerkungen
über alte
Bergreligion und späteren
Fetischismus,
mit besonderer
Berücksichtigung der slavischen Völker-
und Götter-Namen,
von
Georg Liebusch,
Oberpfarrer und Adjunct der Spremberger Superiutendentur zu
Senfteiiberg.
Mit einem Vorwort des Herrn Professors u. s. w.
Carl Ritter in Berlin.
Camenz, 183 3.
Gedruckt bei C. S. Krausche,
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Vorwort.
JcLine gelehrte Arbeit wie die vorliegende, wel-^
che mit so grofser Vorliebe für ihren Gegen-
stand auf eine so umfassende, selbstständige Weise
durchgeführt ist, und eine so reiche Ausbeute an
eigenthümlichen auf neuer Bahn gewonnenen
Forschungen enthält, bedarf gewifs keiner äufsern
Empfehlung, am wenigsten der meinigen, um die
Beachtung zu erlangen, die sie im hohen Grade
verdient* Ich benutze daher nur den Wunsch
des Herrn Verfassers, dem Werke ein Vorwort
beizufügen, dazu, meine Freude -darüber zu er-
kennen zu geben, dafs es derriselben gelange auf
eine meiner Ansicht nach, sehr lehrreiche Weise, in
das überreiche aber labyrinthisch verworrene Feld
der slavischen Mythologie, Ethnographie u. s. w,
eine grofse Einheit der Betrachtungsweise einzu-
IV
führen, die, von einer gemeinsamen Wurzel aus-
gehend, in ihrer Verzweigung und Entfaltung
sich kritisch verfolgen läfst, und dem zu lockern
Spiele der Phantasie auf diesem Gebiete durch
inneren Zusammenhalt und Consequenz in ihrer
Art ein Ziel setzt.
Bei dem bekla^-enswerthen Mano-el an älte-
sten historisch bewährten Zeugnissen einheimisch
slavischer wie fremdclassischer Autoren und Do-
cumente über die^Vorgescliichte des östlichen
Europa's und seiner tief nach Asien hineinwoh-
nenden Völkergeschlecliter, kann es nicht an-
ders seyn, als dafs fruchtbare Hypothesen das
Band der mannichfachen Erscheinungen knüpfen
müssen, um zu den Hauptbegebenheiten und
den Hauptgedanken zurückzuführen, die ohne
dieselben aus der Zerstreuung der Facten und
ihrer bewufst oder bewufstlos vor sich gegange-
nen Metamorphose und Verzerrung, durch so
viele Zeuffen und Jahrhunderte in den Erleben-
den wie den darübec Berichtenden nimmer her-
vorgehen würden. Umfafst die Darlegung die-
ser Hypothese nicht nur mit Scharfsinn die eine
Seite der Erscheinungen, sondern dringt sie
eben dadurch auch zugleich in alle übrigen ein,
weil sie sich bis in die Tiefe der Wurzel der
Begebenheiten wie der Betrachtungen hinabsenkt:
so mufs sie schmelzwürdige Erze aus dem dun-
kein Schachte der Vergangenheit an das Tages-
licht bringen, deren Gewinn die Wissenschaft
wirklich bereichert, wenn auch noch manche
Probe dazu gehören wird, durch Unischmelzung
den reinsten wahrhaften Silberblick zu erzeugen.
Dieses Verdienst um die Erforschung der
wichtigsten historischen Interessen eines so zahl-
reichen und in dieser Art der Untersuchung so-
wol von einheimischen, wegen Mangel eigner
kritisch -historischer Vorstudien, als von nicht-
slavischen Autoren, wegen Unkenntnifs der sla-
vischen Sprachen, so sehr vernachlässigten, höchst
bedeutenden historischen Gliedes, wie der slavi-
sche Völkerstamm zwischen dem Germanischen und
dem Asiatischen stehend, genannt werden muls,
dieses Verdienst tritt unmittelbar aus jedem Ab-
schnitte gegenwärtiger Untersuchungen von selbst
hervor, und entfaltet sich mehr und reicher,
als positiver Gewinn mit der Darlegung der ge-
sonderten aber unter sich vergleichenden My-
thologie der fünf Slaven- Völker in der Untersu-
chung ihrer Triaden, der Einwanderung der Süd-
wenden, der Entstehung der Rhetrisclien Idole,
des religiösen Volkslebens, und in vielen beson-
dern, der Hauptaufgabe naheliegenden Excursen,
Werden auch im Anfange dieses Werks die
kühnen ganz allgemein gestellten Sätze von Son-
nen- und Mond- Dienst, von einer Bergreligion,
ihrer Reinheit und Moral wie von einer allen
Völkern der Erde ursprünglich gerneinsamen da-
durch herausgebildeten Ursprache, und die ety-
mologischen Versuche in Beziehung auf diese,
manchen Zweifel vmd Widerspruch in dieser All-
gemeinheit erregen, so ist doch die Ansicht von
dem Einflüsse einer Bergreligion auf eine ge-
wisse Seite der Sprachbildung, so bestimmt ge-^
fafst und dargelegt, dafs, bei der gelehrten Kennt-
nifs des Herrn Verfassers von den slavischen
Sprachen, zumal bei seiner Vertrautheit mit dem
Wendischen, welche dieser allgemeinen Sprach-
speculation zur eigentlichen Basis factisch zu die-
nen scheinet, aus solcher Arbeit nur Gewinn
für die specielle Geschichte des Wendischen
Sprach- und Volks -Stammes und seines ganzen,
inneren, höheren, geistigen Lebens hervorgehen
Iconnte. Und dieses ist die so sehr hervorzuhe-
bende ganz eigenthümliche Seite dieser Forschun-^
geUj dafs sie von der so selten vorkommenden
positiven Sprachkenntnifs des einen dieser Völ-
ker-Zweige, des Wendisch -Slavischen, und der
genauesten Kenntnifs dieses Volks, in seinem ge-
genwärtigen Zustande, wie von seinen Ideen
und Monumenten ausoehen, und von diesem
aus, Licht, über alle damit verwandten, also
über das weite Feld des slavischen Völkerstam-
mes in seinem vielfachen Conflicte mit dem Ger-
MJk
manischen, und zwar in einem hohen Grade
verbreiten. Diese Eigenthümlichkeit giebt ih-
nen einen grofsen Werth und erweckt die frü-
her getäuschte Hoffnung * aufs neue, von den
verschiedensten Standpunkten aus , auf diese
Weise, durch lebendige Anschauung besonderer
Theile, das Feld historisch -slavischer Forschung
von dem Wortkram gedruckter Tradition oder
vielmehr unwissender Compilation gesäubert und
frisch verjüngt zu sehen, der einzige hier zwi-
schen den lebenden Völkern hindurch zu wan-
delnde Weg, um selbst das tiefste Dunkel der
Vorzeit wahrhaft zu erhellen und diesen Zweig
der Geschichte seiner Natur gemäfs grün und
neu knospen und treiben zu machen. Es trifft
diese unsere innigste Ueberzeugung auf das ge-
naueste zusammen, mit den Resultaten, welche
von den tiefen Sprachforschungen unsers ver-
ehrtesten Freundes, des Herrn Kucharoki, Pro-
fessors der sl avischen Literatur, aus dem Munde
der mehrsten europäischen Slavenstämme und
ihrer Monumente gesammelt zu erwarten sind.
* Die königliche Akademie der Wissenschaften erhielt auf
ihre von der historisch -philosophischen Classe im Jahre
1826 gestellte Preisfrage über die Ethnographien und Anti-
quitäten der zumal slavischen Völkerstämnie des gebirgi-
scheu Osteuropa's nach Sprach- und andern Documenten etc.
keine Beantwortung, obgleich der Termin wegen des Um-
fang« der ganz oder theilweise zu lösenden Frage bis rum
Jahre 1830 verlängert ward.
VIII
Sie vereinigt sich mit dem Wunsche, mit wel-
chem Herr Professor Schaffarik seine lehrreiche
Abhandlung Lor. Surowiecki's über die Ab-
kunft der Slaven schliefst, dafs doch recht viele
specielle und localische Untersuchungen auf die-
sem Felde der Forschung aus der Anschauung
hervortreten möchten, weil nur auf diesem Wege
einst manches, w^as jetzt kaum wahrscheinlich
ist, als geA\'ifs, und gar vieles, was der gemeine
Sinn, die Skepsis und viele Stimmen des Tags
als willkülirlich , zufällig, unerklärbar und un-
historisch verwerfen, als wahrscheinlich nachge-
wiesen erscheinen Avird. Dafs nur auf diese Weise,
wie gesagt, die älteste Geschichte der slavischen
Völker jenen Grad innerer Bindung, Folgerich-
tigkeit und Glaubwürdigkeit erreichen werde, die
für sie bei der Beschaffenheit des menschlichen
Geistes und der ^Schwierigkeit des Gegenstandes
überhaupt erreichbar sey, ist auch unsere Ue-
berzeugung, so wie, dafs vorliegende Arbeit kei-
nen geringen Beitrag zur Förderung jenes gro-
fsen Zieles dem Freunde der höheren historischen
Wahrheit darbietet.
Carl Ritter.
Vorerinnerungen.
Jr ast Alle, welche über die slavische Mytholo-
gie geschrieben haben, sind mehr oder weniger
"bemüht gewesen, die Namen der slavischen
Götter und Göttinnen zu etymologisiren» Sie
Wülsten nämlieh, dafs die richti^je Etvmolo<rie
so wie überhaupt der vollständigen Auffassung
der Bedeutung eines Worts so vorzüglich, ins-
besondere dem Verständnisse der mythologischen
Namen in der Regel einen grofsen Vorschub lei-
stet. Nirgends ist aber wohl mit so viel Will-
kühr und Unsicherheit zu Werke gegangen wor-
den, als in diesem Falle, weil auch Manche,
die kein Slavisch verstanden, sich nicht scheu-
ten, slavische Götternamen zu etymologisiren,
und weil selbst die slavischen Gelehrten, unbe-
kannt mit dem Unterschiede, der zwischen der
primären, secondaren, tertiären u. s. w. Bedeu-
tung eines Worts Statt findet, nicht selten nur
nach dem ohngefahren Gleichlaute eines slavi-
schen Worts die Bedeutung der ia Rede stehen-
den Namen bestimmten. Zu so vielen Irrthü-
mern diese Operation auch geführt hat, so wür-
de man doch den erwähnten sl avischen Gelehr-
ten Unrecht thun, wenn man sie wegen dieses
Verfahrens hart tadeln wollte, da man es ja ei-
nem Cicero nicht verübelt, wenn dieser die Na-
men Juno a juvando, Neptunus a nando, Ceres
a gerendis frugibus * fälschlich ableitet.
Die so oft v^orkommenden, ungereimten Ety-
mologien der slavischen Götter - und Göttinnen-
Namen, durch die nicht selten eine weibliche Gott-
heit in eine männliche, und umgekehrt eine männ-
liche in eine weibliche verwandelt worden ist,
erzeugten in mir schon früher den Entschlufs,
etymologische Bemerkungen über die Namen der
slavischen Götter und Göttinnen zu schreiben.
Dieser Entschlufs wurde in mir um so fester,
]e mehr der Glaube in mir wuchs, dafs auf dem
Wege einer tüchtigen Etymologie allerdings noch
einiges Licht für die slavische Mythologie, über
die so wenige schriftliche Urkunden uns zuver-
lässige Nachrichten mittheilen, zu gewinnen sey.
* vergl. d. nat. Deor. Kb. II. c. 26.
X£
Als ich jedoch diese meine Arbeit begann, so
salie ich bald, dafs auf dem ganzen Gebiete
des slavischen lleidenthums die Kenntnifs eines
Dialects der slavischen Sprache, ja selbst die Be-
kanntschaft mit mehreren slavischen Sprachdia-
lecten nicht hinreiche, indem die jetzige slavi-
sche Sprache manche religiöse Namen der sla-
vischen Mythologie eben so wenig hinlänglich
zu erklären vermöge, als die lateinische Sprache
zu Cicero's Zeit durch sich die Namen der rö-
mischen Götter und Göttinnen genügend zu in-
terpretiren im Stande war. Es mufste daher an-
derwärts Hilfe gesucht werden 5 aber wo?
Da es ausgemacht ist, dafs keine der uns
bekannten todten und lebenden Sprachen, selbst
nicht das Sanscrit und Hebräische, als die Quelle
anzusehen ist, aus der man dann sicher schöpfen
kann, w^enn die National.<;prache uns ohne Aus-
kunft läfst, so mufste die sogenannte Ursprache
aufgesucht werden, d. h. es mufste nachgeforscht
werden, wie das graue Alterthura, aus dem diQ
mythologischen Namen gröfstentlieils stammen,
sich überhaupt das Material der Sprachen, so-
wohl der todten als der noch lebenden, beschafft
hat, und nach welchen Principien und Regeln
es bei der Bilduns; der Wörter und bei der Be-
Stimmung ihrer Bedeutungen verfahren ist.
Während ich nun sowohl die procreirende
XII
als auch regulirende Sprachpotenz aufsuchte, wurde
ich auf das Gebiet des alten Religions - DuaUs-
mus (Sonnen- und Mond - Cultus), für dessen
Annahme ich mich schon früher, nicht ohne
hinreichenden Grund, bestimmt hatte, zurück-
geführt, und es wurde mir der grofse Einflufs
klar, den die genannte Religionsform auf die Bil-
dung der Sprachen überhaupt so wie insbeson-
dere auf die Formation der Götter- und Göttin-
nen-Namen gehabt hat»
Nachdem ich mich einmal für die Annah-
me: dafs das entfernteste Alterthum seine Ado-
ration zunächst der Sonne und dem Monde un-
ter der Supposition der idollosen Form des Man-
nes und der Frau gewidmet habe, bestimint
hatte, bemühte ich mich, auf dem Wege des
Abstrahirens von dem, Avas wir von dem frühe-
sten religiösen Alterthume aus schriftlichen Ur-
kunden und vorzüglich aus mündlichen, einer
grofsen Vivacität sich erfreuenden, Traditionen
so wie auch aus der Anschauung der hie und
da sich vorfindenden alten religiösen . Denkmäler
wissen, ein gewisses System zu bilden, wobei
mir freilich der Vorgang früherer Schriftsteller
fehlte. Indefs bekenne ich es dankbar, dafs mich
die Eintheilung des indischen Budhaismus in
Hrn. Prof. Ritters Vorhalle der europäischen Völ-
kergeschichten vor Herodotus zu der Eintheilung
XIII
der Religion des fernen Alterthums in Perioden,
die für die richtige Auffassung dieses Alterthums
so sehr wichtig ist, geleitet hat. So sehr ich
mich aber bemüht habe, das System der ersten
Weltreligion durch Aufstellung des von der Be-
schaffenheit und Wirksamkeit der Sonne und des
Mondes entnommenen Priricips und durch die
geordnete Darlegung der vorzüglichsten alten
Religionsideen, zu begründen, so wenig habe
ich mir es verhehlt, dafs die von mir angeführ-
-ten Grundlehren des Heidenthums nicht auf glei-
che Weise für alle Perioden desselben genau
passen, und ich berge mir es nicht, dafs die von
mir gegebene Darstellung der Dogmen und der
Moral der heidnischen Religion nur auf den Na-
men eines Versuchs Anspruch machen kann. In-
defs wird man doch, bei genauer Vergleichung
dieses Versuchs mit den weiterhin vorkommen-
den Beschreibungen der heidnischen Religions-
symbole selbft, finden, dafs sich der erste und
zweite Theil der Skythika in dieser Beziehung
gegenseitig erklären. Die Anführung der vor-
züglichsten Religionslehren des Heidenthums schien
mir auch deshalb erforderlich zu seyn, weil man
nur dann, wenn man diese vor Augen hat, im
Stande ist, die oft wunderlichen, carricaturmä-
fsigen Götterbilder in ihrer wahren Bedeutung
aufzufassen. Insonderheit mufste in der Einlei-
XIV
tung der Grund nachgewiesen werden, auf den
sich meine etymologischen Operationen stützen,
damit letztere bei ihrer Unoewühnlichkeit nicht
als willkührlich und unbegründet, und mithin
als tadelnswerth erschienen.
Das mythologische Material habe ich aus
den, in dem Werke selbst angeführten Schrif-
ten zum grofsen Theile entnommen 5 aber die
Basirung dieses Materials auf die Religionsideen
des heidnischen Alterthums ist die Frucht mei-
nes Bemühens. Es ist natürlich, dafs, da ich mich
bei meiner Behandlung der slavischen Mytholo-
gie mit fast allen Schriftstellern, die über die
heidnische Religion der Slaven so wie überhaupt
über Mythologie geschrieben haben, genöthigt
durch meine Fundamental -Meinungen, in nicht
o-eringe Opposition setzen mufste, meine Arbeit
oft eine polemische Tendenz erhielt. Wollte ich
indefs nicht tu. weitläuftig werden, so durfte ich
mich mit ausführlichen Widerlegungen der Mei-
nungen und Behauptungen Anderer nicht befas-
sen, sondern nur die Ergebnisse meines eigenen
Forschens kurz und nur so weit angeben, als es
mein etymologischer Zweck erforderte. Wo aber
das mir vorliegende mythologische Material zur
XV
Vervollständigung des Gebäudes, das die Idee
erheischte, nicht hinreichte, habe ich, wenn
auch die mir bekannt gewordenen alten Sagen
mich ohne Auskunft liefsen, meine Vermuthun-
gen hinzugefügt, durch weicheich zugleich habe
Andern Veranlassung zu weiteren Untersuchun-
gen geben wollen,
' ■" Da meine Arbeit in mehrfacher Hinsicht mit
andern mythologisch 6n Arbeiten sich in Wider-
streit stellt, so erwarte ich auch, dafs sie von
Andern, insonderheit aber von denen, welche
von gewöhnlichen Meinungen befangen sind, nicht
geringen Widerspruch wird erleiden müssen, und
zwar um so mehr, als sie bisweilen selbst sehr
alte und für infallibel gehaltene Auctoritäten
antastet, — Die Belehrungen von denen, die
tiefer in das verkannte und durch die Irrthümer
früherer und späterer Schriftsteller coi-rumpirte
religiöse Alterthum eingedrungen sind, werden
mir um so willkommener seyn, als ich, dem
nur 'geringe literarische Hilfsmittel zu Gebo-
te stehen, mich selbst eifrig bemüht habe,
das Meinige zur Aufklärung des Dunkels des
erwähnten Alterthums nach Kräften beizutra-
gen.
rtr 9^ VI ^=r-
Obgleich mir meine Vertrautheit mit der
•wendischen Sprache bei den diesfailsigen Unter-
suchungen bisweilen sehr zu Statten gekommen
ist, so stützen sich doch meine Etymologien,
•wie ein jeder der -wendischen Sprache Kundige
bald bemerken wird, keinesweges allein auf diese
Vertrautheit, sondern sie ruhen auf einem an-
dern und sicherern Grunde.
Unter der in dem Werke mehrmals erwähn-
ten Ursprache verstehe ich keinesweges das San-
scrit, jene alte, heilige, feingebildete Sprache
.Hindostcins, mit welcher die alten Sprachen
Asiens und Europa's, bald mehr bald weniger,
;in Materie und Form verwandt erscheinen, noch
irgend eine andere Sprache, sondern nur die
durch gewisse., in und aufser den Menschen ge-
legenen Ursachen bewirkte ursprüngliche Wort-
Formationsart, die uns nicht nur in den todten
.^Sprachen, sondern auch in den Grund -Elemen-
ten der noch lebenden begegnet. Diese Ur-For-
mationsart des Sprachenstoffs interessirt freilich
^weniger den eigentlichen Philosophen, dem die
in einer Sprache vorhandenen Wörter nur als
Symbole gelten, mit welchen er seine Philosos
pheme bezeichnet, so wie den gew^öhnlichen
Spracherlerner, der sich nur mittelst des Aneig-
nens mehrerer Sprachen in den Stand setzen will,
seine Gedanken durch die Ton- und Schriftzei-
XVJI
clien mehrerer Völker auszudrücken, als den
philosophisch - historischen Sprachforscher, der
sich bemüht, die Art und Weise der Entstehung
der Sprachen zu erkunden, und der zu dem Ende
nicht nur ein Volk, sondern mehrere Völker bei
ihrem anfänglichen Streben und Trachten nach
den wörtlichen Bezeichnungen der ersten Resul-
tate ihrer geistigen Thätigkeit so genau beobach-
tet, als ihm dies bei seiner grofsen Entfernung
von der aera des Kindesalter der Menschheit und
bei seiner Bewegung in den Kreisen seines he-
terogenen, religiösen mid politischen Lebens
nur immer möglich ist.
Bei der Erklärung der Ortsnamen, inson-
derheit mehrerer solcher in der Provinz vorkom-
menden Namen, hatte ich folgende Absicht, Ich
wollte zunächst darthun, was diese, von der
Unkunde und Willkühr so vielfältig gemifshan-
delten, Namen wirklich bedeuten j und dadurch
den willkührlichen Interpretationen derselben
ein Ziel setzen. Nicht minder hatte ich die
Absicht, an mehreren auf einem festen, natür-
lich-plastischen, in die Augen fallenden Grunde
ruhenden Wörtern, dergleichen die Ortsnamen
sind, zu zeigen: dafs das, was ich über den ei-
genthümlichen Charakter und über die unbe-
streitbare Geltung der Vocale und Consdnanten
XYJII
angedeutet habe, liinlänglicli begründet ist. Auch
deshalb habe ich der Interpretation der (alten)
Ortsnamen einen gröfseren Platz eingeräumt, weil
man vorzügUch von diesen Namen am sicher-
sten (bei der Bildung anderer Wörter haben nicht
selten minder zwingende Ursachen gewirkt) die
Regeln abstrahiren kann, welche das ferne Al-
teithum bei dem Gebrauche der Selbst - und
Mitlaute befolgte.
Die oft aphoristische Form der Skythika
wurde durch meinen Plan, nicht eine förmli-
che slavische Mythologie, sondern nur einzelne
Bemerkungen über die Namen dieser Mytholo-
gie zu schreiben, bedingt, aber auch durch das
theilweise, mir nur in den von Amtsgeschäften
freien Stunden gestattete, Arbeiten erzeugt.
Die hie und da in der mythologischen Par-
tie vorkommenden Wiederholungen wird man
hoffentlich um so eher entschuldigen, als sie
von denselben öfters wiederkehrenden Materien
nicht selten gefordert werden, und als sie der
beabsichtigten Entwirrung mancher mythologi-
schen Lehren Vorschub leisten.
Der in dem Titel des Buchs vorkommende
Ausdruck: „alte" Bergreligion deutet an: dafs die
XIX
Schrift nicht blos den späteren, hie und da auf
Berten vorkommenden Göttercultus, sondern
auch die uralte Adoration der Sonne und des
Mondes, die auf Bergen Statt hatte und die den
Bergen selbst ein heiliges Ansehen verlieh, be-
rücksichtigt.
So wenig auch mir das Wort „Bergreligion"
wegen seiner Doppelsinnigkeit correct erscheint,
so habe ich es doch deshalb gebraucht, weil es
kürzer ist, als Sonnen- und Mond * Verehrung
auf Bergen, und weil es in dem recipirten Wor-
te: Tempelreligion, d. h. Verehrung der Gott-
heiten in gewissen Tempeln so wie auch in dem
gleichfalls vorkommenden Worte Thierreligion
entschuldigende Vorläufer hat.
Dafs ich dem Werke den Titel: Skythika
gegeben habe, werden diejenigen entschuldigen,
welche nicht übersehen, dafs dasselbe sich mit
der alten Religion der Völker beschäftigt, die
einst gröfstentheils das alte Skythien bewohnten,
dafs ferner der Inhalt des ersten Theils dessel-
ben etwas uraltes Sprachliches und Religiöses
berührt, was aufser den Grenzen der gewöhn-
lichen literarischen Bearbeitungen liegt, und
dafs dasselbe den Leser überhaupt auf ein Ge-
biet führt, das die von den gangbaren Meinun-
XX
gen unserer Tage Befangenen für nicht minder
culturlos und barbarisch haken, als einst man-
che von Eigenliebe befangene Griechen das von.
ihnen wenig genau gekamite Skythien.
Senftenberg, im Januar 1833.
Der Verfasser.
Inhalts -Verzeichnil's.
Seite
I. Name der Bergreligion . ^ 1
II. Entstehung der Bergreligion ..>.., 2
III. Innere Beschaffenheit (Dogmen und Moral) der Berg,
religion n. . . . 4
IV. Aeufsere Beschaffenheit ( Cultu5 ) der Bergreligion . 15
Luperci. Devadaschi. Labyrinth. Monumente
von Elephante. Salsette Mavalipuram. Theokra-
tien und Hierarchien, rofiog. Lex. iTf'n'n, Sa-
kon(K.ur-an, Alcoran). Budona. Cumae. Frageberg
bei Meschvvitz. Hochstein bei Elstra. Colojse. Obe-
lisken. Memnonssäule. Pyramiden. Sphinx. Obelis-
ken. Greife. Rodzischcz°n in der Oberlausitz. Erd-
wälle. Römerwall bei Senfienberg. Sueven (schan-
zen). Marachen. Heidnischer Tempel zu Jüter-
bog.
V. Perioden der Bergreligion .22
Anfang der niederen Idololatrie in Preufsen. Je-
xidi bei Diarbekir. Satan. Eesa. Hercule.« o-ra-
XXII
Seite
jus. Pan. Apis, Bachanalien. Janus. Vesta,
Minerva. Satyrn. Silenus. Cybele, Apollo. Pytho.
Pythia, Sidßolog. Vulcan 'aAco7rr/|, Germanen,
Allemanen, Mars. Mercur. Isis. Alcis, 'Ivöot
ivdovarot,, Irmensäule, Jaga BaLa. Bramaismvxs
und Budhaismus, ■9'5Ös sig der Slaven. Einfüh-
rung der Idololatrie in Griechenland. Ariman.
Ormudz, Iran. Turan. Bielbog. Tschornobog.
Zoroaster. Sonnen- und Mond-Gultus in Mexico
und Peru. Mexicanische Bauwerke. Menschen-
fresser.
VI. Verhältnifs des späteren Fetischismus zu der Bergreli-
gion der ersten U2id zweiten Periode , ... 34
VII. Entstehung des (metapliysischen) Dualismus in der Re-
ligion 37
Typhon (Div-Hon), Wolos. Quoschcz. Ari-
man. Pariar. Heloten. Separations -Edict vom
7. Juni 1821. Rüpel. Rempel. Runks. Schlunks.
Racker. Lunks. Hallunk. Ruprecht. Bubak.
Rapak. Bambor. Bambora. Bamsch. Rübzal.
Vin. Spuren bisweiliger Rückgänge zu der Verehrung der
alten Götter . , 44
Hellotia. Cybele. Eber der Rhedarier. Französi-
sche Encyclopädisten,
IX. Einflufs der Bergreligion
A. auf die Bildung der Sprachen 46
Meinungen über die Entstehung der Sprachen,
Ursprache. Vocalen - Trias. Doppellaiite. Drei-
laute. ' Männliche Vocale. Weibliche Selbstlaute.
Consonanten - Dekade. Natürliche Consonanten-Li-
nie. Entstehung der Mitlaute. Alte Substantiva
und Adjectiva. Autonomie und Heteronomie in der
Wortbildung. Das alte Neutrum. Charakter der
Consonanten. Die weiblichen Consonanten n und
1, Literae, Namen der Buchstaben. Benennung
XXllI
Seite
der Berge, Bildung der hebräischen , sanskritani-
schen , englischen , wendischen , griechischen , la-
teinischen, neu - italischen, altgallischen, deutschen
Zeitwörter. Lehren. Lernen. Ragazza-Holza.
Männliche und weibliche Zeitwörter. Onoma poe-
tica, Adjectiva.
B, auf die Benennungen der späteren religiösen und
bürgerlichen Einrichtungen der Völker . . .71
Tempel -Namen. Göttliches Ansehen der Priester,
Priesternamen. Sradofs. Ära. Sonnenpriester.
Mondpriester. Druiden. Barden, Pontifex maxi-
mus, Criwe, Criwito. Delai - Lama. Dajni - So-
ma. Japanische Theokratie. Weltliche Fürsten
heifsen Sonnen - und Mondgötter , die Fürstinnen
Mondgöttinnen. Zoroasterismus, Schlösser- und
Burgen - Namen,
C, auf die Bildung der Ortsnamen 81
Falsche Ableitung der Namen der Städte Rom, Bu-
dissin, Dommitsch, Pretzsch, Peitz, Cüstrin. Dorf»
Wefs. Staniza. Urbs. Die alten Ortsnamen beschrei-
ben genau und malen die Lage der Orte ab, Man-
nichfaltigkeit der Ortsnamen. Erklärung mehre-
rer Ortsnamen , vorzüglich in den Lausitzen und
in den angrenzenden Provinzen.
D, auf die Benennungen der Inseln « ♦ ♦ . 111
E, auf die Flufsnamen , , . , ♦ . ,112
F» auf die Benennungen der Götter und Göttinnen . 116
ReligionderSlaven. . , . . . . . 118
Allgemeine Bemerkungen. Herkunft der Slaven
und Bedeutung ihres Namens. Anzahl der Slaven
in Europa und Asien. Slavischer Ethnicismus und
seine Beschaifenheit. Czernebog.
I. Religion der Russen, Bedeutung des Namens der
Russen, Kosaken und der vorzüglichsten Völker-
XXiV
Seite
Schäften des russischen Kaiserreichs. Kamschatka.
"Wladimir Swätoslawitsch der Grofse. Perun, Wo-
los. Tschur. Polkan, Korsch. Bielbog. Siluy
Bog. Tschernojbog. Jaga Baba, Boye, Psche-
nieng. Wechselhalg. Busen. Pop. Nabob. Scha-
manen. Led. Lada. Lei. Did. Polel. Ladoga-
und Onega-See. Huron- inid Erie-See, Simzerla. Us-
lad. Semarla. Pogoda. Stribog. Pochwist, Russalka.
Nymphen. Morskoj Zaar. Gorina. Kiinora, Kascht-
schey. Leschje oder Lesnje. Daschebog. Uboze.
Lutki. Der Mondgott Znitsch. Koliady. Pator-
schiza. Sylvester- Abend. Dies Solis invicti. Ho-
dy. .Kupaly, Haus- oder Johannis -Feuer.
H, Religion der Polen und Schlesier .... 145
Badeutung des Namens der Polen und Schlesier
und einiger polnischen und schlesischen Ortsna-
men. Jefs, Perknn. Perkuna Tete. Auxtheias
Vissagist, Werschpomasy. Audros. Datan oder
Tatan. Tavval, Slotraz. Dwargonth. Klamas.
Tartitas. Derfintos. Babilos. Gondu. Ljada. Dzi-
dzielja, Zywie. Zemina, Marzanna, Dziewanna.
Nija. Ausca. Bezlea. Breksta. Warbulis. Po^
goda, Modeina und Rageina. Kierpicz. Silinicz.
Ezernirn. Hausgottheiten. Sala. Tikli, Birzuli.
Siricz. Ublanicza. Polengabia. Aspelenia. Bu-
dintaia. Duguai. Luibegeld. Ligicz. Pizi. Ben-
tis, Pirgirsitis. L.awpatim. Ratainiza, Kremara,
Krukis, Priparscis, Kurwaiczin. Gardunithis,
Peseia, Lasdona, Vielona. Gutes und böses Prin-
cip, Bezirks.- und Privat - Göttercultus der Polen,
Mähren und Böhmen,
m. Religion der ]\.Iähren und Böhmen , , , 152
Interpretation der Namen der Mähren , Böhmen ,
Tschechen und einiger mährischen und böhmi-
schen Städte. Peron, Witislaw. Krdsopani. Do-
brepan, Kralomoc Jasen, Quosch, Radamas
XXV
Seite
(Charon), Ladon, Ziviena, Zizlila, Marzena,
Zelun. Sih'jvr]. Mokosla, Mokoscli. Pochwist.
Nehoda, Lei. Polel. Ssetek. Diblik. Mernt.
Niwa oder Niera. Seelenwanderuiig. Ovids Me-
tamorphosen. Weles, Wole. Heitlii, "Atr]. Wily,
Kodoiza. Murawa. Tasani. Sudice. Altes Göt-
terregiment der Böhmen. Trzibek. Bog und Bek,
Krok, Religion der Töchter Kroks, Libussa,
Przemysl. Böhmischer Bürgerkrieg. Sogenannter
Mädchenkrieg. Untergang der böhmischen Theo-
cratie. Zvvölfmonatlichcs grof.'.es Zeitenjahr,
IV, Religion der Nord wenden 163
Was die Namen Kassuben, Pommern, Obotriten,
Linonen, Rügier bedeuten. Razi. Zinitro. Roczne
Czafsy. Festi dies. Indische Trimurti, Brama.
Wischnu. Schivven, Parabrama. Zeruane Ake-
rene. Jagernat. Beleoram. Schubudra. Finni-
sche Trias. Stör- junkare, Tiermes, Baiwe. Ma-
derakko. Jumala. Skandinavische Götterdreiheit.
Skandinavische Monatsreligion. Tor. Trolvolk,
Eisriese. Odin. Spätere Wochenregierung. Dies
der Kelten, Teut generelles Wort, Wodan. Teu-
tates. Thuisko. Deutschen. Teutschen. Oybin
bei Zittau. Frig, Fricco, virgo, Freia, Preufsi-
sche Doppel -Trias, Perkunos. Potrimbos, Pike«
los und Curcho, Wurskait, Ischwambrat, Pergu-
brios, Auschwait. Schwaitix, Pelvit. Altpreiifsi»
sehe Kriegsfahne, Endungen altpreufsischer Wör-
ter. Korsch. Crodo. Tarapyha. Bedeutung des
Worts Romowe. Die Götterdreiheiten der Nord-
wenden. Swantnwit. Die tiefere Religions-Gnosis
der höheren wendischen Priester, Por, Ras, Raz,
Rad, Rüg. Das weifse Rofs des wendischen Swan-
towit. Das schwarze Rofs des Mondgotts zu Stet-
tin. Heilige Pferde im Wendenlande. Lüneburgi-
sches Wappen, Erndtefest, Tempelreinigung. Fal-
XXVI
Seite
sehe Ableitungen des Namens Swantowit. Rade-
gast, Bedeutung der später entstandenen Mond-
götter. Radegast kein apotlieosirter Fürst. Incar-
nationen des Wischnu. Vulpius Meinung, Rade-
gast betreibend. Zernebog. Prowe. Pflugschar
und Hain der Prowe. Griwule. Budstikke. Der
Märtyrer Laurentius, Koschenberg. Wallfahrts-
ort, Campus Martins, Irmensäulen. Rolandssäu-
len, Ruska Prauda, Triglav in Stettin, Julin,
Grimma etc, Triglavs Continen oder Tempel.
Schwedenschanze ohnweit Stargardt bei Guben,
Die Christen wundern sich über Triglavs Bild. Pa-
rabrama der wendischen Religion, Rugiäwith, Po-
rewith und Porenit. Rugiwit, Karewit und Hi-
rovit. Orte des ethnischen religiösen Cultus in
der Oberlausitz, Die Trimurti der Germanen
nach Tacitus und Cäsar, Mars , Mercur , Vulcan.
Der deutsche, griechische und lyrische Hercules,
Tuisco und Mannus. Dens terra editus. Isis. Her-
thus, Hertlium, Alois Luna. Herthum neutrius ge-
neris. Alcis-ldole in Rheinhessen und in der Ober-
lausitz. Castor und Pollux Janus. Der gallische
Hahn. Napoleons Adler, Der Doppeladler der
Oestreicher und R^ussen. Der Schimpfname Rapak.
Ort des Alcis-Cultus. Pantheen der grofsen Städte.
Pogoda. Siebog. Sie. Sif. Zywie. Ziwa. Mar-
zana. Dziedzielja. Zielsbog. Ntmisa, Namisa, Ne-
mis, Nemesis, vifia. Nemisa-Rab, Heia. Mita.
Cerberus. Tsibaz. Radomysl. Raziwa. Spätere
Anomalien der indischen Religion, Misizlaw. Ope-
ra. Die bei Prilwitz gefundenen Götterbilder. Die
Missionarien Bernhardus und Otto. Berstuc. Sik-
sa. Urii , Gudii oder Kudii. Gasta. Hure. Ma-
rovit. Ipabog. Tara. Othin und Voda. Wana-
dis, Balduri, Geistliche Mission der Bussen in
Peking.
XXVII — [
Seite
V, Religion der Südxvenden, 239
Abstammung der Südvvenden und ihre Einwan-
derung in das Land der Hermunduren, Naharva-
len. Lygier etc. Deutsche Zunge und Sitte in den
Gebirgsgegenden der Oberlausitz. Die Wenden
nennen sich Serben oder Sserben. Dola-(gir). Da-
leminzen, BeschalTenheit der Religion der Süd-
wenden. Schupan. Szwonzo. Aux, Hausch, Hon,
Han, Jutor. Boh werschny. Hody. Puhan. Ta-
tan (Datan). Mare, Meer, Morjo, &d?.ci6aa, TLila-
yo5, (üV-Uvog. Stadt Jüterbog. Jutry. Dobrejtscho.
Saitscha, Sajtra, Ranische Sera. Das (vermeint-
liche) Hüpfen der Sonne am ersten Osterfeiertage»
Grofses Frühlings - und Naturauferstehungs - Fest.
Todaustreiben. Ostern. Schöpfen des Ostervvas-
sers. Flins. Zwei Repräsentationen desselben. Oeh-
na bei Bauzeu. Der Löwe des Flins und seine Be-
deutung. Barne Blase. Biry (Erndtefest, Pfingst-
fest). Feuerstein. Vitzlav. Lindenbäume. Zwei-
fel über die Existenz des Flins. Blinzeu. Ehe des
Zernebog. Pya. Löwengestalt der Pya. Dämo-
niaci. Tschert. Tschart. Djabot. Orakel. See-
lenmessen. Frageberg. Schlofsberg bei Burg.
Meschwitz. Ueberrest von heidnischen Wallfahr-
ten. Heia, Elysium. Walhala, Propilaga. Kreuz-
züge. Jüngster Freiheitskampf. Grausamkeit und
Freiheitsliebe der Wenden. Priabus. Weifse
Trauerkleidung der indischen Weiber. Marzana»
Ziwa. Marienbilder. Freyer. Frei-Knecht. Ma-
ra. Mazmutter. Stara Mera. Selowa Zona. Kus-
wamicza. Hexe. Geisterstunde. Psipowniza oder
Sschespowniza. Sphinx. Jehovah-Religion. Alp.
Kodoiza. Murawa. Mary. Maracha. Neptun. Po-
seidon. Wassermann. Religiöse Abluitionen. Ler-
chen- und Lämmerberge. Druiden -Bildchen in
Zittau, Drache. Smij. Smija. Colchis. Velins
aureum. Argonauten. Cuna. Korofs. Gripe. Dzi-
XXVIII
Seite
wiza. Dietrich. Bernhard, Zuttiber. Suntibor.
Honidwo. Henil, Hirtengöttin, deren Namen und
Repräsentation. Sonstige Vorstellungen von der
Mondgöttin als Grund mancher Ideen und Ge-
bräuche bei Lebensveränderungen und Feierlich-
keiten der Wenden,
A • n h a n g.
Ueber die Verwandtschaft des Wendischen mit dem
Sanskrit » . . 292
Ueber die Bedeutung des Wors Bog .... 302
Subscribenten-Verzeichnifs.
Ort, Namen und Charakter der Subscri-
benten,
Altdöbern.
Die Seminar -Bibliothek .
Herr Köthe, Superint. und Seminar-Di-
rector . . . . . ,
Herr Brähmig, Seminarist . .
„ Schiemenz, Seminarist . , , ,
Arnsdorf.
„ Böhmer, Pfarrer » .- . ,
Augsburg.
„ Baron von Langenthai . , »
Budissin.
I, Böhland, Oberlehrer , » ♦
Druckp. j Schrbp,
XXX
Ort, Namen und Charakter der Subscri-
benteii,
Budissin.
Herr Bröer, Schul - College , . ,
„ Bück, Dom-Vicar
„ Drefsler, Coli
„ Hartz, Bürgermeister , - .
,, Holtsch, O. A. Regierungs-Advocat
„ Jacob, Pastor zu St. Michael
„ M. Jahne, Adjunctus am Gymnas.
„ Klien, Stadtrath . . , •
„ Krüger, Diaconus zu St. Michael
„ Lubenski, Pastor Primär.
„ Oelsner, Stadtrath . , . ,
„ Petri, Kirchenrath , .
„ Quierner, Oberamts-Regierungsratli
„ V. Rex, Landesältester ♦
„ Richter, Can. Scholasticus
„ RouXy Oheramts - Regierungsrath
„ Schlosser, Commissionsrath ,
„ Schmole, Can. und Pfarrer ,
„ Schmole, Seminarist ,
Schullesebibliothek
Herr Schulze, Buchhändler .
„ M. Weller, Buchhändler
„ V. Zeschwitz, Hof- und Oberamts-
Regierungsrath » , ,
Druckp,
Schreibp.
Berlin.
Sr, König 1. Hoheit, der Kron-
prinz vonPreufsen
Sr. Königl. Hoheit) Prinz Wil-
helm vonPreufsen
Sr. Königl. Hoheit, Prinz Carl
vonPreufsen . . . ,
Sr. Königl. Hoheit, Prinz Al-
fa r e cht vo n Pr e ufs en , ,
10
2
2
1
XXXI
Ort, Namen und Charakter der Subscri-
benteu.
Berlin.
Herr von Barner, Oberster ,
„ Kobitz , Stiftslehrer .
., Kopf, Schuliiispector . . «
„ V. Schöning, Obristlieutenänt und
Hofniarscliall Sr, Königl. Ho-
heit des Prinzen Carl v. Preu-
fsen
„ V, Stockhausen, General und Hof-
marschall Sr. Königl. Hoheit
des Prinzen Albrecht v. Preu-
fsen
»
Biegen.
„ Wehner, Prediger . ♦ ♦ .
Bischofswerda.
„ Weber, Klempnermeister , »
Bockwitz.
„ Hasse, Pfarrer . . , ,
Burg -Chemnitz bei Gräfenhainchen.
Herr Jacobi, Pfarrer . , , .
Breslau. ^
„ Hantusch , Studios, juris ,
Camenz.
„ Archidiaconus Lehmann « ,
Cletwitz.
„ Richter, Pfarrer , ,
'/-
Druckp,
Schreibp.
1
1
1
1
1
1
1
1
1
4
i V
1
XXXII
Ort, Namen und Charakter der Subscri- Druckp.
beuten.
Cletwitz.
Herr Franke, Schulmeister
Cottbus.
Herr Goltsch, Conrector . , , 1
„ Korn, Archidiac 1
„ Dr. Reuscher, Gymnas, Director . 1
Schreibp.
Commerau.
„ Pilopp, Schullehrer ,
Costebrau.
„ Lehmann, Schullehrer ,
Crostau.
,, Michler, Pfarrer
Cunewalde.
„ Apelt, Pfarrer , ,
j
Dissen.
,. Buckwar, Pfarrer , , .
Dobristrow.
„ Schnitter, Braukrüger , ,
„ Voigt, Schulmeister ,
♦ ♦
Drebkau.
„ Bronisch, Pfarrer zu Steinitz .
XXXIII
Ort, Namen und Charakter der SiiLscri-
benten,
Drebkau.
Herr Heinsius, Postexpediteur . ,
„ NöUer, Gericlitsdirector , , ,
Drehnau.
„ Böttcher, Cantor « , . .
Dresden.
Sr.Königl. Hoheit, der Prinz Mit-
regent von Saclisen .
Herr Büttner, Kaufmann
jy Mag, Erbstein, Privatgelehrte j
„ Hayne, Cantor und Kirchner zu St,
Johannis . . . ,
„ Dr. Käufer, Königl. Hofprediger »
„ Knochenwebel, Gand. des Predigtanits
„ V, Olsufieff, Kaiserlich Russ, Major
aufser Dienst , . . .
„ M, Ziller, Diac. an der Kreuzkirche
und Mittagsprediger an der So-
phienkirche ♦ , . ,
Dürrwalde.
„ Jurka, Schullehrer ♦ ♦ ♦
Eisten; vverda.
Hr.M, Hofmann, P.P. und Superintendent
Frankfurt an der Oder.
Herr v, Thielenfeld, Justiz-Commissarius,
Gaufsig.
„ Domaschke, Pfarrer » ,
Druckp. I Schreibp.
XXXIV
Ort, Namen und Charakter der Subscri-
bens-n.
Geyerswalde.
Herr Kubitz , Pfarrer ,
Herr Kopf, Schulmeister
Göda.
Herr Rade, Diaconus . , . .
Göllnitz.
Herr Tietze , Pfarrer • . . .
Görlitz.
Herr Gunschera . Scbullehrer
Herr M. Sintenis, Arcliidiac. . «
Die Oberl. Gesellschaft der Wissensliaften
Gi'eifsvvalde.
Herr Kanngiefser, Professor , ,
Die Universitäts-Bibliothek » ,
Gröditz.
Herr Voigt, Pfarrer « ♦ , ♦
Grofsenhain.
Herr Dr. Hering, Superintendent . .
Herr Preusker, Pventaintmann ,
Herr Dr. Reiniger, pract, Arzt .
Herr Stübner, Stadtrichter , ,
Herr Wolff , Stadtgerichts-Actuar
Grofskoschen.
Herr Hilschenz , Schullelirer . ,
Grofspavtwitz.
Herr Hanschke, Pfarrer . , , , I
Diuckp.
Schreibp,
1
XXXV
Ort, Namen und Cliarakter der Subscri-
beiiten,
Gl'ofspostvvitz.
Hexr Marloth, Pfarrer , , ,
Grofsräschen.
7, Richter, Pfarrer « ♦ « ,
Grofs-Teuplitz.
„ Schlomka, Pfarrer
Guben.
j, Sause, Doctor . , , , ,
„ Böhmer, Cand, des Predigtamts .
Guttau.
j, Mros, Pfarrer , . , . »
Hainewalde bei Zittau.
„ V. Kyaw auf Hainewalde u, s, w. .
„ Dornick, Pfarrer ♦ , . ,
Halle.
„ Dr. Fritzsche, Professor der Theo-
logie .,.,,.
Hörlitz.
„ Kubasch, Schullehrer , ,
Hohenbocka.
„ Schneider, Candidat des Predigtamts
Hochkirch.
Druckp.
Schreibp,
„ Mohn, Pfarrer , . . ,
***
XXXVI
Ort, Namen und Charakter der Subscri-
henten.
Hosena.
Herr Rhösa, Schnllehrer . , ,
Druckp.
Schreibp.
Hoyerswerda.
„ Müfsigbrodt, Forstrendaiit ♦ »
„ Noack, Archidiaconus , , ,
Jahmen.
„ Pech, Pfarrer . , , ,
Jessen.
„ Bronisch, Pfarrer . . . ,
Jöhstadt.
„ M. Heyde, Pfarrer , , ♦ »
Kirchhayn.
„ M. Müller, P. P, und Superinten-
dent
„ M. Heyne, Diaconus . • ,
Kleinbauzen.
„ Klien , Pfarrer , , , ♦
Klix.
„ Seil»r, Diaconus , ♦ ♦ .
Königsberg in Preufsen.
„ Bobrik, Studios. . , . «
„ Lehnerdt, Professor . . . ♦
„ Dr. Lucas, Schulrath und Director
„ Dr. Simson, Professor extraordi-
narius * « * « *
XXXVII
Ort, Namen und Charakter der Subscri-
benten.
Königsberg in Preufsen.
Herr Dr. Schubert, Professor , ,
Die Königl. Bibliothek ....
Die Bibliothek des Köiiigl. geheimen
Archivs . , . . .
Die Bibliothek der Königl, deutschen
Gesellschaft . . . .
Die Bibliothek des Königl, Friedrichs-
Collegiums . . , .
Die Bibliothek des Altstädtischen Gym-
Königswarthe.
Herr Körnig, Pfarrer
„ Pietsch, Schullehrer
Krischa.
„ Schulze, Pfarrer , , ,
Laasow.
„ Zillich, Pfarrer , » .
Langengrassau bei Luckau.
„ Jackert, Pfarrer . ^ ♦ .
Lauta.
„ Richter, Pfarrer . ♦ ♦
Lebus.
„ Hartwich , Pfarrer .
Druckp.
Schreibp.
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
XXXVIII
Ort, Namen und Charakter der Subscri- Druckp. Sclireibp.
beuten.
Leijjzig.
Herr v, Criegeni , Studiosus tlieol, und
Senior der Oberlausitzisclien
Predigergesellschaft . , 1
„ Hadank, Mitglied des wendischen
Vereins ..... 1
„ Haubold, Mitglied des wendischen
Vereins ..... 1
„ Dr. Klien, Professor des Kirchen-
rechts ..... 1
„ Pentzig, Candidat der Theologie . 1
„ Richter, Candidat jur. und Secre-
tär der Oberlausitz. Prediger-
gesellschaft . .
„ Schneider, Mitglied des wendi-
schen Vereins ... 1
„ Seyffarth, Professor ... 1
„ Voigt, Mitglied des wendischen
Vereins .....
Leutlien.
„ Kopf, Cantor
Lübau.
„ Mohn , Pastor Primarius . ,
Luclvau.
j, Gallus, Gericlilsamtiaann .
„ Krahner, Archidiaconus
„ M. Lehmann, Director Gymnas,
XXXIX
Ort, Namen und Charakter der Subscri- | Druckp. | Schreihp.
benteii.
Luckau.
Herr v. Man teuffei, Landratli des Lu-
ckauer Kreises , . , 1
„ Dr. Töpfer . , , , , 1
„ Dr. Vetter, Subrector ... i
Lübben.
„ SüTsmilch, Geh, Regierungsrath ♦
Magdeburg.
Herr Dr. Jentzsch , Prediger an der St.
Jacobikirche . « « ,
Merseburg.
„ Landvogt, Courector und Professor
Milkel.
„ Gude, Pastor , « , ,
Mühlbeck.
j, Richter, Pfarrer . . » ,
Mückenberg.
„ Strehle, Diaconus ,
« *
Nebelschütz.
„ Georg Sandmüller ,
Neschvvitz.
„ Hattas, Pfarrer . J
„ Thieme, Diaconus
XL
Ort, Namen und Charakter der Subscri-
benten,
Palzig.
Herrv. Paczkowski, JMajor und Landes-
Aeltester ....
Peitz.
,;, Schindler, Oberpfarrer , . ,
Fohle.
„ Gedan, Pfarrer . ♦ . .
Prefske bei Budissin.
„ Stud. theol, Lips. Raeck
Pritzen.
„ Bronisch, Pfarrer , , ,
Pulzkau.
„ M. Petri, Pfarrer , , ,
Reichenau.
,, Franz, Pastor subst. . , «
Ruhland.
„ M. Berger, Oherpfarrer . ,
„ Dr. Berger, Diaconus
Sagan.
„ Kallenbach , Pastor
„ Nehinig, P. P.
Druckp.
Schreib p.
XLI
Ort, Namen «nd Cliarakter der Subscri- Druckp.
beuten.
Sali gast.
Herr M. Streckfufs, Pfarrer , , 1
„ Salomo, Schulmeister , , , 1
Schreibp.
Schmochtitz.
Herr Ruick, Rittergutspachter
Schmölln.
„ Palmer, Pfarrer . , ,
Schön born.
„ Böhmel, Pfarrer .
Schönfeld bei Calau.
„ Patrunky, Pfarrer ,
Schwarz-Colm.
„ M. Stempel, Pastor
„ Kopf, Schulmeister ,
Sedlitz.
„ Böhme, Schullehrer
Senftenberg.
„ Blankenberg, Amtsarzt und Kasten-
vorsteher .... 1
„ Bräunig, Königl. Rentmeister , 1
„ Buschik, Gerichtsamts-Actuar , 1
„ Cunradi, Oberlehrer . ♦ , 1
„ During, Kaufmann ... 1
XLII
Ort, Namen und Charakter der Subscri-
benten,
Senftenberg.
Herr Fleischer, Hilfslehrer . ,
„ Herrmann, Bürgermeister .
j, Kahlenl)erg, Königl. Premier-Lieu-
tenant .....
„ Krüger, Protocollführer , .
„ Kupz, Accisinspector und Justiz-
Commissar ....
„ Lamprecht, Cand. des Predigtamts
5, Mehnert, Apotheker , ,
j, Post, Archiuiaconus «
„ Richter, Cantor , . ♦ .
,, Schiemenz, Diaconus und Prediger
zu Sedlitz .....
„ Schneider, Rector
„ Schneider, Rathskäinmerer . .
„ Schneider, Kaufmann .
„ Scliuster, Cand, des Predigtamts
„ Zote], Königl, Gerichtsamtmann .
5, Zschieschke, Candidat des Predigt-
amts
Sergen bei Cottbus.
„ Albin, Schullehrer . » .
Sonnevvalde.
Frau Gräfin zu Solms- Sonnewalde
Spremberg.
Herr Helmricht, Superintendent
„ Müller, Diaconus .
Druckp.
Schreibp.
JVLHI
Ort, Namen und Cliarakter der Subscri-
bcnti'ii.
Soliia bti Budissin.
Andreas Liebuscli, Gartennahrungsbesi-
tzer und Königl, Accise- Ein-
nehmer
Druckp,
Schreibp,
Sorau.
Herr Donath, Oberlehrer ,
„ Erler, Diaconus ....
„ Franz, S. . , , . . ,
„ Julien, Buchhändler
„ M. Kirchner, Archidiaconus
„ Reichenbach, Pastor Prim. und Su-
perintendent , , ♦ ,
„ Riecke, Oberlehrer , . ,
,, Röfsler, Auscultator
„ Scharbe, jetzt in Kasan kaiserlicher
Professor der Antiq^uitäten ,
Triebel.
„ M. Staufs, Oberpfarrer .
Uhyst.
„ Schulze, Pfarrer , , , .
Ukro bei Luckau.
„ Danziger, Candidat des Predigtanits
Vetschau.
„ Malin, Polizei-Director ,
„ Spann , Oberpfarrer , ,
XLIV
Ort, Namen und Charakter der Subscri-
beuten.
Vetschau.
Herr Wedel, Arcliidiaconus » ,
Warthe bei Künigswarthe.
„ HauTsmann, Schullehrer
Wendisch Lieske.
„ Hönzka, Schullehrer » i
Wendisch Soino.
„ Hensel, Pfarrer . ♦ , .
Druckp.
Schreibp.
Werben.
„ Po ^- Pfarrer .... 1
„ Daiiif, Candidat des Predigtamts . 1
Wilthen.
Lehmann, Pfarrer
♦ « ♦
Wittichenau.
„ Donath , Schuldirector
„ Nicolaides, Cooperator
„ Serbin, Capellan .
„ Schneider, Schullehrer
„ Waury, Oberpfarrer
Wuischke.
Herr Walde, Oberförster
XLV
Ort, Namen und Cliarakter der Subscri
beuten,
Zittau.
Herr Bergmann, Stadtrichter ,
„ Ferber, Candidat des Predigtamts
und Lehrer an der allgemei-
nen Stadtschule ....
„ Flössel, Candidat des Predigtamts
und Lehrer an der allgemei-
nen Stadtschule . .
„ Geifsler, Predigtamts-Candidatui>d
Lehrer an der allgem. Stadt-
schule .....
„ Mag. Haupt
„ M. Jentsch, Protodiaconus
„ Lindemann, Dir. Gymnas. , ,
„ Ludwig , Katechet und Zuchthaus-
prediger . ♦ . .
„ M. Pescheck, Diaconus . , ,
„ Peschek, Stadtgerichts-Actuar
„ Püschel, Stadtrath . , *
„ Ruckert, Lehrer am Gymnasium
ZüUichau.
„ Jacobs , Lehrer . . ♦ ♦
„ V. Schöning, Königl. Landralh ,
,, Steinbart, Director . . *
Tzschecheln bei Forste.
Herr Schelz, Pastor , , , .
Druckp,
Schreibp.
1
1
1
1
1
1
1
1
npr
Camenz. (Nachträglich.)
Herr Scab. Gräve . , ♦ .
„ Stadtrichter Hansel . .
Berichtigungen und Verbesserungen.
Seite 1. Z. 19. lies Iiöclisteii
„ 3. Z. 12. 1. Mytheiialters
„ 6. Z. 7. 1. Es
5, 6. Z. 13. 1. uttv
„ 7. Z. 20. 1. häusliche
„ 10. Z. ?. 1. Trefflichkeit der Moral,
„ 12. Z. 11. 1. früher
,, 19. Z: 20. 1. Grodik
„ 24. Z. 17. 1. gelegenen
„ 28. Z. 22. 1. dic(ßo}.og
„ 39. Z. 35. 1. 7. Juni
„ #7. Z. 18. 1. Conglonierat
„ 48. Z. 9. 1. in den Stürmen der Zeit
„ 53, Z.'29. adde auch
„ 65. Z. 20. 1. ?re, ^re.
„ 91. Z. 3. 1. Gum-hi-inen
„ 93. Z. 22. 1. Sümpfenburg,
„ 100. Z. 22. 1. ono.
., 101. Z. 36. J. Kosow.
,', 131. Z. 29. ]. Itfelmen
„ 146. Z. 12. 1. y.ovi?
„ 146. Z. 16. 1, Silesia.
„ 166. Z. 14. 1. die Seelen
„ 241. Z. 3. 1. Tromberg
'„ 256. letzte Zeile, ist nach dem letzten Worte hin-
zuzufügen : „Idee lag aber dieser Göttin, die vor-
„zugsweise den Namen Göttin führte, zu Grun-
„de? Diese Idee war ohne Zweifel ursprünglich
„eine vielumfassende, und begriff alle -die Ele-
„mente in sich, welche sich in der alten Mond-
„göttin fanden. In dieser alten,[vielumfassenden etc.
„ §58, letzte Zeile der Note 1, spätere .
Einleitung.
I» Name der B e r g r e 1 i g i o n.
A.
L-uf einer ziemlich hohen, nicht erwarteten Stufe
eines rehgiösen und moralischen Lebens finden wir das
Menschengeschlecht schon in dem fernsten Alterthume.
Ohne es zu untersuchen, in wie langer Zeit dasselbe zu
seiner Religion , Moralitiit und Humanität gelangt ist,
deren Betrachtung noch uns , die wir in dem himmli-
schen, unsere religiöse und sittliche Kraft mächtig an*
regenden und stärkenden, Lichte der Christusreligion
wandeln, im hohen Grade anzieht und mit Bewunde-
rung erfüllt, bleibe ich nur bei der ünläugbaren histo-
rischen Thatsache stehen, dafs schon in sehr fernem Al-
terthume die Menschen einer sublimen Naturreligion zu-
gethan waren, welche man, weil die Berge in dersel-
ben eine so viel umfassende Bedeutung und eine so grofse
Geltung haben, die Bergreligion des Alterthums nennen
kann. Der Hauptgegenstand dieser Religion waren aber
nicht anfänglich die Berge selbst, sondern die Sonne
und der Mond , die auf Bergen , diesen ersten Wohn-
plätzen der Menschen und diesen nächsten irdischen an
die ätherische Welt grenzenden Punkten, göttlich ver-
ehrt wurden.
1
II. Entstellung der Bergreligion.
J-Jafs die Menschen gleich anfangs der Sonne und
dem Monde göttliche Verehrung zu erweisen anfingen,
dies wird uns nicht wundern, wenn wir erwägen, wel-
chen mächtigen Eindruck der Anblick dieser beiden Him-
melskörper auf den Menschen macht , und welchen wohl-
thätigen Einflufs ihr Licht auf die ganze Natur , inson-
derheit aber auch auf die Menschen hat. Wenn die er-
sten Menschen bemerkten , dafs sich der im unbeschreib-
lichen Goldglanze strahlenden Morgensonne nicht nur die
Pflanzenwelt kindlich zuwandte, sondern dafs dieselbe
auch Tausende der sie umgebenden Thiere in freudigen
Chören jubelnd begrüfsten, so darf es uns nicht auffal-
len, dafs auch die Herzen der in der freien Natur le-
benden und dieselbe lebendig anschauenden Menschen
ihr in Freude, Liebe und Dank entgegenschlugen, und
dafs sie zu dem hehren, wohlthätigen Tagesgestirn, wenn
dasselbe an dem azurnen Bogen des Himmels seine glän-
zende Bahn in Majestät und Herrlichkeit zu wandeln
schien und Millionen Geschöpfen zahllose Segnungen
spendete, mit tiefer Adoration hinauf blickten. Die auf
den freien Spitzen der Berge am Morgen erschollenen
Hyninen der Menschen verstummten indefs, und ihnen
so wie den Freudentänzen folgten gewöhnliche Tagesbe-
schäftigungen. Doch während derselben vollendete das
hehre, bewunderte, göttlich verehrte Gestirn seine Bahn
am Himmelsbogen , und indem die Gipfel der höchsten
Berge zuletzt von seinem Lichte erglänzten, so glaubten
die sich im Kindesalter befindenden Menschen: es begebe
sich dort gleich dem müden Sterblichen, nachdem er des
Tages Last und Hitze getragen hat, zur Pvuhe. Von dieser
Vorstellung rühren noch jetzt die in der Volkssprache übli-
chen Ausdrücke: die Sonne geht heim, ^ die Sonne geht
zu Bette etc. * her. Dunkel und Finsternifs senkte sich
1 To Sswonzo dorn dze,
2 Lp soIpü se coiiche.
— 3 —
nun auf die hochgelegenen Wohnungen der Erdbewohner
und Wehmuth erfüllte ihre lebendig fühlenden Herzen.
Doch, siehe! bald erglänzte im Osten von Neuem der
ferne Gesichtskreis von einem zwar nicht so starken, aber
doch auch erfreulichen Lichte, und erhellete das traurige
Dunkel der Nacht. Es war der Vollmond mit seinem
zarten, sanften Schimmer, der nun zu leuchten begann.
Nicht so mächtig durch sein Licht und durch seine auf
die Pflanzen - Thier - und Menschenwelt einwirkende
Kraft war dies Gestirn, als das verschwundene Gestirn
des Tages. Und deshalb erblickten die Menschen des
fernsten Mittelalters in ihm den Charakter des schwä-
cheren Weibes so wie sie in der Sonne den, dem Weibe
vorschreitenden, starken, muthigen Mann erblickt hat-
ten. Weil aber auch das sanft leuchtende Gestirn der
Nacht für sie wohlthätig war, und weil es ihnen insbe-
sondere die nächtlichen Geschäfte erleichterte, deshalb
erkannten sie auch in demselben eine Gottheit, der sie
nicht minder Verehrung schuldig zu seyn glaubten, als
der Gottheit, die sie am Tage beglückt hatte. ^ Ja fast
3 Die Religion der Menschen war anfänglich nicht ein star^
rer, trostloser Pantheismus, sondern eine agnitio et adora-
tio numinum duoruni, saepissime in nnnm conjunctorum^
a natura diversorum et supra naturani elatorum. Erst
späterhin sankeil die Menschen durch die Annahme ir-
discher Repräsentatiohen der Sonne und des Mondes hie
und da zum Pantheismus herab. Nannte man auch durcli-
aus Menschen, Thiere, Pflanzen und sogar Minerale mit dem
Namen der Sonnen- und der Mondgottheit, oo hielt man
sie selbst doch nicht fiir Götter und Göttinnen, sondern
man wollte nur dadurch andeuten , dafs man sich dieselben
unter der besondereil Herrschaft der einer!, oder der andern
Gottheit dachte. Öätte man sich z. B. eine Linde (lin-ide)
wirklich als eine Mondgöttin gedacht j so würde es die
grofse Religiosität des Alterthums nicht gestattet haben, ir-
gend einen Lindenbaum zu fällen und zu verbrauchen. Mit
den heiligen Linden z. B. in Preufsen hatte es in späteren
Zeiten eine andere Bewandnifs. Diese waren consecratae,
weil unter ihnen die Idone der Mondgöttin, oder des Mond-
gotts standen, oder gestanden hatten, und so wie man heut
1*
— 4 -
alle nordisch e Völker erwiesen in spateren Zeiten dem
Monde sogar mehr Verehrung, als der Sonne, und stei-
gerten, sich mit den Vorstellungen der südlichen Völker
in Widerspruch setzend, seine weibliche Natur zur
männlichen.
III. Innere Beschaffenheit, oier Dogmen
und Moral ^er Bergreligion»
vv ie die Dogmen und die Moral der Bergreligion in
der ersten Zeit beschaffen waren, läfst sich freilich
bei dem gänzlichen Mangel an schriftlichen Schilderun-
gen derselben nicht genau bestimmen. Bei diesem Man-
gel an vollständigeren schriftlichen, über die anfängliche
innere Beschaffenheit der Religion der Menschen spre-
chenden Belehrungen , ''■ läfst sich nur auf dem Wege
der abstrahirenden Betrachtung, der ersten, von den
Menschen verehrten Gottheiten, der Sonne und des
Mondes, so wie durch Abstraction von dem, was uns
von dem vorgeblichen Wirken der alten Gottheiten in
späteren Schriften und durch Traditionen dunkel ange-
vor einem Altare eine heilige Scheu hat, so achtete man
auch die besonderen, geweiheten Linden hoch. So verhielt
es sich auch mit den heiligen Fliederbäumen und Eichen»
so wie mit ganzen heiligen Hainen, in welchen späterhin
die arae der Gottheiten waren. Die heiligen nemora und
lucus waren nicht eigentliche Objecte dei' Adoration , son-
dern sie wurden nur deshalb für heilig geachtet, weil man
glaubte, dafs , da in denselben die Götterbilder aufgestellt
waren, in ihnen die Gottheiten wohnten,
4 Die alten Religionsschriften der Indier gehören nicht nur
ihrer Form, sondern auch der Materie nach, einer späteren
Zeit an, obgleich sie sehr alt sind, und obgleich z. B. die
erste schriftliche Aufzeichnung von Menu's Gesetzen wahr-
scheinlich lange vor Solon und Lykurg Statt gefunden hat,
Vergl. William Jones Vorrede zu Jilenus Verordnungen XIII.
Weimar, 1797.
deutet wird, ein, wenn auch nur sehr unvollständiges,
S}stem der Glaubens- und Pflichtenlehre der alten Berg«
religion bilden. Es ist nicht zu bezweifeln, dafs gleich
anfangs die Beschaffenheit der Sonne, wie sie dem Beob-
achter im kindlichen A-Ienschenalter erschien, Veranlas-
sung zur Bildung mancher Glaubenslehren gab. Dem
beobachtenden Verstände des Menschen drängte sich näm-
lich bald die Wahrnehmung auf: dafs der Sonne eine
grofse Kraft eigen sey; dal's sie tausendfaches Leben zu
entwichein , zu erhalten , und wenn es zei'stört war , wie-
der neu zu bilden vermöge. Insonderheit sah der mit
Aufmerksamkeit die ihn umgebenden Dinge betrachtende
Mensch, dafs durch die Kraft der Sonne die Pflanzen
aufkeimten und gediehen, und dafs, waren sie durch die
Kälte des Winters abgestorlien, die Frühlingssonne dieselbe
Gattung wieder aus den Fruchtkörnern entwickelte. Durch
diese Betrachtungen gelangte der Mensch zu der Ueber-
zeugung, dafs der Gott, welchen er verehrte, ein sehr
mächtiger Schöpfer und Erhalter der Dinge wäre. Und
indem er das Leben des Menschen mit dem Leben dei:
Natur verglich, gelangte er, ohnedies schon mächtig ge-
trieben von dem lebendigsten Wunsche seines Innern,
bald zu der frohen beglückenden Ahnung, dafs auch
sein Leben eben so wenig völlig untergehen werde, als
das Leben der Thier- und Pflanzenwelt. Obgleich der
nachdenkende Mensch bemerkte, dafs er nicht nur von
den ihn umgebenden Dingen abhängig war, sondern dafs
auch in ihm gewisse mächtige Naturtriebe walteten und
ihn oft zu seinen Handlungen mächtig fortrissen und be-
stimmten, so sah er doch auch bald, dafs ihm noch ein
besonderes Verrnögen eigen wäre, sich für das, was er
als nützlich, erspriefslich , heilsam und seinem Verhält-
nisse zu der von ihm verehrten Gottheit, so wie dem
Pflichtgesetze in seinem Innern entsprechend, mithin als
recht und eut erkannt hatte, frei zu bestimmen. Früh-
zeitig gelangten demnach die Menschen zu den grofsen,
viektmfassenden Ideen, Gott, Unsterblichkeit und Frei-
heit. Nicht minder bildete sich auch höchst wahrschein-
lieh der Glaube aus, der sich auf das Verhältnifs der
verehrten Gottheit zu den Menschen bezog.
In diesem Betracht erschien den Menschen die Son-
ne, wenn sie sahen, dafs dieselbe sie wärmte, sie durch
ihr Licht ergötzte, sie durch ihre Wirkungen nährte und
erhielt, bald als ein liebender Vater, der treu für seine
Kinder sorgt und wirksam ist. Er war die Idee der Liebe,
die sie in der Sonnengottheit personihcirt erkannten. Und
merkwürdig ist es, dafs mehr als eine der mir bekannten
Hauptsprachen den Act des Liebens durch den Ausdruck
Sonnengottseyn bezeichnen. So heifst das italische amare
(am-are), das hebräische "p'CiTi (kasch-ak) und das
griechische ayanav (ha-ga-pa-Xetv) Sonnen- oder Berg-
gott seyn. Obgleich das deutsche Wort lieben ( lin-ev-en)
und das wendische lubowacz) (lun-buh-acz) Mondgöttin-
und Mondgottseyn bedeutet, so widerspricht doch dies
keinesweges der Existenz des erwähnten Glaubens und
bezeugt nur, dafs schon in alten Zeiten bei den Deut-
schen und Slaven der Mondcultus vor dem Sonnencultus
vorgeherrscht hat. So sehr man aber im Alterthume
überzeugt war, dafs der Sonnengott über Alles mit Macht
und Weisheit herrsche und dafs er alle Menschen mit
Liebe umfasse, so glaubten einzelne Völker, dafs ihr
Sonnengott, den sie gewöhnlich auch mit einem beson-
deren Namen benannten (Bram, Tor, Mars, Swantowit,
Janus, Saturn etc.) ihr Herr, ihr Piegierer und Führer
sey. Nach ihrem Glauben leitete er sie auf ihren Zügen
gegen ihre Feinde und auf ihren Wanderungen aus einer
Gegend in die andere. Jeder Sonnen- oder Berggott be-
stimmte die Grenzen seines Landes und seines ^Volks,
und wenn Einzelne seines Volks in Handelsangelegenhei-
ten zu Lande und zu Wasser weite Reisen machten , so
führte er auch diese Theile (Karavanen, Kauffahrer) des-
selben. Selbst die Seelen der Dahingeschiedenen, die
unter der Leitung des Mondgestims standen, rief er
nach der dunklen Todesnacht zu dem Lichte der Aufer-
stehung. Obgleich durch seine grofse Kraft nicht nur
die Menschen, sondern auch alle Thiere ihr Leben em-
pfingen, so würdigte er doch nur die grofsen Thiere sei-
ner Regierung, und insonderheit waren der sich zu der
Sonne empor schwingende Adler, das edle Streitrofs, der
muthige Stier, der riesige Elephant und der königliche
Leu seine Lieblinge, in deren Bildern er noch jetzt zürn
Theil den christlichen Völkern Europa's ungekannt vor-
steht. ^
Dem als Schöpfer und Weltregierer so wie auch
Völker- Führer erscheinenden Sonnengotte stand seine
Geliebte und Gemahlin, die Mondgöttin, als treue Freun-
din und Helferin bei , und wenn der in weiter Ferne in
hoher Majestät und Herrlichkeit thronende Sonnengott
sich mehr um das Ganze kümmerte (praetor haud cu-
rat miniina ) , so näherte sich die Mondgüttin mehr den
Sterblichen und sorgte gleich einer guten Mutter für das
besondere "Wohl und Heil eines jeden Einzelnen. Führte
der Sonnengott die kriegerischen und unternehmenden,
sich in die Ferne wagenden Männer, so stand die Mond-
göttin besonders dem friedlichen , häuslichen , Thätigkeit
und Wirthschaftlichkeit übenden weiblichen Geschlechto
vor. Während ihr Gemahl sich im "Winter aus deiii
Norden nach dem Süden entfernte, um auch die ent-
fernten Völker durch seine Macht und Liebe zu beglü-
cken, hatte sie daheim im kalten Norden die Regent-
schaft und übergab ihm im Frühliiige wieder die Regie-
rung. Ihre Herrschaft offenbarte sich vielfältig in dem
Leben der Menschen. Bei seiner Geburt förderte sie
den Menschen ans Licht des Erdenlebens; sie sorgte für
5 Die Symbole, die sich auf den Kriegsfahnen der niehresten
Völker finden und unter die auch der Halbmond der Tür-
ken (Tur-uken — Tür-üken, d. h. Menschen, die [früher]
hohe Gegenden bewoluiten) gehört, stammen aus der heid-
nischen Zeit her. Der lateinische und wendische Name
Turka hat eine umgekehrte männliche Endung, die in der
regulären Form Tur-ak so wie von Persa (der Perser)
Per-as lauten würde.
— 8 —
seiue erste Nahrvtng durch die Mutterbrust. Sie entwi-
ckelte in dem mannbaren Jünglinge und in dem aufge-
blühten Mädchen die Gefühle und die Sehnsucht der
Liebe; sie kündigte die Hochzeitfeier an, ordnete die
Hochzeitgebräuche und gab den ehelich Verbundenen gute
Regeln. Durch ilne eigene eheliche Treue munterte sie
die Ehegattinnen zur Treue gegen ihre Ehegatten auf,
bestrafte buhlerische Künste und lehrte die Mütter die
Mutterpflichten gewissenhaft üben. So wie sie für die
Hausfrauen durch ihre Thätigkeit und durch ihren Fleifs
ein Vorbild in einem jeden Hause war, so standen auch
in einem ganzen Staate die Wissenschaften und Künste
des Friedens unter ihrer Leitung und unter ihrem Schu-
tze. Bei nächtlicher Weile umschwebte sie den stillen
Aufenthaltsort des Denkers und des Schriftstellers. Sie
erfand die Buchstabenschrift, diese wohlthätige Erhalte-
rin und Verbreiterin der Gedanken des Weisen und des
Menschenfreundes, und lehrte die Gesetzgeber, dem
Volke heilsame Gesetze zu geben, Ueber die Aufrecht-
haltung der Landesgesetze wachte sie und bestrafte die
geheimen Verletzungen der Menschenrechte und der hei-
ligen Vorschriften der moralischen Gerechtigkeit. Die
durch des Pächters Spruch zur Todesstrafe Verurtheilten
fielen ilirem Regimente zu, so wie die in der mörderi-
schen Feldschlacht Getödteten. Mit mütterlicher Sorg-
falt wachte sie über die Gesundheit der Menschen. Sie
vvgrnte die Unvorsichtigen, und wenn ein Mensch in
eine Krankheit verfiel, so suchte sie ihn durch auf dem
Gebirge gesuchte Heilkräuter so wie durch andere dem
gewöhnlichen Menschen verborgene Naturkräfte wieder
zur Genesung zu. verhelfen. Schon im Voraus beklagte
sie das Loos der Todtkranken und nahm nach ihrer
Auflösung ihre Seelen in ihr dunkles Reich auf. So wie
sie die Hochzeitgebräuche vorschrieb, so ordnete sie auch
die Gebräuche bei der Bestattung der Verstorbenen. Die
Gläubigen ermahnte sie der Religion der Väter treu zu
bleiben, und späterhin wähnte man, ihr die Feinde des
Vaterlandes und der vaterländischen Religion opfern zu
— 9 —
müssen. Waren die kurzsichtigen Sterblichen wegen ih-
res künftigen Geschicks besorgt und sehnten sie sich
nach einer Andeutung desselben, so war es vornämlich
die Mond- oder Berggöttin, welche ihnen die erfragte
Auskunft gab. Wenn der Sonnen - oder Berggott den
Menschen eine Providentia generalis war, so war ihnen
die Mondgüitin eine Providentia specialis und specialissi-
ma. Die Mondgüttin lehrte auch die Menschen, die von
dem Sonnengotte erzeugte Nahrung zu suchen ; sie lehrte
sie den Acker- Garten- und Weinbau 50 wie auch die
Benutzung der Hausthiere und der Thiere des Waldes
(Diana, Dziwiza, Dziwanna etc.). Gern gönnte sie so
wie ihr Gemahl den Menschen den Genufs unschuldiger
Freuden, ja der schuldlose Freudengenufs war ein Theil
der ihr angenehmen Verehrung. Mit ihrer Fürsorge um-
fafste die Berggöttin auch die Thiere. Sie sorgte für die
Nahrung derselben, bestimmte die Grenzen der weiden-
den Heerden und sicherte durch unausbleibliche, harte
Strafen den Besitz der Weidegrenzen. Unter ihrem be-
sonderen Schutze standen die jungen Hausthiere und das
Milchvieh, und in manchen Gegenden repräsentirten die
späteren Geschlechter sie selbst durch das Bild der Kuh,
in welcher Repräsentation sie ihnen bekanntlich ein Sym-
bol der Mutter der Götter, der Menschen und der Thiere
war. Unter ihrem Regimente standen auch die niederen
Berge, die Hügel, die Laubwälder (lucus), die Wiesen
(li-uki), die Luge (lacus), die Quellen (Ku-hellen)
die Flüsse und Ströme in den niederen Gegenden (Li-
ubjo d, h. die Elbe und Lena — Len-aena in Sibirien)
die Perlen (Mar-gar-ita oder isa, Meer -Bergwesen),
und die in den dunklen, tiefen Räumen der Berge be^
findlichen Erze,
Es läfst sich vermuthen, dafs, da die Glaubensleh-.
ren der alten Bergreligion sich durch einen gewissen lo-
gischen und moralischen Gehalt vortheilhaft auszeichne-.
ten, auch die Pflichtenlehre dieser Religion nicht ver-
werflicher Natur war, sondern dafs sich dieselben eben-
— 10 —
falls durch ihre Trefflichkeit auszeichnete. Von der
Trefflichkeit der alten Bergreligion verkündigen uns frei-
lich auch nicht vollständige Beschreibungen derselben,
wenn man emige indische Gesetzsammlungen, welche
aber doch auch einer späteren Zeit angehören, nicht als
solche gelten läfst, sondern nur einzelne hie und da auf-
bewahrte schriftliche Nachrichten und insonderheit die
löblichen Sitten , die bei denjenigen Völkern , welche
am längsten der alten Bergreligion treu blieben, sich
erhalten haben. So geben uns griechische und römische
Schriftsteller die Nachricht: dafs in fernem Indien die
gerechtesten (ÖLKaiozaToi) Menschen gewohnt haben,
und dafs Oberägypten und insbesondere die Abyssini-
schen Alpen, auf welchen sich noch lange Ueberreste
der uralten Bergreligion erhielten, als Unterägypten
schon dem niederen Fetischismus huldigte, der Wohn-
sitz hominum justissimorum gewesen ist, zu welchen
selbst Jupiter in gewissen Zeiträumen reisen mufste, um
von ihnen Gerechtigkeit zu leriien. Indem aber die
griechischen Schriftsteller die Anhänger der alten Bergre-
ligion Sr/.OiLOTCiTss nennen, so wollen sie dadurch andeu-
ten, dafs sie alles Gute und Löbliche treuer übten, als
die Verehrer des modernen Fetischismus, und dafs sie
insonderheit die viel umfassenden Gesetze der Gerechtig-
keit und Humanität heilig hielten. Auf eine edle Mo-
ral der alten Bergreligion läfst auch die Sage der alten
Hu gadarn - Religion in der englischen Provinz Wales
(Wal -es, Bergland) schliefsen, in welcher (vergl. Ge-
schichte des Heidenthums von Mone II, p. 491.) heilst:
„das Volk, welches Hu nach Wales gebracht, war einer
„von den drei guten Stämmen, weil sein Führer das
„Land nicht durch Gewalt und Unterdrückung besitzen
,, wollte, sondern durch Gerechtigkeit und Frieden. Hu
„war auch eme von den Kräften, die der Tyrannei wi-
„derstrebten, weil er sein Volk von Defrobani brachte,
„aus dem Lande ewiger Feindschaft. Er war auch ei-
„iier von den drei Seegengebern, weil er sein Volk den
„Ackerbau lehrte, ferner einer von den drei grofsen
— 11 —
„Werkmeistern, weil er sein Volk in gesellschaftliche
„Ordnung brachte. Er bestimmte als einer von den drei
„Meistern des Gesangs die Dichtkunst zur Bewahrerin der
„Wissenschaft etc." Von dem edlen Charakter der Moral
der alten Bergreligion geben auch die lobenswerthen Sitten,
die sich bis in spätere Zeiten bei den treuesten Anhän-
gern der Sonnenreligion, namentlich bei den Slaven und
Germanen, erhalten haben, Zeugnil's, Insbesondere spricht
dafür das, was uns von der Achtung der Keuschheit, der
Heilighaltung der Gastfreundschaft, der Sicherheit des
Besitzes des Eigenthums, der Unterstützung der Unglück-
lichen und der persönlichen Sicherheit eines jeden Ein-
zelnen erzählt wird. Noch gab es damals, als man sich
zu dieser Religion bekannte, nicht Reiche und Mächti-
ge, die ihre ärmeren und schwächeren Mitmenschen zu
beklagenswerthen Sklaven machten. Die Saturnalien der
Römer waren ein lieblicher Nachhall jener besseren,
längst verschollenen Zeit, wo noch gleiche Freiheit und
gleiches Recht alle Sterblichen beglückte, und wo derje-
nige, welcher viel erworben hatte, mit demjenigen sei-
nen reichlichen Besitz brüderlich theilte, der wenig be-
safs und zwar weil er dies dem Gesetze der (moralischen)
Gerechtigkeit angemessen fand.
Die vorstehend angedeuteten 'Glaubens- und Pflich-
tenlehren ^ bildeten sich indefs nicht gleich anfangs so
vollständig aus , sondern diese Ausbildung geschah zum
Theil in einer späteren Zeitperiode. Angenommen kann
indefs werden, dafs das Sublimere und Edlere in den
Dogmen 'und in der Moral der Sonnenreligion sich
schon in der ersten Periode derselben ausbildete und dafs
sich in der späteren Zeit mehreres Verwerfliche in die
6 Sie sind von den Schilderungen der einzelnen Gottheiten,
deren Ideen doch sehr alt waren, wenn auch ihre Repräsen-
tationen einer späteren Zeit angehörten , abstrahirt.
— 12 —
Lehren ihres Glaubens und ihrer Pflichten einschlich.
Hieher gehört vorzüglich der verderbliche, obgleich aus
tiefer Religiosität entsprungene , Wahn : dafs man der
Gottheit, um sich die Gunst derselben zu erwerben,
selbst Menschen, und oft gerade die geliebtesten, zum
Opfer bringen müsse. Tausende von Kindern, welche
den Eltern das Theuerste und Liebste waren, bluteten
durch diesen Wahn neben den Thieren der Heerde und
des Waldes auf den Altären der Gottheiten, die anfäng-
lich gar keine materiellen Opfer gefordert zu haben schei-
nen, und die sich späterhin nur mit den Weihfrüchten
der Flur und des Gartens begnügten.
In der Moral walteten zwar auch noch späterhin
die guten Elemente der msprünglichen Bergreligion;
aber die Gerechtigkeit wurde schon nicht mehr so voll-
ständig geübt, als früher. Zwar war die Sklaverei noch
nicht überall herrschend, oder war doch nur milder
Art; aber die Reichen und Mächtigen scheuten sich doch
nicht die Aermeren und Niederen für sich arbeiten zu
lassen und sie geringer zu achten, als sich selbst. Heilig
gehalten wurde noch die Sicherheit der Fremden, inson-
derheit des fremden R.eisenden, und das Recht der Gast-
freundschaft, aber die Gerechtigkeit gegen Heimische so
wie die Sittenreinheit und Sitteneinfalt verschwand im-
mer mehr, und vornämlich fing die uralte Feier des in-
nigen (vermeintlichen) Geschlechtsverhältnisses der Son-
ne und des Mondes als Mann u^nd Frau in wilde, schwel-
gerische Bacchanalien auszuarten. Hart bewies man sich
insonderheit gegen die gefangenen Feinde, welche man
zum Theil den blutdürstigen Göttern opferte, die übrigen
^ber zu harter Sklavenarbeit verdammte,
— 13 —
IV. Aeufselre Beschaffenheitj oder Cul-
tus der Bergreligioil.
iiis ist mehr als wahrscheinlich, dafs die Verehrunor
welche die Menschen anfangs der Sonne und dem Mon-
de erwiesen, eine sehr einfache, zugleich aber eine sehr
lebendige war. Bei dem Aufgange der Sonne begrüfsle
man den himmlischen Flerrscher und Wohlthäter alltäg-
lich, oder doch zu gewissen Zeiten, nicht hur mit den
lebendigsten Herzensgefühlen, sondern auch mit dem
lautesten Jauchzen. Dieses Jauchzen ergofs sich in hoch-
tönende Preis- und Dank-Hyixmen und endigte in see-
lenvollen Freudentänzen. ^ Materielle Opfer, zum min-
desten nicht blutige, wurden noch nicht dargebracht.
"Wenn die Personen des männlichen Geschlechts sich
verpflichtet fühlten j am Morgen dem Herrn des Tages
ihre Huldigungen darzubringen, so stimmten dagegen die
Personen des weiblichen Geschlechts am Abend ihre Lob-
lieder der himmlischen Frau an^ und nur an bestimm-
ten, der Sonne und dem Monde zugleich geltenden Fe-
sten waren die Adorationen beider Geschlechter coiri-'
binirt.
Je mehr sich aber in der Folgezeit die geistigen
Kräfte der Menschen ausbildeten und je mehr sich diö
7 Sein- verschieden war späterhin das obscöne Springen der rö-
mischen Luperci von den uralten religiösen Tänzen dieser
Priester, und wie sehr unterscheidet sich das jetzige Tan-
zen der indischen Devadassi oder Devadaschi vor dem Wa-
gen des Jagernat von den uralten religiösen Tänzen auf den
Anhöhen und Gebirgen Hindostansi Die Menschen sind iil
der Folgezeit in religiöser und sittlicher Hinsicht gefallen,
und sie sind aus dem Zustande der Unschuld in den der
Verderl)theit getreten. Die religiös und moralisch gefallene
Welt bedurfte im hohen Grade der radicalen Reform und
Correction, zu welcher die ChristusreligioM si& zu führen,
von dem Allbarmherzigen und Heiligen bestimmt ist.
— 14 —
Bestrebungen derselben vervielfältigten, desto weniger
begnügten sie sich mit dem einfachen und wie es scheint
ganz idollosen , das Herz und Gemüth erhebenden reli-
giösen Cultus. Getrieben von der lebendigen Sehnsucht,
den himmlischen Herrschern und Wohlthätern des Tags
und der Nacht näher zu seyn, zogen sie dieselben zu-
nächst gleichsam zu sich und zu ihren Wohnungen, die
anfangs bei der sumpfigen Beschaffenheit der Niederun-
gen vorzüglich Anhöhen und Berge waren, herab. Aber
erhaben und grandios waren die ersten Idole, durch wel-
che sie sich die Himmlischen vergegenwärtigten. Die
von dem Sonnenglanze schimmernden Bergfelsen und
Felsensäulen, die man gewöhnlich mit einem schützen-
den Walle umgab, machte der Glaube des Alterthums
zu der Wohnung und Heimath (dom, dum, syra, sora,
porich) der Berggottheit (Sonne und Mond), obgleich
die arae beider auch oft dergestalt getrennt waren, dafs
die Wohnung des Sonnengotts auf dem höheren Theile
des Felsengebirgs , der Mond aber auf dem niederen ver-
ehrt wurde"). Diese Berggottheit verehrte man nun nicht
mehr durch blofse Herzensgefühle, Lobgesänge und Freu-
dentänze, sondern auch durch materielle Opfer. Später-
hin aber, als die geistige Cultur der Menschen immer
höher stieg, und als die Combination und Industrie der-
selben zunahm , fingen sie ah , der Sonne und auch
dem Monde grofse, Staunen erregende Felsentempel
mit ungeheuerer Kraftanstrengung und mit bewunderns-
würdiger Geschicklichkeit in natürliche Felsenberge zu
arbeiten. Ueberreste solcher Felsentempel sind ohnstrei-
lig jene den , wahrscheinlich aus Indien herstam-
menden, Troglodyten zugeschriebenen Urternpel Nu-
biens, Abyssiniens und Oberägyptens, die kräftige,
hochreligiöse Generationen gewifs dort nicht, wie fälsch-
lich behauptet \vird , deshalb errichteten , um sich ge-
gen die Sonnenglut und gegen die erstickenden Süd-
winde und SandschoUen der Wüste zu sichern. Ein sol-
cher ßergtempel war ohnstreitig ferner das bekannte
15
Labyrinth (lan-bi-rin-ith, Mondgöttingebäude) auf der
Insel Greta, und auch auf der Insel Sardinien (Sar-din-
ia, Bergland) und Corsica (cor- oder gar-asica, klei-
nes Bergland) finden sich scheinbare Ueberreste von ur-
alten Bergtempeln. Vornämlich ist die ganze Halbinsel
von Vorder -Indien, mit uralten Tempeln, die in Fel-
sen gehauen sind, angefüllt, so weit das felsige Ghaut-
gebirge reicht, und noch lange nicht sind sie alle, diese
Wundergebäude, erforscht. Auf der kleinen Insel Ele-
phante, der Stadt Bombay gegenüber, ist ein grofser,
in Felsen gehauener Tempel, nebst vielen Nebengemä-
chern, der 120 Fufs lang und breit ist, und dessen
Decke auf hohen, aus dem Felsen gehauenen Säulen
ruht. Seine Wände sind mit Bildwerken oder Reliefs
bedeckt, die so erhaben sind, dafs die Figuren fast ganz
hervortreten, und nur mit den Rücken am Felsen han-
gen; welches beweist, dafs sie so alt, als der Tempel
selbst sind. Auf der ohnfern von Elephante liegenden
kleinen Insel Salsette (Salsen-ette, waldiges Bergland)
ist ein hoher Berg, der durchaus ausgehöhlt ist. Der
eine darin befindliche Tempel hat 34 Säulen, und zwei
andere haben mehrere Stockwerke über einander; un-
zählige Grotten sind um sie herum. Merkwürdig ist es,
dafs sich hier auch Inschriften finden, die einer ganz
unbekannten Sprache angehören. Noch Staunenerregen-
der sind die berühmten Grotten von Ellore (hei -höre,
Mondstadt) mitten in Indien, in den Ghauteebirgen,
und namentlich in dem Felsengebirge, welches ein Huf-
eisen bildet, dessen Enden eine halbe Meile von einan-
der liegen. Grotten an Grotten sind in diesem Gebir-
ge und manche haben zwei bis drei Stockwerke. Der
gröfste dieser Felsentempel ist so grofs, dafs mehrere
unsrer Hauptkirchen darin Raum fänden. Wenn es
auch eine Uebertreibung ist, dafs, wie die Braminen versi-
chern, diese Wunderwerke fast 8000 Jahre alt sind, so ha-
ben sie doch unläugbar ein sehr hohes Alter, so wie auch
jene Indien eigenthümliche Monumente von Mavalipuram
— 16 —
auf der Küste von Coromandel, sechs Stunden südlich
von Madras. Die Felsen sind hier von oben bis unten
zugehauen und haben dadurch die sonderbarsten Formen
von Thürmen, Domen und dergleichen, die auch zu
Grotten ausgehöhlt sind, erhalten. Auf einem dieser
Felsen sieht man einen ungeheueren Sitz, den man den
Königsthron nennt, der aber aller Wahrscheinlichkeit
nach nicht der Thron eines irdischen, sondern des himm-
lischen Herrschers, des Sonnen- oder Berggottes war.
In diesen grofsartigen Tempeln stellte man nun schon
Idole der Sonne und des Mondes unter dem Symbole
des Mannes und des Weibes, des Stiers und der Kuh
dar, und brachte ihnen Früchte, Thiere und später so-
gar Menschen zum Opfer. In und neben diesen imagi-
nären W^ohnsitzen der Sonnen- und Mondgottheit schlu-
gen nicht nur die das Volk regierenden Priester und
Priesterinnen , sondern auch späterhin , als die Theokra-
tien und Hierarchien aufhörten, ^ die Fürsten und Kö-
nige ihre Wohnungen auf, und selig wurde ein jeder
gepriesen, deiiin der Nähe, oder bei dem Gotte oder
der Göttin im Leben und im Tode seyn konnte. Aus
den wunderbaren Felsen- Domen machten die Götter den
fragenden kurzsichtigen Sterblichen ihren Willen und das
Zukünftige durch den Mund ihrer Lieblinge und Diener,
8 Theokratien und Hierarchien scheinen überall den militä-
rischen und bürgerlichen Autokratien vorangegangen zu
seyn. Der rohe Mensch, welcher der menschlichen Aucto-
rität schwer gehorcht, unterwirft sich leichter der göttli-
chen. Die Hierarchien wurden gröfstentheils für die Völ-
ker wohlthätig. In manchen Ländern bestanden die Hie-
rarchie und die weltliche Herrschaft lange neben einander.
Wo man die Macht der Hierarchie zu sehr beschränkte (z,
B. in Griechenland), da verschwand der wohlthätige Ein-
flufs der Religion., und es entstand ein niederes sinnliches
Volksleben, das weder die Sätze der Philosophen, noch die
Künste der Politik, noch die Zauber der Aesthetik zu he-
ben vermochten.
- 17 —
der Priester, kund, vind von hier aus emanirten im Na-
men der Gottheit die Gesetze für das Volk, welches die
Wörter vofiog, ' lex, Irr'n^n, Sakon (San-akon), die alle
etwas von den Bergen Herstammendes bedeuten, bezeu-
gen. Aber nicht überall errichtete man solche künstli-
che Werke zur Wohnung der, nach dem damaligen
Glaviben in den Bergen und auf den Bergen wohnenden
Gottheiten, wie in Indien, wo sich die Kräfte des Men-
schen, begünstigt durch ein glückliches Klima und durch
die Fruchtbarkeit des Bodens, frühzeitig zu einer Be-
wunderung erregenden Höhe entwickelten, und wo die
Civilisation schon im fernem Alterthume eine hohe Stufe
erreichte. Lange blieb man anderwtärts bei der ersten
Einfachheit des Sonnen- und Mond-Cultus. Auf Ber-
gen und Anhöhen , wo die Natur Felsensäulen und Fel-
senaltäre errichtet hatte, versammelten sich die Familien
einer Gegend des Morgens beim Aufgange der Sonne,
und des Abends beim Aufgange des Mondes, und brach-
ten den himmlischen Wohlthätern ihre frommen und
dankbaren Huldigungen dar.
Indefs entfernte man sich auch in späteren Zeiten
in andern Gegenden von dem erwähnten einfachen Dien-
ste der Götter, nachdem man auch hier den Glauben
recipirt hatte, dafs die Götter in den Bergen wohnten
und dafs diese selbst Götter wären. Auch anderwärts
höhlte man bald mehr, bald weniger mit Felsen be-
deckte Berge aus und richtete in denselben unterirdische
Grotten zu , aus welchen noch in späteren Zeiten den
Fragenden die Götterantworten ertönten. Eine solche
grob künstliche Einrichtung hatte ohnstreitig der Berg
Tomarus bei Dodona oder Budona (beide Namen bedeu-
ten eine Bergstadt) in Epirus; der Bergfelsen Zu Cumä
in Campanien; der sogenannte Frageberg bei Meschwitz
9 ro/to's und lex können durch Pi"oduct, Werk, Lehre der
Mondgottheit ül)ersetzt werden, iTT^Tl und Sakon aber durch
ein ErzeuG;uirs des Sonnengotts.
2
— Ib —
:n der Oberlausitz, der Hochstein oder Sibinnenstein bei
Elstra mit der Sybillen- oder Sibinnenhöhle , der Kott-
marsbers bei Lbbau und andere Berge, auf welchen eine
Bers'sottheit aufgestellt war. Wo in späteren Zeiten die
Bersbewohntr ihren Aufenthalt auf den unfruchtbaren
Anhöhen und Bergen aufgaben und sich zum grofsen
Theile in die niederen fruchtbareren Gegenden begaben,
behielten sie zwar noch das Bild des Bergcultus bei, mo-
dificirten denselben aber auf verschiedene Weise. Dies
thaten die oberägyptischen Bergbewohner, welche nach
und nach die niederen Geg-enden Aegyptens, welche
nach H-erodots Zeugnisse ein Geschenk des Nils waren,
in Besitz nahmen.
Der Anhänglichkeit der Bebauer des niedei-en Theils
von Aegypten an die Bergreligion verdanken wir die Kar-
yatiden (gar -hin-atiden, Nachbildungen der Berggott-
heiten), die Collosse (col-osen, Bergwesen, Berggötter),
die berühmte Memnoassäule (Mem-non-as, Repräsenta-
tion der Sonnen- und Mondgottheit), der grandiosen
Stadt Theben, der sogenannte Pallast von Karnak (gar-
nan-ak, in der Niederung gelegener Ort), mit der zu dem-
selben führenden Allee von Löwen - und Widderköpfen
(Bildern der Berggötter) ihre Entstehung. Auch die Py-
ramiden (bir-ham-iden, Berggöttingebäude) scheinen ein
Product der in die Ebene verpflanzten Glaubensideen
der alten Bergreligion zu seyn und Aehnlichkeit mit den
indischen Monumenten von Mavalipuram zu haben. Al-
lem Vermuthen nach repräsentirten diese ägyptischen
künstlichen Fe'^enberge, die Pyramiden, die Berggott-
heit, vorzüglich den weiblichen Theil derselben, und die
mumisirten Leichname der Verstorbenen nahm , nach
dem alten Glauben . die Mondgöttin in ihr dunkles Reich
auf. Als Sphinx ( vor der Pyramide des Chephrenes) be-
wachte diese Göttin die Verstorbenen. Nur die Macht
religiöser Ideen, welche in dem Mittelalter den Münster
zu Strasburg, den Elisabeththurra zu Breslau und den Ste-
phansthurm in. Wien errichtete, vermochte die ägyptischen
Wunderbauwerke nach dem Typus der wirklichen Berg-
— 19 —
felsentempel aufzuführen, vorzüglich da dieselbe hierar-
chische Antriebe und fürstlicher Wille unterstützten. Eine
noch frühere Repräsentation der Berggottheit, insonder-
heit des Sonnengotts, waren in Aegypten jene Stein -
riesen die Obelisken (Hon-bel-isken, kleine ßerggotts-
wesen ) , die man mühsam in den Steinbrüchen aus den
Felsen losnieil'selte, abglättete und noch in späteren Zei-
ten, als Aegypten schon dem Fetischismus sich ergeben
hatte, wie die Greife und Sphinxe in Skythien, als Sym-
bole schützender Gottheiten vor den Pallästen der Gro-
fsen so wie vor andern wichtigen Gebäuden aufstellte.
Als man in der Lausitz den Cultus der Bergreligion in
die ebeneren Gegenden versetzte, so entstanden daselbst
die noch vorhandenen Götterburgen oder Rodzischczen, '"
10 In dem südlichen Tlieile der Oberlausitz finden sich meh-
rere Rodzischczen z. B. hei Dobruschau am rechten Spree-
ufer, bei Logau , Gröditz u. s. w. Die Rundschanze bei
Möllendorf, ohnweit Finsterwalde, nennen die dortigen deut-
schen Einwohner Kratig, welches eine Corruption des wen-
dischen Diminutivs Grodix oder Grodzik d. h. das Schlöfs-
chen (von grod das Schlofs) ist. Von den ursprünglich aum.
religiösen Behuf schon in fernem Alterthume aufgeführten
Grodzischczen, oder Rodzischczen sind die, bald höheren,
bald niedrigeren , oft mehrere Stunden weit sich hinziehen-
den Erdwälle, wie der grofse Römerwall bei Senftenberg,
die man mit einem corrupten Namen Lanfter (Landwehr-
wälle, Grenzdämme) nennt, verschieden. An diesen fin-
den sich auch hie und da Rundschanzen z. B. bei Dro-
chow und Costebrau ( die sogenannten römischen Keller ),
westlich von Senftenberg. Auch diese Rundschanzen waren
nicht etwa militärische Fortificationen, sondern auf densel-
ben waren Götteridole aufgestellt. Bezeichnete der Erdvvali
die Landes - , oder die Militärgrense des Landes , so war
auf dem, an demselben befindlichen, Bodzischczo ein Son-
nengott, oder später ein Mondgott (Flins, Mercur etc. auf-
gestellt. War aber der Erdwall nur die Begrenzung eines
Weidegebiets, so war es angemessen, an demselben hie und
da das Idol der, die Verletzung der Weidengrenzen bestra-
fenden, Göttin Nemisa, oder der Gottheit Henilo^ufzustellen.
0*
— 20 —
von denen manche hoher, andere niedriger sind, deren
Errichtung aber auch Kraftanstrengungen, obgleich nichts©
grofse wie die Erbauung der ägyptischen Pyramiden, er-
fordert hat. Die Wenden nennen diese, meistens runde
und länglich runde , zum Theil ziemlich hohe, von kräf-
tigen Menschenhänden aufgeworfene Erdwälle oder Schan-
zen Rodzischcza, welches grofse Schlösser bedeutet. Die
Deutschen nennen diese rohen Bauwerke, in deren Wäl-
len ■man schon Getreide, Opfesgeräthe , grofse Getreide-
Reibsteine, wohlriechende Harze und dergleichen gefun-
den hat, gemeiniglich Schweden- oder Suevenschanzen.
So wenig man den Namen dieser Bauwerke von den
Schweden, die im dreifsigjährigen Kriege in der Lausitz
hie und da in Lägern standen, ableiten darf, eben so
wenig geradezu von den germanischen Sueven, deren
Zweig Völkerschaften wohl bis hieher reichten. Der Name
Sueven ist von dem Namen der um Christi Geburt hier
wohnenden Sueven (Tacitus nennt sie Suevorum Sem-
nones) völlig unabhängig, und bedeutet Berg- oder Son-
nen-Gebäude, Tempel.
Die spätere Zeit, welche die Bedeutung der Wörter
der Sprache der Bergi-eligion (Ursprache) nicht mehr
kannte, glaubte dem Worte Sueven eben so noch das
W^ort Schanzen hinzufügen zu müssen , als sie den alten
Ortsnamen das Wort Dorf anhing iind aus Herms oder
Her-men-es, Hermsdorf, aus Gers (ger-es) Gersdorf,
aus Irgers (hir-ger-asoderes) Irgersdorf u. s. w, machte.
Auf den genannten Lausitzischen Sueven (sun-even oder
isen) verehrte man wahrscheinlich lange vor der christli-
chen Zeitrechnung die Sonne und den Mond ohne Sym-
bole und später durch sehr einfache S}'mbole. Später-
hin, und namentlich in der Zeit vor der Einführung des
Christenthums , wo schon auch hier der Bilderdienst nach
dem Vorgange der Griechen und Römer, Platz gegriffen
hatte, stellte man auf den Sueven oder Rodzischczen das
Bild einer männlichen oder weiblichen, oder einer gy-
nandrischen Gottheit auf, und übte daselbst den vorge-
— 21 —
schriebonen relij^iösen Cultus. Die Rodzischczen waren
deiunach in der Tliat Göticrburgen, Göttersitze, die Kir-
che und das Emporium, so wie der Wallfahrtsort der
Umgegend. So wie man es im Alterthume im Leben für
eine grofse Auszeichnung und für ein hohes Glück hielt,
der Gottheit sich nähern zu dürfen und ihr nahe zu seyn,
so wünschte man auch nach dem Tode bei ihr zu ver-
weilen. Daher rührt es, dafs man in der Lausitz in
den Rodzisczen und an den Rodzischczen die Marachen,
(Mar-achen, hohe Plätze, Todtenplätze) oder Begi-äbnils-
stätten findet, und dafs, wie schon bemerkt, die Pyra-
miden Aegyptens mit Mumien angefüllt sind. In der
(späten) Periode des Fetischismus erbaute man den Göt-
tern hölzerne und steinerne Tempel, welche unsern Kir-
chen ähnlich waren. Diese Tempel waren in den Ge-
genden, wo die Wissenschaften und Künste blüheten,
Producte dieser höhern geistigen Cultur, mithin ästhe-
tisch und prächtig; in andern Gegenden aber, wo die
ästhetiche Cultur weniger Fortschritte geinacht hatte, min-
der schön und herrlich. Aesthetischer und herrlicher wa-
ren die Tempel der griechischen Hauptstädte und die Tem-
pel Roms, als die Tempel der Slaven vor der Einführung
des Christenthums zu Arkona , Retra und Juliura , vmd
an diesen Orten wieder schöner als der slarische Tem-
pel in der Stadt Jüterbog ^^ so wie dieser doch noch
11 Ein ehemaliger Diaconus zu Jüterbog, Namens Ambrosius
Hanneniann, giebt in seiner, 1617 gehaltenen und 1619 in
AVittenJjerg gedruckten Jubelpredigt folgende Nachricht von
diesem Tempel. Noch jetzt, berichtet er, findet man auf
dem Neumarkte (zu Jüterbog) einen runden Hügel, auf
welchem die Bewohner dieser Vorstadt nach einer alten Sit-
te, bei feierlichen Hochzeiten Tänze halten. Dieser Hügel
(Rodzik) trug einst einen wendischen Götzentempel. Von
einer solchen heidnischen Entstehung ösr Stadt hat auch
Anzeige gegeben das uralte Templein , welches ohngefähr
nur vor vierzig und etlichen Jahren ist eingerissen worden,
darin der heidnische Götzendienst der wendische)! Morgen-
— 22 —
solider war, als die hölzernen gottesdienstlichen Gebäu-
de in Sarmatien.
V. Perioden der Bergreligion.
In dem Vorgehenden ist schon angedeutet worden,
dafs es mehr, als eine Periode der Bergreligion gegeben
hat. Mit Grund kann man zwei Hauptperioden der Berg-
religion annehmen, nämlich 1. die Periode der "Vereh-
rung der Sonne und des Mondes ohne Idole, 2. die Pe-
riode des Sonnen- und Mondcultus mit Idolen, die aber
nur in Felsentempeln, Felsensäulen, Obelisken, Colossen,
Greifen, Sphinxen und andern grofsartigen Symbolen be-
standen. Es läfst sich durchaus nicht genau bestimmen:
wie lange eine jede dieser Perioden überhaupt, und wie
lange sie in einem gewissen Lande, z. B. in Babylonien,
Arabien, Aegypten, Thracien, Italien u, s. w. gedauert
hat. Höchst wahrscheinlich ist es, dafs die erste Periode
göttin (? vergl. hinten Propilaga und Jutry) soll gehalten
worden seyn. Dies Templein ist in der Länge, Breite und
Höhe bis an das Dach recht viereckigt von Mauersteinen
aufgeführt gewesen, hat oben ein Kreuzgewölbe und darü-
ber ein viereckig zugespitztes Dach gehabt, Die Thüre oder
Eingang von Abendwärts ist 2iiedrig gewesen , also, dafs man
im Eingehen sich etwas bücken müs.sen. Es hat auch keine
Fenster gehabt , sondern nur ein rundes Loch , mit einem
starken eisernen Gitter verwahrt , gegen Morgen und zwar
genau gegen den Sonnenaufgang zur Nachtgleiche, so grofs
als der Boden von einer Tonne ohngefähr, dafs das Licht
hat hinein gehen können. Also habe ichs von mehreren
Personen, die noch am Leben sind, beschreiben hören. (Aus
einer, 1817 bei Dieterici in Berlin zum Besten einer wieder-
herzustellenden Kirche in Jüterbog gedruckten Broschüre:
Tezels Ablafskasten, der die Glaubensreformation erzeugte,
an seinem Standorte zu Jüterbog p. 1—4.)
— 23 —
der Ber^^religion in Skythien, Thracien, Griechenland
und Italien noch fortdauerte, als Indien, Bahylonien,
Nubien und Aegypten schon in die zweite getreten wa-
ren, so wie es ausgemacht ist, dafs in Sarmatien ^' und
Germanien die zweite Periode der Bergreligion noch nicht
vorüber war, als Indien und Aegypten schon lange der
niederen Idololatri oder dem niedei-en Fetischismus hul-
digten. Ohnstreitig irrt man sirh, wenn man behauptet:
dafs die Jezidi bei Diarbekir und die Schemsioh bei
Mardin, diese vmversöhnlichen Feinde der Türken in
Kleinasien, noch die Bergreligion der ersten Periode be-
kennen. Sie sollen zwar die Sonne und den Mond durch
Abnahme der Turbane beim Auf- und Niedergang der
Sonne verehren; aber man weifs doch nicht, weil sie
keinem Mohamedaner und Christen den Zutritt in ihre
gebirgigen, heimathlichen Bezirke gestatten, ob sie nicht
gewisse Idole der Sonne und des Mondes haben. Haben
sie keine Idole der Sonne und des Mondes, so ist es mir
wahrscheinlich, dafs sie zu der Anzahl der persischen
12 Als die Bildnisse der drei (späteren) preufsisclien Haupt-
götter in den Blenden des dicken Stammes der heiligen Eiche
an der Ramowe, an welcher der neue (skandinavische) re-
ligiöse Cultus errichtet wurde, aufgestellt wurden, so wun-
derten sich die alten Landeseinwohner darüber, weil sie frü-
her noch kein Bildnils eines Gottes gesehen, (neque in ul-
lam humani oris speciem assimilare ex magnitudine coe-
lestium arbitrantur (f. Tacitus germ, c. IX.), sondern nur
Sonne und Mond angebetet und für ihre Götter gehalten
hatten. Dies erzählt Lucas David, ein Rath des Markgra-
fen und Herzogs zu Preufsen Bd. I. p. 26. rergl. Johannes
Voigt Geschichte Preufsens von den ältesten Zeiten bis zum
Untergange der Herrschaft des deutschen Ordens L Bd. S.
SSO. — Eine ähnliche Verwunderung mochte überall ange-
regt werden, wo die Priester die (spätere) Idololatrie (Fe-
tischismus) einführten. Durch die Einführung der Götter-
bilder in mensclilicher Gestalt wurde der religiöse Cultus
mehr als früher an gewisse Orte (Rom-owen) gleichsam
gebunden.
— 24 —
Sabaer gehören. Die Jezidi sollen Religionsschriften ha-
ben ; aber in diesen iliren Schriften soll- kein anderes
gütUiches Wesen genannt werden, als Scheitän und Eesa.
Dem Scheitän (Satan) erweisen sie gröfsere Ehre, erzählt
Bughingham in der Beschireibung seiner Reise durch Sy-
rien und Mesopotamien (vergleiche 37. Theil der Biblio-
thek der neuesten Reisebeschreibungen) als dem Eesa,
und übersetzt Eesa durch Jesus. Aller Wahrscheinlich-
keit nach verstehen sie aber unter Eesa die Henesa, oder
die Berggöttin. Sollte ihnen aber in der That Eesa Je-
sus seyn, so wäre dies ein Beweis, dafs sie sich Jesurn
als einen Mondgott vorstellen, der nicht derselben hohen
Ehre würdig sey, als der alte Berggott Scheitän, welchen
die Palästinenser und Phönizier Satan oder Siton (Sin-
iton, Berggottheit) nannten. Bekannt ist es, dafs die Je-
zidi dem syrischen Patriarchen, der in einem, ohnfern
ilires Gebiets gelegenem, Kloster residirt, ihre Erhaltung
verdanken. Dieser Patriarch nahm sie nämlich in seinen
Schutz , und versicherte , dafs sie zu seiner Glaubenspar-
thei gehörten, als der Sultan Murad in seiner fanatischen
Erbitterung gegen alle Idolen-Verehrer befahl, die Jezidi
Scunmtlich zu tödten, weil sie keine Anhänger des Buchs
d. h. weder Christen noch Muhamedaner waren. Die erste
Periode der Bergreligion repräsentirt in Italien der Gott
Janus, (Janas, Berggott) der noch, nach der Sage, eine
Zeit lang mit dem Saturn zugleich regierte und der sich
von Menschenopfern rein erhielt, während Saturn seine
Kinder (durch Menschenopfer) frafs. Verrnuthlich erhielt
sich die idollose und Menschenopfer verabscheuende alte
Bergreligion noch einige Zeit in den Gebirgsthälern der
Apenninen (han-pen-inen) und der Alpen (Hal-apen)
als man in den niederen Gegenden Italiens schon der
späteren Sonnenreligion zugethan war. Wahrscheinlich
ist der edle, noch von den späteren Bewohnern Italiens
sehr verehrte Janus, der nach einer urahen Sage unter
dem Namen Hercules die Alpen überstieg und den man
späterhin aus Unkunde der Sprache der Bergreligion den
— 25 —
Hercules grajus '^ nannte, die alte Bergreligion, die emf
dem Landwege aus dem Oriente nach Italien kam, und
Pan, (Buh-lian, Berggott) diejenige, die späterhin aus
Alrika und aus dem griechischen Archipel auf dem See-
wege einwanderte. Schrecken verbreiteten anfangs die sich
zu der Pan -Religion bekennenden fremden Colonisten
unter den friedlichen Einwohnern Italiens. So wohl Ja-
nus als auch Pan waren alte Berggötter, und wohl nur
die spätere Zeit stellte sie unter Symbolen dar. Das Sym^
hol, itnter welchem man den Pan repräsentirte, war der
Bock, welcher eben so gut das zeugende Prinzip bedeu-
tete, als der Apis ^* in Aegypten. War Pan wirklich
ein alter Berggott, so haben diejenigen, die ihm später-
hin, Geilheit zuschrieben, den Charakter des fernen Al-
terthums nicht richtig aufgefafst. Sie wähnten, dafs, weil
späterhin die Feste der alten Berggütter, ßachanalien ge-
nannt, Veranlassungen zu zügellosen Ausschweifungen ge-
worden waren, dieses von jeher so gewesen sey, und dafs
man von Alters her hohe religiöse Freudengenüsse mit
niederen Sinnengenüssen verwechselt habe. Obgleich die
Römer späterhin den Jupiter als obersten Gott verehrten,
so blieb doch der alte italische Berggott Janus, den man
freilich nur einseitig Kriegsgott nannte, ihr Führer wie
den Galliern und Germanen Mars, den Scantinaviern
Tor, den Wenden Swantowit u. s. w. Bekanntlich öffne-
ten die Römer beim Anfange eines Krieges, wenn das
Volk dem Feinde entgegen ging, seinen Tempel und
schlössen denselben wieder, wenn sie seiner Anführung
und Leitung nicht mehr bedurften. An der Spitze der
Legionen zog Janus in dem Sinnbilde des Adlers dem
13 Gi'ajus ist höchstwalirscheinlicli durch Corriiptioii aus ga-
rus oder garas d„ h. Berggott, Sonnengott entstanden,
14 Die Endung des Worts Apis zeigt eben so wie die des Na-
mens Jupiter einen Mondgott an, Apis (liapis) repräsentirte
aber einen Sonnengott, obgleich sein Name (pis) nur einen
Mondgott andeutet.
2Ö
Kriegsheere voran. Will man dem Janus -and dem Pan
eine Göttin zur Seite stellen, so mufs es eine solche seyn,
an deren Keuschheit die spätere, lascive, unkeusche Welt
glaubte, folglich die alte Vesta (Buh-esta, oder asa, Berg-
göttin) deren Fackel und ewiges Feuer sie als eine Nacht-
gÖttin charakterisiren , oder die jungfräuliche Minerva,
(Min-her-eva) deren Idee gewifs älter Avar, als die Idee
des modernen Jupiters, aus dessen Gehirne sie, nach dem
späteren Mythus, entsprossen war.
Die zweite Periode der Berg- oder Sonnen- und
Mond -Religion dauerte in Italien (hin-tal-ia, Bergland)
bis zu der Zeit, wo der Saturn -Cultus durch den Jupi-
ter-Fetischismus verdrängt, oder bis Saturn mit einer
Kette fest angebunden wurde. Es blieben jedoch auch
noch in der Folgezeit Reste der alten Sonnen -Religion
in den Gebirgen übrig, welche uns in der Erzählung von
den Satyrn und von dem Silenus begegnen. Der Name
der Satyrn ist aus San, der Berg, und tyr (tor) entstan-
den und tyr bedeutet hier Gott. Die halb thierische und
halb menschliche Gestalt der Satyrn erinnert uns an die
Gewohnheit des Alterthixms, die Götter auch durch Thier-
gestalten zu repräsentiren und an das Bestreben der spä-
teren Zeit , die beiden Arten der Götterrepräsentationen,
die menschliche und die thierische zu combiniren. Nach
der Sage war der ursprüngliche Aufenthalt der Satyrn
jenseits des Atlasgebirges und sie sollen dort bei Nacht
d. h. beim Aufgange der Sonne und des Mondes ein star-
kes Geräusch mit Trommeln und Cymbeln gemacht ha-
lsen; welche in Italien verbreitete Sage anzudeuten scheint,
dafs sich die Sonnenreligion am Atlasgebirge lange erhielt
vnd dafs die Sonnenreligion der zweiten Periode von der
nordarricanischen Küste nach Italien kam. Der itali-
sche Silenus erscheint zwar in der Vorstellung der Rö-
mer als männliches Wesen; aber nach der Etymologie
des Worts ist er eine alte Mondgottheit. Sein Name ist
aaämlich aus Sin-len-us entstanden und bedeutet, wenn
man das fälschlich hinzugefügte us mit es oder is v&c-
— 27 — -
lauscht, Bergmondgöttln. So wie die Sage, dafs Silenus
den Bachus auf seinen Zügen begleitet habe und dafs
die Satyrn, wenn sie ein hohes Alter erreichten, Sileni
genannt worden waren, für das hohe, bis in die erste
Periode der Bergreligion reichende Alter dieser Gottheit
zevigt, so deutet die Nachricht, dafs Silenus der Lehrer
des uralten aus Indien stammenden Bogus oder Bachus
gewesen und auf einem Esel geritten sey, seinen weibli-
chen Charakter an. Das Lehren war nämlich nach den
Vorstellungen des Alterthums den Berggöttinnen eigen-
thümlich, und diese Göttinnen ritten auf den kleineren
Lastthieren, während die, die Völker vmd dieKriegsschaaren
führenden, Sonnengötter die gröfseren, muthigen Rosse
tummelten. Die Cybele, welche die Römer auf den Rath
des Orakels zu Delphi und der Sybillinischen Bücher
aus Phrygien nach Rom holten vmd die sie späterhin
Ops, (hon-buis) Rhea (ren-ea) und magna mater Deüm
nannten, war eine Mondgöttin aus der zweiten Periode
der Bergreligion. Ihre kleinasiatisclie Herkunft deutet schon
ihr Name an, welcher aus Gyn oder Zin und bele (ca-
cuminvTm sive montium dea) entstanden ist.
In südlichem Gallien schlich sich die spätere Idolo-
latrie, oder der Fetischismus früher ein, als in nördli-
chem. Hier dauerte der Sonnen- und Mond-Cultus mit
den Menschenopfern noch zu der Zeit, als Julius Cäsar
die Verwaltung der Provinz Gallien erhielt, fort. Unter
den gallischen Gottheiten hatte einen rein männlichen
Charakter der Mars. Weiblicher Natur waren Minerva
und Diana. Androgynische Gottheiten der Gallier wa-
ren Hercules (Her-cu-len-es) und Apollo ^^ (Han-bol-olo).
15 Das Wort Apollo ist ein sogenanntes altes Neutrum und
bedeutet grofse Berggottlieit (Sonne und Mond). Die la-
teinische Form ist rein und antik ; die griechische ist durch
das angehangene (ov verdorben und gehört einer späteren
Zeit an, wo man sich Apollo nur als Mann dachte. Der
Sonnencultus unter dem Namen Apollo scheint in Griechen-
land einem früheren unter dem Namen Pytho oder Python
— 28 —
Die Germanen (Ger-man, niederer Berge Bewolmer),
und Allemanen (Hal-man-anen, hoher Berge Bewohner),
die sich jetzt Teutschen (Teu-aten oder atschen, von Ten
oder Den der Berg und atschen oder äsen) nennen , wa-
ren noch dem Sonnen- und Mond-Cultus der zweiten
Periode zugethan , als Julius Ciisar seine Legionen zum
ersten Male über den Rhein führte. Es darf uns nicht
wundern, dafs dieser römishe Feldherr in seiner Beschrei-
bung seines gallischen Feldzugs die germanishe Religion
mit der damaligen römischen verglich, und dafs er mit
dem deutschen Mondgott, den italischen Vulcan '^ pa-
(nacli der Fabel eine Schlange) gefolgt zu seyn. Der weib-
liche Theil der früheren Gottheit bestand auch noch spä-
terhin unter dem Namen Pythia. Dem weiblichen Theile
einer androgynischen Gottheit konnte nur die Leitung der
Musen zugeschrieben werden, und diesem war auch der
Wachholder und der wilde Oelbaum gelieiligt. Den männ-
lichen Theil repräsentirten kämpfende Wölfe, schnelllaufen-
de Hirsche, himmelwärts fliegende Habichte und in die
Ferne ziehende Heuschrecken. Dafs die Ableitung des Na»
mens Apollo von d7c6?.Xvfii und dnolvco eben so wenig als
die Ableitung des Namens Sucßokov von öiaßdlXco zulässig
ist, bedarf keines Beweises.
16 Dem Namen nach ist Vulcan ( vul - can) ein Sonnengott und
mit dem russischen Polkan gleichbedeutend. Obgleich die
spätere Zeit sich das Feuer unter der Herrschaft des
Mondgotts dachte, so hatte man doch in Sicilien und Ita-
lien auf dem "Wege einer religiösen Anomalie einen al-
ten Berg- oder Sennengott deshalb zum Beherrscher des
Feuers gemacht, weil auf der Spitze eines hohen Berges,
auf welchem er verehrt worden war, sich Feuer zeigte. Fast
möchte man vermuthen, dafs in uralter Zeit, wo Vulcan als
reiner Sonnengott auf dem Aetna verehrt wurde ( erste und
zweite Religionsperiode), der genannte Berg noch nicht
Feuer spie, und dafs erst später, als der Hauptort seiner
Verehrang ein Feuer speiender wurde, man dem auf der
Insel Sicilien im fernen Alterthume unter dem Namen Vul-
can verehrten Sonnengott zum Beherrscher des Feuers ano-
ijiatisch machte. — Das lateinische Wort vulpes hat in der
ersten Silbe diesel})e Wurzel, die uns in dem Namen Vul-
- 29 —
rallelisiitc. Der spätere Tacitvis spricht von einem deut-
schen Mercur (Genn. c. IX.) und Mars, weU;he Namen
beide aUe, Völker führende Sonnen- und Mond- Götter
der nördlichen Liüider bezeichnen. Die alte, durch ein leich-
tes Fahrzeug repräsentirte Mondgöttin der Deutschen ver-
gleicht Tacitus (c. IX.) der ägyptischen Isis und hält
die Berggöttin der Naharvalen (nin-har-valen, niederer
und höherer Berge Bewohner, oder auch Mond- wnd
Sonnen- Verehrer), welche Alcis (hal-ci-is) hiefs, fälsch,
lieh für den Castor und Pollux. Die Alcis war nämlich
eine androgynische Gottheit so wie die Gottheit, die er
Hertum nennt und die wahrscheinlich die, später am
Harz (har-as oder az ) vorkommende, Gottheit crodo
d. h. grofse Berggottheit ist, bei welcher jedoch, wie bei
vielen nordischen Gottheiten, das Weibliche vorherrschte.
Das, was Tacitus durch die Worte (c. IX.): caeterum
nee cohibere parietibus deos, neque in ullam humani
oris speciem assimilare ex magnitudine coelestium arbi-
trantur, andeutet, bezeichnet ganz die alte hohe Vor-
stellung, welche die Germanen von ihren Gottheiten hat-
ten. Ist die Nachricht gegründet, die uns Tacitus (1. 1.)
giebt: lucos ac nemora consecrant, Deorumque nomi-
nibus appellant secretum illud, quod sola reverentia vi-
dent, so war dies doch nur eine spätere Nachahmung
can begegnet und es bedeutet ein Bergtbier, oder einen
Berghuud. In der wendischen Sprache heifsf der Hund pos
oder poes. Dieselbe Bedeutung liat auch das tzt]^ in dem
griechischen Wort dlcom^^. Das griechische ist jedoch be-
zeichnender, als das lateinische. Ersteres ist aus hal, Ion
und pex oder pes entstanden, und bezeichnet ein Sonnen-
und Mond-Thier (Hund), oder ein Thier, oder Hund, der
zugleicli über der Erde und unter der Erde lebt. Das deut-
sche Wort Fuchs ist weniger bezeichnend und bedeutet nur
das , was das tt/jI in dlcönri^. Das p und f stehen auf der
Lautlinie hart neben einander. Das wendische Wort Lischka
(vulpes) bedeutet ein unter dem Regimenre des Mondes
(li) stehendes, oder ein viel unter der Erde lebendes Thier.
— 30 —
der alten Bergreligion, die jetzt mit den von den Ber-
gen herabgestiegenen Menschen auch in die Ebene (in lu-
cos ac nemora) gestiegen war. Es scheint, dafs die Ido-
lolatrie der Pvüiner und Griechen wegen der kurzen Zeit,
die zwischen der Eroberung eines grofsen Theils des
Landes, der Germanen und zwischen dem Vordringen des
Christenthums an die südlichen und w'estlichen Grenzen
Deutschlands verflols, in Germanien nicht völlig Wurzel
fassen konnte, und zwar um so weniger, als die aus dem
Norden nach Westen und Süden vordringenden deutschen
Völker Anhänger des alten Sonnen- und Mond-Cultus oder
doch nur an eine sehr einfache Idololatrie gewöhnt waren.
Daher hat man so wenig deutsche ästhetische Götterbilder
aufgefunden, und die Inxiensäule, welche Carl der Grofse im
Jahre 772 zerstörie, war eine alte Repräsentation der Mond-
göttin. Bei den Völkern des slavischen Stammes erhielt sich
die Sonnen- und Mond - Verehrung der zweiten Periode
noch lange nach Christi Geburt^ aber später griff auch
hier der niedere Fetischismus Platz, obgleich nicht in
allen Gegenden des grofsen Slavenlandes im gleichen
Grade. Von allen Seiten drang späterhin der Polytheis-
rnus in Slavonien ein; von Osten aus Indien und Sibi-
rien (Jaga Baba der Russen); von Süden aus Griechen-
land und Italien ; von Westen aus dem römischen Ger-
manien und Gallien und von Norden aus Finnland und
Skandinavien. So wie in den ersten christlichen Jahr-
hunderten ^' die daheim verfolgten Häretiker, die Gno-
stiker, Arianer und Nestorianer sich in den Orient flüch-
Es konnte schon die frühe, durch den Apostel Bartholomäus
bewirkte Ausbreitung des Christenthums im glücklichen Ara-
bien, oder bei den 'IvSoig ivöorcctoig, die von jeher mit In-
dien in vielfachen^ vornämlieh nierkantilischen, Verbindun-
gen standen, auf die jetzige Gestaltung des Budhaismus, trotz
allem Widerstandes des, eine niedere Idololatrie, furchtbare
Hierarchie, unerträgliche Despotie und eine unbegründete
Wanderung der menschlichen Seelen in thierische Körper
lehrenden, Bramaismus, einwirken. Der neue Budhaismus
scheint hinsichtlich seiner äufseren Tendenz einige Aehn-
- 31 —
teten und in Persien, Kabul, Beluschistan, Tibet, China
und Indien ein neues Vaterland fanden und dadurch,
dals sie dortige Weise mit ihren Philosophemen bekannt
machten, einen grofsen Einflufs auf die gegenwärtige,
viele christliche Elemente in sich fassende Gestalt des
Budhaismus gewannen , so flüchteten sich auch viele an
dem Polytheismus hartnäckig hangenden Individuen aus
denjenigen Grenzländern , wo das Christenthum herr-
schend wurde, nach Slavonien, verdarben aber dort den
alten Sonnen- und Mond-Cultus, ohne ihn jedoch von
den Menschenopfern zu befreien. Die erwähnte Corruption
des äufseren slavischen Religions-Cultus durch Einfüh-
rung von Idolen in Menschengestalt vermochte indels die
alten Dogmen und die Moral dieser Religion nicht
in dem Maafse zu verderben , wie dies in Aegypten,
Griechenland und Italien der Fall gewesen war und die
slavische, heidnische Religionslehre dient uns jetzt noch
zur Führerin bei der Auffassung der durch die vielfa-
chen, ungereimten Mythen der griechischen und römi-
schen Dichter und Theologen corrumpirten alten Reli-
gions- Ideen. Dafs sich in der slavischen Religion bei al-
ler Einschwärzung des auswärtigen Polytheismus doch der
Glaube an den einen Alles schaffenden und über Alles
mächtig herrschenden Berggott in den ersten christlichen
Jahrhunderten erhielt, bezeugt die Nachricht des Pro-
copius (de hello Goth. lib. III. )> welcher von den Sla-
ven meldet: ^sov nlv yuQ ?vo:, rbv rr^g dßrQCiitiJg dr]f.itovQy6v,
arcccvTcSv kvqiov fiovov dvzuv voi^l^ovclv itvat. Und dais die
Slaven späterhin bei ihrem Polytheismus doch den alten
Glauben an einen höchsten Gott noch nicht verloren
hatten, versichert uns Heimelt (I, c. 83). Dieser be-
richtet nämlich: „die Slaven haben tausenderlei (?) Gö-
tzenbilder, viele mit zweien, drei und mehreren Kö
pfen. Für Feld und Wald, Trauer und Freude ha-
ben sie Gottheiten, aber unter dieser ganzen Menge
bekennen sie Einen Gott im Himmel , der über
lickkeit mit dem Protestantismus , der Bramismus aber mit
dem römischen Katholicismus nnd Jesuitismus zu haben.
32
die andeiii gebietet. Er ist allmächtig (praepotens) una
bekümmert sich blos um das Him.mlische, die übrigen
Götter haben ihre zugewiesenen Geschäfte und stammen
von jenem ab, und sind desto vorneinner, je näher sie
dem Gott der Götter verwandt sind."
Im südlichen Indien verwandelte sich der einfache
und erhabene Sonnen- und Mond-Cultus schon frühzeitig
in niederen Bilderdienst, nicht minder auch in Arabien,
jBabylonien, Phönizien und Unterägypten. Griechenland
erhielt seinen späteren religiösen Cultus, laut der Ge-
schichte, aus Phönizien und Unterägypten, und es ist ge-
wifs, dafs die niedere Idololatrie in beiden genannten
Ländern eingeführt wurde, als Inachus (1970 vor Chri-
stus) und drei Jahrhunderte später Cerops , Cadmus und
Danaus den niederen Idolencultus nach Attika , Böotien
und Argolis durch ihre Colonien brachten und die dor-
tigen Einwohner zwangen, mit ihren unbekarmten Göt-
tern, wie sie Barthelemy in seiner Reise des jungen Ana-
charsis nennt, sich in die Gebirge und nach Nordgrie-
chenland, nach Makedonien (Man-ke-do-onia, Gebirgs-
iand) und Thrakien (thor-akia oder asia, gebirgiges Land)
zurück zu ziehen. So wie in neueren Zeiten Rom und
Italien mit seinem judaisirten und ethnisirten Christen-
thume viele Gegenden der Welt und insonderheit die an-
grenzenden Länder Europa's erfüllt hat, so erfüllte auch
das südliche und östliche Indien einst seine , mit ihm in
vielen Verkehr stehenden Nachbarländer, Arabien, Baby-
lonien, Aegypten, Phönizien u. s. w. mit seinem niede-
ren Idolen-Cultus. In Persien oder Iran (hir-an, Nieder-
land) abrogirte man den alten Sonnen- und Mond-Cul-
tus, (har-rin-man, Gottheit hoher und niederer Berge) der
jetzt auch hier von Idolen nicht mehr frei war, und der
neue Berggott Ormudz (hor-mun-uz) setzte sich mit sei-
nen feineren Religionssymbolen mit dem alten Berggott
(Ariman^^) sowie mit der Idololatrie der östlichen, nörd-
18 Lautete der Name wirklich Ariman , so ist er ohnstreitig
— 33 —
liehen und westlichen Nachbarländer in Opposition, mit
dem idullosen, edlen Jehovah-Cultus in Palästina (Bai-
aus ha, i-i, man entstanden und bezeichnet eine Gottheit
hoher und jiioderer Berge, oder einen Sonnen, (ha, har) und
Mond (ri, rin) Gott (man, deus ). Ist aher das i hinter
ar, oder har ein i euphonisticum, so lautete der Name ur-
sprünglich Ar man (Harman) d. h, Berggott, Sonnengott.
Höchst wahrscheinlich war Harman, die Religion der zwei-
ten Periode, früher durch gnnz Persieii, Medien und Bac-
trien verbreitet, wurde aber später wegen der Menscheno-
pfer, die sie lehrte, und aus andern unbekannten Gründen
in Iran d. h. Niederlande, abrogirt. Dagegen erhielt sie
sich in Turan (Tur-an) oder in den Hochländern noch
lange darauf, und es entstand auch hier eine ähnliche Feind-
schaft zwischen den Anhängern der alten und neuen Reli-
gion, oder, wie naan sagte, zwischen dem Gotte des Nie-
derlandes und des Hochlandes , wie zwischen dem böhmi-
schen Ja^en und Quoz , zwischen dem lausitzi^chen Flius
und Pohan (Datan), zwischen Jupiter und Saturn, zwischeu
Osiris (ho-sir-is d. h. Mondgott) und Typhon (di-phon,
deus montanus) u, s, w. Der Naine Ormuzd, der aus hoi,
und muzd, oder wie die Wenden noch jetzt sagen, muz d,
h. Mann , Gott zusammengesetzt und mit Harman gleich-
bedeutend ist, bezeichnet einen reinen Sonnengott, obgleich
sein Symbol, das Feuer, auf einen Mondgolt hinweist, der
er auch war, wenn man nicht annehmen will, dafs iti Per-
sien, Aegyplen (Plita, Buhda) und bei den aus Aegypten
ziehenden Juden (Feuersäule, Rauchsäule vergl, Exod, 13,
21.) der Sonnengott durch Feuer repräsentirt worden wäre.
Bei aller Verschiedenheit der Dogmen und des Cultus der
Religion des Ormudz und des Ariman glaubten doch die
Verehrer des Ersteren, dafs auch die Anhänger des Letzte-
ren, wenn Ariman nach einer 12,000jährigen Bewohiiung
der Finsternifs besiegt seyn würde, mit ihnen zugleich nach
überstandener Reinigung durchs Feuer, zum Genüsse der
Seligkeit gelangen würden. Zoroaster metaphysicirt den
Ariman und Ormudz und macht zwei einander widerstre-
bende Wesen aus ihnen , deren Idee wir nicht nur einseitig
in der metaphysischen, sondern auch in der (altan) physi-
schen Form des slavischen Bielbog und Zschornobog finden.
Uebef den Ariman (Mond, Finsternifs, Nacht, "Wiater»
Tod, Bosheit, Unseligkeit) und ülber den Ormudi (Soiuie,
— 34 —
astina oder asina) aber in einige Harmonie, In Mexico ^^
und Pei-u bestand der Sonnen- und Mond-Cultus der
zweiten Periode noch, als die Spanier die Reiche des
Montezuma und der Inca's eroberten.
VI. Verhältnifs des späteren Fetischismus
iu der Bergreligion der ersten und
zweiten Periode.
Uer Fetischismus , oder diejenige Religion der späteren
Zeit, welche die Götter und Göttinnen durch künstliche
Licht, Tag, Frühh'ng, Leben, Güte, Seligkeit) stellte Zo-
roaster den Urgott (zeruane akerene) welcher dem indi-
schen Para brama und dem „höchsten" Cotte in Menüs Ge-
setzbuche ähnlich ist. Der Einflufs des Zoroasterismus auf
die spätere jüdische Theologie ist bekannt, aber noch nicht
genug erwiesen ist der frühere wohlthätige Eiuflufs des Mo-
saismus auf den Ersteren,
19 Der mexicanische Sonnen- und Mond-Cultus gestattete auch
Menschenopfer. Es hatte sich jedoch in dem mexicanischen
Reiche unter dem Einflüsse jenes Cultus ein höheres Leben
entwickelt. Von dem hölieren Leben, das schon lange vor
der Eroberung der mexicanischen Monarchie durch die
Spanier in jenem glücklichen Lande waltete, zeugen die
Wunderbauwerke, die mit den ägyptischen verglichen wer-
den können. Die Namen der alten mexicanischen Orte ver-
danken auch ihre Entstehung der alten religiösen An-
schauungsweise der Menschen. — Der Wahn, dafs den Gott-
heiten die, anfangs als Symbol geltende, Opferung der
Feinde sehr angenehm sey, verleitete die Menschen hie und
da zum Verzehren der gefangenen Feinde. Die Menschen-
fresser scheuten sich nicht zur Zeit der Noth, auch ihre
Weiber aufzufressen.
— 35 —
Menschengestalten reprasentirte und diese Repräsentatio-
nen so behandeln lehrte, als wenn in denselben wirklich
eine Gottheit wohnte, war eine Folge des später gesun-
kenen Aufschwungs der religiösen Phantasie der Men-
schen so wie auch ihres späteren gedrängten Zusammen-
wohnens in volkreichen Städten, in welchen ihnen der
frühere hoch -lebendige Sinn für die Natur und ihre
Wunder verloren ging und nur durch eine kalte Con-
templation der Werke menschlicher Kunst compensirt
wurde. Manche haben diese Veränderung in der reli-
giösen Welt für einen Fortschritt zürn Besserem angese-
hen , weil seit derselben die Götter in Menschengestalt
erschienen wären, und weil den Menschen unter den
lebenden Gestalten die des Menschen doch am meisten
anspräche. Eingestehen mufs man aber doch, dals die
frühere Bergreligion durch die Grofsartigkeit und Erha-
benheit ihrer Götter -Repräsentationen den späteren Fe-
tischismus nicht nur übertraf, sondern dafs der ersteren
auch eine bei weitem gröfsero logische Solidität und ein
höherer moralischer Gehalt eigen war, als dem letzteren.
So wie sich der gesunde, kräftige Bergbewohner von
dem kränkelnden, entnervten Städter unterscheidet, so
unterschied sich die Bergreligion von dem späteren Fe-
tischismus. Dieser war, zum Mindesten bei den Grie-
chen, ein trauriges Gemisch vom Alten und Neuen,
Göttlichen und Menschlichen, '^^ Vernunft und Unver-
20 Diese Verwirrung entstand vorzüglich dann, als die Hie-
rarcliien völlig mit dem Staate verschmolzen und diesem
gleicli einer Magd dienstbar wurden. Nachdem die un-
selbstständigen Priester sich zu Schmeichlern der Fürsten
erniedrigt hatten, vollendeten die Dichter diese Verwirrung
um so leichter als das Volk, nach Anweisung der alten Re-
ligion, die Fürsten als Repräsentanten des die Völker zum
Kampfe führenden Sonnengotts zu betrachten gewohnt war.
Vornehmlich verwandelten schmeichelnde Dichter manche
fürstliche Repräsentanten des Sonnengotts, nach ihi-eni Tode, .
in Götter, umgaben ihre Thaten mit dem Nimbus des Wun-
3*
— 36 —
nunft, Sittlichkeit und Unsittlichkeit , Tugend und La-
ster, moralischer Stärke und Schwäche, Versöhnlichkeit
und Rachsucht, und das logisch- und moralisch Halt-
bare , das er besafs , verdankte er zum gröfsten Theile
der alten, von ihm verkannten und verachteten Bergre-
ligion, deren hohen Thron er in seiner zwergartigen Ge-
stalt , wie Jupiter den Thron seines Vaters Saturnus usur-
patorisch eingenommen hatte. So wie in seinen Dogmen
eine traurige Veränderung waltete, so auch insbesondere
in den Genealogien seiner Götter, weil er, irreligiös wie
er war , Götter und Menschen , Religion und Politik mit
einander verwechselte.
Obgleich es nicht geläugnet werden kann, dafs seine
oft ungereimten Mythen für den Dichter, Bildhauer und
Maler einigen "Werth haben, so beleidigen sie doch oft
den Philosophen und sind dem Religiösen ein Gräuel.
Insonderheit entsteht in dem Menschenfreunde, der das
starre Chaos der Religionslehre des späteren ägyptischen,
griechischen und römischen Fetischismus mit Aufmerk*
sarakeit betrachtet und der es erwägt, wie sehr dieser
religiöse Irrthura des moralischen Impulses entbehrte,
hohe Freude, dafs zur rechten Zeit ein Welterlöser er-
schien , durch dessen grofses Erlösungswerk das morsche,
fast keine Sicherheit und keinen Trost mehr gewährende
Gebäude der späteren Mythologie zerfiel, und dafs in
der religiösen Welt eine neue Schöpfung entstand, deren
Betrachtung noch jetzt den religiösen Denker mit Be-
wunderung erfüllt und zur Anbetung stimmt.
devbaren, und das gemeine Volk, welches die ursprüngliche
Bedeutung der Idole verloren hatte, betete späterhin die un-
gereimten Legenden nach.
— 37 —
yil. Entstehung des (metaphysischen)
Dualismus in der Religion.
öchon vom Anfans;© her bestand, wie bereits a-ngedeutet
worden ist, in der Religion ein natürlicher Dualismus.
Man verehrte die Sonne und den Mond, und obgleich
man diese beiden öfters zu einer Gottheit combinirte, so
trennte man dieselben doch auch eben so oft. Aber die-
ser natürliche Dualismus, der sich vornehmlich in den
Symbolen des Mannes und der Frau darstellte, bestand
nicht aus zwei einander feindselig gegenüber stehen-
den Einzelheiten, sondern er war das Bild der in-
nigsten Verbindung zweier zwar specifisch, aber nicht
generisch verschiedenen Wesen; das Bündnifs des Gat-
ten und der Gattin , die treufleifsig die grofse Weltöco-
nomie gemeinschaftlich besorgten. Wie Berg und Thal
sich allmählig verbinden und wie Tag und Nacht mit-
telst der Abend- und Morgendämmerung freundlich mit
einander verschmelzen, so verschmolz auch der ursprüng-
liche Religions- Dualismus in einander. Die uralte Re-
ligion gab demnach den Menschen wenig Veranlassung
zu der späteren Bildung eines metaphysischen Dualismus
in der Religion. Dieser entstand durch die in der mensch-
lichen Natur enthaltenen Bedingungen so wie durch den
Impuls historischer Ereignisse. Das immerwährende Stre-
ben des Menschen nach Veränderung und Verbesserung
erfaTste nämlich auch im Laufe der Jalrrhunderte mehr
als einmal die Religion, diesen ewigen Gegenstand mensch-
lichen Interesses. Denkende Männer machten andere
Religions -Vorstellungen geltend und führten neuen Re-
ligions - Cultus ein, zu dem sich bald viele wandten. An-
dere hielten dagegen an dem Alten fest und veriheidig-
ten oft mit nicht minderem Eifer und Aufopferung das
Alte, als die Reformatoren und Proselyten das Neue.
Auf diese Weise entstanden zwischen den Anhängern des
Alten und zwischen den Bekennern des Neuen Streitig-
— 38 —
keiten, Zwiste und offenbare Kämpfe, die man, weil sie
verschiedene Religionsmeinungen veranlafsten, Religions-
kriege genannt hat. Das aber, was die Menschen in
diesem Falle thaten, schrieb man den Göttern zu und
machte sie zu Urhebern der diesfallsigen menschlichen
Ansichten, Bestrebungen und Werke. Alte und neue
Götter liefs jetzt der Irrglaube einander feindselig gegen-
über treten und je gröfser und hartnäckiger der Wider-
stand war, den die alte Religion der neuen leistete, und
je vollkommener der Sieg war, den die letztere über die
erstere errang, desto böser liefs die Siegerin die' mit
Mühe überwundenen alten Götter erscheinen. Obgleich
man in manchen Ländern die Entstehung dieses Dualis-
mus ziemlich bestimmt nachweisen kann , so kann doch
nicht überall die Zeit des Ursprungs desselben genau an-
gegeben werden. In manchen Gegenden entstanden schon
zwischen den ßekeniiern der Bergreligion der ersten und
zweiten Periode heftige Streitigkeiten. Wo sich aber
die Götter dieser Perioden tolerirten (Saturnus herrschte
mit dem Janus gemeinschaftlich), da entstand doch ge-
. wifs späterhin ein Kampf zwischen den Göttern der zwei-
ten Periode der Bergreligion und zwischen dem niede-
ren Fetischismus (Jupiter vertrieb seinen Vater Saturn).
Spuren des in Rede stehenden Dualismus finden wir
in Aegypten in Osiris und Typhon (Tin-fo-on); in
Griechenland in Zeus vmd in den Titanen, so wie in
den Giganten (Ki-gan-aten, Bergbewohner); in Italien
in Jupiter und Saturn; in Persien in Ormudz und Ari-
man; in Rufsland in Perun und Wolos; in Böhmen in
Jasen und Quoschcz; in der späteren Idee des Bielbog
und Tschernebog bei den Wenden u. s. w.
So verderblich aber auch die späteren Religionszwi-
ste auf die Herzensgefühle der Völker einwirkten und
so sehr sie auch die Ruhe und den Frieden derselben
störten, so waren sie doch auch nicht ohne Nutzen.
Durch sie wurden nämlich die hartnäckig an dem Alten
— 39 —
hangenden Volkslheile, vorzüglich in stark bevölkerten
Gegenden, genöthigt, in andere Länder auszuwandern,
dortige Wüsteneien anzubauen und andern, noch uncul-
tivirten Volkern die höhere Bildung ihres Landes zuzu-
führen. Solche , aus Indien kommende Refugies iriögen
einst die Gefilde von Mittel - Rufsland und Polen bevöl-
kert haben. Flüchtlinge dieser Art waren ohnstreitig auch
die Bekenn er der Hu gadarn- Religion, die aus Defroba-
ni, dem Lande ewiger Feindschaft, nach Wales in Eng-
land zogen.
Obgleich aber die entstandenen Religionsstreitigkei-
ten und Religionskriege in manchen Gegenden gezwun-
gene Auswanderungen der besiegten Glaubenspartheien
veranlafsten , so blieben doch auch nicht selten solche
Glaubenspartheien in ihrem Lande, nur mufsten sie sich
in die Bollwerke der religiösen, und politischen Freiheit,
in die Gebirge zurückziehen. Von hier aus setzten sie
aber den Kampf mit den Bekennern der modernen Re-
ligion fort, und deshalb wurden in späterer Zeit die Na-
men Gebirgsbewohner und Feind Synonyma. Dies be-
zeugt das hebräische "nir (hanar), das griechische ix^Qos,
welches aus hech oder hoch und tor-as zusammengesetzt
ist und einen Menschen bezeichnet, der auf hohen Ber-
gen wohnt. Traurig war gewöhnlich das Geschick der-
jenigen Anhänger der alten Religion, die von den Be-
kennern eines neuen Glaubens durch Waffengewalt be-
siegt und unterworfen wurden. Man wähnte ihnen keine
Rechte schuldig zu seyn, denn sie hatten es ja gewagt,
sich nicht nur den Siegern , sondern auch den Göttern
der Sieger zu widersetzen. Indessen war das Schicksal
der überwundenen Andersgläubigen nicht überall so be-
klagenswerth , wie das der Parias in Indien, der Heloten
(hel-oten, Bergbewohner, Sonnenverehrer) in Sparta
und in der neueren Zeit in mehrfacher Hinsicht der
Wenden in der Lausitz bis zum menschenfreundlichen
Separations- (Emanci'pations-) Edicte vom 2. Juni 1821
Friedrich Wilhelm des Dritten. In Italien namentlich
— 40 —
duldete der neue Jupiter -Fetischismus die uralte Son-
nen- und Mondreligion (Pan) als eine religio pagana
und sylvestris , und gröfstentheils geschah dasselbe auch
im Slavenlande. Diejenigen Völker, welche mit den Be-
kennern einer andern Religion langwierige Kriege führ-
ten, gebrauchten nicht selten die Namen der Götter, de-
ren Religion und Cultus sie bekämpften, als Schimpfna-
men. Merkwürdig ist es, dafs die Deutschen, welche
die Idololatrie ihres eigenen Volks so wie vorzüglich
die Idololatrie der Slaven und Litthauer in langwierigen
Kriegen an der Saale, Elbe, Oder, Weichsel, Pregel
und Niemen bekämpften und diese ruhigen Völker bis
zur höchsten Erbitterung und fürchterlicher Rache trie-
ben , so viele Schimpfnamen haben , die früher Berg-,
oder Sonnen- und Mondgoltheiten bezeichneten. Dies
sind die Namen Rüpel ^^ (rin-pel), Rempel (rem-pel),
Runks (run-ak-as), Schlunks ( Schlunk - as ) , Racker,
(ran-ak-er) und Lunks (lun-ak-as, Mondgott).
Es liegt am Tage, dafs diese Namen nicht sowohl
die heidnischen Götter, deren Religion die christlichen
Deutschen bekämpften, bezeichnen, sondern vielmehr die
hartnäckigen Anhänger derselben, insonderheit ihre Prie-
ster, welche vorzüglich der Einführung des Christenthums
vielfachen Widerstand leisteten. Unter den letztgenann-
ten Widersachern der Einführung der christlichen Reli-
gion mochten sich vor allen die verschmitzten, gelehr-
ten, feinen, in weiblicher Kleidung erscheinenden '"
21 Rüpel (bei) und Rempel sind Mondgötter, oder Mondprie-
ster, £0 wie auch Racker, Runks und Schlunks, bedeutet
einen Sonnengott, oder vielmehr einen groben, aber tapfer
für seinen Gott (Schlonz, Sswouzo, die Sonne) kämpfenden
Priester,
22 Wahrscheinlich recipirten die Wenden Vieles von den äu»
fseren Formen des religiösen Cultus der Germanen , wenn
nicht schon früher dieselben Religionsideen dieselben For-
jnen erzeugt hatten.
— 41 —
(vergl. Tacilus Gevm.XLIII.) Pnester der Mondgöttin, oder
des Mondgolts die Erbitterung der deutschen christlichen Be-
kiünpier des I leiden! hums zuziehen. Daher scheint es zu
rühren, dal's in der deutschen Sprache der Name llal-
lunk ^^ (hal-lun-ak, Priester des Mondgotts) einen In-
besriff von sittlicher Schlechtheit, raffinirter Bosheit und
schändlicher Treulosigkeit bezeichnet. Es waren auch
die verschmitzten, jesuitischen Mondpriester, welche die
Wenden in ihrem mchrhundert jährigen Kampfe gegen
die Deutschen leiteten, die Operationsplane der Letzte-
23 Knautli leitet Hallunk von dem wendischen Worte Hola d.
h. die Heidegegend , Waldgegend ab. Viele haben ihm dies
nachgeschrieben. Der Heidebewohner heifst jedoch im Wen-
dischen Holan und das Diminutiv lautet Holank, nicht aber
Hallunk. Die Holaiiken (vergl. Knauths Geschichte der
Herrschaft Penzig in Kreisigs diplomatischen Beiträgen Th.
IV. p. 347), die alle Nächte auf dem Schlosse Penzig Waclie
hielten, waren ohnstreitig Bauern aus der Klitschdorfer luid
Görlitzer Heide, die bis ins 15te Jahrhundert zu der Herr-
schaft Penzig gehörte. Diese Wächter waren aber gewifs,
wenn auch der Schreiber einer Urkunde ihren Namen in
Holunken verwandelte, weder ihrem Stande, noch dem Gra-
de ihrer geistigen Bildung nach, Halluuken. Wenn auch die We-
gelagerer im liten und 15ten Jahrhunderte in Heidegegenden
vorzüglich ihr Wesen trieben, so doch nicht minder im Ge-
birge. Das Wort Hallunk , das durch ganz Deutschland
verbreitet ist, verdankt gewifs nicht seine Entstehung einer
noch nicht erwiesenen zufälligen Ursache" in der Görlitzer
Gegend und hat ohnstreitig eine andere Bedeutung, als die
eines verachteten (dies deutet hier das Diminutiv an) Hfi-
debauers oder Holank, Behauptete indefs ein Anderer, dafs
Hallunk so viel heifst, als paganus, so kann man ihm dies
eher zugeben, weil derjenige, der dies behauptet, eingeste-
hen mufs, dafs es vorzüglich die Priester (Mondpriester)
waren, welche die Heide- oder Waldbewohner von der An-
nahme des Christenthums abhielten. Aber auch diese Be-
hauptung ist unstatthaft, weil das Wort Hallunk von den
Wenden viel seltener gebraucht wird, als von den Deut-
schen, und weil die Wenden das in Rede stehende Wort nie
zur Bezeichnung eines paganus (Heiden) gebrauchen, son-
dern stets durch Pohan und Tatan andeuten.
— 42 —
ren oft vereitelten, und welche die Slaven, wenn sie
gezwungen worden waren, sich den Deutschen zu unter-
werfen, überredeten, dafs sie nicht nur nicht verpflich-
tet wären, die erzwungenen Tractate zu halten, sondern
dafs sie sich vielmehr das Wohlgefallen ihrer Gottheiten
durch Grausamkeit gegen die Christen, diese habsüchti-
gen Feinde ihrer Nationalreligion und Nationalfreiheit,
erwürben. Diese Priester waren es ohne Zweifel , von
welchen der Erzbischof Adelgott von Magdeburg in ei-
nem Sendschreiben berichtet: dafs sie (vermuthlich in
der stark bevestigten wendischen Stadt Jüterbog, die der
Erzbischof Wichmann ums Jahr 1170 durch Capitulation
erhielt,) oft ausgerufen hätten: ,, Kopfe will unser Gott
„Propilaga haben ; solche Opfer mufs man ihm bringen !"
Bekannt ist es, dafs dem Ruprecht '^'^ Ru- per -echt,
Mondgott) die Idee des Bösen inhärirt, und dals dersel-
be für die Kinder noch jetzt eine symbolische Andeu-
tung des Gegensatzes ist, den das Heidenthum und das
Christenthum bildet. Die Sprache der Wenden hat we-
niger Schimpfnamen, die auf das verschwundene Heiden-
thum Bezug haben, ^^ als die deutsche. Dies rührt da-
24 Die Etymologie des Worts Ruprecht, nach welcher es so
viel bedeuten soll als: Knecht, rupfe recht! ist ehi Irrthum.
Das Wort Ruprecht bedeutet sowohl einen alten androgyni-
schen (nicht gynandrischen) Gott, aJs auch einen Priester
desselben.
25 Die bei den oberlausitzischen Wenden vorkommenden Na-
men Bambor und Bambora, die als Schimpfnamen ge-
braucht werden, bedeuten ursprünglich einen Oberpriester
und eine Oberpriesterin, Dafs aber bam ober und Bambor
einen Oberbor oder Oberpriester bezeichnete, erhellet ohn-
streitig daraus, dafs die genannten Wenden noch jetzt den
Pabst Bamsch (bam-asch oder as) nennen. Den Namen
Bambora giebt man jetzt einer Frauensperson, die viel un-
gereimtes Zeug erzählt, oder (den Unwissenden) zu er-
zählen scheint. Ohne Zweifel war die Bambora anfangs eine
Priesterin einer alten androgynischen Gottheit, die zu ge-
wisseji Zeiten mit dem Bambor zugleich an der ara dersel-
r- 43 —
her, weil den Wenden die christliche Religion aufge-
drungen wurde und weil sie nicht, wie die Deutschen,
die heidnische Religion zu bekämpfen hatten. Ihr Bu-
bak (bu-bog, Berggott) bezeichnet die alte Bergreligion,
■welche schon vor der Einführung des Christenthums mit
dem späteren Fetischismus im Widerstreite stand. Der
bei den Wenden oft gehörte Schimpfname Rapak d. h.
Rabe deutet ohnstreitig eine alte religiöse Repräsentation
feindlicher Ausländer an. Obgleich der Rübezal von den
Lausitzer Wenden gekannt ist und obgleich sein Name
von ihnen nicht selten als Schimpfname gebraucht wird,
so scheint er mir doch nicht ein alter slavischer Gott zu
seyn, sondern vielmehr denjenigen Germanen anzugehö-
ren, die sich nach der Einwanderung der Wenden in
die südöstlichen lausitzischen und in die schlesischen Ge-
birge zurückzogen und dort von den Wenden abgeson-
dert lebten. Als das Christenthum unter diesen Germa-
nen eingeführt vv^virde, so flüchteten sich die standhaften
Verehrer des Rübezal ^^ nach den Höhen des Riesenge-
ben die alten , den späteren Generationen oft ungereimt er-
scheinenden Traditionen, in denen die dem Volksstamme
von der Gottheit erwiesene Barmherzigkeit und Hülfe, in
ungebundener und gebundener Rede, gepriesen wurden, vor-
trug, um die Zuhörer zum Danke gegen die hülfreiche Gott-
lieit und zum Vertrauen auf dieselbe zu ermuntern. Hätten
ein Bambor, der die Grofsthaten des Sonnengotts erzählte,
und eine Bambora, welche die Wirksamkeit der Mondgöttin
pries, ihre Erzählungen, die in der That die Geschichte
des Volksstammes betrafen, schriftlich aufgezeichnet, und
würden diese Aufzeichnungen von späteren Fanatikern nicht
zerstört worden seyn, so würde auf der uralten Geschiclite
der Slaven- Völker nicht ein so crasses Dunkel ruhen. Das
Zeitwort bamboricz ( bambor -icz), welches ursprünglich et-
was sehr Ehrenvolles luid Verdienstliches bezeichnete, be-
deutet jetzt: viel Ungereimtes erzählen,
26 Rübzal (rib-zal) heifst Mondgott. Rib, oder rif heifst ein
niedriger Berg und dann auch der Mond, das zal bedeutet
— 44 —
birges (rin-esen), woher die spätere Meinung entsiandm
ist, dafs Rübezahl seinen Wohnsitz auf dem Päesengc-
birge habe.
VIIL Spuren bisweiliger Rückgänge zu
der Verehr uno; der alten Götter.
Oo sehr inan in der Pvegel da, wo eine neue Religion
eingeführt worden war, die alten Götter verachtete, und
Gott wie Bai, In der secondären Bedeutung bezeichnet Td'ih-
zal einen Priester des Mondgotts. "Wie willkührlicli man
den Namen Rübzal etymologisirt und interpretirt hat, er-
hellet aus der Relation, die sich in dem III. Bande p. 513
der Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen findet.
Prätorius, der Geschichtschreiber Rübezals, dieses sonder-
haren AVesens der Einbildungskraft (?) schreibt der reisende
Deutsche, will wissen, dafs ein Italiener Ronceval lange im
Gebirge nach Metallen, Edelsteinen, Wurzeln und Kräutern
umhergezogen sey, woraus das Volk Rübezal gemacht habe,
der als Geist noch wandere. Andere leiten den Nanien von
Riphaeorum zabulus her, Musäus aber von Rübenzählen.
Eine gewisse Emma soll ihren Eheniaiin Rüben zählen ge-
schickt haben, um u, s. w. Rübezal erscheint (erschien)
nach dem Volksglauben bald als Jäger, Bauer, Bergmann,
bald als Hund, R.ofs, Rabe, ,Eule, Katze (uralte Repräsen-
tationen der Sonnen- und Mond - Gottheit) , und schickt al-
len, die ihn verschmähen oder verlachen, ein tüchtiges Don-
nerwetter auf den Hals, verdirbt Häuser, Gärten und Waa-
ren, seinen Verehrern aber gieht er Steine und Gräser, die
sich in Gold und Silber verwandeln. Die Koppe des Riesen-
gebirgs ist der eigentliche Tummelplatz Rübezals, hier ist
sein Lust- und Gewürz - Gärtlein (deutet die Arzneikunde
und ärztliche Praxis der Rübezal - Priester an) und auch
seine Kanzel (ara) (f, 1, 1,
— 45 —
so viel Büses man ihnen auch andichtete, so nahm man
Joch bisweilen in den Zeiten grolser Noth, wo man
glaubte, dafs die modernen Gülter allein zu helfen nicht
vermöchten, seine Zuflucht zu den alten Göttern, und
bemühte sich durcli ihren erneuerten Cultus sie zur er-
sehnten Hülfe zu bewegen. Dies thaten einzelne Perso-
nen, dies ganze Völkerschaften. So stellten einst die,
schon dem modernen Fetischismus ergebenen, Einwoh-
ner der Stadt Korinth (kor oder gor-hin-ith), als sie
sehr von einer verheerenden Pest heimgesucht wurden,
auf des Orakels Rath ein Fest zur Verehrung der ehe-
dem in ihrer Stadt und Umgegend verehrten Sonnen-
götter unter dem Namen der Hellotia (hel-otia oder
asia , Sonnengottfest) an. Als der römische Staat sich in
dem zweiten punischen Kriege in grofser Verlegenheit und
Noth befand und als die Römer glaubten, dafs der mo-
derne Jupiter ihnen mit seinem Götterrath nicht ge-
nug zu helfen vermöchte, so liefsen sie die alte Cy-
bele (ki-bele, Berggöttin), die sie auch Ops (hon-bu-
is), Rhea (ren-hen-a) und magna mater Deüm nann-
ten, aus Pessinus in Kleinasien nach Rom holen, und
ordneten ihr einen förmlichen Cultus an. Wenn die
Priester der slavischen Rhedarier eine blutige Empörung
ihrer ünterthanen befürchteten , so liefsen sie ein grofses
Wildschwein mit lichten Hauern aus einem See aufstei-
gen und sich dasselbe in dem Schlamme äes See's wäl-
zen. Dieser Eber, der eine alte Repräsentation des al-
ten Sonnengotts war, wie der Stier und das R.ofs, und
vor dem die späteren, zu dem Fetischismus bekehrten
Slaven in Polen und Pommern noch eine grofse Ehr-
furcht hatten, mufste demnach bisweilen den Zwecken
der späteren slavischen Priester und Fürsten, welche letz-
tere mit den ersteren gewöhnlich in der genauesten Ver-
bindung standen, dienstbar werden. Auch in neueren
Zeiten hat sich das diesfallsige Alte nicht selten wieder-
holt. So sollen zum Theil die französischen religiösen
Skeptiker (Encyclopädisten) , die, wenn auch nicht iibfer
den wahren Kern der herrlichen Christusreliaion , doch
— 46 —
über die vielfachenMifsbräuche des Katholicismus, und inson-
derheit über die Adoration der Maria und Josephs, bitter spot-
teten, doch auch wieder, als sie ein furchtbares Gewit-
ter schreckte, die Maria und Joseph implorirt und sich
bekreuzt haben.
IX. Einflufs der Bergreligion»
A. Auf die Bildung der Sprachen.
Ich übergehe den höchst wichtigen und viel umfassen-
den Einflufs, den die alte Bergreligion auf die intellec-
tuelle und moralische Bildung der Menschen , und durch
diese auf die Civilisation , so wie insbesondere auf ihre
technische Cultur, vornehmlich aber auf den Anbau des
Erdbodens, gehabt hat, weil es nicht meine Absicht ist,
eine eigentliche und vollständige Schilderung der Berg-
religion zu liefern, sondern sie nur so weit zu beschrei-
ben, als mein etymologischer Zweck eine Beschreibung
derselben fordert. Nur den Einflufs will ich erwähnen,
den die alte Bergreligion auf die Bildung der Sprachen,
auf die Benennungen der späteren religiösen und bürger-
lichen Einrichtungen der Völker so wie insonderheit auf
die Entstehung der Ortsnamen gehabt hat. Ehe ich in-
defs den Einflufs andeute, den die Bergreligion auf die
Formation des Stoffs der Sprachen geübt hat, will ich es
versuchen darzuthun, wo dieser Stoff herrührt, oder
wie die einzelnen Laute, Sylben und Wörter der Spra-
chen entstanden sind.
Obgleich es Viele gegeben hat und noch gegenwär-
tig giebt, die, weil sie sich mit dem blinden Ergreifen
des Materials der Sprachen begnügen, die Untersuchun-
— 47 —
gen über die Entstehung dieses Materials für überflüssig
und thöricht halten, so hat es doch auch denkende Män-
ner gegeben, die ihre Forschungen und Untersuchungen
bis zu dem Ursprünge der Sprachen ausdehnten. Ver-
schieden sind die Meinungen , die sie als Ergebnisse ih-
res Forschens aufstellten. Keinesvveges würdigten dieje-
nigen den Menschen herab, welche behaupteten: dafs
die Gottheit selbst einzelnen Völkern, oder doch den
Auserwiüilten derselben (die Braminen in Indien) die
Sprache unmittelbar eingegeben habe. Andere dagegen
verkündigten den, die Menschen herabwürdigenden,
Wahn als fest begründete Wahrheit , dafs die Menschen
ihre Sprache der Nachahmung der Töne der Natur, vor-
nehmlich aber der Laute der sie umgebenden Thiere
verdanken. Noch andere liefsen die Entstehungsart der
Sprachen unentschieden, und stellten die Sprachen der
Völker als ein zufällig irgend wie entstandenes Aggregat
und Conglomenat von menschlichen Lautverbindungen
dar, die sie, nach getroffener Uebereinkunft, als Zeichen
gewisser Begriffe gebrauchten und in das sie nach und
nach, wie in ein starres Chaos, Regelmäfsigkeit und Ord-
nung brachten. Auch haben sich in der neuesten Zeit
einige bemüht, eine Ursprache aufzufinden, von welcher
die übrigen Sprachen gleich Töchtern von einer gemein,
schaftlichen Mutter abstammen , um zum Mindesten für
die derivirten, oder Töchtersprachen eine bestimmte, un-
bestreitbare Quelle zu haben.
Der Meinung, dafs es eine zeitliche Ursprache gege-
ben habe, ist auch der gelehrte und fleifsig forschende
Friedrich Schmitthenner (vergleiche seine Ursprachlehre
p. 57.), welcher sagt: „Ueber allen Zweifel erhoben
ist der Satz , dafs die sanskrit - persische , griechische , la-
teinische, gothische und fränkische Sprache eines Stam-
mes sind. Als die Stammsprache kann aber keine der-
selben gelten, vielmehr weisen alte, selbst das Sanskrit,
auf eine frühere zeitliche Ursprache zurück. Das San-
skrit, (sagt derselbe p. 58.) Persifche, Griechische, La-
— 48 —
teinische, Slavische, Teutsche sind Stämme, die einer
gemeinschaftlichen Wurzel entsprossen sind, oder richti-
ger und ohne Bild, Besonderungen einer allgemeinen
und, wie nun wohl aul'ser allem^ Zweifel ist, zeitlichen
Ursprache. Der Typus der allgemeinen Sprache hat in
jeder besondern eigenthüraliche Bestiinmungen gewon-
nen, die ihren artlichen Unterschied ausmachen, und
jegliche der besonderen Sprachen hat nach eigenthümli-
chem Typus fortgelebt in der stijrmenden Zeit. Der Ty-
pus der besondern Sprachen ist bis zu ihren einzelnsten
Formen herab jedem der übrigen gleichstäramigen paral-
lel, was indessen nicht hindert, dafs einzelne Wörter
und Formen aus den Fugen des Lebens gewichen und
Verhärtungen, Exuberationen , Abnormitäten edler Art
eingetreten sind." Gewifs hat man auch in diesem Falle
die Wahrheit in der Ferne gesucht , obgleich sie ganz in
der Nähe lag, weil inan wähnte, dafs ein solches wun-
dersames Phänomen, dergleichen die Sprache ist, auch
nur in dem B-eiche der Wunder erzeugt seyn könnte.
Nach meinem Dafürhalten verdanken die Sprachen
ihre Entstehung lediglich der höheren, geistigen Kraft,
die in dem Menschen wohnet und waltet, deren Opera-
tionen durch die günstige Organisation des menschlichen
Körpers erleichtert und durch das Bedürfnifs nicht selten
dringend gefordert werden. Diese höhere Kraft des Men-
schen, welche den Plan zu der ersten einfachen Wohn-
hütte so wie zu den Bergpallästen von Elephante, Ello-
re, Mavalipuram und den ägyptischen Pyramiden ent-
warf, und durch die ihr zu Gebote stehenden körperU-
clien zweckmäfsigen Gliedmafsen ausführte, wxirde auch
die Urheberin der Sprachen. Dieselbe höhere Kraft des
Menschen , durch die er denkt und urtheilt , mag nicht
ruhen und rasten, sondern sich irgend wie offenbaren.
Ihre erste Offenbai'ung sind Handlungen, wie man dies
an dem Kinde sieht, welches eher handelt, als spricht.
Immer bleibt aber das Zeugnifs, welches die menschliche
Seele von ihrem Leben und Walten durch Handlungen
— 49 —
gi«bt , unvoUstimdis; , selbst dann noch , wenn es mit der
Interpretation der Geberden verbunden wird. Ninraner
verinag nämlich die Mimik alle Nuancen des inneren
Lebens des Mensclien, das immer an Umfang und Stär-
ke gewinnt , je mehr der Mensch äufserlich und innei--
lich anschaut, deutlich zu machen. Es darf uns daher
nicht wundern, dafs der Mensch sich bemüht, um seine
Mittheilungsbegierde zu befriedigen, auch den Schall sei-
ner Stimme zu Hilfe zu nehmen und von den Organen,
durch welche er Sprachlaute erzeugen kann, Gebrauch
zu machen. Sein derartiges Bemühen begünstigt und
erleichtert aber die grofse Zweckmäfsigkeit der erwähn-
ten Organe, durch welche er ohnstreitig auch die Thiere
übertrifft.
Oeffnete der Mensch seihe Mundhöhle und gab et
durch das Hervorstofsen seines Athems der Luft eine zit-
ternde Bewegung, so wurde der Laut a hörbar. Ver-
längerte er seine Mundhöhle durch das Vorstrecken dei*
Lippen und stiefs er durch dieselbe den Athem, so hörte
er den Laut u. Verkleinerte er die Mundhöhle mittelst
Erhebung der unteren Kinnlade, und trieb er durch
dieselbe den Athem, so ertönte der Laut i. "^"^ Zwischen
a und u Hegt der Stimmlaut o und zwischen a und i
der Selbstlaut e. Wurde die Zunge bei dem Heraus Lö-
nen der Laute a, o, u nach der Mundhöhle geschoben,
so erhielt man die Stimmlaute ä , ö , ü , die man Um-
laute, . oder in einander übergehende Selbstlaute nennt.
Von diesen Lauten behauptet man, dafs sie unauflöslich
und mit den Lauten u, o, a, e, i von gleicher Potenz
seyen. Aber eben so unauflöslich sind in der Tliat die
sogenanntejn Doppellaute. Man kann diese steigende und
fallende, oder ascendirende und descendirende nennen.
27 Die semitischen Sprachen habeii lirsprüilglich nur für sie die
Zeichen 1, N, ''.
4
— 50 —
Zu der ersten Classe gehören: uo, ua, ue, ul; oa, oe,
oi} ae, ai; ei. Höher nämlich als das u an sich tönt
das uo (riiuomo), noch höher, ua (Guadiana). Höher
e i
als ua tönen ue (Duben) und ui (über). Hochtönender
als der Stiramlaut o sind oa (Boa, Goa), oe (Böses)
und oi {8oü]). Einen höheren Ton, als der Normal-
Selbstlaut hat ae und ai (Sinai) und das ei ist ein bis
zum i ascendirendes e.
Descendirend ist der Laut i in ie (Bielefeld), ia,
(Gambia), io, iu (Giurgewo). Tiefer, als das e tönt
ea, eo, eu (Leun, Stadt an der Lahn). Ein fallendes a
ist ao (Bilbao) und au (Kraut statt kar oder gar-at).
Das o fällt nur bis ou (Fo — fou).
Als ein ganz besonderer Stimmlaut erscheint das
wendische y z. B. ja fsyra byw (byi). Vcrmuthlich tönte
das griechische v eben so, und nicht wie ein blofses i.
Ich wage es nicht, diesen Laut (y) irgend einem der
sogenannten Doppellaute zu supponiren. Am nächsten
e i
scheint er dem u (nicht u) zu kommen.
Es ist ein Irrthum, wenn man behauptet, dafs es
auch Dreilaute ( Triphthongen ) gebe. Das deutsche äu
ist nichts anders, als die Ascension des au, zu eu. Auch
das in der italienischen Sprache vorkommende iou in
giuöco ist nicht ein Dreilaut, weil giuoco aus giu-oc-
undo, oder giuocare, ^^ aus giu-oc-are d. h. Mondgott
28 Wenn auch das Wort giocare von einem alten lateinischen
Worte jocare (jocus) herstammt, so war doch die ursprüng-
liche Bedeutung des Worts von der angegebenen nicht ver-
schieden. Das wendische Wort Racz ist mit giocare gleich-
bedeutend. Auch das lateinische ludere (lud-ere) heilst
Mondseyn. Der Mond gewinnt bald an Licht, bald verliert
er wieder, weshalb das Wort ludere auch die Bedeutung des
Täuschens hat. In dem ludere fidibus hat das ludere die
secoitdäre Bedeutung.
— 51 —
spyn '/.usammengcsetzt ist, und das oi in suöi ist ein zum
i ascendirles o (suo), und mithin eine Eigenthümlich-
keit der pluralium. Auch das uai oder uay ist nicht ein
Dreilaut, wie es in dem Worte Paraguai oder Paraguay zu
seyn scheint. Paraguay ist aus pa-ra-gn-ai (ein Land, in
welchem Berge vorkommen, die man im Alterthume pu
ru und gu nannte) entstanden und das ai ist ein zum i
ascendii'tes a.
Die tiefen Vocale u und o gehören fast durchaus
zum Bereiche der Herrschaft des Sonnengotts, die ho-
hen (e, i) aber, welche man auch weibliche nennen
kann, stehen unter dem Regimente der Mondgöttin. ^'
Das in der Mitte stehende a gehört dem weiblichen, aber
auch dem männlichen Geschlechte an.
Sind die Vocale Producte des ganzen menschlichen
Sprachwerkzeuges, so werden dagegen die Mitlaute durch
gewisse Functionen der einzelnen Theile des Sprach-
werkzeuges des Menschen erzeugt. Sie sind in einem
vorzüglicheren Grade Zeugen der dem Menschen eigen-
thümlichen höheren Kraft so wie der Zweckmafsigkeit
des menschlichen Sprachwerkzeuges. So wie es anfäng-
lich nur eine Triade von Selbstlauten (u, ai) gab, so auch
nur eine Decade von Consonanten. Die ursprünglichen
Consonanten waren: h, k, n, 1, j, r, z, d, b, m. Die
übrigen Consonanten sind Modificationen der genannten.
Die Consonanten entstehen auf einer Lautlinie, die
29 Dieses ist für die Etymologie der alten mythologisclien Na-
men sehr wichtig. Cerherus, Fliijs, Perun u. s. w. können
nicht rein männliche Wesen seyn; Tor, Mars, Janus,
Tschur, Horus u. s. w. dagegen müssen, weil sie tiefe Vocale
haben, dem männlichen Ceschlechte angehören. Die spä-
tere Veränderung, die sich mit dem Mondcultus ereignete,
hat zwar die Regel bisweilen verletzt, jedoch hat sie die-
selbe nicht ihrer Geltung völlig beraubt.
4*
— Ö2 —
tief in der Kehle anfängt und die sich an dem äufsersten
Rande der Lippen endigt. Auf dieser Linie stehen die
Grund - Consonanten in folgender Ordnung. Am tiefsten
steht das h, dann folgt das k. Den nächsten Platz nach
dem k nimmt das n ein. Auf das 1 folgt das j (z), r,
z, d, b, m.
Das h, welches den Uebergang von den Vocalen zu
6en Consonanten bildet, wird erzeugt, wenn der Mensch
den noch tönenden Vocal zu erneuern sich bemüht. Es
gesellt sich zu dem noch tönendem Stimmlaute als Be-
gleiter, und, entstanden an dem untersten Ende der
Kehle, verhallt es im Munde des Menschen, ehe es seine
Zähne und Lippen erreicht. Das sanfte, sich mit dem
Vocal verbindende Austönen desselben hat die Anfangs-
sylben der Wörter erzeugt, die mit einem Vocal anfan-
gen. Dies darf man nicht übersehen, wenn man die
genannten Wörter etymologisiren will. Solche Wörter,
in denen das h in dem Selbstlaut untergegangen ist, hat
die hebräische, griechische, lateinische und deutsche
Sprache viele. Das h ist z. B. untergegangen in dem he-
bräischen 2N (ha-av), in fiN (ha -dam), in )-^':^ (ham-
mon), ein Ammoniter u. s. w.; in dem griechischen eQcog,
cupido, welches mit fJQcos, heros, anfänglich gleichbedeu-
tend war in iUv&iQios (hel-leu-ther-ios) u. s. w.; im
lateinischen arx (har-as), in ovis (hon-bi-is) u. s, w.;
im deutschen Erde (her-ede), Ehre (Her-ere) u, s. w.
In der kräftigen Sprache der Slaven ist das h zu An-
fange eines Worts fast nie in dem darauf folgenden Vo-
cale untergegangen. Die oberlausitzer Wenden haben
dasselbe sogar da, wo es untergegangen ist, wieder re-
staurirt. So sprechen sie nicht Adam, sondern Hadam,
nicht Abel, sondern Habel, nicht Anna, sondern Hanna,
nicht Ungar, sondern Hungar u. s. w. Weil sowohl das
gestrichene h ( Spiritus lenis der Griechen), als auch
das gestofsene (spiritus asper) in der Mundhöhle ver-
hallt und nicht einen der vorderen Theile des Sprach-
— . 55 —
Organs in Activitnt setzt, deshalb haben Manche pe/.wipi-
felt, ob dem h die Würde eines Mitlauts zuzuschreiben
sey, odei- nicht. Eine Ascension des h ist das eh. Den
zweiten Platz auf dem hintersten Ende der Lautlinie
nimmt das k ein. Mit Recht hat man es einen starren
Kehl- oder Gaumenlaut genannt. Eine Ascension des k
ist das g, welches an der äufsersten Grenze der Kehl-
laute steht. Das q ist blos ein anderes Zeichen für das
im Sanscrit vorkommende gh 2. B, in ghena {yvvfj) die
Frau.
Das n wird sowohl durch die Mitwirkung der Zun^
ge, als auch der Nase erzeugt. Im Auslaufe eine« Worts
geht das n nicht selten in m über.
Das 1 entsteht, wenn der Stimmton über die zu-
rückgezogene und an die Mitte der Zähne gelegte Zunge
schnell, aber sanft vorwärts getrieben wird. Es ist der
weichste unter den Consonanten. Im Wendischen ver-
tritt er nicht selten die Stelle des sanft streichenden w
und im Sanscrit so wie im Bulgarischen, tritt es als Vo«
cal oder Halbvocal auf. Im Italienischen verwandelt es
sich vor einem Stimmlaut in i , z. B. in fiamma statt
flamraa, fiore statt flore u. s. w. Im Französischen lau-
tet es nach einem 0 in u aus, 2. B. fol in fou.
Das j, welches in neuerer Zeit, insonderheit durch
Stephani, seine Würde als Consonant wieder erhalten
hat, hatte im Alterthume nicht nur den Ton eines lau-
gen i, welches die Natur des Mitlauts angenommen hat,
sondern es war ein sanft streichender Zischlaut, der ge-
linder war, als seh. Im Occidente findet sich dieser
Laut noch in seiner ganzen Weichheit in der französi-
schen Sprache, z. B. in deja, jamais u. s. w. , so wie in
der wendischen z. B. in zito, das Getreide, zaba, der
Frosch, zid, der Jude etc. Höchstwahrscheinlich spra-
chen die alten Italer das j auch zischend aus, z. B. ju-
venis (dschuvenis), Janus (dschanus), Judaeus (dschu-^
— 54 —
daexis) u. s. \v., obgleich doch noch härter, als die Fran-
zosen ihr Jod und die Wenden ihr z sprechen, was
man aus der gegenwärtigen Aussprache derjenigen Wör-
ter folgern kann, welche im Alt -Italischen mit einem j
geschrieben werden, z. B. giovanne, giudeo u. s. w.
Der Laut r bildet sich, wenn das Zungeneude beim.
Durchstreifen des Athems in eine sehr schnelle, zitternde
Bewegung geräth, bei der es bald den Gaumen berührt»
bald sich aber etwas von demselben entfernt. Im San-
scrit erscheint er gleich dem 1 (Lri)als Vocaloder als halber
Vocal (Ri). In manchen slavischen Dialecten geht auch
das harte r in ein weiches vocalisches Ri über, wie z,
B. im Ost -Serbischen in prst, srp u. s. w.
Das z steigert sich zu s. Dieses letztere aber zu den
Zisch- oder Scheuchlauten sh, seh.
Der Zahnlaut d ascendirt zum t. Wird das t gesto-
fsen, so erhält man th, dessen weichere dem d entspre-
chende Form dh ist. Das th (the englisch) wandelt
wegen der nahen Verwandtschaft des Zahn- oder Stofs-
lauts mit dem Sauselaut in z oder ss, und das dh ist in
den neueren Sprachen sammt seinem Zeichen verloren
gegangen.
Der Mitlaut b entsteht, wenn durch die Mitte der
geschlossenen und sich plötzlich öffnenden Lippen der
Stimmton getrieben wird. Es wandelt in p, wenn vor
dem Durchtreiben des Tones die Lippen fest geschlossen
waren. Wird die Stimme etwas seitwärts durch die ge-
schlossenen Lippen getrieben , so bildet sich der Laut f
(ph), von dem das v (bh) eine Steigerung ist. Der
durch die sanft geschlossenen Lippen näher an dem Mund-
winkel schwach getriebene Stimmton bringt den hörba-
ren, weichen Lippenlaut w hervor.
An der äufsersten Grenze der horizontalen, von dem
tiefsten Gaumen bis zu den Lippen liegenden Laut- oder
— 55 —
Sprach -Linie, '" erzeugt sich der Laut m und §teht ohne
Wandelung da, weil hier der Laut nicht höher steigen
kann.
Aus den Selbstlauten und Mitlauten bildeten sich
die Sylben. Ihre Bildung erfolgte auf folgende Weise.
Tönte der Mensch einen Stimmlaut und liefs er demsel-
ben plötzlich einen , durch einen Theil des Sprachwerk-
zeuges (Gaumen, Zugige, Zähne, Lippen) erzeugten
Laut folgen, so erhielt man die Wörtchen uh, oh, ah,
eh, ih; uch, (och,) ach, ech, ich; un, (uon, uan, uen»
uin,) on, (oan, oen, oin,) an, (aen, ain,) en, (ein)
in ; ul , ( uil , uel , ual , uol , ) ol , ( oll , oel , oal , ) al,
(ail, ael,) el, il; ur, or, ar, er, ir; us, os, as, es, isj
üb , ob , ab , eb , ib ; um , om , am , em, im u. s. w.
Kehrte man die Ordnung um, und liefs man zuerst
den Mitlaut und unmittelbar darauf den Selbstlaut ertö-
nen, so erhielt man die Wörtchen hu, ho, ha, he, hi;
ku, ko, ka, ke, ki; nu, no, na, ne, ni; lu, (un, uai
ue, ui,) lo, (oa, oe, oi) la, (lae, lai) le, (lei) li; mu
(mui, mue, mua, muo) mo, (moi, moe, moa) ma,
(mai, mae) me, mi u. s. w.
Die ersterwähnten Wörtchen (um, om, am, em, im,
u, s. w. ) erschienen dem staunenden Menschen, welcher
solche Töne nirgends in der Schöpfung vernahm, als
30 Die Berücksichtigung der natürlichen Lautlinie ist bei ety-
mologischen Untersuchungen sehr wichtig. Hat man diese
Linie immer vor Augen, so wird nian nicht gestört, wenn
ein, in einer Gegend mit ch geschriebenes Wort in einer
andern mit k oder gar mit g geschrieben wird, weil diese
Laute hart neben einandar stehen. Dies gilt auch von b, p, f
und V , und es kann nicht auffallen , wenn z. B. das an ei-
nem Orte Bei lautende Wort anderwärts Pel hiefs. Dafs die
natürliche Sprachlinie in unsern Elementar -Lesebüchern
und in den Sprachlehren noch nicht die nöthige Berücksich-
tigung erhalten hat, ist bekannt.
— 56 —
ersterschaffene selbstständige Wesen. Deshalb bezeichnete
man durch sie alles durch sich Bestehende, alles Selbst-
ständige, Unabhängige. Sie waren in der That die er-
sten Substantiva so wie anderseits die W Örtchen, die sich
mit einem Consonant anfingen (mu, mo, ma, me, mi)
das Geschäft der Adjectivorum übten.
Die Verbindung der beiden Classen der erwähnten
Wörtchen war einfach und natürlich. Das leichte Zu-
sammenfliefsen derselben "Vocale so wie die unabweisli-
chen Regeln der Euphonie lehrten die Menschen gleiche
Vocale auf gleiche Vocale folgen zu lassen. Benannten
sie z. B. einen Gegenstand mit ur und liefsen sie dar-
auf ein adjectivisches W^ort folgen, so mahnten sie die
erwähnten Gründe hu, ku, nu, lu, ju, ru , zu, du, bu,
mu etc. zu gebrauchen , wodurch ,sie die Wörter hur
(hu-ur) kur (ku-ur) nur, lur, jur, rur, zur, dm-, bur,
mur erhielten.
So natürlich uns diese einfache Operation bei der
Bildung der Wörter erscheint, so sehr wundert uns die
grofse Harmonie der Sprachen in dem gleichmäßigen
Gebrauche der tiefen (groben) und der hohen (feinen)
Vocale. Dieser Gebrauch wurde theils durch Autono-
mie, oder durch das natürliche Gefühl des Menschen
selbst, theils durch Heteronomie, oder durch die Vor-
schriften der Bergreligion bestimmt. Im ersten Falle
rührt der Gebrauch der tiefen Vocale bei der Bezeich-
nung hoher, grofser,' männlicher, starker Gegenstände
von der Wahrnehmung her, dafs diese Selbstlaute bei
ihrem Austönen eine gröfsere Kraftanstrengung erfordern
und dafs sie auch kräfsiger auf das Gehör einwirken, als
die hohen oder feinen. Die ersteren, so schlols man, ha-
ben einen männlichen Charakter und müssen den Be-
nennungen aller der Dinge einverleibt werden, die in
der Natur männlich, grofs, hoch, Bewunderung und
Staunen erregend sind. Nur diese Dinge darf man üb,
ob, ab; ur, or, ar; us, os, as u. s. w. nennen, nicht
— 57 —
aber das Weibliche, Kleine, Niedrige, Verächtliche u. s,
w,; denn für dieses eignet sich nur das feine e und i,
folglich eb, ib; er, ir; es, is u. s. vv.
Das aber, was das eigne Gefühl des, die Natur der
Dinge genau beobachtenden Menschen für angemessen
erachtete, stellte die Religion späterhin als heiliges Ge-
setz auf. Alles in der Natur, so lehrte sie, ist entweder
Mann, oder Frau, oder es steht unter dem Einflüsse des
Mannes d. h. des Sonnengotts , . oder der . Frau d. h. der
Berg- oder Mondgöttin. In weiter Ferne und in grofser
Höhe, dies war ihx'e Lehre, hat der Sonnengott seinen
Herrscherthron aufgerichtet und ihm ist auch das Hohe,
Grolse, Starke, Männliche auf Erden unterworfen. Dem
gemäfs müssen auch die starken Vocale seiner Herrschaft
unterworfen seyn. Die Mondgöttin sey die niedere Gott-
heit. Unter ihrer Herrschaft stehe das Kleine, Niedli-
che, Feine, Sanfte, Weibliche u. s. w. und folglich auch
die feinen oder sanften Selbstlaute i, e, a. Und wurde
auch bisweilen dem Namen einer männlichen Person ein
feiner Vocal einverleibt, wie z. B. im hebräischen W^orte
'dii< und im lateinischen vir, so wollte man dadurch an-
deuten , dafs diese männliche Person in einer engen, ab-
hängigen Beziehung zu dem Weibe steht. Wahrschein-
lich hiefs vir ursprünglich ein Priester der Mondgöttin.
War es nicht entschieden, ob ein Gegenstand männlich
oder weiblich sey , oder ob er von dem Regimente des
Sonnengotts oder der Mondgöttin abhänge, so gab man
ihm das o, zur Endung. In diesem Falle nennen wir
ein Wort generis communis; Solche Wörter sind z.
B, homo, leo, pavo u. s. vv»
Das o in Juno und Lado (rassisch), hat man das o
potentiae oder majestaticum genannt, weil die erstere
Göttin die Herrschaft mit dem Gotte der Götter (Jupi-
ter) theilte, imd weil die letztere durch die vorherr-
schende Selenolatrie der Nordländer zum Manne poten-
zirt wurde. Indefs ist es wahrscheinlicher, dafs die Na-
— 58 —
jnen Juno und Lado aus Ja und uno und La-ado zu-
sammengesetzt sind und Berggottheit und Mondgottheit
(uno, ado) bedeuten, und dafs sie mithin den Charakter
des alten (noch jetzt im Slavischen gewöhnlichen) Neu-
trums haben, das den Gegenständen nicht alles Geschlecht-
liche abspricht, sondern nur unentschieden läTst, ob ein
Ding vorherrschend männlich oder weiblich sey, und das,
indem es das Männliche und Weibliche combinirt, diese
Combination als etwas Grofses, Vielumfassendes u. s. w.
(Magnanitivum) darstellte.
Betrachtet man den ersten Gebrauch der Consonan,
ten von dem Standpunkte der Autonomie, so findet man
in demselben einen unläugbaren Beweis der grofsen Ge-
nauigkeit in den Anschauungen des Alterthums. Man
findet, dals das graue Alterthum diejenigen Mitlaute, die
in der Kehle der Menschen entstehen und die bei ihrem
Austönen eine grölsere Kraft und Stärke erfordern (h,
eh, X, k, q, g), sehr angemessen zur Bezeichnung des
Hohen, Starken, Männlichen, Bewunderung und Stau-
nen Erregenden gebrauchte. Ferner bemerkt man mit
Erstaunen , dafs der sanfte Zischlaut , der auf der gebo.
genen, vorderen Zunge entsteht, das j, nämlich 'das
sanft Aufsteigende und eben so Fallende andeutet, z. B.
in tv, iydla, die Tanne u. s. w., der Consonant r aber
das Unebene, Rauhe, Spaltige (rima), Höckerige, das z
(s, seh) ferner das Zinnige, Pyramidenförmige u. s. w.
bezeichnet. So wie das d mitten auf der oberen Zahn-
linie entsteht, so ist es auch den Benennungen des Ge-
dehnten (Damm, Donner ^^ u. s. w.) verliehen. Aber
31 In der alten Sprache der Germanen, die viel kräftiger und
in den Vocalen einfacher war als die gegenwärtige , lautete
das Wort Donner Donnor, Donar, Tunar. Die alte Sylbe
ur, or, ar ist gröfstentheils in das feinere er verwandelt
worden, wie in den Infinitiven die Endung un, on, an, in,
in en. Die Wenden nennen den Donner (to) Rimanje, wel-
ches Wort beweist, dafs die Wenden bei der Benennung des
59
weil das d auch von den Zähnen schnell aufschiefst, so
bezeichnet es auch das Spitze, Gestreckte (Dach, Dych,
der Athem). Das b, welches ohne grofse Kraftanstren-
gung tönt, bezeichnet auch nur das mittelmcäfsig Hohe
(Bude, Buche, Buckel u. s. w. ), Es senkt sich in dem
f und noch mehr in dem sanft streichenden, bis an das
1 (im Wendischen) grenzenden w.
Das m tönt voll und breit aus, und man gebrauchte
es deshalb zur Benennung des Hohen, Weiten, Vielum-
fassenden, z. B. in magnus, mahat, ^^ manas, matis,
mein u. s. w.
So wie bei den Vocalen Ascensionen Statt haben,
so auch bei den Consonanten. So ascendirt das k zu q
vmd g, in welchem letzteren Falle es etwas weniger Ho-
hes bezeichnet, als das k. Das b ascendirt zu f und w.
Das z aber ascendirt bis s und seh und das d zu t.
Das t bezeichnet in der Regel etwas Höheres, Län-
geres, Härteres u. s. w. als das d. Indefs wurde das d
und t eben so, vorzüglich später promiscue gebraucht
als h und ch , k und g, z und s, b und p, f und v
b und w. So nannten die Italer die Berggottheit Deus,
die Indier Devas, die Germanen Teut, die Griechen,
noch härter Q^edg. Das griechische Zfvg ist eine tiefere
Aussprache des deus, 'dsös.
Donners nicht blos den gedehnten (ma), sondern auch den
rauhen (ri) Ton des Donners berücksichtigten. Die Endunff
anje deutet an: dafs der Donner in der niederen Atmosphä-
re Statt findet und gehört wird. Für das Präfigiren des g
der Niederlausitzer an die verba, die sich mit einem r an-
fangen, z, B. grimacz, grabacz statt rimacz, rabacz, finde
ich durchaus keinen rechtfertigenden Grund.
32 mahat heilst im Sanscrit magnus, man-as (lateinisch mens)
das Gemüth und matis (fi^rig) der Muth.
— 60 —
Das durch die Nase sanft tönende n und der sehr
weiche Zungen - Mitlaut 1 wurden angemessen zur Be-
zeichnung des Niedrigen, Verneinenden, Traurigen,
Lieblichen, Lustigen, Geschwätzigen u. s. w. gebraucht.
So richtig schon dem Menschen seine gesunde Con-
templation und sein unverdorbenes natürliches Gefühl
bei den:i Gebrauche der Consonanten leitete, so wäre
doch wohl von dem, auf dem Wege der Autonomie ge-
bildeten usvis noch öfterer, als es würklich geschehen
ist, abgewichen worden, und es wäre ohne Zweifel eine
gröfsere Verwirrung in die Sprachen gekommen, als sie
sich vorfindet, wenn sich nicht die Religion als eine re-
gulatorische Potenz und als Aufseherin über die Sprache
gestellt hätte. Diese Potenz, welche sichtbar die gelehr-
ten Mondpriester darstellten, hat, älmlich einer Acade-
mie, über den Gebrauch der Consonanten Bestimanun gen
getroffen, die um so regelmäfsiger und Norm gebender
waren, als der ursprüngliche Sonnen- und Mond-Cul-
tus bei einem Volke rein erhalten war und als die Prie-
ster eines grofsen Ansehens genossen. Es wurde jedoch
durch diese wohlthätige Beaufsichtigung der beliebige
Gebrauch der Staininwörter so wie überhaupt die spe-
cielle Ausbildung der Sprache einer Nation nicht ver-
hindert. Nur sorgten die gelehrten Priester dafür, dafs
die Bildung der Sprache adaequat den diesfallsigen
Vorschriften der alten Sonnen - und Mondreligion
geschah.
Es darf uns nicht wundern, dafs die weit verbreitete
Glaubens- Anomalie, welche in der Erhebung des Mondes
zum Manne bestand, auch Sprachanomalien erzeugt und
fielen weiblichen Wörtern eine männliche Endung ge-
geben hat. Auch in dem Falle, wenn ein Mann von
der Mondgöttin abhängig gedacht wurde, erhielt sein
Name eine weibliche Ejidung, wie schon bemerkt wor-
den ist.
— 61 —
In neueren Zeiten hat man sich bemüht, die Re-
geln, welche das Alterthum bei dem Gebrauche der
Mitlaute in einer gewissen Sprache sich stellte und wel-
che es beobachtete, aufzustellen. Dieser Versuch, so we-
nig er den, nicht selten von Befangenen erlittenen, Spott
verdient, kann aber nie im Allgemeinen gelingen, weil,
wie schon bemerkt, bei der nur regulatonischen Macht
der Bergreligion doch den Völkern die Freiheit nicht be-
nommen wurde, die Dinge mit den beliebigen Sprach-
wurzeln (hu, ku, nu, lu, ju, ru, zu, du, bu, rau) zu
benennen. Dies sieht man, wenn man nur einige Spra-
chen vergleicht So nennt die hebräische Sprache die
Fi'au 'niiiii (hi-ischa), die griechische ywf], die lateinische
femina, die deutsche \^'eib (wei-eib), die weudische
zona, die sanscritanische ghena, die persische zen , die
nagayen- tatarische Dischi ^^ (din-ischi), die namaqua-
hottentotische tarrath oder tarras.
Als eine Wirkung der Religion kann man es anse-
hen, dafs der Mitlaut n und 1 ausschliefslich den "Benen-
nungen der Mondgüttin, ihrer Eigenschaften und ihrer
Geschäfte zugetheilt wurde. Die Mondgöttin wird mit n
und 1 benaimt iin lateinischen Worte nox, im wendi-
schen noz, im griechischen w^, im sanscritanischen nis,
im deutschen Nacht (na-acht), im hebräischen b'^h (la-il),
im lateinischen luna, im gallischen le.
Die Buchstaben (literae) sind alle weiblichen Ge-
schlechts, weil man im Alterthume die sich vielfach abmü-
hende, die Finsternifs der Nacht (Symbol der Unwissenheit)
aufhellende Mondgöttin zur Urheberin derselben machte.
33 Dischi lautet im Indischen Daschi, Devadaschi ist eine
Götterfraii , Prie^terin.
— 62 —
Die Erfindung der Buchstaben, durck welche die
Wissenschaft so unbeschreiblich viel gewonnen hat, ist
ein Werk der Mondgöttin, und alle Buchstaben -Namen
der Hebräer und Griechen sind weibliche Wesen, z. B.
Aleph (hal-ef), Bet (be-et), Gimel (gim-el), Dalet
(dal -et) u. s. w. Ferner Alpha (hal-afa), Beta (ben-
eta oder esa), Gamma (gam-a), Delta (del-eta) u. s. w.
Die Formen der Buchstaben wurden wahrscheinlich den
Gestalten der entsprechenden Berge nachgebildet, und es
ist ohnstreitig ein Irrthum, wenn man wähnt, dafs die er-
wähnten Buchstaben ursprünglich Stier, Haus, Kameel,
Thür u. s. w, hiefsen.
Unter den zahllosen Gegenständen, welche die Con-
templation der Menschen auf sich zogen , nahmen gewifs
die Berge den ersten Rang ein. Diese herrlichen Wun-
derwerke der sichtbaren Schöpfung, diese Ehrfurcht ge-
bietenden Dome der Natur, die weder Wasserfluthen
noch Donnerstürme umzustürzen vermochten, erhielten
noch durch die Religion eine höhere Bedeutung. Diese ver-
setzte auf die von den Strahlen der Morgensonne zuerst,
und von dem Glänze der Mondsonne zuletzt schimmern- ^
den Berge den Sitz der Gottheit und machte die, in
wunderbarer Selbstständigkeit da stehenden Berge selbst
zu Gottheiten, oder doch zu ihren vorzüglichsten und
ersten Repräsentanten. Man verfuhr bei der Benennung
der Berge zunächst nach den Vorschriften der Autono-
mie , indem man einem hohen Berge den Namen hun
(hu-un) chun, gun, einem weniger hohen jun, einem
Spitzberge zun, sun, schvm, einem niederen, sich breit
dehnenden dun , tun , einem kleineren bun , pun , fun,
vun , wun , einem weit gestreckten hohen Berge mun,
ferner einem durch Schluchten und Kessel durchbroche-
nen Berge den Namen rum beilegte. Die niederen Ber-
ge einer jeden angedeuteten Art nannte man hin, chin,
kin, gin, zin, sin, schin, din, tin , min, bin, pin, fin,
vin , win , rin , oder wenn sie etwas höher waren , hen,
chen, ken, gen, zen, sen^ sehen, den, ten, men, ben.
— 63 —
pen , ff n , vcn , wen , ren. Auch war es den Bestimmun-
gen der Autonomie angemessen, dal's man allen unmit-
telbar unter hölicrcn Bergen liegenden Bergen (Vorge-
birge) den (weiblichen) Namen nun, und den sich
sanft hinstreckenden, oft mit Laubholz bewachsenen Hü-
geln die Benennung lum, lom (Lommatsch, Stadtname)
beilegte. Das aber, was die Autonomie in diesem Falle
gebot, heiligte die Religion durch ihre Vorschriften.
Nachdem die religiöse Potenz auf die Bildung der
Sprachen Einflufs gewonnen hatte, mufsten sich die
Hauptwörter nach ihren Regeln gestalten. Ein Pferd z.
B. mufste S^ö, equus, kon, Rofs u. s. w. , die Kuhvacca
(van-acca), kruwa (kur-awa) u. s. w. und das Schaaf
als ein kleines Bergthier ovis (ho-vi-is) wowza (wow-
oza) nach den erwähnten Regeln heifsen. Alle auf Ber-
gen befindlichen und den Bergen ähnliche grofse. hohe
Gegenstände des Thier - Pflanzen- und Mineral - Reichs
mufsten nun mit tiefen Vocalen, die niederen, kleineu
aber mit feinen Vocalen und mit den angemessenen Con-
sonanten genannt werden.
Wenn aber der Einflufs der Bergreligion auf die Bil-
dung aller Hauptwörter sich nicht abläugnen läfst, so er-
scheint er als evident bei der Bildung der Zeitwörter.
Diese bildete man auf folgende Weise. Wollte man näm-
lich die Bewegungen, Wirkungen, überhaupt die Thä-
tigkeit eines Menschen, eines Thieres, einer Pflanze und
eines Minerals andeuten, so verglich man diese Thätig-.
keit mit der wirklichen, oder scheinbaren Thätigkeit des
Sonnengotts, oder der Mondgöttin, und der Mensch sagte
in diesem Falle: Sonnengott ich, oder Mondgöttin ich
scilicet bin, oder im infinitivo Sonnengottseyn, Mond-
göttinseyn. Bisweilen glaubte man eine und dieselbe
Thätigkeit sowohl an der Sonne als auch an dem Mon-
de wahrzunehmen, und in diesem Falle sagte man: Son-
ne und Mond (zugleich) seyn.
Das lateinische Zeitwort ton-are heifst Berg- oder
— 64 —
Sonnengott seyn so wie das wendische wojowacz, wel-
ches die Handking des die Völker zum Kampfe führen-
den und für die Völker kämpfenden Sonnengotts (noch
jetzt in den Symbolen des Adlers, Löwen, Rosses sichtbar)
bezeichnet. Das wendische Verbuin biedzicz (bin-id-
schin-icz) bedeutet das Kämpfen der der Mondgöttin
(Bellona) auf Tod und Leben. Desgleichen auch das
lateinische certare ^^ (ger-et-are).
Die Hebräer bildeten ihre Zeitwörter durch Zusam-
mensetzung eines oder zweier Bergnamen und der SyU
ben ah, ak, ag, al, ar, uz u. s. w. Im praesenti sup-
plirte man am Ende sum , im perfecto fui und im infi-
nitivo esse. Statt dafs die neueren occidentalischen Spra-
chen die Person -Bezeichnung (ich, du, er u, s. w. vor-
setzen, hängen die Hebräer die Personal- Namen an die
Wurzel. Wollten sie z. B. sagen: Ich bin einher gegan-
gen, so sprachen sie "'.niON ^^ d. h. Sonnengott ich, sci-
licet sum oder fui.
Der hebräischen Sprache gleich bildete auch das
Sanscrit, diese einst von Cap Comorin bis zu den Ge-
birgen von Kaschgar (kasch-gar, Bergstadt) gesprochene
fein gebildete alte Sprache, ihre Zeitwörter. Sie setzte im
Infinitivo den Berg- oder göttlichen Namen blos hin, z.
B. tan, (ta-an, lateinisch tend-ere), tud (tu-ud, latei-
nisch tund-ere), vid (vi-id, lat. vid-ere), li (li-i, gi'ie-
S4 Das Wort certare sollte sich, nach der Regel, auf ere endi-
gen. Da aber das Streiten und Kämpfen grofse Kraftan-
strengungen erfordert, so gab man dem Worte die männ-
liche Endung are.
35 Die hebräisclie Sprache besteht aus denselben Elementen,
aus %velchen andere Sprachen zusammengesetzt sind und sie
ist mit diesen nach denselben Regeln gebildet. Wenn aber
die Juden z. R. "'.ri'TttJN schrieben, ?o dachten sie eben so
wenig an die ursprüngliche Bedeutung des Worts, als wir
daran denken , was das Wort laufen anfänglich bedeutete.
-^ 65 —
chisch XvsLv) und überliefs dem Sprechenden die Suppli-
rung des esse in Gedanken. Das Sanscrit hat folglich
Aehnlichkeit mit dem Englischen, welches auch den In-
finitiv ohne Hinzusetzung des are , ere, ire; acz , en u.
s. \v. bildet, z. B. to look (lu-uk) , Mondgüttin seil, seyn
to love (lo-ove, oder oze, ose u. s. w,) seil, esse, Mond-
güttin seyn, oder lieben u. s. w.
Die wendische Sprache setzt die Personal -Bezeich-
nung gegenwärtig vor die, eben so, wie in andern Spra-
chen gebildete Wurzel. In früheren Zeiten scheint sie
das ich bin im praesens blos durch am (tw) und ju (ttfii).
oder blos durch u ausgedrückt zu haben, wie die latei-
nische und griechische. Noch jetzt spricht man in man-
chen Gegenden: storkam statt ja storkam, welches letz-
tere eine Corruption des Worts ist, weil storkam (stor-
ok-am d. h, Berg- oder Sonnengott ich bin) schon ich
stofse heifst.
Im Infinitivo setzen die Wenden an die Wurzel
ucz, ocz, ycz, acz, ecz, icz, welches durch esse zu
übersetzen ist und dem lateinischen are, ^re, ere, ire
entspricht. '*
S6 Auf nycz endigt sich kein wendisches Zeitwort, wie die Sei-
lersche Grammatik §. 91. p. 60 lehrt. Das hier als Beispiel
aufgestellte Zeitwort wuknycz ist aus wuk , nu oder un und
ucz zusammengesetzt. Man könnte das wuknycz durch wuk-
ny bycz d. h. Lernender seyn, übersetzen. Weim man je-
doch auf die Wörter anderer Sprachen , die dasselbe bedeu-
ten, sieht, so wird es mehr als wahrscheinlich, dafs wuk-
nicz eben so gut primitiv ist, als discere, lernen u. s, w,
Discer (ger) ere und lernen ( 1er -ene-en) bedeutet ohn-
steitig eine Mondpriesterin sej'^n, und wuknycz Mondprie-
sterseyn. Beide , die Moudpriesterinnen Und die (gelehrten)
Mondpriester wurden , nach dem Glauben des Alterthums
von der Mondgöttin (vergleiche Minerva) belehrt, und die
Zeitwörter lehren (ler-en) und wuczicz (wu-tschin-icz)
66
Im Griechischen und Lateinischen sind die Zeitwör-
ter auch aus der Zusammensetzung von Berg- oder gött-
lichen Namen gebildet. Das sum im Praesens wird in
der ersteren Sprache durch aco , oco, sco, ico und rca und in
manchen Fällen durch ifii (^sifii) ausgedrückt. So heilst
oQccca eigentlich hor-ao und bedeutet Berggott oder Son-
nengott ich bin, (pt?.£Oi (phi-il-eo) Berggöttin ich bin,
oder ich liebe zärtlich. Im Infinitive bezeichnete die grie-
chische Sprache das an die Wurzel gehangene esse durch
asiv (äv), OBiv (sv), tstv (siv), vsiv, so wie durch avat,
ovatjBvat, ivai. Das sum in der, ersten Person des Praesens
der lateinischen Zeitwörter wird durch ö , eo , o und
io ausgedrückt und das esse im Infinitivo durch are, ere,
fere , ire.
Dienen italische Sprache, die, aufser dem alt itali_,
sehen Sprach -Elemente, doch auch manches Besondere,
in die neueren Sprachen, insonderheit in das Slavische
Spielende ^^ hat, gleicht in der Bildung der Zeitwörter
der lateinischen.
bedeuten daher Mondgöttinseyn. Das lateinische docere
(doc-cer oder ger-ere) hat auch die Bedeutung Mondgöt-
tin- oder Mondgott -seyn. Die Sonnenpriester empfingen
ihre Weisheit und ihre Künste, zu denen auch, im Falle
der Noth, das eigne Kämpfen gehörte, von dem Sonnen-
gott. Späterhin befanden sich bei den Armeen auch noch
gelehrte Mondpriester.
S7 Es ist schon von Andern bemerkt worden : dafs die vvrendi-
sche Sprache schon deshalb Aehnlichkeit mit der Italieni-
schen hat, weil auch in ihr sich sehr viele Wörter auf Vo-
cale endigen, wie man dies aus folgendem Verse (der 4te
aus dem Liede: Ich hab meine Sach Gott u. s, w.) sieht:
Schto Czlowek je hacz Rusliczka?
Won nahi pschindze do Swjeta
A niczo szobu nenefse, tez newosme,
Dyz safso steho Swjeta dze,
Ueberdies harmonirt die wendische Sprache mit der
italienischen nicht nur hinsichtlich der auch in der letzte-
67
Obgleich die französische Sprache von der lateini-
schen, wie von einer fremden Substanz, durchgedrungen
ist, so hat sie doch noch vieles Eigenthümliche, aus dem
Altgallischen Herrührende. Sie bildet die Infinitiven ih-
rer Zeitwolter der lateinischen adaequat durch ar, er, 6r,
ir, z. B. in devoir, pleurer, tendre, batir. Die erste Per-
son im Praesens bildet sie durch einen oder mehrere
göttliche Namen und läfst das sum weg, wie die hebräi-
sche. So heifst je parle (par-le) ich Berggöttin, scili-
cet, bin. Dies ist eine Eigenthümlichkeit , die der, wahr-
scheinlich einst auch eben so herrlichen Sprache, als z.
B. die lateinische und slavische noch jetzt sind, in ih-
rem sklavischen Zustande noch geblieben ist.
Die deutsche Sprache, die jetzt das seytt im Infini-
tivo immer durch en ausdrückt, hatte früher auch die
Formen an , on , in , die dem griechischen ascv , ostv, ssiv,
iHv entsprachen» Das sum in der ersten Person des Prae-
ren vorkommenden Ziscli- Laute, sondern aucli in der Bil-
dung der Diminutivi und Aumentativi , oder Magnanitivi
die iin Wendischen gewöhnlich dispreggiativi oder impro-
bativi sind. Das Wort ragazza z. B. , dessen Elemente aufs
Gothische und Slavische hinweisen , heilst im Wendischen
Holza, ragazzina-Holczka, ragazziniola - Holcziczka > ragaz-
zota'Holciatko, (welches neutrius generis ist, weil ein sol-
ches Mädchen weder ein Kind noch eine erwachsene Jung-
frau ist) ragazzaccia — Holczisko, welches auch ein neu-
trum ist, wie es virago und selbst virgo ursprünglich war.
Jedoch perhorrescirt die ernste wendische Sprache die Spie-
lereien, welche die italienische mit ihren vezzeggiativi
(Schmeichelwörtchen) und peggiorativi > z. B. mit ragazzet-
tellina (ein kleines armes liebes Mädchen), fanciulettino
(ein kleines liebes Kindchen) und con tadinucciaccio (ein
niedrig kleiner abscheulicher Bauer), cavalettinucciaccio
(ein kleines hübsches, jedoch tückisches und deswegen has-
senswerthes Pferd) u. s. w. treibt. Als einti alte dem San-
scrit ähnelnde, Sprache hat die wendische einen Dual, wie
das Sanscrit und das Griechische,
5*
— 68 —
sens eines Zeitworts lautet e, z. B. ich stofse (ston-os-e).
Ursprünglich hat sie wohl eben so wenig die Pronomina
ich, du, er u. s. w. den Personen vorgesetzt, als die
wendische. Die Pronomina waren nämlich schon in den
Endungen e, est, et, en, enthalten.
Da man im Alterthume die Handlungen eines Men-
schen, eines Thieres u. s. w. bald mit der Thätigkeit des
Sonnengotts, bald aber mit der der Mondgottin verglich,
so ist es natürlich, dafs die Vcrba gleich den Hauptwör-
tern in masculina und feminina zerfielen. Zu der letz-
teren Cksse gehören diejenigen Zeitwörter, welche in
der Wurzel die hohen Vocale e und i haben. Z. B. le-
gere, lesen, schreiben, pifsacz (pi-is-acz), singen (sin-
ig-en), welche Wörter alle Handlungen der Mondgöttin,
oder der sie repräsentirenden Priesterinnen oder der
Mondpriester bedeuten. Weiblich sind auch alle alle
Zeitwörter, die sich mit n und 1 anfangen, z. B. nutrire,
nuere, nocere; nähren, nicken, nahen, necken, na-
schen; vsvco, vinzat, vvxsvco; H^; , S^i5 , p^! , 'nU:r ;
lavare, ludere, licere; leben, lieben, loben, leh-
ren, lachen; lova, UiKptva; nX':;, '»"b u. s. w. Im
Hebräischen ist generis feminini. z. B. ^V"" (jan-lan-at)
peperit, T^^ (jan-lan-ach) iit u. s. w. Auch die Zeit-
wörter, die ein zere purum und cholem purum in der
letzten Sylbe haben, scheinen zu den weiblichen Zeit-
wörtern zu gehören, z. B. SSCH, inclinavit, amavit,
'b'D'ii (scha-col) Uberis privata est u. s. w. Nicht min-
der auch die Zeitwörter, die sich auf N endigen und in
deren kal schon der hohe Vocal i vorherrscht, wie z. B.
in N'np, i<Ep u. s. w.
Manche Thätigkeit der Menschen und Thiere stellte
man in unmittelbare Vergleichung mit der Sonne und
dem Monde. So entstand das hebräische Zeitwort y^'n
(ru-uz) durch den Vergleich des laufenden Menschen
mit dem scheinbaren Laufe der Sonne. Die nördlichen
Deutschen so wie die Wenden verglichen das Laufen
— 69 —
eines Menschen ofTer Tliicres mit dem Laufen ries Mon-
des, und erhielten dadurch die Zeitwörter laufen (lan-
af-en) und biezecz ( bien-sche-erz). Selbst die südli-
cheren Griechen haben ihr vcrburn zq^x^Iv ( ter - ech - £«v)
von dem Laufe des Mondes abgeleitet.
Sehr viele Zeilwörter entstanden aber nicht durch
unmittelbare Vergleichung der menschlichen Handlun-
gen mit den wirklichen oder scheinbaren Handlungen
der Sonne und des Mondes, sondern durch die Verglei-
chung der Thätigkeit der Menschen mit der eigenthüm-
lichen Thätigkeit der zahlreichen Repräsentanten (Prie-
stern, Priesterinnen, Fürsten, Fürstinnen, Stieren, Kü'
hen, Adlern, Eulen, Pfauen, Eichen, Schlangen, Quel-
len, Obelisken, Tempeln u. s. w. ) des Sonnengotts und
der Mondgöttin. So ist z. B. serpere ( ser - ep - ere ) von
den Bewegungen der Schlange , welche als Repräsentan-
tin der Mondgöttin, oder doch unter dem besonderen
Regimente der Letzleren stehend, gedacht wurde, abgelei-
tet. Das deutsche Wort kratzen is aus kar oder gar und
az oder as zusammengesetzt. Was man sich aber ur-
sprünglich unter dem karaz dachte, kann jetzt, wo die
primären Bedeutungen der Wörter zum gröfsten Theile
uns nicht mehr bekannt sind und wo die Sprache der
Bergreligion in ihrer ursprünglichen Bedeutung fast eine
terra incognite ist, nicht bestimmt angegeben werden.
Wahrscheinlich dachte man sich unter dem kar oder gar-
az oder as, mit dem man einen kratzenden Menschen
verglich, einen Adler, oder Raben (zoga^), einen Lö-
wen , oder einen Bär, welche Thiere den Berg- oder Son-
nengott repräsentirten. ,
Indem sich aber der Mensch im fernen Alterthume
mit Thieren verglich und sich selbst Thier nannte, konnte
ihm diese Operation nicht als etwas seine Würde Her-
absetzendes erscheinen. Die Thiere nämlich, mit deren
Handlungen er seine eigene verglich, hatten durch die
Repräsentationen, die der religiöse Glaube ihnen zuschrieb,
— 70 —
eine höhere, göttliche Bedeutung, und man konnte selbst
in diesem Falle sagen : dafs die Götter die Menschen ihre
Sprache gelehrt hätten.
Obgleich man in Betreff der Onomatopoeien auto-
nomisch verfuhr, so waren doch dieselben nicht eine
Frucht einer blinden Willkühr. Man mufste auch hier-
bei nicht nur die Vorschriften der Religion, sondern auch
die in einer Sprache gangbaren Wörter berücksichtigen.
So waren die Deutschen beinahe genöthigt das Wort
brüllen von dem Geschrei des gröfseren Rindviehes zu
gebrauchen, weil in der Sprache der von dem kaukasi.
sehen Gebirge herstammenden Deutschen das Wort bur,
bor, bar, ber, bir herrschend w^ar. Das Wort brüllen
ist aus bir-le-en zusammengesetzt. Birle, per metathesin
bri-le scheint hier eine Kuh anzudeuten, welche (verglei-
che die Kuh Audau mala in der skandinavischen Mytholo-
gie) die Berg- oderMondgöttin repräsentirte. Das wendische
Wort rucz, welches die Handlung und den Ton des
Brüll ens andeutet, ist aus ru-ucz (rug-ire) zusammen-
gesetzt. Das Wort ru aber bedeutet wahrscheinlich einen
Löwen oder einen Stier, und rucz entweder Löwe-seyn
oder Stier -seyn. Das deutsche Wort blecken ist aus bel-
ek-en entstanden und heifst Mondgöttinseyn. Das Ble-
cken , oder corrupte Blöcken wurde aber ohnstreitig des-
halb Mondgöttinseyn genannt, weil das kleine (blocken-
de ) Vieh, z. B. Schaafe , Kälber etc. unter dem besonde-
ren Regimente der A-Iondgöttin standen. Dieselb-e Be-
wandnifs hat es auch mit dem wendischen Onomapoeti-
con beczecz (ß}.r]X'^o{iai , ßlrjyrj), welches aus be-tsche-
ecz , Berggöttinseyn entstanden ist. Das deutsche Wort
heulen (VV, jan-lan-al, Berg- und Mondgöttin) ist aus
heu-le-en gebildet und heifst Eule (Repräsentantin der
Mondgöttin) seyn, und das wendische Wort wucz bedeu-
tet Berggott- (hier in der Repräsentation des Wolfs)
seyn.
Dafs die Beiwörter (Adjectiva) anfänglich alle, bis auf
— 71 —
die abfiel eiteten ParticipiaKAdjectiva, Substantiva waren,
ist wohl keinem Zweifel unterworfen. In der ersten Zeit
entbehrten die Sprachen die Adjectiva ganz, und die Ei-
genschaft eines Dings wurde durch mehrere zu einem
Worte verbundene Bergnamen bezeichnet, z. B. 'av&Qwnog,
aedes, Mercurius, Juiiiter, Tungusia, Germania (ger-
ma-ania oder asia) Hannover, bh^'n (hei-le-el^ der Mor-
genstern, die Venus), npns (ne-gosch,-et) sbd (sche-
le-eg) in'^ib (le- ve-ja- atan , athon, ason, azon), das
in der Tiefe (le) in einer ebenen Linie hinstreichende
(ve) einem mäfsigen Berge ähnliche (Jan) groise Thier,
(der Wallfisch) u. s. w.
In der Folge, als die ursprünglichen Bedeutungen
der mit grofser Genauigkeit gebildeten Ursprache verlo-
ren gegangen waren (schon lange vor Moses und Hero-
dotus), setzte man zu dem nicht mehr in seiner ursprüng-
lichen Bedeutung verstandenen Wörtern andere Haupt-
wörter als das erste Wort (Hauptwort) erklärende appo-
sita hinzu. So hiefs d-sög fisyag ursprünglich : 9s6g als
(liyag (me-'ga-as) oder Berggott und puella (pu-ela)
parva als par-ava oder asa u. s. w.
B, Auf die Benennungen der späteren religiösen
und bürgerlichen Einrichtungen der Völker.
Erwähnt ist es schon worden, dafs die ägyptischen Py-
ramiden, .,so wie das Cretische Labyrinth eine Nachah-
mung def früheren Felsentempel auf den Bergen waren
und dafs man sie Berggöttingebäude nannte. Aber auch
die später in den Städten erbauten Tempel wurden Berg-
gebäude oder Gottesgebäude genannt, weil sie den alten
Felsentempeln ähnlich und weil sie Heiligthümer der
Götter waren. Dies erhellet aus der Construction der
, _ 72 —
Namen: templum (^tem-bu-hel-um), Pagode (bu-ko-
ode), Kirche (ger-ike), Zyrkei (sir-ken-hei), aedes
(hen-edes), Dom (Dom-om), b^i^'n (hein-cal), Dscha-
mie (dscham-ie), Mosche (mon-asche oder ase) u. s. w.
Die Priester ^^ welche an den aris, ^^ oder asis der
Götter und später in den Tempeln fungirten, wurden
entweder mit dem Namen der Gottheit, der sie dienten,
benannt, oder ihnen wurde der Name der Kinder, Söh-
ne und Lieblinge ihrer Gottheit beigelegt, in welchem
letzteren Falle die Priesternamen die Form der Patro-
nymica haben. Den Namen der Gottheit tragen gröfs-
tentheils die Namen der Oberpriester bei den Hebräern,
38 In Indien haben die Brauiinen ihr uraltes , göttliches Anse-
hen, welches das der Kschettris, der Krieger- oder Regen-
ten-Kaste (Fiajah, Radschan) bei weitem übertrifft, durch
Religionsartikel geschützt. Im 93, 94 und 95 §. des ersten
CapiteLs von Menu's Gesetzbuche heilst es : Da der Brahniin
aus dem vortrefflichsten Theile entsprang, da er zuerst ge-
boren wurde, und da er den Veda besitzt, so ist er von
Rechtswegen das Hanpt dieser ganzen Schöpfung. Ihn liefs
das Wesen, welches durch sich selbst besteht, aus seinem
eigenen Munde im Anfange hervorgehen, damit er nach
der Beobachtung heiliger Gebräuche den Göttern gesäuberte
Butter (die Glii, die in ledernen Flaschen aufbewahrt
wird , ) darreichen möchte , und Reiskuchen den Erzeugern
des Meiischengeschlechts zur Erhaltung dieser Welt. Wel-
ches erschaffene Wesen nun kann ihn übertreffen, mit des-
sen Munde die Götter der Veste unaufhörlich gesäuberte
Butter schmausen und die Schatten der Vorältern geheiligte-
Kuchen (Pindas oder Reiskuchen) bei der monatlichen
Sraddha (Radofs und Sradofs heilst im Wendischen hohe
Freude, Wonne, und ton dzen teho Sradowanja heilst
ein Tag hoher Freude, Festtag) und bei der Sraddha der
Götter?
S9 Das AVort ara ist aus har-a oder ha-ara zusammengesetzt,
und bezeichnet etwas Hohes, Bergähnliches. Ara ist gleich-
bedeutend mit Romowe und ähnlich dem wendischen Rod-
zischczo.
— 73 —
Wenden, Preufsen und Italem, welches das hohe Anse-
hen anzudeuten scheint, in welchem die Priester, inson-
derheit aber die Hohepriester, bei diesen Völkern stan-
den. Einen Sonnengott bedeutet bei den Preufsen Schwal-
gon, Burton, Puston (Bu-as-ton); bei den Italern die
Arvales (har-val), Salii (San-hal). Den Namen der Berg-
oder Mondgüttin führte der hebräische "j^rb (ko-hen),
der lausitzische Mjeschnik (min-isch--nin-ik, Diener
der Min und der nis), die rethrarischen Miki (min-iki),
die preufsischen Lingussonen (lin-cu-usson), Tilussonen,
(til-us-on oder son), Wejonen (wen-jon), Seitonen (sin-
ton), die römischen Flaniines (buh-lam), und Galli
(cal-lin) u. s. w.
In der Gestalt der Patronymica begegnen uns die
Namen der gallischen Druiden (tur-iden, Sonnenpriester),
der germanischen Barden (bar-aden, Sonnenpriester), der
römischen Luperci (lun-ber-eci , Mondpriester) und der
Fetiales, (buh-ez-hal, Priester der alten Berggöttin, '^^
oder der Buh-eza, asa), der preufsischen Siggonotten
(sin-gon-oten), der obotritischen Veidelboten (vin-del-
bo-oten, Mondpriester), der chinesischen Bonzen (bon-
ozen ) und des griechischen yscpvQcoTrig ( ken - bir - otes,
Mondpriester).
Der Name des römischen Pontifex (maximus) ist
nicht a ponte sublicio reficiendo abzuleiten, sondern er
ist aus pon oder bon, tin-bvi-ek oder ex entstanden. Be-
rücksichtigt man die hohen Vocale der letzten Sylben
des Worts, so kann man nicht daran zweifeln, dafs pon-
tifex ursprünglich einen Mondpriester bedeutele. Die-
selbe Bedeutung hat auch Criwe, der bekannte Name des
nordwendischen Oberpriesters. Dieser Name, den man
oft fälschlich von krej (krawia) abgeleitet und mit Blöt-
40 Bei dem Triumphe des Cermanicus erschien auch ein Prie-
ster der Katten, Namens Libis. Das Wort Lybys bedeutet
offenbar einen Mondpriester.
— 74 —
madur, dieser späteren, eines Opferpriesters bei den Skan-
dinaven gleichbedeutend gewähnt hat, ist aus gir oder
kir und iwe oder iwo entstanden und bedeutet einen
grofsen Mondpriester. Adelung ( Mithrid. IL p. 712) irrt,
indem er Crivve von dem Vv'orte Graf (gar-av) ablei-
tet. Beide Namen, Graf und Criwe, ruhen zwar auf
derselben Wurzel (gur, gor, gar, ger, gir); nur bedeu-
tet gir oder kir und per metathesin des r der Criwe et-
was von der Berggöttin Abhängiges, oder derselben Aehn-
liches, Graf aber ein Abbild des Sonnengotts. Der Cri-
we wurde auch, vorzüglich bei den Preulsen, Criweito
genannt. Dieser Name gehört zu den nominibus aug-
mentativis, welche der wendischen Sprache nicht min-
der eigenthümlich sind, als der Neu -Italischen. Nach
der gegenwärtigen wendischen Sprechart würde Criweito
Criwischczo heifsen. Mehrere, vorzüglich Prätorius und
Hartknoch haben Criweito durch Richter der Richter
übersetzt. Diese Uebersetzung drückt aber nur einen
Theil der Würde nnd der Functionen des preufsischen
und wendischen Hohepriesters aus. Allerdings nahm der
Criweito , oder ein Vicarius desselben an den am Neu,
mond gehaltenen peinlichen Gerichten Theil. Er bestä-
tigse entweder das gesprochene iJrtheil, oder er erklärte
den Angeklagten für unschuldig. Es stand folglich dem
Criweito das Recht der Reformation des gesprochenen ür-
theils zu, wenn er letzteres in seiner Weisheit für zu
hart erkannte. In der That war daher der Criweito ein
Richter der Richter, oder der oberste Richter.
Dafs der Criweito an den Verurtheilungen zum To-
de einen so entscheidenden Antheil nahm, dies forderte
der religiöse Glaube des Alterthums , nach welchem er
die Göttin der Weisheit , der Liebe , der Gerechtigkeit
und des Todes repräsentirte , und dafs der Einflufs, den
ihm sein oberstes Pvichteramt auf das weltliche Regiment
seines Volks gewährte, ihm ein sehr grofses, das Ansehen
des Königs überwiegendes Ansehn gab, (major flaminis
quam regis apud ipsos [Rugianos] auctoritas est, sagt
— 75 —
Adam. Brem. I. 36.) dies ist natürlich. Wenn aber schon
die obevrichterlichen Befugnisse dem Crivv oder Criweito
ein hohes Ansehen verliehen, so steigerte dieses Ansehen
doch noch mehr seine hohepriesterliche Würde. Will
man das Magnanitiv Criweito, Criwito (Criwischczo),
in die jetzige Sprache übertragen, so würde man ohnge-
fähr die Uebersetzung erhalten: die Berggöttin (Mond-
güttin) repräsentirender Hohepriester; oder will man die
Form des neutri in Criwito angemessener ausdrücken:
mondgüttliche Gröfse, Erhabenheit, Hoheit. Dasselbe,
was der slavische Name Criw oder Criwito (nord- und
ost-slavisch) bedeutete, bezeichnet noch jetzt die Be-
nennung Delai-Lama in Tibet (tin-bu-et, Bergland)
und Dayri (day-hiri, oder dan-iri, Berggöttin) in Japan
(Jan-pan oder buan, Bergland).
Der Tibetanische Titel Lama, der dem deutschen
Worte Hoheit, Majestät und dem persischen Mirza ähn-
lich ist, ruht auch auf dem Mondbergnamen Lam. Der
japanische Titel Kubo-Soma bedeutet: sonnengöttliche
Majestät, und Dairi-Soma ist durch mondgöttliche Ma-
jestät zu. übersetzen. Den Dairi nennt man in Japan
auch Jesiko (Jen-sin-iko) , welcher Name, wenn man
seine hohen Vocale berücksichtigt, auch andeutet, dafs
man sich unter ihm einen Repräsentanten der Moudgöt-
tin, oder des Mondgotts denkt. Nach den japanischen.
Chroniken ist die japanische Theokratie (Dairi) schon
663 vor Christi Geburt entstanden und dauerte bis zum
Jahre 1160 der christlichen Zeitrechnung, wo sich das
Oberhaupt einer im hohen Ansehen stehenden fürstlichen
Familie des Landes der Zügel der weltlichen Regierun«»
bemächtigte, dem geistlichen Herrscher aber nicht nur
seine religiösen Attribute, sondern überdies noch einen
Schatten seiner ehemaligen weltlichen Macht liefs.
Bemerkenswert!! ist es, dafs die Oberpriester mehre-
rer Völker sich den Namen der INIondgottheit beigelegt
haben. Hierbei scheinen sie verschiedenen Beweggrün-
— 76 —
den gefolgt zu seyn. In den nördlichen Ländern, wo
der Mondcultus vorherrschte , fanden sie es deshalb an-
gemessen, sich Mondgottheit zu nennen, weil sie die
Hauptgottheit des Landes repräsentirten , oder als nahe
mit derselben verbunden, gedacht wurden. In den T^än-
dern aber, wo der Sonnencultus vorherrschend war, hiel-
ten sie es doch für anmaafsend , sich Sonnengötter zu
nennen, und nannten sich daher nur Mondgottheit, wo-
durch sie andeuten wollten, dafs sie nicht nur die Mond-
gottheit repräsentirten , sondern dafs sie als Stellvertreter
des Sonnengotts dem Monde ähnlich waren, der nach
dem Glauben des Alterthums, oft die Sonne vertrat. Fer-
ner legten sich die Oberpriester deshalb die Qualität der
Repräsentanten der Mondgottheit bei, weil diese Quali-
tät ihnen einen grofsen Einflufs auf die Verhältnisse
des bürgerlichen Lebens ihres Volkes gab und weil sie
dadurch das Principat unter den Richtern des Landes er-
hielten. In den Reichen, wo die Theokratie untergegan-
gen war und weltliche Herrscher unter dem Namen des
Sonnengotts (Kubo, Schach, Sultan) das Militair-Gouver-
nement führten, nannten sie sich Mondgottheit wegen
der Aehnlichkeit, die sie als Mitregenten in Verwaltungs-
sachen mit dem Monde hatten , der als Mitregent des
Sonnengotts gedacht wurde.
Die weltlichen Herrscher, welche die Völker führ-
ten und dieselben unter dem Beirath der Oberpriester
(vergleiche Mufti bei den Türken) regierten, wurden
im Alterthume in der Regel mit dem Sonnengotte ver-
glichen, und ein jeder einzelne Sonnengott '^^ genannt.
41 Obgleich Menu's indisches Gesetzbuch seine jetzige Form
erst später durch den AVeisen Bhrigu (vergl. T. Cap. §. 59.)
erhielt, so sind doch seine Elemente ohnslreitig zum gröfs-
teii Theile uralt. In diesem Gesetzbuche wird die hohe Be-
stimmung eines Herrschers im VII. Cap. §. 8, 4 und 5 also
angedeutet: Man darf einen König, wenn er auch noch
— 77 — .
Davon geben Zeugnlfs die Namen: Pharao (buh-har-o),
Zaar (zan-ar), Schach (schan-ach oder as), Mogul
(inon-gu-ul), Kral (kar-al), Grul (gur-ul), Rajah
(ran -Jan -ah oder as), Sohan (sol-tan), Roi (ron-ah
oder as), Schupan (schun-pan), Graf (gar-av), Baron
(bar-on), Chan (ku-an) u. s. w. Der Königsname der
Italcr (rex), bei welchen es in ahen Zeiten nur kleine
Königreiche gab, scheint einen kleinen Herrscher (Mond-
güttin) anzudeuten, so wie auch das englische King (kin-
ik), das türkische Bey (ben-hei, Mondgöttin) und Dey
(den -ei), das südasiatische Scheik (sehen- ik) und das
nmericanische Kazik (ka-zin-ik). Einen kleinen, oder
doch von einem gröfseren HeiTScher (Jehovah) abhängi-
gen Fürsten bezeichnet ohnstreitig auch das hebräische
"rjb^ (mel-ech, ek) und das griechische Wort ßacdEvs
(ba-sin-len-es) enthält die Benennung eines Fürsten,
der, wie der habessinische Negus (nen-gu-us), die Son-
nen- ixnd Mondgottheit zugleich repräsentirte. Der mexi-
canische Herrschername Montezuma war ein zusammen-
gesetztes Wort, dessen beiden ersten Sylben vermuthlich
Monde (mon-ode, Berggöttin) lauteten und die mit dem
chinesischen Chuandi (ku-an-di) gleichbedeutend wa-
ren. Das angehängte Zuma ist derselbe Titel, der in Ja-
pan Soma (summus) heilst und der gewöhnlich durch Kaiser
übersetzt wird. Das Wort Montezuma wäre demnach durch
oberster Fürst, oder Oberherrscher zu übersetzen. Das per-
sische Mirza (mir-aza) oder Mursa ist mit demperuaniscchen
ein Kind ist, niclit mit Gleichgültigkeit behandeln, noch
sich einbilden , er sey ein blofser Sterblicher. Er ist eine
mächtige Gottheit, die in menschlicher Gestalt erscheint.
Der Regierer des Weltalls bildete ihn aus ewigen Theilchen,
die er aus den Wesen Indra. Pavana, Yama, Surya, des Ag-
ni und Varuna, des Chandra und Cuvera nahm. Und da
ein König aus Tlieilchen zusammengesetzt wurde, die diesen
Hauptschutzgottheiten zugehörten, so übertrifft er daher alle
Sterblichen an Kuhm. Vergleiche auch die politische Er-
liliirung des zweiten Psalms,
— 78 —
Inca (hin-aca, *^ Berggöttin) und dem hebräischen rnt)
(schon -bu- et, Mondgöttin) gleichbedeutend.
Aber nicht nur die Ehren -Namen der Fürsten und
Könige wvirden aus Gütternamen zusammengesetzt, son_
dern auch die ahen Eigennamen der wehlichen Herr-
scher waren aus göttlichen Namen gebildet. Manche
Fürsten hiefsen nvxr Sonnengott, oder Berggott, z. ß. die
persischen Darab (Dar-av oder as , Darius) und Abas
(han-bu-as), der numidische Dabar (dan-bar), der
atheniensische Codrus (con-tur-us) , der angelsächsische
Horst (hor-as oder ast) etc. Andere Fürsten nannten
sich nicht nur Sonnengötter, sondern auch zugleich Mond-
gottheit. In diese Classe gehören die Fürstennamen:
Porsena (bor-sen-a), Tarquinius (tar-cu-hin-us) , Pan-
öion (pan'din-on) , Antiochus (han-tin-och oder os),
Masinissa (man-sin-issa oder iza), Salomon (san-lom-
ön), Boleslaus (bol-es -lan-as) , Bogislaus (bog-is^lan-
as), Cor -es oder Cyr-us, Hannibal (han-nin-bal), Ha-
milcar ( hani - mil - car oder gar) etc. In manchen Eigen-,
namen der Fürsten steht der Name der Mondgöttin vor
dem Namen des Sonnengotts , z. B. in dem Namen Pyr-
rhus (bir-hun-us) , Sigismund (sin-gi-is-raun-ud), Ina-
chus (hin-han-alc), Nikolas "^^ (nin-col-as), Lycaon
(lin-can) etc. Manche Fürsten hiefsen nur Mondgott-
42 Die Endung ca in Inca kann auch ein invei-tirtes ak, das
im Ostasiatischen und auch im Slavischen (kulka, Höhna,
Mirschnika u. s. vv.) nicht selten vorkommt, seyn. Wahr-
scheinlich würde eine genaue Vergleichung der alten Ost-
asiatischen Sprachen mit den alten americanischen und
australischen die Behauptung bestätigen: dafs Australien
und Amerika einst auch von Asien aus bevölkert worden
sind, oder dafs zum Mindesten Einwanderungen von Asia-
ten in die sogenannte neue "Welt Statt gefunden haben.
43 Nikolas leitet man gewöhnlich fälschlich von viKccco und
Iccog ab.
— 79 —
heit, z. B. Nin-us, Perseus (ber-scn-us), Mizislaus (min-
zin-lan-as), Vercingetorix (ber-zin-ge-tor-ik) , Smer-
dis ( sen-mer-din-is), Thescus (ten-sen-es) etc. Ob-
gleich sich alle Fürsten für Stellvertreter, Sühne und Ab,
kömmlinge der Götter hielten, so war diese Vorstellung
doch noch besonders durch manche Eigennamen dersel-
ben ausgedrückt, z. B. durch den Namen Mithridates.
Da die Fürsten den Namen der Berg- oder Sonnen-
götter führten, so war es angemessen, dals man die
Fürstinnen "'"'■ Mondgöttinnen nannte; denn eine Für-
stin ähnelte ja in mehrfacher Hinsicht der Mondgöt-
tin. Berg- oder Mondgöttin heifst Tomyris (tom-hir-is),
Semiramis (sem-mir-ham-is), Helena (hei- len-a), Cly-
tämnestra (kil-tem-nen-es-tera) , Niobe (nin-obe),
Sara (sar-a), Olga (hol-oga oder asa), Gertrude (ger-tur-
ude), Mina (min-a), Alwina (hal-win_a), Minona
(min-ona), Ernestine (her-nen-es-tin-e), Hermine
(her-min~e) etc.
Es liegt am Tage, warum sich die Fürsten der Völ-
ker Sonnengötter genannt haben. Aber es fragt sich,
warum sie zu dem Namen des Sonnengotts auch noch
den Namen der Mondgottheit hinzufügten. Darauf ist
folgendes zu antworten. In fernem Alterthume war die
Sonnen- und Mondgottheit in vielen Gegenden in einer
Person vereinigt. "Wollten nun aber die Fürsten für Re-
präsentanten der androgynischen Gottheit gelten , so
44 In Ostasien werden noch jetzt niclit nur die Fürsten, son-
dern auch die Fürstinnen für Wesen gehalten, die mit den
Göttern nahe verwandt sind. Als vor einigen Jahren ein
englischer Ambassadeur in der Residenz eines hinterindi-
schen Herrschers ankam, war so eben eine Princessin an
der Cholera verstorben. Die Einwohner wagten aber dies
nicht auszusprechen , weil sie dadurch gegen die Lehre ih-
rer Religion: dafs ein Fürst und eine Fürstin, ja selbst
eine fürstliche Tochter mehr als ein sterblicher Mensch
ist, zu sündigen befürchteten.
— 80 —
mufsien sie in ihren Eigennamen auch den Namen der
Mondgöttin aufnehmen. Wurde aber auch späterhin der
Sonnen- und Mondeuhus in manchen Ländern getrennt,
so war doch die Verehrung des Mondes auch dort noch
eben grofs genug, dafs dieselbe die Fürsten bewegen konnte,
zu dem Namen der Sonnengottheit, den sie führten,
auch den der Mondgoltheit hinzuzufügen. In den nördli-
chen Ländern, wo die Adoration des Mondes vorhenschte,
hatten die Herrscher einen noch besonderen Beweggrund,
sich Mond- und Sonnnengötter, oder auch nxir Mondgöt-
ter zu nennen. Waren die Fürsten nicht nur Anführer
der Völker, sondern verwalteten sie auch das oberrich-
terliche Amt in ihrem Staate, so mulsten sie auch des-
halb den Namen der Mondgöttin ihrem Namen ein-
verleiben. Führten manche Fürsten einen patronymischen
Namen, so bezeugte dies, dafs sie sich für Söhne und
Stellvertreter der Gottheit hielten, deren Namen sie führ-
ten. So hiefs Mithridates *^ ein Sohn des Mondgottes
und Herodes ein Abkömmling der Mondgöttin.
45 Mithra (mith-ira) heitst der Mond, oder die Moiidgöttin.
Es ist uiigewifs, ob die Izeds ursprünglich die 6 Winternio-
nate, in denen der Mond herrscht, oder die Nächte in den
Sommermonaten bedeuteten, oder ob die Mithra mit ihrer
Reihe von Izeds gar eine weniger geachtete Pieligion war,
wie die litthauische in Preufsen. So viel scheint aber ge-
wifs zu seyn, dafs die Deutung, die Zoroaster später der
früheren bactrischen und persischen Religionslehre, die oh-
ne Zweifel von der anderer Völker nicht sehr verschieden
war, gab, nicht die ursprüngliche Religion Bactrieils , Me-
diens und Persiens war. Wenn es nicht geleugnet werden
kann, dafs das wahr ist, was Herr Dr. de Wette in seinen
Vorlesungen über die Religion p. 402 von der geistigen su-
blimen Beschaffenheit der Zoroasterschen Lehre sagt, so
ist es doch auch gewifs , dafs in derselben , wenn man ihre
historische Basis berücksichtigt, eine, von den religiösen
Meinungen anderer Völker sehr abweichende Stellung der
alten Religionsideeu nicht zu verkennen ist. Sollte rlie spä-
tere Monatsreligion der skandinavischen, aus Kaukasien
— 81 —
Angemessen der hohen Vorstellung , die man von
den Königen hatte, war es, dafs letztere nicht nur ne-
ben den Bergtempeln, oder Berg- Götterburgen wohnten,
sondern auch späterhin in der Ebene in Gebäuden ihren
Wohnsitz nahmen, die den hohen, prächtigen Götterbur-
gen ähnlich waren. Diese Gebäude nannte man sowohl
wegen ihrer Aehnlichkeit mit einem Berge als auch des-
halb, weil sie Wohnungen sichtbarer Berggötter waren,
auch Bergwesen, Berggebäude, Göttersitze. Dies bezeu_
gen die Namen: Burg (bor-ag), Schlofs ( schin - Ion -as
Mondgöttingebäude), Rod (ron-ad), Grod (gor -od),
ara (har-os), )'i'Knü_ (har-mon), fil-^ü (tir-ah oder as), li^O
(sun-gar), n5>ä (maan oder mon-os), 'n''^,:ii (seri-ag
oder ak) u. s. w.
C. Auf die Bildung der Ortshamen»
ihs ist eine fast allgemein verbreitete Meinung, dafs die
Namen der Dörfer und Städte ihre Entstehung willkühr-
lichen und zufälligen Ursachen verdanken. Diese falsche
Meinung hat zum Theil die Erzählungen von der Ent-
stehung vieler Ortsnamen veranlafst, die von denen, die
sich für die Bedeutung der Ortsnamen interessiren , oft
wiederholt werden. Diese Erzählungen, so grundlos
und ungereimt sie auch sind, haben die Ortschroniken-
schreiber aufzuzeichnen, gröfstentheils nicht ermangelt.
Bekannt ist die falsche Ableitung des Namens der Stadt
Rom ** von Romulus. Nicht minder bekannt ist auch
herstammenden Gothen nicht vielleicht ein depravfrterZo-
roastrismus seyn ?
46 Rom (ro-om heifs eine auf einem, von Hiigehi und Thälern
6
— 82 —
die Fabel von der Entstehung des Namens der Stadt Bu-
dissin in der Oberlausitz. In Betreff des Ursprungs des
Namens des letztgenannten Orts erzählt man sich Fol-
gendes. Eine , in gesegneten Leibesumständen sich be-
findende Fürstin habe gelobt, falls sie von einem Sohne
glücklich entbunden würde, eine Stadt zu erbauen. Die
jBrsten Worte ihres Gelübdes (budze szyn, d. h. wird es
ein Sohn sevn) hatten, nach der Erfüllung des Wun-
sches der Fürstin, der von ihr erbauten Stadt den Na-
men gegeben. Eben so grundlos sind die Erzählungen
von der Entstehung der Namen der beiden an dem lin-
ken Eibufer liegenden Städte Dommitsch und Pretzsch.
Diese Städte hätten, so erzählt man sich, ihre Namen
von dem Ausrufe der Wenden erhahen , den sie hören
liefsen, als sie einst gegen den Kaiser Heinrich, den Vo-
•gelsteller, auf dem linken Eibufer zwei Schlachten ver-
loren hatten. Einmal sollen sie ausgerufen haben : wono
]e scho precz, d. h. es ist Alles weg (verloren), und das
andere Mal: my dyrbimy dom hicz, d. h. wir müssen
nach Hause (auf das rechte Eibufer) gehen. Das Mähr-
chen: dafs die Stadt Peitz von der Peitsche des Kut-
schers, des brandenburgischen Markgrafen Johann Georg
beSeckten, Terrain gebaute grofse Stadt, und das Wort ist
generis masculiui , weshalb die Wenden ton F>.oni oder Ro-
my (plurale) sagen. Das lateinische Wort Roma hat die
Feminalform, welche die Lateiner in ihren Städtenamen
liebten, die sich aber für den Namen einer so grofsen Stadt
nicht eignet. Wäre die Gegend, in welcher Rom gebaut
wurde, höher, so würde die Stadt Ruma genannt worden
seyn. — Bemerkenswerth ist es, dals die Erbauer Roms
Romulus (Sonnengott) und Remus (Mondgott) heifsen.
Höchstwahrscheinlich liegt den Namen Romulus und Re-
mus der uralte , politisch dargestellte Glaube an die Grün-
dung der Völker und Staaten durcli den Sonnengott und die
Mondgöttin zu Grunde. Vergleiche das, was weiterhin über
Tuisko und Mannus bemerkt ist, — Latiuni (lan-azium,
asium) bezeichnet eine Thalgegend und Latini (lat-inen'
laz-inen) heifsen Thalbewohner.
— 83 —
von der Neuraark und die Stadt Cüstrin ihren Namen
von einer Katharine (Trine) erhalten liabe, erzählen jetzt
nur noch einfähige Weiber. Diejenigen, welche sich
über die unter dem Volke in Botreff der Entstehung der
Ortsnamen cursirenden Mährchen erhoben haben, su-
chen nachzuweisen, dafs dieser oder jener Ort seinen
Namen von irgend einem heidnischen, dort aufgestellt
gewesenen, Götzenbilde, von einem Fürsten oder Für-
stin, von einem Edelmann oder einer Edelfrau, von ei-
ner dort Statt gehabten Schlacht, und von andern zufäl-
ligen Ursachen erhalten habe, und bekräftigen diese ihre
Behauptung durch die Anführung: dafs Alexandria von
Alexander, Constantinopel von Constantin dem Grofsen,
Elisabethgrad von der Kaiserin Elisabeth, Theresienstadt
von der AUeinherrscherin Maria Theresia u. s. w. seinen
Namen erhalten habe, und dafs man in Nordamerica den
neu angelegten Städten ganz willkührliche Namen gebe.
So wenig dies geläugnet werden kann , ja so gewifs es
ist, dafs es Orte späteren Ursprungs giebt, die den Na-
men von ihren Erbauern, von den Flüssen und Heil-
quellen, an denen sie liegen, u. s. vv. erhalten haben, so
gewifs ist es aber auch, dafs der grofste Theil der Orts-
namen, insonderheit sämmtliche Namen alter Orte ihre
Entstehung den Vorstellungen der Bergreligion verdan-
ken. Diesen Vorstellungen gemäfs sah man in einem je-
den Dorfe und in einer jeden Stadt nicht nur eine berg-
ähnliche Erscheinung (tor-av, wen -es, wefs), stan-iza^
'nsp (ken-pa-ar), kc6(ii] (come), I^S', (hir), n'i'p, [ger-et),
ui-bs (hur -üb), im genitivo hur-ubis contracte hurbis
oder urbis), aju (han-asti, oder di), Miesto (men-es-
eto), sondern man gab auch einem jeden besonderen
Dorfe und einer jeden besonderen Stadt einen besonde-
ren Namen, welchen der Berg, auf dem sie gebaut wur-
de, oder der ihr zunächst lag, bestimmte. War der Berg,
auf dem, oder an dem eine Stadt, oder ein Dorf lag
ein höherer, so wurde der Ort So.nnenstadt oder Son-
nendorf genannt; gehörte dagegen der Berg zu den nie-
deren oder Mondbergen, so hiefs man den anliegenden
6*
Ort Mondstadt oder Monddorf. Ein jeder, auch der
kleinste Ort, erhielt auf diese Weise den Namen Got-
tes- oder Göttin -Stadt oder Dorf.
Auf diese Weise entstanden männliche und weibli-
che Ortsnamen. Die männlichen Ortsnamen wurden auch,
wie die andern männlichen Wörter, durch die tiefen Vo-
cale ausgezeichnet, die weiblichen, oder niedrig gelege-
nen aber erhielten die hohen, oder man hing an den
männlichen Bergnamen asa, iza, ana, ona etc. Oft ist
der Berg, nach welchem man im Alterthume einen Ort
nannte, so unbedeutend, dafs man nicht selten Mühe
hat, ihn aufzufinden. Wenn der Berg, nach welchem
ein Ort benannt ist, auch jetzt in gi'öfserer Entfernung
von demselben liegt ^ so war dies in früheren Zeiten ge-
wöhnlich anders, wo die Menschen durch die noch nicht
ausgetrockneten Sümpfe der Niederungen genöthigt wur-
den, sich näher an den Bergen anzubauen. Da hoch
und niedrig relative Begriffe sind, so darf man sich nicht
wtmdern, dafs man nicht selten einen Berg durch Cusch
fcezeichnet findet, der im Vergleich mit den indischen
Cusch und mit den Cusch anderer Gegenden nur ein
Hügel ist. Weil die in den ebeneren Gegenden Wohnen-
den doch auch ihre Sonnenberge haben wollten, so kam
oft eine unbedeutende Anhöhe zu der Ehre, Sonnenberg
genannt zu werden.
Manchen ist die Entdeckung , dafs die mehresten
Ortsnamen Producte des Glaubens der alten Bergreligion
sind, nicht erwünscht, weil sie diese Entdeckung zu der
Gewifsheit führt, dafs jeder alte Ortsname, er laute wie
er wolle, *^ weiter nichts bedeutet, als Bergdorf und
47 Die alten Ortsnamen beschreiben , oder malen gleichsam
die Lage eines Orts ab. Die Mannichfaltigkeit der Ortsna-
men rührt sowohl von der Verschiedenheit der Lage der
Orte als auch von dem beliebigen Gebrauch der Sprachwur-
zeln her. Jedoch war dieser Gebrauch von der durch die
--' So —
Bcrgstadt, oder Gottesdorf und Gottesstadt, und weil sie
alles Spiel des Witzes und des Scharfsinns, dem sich
manche Interpreten der Ortsnamen gern hingeben, zu
Schanden macht. Andern dagegen ist die Gewifsheit,
dafs alle alte Ortsnamen ein Prodnct der Bergreligion
sind, im hohen Grade wichtig. Sie finden nämlich darin
einen deutlichen Beweis, dafs Nordeuropa schon vor Ein-
führung des niederen Fetischismus imd des Christenthums
mehr angebaut war, als man gewöhnlich glaubt, und
dafs namentlich in Germanien, Sarmatien und Skythien
schon lange vor der Einführung des Christenthums bei
weitem mehr Stabilität in dem menschlichen Aufenthalte
und mehr Landescultur herrschte, als noch gegenwärtig
in den Binnenländern Amerika's, wobei sie sich jedoch
nicht verhehlen, dafs viele schon vorhandene Orte, z.
B. in der Lausitz, durch die später eingewanderten Ser-
ben erweitert und das Land um sie herum mehr ange-
baut worden ist. Mancher Ort, der jetzt nur ein kleines
Dorf ist, hatte in alten Zeiten den Rang einer heutigen
Stadt (war ein äsen, azen, aten, ethcn u. s, w.), und
an der Stelle, wo ehedem nur einige Hütten standen,
stehen jetzt die Palläste einer fürstlichen Residenz. Ob-
gleich die Serben, die im 6ten christlichen Jahrhunderte
von den Ufern der Unter -Donau ins Meifsnische und in
die Oberlausitz einwanderten, manche der vorhandenen
Ortsnamen nach den Forderungen ihrer Sprache umän-
derten, so änderten sie doch die eigenthümliche Beschaf-
fenheit der Ortsnamen nicht, weil auch ihr religiöser
Glaube und ihre Sprache auf der alten Bergreligion ru-
hete. Als die Deutschen die Länder der Wenden ero-
berten^ so nahmen sie die alten Ortsnamen wieder auf,
Religion geheih'gten Regel abhängig. Wenn z. B. Berlin auch
Laon, Nanking, Bordeaux (bor-odo), und Bremen (ber-
emen) heilsen konnte, so durfte dieser Ort docli nicht Bar-
do, Bar (sur Aube) und Barcelona (bar-sel-ona) genannt
werden.
— 86 —
verlängerten sie aber gewöhnlich durch den Zusatz des
Worts Dorf, Hain, Heim, Burg, Berg u. s. w. Die Na-
men der später von den Wenden angelegten Orte aber
corrumpirten sie nach den Forderungen der Eigenthüm-
lichkeit ihrer Sprache und gebrauchten diese verdorbenen
Namen in den schriftlichen Urkunden, oder in Diplomen.
Bei der Bildung der Ortsnamen verfuhr man im
Alterthume auf folgende Weise. Wenn eine oder meh-
rere Familien auf einem Puncte sich niedergelassen, und
wenn sie durch ihre Bemühungen den Boden von den
Bäumen des Urwaldes so wie auch von etwanigen Stei-
nen befreit hatten, so erbauten sie sich dort Hütten, in
welchen sie sich mit ihrem Viehe, vorzüglich während
der strengen Winterkälte, aufhielten. Diese Hütten, die
anfangs vorzüglich auf Anhöhen errichtet wurden, nannte
man ein Seyn oder Wesen und bezeichnete letzteres
durch die Wörtchen: üb, uc, ud, uf, ug, uh, uk, ul,
um, un, up, ur, us, ut, ux, uz, usch, uz; ob, oc, od,
of, og, oh, ok, ol, om, on, op, or, os, ot (oth) ox,
GZ, osch, oz; ab, ac, ad, af, ag, ah, nk, al, am, an,
ap, ar|, as, at (ath, ast), av, aw, ax, az, asch, az; eb,
ec, ed, ef, eg, eh, ek, el, em, en, ep, er, es, et, ev,
ew, ex, ez, esch, ecz; ib , ic, id, if, ig, ih, ik, il,
im , in , ip , ir , is , it ( ith ) , iv , iw , ix , iz , isch , icz.
Vor diese Wöitchen setzte man einen Bergnamen und
dadurch erhielt man den Namen eines Orts. Hatte der
angelegte Ort eine hohe Lage, so nahm man einen männ-
lichen Bergnamen und hing an denselben eins von den
erwähnten Würtchen, die tiefe Selbstlaute haben. So
entsand z. B. Arras in Frankreich aus har und as, Aarau
in der Schweiz aus har und aw oder au, Ham an der Som-
me aus Ha und am, Glatz in Schlesien aus Gal und az,
Marasch am Euphrat avis Mar und asch, Tann am Rhön-
gebirge aus Tan und an, Thun im Canton Bern aus
Tun und un , Husch in der Moldau aus Hun und usch
etc. War der Ort niedrig gelegen, so nahm man den
— 87 —
Bori^nanien in der weiblichen Form und setzte an den-
selben eines von den vorstehenden Wörtchen, welches
einen hohen (weiblichen) Vocal hat. Auf diese Weise
bildete man z. B. den Namen der Stadt Gueret (ger-el)
im frauzösichen Departement de la Creuse (ger-ese),
der Stadt Gex (dschen-ex) am Fufse des Berges St. Clau-
de in Frankreich, der Stadt Kirn (gir-in) im Koblen-
zer Regierungsbezirke, der Stadt Kiew in Rufsland, der
Stadt Seres (ser-es) in Macedonien, der Stadt Peitz
(pi-iz) etc. Den Charakter der niedrig gelegenen Orte,
die man sich als weibliche Gottheiten , oder doch min-
destens als unter dem Schutze der weiblichen Gottheit
(Mondgöttin) stehend dachte, bezeichnete man aber nicht
nur durch die diesem Namen einverleibten hohen Vo-
cale, sondern man deutete denselben auch durch ein.
dem männlichen Berg- oder Gottesnamen angehcängtes a
(Rom-a, Sor-a), e (Dahm-e), oe (Soroe), i (Gori in
Grusinien), und y (Huy im Lütticlischen). Eben so oft
wurde ein weiblicher Ortsname dadurch bezeichnet, dafs
man zu einem Bergnamen die, ein weibliches Wesen
nennenden, Wörtchen: uba, uca (Lucca), uda, ufa,
uga (Kal-uga), uha, uja (Luja), uka (Luka), ula (Tula)
uma , una ( Corunna ) , upa , ura , usa ( Susa ) ussa , usta,
Uta (cuty, Laute), uva, uwa, uxa, uya, uza, uscha,
uza; oba, oca, oda (Roda), ofa, oga, oha, oja, oka;
ola (Nola), oma, ona (Ver-ona, Sal-ona), opa (Joppe),
ora (Zamora), osa (Tolosa, Toulouse), ota, otha, ova
(Cordova), owa ( W^arschowa ) , oscha (Holscha, Horscha,
Dorfnamen in der Oberlausitz) oza; aba, aca, ada (Sta-
de) afa (Kaffa), aga (Praga), aha, aja, aka (Sakka im
Meifsnischen ) ama (Parma), ana (Dschumna oder Jum-
na), apa, ara (Zara), asa, ata (Dschenata in Habessi-
nien) , ava, awa, axa, aya, aza, ascha, alscha, aza; eba,
eca, eda., efa, ega (Steege, Steen-ege), eha, eja, eka,
ela (Steele, Steen-ele), ema, ena, epa, era (Nehra),
esa (Seese, Sen-ese), essa (Edessa), eta, esta, eva, ewa,
eya, eza, escha, eza; iba, ica, ida (Dschidda, Nida,
— Ö8 —
Neide) , ifa (Tarifa) , iga , iha , ija , ika , ila , ima (Grim-
ma), ina (Lina, ein Dorf), ipa (Lipa, Leipe), ira
(Ka-ira), isa, issa (Larissa), ita, itha, iva, ivva, ixa,
iza (Voniza, Belitz), ischa, iza hinzufügte. Bestand ein
Ort, der eine weibliche Endung hatte, aus zvvei , oder
aus mehreren Abtheilungen, (Ober- Mittel- und Nie-
der-Stadt, oder Dorf) so gebrauchte man seinen Na-
men in Plurali z. B^ Thebae, Cumae, Sdzar)^, Z*^ Nad-
48 Sdzary, Grofssärchen bei Hoyerswerda. Der Ortsname Sär-
clien ist nicht ein Diminutiv, sondern er bezeichnet einen^
auf der einen Seite etwas höher ( ser ) liegenden , grofsen
(echen) Ort. Der wendische Name Sdzary, der aus sa-
dscha-ar-y zusammengesetzt ist, zeigt einen Ort an, der auf
der einen Seite (Südseite) etwas höher liegt und dessen an-
dere Seite (Nordseite) sich allmählig (dscha oder ja, za)
erhebt. Die Sylbe ar deutet an, dafs der Ort vom Wasser
durchschnitten ist. — Sdzar (Sohra bei Bautzen) bezeichnet
einen zum Theil hoch gelegenen (sa) , zum Theil an einem
sanft ansteigenden Berge (dscha, oder dza) liegenden, im
Ganzen hohen Ort. Weil das Terrain, auf welchem das
Dorf liegt, von einigen kleinen Thälern durchbrochen ist,
deshalb hat der Name des Orts die Sylbe ar zur Endung. —
Auch in den Länder-Namen deuten die Sylben die Beschaf-
fenheit des Terrains der Länder an. So zeigen z. B. die
Sylben in Makedonia an : dafs das Land zum Theil Gegen-
den hat, in denen sich ziemlich hohe, aneinander hängende
gestreckte (ma) Berge, zum Theil wieder niedrigere, jedoch
mit einigen kleineren Hochbergen ( ke ) bedeckte Landstri-
che finden, dafs ferner hinter diesen eine Hochebene liegt,
dafs aber doch das Land im Ganzen in Vergleich zu den
hinter demselben , gegen Norden liegenden Ländern eine
onia d. h. ein Niederland ist. — Wird man einst zu der
Ueberzeugung gelangen, dafs sowohl die (alten) Ortsna-
jnen als auch die Ländernamen ihre Entstehung nicht zu-
fälligen Ursachen verdanken , sondern eine Frucht der ge-
nauen Contemplation der Natur des Alterthums sind , so
werden uns die Reisenden auch über die Harnionie der
(alten) Orts- und Länder-Namen mit der Beschaffenheit des
Terrains der Orte und der Länder berichten.
— 89 —
zanazy,*' Boschezy, '° Bosankezy ^^ etc. War ein Ort
erofs und wollte man diese seine Beschaffenheit ausdrü-
cken , so setzte man zu den oben erwähnten Wörtchen
üb, uc, ud, uf etc., das Würtchen im, on, an, en, in,
welches man durch Stadt, Ort, übersetzen kann, und
«rewann auf diese Weise die Wortendung: ubun, üben,
uban, üben (Guben, Gu-uben), ubin (Lubin, Lüb-
ben); ofun, ofon, ofan, ofen (Ofen, Hon-ofen^'),
ofin; atun, aton, athon (Marathon), atan , aten, athen,
azen (Bu-azen, Bauzen), atin; etun, eitun, (Zeitun,
49 Nadelwitz bei Bauzen. Der Name bezeichnet ein im Thale
an einem sich sanft erhebenden mäfsigen Berge liegendes
Dorf. Die Sylbe Na bezeichnet die niedrige Lage, dafs
Dzan, welches anderwärts Jan (jamais) geschrieben wird,
die Beschaffenheit der Anhöhe, an der das Dorf liegt, und
azy deutet den Plural von aza, asa, hier das Dorf an,
50 Baschütz bei Purschwitz.
51 Bosankwitz bei Bauzen. Ist nicht von Bosanka, d. h. die
Fliederbeerej abzuleiten, sondern bedeutet ein hochgelegenes
Dorf.
52 Ofen in Ungarn. Es ist nicht nöthig, dafs man an die Syl-
be o, oder ho noch ein n anhängt. Ich habe aber dies ge-
wöhnlich gethan, um den Namen des Berges ganz zu geben.
Ein Mitlaut wurde an die, sich auf einen Vocal endenden,
Sylben in der lateinischen Sprache (in den andern weniger)
in der Regel dann gehangen (der volle Berg- oder Gottes-
name gegeben), wenn eine nicht abzukürzende Sylbe (us, os,
as, et, is etc.) folgte, wie z. B. in canis (can-is). sonor (son-
or), honor (hon-or) etc. Folgten zwei Vocale auf einander,
wie in Rose (ro-ose). Blase (bal-ase), Blume (bul-ume)
Fliege (fli-ige) etc., so wurde der eine herausgeworfen. Wo
in einem Worte zwei Selbstlaute neben einander stehen , ist
die männliche Endung qu z. B. in equus (das us ist eigent-
lich überflüssig) umgekehrt, wie in Menü, Wischnu etc.
Eiine Inversion der Endung ist auch in cornu, gelu etc.,
welche Wörter eigentlich corun, gelun heifsen sollten. Cor-
nix (cor-nin-ix) besteht aus zwei Wörtern, und in den deut-
schen Wörtern Hörn (hor-on). Dorn (dor-on), Hafs (hal-as)
etc. ist hinten ein Vocal herausgefallen.
— 90 —
zen-etun), eton, etan, eten, iten, ithen (Wil-ithen, Wil-
thon, Weleczin). Hinsichtlich dieser, einen grofsen Ort
bezeichnenden, "Wörtchen ist zu bemerken: dafs die ita-
lische Sprache das un in urn und ium verwandelt, z. B.
in D y räch ium , (tir-ach-um oder ium), Brundisium
(Brun-din-isum oder isium) etc. Die griechische Spra-
che hat on, z. B. in Marathon (Mar-athon oder ason),
etc. Das Hebräische hat auch on, aber auch an j das
Germanische hat en und in z. B. in Nossen (non-osen),
Ressen (ren-esen), Raschen (ren-esen oder eschen), Gar-
delcgen , ( gar-den-len-egen) , Hadmersleben (had-mer-
es-len-eben), Aschersleben (lian - scher -len- eben), Wer-
ben ^^ (wer oder her -eben), Missen (min-isen), Mei-
fsen (min -eisen, Meifsen , wendisch Mischnjo, min-
is - nin -ijo ) , Weferlingen ( wen - ber - lin - igen ) , Berlin ^*
53 Der Name Antwerpen ist aus ant oder haut, wer und epen
gebildet. Die Sylbe ant bezeichnet einen hölieren Piuict,
an welchem die Stadt liegt. Das wer deutet die ziemlich
tiefe Lage des Orts an und die Endung epen einen grofsen
ziemlich tief gelegenen Ort. Das werpen ist ziemlich gleich-
bedeutend mit Werben bei Coltbus. Läge Antwerpen hoch,
£0 müfste der Name Antwerpen , Ontworpen oder Untwur-
pen lauten.
54 Berlin heifst eine , in einer ziemlich niedrigen Gegend ge-
legene, grofse Stadt (elin). Die Sylbe ber deutet die Be-
schaffenheit des Terrains an, auf welchem die Stadt liegt
luid hat eine adji-ctivische Potenz. Mit einem Worte der
jetzigen deutschen und wendischen Sprache läfst sich Ber-
lin nicht wiedergeben. Wollte man den Namen durch ein
neugebildetes Wort: Tief-Grofsstadt übersetzten, so drückte
dies d; ch die Bedeutung desselben nicht bestimmt und voll-
ständig aus. Wäre die Gegend, in welcher Berlin liegt, noch
niedriger, so müfste der Ort Birlin heifsen. Der Name Ber-
lin darf nicht von dem jetzigen Worte Berg (mons) und von
dem wendischen Worte Lina (der Lehm) abgeleitet werden,
sondern er ist eben so giit primitiv, als Budissin, Fehrbel-
lin , (rt^oder ber, bei -elin), Bilin, Oybin etc. Als Name
eines grofsen Orts ist er generis masculini, weshalb auch
— 91 —
(ber-elin), Malin (man-alin, Greifenhain in der Nieder-
lausitz), Solingen (sol-lin-igen), Gumbinnen (Gum-
bin-nine), etc. Die greisen Orte, die in den ihre Gröfse
anzeigenden Endsylben ein i haben, liegen in der Pvegel
in einer niedrigen Gegend.
Bekannt ist es, dafs in der slavischen Sprache das
ason, aton, üben, alon, alin, eben, isen, azen, atschin,
azin etc. in asow, akow (Muzakow, muz-akow, Muska
in der Oberlausitz und Moskwa in Rufsland), ubovv,
alow (Walow), ebovv, isow, ischow (Bor-ischow an der
Beresina), und Kschischow (ki-schin- ischow [Bergdorf]
in der Oberlausitz), etc. übergeht, und dafs man im
Deutschen das slavische ow in au umgewandelt hat, z.
B. Zwikow (zin- win-ikow ) in Zwickau. Einen klei-
nen Ort bezeichneten die Slaven durch utk, otk, atk,
ask, atschk, etk, eschk (Nem-eschk, Nieraitsch, tief ge-
legenes Dorf an der schwarzen Elster), itk, ischk etc.,
ingleichen durch utka, otka, atka, aska (Skaska, san-can-
aska, Skaske), atschka, etka, eschka, itk, ischka,
ika, etc.
Einen Ortsnamen, der nur aus einem Bergnamen
und aus dem angehängten Geschlechtswörtehen (as, asa,
in verschiedenen Formen) zusammengesetzt ist, kann
die Wenden ton Berlin oder J5arlin sagen. — Es ist viel
walirscheinlicher, dafs Cöln auch nach den Regeln der Ur-
sprache gebildet, als dafs es von dem lateinischen Haiipt-
worte colonia abgeleitet ist. Ist der ;Name Cöln primitiv,
wie es scheint, so sollte er Kein geschrieben werden. Das
Wort Kein (kel-en, Hiigelort) bezeichnet einen ein wenig
höher liegenden Ort, als Berlin ist. Rein kommt das Wort
in dem Namen des auf einer Anliöhe liegenden Dorfs Kein,
bei Bauzen vor. — Gliiiike heifst ein, in einer niedrigen
Gegend gelegenes, kleines Dorf. In der Sylbe Gli ist eine
Metathesis des i und ike {ikt]) ist die Diminutiv -Endung,
die im Slavischen ika lautet. Die Syilje ni bezeichnet die
tiefe Lage des Orts.
— 92 —
man einen einfachen nennen. Es eiebt aber auch Orts-
namen, die aus mehr als einem. Bergnamen componirt
sind und die noch überdies die Geschlechtsenduns ha-
ben. Zu diesen Ortsnamen gehören z. B. Carpentras
(gar-ben-tar-as), AUaliabad (hal-lan-han-ban-ad), Mur-
schebad (mur-usche-ban-ad), Denderah (den- ter- ah),
Machern ( man - ger - en ) , Mezieres ( men - zin - her- es ),
Döbeln (den-bel-en) , Dijon (din-dschon- on), Mom-
baza (mom-ban-aza), Ambelakia (ham- bel-akia oder
asia, asa), Prevesa (her- ven- esa), Thessalonike (ten-san-
lon-ike), Lieberose (lin-ber-ose), Melinde (men-lin-
ide), Ostrolenka (hon-os-tor-len-eka ), Arkona (har-
con-a), Teltow (del-etow), Beeskow (ben-es- ekow),
Czentschochau ( tschen- et- schon -ochow), Erlangen (her-
lan-asen), Lauterecken (lau-ter-eken oder esen), Berch-
tesgaden (ber-ech-ten - es-gan-aden oder äsen, azen,
aken, achen), Ellingen (hei -lin- igen) , Kostroma (kon-
os-tor-oma), Aubusson (hon-bin-ison), Bcsancon (ben-
san - ason ) , Erzerum ( her - zer - um ) , Trabesun (tar- ben-
esun), Briancon ( bir-han-ason) , Perpignan (ber-bin-
gan-an), Aurillac (hon-rin-lan-ac) etc. In diesen Orts-
namen bedeuten die letzteren Sylben Stadt oder Dorf,
die ersteren aber die Lage des Orts. Die Namen derje-
nigen Orte, welche in den ersten Sylben männliche und
in den letzten weibliche Selbstlaute haben, deuten an:
dals diese Orte zum Theil eine hohe, zum Theil aber
eine niedrige Lage haben, und ihr Name ist durch Son-
nen- und Mondgöttin-Stadt zu übersetzen, z. B. Jaros-law,
Ostrolenka etc. Die Ortsbenennungen, deren gleiche
Vocale die gleiche Lage der Orte andeuten, wie z. B.
Brechtesgaden, scheinen es zu bezeugen, dafs der Ort
aus der Combination zweier, früher getrennten Orte ent-
standen ist.
In späteren Zeiten hat man an die Jcurzen alten Na-
men der Orte noch besondere, auch aus Bergnamen zu-
sammengesetzte, Worte angehangen, z. B. wiz, dorf, berg,
bürg, pur oder poor etc. Auf diese Weise entstand aus
— 93 —
sin-ik Sinkwitz, aus Sclilunj^ (schin-lun.ung) Schlung-
witz, aus Herms ( her - men - es ) Hermdorf, aus Jüt-
ten ^^ (schin-iten) Jüttendorf, aus Gers (ger-es) Gers-
dorf, aus sen-ef-eten Senftenberg, aus sehen -en Schön-
berg, aus Ran -ad Radeburg, aus Mir-aza Mirzabur, aus
Boglin Boglipur (poor), aus Dschin-in Dscheipur etc.
An die Stelle der "Wörter Wiz , Dorf, Berg, Burg
etc. setzte man auch bach ( Culmbach ) , bog ( Jüterbog,
Jün-ter-bog), busch (Laubusch, ^^ lau-bun-usch), heuern
(Kaufbeuern, kan-av-beu-her-en) , blik (Medenblik, men-
den-en-bil-ik) , breit (Marktbreit, marak-ber-it) , court
55 Jüttendorf bei Senftenberg, dessen alter Name Jütten (Jün
oder scliin und iten) einen, an einem sanft sich erhebenden,
Terrain gelegenen gröfseren Ort (iten) bezeichnet, hat ohn-
fehlbar früher, als der Ort mit einer, von Norden nach Sü-
den laufenden Schanze (Damm) etwas befestigt war, eine
gröfsere Bedeutung gehabt, als gegenwärtig. — Senftenberg,
das ursprünglich Senef, dann Senfeten und noch später Senf-
tenberg genannt wurde, bedeutet einen an den Bergen (Wein-
bergen) gelegenen gröfseren (eten) und festen Ort (berg,
bürg). — Meine frühere Interpretation des Namens Senften-
berg durch Senftenburg, zu der ich durch die Kitteische
Chronik verleitet worden war, nehme ich zurück, weil sie
willkülirlich und unbegründet ist. Die Wenden nennen
Senftenberg Komorow, welches einen gröfseren (orow), in
einer von Flüssen durchschnittenen Gegend liegenden Ort
bezeichnet. Nach der Regel sollte der Ort wegen seiner tie-
fen Lage Kemerow oder Kimerow heifsen. Die Ntederlau-
sitzer Wenden sind aber l)isweilen von der Regel abgewichen,
56 Laubusch, wendisch Lubusch, der Name eines Dorfs bei
Hoyerswerda. Die erste Sylbe lau bezeichnet eine tiefe
Gegend, die aber doch nicht so tief gelegen ist, als die,
welche mit le, li bezeichnet wurde. Das Busch, welches
hier Dorf bedeutet, könnte von dem deutschen Worte Busch
abgeleitet seyn, weil sich dort, wo jetzt der Ort steht, Laub-
holz befunden haben mag. Indefs kann aber busch auch die
primitive Bedeutung (bu-usch) liaben. Jedenfalls ist aber
die Sylbe lau nicht von dem jetzigen deutschen Worte Laub
(folia) abzuleiten, sonderji sie ist eben so gut primitiv
als lü in Lüben, lo in Lohmen, li in Lipa, oder Leipa.
— 94 —
(Mirecourt, mir-gur-ut) , dam (Potsdam, bu-ots-dam-am),
feld (Elberfeld, hel-ber-fel-ed) , felde (Jahnsfelde, jan-as-
lel-ede) schigar (Tschitschigar, tschin-it-schin-gan-ar),
gur (Serinagur, ser-hin-gur), hör (Sahor, san-hon-or),
han (Huehan, hue-han), heim (Germsheim, ger-men-
es-heim-eim), hain (Kirchhain, gir-ik-han), hörn (Hirsch-
horn, her-isch-hor-on), hals (Ziegenhals, zin-egen-hal-as),
hübel (Krummhübel, gur- um-hin-bel) , kir (Abukir,
han-bmi-kin-ir), kirch (Markirch , mar-kir oder gir-ich;
Hochkirch), kröne (Deutsch-Krone, gor-one), loch (Hafs,
loch, han -as- Ion -och), lar (Gofslar, kon-os-lan-ar) , lup
(Gollup, col-lun-up), man (Akkiermann, han-gir-man-
an), mund und mond (Richmond, rin-ich-mon-od),
mouth (Portsmouth, bor-ots-mun-ut), münd (Gemünd,
gen-raün-id), mart ( Montelimart , lim-mar-at), megk
(Nimegk, nim-ek), mar (Weimar, win-in-mar), monde
(mon-ode), nich (Linnich , lin-nin-ich), nach (Creuz-
nach, ger-ez-nan-ach) , patnam (Negapatnam, nen-ega-bu-
at-nam-am), puram (Malla-pur-am), peln (Oppeln, hon-
bel-en), per (Quimber, cu-him-ber), rück (Ziegenriick,
zin-egen-rin-ik), randt (Ortrandt, hör- ot- ran -ad), rode
(Osterode, hon-os-ter-ode), suk (Mursuk, mur-sun-uk),
sons (Soissons, son-is-son-on), schin (Chotschin, cu-ot-
schin-in), siel (Hocksiel, hon -ok-sin-el) , sei (Brüssel,
bir-es-sen-el) , sand (Gravesand, gar-ave-san-ad) sor (Wind-
sor, win-id-son-or) , ster (Rochester, ron-schen-ster; Mün-
ster), sten (Dorsten, tor-sten), stein (Arnstein , har-an-
stein), schaur, (Pischaur, bin-schan-ar) , sol (sol-lan-ad),
tern (Artern, har-ter-en), thal (Würbenthai, wir oder
hir-eben-dan-al) tel Tittel, (tin-it-ten-el), toor (Coimba-
toor , co-him-ban-tur) , war (Muckwar, mun-uk war oder
har), vvan (Eriwan, heri-wan-an) , wangen (Ellwangen,
hei, wan-agen)^ wörth (Donauwörth, Donau-wer.et), wig
(Coswig, con-os-win-ik), wiek (Bradowiek, bardon-win-
ik), wedel ( wen-den -el), warde oder warthe, (Köniss-
warthe, ken-ig-war ade), walde, (Cunewalde, cun-wal-ade),
zach (Zurzach, zur-zan-ach) etc.
Obgleich in dem Vorstehenden gezeigt worden ist.
— 95 —
wie die alten Ortsnamen zusammengesetzt sind, und wie
man die Bedeutung derselben auffinden kann, so will
ich doch noch die Etymologie der Namen einiger in der
Lausitz gelegenen Orte hinzufügen. Erwähnt ist es be-
reits worden, wie der Name Bauzen ^^ entstanden ist,
und es ist noch zu erwähnen, wie sich der von {]cn
Wenden gebrauchte Name des Orts (Budissin, Budyschin)
gebildet hat. Der Name Budissin ist aus Buh, der Berg
und diu (Bergebene), so wie aus isin entstanden. Die
hohen Vocale in der Sylbe di und in isin zeigen an:
dafs, obgleich man den Ort eine gröfsere Berg -Stadt
(Budissin) nannte, man doch auch darauf Rücksicht nahm,
dafs ein Theil des Orts tiefer liegt.
Der Name des Kirchdorfs Kleinbauzen (wendisch
Budyschink) ist gewifs nicht durch die Herren von Bau-
dis entstanden, sondern derselbe ist eben so gut ein Pro-
duct der durch die Bergreligion erzeugten Sprache, als
57 Auf der westlichen Seite der Stadt Bauzen Hegt eine Burg,
welche Ortenburg heilst. Der alte Name dieses Schlosses
ist Orten und derselbe ist aus hör und ethen (ethen, athon
azou u. s. w. ) entstanden. Dieser Name bedeutet ein, oder
mehrere grofse Gebäude (eten), die auf einem Berge (hör)
liegen, und der (das) Horten (im Wendischen generis Mas-
culini) war, es mochte ursprünglich auf dem westlichen
oder östlichen Spi-eeufer liegen, ein für sich bestehendes
Ganzes, das von Budissin oder Bauzen unabhängig war. In
späteren Zeiten, wo man die ursprüngliche Bedeutung des
Worts Orten oder horten verloren hatte, hing man zum Ue-
berflusse an dasselbe noch das Wort Burg an. Das hör be-
deutet eine etwas gröfsere Anhöhe, als die Sylbe Bu in Bu-
dissin und Bu-azen, Bauzen. Der Name Budissin malt die
Lage des Orts mehr, als Bauzen, indem das di andeutet, dafs
auch ein Theil desselben ( der östliche ) tiefer liegt. Das
Proschen (bor, oder por und oschen und osen) in Proschen-
berg schtint anzudeuten: dafs auf diesem Berge, der zum
Theil bewaldet gewesen seyn mag (Bor heifst in der secon-
dären Bedeutung Bergwald), ehedem auch grofse Gebäude
(eiii oschen, osen) gestanden haben.
— 9ö —
Bauzen und Budissin und vielleicht eine Colonie von
letztgenanntem Orte.
Camenz ist aus Can und men-ez entstanden und
heifst eine an einem hohen Berge (cu, ca) niedrig lie-
gende kleinere Stadt.
Lobau ist aus Len-bu-aw enstanden. Die Sylbe
Le oder Lö deutet an, dafs der Ort ein niedrig gelege-
ner, oder eine Mond-Stadt ist. Die von den Wenden
gebrauchte Benennung des Orts Lubij oder Libij ist eine
Zusammensetzung aus Lun, bi und i oder hi. Dieser
Name hat mit Löbau dieselbe Bedeutung. Obgleich Li-
bij gegenwärtig ein männliches Wort ist, so war dasselbe
doch ursprünglich weiblichen Geschlechts. Aehnlichdem
Namen Libij istHodzj, welches die Deutschen Göda (gen-
eda) oder Gödau (gen-edow) nennen. Hodzj ist aus Hon-
od-schin-i oder hi componirt. Weil auch dieser niedrig
gelegene Ort (Mondort) späterhin einen weiteren Umfang
und eine gröfsere politische Bedeutung erhielt, deshalb
legten ihm die Wenden einen männlichen Charakter bei
und nannten ilm ton Hodzj.
Lauban ist auch Mondstadt, nur bezeugt das Lau
und ban, dafs der Ort schon anfänglich gröfser und hö-
her gelegen war, als Löbau.
Der Name Zittau, der aus zin-it und tan-aw oder
av gebildet ist, bezeichnet einen grofsen (aw) in der
Ebene an den zin oder hohen Bergen gelegenen Ort.
Die Wenden haben dem Worte eine weibliche Endung
(zittawa) gegeben, weil die Stadt Zittau, von den Ber-
gen herab gesehen, eine tiefe Lage hat und deshalb eine
awa oder asa ist. Es darf nicht erst erwähnt werden,
dafs die Ableitung des Namens von dem Worte zito, d.h.
das Getreide, ganz falsch ist. Das zin oder zin ist auch
in den Ortsnamen zidow (Seidau vor Bauzen), Zitschen
— 97 —
(seitschen bei Gödau), Zidzana (Seidevvinkel bei Hoyeis-
weida), Ziwoczizy (Siebitz), Züwise (Siewisch bei Dreb-
kau), Züttim Sestinchen bei Calau), Zulow (Tile bei
Cottbus), Zschiedel bei Camenz, Zibalnja (Cybelle), Zi-
kadlow , (Zikadel bei Lieberose) , Ziimmerojze, (Simmeis-
dorf), Zedlischczo bei Senftenberg. Das idow in Zidow
bei Bautzen zeigt an, dafs der Ort schon in früheren
Zeiten grofs war. Das idow hat dieselbe Bedeutung mit
azen in Bauzen und isin in Budissin und eschen in Seit-
schen. Zidzana ist aus Zin oder Schin und Schan-ana
zusammengesetzt, und bedeutet ein auf einer sanft auf-
steigenden Anhöhe gelegenes Dorf.
Ziwoczizy (zin- won-tschin-izy) hat man von der
Berggöttin Ziwa oder Schiwa abgeleitet, und hat behaup-
tet, dafs in diesem Orte diese Göttin vorzüglich verehrt
worden ist. Es ist aber dies ein Irrthum , weil ein jeder
niedriger gelegene Ort ein Berggöttin - oder Mondgöttin-
Wesen genannt wurde. Ob der spätere Fetischismus in
einem Orte ein Idol der Mondgöttin aufstellte, oder nicht,
dies hatte auf die Bildung der Ortsnamen keinen Ein-
flufs. Das niederlausitzische Züwise ist gleichbedeutend
mit dem oberlausitzischen Ziwizy (^ zin - win - izy ). Die
Niederlausitzer setzen bei den Ortsnamen, die nur in der
Mehrzahl vorkommen, ein e am Ende, die Oberlausitzer
aber ein y.
Zittim ( schin -itim) ist nur eine andere Form von
Seitschen (zitschen). Zülow ist aus Zin oder Schin und
lon-ow zusammengesetzt, und das low bezeugt es, dafs
der Ort eine tiefe Lage hat, oder dafs es ein Mondort
ist. Zschiedel ist aus Tschin - ed - el , Zibalnja aus Zin-
bal-ana oder anja, Zimpel aus Zim-ben-el, Zimmerojze
aus Zim-mer-ojze oder ozy und Zedlischczo aus sehen
oder sen und lin-ischczo entstanden.
Görlitz ist aus ger, lin-iz gebildet, und bedeutet
7
— 98 —
einen niedrig gelegenen Ort (lin-iz), der an einem oder
mehreren ger d. h. Bergen Hegt. Der wendische Name
Solerz ist aus Sei der Sonnenberg und aus her-ez ent-
standen und bedeutet eine an hohen Bergen niedrig ge-
legene Stadt.
Reichenbach ist eine Zusammensetzung aus rin-echen
und bach oder bog. Das bach ist sonder Zweifel später
angehangen und der Ort hiefs anfänglich rin oder rein-
echen. Auch dieser Ort gehört zu den niedrigergelege-
nen oder Mond - Orten. Reichenau bei Zittau hat mit
Reichenbach gleiche Bedeutung.
Weifsenberg hiefs ursprünglich win oder wein - esen.
Die spätere Zeit setzte hier berg !50 -wie an Reijiechen
bach daran.
Hirschfeld hat seinen Namen nicht von Hirsch (cer-
vus) erhalten. Die Benennung des Orts ist aus hir-isch,
d. h. eine kleine Bergstadt, und aus feld (fel-ed), wel-
ches später hinzugesetzt worden ist, entstanden. Feld
bezeichnet eine Stadt, z. ß. Saalfeld, Elberfeld, Felde
aber ein Dorf oder einen Flecken.
Die Stadt Ostritz (hon-stir-iz) hat ihren Namen
nicht der Göttin Ostra zu verdanken, wie man wähnt,
sondern auch der Name ist, wie die übrigen Ortsnamen
der Lausitz (lan oder lau-sin-iza d. h. ein niedriges
Land mit mittlem Bergen, und nicht eine blofse Niede-
rung, wie Latium [lan-azium oder asium] an der Tiber
in Italien), ein Erzeugnifs der alten Bergreligion.
Rothenburg heifst nicht die rothe Burg, sondern der
Name ist aus Pion-oten und bürg entstanden.
Muska ist aus mun-aska gebildet und es bezeichnet
einen, an Bergen gelegenen, kleinen (aska) Ort. Der
wendische Name Muzakow bezeichnet dagegen einen grö-
fseren Ort (Stadt) und ist aus mun-usch und akow, wel-
ches mit azen, äsen, eken, echen u. s. w. gleichbedeu-
— 99 —
tend ist , fovmirt. Der wendische Name ist ohnstreitig
später entstanden, als der Ort schon grüfser war.
Elster (hel-ster oder ser) heifst Berggöttin- Der
Name kann unahhängig von der Elster entstanden seyn,
oder diesem Flusse seinen Namen verdanken, immer ist
seine Bedeutung dieselhe; denn auch der Flufsname El-
ster bezeichnet eine Berggöttin, oder Berggöttinwesen wie
Oder, Spree, Elbe u. s. w. Die Wenden haben, die hohe
Lage des Orts berücksichtigend , den Ort unter den Schutz
des Sonnengotts gestellt und den Ort Halstrow (hal-stor-
ow) Sonnengotts -Stadt, oder hochgelegene Stadt genannt.
Hoyerswerde ist eine Zusammensetzung aus hoi-her-
es und werde oder wer-ede, und der Ort hiefs anfängt
lieh wahrscheinlich Hoihers. Späterhin setzte man an
Hoiers noch werde. Werde, würde (ünwürde oder Hun-
würde), berde, pirde, herde u. s. w. bezeichnet ein Dorf.
Dafs der Ort schon früher weitläuftig und aus mehreren
Abtheilungen bestehend war, dies deutet die wendische Be-
nennung desselben, Wojerczy (won-her-ezy) an. Die hohen
Selbstlaute in den letzten Sylben des Worts bezeichnen die
tiefe Lage der jetzigen Stadt, oder ihr Stehen unter dem
Schirm der Mondgöttin. Von den Grafen Hoyer hat der
Ort gewils nicht seinen Namen erhallen.
Ruhland, welches aus Pvun-lan-ad entstanden ist,
bedeutet eine in einer von Flüssen und Sümpfen be^
deckten Ebene (run) gelegene gröfsere Stadt.
Königsbrück hat seinen Namen nicht von des Kö.
nigs Brücke, sondern es hiefs vor der Corruption seiner
gegenwärtigen Benennung ken-ik-bor-ik, welches eine
kleine an einem niederen Berge gelegene Stadt bedeutet.
Baruth ist ein einfacher Name und ist aus bar und
ut (ein an einem höheren Berge gelegener Ort) ent-
standen.
Der Name Bluno ist eine Zusammensetzung aus bel-
7^
100
un-uno, und bezeichnet einen niedrig gelegenen Ort.
Die Endung o bezeichnet das unbestinamte Geschlecht
(neutrum) eines Orts und deutet an, dais der Ort, frü-
her von gröfserem Umfange, aber weder eine Stadt noch
ein Dorf war. Auf o endigen sich Nefswaczidwo , Rod-
zischczo und Leno in der Oberlausitz, Sorno, Rauno,
Sauo , Meuro und Zedlischczo im Amtsbezirke Senften-
berg, Deschno, Werbno und Madlo in der Niederlausitz,
Nefswaczidwo ist aus nen-es, wan-atsch und idwo ent_
standen. Der Ort ist aus zwei Dörfern, neu es d. h.
niedrig gelegenes Dorf (Neschwitz ist dasselbe, was nen-
es) und wanatsch, Bergdorf, höher gelegenes Dorf, zu-
sammengesetzt und diese beiden Dörfer bildeten ein id-
wo d. h. einen grofsen Ort. Die Ableitung des Namens
Nefswaczidwo von nefswaczicz, d. h. kein Vesperbrot es-
sen, ist ein grober Irrthum. Rodzischczo ist aus ron-od-
schin-isch und iczo entstanden, wenn es ein primitives
und nicht von Rod, d. h. das Schlofs, abgeleitetes Wort
ist. Leno ^^ (ien-eno) heifst in der diplomatischen
Sprache Geierswalde, Dieser Name ist aus gir-her-es
und aus dem späser hinzugekommenen walde d. h. Dorf,
entstanden. Der Name des Kirchdorfs Sorno bei Senf-
tenberg ist aus Sorono gebildet. Er bedeutet ein gro-
fses, in ziemlich niedriger Gegend (odo) gelegenes Dorf.
Die Wenden nennen den Ort Zarnow (zai-anow), wel-
cher Name dem Sorno entspi-echend ist. Rauno liegt an
den Weinbergen bei Senftenberg. Der Name ist aus Ran
und ano entstanden, und war in früheren Zeiten ohne
Zweifel gröfser, als jetzt. Gegenwärtig nennen die Wen-
den den Ort Rowna, d. h. an Bergen liegendes Thal-
dorf. Das in einiger Entfernung von Rauno liegende
58 In diese Klasse gehört auch Mexico (Mechico), Jericho»
Aleppo, Hanaruro, Hauptstadt der f Sandwich-) Insel Wa-
hu (wa-uh) mit einem sicheren Hafen, Resident der christ-
lichen Herrscherin Nomahanna (Mondgöttin) u, s. w.
— IUI —
Dorf Snuo (vSan und awo) ist ein hochgelegener Ort, so
wie Meuro (men-ero), welches die Wenden Murjow
(mur-ujow) nennen. Indefs zeigt doch das e in Meuro
an, dafs der Ort tiefer liegt, als Sauo, welches den Selbst-
laut a in seinem Namen hat. Zedlischczo, oder Sedlisch-
czo (Sedlitz) ist eine Composition von sehen- oder sen-
ed und lin-isch-iczo. Der Name bezeichnet einen, an
einem niederen Berge (sehen) gelegenen, niedrigem (lin)
grofsen Ort. Deschno (Dissen, din-isen) bei Cottbus ist
aus den-esch-eno gebildet und der Name bezeichnet ei-
nen, in der Ebene gelegenen, grofsen Ort. Ziemlich
dieselbe Bedeutung hat auch "VVerbno (wer- ben-eno),
Madlo (man-ad-olo) bedeutet einen höher (man) lie-
genden grofsen Ort.
Der Name des Kirchdorfs Cosel in der Oberlausitz
ist aus Kon- OS -hei oder el entstanden. Coswy '" (Kos-
iy) ist eine Zusammensetzung aus Con-os und owy.
Das owy ist mit dem azy , ezy , izy gleichbedeutend.
Gaufsig (gan-as-ik, wendisch Huska, hun-aska).
Dieser Name deutet an, dafs der an hohen Bergen gele-
gene Ort früher klein war. Indefs kann auch das ik die
Lage des Orts in einem Thale anzeigen. Arnsdorf hiefs
anfänglich wahrscheinlich nur Harns (har-nan-as, ein
59 Kosel oder Koswy. Mir ist es nicht bekannt, dafs Koswy
blos Grab- und Opferhügel, wohl aber dafs das Wort nur
Hügel , so wie den obersten Theil eines Dachsparrwerk? be-
deutet (vergl. Mones Heidenthum I, 159). Heidnische Grä-
ber finden sich in der Nähe vieler Orte. Wo sich aber diese
Gräber finden , ist es ein Beweis , dafs die Orte alt sind.
Höchstwahrscheinlich existirte z. B. die Stadt Bauzen, oder
Budissin, bei welcher schon mehrere Documente heidni-
schen Glaubens und heidnischer Sitte gefunden worden sind,
als bedeutender Ort schon lange vor der christlichen Zeit-
rechnung, und wenn von ihrer Erbauung die Rede ist, so
darf man nur an ihre spätere solidere uaid ästhetischere
Form denken. — Dafs Koswy nicht von Kasow (caper) ab-
zuleiten ist, bedarf keines Beweises.
— 102 —
an hohen Bergen tief gelegener Ort). Der wendische
Name Warnoczizy (war oder har-non-tschin-izy ) ist
mit A rnsdorf gleichbedeutend. Wilthen ( wendisch Weleczin)
ist aus wil und ithen oder iten gebildet, und heifst ein an
Bergen (wal oder val) liegender grofser Ort. Weil der
Ort in einem Bergthale liegt , deshalb hat er in der er-
sten Sylbe den weiblichen Vocal i. In dem wendischen
Namen Weleczin (weKeczin) ist zwar auch ein hoher,
oder weiblicher Vocal, das e, welches aber doch nicht
so hoch ist, als das i. Durch diesen Unterschied deute-
ten die Wenden, welche in der Formation der Ortsna-
men fast durchweg sehr accurat und religiös sind , an :
dafs der Ort nicht ganz im Thale liegt. Der nach Wil-
then gepfarrte kleine Ort Sdzar (San^dschan-ar) kündigt
sich durch seine tiefen Vocale als ein hoch liegender
und unter dem Schutze des Berg- oder Sonnengotts ste-
hender an. Der deutsche Name des Orts ist Sora (son-
pra) und bedeutet ein hochgelegnes Dorf.
Der tiefe Vocal in der Sylbe des Namens des Kirch-
dorfs Pohle (pon-ole, jwendisch Palow, bal-ow) zeigt
nicht minder die hohe Lage des Orts an, als die tiefen
Selbstlaute in Jasonza (Jan-son-oza, Neukirch am Hoch-
walde ).
Uhyst ist aus hun-hin-ist oder is entstanden und
bezeichnet einen, an einem Hun d. h. hohen Berge (Tau-
cher, tau-ger) tief gelegenen Ort. Der wendische Name
Wujesd ist aus Wun oder hun und aus jen-est oder esd
gebildet, und hat dieselbe Bedeutung. Statt des Worts
hin haben die Wenden das, dasselbe bezeichnende, Wort
Jen, welches auch sehen oder dschen, tönt. Janazy (Ja-
nowitz ^°), Johnsdorf (Jon-os) und Minjakow (min-jan^
60 Janowitz, Jolinsdorf. Die Sylbe Jan, John rührt nicht von
einem Jan, oder Johann her, sondern es ist ganz dieselbe
Wurzel, die sich in dem italischen Namen Jan-us findet.
In manchen Gegenden wurde Jan Dschan ausgesprochen.
akovv) haben statt des e in Wujesd den lieferen Vocal a,
und das jan ist in Nadzanazy ( Nadel vvitz) in dsch oder
dz übergegangen.'
Bosankvvitz ist aus bon-san-ak und wiz entstanden
und bezeichnet ein, an höheren Bergen gelegenes, Dorf.
Im Wendischen heilst der Ort Bosankezy (bon-san-
ak - ezy ).
Kreckwitz ist aus ger oder ker-ek und wiz gebildet
und bedeutet ein am Berge gelegenes Dorf. Der wen-
dische Ncme des Orts, Krakezy (gar-ak und ezy) hat
dieselbe Bedeutung, nur ist das e der ersten Sylbe in der
wendischen Benennung in a übergegangen, weil den
Wenden die Höhe der Berge bei Kreckwitz bedeutender
erschien.
Purschwitz, wendisch Porschizy , bor-osch-izy, ist
ein [ziemlich tiefgelegenes Dorf. Das Wort bur, bor,
bar, her, bir, bezeichnet in der Lausitz einen niederen,
mit Holz bewachsenen, Berg, lim Griechischen bedeutete
Bor einen hohen Berg, wie aus dem Namen des Bei-g-
gotts Boreas erhellet.
Malschwitz (mal-asch- witz). Die erste Sylbe des
Worts hat den Bergnanaen der im Lateinischen in mal-
um, das üebel und malus, der Apfelbaum enthalten ist.
Vergleiche Nadianazy und die indischen Jainas , oder
Dschainas. — So wie man in der Benennung der alten
Ortsnamen etwas Bezeichnendes und gleichsam Malendes
findet, so auch selbst in den Namen der Besitzer der alten
Bauergüter in denjenigen Dörfern, wo die Namen der Wir"
the bei allen Personalveränderungen bis in die neuere Zeit
stereotypisch geblieben sind, und wo nicht vielleicht der
Muthwille eines Dynasten seine bäuerlichen Sklaven zwang,
die alten bedeutungsvollen, aber ihm barbarisch klingenden
Namen abzulegen, und sich Papst, Kaiser. König, Herzog,
Graf, Bischof u. s. w. zu nennen.
— 1U4 —
Die Wenden haben in ihrer Benennung des Worts, Ma-
leschezy noch das len in der Mitte hinzugefügt ( Mal-
len-esch-ezy) , welches anzeigt, dafs der Ort, der an ei-
nem Mal d. h. einem gedehnten, allmählig sich erheben-
den, Berge liegt, ein Mondort, oder ein tief gelegener
ist. Das Mal begegnet uns noch in den Namen Maltitz,
in Malin (Greifenhain) und Mlode (mol-ode), in Malk-
sa (Molkwitz bei Forste), in Mallenchen. Mit dem höch-
sten Vocale finden wir es in Milkel, Milkwitz und in
Müllrose ( mil - ron - ose ).
Osling (hon-os-lin-ik ) ist einj^an einem Berge ge-
legener Mondort. Der wendische Name bedeutet dassel-
be, nnr ist in demselben das hon in wun übergegangen,
welches die Gestalt des Bergs, an welchem der Ort liegt,
genauer bezeichnet.
Neida bei Lohsa (lon-osa, d. h. Tiefendorf) ist aus
nin und ida entstanden, und bezeichnet einen tief gele-
genen , oder Nachtgöttinort. Das nin ( wovon vv^ im
Griechischen und nis im Sanskritanischen ) findet sich
auch in Niethen (nin-ithen) bei Hochkirch, in Niem-
zy (Nim-ezy), Dörgenhausen, so wie auch mit andern
Vocalen in Nemaschkleba (nem-asch-kel-eba,) eine
Combination zweier Namen, in Nofslizy (non-os-lin-
izy, Nauslitz), in Nofsaczezy ( non -os-san- sehen -ezy,
Nostitz), in Nemeschk (Niemitsch), in Noehten (non-
ochten) u. s. w.
Der früher wichtigere Ort Diehsa hat seinen Namen
durch die Zusammensetzung der Wörter din- und isa er-
halten. Im Wendischen heifst er Dzjezi (dschen-ezje
oder ezy).
Man darf nicht glauben, dafs die Orte Biehlen (Belsk
(Gebeizig) so wie Tschorne, Sornfsig u. s. w. ihren Na-
men von der dort Statt gefundenen Verehrung der (so-
genannten) weifsen und schwarzen Götter erhalten ha-
ben. Biehlen oder Bielna (bil-ena) heifst ein tiefgele-
— 105 —
genes Dorf, so wie Tschorna (tschor oder tor und ona)
ein hoch oder höher gelegenes, und Sornfsig (Czorno-
l'syky, tschor -non- sin • iky , ein an einem hohen Berge
liegendes Dorf). Das non in Czornofsyky deutet an, dafs
der Ort nicht auf dem hohen (Sonnen-) Berge liegt, son-
dern an dem Berge. Auch hier bemerkt man die wen-
dische Genauigkeit in der Bestimmung der Ortsnamen.
Auch der Berg Tschornebog hat nicht von dem auf dem-
selben Statt gefundenen Cultus des sogenannten Schwarz-
gottes seinen Namen. Der Tschornebog (Berg) heifst Sou-
nenberg, so wie auch der Trom- (tor-om) Berg bei Post-
witz (bo-ost- wiiz).
Lauta ist aus lan-ata entstanden, und bedeutet ein
Monddorf. Luty, -Cuty oder Wuty hat dieselbe Bedeu-
tung und ist aus lun-uty zusammengesetzt.
Rosendorf bei Wendisch -Sorno hat seinen Namen
nicht von Rosen, sondern der Name ist aus Ron-oseu
(in der Ebene gelegener Ort) entstanden. Der wendische
Name Sasrjow ist aus San-as und ron-ojow gebildet und
scheint eine Combination zweier Ortsnamen zu seyn.
Vermuthlich lag ein Theil des Orts unter dem Namen
San-as nahe an den Sandbergen, das ron-ojow aber auf
der bruchigen Ebene. Das ojow entspricht dem osen in
Rosendoif.
üarbina (Döbern) ist aus dar ödes tar und bin-ina
gebildet und bezeichnet ein an einem Berge (dar) in
der Ebene (bin) tief gelegenes Dorf (ina).
Raschen ist aus ren- eschen entstanden. Der wen»-
dische Name Ran (ran -an) bedeutet au.ch einen in der
Ebene liegenden gröfseren Ort. Ressen ist mit Raschen
gleichbedeutend. Die Verdoppelung des s in der Mitte
des Worts ist eine Anomalie, die nicht selten vorkommt.
Obgleich die Wenden Dürrwalde durch Ssuchigosd
benennen, so ist es doch mehr als wahrscheinlich, dals
— 106 —
Dürrwalde nicht aus dürr und Wald entstanden, sondern
dafs der Name dieses Orts auch ein primitiver und aus
Der oder Ter und waUade gebildet ist. In der späte-
ren Zeit, wo die ursprüngliche Bedeutung der Ur- Spra-
che untergegangen war, nahm man die Worte in der
secondären, tertiären u. s. w. Bedeutung und übersetzte
manche alte Ortsnamen in die Sprache der späteren Zeit.
So haben die Wenden der späteren Zeit den Namen des
Bergdorfs Weifa (win oder wein-ifa) durch Motydwo,
d. h. die W^eife, Weifmaschine und Szowa (son-owa)
bei Forste durch Eule übersetzt.
Der Name der Stadt Barschcz (Forste) in der Nie-
derlausitz ist aus Bar und aschcz enstanden. Das Bar be-
zeichnet in seiner ersten Bedeutung einen Berg, in der
zweiten aber einen Wald. Ascz ist eine andere Form
des as. Boblitz ist aus Bon-bol und iz gebildet, und
bol-iz oder iza bedeutet ein Dorf, das an einem Bon
liegt. Burk bei Cottbus ist aus Bur und uk zusammen-
gesetzt. Es heilst Walddorf,
Der Name Burk (wendisch Burkow) ist gleichbe-
deutend mit Borak bei Meifsen, Bohrin bei Finsterwal-
de, mit Broten (ber-eten) bei Swarz Collm (col-om)
U. 5. w. Sese bei Lübbenau ist eine Zusammensetzung
aus Sen-ese, ziemlich tiefgelegenes Dorf. Der wendi-
sche Name dieses Dorfs, Bzez, ist aus ben-dschen-ez
oder edsch gebildet und hat mit Sese dieselbe Bedeutung.
Die Namen Calau und Kulow ruhen auf derselben
Wurzel. Beide Orte heifsen Bergstadt, nur hat Kulow
(Wittichenau in der Oberlausitz) einen tieferen Vocal
in dem Bergnamen, weil seine Lage etwas höher ist.
Cottbus ist aus Kon-ot und bu-us zusammengesetzt
und heifst eine grofse Bergstadt. Wäre der Ort in alten,
vorchristlichen Zeiten klein gewesen, so würde sein Na-
me K-etbes oder Kitbis gelautet haben. Der wendische
Name Choschobus hat noch in der Mitte die Sylbe schon.
— 107 —
Diese wendische Verlängerung des Namens deutet die
alte Bedeutenheit des Orts an. Die tiefen Vocale in
diesem Namen zeigen an, dafs der Ort unter dem Schu-
tze des Berg- oder Sonnengotts gedacht wurde. Diejeni-
gen, welche das Kon -schon und bu in dem Namen ei-
nes Orts offendirt, der nicht im hohen Gebirge liegt,
haben zu bedenken, dafs man in der Ebene nicht selten
selbst einen Hügel einen Ku, Schu, *^ Bu, Mu, Ru etc,
nannte. Brunschwig (bur-un-schin-wig) bedeutet ein
Bergdorf und hat in seinem Namen dieselben Elemente,
welche der Name der Stadt Braunschweig hat. Indefs
zeigen die Doppellaute, oder die gedehnten Laute in
dem letztgenannten Ortsnamen an, dafs der 'durch ihn
benannte Ort schon vor Alters ein grofser war,
Mittenwalde heifst im Wendischen Chudowina, wel^
ches letztere Wort aus Ku-don- win-ina zusammengesetzt
ist. Das wina am Ende des Worts bezeichnet einen dorf-
ähnlichen Ort. Das letztere Wort steht auf derselben
Wurzel mit dem Namen der Stadt Wien, vin-ena. Die
Wenden nennen die Residenz -Stadt Wien Wiuo (win-
ino). Das ino deutet an, dafs der Ort grofs ist. Ob-
gleich der Name der Stadt Wien (wi-en) hohe 'Vocale
hat, so hindert dies doch nicht, anzunehmen, dafs man
sich diese Stadt schon in alter Zeit grofs dachte. Die
hohen Selbstlaute deuten hier die tiefe Lage des Orts
an, wegen welcher er unter dem Schirm der Mondgöt»
tin stand.
61 In manchen Gegenden, vorzüglich auch in der Niederlau-
sitz, deuten die tiefen Vocale in der Mitte der Ortsnamen
nicht die hohe Lage, sondern die Gröfse des Orts an. Nach
der Regel sollte Koschobus KoscheLus heifsen. Vielleicht
ist das o in der Syllie sclio eine spätere Depravation, Die
oberlausitzer Wenden nennen den Ort auch jetzt noch Koc-
zebus. — Der Name Senftenbergs sollteim Wendischen eben"
falls nicht Komorow, sondern Komerow lauten. Der Name Co-
merau, eines auch in einer ziemlich ebenen •fegend liegenden
Dorfes in der Oberlausitz, ist regelrecht.
— 108 —
Drezniz bei Cottbus. Dieser Name ist aus der-ez
oder esch und nin-iz gebildet und bezeichnet ein niedrig
gelegenes Dorf. Der Name Drezdzany (der-ez, dzan-any,
Dresden oder der-es-eden, auch Drasen, dar-asen) bedeu-
tet einen grofsen Ort, der zum Theil tief (der), zum
Theil höher ( dschan ) liegt.
Geissen (col-osen) heilst wendisch Golschin (col-
ißchin). Grabin (Finsterwalde) leitet man gewöhnlich von
grab, d. h. die Weifsbuche, ab. Indefs ist auch diese
Ableitung unrichtig, so wahrscheinlich sie auch Vielen
scheint.
Der Name Grabin ist ohne Zweifel aus gar der Berg
und abin, welches dem äsen, azen, aben, üben d. h. ein
grofser Ort, Stadt entspricht, gebildet. Das abin bezeich-
net die ziemlich tiefe Lage des Orts.
Spremberg hat seinen Namen von Se-ber-em und ist
aus dem später dazu gesetzten Berg entstanden und heifst
ein an sen oder an hohen Berten tief gelegener Ort. Die
tiefe Lage des Orts deuten die hohen Vocale in seinem
Namen an. Den wendischen Namen dieses Orts, Grodk,
übersetzt man durch kleine Burg, Schlöfschen. Wäre
aber Grodk das diminutivum von grod, so müfste der
Name grodzik heifsen. Grodk ist zwar ein (altes) Di-
rninutiv, aber nicht ein derivirtes, sondern primitives
Wort und bedeutet einen kleinen , an Bergen gelegenen.
Ort. Urtheilt man nach der fast nie trügenden Beschaf-
fenheit der alten Namen , so ergiebt sich , dafs die Orte
Slamen (sal-amen), Sellesen (sel-esen) schon in alten Zei-
ten grofse Dörfer (amen, äsen) waren.
Der Name Pförthen (wendisch Kunow, kun-ow) ist
eine Zusammensetzung aus ber, oder fer-eten»
Kirchhain (wendisch Kustkow, ku-ust und kon-ow)
hat seinen Namen nicht von Kirche und Hain erhalten,
sondern von gir-ik und han, welches eine in einer mit-
telmäfsig tiefen Gegend liegende Stadt bedeutet. Früher
war der Ort klein (ik).
Lütobor (Polsberg bei Spremberg) hat seinen Namea
— 109 —
von Lun-ton-bor und heifst ein an einem niederen Ber-
o;e gelegener Ort. Das Pols ist aus Bol und os enstan-
den. Das berg so wie das bor scheint später angeliau-
s,en worden zu seyn. Das bor hat gewöhnlich die Be-
deutung Stadt.
Lübin (lin-ibin) heifst ein in einer niedrigen Ge-
gend gelegener grofser Ort. Lübbenau (Lübnow, lin-ib-
non-ow) hat dieselbe Bedeutung. Lieberose heifst ein
tiefgelegenes Dorf, das wendische Lüboras aber bedeutet
eine eben so gelegene Stadt. Ein tiefliegender Ort ist
auch Lukow (lun-ukow, Lukau). Lipsko ist nicht von
Lipa, die Linde abzvileiten, sondern auch von lun, Ion,
lau, len, lin und bezeichnet auch eine tiefliegende grofse
Stadt. Im Wendischen ist es deshalb ein Neutrum.
Pritzen (wendisch Prizin, bir-izin) enthält eine Ver-
setzung des r und man kann den Namen durch Tiefen-
dorf, oder auch Walddorf übersetzen. Die hohen Vocale
in dem Namen des Orts bezeichnen die tiefe Lage desselben.
Tschadow (tsan-adow) bedeutet einen grofsen, an
einem höheren Berge gelegenen Ort, sowie auch Stra-
dovv (star-ado).
Tschenz ist aus tschen-ez und Steinnitz von sten der
Berg und iza oder isa , das Dorf, gebildet. Jessen (jen-
esen) bei Spremberg heifst im Wendischen Jässerna (jen-
ser-ena) und heifst ein grofses an einem sanft ansteigen-
den Berge (Jen) liegendes Dorf. Auch Gosda (gon oder
kon und osda) heifst Bergdorf oder Hochdorf.
Vetschau (ven-et-eschow) heifst im Wendischen Wfe-
toschow ( wen-ton-oschow) und bezeichnet einen in der
Ebene (win oder wen) gelegenen grofsen Ort.
Petershain bei Drebkau verdankt seinen Namen nicht
einem Peter, sondern der Name ist aus ben oder penter
oder ser und han zusammengesetzt. Wiki, welches der
wendische Name des Orts ist, rührt nicht von Wiki, der
Marktplatz, her, sondern der Name ist aus win und iki,
das eine andere Form von ojze, ize u. s. w. ist, gebildet.
Wiki bedeutet einen an einem niedern Berge tief gele-
genen grofsen Ort.
— 110 —
Den Namen ,Wotscho\v ( won - ot - oschow ) führt
Oster (hon^ster oder ser} bei Cottbus und Dober-
Stroh bei Ahdübern. Der Name Doberstroh, wie er
fälschlich geschrieben wird^ ist eine Combination zweier
Namen. Der vordere dieser Namen ist aus do und
ber zusammengesetzt und bezeichnet einen, auf einer
Bergebene gelegenen, vom Walde umgebenen Ort. Der
zweite Name Strow ist aus stör und ow componirt. Das
stör oder sor zeigt an, dafs der Ort, der diesen Namen
führte , höher gelegen war und unter dem Schutze des
Sonnengotts stand. Der höher und südlich gelegene Ort
(Strow) wurde späterhin mit Dober combinirt, und noch
jetzt unterscheiden sich die ehemaligen Bewohner des al-
ten Strow durch ihre Ackerbeete und auf andere Weise
von den Einwohnern von Dober. Es scheint, als habe
man späterhin das alte Strow wieder unter dem Namen
Nozzedil, entweder auf demselben Orte, wo es früher
stand, oder auf einem andern restaürirt. (Vergl. eine von
dem Senftenberger Gerichtsbeamten [advocatus] Gisele-
rus in Gegenwart Cunrads von Senftenberg und des Priors
des Dobrilugker Klosters , Johannes de Gotebuz , so wie
der Mönche Henricus de Hallis, Matthäus de Hertzberg
und Johannes de Poseryn am Sten März 1290 aufgenom-
mene lateinische Urkunde in Ludwigs reliquiis manu-
scriptorum I. p. 157.") Aber auch dieses Nozzedil ist
später wieder eingegangen.
Ohnweit Dobristow liegt Salhausen. Das Sal ist der-
selbe Bergname, der in Salgast (Zalgoschcz), Salzburg
u. s. w. vorkommt. Das hausen (husen) heifst Dorf.
Im Wendischen heifst Salhausen Zaiz oder Sawsch.
Wormlage ist aus worm oder hor-om und lan-age
oder luge entstanden und heilst ein niedrig liegendes
(lan-a<^e) grofses Dorf. Drochow ist aus dor und ochow
gebildet.
Frankfurt heifst schwerlich der Franken Fürth, son-
dern das Wort Frank ist eine andere Form des Branc
(bar-han-ac) und fürt ist aus bur-ut entstanden. Ohne
— 111 —
Zweifel hat man das burt oder fürt später zu dem Branc
oder Franc hinzugefügt und es steht mit dem berg, bürg,
thal etc. in einer Kathegorie. Das Frank begegnet uns
auch in Frankena (bar-ken-ena) bei Kirchhain, in Fran-
kenthal in der Oberlausitz, in Frankenstein, in Franeker
(fran-hen-ger) in la France (bar-han-ac-azs oder ase) in
I'ranken (bar-han-aken) etc.
Die Namen Sagan (wendisch Zagan, dschan-agan),
Sorau (zarow, dschan-arow), und Baruth (wend. zolm,
dschol-om), bezeichnen grofse ziemlich hoch gelegene Orte«
D. Auf die Benennungen der Inseln.
JNicht nur die Werke, welche Menschen durch ihre Kraft
und Geschicklichkeit errichteten, die Hütten, Häuser,
Schlösser, Burgen, Tempel, Dörfer und Städte nannte
man Bergwesen, sondern auch alle Werke der Natur, die
den erwähnten menschlichen Gebilden ähnlich wareix.
Insonderheit erschienen den Alten als bergähnliche Ge-
bäude, als weibliche Bergwesen, oder als Berggöttinnen,
die Inseln. Obgleich nämlich die Inseln Spitzen von Ber-
gen sind, die über die Meeresfläche hervorragen, so er-
schienen sie doch als niedrige Landstücke, wenn man
dieselben von den hohen Gebirgen des Festlandes be-
trachtete. Aus diesem Grunde nannte man sie fast alle
weibliche Wesen itnd stellte sie unter den Schutz der
Moiidgütlin. Weiblichen Geschlechts sind die Inselna-
men an sich, z. B. "iN (hi oder hei), vrjaoS (nen-son-os,
niedriges Bergland), iusula (hin-sun-ula), Eiland (hei-lan-
ad) etc.
Nicht minder sind auch viele Namen der einzelnen
— 112 —
Inseln generis feminini. So ist weiblichen Geschlechts
der Name der Insel Corsica (gor-sin- ica, ein weibliches
Wesen, welches Berge mit hohen Zinnen oder Spitzen
hat), Sardinia (sar-din-ia), Sikilia (sin-ki-ilia), Mallor-
ca (mal-hor-oca), Minorca (min-hor-oca), Iviza (hin-
bin oder win-iza), Formentera (bor-men-te-era) , Staffa
(stan-affa oder asa^, Ilay (hin-lan-i), Sarasö (sam-ese),
Walchern ( val-ger-en ) , Schouwen (schun-wen-en) , Fal-
ster (bu-hal-ster), Rügen (rin-egen oder eken), Malta
(mal-ata), Samothrace ( samo-tar-aka oder aza, aze), Hy-
dra (hin-tir-a), Greta (ger-eta), Corkyra (cor-gir-a),
Sumatra ( su-man-tar-a ) , Java (jan oder dschan-ava oder
asa), Celebes (kel-len-ben-es), Leyte (len-ite), Bali
(bal-ali), Kuba (ku-uba), Jaraaica (jam oder dscham-
aica oder asica), Helena (hel-ena), Elba (hel-eba),
Hayti (han-iti), Muwe, Morotai etc. etc. ^^ Man darf
es vorzüglich deshalb nicht übersehen, dafs die Namen
der Inseln aus der Ursprache herstammen, damit man
sich nicht zu falschen Interpretationen ihrer Namen ver-
leiten läfst, wie es z. B. denen ergangen ist, die den
Namen der Insel Rhodos von "^oöovf die Rose, abgeleitet
haben.
E. Auf die PluCsnameH,
In den Bergen, diesen alten Repräsentanten der Son-
nen- und Mondgottheit, sind die chemischen Werk-
62 Männlichen Geschlechts sind die Inselnamen: Ceilon (sei-
le-on), Niphon (ni-fon), Irland (hir-lan- ad), HelgoUand,
das man fälschlich durch heiliges Land übersetzt hat, Rho-
dos (ron-od) etc. Neutra sind die grofsen Inseln Jesso
(dschen-esso) , Ximo (Ghim-o), Xikoko (Chi-ko-oko) etc.
— 113 —
Stätten, aus welchen die Quellen (fontes bon.otes),
xpjfi/ßft (ger'enae), Zorwo (zor-owo), Zrewo (zer-ewo)
hervorgehen. Die Gewässer, die sie in die Ebene ent-
senden, heifsen im Deutschen Bäche (ben-eche) und im
Wendischen Rieczki (rin-iczki). Die Flüsse und Strö-
me, die aus den Bächen entstehen, sind bald männli-
chen, bald weibli.:hen, bald unbestimmten Geschlechts.
Diejenigen, welche männlichen Geschlechts sind, fliefsen
entweder im Gebirge, oder im Hochlande, oder sie
zeichnen sich durch ihre Gröfse aus. Männlichen Ge-
schlechts sind z. B. Unstrut (hun-stur-ut), Rhodanus
(ron-dan-us), Don (don-on), Bug *^ oder Bog (bon-og),
Pruth (bur-ut), Wutach (wun-tan-ach), Amur (han-mur),
Murg (mur-ug), Amu (ham-u), Rab (ran-ab), Sau (San-
av oder au), Drau (dar-av oder au), Arras (har-as),
Donau ^^ don-av oder au), Mandau (man-dan-av oder
au), Maranhon ( mar-han-on ) , Kuban (ku-ban-an) etc.
63 Bug oder Bog heilst nicht Gott, sondern ein grofser FlufSj
der in einer ziemlich niedrigen Gegend, oder in einer Ge-
gend fliefst, wo die Berge den Namen Bu verdienen. Das
ug oder og bedeutet hier Fiufs. Wäre der Flufs kleiner, so
würde er Bag, Beg oder Bech, und im letzten Falle Big
heifsen,
64 Donau, Das ati bedeutet Flufs, Strom wie üb in Danub-ius,
Das Wort Don und Dan zeigt die hohe Beschaffenheit det
Gegend an, in welcher er, zum Mindesten im Anfange,
fliefst, Hat man auch gefunden, dafs eine kaukßsische Völ-
kerschaft das Wasser Don nennt, so darf man doch Donau,
nicht durch Wasser übersetzen. Das kaukasische Wort Don
hat, wie Wasser, aqua, Woda eine generelle Bedeutung und
es ist mit dem Namen des russischen Flusses Don, den die
Alten Tanais (ta-na-is, d. h, ein in höheren [ta] und niede-
ren Gegenden [na] fliefsender Flufs [is]) nannten, nicht
gleichbedeutend, obgleich es mit diesem Flufsnamen auf der-
selben Vorstellung (Bergerzeuguifs, Bergwesen) und auf der-
selben Sprachwurzel ruht. Donez heifst der kleine Berg-
flufs wie Donau der grofse. In Rhodan-us (ro-dan) und
£ridan-us (her-i-dan) hat dan oder don dieselbe Bedeutung
8
— 114 —
Weiblich (weibliche Bergvvesen, Berggöttinnen) sind
diejenigen Flüsse, die einen hohen Vocal in ihrer En-
dung haben, z. B. Donez (don-ez d. h. der kleine Don),
Linth (lin-it), Ems (heni-es), Elz (hel-ez), Lech (len-ech),
Inn (hin-in), Pfinz (bi-win-iz), Wied (win-id), Itz (hi-
iz), Günz (gin-iz), Wesenitz (wen-sen-iz), VVeifseritz (wen-
ser-iz), Müglitz ( min-ig-lin-iz ) , Tay (tan-i), Spey (sen-
ben-i), Main (ma-in), Queich (ku-ech oder eich), Queis
(ku-es oder eis), Spree ^^ (sen-ber-e, von hohen Ber-
gen und aus Wäldern kommender kleiner Fluls) u. s. w.
Die weibliche Eigenschaft vieler Flüsse wird durch die,
ein weibliches Wesen bezeichnenden Wörtchen are, ebe,
ene, era, ale, uda, ute u. s. w, angedeutet, z. B. in
Loire (lon-are), Elbe (hel-ebe), Peene (ben-ene), Werra
(wer oder her -era), Saale (san-ale), Fulda (bul-uda),
wie das au in Donau, das miir in Amur, das acK in Wutacli,
das hon in Maranhon etc. Das Ro in Rodan-us deutet an,
dafs der Flufs aus einer von Bergen, Felsen und Schluchten
durchschnittenen Gegend kommt. Nicht so felsig und durch-
brochen kann die Gegend seyn , aus welcher der Jordan
kommt, weil sich die erste Sylbe des Namens dieses Flus-
ses mit einem j anfängt.
65 Spree kann man auch durch einen kleineren Flufs, (e oder
ea) der in ziemlich hohen Bergen (se) und in der Ebene (ber
oder per) fliefst, übersetzen. Neisse, in alten Zeiten Nissa
(nin-isa) bedeutet einen in niederen Gegenden fliefsenden
Flufs so wie auch Lubota (lub-osa), wie man sonst das Lö-
bauer AVasser nannte, RÖder heifst ein kleiner Flufs, der
durch die Schluchten niederer Berge geht. Berste (ber-este
oder ese) ein in einer niedrigen Gegend fliefsender kleiner
Flufs. Luxa (lu-uxa) heifst ein kleiner in einer ziemlich
niedrigen Gegend fliefsender Flufs ; dieselbe Bedeutung hat
auch Lenze (len-eze oder ese). Oder bedeutet einen aus
dem Gebirge (ho) kommenden und in der Niederung fliefsenden
Flufs. Netze hat mit Neisse dieselbe Bedeutung. Die Puls-
nitz hat entweder ihren Namen von der Stadt gleichen Na-
mens, oder der Name bedeutet einen in niederen Gegenden
fliefsenden Flufs, der von einem hohen und von einem nie-
deren Spitzberge herkommt.
— 115 —
Hunte (hun-ute), Mulde (mul.ude), Oppa (hon.opa),
.Warthe (war oder har-ate) , Tschuga (tschun.uga) , Neisse
(nin oder nei.ise oder eise), Swine ( sin.win-ine ) , Lena
(le-ena), Wolga (wol.oga), Jana (jan-ana), Kolyma
(kol-ima). Jumna (jum-una), Newa (nen-ewa, FluFs der
JNiedorung wie Lena, Neisse u. s. w. ), Dwina (din.win-
ina), Angara ( han-gar-ara ) , Petscliora (pen-et.schon-
ora), Garonne (gar-one). Seine (sen-ene) etc. etc.
Auch endigen sich weibliche Flufsnamen auf ati,
isi , ipi u. s. w., wie z. B. Irabatti (hir.han-ban-ati),
Jenisey (jen-isioder isei), Missisippi (min-is-s'in-ippi)u. s.w.
Manche Flüsse , die sowohl im Hochlande, als auch
in der Niederujig strömen und sich durch ihre Gröfse
auszeichnen, sind unbestimmten Geschlechts, z, B. Lubjo
oder Wubjo (lun-bu-ujo, der wendische Name des Eib-
stroms), Tajo (tan-ajo oder adscho), Congo (kon>ogo),
Arno (har-ano), Orinoko (hor-hin-oko) etc.
Aufserdem giebt es Flufsnamen, die einen männli-
chen, aber auch solche, die einen weiblichen Bergnamen
zur Endung haben. Zu den ersteren gehört z, B. Isar
(hin-sar), Neckar (ne-kar oder gar), Zusamm (Zun-sam)
u. s. w. , und zu den letzteren z. B. Elster (heKster,
Röder (ren-der). Bober (bo_ber). Wipper (win-ip-per
oder ber), Embscher (hem-eb-scher), Havel (han-bel),
Oder (hon-der), Mosel (mon-selj, Weser (wen-ser) etc. etc.
8*
— 116
F, Auf die Benennungen der Götter und Göttinnen,
JJa der religiöse Cultus anfänglich auf Bergen Statt
hatte, und da man Berge und Götter in der ersten Zeit
identificirte , ^^ so kann es uns nicht auffallen, dafs die
Gottheiten, sowohl die männlichen als auch die weibli-
chen , Bergwesen genaimt wurden. Alle Namen der Gott-
heiten bezeichneten aber ursprünglich die Sonne oder
den Mond. Manche Götter haben sowohl grobe als auch
feine Vocale in ihren Nam^n. In diesem Falle bezeich-
nen sie die Sonne und den Mond zugleich und sind an-
drogynischer ^'^ Natur. Manche Götternamen sind ihrem
66 Das Hauptzeitwort Seyn bezeichnet das Sanscrit, das Itali-
sche , Oberlausitz - Wendische und Böhmische durch bhu,
(bu-uh), fu (fu-o, fui), und bu (budcz, bydcz). Obgleich Buh,
Boh, Budha jetzt Gott bedeutet, so ist doch anzvinehnien,
dafs bu und fu ursprünglich e-inen Berg bezeichnete, weil
auch die andern Götternamen z, B. Tor, Saturn-, Mars, Ja-
MUS etc. aus Bergnamen zusammengesetzt sind. Das grie-
chische q)v in q)va> und qjvfit (fü-eimi) bedeutet dea, und
q}vij,i heifst dea sum, oder gigno, produco, pario. Weiblich
ist auch das englische to by und das deutsche se-en (seyn)
und si-in (sin), weil bei den Nordländern späterhin der
Mondcultus praevalirte,
67 In der späteren Zeit hatte man auch gynandrische Götter,
oder solche, die aus, von männlicher Kraft zeugenden, Qua-
litäten der alten Mondgöttin (mörderisches Kämpfen in der
Schlacht, Blitzen und Donnern, Erregendes Sturmwindes etc.)
gebildet worden, und die in der grofsen Kluft, die zwi-
schen dem hocherhabenen Sonnengotte und zwischen der in
niederen Sphären wirkenden Mondgöttin Statt findet,
mit ihrer Wirksamkeit mitten inne standen. Diese Göt-
ter (Mondgötter) wurden in späteren Zeiten mehr, als die
Sonnengötter verehrt und nicht selten mit letzteren, deren
Abbilder sie zum Theil waren, in dem Glauben verwech-
selt, wie z, B. der polnische Perkun. Genannte Götter
haben in der ersten Sylbe ihrer Namen liohe Vocale, die
Endung ihrer Benennungen aber ist männlich. In diese
— 117 —
Colorit nach männlich, aber ihrer vorheiTschenden Be-
deutung nach weiblich, z. B. die Pallas (bal-as) der
Griechen, welche zugleich als Gottheit der friedlichen
und der Kriegskünste erscheint. Im umgekehrten Falle
stehen Hermes (her-men-es), Hercules (her-cul-es), Flins
(bel-hin-is) u. s. w. Diejenigen Gottheiten, welche den
Namen der Sonne und des Mondes zugleich führten, ge-
hörten zu den grol'sen und hohen, z. B. Jupiter, Jagger-
nat u. s. w. Schon aus diesem Grunde gebührte dem
Jupiter (Ju-pi-ter oder tor i. e. deus) das Prädicat ma-
ximus, omnipotens ; denn er war seinem Namen nach ein
Herr des Tages und der Nacht , des Hohen und des Nie-
drigen, der Männer und der weiblichen Personen, des
Lebens und des Todes u. s. w. Bemerkt ist es schon
oben worden, dafs die mächtigen, menschlichen Allein-
herrscher, die sich mit den oberen Gottern verglichen,
auch den Namen der Sonne und des Mondes in ihren
Namen, oder in ihren Titel aufnahmen, z. B. Pandion,
Salomo, Bogislaus, Pyrrhus etc.
Classe gehören Permi, Wisclimi, Merciir u, s. w. Andere
Mondgötter wie Odin, Flins u. s. w. behielten in ihren Na-
men die Form der alten Mondgöltinnen, obgleich man ih-
nen einen männlichen Charakter zuschrieb.
Religion der Siaven.
Allgemeine Bemerkungen.
Es
is ist eine in neuerer Zeit von Mehrerern angenom^
mene Meinung, cTafs der kräftige Menschenstamm der
Siaven aus den Gebirgsgegenden des nordwestlichen Hin-
dostans herstamme und bei der nördlichen Spitze des
Caspisrhen See's vorbei zunächst an die Wolga, Don
und Weichsel, und von hier aus nach und nach nord-
westlich bis an die Elbe und Saale, südwestlich aber bis
an die Lagunen von Venedig und südlich bis an den
Thermäischen Meerbusen bei Thessalonich, so wie bis
zum Kap Matapan vorgedrungen sey. Man hat die Mei-
nung, dafs die Siaven aus Indien herstammen, durch die
Hinweisung auf den Charakter der Siaven , auf ihre ei-
genthümliche Landesverfassung, auf ihre tiefe, indische
Religiosität und auf die Aehnlichkeit, die zwischen der
Materie und der Form des Sanscrit und der slavischen
Sprache Statt findet, fest zu begründen sich bemüht, ^*
68 Für die Behauptung: dafs die Wenden aus Indien herstam-
men, spricht ohnstreitig auch der Name dieses Volksstam-
mes. Hindu (Hin ud oder Hin-uden, hin-iden) ist nämlich
mit AVinden oder Wenden gleichbedeutend. Noch jetzt
setzen die Oberlausitzer Wenden oft da ein w, wo die Nie-
I derlansitzer ein h haben, z, B. in wucho statt Hucho, d, h«
— 119 —
Zu der Bemerkung, clafs mir rfie erwähnte Meinung
sehr begründet zu seyn scheint, fijge ich hinzu: dafs der
Name Slaven erst später in Gebrauch gekommen ist.
Dieser Name ist ein Collectiv-Name und er entspricht
den CoUectiv- Namen Deutscher, Gallier, Indier, Tarta-
ren u. s. w. Er ist aus sal und per metathesin des a aus
la und aven, oder äsen entstanden tmd bedeutet Bewoh-
ner hoher waldiger Gegenden. Man hat den Namen der
Slaven durch Sonnenverehrer übersetzt. Indefs hat der
Umstand, dafs die Slaven in alten Zeiten die Sonne ver-
ehrten, ihnen nicht den. Namen gegeben, sondern viel-
mehr die Beschaffenheit der Berge, die sie bewohnten.
Nicht blos die Slaven waren Sonnenverehrer, sondern
auch die alten Italer, Parsen, Marcomanen u. s. w«
Manche wollen die Slaven lieber Slowenen nennen. Diese
leiten ihr neugcbildetes Wort von Slowo d. h. Wort,
Sprache her, und behaupten: Slaven oder Slowenen hei-
fse so viel als Sprachverwandte, Sprachgenossen, oder
Nationen, die eine und dieselbe Sprache sprechen. Wenn
schon diejenigen irren, welche den Namen der Slaven
von Slowo ableiten , so irren diejenigen noch mehr , wel-
das Ohr. Auch sind zu den Beweisen für die indische Ab-
kunft der Slaven und namentlich der Wenden tu rechnen:
der Gebrauch der Lövvenbilder in ihren reh'giösen Idolen
so wie nicht minder die noch jetzt in Indien gewöhnliche
■weilse Trauerkleidüng der Weibspersonen. Tragen auch
jetzt die wendischen Weiber in manchen Gegenden nicht
mehr weifse, sondern schwarze Trauerkleider, so ist dies eine
Folge ihrer Nachahmung deutscher Sitte. Höchstwahrschein-
lich zog auch ein Theil der Hinden oder Winden, als er die
fruchtbaren Thäler des nordwestlichen Indiens verlassen hat-
te, auf der südlichen Völkerstrafse, oder auf der Südseite
des Kaspischen Meeres nach Westen. Es ist wahrscheinlich,
dafs, so wie die Illyrier, Serbier, Polen, Böhmen und die
Oberlausitzer Wenden sich von den Russen, Ka.'.suben, Obo-
triten, Linonen und Luretier in Europa etwas unterschie-
den, ein ähnlicher Unterschied zwischen den südlicheren
und nördlicheren Bewohnern der nordwestlichen Spitze Hin-
dostans schon früher Statt hatte.
-^ 120 -- .
che wähnen, dafs die religiösen Slaven ihren Namen von
Slawa der Ruhm, abgeleitet und sich selbst die Rulim-
gekrönten, die Erlauchten, genannt haben. Diejenigen,
welche den Namen der Slaven von Slawa herleiten, be-
denken nicht, dafs das Wort Slawa auch ein abgeleite-
tes ist, wie das deutsche Rum (ru-um), das wendische
Czefs (sehen -es), das lateinische gloria (gol oder col-
oria), das griechische y.J.tog (kel-os) u. s. w.
Dafs einzelne Zweige der Slaven, wie auch Karam^
sin vermuthet, in den skytisch- persischen Kriegen so
wie in den Kriegsheeren des Mithridates Eupator gegen
die Römer mitgefochten haben, dies ist zwar sehr wahr-
scheinlich, kann aber nicht nachgewiesen werden. In
der historisch beglaubigten Epoche kommen die Slaven
unter den Namen Sarmaten, von den Griechen Sauro-
^maten ^^ genannt, Anten, Heneler, Wenden, Winden,
Veneter, Budinen, Soraben, Sciavini, Serben, lUyrier,
Obotriten, Kassuben, Dalmaten, Dalemincier, Lutetier
u. s. w. vor. Der Name der Sarmaten ist aus sarm und
aten, der Anten aus han-aten, der Heneti und Veneti
aus hen und ven und eti oder eten, der Wenden aus
Wen und eden oder iden, der Budinen aus Bu-di-inen,
der Serben aus ser und eben, der Illyrier aus hil-li und
Iren, der Obotriten aus ho-bo^tir-iten, der Kassuben aus
ka-as-uben, der Dalmaten aus dal-ma-aten, der Dalemin-
zen aus dal-le-min-izen entstanden. Die Benennung des
Jordanes Sciavini scheint corrupt zu seyn, und der Na-
me Lutetier ist aus lu-ten oder schen-ezen gebildet.
Gegenwärtig haben die Slaven den gröfsten Theil
des östlichen Europa's und einen Theil des westlichen
Asiens inne, und die Zahl derselben beläuft sich nach
Professor Schaffariks Berechnung (vergl. seine Geschichte
der slavischen Sprache und Literatur p. 28.) auf 55,270,000.
In Sauromaten ist eine Desoension des a zum au, wie in
den deutschen Wörtera Kraut (kar-at), Haut (ha-at), Laut
(la-at) u, s, w.
— 121 —
Man theilt sie in südöstliche (39,570,000) und nord-
westliche (15,700,000) Slaven.
A. Die südöstlichen theilen sich in folgende
Stämme:
I, Russischer Stamm.
a) Russen 32,000,000.
b) Rufsniaken 3,000,000.
35,000,000.
II. Serbischer Stamm,
1) Bulgaren ..,.,.. 600,000.
2) Serben
a) in Ungarn 350,000.
b) in der Türkei , , . 800,000.
8) Bosnier 350,000.
4) Montenegriner .... 60,000.
6) Slavonier 500,000.
6) Dalmaten
a) in Österreich. Dalmatien 300,000.
b) in der Türkei . . . 80,000.
3,040,000.
III. Kroatischer Stamm.
Kroaten
a) in Oesterreich, Kroatien u.
westl. Ungarn .... 700,000.
b) in der Tüjckei .... 30,000.
730,000. ~
IV, Windischer Stamm.
Winden
a) in Steiermark .... 300,000.
b) in Kärnthen 100,000.
e) in Krain §50,000,
d) in Ungarn ..... 50,000,
800,000, '
— 122 —
B. Die nordwestlichen bestehen aus nachgenannten
Stämmen,
I. Böhmischer oder Tscliechisclier Stamm.
1) Böhmen oder Czechen . 2,500,000.
2) Mäln-en 1,200,000.
3,700,000.
II. Slowakischer Stamm,
Slowaken 1,800,000.
III. Polnischer Stam m.
a) im Königreiche Polen. . 3,500,000.
b) in den russisch. Gouvernem. 1,500,000.
c) in Gallicien u. Österreich.
Schlesien 3,000,000.
d) in Preussen 1,900,000.
e) in Krakau 100,000.
10,000,000.
IV. Sorbe 11 -Wendisch er Stamm.
Sorben- Wenden .... 200,000.
Summa der slavischen Erdbewohner
in Europa und Asien .... 55,270,000.
Von diesen 55,270,000 stehen unter der Herrschaft
a) des russischen Kaisers 39,260,000,
b) des österreichischen Kaisers 11,890,000,
c) des Königs von Preufsen " 2,050,000,
d) des türkischen Sultans 1,860,000,
e) des Freistaats Krakau 100,000,
f) des Patriarchen von Montenegro oder
Czornagora . . . , 60,000,
g) des Königs von Sachsen 50,000,
55,270,000.
Ohngefähr der vierte Theil der Slaven steht gegen-
wärtig unter deutschen und türkischen Herrschern, welche
— 123 — -
letztere sich fiiilier vielfach bemüht haben, sie zu ger-
manisiien und zu tüikisiren inid ihnen sogar ihre Spra-
che zu entreifsen. 39 260,000 gehorchen einem nationa-
len Herrscher, dem Kaisei von Pvufsland. 800,000 Ser-
ben, die sich ihre Unabhängigkeit nicht haben völlig
entreil'sen lassen, haben in neuerer Zeit durch ikre Käm-
pfe mit den Türken und durch den Beistand Rufslands
den Vortheil erlangt, von einem eigenen, unter dem
Schutze des Grofssultans und des russischen Kaisers ste-
henden, Fürsten regiert zu werden, und ihre politischen
Verhältnisse durch förmliche Tractate gesichert zu sehen.
Ihr Land liegt in einem glücklichen Erdstriche, und sie
übertreffen manche andere Slaven- Stämme durch ihre
liteiarische Cultur. 350,000 Bosnier und türkische Croa-
ten streben darnach, zum Mindesten eine solche Sicher-
heit vor der türkischen Herrschaft zu erhalten , als die
Serben, wenn auch nicht eine so vollständige, als die
Griechen erlangt haben. 60,000 tapfere, rohe Montene-
griner folgen nur ihrem geistlichen Herrn, der aber selbst
von der ottomanischen Pforte abhängig ist. Ohngefähr
200,000 in der Ober- und Niederlausitz und zum Theil
auch im Meifsnischen lebenden Serben (Sorben-Wenden)
sind rings herum von Deutschen umgeben. Obgleich sie
von ihren, von ihnen treu geliebten Herrschern mit nicht
geringerer Liebe und Fürsorge berücksichtigt werden, als
die übrigen Staatsglieder, so verschwindet doch ihre nicht
ungebildete, sich aber auf keine namhafte Literatur stü-
tzende Sprache durch das Bemühen mancher derselben
unkundigen Beamten und Anderer (nulla ars [lingual
habet osorem, nisi ignorantem) mit jedem Jahre immer-
mehr, und der einst in die Gegenden der Neisse und
Spree, schwarzen Elster, Oder, Havel, Elbe, Mulde und
Saale gepflanzte Baum, verliert, nachdem er länger als
tausend Jahre gegrünt hat, einen Zweig nach dem an-
dern, weil ihm je länger je mehr die nährende Kraft
gebricht.
Gegenwärtig sind alle Slaven entweder griechische,
römisch -katholische oder evangelische Christen. Ehedem
— 124 —
waren sie aber, wie alle Völker Europa's, Heiden. Ihre
heidnische Religion kennen wir nur aus der letzten (drit-
ten) Periode, wo dieselbe bereits grüfstentheils in nie-
dere Idololatrie ausgeartet war, und auch aus dieser Pe-
riode nur unvollständig und nur in so weit, als uns die
oft uuzuverlässigen Notizen ausländischer späterer Schrift-
steller und die nicht minder unzuverlässigen, bis in die
Zeiten des Christenthums reichenden, Sagen über die-
selbe Auskunft geben. Früher war die Religion der Sla-
ven ohnstreitig ein sublimerer Sonnen- und Mondcultus.
Der Mondcultus wurde aber späterhin auch bei den Sla-
ven, wie bei den mehresten nördlichen Völkern vorherr-
schend, indem der Mond auch bei ihnen, wie bei den
Skandinaven, Indiern, Germanen u. s. w. zum Manne
potenzirt wurde. Daher rührt es, dafs nicht selten ihre
späteren Götter Namen führten, die ursprünglich die
Mond - oder Berggöttin bezeichneten. Obgleich durch
diese Perinutation ihre uralten Religions- Vorstellungen
einige Verwirrung erlitten, so war aber doch diese Ver-
wirrung nicht so durchgreifend und allgemein, dafs sie
die ursprüngliche Idee der Getrenntheit des Sonnengotts
und der Mondgöttin durchgängig und völlig aufgehoben
hätte. Die uralten Religions-Dogmen erhielten sich viel-
mehr in mehreren Gegenden des Slavenlandes reiner, als
in der späteren Religion der Hindu, Aegypter, Griechen
und Römer. Vorzüglich scheint sich die Religion der
Slaven von dem irreligiösen Apotheosiren der Helden,
der Fürsten und Fürstinnen gänzlich frei erhalten und
nie ihren höheren astronomischen Charakter verloren zu
haben. Der spätere vierköpfige Swantowit der Wenden
blieb immer noch ein Sonnengott während Jupiter zu
einem apotheosirten Fürstensohne in dem depravirten
Glauben der Italer herabgesunken war. Die Mythen der
Slaven waren daher auch nicht so mannichfach und so
farbenreich, aber auch nicht so aberwitzig und vxngöit-
lich, als die der, zu einem zwar glänzenden und in
mehrfacher Hinsicht anziehenden, aber in der That doch
niederen Fetischismus herabgesunkenen Griechen und
-— 125 —
Römer, und nicht so phantastisch und grotesk, als die
der Skandinaven, sondern sie hatten mehr einen subli-
men und soliden Gehalt und eine practische Tendenz.
Und hatten sich z. B. auch in dem heutigen südlichen
Rufsland späterhin einzelne Sagen gebildet, die das Gött-
liche und Menschliche vermischten, so war dies höchst
wahrscheinlich eine Folge des südlichen (griechischen
und römischen) Einflusses, der sich als eine corrumpi-
rende Influenza in die gesündere Religion der Slaven in
späterer Zeit eingeschlichen hatte. Insonderheit hielt die
slavische Religion der dritten Periode, die moralische In-
tegrität höher und heiliger, als die Religion der Grie-
chen und Römer. Zum Mindesten ist es auffallend, dafs
sich in den Nachrichten und Sagen, die wir von den
Göttern der Slaven haben, keine Spur von der schand-
baren Lascivität Jupiters findet, und Ziwa, Ziza oder
Zizliia erscheint immer als eine keusche Jungfrau und
treu liebende Ehegattin, ingleichen als eine thätige, sich
abmühende, gehorsame Hausfrau, die nicht nach An-
dern sieht, schmollt und zankt, wie die Juno. Freilich
mag die religiöse Vorstellung, dafs die Mondgöttin nur
für ihren Gemahl, den Sonnengott, lebe und sich in
immerwährender Arbeit abmühe , die sklavische Abhän-
gigkeit der Frauen von den Männern und ihr arbeits-
volles Loos so wie die Unthätigkeit der Männer gehei-
ligt haben , die sich noch jetzt gröfstentheils bei den
orientalischen Völkern findet, die aber das die Rechte
und die Würde der Frauen reclamirende und schützende
Christenthum bei den Slaven gröfstentheils zeistört hat.
Als ausgemacht nimmt man an, dafs die slavische
Religion von jeher vorzugsweise einen metaphysischen
Religions- Dualismus gelehrt habe, und man hält diese
Annahme durch die allerdings vorkommenden Benen-
nungen: Bielebog und Tschernehog, welches man durch
weifser Gott und schwarzer Gott übersetzt, hinlänglich
begründet. Indefs ist dieses , schon Jahrhunderte lang
als Wahrheit geltende, Positum ohnstreitig ein Irrthum,
— 126 —
der von dem falschen Gebrauche der Adjectiven hietj,
und czorny, schwarz herrührt und der, weil er mit der
späteren gangbaren Dämonologie congruirt, den Schein
der Wahrheit erlangt hat. Mit dem vermeintlichen sla-
vischen Religions-Dualismus hat es, aller Wahrscheinlich-
keit nach, folgende Bewandnifs : Es gab schon lange vor
der Einführung des Christenthums hie und da in den
Ländern der Slaven zwei Religionspartheien, die mit
einander bald mehr bald weniger, in Widerstreit und
ohngefähr in dem Verhältnisse zu einander standen, wie
gegenwärtig der Christianismus und der Mosaismus, wo-
bei jedoch der Unterschied Statt fand, dafs die Religion
der Anhänger des Alten in mehrfacher Hinsicht vorzüg-
licher war, als die Religion derjenigen, die sich dem
Neuen zugewandt hatten. Das Neue, das hier nur eine
"Modification und nicht ein förmlicher Gegensatz des Al-
ten war, tolerirte daher auch mehr das Letztere, als
dies der Christiauismus vermochte , der sich als eine Re-
ligion der Wahrheit mit der Religion der Lüge, dem
Ethnicismus, in eine vollständige Opposition setzte und
setzen mufste (Christus und Belial).
Der slavische Chwotz (Quoschz) z.B. war nicht ab-
solut bös, sondern nur als Repräsentant und Halter ei-
ner früheren , in den Hintergrund getretenen Religion
(religio pagana, S}'lvestris) vermeintlich nicht wohlge-
sinnt eegen die Bekenner der neuen Religion d. h. ge-
gen die Anhänger des später eingeführten, dem giiechi-
schen und römischen ähnlichen, niederen Fetischismus.
Bei der temporellen Feindschaft des Neuen und des Al-
ten gab jedoch das Erstere die Hoffnung nicht auf, dafs
sich das Letztere in der Folgezeit mit ihm aussöhnen und
befreunden werde , wie Ormudz und Ariman bei den
Persern. An diesen zufälligen historischen Dualismus
knüpften späterhin die christlichen Missionarien die Leh-
ren von guten und bösen Dämonen, und wiesen das Da-
seyn des Gottes der Finsternifs und des in dem Dunkel
der Nacht vollbrachten Bösen in dem Monde der zu gewis-
— 127 —
soft Zeiten sein licht verliert, nach. Folgerecht mufste die
MondgiJttin, die früher die Nacht der Unwissenheit erleuch-
tet hatte (Minerva) sich jetzt mit ihren gelehrten verschmitz-
ten Priesto-n , die dem Christenthume vorzüglich Wider-
stand leisteten, in eine böse schwarze Gottheit, Czernebog(die
wendische Pya oder Buha), Czert, verwandeln. Der Na-
me Bog, Boh, Bak (Bach-us, Bubak) war anfänglich
höchstwahrscheinlich generis communis und bezeichnete
eine ai^drogynische Gottheit. Späterhin gebrauchte man
das Wort Bog (o und fj ■S'fös) in der männlichen Be-
deutvmg, um dasselbe mit SiaßoXog (dio-bal-os) in Har-
monie zu bringen. Obgleich der Name Bog schon frü-
her in der slavischen Mythologie vorkam, so wurde er
doch erst in späteren Zeiten zu einem Gattungsnamen
erhoben , wie das germanische Gott und das lateinische
Deus u. s. w. und es ist als Regel anzunehmen, dafs die
Götternamen, die sich im Slavischen auf bog endigen,
späteren Ursprungs sind, z. B. Daschebog, Stribog, Silny-
bog, Bielbog, Tschornybog u, s. w. , obgleich die religiö-
sen Ideen, die sie bezeichnen, alt waren. An die frühe-
ren Götter und Göttinnen -Namen hat man in späteren
Zeiten auch statt bog ban oder pan (Tschurban) und
pani i. e. dea, domina (Krasopani), so wie wit (Marovit),
\vist (Pochwist), gast (Radegast) u. s. w. angehangen.
I. Religion der Russen.
Obgleich man keinen hinreichenden Grund hat, die
historische Nachricht, dafs Rurik der Stifter des russischen
Staats sey, zu verdächtigen, so ist es doch unlaugbar ein
Irrthum, wenn man den Namen der Russen von dem
erwähnten Rurik ableitet, wie auch Hr. Professor Mone
128
im I. Theile p. 1S4 seines Heidenthums richtig und aus-
führlicher bemerkt. Rurik hat den Russen eben so we-
nig ihren Namen gegeben, als Tschech den Tschechen
oder Böhmen, sondern der Name der Russen ist auch
ein Product der Bergreligionssprache so wie die Namen
der übrigen Völker. Der Name der Russen ist aus m
und usen zusammengesetzt und ist mit Romani oder
Rom-anen ziemlich von gleicher Bedeutung. Das Wort
ru bedeutet zwar ursprünglich ein durch Thäler, Schlün-
de und Bergkessel durchbrochenes Hochland; indefs hat
man auch späterhin dasselbe Wort zur Bezeichnung ei-
ner von Hügeln, Flüssen, Seen und Sümpfen durch-
schnittenen Gegend gebraucht. Unzulässig ist die Ab-
leitung des Namens der Russen von rossa, der Thau, die
Feuchtigkeit und von Russa (ru-usa) ein Flufs. In dem
Namen Reussen ist das u bis zum eu gestiegen und die-
ser Name ist ohnstreitig später in Gebrauch gekommen
wie der Name Preussen statt Bor-osen oder Pur -usen
(pruski, Prusak).
Noch zu Anfange des 16ten Jahrhunderts hatten die
seit 1237 unter der Zwingherrschaft der Mongolen ge-
standenen Russen mit Tartarenhorden um ihre politische
Existenz und Unabhängigkeit zu kämpfen. Jetzt hat
Rufsland eine hochgewichtige Stimme bei den europäi-
schen politischen Verhandlungen und das Principat in
Westasien. Unablässig bemüht es sich durch Beförde-
rung der Jugendbildung, insonderheit der Bildung der
Geistlichen, dieser einflufsreichen Leiter des Volks, durch
theil weise Emancipation der Leibeigenen, durch all-
mählige ernstliche Begründung einer wohlthätigen bür-
gerlichen Freiheit, durch Schutz und Unterstützung der
Wissenschaften und Künste, durch Landes-Cultur, durch
Förderung jeglicher nützlichen Industrie, und durch To-
leranz der verschiedenen Religions - Culte sich den civili-
sirtesten Völkern der Welt an die Seite zu stellen. Mö-
ge das Volk der Russen, welches die Vorsehung zu einer
grofsen Rolle auf der Bühne der Weltgeschichte berufen
— 129 -—
zu haben scheint , diese Rolle nach clen Malinungen der
Christusreligion und im wahren Interesse der Mensch-
heit spielen, und sich ein ehrenderes Gedächtnifs stiften,
als die Römer, mit denen es fast denselben Namen und
denselben Umfang des Gebiets hat, die Spanier u. s. \v. !
Möge insonderheit der Herr der Herren diesem Volke
eine lange Reihe von Herrschern geben, wie Alexander
und Nikolas!
Das ungeheuere russische Reich ist von beinahe 100
Nationen bewohnt, die wenigstens 40 verschiedene Spra-
chen sprechen. Unter diesen Nationen sind zu erwäh-
nen: die Kosaken (kos-aken, Bewohner hoher Berge),
die sich in die Grebenskischen (greben, der Bergrücken,
Wall), in die Uralschen (hur-al), Orenburgschen und Si-
birischen (si-bir-ia , ein mit Wäldern bedecktes niederes
Land) etc. theilen. Ferner Litthauer (li-tau-er oder eren,
Bewohner niederer Berggegenden), Letten (let-eten, fast
gleichbedeutend mit Litthauer), Kuren (kuuren ^°), Fin-
nen (fin-inen, Bewohner niederer Gegenden), Esthen
(hes-eten), Livcn (li-iven, Niederländer)', Permjäken (per-
nien-je-eken, Bewohner niedejer Bergwälder), Surjnnen
70 Dem Namen hacli heifsen Kuren ßewoiiner hoher, schluch-
tiger Gegenden. Es ist schon bemerkt worden, dafs der re-
lative Gebrauch der Bergnamen oft einem in niederen Ge-
genden wohnenden Volke dieselbe Benennung gegeben hat,
die eigentlich Hochländern zukommt. Ueberdies haben auch
nicht selten Völker, die früher hohe Gebirge bewohnten,
später ihre Wohnsitze mit Beibehaltung ihres früheren Na-
mens in niederen Gegenden genommen. Dies berücksichti-
gend wird man keinen Anstofs nehmen, wenn die Erklä-
rungen der übrigen Völkernamen jetzt nicht mehr gänzlich
der Beschaffenheit der gegenwärtigen Wohnorte der Völker
entsprechen. Es war nur meine Absicht anzudeuten, dafs
z. B. die Namen der Kirgisen, Tschetschenzen, Karabula-
ken, Tschuktscheu u. s, w. auch ein Product der uralten
Religionsvorstelluugen und der altcia Sprachregeln sind, wi©
- die der Sachsen (Sak-asen), Franken, Hessen, Wenden,
Marcomaneu u. s. w.
9
13.0
(sur-jen-enen, Bewohner hoher und niederer Ber2o:eo:en-
den), Wogulen (wo - gu - ulen) , Wotjäken (wot-jen-eken,
ohngefähr dasselbe, was Wogulen d. h. Bewohner von
ebenen, von emzelnen Bergen bedeckten Gegenden),
Tschermissen (tscher-mi-isen oder issen> Bewohner niede-
rer Berge), Tschuwaschen (tschu- wa-aschen oder äsen,
welche auf den Ebenen hober Berge wohnen), Mordwi-
nen (mor-od-win-inen, Anwohner hoher Berge), Ostjäken
(hos oder ost, Jen- eken, Bergbewohner); ingleichen Ta-
taren (tan-tar-aren, Bergebenenbewohner), Nogajer (non-
ga-ajer, Steppenbewohner), Baschkiren (hasch oder bosch,
ki-iren, niedriger Waldgegenden-Bewohner), Kirgisen (kir-
gi-isen, ohngefähr dasselbe, was Baschkiren), Taleuten
(tal, d. h. der Berg und eten oder euten, Menschen),
Bucharen ( bu-uch-aren, Bergbewohner), Truchmenen
(tui--uch-me-enen, Gebirgsbewohner). Nicht minder sind
zu nennen Mongolen (mon-go-olen, Bergebenen-Bewoh-
rer), Kalmüken (kal-min-iken Hügelbewohner) , Buräten
(bur-äten, Wälderbewohner), Tscherkessen (tscher-ke-esen
oder essen, niederer Sonnenberge Bewohner), Kabardiner
(ka-bar-din-inen, sind diejenigen, die in Berg-Nadelwäl-
dern und am Abhänge derselben wohnen), Osseten (hos-
eten, Bewohner hoher Berge), Kharabulaken (kar-bu-lan-
aken, Bewohner hoher, mittlerer und niederer Gegenden,
[lan-aken, Niederländer]), Tschetschenzen (tschet-schen-
ezen, Bewohner von Gebirgen, die aber niedriger sind,
als andere anliegende Berge), A waren oder Üaren (ha-
wan-aren, hu-aren, hoher Berge Bewohner), Cumykeu
(cum-iken, Bergihälerbewohner), I.esghier (len es-gi-ier,
niederer Berge Bewohner), Grusinier (gur- sin -inen, wel-
che auf den spitzen Vorgebirgen hoher Berge wohnen),
Mandschuren (man -ad, schu-uren, Hochländer), Tungu-
sen (tu-un, gu-usen , Bewohner von hohen Bergebenen),
Samojeden (sarno- jen -eden , Bewohner niederer Gegen-
den), Korjaken (kor oder gor-jen-eken, Bewohner von
niederen, sanft aufsteigenden Anhöhen). Tschuktschen
(ist entstanden aus tschuk, zug, sak d. h. ein höherer
131
Berg und te- eschen), Kamtschadalen '"' (kam-scha-da-alen,
Anwohner hoher Berge und Spitzbßrge) etc.
Um das Jaln* 981 vei'einigte Wladimir Swätosla-
witsch mit dem Beinamen der Grofse das aus drei Thal-
ien bestehende russische Reich. Rufsland hatte jetzt zvvei
Hauptstädte, eine nördliche Nowogrod und eine südliche
Kiew, Die erstgenannte heifst Neustadt, Kiew aber (Ki-
ew) hatte seinen Namen aus der Ursprache, und heifst
niedrig gelegene Stadt. In den beiden erwähnten Haupt-
städten des Landes wohnte in den ersten Regierungsjah-
ren Wladimirs eine der griechischen und römischen ähn-
liche Idololatrie, und in beiden waren auch vorzüglich
die Götterbilder der Russen avifgestellt. In Kiew, wo
Wladimir nach der Ermordung seines Bruders Jaropolk
seine Residenz nahm, veiehrie man folgende Hauptgott-
heiten: Perun, Wolos, Korsch, Led, Lado, Lei, Polelia,
Dedilia, Mokosch, Uslad, Sernarla, Stribo; in Nowogrod
auch gröfstentheils dieselben, aber aufscrdem noch Znitsch.
71 Der Name Kamtschatka soll, wie Otto von Kotzebue im 11.
Theile seiner Reise um die Welt p. 6, berichtet, von der
Benennung des gröfsten Flusses dieser grofsen Halbinsel her-
rühren. Heifst aber auf dieser Halbinsel ein grofser Flufs
Kamtschatka oder Kontschatka , so ist ohnstreitig die End-
sylbe ka ein umgekehrtes ak ; denn nur der Name eines klei-
nen Flusses kann sich auf atka endigen. Die Erzählung,
dafs der Name des Flusses, welcher der Halbinsel ihren Na-
men gegeben haben soll, von Kouschot, einem Helden der
Vorzeit herrühre, ist ohne Zweifel eine Fabel. Die Bewoh-
ner der südlichsten Spitze der Halbinsel hiefsen früher Hel-
men ( hi - tel - emen , Niederländer). Eben so gut können die
höher wohnenden Bewohner hoher, spitzer, gestreckter, an
einander hängender Berge , Kamschadalen genannt worden
seyn. Die heidnischen Kamschadalen (nicht Kamtschadalen)
glaubten an einen allmächtigen Schöpfer der Welt, den sie
Kutka nannten. Bedeutet Kutka, wie es scheint, einen SoU"
nengott, so ist das ka ein invertirtes (asiatisches) ak, und
das Wort ist ähnlich den Wörtern Brama , Budha , Persa,
Elisa (Elias) u. s, w,
9*
— 132 —
Das Idol des Gottes Perun, der jetzt der Hauptgott des
Landes war, wurde auf Wladimirs Befehl an dem. Flüfs-
chen Buritschkowa zu Kiew aufgerichtet. Sein Rumpf
war von sehr dauerhaftem Holze, der Kopf silbern, der
Bart golden und die Füfse eisern. In der Hand hielt er
einen geschlängelten Feuerstein. Ein ewiges Feuer von
Eichenholz brannte vor ihm, und mit dem Feuertode
wurde derjenige bestraft, der es verlöschen liefs. Ein
jeder mufste ihm opfern und wer weiter nichts hatte,
gab ihm wenigstens seine Haare vom Haupt und Bart.
Gewöhnlich aber bestanden die Opfer in Stieren, in
Kriegsgefangenen und manchmal sogar in dem Erstge-
bornen eines Geschlechts. Der Name Perun ist aus per '
und un zusammergesetzt , und mit dem mährischen Pe-
ron gleichbedeutend. Nach den Regeln der Ursprache
bedeutet per ^^w Mond und un ein männliches Wesen.
Auch einige Attribute desselben, nämlich das ewige
Feuer, welches vor ihm brannte, (Vesta der Römer) die
Opferung der Kriegsgefangenen und des Erstgebornen ei-
nes Geschlechts (früher zum Priester bestimmt) deuten
ihn als Mondgottheit an. Indefs hat er doch im Gan-
zen einen männlichen Charakter. Perun ist demnach
eine zum Sonnengotte potenzirte Mondgottheit. Als Mond-
gott deutet ihn der Blitz unter dem Bilde 6.G5 geschlängelten
Feuersteins an , und der genannte Stein macht ihn dem
Jupiter tonans ähnlich. Der zu R.eligionsreformationen ge-
neigte Alleinherrscher, Wladimir der Grofse, interessirte
sich für diese Composition ^^s Nationalgotts vor seinem
Uebcrtdtt zum Christenthume besonders , und seine Al-
leinherrschergewalt offenbarte er auch dadurch, dafs er
befahl, dafs das Bild des südrussischen National, 20ttes
auch in Nowogrod auf dein rechten Ufer des Wolchow
(wol-ochow, grofser Bergflufs) aufgestellt werden sollte.
Nach seiner Bekehrung zum Christenthume, welche bei
seiner Vermählung mit der griechischen Prinzessin Anna
(987) erfolgte, liefs er aber den Perun in den Dnieper
werfen mit dem Befehl , ihn bis an die Wasserfälle die-
ses Stroms gelangen zu lassen. Auch in Nowogrod w^urde
-^-^ 133 —
Perun narh dem Uebertritte der Einwohner zum Chri-
sten thuine in den Wolchow, wie Flins bei Bauzen in
die Spree, geworfen.
Erscheint Perun nicht als ein Sonnengott, so dage-
gen Wolos (wol-os), vvenn man seinen Namen betrach«
tet. Es wird uns fieilich nur von ihm berichtet, dafs
die gröfseren Hausthiere unter seinem Schutze gestanden
hätten , was ihn jedoch hinlänglich als Sonnengott cha-
rakterisirt. Der Wolos, der wahrscheinlich mit dem
thracischen Boreas (bor-asi) Aehnlichkeit hatte, gehorte
ohnstreitig einer früheren Religionsperiode an , so wie
auch Tschur, oder, wie er später genannt wurde, Tschur-
ban oder Tschui-pan. Das Wort Tschur ist aus tschu-ur
entstanden und bezeichnet einen Berg- oder Sonnengott.
Von ihm wird berichtet: dafs er der Gott des Maafses
und der Mäfsigkeit und der Grenzgott im Felde gewe-
sen sey. Die Sonnengötter waren anfangs Ordner und
Beschützer der Grenzen des Landes eines Volks. War
Tschur, wie man behauptet hat, auch androgynisch , so
prädominirte doch gewil's , wie bei den alten androgyni-
schen Gottheiten^ der männliche Charakter in demselben.
Dafs er mit dem auch in der russischen Mythologie vor-
kommenden Tur gleichbedeutend, und dem nordischen
Tor sehr ähnlich war, ist keinem Zweifel unterworfen,
weil die Religionsideen der Völker ziemlich mit einan-
der übereinstimmten, wenn auch die Benennungen der-
selben verschieden waren und bei der Verschiedenheit
der Sprachen verschieden seyn mufsten.
Dem Namen nach ist mit Tschurpan der Polkan
(pol-can oder Chan, Sonnengott) gleichbedeutend. Da
man ihn als halb Mensch und halb Pferd abbildete,
so gehörte er unläugbar einer früheren Religionsperiode
an, in welcher solche Repräsentationen der Götier (Apis
in Aegypten) gewöhnlich und nicht anstöfsig waren. Spä-
terhin repräsentirte auch er eine religio pagana uud Syl-
vestris wie Pan, Faunus und Silenus in Italien.
— 134 —
Auch Korsch oder Chors (kor-os) war sonder Zwei-
fel ein männlicher Gott der Russen. Er wurde nackend,
dick aufgedunsen, mit einem Kranze von Hopfenlaub
und auf einem umgestürzten Fasse sitzend, abgebildet.
Man brachte ihm Bier und Meth zum Trankopfer. Er
repräsentirte , wie auch der griechische Bacchus , die
alte wohlthätige Bergreligion, welche den Acker- Garten-
und Weinbau einführte, in seiner späteren Depravation.
Korsch wurde auch, vielleicht in einer edleren Idee, in
Nowogrod verehrt.
Dafs der Bielbog die Sonne im Sommer, wo sie
Mücken, Blitze und Donner erzeugt, darstellte, ist nicht
zu bezweifeln. Er war der Horus (hor-us, Berggott) der
Aegypter und der Beelzebub der philistäischen Ekroni-
ten. Der russische Bielbog hatte ein mit Blut bedecktes
Gesicht, welches andeutete, dafs er als Sonnengott die
Völker zum Kampfe führe und für sie kämpfe.
Nur eine andere Benennung des Bielbog war der
Name Silny Bog d. h. der starke Gott. Es ist höchst
wahrscheinlich, dafs den Russen der ursprüngliche Name
des Sonnengotts, den sie später den weifsen und den star-
ken Gott nannten, verloren gegangen war. Ob sie ihn
früher Boreas, Mars (mar-as, Berggott) Wolos, Korsch,
Bogus, Budan, Tschur u. s. w, genannt haben, dies läfst
sich nicht bestimmen.
Tschernebog oder Tschernoibog kann unter den rus-
sischen Repräsentationen der Sonne nicht genannt wer-
den, weil er nicht in diese Classe gehört. Die Gottheit,
die man (späterhin) mit dem Namen Tschenoibog be-
legte, war der Mond in seinem lichtlosen Zustande und
in seiner Beziehung zu den Menschen als Tod, so wie
auch die hemmende Macht, die sich den Relisionsrefor-
mationen und dem Fortschreiten in der religiösen Cul-
tur, das freilich manchmal auch eine aberratio ad dete-
riora war, widersetzte, obgleich sie die Verbreitung der
lÖD
weltlirlien Wissenschaften nicht hindeite. Tschernoibog bil-
dete später einen Hauptbestandtheil derldee des Antichrist»
und man kann sagen, dals er noch jetzt, vorzüglich im Jesui-
tismias, Servilismus, im religiösen Obscurantisrnus so wie in
dem Ultra-Rationalismus und Ultra-Liberalismus waltet.
Die Russen brachten dem Tschornoibog unter Trauergesän-
gen blutige Opfer (vergl. Mone I. Theil p 145) und die
Wenden (Soraben) leerten ihm bei jedem Gastmahle
auch einen Becher, um sich vor seiner Feindseligkeit zu
sichern, weshalb sich der Kaiser Lothar bewogen sah,
diese ihm erwiesene , an die Auszeichnung des Scheitan
(Satan) bei den Jezidi erinnernde Verehrung zu verbie-
ten (cf. Helmoldi Chronic. Slav. I. c. 53 und Frenzel
de diis Soraborum in Hoffmanni script. lus. IL p. 232.)
Die Mondgöttin kommt in der russischen Mytholo-
gie unter verschiedenen Formen und Nairien vor, oder
die Russen hatten, wie man gewöhnlich sagt, mehrere
Göttinnen. Unter diesen ist zuerst die Jaga anzuführen.
Der Name Jaga ist aus Ja und aga entsanden und be-
deutet Berggöttin oder Mondgöttin. Die Jaga wurde als
eine alte, lange, hagere, abschreckende Frauensperson,
luit dürien Beinen und in einem von Pferden gezoge-
nen hölzernen Mörser stehend, dargestellt. Der Mörser
deutet ohne Zweifel an, dafs sie (ihre Priester und Prie-
sterinnen) die Menschen nicht nur den Getreidebau ge-
lehrt, sondern sie auch unterwiesen hätte, das getrock-
nete Getreide zu stampfen und in (grobes) Mehl zu ver-
wandeln. Sie wird auch Kriegsgöttin genannt, und das
mit Recht. In dem Kriegskampfe war sie nämlich zu-
gegen, um nicht nur die für Religion und Vaterland
Kämpfenden zu ermuthigen, sondern auch, um die Ver-
wundeten zu heilen und die Gefallenen in ihr dunkles
Reich aufzunehmen. Den Beinamen Baba "° d. h. Mut-
72 Baba heilst in der Sprache der Niederlausitzer Wenden die
Grofsmutter , in der Sprache der Oberlausitzer bedeutet
— 136 —
ter, Grofsmutter , erhielt sie später, weil ihre Repräsen-
tation äher* war , als die der Led und Lado , und sie ist
hinsichtlich des Glaubens, den man von ihrem Alter
hatte, mit der später nationalisirten Cybele der Römer,
dieser mater Deäm, zu vergleichen. In der That wurde
sie auch mit einem Gütterkinde, welches Swiatowit
(Swantowit) hiefs tind mit einem andern, neben ihr ste-
henden, dargestellt, wodurch die Abstammung der späte-
ren Religionsformen von den älteren angedeutet wurde.
Wenn sie auch Solotaja Baba, oder Gold-Mvttter genannt
aber das Wort eine Hebamme. Bemerkenswertb ist es, dafs
die oberlnusitzischen Hebammen ebedem die Wöchnerinnen
anwiesen , während der sechs Wochen alle Tage beim Auf-
und Untei'gange der Sonne, mit zur Sonne gewandtem Ge-
sichte, für ihre neugel)ornen Kinder xu beten. Diese An-
ordnung hat höchstwahrscheinlich schon früher , zur Zeit
des Sonnen - Cultus , bei den Wenden bestanden. Eine an-
dere Anordnung der alten wendischen Baben , nämlich die :
dafs während der sechs Wochen immer eine Person bei dem
Säugling verbleiben solle, damit nicht eine alte Frau aus
dem Gebirge denselben gegen einen andern, körper- und
geistesschwachen vertausche (Pschemenk, Wechselbalg),
rührt ohnstreitig aus den traurigen Zeiten her, in wel-
chen die Bewohner der Ebene mit den, an dem alten Reli-
gions- Cultus hangenden, Gebirgsbewohnern in feindseligen
Verhältnissen standen. — In manchen Gegenden der Mark
nennt man die Wiege Baba, und im Meilsnischen Boye,
Buje, Buja. Diese Benennung rührt ohne Zweifel von dem
religiösen Glauben her, dafs die Mondgöttin (Baba, Bua,
Bya) die man späterhin Dzieczliia (Zilsbog) nannte, die
neugebornen Kinder besorge. Das Instrument ihrer Sorg-
falt benannte man mit dem alten Namen der Göttin (Boja,
Pya). Das auch im Brandenburgischen vorkommende Zeit-
wort busen , das aus bu-use-en entstanden ist und Kinder
wiegen bedeutet, scheint das Geschäft der Priesterinnen der
Mondgöttin, welche zugleich Hebammen waren, zu bezeich-
nen. — Die oberlausitzischen Wenden nennen in manchen
Gegenden ihren Geistlichen, wie die Russen, Pop. — Die
indischen Nabob sind Stellvertreter des grofsen Bob d. h.
des obersten Vaters oder des obersten Herrschers.
_ 137 —
wurde, und wenn iliv vorzü^ilidi die Kaufleute opferten,
so deutet dies an, dafs irian sich dieselbe als Hüterin der
Erze in den Tiefen der Erde (Drache) und als Spende-
rin des Goldes mittelst des Handels dachte. Nach russi-
schen Nachrichten wurde die Slotoja Baba vorzüglich an
den Ufern des Obj verehrt, und ihr Vordringen nach
Westen deutet das Vordringen der Religionen und der
Völker von Osttn nach Westen an. Dais xnan mit der
Jaga Baba den Begriff der Hexe verband, wird nicht
auffallen, wenn man sich erinnert, dafs die Priester und
Priesterinnen der alten Mondgöttin zugleich Aerzte, Chi-
rurgen und Ilebammen waren und dafs die spätere Welt
ihnen eine tiefe Kenntnifs der Naiurkräfte (Medea) zu-
traute, die sie oft nur affectirten (Schamanen), um sich
Ansehen und Gewinn zu verschaffen.
Eine spiätere Benennung der Mondgöttin ist Led,
deren Name aus Le und ed entstanden ist. Das Le enU
spricht hier dem lateinischen lun und das ed ist die Be-
zeichnung eines weiblichen Wesens. Led bedeutet dem-
nach Mondwesen, Mondgöttin. Sie wurde mit Harnisch
und Helm, mit Speer und Schild in der Hand abgebil-
det. Die Led wurde mithin als Mondgöttin, bereit zum
Kampfe in der Feldschlacht , dargestellt und war folglich
der griechischen Pallas ähnlich,
Die Lado (La-ado, Mondgottheit), oder Lada (la-
ada) war auch eine Mondgöttin, aber nicht die in der
Feldschlaclit auf Tod und Leben kämpfende und die Ge«-
fallenen in ihr dunkles Reich aufnehmende, sondern die
Mondgöttin in der Form der Venus. Von ihr stammten
Lei, oder Lelja, Lela (le-ela), die Liebe, Did (Dido),
die zweifelhafte Liebe und Polel (Polelja) die Ehe, oder
die sichere Liebe, der Hymen der Griechen nnd Römer,
Der Ladogasee steht nur in sofern mit der Lado in Ver-
bindung, als Ladoga (lad-oga) einen Niedersee, Onega
(hon-ega) aber einen Obersee bezeichnet, und als alle
niedere Gewässer unter dem Regimente des Mondes ste-
— 138 —
hend gedacht wurden. Dem Namen Onega entsprechen
die nordamerikanischen Namen Huron (hur-on) und On«
tario (hon-tar-io), dem Ladoga aber Erie (her-ie).
Die Simzerla (sim-zer oder ser und ela) ist die rus-
sische Flora, oder die Idee der Liebes- und Schönheits-
göttin in dem fluchtversprechenden Leben der Blüthen.
Sie wurde als eine weifsgekleidete Jungfrau mit Rosen-
gürtel und mit Rosenkrone auf dem Haupte abgebildet,
die Lilienduft vor sich verbreitete. Auch ihr Halsband
war von Blumen. Ihr Fest wurde angeinessen im April
gefeiert, wo die Blüthen und Blumen im südlichen Rufs-
land zu erscheinen anfangen.
Der Name Uslad ist aus hus-lan-ad entstanden und
heifst Bergmondgötiin, oder die grofse Mondgöttin. Die
Uslad war die Beschützerin der Ruhenden und in der
Nacht Schlafenden und ihre Idee nicht nur der AVirk-
samkeit der Mondgöttin angemessen, sondern wahrschein-
lich auch sehr alt. Späterhin repräsentirte sie auch den
Friedenszustand eines Volks, und war folglich der römi-
schen Pax ähnlich. Zu Kriegszeiten führte der Sonnen-
gott (Janus bei den Römern) die Völker. Späterhin wur-
de üslad wegen ihrer grofsen Gewalt als Göttin des
Schlafs, der alle überwältigt, sie mögen schwach oder
stark, jung oder alt, niedrig oder hoch seyn, zum Manne
erhoben (Morpheus), und man kann daher auch sagen:
der Uslad (Mondgott).
Die Semarla (sem-har-ala) hatte einen Athem von
Eis, einen Mantel von Schnee und Frost und eine Krone
von Hagelkörnern. Sie war der Mond im Winter, die
Herrscherin in der kalten Jahreszeit und während des
(scheinbaren) Naturtodes. Nach meinem Dafürhalten ist
das sem in der ersten Sylbe ihres Namens nicht aus dem
abgeleiteten Worte Syma, die Kälte, entstanden, sondern
das sem ist primitiv und ist, wie Syma, von hohen Berg-
spitzen abgeleitet, wo die Kälte und der Frost vorzüg-
lich herrschen.
— 139 —
Der Semarla orler Zemarla ist entgegengesetzt die
Pogoda (po-go-oda, Göttin niederer Berge), oder die
milde, wanne Luft. Sie war die Befreundete, Geliebte,
der Bkiraenkönigin Simzerla. Die Pogoda wurde auch
Dagoda und Dogoda genannt.
Die wehende Luft wurde Striw (stir-iw), und spä-
terhin auch Stribog genannt. Die Winde hiefsen Stri-
bogs Enkel. Der Stvxrmwind führte den Namen Poch-
wist (bog-wist). Obgleich Pochwist anfänglich weiblich
war, weil man die Veränderungen in der Erdatmosphäre
von dem Einflüsse des Mondes herleitete, so hat man
wahrscheinlich doch späterhin die Windgöttin wegen ih-
rer starken Wirkungen zu einem Gotte gemacht. Man-
che haben behauptet: dafs Pochwist keine alte Benen-
nung, sondern avis Bog und W^itsch d. h. der Wind ent-
standen sey und in dieser abgeleiteten Form Windgott
heifse. Dies ist aber nicht gegründet. Wäre das Wort
Pochwist später entstanden, so müfste es witschowy Bog
heifsen. Das wist ist auch hier so wie in Swantowit,
Herowit etc. ein Ding, Wesen, Gott etc. Die Poch-
wist oder Posvist hat man deshalb unter die Zahl der
Schwarzgötter gestellt, weil sie ursprünglich der bis-
weilen lichtlose Mond war, und weil man wahrnahm,
dafs die Macht des Sturmwindes nicht selten zerstörend
wirkte.
Auch die Flüsse und Bäche (ben-echen) standen
unter dem Regimente der Mondgöttin. Die spätere ido-
lolatrische Welt gab einem jeden Flusse und Flüfschen
seine Göttin und daher rühren die Erzählungen von
den Rusalki d. h. Flufsgöttinnen. Die Rusalka (rus-
alka) umfafst als ein Ganzes, oder als Wasserweib alle
Rusalki, oder Nymphen (nira-iphen, Nachtgöttinnen,
Tiefegöttinnen). Die spätere Zeit gab ihr einen Ge-
mahl, den man mit einem politischen Namen morskof
Zar, oder Meeresfürst, Meeresherrscher benannte. In
der früheren Zeit hatte die Rusalka »bei ihrer Herr-
— 140 —
Schaft in der Tiefe ihren Gemahl, den Sonnengott,
nicht zur Seite, weil es ketzerisch gewesen wäre, den
hocherliabenen Sonnengott in die Tiefe zu versetzen.
/
Im Gegensatze zu der Rusalka stand in der späteren
Zeit die Gorina d, h. Berggöttin. Was man sich unter
derselben dachte und welche Geschäfte man ihr zuschrieb,
dies ist nicht bekannt. Gewifs ist es aber, dafs sie eine
moderne BerggÖtlin und ihr Name, der eine Adjectiv-
fonn hat, erst in der späteren Zeit entstanden ist, wo
die Bedeutung der alten Bergreligionssprache unterge-
gangen und bei den Slaven zur Bezeichnung eines Ber-
ges das Wort gora und hora vorzugsweise in Gebrauch
gekommen war.
Eine alte Berg- oder Mondgöttin war aber ohnstrei-
tig die Kimora oder Kikimora. Sie war die Murawa und
Kodoiza der Wenden, der Alp (die Alpe) der Deut-
schen und die in den russischen Heldenliedern vorkom-
nriende Kaschtschey (kasch-tschen -ei). Ihre Kinder wa-
ren die Gespenster, die sie des Nachts über die Men-
schen aussandte und die schwere Träume brachten. Un-
ter ihrer Herrschaft standen die Kobolde, Koltki (kol-
otki, kleine Bergwesen, Bergmännchen) und die Leschi
(ein später entstandenes Wort), die Waldgeister, welche
die Menschen bei Tage neckten und bei Nacht erschreck-
ten, und unter denen man sich entweder rohe, dem
neuen Religions - Cultus abholde Bergbewohner, oder,
was in Bezug auf die spätere Zeit wahrscheinlicher ist,
Seelen der Verstorbenen dachte, die in Berg- und Wald-
höhlen so lange sich aufhalten mufsten, bis sie das
dunkle Land duichwandelt hatten, und bis es ihnen
durch die Macht des Sonnengotts gestattet war, per
ivcmudzaciv wieder ans Licht zu kommen. Die Leschje,
oder Lesnje (in der ersteren Form) waren, sagt Mone
— 141 —
(I. p. 143.) meist [höser Natur und zwiegestaltet , von
oben menschlich, aber mit Hörnern, hohen Ohren und
Ziegenbart, abwärts den Böcken gleich. Nach dem
Volksglauben konnten sie ihre Gröfse verändern, gin-
gen sie im Grase, so waren sie nicht höher als dasselbe,
im Walde aber ragten sie über die Bäume, "Wälder wa-
ren ihnen vorzüglich geweiht vxnd man durfte sie da
nicht beleidigen, denn sie jagten entweder durch ein
fürchterliches Geschrei Schrecken ein, oder verführten
den Wanderer durch bekannte Stimmen auf Irrwege, bis
die Nacht kam, wo sie dieselben in ihre Höhle lockten
und zu Tode kitzelten. Dieser Glaube war wahrschein-
lich durch das ganze Slavenland verbreitet. Zum Min-
desten scheinen sich noch jetzt Rudera desselben in dem
gebirgigen Theile der südlichen Oberlausitz zu finden,
wo man zu einem, der im Walde schreit, scherzend
sagt: dafs die Lischkje (in dieser Form Füchse) über
ihn kommen und ihn zu Tode kitzeln würden. Es ist
fast keinem Zweifel unterworfen, dafs hier eine Verwir-
rung der Begriffe obwaltet und dafs Lischki aus dem
alten Leschje (Waldgeister) entstanden ist.
Den Mond bezeichnet in der russischen Mytho-
logie auch der Name Daschebog. Dieser Name ist
aller Wahrscheinlichkeit nach kein primitiver, son-
dern ein abgeleiteter und ist aus Daschje oder Duschje
d. h. die Seelen , und aus Bog entstanden, Dasche-
bog deutet eine Function der Mondgöttin an, und
zwar hier ihre Herrschaft über die Seelen der Verstor-
benen, die man sich als Zwerge vorstellte und die
man Uboze ^^ (von uboki, wuboki , tief, nannte.
73 Uboze entspricht sonder Zweifel dem wendischen Ludki d,
h. Mondwesen, kleine Wesen, in der tiefe wohnende kleine
— 142 —
Den Uboze oder den Dahingeschiedenen setzten die Le-
benden Speise und Trank hin, welches beweist, dafs sich
die Letzteren. die Ersteren als fortdauernd nach dem To-
de dachten. So wie die Seelen der Verstorbenen unter
dem Regimente der Mondgüttin standen, so auch die
Schätze der Erde, und daher rührte der Glaube, dafs
die Seelengöttin (Daschebog) den Menschen Pieichthum
aus der Tiefe gebe.
„In Nowogrod (sagt Mone I, p. 120.) wurde Znitsch
heinahe verehrt wie Perun zu Kiew durch ewiges Feuer
durch Opfer von Kriegsraub und Gefangenen. Da er zu-
gleich in Krankheiten angerufen wurde, so hatte er nicht
nur in dieser, sondern auch in vielen andern Städten
seine Tempel." Der Name Znitsch ist aus zin und itsch
zusammengesetzt und deutet den Mond an. Auch die
Nachricht, dafs Znitsch in Krankheiten angerufen wxirde,
bestätigt die Behauptung, dafs diese Gottheit eine weib-
liche war.
Noch sind die beiden Namen Koliado (Koliada) und
Mensclieu , die man Däumlinge genannt hat. Die Lutki
behielten menschliche Gestalt, setzten das irdische Leben
im verjüngten Maafsstabe in Erdhöhlen fort , hatten z. B,
kleine . ihrer Körpergröfse angemessene Töpfe , Schüsseln
u. s. w. und trieben überhaupt eine kleine unterirdische
Oeconomie. Nach der Einführung des Christenthums ver-
wechselte man mit den ursprünglichen Lutki die wendischen,
an dem Heidenthume hartnäckig hängenden Refugies, wie
ich in meiner Chronik der Stadt und des Amts Senften-
berg etc. angedeutet habe. Li dem ersten Falle, wo Lutki
so viel bedeutete als das russische Uboze, ist das Wort pri-
mitiv, in dem zweiten Falle hat es secondäre Bedeutung.
Wenn man sich jetzt noch erzählt: dafs sich hie und da an
den aris der Gottheiten Lutki aufgehalten hätten, z. B. in
der Senftenberger Gegend bei Grofskoschen , Sedlitz , Dürr-
walde und Zschiepkau, so kami man das Wort bald in der
ersten (au den aris deorum dearumque waren gewöhnlich
die BegräJjnifsplätze ) , bald in der zweiten Bedeutung (hart-
näckige Anhänger des Heidenthums) verstehen.
14Ö
Kupalo zu erwähnen. Beide sind nach meinem Diifür-
hahen unbestimmten Geschlechts, oder neuira und be-
zeichnen sowohl die Sonne als auch den Mond. Sowohl
Koliado als auch Kupalo ist durch Berggottheitslest zw
übersetzen. Am 24. December, ^^ wo die Sonne ihre
74 Den 24. December nennen die oberlausitzisclien Wenden Pa-
torschiza. Dieses Wort ist nach meinem Dafürhalten aus Pa,,
das vvahrscheinlich bua (Pya) bedeutet, aus Tor, d. h. Son-
nengott und schin-iza, welches ich durch hocherhabenen,
herrlichen Tag, Fest, übersetze, entstanden. Merkwürdig
ist es, dafs der 24. December noch jetzt in der Lausitz nicht,
blos als Vortag oder Vorabend des Weihnachtsfestes, son-
dern auf eine ganz besondere, auf alte religiöse Gebräuche
hinweisende Art ausgezeichnet wird. Ausgezeichnet wird'
der Tag noch jetzt dadurch, dafs man an diesem Tage kein
Getreide, Butter, Eier etc. verkauft. Ferner, dafs an
dem Abende dieses Tages die wohlhabenden Familien zu
Abende neunerlei Speisen c,ssen und ihr Gesinde auf gleiche
Weise tractiren (vergleiche die Saturnalien der Römer),
Die armen Familien, die sich nicht neunfache Gerichte be-
schaffen können , kochen an dem Tage der Swaczina , d. h,
Gastmahl , wie man die Patorschiza auch in manchen Ge-
genden nennt, doch eine Speise, die aus neun efsbaren SubrL
t, stanzen, z. B. Schweinefleisch, Hirse, Wasser, Salz, Mohr-
rüben, Zwiebeln, Kohlrüben, Waizenmehl und Rosinen
componirt ist. Auch horchen manche Abergläubische nach
12 Uhr des Nachts an den Grenzsteinen, an welchen früher
Götter -Idole aufgestellt waren, und vermeinen sie Schwerd-
tergeklirr und Pferdegewieher zu hören, so bedeutet dies
im künftigen Frühjahre die Entstehung eines Kriegs. Aber-
gläubische Mägde horchen an den Schwellen der Pferde-
ställe auf das Wiehern der männlichen Pferde (das Weissa-
gen der Pferde im Alterthume ist bekannt) und hören sie
dieses, r,6 hoffen sie, dafs bis zum 24. Juni ein Ernst zei-
gender Freier erscheinen wird. Heirathsfähige Mädchen,
die nicht im Hause bleiben können, werfen mit der Spitze
des rechten Fufses einen Schuh über den Kopf. Fällt der
Schuh so , dafs er mit der Spitze nach der Stubenthüre
zeigt, so bedeutet dies, dafs sie sich bald verheirathen wer-
den. Diese und älinliche abergläubische, auf frühere heid-
nische Gebräuche hinweisende Spielereien, die von den Ge-
— 144 •—
Rückkehr aus dem Süden nach dem Norden antritt, feierte
man das Fest Koliady, tmd am 24. Juni, wo der Sonnen-
gott sich wieder nach dem Süden wendet, um auch die
auf der südlichen Erdhalbkugel wohnenden Völker durch
seine Nähe zu beglücken, die Kupaly. Diese Entfernung
haben die lasciven südlichen Völker als einen Act ehe-
licher Untreue (Jupiter) in ihren Mythen dargestellt. An
dem Feste Kupaly wurden auf den Feldern grofse Holz-'
stöfse angezündet, und die Jugend, mit Blumen bekränzt,
tanzte mit Freudenliedern herum, und das Vieh, wel-
ches man vor Verzauberungen böser Geister schützen
wollte, liefs man über das Feuer springen. Mochte man
durch die Feier des Festes Koliady sich den wiederkeh-
renden Sonnengott geneigt machen wollen, so suchte
man sich am Feste Kupaly der Mondgöttin durch das
Anzünden von Holzstöfsen zu empfehlen, deren Herr-
schaft man sich von nun an näherte. Auch der Umstand,
dafs an dem letzteren Feste die, unter der Herrschaft des
Mondes stehende, Jugend besonders thätigwar, weiset
darauf hin, dafs dieses Fest vorzüglich dem Monde galt.
Die Kupaly werden noch jetzt an vielen Orten in Rufs-
land ziemlich nach der früheren Weise gefeiert, und die
in Böhmen noch gewöhnlichen sogenannten Haus- (eigent-
bildeteren getadelt und gerügt werden, hat man an vielen Or-
ten auf den darauf folgenden Sylvester- Abend und Neujahrs-
tag verlegt. Sie hören auch jetzt immer mehr auf. — Ehe
man in alter Zeit zu dem grofsen Gastmahle (am 24. De-
cember) ging, brachte man zuvor der Mondgöttin, die sich
jetzt anschickte, das Regiment wieder dem Sonnengotte zu
übergeben, Dankopfer und zündete, wie es bei Mondfesten
gewöhnlich war, viele Fackeln, Kienstücke, Kienwische
(vergl. hinren harne Blase) an. Beim Orakelfragen, Schmau-
sen u. s. w, erwartete man den Aufgang der Sonne (Tor)
am 25. December (Dies solis invicti bei den Römern) und
nun begann das erste frohe Sonnenfest des Jahres (Hody),
Den ersten jWeihnachtstag nennen die Wenden jetzt Bozi
Dzen d. h, göttlicher Tag.
— 145 —
lieh wohl Hus- oder Berg -Feuer) oder Johannis - Feuer
sind noch ein Ueberrest von demselben, auch ehemals
hier gefeierten Feste. Die Feste Koliady und Kupaly
theilten das Jahr in zwei gleiche Theile. Bekannt ist es,
daFs die Russen noch jetzt das Weihnachtsfest Koliady
nennen, welche Benennung mithin nicht minder von
dem alten Sonnencultus herrührt, als Hody, die wendi-
sche Benennung des Weihnachtsfestes.
JI. Religion der Polen und Schlesier.
Obgleich es gewifs ist, dafs sich gegenwärtig die wen-
dischen Einwohner der Oberlausitz in Hohrenjo (Ge-
birgsbewohner) , Holenjo (Haidenbewohner) und Polenjo
(Gefildebewohner) theilen, so ist es doch nicht minder
gewifs, dafs der Name der Polen nicht auch ein abgelei-
teter und mit dem lausitzischen Polenjo gleichbedeutend
ist. Der Name der Polen ist ohnstreitig auch ein Pro-
duct der Bergreligionssprache, wie die Namen der übri-
gen Völker. Das Wort Polen ist eine Zusammensetzung
aus Po und ölen, d. h. Bewohner niedrigerer Berge und
ebener Gegenden. In dem Worte Polonia deutet das
Pol die Beschaffenheit des Landes an, das onia aber heifst
so viel als asia, das Land. Das Wort Polska (pol-aska)
ist ein Diminutiv und bedeutet ein kleineres mit nie-
deren Bergen bedecktes Land, und ist als .Gegensatz zu
einem grofseren Lande zu denken (kleines Gebirgsland).
Wahrscheinlich hiefs anfangs nur ein kleiner Theü des
Landes Polska.
Die Polen (Pol-oni) verdanken aber nicht nur ihren
Namen, der ohne Zweifel eine andere Form der Sarma-
10
— 146 —
ten (sarra-aten) ist, der Ursprache, sondern auch die al-
ten Namen ihrer Städte und Dörfer sind ein Product
dieser Sprache, So heifst Warschow (waraschow) eine in
einer niederen Gegend gelegene grofse (aschow) Stadt.
Posen (po-osen) hat ohngefähr dieselbe Bedeutung und
ist ähnlich dem Namen Bauzen und Bozen. Krakau ist
aus kar-akow entstanden und bedeutet eine in einer Ge-
birgsgegend gelegene grofse Stadt. Kaiisch heifst Berg-
stadt und der Name derselben ist aus kal oder kol und
isch gebildet. "Wilna (wil-ina) ist eine niedrig gelegene
Stadt. Gnesen hat man fälschlich von der polnischen
Göttin Nija und sogar von niesdo (nidus, koris, nisdhis,
[sanscritanisch]) abgeleitet. Der Name dieses Orts ist aus
gen, d. h. eine niedere Gegend und esen, ein grofser
Ort, gebildet.
Silesio, das man späterhin in Schlesien umgewandelt
hat, bezeichnet ein Gebirgsland. Die Sylbe silrist aus si
und il gebildet und esia bedeutet Land. Silesia ist ein
Land, in welchem sich niedere Berge finden, und wahr-
scheinlich gebrauchte man früher das Wort zur Bezeich-
nung des niederen Theils von Schlesien. Hätte man
nämlich den oberen , gebirgigen auch anfänglich unter
demselben Namen verstanden, so hätte das Land Sulusia
oder doch Salasia heifsen müssen. Die Sylbe schle in
Schlesien ist mit sil oder sei gleichbedeutend, und das
« ist nur in 5ch übergegangen.
Breslau (ber-es-la-aw) heifst eine tief gelegene Stadt,
sowie auch Nimtsch (nim-itsch). Hirschberg (nicht von
Hirsch, sondern von her -isch) und Glatz (gal-az) sind
Bergstädte, ingleichen Kosel (kos-el), Liegnitz (li-ig-
ni-iz), Bunzlau (bun-uz-la-aw) und Löwenberg (le-eweu)
aber tiefer liegende Städte.
Die spätere Religion der Polen bestand vorzüglich
im Monddienst, der jedoch den früheren Sonnen-Cultus
nicht ausschlofs. Dafs Jefs, der spätere Hauptgott der
— 147 —
Polen, den man mit dem Jupiter der Römer verglichen
hat, ursprünglich eine Mondgottheit war, wie der Flins
der oberlausitzer Wenden, dies erhellt ohnstreitig aus sei-
nem Namen (Je-es), der einen hohen Vocal hat. Indefs
hatten die Polen doch auch in den späteren Zeiten einen
reinenSonnengott, Perkun ^ ^ (per-ku-un) oder Perkunos (per-
kun-os) genannt, den die Perkuna Tete, die Mutter des Bli-
tzes (Mondgöttin) am Abende als einen müden, staubbe-
deckten Wanderer in ihrem Bade aufnahm, und ihn des
andern Tages wieder gewaschen und hell fortgehen liefs.
Ob nun Perkvinos oder Jefs Auxtheias Vissagist genannt
wurde, ist ungewifs. Soviel scheint aber gewifs, dafs
Auxtheias Vissagist nicht ein besonderer Gott, sondern
nur eine in der späteren Zeit entstandene Benennung
des obersten Landesgotts war. Auxtheias Vissagist bedeu-
tet nämlich nach meinem Dafürhalten weiter nichts, als
den obersten Berggött. Das Wort Auxtheias ist ohnstrei-
tig etwas corrumpirt und hiefs ursprünglich Hus oder
Haus-tei-as, Berggott. Das Wort Vissagist ist ein etwas
falsch aufgefafster Superlativ von wissoki d. h. hoch, und
Auxtheias Vissagist ist nach meiner ATeinung durch deus
Summus zu übersetzen. Ein mit der Benennung Vissa-
gist in der Bedeutung harnionirender und aus der heid-
nischen Zeit herstammender Ausdruck der Serben oder
Wenden in dem südöstlichen Theile der Oberlausitz
75 Obgleich Perkun als Sonnengott erscheint, so bezeichnet
ihn das e in der ersten Sylbe seines Namens nicht als ei-
nen solchen, sondern nur als einen, dem russischen Perun
ähnlichen, Mondgott. Wäre Perkun ein alter Sonnengott,
so müfste er Porkon oder Purkun , zum Mindesten Parkan
heifsen. Wahrscheinlich war in späteren Zeiten , als der
Mondcultus auch in Polen vorherrschend wurde , Perkun
(Mondgott) dem Sonnengott Audros und Datau substituirt
worden, welche auch anderwärts (vergl. Pergubrios) vor-
kommende Substitution als eine Folge der späteren Um-
wandlung der religiösen Ideen anzusehen ist. Ob diese Um-
wandelung in Indien, oder anderwärts begonnen hat, dies
mögen Andere bestimmen.
10*
148
scheint derjenige zu seyn, den sie noch jetzt bei dem
gev/öhnlichen Grusse gebrauchen. Sagt nämlich Einer
zu dem ihm Begegnenden: pomhai Boh warn d. h. Gott
helfe Euch, so setzt der Begrüfste hinzu : werschpomasy,
^velches eine Contraction von werschny (Summus) pom-
hai fsam d. h. der Allerhöchste helfe selbst, ist. Hierauf
wiederholt der zuerst Begrüfste denselben Wunsch in
Beziehung auf den Andern und dieser stimmt in dem
ihm gewordenen guten Wunsch durch sein wersch poma-
sy ein.
Eine auch vorkommende Benennung des Sonnen-
gotts ist Audros (hau-dor-os, grofser Berggott). Er wird
als Meeresgott dargestellt, und für den Gemahl der Per-
kuna gehalten, die den Perun badete. Männliche Götter
waren auch die, Segen, Gedeihen und Fülle spendenden
Datan (da-ta-an) und Tawal (ta-wa-al), sowie die Haus-
götter Slotraz (sol-tor-az), Dvvargonth (da-war-gon-oth),
Klamas (kal-man-as), und der die Lichter auslöschende
Tartitas (tar-tit-as, die aufgehende Sonne). Der Friedens-
gott Derfintos (der-fin-ton-os) war früher weiblich, wur-
de aber späterhin zu einem männlichen erhoben. Sein
ursprünglicher Name mochte Derfint (Mondgöttin) lau-
ten. Auch der Bienengott Babilos (ba-bil-os), der an-
fänglich nur Babil hiefs, wurde wahrscheinlich erst spä-
ter zu einem os (Gott) erhoben, weil die Bienen als klei-
ne Thiere nur unter der Herrschaft des Mondes stehen
konnten. Der Gondu, den die Mädclien anriefen, war
sonder Zweifel eine alte androgynische Gottheit. Der
Name dieser Gottheit ist aus gon, ein hoher Berg und
du zusammengesetzt. Das du steht hier statt ud und
das Wort ist ähnlich dem Nainen Hindu, Menü etc.
Weil aber die Mädchen Gondu anriefen, so dachte man
sich diese Gottheit höchstwahrscheinlich später als weib-
lich.
Rein weibliche Gottheiten waren folgende. Ljada
(Ijan-ada, Mondgöttin) war die Kriegsgöttin der Polen, so
— 149 —
wie Led der Russen und die Bellona der Römer. Auf
die Ljada sang man Siegeslieder xmd ihr, der Menschen-
mürderin, wurden auch Menschen, insonderheit gefangene
Feinde, geopfert. Fcälschlich hat man sie mit dem, die
Völker anführenden, Sonnengotte verglichen. Sie führte
nicht eigentlich wie Mars die Völker, sondern sie kämpfte
in der mörderischen, anstrengenden Feldschlacht mit und
nahm die Gefallenen in ihr Reich auf.
Die Dzidzielja beförderte die menschliche Frucht-
barkeit. Ihr Name ist, wie es mir scheint, kein primi-
tiver, sondern ein von dzieczo, das Kind, abgeleiteter
und heifst Kindergöttin. Sie war die Veuus und Juno
lucina zugleich. Höchstwahrscheinlich ist die Dzidzielja
mit der Zywie, die man fälschlich Lebensgott genannt
hat, gleichbedeutend. Die Zywie war dasselbe, was Ziwa
bei den Wenden. So wie die Dzidzielja das produ-
cirende Weib darstellte, so die Zemina die producirende
Natur. Sie wird deshalb Zemina, Erdmutter, genannt.
Auch Zemina oder Semina ist nicht ein primitiver Name,
sondern ein von semja, die Erde, abgeleiteter.
Die Fruchtbarkeit der Felder, Gärten und Wein-
berge beförderte Marzanna (mar-zan-ana), die auch des-
halb vorzüglich verehrt wurde. Die Dziewanna (dzi-
wan-ana) war die italische Diana (di-ana). Sie wohnte
in Wäldern und Frauen und Mädchen zierten ihr Bild-
nifs mit Kränzen.
Nija war die Herrin der Verstorbenen. Das Wort
nija ist aus ni und ija zusammengesetzt und hiefs Göt-
tin der (Todes-) Nacht. Indefs konnte ihr Name auch
ein von nieski, niedrig, abgeleiteter seyn und inferior sci-
licet dea heifsen. Im letzteren , wenn nicht auch im
ersteren Falle, lautete das Wort Nija niza. Von der
Nija oder Niza, welche die Verstorbenen nach dem To=
de des Leibes bewahrte und sie in ein besseres Land
führte, hat aber die Stadt Gnesen, wie schon bemerkt,
— 150 —
ihren Namen nicht erhalten, wenn sich auch in dieser
Stadt ein Tempel der Nija fand. Manche haben die
Nija zu einem Nijam, oder Seelengott gemacht. Indefs
ist es sehr wahrscheinlich, dafs die Polen nicht die reli-
giöse Ketzerei der südlichen Völker getheilt, die, wie be-
kannt, die Herrin der Unterwelt zu einem Gotte erho-
ben haben. Die Göttin der !Morgenröthe hiefs Ausca
(haus-uca, Berggöttin), die der Abenddämmerung Bezlea
(bez-le-ea, Berg- oder Mondgöttin) und die Göttin der
Dunkelheit und Finsternifs Breksta (brek-esta, Göttin des
Walddunkels). Warpulis ( war-bu-li-is ) verursachte nach'
dem Donner den Wind und Pogoda erzeugte die sanft
strömende milde Luft. Die Namen der Waldgötter Mo-
deina und Ragaina sind pluralia von Modeino (mon-dei-
eino) und Ragaino (ragai-aino), welche Wörter ßerggott-
heit heifsen. Unter den Waldgottheiten werden beson-
ders Kierpicz (kir-pi-itsch) ;md Silinicz (si-lin-itsch) ge-
nannt , die beide weiblich waren. Beiden opferte man
Moos, weil man sie für Urheber des Mooses hielt, das
man zum Ausstopfen der Ritze der Stuben und Ställe
gebrauchte. Auch die Gottheit der Seen, Ezernim (he-
zer-ni-!ira) 'genannt, war eine weibliche, oder eine
Mondgöttin.
Unter den Hausgottheiten der Polen waren weibli-
chen Geschlechts Sala (Sa-ala), Tikli (tik-ili), Birzuli
(bir-zu-uli), Siricz (sir-itsch), deren Aemter man nicht
kennt. Die Göttin Ublanicza (hub-lan-itscha) wachte
über den Hausrath, die Polengabia (po-len-ga-abia) be-
sorgte das Feuer auf dem Herde, Aspelenia (has-pel-
enia) safs in Winkeln, Budintaia (bu-din-taia) weckte
die Menschen aus dem Schlafe, und Duguai (du-gu-ai)
bewahrte den Brotteig. Auch die Göttfn Luibegeld (|lu-
ibe-gel-ed), welche nach der Sage allen Dinkelsaamen in
einer Eichelschale nach Polen gebracht hat, war eine
Mondgöttin , so wie Ligicz (lin-gi-itsch) die Stifterin der
Versöhnungen und der Ruhe. Nicht minder war auch
Pizi (pi-izi), welche die Brautführer anfleheten, eine
weibliche Gottheit, ferner die Bentis, (ben-ti-is) welche
151
die Reisenden zusammenführte, imd Pirgirsitis (pir-girs-
itis), welche die Göttin der feierlichen Waldstille war
und durch Geschrei beleidigt wurde.
Vor dem Pflügen flehete man zur Lawpatim (law-
pat-iin) und die Ratainiza (ra-tai-ni-iza, Göttin der Ebe-
nen) besorgte die Ackerpferde, die Kremara (ker-mara)
und Krukis (kur-ukis) die Schweine, die Priparscis (pir-
pars - ci - is ) pflegte die abgesäugten Ferkel und die Kur-
waiczin (kur wai-iz-in) oder Eraizin (he-rai-izin) pflegte
die Schaafe, so wie Gardunithis (gar-dun-ithis) die Läm-
mei*. Die Peseia (pe-sei-a) war die Göttin aller Jungen
im Hause und Lasdona (las-do-ona) die Göttin der Ha-
selnüsse. Wenn die Todten gespeist wurden, so wurde
der^^.Vielona (vi-lon-ona) geopfert.
Dafs die Polen und Schlesier auch alte, dem spä-
teren Fetischismus widersrebende Gottheiten hatten, ist
sehr wahrscheinlich, obgleich sie bei den Polen uicht
genannt werden. Jedoch darf man auch bei ihnen nicht
zwei ursprünglich verschiedene Principe, ein gutes und
ein böses, annehmen.
Bemerkenswerth ist der Privat -Göttercultus bei den
Polen und Schlesiern. Manche Städte und Dörfer so wie
auch manche vornehme Familien des Landes verehrten
ihre besondere Gottheiten. So verehrte die Gemeine
Poiursk die Göttin Devoitis (de-vo-itis oder isis), die Ge-
meine Retowsk die Göttin Vetustis (Vet-ustis, usis). Die
Stadt Sarakovvsk hatte zwei Gottheiten Guboj (gu-boj oder gu-
bog, Berggott) und Twerticos (ter-ti-cos, Mondgott), die
Burg Plotelsk die Kirnis (kir-ni-is, Berg und Nachtgöt-
tin). Das Geschlecht Mikutz verehrte seinen eigenen
Stammgott Simonait, ( si-mo-na-it , scheint eine androgy-
nische Gottheit zu seyn), die von Michelowicz die Sidzj
(si-dschi-i, Mondgöttin), die von Schemicz die Gottheit
Rekicziow. Die Verehrung von Familiengottheiten hatte
auch bei den Mähren und Böhmen Statt»
— 152
III. Religion der Mähren und Böhmen.
Die Mähren oder Moraven heifsen Bewohner hoher, ge-
birgiger Gegenden. Das Wort Moraven ist aus mor und
aven oder äsen gebildet. Die Hauptstadt des jetzigen
Markgrafthums Mähren heifst Bvün (bür-ün), welche
gleich Olmütz ( hol - mün - iz ) ßergstadt heifst.
Der Name Böhmen ist aus Bö-he-emen, Bewohner
niederer und spitzer Berge, gebildet. Das Land wird
auch Büheiin genannt, welches Wort man aber nicht
durch Heimath der Boji übersetzen darf. Die Boji sind
Bergbewohner so wie die Bavari (ba-va-ari) Bavaren
oder Baiern. Die slavischen Bewohner Böhmens nen-
nen ihr Land Czeclii (tschen-echi) welcjies Bergländer
bedeutet. Sie selbst (die slavischen Einwohner des Lan-
des) nennen sich auch Czechi (tschen-echen) oder auch
Tschecharen (tsche-ga-aren), welches mit Boji ziemlich
gleichbedeutend ist. Der Name der Hauptstadt von
Tsrhechien, Prag, ist aus parag zusammengesetzt und
bezeichnet eine Bergstadt. Dieselbe Bedeutung haben
auch die Ortsnamen Kaurzim (kar oder kaur-zi-im)
Tabor (tan-bor oder bürg), Budweis (bud-wei-eis oder
is), Klattau (kal-atow oder asow), Pilsen (pil-isen),
Przibram ( per-zin-bar-am ) , Ellnbogen (hel-len-bo-ogen),
Eger (hen-ger), Leutmeritz ( leu-et-mer-iza ) , Adersbach,
(ha-der-es-bach), Jaromierz (ja-ro-mier-iz), Churdim
(chur-di-im), Czaslau (tschan-as-alow), Teplitz (ein an
einer Anhöhe (te) tief gelegener (li) kleiner Ort (iz,
iza) u. s. w.
Die Mähren verehrten in der Zeit , aus welcher uns
ihre Mythologie bekannt ist , den Peron ( per-on ) , wel-
cher mit dem russischen Perun, mit dem er denselben
Namen hatte, gleichbedeutend war. Die Mondgöttin
— 153 —
nannten sie Wilis (wi-itis) und spiiterhin lüng man an
dieses Wort law (lan-aw, Mond) so, dais man den Na-
men Witislaw , Berggöttin , oder Mondgöttin als Mond-
gott erhielt.
Die Witislaw der Mähren konnte in mehreren For-
men, wie auch anderwärts, vorkommen, z. B. als Juno,
Bellona, Minerva, Venus, Flora u. s. w. Eine solche
besondere Form der Mondgöttin war ohnstreitig die Kra-
sopani, welches Wort schönes Weib (Venus) bedeuten
soll. Ist kraso aus dem Adjectiv gebildet, welches die
Wenden krasny d. h. herrlich, schön, nennen, so ist
der Name späteren Ursprungs wie Daschebog, Zizlila u.
s. w. und bezeichnet eine gewisse Eigenthümlichkeit der
Göttin. Indefs kann kraso auch primitiv seyn. In die-
sem Falle würde es, wie Jnno und Lado, eine Berggott-
heit andeuten. Das Wort pani i. e. domina, dea wäre
dann erst später zu dem Kraso (kar-aso) hinzugefijcrt
worden, um anzudeuten, dafs man sich die, wahrscheinlich
früher androgynische, Gottheit nur weiblich dachte. Eine
später entstandene Benennung war auch Dobropan. ^*
Diese Benennung soll dem Mercur (mer, oder mar-cu-
ur oder ar), diesem, von mehreren Völkern Mittel-
europa's verehrten, die Völker zum Kriegskampfe füh-
renden, Gotte gelten. Auch kommt ein Krälomoc, d.
h. starker König, vor, von welchem man glaubt, dafs
er den Jupiter bezeichnet habe. Obgleich es aber ge-
wifs ist, dals sich, wie schon oben bemerkt, später-
hin römische und griechische Religions- Vorstellungen,
vorzüglich in das südliche Slavonien einschlichen, so
kann Krdlomoc, oder Kral mozny, einen früheren
Sonnengott andeuten, der in Mähren von frühe-
ren Völkern germanischen Stammes verehrt wurde.
76 Die Benennung Dobrepan (doLry Pan) scheint mehr einen
alten, guten Sonnengott anzudeuten, als einen spätem, wü-
thend kämpfenden, blitzenden und donnernden Mondgott.
— 154 -
Indefs konnte man unter dem Kral raozny (rex fortis)
auch nur den späteren Peron oder den Sonnengott Hla-
dolot (hal-dol-ot, Berggott) verstehen, den man als einen
alten Sonnengott wohl nicht ohne Grund mit dem Sa-
turn vergleicht.
Obgleich in späteren Zeiten in dem gebirgigen Theile
Mährens und Böhmens sich auch der niedere Fetischis-
mus ausbreitete, so scheint er doch hier nicht allge-
mein Platz gegriffen zu haben. Die Vornehmen des Lan-
des, die mit den Römern mehr in Berührung kamen, re-
cipirten zwar die niedere Idololatrie und hatten sogar
ihre Familien - Götzenbilder. Indefs hielt das gemeine
Volk an der alten Verehrung der Sonne und des Mon-
des fest, von denen es sich die erste durch Felsensäu-
len, den letzteren aber-, wie die Preufsen und die Wen-
den, vorzüglich durch Linden vergegenwärtigte. Ueber-
haupt hat sich, nach meinem Dafürhalten des Sonnen-
und Mondcultus der zweiten Periode auf dem Karpathen-
(kar-pa-aten), Suddeten- (sud-den-eten) , Riesen- (rin-isen)
und böhmischen Gebirge, so wie auf der Insel Rügen
am längsten erhalten. In diesen Gegenden nämlich tritt
der Sonnencultus nicht so in den Hintergrund wie an-
derwärts in Slavonien und das Volk behielt hie und da,
wie so eben gesagt, bis in die spätere Zeit die alten, ein-
fachen Götter - Repräsentationen.
Unter den männlichen Gottheiten, welche die Böh-
men oder Tschecharen verehrten, sind zu nennen: lasen,
Quotz, Radamas. Der lasen ist der spätere, zum Manne
potenziile Mondgott, der bei den Russen Perun, bei den
Mähren Peron, bei den Preufsen Perkunos, bei den Po-
len Jefs und bei den Lausitzer Wenden Flinz hiefs. Das
Wort lasen ist aus Ja und äsen oder ason zusammenge-
setzt und bedeutet eine Berggottheit. Der Quoz, Quosch,
Chuoz (chu-oz) ist ohnstreitig ein Sonnengott und älter
als lasen. Er gehörte späterhin einer religio pagana und
Sylvestris an. Weil man seine Religion im Gegensatze
— 155 —
zn der späteren Landesreligion dachte, deshalb hat man
ihn mit dem ägyptischen Typhon verglichen. Der Name
des Radamas ist aus ra der Berg und dam-as, Gott, zu-
sammengesetzt. Er war, so wie Radamanthus bei den
Griechen, Radgost bei den Mähren, und Radegast bei
den Wenden ein alter Mondgott, der auf Erden die Völ-
ker und der, nach dem späteren Religionsglauben, gleich
dem Charon ^^ (gar-on) und Mercur auch die Seelen
der Verstorbenen in der Unterwelt führte. Radamas war
ein gynandrischer Gott, wie der Pvadegast der Wenden.
Die Mondgöttin kommt bei den Tschecharen unter
verschiedenen Namen vor. Sie wird Laden (lad-on,
Mondgott) genannt, und ist in ihrer Function der russi-
schen Led und der polnischen Leda oder Ljada ähnlich.
Deshalb hat man sie mit dem Mars verglichen. Sie
war aber in der That die Mondgöttin als Todesgöttin
im Kriegskampfe. Wahrscheinlich hiefs Ladon früher
Lada, und nur die spätere Zeit, in welcher der Mond
zum Manne erhoben wurde, machte aus der Lada (lan-
ada) einen Lad-on. Aber auch in dieser Form ist Ladon
nicht eine gewöhnliche Mondgottheit, sondern eine gro-
fse Mondgottheit, die durch ihre, grofse Kraftanstrengun-
gen erfordernden Geschäfte (heftige Kämpfe im Kriege) dem
Manne glich. Die Namen der Ziviena und Zizlila sind
nicht primitive, sondern abgeleitete. Die erstere war die
77 Charon (gar-on, Berggott) ist, seinem Namen nach, ein
Sonnengott, der die Lebenden auf weiten Wandernngen
führte. Die Meinung, dals ein Sonnengott die Dahinge-
schiedenen fährt, ist zwar nicht ganz orthodox, jedoch des-
halb zu entschuldigen, weil sein Geschäft nur an der Gren-
ze der Unterwelt Statt hatte. Die funkelnden Augen, die
man dem Charon zuschrieb , charakterisiren ihn als Mond-
gott und sein grauer, häfflicher Bart deutet sein Alter an.
Höchstwahrscheinlich war Charon ursprünglich eine andro-
gynische Gottheit, die, nach dem späteren Glauben, hei
einem männlichen Namen ein Geschäft der Mondgöttin (das
Führen der Seelen in die Unterwelt) verrichtete.
— 156 — ■
Göttin der gebärenden Natur (Ceres) und die zweite
die Mutter des menschlichen und thierischen Lebens
(Venus).
Die Zizlila, die man jetzt zyzwiwa (ziztiia nennen
würde, erhielt ihren Namen von ihren Nährbrüsten, die
im Wendischen Nadra (na-dar-a, inferiores montes) hei-
fsen. Der Name der Marzena ist aus Mar-ze-ena zu-
sammengesetzt und bedeutet eine Göttin hoher Berge.
Sie war die Diana (di-ha ana) der Italer, die Dziewanna
der Polen, die Dziewiza der oberlausitzer Wenden. Ze-
lun ist auch eine Mondgottheit, aber in männlicher
Form. Der Name ist aus ze-lu-un gebildet und bedeu-
tet Mondgott. Vielleicht bedeutet Zelun in manchen Ge-
genden das, was Ladon. Eine dem religiösen Glau-
ben des Alterthums entsprechendere Benennung war die
Zi).r,vr} (se-le-ene, Mondgöttin) der Griechen. Das ze
in zelun ist gleichbedeutend mit dem se in Zthjvri] aus
dem le ist in Böhmen lu entstanden, weil man dem
W'orte eine männliche Endung, nämlich un gab. Dem-
jenigen, der die grofse üebereinstimmung der Wurzeln
lu, lo, la, le, li, und nu, no, na, ne, ni in den al-
ten Sprachen kennt, dem wird es nicht auffallen, dafs
ich den (die) böhmische (n) zelun und die griechi*
sehe EtXrivri in Vergleich stelle , die in der That bis
auf die Modification, welche die religiöse Anomalie
der Böhmen dem zelun gab , in Bedeutung und Be-
nennung identisch waren. Pohoda (heitere milde Luft)
ist nur eine andere Sprech- und Schreibart des rus-
sischen und polnischen Worts Pogoda. Die Böhmen
und obtrlausitzer Wenden setzen nämlich da ein h, wo
die Russen, Polen und die niederlausitzer Wenden das
g adhibiren und sagen z. B. Boh statt Bog, bohaty statt
bogaty etc.
Die böhmische Mokosla (mo-kos-ola) ist gleichbe-
— 167 —
deutend mit der russischen Mokosch, unter deren Schutze
die kleineren Hausthiere, z. B. Schaafe, Ziegtn u. s w.
standen, welche Function die Mondgöttin deutlich cha-
raktcrisirt. Pochvvist kommt auch in der russischen My-
thologie vor. In Böhmen hiels die Gottheit auch Ne-
hoda (ne-ho-oda), welches beweist, dafs man bei den
Slaven anfänglich nicht an einen Windgott, sondern an
eine Windgöttin, die zugleich auch Regen- und Nebel-
göttin war, glaubte. Wegen des unfreundlichen Charak-
ters der Pochwist oder der Nehoda hat die spätere Zeit
dieselbe unter die schwarzen oder bösen Gottheiten ge-
rechnet, die man auch in der Religion der Böhmen, zum
Mindesten nicht in der jetzt angenommenen Form, ver-
geblich sucht. Früher erschien Pochwist, oder Nehoda
den Menschen nicht als böse; denn Sturm, Regen und
Nebel erschienen ihnen als Wirkungen einer Göttin, und
es wäre irreligiös gewesen, Etwas, das von einer Gottheit
herrührte, für böse zu halten. "Wirkungen der Mond-
göttin sind auch Lei (le-el), die Liebe und Polel (pol-
el, Hymen), die Ehe. Dafs die Namen Ssetek (se-
te-ek) und Diblik (di-bil-ik) auch Mondgöttin-
nen bezeichnen, ist gewifs . aber ungewifs ist es,
welche religiöse Ideen durch dieselben dargestellt wur-
den. Ssetek hat man durch Lar (lan-ar, Mondgott) und
Diblik durch Vesta (ve-esta oder esa) übersetzt. Mernt
hat man durch Pluto übersetzt. Man darf aber Pluto
nicht in der späteren Bedeutung, nämlich als Gott, son-
dern in der früheren als Berg- oder Mondgöttin neh-
men, welche die Verstorbenen beherrschte und rich-
tete. Dafs Mernt eine weibliche Gottheit ist, erbellt
aus der Composition des Namens (Mer-ne-et). Ver-
muthlich ist aus mernt das Wort smrt oder szmercz,
mors, gebildet worden. Mit der Todesgöttin Mernt war
die Niwa, polnisch Nija oder Niera gleichbedeutend
und letztere ist durch Proserpina übersetzt worden. In-
defs darf man sich die Proserpina der orlhoxen Slaven
— 158 —
nicht als Gemahlin eines in der [Unterwelt herrschen-
den Königs denken. Sie selbst war Alleinherrscherin
in dem Reiche der Dahingeschiedenen, während ihr Ge-
mahl, der Sonnengott, das Hohe in der Oberwelt regierte.
Es ist zu bezweifeln, dals bei den Slaven so wie bei den
Aegyptern, Griechen und Römern je der Glaube an eine
von der Oberwelt völlig verschiedene, nach den Formen
der letzteren gemodelte Unterwelt existirt habe. Nach
dem slavischen Glauben verbargen sich die Seelen der
Verstorbenen in Erdhöhlen , eilten durch dunkle Wäl-
der, und den veredelten gelang es früher, als den un-
veredelten, ^® zu dem Lichte des Sonnengotts zu ge-
78 In Betreff der Wanderung der Seelen der verstorbenen Sün-
der durch unfreundliche, quaalvolle Oerter stimmt die sla-
vische Religion mit der indischen überein; aber eine Wan-
derung der Seelen in thierische und andere Körper, nach
überstandener Strafe in dem Zustande der Körperlosigkeit,
scheint sie nicht gelehrt zu haben. In Menu's Gesetze heilst
es G. XII, §. 5% 55 und 62: Wenn Sünder des ersten Gra-
des durch gräfsliche Oerter der Quaal viele Jahre lang hin-
durchgegangen sind, so werden sie am Ende dieser Zeit, um
alle Ueberreste ihrer Sünden zu tilgen , zu den folgenden
Geburten verurtheilt. Der Mörder eines Brahminen mufs,
nach den verschiedenen Umständen seines Verbrechens, den
Körper eines Hundes, Ebers, Esels, Kameeis, Stiers, einer
Ziege, eines Schaafes, Hirsches, Vogels, eines Ghandala (Par-
ria) oder Paccasa bewohnen. Wer ungedroschenes Getreide
stiehlt, soll als Ratte geboren werden; ein Dieb des gelben
vermischten Metalls als Gänserich ; ein Wasserdieb als Fla-
va, (Pluwar heilst im Wendischen der Schwimmer und plu-
wacz schwimmen) oder Untertaucher (Wasservogel) ; ein Ho-
nigdieb als grofse Stechmücke ; ein Milchdieb als Krähe etc.
Ob der indische Glaube an die angedeutete Seelenwanderung
uralt ist , oder in späterer Zeit entstanden ist, wage ich
nicht zu bestimmen. — Gewifs würde Ovid seine Metamor-
phosen, die an die indischen Seelenwanderung erinnern,
nicht geschrieben haben, wenn er die Elemente seiner Fa-
beln nicht in dem Glauben des Volks gefunden hätte. "Wenn
auch nach dem späteren slavischen Glauben die Seelen der
Verstovlipnpn unmittelbar nach dem dunkeln Gange zum
— 159 — "
langen und sich mit neuen Körpern zu verbinden. In-
defs scheint man sich doch in diesem Glauben nicht
gleich geblieben zu seyn, vmd insonderheit scheinen die
südlichen Slaven späterhin diesfalls Einiges von dem
Glauben der Griechen, die den ihrigen von den Aegyp-
tern erhalten hatten, angenommen zu haben.
Die Weles der Böhmen war sonder Zweifel eine u.r-
alte Gottheit, die in der russischen Mythologie in der
männlichen Form Wolos vorkommt. Die doppelte
Auffassung derselben deutet an, dafs sie in alter Zeit
eine androgynische Beschaffenheit hatte. In Böhmen
war sie anfangs gut und der nordischen Wole (wo-ole,
Berggöttin) und Heithi (hei-ithi, Höhengöttin), so wie
der russischen Jaga Baba ähnlich. Wahrscheinlich er-
wies man ihr als Mondgöttin in der Zeitperiode allge-
meine Ehre, als noch der Sonnengott Chwoz oder Quoz
allgemein im Lande verehrt wurde. Als die Böhmen in
den ebenen Gegenden sich auch späterhin zum niederen
Fetischismus wandten, erhielt sich ihr Cultus nur noch
in den gebirgigen und waldigen Gegenden so wie auch
der des Quoz oder Chuoz als eine religio sylvestris und
pagana. Die Religion der Weles (wel-es) wurde von
dem späteren , niederen Fetischismus der Böhmen ver-
drängt und die Weles aus der Gesellschaft der späteren
Landesgottheiten verstofsen. Sehr treffend hat man sie
daher mit der griechischen "^ir?? (ha-ate oder ase, Berg-
göttin) verglichen, die Jupiter aus dem Himmel schleuderte.
Nur eine andere Benennung der Weles scheint Wily
(wi-ili) zu seyn. In der dritten Religionsperiode dich-
tete man auch der -Wily mancherlei Böses an und be-
hauptete, dafs sie wie die russische Kikimora, die ober-
neuen menschlichen Leben gelangten, so scheint sich doch
ein Rest des in Rede stehenden indischen Glaubens in den
Leschje (Waldgeister) auch späterhin erhalten zu haben.
160
lausitzische Kodoiza, dieniederlausitzischeMorawa, die deut-
sche Alpe (Alp) und die griechische Hecate bei Nacht dieMen-
schen durch Gespenster und Beängstigungen plage. Die We-
les, oder Wily war demnach ein sogenannter Tschernebog.
AuchTasani (ta-sa-ani) und Sudice (su-di-ize) waren Mond-
göttinnen, es ist aber ungewifs, welche religiösen Ideen
denselben unterlagen. Nach meiner Vermuthung waren
sie in ihrer Bedeutung der "Wales und Wily ähnlich.
Stransky, der die Gottheiten der Böhmen gröfstentheils
sehr gut nach denen, ihnen inhärirenden, Religions-Ideen
aufgefalst hat , nennt die Tasani Eumeniden und die
Sudice Parze. Vermuthlich gehörten Quoz, Weles, Wi-
ly, Tassani, Sudize und Trzibek oder Trzibog zu der
Götterregierung der Böhmen in der zweiten Religionspe-
riode, und die Sudice hatte damals die Bedeutung der
späteren Ziviena (Ziwa) und die Tassani die der Ge-
richts- und Strafgöttin Nemisa, oder Nemesis. Die Trzi-
bek (tir-zi-bek) oder Trzibog (tir-zi-bog) bedeutete den
erstickenden und Krankheiten erzeugenden Südwind, oder
den erkältenden Nord- und Ostwind. In Rulsland führte
Trzibek oder Trzibog den Namen Stribog und die Win-
de wurden Stribogs Enkel genannt. Dafs man bei Trzi-
bog an einen nachtheiligen Einflufs des Windes auf die
menschliche Gesundheit dachte, erhellt daraus, dals man
in der russischen Mythologie den Stribog in die Classe
der bösen Götter setzte und dafs Stransky ( de repub.
Bojema Tom. II. p. 508. 509.) Trzibog durch Pest über-
setzt. Zu bemerken ist, dafs das bek in Trzibek
nicht eine grammatische Anomalie, sondern in diesem
Falle angemessener ist, als bog. Bek oder beg bedeutet
nämlich eigentlich eine Göttin, bog aber einen Gott.
Indels gebrauchte die spätere Zeit, wie schon bemerkt,
das bog auch für dea.
Merkwürdig ist die Nachricht von der Privatreligion
der Töchter Kroks. Von diesen verehrte eine jede, wie
es sich auch für weibliche Personen schickte, die Mond-
söttin unter einem anderen Namen. Die Tetka verehrte
— 161 —
die Climba ( kiMim-iba ) , die Przeraysl die Göttin Dyrsa
(dir-isa), die Nezamysl die Crafatina ( car-fa-ti-ina ) , dia
Banka die Kyliala (ki-lial-ala), und die Lidmila die Cro-
sina (cor-sin-ina). Waren aber die Töchter Kroks nicht
in der That Priesterinnen der Mondgöttin ? Dafs Tschech
und Lech nicht ein brüderliches Herrscherpaar, sondern
zwei Brüdervölker bedeutet, die Tschechen (hochwoh-
nenden) nämlich und die Lechen (le-echen, Bewohner
niederer Gegenden ) , dies wird jetzt von den Mehresten
als wahr angenommen. Die erste wirklich historische
Person in der böhmischen Geschichte ist Krok (kor-ok,
Berggott, Sonnenpriester), wahrscheinlich ein (erblicher)
Hohepriester und zugleich Landes -Regent. Nach seinem
Tode kam die, bisher in Ehren gehaltene, Sonnenreli-
gion und mit ihr auch die böhmische Theocratie in Ver-
fall. Die Verheirathung der Libussa (li-bu-ussa, Mond-
göttin, Mondpriesterin ) mit einem Weltlichen, nicht
zum fürstlichen Priesterstande Gehörigen (dem Acker-
bauer Przemysl) deutet die usurpatorische Ergreifung der
Landesregierung durch einen Nicht -Priester an.
Eine Zeit lang und so lange die Theocratie die Mit-
heirschaft halte (so lange Libussa lebte), duldeten die
Mondpliesterinnen die veränderte Landesregierung. Spä-
terhin aber empörten sich die Freunde der Theocratie,
die zuletzt, weil der Mondcultus prädominirend gewor-
den war, nicht mehr ein männliches, sondern ein weib-
liches sichtbares HaUpt hatte, auf Antrieb einer Mond-
priesterin Wlasta (wal-asta oder asa) gegen die weltliche
männliche Landesregierung. Die Empörer führten einen
blutigen Krieg gegen die, der weltlichen Herrschaft gün-
stige Partilei ; aber sie unterlagen in dem Kampfe. Wenn
Libussa sich weigerte, zu heirathen, so mochte sie ein-
mal die Rücksicht auf ihr Gelübte der Ehelosigkeit (Ve-
Staunen) und zweitens die Erwägung des Nachtheils, der
aus diesem Schritte der neuen , mondgöttlichen Theo-
cratie erwachsen könnte, zu dieser Weigerung bestim-
men. Ein giofser Theil der Böhmen wollte aber, gleich
11
— 162 —
andern Völkern, einen weltlichen Herzog, oder König
haben. Der spätere Kampf der Priesterinnen -Herrschaft
mit dem Königthume ist durch den sogenannten böh-
mischen Mädchenkrieg angedeutet. Nicht zu übersehen
ist es, dafs in dem erwähnten Kriege, aufser der Haupt-
anführerin Wlasta (Mondgöttin) gerade sieben andere An-
führerinnen, mit Namen: Mladka, Hodka, Nabka, Swa-
tawa, Wradka, Radka und Czastawa, aufgeführt werden.
Diese Anführerinnen in dem Kampfe, wo das Himmli-
sche mit dem Weltlichen rang , haben ohnstreitig eine
astronomische Bedeutung ^^ und bezeichnen die sieben
damals bekannten Planeten.
79 Die anfängliche Religion der Men5chen bestand in der Ver-
ehrung der Sonne und des Mondes. Späterhin aber, als die
Priester die Gestirne genauer beobachteten, zog man auch
die Planeten so wie noch später die sogenannten 12 Him-
melszeichen in das Gebiet der Religion. Dadurch substi-
tuirte man dem alten einfachen Sabäismus (Sonnen- und
Mond-Cultus) einen neuen complicirtern, mit dem man den
späteren, nicht auf astronomischem Wege entstandenen, Po-
lytheismus in Einklang brachte. Eine Spur von dem spä-
teren Hinüberziehen der 12 Himmelszeichen in das Gebiet
der Religion findet sich in der slavischen Mythologie nicht,
und es ist fast zu bezweifeln, ob dieselben je in dem er-
wähnten Gebiete eine Stelle erhalten haben. Im jüngeren
Bundehesch hat man die 12,000 Jahre, die zur Besiegung
des Ariman durch Ormudz erforderlich sind, mit den 12
Himmelszeichen in Harmonie gestellt. Die erwähnten 12,000
Jahre bezogen sich gewifs ursprünglich auf das zwölfmalige
Wachsen und Verschwinden des Mondlichts, und bildeten
ein grofses zwölfmonatliches Jahr, Man darf nicht eine jede
Erklärung der alten Interpreten religiöser Meinungen für
Wahrheit halten , weil diese Männer gewöhnlich von den
herrschenden religiösen Meinungen ihres Volks und ihrer
Zeit »ehr befangen waren.
— 163 —
IV. Religion der Nordwenden.
Unter den Nordwenden verstehe ich die Kassuben, Pom-
mern, Obotriten, Linonen und Rügier.
Die Kassuben wohnen in den Kreisen Stolpe und
Lauenburg- Bütow des preufsischen Regierungsbezirks Kös-
liu. Sie sind Slaven lechischen Stammes. Die Herr-
schaften Lauenburg und Bütow machten ehedem einen
Theil von Polen aus und wurden vom Jahre 1460 von
den Herzogeu zu Pommern als polnische Lehne beses-
sen, nach deren Aussterben aber von der Krone Polen
eingezogen und erst der Welauer Vertrag gab sie dem.
Kurhause Brandenburg als ein Lehn von Polen zurück.
Jetzt sind die genannten Herrschaften mit Pommern ver-
einigt. Nach Anton nennen sich die Kassuben Slowen-
ci, nach Mrongovius Krabatker. Der Name der Kassu-
ben ist aus ka-as-uben entstanden und bedeutet Bergbe-
wohner. Es ist demnach mit Krabatki (kar-ba-atki)
gleichbedeutend.
Ist der Name Pommern (pomerani) von po, d. h.
bei und morjo, das Meer, entstanden und bedeutet er
Meeranwohner, so ist er neu, und er ist diesem Volke
von Andern gegeben worden. Ein altes Volk nannte sich
selbst nicht nach einem Meere oder Flusse, sondern im-
mer nach den Bergen, die es bevvohnte. Ich vermuthe
daher, dafs die Pommern, obgleich sie in der That
Meeranwohner sind, doch ihren Namen nicht von mor-
jo haben, sondern dafs derselbe, analog den Benennun-
gen anderer Völker, aus der alten Bergreligions«pt-ache
herstammt und aus po, ein Berg, mer, niedrig und ani,
d. h. Menschen, entstanden ist. Pomerenen oder Pome-
rani heifsen nach dieser Etymologie Bewohner niederer
Gegenden. Dafs diese Benennung die richtige ist, folgt
auch daher, weil die Pommern sich früher Wilzen (wiU
11*
— 1G4 —
izen, niederer Berge oder Gegenden Bewohner) nannten
(vergl, Geschichte der slavischen Sprache und Literatur
von Professor Schaffarik in Neusatz, p. 479).
In dem heutigen Meklenburg safsen einst die Obo-
triten. Dieses Wort ist nicht, wie man behauptet hat,
aus Uboko trajazy. Tiefwohnende, entstanden, sondern
es ist auch ein Product der Ursprache. Es ist aus ho-
bo-tir-iten, d. h. Bewohner solcher Berge, die ho-bo und
tir genannt wurden, gebildet und bedeutet ohngefähr ho-
her, mittlerer und niederer Berge oder Gegenden Be-
wohner.
Die Linonen, welche noch westlieher, ohngefähr in
dem jetzigen Lauenburgischen , wohnten , heifsen Nieder-
länder. Ihr Name ist aus Lin, d. h. Niederland, Mond-
iand und onen, d. h. Menschen, entstanden.
Die Nordvvenden theilten ihre Gottheiten in männ-
liche und weibliche. Die männlichen nannten sie razi
(ra-azi, Berggötter), und die weiblichen zirnitra (zir-
ni-tara, Berg- und Mondgottheiten). Von den razi ha-
ben noch jetzt die hohen Feste bei den oberlausitzischen
Wenden die Benennung roczne Qzafsy, ^° d. h. göttliche
80 Statt roczne Czafsy, d. h. göttliche Zeiten (Festtage) sagte
man höchstwahrscheinlich in den nördlichen Gegenden Sla-
vnniens raczne Czafsy (vergl, Raziwa). Dem raczne ent-
sprechen die römischen festi (dies). Das Wort festi ist
von Festa, das mit Vesta (die alte MondgÖttin der Italer)
gleichbedeutend ist, abgeleitet. Festa und Vesta sind nur
zwei verschiedene Sprecharten , wie piscis und das deutsche
Fisch. — Das wendische Wort Ryba (rj'-yba, iba, eva),
welches auch ein kleines Thier der Tiefe (eine Mondgöt-
tin, oder ein unter der Herrschaft der MondgÖttin stehen-
des kleines Thier bezeichnet), deutet durch das r in seiner
ersten Sylbe an; dafs das durch Ryba benannte Thier bei
seinen Bewegungen das Wasser durchbricht (ry).
165
Zeiten. Weil die Priester und Priesterinnen der alten
Mondgottheiten sich auch mit der Medicin und Zaube-
rei beschäftigten, deshalb hiefsen zinitra auch zauber-
kraftige Gottheiten. Auch nannte man die männlichen
Bielebogi, oder Lichtgötter, die weiblichen Tschernebogi,
oder dunkle Gottheiten. An den Bielebog knüpfte die
spätere Zeit die Idee des Guten und an den Tscherne-
bog des Bösen , und benannte die erste Classe dobrebogi
d. h. gute Götter, und die zweite Classe Slebogi d. h.
böse Götter.
Die wendische Mythologie unterscheidet sich von
der russischen , polnischen , mährischen und böhmischen
durch die ihr eigenthümliche Götterdreiheit. Durch diese
gleicht sie der indischen, finnischen, scandinavischen,
germanischen und preufsischen. Wenn mir schon mein
etymologischer Zweck gebietet, den schwierigen Versuch
zu machen, auch die nicht wendischen Götterdreieinig-
keiten zu interpretiren, so auch die Wahrnehmung, dafs
im Reiche der alten Religion in der Regel dieselben
Ideen und Vorstellungen derselben Form zu Grunde
liegen, und die Gewifsheit dafs das religiöse Symbol ei-
nes Volks sehr oft das eines andern interpretirt. Letzte-
res kann auch nicht anders seyn, wenn man eingedenk
ist, dafs im Alterthume dieselben, obgleich hie und da
verschieden modificirten, Religionsideen, wenn auch nicht
gleichzeitig, auf der Erde herrschten.
Die alte indische Trimurti (tres majores dii) be-
steht aus Brama, Wischnu und Siwen oder Schiwen. Es
ist bekannt, dafs den indischen Theologen (Braminen)
diese Trimurti zugleich als Idee und Symbol des Kreis-
laufs der irdischen Dinge, als Entstehung, Erhaltung und
Auflösung derselben, gilt. Aber hatte die Trimurti von
jeher diese blos physicalische Bedeutung? Ist sie nicht
das oberflächliche Conseqnens eines tieferen Antecedens?
Berücksichtigt man die innere Beschaffenheit (die
— 166 —
Vocale) der Namen, welche die alte indische religiöse
Dreiheit bilden, so ist Brama (bar-arn contracte bram d.
h. Berz- oder Sonnengott), in dessen Namen das ma ein
uni;^ekehrtes am, wie in Wischnu das nu ein irreguläres
im ist, nur ein Sonnengott, Wischnu dagegen ist Mond-
götiin, oder berarksichtigt man die Endung nu oder un,
ein Mondgott, Siwen oder Schiwen (schiw-en) aber eine
Mondgöttin. Diese Etymologie harmonirt mit der ur-
sprünglichen Bedeutung der indischen Trimurti, in wel-
cher Brama der zeugende und schaffende Sonnengott,
Wisf^hnu ^^ die ernährende, erhaltende Gottheit im Le-
ben (ursprünglicli Mondgöttin), Siwen aber die Göttin
des Todes, die alles Irdische auflöst, aber das Aufgelöste,
insonderheit der Seelen der Verstorbenen zum neuen
Leben und zu der Herrschaft des Sonnengotts führt, ist.
Es leuchtet ein, dafs diese Religions - Vorstellungen der
Indier mit denen anderer Völker, insonderheit der Sla-
ven im Einklänge stehen. (Jeher die Trimurti, Brama,
Wischnu, Siwen, ^^ stellen bekanntlich die (späteren) Bra-
81 Wischnu wird mit blauer, also dunkler, Farbe abgebildet.
Dies charakterisirt ihn als alte Mondgöttin so wie auch die
Muschel, welche man nicht als Symbol der Zeugung (diese
kommt deni Sonnengotte zu), sondern des Gebarens anse-
hen mufs. Die dunkle Farbe so wie die Muschel beziehen
sich auf die uralte Geltung (Mondgöttin) des Wischnu, die
Keule aber, mit welcher er die Tyrannen und Riesen zer-
sclimettert, deutet ihn als späteren Mondgott an. Der Wisch-
nu ist dem wendischen Flins, der noch in der spätesten
Zeit als Frau und Mann dargestellt wurde, sehr ähnlich.
Flins umfafste jedoch auch mehrere Elemente der Schiwen
oder Schiwa.
82 Schiwen und Schiwa sind gleichbedeutend. Beide Wörter
sind weiblichen Geschlechts. Es ist eine der gröfsten reli-
giösen Anomalien, dafs die spätere Zeit Schiwa zu einem
Manne gemacht und ihm eine Gemahlin, Paravadi , oder
Bhawani, beigesellt hat. In dem anfänglichen Glauben war
Wischnu, der damals Wischen oder AVischna heifsen mufste,
die Ehegattin (Mondgöttin) des Brama. Später als Wisch-
— 167 —
mincn den Parabrama und behaupten , dafs dieselbe eine
Emanation des Letzteren ist.
Es ist aber sehr wahrscheinlich, dafs die Aufstellung
des Parabrama ^^ (ein in den ersten Sylben corrumpir-
tes Wort , welches eigentlich prajama , Ugcozog, primus,
Brama heifst), oder eines Urgotts, eine später in Indien
recipirte Idee, die uns auch im Buda (Bu-da, oder eigent-
lich Bu-ad, Berggott, Sonnengott) begegnet, ist, welche
entweder der persischen Zeruane Akarene, oder einem
späteren, oben angedeuteten, jüdisch -christlichen Reli-
gionseinflusse ihre Entstehung verdankt.
nu zum Gotte potenzirt wurde, trat an seine Stelle die
Schiwa. „Der dritte Gott der Iiidiei , sagt Dr. de Wette in
seinen Vorlesungen über die Religion, Berlin 1827. p. 276,
ist Schiwa , die zerstörende, umwandelnde Kraft des Feuer«
(Flins), der Erzeuger (Ceres, Venus), sowohl als der Rä-
cher (Prowe, IVemesis), der Furcht (Tschernebog), und Thrä-
nen Schaifende (Pya, Mernt, mors), der unwiderstehliche
Streiter und Sieger des Todes (Bellonn, Led), der Herr-
scher des Himmels (der Mond zur Nachtzeit), der Erde
(Hertha, Zemina, die producirende Erdkraft) und der Un-
terwelt (Daschebog, Pluto, Heia). Seine Farbe ist die ro-
the (Farbe des Vollmondes, des Feuers, das die finstere
Nacht erleuchtet); er ist mit dem Dreizack (die Mondgöt-
tin lehrte die Menschen den Ackerbau und die Schifffahrt)
und Schwerdte ( deutet die Theilnahme der Göttin an mör-
derischem Kriegskampfe an) bewaffnet, von Schlangen (Zei-
chen der Arzneikunde ) Blitzen und Todtenschädeln umge-
ben , und erscheint in furchtbarer Gestalt.**
83 Parabrama ist die verborgene, in ihrer Ueberschwenglich-
keit verhüllte Gottheit, das höchste Wesen, durch sich
selbst bestehend, ohne Anfang, unendlich, unvergleichbar,
die Fülle der Barmherzigkeit. Dieser höchste Gott wird
nicht verehrt, hat keine Altäre uud Tempel. Er offenbarte
sich als Schöpfer, als Brama, indem er die Welt hervor-
brachte. (VergL Vorlesungen über die Religion von de
Wette, p. 277.)
— 168 —
Die neue Trimurti der Indier besteht aus Jagernat,
Beleoram und Schubudra, Dem Namen nach ist Jager-
nat (Ja-ger-na-at) oder Jaggernaut ( Jag-ger-na-aut),
Sonnen- und Mondgott zugleich, dex Beleoram (bel-le-
hor-ara, Mondgott), die Schubudra (Schu-bu-dara, tara,
Sonnengottsfrau), die Mondgöttin. Die Indier stellen Ja^
gemat (die erste Sylbe wurde schon hie und da im Al-
terthume dscha ausgesprochen) als einen Mann dar, Be-
leoram oder Beloram nennen sie seinen Bruder und Schu-
budra ist beider Schwester,
Die finnische (lappländische) Trias besteht aus Thier-
mes, Storjunkare und Baiwe. Nach den Regeln der Ur-
sprache ist Storjunkare oder Storjunkar (Stor-jun-kar )
der alte Sonnengott, Thiermes der (spätere) Mondgott
und Baiwe , unter deren Schutze das zahme Rennthier
und seine Jungen standen (ein Kennzeichen der Mond-
göttin) und denen sie auch im kalten Winter (im Win-
ter herrschte der Mond) die Lebenswärme erhielt, dafs
sie wuchsen und gediehen, eine Mondgöttin. Sollte Stor-
junkare wirklich ein späteres (derivirtes) norwegisches
AYort seyn, welches grofser Herr bedeutet, wie Herr Pro-
fessor Mone I. p. 36. berichtet, so wäre doch diese Be-
deutmig, meiner Vermuthung, dafs Storjunkare der alte
Sonnengott der Lappen (la-apen, Thalbewohner) sey,
nicht widersprechend, weil man die alten Sonnengötter
späterhin bisweilen mit einem unbestimmten Namen
nannte wie die Schlesier und die oberlausitzer Wenden
ihren Boh wissagist oder werschny.
Es kann auch seyn, dafs Storjunkare ursprünglich
nur Stör ( Tor , Tschur ) hiefs und dafs das junkare spä-
terhin als Adjectiv angehangen worden ist, wie bei Aus-
theias das Vissagist. Indefs kann ich dies nicht bewei-
sen, weil mir die finnische Sprache unbekannt ist. Als
Gott war Storjunkare, sagt Mone I. p. 36, Herr über das
Thierreich aufser den Menschen, daher im Volksglauben
— 169 —
Beschützer der Jagd , Fischerei , Viehzucht etc. Dieser
Umstand scheint anzvideuten, dafs Storjunkare späterhin
dem italischen Pan ähnlich und in dem Volksglauben
der Repräsentant einer religio infeiioris ordinis gewor-
den war.
Erscheint Stör als der ursprüngliche Sonnengott der
Lappländer, so erscheint Tiermes dagegen als Mondgöt-
tin. Tiermes ist nämlich aus tiv-men-es zusammengesetzt,
welches nichts anders als den Mond bedeuten kann. Für
die Annahme, dafs Tiermes den Mond bedeutet, spricht
auch der Beiname Aijeke oder Aja (eine andere Benen-
nung desselben). Er heilst auch Horangelis (hor-han-gel-
is), welcher Name nur eine Berg- oder Mondgöltin bo
zeichnen kann. Tiermes war späterhin wie VVischnu,
Flins, Perun u. s. w. zum Manne erhoben worden und
man hatte auf ihn die Attribute des Sonnengotts über-
getragen. Nach dem Volksglauben waltete er über der
Menschen Heil und Gesundheit, Leben und Tod. Er
wurde der Lebendige im Himmel, der gute Alte genannt
und seine Macht erstreckte sich auch auf die bösen Gei-
ster, die in Felsen, Bergen und Seen wohnen. Diese
schlug er mit seinem Hammer ( Blitz ) nieder und schofs
sie mit seinem Bogen todt. Der Name Baiwe ist aus
bai und awe zusammengesetzt. Dafs Baiwe eine weib-
liche Gottheit bezeichnet, deutet schon das zum i ascen-
dirte a in der ersten Sylbe des Worts an, und awe ist
so viel als ase. Die Baiwe war die spätere ßerggöttin,
die auch hier, wie bei andern Völkern, in mehrere Re-
präsentationen (Göttinnen) zerfiel, die man zusammen Ma-
derakko (ma-der-ako, aso, ado, uno, grofse Berggottheit)
nannte. Unter den Göttinnen, welche die Maderakko
in sich fafste und die man ihre Töchter und Schutzgöt-
tinnen der Weiber nannte, befand sich auch die Jabme-
Akko, die Mutter des Todes (dieSiwen der Indier, Nija
der Polen, Daschebog der Russen, Mernt der Böhmen
U. s. w.},, die unter der Erde wohnte, und bei der die Seelen
der Verstorbenen blieben, bis ihr Schicksal entschieden war.
— 170 —
Galt die Baivve den späteren Lappen wirklich für die
Sonne, wie man behauptet , so ist dies ein Beweis der
grofsen späten Prävalenz des Mondcullus, die es bewirk-
te, dafs man das Oberste zu dem untersten machte. Der
"Wortbedeutung nach ist das Wort .Tumla, (jum-ala) mit
welchem die Lappen in den späteren Zeiten das höchste
"Wesen benannten und in dem Manche die Andeutung
des indischen pi'ujama (wendisch prjeni ) , Bvama zu fin-
den geglaubt haben, weiter nichts als Mond. Den Na-
men Jumala (Mondgötlin) scheint man späterhin collec-
tive gebraucht zu haben, wie die Slaven ihr Bog und
■und die Deutschen ihr Gott, die aber beide ursprünlich
Berggott, Sonnengott bedeuteten.
Weniger solid, als die lappländische Religion, war
die skandinavische Religion, die man freilich nur aus
der Periode kennt, wo sie ungemein modificirt und cor-
rumpirt war. In der uns bekannten Form übertraf sie
durch "Verworrenheit fast die ägyptische, griechische und
römische und ähnelte wegen derselben/ der späteren in-
dischen. Sie war eine Monatsreligion geworden; jeder
Monat hatte seinen Ae.sir oder Gott so wie auch seine
Göttin. An der Spitze der zwölf Monatsgötter stand ein
Hauptgott mit seiner Gemahlin, der zwölf Göttinnen un-
tergeordnet waren. Diese spätere Gestaltung war ent-
weder eine Nachbildung des Jupiier-Cultus , welche die
Gothen vom Kaukasus nach Skandinavien brachten, oder
sie war, was noch wahrscheinlicher ist, deshalb von den
skandinavischen Priestern, Philosophen und Dichtern in
der späteren Zeit bewerkstelligt worden, um gegen den
eindringenden christlichen Monotheismus eine Art Gleich-
gewicht (ein Hauptgott an der Spitze der zwölf Monats-
götter) aufzustellen. Die Periode, in welcher die skan-
dinavische Religion in der in Rede stehenden Gestalt
bestand, könnte man die vierte Religionsperiode nennen.
In der dritten Religionsperiode hatten die Skandinaven
auch ihre Trimurti, die namentlich in Upsala aus Odin>
Thor und Fricco oder Freia bestand.
— 171 —
Tor (to-or) oder Thor war der skandinavische Son-
nengott. Im Winter schläft er, und sein Hammer liegt
acht Meilen tief unter der Erde. Nach einem andern
Mythus reist er während des "Winters nach Süden und
bekämpft dort das Trolvolk (wahrscheinlich die südlich
vom Kaukasus wohnenden Völker, [Römer?] welche die
Auswanderung der Gothen vevanlafsten) und schlägt es
todt (deutet den Groll gegen die alten Feinde an). Zur
Zeit der Frühlingsnachtgleiche kehrt er heim und schlägt
den Eisriesen (Winter) todt. Er ist zwar mit dem Jupi-
ter verglichen worden, er war aber älter als dieser und
gehörte der zweiten Religionsperiode an. Unter unsern
Beherrschern der Wochentage steht Tor hinter dem Odin
oder Woden (Wo-de-en), welches andeutet, dafs er in der
späteren Zeit den germanischen Völkern, zum Mindesten
aber den Urhebern der neuen Wochen -Regierung (zu
Carls des Grolsen Zeit) weniger galt, als Woden, welcher
Letztere aber wieder dem Dies der Kelten (kel-eten)
oder Galen (ga-alen, galli) nachstand.
Der Dies, Teut, Thiot (thin-ot), von dem die Deut-
schen ( deut - eschen, Bewohner niederer Berge) irrthüm-
lich ihren Namen ableiten, ist der Wortform nach ein
Mondgott. Manche vermuthen, dafs Dies, Teut und
Thiot in späteren Zeiten ein generelles Wort war vxnd
die Bedeutung des slavischen Bog, des finnischen Juma-
la etc. hatte und dafs man sich unter seinem Namen
den uralten Sonnengott der Germanen (ger-ma-anen,
ohngefähr dasselbe, was Deutschen, Kelten, Galen, Ga-
later, Karamanen, Serben etc.), den Tacitus Mars
(niar-as, Berggott) nennt, dachte. Andere vermuthen
dagegen, dafs Teut blofs ein späterer, dem Wodan, Pe-
run, Jefs, Flins, Tiermes, Znitsch etc. ähnlicher Mond-
gott der gegen den Rhein wohnenden Gallier war, und
dafs er deshalb dem nördlichen Woden oder Wodan
vorgestellt wurde, weil er früher der Hauptgott des herr-
schenden Volks in der Monarchie Carls des Grofsen
war.
— 172 —
Teutates (Gottessohn) und Thuisko (kleine Gott-
heit) sind abgeleitete Namen. Wenn sich ein oder ei-
nige deutsche Fürsten diese Namen beigelegt haben, so
war dies, wie oben angedeutet worden ist, in der zwei-
ten und vorzüglich in der dritten Religionsperiode nichts
Ungewöhnliches. Hüten mufs man sich daher , den Na-
men der Deutschen oder Teutschen von Thuisko abzu-
leiten.
Erwähnt ist es schon worden, dafs alle alte Völ-
ker es für eine Irreligiosität hielten, sich nach einem
weltlichen Herrscher zu benennen. Es ist übrigens ziem-
lich gleich, ob man Deutschen oder Teutschen schreibt.
Teutsche nämlich sind nur etwas höher Wohnende, als
Deutsche. In beiden Wörtern ist das e bis zum u des-
cendirt , welches andeutet, dafs nicht alle Deutsche in
niederen Gegenden , sondern auch zugleich auf ziemlich
hohen Bergen wohnten.
Der Name Othin, Odin ist aus ho, das im Germa-
nischen in Wo übergeht, wie noch jetzt im Wendischen
hutschoba in wutroba, und aus di-in zusammengesetzt
und bezeichnet eigentlich (wie Znitsch, Flins, Dies etc.)
die Mondgöttin. Auch Odin war in der späteren Zeit
zum Völker führenden Sonnengotte erhoben worden, wie
andere Mondgottheiten (Wischnu, Tiermes, Perun etc.)
behielt aber doch noch einige mondgöttliche Elemente.
Vermuthlich führten nicht nur die Oberpriester den Na-
men des Odins, sondern vorzüglich die Könige der Go-
then, die vom kaukasichen Gebirge und vom Pontus
Euxinus herstammend, in Dännemark und Schweden ein-
wanderten. Die Könige dieser Gothen betrachteten sich
als Söhne und Stellvertreter des späteren Hauptgotts.
Obgleich diese Göttersöhne in früherer Zeit es für eine
Sünde gehalten hätten, ihre Thaten mit der Religions-
lehre zu vermengen, so hinderten sie es doch späternicht,
äafs ihre Skalden die Geschichte ihrer Vorfahren mit
— 173 —
den religiösen Mythen vermischten. Die Skalden, die
noch im zwölften Jahrhunderte, als schon das Christen-
thum festen Fuls in Skandinavien gefafst hatte» an den
Höfen der Könige sangen, haben die Mythologie der
Skandinaven fast noch mehr verdunkelt, als die giiechi-
schen und römischen Dichter die Religionslehren ihrer
Länder.
Auf eine zwiefache Weise kann die nordische Sa-
ge: dafs Odin kein blofser Krieger und Barbar, son-
dern ein aus Asien ( Vorderasien ) Vertriebener (zur Zeit
der Kriege der Römer mit Mithridates) gewesen, und
auf einem weiten Wege nach Norden gekommen und
dort Gottesdienst, Gesetze, bürgerliche Einrichtungen,
die Dichtkunst und Magie eingeführt habe, gedeutet
werden. Einmal deutet sie an, dafs eine aus Vordera-
sien und aus dem südöstlichen Theile Eiaropa's herstam-
mende Religion (OcTin) wohlthätig auf die religiöse, po-
litische, ästhetische und Medicinal-Cultur der Skandina-
ven eingewirkt habe. Das andere Mal bezeichnet sie
die aus Vorderasien geschehene Einwanderung eines von
der griechischen Cultur angehauchten Volks, dessen Herr-
scher sich Othin nannte, Dännemark und Schweden er-
oberte, in diesen Ländern neue religiöse und politische
Einrichtungen traf und die Dichtkunst und Magie in
Flor brachte.
Vermuthlich sind auch von dem südlichen Gestade der
Ostsee gothische Colonien mit Odinischer Religion auf
dem Seewege nach Schweden gegangen und haben bald
auf friedlichem Wege, bald durch Gewalt dortige Län-
dereien in Besitz genommen. Bekannt ist es, dafs Odin
oder Woden mit dem südkeltischen Mercur (mer-cu-
ur, Berggott), verglichen worden ist. In der That
war er derselbe. Mercur war ohnstreitig jünger (ein
zum Sonnengott erhobener Mondgott, weshalb er auch
die Seelen der Verstorbenen führte) als der Mars, der
— 174 —
ein alter, die Völker zum Kampfe führender Sonnengott
war, und dafs die Engländer die Mittewoche noch Wod-
nesday (Wodanstag) nennen. Ein Irrthurn ist es aber,
wenn man den Namen des Dorfs Ottenhayn und des
Oybins, eines merkwürdigen Sandsteinfelsens bei Zittau
von dem Odin ableitet. Ottenhayn ist nämlich aus hot
d. h. hoch und ten , eben entstanden uud hayn (Dorf)
ist später angehangen worden. Oybin ^* ist aus hol d. h.
ein im Verhältnifs zu den andern Bergen niederer Berg,
und aus bi-in, eben, gebildet. Man kann auch Oybin
durch einen vor höheren Bergen liegenden, (das o ist bis
zum i ascendirt) auf der Spitze ziemlich platten Berg
übersetzen.
Die rein weibliche Gottheit in der nordischen Trias
war Frig, Fricco, Freyia. Fricco ist aus fir oder bir und
ico d. h. Mondgottheit, entstanden und das Wort hat das
unbestimmte Geschlecht (neutrum) wie Lado, Juno etc.
Frig (fir -ig, im Italischen virgo) und Freyia (frei-ia)
sind rein weibliche Namen. Freyia war die Lebens -
Liebes- und Todesgöttin, die Ziwa der Wenden, die Ve-
nus der Römer, aber auch die Siwen der Indier und die
Led der Russen. Wenn sie zur Schlacht ritt, so erhielt
sie die eine Hälfte der Gefallenen und Odin, (die frühe-
re Mondgöttin) die andere Hälfte. Als Mondgöttin fuhr
sie mit zwei Katzen aus, und war eine Freundin der
Liebeslieder.
Die Preufsen hatten zwei Trimurti, eine höhere und
84 Der Name Oybin rührt auch weder von dem Ausrufe der
Stürmenden: Wien! Wien! noch von der französischen Ant-
wort: Oui bien! des Kaisers Carl IV., die dieser dem Bau-
meister auf die Frage: ob der Ort zur Ahlegung eines Cö-
lestiner- Klosters recht sey? 1370 gab. Schon lange vorher
hatte gewifs der Oybin seinen Namen wie die Lausche
(lau-ausche d. h. sehr hoher Mondberg, der hinter sich
noch höhere hat), der Kotmar u s, w.
— 175 —
eine niedere. Die erste bestand aus Perkunos, Pikolos undPo-
trimpos, die zweite aus Curcho, Wurs kait und Isch wam-
brat. Perkunos hat einen geineinscliaftliclien Namen mit
dem russischen Perun, dem pohlischen Perkun und dem mäh-
rischen Peron. Perkunos (per-kun-os) war der spätere Haupt-
gott der Preufsen und, seiner Wortbedeutung nach, ein Mond-
gott. Er hatte aber wie Tiermes und Othin, den Cha-
rakter eines Sonnengotts. Man hat den Pikolos ^^ zwar
mit dem Othin oder Odin verglichen, weil Letzterer sich
auch um Leichen kümmerte und als ehemalige Mond-
göttin sich küminern mufste; aber dafs er zu einem
Völker führenden Mondgotte erhoben worden ist, wie
Othin, davon finde ich keine Nachricht. Potrimpos, mit
Garbe, Topf, Schlange und Milch abgebildet, erscheint
schon durch diese Attribute als Mondgöttin, der italischen
Ceres ähnlich. Aber auch aus der Etymologie des Worts
ergiebt es sich, dafs Potrimpos eine weibliche Gottheit
ist. Das Wort Potrimpos ist nämlich zusammengesetzt
aus Po-tir-im und pos. Das Potirim, welches dem auch
in der preufsischen Mythologie vorkommenden Namen
Occopirn entspricht, war ohnstreitig der eigentliche Na-
me der Gottheit und es bedeutet Berg- oder Mondgöttin«
85 Beide Schreibarten : Pikolos und Pekolos, sind zulässig. Wie
(die) Potrimpos das Princip des Schaffens, Gedeihens und
der Fruchtbarkeit, so war Pikoh s das Princip des Verder-
bens und des Todes (schiwen). Drei Todtenköpfe, der ei-
nes Menschen, eines Pferdes und einer Kuh w?ren seine
Sinnbilder (Lucas David, Bd. I. S. 29). Beim Opferfeste
brannte ihm ein Topf voll Talg; aber auch Menschen, Rin-
der, Pferde, Schweine und Böcke wurden ihm (ihr) als
Opfergaben dargebracht und deren Blut am Stamme der
heiligen Eiche ausgegossen , wodurch ihr Grünen im Som-
mer und Winter mit bewirkt seyn soll. Wie Potrimpos
(Wischnu ) von seinen Verehrern geliebt, so war Pikolos
allgemein gefürchtet, denn er verlangte als Opfergabe stets
das Theuerste von seinen Anbetern. Quaal und Angst der
Menschen war seine Freude, Vergl. Geschichte Preufsen«
von Johannes Voigt, I, Bd. p. 586,
— 176 —
Das pos , welches dem slavischen bog und wit , witsch
ähnlich ist, ist ohnsteitig angehangen und heilst Gott,
Göttin. Aus der Zergliederung des Namens Pikolos geht
hervor, dafs dieser Name ein Wesen bezeichnete, das
früher weiblich war, späterhin aber erst männlichen Cha-
rakter erhielt. Die Sylbe pi bedeutet die Mondgöttin,
das kolos aber einen Gott. Es ist bemerkenswerth, dafs
die preufsischen Götternamen zum grofsen Theile die
Eigenthümlichkeit der griechischen Wortendungen haben.
Diese Eigenthümlichkeit besteht nicht nur in der Sylbe
OS, sondern in der Verdoppelung der substantivischen
Endsylbe. So heifst Per-ku-un schon an sich Mondgott
und Po-tir-im Mondgöttin, und das os ist noch überdies
angehangen. In dieser Form sind diese Wörter dem grie-
chischen zvQ-av'Og^ tyrannus, bx-&oq-os, inimicus u. s. w,
ähnlich.
Waren vielleicht die Preufsen auch Flüchtlinge aus
dem pontischen Reiche, die in den pontisch- römischen
Kriegen auswanderten und die in ihrer früheren Hei-
math durch dasige griechische Colonisten einige Formen
der griechischen Sprache angenommen hatten, oder gar
durch Vermischung mit andern Völkern entnationalisirte
Griechen ?
Betrachtet man den innei'en Gehalt des Namens Per-
kunos, so findet man, dafs Letzterer eigentlich kein Son-
nengott, sondern nur Mondgott war. Auch Pergubrios
(per-gu-bir-os), von dem man rühmte : dafs er den Win-
ter verjage, die Lust des Frühlings wiederbringe und
dafs durch seine Gunst die Aecker, Gärten, Büsche und
Wälder grün werden und blühen, war dem Namen nach
ein Mondgott. Der Ausschwait (hau-asch-weit oder wit),
zu dem man bei einer schlechten Erndte rief: dafs er
die Gottes Pergubrios, Perkunos, Schwaytix und Pelvit
bitten solle, dafs die Leute ihr täglich Brot bekämen,
erscheint dem Namen nach als (alter) Sonnengott, wenn
man annimmt, dafs das Wort ursprünglich Ausch (hau-
177
asch) hiefs und dafs wait nur wie das wendische vvit,
witsch (deus, dea) später angehangen wurde. Dafs Ausch
eine andre Form von dem schlesischen Aux (theias,
theos, deus) ist, erleidet keinen Zweifel. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach war der Ausch (Berggott) der alte
Sonnengott, zu denr die Preufsen ihre Zuflucht nahmen,
wenn die späteren Götter ihnen ungünstig zu seyn schie-
nen. Noch in späteren Zeiten, als die sittlich gefallenen
Menschen im Bewufstseyn ihrer Schuld nicht selten an
der Milde ihrer (blitzenden, donnernden) Götter ver-
zweifelten, scheint nämlich die Meinung geherrscht zu
haben: dafs der alte Sonnengott mitleidiger und gütiger
gegen die Menschen gesinnt sey und gewesen sey, als
die späteren Götter.
Die niedere Trias der Preufsen bestand aus Curcho,
Wurskait und Ischwambrat oder Seh weibrat. Curcho
(cur-ucho, Berggottheit) ist unbestimmten Geschlechts
und kann Sonnengott und Mondgöttin heifsen. Biswei-
len deutet das unbestimmte Geschlecht auch eine grofse
Gottheit an, wie schon erwähnt (Lado , Juno etc.) Dafs
Curcho ein Sonnengott war, dies zeigt einmal der tiefe
Vocal in der ersten Sylbe seines Namens, dann aber auch
der Umstand an, dafs man sich ihn als den Spender und
Beschützer der Feldfrüchte dachte und dafs man alljähr-
lich sein Bild nach der Erndte zerbrach und ein neues
machte. Curcho war demnach zwar ein Sonnengott, aber
nicht der die Völker zu Eroberungen führende, ^^ son-
86 Auf der altpreufsischen Kriegsfahhe, von welclief die Cluo-
nisten Simon Grünau und Lucas David herichten, soll ge-
standen haben : Diew korg supyk su pust) oiei.'; uztik szus,
oder Dew korg supyk s pnstitiais ystuk fsus, d. h. Gott
Korch ! zürne mit den Verheeren! , thue ihnen Böses (oder)
schlage sie ! Ist diese Schrift von Simon Grünau erdichtet
(Johannes Voigt G. P. I. Bd. p. 694), so ist sie doch ge-
wifs für eine heidnische Fahne höchst passend, auch die
zwei weifsen Pferde , die auf der Fahne abgebildet gewesen
12
— 178 —
dem der friedliebende, die Feldfrüchte erzeugende, Speise
und Trank spendende. Seine Idee sprach vorzüglich
den sich um Welthändel weniger kümmernden, die
Früchte der Erde freudig geni&fsenden Landbebauer an.
Mit dankerfülltem Herzen zerbrach der spätere fetischis-
tische preufsische Bauer das Bild seines grofsen Gottes
nach der Erndte, wo die Function des Letzteren (die
Erdbefruchtung) beendigt war, und machte sich für das
folgende Jahr ein neues. Nimmt man von dem Namen
Curcho das o weg, so erhält man den rein männlichen
Namen Curch ^^ (cur-uch, Berggott). Dieser Name ist
seyn sollen, sind gewöhnliche Symbole des Sonnengotts
(vergl. Swantowits weifses Rofs), so wie auch das mensch-
liche Brustbild mit einem Bärenkopfe (die Wenden würden
einen LÖwenkopf gezeichnet haben), andeuten konnte: dafs
diejenigen, welche der Fahne folgten, so tapfer wie ein Bär
kämpfen sollten. Die Benennung der Feinde mit dem Worte
„Verheerer" deutet ohnstreitig die (alten) Principien der
Korg- Religion an, welche nur Vertheidigungskriege (vergl,
Hu-gadarn-Religion in Wales) gestattete,
87 Die Schreibart Curche halte ich nicht für zulässig, weil das
e eine Feminal -Endung ist. Curch's Wohnsitz war nicht
im Heiligthume Roraowe (er genofs nicht dasselbe Ansehen
wie die [späteren] Hauptgötter des Landes), aber sein Bild
stand immer auch unter einer heiligen Eiche, so unter an-
dern da j wo jetzt die Stadt Heiligenbeil ist; bei jeglichem
heiligen Walde war ein Ort seiner Anbetung und Verehrung.
Gewifs war die Verehrung dieses Gottes, wie so oft behaup-
tet ist, nicht an einen bestimmten Ort gebunden, und
nicht blos an einer heiligen Eiche, auf einem Steine bei
dem Orte Swentomest (heilige Stadt, Sonnenstadt), wo
jetzt Heiligenbeil liegt, wurden ihm Opfer dargebracht, son-
dern es lagen vielmehr die Opfersteine, auf welchen dem
Curch die Erstlinge der Früchte , aber auch sonst Speisen,
Getränke, Fische, Fleisch, Mehl, Honig, Meth und Bier
dargebracht wurden, durch das ganze Land zerstreut. Vsrgl.
Geschichte Preufsens von Johannes Voigt, I. Bd. S. 589. —
Höchstwahrscheinlich hat das Dorf Kurken, früher Kurkavv,
seinen Namen nicht von Curch erhalten, Korkaw ruht mit
dem Namen Curch mir auf derselben Wurzel,
— 179 —
sodann gleich dem russischen Chors oder Korsch, deil
ich in der Idee für den Bacchus hahe. In Nowogrod soll
er in der weiblichen Form Korscha (Ceres der Italer)
verehrt worden seyn, obgleich neben dem Korsch die
Korscha als seine Heilerin und Gattin wohl bestehen
konnte. In der unbestimmten Geschlechtsform gleicht
Curcho dem Crodo, den die Wenden am östlichen Harz
und in der Altmark verehrten, Und der in Grofsere Lau-
sitzischen Denkwürdigkeiten Theil IL p. 8. auf einem
Fische stehend, in der linken Hand ein Pflugrad und in
der rechten einen Korb mit Früchten tragend, abgebildet
wird, und den man auch mit dem Saturn (iii dei? Idee
als Freuden gebender Früchtgott) verglichen hat. Die
Nachricht, dals die Preufsen den friedlichen Erndtengott
(Sonnengott) Curcho von den slavischen Masuren erhal*
ten haben, bestätigt meine Vermuthung, dafs er mit
Korsch und mit dem harmlosen, Freuden spendenden,
binnenländischen, aus dem Osten herstammenden Bac-
chus (es ist eine Anmafsung, dafs die Griechen und Rö^
mer ihren auch aus Indien erhaltenen Bacchus nach In-
dien ziehen liefsen) gleichbedeutend waf.
Wurskait ist die weibliche Freundin und Helferiil
des Curcho. Der Name Wurskait ist aus Wurs (wur-us)
und kait (ka-it) entstanden. Das kait, welches dem
wayt , wit , witsch etc. ähnlich ist , übersetze ich in die-
sem Falle durch dea , und es steht statt uscha ( wur-
uscha), Dafs das Wurs init Chors gleichbedeutend ist,
erleidet wohl keinen Zweifel. Chors, Korsch, Gorsch ist
nämlich iiur eine härtere Form von Hurs, welches im
slavischen bis zum Wu.rs fällt. Die Wurskait ist dem-
nach nichts anders als die Korscha in Novvogrod und ist
durch solis uxor (Dea) zu übersetzen. Von ihr wird
berichtet, dafs die vierfüfsigen Thiere unter ihrem Regi^
mente standen. Sind die erwähnten Thiere Hausthiere,
so ist es aufser allem Zweifel, dafs die Wurskait die
alte ländliche Mondgöttin war, die in späteren Zeiten,
wo man die beiden Hauptgottheiten, vorzüglich aber die
1^*
— 180 —
vielbeschäftigte Mondgüttin in mehrere Formen theilte,
in Polen als Ratainiza oder Ratarniza die Zugpferde be-
sorgte, ak Kremara und Krukis die Schweine fütterte,
als Priparscis die abgesaugten Ferkel pflegte, als Gardu-
nithis die jungen Lämmer in Obhut hatte, als Walgina
auch die andern Hausthiere und als Babilos (hat preufsi-
sche Endung) die Bienen abwartete. Die Wurskait giebt
folglich das Bild einer, vorzüglich das Nutzvieh pflegen-
jüen bäueriichen Hausfrau.
Ischwambrat (hisch- warn- bar - at) ist der Wortbe-
deutung nach ein Mondgott. Diese Gottheit sollte, wie
in anderen Triaden, ganz weiblich seyn, ist aber hier
Weibmann. Von ihr wird uns nur die Nachricht gege-
ben, dafs das Geflügel xinter ihrer Herrschaft gestanden
habe. Diese Nachricht führt uns zu einer uralten Idee.
Nach dieser Idee standen die Vögel, die sich mit ihren
Fittigen hoch in die Lüfte und zur Sonne empor schwin-
gen, unter dem Schutze des Sonnengotts (später Mond-
gotts). Deshalb stand neben dem Jupiter der Adler, ne-
ben dem Odin der Rabe; deshalb waren die Vögel dem
Perkunos geweihet und der (die) Tharapyhha (tara-pya,
bua, bia, Mondgöttin, Tors VYeib, späterhin zum Mond-
[ Sonnen-] Gott erhoben, wie andere alte Mondgöttin-
nen) der Esthen, war sogar aus dem schönen (Götter-)
Walde bei der Stadt Wironia als Vogel (vielleicht als
Rabe) nach 9er Insel Oesel (hes-el) geflogen (vergl. Mone I.
p. 67.). Wegen Mangel an Nachiichten über die äufsere Be-
schaffenheit der Ischwambrat läfst es sich nicht genau bestim-
men, ob diese Gottheit, unter dei-en Herrschaft das (zah-
me ?)Geflügel stand, eine blofse öconomische Gottheit war,
oder, ob sie die Function der Todesgöttin ( Siwen, Heia,
Baiwe) gehabt hat, welche die Seelen der Verstorbenen
beherrschte und dieselben in der Form geflügelter We-
sen der neuen Zeugung des Sonnengotts entgegenführte.
Indessen ist es am wahrscheinlichsten, dafs, da Curch
und Wurskait Bezug auf Oeconomie hatten, die Regie-
rung der Ischwambrat auch weiter nichts, als das zahme
— 181 —
Geflügel der Bauern, mithin nur die Gänse, Enten, Hüh-
ner etc. unifaiste.
Die Trias, die Curclio, Wurskait und Ischwambrat
oder Schvveibrat (schei-wei-bar-at) bildeten, scheint eine
früher in lilthauisch Romowe für sich bestehende und nur
später in preulsisch Romowe (rom-owe oder owa, Berg-
stadt , Gottesstadt ) , nach der Vereinigung beider Völker,
recipirte zu seyn. So politisch es war, dafs in preufsiscli
Romowe ^^ die Götierdreiheit des Nebenvolks aufgenom-
men wurde, so mufste sie doch der Trimurti des herr-
schenden Volks nachstehen , obgleich sie auch in Preu-
isen, vornehmlich bei den Ackerbauern, Beifall finden
mochte.
88 Es ist höchst wahrscheinlich, dafs ein jeder Landesbezirk
anfänglich seine Romowe hatte, und dafs nur späterliin
diejenige Romowe, an welcher sich der Fürst mehrerer Di-
stricte aufhielt, in besonderem Ansehen stand. Das Wort
Romowe ist aus Rom und owe zusammengesetzt und be-
deutete ohne Zweifel ursprünglich eine aus Steinstücken
(rom) zusammengesetzte ara (owe). Romowe, welches mit
dem oberlausitzischen Rodzischczo gleichbedeutend ist, steht
auf derselben Wurzel, auf welcher der Name der Stadt Rom
ruht und ist generis feminini. Das e in owe entspricht
nämlich dem griechischen r] imd dem lateinischen und slavi-
schen a, und im slavischen würde das WortRomowa lauten. Ob-
gleich Romowe locus quietis et silentii war, so darf das Wort
doch, wie es mir scheint, nicht von den litthauischen Ad-
jectiven Romas und Ramus, die, nacli Hrn. Prof. Rhesa's
Versicherung, vim quietis et silentii haben (vergl, sein Pro-
gram de religionis christianae in Lithuanorum gente primor-
diis II. p. 15.) abgeleitet werden, sondern diese Adjectiva
sind vielmehr von der heiligen Stille der Romowen derivirt.
Die Romowen durfte, aufser den Priestern und dem Lan-
desfürsten, Niemand betreten. Deshalb wurde Romowe
auch Rikaita, Rikaito , Rikaiten (Ort der Herrscher) ge-
nannt. — Ueber die fremden Benennungen des Orts : Aba-
lus TOÄOg dßißi]Xog; über ßaöiX^ia des Massiliers Pytheas
und Basilia des Plinius siehe die trefflichen Belehnmgen von
Johannes Voigt Geschichte Preufsens, I, Bd. S. 633—649.
— iö2 —
Die Trias der Wenden auf der In?el P\ügen liiefs
Swantowjt, Radegast und Prowe. In Beireff der Bedeu-
tung des Namens Svvantowit bemerke ich zunächst Fol-
gendes. Nimmt man an, dafs dieser Name ein primiti-
ver ist, wie Tor, Bram, Saturn etc„ so ist er aus sa-wan-
at und wit gebildet worden. Das a hinter dem s ist
hinweggefallen wie in Swon die Glocke, Sswonzo (fso-
Avonrozo, das hohe, göttliche Wesen) die Sonne, in
Sswonkezy, hochgelegenes Dorf, Sonnendorf, Schlung-
witz, bei Bauzen etc, Wan heilst ein Berg und at Gott.
X)s^s Wort Swant bedeutet demnach schon an sich einen
Berg-: oder Sonnengott. Das o hinter dem t ist ein o
euphonisticum. Das wit hat die Bedeutung deus und
entspricht dem kait (Wurskait), kayt (Puschkayt), wayt
(Ausschwayt) in den Namen der preuTsischen Gottheiten.
Für die Vermuthung, dafs der Name Swantowit aus pri-
mitiven Eilementen zusammengesetzt ist, scheint die rus-
sische Nachricht zu sprechen , dafs die Jaga Baba ihren
Enkel, welcher Sviatovit hiefs, auf den Avmen getragen
habe. Aber ist der Name Sviatovit, den man mit Swan-
towit für gleichbedeutend hält, nicht vielleicht suppo-
nirt? Hat nicht vielleicht ein Referent nur vermuthet,
dafs das von der alten Jaga auf den Armen getragene
Götterkind der westslavische Sonnengott gewesen sey?
Oder deutet diese Nachricht nicht vielleicht nur an, dafs
die nordwestlichen Wenden, die sich durch ihren Dia-
lect von den südwestlichen allerdings etwas unterschei-
den, von den Quellen des Oby (in der chinesischen Son-
garei), wohin man den anfänglichen Cultus der Jaga
getzt, herstammen, und dafs sie nach und nach durch
Mittelrufsland bis an den westlichen Theil der Ostsee
und hier auf ihren Ufern bis an die Elbe vorgerückt
sind? So leicht aber auch der Name Swantovvit ein pri-
mitiver seyn kann, so hat es doch nicht mindere Wahr^
scheinlichkeit, dafs derselbe ein derivirter ist. Die ober^
lausitzer Wenden nennen noch heute die Sonne to
Sswonzo (fso-woiirozo d. h. das grofse, hohe, himmli-
sche Wesen oder Gottheit), Höchst wahrscheinlich nann-
— 183 —
tcn die nordwestlichen Wenden, deren Sprache unlerge-
panjicn ist, die Sonne Svvanto, weil a und o nahe ver-
wandte Vocale sind und weil die Consonanten z, s, d
und t auf der Lautlinie nahe bei einander stehen. Zu
dem Swanto setzte man wit (deus) und erhielt den
iSamen Swantowit. Ist aber Svvantowit ein abgeleiteter
Name, wie es fast gewifs ist, imd bedeutet dieser Name
nur Sonnengott, so könnte man freilich jeden Sonnen-
gott, z. B. den Tor, Bram, Saturn etc. Swantowit (fswon-
zowitsch) nennen.
Manche haben bei dem wit in dem Namen Svvan-
towit an den Gebrauch der Slaven gedacht, nach wel-
chem Letztere den Sohn des Vaters wit, witsch (Petro-
witsch, Feodorowitsch) nennen, und haben vermuthet,
dafs die Nord wenden bei der Bildung ihrer (späteren)
Götternamen auch dem noch jetzt bei den Russen vor-
kommenden Gebrauche gefolgt wären. Könnte man nach-
weisen, dals diese Vermuthung gegründet ist, so würde
sich uns die spätere nordwendische Religionslehre frei-
lich hoch stellen. In diesem Falle liiel'se Swantowit nicht
der durch ein Götzenbild dargestellte Sonnengott selbst,
sondern er wäre dann ein Sohn , ein Repräsentant der
Sonne, und es wäre dies ein Beweis, dafs die wendischen
Priester zu Arkona nicht zu dem Glauben des niedrigen
Fetischismus herabgesunken waren , sondern dafs sie das
höhere Symbol der Gottheit (die Sonne) bei dem irdi-
schen Idole nicht aus den Augen verloren hatten.
Da es aber nicht ervviesen werden kann , dafs sich
die Nordwenden in ihren Götzenbildern nur bloi'se Re-
präsentanten der Sonne und des Mondes gedacht und
dafs sie Ersteren nicht ein einwohnendes numen zuge-
schrieben haben, so übersetze auch ich wit, witsch nicht
durch Bild der Sonne und des Mondes, sondern durch
Sonnengott und Mondgöttin. Uebrigens theile aber auch
ich die Meinung des Herrn Professor Mone, dafs sich
die höheren Priester zu Arkona (har-ko-ona, hochgele-
— 184 -^
gene Bergstadt) durch eine höhere geistige Bildung ^'
(vergl. Mone I. p. 179.) und insbesondere durch eine
tiefere Religions-Gnosis ausgezeichnet, so wie auch, dafs
sie treuer, als anderwärts an dem alten Sonnencultus
festgehalten hätten, wozu sie freilich der Eindruck, den
der Anblick der auf- und untergehenden Sonne in ih'
rer herrlichen hohen Natur auf sie machte, mächtig
aufforderte.
Ist aber der Name Swantowit oder Swantowitsch
nicht ein primitiver, sondern ein von Swanto oder
Sswonzo abgeleiteter, so entsteht die Frage: wie wohl
der primitive Name des rügischen Sonnengotts gelautet
habe? Ich vermuthe, dafs Swantowit ursprünglich ent-
weder Por oder Ras, Raz, Rad, Rüg hiefs. Meine Ver-
muthung, dafs er Por geheifsen habe, gründet sich dar-
auf, dafs die anderen wendischen Triaden das Wort Por
haben und dafs die weibliche Göttin der rügischen Tri-
murti den Namen Prowe führte. Die Vermuthung aber,
dafs Swantowit früher Rad, Raz, Rüg genannt worden
seyn kann , stützt sich darauf, dafs die alte , später zum
Mondgotte erhobene, Mondgöttin Radegast heifst und
dafs in der Karenzischen Dreiheit der Name Rüg (Ru-
giäwith) vorkommt. Für die Annahme, dafs Swantowit
ursprünglich den Namen Raz geführt habe, spricht aber
der Umstand, dafs die Mondgöttin in der wendischen
Mythologie den Namen Radzivia führte, die männlichen
Götter aber überhaupt Razi hiefsen.
Seinem Charakter nach war Swantowit ein ganz rei-
ner Sonnengott. Er wurde als der Hocherhabene, ewig
Leuchtende, Mächtige, Unveränderliche, Leidenschaftlose,
89 Alles verräth bei diesen Slaven eine bedeutende Priester-
schaft, Sclireibkunst, Weltkenntnils , Aufnahme und Ver-
scbmekuiig fremder Glaubenslehren , reiche Symbolik und
grofse Opfer, Vergl, Mone I, p. 179,
— 185 -^
Höchstglüchliclie , Alles Belebende und Nährende, als
der Vater der Menschen und Tliiere, der grofse Er-
nährer aller Lebendigen, der Führer seines Volks zum
Kampfe für Roligion,' Vaterland und Freiheit, der
Beschützer der Reisenden und der Landesgrenzen, der
besondere Freund der Priester und Fürsten, die seine
Söhne hiefsen, der Zerstörer der bösen Anschläge der
Feinde seines Volks, der Geber des neuen Lebens nach
dem Tode etc. gedacht und geglaubt.
Bildlich wurde er als ein Krieger dargestellt, der in
der linken Hand einen Bogen, in der rechten aber ein
Füllhorn hielt. Er hatte vier Köpfe, die nach den vier
Weltgegenden gerichtet waren. Als einem sein Volk zum
Kampfe gegen die Feinde führenden, Gotte war ihm ein
weifses Piofs geheiligt. Der tägliche Gottesdienst dessel-
ben bestand in Arkona in der Pflege dieses Bosses. Auf
diesem heiligen Rosse ritt Swantowit alle Nächte aus,
um gegen die Feinde seines Volks und Glaubens zu
kämpfen, (Tor zog nur im Winter gegen das Trolvolk
in den Kampf,) weshalb man dasselbe alle Morgen mit
Staub und Schweifs bedeckt im Stalle fand. War man
zweifelhaft, ob man einen Krieg anfangen sollte, oder
nicht , so gebrauchte man das Pferd Swantowit auf fol-
gende Weise als Orakel. Vor Swantowits Tempel legte
nämlich der Diener in gleiche Entfernung drei Spiefse
quer auf den Boden, an deren beiden Enden zwei ande-.
re mit den Spitzen kreuzweis in der Erde Stacken. Nach
feierlichem Gebete zog der Hohepriester das Pferd aus
dem Stalle und wenn es dreimal ohne Anstofs mit dem
rechten Fufse zuerst über die Spiefse wegschritt, so war
es eine Andeutung, dafs Swantowit den Krieg wollte und
dafs derselbe glücklich enden würde. In Stettin fand
ein ähnlicher Gebravtch Statt. Dort unterhielt auch ein
Mond - Priester ein Rofs , das nicht geritten werden
durfte, das aber von schwarzer Farbe war. Vor einem
Feldzug wurde es, gesattelt und gezäumt, von dem
Priester über neun, einen Schuh weit von ^pinander
iieaende Spiefse dreimal hin und her geführt, und
— 186 —
wenn es mit den Füfsen nicht an die Spiefse stiefs , so
war dies ein günstiges Zeichen.
Aufser dem sich bei einer jeden ara des Swanto-
vf'n befindlichen heiligen Rosse unterhielt man an meh-
reren Orten des Wendenlandes einige, zum gemeinen
Gebrauche nicht bestimmte Pferde, die bei dem Ausbru-
che eines Krieges von den Anführern geritten wurden
und die den heiligen Wagen des Gottes zogen. Diese
Pferde nannte man heilige Pferde. Die Gegenwart die-
ser geheiligten Rosse in der Schlacht erhöhte den Muth
der Streitenden vmd hat verrauthlich viel zu dem hart-
näckigen und langwierigen Widerstände beigetragen, den
die Wenden den eroberungsgierigen christlichen Deut-
schen geleistet haben. Dafs das heilige Rofs des Swan-
towit sich noch jetzt als Symbol in dem Lüneburgischen
Wappen findet, ist bekannt. Das Füllhorn, welches
Swantowit hielt, bezeichnete die Kraft, durch welche er
den Menschen Nahrung und Trank spendete. Denn er
war nicht blos Kriegsgott, sondern auch Geber der Ernd-
ten und in dieser Hinsicht dem preufsischen Curch (Cur-
cho) und dem russischen Korsch ähnlich.
Das Fest (Emdtefest), wobei Swantowit als der Ernd-
tengeber erscheint, wurde zu Arkona auf folgende Weise
gefeiert. An einem bestimmten Tage trug der Griwe
(Oberpriester) Swantowits Füllhorn aus dem Tempel her-
aus, und untersuchte vor einer grofsen Versammlung
des Volks, ob das im vorigen Jahre eingegossene Meth
abgenommen hätte, oder nicht. Im ersteren Falle bedeu-
tete es eine geringe Erndte im künftigen Jahre und der
Hohepriester ermahnte das Volk zur Sparsamkeit. War
das Horn aber noch voll, so freute sich das Volk auf den
künftigen Erndtesegen. Nach dieser Weihsagung gofs
der Criwe das alte Meth zu den Füfsen Swantowits, be-
tete um Heil und Segen für das ganze Volk und trank
das mit neuem Meth gefüllte Hörn schnell aus. Dann
wurde es nochmals gefüllt und dem Gotte wieder in
— 187 —
den Arm gep:eben. Darauf brachte man einen beinahe
mannshohen Honigkuchen, hinler dem sich der Hohe-
priester stclhe und die Versanimlelen fragte, ob sie ihn
sehen könnten? Antwortete das Volk ja, so flehte er
zum Gotte, dafs er im nächsten Jahre einen noch grö-
fseren Erndtesegen spenden und einen so grofsen Ku-
chen geben möchte, dafs das Volk ihn hinter demselben
nicht sehen könnte. Er ermahnte hierauf das Volk zur
ferneren A^erehrung des grofsen Gottes und entliefs es
in dessen Namen, Der übrige Theil des Tages verstrich
unter grofsen Opfermahlzeiten und Meth wurde in gro-
fsem Maafse getrunken.
Vor dem Erndtefeste reinigte der Criwe Swantowits
Tempel mit Besen, durfte aber im Allerheiligsten nicht
athrnen , sondern er sprang so oft an die Thüre, als er
Luft schöpfen niufste, damit Gottes Stätte nicht durch
menschlichen Odem entehrt würde. In den Tempeln
der wendischen Hauptgötter wurden die heiligen Kriegs-
fahnen aufbewahrt, und die Priester hatten die Aufsicht
über diese Palladien,
Dafs Swantowit an mehreren Orten des Wendenlan^
des, wenn auch unter andern Namen und Formen, wie
zu Rhetra und Karenz, verehrt wurde, dies ist höchst wahr^
scheinlich. Aber schwerlich hat seine Benennung dem
eine Stunde von Grofsenhayn gelegenen Dorfe Wante-
witz (wan-te-wiz, hochgelegenes ebenes Dorf) den Na-
men gegeben; wenn auch wirklich zu Wantewitz ein
Tempel des Swantowit war. Der Name "Wautewits ist
von anderen Bedingungen abhängig, wie früher bemerkt
worden ist,
Noch bemerke ich, dafs die Ableitungen des Namen
Swantowit von Sswjata Wiez d, h, die heilige Sache, von
Sswjata Sswieza, das heilige Licht, oder gar, wie Eönisch
in der Camenzer Topographie p. 24 will, von Wodan
tu Swiez d, h. Wodan (Gott) das Licht, nicht zulässig
— 188 —
sind. Swantowlt war in der Idee älter, als Wodan oder
Odin, und stand in demselben Verhältnisse zu dem Letz-
teren, wie der von Tacitus erwähnte germanische Mars
(Sonnengott) zu dem Mercurius (Mondgott).
Hat Swantowit die Eigenschaft eines reinen Sonnen-
gotts, so dagegen Radegast die eines neueren (dritte Reli-
gionsperiode) Mondgotts. Radegast ist ein Inbegriff von
Elementen, die einer alten Mondgöttin und einem Son-
nengotte eigen thümlich sind, ein sogenannter Tscherne-
bog und Bielebog, Weib und Mann ( gynandrisch ) zu-
gleich, weshalb man ihn mit Wischnu, Tiersmes und
Othin parallelisiren kann. Er ist eine frühere, neben ei.
nem Sonnengotte bestandene Mondgöttin, die später zur
männlichen Gottheit erhoben wurde. Seine weiblichen
Kennzeichen sind : seine gewöhnlich zum gröfsten Theile
nackende Gestalt, sein Katzen- oder Löwenkopf, die
Schlange, die Schnecke, die Traube, der Zauberstab und
die Orakel, die er auch, zum Mindesten in seiner ersten
Form, einzelnen Personen ertheilte. Auch der alte Na-
me desselben, Hlawaradze (hal-war-aze oder ase, Berggöt-
tin, Sonnengottsfrau) beweist es, dafs er ursprünglich ei-
ne Göttin war, so wie auch sein Name Roswodiz, den
man durch göttliche Führerin, oder Anführerin (im
Kriege) übersetzt hat. Seine spätere männliche Eigen-
schaft deutet der Stierkopf auf seiner Brust , der Adler
auf seinem Haupte , die Lanze in seiner Hand und die
schwarzen Rosse, die ihm gewidmet waren, an. Die gy-
jaandrische Beschaffenheit desselben wird auch durch den
Umstand beurkundet, dafs man ihn an manchen Orten
ols Perkunst (dasselbe was Perkunos, Perkun, Peron, Pe-
run) und Schwayxtix (scha- wai-ix-tix', Sonnengottsfrau;
das tis, dea ist später angehangen) vereinigt darstellte.
So wie in Indien der spätere Mondgott Wischnu von den
Braminen bei weitem mehr angebetet wurde als der alte
Sonnengott Brama, so genofs auch der Mondgott Radegast
um die Zeit der Einführung des Christenthums eine all-
gemeinere Verehrung, als Swandowit, und deshalb wird
«ein Name auch nicht selten vor dem des Sonnengotts
— 189 --
(Svvantowit) genannt. Der vielfach fälschlich gedeutete
Name des Radegast ist aus Rade und gast enstanden.
Das Wort Rade ist aus Ra-ade, oder ase gebildet und be-
deutet eine (alle) Berggöttin , oder Mondgöttin. Die.
männliche Form von Rade, die in der wendischen My-
thologie auLser Gebrauch gekommen war, lautete höchst-
wahrscheinlich Rad, Radas oder Radaz, von welcher, wie
schon bemerkt worden ist, die allgemeine wendische; Be-
nennung der männlichen Gottheiten (razi) so wie die
noch jetzt übliche Benennung der hohen Feste Weih-
nachten, Ostern und Pfingsten (roczny Czafs) herrührt.
Das Gast hat man bald durch Geist, bald durch Wald
(gost, goschcz), bald noch anders übersetzt. Er ist aber
aus ga und ast, oder at entstanden und bezeichnet Gott,
Berggott. Wirft man das s aus dem Worte gast hinaus,
so erhält man gat, welches dem englischen God (deus)
entspricht. Radegast hiefs folglich eigentlich Sonnen-
.gottsfrau als Gott , d. h. Mondgoit. In der böhmischen
Mythologie führt der wendische Radegast den Namen
Rademas (ra-ada-ma-as , Mondgott). Der böhmische Ra-
damas wird tms seinen Eigenschaften nach nicht beschrie-
ben und nur mit dem Cretischen Rhadamanthus (rada-
nian-at und aus dem angehängten us) in Parallele ge-
stellt. AVenn auch der vvendische Radegast von dem böh-
mischen, und dieser wieder von dem griechischen Rha-
damanthus in der Form etwas verschieden war, so wa-
ren doch gevviis alle drei in der Materie, oder in der
Idee, auf die das Meiste ankommt, ziemlich gleich. Alle
drei waren Mondgötter, nur unterschied sich Radamas
tmd Rhadamanthus von Radegast dadurch, dafs uns die
beiden Ersteren als die Seelen der Verstorbenen be-
herrschende Gottheiten , Radegast aber als Herr der Le-
bendigen und als Führer seines Volks zum mörderi-
schen Kampfe in der wüthenden Feldschlacht erscheint.
Früher, als Radegast nur noch Ra-ade, oder Ra-
da war, hatte er aber auch die Fvinclion, die See-
len der Verstorbenen zu beherrschen, sie wegen ihres
— 190 —
Erdenlebens zu richten und sie der neuen Zeugung des i
Sonnengotts, oder dem neuen Leben, entgegen zu füh-
ren. Wegen seiner Doppehiatur (Mond-Göttin und Gott,
dunkel und röthlich strahlend) erhielt Radegast die Na-
men Zernebog und Bielbog. Viele haben den Namen
des Radegast von Rada d. h. der Rath abgeleitet und ha-
ben ihn durch Rath (Orakel) gebenden Gott übersetzt.
Durch diese Erklärung, die gerade dem Wesen des Ra-
degast nicht widerspricht, wird aber die Idee des Rade-
gast zu einseitig dargestellt; denn auch Swantowit er-
theilte Orakel durch sein Rofs und Hom, obgleich aber
nicht einzelnen Personen, sondern dem ganzen Volke
(praetor haud curat singula).
Das Wort Ra-ade ist nicht minder primitiv, als das
wendische Wort Rada, der Rath, Götterrath, Orakel.
Beide Wörter ruhen auf der Wurzel ra. Noch bemerke
ich, dafs man sehr irrt, wenn man die Dorfnamen Rati-
bor oder Radwor, Ratuitz, Radmeriz bei Bauzen, so wie
die Städtenamen Radeberg und Radeburg von Radegast
(dem dortigen Cultus desselben) ableitet. Die Namen
dieser Orte ruhen nur mit Radegast auf derselben Wur-
zel Ra d. h. Berg. Dies gilt auch von dem Namen des
Dorfs Rodigast (gast heifst hier Dorf und ist ähnlich den
Ortsnamen Tokat in Natolien, Stokach am Bodensee u.
s. w.), bei Jena und einer wüsten Mark, Radegast, bei
Oschatz (ho-scha-az, hochgelegene Stadt).
Eben so sehr irren diejenigen, welche, irregeleitet
durch griechische und römische mythologische Legenden,
vermuthen: dafs ein Fürst, der ums Jahr 40o nach Chri-
sti Geburt 'sich durch seinen Zug aus der Lausitz nach
Italien ausgezeichnet und Radegast geheifsen haben soll, :
zur Verehrung des Radegast durch seine apotheosirte Per- I
son Veranlassung gegeben habe. Sie vergessen es, dafs
sich wohl die Fürsten nach den Namen der Landesgott- j
heiten nannten, dafs es aber bei den Germanen und Sla-
— 191 —
ven für die gröfseste Irreligiosität gegolten hätte, einen,
auch noch so ausgezeichneten Fürsten zu apotheosiren.
Der MoncTgott Rnclegast war viel älter, als sein
Sohn und Stellvertreter, der Fürst Radegast. Hinsicht-
lich des Alters des Mondgotts Radegast ist noch eine Be-
hauptung von Vulpius (Vorzeit Bd. 2. 1818. Heft I. p. 11.)
anzuführen und zu beleuchten. Vulpius sagt: „Rade-
„gast war älter, als die Zeit der Wenden, aber jünger,
„als die nordischen Äsen, und wurde als ein Waldgölze,
„in der Gestalt einer Ziege, woher das Dorf Ziegenhayn
„bei Jena abstammen soll, verehrt." In Betreff dieser
Behauptung bemerke ich nur, um nicht weitläuftig zu
werden, dafs der Gebrauch aus den (alten) Mondgöttinnen
Mondgötter zu bilden, allerdings vor der Ankunft der
Wenden an der Elbe entstanden ist. ^° Versteht man aber
unter den Äsen, die in den letzten Zeiten des skandina-
vischen Heidentliums entstandenen Monatsgötter, so ist
der wendische Mondgott Radegast älter. Vergleicht man
ihn aber mit dem Othin, so ist es ungewifs, ob die Go-
then, oder die noch näher an Indien (wohin Manche
den Ursprung des in R.ede stehenden Gebrauchs setzen)
wohnenden Nordwenden zuerst in die dritte Religions-
periode getreten sind. Zu der Zeit, als der Radegast in
der Gestalt einer Ziege erschien, war er noch nicht Gast
90 Physisch war der Moiidgott der, der Sonne ahnliche, Voll-
mond. Der Mondgott, der späterhin so sehr verehrt wurde,
war ein mit einigeii hohen Vorzügen des Sonnengotts und
mit einigen Eigenschaften der Mondgöttin begabter Mittel-
gott, und ein Product der gesunkenen religiösen Phantasie
der späteren Menschen. Es verdient eine genauere Unter-
suchung, warum sich die späteren Generationen einen
INIondgott bildeten , und welche Folgen dies für ihr religiö-
ses und sittliches Leben (der Nachtheil für die Sprachen ist
evident) gehabt hat. Die Indier liefsen den Mondgott in
verschiedenen Zeitperioden in verschiedenen Gestalten (In-
carnationen des Wischnu) erscheinen.
— 192 —
(Gott), sondern blos Rade (^gaö/]), Ra-ade d. b. die (alte)
Berggüttin, unter deren Regimente Ziegen, Schaafe, Läm-
mer, Schweine, Kühe, Katzen etc. standen. Der Name
des Dorfs Ziegenhayn ist nicht ein von Ziege abgeleite-
ter, sondern er ist wie Ziebingen, Ziegenrück etc. ein
primitiver, und ist aus Zi-egen enstanden. Das hayn
(hun, hau, heim) ist später angehangen, wie bei Grofsen-
hayn, welcher letzere Ort ursprünglich Gor- osen hiefs,
und den die Wenden durch Wussak (wu-sa-ak) d. h. ein,
an einer Anhöhe in der Ebene liegender, grofser Ort be-
nennen. Uebrigens bin auch ich nicht in Abrede, dafs
der Name Rade sich schon an der Elbe und Saale vor
der Ankunft der Wenden in diesen Gegenden gefunden
hat, und dafs er nur von den Letzteren, die schon frü-
her seine Idee hatten , recipirt und einem andern Na-
men, hoch wahrscheinlich dem Rugiäwith, supponirt wor-
den ist.
Neben dem Swantowit und Radegast wird gewöhn-
lich Zernebog, mithin eine, mit unbestimmten Namen
genannte, Mondgöttin angeführt. Zernebog ist hier die
in allen Triaden vorkommende reine Mondgöttin, die
bei den Indiern Siwen, bei den Finnen Baiwe und bei
den Skandinaven Freia hiefs. Dieser Göttin wurden meh-
rere Functionen auf der Erde, insonderheit aber das
Richteramt, immer aber die Herrschaft über die Seelen
der Dahingeschiedenen zugeschrieben. Es fragt sich nun,
welche slavische, mit dem unbestimmten Namen Zerne-
bog benannte, Göttin die rügische Dreiheit erfüllt? Die-
se Göttin ist gewifs keine andere, als die, fast von Al-
len als männlich bezeichnete Prowe. Prowe ist ein weib-
liches' Wort, und ist aus pro , oder per metathesin des o
aus por und owe (ose, ase ) entstanden. Prowe oder Po-
rowe, Borowe (^) aber heifst Sonnengotts - Gemahlin,
Mondgöttin.
Die Porowe, Porowa war die alte MondgÖttin, deren
Gemahl Por, späterhin Porewith hiefs. Aber nicht nur
— 193 —
durch die Etymologie ergiebt es sich, dafs Prowe eine
weibliche Gottheit war, sondern dies deutet auch ihre
Darstellung an. Prowe wurde nämlich als eine gröfs-^
tentlieils nackte Person dargestellt, mit einem Brustschilde
von Goldblech, auf dem zwölf Mondringe zu sehen wa-»
ren. Auf dem Kopfe hatte sie eine goldene Krone und
in der Hand einen Stab (Zepter), an dem ein schmales
Fähnchen befestigt war. Sie soll auch mit einer Pfluge
schar dargestellt worden seyn. Prowe's Bild stand in ei-
nem heiligen Haine, in welchem das Volk alle Montage
zum Gerichte zusammen kam. Um das Bild Prowe'ä
war eine Umzäunung, in welche Niemand treten durfte
atifser dem Höhenpriester und den Opferleuten, unter de-
nen jedes Mal der Fürst (regulus) gewesen zu seyn
scheint. Wenn Prowe eine Pflugschar führte, so ent-^
spricht dies ganz ihrer Idee, als alte Mondgöltin. Diese
hat nämlich die Menschen das Pflügen, und überhaupt
die Bestellung der Aecker und Gärten gelehrt.
Dafs man die Pflugschal- früher zti Hinrichtungen
der Verbrecher gebrauchte und späterhin als prüfende«
Werkzeug bei den Ordalien , dies ist bekannt. Die Kro-
lie auf dem Haupte zeigt sie als hochgebietende Gesetz-
geberin und Richterin an, und die zwölf Mondringe auf
dem Brustschilde bedeuten die zwölf Monate des Jahres*
Der Delinquent, der sich in den heiligen Hain der Pro-
we oder Borowa flüchtete, stellte sich dadurch unter den
Schutz der Landesgesetze und unterwarf sich dem Aus-
spruche derselben. Dadurch sicherte er sich vor Privat-
sache vxnd vor Mifshandlungen. Dife Opferlfeute, denen es
mit dem Hohenpriester zugleich gestattet war. sich in die
heilige Umzäunung ( bei den Römern Säpta genannt ) zu
begeben, waren die Richter, die eine Art Jury bildeten
und die aus den Notabein des Bezirks bestanden. Diese
bereiteten sich, vorzüglich wenn es ein Capital- Verbre-
chen galt, durch Opfer und Gebete zu ihr&in wichtigen
Geschäfte vor , und weiheten sich durch religiöse Acte
ganz dem Dienste der Gerechtigkeit. Bei den Römern
IS
— 194 —
jure jurando adstricti erant ad sincere jndicandum (cf.
Cicero pro Roscio amer, c. S.).' Das wendische Volk
stand in dem heiligen Haine aufserhalb der heiligen Um-
zäunung , hörte den Verhandlungen des Gerichts zu und
vernahm endlich den Spruch des Urtheils. Dieses wurde
nun von dem Hohenpriester öffentlich bestätigt, oder mo-
derirt, und dies Alles im Namen und im Angesichte der
Göttin (Prowe) der Weisheit, der Humanität, derbarm-
herzigen Liebe, der Gerechtigkeit und des Todes, die
ungerechte Urtheile nicht duldete und dieselben unaus-
bleiblich bestrafte (Nemisa, Nemesis).
Die heilige Umzäunung war unsern Gerichtsschran-
ken ähnlich. Der Stab, den die Prowe in der Hand hielt,
war auch das Symbol der Gewalt, die der Hohepriester
als Richter der Richter, oder als oberster Richter besafs.
Diesem Symbole ^^ der oberrichterlichen Würde und
Gewalt zollte man überall die grüTste Hochachtung, und
wo nur ein Bote des Hohenpriesters mit demselben er-
schien, wurde er sehr ehrenvoll empfangen. Diejenigen,
welche das Leben verwirkt hatten und hingerichtet wur-
den, nahm dieselbe Göttin (später Heia genannt) in ihr
dvnkles Reich auf. Mit Recht nennt daher Grofser in
seinen Lausitz. Denkwürdigkeiten IL p. 3. Prowe deum
(deam) justitiae ac fori. So wie die Form der Gerichte
an einem Orte des Wendenlandes beschaffen war, so
mochte sie an den mehresten beschaffen seyn. Vermuth-
lich trug der Hohepriester, der die Gerichtsgöttin reprä-
sentirte, ein dem Brustschilde der Prowe ähnliches klei-
nes auf der Brust. Für ein solches hohepriesterliches
Brustschild halte ich dasjenige goldene, welches vor ei-
nigen Jahren in der Nähe der Biwoschmühle bei Tätsch-
91 Dieser Stab hiefs bei den Preufsen Griwule (generis femi-
nini), bei den Wenden Kriwula, bei den Schweden Budlafla
(baculiis nunciatorius ) , bei den Dänen Budstikke (göttli-
cher Stab, Priesterstab).
— 195 —
witz, eine Meile von Senftenberg, in einer Urne gefun-
den, aber leider! zerstört worden ist. Höchstwahrschein-
lich war an dem Orte, wo das erwähnte goldene Erust-
schild gefunden wurde, die Gericl>.tsstätte der Umgegend.
Hier, in einem niedriger gelegen^ Haine (lucus), stand
das Bild der Mondgöttin, so wie auf dem in einiger Ent-
fernung liegenden Koschenberge das Bild eines Mond-
gotts, an dessen Stelle späterhin ein christlicher Hero»,
der heilige Märtyrer Laurentius, gestellt wurde. '" Zu
92 Der Kaiser Valerianus, der Nachfolger der Christenfeinde
Gallus und Volusianus zeigte sich in den ersten Jahren sei-
ner Regierung, von 254 bis 257, den Christen günstig. Aber
in dem letztgenannten Jalire ordnete er auf Anrathen seines
Ministers Marcianus eine Christenverfolgung an, die jedoch
nicht blutig seyn, sondern nur die Entfernung der Lehrer
und Bischöfe von ihren Gemeinen bewirken sollte. Aber im
Jahre 258 promulgabat longe severius edictum, wie Mos-
heim (inst. bist, eccles. c, I[. §. VI.) sagt, und zwar folgen-
den Inhalts: },Die Bischöfe, Presbyter und Diaconen sollten
sogleich mit dem Schwerdte hingerichtet, Senatoren und
Ritter sollten ihre Würden und Güter verlieren, und wenn
sie dann noch Christen blieben, sollte sie dieselbe Todes-
strafe treffen. Die Frauen von Stande sollten nach Einzie-
hung ihrer Güter exilirt werden etc. etc,*' Am 6, August
285 starb der römische Bischof Sixtus, einige Tage später
der Diaconus Laurentius*„igne lente ustus" und am 14.
September Cypriauus , Bischof zu Garthago , den Märtyrer-
tod, Bedeutend waren die Wirkungen, die der Tod des hel-
denmüthigen, noch auf dem Roste iür die Ausbreitiuig des
Reiclies Jesu mit himmlischer Seelenruhe und mit verklär-
tem Antlitz betenden Laurentius hervorbrachte,
„Refrixit ex illo die
Cultus deorum turpium
Plebs in sacellis rarior:
Christi ad tribunal curritur!_
Sic dimicans Laurentius
Non ense praecinxit latus ;
Hostile sed ferrum retro
In auctorem retulit.
Mors iila sancti Martyris
Mors vera templorum fuit.
13*
— 196 —
der Capelle des Laurentius waUfahrteten die Christen
bis zur Einführung der Kirchenreformation, so wie
die heidnischen Wenden fmher zu dem Bilde des Son-
nengotts oder Mondgotts und zu dem, nicht weit davon
liegenden, Haine der 'Prowe gegangen seyn mochten, ^^
und den Markt, der am 10. August eines jeden Jahres
auf der Spitze des Koschenberges bei der Laurentius-Ca-
pelle gehalten und späterhin auf Befehl des Kurfürsten
Moritz nach Senftenberg verlegt wurde, haben sogar,
laut der Sage, Kaufleute aus Leipzig besucht.
Die Gerichte der Wenden in den heiligen Hainen
ähnelten den römischen Verhandlungen auf dem, zwi-
schen Rom und der Tiber gelegenen Campo Martio, wel-
cher wieder Aehnlichkeit mit dem Walde der Semnonen
Tunc Vesta (die alte, die Religion schutzende Got-
tin) palladios Lares
Impune sensit deseri!"
Vergleiche Acta primorum martyrum opera Theodor Rui-
narti fol. ed. H. Amstelod. 1713. p. 187—97.
93 Bei -dem Dorfe Spohla im Hoyerswerdaer Kreise ist ein
nach Westen hinlaufender Feldweg , welcher noch heut
•^utana Sczeschka (der Lautaer Fufssteig) genannt wird.
Wahrscheinlich rührt diesei' Name daher, weil in katholi-
schen Zeiten die Wallfahrer aus der östlichen Mittel -Ober-
iausitz zum heiligen Laurentius auf dem Koschenberge zo-
gen, so wie früher die Germanenadsacra des Teut und die Wen-
den zu dem Cultus des Flins und zu der ara der Prowe ge-
gangen waren. In der frühesten Zeit fand auf dem Koschen-
berge höchstwahrscheinlich der Sonneiicultus Statt. Der
Name des Berges ist aus Kosch (Cusch) und Berg zusam-
mengesetzt und kann durch Hochberg ( Sonuenberg) über-
setzt werden. Er ist gleichbedeutend mit Kotmar bei Lö-
bau und Kuttenberg in Böhmen. Die Dorfnamen Koschina
(Grofskoschen) und Koschinka (Kleinkoschen) sind von dem
Kosch abhängig. Der erste bezeichnet ein am Fufse des
Hochberges tiefgelegenes (ina) Dorf; der zweite ein eben so
gelegenes kleines.
— 197 —
(cf. Tacit. Germ. XXXIX.) hatte. Wenn es gegründet
ist , clafs die comitia des römischen Volks in alten (pris-
cis) Zeiten auf dem foro der Stadt gehalten und erst
später, als die Volkszahl wuchs (crescente populo), auf
dem Campus Martius verlegt wurden, so scheint es, als
wenn die Römer die Sitte des Marsfeldes von den Gal-
liern , die mit den Germanen vielfach in Sitten harmo-
nirten, recipirt hätten. Die bekannten Irmensäulen, oder
Mondgöttin - Statuen der Deutschen waren dasselbe, was
die wendischen Prowe- Bilder, und es ist ein grofser Irr-
thum, wenn man die Irmen (hir-men, Mondgöttin) der
Germanen für Bilder des apotheosirten Helden Arminius
hält. Bekannt ist es, dafs man in späteren Zeiten die
wendischen Gerichte auf die Marktplätze der Flecken
und Städte verlegte, und dafs man da, wo noch Heiden
und Christen eine Zeit lang vermischt mit einander leb-
ten, Mondgöttin- oder Mondgotts - Säulen , Rolands- (ro-
lan-ad, Mondgott) Säulen genannt, aufrichtete, die, weil
sie den Orten , in welchen sie standen, einen Vorzug und
ein Ansehen gaben, auch in den späteren christlichen
Zeiten , z. B. in einigen Eibstädten , erhalten worden
sind.
Dafs die Benennung der wendischen Gerichtsgöttin
durch Prono falsch ist, haben schon Andere nachgewie-
sen. Der Name Prowo, Prawo, der im Wendischen das
Recht , die Gesetzsammlung, z. B. Saxonske Prawo, bram-
berske Prawo bezeichnet, ist eher zulässig, ist aber für
die alte Zeit, weil er ein abstractum ist, unpassend. Pro-
we ist, Avie oben bemerkt, eine primitive Benennung,
obgleich sie jetzt als derivirte erscheint, und ist generis
feminini. Das Wort bezeichnet die Göttin der Gerech-
tigkeit, welches auch daher wahrscheinlich ist, weil auch
andere Völker für die Gerichte nicht einen Gott , son-
dern eine Göttin hatten, und weil in allen Sprachen das
Wort Gerechtigkeit von der Mondgöttin abgeleitet und
die Mondgöttin bezeichnend ist, wie wir es an den Wör-
tern p"!i , (ze-te-ek), öiari (di-ike), Sl-acu oavvr] (di-ke-
— 198 —
osine oderasine), ^sfiig (tbem-is), justitia (just-itia oder
asia), Prauda (par-ada, z. B. Ruska Piauda der Giofslilr-
sten Jarofslav I., Wladomirowitsch 1020 bis 1054 und
Wladimir IL, Wfsewolodowitsch 1113 bis 1125) und
Recht (re-echt) sehen.
Diese drei Obergottheiten der Wenden wurdsn an
vielen Orten, als vereinigt in einer Person, aber mit drei
Köpfen dargestellt. Die also dargestellte Trias nannte
man späterhin mit einem Worte Triglav, oder Triglo-
\va , d. h. Dreikopf, welches aus tfsi oder tri und glowa
oder Wowa, der Kopf, zusammengesetzt und mithin kein
primitives Wort ist. Triglav, oder Triglaw ist folglich
kein besonderer Gott, wie man gewöhnlich wähnt. In
der reichen Handelsstadt Julin (Ju-ulin, tief gelegener
grolser Ort ) hatte man einen goldenen Triglav, zu Stet-
tin aber war Triglav nur mit einem goldenen Kopfputze
bis auf die Lippen zugedeckt. Den Stettiner Triglav er-
hielt der Bischof Otto von Bamberg und schickte ihn
als Siegeszeichen des Christenthums an den Papst Hono-
rius nach Rom. Die wendischen Priester zu Julin wufs-
ten ihren goldenen Triglaw, nachdem das Volk, durch
die Bekehrung der Stettiner erschüttert, zum Christen-
thume übergetreten war , so zu verbergen , dafs es dem
Bischof Otto nicht gelang, denselben in Besitz zu be-
kommen. Seine Ausspäher, namentlich ein Priester Herr-
mann, der Otto bei seinem Bekehrungsgeschäfte unter-
stützte, konnte nur den alten Stuhl, auf dem der Trig-
lav ehedem gestanden hatte, entwenden. (Vergl. Götzen-
dienst in Pommern und Rügen, von J. J. Steinbrück, p.
38.) So gewifs es ist, dafs der Gebrauch, die drei Ober-
gottheiten in einem Bilde vereinigt darzustellen, durch
das ganze Land der Slaven, die ich Nordwenden und
Südwenden nenne (auch in Rhetra, Grimma u. s. w,
standen Triglavs-Bilder ) verbreitet war, so läfst es sich
doch, wie Manche behauptet haben, nicht mit Bestimmt-
heit nachweisen, dcifs die nordwendischen Priester, vor-
züglich die zu Wineta, Julin und Stettin, deshalb ihre
— 199 —
Tiimurti in einer dreiköpfigen Gestalt dargestellt haben,
um etwas der christlichen Trias Aehnliches entgegenzustel-
len. Es konnte sie schon die Rücksicht auf die innige Ver-
bindung, in welcher die drei Obergottheiten ihnen in
ihrer Glaubenslehre erschienen, veranlassen, einen Trig-
lav zu bilden, welcher auch bei mehreren andern, mit
den nordwendischen Handelsstädten Handel treibenden
heidnischen Völkern, wenn auch nicht in der äulseren
Form, so doch in der Idee, vorhanden war.
Da der Triglav die drei wendischen Hauptgottheiten
in sich fafste, so darf man sich nicht wundern, dafs man
ihm an den Orten, wo sein Bild aufgestellt wurde, auch
den vorzüglichsten Tempel widmete. So stand zu Stet-
tin Triglavs Tempel auf dem mittelsten der drei Hügel,
auf welchen die Stadt liegt. Dieser Tempel, von den
Pommern Contine (con-ti-ine) genannt, hatte Holz wän-
de, die von innen und von aufsen mit sehr naturgetreuen,
erhobenen Bildern von Menschen, Vögeln und andern
Thieren geziert und mit unzerstörbaren Farben bemalt
waren. In der Contine selbst waren die erbeuteten Schä-
tze und Waffen der Feinde, der Seeraub und anderer
Kriegserwerb, wovon der zehnte Theil allemal der Kir-
che oder Contine zufiel, aufgehäuft. Auch goldene und
silberne Becher zum Weihsagen und Trinken für die
Vornehmen, grofse, mit Gold und Edelsteinen geschmück-
te, Hörner von Auerochsen, oder von wilden Stieren zum
Trinken und Blasen nebst Dolchen, Messern und ande-
rem kostbaren Geräthe waren in der Kirche des Trig-
lavs, in welcher die Angesehensten des Volks nicht sel-
ten nach vollbrachtem Opfer feierliche Gastmähler hiel-
ten, aufbewahrt. Ist es gegründet, dafs die vornehmen
Pommern sich bei den feierlichen Gastmählern goldenen
und silbernen Geschirrs bedient hätten, wie Steinbrück
(p. 36.) erzählt, so bewiese dies den hohen Stand der
Wohlhabenheit, zu welcher die wendischen Städte der
südwestlichen Ostseeküste durch Handel und auf andere
Weise gelangt waren. Die anderen Continen zu Stettin
— 20Q —
waren nicht so prächtig, als die des Triglav. Sie hatten
nur im inneren Umkreise Sitzbänke und Tische und
dienten nur zur gewöhnlichen Andacht. Auch in Julin
zeichnete sich der Cultus des Triglav aus , so wie auch
zu Rhetra. Am letzteren Orte waren auch die Holzwän-
de des Haupttempels von aufsen mit Schnitzwerk bedeckt.
Dieser von Kaiser Otto I. zerstörte Tempel stand auf ei^
jiem Fundamente von lauter Stierhörnern, ^"^ die eine
religiöse Bedeutung hatten und bei den Opfern nicht
mit verbrannt wurden. In Karenz hatte die grofse Con-
tine keine hölzerpeo Wände, sondern statt der letzteren
purpurne Vorhänge, und ihr Dach ruhete auf Säulen,
welches andeutet, dafs die Karenzische Religion von der
zu Rhetra etwas abweichend war.
In Grofsers Abbildungen erscheint Triglav in weib^
lieber Form. Er steht mit einem Beine gerade, das an-
dere ist aber etwas gebogen und mit beiden Händen
hält er einen halben Mond auf der Brust. Man ist un-
gewifs, sagt Steinbrück p. 35., ob Triglav zu den Göt-^
tern oder Göttinnen zu zählen ist, selbst die Römer
waren bei der Erblickung des Mondes zweifelhaft. Dar-
über aber, dafs Triglav in weiblicher Gestalt dargestellt
wurde, darf man sich, nach meinem Dafürhalten, nicht
54 Im Jahre 1831 wurde Behufs der Anlegung eines Weges die
grofse, sogenannte Schwedenschanze, ohnweit Stargardt bei
Guben, die 200 Fufs im Durchmesser hat und 12 bis 16
Fuls hoch ist, an zviei Stellen durchgegraben. Der Grund
des Walles dieses Rodzischczo (ara einer Gottheit) enthielt
Jjis T.n einer Höhe von 6 Fufs lauter Knochen von grofsen
und kleinen Thieren , wobei auch Hörner, wahrscheinlich
von Ziegen und Schaafen, so wie auch Ueberbleibsel von
Urnen zum Vorscheine kamen. Auch sind aus dem inneren
Räume des Werkes vor nicht gar langer Zeit viele Steine,
womit die Fläche wahrscheinlich gepflastert gewesen ist,
ausgegraben worden, Vergl. den Bericht über die Schwe-
^enschanze in Stargardt in der Niederlausitz im neuen Lau-
sitaisehen Magazin, Jahrgang 1832» I. Heft, p. 87,
— ^01 —
wundern, weil er in clor That zwei Mondgottheiten in
sich falste. Der Mond, den Tri^lav mit beiden Händen
hielt, deutete auch an, dafs er eine Gottheit sey, in wel-
cher das mondgöttliche Wesen vorherrsche. Wahrschein-
lich staunten die Römer (Christen) deshalb bei der Er-
blickung des, einen Mond in Händen haltenden, Trig-
lavs, weil er ihnen eine AehnUchkeit mit der Maria
hatte.
Der nackende, nicht mit Spiels und Schwerdt be-
waffnete, Triglav erscheint als ein theils auf geschichtli-
chem, theils auf dem Wege späterer Speculation entstan-
denes Symbol einer sublimeren Religions-Ansicht, ^^ die
bis in die hohe Region des christlichen Monotheismus
streifte, und die selbst der christlichen Dreieinigkeitslehre
ähnelte, ohne), wie schon bemerkt, auf dem Boden der-
selben entsprossen zu seyn.
Die Götterdreiheit zu Karenz auf Rügen bestand
aus Rugiäwith, Porewith und Porenit. Den Rugiäwith,
der mit sieben Köpfen und sieben Schwerdtern und mit
dem achten in der Hand abgebildet wurde, halte ich
für einen besonders modificirten Mondgott derjenigen
späteren heidnischen Zeit, die an die Zeit der Einfüh-»
rung des Christenthums grenzte, und in welcher auch
in Skandinavien und Böhmen (der Mädchenkrieg) die
zwölf Monate und die sieben Planeten in die Com'
Position des Hauptgotts aufgenommen wurden. Für dig
Annahme, dafs Rugiäwith eine Mondgottheit war, spricht
ohnstreitig die Zusammensetzung seines Namens. Der-
selbe ist nämlich aus Ru, ugie, oder ugia und with ent-
standen. Nach dieser Etymologie beifst Rugiäwith: Mojcid-
95 Wahrscheinlicli ahneten die oberen wendischen Priester der
Slaven auch eine Gottheit, die ihren Thron über dem Mon-
de, der Sonne und über den Tausenden von Sternen aufge-
richtet hatte, einen Parabrama, Auxtheias Vissagist, Boh
werschny.
— 202 —
göttin als Gott, oder *in aus einer (alten) Mondgöttin
entstandener Gott. Rugiävvith ist demnach dem Rade-
gast ähnlich. In der That hat er auch eben so gut mond-
göttliche Kiemente in sich, als Radegast. Obgleich Ru-
giävvith nach dem Glauben der Karenzer (Rügier) Letz-
tere so wie überhaupt zum Kriegeskampfe, so insonder-
heit zum mörderischen Rache- Kampfe führte, so ist es
doch ein Irrthum , wenn Frencel (S. 134.) Rugiäwith
durch Rachegott der Rügier übersetzt. Der König Wal-
demar I. von Dännemark eroberte im Jahre 1168 die
beiden Rügischen Hauptstädte Arcona und Karenz. Nach
dieser Eroberung wurde der , aus einem Eichenslamme
gehauene, mit Schwalbennestern behangene, Rugiäwith
auf Refehl des Dänischen Rischofs Absalon aus Rosehild
von den Karenzern selbst aufserhalb der Stadt verbrannt
(vergl. Steinbrück p. 29.).
Porewith, den Steinbrück Barovit nennt, nimmt die
zweite Stelle in der Karenzischen Trias ein. Sein Name
ist aus Por und with entstanden. Das e in der Mitte
des Worts ist wegen des Wohlklangs hineingeschoben,
wie in Barovit das o. Das Por, welches aus po und or
zusammengesetzt ist, wie Bar aus ba und ar, bedeutet
schon an sich Berggott, Sonnengott. Das with oder wit,
vit, deus, ist angehangen. Porewith konnte auch Pore-
mut, oder Poremuz (Sonnenmann, Sonnengott) heifsen,
nicht aber Porenuz, oder Porenit , welches letztere Wort
eine Göttin andeutet. Steinbrück irrt daher, wenn' er Po-
jrewith, Poremuz, Poremut, Porenuz und Porenit für
gleichbedeutend hält. Porewith oder Barovit war ohn-
streitis der alte Karenzische Sonnengott, und seine Idee
lag auch , wie schon bemerkt , höchstwahrscheinlich dem
Arconaischen Swantowit zu Grunde, wenn auch dem
Letzteren das Gesicht auf der Brust, das Schwerdt und
Füllhorn mangelt. Dem Porewith brachte man Pferde
imd Hähne zum Opfer, welches ihn als einen Sonnen-
gott bezeichnet. Das Gesicht auf der Brust halte ich
für das die Person bezeichnende, die vier oberen aber
— 205 —
deuten die vier Jahreszeiten und mithin die Herrschaft
der Sonne durchs Jahr an. Steinbrück bemerkt, dafs
die fünf Köpfe des Barovit oder Porewith die fünf Sin-
ne des Menschen bezeichnet haben. Diese Interpretation
aber, wenn sie je Statt gehabt hat, gehört der spätesten
Religionsperiode an. Wurde Porewith wirklich ohne
Schwerdt und Spiefs dargestellt, so beurkundet dies,
dafs er zu den ganz alten Sonnengöttern gehörte, die
den Frieden liebten, denen Menschenmord ein Gräuel
war, und die nur dann die mörderische Waffe ergriffen,
wenn es die Selbstvertheidigung galt. Dafs ich die Ge-
richts- oder Gerechtigkeits- Göttin Prowe oder Porowe
für den weiblichen Theil des nordwendischen alten Re-
ligions-Dualismus (Sonnen- und Mond-Cultus) halte, ist
schon bemerkt worden.
Herr Professor Mone führt (I. p, 205.) Porenut als
die dritte Gottheit in der Karenzischen Trimurti auf.
Nach der Regel mufs diese Gottheit eine rein weibliche
seyn. Dem Namen nach ist Porenut (por-nu-ut) ein
Mondgott. Richtiger ist Porenit, dessen Endung weib-
lich ist. Wenn schon Porenut eine diesfallsige Anoma-
lie ist , so noch mehr seine Darstellung in einem fünf-
köpfigen Bilde. Ich kann nicht umhin diese Darstellung
als unächt und untergeschoben zu erklären. Die erwähn-
te Darstellung kann nur einen Sonnengott und höch-
stens einen späteren Mondgott bezeichnen. Der Irr-
thum, dafs man der Porenit auch die Attribute eines
Sonnengotts zugeschrieben, ist ohnstreitig aus der Iden-
tificirung der Namen Porewith, Poromuz, Poromut, uud
Porenut oder Porenit, die sich auch Steinbrück hat zu
Schulden kommen lassen, entstanden. Immerhin konnte
die dritte Gottheit in der Karenzischen Trias Porenit
oder Poronet (nicht Porenut) heifsen, als Sonnen- oder
Mondgott konnte sie aber nicht dargestellt wei-den. So
wenig ich nachzuweisen vermag, in welcher Form die
Porenit dargestellt wurde, so sehr glaube ich, mich auf
die Natur der Götterdreiheiten so wie auf die Analogie
— 204 —
anderer Religionen stützend, dafs sie der Prowe ähnlich
war und dafs das , was von letzterer gilt , auch grölsten-
theils ihr zukommt. Porenit und Prowe sind nach mei-
nem Dafürhalten Synonima, und nur in der Endung ver-
schieden. Die Endung owe in Prowe bedeutet ein weib-
liches Wesen, wie schon oben bemerkt und ni-it be-
zeichnet die Mondgöttin. In der Idee rnufste die Karen-
zische Porenit der skandinavischen Freia , der preufsi-
schen Pikolos, der Arkonaischen Prowe und der indi-
schen Schiwen ähnlich seyn.
Die Nachricht: dafs die Karenzische Götterdreiheit
Ehebruch und Unzucht streng bestrafte , weiset nicht
nur auf die dort geltenden alten Moralgesetze, sondern
auch auf das hohe Alter des Porewith und der Porenit
hin, und man darf auch deshalb um so weniger anneh-
men, dafs Porenit eine spätere religiöse Abnormität ge-
wesen ist.
Zu Rhetra (re-te-era, eine in einer ebenen Gegend
gelegene Stadt) bestand die Avendische Trias aus Rugi-
wit, Karewit und Hirovit. Rugiwit (ru-ugi-wit) ist nur
eine andere Sprech- und Schreibart des Karenzischen Ru-
giäwit. Rugiwit und Karewit wurden, wie Mone (I.
p. 206.) erzählt, in einem Bilde mit vier männlichen
und zwei weiblichen Gesichtern so wie mit einem Lö-
wenkopfe dargestellt. Diese Darstellune zeigte an, dafs
in beiden das Männliche vorherrschte. Welcher von bei-
den vvar aber der alte Sonnengott in der Rhetraischen
Triraurti, Rugiwit oder Karewit? Dies ist mir nicht
deutlich. Höchst wahrscheinlich waren beide spätere
Mondgötter, von denen aber vorzugsweise Karewit sich
durch seine mondgöttliche Form, nämlich durch sei-
ne fast nackende Gestalt, durch seinen Kopf mit zwei
von Strahlen umgebenen Gesichtern und durch einen
Hahnenkopf auf dem Bauche auszeichnete. Karewit ist
ohnslreitig dieselbe Gottheit, die Steinbrück p. 16. un-
ter dem Namen Herovit oder Gerovit aufführt. Das g
— ^06 —
und k stehen auf der Lautlinie hart neben einander und
das g fällt im Slavischen bis h. Statt Gora (der Berg)
spricht man noch jetzt in der Oberlausitz Hora. Gero-
vit, den ich mit Karewit für identisch halte, wird von
Steinbrück Kriegsgott genannt, der zu Wolgast, Julin
und Havelberg verehrt worden sey. Sein Zeiclien sey
ein grolser, künstlich gearbeiteter, mit Goldblech über-
zogener Schild gewesen. Vielleicht hatte Rhetra, aufser'
dem in eine Person vereinigten Rugiwit und Karewit
noch einen besonderen Sonnengott, oder es hatte sich in
diesem kleineren Orte, wo früher nur eine Mondkirche
war, nie eine regelmäfsige Trias ausgebildet.
Hirowit ist dem Namen nach eine weibliche Gott^
heit, oder eine Mondgöttin. Dies deutet auch ihre Dar-
stellung an. Sie ist jung, ihre Beine sind ringförmig
vereinigt und auf dem Kopfe hat sie vier Hörner, wel-
che die Lichtveränderungen des Mondes anzeigen. Hatte
Hirovit eine männliche, mit derselben Sprachwurzel be-
nannte Gottheit neben sich, so mufste diese letztere
Harovit oder Horovit (gorovit) heifsen.
Dafs die Südwenden, d. h. die Bewohner de* Lau*
sitz, der Gegenden der Mittelelbe, der Mulde und der
Saale auch eine göttliche Trias gehabt haben, ist schon
deshalb nieht zu bezweifeln, weil die wendischen Völker^
Schäften in den Hauptlehren der Religion gröfstentheils
übereinstimmten. Ueberdies berichtet Albinus in seiner
Meifsner Chronik p. 299: „dafs Radegast sammt Swan-
tewitz und Zernebog von den Slaven um Meifsen zu Be^
nonis Zeiten verehrt worden ist." So gewift es aber ist^
dafs die Oberlausitzischen und Meiisnischen Wenden die
Sonne, die sie Svvönzo d. h. die grofse Berggottheit nann-
ten, als Gott verehrt haben, so ist es doch nicht so sehr
gevvifs, dafs der Sonnengott von ihnen durchweg Swan-
towit, oder Swonzewiz genannt worden ist. Er konnte
auch einen andern Namen, 2. B. den Namen Auxtheias
führen.
— 206 —
Bemerkt ist es schon worden, dafs sich vermuthlich
eine Spur von dem Glauben an den alten Sonnengott,
als den Höchsten, noch in der oberlausitzischen Grufs-
Erwiederung: wersch pomasy d. h. der Allerhöchste helfe
selbst, findet.
Die ehemalige Existenz des alten Cultus des Son-
nengotts, in dessen Nähe indefs auch in der Regel ei-
ne, auf einem niederen Orte liegende ara seiner Ge-
mahlin, der Mondgöttin, sich fand, vermuthe ich z. B.
auf dem eine Meile von Görlitz entfernten Todtensteine
bei Königshayn , auf dem Opfertische bei "Weigsdorf iu
dem Zittauischen Bezirke, auf dem Spitzberge bei Oder-
witz, auf der Lausche bei VValtersdorf , auf dem Tschor-
nebog und Tromberg bei Bauzen, auf dem Teufelsstein
bei Kleinbauzen, auf einem (jetzt zersprengten) Felsen bei
Zibelle, auf dem Koschenberge bei Senftenberg, hie und
da auf den Felsen des Spree-Ufers , auf dem Soraer Ber-
ge, eine Meile südlich von Bauzen, auf dem Pichow
zwischen Arnsdorf und Tautewalde, auf dem Hochstein
bei Elstra, auf mehreren von Menschenhänden der ebe-
neren Gegenden errichteten Rodzischczen u. a. a. O. In
der späteren Zeit, wo der (moderne) Mondcultus vor-
herrschend wurde, stellte man nicht selten da, wo frü-
her ein reiner Sonn3ngott verehrt worden war, das Bild
eines (späteren) Mondgotts auf. Man kann annehmen,
dafs da ein späterer Mondgott (Flins, ;Radegast etc.) ge-
standen hat, wo man an der ara einer männlichen Gott-
heit einen Begräbnifsplatz findet, weil die Todten, nach
den Vorstellungen des Alterthums, in die Nähe des Mond-
gotts, nicht aber des Sonnengotts gehörten.
Der spätere Mondgott der Oberlausitzer war Flins
und ihre Mondgöttin in manchen Beziehungen die Zi-
wa, in andern die Heia, Dziewiza etc., von denen wei-
terhin gehandelt werden soll.
Auch die Germanen hatten ihre Trimurti. Julius
— 207 —
Cäsftr nennt sie (de bell. gal. lib. VI.) Sonne, Vulcan
und Mond, Tacitus dagegen Mai's, R'Teicur und Herthura
oder Hertha (Tor, Odin, Freia. ). Mercurius, dessen Na-
me aus mer-cu-ur und ius zusammengesetzt ist und
Mondgott bedeutet, war lu Tacitus Zeit derjenige Gott,
den die Germanen vorzüglich verehrten. Deorum ma-
xime Mercurium colunt (sagt Tacitus germ. IX.), cui
certis diebus humanis quoque hostiis litare fas habenU
Cäsar nennt ihn (lib. VI.) Vulcanus, weil ein Theil sei-
nes Cultus mit den in Italien am 23. August gefeierten
Vulcanalibus, welche mit den früher erwähnten russi-
schen Kupaly gleiche Bedeutung gehabt zu haben schei-
nen, übereinstimmte. Der von Tacitus erwähnte Mer-
cur war, allen Andeutungen nach, der (spätere) Mond-
«nd Kriegsgott der Deutschen und ist demnach mit dem
Radegast, Flins etc. in eine und dieselbe Kategorie zu
stellen. Dafs aber der deutsche Mondgott, zum minde-
sten in dem östlichen Germanien, Woden (Odin) hiefs,
ist bekannt. Die ursprünglich weibliche Eigenschaft des
Mercur zeigt das e in der Sylbe mer an; das cur i. e.
dcus wurde später angehangen. In seiner rein weibli-
chen Form scheint der (deutsche) Mercur Mera oder
Mara geheifsen zu haben. Obgleich die Idee des Mer-
curs bei den Römern vielfach corrumpirt wurde, so liefs
man ihm doch das Amt des Seelenfübrens , das er als
reine Mondgöttin früher hatte.
Den Sonnengott der Germanen nennt Tacitus Mars
(mar-as, Berggott). Obgleich dieser Gott auch in Deutsch-
land diesen Namen führen konnte, weil die Wurzel
mur, mor, mar, mer, mir auch in der deutschen Spra-
che (Marder, Mark, Marburg, Markersdorf) nicht selten
vorkommt, so ist es doch höchst wahrscheinlich, dafs
er in vielen Gegenden Deutschlands auch Tor hiefs und
dafs er in seiner Repräsentation dem wendischen Swan-
towit glich. Julius Cäsar giebt uns (1. 1.) die ursprüng-
liche Vorstellung des Mars, indem er ihn Sol, Sonne,
Sonnengott nennt. Neben dem Mars nennt Tacitus (IX.)
— 208 —
den Hercules, und sagt, dafs die Germanen beiden Thie-
re geopfert hätten. Dafs sich Tacitus (1. 1.) einen Held
denkt, dies ist wohl nicht zu bezweifeln, und Manche haben
daher vorgeschlagen: dafs rnan statt Herculem ac Mar-
tern, Herculem seu Martern lesen solle. Welche religiöse
Vorstellung liegt aber dem erwähnten deutschen Hercu-
les zu Grunde? Aus dem Namen Hercules (her-cul-es),
der einen Mondgott bezeichnet, läfst sich diesfalls nichts
folgern, weil jedenfalls der deutsche und der griechische
Hercules sehr von einander verschieden sind , und weil
^ie Deutschen den in Rede stehenden Gott gewifs nicht
Hercules nannten. Nimmt man an, dafs Tacitus durch
Hercules nur einen göttlichen, die Völker zum mörde-
rischen Kriegeskampf führenden Helden verstanden habe,
so ist unter dem Hercules höchst wahrscheinlich ein spä-
terer Mondgott, z. B. der Woden oder Odin zu verste-
hen, den die Ostgermanen kannten und verehrten. In
diesem Falle wäre der deutsche Hercules des Tacitus
das, was er seinem Namen nach ist, nämlich ein Mond-
gott und von -dem Mondgotte der Westgermanen und
Gallier, dem Mercurius, in der Idee nicht verschieden.
Indefs scheint der in Rede stehende Hercules '^ doch et-
96 Der im III. Cap. des Tf'aci'tus erwähnte Hercules ist olin-
streitig, obgleich dem lateinischen Namen nach nur ein
Mondgott , der von den Deutschen und Slaven verehrte^ das
Volk in Kampf ftir Pveligion , Freiheit und Vaterland füh-
rende Sonnengott, der im IX, Cap. genannte aber, wenn
er mit dem Mars nicht identisch ist, ruht mit dem grie-
chischen Hercules ziemlich auf derselben historischen That-
sache. Der letztere ist ohne Zweifel in seinen iQyoi'g und
ätuQfQyotg eine auf griechische Art colorirte Andeutung der
Mühen und Kämpfe, welche die kräftigen, Gerechtigkeit
(Hinrichtung des Busiris und Emanthion) Und Humanität
(Befreiung des Prometheus) übenden, den Tod nicht scheuen-
den (das Heraufholen des Cerberus) Menschen der fernen
Vorzeit unter Leitung ihrer Priester bei der Cultivirung
des Erdbodens (vergleiche christliche Mönche), insonder-
heit aber bei der Ausrottung schädlicher Thiere (Nemäischer
— 209 —
was Anderes anzudeuten , nls einen blofsen ( ßpatcren )
Mondgott, weil Tacitus von ihm und von dem Mars (c.
IX) sagt: Herculem ac Martern concessis onimalibus pta-
cant. Die Nachricht des "Tacitus: dufs die Deutschen
nur dem Mond- und Kriegsgott Mercur Menschenopfer
darbrächten (cerlis diebus humanis quoque hostiis litare
fas habent), dem Hercules und Mars aber nur Thiere
opferten, scheint anzudeuten, dafs Hercules eine alte, viel-
fach für das Wohl und Heil der Menschheit wirkende,
nicht Menschenopfer fordernde Gottheit war, welche die
alte Sonnenreligion in ihrem wohlthätigen Einflüsse auf
die Landescuitur und auf die Gründung heilsamer lusti^
tutionen darstellte und die mithin dem Bogus oder JBac-
chus, dem russischen Korsch, dem litthauisch-preufsi*
sehen Curcho und dem wendischen Crodo, die auch Hel=
Löwe, Lerhäisciie Schlange, Erymantlieisclie Eber) bei der
Zähmung der Tliiere (die Diomedischen Pferde), hei der"
Verpflanzung südlicher Nutzthiere (Geryons Ochsen) und
Fruchtbäume (die Aepfel der Hesperiden) nach nördlichen
Gegenden, bei der Anlegung von Strafsen (über die Gara-
jas oder Alpen) und Canälen (Austrncknung des Thessali--
sehen Tempe), bei weiteren Seereisen (Argenauten, Hercu-
les Tyrius) u, s. w. zu bestehen hatten. So stark und inu-
thig auch die riesenartigen Männer waren, deren RepräseUi
tant Hercules ist, so zeigten sie sich doch nachgiebig ge^
gen das scliwächere Geschlecht, wenn sie sich die Liebe des ■
selben durch ihre Thaten erworben hatten (Omphale, Vergl,
die Ritter des Mittelalters), Hercules, dessen Idee älter
war, als des modernen Jupiters, wurde aber, seines jnorali-'
sehen Gehalts ungeachtet, in die Göttergesellschaft der spä-
teren Griechen und E.ömer nicht aufgenommen, weil er
eine religio antiqua und agrestris repraisentirte, die mit dem
späteren Jupiter-Fetischismus lange Zeit im Widerstreit blieb
(Todtschlag des Lehi-ers Linus, Verletzung des Delphischen
Heiligthums u. s. w. ), und deren AVerth erst dann, nach-
dem sie untergegangen war, anerkannt wiirde (Jünö läfst
ihren Zorn gegen ilui fahren, er wird in den Himmel auf-
genommen und erhält Hebe, die Göttin der Jugend, zur Oe*
mahlin )<
14
— 210 —
den in ihrer Art waren, glich. Das, was Tacitus (c. IL)
von Tuisco und Mannus berichtet, ist ohnstreitig ein Pro-
duct der Poesie der Barden, die schon zur Zeit des rö-
mischen Schriftstellers, wie die griechischen und römi-
schen Theologen und Dichter, so wie die späteren skan-
dinavischen Skalden, das Religiöse und Politische com-
miscirten. Für die wahren Conditores gentis germanicae
wurden früher ohnstreitig nur allein die Sonne und der
Mond gehalten. Späterhin supponirte man jedoch den
himmlischen Herrschern zwei wirkliche oder erdichtete
■weltliche Fürsten, Tuisco und Mann, von welchen die
Teutschen abstammen sollten. Bemerkt ist es indefs schon
worden, dafs es ein grober Irrthum ist, wenn man den
Namen der Deutschen von Tuisco ableitet, so wie es
auch eine religiöse Anomalie ist, sich einen deum terra
«ditmn (c. II.) zu denken.
Die Mondgöttin der Germanen kommt bei Tacitus
unter dem Namen Isis, Herthus (Herthis, Herthum) und
Alcis vor. Man darf die germanische Isis nicht gerade
für dieselbe Mondgöttin halten, die uns der ägyptische,
durch politische Elemente depravirte Mythus vorführt.
Eben so wenig kann es hinlänglich nachgewiesen wer-
den, dafs der (spätere) ägyptische Isis-Cultus von den
Aegyptern durch Priester - Colonien und Missionen sich
bis Germanien verbreitet habe, wenn es auch nicht ge-
läugnet werden kann, dafs er den Griechen und Römern
bekannt geworden ist. Obgleich Tacitus die germanische
(suevische) Isis wenig beschreibt, so geht doch aus der
kurzen Nachricht, die er von dem Cultus derselben giebt,
hervor, dafs sie die alte Mondgöttin war, welche die
Menschen in dem Acker-, Garten- und Weinbau unter-
wies (Ceres, Pomona, Ziwa), und die sie lehrte, die
Flüsse in ausgehöhlten Baumstämmen zu beschiffen. Sie
wurde selbst in dem Bilde eines leichten Fahrzeugs (Jacht)
repräsentirt, welches entweder den Einflufs andeutet, den
sie auf die Erfindung der leichten Fahrzeuge, so wie
auch als Göttin der Wissenschaften und Künste auf alle
— 211 —
menschliche Erfindungen gehabt hat, oder, was noch
wahrscheinlicher ist, den Halbmond, der gleich einem
leichten Fahrzeuge durch den Himrnelsraum zu schiffen
scheint, bezeichnet. Gewifs irrt Tacitus, wenn er den
Cultus der deutschen Isis für ein peregrinum (aegyptia-
cum?) sacrum hält. Die Mondgöttin verehrten alle Völ-
ker. Obgleich die religiösen Vov«rellungen in diesem
Falle so ziemlich dieselben waren, so hatten, ^^^^ doch
dieselben in Aegypten auf eine eigen thümliche Weise ^>,
bildet.
Etwas Aehnliches war sonder Zweifel auch in Ger-
manien geschehen. Cäsar, der die deutsche Religion ziem-
lich in ihrer primitiven Gestalt aufgefafst hat, nennt
die deutsche Göttin Luna. Diese Luna war zunächst al-
lerdings der Mond; aber in ihrer Function auf Erdeh
stand sie in verschiedenen Beziehungen zu den Men-
schen, und war ein Inbegriff mehrerer Göttinnen der
römischen Idololatrie, Höchst wahrscheinlich war auch
die germanische Isis eine dea summates, wie die ägypti-
sche, welche letztere bekanntlich die gebildeten Römefr
deshalb so anzog, weil ihre Idee universeller, reiner unff
naturreligiöser war, als die Idee irgend einer der römi-
schen Göttinnen.
Der Name der von Tacitus (c. XL.) erwähnten germa.
nischen Göttin hat den Intei-preten viel zu schaffen gemacht.
Dies wäre nicht der Fall gewesen, wenn Tacitus Hertham ge-
schrieben hätte. Denn Hertha, welches Wort aus her und ethä
oder esa zusammengesetzt und mit Here, Hora gleichbedeu-
tend ist, stünde hier am rechten Orte. Indefs behaupten die
mehresten Erklärer: dafs Tacitus nicht Hertham, sondern
Herthum geschrieben, und dafs ihm der deutsche Geni-
tiv Hertha's zu dieser Schreibart Veranlassung gegeben
habe. So wenig gegen diese Behauptung einzuwenden
ist, wenn man zugiebt, dafs Herthus dem weiblichen Ge-
schlechte angehört, so sehr ist es zu verwundern, dafs
Einige wähnen, dafs das von Tacitus gebrauchte Wort
14*
— 212 —
nicht Herthus, sondern Nerthus gelautet habe -und dafs
Nerthus eine Nachbildung des skandinavischen Njörd oder
Njördr sey. Obgleich Njörd (ner-ed) und Njördr (ner-
der) ursprünglich eben so gut den Mond, oder die Mond-
göttin bedeut^et, als Hertha, so ist es doch wohl nicht
zu erweisen, dafs die später bei den Skandinaven zum
Mond- und Monats -Gott exUobene, von den Wanen re-
r'n'rte Niöv' ^^ i'acitus Zeit von den Germanen verehrt
^.uen ist. Wenn es auch nicht zu läugnen ist, dafs
in der deutschen Sprache die Wurzel nur, nor, nar, ner,
nir z. B. in nördlich, Narr, nergeln u. s, w. vorkommt,
so doch noch öfterer die Wurzel hur, hör, har, her, hir,
und es ist auch aus diesem Grunde nicht erforderlich,
sich für die Lesart Nerthus zu erklären. Auch ist die
Meinung derjenigen zu beleuchten: die in dem Herthum
des Tacitus ein Wort unbestimmten Geschlechts, oder
ein Neutrum finden. Diese Meinung ist nicht so grund-
los, als sie bei dem ersten Anblicke erscheint. Man kann
€S als gewifs annehmen, dafs der fleifsig forschende Ta-
citus, ehe er sein Werk über Deutschland schrieb, auch
von Deutschen, insonderheit von in Deutschland gereis-
ten Kaufleuten, Erkundigungen über die deutschen Gott-
heiten einzog. Von den Befragten erhielt er die Aus-
kunft: dafs mehrere germanische, an der Ostsee woh-
nenden Völkerschaften auf einer im Meere gelegenen In-
sel gemeinschaftlich eine grofse Gottheit verehrten, die
ihm sonder Zweifel mit dem Namen Herdo oder Hertho
genannt wurde. Das Hertho, welches dem Tacitus als
ein Wort unbestimmten Geschlechts bezeichnet wurde,
gab Letzterer treu durch Herthum wieder. Dafs es aber
in Germanien und Slavonien , so wie auch anderw^ärts
gewöhnlich war, die von V'ielen verehrten und viel um-
fassenden Gottheiten mit einem Worte vom unbestimm-
ten Geschlechte (neutro) zu benennen, dies ist unläug.
bar. Solche Wörter sind z. B. Crodo, Juno, Lado, Cur-
cho, Henilo, Fricco u. s. w. Auch der angeführte Für-
stenname (Fürstentitel) Tuisco gehört zu der Classe der
angeführten Wörter.
— 213 —
Da das Hertho, Horthonur zwei verschiedene Formen
eines und desselben Worts sind, so ist es sehr wahr-
scheinlich, dafs Hertho, Hordo dieselbe grofse Berggott-
heit ist, die man gewöhnlich den Wenden unter dem
Namen Crodo zvischreibt. IndeLs erscheint die androgy-
nische Gottheit Crodo, Hordo (Curcho) bei Tacitus
ganz weiblich. Sie wird von dem erwähnten Schrift-
steller terra mater genannt. Auch wird von ihr berich-
tet: dafs sie bei den menschlichen Handlungen und Ge-
schäften zugegen sey, dieselben sehe, höre (intervenire
rebus höminum), und unter den Völkeru herumwandele
(invehi populisl); was Alles, nach den religiösen Vor-
stellungen des Alterthums, einer Göttin zukam. Ferner
zeugt auch die Nachricht von der weiblichen Natur der
Gottheit, dafs sie auf einem (niedrigen) Fuhrwerke (ve-
hiculum) von ( vermuthlich schwarzen) Kühen gefahren
wurde. Hätte die in Rede stehende Gottheit den Ger-
manen als ein politischer Sonnengott, oder nur als ein
(späterer) Mondgott gegolten, so mufsten ihren Wagen
Stiere, oder Rosse ziehen. Da die hier betrachtete Gott-
heit durchaus als eine weibliche erscheint, so ist es wohl
unbedenklich, sie Hertha zu nennen, wenn auch Tacitus
Herthus, oder Herthum geschrieben haben sollte. Statt
Hertha könnte man auch die Form Hert (her -et) ge-
brauchen, welche dann in Hort, (hor-ot, Berggott) Ho-
rus etc. ihren Gegensatz haben würde. Diejenigen irren
aber, welche annehmen, dafs die mehrerwähnte Göttin
ihren Namen von dem deutschen Worte Erde und dem
golhischen airtha habe. Eher kann die Erde, dieser
Schauplatz der (niederen) Thätigkeit der Mondgöttin, ih-
ren Namen von der Göttin Herta empfangen haben, als
umgekehrt. Auch iiTt man, wenn man die Ortsnamen
Harthe, Herthiswalde, Herzberg etc. von der Göttin Her-
tha ableitet. Diese Namen sind, wie alle alte Ortsnamen,
nicht abgeleitete, sondern primitive, und Harthe z, B.
heilst weiter nichts, als ein, an einem Berge (har) gele-
genes Dorf (athe, ase, aze).
— ^1.4,. ^
So wie die Plertha die uralte Mon^göttin der, vor
der Einwanderung der Wenden im Mecklenburgischen,
Vorpommern und auf Rügen wohnenden, Germanen war,
so verehrten dagegen die Lygischen Naharvaien die Al-
ois als eine alte Nationalgottheit. Der Name Alcis ist
^us hal, die Sonne, zin, der Berg und is, ein weibliches
Wesen, entstanden, und bezeichnet mithin eine Sonnen-
göttin, (Sonnengottsgemahlin) oder, wie man gewöhnli-
cher spricht, eine Mondgöttin.
Die naharvalische Alcis wurde höchstwahrscheinlich
mit einem Doppelgesichte oder in einer Doppelgestalt '^
dargestellt, weil die Pvömer sie, wie Tacitus (germ, XLIII.)
berichtet, fUr^ Castor und Pollux hielten. Sie war in die-
ser Foi'm ohnstreitig die Repräsentation des ursprüngli-
chen Religions-Dualismus , wie auch der römische Janus.
Wenn in dem römischen Janus das Männliche vorherrschend
blieb, so herrschte dagegen in der germanischen Alcis das
Weibliche vor, welches Letztere nicht auffallen kann,
wenn man eingedenk ist, dafs der Mondcultus in den
späteren Zeiten fast überall, vorzüglich aber in den nörd-
^7 Die beiden Hole, von welchen eines in Rheinhessen bei AI-
zey, von Dr. Emele, das andere aber 1825 in der Nähe des
Hohnsteins bei Elstra in der Oberlausitz gefunden und spä-
ter zur Sammlung vaterländischer Alterthümer in Dresden
abgeliefert worden ist (vergleiche Neues Lausitzisches Ma-
, gazin , 8. Bd. I. H. p. 63 ) , sind ohnstreitig Gopien des Bil-
des der Alcis - Gottheit. Der obere Theil dieser Idole reprä-
sentirt den Sonnengott, der untere die Mondgöttin. Der
Helm , Schild und Spiels dieser Idole deutet den kämpfen-
den Sonnengott an, der Fisch aber bezeichnet die Herrschaft
der Mondgöttin über das Niedere. Der ( das ) Crodo ruhte
mit Alcis ursprünglich auf derselben religiösen Idee; indefs
erschien in Crodo (auf einem Fische stehend) der Sonnen-
gott nur als Früchte - Spender. Crodo (cor oder gor-odo)
heilst Berggottheit. Dafs der Ort Alzey von Alcis und nicht
von der Beschaffenheit seiner Lage den Namen habe, dies
halte ich nicht für ausgemacht.
— 215 —
liehen Ländern, das Uebergewicht erhielt. In Janas und
Alcis erblickt man alle religiöse Ideen des Alterlhums
vereinigt, und sowohl Janus als auch Alcis waren in der
That der eine sichtbare Gott des Heidenthums. Höchst-
wahrscheinlich war diese religiöse Repräsentation in ur-
alter Zeit, wo man die Sonne und den Mond zu einer
Gottheit combinirte, gewöhnlich, und Castor und Pollux
gehörten ohnstreilig auch ursprünglich zu dieser Reprä-
sentationsart des uralten Religions- Dualismus. Sollte [es
wohl zufällig geschehen seyn, dafs der römische Senat
in dem Tempel des Castor vmd Pollux gewöhnlich seine
Sitzungen hielt, oder erwählte der genannte hohe Rath
deshalb den erwähnten Tempel zu seinen Berathschlagun-
gen, weil die Glieder desselben , die sich über die ge-
meine Idolülatrie ihres Volkes erhoben, in der Zwillings-
gottheit die älteste Gottheit erkannten, und weil auch
die Civil-Regierer des römischen Staats eben so gut un-
ter den Auspicien einer sehr alten Gottheit stehen woll-
ten, als die Krieger, denen der alte Janus in der Form
eines Adlers ^^ im Felde voranzog? Es ist sehr wahr-
scheinlich, dafs die Naharvaleu in uralter Zeit ihre Al-
cis eben so wie die Römer ihren Janus in der raännli-
lichen Gestalt verehrten, und dafs sich ihre Adoration
erst später, als der Mondcultus gewöhnlicher wurde, zu
98 Der vielbesprochene gallisclie Hahn war ohne Zweifel auch
ein Adler oder Rabe , und mit Recht liefs Napoleon seinen
Legionen einen Adler vortragen. Der Doppeladler der Oe-
sterreicher und Russen deutet den bei den meisten Völkern
später vorkommenden Glauben an: dafs der Sonnengott und
auch der Mondgott, die man beide durch Adler und Raben
(der Rabe des Odin) repräsentirte, die Völker zum kriege-
rischen Kampfe führe. Von diesem Glauben zeugt die Nach-
richt des Tacitus : Marti ac Mercurio aciem eonstruunt. —
Bei den Wenden war die Repräsentation des Sonnengotts
und des späteren Mondgotts durch einen Adler und Raben
nicht gewöhnlich und ihr Schimpfname Rapak d. h. Rabe,
scheint den ihnen feindlich gesinnten Gott der Germanen
zu bezeichnen.
— 216 —
dem weiblichen Theile der alten androgynischen Gott-
heit wandte. Die Nachricht, dafs die Naharvalen keine
Bilder ihrer Gottheit gehabt hätten (cf. Tacit. germ.
XLIII.) darf man keinesweges buchstäblich nehmen. Bild-
nisse der Gottheiten mochten wohl [die Germanen auch
haben, aber nicht solche wie die Römer, sondern nur
sehr einfache, kunstlose, ähnlich der Irmen, welche Carl
der Grofs£ zerstörte, und es scheint, als wenn die ger-
manischen Priester ihre einfachen Götter- Repräsentatio-
nen absichtlich mit Decken verhüllt hätten (cf. Tacit.
germ. XL.). Den Platz des Alcis-Cultus (lucus antiquae
religionis) verlegt Herr Professor Kruse auf den soge-
nannten Todtenstein bei Königshayn ohnweit Görlitz.
Allerdings scheint der Name der Naharvalen (na-har-va^
alen , niederer Gegenden und mittlerer Gebirge Bewoh-
ner) eine solche Gegend anzudeuten, wie die um Kö-
nigshayn und Görlitz ist. In dem, von Tacitus erwähn^
ten, heiligen Haine leitete ein Priester in weiblicher
Kleidung nicht nur den Cv;ltus, sondern er präsidirte
auch höchst wahrscheinlich bei den daselbst gehaltenen
Gerichten, wie der Hohepriester in dem Haine der wen-
dischen Prowe. Auch in dem Herthahaine wurden zwei-
felsohne Gerichte gehalten , und es ist sogar wahrschein-
lich, dafs die Prowe später von den Wenden der Hertha
gubstituirt wurde. Antons Meinung: dafs der Name Al-
ois eben das bedeute, was das wendische Hulzy (die Kna-
ben, Jünglinge) und Holczzy d. h. kleine Knaben, ist un-
gegründet. Die Lygier, zu welchen die Naharvalen ge-
hörten , heifsen in der gegenwärtigen Sprache : Nieder^
länder, oder Bewohner niederer Gegenden.
Unter den nordwendischen Gottheiten finde ich wei^
ter keinen männlichen Gott, als die oben erwähnten
Swantowit und Radegast oder Ridegast. Dagegen sind,
©ufser der Prowe, noch einige Göttinnen zu nennen.
Die Göttinnen sind auch in dieser Mythologie zahlrei-
ehtfi als die Götter. Dies rührt daher, weil der Mond
ia mehtei'ea Beziehvmgen zu dem Menschen gedacht
— 217 —
wurde. Er war die Gottheit, die für den Menschen von
seiner Zeugung und Geburt bis zu seinem Tode und
noch nach seinem Tode thätig war. Ueberdies schrieb
man der Mondgöttin noch nicht nur die Herrschaft über
die Naturkräfte, sondern auch über die in der Erde ver-
borgenen Metalle so wie die Sorge für die Thiere zu.
Da aber die Mondgüttin in sehr vielen Beziehungen und
Functionen gedacht wurde, so konnte es nicht fehlen,
dafs man sich dieselbe in der späteren idololatrischen
Zeit, wo man die beiden Hauptgottheiten, die Sonne und
den Mond nämlich, gleichsam in mehrere Gottheiten
spaltete, auch in verschiedenen Formen (Göttinnen) vor-
stellte. Dies geschah vorzüglich in den Pantheen der
grofsen Städte, wo die Priesterschaft, theils aus Politik,
theils aus Noth, die Gottheiten der verschiedenen Districle
und Provinzen des Landes aufnahm, ihren Rang imd
Functionen ordnete und ein Religionssystem bildete, in
welchem freilich oft eine anderwärts als universell gel-
tende Gottheit nur eine specielle , d. h. nur einen Theil
ihres alten Regiments behaltende wurde, während sie
dessen ungeachtet daheim noch ihre umfassendere Be-
deutung liehielt. Sehr wurde z. B. die Bedeutung des
keltischen Mercurs jenseits der Alpen beschränkt , und
Perkunst und Schvvaytix hatten in dem Pantheon zu
Rhetra nicht dieselbe Bedeutung, wie in Preufsen selbst.
Den gothischen und nordgermanischen Odin nahm man
in das nordwendische Pantheon zu Rhetra wohl nur deshalb
auf, weil unter den eingewanderten Wenden noch Deutsche*
verblieben und weil die Nord vvenden vielen merkantilischeu
Verkehr mit den Skandinaven halten. Dagegen kam bis*
weilen eine Provinzialgottheit in dem Pantheon eines
grofsen Volks zu hohen Ehren, wie z. B. die Pessinun*
tische Kybele, welche die in drei Welttheilen herrseben«
den Römer zu einer magna mater deum erhoben.
Unter den Göttinnen der Nordwenden sind noch an*
?uführen :
1. Pogoda oder Pogada , die man auch fälschlich
Dogoda genannt hat. Diese Göttin ist dieselbe,
— 218 —
welche bei den Böhmen den Namen Pohoda
führt. Die Russen und Polen, die mit den
Nordvvenden das g statt des h gemein haben,
nannten sie ebenfalls Pogoda. Die Pogoda hatte
höchst wahrscheinlich früher eine umfassendere
Bedeutung und glich der germanischen Isis, Hert
und Alcis (polnisch "Algis), so wie auch der Pro-
we. In späterer Zeit galt sie als eine Frühlings-
Witterungs- und Erndte-Göttin, welche über den
Eber, d. h. den Winter siegte, weshalb ihr auch
beim Weichen der strengen Kälte ein Wild-
schwein geopfert wurde. Das Weichen der stren-
gen Kälte bevvirkte freilich eigentlich der aus
dem Süden zurückkehrende Sonnengott. Weil
aber die Veränderungen in der Atmosphäre un-
ter dem Einflüsse des Mondes gedacht wurden,
so schrieb man nicht dem Sonnengotte, sondern
der Mondgöttin die Wiederkehr der milderen
Luft zu, und deshalb brachte man ihr im Mo-
nat Februar ihr vorzügliches Opfer, um sich ih-
rer Gunst zu versichern. Die Pogoda, diese
Freundin der Blumenkönigin (russisch Simzerla)
herrschte, unter wohlthätigem Einflüsse auf das
Gedeihen der Feldfrüchte , der Viehzucht und
auf das Gelingen der Fischerei, vom Ende des
Monats Februar bis in den Herbst, wo die Frost-
und Winter-Göttin (russisch Semarla) mit ihrem
eisigen Athem und mit ihrem Mantel von Schnee
und Frost ihre Stelle einnahm. Als Göttin des
während des Frühlings und Sommers Statt fin-
denden Ackerbaues führte sie eine Pflugschar
und die Wirkungen des unter ihrem Einflüsse
(Regen, Thau, sanfter Wind, Sonnenschein, blaue
heitere Luft) stehenden Feld- und Gartenbaues
bedeutete das Füllhorn, das sie trug. Man darf
sich nicht wundern, dafs die Wenden, welche
eine Ackerbau, Viehzucht und Fischerei fleifsig
treibende Nation waren, die wahrscheinlich frii-
— 219 —
her androgynisch (als Sonne und Mond zugleich")
gedachte Pogoda sehr verehrten , und dafs Letz-
tere im Nordvvcndenlande mehrere Kirchen hat-
te. Die später nur in der weiblichen Form vor-
kommende Pogoda war demnach ein sogenann-
ter Beibog und ohne Zweifel mit dem Kricco
(neutrum) gleichbedeutend. Kric oder Kir-ic ist
ein Diminutiv, aber Kricco ist ein Magnani-
tiv, und bedeutet die vielvermögende und viel-
verehrte weibliche Gottheit, die aber doch wie
Henilo zu den niederen (Bauer- Hirten- und Fi-
scher-) Gottheiten des Landes gehörte.
2. Siebog. Dieser Name ist aus si und e und bog
zusammengesetzt und hcifst Lebensgöttin. Das
Wort Si-e (skandinavisch Sif) bedeutet ohne
Zweifel das, was das polnische Zywie, und bog
(6 Kdi rj Q'ioe) ist später angehangen. Siebog war
die Göttin allen Lebens und hiefs bei den Süd-
wenden Ziwa. Besondere For-men der nordwen-
dischen Lebensgöttin waren Dziewanna (dschi-
wan - ana ) , Marzana und Dziedzielja. Die erste
war die Anregerin des Lebens (Venus), die Mar-
zana förderte die Geburten ans Tageslicht und
Dziedziela (die säugende, die Kindergöttin) sorgte
für die Nahrung und Pflege der Neugebornen.
Die Dziedzielja führte auch den Namen Zilsbog,
d. h. Göttin mit den Nährbrüsten.
Der Lebensgöttin Siebog ist entgegengesetzt
3. die Nemisa, Namisa, oder Nemis. Der NameNe-
misa ist aus ncm, d. h. der niedere Berg» der
Mond, und isa (die Göttin) zusammengesetzt,
und heifst folglich Nachtgöttin, Mondgöttin. Die-
selbe Bedeutung hat auch Nemis (nem-is). Die
Nemisa oder Namisa wurde bei den Nordwen-
den als ein nackendes Weib, aber auch als ein
bekleideter Mann mit vier Strahlen um das Haupt,
— 220 —
mit einem Flügel auf dem Letzteren so wie mit
einer Taube mit ausgebreiteten Flügeln auf dem
Bauche abgebildet. Dafs Nemisa eine Göttin
war, dies zeigt nicht nur der weibliche Name
derselben an, sondern zum Theil auch ihre At-
tribute, ihre nackte Gestalt nämlich und die
Taube mit den ausgebreiteten Flügeln auf dem
Bauche.
Indefs war diese Gottheit späterhin auch
zum Manne erhoben und eine Art Mond-
gott (Pluto) geworden, welches die auch vor-
kommende männliche Gestalt derselben so wie
die vier Strahlen um ihr Haupt anzeigen. Diese
Metamorphose ist jedoch nicht sehr zu berück-
sichtigen. Hält man aber auch nur die ursprüng-
liche weibliche Fomi dieser Gottheit fest, so ist
es demungeachtet nicht leicht die Bedeutung
derselben aufzufinden. Nach meinem Dafürhal-
ten war die wendische Nemisa (Nemis ist eine
kürzere Form) die E.ichterin und Bestraferin des
im Dunkeln und Geheimen verübten Bösen, die
Göttin des Todes und der Verstorbenen und zu-
gleich in der Form des Drachen die Wächterin
der unterirdischen Schätze. Wahrscheinlich hatte
sie nait der esthländischen Tarapyha, dem russi-
schen Daschebog so wie mit der böhmischen Mernt,
die man durch Pluto interpretirt , Aehnlichkeit.
Wenn die Prowe die offenbaren Vergehungen
der Landesgesetze bestrafte, so richtete dagegen
die Nemisa die verborgenen Verbrechen und ihr
Richteramt erstreckte sich auch auf die unter
ihrem Regimente stehenden Verstorbenen. Die
Function der Nemisa war demnach diesfalls
eine Fortsetzung und Ergänzung des Richter-
geschäfts der bürgerlichen Gerichtsgöttin, der
Prowe. Dafs man sich vor der Nernisa wegen
ihrer bis nach dem Tode fortdauernden Bestra-
fungen fürchtete, erhellet wohl daraus, daTs
sie die spätere Zeit Zernebog nannte. Ist es
gegründet, dafs die Nemisa die geheimen Ver-
gehungen rügte, so ist es unbezweiielt, dafs
sie mit der griechischen Nemesis nicht nur den
Namen gemein hatte, sondern dafs sie ihr
auch in der Idee sehr nahe verwandt war.
Dafs die Völker im Alter thume an eine un-
ausbleibliche Bestrafung des verborgenen Bö-
sen , welches die Landesgerichte nicht rügen
konnten, im Leben und nach dem Tode glaub-
ten, ist bekannt. Sollten die Wenden, deren
Religion sonst so viele Vorzüge hat, diesen
Glauben entbehrt haben? Gewifs nicht. Aber
wie sind die Wenden, wird man fragen, zu
der griechisch scheinenden Benennung der die
geheimen Sünden strafenden Göttin gekommen?
Es ist nicht nöthig anzunehmen, dafs die Sla-
ven erst , als sie im sechsten Jahrhunderte im
europäischen Norden und Westen des griechi^
sehen Reichs herumzogen, über die Donau gin-
gen, Thracien und selbst Griechenland aus-
plünderten und sogar im Jahre 620 mit den
A waren Constantinopel hart belagerten (ver-
gleiche Thunmann über die gottesdienstlichen
Allerthümer der Obotriten p. 45. und I'Caram-
sin russische Geschichte I. Theil ) mit der Idee
und mit dem Namen der griechischen Neme-
sis bekannt geworden wären. Die Idee dersel-
ben hatten sie gewifs schon früher, und es ist
anzunehmen , dafs dieselbe reiner und enger
war, als die der Griechen.
Aber haben nicht die Slaven zum Minde-
sten den Namen der Göttin von den Grie-
chen erborgt, wie Manche vermuthen, und
— 222 —
nur esis in Isa verwandelt? Es ist nicht nöthig,
auch nur dies anzunehmen. Denn die slavische
Sprache hat eben so gut, als die anderen Spra-
chen, insonderheit aber die griechische, die Wur-
zel num, nom, nam, Hern, nim, die, wie die Wur-
zel lu, lo, la, le, li, ausschliefslich für die Benen-
nungen der Mondgöttin und ihrer Geschäfte ge-
braucht wird. Die Slaven konnten daher den
Namen Nemisa, Namisa, Nemis schon früher ha-
ben, als sie mit den Griechen zusammen kamen,
obgleich man zugeben kann, dafs die wendische
Nemisa und die griechische Nemesis nicht ganz
dieselbe Bedeutung hatten. Die wendische Ne-
misa war, wie schon bemerkt, eine vorzüglich
die Verstorbenen richtende und bestrafende Göt-
tin und gleichsam eine Ergänzung der Gerichts-
göttin Prowe. Die Functionen der griechischen
Nemesis bezogen sich auf die Lebenden, weil die
Griechen schon ein, von den Aegyptern ent-
lehntes, Todtengericht glaubten. Nach meinem
Dafürhalten begegnen uns die ursprünglichen
Vorstellungen, die man von der Thätigkeit der
Nemesis hegte, in den verschiedenen Bedeutun-
gen des griechischen Zeitworts vs^ca. In der er-
sten Bedeutung heifst dies Wort nur vsfi-sa , oder
Mondgöttin ich bin, oder ich weide ( pasco ) das
Vieh, vorzüglich das Milchvieh, das, nach dem
religiösen Glauben des Alterthums, unter dem
Regimente der Mondgöttin stand. Die genannte
Göttin beaufsichtigte und bewachte aber nicht
nur das weidende Vieh, sondern sie sorgte auch
dafür, dafs eine jede Heerde ihre Weide hatte,
und daher rührt die Bedeutung 6.es Worts vsum,
in welcher es distribuo, partior heifst. Ferner
schützte die Mondgöttin die Hirten in dem Be-
sitze der Weideplätze, die sie entweder durch
Verträge, oder durch Verjährung als Eigenthum
inne hatten , und dadurch erhielt das Wort vi/tca
— 223 ^
auch die Bedeutung habeo, possideo, colo.
Leicht konnten die unbefriedigten Grenzen
des Weidelands von Habsüchtigen überschritten,
und den Berechtigten heimlich Schaden zuge-
fügt werden, und nicht immer konnten Letz-
tere diese Verletzung des Eigenthums ahnden.
In diesem Falle strafte die Nemesis das heim-
liche Unrecht bald durch die heimliche Ver-
letzung des eignen Weidegebiets durch Ande^
re, bald durch besondere Unglücksfälle in der
Viehheerde, bald auf andere Weise. Diesen
aufserordentlichen Strafact bezeichnet das Wort
rfufCKö, welches nur durch eine Verlängerung
des Worts vsiia und aus vefisa-aco d. h. ich bin
Berggöttin (vilciscor, punio) zusammengesetzt ist.
Der spätere Begriff des Worts vBfieaig bei den Grie-
chen (temperantia, modestia, aequitas, justitia),
welchen Herder entwickelt hat, ruhte, obgleich
er viel weiter war, als der ursprüngliche, doch
auf der anfänglichen Bedeutung des Worts Wu«.
Nur die durch Unrecht reich Gewordenen glaub-
ten im beängstigenden Bewustseyn ihrer Schuld,
dafs die Nemesis die Glücklichen beneide und
ihnen aus Neid ihr Glück entreifse. Die
Wörter vifisaig und vifirjötg, welche später ver-
schiedene Bedeutungen erhielten, waren ursprüng-
lich ohnstreitig nur eine verschiedene Sprech-
und Schreibart desselben Worts. Der Zusatz:
Nemisa-Rab (vergleiche Thunmann p. 57.) be-
deutet nicht, Sklave der Deutschen, sondern nach
meinem Dafürhalten, Mond-Gott. Das Rab (ra-
ab oder av, deus) entspricht dem Wid Raz, (ver-
gleiche Thunmann p. 53.), welches ein derivir-
tes Wort ist und Windgott bedeutet. Wäre Ne-
misa-Rab ein Schimpfname gewesen und hätte
es Sklave der Deutschen bedeuten sollen, so
mufste es heifsen : Raboczer, oder Robocznik tych
— 224: —
Niemzow. R.aboczicz oder RoboCzicz (robota, der
Frohndienst) heilst allerdings Sklavendienste ver-
richten j es ist aber diese Bedeutung nicht die primiti-
ve des Worts, In der primitiven Bedeutung hiefs ro-
boczicz (ro-botsch-icz) Mondgöttin- oder Mond-
gottseyn , und bezeichnete die ämsige , schwere
Thätigkeit mannichfacher Art, die der religiöse
Glaube des Alterthums der Mondgöttin zuschrieb.
Dafs die Erhebung der Nemisa zu einem Rab,
oder Gott, der späteren Zeit, wo man auch im
Slavenlande so wie schon früher anderwärts, die
Mondgöttinnen zu Mondgöttern potenzirte, ange-
hört, ist schon bemerkt worden.
Heia. Diese Göttin steht mit der die Lebenden
und Todten richtenden Nemisa in Verbindung;
denn sie war die Göttin des Todes und ihre Prie-
ster und Priesterinnen ertheilten einzelnen Fra-
genden Antworten (Todtenorakel). Dargestellt
wurde sie in einer fürchterlichen Gestalt , die
einen Löwenkopf mit aufgesprerrtera Rachen
und ausgestreckter Zunge hatte. Diese Göttin,
von welcher Mone (L p. 210.) glaubt, dafs sie
die Wenden von den Germanen recipirt hätten,
war ursprünglich eine in der fürchterlichen Feld-
schlacht kämpfende Bellona, oder Led. Ihr Lö-
wenkopf deutet an, dafs sie einer Löwin ähn-
lich ist, die für ihre Jungen wüthend kämpft,
im Allgemeinen bedeutete sie den Tod, der ge-
gen die Lebendigen wüthet und Keinen verscho-
net: Ihren aufgesperrten Rachen darf man nicht
geradezu für ein Symbol des Eingangs zur Un-
terwelt ansehen, weil es nicht gewifs ist, dafs
die Slaven an ein unterirdisches Todtenreich ge-
glaubt haben, wie die Aegypter, die ihre Tod-
ten in den Pyramiden aufbewahrten. Nach dem
Glauben der Slaven und Germanen verweilten
die Seelen der Verstorbenen in Erdklüften und
— 225 —
, Höhlen, welche von der Heia ihren Namen (He-
len) erhalten haben. Wegen ihrer tödtenden
Gewalt und ihrer furchtbaren Darstellung wurde
die Heia (he-ela) von den späteren Wenden Zer-
nebog, d.h. die böse Göttin, genannt.
5. Mita. Diese Göttin wurde anf;h Zernebog ge-
nannt. Aber Zernebog bedeutet hier nicht eine
böse, furchtbare Gottheit, sondern nur eiuo
dunkle Göttin, oder die Göttin der Nacht. Sie
wurde in der Gestalt eines liegenden Hundes
dargestellt. Diese Repräsentation deutet an, dafs
sie ursprünglich die Göttin des Schlafs und der
nächtlichen Ruhe und dem (der) Uslad der Rus-
sen ähnlich war. Dnfs die Mita bei den Wen-
den die Bedeutung des Cerberus- gehabt hat, ist
keinesweges gewifs. Hat sie aber je diese Be-
deutung im Wendenlande gehabt, so hat sie die-
selbe erst später, als südliche Religions- Ideen
auf den religiö.'^en Glauben der Wenden Einflufs
gewonnen hatten, erhalten.
Der Cerberus, dessen Name aus ker und ber
(kerber, Mondgöttin, ßerggöttin), so wie aus
der (anomalischen) männlichen Endung us zu-
sammengesetzt ist, bezeichnete anfänglich auch
eine weibliche Gottheit. Es läfst sich nicht genau
bestimmen, ob der Name Mita die primäre, oder
secondäre Bedeutung hat. Er ist aus Mi und ita
oder isa zusammengesetzt und heifst in der er-
sten Bedeutung Berggöttin, Mondgöttin. Diese
Bedeutmig hat aber auch das lateinische mater,
das wendische macz und das sanskritanische Mi-
ta. Es fragt sich nun, ob nicht die Nordwenden
die Mutter Mita genannt haben, da noch jetzt
die wendische Sprache viele Wörter hat, die mit
den sanskritanischen fast ganz gleich lauten, und
da die Russen noch jetzt die Mutter Matka, wel-
15
— 226 —
ches ein Diminutiv von Mata (Mita) zu seyn
scheint, nennen? Haben aber die Nordvvenden
der Göttin Mita den Namen der Mutter beige-
\eprt, so dachten sie sieh unter derselben ohnfehl-
bar ieue ahe, gute Nachtgöttin, welche die Men-
schen während il^-^s nächtlichen Schlafs, wie
eine sorß"^!^^ Mutter ihre Kinder , treu bewachte
und beschützte. Ihr Name ist dann mit der al-
ten russischen Baba (Jaga Baba ") gleichbedeu-
tend, von der' sie aber freilich sowohl in der
uns bekannten Idee , als auch in der Repräsen-
tation ziemlich verschieden ist. Die Idee, welche
dem (der) Tsibaz unterlag, scheint mit derjeni-
gen der Mita sehr nahe verwandt zu seyn. Diese
Gottheit wurde mit einem Hundekopfe und mit
einer Schlange um den Leib dargestellt. Nach
dieser- Darstellung war Tsibaz auch eine Nacht-
göttin, welches der Kopf des wachenden Hun-
des andeutet. Die Schlange, die sich um ihren
Leib schlingt, zeigt an, dafs diese Gottheit die
Patronin der Arzneikunde, oder der Zauberei
und folglich in der Idee eine sehr alte war, weil
nur den alten Gottheiten Zauberei zugeschrieben
wurde. Ob nun Tsibaz diejenige Gottheit selbst
war, der man den Namen Mutter (Mita) bei-
legte, kann ich nicht bestimmen. Ruhten aber
Tsibaz und Mita auf der Idee der uralten Mond-
göttin, so waren sie doch in der späteren Dar-
stellung ■ verschieden. Während nämlich Mita
rein weiblich blieb , war Tsibaz zu einer gyman-
drischen Gottheit erhoben, denn die Sylbe baz
bedeutet das, was bog, und Tsibaz heifst dem-
nach Mondgott. Die Umwandelungen der alten
Mondgöttinnen in Mondgötter war aber, wie
mehrmals bemerkt, in der späteren Zeit des wen-
dischen Heidenthums, nicht ungewöhnlich. Es
konnte auch seyn , dafs die alte Mond - oder
Nachtgöttin nur in einer Gegend des Landes in
— 227 —
einen Mondgott verwandelt wurde, und dafs man
beide Repräsentationen derselben, die alte und
die neue, späterhin gelten liel's. Dais aber Tsi-
baz anfänglich eine Göttin war, erhellet aus dem
hohen Vocal der ersten Sylbe des Worts. Wahr-
scheinlich hiefs sie, ehe das baz angehangen
wurde, Ti-isi. Dlojonigen irren sonder Zweifel,
welche das Tsi für das Zamv.,.^t j,.gi i^^^^^^^ ^^^
behaupten, dafs baz so viel heifse als ^riow oder
glav. Denn die Repräsentation der hohen o.tt_
heit Triglav in der Form des (der) Tsibaz ist
durchaus ungewöhnlich , und überdies haben die
Nordwenden, deren, Sprach -Dialect dem russi-
schen sehr geglichen zu haben scheint, das Zahl-
wort drei wohl nicht in der zischenden Form
der Oberlausitzer (tfsi) gebraucht.
6. Piadomysl. Dieses Wort ist kein primitives. Es
ist aus Radofs, d. h. die Wonne und Mysl (im
plurali: te Mysli ) der Gedanke, zusammenge-
setzt. Es soll eine Göttin bezeichnen, welche
die Urheberin wonniger (erotischer) Gedanken
war. Es ist aber sehr zu bezweifeln, ob die
Wenden eine solche Göttin besonders verehrt
haben. Die Erzeugung erotischer Gedanken schrie-
ben sie ohnfehlbar ihrer Aphrodite, der Siwa
oder Ziwa, zu, und es ist, nach meinem Dafür-
halten, durchaus nicht nöthig, Radomysl unter
den wendischen Gottheiten aufzuführen, dasselbe
gilt auch
7. von der Razivia, oder Raziwia. Dieses Wort be-
deutet schlechthin eine Göttin. In der zweiten,
Bedeutung heifst es Herrscherin, Gebieterin, vi'ie
Pani (Krasopani) bei den Mähren und Knenje
bei den Serben in der Lausitz. Das Wort ist
aus raz , d. h. Gott und iwa oder iwia , d. h. ein
weibliches Wesen ( hier dea ) entstanden. Raz
15*
— 228 —
hiefs ein Gott, z. ß. Wid>Raz, d. h. der Wind-
gott. Verwandt mit Raz ist das sanskritanische
Radscha und das polnische Rzadzca, welches Kö-
nig (rex) und Herischer bedeutet, so wie das
sanskritanische Rakschasa, i. e. regina, Reke, in-
gleichen das sanskritanische Rai, d. h. regnum
und das in der »ijerlausitz - wendischen Poesie
vorkomm '-■'^^^e Rai, welches dieselbe ßedeutung
(■xiebeski Rai, das himmlische Reich, das Reich
der Seligen) hat. Wenn auf der l5. Figur der
obotritischen Götterbilder neben der Sieba Ra-
■ziwia steht (vergl. Thunmann p. 58), so heifst
Raziwia weiter nichts, als Göttin, und das R.a-
ziwia ist nur eine theologische Note. Dafs man
dem Mondgott Radegast in der letzten Zeit des
wendischen Heidenthums eine Raziwia als Ge-
mahlin zugesellt halte, darf uns nicht wundern.
Haben doch auch die späteren indischen Brami-
nen , w^elche die ursprüngliche Religion der In-
dier auf eine unglaubliche Weise corrumpirt ha-
ben, ihrem Wischnu und sogar der Siwen Ge-
mahlinnen gegeben. ^^
99 Die späteren indisclien Theologen, welclie die ursprüngli-
che Bedeutung der indischen Trimurti verloren hatten, stel-
len dem Parabrama die Paraschakti, die alles hervorbrin-
gende Urniutter; dem Brama die Saraswadi , die Göttin der
Weisheit und Wissenschaft > der Harmonie und des Eben-
mafses ; dem Wischnu die Lakschmi , die ihn bei allen sei-
nen Verwandlungen begleitet, die Göttin aller Fruchtbar-
keit, aller Schönheit und alles Wohlseyns, die Mutter der
Welt, die grolse Gebärerin, die Holde, welcher zu Ehren
die Kuh verehrt wird; dem Schivva die Parwadi oder Bha-
wani, welche alle Verrichtungen ihres Gatten theilt, als
wohlthätige Erzeugerin und Freudengeberin, und als Rä-,
cherin, als Schöne, huldreiche Göttin, und als die Thranen-
Schaffende, Züchtigende, zur Seite. Vergl. de Wette Vorle-
sungen über die Religion, p. tll.
— 229 —
8. Misizlaw. Herr Prof. Mono (I. 207.) behauptet:
dals Misizlaw ein apotheosirter Held der Wenden
gewesen ist. Diese Behauptune; ist aber ohnstrei-
tig ungegründet. So tief waren nämlich die Sla-
ven und Germanen gewifs nicht religiös gefal-
len , dafs sie Menschen zu ihren Göttern gemacht
hätten. Misizlaw wurde in einer kriegerischen
Gestalt, deren Hauch vier Strahlen hatte, darge-
stellt. Der Name Misiz ist aus Mi--si-iz, d. h.
der Mond, entstanden und law (la-aw, deus) ist
später angehangen. Misizlaw, dessen Name mit
dem jetzigen wendischen Worte ton Miefsaz, d.h.
der Mond, als gleichbedeutend erscheint, bedeu-
tet demnach einen Mondgott, der dem Radegast,
Othin, Flins u. s. w. ähnlich ist. Vermuthlich
galt Misizlav einem Theile der Wenden als der-
jenige Mondgott, der sie auf ihren Zügen aus
dem Osten nach dem Westen geführt hatte. Dies
deutete seine kriegerische Gestalt an, und die
vier Strahlen, die aus seinem Munde gingen , be-
deuten die vier Lichtveränderungen des Mondes.
Misizlav mag mit dem germanischen Teut oder
Hercules dieselbe Idee haben und dieselbe Gott-
heit seyn , welche die Mähren Witislaw nannten.
Weil aber dem Misizlaw die Idee der alten Mond-
göttin zu Grunde liegt, deshalb habe ich dies©
späterhin dem Sonnengott substituirte alte Mond-
güttin, von deren Functionen der Name Mita
einen Theil umfafst, in die Klasse der weibli-
chen Gottheiten gestellt.
9. Prowe. Von dieser ist schon oben weitläuftig
gehandelt worden.
10. Opera. Immerhin mochte das Bild der Opera
(Masch fig. 30.) mit griechischen Buchstaben
bezeichnet vmd von einem griechischen Künstler
gefertigt worden seyn, so ist doch der Name die-
-- 230 —
ser Göttin schwerlich 'aus dem griechischen Bei-
namrn der Minerva eQyuvr] (nicht von iQyov, son-
dern aus her-ga-ane), den die Lateiner durch
Operaria übersetzten, gebildet, sondern der Na-
me ist slavisch und heilst ho-bera, d. h. Berg-
güttin, Mondgöttin. Sie wurde als ein nacken-
der Knabe mit Früchten, Laub und Vögeln ab-
gebildet. Warum sie auf diese Weise dargestellt
wurde, kann ich nicht ermitteln. Dieses Reli-
gions- Symbol pafst mir zu keiner der mir be-
kannten religiösen Ideen des slavischen Heiden-
thums recht. Ueberhaupt bin ich der Meinung,
dafs sich in den gegen das Ende des 17. Jahr-
hunderts bei Prilwitz aufgefundenen Götterbil-
dern manches Heterodoxe und Corrumpirte, das
Gepräge der, durch südliche und nördliche (skan-
dinavische) Religions - Vorstellungen inficirten,
späteren wendischen Theologie Tragende, findet.
Obgleich man in Rücksicht auf die bedeutende Cul-
tur, deren sich der gröfste Theil der V'V enden erfreute,
nicht annehmen darf, dafs es unter den Wenden selbst
keine Künstler gegeben hat, die im Stande waren, leid-
liche Götterbilder zu fertigen, so ist es doch sehr wahr-
scheinlich, dafs sich griechische und römische Künstler
ins Land der Wenden begaben und letztere, insonderheit
reiche Privaten unter ihnen, mit feiner fabricirten Göt-
ter-Repräsentationen versorgten, oder dafs die derartigen
Fabricate den W^enden von jüdischen Kaufleuten aus der
Ferne zugeführt wurden. Um den Käufer nicht in Zwei-
fel zu lassen , was er sich unter einem jeden religiösen
Symbole zu denken habe, setzten sie nicht nur den Na-
men der Gottheit darauf, sondern sie bemerkten noch
überdies, ob dieselbe ein Gott (Rab, Raz, Bog u. s. w.),
oder eine Göttin (Raziwia, Zir u. s. w.) sey. Ja, nicht
nur das Geschlecht der Gottheiten bezeichneten die Göt-
terbilder-Fabrikanten , sondern sie bemerkten auch schrift-
lich die Eigenschaften derselben, ob sie z. B. ein Zerne-
— 231 —
bog oder ein Bielybog, ein Slebog oder Gilbog, ein ur-
sprünglich slavischcr oder ein fremder Gott seyen. Solche
Bemerkungen, die man theologische Noten nennen kann,
sind die Inschriften, die sich auf mehreren bei Prilwitz
gefundenen Gütterhildern finden. So stehen auf dem
Bilde der Podaga (Pogoda) die Atafschriften Asiun, Lun»
Bill, VVid-Raz, welche alle die Eigenschaften der Gott-
heit andeuten. Das Wort Asiun halte auch ich für eine
andere Form für jasny, d, h. hell, heiter, klar ( vergl.
Thunmann p. 53). Lun heifst Mondgott. Bill bezeichnet
weifs und auch in der späteren Theologie der Slaven
bisweilen gut. Ist Bill wirklich mit 11 geschrieben, so
ist dies ein orthographischer Fehler. Dadurch aber, dafs
der Podoga das Prädicat bil oder biel beigelegt wird»
wird angedeutet, dafs Podoga eine den Menschen Ange-
nehmes und Erfreuliches erzeugende Gottheit (helles,
heiteres Wetter) ist. Die Note Wid Raz deutet an, dafs
die Podaga eine Göttin des sanft streichenden Win-
des, oder überhaupt die Beherrscherin des Wetters war.
In der oberlausitzischen Mundart heifst der Wind Witr,
in der niederlausitzischen aber Witsch. Indefs sprechen
die Oberlausitzer doch auch im Singular Wid statt Witr.
Wid ist dieselbe Form, welche in Wid Raz vorkommt.
Das Wetter nennen die Oberlausitzer to Wedro,
Dafs die bei Prilwitz gefundenen Götterbilder, nicht
in den Tempeln zu Rhetra, auch nicht nach der vermu-
theten Restauration, aufgestellt gewesen sind, ist wohl
keinem Zweifel unterworfen. Ohnstreitig gehörten sie
gröfstentheils zu dem Privat -Pantheon (Miniatur -Pan-
theon) einer reichen wendischen Familie, die sie zu ih-
rer Hausandacht benutzte, sich aber bei dem Eindringen
des Christenthums genöthigt sah, dieselben in der Erde
zu verbergen.
Wären die in Rede stehenden Götterbilder zur Auf-
stellung in den öffentlichen Tempeln bestimmt gewesen,
so würden sie ohnfehlbar gröfser und imposanter seyn.
~ 232 —
Die Wenden liebten nämlich in ihren öffentlichen Göt-
ter-Repräsentationen (Götterbildern), nicht nur, sondern
auch in dem Cultus der Gottheiten das Grandiose und
Glänzende, so wie es auch von einem Volke zu erwar-
ten ist, das lange dein grandiosen Sonnencultus ( Bergre-
ligion) treu geblieben war und das sich durch eine tiefe
Religiosität auszeichnete. Dafs die Wenden auf einen
gewissen Pomp bei ihrem religiösen Cultus hielten, dies
kann man aus dem folgern, was uns von dem Eindru-
cke, den das verschiedene Auftreten der beiden Missio-
narien, Bernhardus und Otto, auf sie machte, errählt
wird. Der aus Spanien stammende Eremit und resig-
nirte Bischof Bernhardus nämlich hatte schon im Jahre
1106 auf Veranlassung des polnischen Herzogs einen Ver-
such gemacht, das Christenthum in Pommern einzufüh-
ren. Weil dieser Bernhardus, den Gesetzen des Einsied-
ler-Ordens getreu, im einfachen Kleide erschien , schlech-
te Speisen als und keinen Wein trank, so nahmen die,
an einen glänzenden Cultus und an eine reiche Priester-
schaft gewöhnten pommerischen Wenden daran Anstofs
und bemerkten: „sein Gott müfste selbst sehr dürftig
„seyn, weil er sonst für seinen Gesandten mehr und bes-
„ser sorgen würde." Der Bischof Otto von Bamberg (ein
Graf von Andechs) der die Wenden und ihre Gewöh-
nung an das Grofsartige im Religions-Cultus genauerken-
nen gelernt hatte, ging bei seinem im Jahre 1124 in
Pommern begonnenen Bekehrungsgeschäfte mit mehr
Umsicht zu Werke. Er versah sich nämlich mit kost-
baren Kleidungen, Mefsgewänden, silbernen Kelchen, Pa-
tenen, Monstranzen und Geschenken für die Wenden,
hielt im glänzenden bischöflichen Gewände rührende An-
reden an das Volk und begab sich an die Höfe der wen-
dischen Fürsten zu Cammin , Julin etc. Ein erwünsch-
ter Erfolg krönte seine klugen Bemühungen (vergl. Stein-
brück Götzendienst in Pommern und Rügen, Stettin 1792
p. 8. und 9.).
Der Bersluc, d. h. Waldgeist, wurde vor dem Cri-
233
we und Veidelboten verehrt. Er hatte eine Bocksgestalt,
einem Satyr ähnlich , und heilst Zlebog oder Slebog,
büse, zornige Gottheit. Welche Bedeutung eigentlich
der Berstuc der Wenden hatte, dies läfst sich nicht ge-
nau angeben. Venxiuthlich gründete sich seine Idee auf
die frühere Bergreligion, die späterhin dem Fetischismus
weichen mui'ste. In dieser Voraussetzung hat man sich
unter Berstuc den alten Sonnengott zu denken, der auch
hier, wie anderwärts, in Thiergestalt erschien. Diesen
alten Gott fürchtete man sehr, welches seine Benennung
Slebog andeutet. Wahrscheinlich war der Eber mit lich-
ten Elauern, der aus dem See aufstieg, sich im Schlam-
me wälzte, wenn die Rhetrische Hierarchie eine blutige
und dauernde Empörung der Unterthanen befürchtete,
eine Andeutung des alten Gotts. Der Berstuc stand an
der Spitze sämmtlicher Waldgeister (bei den R.ussen
Lesnje, Liesni scilicet Duchi). Dadurch, dafs auch spä-
terhin noch Criwe und Veidelboten den Berstuc verehr-
ten, wurde der Zusammenhang der alten Religion mit
der neuen angedeutet und Berstuc galt eigentlich nur
dem Volke für einen bösen Gott, oder für eine Art
Teufel.
Die Gemahlin des Berstuc war Siksa, (sikisa, Berg-
göttin, Waldgöttin), die in der Gestalt einer ruhenden
(Andeutung der Mondherrschaft) Kuh abgebildet wurde.
Zii dem alten, abrogirten, oder vielmehr degradirten
wendischen Göttersysteme gehörten mit Besstuc und Sik-
sa auch die Gottheiten ürii nnd Gudii oder Kudii. IJrii
ist aus hur-ii entstanden und bezeichnet in dieser Form
eine Berggöttin. Bemerkenswerth ist hier die Endung ii,
welche alt, grammatisch richtig und mit der neuen En-
dung a, oder ia, gleichbedeutend ist. Der Urii wurde Zau-
berkraft zugeschrieben, welches nicht nur ihr hohes Alter,
sondern auch ilire weibliche Eigenschaft andeutet. Späterhin
hatte man diese alte, wahrscheinlich androgynische (Sonne
und Mond) Gottheit auch zu einer gynandrischen, oder zu
— 234 —
einem Mondgott gemacht, weil sie mit einem bärtigen
Kopfe abgebildet wurde. Indels konnte docli auch die
alte androgynische Form derselben diese Darstellung ver-
anlafst haben.
Nicht nur der grammatischen Beschaffenheit, son-
dern auch ziemlich der Bedeutung nach gleicht die in
dem Bilde eines kleinen weidenden Hirsches (Fig. 33.
der Rhetraischen AlterthiAmer) dargestellte Göttin Gudii
der Urii. Gudii (gu-di-i) heifst auch Gudis (gu-di-is).
Gudii ist mit Kudii gleichbedeutend, weil das g nur eine
Ascension des k ist. Obgleich Urii später mehr in der
weiblichen Form erscheint, so ist es doch wahrschein-
lich, dafs er früher mehr in männlicher Gestalt darge-
stellt wurde, und dafs, wenn er nicht selbst der mit ei-
nem allgemeinen Namen genannte Berstuc, doch ein al-
ter Berggott (hur) war, der mit dem alten russischen
Tschur Aehnlichkeit hatte. Es ist sehr wahrscheinlich,
dafs man im Alierthume den Sonnengott auch Hur, Hör,
genannt hat, weil sich bei den Griechen, Lateinern und
Deutschen die weibliche Form Sqa, hora, hera, Hure ^°°
findet.
Den, für bös gehaltenen, Waldgöttern waren die
bösen, im Hause schadenden Gottheiten entgegengesetzt.
Man nannte sie Gasta, d. h. überhaupt Gottheitrn. Gast
(Radegast) heist Gott, Gaste (unbestimmtes Geschlecht,
Neutrum) Gottheit, auch die grofse (hier gefürchtete)
Gottheit. Gasta (te gasta) ist der Plural von Gasto,
Unter den Hausgeistern wird in der nordwendischen
100 Mit dem Namen Hure, welches in der primitiven Bedeu-
tung eine Berggöttin und in der secondären eine Mondprie-
sterin beieiclinete, wurde wohl erst später eine unkeusche
Frauensperson benannt, als die alte Bergreligion ausartete
(Bacchanalien), oder als die späteren Priester und Priester-
innen die Anhänger und Anhängerinnen der alten Bergreli-
gion in feindlicher Absicht ins üble Licht stellten.
— 255 —
Mythologie nur der Zei-nebog Marovit, der mit einem
Lövvenkopfe, abgestumpften Armen, mit Schuppen unij
Federn so wie mit einem blumigen Rocke bekleidet dar-
gestellt wurde, genannt. Ohne Zweifel war Marovit ein
quälender Alp, dessen Idee ich weiterhin darzustellen
versuchen will. Der Name Marovit ist aus mar d. h.
hoch, der Berg und vit, deus, entstandezi, Marovit ist
demnach eine alte Berggottheit. Obgleich das deutsche
Wort Gast (hospes) mit Gasto avif derselben Wurzel ru.ht,
so darf man es doch nach meiner Meinung nicht von
dem letzteren ableiten. Das Wort Gast (hospes) bedeu-
tete anfänglich einen von fernem Gebirge gekomme-
nen Fremdling, der in der Fremde der Unterstützung
bedurfte. Dieselbe Bedeutung hat auch das wendische
Gosz oder Hosz.
Noch ist unter den nordwendischen Gottheiten Ipa-
bog zu erwähnen. Obgleich diese Gottheit in den Wäl-
dern ihre Geschäfte hatte, so war sie doch nicht eine so-
genannte Waldgottheit, oder sie gehörte nicht zu den
alten gefürchteten Göttern des Volks. Ihr Name ist aus
Hi und ipa (isa, iza) zusammengesetzt, und bog ist spä-
ter angehangen. Auf das Bog, welches nicht nur Gott,
sondern auch bisweilen Göttin bedeutet, darf man nicht,
viel Rücksicht nehmen. Der alte Name der Gottheit
war ohnstreitig Ipa. Auf ihrem Bilde ist eine Hirsch-
und Schweine -Jagd vorgestellt. Deshalb und wegen ih-
res ursprünglich rein weiblichen Namens kann man sie
für die nordwendische Jagdgöttin und mithin mit der
römischen Diana so wie mit der südwendischen Dziewiza
für gleichbedeutend hallen.
So wie man gegenwärtig in protestantischen Ländern
und Städten da, wo das Bedürfnifs es erfordert, auswär-
tigen Religions-Cultus (römisch-katholischen, griechi-
schen, jüdischen) gestattet, so gestatteten auch die tole-
ranten und, nach damaligen Begriffen, nicht wenig ge-
bildeten Nordwenden, insonderheit die in den Haupt-
— 236 —
und Handels-Städten, die Verehrung auswärtiger Gotthei-
ten. Dies war um so nöthiger, als sich in den an der
Ostsee gelegenen Handelsorten immer mehrere finnische
und skandinavische Kaufleute aufliielten und als wohl
bisweilen sogar mehrere Individuen der genannten Völ-
ker in den Wendenländern ihren Wohnsitz nahmen. Da-
her rührt es, dafs man neben den wendischen Götterna-
inen auch finnische und skandinavische findet. Zu den
finnischen, oder vielmehr esthländischen Gottheiten ge-
hört Tara. Tara bedeutet aber nicht den Sonnengott
Tor, sondern die Mondgöttin Taara, die nackend (ge-
wöhnliche Darstellung der ursprünglich v;?eiblichen Gott-
heiten) und mit einem Pfeil abgebildet wurde. Der
Pfeil deutete wahrscheinlich an , dafs Tara eine Gottheit
des Krieges und, nach der späteren Vorstellung, ein Mond-
gott war. Manche wollen in dem Pfeile auch ein Sym-
bol des Blitzes finden, welche secondäre Deutung auch
zulässig ist, weil die später entstandenen, leidenschaftlichen
(als die Menschen selbst böser und leidenschaftlicher ge-
worden waren) Mondgötter nicht nur kriegten, sondern
auch blitzten und blitzen kennten, indem der Blitz als
ein Erzeugnifs der niederen Atmosphäre und als ein,
dunkle Wetterwolken erleuchtendes, Licht schon früher
der Mondgöttin zugeschrieben wurde. Wahrscheinlich
war die Tara die esthländische Tara-pya (pya, Göttin)
in ihrer vielfachen, noch nicht hinlänglich bekannten Be-
deutung.
Auch Othin und Vohda wurden in dem Lande der
Nord wenden hie und da verehrt. Othin oder Odin ist
der bekannte Mondgott der Gothen , die vom kaukasi-
schen Gebirge nach Norden kamen, einen Theil des süd-
lichen Gestades der Ostsee einnahmen und dann zum
Theil nach Dännemark und Schweden zogen. Die Ver-
ehrung des Othin wurde im nördlichen Wendenlande,
theils durch den Aufenthalt skandinavischer Kaufleute
in den wendischen Handelsstädten , theils durch den
Umstand bedingt, dais noch eine Anzahl Gothen (Ger-
— 237 —
manen) in dem Lande der Obotritren blieb, als die
Letzteren das Land occupirt hatten. Auch nehmen Man-
che an: dais die Wenden schon früher von den Gothen,
als Erstere noch in der Nähe der Letzteren in den Ge-
genden des schwarzen Meeres wohnten, den Odin-Cultus
angenommen hätten (vergl. Thunraann über die gottes-
dienstl. Alterthümer der Obotriten p. 24.).
Neben Odin wurde im Wendenlande auch Vohda
oder Wohda, vorzüglich zu ßhetra , verehrt. Der Ety-
mologie nach ist Vphda eine Göttin. Der Name Vohda
kann nämlich doch nur aus vo und oda entstanden seyn.
Das h in der ersten Sylbe ist ohnstreitig ein orthographi-
scher Fehler. Voda, oder Woda heifst Berggöttin, Mond-
göttin. Als solche kündigt sie auch ihre Repräsentation
an. Sie erscheint nämlich gewöhnlich nackt, hat unter
ihren Attributen Schlangen und auf ihrem Bilde steht di« In-
schrift Zir undZinitra, vvelchesGöttin bedeutet. Nach meinem
Dafürhalten bedeutet die neben dem Odin verehrte Woda
nichts anders als die skandinavische Freia und die wendische
Ziwa in alter Form, überhaupt die., neben dem Mond-
gotte stehende, Mondgöttin.
Dafs die Woda ältere Religionsvorstellungen in sich
fafste, als die Freia (fer oder ber, ia) im neuen skandi-
navischen Glaubenssysteme, erhellet aus den ihr beige-
legten Sclangen, die sie als eine alte, die Arzneikunde
beschützende Göttin bezeichnen.
So wie Woda Berggöttin heifst, so auch Wanadis
(wan-adis, asis), mit welchem Namen man die Freia
benannte. Wanadis darf man aber nicht durch Göttin
der Wanen, die man mit Wenden für Synonima hält,
übersetzen, weil die Benennungen der Gottheiten nach Völ-
kern und Städten bei den Slaven durchaus ungewöhnlich zu
seyn scheinen, wenn auch die Wenden früher wirklich Wanen
(wa-anen, Bewohner flacher, waldfreier Gegenden, entgegen-
gesetzt den Hochländern, ] Sarmaten) geheifsen hätten. Das
— 238 —
deutsche Wort Wahn (opinio) ruht zwar mit dem Na-
men der Wanen auf derselben Wurzel, ist aber nicht von
den Wanen abzuleiten, sondern bezeichnet den späteren
idololatrisrhen religiösen Glauben, den die, der alten
Sonnen - Religion treu gebliebenen , Bergbewohner für
falsch hielten. Das slavische Wort Woda (aqua) lautet
zwar wie der Name der Göttin Woda; aber es bedeutet
etwas Niedriges , von Bergen Herstammendes und unter
dem Regimenie der Mondgöttin Stehendes. Auch haben
Manche behauptet, dafs Voda das bedeutet, was das in-
dische Budha. Nach meinem Dafürhalten ist aber Budha
nicht eine weibliche, sondern männliche Gottheit, und
das Wort Budha die umgekehrte männliche Endung
(Bud-ah), wie Brama (bar-am), Wischnu (wisch-un),
Menü (me-un) u. s. w.
Unter den fremden Gottheiten, die im Wendenlan-
de verehrt wurden, ist auch Balduri genannt. Es ist
schwer, genau zu bestimmen, welche Bedeutung diese
Gottheit gehabt hat. Der Name derselben, der aus Bai,
die Sonne und duri, die Göttin, zusammengesetzt ist,
bedeutet eine Sonnengottsgemahlin, Mondgöttin. Darge-
stellt wurde Balduri mit drei gehörnten Köpfen, und sie
führt den Namen Rathgeber. Die drei Köpfe der Balduri
scheinen einen Triglav anzudeuten, so wie die drei Hör-
ner drei Halbmonde. Ich vermuthe es, dafs Balduri die
drei Gottheiten Tor (Bai), Odin (Wodan) und Woda
in sich vereinigte, kann es aber nicht bis zur Evidenz
beweisen. Dafs man diesen, von mir supponirten, Trig-
laf mit einem weiblichen Namen benannte, wird nicht
auffallen, wenn man sich erinnert, dafs in der späteren
Zeit der Mondname so wie der Mondcultus überall vor-
herrschte. In Steinbrücks Abbildungen der wendischen
Gottheiten erscheint Triglav durchaus weiblich, welche
Repräsentation um so zulässiger erscheint, als Triglav
zwei Mondgottheiten in sich fafst. Es galt auch hier
sonder Zweifel die Regel: a potiori fit denominatio.
— 239 —
Es kann seyn, dafs die Wenden in ihrer Sprache
Balduri auch Triglowa, d. h. die dreiköpfige nannten und
sich zu diesem Adjectiv das Hauptwort Göttin (Bya, Ra-
7.iwa, Zir, Zirnitra etc.) dachten, ßathgeber wurde die
Balduri wohl deshalb genannt, weil sie vorzüglich Ora-
kel ertheilte. Wurde die dreiköpfige Balduri nur von
den Skandinaven und den im Wendenlande verbliebe-
nen,' oder sich bisweilen in das Land der Wenden be-
gebenden Germanen verehrt, und gaben die Balduri-Prie-
ster nur diesen durch Orakel Rath, so bildeten sie eine
zweckmäfsige, wohlthätige Anstalt, bei der sich ihre,
sich in der Fremde befindenden Nationalen, aufser reli-
giösem Trost, auch sonst noch Rath und Hülfe erholen
konnten. Diese Anstalt hatte einige Aehniichkelt mit
den heutigen Gesandtschaften in fremden Ländern, ^°^
welche dort die Nationalen vertreten, und sie durch Rath
und That unterstützen.
V. Religion der Südwenden.
Schon früher habe ich (Neues Lausitzisches Magazin)
es ausgesprochen, dafs ich mit Karamsin (vergl. russische
Geschichte, I. Th.) der Meinung bin: dafs die jetzigen
101 Vorzüglich mit der geistlichen Mission der Russen in Pe-
king.
— 240 —
Oberlausitzei* und Meifsner Wenden so wie die ehemali-
gen Wenden des Erzgebirgischen und Leipziger Kreises
aus Serbien und Slavonien herstammen und dafs sie, weil
sie sich dem Awaren - Chan Bajan nicht unterwerfen woll-
ten, durch Tschechien in ihre letzten Wohnsitze einge-
wandert sind. Die Einwanderung dieser Freiheitliebeaden,
von der Cultur der Griechen, mit denen sie gegen ein Jahr-
hundert verkehrt hatten, angehauchten Flüchtlinge wurde
für den Anbau des Landes im hohen Grade erspriefslich. Ge-
gen die früher in dem Südwendenlande wohnenden Ger-
manen, namentlich gegen die Naharvalen, Lygier, Hermun-
duren u. s. w. führten sie nicht einen Vertilgungskrieg, son-
dern beenügten sich mit den niederen, vorzüglich zum
Ackerbau geeigneten Gegenden, beliefsen dagegen die ge-
hirgigen den Germanen. Daher rührt es , dais noch jetzt
in der Oberlausitz in den Gebirgsgegenden deutsche Zun-
ge und Sitte , in den niederen dagegen die wendische
herrscht. In der Niederlausitz und an der Mittelelbe
stiefsen sie mit den, auf einem andern Wege in die
Spree-, Havel- und Eibgegenden gekommenen, Wenden
zusammen und verschmolzen hier wieder mit denselben,
von denen sie sich vor ihrer Einwanderung in die Gren-
zen des griechischen Kaiserreichs wahrscheinlich getrennt
hatten. Man kann es jetzt nicht genau angeben, wie
weit die aus Südost eingewanderten Wenden nordwärts
vorgeschritten sind, weil sich gegenwärtig auch die nie-
derlausitzer Wenden Serben nennen. Jetzt zeigt sich
uns da eine Scheidungslinie zwischen den Süd- und
Nord -Wenden, wo sich der süd- und nordwendische
Sprachdialect trennen, oder wo man z. B. statt hora go-
ra, statt hat gat, statt prawo pschawo, statt jeden jaden,
statt fswjaty fswety etc. zu sprechen anfängt.
Die Wenden in der Oberlausitz, in der Niederlausitz und
im Meifsnischen nennen sich jetzt alle Serben, oder Sserben
d. h. Bewohner niederer Gegenden. Die in den oberen
Bezirken des Meifsner Kreises früher wohnenden, hiefsen
Daleminzen (dal-min-izen), welches Wort dem Namen
— 241 —
Hermunduren entspricht. Das Wort dal hat zwar oft die
Bedeutung eines hohen Berges, wie z. B. in Dolagir, in
Dole im Elsafs, im Ortsnainen Dahlen am Tromsberge
bei Baüzen ii. S. vv, Indefs wird dies Wort auch zur
Bezeichnung niederer Berge gebraucht. Da in dem Na-
men Daleminzei;! dem Worte dal noch minzen, welches
Bewohner niederer Gegenden bezeichnet, angehan"'en ist,
so kann man Daleminzen, oder Daleminzier durch Be-
wohner hoher und niederer Gegenden übersetzen. Wahr-
scheinlich blieben auch in den höchsten Gebirgsgegenden
des Meifsner und Erzgebirgischen Kreises die Germanen,
sitzen, die Wenden dagegen nahmen die niederen Berge
und das ebene Land in Besitz.
So wie die Oberlaiisitzer, Meifsner und Leipziger
Wenden mit den Nordwenden zu einem und demselben
Hauptvolksstamme gehörten, so hatten sie auch mit den
Letzteren denselben Religiönsglauben. Indefs ist es ge-
wifs, dafs die Südwenden Einiges aus der Religion dei!
Böhmen und Schlesier, mit denen sie in enger Verbin-
dung standen, so wie insonderheit aus dem Glauben det
Germanen, die vor ihnen im Lande gewöhnt hatten und die
an ihrer Seite sitzen blieben, in ihre Mythologie aufnah-
men. Wäre auch nur ein Prilwitzisches Pantheon in dem
Lande der Südwenden aufgefunden worden, so könnte
man bestimmtet über die Beschaffenheit der südWendischen
Religion in der letzten Zeitperiode ( vor der Einführung
des Chlristenthums ) ürtheileü. Ich habe die Religion der
Südwenden von der nordwendischen deshalb geschieden,
weil im Südwendenlande einige mythologische Namen
vorkommen, die uns in der nordwfendischen Religion
nicht begegnen, und weil sich sowohl das politische,
als auch das religiöse Leben in den binnenländischen
Kreisen (Ssüpauien ^°^) der Südvvenden doch etwas an-
102 Das Wort Ssupän (auch Scliupan) bedeutet einen Fürsten.
Die Ssupane scheinen aber nicht die Gewalt besessen zu ha-
16
— 242 —
ders gestaltete, als in den, an die Ostsee angrenzenden
nordwendischen Fürstenthümern. In Norden mischte sich
das Skandinavische, Preufsische und Finnische in den
Glauben der Wenden, im Süden dagegen das Böhmische,
Schlesische und Südostgermanische.
Fragt man zunächst darnach, wie ider Sonnengott
der Südwenden geheifsen hat, so ist darauf Folgendes zu
antworten. Die südlichen Wenden verehrten in der späte-
ren Zeit allerdings auch die Sonne, diese grofse, wohlthäti-
ge Gottheit, und benannten sie mit dem unbestimmten
(Neutrum) Namen: to Szwonzo. Es ist unläugbar, dafs
dieser Benennung die alte Idee der einen androgynischen
grofsen Gottheit (Sonne und Mond zusammen) zu Grun-
de liegt, Indefs hatte sich auch bei den Südwenden nicht
der erwähnte uralte Monotheismus erhalten, sondern auch
bei ihnen waren die Sonne und der Mond, als getrennte
Gottheiten, in das Leben der Menschen, der Thiere und
der leblosen Natur herabgezogen worden , die man mit
verschiedenen Namen benannte und die man durch ver-
schiedene Idole repräsentirte. Der Sonnengott hat hier
höchst wahrscheinlich die Namen Hausch, oder Aux, Han
oder Hon und Jun oder Tutor geführt. Hausch (Aux-
theias) wurde der Sonnengott, nach meiner Vermuthung,
in der südöstlichen, an das schlesische Gebirge anstofsen-
den Oberlausitz genannt. Der Name Aux, oder Hau-as,
ax kann ein primitiver, jedoch aber auch ein derivirter
seyn. In beiden Fällen bedeutet er einen Berggott, Son-
ben, wie die nordwendischeii Fürsten (reguli). Im Südwen-
den-Lande scheint eine mehr democratische Regierung Statt
gehabt zu haben. Das Wort Ssupan hat man auch durch
Gerichtsherr (Schofet, Consul) übersetzt, und Ssupanie
durch Gerichtsbezirk, Fürstenthum, Canton u. s.w. Aus
Liebe zur Freilieit hatten die Siidwenden ihre früheren
Wohnsitze (an der westlichen Grenze des griechischen Kai-
serreichs) verlassen. Vergl. Karamsin's russisch. Geschichte,
1. Bd,
— 243 —
nengott, Höhengott, das hocherhabene Wesen. Der Name
Aux, Hausch, Haus ist ohnstveitig mit dem Haus in dem
Worte Hausieuer, d. h. Bergfeuer, dasselbe, und das
noch jetzt von den Oberlausitzer Wenden gebrauchte Boh
werschny eine Uebersetzung des Auxtheias.
Als das Christenthum in der Oberlausitz eingeführt
wurde, brauchte man den Namen eines rein männlichen,
hohen, grofsen Gotts, zur Bezeichnung des einzigen
wahren Gottes. Von dem Oo.ip. ^^^^ ^^^^^^ Namen man
den wahren Gott benennen wollte, muis.^ ^^^ Glaube
herrschen, dafs er uralt, mächtig, gütig, unveränoc-cij^^u
barmherzig sey. Diese Bequisite fand man nun in dem al-
ten Berggott, dessen Idee doch nicht untergegangen war,
obgleich zur Zeit der Einführung des Christenthums seine
Verehrung der des späteren MondgottsFlins hintenan gesetzt
wurde. Dafs der Name Aux, Hau-as, Haus, Hausch ger-
manisch ist, dies unterliegt wohl keinem Zweifel. Ist
der Name nicht ein primitiver, so ist es wahrscheinlich,
dafs ihm der alte Berg- oder Sonnengott Mars (mar-as)
zu Grunde liegt, weil die Mondgöttin unter dem Namen
Mars noch in der späieren Zeit in der Zittauer Gegend
vorkam, und weil die Wurzel mar sich noch in mehre-
ren Ortsnamen der eben genannten Gegend, z. B. in
Markersdorf, Marklissa, Marktliennersdorf u. s. w., so
wie in dem Bergnamen Kotmars (berg) findet, obgleich
es gewifs ist, dafs die genannten Orte von dem früher
daselbst Statt gehabten Cultus des Sonnengotts Mars und
der Mondgöttin Mara ihren Namen nicht erhalten haben.
Der Name Hon ist höchst wahrscheinlich nur eine
andere Form für Hau-as, oder ax. Das Wort Hon ist
aus Ho und on zusammen «besetzt und bezeichnet einen
Berggott, Sonnengott. Es ist dies die Wurzel, die in den
Namen Hünen (hu-unen, Bergbewohner), Hungaria (hun-
gar-ia), Homburg (Bergstadt) u. s. w. vorkommt. Der
Name Hon scheint eher germanisch, als slavisch zu seyn,
weil die Wurzel hun, hon, han, hen, hin in der deut-
16*
— 244 —
sehen Sprache skh oft findet. Intlefs ist es gewöhnlich
unsicher, wenn man auf den Grund der Bemerkung, dafs
eine Wurzel in einer Sprache häufig vorkommt, sogleich
behauptet, dafs dies oder jenes Wort einer Sprache al-
lein angehört. ^°^ Die erwähnte Wurzel begegnet uns
nämlich, wenn auch nicht so oft, als im Deutschen, auch
in der wendischen Sprache, z. B. in Huno, die Tenne.
Hono, die hochgelegene Feldflur, Honak, der Hahn u.
s. w. Für die Meinung, dafs Hon bei den Wenden den
Sonnengott bedeutet habe, -rriLtit ohnstreitig die noch
bei denselben gewöhnliche Benennung des Weihnachts-
festes» ^'^'eiches Hody (ho-ody) heifst. Ohne Zweifel feier-
ten die heidnischen Bewohner des Südwendenlandes, ohn-
gefähr um Weihnachten, das Fest des aus dem Süden
wieder zurückkehrenden Sonnengotts, Dieses Fest war
dasselbe, dessen Feier die Russen am 24. December be-
gingen und das sie Koliady nannten. Ferner weiset die
noch jetzt bei den Südwenden übliche Benennung eines
Heiden (Puhan) darauf hin, dafs das Wort Hon, oder
Han, den Sonnengott bedeutet hat. Puhan heifst näm-
lich in der ersten Bedeutung Berggott, deus montanus,
in der zweiten bezeichnet es aber einen Menschen, der
dem Cultus des Berggotts hartnäckig anhängt. Höchst
wahrscheinlich war das Wort Puhan schon lange vor der
103 So scheint es, dafs das Wort Meer, Morjo (wendisclien) dem la-
teinisclien mare, welches wieder aus dem Sanscrit stammen soll,
nachgebildet ist. Sowohl die Deutschen als auch die Wen-
den, hatten aber ohne Zweifel das Wort, womit sie das Meer
bezeichnen, viel früher, als die lateinische Sprache mitdem
Christenthume zugleich in ihren Ländern sich verbreitete.
Bezeiclmend und malend ist insbesondere das wendische Wort
Morjo, welches ein Hohes, das aber wie ein sanft anstei-
gender Berg sich erhebt (ojo) bedeutet. Das griechische 9d-
Jicicaa ist aus thal, d. h. der Berg und asa, ein weibliches We-
sen, zusammengesetzt und scheint ursprünglich nur einen
Landsee bezeichnet zu haben , n^layog (pel-ag) und 'ansavog
(ho-ke-an) dagegen das hohe Meer, das Weltmeer,
— 245 —
Einführung des Christenthums bei den Südwenden üb-
lich, und bezeichnete die Anhänger der Sonnenreligion
der zweiten Periode, die auch hier, wie anderwärts, am
längsten in dcai gebirgigen Gegenden ihren alten, von
dem modernen Fetischismus bedeutend abweichenden re-
ligiösen Cultus fortsetzten. Die niederlausitzer Wenden
nennen einen Heiden Tatan, welches Wort von dem al-
ten polnischen, Segen, Gedeihen und Fülle spendenden
Sonnengott Datan (Tatan ist nur eine härtere Sprechart),
und nicht von den im ISten Jahrhunderte bis nach
Schlesien vorgedrungenen Tataren abzuleiten ist. Weil
aber die Niederlausitzer einen Heiden Tatan nennen, so
kann man annehmen , dafs der Datan nicht blos in Po-
len, sondern auch in der Niedex^ausitz als Sonnengott
(zweite Religionsperiode) verehrt worden, und dafs der-
selbe wie Hon dem Saturn, Tschur, Quoschcz u. s. w.
ähnlich gewesen ist. Auch der niederlausitzer Sprach-
dialect hat mit dem polnischen viel Aehnlichkeit. Fälsch-
lich hat man das oberlausitzische Wort Pohan von dem
lateinischen paganus abgeleitet. Obgleich nämlich das
Verhältnifs, in welchem die Christen in Italien zu den,
an der Idololatrie fest hängenden paganis standen,, und
dasjenige, welches zwischen den späteren fetischistischen
Bewohnern des Südwendenlandes und den, sich in die
Gebirge begebenen, Anhängern des Sonnencultus zweiter
Periode Stattfand, Aehnlichkeit hatte, so war doch, wie
eben bemerkt, das Wort Pohan in der Oberlausitz eher
vorhanden, als die dasigen Wenden mit dem Christen-
thume zugleich mit einigen lateinischen Wörtern, z. ß.
Saerament, Pretzel (pretiolum) u. s. w. bekannt wurden.
In dem jetzigen preufsischen Potsdamer Regierungs-
bezirke liegt eine ehemals wendische Stadt, welche Jüter-
bog heifst. Weil die letzte Sylbe des Namens dieses Orts
mit dem wendischen Worte Bog (Gott) gleichlautet, so
hat man angenommen, dafs es einen wendischen Gott
Namens Jüterbog gegeben , dafs dieser Gott in der Stadt
Jüterbog verehrt worden ist und dafs diese Stadt von
— 246 —
demselben Gotte ihren Namen erhalten hat. Dieser Schlufs
ist aber falsch. Das Wort Bog bedeutet in dem Namen
Jüterbog weiter nichts, als Stadt. Es ist gleichbedeutend
mit dem bach in den Ortsnamen Culrabach, Rambach
u. s. \v. Die beiden ersten Sylben des Ortsnamen (Jü-
ter) bilden den ursprünglichen Namen des Orts, welcher
einen, an ehaer sanft ansteigenden Anhöhe tief liegenden
Ort bedeutet; das bog wurde später angehangen, als der
ehedem kleine Ort (Jüter) ein grofser, befestigter wurde.
Der Wortbedeutung nach war das Dorf Milstrich bei Ca-
menz , welches im Wendischen den Namen Jütro führt,
in alten Zeiten bedeutender, als Jüter. Jütro ist näm-
lich, wie lipsko (Leipzig), Wino (Wien), Blunjo (Bluno
bei Hoyerswerda ) u. s. w. ein etwas Grofses bedeuten-
des Neutrum. So wenig aber der Name der Stadt Jü-
terbog den einstigen Glauben der Wenden an eine Gott-
heit, die ohngefähr so hiels wie Jüterbog, beurkundet, so
kann man doch aus einem andern Grunde annehmen, dafs die
Wenden eine Gottheit, deren Name mit Jütex-bog ziemlich
gleichlautend war, verehrt haben. Diesen Grund finde ich
in der noch jetzt gewöhnlichen wendischen Benennung des
Osterfestes, welches Jutry (Ju-utry) heilst. Dafs diese
Benennung von dem Namen einer Gottheit der heidni-
schen Wenden herrührt, ist wohl nicht zu bestreiten. Es
fragt sich aber, welchen Namen eigentlich die Gottheit
hatte, von welcher die Benennung des Osterfestes, Jutry,
herstammt? Der Morgengrufs der niederlausitzer Wenden
lautet noch jetzt Dobrejtscho. Dieses Wort ist, wie das
oberlausitzische wersch pomasy, eine Contraction und ist
aus dobre Jutscho entstanden. Das Wort Jutscho bezeich-
net im Niederlausitzischen den Morgen, Sajtscha, die
Zeit unmittelbar nach dem Aufgange der Sonne. Das
Wort Sajtscha lautet im Oberlausitzischen Sajtra, welches
aus Sa, nach (post), jutra entstanden ist. Dafs Jutra
(ju-tura) ein Plural ist, so wie auch ranische Sera, d. h.
die Morgendämmerung, dies erleidet keinen Zweifel. Der
Plural Jutra deutet an , dafs die oberlausitzer Wenden
die Aurora, welche die Polen Ausca (Hau-aska, von Aux,
— 247 —
oder ITaux, Ilnus, Hausch abgeleitet) nannten, so wie
die aufgehende Sonne unter dem Worte verstanden. Sa-
Jutra, oder Sajtra war die Zeit nach der Morgenröthe
und nach dem Aufgange der Sonne. Melanchthon be-
merkt irgendwo, dafs in Jüterbog Deus aurorae verehrt
worden sey. Einen Deus Aurorae hat es aber in keiner
Mythologie gegeben, weil nach dem Glauben des Alter-
thunis die Nachtgöttin in dem Zwielicht der Morgenrö-
the waltete. Erst die aufgegangene Sonne brachte das
volle Licht und endete das dunkle Walten der Göttin.
Weil aber beim Beginn des Tages beide Gottheiten, die
weibliche und die männliche, thätig waren, deshalb
nannten die Wenden den frühen Morgen Sajutra, d. h.
die Zeit nach den beiden Gottheiten.
Obgleich in dem erwähnten Falle nur das in Rede
stehende Wort in plurali vorkommt, so war es doch ge-
wifs auch in singulari üblich, wie man dies an dem nie-
derlausitzischen Jutscho sieht, welches mit Jutro völlig
gleichbedevitend ist. Freilich mochte das Wort Jutro
(ju-tu-uiT), d. h. die grofse Berggo'.theit) vorzugsweise die
Sonne bezeichnen; es schlofs aber doch auch die Göttin,
deren Herrschaft (Aurora) unmittelbar an die des Son-
nengotts grenzte, nicht aus. Iliefs aber Jutro (Jutscho)
die grofse Morgengottheit, so entsteht nun die Frage:
warum die christlichen Wenden das Osterfest Jutry ge-
nannt haben? Dies konnte freilich deshalb geschehen,
weil sie zwischen dem, von Grabesruhe auferstandenen,
die Welt von der Finsternifs des Irrwahns befreienden
Erlöser und zwischen dem , von der Ruhe des nächtli-
chen Schlafs wieder froh erwachten Sonnengotte, einige
Aehnlichkeit fanden. Auch der Wahn, dafs die Sonne
am Morgen des ersten Osterfeiertages freudig hüpfe,
konnte aus einer Paralellisirung des siegenden Sonnen-
gotts mit dem von den Todten auferstandenen Sieger
über Bosheit, Tod und Grab hervorgehen. So viel Ur-
sache aber die Wenden hatten , den göttlichen Helden
aus Canaan mit dem siegenden Sonnenhelden (aufgehen-
248
^e Sonne) zu paralellisiren , so glaube ich doch nicht,
dafs diese Paralelle allein die wendische Benennung Ju-
try erzeugt hat. Es ist vielmehr höchst wahrscheinlich,
dafs die Wenden in alter Zeit ein Fest feierten, welches
sie Jutry nannten , weil auch die Benennungen der bei-
den andern hohen Feste auf den Namen alter Götterfeste
ruhen. Das grofse Fest aber, welches um die Zeit un-
sers Osterfestes in vielen Ländern gefeiert wurde, war
das Frühlingsfest. Manche Völker feierten dieses Fest
in der Mitte des Aprils und noch später. Die Letten
feierten dasselbe (vergl. Mone L p. 87.) am 22. März,
An diesem Feste pries der Priester den Pergubrios mit
den Worten: O! Herr, unser Gott Pergubrios, du ver-
jagst den Winter, bringst die Lust des Frühlings wieder,
durch dich grünen Aecker und Gärten, durch dich blü-
hen Wälder und Büsche. Durch dieses Fest suchte man
sich den nun in volle Herrschaft tretenden, über den
Tod des Winters siegenden Sonnengott geneigt zu ma-
chen und sich seiner Segnungen zu vergewissern. Ea
war dies Fest das Fest der Auferweckung und Auferste-
hung der animalischen, vorzüglich aber der vegetabili^
sehen Natur nach dem Winterschlafe und nach dem
"Wintertode, Kurz vorher valedicirte man der Alles er-=
Starrenden und tödtenden Winter- und Todes-Göltin und
zerstörte wohl auch ihr Symbol. Darauf gründete sich
die bekannte, noch in den späteren christlichen Zeiten,
hie und da beobachtete Sitte des sogenannten Todaus^
treib ens am Sonntage Lätare,
Weil aber bei dem, durch die Sonnenstrahlen be-.
wirkten , neuen Naturleben , an welches der alte Glaube
sogar den Wiedereintritt der dahingeschiedenen Seelen
in das Leben des Fleisches durch die Zeugung anschlofs,
die Erde thätig war, so berücksichtigte man bei dem
grofsen Frühlings- und Auferstehungs- Feste auch die
Mondgöttin (Demeter, Ceres, Ziwa etc.), und zwar in
jnanchen Gegenden gar zu sehr, und daher kam es ohn-
streitig, dafs man die ganze grofse Gottheit, die das neue
— 249 -«
Leben der Natur hervorbrachte, Jutro (Sonne und Mond)
nannte. Dieses Jutro (die Lateiner würden sagen Ju-
trum) war ohne Zweifel dieselbe Gottheit , welche man
anderwärts Crodo , Curcho , Hordo etc. nannte , und das
bekannte Herthum des Tacitus, welches den befangenen,
und mit dem alten Neutrum mythologicum unbekann-
ten Interpreten in der Form des Neutrums so sehr mifs-
fällt. Es war ganz angemessen, dafs an dem grolsen
Feste des Lebens und der allgemeinen Freude, was das
Frühlingsfest war, das Morden und der Jammer des Krie-
ges aufhörte. Dafs dies geschehen ist, berichtet Taci-
lus *°* (c. XL) mit folgenden Worten j non bella ineunt,
non arma sumunt; clausum omne ferrum; pax et quies
tunc tantum nota, tvinc tantum amata. Es zeugt ohn-
streitig von der genauen Naturbeobachtung der wendi-
schen Priester, dafs sie die Morgensonne und die Früh-,
lings- Sonne mit einem und demselben Namen, nämlich
Jutro (Jutscho) benannten. Die Sonne geht zwar um
die Zeit der Frühlingsnachtgleiche in voller, belebender
Kraft für den Norden allmählig auf, aber der Winter mit
seiner Nacht (Schiieegestöber) und mit seinem Tod©
(Frost) streift noch in ihr Licht und Leben hinein, und
es findet zu der Zeit eine ähnliche Erscheinung Statt,
wie am Morgen eines Tages, wq die Nacht noch gleiche
sam in den Tag hineinschaut und hineinstreift. Nicht
übersehen darf man den angemessenen Gebrauch der Wur-.
zel Ja in Jutro und in Jutry, welche, wie schon früher
bemerkt, ein allmähliges Aufsteigen und Wachsen eines
Dinges, z. ß. des Tages (ör), des Frülrlings» fee-
104 Ich nehme an : dafs die Religionsgehräuche der Germanen
und Slaven nicht bedeutend von einander verschieden wa-
ren, und dafs insonderheit die Slaven späterhin Vieles von
den Deutschen annahmen, als sie in ihre östlichen Provin^
zen einwanderten. Diejenigen irren, welche zwischen def
Religion der benachbarten Völker, der Slaven und der Ger-
manen, einen solchen Unterschied annehmen, wie er jetzt
zwischen Juden und Christen Statt findet.
— 250 —
deutet. Bekannt ist es, dafs auch das deutsche Wort auf
dem Namen einer Gottheit ruht. Ob aber diese Gott-
heit Ostar (hos-tar, d. h. Sonnengott) oder Ostra (hos-
tara, Mondgöttin) hiefs, will ich nicht entscheiden. Wenn
es höchst wahrscheinlich ist, dafs die Namen Ostar und Ostra
auch besonders vorkamen, wie Jutor und Jutra, so nannte
man doch ohne Zweifel die Gottheit, von welcher die
Benennung Ostern herrührt, Ostoro (Sonne und Mond),
welches mit dem Neutrum Jutro dieselbe Form und Be-
deutung hatte. An das Ostoro wurde an, oder en (hier
das Fest) angehangen, und so entstand per contractio-
nem das Wort Ostern, welches schon lange vor der Ein-
führung des Christenthums von dem Naturauferstehungs-
feste gebraucht wurde. Beiläufig bemerke ich noch, dafs
von der, mit Hörnern (Kennzeichen des Mondes) und
mit mondfürmig gebogenen Schuhen abgebildeten Berg-
göttin Ostra oder Ostara zwar das Schöpfen des Oster-
wassers , nicht aber die Namen der Orte Ostra (hochge-
legener Ort) bei Camenz , Ostritz (hos-tir-iza, an einer
Anhöhe gelegene kleine Stadi), Osterode (hos-ter-ode)
u. s. vv. herstammen. Sonder Zweifel rührt das noch ge-
genwärtig bei den Wenden an vielen Orten übliche Schö-
pfen des Wassers am Ostermorgen, so wie das Bespren-
gen mit demselben, ingleichen das Schwemmen der
Pferde in demselben von den, an dem vorchristlichen Oster-
feste gewöhnlichen Abluitionen her. Durch diese Abluiiio-
nen reinigte man sich am alten grofsen Frühlingsfeste von
denUnreinlichkeiten des Winters, beförderte die in der wär-
meren Jahreszeit Statt findenden Ausdünstungen des Körpers,
glaubte dadurch sich vor Krankheiten zu schützen, vorhande-
ne Krankheiten zu verbannen und bemühte sich überhaupt,
für das neue Leben des Sommers vorzubereiten. Inson-
dei'heit glaubten sich die Ehefrauen durch die heiligen
Abwaschungen an dem grofsen, frohen Lebensfeste für
ihre Bestimmung geschickter zu machen.'
Der Mondgott der Oberlausitzer hiefs Flins. Der
Name desselben ist aus fil, hin-is entstanden, und be-
— 251 —
deutete ursprünglich eine Mondgöttin. In der Sylbe Fli
ist eine Versetzung des i, vor dem n ist ein h und hin-
ter dem n ein i herausgefallen. Von den Repräsentatio-
nen des Flins sind vorzüglich zwei zu berücksichtio^en.
Ein Mal wird er als ein menschliches Gerippe abgebil-
det, dessen mittlerer Theil mit einer leichten Decke be^
deckt war und das in der rechten Hand eine Fackel, auf
dem Nacken und mit der linken Hand aber einen Lö-
wen trug. Ein ander Mal erscheint Flins als ein star-
ker bärtiger Mann mit denselben Attributen, jedoch auch
mit entblüfster Brust. In dieser letztern Repräsentation
hat Flins die Gestalt eines Mondgotts, ruht aber inicht
minder auf der Idee einer alten Berggöttin, als die (spä-
ter entstandenen) Mondgötter anderer Gegenden und
Völker. Aelter, als diese Repräsentation, ist die Abbil-
dung, in welcher er als ein menschliches Gerippe er-
scheint und in welcher man keine Merkmale des Ge-
schlechts wahrnimmt. In dieser Abbildung ähnelt er
der russischen, sich durch ihre dürren Beine auszeich-
nenden Jaga Baba, mit welcher er auch in den alten
Zeiten ohne Zweifel dieselbe Idee gemein gehabt hat.
Dieses religiöse Symbol soll auf einem Felsen des
linken Spreeufers ohnfern des Dorfes Oehna ^°^ bei Bau-
zen gestanden und bei der Einführung des Christenthums
in die Spree, wie der Perun bei Nowogrod in die Wol-
chow gestürzt worden seyn. An der Repräsentation, in
welcher Flins als ein Mann erscheint, vermifst man die
kriegerische Lanze und das mörderische Schwerdt» wes-
halb man vermuthet hat, dafs die oberlausitzer Wenden
105 Oehua, welches mit Uhna fast gleiche Bedeutung hat, be-
zeichnet ein etwas hoch gelegenes Dorf. Das Wort ist aus
he und ena entstanden, so wie Uhna aus hu und una. Der
wendische Name des Dorfs Oehna (Hownjow) ist nicht von
Howno, d. h. Stercus, entstanden, wie behauptet wird, son-
dern es hezeichnet auch die Lage des Orts ( how-ni-ijow).
— 252 —
und Germanen entweder nicht Kriege und Eroberungen
geliebt, oder dafs ihnen, die sehr lange an der religiö-
sen Orthodoxie fest gehalten zu haben scheinen, nur der
Sonnengott als Führer im Kriege gedient, die alte Bil-
hinis oder Filhinis aber nur als die auf dem Kampfplatze
wüthende Todesgöttin (Bellona, Led u. s. w.) gegolten
habe. Statt der Lanze führt Flins eine Art Fackel in
der Hand. Dieses Attribut charakterisirt ihn als Nacht-
göttin , die zugleich auch Todesgöttin war.
Der Löwe des Flins ist das charakteristische Zeichen
der slavischen, vorzüglich der südlicheren slavischen VöU
ker. Mit dem Löwen wurde Flins nicht deshalb abge-
bildet, weil nach dem Glauben der Südwenden der Löwe
durch sein Gebrüll die Todten erweckte. Der Löwe des
Flins war nicht nur das Symbol der Kraft und Stärke,
sondern auch der Wuth in dem mörderischen Krieges-
kampfe und überhaupt des Todes. Die Herrschaft über
die Todten kam in alten Zeiten der Mondgöttin zu. Spa-
ter bekamen auch die, aus den alten Mondgöttinnen
entstandenen Mondgötter Einflufs auf diese Herrschaft
(Odin erhielt die Hälfte der Gebliebenen ) ; den Sonnen-
göttern verblieb jedoch das Geschäft, die Seelen der Ver-
storbenen ins neue Leben zu rufen. Es ist unläugbar,
dafs der Verfasser der Sachsen - Chronik ( Botho ) nicht
hinlänglich in die Religionsmeinungen der Wenden ein-
gedrungen war und dafs er christliche und heidnische
Religionsvorstellungen verwechselte, als er in Betreff des
LÖwens des Flins die Bemerkung niederschrieb : upp der
„luchteren Schuldern eynen uppgerichten Lawen, de se
,,vorweken scheide , wenn sie storven." Die Erscheinung,
dafs zum Theil die Mondgötter der Slaven unter ihren
Attributen einen Löwen oder eine Löwin hatten, scheint
es ZU. beweisen, dafs Letztere früher in einer südlicheren
Gegend lebten , in welcher sich Löwen befinden. Die
Sachsen - Chronik sagt auch: dafs die Flinsgottheit in der
Hand einen Staff (Stab) mit „einen barnen Blase" ge-
— 253 —
halten habe. Ueber die Bedeutung der „bamen Bla-
se" *°* walten verschiedene Meinungen ob. Man hat
die barne Blase bald durch Opferschaale , bald durch
Korngarbe , bald durch Fackel erklärt. Opferschaalen fan-
den sich fast neben einem jeden Götzenbilde. Galt Flins
den späteren Wenden für einen Mondgott, so konnte er
nicht füglich eine Korngarbe in der Hand halten; galt
er ihnen aber als eine alte Berggottin, so konnte er wohl
eine Korngarbe in der Hand halten, weil die alte Berg*
güttin die Menschen nicht nur gelehrt hatte den Acker
zu bestellen, sondern auch die reifen Kornkörner zum
Mehle zu stampfen und zu reiben, Ohnstreitig bedeuten,
aber die Wörter barne Blase weiter nichts, als einen,
Kienholz wisch, den man bei den abendlichen und nächt-
lichen Mysterien der Flinsgottheit, die eine Nachtgott-
heit war, anbrannte. Das Wort barne ist ein Adjectiv
vind stammt von der Wurzel bur, bor, bar, ber, bir her.
Bur, bor, bar bedeutet zunächst einen Berg- oder Son-
nengott, oder einen Menschen, der unter dem Schutze
der Berggottheit steht, einen Bur (Bauer, agricola); fer-
ner einen Bergwald , und drittens das Nadelholz. Ber
und bir kann nur etwas Niedriges bezeichnen, z. B. das
Getreide, weshalb das Erndtefest von den Wenden Biry
genannt w^orden ist. Das Wort Blase (bal-ase) kann nur
etwas Bundes, dem Vollmond Aehnliches, bezeichnen.
Es ist indefs höchst wahrscheinlich, dafs dasselbe noch
mehrere Bedeutvingen hatte, als Vollmond, weibliche Brust
und Blase (bulla). Man hat behauptet, dafs die wendische«
106 Der Prediger Ladehi&nn in MadloW bei Cottbus übersetzt in
seiner Kirchengescbichte der Stadt und Herrschaft Cottbus
p. 6. barne Blase durch Schvveinsblase, Andere haben ohne
allen Grund diese Uebersetzung vertheidigt. Auch erzählt
Lademann: dafs in der Haide bei Kolkvvitz Und zu Madlow
an der S+el.e, wo jetzt die Kirche steht, ein Flinsbild ge-
standen habe.
— 254 —
Priester dann die barne Blase des Flins angebrannt hät-
ten , wann sie Mangel an Lebensmitteln litten. Dies ist
aber keinesweges ausgemacht. Denn der Cultus an der
ara einer Gottheit war durch Observanzen und durch
ausdrückliche Verordnungen des Oberpriesters bestimmt»
und es stand in der Piegel nicht in der Willkühr der
Priester, denselben zu einer aufserordentlichen Zeit zu
veranstalten. Opfergaben aber, welche zum Bestehen des
nöthigen Götterdienstes erforderlich waren, befahlen die Lan-
desgesetze an. Weil Flins eine Nacht- und Todesgottheit
war, deshalb wurde sie Zernebog, d. h. eine dunkle, ge-
fürchtete Gottheit genannt. Sowohl Mone (L p. 209.)
als auch Steinbrück (p. 15.) versichern: dafs das Flins-
bild auf einem Flins- oder Feuer-Steine gestanden habe.
Dieses Attribut deutet auch an : dafs Flins ursprünglich
eine Mond- oder Nachtgöttin war, welche für die Er-
leuchtung der Finsternifs der Nacht zu sorgen hatte.
Dafs die wendischen Priester den Feuerstein, auf wel-
chem Flins stand, noch einer besondern, sich auf das
Licht eines neuen Lebens, dem die Todesgöttin die See-
len der Verstorbenen entgegen führte (vergleiche Mer-
cur), beziehenden Deutung unterworfen haben, ist zwar
nicht gewifs , jedoch sehr wahrscheinlich. Gewifs ist es
aber, dafs Flins nicht, wie Steinbrück p, l5 angiebt, ein
apotheosirter Heerführer, oder König, Namens Vitzlav,
jj^ewesen ist, der die Wenden ums Jahr 90 nach Christus
in Pommern und Brandenburg geleitet habe, und dem
diese späterhin aus Erkenntlichkeit und Dank Opfer dar-
gebracht haben. Denn sollte auch ein wendischer Fürst und
Held den Namen Flins geführt haben, was nichts Ungewöhn-
liches wäre, weil gewöhnlich die Fürsten die Namen der Göt-
ter und die Fürstinnen die der Göttinnen führten , so ist
es doch gewifs, dafs ihm die rechtgläubigen Wenden
nach seinem Tode eben so wenig wahrhaft göttliche Ehre
erwiesen haben , als die Germanen ihrem Held Arminius,
Existirte wirklich die Sage: dafs Flins die Wenden in
die, früher von Germanen besessenen Provinzen geführt
und dafs man ihm deshalb späterhin eine ausgezeichnete
— 255 —
Verehrung erwiesen habe, so ist es deraungeachtet keines«
weges unumgänglich nöthig, dafs man sich unter Flins
einen menschlichen Kriegsanluhrer denke , da ja nach
dem religiösen Glauben der Heiden eigentlich die Göt-
ter die Völker führten. Zwar führten eigentlich die Son-
nengötter die Völker zum Kampfe und Siege. Aber in
der späteren Zeit, vorzüglich bei blutigen Eroberungen,
durfte bei den Kämpfen eines Volks der wüthende und
mordende Mondgott nicht fehlen, und es war ganz dem
späteren Religionsglauben angemessen , wenn die Germa-
nen ihre Kriegerschaaren unter den Schutz und unter
die Leitung nicht nur des Sonnengotts, sondern auch zu-
gleich des Mondgotts (Mercurius) stellten.
Zu erwähnen ist noch die Nachricht Steinbrücks:
dafs das Flinsbild zu Leipzig unter einem ausgebreiteten
Lindenbaume gestanden habe. Die Linde (lin-ide, Mond-
baum) war nämlich als ein grofser Baum der Niederun-
gen vorzugsweise der Mondgöttin und den späteren Mond-
göttern geheiligt, und daher rührte auch das heilige An-
sehen, in welchem die Lindeubäame, insonderheit in
Preufsen , standen.
Unnöthigerweise haben Manche deshalb an der Exi-
stenz des Flins gezweifelt, weil die wendische Sprache
die Lautverbindung fl nicht habe. Es ist zwar aller-
dings gewifs, dafs sich diese Lautverbindung in der ge-
nannten Sprache nicht findet und dafs Letztere statt de$
ü bl und wl hat; aber daraus folgt noch nicht, dafs die
Wenden nicht eine Gottheit verehrt hätten, welche wir
unter dem Namen Flins kennen. Wer die nahe Ver-
wandtschaft der Laute b, f und w nicht übersieht, der
wird leicht glauben, dafs die Oberlausitzer Wenden die
in Rede stehende Gottheit Blins (bil-hin-is) genannt ha-
ben. Das b und seine Ascension p ist ein alter grader
Lippen-Mitlaut, das f mit seiner Steigerung v da2;egen
ist, obgleich er jetzt auch für sich bestehend ist, ein Sei-
ten-Mitlaut, dessen nahe Verwandtschaft mit dem b und
— 256 —
p die Griechen durch ihr qp andeuten. Obgleich die
deutsche Sprache die Wurzel bul, hol, bal, bei, bil sehr
oft durch das der slavischen Sprache eigene bl ausdrückt,
z. B. in Blut, Block, Blat, Blei, blind, so nicht minder
oft durch ein f, z. B. in Flug, Floh, Flachs, Flechse,
Fliege, und es ist zufällig, dafs die Deutschen, von de-
nen wir die Nachrichten von dem Flins haben, Flins
und nicht Blins schrieben. Indefs konnte auch die ab-
•vveichende Sprechart schon früher in der Oberlaüsitz der-
gestalt bestehen , dafs die Deutschen die in Rede stehen-
de Gottheit Flins, die Wenden aber Blins nannten. Oh-
ne Zweifel ist auch das bekannte Zeitwort blinzen (bil-
hin-iz-en, Mondgöttin seyn) von der alten Mondgbttin
Bil- hin -is abgeleitet, aus welcher späterhin der Mond-
gott Blins oder Flins gebildet worden war. Für die
Existenz des Flins zeugt auch die fast allgemeine Tra-
dition von der in den letzten Zeiten des Heidenthüms
Statt gefundenen Verehrung desselben, die dei: des ger-
manischen Mercurius, welcher mit dem Flins als Mond-
gott auf derselben Idee ruhte, ähnlich (Vulcanus) war.
lEs ist mehr als wahrscheinlich, dafs die Flinsgott-
heit wirklich in zwei Bildern, als Göttin nämlich und
als Gott dargestellt würde. Diese Darstellung hat die
spätere Opinion von der Ehe des Zernebog (Flinis) ver-
anlafst. In der (alten) weiblichen Darstellung ist die
Flinsgottheit , der Idee nach, mit der Pya sehr nahe
verwandt.
Pya wurde zu Rhigtra als ein ergrimmter Löwe mit
offenem Rachen abgebildet. Der Name Pya ist gewifs
nicht aus Pyos und Pyar entstanden, sondern er ist aus
py und a zusammengesetzt. Er ist ein Collectiv-Name,
in welchem das py eine härtere Form des by ist. Das
y ist hier das acht slavische und steht mithin nicht an
der Stelle eines reinen i, sondern es ist dem bis zum e
ascendirten u ähnlich. In der reinen Form würde das
Wort Bua oder Bia , d. h. die Göttin , lauten. Welche
— 257 —
Idee bestand aber Pya in der letzten Zeit des wendi-
schen Ileidenthums, allen Andeutungen nach, nicht
mehr. In dieser Zeit dachte man sich unter dem Namett
derselben vornehmlich die Göttin des nicht nur im mör-
derischen Kriegeskampfe, sondern auch sonst dem Men-
schen in vielen Gestalten drohenden Todes. Dal's der
Pya diese Idee zu Grunde lag, dafür spricht ohnstreiiig
ihre Repräsentation in einer Löwengestali. Der Löwe
aber, unter welchem sie dargestellt wurde, war schwor-
lich ein männlicher, sondern ein weiblicher, weil eine
Löwin nur eine weibliche Göttin repräsentiren konnte,
und weil die Löwin , die für ihre Jungen kämpft , das
Symbol der höchsten Wutli ist. So unbezweifelt es ist,
dafs die Pya ursprünglich gvit und menschenfreundlich
war, so gewifs ist es, dafs sich die Wenden späterhin
unter ihr eine verderbliche Macht dachten, die dezn leib-
lichen Wohl der Menschen feind war. Sie glaubten, dafs
diese Macht nicht an Gesundheit, sondern an Krankheit,
nicht an Frohsinn, sondern an Traurigkeit, nicht am
Leben , sondern am Tode Freude habe. Die Pya galt
den späteren Wenden als ein physischer Zernebog, oder
Teufel, der eine grofse Macht besitze, ihrem leiblichen
Wohl zu schaden. Es ist kein Wunder, dafs man glaubte
den immerwährenden Grimm dieser feindseligen Potenz
durch Opfer und sogar Menschenopfer, so wie durch Li-
bationen bei den Gastmählern , welche den christlichen
Wenden unter dem Kaiser Lothar ausdrücklich verboten
werden mufsten, besänftigen zu müssen. Selbst die er-
leuchteteren Priester durften den Glauben an die feindse-
lige Macht der Pya nicht aufgeben, weil sie diesen Glau-
ben zur Inzaumerhaltung des immer sittlich schlechter
werdenden und zum Theil nach einer neuen religiösen
und bürgerlichen Ordnung der Dinge verlangenden Volks
sehr bedurften. Aber nicht nur als Ursache der leibli-
chen , sondern auch der geistigen und geistlichen Uebel
stellte man die Pya ^°^ dar. Man schrieb ihr die Er-
107 Pya war ähnlicli der preufsischen Pikolos, die sich an dem
17
258
Zeugung nicht nur der Verblendung u.e<i Geistes, der Ver-
slandesverwirrung und des Wahnsinns, sondern auch der
Gewissensangst, Trostlosigkeit, Verzweiflung und des
Widerstandes gegen das Bessere, oder gegen das lür bes-
ser Gehaltene zu. Zu dem Glauben an einen Urheber,
oder Urheberin aller leiblichen, geistigen und sittlichen
Üebel leitete den Menschen die Wahrnehmung, dals es
solche Ucrbel giebt. Den eben allgemein verehrten Göt-
xem konnte man aber die Erzeugung dieser Uebel
nicht zuschreiben, wenn man sie nicht eo ipso zu
bösen machen und ihnen die Gemüther der Menschen
abgeneigt machen wollte. Die alten Gottheiten, deren
Cultus abrogirt war und deren hartnäckige Verehrer den
Anbetern der modernen Gottheiten manche Unbilde zu-
fügten, mufsten die Schuld der Erzeugung der Uebel
übernehmen. Ein alter Sonnengott konnte nach dem
Glauben des Alterthums nicht füglich zum Urheber der
physischen und geistigen Uebel gemacht werden, weil
sein Reich über das Erdenelend erhaben und weil es nicht
sein Geschäft war, sich um die kleinlichen Begegnisse
der einzelnen Menschen zu kümmern. Daher mufste
alles Unangenehme, welches den Körper und die Seele
des einzelnen Menschen traf, der sich um das Einzelne,
Kleinliche und Niedrige kümmernden, physisch und mo-
ralisch schwächeren, veränderlichen, launenhaften, lei-
denschaftlichen Mondgöttin zugeschrieben werden. Höchst
wahrscheinlich hat diese Opinion nicht wenig die im
Heidenthume vorkommende Verachtung der Weiber, in-
sonderheit der alten, von der sie durch das welterlösen-
Elende der Mensclieu ergötzte. "Die spätere Zeit wähnte,
dafs sie Epileptische und Wahnsinnige in Besitz genommen
habe. — Daemoniaci. In spätereia Zeiten wähnte man so-
gar, defs die böse Gottheit die Seelen der Bösewichter ein-
nehme und regiere. Auf diesem Wahne ruhen die Aus-
drücke: won man Czerta, won ma Djaboia und der später
crasse Exorcisnwis.
— 259 —
de Christenthura befreit worden sind, befördert und un-
terhalten.
Wenn die alte Pya den Wenden schon vor der
Einführunc; des Christenthums als eine böse, gegen die
Menschen feindselig gesinnte Gottheit galt, so stie^T der
Glaube an ihre Bosheit doch noch mehr, als die christ-
lichen Missionarien die IJog des Teufels auf die Idee
der Pya gleichsam pfropften. Jetzt wu^rTe die Pya so-
gar zum Manne potenzirt, weil sie die Bedeutuiig einer
vielfachen Opposition des Sonnengottähnlichen Erlösers
und seines Licht werks erhielt.
So wie die Wenden von der Zeit der Einführung
des Christenthums an Gott Boh, Buh, Bog zu nennen
begannen, so mochten sie wohl den Teufel anfangs Bu-
ha , Pya nennen. Als jedoch diese Benennung in der
Folge dem dtäßolog nicht entsprechend erkannt wurde,
eo kam das, dasselbe bedeutende, Wort Tschert in Ge-
brauch. Das oberlausitzische Tschert (Czert) ist der
AVortbedeutung nach auch ein weibliches Wesen, ob-
gleich Czert jetzt die Geltung eines männlichen Worts
hat. Die Niederlausitzer haben dafür Tschart, welches
die männliche Form von Tschert ist. Ob übrigens das
Wort Tschert ein primitives, oder ein abgeleitetes ist,
dies will ich nicht bestimmen. Tschert, welches aus
tscher und et zusammengesetzt ist, erscheint dem ersten
Anblick nach allerdings als primitiv und bedeutet Mond-
göttin (tscher ist die härtere Form des ser, und et be-
zeichnet ein weibliches Wesen). Indessen kann auch hin-
ter dem r in tscher ein n herausgefallen und die Syl-
be tschei-n so viel bedeutet haben, als tscherny, tschor-
ny (czorny) und Tschernt das bezeichnet haben, was
Zernebog, d. h. dunkle, böse, feindselige Göttin. Diese
letztere Zusammensetzung des Worts Tschert ist jedoch
viel unwahrscheinlicher , als die erstere. Vor der Ein-
führung des Christenthums, wo, wie schon bemerkt,
Pya noch nicht für so böse gehalten wurde , mochte sie
17*
— 260 —
allerdings mit der polnischen Todesgüuin Nija (nisclia)
und der böhmischen Niwa fast dieselbe Bedeutung ha-
ben. Lebrigens ist Tschert und Tschart dasjenige Wort,
mit welchem die Wenden jetzt den christlichen Teufel
in der kirchlichen Sprache bezeichnen. Im gemeinen Le-
ben gebrauchen sie jedoch auch das Wort Djabot, wel-
ches ohne Zweifel der Diabolus der heiligen Schrift ist.
Auffallend ist es, dafs die<=c^ letztere Wort keinesweges
die schlimme Bedeutung hat, als Tschert und Tschart.
f)p>- iJjaboi gilt nämlich den Wenden nur als ein Inbe-
griff von Dummheit, Ausgelassenheit, Wollust und stür-
mischer Heftigkeit, und es giebt einen andern Sinn,
•.vonn sie sagen: won ma Djaboia, als won ma Tscher-
la, d. h. er hat den Teufel. Wenn ich nicht ganz irre,
so ist der Unterschied, den die Wenden zwischen dem
fremden Teufel und zwischen dem heimischen machen,
ein Docuraent ihres früheren Stolzes, welcher es nicht
zuliefs, dafs sie dein, ihnen von den feindlichen Deut-
schen verkündigten Teufel so viel intellectuelle und Wil-
lenskraft zuerkannten, als dem nationalen, oder slavi-
schen. Dafs man der alten gefürchteten Nacht- und To-
desgöttin oft opferte, wird nicht auffallen, wenn man er-
wägt, wie sehr den Menschen die ihm eigenthämliche
Sorge für sein Wohlseyn antreibt , sich vor dem Unan-
genehmen und Bösen zu verwahren. Noch jetzt sollen
die Jezidi bei Diarbekir den alten Scheitan (Satan) des-
halb so angelegentlich verehren, weil sie wähnen, dafs
derselbe eine sehr grofse Macht habe, ihnen zu schaden.
Dafs die Ortsnamen Tschorna bei Hochkirch und
Camenz, Tschirna bei Lauban, Czornofsyky (Sornfsig) bei
Bauzen u. s. w. nicht von dem frijher dort Statt gefun-
denen Cultus des Zernebog ( Pya ) herrühren, ist gewifs,
und dafs der Berg Czornebo» bei Hochkirch und der
Czorn- oder Teufels - Stein bei Camenz ihre Namen von
der früher daselbst Statt gefundenen Verehrung der er-
wähnten Gottheit erhalten haben, ist ebenfalls nicht so
gewifs, als man gewöhnlich glaubt.
— 2Ö1 —
Wenn die Sonnengötter, und spiiterhin auch die
Mondgütter, einer ganzen Nation Orakelsprüche ertheil-
ten, so lag es den Mondgöttinnen ob, jedem Einzelnen
die gewünschte Auskunft zu geben. Diese Pflicht übten
vorzüglich manche alte Göttinnen. Die Griechen und
Römer berieth vorzüglich die Pythia (Priesterin [ihia]
der Pya) am Berge Paruasus (barn-asos) in Phocis. Die-
ses Orakel konnte sowohl einzelnen Personen als auch
ganzen Völkern Antworten ertheilen, weil es unter dem
Einflüsse des Apollo (ha-po-olo), der eine androgyni-
sche Gottheit war, gedacht wurde. Obgleich späterhin
im Wendenlande eine jede Göttin in ihrem Regierungs-
Departement Orakel zu ertheilen pflegte, z, B. die Ziwa
dtn heirathslustigeu Mädchen und den jungen und schwan-
geren Frauen, die Dziewiza den Jägern u. s. w., so wandte
luan sich doch vorzüglich deshalb an die alten Göttin-
nen, wenn man sein künftiges Geschick erfahren wollte,
weil man diesen eine reifere Einsicht zutraute, als den
modernen. Insonderheit wurden auch die Priester und
Friesterinnen der alten Todesgöttin oft von Kranken und
deren Verwandten veranlafst, Götterantworten zu erthei-
len, so wie auch über das Geschick der Verstorbenen
Auskunft zu geben. Sonder Zweifel gab es in der Lavx-
sitz mehrere Orte, wo die schauerlichen Mysterien ""
der gefürchteten Todesgöttin Statt fanden und wo ihre
Priester und Priesterinnen Orakelsprüche ertheilten. Vor-
nehmlich fand sich, der Tradition zufolge, nicht nur eine
Repräsentation der zernebog Pya, die aber wahrschein-
lich von der zu Rhetra etwas verschieden war, sondern
108 Manche haben behauptet: dafs die sogenannten Seelenmes-
sen an die Stelle des Einflusses getreten sind, den man den
heidnischen Priestarn auf das Geschick der Veritorbenen
zuschrieb. Auch hat man behauptet: dafs das Anzünden der
vielen Kerzen bei den Messen durch das Anzünden der Fak»
kein bei den nächtlichen Mysterien der Nacht- und Todes-
Göttin veranlafst worden iit.
— 202 —
auch ein Orakel derselben auf dem Frageberge bei Mesch-
witz oder Cunewalde, südöstlich von Bauzen. Dieser Berg
ist in der Reilie der Berge, die rechts der Strafse von
Bauzen nach Löbau liegen, der höchste. Er ist zum Theil
mit Holz bewachsen und mit zahllosen gröfseren und
kleineren Felsstücken bedeckt. Insonderheit zeichnen sich
fünf gvofse, immer emige Hundert Schritte von einan-
der entfernte und gleichsam geschichtete Haufen Granit-
blöcke auf demselben aus. Der, von Osten gegen We-
sten gerechnet, erste Felsen heilst maia Kaczka, der an-
dere vvulka Kaczka, der folgende dritte, vierte und fünfte
Haufen aber führen den Namen des ersten, zweiten und
dritten Frageberges (vergl. Oberl. Alterthümer von Preus-
ker, I. Beitrag p. 40.).
Der Name Kaczka, den zwei der erwähnten Felsen-
berge führen, ist zwar mit Kaczka, die Ente, gleichlau-
tend, aber nicht gleichbedeutend. Kusch, Kosch, Kot
(mar) heifst ein hoher Berg, kaschka (Diminutiv) ein
kleiner Berg; Kaschka oder Kaczka dagegen ein Ideines^
unter dem Regimente der Berggöttin stehendes Thier,
die Ente. Auf dem Frageberge, der sich wegen seiner
Höhe recht eut zu einem Olymp eignet, fand in uralter
Zeit wahrscheinlich ein einfacher Sonnen- und Mond-
Cultus Statt. In der dritten Religionsperiode dagegen
waren auf demselben wahrscheinlich nicht nur das Bild
des Sonnengotts, und des Mondgotts, sondern auch die Re-
präsentation einiger Göttinnen aufgestellt, unter denen sich
auch die der Todesgöttin fand. Dafs die Todesgöttin so wie
auch die andern Gottheiten dort den Fragenden Antworten
ertheilten, war ganz in der Ordnung. '°^
109 Eine von den grofsten heidnischen Aris (Rodzischczen ) der
Niederlausitz ist der auch jetzt schon ziemlich destruirte
sogenannte Schlolsberg bei dem Dorfe Burg, ohngefähr eine
Meile nordwestlich von Cottbus, den die dortigen Einwoh-
— 2Qd —
Nachdem bei der Einführung des Chvistenlhums auch
hier die arae Deorum dearumque durch kräftige Men-
schenluinde zerstört und die zu den Symbolen der Gott-
iier gegenwartig Grod, d. h. das Schlofs, nennen. Diese
Benennung des durch ziemliche Anstrengung menschlicher
Kräfte entstandenen Werkes hat zu der falschen gangbaren
Meinung Veranlassung gegeben, dafs der Grod bei Burg
blos das Castell eines wendischen Fürsten (Schupan) gewe-
sen ist, welchen der Sage nach Markgraf Gero überwand.
Wenn auch an dieser ara. der militärische Hauptmann ei-
nes vvendisclien Bezirks sich wesentlich aufhielt und sich
mit seinem Volkszweige zuletzt gegen die christlichen Deut-
schen, seinem Berufe als Vertheidiger des Landes und der
Religion gemäfs, tapfer und hartnäckig vertheidigte, so
wohnte doch auch dort der Oberpriester der Schupanie mit
seinem Clerus. Die regelmafsigen Wälle der ara, in. wel-
chen man gewöhnliche, zur Aufbewahrung des Tempelscha-
tzes, der Kreis -Palladien (vorzüglich der Provinzial-Kriegs-
fahnen), der Opfergeräthe so wie zum Verbergen der Prie-
ster bei Ertheilung der Orakelsprüche bestimmte Behältnisse,
eine Menge Golddrath, Urnen, Streitäxte, Bruchstücke von
Wildschweinhauern , Thierknochen u. s. w. gefunden hat,
waren früher höher, und der von Natur aus Sand bestehen-
de Berg ist ohngefähr drei Fufs hoch mit vorzüglich guter,
aus der Ferne herbeigeschafften Erde bedeckt, weil es die
Principien der heidnischen Religionslelire forderten, dafs an
dem Orte, wo die Gottheit wohnte, sich auch der beste
Erdboden befinden müfste. Auf dem oI:eren südlichen Theile
der ara stand wahrscheinlich , zum Mindesten in früheren
Zeiten, das Idol des Sonnengotts (Swantowit,; Por-with, Ju-
tor, Kon, Hör, Hur, Wur), und auf dem unteren das der
Mondgöttin (Prowe), vor welchem der Oberoriester mit
dem Fürsten (rex, regulus) un.d mit den Notabein des Gaues
oder der. Provinz, vorzüglich am Tage vor dem Neumonde
oder des Neumondes das ernste, feierliche Gericht hielt,
und vor welchem der überführte grobe Verbrecher durch den
Schlag der scharfen Pflugschar der Herrschaft der lichtlosen,
dunkeln Göttin (Zernebog) überliefert wurde. Hier, auf
dem oberen und unteren Theile der ara wurden nicht nur
die Hauptfeste anx 24. December (Patorschiza , russisch Ko-
liady) zu Anfange des Frühlings (Jutry, das Auferstehungs-
fest der Natur), und am 24. Juni (Biry, russisch Kupaly),
— 2Ö4 —
heilen führenden Felsengänge verschüttet worden sind,
bemerkt man jetzt noch eine Oeffnung, aus welcher die
Götterantworten durch einen im Felsen verborgenen Prie-
ster ertönten.
Manche haben behauptet, dafs das, an der nördli-
chen Seite des Fragebergs ^'° gelegene Dorf Meschwitz
von dem einstigen dasigen Aufenthalte der wendischen
Priester und Priesterinnen, die den Cultus der Götter
und Göttinnen des Fragebergs besorgten, seinen Namen
habe. Diejenigen, welche dies behaupten, leiten den
$0 wie mehrere andere Feste gefeiert, und aus den erwähn-
ten gewölhähnlichen Räumen ertönten, vorzüglich an der
ara der Göttin, jedem Fragenden durch den Mund der khi-
gen, erfahrnen Priester oder Priesterinnen die erfragten Göt-
terantworten. Nicht minder wurden in wichtigen Fällen an
der ara der Sonnen - und Mondgottheit auch die Volksbe-
rathungen unter dem Einflüsse und Leitung des Hohenprie-
sters und des Fürsten gehalten. An der Südseite der ara
bei Burg ist ein naher kleiner Spreearm, dessen Wasser zu
den vorschriftmäfsigen heiligen Abluitionen diente, und von
der, früher von Gewässern und Sümpfen umgehenen , ge-
nannten ara hat man eine ziemlich weite Aussicht. Ob da§
Burgsche Rodzischczo ursprünglich von Wenden oder schon
früher von Germanen angelegt worden ist , dies iäfst sich
nicht bestimmen; die spätere regelmälsige Form hat es aber
höchst wahrscheinlich durch die Sorge nicht culturloser wen-
discher Oberpriester (Bam-bor-for-far) und Fürsten er-
halten. Wenn auch die ara bei Burg von Markgraf Gero
erobert worden seyn sollte, was nicht wahrscheinlich ist,
so hat doch nach Gero's Rückzuge der heidnische Cultus
auf dieser Ara vermuthlich noch lange fortgedauert, und
ohne Zweifel bestanden die vom Bischof Dithmar in seiner
Chronik erwähnten heidnischen Lutetier, d. h, Niederlän-
der, welche in der nordöstlichen Oberlausitz zu dem, gegen
den König von Polen Boleslaus Chobri streitenden , Kriegs-
heere des Kaisers Heinrich H, stiefsen, auch zum Theil aus
Anwohnern des östlichen Spreewaldes,
UO^Vendisch Praschiwa Hora,
— 265 —
Namen Meschwitz von dem Worte Mjeschnik, der Prie-
ster, her. Obgleich es sehr wahrscheinlich ist, dafs Prie-
ster und Priesteriunen in Meschwitz so wie in dem auf
der Südseite des Fragebergs gelegenen Cunewalde wohn-
ten, so ist Meschwitz doch nicht von Mjeschnik entstan-
den, w^eil der Ort sonst Mjeschnikwitz heifsen würde,
sondern dieser Ortsname ist aus men-esch-witz , d. h. ein
Dorf, das an einem gestreckten Berge liegt, zusam-
mengesetzt. Die wendische Benennung des Orts, Me-
schezy, hat dieselbe Bedeutung. Es bezeichnet einen
am Fufse des Mun (Frageberg) gelegenen Ort. Die noch
in neuerer Zeit bemerkte Gewohnheit der umher woh-
nenden Wenden, vorzüglich über der jungen Leute, jährlich
am dritten Pfingstfeiertage Nachmittags in grofser Anzahl
auf den Frageberg spazieren zu gehn, ist ohne Zweifel
noch ein Ueberrest der, in der heidnischen Zeit zu den
aris der auf dem oberlausitzischen Olymp aufgestellten
Gottheiten üblichen , heiligen Gänge. Das Gehen der
benachbarten Wenden auf den Frageberg am Pfingstfe-
ste bezieht sich ohne Zweifel zunächst auf die Feier des
früher um die Zeit der Pfingsten Statt findenden Erndte-
festes (Heuerndte). Indel's wurde auch um dieselbe Zeit
das Fest der Lebens- und Liebesgöttin, der Ziwa, ge-
feiert, so wie bei den Russen das Fest der Did und der
Lado. Neben den Orakeln aber, welche die Ziwa-Prie^
ster und Priesterinnen erlheilten, wurde auch ohne Zwei-
fel von der Todesgöttin den Fragenden Auskunft gege-
ben. Die Heia scheint nur eine andre Benennung der
Todesgüttin Pya gewesen zu seyn. Die erstere wurde
auch als ein Löwe (Löwin) mit ausgesperrtem Rachen
und vorgestreckter Zunge dargestellt und sie ertheilte
auch Todtenorakel. Dafs die Südwenden den Namen
der Heia gekannt haben, erhellet ohnstreitig daher, dafs
auch sie, wie die Deutschen, den Aufenthaltsort der Ver-
dammten noch jetzt Heia nennen. In den Zeiten des
Heidenthums mochte der Ausdruck ; zur Heia, oder zum
Zernebog kommen, so viel bezeichnen, als sterben. Heia
266
bezeichnete damals die Todes ~öttin selbst, ab.er auch den
Ort ihrer Herrschaft, und in dieser secondären Bedeutung
entsprach das Wort dem italischen Elysium (hel-isium
oder asium, d. h. den greisen Ort, wo die Hele oder To-
desgöttin herrschte und dem nordischen Walhala [Bt.'rg-
göltinort]).
In der bevestigten wendischen Stadt Jüterbog führte
die Todesgöttin den Namen Propilaga. Dieses Wort ist
aus por-ipi und la-aga zusammengesetzt. Der ursprüng-
liche Naane derselben hiefs ohnstreitig Por-ipi d. h. Son-
nengottsfrau. Späterhin wurde an Proipi, contracte Pro-
pi, noch laga, d. h. Mondgöttin, angehangen. Das ange-
hangene Wort laga hatte eine erklärende Bedeutung und
Propilaga hiefs so viel, als die alte Sonnengottsgcmahlin
als Mond- oder Todesgötiin. Der Propilaga wurden nach
dem Berichte des Erzbischofs iNdelgott die gefangenen
Christen geopfe-rt. Dies war aber ganz in der Ordnung.
Die christlichen Deutschen nämlich , welche die sonst
nicht grausamen Wenden ^" zu der grüfsten Erbitterung
und Wuth getrieben hatten (vergl. die Kreuzzüge und
den neuen Freiheitskampf der Spanier, Russen und Deut-
schen gegen die Franzosen), waren von den Letzteren,
als unversöhnliche Feinde ihrer politischen Freiheit ^"
111 Viele Schriftsteller erzälilen von der grofsen Grausamkeit
der Slaven, und nocli Posselt bericlitet in seiner Geschichte
der Teutschen p. 112, dafs die Slaven, obgleich sie gastfrei
und aufrichtig waren, doch einen natürlichen Hang zur
Grausamkeit gehabt hätten. Es ist nicht alles za bestreiten,
was die fremden Scribenten Nachtheiliges von den Slaven
berichten; jedoch darf man es nicht übersehen, dafs viele
derselben von Eigenliebe so wie ,von Religions- und Natio-
nal - Hafs befangen waren.
112 Sie liebten die Freiheit und hafsten alles, was einen Schein
von Unterwürfigkeit hatte, so dafs sie auch keine Leibeige-
nen unter sich duldeten. Vergl. Posselts Geschichte der
Teutschen für alle Stände, Theil I. p. 112. Die christlichen
— 267 —
und ihrer Religion, wahrscheinlich durch einen gemein-
schaftlichen Beschlufs der Priester, Fürsten und des Volks
dem Tode geweihet, und daher rührt der allerdings
schreckliche Zuruf: „Chrislenblut will unser Gott (Göt-
tin) Propilaga haben" her.
In ihrer Repräsentation mochte Propilaga etwas Pria-
pisches haben, weshalb man sie schon in früheren Zei-
ten mit dem durch römische Dichtungen sehr entstellten
und noch nicht hinlänglich erklärten Priapus (alte Le-
bens-, Liebes-, Frucht- und Todes -Gottheit) verglichen
hat. Die jetzigen Wenden nennen den Tod Ssmercz,
welches Wort mit der alten böhmischen Mernt gleichbe-
deutend zu seyn scheint. W^^nn der Irrglaube den Tod
in der Gestalt einer weifsen Frau erscheinen läfst, so
congruirt diese Meinung mit den Vorstellungen des Al-
terthums nicht. Nach diesen mufs der Tod (Todesgöttin)
in einer schwarzen, oder doch dunkeln Gestalt erscheinen;
denn die weifse Farbe ist die Farbe der Sonnengötter
(das weifse Rols des Swantowit), die schwarze aber die
der Mondgottheiten, weshalb die Stettiner auch dem
Triglav, in welchem das mondgöttliche Element vor-
herrschend war, ein schwarzes Pferd geheiligt hatten.
Schwarze Katzen zogen auch den Wagen der Tades-
göttin Freia. Manche haben behauptet; dafs die
wendischen Weiber ihre weifsen Trauerkleider ersi nach
der Einführung des Christenthums angenommen ha-
ben, und dafs Letztere andeuten sollen, dafs diejeni£:en»
die sie tragen so wie deren Todten nicht mehr in der
Gewalt der Todesgöttin sich befinden, sondern dafs sie
unter der Herrschaft des Sonnengott ähnlichen Besiegers
Deutschen machten sie in heklagenswerthen Heloten, so wie
die christlichen Spanier die gutmüthigen und harmlosen
Amerikaner.
— 268 —
des Todes und des Grabes, der den Todten ein neues,
frohes Leben giebt, stehen. ^^^
Die Marzana war auch eine Göttin des Todes, nicht
aber des animalischen und geistigen (Geisteskrankheiten)
Todes , sondern des Naturschlafes und Todes im Winter.
Ihr Name ist eine Zusammensetzung aus mar und zana
und bedeutet Göttin hoher Berge,- oder Gemahlin des
Berggotts, Sonnengotts. Dieser Name ist nur eine Ver-
längerung des Namens Mara. Der, vorzüglich zur Zeit
des scheidenden Winters angestellte, Cultus dieser Göt-
113 Diese Behauptung ist ohne Zweifel grundlos. Die wendi-
schen Weiber, die, zur Zeit der tiefsten Trauer, den ganzen
Körper mit einer Decke von weifser Leinewand bedecken,
haben diese Trauerbekleidung ohnstreitig schon vor der
Einführung des Christenthunis getragen, land die Gewohn-
heit, solche Trauerbekleidung zu tragen, aus den ersten
Wohnsitzen der Winden, Wenden (Hindu), aus dem nord-
westlichen Indien, mitgebracht. Noch jetzt, dies erzählt der
jesuitische Missionar M. Perrin in seiner Reise durch Hin-
dostan, nach dem Französischen bearbeitet von Theodor Hell,
Leipzig 1810, II. Theil p. 12, legen die indischen Weiber,
wenn Jemand aus ihrer Familie gestorben ist , allen ihren
Schmuck ab und bedecken sich mit einem grofsen Stück
weifser Leinwand, ohne eine andere Farbe an sich zu tra-
gen. So wie die weifse Trauerkleidung ein nationelles Un-
terscheidungszeichen zwischen den Wenden und den Germa-
nen, welche die schwarze Farbe bei der Trauer führen, bil-
det, so zeugt sie auch deutlich von der indischen Abkunft
der Slaven. — Die Priesterinnen der Kimbern (kim-ber-
eren, d, h. in niederen, von Hügehi , Felsenspitzen u. s. w.
bedeckten Gegenden Wohnende) trugen, nach Strabo's Be-
richt, weifse Mider mit erzbesetzten Gürteln. — Die weifse
Trauerkleidung kann nur aus der Zeitperiode herstammen,
wo man noch androgynische Gottheiten verehrte, — Die
Braminen tragen noch jetzt drei weiLe Streifen (Zeichen der
Sonnenpriester) der Länge nach ßuf der Stirn. Vergl. Per-
rin II, Theil, p. 32. — Das Wort Brama stammt nicht von
dem sanscritanischen Verbo bramaha, d. h, sich sehnen, ab,
Bramaha heifst Mondgöttin seyn.
— 269 —
tin hat zu dem bekannten , noch in den christlichen
Jahrhunderten hie und da, vorzüglich in Radeberg, Leip-
zig, Görlitz vorgekommenen, sogenannten Todtaustreiben
am Sonntage Lätare Veranlassung gegeben, liu- Cultus
am Ende des Winters war aber in den heidnischen Zei-
ten gevvifs eben so wenig etwas Spafshaftes, als das Zer-
brechen des litthauischen Curcho nach der Erndte, und
er ging dem groisen Frühlings- und Auferstehungsfeste
(vergl. Jutry) voran.
Der Todesgöttin ist die Zivva, oder Lebensgöttin ent-
gegengesetzt. Dieser Name ist nicht ein primitiver, son-
dern ein abgeleiteter. Er ist aus dem Adjeciiv zivvy, a,
e (vivus, a, um) entstanden, und es ist bei Ziwa Razi-
wa, Bya, Sir u. s. w. zu suppliren. Die Wenden setzen
gewöhnlich da ein Adjectiv, wo die deutsche Sprache
zwei Substantiva zu einem Worte verbindet. So sagen
die Wenden statt Gottessohn bozi Ssyn (divinus filius),
statt Ofenthüre kachlowe Duri u. s. w. Ziwa scilicet
Bya heifst eigentlich lebendige Göttin, ist aber durch
Göttin des Lebens zu übersetzen. Die Ziwa ^^* Schiwa
114 An die Stelle des in späteren Zeiten sehr verehrten Mond-
gotts (Flins, Piadegast etc.) stellte man nach der Einführung
des Chris tenthums die Bilder der Apostel und der Heiligen
und das Idol der Schiwa, Mara u. s, w, verwechselte man
mit dem Bildnisse der Maria. Nicht nur der Umstand, dafs
die Maria die Mutter des Welterlösers ist, hat in der spä-
teren katholischen Kiiche die Adoration der Maria veran-
lafst, sondern vornehmlich ihre Stellung an die Stelle der
verschieden benannten Moudgöttin. Späterhin stellte mau
auch da, wo eine Göttin gestanden hatte, das Bildnifs einer
weihlichen Heiligen auf. Jetzt ist diese Accomodation nicht
mehr nöthig. Bei dem westlich von SenftenLerg lieget den
Dorfe Zschiepkau stand, laut der Sage, da, wo in heidni-
schen Zeiten ein Schiwabild gestanden hatte, in katholi-
schen Zeiten ein Marienhild,
— XJ70 —
(Sieba) war die Göttin eines jeglichen Lebens. Als Göt-
tin des Naturlebens wurde sie als eine nackte Jungfrau,
mit bekränztem Haupte, langen Haaren, einen Apfel in
der rechten, und eine Weintraube in der linken Hand
haltend, dargestellt. Sie war die Pomona und Ceres (Ger-
es) der Italer, die Isis der Aegypter, der Bacchus der
Asiaten und der Korsch und Curcho der Russen und
Litthauer. Als Göttin des thierischen Lebens hiel's sie
Ziza, Zilsbog, Zizliia , d. h. die Göttin mit den Nähr-
brüsten, und als Geberin des menschlichen Lebens so
wie als Pflegerin der neugebornen Kinder führte sie den
Namen üzizieaja (von Dzjeczo, das Kind). Sie war der
Aphrodite der Griechen, der Venus und der Juno lucina
der Italer, der Freia der Skandinaven und Nordgerma-
nen, so wie Herta der Deutschen ähnlich. Als Göttin
des Natur- und vegetabilischen Lebens wurden der Ziwa
Feldfrüchte und Obst geopfert, als Göttin des thierischen
Lebens dagegen Schaafe, Ziegen, Kälber, Kühe u. s. w.
Sie war die Patronin der jungen Ehefrauen und der hei-
rathsfähigen Jungfrauen , die nicht selten zu ihr fleheten
und sich von ihr Auskunft über ihr künftiges Geschick
in Orakelsprüchen erbaten. Es wird auch behauptet,
dafs der Ziwa Jungfrauen geopfert worden wären. Dies
soll auf dem Frageberge bei Meschwitz und auf dem,
jetzt zerst-örten, Jungfernstein bei dem drei Stunden von
Senftenberg gelegenen Dorfe Leipa geschehen seyn. Diese
Opfer konnten aber wohl nur dann als nothwendig er-
scheinen, wenn bisweilen viele Wöchnerinnen und junge
Personen, vorzüglich des weiblichen Geschlechts, in ei-
nem Bezirke starben. Gewöhnlich hatten auch hier vor-
züglich Sklavinnen und im Kriege gefangene Mädchen
das traurige, von manchen schwärmerischen Jungfrauen
auch bisweilen ersehnte, Loos, der Göttin geopfert zu
werden. Obgleich die Ziwa die Lebens - und Liebes-
Göttin war, so hat sie doch auch ohne Zweifel die Idee
der Todesgöttin in sich gefalst, wie die skandinavische
— 271 —
Frei.i. ^'^ Diese Combination kann nicht auffallen,
wenn man eingedenk ist, dafs das ernste Amt der altea
Mondgöttin, die man sich unter der Ziwa ohnstreiiig ge-
dacht hat, das ganze Leben des Menschen (summates
Dea) von seiner Entstehung bis zu seinem Tode, und
von seinem Tode bis zum neuen Leben desselben um-
fafste. War aber die Ziwa auch zugleich die Göttin des
Todes, wie die indische Schiwen (gleichbedeutend mit
Schiwa , Ziwa), so war es angemessen, dafs man ihr
auch bisweilen Menschen opferte. Manche leiten indefs
den Namen der Ziwa nicht von Ziwy , a , e ab , sondern
sie behaupten, dafs der Name der Ziwa (Schi-iwa, Berg-
göttin, Mondgöttin) ein primitiver, und dafs sowohl das
Hauptwort Ziwenje , d. h. das Leben und das Eigenschafts-
wort ziwy, a, e von der Ziwa abgeleitet worden ist. Dem
sey wie ihm wolle, so ist es doch höchst wahrscheinlich,
dafs sie mit der alten Mara fast durchaus dieselbe Be-
deutung gehabt hat.
Man hat an der (ehemaligen) Existenz der Mara
deshalb gezweifelt , weil ihr Name in den slavischen Tra-
ditionen nicht vorkomme. Diese Behauptung ist aber
ungegründet. Das Wort Mara kommt allerdings in dem
nordvvendischen Marowit, in dem südwendischen Mara-
cha, Mary, Martra (mar-tara, d. h. die Plagegöttin, A-lar-
ter) u. s. w. vor. Obgleich der Name Mara persischen und
germanischen Ursprungs zu seyn scheint, so war er doch auch
späterhin ein Eigenthum der Wenden, vorzüglich aber der
115 Von dem Namen de^ Göttin Freia ist abhängig das Wort:
freyen (heitathen); der Freyer (einer, der unter dem Ein-
flüsse der Freia als Liebesgöttin steht); der Freie, der Frei-
Mann (Scharfrichter) der Frei-Knecht, welche in dem Dien-
ste der Freia als Todesgöttiu (vorzüglich bei Hinrichtun-
gen) stehen. Das Adjectiv frei (über, a, um) stammt nach
meinem Dafürhalten nicht von der Göttin Freia, sondern
es bezeichnet eine niedere, flache, nicht mit Nadelholz be-
wachsene Gegend, Dem frei (her. ei) ist entgegengesetzt
Bor, der dichte Bergwald.
— 272 —
Südwenden geworden. Mara ist die weibliche Form des
persisch-germanischen masculinum Mars, d. h. Berggott,
Sonnengott. Unter dem Namen Mara wurde die alte
Mondgöttin sowohl von den in die Gebirgsgegenden der
südlichen Oberlausitz geflüchteten Germanen , als auch
von den angrenzenden Wenden in späteren Zeiten ge-
meinschaftlich verehrt. Sehr interessant ist die Sage,
welche ein ehemaliger Pfarrer Grünewald zu Eubau bei
Zittau in Betreff der Mara und ihres Cultus schriftlich
aufgezeichnet hat, und die also lautet: „Die alten Wen-
„den haben sie (die Mara) Mazmutter genannt und von
„ihr geglaubt, dal's sie zur Mittagsstunde auf dem Kot-
„marberge herum wandle , alles fruchtbar und die Kräu-
„ter wachsend mache. Daher pflegten sie solche durch
„Wallfahrten dahin, durch angezündete Feuer, gekochte
„Milch und Kräuter zu verehren, damit sie ihr Vieh be-
„schütze u. s. w." Diese Sage charakterisirl die Mara
durchaus als eine alte Mondgottin. Zunächst deutet die
Nachricht: dafs die Wenden die Mara Macz, d. h. Mut-
ter, genannt haben, an , dafs man sie nicht nur für sehr
alt ^^* (Jaga, Baba der Russen), sondern auch für die
116 Bekannt ist es , dafs die Wenden eine alte ausgelassene
Frauensperson Stara Mera, d. h, alte Mera nennen. Man-
che glauben, dafs Mera nur das bedeutet, was das deutsche
Wort Mähre (equa). Indefs ist es wahrscheinlicher, dafs
die Wenden eine ausgelassene alte Weibsperson nicht sowohl
mit einer Mähre an sich in Vergleich stellen , als vielmehr
mit den Priesterinnen der alten Mera oder Mara (zweite Re-
ligionsperiode), von denen man in späteren Zeiten wähnte,
dafs sie der Ausgelassenheit gefröhnt hätten. Der spätere
Mara-Gultus bei Zittau scheint ein reformirter, oder viel-
mehr depravirter, d. h. ein fetischistischer gewesen zu seyn,
der, obgleich man den 1 ruberen Priesterinnen der Göttin
manches Böse nachsagte, doch in der späteren Zeit von da-
sigen Deutschen besonders heilig gehalten wurde und zu
dem sich auch die benachbarten Wenden einfanden, weil
die dasige Mara wegen ihrer Orakel , ihrer Heilkraft etc.
im grofseu Rufe stand ( vergl. die späteren Marienbilder).
— 273 —
Urheberin oder Mutter des menschlichen, thierischen und
vegetabilischen Lebens (Ziwa) gebalten habe. Ferner
geht aus der vorstehenden Sage hervor, dafs die Mara als
Urheberin des vegetabilischen Lebens gegolten hat. In-
sonderheit darf man die Tradition: dafs die Mara die
Kräuter auf dem Kotmar wachsend mache, nicht über-
sehen.
Der Mondgüttin lag es nämlich ob, für die Heilung
der Kranken durch heilsame Kräuter zu sorgen, und die
noch hie und da in den gebirgigen Gegenden der Ober-
lausitz sich erhaltene Sage von der nach dem Mittage
auf den Bergen herumgehenden Kräuterfrau (Selowa Zo«
na) rührt ohnstreitig von dem Kräutersuchen der Prie-
sterinnen der Mondgöttin her, die unter ihren Amtsver-
pflichtungen auch die hatten, heilsame Kräuter zu lesen,
und dieselben an die Ki'anken, die an der ara der Göt-
tin Hilfe suchten, entweder zu vertheilen, oder aus den-
selben mit Hilfe der Priester heilkräftige Extracte zu
fabriciren. Vermuthlich mufsten die Anbetenden und
das Orakel der Mara um Rath Fragenden deshalb auch
Offenbar ist es, dafs aufser (Jetn Worte Mähre (equa) auch
die Wörter: die MäKre (naratio, traditio), Märchen (fabula)
und das Altgallische la mere (macz) von Mara oder Mera
abgeleitete sind. Das Wort Mähre (traditio) bedeutet das,
was das wendische Bamboraj oder doch die Erzähhm*
gen der Bambora. Noch jetzt erzählen die Braminen an
den aris der Gottheiten von den Thaten dieser Gotthei«
ten (vergl. Perrin's Reise durch Hindostan, II. p. 43), Die
Sylbe mar in Kotmarberg bedeutet hoch und ist ohn-
streitig später angehangen» Der Berg hiefs ursprünglich
Kot (Kusch) und wurde später Kot-mar, d> h. Berg hoch
oder Hochberg genannt. Eine noch spätere Zeit hing an
Kotmar noch das Wort Berg an. Mit dem Kotmar ist der
Mont Martre bei Paris gleichbedeutend. Das Mar bedeutet
hoch , und ter Berg, Das Mont ist zum Ueberflusse später
vorgesetzt. Die Ableitung des Namens Mont Martre von
mons Martyrum ist offenbar falsch»
18
— 274 —
Kiäuteropler bringen, weil an der ara der Göttin eine
grofse Quantität Kräuter verbraucht wurden und weil
nicht alle erforderlichen Sorten Kräuter in der Nähe
wuchsen. Einen (Mond-) Priester, der sich mit der
Arzneikunde, aber auch mit sympathetischen Mitteln
unter Gebeten zu der Mondgöttin beschäftigte, nannte
man Kuswar, oder Zauberer, und eine Priesterin, die
eben dies Geschäft , vorzüglich bei den Frauen , trieb,
Kuswarnicza, d. h. Zauberin. Diese beiden Namen hat-
ten anfangs nur eine gute, ehrenvolle Bedeutung. Aber
schon in der späteren fetischistischen Religionsperiode
kamen sie an manchen Orten , wenn auch nicht, wie es
scheint, an der Ara der Mara, in Verruf. Daran war
theils die Anhänglichkeit der zauberkundigen Priester
und Priesterinnen an die alte Religion, theils der Neid
der Priester und Priesterinnen der modernen Gottheiten
Schuld. Als das Christenthum eingeführt worden war,
so ermahnten die christlichen Priester deshalb das Volk
zum innigen Abscheu eines Kuswar und einer Kuswar-
nicza, weil diese beide bei ihren Guren den Beistand
der heidnischen Gottheiten anriefen. Indefs eilte das
Volk doch zu solchen Personen , weil die einfachen , aus
den Kräutern der Umgegend gezogenen Mittel oft sehr
erwünscht wirkten. Empfindlich waren schon die kirch-
lichen Strafen, mit welchen die christlichen Priester die-
jenigen belegten, welche die alte Curart anwendeten, so
■wie auch diejenigen , die sich derselben bedienten. Aber
trauriger wurde noch das Loos der sogenannten Hexen, ^^^
117 Der Name Hexe ist aus liek und ese entstanden und bedeu-
tet eine Mondgöttin, aber auch eine Priesterin dieser Göt-
tin. Im Jahre 1484 verordnete Pabst Innocentius VIII. durch
eine Bulle förmlich die Hexenprozesse, luid eine im Jahre
1489 unter dem Titel malleus maleficarum, unter öffentli-
cher Auctorität erschienene Schrift, schrieb das bei diesen
Prozessen zu beobaclitende Verfahren vor. Noch im Jahre
1780 wurde zu Glarus in der katholischen Schweiz eine
Hexe hingerichtet. Balthasar Becker und Christian Thonia-
— 275 ~
als positive Landesgesetze ihre Bestrafung bestimmten und
als die Juristen anfingen Hexenprozesse zu instruiren.
Manche alte Frau, die unglücklicherweise rothe Augen
hatte und das ihr zugeschriebene Verbrechen auf der
Folter eingestand, wurde nun dem Feuertode ijberliefert.
Die Meinung, dafs eine Hexe feuerrothe Augen habe
und haben müsse, stand mit dem Feuer, welches einen
Haupttheil des Cultus "^ der Mondgöttinnen und der
Mondgötter ausmachte, in genauer Verbindung. Auch
der jetzt seltene Irrwahn der alten Weiber , dafs sich die
Hexen in der Gestalt einer schwarzen Katze, oder einer
schwarzen Häsin an die Kühe und Ziegen (über die
Ochsen und Pferde, welche unter dem Regimente des
Sonnengotts standen, haben die Hexen keine Gewalt,
wohl können aber auch diese von Zauberern bezaubert
werden) heranschlichen und dieselben behexten, ist noch
ein Ueberrest von dem uralten Glauben an die Reprä-
sentationen der Mondgöttin durch weibliche Thiere.
Nicht minder stimmt die Meldung, dafs die Mara in der
sius haben durch ihre Bestreitung des Wahns der Hexerei
und der TeufelsLesitzungen den Untergang des fürchterli-
chen Aberglaubens veraniafst,
118 In der südlichen (wendischen) Oberlausitz fand noch vor
wenigen Jahren alljährlich am letzten April das sogenannte
Verbrennen der Hexen Statt, An diesem Tage zogen nach
Sonnenuntergang die Knechte und Mägde, nachdem Letz-
tere üie Viehställe gehörig verschlossen und die Thüren der
Kuhställe mit drei Kreuzen bezeichnet hatten, auf einen be-
nachbarten, holzfreien Berg und xündeten dort eine Menge
alter Besen an, mit denen sie lärmend herumliefen und die
sie brennend in die Höhe warfen. Jetzt ist dieser Unfug,
der zu manchen Ausschweifungen Veranlassung gegeben und
sogar Ffuersbrünste veraniafst hat, streng verboten. Dieses
Hexen- Verbrennen, das den Sieg des Christenthums über
das Heidenthum andeuten sollte, war ohnstreitig noch ein
Ueberrest der mondgöttlichen Mysterien, die in alten Zei-
ten vor dem Aufersteliungsfeste gefeiert wurden.
18*
276
Mittagsstunde auf dem Kotmar und auf den umliegen-
den Bergen herum gewandelt sey, mit den religiösen
Vorstellungen des Alterthums überein. Denn vor dem
Mittage, wo die Herrschaft des Sonnengotts noch wuchs,
hatte die Mondgöttin keine Gewalt (der Glaube an eine
Dopomniza, Vormittagsgöttin, ist eine grobe Anomalie);
aber nach dem Mittage, wo die Herrschaft des Sonnen-
gotts abzunehmen anfing , konnte die Mondgöttin schon
allmählig ihr Walten beginnen (Geisterstunde, Streit der
Geister um die Herrschaft). Dafs man zu gewissen Zei-
ten zu der ara der Mara wallfahrtete, dafs man ihr Feuer
anzündete, dafs man ihr opferte und sie bat, das Milch-
vieh zu beschützen, dies Alles war den Forderungen des
alten Religionsglaubens entsprechend,
Höchst wahrscheinlich ruhete die Idee der wendi-
schen Pschipowniza auch auf der Idee der, für das Wohl-
seyn der Menschen angelegentlichst sorgenden alten Berg-
göttiii. Der Name Pschipowniza oder Pschespowniza be-
zeichnet eine Göttin, die in den Stunden unmittelbar
nach dem Mittage waltete. Nach der sich bis jetzt noch
erhaltenen Tradition ging die Pschipowniza in der ersten
Naciimittagssiunde zur Zeit der gröfsten Sonnenhitze auf
den Erndtefeldern herum und erschreckte diejenigen, die
sich den nachtheiligen Einwirkungen der Sonnenhitze
auf ihre körperliche Gesundheit ohne Noth aussetzten
und die entweder aus Hartherzigkeit , oder aus Geiz ih-
ren Mägden und Knechten während der drückendsten
Sonnenhitze keine Erholung gönnten. In dieser Gestalt
erschien sie als eine zwar ernste , aber doch für die Ge-
sundheit der Erndtearbeiter mütterlich sorgende Gottheit,
uud dieses ihr Erscheinen ist dem Glauben des Alter-
thums an die Fürsorge der alten Berggöttin für das Wohl
der Menschen ganz angemessen. Noch jetzt sprechen die
oberlausitzer Wenden im Scherz zu demjenigen, der wäh-
rend der gröfsten Sonnenhitze auf dem Erndtefelde ohne
Noth (zur Zeit eines herannahenden Gewitters erscheint
die Pschipowniza nicht) arbeitet: nebojisch ty fso, so
277
Pschipowniza na tebe pschindc/, budze, d. h. fürchteit
du dich nicht, dafs die Pschipowniza auf dich kom-
nnen wird? Demjenigen, dem die Pschipowniza er-
schien, legte sie, nach der Tradition, Fragen über den
Flachsbau vor. Wufste der Gefragte nicht sofort auf alle
ihm vorgelegte Fragen zu antworten, so vervvundete sie
ihn entweder, oder tödtete ihn sogar. Die Pschipowniza
scheint ein deutlicher Beweis zu seyn, dafs die wendi-
schen Priester und Priesterinnen angelegentlich für das
leibliche Wohlseyn der Bewohner ihres Bezirks sorgten,
und dafs sie deshalb die Arbeiter in der Erndte (nur in
der heifsen Jahreszeit erschien die Pschipowniza') biswei-
len vor zu grofsen Anstrengungen warnten. Wer nicht
auf ihre Warnungen achtete, wurde verwundet, d. h. er
erkrankte, oder er wurde von der Pschipowniza sogar ge-
tödtet, d. h. er zog sich eine Krankheit zu und starb.
Die von der Pschipowniza vorgelegten, sich auf den Flachs,
dessen Cultur und Bearbeitung so viele Geschäftsstadien
bis zu dem Zeitpunkte hat, wo er als Leinwand er-
scheint, sich beziehenden Fragen sollten die Menschen
zur Erhaltung ihrer Gesundheit durch nöthige Bedeckung
ihres Körpers in der bremienden Sonnenhitze auffordern
tuid sie von zu grofsen Kraftanstrengungen abschrecken.
Dies konnte sie durch die vielfältigen Fragen um so leich-
ter bewirken, als Keiner gewifs war, dafs er alle ihm
vorgelegte Fragen werde treffend und genau beantworten
können. Man hat die wendische Pschipowniza, deren
Name kein primitiver, sondern von Pschipownjo, d. h. die
Zeit vom Mittage an bis Nachmittags 2 bis 3 Uhr, abge-
leiteter ist, mit der Sphinx der südlichen Länder vergli-
chen. Es findet aber zwischen der letzteren und zwischen
der wendischen Sphinx ein grofser Unterschied Statt. Die
böotische Sphinx, deren Name aus Si-fi-hin-is oder ix
zusammengesetzt ist und der eine Berggöttin bedeutet, be-
xeichnete ohne Zweifel ein ganzes religiös- wissenschaftli-
ches Institut , während die wendische Pschipowniza nur
einen kleinen Theil der Tliätigkeit einer wendischen reli-
278
glös- medicinisclien Anstalt documentirte. Die böolisclie
Sphinx war gewifs nicht ein blofses Ungeheuer, sondern
eine Pvepräsentation der Pveligion der zweiten Periode.
Unter ihrem Schutze stand ein Verein von Männern und
Frauen, die hartnäckig an der alten Religion hielten,
sich mit physischen, anthropologischen, naturreligiösen
und medicinischen Untersuchungen beschäftigten , die
Ausplauderer ihrer Geheimnisse mit dem Tode bestraf-
ten, bisweilen Menschen opferten und die sich über-
haupt mit der späteren Religion der Griechen in Oppo-
sition setzten. Das unbedeutende Räthsel dieser Sphinx,
welches Oedipus löste, deutet zwar auch die Form, vor-
nehmlich aber die Materie des wissenschaftliclien Trei-
bens des gefürchteten böotischen Priester- und Priesterin-
nen-Vereins an. Die Sphinx an der Pyramide des Ce-
phrenes repräsentirte die Göttin des Todes, welche als
Wächterin des Reichs der Verstorbenen gedacht wurde.
Die Sphinxe an dem Pallaste des Skythenkönigs Skyles
in dem Emporium der Anwohner des Borysthenes (He-
rodot. IV, 79.) waren Symbole der schützenden Mond-
gottheit {7CT]VT£ Tciqi^ livni li&ov ccpr/yss t£ '''■ch- ygvnag i'ovaaav),
die um das Sinnbild des herrschenden Sonnengotts {).£vkS
ii&ov) standen. Wenn Herodot erzählt: dafs in dem Pal-
laste des Skythenkönigs die Feste des Dionysos (dio-ni-
isos, Nachtgott, Mondgottheit) in bacchischer Wuth ge-
feiert wurden, so besagt dies weiter nichts, als dafs die
dortigen Skythen Verehrer der alien, bei den Griechen
schon untergegangenen , Bergreligion waren, und dafs
den Anwohnern des Borysthenes (Dnper) in die Augen
fallende Freudengenüsse und insonderheit freudenvolle
Tänze am grofsen Frühlings- so wie am frohen Erndte-
Feste ( vergl. Jutry, Korsch, Biry u. s. w. ) als ein in-
tegrirender Theil ihres religiösen Cultus galten. Der
spätere Fetischismus war bekanntlich der Religion des
Jehovah (Jen-hon-va [bu] ah) ein Gräuel. Aber die
jüdischen Dichter und Aesthetiker" verschmäheten es
nicht, die Symbole der alten Sonnen- und Mondreligion
(Ezechiel 10, Jesaias 6, 2.) bei der Darstellung religiöser
279
Ideen zu Gebrauchen. Jedoch erschienen diese S}" in hole
nur im untergeordneten Verhältnisse, welches andeuten
sollte, dai's die Jehovah- Religion "' die alte Religion
der zweiten Periode, ja selbst der ersten, an Vortreff-
lichkeit, Erhabenheit und lleilsanikeit bei weitem über-
trefie.
Es erleidet keinen Zweifel, dafs die Idee des jetzi-
gen Alps, der die Menschen ohne Noth quält, aus den
Vorstellungen hervorgegangen ist, die man von den Ge-
schäften der Mond- oder Berggöttin hatte. Aber auch schon
im Alterthume glaubte man, dafs die alte, auf strenge
Moralität und Legalität haltende Berggöttin bei Nacht
die Uebelthäter und Verbrecher durch einen unruhigen
Schlaf und durch Beängstigungen, die von einem unru-
higen Gewissen herrührten, peinige. Diese vvohlthätige,
geheime, nächtliche, der Nemisa ähnliche Rächerin des
Bösen verwandelte man schon in der Zeit des späteren Fe-
tischismus in ein Wesen, welches die Bekenner der mo-
dernen Religion des Nachts willkührlich plage, die christ-
liche Zeit aber überhaupt in einen menschenfeindlichen
Plagegeist, der seine Bosheit vorzüglich an alten Wei-
bern und älteren Jungfrauen übe. Die oberlausitzer
Wenden nennen dieses peinigende Wesen, das der Aber-
glaube bald als eine alte schwarze, unflätige Frau (ver-
gleiche den zernebog Marovit der Nordwenden), bald
119 Wenn auch die jüdische Religion in ihren aufseien Formen
mit dem Palästina umgehenden Ethnicismus in dieser und
jener Hinsicht harmonirte , so steht sie doch in ihren Dog-
men und in ihrer Moral als einzig und als eine Gottes
würdige Offenbarung da. Alle andere Religionen mufsten
untergehen , sagt de Wette in seinen Vorlesungen über Re-
ligion p, 431, weil sie zuletzt eher dem Aber- und Unglau-
ben dienten, als dem Glauben; nur die israelitische trug
in sich den Keim des Heils der Menschheit, und entwickelte
aus ihrem Schoofse eine neue bessere, die einzig wahre
Religion.
— 280 —
ßls ein Männchen im feuerrothen Kleide (Mondgott) sich
vorsteht, Kodoiza. Dieses Wort ist aus ko, der Berg und
aus doi-iza, die Göttin, zusammengesetzt. Die Nieder-
lausitzer nennen die Kodoiza Murawa (mur-awa, asa),
welches Wort auch Berggöttin, Mondgöttin, Sonnengotts-
frau bezeichnet. Die Schweden (Mar) und die Deut-
schen haben den Alp fälschlich zu einem Manne ge-
macht. Ein Sonnengott ist dieser Mann nicht und kann
es nicht seyn, weil das Geschäft, welches dem Alp zu-
geschrieben wird, mit der Idee des nur am Tage und
im Lichte wirkenden Sonnengotts unvereinbar ist.
Der Grund, warum sich die Deutscheu den Alp als
ein männliches Wesen denken, kann nur darin liegen,
dafs sie sich denselben als einen Mondgott dachten, und
weil sie in der religiösen Anomalie überhaupt so weit
gingen, dafs sie die Mondgöttin in einen Mann (Mond)
verwandehen. Die späteren Wenden sind insofern in
den deutschen Irrthum verfallen, als sie sich die Kodoiza
als ein roth gekleidetes Männchen denken, welche Vor-
stelking gewifs jünger ist, als der Glaube, dafs der Alp
in der Gestalt einer alten Frau erscheine.
Dafs man sich die Mara auch als Todesgöttin ge-
dacht hat, ist schon deshalb nicht zu bezweifeln, v/eil
die alten Mondgöttinnen auf die sämmtlichen Verände-
rungen des menschlichen Lebens Einflufs hatten und weil
die Todten lediglich unter ihrem Einflüsse oder nach
dem späteren Glauben, unter der Herrschaft der aus
Mondgöltinnen gebildeten Mondgötter (Mercur, Odin)
standen. Ueberdies ist es auch wohl nicht 'von ohnge-
fähr geschehen, dafs die Wenden die Todtenbare Mary
(te Mary, d. h. die der Mara gewidmeten Werkzeuge)
nennen. Höchst wahrscheinlich ist die Benennung Ma-
ry sehr alt und bezeichnet die Trage, auf welcher man
den Leichnam zu dem Orte trug, wo er begraben, oder
verbrannt wurde. Das Verbrennen der Todten geschah
gewöhnlich in der Nähe der ara einer Mondgöttin, oder
— 281 —
eines Mondgotts, öderes wurde doch auf der Maraclia "°
(Todtenfeld) ein Bild der Todesgüttiu (verji;!. die Sphinx
an den Pyramiden) aufgestellt, welches andeutete, dafs
die Todten unter der Herrschaft der Todesgöttin so lan-
ge stehen, bis sie der Sonnengott früher oder später zum
neuen Leben ruft. Von dem Glauben an den Ueber-
gang der Seelen der dahingeschiedenen Menschen in thie-
rische Körper findet sich in dem slavischen Glauben
durchaus keine Spur.
So wie das Wasser überhaupt unter der Herrschaft
der Mondgöttin und Todesgöttin (^Neptun ist ein Mond-
gott so wie auch Seidon, dessen Namen man noch das
po [buh] zum Ueberflusse praefigirt hat) stand, so
dachte man sich auch sie in demselben waltend. Auf
dieser Vorstellung ruht noch jetzt der Glaube an den
Nix, Dieses Wort ist dasselbe, welches im Griechischen
vv^ (ni-ix oder is) und im Sanscrit nis heifst. Nix ist
weiblichen Geschlechts und fälschlich haben sie die Deut-
schen zum Manne wie die Alpe (hal-ape) zum Alp
(hal-ap) gemacht. Die Wenden nennen den Nix wodna
Zona, d. h. Wasserfrau. Sie haben der Wasserfrau, von
der sie erzählen, dafs sie vor dem Einbruch regnigter
Witterung ihre Wäsche auf den Ufern tiefer Teiche
und Seen trockne, einen Mann zugesellt, den sie wod-
ny Muz, d, h. Wassermann, die Russen aber mor-
ko} Zaar nennen. Der wendische wodny Muz , den
120 Bei dem Dorfe Dürrwalde, eine Meile nordlich von Senf-
tenberg, ist ein bedeutender alter Begräbnifsplatz , aus wel-
cbeni man sehr viele Urnen , sogar mit römischen Münzen,
ausgegraben hat. Die Ackerbeete hinter diesem Begräbniüs-
platze nennen die dortigen Einwol\ner noch jetzt samara-
chiske seil. Liechi , oder Wolsrietki. Das Adjectiv mara-
chiske deutet an : dafs die Wenden früher den Todtenacker
Maracha, d. h. hochgelegenes Feld und in der zweiten Be-
deutung das Todtenfeld (im Sanskrit heifst mri und im
Wendischen mrjecz 5ter])en) nannten.
— 282 —
einige ohne Grund in wodny Huz, d. h. Wasserschlan-
ge, verwandeln wollen, list wahrscheinlich ein Mondgott
(Neptun und Amphitrite). Indessen kann er doch auch
aus dem Grunde ein Sonnengott seyn, weil man biswei-
len das Bild der Sonne im Wasser erblickt.
Dafs die Mara auf dem sogenannten Lehrherge bei
Eubau verehrt worden ist, berichtet die Sage. Auf die-
sem Berge stand ehedem ein Gebäude, welches die spä-
tere Zeit das Lehrhäuschen nannte, das aber ohnstreitig
ein Tempel der Mara war. Neben dem sogenannten
Lehrhäuschen befand sich ein Brunnen , ^^^ den man
noch bis in die neueren Zeiten den Lehrbrunnen nann-
te. Auch Ueberreste |von einem von dem Kotmar- bis
zum Lehrberge führenden unterirdischen Gange will man
beuierkt- haben. Der Name Lehr (barg) ist dem Kot-
mar entgegengesetzt. Lehr (le-her) bedeutet einen
niederen oder einen Mond- Berg, Kotmar (kot-mar)
aber einen hohen Berg der aber doch niedriger ist, als
ein Kusch, oder Cusch. Eine andere Form des Kot ist
Kosch, z. B. in Koschenberg bei Senftenberg. Unterirdi-
sche, zu dem Tempel der alten, Orakel vielfacher Art
ertheilenden, Mara durften nicht fehlen, eben so wenig
als ein Brunnen an ihrem Tempel. Ging ein unterirdi-
scher Gang von dem Kotmar bis zum Leher, so war
derselbe deshalb angelegt, damit die Priester und Prie-
sterinnen von der ara des Sonnengotts, die ich auf dem
Kotmar vermuthe, zu dem Tempel der Mara unbemerkt
121 Bei einer jeden ara mufste ein Brunnen, oder ein Flufs, Be-
hufs der Abluitionen seyn. Ueber den Zweck der heiligen
Abwaschungen vergleiche de Wette's Vorlesungen über Re-
ligion, p. 330 u. f.
122 Der Name Lerchenberg kommt hie und da vor. Er bezeich-
net einen niederen Berg so wie Lam- oder corrupte Läm-
nierberg. Die Benennung Lerchenberg ist aus Ler und dem
später angehangenen Berg entstanden.
— 283 —
gelangen konnten, worauf bei dem heidnischen zum
grofsen Theile auf Täuschung beruhenden, Göttercultus
viel ankam.
Obgleich die Bilder der Mondgöttin bei weitem nicht
so grofs waren und nicht so grofs seyn durften, als die
Bilder der Sonnengötter und selbst nicht so grofs, als
das Bild eines Mondgotts, so konnten sie doch wohl die
Höhe einer Normal - Frauensperson erreichen. Bisweilen
waren sie wohl auch kleiner, vor7Äiglich wenn sie aus
edlem Metall bestanden, wie z. B. der goldene Triglav
der Juliner, den der, den Bischof Otto begleitende, Prie-
ster Herrmann entwenden wollte. Dafs das in dem Le-
h er -Tempel aufgestellte Bild der Mara gröfseri^war, als
das 1738 von dem Pfarrer Grunewald zu Eubau aufge-
fundene, S Zoll 10 Linien hohe, bronzene sogenannte
Druiden -Bildchen (jetzt auf der Rathsbibliothek zu Zit-
tau), so wie das von dem Pfarrer Fetter zu Rausche der
Rathsbibliothek zu Görlitz überlieferte Götzenbild, dies
ist keinem Zweifel unterw^orfen. Die gefundenen Bild-
chen sind ohne Zvveifel nur Copien des Hauptbildes der
Mara, welches dj<i Priester und die Priesterinnen an wohl-
habende Privaten, insonderheit an reiche Frauen (ver-
gleiche den gegenwärtigen Bilder- und Figuren- Verkauf
in den K-'östern und an den Wallfahrtsorten) Behufs der
häuslic-?Jen Andacht verkauften, die aber letzteren bis-
weikn in die Urne mit gegeben wurden, wenn man sie
jidch ihrem Tode in der Nähe der ara der Göttin zur
Erde bestattete. Auch scheineu die Priester und Prie-
sterinnen der Göttin eine Copie ihres Hauptbildes als ein
Docunient ihrer Anstellung bei der ara derselben, vor-
züglich wenn sie sich von ihrem Wohnorte entfernten,
bei sich getragen zu haben. Dafs man noch in christli-
chen Zeiten am Abende vor dem Pfingstfeste auf dem
Leher wallfahrtete, dies zeigt von der groi'sen Vivaciiät
der alten Gebräuche.
Au'jh der Drache, dessen Existenz die SüdwencTen
— 284 —
glaubten, und an die einige abergläubige alte Weiber
noch glauben, ist ein Zweig der Idee der Nachtgöttin-
Als Drache bewachte die Mondgöttin, nach den Vorstel-
lungen des Alterthums, nicht nur die sich unter der Er-
de, sondern auch über der Erde befindlichen Erze, wel-
che letztere sie ihren Lieblingen bei nächtlicher Weile
zutrug. Um dies thun zu können, wird sie geflügelt
(vergl. Tara pya) gedacht. In manchen A'Iythologien war
die Idee des Drachen mit der Idee der Göttin der Todten ver-
bunden, z. B. in der böhmischen in Mernt, in der rus-
sischen in Daschebog, in der italischen in Pluto (pul-
ulo, d. h. die grofse Gottheit), welches nicht auffallen
kann, weil sowohl die Göttin der Verstorbenen als auch
die Bewacherin der Schätze (vergl. den Drachen, der in
Colchis [col-ichis, ^'^^ Hügelland] mit dem feuerspeien-
den Ochsen [Mondgott] das goldene Vliefs hütete) in
dem unterirdischen Dunkel ihre Geschäfte hatten. So
wie der Adler unter den römischen signis militaribus
(Pferde, Wildschweine, Minotauren) den Sonnengott an-
123 Der Name ColcTiier, Colchi (col-iclien) iezeichnet Men-
sclien, die in niedrigeren Gegenden wohnen, als die Kaka-
sen oder Kaukasen. Colchis entspricht dem Naiaen Mingre-
lia ( min-ger- elia ) und Immireti (hin-min-ren->ti). Der
Name Colchi, der mit Gali (nicht galli), Galatae lud Kel-
ten (Kel eten) ziemlich gleichbedeutend ist, konnte anch
anderwärts, wo die Menschen an dem Rande höherer Berje
wohnten , z. B. am Cap Comorin in Indien , vorkommen,
ohne dals gerade ein Volk, das denselben führte, von einem
andern eben so sich nennenden abstammte. — Phasis (fa-
asis ) bezeichnet einen in niederen (fa) Gegenden fliefsen-
den Flufs ( asis ). — Das vellus aureum , zu dessen Abholen
die Griechen eine Expedition (Argonauten) ausrüsteten,
scheint anzudeuten, dals man in Colchis entweder wirklich
oder vermeintlich mittelst eines Vliefses Golukörner in Flüs-
sen sammelte. Der Drache und der Stier, welche das gol-
dene Vliefs bewachten, waren ohnstreitig Bilder der Golchi-
schen Gottheiten, deren Gebote den Fremden das Fischen
des Goldsandes nicht gestatteten.
— 285 —
deutete, so der Drache die Mondgottheit. Die Deutschen
haben die Mondgöttin, unter deren Schutze die Schätze
stehen, zu einem männlichen Wesen gemacht und nen-
nen sie den Drachen, welches Wort ursprünglich die
Drache (dur-ache) lautete und das seiner Bildung nach
den noch weiblichen Wörtern Bache, Piache, Wache u.
s. w. , die anfänglich eine Repräsentation und Geschäfte
der Mondgöttin bedeuteten , gleich ist. Auch das he-
bräische "i'^n, welches aus Tan-nin-in zusammengesetzt
ist, bezeichnete ursprünglich ein weibliches Wesen, Berg-
göttin, Nachtgüttin. Das lateinische Draco ist ein altes
Neutrum, das aus Dar-aco (to Dnraco) entstanden ist.
Die Wenden nennen den Drachen gröfstentheils Plön
und Smij , welche Wörter beide männlichen Geschlechts
sind. Jedoch nennen die Wenden den Drachen auch ta
Smija ( sim - ija ). Diese Form ist die alte und dem frü-
heren Religionsglauben entsprechend. Die Eintheilung
des Drachen in a) zitny Smij, d. h. Getreide -Drache,
b) mlokowe Smij, d. h. Milch -Drache und c) in pe-
nezny Smij, Gelddrache, ist bei den Südwenden gewöhn-
lich, aber unwichtig.
Von der Gerichtsgöttin (Prowe) finde ich im Süd-
wendenlande keine andere Benennung, und es ist höchst
wahrscheinlich, dafs man auch hier die genannte Göttin
mit dem im Nord wendenlande üblichen Namen be-
nannte.
Es ist ungewifs, ob die BerggÖttin an manchen
Orten Cuna genannt worden ist. Wurde sie auch mit
diesem Namen benannt, so vertrat er die Stelle des Na-
mens der Mara. Obgleich ich es nicht bestreiten will,
dafs die Mondgöttin bei den Wenden auch Cuna gehei-
Tsen hat, so habe ich doch allen Grund es zu bezwei-
feln : dafs die Ortsnamen Cunewalde, Kunnewitz bei Jauer-
nick, Kunitz bei Postwitz, Kuna bei Schönberg u. s. w.
— 286 —
ihre Entstehung dem früher daselbst Statt gefundenen
Cuhus der Göttin verdankent
Irrig ist die Meinung, dafs die oberlausitzer Wen-
den einen Krankheitsgott, Krosto genannt, verehrt und
dafs von diesem Gotte die Orte Crostau, Crostwitz u, s.
w. ihre Namen erhalten haben. Denn von dem Sonnen-
gotte, der ein Gott des Lebens war, konnte die Krank-
heit nicht herrühren, selbst auch nicht von dem in der
späteren Zeit vorzugsweise verehrten Mondgotte. Wenn
ja den Wenden eine Gottheit als Urheberin der Krank-
heiten galt, so konnte dies nur die alte, späterhin für
böse gehaltene Pya oder Tschert seyn. Die Einwirkung
der Pya auf Kranke nahm man aber doch wohl nur bei
aufserordentlichen Krankheiten, z. B. bei Lähmungen
durch Schlag, bei Wahnsinn, Epilepsie u. s. w. an. Das
W^ort Krankheit (ta Korofs) ist weiblichen Geschlechts
wie die deutschen W^örter Kränke (ger-hen-eke) und
Gripe (gir-ipe). Ob aber die Krankheit deshalb als ein
weibliches Wesen bezeichnet wurde, weil man sie von
einer Mondgöttin oder einem Mondgotte (Kor-ofs, d.h. das
Bergvvesen) ableitete, oder deshalb, weil man sich die Krank-
heit unter der Gewalt der arzneikundigen Mondgöttin, die
zugleich die Todesgöttin war, dachte, ist ungewifs. Leitete
man in späterex Zeit die Krankheiten von der feindseligen
Pya her (daemoniaci), so that man dies ohnstreitig früher
nicht, sondern betrachtete die damals selteneren Krank-
heiten nur als eine natürliche Folge der Schwachheit
und Zerstörbarkeit des menschlichen Körpers, der die
Mondgöttin duicch ihre ärztlichen Künste zu Hilfe kam.
Die Dörfei; Crostau (gor-ostau und Crostwitz ( gör-
est-wiz) haben, ihre Namen nicht von der alten Berg-
gottheit Crodo, die in ihrer weiblichen Eigenschaft mit
der Pya in dem späteren wendischen Glauben gleichbe-
deutend seyn konnte, sondern von den Cor oder gor, d.
h. Bergen, an dtmen sie liegen.
— ^67 ~
Der Name des Dorfs Prietitz rührt von der Lage des
Orts (pir-it-iza) her, und nicht von einer wendischen
Frühlings-, Lebens- und Auferstehungsgöttin, die den
Namen Priscza, oder Priseza, wie der wenig kritische
Bönisch glaubt. Schwerlich haben die Wenden irgend-
wo die Lebensgöttin mit dem Namen Prisczeza benannt.
Eher könnte man annehmen, dafs sie die Mondgöttin Bo-
riza genannt haben, welches Wort so wie Raziwa über-
haupt eine Göttin, und in der secondären Bedeutung
insbesondere eine Waldgöttin, Bergwaldgöttin, be-
zeichnet.
Die Göttin des Wildes und der Jagd nannten die
Südwenden Dziewiza, welcher Name mit dem polnischen
Dziwana gleichbedeutend ist. Von ihr meldet eine, noch
hie und da in der südlichen Oberlausitz von alten Per-
sonen referirte Sage Folgendes: Die Dziwiza war eine
schöne, junge Knenje oder Edelfrau (Krasopani der Mäh-
ren), welche mit einer Zylba, d. h. Geschofs bewaffnet,
in den Wäldern herumstreifte. Die schönsten Jagdhunde
begleiteten sie und schreckten nicht nur das Wild, '^son-
dern auch die Menschen, die sich in der Mittagsstunde
(vergl. Pschipowniza) in dem dichten Walde befanden.
Noch jetzt sagen die Wenden in der südlichen Oberlau-
sitz zu Einem, der über den Mittag allein im dichten
Tannenwalde ist , im Scherze : fürchtest du dich nicht,
dafs die Dziwiza zu dir kommen wird? Indefs glaubte
man doch auch, dafs die Dziwiza in mondhellen Näch-
ten in den Wäldern das Geschäft der Jagd treibe. Der
noch jetzt von abergläubischen alten Weibern hie und
da gehegte Glaube an die wilde Jagd ( Dietrich Bern-
hard, Diterbenada) ist ein Ueberrest des alten Glau-
bens an das Geräusch, welches die Hunde der Dziwiza
und überhaupt ihre Begleitung bei nächtlicher Weile in
den Wäldern machte.
— 288 —
Auch \vird eine Waldgottheit erwähnt, welche den
Namen Zuttiber oder Suitibor führte, und die von den
Wenden bei Grofsenhayn und bei Merseburg (mer-ese
und bürg) verehrt worden seyn soll. Ohnfehlbar ist der
Name Zuttiber so wie auch Suitibor etwas corrumpirt.
Nach meinem Vermuthen hiefs die in Rede stehende,
nicht näher beschriebene Gottheit Suntibor oder Swontibor
und ihr Name bezeichnete einen Sonnengott. Der Cul-
tus des Suntibor oder Zuntibor fand wahrscheinlich auf
einer waldigen Anhöhe (Berge) bei Merseburg Statt. Der
Swontihor war entweder der spätere auch auf Rügen und
anderwärts verehrte Sonnengott Swantowit, oder er glich
dem nordwendischen von Criwe und Veidelboten verehr-
ten Berstuc, oder Bersduch, in welchem Falle seine Ver-
ehrung ein Ueberrest des alten Sonnen -Gultus war. Der
Name des Swontibor ist nach meinem Dafürhalten aus
Swonto oder Szwonzo die Sonne, und aus bor, d. h. Gott,
entstanden. Bor oder Por (Porewith) bedeutet nämlich
erstlich die Sonne, oder Gott, zweitens einen Berg (Bo-
rak, Bergdorf) und drittens einen Bergwald. So wenig
ich für Zuttiber und für Suitibor eine mir zulässig er-
scheinende Etymologie finde, so sehr bin ich überzeugt,
dafs die Sylbe suiti nicht aus i'swjaty, d. h. heilig, ent-
standen ist und dafs Suitibor nicht eine heilige Fichte
"bezeichnet hat, wie selbst Abraham Frenzel, der auch
von dem Fehler der willkührlichen Etymologie nicht frei
war, behauptet.
Wenn jetzt die südwendischen Hirten im Firühlinge
das Milchvieh noch nicht auf die Weide treiben, wenn
diese schon mit vielem Grase bedeckt ist , so rufen ihnen
die Hirten , welche ihr Vieh schon weiden , drohend zu :
ja budü tebi Hönidwo do doraa pofswacz, d.h.: ich wer-
de dir Honidwo ins Haus senden. Fragt man sie, was
sie unter dem Honidwo verstehen, so wissen sie darauf
nichts zu antworten, als dafs sie damit sagen wollen: dafs
die nachlässigen Hirten ihre Schuldigkeit thun und dem
— 289 —
Viehe den Genufs des frischen, kräftigen Frühlingsgva-
ses gewähren sollen.
In dem erwähnten Scherze der südoberlausltzischen
Hirten findet sich höchst wahrscheinlich eine Spur von
dem vorchi istlichen Gebrauche der sächsischen VVendon,
den der Bischof Dietmar zu Merseburg in seiner Chro-
nik folgendergestalt beschreibt: „Die sächsischen Sorben-
„wenden hatten einen Wach- und Ruhegott, weichen
„der Hirte von Haus zu Haus mit den Worten: wache,
„Henilj wache!" abzugeben hatte, worauf nach beendig-
tem Herumgeben gewöhnlich ein Schmaufs gehalten wur-
de. Er (Henil) bestand aus einem Stabe, an dessen
oberen Ende eine Hand bevestigt war, die einen eiser-
nen Ring hielt. Der Name Henil, der aus he, ni-il
zusammengesetzt ist, kann nicht einen Gott bedeuten,
sondern er bezeichnet eine Berg- oder Nachtgöttin, Mond-
göttin, unter deren Schutze, nach dem Glauben des
Alterthums, die Milchviehheerden und ihre Hirten stan-
den, und die bei den Nomaden die Weidegrenzen (Ne.
misa , Nemesis) bestimmte und beschirmte. Aufser der
Form Henil mochte auch das Neutrum Henilo (hen-ilo)
Heniwo und Honiwo , d. h. ßerggottheit, vorkommen,
woraus die spätere Zeit Honidwo, d. h. ein Treib -In-
strument, gemacht hat. Der Schmaufs, der nach dem
Herumgeben des Henilo gehalten wurde, war ein gemein-
schaftliches frohes Essen , welches die Hirten , vorzüglich
nach Verlauf der Weidezeit, bei dem Opfer hielten, wel-
ches sie ihrer schützenden und helfenden Gottheit dar-
brachten. Die Repräsentation der Henil war, wie sich
es auch für eine alte und eine Hirten-Göttin pafste, sehr
einfach. Der eiserne Ring, den die Hand hielt, war
ohnstreitig das Symbol einer Schlange, welche andeutete,
dals die Henil auch für die Gesundheit des geweideten
Viehes durch den Aderlafs (vergleiche die Schlange des
Aesculaps) sorge. Die Henil, oder das Henilo war dem-
nach zugleich Patronin der Tliierärzte,
19
— 290 —
So wie die Mondgüttin nach dem jetzt abrogirten
Glauben der Wenden den Menschen ein ihnen bevor-
stehendes Unglück, z. B. Feuersnoth, und den Kranken ih-
ren baldigen Tod durch ihr Wehklagen (Boze Ssadleschko,
von Gott gesandte Berggottheit ) ankündigte und sie da-
durch schon im voraas wegen ihres traurigen, unabän-
derlichen Geschicks in der Repräsentation der Nachteule
beklagte , so nahm sie auch in derselben Gestalt an den
frohen Ereignissen und Begegnissen ihres Lebens Theil.
Erschien die Eule am Tage bei einem Hause, in wel-
chem eine heirathsfähige Jungfrau wohnte, so bedeutete
dies eine baldige Hochzeit, und zeigte sie sich bei ei-
nem Hause, in welchem sich eine hoffende junge Ehe-
frau befand, eine baldige, glückliche Entbindung. Der
jetzige Hochzeitbitter und Ceremonienmeister, der vor
der Trauung herzrührende Anreden an Braut und Bräu-
tigam so wie an deren Angehörige hält, bei der kirchli-
chen Trauung hinter dem Bräutigam so wie die Sswon-
ka hinter der Braut steht, und der bei dem Hochzeit-
schmause das Ordner- und Aufseher -Amt mit einer ge-
wissen Würde verwaltet, war in der heidnischen Zeit
ohnstreitigB in Priester (bar-aschk, der kleine bar oder
bor, ein Repräsentant des bor) des Sonnengotts, oder
doch, vorzüglich in der späteren Zeit, des Mondgotts
(woher der Name Braschka, Pobraschka) so vvie auch die
Sswonka (Sswon-aka, eigentlich Sonnengottsfrau) eine
Priesterin der Mondgöttin war. Beide, der Braschka (Po-
biraschka) und die Sswonka, deren Namen die Unkunde
ganz irrig durch Salzmeste übersetzt , hatten den Beruf,
den jungen Eheleuten guten Rath zu ertheilen , und ein
Theil der Verhaltungsregeln, welche noch jetzt die Braut-
leute zu befolgen haben, ist ohne Zweifel ein Ueber-
rest der psychologischen und medicinischen Weisheit
der wendischen heidnischen Priester und Priesterinnen.
Nicht minder ist die sammtne, gezierte Krone, Barta
genannt, welche die Bräute der oberlausitzischen Wen-
den an ihrem Trauungstage auf dem Haupte tragen, ein
— 291 —
Kopfschmuck, welchen die wendischen Mondpriesterin-
nen, als Priesterinnen der Liebesf]i;üttin , trugen und den
sie der keuschen Braut an dem festlichen Tage ihrer
ehelichen Verbindung zu tragen gestatteten.
19*
— - 292 —
ANHANG.
Ueber die Verwandtschaft des Wendischen
mit dera Sanskrit.
vVenn sich auch, nach dem. Zeugnisse der beglaubigten.
Geschichte, schon in fernem Aherthume, in Babylonien,
an den Ufern des Nils, an der phönicischen Küste, auf
den Gefilden von Iran, an dem östlichen Gestade des
Pontus Euxinus, am See Mäotis, so wie an den Ufern
des sich in denselben ergiefsenden Tanais ein höheres,
geistiges Leben regte, so ist es doch mehr als wahrschein-
lich , dafs dieses Leben ursprünglich nicht in den genann-
ten Gegenden erblühete, sondern dafs die ersten Pulse
desselben in dem herrlichen Länderstriche Hindostans,
der zwischen dem Indus und Ganges gelegen ist, zu
schlagen begannen. Hier, wo die Natur ihrem vorzüg-
lichsten Kinde, dem Menschen, alles zu seiner Erhaltung,
Ausbildung und Freude Erforderliche mit liebender liand
reichlich spendet; wo herrliche Berge mit paradiesischen
Thälern abwechseln und wo ein günstiges Klima die Be-
strebungen und die Thätigkeit der Menschen unterstützt
und erleichtert, ist ohnstreitig der Seegensbaum der
menschlichen Cultur zuerst entsprossen und erwachsen.
Insonderheit war höchst w^ahrscheinlich Indien dasjenige
Land , wo die erste objective Religion entstand und sich
ausbildete. Auf den herrlichen Hügeln und Vorgebirgen
der Küsten Hindostans nämlich, wo die aus dem indi-
schen Ocean in unnennbarer Herrlichkeit aufsteigende
Morgensonne die Menschen zur Anbetung stimmte, und
^vo der scheinbar aus den Meeresfluthen auftauchende
293
Mond die Herzen der innigst fühlenden ersten Menschen-
geschlechter mit wehmüthig süFsen Gefühlen erfülhe und
nicht minder zur Adoration leitete, als der Anblick der
Sonne, dieses vvohlthätigen Beherrschers des Tages, be*
gann ohne Zweifel der Cultus der Sonne und des Mon-
des, welcher ohnstreitig die erste Religionsform der Welt
war. Einfach und lebendig war anfänglich die Vereh-
rung der genannten himmlischen Wohlthäter, von denen
man sieh die Sonne als einen kräftigen, heldenmüthi-
gen Mann, den Mond aber als eine sanfte, liebende^
duldende, dem Manne nachschreitende Frau vorstellte.
Weil die Menschen noch selbst weichherzig waren, und
weil sie ein lebendiges Mitgefühl für die Freuden und
Leiden aller ihrer fühlenden Mitgeschöpfe besafsen , so
können wir fast mit Gewifsheit annehmen, dafs auch die
beiden ersten von ihnen verehrten Gottheiten keine blu-
tigen Opfer forderten. Lehrten auch nicht geschriebene
Vorschriften der Moral die ersten Sterblichen Gerechtig-
keit und Humanität üben , so doch das in ihr Inneres
tief eingegrabene natürliche Pflichtgesetz. Ein hoher
Grad von sittlicher Reinheit zeichnete das Leben der er-
sten Menschenvereine aus , die noch mit Aufmerksam-
keit auf des Gewissens laute Stimme achteten, und die
noch nicht durch verderbliche Vorurtheile, durch der
Gottheit unwürdige Dogmen, durch Vorschriften einer fal-
schen Moral, so wie durch selbstsüchtige Gesetze der Poli-
tik irre geleitet wurden.
Aber der angedeutete, schuldlose, friedliche, glück-
liche Zustand der ersten Menschengeschlechter dauerte
nicht lange, Bald entzweiten sie sich zunächst über die
Form der Verehrung der Sonne und des Mondes. Wäh-
rend nämlich ein Theil der Menschen noch an dem ein-
fachen idollosen Cultus des himmlischen Beherrschers des
Tages und der himmlischen Regentin der Nacht, der in le-
bendigen Herzensgefühlen, freudigen Hymnen und seelen-
vollen Tänzen bestand, festhielt, zog der andere die himmli-
schen zu sich herab, repräseniirte sie durch verschiedene,
' — 294 ■—
obgleich anfangs grandiose Bilder (Felsentempel, Colos-
sen , Obelisken , Pyramiden , Memnonssäulen etc. ) , ket-
tete sie gleichsam an einen Ort fest und brachte ihnen
materielle Opfer dar. Dieser Uebertritt eines Theils der
Menschen aus der ersten Religionsperiode in die zweite,
der bald die dritte der niederen Idololatrie ( Pvepräsenta-
tion des Sonnengottes und der Mondgöttin durch Men-
schen- und Thier- Gestalten) folgte, erzeugte aber nicht
nur einen theoretischen Gegensatz in der Religion, son-
dern auch einen practischen, welcher anfangs traurige
Zerwürfnisse und Zwiste und zuletzt sogar blutige Käm-
pfe zur Folge hatte. Diese Kämpfe (Religionskriege), in
denen sich der Glaube an gute und böse Gottheiten aus-
bildete, zerstörten nicht allein das wohlthätige Gefühl der
Bruderliebe in den Herzen der Menschen, sondern ver-
leiteten Letztere auch zu grausamen Verfolgungen der
Andersgläubigen. Insonderheit wurden durch die ent-
standenen Religionszwiste und Religionskriege gewaltsame
Auswanderungen der Altgläubigen, oder doch derjenigen,
die in denn hitzigen Kampfe unterlagen , verursacht. Die
daheim Bedrückten und Verfolgten entschlossen sich, um
den Unbilden, die man ihnen in ihrem Vaterlande vielfach
zufügte, zu entgehen, in entfernte, fremde Gegenden aus-
zuwandern. Nach allen Weltgegenden zogen nun, bald
in gröfserer, bald in geringerer Anzahl, die Flüchtlinge
aus dem Paradiese ihrer ersten Heimatb, die in einen
traurigen Tummelplatz der Furie der religiösen und po-
litischen Kämpfe verwandelt worden war.
Unsere kleine Geschichte, die uns nur Einiges von
den alten Begebenheiten auf den Inseln und Ufern des
mittelländischen Meeres, so wie der angrenzenden Pro-
vinzen , und dieses oft nur in mangelhaften , mährchen-
haften Formen verkündet, giebt uns keine Kunde von
den einstigen gezwungenen und freiwilligen Emigratio-
nen der Menschen aus den Paradiesen Indiens nach den
Inseln des indischen Archipels, nach Australien und
nach dem wahrscheinlich früher mit Asien zusammen-
hängenden Amerika , ingleichen nach China und Japan.
— 295 — •
Wird uns ferner durch geschriebene Geschichtsurkunden
nicht gemeldet, wann durch indische Auswanderer Ara-
bien, Nubien, Abyssinien, Oberägypten, Babylonien, die
tyrische Küste, Persien, Skythien, Ost- und West-Pe-
lasgien occupirt worden ist , so erscheinen doch die frü-
her dort vorkommenden und nocli jetzt daselbst hie und
da vorhandenen uralten Monumente der Baukunst als un-
läugbare Nachahmungen nicht nur indischer Kunst , son-
dern auch alten indischen Religionscultus, der die Kunst,
wie man an den uralten Bergtempeln auf der Insel Sal-
sette und in dem Ghautgebirge, so wie an den Monu-
menten von Mavalipuram sieht, sich dienstbar machte.
Freilich sind die Nachahmungen der uralten religiösen
Gebäue Indiens in den Pyramiden Aegyptens vollkom-
mener, als in den Aushöhlungen des Berges Tomarus
bei Budona oder Dodona in Epirus, des Cumäischen
Bergfelsens in Campanien, in den Sueven (Sun-öven
oder Rodzischrzen der Lausitz und in den Romowen
(Rom -Owen) in Preussen. Indischen Ursprungs war auch
ohne Zweifel die alte Eintheilung der Bewohner Aegyp-
tens in Kasten. Ueberdies tönte auch der Klang der hei-
ligen Sagen nicht nur der Aegypter, sondern auch der
Vorderasiaten vielfältig nach Indien hin, und ihnen war
noch späterhin dieses Land ein Land von nicht geringe-
rem Interesse, als den neueren Europäern Palästina und
Griechenland,
Scheint es aber aufser Zweifel zu liegen, dafs indi-
sche Refügies und indische Colonisten nicht nur das übri-
ge Asien , sondern auch Europa , so wie die Nordküste
Afrika's bevölkert haben, so kann man auch vermuthen,
dafs sich auch in den Sprachen der aus Indien herstam-
menden Völker Elemente der uralten Sprache Hindostans,
des Sanscrit, finden. Dafs dieses der Fall ist, hat man
schon jetzt nachgewiesen, und es wird noch künftig mehr
dargethan werden können, wenn uns einst die herrlichen
Schätze der altindischen Literatur werden mehr zugäng-
lich seyn. Bekannt ist es, dafs man in der neuesten Zeit
296
einige Verwandtschaft des Hebräischen und des Griechi-
schen mit dem, Sanskrit gefunden hat. Auch in der Spra-
che der alten Preufsen , die ohne Zweifel ein Zweig der
^vährend der römisch -pontischen Kriege vom Kaukasus
emigrirten Gothen war, hat man Sanskritanische Ele-
mente entdeckt. Merkwürdig ist es, dafs auch die la^
teinische Sprache vorzugsweise dem Sanskrit verwandt
erscheint. „Das Lateinische, sagt Friedrich Schmitthenner
in seiner Ursprachlehre Seite 68, steht dem Sanskrit am
nächsten. Diese herrliche Sprache, bemerkt der genanu-'
te gelehrte und fleifsige Sprachforscher, ist, obwohl an
Formen ärmer, doch ihrem Gepräge nach antiker, ihrer
Textur nach einfacher als das Griechische, welches Letz^
tere sehr gemischt ist durch Wörter, die dem semiti-
schen Sprachstamme angehören, ein Ergebnifs der Sprach-^
forschung, das für die Geschichte höchst bedeutend ist."
Höchst wahrscheinlich war schon in uralter Zeit ein
Theil eines indisch-persischen Volksstammes, der, wie
die Menschen in der ersten Religionsperiode, den Göt-.
tern noch keine Menschenopfer darbrachte, auf der süd-.
liehen Völkerstrafse, am See Mäotis, durch Thracien,
Pannonien und lUyrien nach Italien gezogen, hatte sich
zuvörderst an der Mündung des Padus (Po) festgesetzt
und dem letztgenannten I>ande die höhere Cultur zuge-
führt, deren Früchte noch späterhin Hetrurien (He-tur-.
ia d. h. ein Land, welches zum Theil niedrig, zum
Theil gebirgig ist) aufwies.
Nicht ohne Grund behauptet man, dafs die Sla-
ven einer der letzteren Zweige sind, der sich von dem
grofsen indischen Volksstamme trennte, und der, ver-
pflanzt in den Westen Asiens und in den Osten Euro-
pa's, zu einem mächtigen Stamme erwachsen ist. Man
hat diese Behauptung durch die Anführung des ziem-
lichen Gleichlauts der Benennung eines Theils des
slavischen Volksstammes zu rechtfertigen gesucht. Ein
Theil der Slaven führte nämlich schon früher den Na»
men Anten, Heneten, Veneten und heilst noch jetzt
Wenden, Winden. Diese letzteren Namen sind, nach
— 297 —
meinem Dafürhalten, allerdings mit clem Namen Hindu,
welcher in der regulären Form Hin-ud, oder Hin- uden.
Hin- den lauten würde, identisch, und nur das w ist.
mit dem h in denselben verwechselt worden. Dies©
Verwechselung wird nicht auffallen, wenn man sich er-
innert» dafs noch jetzt die beiden lavisitzischen wendi-
schen (hin-duischen, hen-deiscben) Dialecte dieselbe Ver-
wechselung machen, und dafs man in der Oberlausitz
statt Hu*schoba Wutroba, statt Hucho VVucho etc. spricht.
Ferner zeugt für die indische Abkunft der Slaven (Wen-
den) nicht nur der Urnstand, dafs noch gegenwärtig in
einigen Gegenden der nordwestlichen Spitze Hindostans
eine sehr der slavischen Sprache ähnliehe Sprache ge-
sprochen wird, sondern auch die tiefe, indische Reli-
giosität, durch die sich fast alle Zweige des slavischen
Volksstamraes auszeichnen. Nicht minder hat man be-
hauptet, dafs die vveifse Trauerkleidung der oberlausitzi
wendischen Weiber auf Indien hinweise, wo diese Klei-^
düng noch jetzt von den trauernden Personen weiblichen
Geschlechts getragen wird.. Varnehmlich aber beurkun-
den das Herstammen der Slaven aus Indien sowohl die
auf südliche Gegenden hinzeigenden Lüwengesichter meh--
rerer Götzenbilder derselben, als auch die einst bei die-
sem Volke stattfindende Verehrung von Götterdreihei^
ten , die höchst wahrscheinlich in Hindostan ihren Ur-^
Sprung erhalten hat.
Es läfst sich vermuthen, dafs, da für die indische
Abkunft der Slaven so viele nicht zu verwerfende Ze«""-
nisse sprechen, auch die Sprache dieses Volksstsirimes,
dessen Wohnsitze näher an Indien liegen» als di© der
germanischen und pelasgischen Völker (Italer und Gri€s
rhen) mit der alten Sprache Hindostans, dem Sanskrit,
in Materie und Form verwandt sey. Man würde je~
doch zu weit gehen, wenn man glaubte, dafs diese
Verwandtschaft so grofs ist wie diejenige, welche gegen-
wärtig zwischen dem Oberlausitz - und Niederlausitz-
WendiscVien stattfindet. Denn wenn auch in alten Zei-
— 298 —
ten das Sanskrit, wie versichert wird, vom Cap Comoriti
bis zu den Gebirgen von Kaschgar allgemein gespro-
chen wurde, so kann man doch präsumiren, dafs schon
damals verschiedene Dialecte des Sanskrit bestanden,
und dafs die Sprache der Indier im Südost von der
Sprache der Indier im Nordwesten differirte, wie jetzt
Hochdeutsch und Plattdeutsch, die Langued'oui und
die Langued'oc, das Wendische und das Russische, das
Florentinische und das Venetianische etc. Zum Min-
desten kann man annehmen, dafs, als die alte Lite-
ratur der Indier geschlossen wurde, der Dialect der wen-
dischen (slavischen) Auswanderer sich schon von der hei-
ligen Sprache (Sanskrit) Hindostans ziemlich entfernt
hatte. Man wird es nicht unnatürlich finden, dafs diese
Entfernung sich in der Folgezeit immer mehr vergrü-
fserte, wenn man die vielfachen inneren und äufseren
Einflüsse nicht übersieht, welchen eine Sprache, inson-
derheit wenn sie in ferne Regionen verpflanzt wird, und
nicht durch eine gemeinschaftliche Literatur mit der
Mutter vei'bunden bleibt, ausgesetzt ist. Eine solche
durch Verpflanzung in fremde Gegenden versetzte Sprache
gleicht einer Tochter, die sich von der Seite der Mut-
ter entfernt hat in fremde Gegenden, in ein fremdes
Klima gezogen und die dort in einen von dem Lebens-
Itveise der Mutter vielfach verschiedenen Lebenskreis ein-
geführt worden ist. Nach langen Jahren wird sich die
Lebensform der Tochter noch mehr verändern, als die
Gestalt des Lebens der daheim verbliebenen Mutter.
Indefs wird man doch auch noch nach dem Verlaufe
einer geraumen Zeit, bei genauerer Aufmerksamkeit und
Prüfung, finden, dafs beide das Band der Verwandtschaft
umschlingt.
Man hat in neuerer Zeit Versuche gemacht, nach-
zuweisen, dafs nicht nur das Altpersische, sondern auch
das Italo- und Gräco-Pelasgische, so wie auch das Go-
thische mit dem Sanskrit in Materie und Form vielfach
übe. einstimmen , und hat bemerkenswerthe Ergebnisse
— 299 —
gewonnen. Ohne Zweifel würden deutsche Sprachfor-
scher auch die aniik gestaltete slavische Sprache in den
Kreis ihrer diesfälligen Vergleichungen gezogen haben,
wenn ihnen nicht die Kunde derselben gemangelt hätte.
Nachstehende Beispiele mögen andeuten, dafs sich in dem
slavischen Sprachdialecte der Oberlausitz nicht minder,
als in den pelasgischen , Wörter finden , welche mit den
Wörteru der heiligen, jetzt nur noch von den ßraminen
verstandenen Sprache der Indier, dem Sanskrit, mehr
oder weniger gleichlautend sind. So lautet im
Wendischen
Sanskrit
Lateinischen
Griechischen
prjeni
prajama
primus
JIQWTOS
picz
pa
bib-o
Ttöca
brat
bhrata
frater
cpQarrjQ
budcz
bhu
fu - ere
(pv-fii.
diiri
duar
9vQa
driecz
dri
_
( reifsen )
woda
uda
uda, um
VSCOQ
widzicz
vid
vid -ere
liiS - Evai
(wedzicz)
niesdo
nidhis
nid -US
710 -vig (lens)
sto
sätan.
centum
£Kaz6v
woczi
aksclii
oculi
toKfg ((ojTfg)
kokula
kokila
cuculus
szytsch
sitsch
( säen )
snacz
dschna
gnosco
yvom
zona
gliena
yvvri
hussa
hansa
anser
krasny
kris
gracilis
syma
Hima
hiems
XH^LK
mrjecz
mri
mori
macz
mita
mater
ILTycn^
noz
nis
nox
vv^
noss
nasa
nasus
—
Rai
rai
regnum
Sera (raniscli
e)
Surija
Sirius
( Morgenröthe
) (Sonne)
P^ada
radh
ratio
So wahrscheinlich
es ist, dafs die
vorstehenden
wendischen
\'V
?^örter aus
dem Sanskrit herstammen, weil
— 300 —
sich ein früherer Nexus des Slavenvolks mit den In-
diern mit ziemlicher Evidenz historisch nachweisen läfst,
so irrt man doch ohnstreitig, wenn man annimmt, dals,
wenn sich in zwei Sprachen zwei gleichlautende und
gleichbedeutende Wörter finden, jedesmal die eine vSpra-
che das gleichlautende Wort von der andern reripirt ha-
be. Denn die gleichartigen, sowohl durch die Autonomie
als auch Heteronomie bedingten Anschauungen der Men-
schen konnten in verschiedenen Gegenden und bei von
einander weit entfernten Völkern ganz oder doch ziem-
lich gleichlautende Wortbildungen erzeugen. So kann
man z. B. annehmen, dafs das slavische Wort Nofs, die
Nase, welches eine vorspringende niedere Erhöhung des
menschlichen Körpers (£;leichsdm ein Vorgebic^e) bedeu-
tet, sich ganz unabhängig von dem Sanskrit , dem Latei-
nischen und Germanischen gebildet hat.
Da die Wörter derjenigen Sprachen, die mnthmafs-
lich aus dem Sanskrit herstammen, in der Folgezeit, in
dem Zustande der Getrenntheit von ihrer peoieinschaft-
licheii :viutter. vielfach verändert worden sind, so darf
man si- h nicht wundern, dafs auch ihre Formen jver-
schifcdece Wandeluiigen erlitten haben. In einigen Spra-
chen, z- ß. in der griechischen und germanischen, wur-
den mehrfache Ascensionen und Descensionen der Selbst-
laute (ui, ue, oe, oi, ae, ai, ei, iu, eu, ao, au, ou etc.),
die man gewöhnlich Diphthongen nennt , eingeführt,
v.nd nur die lateinische und slavische Sprache erhielt
si' h von den Ausdehnungen und Schwankungen der Vo-
cale ziemlich frei. Der Dual verblieb nur der slavischen
U' d gjiecmsi. hen Sprache. Die Zeitwörter fast aller eu-
rowüis hen Spra hen verbanden auf immer das esse (seyn)
Xttit ihrer Wurzel, die ursprünglich bald eine wirkliche,
bald eine scheinbare Thätigkeit der beiden ersten Gott-
heiten .-er Menschen, der Sonne und des Mondes, oder
ihrer späteren zahlreichen Repräsentanten andeutete. Die
griechische Sprache bezeichnete das esse im Infinitiv der
Zeitwörter durch ssiv, ostvy ccnv, inv, utvy oder durch avui,
— ÖOl —
ovai, avat, evat, ivui; die lateinische durch ate, ?re, ere»
ire; die wendische durch ucz, ycz, ocz, acz, ecz, icz;
die gothische (germanische) durch un, on, an, en, in.
Die drei erstgenannten Sprachen haben keine der ange-
führten Formen der Infinitiv-Endung verloren; die hoch-
deutsche dagegen ist aller bis auf das en (seyn), wel-
ches sie gegenwärtig an alle Wurzeln der Verben hängt,
verlustig gegangen.
Bei der Conjugation der Zeitwörter haben sich nut
die griechische und lateinische Sprache von der (über*
flüssigen) Verdoppelung der Personen-Bezeichnungen frei
erhalten; das Siavische aber, obgleich eS sonst in seinen
Formen nicht so viele Veränderungen erlitten hat als
das Germanische, hat den Fehler des Letztern nach-
geahmt, und die Wenden sprechen gegenwärtisr au-^h:
ja wamam , ty wamasch etc., so wie die Deuts.htn ich
breche > du brichst etc. Die Endunf^ am in wTmam be-
zeichnet nämlich schon ich bin (süm), so wie aas e in
breche (ber-ech-e) und beide Wörter, wamam und bre-
che, bedeuten schon an sich: Mondgott ich bin und
Mondgöttin ich bin. Beide angeführten Zeitwoter ver-
danken vorzüglich der im fernen Alxerthume bei der
Bildung des Sprachstoffs mächtig mitwirkenden heiero-
nomischen Potenz ihre Entstehung. Na^h dem uralten
relisiösen Glauben standen nämlich die Verändern usen
in der niederen Erdathmosphäre untfr dem Regimente
des Mondes, und indiem der \l(.n''Ch Etw.ip ze brach,
verglich er sich mit der Wind unr' Sturm eivcugenden
und dur-^h diesen dje Bäume des V\aldes zerbrechenden
Mondgöttin.
— 302
Ueber die Bedeutung des Worts Bog. '
Das Wort Bog, mit dem jetzt ein Theil der Slaven und
unter diesen auch die niedei'lausitzer Wenden , den wah-
ren Gott benennen, ist aus Ro und og zusammengesetzt
und bedeutet im Allgemeinen ein grofses, mächtiges, erha-
benes, männliches Wesen, in dem Bereiche der Religion aber
eine männliche Gottheit. In der heidnischen, heiligen oder
kirchlichen Sprache hat dieses Wort gleiche Bedeutung
mit dem alten wendischen Bak in Bubak, mit dem je-
tzigen oberlausitzischen Boh und dem böhmischen Buh,
und sehr nahe verwandt ist dasselbe mit dem ostasiati-
schen Budha, dem germanischen Wod-an so wie mit
dem pelasgischen Bach-us,
Manche haben Bedenken getragen, dem Worte Bog
auch nur eine Verbal -Verwandtschaft mit den letztge-
nannten Namen einzuräumen, weil dasselbe den wahren
Gott bezeichne, und weil dagegen die Namen Budha,
Wodan und Bachus nur eingebildete, falsche Götter an-
deuten.
Indefs hatte das Wort Bog in der kirchlichen Spra-
che nicht gleich von seiner Entstehung an seine gegen-
wärtige, prägnante und besondere Bedeutung, sondern
es bezeichnete anfänglich eben so gut wie Allah, Gott
und Devas, deus, &ios, ^evg, eine bestimmte Gottheit
1 Dieser Aufsatz wurde zuerst in den lausitzisclien Provin-
zial- Blättern abgedruckt, so wie der vorstehende: über die
Verwandtschaft des Sanskrit mit dein Wendischen in dem
Neuen Lausitzer Magazin,
— 303 —
der früheren, abrogirten heidnischen religiösen Welt. In
der ersten und zweiten heidnischen Religionsperiode be-
zeichnete nämlich Bog einen Sonnen-, oder doch einen
androgynischen Gott, in der dritten Aera des religiösen
Heidenthums aber, wo die Welt, vorzüglich in den Nord-
ländern, vorzugsweise den Mond verehrte, einen Mond-
gott, oder eine gynandrische Gottheit. Nur unter dem
Einflüsse dieser so eben angedeuteten Umwandlung der
früheren ursprünglichen Relieionsmeinungen durfte in
den späteren Zeiten auch solchen Gottheiten der Name
Bog beigelegt werden, welche anfänglich weiblich wa-
ren und die einen Theil des vielumfassenden Amts der
alten Mondgöttin verwalteten, wie z. B. dem Dasche-
bog, unter welchem man in der dritten Religionsperiode
in der russischen Mythologie diejenige Gottheit verstand,
welche die Uboze, oder die in den Tiefen der Erdhöh-
len fort lebenden Verstorbenen (die Lausitzer nannten
sieLutki) bis zu dem Zeitpunkte beherrschte, wo sie
der Alles belebende Sonnengott zum neuen irdischen
Daseyn rief.
Sowohl in seiner fi-ühesten, als auch in der späte-
ren, wenn auch nicht in der gegenwärtigen Bedeutung
ist das Wort Bo.t in der heidnischen kirchlichen Sprache
allerdings mit Budha nicht nur grammatisch, sondern
auch hinsichtlich der religiösen Ideen, die beide Wörter
bezeichnen, sehr nahe vervvandt. Die W^ortverwandt-
schaft des Bog mit Budha stellt sich uns folgendergestalt
dar. Budha hat in der ersten Sylbe an der Stelle des g
das höhere d, und es kommt in derselben Form noch
jetzt in dem wendischen Hauptzeitworte budcz (bud-ucz)
vor, wo es entweder Gott, oder einen Berg, jedenfalls
aber etwas Selbstständiges, Festes, Unvei-gangliches be-
zeichnet. Die Endsylbe in Budha ist ein invertirtes ah,
das in andern Formen schon früher bisweilen in der alt-
italischen, mit der altpersischen sehr verwandten, Spra-
che z. B. in Persa, gelu, cornu u. s. w., gegenwärtig
aber in den neuostasiatischen Sprachen, so wie in der
— 304 —
Sprache der Wenden noch oft vorkommt, und das mit
as , OS, US, or, ur u. s. w. gleiche Gehung, nämlich die
Potenz eines Substantivs, wie in VYischnu, Menü etc.
das nu oder un hat. Mehr als wahrscheinlich ist es, dafs
Budha anfänglich nur Bud hiefs , und dafs das Wort nur
in späteren Zeiten durch das ha oder ah eine ähnliche
Verlängerung erhielt, wie turn in Sa-tur-un (turn),
inudz in Or-mud-uz u. s. w. Diese Verlängerung des
Bud durch ha oder ah, die in andern Formen in der
griechischen, lateinischen und altpreufsischen Sprache
häufig und zur Ungebühr vorkommt, und welche die pe-
lasgischen Sprachen den Sprachen des germanischen und
slavischen Volksstammes so unähnlich macht, veränderte
aber die ursprüngliche Bedeutung des Worts nicht mehr,
als dies jetzt geschieht, wenn wir statt Sonne sagen:
Sonnengott, Sonnengottheit.
So wie Bog, Böh, Buh bei deil slavischen Völkern
der Träger der verschiedenen Religionsvorstellungen, wel-
che in dea drei Hauptperioden ihres Heidenthums vor-
herrschten, war, so auch bei den Ostasiaten Bud, oder
das neuere Bud-ha oder ah. Ja, man kann behaupten:
dafs, so wie jetzt das Wort Bog in der Sprache mehre-
rer Slavensiämme eine ganz besondere, durch das Chri-
stenthum erzeugte, neue religiöse Vorstellung bezeichnet
und mithin schon seit seinem Entstehen bei den Slaven
die vierte Bedeutung hat, auch Bud-ha (bei den Chine-
sen Fob, welches mit dem oberlausitzischen Boh gleich-
bedeutend ist) iri Ostasien eine vierte heidnische Reli-
gionsform benennt, nämlich den Heueren, wahrschein-
lich durch jüdisch^ christliche Religions- Elemente refor-
mirten, oder, wie Herr Professor Carl Ritter in seiner
Vorhalle der europäischen Völkergeschichten vor Hero-
dotus sagt, regenerirten Budhaismus.
Eben so wenig als der slavische Bog in seiner frü-
heren grammatischen und reellen Bedeutung von dem
asiatischen Bud oder Budha wesentlich verschieden ist,
— 305 —
ehen so wenig auch von dem germanischen Wod-an.
Um sich davon zu überzeugen , darf man zunächst nicht
unbeachtet lassen, dafs B und W auf der Lautlinie nicht
nur nahe bei einander, sondern nahe neben einander
stehen und dafs das W nur eine Ascension oder Modifi-
cation des B ist. Wegen der nur modificirten Identität
des B und W konnte daher wohl ein Wesen, welches
einige Völker Bud nannten, bei andern Wud oder Wod
(Idas u und o werden häufig permutirt, wie z. B. in Buh
und Boh) heil'sen. Die Endsylbe an in Wod-an, die
in späteren Zeiten hie und da in en überging , ist nur
eine andere (gothische, germanische) Wortendung und
hat mit ha oder ah in Budha dieselbe Potenz.
Dafs Wod-an in den drei heidnischen Haupt -Reli-
gionsperioden auch verschiedene R.eligions-Ideen bezeich-
nete, wie Bud-ha und Bog, dies erleidet keinen Zweifel.
In der Periode, in welcher wir ihn kennen, war er
nicht mehr ein Sonnengott, sondern ein Mondgott, und
stand folglich mit dem von Tacitus in seiner Beschrei-
bung Germaniens erwähnten deutschen Mercurius so mit
dem Odin (Hod-in) der Skandinaven, dem Perun der
Russen, dem Fun? oder ßlins der X,ausitzer und Dale-
minzen, dem Wischnu der Indier, dem Tiermes der Fin-
nen u, s. w. in einer und derselben Classe. Stellte man
neben den Wodan eine Göttin (Mondgottin), so mufste
sie Voda oder Woda heifsen , welchen Namen sie auch
in der That führte. So gewifs es ist, dafs Wod-an mit
Bo2 in den letzten heidnischen Jahrhunderten zieinlich
gleiche Bedeutung hatte (gröfsere oder geringere Ver-
schiedenheit der religiösen Ideen und Formen fand auch
bei aller Harmonie der religiösen Grundmeinungen im
Alterthume Statt ) , so weicht doch seine Bedeutung fast
eben so sehr von der des jetzigen asiatischen Budha, als
von der des gegenwärtigen Bog der Slaven ab. Bekannt
ist es, dafs jetzt in Nordgermanien und in Britannien,
wo der Cultus des Wodan oder Woden schon längst der
Christusreligion hat Platz machen müssen, der Name des
20
— 306 —
Wodan sich nur noch in dem letztgenannten Lande in
der Benennung des mittelsten Tages der Woche, den
die Engländer Wodnesday (Wodanstag) nennen, erhal
ten hat , und als eine Folge der zuMligen Einwande-
rung der Angelsachsen in England, unter Horst und
Hengist , ist es anzusehen, dafs die Britten gegenwärtig
das höchste Wesen nicht Wodan (gleichbedeutend mit
Bog, Boh, Buh, Bud-ha), sondern mit einem andern
germanischen , ursprünglich dasselbe bedeutenden Na-
men, mit God (Gott) benennen.
Wenn aber auch Manche die ursprüngliche verbale
und reale Identität der Wörter Bog, Bud-ha und Wod-
an in dem Gebiete der Religion zugeben möchten , so
werden doch gewifs Viele Bedenken tragen der Behavip-
tung beizustimmen: dafs Bog, Bud und Wod mit Bach-
us in einer sehr engen, nicht nur wörtlichen, sondern
auch ideellen Verwandtschaft stehen, und dies um so
mehr, je fester sie an den ungereimten, das Alte und
Neue vermengenden , Mythen der griechischen und la-
teinischen Theologen halten, und je mehr sie wähnen,
dafs der spätere griechische Bachus ^ oder Dionysos (dio-
nys-os, d. h. Mondgott, Nachtgott) die ursprüngliche
wahre Idee der in Rede stehenden Gottheit enthalte. Ver-
2 Die Schreibart Bacchus läfst sich nicht rechtfertigen und
ist eben so wenig zulässig als Grippe statt Gripe. Das
Wort Gripe (ger-ipe) oder Kripe ist ohnstreitig ein Gegen-
satz der Korofs (grofse, tödtliche Krankheit) und bezeich-
net eine kleine Krankheit oder Pest. Die oberlausitzischen
Wenden hatten schon früher in ihrer Sprache ein, wahr-
scheinlich von einem ex usu gekommenen Hauptworte Kri-
pa abgeleitetes, Adjectiv , welches kripawy, a, e, lautet,
und mit dem man einen kränklichen Menschen bezeichnet,
der an einer, kurze Zeit dauernden, Lähmung der Glieder
leidet. Kripawe Hussatko wird eine junge kränkliche Gans
genannt, die auf einige Zeit an Beinen und Flügeln er-
lahmt ist;
— 307 —
wundert werden manche fragen: wie ist es möglich, dafs
man den Bachus, diesen Patron (nach der gewöhnlichen,
vorgefafsten Meinung) der Säufer, Schwelger und Schlem-
mer, dessen schandbaren und verderblichen Cultus der
römische Staat durch ein besonderes Gesetz zu verbieten
sich genöthigt sah, mit dem slavischen Bog, der jetzt
den wahren Gott bezeichnet, auch nur in eine entfern-
te Geraeinschaft stellen könne? Wie stimmt Belial und
Christus? Und doch müssen wir dem Bach-us diese Ge-
meinschaft auch dann zugestehen, wenn wir uns auf
den Boden des strengsten Kriticismus stellen. Dazu nö-
thigen uns zunächst grammatische Gründe. Das AVort
Bach, welches nur Berücksichtigung verdient (das us ist
angehangen, wie in Budha das ha oder ah, in Wodan
das an ) , ist nämlich nur eine andere Sprech- und Schreib-
art des Worts Bog. Das o und a wird so häufig permu-
tirt, dafs es aufser allem Zweifel liegt, dafs auch liier
eine Verwechselung beider Selbstlaute Statt gefunden hat.
Es liefse sich sogar aus den Differenzen , die zwischen
den seligiösen Vorstellungen der Slaven und Griechen
Statt fanden, nachweisen, dafs die Ersteren die Gottheit,
von welcher die Rede ist, Bog, die Letzteren aber Bach-
us benennen mufsten. Indefs würde uns dies hier zu
weit führen. Wir verweisen daher nur auf den alle Ta-
ge vorkommenden usus, nach welchem die Bewohner
des Gebirges oft da ein o setzen, wo die Bewohner der
Ebene ein a gebrauchen. Aber auch selbst bei den Sla-
ven kommt das a in der Benennung des alten Berg-
oder Sonnengotts, in dem Bubak (buh-bak) nämlich,
dessen Religion mit dem späteren slavischen Fetiscliismus
in Opposition stand, vor. Eben so wenig als die Ver-
wechselung der Selbstlaute o und a in der Sylbe Bog
und Bach gegen die Identität des Bog und Bach-us spricht,
eben so wenig auch die der beiden Consonanten g und
eh. Diese Mitlaute stehen nämlich auf der Consonan-
tenlinie ^ neben einander, indem das ch eine Ascension
3 Die 10 Grund - Consonanten (h, k, n, 1, j, r, z, t, p, m)
20* 4b
— 508 —
oder Modificatien des h , das g aber des k ist. Das g
ist von dem ch noch nicht so w-eit entfernt, als das g
vind h, welche Laute gegenwärtig noch in Bog und ßoh
oder Buh vorkommen , und beide Mitlaute stehen auf
der natürlichen Lautlinie gerade nur so weit von ein-
ander, als das h in Boh und das k in Bak (ßu-bak).
stellen mit ihren Ascensionen (Verfeinerungen) in der Ord-
nung, welche nachstehende Linie darstellt.
Kehllaut
ch (x)
Gaumenlaut
g
Hinterster
Zungen - und
Nasenlaut
Mittler Zun-
:gen-Laut
ch
€
H
K
N
L
ha cha • chi ka ge
el
Vorderer Zun-
genlaut
z
Vorderster Innerer Zahn-
Zungenlaut laut
seh
Zahnlaut
dsch
s
d
J
R Z
T
)od dsche zet er
zet es sehe te de
Lippenlaut
vv
Aeufserer Lippenlaut
V
f
b
P
M
pe be ef ve we em
In meiner Skythika ist pag, 54. das t als Ascension
des d und das p als Ascension des b fälschlich genannt.
Das t ascendirt nämlich zum d und das p zum b, weshalb
auch das t in der Regel etwas Höheres, Gröfseres und Här-
teres bedeutet, als das d, und das p zur Bezeichnung von
höheren, gröfseren und härteren Dingen gebraucht wird,
als das b.
— 309 —
U'enn aber audi cUc grauunatische Idenliläl des
Bog und ßacli- (us) nicht zu bestreiten ist, so scheint
doch nicht nur zwischen der neuen, sondern auch selbst
zwischen der alten religiösen Bedeutung des Worts Bog
und Bach - us ein sehr grofser Unterschied Statt zu fin-
den. Dies scheint jedoch nur so. Berücksichtigen wir
zunächst die Idee des Bachus in der späteren (dritten)
Religionsperiode, in welcher uns die Griechen ihren Ba-
chus oder Dionysos vorführen und in welcher seine Fe-
ste, Bachanalien genannt, in den heutigen Kirmefsfesten,
"VYurstschmäusen, so wie in den, dem christlichen Ernste
so sehr Abbruch thuenden Sylvester- Debauchen ihren
Refrain und ihre moderne Modification haben, so finden
wir sie, obgleich etwas verändert, doch auch in dem re-
ligiösen Glauben und in der religiösen Sitte der Slaven
und anderer Völker. Wir finden dieselbe Idee in dem
Curch oder Curcho der Litthauer und Preulsen, in dem
Crodo der Saal- Wenden, zum Theil auch im Arconai-
schen Swautowit ^ (Erndtenspender), vorzüglich aber iui
russischen Chors oder Korsch, welcher Letztere nackend,
dick aufgedunsen, mit einem Kran/.e von Hopfenlaub und
auf einena umgestürzten Fasse sitzend, abgebildet wurde,
4 Die in den höheren Gegenden Asiens und Europa's leben-
den Slaven sprachen höchstwahrscheinlich Swonzowitsch statt
Swantowit, so wie nach jetzt ein Theil der Slaven kurit
(rauchen) twarit (bauen) bit (schlagen) statt kuricz, twaricz,
bicz spricht. Die in der Sprache vieler Slavenstämnie hau
fig vorkommenden Zischlaute charakterisiren diese Stämme
als Slaven, d. h. als Hochwohnende, Gebirgsbewohner. Der
It-Dialect (der Pommern ,^ Linonen u. s. v/.y bildet mit dem
Itsch-Dialecte (der Daleminzen, Böhmen, Polen u. s. w.)
ohngeführ denselben Gegensatz, in welchem jetzt die Sprech-
art der Göttinger, Berliner u. s. w. (Spalte, Stunde, Stadt
u. s. w.) zu der Sprechart der Zittauer, Cliemnitzer u. s. w.
(Schpalte, Schtunde, Schtadt etc. ) steht. Die fast zwingen-
den Ursachen, die diesen Gegenstand erzeugt haben, sind
sdioi) oft beleuchtet wordei^.
— 310 —
(vergl. meine Skythika p. 134) und dem man an seinen
P'esten (Erndtefesten) , die in Skythien, wie Herodot be-
richtet, mit bachischer Wuth gefeiert wurden, Bier und
Meth zum Trankopfer darbrachte. Von diesem späteren
slavischen , vorzüglich aber griechischen und römischen
Bachus, der die spätere sittlich depravirte Welt repräsen-
tirt, war aber der frühere, ursprüngliche Bachus sehr
verschieden.
Dieser Bachus war der Inbegriff der ersten , einfa-
chen, edlen Sonnen- und Mond-Religion, die so bedeu-
tend die Cultur des Erdbodens beförderte, die nicht zu
Angriffs- sondern nur zu Vertheidigungs-Kriegen ermun-
terte, Unrecht aller Art verabscheute und rügte, den
Sterblichen einen unschuldigen Freudengenufs gern gönnte
und die es sogar den Menschen zur Pflicht machte, die
gütige, segnende Gottheit an ihren Festen nicht nur
durch den Genufs der besten ihrer Segnungen, sondern
auch durch freudige Hymnen und seelenvolle Tänze zu
verehren.
Aus Rücksicht auf diese letztere Verpflichtung schrieb
ohnstreitig auch die griechische Pxeligionslehre die Erfindung
des Trauer- und Lustspiels dem Bachus zu. Wahrschein-
lich hatte sich die edle wohlthätige Naturreligion , (der
frühere Bachus) die diesen Namen in einem besonderen
Grade verdient, weil ihre Beziehungen vorzugsweise, die
Cultur und die Producte der Erde betreffen , und deren
Charakter zum Theil auch Hercules in seinen '^Qyoig und
Ttcige^yois darstellt, mit den von Osten nach Westen zie-
henden Völkerzweigen von Indien, diesem Lande der
ersten geistigen, religiösen und technischen Cultur, in
den Abendländern verbreitet, (es ist eine Anmafsung der
Griechen, dafs sie den Bachus aus Europa nach Aegyp-
ten, Syrien und Indien ziehen lassen,) mufste aber spä-
terhin, als der mehr politisch und metaphysisch gestal-
tete Religionscultus den Vorzug erhielt, zum Mindesten
in den Südländern Europa's in den Hintergrund treten.
— 311 —
Indefs hatte sich dieselbe auch in den späteren Zei-
ten bei den mehr bei der ersten Natureinfachheit ver-
bliebenen, der Cultur des Erdbodens so wie der Vieh-
zucht obliegenden, Slavenvölkern in hohen Ehren erhal-
ten und deshalb wurde der Name Bog, Bak (Bach) bei
den Slaven zum Gattungsnamen erhoben, dem der spä-
ter inlroducirte christliche Monotheismus seine jetzige
prägnante Bedeutung verlieh.
Obgleich das Wort Bog in der kirchlichen Sprache
der slavischen Heiden späterhin zur Bezeichnung irgend
einer, sowohl männlichen als auch weiblichen Gottheit
gebraucht wurde, und gebraucht werden konnte, weil es
nicht allein für die Zeit, wo androgynische, sondern auch
für die, wo gynandrische GoUerbildungen gewöhnlich
waren, pafste (o kki tj ^eog), so kommt doch auch in der
slavischen Mythologie das, nur eine rein-weibliche Gott-
heit andeutende Wort bek vor, z. B. in Trzibek der
Tschecharen oder Böhmen.
Aber nicht blos in der rein religiösen Bedeutung
begegnet uns das Wort Bog, Bach, Bak, Bud, Wod, son-
dern dasselbe bezeichnet auch profane Dinge, z. B. den
Bewohner einer Anhöhe, eine Stadt, einen Flufs u. s. w.
Zwischen dem Worte Bog iiTi rein religiösen Sinne und
zw^ischen dem in profaner Bedeutung steht dasselbe Wort,
wenn es einen Priester oder einen Fürsten bedeutet. Die
Priester und Fürsten nämlich, welche die Staaten gemein-
schaftlich regierten und beschützten , waren , nach dem
Glauben des Alterthums, nicht gewöhnliche Menschen,
sondern Lieblinge, Söhne, Repräsentanten der weiblichen
(vorzüglich Priester) und der männlichen (Fürsten) Lan-
desgottheiten.
Unter den Priesternaraen findet sich jedoch, so viel
ich weifs, keiner, dem das Wort Bog einverleibt ist. Da-
gegen begegnet uns das Wort Bud, welches ohnstreitig nur
eine andere Form des Bog ist, in mehreren priesterlichen
312
Namen. Butii (Butios) wurden die heidnischen Priester
auf den westindischen Inseln genannt und Budstikke
hiefs bei den Dänen der, die oberrichterliche Würde der
Hohenpriester andeutende, Stab oder Zepter, der bei den
Preufsen den Namen Criwule und bei den Nordwenden
Criwula, das von Criwe oder Criwy, d. h. der Göttliche,
Priester abgeleitet ist, führte. Bemerkenswerth ist es, dafs
noch jetzt die an der Nordseite des Atlasgebirges woh-
nenden arabischen Völkerschaften, eine Classe von from-
men, von dem göttlichen Geiste inspirirten Menschen
Morabot, Marabut uud Marebout nennen. Der Name
Marabut ist aus Mara, d. h. hoch und But entstanden.
Marabut bezeichnet aber nicht einen gewöhnlichen Iman,
der in der Dschamie fungirt, sondern einen inspirirten
Propheten Gottes, einen Heiligen. Diese Heilige (Mara-
but) haben in ihrem Leben einen erofsen Einflufs auf
das Volk. Aber auch nach ihrem Tode wallfahrtet man
zu ihren Gräbern, und zur Zeit der Gefahr und Nöth
implorirt man ihre Hülfe. So befahl der letzte Dey von
Dschesair (Algier), als ihm im Jahre 1830 die französi-
sche Invasion drohte, dafs seine Minister zu verschiede-
nen Grcbstätten der Morabots, oder Marabuts wallfahr-
ten, und dafs sie an denselben nicht nur Schaafe und
Rinder opfern, sondern auch an die Armen, die sich da-
selbst in groiser Menge einfanden , Geld austheilen soll-
ten. Das Volk von Algier aber betete inbrünstig zu den
durch Wnnderthaten ausgezeichneten verstorbenen Mora-
bots Sidi-Abdelgader, Sidi-Abdrachman und vorzüglich zu
Sidi- Weled-Dede, dafs sie ihr Land und ihre Stadt vor
den Franzosen schützen möchten, wie sie dieselben schon
Öfters vor andern Feinden geschützt hätten.
Obgleich aber das Wort Marabut gegenwärtig bei
den africanischen Arabern und bei den Kabeili (Kabylen)
bisweilen einea frommen Menschen bezeichnet, der au-
Iser dem priesterlichen Orden lebt, so ist es doch mehr
als wahrscheinlich, dafs dieses Wort früher die Bedeu-
tung eines Oberpriesters hatte, der die Gottheit, der er
— 313 —
diente, repräsentirte, und in welchem diese Gottheit auf
eine besondere Weise wohnend und vvaUend g;edacht
wurde. Das Wort But oder Bud ^ konin:it demnach bei
den afrikanischen Arabern in einem speciellern Sinne
vor, als bei den asiatischen Arabern, bei welchen es ein
jegliciies Idol bezeichnet.
In den alten Fürstennamen kommt das Wort Bog
nicht in der reinen, sonderen in der Nebenform, in wel-
cher es Boch Idutet, vor. In dieser letzteren Form findet
es sich in Teutoboch (us), dem Namen eines Königs
der Teutonen, den der römische Feldherr Manus in der
grofsen Schlacht bei Vercelli, in welcher er die Cimbern
und Teutonen überwand, gefangen nahm. Es ist unbe-
zweifelt, dafs das boch in Teutoboch das jetzige slavi-
sche Bog ist. Weniger gewifs ist es aber, ob das boch
in Teutoboch nur so viel als König (Teutonen -König,
Herrscher) bedeutet, oder ob ihm eine andere Bedeu-
tung eigen ist. Diejenigen, welche behaupten: dafs Teu-
toboch so viel bedeute, als Teutonen -Beherrscher, mei-
nen: es sey nichts natürlicher, als dafs das Wort Teu-
toboch einen König der Teutonen bezeichne, weil der
von Marius in Triumph aufgeführte Teutoboch Könio^
der Teutonen war. Es sey hier eine Wortverbindung,
die der ähnlich ist, wenn die Griechen sagten: Perser-
könig und wenn wir jetzt sagen: Sachsenkönig, Preus'-
senkönig u. s. w.
5 Bud (Bu, Buh) Iiat die Bedeutung eines Berges, einer An-
höhe in dem Tibetanischen Provinz -Namen Butan, ( Ge-
hirgslaitd) im Stadtnameu Budissin , Budiveij, Bulak bei
Kairo etc. — Das Wort Bok, Buk,, in der Bedeutung Berg,
findet sich in dem Provinznamen Bukowina, d. h, Gebirgs-
land. Bus (gleichbedeutend mit bog, bok, bach) bezeich-
net in Cottbus, Priebus u. s. w. eine Stadt, in Schor-
bus, Trebbus ii, s. w. einen grolsen Ort, ein grofses
Dorf.
— 314 —
Indefs scheint mir diese Behauptung doch keines-
weges so begründet zu seyn, als man gewöhnlich glaubt.
Es war nämlich im Alterthurae nicht gewöhnlich , dafs
sich ein König nach dem Namen seines Volks nann-
te, sondern er führte immer den Namen der Gottheit,
deren Repräsentant er war. Mit mehr Grund kann man
daher annehmen: dafs Teutoboch so viel hiefs, als Sohn
des Teut, oder Gottessohn, was der Kriegsanführer der
Teutonen auch nach dem alten religiösen Glauben in
der That war. Das Wort Teut, welches bei den Kelten
(Galliern) Dies (Di -eh), bei den Römern Deus, bei deiji
Griechen Zsvg lautete, bedeutete bei den Teutonen son-
der Zweifel Gott, ohne dafs man jedoch zugeben darf,
dafs die Teutonen, wenn auch ihr Anführer den ihm
gebührenden Namen : Mondeott, Gottessohn, Gottes sicht-
barer Gott führte, die Göttlichen, von Gott Stammenden
geheifsen hätten. Der Name der Teutonen bedeutet,
den Regeln der Ursprache und dem Gebrauche anderer
Völker in den Bildungen ihrer Namen zufolge, Men-
schen, die zum Theil in niedrigem (teu), zum Theil in
höheren (ton) Gegenden lebten, die aber doch im Gan-
zen oni oder onen d. h. Niederländer waren,
Dafs Teutoboch nicht schlechthin Beherrscher der
Teutonen hiefs, erhellet ferner daraus: dafs der König
der Nitiobriger, der mit dem Vercingetorix gegen die
Römer focht, den Namen Theutomarus (teutomar) führ-
te, obsleirh er nicht über Teutonen herrschte. Die Syl-
be mar hat ohnstreiiig mit Boch oder Bog dieselbe Be-
deutung^ und d.is ganze Wort Theutomar oder Teutomar
kann man durch Mondgotts- (sichtbarer) Gott, oder durch
Erhabener, Eiböheter, Herrlicher der Gottheit übersetzen.
Das boch in Teutoboch und das mar in Theutomar hat
mit dem seus (^svg) in Theseus und Pevseus (Mondgott),
mit dem slavischen las oder laus (Mondgott, Gott), mit
bal in Hannihal, mit car in Hamilcar, mit bod (bud)
in Marobod u. s. w. ganz dieselbe Bedeutung. Das theus
nnd das dasselbe bedeutende thous in den noch wenig
-^ 315 —
erklärten Namen Prometheus (hcJchstwahrscheinlich ein,
sich dem späteren griechischen Religionsglauben opponi-
render, Sonncncultus [por-om] der zweiten Religionspe-
riode bei den thracischen und kaukasischen Völkerschaf-
ten) und Pirithous (Mondgott) sind später angehangen,
wie das bog in dern russischen Worte Stribog,
In der profanen Sprache hat das Wort Bog, Boch,
Bok, wie schon erwähnt, verschiedene Bedeutungen. Es
bedeutet erstlich Menschen, die auf Anhöhen, oder auf
bergen von mittlerer Gröfse leben. In dieser Bedeutung
begegnet uns das Wort in dem Namen einer germanischen
Völkerschaft, die am Oberrheine wohnte und die sich Tri-
bocci oder Tribochi nannte. Manche haben gewähnt, dafs,
das Wort aus dem slavischen Zahlworte tri (tfsi, tres) und
aus dem Wor'e Bog oder Gott zusammengesetzt sey, und
dafs es ein Volk bezeichne, das drei Götter, oder einen
Triglav, verehrte. Diejenigen aber, welche dies behaup-
ten, irren sich eben so sehr, als diejenigen, die den Na-
men Tribochi durch try Buken (drei Buchen) überse-
tzen zu müssen glauben.
Die Sylbe tri (tir) bezeichnet nämlich eine Gegend,
die mit ziemlich hohen Bergen , zwischen denen rauhe
Gründe liegen, bedeckt ist, und Bocci oder Bochi (ßo-
ken oder Bochen) bedeutet ziemlich hoch wohnende
Menschen, Ein i hat das Wort Tribochi deshalb in der
ersten Sylbe, weil weiter hinauf noch höhere, gebirgiaere
Gegenden liegen. Boken , Bochen (ziemlich Hochwoh-
nende) nannten sich aber die Tribochi deshalb, weil sie
in einer höheren Gegend ihre Wohnsitze hatten, als die in
der Gegend von Speier sitzenden Nemeten, deren Namen
man durch Bewohner niederer Gegenden, oder vorderer
Gebirge übersetzen kann, und der mit dem Namen Niem-
zy * (Nim-ezen) mit welchem gegenwärtig die Wenden
6 Der Name Niemzy ( Nim - izen ), mit welchem jetzt die S!a.
— 316 —
die Deutschen benennen, ziemlich gleiche Bedeutung
hat. Wirkliche Niederländer wurden Lin-onen, Liven
(li-even). Lybier, Latier etc. genannt.
Mit d^n Tribochen steht der Name Boog, Bok, Buk,
Bacb, welchen hie und da, vorzüglich in slavischen und
ehedem slavischen Gegenden, einzelne Individuen als Fa-
miliennamen führen, in einer und derselben Kategorie.
Diese Namen, die weder Gott noch einen Priester, noch
einen Bock ( caper), noch eine Buche (wendisch Buk),
noch viel weniger einen Bach (rivus) bedeuten, sondern
(ursprünglich) ein Individuum, oder eine Familie, die
auf einer mittelmäfsigen Anhöhe lebt, sind auf demselben
ven die Deut?clien benennen, bedeutet Niederländer oder
docli solche Menschen, die am Rande gebirgiger Gegenden
wohnen. Wahrscheinlich bezeichnete IXiemzy (nim-eten)
anfänglich eine besondere deutsche Völkerschaft, der wegen
des Teiraius, das sie bewohnte, der Name Niem-iy gebührte»
Späterhin wurde aber der Name als Coilectiv - Name ge-
braucht, wie von den Piöniern Germani und von den Fran-
zosen Allemanen (Hal-ma-anen, d, h. Hochwohnende). Die-
jenigen irren sehr, welche wähnen, dafs das Wort Niemzy
die Verachtung andeute, mit welcher die Slaven auf die
Deutschen geblickt hätten, und dafs es so viel heiffe, als
(moralisch) Niedrige, Niederträchtige, Verworfene, wenn
auch historisch nachgewiesen werden kann, dafs sich bei
de:v Slaven wie bei den Ungarn Spuren einer stolzen Erhe-
bung über die Deutschen finden , welche der ähnlich ist,
mit welcher manche Deutsche auf die ihnen doch in vielen
Stücken vorschreitenden Franzosen, vorzüglich aber auf die
Wenden, Polen, Russen, Portugiesen u. s. w. sehen. Noch
mehr haben diejenigen geirrt , welche die Behauptung auf-
gestellt haben: dafs der Name Niemzy ans nieme Psy, d.h.
stumme Hunde, mit welcher Benennung die Wenden die
Deutschen, weil sie ihre Sprache nicht verstanden, beehrt
haben sollen, entstanden sey. Dieser grobe Irrthum, der
nicht blos von Ungelehrten hundert Mal wiederholt worden
ist, kann nur mit demjenigen parallelisirt werden : dafs die
Deutschen ihre slavischen Nachbarn, die ihrer Sprache nicht
mächtig waren, stumme Wände (parietes) genannt hätten
und dafs aus dieser beschimpfenden Benennung der Name
der Wenden entstanden wäre.
317
Wege entstanden, auf welchem die Ortsnamen ihren Ur-
sprung: erhielten. So wie man einem jeden Orte, nach
Malsgabe der Beschaffenheit des Terrains, auf welclicm
und an welchem er lag, einen angemessenen, durch die
Gesetze der sogenannten Ursprache bedingten Namen er-
theilte, so gab man auch einem jeden einzelnen Besitzer
eines Weilei-s oder eines Hofes einen Namen, welcher
der Beschfiffenheit des Landstücks, auf dem sein Gehöfte
lag, entsprach. Auf diesem Wege entstanden die Namen
Karas (der auf einem Berge Wohnende), Golk (der auf
einem HügeL Wohnende), Linat (der lief Wohnende) u.
s. w. u. s. w. Wenn schon die Ortsnamen die Frucht
einer sehr accuraten Auffassung der eigenthümlichen Be-
schaffenheit des Erdbodens sind, auf welchem ein Ort ge-
legen ist oder ursprünglich gelegen war, so documentiren
die auf diese Weise entstandenen Familien -Namen doch
noch eine genauere Contemplation des Terrains, auf wel-
chem die Gehöfte eines (alten) Dorfs liegen. Man fin-
det noch jetzt in manchen Dörfern, wo die Namen der
Bauergüther stereotypisch geblieben sind, obgleich sie im.
Laufe der Zeit von Wirthen besessen wurden, die ver-
schiedene Namen führten, deutliche Beweise von dem ur-
alten Gebrauche, den Namen des Besitzers eines Gehöf-
tes nach der Beschaffenheit des Erdbodens, auf welchem
dasselbe gelegen ist, zu bilden. An vielen Ortpn ist aber
die in Rede stehende Entstehung der Namen der Gehöf-
tebesitzer nicht mehr durchgängig nachzuweisen, weil die
uralten Namen der Güther verloren gegangen und die
unpassenden Namen der späteren Besitzer auf sie über-
getragen worden sind, so, dafs ;eizt dort ein Linat wohnt,
wo ein Karas (kar oder gar-as) ein Nigebar, wo ein Han-
drosch (ein auf einer.kegelförmigen Anhöhe Wohnender), ein
Leschka (lesch-ak d.h. Thalbewohner), wo ein Kosak (f loch-
wohnender), ein Lipak, wo ein Raupach etc wohnen sollte.
Ueberdiessind auch in den späteren Zeiten, wo die Gewohn-
heit, die Familien nachder Bc5' haffcnheit der höheren oder
tieferen Lage der Höfe oder Weiler zu bilden, verschwand,
zu der Zahl der bedingten und noihwendigen Namen der
— 318 —
Gutsbesitzer sehr viele willkührliche gekommen. Vor-
züglich darf man da nicht mehr urahe, der Lage dei^
Höfe entsprechende Namen der Bauergutsbesitzer suchen,
wo eigensinnige Dynasten ihre Unterthanen gezwungen
haben, willkührliche Namen anzunehmen und wo der
neue deutsche , nicht auf festen Principien ruhende Ge-
brauch Eigennamen zu bilden (Lange, Grofse, Klein,
Junge, Mann, Haase, Fleischer, Löwe, Bürger, Starke,
Hund etc. etc.) herrschend geworden ist.
Die Familien- Namen der Adeligen sind zum gro-
fsen Theile von den Ortschaften, deren Besitzer sie wa-
ren, entlehnt.
So nannten sich die Herren (Besitzer) von dem Dorfe
Sinkwitz von Sinkwitz, die von dem Dorfe Pannewitz
von Pannewitz, die Dynasten von Möllendorf von Möl-
lendorf, die von Dohna von Dohna etc. obgleich sie frü-
her anders, z. B. Händler, Fleischer, Adler, Löwe etc.
heifsen mochten. Manche Adelige behielten (vorzüglich
in späteren Zeiten) ihren Familiennamen bei und Man-
che Neu-Adelige (vorzüglich in den neuern Zeiten) ga-
ben ihrem gewöhnlichen bisherigen Namen ein antikes,
vornehmes Colorit und verwandelten z. B. den Namen
Krause in Krausendorf, Krausenhof, Krausenfeld, Krau-
senthal, Krausenberg, Krausenburg etc.
Der profanen Sprache gehört ferner das, in der letz-
ten Sylbe des Stadtnomens Jüterbog oder Jüterbok vor-
kommende Wort Bog an, und nicht der kirchlichen, wie
man gewöhnlich glaubt. Jüterbok (bokk bogk und bock
ist spätere deutsche Schreibart und eben so wenig zuläs-
sig als Bac chus statt Bachus ) hat nämlich keinesweges
seinen Namen von Juter (Morgen- und Frühlings-Sonne
und von Bog, d. h. Gott, erhalten, sondern der Name des
Orts ist ganz nach den Regeln gebildet, nach welchen
man im Alterthume die Ortsnamen formirte. Ohnstrei-
tig lautete der Name Jüterbok anfänglich Juter oder Ji-
— S19 —
ter, welches Wort einen Ort bedeutet, der zum Theil
an einer sehr sanft aufsteigenden Anhöhe (Ji), zum Theil
in einer von einem Flusse durchschnittenen Ebene (t^r^),
im Ganzen ziemlich tief gelegen ist. Das Wort Bok oder
Bog wurde in späteren Zeiten an den Namen Jüter ge-
hangen, als der Ort grofs wurde und die militärische
Befestigung erhielt, die er zur Zeit hatte, als er von
dem Erzbischof Wichmann in Besitz genommen wurde.
Das slavische Bog in Jüterbog (Jüterbok) hat ganz die
Bedeutung des germanischen, eine Stadt, oder ein grofses
Dorf bezeichnenden Bach in den Ortsnamen Tambach,
Anspach, Lambach, Marbach, Culmbach, Rambach. Lau-
terbach etc. In der Feminal- Form , in welcher es ein
Dorf bedeutet, lavitet es Boka und Beka und begetmet
uns z. B. in Hohen -Boka und in Iser-beka (fälschlich
becca) bei Wittenberg. Hätten die Deutschen das alte
Jüter zu einer Burg gemacht, so winde der Name jetzt
höchstwahrscheinlich Jüterbach, Jüterberg oder Jüter-
burg lauten.
Im Allgemeinen ist zu tjemerken: dafs sich bei al-
len alten Völkern , welche lange Zeit dem Sonnen- und
Mond-Cultus treu blieben, insonderheit auch bei den
Germanen und Slaven, der usus gebildet hatte, die Na-
men der Dörfer und Städte ganz nach der Beschaffen-
heit des Terrains, auf welchem sie lagen, zu benennen.
Obgleich dieser usus auch früher in Aegypten, Italien
und Griechenland geherrscht hatte, wie man dies an vie-
len dasigen alten Ortsnamen sieht, so verschwand der-
selbe doch späterhin, als der moderne Fetischismus die
Menschen von der genauen Naturbetrachtung abzog, oder
doch, wie in Aegypten, dieselbe sehr modificirte, fast
ganz. Dafs die Juden dem diesfälligen Gebrauche nicht
7 Weil durch die Stadt Berlin ein Flufs fliefst, deshalb lautet
die erste Sylbe in dem Namen dieser Stadt her und nicht
bei.
S20
wie die heidnischen palästinensischen Völkerschaften, die
sie besiegten und ausrotteten, folgten, wird uns nicht
wundern , wenn wir eingedenk sind , dafs dieses Volk
nicht unter dem Einflüsse einer Naturreligion, sondern
einer besondern, von den Religionen aller andern Völ-
ker abweichenden, Religionsfonn stand. Indefs sind doch
auch sehr viele späterhin in jüdischem Lande vorkom-
menden Ortsnamen Producte des erwähnten alten Ge-
brauchs, und manche in Palästina zur Zeit der Entste-
hung des Christenthums uns begegnenden Ortsnamen hat-
ten ursprünglich eine ganz andere Bedeutung, als die jü-
dischen Gelehrten, welche die Namen der Orte ihres
Landes aus Unkunde der Ursprache nicht minder will-
kührlich interpretirten , als dies gegenwärtig bei uns ge-
schieht, z. B. mit Jäterbog, Berlin, Budissin, Erlangen u.
s. w. \t)rgaben, und viele bei uns als wahr recipirten
Erklärungen der jüdischen Ortsnamen , z. B. Nazareth,
Capernaum, Jericho etc. sind ohnstreitig falsch.
Wie willkührlich man jetzt bei uns die Namen für
die neuangelegten Orte bildet, dies ist bekannt. Vor al-
lem ist es aber bemerkenswerth , wie willkührlich die
Europäer jetzt bei der Benennung der von ihnen in
Amerika und Australien erbauten Orte zu Werke gehen.
Sie stehen in diesem Falle in einem vollständigen Ge-
gensatze mit den (alten) amerikanischen und australi-
schen L'^r-Ein wohnern, welche die Namen ihrer Berge,
Flüsse , Inseln und etwaigen Ortschaften ganz nach den
Regeln der sogenannten Ursprache bildeten.
Noch ist zu bemerken : dafs auch der Name der bei-
den russischen Flüsse Bog und Bug der Profan -Sprache
angehört. Dieser Name, der auch in dem Flufsnamen
Oyapok (bog, bok, bug) im französischen Südamerika
vorkommt, hat nicht eine religiöse Bedeutung, wie Man-
che gewähnt haben, wenn auch Traditionen darauf hin-
weisen sollten, dafs die ehemaligen heidnischen Anwoh-
ner der genannten Flüsse die ihnen von ihrer Religion
— 321 —
vorgeschriebenen heiligen Abluitionen hie und da in den-
selben verrichtet haben (vergl. Ganges, Nil, Jordan u.
s. w.). Der Name Bog (Bug ist von Bog in der Bedeu-
tung sehr wenig verschieden) bedeutet hier einen , in ei-
ner ziemlich hohen Gegend, die aber doch nicht so hoch
ist, als die, in welcher der von den Karpathen kommen-
de Flufs San flielst, strömenden Flufs, und er ist gene-
ris masculini, wie die Flufsnamen- Unstrut, Donau, Man-
dau, Amur, Maranhon u. s. w. In einer etwas abwei-
chenden Form begegnet uns der Name des Flusses Bog
in dem italischen Po (bei den Alten Pad-us, Pag>- Pog-
us), der ursprünglich aus Po und oh (von Bog ohnge-
fähr so verschieden, wie Boh von Bog) zusammengesetzt
ist. Bekannt ist es, dafs das deutsche Wort Bach (rivus)
mit dem slavischen Flufsnamen Bog auf derselben Na-
turanschauung des Allertliums und auf derselben Sprach-
wurzel ruht. Es bezeichnet einen von einem mittleren
Berge herabkommenden kleineren Flufs (Flüfschen) und
gehört mit Recht dem männlichen Geschlechte an, weil
alle Bache, insofern sie aus Quellen der Berge und An-
höhen entstehen, hochfliefsende Gewässer genannt wer-
den, können.
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